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MÜNCHENER _
MEDICMSCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT.)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ARZTE.
HERAUSGEGEBEN
CH.BÄUMLER, 0. B0LLIN6ER, H. CURSCHMANN, C. GERHARDT, W. v. HEINERE, 6. MERKEL, J. v. MICHEL, H. v. RANKE, F. v. WINCKEL, H. v. ZIEMSSEN,
Freiburgi.B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
KED1GIKT
VON
D R BERNHARD SPATZ
PRAKT. ARZT.
j
i
XLIII. JAHRGANG.
MÜNCHEN
VERLAG VON J. F. LEHMANN
1896 .
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I. Namen-Register.
(Die tctt gedruckten Ziffern bezeichnen Originalartikel.)
Abadie ...... 1150
Abigg-Danzig . . . 459
Abel-Berlin 234, 280, 300
Abel-Greifswald . . 622
Abelous-Paris ... 786
Acconci-Genua . . 458
Achard, Paria 1002, 1036,
1311
Achenbach-Marburg 824
Acz^l-Budapest . . 696
Adams-München . 38
Adenot-Paris . . . 1150
Adolph-Frankfurt a.M. 68
Ageron-Hamburg . 406
Ahlenstiel-Berlin . 662
Ahlfeld-Marburg 17,,62,136,
232, 326, 346, 561, 937,
1060, 1083, 1111
Albarran-Paris 811, 1150,
1174
Albere-Schönberg-Ham-
buig 17, 443
Albrand. 899
Albrecht-München . 1021
Alba A. 34, 162, 327, 348,
507, 1082
Alderson-London . 971
Alessandri-Rom . . 786 j
Alsberg-Hamburg 608, 758,
Alt-rchtspringe 107, 1147
Alt Wien ... 644, 1057
Althaus-Ivondon . . 874
Altnchoff-Moskau . 620
Alzheimer-Frankfurt 637,
1114
Amin-Rom .... 1031
Anders.... 257, 826
Amon-Kaisheim . . 1185
Anderson-London 214,857
Andry-Toulouae . . 986
Angerer-München 69, 256,
489, 553, 688
Antii*hievich-8.Pelagio 484
Apert-Paris .... 530
Apfelstedt . . 160, 585
Arloing-Paria . . . 530
Arndt Göttingen 596, 852
Arning-Hamburg 664, 1031
Arnold Heidelberg 417,526,
829
Arnozan. 937
Aron-Berlin 326, 853,1082
Aronsohn-Berlin 107, 778
Aseh-Breslau . 1059, 1060
Aschaffenburg 781, 1015,
1113
Aselier-Bomst . . . 854
Aschoff-Berlin . . . 323
Aschoff-Güttingen 160,688
Aseoli-Rom .... 167
Askanazj-Königsberg 134,
660, 1144
Aab-München . . . 114
Aobiueau. 691
Auerbach-Frankfurt 458
Aufrecht . . . 279, 709,
1279
Avellis-Frankfurt . 720 ]
Axenfeld. 1108 j n
Seite
Bach-Würzburg . . 900
Bachns-Jena . . . 243
Bähr-Hannover 280, 827,
506, 897
Baer-Frankfort a. M. 186,
1221
Bäumler-Freibuig 163,848,
655, 931, 1120
Badza-Haag .... 85
Baginsky A. 259,684, 1142,
1265
Baginsky B. ... 162
Baldewein-Rostock 778
Ballance-London . 214
Balzer-Paris .... 1081
Banks M. 867
Baqois-Livomo . . 956
Barabo-Nürnberg 40, 437,
1000
Baracz R. v. ... 595
Barbezat . ... 37, 1082
Barbier-Paris • . . 1222
Bard-Lyon .... 462
Bardenheuer-Köln 505,697
Barker-Baltimore . 757
Barlow-München 15,84,
137, 615, 619, 756, 1307
Barnick-Graz . . . 779
Bartelt.1175
Barth-Frankreich . 1175
Barth-Heidelberg . 1145
Barth-Köslin . . 402, 596
Seite
Bergkammer-Essen . 1083
v. Bergmann-Berlin . 1061
Bergmeister-Wien . 190
Bergonie-Bordeaux . 463
Berliner-Aachen . . 1195 ,
Berndt-Stralsund . 662
Bernhard-Berlin 793 1U9 Bonne
Bernhardt .... 107 | Bonne
Bernheim-Berlin . . 667 Borcha
Bernheini H. . , . 1261 1080
Bernstein, R. . . . 323 Boreliu
Bertarelli-Mailand . 1031 Borgen
Berte n-Würzburg . 1027 Borntri
Besnier-Paris . . . 806 Borst-V
Besold . ... 682, 1206 Bose .
Be^t-Giessen . . . 853 Bossali
Bettmann, S.-Heidel- Bosse-I
berg 1201, 1240 Botkin-
Betz-Heilbronn . . 61 Bottern
Beuttner-Genf... 161 den
Beyer, E.-Strassburg 18 Bouillv-
Bezold 83, 158, 217, 510, Bousqu
759, 1057 rand
Bial-Berlin .... 1263 Bozzi-E.
Bianchi-Florenz . . 989 Bozzolo
Biedermann, W. . . 321 Braatz 1
Biedert 182, 459, 638, 1025 Bräunin
1028 Braetz-F
Biedl-Wien . . 704, 1122 Brandei:
Biermer-Bonn . 258, 621 Brander
Biernacki-Warschau 653, Brandt?
1055, 1262 Braun v
Biesalski-Berlin . . 300 Braun-G
Bohm-Hamburg .
Bolin, H.-Hamburg
Boije-Helsingfors
Bollinger-München
1163, 1168
Bonhoff-Berlin . .
. 508, 1112
Baas-Freiburg .
Babes-Bukarest
' v. Basch . ... 40:
l Bastian-London . . 1271
) Bauby-Toulouse . . 1151
> Baudouin.1223
Bauer, C. 37
Bauer, L.-Budapest 107
1 Baumann, E. 33. 309, 393,
476, 659, 1153
Banmgärtner-Baden-Baden
483, 528
Bnumgärtner-Freiburgll69
v. Bauingarten . . 955
Baumüller-Xürnberg 1147
Bayer-Brüssel . . . 744
Bayeux-Paris . . . 734
Becher-Berlin 300, 433, 639
v. Bechterew-Petersburg
683
v. Beck-Heidelberg 235
Beck-.Vew-York 575, 957
Becker-München 369, 636,
851, 1079
Beckmann, W. . 401, 898
Becl£re-l’aris ... 90
Behring.1056
Beinhauer-Höchst . 902
Beissel-Aachen . . 85
Belfanti-Turin . . . 486
Beil-Glasgow . . . 605
Below-Berlin . 507, 960
Benario-Frankfurt . 366
Benda-Berlin 64, 435,1083
Benedikt-Wien 185, 994
Beneke-Braunschweig 37
Benjamin-Berlin . . 8S0
Bennecke-Marburg. 232
Bensaude-Paris . . 1002
Berg, G.-Frankfurt . 1192
Bergeat-München 782, 781,
872, 1188, 1300
Bergeat-Tiibingen . 346
Berger-Coutras 462, 1123
Berger-Dresden . . 758
Bergh, R. S. . 702, 726
405
Billard Paris
. . 785
1271
Billinger-München . 808
1151
Billroth . . .
. . 276
1223
Binet-l’aris .
. . 1149
37
Binz-Bonn
351, 987
107
Biondi-Berlin
. . 577
, Biondi-Freiburg . . 209
Blachstein, A 1067, 1100
Blascbko-Berlin 435, 484,
1031
Blasius E.1307
Blauberg M. . . . 1239
Blendel-Paris . . . 1222
Bleuler 323, 525, 575, 803,
851, 896, 1271, 1307
Bliesener-Köln . . 829
Bloch-Freiburg 63, 1057
Bloch-Kopenhagen . 856
Bloch-Nürnberg . . 1146
BIoku.se wski . . . 708
Blum-Frankfurt 406, 663,
993, 1099
Blum-Leipzig . . . 898
Blurnenau, M. . . 85, 623
Blumenthal-ßerlin 873,
1144
Blumreich, L. . . . 375
Boas-Berlin 86, 159, 187,
932, 1020
Bocci-Turin .... 899
Bockhorn-Uehtspringe
1147
Bode, K. ... 824, 459
Bode, W. 828
Bodon-Budapest . . 1112
Boeck .... 707, 1030
Böhm-Neuulm . . . 276
van Bömmel-Menden 63
Boer-Berlin . . 622, 1215 ]
Börger-Greifswald 210, 469 1
Boettiger-Hambg.185, 1266
Bogdanik-Biala . . 597 ]
Bohl-Porpat 506, 777, 889
Bohland-ßonn . 62, 326 I \
»7 I Bonnet-Greifswald . 18
7 Borcliard-Königsberg 636,
1 1080
3 Borelius-Karlskrona 525
1 Borgen-München . 134
7 Bornträger-Danzig 766,1079
6 Borst-Würzburg . . 134
B Bose . . . 667, 762, 1002
3 Bossalino-Turin . . 532
Bosse-Berlin . . . 958
Botkin-Petersburg . 1082
l Bottermund, W.-Dres-
1 den 1190
1 Bouilly-Paris . . . 1150
, Bousquet - Clermont • Fer-
rand.1174
' Bozzi-E. . . . 209, 1145
1 Bozzolo. 804
Braatz E. . . 36, 186, 578
Bräuninger-Basel . 208
Braetz-Halle .... 852
Brandenburg-Berlin 185
Brandenburg-Trier . 185
Brandt-Magdeburg709,12l7
Braun v. Fernwald 852
Braun-Göttingen 598, 967
Braun-Leipzig . . 505, 599
Braun, L.-Wien . . 1245
Brauser 11, 263, 256, 367,
432,478,804,826,846,1198,
1262
Brayton. 836
Breitung-Coburg 166, 792
Brennecke-Magdeburg 877,
1172
Brentano-Berlin . . 637
Bresgen M. 503
Bresler-Freiburg i. Schl. 875
Breuer J. 524
Breuer, R. Wien . . 1214 1
Brian. 646 1
Brieger 504,622, 1057,1215, I
1263 <
Broadbent-Manehester 971 (
Broea.1150 (
Sette
Bühring-Magdeburg 648
Büngner-Hanau . . 598
Bürkner-Jena . . . 1067
Bugge-C'hristiania . 1146
Buka-Charlottenbuxg 1112
Bukoärasky-Petersburg 298
Bnlius-Freiburg i. B. 637,
1032, 1089
Bulling-München 474, 779
Bultwingslöwen C. v. 1239
Bum Wien 140,1188,1195
Bumm-Basel 14, 298, 727
1263
Burger F.-Giessen 226, 696
Burger H. 185
Burckhard-Zürich . 638
Burian-Wien ... 183
Burkhardt-Müncheu 575,
577, 638, 830, 1021, 1144
Burmeister-Berlin . 1110
Burot-Paris .... 386
Busch.1238
Buschbeck-Dresden 17
Busley-Kiel .... 904
Busse-Greifswald 576, 830
Bussenius-Berlin 347,1240
Buttersack-Hanau 183,295,
297, 323, 487
Bver8-Belfasf . . . 881
Brocq.. . 706
Brocy. w 59
Bröse-Berlin .... 2 )9
Brohl-Köln • . . . 432
Brooke-Manchester 832
Brosch-Wien . . . 576
Brouardel.1168
Browicz-Krakau . . 1082
Bruce. 971
Bruck A.85, 210
Brückner M. ... 1109
Bruglocher-Scbweiufurt868
Brunner-München . 112
Brunner-Münsterlingen286
Brunner-Zürich . . 63
Bruns-Hannover. . 233
Bruns-Tübingen 210, 346,
628, 704, 878, 930, 1169
Bubis. 439 |
Buchbinder . . . 505
Büchner, H. 35, 595, 611,
712, 928
Budberg-Boeninghausen
232, 506
v. Bügner-Marlnirg . 1144
9 Cadiot Paris ... 22
5 Cahen-Köln .... 987
[, ('ahnheim-l)resdem 1220
j, Calmette-Lille . 190, 937
Calot. 348, 1161
6 Camerer-Urach 853, 1024
| Cameron-Glasgow 881, 907
, Campana-Rom 907, 936,
1031
! Campbell-Bradford. 908
S Canon-Berlin . . . 105
i Cantegrel. 359
[ Cantü. 785
Capmau-Paris . . . 1094
Cappeler-Christiania 595
Carlier-Lille .... Il74
Camot-Paris . . . 762
Caro-Berlin .... 661
Carossa-Pilsting 129,1187
Carrien-Montpellier 938
Cartaz. 463
Caspar- Berlin . . . 600
Caspary-Königsberg 1221
Casper-Berlin . 433, 680
Cassel-Berlin . . . 408
Cassirer-Berlin 1057, 1238
Castex.1150
Catoin. 22
Catois-Caen .... 462
Catrin-Paris .... 1149
Cautley. 326
Cazal-Paris ... 22, 644
Chantemesse 43, 191, 605
Charcot, J. M. . . . 896
Charpentier .... 487
Charrin-Paris . . . 762
Chauffard .... 42, 532
Chazan, L. ... 805
Chelmonski-Warschau 660
Childe, L. F.1123
Chlopin, G. W. . . 1238
Chotzen, F. 638
Chrobak -Wien 298, 506,
526, 1245, 1259
1*
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IV
1NHALTS-VERZEICHNISS.
1896
Belte
v. Chrzanowski . . 898
Ciarrochi-Rom . . . 1031
Ciechanowski 8t. . 804
Citron-Berlin . 875,1186
Claisse. 692
Classen . . . 1175, 1257
Claus A.525
Clessin-Egenhofen . 150
Cnopf sen.-Nürnberg 643,
714
Coester-Goldberg . 901
Cohen -Kysper 601,665,1112
Cohn-Adlershof . . 682
Cohn-Berlin . . 809, 1029
Cohn H.-Breslau . . 1057
Cohn-Hamburg . . 664
Combemale . . . 487
Combes.1150
Comby 359, 463, 627, 644,
938
Conitzer.1809
Conrads-Essen . . 1112
Cooper A. 878
Cordes-Friedrichshainl082
Cordua-Hamburg . 557
Costa-Genua . . . 532
Cotterell, E. 878
Courmont-Paris . . 530
Cr&mer-Mfi neben 587, 603
Cramer-Göttingen 321,1169
Cramer-Heidelberg 211,783
Cramer-Köln 160, 279,599
Credo-Dresden 554, 1081
Cripps-London . . 303
Crocker-London . 936
Crocq .... 781, 808
Crohn-Halberstadt . 402
Czempin-Berlin . . 208
Czerny-Breslau . . 483
Czerny-Heidelberg 241,375,
509, 698
D.
Däubler-Berlin . . 210
Dahlgren . . 279, 576
Dahlfeld.1261
Dahmen-Crefeld . . 800
DalchAParis 559, 644, 690,
1149, 1222
Danilewsky-Charkow 299
Dapper-Frankfurt . 661
Darier-Paris .... 282
Dauber-Würzburg 134, 989
David.1190
Decherf. 348
Degen-Fürth ... 72
Dehio-Dorpat . . . 898
Delagenibre .... 1151
Delbet-Paris . . . 831
Del^pine-Manchester 937,
1094
Delezenne-Paris . . 1002
Delorme . . . . 213,1160
Demateis-Turin . . 785
Dennert-Berlin . . 1057
Deinons . . . 1123,1156
Denig-Würzburg . . 510
Denig&s . . . 938
Denison-Strassburg 346
Depage-Brüssel . . 1150
Deroyer-Paris . . . 1222
Desnos.1150
Despagniet . 691, 1223
Determann-St. Blasien 258
Deucher-Bern . . . 660
Deucher-Frankfurt . 1214
Deutschmann-Hamburg
19, «4, 211, 602
Deycke-Hamburg . 436
Dieballa-Budapest 664,
1055, 1189
Dieulafoy-Paris 762,1149
Dietrich .... 704, 901
Dinkler-Heidelberg 513
Dionisi-Turin . . . 486
Dipper, F.1248
Dittmer-Hannover . 258
v. Dittel jun.-Wien . 85
Doederlein-Chicago
8eite
976
Dörrenberg-Soest .
931
Dohrn, R. . . . 374,
401
Donald, A.
881
Donat, J.
182
Donath-Budapest .
1021
Dornblüth-Rostock .
188,
1055
Dougall-CanneB . .
856
Dräer-Königsberg .
433
Dräsche-Wien . . .
357
Drescb er-Magdeburg
731
Drews-Hamburg . .
575
Dreyfuss-Strassburg
761
Dreysel-Leipzig . .
1056
Drobnik.
728
Dronke .
896
Drummond,D. . . .
835
Drysdale-London 261
970,
1031
Dubat.
1309
Dubois, L.
938
Dubreuilb-Bordeaux
832
1030
Duchenne-Paris . .
1122
Duck worth-London
784
Dührssen-BerUn 347,
551,
1112, 1215
Düms-Berlin . . .
459
SDürck-München . .
848
v. Düring, E.
345
Dumontpallier-Paris
303
Dumstrey-Leipzig .
458
Dunbar-Hamburg 65, 622,
683
Dunin.
1094
Durham.
885
Dwofak.
21
E.
Eberhart-Köln . 280,
1089
Eberle-München . .
575
Kberrnann-Göttingen
728
Eberson.
1312
Ebstein-Göttingen 233,324,
374, 830
Eckardt-Bonn ... 729
Eckstein-Teplitz . . 621
Eden-London . . 90,531
Edinger-Frankfurt759, 991,
1235
Egger-Basel .... 1097
Eger-Berlin .... 831
Ehlich-Wien . . 872
Ehrenfest-Wien . . 684
Ehrhardt -Freiburg . 804
F.hrliurdt-Köuigsberg 1170
Ehrich-Rosfock 693,1169
Ehrmann-Wien 1148, 1219
Eichel-Strassburg . 257
Eichenwald . . . 848
Eichhorst II. . 13, 1263
Eiertnann . . 927, 1187
Eigenbrodt-Leipzig . 505
Eijkmann-Batavia . 325
v. Eiseisberg-Königs¬
berg 527
Elkind-London . . 805
Elsner-Berlin . . . 622
Emanuel-Berlin . . 401
Embden-Hamburg 65, 328
1309
Emmerich-Nürnberg 1059
Enderlen-Greifswald 506,
637, 72>,
Engel-Berlin . . 84, 664
v. Engel-Brünn . . 258
Engelmann-Hamburg 260
Englisch-Wien . . 42
Engström-Helsingfore 62, ,
135
Epstein-Berlin . . . 759 '
Epstein-Breslau . . 483 j
Epstein-Prag . . . 1022 I
Epstein-Wien . . . 482 I
Erb-Heidelberg 109, 280, I
618, 757
Seite
Erbmann-Wien
184
Erdheim-Wien
346
Ernst-Heidelberg
642,
1220
Escherich-Graz
332,
706
Eschle-Freiburg
188,
, 811
v. Esmarch . .
528
Esser-Altona .
298
Etienne ....
938
Ettinger-Dresden
17
Eulenburg-Berlin
507,
624,
684, 778, 1171
Even-London . .
1174
Eversbusch-Erlangen 167,
185
Ewald-Berlin 64, 234, 376
Ewald-Strassburg 37, 992
Ewald-Wien .... 634
Ewart-London . . . 970
Ewetzky-Moskau . 757
Exner-Wien ... 67, 303
Eyff. 621
F.
Fabricius. 160
Fahrenbach .... 1080
Faisans-Paris . . . 191
Faisst-Tübingen . . 346
Falcao-LisRabon . . 833
Falk-Schupp-Soden 808
Falkenbeim - Königs¬
berg 1029
Falta-Szegedin . . 460
Farner-Bem .... 325
FavT-Oharkow . . . 576
Favre. 37, 1082
Federn-Wieu . . . 990
Fedorotf, J. 637
Fehling-Halle . . 639, 729
Feibes - Aachen 551, 879,
1031
Feldmann, G. . . . 1145
Fermi-Kom .... 1264
Fernet-Paris . . . 213
Ferrari, G. C. . . . 781
Fessler-Münehen . 201
Fest-Plane Iload . 1112
Feulard-Paris ... 907
Feustell, K. 483
Fevrier-Nancy . . . 1150
Ficker-Breslau . . 683
l'ilatow. 574
Filehne-Breslau 233,1214
Fileti . . .... 707
Fincke-IIalberHtadt528,778
Finger-Wien . . . 1307
Finkelsteiu-Berlin . 685
Finotti-Innsbruck . 106
Firbas-Graz .... 483
Fischer-Berlin . . 344,432
Fischer-Kiel 111, 232, 876
Fischer-Strassburg . 728
Fischer-Wien . . . 1148
Flaischlen-Berlin . 1110
Flatau-Berlin . . . 435
Flatau-Nürnberg 41, 66,
182, 280, 412^ 829, 1000
Fleclisig-Leipzig 758, 990
Fleiner-Heidelberg . 990
Flemming-Kiel 281, 784
Flesch-Frankfurta. M. 1308
Flockemann-Hamburg 708
Flöcl, O.-Coburg . . 1192
Foges-Wien .... 261
Fontan-Toulon . . 1150
Forel-Ziirich . . . 574
Forgue-Montpellier 1123
af Forselles .... 36
v. Förster-Nürnberg 1147
Foss. 84
Fothergill. 882
Fouruier-Paris 166, 1122
Fränkel,A.-Berlin685,1021,
1090, 1112, 1240
Fraenkel-Halle . 902, 987
Fraenkel, E.-Hamburg 27,
38,106,109,665,813,999,
1241
Frankel-Wien ... 476
Seite
Frank-Berlin . . . 1090
Frank-Kirchheim . 474
Franke- Braunschweig 257,
326, 505, 804
Franke-Hamburg 800, 410
Frankenburger-Nürn¬
berg 41, 1000
v. Franquö-Würzburg 705
Fredeli . ... 1247
Frenkel-Heyden 460, 899
Frenkel.-Paris . . . 899
Frentzel-Berlin . . 1091
Freud-Wien .... 524
Freudenberg, A. . . 107
Freund-Breslau . . 35
Freund, H.-W.-Strass¬
burg 705, 831, 1058
Freund, W. A.-Strass-
burg 997
Freund-Wien . . . 482
Frew.836
v. Frey-Leipzig 322, 373,
505, 703
v. Frey, R.-Prag . . 1169
Frey er. 622
Freytag-Magdeburg 685
Friekenhaus . 396, 408
Friedeberg-Magdeburg 506
Friedenwald-Baltimore 460
Friedheiin-Leipzig . 505
Friedlitnder-Wiesbaden
623
Friedmann, M. . .
230
Friedrich-Budapest .
433
Friedrich-Leipzig 605, 777,
1080
Friedrich -W ürzburg
809
v. Frisch-Wien . .
413
Fritsch-Bonn . 346
933
Fronhöfer-Berlin
662
Fuchs, E..
345
Fürbinger-Berlin 18, 36, 38,
639, 899, 1082
Fiirstner-Strassburg
638
Fürth-Freiburg . .
669
Füth-Koblenz . . .
874
Fuhr-Giessen . . .
1166
Fusari-Bologna . .
532
Futeher-Graz . . .
986
«.
Gabbi-Messina . .
1145
Gade-Cbristiania . .
639
Gaertig-Breslau . .
487
Gärtner-Jena . . .
664
Gärtner-Wien . . .
1219
de Galatz-Bukarest.
1031
Galeotti, G.-Florenz
1190
Gans-Karlsbad . .
404
Garrod-London . .
645
Gatti-Turin . 638,
1189
Gaucher-Paris . . . 833
Gaule-Zürich . .459,577
Gebert-Berlin . . 1021
Gebhard C.-Berlin 17,1109
Geigel-Würzburg 333, 400
Geiger-Landstuhl . 43
Geissler-Berlin 577,1237
Gensichen-Berlin . 1264
Gerhardt - Berlin 880, 467,
506, 897, U65
Gerhardt - Strassburg 183,
481
Gerlach-Poltawa . . 660
Geronzi-Rom . . . 387
Gerota-Berlin . . . 576
Gerstenberg .... 1189
Gerster-New-York . 830
Gersuny-Wien . 62, 1173
Gessner-Bamberg . 1271
Gessner-Berlin 62,105,161,
298, 458, 596, 621, 805,
829, 852, 926, 1110, 1112,
1307
Geyl. 5%
Ghillini-Bologna . . 662
Gibbon Fitz . . . 878
Gilbert . . 22, 1122, 1168
Seite
Gillert, E. 622
Girard.1150
Girode.1168
Giulini-Nürnberg 302, 733
Gläser-Hamburg . . 661
Glaevecke Kiel . . 852
Glöckner-München. 575
Glogner-Liegnitz . . 1144
Gluck-Berlin 64, 347, 706,
899
Glücksmann-Stuttgart 98,
897
Gocht-Hamb. 483,1062,1265
Goebel-Barmen . . 106
Goebel-Berlin . . . 135
Goebel-Hamburg 408, 684
Göcke, P.-Marburg 1214
Goenner-Basel . . . 705
Goepel-Leipzig . . 505
Goering, II.1240
Göppert - Heidelberg 1020
Gördes-Münster . . 458
Görl-Nürnberg 412, 1000
Göschel-Nürnberg 418, 733
Goldberg-Köln . . . 1020
Goldberger-Budapest 729
Goldmann - Freiburg 346,
1153
Goldscheider . 135, 872
Goldscheider - Berlin 436
Goldschmidt-Madeira 115
Goldschmidt-Münchenl34,
880
Goldschmidt-Nürnberg 714
Gombault.1248
Gomez-Palermo . . 487
Gomperz -Wien 644, 875
Gonin-Lausanne . . 1145
Gottlieb - Heidelberg 347
Gottschalk-Berlin 64,
160, 401, 433, 487, 627,
852, 1087, 1240
Gottstein-Berlin 888 , 433,
668, 987
Gottstein-Breslau 778,1021
Grabowcr-Berlin . . 1240
Graefe-IIalle . .705,1109
Graefe-Leipzig . . . 505
Graetz-München . . 499
Graetzer-Sprottau . 1164
Grüupner-Naubeim . 778,
1171
Graf-Köln. 899
Graf-Marburg . . . 1144
Graff-Hamburg 432, 1171
Graser.1197
Grainger Stewart . . 810
Grashey-München . 780,
1083
Grassmann, K. 187, 807,
280, 300, 326, 347, 373,
375, 402, 433, 483, 507,
527, 551, 577, 596, 620,
623, 635, 638, 663, 684,
706, 729, 756, 757, 758,
777, 778, 828, 851, 875,
896, 899, 927, 957, 987,
1020, 1021, 1055, 1079,
1083, 1109, 1112, 1143,
1145, 1170, 1191, -1215,
1240, 1307
Grawitz-Berlin . 299, 318
Grawitz-Greifswald . 623
(ireeff-Berlin . . 507, 875
Greif-Serkowitz . . 778
Greift'enhagen-Reval 637
Grethe. 84
Grether, G.1239
Griesbach . . 481, 896
Grigorjeff-Freiburg . 209
Grimbert-Paris . . 22
Grimm-Berlin . . . 1239
Grimshaw .... 970
Grödel-Nauheim . . 402
Gross-lleidelberg . 1113
v. Gr6scz-Budapest899,957
Grosz-Wien . . 482, 1149
Grote-Giessen . . . 706
Digitized by t^ooQie
1896.
INHALTS-VERZEICHNIS?.
V
Seite
Grube-Xenenahr . . 542
Gfober-Wien 806,285,347,
381, 434, 644
Grüneberg-Altona577,1171
Grünfeld . . .77/, 1081
Griinfelt . ... 879
Gninwald-München 61,890
Gninert-Halle . . 779
Grunmach-Berlin . 623
Grusdew, W. S. . . 1128
Gsell-Zürich . . . 626
v.Gnbaroff-Dorpat85,1110
Günther-Berlin . . 299
Gnenther-Dessau . 20b
Giinzburg-Frankfurt 631
v, Guerard . . 507, 1258
Gürber-Würzburg 275, 545
Guermonprez-Lille . 303
Guicciardi-SanMaurizio781
Guillemonat . . . 667
Gnianl-Paris ... 1173
Guinard-Paris3b6,439,1150
Gimipertz-Berlin 729,1215
Gumprecht-Jena 374, 403,
728, 1112
Gusmann-Harnburg 353
Gutbeil-Berlin . .» . 831
Gutmann. 18
Guttenberg-Würzburg 147
Gutzmann-Berlin 483, 637,
781
Haaaicr-Halle . . . 1190
Habart-Wien . . . 644
Habel-Zürich . 1021,1144
Haberkant-Danzig 16, 184
Habs-Magdeburg 731,1268
Hägler-Basel 208, 550, 704
Hanel-Dresden . . 431
Haferkorn-Dresden 373
Haffkine. 23
Ilam-Magdeburg 924, 925
Hahn-Berlin . . . 375
Hahn-Breslau . . . 853
Hahn-Mainz.... 986
Hahn M.-München 35,175,
300, 956
Haig-I/mdon . . . 1247
Haldane-Oxford . . 763
Hallervorden-Königsberg
325, 507, 576, 987
Hallidav-Croom-Edinburgh
880
Hallopeau-Paris . . 936
Hamburg-Berlin . 874
Hamburger-Berlin . 762 j
Hamilton. 713 1
Hammarsten, 0 . . . 105
Hammer-Hannover 37,185
Hammer-Heidelberg 1264 i
Hammerl-Marburg . 1144
Hammerl H. München 1239 j
Hammerechlag, K . 874 «
Hammerschlag, V. . 644 :
Hamon du Fouge ray 1150
Haneinann-Maxhiitte 475 1
Hankin. 595
Hanot-Paris .... 462
Hansemann-ßerlin 37 , 64,
86 , 280, 347, 577
Hansen-Hamburg . 1171
Harnack-Halle 196,1065
Seite
Haushälter .... 868
Haussmann-Kissiugen 404,
661
Havelburg - Berlin 1118,
1146, 1192t
Hecker-Münehen 37, [106,
825, 619, 325
Hecker-Wiesbaden . 808
Heddaeus-Heidelberg 492
Hedderich-Heidelberg 749,
760, 782
Hegar-Freiburg . . 805 i
Heiden-Mtinchen . 102 I
Heidenhain-Greifswald
232, 242, 636, 1237
Heidenhain-Köslin . 987 '
Heidenhain-Wiirzbtirg 503, .
524, 574, 703, 727, 756, j
871, 1108, 1142, 1212 1
Heigl-Coblenz . . . 456 I
Heil-Heidelberg 297, 1115
Heilborn-Breslau . 459 ,
Heim-Paris . 690, 1222 j
Heim-Würzburg 861, 1078,
1240
Heimann-Schwäbisch- Ilall
340, 130«
Heineeke-Magdeburg 686
v. Heineke-Erlangen 85,
801
Heineniann . 188, 281, 778
Hcinlein-Niimberg 41, 65,
66, 412, 437, 1000, 1121
v. Heinleth-Reichenhallll2
Heinrich-Wien . 759
Heinrieius-Helsingfors 458,
1020
Heinslieitner ... 60
Heinz-München . . 994
Heinze. 478, 627
Heitzmann, C. 574, 1212
Helbing-Miineben . 1021
Ilelbing-Xiirnberg 66, 437
Helfericli 16, 38, 256, 506,
527, 986
Heller-Berlin . . 38, 664 i
Heller-Wien . . . 644, 780 ;
Helm-Tangernifinde 1147 i
Henle 257, 327, 482, 898 j
Hennequin .... 348 1
Hennig-Konigsberg 313, '
I 382
I Henning .... 828, 859 j
Ilentsohel-Zwickau 549 I
v. Herff-IIalle 401, 526, !
1061, 1111
Hergenhahn-Frankfurt |
a .525
Herhold-Coblenz . 576 I
Hering-Prag .... 759
Herkner.1019
Hermann, L. ... 703
Hertwig, <_). . . 660
Hertwig, R. München 775
Hervieux-Paris . . 810
Herxheimer . . 707, 1175,
I Seite
i Hildebrand-Göttingen 85
I Hildebrandt-Elberfeld 898
! Hilger-Magdeburg . 1310
v. Hippel-Heidelberg 509
I Hirsch-Charlottenburg 637
| Hirsch-Mainz . , . 927
| Hirschburg, J. Berlin 554,
| 639, 595, 987
I Hirsch borg, M. . . 232
I Hirschfeld-Berlin 484, 805,
1262
Jlirschlatf-Berlin . . 577
His-Leipzig .... 988
Hitschmann, R. . . 777
Hlawacek. 506
Hocbe-Strassburg . 784
IIoehliaus-Kiel . . 63ö
Hoehheiin-Friedrichshain I
830
Hodara-Haniburg 341, 355 j
Högerst edt-I’etershurg 1056 |
Höhne-Haniburg . 1171 .
Hölzl-Radeberg . . 402 I
Hoepfl-Hansham . 697 !
Hoerschelmann . . 664 i
v. Hüsslin, R. 25, 271, 292,
317, 472, 712, 1298
Hofbaner-Wien . . 432
Hoffa-Wiirzburg 87, 88, 89,
112, 207, 221, 323, 510,
525, 528, 599, 966, 995,
1168, 1213
Hoffmann-Leipzig . 503
Hi>fniann-Regensburgll97
v. Hofinann-Wien . 260,
1000
Hofmann-Ziirieh . . 1144
Hofmeier-Würzbiirg 112,
998, 1082, 1111
Hofmeister-Tübingen 135,
232, 527, 599, 682, 804,
930
Hohl-Halle . . 18, 1081
Iloldheiru-Berlin 136, 805
Hollaender K.-Berlin 233,
1096
Holländer, L. . . . 481
v. Holowinski . . 1262 j
Holst-Cliristiania . 662 j
Holub, E. 1245 1
Holzapfel, K. . . . 1240
Homeffer-Greifswald 577 !
| Sein-
i 433, 459, 483, 507, 526,
662, 682, 705, 729, 755,
757, 778, 805, 829, 853,
874, 898, 927, 956, 987,
! 1020, 1082, 1111, 1112,
1143, 1170, 1187, 1190,
1214, 1237, 1308
Jahn, E.1079
Jahreiss-Augsburg . 898
Jakob-Bamberg 233, 638,
1246
v. Jakseh . . 525, 1056
Janet . . 692, 780, 1174
Jankau, L. . . 875, 1146
Janovski-Prag . . . 1030
Janowski-Warschau 1056
Janssen-Mastricht
Jaquet, A. . . .
Jarke-Kiel . . .
Jaruntowsky . .
Jastrowitz-Berlin
Jans-Hamburg
Jellingbaus
258
. 828
958
208
38, 86
1062
297, 1081
Honigmann-Wiesbaden
932
Hoor .1308
Hopfgarten-Riesa 232
Hoppe-Seyler-Kiel 20, 281,
316
Horn, F.-Harnburg . 1190
Howland. 707
Huber-Berlin . 187, 471 ,
Huber-Memmingen 1078, |
1262
Hiils-Berlin . . . 387 j
Hünickon-Braunschweig63 '
Jendrässik-Rudapest 1082
I Jessen-Hamburg 353, 411,
620, 622, 1120
Jessett.1094
Jhle-I)resden 273, <69
.Tljiseh. 1299
Jmmerwabr .... 160
Jngersluv-Kopenhagen
1056
Jnglis Parsnns . . 881
Jnaehimsthal 875, 962, 995
Joerss-Greifswald . 1080
Johannessen-Cliristiania
375, 402, 483
Johansen-Kiel . 4, 649
Jolasse-Hambtirg 109, 1171
1 .Tolles, A.-Wien . . 113 1
1 Jolly . . . 321, 507, 786 |
| Jortlan-Heidelberg 63, 135, j
' 783, 997
; Joseph 105, 554, 833, 1061,
! 1220
| Josias-Paris .... 531 (
Jottkowitz-Königsluitte279
Jouin-Paris .... 462
Jrsai-Budapest. 663, 1249
Jrtl . 17
Jsaak-Bcrlin . . . 1061
Jsuardi-Turiu . 297, 348
Jsrael, J. 18, 300, 325, 527,
730, 926, 1061, 1119
Jtzerott, G. 35
Jürgens-Berlin . . 598
Juugengel-Bamberg 1271
Jungmaun-Hamburg 525
Junker v. Langegg 850
Jurasz-Heidelberg . 730
Jurinka-Prag . . . 897
Hart-Berrv .... 881
Hartcop-Barmen. . 393
Hartmann-Berlin . 1057
Hartmann-Hallein . 214
Hartmann-Rostock 826
345, 1150, 1169
Hasebroek-Harahurg 1120
Hasst-Xordhnusen 599,
996, 1263
Hasslund. 969
Haug-München 779, 1112
Hann-Gladenbach . 272
Hauser Berlin .. 580, 600
Hauser-Erlangen 34, 549,
618,896,955, 1168, 1212,
1237
1 1220, 1221
Her/.-Bruslau . . 577, 763
Herz-Wien . . . 405, 932
Herzberg-Berlin . . 460
Herzfeld-Berlin . . 460
Hess-Stephansfeld . 1264
Hess-Strassburg . . 403
Hesse-Dresden . , 729
Hesse-Leipzig . . . 957
Ilessler-Halle . . 875
Heubner, O. Berlin 15, 554,
642, 1264
Heuek-Ludwigsliafen 829,
1110 !
Heusner-Barmen . 963 !
Heuston. 531
Heuss-Zürieh . . . 191
Heydenreich 1161, 1123
Heydrich-Liegnitz . 853
Heymann-Berlin 871,1188
Higier-Warschau . 1238
Hilbert-Königsberg . 374
Hürthle-Breslau . . 853
Hueter-Frciburg . . 956
Hufschmid-Breslau 257
Hughes, H. 61
Huseimmn-Göttingen 279
Hutchinson, J. 806,879,906
Hvde-Chicago
936
H.
Kaatzer-Rehburg
Kiibrhel, G.
Kader-Breslau .
Kaompffor, L. .
Kas-Hamburg
. 283
. . 299
704, 1169
. . 1240
100, 758
108,
Seite
Katzenstein-Berlin . 402
Katzenstein-Hamburg 211
Katzensteiu-München 84,
686
KaufmannE.-Freiburg 1212
Kaufmann-Wien 1057,1063
Kayserling-Berlin 664,1171
Kehr-Hulberstadt 506, 698,
1167
Kehrer Ileidelberg374,783,
1061, 1112
Keller-Berlin . . . 1110
Keller-Breslau . . . 1056
Keller R.-Freiburg . 1189
Kelling-Dresden 323, 932
Kellv-Baltimore . . 482
Kclseh-Paris . . . 386
Kemsies-Berlin . . 639
v. K'erscheusteiner682,756
Kiefer-Berlin 64, 108, 374,
681
Kiefer-Nürnberg 301, 733
Killian-Freiburgi.B. 61,557,
723, 730, 76J, 768
Killian-Worms . , 696
Kionka-Breslau 433, 899,
1261
Kirchgässer-Bonn . 482
Kirchner, M. ... 623
Kirchner W.-Würzbtirg 703
Kinnisson . . . 348, 439
Kirn-Freiburg i. Br. 48
Kirsch-Stuttgart 728, 1033
Kirstein 233, 719, 730, 761
Kissel. 527
Klaussner München 15,56,
112, 711, 863
Klautsch Halle . . 75
I Klein-Kiel . . . 212, 784
' Klein, E. London . 756
j Klein, G.-München 17,160,
, 298,526,619, 852,1079,
j 1081, 1088, 1188, 1260,
I 1307
1 Kleinwachter-Czerno-
1 witz 705
Klemm-Riga . . . 232
Klemperer-Berlin 507, 623,
624, 805, 1171, 1215
Klemperer-Strassliurg 730
Klempner .... 37
Klien.1237
Knaak-Itsehoe . . 805
Knapp New-York . 63
Kuapp-Prag 595, 662, 682,
852, 1308
Knauer-Görlitz . . 1021
Knauer-Wien . . . 606
Kuauss-Stuttgart . 853
Knopf . . . 664, 1264
Knorr-Berlin . . . 1110
Knorr-Marburg . . 1056
Koblanck-Berlin 705, 1110
Koch, F.-Berlin . . 162
Koch, H.-Berlin . . 706
Koch Dorpat . . 232, 506
Koch-Nürnberg 86,138, 643
Jacob-Berlin . 684, 872
Jacobi, A.597
Jacobs-Brüssel . . 596
Jacobsohn-Berlin . 875
Jacoby-Berlin . . . 874
Jacohy-Germersheim 434
Jacoby, M. ... 375
Jacoby-Strassburg 990,1088
Jadassolm-Breslau 807,936
Jaeger, II.-Stuttgart 297,
1078
JafFe-Hamburg 14, 17, 36,
63, 65, 85, 106, 135, 161,
185, 209, 232, 258, 280,
298, 324, 346, 374, 401,
v. Kahlden-Freiburg
136, 346
Kahn, E.-Wilna . . 1237
Kainbin, J.1237
Kalmus-Berlin . . . 873
Kanthack-London 141,261,
1247
Kaposi-Wien 190,485,1034,
1093
Kare wski-Berlin 108, 327,
407, 1090
Karfunkel-Cudowa6701196
Karg. 649
Karpinsky-Warschau 233
Kasahara-Berlin . . 106
Kassowitz-Wien . . 413
Kast-Breslau . . 350, 684
Kathariner-Würzburg 88
Katz, J.-ßerlin'. . . 1240
322, 348
325, 549
. 778
. 661
162
Kocher-Bern
1 Kockel-Leipzig
Kocks-Bonn
1 Köbner-Berlin
Koeliler-Posen
j Kolliker-Leipzig 549, 554,
963
König-Berlin 16, 136, 528,
623,1061,1170,1215,1308
König-Dalldorf . . 661
Koenigs. 935
Koeppe-fiicsson . 909, 993
Koeppen Berlin . . 233
Körner-Magdeburg . 326
Körner-Rost« >ck82,256,779,
Körte-Berlin . . . %6
Köster-Gnthenburgl05,763
Köster Halle . . 551,850
Köstlin . . 16, HOI
Kötschau-Köln 1088,1089
1112
Kofron. 83,;
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VI
INHALTS-VERZEICHNI88.
1896.
Seite
Kolm,H.-Berlin 38, 64,187,
234, 435, 508, 554, 580,
1241
Kohlenberger . . . ] 166
Kolaezek-Breslau 280, 897
Kolb - Kaiserslautern 479,
480
Kolisch-Wien . , . 183
Kolle-Berlin 280, 622, 1145
Kollmann-Leipzig . 549
Kopp-München 35, 39,105,
346, 708, 777, 851, 1141
Korb-Erlangen . . 757
Kornfeld-Wien 15, 183,323
v. Kornilow .... 1238
Kessel ... 380, 527, 622
KosslerGraz ... 36
Kossmann-Berlin 17, 346,
528, 576, 621, 1112
Kotelmann .... 620
v. Krafft-Ebing . 260, 880
Kräpelin - Heidelberg 1113
Kramer-Glogau 257, 525,
1169
Kramer-Köln ... 18
Kramm-Berlin ... 63
Kranzfelder . . 326, 805
Kraske .... 160, 348
Kratter, J.851
Kraua-Wien .... 704
Krause-Berlin . 660, 850
Krause-Hamburg 137, 259,
297, 1062
Krause-Vietz . . . 899
Krecke 16, 85, 184, 185,
232, 258, 279, 432, 506,
509, 550, 576, 637, 662,
681, 778, 854, 873, 874,
898, 1167, 1190
Kredel-Hannover . 1056
Krefting. 707
Kreidl-Wien .... 112
Kretschmann-Magde-
burg. 363
Kreutzmann-San Fran¬
cisco . 458
Krewer-Petersburg . 1238
Krienes, H. . . . . 480
Krönig-Berlin . 642, 664,
731, 1083, 1192
Krönlein-Zürich . . 134
Krösing. 707
Kromever-Berlin . . 776
Kromayer-1 lalle . . 1220
Krompecher-Budapest 87
Kronacher-Mü neben 269,
301, 891
Krückmann .... 646
Krukenberg-Marbnrg 17
Krvnski-Krakau . . 105
Kübler-Hamburg . . 82,
136, 297
Kiihnau-Breslau 623, 729
Killpe -Würzburg . . 759
Külz-Marburg . . . 663
Kümmel-Breslau 1057,1058
Kümraell-IIatnburg 300,
508, 577, 598, 963 1061,
1242, 1265
Kiirthle-Breslau . . 757
Küster-Kiel .... 875
Küster-Marburg 383, 597,
1212
Küstermann-Hamburg 436
Küstner-Breslau . . 926
Küttner-Tübingen 135,551,
939
Kuhn-Giessen 674,865,994
Kulisch-Halle . •. . 1221
v. Kupffer .... 985
Kutscher . . 622, 1238
Kuttner. 85
Kuznitzky-Strasshurg 1196
Mj.
Labadie-Lagrave . . 628
Lancereaux-Paris 762,1122
Lancial.115C
Lacroix. 415
Seite
Idihr-Berlin .... 705
Lamarchia-Turin . . 105
Landau, L.-Berlin 232,554
Landerer-Stuttgart549,728,
897, 905, 1083
Landgraf. 258
Lane-London . . . 879
Lang-Wien 233, 581, 851,
1121
v. Ltnge E. . . . 1262
Lange, Fr.-Strassburg 550,
728
Lange, J.-Leipzig 549,1026,
1109
Lange, J.-Magdeburg 1217
Lange 0.323
Langenbucb, (’. . . 553
Langerhans-ßerlin 618,663
Langerbans-C'elle . 900
Langermann . . . 182
Lannelongue-l’aris 166,821,
762, 1035
Lannois-Paris . . . 357
Lanz-Bern .... 60
Lanz-Moskau 402, 987
Lanz-Prag. 874
Lapicque. 667
Laquer-Wiesbaden403,664,
875, 927, 988, 1110
Larger . . . 1150, 1151
Lartschneider-Wien 692
Laser-Königsberg . 729
Lasniee . 559
Lassar, O. 706, 907, 1240
La Torre . ... 337
Laubenburg-Kemscheid499
Lauenstein-Hamburg 160,
184, 259, 348, 353, 491,
508, 777, 856, 1120
La v er an. 386
Lawrie, F,. ... 532
Lazarus-Berlin . . . 259
Leber-Hamburg . . 402
Lcclere-Diideliugen 459
Le (’ronier . . . 1122
Le Dentu-Paris . 357, 1122
Leedham-Green 551, 857
Le Grix-Puris . . . 462
Legueu-Paris 763,1173,1174
Lehfeld-Beriin 162
T.ehmann, F. . . . 1308
Lehmann-Würzburg 162,
299, 325, 549, 623, 663,
684, 703, 779, 805, 849,
1238
Lehmann - Kitsche - Mün¬
chen .184
Lehne * »Idenburg . 575
Leiehtenstern-Köln 1077
Leick, B.-Greifswald 38,873
Leja.A.1209
Lembke-Berlin 684, 1240
Lemke-Hamburg 109, 164,
334
Lemoine .... 42, 938
Lenhartz-Hamburg 18, 169
202, 211, 383, 508
Lenhof-Berlin . . 1146
Lenz-Sesswezen . . 637
Leo-Bonn 210, 280, 933
v. Leonowa-Zürich . 233
Leopold 1058, 1081, 1115
Lepsius-Darmstadt . 928
Lerscb, B. 51. . . 755
Lesse-Berlin . . 1111
Leube, W.1189
Lcubuscher . . 105, 405
Leusser-Miinnerstadt 338
Leuters-Halle ... 63
Le vi-Modena . . . 663
Levin-New-York . . 326
IX'W-Berlin .... 967
Le vy-Born 777, 1090, 1191
Lewin-Berlin 185, 402, 459,
460
Lewv, B.-Berlin 1145,1191
Lexer-Berlin . . 554, 576
v. Leyden-Berlin 327, 349,
894, 1090.
Seite
Lichtenstein-Müncbenl07,
484, 958
Liebe . . . . 30,61, 104,
208, 430
Liebig, G. v. . . . 890
Licblein-Prag . . . 1169
Liebmann-Triest. . 1021
Liebreich. 84
Liepmann-Berlin . 638
Liermann-Frankfurt 1146
Likhatscheff, A.-Frei¬
burg 1190
v. Limbeck-Wien . 829
Lindemann-Müncben 16,
134, 183, 324, 482, 662,
873, 1050
Lindenthal -Wien . 872
Lindfors-Fpsala 596,1081
Link, J. 401
Linkenheld -Wiesbaden
176
Linossier-Paris . . 357
Linser, P.1169
Lion-lleidelberg . . 576
Lipowski-Freiburg . 873
v. liszt-Leipzig . . 708
Litten-Berlin 136,435,1119,
1171, 1240, 1241
Locbte-Berlin . . . 637
Lochte-Hamburg . 410
Loekwood-London . 1174
Loeb M.-Frankfurt . 1189
Löhlein-Giesscn 160, 684,
997
Löhr-Berlin .... 596
Lönnberg, J. ... 459
Loeser-New-York . 325
Loeventhal-Moskau 1189
Löwenfeld-München 93,
780, 896
Löwenhardt .... 1031
Löwenherz-Göttingen 1264
Löwenstein-Trier . 684
Loewv-Berlin . . 830,1021
Lobnstein 162, 707, 1124
Lnmry-Löwen . . . 1190
Londe-Paris .... 645
Longard.1175
Loos-Innsbruck . . 1022
Lorenz-Wien 90, 113, 348,
578, 604, 965, 994
Lotheissen-Innsbruck 662
Lots-Friedriehsroda 482
Loumoau-Bordeaux 1150
Lovett. 327
Lubarsch 34,895,1082,1171,
1236
Lubliuski-Berlin . . 682
Lucae, A . . . . 596
Ludwig-Frankfurta. M. 280
v. Ludwig-Graz . . 1169
1 aidwig-11 pppenheim 1083
Ludwig-Wien ... 85
Lübbert-Breslau . . 688
Lübeck-Basel . . . 550
Lübrs-llambtirg . . 765
Lüthje-Berlin . 183,1055
Ln ff, AP. 668
Lumeau-Paris . . . 1174
Lnxenburger-München820
Luzzatlo-Turin . . 486
1».
Maas-Bonn .... 526
Mac C’ann .... 90
Mac Ewan-Dundee . 856
Machen ha uer-Darmstadt
1079
Macintyre, .1. . . . 857
Mackenrodt . . 280, 300,
526, 1058, 1264
Mackenzie-Aberdeen 857
Mackenzie, S.-London 1030
Maclaren-Carlisle . 784
Madelung-Strassburg 929
Maggiora-Modena . 663
Magnua-Levy-Berlin 327,
370 A5W 700
Mainzer-Berlin280,596,1240
Seit«
Maisonneuve-Paris . 1035
Maksutow A . . . 628
Manasse - Straasburg 830
Mandl-Wien .... 4Ö8
Mankiewicz . . . 708
Mannheimer-Stockholm
469
Mansbach-Nürnberg 1000
Mantegazza, U. . . 707
Maragliano-Genua . 507,
874, 923, 924
Marchand-Marburg 1082
Marckwald .... 1834
Marcuse, W.1021
Marie, P.1311
Marina-Triest . . . 681
Marjantschik-Kiew . 324
Markees-Basel 208, 650
Markuse-Berlin . . 706
Markwald .... 527
v. Mars-Krakau . . 926
Marscbner-Prag . . 374
Marsden. 970
Marsh-London . . . 214
Marshall-London . 239
De Marsi-Bologna . 531
Marthen-Dresden . 258
Martin, A.-Berlin 104, 1109
Martin-Köln .... 777
Marwedel . . . 665, 1169
559, 1222
. . 405
1101
Maslowskv, W. . . 926
Massnnt-Tilbingen . 638
Mathieu-Paris
Matthes-Jena
M aul -U eh tspringe
v. Maximowitscb-
Warscbau .... 374
Mav-München 134, 1189
Maver, H.-Frankfurt 1029
Maver, K. M. ... 661
Maver, P. 280
Maver, W. . . . 23, 434
Mayet. 882
Mayser-Breslau . . 210
Mehler, ll.-Georgcns-
g/nünd . . . 591, 1103
Mehler, 1. 756
Meinert-Dresden . 324
Meissner-Berlin 234, 1220
Melloni-Kom . . . 785
Melnikow-Kasweden-
kow. 623
Memmo-Turin . . . 486
Menard.1151
Mendel, E. Berlin 875, 1085
Mendel K.1145
Mendelsohn-Berlin . 64,
136, 327, 576
Mensinga. 576
Mercier-Zürich . . 763
Merck, E. 332
Merieux.1240
v. Meriug-Halle . . 940
Merkel, F.-Nürnberg 643,
1101, 1146
Merkel, G.-Nürnberg 23,
86, 635, 903, 1052
Merkel, J.-Nürnberg 41,
1033, 1228
Merkel, S.-Nürnberg 152,
302, 643
du Mesnil de Rocheinont
137
Metscbnikoff . . . 594
Meyer, E.-Berlin . . 64
Meyer, G.-Berlin . • 460
Meyer, R.-Berlin . . 853
Meyer, S.-Berlin . . 106
Meyer-Breslau . . . 257
Mever-Hamburg' . . 875
Meyer-Tübingen . . 704
Michael-Hamburg 109, 635
Seite
Minor-Moskau . . . 883
Möbius, P. J. . . . lf|4
Möller M. 707
Moericke-Stuttgart . 1109
Mohr-Hamburg . 168, 800
Mohrhoff-Neapel. . 18
Monard-Paris ... 22
Monari-Bologna . 346,704
Mond Kiel . . 314, 837
Monod.1150
Monti-Pavia .... 785
Montessori-Rom . . 887
Montprofit . . . 1156
Moore J. W.-Dublin 885
v. Moracewski-Zürich 88,
160, 1082
Mordborst-Wiesbaden 234
Morf-Winterthur. . 434
Morison. . . . 835, 857
Moritz-München 112, 139,
134, 182, 407, 871, 1109,
1020, 1055, 1075
Morris .... 707, 936
Morsbach-Dortmund 161
Morton, ('. A. . . . 857
v. Mosotig-Morhof . 90
Mosnv-Paris .... 811
Moss6. 462, 706
Moxter-Berlin . . . 183
Mühlmann-Berlin . 1263
Mühlmann-Odessa . 623
Mühsam-Berlin . . 576
Mueller, A.-München $17,
956, 1190
Müller, E.-Hagen i. W. 280,
729
Müller, Fr.C.-München 781
Müller, J.-Würzburg 636,
1881
Müller, K-Halle . . 214
Müller, L. R.-Erlangen 84,
374, 575, 618, 661, 683,
757, 1189, 1238
Müller, P.-Bern . . 933
Müller, lt.1144
Müller, W. Berlin . 703
Müller, W.-Nürnberg 1146
Michaelis-Berlin
Mies-Köln . . .
Mignesco-Catania
Miländer-Dorpat .
Milrov-Berlin . .
Minck-München
324
452
299
17
298
101, 202
Mitour.1248
Müller-Karlsbad . . 1148
Müller-Rostock . . 1082
Müller-Frankfurt . 1221
Münz-Nürnberg . . 67
Muratow-Moskau . 683
Murdocb. 881
Murray (1.931
Murray M.882
Murri, A.-Bologna . 210
Myrdacz, P. . 1213, 1260
M.
Nachod-Prag ... 10
Xaoeke-IIul »ertusburg 233,
780
Nässe-Berlin . . .
Nnrnth-Wien . . .
Nassauer, M. ^AVürz-
burg 1230
Xaunyn-Strassburg .
v. Navratil-Budapest
Nceeli.
Negro . 1"1
Nehring-Berlin . 481, 1055
Neisser 15, 619, 683, 756,
806, 925,1031, 1116,1307
Neisser-Leubus . . 780
Nemser-Petersburg 1056
v. Nencki-Warschau 233,
662
Neuber-Kiel ....
* N e uberger- X ü rn borg
714, 733
X euburger-N ürnberg
365
Ncugebaner-Prag .
Neugebauer-Warschau 458,
926
Neubaus-Berlin . . ^64
Xeukirch-Xürnberg 733
Neumann-Berlin 233, 1027
184
432
874
258
970
16
643,
302,
135
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INHALTS-VERZEICHN ISS.
1896 . __
Seite
Xeumann-Budapest 297
Xcumann-Königsberg 824,
' 576, 1263
Xemnann-Mühlheim 729
Xenmann-O. . . - b«
\eumann-M lon 67, US,
298,696, 619, 689, 829,
1084, 1111
\eumann-W ürzburg 549
Xeumayer, [„München 683
Xeumeister-Jena. . 703
XeuHser-Wien ... 118
Xevina Hyde-Chicago 706
Xicoladon'i-Uraz . . 597
Xicolaicr-Göttingen 324
Xiebel, W. ... 844
Xiebergall-Basel . . 17
Xiemann F. 85,1146, 1240
van Xiessen .... 88
Xwsl Heidolberg . . 1086
Xitze M. 256
Xiten.270
Xncard-Paris . . . 166
Xocht-IIamburg . . 904
Xogiie».1095
Xonne-Hamburg 258, 329,
1171
v. Noorden-Frankfurt a. M.
402, 1108, 1213,
v. Noorden-München 10,
55, 817
Xotkin-Kiew . . . 1021
v. Xotthafft-München 209,
847,375,956, 1056, 1145,
1170, 1191, 1214
Nyhnff-Amsterdam . 1190
O.
Obalidski-Krakan . 829
Obenit-Halle ... 973
Ubersteiner-Wien 66, 576,
1307
< Oiici-Bologna . . . 581
v. Oefele-Xeuenahr 35,133
Oeblschläger-Dnnzig 757
Ucstreich-Berlin 233, 1055
Oetker-Oeynhausen 623
Ogilvic-London . . 167
"gneff.1309
Ohlemann-Minden • 183
Olsliausen, R. . 577, 578
van Oordt-Heidelberg 683
Opitz-Breslau . . . 830
Opitz-Hamburg . . 665
Oppel-Freiburg . . 1141
Oppenheim-Berlin 210,233,
407, 830, 1061
Oppenheim-Sachsa 402
Oppenheimer-London 63
Oppenheimer-München
1026
Opplcr-Breslau 134, 663,
75«, 1068
Oppler-Nüraberg . 87
"ntler .... 62
Orth-Göttingen 304, 325,
622
Osann-Kiel .... 29
Ostcrtaß 34,38,895,1236
Ostmann-Marburg 830,1146
v. Oswiecinaki Qöc
Oswiecinski
Ott-Prag ;
Ottinger, IV.
Otto-Hamburg .
Owen-Manchester
P.
I’ässler-Broslau
lässler-Leipzig
achne-I^ndon
Bagel, L .
Bagenstecher-San-Luis
d* Potosi
palm-München
l’altauf-Wien ' ‘
•'»piewski-Bresiau '
Seite !
Pariser-Berlin 406, 995
Parisotti-Rom . . 167
Parkinson .... 114
Parreidt-Leipzig . . 549
Parrot-Münchcn . . 52
Paeca-Turin . . . 486
l’aschen-Haniburg . 461
Paster-Müneben . . 850
Patellani-Parma . . 433
Patrizi .... 759, 808
Paulniann-C'asscl . 1175
Pawlick-Prag . 662, 1080
Pawlovskv, A. . . 623
Payr, K. '.80»
Pdan.UfO
Peipcr-Greifswald 107,188
Peisser-Berlin ... 64
Peltesohn-Hamburg 460
Pensa-Pavia.... 785
Penzoldt 35,182, 500, 698,
849, 925, 936, 1020,
1056, 1168
Perini-Turin .... 486
l’erkins G. D. . . . 1239
Perl-Berlin .... 323
Perlia-Crefeld . . . 182
Perrier-Paris . . . 485
Perrin-Marseille . . 1031
Perthes-Bonn ... 84
Peter-Königsberg 162, 458
Peters-Wien 160, 161, 185
I’eterscn-Berlin . . 853
Petersen-Heulelberg 121 ,
211, 554
v. Petersen-Petersburg
833, 1031
Petry-Prag . . 704, 804
Pfannenstiel-Breslau 1060
PfeiTermann-Bors . 67
Pfeiffer-Berlin . 185, 280,
347,622, 1145
Pfeiffer-Graz ... 36
Pfeiffer-Weimar 895, 1210
Pfeiffer-Wiesbaden 299,375
Pfister-Kairo . . . 347
Pfuhl, A. 162
Pfuhl, E. 621
Phear-London . . . 113
Philipp-Berlin . . . 901
Philippson 35,108,359,601
Pick. 84
Pick-Berlin 600, 875, 987,
1081
Pick-Prag . . .
Pick-Wien . .
Piering-Prag
Pietrzikowski .
PjgK. S.
Pinurd-Paris . .
Pincua-Danzig .
l’inncr-Hamburg
PiorkowHki-Berlin
Pipek-Prag .
Pistor, M. . .
Pitres . . .
Pitts-London
Piza-Hamburg
PInczek-Berliu
233, 323
238,1172
. 637
. 327
. 1247
. 303
. 1080
. 805
298,580
. 1111
636
857
214
461
600, 1057
956
404
1208
1193
835
1082 I
381 !
806 i
682 !
829
852
385
484
325,
Plehn ... 225 , 805
Plenge-lleidelberg 71» 638
Pletzer-Boun . . . 829
Pluder-Hamburg 353, 410,
1120, 1242
Plilcker-Küln . . . 697
Pobedinsky-Moskau 757
Podack. 84
Poehl. . . 381, 439, 931
Poggi. 836
Poirier.1151
van de Poll-Amsterdam 526
Pollak, A. 38
Pollak, G. 757
Pollak, J. 644
Politzer A. . . 644, 1261
Polonsky. 574
Poncet-Lyon . . . 1123
Ponfick-Breslau . . 433
Pooth-Köln .... 621
Pop-Bukarest ... 85
VII
Seite
Poppert-Giossen 597,
637,
il91
Porges-Wien . . .
510
Posncr-Berlin . . .
1090
Pospelow.
707
Posselt.
84
Postempski-Kom
387
l’otherat.
1151
l’ottien.
683
Poullet-Lvon . .
1150
Poulsen-Kopenhageu
575
Pozzi-Paris . .
690
Predtetschenskv-Ssaki 661
Preiss-Kattowitz . .
854
Prioleau-Brive . . .
463
Probst.
1124
Prochownick • Hamburg
508, 557, 1193, 1206
Proebsting-Wiesbaden 760
Pürkhauer-Bavrcuth
463
Punslow ....
881
Pupovac-Wien . .
873
Puschmann-Wien .
610
Pusinelli-Dresden 387, 805
Pychlau .
987
ft.
Quadrivius ....
182
Queirel-Marseillo .
1122
Quervain.
16
<.)uincke-Kiel 260, 382, 784,
854, 873, 898
Pychlau .
987
R.
Rabinowitsch, L. . .
621
Raether-Hamburg .
211
Ralnn-Zürich . . .
551
v. Ranke, H. . . 749,1006
Ramön v Cajal . .
851
Rapp-München . .
713
Rasch-Potsdam . .
1240
Kathcke-Berlin . .
37
v. Räthonvi-Brennberg987
Ratjen-Hamburg 1092,1192
Kauge .... 463,1150
Rawitz, B.
870
ltavmond-Paris . .
780
Reboul-Niines . . .
1122
Rech-Köln . . . 401,805
Redard .
348
Redlidi-Wien . .
1057
Redziar, Berlin . .
1239
Reed.
1082
Reerink-Freiburg .
135
Refslund H.-Kicl .
1182
ltegnien.
628
ltegulski-Dorjiat . .
637
Rehfisch-Berlin . .
375
Kehn - Frankfurt 598
805,
994, 1026
Reicli-Göttingen . .
506
Reiche-Hamburg 353,
1267
Reichold-Nürnberg .
643
Reinach-Mtinchen .
421
Reinbach-Breslau .
897
Reineke-Hamburg 657,1266
Rei necke-Blomberg
947
Reismann, A. . . .
36
Reithoffer, R.-Wien
1240
Remak-Berlin . . .
1171
Kemfrv, L.
90
Remlinger-Paris . . 785
Renaut-Lyon . . - 357
Rendu-Paris . . 733,1149
Rentou-Glasgow . . 857
Renvers-Berlin 187,235,259
Renwood-London . 970
Rethi -Wien .... 1172
Reubold-Würzburg . 178
Reusing-Bonn . . . 401
Reuter-Bonn . . . 706
Reverdin-Genf. . . 1123
Rhein-München 187, 460,
900, 1309
Ribbert-Zürich . . 258, 706
Richet-Paris .... 759 i
Richter, E.-Berlin . 1108 |
Seite
Richter, P. F.-Berlin 62,
527, 707, 830
Richter R.-Berlin . 947
Riedel-Jena 650, 692, 599,
727, 957
Rieder-München . . 851
Riegel, F.-Giessen . 848
Riegel-Nürnberg . . 1121
Rieken-Kiel .... 84
Riese, ll.-Würzburg 107
Rille -Wien . . . 690,707,
1220, 1221
Rimini-Triest . . . 663
UindHeisch-Berlin 184, 622
Ringer-London . . 113
Itissmnnn-IIannover 706,
1081
Kitschl-Freiburg . . 600
Ritter, J.-Berlin . . 1024
RitterLarlsbad . . 845
Uivierc.1150
Robertson. 646
Kobin-Paris . 1149, 1272
Robinson, H. B.-I.on-
don 1199
Uobson-London 358, 631,
559
Rocco-Neapel . . . 763
Roche-Dublin . . . 836
Rodel lerrenberg 177
Rode-Nordcrney . . 375
Köder-WUrzburg . 43
Römer-Heidelberg 808,1114 !
Röntgcn-AVür/.burg . 88
Koesnig-llamburg . 956
Kössler-Wien ... 84
Röttger-Kiel ... 347
Roger-Paris ... 22, 857
Kogrnan. 628
Kogowitsch-Tomsk . 375
Romberg-I^ipzig 18, 381
Rommel-Berlin . . 432
Roloff. 955
ltoos . . 659, 1120, 1167
Rosenau-Kissingen 940
liosenbach-Berlin 808, 911 ,
1021
Rosenbach-Göttingen 936
ltosenbaum-Berlin . 706
Rosenberg-Berlin 927, 993
Rosenberger-W ürzburg 153
Rosenfeld .... 62
Rosenfeld-Breslau . 403
Rosenfeld - Nürnberg 87
Kosenfeld-Stuttgart 761
Rosenheiin.Tli.-Berlin 182,
234, 300, 375, 932, 986,
1056, 1146
Kosenqvist, E. . . . 550
Rosenthal-Berlin . 833
Kosentlial-Dresden . 297
v. Rosentliul-Warschau
1308
Kosin-Berlin 325, 461, 482,
729, 872
Rosinski-Königsberg 1111
Rosner-München . 323
Dalla Rossa, A. . . 502
Rossa E.-Graz 161, 621
Rossi-Doria .... 1251 |
v. Uosthorn .... 1259 |
Roth-Heidelberg 345, 1246
Rothe-Altenburg . . 980
Rotmann.1215
Routh, A. . . . - 881
Koutier-Paris . . . 1150
Roux. 594, 1020
Rovsing-Kopenhagen 105,
184. 1080
Rulieska-Prag . . 106,135
Rubner-Berlin 161,162,299,
1238, 1239
Rudolph-Magdeburg 134,
1172
Rudolph-Münclieu . 779
Rückert-Mtlnchen . 1017
Rühl W. . . . 161, 483
Ruge-Berlin 459, 507, 638,
873
Seite
Rubemann-Berlin . 482
Rumpel, 0. 684
Rumpel,Th.-Hamburg 211,
853, 410, 1243
Rumpf-Hamburg 106, 108,
406, 634, 638, 1120
Runge . . .17, 297, 619
Rybakott-Moskau . 1175
Kvdygier. 846
8 .
Sabrnzcs-Bordeaux 988
Sabourand IqI, 936, 1030
Sacerdolli.1268
Sachs-Hamburg . . 508
Sachs-Mühlhausen . 257
Sachs-New-York . . 830
Sack-Heidelberg 1021,1195
Sackur-Brcslau . 15,1003
Siinger-Hamburg 108, 410,
602, 1062
Sänger, M.Leipzig 85, 232,
1117
Sänger-Madeburg . 1217
Saft-Breslau .... 525
Sahli.103
Salkowski-Berlin . 347
Salomon-Hirschberg 767
Salus-Prag .... 297
Salzer-München . . 841
Salzwedel-Berlin 1170,1191
Sam t er- C h arl ottenburg684
Sandberg-Bergen . 857
Sanfelice, Fr.-Cagliari 621,
622, 683
Saniler-Rostock . . 804
Sarbö-Budapest . . 683
Sardomann-Harburg 623
Sarrazin-Köslin . . 758
Sasse-Berlin . . 183, 348
Saul-Berlin .... 257
Savill-I.ondon . . . 835
Savor-Wien .... 526
Saxer, E.-Prag . . . 1214
Scagliosi . . . 1082, 1144
Schäfer-Charlottenburg347
Scliäffer-Berlin 564,805,853
Schaeffer-Heidelberg 14,
106, 135, 705, 945, 987,
108), 1082, 1088, 1169
1184 , 1214
Schainschin-Freiburg 209
Schanz-Dresden 299, 664
Schadenfroh, A. 712,1239
Schaudinn .... 894
Schaumann, O. . . 650
Schauta, E. . . . 727,1078
Schech-München 61, 458,
773 , 782, 1148, 1167
Schede-Bonn . . 964, 994
Scheibe-München 36, 63,
256, 434, 505, 703, 779,
1057, 1237, 1261
Scheier-Berlin . . . 996
Schellong-Königsberg 1144
Schenk, S. L. ... 850
Scheube, B. . . . . 849
Scheurlen-Strassburg 299,
325, 486
Scheven, O.1169
Schicck, Fr. ... 1214
Schierbeck-Kopenhagen
299, 1120
Schiff-Wien 482,833,1196
Schill-Wiesbaden . 1029
Schilling-München . 575
Schilling. Fr.-Nürnberg 8
Schimmelbusch-Berlin 576
Schindler-Berlin . . 1170
Schjerning . . . 326, 805
Schlatter-Zürich . . 134
Schleieh-Berlin . 359, 1017
Schlesinger-Strassburg331,
684, 757,897, 1063
Sehlockow .... 851
Schlossmann-Dresdenl024
Schmaus-München 527,
955, 1021, 1143
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VIII
INHALTS-VERZEICHNISS.
1896.
Seite
Schmid-Reichenhall 401,
603
Schmidt-Bonn 325, 660,757
Schmidt, J.-Frankfurt 1028
Schmidt, M.-Frankfurt 928
Schmidt-Hamburg . 632
Schmidt M.-Strassburg 324
Schmiegelow-Kopenhagen
779
Schmitt-München 564, 603
Schmoll-Berliu . 323,1055
Schnaase-Greifswald 107
Schneidemühl . 1143
8chueider-Paris . . 785
Schnell -Würzburg . 926
Schneyer-Wien . . 165
8chnitzler-Wien . . 599
Schön, S. 488
Schönwerth-Müncheu 1011
Schott-Nauheim 61, 405,
577, 763
Sehrader-Hamburg . 999
Schramm-Dresden 162,
1081, 1082, 1143
Schreiber-Augsburg 135,
703, 728, 1168, 1213
Sehreiber-Königsberg 994
Schreiber-Wien . . 526
Schröder, H. . . 1237
Schröder-Wollstein 901
Schroetter .... 1143
Schubert-Nürnberg 620
Schubert-Wiesbaden 1070
Schuchardt-Stettin 210,257,
1079
Schücking-Pyrmont 507
Schüle-Freiburg 373, 862,
1031
Schule-Heidelberg . 15
Scliüller-Berlin . . 163
Schürmayer-HaunoverlOö,
299
Schülzke-Markranstädt
779
Schütz, J.-Frankfurt 1195
Schuh-Nürnberg . . 733
af Schulten Helsing-
fors .. 257
Schultz-Budapest . 705
Schultz-Strassburg . 728
Schultze, Fr. 682
Schultze-Jena 62, 161, 896
Schulz-Berlin . . . 901
Schulz-Hamburg 300, 859
Schulze-Duisburg . 1220
Schuster-Nauheim 706
Schwalbe-Berlin 64, 619,
624, 729
Schwartz-Paris . . 1150
Schwarz-Fünfkirchen 374
Schwerdt-Gotha . . 136
Schwimmer-Budapest 832
Schwyzer-New-York 337
v. Seegelken-Jena . U61
Seelig-Berlin . . . 1144
Seeligmnnn-Karlsruhe 757
Segall.1309
Seggel-Mtinchen 134, 183,
323,345,432,431,682,1109,
1187, 1261
Sehrwald-Freiburg 706, 787
Seidel.1124
Seiferth .1124
Seiffert-Leipzig . . 957
Seitz, C.-München . 10,
149, 165, 1026
Selberg-Berlin . . . 830
Senator-Berlin . . . 729
Sendler-Magdeburg 96,709,
1193
Serafini, A. 684
Sergi-ßom .... 759
Sevestre-Paris . . . 645
Seydel, K.-München 123,
164, 324,899,1079,1213,
3261
v. Seydel, M. ... 1063
Sicard-Paris . 1035, 1311
Seite
v. Sicherer-München 976
Sick-Ilainburg . . . 1061
Siebenmann-Basel . 159,
1057
Sfedontopf . . . 1310
Siefart-Berlin . . . 684
Siegel-Berlin . . . 1240
Siegel-Frankfurt 897, 987,
994
Siegenheck van Heukelom
1214
Siegert-Strassburg . 1263
Siemerling-Tübingen 1084,
1112
Sievers-llelsingfors 481
Silberschmidt W. . 623
Silbersteiu-Wien . . 1269
Silex-Berlin 64, 86,108,136
Simmonds 189, 355, 373
Sitnon-Nürnberg . . 643
Simons-Berlin . . . 458
Sippel-Frankfurt- a. M. 298,
1190
Sitzinski-Peterhof . 209
Snegiroff-Moskau . 620
Snell, O. Hildesheim 236,
355
Smirnow-Petersburg 663
Smith-Lancaster . . 908
Smith-Marbach 803, 990
Socin-Basel . . . 208
Soerensen-Kopenhagen
691, 971
Soffiante-Paris . . . 1031
Sokolotf . 324, 526, 1214
Sokolowski-Warschau 374
Solbrig-Liegnitz . . 431
Solonius-Borlin . . 1239
Sommer-Giessen 406, 781
Sonnenberger-Worms 1025
Sonnen burg-Berlin 550,551
Sorger.1270
Soulier. G46
Spat-Ansbach ... 57
Spalteholz-Leipzig . 524
Span hock - Warschau 682
Spee-Kiel .... 784
Spencer-London . . 1174
Spengler-Bern . . . 1080
Spiegel-Hamburg . 1310
Spiegelberg-F rankfurt 37
Spiegelberg-Müuchen 695
Spiegler-Wieu . • . 438
Spietschka, Th. . . 777
Spilmann. 938
Spormann-Wornigerode
778
Spronck-Utrecht. . 853
Stabel-Berliu ... 85
Stadelimmu-Berlinl87,280,
600, 809, 1091
Stadelmanu H. . . 1261
Stadl er-Si ngen . . . 1185
Stange . . . 623, 1144
Starck-i leideiberg 145,550,
741, 1169
v. Starck- KieP126,173,1189
Staude-Hamburg 64, 160,
260, 327
Steft'eck-Berlin . . 1112
Steifen, W. . . 107, 484
Stein.707
Stein-Nürnberg . . 643
v. Stein, St. 63
Stein-Stuttgart . . . 1033
Stein-Wien .... 134
Steinbrügge-Giessen 638
Steindler-Wien . , 1122
Steiner-Berlin . . . 778
Steinhausen-Jena . 18
Steinhoff .... 407, 957
Steinmeyer - Braun¬
schweig . 989
Steiuthal-Stuttgart384,905,
1035, 1192
Steltner-Königsberg 185
Stelzner Dresden . 698
Stembo-Wilna . . . 1112
Seite
Stephens-Ixmdon . 140
Sterling S. .... 1127
Steru-Breslau 404,871,1237
Sternberg-Berlin . . 460
Sternfeld - München 199,
1076
Stettiner-Berlin . . 268
Steudel . . . . . . 915
Sticker - Giessen 131, 193,
482, 661, 592, 661, 1010,
1041
Stieda-Tübingen . . 551
Stifler-Steben . . . 544
Still G. F.1247
Stintzing-Jena . . 14
Stobwasser-Eutin . 1021
Stncker, G. 856
Stöcker, S. ... 526, 856
Storbeck, M. 15
Storp-Königsberg . 599
Stoss-Born .... 1028
Strassmann, Fr.-Berliu 577,
1061, 1079
Strassmannn, P. 160, 852,
1087
Stratton-Berkeley . 759
Struueh-Braunschweig 805
Strauss-Berlin 459,641,661,
778
Strauss-Frankfurt . 620
Strauss-Giessen . . 183
Strauss-München 84, 1189
Strauss-Paris . . . 238
Strebel-Zürich . . . 1081
van der Stricht, O. 525
Strna-Prag .... 299
Ströbe-Froiburg i. B. 374
Ströll ..... 1199
Ströbing-Greifswald 481
v. Strümpell 682, 757, 781,
989, 1170
Struppler-München 575
v. Stubenrauch - München
437, 688
Stiive-Frankfurt 402, 507
Sttive-Hamhurg . . 280
Stumpf, L. . . 441, 1254
Stutzer-Greifswald . 1021
Succow-Gembitz . . 1146
Suchannek-Zürich . 758
Sudeck-Hamburg 498,1193
Sudhoff, K.-Hochdahl 36
v. Sudthausen . . 777
Sultan-Göttingen . 638
Sulzer-Heidelbcrg . 106
Surveyor, N. F. . . 1123
Sykoff-Moskau . . 16
Symonds-London . 605
Szegö, K.. 107
T.
Tacclietti. 559
Tändler-Nürnberg733,1146
Talamon. 938
v. Tanuenhain . . 581
Tappeiner-München 1,134,
897
Tarnowski .... 969
Tauffer-Budapest . 36
Tauffer-Hamburg . 1244
Taurelli-Salimheni . 694
Tausch-München . 112
Tavel, E. 322
Taverni-Catania . . 759
Taylor-London . . 834
Tedeschi-Florenz . 1170
Teichmiiller-Leipzig 757
Tesdorpf-München . 780
Teuffel-Chemnitz . 298
Theile. 430
Theilhaber-München 161,
517, 1177
Thiele-Berlin ... 481
Thiem-Cottbus . . 578
Thiem-Leipzig . . . 876
Thiemich-Breslau . 484
Seite
Thierfelder-Berlin . 299
Thin-lxmdon . . . 239
Thoma-Magdeburg . 1268
Thoinas-Freiburg . 1023
Thomson -Edinburgh 908
Thorol-Nürnberg 375, 714,
1147, 1170, 1263
Thorn-Berlin . . . 576
Thorn-Magdeburg 16, 643,
1020, 1081, 1109, 1114
Thresh-Chelmsford 970
Tietze-Breslau . . . 804
Tietzen-Hamburg . 410
Tillmanns-Leipzig 256, 550
Tilmann-Berlin 527, 874
"Török. 35
Tokarsky-Moskau . 759
Toldt-Wieu .... 502
Töth-Budapest. 852, 1081
Touton . . 707, 807, 1117
Touvenaint .... 1124
Townsend .... 326
'Trapp-Greifswald . 777
Traugott-Breslau . . 684
Trautenroth-Stettin 874
Trautwein, J. - Kreuz¬
nach 11^9
Treitel-Bcrlin . . . 1215
Treupcl-Freiburg i. B. 18,
117. 885
Treymann, O. . . . 875
Trümmer-Dresden 232
Trumpp-Graz 398, 747,1008
Tscherniak .... 1263
Tschirschwitz-IIam-
burg.1062
Tschistowitscli-Peters-
burg.1020
Tubby . . . 348, 857
Tuckey-London . . 809
Türk-Zürich .... 305
Tulfier.1150
Turbur-Bukarest . . 1122
Turner, J. A. . . . 881
Turney. 114
V.
LTeberhorst-Inusbruck 780
Uhlmann - Braun¬
schweig .1145
UhthofF .Marburg 258, 1108
Ulesko Stroganowa-
Petersburg . . . 298
Ullmann-Wien . . 1098
Ulrich, A.375
Umber-Berlin ... 15
Umikoff- Petersburg 957
Uuger . . u . . . . 1082
Unna-Hamburg 106, 188,
259, 602, 708, 831, 1031,
1062, 1196, 1216, 1244,
1267
Unruh-Breslau . 1146
U nverricht-Magdeburg362,
406, 527, 623, 685
Urban-Hamburg . . 1241
Urbantschitsch-Wien 35,
644
V.
Yagedes-Berlin . . 63
Vahle-Marburg 136, 232,
1111
Vallin-Paris .... 1122
Valude. 667
Vaquez. 882
Variot 191, 485, 734, 1271
Vauglian, V, C. . • 1239
Yautvin-Nancy . . 763
Yedel-Montpelüer . 667
Vedel-Paris .... 762
Deila Vedova-Turin 486
Veiel-Canstatt . . . 1030
Veit-Berlin .... 402
Veit-Leiden .... 1110
Vergeh. 886
Sette
Verworn M.-Jena 372, 958
Vespa-Rom .... 387
Vierneisl-Cobleuz . 458
Vierordt 134, 326, 871, 696
Viorordt-Tübingen . 1261
Vierth-Kiel .... 375
Yiganö-Pavia . . . 785
Vincent-Paris . ... 886
Vinci-Mossina-Berlin 663,
830
Virehow, R. 1021, 1118
Vissering-Norderney 567
Vitrae-Bordeaux . . 463
v. Vogl-München 45, 689
Vogt-Leipzig . . . 574
Voigt-Hamburg 461, 1120,
1171
Voigt - No wa wes- Xe uendorf
62, 804
Voisin-Paris 462, 808
Voit E.1132
Voit, F. 400, 660, 717, $87
Voit-Xürnberg ... 66
Volland-Davos . . . 1094
Yollbreeht-Brcslau . 482
Vollert-I leideiberg 516, 865
Vollmar-Kreu/.nach 63
Vulpius, O. - Heidelberg
109, 327, 346, 348, 494,
609,642,706,819,962,1189
Vulpius-Weimnr . . 162
W.
Waelienhusen, II. . 1169
Waehsmann-ßcrlin 1145
Waehsmuth .... 107
Wagner-Leipzig 550, 986
Wagner-Tübingen . 704
v. Wagner-Wien . . 166
Wahl-Dresden ... 16
Wulcher-Stuttgart 258, 905
v. Walcher-Wien . . 1219
Waldeyer-Berlin . . 1146
Walter-Hannover 162, 623
Walter-Rostock . . 873
Walther-Giessen . . 17
Warneck-Moskau . 208
Wawelborg-Warschau 621
Weber-Alsfeld ... 853
Weber L.1307
Weber-Ueht springe 1147
Webster, J. C. . . 1187
Wedensky-Petersburg 759
W efers. 577
Wegule, C. 503, 1020
Wehmer-Goblenz . 256
Weichardl-Altenburg 621
Weigert, C. . . 133, 960
Weinlechner-Wien 67, 581
Weinricli-Berliu . . 300
Weintraud-Breslau . 381
Weil-Teplitz .... 1169
Weisbeeker-Gedern 661
Weiss-Breslau . . . 684
Weiss-Wien . .401, 689
W eissgerber-G iessen 361
Welker-Jena . . . 375
Wellmann, M. . . . 431
Wendeier 63, 298, 1143
Wendt-Jena .... 443
Wenzel-Magdeburg 159
Werhovsky, B. 209, 433
Werkmeister . . . 432
Werler-Berlin . . . 899
Werner-Hamburg 109, 164
260, 328, 353, 461, 551,
558, 576, 596, 601, 621,
637, 665, 1093,1120, 1243
Werth-Kiel.833
Wertheim-Wien 62, 258,
458, 898, 1214
Wertheimber-München
372, 574
West-London 645, 1222
Westennark-Stockholm 86
Westphal-Berlin . . 638
Digitized by ^ooQie
1896 .
JNHALTS-VERZEICHNISS.
Seite
Westpbalen-Kiel 281, 852
Wetterstrand-Stockliolm
803
van der Wey, H. . 1189
Wcvgandt-Berlin . . 633
Well, Tli.-Berlin . 849
AVhilckurch .... 785
White . . 114, 806, 881
Wicklmra-l’aria 833, 879,
307, 936
Widal-Paris 690, 783, 1035,
1149, 1311
Wiedersheiin-Freibarg
1-738
Wiesinger-Hamburg 210,
300, 410, 664, 777, 1062,
1120, 1171, 1265
Wieling-Marburg . 1144
Wilbramlt-Hamburg 133
v. Wild.1089
Wildt, A.1238
Wilkc-Dresden 292, 622
Willemer-Berlin . . 1145
Williams, J. D. . . 881
Seile
Williams-Preston . 970
Williamson-Mnuchester
836
Wilms-Giessen . . 953
Winands. H5
v. Winckel-Münohen 229
389, 1134
Windscheid-Leipzig 551
Winter-Berlin . 755, 1109
Winterlialter-Frankfurt
a. M. 297
Wintemitz, E.-Tübin¬
gen 829
Winternitz, W.
AVirth-Nürnberg
Witte-Barth . .
Witte-Berlin . . uo ,
Wittbauer-1 falle 79, ’ 222
91S
AVittlaeil-Wien
Witzel-Bonn ... * ou
Wölfler . . 529, 596, 1169
Wolf, H.-Freiburg . 1247
Wolf-Strnssburg . . 299
375
301
483
232, 684
854
280
... . Seile
,~ nnann ‘S ,rnHs bg. 374
" olff-Berlin 407, 596, 803
96G *
S5m» an ! cfurt a - M -1081
wo S a r ,urg • •
oltt-Koln . . . 505 597
Sff^ eil '°! dagrar ' 78 ^941
AAolfF-W ilheliusbiirg 957
AAolffJ. 1190
f, — : S
**nlisch-Leniberg . 763
Wolpert-Berlin 325, 1239
W olter-Ifamburg . 31
Wolter-Winnigstedt 474
Wolters-Bonn . . . 1193
Woodhead-London 937
Worotynski-Kasan 682
AVoyer-Wien . , . 103
AVüstefeld F. . . . 1251
Wuhnnann-Ziiricii 506
AA unsch-Greifswald 778
IX
Y.
Yamagiwa .... 527
de Yong-Hang . . 731
Z.
Zabludowski . 507, 830
Zahn-Genf .... 133
Zangemeister - Ileidel
berg 704
Zarniko-IIamburg . «5
/audy-AVesel . . . 257
Zeehuisen-Amsterdam 62,
Zeller-Stuttgart . . 383
Zenkor-llainbnrgt0l>2,l 120
/ettnow. 02^
Zepler-Berlin . . . mg
Ziegler, E, . . . . . j 037
Ziegler, P.-München 39,
184, 579
Ziehen-Jena 809,1019,1168
Ziehl-Lübeck . , . 683
Zielinski-AVarschau 233
SeltC
Ziem-Danzig . . _ 399
v. Ziemssen 84, 73*2, 925
„.1107, 1158
Zmn, AV.-Berlin 36, 62
10), 134, 160, 279, 324
401, 458, 482, 506, 525,
52*. 095, 620, 636,
662, 682, 704, 728, 757
HL 829 > 874 > 080.1020,’
1056, 1079, 1110, 1125,
1169 1189, 1214, 1237
Zinn-Eberswalde . 638
Zoege von Manteuffel-
Dorpat . . 265, 578
Zuelzer-Frankfnrt . 106
zum Busch-London 729
Zuntz-Berlin . . . 773
Zwaardemaker-Ams’terdam
433, 434
Zwaardemaker - Utrecht
779, 850
Zweifel, P. . . . ]4( 92ü
Zweigbau,n-AA^arschau 62
Zwick b.
A.
Seite
Abdominal - Schwangerschaft, ausgctra-
. J ene > Leopold ... h , n Q,
Abdominaltumor, von Riedel . * * ' ‘ rqi
Abdommaltyphus, s. a. Typhus; Äetio-
UM» 0 R? < lr Verbreitun g des —, von
fcSÄssa
™ 1269
der V 7 on w g ’ P ath ? l0gi8che Anat0 “ie
aer, von Werhovsky .. « nq
Abscesse subphrenische, von Beck 575,' ° 9
Absoerrnn CnmeT 279 ’ ~ von Lauenstein
emverd g äoZ S8reg n' n ge S enUb er cbo-
Ah,H^. . ht,genPersone n,vonPhilinn
J.,S^ e ' SM "»<=“ b ™ w,
Aeoin 8 gUng ’ von Grether .
Pom, ;- u° n Hirechf el<l 595, - und
ÄnSS 8 '''-“ 1 ™ ^,'ndlu„ g 665
«nscniicnen, von «TurinIm Q07
■JJr^ÄJe 123 ' ~ ™* Habci 1144
Bei>»jlung
mann 347 « — von Hanse¬
ln Oeste’rreS Heilung der ~
vn 0 n d v 7 „ egetatioa ende 8 Na.
856
901
828
970
1239
1262
II. Sach-Register.
Aerzte - Correspondenz, Berliner . S
Aerzteheim .... f47
Aorztekammer für Brandenburg’-Berlin 192
Aeretekammer, aus der Wiener, 212, Ber¬
liner — 883, 971, Anzeige der AViener
Aerztekammem, aus den preu’ssischem 1121
. “lenser 253, Erweiterung der
oeTVv 11n ? I S efu 8 ni *8 e der preuss. —
^ ouo 8CI £u narbefugnisse der preuss.
— MA, Ehrengerichte der preuss-
r S 2 C Q hea ~ 41d > 4:j 0, — und Gerichte
? 29 > 2o - Tagung der bayerischen —
lUbl, preussische — 1248, A'erhand-
‘'‘" gen der bayerischen - im J. 1896 1273
Aerztekammer-Ausschuss, preassischer 68
Seite
Aerztekammermitglied, 25 Jahre
Aerztekammertag, oesterreichischer
Aerztekammerwahlen, Stimmzettel
die . . .
.für
1095
1001
1055
Aerztetag, Deutscher 628, 1223, Tagesordl
nung des — . .
Aerzte Vereinsbund, Geschäftsausschüss
des deutschen ....
Aerate-Uereammlung, aligemeine, ’in
-öerlin . .
357
192
142
304
ti —’ von Eberson . . . 1312
Akantbosis nigricans, von ltillc ’ ’ 1990
Akmesia algera, von Erb . . *757
He,r a , C o, a ’ Behand| ung der, ’ von
Heuss 191, hypertrophische Formen
Cf v ° n Br °c<l '06, Massage-
behandlung der - vulgaris, von
Nevins 70b, — rubra seborrhoica, von
de Galatz .... 1nQ1
Akromegalie.437
Alberto Levi-Preis. ' a!
Albuminstoffe Gerinnung der, ' des
l'leisches beim Erhitzen, von Milroy
Albuminurie, von Leick 38. soee-
91
298
140
142
664
434
ron Gebhi^n ^ ,P e f vixdrÜ8ea -
.«ad Camerer ' von Knausa
..
Jjinncten, allerS° nen de8 ’ von A 'bu 1082
Adn a ^^ bcbae r^'v^^B C H' 0per ' ado ° bei ' M21
Aei ?te als Strohmä^®^’^ 011 Mar tm
tt ßaB8laud97i ä I »JA 60 ’ Zabl der —
reich . *» La ge der—in Frank-
Aeratliche Bezirks vereine, Wehs. 'Gesetz
betr. die 168, — Forderungen, Ein¬
treiben von. °
I Aerztliche Vereine, s. unter in ’
bJ5 I Aer zÜicherVerein Hamburg, SO.Stiftungs-
Aether anästheticus König, 'von'Knöpf
Aethernarkose, 50jährige Gedächtniss-
feier der Entdeckung der, von Rothe.
™, oOJähriges Jubiläum der —
von Kümmell 1061, — i m Kindes¬
alter, von Stoss. 2028
Aethylchlorid, Narkose durch,'vön Soulier
v ,l ln , ,7 an 64ö > von Henning ... 859
Aetiiylendiamracresol, von Baer . . 1221
Aethylendiaminsilberphosphat,Verwend¬
barkeit in der ophthalm. Praxis, von
Hoor. 1309
Aetzende Säuren, Behandlung mit, von
Laubenburg. .
Aggluhmrende Wirkung im Blutplasma
und anderen Körpersäften, von Achard
und Bensaude 1002, — Substanzen
im Blute Typhuskranker, von Widal
und Sicard 1035, — Wirkung des
1223 1 Airfi 6 ^! b . ei Typhu8 > voa Mendtrier 1271
| Airol, Mittheilungen über, von S. Merkel
104
, , , 38, söge
nannte physiologische-, von Zeehui-
sen 62, familiäre cvklischo —
von Schön 483, - in der Schwanger
sehaft, von Saft 625, - bei De¬
lirium tremens, von Liepmann 638,
prognostische Bedeutung der _
von Arnozan 937, Behandlung
der -, von Carrien 938, cyklische
— von Rudolph 1172, physio¬
logische —, von Müller J. . .
Albumosemilch, Zusammensetzung der
Dr. Rieth'schen, von Hamburg . .
Albumosen, Beziehungen von, zur pas¬
siven Immunisirung, von Freund und
ijrrosz 482, Resorbirharkeit der _
AleSn“d m ’. TO ° K0, : 1 “ be ': e “ r . '!?!
Alexander s Operation, Einfluss der, auf
die Geburt, von Stöcker .
Alexie, von Embden.
Alkaptonurie, von v. Moräczewski 160
V Embden 328, — von Stange
Alkohol, Einfluss des, auf das Nerven
System, von Ziehen.
Alkoholfrage und ihre Bed’eu'tung für
A olkswohl und Volksgesundheit, von
Smith ....
1181
874
526
65
1144
1019
803
Alkolholismus, Behandlung des chro¬
nischen mit Strychnin, von Combe-
male 487, — mit Rücksicht auf die
Bestimmungen des neuen bürger¬
lichen Gesetzbuches und des Straf¬
gesetzbuches, von Coester 901, — und
Arbeiterfrage von Herkner 1019, Ein¬
fluss des — auf das AVachsthum der
Kinder, von Lancereaux 1122,—der
Ammen, von Vallin .1123
Alkoholverbände, von Schmitt . 684. 603
Alloxurkörper im Harn, von Laquer. . 403
2
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X
INHALTS-VERZEICHNISS.
1896 .
Alloxurkörperausscheidung im Harn bei
Nephritis 106, — von Hess 403,
— bei Gicht und Schrumpfniere, von
Rommel 482, Beeinflussung der —,
von Futcher 986, — von Lüthje 1055
im Harn und perinucleilre Basophilie,
durch Milchdiät, von Laquer 875, —
AlloxurkOrperbestimmung von Laquer 1111
Alopecia areata totalis, von Neuberger733,
— areata, von Brocq 859, Ursprung
der —, von Sabouraud 1030, neuro¬
tische —, von Steindler 1122, — und
Basedow sche Krankheit, von Berliner 1195
Alqute-Alexander'sche Operation, von
Steinthal.384
Aluminumschienen, von Stendel . . . 915
Alvarenga-Preis.1199
Amenorrhoe, Behandlung der, mit Eier-
stocksconserven, von Mond .... 314
Ammoniak im Mageninhalt und Speichel,
von Sticker . . . . . 1010
Ammoniaknusscheidung, von Hnllervor-
den 325, — von Rumpf 038, — bei
Gastroenteritis im Siluglingsalter, vou
Keller .. 1056
Ammoniak-Bildung und -Ausscheidung,
von Rumpf.'.106
Ammoniaksalze im Körper, von Rumpf 406
Amnesie, retrograde, nach traumatischer
Epilepsie, von v. Strümpell 757, —
von 18jühriger Dauer, von Bastian 1271
Amoebenenteritis, von Boas ... 86, 187
Amtliche Erlasse: Revision der Arznei¬
taxe für das Königreich Bayern betr.
44, Verhältnisse der Privatirreuan-
stalten betr. 143, Abhaltung bakterio¬
logischer Curse betr. 308, Vollzug des
Impfgesetzes vom 8. April 1874 betr.
332, Jahresberichte der öffentlichen
Untersungsanstalten für Nahrungs¬
und Genussmittel betr. 440, Bestim¬
mungen betr. den Geschüftskreis der
Divisionsärzte 647, Verhandlungen
der Aerztekammern im Jahre 1895
betr. 716, die Abgabe starkwirkender
Arzneien sowie die Beschaffenheit
und Bezeichnung der Arzneigläser in
den Apotheken betr. 787, die Aus¬
stellung amtsärztlicher Zeugnisse für
die Aufnahme von Studirenden an
der k. Forstlehreranstalt Aschaffen¬
burg betr. 812, Prüfung für den ärzt¬
lichen Staatsdienst im Jahre 1897
betr. 812, Abgabe stark wirkender
Arzneien betr. 1096, Trennung des
Sanitätscorps der Marine von dem
Anatomisches Institut in Siena .... 715
Anchylose, die nicht suppurativen
Formen der, von Anderson ül4, —
des Ellbogengelenkes, von Kölliker
963, — des rechten Unterkieferge¬
lenkes infolge von gummöser Neu¬
bildung der Parotis und ihrer Um¬
gebung, von J. Merkel ..1228
Anchylostomiasi8 des Pferdes, von v.
Rdthonyi.987
Anchylostomum duodenale ohne secun-
däre Anämie bei Negern, von Zinn
715 Antituberculose-Serum und sein Anti¬
toxin, von Maragliano.924
Anus praeternaturalis, von Braun . . . 598
Aorteklappen, Zerreissung der —, von
Lanuois.1271
Aortenaneurysma, s. u. Aneurysma.
Aorteninsufficienz, Mechanismus der,
228 von Kornfeld. 15, 183, 323
Aphasie, Heilungsversuche bei centraler,
987 von Gutzmann 637, — bei Idioten und
Imbecillen, von Heller.780
Apolysin, von Greif.778
und Jacoby. 874 Aponeurosennaht, von de Marsi .
Aneurysma des Aortenbogens, von Ilein-
lein 66, — dissecans der Aorta, von
v. Kahlden 108, — der Aorta, von
v. Kahlden 136, — von Fränkel 10! 0,
— nicht traumatisches, der Arteria
vertebralis 257, — der Arteria pul-
monalis, von Albu 327, — einer
Gehirnarterie, von Oppenheim 407,
— der Aorta, von Fränkel 1090,
— der aufsteigenden Aorta und
Anonyma, von Büumler 1120, — der
Arteria poplitea, von Bollinger 1163 ,
— der Arteria coron. ventr.dextri,
von Kayserling 1171, — der Banch-
aorta, von Kayserling, 1171, — der
Brustaorta, von Litten 1171, — aortae,
von Fraenkel A. 1241, — aortae disse¬
cans vonTschermak 1263, — der linken
Apothekenwesen.882
Apothekerrath.488
Appendicitis simplex 261, — und ihre
Behandlung, von Le Dentu 357, — und
ihre Complicationen, von Siegel 897,
bei — Indication des operativen Ein-
griffes, von Gereuny.1178
Appcrt'sche Scheiben als Lüftungs¬
mittel, von Serafini.684
Approbationserteilung ohne Prüfung . . 215
Approbationsprüfung für Ausländer in
Frankreich.786
Arbeiten aus dem Institut für Anatomie
und Physiologie des Centralnerven¬
systems, Wien, von Obersteiner . . 1307
Arbeiter -Versicherungs - Gesetzgebung,
Neuere Literatur und Ereignisse auf
dem Gebiete der, von Gumprecht. . 1113
Femoralis, von Habs. 1268 Arbeiterwohnungen in Christiania, von
Aneurysmen, traumatische, von Baeza
85, — Behandlung der, nach Mac
Ewen, von Büumler.931
Angina phlegmonosa s. Peritonsillitis
abscedens, Behandlung der, von Kil-
lian 696 , — pectoris, Nitroglycerin
bei, von Schott 763,-, Behand¬
lung der, von Grünwald. 890
Angiodystrophia ovurii, von Bulius . . 1089
Angiom, ausgedehntes cavernöses, von
v. Kahlden.108
Angioma hypertrophicum musculi recti
abdominis, von Warneck 203, —
myxomatodes der Placenta, von v.
Mars 926, — arteriale racemosum,
Holst ..662
Arbeitshrille für hochgradige Myopen,
von Heilhorn.* . . . 459
Arbeitsdauer und geistige Leistungs¬
fähigkeit derSchulkinder vonFriedrich 809
Archiv, deutsches, für klinische Medicin
84, 134, 373, 660, 1189, — für klinische
Chirurgie 16, 183, 257, 432, 575, 662,
873, 926,1079,1189, — für Gvnilkologie
16, 160, 297, 625, 852, 1081, — für
Hygiene 161, 298, 325, 662, 1238, — für
Psychiatrie und Nervenkrankheiten
233, 346, 637, Virchow's — 36, 106,
324, 526, 576, 638, 829, 1020, 1082,
fl44, — für Unfallheilkunde . . . . i I99
von König.1061 Argentamin in der Augenheilkunde, von
Annalen des pathologischen und bac-
teriologischen Institutes zu Bukarest,
von Babes 35, — der städt. allgemeinen
Krankenhäuser zu München, von v.
Bocci.899
Arlt-Denkmal.668
Armvenen, zum Aderlass benutzte, von
Waldever.1146
Zierassen.925 Arsen, subcutanc Anwendung des, v
Annoncirende Aerzte, Recurs der. . . 855 v. Ziemssen .34
Annualofthe universal medical Sciences 168 Arse ™ klilhl “üngen, von Lancereaux . 762
nophthalmie und Bulbusatrophie bei Arterien, krankhafte Verengerung und
Neugeborenen, secundäro Veränder- Verschliessung vom Aortenbogen aus-
ungen der primären optischen Cen- gehender grosser, von Högerstedt und
tren und Bahnen in Fällen von con- Nemsor . 1056
genitaler, von Leonowa ....’. 233 Art enenwand, Bau der, von Bonnet . 18
nsteckung durch Bücher, von du Cazal Arteriosklerose, circumscripte, von Litten 435
und Catoin. 22 Arthritis tuberculöse, und Ostitis im
atefixatio uteri, vaginale," von Wert- frühesten Kindesalter, von Rovsing 1080
heim 258, — von Staude’327, va- Arthrodese, von Lauenstein, Kirmisson,
ginale, von Dührsscn 55). — Geburten Isnardi.348
der Armee.. An °pbthalmie und Bulbusatrophie bei
Amyloform, von Longard.1175
Amyloid, Resorptionsfähigkoit des, von
Grigorjeff.209
Amyloidtumoren der Zunge, von Schmidt
M. B.’.324 Ansteckung durch Bücher, von du Cazal
Anftmia splenica, Therapie der," von . u , nd Ca . toin ..
Köster 105,-von Glöckner 575 Antefixatio uteri, vaginale, von Wcrt-
— perniciosa, von Ewald 234, Blut¬
befunde bei pernieiüser —, von
Lazarus 2f 9, Befunde im Rückenmark
bei letaler —, von Nonne 329, — und
GaBtroenteroptose, von Agöron 406
— ihre Varietäten, Ursache und Be¬
handlung, von Taylor 835, progressive
pernieiüse —, von Diebnlla .... 1055
Anämien, Bedeutung der Chloride bei
von v. Moracewski.’ iQ82
Anästhesie, locale, durch heisse Cocain-
Neugeborenen, secundäro Veränder¬
ungen der primären optischen Cen-
tren und Bahnen in Fällen von con-
Antefixatio uteri, vaginale, von Wert¬
heim 258, — von Staude 327, — va¬
ginale, von Dührsscn 551, — Geburten
nach, von Grusdew . .H28 A rane jen, Abgabe stark wirkender .
Antefixationsmethoden', vaginale, von
Kiefer.
Antefixirter Uterus, Schwangerschafts¬
und Geburtsverlauf bei, von Strass¬
mann .
Anteflexio uteri, pathologische, von
Moericke ....
Arzncien-Aufnahme, historische Notizen
374 über die, vom Mastdarm und von der
Scheide aus, von Sticker. 131
Arzneimittel, comprimirte.668
lg0 Arzneimitteletui.628
Arzneistoffe, Vehikel zur Application
110 von .- auf < ? ie Haut, von Schiff . . . 1196
173 Arzncithorapie der Gegenwart, von Jahn 1079
Arznei-Verkehr für Krankenkassen, von
Dronke .896
, R{ . Arzneiverordnung, Compendium der, von
,ö ° Liebreich.668
Anästhesie, locale, durch heisse Cocain- Anthropometrisches Signalement . . .1176 Arzneitherapie der Gegenwart, von Jahn
lüsung, von Costa 532, suggestive —, Antidiphtherieserum, Anwendung des Arznei-Verkehr für Krankenkassen, von
von Falk-Schupp . 808 von Cantü 985, — physiologische Dronke ............
Anüsthesirung durch Aetlier- u. Cliloro- Wirkungendes, von Cantü und Monti 985 TS , ng ’ Co " 1 l'endium der, von
btSf vo^BSoiy 0 .”? 11 ! 611 Ge ’ 298 S- Arat der Neuzeit 21, der praktische'-
Auatomie, Handatlas der, des Menschen' * Anti! ’ 57 ‘ Und sein Ben,f » vou ' Volff 803 > ein
von Spalteholz 524, descrintive und Werth der arzneilichen, praktischer-.. . .
topographische —, des Menschen Antistrentoeopponfl 102 ••••••• • 350 Arztwahl, freie, im bayer. Landtag 91,
von Heitzmann 574, 1212 Grundriss 778 V ?“ Ar . 0n80n ~ in Württemberg 262, — freie, 360,
der normalen menschlichen - von Williams ^eraler Septicaemie , V °a 73f) > 764 > 1312 > ~ * Frankreich 908,
1 ji<• 1!tor 1103, vergleichende zniLo bemann ’ “ V0 “ M6 " eUX “ d 19 J 4o ~öesteireich . .
skopische -, der Wirbelthiere, von . . '
Oppel.
twahl, freie, im bayer. Landtag 91,
— in Württemberg 262, — freie, 360,
735, 764, 1312, — in Frankreich 908,
— in Oesterreich.1001
Antitoxin« und TnviViÄ ’ ’ 'n '• * ’ ’ 4 1240 Asepsis in der Lan.lpraxis, vou Dörfler 416
Antitoxine und Toxine, von Br,egerund _ _| Aseptik der Naht und Unterbindungs¬
seide, von Mehler
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XI
Aseptischen and antiseptisches Operiren
in der Landpraxis, von Hüls . . . 387
Asphyxie, schwere, von Hoerechelmann 661
Ässociationscentren des menschlichen
GehirnB, von Flechsig.• • 758
Asthma, das nasale, und seine Bezieh¬
ungen zum Emphysem, von Schech
773,782,— dyspepticum, von Boas 932,
— bronchiale, während der Men¬
struation, von Katz.• • 1240
Asthma-Krvstalle, von Montessori ... 387
.Asthmatischer Anfall im Röntgenbilde,
von Levy Dorn.1191
Athemzug, Hilfsursachen des ersten, von
Runge 17, —, Ursache des ersten, von
Thorn.613
Athmung, intrauterine, nach Ahlfeld, von
Range 17, —, Wirkung übergrosser
Gaben von Atropin auf die, von Binz 987
Athmungsneurosen, von Strübing . . . 481
Athmungsorgane, mechanische Behand¬
lung der chronischen Erkrankungen
der, von Steinhoff.957
Atlas, Neisser's Aereosk-, med.1307
Atresiaduodeni.angeborneinfrapapillttre,
von Trumpp. 747
Atrophische Kinder, Behandlung von,
in der Couveuse, von Johannessen . 483
Atropin, schädlicher Einfluss des, auf
Athmung, von Unverricht 623, von
Binz. 987
Atlas der Gynäkologie von O. Schaffer
14,—und Grundriss der traumatischen
Luxationen und Fracturen, von Hel-
ferich 15, —, Cystophotographischer,
von Nitze 256, — stereoskopisch-medi-
cinischer, von Neisser 15, 619, 756,
925, 1307, —, mikrophotographischer,
der Bacterienkunde, von Itzerott und
Niemann 35, —, cystophotograpli.,
von Nitze 256, —, Anatomischer, für
Studirende und Aerzte, von Toldt
und Dalla-Rosa 502, — der Anatomie,
von Spalteholz 524, — und Grundriss
der Bacteriologie, von Lehmann und
Neumann 549, — und Grundriss der
path. Anatomie, von Bollinger 618,
1168, — und Grundriss der Verbands¬
lehre, von Hoffa 1168, —, der
Beleuchtungsbilder des Trommelfells
im gesunden und kranken Zustand,
von Politzer.1261
Audiffret, Preis.360
Aufmerksamkeit und Thätigkeit der
Sinnesorgane, von Heinrich 759,
Einfluss der — auf die Empfindungs¬
intensität,von Külpe 759, von Heinrich 759
Au 8 e > gonorrhoische Erkrankungen des,
von Eversbusch 167, —, elastisches
Gewebe im menschlichen, von Stutzer
1021, Verletzung des rechten —, von
Gessner.1271
Augen, Retractionsbewegungen der, von
. TQrk .300
-Augenärztliche Therapie für Aerzte und
Studirende, von Ohlemann .... 183
Augenaffectionen, Trockenverband bei,
von Rogman .623
Augeneiterung der Neugeborenen,’Ver-
Weitung und Verhütungder, von Cohn 1186
Augenkammer, Fremdkörper in der vor¬
deren, von Denig.510
Augenkrankheit, contagiöse, in ' Ösb
preus8en. ggg
Augenmuskellähmungen, multiple, und
lüre Beziehungen zu den sie be-
(üngenden Krankheiten, von Marina 681
Augenspiegellampe für Gas und elek-
A.mS 6 1 Beleuchtu ng, von Eversbusch 186
Ausdrucksbewegungen, Untersuchung
,„ Q f , ' n ® rer > von Sommer.4C6
*SÄ;„ s “" m ln F ™ krei « h
An= 8t ^i? ng Pharmaceutische . . . 388
AmoiSr Un ? 44> 332 > 560 > 81 940, 10G4
vin aT cT“ des I“testinaltractU8
Ant I°? Albu 34, - V o n Pöhl . . . ; 38i
Autoskop.e der Luftwege, von Kirstein
718 , 730
Bacillus, ein in Eiscreme und Käse gift-
prqducirender, von Vaughnn und
Perkins 1239, — brunigeuus putre-
facjens, ein neuer Fäulnisserreger,
von Tauffer ... .1241
Bactcrien, Zusammensetzung der Asche-
bestandtheile der, von Gramer . . . 783
Bacterien-Pärbung, neue Methode der,
von Pick und Jacobsohn.875
Bacterienkunde, mikrophotographischer
Atlas der, von Itzerott und Niemann 35
Bacterienuntersuchungen, Gegenfärbung
bei, von Knaak.805
Bacteriologie, Atlas und Grundriss der,
von Lehmann und Xeumann 549, In¬
wieweit hat die — die Diagnostik
gefördert und die Aetiologie geklärt?
von Rosenbach.1021
Bacteriologischo Centralstationen, von
Biedert .1025
Bacteriologisches Institut in Moskau . 304
Bacteriothernpie s. a. Geschwülste.
Bacteriotherapie der bösartigen Neu¬
bildungen und ihre Grundlagen, von
Glück8mann .... . 98
Bacterium coli commune und Bacillus
typhi abdominalis, Differencirungs-
verfahren zwischen, von Piorkowski
530, — -Arten, electives Wachsthum
der, von Elsner 622, — -ähnliche
Mikroorganismen, von Ehrenfest 684,
— anindolicum und — anaerogenes,
von Lembke.1240
ßacteriurie bei Nephritiden, Untersuch¬
ungen über, von Engel. 84
Badewanne für die Schildeloberfläche,
von Grüupner.1171
Büdernachrichten.3-8, 416, 606
Balantidium coli, Megastoma entericuni
und Bothriocephalus latus hei der¬
selben Person, von Sievers .... 481
Barlowsche Krankheit, von Liebe 30, -
von Frendenberg 107, — von Meyer64,
— von Pinner .805
Basedow'sche Krankheit, Neues zur
Pathologie der, von v. Hoesslin 25
— von Silex 108, Frühdiagnose und
Therapie der—, von Lemke 109, 164,
334, pathologische Anatomie der —,
von Furner 325, — chirurgische Be¬
handlung der, von Berndt 662, Thy-
nmsfütterung bei —, von Owen 835,
Verhalten der Körperarterien bei —,
von Gerhardt 897, — von Murray 937,
— von Frankenburger 1000, — und
totale Alopecie, von Berliner 1195,
— mit Diabetes mellitus, von Bett¬
mann . .1201
Basophilie, perinucleäre, und Alloxur-
körperausscheidung ini Harn, von
Futcher.• • 936
Bauchbinden, von Piering 637, Verord¬
nung von —, von Asch.1060
Bauchfelltuberculose, operative Heilung
der, von Israel 18, Rückbildung der
— nach einfachen Bauchschnitt, von
Gatti.• . . . . 1189
Bauchhernie, Verhütung der, von Koss-
mann.. . . .1112
Bauchhoden, Geschwulstbildung im, von
Eigenbrodt ... 505
Bauchmassagc, von Oetker.623
Bauchnaht bei Laparotomien, von Kehrer 1112
Bauchorgane, Palpation der, von Lenhof 1146
Bauchschnittnuht, von Schneller 987, 1214
Bauch-Verletzungen, Behandlung von,
von Madelung.929
Baumann Eugen. 320, 1141
Bayer'sehe Farbenfabrik.786
Becken, Apparat zur Fixirung skeletirter,
von Ahlfeld 62, das coxalgische —,
von Peters 160, schräg verengtes —,
bedingt durch Ankylose im Ueosacral-
gelenk, von Salus 297, Eintheilung
fehlerhafter—, von Dohrn 401, künst¬
liche Erweiterung des engen —, von
Pooth621,spondylolisthetisehes—,von
Braun v. Fernwald 852, Geburt bei
engem —, von Knapp 852, Zangen¬
operation oder Wendung bei massig
verengtem —,von MurraySSI,osteoma-
Iacisches —, von Einmorich ....
Beckenfractur, von Gerota.
Beckenhebevorrichtung, neue verstell¬
bare, von F.berhart .
Beckenhochlagerung, Notiz zur Ge¬
schichte dor, bei chirurgischen Ope¬
rationen, von Fuhr .
Beckenneigung, von Savor ......
Beckenscliätzung, manuelle, von Uihlein
Beckentumor, Exstirpation eines, von
Arndt .
Behandlung par distnnce.
Behandlungskosten und Erwerbsverlust
in Oesterreich, von Dwolak . . . .
Beinhalter zu gynäkologischen und ge¬
burtshilflichen Zwecken, von Tändler
733, transportable — für die geburts¬
hilfliche Praxis, von A. Mucllcr . .
Beiträge, Bruns', zur klinischen Chirurgie
134,315,550,704,801,1169,—.Ziegicr's,
zur pathologischen Anatomie 209,
37», 956, 114», 1170, 1191,
Belastungsmetliode, neue functioneile,
von Lorenz.
Benedikt-Jubiläum.
Benzinvergiftung, ein Full von, von
Witthauer.
Benzolvergiftung, von Bciuhauer . . .
Benzosol, von Kofron.
Berchtolil, Suggestion in dem I'rocess,
von Moritz.
Beri-Beri, von Hoppe -Seylcr 20, von
Kustcrmann 436, — -Krankheit,
von Glogner.
Bericht der kgl. Universitäts-Poliklinil
für Kinderkrankheiten im Reisinger
ianum pro 1895, von Seitz . . .
Bericht der kgl. chir. Universitäts-Poli
klinik zu München im Jahre 1895
von Klaussner.
Bericht über die Münchener medici
nische Universitäts-Poliklinik i. Jahre
1895, von Moritz.
Berufskrankheiten der Arbeiter . . .
Bewegung, inwieweit ist Integrität de
centripctalen Nerven eine Bedingung
für die willkürliche, von Hering .
Bewegungsstörung, merkwürdige, von
v. Hösslin.
Bezirksärzte, Verbesserung der Rang
Stellung der österreichischen . . .
Bibliothek der gesummten medicinischen
Wissenschaften von Dräsche . . .
Billings J. S., von v. Winckel . . .
Billrotli, Briefe von.
Bindegewebsfibrillen, Entwickelung der
von Flcmming.
Bindehaut-Diphtherie, von Ewetzky .
Biologie und Gesundheitslehre, von
Büchner .
Biomechanische Grundlagen, von Bene
dikt.
Bisswunden wuthkrankor Hunde . .
Blähkropf, von Frank ...... •
Blase, Prolaps der weiblichen, von
Kleinwächter.
Blase, Drainage der, vom Damm aus
von Guyon.
Blasenfisteloperation nach Abscess im
Ligamentum latuin, von Baumgärtner
Blasengeschwulst, spontane Heilung
einer inoperablen bösartigen, von
Schuchardt. ....
Blasengouorrhoe, von Wertheim . .
Blaseninsufficienz, senile von Ciecha
nowski.,
Blasenkrebse, Behandlung vorgechrit
teuer, von Schuchardt.
Blasenmole, Anatomie d., von v. Francquö
Blasenruptur, von Kramer.
Blasenscheidenfisteln und Mastdarm¬
scheidenfisteln , operative Heilung
grosser, von W. A. Freund.
Blasenspalt, congenitaler, von Poppert
Blasensteine, operativ behandelte, von
Lauenstein.
2*
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XII
INHALTS-VERZEICHNISS.
1896
Seite
637
1000
1056
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1307
258
41
1309
1175
Blasentuberculose, chirurgische Behand¬
lung der, von Greiffenhagen ....
Blasentumoren, Entfernung von, ver¬
mittels des Nitze’schen Operations-
cvstoskopes, von Görl • • ■ • •
Blasenverletzung nach Bruchschnitt,
von Holländer._.
Blasenwand, Ruptur der hinteren, von
Blastomyceten, pathogene Wirkung der,
von Sanfelice ....... 621, 622, 683
Blattern, Serumtherapie der, vonBeclcre 91
Blatternepidemie in Marseille von
Queirel.• • • * ’ Jlfq
Blausucht, angeborene, von Litten . . mu
Bleigicht und Einfluss der Bleiintoxi-
cation auf die Harnsäureausscbeidung,
von Lüthje.. ; • •
Bleikolik, Blutdruckbestimmung bei, von
Borgen 134, — Behandlung der, mit
dem constanten Strom, von Regmen 628
Bleivergiftung, von Rcndu 1149, —,
Parotitis nach, von Aehard .... 1311
Bleivergiftungen in Wien ..... • 4b2
Bleiweiss, ungiftiges, von Kionka . . . 433
Blennorrhoe b. neugeborencnKaninchen,
von Heller 664, — der Sexualorgane,
von Finger.• • •
Blepliaroplastik, von ühthoff . .
Blinddarm, Neubildungen des, von Hein
lein..
Blindheit. Entdeckung der simiilirten
Blitzschlag, Verletzungen durch
Blut geschlichteter Thiere 360, Unterschei¬
dung von diabetischem und nicht
diabetischem —, von 'Williamson 836,
Morphologie des — und der Lymphe,
von Botkin 1082, Einfluss des Hä-
maglobingehaltes lind der Zahl der
Blutkörperchen auf das spec. Gewicht
des bei Anämischen, von Dieballa 1189
Blutalkalesccnz, von Caro 661, Verhalten
der — des Menschen unter einigen
physiologischen und pathologischen
Bedingungen, von Strauss 661, —, von
Biernacki .
Blutalkalescenzbestimmung am Kranken¬
bett, von Karfunkel.
Blutbeschaffenheit, Einwirkung des
Höhenklimas auf die, von Schaumann
Rosenqvist.. • • 550
Blutcirculation, Einfluss der Musik auf
die, im Gehirn, von Patrizi.
Blutcyste in der Sehnervenscheide, von
Franke.. • ■ ■
Blutdruck, Einwirkung barometrisch ver¬
schiedener Luftarten auf den , bei
Kaninchen, von Aron 325,Registrirung
des —, von Hiirthle.853
Blutdruckbestiinmung am Krankenbett,
von Federn.. • 990
Blutdruckmesser, neuer, für die ärztliche
Praxis, von Hoepfl.
Blutdruckmessung am Menschen , von
v. Frey .. • • •
Bluter, Gelenkerkrankungen bei, von af
Forselles.
Blutergelenke, von Linser.
Blutgerinnung innerhalb der Gefässe,
von Mayet und Vaquez.
Blutkörper, zur Biologie der roten, von
Arnold 417, Morphologie und Biologie
der roten —, von Arnold 829, mor¬
phologische Wirkung einiger Stoffe
auf weisse —, von Uhlmann . . .
Blutleere, künstliche, von v. Esmarch .
Blutprüparate, von Litton 136, Fixation
von —, von Krönig.664
Blutserum in der Therapie, von Roger 857
Blutungen, Ursache und Behandlung der
secundären puerperalen, von Routh 881
Blutuntersuchungen in den Tropen, von
Eijktnann 325, — bei Diphtherie, von
Engel 664, bacteriologische —, von
Kolm.1241
Blutuntersuchungsmethoden, von Len-
liartz.. . • 18
Blutveränderungen durch thermische
Einflüsse, von Loewy.1021
636
805
901
1144
433
1000
459
828
1262
670
759
410
697
505
36
1169
882
1145
523
Blutverluste, Behandlung der starken—
folgenden Zufälle, von Mitour . . .
Bogenlicht, Wirkung auf die Gewebe des
Auges.
Bohrperforatorium, von Favr.
Bordelle, Nothwendigkeit von . . • •
Botriocephalus-Anämie, von Ewald . .
Brachialneuralgie, von Heinlein . . •
Brachydactylie, von Joachimsthal . . .
Bradycardie, cardiale, von Schuster . .
Brandwunden, Behandlung von, von
Poggi. • '
Briefkasten..
Brille für Schulkinder, von Giulmi . .
Brisement forcö, von Townsend . . . ozo
Bromoformvergiftung, von van Bömmel
63, zurCasuistik der —, von Börger
469, -, von Czygan.1808
Bronchitis, Behandlung der, der Kinder
mit heissen Bädern, von Renaut357,
— idiopathische fibrinöse, von Soko-
lowski 374, — Behandlung der, von
Lemoine.. • 988
Bronchostenose, Sectionsbericht zu Sei-
fert's Fall von syphilitischer, von
Schwyzer. 88 '
Bronzekrankheit, von Helm.1147
Bruchbandfrage, von Hoffa.• 525
Bruchwasseruntersueh ungen, bacterio¬
logische, von Brentano.637
Brüche s. a. Hernien, ferner unter Bauch,
Leiste etc.
Brüche, eingeklemmte von Borehard . .
Brüste und Stillen, von Hegar ....
Brunnenordnung, von Schröder ....
Br ustm uskeldefect, angeborener, von
Hofmann..
Brustwarze, supernumeräre,beim mensch¬
lichen Weibe, von Patellani ....
Brustwirbelfractur, von Heinlein . . .
Bubonenpest, Bacillus der, von Zettnow
621, — von Monod. • H50
Buchdruckereien und Schriftgiessereien,
Betrieb der, von Lewin ..... .
Buchführung für Aer/.te, von Henning
Bulbärparalvse, asthenische, von v.
Strümpell 682, — apoplectiforme,‘von
van Oordt.883
Bursa subcruralis, Entzündungen der vom
Kniegelenke getrennt gebliebenen,
von Riedel . . . 550
Bursitis trochanterica tuberculosa, von
Bozzi.1^5
C.
Caisson-Arbeiter, 357, Labyrinth-Er¬
krankungen bei . 641, 1054
Caissonkrankheit, Behandlung eines
Falles von, von Silberstein .... 12G9
Calci uniBulfohydrat als Pepilatoriuni, von
Bravton. 836
Calorimetrische Versuche am mensch¬
lichen Arme bei nasser Kleidung,
von Ruhner.299
Cancroid der Haut hei einem 6 Monate
alten Kinde, von Selberg 830, — der
Niere, von Tschirschwitz.
Caput obstipum musculare, von Kader .
Carholätzung, Wirkung der, auf die ge¬
sunde Haut, von Frickenhaus 396,
Carholgangrän, von Leusser ..... 338
Carbolinjectionen, parenchymatöse bei
tonsillärenErkrankungen, vonKramer 1169
Carcinom 8. a. Krebs, ferner unter Blase,
Darmwand, Lunge, Magen etc.
Carcinom des Pharynx, von Betula 64,
— der Zunge, von Heinlein 65, —
des Mastdarms, von Koch 86, — des
Magens, von Michael 109, von Wie¬
singer 410, — der Schilddrüse, von
v. Kalilden 136, — der Niere, von
v. Kalilden 136, Zellen mit Eigen¬
bewegung des Inhalts beim —, von
Rosenthal 297, — des Colon, von
Israel 300, Gleichzeitiges Vorkommen
von — und Sarkom im Uteruskörper,
von Emanuel 401, — des Pancreas,
von Hanot und Bard 462, — <ler
Flexura coli hepatica, von Sendler
1062
1169
408
Seite
709 _ des Larynx, von Rosenfeld
761* von Dreyfuss 761, — deß Magens,
Frühdiagnose des, von Schüle 862,
Ueberimpfungen des — von Men¬
schen auf Thiere, von Dubois 93»,
— des Ductus thoracicus,vonSchramm
1082, von Unger 1082, primäres ,
der Lunge, von Pässler 1032, Ent¬
stehung des —, von Leopold 1115,
— des Pharynx, von Voigt 1120, —
der Prostata, von Desnos . . . . . 1150
Carcinome, seltenere histologische Be¬
funde bei, von Petersen 211, Alkohol¬
behandlung der —, von Hasse 599,
Multiplicität der primären —, von
Cordes . ••••;’ 1082
Carcinoso des Knochenmarks, Blutbe¬
funde bei metastatischer, von Ep-
stein .. • ^
Carcinomgewebe, Veränderungen des,
bei Injectionen von Krebsserum und
Alkohol, von Opitz 830
Casein salze, Nährwerth und Verwendung
von, von Laquer.. • 988
Castratioü, Behandlung der Ausfallser¬
scheinungen nach, von Mainzer 280,
hohe —, nach v. Büngner, von Lauen¬
stein 503, 639, 777, Einfluss der ein¬
seitigen — auf die Entstehung des
Geschlechtes der Frucht, von Goenner
705, Uterus-Mucosa nach —, von
Eckardt .
Castrationsatrophie der Gebärmutter, von
Gottschalk.
Casuistische Mittheilungen aus dem
Krankenhaus in Halberstadt . . .
Catgut, Eiterung durch keimfreies, von
l’oppert.
Catgut-Desinfection, von Saul . . .
Catguteiterung, von Poppert.637
Catgutfragc, von J. Hahn ..... • • J8<
Catgutsterilisation, von Hofmeister 232,
316, 599, 801, —, von Schaeffer 554,
Cavernom des Vorderarms, vonKlaussner
Celluloid-Mullverband, von Länderer u.
Kirsch 728, —, von Länderer
Centralblatt für Anthropologie 116, — für
Kinderheilkunde 168, — für Chirurgie
fast in jeder Nummer, — für Gynä¬
kologie ebenso, — für klin. Medicin
ebenso.
(’entralnervensystem, Arbeiten aus dem
Institut für Anatomie u. Physiologie
des, in "Wien, von Obersteiner
Centralorgane, Bau der nervösen, im
gesunden und kranken Zustande, von
Obersteiner 575, Vorlesungen über
den Bau der nervösen —.von Kdinger 1235
Ccntrifugen, von Krönig . . . . . - • 642
Cephalhvdrocele traumatica, v. Quervain 16
Oerebrospinalmeningitis, epidemische,
von lleubner 855, 639, 642, — und
acute Gonorrhoe, von Fürbringer 639,
— und Gonorrhoe, von Kiefer . .
Cervix, Bacteriengehalt des, von Goebol
106, Ballondilatation des —, von
Mueller ... . ..
Cervixmyom, Complication der Geburt
durch, von Flaischlen.1U0
Cheiloplastik, von Larger ...... • 1150
Chemie, Lehrbuch der physiologischen,
von Ilammarsten 105, Repetitorium
der —, von Arnold 415, Lehrbuch der,
physiologischen —, von Neumeister (03
Chemisch - bacteriologische Anstalt in
Magdeburg... 908
Chemisch-diagnostische Untersuchung,
Anleitung zu, von Tappeiuer . . - 897
C-heyne-Stokes'sches Athrncn, von Stern 404
Chinin, subcoujunctivale Injectionen
von, von Bossalino.. • • 532
Chininderivate und l’hosphine, Wirkung
von, auf niedere Organismen, von
Tappeiner, 1, Wirkung von — auf
Infusorien, von Grethe. 84
Chininsalze, Handverkauf der .... 4a»
Chinosol als Antisepticum, von Koss-
mann 17, —, von Ahlfeld und Vahle
232, —, von Witte.232
729
1037
778
1191
257
853
112
1033
1307
684
1190
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1886.
J^^alts-verzeichniss.
Seite
346
Chinosolfrage, von Kossmann ....
Chirurgie, prähistorische, von Lehmann-
Nitsche 1-4, Lehrbuch der speciellen
von Tillmanns _.256
Chirurgische Gremien in Oesterreich . 484
Chirurgische Klinik in Strassburg, Be¬
richt über die, von Fischer .... 728
Chloroformmaske mit Stirnbinde, von
Stob nasser.1021
Chlorofonnnachwirkung, tödtliche, von
Marthen.•.258
Chloroformnarkose, Harnbefunde nach,
von Nachod 16, — und Aethernar-
kose, die üblen Zufälle bei und
nach, von Zoege von Manteuffel . 265
Chlorose, Behandlung der, durch Ader¬
lass und Schwitzcur, von Schmidt 632,
— und Papilloneuritis, von Dieballa
664, Behandlung der — mit Ovarin,
von Spillmann und Etienne 938,
Werden bei der Behandlung der —
durch die neuerdings empfohlenen
Mittel: Aderlass und Schwitzcur
bessere Resultate erzielt, als durch
Eisen? von Schubert .2071
Chlorzinkvergiftung, von Karewski . . 1090
Cholagoga, von Stadelmann .... . 187
Cholelithiasis-Behandlung mit Gel-
Id vstiren ..4O0
Cholera im Elbgebiete, von Wolter 31,
- im Elbgebiete, von Kühler 82,
- in Galizien 165, — in den an
Hamburg angrenzenden Theilen des
Regierungsbezirkes Schleswig 297,
-, Gehirnveriinderungen bei der asia¬
tischen, von Tschistowitsch
Choleraahnliche Vibrione, Nachweis v’on^
in Flussläufen, von Neumann u. Orth 622
(lioiGrflärztö ••••«.,.. • 667
tholera-Immunität, von Gruber . . 206 381
(holeranachrichten 360, 560, 606 628 ’
MM92, 735,786, 811, 9??;
Cholera nostras, von Pottien 683, — von
Jolasse . .
xin
8eite
1020
Circulationsstörunge^, _ mecuat
Bum n !40 S • Be ^ a “ dlun g der, von
I4 °’ T lm Gehlrn nach Unter-
061 Art ' von
Ci th°„tl h 3 7 P ö at, l ■ von “*
von Siegenbeck vai iScTr.*" 10 ’ I2l4
C trophen, von Benario . . '
Cladothnx, eine thermophile, Kedziar 1239
Claviculafracturen, von Furier
Claviculaluxat.on, Knochennaht beiacro-
fataler, von Krecke.
Cleidotornie, von Strassmann . 10^7
(.oMMnlkHeaii, Operationen unter;
\on Schmitt ....
Cocain-Vergiftung, acute, von Grass¬
mann 127, — von den Harn wegen
aus, von Weinrich 300, — von der
Scheide aus, von Pfister 347, - von
Kybakoff ...
Coeliotomie durch* suprasymplivsäi-en
Kreuzschnitt, von Küstner . .* 9 »n
Col tapiroide, Incarceration eines in
einem Schatz'schen Schalenpessar
von Peters.
Colicystitis im Kindesalter, von Trun.'pp
Collegiengolder, Abschaffung ( j er . 3^
„ r» Verstaatlichung der .
Codes sches Gesetz, von Ogilvie
Colpotomia anterior und ihre Erfolge
^ von Wendeier.
Coma diabeticum. von Hirschfeld *
0v 8 8 M s rk i en r n , de -^ mater - von
t j stitis, Aetiologie der, von du Mesnil
Cystophotographischer Atlas, von Nitz«
Hia°l “ d6r Ma,nnia - von%S
Cystoskop, Nitze'sches, von Stei’ n ’
C ys oskopie, Werth der, beim Weibe!
'on Mainzer .
Seite
109
1150
256
385
1033
1210
603
1175
161
1008
1218
167
D.
Analogie
einen centralon,
904
209
585
63
1262
905
485
1171
23
ho eraschutzimpfung, von Haffkine
Cholera-Toxin und -Antitoxin, von
.letschnikoff, Roux und Taurelli-
J-ahmbem . . .
ü nd T .vpWba'ciiiu' s ,'ei„e
neue Methode zur raschen Erkennung
n , imber und Durham 285,
PKn! g u <ie8 - von Büchner
Xtn'’" e “u D ’ffereutiaIdiagno8e
zischen, und anderen denselben
S eS 6 ?2 "p?;, Vibrionen - von Dun-
t » i Bathogemtät der — für
Tauben 622, Verhalten des Chrvso
d,ns gegen -, von Blacbstein
i#m
Störung von ^ loa ’ Geistes-
der — nii, Ä Behandlung
Chorion, k i e " lk ' '’ 0n Oo.nby . .
»“ÄÖT «ie, 705
hgner Tumor der d Ascho f lb0 > »»»-
Tumoren der - Run « e 297 >
Chtobak-Jubillium * reund • • .
s2 U1 ’ t0Xlsch ' e Wirkung des,* von
Rr kra ik^uie Zusamm enh{ing von
: les WnStS’ Erkrankungen
Leubuscher 8 ; 8 ; emB bei Kind crn,
711
1067
1093
638
37
63
905
Condylome, spitze, von Steinthal '
Confiiet zwischen zwei Professoren . . non
Congress für innere Medicin . 1091
Congresse s. a. unter III.
Congressnachrichten 44, 192, 214 215 263
360, 387, 388, 439, 464, 511 532 560 Sh
CoS 692 ’ 715, 735 ’ 764> 78ß - 811,’ 8G0,' 1064
Conservurung von Sammlungspräparaten
von Kayserling. ’ 074
Conservirungsmethode, neue,von Kavser-
t Bng.
Conservirungsverfahren, von Fraenkei
Conversationslexikon Mever's 415 9 5
Coprome, infantile, von Demons ’ ' ’
Cor bovinum bei einen. 11
1120
1089
930
22
inum bei einem 11 monatlichen
Kinde, von Hauser.
Cornea. Entzündung der, von Grawitz
664
999
1064
1123
600
623
938
705
386
1221
1100
109
Corpsgeist, Mangel an . ’. . ’ jqq
Correspondenz ..* .* m, 884
Coxa vara, von Kocher 348, von Kraske 348
— congenita, von Krcdel.lojo
Coxitis, Nachbehandlung der nach äb-
gelaufener - zurückgebliebenen De¬
formitäten, von Hoffa 87, — conser-
vative Behandlung der tubereulösen,
und deren Resultate, von Sasse 183
—, Behandlung der, von Sasse 31 m’
von Redard und Hennequin 348, —!
t von Delagenicre .’ 1151
Creeping-Eruption, von Barlow ! ! * ' 137
Creosotintoxication, von Faisans . . 191
Cretinismus, sporadischer, vou Parker
und Smith 908, —, myxoedematoser
von Mendel..1145
Criminalpsychologie, vou Nucke ! .* . 780
Crotonöl1, Wirkung des, von Kulisch 1221
t-roup, O Dwyer sehe Sonde beim, von
V ariot und Bayeux.734
Croupähnliche Erscheinungen, Tod
638
Daltonismus, Analogie mit dem,
Taverni.
Dampfschiffe, gesundheitliche Verhält-
Snd e Nod.f. n m ? d " De °' von Bu8k 'y
Dammriss, Geburt durch <
von Sitzinski
[tr r r;- N > ht A,»feis t ;dt
Darm, Bactenenfb.ra des, von Lembke
0. 4, Protozoen des menschlichen —
von Roos. ’
Darmaffection, in der Literatur* unbe¬
kannte, von Kötschau
Darmanastomose nach von* Frcv,’ von
Kuttner.
Darmantiseptica, Wirkungen der, auf den
Bacillus coli, von Grimbert . .
DarmausschaRung, von Wiesinger 30o'
lbb2, totale —, von Lührs 765, —.
von Olmlinski.
Darmatrophie, von Gerlacii
Darm Chirurgie bei ungewöhnlichen Lagen
und Gestaltungen des Darmes, von
Budberg-Boeninghausen und Koch
Darindesinfection, Purgantien als Mittel
zur, von Gilbert.
Darmdivertikel, multiple,’ voA ’llan'se-
mann 64, falsche —, von Hansemann
iJarmeinklemmung mit Aehsendrehung
nach Dickdarmrcsection, von L
Heidenhain .
Darmentzündung, folliculüre, der Kinder*
von Finkeistein. üöö' 761
Darmepithel, Verhalten des, bei Darm-
krankheiten der Säuglinge, v. Heubner
1 »arrnfäulmss nach Vcrfütterung
Heisch tuberculöser Rinder,
Kutscher.
Darmgeschwülste, angeborene, v. Ilueter
Dariniuhalt, kann — in der menschlichen
Bauchhöhle einheilen? von Askanazv 1144
Darininvagination, von v. Stubeurauch
83S, — t von Alsberg.7.93
Darmlähmung nach Darmeinkleimnung,
von lleiilenhain. 335
Darmrosection, grössere, wegen einge¬
klemmter Hernie, von Btniberg-Boe-
ninghausen und Koch 506. Anwen¬
dung von Teigoylindern bei —, von
Alessandri.7g0
Darmschmarotzer, Behandlung der, von
Leichtenstern.. . 1077
Darmsteine und Enteritis membranacea,
vou Mathieu.559
Darmstenosen, multiple, tubereulösen
Ursprungs, von Hofmeister 930, chro¬
nische —, von v. Frey.
Darmversehliessung, von Sarazzin .
Darmverschluss durch Gallensteine, von
Hölzl ....
829
660
232
22
577
1237
15
von
vou
1238
956
1169
758
von
405
.402
Darmwand, Durchgängigkeit der, für
Baeterien, von Neisser.683
Darmwandbruch, von Canon 105, — der
Linea alba, von Wiesinger .... 1265
Darmwandbrüche, acute, von Riedel . . 727
Dauerpräparate, Schnellanfertigung ge¬
färbter, von Pick.987
Deciduale Geschwulst, von Aczdl ... 596
Deciduoma malignum, von Eden 531,
—, von Neumann.596
Deeolleincnt, von Länderer.905
Deformitäten, Pathogenese der, vou J.
" r olff.1190
Degenemtion, secundäre, von Hoclie 638
. . 1268 j Delirium tremens, körperliche Störungen
von I des, von Liepmann.638
unter, von Biedert.
Crystallbilduugen im Genitalsystem des
Mannes, von Fürliinger. 899
Cullingworth, Fall.‘ ' ' 1247
Cultur- und Eiszeit, von Lepsius . . . 928
C urettement bei extrauterinerSchwanger-
Schaft, von Hammerschlag .... . 874
Curpfuscherei, Maassnahmen gegen die 142,
Schäden der, — von Dietrich 901, —
im vorigen Jahrhundert 939, — in der
wissenschaftlichen Deputation . . . 1095
Cysten der Scheide, von Zweigbaum 62,
doppelseitige — des Ligamentum ro-
tundurn von Flatau. 41
Cystennieren, von Thoma ...
CVsticercus racomosus im Gehirn, .... , McpuilMIU .„ 00
Bockhorn.1147 | Deontologisches.667
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XIV
INHALT S-VERZEICHNISS.
1806.
Seite
Depilatorium, Calciumsulfohydrat als,
von Bravton.833
Dermatologie, allgemeine, in 22 Vor¬
lesungen, von Kromeyer 77G, — und
Syphilis 706, — u. Syphilis, Beitrüge zur 851
Dermatologische Projectionsbilder, von
Lassar.1240
Dermoidcyste, entfernt während der
Schwangerschaft, von Raether ... 211
Dermoidcysten, primär carcinomatöse
Degeneration von, von Tauffer 36, —
des Ovariums, von Simons.438
Desinfection, Wirkung des Alkohols hei
geburtshilflicher, von Ahlfeld und
Vahle 136, — mit siedenden Alko¬
holen, von Saul .257
Desinfectionsmittel, Bedeutung des Mo-
lecularzustandes der wassergelösten,
für ihren Wirkungswerth, v Scheurlen 48S
Desmoide Geschwülste der Bauchwand,
Aetiologie n. Operation der, v. Kramer 257
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 532
Diabetes, renaler, von Klemperer 624, —
und Lebercirrhose, von Ptisinelji 805,
experimenteller —, von Biedl ... 1122
Diabetes mellitus, traumatische Neurose
und , von Heiiuann 340, Fibrinöse
Pneumonie als Complication des —,
von Bussenius 347, — bei Ehegatten,
von Oppler und Külz 663, — bei
Eheleuten, von Senator 723, — Rücken¬
markserkrankungen bei, von Kalmus
873, — von v. Strümpell 9u9, 1170,
Anfangsstadium des — , von l.oeb . . 11S9
Diabetiker, Einfluss der Kohlehydrate
auf den Gaswechsel des, von Nehring
und Schmoll. 1055
Diabetischer Brand, von König .... 623
Diagnostik , klinische , innerer Krank¬
heiten, von v. .Jnksch.1055
Diätvorschriften, von Bornträger . . 756
Diarrhöen, Abhängigkeit gewisser chro¬
nischer, von mangelnder Secretion des
Magensaftes, von Oppler.758
Dickdarm, Resorptionsfähigkeit des, von
Witte.684
Digitalinum verum, Wirkung des, bei
Circulationsstörungen, von Deucher . 660
Digitalis bei Herzkrankheiten, von
Cantegrel.359
Digitoxin, von Wolf.1247
Diphtherie, Behandlung mit Behring's
Heilserum, von Adolf 61, zur Patho¬
logie der —, von Reiche 353, —, ihre
bactcriologische Diagnose und die Er¬
folge der Heilserumbehandlung, von
Hilbert 374, bacteriologische und
klinische Diagnose der —, von Driler
433, bemcrkenswerther Fall von —,
mit hochwertigem Heilserum be¬
handelt, von Auerbach 458, Immuni-
sirung von Thieren gegen —, von
Perini 486, bemerkenswerther Fall
von —, von Jessen 620, — des Auges
Serumtherapie der, von Greeff 875,
Bekämpfung der —, von Fraenkel
C. 902, — in der Stadt und auf dem
Lande, von Thresh-Chclmsford 970,
Anzeige bei — 1001, Verlauf der —,
bei Serumbehandlung, von Rumpf
1120, — in den Tropen, von Sehel-
long 1144, Tinctura Myrrliae bei —,
von Graetzcr 1164, —, von Ströll 1199,
Behandlung der — mit Heilserum,
von Hammer 1261, gutartige — mit
Streptococcen, von Variot.1271
Diphtherieantitoxin, von Smirnow . . 663
Diphtlieriebacillcn, vermeintl. schwach
virulente, des Conjunctivalsackes,
von Spronck 853, Einfluss der Kohlen¬
säure auf das Wachsthum und die
Toxinbildung der —, von Schierbeck 1240
Diphtheriebacillus, TJeberwanderung des,
in den Blutstrom und die Organe,
von Kanthack und Stephens 140,
7;"’V'tb des, in der Praxis, v.IIennit: 382
Diphthenefälle, «her weitere 150 mit
Behring'schem Heilserum behandelte,
669
von Fürth
Seite
Diphtherieheilserum 261, 356, Behand¬
lung mit Behring'schem —, von
Clessin 150, —, von Crohn 403, staat¬
liche Controle des —, von Ehrlich
507, Nebenwirkungen des —, von
Barth 596, Immunisirung von Pferden
zu Zwecken der Gewinnung des —,
von Pawlowsky und Maksutow 623,
— und Gelenkerkrankungen, von
Sardemann 623, Statistik über — 625,
Vergiftung mit Behring'schem —,
von Krückmann 616, Todesfälle bei
Anwendung von —, von Gottstein
668, — in der Augenheilkunde, von
Aubiueau 691, Anwendung des —,
in der Ober]»falz, von Iiofmann 1197,
Einfluss des — auf die gesunde und
kranke Niere, von Siegcrt.1263
Dipbtherieheilserumtherapie, 2 Jahre
der, von Cuno.1303
Diphtheriemortalität seit der Serum-
thcrapic, von Monard. 22
Diphtherieserumbehandlung, von Bern¬
heim 667, —, von Soerensen . . 691
Diphtherieserumtherapie, Statistik der,
413, zur Casuistik der —, von Vir-
neisel 456, von Kossel 327, —,
von Cnopf sen. 714, —, von Haus¬
halter 858, Erfolge der — 879, —,
von Soerensen.971
Diphtherieserumiujection,chronische Ab-
scessbildung nach, von Gensichen . 1264
Diphtheriestatistik, von Scvcstre . . . 615
Diphtheriestatistik aus dem Hamburger
allgemeinen Krankenhause, von
Gläser.661
Diphtheriesterblichkeit . . . . • . . . 332
Disciplinarhefugnisso tierärztlichen Stan¬
desvertretungen in den deutschen
Staaten.413
Distomum haematobium, von Huber .1171
Disulfone, das Zustandekommen der
hypnotischen Wirkung der, von
Mavser .210
Diurctin, klinisches über, von Askanazy 134
Divisionsärzte 359, —, berittene, 735, — 971
Ductorencollegium, Unterstützungsinsti¬
tut des Wiener medicinischen 260,
—, Pensionsinstitut des Wiener
medicinischen.281
Doppelmassagc bei Ohrerkrankungen,
von Jankau.1146
Dorsalwurzel, elektrische Reizung der
ersten, von Oppenheim.830
Dosirungsgesetze, über den Begriff «1er
cumulativen Wirkung in ihrem Ver-
hältniss zu den, von Harnack . 1065
Dottersackwand, Drüsenbildung und
Function der, des menschl. Embryo,
von v. Spee.i . 781
Druckpumpe, eine neue, und ihre Ver¬
wendung in der praktischen Medicin,
von Ziem.899
Drucksonden, automatische, von Lucae 596
Drüsen-Fieber, Pfeiffer sches, von Hesse 957
Dünndarmdivertikel, von Thorei ... 714
Dünndarmgenitalflsteln, operative Be¬
handlung der, von Narath.432
Dünndarmprolaps durch den Ductus
omphaloentericus, von Arndt . . . 852
Dulcin, über das, von Sterling .... 1227
Duodenalgeschwür, operative Heilung
eines, von Länderer und Glücksmann 97
Duodenalstenosen, von Her/,. 77
Dupuytren'sche Krankheit, von Vespa 87
Durchfall bei Kindern nach Genuss der
Milch von Kühen, die mit „befallenem
Klee“ gefüttert waren, von AH . . 107
Durchfallkrankheiten der Kinder, von
Baginsky . ..1265
Dysbasia hysterica mit Otalgia hysterica,
von Hartmann.1037
Dysmenorrhoe, Ursachen und Behand¬
lung, von Cameron.881
Dystokie in Folge abnormer Vergrössc-
rtmg des kindlichen Bauches von
Neumann 298, — in Folge von Kürze
der Nabelschnur.387
Seite
E.
Echinococcus bei einer 59 jährigen Frau
von v. Kahlden.137
Ehrengerichte, Gesetzentwurf betr. 805,
Gesetzentwurf betr. ärztliche —, von
Brauser 367, — der preuss. Aerzte-
kammern 332,337,560,606,1004,— ärzt¬
liche 762, Schaffung ärztlicher — durch
die Landesgesetzgebung und deren
reichsrechtliche Zulässigkeit, von v.
Seydel 1052, — in Preussen 1063,
1124, Zuständigkeit der Landesgesetz¬
gebung zur Schaffung ärztlicher —,
von Hamburger 762, —. 1063
Ehrengerichtsordnung der sächsischen
Aerzte. 582, 583
Ehrenrath in Wien.580
Ehrungen. 860, 786
Ei, Retention dos menschlichen, im
Uterus nach dem Fruchttod, von
Graefe.1109
Eierstock, Lage und Bandapparat des,
von Martin 1109, Tuberculose des, —
von Wolff.1081
Eierstocksexstirpation, Wirkung der auf
die Schwangerschaft, von Sokoloff . 1214
Eierstocksgewebe, Einverleibung von,
von C'hrobnk.606
Eierstookssubstanz, Einverleibung von,
von Mond. 637
Eierstöcke, intercurrente acute Sehwell¬
ungszustände an den, v. Gottschalk 1240
Eigenwärme, Wirkung erhöhter, auf den
Organismus, von Werhovskv .... 209
Eingesandt.215
Einnehmegläschen in der Kinderpraxis,
von Mayer.1029
Eiter, Diagnostik des, von Friedrich . . 505
Eisen, Resorption und Ausscheidung des,
von Quincke 382, Nachweis des re-
sorbirten, — in der Lymphe des Ductus
thoracicus, von Gaule 577, — in Leber
und Milz, von Lapicque und Guille-
monat 667, — Resorption und Aus¬
scheidung des, — im Darmkanal von
Hochhaus.784
Eisenbahnsignale, acustische, und Ge-
hörsehürfe, von Zwaardemaker . . . 433
Eisennachweis in thierischen Geweben,
von Quincke.784
Eisenresorption im Verdauungscanal,
von Gaule.• . . . 459
Eiweissgehalt pathologischer Flüssig¬
keiten, von Ott.404
Eiweissprobe, neue empfindliche, von
Jollcs.. . 113
Eklampsie , puerperale , bei Zwillings¬
schwestern, von Hanemann 475, Al¬
buminurie und —, von Saft 525, Sta¬
tistik der, von Schreiber 526, — von
Knapp 595, Behandlung der, — von
Veit.1110
Ekzcmbehandlung, von Gomez 487, —,
von Lassar.706
Ekzeme der Schleimhäute, von Catois . 462
Elastische Fasern in gesunder u. kranker
Haut, von Meissner. 284, 1220
Elektricität, Tod durch, von Giulini 733,
—, von Kratter.851
Eleklrisirung, Apparat zur monopolaren,
von Oppenheim.210
Elektromotor zum Antrieb chirurgischer
Sägen, von Alt.1147
Elektrophysiologie, von Biedermann . 321
Elephantiasis des Gesichtes, von Kaposi
1034, Fall von monströser — aus
den Tropen, von Rasch.1240
Ellbogenluxation, von v. Stubenrauch
687, —, von Potherat.1151
Elvtroperitonaeotomie, von Kossmann
576, —, von Graefe.705
Embolie der Art. mesent. sup., von
Lochte.410
Embryologie, Vorlesungen über allge¬
meine, von Bergh.702
Empyem, mit Durchbruch in die Lunge,
von Schlesinger.897
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1896.
INHALTS-'VERZEICHNISS.
Seite
32G
1161
81
1080
Empyembchandlung, Bülau'sche Heber
droinage bei der, von Bohland . .
Kncepbalopathia snturnina, Lumbal
punction bei, von Seegelken . .
Kncyklopildie der Therapie, von Lieb
reich.
Endarteriitis obliterans, von Borchanl
Endemische Krankheiten, gesetzmässige
Erscheinungen bei der Ausbreitung
eiuigcr, von Gottstein.433
Endocarditis, maligne, im Anschluss an
Gonorrhoe, von Dauber und Borst
134, — gonorrhoica, von Michaelis
324, —, nach Gonorrhoe, von Keller 1189
Endometritis, Aetiologie und Natur der,
von lioije 258, — decidua polyposa
et tuberosn, von Bulius 537,-
gonorrhoica, v. Maslowsky 92H, chro¬
nische hyperplasirende —, von Keller
1110, zur Frage der —, v. Hetick 1111,
die therapeutische Anwendung des
Dampfes gegen — puerperalis, von
Kahn.
Endotheliom der Portio vaginalis, von
Braetz 852, — des Ovarium, von Köt-
schau .
Endotheliome, von Hansemann ....
Entartungsreaction, neues Symptom der,
von Bernhardt.107
Enterectomie, von Robson.358
Enteritis menibranacea, v. Mathieu 559,
Seruminjeetionen bei — der Säuglinge,
von Barbier und Deroyer.1222
Enteroanastomose, von Klaussner . . .
Enterol, interne Anwendung des, v. Foss
Enteroptose, Therapie der, von Günzburg
631, — und intraabdominaler Druck,
von Schwerdt.
Entbindungshäuser, Morbiditätsstatistiken
der, v. Ahlfeld 826, Erkrankungsziffer
° cr —-von Fehling.639
Seite
1237
1038
85
711
355
958
1308
91
84
186
Entdecku^en, zwei wichtige ... 43
Entkernung d. Säugethiereiythroblasten,
von Israel und Pappenheim .... 32c
Entzündungen, fibrinoide Degeneration
des Bindegewebes bei, von Neumann 576
Entwickelungsgeschichte, Lehrbuch der,
des Menschen und der Wirbelthiere,
von Hertwig 660, - von Schenk . 850
tnuresis, Aetiologie und Behandlung
der, von Köster. 551
Enzyme Toxicität der, von Fenäi' ! ! 1264
Epaule tenverband, von Braatz .... 36
tpiglottis Respirationsstörungen infolge
'on Missbildung der, von Refslund 1182
P Ha°n6em a r Su derUn8 bei Sy P hilis > von
Ep ‘i2 e „ i UDd d ' e e l )ilc P tiR 'cEen Geistes-
£?““ de v ° r '’em strafgerichts-
unH ^K V0 D n P n traumatische -
Behand,un g> von Jolly 321,
len ”f' 8C aV’ V0D Sne11 *»» Päthö-
£5““ U 5 d Behand <ung der —, von
Phvsioln 11 - V T der Stricht path.
Säi;
?tmnt er ® eha ’ nd '«“g de?- mil
P SndlSl!g der yP TO P '“n e ’' ° pen “ ive
Epithelcvatfl , j» X on De mson . . .
zellen der Haut Fremdkü n>erriesen-
Epithelcvsten , Ut ’ vo . n Bohm • • • • 576
Epitheliom, J° n Martin 777
EpitheUome der V °° St,eda • ■ 346
«Bettelt, ron TO “ G ” Mh6r ' S?
Erb sehe Lähm .
Erdolrückstände, Gesundheitsschädlich-
keit von, die in Bilckereibetrieben
verwendet werden, von Dunbar 65
Ermüdung, periphere u. centrale, v. Bum 1195
Ernennungen 215, 668, 764, 768,883, 971 1312
Erfrierung, Beitrag zur Histologie der
von Hodara . ,
Erregung und Lähmung, von v'er'worn
Erysipel Behandlung des, mit Vaselin
von Köster 76 ', Behandlung des —’
von Dcmateis.’ ^85
Erysipelserumthcrapie, von Chante-
__ messe .
Erysipeltoxin gegen maligne' Xeoplas-
men, von Koch ........ 162
Erythema exsudativum multiforme, von
Mackenzie 1030, - von Veiel 1030
— von Müller.’
F.rythroblasteu, Entwickelung der, von
Pappenheini. 10 82
Erythrouielalgie, von Dehio898'acute —
, von Heimann.
Etat, Preussischer.*
Ethik, Section für . . ' <, 7 q
Eucain 3a-<, Werth des - 'in der'Augen¬
heilkunde, von Vollert 516, 865, —
| von Vinci -Messina 6^3, —, locales
I Anaestheticum, von Vinci 830, —
in der Augenheilkunde, von Best’«53,
— als locales Anaestheticum, von
Legueu 1174, Verwendbarkeit des —
in der Augenheilkunde, v. Wüstefeld 1251
Eucasin, Anwendung des, zu ErnUhrungs-
zwecken, von Salkowski 347, — von
Fernsten 483, —, von Cohn 682, —
von Luquer.’
Euchinin, von v. Noorden. 1213
Exantheme, prodromale und secundäre
von Bernhard.’ 793
Exophthalmus, pulsirender, von’silex . 64
Exostosen, multiple, von Reich 506,
—, von Bauby . . .H51
Exostosenbildung, bedingt duroiiMvositis
nach Knochenbrüchen, von Lange
Experimentalphysik, Repetitorium der'
von Weber.
Exsudation, fibrinöse, bei Entzündungen,
von Marchand.
Extrauterinschwangerschaft und int’ra-
uterinschwangerschnft, gleichzeitige
bei Uterus subseptus, von Walther 17,
glücklich operirter Fall von —, von
Reismann 36,Entfernung vorgerückter
, von v. Herff 401, Prognose der
, und die Bedeutung des Sections-
materials für dieselbe, von Cbotzen
638, —, von Simon.643
Extreinitütenmissbildungen, von Hlawa-
cek . .
Fersenschnitt, medianer, von Länderer
89 1 , —, von v. Oswiecimski .
Fest sehn fi zur Feier des achtzigjährigen
Stiftungstestes des ärztlichen Vereins
in Hamburg.
Fettentwickelung, ungewöhnliche! von
Hcubner . ’
Fettgewebsnokro.se, gegenwärtiger Stand
,, , ‘* rc von der . von Fraenkel .
r ettnnleh,Ernährung magendarmkranker
Säuglinge mit Gärtnerischer, von
rhiennch.
lettnekrose, Pathogenese der abdoini-
i’ .P“, cn ’ ™ n , Ponfi <* 433, —, von Benda
I' ettsäure-Cholesterin-Estern im Blut, von
rlurtnle ...
xv
Seite
956
635
1264
814
434
435
757
Feuerbestattung. o 7 ,
Feuerungs - Anlagen , rauch verhütende
und rauchverzehrende .... 26 )
Fibrinbestininmng, neue Methode der
.... O.iauDtativen, von Kossler 11. Pfeiffer 36
ribrinoide Degeneration und fibrinöse
Exsudation, von Neumann.1263
Fibrom der Schädelbasis, von Gusmann 353
Mbrosarcoma ovarii mucocellulare, von
Krukeuberg.
Fieber, von Unverricht 352, aseptisches
—, von Schnitzler 599, Heilkraft des
—, von Loetvy und Richter .... 830
Filmogen, von Schiff. 83 o
Filz, Bearbeitung des, für Immobili’sa-
tionsapparate, von Anders .... 257
Filzverwendung in der Orthopädie,’ von
Anders.
Fixation des Uterus, Operation zur, von
Sippel.
549
1307
1082
Fleisch, Verwendung von tuberculösem,
zu Genusszwecken, von Rumpel 684,’
—.Beschlagnahme von krankem, von
Marsden.
Fleischbeschau, allgemeine’ ob'ligator.
von Ostertag.’
Fleischmole, Symptome und Natur der
von Hart..
Fleischpepton,Stoffwcchselunters’uchiing
mit dem, der Comp. Liebig und seine
prakt. Verwendung, von Zinn . .'
Flcischpulver, Anwendung des, von
Lasniee .....
326
1190
970
506
38
831
1125
559
F.
einem KohTpnnL’ do PP e ^ 9eiti ge, bei
-- pu *° a .l enträ g er . von Osann *a
frbrech.
857
292
346
Plex.i«i7i'C“ w " Bcr ’ von Osann 29,
f'exualuhmung, von Weber .
PeriJü8che nd ASäl7 h ° een ’ famiIiäre
von Rech
1147
805
Facialisparalyse nach Otitis von Cartaz
463, — bei einem Neugeborenen, von
?ey!..
Paeialisparese bei einem Neugeborenen,
von Knapp.662
Facultiit, Wieuer medicinische .... 905
Faeces, Farbe der, von Quincke . . . 854
Fall N., von Mendel.875
Falsetstimme, von Retki.1172
Farbwerke Höchst. 264
Faserfärbungen, von Flockemann . . . 703
Fastenkünstler Succi.438
Fäulnissextract, Einfluss des, auf den
\ erlauf mancher Infectionskrank-
heiten, von Chelmonski.G60
Femur-Verkrümmungen bei Flechsions-
contracturen des Unterschenkels, von
Braun.599
Feriencurse für Aerzte. 461, 786
Ferment, therapeutische Anwendung von
diastatischem, von Leo.933
Fermentative Processe in den Organen,
von Biondi.577
Fermente hydrolytische, physiologische
Wirkung von,’ von Kionka .... 899
Ferripyrin als Hämostaticum in der
Gynäkologie, von Merkel F. 1107,
1146, —, von Schaeffer. 1184
Hussverunreinigung und Selbstreinigung
unserer Gewässer, Naturwissenschaft¬
liches und Sanitäres über, von Jaeger 1078
Flexionen und Versionen des Uterus,
Symptome der, von Theilhaber . . 517
Formaldehyd, Härtung mit, und Anferti¬
gung vonGefrierschnitten, von I’Ienge
71, Verwendung des — im patho¬
logischen Institut in Göttingen, von
Orth 325, Wirkungen dos — in bisher
unbekannten Lösungen 927, C’onser-
virung und Desinfection mit —, von
Rosenberg 973, Desinfection von
Wohnräumen mit —, von Niemann 1146
Formaldehyd-Alkohol, Conservirung von
menschlichen Gehirnen mit, von
Flemming.281
Formaldehyd-Caseln, klinische Beobach¬
tungen über die Wirkung des, v. Bohl 889
Formaldehyd-Eiweiss-Verbindung., kurze
Mittheilung über, von Schleich 1017,
—, von Classen.J257
Formaldehyd-Gelatine zur Conservirung
von Nahrungsmitteln, von Gottstein 987
Formalm als Desinfectionsmittel, von
Walter.623
Formalinlösung, Irrigationen mit, von
Howland.707
Formalingelatine, von Schleich .... 359
Formol bei Gonorrhoe, von Mogufes . 1095
Formulaire aide-mdmoire de la facultd
de mddecine et des mddecins des
Hopitaux de Paris, von Roux . . . 1020
Fortbildungscuree.735
Fracturen und Luxationen, Atlas und
Grundriss der traumatischen —, von
Helferich - 15, Lehrbuch der —, von
Hoffa 1213, —, intrauterine, r. Watjoff 1308
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XVI
INHALTS-VERZEICHNISS.
1896.
Frauen, Zulassung der, zum Apotheker-
Studium 560, Zulassung der —, an
die Universität Bonn : • • •
Frauenheilkunde, Unterricht in der, von
Chrobak.
Fritsch s Lehrbuch
7S6
1245
Sülle
280
Frauenkrankheiten, Fritsch s l.enrnucu ^
der . • • • ...
Frauenmilch, systematische Fettbestim¬
mung der, nach der «erber sehen
Methode, von Irtl 17, —, und Kuh¬
milch differentielle chemische Rene-
tion der, von Umikoff 957, chemische
Zusam inensetzu ng der—, vonCamerer
1024 die stickstoffhaltigen buh-
stanzen in der von Schlossmann 1024
Frauenstudium und Frauentauglichkeit,
von Adams 38, -389, modicmisches
— in America, von Jacobi ....
Frauenverein vom rotlien Kreuz . . •
Freisprechung eines Arztes . . . ■ - •
Fremdkörper im Daumen, von Merkel b.
302 — in den oberen Luftwegen, von
Svmonds G05, - in der Scheide
eines jungen Mädchens, von Krause
S99 die beim Kaltblüter in die
ein wandernden Zellformen, von
Hammerl 1144, Einheilung der —,
von v. Bügner 1145, - im Oeso-
phagus, von Rosenheim. 1140
Freauenz der deutschen medicinischen
ü . nr o iQQ-./ot: _ der
323
711
258
162
1217
1083
597
811
560
3S6
177
1081
596
628
646
299
997
597
1151
1171
Facultilten W.-S. 1895/96 23,
Schweizer medicinischen Facultäten
192, — der deutschen medicinischen
Facultilten S.-S. 1896 .
Friedlünder’sche Bacillus, pathogene
Wirkung des, von Brunner 286, —
in einem Empyem, von Wolf . . .
Friedreich'sclie Ataxie, von Magnus-
Lew 327, — Ataxie, von Zablmlowski
830, — Krankheit, von Rosenbaum
706, — von Tedeschi.ll'H
Fruchtsack, Ruptur eines tubareu, in
einer linkseitigen Leistenhernie, von
Jordan .
Fuss, Rescctionen am tuberculüscn, von
Wolff.
Fussdistorsionen, von Langer ....
Fussgelenk, Arthrectomie des, von
Laueustein 160, Behandlung der Dis¬
torsion im —, von Hoffa 221, — von
Graff .. • • •
Fussgeleuks- und Fusswurzel Tuber-
culose, von Spengler.1080
e.
Galerie hervorragender Aerzte und
Naturforscher 2 lXX 240, 283, 332, 463,
511,785, 939, lOSfi, 1063, 1151 .yj Sf
Galle, Kreislauf der, von Stadelmann 1091
Gallenstauung, Blutveränderung infolge
von, von v. Limbeck.829
Gallensteine, von Cahen 987, äussere
ideale Operation der —, von Küinmell
1242, 1265
Gallensteinkrankheit, chirurgische Be¬
handlung der, von Kehr.1167
Gallensteinlaparotomien, von Kehr . . 598
Gallensystem, Chirurgie des, von Langen¬
buch .
Gallertkrebs der Mamma, von Lange
Ganglien, Entstehung der, von Thom
Ganglienzellen, Bau der, von Rosin . .
Gangrän, symmetrische, von Voit 66, —
von Sänger.602
Gärtnerische Gänge, normale und patho¬
logische Anatomie der, von Klein . . 1088
Gasblasen im Blute einer nach Tym-
pania uteri gestorbenen Puerpera,
von Schnell.926
Gastrectasie, von Schreiber.994
Gastroanastomose, von Lauenstein . . 353
Gastrodiaphanie beim Säugling, von
Epstein.483
Gastroduodenostomie nach Kocher von
Alsberg.508
Gastroeuteroptose und Anämie, von
Agöron.406
Gastroenterostomie und Enteroanasto-
mose, Combination von, von Bilngner 599
Gastroptose und Chlorose von Leo
Gastroskopie, von Rosenheim 231, 300,
375, 932, — von Perl . . ■ - - • •
Gastrostomie, von Marwedel 60o, 1H>J,
- von Kader 701, — von Klaussner
Gaswechsel, respiratorischer, unter dem
Einfluss von Thyreoideapräparaten,
von Thiele und Neliring. 1101
Gaumen, Pathologie des weichen, von
Landgraf
Gaumenmandeln, Aetiologic der Ab-
seessc in den, von Kühler.
Gaumenspalte, von Sänger ..... •
Gebärende, äussere und innere Unter¬
suchung der, von Ahlfeld.
Gebärmutter s a. Uterus.
Gebärmntterbänder, Verkürzung der,
mittels Cocliotomia vaginalis, anterior,
von Wertheim und Mandl ..... 403
Gebärmutterkrebs, Behandlung des mit
Calciumcarbid, von Guinard.
Gebärmutterriss, geheilter Fall von, von
Rode.. ■■
Gebärmutterverdoppelung, und «<c-
schwulstbildung, von Pick.
Gebärmuttervorfall, Beseitigung des, von
Jacobs »««••••••*•** *
Gebührenordnung, ärztliche 532, 533,
Geburten, 1331 in der Hebammenpraxis
ohne Wöchnerinnen-Todesfall, von
Weichardt i.2t, - l»ei Putrcsccnz des
Foetus, von Kehrer.1061
Geburtsbesteck, von Asch . . . • . - 10o9
Geburtshilfe, Lehrbuch der, für Aerzte
u. Studirende, vou Zweifel 14, Lehr¬
buch der -, von Runge 619, Ziele
und Aufgaben der —, von Schräder
999, Grundriss der operativen —, von
Scliauta 1078, chirurgische Fort¬
schritte in der —, von Dührssen . .1112
Geburtshilfliche Instrumententasche, von
Albers-Schönberg. 17
Gedächtnis, Pathologie des, von Strüm¬
pell 781, individuelle Verschieden¬
heiten des —, von Cohn.809
Gefässanomalien im Kindesalter, von
Seitz.. • 10^6
Gefässe, klinische Untersuchungen über
den Zustand kleinster, vou Herz . . 40o
Gefüssinnervation an den unteren Extre¬
mitäten, von v. Maximowitsch . . . 374
Gefässreflexe im Gehirn und in den
Extremitäten, von Patrizi ..... 808
Gefässtonus, Einfluss vou Lichtein¬
flüssen auf den, von Epstein . . . 759
Gefrierschnitte, Anfertigung von, von
Plenge 71, — hei Härtung mit
Forraaldehydlösung, von Plenge . . 638
Gefühlserregungen, Sitz der, von Sergi 759
Gegenbauer, von R. Hertwig.775
Geraeindeärztlicher Dienst, Organisation
des, in Oesterreich.189
Geheimmittelschwindel.1094
Geheimniss, Verletzung des ärztlichen . 332
Gehalte der Hochschulprofessoren . . 302
Gehirn, Schuss in das, von Finke 528,
Explorativoperationen am —, von
Payr. • 804
Gehirnbahnen, Entwickelung der, in der
Thierreihe, von Edinger.931
Gehirn-Chirurgie, von Hahn.375
Gehirn-Conservirung mit Formaldehyd-
Alkohol, von Flemmiug.281
Gehirnerweichung, acute symmetrische
bei Keuchhusten, von Jarke . . . 958
Gehimgliome, von Strobe.374
Gehirnlocalisationen, von Pitres . . . 857
Gehimnervenlähmnng, Ursachen der
multiplen, von R. v. Hösslin .... 472
Gehirnseitenventrikel, Punction der, von
v. Beck.235
Gehirntumor, von Barabo 41, —, von
Saengcr.108
Gehirntumoren bei 2 Geschwistern, von
Besold.682
Gehörgang, Stricturen des äusseren, von
Ostmann.830
Gehörorgan bei Masern, 18 Sections-
berichte über das, von Rudolph . . 779
Gebörshallucinanten , Ohr - Untersuch¬
ungen bei, von Redlich und Kaut*
1057
463
mann.
Gehörvcrmögen, Maass d. pathologischen
Veränderungen des, von Rauge . .
Geisselfärbung nach von Ermenghem,
Geisteskranke, im bürgerlichen Gesetz¬
buche nach den Beschlüssen des
Reichstages . lua °
Geisteskranker, verurteilter, v. Knauer 1021
Geistesstörungen, Wechselbeziehungen
der, von Tesdorpf.• • : •
Gelatine, blutstillende Eigenschaft der,
von Carnot.• • ■ • •
Gelbfieber und Malaria im Lichte des
Acclimntisationsgesetzos, von Below
762
507
1171
1170
577
402
478
850
553
550
576
729
Geleukfracturen, von Wiesinger • • •
Gelenkentzündung, chronische, v. Franke
505, von König.. ;
Gelenkerkraukungen , chronische bei
Kindern, von Still 1217, —, nach
Scharlach, von Salman . 1ÖUÖ
Gelenkkörper, Lehre von den freien, von
Hildebrand 85, —, von Barth .. . ■
Gelenkrheumatismus, Serumiujectiouen
bei, vouWeiss 401, — im Anschluss
an Angina, von Grödcl.
Generalbcricht über die Sanitätsver¬
waltung in Bayern .... • ■ •
Generalrapport über die Kranken der
kgl. baver. Armee 44, 116, 216, 308,
' 416, 536, 648, 736, 860, 972, 10b4
Genickstarre, Diagnose der epidemischen,
durch Luinbalpunction, von Holdheim
805, epidemische —, von Peterson . 85 J
Genitalprolapse, von Bouillv . . ■
Genitalscblauch, die Bacterien im, in
ihrer Beziehung zur Endometritis,
von Gottschalk und Immerwahr . . 160
Genossenschafts-Krankenkassen . . . 1268
Gerichte und Aerztekammem.629
Gerichtliche Medicin, Lehrbuch der, von
Strassmann 1079, Leitfaden der —,
von Seydel.. • • l07S
Gerichtsärztliche Praxis, Compendium
der, von Borntrüger.. l°‘ s
Geruch, Physiologie des, von Zwaarde-
maker.
Geschichte der altgriechischen Medicin,
v. Spät 57, zur — der altgriechischen
Medicin, von v. Oefele 133, — des
ärztlichen Vereinswesens in Deutsch¬
land, von Berger 801, — des ärzt¬
lichen Vereins Hamburg und seiner
Mitglieder, von Michael 635, medicini-
sches aus der —, von Vierordt . .
Geschlechtsapparat, Crystallbildungen
im, von Lubarsch.l l<1
Geschlechtsorgane, Erkrankungen der
weiblichen, von Chrobak und
v. Rosthorn.. - •_ • •
Geschlechtsverhältnisse bei Mehrlings-
gehurten, ven Geissler.14 d ‘
Geschoss, 8 mm-, Wirkung auf kurze
Entfernung, von Delorme.215
Geschwülste, s. a. Bacteriotherapie.
Geschwülste, Serumbehandlung bei ma¬
lignen , von Arloing und Courmont
530, Bacteriotherapie bösartiger ,
von Petersen 554, Entstehung der ,
von Ribbc.rt.
Geschwulstrecidive, falsche, von Gade .
Gesetz, betr. die ärztlichen Bezirksvereine
in Sachsen 464, 465, -, die ärztlichen
Bezirksvereine in Sachsen betr., in
seiner Entwickelung dargestellt, von
Heinze.
Gesetz-Entwurf, betr. die ärztl. Ehren¬
gerichte 305, —, betr. die ärztlichen
Ehrengerichte etc. im Königreich
Preussen, von Brauser.
Gesellschaften s. a. unter HI.
Gesellschaft k. k., der Aerzte in Wien 282,
medic. — zu Magdeburg 646, —
deutscher Naturforscher und Aerzte
im Jahre 1896, von Ziemssen 1107,
1261
706
639
478
367
Digitized by
Google
1896.
_ft^ALTS-VERZEICHNISS.
903
483
405
645
988
18
63
108
— für path. Anatomie und Physio¬
loge ...... .'. . 1124
Gesichtsfeld, Erholungaausdehnung dos,
von Wilbrandt 133, —, von Haa9 . . 432
Gosicht8hallucinntionen, isolirte, von
Traugott.684
Gesichtslagen, manuelle Umwandlung
Her, von Jungmann 525, Behandlung
der —, von Knorr.1110
Gcsichtalupus, Behandlung des, von
Haun 278, chirurgische Behandlung
' • des —, von Schulze ..1220
Gcsiehtswahrnehmung, Psychische Fac-
toren in der, von Ueberhorst . . . 780
Gesundheitsamt 464, — . . . . 1176, 1199
Gesundheitswesen in Preussen nach
deutschem Reichs- und preussischcin
1 Landrecht, von Pistor.636
Gewerbeausstollung in Berlin.284
Gewerbehygiene, Mitwirkung der Aerzte
bei Handhabung der, von Merkel G.
Gicht, Stoffwechsel bei, v. Magnus- Levy
Gichtige Herzaffectionen, von Schott
Gichtische Affectionen, Behandlung der,
mit Guajacum, von Garrod . . . !
Gichtkranke, Stoffwechselversuche an
einem, von Schmoll 323, —, von Hie
Glaskörper, Transplantation von,- des
lebenden Kaninchen in das mensch¬
liche Auge, von Deutschmann . .
Gleichgewichtsstörungen bei Ohren¬
leiden, von v. Stein .
Gliafärbnngen, von v. Kahlden
Gliedmassen, systematische Erhaltung
der, bei ausgedehnter Zerquetschung
derselben, von Carossa . 199
Gliedschwaram, intraarticnlUre Injecti-
onen bei, von Calot.H51
Glioma retinae, von Greeff . . 507
Ghose periyascnläre, von Alzheimer 1114
n.o« nu. ’ VOn 1/009 und Fischl . 1022
Glutauslfthmung, functionelle, von R
v. Hö*lin ...
0 '".“»Gu? te ““ ,,ebe8 ‘ i " n ''"° g li “ ;
GlycennintoxicatiOH, • von Antic'hiövich
Gljcogcn Einfluss von Salzlösungen
HpI r’ e 7 U ? blldun « 8 g es chwindigkeit
des, in Zucker, von Gans . . 404
Glycosune, regulatorische und renaler
Diabetes, von Klemperer 507, alimen-
xvn
Sette
527
Grosshirn, Nadel im, von Tilmaun
Grosshirnnnde, Veränderungen der bei
localem Drucke, von Neumayer
von“ H P M 8, ° nen> Tod esursache bei,'
von Haldane . . ’
Grundwasser, eisenhaltiges, von Dunbar
Gmndwasserbruunen, Verunreinigung
der, von unten her, von Pfuhl *
Grundwasserstau und Gesundheitsver'.
vonKrebs" 1 europüischen Städten,
lu "* t "besonderer
Bonicksmhhgung der Enteisenung,
von Thiem und Fischer . , uve
Grtines Kreuz ... ' ' ’ ' ac »
Guaethol. lnq-
Guajacol, Resorption»- u. Ausscheidtings- °
Verhältnisse des, von Kschle
Guajacolcarbonat,-Lupus geheilt durch
von Bergeat .. ’
Guajecetin bei Lungentuberculose, von
Strauss ’
683
763
683
621
854
183
nacli Scharlach,
1300
Gumma der Hypophvsis cerebri
Sokoloff
Cutislieschaffenhoit
620
324
1298
147
484
Gunnniinenschen,
bei, von Unna.
Gunnnisachen, Aufbewahrung von .' . 387
Gutachten, Abgabe ärztlicher, über
Handelsartikel .... 040
Gynäkologie, Atlas und Grundriss' der’
von bchäifer 14, — und Geburtshilfe’
11. Internationaler Oongress für, zu
G® n f 3*17, — und Neurologie, von
AVmdscheid 551, Lehrbuch der ge-
sammten —, von Schauta
Gynäkologische Diagnostik, von Winter
und Rüge 755, — Untersuchung, von
Donat . . . .. ö ’
Gynatresien, operative Therapie bei! von
Rossa 161, Aetiologie der — von
M °y er • • ..853
1264
544
323
508
1299
404
284
16
829
326
257
63
727
182
550
H.
von v Strümpell 989, Aetio-
logie der alimentären
v. Strümpell .... , 17A
r U17
Gonococcenculturen, von Deyckc ' ' ' *111
G0 Ä G S k der! 436
der -1 IL r ’ AfKoninbehandlnng
dcl-’jp a 185 ’ Beha n<ilung
- im k;' f Ig ?. nin - von Gutheil 831 ,
' - mit SnflWii , . Mantegazza 707,
«ad Stein 707 ( r ’n. VOn
Bumm . ’ ’ 1>aQ kfurter, v
^vofSiS 6 ’ heUtiger ' sL ° d ' der
GöbscI, Fall ‘.
Goetzp. . .
' ^he^ltondpunkt ladt ’ V °i m b - v ? ieni -
„ .'«n HamWl aUH bet ™htet,
^onsstumpf, von z ‘ ^
1307
707
303
598
660
1083
684
von
on
1263
1116
708
532
512
Haare, Function der, von F.xncr
Haargeschwulst, von Stelzner . ‘
Härtung, schnelle, von kleinen Geweb-
Stückchen, von Kaullmch und Pigg 1247
Haematologische Studien, von Neumann 324
Haematolyse, Ablagerung von eisen¬
haltigem Pigment in den Organen, in
roige von, von Biondi.209
Haematoma vulvae et vaginae post
partum, von Klnutsch 75, - ligamenti
rotundi uteri, von Schramm.1143
Hneinatoineteruntersuchung, Fehler¬
quellen der, von Mayer ..
Haematomyelie, centrale von Minor 2*33,
— von Goldscheider und Flatau 435,
— des Conus medullaris, von Schiff
482, und Oblougatablutung bei
Dystokie 632, — von ßenda ....
Haeinatoporphyrinurie, von Käst und
Weise . ..
Haei “ atosaI P'"xbei Gynatresie, von Veit
402, — profluens, von Thorn . . . . 1032
Haematurie durch Chloroformreizung,
von Krecke..
Haemol, von Bartelt.1175
Haeinoptoe bei Phthisikern, von Wolff 789
Hämorrhoiden, chirurgische Behandlung
der, von Bauuigärtner.578
Hämorrhoidenbehandlung, von Delorine 1150
Haemoglobin, Schicksal des, im Ver-
daunngstracliis, von Dahmen .
Hündedesinfection von Leedham-Green
und Ahlfeldfiftl,— von Lcedham-Green
I lalogen-Eiweissderivatc, von Paulrnann
4175, — und ihr physiologisches Ver¬
halten von Blum . . ..
Halsabscesse im Gefolge von Mi'ttelohr-
eiterungen, von Hamon du Fougeray 1150
Halsdrüsen im Zusammenhänge mit
cariösen Zähnen, von Starck 145, tuher-
culöse, — bei Kindern von Laser
Halsdrüsenschwelltingen, Zusammen¬
hang von tubereulüsen, mit cariösen
Zähnen, von Starck.650
Hals-Fistel, angeborene, von König . . 16
300
857
1099
729
Halsphleginone
Knopf.
gSfPPen. Pathologie der, 'von’ Stifter
vou Rosnlf Neuropathologie,
Handprothese, von Bonn *’**.*' '
Harn, Säureausfuhr in,, „nter physio-
nnnn l0n Kedl,1 Kungen, von Hauss-
Harnabscesse, von Lipowski . ’ «fi
Harnabsonderung, Tag und- Nacht-, von
Harn - Amditäts - Bestimmung und ’ ihre
klinische Bedeutung, von Haussmaun
Harnapparat und Sexualapparat, Viertel-
janrebenchte über dio Gosammtleist-
ungen auf dem Gebiete der Krank¬
heiten des.
Harn lief 11 nde nach Chioroformlia'rk'osen'
von Nachod .
Harnblase, Reseetion der, von Küster-W
!• reindkorper in der, — von Plotzer .
Harnblaseneröffnung durch das Cavuin
ischiorectalc, von Lovin
Harnblasenpliantoin, von Sachs !.’.'!
Harnfarbstoffe, neues Lösungsmittel der
von Krainm.. ’
Harntisteln, von Xeugebauer ..... 45«
larnkninkheitcn, Diagnostik der, von
. Posner . .
llarnint'ection, Serumbehandlung der,
von Albarran und Mosny . . . . ’ 811
Harnleiter, Verlagerung der,' von Küster 597
Hanirohrenblutung nach Injcction von
Kali hypermanganicum-Lösung von
Ludwig .280
ffarnröhrensteine, von Lioblein . ! .' 1169
Harnröhrenstricturen, Kathoteri'smus
retrourethralis bei der Behandlung
impermeabler, von Sonnenburg . . 5
Harnsäure und Xanthin, diagnostische
Bedeutung der, im Urin, v. Branden¬
burg .
Harnsäure, Bildung der, im Thierkörper
von Weintraud.’ 3g]
Ifarnsäureausschcidung, Einfluss von
Nudeln- und Thyreoidin - Fütterung
auf die, von Mayer 280, — durch die
Xieren, von Ebstein und Nicolaier
324, — im acuten Gichtanfall, von
Pfeiffer 375, Beeinflussung der —
durch die Extractivstoffe des Fleisches
von Strauss 778, Herabsetzung der —
bei Milchdiät.
Ifarnsäurebildimg, Einfluss nucieVnlial-
t'ger Nahrung auf die, von Umber 16,
—u. Ausscheidung, Einfiussdessalicyl-
saureu Natrons auf —, v. Bohlaiul
Harnsäure Diathese, Behandlung der
von Rosenfeld und Orgler 62, —
Sedimente, Bedingungen für die Ent¬
stehung von, von Mordhorst 243,
—, von Haig.1247
Harnsedimente, Einschluss organischer
Substanz in den krvstallinischen, von
Moritz 407, Consorvirung der —, von
Gmnprecht. 72g
Harnstoff, diuretische Wirkung des, von
Friedrich 433, — als Arzneimittel, von
Klemperer 1171, — als Diureticuni,
von Bettmann.1240
Harnverhaltung, Punction oder Blas'en-
sclinitt bei acuter, von Legueu . . 1173
Harnwege, Krankheiten der weiblichen,
* on Kelly.432
Hasenscharten auf der Göttinger chirur¬
gischen Klinik, von Fahrenbach . . 1080
Hauner'sches Kinderspital, Geschichte
des, von v. Ranke.749
Haut, Staphvlococcen-Einwanderung in
die menschliche, von Unna 708, Pflege
der —. von Spietschka und Grünfeld
Hautaffeetionen, seltene, von Arning .
Ilautdefecte, Deckung der, nach Mannna-
amputation, von Robson.531
Hauterkrankungeu, Beziehungen der,
zu der gesammten Medicin, von Hut¬
chinson .806
927
62
777
661
Digitized by
xvni
INHALTS-VERZEICENISS.
1886.
Hautexanthem, metastatisches bei Sepsis,
von Meyer.257
Haute xantheme,Mischinfectionen acuter,
von Samter.684
Hautkrankheiten, allgemeine Diagnostik
der, von Philippson und Török 35,
— und Geschlechtskrankheiten, Lehr¬
buch der, von J oseph 105, Heiss Wasser¬
behandlung bei —, von Rosenthal 833
Hautlappen, Verwendung grosser unge¬
stielter, von Krause.297
Hautnaevi, Metaplasie des Epithels zu
feld 484, 805, Zellen im Sputum von
—, von Viganö.
Herzkrankheiten, mechanische Behand¬
lung der, von Heinemaun 281, durch
C'ontusion und Erschütterung ent¬
stehende —, von Bernstein 823,
Massage bei chronischen —, von
Zabludowski 607, Balneotherapie der
chronischen —, von Gräupner 778,
physikalische Behandlung der chro¬
nischen —, von Newton-Heinemann
77ö, — und Lungentuberculose,gleich-
Bindegewebe in den weichen, von zeitiges Vorkommen von, von Boltz 1308
Kromayer. 1220 Herzmuskel, Pathologie des, von Scham-
Hautödem, acutes umschriebenes, auf schin 209, —, Veränderungen des, bei
alkoholischer Grundlage, von Oppen- Diphtherie, von Scagliosi.1144
heimer. 63 Herzpercussion in vornübergebeugter
Hautröthe, allgemeine chronische, von Körperhaltung, von Gumprecht . . 874
Kaposi. 1098 Herzschwäche bei Infectionskraukheiten,
Hospitalbrand, Bacillus des, von Favre
und Barbezat.1082
Hubrich, Nekrolog auf.888
Hufeland'sche Gesellschaft zu Berlin 68,
264, 888, 1199
Humerusfractur, Lähmung des N. radialis
nach, von Bloch.1146
Hüftanchylose, Behandlung der, v.Lorena 604
Hüftgelenke Erwachsener,Actinogramme
von, von Gocht. . . . 1063
Hüftgelenksenkzündung, tuberculüee, von
Grüneberg.1171
Hautsarkomatose, Arsenbehandlung der,
von Pospelow und Fileti. 707 Herzstosstheorie, Martius'sche, v. Besold 1806
Hautwarzen, endotheliale, von Bauer . 37 Herzthütigkeit in Röntgen-Beleuchtung,
schaffenheit des, von Gramer ... 211
Hefe, Einfluss des Sauerstoffes auf die
Gärthätigkeit der, von Rapp .... 713
Hefearten, pathogene, von Rabinowitsch 621
Heftklammern für Wunden, von Wachs¬
mann .1145
Heilanstalten für Lungenkranke, von
Rosenberger.162
Heilgymnastik, Lehrbuch der schwe-
zeitiges Vorkommen von, von Boltz 1308 Hüftgelenksluxation, von Rosenfeld 87,
rzmuskel, Pathologie des, von Scham- Behandlung der angeborenen —, von
schin 209, —, Veränderungen des, bei Kirmissop 439, congenitale —, von
Diphtherie, von Scagliosi.1144 Kümmell 601, unblutige Behandlung
rzpercussion in vornübergebeugter der —, von Lorenz 994, congenitale
Körperhaltung, von Gumprecht . . 874 —, von Zenker 1062, —, von Graser 1197
rzscbwäche bei Infoctionskraukheiten, Hüftgelenksverrenkung, Endresultate
von Romberg. 18 der blutigen und unblutigen Operation
rzstosstheorie, Martius'sche, v. Besold 1866 der angeborenen, von Hoffa .... 966
rzthätigkeit in Röntgen-Beleuchtung, Hüftluxation, angeborene, von Tausch
Hautwassersucht, chirurgische Behänd- von Benedict. 994 112, unblutige Reposition der ange-
lung der, von Rotmann.1215 Herzthrombus, von Oppler. 87 borenen —, von Schede 964, 994,
Hebammenlehrcurs. 764 Heterotopie im Rückenmark, von Rosin 826 Operation der —, v. Hoffa .* 995
Hehammentasche, von Ahlfeld .... 1060 Herztöne, Photographie der zwei, von v. Hüftverrenkung, Behandlung der ange-
Heidelberger Leitungswasser, Be- Ilolowinski . . 1262 borenen, von Lorenz 90, functioneile
211 Hilfeleistung, bei plötzlichen Unglücks- Belastiuigshehandl. der angeborenen
füllen 756, iir/.tliche —.85G —, von Lorenz 113, Behandlung der
713 Hirnabscess, geheilter, von Mohr 163, — angeborenen —, von Gluck 347, —,
621 nach Hirnhöhleneiterung, von Treitel 1171 von I-orenz 848, angeborene —, von
Hirndruck, Mechanik des normalen und Länderer 905, unblutige Behandlung
1146 pathologischen, von Ziegler .... 679 der angeborenen —, von Lorenz 965
Hirnnervenlähmung, multiple, von v.
Hufeland'sche Gesellschaft.1272
dischen, von Hughes. 61 Hirnrinde, über den Markfasergehalt
Hoesslin.712 Hundestaupe, Verhilltuiss der Eutsün-
Hirnnervenlähmungen, von Seeligmann 757 düng der Tenon'schen Kapsel zur.
Heilkunde, Monatschrift für prakt.
Modicin. 908 Hirn-
Heilmittel, reducirende, von Unna . . 1195
Heilserum, s. a. Diphtherie.
Heilserum, Mittheilungen über das erste
Versuchsjahr mit Behrings, von
Rindfleisch 184, Tod durch das —
385, 577, von Langerhans 663,
— von Behring.939
Heilstätten für Lungenkranke .... 1312
Rückenmarkskrankheiten,
Hirnnervenlähmungen, von Seeligmann 757 düng der Tenon'schen Kapsel zur,
Hirnrinde, über den Markfasergehalt von v. Nencki und Karpinski . . . 28S
der, von Käs.160, 759 Hydramnios, Gebärmutter und Scheidea-
Hirn- und Rückenmarkskrankheiten, zerreissung bei, von H. W. Freund . 831
seltenere Formen der hereditären u. Hydrarthrosen, Nachbehandlung punctir-
rr . familiären, von Higier. 1238 ter, des Kniegelenkes, v. Heidenhaia L- Hl
Hirnvorfall, von Regulski. 637 Hydrocele bilooulariB intraabdominalis,
Hirnhümorrhagie als Complication des v. Vollbrecht 432, — testis, v. Storp 699
seltenere Formen der hereditären u.
familiären, von Higier. 1238 1
Keuchhusten, von Oppenheim . .
Histologie, Grundzüge der, von Klein .
Histologische Untersuchungen,Leitfaden
für, von Rawitz.
Hemeralopie, von Krienes . . ! 1 480 J) ochscllu {; F requenz (s. a. Frequenz) .
Hemianopsie, bei Urämie, von Pick 84,
— bei puerperaler Amaurose, von
F. Lehmann.1308
ilemiatrophia lingualis, von Geronzi 387
Heinichorea, von Alt.1147
Hepatitis, Rolle des Alkohols und der
acuten Infectionskrankheiten in der
Hoden, die sog. Zwischenzellen des,
von Hansemanu 37, teratoide Ge¬
schwülste des —, von Wilms 950,
krystallinisehe und krysUlloide Bild¬
ungen in den Zellen des mensch¬
lichen —, von Lubarsch.
Hodenteratome, von Kockel.
402 Hydrocephalus, die Puuction des, von
766 Schilling 8 , Pathologie und Therapie
des —, von Heule.898
870 Hydromeningo- und Hvdrencephalocele,
692 über die Geburt bei, von Johansen 4
Hydronephrose, beiderseitige, v. Bühring
613, — in Folge schiefer Einmündung
des Ureters, von Töth 1081, —, vpn
Legueu.1174
Hydrophthalmus congenitus, geheilter
1082 Fall von, von Bergmeister .... 190
549 Hydrorrhoea peritonealis, von Monod 1160
„tu..1__.i- 1. _ t-.
-*-.^.vuv.vnomuuuuunv. II 111 V1V.1 jj_ J A , , * ——- ^ciiwuowio, V IS 11 .UUUUU
Entstehung der interstitiellen, von Odentorsion, von Enderlen ..... 606 Hydrotherapie in der ärztlichen Praxis,
Scagliosi.. .1082 Hod S kl “ sehe Krankheit, Heilung der, von Vogl.
Ilepatopexia, von Franke 804 H ^ urc ^ Ar8enin j e ‘- li ‘ ,n . vou Katzenstein 84 Hygiene, Handbuch der, von Weyl 849
Herausgebercollegium der Münch, med. Hohtenblutungen, Bekämpfung der post- - der Arbeiter . .
Wochenschrift. 263 upd parenchymatösen, mittels Hygienisch-bacteriologisches Institut ii
llernia, ileoappendicularis, incarcerirte, nicht draimrender, unprägnirterGaze, Danzig.
von Nasse 184, Diagnose der — Hsui° n hc , ffer • ■ • .. 945 Hygienisches Institut bei der technischer
obturatoria, differentielle, von Lan- Möülenwunden, Behandlung starrwan- Hochsch ule zu Dresden 368,-in Kair
derer 549, — interna retrovesicalis, ,, , , lger ’ V0 ? T lN , ou , r ••••••• 16 Hymen, Schwangerschaft bei imper
von Saniter.! m Hohlo ^»pe^ erhältni8se zwischen Druck forirtem, von Köstlin.
Hernien, s. a. Brüche. un * ülluu g bei, und dessen Ableit- Hymenalcyste, von Palm.
Hernien, Emheihmg von Sehnen HoSXVeÄÄ V °° ‘^ ^
Heilung von von Poullot hwi HAnn«i<iinrt u„ ■« u . * • * muo naciG des Mutterhalseö zur Stilluns
Herniotomie, von Heydenreich .’ ! ! ! 1151 Hoppe-Seyfer, Nekrolog auf vonGürber 274 Hvoerkerato^Gl * 7 fi T* V °^ Ghaaan
Herpes tonsurans, von Neuberger 714, Hö/bahn, centrale, und Xre ScSädi/unJ ^ Cla88läcatl0Q van
giti. vo “HSel 1021 von 8 Siebenmann 818 ““ HyPero.^dWs^feU, ™Klicke,
Hera, anomale Sehnenfäden im, von Hördauer, Prüfungen der' bei Erkran ^ Hyperphalangie und Brachydactylie,
ÄT.Ä* 8i » 8 \ 216 n4g, ^f.,7^ 438 ÄÄrÄi.
"•ssä .r .Z Hy ss-ä-äm
Heraempfindungen, von Becher . 433 von Hh-schbenr d ? r ’ Heilerfolge mit der —, von Voisin
Herzerweiterung, von Smith . 990 - hei IWh Lht k “ du y? d , er 4Ö2 * allgemeine Sensibilität bei
Herzfehler, amrehnrona i,nn <010 ii. , ... ch und Taube, von Göcke 1214 von Croca 808. theraDeatisc.he Wirk-
von Vogl.689
84 Hygiene, Handbuch der, von Weyl 849,
— der Arbeiter . 1369
Hygienisch-bacteriologisches Institut in
Danzig. , , .,[632
945 Hygienisches Institut bei der technischen
Hochschule zu Dresden 868,— inKairo 971
16 Hymen, Schwangerschaft bei imper-
forirtem, von Köstlin.1161
Hymenalcyste, von Palm.852
212 Hvperemesis gravidarum, Gazetampo-
263 nade des Mutterhalses zur Stillung
388 der, von Kehrer 374, —, von Chazan 805
Brooke .
Hyperostose des Schädels, von Kronacher
Heraempfindungen, von Becher .
Herzerweiterung, von Smith
Herzfehler, angeborene, von Roth
VTTTT ii; _ ' . ... f m uo»,.» UOTUVU»UW», V UU |UUMWUOI TOI
, „ . nn ••••;••• • 10o7 Hyperphalangie und Brachydactylie,
flauer, Prüfungen der, bei Erkran- von Joachimsthal . . .... | 995
rnrflfnn^n 8 «^ e8, a V r n Werh ° v “ k - v ^ Hyperthermie, plötzücherTodesfall eines
S f j gegenwärtiger Stand der, kleinen Kindes durch, von Thomas 1023
von Bezolci 1057 -. von Deuuert . 1057 Hypnose, Verbot der, durch Laien 260,
mhaut, ueugebildete Blutgefässe der, Heilerfolge mit der —, von Voisin
- he/F 8Chb K rg 9 ^ ? -r L ° tzündun U der 462, allgemeine Sensibilität bei
•nh.nHi • Ta “ be ’ VOn üöcke 1214 von Crocc l ÖOa . therapeutische Wirk-
iierzieiiier, angeDorene, von Roth 1246 HornhAntfWt Ta„• I 7 ovo, merapeuuBcne yvitk-
Herzgeritusche, Beitrag zur nlivsika'- ^ Tätowiruug eines durch- samkeit der von Voisin . . , .
lischen Erklärung hfnctioneUe/von HomhautflHctrl 0 ^!^^ 8 ^ ’ a ‘au 302 H yP noti smus, von Forel und Vogt 674,
Geisel 333. DilUrnnMA avaUK ornhautflecke, Verbesserung der Seh- Heilerfolge durch —. von Starck 741.
Geigel 333, Diagnose der systolischen
—, von Leube . -.
Ilerzinsufficienz, Diagnose und Therapie
der, von Stewart . .
schärfe durch Schwarafärbung halb¬
durchsichtiger, von Neuburger
Hornhautnadel aus Platiniridium von
Pelteßohn ...
Heilerfolge durch —, van Starck 741.
Anwendung des — bei chronischem
Alkoholismus, von Tuckey 809, ge¬
setzliche Regelung des — in Oester¬
reich, von Krafft-Ehing . . . . , .
Hypophysis, Struma der, von Franken¬
burger 41, Jod in der —..
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IBM*
MALtS-TERZElC^FlSö.
Hypospadie, männliche, I. Grades, von
Krtrtacber 80J, operative Behandlung
der —, von Denison.346
HysterSetomis vaginalis, Doyen'sehe
Methode der, von Landau 232, abdo¬
minale — mit Intraperitonealbehand-
Inng des Stumpfes, von Crippa und
CnllingWorth 303, intraperitoneale —,
tod Donald.861
HysteiVetomien, 100 vaginale ohne
Todesfall, von Aceonci.458
Hysterie, Studien über, von Breuer und
Freud 624, — der Kinder.873
Hysterische Contractur, systematisirte,
von Raymond und Janet.780
Hysterische Motilitätsstörungen im Kehl¬
kopfe, von Treupel. 18
i.
Jackson'sche Epilepsie, geheilt durch Ent¬
fernung eines snbdoralen 8pindel-
zellensarkoms, von Czerny 841, _
chirurgische Behandlung der trau¬
matischen, von Braun.967
Jahrbuch der praktischen Medicin, von
ßfirner 619, — der Wiener k. k.
Krankenanstalt. 1894 689, Münchener
—, von Seiferth und Probst .... 1124
Jahrbücher der Hamburgischcn Staats-
krankeöanstalten, von Rumpf . . 634
Jahresbericht über die gynäkologische
Umversitätspoliklinik München pro
1895, von Heiden IW, — des Wiener
Stadtphysikats 189, — über die
chirurgische Abtheilung und die
chirurgische Poliklinik des Spitals zu
Basel, von Socin, Markees, Bräu-
nmger, Hägler 208, - des Larides-
Medicinalcollegiuma über das Medi-
l“ SachHeri ' daa Jahr
1 u ^ ~ der Gesellschaft für Natnr
u. Heilkunde 1280, - des ärztlichen
Bcz'rksverems für Rüdfranken, vom
Jahre 1895 . 12?0
Iehthvosis congenita, von Gerstenherg 1189
rt ta«f’.^‘ 0niBch . er * von R envers 18 ?
«0, 259, — mfectiöser, mit Reci¬
fe 6 “- v , on D alchö 644, - neue
Theorie des, von Pick . . . 1178
Ideen^ J^cWogie der fixen, bei Geistes:
XIX
8elte
Impetigo contagiosa vegetans, von Herx-
Ä*?': r. ™»
Impfgesetz, Statistisches zur Wirkung
des, von Kühler . . 13R
Impfmesser, von Voigt' 117,
Impfperiode, Mittheilungen aus der
diesjährigen, von Falkenstein . . 1029
Impftechnik. '
Lnpfung animale, in Deutschland,’ von
Drysdale. 970
Impfzwang, Aufhebung des . . ‘ ' ‘ [
Implantation des Meerschwoincheneie
in die Uteruswand, von Spee
Impotenz, elektrische Behandlung der
von Althaus . .
Incontinentia urinae, Operation zur Hei:
Jung der, von Fest .... U12
Infektionskrankheiten, Institut für 'in
Berlin 215, 392, 582, Vorlesungen
über chirurgische —, von Kocher
und ,T ave Ver h a lten von Herz
und Vasomotoren bei —, von Pässler
und Romberg 381, — im Kindesalter
von Nil Filatow 574. Versrl>l 0 .,r,„„~
852
263
784
874
Filatow 574, Verschleppung
, er vom Krankenbett aus, von
Jaeger 1078, Unterricht über — an
Irrenpflege, rheinische.
Irren wesen, gegenwärtige Lage des, in
Bayern, von Becker . . « fi q
Irrenwesenreform im bayer. Landtage '
Iragationstherapie, von Hoor
Iriscondylome, von Doutschmann ‘ '
Intis syphilitica .
Ischämische Contractur der Handbeuge-
muskeln, von Henle.. 4 82
Itrol als Antigonorrhoicum, von Werler 899
Ischias scohotica, von II. Schmidt . . 1308
Jubiläen 118,715,735,764, 811,100t, 1064, 1248
Jubiläumsfeier der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie, von Angerer .
115
1308
211
167
Jurasz'sche Zange für Rachenkdenome!
von Hedderieli. .
K.
439
Käsecysten der Brustdrüse, von R020-
witscli. 0
Kaiserjubililums -Unterstüteungsf'ond ’ in
Wien
375
558
kranken, von de Young’.
< 'Sen C ' ati0n gesünder K^der, von
J r! i i n ^° ruie - v ° n Karew8fei ! ’
Jenkn-IYeis. .
J *TnmM 0 ! )j8 J riger Geburtstag 116, —
j denken an > von Stumpf 441
Jenner.FeieHn e BfrHn eCk,lng ’ V ° n ^
Ueowecarklappe, Insufficien'z der,' von
Ile °p 8 S gelenk ' des, von
in ' ch '*»■ v^U
W«».r Mi: -
i’eoiuiettdp q„k-, eini S e gerinnnngs-
wird VO nB h ^°*Kerufen
ImmunHätsth^ne Delezenne • •
*«f m Gmnd tÄ der' fe urtheilun g' des,'
Poehl . der Harnanalyse, von
von GruST 8 Ch ° Iera und Typhus’
781
809
1090
488
461
487
932
160
874
107
1002
215
931
347
den medicinischen Facultüten . . 1148
Infiltrationsanästhesie, Schleich'sche, von
Gottstein 1021, —, von Mehler 1103,
Nchleich s —, von Dipper.1240
Innuenzabacillen im Centralnervensvs-
tem von Pfuhl und Walter . . / . 162
Ingninalhernien, Radicaloperation der
von Heuston 531, Radicalcur der —’
von Lannelongue ....... 762
Inhalator, neuer, von Mohrhoff ! .’ ! ! 18
Injectionen, intravenöse, von Salzwasser
von Bose und Vedel. # 762
Injectionsbehandl. chirurgischer Krank¬
heiten, von Hasse.996
Innervation, centrale, von Wedenskv . 759
Inspiratorische Einziehungen am Thorax
von Gerhardt .... *481
Insektenstiche, Behandlung dek,' von
Ottinger .. J2ßg
Institut fürlnfectionskrankeihHerlin 511,’ 628
Interferenz, biologische, und Erblichkeit,
von Hallervorden.576
Intracranieller Tumor, von Seydel . . 324
Intrauterine Photographie, von Pinard 303
Intrauterine Therapie, von Hofmeierllll,
—, von Zepler. 1112
Intubation, subcutanes Emphysem hei
von Bauer 107, Technik der —, von’
Trutnpp..
Invaginatio ileocolica bei einem ‘/i jährig!
Säugling, von Rteinmeyer.989
Inzucht, ein Faktor in der Genese der
deletären Myopie, von Wolff . . . 1309
Jod, das normale Vorkommen von, im
Thierkörper, von Baumann 83, 659,
—» yon Baumann und Roos .... 659
Jodhaltige Organismen und deren arznei-
liehe Anwendung, von Harnack . . 19$
Jodkah, Ersatz des, durch Tinct. Jodi,
von Richter.707
Jododerma, von Rumpei.! 1243
Jodoform, antiseptischer Werth des, in
der Chirurgie, von Lomry.1190
Jodoformin, von Kölliker 564, — und
Jodoformal, von Reuter 706, —, von
Suehannek. 75g
Jodothvrin s. a. Thyrojodin,Thierversuche
mit —, von Treupel 885, — bei Pso¬
riasis von Grosz 1149, ist das —
der lebenswichtige Bestandfheil der
Schilddrüse? von Baumann u. Gold¬
mann ;.
Jodquecksilbcrhümol, von Rille ! ." .
Jodsanre Verbindungen, klinische An¬
wendung der, von Ruhemann . . .
Irrenärzte, Vn. Congress französischer
Irrenanstalten, die neuen bayerischen
Bestimmungen über Aufnahme von
Kranken in 183, 156, Erweiterung
der rheinischen —. 512
Irrenanstaltspfleglinge, freier Ausgang
der.305
1153
707
482
168
Kaiserschnitt bei todtfauler Frucht! von
Ludwig 85, neue Indication zum —
nach Porro, von Abel 234, — bei
übermässig grosser, todtfauler Miss¬
geburt, von Esser 298, - an einer
lodten, von Erdheim 346, — wegen
übermässig grosser Missgeburt, Kritik
des Esser'schen Falles, von Ahlfeld
346, — bei rhachitischem Becken,
von Schwarz 374, dreimaliger — b^i
ein und derselben Frau, von van de
Poll 526, — bei todtfauler Geburt, von
C'hrobak 526, — nach Porro, von
Pobcdinsky 757, — bei osteoniala-
cischcin Becken, von Lejn.1209
Kaiserschnittfrage, von Strebei . . . . 1081
Kalender pro 1897 .... 1094, 1124, 1311
Kali umcyanid.Morphinclilorid gegen Ver¬
giftung mit, von Heim.gßj
Kaliumpermanganat gegen Phosphor¬
vergiftung, von Weiss.689
Kaltwasscrcuren, Aerzte und, von Sadger 581
Kaninchen, spontane eitrige Wuud-
inföction der—, von Schimmelbusch
und Mühsam.57g
Karlsbader Wasser, Einfluss des, auf
den Stoffwechsel, von Ludwig ." . - 1169
Karyokinetiseher Process, Unregelmäs¬
sigkeiten des, von Galeotti .... 1191
Kassenärzte, Verein der Berliner . . . 263
Kateleptisclie Erscheinungen bei rachi-
_ tisclien Kindern, von Epstein .... 1022
Kataphorese von Karfunkel.1196
Katheter, Sterilisation elastischer, mittels
Formaldehyddänipfen, von Oppler
1068, Prüfung elastischer, — von
Posner und Frank ..1090
Katheterismus, Hindernisse heim, der
männlichen Harnröhre. vonKollmann 549
Kathodenstrahleu, voraussichtliche Be¬
deutung der, für die innere Mcdicin,
von Bonn.210
Kehlkopf und Luftröhre, Krankheiten
des, von Schech.1167
Kelilkopfgeschwülste und Bewegungs¬
störungen der Stimmbänder. von
Gerhardt.457
Kekulö August, von Königs ...!.! 920
Keloid, spontanes, von Thorn 16,
multiples —, von Rumpel 40, —
multiples spontanes — an den Fingern,
von Cordua..' . . 557
Kelly und seine Erfindungen auf dem
Gebiete der Harnkrankheiten, von
Rnbeska..106
Keratitis parenchvmatosa und Gelenk-
erkrankuugen, 'von v. Hippel 509,
— interstitialis hereditär-luetischer
Natur, von Bosse 958, — pathol.
Anatomie und Bacteriologie der
eitrigen, des Menschen, von Uhthoff
u. Axenfeid 1108, — bullosa, v. Siebert 1240
v. Kerschensteiner 836, 860, Nachruf
883, — von Merkel G. 1049, —, Nach¬
folger .106 t
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INHALTS-VERZEICHNIS^
1896.
Keuchhusten, Rachenpinselungen bei,
von Rocco 763, Behandlung des, —
von Schulze 859, - von Ritter 1024,
Knochencyste des Oberschenkels, von
Kehr..
Knochendeformitäten, experimentelle,
von Ghillini . .... •
Rückenmarkserkrankungen bei , ^ Knochengestaltung,’ Beeinflussung der,
von Bernhard.
Kiefergelenk, Anchylose des, von Baum¬
gartner ... •
Kiefergeschwülste, centrale epitheliale,
durch Muskeldruck, von Hirsch 637,
— von Müller.. ■ •
Knochengewebe, künstliche Erzeugung
Krebs, siehe auch Carcinom
506 Krebs, directe Uobertragung des, von
Guermonprez 303, — <ler »Schild-
662 drüse, von Adenot 1160, — multipler
primärer d.Dünndarms,vonv.Notthatft 10 j6
Krebserkrankungen, Zunahme der, von
729 Williams. • • : • * •
Krebserumbehandlung, v. Lartsclmeider 692
von Bennecke232, — Histogenese der, Knochenhöhlen, osteoplastische Füllung
,eoe, Kunsuicne w/,bu 6 um 6 XT „'
. . 37 Krebsheilung, von Hasse .
von Haasler.. • • • •
Kieferböhleneiterung, von Linkenfelu .
Kieferhölilenompyem, das acute, und die
von, von af Schulten.257
Knochenmarkzellcn, feinere Structur
der, von Arnold .• b2b
Kreisirrenanstalt, Directorposten der
257 oberbaverischen, München .... 1151
Kreosol Raschig, von Schürmayer . . . 299
526 Kreosot-Anwendung.,• • • • 213
Kieferh
Kieler 1
Kindbettfieber, neue Methode der uc-
handlung des, von Garossa.lloi
Kinderernährung, von Robertson . . . 646
Kinderkrankheiten, Lehrbuch der, von
Baginsky ... • • • 1142
Kinderlähmung, Behandlung der, von
Drobnik.. • • *2o
Kinderlähmungen, Verhalten der Hirn¬
nerven bei den cerebralen, von Koenig 661
Kindernahrungsmittel, chemische, Zu-
sammensetzung einiger, v. Blauberg 12<jy
Kindesalter, Grundriss der Krankheiten
des, von Lange mul Brückner . . . 1109
Klammerbehandlung bei der Totalexstir¬
pation des Uterus per vaginam, von
Zweifel. 926
Kleiderluft, Kohlensäuregehalt der, von
Wolpert. 1239
Kleidung, Hygiene der, von Büchner . 611
Kleidungsstoffe, Luftbewegung und
Wärmedurchgang bei, von Rubner
161, Einfluss der Feuchtigkeit auf
das Wärmeleitungsverinögen der —,
von Rubner 161, die äusseren Be¬
dingungen der Wärmeabgabe von
feucht., v. Rubner 162, Comprimirbark.
, 1 er _ in, trockenen Zustande und
bei Gegenwart von Feuchtigkeit, von
Rubner 1238, Permeabilität der —,
Knochenstücke, histologische Befunde
nach Roplantation trepanirter, des
Schädels, von David.. **90
Knochenveränderungen unter dem Ein¬
fluss minimaler Posphordoscn, von
Kissel. ••••••
JVUUKIIPU», >V1I .
Behandlung des —, von Bruns 704,
Erfolge der Thymusfütterung bei —
von Reinbach . 1
Kropfbehandlung, Entwickelung der mo-
(lernen, von Bruns.528
von Bereeat . . . 346
iiaü Kocbsalzinjectionen, subentane von
11US Pozzi. 690
Kochsalzlösungen, Wirkung starker, bei
noc intravenöser Injection, von Bose und
auf den Menschen, von Kaempffer 1240
Kunstausdrücke , pathologisch - anato¬
mische,in derGynükologie,v.Kossmann 621
Vodol ’ .667 Kunstwein aus Tamarindenextract .
Veüel . . . Tr . .... und Thier
9 „q Kochsalzquellen, Einfluss der, auf den
Stoffwechsel, von Dapper .... • 661
611 Köliotomieen, 100, von Flatau .... 1033
Körperfett, Einfluss des, auf den Ei weiss¬
zerfall im Hungerzustande, von VoitE. 1132
Körpergrösse, normale, des Menschen
von der Geburt bis zum 25. Lebens-
Kupfergehalt von Pflanzen und Thieren
in kupferreichen Gegenden, von
Lehmann.1268
Kupfervergiftung, acute und chronische,
von Filehne.233
Kurpfuscher, ärztlicher.646
Kurpfuscherprocess. *248
jahre, von v. Lange. 1262 Kuttelflecke, Ausnützung der sog., im
•» ' . •, . 4 --^,„1 .IaüMaiuioIuih vmtSiilnnillK
Körpertemperaturen, niedere, im Winter¬
schlaf, von Billinger.. 808
Kohlensäure und Wasserdampfausscliei-
dung des Menschen bei gewerblicher
Arbeit und bei Ruhe, von Wolpert 325
Rubner. 1239 Kohlensäuremessungen nach Wolpert,
Darmcanal desMenscben.vonSolonius 1239
808 Kyphotisches Becken, Geburtsfall bei,
‘mit hochgradigem Hängebauch bei
einer Primipara, von Stcltner . . . • 185
325 Kystom, papilläres, von Flatau ... . 3 41
Klimakterische Beschwerden, Behand-
von Gillert .
lang von, von Landau ..... ■ 555 Kölporrhapia anterior duplex, von Nieher-
Klimakterische Blutungen, Chlorzink¬
stiftbehandlung des, Uterus bei, von
Pfannenstiel..
Klimax, Einverleibung von Eierstocks¬
substanz zur Behandlung der Be¬
schwerden bei, von Mond . • • . •
Klinik, neue, in Wien.
Kliniken und Institute, Zukunft der
österreichischen..
Klumpfuss, Behandlung des, mit dem
modellirenden Redressement, von
Vulpius 109, Behandlung des para¬
lytischen —, mittelst Osteoplastik,
von Jsnardi 297, Behandlung des —,
von Tnbby 348, Heilung des ange¬
borenen —, von Vulpius 495 , Heilung
des —, von Vulpius 642, Atrophie der
Wade nach redressirtem —, von
Joachimsthal 963, Behandlung des
— von Forgue.
Kneipp'schc Approbation.
Kniegelenk, traumatische Luxationen
im, von Ehrhardt 804, Resection
Kopfschmerzen, Behandlung von, mit
Methylenblau, von Lewy 1145, —
17 Labgerinnung, von Benjamin .... 83
Labyrintherkrankungen bei Caisson-
arbeitoru, von Alt. 644, 1052
Schindler ... .1170 Labyrinthtaubheit und Spraclitaubheit,
Krilhenbad.883
837 Krar npfanfällc, Pathologie gewisser, von
461 Ftlrstner.638
Kranioten, Studien zur vergleichenden
237 Entwicklungsgeschichte des Kopfes
von Freund .
i Laetationsdauer, Bestimmung der, der
Frauenbrust, von Umikoff ....
Lactophenin, Icterus nach, von Wenzel
Laevulosurie, von May.
der, von v. Kupffer. 985 Lagerungen der Kranken bei Opera-
Krankenanstalten, sanitätspolizeiliche tiouen, von Ihle .
Prüfling der Bauprojecte von, durch Lähmung des Nervus musculo-cutaneus,
den zuständigen Mediciualbeamten, von Barabo 437, — des Armes bei
von Langerhans. 900 einem Neugeborenen, von Placzek 600,
KrankenhausFriedriclishain,die jüngsten Wirkung (los eonstunten Stromes bei
Pockenfälle im, von Fürbriuger 38, traumatischer peripherer, — von Fried-
— ein conservatives, von GniHsmann länder 623, einseitige, umsebriebene
167, 207 , — Braunschweig 168, — elcctive sensible —, von Barker
Münsterlingen 192, — Hamburg 263, Lnminariabebandlung, von Eberhart . .
allgemeines, Prag. 647 Langerhans, Fall 43 m, — von Piirkhauer
Krankenheil, Bad . 532 Laparotomie an einer Neugeborenen
Krankenkassen im deutschen Reiche wegen Hernia funiculi umbilicalis, von
im Jahre 1894 684, — in Sachsen
eines tuberlösen —, von Heinlein 1121 Krankenkassen - Versicherung der An
Kniegelenksverkrümrnungon, von Hoffa 599
Kniescheibe, Verticalluxation, der, von
gehörigen der Arbeiter.855
I Krankenverein der Aerzto Wiens 356
Link.4011 Kranken vorsicheruugsgesetz,Reform des,
Kniescheibenbrüche, Behandlung der.
in Oesterreich
Merkel J. 1033 Krankenwagen, Tragboden für einen,
Knöehelfracturen, von Soulignoux . . 1151
Knochen, operative Behandlung ge¬
brochener, von Markees 550, latente
Eiterherde im —, von Ehrich 693,
Wachst humsanomalien der —, von
Feldmann.1145
Knochenarchilectur und deren Umwand-
von Meyer.
Krankheiten und Curen des 16. Jahr¬
hunderts, von Steinhausen ....
Krankheits- und Genesungs-Anzeigen .
Kranzarterie, Verstopfung der, von Barth
402, — Plötzlicher Tod durch Ver¬
stopfung beider, von Oestreich . . .
lungen, von Habs.731 | Kraurosis vulvae, von Gördes 458, —
Knoehonbrüche, seltene, von Dittmer 258
von Peter.458
175 Marjantschik 324, vaginale —, von
Siefart 684, —, Platzen der Baueh-
855 wunde nach, von Jahreiss b98, Tod
356 nach —, von Fritsch.833
Larvngologic und Rhinologie, Handbuch
558 der, von Heymann ...... 871, 1188
Laryngoskopie, Kirstein'sche directe, und
460 ähre Verwendung bei endolarynge-
alen Operationen, von Bruns 210 —,
18 nach Kirstein, von Bruns.346
385 Larynx, Pulverbläser für den, von
1 ledderich.762
Larynxcomplicationen bei Typhus, von
233 Kanthack und Drvsdale ..261
Larynx-Dilatation, neuer Apparat zur
458 forcirten, von Pfeffermann-Bors . 67
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1899.
8cilc
258
760
1034
857
709
Larvnxpapillome, multiple, von v. Nav-
ratil ..
Larynxphthise, Localbehandlung der,
voo Kuttner 85, Paramonochlor-
plicuol bei —, von Hcdderich 749
I-ebensnüttol, Anstalten zur Untersuch¬
ung von.
Leberabscess, von v. Kahlden 136, —
von Morton.
I.eberatrophie, Stoffwechseluntersuch-
ungen bei acuter gelber, von Richter
527, acute gelbe —, von Aufrecht
l.ebcrcirrhose, Behandlung der, von
Klempner 37, pathologische Anato¬
mie der hypertrophischen — von
Burkhardt 575, operative Behandlung
der -, von Dutnmond und Morison
U'bergescliwillste, von Ahlenstiel .
I.eberkolik, nervöse, von Pariser
Leberrescction bei multiloculärem Echi¬
nococcus, von Bruns. 930 1139
I-ebersvphilis, angeborene, von Cohn Af’ 1029
U'bcn-erlctzungen, Behandlung der trau¬
matischen, von Schiatter .... 134
Lehrerhausverein in Wien . .* 212 282
Ijcichen-Rccogno8cirung . ’
leistenliriiohliana nr.ir'.
374
_E^TS-VERZEICHOTSS.
iachep ruber planus, von Kopp 39 __
iniversahs, von Philippson 10«’
P anus, von Neuburger 643, — si
clrc »niscnptus chronic
louton 707, — ruber planus,
VmkUtrang
g^0 “" , '«Storno;
XXI
Seite I
81111-
von
aceumi-
von Jaruntowsky 208, Volksheil«,atten
iur —, von Ascher .
^ von
Wmtp.tz 375, minder Armee, von
oo fi 1 J^ngcnsarkom, von Lenhärtz
778
854
386
608
835
662
406
107
214
64
1145
662
576
505
1271
808
728
U'istcnbruchband, von Wolfermann .
e „ rüehe, Kadicnloperution der, bei
Soldaten, von Haburt- 644, Leisten-
und Schenkelbrüche, Radicaloperation
bei —, von Braun.
Operation ein er äusseren,'
nach Kocher, von Jungengel
’SS ,igkeit ’ Peyekische, ' von
'"'tt^'^^n'de^on
'•ei^ Ambum, ein Kali v'on, von Czerny
qS’ . im Kreise Memel 435, 90«,
von Blaseh ko 484 —
in "skS h 5;H 1>ro !’ h yi axe der -
ihre k r “^ nanen ’ ihre Erfolge uiid
f, Lehren, von Koch 706* Vor-
• ‘ '"‘? un g d or Ausbreitung der -
wS
bürg 1148 1292 ne ‘ r0 ’ Havel *
hppn»-AsrI • • ..1220
Lepracon'ferenz.• • • 715
ä' 0 -'
- v""’“ n “ il w Gol ?fä ,mi<ii m;
.phatico-lienale V- — »vm-
L-ukaeuiiacker Harn Eiwe^l-' * * • ■ 1240
m 'l »besonderer R^nT e . l8 ? kör P er den,
Histons, von KoB^K k8 ‘ C j tlgun 8 <lea
'^ocyten, B?de.S, h u , nd R urian -
Schutz gcgen lnw 8 der ’ f(lr <»en
175 . 8 8 n Infec t'Onen, von Hahn
, ®Sen Bh^ en ^ ti ?. n im »eük'ae-
'-eukoevtose un<1 ’ m, £ Un >precht .
( .' ar " 661, - prak 'iS ka v SCenz ' von
KÄi, V0 ”S^S Wh “"®
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1309
1263
792
345
183
300
403
889
»■eokode
Lignosulflt, von Hartmann
Lmscn-Luxation, von Deutsehmänn ' ‘
Linseuregeneration, von Gonin . ' '
L, ppon-, Kiefer-, Gaumenspalte, infolge
amniotischer Adhäsionen, von IW
Lipoma arborcscens des Kniegelenks
Lipome 8 dor^V 1 ’ ~ Renu ’ von Hcrhold
Lipome der .Nieren, von Ulrich 375
»‘Pomatöse Mischgeschwülstc
der Niere, von Müller
Literatur, Bemerkungen 'zur' neueren
medicunschon, von Qnadrivius 170
Literarisches 68, 116, 142, 168 19“> 984 179
?S4*SÄi 64 ’ «0. ««8 'Ä
1036, 10b4, I09 j, 1176, 1224, 1248 ’
FleclSg“ ‘! er . gdStigen Vo *Sänge, von
Localtuberculose, Entstehung der Lehre
von der, von König
London fünf Monate in,' von Treynia'n»
1 Zeichen d Phll,S ’ I )at . ho «»oinische Kenn-
foß fi! dor congenitalen -,vonSilcx86,
40 7 163, —horeditaria tarda, v.Hell.ing
con genita, von Caspar600, nia-
gne —, von Neuburger 613. — von
SSer 7 ° 9 ’ bl ?, ihende Reichen here¬
ditärer —, von Caspar}' 1221, — C ere
brospinalis, von Cassirer . . . 1 238
Luftdurchgängigkeit, ApparatzurDe',.m n :
STKbÄf ™ n KI «i d «ngsstoffe„,
Luftembolie im Anschluss an'die Enu-
cleatioi, eines Myoms, von Bicrmer
SsseT bC ‘ Placenta Praevia, von
Luftfeuchtigkeit, Bestimmung desGrades
ffl £ physiologische und hygie-
T nfJr«L Zwecke, von Schierheck . .
Luftröhre Vorlesungen über Krank-
holten der, von Schroetter
Gerhard? 816 ’ Verk,e “ te ™ g der, von
Lufttemperatur,' Einfluss' der,' auf' die im
\rbSt nt anstr engendcr körperlicher
„ “"geschiedenen Mengen
W(dpert re Un<1 Was8erdam Pf, von
Li at raUChU ' ng; bat:t0riolo ’b'i«che,' von
L ?ernf’ Bel ’ andI "''K<ler Erkrankungen
der oberen, von Müller. . . 1I4R
Lumbalpunction, plötzliche Todesfälle
84?hn 0, ! FÜ ? ringer36 ’ ~ von Ricken
8», Uber den diagnostischen und thera-
1«9 2?f e 383 ertl V ''-\ 7 ’ •° n Lcnhartz
tö», «11, 383, — bei Meningitis tuber-
I S’, von K °hn 435, diagnostischer
nL de t T vonDeniges und Sabrazes
»d», — als therapeutischer Eingriff bei
Encephalopathia saturnina, von See-
gelten.
Lumpen, Verkehr mit, von Eiff
Lungen, wie erfolgt die lufectiön' der!
von Buttersack 323, Fistelbildungcn
an d^n —, von Friedrich .
ff
. von Lacroix 415, tliermn-
l i'ng der t,8Cl ' er A I ' ,J,arat z,,r Behand¬
lung der — von Jacoby 434, — einer
- v;„?k- 'i" inK 474 ’ Stud *°n zur
, von Kirchner 623, Behandlung
i Ich »»-' >| - ™«c“ «2
, von Spomiann 778, — und Herz-
dS n Tode en ’ VOnBoItzl30H > näufi S koi t
, ™ SS; 2«r. “
I-Upus faciei, von Krecke 509, - vulgaris
lZ h? eS 55 !’ 0 .P era tive BeCd-
~ vulgans, von Lang 581,
an Finger und Zehen 599 — miH ;
von Hemeke 686, Behandlung £
vmnfeT 8 -’ '"'‘«cldlddrüsei.tableuen,
und T Z 8 , 707 ’ ~ erythematosus
um Tuberculosü, von Wikham 936.
Rchn y 026 a CS d 'f omil,alu «. von
SS““ ‘"f”: ~ erythematosus, von
Schutz 1195, operative Behandlung
1219 1 ^ytbematosus, von Ehrmann
«“OS intranasalen —
BeSat , . ajaC0 ' aS ° gen ’ VOn H,, 8°
Luxationen, operative Behandlung irre-
ische ’/° n Kecrink 13ft - ‘raunm-
GöscheT UntCrCn Extremitat - von
r ' y S a ii 8i r rk " n ' dcs Mundbodens!
von Barth . ’
4 'Z h hS cr . s !“ l " s ' * ^ ™»
Lymphcyste des Ligamentum uteri lätum
1111 I von Lion. ’
Lymphome, Beziehungen der nia’lignen!
zur Tuberculose, von Dietrich
Lymphosarkom“ thymicum, Tod eines
Hjähngon Knaben durch,von Heiden-
1143 | r vlI ?Jf 96 J’ ~ der Milz > von Jordan .
Lvmphosarkomatose, von Göppert 1020
—, von Jaus. ’
Lvssa-Schutzimpfungsanstalt'in Wien
1311
1238
299
506
1300
418
373
1145
706
704
997
325
683
1062
581
in.
. . - — Friedrich.1080
;* u j 5 Wenna svnbim- ”’ n Jakob ■ - 872 I j „ apeucarc,n om, primäres, von Bibbert 258
260
»•ewin p. .. ran 103J. _ pn „ T .^ , g -I Lungenembolie bei gynäkologischen Er-
Kränkungen, von Gessner . . 1110
Lungenheilstätten, s. a. Heilstätten, die
.,, Vereinigung zur Fürsorge für kranke
Arbeiter“ zu I^eipzig und die, von Liebe
Lungenkranke, Heilstätte für, 92, die ge-
: schlossenen Heilanstalten für —
und die Behandlung in denselben,’
’ von Pemn lOM «eiandlung
»SenS’ V ° n KVp?? ’ ~ VOn Le 1123
ein lW
Wenden -Menihpl 68 '^ 1068 '^®» 1 des
,<, D.lhnliel] er pL • n gefundener amö-
ven Lauenstein 1120
Magen Secretion und Motilität des nor¬
malen — von Schale 15, Erfolge der
verschiedenen Operationen am —
von Haberkant 16, Einfluss der
Elektricitüt auf den gesunden und
Kranken menschlichen —, yon Gold-
schmidt .134, Bestimmung der Lage
und Grenzen des — durch Sonden-
pulpation, von Boas 159, Spirillen
im - emigerSUugethiere, von Fischer
d- . o?o ale Behandlung des —, von
Fick 238, normale und pathologische
io^ deS , meu8chlichen vouMeiuort
324, \ erletzung des — durch stumpfe
Gewalt, von Rehn 598, Schl einlab-
sondernng im -, .von Schmidt 660,
, Abtragung des - beim Hunde, von
| Monari 704,. Erkrankungen des -
von Riegel 848, motorische Func¬
tionen des von Schüle 1031, Dia¬
gnostik der Veränderungen von Ge¬
stalt und Beweglichkeit des —, von
Iteed. 1082, Tiefstand des — bei
Männern, von Bial.12g3
Magen-Abgüsse, von Ziemssen . . . 732
Magenblutung, variköse, von LeCronier 1123
joa 1 M a g en » ) »' 1 »ungen, von Hirsch.927
«0 Magencarcinom, chirurgische Erfahrun¬
gen bei, von Krönlein 134, Diagnose
an- 8 ~ durc h Röutgenstrahlen, von
Strauss. 641, operativ© Behandlung.
1161
621
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INHALTS-VBBZEtCSNISS.
nn.
xxn
Seite
995
8eite
des^von Schönwerth Wll.casmatische
Beiträge zur Chirurgie des —, von
Alsberg 132fr, Behandlung des
von Robin ..
Magen-Darmkanal, Operationen am, von
Wölfler 629, subcutane Rupturen und
Contusionen des —, von Petry 794,
804, —, Sondirnngen am, von Kuhn 994
Magendilatation, acute tödtliche, von
Albu.. • ■ 162
Magendivertikel, durch Magengeschwür
hervorgerufenes, von Kolaczek . . 897
Magenepithel, das menschliche, unter
normalen und pathologischen Ver¬
hältnissen, von Schmidt.325
Magengeschwür, operative Behandlung
des, von Hofmeister 196,Heilung eines
perforirten —, von Strauch 806, opera¬
tive Eingriffe wegen Folgezuständen
von —, von v. Noorden 817, opera¬
tive Behandlung des —,von KlausHner
883, Behandlung des frei in die Bauch¬
höhle perforirten —, von Pariser
Magenflsteln, neue Methoden zur An¬
legung von, von Heusner.964
Mageninhalt, Ammoniak int, von Sticker 1010
Magenkranke und Darmkranke, Diätetik
und Kochbuch für, von Biedert und
Langemann.162
Magenkrankheiten, Diagnostik und The¬
rapie, von Boas.1020
Magenkrebs, chirurgische Behandlung
des, von Pean.1150
Magenoperationen, Erfolge der, von
Haberkant.131
Magenresection, fast totale, von Rehn 994
Magensaft, specifisches Gewicht und
Gehalt des, an rechtsdrehender Sub¬
stanz, von Strauss ....... . 183
Magensecretion unter Nerveneinflüssen,
von Schneyer.165
Magensondo, von Salomon.757
Magenverätzung durch Chlorzink, von
Wiesinger.HO
Magnetoperation, von Hirschberg . . . 554
Malaria, medicamentöse Prophylaxe, der,
von Laborde 386, — in Rom 464,
—, von Reiche.1267
Malariainfection bei Menschen u. Vögeln,
von Danilewsky.. 299
Malariakranke, Behandlung von, mit
Methylenblau, von Röttger .... 847
Malariaparasiten, von Marehall u. Thin
289, eine neue Theorie über den —,
von Lawrie.532
Maltonweine.1199
Mamma carcinomatosa, Exstirpation der,
von Joeres.1080
Manometer-8phygmograph, von v. Basch 405
Markfasergehalt der Hirnrinde, v. Käs 100, 758
Masern, Heilserum gegen, v. Weisbecker 661
Masemcrbup,Beziehungendes,zumKlebs-
Löffler’schen Diphtheriebacillus, von
Podack. 84
Masernerkrankung, wiederholte, v. Gott¬
stein . ... . : • 288
Masernrecidlve, v. Chauffard u. Lemoine 42
Massage und Heilgymnastik, Handbuch
der, von Bum.. . 1188
Mastdarmdivertikel, von Neumann . . 233
Mastdarmexstirpation mit temporärer
Kreuzbeinresection, von Krecke . . 509
Mastdarmkrebs bei einem 18jähr. Knaben,
von Czerny.241
Mastdarmpolyp, tuberculöser, von Pro-
chownik. 1193, 120fr
Mastdarm - Scheidenflsteln , operative
Heilung grosser, von W. A. Freund 997
MastdarmzerreisflUiig bei abdominaler
Adnexoperation, von v. Dittel jr. . . 85
Mastitis-Epidemie von Freund .... 1058
Maul- und Klauenseuche, Uebertragung
der, auf den Menschen, von Bussenius
und Siegel .1240
Maul- nnd Klauenseuehengift, die beim
Menschen durch, veranlassten Krank¬
heitserscheinungen, von Ebstein . . 233
Medicin und Therapie, Handbuch des,
von Brouardel, Gilbert und Girode .1168
Medicinal^tat, preussischer . . . . . • 441
Medicinalkalender, von Wehmer 1094,
—, von Lohnstein.• •
Medicinalreferat in der Colonialabthei-
lung 1175, -, sächs. •••••• •
Medicinalreform, preusmsche, 240,611,
im preusBischen Abgeordnetenhause
Medicinische Fach - Presse, Vereini¬
gung der. •.••••
Medico-mechanischesInstitutinMünchen
Medulla oblongata, Kleinhirn u. Gehirn¬
nerven, Beitrag zum Studium der, von
Ramön y Cajal.• • • • *- 101Q
Meisterkrankenkassen in Wien 330,1194, 1219
Melanosarkom, orbitales, von Achenbach 324
Melanotische Geschwülste, von Kber-
1175
464
940
888
851
728
644
Seite
623
551
852
577
88fr
mann.• • *
Menierc'sche Krankheit, von Politzer .
Meningitis tuberculosa, mit Ausgang in
Heilung, von Jansscn 258, — cere¬
brospinalis, Behandlung der, von
Wolisch 763, — cerebrospinalis, von
Barabo 1000, — cerebrospinalis epi¬
demica in Wien 1062, — serosa,
durch Operation geheilt, von Kretsch-
mann 363, — tuberculosa, von Busse
830, _ tvphosa, von Kiihnau . . .
Meningocele spuria traumatica, von
Rahm.. •. •
Meningomyelitis chronica, mit Svrin-
gomvelie, von Wieting.1145
Menschenblut, Pneumatologie des pa-
thol., von Biernacki . .... 1055, 1262
Menstruation und ihr Einfluss bei chro¬
nischen Psychosen, von Naecke 233,
— Physiologie der, von Westphalen
Mesenterialgeschwülste, von Grüneberg
Metallschlauchsonde im Dienste der
klinischen Diagnostik, von Kuhn . .
Metastase, rückläufige, in den Lymph-
bahnen, von Vierth.375
Metatarsus, Ersatz eines, durch Osteo¬
plastik, von Gramer.160
Methylenblau hei Kopfschmerzen, von
Lewy 1145, 1191, — von Schindler 1170
Migräne, von Determann 258, von
Pusinelli.387
Mikrobien der indischen Flüsse, von
Ilankin .595
Mikroorganismen , Ausscheidung der,
durch drüsige Organe, von Biedl um!
Kraus 704, Jahresbericht über die
Fortschritte in der Lehre von den
pathogenen —, von v. Baumgarten
und Roloff.955
Milch, stcrilisirte, als Säuglingsnahrung,
von Campbell 908, Intoxieationen
durch —, von Sonnenberger 1025,
Productc der bacterisehen Zersetzung
der —, von Blumenthal| .1144
Milchversorgung der Städte, von Neceh 970
Milchgerinnung, spontane, von Günther
und Thierfehler.299
Milchzucker, Einfluss des, auf die bac-
terielle Eiweisszersetzung, von Seelig 1144
Militärärzte, Gehaltsverbesserungen der, 1199
Militärärztlicher Etat. 91
Militärklei düng, Wänneleitungsvcrm'igen
der zur, dienenden Stoffe, von Grimm
und v. Bultingslöwen.1239
Militärsanitätswesen, das französische,
von Myrdacz.1213
Milz, Bedeutung der, hei Tnfections-
krankheiten, v. Melnikow-Rasweden-
kow 623, Blutveränderungen nach
Exstirpation der —, von Gahbi 1145,
klinische Betrachtungen über die —,
von v. Ziemssen. . 1158
Milzbrandaetiologie, von Silberschmidt 628
Milznaht, von Lamarchia.105
Milz-Percusion, von Bäumler . . . . 931
Milzruptur, Splenectomie wegen , von
Pitts und Bailance.214
Mineralwässer und Heilquellen der V.-
Staaten Amerikas, von Beissel ... 85
Missbildungen aetiologische Untersuch¬
ungen über einige sehr seltene foetale,
von v. Winckel 380, — eines Händ¬
chens ln Röntgen'scher Beleuchtung,
781
87
682
434
779
779
897
841
1095
664
1171
von Müller 280, — der weiblichen
Genitalien, von Wawelberg 621, —
der Hand und des Fusees, v. Drescher
Mitose mehrkemiger Zellen, von Krom-
pecher ..•■•_•••••••• •
Mittelalterliche Medicin, Beiträge znr,
von Pagel..
Mittelohrcholesteatom, von Morf . . .
Mittelohreiterung, Endocranielle Com-
plication bei, von Schmiegelow . . .
Mittelohrräume, Freilegung der, von
Politzer und Urbantschitsch 644,
operative Freilegung der —, von
(Jrnnert.. * •
Mittheilungen aus den Grenzgebieten
der Medicin und Chirurgie . . 878,
Molluscum fibrosutn, von Wirth 301, —
contagiosum giganteum, von Kaposi
485, — contagiosum an den Augen¬
lidern, von Salzer.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynä¬
kologie 62, 160, 298, 459, 699, 620,
804, *29, 926, 1111. 1190, - für Psy¬
chiatrie und Neurologie 1176, für
Unfallheilkunde.
Monomyositis interstitialis, von Laquer
Mononeuritis, multiple, von Remak . .
Morbiditätsstatistik der Infectionskrank-
heiten in Bayern 24, 92, 145, 215, 808,
416, 536, 648, 736, 884, 972, 1096, 1200
Morbiditüts- und Mortalitätsverhftltnisse
auf der geburtshilflichen Klinik von
Prof. Pawlick, von Pipek.1111
Morphium-Aethernarkose, von Riedel 956
Morphium Vergiftung, Heilung einer,
durch Inject ion von Kali hyperman-
ganicum, von Körner.
Morphologie und Physiologie, Ergebnisse
der spcc. pathologischen, des Menschen
und der Thiere, von Lubarsch und
(»stert ig ..
Mosctig-Jubiläum.
Mucoideyston, von Zahn .166
Müller-Denkmal..532
München, sanitäre Werke in . . . 23, 116
Münchener Bürgerstiftung.266
Mundhöhle, Behandlung der Ge¬
schwülste der, mit Kali chloricum,
von Dnmontpallier. ; 303
Mundverdauung, Intensität der, hei
Gesunden und Magenkranken, von
Burger 220, Bedeutung der —, von
Sticker .... .561,
Murphy scher Knopf, von Postempski
387, — und seine Anwendung, von
Graff 432, — von Kümmel 508, —, von
Czerny und Kümmel 598, —, von
Ileydenreich 1123, — zur Entero-
anastomose, von Jungengel . • • •
Muskelatrophie, hereditäre, progressive,
von Eulenburg.
326
895
592
1271
623
831
402
282
729
209
Muskeldefect, von Stange
Muskelgummata, circumscripte, von Eger
Muskeimassage, Einfluss der, auf den
respiratorischen Gaswechsel, von
Leber und Stüve.
Muster-Sanitätsanstalt in Wien . • .
Muttermilch, Ersatz der, von Hesse .
Mutterkornvergiftung, chronische, he
Thiercn, von Grigorjcff ..
Mutterkuchen, Wer hat zuerst die grob-
anatomischen Verhältnisse des, rieh-
tig verstanden? von Lindfors . . • 1081
Myelitis und Syphilis, von Rosin 482,
—, traumatische, von Westphal 638,
— acuta luetiea, zur Kenntnis« der,
von v. Starck .
Mykosis fungoides .• • •
Mykotische Affection des Oberkiefers,
von v. Stubenrauch .....*• •
Myocarditis, ausgedehnte schwielige, von
v. Kahlden.* •
Myoclonie, zuin Wesen der, vonBoettiger
186, —, durch Arsenikbehandlung
geheilt, von v. Hösslin.-
Myom des Mastdarms, ein Ovarialkystom
simulirend, von Westermark 36, —
des Utems, von Staude 64, — und
487
108
271
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14M.
J^B^LTS-VERZEICHNISS.
8cit
1109
StanHtät, von Hofmeier 998, — des
Uterus, von Pfannenatiel.14>60
Myome, IMnenbiklung in, von Voigt
62, — des Utenu, von Thorei 714
Verwachsung suhmucöser —, m jt
der gegenüberliegenden Uteruswand
von v. Chrzanowski.’
Myomoperation, von Blnm 898, _, vagi¬
nale, von Thorn .*
Myopie, operative Beseitigung hoch¬
gradiger, von Borger 1270, — und
Inzucht, von Wolff. ig-o
Myositis ossificans, von Zoege von Man-
teuffel 678, — progressiva ossificans
multiples, von Pincus. jqoq
Mvxoedem oder Akromegalie, von Rum¬
pel 211, —• und Thyreoideazufuhr
tlaswechsel und Fettumsatz bei von
Magnus-Levy 879, von Unna 602
Motfwechseluntersuchung bei einem
mit Jodoth.vrin behandelten Falle
von —, von Treupel.ggg
Seite
xxm
Nat STB aUl£ !S Cam ^ Haemostaticum,
von Reverdin .... non
Naturforscher-Versammlung (*.' a ’. ü. inj
S5 U Ä“ Ü i ute ' Vor 8 e * ien gÄ d£ 1095
Naturheilkunde, Lehrstuhl für qqo
898 | Naturheilschriften, Pritmiirung’ von .* | ^
Nebenniere, Physiologie der, von Mühl-
Histologie der —, von
332
1176
Ä.
Xabelsdinarbruch mit Ilerahernie, von
Arndt.59b, Verhilltniss der Leber und
des Zwerchfells zu _ und Bauch¬
brüchen, von Aschoff
.Nachgeburtsverhaltung, besondere Fo'rm
der, von Gottschalk
mann 623,
Mühlmann .....
Nebennieren, verlagerte' von Ulrich ! !
Neoplasmen, Behandlung der malignen,
mit Erysipeltoxin, von Koch 162
multiples Auftreten primärer bösarti-
8 er —, von Walter.
1 e Pij r ? ct omie bei Hydronephrose mit
gleichzeitigerSplenectomie bei Spleno-
lithiasis, von Brohl 432, — wegen
Cystenniere, von Vitrac 463, — wegen
Nierencarcinom, von Krecke 509, —
mit Anlegung von Klemmpincetten
ademeure, v. Fedoroff 637, — lum-
1263
376
878
Seite
84
1080
Nierenexstirpationen, von
Nie B?k end ’ Ge8ChWtU8te der - '" oa
Ni TeiSi wai;t f' /°“ NibcnnW
keimen ausgehende, von Gatti 688
MaSS 5 !” 6 “ . d ! r . Prünaren ' vo “
Niareninfarcte, typische und' Paeudo*
regeneration der, von Thorei
1 eDE : . temporüre * von Ja!
Nierenoperationen, 'von Albarrkn ' ' *
Ten8a renChy,n ’ die Nerven von
Nieronsarköm, von Heüilein ! |
Nierenstein, von Sternthal . . * * *
Nierensteine, Diagnose und Behandlung'
der, von Rovsing «mutung
ie rÄ r r lose ’ U1 " ns «« f ^i'che Hä-
matune bei, von Trautenroth o 74
Nieremeranderungen bei atrophischen
830
1268
1056
1150
638
527
956
1114
665
621
684
40
106
1308
717
273
863
Nachfolgender Kopf, Perforation des,
>on Hergenhahn 626, Zange an den
-,'onOehlschlttger 757, Anwendung
Knä 6 8n f 6m ~ von Mö Her 956*
Vo r at .’" ck,un ,g de» von Roesing
Nachmittagsschlaf, von Roemer g ' '
l;Ä e nT ÜV \ I?ntf ® rnnn K eia er,' aus
IiulL H vnn mehr 3 ä hrigem Aufent-
- L ^ Bre,tUn ? 155 ’ verschluckte
V . ,, 8| ; S Todesursache, von Fraenkel
*SS£ für
Jjrtnidimenöhe, von Jakob ! '
gKS' Anfertigung eines, von' v]
X “ h rÄr PamW ’ ' Buchungen
N*£e ni,h e ta e - ere * v°n Stüve So, 507
N’aevug v a8Ca i ai i™"' rende - von R chäffer 1169
vonK^p ' erruqueuxde m face,
’trss apiWeü ‘ ie "*»»«'
N'aftolan, von Isaac' '.
505, - ÄT-yte, von Graefe
y fonüer und£y an ^ thychlorid > von
Von Ivoläczek ! ’
v srsts de8 n “
Verwendung de? “o^B C , ombinirte ^
Grflnwald ’ Lehre Von d *n, von
•"SSSÜS^ Nebenräiime in
B ^odeUen ntür i ch er GrtJ y< £
[^ebe der m' ü nd Behand -
y nn ?en Himorkiank.'
-''«elJÄtK^^Mvon Zarniko “JE
106
• M ®Draehentunioren ' X ’ • •. •. • . . 508
,frner - von Proeb8ting Perah ° n ma '
--- i ».xtuwiuu 004, - 1 um- 1- ° Z «**«'
bale, von Montprofit . . lltn I v*auglingen, von Simmond«
Nephritis, mehrere Fälle von .'in einer w | - M ™nz o1 Vergiftung, Blutbefund bei
protrahirter, von Ehlich u. Lindenthal
.. • --- -- m einer
* arm , lle . v. Reichold 644, — syphilitica,
von Doederlein.
Nerven Chirurgie und pathologische
i/ü“u ime der P eri P h eren, v. Finotti
10b, Regeneration d. Achsencvliadere
durehtrennter peripherer —, v. Ziegler
1Ö4, gesunde —, von Dornblüth
Nervenkranke, “
Möbius
976
Behandlung von, von
1056
1044|
507!
896
xt . , ' —“..uv-u u. inuueni
*“? aQgriln ’ Behandlun g der, 1
N ° 8 Ci I tron’ Antinosin > ood Eudoxin, von
Nucleino, von Kossel . .
873
872
785
875
10
380
Nervenkrankheiten, puerperale,’ v.Halier-
vorden.
Nervenschwäche, moderne', Behandlung
der, von Loewenfeld ....
Nervensystem,functionelleErkränkungen
des, nach Unfällen, von Jessen 353,
von Sänger. .
Netzhaut- und Glaskörperblutungen, ju¬
gendliche, von Friedenwald
Neuralgia ischiadica, mechanische Be¬
handlung der, von Negro 191, meta-
tarsale —, von Tubby ...
Neuritis raercurialis, v. Heller 38, pu'er-
perale —, von Köster 650, multiple
—, von Frttnkel.
Neuenahr. Bad, von v. Oefele
O.
Oberkiefer, mykotische Affection des
von v. Stubenrauch. * 437
Obermedici nal- Ausschuss, erweiterter
bayer.
1223, 1272
460 I
Obermedicinalrathsstelle,’Besetzung der
erledigten bayer.. . 1095
(Oberschenkel, Torsionsfracturen des
von Tilmann. ’ 074
857 I 0be L r :t e e nke,diaphy8e ’ Defe ® t d ® r ’* v ' on
685 10dS rati ° n8ileU8 ’' V ° n V< Stuben «M*ch
646
280
875
730
61
503
Neugeborene, Physiologie des, v. Reusing
Neuroglia, Beiträge zur Kenntniss der
menschlichen, von Weigert
Neurologen, Wanderversammlung der,
304, XXI. Wanderversammlung der
siidwestdeutechen — und Irrenärzte
Neurologischer Unterricht, Wandtafeln
für den, von Jakob. 124ß
Neurome, secundär maligne, v. Scheven
1169, —, von Hartmann.
Nenropathische Mittheilungen, von Ru¬
dolf von Hoesslin
728
687
35 I Oesophagoskopie und Gastroskopie’ von ?1&
I Roßenheim 932
iqo I 0e8 °Phagasachleimhaut, röhrenförmige
100 1 Abstossung der, nach Sohwefelsäure-
577
758
1169
1298
135
135
128
760
Neurorhaphie und N'eurolysis, v. Nenge-
bauer .
Nei ' ro « e . traumatische,* mit schnellem
Uebergang in Psychose, von Goebel
Nenrosen, Behandl. gewisser spastischer,
von Dornblüth.
Querresection der, von C'ramer
279, partielle Excision der — von
Bloch.. 657
Nieren, chirurgische Krankheiten’ d'erj
von Küster. 1212, compensatorische
... Hypertrophie der — von Sacerdolli 1268
Nierenbecken, Tumor des, von Israel . 1119
Nierenblutung, einseitige, aus unbekannt.
Ursache, v. Barabo 40, — bei gesunden
Vieren, von Klemperer .... 1215
Nierenchirurgie, von Israel 527,‘ von
Lotheissen 662, — von Wagner . . 986
Merenconcreraente, harnsaure, von
v. Noorden ... .402
Nierenconcretionen, harnsaure, von
Klemperer. .. 628, 805
Nierenentartung, polycystische, v. Höhne 1171
Neurexairesen nachThierach, von Angerer 653
Nierenexstirpation, Grenzen der, von
Wagner 650, — Schwangerschaft,
Geburt und Wochenbett nach, von
Schramm..
Vergiftung, von Homeffer ....
Oesopbagusstenose, krebaige, von Hein-
6111 lein 412, —, von Berger.
Ohr, Ergebnisse der patholog.-anatom.
Untersuchung des, bei Masern, von
Bezold 217, .510, Tuberkulose des
inneren und mittleren —, von Barnik
779, topographische Anatomie des —
in Rücksicht auf die Schädelfonn ’
von Schülzke 779, Stichverletzung
des —, von üstmann. H4C
Ohrblutungen und Nasenblutungen bei'
Bright'scher Nierenerkrankung, von
Haug.
Ohren, Operation abstehender, vonWein-
lechner.
Ohrenchirurgie, Beiträge zur, von Gom-
perz.
Ohreneiterungen, pyämische Allgemein-
infection nach, von Brieger
Ohrenheilkunde des Hippokrates, von
Körner 256, Klinische Beiträge zur_,
von Brieger 604, Handbuch der —’
i für Aerzte und Studirende, von
Kirchner 703, — in der ärztlichen
Prüfung 1175, Compendiiim der —,
von Schröder ..1237
Ohrerkrenk ungen, Beziehungen von, zu
Gehirnerkrankuagen, von Gruber .
Ohrlabynnth, Beziehungen zwischen
den motorischen Centren der Hirn¬
rinde und dem, von Ewald ....
Omphalektomie bei eingeklemmtem
Bruch, von v. Noorden .....
Oophorectomiadextra wegen dysmenaor-
rhoischer Beschwerden bei rudimen¬
tärem Uterus, von Kirchgässer . .
1112
581
875
1057
644
992
K
482
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XXIV
INHALTS-VERZEICHNISS.
1896.
1224
208
483
1308
1110
899
323
668
664
600
402
777
Operationscurs an der Leiche, v
Bergmann und Roche ...
Opeirationscurse an Lebenden, von v.
Winckel.1134
Operationstisch, ein neuer, von Ihle 769,
verstellbarer -, für Beckenhoch-
' ''Lagerung und für vaginale. Operatio¬
nen, von Czempin.
Operationstrauma, reflectorischeWirknng
des, auf Herz und Athmungsthätig-
keit, von Rühl..
Operationswuth in der Gynäkologie von
Kossmann .... .523
Ophthalmie, sympathische, von Bach 900
Ophthalmieen, eitrige, Irrigationstherapie
der, von Hoor.
Ophthalmoblennorrhoea neonatorum,
•Credö'sclie Methode zur Verhütung
der, von Köstlin 16, — von Yalude
«67, Spätinfection der —, von Kob-
lanck.
Ophthalmologie. 185, 459,
(»phthalmologische Krankheitsbefunde,
Schemata zum Einzeichnen von, von
Lange..
Opium-Vergiftung, Kaliumpermanganat
als Antidot bei, von Luft.
Opticus, Betheiligung des, bei der Poly¬
neuritis, von Schanz..
Organotherapie, von Merck ...... B32
Orthopädie.326, 847
Orthopädische und heilgymnastische
Apparate, von Ritschl •.
Orthoskop, ein neuer Kehlkopfspiegel,
von Katzenstein.
Osteom der oberen Tibiaepiphyse, von
Trapp .
Osteomalacie, Stoffwechselverhältnisse
des Calciums, ^lagnesiums, der Phos¬
phorsäure und des Nitrogens bei puer¬
peraler, von Neumann 297, Eiweiss¬
körper im Urin, bei —, von Matthes
405, —, geheilt durch Castration, von
Thorn 643, Castration bei —, von
Thorn . ..1020
Osteomyelitis acutissima, von J. Merkel
41, atypische Formen der — acuta, von
Jordan-135, ein geheilter Fall von
acuter — der liuken Hand, von Stern¬
feld 199, Bericht Uber die in den
letzten 15 Jahren behandelten Fälle
von —, von Stettiner 258, —, von
Lexer 554, — und Bacillus des Kanin¬
cheneiters, von Lexer .576
Osteoplastik, Ziele der, von Barth 37,
gegenwärtiger Stand der —, von
Kronacher 269, — von Kronacher
301, — von Länderer-' . ..
Osteosarkom, myelogenes des Humerus,
von Wiesinger 210, —/myelogenes,
von Schulz.
08teotoinia subtrochantorica, von Zeller
Otiatrie .. 63, 443, 778, 1057
Otitis, media, cerebrale Erkrankungen
bei, von Poulsen 575, — bei Influenza,
von Bulling.779
Otrtische Erkrankungen des Hirns, der
Hirnhäute und der Blutleiter, von
" Körner.
Otologentag, I. österreichischer ....
Otologische Gesellschaft, Deutsche’
I. Versammlung der.214
Otologische Mittheilungen ..... . 876
Ovarialcyste, posttyphüse Eiterung in
einer, von Sudeck.49g
Ovarialcysten, Blutungen in, von Löhlein’
634, —, von Pfannenstiel . . . . 1060
Ovarialcystom, glanduläres, proliferi-
rendes, von Flatau. 41
Ovarialcystome, doppelseitige, bei drei
Schwestern, von Löhlein 160,_,mul-
tiloculäre, von Burckhard .... 638
Ovarialgeschwiilste, endotheliale, von
ßRosinski. HU
Ovarialsubstanz, Behandlung amenor-
rhoischer und klimakterischer Frauen
, mit, von Mainzer ..59^
905
300
384
82
644
Ovarialtumoren, Behandlung von, in
Schwangerschaft, Geburt undWoclien-
bett, von Hohl.1081
Ovarien,- überzählige, von Engström 62,
Veränderungen der — bei Osteo¬
malacie, von Flatau 66, Doscensus
und Polvifixura der —, von Sänger 233
Ovarienexstirpation, Einfluss der, auf
Structurveränderungen des Uterus,
von Sokoloff .526
.Ovarionpulver, Behandlung mit, von
Touvenaint.1124
Ovarientransplantation bei Kaninchen,
von Knauer.506
Ovariin Merck, von Mond 314, — hei
Chlorose, von Fredcli.1247
Ovariinum siccum, drei mit, behandelte
Fülle, von Bodon.1112
Ovariotoinie von der Vagina aus, von
Kumm 298, — von der Vagina aus,
von Fehling.729
Ovariuni, ein sympathisches Ganglion
im menschlichen, von Winterhalter
297, —, von v. Hertf 526, solide
Teratome des —, von Wilms 956, —
hei Chlorose, von Fredcli.1247
Ovulation, Menstruation und Conception,
von Strassmann.852
Oxygen, Anwendung des, in der Chirurgie,
von Stoker.856
Oxvkampker, von Heinz.. . 991
Ozaena, Behandlung der, mit Anti-
(Üphtherieserum, von Belfanti und
Deila Vcdova 486, Aetiologie der —,
von Abel 622, — ihre Aetiologie und
Behandlung vermittels der Elektro¬
lyse, von Bayer.744
P.
733
1057
236
17
1238
485
Pachyderrnia, von Fraonkel.1241
Paedatrophie, Pathologie der, von
Simmonds. 189
Pädiatrie .. 107, 483, 957
Pancreas, das Bindegewebe des, bei
verschiedenen Krankheiten,von Kasu-
hara 106, Chirurgie des —, von Körte
966, Pathologie und Chirurgie des
—, von Sendler.1193
Pancreatin bei Verdauungsstörungen,
von Gombault.1248
Papalu bei Magenkrankheiten, von Grote 706
Paquclin mit Vorrichtung zum Erhitzen
des Platins, von Tändler ....
Pafacentesennadeln, von Scheibe . .
Paralyse, Demonstration, von Snell .
Parametrische Exsudate, Behandlung
der, von Buschheck und Ettinger
Paramyoclonus mit Zwangserschein
ungen, von Stembo 1112, — multi
plox, von Krewer.
Parasiteninvasion, seltene, von Perrier .
Paravaginale Operation, von Schuchardt 1079
Parotitis nach Myomonucleation, von
Koetschau 1112, - nach Bleiver¬
giftung, von Achard. 1311
Passfrage.. . ' y36
Pasteur, Pension der Wittwe.284
Pasteur-Denkmal, Aufruf zu Beiträgen
_ ein.215, 715
Patella, Tuberculose der, von Menard . 1151
Patellafracturen, von Zeller.383
l’athological Society, London ... . 1095
Pathologie und Therapie, Handbuch der
speciellen, von Eichhorst 13, Ergeb¬
nisse der allgemeinen — und patho¬
logischen Anatomie des Menschen und
der Thiere, von Lubarsch und Oster¬
tag 34, Lehrstuhl für vergleichende —
8H> —> Lehrbuch der vergleichenden,
von Schneidemühl.1143
Pathologische Anatomie, Grundriss der,
von Langerkans 618, Atlas und
Grundriss der —, von Bollinger 618,
1168, Grundriss der —, von Schmaus
955, neue Fragestellungeu iu der —,
von Weigert 958, specielle —, von
Kaufmann.1212
Seite
Pathologisches Institut in Berlin 487,
511, — der kgl. Universitäts-Frauen¬
klinik in Berlin, von Gebhard .... 1109
Paukenraum, Exsudatansammlungen im
oberen, von Haug.779
i Peitschenwurm, ein blutsaugender Para- •
sit, von Askanazy.660
1 Pellotin 507, von Jolly.786
! Pemphigus neonatorum, von Peter 162,
—conjunctivae et corneae, von Franke
300, — vegetans, von Kühner . . . 660
1 Penis, angeborene Verdoppelung des,
von Küttner.135
I Pensionsverein für Wittwen und Waisen
bayerischer Aerztc . . .155, 343, 1036
Pepsin, Verhalten des, bei Erkrankungen
des Magens, von Oppler.134
Peptonisirende Bactericn, Giftwirkung
von, der Milch, von Lübbert .... 683
Percussion und Auscultation, kurzer Ab¬
riss der, von Vierordt.134
Periarteriitis nodosa, von Graf .... 1145
Pericarditis, hämorrhagische, von Eb¬
stein 374, — Incision des Herzbeutels
hei eitriger, von Bolim 1191, —
suppurativa, Operation hei, von Ro¬
binson . 1199
Periearditisehe Pseudolehercirrhose, von
Pick . . ..323
Perichondritis septi nariuin serosa, von
Pollak.644
Periphere Nerven, Chirurgie der, von
Kollikor.549
Peritoneale Plastik, von Bissmann . . . 706
Peritonitis, geheilte tuherculöse, von
Rumpf 108, — diffuse gonorrhoische,
von Brüse 259, — septische, von
•Sippe 1 298, — chronica productiva
myxomatosa nach Ruptur eines
Kystadenmna glanduläre ovarii, von
Wendeier 298, — tuberculosa, von
Bulius 1032, — chirurgische Behand¬
lung der, typhösen Ursprungs, von
Dieulafoy..1149
Peritonsillitis ahscedeus, von Grünwald 890
Periurethrale Gänge, von Ehnnann . . 1148
Peroneussehnen,habituelle Luxation der,
von Porges.511
Pes malleus valgus, von Vulpius . . . 819
Pest in Indien, von Childe undSurveyor 1123
Petroleumvergiftung, von Johannessen
402, — bei kleinen Kindern, von
Conrads. 1112
Pettenkofer-Preis . . .. 91
Pfählungsverletzungen, Beitrag zu den,
von Nassauer .... .1230
Pfeilgift, l ntersuchung eines aus Bor¬
neo stammenden, von Ixmbuscher . 105
Pflasterpapiero.1175
I’hagocytose, Beziehungen der, zur
Alexinwirkung, von Schattenfroh 712, 1239
Phariuaceutische Ausstellung.388
Pharmakodynamische Wirkung chemi¬
scher Verbindungen in ihrer Ab¬
hängigkeit von der Constitution, von
v. Nencki.662
Pharynxtonsille und Gaumentousille,
primäre Eingangspforten der Tuber¬
culose, von Gottstein.778
Pharynxtonsillen, Apparat zur Ent¬
fernung der, von Kirstein . . 761
Pharynxtonsillotoiu, Modification des
Schiitz'schen, von Hessler.875
Phenylehinoline u. Phosphine, Wirkung
der, auf niedere Organismen, von
Tappeiner.134
Phlebitis des Sinus, von Riviere . . . 1150
Phlegmone, Bacillus der einphysema-
tischen, von Goebel.408
Phonendoskop, vou Schwalbe 624, —
vop Neukirch 733, — Verwendbar¬
keit des Bianchi'schen, — von Egger
1097, von Aufrecht . . . .1297
Phonendoskopie, von Bianchi.98y
Phonograph, Reproduction einer ge¬
sungenen Arie mit Klavierbegleitung
durch den verzögert ablaufenden,
von Ewald. 37
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Seite
Pliusphorbchandlunp, von Hartcop . . 393
l’liospkomekrosou.BcinhautentzQndnng,
von Riedel und Bogdauik.597
l’hosphorvergiftung, Kaliumpermanganat
gegen, von Weise . ..639
Photographie, Lehrbuch der praktischen,
v. Miethe 116, Taschenbuch der prak¬
tischen —, von Vogel.304
142
970
1307
1185
1264
851
1174
858
297
687
318
823
Photographische Rundschau
Phthise, Prophylaxe der, von Niven .
Physik, s. Experimentalphysik.
Physikalische Uebungen für Mediciner,
von Blasins._.
Physikutsexamen 64G, 735, 1176, am
Schlüsse des 2. Decenniums des —,
von Anion.
Physikalisch-chemische Propädeutik, v.
Griesbach ö'JÖ, —Mittheilungen, von
I/iewcnherz.
Physikus.dcr preussische,vonSchlockow .
Physiologie, allgemeine, von Verworn
3i2, Ichrbuch der —, von Hermann
Pigmentsarkom der Haut, von Steiner .
Placenta, physiologische Lösung der, v.
Ahlfeld 17, — praevia, von Nyhoff
1190, mikroskopischer Bau der —,
v. I'lesko-Stroganowa 298, — praevia,
von Fflth 874, vorzeitige Ablösung der
—, V- Maslowsky 926, TJ ntersuch unge n
über den Aufbau der —, von I-eopold
1058, Anwachsung der —, von Neu¬
mann 1111, Therapie der — praevia,
von Heil 1115, Structur der — von
Even.
Placentarcntwickelung, von Hahn . . .
l’lacentarvillose Geschwülste, von Gott-
schulk.
Plastische Operationen, Legen der Nahte
bei, von Walcher 258,-am Zeige¬
finger, von v. Stubenrauch . . .
Plattfuss, von Eichenwald..
Pleuritis serosa, von Aschoff ....
Pneumatische Schule bis auf Archigenes,
von Wellmann.431
Pneumatocele cranii occipitalis, v. Kramer 625
Pneumatophor, v. Gärtner u. v. Walcher 1219
1 noumonia cronposa , schwefelwasser-
stoffbildender Bacillns als Erreger
( 0 er . von Müller.G36
Pneumanio, cerebrale fibröse — im Kin-
dcsalter, von Holdheim I3'i, Digitalis-
behandlnng der —, v. Barth . . . .1175
I neumothorax, Lehre von, von Sackur
15, tuberculöser —, von Unvcrricht
4Uü, 527,68o, Behandlnng dos —, von
p n :™V .. 853, 1082
°““ ot T •’ v - Unz 637 > - v - Quincke
— bet Phthise, von Quincke 898,
^ rCaver n e , von Heinlein 1121,
1-nct»^ 1 n, ngenechinococcns - v.Tuffier 1150
otken in Gloucester 360,60 6 , — vor und
nach Jenner, von Voigt.
£kc!Z. i l de,ni l e - in Berlin - von Vagedes
ockenfäiie im Krankenhause Friedrichs-
nam, von Fürbringer . IR
" C ^r; eCidiV o oder Varicellen o’de’r Vai
uola, von ßtadelmann . oan
PolemS^ ChU ‘* ‘ n Frankreich ■ • G .’ 810
Charoot .* 601
|ichung h des Unterr,cht - Verstaat
^'sache' 1 «* ant *" or cllr onica als Ur
äfophischeTr I C J. roni8ch -P rogro3 9' v en
X ! Lähmung bei Diabetes
SÄL lNonn . e - anterior
461
63
896
238
575
474
161
439
984
1812
1121
1121
281
852
825
793
984
1109
17
628
805
SS“ 6 - ^
P°lvtnvosiUs • VOn Kehjer • . . 1061
1 'uilöw P n acuta - v °u V. Kor-
‘^neurifism grariditate; Wn-jöhi*:
artigen Granniiu ini1 l,el ' w ielen-
Polysaccharide, Verhalten der, gegen
einige thierische Secrcte und Organe
von Fischer und Niebel. ’ 344
Porencephalie, von v. Kahlden’ 316’
Entstehung der —, von Schäffer 1082
Porokeratosis, von Joseph.1220
Portio vagiualis, amputirte, von Thorn 643
Portiogeschwür, starke Blutung infolge
von syphilitischem, von Wolter .
Portio-Incarceration in einem Schatz
sehen Schalenpessar, von Peters .
Prakticiren, Vorschriften über das, ac
Kliniken.
Praeventiv-Chirurgie, von .Maclaren !
Preise 91, 360, 415, 488, 1199, 1272.
Priinüraffect in der Vagina, von Rille
1221, — auf der Tarsalbindehaut,
von Riegel.
Priapismus, von Lang ......
Privatheilanstalt für diätetische Krank
heiten in München.
Probecurettemcnt, von Gessner . . .
Prodigiosns, geschichtliche und experi
mentelle Studien über den, vor
Scheurlen.
Prodromal- und secundäre Exantheme
von Bernhard ..........
Prognose s. a. Vorhersage
lh-ognose der Krankheiten, von Duck
worth.
Prolaps, Pathologie des, von Winter
Prolaps-Operationen in der Basler Frauen
klinik, von Niebergall.
Prosectorstclle in Nürnberg . . .
Prostata, zur Uastration bei Hypertrophie
der, von Rovsing 105, Hypertrophie
der —, von Ciechanowski ....
Prostatahypertrophie, Samenleiterresec
tion bei, von Helferich 38, neuere
Methoden zur Behandlung der —.
von Englisch 42, — mit Cystitis und
Hydronephrose, von v. Kahlden 136,
subcutane Durchtrennung des Vas
deferens zur Behandlung der —, von
Lauenstein 184, eine neue Operation
bei —, von Helferich 188, Gastration
bei —, von Czerny 375, Resection
des Vas deferens hei —, von v Frisch
413, Behandlung der — durch Re-
sectiou des vas deferens, von Dumstrey
4 >8, Samenleiterreseetion bei —, von
Helferich 506, Castration bei —, von
Borelius 525, Behandlung der —, von
Vuutvin 763, chirurgische Behand¬
lung der —, von Ogston 856, Radical-
behandlung der —, von Bruns 873,
Behandlung der —, von Sackur 1003,
—, von Loumeau 1150, Castration
oder Resection der Vasa deferentia
bei —, von Carlier.1174
Prostitution in Wien .855
Prothesen in der Mundhöhle, von Herz-
Lorg. . .460
Proteusbacillus, die durch den, verur¬
sachten Infectionen, von Lannelongue
und Achard . . *.1035
Protogen, von Blum 663, — und sein
physiologisches Verhalten, von Blum
993, Ausnutzung des — im kranken
Organismus, von Deucher 1214, —,
von Herxheimor.
Protoplasma, Structur des, und das
Spongioplasma, von Unna ....
Protozoen des menschlichen Darmes
von Roos
Prüfung, ärztliche, von Ausländern 283
Zusammenstellungen der commis
sarischen Berathungen über die Re
Vision der medicirtischen — . .
Prüfungscommis8ion für die preussischen
militärärztlichon Prüfungen . .
Priifungsordnung(Studten- und -)Enqu6to
belnifs Refornl der tnedicinischon, in
Oestetreich 21, — behufs Erlangung
der Befähigung zur Anstellung als
Physicus in Preussen 168, Entwurf
einör neuen —, von Pönzoldt 898,
i — für Änrztd 715, AnnderttUg der ärzt-
1220
188
1120
6)7
304
liehen von v. Heineke 891, Re¬
vision der raedicinischen —, von
Brauser 825, Reform der mediclni-
schen — 1036, Entwurf einer neuen
—, von Brauser.1198
Prüfungsresultate.IflOl
£ rur >go.806
Pruritus vulvae, von Rüge 459, — Patho¬
logie des, von Savill.835
Pseudarthrosenbehandlung, die heutigen
Verfahren zur, von Müller.708
Psetidarthrosenbildung, Muskelinterposi¬
tion hei Fracturen als Ursache von,
von Meyer.704
Pseudoactinomycose, von Poncet . . . 1123
Pseudoleukämia, Therapie der, von
Köster 105, — splenica, von West
645, Ohrenerkrankung bei —, von
Kümmel.lQp7
Psittacosis, von Gilbert und Foumier 1122
Psoriasis mit Schilddrüse behandelt, von
Moshö 462, Behandlung der — mit
Schildrüsentabletten, von Mossö 706,
Jodothyrin bei —vulgaris,von Mraceks
1149, — nummularis, von Kutznitzky 1196
Psorospermose, von Rille.1220
Psorospermosis cutanea vegetans, von
Neutnann .. 67
Psychiatrie, Ziele und Wege der klini¬
schen, von Kräpelin 1113, — und
Neurologie, Monatschrift für . . . . 1176
Psychische Behandlung im Wachzustände
und hypnotische Therapie,von Hecker
8U8, körperliche Aeusserung von —
Zuständen, von A. Lehmann . . . 779
Psychologie und Gehirnanatomie, von
Edinger 759, individuelle — in der
Untersuchung Geisteskranker, von
Ferrari und Guicciardi 781, klinische
— von Hallervorden 987, Leitfaden
der physiologischen —, von Ziehen 1168
Psychologische Versuche an Geistes¬
kranken, von Aschaffenburg .... 78l
Psychophysische Demonstrationen, von
Aschaffenburg.1118
Psychosen als Ausdruck gastro-intesti-
naler Autointoxicationen, von v.
Wagner 166, kritischer Ueberblick
über die gegenwärtige Lehre von der
Erblichkeit der —, von Grassmann 873
Psychotherapeut, von Stadelmann . . 1261
Ptosis-Operation.. 696
Publicistik. 388, 606, 7i5
Puerperalfieber und Serumtherapie, von
Charpentier 487, Diagnose und Be- .
handlung des —, von Byers . . . 881
Puerperalprocosse, künstliche Lencocy-
tose bei der Behandlung septischer, , .
von Hofbauer.432
Puerperalinfectionon, locale und allge¬
meine Intoxicationen als prüdispo-
nirende Ursache der, von Rossi- ,
Doria.1261
Pulmonalklappen, erworbene Stenose
der, von Bäumler.. 168
Pulmonalstenose, erworbene, hei einem
12jähr. Knaben, von v. Kahlden 137,
— angeborene, von Litten 1241, von
Oesterreich.1241
Puls, seltenere Ursachen des doppel¬
schlägigen, von Gerhardt . . . . 188
Pulscurve, Zustandekommen dor kata-
kroten Erhebungen der, von Trant¬
wein .1189
Bupillenreaction bei Geisteskranken,
von Siemerling.1034, 1112
Pupillarreflex, Verlauf der den — vormit- .
telnden Fasern, von Massant . . . 638
Pustula maligna mit seenndärer hämorrha¬
gischer Infection, von Babes und Pop 85
Pyaetnie und Sepsis, Lehre von der, von
Hontschel 549, — infolge acriter
eitriger Mittelohrentzündung nach
Diphtherie, von Ritnini . .... 683
Pyelonephritis, Bacterionbefunde bei
primärer, von Graf ..899
ik, von Zeller » 884
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1896 .
XXVI
nraALTS-VERZEICBNISS.
Pylorusresection und Ovariotomie bei
einer Kranken, von Karg . . . • •
Pylorus-Sondirung am lebenden Men-
sehen vom Munde aus, von Kuhn . b/4
Pvlorus-Stenose, von Tborel .....
Pyocyaneus als Krankheitserreger beim
Menschen, von Charrin . • • • •. ’
Pyonephrose, von Mohr 300, — in bacterio-
logischer Beziehung, von Hirschlatt . Ol,
Pyonephrosis calculosn, von v. Leyden
und Mendelsohn...
Pyosalpinx, von Raether.
Pyramidon, von Filehne . . .....
PyrogaUolintoxication, von Vollmar . . b3
Pyrogallussäure, Vergiftung mit, von
..
Reichsmedicinalkalender, Börner s
— u ,M»i>ilitiaohe. von Looper
Seit«
1094
778
090
Quadricepssehne, Abriss der, von Wunsch
Qüecksilberhaemol, von Rille .. ..
Quecksilbersalbe, Einklatschungen der
grauen, von Herxheimer.
Quecksilbervasogen, von Philippson . .
Querulantenwahnsinn in nosologischer
und forensischer Beziehung, von
Koeppen .
359
233
357
932
458
829
B.
486
1242
Rabies, von Memmo ..•••••
Rachen, primäre Gangrän des, von
Blumenau V '
Rachenmandelhyperplasie, .Tuberculose
der, von Pluder 1120, primäre latente
Tuberculose der —, von Pluder . .
Rachitis, von Cantley 326, — und Osteo-
malacie, von Vierordt 371, Aetiologie
der —, von Lange 1026, —, von
ITaendler 1146, Milztumor bei —, von
v. Starck.• : • llb9
Radfahren, ist das, als eine gesundheits-
gemässe Uebung anzusehen und aus
ärztlichen Gesichtspunkten zu em¬
pfehlen, von Mendelssohn 64, —, von
itui <vut ftp.sundheits-
134
761
304
163
380
410
778
732
926
Schädlichkeit des sportmässigen —,
von Stalewski 811, — Radfahreu der
Frauen, von Theilhaber 1177 , Ein¬
fluss des — auf die Nieren, von
Müller J. 1181 , — vom gynäkolo¬
gischen Standpunkt, von Flöel . . -
Radfahrerkrankungen, von Berg . . •
Radfahr sport.
Rahmgemenge, natürliches, von Biedert
Radialis, Naht des Nervus, von Heinlein
Radiusbrüche, Behandlung typischer,
von Braatz..
Radiusdefect, congenitaler, von Buch¬
binder .. • •
Radiusfractur, nach Röntgen photo-
graphirt, von Fessler 201 , Behandlung
der typischen, von Jordan ....
Realgymnasien, Zulassung von Absol¬
venten der, zum Medicinstudium .
Recepttaschenbuch, Zieinssens, von
Rieder..
Reclame, ärztliche 785, —, von Broad-
bent.. • • . .
Reconvalescentenhaus in Heidelberg .
Rectalgonorrhoe der Frauen, von Baer
Rectalmucosa, congenitaler Prolaps der,
von SchäfEer ..705
Rectorwahlen.• . • 692
Rectum, Divertikelbildung des, von
Heydrich 853, von Thorei.71^1
Rectumresectionen, von Depage . . . 1150
Rectumstrictur, unblutige Behandlung
der, von Werkmeister.432
Recurrensepidemie zu Moskau i. Jahre
1894, von Loeventhal.1189
Recurs, abgewiesener.1093
Reichsgewerbeordnung, Aenderung der
940, 971, 1176, 1223
Reichsimpfgesetz, das deutsche, und die
bayer. Vollzugsverordnung vom Jahre
1876, von Böhm.275
Reichsgesundheitsamt, Neubau des . . 1199
1192
1192
856
459
66
578
505
783
464
851
971
692
185
Reinfection, syphilitische, von Looper
und L'otterell.. • • • * '
lieiskürperchen, Bildungsweise der, von
Goldmann.. • • •. •
Resorption von Substanzen durch üie
gesunde Haut, speciell bei der Salicj 1-
therapie, von Linossier und lAnnois
Resorptions-undAusscheidungsvorgänge
im Darm, von Honigmann . • -
Retrodeviatio Uteri, Behandlung der,
durch Verkürzung der runden Bäniler,
von Kreutzmann.• • • *
Retrofixatio colli, von Pagenstecher . .
Retrotiexio Uteri, Pathologie und lhe-
rapie der, von Schultze 62, 161, von
Theilhaber 161, von Abel 280, Ver¬
kürzung der Ligamenta rotunda zur
Heilung der —, von Bode 324,
Verkürzung der Ligamenta sacro-
uterina zur Heilung der —, von
Gottschalk 401, - nach Amputation
der Vaginalportion von Gottschalk
433, Verkürzung der Ligamenta
rotunda zur Heilung der —, von Bode
459, operative Behandlung der —,
von Steinthal.• ; • : •
Rettungsgesellschaft, Wien, Freiwillige 412
Rhamnose, Verwerthung der, vom nor¬
malen und vom diabetischen mensch¬
lichen Organismus, von Lindemann
und May.. • • • • ; •
Rheostat für Galvanokaustik, von killian
Rheumatische Affectioncn, von Bozzolo
Rheumatismusbacillen, von Schüller .
Rheutnatoid-Erkrankuugen,von Gerhardt
Rhinitis fibrinosa dii>htheritica, von
Pluder ..
Rhinologie des Hippokrates, von Balde¬
Rhinologische Präparate, von Bergeat
Rhinophyma, von Jungengel, • • • • • 1271
Rhinoplastik, zwei neue Methoden der,
von Israel.. • •
Rhinosklerom, von Wickham 832, —
von Kaposi.1034
Rhinoskopia media, von Killian . . . 7S8
Rieseuwachsthum oder Akromegalie . . 438
Riesenwuchs, angeborener partieller, von
Machenhauer.. • l 079
Riesenzellen bei Tuberculose 375, Ent¬
stehung der — aus Endothelien, von
... • ^76
Rindenepilepsie, 2 Fälle von operativ
behandelter, von Woissgerber ... 331
Rinderpest, Behandlung der.1175
Ringwurm-Erkrankungen, von Sabourand 936
Rippenathmung, von Levy-Dorn .77,
experimentelle Untersuchung über —,
von Levy.. •
Röhrenknochen, Heilung grösserer Con-
tinuitätsdefecte an den langen, von
Tillmanns.^^0
Röntgen-Apparate, Preis verzeichniss der 215
Röntgen-Beleuchtung, Herzthätigkeit in,
von Benedict.991
Röntgenbild, asthmatischer Anfall im,
von Levy-Dorn.1191
Röntgenbilder, Verwerthung der, in der
Chirurgie, von Wolff.. •
Röntgen s Entdeckung, von Jastrowitz,
38, —, von Exner 67, —.
Röntgen-Photogramme,von Hoppe-Seyler
Röntgen-Photographien, von König 136,
— -Demonstr., von Lauenstein 259,
—, von Kümmell u. Geissler 577,—, 940
Röntgen-Strahlen im Dienste der Chi¬
rurgie, von v. Mosetig-Moorhof 90, —
im Dienste der Medicin, von Kreidl
112, Nutzen der Photographie mit den
— zur Krankheitsdiagnose, von Lanuo-
longue 166, Auffindung eines metal¬
lischen Fremdkörpers im Daumen-
Jballen mit Hilfe von —, von Hammer
185, Einfluss der — auf Bactcrien,
von Minck 202, Undurchdringlichkeit
derjAugenschichten für die —, von
Darier 283, Photographien mit — 284,
1090
966
68
281
Verwendung der -, von Biesalski 300,
Verwendung der -, von Becher 300,
Verwendung der -zurDiagnoseder
Arteriosklerose, von Hoppe-Segler 31b,
Verwerthung der - für medicinisch-
chirurgische Zwecke, von Sclijermng
und Kranzfelder 326, — nu Dienste
der Chirurgie, von Lannelongue un.l
Delbet 331, Betrachtung lnnwor
Körpertheile mittels —, von Sclmfer
347 Verwendung der — von « endet
346 Secundeuaufnahmen mit —, von
Goclit 483, — in der Gynäkologie,
von Schücking o07, - zur Diagnose
innerer Erkrankungen, von Grunmacti
623 Photographie einer Revolverkugel
im Gehirn mittels —, von Londe b4o,
Verwerthung der — in der Chirurgie,
von Angerer 688, Dermatitis und
Alopecie nach Durchleuchtung mit -,
von Markuse 706, 1021, Verwerthung
der -, von Vulpius 706, Verhaltender
Halogene gegen —, von Sehrwald 70b,
Auffindung einer Kugel im Gehirn
mittels -, von Eulenburg 778, Derma¬
titis nach Durchleuchtung mit —,
von Sehrwald 93/, — im Dienste
der inneren Medicin, von Ncusser
jyy3 — von hoher Intensität, von
Biika 1112, im Krankenhause Mün-
dien r. 1.. '. *
Röntgeu'sche Entdeckung, von Fourmer
166, Bedeutung der — für die l Inrur-
gie, von Krause.• ; • 2>y
Röutgen sclie Photogramme, von Jastro-
witz 86, —, von Huber . . ... • *-8<
Röntgen schePliotographien, von Michael
109, —, von Wiesinger . . • • • .-
Röntgen sche Schattenbilder, zur Casui-
stik der, von Vulpius ..•••••
Röntgen sehe Strahlen, von Röntgen 88,
Einwirkung der — auf Bacterien und
ihre eventuelle therapeutische \ er-
wendbarkeit, vou Minck 101 , ll *>
chirurgisch-photographische Versuche
mit den —, von Petersen 121 , tojL-
schritte in der Erkeuutniss und An-
wenduag der — von Graetz 499» ' ® r *
werthbarkeit der —, von Schjerning
und Kranzfelder 805, Verwendung der
— in der Chirurgie, von Oberst . .
Röntgeusclies Verfahren, Anwendung
des, in der Medicin, von Becher
639', Anwendung des — bei Schuss¬
verletzungen des Kopfes, v. Sclieier
Rotz beim Menschen, von Ehrich . . .
Rotzdiagnose, von Kutscher • • • • •
Rückenmarkserschütterung, v. Strüpplor
575, von Wagner . ... • • •
Rückenmark8kranklieiten , Fortschritte
in der Erkenntnis der, v. Obersteiner bb
Rückenmarks-Straugdegeneratiou, von
Eberle.. • * ‘ 575
Rückenmarkstuberculose, centrale, von
Schlesinger.*
Rückenmarkstumoren, Chirurgie der, v.
Bruns.• * '
Rückenmarksveränderungen beim Men¬
schen nach Thrombose der Aorta
abdominalis, von Helbing ....
Rüdinger Nikolaus, vou Rückert . . .
Rundzellensarkom, primäres, der Leber,
von v. Kahlden.• • ■ '
Russ, Nachweis von, in der Luft, von
973
996
1169
1021
1017
Heim
8 .
576
997
Saccharomycosis, von Busse .... ■
Sackniere mit Steinen, von Jordan . .
Salben und Oele, antiseptische, vou
Scbeurlen.
Saliformiu. ••••••'
Salmiakeinathmung, von Mohrhott • •
Salpingo-Oophorecto.nia duplex bei tla-
matometra gyuatretica, von Sänger.
Salubrol, von Silber.
299
1095
18
85
Digitized by
Google
1896.
A LTS-TERZEIOHT7TS3
Seite
998
38
375
106
491
479
Saite, Bedeutung der, als Nahrungsmittel
Salzsäure, quantitative Bestimmung der,
im Magensaft, von Strauss 84, —,
von v. Moracewski .
Samenblason, Physiologie der, von Reh-
fisch.
Samenleiter, Kesection der, bei Prostata¬
hypertrophie, von Helferich . . 38,
Sandbrtrper, Structur, Vorkommen und
Entstehung der, von Meyer ....
Sandnhrmagen, operativ behandelt nach
IVölffier, von Lauenstein.
Sanitätshericht über die bayer. Armee
für die Zeit vom 1. April 1891 bis
»1. März 1893 .
Sanilätscorps bei Eisenbahnen 282, —
der Marine, Trennung des, von dem
der Armee ..
Sanitfttsgeschichte des Krimkrieges!
von Myrdncz . ..1260
Sanilätsofficiere, Uniformirung der bayer! 332
Sanitätsweaen..
Sarcom, primäres, der Pleura, von Blu!
menau 85, — der Nebennieren, von
Krnbdon 6*,- desllinterhauptlappens
von Sänger 109, — der Scheide bei
einer Erwachsenen, von Rubeska
135, — der Brustwirbelsäule, von
Kfimmell 300, - der Haut, von
Schwimmer.
Sarcnmatose der weichen Häute des
centralen Nervensystems, von Busch 1238
Sarcome Aetiologie der - von Jürgens
ftas des Ovariums, von Zangemeister 704
..aueratoff, Bestimmung des in Wasser
gelösten, von Chopin. 1030
■ aucrstoffinhalationen bei katnrrh. Pneu!
«äuvbn !o 'r Ki - n vf r ’ V ? n °PPcnlieimer 1026
.-fiuglinge, Gewichtsverhältnisse der, in
«len ersten 14 Lebenslagen, von
Schaeffer. lf)81
«ünr g p l !nff aUe '!’ Ernllhrung iln ' von ste ffen 107
SäuremtoMcaUon und Blutalkalescenz
als therapeutische Indicationen, von
öiernacki ... ...
Sca'a-Messtabene, von v. Lange ! ! ' Jgo
Scapula Hochstand der, von Krecke 509
angeborener Hochstand der - von
Israel ng0r664 ’ Kxstir Pation der, von
' * ‘ 1061
Seite
1146
SSiM 8brÜ v Che ’ von Hermann . .
S h be^i ha8V f rblegUng ’ operative Be-
8chenJung ng . 8tatischen > von Kraske 160
SCh 326 h Beh c " lä r r> VOn Hamann &
Hartmann 11 8 68 mU8culUren - von
5061 Schielende, Bilder für 'ste/eoscopmche 3 ' 5
DahlfekT ZUm Gebrauche für . von
lösen, von Bardenheuor u. Woltf
Schussverietzuugen (s. a. Geschoss), 15
Geschos8 ’ von Seydel
IM, 164, — mit dem deutschen
--- Armeerevolver 83, von Eichel . .
Sclnenenapparate, von Hasebroek' und j Ä“"f'V Erf °i*®. der > bei den
Zenker u I rnieren, von Nocard 166, — mit Heil-
Schulterblatt siehe auch Scapula, Ent- 86,18
fcnumg des, von Schultz 728, Stem-
cteK fr n Ctur des - von Göschei !
lösen 8 — 1 ’- e - eC - i0n dC8 tul,ercu:
733
505
257
664
Zenker .
Schiffs ärzte, Verein Hamburger 263 —
<?eK-. e I,^ ande i? flotte ’ von Gärtner .
Schilddrüse, Untersuchungen über die
von Bozzi 209, Bedeutung der —
von Blumreich und Jacoby 375
Jodverbindungen der-, von Bau¬
mann 398, wirksame Substanzen der
- , von i'ränkel 476, ein jodhaltiges
Produet der menschlichen —, von
Gurber 646, chronische Entzündung
der—.von Riedel w;.i.. .1 _
832
t C K h ^ e ,rUch ' von ßagiuskv' .'!'■■ 684
Ä5 r \ che - von Rohi ■..;; • • • 55;
’ Behandlung ' ?
459
8,.K ° n L en > von Pvchlan . . qo 7
^hanLrBacüfclel 011 V ' Stubenrauch 688
ccharlach und das . * • • • 1082 1
serum n ! r, Antistreptococcen- \
**rÄSW85S£
alte
«'■»» sS;HÜ™--
1308
von
..
von v. Ranke 1006, 1025
644
530
Baginsky . .
•^arlachdiphtherie
äSS = ».7:'
^Ä"£j»” d Z »^.un.62,
Ä -"Sewfä Streptococcen V in
Scl >ei.lenaussnt der ’ Von Vab le . - 1111
J^.idenkrob8 vo n v n ’HarfV Ahlfeld * • 927
^heidensarkome , ■** .• ■ • • 1061
» ,'® nen . von Horn re bei Er wach-
.«jg
Vo riSenden b0 r e n n H er - über die beim!
Scholize 89 h _ I . <ÜCat !" nen • von
'- che “‘ati sma8 de r Aeme . W ° ndeler . . 1143
v °n Prätorius 4ßi ’P 0est erreich,
-'filitärärzip U j , ’ 7 d er Civil- und
’, Q t«rricht8kn d 8talten d ' Heh ^ rden und
von" SS ,!n KöDigreicb J
*■ ' • • • • • • 6361
der—, von Jiiedcl 599, Wirkung der
von Donath 1021, Histologie der
?nm" a fP,P lnd erkran kten —, von
M 2i e j 1144, zur Fra ^ e nach der An
znhi der wirksamen Substanzen in
der -, von Roos 1167, Rolle der —
™ Organismus, von Irsai ....
Schilddrüsenbehandlung, Entwickelung
und jetziger Stand der, von Heins-
b « , “« r6 ">- des Kropfes, von Münz
Schilddrüsenerkrankungen im Kindes¬
alter, von Firbas ....
Schilddrüsenexstirpation, Folgezüstande
I der, von Hofmeistor.
Beitr ‘ l « e *ur, v. T.anz
Schildtlrüsenfütterung, Ei weisszerfall
nach von Richter 62, Einfluss der-
auf den Stoffwechsel Kropfkranker,
von Irsai.
Schilddrüsenpräparate, Wirkung von
an thyreoidektomirten Hunden, von
Gottlieb 347, therapeutische Anwe-
düng der —, von Ewald .
Schilddrüsen-Physioiogie, VO n Notkin .
bchilddrüsensubstanz, Stoffwechsel bei
innerlichem Gebrauche getrockneter
von Dinkler .
Schilddrüsen theorie, von Gräser !
Schilddrüsentherapie bei Uterusfibröm
von Jouin 462, -— bei Psoriasis, von
Moss4 462, — bei zurückbleibendem
Korperwachsthum, von Schmidt J. .
bcbla *> Physiologischer, von A. Czerny
48d, Mechanismus des —, von Rosen¬
bach 808, künstlich verlängerter —,
bei Behandlung der Hysterie, von
Wetterstrand. 808
Scblafschwämme, von Husemann !
| Schlammbäder, Einfluss der, auf das
Blut, von Predtctscbensky 661, phy¬
siologische Wirkung der — von
Maggiora und Levi.
Schlangenbisse, Serum gegen die, von
Calmette. jqq
Schlangengift und antivenenöses Serum,
von Calmette 937, lange Erhaltung
c e . s ,7’ von Maisonneuve.1035
Schleich sehe Infiltrationsanästhesie, von
Hofmeister. 135
Schleimhautsyphilide, Aetäu'ng der! mit
Chromsäure, von Bode . . .
Schlüsselbeinbruch, Behandlung ' des'
von Braatz . .
1249
67
483
527
60
Schutzpockenim'phmg.Albäminurieäach' 1245
von Peiper und Schnaase 107, Albu-
minune nach -, von Peiper 188,
der P Uf die Abnahme
cter Pocken, von Peiper 188, — loo-
jährige Gedenkfeier der
Leyden 349, Jubiläum der — 416
8torBen Instrumenten! .
vOn Witto 483, Denkschrift über die
,J ’ E rgohnissc der - im König- •
reiche Bayern i. J. 1895 ... loc.
Schwangerschaft bei abnorm lixirtem
Uterus, von Teuffel 298, ektopische
• 4be ?B 45 »> ektopische —,
von Todtli 852, ektopische vo „
VVebster-Eiermann 1187,Bemerkungen
zu dem Aufsatz: — bei fast voll¬
ständigem Verschluss dos Hymens,
von GujSrard 1268, intramurale -
von v. Rosenthal. ’ lopa
.Schwangerschaftsdiagnose in den' ersten
Monaten, von Rissmann
..cliwangerschaftsniere, Hydrops des
r oetus und der Mutter'infolge von
von Weher.
Schwarzwasserfieber, Ch'in'inhc'l.ändlu'ng
des, von Plehn
663
376
1021
613
1197
1081
853
279
663
707
Braatz.
Schlüsselbein-Luxation, von Baräbo !
Schmerz, Behandlung des, von Gold-
scheider 135, über den —, von
Richet. 759
Schmidt B. G., zur Feier des 70. Ge¬
burtstages, von Hoffa.207
ochmutzstar, von Hirschberg.639
Schnellendes Knie, von Thiem . . . 578
Schulen, die hygienischen Anforde¬
rungen an ländliche, von Solbrig 431,
Hygiene der —, in Russland, von
Schwefelkohlenstoff - Vergiftung,' ' von
Stadelmann .
Schwefelwasserstoff u. Indol im moiisch!
»öhen Magen, von Strauss .
Scbwefelwasserstoffgährung im Magen'
von Dauber.
Schweflige Säure, Desinfection mit, von
Renwood .
Schweissfiisse, Fomiol bei, von Orth
Schwerhörigkeit hei chronischem Katarrh
und nach Eiterungen der Pauken¬
höhle, von Cohen-Kysper.
Schwindsüchtige, neue ’ Heilstätte für
von Holub.
10281 Sclerodermie, von Philippäon ! ! ! ! !
1 Scoliosis ischiadica, Entstehung der
von Bähr 280, 327, -, vou Vulpius’
Sectio caesarea s. Kaiserschnitt.
Sectionshefunde, seltenere, von .Spiegel¬
berg . ...
Seekrankheit, Behandlung der, von Le
Grix.
Sehleistungen der Helgoländer, von Cohn 1057
Sehne, Seidenersatz der durchtrennten
von Kümmell.’
Sehnenreflexe, Erklärung der, von Neu!
mann.
Sehnentransplantation, von Franke
Sehnentiberpflanzung, von Franke ! !
Sehnenverletzungen an Hand u. Vorder!
arm, von Hägler.5f)0
Sehnervenatrophie, hereditäre, von Vel-’
hagen . .
Sehorgane, Verletzungen der, von Gut¬
mann . jg
Seide, nicht drninirende, imprägnirte
von Schaeffer.’ jQgg
Seidennähte, Desinfection der, mit Al-
cohol. 1222
Seifen als Desinfectionsmittel, von Reit¬
hoff er .
Selbstmord, Häufigkeit des, in Deutsch¬
land und Frankreich 91, — und AI-
coholisinus, von Fr. C. Müller 781,
— im unzurechnungsfähigen Zustand
bedingt die Zahlungspflichtigkeit der
226
600
459
989
970
304
601
1245
108
346
37
462
963
729
326
257
704
36
1000
1240
Wifice - . ’ “ unn ‘ u,,u ’ vu “ I Lebensversicherungsgesellschaften .
Schiilsrpannöho;* 0 .',fll ' A ' j ■ ' j ' 622 SemesterschlussderWienermed. Facultät
ocnuigesundheitspflege, Grundriss der Senecio und dessen
620
von Wehmer 256, — von Kotelmann
906
281
_ therapeutische
Wirkung, von Heim und Dalchö 690,- 1222
4*
Digitized by
1 «® 6 .
XXYÜI
Seite'I
SenBibilitätaBtörungen, Ober d* e dia¬
gnostische Verwerthung der. Form u.
Vertheilung der, von Sticker . . • IW
Septicopyaemia typhosa, von Kilhnau . jhw
Sequestration der Aerzte • - • • • •
Serotfnale Uterusgeschwülste, von Lonn-
berg und Mannheimer . . . . • • •
Serotinom, von Favre un«l Barbezat . *><
SerratuBlähmung.uncomplicirte.vPlaczek 1UD1
Serum, s. a. Diphtherieserum, etc.
Serumcommißsion, Bericht der, der ärzt¬
lichen Vereine Münchens, von Seite ^
Serumdiagnose, 8 . a. Agglutinirende Wir¬
kung. Abdominaltyphus.
Serumdiagnose des Typhus, von Delepme
1094, von Widal 1149, von Widal und
Sicard •»•••• • ^
Serumeinspritzung, UnglücksfaU durch 359
Seruineinspritzungen, BeBteck für, von
Witthauer. •••*.: ./?
Seruminjection, Todesfall durch, v. Vanot 485
Serumstatistik..
Serumthenipie der Blattern 91, — una
deren Gefahren, von Variot 191, —
per rectum, von Ghantemesse 191,
— von Müller ‘214, — und Statistik,
von RoBenbach 911, — der Staphylo-
cocceninfection, von Capinan . . ■
Sexualorgane, Beziehungen d. weiblichen
zu den oberen Luftwegen, von Botter-
mund.• • • • • • •
Sigmatismus nasalis, von Engelmann Zö»,
—, von Freytag.
Silber als Antisepticum in chirurgischer
und bacteriologischer Beziehung, von
Credö. • • • •
Silberwundbehandlung, von Credß . .
Sinnesorgane, Ergebnisse der spec.
pathologischen Morphologie und
Physiologie der, von Lübarsch und
Ostertag. • •• • 12öb
Sinus caroticus, von Bloch 10.)7, Naht
des — lateralis, von Schwartz ...
Sinus-Thrombose nach Otitis media mit
Erfolg operirt, von Dahlgren ....
Sirenenbildung, von Mansbach ....
Sitten, schlimme.• • ^
Situs viscerum inversus, von Posselt . »4
Sklerema neonatorum, acute Leberatro¬
phie bei, von Aufrecht ..... • 279
Sklerose, multiple, von Oppenheim 233, •
Initialsymptom der —, von Zwaarde-
rriaker 779, anatomischer Process im
AnfangsBtadium der multiplen —,
von Goldscheider 872, multiple, Diffe¬
rentialdiagnose zwischen — und Lues
cerebrospinalis, von Cassirer 1057,
infantile und hereditäre multiple —,
von Eichhorst.1263
Solitärtuberkel der recht. Cen tralwindung,
von Sick.1961
Somatose, Einfluss der, auf die Secretion
der Brustdrüsen bei stillenden Frauen,
von Drews.575
Sommerdiarrhüen, zur Therapie der, im
Säuglingsalter, von Reinach .... 421
Sond.enklemmep, von Kölliker .... 963
Sonderdrucke. 92
Soor bei Neugeborenen, von Grosz . . 957
Soxhlet-Milchkocher.zurAnwendungdes,
von v. Starck.126
Specialarzt, zur Frage der Einführung
einer besonderen Specialprüfung nach
der Approbation als Voraussetzung
für den Titel, von Sternfeld ....
Specialärzte, Frage der, in Wien 1001,
besondere Approbation der — in dem
Entwurf zur neuen Prüfungsordnung,
von Moritz .... .1075
Specksteinlunge, von Thorei.1170
Speichel, Ammoniak im, von Sticker . 1041
Speiseröhre, Tractionsdivertikel der, von
E. Fränkel 109, Untersuchung der —,
von Kelling 932, Resection der —,
von Levy.968
Spprmin, von Bubte.489
Sphacelotoxin, wirksamer Bestandteil
des Mutterkorns, von Jacoby 990 . 1088
1094
1190
554
1081
1160
576
1000
Belte
Sphaerometer mit variibarör Betastung,
von Rubner.• • "
Spiegelschrift, Vorkommen und Bedeu-
tung der, von Lochte • ■ • • •
Spina scapulae, Transplantation der, von
Bardenheuer ..• • • ’
Spinalerkrankungen im Veriauf von per-
niciöser Anämie, von Teichmüller .
Spiritusverbände, dauernde, von Salz- ^
wedel .‘ , ’
Spitalsbehandlung, Beschränkung der, ^
auf Arme . • ‘ ■
Splenectomie bei Splenolithiasis, von ^
Brohl. 04 c
Splenopexis, von Rydygier • • • • •
Spondylitis, Behandlung der, v. Karewsky
10*, 327. -, von Lovett..^
8elte
1081
459
233
metastatischer Pneumonie, von Hed-
däus 492 , Aetiologie der —, von
Ewald.. ■
Strychnin in der Kinderbehandlung,
von Comby . ,
Stupor, von Gross . . . • ..^
Stypticin, von Gottschalk 487, — ■ • ***>
Subclavia, Stichverletzung der artcna,
von Ziegler 39, Unterbindung der
— nach Lisfranc, von Heidenhain .
Subcorticalor Tumor des rechten Cen¬
trum semiovale, von R. v. Hoesslm
on Mankiewicz
634
359
232
317
708
777
638
484
860
1034
1076
Spondylolisthesis, von Iellinghaus
Spontaufracturen, von Düms . . . • •
Sprache, Pathologie der, von Pick
Sprachführer für die ärztliche und pharma-
ccutische Praxis, von v. Sudthansen
Sprachstörung, anämische, von llaller-
vorden..
Spulwurm in der Tracheotomiecanüle,
von Steffen.. • •
Staatsärzte, Anstellung der, in Baden .
Staatsvorschlag, österreichischer, für das
Jahr 1897 . .
Staudesordnung, Entwurf zu einer, von
Brauser 11, - für die Aerzte Oester¬
reichs 691, — für die Aerzte Ham¬
burgs 734, —, ärztliche, von Brug-
locher 865, ärztliche, in Oester¬
reich 1001, — und Ehrengenchts-
ordliung für die ärztlichen Bezirks¬
vereine in Sachsen
Staphylococceninfcction, Serumtlicrapie
der, von Capman.
Staphylococcenembolien der Haut, von
Unna.. • •
Statistik über Geburten und Sterbefälle
in München während des Jahres 189o
Stecknadel-Verschlucken mit tödtlichem
Ausgange bei Hysterie, von Friedberg
Steinkolilentbeer, Löslichkeit des, von
Sack..
Stenon'scher Gang, Fisteln des, von
Nicoladoni.
Stcrbecassaverein der Aerzte Bayerns .
Sterblichkeit, Abnahme der, von Ewart
Stereoskop, Verbesserung des, zwecks
Uebung Schielender, von Albrand
Stereoskopische Bilder, Kroll s, von
1 ‘erlia.. ..
Stereoskopischer mcdicinischer Atlas,
von Neißser. 15
Sterilisation von Spritzen durch Aus¬
kochen, von Hofmeister 682, — der
Gummikatheter, von Janet u. Claisse
Sterilisationsapparat für Verbandstoffe
und Instrumente, von Kmnachor
Sterilität und Myom, von Hofmeier
Steuerpflicht der Aerzte.1248
Stickstoffverlust bei Lungenerkran¬
kungen, von Lanz ......
Stickstoffwasserstoffsaure Salze,Wirkung
der, auf pflanzliche Organismen, von
Schattenfroh.
Stillen, Einfluss des, auf Menstruation
und Empfängniss, von Remfry . .
Stiminritzenkrampf, Entstehung des, von
Relim. -805
Stirnhöhle, Empyem der, von Hoptf-
garten.232
Stomatitis, von Dalche ....... • 1149
Streptococcenerkrankungen, von Wood*
head.. . 937
Streptococcenserum, Anwendung gegen
Scharlach, von Baginsky.259
Struma der Hypophyse, von Franken¬
burger 41, — intrathoracica, von
Wuhrmann 506, — exophthalmica,
von Abadie
Strumaexstirpation, Schwund des Kropf
restes nach partieller, von Löwen
stein.
Strumitis, acute, durch Diplococcus Frän
kel-Weichselbaum mit secundärer
Sublimatinjectionen, von Mankiewicz . ico
Sublimatpinselungen ..••••••• 003
Subluxation, habituelle des Oberarm-
kopfes nach vorn, von Heusner . . 9bd
Submaxillarepeicheldrüse, Geschwülste
der, von Küttner.. • • j51
Subinaxillarspeicheldrftsen, entzündliche
Tumoren der, von Küttner ... • o-w
Subperitoneales Gewebe, Chirurgie des,
von Anderson.
1261
1310
682
458
1003
1094
1216
636
506
1195
697
646
970
899
182
692
891
998
374
1239
90
Succi, der Fastenkünstler . . . . • 356
Suggestion, Therapie der durch \ or-
stellungen entstandenen Krank¬
heiten durch, von Stadelmann 809,
— im Process Berchtold 1053, — und
ihre Heilwirkung, von Bernheim
Suggestiv-Thernpie, von Hilger
Suspension als eine Bandlungs¬
methode der Nervenkrankheiten, von
Worotynski . .• • • • •
SymphvseQtoinie, von Wover 10*, — von
Arndt 596, von Heinricius • • •
Syphilis, Motilitätsstörungen hei heredi¬
tärer, von Pollak 38, — tardiva, von
Kopp 40, — hereditaria tarda, von
Hü nicken 63, Serumtherapie der —,
von Neumann 113, Heilwerth des
Erysipels bei —, von Rudolph 134,
— des äusseren Ohres, von Bruck
210, acquirirte — bei einem Kinde in
Folge der rituellen Circumcision 238,
— und Tabes, von Erb 280, klinische
Vorlesungen über —, von v. Düring
345, foetale —, von Albcrs Schön¬
berg 443 , — in Europa vor der Ent¬
deckung America s, von Puschmann
510, von Neumann 619, — des Cen¬
tralnervensystems, Histologie der,
von Weygandt 638, — cerebrospinale,
von Cazal 644, Pathologie und The¬
rapie .der —, von Lang 851, Dauer
der Ansteckungsperiode bei —, von
Hutchinson ‘.06, — maligne, von
Haslund 969, Familienepidemie von
extragenitaler —, von Gebert 1021,
Congress zur Bekämpfung der —
1036, — des Centralnervensystems,
von Bocttiger 1266, —, und die
venerischen Krankheiten, von Finger läVi
Syphilisbacillus, von van Niessen ... <»
Syphilis-Behandlung mittels intravenöser
Mercurinjectionen, von Lane . . •
Svphilisinfection, extragenitale, von
‘ Feil.es .. • • • • lUiI1
Syphilis-Therapie, von Tachetti . . . -
Syphilitische Schwielenbildung,vonKopp
40, — Früherkrankungen des Cen¬
tralnervensystems, von Brasch 757,
— Reinfection, von Lang ...
Syringomyelie, von Moritz 112, — nach
Eindringen eines Zinkßplitters in den
rechten Daumen, von Mies 452 , —
von Eulenburg 507, — von Korb 757,
— von Saxer .
1150
684
559
1093
1214
T.
Tabes dorsalis und Syphilis, von Stor-
beck 15, — von Erb 280, — dorsalis
bei einer 38 jährigen Virgo intacta,
von Saeuger 108, Auffassung der ,
als Neuronenerkrankung, von Moxter
183, Therapie der —, von Erb 618,
— dorsalis, von Rosin 872, Symp¬
tome der — dorsalis am Auge, von
v. Grosz 899, Fall von —, mit Bul-
bürsymptomen, von Grabower . . •
1288
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MB».
WaALTS-yEB£Kf CHInSg _
Seite
461
532
10b2
4 34
957
233
Tabische Ataxie, von Frenkel ....
Tacbvcardie, paroxysmale, von Loeser
325, Behandlung der —, mit intra¬
venöser Seruminjection, v. Chauffard
Taenia botrioplitis, durch — im Huhn-
Hann hcrbeigefülirte Verletzungen,
von Scagliosi .
Tanoalhin als Damiadstringens, von
v. Engel 2SH, — von Vierordt 596,
—, von Holzapfel.1210
Tannigen gegen Durchfälle, von Bachus
243, Verwendung des —, hei Diar¬
rhöen der Kinder, von Kscherich . 332
Tnnninprilparat, neues, zur Adstringi-
rung des Dannes, von Gottlieb . 258
Tappeiner's >0. Geburtstag ... 21, 68
Taubheit, Ermittelung einseitiger Com¬
puter, von Bloch «3, —, von Heller ti.
Frlmntflchitsch.644
Taulistnmnic, Hörvermögen der, mit be¬
sonderer Berücksichtigung der Helm-
holtz'schen Theorio des Sitzes der
Erkrankung und des Taubstummen¬
unterrichtes, von Bezold 108, Schul¬
zwang für — . 28 4
Taubstummheit, Hörübungen bei,' und
bei Ertaubung im späteren Lebens¬
alter, von Urbantschitach. 35
Taxe, ärztliche, für Preussen.240
Taxordnung. 284
Taxordnnngon, Aufhebung der preuss 488
Telephomren, erforderliche Hörschärfe
zutn, von Zwaardemaker
Tendoyaginitis gonorrhoica, von Seiffert
Tenonsehe Kapsel, Entzündnng der,
und ihr Verhältnis* zur sog. Hunde¬
staupe, von Zielinski, v. Ncncki u
Karpinski.
Teratom des weiblichenGenitaläpparates
von Gsell 52ti, _ ( l e8 Halses, von
Pupovac n«, - des Beckens, von
Bergkammer 1083, _ im Vea .
Inkel eines 7 wöchentlichen Kindes
von haxer . . ’
80li ' le ’ de8 ’ O^nuins', Von
Tetanie, chronische; rec'idivi're'nd'e, von
talmer 374, von ( ' a88e ’l 408,
H.Z d Ä“-";tIsr“- ""
Tetanus, über die Therapie des ' und
5w r Wm erth uud die Grenzen
u! 1 ' l- herai " e ’ von Sahli 1( 3
oorie Krampfe als primäres Symptom
des ’ K1 T e . mra232 , Serumtherapie,
tn7en h a l8 3 aU8halter8;j8 - ~ von
Turner ” 873, ~ neona torum, von
Anwendung
Tetanusfall mitBehr" u - K »orr
Vorlo,„' ,U(Mlei : ue - von Biluuiler 348
Hofeann*502 ,Cr all ® eiu ®' ne —, von
TheSÄ von'HÜscJnVr 7 ^
T Zacken, e v7n en Pf eiSer diagnOS,i8Chen
ThomxTeStioSc'" 168 ’ voa AIercier •
UebijÄ"I! t i , ®? e " Kammer, von
TBoraxgallenfiRipi tt 0M f a ' uw - von Luzzatto
angebor «ner,'
“^nendrüHen um * ’ .
162
’ I '* hifc » »Täsiä r.
xm
1771
994
909
481
505
899
729
1214
!56
C83
659
729
881
1056
1145
777
299
763
486
567
871
804
899
dl D Xt 8 vo°n D V 8UP - Und SinU8 trans V. Se “ e
uext. von Nonne ...
ymusdrüse, Pathologie der, von Fischer
63s’ «1er -, von Sultan
und Si Ma" d ® r ~ von Abolous
tind Billard HK.., Pathologie der -
Z IS ™ 7 ; dor
Thymushypeqilasie, von Koeppe .'
rhjTeoideaprüparate, EinHuss von, auf
öen respiratorischen Gaswechsel, von
ihiele und Nehring
Th> Friedheim Xe,)en " irk " ngen deK ’ von
Thyreoidintabletten, Behandlung' mit,'
von Schlesinger 331, Jod im Harn
nach Einnahme von von Frenkel
8 - H. u Frenkel M. . . .
Thvreoidismns, von zum Busch '
*hyrojoditi s. auch Jodothyrin, das'-'
von H1ldehn1n.lt 898, Stoffwechsel-
■lnterHuehung Iiei einem mit — be¬
handelten Falle, von 'Treupel 117
—, vonBaumann 309, Wirkung des—!
auf den Stoffwechsel bei Fetten, von
Gniwitz 312, —, von Hennig 313,
JE*“*«» «K‘S von Baumann
476, Ueber die Wirkung des - , von
Koos .
Thyreoantitoxin un.l Thyrojodin, von
Magnns-I.evy.
Tibiadiai.hyse, Ersatz der, von Poirior . 1151
Titelfrnge. in01
Tod lvt ;i ei ? u K ng •.••••••■• r«; 488
Tod, plötzlicher, eines gesunden Kindes,
von Koeppe. nag
Todesfälle, plötzliche, von Jessen . . 1120
Todesfälle: Ackermann 1200, Baum W
388, Baumann 1124, Cantalametta 715,'
Gozc 103G, Docbbelin 1095, Eisenlohr
1176 Erichsen 940, Finkelnburg 488
Pieck H. 388, Hanot 1095, von Haren
EOman 284, Harley 1095, Hartelius
'Heuizelmanu H. 216, v. Henke
488, Hodgen U64, Ilumphrv 940
Johnson 582, Kekul4692, v. Kersehen-
steiner 860, Livezev 1064, T.ong 115:*
Aeisser M. 628, Oldendorff 60 Paul
. ’„ Rf ‘- vno,d - s 5:12 • Kichardson
J 224 ’, Rochard 1004, Rolilfs 560.
Kozsahegyi 116, Rüdinger836, Schiff
1 1'(*4, Schirmer R. 116, Schlesinger W.
60 », Schmid II. 1176, Schmidt B 560
Sehrader 1152, See 4>8, Seil E. 1036
Seinmola M. 360, Sendler 735, Stoltz
A. 560, Strauss J. 1248, Täufert 910,
De \ lsscher 66<, Vulliet F. 264,
WagenerG. 168, Wenzel l095,Wernich
” l2 > v ; Tierlach 1272, Stadtfel.l 1272,
du Bois-Revmond .13f2
Tongrenze, diagnostische Verwert hum*
der oberen und unteren, v. Brunner
lonreihe, continuirliehe, von Bezold .
Tonsillen, Polyp der, von Peisser 64,
aktmomycesähnliche Gebilde in den
von Rüge .
Toxicologie vor Gericht, von Löwin .
loxine der Diphtherie und des Tetanus,
von Brieger und Boer.1215
Trachea, Resection utid Xath der, von
v. Eiselsberg 527, Fremdkörper in
der —, von Katzenstein ...
Trachealcaniilen, von Biedert
Trachealpolyj), von Jurasz.
Tracliealwand, Deckung von Defeclen
der —, von König .
Tracheotomie wegen Fremdkörper, von
Geiger 43. von Winands 115,
' rognose der —, von C'ameron
Trachom, Erfahrungen über die Behand¬
lung des chronischen, und seiner
Folgezustände, von Eversbusch 185,
~ der Thränendrüse, von Baquis .
Traubenzucker in Harn u. P’ruchtwnsser,
von Rossa
Tre K ti0n8in8trument * ein neuos - v on 8elle
jjamgren.
Tr 't D r 331 >, Aluskelverknderiingon
bei 1er - dos Menschen, von P’hr-
,W U ) Ü, I ? IU8kelverftnderun g en bei
Tricho.7. 0 K , aniu , chens > von Khrhanlt 1170
Trie t; to . nerkranku ngen, von Krösing 707
FmS 1 n ? do8a > von Barlow 615,
K stehung der -, von Richter 947
, ^ ^
fr ' neuen m0 *i‘''u UnK der * nach ,lem
\«lt J l ? erllch<Jn T'«setzbuche, von
•xsenaffenburg < niK
Tnnksitten „. Massigkoitsbestrebungen;
Bode der ’ in iTeutschlan.l, von
Triomd ? CHrth . oilun g <les * von Maul' 1101
Trinn-Iiv« 8 .!. - vpn " ,1CM,n - von Mering . 940
Tr ,' 1 ^Rergiitungen, von Beyer .... 18
TrommSS! J A™cm P ?,:r“'''' U “' J
63
759
873
402
(«6
1028
730
13081
907
956
621
Traumatische Entstehung innerer Krank¬
heiten, 'von Stern.871
... .—* Pulsfttions-
... . (?K ) , , I ? g am > von Hammerschlag
, Atlas der Beleuchlungsbilder
aes — im gesunden und kranken
zustande, von Politzer. 1261
Trommelfelllücken, Verschliessung der,
von Gomperz .... 644
•IVommelfellpol, Behandlung der chmn.
i-iterungen am oberen, von Bruck . 85
lrommelschlegelfinger, von West . . 1222
iropenforschuug, gegenwärtiger Stand
der medicinisclien, von Däubler . . 210
1 ropenhvgiene, von Below .... 958
iropenhygienisches Material.836
ubargravidität bei Portiocarcinom, von
Rech 401, — von Flatuu.1000
1",harschwangerschaft, von Hofmeier . 112
1 uhe, Cysten an der, von Fabricius . . 160
lubenhernien, von Goebel .... 505
Tubenschwangerschaft, interstitiello, von
P-ngström 135, von (ijähriger Dauer,
von Eckstein.621
Tubeuverschluss, Operation des, von
bersuny .. 02
Tuborculin als diagnostisches Hilfsmittel;
von Strauss 238, — und Actinomvkose,
von Friedrich 777, - in d er chirur¬
gischen Diagnostik, von'Sandberg857,
Wiricungsweise <les -. von Campana
t Rocb 8c b«s —, von Eiebmann
1021- Verkehr mit —. 1312
Tuberculin-Behaudlung der Tubcrculose;
von Kaatzer.
Tuberculin-Impfnng der Rinder . .
Tuberculöse Processe, Leucooystoso
bei, von Stein und Erbmaim 134,
Verwendung von — Fleisch zu Ge¬
nusszwecken, von Rumpel 684, käsige
Nekrose des — Gewebes, von Schmaus
und Albrecht 1021, Plrbrechen der
—, von Mathieu.1222
Tubcrculose, Ueberimpfbarkeit der, von
Cadiot, Gilbert und Roger 22, sel¬
tenere Localisation der —, von E.
Fraenkel 27, 38, — des Oesophagus
und Magens, von Merkel G. 86, Be¬
kämpfung der —, 89, - der Lunge
einer Ziege, von Aronsohn 107, Patho¬
logie der — dfer Knochen und Ge¬
lenke, von Krause 137, — der platten
SchiUlelknochen, von Koch 138, eine
Ansteckungsquelle der —, von Braatz
18-5, — der AlveolarfortBätze, von
Zaudy 257, — der Hernien, von
Roth 345, — des Harntractus, von
Casper 433, latente und larvirte —,
von Maragliano 507, — der weib¬
lichen Genitalien im Kindesalter, von
Maas :>26, — im frühen Kindesalter,
von Kossel 622, — der Tonsillen, von
Rüge 638, — im frühen Kindesalter
643, Mortalität u. Morbidität der — in
München, von Goldschmidt u. Luxen-
burger 820, Prophylaxe und Therapie
der —, von Moore und Hall >-35,
Serumbchandlung der —,v. Maragliano
858, Heilserum gegen —, v. Maragliano
*83
284
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INHALTS-YERZEICHNISS.
874, Bathschlftge zur Verhütung der «Ä’SS’vtäw“
ÄÄSÄJj™ “S7**
rÄÄÄÄ üu Ät n Sr m ehuu8 der, von
nnrl Haloneau 936, Hereditätslehre btrumpeii . • . • • • •
unü ±lal °P® a " • an „ ebore ne Unfallsneurose, von Kiefer . . .
der -von WolfEMl, angeborene Unfalls-Psychose, von Uhr. . ■
von Bugge l 145, 12 14 Unf allversicherungsgesetz, Enqul
Tuberculosis veirucosa cutis, v.Philipl>8on 601 ein neues, in Oe.terreieh 282,
A " b “3 Ungarische'medicinische 'PreMe
Tu,Sei,' Hietogenese * „ilieren, _ "“StSSÄi
Untersuchungsmethoden, Lehrbuch der
178 klinischen, von Geigel ..400
Uratdiathese, von Rosenfeld . ... . wo
185 Ureter, Implantation des einen, m den
anderen, von Wiesinger.
416 Ureterchirurgie, von Enderlen • • • •
faUsneurose." von Kiefer! ! ! §01 Uretereystotomie, extraperitoneale, von
Unfallsneurose, von Kieter.
Unfalls-Psychose, von Lähr ..••••
1214 Unfallversicherungsgesetz, Enqußteüber
601 ein neues, in Oesterreich 282, Reform
des üsterr..
ke * 325
Tube°rkelhacillen, Wirkung des Sonnen- 668
^ h nosco aUf dlG 299 S'bSuSmO, k 860,’ 1004,
Tuboparuvarialguschwulst, von Flatau . 41 1200, Ijlangcn 3C4, 60«^ 692, ,
Tumoren, eiehtrisoh. Boh.ndiun« der, S
Tuppc”. iXolog m.V, »uTheile ! 4M «enälh 240 360,660 1124,12»n™la.
Tusche, Capselbacillu» in chiues.soher, Sgo 43“’dl! ' 560,' 735,' Heidelben,
Tymp°u“r von Schnell gibt f. 464,660.668 7«, 1095,1224 1272,
— eine Indication zur Entfernung Jena 240 532, 692, 715 Kiel bb ,
des Uterus in partu, von Ahlfeld . 111 971 1151, Königsberg 332, 464, 836,
Typhlitiden, Behandlung der, von Herz 763 1004, Leipzig 68 92 264 ,
Tvphus abdominalis, Behandlung des, 464 488 682 f47, 692 <15 > ^ •
' Börger*210* 8C — ni iii ai hIamburg in von 62 & 8 ’elfeÄÄ 1200, München
R<Se 557 Uehertragharkeit’des - 92, 240, 464, 512, 606, 715, 735, 1036,
durch Austern, von Chantemesse 605, UmTSw lätrass-
" tElÄ ^Ädu Sm Hl 284; ÄÄbinTen
und Ä 788?’ von Dieulafoy 762, «M«* 582, 668 69? 1036 1248
von Delepine 1094, von Widal l!I 2 ’J>^o C Ur ^Qi 6 ’ ’ 8 ’ 6
und Sicard 1311, nitiale moto- 735, 764 836, 1095;
rische Lähmung im Oculomotonus- ^„ A ™ B ^' a T.- 264 ’ 416 öi4 2 ’n 6 ’ qo
gebiet hei einem Fall von — abdomi- 668,_ 786, Baltimore^ 811, 1 ern . ,
nalis, von Ebstein 830, Schutzimpfung 109o, Bologna 628 883, Krüssel 304,
gegen — abdominalis, von Pfeiffer 360, Budapest 439, Caer>1151, Catania
und Kolle 1145, —, Chemismus der 44,628,Christiania 332,1312,Cincinnati
Respiration unter dem Einfluss der 1064, Dorpat 860, Edinburgh 142,
kalten Bäder, von Rohin und Binet 1149 Florenz 116, Genf 606, Gent 1151,
Typhusbacillen, Diagnose der, vermittels Graz 764, 786, 1064, Helsingfore
Serums der gegen Typhus immuni- 1064, Innsbruck 116, 582, bOb,
sirten Thiere, von Pfeiffer und Kolle Kasan 1064, Klausenburg 668,> Kopen-
280, —, Immunitätsreaction der, von liagen 464, 488. Krakau 380, 764,
Pfeiffer und Kolle. 622 786, 836, 972, Lausanne 304, 860,
Typhushacillus,neue Methodezurraschen Lemberg 811, 836, Leyden 116, Lon-
Erkennung des, v. Gruber u. Durham don 1151, 1224, Lüttich 1036, Hol,
285 Einwanderung des — in das Moskau 860, 1004,1151, 1224, Neapel
Hühnerei, v.Piorkowskv 298, pyogene 883, Padua 628, Palermo 883, Paris
Eigenschaft des -, von Sudeck 498, 68,360,1272,1312, St.Petersburg 44,68,
klinischer Nachweis des—,vonPollak 380, 786, Philadelphia 811, Prag o32,
757, eitererregende Wirkung des —- 692, 715, 764, 1036, Rom 883, Rouen
und Colonbacillus, von Schmidt 757, 1152, Sarajewo 764, Siena 68, 883,
Vorkommen des — von Remlinger Toronto 628, Toulouse 439, Turin
und Schneider. 985 142, 883, Warschau 92, Wien 44,
Typhusbehandlung, von Duchenne . . 1122 304, 360, 416,488,606,692, 764, 811,
Typhus-Epidemie, über die Entstehung 972, 1152, Zürich 1224.
der.inderGarmsonPassauimSommer Unterbindung der Vena femoralis und
1895, von Vogl 45, Ausbruch einer der V. anonyma, von Brohl 432, — der
— durch Genuss von Eis . . . . 167 Arteriae nterinae per Laparotomiam,
Typhusfrequenz in Freiburg i. B., von von Altuchoff und Snegiroff ....
Bäumler. 555 Unterkiefer, Sclmssverletzung des, von
Tvphusinfection, intrauterine, einer
lebensfähigen Frucht, von Dtirck .
Uchtspringe, Landes-Heil- und Pflege¬
anstalt .240
Ueberbürdung der Schuljugend, von
Steinthal..1033
842 Unterkiefernekrose, von Faisat .... 346
Unterkieferresection, partielle, mit Bil¬
dung einer natürlichen Prothese
durch Knochentransplantation, von
15 Witzei . . .. ••••• m
Ureteren, diagnostische Bedeutung des
Katheterismus der, von Casper 680,
19 Entwicklungsanomalien der —, von
16 Conitzer.• • • • •
Vreterimplatation m den Mastdarm,
von Kryüski.. • •
Uretersteine, Operation von, von Israel 730
Uretorunterbindungen hei Hühnern,
von Likhatscheff ..■••••• • “j“
Urethra, Resection der, von ( appeler . 59a
Urethralspritze, neue, von Lanz .... 9»«
Uricacidämie der Nephritiker, von v.
Jakseh.. • • ■. 526
l'rogonitnlapparat, Missbildungen am,
von llochiioim . . .. • 8<JU
I T rticaria factitia, von Neuburger 648,
von Alt.. • 1148
Uterus, Ausguss eines, von Flatau bb,
Wehenthätigkeit dos menschlichen
—, von Schaeffer 106, Exstirpation
des hochschwangeren —, von I ritsch
346, — myomatosus von Prochowmck
508’, von Pick 6C0, vaginale Total¬
exstirpation des — hei nicht bös¬
artiger Erkrankung, von Voigt 804,
— unicornis u. Einzelniere, Krank¬
heitsverlauf bei, von Ebstein 830,
Operationen des prolabirten ,
von Müller 933, — bicomis, Spont¬
anruptur des graviden Homos bei,
von Weil 1169 Ablation der Adnexe
des von Kalabin ..... • X£lA
Uterusadnexe, (s. a. Adnexe) vereiterte,
von Siedentopf. • • 18 ~
Utcrus-Atresie, Geburt bei, von Flatau
UteruBcarcinom, chirurgische Behand¬
lung des, von Cmom 881, Behandlung
des — mit Extr. herb. Chelidonii maj.,
von Dührssen
Uteruserkrankungen, Frühdiagnose der
malignen, von Jesset
Uterusexstirpationen, 33 vaginale nach
Pöan-Richelot, von Schramm . . • lü» 1
rterusfihrome, Behandlung der, mit der
Sehilddrüsentherupio, von Jouin . • 4bJ
Utcrusfixation, Operation zur, von .
Sippel. 1190
Uterus-Flexionen und Versionen, v elcne
Symptome machen die, von Tlieil-
haber.. •
Uterusgonorrhoe, puerperale, von Neu-
• mann._.
Uterushorn, Gravidität im rudimentären,
von Beckmann.. • • 83
Uterus-Inversion,Behandlung der, mittels
Kolpeurvnter, von Hohl 18,—, nicht
620 puerperale, von Holländer L
Uteruskrebs als Complication von Gravi-
033 dität und Gehurt, von Beckmann 401
346 Uterusleiden, Organotherapie bei, von
Bell. bUÖ
Uterusmuskulatur, Entwicklung der, von
Werth. 803
Kemsies. 639 Unterricht, Erweiterung des med., von
Wildt. 1238 Uterusmyom, versteinertes, von Yarna-
Unterkiefertuherculose, von Starck . . 1169 giwa.. • • ;
Ueberfüllung des ärztlichen Standes,
von Alderson.971 Uuterschenkelbrüclie, Ileilungsresultate
Uebersetzungsscheercn, von Henckels,
von Jnngengcl.1271
Ulcus molle, Therapie des, von Lanz 402 Unterschenkelfractur, eine typische, von
Ulcus rotundum Simplex vaginae, von
Beuttner.161
Ulcus ventriculi, Behandlung des, mit
.. I grossen Bismuthdosen, von Crämer
587, 603, — von Ratjen
.erKieieriuourcuiuse, von ouirrn . . uoj giwu. ... ,
terricht, Erweiterung des med., von Uterusmyome, Beitrag zur Kenntniss una
v. Winckel. 1134 Therapie der, von Ghrobak . . . •
terschenkelhrüche, Ileilungsresultate Uterusprolaps, primärer, von Lindfors .
vou, mit Bezug auf das Unfallver- Uterusruptur, ein Fall von, von Burger
sichernngsgesotz, von Jottkowitz . 279 590, — nach Wendung, von Arndt
tersclieukelfractur, eine typische, von 596, — von Heinricius..
Bähr 897, — intrauterine, von Bur- Uterusrupturen, von Kehrer . . . • •
meister.1111 Uterus-Sarcom, von Prochownik 508,
torstützungs- und Krankenkassen in —, von Flesch.. • • • •
England, von Pearse. 970 Uterusschleimhaut, Regeneration der,
von, mit Bezug auf das Unfallver¬
sicherungsgesetz, von Jottkowitz
Bähr 897, — intrauterine, von Bur¬
meister .1111
Unterstützung«- und Krankenkassen in
Ulm, Aerzte und Krankenkassen in, . 1248
Ulnarisaymptoin bei Geisteskranken,
von Hess.1264
lü92, 1192 Unterstützungs- u. Versicherungswesen,
von Rathcke
Reform des ärztlichen.1151 Uterusstopfer, von Morsbach • • • • •
Untersuchung« und Massage-Sopha, von Uterusvorfall, neue Operation zur Be-
Reinecke .... 947 seitigung des, von Gubaroff . . . .
Digitized by
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1896 .
inhalts-verzeichniss.
1114
;')%
622
407
684
994
507
Seite
Vaccine, humanisirte und animale, von
Paschen.461
Vaccine-Poeme. 560
Vaginalcarcinome, Operation der pri¬
mären, von Peters.185
Vaginalcysten, von Neugebauer .... 926
Vaginale Coeliotomie, von 8tcffeck 1112,
— Exstirpation des carcinoiuatösen
Uterus 57ö, — Fixation nach Behand¬
lung der Gebartsstörungen, von Rfihl 161
Vaginalbernien, von Berger.1123
Vaginalrohr, von Lehmann.80o
Vaginistrictur bei Prolaps, von Flatau . 829
Vaginofixatio uteri,Geburts-u.Schwanger¬
schaftsverlauf bei, von Wertheim 62,
Geburtsstörungen nach —, von
Dührssen 347, — Geburtsstorung
durch, von Urban.1241
Vagitus utcrinus, von Flatau 280, 412,
von Thorn 643, — und sein Ver¬
hältnis zum ersten Athemzug, von
Thora.
Varicellen, Todesfälle bei, von Löhr .
Variola und Vaccine, die Kirtland'schen
Abbildungen der, von Pfeiffer 1210,
Variola-Uebertragung, behufs Erzeugung
von Vaccine, von Frey er ...
Varix aneurysinaticus, von Karewsky .
Vena cava inferior, Erkrankungen der,
von Schlesinger.
Venaesectionen, von Krüuig . . 731, Hg2
Vcuennaht der.lugularis interna, v. Pasca 486
Ventrikel, Stichverletzung des rechten,
von Kehn .
Ventrifixatio des Uterus, von Miländer
17, vaginale — des Uterus, von Guen-
ther 203, Köliotoraie bei Geburts-
Störung nach —, von v. Guörard . .
\ entnsuspension und Ventrifixation des
Uterus, von Robson.559
\ erbandlehre, Atlas und Grundriss der,
von lioffa. 1168
Verbrecher, geborener, von Alzheimer . 637
'.erbrennung, eine schwere . . . 190
'erdauungsapparat, Pathologie und
therapie der Krankheiten des, mit
besonderer Berücksichtigung der
Ihutetik, von Rosenheim . 182
'crdauungsenzyine in Cystenflüssig-
keiten und die diagnostische Bedcu-
tung derselben, von Zeehuisen . . 937
'erdauungskrankheiten, Therapie der,
vonWegele.\ ö0 ,’
'«eine s. u. III. ’
Verem zur UnterstüUung invalider hilfs-
bedürffgerAerzte in Bayern (General-
'ewammlungsbericht).
K“» durch In Jection von CocaVn-
ÜLösung in die Urethra, von Pfister
„V Änderungen der Nervenzellen
nach expenmentell erzeugter von
Ve S“8 e / mit ‘Sublimat ioÖl, - mit 1068
hubhmatpastiiien.’ 1224
tZT’ n ? rmale ' von Emst' 642i
UnnaHi| Un< ^ 1 Pafhdogische VO n
V «kleiHte a rm l V 1, H n h0 T SChe ~ V ' Ernst '220
. Lublinski g ° beren Wege > von
Ver!eUun g ’ e f k o ennun S vitaler, V.‘Schulz 901
: • i
Mädchen.’ ®^ roilis ®J le , bei Frauen u.
mobilia , g ,? er . Ketroflexio uteri
XXXI
■tr u „ 8eite
Volbeding, Fall .... 692. 971 Ufil nqq
Volksheilstutte bei München . . ’ 1124
Volksheilstatten, Verein für . 883
Volksseuchen, Geschichte der, mit Be¬
rücksichtigung der Thierseuchen, von
I-ersch. 755
Volvulus, von Prioleau. ' 4 g 3
Vorbildung, humanistische oder rea-
listische, der Mediciner, von Brauser 846
Vorhersage am Krankenbette, v. Gerhardt 1165
Vormagen oder Antrum curdiaeum, von
Kleiner .
Vorstellungen, Dominiren bestimmter,
bei Geisteskranken, von Neisser
990
780
W.
230
463
1238
778
986
1020
3 >8
299
976
849
695
431
mobilis vnn m, ecroUe,no uteri
Vibrionen’ and sSrin enrodt • • • l0 °*> 1264
Vl0 neljahr8schrÄ ’■ Y on ßonhofi «63
j3nE2£A genchtl - Medicin
cuös Sanitätswagen . . 1004
Wahn, über den, von Friedmann . .
Wahnideen, Genese der affectiven, von
Grashey. 7 gQ
Walcher'sche Lagerung, von Fothergill 882
Wandermilz, Behandlung der, mitSpleuo-
pexie, von Sykoff 16, — mit .Stiel¬
torsion, von Czerny.509
Wanderniere der Frauen, von F. Merkel 644
Wiirmedurchlüssigkeit, Einfiuss des Stitr-
kens von Baumwollstoff auf die, von
Kühner . .
Wärmemessungen am Menschen, von
Bergonie.
Würmeökouomie, Bilanz unserer,' von
Rubner .
Wärmeregulirung hei Muskelarbeit," von
Zuntz.
Wärmeschutz durch trockene Kleidungs-
Stoffe nach Versuchen am mensch¬
lichen Arm, von Rubner.
Warmblüter-Leukocyteu, Chemotaxis der,
ausserhalb des Körpers, von v.Sicherer
Warme Länder, Krankheiten der, von
Scheube . .
Wärterfrage, von Grashey und Ludwig 1083
Warzenbildung, papilloinatöse, sogen.
neuropathische, von Spiegelberg . .
Warzenfortsatz, Spätnaht nach künst¬
licher Eröffnung des, von Gruber .
Warzenfortsatzeiterungen bei Diabe¬
tikern, von Körner.779
Warzenfortsatzoperationen, Indicationeu
der, bei acuter einseitiger Mittelohr¬
entzündung, von Knapp.63
Weber, Fall . ,.192
Wechselfieber auf Madagascar, von
Vincent und Burot.
Wehen, pathologische, und ihre Behand¬
lung, von Scliäffer.. .
WeiblicherAssi8tenzarzt264,Nostrification
von — Aerztcn in Oesterreich 33»,
— raed. Institut in Petersburg . .
Wendung in der Bauchlage, v. Mensinga
576, — oder hohe Zange, von Schultz
705, — in der Bauchlage, von Henck
Wernich's Nachfolger.560
W ettbewerb, Gesetz gegen den unlauteren 114
Wiederanheilung vollständig vom Körper
getrennter Theile, von Hirschberg .
Wien, GesundheitsVerhältnisse von . .
Winterkuren in dem Seehospiz Kaiserin
Friedrich auf Norderney, von Rode
Wirbelentzündung, tuberculöse, von
Heinlein.437
Wirbelkanal, Punction dos, von Straus 1189
Wirbelresection bei spondylitischer
Drucklähmung, von Wachenhasen .
Wirbelsäule, traumatische Erkrankungen
der, von Henle 2)7, traumatische
Erkrankungen der —, von Kiimmell
Wirbelsäuleverkrümmung, gymnastische
Behandlung der, von Pietrzikowski.
Witterung und Krankheit, von Jessen
Witterungsneurosen, von Löwenfeld
Wittwen- und Altersversorgung, zwangs¬
weise in Oesterreich.1001
Wittwen- und Waisensocietät in Wien. 282
Wochenbettserkrankungen, Aetiologie
und Therapie der fieberhaften, von
Lange.1217
Wochenschrift, Herausgcbercollegium
der Münchener. 23 2( j 3
Wöchnerinnen, Körpergewichtsverhält
nisse normaler,vnn Heil297, Errichtung
... yonlfennHUltteu für von Brennecke 877
W ohliahrtsmstitute für die Aerzte (»cster-
reiche. 3Ü2
Wohnungspflege inEngland.vouReiiiieke 1266
W ortschutz für Arzneimittel . . 4a«
Worttaubheit, von Ziehl 688
Wundbehandlung, eine „neueForm“ an ti'-
septischer, von I)r. Schleich, von
Merkel S. 302, von Classen ....
Wundheilung bei der schwarzen Rasse,
von Plehu.
Wundnaht, Technik der, von Walcher
" undverschluss, neuer aseptischer, an
Stelle der Wundnaht.
Wurmfortsatz im Bruchsack, von Sendler
96, Operationen am — , von Sonnen¬
burg 551, — im Bruchsack, von
Goebel 6»4, Behandlung der Krank¬
heiten des —, von Dougall 856, Früh¬
operation hei der Entzündung «los -
von Beck. ’ g- )7
1257
805
905
105
X.
Xeroderma pigmentosum, von Falcao .
Xerosebacillus, Bedeutung des, bei der
Diagnose der Diphtherie, von Schanz
Z.
832
299
582
549
1027
906
374
386
135
301
829
232
412
375
1169
327
327
622
93
Zahnärzte, Verein bayerischer ....
Zähne, Füllen der, von Holländer 481,
pathologische Beziehungen der —
zumGesammtorganismus.vouParreidt
Zahnkrankheiten, Beziehungen der
Krankheiten des Kindesalters zu den,
von Neumann.1027
Zahnschmelz, Hypoplasien des, und ihre
^Beziehungen zu den Erkrankungen
im Kindosalter, von Berten ....
Zahntechniker, Befugnisse der ....
Zangenappücation bei macerirter Frucht,
von Dohrn .
Zangen-Entbinduugen an der Frauen¬
klinik in Dresden, von Wahl 16,
Häufigkeit und Prognose der —, von
Winternitz. . 399
Zaraath, Was ist, der hebräischen Bibel,
von Sack .1021
Zeiss’sche Fabrik, Jubiläum der . . . 1248
Zeitschrift, deutsche, für klinische Medi¬
cin 15, 183, 323, 481, 611, 872, 1055, *
1262, —, für Chirurgie 84, 23.J, 279,
506, 636, 728, 777, IuöO, — für Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie 17, 401,
705, 852, 898, 111, — für Hygiene
ü21, 683, —, deutsche, für Nerven¬
heilkunde .6>2, 7o7,
Zeitungspolemik.
Zelle und einfache Gewebe des thic-
rischeu Körpers, von Bergh ....
Zittern, Behandlung von, von Berger .
Zottenfibrom, von Görl.412
Zottengeschwülste der Harnblase, von
Schuchardt.257
Zuckerarten, Verhalten einiger im thie-
rischen Organismus, von F. Voit . . 887
Zuckerbestimmung, densimetrisclie, von
Lohnstein.162
Zuckerkrankheit, Aetiologie und Klinik
der, von Grube542, — und ihre Behand¬
lung, von v. Noorden.1108
Zucker-Nachweis, Reaction zum, von
Hoppe-Seyler. 21
Zuckerwerk, Verfälschung von, von
Kahrhel und Strna.239
Zündhölzchen, Schäden der mit gelbem
Phosphor erzeugten.165
Zungentractiouen, rhythmische, von
Knapp. 682, 1308
Zurechnungsfähigkeit, strafrechtliche,
von v. Liszt.780
1238
385
726
462
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-5
m
iNHALTS-VERZEICHttlSS.
Seit«*
Zwangsvorstellungen, musikalische, von
Lowenfekl.780
Zweckmassigkeit der pathologischen
Leheusvorgänge, von Ziegler . . . 1037
Zwerchfell, Durchtritt corpuseuliirer Ele¬
mente durch das, von Sutzer . . . 106
Seite
Zwillinge, Gehurten von, in ungewöhn¬
lich langen Zwischenräumen, von
Parrot 52 . Placentarverhältnisse ein¬
eiiger —, von Gottschalk.852
Zwillingsabortus, Früchte eines, von
Barubo. 40
189fe.
8cite
Zwillingsfrüchte, von < ioldberger . . . 729
Zwillingsplacenta, eineiig«*, von Knapp 852
Zwillingsschwangerschaft, Diagnose der,
von Ahlfeld.1111
III. Aus Instituten, Kliniken, Krankenhäusern, aus Vereinen, Versammlungen etc.
Seite
Altmärker Aerzteverein.1147
Berlin: II. Medicinische Klinik.812, 112.)
— Kaiser- und Kaiserin-Eriedrich-Kinder-Krankenhaus in
Berlin.793
— Medicinische Gesellschaft 38, 64, 85, 107, 136, 162, 187,
234, 259, 2oü, 300, 407, 435, 460, 484,534, 580, 600, 623,
664, 730, 1061, 1090, 1118, 1146, 1192, 1215, 1240, 1264.
— Verein für innere Medicin 38, 64, 86, 136, 187, 210,
235, 259, 281,327, 408, 435, 460, 507, 555, 624, 641, 664,
684, 761, 1090, 1119, 1171, 1215, 1241.
Breslau: Medicinische Klinik.670
— Dermatologische Ahtheilung des Allerheiligen-Hospitals 1069
('üblen?.: Aeussere Abtheilung «les Hürgor-IIospitals .... 456
Frei bürg i. B.: Medicinische Klinik .... 117, 669, 862, 835
— Universitäts-Frauenklinik.537
— Physiologisch -chemisches Laboratorium 309, 398, 476,
>•85, 1153, U37.
— Verein der Aer/.te .... 103, 136, 163, 555, 600, 1031, 1120
Fürth i. B.: Stüdt. Krankenhaus. «2
Giessen: Medicinische Klinik.220, 361, 1010, 1041
— Chirurgische Klinik.36 1
— Pathologisches Institut.909
Göttingen: Universitäts-Frauenklinik.585
Greifswähl: Medicinische Universitätsklinik .469
— Chirurgische Klinik und Poliklinik.242
— Medicinischer Verein.188
Halle: K. Frauenklinik.1161
— Poliklinik für Nervenkranke «les Prof. Si*eligmiiller . <>50
Hamburg: Vereins-Hospital .•.632
— Neues allgemeines Krankenhaus.813
— Chirurgische Ahtheilung des neuen allgemeinen Kranken¬
hauses .493
— Allgemeines Krankenhaus St. Georg. . 765
— Chirurgische Ahtheilung des israelitischen Kranken¬
hauses .1225
— Aerztlicher Verein 61, 108, 163, 211, 3t)0, 327, 353, 410,
461, 503, 557, 601, 664, 990, 1081, 1120, 1171, 1192, 1241, 1265
— Biologische Ahtheilung des ärztl. Vereins 18, 33, 137,
1 188, 327, 353, 408, 436, 602, 703, 1092,11*3, 1216, 1243,1266, 1309
Heidelberg: Medicinische Klinik.513, 1201
— Chirurgische Klinik. 121, 145, 492, 741
— Universitätsaugenklinik . ..516, 865
— Patholog. anatoin. Institut. .71, 417
— Hygienisches Institut
— Naturhistorisch-rnedicini
612, 665, 733.
Hildes heim: Aerztlicher Vi
Jena: Medicinische Klinik
— Medicinische Poliklinik
Kiel: Universitäts-Fraucnklin
— Medic. Universitnts-Poli
iseher Verein
109,
211,
235,
509,
erein . . . .
236,
335
419,
1161
243
lik.
• ■»,
*314,
619,
837,
1128
klinik . . .
. « ,
29,
173
JS.
.
1182
20, Lll, 212,
237,
260,
281,
784,
833, 854.
Leipzig: Universitäts-Frauenklinik.
— Pathologisches Institut.
Magdeburg: Chirurgische Ahtheilung der Kahlenberg-Stiftung
— Medicinische Gesellschaft 643, 635, 709, 731, 1172, 1193,
1216, 1268, 1310.
München: Medicinische Klinik.
— Chirurgische Klinik.69,
— Universitäts-Frauenklinik...
— Universitäts-Kinderklinik.421,695,
— Ambulatorium der kgl. chirurgischen Klinik.
— Medicinische Universitäts-Poliklinik.
— Kgi. chirurgische Universitäts-Poliklinik ..... 56,
— Kgl. gynäkologische Universitäts-Poliklinik.
— Kgl. Universitäts-Poliklinik für Kinderkrankheiten . .
Pathologisches Institut.,. 538,
Hygienisches Institut
Pharmakologisches Institut
443
976
96
717
1011
339
1005
564
820
130
102
10
842
976
1
Seile
— Aerztlicher Verein: 39, 112, 138, 149, 164, 301, 417,
509, 603, 637, 711. 732.
— A«*rztlieh«*r Bezirksverein.. 114, 1193
— Gesellschaft für Morphologie und Physiologie . . • 712
Nürnberg: Aer/tlicher Verein 36, 139, 301, 643, 714, 733 1147
-- Medic. Gesellschaft und Poliklink 40, 65, 412. 437, 1000,
i0 33, 1121.
Rostock: Chirurgische Klinik .093
Stuttgart: Karl-Olga Krankenhaus. 98
— Chirurgisch gynäkologische Vereinigung.1033
U c h t s p r i ng «•: Landes Heil- und Pllegeanstalt .... • 1101
Wiirzhurg: Medicinische Klinik. 1D>0 11*1
— Universitäts-Augenklinik.
— Dr. Hotfa s Privatklinik.
-- Untersmhungsstfttion des k. Garnisonslazareths _. . . 863
— Physikalisch medicinis«*ln* Gesellschaft . . .87, 112, 516
63. Versammlung «leutscher Naturforscher und Aerzte 646,
<37, 927, 9'8.
Allgemeine Sitzungen. 92 7 , 958, 990
Seetion für Chirurgie . . . • 929, 96.1, 995
— für innere -Medicin und Pharmakologie . . 931, 939
— für Geburtshilfe und Gynäkologie 933, 997, 10o8,
1037, 1114. ‘ .
Vereinigte Sitzung für innt*r«* Medicin und Physiologie 99->
Seetion für Kinderheilkunde.1022
Vereinigte Sitzung der dermatologischen mit der gynä¬
kologischen Seetion.1^0
Seetion für Dermatologi«! und Syphilis .... 1195, 1220
XIV. Congress für innere Medicin in Wiesbaden 91. 318, 376,
402, 434.
2 ». Congress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 262,
523, 551, 577, 597.
III. Versammlung süddeuts«*her Larvngologen zu Ileitlelberg
262, 4rii, 729, 760, 7ol.
Versammlung des Vereins deutscher Irrenärzte in lleulclberg
am 13. und 19. Sept. . 1083, 1113
XXI. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege in Kiel.. . 07, 331, 87o, 902
III. Internationaler Congress für Psychologie in München
110, 735, 753, 779, 803.
XXIV. Deutscher Aorztetag zu Nürnberg.02 >
XIII. Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamten-
Vereins zu Berlin .. •
X Oherpfälzischer Aorztetag.93*;»
Oherfränkischer Aerzt«*tag zu Bamberg am 2. Juli 1896 1246, 12/1
Aerztlicher Bezirks verein für Südfranken
Generalversammlung des Vereins zur Unterstützung invalider
hilfsbedürftiger Aerzte in Bayern.3_>ö
Verhandlungen der bayerischen Aerztekammern vom J. 1896 1273
Oenter reich.
Budapest: Physiol«>gisches Institut .• • • • JJj®
Graz: K. k. Universitütskinderklinik. 392; o47, ivuo
Wien: Hygienisches Institut.•_ • • • • •
— K. k. Gesellschaft der Aerzte 42, 67, 90, 113, 166, 196,
2il, 232, 393, 413, 433, 485, 516, 581, 604, 644, 1034,
:i093, 1121, 1172, 1196, 124a.
— Doctorencollegium.66, 112, 11 '
— Dermatologische Gesellschaft.. • • • * •
— Medicinischer Club 113, 140, 165, «331, 1063, 1148, 1219, 12 •
I. (»österreichischer Otologentag.
Schweis.
Basel Allgemeine Poliklinik . ..
Belgiern.
Brüssel: Ubirurgisohis Institut ..* ^
Digitized b\ j GooqIc
4
i
• 1
4
-J
1896.
INHALTS-VERZEICHNIS«
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1174
G05
England.
Kdinburgh: Medicochirurgical Socictv ....
London: Clinical Society .... 113, 214, *358 1122 nqq'
- Medical Society.. ’
- 0b8tetrical Society. 90 909 * k'qi
-- Pathologlcal Society.. ’ Ho’ 214
- Larvngological Society." ’ „gi’
- Royal medical and chirurgical Society 167, 239,' 531, 645’
1247, 1271 * *
Manchester: Pathological Society ....
British gynäkological Society...550' 6 ' 0 ,'
64. Jahresversammlung der British medical 'Association zu’
, Cftrll , 8le - .. 784, 810, 834, 856, 880 937
Itoyal Academy of Medicine in Iroland ... ’ yö< >
lU. Internationaler Dermatologen-Congress zu London 'vom 4'
bis 6. August 1896 627, 639, 805, 851, 878, 936, 969^
Frankreich.
r ‘’% a mA^rmt iS SS 23s -
: ÄitSÜS”."*- ,S0 ' 33i - 485 - «yS *035. 1095
1094
1094
970
531
1030
— Societd de Chirurgie Selt0
S°ci4td do Thdrapeutique . cqi önA " * • 4 ^9
2o. Versammlung der Association" fr,..’ ' * -531,690, 1122, 1222
des seiendes-' ” ,,ünfra ’ lvame P oar l’avancoment
I. Französischer Congress für' Krankheiten det Ha^’o^ai?^ 1 J 73
Italien.
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Academil n medica U . nd gy " akolo S l ' schc Universitätsklinik 1251
TT^;„ S ."» et i l -? J ? ,lci . 8,a, .‘. a de ßU ospödäli' .* ! . 887
lurm. Ii. Academia di Modicina . . .
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Russland.
iy *,*L P a I• Uhinirgische Universitätsklinik . .
chau: Medicimschdiagnostischc Klinik
883
659
IV. Abbildungen und Curventafeln.
3 Figuren und 1 Curvcutafel
zu Tuppciner, über die Wirkung
Seite
C«E h nim‘ ,e " Vate ” ““ niedere
et vaginae
KS'kl, P p l , 0 B ““ , “ li,r ’ Stenosirtmg ier K -
163
2 Abbildungen zu Stemfeld*ehT ^ü S n ÖrUnge " 194 > 19 &
l iKKbf 118 der linken Hand geheilter * aI1 von Osteo-
l'l>otSphirf CS8ler ; Rn,liusfrachlr , ’ nacl1 Prof-' Röntgen
1 A Fui2gelenk U Z " r ® ehandl,,n g der Distorsi.m 'im
o AI 'tteoplasük KronaAer » / ' uni gegenwärtigen' Stand der
• ;kereteiiuDg
I Gurre' 11 " 8 Friedlaa ?°r Der ’ pathogenen Wirkung des
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1 T,S *; dM Th! "*' dl "
kcntgenstrahlen zur n;f„ 6 ’ , die Verwendung der
2 Ab" * Vr 14 ‘ Dla gnose der Arteriosklerose, Beilage •
00 1 une^alh T^rf 8 - 8 u™ng der Sehschärfe
23 Abl,ll <iungen zu v. Winckef b WM 8 ^ ht {. gC TT Hornhaut,lecke 805
3 tlt'M e,ni « e 8 ehr seltenetÄW,“ Untersuchungen
Abbildungen zu Lauenstein^i Meldungen 390,391,423-429
'SAkbSgen^vf- nach Wölfler *! Von S^duhnnagen,
f“ 8 ®» ••..'! PIU8 ’ Heilun 8 des angeborenen Klump-'
. 495—497
200
201
221
271
273
287
290
312
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Seile
538
556
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3Ab ;:S” ” Bu,i " s - dccidiin polypo,. ot
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5 Ä™"“' *” C “"‘»bk ir iiditgci'Bchon “
IaÄSSS ÄÄBtfS 'v **s?
3 - 666
1 A ^a!rinmn^ Sl,iegelherg ’ über eineu Fal » von angeborener ^
2 -Ä 695
3 Abbildungen zu Killian, Rhinoskopia media 7 ßQ
9 *ini Un8en ZU e,n ncuer Operationstisch 771, 772 797—801
2 Ahb ldungen zu Vulpius, ein Fall von Pes malleus -alaus 8lJ
2 Abbildungen zu Kronacher, modificirter transportaE
o a ‘^"''sationsapparat für Verbandstoffe und Instrumente 891
2 Abbildungen zu Steudcl, Alunriniumschienen inStrume ;i e 5 894
2 Abbildungen zu Mueller, transi>ortabler Beinhaltet ' ’ 9 ?
SolhaT" Z “. Beineckc * Untersuchung«- und Massage! ?
15 A1 in n Ä-hir^ie beret : der Rönig^nstrahlei 7 ’ ***
1 A Speichef *“ St ' cker ' Ammoniak im'Mageninhalt und 4 ’ 975
1 C *w- e u tafe * . zu .Üar„ack, über den Begriff der cumulativen ^
1 Abbildung zu Är Ve J. haltni88 zu den Dosirungsgesetzen 1067
Abbildung zu Kosthu, Schwangerschaft bei fast vollstün-
digem Verschluss des Ilymen. 11ß9
1 A iü n „ g T . Fu . hr ’ N i ,u * *ur Geschichte der Beckenho'ch!
, [agernng bei chirurgischen Operationen . it ßR
■>» 1!83
8 *. h r? , d “. 2 -
3 Abbildungen zu v. Hösslin, eine merkwürdige Beweglin’gs!
orUng .. . 1298, 1299
Verlag von j. p. £o hma
nn in München. - Druck von E. Mühlthalef^kgl. HoVßVchdr^rVf in ^^nT
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iii,> Münchener Medici» Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens »':i Bus;en
Ireis viericljslirtii'l) f. .ff. |>rnemnnernndo zahlbar.
Einzelne Nummer (SO 4.
MÜNCHENER
Znsenduiiüen sind 7 « ndre-ssiren Für die Bedaction
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mann. Lfindwehrstr <0. — Für iiiscritte und Bei lauen
nn itiul'dph Mosse. Promenaden-uz l< ;
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR. AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cd. Bäumler, 0. Bollinger, H. Gurschmann, C. Gerhardt, W. v. Hetneke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. i. Winckel, H. i. Ziemssen,
Krciljurg i. B. München Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
M 1. 7. Januar 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität
München.
Ueber die Wirkung von Chininderivaten und Phos-
phinen auf niedere Organismen.*)
Von Prof. Dr. H. Tappeiner.
Gelegentlich einer Untersuchung über die Wirkung anti¬
septischer Stoffe auf Infusorien der Pflanzen jauche hatte Binz 1 )
gefunden, dass das Chinin ein starkes Gift für verschiedene Or¬
ganismen aus der Klasse der Protozoen, insbesonders für Infusorien
und Amöben sei. Er sah deren lebhafte Bewegungen noch bei
grossen Verdünnungen zum Stillstände kommen und die Zellen
selbst nachher zu Detritus zerfallen. Sonst stark wirkende Al-
kaluide (Morphin, Strychnin) und andere organische Stoffe hatten
einen viel schwächeren Einfluss.
Diese auffallende Wirkung des Chinins erschien Binz*)
geeignet bei der Aufstellung einer bestimmteren Ansicht über die
Kinwirkung dieses Alkaloides auf den Malariaprozess als Vorbild
iu dienen. In der That vermochte dann der Entdecker der
Malariaparasiten, Laveran, selbst und in einwandfreierer Weise
spätere Untersucher 8 ) den Nachweis zu führen, dass das Chinin
verschiedene Formen dieses Parasiten im Blute zu lähmen und
mm Zerfall zu bringen vermag; die Wirkung des Chinins auf
Malariaparasiten mithin eine auffallende Aehnlichkeit mit den
1 eränderangen besitzt, welche es bei Infusorien erzeugt.
Der Wunsch Prof. Dr. Köuigs’ über die pharmakolo¬
gischen Eigenschaften mehrerer bei seinen Arbeiten über die Con¬
stitution des Chinins gewonnener Körper Aufschluss zu erhalten
«ar für mich die Veranlassung die Untersuchungen von Binz
riedor aufzunehmen und hiebei zunächst systematisch die Frage
iü verfolgen, von welcher Atomgruppe im Moleküle des Chinins
die so hervorragende Wirkung des Alkaloids auf Infusorien aus-
«he. Herr Dr. Grethe übernahm es, diese Untersuchung an
einer, aus dem hiesigen zoologischen Institute bezogenen, leicht
ittchtharen Infusorienart (Paramaecium caudatum) durchzuführen.
Dieses Infusorium wird durch Zusatz gleicher Theile einer Chinin-
^Dg 1 : 1000 getödtet iu 3—4 Minuten, durch Zusatz einer
Usung von 1 : 10,000 in 2 Stunden. Ich erlaube mir im
folgenden zunächst einen kurzen Auszug dieser Arbeit iuit-
wthefleuA)
Die Constitution des Chinins ist noch nicht völlig aufgeklärt. Die
vorliegenden Arbeiten hierüber, insbesondere zwei von Königs
und sciuen Mitarbeitern studirte Spaltungen des Chinins gestatten
*) Fach einem im trztl. Verein München gehaltenen Vortrage.
) Zentral bla tt f. d. Med. Wissenschaften u. Archiv f. mikro¬
skopische Anatomie. 18ti7.
2 » a. O. u. verschiedenen späteren Publicationen.
~) Mannaberg, die Malariaparasiten. Wien 1893, S. 170.
r J “^wischen erschienen unter dem Titel: Dr. G. Grethe
7 * k.- Wirkung verschiedener Chininderivate auf Infusorien“,
“«guusertat. u. Deutsch. Archiv f. klin. Medicin LVI, S. 189.
So. I
indess bereits einen gewissen Einblick in seinen Bau 5). Der
genannte Chemiker fand zunächst, dass das Chinin 0*o H*a O*
N 2 , oder genauer gesagt , die durch successive Behandlung mit
Phosphorpentachlorid und alkoholischem Kali aus ihm erhaltene
Anhydrobase Chincu Cao Hg* ON* heim Erhitzen mit concen-
trirter Phosphorsäure sich spaltet in p-Methox-y-Methvlehinolin
(p - Methoxylcpidin) und in ein krystallisirtes, wasserlösliches Pro¬
dukt C 9 H 15 NO», welche Königs als Merochineu bezeichnet,
weil es einen Theii (pd poc) des Chiiienmoleküls enthält.
Erstere 8 ist ein Chinolin, welches noch Methoxyl und Methyl in
para und y Stellung als Seitenketten enthält, letzteres ist als ein
Pyridinderivat (wahrscheinlich eine Carbonsäure des hydrirten y
Methyl-/f-Aethylpyridin) anzusprechen.
Die Constitution des Chinins kann daher vorläufig in fol¬
gender Formel zum Ausdruck gelangen:
C l0 h 16 ON
H I
c c
H
Die Untersuchung der beiden Spaltungsprodukte hat nun
ergehen, dass das zweite, das Merochineu, wie auch sein Aethvl-
äther so gut wie unwirksam .sind, indem ein Zusatz in einer
Concentration von l:10ü0 zu gleichen Theilen einer Paramaecien
haltigen Flüssigkeit nach 3 Stunden die Tierchen wohl etwas
gequollen erscheinen liess, ihre Beweglichkeit aber nur sehr un¬
bedeutend beeinträchtigte. Hiegegen ist das erste Spaltungsprodukt,
das p - Methoxywethylchinolin (p - Methoxylcpidin) wirksam, wenn
auch bedeutend schwächer als das Chinin. Es tödtet die Paramaecien
bei Zusatz in Concentration von 1 : 1000 in 20 Minuten. Auch
das Chinolin ist wirksam (Tödtung in 30 Minuten bei gleicher
Concentration), Lepidin (y-Methylchinolin) steht in der Mitte. Es
tödtet in 25 Minuten. So gut wie unwirksam verhielt sieh, wie
schon die Untersuchung des Meroeliinens vermuthen liess, das
Pyridin. Man erkennt hieraus, dass die Wirkung an den Chinolin¬
kern gebunden ist und durch die Seitenketten, Methoxy sowohl
wie Methyl (wenigstens in y- Stellung) verstärkt wird.
Ausser der oben angeführten Spaltung in Methoxylcpidin und
Merochineu erfährt das Chinin (resp. Chine») unter veränderten
Bedingungen, nämlich beim Kochen mit concentrirter Brom Wasser¬
stoff säure, eine weitere, weniger tief gehende Zersetzung. Lediglich
unter Abspaltung von Ammoniak und Aufnahme von 1 Molekül
Wasser (neben Umwandlung der Methoxygruppe in Hydroxyl) geht
b ) Ueber hydrolytische Spaltungen des Chinens u. Cinchens
Berichte der Deutsch-chem. Gesellschaft 1894.
1
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Münchener medicin ische w ()(miev^hrh^-
No. l.
cs über in Derivate
chinen C 19 Hia NO*
des y-Phenylchinolins, zunächst in Ap<>-
y - Phenylchinolin.
Die Untersuchung des y -Phenylchinolins selbst und mehrerer
seiner nächsten Derivate ergab nun das überraschende Resultat,
dass sie sümmtlich nicht blos das Chinin der W irkung erre.chen
sondern so«rar bedeutend übertreffen. Losungen von 1 1000
/u Reichen T hei len einer Paramaecienflüssigkeit zugesetzt todten
fast augenblicklich, Lösungen von 1 :lO,000 leistet» durchschmtt ich
dasselbe was Lösungen des Chinin von 1 : 1000 bewirken, nämlich
tödten in 3—4 Minuten. Sogar Lösungen von 1 : 50.000 erwtesen
sich bei einigen dieser Körper noch wirksam.
Durch den Eintritt des Phenyls in das Chinolin ist also
dessen Wirkung auf Paramaccien ganz erheblich gesteigert worden.
Die Eingangs aufgeworfene Frage nach den Beziehungen zwischen
der Constitution des Chinins und seiner Wirkung auf Infusorien
dürfte daher wold bis auf Weiteres in folgender Weise zu be¬
antworten sein: . .
Die Wirkung geht zum Theil von der nn Moleküle enthaltenen
Chiuolingruppe aus. Der an ihr in y- Stellung hängende Atom-
complex vermag dieselbe unter Umständen wesentlich zu verstärken.
(Jan/, losgelöst und in ein Pyridinderivat übergeführt (als Meroehincn)
ist er wirkungslos, in der noch unbekannten Form, wie er sich im
Chinin befindet, verstärkt er die Wirkung erheblich, zur Phenyl¬
gruppe zusammengeschlossen (als j'-Phenylchinolin), tthertrifft er die
Wirkung des Chinins um das Zehnfache.
Die bei den Untersuchungen (Jrethe’s gemachte Erfahrung,
dass der aus fünf Kohlenstoff- und einem Stickstoffatom bestehende
Ring (als Pyridin) wirkungslos ist, nach Condeiisation mit einem
Benzolkern (als Chinolin) hingegen Wirkung zeigt, welche durch
Eintritt eines Phenyls noch erheblich gesteigert wird, legte es nahe,
auch Verbindungen zu untersuchen, in denen die Condensation mit
Benzolkernen noch einen höheren Grad erreicht hat. Eine der¬
artige Verbindung ist die Amidoverbindung des Phenylacridins,
ein schöner gelber Farbstoff, der unter dem Namen Phosphin in
den Haudel kommt:
c e H, (NH.)
H I H
/ C \/ C \/ C \
HC
CH
HC C <
V/\,/\ c /
Ich verwandte zunächst das Phosphin des Handels und später
zwei neue Phosphinc (Methyl- und Dimethylphosphin), welche mir
von den Farbwerken in Höchst a/M. zugesandt worden waren. 6)
Die Wirkung dieser Phosphinc auf Paramaccien ist eine ganz
erstaunliche. Meines Wissens ist keine organische Substanz bekannt,
die auf belebte Wesen auch nur annähernd in diesem Grade wirkte.
Eine Lösung dieser Mittel im Verhältnisse von 1:1000, mithin
nach der Mischung mit dem gleich grossen Tropfen des Infusorien¬
aufgusses eine Verdünnung von 1 : 2000 tödtet die Thierchen unter
starker Gelbfärbung noch so schnell, dass man sehr rasch arbeiten
muss, um unter dem Mikroskop noch eines derselben in schwacher
6 ; Die folgenden Untersuchungen sind inzwischen ausführlich
erschienen unter dem Titel H. Tappeiner „Ueber die Wirkung
der Pheuylchinoline und Phospbine auf niedere Organismen.“
Deutsch. Archiv f. klin Medicin Bd. LVI 8. 869.
Bewegung zu finden. In einer Verdünnung von 1 : 20.000 ist der
Tod in durchschnittlich etwa einer Minute ei »getreten und selbst
Zusätze von 1:500,000, also eine Verdünnung von 1: 1,«00,000,
erweisen sich nach einigen Stunden als sicher tödlich. Auf den
S tand der Bewegungen folgt in allen Fällen früher oder später
der vollständige Zerfall. Erst bei noch grösserer Verdünnung wird
die Wirkung unsicher. Ein Zusatz von 1 :1,000,000 tödtet nach
2—5 Stunden zwar noch die Mehrzahl der Paramaccien, doch
sieht man einzelne bisweilen »och nach 24 Munden sich bewegen.
Bei Zusatz von 1:1,500,000 bleibt die Mehrzahl innerhalb 24 Kunden
„och am Leben; Zusätze von 1:2,000,000, also \ erdün,.ungen
von 1:4,000,000 endlich lassen auch nach 24 Munden keinen
bemerkbaren Einfluss erkennen.
Von besonderem Interesse schien mir nun weiter die frage
zu sein, ob die Uebereinstimuiniig im Verhalten dos Chinins und
der Pheuylchinoline und Phosphinc sich blos auf Infusorien (lara-
maecien)'erstreckt, oder auch für andere niedere Organismen Ge-
tung hat. Ausser auf einige andere noch zur Klasse der eigent¬
lichen Infusorien (Ciliatac) gehörigen Tlncre fand Bin z das
('hinin auch von hervorragender Wirksamkeit bei Rhizopoden
(Auioeba difflucns und Actinophrys Eichhorn»), ferner Kruken-
borg bei den Strudelwürmern (Polycelis); während eigentliche
Gähningsorgaiiismen (Bakterien, Hefepilze) nach verschiedenen I n£r-
suchern sich viel resistenter gegen dieses Alkaloid verhalten. Bei¬
spielsweise wird die Verwährung des Traubenzuckers durch Hefe
seihst durch einen Zusatz von Chinin im Whältins von 1 . 500
noch nicht völlig unterdrückt (Buchheim, Liebig); die Hemmung
der Buttersäuregährung durch Chinin erfordert einen Zusatz von
1 • 360 (Binz). Das Wachstlnmi von Milzbrand durch Uiinin
wird erst bei einer Coi.eentration von I : G25 vollständig verhindert
(R. Koch). . , .
Die Pheuylchinoline und Phosphinc wirken nun in er u
auf diese Organismen, dem Chinin ganz analog. Amöben wurden
durch Zusätze dieser Substanzen im Verhältnis» von 1 100
häufig sofort zu Erstarrung und körnigen Zerfall gebracht, ‘-elbs
Zusätze von 1 : 10,000 — 1 :50,000 bewirkten nach einiger Zeit
das Einzieheii der Fortsätze zur Kngelforui und den Eintritt der
Nekrose. Noch empfindlicher zeigte sieh der Strudelwurm, 1 lauana
torva, welel.cn ich an Stelle der mir nicht zur Verfügung stehenden
Polycelis von Krukeuberg untersuchte. Bringt man denselben
in eine Lösung von salzsaurem Chinin in Brunnenwasser im er
hältniss von 1:10,000, so hören seine Ortsbeweguugen sofort aut
und nach etwa '/* Stunde beginnt sein Gewebe m faserig-sclile»
migen Flocken sich abzulösen. Verdünnungen von 1 • ICO,
bewirken nach 1—2 Stunden dasselbe. Gewöhnlich noch stärkere
Wirkung hatten die y-Phenylchinoline, die in gleicher \\ eise als
salzsaurc Lösungen in Brunnenwasser untersucht wurden. ‘- ,e
wurden auch hier noch weit übertroffeu durch die Phosphine,
welche noch in Verdünnungen von 1:500,000 starke ’ r " u ”?
zeigten. Relativ gering hingegen war die M irkung der I enj
chinoline und Phosphinc auf Gälirungsorganismen. Zusätze von
1:1000 vermochten die alkoholische Gährung des Traubenzuc’ors,
die Buttersäuregährung und die ainuioiiiakalisehe Harngährung woi
zu verzögern, aber nicht völlig zu hemmen.
Ich gehe nun auf die Bedeutung über, welche die voraus-
gegangeneu Befunde vielleicht in therapeutischer Hinsicht gewinnen
können. Sehliesst man sich der von Binz bereits in seiner erste»
Mittheilung hervorgehobenen und in späteren Puhlicatiouen aus U r
licher dargelegten Ansicht an, woruaeh die so auffällige V irkung es
Chinins auf viele niedere Organismen für weiterreichende fragen
über das Wesen der Intermittens und den Vorgang ihrer ei uug
grosse Bedeutung zu erlangen geeignet sei, so könnte wohl erw
werden, dass die für dieselben Arten von Organismen 1D u< *^!
stärkerem Grade giftigen Phenylchinoline und Phosphine auc 1
den Malariaparasiten Entsprechendes zu leisten vermöchten, voraus
gesetzt, dass deren sonstige Wirkungen ihrer Anwendung am
Krankenbette kein Hinderniss entgegenstellen.
Diese Voraussetzung zeigt sich nach Untersuchungen ü r
die Wirkungen dieser Körper an höheren Thieren, welc e err
cand. med. Fürbringer übernommen hat, als zutreffend.
Von den y-Phenylchinolinen wurde das y-Phenylchinaldin un r
sucht, welches von den Farbwerken in Höchst a/M. für ® 8en
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7. Januar 1896.
Zwock in ausreichender Menge dargestellt worden war. Dasselbe
kam als salzsaures Salz, das iut Wasser leicht löslich ist zur
Anwendung. Ks hat einen brennenden, scharfen Geschmack ähnlich
wie Pfeffer, und w irkt örtlich in grösseren Concentrationen reizend
und entzündungserregend. Um zu entscheiden, ob etwa schon
diese Eigenschaften für die therapeutische Anwendung ein Hinderniss
setzten, wurden vergleichende Versuche mit dem bekannten Arznei
mittel Orexin, das man nach seiner stoinachalen Wirkung den
scharfen Gewürzen (Acria) beizählen kann, an der Bindehaut des
Auges von Kaninchen angestellt. Die Gefässinjectiou und Kecrction
welche auf d.e Einträufelung gleich concentrirter Lösungen beider
Stoffe erfolgte, war beim Orexin immer erheblich stärker als beim
Phenylcbinaldiii. Kesorptiv zeigte sich die Substanz nur'Wen ei
giftig Selbst eine innerliche Gabe von 1,0 pro Kilo Körner
gewicht erzeugte bei Kaninchen im Wesentlichen nichts als eine
kurz andauernde Beschleunigung der Respiration (auf 120 v Min 1
und eine etwas anhaltendere Temperatursenkung (um 1 — 1 i/’ o (- \
Wirksamer erwiesen sich subeutan beigebrachtc Gaben von 0 2—0 4
r, •** <*• Hespirationsfroguenz bis
auf 200 und betrug die femperatursenkung 2—8° C Auf die
durch den .sogenannten Wärmestich erhöhte Körpertemperatur von
Kaninchen und auf die durch Injectkm mit den Kokken des
.Vhweiuerothlaufs be, denselben Thieren erzeugte Fiebertemperatur
aneu subcutane Gabe,, von 0,25-0,83 pro Kilo entweder "nr
keinen oder mir „„bedeutenden Einfluss (Senkung um einige Zehnte
i cs Grades,. D,e Dosis, welche bei Meerschweinchen brf mb
;Är ä
MethvInWnl' • K ? dcr Substa » z ™ > besonders aber «ies
- tMphospl.„, s erzeugten bei Meerschweinchen tetanische Krämpfe,
jgggEgLM glCMISCHE W OCHEXSnm,^
l7VI - ,8VI - W -VJ. 20.Vf. 21.VI. 22.VI. 23.Vf.
£ stuHdo^ich - -
führt™. C ' r' dc " T “ 1 herbei.
bl:! o " t.ti,- w ȟb.
lähmung. Bei Methvlnhosnhi» r 7- Atlnuungs- und Herz-
»ocli höher. Bei Kaninchen * '° g < * Ie8C *' >08,S wabrKC heinlich
o,4 u^^jsr ;x n r ""r ,,hi " r*
als eine stark bc.schlenni.rt.. v,i g ’• , 1 »c'incrkenswerthos
°’ IS ..- i'i.d"ltaShZ„“
»ur um einige Zehntel erniedrigt. Körpergewicht
& ** lOienylehiiialdiM und
äs.* •
wiikung ])t ; r gte , Sich kci,, ° sid,er erkennbare Ein-
. ® angewandten Dosen waren aber d-untlu ■ 1
s.chtig gewählt, 0.1-0,2 der salzsauren Verbindung in Oblaten"'
ft, nZwi t° n h r tC UUf ^ K,illik v
J "" ,g du if S Kör,,Crs ,,ei verschiedene» Personen ergeben
J .el grössere Dosen 0,6-0,8 ertragen wurden, ohne 1’
torung zu verursachen; selbst Uebelkeit und Erbrechen waren
z: t: i a :f: re >: de Pwl ^- in *** d — z 2 z
alle von Interimttens tertiana, der in, verflossenen Sommer auf
Dosen ? ™\r ^ f ' Ull ;' ,le kam7) ’ gl0icI ' von vornherein grössere
77 "' Herr Pri vatdocamt Dr. Rieder
XhiehteTo P P f : , 0i "°" Auhzu « »«* ‘Kt Kranken-
gtschichte dieses I alles für mich zusammenzustellen.
21 VI. 25 Vf 9,1 VI 07 in „j
3.VII.
°.8 Phenylchinaldin 0.8 Phenylcliinaldin
in DeutedilaniJ^davo^seit 8, /2 I J^hrp f «? r0 . alt > Iebt 8eit 5 Jahr en
behauptet, bisher nie krank Mu . nchen - Patient, welcher
9.> Plötzlich unter starken 8 Fr^ n “ 8e ‘ n ' u erkrankte am G. Juni
W. Juni der dritte derartige aXi 7 Fleber 'Anfällen. Als am
Krankenhaus Hier wurde be £ ab 81ch 1>atient ins
Plasmodien die Diagnose MaS Untersuchung des Blutes auf
12 -> M., 16., 18. und 20 Toni / • 8che , r S e ?ellt. Nachdem am 10,
^«gekommen warenVhieU P^ 11 ! Malaria -Anfälle zur Beobacli-
Phcnylchmaldin. Sdem fL ^ * a “ , 21 ' Abends 8 Uhr 0,8 g
' lch . en Ze >t unter Schüttelfrost ein^it^ am 22 ‘ Juni zur gewöhn¬
et mehr d;e frühere Hohe ie a , Temperatur erreichte jedoch
dcs T “ges bestand grosse MattS W 16 T . emperatur 39 > 8 ° C - Während
secretion. i~ gros . se .-'tattigkeit und auffallend o„i.
0.8 Phenylchinaldiu.
a u,i
t Erbrechen ein; die'übnVerTs AT re,, ' nui ‘g üer ersten 4 Pulver
deswegen, weil Patient schhfeW ? ' vurden beha 'ten - wohl
Temperatur*teigerung trat f Cogna ° zu sich nahm - Die
JKfns 8 Ohr den !ljn n f p- ° hne Frost eil1 dauerte bis
iS ’ r UCh be8tand im GegensaiW z n f S ,Iief den 8 rÖ8Sten TI,eil der
Kopfschmerz, Am 24 rcn Anfälleu nur massiger
hoher auffallend gering ejhÄhfl“ a K k l e,t8 « efül >» im Vergleich zu
V ,' 1 " 2a. Jn n i „ .® b J kei ? e besondere Schweisssecretiou.
Mo? e N rdchte die TempemS ™?i keiU Med,kamen t- Während der
JKcns). Eb bestand kein Ä ge ,- Un ^ 1,ur 38 ’ 8 ° C - < um 2 Uhr
anVr« a " 8 der Temperaturkifrv?’ die Temperatur fiel sehr rasch
? ^se etwas zurückgSan ZI ^7 ' 1St Die Milzdämpfung
PK??, erhi elt Patient?^ 8 ?’ v ? n 33 : 16 auf 28 */*: 18 cm. Am
NachDMrefehn wl8der Q 4maI Je 0,2 g salzsaures
aD f. trotzdem keS FVo «? A 3 f U n d 4 ‘ Pulvers trat »fort
8 chwS arSteigerUD g (38 0 ° C\ w A “ al BOudera nur geringe
Am? 1 ’ 0 “' l > Während der Nacht nur geringe
S h £?' 8ariJd “n fieb?rfrer e n S? 1 ziem,ich wohl - er war wie
ein diesem Tage eeeen ,^ en , aa ®8 er Bett, ebenso am 29;
’ elch ® »ich indessen S Patfrn n^ 1 ® ^mperatursteigerung
Patienten nicht besonders fühlbar
k ä n ir rmeh «° Schweisssecretion, kein Kopf-
scnmei /. während der Nacht vom 29. auf 30. Juni
a™ f°' T J ^ n i War Patieut ausser Bett und subjectiv wohl.
\nna„c ?v, Ir k ^ s P° ,ltan u ‘iter starkem Frostgefühl um 12 Uhr
- Iittags erhebliche Temperatursteigerung auf, welche um 3 Uhr Nach¬
mittags ihren Höhepunkt mit 39,5° C erreichte
und 'hohes' lieber zu b^baStem ^ ^
2 P,ik!r i oi" er ? Clt Pat l e L nt um 4 ' 5 > 6 - 7 Uhr Nachmittags je
auf Patient ’?h,?f T Ure6 ^^biuMdin. Es trat kein Erbrechen
ü TT?, m 1 f die Nacht über gut, doch trat schon um
b Uhr Morgens Frostgefühl auf.
• n ^ m U : Juli er hielt Patient um 12 Uhr, 1 Uhr, 2 Uhr Mittags
je 0,4 k salzsaures Phenylchinaldin, ebenso am 13. Morgens um 2
?? T ? hr d *eselbe Dosis, ohne dass eine erhebliche Beeinflussung
Tempemurabfall) U beobacl,tcn war («bgwwhen von einem rascheren
Q , A, "i. 16 ' J i? 1 ‘ * rat ; K a,u . abweichend von dem tertiunen Typus,
abermahger Frostanfrll mit erheblicher Temperatursteigerung' imd
nachfolgendem SchweiBsausbrnche auf. In der darauffolgenden Nacht
7° P Ll Ul !l 1? - erhl c C 1 ’ atiel,t zwei Mal J' e 0,-» g Chinin in einem
Zeitraum von einer Stunde.
Am 17. Juli wieder regulärer Fieboranfnll, doch erreichte die
n“ ,Ch v- , mt ‘ hr die frÜhere Höhe khöchste Temperatur
■ *1- U D ü s Fie ' er trat Zl,,n ersten Male seit langer Zeit ohne
eigentliches Frostgefühl auf, Schweissausbruch erfolgte erst xN'ach-
mittags, aber dann sehr profus.
. Am 18. Juli blieb der Patient fieberfrei, in der Nacht vom 18
auf 19. erhielt er um 12 und 11 Uhr wieder zwei Mal je 0 5 g
Ghnunum munaticum.
i • Juli blieb der Fieberanfall aus, vom 20. auf 21. Juli
erhielt Patient nochmals Chinin, von da ab war gar kein Ansteigen
der Temperatur mehr zu beobachten. Indem Patient von nun an täglich
2 mal je 0 5 Chinin erhielt, erfolgte rasche Abnahme der Milzdämpfung
und am 2. August 1895 Entlassung aus dem Krankenhause."
7 ) Diesem Vortrage nachträglich beigefügt.
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4
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Der vorliegende Fall nebst dessen bis zum 4. Juli wieder¬
gegebenen Temperaturcurve zeigen, dass Gaben von 0 8 salzsaurem
y-Phenylchinaldins nicht blos den ersten auf sie folgenden Fieber¬
anfall bedeuteud an Stärke und Ausdehnung reducirten, sondern
auch den zweiten nur mehr rudimentär zum Ausbruch kommen
Hessen.
Eine vollständige, dauernde Aufhebung des Fiebers aber kam
nicht zu Staude. Die Anfälle steigerten sich wieder und erreichten
bald die frühere Höhe. Dies konnte indess nicht befremden,
denn es ereignet sich häufig genug auch nach der Darreichung
von Chinin, wenn dieselbe nicht einige Zeit fortgesetzt wird.
Die Wiederkehr des Fiebers konnte sogar als willkommener Beweis
dafür angesehen werden, dass es sieh bei dem nach Darreichung
von Pheuylchinaldin erfolgten Abfall nicht um ein zufälliges zeit¬
liches Zusammentreffen gehandelt habe. Um so überraschender
war es daher zu sehen, dass dieses Mittel bei der neuen Dar¬
reichung fast völlig versagte, obwohl es diesmal in noch grösseren
Dosen zur Anwendung kam.
Die erste Gabe (8. Juli) war vielleicht zu frühe genommen
worden, für die Erfolglosigkeit der späteren aber lässt sich ein
Grund um so weniger angeben, als das Chinin sich nachher von
sehr prompter Wirkung zeigte.
Ein endgültiges Urtheil über den therapeutischen Worth
Phenylchinoline wird sich erst nach weiteren Versuchen, welche
sich auch auf die Phosphine und auf andere parasitäre Krank¬
heiten nicht bakteriellen Ursprungs auszudehnen haben werden,
bilden lassen. Bezüglich der Darreichung letzterer Substanzen
bemerke ich noch, dass das salzsaure Methylphosphin in Oblaten¬
kapseln zu 0-4 pro dosi nach einigen Versuchen auf der Klinik
Geheimrath von Zjiemsscn’s gut ertragen wurde. Erfahr¬
ungen über das Dimethylphosphin stehen noch aus. Das Phosphin
des Handels wurde auf der Klinik von Dujardin -Beaumetz
1888 in Gaben von 0 75 bei Tremor, Epilepsie und Hysterie
mit angeblich günstigem Erfolge angewandt, erzeugten indess
nicht selten Erbrechen und Herzstörungen. Da die Phosphine
auf die meisten früher genannten niederen Thiere in bedeutend
stärkerem Grade cinwirken als das Chinin, müsste sich eine
Wirkung auf .Malariaparasiten schon nach den angegebenen niederen
Dosen sicher erkennen lassen.
Aus der Königlichen Universitäts-Frauenklinik zu Kiel.
Ueber die Geburt bei Hydromeningo- und Hydren
cephalocele. (.Mit einer Abbildung.)
Von Dr. M. Johansen, Assistenzarzt.
Im Anschluss an eine vor kürzerer Zeit in der Königlichen
I nivorsitüts-Frauenklinik zu Kiel erfolgte Geburt eines Kindes
mit außergewöhnlich grosser Hydromeningoeele in Stirnlage, die
durch ihren Mechanismus und Verlauf auch manches Interessante
bot, suchte ich in der Litteratur nach ähnlichen Fällen und fand
in der mir zu Gebote stehenden auffälliger Weise über Geburts-
mechauisinus und Verlauf bei herniösen Tumoren des Schädels
ausserordentlich .spärliche Angaben. während diese Missbildungen
von pathologisch-anatomischen und chirurgischen Gesichtspunkten
häufig und eingehend behandelt sind (efr. Ahlfeld J ), Raab*).
Spring 8 ), Förster 4 ), Talko 5 ).
Unsere meisten geburtshilflichen Lehrbücher erwähnen diese
Missbildung weder in dem Uapitel der Geburtsstörungen, noch
finden wir sie unter den ätiologischen Momenten anormaler Lagen
oder Stellungen der Frucht. Küstner bespricht sie in dem
Handbuch von Müller 8 ) mit folgenden kurzen und allgemein
gehaltenen Worten: «Nicht selten werden Vergrösserungen der
Oberfläche des Fötus nicht durch Organerkrankungen, sondern
durch Missbildungen in strengerem Sinne des Wortes erzeugt.
In den meisten Fällen handelt es sich entweder um Hydrencephalo-
celen oder Hydrorrhachissäcke, deren Prädilektionssitz die Hala¬
mid Lendenwirbclsäulc ist und wo sie mitunter zu einem enormen
Tumor answachsen können, oder es sind fötale Inklusionen etc.
Die Hydrencephalocelcn und Hydrorrhachissäcke sind mitunter so
schlaff, dass sie selbst bei bedeutendem Umfang die Geburtswege
intakt passiren können. Anderenfalls können sie ein temporäres
Goburtshinderniss abgeben. Mitunter platzt dann der Sack spontan.
Selten ist, dass das Geburtshindcrniss ernsthafter Natur wird.
Die Diagnose kann dann recht schwierig sein, sie kann zwischen
den Möglichkeiten Doppelfrucht und all den verschiedenen, an
dem Kindsrunipfc vorkommenden Tumoren zu entscheiden haben.
Im gedachten Falle würde die Fluktuation der Geschwulst die
Zweckmässigkeit und Nothwendigkeit der Punktion uahelegeu».
Etwas eingehender beschäftigt sieh v. Winckel*) in seinem
Lehrbuch der Geburtshilfe mit ihnen, aber ebenfalls nur insofern
sie tciniioräre Geburtshindernisse bilden. Ihm sind im Ganzen
4 Fälle aus der Litteratur bekannt, in denen eine Ilydrouieningo-
celc resp. Hydrenccphalocele eine Geburtsstörung verursachte.
Doch sagt er: „Die Geschwulst kann die Lage und Stel¬
lung des Kindes fehlerhaft machen, kann mit der Blase einer
zweiten Frucht verwechselt werden , ferner mit einer Geschwulst
der Gebärmutter oder des Beckens, weil ihr Zusammenhang mit
dem Schädel oft nur an einer kleinen Stelle und sehr beweglich
ist; sic kann sogar doppelt sein. Und etwas weiter unten: Ist
der Tumor sehr gross, so wird der Kopf des Kindes nicht ganz
Platz über dem orificium internum haben, daher leichtes Ab¬
weichen und eine Steißlage sieh ausbildcn. So war cs z. B. in
dem von Breslau beobachteten Falle.“
Die Monographien , die sieh mit der Aetiologie anormaler
Kindslagen speciell der Stirn- und Gesichtslagen beschäftigen
A h Ifold, 8 ) v. Weiss, 9 ) Walter, 10 ) Kamm,“) Schatz, 1 *)
Wullatein, 18 ) II einr ici us * 4 )] erwähnen alle die herniösen Ge¬
schwülste des Schädels nicht als ursächliches Moment. Nur
5 t e i n büchel,* *) der unter dem Material der Wiener Klinik
zwei Fülle von Gesichtslage in Folge von Encephalocelc posterior
aufführt, sagt darüber Folgendes: „Dass eine bedeutende Ver¬
längerung des Hinterhauptes, somit auch des sonst kürzeren
Hebelarmes ein Hängenbleiben, des Ocoiputs und in Folge dessen
die Deflexion des Kopfes mit sich bringen muss, ist einleuchtend.
Dies wurde auch in zwei Fällen beobachtet. Beide Male handelte
es sieh um eine apfelgrosse Encephaloccle, welche ihren Ausgang
von der kleinen Fontanelle genommen, hatte und das Hinterhaupt
um dieses bedeutende Stück verlängerte.“
Weitere Angaben über den Gcburtsmeehanismus habe ich in
der mir zu Gebote stehenden Literatur nicht finden können.
Und doch sollte man a priori annehmen, dass eine derartige Volum-
nnd Form Veränderung des Kopfes, wie sie durch die herniösen
Geschwülste in sehr vielen Fällen hervorgerufen werden, die Lage
der Frucht in dem Geburtsmechanismus nicht unwesentlich be¬
einflussen müssen. In der That dürfte die beifolgende Tabelle,
die die sümmtlichen Fälle derartiger Missbildungen, l>ci denen sich
eine Angabe über Lage der Kinder und Geburtsverlauf fand, aus
der mir zu Gebote stehenden Litteratur enthält, die obige An¬
nahme vollauf bestätigen.
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T. J^ma r 189G. _ MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHKNSCHHIKT.
so.| Aator
i
Para?
Becken
Lage
des Kinde
B Verlauf der Geburt
Anatomische Verliältnisse
der Geschwulst
Ausgang
für das Kind
5
Diagnose ?
]. M. Chassins
Herrgott. 16
Desmaladie
foetales et«
Paris 1878
t
s
Kopflage
mit voran
gehender
Geschwuls
Spontaner leichter Ve
lauf.
r- Elliptischer fluktuierender Tumor
Durchmesser 13:9:9 mit einem
ca. 7 cm breiten Stiel von de
Mitte des os occipit. entsprin
gend bis zum 2. Rückenwirbe
reichend. Inhalt: seröse Flüssig
un< * Hirnsubstanz.
(Hydrencephalocele posterior).
Reifes, im übrigen
normal gebildetes
Kind. Exitus nach
3 Tagen.
•
wurde erst
gestellt, nach¬
dem es mög¬
lich war, den
Kopf zu
touchiren.
. ta.B.Ayres. 1
Schmidts
Jahrbücher
Bd.89.p 312
7 ) 32jfthrige V j
Kopflage
mit voran¬
gehender
Geschwulst
Dio Geschwulst trat nacl
dem Blasen s prunge in'
Becken ein und, da die Ge
burt stockte, und man ar
eine neue 2. Fruchtblas«
j dachte, punktirt Darau
spontaner Verlauf.
10 cm langer dem os occip. auf
sitzender Tumor. Oeffnung in der
Mitte des os occip. 3 :4 cm In¬
halt : seröse Flüssigkeit und ein
konisch geformtes Stück Gehirn.
(Hydrencephalocele posterior).
Reifes Kind. Der
punktirte Sack füllte
sich allmählig wieder
mit seröser Flüssig¬
keit. Tod am 20. Tag.
nach der Ge¬
burt gestellt.
8
v. Stein¬
büchel. 16 )
lieber Ge¬
sichts- and
Stirnlagen.
Fall Nr. 88.
24jährige Ip
I. Gesichts¬
lago.
Dauer der Geburt bis zur
völligen Erweiterung des
Muttermundes 43,?» Std
Dauer der Austreibungs
Periode 1,6Std. Spontan
gebürt. Gesicht quer¬
stehend ausgetreten.
Apfelgrosse Encephalocele in der
Gegend der kleinen Fontanelle.
(Encephalocele posterior).
Reifer Knabe, Tod
am 5. Tage infolge
der Encephalocele.
4.
1 v. Stein¬
büchel. 16 )
Fall Nr. 230.
31jährige III?
p. 2 ? normale
Geburten.
I. Gesichts¬
lage.
Gesammtdauer der Geburt
12,25 Std. Rotation nor¬
mal. Geburt spontan.
Apfelgrosse Hydrencephalocele in
derGegend der kleinenFontanelle.
(Hydrencephalocele posterior).
Unreifes Mädchen.
2700 gr., 48 cm. Tod
unter der Geburt.
5.
ÜAberlein. 18 )
V p. Becken
normal.
II. Gesichts¬
lage,
Geburtsstockung nach 16-
stündiger Dauer. Blase ge¬
sprungen. Mm. verstri¬
chen. Fötus lebend. Wehen
schlecht. Auf Secale lang¬
sames Tiefertreten; nach
3 Stunden wegen Erschöpf¬
ung und drohender Stock¬
ung, Forceps. Entwick¬
lung ohne besondere
Schwierigkeit.
Am os occip. eine 1 '/2 Pfund
schwere Geschwulst von etwa
doppeltem Volumen des Kopfes
mit 5 cm breitem und kurzem
Stiel. Geschwulst von schwappen¬
der Consistenz, bläulich durch-
schimmemd, haarlos. Bruchpforte
entspricht der kleinen Fontanelle,
fast Markstückgross. Inhalt: se¬
röse Flüssigkeit und Gehimsub-
stanz.
(Hydrencephalocele posterior).
Kind reif, schreit
kräftig. Kopf auf¬
fallend klein, Ge¬
sicht gross, Stirn
niedrig. Am 4. Tage
periphere Excoria-
tionen, am 6. Tage
Punktion. Exitus
nach 4 Std.
- I
A. Voss ’ 9 )
43jährige I p.
Becken
geräumig.
II. Gesichts¬
lage.
Spontanes Tiefertreten des
Kopfes bis zum Becken¬
ausgang. Wegen Erschöpf¬
ung der Kreissenden For¬
ceps. Entwicklung in 2.
Gesichtslage, Austritt im
queren Durchmesser.
Geldbeutelförmige Geschwulst,
10 cm lang, 2,5 cm breit, der
sutura lambdoidea dextra auf¬
sitzend. Inhalt: serös blutige
Flüssigkeit mit Blutkoagulis und
Hirnpartikelchen untermischt.
Communicationsöffnung 10 Pfen¬
nigstück gross, rund.
(Hydrencephalocele post.)
Wegen doppelseiti¬
ger starker Hydrone
phrose Exenteratio.
Doppelseitige Lip¬
pen - Gaumenspalte.
Kopfumfacgnormal.
Enorme Kürze bei¬
der Arme und Beine.
Ueberzählige Finger
und Zehen. Pedes
vari.
E
Kieler I
'ranenklinik
s. out.
12 jähr. II p.
lecken nor¬
mal. I. Ge-
>urt normal.
I. Stirnlage.
Eröffnungsperiode 9 Std.
3 Std. nach völliger Er¬
weiterung d. Muttermundes
vollste Erschöpfung der
ireissenden bei hochsteh-
sndem Kopf. Forceps.
Entwicklung sehrschwierig.
Sinschneiden des Kopfes
m queren Durchmesser.
JeimDurchschneidenDreh-
mg in den geraden mit
Dotation des Kinnes nach
hinten.
20,5 cm lange Geschwulst von
13 cm Umfang gestielt vom os
occip. entspringend. Inhalt: Blutig-
leröse Flüssigkeit. Communica-
ionsöffnunglOPfennigstück gross
n der Gegend der Protuberantia
occip.
(Hydromeningocele post.I
Eteifes lebendesMäd-
:hen. Kopfmaasse:
lipar. 8, bitemp. 8,
rontoocc 10,5, men-
toocc 12,3.
Vegen drohender
’erforation des Sa-
kes Abtragung des-
elben am 6. Tage.
'Jach 11 Tagen exi-
us unter Erschein-
ngen der Menin¬
gitis
beim Sicht¬
barwerden
es Tumors.
No. |.
II P-
f. Geburt
Hydren- <
ephalocele
tn Uterus
.geplatzt.
Scbieflage.
Vorliegen
es rechten
Ohres.
g
B
d
d
Wendung: Zunächst
eichte Extraktion. Kopf
vird erst in der Scheide
estgehalten. Untersuch -
ng lässt einen von der
löhe des 8cheitels aus-
ehenden Tumor als Ur-
ache erkennen. Herunter-
rflcken derselben durch
ie in den Uterus einge¬
führte Hand?
Doppeltkindskopfgrosse Ge-
chwulst von 51 cm Umfang,
)urchme8ser 21:16 cm mit einem ]
cm breiten kurzen Stiel in der «
hegend der grossen Fontanelle
ntspringend. Inhalt: seröse Flüs-
igkeit und ein Theil der grossen
Hemisphären.
(Hydrencephalocele)
1
'JormalesKind.Stim I
ffenähnlich abge- 1
lattet. Nach 11 Wo¬
llen exitus, nach-
em brandige Zer-
törung und Pe-fo-
ation des Sackes
eingetreten.
ei Entwick-
mg des Ko¬
pfes.
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6
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. l
No
Autor,
Ver¬
öffentlicht?
Para?
Becken
Lage
des Kindes
Verlauf der Geburt
Anatomische Verhältnisse Ausgang
der Geschwulst für das Kind
Diagnose ?
9.
1 Tarnier,
veröffentlicht
im Herrgott
1. c. pag. 127.
J Schulterlage.
1
W e n d u n g. Die eingehen¬
de Hand glaubt über dem
Kopf des Kindes einen
zweiten zu fühlen. Wahr¬
scheinlichkeitsdiagnose :
Zwillinge.
Leichte Entwickelung bis
zum letzten Drittel des
Kopfes. Nach ßehr ener¬
gischem Zuge plötzliches
Austreten des ganzen Ko¬
pfes mit einer über kinds¬
kopfgrossen Geschwulst.
Doppeltkindskopfgrosse, breit ge¬
stielte Geschwulst in der Gegend
der kleinen Fontanelle in weiter
Communication mit dem Schädel-
innern.
Inhalt: seröse Flüssigkeit.
(Hydromeningocele post.)
Reifes Kind, unter
der Geburt abge¬
storben.
Nach der Ge¬
burt.
10 .
Wordsworth
Poole.**)
Multipara mit
mässig ver¬
engtem
Becken. Frü¬
here Gebur¬
ten mittelst
Forceps oder
Wendung.
Querlage.
Versuch der bipolaren Wen¬
dung erfolglos Eingehen
mit der ganzen Hand. Be¬
merken eines kindskopf¬
grossen vom hinteren Kopf¬
umfang gestielt ausgehen¬
den fluktuirenden Tumors.
Wendung durch Herunter¬
holen eines Fusses. Leichte
Entwickelung.
i
Kindskopfgrosse, zwischen den
ossa pariet gestielt sitzende fluk-
tuirende Geschwulst von 36 cm
Umfang, 10 cm Durchmesser.
Inhalt: klare seröse Flüssigkeit.
Aus der Schädelöffnung dringt
eine wallartig prominirende Hirn¬
partie hervor, an deren Seite
man mit dem Finger in den
rechten Ventrikel gelangt.
(Hydrencephalocele)
Reifea Kind mit Lip¬
pen- und linksseiti¬
ger Gaumenspalte,
auffällig kleinen
Augen, exitus nach
2 Tagen unter Con-
vulsionen
bei der Wen¬
dung.
11.?
Vander-
monde. aJ )
Steisslage.
Leichte Geburt des Rum- !
pfes. Der Kopf will nicht ’
ins Becken eintreten. Die
eingehende Hand bemerkt J
einen fluktuirenden Tumor |
in der Gegend der os occip. 1
Punktion. Leichte Ent¬
wickelung.
In der Gegend der kleinen Fon¬
tanelle sitzende grosse fluktu-
irende Geschwulst. Inhalt: seröse
Flüssigkeit. Hirnsubstanz.
(Hydrencephalocele post.)
Leider habe ich nur 11 Fälle mit derartigen Angaben auf¬
finden können. Diese kleine Zahl erklärt sich dadurch, dass, wie
oben erwähnt, fast alle Veröffentlichungen über diese Missbildungen
von Pathologen und Chirurgen gemacht sind, für die nur «las
geborene Kind, nicht die Geburt selbst ein Interesse haben konnte.
Um so auffälliger und beachtenswerter dürfte daher die
Thatsache sein, dass in 9 dieser Fälle eine Anomalie der Lage
der Frucht sich findet. Die beiden übrig bleibenden Fälle (No. I u. 2)
verliefen spontan in Schädellage, weil die Geschwulst zunächst
allein das Becken passirte und dann der Kopf in Schädellage
ungehindert nachfolgen konnte.
Unter den 9 Fällen findet sich 4 mal Gesichtslage (No. 3,
4, 5, 6) 1 mal Stirnlage (No. 7). 2 mal Schieflage (No. 8, 9),
l mal Querlage (No. 10) 1 mal Steisslage (No. 11).
Zu beweisen wäre nun zunächst, dass die herniösen Aus¬
stülpungen in allen Fällen die Ursache der Lageanomalie bildeten.
Bei der Beobachtung der 4 Fälle von Gesichtslage findet sich
bei zweien (No. 5 und 6) die Angabe, dass das Becken normal
resp. geräumig gewesen sei; und in den beiden von v. Stein¬
büchel angeführten Fällen müssen wir ebenfalls normale Becken¬
verhältnisse annehmen, da Anomalieu derselben stets von ihm in
der betreffenden Arbeit besonders bemerkt werden und er selbst
die Gesichtslage auf die Encephalocele zurückführt. Eins von
den vielen übrigen ätiologischen Momenten Ahlfeld's finden wir
ebensowenig notirt; dagegen dürfte die Verlängerung des Hinter¬
hauptes, wie sie durch die in sämmtlichen Fällen am os occip.
entspringende mindestens apfelgrosse Geschwulst hervorgerufen
wird, das Hängenbleiben des Hinterhauptes an der linea innomi-
nata, wodurch sich zunächst eine Deflexion des Kopfes, schliesslich
eine Gesichtslage ausbilden muss, zur Genüge erklärlich und ver¬
ständlich machen.
Beachtenswerth dürfte ferner die in 2 Fällen (No. 4 u. 6)
gemachte Angabe sein, dass das Gesicht im queren Durchmesser
ausgetreten war, ein Mechanismus, der darin seine Erklärung
finden dürfte, dass die Kreuzbeinaushöhlung, in die normaler Weise
das Hinterhaupt bei der schliesslichen Drehung nach hinten ein-
tritt, keinen Raum bot für das durch die ungestielt aufsitzende
Geschwulst enorm verlängerte Occiput; vielmehr musste das vor-
springendc Promontorium jeden medianen Einstellungsversuch
verhindern.
Diesen immerhin noch verhältnissmüssig günstigen Mechanismus
der Gesichtslagengeburt sehen wir jedoch nicht in allen Fällen
von Verlängerung des Hinterhauptes durch eine herniöse Geschwulst
mit Kopfeinstellung sich ausbilden, sondern es wird unter Um¬
ständen der Kopf bereits in einem früheren Stadium der De-
fiexion, in der Stirneinstellung, tixirt und schliesslich in ihr
geboren.
So verlief der vor kürzerer Zeit in der Kieler Universitäts-
Frauenklinik zur Beobachtung gekommene Fall No. 7, den ich
wegen seiner Seltenheit und seines interessanten Geburtsmechanismus
etwas ausführlicher hier folgen lassen möchte.
M. Pet (J.-N. 10261) 22 jähriges Dienstmädchen, 146 cm gross,
gracil gebaut; II p. Im April 1892 war sie in hiesiger Klinik von
einem lebenden, normal gebauten Mädchen entbunden worden.
Geburt erfolgte spontan und leicht Am 2. Juni 1895 wurde sie
abermals in die hiesige Klinik zwecks Entbindung aufgenommen.
Die letzte Regel war Mitte August erfolgt. Schwangerschaft soll
normal verlaufen sein.
Die Untersuchung ergab eine Schwangerschaft am Ende des
10. Monats. Das Kind lag in 2. Schädellage; Kopf noch beweglich
über dem Beckeneingang Beckenmaasse: spin. 24,5, Crist 27,4,
Conj. extr. 19,0, Conj. diag. 12,6. Die Austastung ergab keine
Abnormitäten.
Am 4. Juni 8 h. a. m. Lagerung auf's Kreissbett. Die Wehen
sollen bereits um 12 Uhr Nachts begonnen haben, kurz darauf soll
Fruchtwasser abgegangen sein.
8 h. 30. Aeussere Untersuchung: Leib kugelig auf-
getrieben. Fundus 3 Finger vom proc, ensif., je einen von den
Rippenbögen entfernt. Steiss im Fundus. Rücken nur in der
oberen Hälfte des Uterus rechts fühlbar. Links kleine Theile.
Kopf fest auf dem Beckeneingang fixirt, besonders rechts sehr
deutlich fühlbar. Herztöne rechts etwas oberhalb des Nabels zu hören.
Innere Untersuchung: Mm. handtellergross Cervix ent¬
faltet. Blase gesprungen. In der Führungslinie fühlt man als
tiefsten Punkt des Kopfes die grosse Fontanelle, links Stirn, Orbital¬
ränder, Nasenbein. Pfeilnaht verläuft im queren Durchmesser nach
rechts und oben, ist aber nicht bis zur kleinen Fontanelle abtastbar.
Wehen kräftig.
Um ein Tiefertreten des Hinterhauptes zu erzielen, Lagerung
der Kreissenden auf die rechte Seite.
-Digitized by
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7. Januar 1896-
MÜNCHEN KR, MRDICINISCHE WOG HKNSOH RIFT.
Sn«tj Jgch einer Stande statas idem trotz guter Wehen. Lagerung
auf die linke Seite zur Erzielung einer Gesichtslage.
10 h. 30. Innere Untersuchung Stirn ist tiefer getreten,
- grosse Fontanelle mehr nach rechts gerückt, Stirnnaht verläuft im
der ^ 1. schrägen Durchmesser. Der untersuchende Finger gelangt links
int rorn bis an den Mund.
11 h. 30. Trotz häufiger krampfartiger Wehen ist ein Tiefer¬
treten des Kopfes kaum zu constatiren.
Da ein spontaner Verlauf bei der starken Erschöpfung der
Kreissenden sehr unwahrscheinlich erscheint, die Frequenz der
kindlichen Herztöne Schwankungen zeigt, so wird zur künstlichen
Beendigung mittelst Forceps geschritten. In Chloroformnarkose wird
die .Vägele'sche Zange im 2. schrägen Durchmesser angelegt. Der
Kopf folgt zunächst mit der Tendenz, sich mit dem Kinn nach
vom zu drehen. Bei weiterem Zuge gleitet er jedoch stets trotz
mehrfachen erneuten Anlegens der Zange in den queren Durch¬
messer zurück und kommt schliesslich in diesem bei Tiefstand
—- der Stirn zum Einschneiden. Durch Druck vom Rektum und gleich-
•IV» zeitigem von aussen auf den Fundus geübten Druck, kommt der
ig. Kopf bei der nächsten Wehe zum Durchschneiden. Hierbei erfolgt
zugleich eine Drehung des Kopfes in den geraden Durchmesser,
jedoch in der Weise, dass sich das Gesicht nach dem Damm zukehrt
and unter der Symphyse ein von der Basis des stark abgeschrägten |
Hinterhauptes ausgehender, abgeflachter, zwei Finger breiter Strang j
erscheint. Dann wird der rechte Arm hinten am Damm sichtbar |
and indem sich das Gesicht zum linken Schenkel der Mutter wendet, I
treten die Schultern annähernd im geraden Durchmesser aus. Der
linke, gänzlich in die starke Rückenausbuchtung emporgeschlagene j
Arm wird leicht gelöst und nun wird zugleich mit dem nach rechts
sehenden Rücken eine diesem anliegende von der Hinterhaupts- ,
schuppe entspringende fluktuirende Geschwulst geboren, die dem
Kinde fast bis zum Anus reicht. Das zunächst asphyktische j
Mielchen fängt bald an leise zu schreien, sieht äusserst blass und
schwächlich aus, zeigt im Uebrigen aber die Zeichen der Reife. J
Länge 18 cm. Gewicht mit Sack 4150 g. Der Kopf bietet die .
typische Conßguration der Stirnlage dar, eine sehr stark ausgeprägte
Kopfgeschirulst über beiden Stirnbeinen, das Hinterhaupt stark
abgeflacht Die grosse Fontanelle ißt auffallend weit, die Haut über
ihr etwas vorgewölbt, Pfeilnaht ebenfalls sehr breit, kleine Fontanelle
annähernd normal. I 1 /* cm unterhalb der kleinen Fontanelle hängt,
von der Mitte der Hinterhauptsschuppe breit gestielt entspringend,
eine bis fast an den Anus reichende, schlaff gespannte fluktuirende
,lü Geschwulst in Form eines Chignon über den Rücken herab, (s. Ab¬
bildung j
,u>
| mehrere (mindestens 4) kleine Knoclienspängchen. Die Parietal-
| höcker sind nicht entwickelt. Die Kopfmaasse betragen: bitemp. 8,
i bipariet. 8, front.-occip. 10,5, ment occip. 12,3, cirumfer. 34.
Das Kind sieht ausserordentlich blass und schwächlich aus
und macht nicht den Eindruck der Lebensfähigkeit. Es wird des¬
halb nicht zur sofortigen Abtragung des Sackes geschritten, sondern
die exeoriirten Partien werden mit Borvaselin bedeckt, das Kind
mit Ammenmilch genährt. Da jedoch wider Erwarten der exitus let.
Dicht eintritt und der Zerfall der Sackwandung weiter fortachreitet,
so dass eine Perforation einzutreten droht, so wird am sechsten Tage
der Sack am Stiel mit Silkwormnähten ligiert, darauf abgetrennt
und die Wundränder durch Catgutnaht vereinigt.
11 Tage post operationem tritt der exitus letalis unter menin-
gitischen Symptomen, Exophthalmus, Nystagmus, Convulsionen der
Extremitäten bei gut aussehender Wunde ein.
Präparat: Der Inhalt des Sackes bestand in einer blutig
serösen Flüssigkeit mit zahlreichen weissen und rothen Blut¬
körperchen. Gehirnsubstanz war nicht nachzuweisen. Wir haben
es also hier mit der selteneren Form der hemiöeen Geschwülste
des Schädels zu thun, der Hydromeningocele. Die Wand des Sackes
in der Nähe des Stiels zeigt folgende Struktur. Die äussersten
Schichten zeigen durchaus den Bau der Cutis. Je weiter nach innen,
um so lockerer wird das fibröse Gewebe; eine deutliche Abgrenzung
zwischen Cutis, Dura und Pia ist nicht zu sehen. Die innersten
Partien bestehen aus einem weitmaschigen Netz, ausgefüllt mit
geronnenen (Fibrinmassen und zahlreichen runden, einkernigen
Zellen. Nach innen wird diese Partie bedeckt von einem ein¬
schichtigen zarten platten Endothel.
Autopsie: Gut aussehende 3 ein lange lineare Wunde am
Hinterhaupt. Mangelnde Verknöcherung der Hinterhauptsschuppe.
Das kleine Interparietale ist vom Occipitale sup. durch eine 1 cm
breite Lücke getrennt. Zwischen beiden liegen jederseits 2 .Schalt¬
knöchelchen. Das die sämmtlichen Knochen überkleidende Periost.
zeigt in der Gegend der Protuberantia occip. eine fünfpfennigstück-
grosse Oeffnung. Knochen des Schädeldaches sehr dünn, zeigen an
der Innenfläche starke Impress, digit. Weiche Hirnhäute anämisch
spiegelnd. Abplattung der Hirnwindungen. Ventrikel geschlossen,
stark ausgedehnt durch eitrigen, gelb grünen Inhalt. Dieser die
Todesursache bildende eitrige Hydrocephalus internus dürfte bereits
vor der Operation entstanden sein, indem die grossen exeoriirten
Partien des Sackes die Eingangspforte für die Infection gebildet;
denn es finden sich in mikroskopischen Schnitten in der Wand des
abgetragenen Sackes in der Nähe des Stiels bereits in den lockeren
inneren Gewebsschichten umschriebene zellig infiltrierte Stellen.
Kehren wir jetzt zur Betrachtung des Gehurtsmcchanismus
zurück.
Als Ursache für die Stiriieinstellung ist zweifellos wie in
den 4 Fällen von Gesichtslage das Häugenbleiben des Hinter¬
hauptes an der linea innoininatu in Folge Verlängerung desselben
durch die .Missbildung anzusehen. \Vesshalb aber kam es hier nicht
zur Ausbildung einer Gesichtslage? Warum wurde der Kopf bis
zum Austritt in der .Stiriieinstellung fixirt gehalten V Hier dürften
verschiedene Umstände in Betracht kommen.
Das Kind hat ein wenig ausgebildetes abgeflachtes Hinter¬
haupt, dessen knöcherne Bedeckung obendrein aus mehreren leicht
gegeneinander verschiebbaren Knuchenplättehen bestellt , also in
hohem Grade contigurirbar ist. Ferner entspringt die Hydro-
meningocelo an ihm mit vcrhältnissmüssig schmalem und langem
Stiel und zeigt eine schlaffe Spannung der Wandung, Vorbeding¬
ungen , die bei den in Gesichtslage verlaufenen Fällen nicht vor¬
handen waren. Bei ihnen handelte es sieh im Gegcntheil um
kurzgestielte resp. ungestielte Geschwülste. Während also durch
diese beiden Momente die Möglichkeit der Geburt in Stirnlage
gegeben war, verhinderte andererseits die Grösse der zwischen
Rücken und Uteruswand gelegenen Geschwulst eine so starke An¬
näherung des Hinterhauptes an die Rückenfläche. wie sie zur
Ausbildung einer Gesichtslage nothwendig ist.
® anü. r «n beträgt 2^,5 cm die grösste Circumferenz
' “w Urnf^’ cm ’ wä ' iren< l die stielartige oberste Partie
r g , L hat - P roxim ale Hälfte bedeckt die auf sie
4ule wie» °P f k aut > zunächst noch mit Haaren besetzt; die
Wsirh nn^!- 0888 v , on Epidermis entblösste Partien, zwischen
vereinzelt kleinere Epidermisinseln befinden.
1 r-Stwi' n^ P | ran n^" e < * ea Sac * ceB fühlt man einen fünfpfennig-
i 'ST?) D ? e , feCt irn 09 occ *P- entsprechend der Protu-
wölhi u- 8e Stelle ruft keine Symptome hervor,
** potte FontanBii ^ 61 8tar ker Compression des Sackes deutlich
° nUaeUe vor - An Stelle des os occip. fühlt man
Ein eigentümlicher Mechanismus entwickelte sich schliesslich
noch im Augenblick des Austrittes des noch unter dem rechten
Schambogen zurückgehaltenen Hinterhauptes, indem die Drehung
in den geraden Durchmesser zwar zu Stande kam, aber in der
Weise, dass nicht das Kinn, sondern das Hinterhaupt unter der
Symphyse erschien. Dieser Vorgang erklärt sich damit, dass die
noch in Folge ihrer verhältnissmässig langen Stielung im Uterus
liegende Geschwulst zur Zeit, wo der Schultergürtel in den Becken¬
eingang eiugetrieben wurde, zwischen Rumpf und Wirbelsäule nicht
genügend Raum finden konnte, und desshalb in der Richtung des
geringeren Widerstandes hinter die vordere stark coneave Uteruswand
ausweichen musste. Dadurch musste der Rumpf eine dorso-auteriore
2 *
i
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8
MÜNCHENER MED1CINIS0HE WOCHENSCHRIFT.
Stellung erhalten und durch den zum Hinterhaupt gehenden Stiel J
der Geschwulst dieses nach vorn geleitet werden.
Bei den vier zuletzt in der Tabelle aufgeführten Fällen von |
Schiet'- und Quer- resp. Steisslage bedarf es wohl keines weiteren j
Beweises für die Ursächlichkeit der Missbildung für diese Lagen.
Der in der Tabelle angegebene anatomische Befund und das Fehlen ,
sonstiger ätiologischer Momente für derartige Lageanomalien lassen
keine andere Erklärung zu. Nur in dem von Poole veröffent- j
lichten Falle No. 10 dürfte die anamnestische Angabe, dass bereits ,
vorausgegangene Geburten mittelst Wendung resp. Forceps beendet j
worden waren, es zweifelhaft erscheinen lassen, ob das massig ,
verengte Becken als Ursache und die Geschwulst als weiteres Hülfs-
moment anzuseheu sei oder ob das Umgekehrte anzunehmen ist.
Der Verlauf der Geburt ist entsprechend den sehr mannig¬
faltigen Einstellungen des Fötus und der ausserordentlich schwan- j
kenden Grösse der Geschwulst ein sehr differenter. Selbstver- |
stündlich ist ein sj>ontaner Verlauf viel häufiger als man aus den j
in der Tabelle zusammengestellten Fällen schliessen darf. So ver¬
laufen sicher viele Fälle, in denen die Hernie, mag sie nun in
der Gegend des Hinterhauptes oder an der Stirn sitzen , eine ge¬
wisse Grösse nicht überschreitet, s|>ontan; dies werden meistens
Fälle von reiner Kneephalocele sein. Ferner die Fälle, in denen
die Hernie zwar Kindskopfgrösse erreicht, aber die Einstellung
eine derartige ist, dass die Geschwulst zunächst allein in’s Becken
tritt, und dann der Fötus in Schädellage folgt, oder in denen I
eine Beckenendlage sieh ausgebildet hat.
Auch die Gesichtslagcn können, falls die Geschwulst eine be¬
stimmte Grösse nicht überschreitet, s]K>ntan verlaufen, wie die
beiden Fälle von v. Steinbüchel zeigen. Dagegen werden sie '
wohl regelmässig eine abnorm lange Dauer der Geburt und in
vielen Fällen eine Geburtsstockung herbeiführen, sei cs nun, dass I
die Kräfte der Kreissenden nicht ausreichen, um den in so un¬
günstiger Lage befindlichen Fötus zugleich mit der Geschwulst
durch den Geburtsschlauch zu treiben, sei es, dass dieses über¬
haupt eine absolute Unmöglichkeit ist, in Folge Grösse und praller
Füllung des Sackes.
Literatur-Verzeichnis 8.
1. Ahlfeld. Die Missbildungen des Menschen. Leipzig. 1881.
2. Raab. Wiener medicinische Wochenschrift. 1876. No. 11, 12,13.
3. Spring. Monographie de la hernie du cerveau et de quelques
14sions voisines. Bruxelles 1853.
4. Förster. Die Missbildungen des Menschen. Jena 1865.
b. Tal ko. Ueber angeborene Hirnhernien. Virchow’s, Archiv. Bd.f>0. ,
6. Müller. Handbuch der Geburtshülfe Stuttgart 1889.
7. v. Winckel. Lehrbuch der Geburtshülfe. Leipzig 1893.
8. Ahlfeld. Die Entstehung der Stirn - und Gesichtslagen. :
Leipzig 1873.
9. v. Weiss. Zur Behandlung der Stirn- und Gesichtslagen.
Sammlung klinischer Vorträge von Volkmann. No. 74.
10. Walter. Die Stirn- und Vorderhauptlage. Inaug.-Dissertation.
Berlin 1892.
11. Kamm. Beitrag zur Lehre von den Gesichtslagen. Inaug.-Diss.
Breslau 1879.
12. 8chatz. Die Aetiologie der Gesichtslagen. Arch. f. Gynaec.
Band 27. 1886.
13. Wullstein. Die Gesichtslage. Inaug.-Diss. Berlin 1891.
14. Heinricius. Accouchements par le front. Nouvelle Archiv
d'obstetrique et de gyn4cologie. 18, s 5.
15. v. Steinbüchel. Ueber Gesichts- und Stirnlagen. Wien 1894.
16. Herrgott. Des maladies foetales qui peuvent faire obstacle
ä l'accouchement. Paris 1878.
17. H. B Ayres. Schmidts Jahrbücher. Bd. 99, p. 312.
18. Häberlein. Zeitschrift für Wundärzte und Geburtshülfe.
Bd 17, 3.
19. A. Vo8 b. Monatsschrift für Geburtskuude und Frauenkrank¬
heiten. Bd. 27, pag. 15.
20. Beneke. Archiv des Vereins für wissenschaftliche Heilkunde.
1864, No. 2, pag. 169.
21. Wordsworth Poole. Obstretical transactions t. XIX. p. 268,
1878.
22. Vandermonde. Recueil päriodique d'observations. Bd. XXVI,
p. 74, citirt von Herrgott. 1. c.
Die Punction des Hydrocephalus. 1 )
(Zwei Fälle von geheiltem Hydrocephalus.)
Von Dr. Fr. Schilling.
Die Operation des Wasserkopfes ist schon von vielen Seiten
und zu allen Zeiten gemacht und wegen der erzielten ungünstigen
Resultate immer wieder verlassen worden.
Heu och sagt: „leb halte den Hydrocephalus chron. ventri
eulorum, sobald er eine bedeutende Voluiusvermehrung des Kopfes
bewirkt hat, immer für unheilbar“. — Er hat iu 5 Fällen 4
Punction vor genommen, auch mit nachfolgender Jodinjectiun
(1 tinctur. auf 50 aqua) ohne jeglichen Erfolg.
Gleichen Ansichten und Resultaten begegnet man fast i*i
allen anderen Autoren; .Manche schweigen sich Uber die Operation
ganz aus.
Xuijens stellt aus der Literatur 37 operative Fälle zu -1
sammen, darunter 6 eigene Beobachtungen, in welchen theils die'
Punction, theils die Drainage der Ventrikel mit oder ohne Jod
injeetion erfolglos ausgeführt wurde. Er kommt zu dem Resultat,
dass die Drainage gänzlich zu verwerfen ist. Die Punction will
er nur aiu Hinterhorn ausgeführt wissen.
Zu entgegengesetzter Ansicht kommt Hirschberg. Kr
rodet der chirurgischen Behandlung dieser Krankheit das Wort, -
zu welcher die günstigen Erfahrungen, die mit der Laparotomie
bei der tuberkulösen Peritonitis gemacht werden, geradezu auf
fordern. Er hält die Punction des Wirbelkanals, wie sie tob
Quincke vorgoschlagen worden ist, nicht für empfehlenswert!),
weil eine ganz freie (’ommunication zwischen Hirn- und Rücken-
marksflüssigkeit unter derartigen pathologischen Verhältnissen nicht
zu erwarten ist. Vielmehr ist die Eröffnung des Schädels und
der Dura angezeigt, eine Operation, welche bisher nur einmal
(mit günstigem Erfolg) von Ord und Waterhouse ausgeführt
worden ist.
Von Ranke berichtet über einen Fall von Hydroeephalie.
wo er nach Entleerung eines Seitenventrikels 30 oem einer
Lösung von 10 fcinet. Jodi auf 2» aqua eingespritzt liat (laut Protwol)
der Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher uml
Aerzte 1895). Ich glaube hier liegt ein Druckfehler vor: statt
10 tinctur. Jodi wird es wohl 1,0 heissen sollen. Aber auch
diese Dosis ist vielleicht noch zu stark. Patient ist an inter¬
currentem Darmkatarrh gestorben.
Was die Technik der directcn Punction des Hydrocephalus
anlangt, • so wird bei mächtig ausgedehnter grosser Fontanelle 3
bis 4 ein seitlich von der Mittellinie nahe dem Hinterhoru ein-
gestochen und aspirirt; bei nicht sehr grossen Fontanellen geschieht
dies am seitlichen Winkel derselben. Bei der in di reden
Ojieration des Hydrocephalus, der Lumbal punction, wird zwischen
3. — 4. Lendenwirbel eine stärkere l’ravaz’sehe Nadel —
den von Quincke gegebenen Vorschriften — eingeführt; die
(Zerebrospinalflüssigkeit entleert sich dann meist von selbst; Aspi¬
ration ist selten nöthig.
Da meist der Entlastung die Gehirns nur eine vorübergehend
ist, so wurde von Quincke zur andauernden Entleerung <l> e
Schlitzung des Wirbelkanals empfohlen.
Jedenfalls ist diese Methode ungefährlicher als die Eröffnung
des Schädels behufs permanenter Drainage der Seitenventrikel.
Die wesentlichen Verdienste von Ziemssen’s um ^‘ n -
weiteren Ausbau der Qu i n ck e 'scheu Methode muss ich n(* 1
betonen ; auch Lichtheim und Fürbringer brachten lic
volle Artikel über das neue Verfahren.
Ich gestatte mir nun zunächst über 4 von mir operirte rü e
zu berichten :
I. Fall: G. S., Kassierskind, jüngste Tochter gesunder (
hat 5 gesunde Geschwister. Das Kind ist am 27. September
normal geboren, entwickelte sich gut; im Dezember 1891 Q * 5er8 ^u2
es Masern, Mitte Januar 1892 Influenza; Anfangs Februar -
bekam es unter Fieber Convulsionen, welche das Kind nicht m
verbessern Eis schrie unaufhörlich (crie hydrocöphalique), 80 ..
es mit allmählich immer grösser werdenden Dosen von Morp 3
nur halbwegs besänftigt werden konnte. Der Kopf wurde .j 5
grösser (57 cm Umfang), die Nähte immer breiter, Fontanelle p i
') Vorgetragen in Nürnberg am mittelfränkischen Aerztetag den ^
6. Juli 1895. .
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7. .fjHuar 1896-
MÜNCHENER MEDICINLSCHE WOCHENSCHRIFT.
■WH rtjpamit hervorgewölbt (hydrocephalus); keine Nackenstarre, un d Transsudation in den rechten Ventrikel, lasse ich unent-
rocenj.,! keine spastischen Erecheinangen, leichter Strabismus converg., öftere _]..• don
Erbrechen; En de April beginnender Sopor, Abnahme der Kräfte, T J , , ur , , » j._ Kimrriff
Verweigerung der Nahrung. Wegen Indicatio vitalis machte ich am Jedenfalls ist das 7 W ochen alte Kind durch -< gr
1 Mai 1892 in Aethernarkose unter Assistenz des Herrn Collegen gerettet worden.
)Dro8r * ßnpprecht die Panclion uud Aspiration des linken Seiten- 4 Fall. Georgine B., 33 Wochen altes Drechslerekind, theilte
miclifi Ventrikels und entleerte 300 ccin Flüssigkeit. Das Kind bekam unter mit seiner Grossmutter die Wohnung. Die alte Frau ist am 16 April
meinen Händen heftigste Convulsionen, wurde cyanotiBch und kalt, an chronischer Lungentuberculose gestorben. Das Kind erkiankte
i . s0 ,Ja£g ich von weiterem Vorgehen absehen musste. Es erholte 3 Wochen vor Pfingsten heurigen Jahres unter Fieber mit bronchi-
'“Wiiv gjcjj jedoeh von seinem Collaps bald, der Strabismus verschwand, tischen Erscheinungen; am Pfingstsamstag Convulsionen, am nächsten
»einiif*. Erbrechen und Sopor cessirten, Nahrung wurde aufgenommen. Nach Tag Fortdauer derselben und Lähmung der linken Extremitäten;
ut ij. j; « Tagen entleerte ich den rechten Ventrikel, aus welchem ich 270 g am 2. Feiertag Bewusstlosigkeit; das Kind nimmt die Brust nicht
, Flüssigkeit holte. Die Untersuchung des wasserklaren Fluidums mehr. Status praesens: Kind bewusstlos, Strabismus converg., stertoröses
r ^ ergab Eiwei^sgehalt, 1 Proc. nach Esbach, keinen Zucker, keine Athmen; Temp. 38,7°, Nackenstarre, grosse Fontanelle vorgewölbt,
- Biciilen; nach längerem Stehen der Flüssigkeit zeigten sich am prall gespannt. RHO. ausgebreitete Dämpfung, überall über den
m u;. Boden des Gefflsses ein paar kleine Fibrinflocken. Letztere sprachen Lungen sibillirendea und kleinblasiges Rassel», sehr verschärftes
ükfi,,* für Hydrocephalus in Folge von Entzündung, respective Miliartuber- Vesiculärathmen.
knlose des Gehirns In Frage konnte noch kommen bei Stellung Diagnose: Hydrocephalus intern., Meningitis basilaris tuberculosa,
der Diagnose, Entzündung des Ventrikelependyms vielleicht nach Pneumonie RHO, acute Miliartuberculose der Lungen.
Ivrjcrf.; ioönenza, — oder Meningitis serosa (Quincke), welch letztere Therapie: Da erfahrungsgemäss der Hirndruck die schweren
adeta» Krankheitsform übrigens nicht allseitig anerkannt wird. Cerebralerecheinungen bei solchen Krankheiten hervorbringt, so
j, ^ m DerKopfumfang bei unserer Patientin betrug nach Entleerung der muss der Hebel hier angesetzt werden und das den intracraniellen
Ventrikel 45cm. Die Kopfknochen waren weich; deshalb wurde Druck erzeugende Wasser entfernt werden. Als letztes Mittel
längere Zeit Phosphorleberthran mit dem gewünschten Effect gegeben. wendete ich deshalb die Punction und zwar diesmal die Lumbal-
bffer'. Dm Kind wurde gesund und ist bis heute (6 Juli 189j) gesund punction an. Mittelst einer stärkeren Pravaz'schen Nadel kam
geblielien, insbesondere — und das ist doch sehr selten — ist es tropfenweise das Fluidum hervor. Zur Beschleunigung des etwas
rsd [, geistig sehr rege und seinen Altersgenossen an Schlauheit entschieden langsamen Verfahrens, das allmählig versagte, wandte ich Aspiration
u aber, obgleich es nach dem noch etwas vermehrten Kopfumfang an. Gegen Schluss der Operation war die grosse Fontanelle eingezogen;
(52 cra) za schliessen, möglicherweise noch eine mässige Quantität 5 Minuten nach dem Eingriff stand die Fontanelle im Niveau der
der irr Wasser im Kopf birgt. Haut Da ich nun nicht sicher wusste, ob die Seitenventrikel ganz
aajf II Fall: Von der Heilung dieses Kindes hörte der Ingenieur B., leer waren, entschloss ich mich zur Punction derselben und
n dessen im August 1892 geborenes Kind (zweitgeborenes) einen über fand den linken leer, im rechten 2 ccm Flüssigkeit. Im Ganzen
mamiskopfgrossen Hydrocephalus mit auf die Welt braente. Normale wurden ohne das, was nebenhin sickerte, 65 ccm Flüssigkeit
Gebart, Scliädellage, Dammriss. Nur auf dringendste Bitte des zu Tage gefördert. Dieselbe war anfangs wasserklar, trübte sich
■cf Vaters machte ich zweimalige Punction ä 1200 ccm Wasser in der beim Stehen leicht milchig, war eiweisshaltig (0,9 Procent Esbach),
ii -.. 6 re*p. 10. Lebenswoehe. Exitus unter Convulsionen in der 13. zuckerfrei, in den Flocken des Sediments keine Bacillen. Herr
n Dm Schwergewicht in diesem Falle liegt weniger auf der operativen, College Goldschmidt war so liebenswürdig, meinen Befund zu
als auf der geburtshülflichen Seite, indem nach der Zusammen- ergänzen und zu controlliren Er fand im geschleuderten Sediment
’ r Stellung von Hohl 63 von 77 Hydrocepbalien Geburtshindernisse keine Bacillen, aber Endothel zellen und Fetttröpfchen; auffallend
geboten haben, während im vorliegenden Falle der enorm grosse war diesem Untereucher ein sehr hoher Kaliumgehalt der Flüssig-
Kopf(75 cm Umfang) in Folge der Möglichkeit der Gestaltsveränderung keit, wie er bis jetzt stets nur in solchen Flüssigkeiten gefunden
uneröffnet den Geburtskanal passirte, wurde, die der Leiche entnommen waren Das Kind überstand den
III. Fall. Hermann W., Tuchhändlerssöhnchen, geh. am Eingriff relativ gut: es trank wieder etwas, die Convulsionen hörten
23 November 1894 als zweites Kind gesunder Eltern, wurde am auf > die linksseitige Lähmung war verschwunden, doch war es sehr
30. November rituell beschnitten Darnach bekam es nach Aus- schwach. Am 4 Tage nach der Operation ist es gestorben unter
sage des behandelnden Arztes, Herrn Collegen Münz, Eiterung der den Erscheinungen der fortschreitenden Lungenerkrankung. Die
„ Wunde, Fieber, Drüsenanschwellung in der Weiche Das Kind Section ergab: massiger Hydroceph. extern., ausgebreitete frische Miliar-
wunle mit der Flasche ernährt und bekam bald Kiüdermehl.' In tuberculose der Gehirnhäute an der Basis. Gehirnsubstanz blutig
Folge dieser unzweckmässigen Ernährung trat Meteorismus ein, und ßerös durchfeuchtet. Seitenventrikel leer. Am Rückenmark
bin Erbrechen. Am 14. Januar 1895 Convulsionen, kein Fieber, nichts Besonderes. Keine Verletzung durch die Nadel im Gehirn
Ordination: Stillamnie. Am 15. Januar intensive, langdauernde oder an der Cauda equina Pneumonie des r. Oberlappens; isolirte
tonische und klonische Zuckungen am ganzen Körper, in Intervallen nnd aggregirte graue und gelbe Tuberkeln in Menge über beiden
von ca. ’/j Stunde auftretend. In den nächsten Tagen währten die Lungen. Käsige, central erweichte Lymphdrüse an der Bifurcation
Convulsionen noch fort. Ich sah das Kind mit Collegen M. am I Dieser Fall lehrt neuerdings, dass, wie bekannt, der intra-
17 Januar und fand: Kind kräftig gebaut, gut genährt, kein Fieber, eranielle Druck hauptsächlich die schweren!leliirnerscheinuiigen machte
, Lsib rtark meteoritisch aufgetrieben. Harnröhrenorificium und und da;sS ic „ die Wasseransammlung in den Seitenventrikeln
AfteröBnnng normal weit. Brustorgan gesund. Kopfknochen fest. , n . . , ... . , . „ , , . ,
Keine Nackenstarre. Grosse Fontanelle etwas gespannt, im Niveau d,e naJbscitige Lähmung involvirte, ferner dass durch die Lumbal-
der Haut. Kopfumfang an diesem Tag und in der nächsten Zeit punction die Seitenventrikel fast ganz entleert werden können.
= 37'/», gerader Durchmesser 17, grosser querer 11 , kleiner Das Fehlen der Bacillen ist noch kein Beweis geiren die Annahme
C ? nva ’ 8 i one t n £ uch d . e “ fo 'f nden T a & e . n - der Tuberculose; denn nur in 4/ ö der bezüglichen Fälle wurden
Jegliche Mediation ohne Effect Das Kmd wird schlummersüchtig, x „ . , . „ . , , . , , .
nimmt am ls. keine Nahrung. Deshalb beschlossen wir als Indicatio von # utcn Beobachtern Bacillen gefunden; Licht heim allein
vitali«, in Hinblick auf die stärker werdende Spannung der grossen hat stets den Krankheitserreger gefunden. — Die Heilungs-
Fontanelle, die Punction der Seitenventrikel. Die spinale Punction mögliehkeit der Miliartuberculose des Gehirns beweist der Fall
weil J wir un8 . 8 ag l en - der V l nt ^ ke l Frey hau. Auch unsere Kranke bot nach der spinalen Punction
inbalt ist wahrscheinlich so gering, dass es eine Frage ist, ob durch v ,, , ,, , , , .
die spinale Anzapfung ein Erfolg zu erzielen sei. Die nun vor- -^ a ‘'hlass der (erebralerschcm ungen. doch ist Patientin, wie
genommene Punction des linken Ventrikels war trocken; aus dem a priori wahrscheinlich war, ihrer schweren Lungenerkrankung
rechten hingegen kamen 2—3 ccm schwach blutig gefärbten Flui- erlegen. —
dunu, in welchem ein minimales Flöckchen weisser Gehirnsubstanz pj c Lumbalpunctiou ist anerkanntermassen ein diagnostisches
schwamm. Leider konnte die Flüssigkeit nicht näher untersucht ... ... , , .... T .. ff ; ...
werden, weil sie aus Versehen wemreschttttet wurde. Nach der M,ttcl al,ererhten «»iiges besonders für die Ihfferenz.aldiagr.ose
gjfi jedoeh von seinem Collaps bald, der Strabismus verschwand,
neliriiif .j.. Erbrechen und Sopor cessirten, Nahrung wurde aufgenommen. Nach
im j ,8 Tagen entleerte ich den rechten Ventrikel, aus welchem ich 270 g
I , 4 Flüssigkeit holte. Die Untersuchung des wasserklaren Fluidums
,fr ** ergab Ehrengehalt, 1 Proc. nach Esbach, keinen Zucker, keine
-' Bacillen; nach längerem Stehen der Flüssigkeit zeigten sich am
m u:; Boden deB Geßsse b ein paar kleine Fibrinflocken. Letztere sprachen
ükri.ii für Hydrocephalus in Folge von Entzündung, respective Miliartuber¬
kulose des Gehirns In Frage konnte noch kommen bei Stellung
der Diagnose, Entzündung des Ventrikelependyms vielleicht nach
4 'Wc; j n 0 uenza, - oder Meningitis serosa (Quincke), welch letztere
«titln 3 Krankheitsform übrigens nicht allseitig anerkannt wird.
D j, DerKopfumfang bei unserer Patientin betrug nach Entleerung der
" Ventrikel 45cm. Die Kopfknochen waren weich; deshalb wurde
43 * :t ' längere Zeit Phosphorleberthran mit dem gewünschten Effect gegeben,
ftf Per-, Kind wurde gesund und ist bis heute (6 Juli 1895) gesund
geblielien, insbesondere — und das ist doch sehr selten — ist es
irsclL* s®Rr rege und seinen Altersgenossen an Schlauheit entschieden
, flher, obgleich es nach dem noch etwas vermehrten Kopfumfang
mtk i (52 cid) za schliessen, möglicherweise noch eine mässige Quantität
t der Lw Wasser im Kopf birgt.
ii ^ II Fall: Von der Heilung dieses Kindes hörte der Ingenieur B.,
■ dessen im August 1892 geborenes Kind (zweitgeborenes) einen über
maoiukopfgrossen Hydrocephalus mit auf die Welt braciite. Normale
(B| F'- Gebürt, Scliädellage, Dammriss. Nur auf dringendste Bitte des
im- d Vaters machte ich zweimalige Punction ä 1200 ccm Wasser in der
6 resp. 10. Lebenswoehe. Exitus unter Convulsionen in der 13.
n Dm Schwergewicht in diesem Falle liegt weniger auf der operativen,
als auf der geburtshülflichen Seite, indem nach der Zusammen-
" rnr Stellung von Hohl 63 von 77 Hydrocepbalien Geburtshindernisse
geboten haben, während im vorliegenden Falle der enorm grosse
Kopf(75 cm Umfang) in Folge der Möglichkeit der Gestaltsveränderung
»„ oneröffnet den Geburtskanal passirte,
III. Fall. Hermann W., Tuchhändlerssöhnchen, geh. am
0 23 November 1894 als zweites Kind gesunder Eltern, wurde am
: ■ I >' 30. November rituell beschnitten Darnach bekam es nach Aus-
urfr- «ge des behandelnden Arztes, Herrn Collegen Münz, Eiterung der
Wände, Fieber, Drüsenanschwellung in der Weiche Das Kind
, wurde mit der Flasche ernährt und bekam bald Kiüdermehl.' In
Folge dieser unzweckmässigen Ernährung trat Meteorismus ein,
i< ■ kein Erbrechen. Am 14. Januar 1895 Convulsionen, kein Fieber,
Ordination: Stillamnie. Am 15. Januar intensive, langdauernde
! • tonische und klonische Zuckungen am ganzen Körper, in Intervallen
von ca. '/» Stunde auftretend. In den nächsten Tagen währten die
Convulsionen noch fort. Ich sah das Kind mit Collegen M. am I
' 17 Januar und fand: Kind kräftig gebaut, gut genährt, kein Fieber,
Uib stark meteoristisch aufgetrieben. Harnröhrenorificium und
Afteröffnang normal weit. Brustorgan gesund. Kopfknochen fest.
Keine Nackenstarre. Grosse Fontanelle etwas gespannt, im Niveau
der Haut. Kopfumfang an diesem Tag und in der nächsten Zeit
= 37'/j, gerader Durchmesser 17, grosser querer 11, kleiner
querer 10'/r cm. Convulsionen auch an den folgenden Tagen.
Jegliche Mediation ohne Effect Das Kind wird schlummersüchtig,
nimmt am 1«. keine Nahrung. Deshalb beschlossen wir als Indicatio
vitalis, in Hinblick auf die stärker werdende Spannung der grossen
Fontanelle, die Punction der Seitenventrikel. Die spinale Punction
machten wir deshalb nicht, weil wir uns sagten, der Ventrikel¬
inhalt ist wahrscheinlich so gering, dass es eine Frage ist, ob durch
die spinale Anzapfung ein Erfolg zu erzielen sei. Die nun vor¬
genommene Punction des linken Ventrikels war trocken; aus dem
rechten hingegen kamen 2—3 ccm schwach blutig gefärbten Flui¬
dums, in welchem ein minimales Flöckchen weisser Gehirnsubstanz
schwamm. Leider konnte die Flüssigkeit nicht näher untersucht
werden, weil Bie aus Versehen weggeschüttet wurde. Nach der
Operation war das Kind wie umgewechselt Zu unserem Staunen
Operation war das Kind wie umgewechselt Zu unserem Staunen zwischen tnberculöser und (’erebrospinal-Meningitis. Fast durch-
Oank es sofort an der Ammenbrust energisch und regelmässig. Die wegs aber sprechen der spinalen Punction die Autoren jeglichen
Unvukionen kamen am 19. Januar ganz schwach und seltener theraiveutischen Werth ab. Ich glaube nun. dass in manchen
(4-5 stündlich). Am 20. Januar kamen 3 kleine Insulte, am 21. „ , , , . , ... , ",
km ein einziger geringfügiger Anfall. Seitdem ist das Kind von Fällen von Hydroceph. ac. u. chron. tuberculhser oder cutzündhcher
Convnlaonen verschont geblieben und prächtig gediehen. — Ende Art durch das neue > erfahren Heilung erzielt werden wird.
Min haben die Angehörigen Schielen beim Kinde bemerkt. Die Immerhin ist man nicht nur berechtigt, sondern in einer Reihe
l D f läRtlicheUnter8uch ung ergab verticaien Nystagmus und Strabis- VQn ü i, n ij c h gelagerten Fällen sogar verpflichtet, oiierativ vorzu-
«WÄWÄÄ gehen, solange noch nicht Ooma vorhanden ist. Denn ohne
cerebralen Erkrankung nicht völüg auszuschliessen; keinesfalls ist O|>eration sterben wohl alle Kranken der genannten Art, mit
die Punction als Ursache anzusprechen. Operation kann dazwischen einmal ein Lehen erhalten werden.
Bb in diesem Falle eine schleichende Meningitis mit Hydro- Ich kann wohl behaupten und die Herren Collegen, welche die
( ¥ulie als Folge einer septischen Infection nach Eiterung der beiden durch die Punction geheilten Krankheitsfälle gesehen haben,
OircumcisiuDjjwunde oder ob in Folge der schweren Indigestion die waren mit mir der Ansicht, dass die betreffenden Kinder ohne
• ’Jüvulsionen ausgelöst wurden mit nachfolgender Gehirnhyperämie den Eingriff dem sicheren Tod geweiht waren. — Ich empfehle
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
also beim Hydroceph. ac. u. chron. bei Steigerung:
Drucks, welcher unter anderem auch in der Stauungspapi
oder wie Adamkicwicz dafür gesetzt wissen will: in der neunte
neuroparalytica oder oedcmatosa papillae nervi optici — e,nen ^
liehen Ausdruck findet, die spina 1 c Punctioib event. ver ^"' dor
mit Aspiration, vorzunehmen, als die ungefährlichere Methode.
Sollte sich herausstellen, dass die Con.inun.cat.on zwischen l rm
und Rückenmarksflüssigkeit nicht ganz frei ist so sind die I■ uitnkcl
direct zu punctiren. Für gewöhnlich ist wohl auch diese Operation
ungefährlich, wenn man auch stets mit der Nadel die üoh.rnmdc
durchstechen muss. - Zur Nachbehandlung möchte ich nicht den an
den Frontalhöckern Druckusur erzeugenden Heftpflasterverband . •
meist illusorisches Schädelcomprcssionsmittcl empfehlen, sondern
die horizontale Umwicklung des Kopfes mit einer breiten Gumrni-
binde. welche gut comprimirt und nicht einsclmcidet.
Ferner rathe ich zur Festigung der Kopfknochen in den nicht
seltenen Fällen von Wasserkopf, der mit Rhachitis comphört ist,
den Phosphorlcbcrthran zu geben, der die W iderstandskraft der
weichen Kopfknoclien doch relativ rasch hebt und auf das Kpendjm
möglicherweise eine umstimmende Wirkung ausübt.
Der eine meiner Fälle von chron. Hydroceph. ist nun über
3 Jahre der andere von acutem Hydroceph. nahezu 6 Monate
geheilt. — Ich bin gerne erbötig. in Nürnberg die geheilten Fälle
vorzustcllen.
Benützte Literatur:
Henoch, Vorlesungen über Kinderkrankheiten. Berlin 18i)0.
Nuijens, Referat im Centralbl. f. Chmujg. No. 42^1894,
R. Hirschberg, Referat im Centralb . f. innere Med. No. 4. 1895.
Quincke, Verhandlg. der Ges. D Naturf. u. .1892.
von Ziemssen, Verhandlg. etc. Wiesbaden 1893k pag. 197.
Freyhan, Deutsche Med. Wochenschr. No. 36. 1»94
von Ranke, Verhandlg. der Ges. D. Naturf u. Aerzte. 1894. pag. 136.
Fürbringer, Berl. Klin. Woch. No. 13. 189o.
Lichtheim, Berl. Klin. Woch. No. 13. 1895.
Adamkiewicz, Zeitschrift f. Klin. Med. Bd. 28, pag. 28.
Zur 3procentigen Nosophengaze.
Von I)r. von hoorden, Chirurg in München.
Kurz nachdem ich in dieser Zeitschrift ein günstiges Unheil
über die lOproccntige Nosophengaze den Fachcollegen unterbreiten
konnte, boten die Erfinder des neuen chemischen Körpern Gelicim-
ratb C lassen und Dr. Löb eine 3 procentigc Gaze zum \ er-
bandstoff an. Es war aus äusseren Gründen zweckmässig, bei
Herstellung im Grossen von dem höheren Proeeutgchalt abzugehen.
Nach vorangegangenen bakteriologischen Untersuchungen über No-
sophen war theoretisch durch diese Verminderung kein wesent¬
licher Unterschied zu erwarten. Doch lag es mir ob, da ich für
die Nosophengaze eingetreten , zu erproben , ob die weniger stark
imprägnirte Gaze derselben Beurthcilung unterliegen kann wie jene.
Dies bestätigte sich nun im Laufe der letzten Monate vollauf.
Ich habe die 3 procentigc Gaze ausschliesslich nach voran¬
gegangener Sterilisation im Dampfe angewandt. Es ist für
unendlich viele Fälle beruhigend, kann man auch die chemisch
imprägnirten Verbandmassen und besonders gerade die, welche
am innigsten und dauernd mit der Wunde in Berührung treten,
vor dem Gebrauche dem Dampfe aussetzen, ein nicht zu unter¬
schätzender Vortheil der neuen Gaze gegenüber der Jodoformgazc,
bei welcher wir uns entweder des Präparates, wie es die Fabrik
liefert, bedienen müssen, oder bei welcher wir auf nasse chemische
Desinfection angewiesen sind. Abgesehen von grosser Umständ¬
lichkeit, imprägnirt sich hierbei die Gaze in überflüssiger Weise
mit den jeweiligen Desinfectionsflüssigkeiten, sei es Sublimat, sei
es Carboisäurelösung.
Ohne beim Aufzählen einer Casuistik zu verweilen, die sich
über verschiedenes chirurgisches Krankheitsmaterial a u sgc seh 1 ossc n
Tuberkulose erstreckt, vermag ich für die 3 procentigc No¬
sophengaze ein gleich gutes Urthcil abzugeben. Ich habe die
tuberkulösen Wunden nicht mit in den Beobachtungskreis gezogen,
glaubend, dass die Frage, ob Nosophon oder Jodoform, nur an
einem sehr grossen Material entschieden werden kann, und anderer¬
seits scheint es mir vorderhand nicht berechtigt, ohne zwingenden
Grund einem an chirurgischer Tuberkulose erkrankten Menschen ein
so wirkungsvolles und erprobtes Mittel wie Jodoform auch nur
einen Tag experimenti causa vorzuenthalten. Ich schätze an dem
bezeichneten Nosopbenpräparate folgendes:
Die Möglichkeit, die Gase im strömenden Dampfe zu stcrihsiren.
Die fast völlige Geruchlosigkeit.
Die genügende haen,«statische Wirkung gegen parenchymatöse
Blutungen. Die Gaze ist zur Tamponade tnscher Munden
ebenso geeignet wie Jodoformgaze.
Die Drainage-Aufgabe bei absondernden M unden wird m gleicher
M'eisc erfüllt wie bei anderen Gazen und besser als bei Der-
Die “Absonderung der Granulationsflächen wird günstig beein^,
insofern als die Granulationen in zufriedenstellend schneller
Zeit aus schlaffen in gewebefähige- übergeführt werden Bei
vorhandener Infection (Ulcera cruns, Ileus molk, B«!»»««-
wunden, Panaritium, Pyocyaneusinfcction) glaube ich schnellere
Reinigung der Flächen und Höhlen wunden beobachtet zu haben
als bei Jodoformgaze-Anwendung bezw. Tamponade. Gelegent¬
liche staubförmige Beschickung der Wunden mit Nosoplien-
pulver wirkte — wie auch anderseits schon hervorgehoben
wurde — vortrefflich. Schorfbildung, durch zu viel I ulver
erzeugt, ist fehlerhaft. . , .
Den. gleichzeitigen Gebrauche von Arg. nitric. ... Substanz und in
einfacher oder, wie viel beliebt, mit Perubalsam constituirter
Salbe, steht Nichts im M'ege.
Die Schmerzhaftigkeit «ler Wunde nach Nosophengazegebrauch
fand ich nicht erhöht.
Eczeine sah ich nicht.
Erfolgte in einen. Falle nach Tami>onade «ler Achselhöhle
nach Drüsenausräumung eine Pyocyaneusinfeetion, so kann dieses
Vorkommnis nicht irremachen. Solche Eiterung kann sich bei
streng aseptischem oder antiseptis.hem Verfahren immer wieder
einmal ein sch lei eben. Sie ist den Verbandstoffen wohl nie m die
Schuhe zu schieben, sondern geht wie Schi... melbusch s schone
Arbeit längst erhärtete, von • den gerade in dieser Gegend zahl¬
reichen. den Schmarotzer beherbergenden Hauteinstulpungcn aus.
Diese Infectionsdepots gänzlich auszuschaltcn, haben wir trotz ge¬
wissenhaftester Reinigung nicht in der Hand. ,
Die 3procentigc N osophengaze entspricht allen Anforder¬
ungen. die wir an ein M'unddeekmatcrial stellen und ist mit einigen
Eigenschaften begabt, die sie anderem Material, besonders auch
der Jodoformgaze, in vielen Fällen vor ziehen lasst. In den
seltenen Fällen, in denen «ler Chirurg zum Pulver greift, hat sich
dasselbe auch als Ersatz für Jodoform bewährt.
Bericht der kgl. Universitäts-Poliklinik für Kinder-
Krankheiten im Reisingerianum pro 1895.
Erstattet vom Vorstand Docent Dr. C. Seitz.
Tm verflossenen Jahre bezifferte sich die Frequenz der Kinder
Poliklinik im Reisingerianum auf 11534 kranke Kinder g g
11000 im Vorjahre, aus welchem 154 Kinder m Behandlung
blieben. 8929 Kinder wurden ambulant - 2605 in lhren .)J° l £“ .*
behandelt Von der genannten Gesammtziffer waren 5443 Knabe,
6091 Mädchen; 3709 Kinder standen im 1. Lebensjahr, 412^.m
2.-5. Lebensjahr, 2141 im 6-10. Lebensjahr,,1562 im
Lebensjahr. Der Zugang nach den einzelnen Monaten gestat t
sich wie folgt: Januar 862 (1180),») Februar 788 (801), Mjr* 99b
(793), April 857 (»73), Mai 916 (1021), Juni 931 (889), Juh 114t
1031), August 1104 (1018), September 1131 (894), October 939 (8 )
November 932 (906), Dezember 931 (766). - Der durchschmtthche
tägliche Zugang an neuen Patienten betrug 31-32 Kinder
Bei der erwähnten Gesammtfrequenz von H534 Kindern wa
364 Todesfälle zu verzeichnen. Von den gestorbenenKindernstenden
245 im 1. Lebensjahr (79 von diesen waren nur emma^dagewese
bezw. moribund in Behandlung gekommen), 103 im • • _ „
jahr, 12 im 6.—10. Lebensjahr, 4 im 11.-16. Lebensjahr. Es
trafen auf Gastroenteritis 85 (90), Bronchopneumonie 81 - hievon
25 nach Masern, 1 nach Keuchhusten (63), Tuberculo e 5l (Bron
chialdrüsen- bezw. Miliartuberculose 20, inf ’ JJm
ningealtuberculose 13, Peritonealtuberculose 2) (50), Ch olera,mfantu
40 (31), Atrophie 20 (22), Eklampsie und Laryngospasrnus 12 (ioj
Scarlatina und Folgekrankheiten 11 (4), .Bronchitis» c»?illarw 10 (8),
.Lues congenita 10 (15), Debilitas yitae 8 (9), Diphtherie 4(4. En«lo
und Pericarditis 8 (3), Pneumoma fibnnosa 5 ( ), P
Pyelonephritis 7 (8), Enteritis follicularis 4 (0), Men.ngd.s spL 2 0,
Skierödem 2 (1), Empyem 2 (3) Todesfälle, auf Apoplexia menin
i) Die in Klammern beigesetzten Ziffern bedeuten im Folgenden
stets die entsprechenden Ziffern des Vorjahres.
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7. Januar 1896.
gealis, Erysipel, multiple Sklerose, Peritonitis und P oai „i„, , „ .
je 1 Todesfall. - In 52 Fällen konnte dieAutopSfo fJ? ,eukä J m:e
Die an den 11634 Kindern zur Beobachtung bezw We J. den -
gekommenen (ca. 17300) Krankheitsfälle waren - nach' Ä®"," 8
Schema geordnet — folgende: actl dem Reichs-
I. Entwicklungskrankheiten: T ,
schwäche 19 (16), angeborene Missbildungen s/nqi At L ® bens -
(101), Menstruationsanomalien 3 (4). ' 4 Atrophie 68
II» Inf ectione* und All^ompinA . n n * v
cellen 137 (136), Scharlach 121 (3®, Masern 863 {lH'i ten ,: r Vari -
22(5), Erysipelas 5 (7), Diphtherie 189») «KT KenJÄ^' 1 ' 8 e P
Cholera infantum 247 (140), Influenza 47 (29) Polvnrtl!®v 17 ® ( ’ 84 H
Blutanomalien 98 (89), Entozoün 117 (124) latente 7 ?®? 08 ! 66 ( ^ 0j>
(156), Scrophulose 217 (278), Rachitis 1174 (U$f ÄE^ 108 « 29; ’
Gonorrhoische Vulvovaginitis 41 (59), Lues coSgenS 9^ m?
III. Localisirte Krankheiten A Kv „ „ ■ t
hervensystems: Geisteskrankheiten 21 (17)
hautentzündung 30 (24), andere Krankheit»» und H >rn-
^epsie 80 (^1), Eklampsie und lJSSSLS* StSü
6 (4), Chorea 9 ( 4 ), Rückenmarkskrankheiten 10 « JJP’ T J tan,e
heilen des Nervensystems 85 (97). ’ andere Krank-
desintÄ^ieMml 0h;6n: d68 äU8SereD 0hre8 42 ( 97 ),
68 (iKdä Augenkrankheiten
i.Eiss:si§?ip. ;
Emphysem 4 (4), Kropf 65 (93). 8 ** ^ d9 '’ Lun g en blutung 8 (2),
Herzbeutelentzündung*!) (16b Klappenfehler ?°d ga 3°'* Herz ‘ und
und Adnexa 1522 (1785) etomatitis^uiH^^Imo^-o te8: der Zähne
Euchenentzündungen 587 (499) Krankt ^?° r 3 ^ 9 ( o34 l> Mandel- und
Dyspepsie 831, Ser 3 (4
Magendarmkatarrh 496 (214) habituelle vlrfw ^ 29 ?j’, chronischer
tonitis und PeritvDhlitis 12 C1R? r Verstopfung 414 (166), Peri-
Hernien 169 (181)f Krankheiten 8 dÄ« 4 “”!!V ProIa P 8U8 ani 8,
^45 (35), Milzhyperplasien 48 (29) ’ hrer Ausführungs-
entzOndungen 61 (43? Krankh» - .^ r °, ge °l ta l a PParates: Nieren-
Phimose 94 $ wisfZch ? ,as ® 3 - (16) > 0rchitia » (4).
cf. Gonorrhoe. ^ 4 Krankheiten der Scheide 3
mn 5 f1 ^ ^ k HM^ttdti U «9 «äl B p deC ^ U,lgen: Scabies
^eÄS 42 (79) ’ andeie
VereZch 1 Quet 1 s , chun ? en und Zer-
füz ? £
^eder wesentlich gewachsenen?«? 68 T gIich war - auch bei
ttSS*** zu verabreichen und ehe* ^ nö **gBten Medica-
eÄ w b€ 5? ndlun « angedeihen zu lÜ d ? n Di PbtheriefälIen
MÜNClfENt;i{ M^^CWLSCHK
1 -
Feuilleton.
Entwurf zu einer Standesordnung.
Die Erneue V ° n Dr Brauser.
dGS ärZt,ichcn Vereins-
* 8,0 & Allor] lö ehl v e etang re « e,nden Bestimmungen
v r 9 - juH i89b -*2
iT IWeiter Linie »ch d' e L?rr erCir,e des K « ni «reiches
,n, f 81 ’ sowohl die Sitvn Aerztekamiueru des Jahres 1895
' “ G« tat Jl n T Mkhm Bezirksvereine als
“"'erziehen und hoijf 7 Ärztekammern einer Umarbeitung
i**» d as löbliche Bes rUT ? e , stimnmn « en anzupassen.
X^beituugen “ Tage getreten,
Ü^^und, wenn auch vkZJ ^u f glich8t gleicharti « ™ I
^T^Tbakw , . h " ,cht den v °Hkommen gleichen
sichere Fälle sind hier gerechnet.
'nögh'ehst^coufon^^Stüis^ng fnzuwendeT GmudaätK ,,,id *»*
höclwt bedcutungsvoHen Bcstrebung7 tliCh<! ^ ereinsloben in Bayern
werden die Protoeollc der Verbind? '° n fc ?° ,g beglei,ct waren,
kam morn zeigen. Gelegentlich' de?” v” h“ t" ei " zolnen Aorzte-
und weiteren Kreisen zu diesem 7 « k rberathungen in engeren
Wunsch aufgetaucht, „eben Satzm^’ “$ w,e 1 dcrholt dl ' r lebhafte
Geschäftsordnung der \errtek-.n ,gCM ?° r Bezirksvereine und
Vereinen bereits W *» «ucisten
Verhältnissen a„gepassten^ t**" -T” dcn neuen
irgend «.«gKeh, ft r h“? Z " “"‘T** 6 "’ und * "enn
gleichlautende Standesordnum? • d - e^ebe Bezirksrereine eine
uoeh leichter erreichen a ‘ ^ ^ ^ “ d *
die Grundsätze, auf welchen ’ 'eromssatzungen, weil
allgemein gikig^ etlds'he Ld , arzt,, ?* c Standesordnung basirt,
welche leicht in eine gleiche KurTm,“^ I ' ürderu "^" enthalten,
meisten der schon bestehenden StaiKleslln''"^" S "' ’ U " d Weil dio
\ ereilte auf einer gemei.isd.afr'li, 1 dnu,lg ] , ; n un - ser or bayerischen
odor Karlsruher StaudcsoH?, “ g Z der Münchener
beide wiederum ihren Ursnrun/’d 1 - gebaut ^rden sind, welche
medial ethms enthaltene» Sätzen verlS Codc üf
Pa» b7üS» “h ? md f antobrcLn.
liegeluug der Verhältnisse und'pflTchte^der 8 Amt‘ S ’ "“• e " ,Cr
gegen den Stand und , -<i , dCT Acrzte gegen einander,
licL Kr L JL i WS ”". ler ** P"Wik™. ha. die ta
dürfte «n «Äck JT 1 * ""d
m.a W “ft Ln : “"y dfe d! ' rab ' f
Z.ZZ 'Ztr h ,L S rt
kaniachen T V , H* 0 * ^ der
ÄÄSrr 17 f".“ “rk^M^he 1 ;:
collegialen Verkehres der ’ 8 ? \ ^ gG,tCude Non » d os
gegenüber den, PnbiihlterLZfwS
Jahre 187 R nl, 7 7 deuts ® hen Aerztetagcs zu Düsseldorf im
Anwesenden berei.s SlÄ“ ' in ' n e ''” ien ThCil ""
glmchfalls auf der Grundlage des amerikanischen Code bearbeitete
Karlsruher Standesordnung verlegen, welche nach manch"» S
Sch?uL WO der t B r** h VmtSnhdui ** sa und Kürzungen brachte. Am
liehen DorfI?' w^“ Antn,g unseres «nvergess-
Dörfler —Weissenburg angenommen, dahin lautend:
„Der deutsche Aerztevercinsbund spricht die Erwartung
„aus, dass sämmthehe Aerztevereine im Laufe dieses Jahres
„Bestimmungen trefFen, durch welche das Benehmen der
„Aerzte gegeneinander und gegen das Publikum geregelt
„wird wie es eine aufrichtige Collegialität und die Würde
„des Standes erfordern. Diese Bestimmungen sind von den
„einzelnen Vereinen an den geschäftsführenden Ausschuss
„des deutschen Aerztevereins-Bundes zu senden“.
entstand F ° ,ge diCS n ßeS L Cb,USSeS des IV - deutschen Aerztetagcs
entetand ,u ganz Deutschland eine lebhafte Bewegung in den
k zthehen Vereinen bezüglich der Aufstellung einer Standesurd-
ln n #\ ßem V deUbscben Aerztetage zu Nürnberg 1877 konnte
m Folge davon der Referent Dörfler-Weissenburg mittheile.,
dass sich mit der Frage der Aufstellung einer Standesordnung
bereits 46, also ein Drittel aller Vereine beschäftigt haben, und
dass von diesen sich 43 für die Aufstellung anssprachen. Die
Verhandlungen dieses Aerztetages gipfelten in dem Beschlüsse:
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No. 1.
12
MÜNCIHWKR MEUICINIPCH^WOCHENSCHRIKT
..Der Acre,« vor««. Ä
„vcreins-Bundes eine beson ^ re ' j j0ca i vere incii die Fest-
■’SS'to.Ä» SS- Vwhä,, '’ iS80 pasacnden st “ de " I
■
ordnung gegeben, und dum 1 ^ Grundpri ncipien, wie j
(a«t »7 ata ^%™ C ch “°“ e „ nd Karleruher an»geal.rochen «»de»,
sie sich m der Münclicne c } ir ode r weniger aus-
wurden wohl allseitig a ”"’ au , j) ;l brachten die social -
führlichciu Wortlaute wiedergeg • j Unfallversicherung»- .
jiolitiselion ficzctzc. Kn.tob-^ 1 " „euer
(rcsiehtspnnkte nnd \ erhältniss Stelluns gegenöber den
Beziehungen der Am» ~
Kassenverwaltungen erfuhren ■ herausstellte, diesem Novum
dass sieh das unabweisbare ” ‘ ' der Vereine Rechnung
auch in den Standesordnungsbest nun n.cn ^ Ä , wic
zu tragen und Ausdruck au verleihen, , ' * . wie die des
noch einige andere brennen f C '"’ d on gcscliiiftsführenden
Specialistenthums etc. etc., vera ” . ‘ ,s d ic Frage „Standcs-
Ausschuss des deutschen Aerztcvercn^ ^ ^ ^
ordnung“ wiederholt aut die la f^” ’g 89 zu setzen. Auel.
XVII. deutschen Wm - “„„„„eUen.
hier wurde davon abgesehen, - ^ von Thesen die
1>W" f. ^2,/cincr Stai.desordirang »„bedingt
S »Ä — Ä—* «„de,.— ; « |
sind die folgenden: Armmisune sei es eine von dem 1
A - ^ ’Ä ^SbTaCg^ «feine durch fremde Per- j
2. „Specialist« - Reclame- j
3 Ä |
;;Äo,?Ä
SkäS/ä:
3K^55Sfe=s
ß ÄÄTfi "Publikum gegenüber Aeusserungen
’ thun welche einen Collegen herabzusetzen geeignet sind .
n ' Für die Geltendmachunf der vorstehend kurz skizzirten
"Regefn sSd überall Ehrengerichte einzusetzen welchen
'als wirksame Massregel gegen diejenigen A C1 ,te. die s h
den geringeren Strafen etwa nicht fugen, der Abbrucn
„der Standesverbindung übng bleibt .
Obige vom Aerztetag zu Braunschwcig acceptirtc Sitze haben
wenigstens sub A mehr negativen Charakter sie enthalten \ eibo c
dessen, was nicht geschehen darf, was den *onlerungen der
Collegialität, der Standesehre und der allgemeinen Moral ■ *' ' |
spricht Eine Standesordnung, wie wir sie im Auge haben, mu.s
aber vor Allem dem jungen angehenden Arzte ganz positive • n-
haltspunktc geben für sein Verhalten gegenüber toi »Hege -
dem Publikum, sie muss den Vereinen eine Handhabe bieten
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften beurthe.lcn und sülmu,
zu können, sic kann und soll Jedem, auch dem alteren Arzte eine
sichere Richtschnur geben für sein Verhalten in mancherlei zweifel¬
haften Fällen und Conflicten , im Widerstreit der Interessen in
dem immer lebhafter werdenden Kampf un.’s Dasein. Die einzelnen
Bestimmungen Uber das Verhalten des Arztes müssen daher meiner
Ansicht nach vorwiegend pofitiver Natur sein, wenn es auch me
ganz zu vermeiden sein wird, Verbote anzufügen.
Der Bearbeitung des nachstehenden Entwurfes habe ich zu
(i runde gelegt :
1- Die Münchener " "
Publikum“, als Standcsor nui^g^Ordnungen nachgebildet wurde n;
welcher viele bayerische St , welche seit dem 1. Oktober
im ‘Ä Uneben Vereinen nn-
gci .
.lÄ^-RiehenBezirken» Nürnberg
vom Jahre 18*7, , ärztlichen Bezirksvereins Aschaffen-
„ urf ti^tSef BÄl in, .fahre !S 9 S nen heran».
hingen, welche auch in .1 ^ der Aerzte gegen einander,
i dürfen. Es J*" . y erkclir Ul it Patienten anderer
das Verhalten bei < onsil . Scliieds- oder Ehrengericht.
Aerzte. die Honorarfrage und das .cnea wcrdcil in
I 1* ««"■ f Abteilungen behandelt; sic
zwei Standesordnungen als W*™ pep! „ die Collegen über¬
decken sich theilweisc n.i Standesordnung zu berück-
I liaupt, sind aber doch ui_ VerBtc gegenüber dem Publikum,
sichtigen, ebenso die Pflicht . . „ f ür welche
für welche in drei, und gegenüber enthalten sind,
in zwei Standesordnungen ^ ,cl1 ^ " ’ef.de Momente. Die
Auch diese enthalten mane le zu Vbtlieilungen behandelten
Vü „ drei Standesordnungeu m ~nkheit oder Ab-
Verhältnisse der gegensu g - gegenüber den Aerzten
ÜbCF ft SU de d.le 1 Stonde^rfnung schaffen wollen , von
mir für uns sclb , J wcder Kenntnis8 nehmen wird, noch
welcher das grosse 1 ul*k J BestimHlUIlgcn v0 „ der grossen
nehmen wollen wird, da Aufnahme
Ma*o einfach ignonrt „Ürden , *> “ r «f v “ ^ jodonfa l|.
Eh- «^£^1
1 Alle diese Punkte zusan.mentassend, moclitc i ,
i Standesordnung folgenden Wortlaut Vorschlägen und der
j der Vereine ganz unmassgeblich unterbreiten.
Standesordnung.
Jedem Mitgiiede de. «ratliehen iunde, »m» die Ehrend
nachfolgende Satze an.»-
erkennen und zu befolgen.
I. Verhalten der Aerzte gegen das Publikum-
§ 1. Jede, Arzt ist berechtigt, beim.Antritt .einer «ttlmhen
Thatigkeit oder beim Wohnungewechsel P Wohnungs-
lichen Blatter» von der einigem* »ieder-
Wechsels Kenntniss zu geben. Diese Anzeige *
holt Tf-Betreibt ei» Arzt ein Speei.if.eheok.nnerdie. dem
Publikum zur Anzeige bringen wenn einer Hoch-
sas?issÄr%^” , ^i- a ” 1 berechtigt ’ eich
Sbe -g-J.' S .I e de, n Arzt B wird se\b8tn'enjtän<Uicb^iede^Ze^bemt
' gegenüber unbemittelten Kranken od n „ R : c », vorher über eine
IrSicbe Thätigkeit unbedingt , h Arzt die unent-
Entschädigung zu vergewissern Dagegen benützen.
^ gcHliche^Behandlung^arnmr^Kranker zu^^
| in Dnivemi»»-
Städten dient. atr „„„ R tP Verschwiegenheit über alle
§ 5. Dem Arzte ist die strengste \ * r Kenn tni 83 ge¬
während der Behandlung eines Kmnken^z^^^^n hievon können
SÄ richterliche Behörden zn Ana-
.agenve^i^wW^ bn^t
I Verwaltung des Ortes seiner Wirksamkeit oder auf de
r ^ _
7. Jsiraar 1896-
Reibe von Orten Beine Kenntnisse auf dem Gebiete der öffentlichen
Gesundheitspflege unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und an
allen diesbezüglichen Bestrebungen activen Antheil zu nehmen.
§ 7. Der Arzt muss allen Einfluss seiner Stellung in der
Gemeinde wie in der Familie aufbieten, um gegen die Curpfuscherei
tu wirken, ihre Schäden durch Aufklärung Jes Publikums und durch
Bekanntgabe erfahrener Thatsaclien aufzudecken, und durch Belehrung
auf die Nothwendigkeit einer rationellen Behandlungsweise hin-
zuweisen. Ebenso muss der Arzt gegenüber den Geheimmitteln
Stellung nehmen, darf nie ein solches verordnen, dessen Zusammen¬
setzung ihm unbekannt ist, darf auch niemals dem Producenten von
Geheimmitteln Zeugnisse über deren Anwendung oder Wirksamkeit
ausstellen.
II. Pflichten der Aerzte gegeneinander.
U . Die Berufsausübung ist für die meisten Aerzte die einzige
nelle. Jeder Arzt l ann daher auf ehrliche Weise nach
Erweiterung seiner Tbätigkeit streben und kann dies durch Beweise
von Tüchtigkeit, Kenntnissen und hoher moralischer Qualität
geschehen, ohne anderen Aerzten eine des Standes unwürdige Con-
cnrrenz zu machen, deren Wirken und Kenntnisse in den Augen
des Publikums zu verkleinern, oder gar durch billigere Berechnung
der Leistungen andere Coilegen zu unterbieten.
§ 9. Der Arzt wird daher niemals einen Kranken übernehmen
von welchem er weise oder beim ersten Besuche erfahrt, dass der¬
selbe bereits in der Behandlung eines anderen Arztes steht. Das
Eindrängen in die Praxis eines College» ist strengstens zu ver¬
meiden, ebenso ungünstige Beurtheilnng der Berufstätigkeit oder
der persönlichen Eigenschaften eines Coilegen.
§ 10. Wird ein Arzt zu einem Kranken gerufen, welcher sich
bereits in Behandlung eines anderen Arztes befindet, so kann er
denselben nur übernehmen, wenn ihm glaubhaft versichert ist, dass
der bisherige Arzt von der Absicht eines Wechsels in der Behand¬
lung unterrichtet worden ist. Berathungen im Hause des Arztes
Bind von diesen Beschränkung!*n ausgeschlossen.
§ II. Wird ein Arzt zu einem dringenden Falle gerufen, weil
der Hausarzt m ht sofort gefunden wurde, so soll er, wenn nicht
ein Consihum gewünscht wird, den Kranken sofort nach dem Ein-
heffen des Hausarztes diesem übergeben. Werden in solchen
fällen mehrere Aerzte zugleich gerufen, so wird der zuerst Ein¬
treffende die Behandlung bm zur Ankunft des Hausarztes über-
AmEz wählen* nn ^ ^ SpHter Eingetroff< nen die nöthige
J 12 j, In Abwesenheit oder im Erkrankungsfalle eines Coilegen
ist demselben bereitwilligst Aushülfe zu leisten. Nach seiner Rück-
zeben ni ien w 8Un i g Wer f e “ demselben die Kranken wieder üüer-
Uberlassem KegeIung der Honor arfrage bleibt den Betheiligten
eines § k™ n b 0 ?p 8i M al8 8el J ,8tv «" t »ndli. h, dass für die Behandlung
beanspS wiS g6n de886n FamUie eine Vergfltung nicht
aus Vit' Jeder Ant ver8 ' eht seine Praxis von seinem Wohnsitze
Rundtouren ohne Berufung oder regel-
za^emeän e ren e ^ ® ineS ° rtes ohne Veranlassung sfnd
zefordert 5 einTn rd K!i" J* ne F* Besuche auf dem Lande auf-
plötzlicher Kranken eines anderen Arztes wegen
besuchen «n ®^. erung °j Cr Verschlimmerung des Zustandes zu
ohne sich sLdel! In dil^h de » Umstünden entsprechenden Rat ,
Anordn^eKrifSicf f?, 5 and ZU , “ 18chen - Hinterlässt seine
sich wieder twaSf' * *“ deD behan(Jelnde n Coilegen und zieht
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
13
o--— —.Muvumoot ÖCI Ur
behandelnden Coilegen und zieht
Specia § lii 6 'd 0 J )er einer bestimmten Behandlung zugezogene
,r,hre “' " ichl * *25
III. Von den Consilien.
werdet, geseideSÄL a o riU L mD8 4 8 j S der *PPr°birte Arzt zugelassen
Anklage^whobe^wo^en^at^oder^hnl» 81 * 101 ' 8 *'! 6 * 11 L eine gegründe,e
8 1 » Rpi "*» od er erhoben werden kann
lichkeit verpflichtet■ ?°” 8,I ‘ um I8t . i ede f Arzt zu strengster Pünkt-
Wegbleibe7.Der zuenrt b **** dn “ gonde mie entschuldigen das
die festgesetzte Ln »nf k d T nde J ArZt hat daher 15 Mi nnten über
^ger, zQ warter kOf 1?? ^ en ‘sprechend der Entfernung
'•erachoben zu betrachten^w* d,C6er ? ri8t v . ist daB Consilium als
kommen, so verordnst ,, War ? ur der behandelnde Arzt ge-
allein gekommen, "o*zfchT e^ «Lh* B f edarf; . ^ ar der Consiliarins
ordiniren. Nur bei ri-i’®" 1 i® ® cl J, sofort wieder zurück, ohne zu
Entfernung beigezown £f D ? eD Fä er J oder wenn er aus grösserer
nntersnehen und^chiwiw 6der Consiliarius den Kranken
ftr den behandelnden ? rdl “ lren , binterlässt jedoch schriftlich
regeln. n Ärzt 8eine Ansicht und die getrofFeneD Maass-
* Q f das Genaueste°vermein 8 ?* a “ i,drt und untersucht den Kranken
der Soperiorität über k u je , d ? cb dabei strengstens jeden Schein
die bisherige ^handlang behandelnden Ant und jedes Urtheil über
a bge8chlossenem Sit"? Berathung muss in einem vollkommen
hne Zeugen stattfinden und muss dieselbe.
hei^sowoh^lem^r^nbe , Tage getitenen Meinungsverschieden-
T T Kranken, wie seiner Familie verschwiegen bleiben
vom R f!' lt f t der Berathung, der gemeinsame Beächln* 35
vom behandelnden Arzte den Betheiligten bekannt gegeben.
. 8 „ • von dem im Consilium beschlossenen Verfahren soll
” . . lm Ausseraten Nothfalle und bei Eintritt neuer dringender Er¬
scheinungen abgegangen werden. nngenaer r,r-
w Ä 2 iL^ K 8ich * wei berathende Aerzte nicht einigen so
™ “S^ Wnd# Arat dem Kinken oder seinen Angehörige“
von 'heser Meinungsverschiedenheit Kenntniss zu geben und muss
err d ‘ e En * 8cheidut,g überlassen bloiben, welchem Ar/.te
zwi8chen m e hrerpn Ve p ft n n -r"- Meinungsverschiedenheiten
h n e T Consilium haltenden Coilegen entscheidet
i M S n “ Der . od % die dissentirenden Aerzte sollen höflich
The lnSL' de Y ™ Besprechung des Falles und jede weitere
^ t " d , e , 88 ? n Behandlung ablehnen. Die Wiederholung
der fSpuS" 18 b ' e ‘ bt , dem Wunsche des Kranken überlassen ode?
der Entscheidung des behandelnden Arztes.
IV. Von den Kassenärzten.
knn,ml 23 iJ ei r BeWerbunge 5 ?m Kassenarztstellen besteht voll-
S e l e,e , Concurrenz; doch verpflichtet sich jeder Arzt, in
Verualtlni. dur , Ch Aufd [ ln f' Ichke >t bei den die Stelle vergebenden
E r, od £. durcb Unterbieten des Honorares odTr durch
LelSS “ »chädlxr dM C0nc0rrente ‘ und
v J 24 ‘ Ha ben die Vereine oder deren Mitglieder sich über eine,
o 8e u. gegenüb . er einzuhaltende Minimaltaxe geeinigt, so ist es
Ehrenpflicht jedes Arztes, an derselben festzuhalten.
, Verträge mit Kassenverwaltungen müssen schriftlich
gemacht und vor Abschluss der Vorstandschaft des zuständigen
Vereines vorgelegt werden.
V. Von dem Honorare.
§ 26. Sämmtliche Coilegen, welche an demselben Orte oder in der
Nachbarschaft wohnen, sollen bindende Taxen für Besuche, Haus-
ordinationen, Zeugnisse u dgl. aufstellen. Es gilt als Ehrenpflicht,
unter diese vereinbarten Taxen nicht herabzugehen.
§ 27. Jeder Arzt verpflichtet sich, zahlungsfähige Kranke unter
keinen Umständen unentgeltlich zu behandeln. Säumige Schuldner
werden durch Anrufung des ärztlichen Rechtsschutzvereines, wo
ein solcher besteht, oder mittels anderweitiger Rechtshilfe zur
Zahlung angehalten.
VI. Von dem Schieds- und Ehrengerichte.
§ 28. Zur Schlichtung von Differenzen unter den Coilegen wird
in jedem Vereine ein Schiedsgericht eingesetzt, dessen Zusammen¬
setzung und Competenz in den Vereinssatzungen näher erörtert wird.
§ 2A Dieselbe Körperschaft kann ohne Anrufung einer Partei
selbstständig zur Wahrung der Standesehre vorgehen, wenn ihr
Thatsachen bekannt geworden sind, welche die Standesehre zu
schädigen geeignet sind.
§ 30. Alle Verhandlungen des Schieds- resp. Ehrengerichtes
bleiben gegenüber dem Publikum strengstens geheim. Nur auf
speciellen Beschluss kann deren Veröffentlichung geschehen. Auch
den Vereinsmitgliedern werden die Verhandlungen des Schieds- oder
Ehrengerichtes nur nach speciellem Beschlüsse mitgetheilt.
Referate und Bücheranzeigen.
Herrn. Eichhorst: Handbuch der speciellen Patho¬
logie und Therapie, für praktische Aerzte und Studirendc.
Fünfte umgearbeitete und vermehrte Auflage. Erster Band. Wien,
Urban und Schwarzenberg 1895- Preis 12 Mk.
Zum fünften Male nach seinem ersten Erscheinen vor 12 Jahren
tritt das vorliegende Handbuch seine Wanderung in die ärztliche
Welt an. Das vierbändige Werk, welches die goldene Mittelstrasse
zwischen unseren kurzen Lehrbüchern und den grossen Sammel¬
werken der inneren Medici» einhält, steht einzig in seiner Art
da. Es entspricht, wie der Erfolg gelehrt hat, einem wirklichen
Bedürfnisse und zwar dadurch, dass es weit über die lehrhaft-
schematische Krankheits-Darstellung hinaus die Pathologie mit
fast erschöpfender Gründlichkeit behandelt und auch für seltenere
Vorkommnisse Aufklärung und Rath ertheilt. Ist es schon eine
ganz ungewöhnliche Leistung, wenn ein einzelner Autor aus eigener
Kraft ein Werk von solchem Umfange gleich meisterhaft nach
Inhalt und Form zur Vollendung bringt, so müssen wir nicht
weniger die Ausdauer, umfassende Sachkenntnisse praktische Er¬
fahrung und Belesenheit bewundern, die sich immer wieder in
den neuen Auflagen bekundet und diese auf der Höhe der Zeit
hält. Der erste Band der vorliegenden Auflage, der wie bisher
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No. 1.
14
die Krankheiten des Circulations- und Rcspirationsapparatos ent¬
hält hat trotz zeitgemässer Umarbeitung nur um einen Bogen am
Umfang zugenommeu. Neu bearbeitet sind hier insbesondere die
Krankheiten der Nasenhöhle, sowie die ätiologischen Abschnitte
der fibrinösen Pneumonie und der Pleuritis. Die früher bei den
Neurosen des Herzens erörterte Baseduw'scbc Krankheit ist in dem
ersten Bande ausgefallen; wir werden ihr wohl bei deu Nerven¬
krankheiten • wieder begegnen. Eine praktische Neuerung, ■ die noch
hervorgehoben werden soll, besteht darin, dass die Recepte deut¬
licher und übersichtlicher im Texte hervortreten. Im G rossen und
Ganzen können wir, wie bei früheren Besprechungen in dieser
Wochenschrift-(1890 No. 15, 1891 No. 27, 1892 No. 42)
Kichhorst’s Handbuch dem Studirenden, noch mehr aber dem
praktischen Arzte als gründlichen Rathgeber auf das Angelegent¬
lichste empfehlen. Stin tzin g-Jena.
P. Zweifel: Lehrbuch der Geburtshfilfe für Aerzte
und Studirende. Vierte, vielfach umgearbeitete Auflage mit
240 Holzschnitten und 2 Farben tafeln. 678 Seiten. Stuttgart
bei F. Enke 1895-
Das im, Jahre 1887 zum ersten Male erschienene Lehrbuch
Zweifel's hat mit jeder neuen Auflage nicht nur an Stattlichkeit
des äusseren Aussehens, sondern auch an innerem Werthc gewonnen.
Der Reihe nach ist im Laufe der Jahre die verbessernde Hand
an alle Kapitel angelegt worden und so ein Werk entstanden, das
jetzt in seiner vierten Auflage zu den besten Lehrbüchern zählt,
deren sich die deutsche Geburtshülfe rühmen kann.
Die allgemeine Einthcilung des Buches und der Inhalt seiner
einzelnen Abschnitte sind bere.its bei früheren Besprechungen
skizzirt worden. Es soll deshalb. in Folgendem nur kurz auf
einige wesentliche Neuerungen der vorliegenden Auflage hingewiesen
werden. , \.
Eine Umarbeitung hat vor Allem das erste Kapitel erfahren,
welches die Prophylaxe der puerperalen Infection behandelt und
nunmehr als «specicllc Hygiene der Geburtshülfe» die ganze
Lehre von der geburtsliülflichen Asepsis und Antisepsis umfasst.
In Betreff der besonders wichtigen Frage nach der Möglichkeit
einer vollkommenen Desinfection der Hände steht Zweifel,
gestützt auf die. an seiner Klinik augestellten Versuche von
R ei nicke Und Kro eilig, sowie auf mehrfache klinische Erfah¬
rungen, auf dem Standpunkt, dass nach vorheriger Berührung mit
hochvirulcntjen Stoffen die üblichen Pcsinfcctionsnicfhoden keine
völlige Sicherheit gegen die Uebertragnng septischer Stoffe gewähren.
Es wird deshalb von dem Geburtshelfer die Vermeidung solcher
Berührungen oder im Falle sic stattgefunden haben, eine 4tägige
Abstinenz verlangt. Da die Scheide gesunder Kreissender keine
infectiösen Keime enthält und sogar baktericidc Stoffe bildet, ist
eine prophylaktische Desinfection der Scheide nicht nothwendig;
die äusseren Genitalien sind natürlich wie die Hände zu desinfieiren.
In der Lehre vom unteren Uterinsegment vertritt Zweifel
die Anschauung, dass die Grenze zwischen dem gedehnten und
verdickten Theil des Gebärkanales der anatomische innere Mutter¬
mund ist, dass also für gewöhnlich die gedehnte -Zone sieh
aus dem Cervix entwickelt und dieser der Sitz der Uterusrupturen
ist. Der Contraetionsring, welcher bei der Vorbereitung der Zcr-
reissung am Abdomen gefühlt wird, ist in der Regel das os intcr-
num uteri.
Das ungünstige Urthcil über die Symphyseotomie, welches
noch in der letzten Auflage steht, hat Zweifel, der über
28 Operationen mit Genesung aller Mütter und Rettung von
26 Kindern verfügt, zurückgenommen. Wenn man sich zur
Operation entsclilicsst, muss die Kreissende fieberfrei und das
Kind lebeusfrisch sein. Die Oonjugata vera darf nicht unter
6,5—6,7 cm messen. Als Schnitt wird der Querschnitt über
der Haut der Mons veneris empfohlen, die Weichtheile werden
dann nach unten und oben von der Symphyse abgelöst. Nach der
Durchschneidung des Knorpels soll, wenn möglich, der natürliche
Verlauf bis zum Durchtrcteu des vorliegenden Theiles durch den
Beckeneingang abgewartet werden, weil auf diese Weise die Weich-
thcile und die Bänder der Articulationes sacroiliaoae am besten
geschont werden können. Dieser letzte Rath ist, obwohl er von
verschiedener 1 Seite Widerspruch gefunden hat, jedenfalls sehr
bcherzigenswerth.
Bezüglich der Behandlung der Eklampsie befürwortet Zweifel
jetzt ein activeres Verfahren, Dilatation des Cervix mit Tarnier-
scheri Blasen oder mit dem Colpeurynter und im äussersten Falle
tiefe Cervixincisionen bis zum Scheidenansatz. Auch der früher
viel angewandte, dann wieder verlassene Aderlass wird für die¬
jenigen FiUle sehr empfohlen, wo die Anfälle nach der Entbindung
nicht aufhören. '
Zur Ausführung der Decapitation gibt Verfasser cm neues
Instrument, den Trachelorhektcr, an, welcher aus zwei gegeneinander
drehbaren Decapitationshaken besteht und die kindliche Wirbelsäule
«mit - überraschender Leichtigkeit» zerbricht.
Die Inhaltsübersichten, welche in der letzten Auflage allen
Kapiteln angehängt waren, sind bedeutend eingeschränkt worden.
Der Verfasser ist jedenfalls zu der sehr richtigen Ueberzeugung
gelangt, dass mit solchen Ucbersichten den Studirenden wenig
gedient ist. Ucbersichten sind gut, aber nur wenn sie von dem
Leser selbst durch eingehendes Studium erworben werden. Für
sich allein genommen nützen die Ucbersichten gar nichts und sind
deshalb besser weggeblieben.
In der biographischen Zusammenstellung berühmter Geburts¬
helfer, die am Schlüsse angehängt ist, vermissen wir neben manchen
Anderen den Geschichtsschreiber der Geburtshülfe, Ed. Casp.
Jac. v. Siebold. Bumm-Basel.
0. Schaffer: Atlas und Grundriss der Gynä¬
kologie. In 64 farbigen Tafeln und 54 Textillustrationcn.
München, Verlag von J. F. Lelnnann, 1896. — l’r. geb. M. 10.
Der. vorliegende Atlas reiht sich seinen beiden Vorgängern
desselben Verfassers, den Atlanten vom Geburtsact und der geburts-
hülflichcn Diagnostik und Therapie, würdig an und übertrifft andere
Publikationen dieser Art. wie z. B. den vor Kurzem auch in
deutscher Ausgabe erschienenen Atlas von Auvard, in ganz
hervorragender Weise. Der Verfasser, dem ein grosses anatomisches
und klinisches Material aus den Frauenkliniken von München und
Heidelberg 'zur Verfügung stand, hat dasselbe dieses Mal in einer
eigenartigen und, man darf sagen, sehr glücklichen Weise ver-
werthet. Die blosse Darstellung anatomischer Präparate ist für
ein Lehrbuch zu wenig instructiv, und die rein schematischen
Abbildungen, wie sie Auvard z. B. gibt, haben so gut wie gar
keinen wissenschaftlichen Werth. Sch. verfiel deshalh auf den
glücklichen Gedanken, eine Combi na tiun beider Darstellung«-
methoden zu wählen, indem er die naturgetreue Abbildung seiner
Präparate zu Grunde legte und die in Betracht kommenden A er-
änderungen schärfer hervorhob. Ausserdem hat er bei einer An :
zahl schwieriger Affectionen durch ganz oder halb schematische
Figuren das Verständnis« derselben sehr erleichtert. Sehr instructiv
sind auch die mikroskopischen Bilder und Zeichnungen, die sämmtlich
Originale nach eigenen Präparaten sind. Man vergleiche z. B.
die Bilder der normalen und erkrankten Uterusschleimhaut der
Tafeln 7 und 8, und man wird gestehen müssen, dass ein besserer
Ersatz für das histologische Präparat nicht gut denkbar ist.
Die farbigen Tafeln sind wiederum von hervorragender Schönheit,
einzelne, wie Tab. 30, 50, 51, 52 , gewähren dem Gynäkologen
geradezu einen künstlerischen Genuss. Solche Bilder sind für
den Studirenden auch besonders .deshalb von grossem Werth,
weil sie sich dem Gcdächtniss viel tiefer ein prägen, als mangel¬
hafte Figuren oder schematische Zeichnungen, und • ihm zur Er¬
innerung kommeu werden, wenn er der gleichen Affection an der
Lebenden begegnet:
Der dem Atlas angehängte Grundriss der Gynäkologie ist
ausschliesslich für praktische Zwecke bestimmt; seine praktische
Brauchbarkeit wird durch einen alphabetisch geordneten Anhang
der in der Gynäkologie gebräuchlichen Arzueiverordnungen noch
erhöht- Möge' das Werk sich viele Freunde erwerben und die
vom Verfasser und Verleger aufgewendete Mühe und Arbeit
belohnt ..werden! Rcf. möchte für spätere Auflagen nur noch
den WurtBch aussprechen, dass auch den Ovarialkystomen einige
farbige Originalabbildungen gewidmet werden mögen.
.. Jaff4-Hamburg.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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7. Januar 1896.
Prof. Dr. Helfer ich: Atlas und Grundriss der
traumatischen Fracturen und luxationen. Zwdte Tr
mehrte Auflage. München, J. Lehmann. Preis 8 M
In dem kurzen Zeiträume von einem Jahre ist, wie voraus
Zusehen war schon eme zweite Auflage des Werkes „öthig "
worden, sicherlich ein sprechender Beweis für seine Brauchbarkeit
D " Tafeln sind die gleichen geblieben, wie in der ersten
Auflage; der Tejt aber l.at wesentliche Bereicherung erfahren
insbesondere ist die Diagnose und namentlich die Behandlung 2'
gehender besprochen ; auch ist auf die Bcurtheilung von Verletzte ,
“ .Sinne der Unfallsgesetzgebung Rücksicht genommen. Z in
besseren Verständnisse und zur schnelleren Orientirung sind
vierzig sehr prägnante hguren beigefügt, die auf einen Blick „“Sr
lehren als breite Auseinandersetzungen.
Hiemit hat das Werk wesentlich gewonnen und ist so recht
ein für die Bedürfnisse des praktischen Arztes geeignetes Buch
geworden wie es auch zunächst in der Intention des Autors lag !
aber auch für den Studirenden dürfte es zur Einführung in dies
• icbtige Kapitel der Chirurgie kaum einen geeigneteren und
anschaulicheren Leitfaden geben. g d
f Somit wird sich das originelle Buch
Krseheinen wieder viele Freunde erwerben. KlTüTIUT*"
Neisser’s stereoscopischer medicinisclier Atlas
*Neu erschienen sind die 5. 6. und 7. Lieferung T der
Lmpyeui der Stirnhöhle TV' P i • j jXt, Phthalmus bei
«äs
halle von Lenr« v tu. ™ t,• , u - ‘'.\n. Zwei
Fälle von Sycosis tri’chophythia v. Dr^^ol^VIL^rXvS!
LXIX. !, ^XX t J berÖSer Urom-Eruption v. Dr. Sch äff er.’
>'«». LXXL PsöriaMs
Säst*,* ?■ w -
I.»i™fari«iy n “ w"'?'"" 1 '" '■ ? r ' Stac.l,„w. LXXV.
im Anschluss an liuhf ° ron ne . r - IiXX VI. ülccra tnberculosa
Stach ow. Lxxvn ü uSmT ^ T cus m,Uc) v ■ Dr -
Weinbrenner LXXIx’sH X i V f n 'r M T SIS fu " güidcs v * Dr
^ mntilai ^ LXXX -
Orbita v. p ro f j) r rr ' J ' besser. LXXXI. Tumor der
Papillome der\| a ' J ™ a * nü » F. Viertel. LXXXII.
^’XXIV.Clou t Bisk^v Dr'c V° Tt ° l LXXXIIL «•
Die Abbildungen si, T Cchtun(,Dr - L ie f fri,,g.
a ' S must ergiltige zu bezeichnen ™ ’ U ^ früheren Lieferung,
B a r I o w.
namentlich in letzterem bhf zllr Unken“tr hTT Und Ileum > und
und Zottenepithel. Verfasserglanbt^m?^ 6,1 verftndertes Drüsen-
bei der acuten Cholera infantum ^ ’ da8 v f 8 81ch “»ht nur
und chronischen Verdanung88 t töru , n“en d derStt UC, i- be ' den 8ubacute "
ÄtoÄ
Pharmakologischen Institut zu ßreslau f neuraoth ° ra x. (Aus deu.
fasse/ AuSSSSfTlJ'SJ^ ein8cb,ilgige Literatur gibt Ver-
und 6 Hundenan a " 18 Kaninchen
erzeugt wurde. Die Athemgrösse w S, ““ , off f ner Pneumothorax
wie vorher, indem durch Steigerung der"?™ dem Sti 5 h die8eIb e
A hemzüge der Ausfall der einen L^,nto i q en ? und Tiefe der
schneidang der Vagi hob zwa? die V ? -,m»? mpen 5 ,rt wird i Dureh-
Iiess aber durch die beträchtlich» r “ e hrung der Frequenz auf,
Athemgrösse intact. Der VenendmM^'ir™ 11 * ,. der Atbeni tiefe die
nung des Pleuraraumes ^ der ArtS n dS nach Er »*‘
kurzen Steigerung ( in Folge der Unrnh. , 6 " e , 1 ? hte nacb einer
seine frühere Höhe Der ß procentisrÄ deS . Tbieres) sehr bald
sank nach Anlegung des Pneumothomv fkiwrstoi&ehalt des Blutes
Pneumothorax mehr als bei ]inW«««v c0n8tant - bei rechtsseitigem
Ä halt d ° r K ° hlen -
deshalb an, dass die Saiier«t»ff„Jo_ n ze , lgte ’ Verfasser nimmt
Ursache der verstärkten Athpmh»u/ mUng , de8 Seriellen Blutes die
ähnlich wie bei Versuchen b - e ™ Pneumothorax ist,
in verdünnte Luft Gepi>ert “it Versetzung der Thiere
» b «- fj e Secr..l„n „ nd
bei*) (Schluss.) gens ' (Aus der med Klinik zu Heidel-
Neueste Journalliteratur.
?0 8 tuUerT 1 8Che i Med,C,n - 29 ‘ B - d > 1. «• 2. Heft.
epithels bei Dannkr^hä'en • VerhalteQ des Darra ‘
Cholera infantum. * der Sau gBnge, insbesondere bei
fcjÄS äfcheu n fn S 6 / R T ^ tigkeft am Leipziger Kinder-
«ankungen des Darm« oestorLt Reih , e von Fällen , welche an Er-
SS 81 *ur Untersuchung der Da W rm« n h. ~l StUnden nach dem Tode
Z h 'l» B Resultfl t dersllben FoSf ? eimh r t zu en tnehmen und
«ngsstörungen (3 Fälle} X Folgendes: Bei subacuten Verdau-
* e “em Oedem nur Sc ^ S1Ch au88er Hyperämie und stellen-
e'eTbe W6 - Che iu ein em Falle^bTsTn H^r Verschleim ung der Epithe-
zeigte sich bei 3 Fällen v’n u Magen sich erstreckte. Das-
Sf*5 End e das klinische ch ' on,scher Dyspepsie, welche
£2> em 4- Fall von chronischer n" ^ fol,icula ^ darboten.
Ä^ngen geslorbm ?l Dy W der unter choleriformen
des , Pro V°P la8ma8
setzend \ e ,rechleimung zu «SS? . Kerne neben theüweise
exrpo den Cholera infantum * D >. Rei e,ner n an einer acut ein-
81ve Steigerung der Verschh.im beDen u Kinde da 8 e gen fand sich
Verschleimung schon im Magen und glasig
ohne Ehlslauf ffi ^ gerillg8 Mengen
50-80 g und bei noch T*"** 0 *«
gestört, das Auftreten frefer sIlzBäure CeLHftf f^^“^ deutü eh
acidität vermindert ist die Fnrlrom j.. ere P atet ur jd die Gesammt-
sehr langsam sich vollzieht m,d d eT P '° n und Pe Ptonbildung
längert wird. Während durch Natron dea f tlich ver ‘
Acidität herabgesetzt wird aber nach tS-' al ‘ erdln ? 8 anfangs die
so dass bei habitueller'Hyperacfditüt kein Sl Tf
zu erwarten ist wird durch RUmnA, u g , von diesem Mittel
s r„ 0 ™"i l e
bicarb ziemlich Mark! IchletohetaeTgSg‘ "f* 0 “' ™ be ' m N “ tr -
Ülül
zwar so beträchtlich, dass nicht blos die Regurgitation dafür ver
antwortlich gemacht werden kann. Das bald nach der Tftsinn
beobachtende Wiederansteigen des arteriellen Druckes lässt sich
suche ^ n an h in 0 wefrh Weit f ?8 , er v ären; Verfas8er ^»te deshalb Ver-
in ^ elchet ! gleichzeitig auch der Druck im linken Vorhofe
gemessen wurde und beobachtete, dass während des Eingriffes der
stS in2 rUCk 8t ^ k 8 l nkt > der Druck im linken V«Srf fflEütlS
steigt, auch wenn der Eingriff selbst keine Klappenläsion bewirkte
Es musste also eine primäre Insufficienz des Unken VentS an¬
genommen werden Wenn diese Schädigung vorübergegangen war
e!höht £ rf3Sf , ?S Ck WiGder i der Vorhofdruck bl?b meistens’
drnnti l o. g ® Fallea war J edoch trotz des Sinkens des Arterien¬
druckes kein Steigen des Vorhofdruckes zu bemerken. (Fortsetzg. folgt.)
5) M. Störbeck: Tabes dorsalis und Syphilis.
zwischa^ Ä« Ä 6r km® {Üf , de ? Ittiologischen Zusammenhang
Kritik nnt»äf»o und Syphilis geltend gemachten Argumente einer
KMn k n h h g ^- ha . t ’i? ,bt ? eine Uebersicht über 103 der I. med.
tlie3t k er b d ehnf R K F ien i te i » * y d e . n ' 8 entstammende TabesfüHe. Diese
theilt er behufs Feststellung einer etwaigen vorausgegangenen Lues
3eiKrlÄf n , e '?’w ln SOlche - bei We,chen a "8 der Anamnese
S n ^n?5v t hT r a ' l \ bMVVr ' - U8 dem gegenwärtigen Befund voraus-
KnSi SypI i ll i?. 8,cher er wiesen war, in solche, bei denen die
18 u f ? Ctl0n> Wegen Dicht charakteristischer Angaben über
die Pnm&rerscheinungen, zweifelhaft war, und in solche, bei denen nicht
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
der geringste Verdacht anf Syphilis weder nach der Anamnese noch
nach dem objectiven Befund bestehen konnte. Von diesen 108 Fällen
waren nnr 22 sicher syphilitisch, 23 zweifelhaft syphilitisch und 03
sicher nicht syphilitisch, wenn die zweifelliaften Fälle halb zu den
sicher syphilitischen und halb zu den sicher nicht syphilitischen
gerechnet werden, resultiren 69,4 Proc. nicht syphilitischer und
30,6 Proc. syphilitischer — Zahlen, welche von denen von Westen-
hoeffer an obducirten Tabesfftllen gewonnenen nur sehr wenig
abweichen. Verfasser hält demnach einen ätiologischen Zusammen¬
hang zwischen Tabes und Syphilis für zur Zeit noch nicht erwiesen.
6) F. Umber; Ueber den Einfluss nucleinhaltigerNahrung
auf die Harns&urebilducg. (Aus der I. med. Klinik in Berlin.)
Die vom Verfasser aDge6tellten Versuche mit Darreichung
nucleinreicher Nahrung, nämlich von Thymus, Gehirn, Leber und
Niere ergaben Erhöhung der Hamsäureausfubr nach Genuss von
500 gr Thymus, während 300 gr Tliyinus eine nur unbedeutende
Steigerung hervosriefen. 500 gr Leber haben bei dem einen Indi¬
viduum beträchtliche, bei einem anderen keine Steigerung der Harn-
8äureauBscheiduug zur Folge, Kalbsnieren und Kalbshirn wirken wie
Muskelfleisch auf die Ausscheidunq der Harnsäure, bei Milchnahrung
ist sie beträchtlich geringer als bei Fleischnahrung, die Xanthinbasen¬
menge schwankt beim Gesunden in sehr weiten Grenzen, sie wird
durch Alkalizufuhr und durch Milchnahrung erhöht.
Linde mann - München.
Archiv für klinische Chirurgie. 51. Band, 3. Heft.
1) Quervain - Chaux-de-Fonds: Ueber Cephalhydrocele
traumatica.
Qu. berichtet über drei neue Fälle der genannten Affection, deren
Wesen bekanntlich darin besteht, dasB durch den nach einer Schädel-
fraetnr (bei Kindern) zurückgebliebenen Knochenspalt Liquor cere¬
brospinalis unter die Kopfschwarte austritt.
2) Haberkaut-Danzig: Ueber die bis jetzt erzielten
unmittelbaren und weiteren Erfolge der verschiedenen
Operationen am Magen.
Von 207 typischen Pylorusresectionen wegen Carcinom sind
114 gestorben (55 Proc ). Von 32 wegen gutartiger Stenose Operirten
sind 21 geheilt und 11 gestorben (34,4 Proc.) Von 1881 bis 1888
betrug die Gesammtmortalität 62,8 Proc., von 1889 bis lh94 45,1 Proc.
Bemerkenswerth ist, dass von 8 im Jahre 1894 Operirten ’ keiner
gestorben ist
Von 20 Geheilten und später Gestorbenen sind 17 noch inner¬
halb des ersten Jahres erlegen. Am längsten recidivfrei ist ein
Fall von Ratimmow, nämlich über 8 Jahre.
Bei den mit Verwachsungen complicirten Krebstumoren sind
die unmittelbaren Erfolge viel ungünstiger.
Von 241 Gastroenterostomien wegen Carcinom sind 105 nach
der Operation zu Grunde gegangen = 43,5 Proc. Die Mortalität
hat mit den Jahren abgenommen.
— 51 Ffllle von p y lor °P la8tik kommen 11 tödtliche Ausgänge
— *1)0 rOC.
Beinahe der vierte The» aller Todesursachen bei Magen¬
operationen wird durch Peritonitis gebildet
Erwähnt sei noch, dass die längste Dauer einer Pylorusresection
in einem Falle von Per man G 1 /« Stunden betrug. Der Patient
wurde geheilt.
3) F. König-Berlin: Ueber Fistula colli congenita.
Sorgfältige Untersuchungen an 13 Fisteln und an 14 Cysten.
4) Thorn: Ueber spontanes Keloid.
Auf Grund der sorgfältigen Untersuchung eines Falles von
spontanem Keloid an den Zehen eines 2 jährigen Knaben kommt
1h. zu dem Schluss, dass man keine Ursache hat. eine Entwicklung
der Keloids aus den Gebilden der Gefässwand anzunehmen. Th.
nimmt an, dass das Keloid hervorgeht aus einer zelligen Hyper¬
trophie und Hyperplasie des normalen Coriumgewebes, glaubt aller¬
dings, das das definitive Product dieser Zellproliferation, die Keloid-
verschieden h i8t >8 ' 8Ch V ° D de ™ Typus der cutanen Bindegewebsfaser
mUz^SplenopeS“' Beh “ dl “"B Wa-der-
. -ktZ f 1 * hat Kunden Versuche darüber angestellt, die Milz in
ein Netz aus stenlisirtem Catgut zu füllen und das letztere mit Nähten
an die Bauchdecken heranzuziehen. Die Versuche ergaben, dass es
ÄÄÄ“ Verwachsungen .wischen Mil. und
Verf. empfiehlt dies Verfahren zur Fixirung der Wandermilz.
6 ) F - Nachod: Harnbefunde nach Chloroformnarcosen.
(Aus der Bayer sehen Kinderklinik in Prag.)
Verf. konnte bei Kindern unter 57 Fällen 4mal nach der Chloro¬
form narcose Ei weissim Unn nachweisen In 6 Fällen fand er Nucleo-
albumin und m 13 Fällen Cylinder. «ucieo
(Ref. ist erstaunt über die ausserordentlich grossen Meng
der ','r rb ™ ucbten . Chloroforms, nämlich im Durchschnitt 0 *3 g 8
kaum he S““ "£ e,,,e Zahl - - die beim Gebrauch der Tropfmetho
Luch^
■— -nr-
Bei einem bald nach einer Hasenschartenoperation verstorbenen
Kinde fand N. in den Nieren parenchymatöse Degeneration der
Kanälchenepithelien mit hochgradiger Betheiligung der Kerne, voll¬
kommene Intoctheit der Glomeruli, Fehlen jeglicher Entzündungs¬
erscheinungen. Er glaubt, dass die gleichen Veränderungen die Ur¬
sache für die nach Chloroformnarcose auftretende Albuminurie und
Cylindrurie abgeben.
Zucker hat N. in seinen Fällen nicht nachweisen können. Da¬
gegen fand er sehr häufig eine Vermehrung der Kreatininausscheidung.
Nach dem Vorgänge Becker's hat N. den Harn seiner Chloro-
formirten auch auf Aceton und weiter auch auf Acetessigsäure unter¬
sucht. Unter 57 Fällen hatte er 30 positive Ergebnisse, und zwar
Aceton allein 10 Mal, Acetessigsäure allein 6 Mal, beide zusammen
14 Mal. Mit Becker deutet N. das Auftreten der Acetonurie auf
gesteigerten Eiweisszerfall.
In 3 Fällen hat Verf. nach der Narkose bedeutende Mengen
Urobilin gefunden. Diese Erscheinung glaubt er wohl auf den Zerfall
rother Blutkörperchen zurückführen zu müssen.
7) Neuber-Kiel: Zur Behandlung starrwandiger Höhlen¬
wunden.
Unter starrwandigen Höhlenwunden begreift N. hier die nach
Nekrotomien und Evidements zurückbleibenden Knochenwunden.
N. behandelt die historische Entwicklung von der Frage ihrer Be¬
handlung, deren Förderung zum grossen The» sein eigenes grosses
Verdienst ist. Das erste ErfordemisB zu einer erfolgreichen Behand¬
lung ist die Entfernung alles Krankhaften, weiter die Ausschneidung
der Fistelgänge und der Bindegewebsschwielen, die Wegmeisselung
der Todtenlade, so dass nur eine flache Knochenmulde zurückbleibt.
Jetzt kann man je nach Sachlage in zweierlei Weise Vorgehen
und entweder das Einstülpungs- oder das Ueberdachungsverfahren
einschlagen. Bei dem ereteren werden die beweglich gemachten
Hautlappen in die Knochenhöhle hineingestülpt und durch Heft¬
pflasterstreifen bez. Nägel befestigt. An den steil abfallenden Räudem
(oberes Ende der Tibia, unteres des Femur) muss man oft fleckige
Hautlappen zurechtschneiden.
Bei dem Ueberdachungsverfahren gilt es, die Knochenhöhle
mit einem Material auszufüllen, über dem sich die Haut vereinigen
lässt, ohne dass es später zur Ausstossung und Eiterung kommt.
Trotz der Empfehlung vieler anderer Substanzen ist N. immer wieder
auf das Blutgerinnsel als das Bessere zurückgekommen. Allerdings
glaubt er, dass eine gleichmässige Jodoformirung desselben von
grosser Bedeutung ist. Diese Jodoformirung nimmt er jetzt in der
Weise vor, dass er das Blutgerinnsel mit 5 proc. Jodoformstärke
mischt. Bei der Einführung der Jodoformstärke sind die Resultate
deB Ueberdachungsverfahrens so gute, dass auf 3 primäre Heilungen
nur 1 Eiterung kommt. K recke.
Archiv für Gynäkologie, 50 Bd„ 2. Heft.
1) C. Metten he im er: Unvollkommene Duplicität der Ge¬
schlechts-Organe bei einem neugeborenen Kinde weiblichen
Geschlechts mit Atresia ani.
2) Wahl: Ueber die Entbindungen mit der Zange an der
kgl. Frauenklinik in Dresden in den Jahren 1889 bis 1. Januar
1894.
Münchmeye r-Dresden hatte vor 6 Jahren die Zangen-Operation
als die blutigste aller geburtshilflichen Operationen bezeichnet und
zwar wegen der von der Zange gesetzten Zerreissungen. Schmid
(Frauenklinik Basel) hatte sich wie gegen einige andere Ausführungen
so auch gegen diese gewendet und als einen seiner Gründe den an¬
gegeben, dass der Blutverlust nach Zangen-Operationen nicht durch
Zerreissungen entstehe und kein lebensgefährlicher sei. Schmid
räumte der Zange auch einen weiteren Spielraum ein, als dies von
Anderen zu geschehen pflegt. Gegen diese Ausführungen Schmid’s
wendet sich Wahl. Er bezeichnet mit Münchmeyer die Zange
als die blutigste, weil am meisten verwundende unter den
alltäglichen geburtshilflichen Operationen. Die Mortalität der Mütter,
soweit sie auf Rechnung der Zange kommt, ist in Basel und Dresden
allerdings 0 Proc. und die der Kinder 5.7 (Basel), 12 (Münchmeyer) und
.».6 Proc. (Wahl); dagegen entstanden bei Zangen-Anlegung Scheiden-
erleUungen in .84 (Basel), 57.7 (Münchmeyer) und 81.4Proc.
(Wahl). Wahl stellt sich demnach ganz auf den Boden Münch¬
meyer s und verlangt strenge Einschränkung der Zangen-Operation.
3) Köstlin: Werth der Credö'schen Methode zur Verhü¬
tung der Ophthalmoblennorrhoea neonatorum und ihre allge¬
meine Einführbarkeit.
Vor der Einführung der Credö'schen Methode betrug die Er¬
krankungsziffer an Ophthalmoblennorrhoea neonat, bis zu 50Proc.;
durch Credos Methode wurde diese Zahl auf 0 65 Proc. herabgedrückt,
ln den letzten Jahren wurde versucht, die Methode Credö’s (Ein-
träuflung von 1 Tropfen 2 Proc. Argent. nitr.) durcli andere Methoden
zu ersetzen; es wurden Carbol, Sublimat, Wasser, Acid. salic., Jod-
** n ld ’ P r ?P*'yl acL >Bche Scheidenspülungen u. s w. empfohlen.
^ u ‘ Grund einer Zusammenstellung der damit erzielten Ergebnisse
empfiehlt K. nachdrücklich die Credd'sche Methode, die er auch
neben der Anmeldepflicht erfolgter Augen-Infection für die Hebammen
obligatorisch gemacht wissen will. Die Annahme einer spät auf¬
tretenden sog „secundären“ (nicht intra partum erfolgten) Infection
der Lonjnnctiva Neugeborener, welche manche Autoren zu günstigen
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7. Januar 1896-
MÜNOHKNKR MKDICTNISCHK WOCHKNSCHHIFT.
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Ergebnissen in Bezug auf die .primäre“ (intra partum erfolgte) In-
fection führte, lässt er nicht in vollem Umfange gelten. Auch spät
auftretende Infectionen können primäre sein.
4) Krukenberg-Marburg: Ueber das Fibrosarcoma ovarii
mucocellulare (carcinomatodes).
K. beschreibt eine von den Ovarien ausgehende Geschwulst-
bildung, die sich einerseits durch die schleimige Metamorphose der
Zellen, andrerseits durch die Metastasirung in den Lymphbahnen
der Peritoneal- und Pleura-Blätter sowie in den Lymphdrüsen u. s w.
auszeichnet. Ein epithelialer Ursprung war in K.’s Fall nicht nach-
zoweisen, vielmehr scheinen diese und ähnliche Neubildungen vom
Bindegewebe, wenn nicht vom Endothel auszugehen. Wegen der
Genese kommt solchen Geschwülsten und ihrer genauen mikrosko¬
pischen Untersuchung eine Bedeutung zu, welche weit über das
klinische Interesse des einzelnen Falles hinausgeht.
5) Buschbeck u. Ettinger: Die operative Behandlung
der para- und perimetrischen Exsudate.
An 36 Fällen der Dresdner Frauenklinik werden die wichtigsten
Fragen über Entstehung, Erkennung und Behandlung dieser Exsudate
erläutert. Im acuten Stadium ist Ruhe, Opium, Eisblase erforder¬
lich. Wenn aber nach wenigen Wochen nicht Resorption und Ent¬
fieberung eintritt, sondern teigige Geschwülste mit dauernder Neigung
za Fieber bestehen bleiben, ebenso aber auch, wenn eingedickte
Exsudate mit schleichendem Fieber vorhanden sind, muss operirt
werden. Die Operation kann je nach dem Sitze nachweisbarer
Fluctuation breit von der Scheide aus, oder extraperitoneal von den
Bauchdecken aus, meist nahe dem Poupart'schen Bande, oder aber
auch intraperitoneal, also durch Laparotomie erfolgen. Gegen-
öflnungen nach der Scheide zu wurden nicht gemacht. Die Operation
bringt fast stets Heilung oder doch Besserung; die Entfernung des
Uterus und der entzündeten Adnexe kann jedoch dabei nöthig sein.
Der Exsudatherd kann sowohl Eiter, als auch nur Serum (oft mit
massenhaften Streptococcen) enthalten. Steinharte Exsudate können
einen Kern von Eiter oder Serum zeigen, der bei Massage-Behand
lung grosse Gefahren herheiführen kann.
6 ) Nie bergall: Bericht über die vom Mai 1887 bis März
1894 in der Basler Frauenklinik ausgeführten Prolaps-
Operationen, speciell über die Kolporrhaphia anterior duplex.
Von 34 durch Kolporrh. anter. dupl. nach Fehling
operirten Frauen waren 29 geheilt geblieben = 86 Proc. Bei K 0 1 -
porrh. anterior simplex (mediane Anfrischung) waren unter
36 Fällen 77.7 Proc. geheilt. Die Resultate der bilateralen Scheiden-
Anfrischung sind einerseits nach Procenten, andererseits deshalb
günstiger, weil sie schwerere Fälle von Prolaps betrafen- Die
Plastik der hinteren Scheidenwand und des Dammes wurde 14 Tage
nach der Kolporrh. anterior ausgeführt.
7) Irtl: Systematische Fettbestimmung der Frauenmilch
iu den ersten 10 Tagen des Wochenbettes mittelst der acido-
butyrometriseben Methode nach Dr N. Gerber.
Durch Behandlung mit Schwefelsäure und nachfolgendes Centri-
fugiren wird das Fett abgeschieden und in flüssigem Zustande dem
Volumen nach bestimmt. Bei Frauenmilch fand sich nach dieser
Methode vom 3. Tage des Wochenbettes an ein Fallen des Fett¬
gehaltes; gegen den 10. Tag nimmt er wieder zu, ohne die frühere
Höhe zu erreichen: 3. Tag 5.4L Proc., 9. Tag 3.50 Proc., 10 Tag
4.06 Proc. Erstgebärende zeigen geringeren Fettgehalt (3.5 Proc.)
als Mehrgebärende (3.97 Proc.). Mehrgebärende von 20—30 Jahren
eignen sich zum Stillen am Besten, wenn es sich um Ammen wähl
handelt.
8 ) Runge: Die sogenannten Hilfsursachen des ersten
Athemzuges und die intrauterine Athmung nach Ahlfeld.
Runge hält die S ch wartz’sche Erklärung (dyspnoischer Zu¬
stand der Medulla oblongata) für hinreichend und spricht sich gegen
Olshansen's Hilfsursachen (Hyperaemie des Schädels nach der
Geburt des Kopfes und Compression des Thorax) aus. Ebenso be¬
streitet er das intrauterine Auftreten von Atherabewegungen, welches
Ahlfeld beschrieben hat Gustav K1 ein-(München
Zeitschrift für 6ebortsh0lfe und Gynäkologie. 1895.
XXXIII. Band, 3. Heft.
11) Heinrich Waith er-Giessen. Ein Fall von gleichzeitiger
Extra- und Intrauteringravidit&t bei Uterus subseptus.
Der recht interessante Fall betraf eine 35jührige Bauersfrau,
die 3 mal geboren und lmal abortirt batte und wog«-n eines Tumors
im Abdomen rechts neben dem Uterus, der für eine Tubar-
schwangerechaft gehalten wurde, laparotomirt wurd-\ Hiebei ergab
ßich, dass es sich um einen Uterus bicornis mit Schwanger¬
schaft im rechten Horn und Hämatom der linken Tnbe in
Folge von Tubenabort und consecutiver Ilämatocelenbildung
handelte. Im Anschluss an die Sondirung des graviden Uterus und
die Operation kam es zum Abort. Normales Wochenbett.
Trotzdem ein Embryo nicht gefunden wurde, — der Foetus
der uterinen Gravidität war durch Blutung ausgestossen und nicht
gefunden worden — konnte W. die doppelte, gleichzeitige Schwanger¬
schaft durch die makroskopische Untersuchung zweifellos fest-
s teilen.
, ^2) F. Ahlfeld — Marburg. Ueber die ersten Vorgänge bei
aer physiologischen Lösung der Placenta.
Während Baudelocque der Aeltere zuerst lehrte, dass die
Inversion der Placenta bei der Loslösung den normalen Vorgang
darstellt, hatte Dun ca n und nach ihm besonders Fehling be¬
hauptet, diese Inversion der Placenta sei nicht normal, sondern
Folge eines (künstlichen oder durch das Kind natürlichen) Zuges
an der Nabelschnur. Finde dieser Zug nicht statt, so werde
die Placenta mit dem Rande voran in die Scheide hinabgedrängt.
A. hatte schon 1881 den Baudelocque'sehen Modus, der in
Deutschland besonders auch von Schultze gelehrt wurde, als den
normalen, den Duncan-Fehling'schen jedoch als den patho¬
logischen bezeichnet, vertheidigte seine Ansicht auf dem Gynäkologen-
congress IH^ Fehling gegenüber und sucht in der vorliegenden
Arbeit seine Lehre nochmals eingehend zn begründen. A. weist
zunächst nach, dass normaler Weise beim Austritt des Kindes gar
kein Zug von Seiten der Nabelschnur an der Placenta ausgeübt
wird, dass ferner der supponirte Zug vollständig bedeutungslos für
die primäre Inve sion wäre, da zu dieser Zeit die Inversion schon
vorhanden ist, und endlich dass aus physikalischen Gründen die
Ablösung der allseitig noch haftenden Placenla durch Zug einer im
Centrum wirkenden Kraft nicht möglich ist. Nach der Statistik
mehrerer Autoren tritt überdiess die Placenta durchschnittlich in
fast 80 Proc. der Fälle mit der fötalen und nur in 20 Proc mit
der uterinen Fläche aus der Schamspalte. Endlich beobachtete
A. bei einer von Sänger wegen Portiocarcinom gemachten Sectio
caesarea, dass sofort nach Wegnahme des Kindes die an der Uterus¬
wand noch adhaerente Placenta sich buckelförmig vorwölbte, ohne
dass Blut austrat; die Placenta hatte sich ohne Lösung ihres Randes
im Centrum abgehoben.
13i C. Gebhard - Berlin: Ueber das maligne Adenom der
Cervixdrüsen.
Während das sogen, maligne Adenom des Corpus uteri
eine relativ häufige Erkrankung darstellt, sind Fälle von malignem
Cervixadenom bisher noch wenig beschrieben. In der Literatur
konnte G. nur 6 sichere Fälle auffinden. In der vorliegenden
Arbeit beschreibt er 2 eigene Beobachtungen, die im Jahre 1892 in
einer Dissertation von Otto Krüger beschrieben worden sind, und
welche G. jetzt einer erneuten Untersuchung unterzogen hat. In
beiden Fällen handelte es sich um einen reinen adenomatößen
Bau der Neubildung, deren Ursprung aus Cervixdrüsen aus dem
Sitz der Erkrankung und der feineren histologischen Structur
deutlich hervorging. G. erklärt es selbst für recht schwierig, aus
dein mikroskopischen Bilde allein die Malignität der Erkrankung zu
erkennen; die Hauptsache wird das Verhalten des Mutterbodens
sein, der bei gutartigen Processen bestehen bleibt, während er bei
malignen durch die Neubildung zum 8 chwinden gebracht wird.
14) J. Miländer - Dorpat: Ventrifixation de» Uterus,
Schwangerschaft und Querlage des Kindes.
Während Sänger die Ventrifixatio uteri als bedeutungslos
für den Verlauf von späteren Geburten bezeichnet hat, gelangt M.
auf Grund eigener Beobachtungen und solcher aus der Literatur zu
andern Ergebnissen Unter zusammen 74 Fällen traten 6 mal Aborte
und 3mal Frühgeburten ein; von den 3 eigenen Beobachtungen
verlief nur 1 Geburt spontan und normal; 2 mal kam es zur Quer¬
lage, von denen 1 durch Wendung und Extraction, 1 sogar durch
den Kaiserschnitt beendet werden musste. M. kommt daher zu
dem Schluss, dass die Ventrifixation des Uterus bei eintretender
Schwangerschaft und Geburt ernste Complicationen durch patho¬
logische Lagen der Frucht nnd andere Anomalien herbeiführen
kann. M. zieht für die Retroflexionen und Prolapse des Uterus die
Alexander-Adams'sche Operation vor.
15) Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe und
Gynäkologie zu Berlin, vom a 6 . Juli bis 25 . Oktober 1895 .
Cciitralblalt für Gynäkologie. 1895, No. 52.
1) H. Albers - Schönberg — Leipzig: Eine neue geburts*
hülfliche Instrumententasche.
Beschreibung einer neuen Instrumententasche, deren Einrich¬
tung für das von Krönig aufgestellte Princip, alle für die am
häufigsten vorkommenden Operationen nöthigen Instrumente (Zange,
Abort, Dammnath) gesondert zu sterilisiren und separat in sterilen
Leinwandsäckchen zu verpacken, construirt ist. Der Preis der Tasche
(bei Alex. Schädel in Leipzig) beträgt 20—30 X
2) R. K 088 mann-Berlin: Chinosol als Antisepticum.
Chinosol ist eine neutrale Verbindung des Oxychinolins und
soll nach Untersuchungen des hygienischen Instituts in München
neben relativer Ungiftigkeit eine stark entwickelungshemmende
Wirkung auf Bakterien haben. K prüfte dos Präparat in seiner
Privatkhnik und Poliklinik an Stelle von Sublimat und Karbolsäure.
Er sah bei seinem Gebrauch (.einige Monate lang") keinen Fall
von Wundinfection, keinerlei Intoxicationserscheinungen irgend
welcher Art und auch keinerlei Ekzeme Als einzigen Nachtheil
fand K eine gelbliche Färbung der Wäsche und der Hände, die
aber durch Wasser leicht zu entfernen sei. K. empfiehlt das Mittel
besonders für die Hebammenpraxis an Stelle des giftigen 8 ublimats
und der die Hände stark angreifenden 5 proc Karbollösung.
J af f 6 - Hamborg
Berliner klinische Wochenschrift. 1895, No. 62.
1) Mendel: Ein Fall von Akromegalie.
Siehe diese Wochenschrift S. 1155.
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No. 1.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2) Treupel: Ueber die Art der Entstehung und die
Behandlung hysterischer Motilitätsstörungen in» Kehlkopfe.
(Medicin. Klinik und Poliklinik zu Freiburg i. B.)
Die von den Hysterischen gebotenen Bewegungsstörungen sind
nichts anderes als jedem Gesunden mögliche und bei genügender
Uebung gut ausführbare Modificationen normaler Bewegungen Dabei
unterscheidet sich der Hysterische von dem
dass er die gelegentlich, z. B. in Folge eines Schrecks, durch Nach¬
ahmung u. s. w., angenommenen eigenartigen Bewegungen unter
dem Einfluss einer krankhaften Vorstellung beibehält.
Die Behandlung dieser Motilitätsstörungen muss eine vor¬
wiegend psychische sein. Der Patient muss lernen, seinen Kehlkopt-
muskelapparat wieder in richtiger Weise functioniren zu lauen.
Das geschieht am besten durch Athem- und Stimmübungen unter
Controle des Kehlkopfspiegels.
3) Romberg: Welchen Antheil haben Herz und Vaso¬
motoren an den als Herzschwäche bezeichneten Erscheinungen
bei Infectionskrankheiten? (Medic. Klinik Leipzig )
Zahlreiche Versuche an Thieren führten den Verf. zu dem
Ergebniss, dass der Bacillus pyocyaneus und die Pneumococcen
dadurch schädigend auf den Kreislauf wirken, dass sie das Vaso¬
motorencentrum des verlängerten Marks lähmen. Bei den im er¬
laufe von Infectionskrankheiten als Herzschwäche bezeichneten
Erscheinungen hat man daher nicht nur an das Herz, sondern auch
an die Vasomotoren zu denken und entsprechend therapeutisch
zu handeln.
4) Gutmann: Ueber einige wichtige Verletzungen der
Sehorgane und ihre rationelle Therapie.
Enthält eine Reihe von praktisch wichtigen Einzelheiten, die
Bich in kurzen Worten nicht wiedergeben lassen. Kr.
Deutsche medicinhche Wochenschrift No. 1.
Prof. E. Leyden: Ueber die Affection des Herzens mit
Tuberculose. Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin am
25. Nov. 1895. Referat siehe diese Wochenschrift No. 49 pag. Hob.
Prof. Bonnet: Ueber den Bau der Arterienwand. (Aus dein
anatomischen Institut der Universität Greifswald).
An mit Orceln gefärbten Präparaten sucht B nachzuweisen, dass
die altgebräuchliche Eintheilung in Intima, Media und Adventitia
nicht ganz entsprechend ist, dass die „Elastica intimae und Adventitine
nichts anderes als stark entwickelte Grenzlamellen der an den
grössten Arterien die Media in grosser Zahl durchsetzenden elasti¬
schen LamellenBystemo sind, also der Media angehören. Als eine
der Entwicklungsgeschichte am besten entsprechende Eintheilung
unterscheidet B. zwischen dem „Endothelrohr-, entsprechend der In¬
tima, und einer je nach der Grösse und Lage der Arterie ver¬
schiedenen „perithelen Gefässwand“, nämlich der zwischen Elastica
interna und externa gelegenen Media und der Adventitia.
P. Fürbringer: Die jüngsten Pockenfälle im Kranken¬
hause Friedrichshain. (Aus der innern Abtheilung des städti¬
schen allgemeinen Krankenhauses am Friedrichshain in Berlin.)
Schluss folgt.
Prof. J. Israel: Erfahrungen über operative Heilung der
Bauchfelltuberculose. I. veröffentlicht 4 Fälle von durch Laparo¬
tomie geheilter Bauchfelltuberculose. Von interessanten Einzelheiten
ist zu erwähnen, dass in dem einen Falle eine grosse Anzahl bis
zu kirschkerngrosser Tuberkel binnen 36 Tagen spurlos verschwunden
waren, in einem anderen Falle ein apfelgrosser Tumor, ausgehend
von der hinteren inneren Wand des Colon ascendens, innerhalb
7 Monaten bis auf Wallnussgrösse geschrumpft war. Hochfieber-
haftes Verhalten contraindicirt nach seiner Ansicht keineswegs die
Operation. ......
E. Beyer: Zur Frage der Trionaivergiftungen. (Aus der
psychiatrischen Klinik und Poliklinik für Nervenkranke in Strass¬
burg i. E., Director: Prof. Fürstner.)
Kritik der bisher veröffentlichten CaBuistik der Vergiftungen
mit Trional.
B. L. Hohl: Zur Behandlung der Inversio uteri mittels
Kolpeurynters. (Aus der Kgl. Universitätsfrauenklinik in Halle a. S.)
Die Anwendung des Kolpeurynters, besonders in Verbindung
mit Fixation des Uterus durch Tamponade und constantem Druck
nach Krukenberg, ist die beste Methode zur Reposition des in-
vertirten Uterus selbst nach längerem Bestehen der Inversion.
Mittheilung eines Falles.
K. Kramer: Ein Fall von Blasenruptur. (Aus der chirur¬
gischen Abtheilung des Bürgerhospitals in Köln, Director: Prof.
Bardenheuer.) Die Ruptur sass an der Hinterseite der Blase
in der Nähe des Fundus, extraperitoneal. Schluss der 5,5 cm langen
unregelmässigen Wunde durch extravesical gelegte Nähte ähnlich
der Lembert’schen Darmnaht. Glatte Heilung, ohne dass ein
Katheter eingelegt wurde.
Ost er tag-Berlin: Ueber aUge meine obligatorische Fleisch¬
beschau. Schluss folgt.
F. Mohr hoff-Neapel: Ueber Salmiakeinathmung und
emä *EtrnFehlungutes neuen einfachen Apparates, Salmiak in
statu nascendi zu inhaliren, ev. in Combination mit Eucalyptol,
Terpentin, Morphium etc.
Vereins- und Congressberichte.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officiclles Protokoll.)
Sitzung vom 29- Oktober 1895
Vorsitzender Herr Unna, Schriftführer Herr Deycke.
Der Vorsitzende theilt mit, dass der Verein unter dem
Namen: „Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins“ als Seetion
des ärztlichen Vereins von der Generalversammlung vorläufig auf
ein Jahr genehmigt sei.
Herr Leilhartz hält seinen angekündigten Vortrag:
Kritische Besprechung der neuen Blutuntersuchungs¬
methoden.
Vor dem Bekanntwcrden der modernen Blutfärbungsmethoden
hatte man freilich die Abweichung in der Farbe, Grösse und Form
der roten Blutkörperchen kennen gelernt, auch wurden einzelne
besonders geartete Leukoeytcnformen beobachtet, (so wies z. B.
Eisenlohr auf die Bedeutung grosser Leükocyten mit plumpem
Kern bei chronischer Leukämie hin); doch blieb das genaue Studium
der verschiedenen leukoeytären Gebilde den neueren Blutunter-
suchungsmethoden überlassen, die gleichzeitig eine Couservirung
der Präparate ermöglichten.
Bevor Vortragender in das eigentliche Thema eintritt, berührte
er kurz die Technik der Fixirung und Färbung der Blutpäparate:
K h r 1 i c li fixirtc seine Präparate durch längeres Erhitzen auf
100—120°, diese Procedur hat sieh in der Folgezeit als entbehrlich
herausgestellt, man fixirt jetzt, wie es auch bei den zur Demon¬
stration kommenden Präparaten geschehen ist, durch absoluten
Alkohol oder Alkohol-Actlier zu gleichen Theilen. Die Färbung
geschieht mit wässrigen und alkoholischen Farbstofflösungen: vor
Allen sind zu nennen die Ehrlich sehe Triacidlösung, die
Ehrlich’ sehe Häuiatoxylin-Eosinlösung und die P1 eh n sehe
Eosiii-Methylenblaulösung. Diese Färbemethoden haben mikro¬
skopische Bilder im Blute kennen gelehrt, die sieh am ungefärbten
Präparat der (’ognition entziehen müssen, so lassen sieh z. B.
kernhaltige rothe Blutkörperchen, an deren Existenz noch jetzt
einzelne pathologische Anatomen Zweifel hegen, nur im gefärbten
Präparat mit Sicherheit diagnosticiren.
An derartig vorbehandelteu Präparaten beobachtet man in
Bezug auf die rotlien Blutkörper 1. Verschiedenheit in der Inten¬
sität der Färbung von ganz verwaschener Farbe des Protoplasma
an bis zur intensivsten der Kernfärbung nahokoniuicnden Tinction
desselben; 2- Formveränderungen: da ist vor Allem die von
Quincke zuerst beschriebene, bei schweren Anacmieen auftretendc
l’oikilocytose zu nennen; 3- Verschiedenheit in der Grösse : erwähnt
wird besonders das Auftreten von Mcgalocyten, von denen man
in den aufgestellten Präparaten solche von 14—16 /x Durchmesser
beobachten kann. Das Hauptinteresse nehmen die mikroskopischen
Bilder an den leukoeytären Elementen in Anspruch. Man fand
nämlich, dass das Protoplasma der Leükocyten sich aus verschiedenen,
durch ihre Verwandtschaft zu gewissen Farbstoffen kenntlichen,
in Gestalt von mehr oder weniger feinen Körnungen hervortreten-
den Bestandteilen zusammensetzt, welche Altiuaun mit dem
Namen des Granula belegte. Je mich der Beschaffenheit ihrer
Granula unterscheidet man eosinophile, basophile und neutrophile
Zellen (letztere auch Mastzellen genannt). Das basophile Proto¬
plasma hat eine sehr plumpe grobe Körnung, während die neu¬
trophile, besonders bei der Triacidfärbung hervortretende Körnung
G. Steinhausen-Jena: Mittheilungen über Krankheiten
und Curen des 16 . Jahrhunderts.
Sehr interessante Mitteilungen aus dem Briefwechsel des
Nürnberger Kaufmanns Balthasar Paumgartner mit seiner Ehe¬
frau, geb. Behaim.
sehr viel kleiner, feiner und gleichinässiger ist, so dass sie nur
bei Betrachtung mit Imniersionssystemen zu Gesicht kommt. Die
eosinophilen Zellen hielt Ehrlich Anfangs für charakteristisch
für Leukämie, doch hat sich dies als • nicht stichhaltig heraus-
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7 . Januar 1896._MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
gestellt, da sie auch im normalen Blut vorhanden sind; ausserdem
finden sie sich in reichlicher Zahl bei Asthmatikern, so dass man
also ihr Auftreten diagnostisch nicht vcrwerthen kann. Das deiche
p|t Ton gewissen Formen von kleiuen einkernigen Leukoeyten mit
nentrojihiler Körnung, die man sowohl bei progressiver jiemiciöser
Anaemie, als auch hei nicht progredienten schweren Anaemiecn
findet.
Eine weitere Errungenschaft der neuen Blutfürbungsmethodcn
ist. wie schon oben angedeutet, der Nachweis der kernhaltigen
rothen Blutkörperchen. Man unterscheidet ihrer Grösse nach
Xonnoblasten und Megaloblasten (Ehrlich). Die ersteren sollen
ein relativ günstiges Zeichen reprüsentiren, und zwar aus dein
Grunde, weil sie, wie man annimmt, im Stande sind, den Kern
auszustossen und sieh auf diese Weise wieder zu normalen Blut¬
körperchen umzuwandeln, wenigstens schliesst man dies aus dem
Umstände, dass inan bisweilen in einem rothen Blutkörperchen
mehrere Kerne (bis zu 5) sieht, von denen einige dicht an der
Peripherie liegen oder dieselbe wohl gar überragen. In diesem
Stadium können sic dann wohl verwechselt werden mit polynucleärcn
Leukoeyten, obgleich diese nicht die intensive Färbung des Proto¬
plasmas bieten wie jene. Als weitere Stütze für die fragliche
Auffassung gilt das Auftreten von freien, stark gefärbten Kernen,
ein Vorgang der zuerst von Rindfleisch beobachtet und später
von Ehrlich verwerthet wurde. Das Erscheinen von Megalo-
hlasten oder selbst von grossen Formen rother Blutkörper auch
ohne Kern ist entschieden als durchaus ungünstiges Zeichen auf-
zufassen.
Alle diese Betrachtungen lassen sich erst mit Hülfe der
neueren Blutuntcrsuchungsmethoden anstellen, doch thoilt Vor¬
tragender andererseits nicht die hochgespannten Erwartungen, die
seiner Zeit an die Entdeckung der verschiedenartigen Zellgranula
geknüpft wurden. Manche Umstände scheinen ihm dafür zu
sprechen, dass die Körnungen nicht die wesentliche den Charakter
der Zelle bestimmende Bedeutung haben; angeführt wird u. A.
das Hervortreten einer deutlichen Körnung bei frischen mit Mt-
tliylenblaulösung gefärbten Blutpräparateu.
Vortragender kommt noch auf die Mastzellenkörnung zu
sprechen, von der er absichtlich ein Präparat mit Triacidlösuug, eines
mit Plehn’scher Lösung und eines mit einfacher Methylenblaulösung
gefärbt zur Demonstration aufgestellt hat. E h r 1 i c h hat von
dieser Körnung Anfangs geglaubt, dass sie nur im Blut Leukämischer
vorkomme, doch sind Mastzellen auch im normalen Blut nach-
gewiesen. Ihre Bedeutung ist bisher noch vollständig unauf¬
geklärt. Herr L. macht ferner auf die in einzelnen Präparaten
auffallenden einkernigen grossen Markzellen aufmerksam, die sich
immer nur in sehr müssiger Anzahl bei der Anaemia perniciosa
progressiva finden, während sie bei der Leukämie sehr reichlich
vorhanden sind, ein constanter und auffälliger Unterschied zwischen
den beiden Bluterkrankungen, der bislang in den Lehrbüchern
nicht gewürdigt ist. Zur Erklärung der Erscheinung muss man
sich vorstellen, dass die Ausschwemmungsmöglichkeit dieser Zellen
aus dem Knochenmark bei der Leukämie eine wesentlich freiere
ist, als bei der Anaemia perniciosa.
Zum Schlüsse fasst Vortragender die verschiedenen Blut¬
befunde bei der Leukämie und bei der Anaemia perniciosa noch
«mu&l kurz zusammen: Bei der A n ae m i a perniciosa finden
sich ausser erheblichen pathologischen Abweichungen in der Grösse,
Form und im Färbungsvermögen der rothen Blutkörper in erster
Linie kernhaltige rothe Blutkörperchen, ferner spärliche einkernige
kleine Leukoeyten, während die polynucleären Leukocyteaformen
reichlich vorhanden sind, und endlich, im Gänzen selten, eigent-
uehe Markzellen. Bei der Leukämie sicht man .müssig reieh-
, grosse Zellen mit eosiuophiler und neutrophiler Körnuitg,
reichliehe Markzellen und gleichfalls kernhaltige rothe Blutkörperchen.
- n einem Präparat, das einem Fall von acuter Leukämie ent¬
stammt (der Patient erlag der Erkrankung innerhalb 2—3 Wochen),
tm inan sich überzeugen, dass kein wesentlicher Unterschied im
utbefund von einem daneben liegenden, einer chronischen Leu-
«me an gehörigen Präparat besteht, im Gegensatz zu den kürzlieh
rou A. Fränkel bei acuter Leukämie erhobenen Befunden.
j_ Fränkel: betont, dass das Verdienst der Entdeckung
wtunäigen rothen Blutkörper gerade einem pathologischen
Anatomen, nämlich Neumann in Königsberg, gebühre. Im Üebrigen
habe er zu dem, allgemein wissenschaftlich anerkannte Dinge ent¬
haltenden Vortrag des Herrn Lenhartz nichts hinzuzufügen.
Herr Simmonds: fragt, ob die Markzellen nur bei Leukämie
und Anaemia perniciosa gefunden werden, oder auch bei andern
Bluterkrankungen.
Herr Lenhartz: erwidert-, dass Markzellen unter Umständen
auch bei schweren, aber zur Heilung gelangenden Anaemieen Vor¬
kommen, wenn auch nur in spärlicher Zahl. Es ist schwer, das
genaue mikroskopische Bild der Markzellen zu beschreiben, da
Uebergänge zwischen grossen Lymphocyten und Markzellen Vor¬
kommen. Besonders schwer ist die Entscheidung bei den grossen,
oft doppelt oder dreifach die Grösse gewöhnlicher Lymphocyten
Übertreffenden polymorphkernigen Lymphocyten, d. h. solchen, die
Kerne mit Einstülpungen besitzen. Man kann nur sagen: Mark-
zellen sind Zellen von beträchtlicher Grösse mit sehr grossem Kern,
deren Protoplasma eosinophile oder feine neutrophile Körnung zeigt.
Darin stimmt Herr L. mit A. Fränkel überein, dass die Deutung
der Markzellen oft sehr schwer ist, er glaubt aber, dass A. Fränkel
zu weit geht, wenn er behauptet, dass man überhaupt nicht ent¬
scheiden könne was Markzellen sind und woher eigentlich diese
eigenartigen, grossen Zellformen stammen. Herr L. macht übrigens
noch auf ein Präparat aufmerksam, das leukämische Infiltrate des
Herzfleisches demonstrirt.
Herr Roemer: bemerkt, dass die Markzellen sich durch die
sehr viel blässere Tinction ihres Kerns von grossen Lymphocyten
deutlich unterscheiden Hessen. Dies.es Verhalten könne man an
den ausgestellten Präparaten sehr gut beobachten.
Herr Fränkel: fragt, wie lange der Fall von acuter Leukämie
gedauert habe, und ob während der Krankheitsdauer der Blutbefund
sich geändert habe, speciell ob die auffällige Menge von kleinen ~
Lymphocyten bis zum Tode constant geblieben sei.
Herr Lenhartz: erwidert, dass nur das Zahlenverhältniss der
weissen zu den rothen Blutkörpem sich geändert habe. Das Ver¬
hältniss habe bei der letzten Untersuchung 1:1.2 (rothe Blutkörper¬
chen) betragen. Seines Wissens übrigens habe Neu mann die
kernhaltigen rothen Blutkörper nur im Knochenmark nachgewiesen,
im Blut 6eien diese Gebilde erst mit Hülfe der neueren Blutfärbungs¬
methoden gefunden. Die Bemerkung des Herrn Roemer kann
Herr L. bestätigen.
Herr D eutschmann spricht über Transplantation von
Glaskörper des lebenden Kaninchens in das menschliche
Auge.
Vortragender setzt zunächst auseinander, zu welchem Heil¬
zwecke das Verfahren der thierischen Glaskörpcrverpflauzung von
ilun ersonnen sei: es handle sich um die schwersten Falle von
Netzhautablösung, hei denen alle Heilmittel, auch die vom Vor¬
tragenden angegebene Netzhaut ! Jlaskörper-Durchschneidung bereits
ohne Nutzen angewandt seien und die Augen sonst rettungslos
der Erblindung anheimgegeben sind. Hier könne mitunter die
Kaninchen-Glaskörpertransplantation noch Hülfe und Sehkraftver-
mögen wiederbringen. Herr I>. schildert den ungefähren patho¬
logisch-anatomischen Zustand derartiger mit Netzhautablösung be¬
hafteter Augen und setzt auseinander, welchen Zweck die Glas-
körperverpflanzung hier zu erfüllen habe; sie müsse, nachdem der
sub- und praeretinalon Flüssigkeit der Abfluss ermöglicht sei,
auch erwirken können, dass die Netzhaut an die Aderhaut zu¬
nächst angedrückt bleibe und späterhin mit ihr verwachse. Das
scheine denn in der That der Fall zu sein. Die eingebrachten
Kaninchenglaskörpermassen quollen auf. erhöhten den Binnendruck
des Auges und führten auch zu einem entzündlichen Zustand des
Uvealtractus, der zur Verklebung resp. Verwachsung der Netzhaut
und Aderhaut führe. Nachdem Herr IJ. kurz die Operations¬
methode gestreift und Einiges über das klinische Bild des operirten
Mensehenauges erwähnt hat, die Vortheile gerade des thierischen
Glaskörpers, als aseptischen, chemisch reizenden Materials ausein¬
andergesetzt hat, geht er zu der Erscheinung über, derentwegen
er besonders beute sein Thema hier vorgebracht hat, nämlich der
eigen thümlichen Veränderung, die der Kaninchenglaskörper erleidet,
wenu er, sei es mit, sei es ohne Zusatz von verdünnter (3 / 4 0/q)
Chlornatrinmlüsimg, durch Zerrühren in eine mehr flüssige l'on
sistenz gebracht wird. Der vorher völlig klare Glaskörper trübt
sich dabei, es treten weissliche Flocken auf, die beim Ab,stehen-
lassen sich zu Boden senken und eine zähe schleimige Masse dar¬
stellen, welche ein eigenthümliehes mikroskopisches Ansehen bietet.
Anfänglich sieht man kleine hyalinglänzende, doppcltkonturirte
Körnchen und Stäbchen, vou durchaus unregelmässiger Form regellos
durcheinander liegen ; weiterhin kann man unter dem Mikroskop beob¬
achten, wie diese zusammenfliessen zu grösseren Gebilden, von Stab-
Kugel- und knorriger Astform, die sich dann za grösseren baumartig
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20
MÜNCHENER MEDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
verzweigten Formen znsammenthun , manchmal ein grobmaschiges
Fibrinnetz vortäuschend. Bei längerem Zuwarten aber bilden
sich grosse hyaline Schollen, die zum Theil vollständig krystal-
loide Formen annehmen; so sieht man rhombische Platten mit
ausgebrochenen Kanten, den Cholestcarinkrystallen gleichend, dann
wieder Kegel, Pyramiden-, Sargdeckelformen, kurz eine ganze
Reihe krystalloider Gebilde. Indess sei es dem Vortragenden
nicht möglich gewesen, durch mikrochemische Reactionen die
Natur dieser Niederschläge festzustellen. Sie verhalten sich voll¬
ständig refraetär gegen Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure,
Essigsäure, sie lösen sich weder in Aether noch Alkohol oder
Chloroform; sie ändern sich nicht beim Erwärmen; Wasser und
Glycerin lassen sie unbeeinflusst; ferner Osmiuuisäure färbt sic
nicht; Jod tingirt sie gelbbraun, aber Auiyloidreaction zeigen
sie nicht; Carminalaun färbt sie röthlich, auch durch Anilin¬
farben werden sie blass tingirt, ain intensivsten durch Eosin.
Vortragender neigt am ehesten der Ansicht zu, einen Ei-
weisskörper vor sich zu haben, der sich beim Zerrühren des
thierischen Glaskörpers in krystalloider, unlöslicher Form aus-
scheidct. Hierüber müssen grössere Experimentalroihen an viel
Material, wie es an frischen Ochsen- und Kalbsaugen zu Gebote
stehe, Aufschluss geben. Sehr interessant wären nun weiterhin
die Veränderungen, die eine solche, in das menschliche Auge
injicirte Glaskörpermasse des lebenden Thiercs daselbst durch¬
machen, sowie natürlich diejenigen, welche das menschliche Auge
dadurch erführe. Hier ist es dem Vortragenden gelungen, ein
beschränktes Material zu erlangen. Experimcnti causa habe er
an einem bereits rettungslos erblindenden Auge die Transplantation
vorgenommen und hinterher, ca. 4 Wochen später, während des
entzündlich reactiven Stadiums die Bulbuscontenta durch Exenteration
entfernen dürfeu. Hier zeige sich nun, dass das klinische Bild,
welches in diesem Stadium etwa einem Glaskörperabscess ent¬
spricht, pathologisch-anatomisch keinen Eiterheerd etwa im Bulbus
nachweisen lässt, aber auch nicht, wie man annelunon könnte,
eine Verfettung der eingeführten thierischen Glaskörpermassen.
Man findet vielmehr die eingebrachten hyalinen Schollen zum
Theil noch annähernd in der ursprünglichen Form, umgeben
von Rundzellen, die sich an sie anschmiegen, zum Theil durch¬
brochen von Zellen und in feinkörnige Masse umgewandelt; eine
grosse Rolle spielen Riesenzellcn, welche die hyalinen Schollen
resp. deren Reste hie und da in sich aufgenommen haben oder
aufs innigste sich an sie anschmiegen, sie mit ihrem Protoplasma
gleichsam umfliessend. Einen grossen Theil, wohl den bei weitem
grössten, sieht man zu dieser Zeit bereits in eine feinkörnige,
hyaline Masse umgewandelt, die vielfach Lücken zeigt. Dass
diese feinkörnige Masse wohl aus den hyalinen Schollen hervor¬
gegangen ist, dafür spricht die durchaus mit der jener Schollen
übereinstimmende mikrochemische Rcaction. Daneben finden sich
isolirte Körner, mastzellenähnliche Gebilde und Pigmentkörncheu
und Stäbchen. — Was schliesslich aus den eingebrachten thie¬
rischen Glaskörpermassen wird, lässt sich nur klinisch erschlossen,
da hiefür naturgemäss das pathologisch-anatomische Material fehlt.
Es ist wahrscheinlich, dass im Laufe längerer Zeit, nicht nur
von Wochen, sondern vou Monaten, vielleicht Jahren, der gesammte
thierischc Glaskörper im menschlichen Auge aufgesogeu resp. nutz¬
bringend umgearbeitet wird. Man findet nach langer Zeit im
menschlichen Auge wieder einen klaren, durchsichtigen Glaskörjier
und nur an den Injectionsstellen Reste von Trübung. Klinisch
lässt sich durch diese Transplantationsmethode oft in den ver-
zweifelsten Fällen noch Hülfe und zwar Hülfe durch dauernde
Heilung der Netzhautablösung bringen.
Herr Lenliartz: fragt, ob die Transplantationsflüssigkeit noth-
wendigerweiae Kaninchenglaskörper sein müsse, oder ob man auch
einen indifferenten Körper, etwa flüssige Gelatine verwenden könne.
Herr Deutschmann: hat auch verschiedene andere Präparate
benutzt, aber ohne Erfolg. Chlornatriumlösung würde sehr schnell
reBorbrrt und mit Gelatine habe er schon f üher sehr schlechte
Erfahrungen gemacht, als er sie bei Hydrops der Sebnervenscheide
. in die Scheide injicirte: schon am nächsten Tage wurde die Gelatine
resorbirt. Ausserdem könne aseptische Gelatine niemals entzüudUngs-
erregend wirken, und das müsse man von dem Transplantationsstoff
verlangen.
Herr Lenbartz; meint, dass in der Sehnervenscheide die
Resorption vielleicht schneller von Statten ginge, als im Innern des
Bulbus. i
Herr Deutschmann: ist gerade der entgegengesetzten An¬
sicht, er glaubt, dass im Innern des Bulbus die Resorptions-
verhältnisse noch bedeutend günstiger liegen . ..
Herr Lenhartz: meint, man könne der Gelatine eventuell
eine chemisch reizende Substanz hinzusetzen. ,
Herr Deutschmann: iBt während der Demonstration der
Präparate mehrfach gefragt worden, ob die fraglichen krystalloiden
Körper nicht aus Mucin bestehen könnten. Er kann darauf erwiedern,
dass sie nicht die Mucinreaction geben; er hält sie am ehesten
für eigenartige Eiweisskörper.., . _ , . . . ,
Herr Franke: fragt, ob der klinisch in Erscheinung tretende,
der Injection folgende Entzündungszustand des betreffenden Auges
die Folge einer specifischen Eigenschaft des thierischen Glaskörpers
«Ai nd«r oh man unter Umständen eine Panopbthalmie befürchten
Herr Deutschmann: erwidert, er habe einmal den Glas¬
körper sofort unverdünnt eingespritzt. Trotz sehr heftiger entzünd¬
licher Reaction glaube er nicht, dass diese Entzündung jemals einen
deletären Ausgang nehmen könne. Uebrigens könne man die Inten¬
sität der Reaction je nach Belieben durch entsprechende Verdünnung
der Glaskörpermasse mit Kochsalzlösung regeln. Verdünne man
zu stark, so bleibe jede Reaction aus. Er fange gewöhnlich mit
einer schwächeren Lösung an, bei der zweiten Einspritzung könne
er schon bedeutend in der Concentration steigen, da eine schnelle
Gewöhnung an die lnjectionen einträte; und so fahre er allmählich
steigend fort bis zur Injection unverdünnten Glaskörpers.
Herr Franke: fragt, ob Herr Deutschmann das ophthalmo¬
skopische Bild genauer verfolgt habe.
Herr Deutschmann: theilt mit, dass es häufig zu Synechieen
käme, die sich leicht wieder lösten, es greife dann eine mehr-
weniger intensive Irido-Chorioiditis Platz. Ophthalmoskopisch sähe
man später die Gefässe der Netzhaut in der Infiltration unter¬
tauchen und verschwinden, zum Beweis dafür, dass in der Netzhaut
selbst ein Process vor sich ginge. Das ophthalmoskopische Bild
der Umgebung dieser 8tellen in der Aderhaut sei ähnlich etwa der
bei 8taphylombildung bei Myopie.
Herr Franke: fragt, ob die Processe in der Netzhaut sich
nur in den der Injectionsstelle benachbarten Partien abspielen.
Herr Dentschmann: bejaht dies.
Herr Unna: betont, dass trotz der physiologischen Wichtigkeit
des Glaskörpers unsere Kenntnisse in der Beziehung noch recht
mangelhafte seien. Freilich seien derartige Untersuchungen, wie er
aus eigener Erfahrung wisse, ungemein schwierig. Mucin lasse sich
mikroskopisch im Glaskörper nur schwer nachweisen; man fände in
den gefärbten Schnitten membranartige organische Fetzen ohne
Zellen u. s. w. Es sei sehr wohl möglich, dass uns hier noch ganz
unbekannte histologische und chemische Verhältnisse vorlägen.
Jedenfalls sei es eine sehr dankensweithe Aufgabe, die Chemie
des Glaskörpers einem eingehenden Studium zu unterwerfen.
Herr Emb den: theilt mit, dass vor Kurzem eine ausführliche
Arbeit von Mörrner in Upsala erschienen sei, die sich mit der
Chemie des Glaskörpers befasse. Dieser Autor habe im Glaskörper
verschiedene Eiweisskörper unbekannter Natur und Herkunft ge¬
funden, welche die gemeinsame Eigenschaft der Unlöslichkeit
besässen.
Physiologischer Verein in Kiel.
(pfficiclles Protocoll.)
Sitzung vom 2. Dez e m ber 1895.
Prof. Hoppe-Seyler Stellt einen Kranken vor, welcher
an den Folgen von Beri*Beri und Malaria leidet, die er im
niederländischen Kolonialdienste bei seinem Aufenthalte in Atjch
sich zugezogen hat.
Er bietet das Bild der Kachexie und Anaemie dar; das Hens
ist erweitert, es besteht etwas Ascites und Hydrothorax, sowie
Residuen von Pneumonie. Die Muskeln sind schwach entwickelt,
reagiren aber gut auf faradischen Strom, d’e Reflexe sind gesteigert.
Es besteht Herabsetzung der groben Kraft in Armen und Beinen.
Früher soll eine Lähmung der Beine bestanden haben. Die Milz
ist ziemlich stark vergrössert. Der Stuhl ist blass, färbt sich aber
beim Stehen an der Luft, enthält viel fettsaure Salze, phosphoreaure
Ammoniak-Magnesia und unverdaute Fleischfasern. Im Mageninhalt
war nach Probefrühstück keine freie 8alzsäure nachweisbar. Im
Urin fand sich kein Eiweiss, eine reichliche, aber nicht besonders
gesteigerte Urobilinmenge ( 0 , 1-0,2 pro die), in den Faeces liess
sich auch eine mässige Menge nachweisen (0,16 pro die). Der Urin
enthielt eine übernormale Menge von Indoxyl, doch war die Menge
der Aetherschwefelsäuren nicht sehr stark vermehrt. Da von Manchen
Beri-Beri auf die Wirkung im Darm gebildeter abnormer Zersetaungs-
produkte zurückgeführt wird, bo wurde der Stuhlgang (200 g) mit
angesäuertem Alkohol extrahirt, der Alkoholauszug eingedampft, mit
Wasser aufgenommen, nach der Methode von Baumann mitBenzoyl-
chlorid behandelt, der Niederschlag mit Alkohol extrahirt, der Alkohol¬
auszug eingeengt und in Wasser gegossen. Doch entstand nur eine
opäleeerrende Trübung, kein deutlicher Niederschlag. Somit waren
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i
i
7. Januar 1896-
Kamine jedenfalls nur in geringer Menge vorhanden. Darm-Parasit«, „ ---
wie Anchylostoma duodenale und Trichocephalus disDar wnX, ; R, gorosums soll 1 J a }, r n
Stuhl auch bei Stehenlassen im Brutofen nicht nachweisbar buinmclung der Studenten treriTh^f l. ^ I8t , gegen die Ver ‘
Derselbe demonstrirt die von ihm schon früher 11 « dass Medicincr 8 — 10 Jahre hnv ii.rÜ q* ™ rge onm,cn 8ein soll,
,e Reaction zum Nachweis von Zucker mit Hilfe von naoh s0 la "g<* Pause' wieder *ur^t^^l|^ d
lomtrophenylpropiolsäure in alkalischer Lös meldeten. etzung derselben
Reagens besteht in einer halbprocentigen Lösung, welche” Üm ir AlleS Allcm *W das medieinische Sh.di,.,,, ,1 i
“ r l T oder 25 <iramm s..b»tt ors ' h f*' r the “ ert ' *" ***** rSU'* w S rt d r
100 cbem Sign. natr. austic und W™««. ui.• , . J a auch mehrere neue Pwtf.,- ... . ... erschwert., da
jagjggggBJj EDICLNISCHE WOCHKX SPTvrtivt
--- -- - * , “ 1U1 «--«on Iraner i) ange¬
gebene Reaction zum Nachweis von Zucker mit Hilfe von
Orthonitrophenylpropiolsäure in alkalischer Lösung
Das Reagens besteht in einer halbprocentigen Lösung, welche aus
entspneht das circa einem Gehalt von 0,8 mgrm in dem Bpi, f’ Spitaldienstjahres abhängig gemacht «oh« anschliessenden
I “ i f . I,t »ehr Zucker vorhaudeu, » tri« Jiuükelbtaflirbung ^“*A berl ^ »Hjührlich die Spitto toJfetSS
ein durch Ausscheidung von Indigo. Mau kann so auch ,, d Candldat «n zu nouiiniren. 4utheilung
• , , , , ~—. BU <'unKclblaufürbung
ein durch Ausscheidung von Indigo. Mau kann so auch an
nühernd die Menge des Zuckers im Urin bestimmen, wenn man in
cintelnen Proben die Tropfenxahl eruirt, «Ichc gerade „oel, Grüa.
- h r,r sT s f une ~ is -*■ «•
Vortrag de, Reacti.u den V„„„rf g e„aeht, da, ^ 71^117)
genug m m der vom Vortragenden angegebenen Weise, um auch ? T i» ^ deiM Eigenberichte zu diesem G cs 'L
Gljcosunen von einigen Zehntel Procent naehzuweisen. Dies lässt 1W aDSetzcn: I*» Hogulirung der Ran^hSS
sd. sehr leicht durch entsprechend stärkeren Zusatz von ££ Jf **%"”**• T* « dMolbrt » wird « «nJSTdieC
, ff&hr , enddie vo " lhm angegebene Modification die Sache ® bung de " sta;lthc,en Sanitätsdienstes präciscr, intensiver u „d‘un,
umständlich und eher noch ungenauer macht, da er in das zum **? dcr ZU gcstalten u " d an dieselbe einen strengeren Maassstah
Kochen erhitzte Reagens successive mehr und mehr Urin einigen wird das hauptsächlichste Hindernis ÄS?
Di^ vTrz^'g^^d 63011 ^ 1 erhäI ^’ dles aber fehlerhafte Resultate. ”tsehfed ^ P urc “? hrnn * »'critorischer Reformen in den’
h 1 J erReaCt,0n8ind| d aas das Reagens gut ’ sa '»tätspoIizcilichen Dienstzweigen entgegenstellt
ea ioV b r WCni « Uri " gebraucht, die Knd- w T T" 0 Und VPrsta ” d ™»voIles Wirken erheischen
doslndil t r erk ° n " bar ist durt;h d ''e Ausscheidung ‘ ld u" AmtwiHehen der staatlichen Sanitätsbeamten erhöhen
menend’J ^ p“ V °" den gewöhnlich vorkommenden Bei i 1: k? 1Kfr8ü " I,eho l I "« erenz ailf die Verwaltung der sanitären
..ef f, V ° n E,we,sa zum Urin (bis 2%) nicht KC ^ lhrea Amtsgebictes erleichtern.
gSr-SLStHSS
V»™ J Nd “ fa ™ h “ ""1 “feen Proben viele Vorrüge t” <■ * Oberen Vor-
» Xi«"' 1 “ r Path »'»s ie Mi«, ww
____ wic ^ dc ' u 0 ffitieilen a, Sitzun^ipi^ocoHe I cHtnchme r ^ CU Kr SHgtC ’
Wi«.r Briefe. »
(Originalbericht.) j unserer Monarchie die Verpfleg.s- und Behandlungskosten, sowie
Enquete behufs Reform 'd' 0 "' ^ 1895 ‘ P^ht Jm^Iüi^dcr 6 »!,^A.r^teun^igeJ^ührKch^^bcr^*'/* Mil'
md Prfif._ . Ket °™ der medicinischen Harden (Julden K>; . i„. . . . *. - V1, ‘-
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
' V i en > 28. Dezember 1895.
Verpflegs- und B eh“T Be f irksärz te. - Vj 2 Milliarden
“> einem Jahre — n ungskosten u °d Erwerbsverlust
temporis. ' Der Arzt der Neuzeit. — Signum
“iaiateriwn^eine ^e llSf 1 WUrde ’ fand im ^nterrichts-
s Prcchendc Aendor..«» o.' ,U ,f te statt » wel «He eine zweckent-
.. j,neu roa nna Krankheit
unserer Monarchie. In Wien allein wurde mittelst desselben
Schlüsseis festgestelit, dass sich bei 800,000 Einwohnern und bei
30 pro Mille Mortalität der durch Tod und Krankheit bedingte
jährliche Verlust auf 16‘800,000 fl. beziffert und dass die jähr
^ '“scribiren müssen l, a *?* O obligaten Ochern .. .. f le, ‘ H( ' fratl ‘ Albert, fuhr der Redner fort, ändert der
* erde " soll. Dabei b ,. Wen " , lh,u «n Semester ungerechnet arzt «he S tf nd in unserer Zeit seine sociale Stellung. Aus dem
8tndia ®s. Mehrere Fächer “j 1 . 10 Sen,cstern medicinischen . rzte als ^ewerbsinanii, hierauf als Gelehrter und Künstler wird
neD au fgetragen, so chemTschf ^ t“ 1 ? Cdicinern a,s o bl ig te ,n , ! e “ erc . r /c ' t ei " A ™t als Beamter. Wohl wahr, meine Herren,
matofogie und Syphilis H " ° nd h I , f tolügiache Übungen, Der- * 8 ,st ab j er durch Erfahrungen erwiesen, dass dies nicht zu
Psychiatric, f erner C ’ Jg ? ene T n,,t lcbun « e ", Kinderheilkunde, Gansten des ärztlichen Standes stattfand, indem er weder au An-
Zahnheilkunde, chirurgische Ci La ?" golo « ie > 0tiatrik . Impfung, sebe !' n « ch materiel ' gowonnen hat. Mit der so erfreulichen und
?*»• Rigorosum mS J vT °T Und kliuiscbe ^actica. gedeih!,che., Entwicklung der Prophylaxis auf dem Gebiete der
“'•Semesters abgelebt d,*'“? IV ‘ odcr 1111 Anfänge Medi cm, und durch Pauscbalirung des ärztlichen Dienstes durch
A bester, das 3 . frühe J 0 2 - Rigorosum nach absolvirtem verschiedene Krankenkassen schwindet allmählig die ehemalige freie
mun - Die Maximalfrist 2“ l 3 J Wochen nach dem 2. Rigo- und «"»bhüngige Kategorie der praktischen Aerzte kaf exochcn,
8 “ dCF Ablegl,n g des 2. resp. des - - —T ..
) Zeitschrift für n i,_ • , „ ., ' "“ich dieses Gesetz werden 7 Bezirksärzte in die VII ’Rantrs-
•) cf - Br atz, l na ; by8 ^ b Cba mie Bd. 17 S 83. d ? VluTnA nj B . e ^ ir > 8i ' rzt<! der IX. Rangsklasse avanciren in
8 ‘ Dl88 - Kiel 1893. f® X 11 n U ? ; d ,‘t 8 Bezirksärzte und Sanitätsconcipisten werden von
der X. in die IX. Rangsklasse versetzt.
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22
MÜNCHENER MEDK'TNISCHK W( K’H ENSCH RIFT.
No. i.
sie wird archaistisch, und an ihre Stelle tritt einerseits die Kate¬
gorie der staatlichen ärztlichen Beamten, andererseits der auto¬
nomen sanitären Organe.
Die mensclüiche Gesellschaft will jedoch nicht einsehen, dass
die Verrichtungen und Pflichten des Arztes als Beamten, welchem
durch seine Instructionen die Ausübung der prophylaktischen
Maassregeln gegen die Entstehung und Verbreitung der Krank¬
heiten und die Bekämpfung der antisocialen hygienischen Miss¬
stände obliegt, ganz entgegengesetzt sind den Verrichtungen des
ehemalige» praktischen Arztes kat' exochen, welcher sich ja he-
kanntermassen nur mit der Behandlung Iwreits entwickelter und
somit bestehender Krankheiten beschäftigte.
Vom gewerblichen Standpunkte allein aufgefasst, welchen ich
jedoch in der Medicin nie billigen würde, arbeitet der ärztliche
Beamte als angcstelltor Hüter der menschlichen Gesundheit gegen
die materiellen Interessen des ehemaligen praktischen Arztes und
somit gegen die Interessen des praktischen Arztes
überhaupt. Für diese, der menschlichen Gesellschaft auf dem
Gebiete der Hygiene geleisteten Dienste wird diesen sanitären Be¬
amten ein gewisses Honorar zu Tlieil — Gehalt kann man einen
Betrag nicht nennen, welcher zur Deckung der uöthigsten Lcbotis-
bedingungen nicht hinreicht, daher er sowohl durch den Staat,
als durch die autonome Behörde auf Ausübung der Praxis an¬
gewiesen erscheint ....
Das ist das Loos des Arztes der Neuzeit, als ein tiber-
flüssiges Uebel angesehen werden zu müssen ; und glauben Sie
mir, dass er die problematische Würde, in eine ihm unwürdige
Beamtenkategorie eingereiht zu werden, für seine ehemalige Frei¬
heit als praktischer Arzt sehr gerne hergeben würde.
Als Zeichen der Zeit möchte ich zum Schlüsse verzeichnen
die im >: Eingesendet« des gestrigen : Fremdenblatt • enthaltene
Verlautbarung. Die im politischen Bezirke Bruck a. d. Leitha
ansässigen, die Praxis ausübenden Aerzte sind in Folge der in den
letzten 20 Jahren fortwährend zunehmenden Theuernng der Lebens¬
verhältnisse einerseits und der durch die Krankenkassen ver¬
ursachten eclatanten Beeinträchtigung des ärztlichen Einkommens
andererseits bemüssigt, ihre Honoraransprüchc bei den wohlhabenderen
Clienten ihrer Privatpraxis vom 1. Jänner 189G an um 50 Proc.
zu erhöhen, was hiemit zur geneigten Kenntnissnahme des
P. T. Publikums verlautbart wird.
(Folgen die Unterschriften von 5 AerztenA
Diese »Verlautbarung« ist eine neue Erscheinung, sie lehrt
aber mehr als Bände. Wie arg muss die ökonomische Lage dieser
5 Aerzte gewesen sein, bis sic sich eines Tages zusammengefunden
haben, um gemeinsam eine solche Enunciation, welche vorsichtiger¬
weise blos an die »wohlhabendere Clientei« gerichtet ist, vom
Stapel zu lassen! V Mit welchem Achselzucken wird diese Ver¬
lautbarung von einzelnen Acrzten. welchen Galenus noch Opes
gibt, angesehen, wie wird sie von anderen bekritelt und sogar
— bedauert werden, obwohl sie in den Augen aller denkfähigen
Menschen nur gebilligt, vom Standpunkte der ehrlichen Einsicht
sogar anerkannt werden sollte.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadlmio de Mödecine.
Sitzung vom 17. December 1895.
Die Diphtheriemortalität seit der Serumtherapie.
Seit Januar 1895 hat sich der Gebrauch des Diphtherieheilserums
mehr und mehr in Frankreich ausgebreitet und Hand in Hand geht
damit eine stets abnehmende Zahl der Todesfälle an Diphtherie
Nach der statistischen Zusammenstellung, welche Henri Monard
gemacht, war in den 108 französischen Städten, welche über 20,000
Einwohner besitzen und bei welchen eine durchgeführte Anmelde¬
pflicht besteht, in der ersten Hälfte der sieben vorhergehenden
Jahre, also 18:8—1894, die mittlere Zahl der Diphtherietodesfälle
2627; während des I. Semesters 1895 betrug diese Zahl 904, also
eine Abnahme um 65,6 Proc. Diese Abnahme ist wiederum keine
ständige, sondern eine wachsende, wie die monatliche Statistik
beweist. Wie sich die Zahl der Todes- zu jener der Erkrankungs¬
fälle stellt, darüber sind noch nicht genügend sichere statistische
Zusammenstellungen gemacht Das platte Land wird zum Mindesten
ebenso stark von der Diphtherie befallen wie die Städte. Monard
hält die Behauptung nicht für übertrieben, dass jährlich ca. 15,000
Menschenleben durch das Diphtherieheileerum in Frankreich gerettet
worden
Socldtd de Biologie.
Sitzung vom 14. December 1895
Die lieber impf barkeit der Tuberculose.
Cadiot, Gilbert und Roger haben schon früher festgestellt,
dass die Tuberculose der Säugeth iere nur in 10 Proc. der
Fülle auf das Ilnhn übertragbar ist; beim Papagei hingegen
verhält es sieh anders, indem bei dreien dieser Thierc die Impfungen
stets positiven Erfolg hatten Somit beweisen diese Experimente
ebenso wie die sonstigen ätiologischen Untersuchungen, dass die
Tuberculose des Papagei vom Menschen berrübre; umgekehrt kann
aber jedenfalls der infieirte Papagei wieder der Infectionsträger für
den Menschen werden.
Wirkung der Darmantiscptica auf den Bacillus coli
Gri mbert constatirte, dass ,i Xaphtol in der Dosis von 0,25
auf looo, Carbolsäure 0,1 Proc., Salol, Benzoiiaplitol 1 Proc., Natron
saücvliciiin 0,1— o, • Proc. die Entwickelung des Bacillus coli in einer
IVptmdnsung nicht verhindern und die Bildung von Indol in diesen
Culturcn nicht verhüten. Bismuthum subnilrieum ferner hat in
1 Pimc. Dosis keinen Einfluss auf die Entwicklung des Bacillus coli,
aber bindert die Bildung von Indol. Kurz, die unlöslichen Darm-
antiseptica sind sozusagen ohne Wirkung auf den Bacillus coli und
dessen chemische Functionen.
Ansteckung durch Bücher.
Um die Frage zu beleuchten, oh die Bücher als Träger con'
tagiöser Krankheiten und welcher von diesen anzusehen sind, unter¬
nahm du Cuzal mit Catoin Versuche mit dem Strepto- und
Bneumococcus, mit Diphtherie, Tuberculose und Typhus. Injicirten
sie Thieien Bacillen, welche mit durch die verschiedenen Krankheits-
producte(Streptococcen und Pneumococceneiter,Diphtheriemembranen
u. s. w) intieirtem Papier in Berührung waren, so erwiesen sie sich
nach der Tödtung als behaftet mit der betreffenden Krankheit. Es
ist also wirklich Gefahr vorhanden, Bücher zu benützen, welche in
den Händen derartiger Kranken waren, und von grossem Nutzen,
möglichst vollständig die Dcsinfection dieser Bücher zu bewirken.
Zu diesem Zwecke wurden die von Lehmann und Miquel
empfohlenen Formaldohyd-Dämpfe versucht und die Sterilisations¬
öfen; letztere Art wurde als leichter und sicherer durchführbar
erkannt, vorausgesetzt, dass es sich nur um brochirte Bücher handelt,
welche keine Veränderung durch den Dampf erleiden.
Sitzung vom 21. December 1895.
Die Purgantien als Mittel zur Darmdesinfection.
Gilbert hatte früher die Wirkung der Milchdiät auf die
Darm-Mikroben studirt und in letzter Zeit jene der Abführmittel.
Hat ein gesunder Mensch 15 g Natr. und 15 g Magnes. sulfur.
genommen, so erfolgt eine Ausleerung von ca. 1,51 kg; dieselbe
j enthält pro mg 272,000 Mikroben, d. h. für die ganze Menge
| 411 Milliarden, während die normale Quantität, oh ne Einnahme von
I Abführmitteln, in 2-4 Stunden 12 Milliarden beträgt. Durch diese
Therapie wurden also 34mal mehr Mikroben aus dem Körper fort-
geschatt't; es ist nun die Frage, ob durch die Vermehrung der
Keime unter dem Einflüsse der Diarrhoe oder durch die Reinigung
des Darmes dieses Resultat erzielt worden ist. Ara Tage nach
dem Versuche nahm der Stuhl wieder seine normale Beschaffenheit
an und enthielt in 430 g 580 Millionen Mikroben, die Zahl der¬
selben war also uin das Zwanzigfache vermindert; in den folgenden
Tagen nahm sie allmählich zu, blieb aber lange unter der normalen
Zahl. Die Purgantien wirken also wie Desinfectionsmittel und
erzielen eine relative Darmantisepsis; sie wirken schneller wie die
anderen Mittel und ihre Erfolge bleiben längere Zeit bestehen.
Verein zur Unterstützung invalider hülfsbedürftiger
Aerzte in Bayern.
General-Versammlung: Donnerstag den 30. Januar 1896
Nachmittag 5 Uhr im Lokal des Aerztlichen Vereines
zu München, Altheimereck 20.
Tagesordnung: 1. Wahl der Mitglieder des Vorstandes und
Aufsichtsrathes. 2. Bericht des Kassiers über den Vermögensstand
des Vereines. 3. Bestimmung über die Höhe der Mitgliederbeiträge.
4. Aufstellung von Kreiskassieren; dazu Antrag der unterfränkischen
Aerztekammer auf Remunerirung dieser Kreiskassiere und auf Fest¬
setzung bestimmter Termine zur Einkassirung der Beiträge. 5. An¬
träge auf Erweiterung der Zwecke des Vereins: a) Dr. Landmann-
Fürth: „Stirbt ein Arzt, der als Invalide unterstützt wurde, so wird
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1896.
MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
23
uterlassenen Wittwe oder den hinterbliebenen unselbstständigen
Tn eine einmalige Gabe von 1000 M aus der Kasse des Vereins
ht “ b) Dr. Aub-München: .Der dermalige Reservefond als
a ist aufzuheben und als besonderer Fond zu statniren und
dert zu führen, dessen Zinsen der Vorstandschaft für ausser
Hiebe Falle, in welchen die Stututen keine Handhabe für
des Eingreifen darbieten, zur Verfügung stehen sollen;“
Flerztekainmer von Unterfranken: „Ausdehnung der Vereins-
%keit auch auf Unterstützung von Wittwen und Waisen “
Stimmfähig in der Generalversammlung sind; je ein Delegirter
der acht bayerischen Aerztekammern, die Verwaltung und der
Aufsichtsrath’ des Vereins mit zusammen fünf Stimmen. Die
Stimmen sind übertragbar. Jedes Vereinsmitglied hat das Recht,
der Generalversammlung boizuwohnen und sich an der Debatte zu
betbeiligen Zur Beschlussfassung können nur solche Anträge
gelangen, welche als Gegenstände der Tagesordnung bekannt gegeben
waren oder mit solchen direkt Zusammenhängen, ausserdem auch
solche Anträge, welcho die Leitung der Versammlung oder die
Berufung einer ausserordentlichen Generalversammlung betreffen.
Jedem Mitglied der Generalversammlung steht das Recht zu, vor
Ablauf eines l'räclusivtermines von vierzehn Tagen nach erfolgtem
Aos6chreiben Anträge zur Tagesordnung zu stellen. Die Anmeldung
solcher Anträge hat an den mitunterzeiebneten Vorsitzenden zu
geschehen.
Nürnberg, den 1. Januar 1896.
Dr. G. Merkel, Vorsitzender. Dr. W. Mayer, Schriftführer.
Verschiedenes.
Sterblichkeit an Lungentuberkulose auf 10.00 Lebende.
Deutschland*)
Städte
Einwohner- ]
Zahl 1
1892
1893 1
1894
Würzburg.
65,000
41,6 !
52,4
Nürnberg ....
161,000
41,7 !
39,3
Breslau.
361,000
40,1 1
34,9
Augsburg ....
81,000
33,4 |
33,5
München .
393,000
30,8
30,8
Köln . . .
309,000
30,8
28,2
Frankfurt a. M
201,000
29,1
27,8
Elberfeld ....
138,000
28,1
26,6
Dresden ....
316,000
28,1
26,0
Altona . . .
149,000
28,5
24,7
Leipzig.
404,000
25,8
24,3
Görlitz ....
67,000
24,8
24,3
Chemnitz . .
150,000
23,6
22,7
1*703,000
25,7
22,3
Hamburg . .
604,000
25,2
21,1
69,000
16,5
16,1
Frankreich
Verschiedene Länder
Städte
Einwohner¬
zahl
l.->94
Städte
Einwohner¬
zahl
1896
Havre.
Rouen .
Paris ....
Nancy .
Lyon . . . ’ ‘
Reims.
Nantes ....
Roubaix.
Lille .....
Bordeaux .
Saint-Etienne
Marseille . .
Toulouse
Algier. . .
116,000
111,000
2*424,000
86,000
431,000
105,000
122,000
115,000
700,1.00
252,000
133,000
406,000
148,000
83,000
50, Ol
45,0
41.6
33.7
33.6
32.6
30.1
29.7
28.2
25.5
23.5
21.8
17,7
16.5
i Budapest . .
Wien . ...
! Petersburg . .
Moskau .
, Warschau . .
1 New-York . . .
Philadelphia . .
i Glasgow . .
Neapel ....
Buenos-Ayres .
Manchester . .
London ....
: Chicago .
552,000
1*465,000
954,000
753,000
500,000
1*925,000
1*115,000
686,000
535,000
580,000
522,000
4*349,000
1*600,000
49.3
45.4
44.3
42,9
25.7
24.1
23.7
22,6
21.1
20.7
19,6
17.8
13.4
Instib!\°u eraSC k U ^ z * m Pf un fv) Professor Haffkine vom
seine . ast , eur ’ de über a'/z Jahre in Indien thatig war,
tzimpfunr gegen Cholera mit Hülfe der Behörden einzu-
miteetheiifJ 8 " ocl| enscluift Juhrg. 189.') No. 1. — Die oben
über die t 8 . in<1 * flr die deutschen Städte den Berichten
statistispho u e a " e . ' n München (bearbeitet von dem städtischen
sind WerV, 11 , reau in München) entnommen; die übrigen Angaben
zu Psn. / a "? dßnofficiellen Mittheilungen der städtischen Statistik
»Ua sanalü *- der Monographie von Dr. S.JA. Knopf:
p 4r jg traitement et prophylaxie de la phtisie pulmonaire.
führen, berichtete am 18. December im College of Jurgeons und
Physicians in London über seine Resultate. In allen Fällen, wo
die Cholera eine grosse Verbreitung und Heftigkeit angenommen
hatte, erwies sich seine Methode als nützlich. Die Wirkung schwacher
Dosen (',so einer Cultnrj ist eine für den Organismus schwächere,
aber auch nicht so andauernde; grosse Dosen dagegen (*/*—*/a einer
Cultur) bewirken ziemlich heftige Erscheinungen uni mehrtägige
Arbeitsunfähigkeit, dafür garantiren sie aber auch für ciue lang —
— bis über ein Jahr — dauernde Immunität. Er benützte ausschliess¬
lich frisches lebendes Choleravirus, die Symptome bestanden ln
Schwellung und Schmerz an der Injectionsstelle und Fieber. Die
Herabsetzung der Mortalität betrug bei schwachen Dosen ‘/a, bei
starken bis auf der Mortalitätsziffer. Haffkine hatte mit
Professor Koch Rücksprache genommen und dieser sich mit seiner
Methode und deren Resultaten vollkommen befriedigt erklärt. Er
ist nunmehr daran, Versuche anzustellen, durch Anpassung der
Autitoxinserutnbehandlung und Combination der beiden Methoden
der Impfung nicht blos eine präventive Wirkung, sondern eine
directe Heilung auch im acuten Stadium der Cholera zu erzielen.
Die betreffenden Arbeiten werden in den Laboratorien zu Netley
Abbey gemacht. F.L.
(Frequenz der deutschen medic. Facultäten W.-S. 1895/96.)')
Winter 1894/95
Sommer 1895
Winter 1895/96
In¬
länder
Aus--)
läinlor
Summa
ln- Aus-'-’)
lilüdcr lunder
Summa
ln- | Aus.')
l&Dden likuder
Summa
Berlin
894
326
1220
782
298
1080 3 ,
883
375
1258
Bonn
235
10
245
305
11)
324
249
21
270
Breslau
285
12
297
323
15
338
310
6
316
Erlangen
170
185
355
160
172
332
187
187
374
Freiburg
100
283
383
83
360
443
85
210
325
Giessen
61
48
109
74
63
137
80
■ÜK
142
Göttingen
171
36
207
182
38
220
180
B i.l
225
Greifswald
347
31
381
366
40
406
316
B.vl
351
Halle
210
39
249
236
5
241
209
Bll
242
Heidelberg
75
150
225
67
208
275
6)
2U1
Jena
47
143
190
00
140
195
54
135
189
Kiel
196
oo
251
294
105
399
218
46
264
Königsberg
197
24
221
218
28
246
196
27
223
Leipzig
351
376
727
332
285
617
347
320
667
Marburg
187
38
225
196
49
245
185
41
226
509
616
1125
497
712
1209
516
677
1193
Rostock
47
63
HO
48
63
101
46
52
98
Strassburg
144
156
300
142
158
.300
160
162
312
Tübingen
119
104
22J
101
114
215
109
97
206
Würz bürg
165
588
753
140
567
707
182
532
714
Zusammen
1510
3286
7796
4601
34-9
8080
7U96*)
Tagesgeschichtliche Notizen.
JUüuchcn, 7. Januar. Dem Herausgcbercoilegiuxn der Münchener
medicinischen Wochenschrift sind mit dem neuen Jahre die Herren
Geheimrath Professor Dr. Bä um ler, Director der medicinischen
Klinik in Freiburg i. B., und Geheimrath Professor Dr. Cursch-
mann, Director der medicinischen Klinik in Leipzig, beigetreten.
Wir geben unserer hohen Freude dai über Ausdruck, dass hierdurch
zwei so hervorragende Männer der Wissenschaft in engere Beziehung
zu unserer Wochenschrift getreten sind.
— Der Münchener Magistrat hat für einen Umbau des
Krankenhauses links der Isar die Summe von 1*332,000 M.
genehmigt. Ueber dieses bedeutsame Unternehmen erstattete in der
öffentlichen Magistratssitzung Rechtsrath Wolfram Vortrag, dem
folgende Hnuptmoinente zu entnehmen sind: Das jetzige Kranken¬
haus im Allgemeinen ist nach den gepflogenen Erhebungen in einem
vortrefflichen baulichen Zustand, aber manche Einrichtungen sind
veraltet und entsprechen nicht mehr den Anforderungen, welche an
eine solche Anstalt heute zu stellen sind. Von einer Verlegung
dieser Anstalt, also von der Erbauung eines neuen Krankenhauses,
welche seiner Zeit angeregt war, ist man völlig abgekommen; es
wird vielmehr nur ein theilweieer U m - und Ergänzungsbau
als nothwendig erachtet. Vor Allem ist die Zen tralheizung und
’) Nach amtlichen Verzeichnissen. Vergl. d. W. No. 28, I89u.
s, Unter Ausländern sind hier Angehörige anderer deutscher
Bundesstaaten verstanden.
3 ) Dazu die Stndirenden der Pepiniere . . ...
4 ) Unter obigen 7096 Medicin-Studirendon befinden sich 4HO
nichtdeutsche Ausländer, so dass die Zahl der inländischen Mediciner
6616 beträgt. — Die Gesammtzahl der an deutschen Universitäten
imraatriculirten Ausländer beträgt im laufenden Winter-Semester _
2287 fast 8 Procent der Gesammtzahl. Von diesen Ausländern
kommen 1697 aus europäischen, 590 aus aussereuropäischen Staaten.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHENSCHB1FT.
”“r ä sä
ein Stockwerk aufgesct. Abortverhältnisse vorgesehen.
Üisiü
iPiissiüi
SHHrsÄÄS^SfÄ
Kostenaufwand gebaut werde. - Für die Krwe.terung de. Waaeer-
versoreumrswerkes sind 2*520/ 00 M. ausgesetzt. .
ver8orgung8we^ peiner in Meran feierte am 6. ds. seinen 80 Ge¬
burtstag.^ deutgchen städten über 40,000 Einwohner hatten in
m Tahreawoche vom lf). bis 21. Dezember l»9o, die grösste
Sterblichkeit Rixdorf mit 30,1, die geringste Sterblichkeit Bremen
mit 10 0 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Barmen, Brandenburg,
M , nn .i Mülhausen i. E ; an Diphtherie und Croup in Beuthcn,
Darmstadt, Gera, München-Gladbach, Spandau; an Unterleibstyphus
in EsBen. __
Personalnachrichten.
Bayern.
Auszeichnungen. D,s Ritterkreuz des Verdienstordens der
bayerischen Krone: dem Generalstabsarzt Dr. A. Vogl; der Ver¬
dienstorden vom hl. Michael III. Kl.; dem Obermed.c.m.lrath, Uni¬
versitätsprofessor und Director «ler Kre.sirremanstalt Mflnchen Dr.
Hubert Grashey, dem functiomrende» Leibärzte Ihrer K Hoheit
der Prinzessin Adalbert von Bayern, Dr Oskar Schröder, der
Verdienstorden vom hl. Michael IV. Kl.: dem Bezirksarzte Dr. J. B.
• jK an. ■ d«s Ritterkreuz 2. Kl. des Militär-Verdienst-
Meier in Friedberg, d Bestelmeyer im Kriegs¬
ordens: den Oberstabsärzten L_Kl. Dr_Be Bte 1 m ^ ^ ^ ^
ministenum, J >r . 9 ] n f-Reg; Titel und Rang eines
Zollitsch, R- g ime . nl ^ ^ { t „ te |, ei der Gefangenanstalt Laufen,
k. Medicinalrathes: dem « 'Vni Director der Kreisirren.
Brückenau. ____
MorbiditätsstatistikdInfectionskrankheitenfürMünchen
in der 52. Jahreswoche vom 22. bis 23. Dezember 1805^
Betheil Aerzte 400. - Brechdurchfall 9 (10*), Diphtherie, Croup
60 (54) Erysipelas 12 (15), Intermittens. Neuralgin interm ( ),
Kindbettlieber 5 U), Meningitis cerebrospin. - (1), Morbilli 2-7(3 4,
toSU ac OU 4 P 4°(36), Ö Ruhr (d^senteria) -
Uebersicht der Sterbefälle in München
währen«! der 52. Jahreswoche vom 22. bis 28. December 1»95.
i Bi völkerungszahls 396 ( 00.
Todesursachen: Masern » (12), Scha-lack (-). WP hth «J e
! , io Fqi Rotlilauf — (—), Kindbeltfieber — (J), Miui\er
j
SÄ BeSeTung 12,5 (14,0*, für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 9,1 (12,0).
iTDieeingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: October 1 ) und November 1895 .
Regierungs¬
bezirk«
bezw.
Städte über
30,000 Ein¬
wohner
' N. I O.! N. I O. ! N. • Q i N.
N. Io I N. I O. ! N.. O. I N. I Ö. N.
Ruhr
(dysenteria)
d
a
71
«5
at
s
iO |N.
O. 1 N. 1
zm
io. N. o. I N. I Q.| N
Augsburg
Bamberg
Fürth
29, - 21 - <J - 2 - 4 - - - 3 - 4 - ü -
öl 2 6 10 7 1 3 6 3 ---‘ “ 3
1 G| — — — 1 —
1 --
Kaiserslant 12 — 23 — 1 “j — _ —
Ludwigshaf. 15 12 10 12 1 - ? ~
München 3 ) 228 67 255 1,4 .6 04 6 o 10
Nürnberg 98 - M) - 40j - 2 - 2
Regensburg 31 16 10 12 18 8. . 4 1
Würzburg 35 10 22 25 12! 7| 1 — —
- 18
- 25
44
_
1
_
2
;
_
- 3
4
—
—
1
—
10
11
—
- 3
2
2
—
_ .
__
—
—
—
_
4
i
2
11
8
70 1
ll 101
132
—
— 137
151
71
50
18
9
_
- 81
—
46
—
—
19
15
_
- 7
1
4
7
16
-
- 6
-
- 0
2
2
3|
1 'l z z\ 11 S
1 3-14 11
84 188 1 — 435 WO
66 — — — 105 —
_I 34 34
ssari a a a a a ?i u im n-i ai \v-\~. « 21 .1 moi * «^
Würzburg ®{^ s( . hlletgljch eIniger ge i t d er letzten Veröffentlichung (No. 60) eingelanfener Nachträge.
2) Im Monat October einschliesslich der Nachträge 1472. 3) 4".-44 ; — ») bezw. 45.-48. Jfthreswoche. . , Rosenheim Deggendorf, Dingolfing,
Einsendungen fehlen aus den unmittelbaren Städten Augsburg, Kaiserslautern und Nürnberg, sowie aus den Aemtem Rosen etm^ ^ p ^ er2)en vor .
Cirlesbach, Kötzting, Neunburg v. W., Kronach, Teuschnitz Neustadt a. A, Lohr und Obernburg. — Aus der pf “'* lleK ®^ ”“5 h ‘ r 1 e Croup- Epidemisches Auftreten
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet ans folgenden Aemtern bezw. Orten. DipbttoerU.C uj- tpi 30 Falle. -
in Treuchtlingen (Welssenburg), Bez.-Aomter Pirmasens (43), Freising (lud. Stadt) 36 Bayreuth (incl. Stadt) Wuiiitedel 31. EoWmte in Rodalben (Pirma-ens), ferner
Intermittens, Neuralgin intermitten b: urztl. Bez'rk Penzberg (Wellhelm) 17 Fälle. — Morbilli: Ffntdauer d« Epldemi«. i des Amtes Hilpoldsteln,
von Neuem stärkeres Auftreten ln Pirmasens selbst und 2 weiteren Gemeinden des gleichnamigen Bezhtaamtes; Epidemie In S gemeind1 « behandelte Falle. -
ferner grössere Verbreitung seit Mitte November la der Stadt Aschaffenburg, Bez.-Amt und Stadt Ktilmbach 101, Stadt.Scüwelntari/8 An , Dnlc h genommen. —
Parotitis epidemica herrscht in der Stadt Schwabach und deren Umgebung, öfter compllcirt mit Otitis media, selten ärztliche Hilfe mAnspnicng jraiie;
Typhus abdominalis: Stadt Pirmasens und Bez.-Amt Mindelheim Je 6, Bez.-Amt Amberg 6, Bez.-Amt Freis ng und Grameinde F^eystadt (Neui“«Influenza:
Epidemie in Ltchtcnberg (Nolla) erloschen. - Varicellen: Häufig in einigen Ortecharten der Gemeinden Altreichenau‘ ™d Jräueot
Abgesehen von einer Hausepldemi.- ln einem Internate in Dillingen lassen die eingelaufenen Meldungen noch auf keine epilemiscbe Ve 8 , . . c jj i m
■f portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erha en, w
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl der sich bethelllgenden Aerzte an das K. Statistische Finsendüne dringendst ersucht.
Im Interesse der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 21.) nnd regelmässige Kinsena g ^ Nach-
Zur Herstellung einer Gesamintübersicht für das Jahr 1895 und deien baldmöglichster Veröffentlichung wäre ungesäumte Mittnewung
träge aus früheren Monaten sehr erwünscht. __ —
Verlag von J. F. Lehmann in München. - Druck der E. Mühlthaler'scben k. Hof-Buchdruckerei ln München.
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IMo Münchener Medicin Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Xumtneru von mindestens2‘/,—3 Bogen.
Preis vierteljährlich B praenuraerando zahlbar.
Einzelne Nummer liu
Äft 5l ! d Fur RJ Aho lrCn 1 Fiif dle
..—"• Münchener mau D . mm,.*>.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ- BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ci, Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W, v. Heineke fi UpiIipi i „ u n , ,
Krclburg I. München Leipzig. Berlin. Erlangen. ’ Nünfberg’ Vs^Jnrg’ \r ^ F ‘ H ‘ *• ZlemSSeil,
— _ 8 -'tünchen. München. München.
Originalien.
Neues zur Pathologie des Morbus Basedowii.
Von Pr. Rudolf von Hoesslin, dir. Arzt der Kuranstalt Neu-
wittclsbach.
Die Basedo w'sehe Krankheit steht in, Augenblick in.
Mittelpunkt des ärztlichen Interesses; ausser zahlreichen zerstreuten
Arbeiten haben besonders die beiden neuesten Monographien von
Mannheim und von Busch an sich in erschöpfender Weise
mit dem .Studium dieses Leidens beschäftigt ; gesteigert wurde
das Interesse an der Krankheit in jüngster Zeit noch dadurch,
dass sich einerseits in der Strumcctomie, andererseits in der
Seliilddrüsenfütterung neue Gesichtspunkte für die Therapie des
Morbus Basedowii erüffneten.
, ilh " »' | t« n, « 1 “'A kurao Jlittlieilnngm oIkt ein so
,»l Kranklml.biW m „ikIim, «, gesAWit die»
" ,r * i,lrG, ' d der Beobachemig eine» Kranken, den ieli 6 Jahre
Z i eine »e n in meiner
i n ’ - M r!, h “ " afficl ' *“ i» *■> erwähnten M„„e-
T »T "” g li ” det * vorn her aehend
kr M ' m 0bCr miiehte ieh
Ü “” d " ,r 5 Erselieinungen r.„
1. Khjthmiselie Schwankungen der Pulsfrainonz,
2. Paruxjaniale Taohyeardic und deren Ablauf i
8 o,t|'”" kU " ge " d ' r und des I.nnien» der Hort-
4 ' Its'? 1 '. ,m i h “ 0rtte “ d » *<"»»« und den .«iroxvs.
malen tachycardischen Anfällen ;
\on'dcr 's' 1 ) l "' iriia i C " lul -Nhhän^riirkeit ihrer Intensität
'° n ,lcr lSchwcre d er Basedow ’ sehen Krankheit.
1. Rhythmische Schwankungen der Puls-
n . f r e <1 u e n z.
Intervallen owT®" 7 /e,gtC bc ‘ de "' Kranken '» den anfallsfreien
käupgkoit von der'v Wn * ta . nte ’ jal,rdan g nie unterbrochene Ab-
Hcmcnz des mL™.,' T Z "' ar iu der Wci * 0 ’ dass die
«ieg, je höher di. 1 "** d °' S ^ ,jei 'd(>ulses um so mehr über-
**1«. Ä« '*"« *• B. die Morgen.
Abendfrer,„enz V0M «, A}u| dfm 1 „e,,z von 130; 105 bei einer .
f-a^t in dersellte» B,>„i , ? e,c, . ,c ^ oi-hältinss consfatirte ieh
Beobachteten Fall g " läs8, « ke,t l,oi einem anderen, lange Zeit '
Von besonderem Interesse erscheint das F i
setzen und der Abfall dieser Anfälle. Die paroxysmale
rachyeard'e pflegte „an,heb ganz plötzlich aufzutreten, so «lass
du lu w l0r d ° r lMimiU ‘ " wh 130 Schläge hatte, in
du nächsten schon eme Frc,,uenz von 220-250 aufwies. I) Pr
K ank"!' S P ‘ i 111 k ' 1m 0ben “ Plö,zlidl - wi “ -»deren
Krank,,, die -Vngstparoxysmen und war auch regelmassig von
\bfall ^ r auffälliger war in meinem Fall der jähe
- . der I ulsfrequenz. Nachdem die hochgradige Tachveardie
huigcreZeU bestanden hatte, sank die Pulsfrequenz wie mit'einem
„ — der dem Kranken auch iu Form einer ungeheuer heftigen
Herzeontraction zum Bewusstsein kam — von 250 auf 130—1>0
vo " da an alh,liihlicl » »» d » «eiter zu fallen. Wir haben
öfters, den I uls mit der Uhr in der Hand eontrolirend, derartige
momentane Abfalle constatiren können. Auch in der anfalls-
reien Zeitder Krankheit trat jahrelang 1—2 mal eine ganz
plötzliche, heftige Herzcontraetion auf, die von heftiger Angst
und grossem Unbehagen begleitet war. Erst mit der völligen
Heilung der Krankheit hörten diese Contraetionen auf. Dieselben
waren so heftig, dass sie beim Kranken den Eindruck horvor-
rietcn, als ob der ganze Körper erschüttert würde. Nach einer
solchen Herzcontraetion war der Patient ca. eine Stunde lang
ausserordentlich schwach und elend. Er hatte dabei fast immer
die Empfindung, als wenn er jetzt sterben müsste.
Ich kann die Erfahrung von Bouveret bestätigen, dass auch
ausserhalb des Morbus Basedowii verkommende taehveardisehe An¬
fälle mit einem solchen plötzlichen Abfall der Pulsfrequenz endigen
können.
ad 3. Sch wa n k u ngc n d er IIcrzgrösse n nd ,1 es L umen s
der Ilerzostien.
' Ausser Tat ‘ hyeardie und Jeron Ablauf.
Jl °fbus Basedowii J adlycardu ‘’ die in keinem Fall von
lucl » zu paroxysmalen ko,nmt es bekanntlich häufig
Anfä "en T m *2 8t Ve°r tSen ’ “ tachycardischen
VOr und dauerten zwiJ, - . 6 kauien 8010,10 Anfälle häufiger
die Pulsfreonon. 0,1 e ' nigeu ,<5tunt,cn —>d mehreren Wochen,
Min «te stieg. q V ° n 130 a,lf 200—250 Schläge in der
No. 2.
Mit der Zunahme der Krankheit konnte eine zunehmende
Hypertrophie und Dilatation des Herzens nach¬
gewiesen werden, so dass auf der Höhe der Krankheit der Spitzen-
Stoss im Gteil I. (!. K. 3 Finger breit nach aussen von der Mammillar-
hnie gefunden wurde, während die rechte Herzgrenzc den rechten
SternaIrand um 2 Fingerbreiten überragte. Ein lautes systolisches
Geräusche an der Herzspitze und über der Mitralis sprach für die
I Insufficicnz dieser Klappe. Der Spitzenstoss war nicht nur in
einer Ausdehnung von Handbreite zu fühlen, sondern die Er¬
schütterung durch den Spitzenstoss war so gross, dass der ganze
Thorax, ja der ganze Oberkörper bei jedem Herzschlag mitpulsirte
Bei den tachycardischen Anfällen entstanden durch das Anschlägen
der Herzspitze an die Wände des gefüllten Magens so laute
plätschernde Geräusche, dass man sie auf eine Entfernung von
1—2 Meter hören konnte. Bemerkenswert)! ist nun, dass mit
der Abnahme der übrigen Kran kheitssym ptome sich
die so bedeutende Hypertrophie u n d D i 1 a tat io n des
Herzens völlig zurückbildete; die Herzfigur ist
jetzt eine normale, die Herzgerüusehe sind verschwunden.
Hier möchte ich eine andere Beobachtung einfügen ; bei einer
schon lange an Basedow scher Krankheit leidenden Dame, die sich
auf dem Wege der Besserung befunden hatte, war eine liestehende
1
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26
JIÜNCHUNKR .MKMWNISCHE WK-HBSDCHMW,
No. 2
ri'ÄÄ t tf£
.^Lho» Erregung «. - lZ d Z
entwickelte sich von einem Tag aut <lcn an. erc,
Dilatation des rechten Ventrikels ’^^-ITUmliwmidene
Gegend des Spitzenstosses trat da» vorln r wn._.
systolische Geräusch wieder von Neuem auf.
\uch bei den hochgradigen Veränderungen des llor/.en», mc
der erste Fall sie darbot, traten keine (.'ompensationsstorungcm nn
kleinen oder grossen Kreislauf auf.
„d 4 . Bexiclruug zwischen Griissc der Struma und
den paroxysmalen taehycardIscheI. AnUllin.
Während der larmxysmaleii taehycardisehen Anfälle konnte
regehnässijr von Beginn des Anfalls an eine stetige Abnahme der
SL eoustatirt werden, de schwerer »nd andauernder
der taehveardisehe Anfall war, um so kleiner wurde
die Struma. Im schwersten taehycardisehen Anfall, der mehrere
Wochen dauerte, mit einer Pulsfrequenz Ins zu^250 ' *'^*j£*
lin ,l zur höchsten denkbaren Prostrat,on führte — der OlHisthuikcl
umfang des grossen Manns war auf 18 cm reduert, das Körper-
gewicht schätzten wir auf GO Pfund. Kiefer- und Extrcmutatcm-
kräinpfe Hessen jeden Augenblick den Kxitus erwarten - verschuld
die vorher colossale Struma, deren rechter happen stell vu* ui c
harte, prall gefüllte Cyste angefühlt hatte, bis aut die kt/H
Spur; man konnte gar keine Schilddrüse mehr fühlen. Auch die
vor dem Anfall an der Oberfläche der Struma sichtbaren daumen¬
dicken venösen Bnlbi waren nach dem Anfall völlig verschwunden.
Mit dem Schluss der Anfälle fing die Struma wieder an sich
zu verdrössen,; sie erreichte dann in dem zwischen zwei Anfällen
liegenden Intervall wieder einen bedeutenden 1 mfang. der «o lange
zunahm, bis mit Beginn des nächsten taehycardisehen Anfalls j
wieder die Abnahme erfolgte. Auch nach den obenerwähnten |
täglich einmal auftretenden llcrzcontraetionen nahm die Harte und |
Grösse der Struma regelmässig etwas ah.
.letzt nach Heilung des Kranken ist noch eine \ ergrosserung ,
der Schilddrüse zu eonstatiren. jedenfalls is, sie viel umfangreicher
als zur Zeit der schweren taehycardisehen Anfälle. Nach dem
letzten nur mehr schwachen taehycardisehen Anfall trat die sonst
mit der Reeonvalesccnz beginnende Schwellung der Schilddrüse nicht
me hr ein, sondern an Stelle des Wachsthums erfolgte nun auch
in .1er anfallsfreien Zeit eine langsame Verkleinerung. Zu erwähnen
wäre noch, dass im ersten Jahre der Krankheit die Struma ver¬
misst wurde.
Ob Ch eadies, der das Schwinden der Struma intra vitam
schon beschnei», auch ein solch ennstnntes Vcrhältniss zwischen
Tachycardie und Kropf beobachtete, ist aus Mannheim s Arbeit
nicht ersichtlich.
ad 5- Lcukoplasia linguae und Abhängigkeit ihrer
Intensität von der Schwere der Basedowschen
K rank heit.
Als Folge der Sympathicusbetheiligung, die sieh auch in \ er-
engerung der linken Pupille und stärkerer Rötlmng der linken
Gesichtshälfte äussertc. deutete ich diese im Verlaufe der Krank¬
heit beobachtete Veränderung des Zungenepithels. Je schlechter
der Zustand des Kranken war, um so deutlicher trat die Leuko-
plasie der Zunge auf. Auf der Höhe der Krankheit hatten wir
es mit einer ausgesprochenen lingua geographica zu thun, mit
zahlreichen, zum Tlieil schmerzhaften Einrissen, wie sic Leloir
bei der Leukoplasie beschreibt i\ ireh.-Hirsch 1887, 11-, S. 264)
und oberflächlichen Kxulecrationen. Mit der Besserung der Tachy¬
cardie und des Allgemeinbefindens nahm die Leukoplasie ab, mit
jeder Verschlechterung nahm sie wieder zu; jetzt ist auch sie
mit den übrigen Symptomen verschwunden. Durch ihren Paral¬
lelismus mit den übrigen Krankheitserseheinungen konnten wir
sie immer als Barometer für den Stand der Krankheit benützen.
Von der Aufzählung aller anderen Krankheitserseheinungen
kann ich hier absehen, aber auf Eines darf ich vielleicht noch
hinweisen: Will man über die Häufigkeit bestimmter Symptome
beim Morbus Basedowii ein sicheres l'rtheil gewinnen, so soll man
zur Statistik nur solche Fälle heranziehen, die von Anfang des
eid , bis zum Ende in Beobachtung standen; denn Symptome
welche mehrere Jahre bestanden, können anderen Perioden der
Krankheit fehlen und umgekehrt. Reim gleichen Kranke,t kann
£ Symptomatologie so wechseln, dass der GesammtomdrutA de
Krankheitsbildes ein ganz anderer ist, je nachdem wir du, 1.1
in einer früheren oder späteren Krankl,citsperiode sehen. Die
Symptome folgen sich aber ebensowenig in chronologischer Ord¬
nung wie hei der llvsfrie; während bei einem Kranken die
Struma und der Tremor die ersten Erscheinungen sind uelchc
«len Ilcrzpalpitationen lange vorausgolum so treten letztere be,
anderen Kranken wieder oft als erstes und auffallendstes Symptom
auf Wie bei der Hysterie, so gibt cs aber auch beim Morbus
Basedowii wieder Fälle, in denen lange Zeit die grösste Mono-
toiiie des Krankheitsbildes bestellt.
Während einer 6jährigen Anstaltsbeliandlung hatten wir
natürlich Gelegenheit, hei dem Kranken so ziemlich alles anzu¬
wenden, was für die Therapie dieser Krankheit von anderon Sciten
empfohlen war. Ich kann wohl sagen, dass von .dien Mitteln
keines auf den Verlauf der Krankheit einen we^Unrhe« tanta
ausübte. Nur zwei Dinge seien erwähnt, die Opium 1,ehand¬
ln,, g der taehycardisehen Anfälle „ndihis vege-
t «Viani »ehe Regime, dys,„ata mit 20-30 1 r ° I,fl ' n ^
Opii spl. in einem schleimigen Vehikel, während des Anfalls
mehrmals wiederholt, hatten einen frappanten Einfluss aut die
Tachvcardie. Auch im schwersten, 3 Wochen dauernden Anfall
von Tachvcardie. in welchem wir auf den baldigen Exitus letalis
gefasst waren, trat der Vmsehwung zum Besseren nach einigen
rasch hintereinander gegebenen Opiumklyst,eren ein ; bald nach der
ersten Opiumgabe hörte die Tachycardie auf. .Seitdem wir von
,1a an immer gleich in, Beginn eines Paroxysmus ein Opiumdysma
traben - per cs konnte es wegen des unstillbaren Erbrechens nie
gereicht werden - gelang es, die Anfälle bedeutend abzukürzen
„„«1 an Intensität abzuseh wuchern. Schon „ach der ersten c>dc
zweiten Dosis von 80 Tropfen pflegte eine bedeutende subjcctivc
Rrleichterung und Nachlass der Angst einzutreten. Emen grossen
Einfluss auf die andauernde Besserung und Heilung schreibt de,
Kranke dem seit dem Jahre 1890 durchgeführten vegetar,an,schon
He<niuc zu; seit strikter Durchführung desselben 1,liebem schwerere
Anfälle von Tachycardie ganz aus. Erst als Patient im Jahre
1893 anting. .las Bett zu verlassen und mehr Bewegung zu
machen, ging er allmälig wieder zur Fleischkost über.
Wenn ein solcher Fall, dessen besonders interessante JEr¬
scheinungen kurz beschriolien wurden, in Genesung ausgeht, wenn
ein Kranker, der volle 4 Jahre an s Bett gefesselt und fast ebenso
lang dem Tode durch Inauiti.m nahe war, nach 8jalmger Krank¬
heitsdauer jetzt wieder soweit hergestellt ist. dass er tanzt un
kegelt, Bergpartien macht, philosophischen Studien auf der n-
versität obliegt und kaum mehr an seine Krankheit erinnert wird,
so werden wir doch auch in den schwersten Fällen von Morbus
Basedowii mit einer pessimistischen Prognose zurückhaltend sein
und den Bath Fr iedreiel, ’ s beherzigen, selbst m verzweifelten
Fällen die Hoffnung nicht aiifzugebcn.
Was das Wesen der Krankheit lictrifft, so bat mir dieser
Fall ebenso wie noch alle von mir beobachteten Fälle gezeigt,
dass der Schwerpunkt hei der Krankheit immer in d «‘> abnormen
psychischen Verhalten liegt. Eine pathologische Labilität der
Psvche zeichnet alle Fälle von Morbus Basedowii aus, die ic l Ma¬
lier in Behandlung hatte. Durch nichts wurde der \ erlauf der
Krankheit so beeinflusst. wie durch psychische Erregungen,
allen Exacerbatione, war eine bedeutende Alteration der 1 sycl.e
nachweisbar, und ich hatte immer den Eindruck, dass auch bei
dem hochgradigem Anfällen die Angst die Hauptsache war, dass
die meisten Erscheinungen nur Ausdruck des Angst paroxysmus
waren. Ich sehliessc mich daher auch ganz dei - nsIC
Busch an's an, der dem Morbus Basedowii für eine Neurose
hält, und nicht daran glaubt, dass die Schilddrüse für ie a i ^
genese der Krankheit die ihr vielfach zugeschriebenc aetiologischc
Bedeutung hat. Wenn wir sehen, dass auch die «bvversei,
Symptome des Morbus Basedowii sich spontan völlig zuruckbiiacn
können. dass manchmal auch ohne jeden therapeutischen jl,lgrl
ein rapide Besserung eintritt, so fragt es sich, ob wir der in e z c
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14. Jätiuar 1896.
Zeit *o gerahmten Thyreoidectomie einen anderen Werth beimessen
dflrfen als der Ovariectomie und manchen anderen Operationen
he, der Hy<Jene. Die Basedow sehe Krankheit hat ungeheuer viel
(.emennchaftliclics mit der Hysterie; wenn sie auch gewiss -,1s
eine \earoso su, generis anzusehen ist und es ganz falsch ’ wäre
" mit der Hpto* in euren Topf „ werfe, ^
ans doch m der Kntik therapeutischer Erfolge bei
Krankheiten gleich skeptisch verhalten. Auffallend erscheint „u”
b.her ncch kern \ersuch gemacht wurde, die Basedowsche
Krankl,e,t durch Suggestion >n der Hypnose zu beeinflussen
MONCTENgBMBDI CnnsoHE WOCHS Marmmur
lieber seltenere Localisationen der Tuberculose>)
(disseminlrte knotige Oesophagus-Tuberculose: papilläre
Cervix Tuberculose). v
Von Dr. Eug. Fraenkel.
Es (ist eine bekannte Thatsache, dass wie di* •
Tnmorcii^ so auch die durch Bacterien erzeugten Krknnku^en
gewisse Prfdilcctions-Stelleu für ihre Local,satien erkeuneT W
das gilt insbesondere auch für die durch 'r u i , sei ’
W«fe».„ KrunkheitapruceMe. Wir wi.J, * ‘
cdlus manche Organe in auffallender Weise bevorzug'„ ,
häf wl ei T LT Dit “ ci “ el " or *^"
r £
So wissen wir um 2 V • , Tub 5, culosc ungesehen hat.
drüse. früher für imZn ^ m t an,uführen > dass die Schild-
tnberculose constant selten gchaIten - bei Miliar-
verändert getroffen wird und d c ron wehen Phthise, tubereulös
^liartnbellosrwie l"-hiaH ^ “ Verlauf der
tubereulös erkrankt. gG e irt bat ’ gleichfalls häufig
i-k.-VW. ^ d “ «™».-
bewiesene .Mittheilungen nicht vnrl pe,8er f hre "- Erkr anku,igen exact
dieser Zeit sind allerdings vereinzelt^’ ? 7° 8peiseröhre - Nach
geworden {„L W e r d e ' i"> ^ ^ Beobacht »»«e»
geblieh nach einer den Getrennt a ^ d? den Handbüchern ver-
suchen, n“ beha ^dnden Dar-
Lehrbuch über 3 einschlägige Palt"'df !ll ’ V“"? Vürtreffliche “
na f ni «l>t gleichwerthig Snd Bei’dZ ,hrer Patb oge..ese
f nm das Uebergreifen einer a 7, derselben bandelt es
Hceration auf die Speiseröhre . . U J gedehnten tuberculösen Rachen-
*r Gegend derSK* tth "f** ““ den »«dibrooh
dröseD iD Speiseröhre und IW a ,f dege " er Verkäater Lvm P b -
^ die letztere (über den l pTl 1 tab { e ™ lös ™ Pro.
Einen ähnlichen „i • . 3 ' F bench,<Jt Orth nichts),
'beten wir Weichaelban’^Tv^'' casuistische “ Beitrag ver-
,'t r ^ Heerde in de r sLT' J?“ ^ der Entstehung
“J" rer dienen diese Ai^Uetfonl häufi « ere >
'^ereulöse Speiseröhren J f” " lcht ei ««“‘Hoh als
T? 6 "’ da es sich ja hier rkra,lkun g en bezeichnet zu
“herculöser Producte in d" "v* 1 " U,ber «"Hen
n Oesophagus, also um ein a d e r Nach bars eh af t auf
t 8 feeren handelt gSj ,ecu,,diir ^ Befallenwerden
7° m Ösophagus seihT-K 0n ^ Zustäuden ab >
der .“ ende » unabhängig von tnb 3 ! brGM Ausgangspunkt
J^ Ugebnng entstandene tnherZu Ff*”* ° r « ane “ "*
extrem selten "' Ö8e Erkra " ku ng e n des
, W r h ^ - als bekanntlich d ^ r'" 88 . das Uni 80 wu "der-
Jjj.. \ re gelegene Theil des VerZ dlesseits und Jenseits der
fc #b *K nichts weniger\T aU r gStraCta ’ Wenn Sie V0In
abzugeben pflegt 8elte " den tuberculöser
r * j °J I ^^ lbD tg 8 am^ n Novemb«°i895'^ bthe ^ ung deS ftrztlichen
__ _27
leider so früh^verstalbete^K ei ^‘ hümIiche Verhalten hat der
publicirten Arbeit über sliren T ,7"" “ März
die einschlägige Literatur sorgfältig btrÄdte •” Wel ° her anch
gesetzt. Ich möchte unter Hinwe .nf ^ /f ’ St ’ auseinander-
dass ich mich der Zenkt’sc Z An^ l "* Abhandl ««g bemerken,
nnd mit ihm dieses relative “rtJ “k* Vollständi * “nschliessc
Tuberculose auf 2 Momente 1 • 0,1 bleiben des Oesophagus von
weilen iufectiösen* Material^ ^tr S " a “ f Ver¬
gewaltige, aus Plattcneuithelien \ •nT*“?V* " nd 2 ' ailf das
Eindringen des Tuberkelbacillus auf’s ^ Ze " agCr ’ welehes das
betrachte also mit Zenker^ L ^ tlTu Icl *
rdhren-Tubereulo.se als I „ de r halle von Speise-
bedingt durch das Verschlucken l n U * :l t ! 0, ‘ s ' Tuberculose,
<l»rch das Spu,™ de, Phthliker JlaKria ' 8 ' " e es
der Natur »erlichen, SehuJ, ir iie™^,-5” 0es “' ,lla '™ s ™>
einen längeren Aufenthalt infectiöscr ^ T . VOr ’ welcbe
einen innigen Contact dieser •. , ... e ,n dor Speiseröhre und
sKr ii ™dth
durch Soor seines EpitSb ™ ' ei, ‘ Mal > u “ «'«en
gehandelt hat. Diesen auf dem We^f b f aubten 0esü Pbagus
stehenden Fällen von Speiseröhren-Tuh^r' 7 Contactni i fection ent-
dureh embolische V«„«, i eulose gegenüber scheinen
Blu.bahn h d ”“'
bilden; gana »o„ der HnL ' d,C A “»”»b»e au
Toodn, indess nicht ' Ve,Son lM die ^ Entwicklung,-
emeEQ^33jäbr?gen”ii^j r a ufti 0 desSommer,'iad^ an ^T l ,0 «
Tuberculoee »Ltorbenen^ lEnfe ü^ de„e°n*n I '“T“ "” d D ”“-
stration) Sie erkennen, dass er setzt f«t . t 0e ? opha g u s (Demou-
bia hanfkomgrosser, kugeliger gelblicher Kn^t 7 e ' Der gr ° 8Sen Zafa l
Ich gestehe offen, dass ich erst durch das Mikroscoo in die
Ä] der , ^hl Pr0Ce8S rk ‘ hti * ,U dc ' ,ten - Die Untersuchung
owohl der geschlossenen, mit einer glatten Oberfläche versehenen
an das Aussehen verkäster Darmfollikel erinnernden Knötchen’
ah auch der oberflächlich bereits zerfallenen Heerde ergab dass
es sich um echt tuberculose Producte mit stellenweiser centraler
Ws CT in“",! t€ ' 1G T t erkeI WUrden iM a,len Wandschichten
bis herab m die quergestreifte .Muskulatur des Oesophagus an-
getrofteu, enthielten nur spärlich Riesenzellen und zeichneten sich
e u j; t zz£rV" T ^ rkM ^ «■»-
f entweder völlig oder war auf ein ganz dünnes Stratum
pSplratl) Zelle " redUCirt - (Bemonstration mikroscopischer
mm i B t Z Ü ,ich i der Patho « e, 'cse des Falles möchte ich cs
auf dtmW en aS l en ,’ ? W ‘ r GS ' nit einer durch Inoculation oder
» th“ Verschleppung entetuudeuen Tubereulo,,
Die Form, unter der die Erkrankung hier aufeetreten ist
unterscheidet sieh von der bei den sonst bekannt gewordenen Be¬
obachtungen beschriebenen, in denen es sich um grössere oder
untTdie Z Cül T GeS ? Würe der ®P eiserö hre handelte, wesentlich
d,C ^ T heZ ° d,G ga, ' Ze Länge de« Rohres ausgedehnte
Dissemination der „i verschiedenen Phasen der Entwickelung
befindlichen tuberculösen Heerde lässt den Gedanken, dass diese
durch eine schubweise Ueberschwemmung des Kanals mit bacillen-
a tigern Material zu Stande gekommen sind, nicht von der Hand
weisen.
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28
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHRIFT.
No. 2.
Eilten absolut .«tagende» Beweis für die Richtigkeit di^r
4 n nähme beizubringen, bin ich ausser Stande und muss anderer
SäääS
deg Oesophagus nicht unl»ereehtigt erscheinen lasst.
Trwähnenswerth ist meines Erachtens der — ^“
manchen Stellen die die Speiseröhren wand durchsetzenden ' über
culösen Heerde vollständig ausgestossen worden sind und so zu
Bildung der bereits oben angeführten scharf räudigen, wie mit dem
Locheisen herausgeschlagenen. gereinigte*.
führt haben. Das Vorkommen dieser Thatsache ist bu en >
der Speiseröhre entstehenden Geschwürsprocessen, « mc s
secundär durch Fortpflanzung der Erkrankung von
Lymphdrüsen aus entwickeln, nicht unbekannt. . |
wir, dass die in der Bifurcation der Trachea gelogenen D u
auf diese Weise zum Durchbruch in den Oesophagus Atdass
und dass nach Exfoliation der käsigen Massen die m. Ocsopha us
entstandenen Substanzverluste unter Bildung divertikela.tiger s
bnehtungen zur Heilung gelangen. Auch in den. H. mm dunon-
strirten Object ist an einzelnen gellen nach Ausguss m ■
verkästen Gewebes ein solcher Heilungsvorgang angebahnt, aUr
wie das Ausbleiben der Uebcrhäutung lehrt, nicht zur \ ollendung
gedieheu-ii^iich ich nicht unterlassen darauf hinzuweisen,
dass das Auftreten tuberculöser Veränderungen in der Speiseröhre
zu praktisch wichtigen Folgezuständen führen kann, wie in einen,
der von K. Zenker mitgctheilten Fälle, bei welchen, sich in. oberen
Abschnitt des Oesophagus eine feste Strictur entwickelt und den
Tod des tnberculüs erkrankten Patienten beschleunigt hat
Hat es sich in dem eben erörterten Präparat vor Allem um
die Seltenheit der Localisation des tuberculösen Processes gehandelt,
so nimmt in dem Ihnen nunmehr vorzulegenden Object, neben
der gleichfalls ungewöhnlichen Oer11 ichkeit ganz be¬
sonders die Form der Erkrankung unser Interesse in
Anspruch.
Das Präparat 1 ) (Demonstration) entstammt einer 28 jährigen,
am 13. Febr. d. J. an den Folgen einer durch tuberculöse Spondylitis
bedingten CompressionBmyelitis verstorbenen . ^arn ^ 14. zur Sect.on
gelangten Frau. Ich beschränke mich auf Mittheilung des an de
Genitalorganen erhobenen Befundes. Der Uterus ist mit den Adnexe
fest verwachsen, die rechtsseitigen Anhänge nach rü
schlagen. Erst nach Lösung der Synechien gelingt es, Tube und
Ovarien zu isoliren. Im Ovarial-Gewebe multiple, rostbraune Lorpora
lutea; Tube normal lang, nicht erweitert, Schleimhaut etwas wulstig
und leicht gelblich gefärbt, im Lumen kein abnormer Inhalt we
linke Tube ist nur auf eine kurze Strecke zu verfolgen, da sie sich sehr
bald in den Verwachsungen verliert; in dem freigelegten Abschnitt
ist ihr Umfang normal, ihre Innenwand gleich beschaffen wie rechts
Uterus 7cm lang, wovon 4cm auf das Corpus; er ist derb, lern
dick; Endometrium glatt. Die Schleimhaut der Cervix m der
ganzen Ausdehnung besetzt mit zahlreichen bis 1,5 cm langen, vie -
fach büschelförmig zusammenstehenden zottigen Auswüchsen,
welche in der Höhe des Os internum - übrigens nach dieser Rich¬
tung an Länge und Dichte abnehmend — scharf abschneiden, sich
dagegen auf die Portio vaginalis, besonders deren hintere Lippe
fortsetzen. Auch hier sind dieselben wesentlich niedriger und ver¬
leihen diesem Tlieil der Portio ein weniger zottiges, als vielmehr
rauhes Aussehen. Scheide vollkommen intact.
Ich glaubte bei der Section es mit einer blumenkohlartigen
Krebsform zu thun zu haben und wurde erst durch die histologische
Untersuchung über die wahre Natur der vorliegenden Erkrankung
aufgeklärt. .
An dem der Portio zugehörigen Abschnitt (Demonstration) ist
das Oberflächenepithel auf Strecken erhalten, deutlich plattenförmig,
mehrfach geschichtet, mit wohl erhaltenen Kernen, nur an einzelnen
Zellen des Protoplasma vaeuolär zerklüftet. Bei Betrachtung mit
schwacher Vergrösserung fällt weiter eine beträchtliche Zahl extrem
grosser Langhans’scher Riesenzellen auf, welche, wenigstens zum
Theil, knötchenartigen Gebilden angehören, die sich durch ihre
Zusammensetzung aus epithelioiden Zellen und ihren fein reticulirten
Bäü als echte Tuberkel erweisen. Neben diesen riesenzellenhaltigen
begegnet man auch vereinzelten reinen Epithelioidtuberkeln, theils
in unmittelbarer Nachbarschaft der erateren, theils unabhängig von
diesen. Ausgesprochene Verkäsung habe ich in keinem dieser
Knötchen angetroffen.
‘) Ausführlich habe ich über diese Beobachtung in Band IV.
Jahrg. 1893/94 der Jahrbücher der Hamburger Staatskrankenhäuser
berichtet, worauf ich verweise.
A „V, Aar Ziehl'schen Methode tingirten Schnitten gelang
Al \vMn h Riesen ais in Epithelioidzellen Tuberkel-Bacillen in
es, sowohl in Biesen a £ en und der Reichthum mancher
nicht geringer Zahl zu „, nr „ prlu iezu auffallend. Das Verbreitungs-
Riesenzellen an Bacillen \ winkte sich auf das eigentliche Sbhleim-
gebiet der Ferkel. “Unde Muskelschicht Die
hautgewebe u nd d Wenden Gefässe waren durchaus normal
10 Am Uebergang der Portio in den Cervicaltheil (Demonstration)
A r, komm»*; ^<1
Gewebt abgegangen ist. Diesen Veränderungen begegnet man
tjeweoi au.grg B :. ten jm Körper theils endheh dicht
theils an der , Qb fl j d ^ beschriebenen zottenartigen
an jenen Schleimhautstellen nicht,
welche den geschilderten geschwulstartigen C. harakter nicht dar-
Tnherkeleruption greift auch auf das die \ erbindung
Schon TunL propr. uSd oberster Muskelschicht herstellende inter-
si ielle Gewebe über; die tieferen Muskellagen sind vollkommen
frei, ebenso die in der Tunica propr. verlaufender
liehen intact Die an den untersuchten Schleimhautstücken vor
handenen utricnlardrüsenähnlichen Einstülpungen .
auch an solchen Partien, wo tuberculöse Herde ' bl8 ‘" Jen
barste Nähe heranreichten, vollkommen normal, vereinzelt fanden
sich cyBtenartige Hohlräume mit einer aus abgeplatteten, cylindnscben
Zell ei ^?“^'Istoh^i^die C Unte^suchung eines Stückes der linken Tube
ergab, dass die Mucosa in ein hier und da Langhans sehe Riesenzellen
beherbergendes, tuberculöses Granulationsgewebe umgewandelt war,
in welchem sich nicht eben zahlreich Tuberkel-Bacillen vorfanden.
Die Uterus-Innenwand erwies sich durchaus frei von tubercu
lösen Veränderungen. . , . , f
Die mikroscopische Durcliforscliung des (.onitalapparats hat
also in. vorliegenden Falle zu einen, durchaus anderen Kesu täte
geführt, als nach der mikroscopiscl.cn Betrachtung der erkrankten
Cervix zu erwarten war. Bei der Ausfüllung der Cerv.cal-Höhle
durch die geschilderten zottigen Auswüchse war die Annahme,
dass man es mit einer papillären Neubildung zu thun habe, durchaus
naheliegend. Cm so überraschender war der Ausfall der mikro-
scopischen Untersuchung, auf Grund deren wir genöthigt sind die
beschriebenen Vegetationen der Corvical-Schleimhaut als tuberculöse
Producte aufzufassen. Man wird demnach für die Tuberculöse
des Mutter hals es fernerhin 3 Typen unterscheiden müssen,
1 ) den der miliaren Knötchen, 2) den der diffusen ver¬
käsenden Infiltration, 3) den der papillären Neu¬
bildung. Mit der Bezeichnung papillär wünsche ich hierbei nur
das makrosei.pisehe Verhalten dieser Tubereuloseform in bündiger
Weise zu treffen und aeccptirc jeden das Wesen des Processes
besser eharakterisirenden Ausdruck gern.
Dass es sich in unserem Fall um eine unzweifelhaft seeundärc,
im Gefolge der seit Jahren beobachteten Wirbelerkrankung ab¬
getretene Tubereuk.se des Genitalapparats gehandelt hat, kann
nicht bezweifelt werden, l’eber den Zeitpunkt, zu welchem das
tuberculöse Virus die Geburtswege befallen bat, lassen sieh keinerlei
bestimmte Angaben machen, zumal klinische, den Verdacht au
das Vorhandensein einer solchen Affection erweckende Symptome
zu keiner Periode des mehrjährigen beidens der Patientin bestanden
haben. Bei dem Fehlen jeglicher regressiven Veränderungen an
den tuberculösen Produeten darf man aber so viel mit einiger
Sicherheit aussprechen, dass der Process erst verhältmssmässig
kurze Zeit vor dem Ende der Patientin zur Entwickelung gelangt
sein kann. , r ,
Bemerkenswerth und von dem sonst geläufigen V erhalten
abweichend, ist das völlige Freiblcibeu der Oorpus-Scldeimhaut von
Tuberculöse. Ich bin ausser Stande, eine befriedigende Erklärung
für diesen Befund zu geben, halte es aber für wichtig, zu wissen,
dass eine Conibination von Tuben- und Cervix- u er
cu 1 ose bei Iu tactsein des Uter u skörpers Vorkommen kann.
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14. Januar 1896.
Welchen besonder» Momente» es zuzuschreiben ist dass ei»
und dasselbe Virus in 2, auch ihrer Structur nach nicht wesentlich
differenten Abschnitten des Genitnlapparats, wie Tuben und Cervix
“• ihrer äusseren Erscheinung »ach, so verschiedenen anatomischen’
Veränderungen, dort zu einer glcichmässige» diffusen, tuberculösen
Infiltration, hier zu einer zottige», tuinorartigcn Bildung geführt
hat, entzieht sich vollkonune» unserer Keuntniss.
Die Entwicklung geschwulstähnlicher Auswüchse auf tuber
culöser Basis von dem Habitus der liier beschriebenen, stellt jeden
falls etwas Außergewöhnliches dar und dürfte »och am ehesten
eme Analogie in inanehe» papillomate.se», als tubcrculös erkannten
\\ueherungen der Haut finde». Dass der Tuberkel-Bac. i» andere»
Organen zur Entstehung tumorartiger Bildungen führt, ist nicht
unbekannt; ich denke hierbei besonders an die als echte z Th
.sogar gestielte, polypöse Geschwülste imponirende» Vegetationen
° l>er '™ ,che dic Literatur der letzten Jahre eine
allerdings „ur kleine Zahl von Mittheilungen enthält. Aber auch
üb,, einen an den weiblichen Genitalien beobachteten, bei'der
klinischen I ntersnchnng als Sarcom gedeuteten Fall eines tuber
cuIomu. luniors liegt, ein äusserst interessanter, casuistischer Beitrie
Ks . 'J ” dass durch weitere Beobachtungen dieser
Art auch die Möglichkeit zur Erörterung praktisch therapeutischer
'.oaiclUspunkte gegeben und der bereits von Henr in .
vortrefflichen Monographie (die Entstehung, Diagnose und ^
*. d l |“S fcßoniul-T„bem,l«, 0 ta Weib«) i„
niiiier gotmon wird, m «Hw WdZ S
ggOHKNKRMKTOCIN ISQHE WOCHKNS OmruT
r b«,iT P ^ s r"L H zr' k |,T g lc d h e; im 8 e ",, n , o e ch t p,>p r t
werden, dass es, namentech g am° haS/T „Z® 8 ' Ch überzeu « en
höckeriger Tumoren gekommen ist G i umen - ^ur Bildung
auch in der Schleimhaut der 1 Him no /'kL , l i e , re Knöt £hen finden sich
stärksten die Epiglottis ergriffen 1V ° m K . ehIko P f is t am
Knorpelveränderungen gekommen W n o® ZU ,rgend welchen
der Höhe der wahrfn Stimmbänder welche f 8chn f idet
»b. Die Haut der Nase ist i, 5 ,® V0lg mtact sind, scharf
»ls Ausgangspunkt für dii Schwere " P *ff ze r stört und dürfte
erwähnten .Schleimhäuten anzJsehen seS. 8 ® ° D “ den eben
Aus fcr mcdicjniselioii Universitäts-Poliklinik ,u Kiel
Fa " ,on d0 PPels6itiger Erb’scher Lähmung bei
einem Kohlenträger.
'" n Dr ‘ 0mnn > frUllereni Assistenten der Poliklinik.
l Kl| iklinik beobaieEifd"v ,n dor Kielcr Hniversitäts-
** überlassene ^Fall eine , T V ' »‘»«k mir
erscheint der Veröffentlich doI)p f ,8Clt, S C1 ' Erb’schen Lähmung
** kürzlich erschiene" 8 T?’ na,nentlich ®it Rücksicht
G ?-PP. dmeh weS S l T ™ d
Licht ^-^t! og,c diescr Lähu,ui,g theii -
Y or Jahren Lungen-
2 klober 1894 beim aÄ gesund gewesen sein will, war
EE r « les geschieht hi™ S von . St e'nkoblen beschäftigt
ond d^h n 5 Ver8ehenen > gefüllten Korhp de J , Weis ® ’ da88 die mit
Abdnirtinn j le ’ Qnter starker Rmunm»^ den Rücken gehoben
i an j 0Q der Oberarme eugun g der Unterarme und starker
tfft de zu beiden Seiten’de/v? h h | nte ? Über den Nacken
gesichte W n > während zugleich y' rbe ' 8äule , | am Nacken fest-
11 Taee’hio mehr ode/ weiäJl Herstellung des Gleich-
VPrvJkP D. dinc« a„u • . D&ch VOm KCbGUfft wirrl
s - -ras-s
*mie P 1 rte ' Bald stellte sieh , S u huItern nnd im rechten
der ersten fi“ , 16 ' Nov ember, also’r»!-'w nd , e ^‘wäche beider
mehr, den i;?? chwerd en, konnte T) J Wo ? hen nach Auftreten
5 inät ellen und «n\, nQr noch etwSs erheb/n rG p hten Arm gar nicht
der P 0 |ik/ n ite acbt€ am 30. Novemh*r/ ° Er mu88te die Arbeit
’ Wo ffir Folgendes festetellten" ^ ** Ambu,anz
---
Schulter etwas^ShTund°erecSf e St r ? n rT® hftngt die rechte
weniger voluminös. DieKossae sunra Zh d f m . ken Seite verglichen
eingesunken, die Spina scannlnp P ^^und mfraspmatae rechts deutlich
Ober- und Unterai m^ reS 'nd 8ta f k ‘ Der Umfang der
nicht schlaff oder atrophisch Actte» gleich - ihre Muskulatur
nnmöglich. Erhebt m^X iv^ übe^i -"t de ® rechten A ™“«
d u dann sinken, so fällt er in der . Honzon tale und lässt
fjnem Ruck nieder. Der liike Arm , a 5 ekomm en, mit
Horizontalen erhoben werden hif &Ct ' v r , b,s zur Hälfte der
Schulterblatt mit Rotation Li, , stärkerer Erhebung geht das
der Rotation nach Aussen hlnihr ^ Innan ’ beiderseits normal. Bei
Unterarm Pron.üon Sd SSSJSn''S* A ™ etwas zu ^k. Am
gleichen Beugung und Streckunt Re?/ 8 v" d re f hte normal, des-
Unterarme zu strecken, zeigt sich'dterohe K- er8 « Che i u‘ e flektirt en
etwas vermindert. Sensibilität links „iS auf beiden «eiten
d -Nn axfilaris, musculo-cutaneus re - chta im Gebi «t
Nadel), theils (dem faradische?. und t a S {! ver P ln dert (Kneifen,
im Bereiche der genannten Nor galvanischen 8trom gegenüber)
H»„d erhöht TeSpe“ "fehS
der rechten Schulter Druck auf He„ pi« u”®?- '. ,nd Kri ebeln in
■ Schlüsselbeins beiderseits sehr sth^/haft'* oberha l b des
I faradischen Strom ergiebt links und Ü i, . D ‘® Prüf ung mit dem
Herabsetzung der Erregbarkeit im Roro^v?^' b f L 8,5 cm Rollenabstand,
natus, supinatorlon^ BeTdÄuSm^^“ d f toida » a .infraspil
welche, aus äusseren Gründen e/f a^ht T«^ 111 galvani8ch en Strom,
werden konnte, also fünf Wochen nach r^® 8 P ater vorgenommen
sich beiderseits beträchtliche H Pr »h.! Begu * n des Leidens, lässt
Mm deltotdens nndtataSJS SlK? Ä der
des 8upmator longus (2—3 M-A) T„ rUr i • “ acbw eisen, geringere
toideus, im Infraspinafus, im Supinator^i,“*®™» Pa Hbie des Del-
die Zuckungen schlaff, K8Z < ode? — Ai?S 7 8 ^ d w Cht8 Und ,inks
S-SÄJTÄf Ä S b”S
»nd die «hTssssÄ ::r:r£t
M ameK "‘ Patic " tt ' n " ,n
r. «CS echten M. supraspmatus und infrasninatus
^ M. LgZTx rad»)'™:;
Tn" Tr V-* - ™*- "acl.ru.vZ
Z ZtZuhd h i , 7 lh “ ! “ “ ,t4! "T < N - '""aculo-eutaneus)
Kr ift h i k 100 ,stt ‘ ni ‘ einc Verminderung der rohen
vZZ ' ii ,r k r V»«“*™»« licaae» erkennen &
' , 1 ( N - «xiHans), supinator brevis (N. radiaiis)
u raco-braclnah.s(.\. musculo-cutaneus), wie auch die der elektrischen
1 1 iifung nicht zugänglichen Mm. subscapulares beider Seiten und
A . suprasp,natus der linken Seite in ihrer Function „nltort
L schienen. Ausserdem beutenden Schmerzen und Sensibilität«
Störungen im Bereiche verschiedener Hautnerveu. -
Wiren "• V ^ h ^ 9 NemaisUUnme zu gleicher Zeit betroffen
, ' r • S,> kün,,te d,c Schädlichkeit dieselben nicht dort getroffen
•tewirkt Uh m y Ver,aufcn ' Sie '»usste dort ein-
;' k h f. ben ‘ wo d, ° cluze| non Nerven noch im Plexus braehialis
zusammenhegen, und zwar, da der N. supraseapularis. welcher
trülic noch oberhalb des Schlüsselbeins, vom Plexus abgeht, mit
I ctheiligt war, m der Oherschlüsselbeingrube. Damit reihte sich
unser l all den von Erb zuerst genauer präcisirten Schulter-
Arm lall m ungeu an.
Allerdings bietet er das Besondere, dass die Mm. supraspinatus
u ul intrasp,natus am stärksten betroffen waren, während von den
Muskeln, die sonst be, der Erb’sehc. Lähmung vornehmlich be-
t .c.l.gt gefunden werden, nur der M. deltoideus erheblicher ge¬
lähmt war, die Mm. biceps und braehialis internus dagegen kaum
verändert waren. Doch ist man davon zurückgekommen einen
allznengbegrenzten Typus dieser Lähmungen aufzustellen, deren
?! ,,r < ', , ne ,na "" l , gfach wechselt, von der Art der einwirkenden
Schädlichkeit, von der Intensität derselben, vielleicht auch von
Varietäten in. Verlaufe der Nerven beeinflusst wird. Wenn
Bernhardt!) ohne Bedenken eine durch Fall auf dic Hand
entstandene isohrte Lähmung des N. supraseapularis den Erb'schei.
Ealnnung cn zuzählt, so hat neuerdings Braun2) einen Fall von
, Nnt / , Erkrank ungen der peripherischen Nerven, I. p. 376
(Nothnagel, spez Fathdog 16 und Therapie XI, Wien 1896).
2 ) Deutsche med. Wochenschrift 1894 No. 3.
2 *
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30
MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHENSCH RIFT.
No. 2.
doppelseitiger Narkosenlähmung veröffentlicht bei dem link, sämrn t-
liche Muskeln der oberen Extremität gelähmt .waren; welche
Lähmung aber, durch Druck auf den Plexus m der < »berSch üsse 1 -
beingrube entstanden, mit Recht als Erb sehe bezeichnet wd.
Wie ist die Läsion der Nervenstämme im Plexus in diesem
Falle zu Stande gekommen? I
Als ich verschiedene Individuen jene, oben geschilderte ,
Haltung der Kohlenträger einnehmen liess, konnte ich stets -
merken dass das Schlüsselbein sich aufrichtete, mit dem acrounalen j
Ende nach hinten drehte und, unter gleichzeitiger Drehung um
die Längsachse sich über die erste Rippe hinweglegte »* niehr -
je mehr bei stark abducirtem Oberarm die Hand über den
Nacken hinweg zu langen suchte. Ich zweifelte demnach nicht
dass die vorliegende Lähmung ebenso zu erklären wäre, wie die
von Braun 3 ), BüdingeH) und Kron^ beschnebenen und von
den genannten Autoren und namentlich von Gau pp#) aetiologisch
klar gelegten Narkosenlähmungen ; oder wie die sonst beschriebenen
Lähmungen in Folge von Sturz auf die nach vorn ausgestreckte
Hand und in Folge von Schlafens mit über den Kopf geschlagenen
Armen: nämlich dadurch, dass der Plexus brachial« zwischen
erster Rippe und Schlüsselbein gequetscht würde. Doch hielt ich
c« für wünschenswert!!, durch den Versuch au der Leiche den
strikten Beweis zu führen. Ich präparirte also an der Deiche
eines erwachsenen Mannes, welche mir von Herrn Gehcimrath
Heller, dem Direktor des hiesigen pathologischen Instituts mit
liebenswürdiger Bereitwilligkeit t»r Verfügung gestellt wurde de»
Plexus brachialis oberhalb der Clavicula frei und sah zu, nachdem
ich der Leiche möglichst die Haltung der Kohlenträgcr gegeben
hatte, ob eine Quetschung des Plexus zu Stande komme. Und
in der That konnte ich fcststellcn, dass die Clavicula den Plexus
quetschte, so dass er förmlich auseinandergetrieben und die ein¬
zelnen Nervenstämme breit gedrückt wurden, vor allem die oberen
Wurzeln, während die unteren auszuweichen vermochten und erst
bei sehr starkem Drucke auch betheiligt erschienen. Es zeigte
sich, dass bei jener Haltung der Kohlenträger, wenn die Hände
möglichst weit über den Nacken hinwegzulangen suchten, die
Stellung der Clavicula annähernd dieselbe sei, wie wenn die ge¬
streckten Arme möglichst nach oben und hinten gezogen werden was
in den Fällen von Narkosenlähmung eingestandenermassen geschehen
war. Die Beugung des Nackens nach vorn, welche der Kohlen¬
träger, zur Erhaltung des Gleichgewichts, ausführen muss, ver¬
mehrte die Quetschung, weil sie stärkere Spannung des Plexus
zur Folge hatte. Dass die Qnerfortsätze der Halswirbclkörpcr
beim Zustandekommen der Quetschung keine Rolle spielten, davon
konute auch ich mich, in Uebereinstimmung mit Krön, Büdin ger
und Gaupp überzeugen.
Dürfte hiernach über die Aetiologie der Lähmung in unserem
Falle ein Zweifel nicht mehr bestehen, so sei doch auch darauf
noch hingewiesen, dass die einzelnen Nerven genau in dem \ cr-
hältniss an der Lähmung betheiligt waren , wie es nach dem
Leichenexperiment zu erwarten ist. Haben wir bei diesem ge¬
funden, dass die oberen Wurzeln in erster Linie gequetscht wer¬
den, so konnten wir oben bei der Untersuchung des Patienten
feststellen, dass am meisten sich betroffen zeigten die Nn. suprasca-
pularis und axillaris, die Nerven, welche im Plexus zuoberst liegen 7).
Dass es gerade bei diesem Arbeiter in Folge seiner Beschäf¬
tigung zu einer* Schul terarmlähniiing gekommen ist, während dies
sonst nicht so" leicht der Fall zu sein scheint, ich wenigstens
über das sonstige Vorkommen derartiger Lähmungen nichts habe
in Erfahrung bringen können, erklärt sich vielleicht daraus, dass
der Patient, ungeschickter, als seine Collegen, den Korb tiefer
zu tragen pflegte und daher den Oberarm stärker abduciren
musste, um den Korb mit den über den Nacken reichenden
Händen zu fassen.
Die Behandlung bestand in Galvanisircn der erkrankten Mus¬
keln und Reizung derselben vom Erb’schen Punkt aus. Nach
3 ) 1. c.
*) Archivjfür klin. Chirurgie 1894 p. 121 ff.
6 ) Deutsche med. Wochenschrift 1894, No. 26, Vereinsbeilage
p. 49.
®) Centralblatt für Chirurgie 1894, p. 793 ff.
7 ) cf. Henle, Nervenlehre p. 478.
5 Wochen waren die Motilitätsstörungen, bis auf eine gewisse
Schwäche beider Arme beseitigt, dagegen bestanden die Entartung-
reaktionen wenigstens der Mm. infraspmati, delteidei und des
rechten M. supinator longus fort und waren noch nachweisbar,
Lader Patient, etwa 7 Wochen nach Eintritt m <he Behandlung,
sich derselben entzog, um wieder zu arbeiten. Als ich ihn kürz¬
lich wieder sah, ungefähr 1 Jahr nach Beginn des Leidens, war
„och immer ein leichtes Eingesunkensein der lossae supra- und
infraspinatac rechts bemerkbar; seine Anne ermüden leicht so
dass er schwerer Arbeit dauernd nicht gewachsen ist, obg eich er
Kohlenkörbe nicht wieder getragen hat. Nochmalige clcktnschc
Prüfung wurde verweigert.
Ein Fall von Barlow’scher Krankheit
Von Dr. Georg Liebe, Gcithain (Sachsen).
Wenige Tage, nachdem ich ein Referat über den in dieser
Zeitschrift No. 42 erschienenen v. Starck sehen Aufsatz „Bar-
low’sche Krankheit und sterilisirte Milch“ an eine andere Redact,on
abgeschickt hatte, war es mir - als Arzt sage ich: vergönnt, als
Vater: leider beschiedcn , einen wohl hierher zu rechnenden F
in der eigenen Familie zu beobachten. Da diese Krankheit jetzt
zu den interessantesten gehört und es mir von sehr grosser Be-
deutung zu sein scheint, die Rolle, welche die stenhsirte Milch
dabei spielt, genau zu erforschen, so ist man niemes Erachtens
geradezu verpflichtet, jeden dafür angesehenen Fall zu veröffentlichen.
Zuerst die Krankengeschichte.
Das Kind, ein Mädchen, geboren im August 1893, wurde
Tage gestillt und bekam dann Trockenfutter-Kuhmikh im SoxWet
sterilisirt Vom 250. Tage an gaben wir theils Rademanns Kinder
mehl, theils, weil besonders gern genommen. Eie^räupchensuppe
vom 280. Tage Zwieback. Allmählich wurden andere Gemüse ge
reicht; Kartoffel (neue) riefen stets einmaligen ^rrho.sc^n Stu
hervor Vom 472. Tage an wurde die Milch nur noch im Flügge sehen
Kocher Bekocht das Kind ass auch Obst. Als sich jedoch Mitte
Juli ein Darmc^tarrh - bei der Schwester ein
Brechdurchfall - zeigte, wurde wieder der Soxhlet hervorgesuc
und natürlich Obst und Grünes vermieden. „
Im Uebrigen lebt das Kind in gUMtigen hygienischen Verhält¬
nissen kommt oft an die Luft, schläft bei etwas offenem Fenster,
"'bei K?lte geheizt und für Wärmflasche gesorgt wird w^ d
täglich gebadet und kalt abgeduscht, Abends kühl gewaschen hat
Steiners Reformbett. Es war auch kräftig und gesund befallem
und frei am 275. Tage, bekam am 212. Tage dm ernten und m
rascher Folge die anderen Zähne, bot also jedenfalls mcni
das geringste Zeichen von Rhachitis.
Von Anfang September d. J an litt es immer an Catenh und
Schnupfen, hatte Anfang Oktober einige Tage 88,7, T^peratmr,
erbrach am 23./10. plötzlich Nachte, liess Tags ^llend wemg
Wasser (Nachte viel). Im Gegensätze zu früher stente sich merkliche
Mattigkeit und Schläfrigkeit ein, das gut gezogene Kmd wurde un
artig, grillig und kam, als es einmal einige gelinde Schläge auf s Ge
säss blkam, einer Ohnmacht nahe. Fortwährende Obstipiatioii, dabei
reichlicher Milchgenuss, wenig sonstige Kost. Die
von garantier Trockenfütterung, von Mastkühen e ^ 8 ^ ei ^ e, 5
kam täglich frisch und wurde ohne Wasser- und Milchzuckerzusatz
45 Minuten Bterilisirt. . .
Die Allgemeinerscheinungen steigerten sich, das Kind fror viel,
lief bisweilen ganz blau an und bekam Gänsehaut“ i^armenZ^mmer,
wollte nicht mehr in'B sonst so beliebte Bad und kroch bis
Scheitel unter s Bett. , „ , D , ,,
Am 1./11. merkte man einen (wenig beachteten) „dicken Bac
rechtere^ . zei ten 8ich Rn d er Streckseite der Unterechenkel
und auf den Nates, sowie auf der Beugeseite beid^ Oberame
scharlachähnliche rothe Flecke von unregelmässiger Gestalt und ve
schiedener Grösse. Da diese Erscheinung immm; mehr unahm u^
hinten bis zu den Unterschenkeln, vom überdie
und auch auf den Armen sich weiter ausbreitete und intensiv
röthete, wurde am .
4/11. eine genauem Untersuchung vorgenommen we< jb^ er¬
zeigten sich bei Berührung als kleine Erhöhungen, he P 8C hon
den Furunkeln, am Unterschenkel waren einzelne, welc
blauen Schein annahmen und genau einer Contusion gh • ^
betroffenen Extremitäten, namentlich die Arme, warenmt) » g
lieh geschwollen, Bewegung (z. B. beim An- und . ;' e pgfb-
lebhafte 8chmerzensäusserung. Am r®^ 1 ^ Untertaefer ne
wallnussgrosse harte Schwellung, das Zahnfleisch rechte unten ge-
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i 4. Jmmt 1896. __ mü.vchenkr medioin
lockert, hochroth, bei Berührung blutend. Temperatur 38 8»
mitäten an den Knochen nirgends vorhanden, Milztumor'nicht fühl'
bar, ünn eiweissfrei. lum
Es wurde die Diagnose auf Scorbut, speciell Barlow'scbe K
heit gestellt und demnach als Therapie unter Beibehaltung dfr bis'
hangen hygiemschen Lebensweise dieselbe Milch nur wieder einfach
gekocht gegeben, dazu Gemüse, Kartoffeln, Fleisch zu Mittag .fn2
Made 6 ’ 0 81 ' roh UDd gek ° Cht ’ Citronenlim onade, Lahmani'sche
. , ßi ^ d ? e , F1 « cke - wie «berhaupt nun täglich bedeu
tend blfisser, Abends dunkelroth. Die Affection schreitet
88,2». Nacht sehr unruhig. Einlauf. scnreitet vorwärts.
6./11. Besonders die Kniee befallen, auf den Armen bis an die
Handwurzeln. Tamanndenconserve. 38,5». Schlaf gut d
7-/H. Die Beine werden blau und gelblich alle* Roth hiooo* u
*»*■ Einlauf. Zahnfleisch noch roth. WeSeX S JS?
aber etwas kleiner Stimmung besser. Sie will nicht mehr S Bett -
iälc Ät 6 “ e “ ZUrUm0re ° “” d (Jncken
8/11. Nur noch die Kniee roth 37 6°
■dnXÄfu.S'Ä K ““ 37 ' 10 - B “ d V«-
Jl 1 - sät«? tÄ k r
Äi’Ä?" 0Chr0,h - »»vechndct.
12/11. Kiefertumor merklich kleiner.
Dazu sei mir noch Einiges zu bemerken gestattet. Dass
mau diese halle unter den Begriff Scorbut rechnen müsse scheint
«mr s'eher zu sein. Von Rhachitis kann hier durchaus nicht X
hafRaT' 7 T aUCh rait Ehenmatisu '«s nicht weit komme
hat Barlo w schon bewiesen (Der infantile Scorbut und seine Be’
ref.7 w! mCNr 24S 567vtb ' ^ 2 ‘ 22 ’ 1895 :
Wischen Erkrankungen » so vielfache Beziehungen zu einander .1
^n.geu’/ K8 ist r rr 7 ^tnisse bei-
der Rannten Krankheit V demae,ben Autor die Tl.erapie 1
- ***. bei Scorbut - — - :
- d “ S di ' - ** Scschildcrtcn I
fleischblutungen re “ Be « lci ^ schei »nngen verbunden mit Zahn- aj
mrangen die Diagnose Scorbut sicherstellen. h
«. Alt .he“ als U^e. Währung wurde
betont, dass ketesw % aüg \ n r ,Ueü ’ Und ca allseitig at
vorhanden waren denn Tn ^7 8 ® h “T® ^«ieniache Verhältnisse »>
- ^r che wohTat 7 ***** haildeIt - *"d er
•lie Mutter bisweileu dl^V^ 7 •*"!“?’ Welche > 80 sehr auch »i
abweist, ihre Kinder mit zulf einse ' t '«^ Ernährung entrüstet
falsch ernähren wie ieh „ g 88e ,^ borgfalt und darum daun sei
l^NCHBNKR^ME DlCDlföOHi^W OCHENSCHRIFT.
Mf.cE,
.*■ '“«Mrat« ,»llco, ** r“
18- sind, verändert, zerstört und zersetzt tt Z * SUchen
-b darüber werden Genaueres ere-eh « ^ beiulscbc Untersuchungen
i *■*.otaTLÄcr:-J:*"t-
den Salze dem Körper dadurch ’ L ftthrt man d,e fehIe n-
a j (Hass (zur Actioloirie und TI ’ 80 entsteht Scorbut.
8 ! VA 0 t u " d ver-
e »««, dass Mangel an Kalksalzen Im Bb.t' n 1892) führt
Blutgerinnung sei Lahmm, /a- j- ®J n ^rund mangelhafter
). Leipzig. 1893) weist auch d 1 \t '® dltttetlsclie Blutentmischung,
k ! »ach. V„n iit ™ b L. r Z 1 8 »” 1 Vatron»!«» im Bio“
i »"gefuchten worden, weil die i„ Betrad “ hrsalztll “ ,ne * deshalb
«O minimale »eien, da.» L Sdz„.„ gei ,
gerade im vorliegenden Punkte wird doch m fTLTr • ^ ^
■ ex juvantibua der deutliche Beweis gefohlt BeIsp,ele “<*
: B ^hra.:^ 0 ^
' »1« gefülirlioh erkrankt ™d, dass er ohne
Den Scorbut der Matrosen erklärt mau (Munk p; n .~i
Aehnhehes „von der 8 eh roth '»eben Trockene“
in o£T„Ä ““ lön r <,,rgeb ““ n wwd “ “■»'■"‘«eh
Kinder XC &
Ä ” ie b “ a * rteb
Kinde erg.'«, sehen wir. Es komm, da .ahtlinZ g
fecorbut vor, als diagnosticirt wird, und vielleicht entmirmt «ich
y \ genaUdr Nac bf'orscliung manche Stomatitis dentalis ? d h
Zahuungs-btomatitis als Scorbut. ’ '
Ist er aber einmal da. so sehen wir ..
der Mangel an Salzen als die Ursache wohl anzuerke^nen ’isT
denn die Fruchtsäfte etc. enthalten nichts anderes, was sie vor
.andereu NahrungsmitteJn auszeichnete, als gewisse Salze, und
t * ^ selbst dass wir in der Darreichung frischer Frucht-
säfte eine sichere Methode“ haben, das Aufkeimen der Krank¬
heit zu verhüten. a-rans
Wc J! ist die Sberilisirung der MUch ein Segen und, was
auch v. Starck ausfül.rt bei Darmcatarrhen, in heissen Sommer¬
monaten und ähnlichen Verhältnissen heutzutage nicht mehr zu
entbehren, aber auf die Dauer ist sie doch eine unnatürliche Er¬
nährung, weiche nicht ohne schädliche Folgen bleibt
TTu.i • » .... .
;tr b * •* z » .»«rssjrÄrr: wir sr rc Moh - ^»-
die^ rtn^ reD u W1 ® lch V0Ü mir »Jbst gestehen muss Gerade achaft€n an d vor Allem tuberculosefreies Weidevieh, wir brauchten
Merkmal def • $ ygie . msche Lage der kleinen Patienten ist e i u STa ^ u' .• & ° p beF , mÜ8Sen wir weni g sten s den Kindern
jZ? t lnfantlleD Scorhuts, den man nach Sn', * g Ant,scorbutlca . Früchte und Fruchtsäfte geben, vor denen
Krankheit genann ha t V “ *«* “° ch , ®nd erst noch andere als’ Cmtn
Dl Ein rT- 27 <len WHten besseren Stäben In S g “ “ 5 m * ni geglü ° kt > 80 ^ rd ** ™ ein-
tonen i t u e,tlgkc,t dcr Nahrung, welche als TTrsnel v a ' chti & Q Kreise n diese Ernährungsweise bald einbürgern und aus
bthen"”" ““ V — ““ ^hZeTtZ
^ eit f«rtgeführte vJik™* mt 8fcerilisirter Milch. « Lange
. 71 “ 8 d " 8t d “ -
schen »nd physikalischen F; g T Aufbewahriln g in ihren chemi- _ .
T -Starck ( a . a 0 ) w ,u " genschaft€n veränderten Milch » sagt FcUllletOü
Anschluss an den - lm , ärztlichen Vereine zu Hamburg „ .
1895. 8 970) Hi "i g M en Vortrag ( diese Wochenschrift- Bemerkungen zu dem Berichte des Herrn Rea.-Rathes
^ 0r ' Küb,er über Än v Ä der Ch0,era
jungen an meinen^ K nd T“ WUfde - Nach «inen
^lichkeiten nur T e ' ^ ^ ^ Starck ’ 9 beiden
J ! ange Erhitzen (45 £ Betracht kommen, d. h. das
f^h gemolken, kei ne8 wZ - a die Milch war täglich
-______ gs irgend ein Dauerpräparat. Ich bin
»« übrigens fliesen
- -g «V. WIIVIVI U llll
Elbgebiete 1892.
Von Dr. F. Wolter, Arzt in Hamburg.
r-u i A “ Sejdoase meines Aufsatzes: „Nachträgliches zur Hamburger
Cholera-Epidemie von 1892“ (s. diese Wochenschrift Nr. 47 u. 48) -
Hatte ich darauf hingewiesen, dass die epidemiologische Auffassung
t r a ü ^ aT r SÄT® « ine wei , tere Bestätigung in den von Herrn
Reg.-Rath Dr. Kühler festgestellteu Thatsachen der Verbreitung
der Cholera un Elbgebiete 1892 fände.
8
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32
No. 2
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ich glaubte, an jener Stelle, wo eB sich ja um die Hamburger
Epidemie handelte, mich mit einem solchen Hinweise auf die wei¬
teren Ausführungen in meiner grösseren Arbeit') begnügen zu dürfen,
sehe mich aber dadurch, dass Kübler in seiner Entgegnung (s. Nr. 50)
von jenen Ausführungen gar keine Notiz genommen hat, dazu ver¬
anlasst, an dieser Stelle aus seinem Berichte wenigstens einige lhat-
sacben anzufübren, aus welchen hervorgebt, dass an den Orten des
gehäuften Erkrankens im Elbgebiete die örtlichen Verhältnisse eine
bedeutsame Rolle gespielt haben dürften.
In dieser Beziehung ist zunächst von Interesse die in dem
Kübler'sehen Berichte hervorgehobene Thatsache, dass das linke
Ufer der Unter-Elbe, wo „eine dichte, Schifffahrt und Iisclierei
treibende Bevölkerung in Niederungen,von breiten Eibar men
durchzogen, wohnt“,ganz vorwiegend befallen ist im Gegensätze zu
dem rechten Flussufer, „wo sich in spärlichen Häusern mehr Kathen¬
besitzer, Anbauer und wenige geschlossene Gemeinden auf hohen
Ufern finden“. (Kttbler, 8. 177.)
Wenn ich mich jetzt zu den Orten des gehäuften Erkraukens im
Einzelnen wende, so betrafen in Lauenburg nach dem Kübler sehen
Berichte von den 43 Cholerafällen nur 3 die Oberstadt, welche auf einer
in geringer Entfernung vom Ufer sich hinziehenden Bodenerhebung
erbaut ist; unter diesen 3 Fällen befand sich das Dienstmädchen
einer aus Hamburg geflüchteten Herrschaft. Abgesehen von diesen
3 Fällen und 6 weiteren, welche von Hamburg gekommene Personen
der Schifferbevölkerung betrafen, sind alle übrigen 34 Erkrank¬
ungen in der Unterstadt erfolgt, deren Bodenverhältnisse nach
Ausweis des Kübler'schen Berichtes sich vor denjenigen der Ober¬
stadt durch erheblicheren Wasserreichthum in Folge der Nähe der
Was8erläufe und durch erheblichere Bodenverunreinigung auszeichnen,
indem bei der Neigung der Strassen gegen die Elbe die Schmutz¬
flüssigkeiten von den höher gelegenen Häusern zu den tieferen hin
abfliessen. (s. Kübler, S. 179.)
Bezüglich der 28 in Estebrügge und den angrenzenden
Ortschaften vorgekommeneu Cholerafälle ist auf die eben erwähnten
örtlichen Verhältnisse des im Gegensalze zum rechten Ufer so vor¬
wiegend befallenen linken Ufers der Unter-Elbe hinzuweisen.
In Rendsburg ereignete sich eine Gruppe von Erkrankungen
im August und Anfang September, welche Kübler auf Einschlep¬
pungen aus Hamburg zurückfübrt; die zweite Gruppe fiel in den
Oktober und beschränkte sich örtlich auf einige dicht neben einander
liegende Häuser an der am niedrigsten belegenen Ecke der Eider¬
insel, auf welcher die Altstadt erbaut ist; .das betreffende Terrain
hatte sich schon bei Gelegenheit einer ausgedehnten Typhus-Epidemie
in den Jahren 1880 und 1881 als ein bedenkliches erwiesen*, und
die Typhus-Epidemie des Jahres 1888 batte „nicht nur in dem
niedrig belegenen westlichen Theile der Altstadt begonnen, sondern
gerade die hier in Betracht kommende Häusergruppe wurde in erster
Linie von der Seuche heimgesucht“, (s. Kübler S. 200.)
Die zeitliche Reihenfolge, in welcher sich die Choleraerkrankungen
in dieser Häusergruppe folgten, war folgende: es ereignete sich je
eine Erkrankung am 14, 16., 23. September und je eine Erkrankung
am 1, 4., 6., 7., 9., 12. Oktober. Schon diese zeitliche Reihenfolge
dürfte doch vielmehr für die Bedeutsamkeit der örtlichen Verhält¬
nisse sprechen, als für die von Kübler angenommene Infection
des gemeinsamen Wasserkastens, aus welchem die betroffenen
Häuser versorgt wurden.
Eine besondere Bedeutung legt Kübler sowohl in seinem
Berichte als auch in seiner Entgegnung der Epidemie in Boizen-
burg bei, indem er sie als ein Beispiel hinstellt, „in welchem das
direkte Uebergehen der Cholera von einer Person bezw. Familie auf
die andere biB ins Einzelne verfolgt werden konnte“. Diese Schluss¬
folgerung ist aus folgenden thatsächlichen Feststellungen gezogen.
In Boizenburg ereigneten Bich einschliesslich des ersten Er-
krankungsfalles vom 26. August 89 Cholerafälle. Von diesen be¬
trafen 7 Fälle Personen, welche mit Elbkähnen von Hamburg
gekommen waren und zu anderen Erkrankungsfällen nicht nach¬
weislich in Beziehung stehen; es sind die Fälle Nr. 3, 4, 6, 6, 7,
13, 17 des Kübler'schen Verzeichnisses; nur einen von diesen
Fällen bringt Kübler mit dem Falle Nr. 24 in Verbindung, indem
am 13. September im Krankenhause eine 65 jährige Frau erkrankte,
in welchem der Fall Nr. 7, ein von Hamburg gekommener 8chiffer,
am 27. August gelegen hatte.
Ebensowenig wie diese 6 oder 7 Fälle zum Beweise der
Kübler'schen Behauptung herangezogen werden können, ist es
mit den 8 Fällen der Fall, wo die Infection unbekannt geblieben
ist; unter ihnen befinden sich, sehr bemerkenswerther Weise, die
3 ersten Fälle, ausserdem die Fälle No. 11, 25, 27. Zu diesen
6 Fällen, für welche auch Kübler ausdrücklich zugibt, dass sich
Anhaltspunkte für eine Infection nicht ergeben haben, möchte ich
den Fall No. 16 zählen, wo ein zweijähriges Kind in einer bis dahin
cholerafreien Familie erkrankte, und den Fall No. 26, wo in dem
bis dahin freien Armenhause ein sechswöchentliches Kind einer bis
dahin geeunden Familie von Cholera befallen wurde. Für unsere
Betrachtung bleiben also nur 24 Fälle übrig. Von diesen 24 Fällen
betraf einer eine Diakonissin (No. 12), welche eine an Cholera
*) Die Cholera in Hamburg. Von Dr. F. Wolter. H. Theil
8. 69 ff. Hamburg, Verlag der „Neue Böraen-Halle*, 1896.
verstorbene Schifferfrau gepflegt hatte, ein anderer einen Arbeiter
(No. 37), welcher bei der Desinfection im Seuchenhause beschäftigt
war, ein dritter eine Frau, welche die Tochter einer 3 Wochen
vorher verstorbenen Cholerakranken zu sich genommen hatte (No. 30).
Von den noch bleibenden 21 Fällen ist bei 14 nur bemerkt, dass
im gleichen Hause vorher ein Cholerafall vorgekommen war; in
einem weiteren Fall findet sich die Notiz, dass im Nachoarhause
ein Cholerafall vorgekomraen sei (No. 36); in 3 Fällen, dass in dem
gegenüberliegenden Hause ein Cholerafall sich ereignet habe (No. 9,
10, 19); in dem Falle No. 15, dass die Frau in dem Hause eines
an Cholera Verstorbenen verkehrt habe, und in dem Fall No. 14,
ist nur constatirt, dass der Patient, ein Briefträger, auf seinen
Dienstwegen in benachbarten Dörfern mit aus Hamburg zugereisten
Personen verkehrt habe.
Wenn diese Feststellungen schon an sich die Schlussfolgerung
wenig berechtigt erscheinen lassen, dass in Boizenburg .das directe
Uebergehon der Cholera von einer Person bez Familie auf die andere
bis in's Einzelne verfolgt werden könnte“, so müssen sie um so
mehr an Beweiskraft verlieren, wenn man in Erwägung zieht, dass
nach Ausweis des Gaffky'sehen Berichtes über die Hamburger
Epidemie des Jahres 1892 in Hamburg in 12,473 Erkrankungs¬
und 6,746 Sterbefällen der Fall in der betreffenden Haushaltung
thatsächlich vereinzelt geblieben ist, also andere Erkrankungen unter
den Mitgliedern derselben Haushaltung nicht nach sich gezogen
hat. Dagegen weist die örtliche Vertheilung der Cholerafälle, wie
sie in dem Kübler'schen Berichte geschildert ist, ausserordentlich
deutlich auf die Bedeutsamkeit der örtlichen Verhältnisse in Boizen¬
burg hin. Die längs eines Höhenabhanges sich hinziehende Ham¬
burger Vorstadt war ganz frei von Cholerilfällen; ebenso der grösste
Theil der eigentlichen Stadt, welcher um den „am höchsten und
wasserfrei über dem höchsten Stand der Elbe liegenden“ Marktplatz
gelegen ist. Die Cholerafälle betrafen beinahe ausschliesslich den
tiefer gelegenen Rand der Stadt, gegen welchen die Strassen von
dem höchsten Punkt, dem Marktplatz, nach allen Seiten abfallen,
wo sich entsprechend der Neigung der Strassen die Niederschlags¬
und Hauswässer in die Stadtgräben und den Färbergraben ergiessen,
und wo der Stand des Grundwassers den wechselnden Wasserständen
der benachbarten Stadtgräben resp. der Boize und Elbe folgt. Am
südöstlichen Rande in der Elbniederung liegt das Dorf Altendorf
an dem strömungslosen Teich, wo die ersten Erkrankungen vorkamen
und wo sich im Ganzen 8 Fälle ereigneten. Ebenso hatten sich
1832 4 von 77, 1848 10 von 69 und 1850 7 von 79 Cholerafällen
am Altendorfer Teich ereignet. 1873 waren von 29 Cholerafällen
4 am Altendorfer Teich und 20 an dem diesem und dem Färber¬
graben nahe liegenden Bollenberg erfolgt.
Am 26. August 1892 erkrankte ein Arbeiter in Altendorf; der¬
selbe starb am 27. „Der Krankheitsverlauf und das Ergebniss der
Leichenöffnung hatten den Verdacht, dass es sich bei demselben
um Cholera handle, begründet“, heisst es in dem Kübler'schen
Berichte, „doch wurde diese Annahme durch den Ausfall der bacte-
riologischen Untersuchung nicht bestätigt“ — und daher dieser Fall
nicht in das Verzeichniss aufgenommen I Am 27 August erkrankten
ein 4jähriges Arbeiterkind in Altendorf und eine 72 jährige Wittwe
im Nordertheil der Stadt. Die Entstehung dieser drei ersten
Erkrankungen ist, wie Kübler bemerkt, nicht aufgeklärt worden. 8ie
dürfte vom bacteriologischen Standpunkte überhaupt nicht aufzu¬
klären sein, ihre Erklärung vielmehr darin finden, dass sich die
Cholera in Boizenburg früher und jetzt aus den örtlichen Verhält¬
nissen unter Einwirkung klimatischer Factoren entwickelt hat. Diese
örtlichen Verhältnisse werden nun in dem Kübler'schen Eerichte
folgendermassen geschildert: „Unterhalb der Stadt befindet sich
durch Sand filtrirtes Grundwasser, welches theils von atmosphärischen
Niederschlägen, theils aus den die Stadt umgebenden Wasserläufen
eingesickert ist und sich zeitweise mit Elbwasser vermischt. Der
Untergrund Boizenburgs muss als stark verunreinigt angesehen werden.
Aus den Bauplätzen und Strassen der Stadt sind die Unreinigkeiten
und Abflüsse der Haus- und Vielistände seit mehr als 650 Jahren
in den durchlässigen Boden gesickert; auch in neuerer Zeit sickerten
noch viele Abwässer ein, wenngleich auf Pflasterung der Strassen-
Anlage der Dungstätten und Beschaffenheit der Aborte mehr Sorg,
falt als früher verwendet wird. . . . (Kübler S. 146).
Auf Grund solcher dem Kübler' sehen Berichte entnommenen
thatsächlichen Feststellungen bin ich im Gegensätze zu dem Bericht¬
erstatter zu der Schlussfolgerung gekommen, dass es im Elbgebiet»
zu einer grösseren Zahl von am Orte selbst entstandenen Erkrank¬
ungen, zu einem Epidemisiren der 8euche, nur da gekommen ist,
wo die örtlichen Verhältnisse, wie niedere Lage, Wasserreichthum,
wechselnde Feuchtigkeitszustände und Verunreinigung des Bodens,
den klimatischen Factoren die entsprechende örtliche Einwirkung
gestatteten. Eine weitere Bestätigung dieser Auffassung erblicke
ich darin, dass, wie die Cholera im Elbgebiete unter denselben ört¬
lichen Bedingungen sich entwickelt resp nicht entwickelt hat wie
in Hamburg resp. Altona, sich auch, wie Kübler in seinem Berichte
ausdrücklich hervorhebt, eine fast vollkommene Ueberein-
Stimmung des zeitlichen Verlaufes der Cholera im Elb¬
gebiete und der Epidemie in Hamburg zeigt.
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H. Jsnnar 1896-
Referate und Bücheranzeigen.
E. Banmann: lieber das normale Vorkommen von
Jod im Thierkörper. I. Mittheilung. Hoppe-Seylcr’s
Zeitschrift fQr physiologische Chemie. XXI. Bd., 4 . Heft.
In der nachstehend referirten Arbeit veröffentlicht der aus¬
gezeichnete Freiburger Chemiker die interessante, theoretisch wie
praktisch gleich wichtige Entdeckung, dass inderthierischen
Schilddrüse normalerweise Jod, und zwar in einer sehr
beständigen organischen Verbindung und in relativ grossen Mengen
enthalten sei. Die fundamentale Bedeutung der Arbeit recht¬
fertigt ihre ausführlichere Wiedergabe.
Die Anregung, nach der wirksamen Substanz der Thyreoidea
zn suchen, entnahm B. den in dieser Wochenschrift veröffentlichten
Beobachtungen von Emminghaus und Hein hold, die nach
Darreichung von Schilddrüse eine, starke Abnahme der Kröpfe
eintreten sahen. Die Methode, deren er sich zur Darstellung der Sub¬
stanz bediente, wird in der vorliegenden Arbeit nur kurz erwähnt und
diesbezüglich auf eine folgende Arbeit verwiesen. Sic besteht im
Wesentlichen in Kochen der Drüsensubstanz mit 1 0 proc. Schwefel¬
säure, wobei die wirksame Substanz sich aus der abgekühlten
braunen Lösung als feinflockiger Niederschlag abscheidet der
durch weitere Behandlung mit Alkohol und 1 proc. Natronlauge
und durch abermaliges Ausfällen mit verdünnter Schwefelsäure
gereinigt wird. Die so gewonnene braune, amorphe Substanz ent-
spneht nach ihrem Gewichte 2 bis 5 Zehntel Procent der frischen
Drüse und erweist sich, wie ans Beobachtungen, welche Dr. ltoos
an Menschen und Hunden anstellte, mit Sicherheit hervorgeht
als annähernd ebenso wirksam als die entsprechende Menge der
frischen Drüse. Der Körper, der von den Farbenfabriken vorm. Fr.
Co ,. in ® lberfeld - welchc seine Gewinnung in grösserem
• laMstabc m die Hand genommen haben, Thyrojodin benannt
wurde, ist ,n Wasser fast unlöslich, in Weingeist schwer löslich-
in verdünnten Alkalien löst er sich leicht und wird aus der
" ren wieder gefäIlt - Er keine Eiweissreactionen,
ST abOT 8t f Ringer Menge Phosphorsäurc in organischer
Bmdu„ g , dag8 der Gcdankc nahe lag> dass es gieh uin dn
> psltungsprodnct einer Nueleinsäure handle.
Was dem Thyrojodin nun ein ganz besonderes Interesse ver-
taht ' St d ,e merkwürdige Thatsache, dass dasselbe eine Jodver-
“7 «■* M in relativ beträchtlicher Mcge „„J
'n sehr fester Bindung enthält.
jodin s D mif a A h f WeiS t deS J<XlS geschah darch Veraschung des Thyro-
W Lösung der Schmelze in
fonT Djp Salpetersä,,re nnd Schütteln mit Chloro-
von Jod ' Ja ? rbU ,!. g dpr . letztp ™ zeigte die Anwesenheit
mriesen wiirde * 5 "t 56 Re,nheit der verwendeten Reagentien
"wiesen wurde, nur dem Thyrojodin entstammen konnte.
- die Elberfelder 6 Fif ^ en 8 cu Substanz zur Verfügung standen,
als Inno Hai T 51 ' heferten ihm solche aus weit ™hr
dra r - 80 k0nnte cr a “ d >e
2-9 Cent h r mUng deS : Iodgeha,ts Derselbe betrug
»gar 9,3 p’ , C1 “ em , npch mehr gereinigten Präparat aber
Substanz einen noch , gIaubt ’ dasfl die rioch weiterhin gereinigte
verschiedenen Prim. hoheren Jodgehalt besitzen wird. Bei 20
theils in Elberfeld 7 lhyr °j° dln ' die Dieils in Freiburg,
Gegenwart ^ überzeu « te * ich R - von der
erprobt hatte entb'n e Draparate, welche Dr. Koos als wirksam
hafter Darstellung ^ i, " ^ eicb J ic ^ J° d n »d wo solche bei fehler¬
sich jodfrei oder lief 7 ™' ^ gar n ' cbt wirkte "’ erwiesen sie
Die mcnCiT* “T- ° ine geringe Jodreaction.
ganz ähnlich» T lV i v 'k- j ® c ^ddrüse ent h*lt dieselbe oder eine
d« Verhalten de* die Ha,nuie| sehilddrüse. Uebcr
«Wies^nden Retlt^ts Kropf hat B - "och keine ab-
**ug in Spirit ns anfk 5 hat b,sber nnr einen > Rcll °“ 2 Jahre
den Jodgchalt ansche; 55"’ CoUoid kropf untersucht und hier
der normalen Drüse We! ! entl i ch geringer gefunden, als in
noch nicht möglich ’ v, 6 '“ T be8fcimrut€s Urthcil sei darüber
Quantität de* °'°^ mcbt zuverlässige Ermittelungen über
■''ensehen vorlie^n 5?" Jod « chaIt «» der Schilddrüse beim
^ Jod nacheewipaei U k- der Schil ddrüsc vom Schwein
’ bler i n geringerer Menge als in der-
JV1ÜNCHENER MED ICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
___ 88
jenigen des Menschen oder des Hammel. Dagegen war in der
Thjinustirase des Rindes, sowie (im Casein der Milch, in Horn-
substaiiz, Mutterlaugen von der Tyrosinbereitung durch das von
R. angewandte Verfahren Jod nicht nachweisbar
Nicht wl,;' S °Ü 0rt Consequcnzcn seiner Entdeckung.
.Nicht wenig« „ud zum Theil altbekannte Thatsache., erscheinen
nachdem das Thyrojodin als eine Jodverbindung erkannt ist ln
die TodbehLl ^ u T CF Liuie ko,nmfc hier Betracht
tlb , Ung n° r KrÖpf0 ' Ks ist J®« verständlich, wess-
theranie " w 5'°5 7 k"* 0 " vcrma «' w ie die Schilddrüse,i-
Wir gcwimiöi?' 1 K " c lcr . noch Vur Kurzem hingewiesen hat.
löilt,.i , " ÜCh C,nen ticfere “ Einblick i„ diese Ver-
geben SSt die "all 77 ?"* ei 1 nfao,, ° Erklärung der Thatsache
auffi l’ 7 n fw", dL ‘ r Bohilddrüseuthcrapie zuerst
srS 7 H,,,llCb d,C t U,rku ng d or Schilddrüsen überraschend
sehn .sich zeigt und viel früher, als es bei der Jodbehandlung
du Ul ist eintntt. Denn die Zufuhr von Jod von aussen
ennoghebt oder begünstigt, nur die Bildung desjenigen Stoffes,
J JT-m",' ,0r 1 " ünuale " Schilddrüse producirt wird, und durch
die i. childdrüsentherapie fertig gebildet dem Stoffwechsel zugeführt
wmf. Es handelt s,ch dabei offenbar nicht um eine Wirkung
des freien Juda oder eines Jodsalzes, sondern um die Bildung
derjenigen speeifischen organischen Jod verbind ung
welche wir m dem Thyrojodin soweit als möglich isolirt habeu.’
Dieser Vorgang scheint ganz ähnlich demjenigen der Aufnahme
des Eisens zu sein, dessen Wirkung dem Organismus auch erst
dann zu Statten kommt, wenn es in diejenige organische Eisen-
Verbindung, aus welcher der Blutfarbstoff besteht, Ubergeführt ist“.
Die Ueberemstimmung hinsichtlich der Art und Weise der
Wirkung des Jods und der Schilddriiseubehandlung hat noch vor
Kurzem Kocher veranlasst, die Frage aufzuwerfen, ob die normale
Schilddrüse Jod enthalte. Tschirsch, welcher denVersuch aus-
i ir’ • dabe ‘ C '" Völbg ne 8 ative8 Resultat erlialten, was
erklärlich ist. wenn er das Organ direct verascht hat, wobei die
geringen Mengen Jod verloren gehen können. B. hat jedoch auch
bei vorsichtigem Veraschen von 1 g trockener Schilddrüse Jod-
reaction erhalten. Nach seiner approximativen Schätzung beträgt
der Jodgehalt der Schilddrüse vom Menschen und vom Schaf circa
ein Milligramm auf ein Gramm der trockenen Drüse.
„Die Entdeckung der organischen Judverbindung in der Schild¬
drüse stellt den Experimentator vor eine lange Reihe von Fragen
und eröffnet ein neues Gebiet der Untersuchung, dessen Bearbeitung
wohl noch manch überraschendes Resultat ans Licht fördern wird“.
„Die interessante Thatsache, dass ein bestimmtes Organ des
Körpers befähigt ist, einen in ungeheurer Verdünnung dem letzteren
zugeführten Stoff selectiv aufzuspeichern und in eine functionoll
wichtige Verbindung überzuführen, tritt kaum irgendwo so klar
vor Augen , als bei der Jodverbiudung der normalen Schilddrüse.
Es liegt nahe, die hier gewonnenen Erfahrungen auch für die
Untersuchung anderer Organe, welche in der Organotherapie Ver¬
wendung finden, zu verwerthen“.
B. erwähnt schliesslich noch kurz einige ältere Angaben über
das Vorkommen von Jod in Organismen. So nahm Chatin (1850)
das Vorkommen von Jod in der Luft, im Wasser, in allen Pflanzen,
gegohrenen Getränken, Milch, Eiern, in der Ackererde an und
stellte die Lehre vom normalen Jod auf, nach welcher Cretinismus
und Kropf in solchen Gegenden auftreten sollen, wo das Jod im
Trinkwasser ganz oder fast ganz fehle. Von Andoreu wurde jedoch
das Vorkommen von Jod in der Luft und im Wasser bestritten
und Chatin der Vorwurf gemacht, dass die von ihm verwendeten
Reagentien nicht jodfrei gewesen seien. Damit fiel Chatin's Theorie
der Vergessenheit anheim. B. gedenkt ferner des Jodgehalts der
Asche von Landpflanzen, der Melasse, der Pflanzen und Thiere
des Meeres.
Der von S. F r ä n k e 1 in Wien als wirksamer Bestandtheil
der Thyreoidea gefundene und von ihm als Thyreoantitoxin be¬
zeichnet« Körper stellt nach Art der Gewinnung und nach seinen
Eigenschaften in keiner Beziehung zu dem von B. und Roos
untersuchten Thyrojodin.
In einer angekündigten folgenden Mittheilung wird B. in
Gemeinschaft mit Dr. Roos über die Darstellung des Thyrojodin
berichten und dabei auch die auffällige Thatsache erörtern, dass
3*
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34
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 2-
die von B. isolirte wirksame Substanz in kaltem Wasser fast un¬
löslich ist, während andere Experimentatoren Glycenn- und Wasse-
Extracte bereiteten, welche wenigstens einen wesenthcben Theil
der Substanz enthielten.
Ln bar s eh und Ostertag: Ergebnisse der All¬
gemeinen Pathologie und Pathologischen Anatomie des
Manschen und de? Thiere. I-
baden, Verlag von J. F. Bergmann. 1895 und 1896-
Das vorliegende Werk ist dazu bestimmt, m Jährlich er
scheinenden, von einer grösseren Anzahl von Autoren bearbeiteten
Berichten eine übersichtliche Zusammenfassung über den jewe.hgu
Stand unseres Wissens auf dem im Titel angeführten Gebiete zu
geben. ‘ Es verfolgt also das Werk in der genannten 1 iscphn
den gleichen Zweck, wie z. B. für die normale Anatomie die von
Fr. Merkel und Bonnet herausgegebenen «Ergebnisse
Anatomie und Entwicklungsgeschichte .... P ,
Ein derartiges Unternehmen verdient gewiss m hohem Grade
den Dank nicht allein der engeren Fachgenossen, sondern auch
der "Vertreter der praktischen Mediän, indem eben die Kennt.nss
der krankhaften Vorgänge und Veränderungen des Organismus die
nothwendige Grundlage für jede Forschung auf dem Gebiete der
medicinischen Wissenschaften bildet.
Von dem Werke sind vorläufig die beiden ersten Abtheilungen
erschienen, deren I. die allgemeine Aetiologic umfasst
während die n. über allgemeine pathologische Morphologie
und Physiologie handelt. Die bereits ,m Druck befindliche
HI. Abtheilung soll endlich die s p e c i c 11 e p a t h o 1 o g i sehe
Anatomie und Physiologie enthalten. Das Werk soll dann
in der Form von Jahrgängen seine Fortsetzung finden, m welchen
über die weiteren jeweiligen Fortschritte berichtet wird eventuell
auch das eine oder andere Capitel je nach dem Bedürfnis« eine
völlige Neubearbeitung erfahren soll.
Leider vermag jedoch das Werk in seiner jetzigen Gestalt
noch keinen vollständigen Ueberblick über den gegenwärtigen .Stand
unseres Wissens auf dem Gebiete der allgemeinen 1 athologie und
pathologischen Anatomie zu geben.
Schon im T. Bande konnten, zum Theil wegen Erkrankung
von Mitarbeitern, die Capitel über die Biologie der pathogenen
Spaltpilze, über die thierischen Parasiten des Menschen und andere
Capitel noch keine Besprechung finden. In der II. Abtheilung
fehlt unter Anderem die Verkalkung und Concremcntbildung und
besonders vermisst man das Capitel über die Infectionsgeschwülste.
wo namentlich die Anatomie der Tuberculosc eine ausführliche
Besprechung erfahren sollte; denn die kurze Schilderung der
Histogenese der Granulationsgeschwülste in dem Capitel über ent- .
zündliche Neubildung ist entschieden nicht geeignet, ein umfassendes
und übersichtliches Bild von der Tuberculose in ihren so überaus
mannigfaltigen Gestaltungen und ihrer hohen Bedeutung zu geben.
Ein zusammenfassendes Capitel über Thrombose und
E niboTie fehlt leider ebenfalls; das mit diesem Titel versehene
Capitel "enthält nichts als ein Referat über die Untersuchungen
Wlassow’s, sowie über einige neuere Arbeiten über Embolie. Wer
in diesem Capitel eine zusammenfassende Darstellung unseres
jetzigen Wissens über diese wichtigen Vorgänge vermuthet, wird
entschieden enttäuscht. Auch das Capitel über die Entzündung
ist unvollkommen, indem in demselben nur die eiterige Entzündung
ausführlich besprochen ist.
Das Capitel über die entzündliche Neubildung wäre nach
Ansicht des Referenten richtiger im Zusammenhang mit. der Ent¬
zündung selbst besprochen worden; denn vielfach ist die Neu¬
bildung so innig mit den übrigen Vorgängen bei der Entzündung
verbunden, dass eine Trennung derselben in der Besprechung für
das Verständniss des ganzen Ablaufes der Erscheinungen störend
wirkt.
Sehr angehend und mit grosser Sorgfalt sind die Capitel
über Metastase, Degenerationen, und über die Geschwülste aus,
gearbeitet, und besonders anregend sind die Capitel über die all¬
gemeine und speäelle Aetiologie der Infectionskrankheiten geschildert.
Sämmtliclie Capitel sind in der Form kritischer Berichte ab¬
gefasst; diese Form der Behandlung des Stoffes bringt es natürlich
mit sich, dass die subjectiven Anschauungen des jeweiligen Autors
„ft sehr in den Vordergrund treten und es dürfte daher mancher
Leser sich mit den in diesem „der jenem Capitel [entmckelten
Ynscliaunngen nicht immer einverstanden erklären.
Ein näheres Eingehen auf den Inhalt einzelner Capitol kann
so verlockend cs erscheinen mag, nicht die Aufgabe einer all¬
gemeinen Besprechung des Werkes nein. Lader hat ja dasselbe
den im Vorwort betonten Zweck, im I. .lahrgang em \\ erk zu
schaffen das in gewisser Beziehung ein Handbuch der Pathologie
ersetzen’ kann, wegen seiner erheblichen UnVollständigkeit nicht
erreicht; allein auch in seiner jetzigen unvollkommenen Form ist
das Werk, welches eine empfindliche Lücke ,n der
Literatur auszufüllen bestimmt ist, warm zu empfehlen. Gerade
die kritische Behandlung der Berichte wirkt ungemein anregend
und wild sieh entschieden für die gründliche Krfnrschung von
Fragen auf den verschiedensten Gebieten der 1 athologie nützlich
und fördernd erweisen.
Jedoch hielte es Referent für dringend wünschenswert!!, dass
die bestehenden Lücken nicht erst, wie angekündigt m. II. Jahr¬
gang ausgefüllt werden, sondern dass noch im I Jahrgang cm
Nachtragsband erscheinen möchte, in welchem die fehlenden Kapitel
besprochen und ungenügend behandelte eine weitere Ausführung
' Hauser,
erfahren.
A Albu- Leber die Antointoxicationen des In-
testinaltractns. Berlin 1895. Hirschwald. 2i5 Scrtom
Ein Buch, wie das vorliegende, zu schreiben, dazu gehört
gegenwärtig neben dem Beherrschen eines ausgedehnten und
schwierigen Gebiets ein gewisser Mnth, wie ihn nur die l'e r-
zengung geben kann. Es ist derselbe Math, der vor mehreren
Jahrzehnten die Vorkämpfer der Infectionslehre beseelte und der
so schöne Früchte getragen hat. Allerdings so ganz unvorbereitet
ist der Boden ebensowenig, wie er es damals für die Tnfections-
theorie war. für die neue Lehre von der Selbstintoxiaition, gcwisser-
uiassen die alte Humoralpathologie i» "euer Gestalt. Es scheint
mir nicht ganz richtig, wenn Verfasser sagt, dass die neue Lehre
in Deutschland bisher nicht recht hat Wurzel fassen können.
Hört, man doch vielfach schon die allerjüngsten Jünger der medi¬
cinischen Wissenschaft die Ausdrücke wie Toxine und Toxalbumine
u. a. als ganz selbstverständliche Begriffe gebrauchen. Lasst man
freilich die Reihen der zu Grunde liegenden Thatsaehon Revue
passiren, so zeigt sich bald, dass mehr Lücken als „Reihen“ vor¬
handen sind. Dafür, dass der Vorf. eine solche Revue vor den
Augen des Lesers abnimnit, müssen wir ihm dankbar sein. Naeh
einer einleitenden Betrachtung über die Lehre von den Auto-
intoxicationcn in. Allgemeinen geht er auf sein eigentliches Thema
die Antointoxicationen des Intestinaltractus (besser würde der Xitel
lauten: „vom Intestinaltractus aus“) über. Er schildert zunächst
die Bildung der Gifte im Magen und Darm und die Funktionen
der Leber und deren Störungen. Dann discutirt er eingehend die
grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit, mit welcher Erkrankungen
und Erscheinungen des Nervensystems (Schwindel. Tetanie, Eklampsie,
Nerven- und Geisteskrankheiten), das dyspeptische Asthma, Haut¬
erkrankungen , Blutanomalien (Chlorose, pernieiöse Anaenuo,
Leukaemie), Harnstörungen (Acetonuric, Cystinurie etc.), die acute
gelbe Leberatrophie und der Diabetes als Selbstvergiftungen au
gefasst werden könnten. Nach einem Anhang über Addison sehe
und Basedow sche Krankheit, sowie die Eklampsie der Schwangeren
zeichnet er mit kurzen, aber deutlichen Strichen die Aufgaben
für die Therapie. Den Schluss bildet ein ausführliches Literatur-
verzeichuiss. Dieser kurze Bericht mag genügen, um die u
merksamkeit des Lesers auf das interessante Buch zu lenken. Dass
der Rec. oder irgend ein medicinischer Leser in sänimtlichen 1 unkten
mit dem Vcrf. völlig übereinstiiumen köunte, ist bei einem so in
der Entwickelung begriffenen und hypothetischen Gebiet ganz un¬
denkbar. Ebenso unmöglich ist es, auch nur die wichtigsten
Punkte in einer kurzen Anzeige wirklich zu discutiren. Es
hinrciclieii, darauf aufmerksam zu machen, dass Verfasser sein
Ziel: „das Interesse und die Forschung auf diesem neuen Gebiete
anzuregen“, sicher erreicht hat. Jede neue Arbeit über icse
bedeutungsvollen pathologischen Fragen wird mit den. vorliegenden
Buche zu rechnen haben und in demselben wesentliche n r
Stützung finden. Aber auch dem Arzt, welcher sich nie lt a
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6 .
MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHEN8CHRIFT.
35
wierigc Forschungsgebiet wagt, wird eine lehrreiche und
ite Lektüre geboten. Pcnzoldt.
Annales de 1’ Institut de Pathologie et de Bactörio-
logie de Bncarest pnblides par Victor Bai) es.
Vol. V. IV ifcmc Ann^c 1892/3. Französisch und Rumänisch.
Auch der vorliegende Baud, der nach kurzem Zwischen¬
räume dem 4 ten gefolgt ist, zeugt wieder von der emsigen Thätig-
keit die, namentlich auf bactcriologischcm Gebiete, in dem
ltuhroster Institute entwickelt wird. Den Inhalt bilden Beiträge
zur pathologischen Anatomie der Leber, Studien über eine in
Rumänien einheimische Form von Enterohepatitis suppurativa,
über Noma, die zur Auffindung einer von B. für speeifisch
gehaltenen Baeillenart führten, sehr eingehende Untersuchungen
über die Wirkungen der Tetanus-Bacillen und des Tetanusgiftes
auf verschiedene Thierarten , sowie die Seruintherapie heim
Tetanus, ferner morphologische Studien über die Kapsel- und
Sporenbildung pathogener Baeterien. Den Schluss bilden baeterio-
Idgische I'ntersuehungen hei gewissen Krankheitserscheinungen
kleiner Hunde, sowie beim Rothlauf und der Pneumo-Enteritis
der Schweine. I)ic Ausstattung des Bandes ist, namentlich in
Bezug auf die Abbildungen, eine hervorragend gute zu nennen.
M. II a h n - München.
G. Itzerott und Fr. Niemann: Mikrophoto¬
graphischer Atlas der Bakterienkunde. Mit i2fi mikro-
phnti(graphischen Abbildungen in Lichtdruck auf 21 Tafeln.
Leipzig 1895- J. A. Barth. M. 15-—•
Der vorliegende neue Atlas der Bakteriellkunde verdient in
hohem firade empfohlen zu werden, da er in zahlreichen, meist
recht gut gelungenen Mikrophotogrammen eine sehr vollständige
l'elieroicht der pathogenen Bakterien in ihrer natürlichen Er¬
scheinungsform im erkrankten Körjier, sowie auch unter künst¬
lichen Culturbedingungen darbietet. Ausserdem sind auch die
wichtigsten Saprophyten in charakteristischen Darstellungen ver¬
treten nnd zwar diese sowohl, als die pathogenen Arten ganz
vorwiegend nach Originalpräparaten der Verfasser.
Hem Werke kommt ausserdem die Beigabe einer gedrängten,
aber sehr instructiven Schilderung des mikrophotographischen Ver¬
fahrens, sowie eines beschreibenden, die Hauptdaten über die cin-
telnen Arten der Mikroorganismen enthaltendenTextes zu statten.
In Anbetracht des geringen Anschaffungspreises darf angenommen
»erden, dass der vorliegende Atlas sieb bald eine weite Vcr-
Weitung erringen wird. H. Büchner.
Victor Urbantscliitsch - Wien: Ueber Hörüb-
nugen bei Taubstummheit nnd bei Ertaubung im
spateren Lebensalter. Wien, Urban und Schwarzen-
bor ? 1895. Preis 4 Mark.
lirbaiitschitsch gebührt das grosse Verdienst, neuerdings
nnt Naelidnick die Einführung der methodischen Hörttbungen in
'en aubstuinwcnunterricht verlangt und in einer zunehmenden
■ nza von Anstalten durchgesetzt zu haben, ln dem vorliegen-
en 135 Seiten langen Buche gibt er eine erweiterte Bearbeitung
Jiner in der allgemeinen Poliklinik gehaltenen Vorträge. Ausser
en an Taubstummen Vorgefundenen Erscheinungen bespricht er alle
unsc äpgen psycho-physiologischen Beobachtungen — bekanntlich
ri'h IC — aa f das ausführlichste. Für den Unter-
i- 1 ' l' n *ktische in's Einzelne gebende Bathscbläge ertheilt.
ln cP ° n dor Uörübungen belehrt am besten ein Beispiel,
wiml." '/ n rSC v- ie,ienCn ^' !Wsen ( * or Taubstnmmenanstalt in Döbling
» L.** 1 j «KÜnge ein halbes Jahr lang mit Ilürübungen untcr-
V 1“ ? 8ten das Agende Resultat:
U B<s ' nn der Hiirübungcn :
«^.ren Wi 32 Zöglingen . . .
w «lgehör ,,22
'Wtireliür g ” ....
“ts, £ Y' wm ^. giing • • • • ” 12
fähigen Fäll r ailtN( ' h * ts ch ist es nicht möglich, die besserungs
Meiben ZI'a Vu I r " lu ' ri ' i " «wnwucheu. (? Ref.) Nicht unerwähnt so!
d l ' r Taub*Uil Urc “. d ‘ c atu «tischeii Uebnugen auch die Aussprach
ei > eiue bedeutend bessere wird, wovon sich lieferen
Nach 6 Monaten
bei 11 Zöglingen
„ 11
16
auf der Naturforscherversammlung in Wien überzeugen konnte.
Diese Resultate bei den Taubstummen sind zum grossen Theil
durch die Erweckung des Verständnisses für ihre acustischen Ein¬
drücke zu erklären. Urban tschitsch behauptet, dass durch
die Hörübungen auch das Gehör für die einfachen Töne verbessert
wird, doch bedarf das wohl noch der Bestätigung.
Der Abschnitt über Hörübungen bei im späteren Alter Er¬
taubten ist kürzer gehalten. Es geht aus demselben nicht deutlich
hervor, auf welche Falle die acustisehe Behandlung ausgedehnt
werden soll. Von den 4 augeführten Beispielen war der eine
Patient schon im Alter von 7 —10 Jahren ertaubt, und bei den
3 Erwachsenen war der Eintritt der Taubheit ein plötzlicher.
Freund, Nervenarzt in Breslau: Labyrinthtanbheit
tllld Sprachtanbheit. Klinische Beitrage zur Kenntniss der
sogenannten siibcortiealen sensorischen Aphasie sowie des Sprach¬
verständnisses der mit Ilörresten begabten Taubstummen. Berg¬
mann, Wiesbaden 1895. 1 15 Seiten.
Freund kommt auf Grund genauer klinischer Unter¬
suchungen zu dein Schluss, dass ,,Sprachtaubheit“ resp. „sen¬
sorische Aphasie“ nicht ausschliesslich durch eine Läsion des
Nervus acusticus innerhalb seiner centralen Endausbreitung in der
Rinde des Schläfenlappens oder auf seinem subeorticalen Wege
durch das Marklager des Grosshirns bedingt ist, sondern dass
dieselbe auch durch eine, doppelseitige Erkrankung des Acnsticus-
stammes oder des Labyrinths oder auch des Mittelohrs hervor¬
gerufen werden kann. Da bisher der Begriff „Sprachtaubheit“ als
gleichbedeutend mit „sensorische subcortieale Aphasie“ gebraucht
wurde, dürfte es nach Ansicht des Ref. zur Vermeidung von
IrrthUmcrn besser gewesen sein, für die peripher bedingten Fälle
dieses Symptom mit einem anderen Ausdruck zu belegen. Für
den Ohrenarzt ist das Resultat, dass Taubheit für Sprache auch
bei extracerebralen Gehörleiden entstehen kann, nicht überraschend
und theils durch Stationen, theils durch Experimente (Steigbügel¬
extraction') bewiesen.
*7 Was Freund über Taubstummheit und die Urbant
s e|h i t s e h ' sehen JHörübuugen sagt, zu denen er mit warmen
Worten auffordert, kann lief. Wort für Wort unterschreiben.
Das Buch ist Denjenigen, welche sich über die einschlägigen
Fragen orientiren wollen , wegen der klaren Schreibweise sehr zu
empfehlen. Scheibe- München.
Philippson und Török, Allgemeine Diagnostik
der Hautkrankheiten. Wiesbaden J. F. Bergmann 1895.
Das kleine Werk ist als eine Art klinischer Propädeutik
für das Specialfaeh der Dermatologie gedacht und würde somit
als Einleitung für die meisten Lehrbücher der Dermatologie gelten
können. Nach Ansicht der Verfasser ist der Gegenstand dort
nicht in einer dem modernen Stande unseres W'issens entsprechen¬
den Weise behandelt. Sie wollen eine Anleitung geben zur direkten
klinisch dermatologischen Untersuchung und legen dabei das
Hauptgewicht nicht auf den etwas antiquirten und rein morpho¬
logischen Begriff der „Efflorescenzcn“, sondern auf die Erkenntniss
des localen pathologisch-anatomischen Vorgangs. Die Richtigkeit
des Princips zugegeben, haben wir doch nicht den Eindruck, dass
die Anordnung und Behandlung des Stoffes dem beabsichtigten
propädeutischen Zwecke entspricht, es scheint uns vielmehr eine
gründliche specielle Durchbildung die unerlässliche Vorbedingung
einer vcrständnissvollenLectflrc des an sich interessant geschriebenen
Buches zu sein. Ko pp.
Bad Neuenahr in Rheinprenssen, erdige Therme mit Eisen
und Arsen. Aerztliche Gesichtspunkte von Freiherrn Dr. Felix
VOI1 Oefele Arzt in Bad Neuenahr 1894- Seitz&Schauer,
München, kl. 8° 153 S.
Ausgerüstet uiit tüchtigen Kenntnissen, besonders auf pharma¬
kologisch-chemischem Gebiete und mit naturwissenschaftlich ge¬
schulter gesunder Beobachtungsgabe hat sich Oefele vor einigen
Jahren in Bad Neuenahr niedergelassen. Bei- seinem ärztlichen
Wirken'begannen ihm dort allerhand Zweifel an der Richtigkeit
der alten Quelleuanalyse anfzusteigen und manche der dortigen
Einrichtungen erschienen ihm verbesserungsbedürftig. Er hat
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MtrvrmcNERJlE DICINISCHE WOC HENSCHRIFT.
No. 2.
86
Wohl Neuenahrs besorgten Erwägungen hat er m den V ^
Sohoiftchon ^“rCoah” Ge« suchen
t'non'trB" „ch nützlichen Finget gehen wind, nenn
^ —gen,
Mf aber ^irdt I.eieetreten nnd Bücklinge n,neben kenn in™ tone
i srs rx
rs^ ^ s r j- -
dort die Cur gebrauchenden Patienten von Bedeutung mnd in
ä sä -
Verhüten des Curgastes lassen allenthalben den “ on ^ n U "J
beobachtenden Arzt erkennen, der nichts vergisst, was für de
, •ui; f .v,„n Prf nie der Cur von Wichtigkeit sein kann- fieist-
feth und überzeugend ist in kurzen Zügen die Geologie
Sprudels auseinandergesetzt und anhangsweise die
der wichtigsten Bestandtheile des Neuenahrer .Sprudels besprochen
wozu Verfasser, der Entdecker des Arsengehaltes der ^iehe gan*
besonders berufen ist. Allen die sich für das Gedeihen des
Bades interessiren, können wir das Büchlein mit gutem Gewissen
empfehlen und den Curgösten als trefflichen Führer in die «and
geben. Aber auch als Brunnenschrift un Allgemeinen verdient
das Buch entschieden Beachtung. „ , , ,,
Karl Sud huf f-Hochdahl.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere' Äedicin 1896, No. 1.
_ . ,. . »onultate Bezüglich der einzelnen Angaben über die
befriedigende Resultate. g dft8 original verwiesen.
Ausführung der Methode sei w Zinn-Berlin.
VVI*** w.rv«—-
1) Fürbringer-Berlin: Plötzliche Todesfälle nach Lum-
balp, Verfasser berichtet über einen Fall, bei welchem 6 Stunden
" aau." m
tung beansprucht die Thatsache, dass - den in de r ^rliegendmi
Arbeit beschriebenen Fall eingerechnet — von 5 Fällen von Hirn
tumor bei denen F. überhaupt die Lumbalpunktion vorgenommen,
ScTt 'wVnip,, als drei in 6-40 Stunden plüt.hch » »* g£
eanzen sind Die Sektion ergab zweimal Klemhirngeschwülste, in
Ille? 8 Fällen bedeutende Erweiterung und Füllung der Seitenvem
trikel, in den Subarachnoidal- und Subduralr&umen des Rü^nmarks
dagegen nur sehr wenig Flüssigkeit, Tumoren m der Gegend des
4 Ventrikels bewirken eine Hemmung oder einen völligen Kom¬
pressionsverschluss der direkten Communication zwischen den Yen-
trikeln, Subarachnoidal- und Subduralräumen Die mhghche üreache
des plötzlichen Todes nach der Lumbalpunktion denkt sich F. auf
Grund der angeführten Befunde in folgender Weise: Die aus An¬
lass des Ablassens der spinalen Flüssigkeit gegen die unnachgiebigen
Ränder des Hinterhauptsloches angepresste Hirnsubstanz muss
Ernährungsstörungen erleiden. Es begreift sich, dass die m unmittel¬
barer Nähe gelegenen, ohnehin durch den benachbarten krankhaften
Process in labilem Zustande befindlichen und empfindlichen lebens¬
wichtigsten Centren sich nicht erholen, sondem.schon nach emigen
Stunden bei der Ueberlast des GehirnB und der fehlenden Neigung
zum Flüssigkeitsausgleich eine lebensgefährliche Beeinträchtigung
erfahren können.
2) A. Kossler und Th. Pfeiffer: Eine neue Methode der
quantitativen Fibrinbestimmung. (Aus der medizin. .Klinik in
Graz).
Bei der Faserstoffbildung kommt es zur Abscheidung eines
Theiles der^im Plasma gelösten Eiweisskörper; der das Serum dar¬
stellende Rest ist somit eiweiss- beziehungsweise Stickstoff ärmer.
Auf diese Aenderung des Stickstoffgehaltes ist die neue Methode
der quantitativen Fibrinbestimmung gegründet. Da die Bestimmung
des Stickstoffes sowohl im Plasma als im Serum mit grosser analy¬
tischer. Genauigkeit möglich ist, so ergeben sich auch*für.die Er¬
mittlung der Grösse des Fibrinstickstoffes, welcher^als Differenz
des Gehaltes des Plasma und des Serum an N berechnet wird,
Centralblatt für Chirurgie. 1896. 1.
1) Dr Egbert Braatz: Zur Behandlung des Schlüsselbein-
nÄÄ«. »U von Badeten r ,
(■rtl^nden VerModm der Fülle auch für
Arzt sofort anlegen kann. Da ‘ KeH eftpfl asterverband
rutschen, der spec. sehr kam Br ? einem derartigen Fall
“^ulettenverbandes'', den e, nach -einen
wickelt die Kapsel mlt y eine Lage Polsterwatte,
die Schulter der gesunden Seite ebentalls eine ^
auf diese eine 3fache in Gipsbrei nicht die
die Schulter wie Äehtodfm soll) 1 und'üL diese wird
XWJSÄSÄ'wS di » K *»» e “
ft* n*
recht kräftig ausgeübt werfen, ^Kde unter ziemlich
Sicherheitsnadel befestgt; horizontale Touren s^erndjm d
band weiterhin und zuletzt wird der Arm g die Bruch-
Anbringen einer Gipscnsta am , E11 °°£?" °“ d an der Schulter) das
von Drahtbügeln in den Gipsverband hier " nd an der _ bCn ' ;
Abgleiten der Touren noch mehr erschwert werden.
2) Arthur af Forselles (Helsingfors): Ein
Kenntniss der Gelenkerkrankungen ei■ ^ Extremitäten-
eines Falles von Erkrankung mehrfacher Ge^ (al^ie 2 9jähr.
gelenke mit Ausnahme der Schulter- und Hüftgele J J
Hämophilen, der seit Kindheit an zeitweisen Geie^erkranäung^
leidet, wobei die Gelenke anschwellen, schmerzhaft und ^
werden. (Abbild, d. Kniegelenke.)
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 1.
1) F. Wester mar k-Stockholm: Ein Fall von Myoma recti,
ein Ovarialkystom simulirend. »KarAnde die
Es handelte sich um eine 49jährige Frau, u „ d
wegen eines grossen Abdominaltumors von fe Laoaro-
höckeriger ObeVhe, der .1. Ovarialkystom mrporur«.
tomie kam. Hierbei zeigte sich als ^ vorde re
überdiess mit einer Dünndarmsclilinge verw des ’ Douglas'schen
Rectalwand. Schwierige Lösung• Tam^nrf« d^ Doug^ Die
Raums. 4 Tage später starb Patientm unter Ileuserechemu g
Kction bestätigte den Ileus (Knickung de.
ausserdem fibrinöse Beckenpentomtia und ein
Mikroekopisch erwies »ich der Tumor «1.
In der Literatur fand W. nur noch 2 ähnliche Fälle von
John Berg. _
2) A. Reismann-Budapest: Ein gWekUch °per r «r
von ausgetragener Extrauterinschwangerschaft mit leben
30jährige Mehrgebärende, die aino^eines*'Wbenden,
Schwangerschaft laparotomirt wurde ; Ex ° n Mutter wurde
reifen Kindes, das auch am Leben ,5iX Hp h fi nkelvenenthrombose
auch der Uterus exstirpirt. Langsame, durch 8c j a{{ £.Hamburg,
verzögerte Heilung.
Yirchow’s Archiv. Bd. 142, Hft. 3.
1) T auf f er-Budapest: Ueber*die primär^ carcinoma
Degeneration von Dermoidcysten. mnn „n Fällen
Kritische Behandlung von 6 der Literaturentnom e^
und eines selbst beobachteten Falles von Dermoiden mi p
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14. Januar 1896.
cardnomatöser Degeneration. Bei allen handelte es sich um zweifei
lose Platten- oder Hornepithelkrebse, wahrend exquisite Adenrv
carcinome nicht vorzukommen scheinen. Bildung von Metastasen
scheint zur Regel zu gehören und bedingt die Malignität der Dermoid
Carcinome, die schon klinisch durch plötzliches, rascheres Wachs
thum und relativ häufigen Durchbruch in Rectum oder Blas«
solche sich kund geben. ais
Während Dermoide nach Schröder 3-4 Proc. aller Ovarial-
geschwülate ausmachen, sind carcinomatöse Entartungen derselben
relativ sehr selten.
Cho.e2teaLm: ke Braün8ChWeig: ^ der -gealen
Verfasser betont die NothWendigkeit, die - auf Keimver
Sprengungen beruhenden - Dermoide der Meningen scharf von den
memngealen Perlgeschwülsten im engeren Sinne als den AhkaJ™
lingen der Endotheheilen der Hirnhaut zu trennen als eh,
gnostisches Hülfsmittel hiezu empfiehlt er die Behandlung d^
Schmtte mit salpetersaurem 8ilber, durch welches die fetoe^KUt
leisten zwischen den Zellen in der für Endothelzellen tvni
Weise geschwärzt werden. “* e izeilen typischen
Der Name Cholesteatom“ sei zu vermeiden; an seiner Stelle
ä,Cj. ,,b " V ” me “ ng “ lra D »™° id “ meniS
ihre BeSehX'ene^sSoI «..twarze» „d
Die weichen Haut- oder Fleischwarzen verdanken ihre Existenz
7 entgegen der Ansicht Unna's - gewucherten
d« Lymphsystems; man kann dieselben daher als EndotheHome
Smddle8e l ben P>ffmentirt, so sammelt sich das Pigment
£ P er| pherischsteu, im Bindegewebe zerstreut liegenden Emtothel
zellen zuerst an. Bösartige Tumoren, die aus diesen Naevi
gehen sind Sarkome und zwar me4t AlveolämarkLe SiS £
w^en pigmentirt so ist die Extensität der Pigmentirune eine
Sen whd gment im geSflmmten Geschwulstgewebe an-
- *- .iJÄtcr äse issac
d"? £b™t SCh,eim '
«denveÄSÄ Uteri8 VOn weis8en Mäusen
Rommen und ergaben folgendeRrulS der Gravidiü “
DementaprLend werden e sie M w U ft h ® infa " he Epitheltaschen.
«^ider&hlJmhm>toher fl 7K rend de f Gravi ditftt zur Ver-
der Geburt neu. h berfläehe verwand t und bilden sich nach
der Placentaretelle P ° 8t partum besteht ein Epitheldefect nur an
Drf e ec^ e S e S°änH anTe d ie Peripherie
di6Ser ^ ™
Mheinungen der Ami tose vLuYi?nTiH P ' thel v degenerirt DQ ter Er-
b,e Lymphzellen der Vil.nnf" 0 6ndung ’ Kernverlagerung u. s. w
Tjl d “ Ch
mitotische^heTtund^-Zf EpitDelien vermehrt sich durch
Mucosa erlan g t ^ dk ‘ eid ^ al8 “^es E P itb *l das Lumen aus.
^««.Beschaffenheit Ser & ern Deuer L y m Pb*ellen ihre
*eMntÜch°S e U B Chungen a “ menschliche n Präparaten bringen nichts
a nKreizender m Ge r genS Ver: Tumoren des Oberkiefer« und
«PitbeUalJ 6 !! 11 ^^ Geschwülste - bindegewebige und
ziehen. U8 ,r gendwelche neuen Schlussfolgerungen
S * r °ir r NeS d ebem b ne*uVn'Sr X de F £ nds: Ueber das
Serotinome kommen • Btrage zur Puerperaleklampsie.
hTcÖ* 6 10 der Nä£ Z e ^„tf 8eth !i lter J aU (3 eigr088e derbe
vor Dip R^T der Pla centa) lehrt, auch
vjtterhchen, 80ndem ' ie Sw.oüna kann nämlich nicht nur den
icW^ 80 «. weissen Infarcten k “ dbcbe ^ Gefässen nach wuchern.
^ dass ieaf ™ “ nt f?l he ‘ den die Serotinome
jene zu allermeist bakteriellen Ursprungs ijind.
WNCHENERMDIClgs cm. WOCHEN SCHRIFT
---- 37
dessen Au^Se^rgrCdm» d^Shte^ffT 01 *- Ek ^ mpeie berichtet,
permeable, Ureter in den Üterus einvcdJnL 61116 kleine Knopfsonde
auch 8 H Üher be8c briebenen Falles (D A^ch^Bd 14l' s ^71 , A | ialog . on
auch dieser, dass Blutinfection und 1 271 ) beweise
Eklampsie bilden Als ein "»eSf Ha ™ rete ntion den Grund der
Hydrämie zu betrachtin, wa>iS?de^Ereeh 1 - r8elben 8ei ^
exper,menten deutlich hervorginge Lofernfrf v ? 6 / - 0n Thier '
lange intensive Convulsionen erzeugten ° Infusionen tage-
Veränderungen. Bedeutung bei pathologischen
Thizre, belm
spärlich - gib t es ei e enthf!ml^e Jft !L re ~ von da ab nur «ehr
Zellen, mit grossen bläechenfdrm’ lilu , g pigmentreiche
Zwischensubstanz abgegrenzt H g fnn ’» d “ rc . h eine feine
einem Murmelthier im^merschbf *nur JSf ® Zwi8ch , eQzellen bei
sie bei einem wachen und sehf lebhXn Thi^'JT tf ^ Ährend
massenhaft beobachtet wurden ™ Thl8,e gleicher Gattung
Blut- Sd^ymph^äsfen^etn 5?” C ° DSta , üt ® Beziehung zu den
der Spermatogenese im Ztisammn wemg stehen sie mit dem Grad
activ bei dT vernemedenen betheiligen 8, <* nicht
Dagegen war eine deutliche Vermehrung tfp l ‘?^ r8t ! ti ? lle , n 0rchitia -
cachektischen Zuständen zu sehen nnf der8elben bei chronischen,
bei chronischer Phthise KrphaeooK D - nd z j’ ar Z10m bch regelmässig
mit Amyloid ohne sonstig SSSf“ “? d 8 yP biIiti8ch «r Cachexi!
Geschwülste anzusehen si^d 8188,8 der . Au8 g a “g8puukt bestimmter
ItssssilsS
9) B P * eg6 1 b er g - Frankfurt: Drei seltenere Sectionsbefunde
2 Y andUD ? der th rombotischen Pfortader,
mors de^iOpricusscheidef anar8ar ^° mat ° 8e alß Metaatase einea Tu '
Niere. 3 ' üterUS biloCulari8 bicorni ' 8 . Vagina septa; Aplasie der linken
»" »£süaasK
Rudolf Virchow. Von W. Krause (Berlin).
7 Au^t%r i0naler C ° ngreS8 fÜF Pa y c b° l ogie in München 4. bis
gU8t lö96 - ^ Heck er-München.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 1.
ft»hi«rPvl led A 1 Jena: Ueber entzündliche, der Rückbildung
fähige Vergrösserungen des Pankreaskopfes. (Forts, folgt.) *
2) J E- Ewald- Strassburg: Reproduction einer gesungenen
PhonJ^^en 8 6 g d “ rCh de “ verzögert ablauffnden
Kl«no?a e i a de If T,' an . g8amt ablaufenden Phonographen wird die
E £ e . der / la - er e m unveränderter Weise wiedeigegeben.
f&SZFIrJZ Vocal ® L wlrd bing^en so verändert, <Sss deren
Charakter vollständig vernichtet wird; es tritt an Stelle der Vocale
ein abscheulich rauher, krächzender Ton
der vSle Ver8UCh ^ Wi ° ht ' g fÜr die ErU »™ 1 « der Entstehung
* <r K,8m Pp er: Zur Behandlung der Leberclrrhose. Harn¬
stoff als Diureticura.
n v ,r,8c b® Ascites bei Lebercirrhose lässt sich unter dem
Gebrauch von Harnstoff sehr gut beseitigen. Man verschreibt:
Ureae purae 10,0
Aquae destill. 200,0
Stündlich 1 Esslöffel.
Nach einigen Tagen steigt man auf 15 g und bald darnach auf
20 g täglich und die letztere Menge lässt man 2 bis 3 Wochen
tortnehmen.
In zwei Fällen erzielte K. so einen ausgezeichneten Erfolg Die
Diurese stieg auf 4200 bezw. 4400.
4) Barth-Marburg: Ueber künstliche Erzeugung von
Knochengewebe and über die Ziele der Osteoplastik.
Verf. hat Knochenhöhlen mit ausgeglühter Knochensubstanz
ausgefüllt und dadurch einen vollständigen knöchernen Schluss des
pefectes erzielt. Es folgt daraus, dass es zur Erreichung einer
knöchernen Ausfüllung von Knochendefecten nur auf die künstliche
Zuführung von KalkBalzen ankommt. B. hat dann auch schon eine
Pseudarthrose durch Ausfüllung des Defectes mit geglühter Knochen¬
kohle zur Heilung gebracht. Ferner hat er erwiesen, dass es durch
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38
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
-Einheilen von Knochenkohle auch in Weichtheile gelingt, Knochen¬
neubildung zu erzielen.
B. weist nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Alles, was
wir an lebenden Knochen überpflanzen und einheilen, immer ab¬
stirbt und seinen Zweck nur als kalkhaltiger Fremdkörper erfüllt.
Er wendet sich energisch gegen die besonders von Gluck aus¬
gebildete Fremdkörpertherapie und erwartet das Heil der Knochen-
defecte ausschliesslich von der Anstrebung eines organischen knö¬
chernen Ersatzes: wenn angängig, Ueberpflanzung von Periost¬
knochenlappen, in anderen Fällen Implantation eines resorbirbaren
kalkhaltigen Materials. Als solche betrachtet er lebende Knochen¬
substanz jeglicher Herkunft und todte in jeglicher Herstellung,
welche die Kalksalze enthält und die Sterilität gewährleistet.
5. Wendel er: Ueber die Colpotomia anterior und ihre
Erfolge. (Martin'sehe Frauenklinik) Schluss folgt. Kr.
Deutsche mediciaische Wochenschrift. No. 2.
1) Professor Helferich: Ueber die Resection der Samen¬
leiter als ein Heilmittel bei Prostatahypertrophie. (Aus der
chirurgischen Universitätsklinik in Greifswald.)
Helferich empfiehlt an 8telle der Castration die viel ein¬
fachere, weniger eingreifende und ohne Narcose auszuführende
Operation der doppelseitigen Resection eines circa 10 cm langen
Stückes des Vas deferenB. Der Erfolg besteht in einer bedeutenden
Besserung der Harnentleerung, Abnahme des Tenesmus und all-
mähliger Verkleinerung der Prostata. Bisherige günstige Erfahr¬
ungen in 10 so operirten Fällen.
2) Professor E. Leyden: Ueber die Affection des Herzens
mit Tuberculose. (Aus der I. medicinischen Universitätsklinik
in Berlin.) Schluss aus No. 1.
Referat siehe diese Wochenschrift 1895 No. 49 pag 1150.
3) P. Fürbringer: Die jüngsten Pockenfälle im Kranken¬
hause Friedrichshain. (Aus der inneren Abtheilung des städtischen
Allgemeinen Krankenhauses am Friedrichshain in Berlin.) Schluss
ans No. 1.
Die im November 1895 in Berlin aufgetretene, glücklicher
Weise in ihren Anfängen erstickte Pockenepidemie wird einer
Besprechung unterzogen und namentlich die Prophylaxe sowie die
Differentialdiagnose zwischen Variolols und Varicellen ausführlich
behandelt.
4) Bruno Leick: Beitrag zur Lehre von der Albuminurie.
(Aus der medicinischen Universitätsklinik in Greifswald.)
Die Untersuchungen auf Albumosen, d. h. Pepton im alten
Sinne wurden nach der vereinfachten Methode von Salkowski vor¬
genommen. Die Ansicht Senator's, dass man fast aus jedem
eiweisshaltigen Urin Pepton erhält, kann L. nicht bestätigen. Bei¬
nahe regelmässig fanden sich Albumosen bei Pneumonia fibrinosa.
5) W. v. Moracewski: Eine Methode der quantitativen
Salzsfturebestimmung im Magensaft. (Aus dem Laboratorium
der medicinischen Universitätsklinik in Zürich. Dir.: Prof. Eichhorst.)
Die neue, theoretisch einwandfreie Methode beruht auf der
Lösung der Säure in Alkohol und der Ausscheidung der Salze durch
Aether. Die Ausführung besteht in Eindampfung des Magensaftes
auf circa 1 ccm, Zusatz einer Mischung von Aether und Alkohol
(1:3), Neutralisirung mit i /io Normalnatronlauge und Titriren mit
1 /oo normaler Silberlösung.
6) W. Kramm: Ueber ein neues Lösungsmittel der Harn¬
farbstoffe. (Aus dem chemischen Laboratorium des pathologischen
Instituts in Berlin. Dir.: Prof. Salkowski.) Schluss folgt.
7) A. Pollak-Weinberge b. Prag: Zur Kenntniss der Motili-
tfttsstörangen bei der hereditären Syphilis.
Für die bei der hereditären luetischen Epiphysenentzündung
besonders in Vordergrund tretenden Lähmungserscheinungen werden
als Gründe aufgeführt: mangelhaftes Bewegungsvermögen des neu¬
geborenen Kindes überhaupt, zu gleicher Zeit vorhandene Erkrankung
des Centralnervensystems und Compression der Nerven durch die
Geschwulst.
8) Frau Dr. Adams-München: Frauenstudium und Frauen¬
tauglichkeit
Frau Dr. A. bricht in origineller Weise eine Lanze für das
Frauenstudium, indem sie die Minderwertigkeit der Frau im all¬
gemeinen zwar zugibt, die Schuld daran aber den Aerzten und ihren
hygienischen Unterlassungssünden, der verfehlten Erziehung der
modernen Frau, in die 8chuhe schiebt.
9) Prof. Ostertag-Berlin: Ueber allgemeine obligatorische
Fleischbeschau. (Schluss aus No. 1.)
Die Aufgaben und die Durchführung der Fleischbeschau, die
diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften werden beeprochen, sowie
die einzelnen Fleischabnormitäten, der Unterschied zwischen minder-
werthigem and verdorbenem Fleische. Zum Schlüsse wird auf die
Nützlichkeit der Dampfdesinfection zur Unschädlichmachung von
Fleisch, das von seuchekranken Thieren stammt, verwiesen.
F. L.
No. 2.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 8- Januar 1896.
Die erste Sitzung im Jahre diente als ordentliche General¬
versammlung und brachte nur geschäftliche Angelegenheiten, ins¬
besondere die Wietierwahl der bisherigen Vorstandschaft und die
I Annahme eines vom Vorstande gestellten Antrages als Zusatzes
i zur Geschäftsordnung. H. K.
I
Verein für innere Medizin in Berlin.
(Original bericht)
Sitzung v o m 6- Januar 1896.
Vor der Tagesordnung:
1. Herr .lastrowitz erwähnt kurz die von Professor
Röntgen in Würzburg gemachte Entdeckung, dass lieim Durch-
leiten des elektrischen Stromes durch den luftverdünnteu Raum
ein bisher nicht gekanntes Lieht auftritt, welches die Fähigkeit
besitzt durch dicke, dem gewöhnlichen Lichte undurchgängige
Körper hindurchzugehen z. B. durch mehrere Centimeter dicke
Holzplatten, und welches die praktisch vielleicht noch wichtig
werdende Eigenschaft besitzt, für die Photographie verwendbar zu
sein. So stellte .1. ein ihm von anderer Seite zur Verfügung ge¬
stelltes Photograuim vor, welches die Knoeh en -Phalangen einer
lebenden Hand deutlich zur Anschauung brachte. Welche
Folgen sieh hieraus für die Diagnostik ergeben könnten braucht
nicht erst angedeutet zu werden.
Herr Heller: Experimenteller Beitrag zur Neuritis
mercurialis.
Seit der im .Jahre 1893 von Leyden gemachten Beobachtung,
dass sieh im Anschluss an eine Schmierkur eine acute Ataxie
oder Polyneuritis mercurialis entwickeln könne, wurden eine Anzahl
j solcher Fälle veröffentlicht. Des Weitere» gelang es dann Lotulle
i experimentell eine Degeneration der Nerven durch Quecksilber-
intoxication zu erzeugen und die noch bestehende Lücke der
j experimentellen Erzeugung des klinischen Bildes der Queck-
! silberneuritis wurde von dem Vortragenden ausgefüllt. Bei cineui
! Kaninchen traten nach starken Sublimatinjectionen motorische und
sensible Störungen an den Extremitäten auf, welch’ ersten*
schliesslich zu vollkommener Lähmung führten. Auch trophische
Störungen in Gestalt von Hautgangrän und Haarausfall kamen
hinzu. Der Tod des Thieres trat nach 4 Wochen unter epilepti-
formen Krämpfen ein. Die makroskopische Untersuchung ergab
nur wenig Veränderungen, dagegen die mikroskopische eine hoch¬
gradige degenerative Neuritis der befallenen Nerven (Markzerfall,
Kernvermehrung). Bei einem zweiten Thierc fanden sich ähnliche
Erscheinungen.
Diseussion : Herr Goldseheider, Kemak, Lewin.
H. Kolm.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protocoll.)
Sitzung vom 12. November 1895-
Vorsitzender Herr Leu hart z, Schriftführer Herr Reiche.
Herr Fraenkel: Ueber seltenere Localisationen der
Tuberculose. Der Vortrag ist an anderer Stelle dieser Nummer
abgedruckt.
Diseussion. Herr Pluder: erwähnt im Anschluss an die von
Herrn Fraenkel beschriebene Form des Auftretens der Tuberculose
nicht als Geschwür, sondern als Tumor, dass die Literatur eine grosse
Menge Beobachtungen tuberculöser Kehlkopftumoren enthält. Sonst
sei diese Erkrankung selten in den oberen Respirationswegen. In den
Lacunen der Tonsillen werden an der Leiche gelegentlich Tuberkelba¬
cillen gefunden, die keine pathologischen Läsionen gesetzt; Beobach¬
tungen sprechen dafür, dass Tuberkelbacillen die Mandeln zu passiren
vermögen, ohne in ihnen zu Veränderungen zu führen — erst die
Halslymphdrüsen entarten dann tuberkulös. Hinsichtlich der seltnen
Erkrankung der Rachenmandel verweist P. kurz auf einen vor einigen
Wochen von ihm im ärztlichen Vereine vorgestellten Fall.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
39
Herr Simmonds: hat unter grossem Material noch keinen Fall
on gpeiseröbrentubercnlose gesellen. An die von Herrn Fraenkel
demonstrirten Präparate aus dem tnberculösen Uteruspapillom er¬
innern ihn die Bilder, die die mikroscopische Untersuchung eines
halbbaselnussgrossen, papillären tuberculösen Tumors der Zungen¬
spitze ergab; die Geschwulst war von Herrn Dr. Cor du a exstirpirt
^^Herr Engelmann: In der Nase tritt die Tuberculose häufig
in Form von Tumoren auf. Gegen Herrn P1 u d e r bemerke er, dass
die Gaumenmandeln nicht gerade selten tuberculös erkranken und
verweise auf neuere französische Arbeiten (Dausac, Lermoyer),
denen infolge auch die Rachenmandel häufig der Sitz tuberculöser
Alterationen sei, so häufig, dass man selbst von Curettiren der
adenoiden Wucherungen abgerathen und neben einer diätetischen
Behandlung Pinselungen empfohlen habe.
Herr Unna: Der von Herrn Fraenkel beschriebenen Form
der Uternstuberculose ist die papilläre Hauttuberculose sehr ähnlich.
Bei den Efflorescenzen von Lupus verrucosus multiplex am Arm
siebt man, dass da, wo die Oberhaut (nach den Händen zu) anfängt
dicker an werden, der Lupus papillär wird: die Epithelhyperplasie
ist hier eine stärkere und Ursache des papillären Wachsthums, die
Bieseniellen schliessen sich an das Epithel an, der Lupus wird ober¬
flächlicher, — die weit in die Tiefe gesenkten Partieen der Horn-
schicbt fallen später aus und bedingen so die papilläre Form. —
Bezüglich der von Herrn Fraenkel berührten Möglichkeit, dass
die Oeeophagustuberculose in seinem Fall nicht auf embolischem
Wege, sondern durch Impfung entstanden, erwähne er, dass für diese
Ausbreitung der Affection durch Fortleitung sich Analogieen bei der
Hauttuberculose finden, indem auch an der Haut die Tuberculose
nicht auf embolischem Wege, sondern nur durch Impfung hafte.
Herr Deutschmann: Tuberculöse Tumoren finden sich
auch gelegentlich an den Augenlidern, sie sind warzig, papillär und
schon mit Chalazien verwechselt worden. Der Befund von Tuberkel-
bacillen, nicht von Riesenzellen ist hier ausschlaggebend.
HerrPluder; fragt Herrn Engelmann, ob von den von ihm
erwähnten Autoren aus dem recidivirenden Charakter der adenoiden
Vegetationen der Schluss auf Tuberculose gemacht sei, oder ob
Tuberkelbacillen in den betr. Fällen nachgewiesen seien.
Herr Engel mann: erwidert, dass der Beweis für Tuberculose
bakterioecopisch wie histologisch erbracht worden sei.
Herr Fraenkel: Bei Sectionen finde man die tuberculösen
Nasenerkrankungen seltener, als man nach den Berichten der Spe-
cialisten für Nasenleiden erwarten sollte; diesen werden eben die
Fälle speciell angeführt. — Das Verhalten der Gaumenmandeln
gegenüber der Infection mit Tuberkelbacillen sei auch von deutscher
8eite, von Hanau, in bester Weise bearbeitet worden. — Bezüglich
des Falles von Cervixtuberculose betone er nochmal besonders, dass
eine discontmuirliche, keine von dem Uterus descendirende Tubercu¬
lose Vorgelegen.
Herr Kaes: Der Markfaserngehalt der Grosshirn*
finde. Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.
Aerzllicher Verein München.
(Officielles Protocoll.)
Sitzung am 13- November 1895.
Herr Ziegler stellt einen geheilten Fall von Stichverletz-
nn S der art. sabelav. unterhalb des Schlüsselbeines vor.
(Ausführliche Mittheilungen in den Annalen der städtischen Kranken¬
häuser.)
ur k^*i* en * k®* ®> ner Rauferei neben mehreren anderen
in v j Ungen . e ' nen Bt ' cB unterhalb des linken Schlüsselbeines,
6 de8se , n eine heftige Blutung auftrat und Patient bewusstlos
Knr^> 1D !i en8a ^' in die Klinik verbracht-, wurde bei dem
der n - m . de nahen Kranken, der völlig pulslos, mit aussetzen-
tnapht max ' mnm erweiterten Pupillen, in tiefer Ohn-
irn«»«, o?’ . mög ,l' c ^ 8t ohne Narkose durch einen senkrechten
«™«8en Schnitt die Wunde erweitert, die Gefässe frei gelegt, die
cent»i v Wei ^ r ’ tte ' n durchtrennte Art. subclavia peripher und
van» unter “ a u den . die durchtrennten Muskeln ebenso wie die
iutmvenftf 86 ^ ; Vonde b' 8 auf den untern Winkel vernäht. Auf
2 WnnKo K - ocll8a l* tra n8fusion Erwachen aus der Ohnmacht. Nach
Patient^ W -^ r dl . e Wunde bereits geheilt, nach 5 Wochen war
Bern»»« i n , Wleder völlig arbeitsfähig trotz seines schweren
ra!ea als Nie Circulationsstörungen.
und d' C ^ l '/ r erÜrtCrt Bodan " die eventuelle Schwierigkeit der Diagnose
Schnitt * iWec ' c J uäsR ’®* ce ‘ t des von ihm ausgeführten senkrechten
Schnitte* ^ ^ TnterB ' n dung der Arterie gegenüber dem typischen
Herr Kopp stellt vor:
h Zwei Fülle von Lichen ruber planus.
8«unden Mann 6 »!iü betri ? t einen ^jährigen kräftigen
nn ’ welcher seit etwa Berhs Wochen an
derHaut leidet. Beginn mit wohl charakterisirten wachsartig glänzenden,
zum Theil rundlichen, zum Theil polygonalen, mosaikartig zusammen¬
tretenden flachen Papeln. Im Beginn heftiger Juckreiz. Der letztere
ist durch die eingeleitete äussere Behandlung mit U n n a ’ s Sublimat-
Carbol-Salbe bereits wesentlich gebessert. Durch Arsentherapie sind
auch die älteren Heerde bereits in Involution und finden sich an
vielen Stellen des Rumpfes und der Extremitäten tiefdunkel sepia¬
braune Verfärbungen, theil weise von einem Kranze frischer Papeln
umgeben. Doch traten trotz partieller Involution noch immer nene
Papeln in Erscheinung. Das allgemeine Befinden gänzlich ungestört.
Absolut keine Erscheinungen, welche auf einen nervösen Ursprung
de3 Leidens hinweisen würden. Die Mundschleimhaut und speciell
die Zunge sind in der Weise betheiligt, dass ohne deutlich abgegrenzte
Papeln doch eine mehr diffuse epitheliale Verdickung mit dem
subjectiv höchst unangenehmen Gefühl der Rauheit und Trockenheit
sich bemerkharmacht. Der zweite Fall hat vor etwa 8 Wochen
als stark juckender Ausschlag an der Dorsalseite der beiden Füsse,
über di n Fussgelenken und nn den Unterschenkeln, sowie an den
Handgelenkbeugen begonnen in Form von dicht gedrängt stehenden
papulösen Efflorescenzen von charakteristischer Gestalt, Färbung und
Glanz. Die besonders am rechten Fusse dicht gedrängten Papeln
confluiren hier an einem unregelmässigen Infiltrat, welches die so
oft beschriebene an Chagrinleder erinnernde Oberflächenfurchung
aufweist, und sind auf diesem Infiltrate wie auch an den meisten
frischen Efflorescenzen die kürzlich von Louis W i c k h a m be¬
schriebenen und als pathognomonbeh bedeutungsvoll bezeichnten
graulichen Verfärbungen in Punkt-, Streifen- und Nctzform besonders
im Beginne der Erkrankung deutlich wahrnehmbar gewesen. Binnen
wenigen Tagen traten zahlreiche Papeln am übrigen Körper mit
Ausnahme des Gesichtes und der Hände auf, speciell dichtgediängte
Infiltrate mit mosaikartiger Zeichnung und grauschimmernder Ober¬
fläche an der Haut, der äusseren Decke des Penis und am Skrotum.
Ausserdem bestanden von Anfang der Beobachtung an scharf um¬
schriebene kleinere und grössere an die weisse Farbe der Leuko-
plakia oris erinnernde Papeln auf der Schleimhaut des Mundes und
insbesondere der Zunge. Auch hier das subjectiv als sehr unan¬
genehm bezeichnte Gefühl von Rauhigkeit und Trockenheit des
Mundes. Unter der gleichen internen und externen Behandlung
rasche Involution der älteren Heerde mit Hinterlassung von Pigment¬
residuen. Verhältnissmässig wenig neue Nachschübe, keine charakte¬
ristische Cocarden oder Brocheformen. Die Gruppe mosaikartig zu¬
sammen tretender Papeln an der Glans Penis nach I4tägiger Arsenik-
Behandlung spurlos und ohne Pigmentresiduen geschwunden. Im
Uebrigen aber sind das Gesammtbild und die einzelnen Papeln auch
heute noch so charakteristisch ausgesprochen, dass der vorgestellte
Fall ebenso wie der vorhergehende geradezu als Typus dieser
immerhin selteneren Erkrankung bezeichnet werden können. Auch im
zweiten Falle, einem 20jährigen wohlgebauten und in blühendem
Ernährungszustand befindlichen Manne (Hufschmied) bestanden
durchaus keine Symptome, welche an eine Betheiligung des Nerven¬
systems würden denken lassen.
Ich betone das ausdrücklich, gegenüber den neueren Ver¬
suchen, aus dem Lichen ruber planus eine Neurodermitis zu machen.
Thatsächlich können wir über die Ursache des L. r. pl. eine be¬
stimmte Angabe nicht machen, die Aetiologie ist vorläufig leider
eine durchaus dunkle. Wichtig aber erscheint cs mir für die
Praxis, derartige Fälle mit ihren charakteristischen Symptomen
zur Demonstration zu bringen, weil ich die feste l eberzeugung
habe, dass die Erkrankung sehr oft nicht diagnosticirt, sondern
mit anderen Dormatitisformen (Eczema papuiosum, Liehen syphili¬
ticus u. a.i verwechselt wird, ein Umstand, der sowohl vom
prognostischen als auch thera|»eutischen Gesichtspunkte aus für
die Patienten recht unangenehm werden kann. An der thera¬
peutischen Wirkung des Arseniks kann gerade beim L. r. pl. nicht
gezweifolt worden, doch sind die im Einzelfalle nothwendigen
Dosen sehr verschieden und es gibt einzelne F alle hartnäckiger
Art, bei denen man schliesslich zu relativ hoch dosirten subcutanea
Arseniujeetionen greifen muss. Von der äusseren Behandlung mit
Unna s (.'arbolsublimatsalbc allein habe ich niemals Erfolg gesehen,
wohl aber zuweilen rasche Verminderung des Juckreizes. Rccidivc
kommen gewiss vor. sind aber selten. Leber die Stellung des
sogenannten L i e h e n r u be r acc u m i n a t u s He b r a uu d Kapo si
zum Liehen ruber planus kann ich aus eigener Erfahrung nicht
viel sagen. Ich habe jedenfalls niemals eine dem Hebra'schcn
Kraukheitsbild entsprechende Erkrankung gleichzeitig mit typischem
L. r. pl. gesehen. Dagegen glaube ich bestimmt aussprechen zu
dürfen, und befinde ich mich wohl hierin mit der überwiegenden
Mehrzahl der Dermatologen im Einklang, dass die Pityriasis rubra
pilaris (Dcvcrgie) mit Liehen ruber planus absolut nichts zu thun
hat. Es drängt sieh mehr und mehr der Gedanke auf, dass die
Existenz eines wirklichen L. r. accuminatus im Sinne Hebras
als Erkrankung zur generis der Berechtigung entbehrt, wie dies
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 2.
40 ___
vor kurzen, von G. Lewin mit Nachdruck beleuchtet wurde Jeden¬
falls haben die Ausführungen eines der berufensten Interpreten
r H ebraVhe,, Lehre,, (Ka,»i) hie he»,. ,»ehr dm
die Lichen rubcr-accuwinatus-Frage zu verwirren, als zu klare».
Vorläufig gestehe ich, nicht cxact zu wissen, was L r. aec. ist.
und bleibt wohl nur übrig, weitere Aufklärung von der Zukunft
zu cr ^ ff ^ n oi)i( einen Fall von jener Krkrankungsform.
welche von Darier als Naevus vaseula.re verruqueux
de la foee beschrieben wurde, und welcher ... seinen klinischeu
Erscheinungen ausserordentliche Aehnlichkeit mit den von Balzer.
Hrocq, Pringle, Caspare u. A. als Adenoma seeaceum be¬
schriebenen kleinen Tn.uorenbildungen der Haut, sj>ecudl der
Gesichtshaut aufweist. Hinsichtlich der Literatur verwest K. auf
die vor Kurzen, in. Deutschen Archiv f. klin. Med. gegebene ausser¬
ordentlich eingehende Arbeit von Barlo w über „Adenoma seeaceum .
Der Fall selbst betrifft ein 1 6 jähriges Mftdchem dgen-
thümlich entstellende und fast ausschliesslich auf das ^smht be
schränkte Entwicklung der zahlreichen insbesondere an de "
winkeln und Nasolabialfurchen dicht gedrängten, aber auch sonst_ das
ganze Gesicht und die Stirne einnehmenden, tl.eils P'^entirten,
theils telangiectatischen, iheils blassgelben nicht entzündlichen Knöt
chen datirt^eit dem 8. Lebensjahre und soll sich direct mi Anschlüsse
an eine durchgemachte Scarlatina entwickelt haben. Die histologische
Untersuchung ergab nicht die geringste Hypcrplasie oder Vermehrung
von Talg- oder Schweissdrüsen, sondern anscheinend normale Haut-
structur? Vermehrung der Blut- und Lymphgefässe, welche an ein¬
zelnen Tumoren besonders stark erweitert waren und Zunahme des
Bindegewebes, sowie an einzelnen Knötchen abnorm reichliche An¬
häufung von Pigment im Papillarkörper.
Es handelt sich zweifellos um eine dem Dari ersehen Falle
analoge Neubildung, die thatsächlieh nicht das Geringste mit Adenoma
sebaceum oder Svringadeno.n zu tluin hat. Die Genese istabsol.it
dunkel. Den Namen Naevus möchte K. nicht acceptiren, weil
wir doch bei Naevus immer an etwas schon congenital vorhandenes
denken. Immerhin wäre es nicht unmöglich, dass die Anlage an
der Erkrankung vielleicht eine congenitale sein kann. (Der Fall
soll anderweitig ausführlicher publicirt werden». Therai>eutiseh
gedenkt K. mit (’ombination operativer und elektrolytischer Be¬
handlung einen leidlichen Erfolg zu erzielen.
3) Kupp demonstrirt einen Fall svplii litischer Schwielen¬
bildung der Subinucosa oris. Der Fall bot diagnostisch manche
Schwierigkeit.
Die 39 jährige Patientin hat in der Anamnese ein einziges auf
Lues hinweisendes aber keineswegs in dieser Richtung beweisendes
Symptom zu erwähnen. Seit 86 verbeirathet war sie 89 gravide. Diese
Gravidität wurde nach 3'/2 Monaten ohne nachweisbare Ursache
durch Abort unterbrochen. Seitdem keine Schwangerschaft mehr.
Seit 3 Jahren leidet sie an multiplen knoten- und flflehenhaften sich
wie fibröses knorpelhaftes Gewebe anfühlenden Indurationen, welche
vom submucösen Gewebe auszugehen scheinen, untereinander viel¬
fach durch Stränge verbunden scheinen und nur theilweise als schärfer
umgrenzte Geschwülste palpabel sind. Seit 3 Jahren sollen sich da¬
von einige zurück-, andere neugebildet haben. Auf der correspon-
direnden Stelle der äusseren Decke gegen den rechten Mundwinkel
zu ein derberes bogenförmiges Infiltrat, welches auch sehr lange
persistent geblieben sein soll. Jedenfalls war an allen diesen Infil¬
traten und Knoten bei mehrmonatlicher Beobachtung absolut keine
Veränderung zu constatiren, insbesondere keine Neigung zu Zerfall
und Ulceration, ebenso wenig zu Resorption. Die Excision eines kleinen
sehr derben Knötchens an der Unterlippe ergab einen Befund, der
am ehesten auf Tuberculose hingewiesen hätte (kleinzelliges dicht¬
gedrängtes Rundzelleninfiltrat mit vielen Riesenzellen und Binde¬
gewebswucherung) doch war auch ein gummöser Process nicht völlig
auszuschliessen. Die Jodkaliummedication, welche nun, um die Dia¬
gnose ex juvantibus zu sichern, versucht wurde, brachte in wenigen
Wochen die Tumoren und Indurationen fast völlig zum Schwinden,
und soll fortgesetzt werden
K. spricht die Meinung aus, dass es sich hier um einen
seltenen Fall syphilitischer Schwiolcnbildung handelte, eine syphili¬
tische Läsion, welche klinisch zwischen der secundären und tertiären
Syphilis steht, zeitlich und histologisch dem Gumma angehört, sich
aber noch durch Infectiosität auszeichnet (Fournier). (Der Fall soll
anderweitig publicirt werden.)
4) Ko pp stellt endlich einen Fall von Syphilis (hereditaria)
turdica\vor (13jähriges Mädchen), der manche diagnostische
Schwierigkeiten darbot.
Die höchst umfangreichen, über Extremitäten Rumpf und Kopf
verbreiteten serpiginösen, rasch zerfallenden Infiltrate und die daraus
‘ehenden 91 gSw^vou chirurgischer Seite mit Excochleationen,
gehenden uesenwure . .. keine Heilung eintrat, wurden
Thermocauter u s^und’ anderer
nun Naturheil verfahir , Jahren unter meiner Behandlung,
Pf ufh-.!n^rÄuch ei loV\Knogramm Jodkalium alle ülce-
rationen abgeheilt, die Infiltrate geschwunden. (Der Fall soll ander-
weffig pubheirt wcrdenj^rio^ Oo , lege K opp hat schon ange-
deute^ dass^rseiRher^üe beim gj^ß^g^g^^ge^und
ifi mrnmm
mmmwms.
™ ter wt £ sebaceum anlangt, so freue jeh
mich sehr dass die mikroscopische Untersuchung einen
stimmenden Befund mit Datier'. K?pp vorto
sar M’^u k'ä wä
Adenomfälle veröffentlicht haben, unbekannt gebl.eben und m Folg*
man sieht manchmal nach Traumen Dinge «“«<*«“• '^feP^ieS
nicht unterschieden werden können und deren Be ^f he ^ e da
auf einen ganz bestimmten Zeitpunkt fixiren. Wie weit es sicn ua
STSm ursprüngliche Anlage handelt, ist wohl schwerzu sagen.
Bezüglich des Befundes von Riesenzellen in dem emen Lues
f-die ist zu bemerken, dass derselbe wiederum den Beweis gibt,
dass Riesenzellen für Tuberculose gar nichts ^
haben Man findet Bolche bei Lepra, bei feyphd.den beBonders be
der kleinpapulösen Form, sogar bei einfachen chronisch \ erlaufend
E "“£ d „ a pT“l 8 “1Sib. nur «uf einen Punkt, der uon Burlo«
berührt wurde, erwiedem tu müsaen Ich hübe me dunm ge<la<**>
Ille vorgestellten Fülle vou L. r. pl. in Beziehung
acc Hebra zu bringen, sondern dieselben im Gegentheil geradez
als Tvuen von L. r. pl. demonstrirt. Es gibt allerdin^ auch
atypische Formen, und ich habe lange Zeit e ^ ea . Fa '' 'Henkel
lung gehabt, in welchem die einzelnen nur auf die ün ^ re ° b ® n .~
beschränkten, allerdings massenhaften Knötchendssehr^ rte
schuppende, konische, derbe Knötchen in chronischer Form pers»itent
blieben. Gleichwohl entsprach aber das Gesammtbild weder de
Hebra sehen Beschreibung vom Lichen ruber accuminatus noch de
Bilde der Fityriasis rubra pilaris (Devergie). Einen Fa1 de Oefcrteren
Erkrankung habe ich vor etwa 2'/* Jahren m
schaft demonstrirt. Dieser ist ohne Arsenik abge ' e ' lt, T cJ kann nur
zur Zeit nur mehr Hyperkeratosen an den Fusssohlen. * J
wiederholen, dass ich bei einem sehr grossen
das sich, seit ich in dermatologischer Thätigkeit stehe, auf mindestens
30,000 Fälle von Hanterkrankungen belaufen m ag, niema twas
gesehen habe, was den von Hebra und Kaposi gegebenen SchU
derungen ihres L. r. accuminatus entspricht, undwenn ich
darauf kein entscheidendes Gewicht legen zu dürfen beanspruche
so kommt doch dazu, dass es anderen vielbeschäftigten arfabr ®J® h
Dermatologen bei noch grösseren Beobachtungsziffern äh
ergangen ist.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 26. November 1895-
Herr Dr. Bar ab 0 demonstrirt:
1) Die Früchte eines Zwillingsabortus, von denen das eine
Ei spontan nbgegangen, das andere manuell entferntwo
Der Tag der letzten Menstruation war der 12. VII , ^ag de L ^
bitation 13. VII. Die Ausstossung erfolgte am 23 '/ 24 ' i8t
2) Ein spontan ausgestossenes, völlig mtactes EL Auch hi
der Tag der Cohabi'ation genau bekannt (33 Tage vorhe ) _. ^
Präparate wurden wegen ihres erheblichen Interesses lü
Wicklungsgeschichte dem path. Institut Erlangen zur
übermittelt.
Ferner berichtet Herr Barabo über eine einseitige
Nierenblutung aus unbekannter Ursache.
Eine 61jährige Frau, die früher völlig gesund war, erkrankte
plötzlich an einer schmerzlosen, erschöpfenden Hämatune.
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14. Januar 1896-
«weiten Woche der Erkrankung stand die Blutung auf ca. 8 Tage
still. Die jetat von Herrn Görl vorgenommene cystoscopische Unter¬
suchung Hess ein ca. 2 mm aus der linken Ureterenmündung hervor
ragendes Blutcoagulum erkennen, das bald darauf in Form eines
15 cm langen, wurraähnlichen Thrombus ausgestossen wurde worauf
die Blutung mit Unterbrechungen ihren Fortgang nahm, um dann
allmählich zu versiegen. Hierauf erholte sich Patientin rasch Bis
jetzt 0 /j Jahr nach Beginn der Erkrankung) ist keine Blutung'mehr
eingetreten, aber auch keine Cachexie oder Schmerz in der Niere
Auch ist der Unn frei von Eiter oder anderen fremden Bestand’
theilen, so dass die Diagnose in suspenso bleiben muss Der Throm
bus, der aus einem festgefügten Fibringerinsel mit eingeschlossenen
rotlien Blutkörperchen besteht, wird vorgelegt.
Weiter demonstrirt Herr Barabo einen Gehirntumor.
Der 53 Jahre alten Patientin war auf elektrolytischem Wege
von Herrn Helbing (Siehe S. vom 1. XI. 94) ein grosses, breit auf!
sitzendes Sarcom der linken Nasenscheidewand entfernt worden
Intra vitam bot die Patientin keinerlei auffallende Gehirnerschein-
ungen. Der Tod erfo gte ganz plötzlich. Die Section ergab ein waU-
nussgrosses vom Sept peUucidum ausgehendes Sarcom, Gehirnhäute
normal, ebenso das Gehirn. Nur die linke vordere Kammer ist S
gradig erweitert und mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
Herr FI a t a U demonstrirt:
ein e“ Fremdkörper in Gestalt eines Tupelostiftes den er
aus einem abortirenden Uterus im 3. S .hwangerschaftsmonat ixTr mh
grosser Mühe und in tiefer Narcose entfernen konnte-
2 ) ein glanduläres proliferirendes Ovarialkystom
V ° Q 3) SlSlSr r Stid V ° n 2™ 67 ->' ahrigea Patientin;
ö) e,n.pap. läres Kystom von Mannskopfgrösse ehenfillä
.;iG y "MS n Üj in d “ Gfburtehülfe
Alle Fälle endeten mit Genesung.
München er medicinihchk w qchknmihptkt
41
Sitzung vom 17. October 1895.
Gsten des
war di^Diagno sp' auT beTd!™?^ 8 Mädchen - Vor der Operation
Kind von Herrn' £ 0vanalhernie gestellt und das
in die Laparotomie eSÜ 8 E ‘ tern gerne
Kninkheirspm^sses^rS^Jt'e 6 * Uch eine vö11 '* 8 Heilung des
die vor'lä Monaten ÄS 8 “} teomalacische,
war, behufs Controlle des H«iln d ho ,? einmal vorgestellt worden
Beschwerden mehr die SnkS^ H^n D ? Fra, ‘ hat Einerlei
sind selbst auf stkrk!n ’ dasBr u3tbein und die Rippen
Erwerbsfähig^ Geb ' ™ d
der Hypophyse!* en * )ur ^ er den 'onstrirt eine grosse Struma
welche fischen an d ® r Basia cerebri dar,
Chiasma, sowie die Optici vöHil nlJ*? 1 “ 1 , Pons sitzt und da -
Klinisch ha t Y; P A , lg platt g edr ückt hat.
einem 37jahrig en * früheresnn^ 81 ir de f “ betreffenden Patienten,
sengen Erblindung welche S Kaufma, ‘ u > aQ8 «er einer beider-
geführt wurde, lange Zeit Lr t ? enu,ne Sehnervenatrophie zurück-
eerufen. Erst in üen letzfen , P / agnanten Symptome hervor-
' v “ i8e T, * e
sa-- “»“= äs*:: assaj
r 2 Jahre ' 1 mi * h,nii * e ".
Behschwäche. Das recht! a. " Kopfschmerzen und zunehmender
„t Zeigt temporSe nf ? 8t J6tzt VOÜ8tAndi g e.blindet, das
und hat <he Potenz v«m 0p8,e i Dabei iat Patient 8tark
nder Erbrechen sind nicht v ® r,oren - Krämpfe, Schwindel
W te L ßewu88tl °sigkeit ’ dagegen hie und da Anfälle
Eepfscbmerzen werden baunL^V ’k“ 5 w ®' Stunden dauern. Die
2.7 de r Scheitel auch a,ff^Si 1Ch r * Uf der rechten Schlilfe locali ‘
Hf? “nd nicht ^ h m r^ 0pfeD «mpfindüch ist. Die Augen-
P “ndxnoekopiscb hat man die FW? d ‘ e Intelbgenz nicht gestört.
Herr HeI • Ereche,DUn 8 en der Atrophie.
•knaes. B ein 8pricht Qber Neubildungen des Blind- j
und I, iff ere ftiidi^™ men ’ pat, iologische Anatomie, Symptomatik
werden eingehend berücksichtigt. In I
infiltrirtcii Darnistrickvs, i,„ l c i F*“',“"! 1“
aKSSSSSa-»-»-
VeHltg d^^te^ten^araschlfngenlmtwickdt^^tB*™ 1 ^ Ä
kolostomie die vorletzte^ST™kr Dwhalb J wurde durch Hw-
de» »„(steigend»» Dickdarni.V ÜEÄf Th ‘"
Die Pa,renS”äÄ «*“««■
Sitzung vom 31. Oktober 1895.
litls^Ä,;"l erkel * M ‘ “ M ~ 0»Uo,uye.
11 iäl^rt I d r r<:h dicsc | Kränkung die rechte Fibula eines
v V'T ,n ,"? rhalb 4 Til « e » »»toi uccrotiscli. Die
Extraction verlief ohne Schwierigkeit.
Anschliessend an diesen Fall werden 7 Knochenpräparate
die bei verschiedenen Operationen gewonnen wurden, vorgelegt’
sowie wn 1 raparat von Phosphor nee rose des Unterkiefers, wobei
der I nterschicd zwischen beiden Erkrankungen berührt wird. Bei
der 1 hosphornecrose Ist die Knochenueubilduug bei noch intacter
Beschaffenheit des Knochens als Auflagerung mit neuem Zerfall
bemerkenswert, während bei der Osteomyelitis der Knochen zuerst
abstirbt und dann sich die Knochcuneubildung einstellt. Bei
ersterer prävahrt der pcriostitische Process und die Mednllitis ist
geringfügig mehr von cuudensirender Form (Verknöcherung der Mark-
milde), bei letzterer überwiegt die diffuse Granulationsbildung oder
Vereiterung der Markhöhle mit Absterben des Knochencylinders,
Knochcnsclerose einzelner befallener Knochenpartiecn, wie der Fort¬
sätze des Unterkiefers, »Scquesterbildung in der Diaphyse im Gegen¬
satz zur tubcrculöseu Epiphysensequestrirung, partielle und totale
Hyperostose werden erwähnt und besprochen und dabei der grossen
Verdienste von Cassagnac, Stanley und Roser um die
pathologische Anatomie der Osteomyelitis gedacht.
Schliesslich wird über die Aetiologie dieser Processe aus den
Vorlesungen von Kocher und Tavel-Bern 1895 referirt,
welche in der Staphylomycose gipfelt. Letztere wählt als Ein¬
gangspforten meist minimale Hautvcrletzungcn und wenig beachtete
Hautkrankheiten. Zu letzteren gehören Akneknötchen, Furunkel,
Pusteln und Blasen der äusseren Haut, sowie Ecccme. Auch
hiefttr werden Beispiele namhaft gemacht.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 11. Januar 1896-
Zweimal verurtheilt und — freigesprochen. — Neuere
Methoden zur Behandlung der Prostata-Hypertrophie.
Im Vorjahre berichtete ich zweimal (No. 20 und No. 28
dieser Wochenschrift) über die Verurtheilung eines praktischen
Arztes zu einer Geldstrafe von 60 fl. Der Arzt hatte eine falsche
Diagnose gestellt — Volltrunkenheit statt Apoplexie — und wurde
auf Grundlage des ij 431 unseres Strafgesetzes (Uebortretung
gegen die körperliche Sicherheit) verurtheilt. lu der ersten Instanz
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MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHENSC HRIFT-
No. 2.
42 ___
hatto der Gcrichtsarzt ausgesagt, dass das Verhalten des Ange,
klagten wenngleich es ohne Folge gebheben sei (der Kranke wäre
auch bei richtiger Diagnose gestorben), doch eine „„flichtvvidrige
Sorglosigkeit“ involvire, von der ein Arzt wissen musste, dass sie
e i„e Gefahr für die körperliche Sicherheit herbeizuführcn oder
zu vergrüssern nach Umständen allerdings geeignet sei. Degen
diese Ausführungen remonstrirte auch der \ or.stand der Wiener
Aerztekaininer, doch hielt inan die Sache für abgeseh en nach-
dem auch die zweite Instanz, das Wiener Landgericht, die Li-
urthoilung im selben Ausniaassc bestätigt hatte.
Doch nun kam eine überraschende Wendung. Der General-
Procurator erhob wider diese Entscheidungen die Nichtigkeits¬
beschwerde zur Wahrung des Gesetzes und führte vor dem Obersten
Gerichtshöfe aus. dass die Flüchtigkeit m der ärztlichen l nter-
suclmng die Vernachlässigung eines bereits übernommene» Kranken
bilde und daher der Vorschrift des S 458 unterliege. 1-ür * 431
biete das Verhältnis« eines Arztes zu seinem 1 atienten keinen
Raum. Nun sei der Arzt nach § 458 nicht schon dann strafbar,
wenn er im Sinne der $$ 335 und 431 die Gefährlichkeit der
in Anwendung gebrachten Massregeln cinzusehen vermochte, sondern
blos, wenn schädliche Folgen eingetreten seien.
Auch selbst bei wissenschaftlich richtiger Behandlung eines Kranken
müsse er zuweilen zu Mitteln greifen, von welchen er wisse, dass
sie dem Kranken an Leib und Leben gefährlich werden konnten
er haftet nur für Kunstfehler, aus welchen Unwissenheit (Mangel
an uöthiger Fachbildung) zu Tage treten. Die priyilegirte .Stellung,
fährt der Geueral-Procurator fort, welche das Gesetz dem behandelnden
Arzte einräumt, indem sie ihn blos bei eingetretenem
Nacht heile für die Gesundheit verantwortlich macht , erkläre
sich aus der Natur und den Schwierigkeiten seines Berufes Nur
theilweise seien der menschliche Organismus und dessen biologische
Gesetze erforscht; die im Fortschreiten begriffene Wissenschaft
bringe einen häutigen Wechsel der Anschauung mit sich. Selbst
ein von nachtheiligen Folgen begleitetes Verschulden des Arztes
sei objectiv oft schwer festzustellen und die Schwierigkeiten des
Beweises, bei welchem häufig aus den Angaben von Laien ge¬
schöpft werdeu muss, steigern sich noch, wenn, wie hier, für den
Kranken ein wirklicher Nachtheil nicht eintrat. Danach könne
es nicht befremden, wenn sich der Gesetzgeber entschloss, die
Verantwortlichkeit des Arztes auf die in den SS 456 bis 458
ersichtliche Weise zu beschränken.
Mit dem Vorausgeschickten solle indessen keineswegs ausge¬
tragen sein, ob und inwiefern ein Arzt ausserhalb des Ver¬
hältnisses der §§ 356 bis 358 eine Verantwortlichkeit auch nach
"den $§ 335 und 431 durch Aeusserungen seines Berufes auf
sich laden kann.
Der Cassationshof hob nun über Antrag des General-Procurators
die zwei ersten Urtheile auf und der augeklagte Arzt, Dr. Leo
W e i s s, wurde von der wider ihn erhobenen Anklage frei-
gesprochen. Es braucht wohl nicht weiter erörtert zu werden,
dass diese letzte Entscheidung principiell sehr wichtig ist und dass die
praktischen Aerzte Wiens allen Grund haben, der Wiener Aerzte-
kammer für ihr Eingreifen in dieser Angelegenheit dankbar zu sein.
In der letzten vorjährigen Sitzung der k. k. Gesellschaft der
Aerzte sprach Professor Dr. Josef Englisch Uber die neueren
Methoden zur Behandlung der Prostata-Hypertrophie. Der Redner
erwähnte vorerst Bier’s Vorschlag der Unterbindung der
Artcria iliac. intern. Die Operation ist so schwierig, ihre Nachtheile
so gross, dass sie jetzt kaum mehr geübt wird. Englisch
selbst hat einen derartigen Fall an Peritonitis verloren. Auch
hält er das Auftreten von Rccidiven nach diesem Eingriffe für
nicht ausgeschlossen. Sodann besprach der Vortragende auf
Grund eingehender Untersuchungen an mehr als 2000 Fällen das
Verhältnis« zwischen Prostata und Hodeu und wies nach, dass
die Entwicklung der Prostata mit der Pubertät beginne, aber erst
ungefähr im 20. Lebensjahre vollendet sei und dass die Hyper¬
trophie dieses Organs erst in den fünfziger Jahren eintrete. Die
Entwicklung der Prostata und Hodeu hält miteinander gleichen
Schritt, da wo die Hoden z. B. nur erbsengross waren (5 Beob¬
achtungen), war auch die Prostata auffallend reducirt. Es sind
bisher nur 3 Fälle bekannt, bei welchen trotz des Fehlens der
Hoden eine normale Prostata coustatirt werdeu konnte.
Fassend auf diesen, allseits anerkannten Parallelismus zwischen
Hoden und Prostata hat man also die Castration als ein Mittel
zur Behebung der Prostata-Hypertrophie vorgeschlagen. Die Thier-
versuche von Lenoir, Wight u. A. ergaben, dass die Prostata
wenn die Castration an jungen Thieren vorgenommen wurde sich
nicht weiter entwickelt , also auf der momentanen Entwicklungs¬
stufe stehen bleibt, während die Prostata erwachsener Hunde nach
der Castration schwindet, in letzteren Fällen also eine \ erkleincr-
ung der Prostata herlieigeführt wird.
Die Entfernung der Hoden zur Beseitigung der Pros ata-
Hvpertrophie wurde bisher schon öfters ausgeführt V igh t allem
referirte schon über 111 Fälle, von welchen freilich recht viele
•luszuschalten sind, da sie z. B. wegen Tuberculose des Hodens
operirt wurden. Englisch selbst berichtet über 102 Fälle aus der
Literatur und eigener Erfahrung. 1» 68 Källen ™de eine
Verringerung des Harndranges, der Cyst.tis ete^ constatirt, dabei
war die Prostata wesentlich verkleinert; in 32 weiteren Fällen
wurde eine geringe oder gar keine Veränderung der 1 rostata ge¬
funden, gleichwohl aber eine Abnahme oder Besserung der Er¬
scheinungen Seitens der höher gelegenen Harnorgane oonsUttet
so dass man sagen kann, dass in 100 von diesen 102 Fällen
die Oiieration von Erfolg begleitet war.
So sichergestellt dieser „Einfluss“ der Operation ist, wäre
sofort anzuschliessen, dass eme andauernde Heilung blosin 39 fällen,
eine Besserung in 57 Fällen erzielt wurde. Auch mit dieser Ein¬
schränkung möchte Englisch diese Operationsmethode für die
Hypertrophie der Prostata als sehr empfehlenswerth bezeichnen,
zumal sich auch zeigt, dass einzelne schwere Symptome (Harn¬
verhaltung) sofort nach dem Eingriffe schwinden, andere Er¬
scheinungen schon nach wenigen Tagen zurückgehen, selbst dann,
wenn noch keine Verkleinerung der Prostata objectiv nachweisbar
war. Wie oben erwähnt, trat diese Verkleinerung überhaupt nur
in 68 Fällen ein. .
Bedenkt man, wie heftig die Schmerzen sind, welche mit
Prostata-Hvpertrophie Behaftete, zumeist ältere und decrepide In¬
dividuen, auszustehen haben, erwägt man, dass diesen intensiven
Schmerzen gegenüber der Eingriff als solcher geringfügig ist, dass
auch nicht ein Fall vorliegt, bei welchem C'omphcationen von der
Wunde aus hinzugetreten wären, dass die Todesfälle zur Operation
selbst nicht in Beziehung stehen - 5 Fälle von Irrsinn bei vor¬
her schon nicht normalen Kranken, 2 Pneumonien und 2 fälle
von Inanition — so muss man billigerweise sagen, daas die doppel¬
seitige Castration in Füllen von Prostata-Hypertrophie bis jetzt
Resultate geliefert habe, welche für dieses Verfahren sprechen.
Heber die in Folge Weigerung der Kranken zur \ornahme
der doppelseitigen Castration ausgeführte einseitige Entfernung
des Hodens resp. über die Unterbindung des Vas deferens zur
functioneilen Vernichtung der Hoden, sowie über andere neuere
Methoden (Fütterung) wird Professor Englisch demnächst be¬
richten. ___
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci6t4 Mädtcale deB HÖpltanx.
Sitzung vom 28. December 1895.
Ueber Masernrecidive.
Die Frage des Masernrecidivs wurdeschon
die Möglichkeit eines solchen häufig bezweifelt, mit der M “ng
es handle sich dabei entweder um eine einfache spontane
des Ausschlages oder um eine zufällige, durch Medicamente oder
starke 8chweisBabsonderung erzeugte Eruption oder um H
einanderfolge von Rötheln und Masern. Ohauffar diesen
Lemoine geben zwar zu, dass diagnostische Irrthü enau
Fällen leicht Vorkommen können; an der Hand von _ * UeQ
beobachteten (5 im Krankenhanse und 6 in de 'J^^feSehende
halten sie jedoch das Recidiviren der Masern für eineW „ en
Thatsache und glauben sogar, dass dieee am f Ke ffthr
acuten Exanthemen zu Recidiv hinneigen. Zur selben Zeit (
in den Monaten April bis Juni 1895), d. h. unter gleichen Bedingung^
epidemischer Virulenz kamen die Fälle im Spitale von Binder
and in einer einzigen Familie der Privatpraxis, in we
Masern und 6 davon 1 Recidiv hatten, zur,“.^^hen
primären sowie secundären Eruptionen besassen alle cha . e „
Zeichen der Masern und zeigten keineswegs diesen p 7
oft scharlachähnlichen Anblick der Rötheln; Angina war. fttftrr h
und in geringem Grade vorhanden, während der Augennase
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14. Januar 1896.
beinahe constant war und m den beiden aufeinanderfolgenden Aua
brtlchen der Krankheit eine gleiche Intensität hatte Audi S?»
übrigen Erscheinungen waren m der Mehrzalil der Fälle (R) v ‘?
gleicher Intens,tat, beim Recidiv wie bei der ersten Erkrinkun?
zweimal heftiger und zweimal gutartiger auftretend; nie jedoch vS
das Recidiv besonders schwerer Art, ein Beweis dass riL™
Pathogenese nicht in einer erhöhten Virulenz des Mäsernkeim«
suchen ist. Beide Beobachtungsreihen führen v?elSr S w A ZU
nähme, dass die Ueberfüllung der Räume z '> der. An-
G:rund des Kecidivs ist; in diesen, gesättigt vom specifischen'vi'r^
bann das letztere eine grosse Ansteckungsfähigkeit erlangen 3
wenn der Reconvalescent uur e ne schwache n<ler i,„ “ f u ,
Immunität sich erworben hat, so kana rv^Neuem ^i?^^
werden und einen Rückfall bekommen. Bei mehreren der ‘
herrschte zwischen diesem und der primären Fmntion 1- Krftnk ® n
Uebereinstimmung, dass die Behaupt™?, K erafeZ ^
sich um Rötheln, einfach die klinische Unmöglichkeit erJah^ • 68
Differentialdiagnose zwischen Masern und Rötheln zu steHe^ fe ®
könnte dieses gleichzeitige Auftreten von zwei acuten nGr
welche von einander unabhängig sind 17Z “ • Exanthemen.
Hypothese ergeben. Unter den g berichteten Fällen 8 , ^ efn ® d 'S e nde
grosse Verschiedenheit in dem Zeitraum, Weicht dieKnEmn*
tionen trennt: er schwankte von 12 bis zu 40 Tn een w, E
klinische Beobachtung noch die allgemeine PatlmloZ W f d . er dle
so viel Beispiele von recidivirenden KrankheiL%Ä’s Tc3 "m
gibt, sprechen gegen die Möglichkeit des Mas^rnrecfi Scharlach )
- ä “ JÄÄl;»”“!?' *- -
Wirkung desselben Maserngiftes ’ n um eme zw eizeitige
2TÄ12“ «"SS? iÄÄ
~l RMM^n'd« Ttal d “n n SS n so I daT“ e z ? l8chen M «»»
einanderfolgende Epideroieeu S 3Ä*
.gO^mgi^ mmcmiscHK woc HKvan».,,.^
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
»‘JZÜ bii;r»“örziL„„i.
welche mit dem Antistrenm^ 1 Resultate veröffentlicht hat,
cationen der Diphtherie Ä ?® gen die EungencomplP
mit einem längeren Berichte welchen ’e!° gt *? un £ hantem esse
emzureichen hatte und worin eT hV« r de , n Panse r Stadtrath
•ung mit dem erwähnten Mittel „„«o ReS j tate der Erysipel behand¬
le unter seiner Leitung 2 völlic ^f nde ? et " t .. C h a n tem e s s e
trysipel-, den anderen für nmhn get - r ®i nnte Pavd * ons > einen für
29", e ine m der k leiLre Q P p3 ,e ^ nk t- in dem Spitale
der vom 2.V December « 94 bS f? £ Kranken hüuse r . Die Zahl
krysipelkranken betrug nach A, L n De T cember 1^95 behandelten
■Erysipelkranken betruf nach AullS' 88 J T ener ’ welche durch fa 'sch-
i‘ che D |a gnose (Eezemi Paruh«SÄ S8 .f. ener ’ welche durch fälsch¬
en wdchen 34 = 3,22> starben p . 8 ' tls u - 8 - w ) eintraten. 1055,
kalte Bäder behandelt wSdw 8 >/ m P t ° matiscb und durch
J ay betrug; der Rest wurde mit i ®’ T der . en Sterblichkeit
Dr Marmorek bereitet e A ntisÄo! ’ m Instltut Pastei,r vo “
"S . lwar eit 3 verschiedenen fnrt Pt ^ 0C0C n en8eru,n behandelt
mittelstarken und sehr starken ÄS?, d 1 es8 « lben , einer schwachen,
Stimmt). y 7 Kranke erhielten w ' ® n lrara uni 8 iru n g.seinheiten
„ J, bekamen das mittelstark* a 'etztercs, es starb 1 - l, 03 °/„:
6 h Tode = 1 .?7. Mortalität
501 müT 1 Slerblicl| keit betrug 6 54o/' S h T. ach0n Serum behan-
J mit Serum Behandelten -o^ä/ ’ n® Gesa,nm tmortalitat der
3 ,e .ergab also eine grölser’e ? ?,‘® au88cI 'liesslicbe Serum-
St n, herap v. eutischen -MiUef Wenn*??« VOn ¥ eihm gen wie die
der Iniw.- asch ^ dem geimpften Pferd* ? erum 1,1 gehöriger Weise
* n l ectlon sstelle weder«*!? Pferde entnommen war. so war an
Ä '? be "«*" «.“ r e D„.Z h ,, S , C !' W ' 11 “''* o-ler Haut
l4W C i' e - das « ein Mann m ■? < - IChkeit des Mitte ' 8 z eugt
"*00 ccm ohne den m t eiteriger Pleuritis innerhalb
selbst”»?*' Serura >njection zeige 8 » 1 ™ 88 /® 11 Naelj theii erhielt. Die
in 2ESmnH m Allgemeinbefi nden 8 Locol* 80 "'" hl . an de ui Rothlauf
der ßoihe e ?’ 8eken nach 2—3 Tacen . con8tat| rt man meist schon
wirdZfh, der ^'Wellung und d gen « V™ dentliohe Verminderung
fetzen ?nJ eU , m8t und vollleht «di ScI ! mt , r . za8 - die Abschuppung
und hört ?' t en breite t eich die Erkrank em iCh ? r08sen Epidermis 8 I
gemeint T ch ^iederho ten F^? ? 8 an der Peri P''erie aus
tri» o l e ‘ ln den besRcr* - l Einspritzungen auf Das All
aäünär r 5 *■■s
StrÄÄÄ srs
4g' Stunden^geheiR !UI jedoch 0r,1 ' anden War ’ wird durch
und Dauer der Krankheit 8 sind k J ?. h P ie verursacht. Schwere
zogenen Patienten geringer DrüseMchw?!! der Serumt herapie unter-
den durch die neue Behandlung jS!«!T 8 ®" „ Und Rückf “ 11 e wer-
schwinden am Ende der Erkrankung w*S beeu ‘ fl U9st, erstere ver-
Dosen noch weiter an wendet- ReckHve w*k»i d “ S Serum in kleinen
m verzweifelter Hartnäckigkeit sich wdi? ^®' n ? anchen Fatienten
rege massige prophylaktiX k 2 nnRn durch die
hütet werden. Die nöthige Dosis zur u ®i“ en Se . ru mdosen ver-
schwankt zwischen 20 und 40 ccm ihnJ i H °' lun ^ e,ne8 Erysipels
dieser Grenze nach unten cS’oben genaues Kuhalten
thenepavillon behandelte Th a nt ° Üen geboten wäre. Im Diph-
sich 107 durch die ^aktwiolo^ische^ntersiich Rranke i von welchen
tliene erwiesen; von diesen waren 41 hung 8,8 echte Di P h -
und ergaben eine Sterblichkeit von — J«,“” 1 com Phcirte Fälle
bbFä len reiner Diphtherie d esribe J 5^o ff’ W f hre , nd bei da »
sämmthdie Fälle zusammen - 14% Mor( al S g * ( ,T 1 Todeafa H).
wurde kurz nach dem Eintritt in dll . AII T en Patenten
Diphtherieheilserum gemacht und es wnrd* k^ r®*» 6 In i ection von
” Vor'“ c b S h „ lel '- <»“"«•
nähme auf den in No“^ 18» d" F v remdkbr P er ) Unter Bezug-
lichten Fall von Verstonf7.nL d« ' von Winands veröffenl
Fremdkörper, macht unsHefr Dr^oTSf” Rr ? nch ] us du rch einen
analogen, durch Tracheotomie gerettete^Faü *„»' a,ld8tuhl ailf einen
er im Vereinsbl. der pfälz. Aerzfe iSu »sf f . au , fm ? rk8a, n. über den
hatte eine Bohne aspirirt nach seh f?» 8 lynchtet: „Das Kind
Erscheinungen hatte sich dieselbe 4fe deutlich Eretickun « 8 -
im rechten Bronchus festgesetzt’und ^ 8utl 'P. h "aehzuweisen war,
geringsten Beschwerden, dennoch dran K '? d - hat . te nicht die
Als die Trachea eröffnet war standen i ÄU * 8ofort 'g e Operation.
College und ich, jeder ein iA dfe Wnndo ZUeret berbeigerufene
Häckchen in der Hand uns gegenübe? d i P ^? n g , elegtes scharfes
offen, das Kind lag in rihSmÄ ’ die Wunde weit
aber der Fremdkörper saa fest atIl “ ete leich ^
natürlich nicht IwknLm- j_ °? 'ornher war demselben
^ d« kamVr Ä T
Visa tergo zu probiren. Ichstan dnT, f u? edan ke ’ es m,t der
und übte nun mit der rechten H„nd f d f P. echte “ Seite des Kindes
Partie einen raschen kräftiven ^i“ d ‘® r8ch , te obere Thorax¬
geschwollene Bohne flog im Rra,i ° 88 a !? S ^, nd d| e bereits stark
und lag auf dem Kopfkissen n?ben"de der w T i aCh< ; a, "’ Unde 1,erau9
Trachealwunde heilte per orimam T*h i H k 8 ® ‘L es Klndes - Die
fahren in jedem frischen FaU sicher ,i? ^ aub ®> dass dieses Ver-
in die Trachea bringen wird wo e, ?- n pren i dkörper Iockern und
mit Instrumenten zu entfernen aber fal,en wird ’ ih “
Bällen, selbst wenn schon Fnt^iind,?^^® h lnd P n me >sten veralteten
ÄÄ: d Ä, -üsr- ä a
sävä
wegen für einen Kunstfehler er räth l ^ den Laft ‘
der Thorax auch bei Larynxstenoo* i’ d ‘e gewältsame Compression
zu versuchen. ‘ ' 8e durcb i°ckere Croupmembranen
«t ft;t i,f wl’buixv u u „ b ,"^ c ,: 1 s‘' i, He ii
IWMil
:Ä££rISHHi!l
EÜÄSra "KV)“ Fel "“ iD d “ AngabeTdÄ,.
Tagesgeschichtliche Notizen.
f iinnhati 1 A T,.»..«- rr . . • • * . ■
1 ' ehe dle8e Wochenschrift 1895 , No. 52,
pag. 1223.
durch Professor Baumann in Freiburg (s. S. 33), der andere von
Figonf»>hn dn j 8 ® n in Würz.burg gemacht, betrifft neue wichtige
Eigenschaften der von Geissler'schen Röhren mit stark verdünnter
Luft ausgehenden Kathodenstrahlen. Baumanns Entdeckung
cfiese^b^^brhfgt^nEbt e ni^ reig ?| i | S9 h V0 T • a ? 8Ser ° rden * ,bcber Bed cutung 8
uieseioe Dringt nicht nur endlich Licht in die bisher so H.mki*
anderen e Ceh Ch t ilddrÜ ? entl A erflpie ’ sondern sie verspricht auch auf
Frk*m,fn; G ten ,, der 9 rganUlera P ie der Ausgangspunkt neuer
Erkenntu,ss zu werden. Ueber Professor Röntgen's Entdeckung
d 8 ? 3 eiuewissenschaftlichePublikation noch nicht vor. Nach
Cs S 3 h\ •!“ Berl,ner Verein f(lr innere Medicin
(s. S. 38) gemachten Mittheilungcn besteht jedoch die Möglichkeit
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44
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
dass dieselbe auch für die Medicin eine grössere praktische Bedeut¬
ung gewinnen werde, wenn auch die phantasiereichen Speculationen,
welche die Tagespresse an die Entdeckung Röntgen's knüpft, sich
zunächst wohl nicht erfüllen werden.
— Die rheinische Provinzialverwaltung hat die Stelle eines
sachkundigen Landesreferenten für das Irrenwesen eingerichtet und
dieselbe dem Sanitätsrath Dr. Oebeke, Mitglied der rheinischen
Aerztekammer, übertragen.
— Dem Director des k. Gesundheitsamtes Dr. Köhler wurde
der Charakter als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrath mit dem
Range eines Rathes 1. Klasse verliehen.
— Der XII. internationale Congress ist nun definitiv —
d. h. wenn Cholera und politische Ereignisse es erlauben — für
19.—26. August 1897 inMoskau angesetzt worden. Das Protectorat
übernimmt der Grossfürst Sergius, Generalgouverneur von Moskau,
Onkel des Czaren. Präsident desselben wird wahrscheinlich Prof.
Klein, Decan der medicinischen Facultät, Generalsecretör der
Professor für Hygiene in Moskau, Dr. Eris man. Die officiellen
Sprachen des Congresses edlen Deutsch und Französisch sein. Zur
Erlangung der Mitgliedskarte ist ein Beitrag von 10 Rubel =
20 M. an den Schatzmeister Fi lato w unter Beifügung von Name;
und Adresse einzusenden. Als ausserordentliche Mitglieder werden
auch N'ichtllrzte, welche sich „eines wissenschaftlichen Titels“ er¬
freuen, zugelassen. Der Congress zerfällt in 12 Sectionen: Anatomie,
Physiologie, allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie, all¬
gemeine Therapie, Pharmakologie, interne Medicin, Paediatrie,
Neurologie und Psychiatrie, Dermatologie und Syphilis, Chirurgie und
Ophthalmologie, Geburtshülfe und Gynaecologie, Hygiene, gerichtliche
Medicin.
— Von deutschen Städten über 40,0C0 Einwohner hatten in
der 52. Jahreswoche, vom 22. bis 28. Dezember 1895, die grösste
Sterblichkeit Bonn mit 93,6, die geringste Sterblichkeit Kottbus
mit 7,ö Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Görlitz und Metz;
an Scharlach in Königshütte; an Diphtherie und Croup in Barmen’
Beuthen, Gera, M.Gladbach, Karlsruhe, Osnabrück, Zwickau; an
Unterleibstyphus in Harburg.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Dem a. o. Professor
Dr. 8chöler wurde der Charakter als Geh. Medicinalrath verliehen.
— Marbnrg. Professor Behring erhielt den Charakter als Geh
Medicinalrath. — Rostock. Professor Körner, Director der Uni¬
versitätspoliklinik für Ohren- und Kehlkopfkranke, hat die ihm
angebotene ausserelatsmässige ausserordentliche Professur in Heidel¬
berg nach längeren Unterhandlungen abgelehnt.
Catania. Der a. o. Professor der Hygiene, Dr. Eug. di Mattei
wurde zum o. Professor ernannt. — St. Petersburg. Dr Pawlow
habilitirte sich als Privatdocent für Dermatologie und Syphilis an
der militärmedicini8chen Academie. Die Academie der Wissen-
schaften ernannte Professor Leuckart-Leipzig zum Ehrenmitglied
— Wien. Professor Jarisch wurde als Director der neu errichteten
dermatologischen Klinik nach Leipzig berufen.
Personalnachrichten.
Bayern.
Kiederlassnng. Dr. Karl S t au f f e r, approbirt 1894, in München
— Dr. Brod in Würzburg. — Max Gerabiczki aus Strelno in
Posen, appr. 1890, za Remlingen.
r, Verzogen: Georg Schumann von Rothenfels nach Hanau --
Dr. Albin Kerkermann von Remlingen nach Külsheim in Baden
Abschied bewilligt: den Stabsärzten Dr. Georg Langreuter
von der Landwehr 1 Aufgebots (Aschnffenburg) und Dr. August
Haupt von der Landwehr 2. Aufgebots (Aschaffenburg).
Gestorben: Dr. Clemens Müllerklein zu Rimpar.
(—), Keuchhusten 1 (—), Croupöse Lungenentzündung — (1), Tuber-
culose a) der Lungen 12 (23), b) der übrigen Organe 7 (2), Acuter
Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krankeiten 4 (2)
Unglücksfälle 3 (—), Selbstmord— (—), Tod durch fremde Hand — (—)[
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 178 (154), Verhältnisszabi
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 22,8 (20,2), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,1 (12,5' für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,5 (9,1).
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat November 1895.
1) Bestand am 81. Oktober 1895 bei einer Kopfstärke des
Heeres von 66152 Mann, 207 Kadetten, 21 Invaliden, 149 U.-V.M:
1683 Mann, 2 Kadetten, 4 Invaliden, 5 U.-V.
2) Zugang: im Lazareth 1712 Mann, 5 Kadetten, 1 Invaliden,
15 U.-V.; im Revier 4706 Mann, 24 Kadetten, 2 Invaliden, 3 U -V
Summe 6418 Mann, 29 Kadetten, 3 Invaliden, 18 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 8101 Mann, 31 Kadetten,
7 Invaliden, 23 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 112,46 Mann
149,75 Kadetten, 333,33 Invaliden, 154,36 U.-V.
3) Abgang: geheilt 5590 Mann, 23 Kadetten, — Invaliden, 16
U.-V.; gestorben 5 Mann, — Kadetten, — Invaliden, — U.-V.;
invalide 59 Mann; dienstunbrauchbar 270 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 165 Mann, 2 Kadetten, — Invaliden, — U-V.; Summa: 6089
Mann, 25 Kadetten, — Invaliden, 16 U.-V.
4) Hiernach sind geheilt 690,03 von 1000 der Kranken der Armee,
741,93 der erkrankten Kadetten, 0,00 der erkrankten Invaliden und
695,65 der erkrankten U.-V.; gestorben 0,61 von 1000 der Kranken
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
5) Mithin Bestand am 30. November 1895: 2012 Mann, 6 Ka¬
detten, 7 Invaliden, 7 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 30,41 Mann,
28,98 Kadetten, 333,33 Invaliden, 46,97 U -V. Von diesem Kranken¬
stände befanden sich im Lazareth 1194 Mann, 3 Kadetten, 3 Inva¬
liden, 7 U.-V.; im Revier 818 Mann, 3 Kadetten, 4 Invaliden, — U.-V.
Von den in militärärztlicher Behandlung Gestorbenen haben
gelitten an: Unterleibstyphus 1, Bauchfellentzündung in Folge Darrn-
emklemmung 1, Nierenentzündung 1, akuter Gelenkentzündung,
komplizirt mit Nierenentzündung 1, Knochenmarkentzündung, kom-
phzirt mit Bauchfellentzündung 1, während ohne in militürürztliehe
Behandlung getreten zu sein noch starben: 1 Mann durch Bruch
des Schädels in Folge Sturzes aus dem Fenster, l Mann durch Ver
blutung nach Verletzung der grossen Gefässe am Oberschenkel und
1 Mann an Lungentuberkulose.
Der Gesainmtabgang durch Tod im Monat November beläuft
sich demnach auf 8 Mann.
Amtlicher Erlass.
Bekanntmachung, die Revision der Arzneitaxe für das
Königreich Bayern betreffend.
K. Staatsministerium des Innern.
Unter Bezugnahme auf Absatz 3 der Kgl. Allerhöchsten Ver¬
ordnung vom 4. Januar 1894, die Arzneitaxordnung für das König¬
reich Bayern betreffend (Gesetz- und Verord-Bl. S. 15), werden nach
Einvernahme der Apothekergremien, der Kreismedicinalausschflsse
und des Obermedicinalausschusses für die nachstehend bezeichneten
Arzneimittel — unter Aufhebung der seitherigen Taxen, soweit
solche dafür festgesetzt waren, — die beigefügten Taxen bestimmt;
im Lebrigen tritt in der Arzneitaxordnung vom 4. Januar 1894 eine
Aenderung bis auf Weiteres nicht ein.
München, den 12. Dezember 1895.
Frhr. v. Feilitzsch.
Der General-Secretär:
Morbiditätsstatistikd.lnfectionskrankheitenfur München
in der 1. Jahreswoche vom 29. Dez. 1895 bis 4. Jan 1896
48 (fifp et -pv - A<? 7‘ te Brechdurchfall 13 (9*), Diphtherie, Crou,
7 P a e rf ( - 2 )\ Intermittens, Neuralgia interm 1 (-)
Kindbettfieber 5 (o), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 29«) 12771
Ophhalmo-Blennorrhoea neonat 7 (6), Parotitis epidemica^ 17(32)
I neumoma erouposa 29 (18), Pyaemie, 8epticaemie 1 (—1, Rheuma
tismus art. ac. 43 (44). Ruhr (dysenteria) - (—), Scarlatina 45 f2hl
3 ussis convulsiva 12 (13), Typhus abdominalis — (3), Varicellen 25 (24
Variola, Vanolo.s - (-). Summa 556 (519). Medidnalra.h Dr Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
Während der 52. Jahreswoche vom 22. bis 28. Derember 1895.
Bevölkerungszahl: 396f00.
Todesursachen: Masern 19 (9) Scharlach i i v .1
m Rothiauf - (-fk Ä ( rÄt e
giftung (Pyäm ie) - (-), Brechdurchfall 1 (-), Unterleibstyphus 1
__*)_Dieeingeklainmerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
v. Kopplstätter, Ministerialrath.
Taxe der Arzneimittel.
Vorlng von J. F. Loh mann in München. — Druck der
Acidum camplioricuin
„ hydrohroraicum .
. salicylicum . .
Aqua cresolica . . . .
Argentum nitricmi . .
Balsamnm peruvianum .
Bismutum subnitricum .
, salicylicum .
Coffeinum.
„ natrin benzulc.
Cresolum cruduni . . .
Flores Chamomill. concis.et
grosso modo pulverati
Folia Jaborandi concisa .
„ Menthae piperitae
concisa . . .
?
.K
S_
T
3
1
—
10
Formaldehydnm solutum
10
15
10
15
Liqu. Crcsol. sap (Lysol)
10
10
10
30
Lithium salicylicum . .
1
0
100
20
Natrium salicylicum . .
10
-
40
1
—
20
Oieura Jecoris Aselli . .
100
—
40
10
-
50
Pastill Hydrargyri biclilor.
1
—
5
0,o et 1,0 pro dosi .
10 St.
l
—
10
—
50
Phenacetinum.
ir
—
10
1
—
20
Pilocarpinum hydrochlor.
Min.
—
40
1
—
lü
1 - „
1 Cp
—
4o
100
—
25
Pilulae Krenaoti ....
I0J Sl
l
Pulvis salicylic. cum Talco
100 B
—
40
100
—
50
Theobromin. natr.-salicyl.
—
30
10
—
20
Tinctura Aloüs . ...
10
—
10
Unguentum Cantbaridom
10
—
10 l
pro usu veterinario .
in
—
15
') U.-V. — Abkürzung für Unteroffiziers-Vorschüler.
K. Mühl ihnler'schcn k. IIor-Buchdnickerel in München.
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fiie Miincliener Medlcln Wochenschrift erscheint
»Achenilieh in Nummern von mindestens'”/..—3 Bogen.
I'reis vierteljährlich i! . 11 , pmcnnmeramlo zahlbar
Einzelne Nummer liO -J
——“ UN ™ ENEB
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ck. Sinnier, 0. Bolllnger, H. Cursclunann, C. Gerhardt, W v Heinpkp ß 'uorkni i „ u , k , „
rrc,burs, B - M,incl,vn u “^' Ä’\Ü5* "iS* F**• WtocW, H.f.Z lemssen.
a ._^ === ^-. _ - - - 8 luuncnen. München. München.
M 3. 21. Januar 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. P. Lehmann, Landwehrstr. 70.
Originalien.
43. Jahrgang.
Ueber die Entstehung der Typhus-Epidemie in der
Garnison Passau im Sommer 1895.
Von Generalstabsarzt Dr. Vojl.
Km Rückblick auf die Typhus-Kn- und Epidemie™ in den
bayerischen Garnisonen zeigt, dass überall der Typhus zugleich
oder vorher ui der Civilbevölkerung aufgetreten ist — liier mehr
zerstreut "i wemg bestimmten Zahlen, dort selbstverständlich
* Kaserntyphus in streng verzeiehneter Höhe der Procent-
-Um darf sagen, dass fast immer der Typhus von der Stadt
m die Kaserne getrau wird; dies gilt auch von anderen Infections-
ihrt ClV,l,St ™ ™d »ictt um.
K® Erfabnu'g hat das Stlldi|un ^ Mi|i ,, |rtete .
2»™C d ™i n ”V lCr H n“ 8C ' I ‘ 5 '!' ab " “"*»«« -
„1,1 „„.„„'i,”“ ' U ‘ i D °" au * a ' c * c »° Pa »»“« (ta
«. ™ B ;lirXl l,a S UrgCbirSS ‘? araktor; diC »'to Stadt
Grund ist aufWU . T , uf . einom Gneissfelsen, der übrige
' Wasser flicsst über dlLw i l'j ^ llier kein Grundwasser; alles
^ 4 T b ^ u t Se t n 1 f n F 1 r kufeu da -
Schichte Mulden und g’teb l “■ t,eferen '‘"durchlässigen
Die Bin L a ? ,w ,m Nlveau der Flüsse.
We Häuser, ,,nzwcc-Läs? dt ***. mitte,alfcerliches Gepräge: alte
Bis CSe^8 9 o g ist gC p Cgt ’ finSt T Vie,fach feutht u ” d
ungünstiger sanitärer * U ,,üch unter dem Einflüsse
Abfallstoffe war eine f h j dtnisse standen; die Beseitigung der
^vollzogen durch l , Un . Vollkoni,ucne > zweckwidrige; sie
andichtes Kanalnet/• Ail ** gedauertes, baufälliges und
«asserstand in den Fln««* 808 “ ündetc . übcr dem Durchsehnitts-
den Ufern verpestet und' ,L P daSS ^ Nied crwasser die Luft an
Die Trink Promenade am Quai ungcnicssbar war.
Brunnen in (leLs^Vv^L 8 ^ 8 geschah theiIs durch Pnmp-
""durehlissigen, theT Tr ^ Untorgrund a "±'
“ Mitte des lß tLu l ^ 3 durcb einc Wasserleitung, welche
"Jw d» Innbrücke ffhL ®“ Faratbiscbof Berstellen und
“belschmeckend. * ‘ esS- üas Wasser war schlecht und
Die Stadt hatte Ra c
Engeren CeberscW* ““ bedeute "<fe", alljährlich aber au
10 leiden. dmungen der tiefer gelegenen Viertel
I om Jalire iqqa
*" MAN, Sb "S E ”“? fe »” ** Beseitigung
No. 3. D> 10 Etadtgemeinde hat Anerkennen*-
Nun ein
llung^ UDd
Ss
ist ein altes Augustmerkloster , welches mnn ioaq 1
von IRrtR i ann „i t " anno 1803 säeulansirt,
„ , | 06 . 1809 als französisches Militärspital verwendet war
und dann in den Besitz des b. Militärärare kam. sTe hei Z
enem von Nord nach Süd abfallenden Terrainausläufer, sfdaf
'Der Geb 1 & T 3 ’ di ° Südfront 6 Geschosse hat.
und belht f ^ “ , 8te,lt ei “ uur ^idässiges Viereck dar
u d besteht aus einem alten Theil mit dem Nord- und Ost-
riügel, einem Mittelbau und einem Theile des Südflügels und
einem neuen Theil, dem sog. Schmerold'sehen Anwesen n
4 F üll u‘‘ n ügel / lUd di ° halbc 8üdfrü, ' t gehurt. D iesc
4 lügt umschl,essen den grossen Hofraum, der wieder durch
2 Mittelbaue von Nord nach Süd gerichtet, in einen grösseren
äusseren und einen kleineren inneren Kasernhof geschieden wird.
Der äussere Wnhof wird von einer Strasse durchzogen, welche
das nördliche Kasernthor mit dem südlichen verbindet und die
•Schudung bddet zwischen altem und neuem Theile der Kaserne
Die Nicolai-Kaserne hatte bisher ein «ehr altes Kanal-
System; verseilledcn kalibrige Thonröhren führten die Fäcal- und
sonstigen Auswurfstoffe gemauerten Hauptkanälen zu, welche in
2 grossen Zügen von Norden nach Süden dem Inn zu verliefen
Die Wasserversorgung, früher gleichwerthig mit der¬
jenigen in der Stadt, ist schon seit mehreren Jahren durch An¬
schluss an die neue städtische Leitung eine ganz günstige geworden •
rsr ? ra " g ? ; - d ° r üi,,C HilUI,tstrang zicl,t a » der Aussenseite
des Sudflügels vorbei und gibt 2 Stränge ab, welche die beiden
Kasernhofe durchziehen; in diesen, sowie in den Stockwerken
befinden sich Auslaufstcllen.
Ferner verfügt die Kaserne noch über eino militäreigne
Leitung, welche in Wicsdobel entspringt und durch den Maier-
uorgartea in die Kaserne gelangt; sie liefert nur das Wasser zur
Spülung der Abortanlageu in den Parterrelocalitäten.
Getrennt von diesem Gebäude-Complex ist bei Errichtung der
vierten (Halb)-Bataillonc auf dem 700m südlicher gelegenen Exercir-
p'atz eine Baracken-Kaser ne gebaut worden, welche aus
2 Wohubarackeu für je eine Compagnie (13. und 14.), einem
JciXercir-IIausc und einem angebauten Küchen- und Abort-Gebäude
besteht Sie entspricht allen modernen Anforderungen. Die
Gebäude bestehen aus massivem Backstein-Maucrwerk mit sehr
wenig dicken Umfassungs- und Seheidemaueru. Die Abort-An-
kgen haben vollkommen gut arbeitende Spülung, welche die
Fäcahen dem Inn zuführt in der Höhe des 0 Pegels. Trinkwasser
wird von der städtischen Leitung geliefert.
Die Stadt Passau war früher durch die häufigen
Typhuserkrankungen verrufen; vom Jahre 1890 an ist
dies viel besser geworden; doch sind auch in dieser Zeit kleine
Epidemien (im Heuwinkel 1892) und alljährlich ziemlich viele
1
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46
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHE NSCHRII'
No. 3.
Typhus-Erkrankungen vorgekommen. to fthro 18 J 4 n “J
der Morbiditäts-Statistik das Bezirksamt Passau all j; . ® .
die Stadt Passau an 3- Stelle der Typhus-Morbid.tät ,m Kre.se
NiCd t2 r "Ä“.on P....« hat* ta W T „
en- und epidemischen Typhus aufzuweisen; in den Jahren
1878—1888 sind 45 Mann an Typhus gestorben; im Jahre 188J
sind noch 9 Typhusfälle in der Garnison verzeichnet.
Vom Jahre 1890 an ist Typhus in der Garnison
nicht mehr vor gekommen bis zum Beginn der d.es-
j ährigen Epidemie:
Es sind erkrankt vom 23. Mai bis 13. August 1895: ^
112 Mann an ausgeprägtem Typhus
70 ,, „ typhusverdächtigen Erscheinungen
in Sa. 182 Mann; davon sind gestorben 4 Mann.
Zur Klarstellung wird bemerkt, dass in der Rubrik „typhus¬
verdächtig“ alle sehr leichten und sehr kurz dauernden Erkrankungs¬
fälle eingeschlossen sind; sie mussten getrennt vorgeführt werden
zur Charakteristik der Epidemie, die man im Ganzen als mittel-
schwer bezeichnen konnte und waren doch der Gesammtsummc
einzureihen, denn sie haben sicher auf Infection beruht.
Sofort nach Feststellung der Epidemie sind umfassende und
eingehende Untersuchungen und conimissionclle Berathungen ärzt¬
licher und technischer Sachverständiger gepflogen worden über
a) den Ursprung und b) die Verbrcitungswe.se des
Typhus.
ad a) Das Trinkwasser der städtischen Geltung
hat den Änstcckungsstoff nicht mit sich führen können; obgleich
in der Stadt damals Typhusfälle vorgekommen sind, so waren es
doch nicht Massenerkraukungen; dies hätten sic sein müssen, wenn
das Leitungswasser inficirt gewesen wäre.
Das Wasser der m i li tä r ei g en e n Leitung hat. nicht
Träger des Krankheitsstotfes sein können, weil sich keine Oertlich-
keit hat auffinden lassen, wo es solchen hätte auf nehmen können ;
überdies war dieses Wasser dem Genüsse verschlossen.
Eine Einschleppung durch Nahrungsmittel konnte auf
Grund der eingehendsten Nachforschungen an allen Bezugsorten
ausgeschlossen werden.
Nicht sehr ferne schien die Möglichkeit gelegen, dass durch
den Genuss des Trinkwassers oder den Aufenthalt
auf dem G ef echts-Schie ssplatze bei Haarschcdel der
Typhus erworben und in die Kaserne verschleppt worden sei; in
den nahe gelegenen Ortschaften Neustift, Rittsteig, Ober- und
Untereichet, Grünod, Neukirchen ist im Jahre 1894. gelegentlich
des Baues der Waldbahn, Typhus aufgetreten. In den ersten
Wochen des Monats Mai 1895 haben die Mannschaften des
16. Regiments dort geübt und sich je */g Tag lang auf gehalten.
Die Leute mussten ihren Durst aus verschiedenen Bezugsquellen
stillen: 1. aus einem kleinen mit Algen besetzten Tümpel, 2. aus
einem kleinen Waldbach und 3- aus einer neben einem alten
Baumstämme im Boden befindlichen Vertiefung, welche klares,
frisches Wasser enthielt. Da aus diesen nicht unverdächtigen
Behältern vielfach getrunken wurde und nach 2—3 Wochen die
ersten Typhuserkrankungen aufgetreten sind, musste an eine In¬
fection hierselbst gedacht werden. Doch ist der zeitliche Abstand
dieser Infections-Gclegenheit von den in der Umgebung Haar-
schedels aufgetretenen Typhusfällen doch zu gross, um eine solche
Annahme zu berechtigen. Auch die noch zu erwähnende Ver¬
breitungsart des Typhus im Regiment spricht nicht für einen der¬
artigen Infectionsweg.
Das Trinkwasser am Gar ni son s-S ch ie ss pla tz wird
der sogenannten Moos-Quelle entnommen, einer offenen, in hölzernen
Halbrinnen laufenden Wald-Quelle und wurde natürlich viel benützt.
Da von Erkrankungsfällen in der Nähe nichts zur Kenntniss
gekommen ist, kounte von Infection an diesem Platze noch mehr
abgesehen werden, als von solcher am Gcfechts-Schiessplatze.
Endlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass während
der der Epidemie vorangehenden 2 Monate kein Urlaub aus der
Garnison ertheilt worden war, so dass eine Einschleppung
von weiterher nicht hatte stattfinden können; eine solche
musste aber in Erwägung genommen werden, denn es hat überall
in den letzten Jahren der Typhus sich von den Städten mehr
auf’s Land zurückgezogen ; dies zeigen die m den letzteren Jahren
viel häufigeren Einschleppungen aus Urlaub oder Manöver in
die Garnisonen als von da auf das Land, wie dies früher die
Regel war.
Der Kreis der Nachforschungen musste also enger gezogen
werden- es war nun geboten, der Beschaffenheit des Untergrundes
der Kaserne und deren Baulichkeiten das Augenmerk zuzu-
wenden, zu welchem Behufc eine Commission, bestehend aus dem
Corps- Yrzte dem Intendantur-Baurath, den Baubeamten und
\erztcn der Garnison mit dem Medicinalratl. der Krc.sregierung,
dem Bezirksamt, dem städtischen Baubeamten etc in Bcrathung
getreten ist. Es haben sich nun ganz bedeutende Mängel und
Schäden in dem alten, unglücklich angelegten Kanalsystem unter
der Nicolai-Kaserne ergeben; cs hatte sich die Beton-Auskleidung
an vielen .Stellen in weiter Ausdehnung abgelöst, so dass flüssiger
Kanalinhalt durchsickern konnte; an anderen Stellen war das
Mauerwerk selbst durchbrochen — anscheinend jüugcrcn Datums
- - und halte den Durchtritt grösserer Mengen Inhalts gestattet,
welcher das Erdreich in weitem Umfang jauchig imprägmrt hatte.
Dies war in besonders hohem Grade an einer Stelle des Haupt-
kanaies der Fall, welche der Einmündung eines Scitenkanales
gegenüber gelegen war. An einer anderen Stelle, nahe der
Kantine, hat sich ein enger Kanal, in welchen Bodenkehricht
gespült ward, verstopft gezeigt und rückwärts davon war flüssiger
Inhalt durch die undichte Kanalwand gesickert.
Durch den Nachweis dieser fatalen Missstände, d. h.^ der
hochgradigen Verunreinigung des Bodens, war auch die Wahr¬
scheinlichkeit nahe gerückt, dass Krankheitskeime liier angesiedelt,
sich verbreitet und die Epidemie erzeugt hätten. Dass cs sich
um Typhus handle, war klinisch festgestcllt. Es sind sofort die
entsprechenden Massnahmen angeordnet und cingcleitet worden:
Räumung der Kaserne, Ersatz der alten defecten Kanäle durch
solche solidester und zweckmässigster Constructiou, Einführung
des Trogsystems mit Spülung an Stelle der «..zweckmässigen
Aborte, Herstellung neuer Fussbödcn im Altbau. Gleichzeitig
Fortsetzung der bakteriologischen Untersuchung nach verschiedenen
Richtungen. Dieselben sind dem nunmehrigen Stabsarzte Dr. Ko 11»
(Nürnberg) übertragen und von ihm mit grösster Umsicht und
methodischer Schärfe durchgeführt worden ; sic waren in 2 /eit-
Abseliuittcn (7. mit 15- Juni und 3. mit 8- Juli) auf alle Ocr-
lichkcitcn und Objecte ausgedehnt, welche man als Träger dos
Typhus-Bacillus in Verdacht haben konnte: das städtische Leitungs¬
wasser und zwar an der Eintrittstelle in die Nicolai-Kaserne, so¬
wie an zahlreichen Auslaufstellen innerhalb der Kaserne, das
Wasser am Gefechts- und am Garnisonsschiessplatz, das Schmutz¬
wasser im Kasernhof, der Waschküche, der Marketendcre., den
Bodenstaub und Fehlbodcn einer grossen Anzahl von Compagnie-
Zimmern, aus denen Erkrankungen licrvorgcgangen sind; dann
den Bodenstaub im Stallhof, im äusseru und innern Kascrnkof etc.;
auch das Trink- und Nutzwasser auf der Veste Oberhaus, das
Ablaufwasser im äussern Hof und das Brunnenwasser im Ravelin
der Veste. Das sind im Ganzen 48 Proben gewesen.
In der 2. Periode war die Untersuchung auf die tieferen
Bodenschichten gerichtet: den Boden im äussern Kasernhof neben
dem Hauptkanal in einer Tiefe von 2 und 4 Metern, den Boden
zwischen Hauptkanal und Wasserleitung in 1 Meter Tiefe, en
Boden an der Stelle der Verunreinigung durch die Beratung es
Kanales in 1/2 Meter Tiefe, den Boden der Mannschafts-Wasch¬
küche 1/2 Meter über der Wasserleitung, den Bodenschmutz in
nächster Nähe eines Hydranten der militäreigenen Wasserleitung
und noch andere Bodenstellen und Schichten.
Dann wurden selbstverständlich die Nahrungsmittel auf An-
liaften oder Inhalt von Bacillen eingehendst untersucht: vor Allem
die Milch, welche aus Strasskirclien in die Kaserne, sowie die^
jenige, welche vom sogenannten Hundsbauer für die Mannsc a
und die Familien geliefert wurde; das Sauerkraut aus einem im
Krautkeller stehenden grossen Fass, die Kartoffeln, im e e
am Erdboden gelagert, die Conscrvcn , speciell Goulasch , wie 1 e
im April und Mai 1. J. an die Mannschaft abgegeben ward, i ie.
waren im Ganzen 30 Proben.
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21. Januar 1S9G-
— MONCTONMH MKDiemigo,» ; WOCHENSCHRIFT.
Alle diese Proben sind dem Verfahren unterzogen worden
welches Stabsarzt Pr. Lösen er 1 ) zur Feststellung der achten
Typhusbacillen angegeben hat, unter stetem Vergleich mit bereit
gehaltenen richtigen, und den aus der Milz des ersten, i» Folge
typhöser Perforativ-Peritonitis Verstorbenen gewonnenen Culturen
Von allen typhusähnliehen Culturen haben nur 3 die
vorgeschriebenen 12 Prüfungsarten, beziehungsweise Reaetioncn, be¬
standen, sich somit als «acht» erwiesen: diese 3 Proben waren
entnommen
a) dem Bodenschmutz im fiussern Kasernhof an der steinernen
Treppe, die zum inuern Kasernhof führt;
b) aus dem Bodenschmutz zwischen 2 grossen Pflastersteinen
im Waschhaus;
c) aus '/» Meter Tiefe des Bodens über der Vereinigungs¬
stelle des Hauptkanales mit dem östlichen Scitenkanaie
(Berstungsstellc).
So weit man also nach dem heutigen Stand der bakterio¬
logischen Forschung diese Bacillen die specifischeu Typhusorregor
neunen darf, berechtigen sic zur Feststellung, dass sie sich auf
und in dem Boden der Kaserne abgelagert und angesiedelt haben
und von da auf die Kasernbewohncr übertragen worden sind.
Wenn man nun nicht annehmen will und wohl auch nicht
darf dass diese Typhusbacillen seit den letzten Erkrankungsfallen
m dieser Kaserne, also seit 1890 ohne Lcbensausscrung im Boden
geruht haben und nun plötzlich zu erneuter pathogener Thätigkcit
laii
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mit bereit und zwar aus oinJr*' 1 '* , i0c ®! c J udcmic anerkennen
in Folge welcher der Tvphus «Uht*** ° ert Iichkcit > in
Culturen. dem gerade in in, ? » Ur . D,Cht er,08chen ' «on-
r 3 die wieder liorvorgetrotef “ ^ " gehäuft <- Zahl
Ionen, he- seine Umgebung. ' " ar ’ U " d d,es 18t Passan und
stciM " en
itersteinen mären durch Contoctb f , U " d ^ d,ese crstcren als d »e pri-
wclrbl T Contactiwfection entstandenen Fälle zu deuten seien
einigungs- fo^iZk^ Herd gebildet hatten für die nun
itonkanale dursten2“" =• - dcr **** »«« das durch
a e ersten Krkranknngsfülle inficirte Trinkwasser als die Quelle
bakterio- ^.^7 *** n * nAm zu ***"•
iuserreger gauge kam, ZI m» t 'T ******* «W*n Vor-
tfS ».alt n“"’"’"”" 6 t acr V “ b ™tangs» rt hat si „l, aus der Ge-
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^len, auf den ersten Anblick JUn,) U " d £**?**. S ' ch geneigt
die auf voran cp in. V.- b u,n emcr Explosion zu reden,
Aber das Auftreten InZe fillle zu ® taude gekommen wäre.
4- ^i mC hat «■ «-
“an doch nicht illn „1 * • ,rkrankun ««n in sich geschlossen, die
bezeichnen kann welchen"™!™ Infeotions (Einsehleppungs ) Fälle
Massenerkrankune die f 1 - nD Crst ^ u »i) d ' e secundärc
h» einer Trinkwasst lS^ 10 "’ JF*** wäro auf dcr Gruud '
gestattet sein, dass P i n ;„?°'u Es mag daher dic Vorstellung
krankungsfjjiie durch Einschi ° C '°" Auftretcn der crsten Er ‘
durch Verunreinjrunff Eln ® cb ^ppung von Typbusbactcrien auf dem
Vorgänge zu St^de 777 vorbereitete » Untergrund Keimung*-
" irkungen ihren Höhen^T^ WOrde ” sind ’ dcren anstei gende
* *b wiede/^wir" 7 5 : Juni Crreicht habcn ™ d von
Durc h Contact-Infection ®^ W ? rden ® ,nd > d - h- sich erschöpft haben,
"ohl erklärlich. Ein »Tl, Scdc ie Massen-Erkrankungen nicht
__ Antheil des Trinkwassers an der Ver-
) Archiv des Gesundheitsamtes, IX. Bd.
b r e i t u 11 g des Typhus in der Kaserne — dessen Einschleppung
durch Trinkwasser wurde bereits zurüekgewiesen — erschien
übrigens bei den gegebenen Untergrundsverhältnissen nicht so
direct abzulebncn. Die Rohre der Wasserleitung in der Nicolai-
Kaserne waren durchwegs 0,5—1,0 Meter unter den Sehwemm-
kanälen gelegen und somit an Stellen, wo sich diese durchlässig
oder gar durchbrochen erwiesen haben, ringsum eingebettet in das
von ausgetretenem Kanal - Inhalt jauchig imprägnirtc Erdreich.
Eine Verunreinigung des Trinkwassers in der Kaserne war also
durchaus nicht ferne gelegen, wurde jedoch von technischer Seite
als höchst unwahrscheinlich und kaum denkbar erachtet; denn
selbst wenn Undichtigkeiten der Wasserrohre oder mangelhafte
Verbindungen untereinander zu Stande gekommen wären, so wäre
der hohe Wasserdruck (6 Atmosphären) in den Rohren sicher im
Stande gewesen, das Eindringen der umgebenden Flüssigkeit ab¬
zuhalten. Ferner hätte die bacteriologische Untersuchung des
W assers unterhalb solcher Stellen doch gewiss Massen von Bac-
terien — abgesehen von den schwer nachzuweisenden Typhus-
Bacillen — aus dem fauligen Erdreich entdecken müssen. Dies
ist aber in keiner einzigen Probe der Fall gewesen! (Schluss folgt.)
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48
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Die Epilepsie und die epileptischen Geisteszustände
vor dem Strafgerichts*Forum.
Von Professor Dr. Kirn in Freiburg i. Br.
Die Kenntnis» der Epilepsie, des Morbus sacer, gehört zu
den frühesten inodieinischen Errungenschaften, l ud wie dieses
charakteristische Syiuptomenbild schon im grauen Alterthum die
Aufmerksamkeit der Aerzte auf sich lenkte und zu den ver¬
schiedenartigsten Deutungen führte, so haben auch die Epileptiker
schon seit urdenklicher Zeit eine Ausnahmestellung vor dem Gerichte
eingenommen. Die Geschichte der Medicin hat uns hierüber manche
werthvolle Belege übermittelt.
Die Epilepsie ist ein ungemein verbreitetes Leiden;
sollen doch im deutschen Reiche allein etwa 100-000 Epileptiker
ihr schweres Dasein fristen. Leider ist nun die überwiegende
Majorität derselben geistig nicht intact; die Meisten haben ent¬
weder eine chronische Aendernng ihres Geisteslebens erlitten oder
sind psychopathischen Anfällen unterworfen; nicht Wenige sind
beiden pathischen Zuständen zugleich ausgesetzt. Fand doch ein
neuerer gründlicher Kenner der Epilepsie, Rüssel Reynolds
in London, in seinem grossen Beobachtungsuiaterial nur 38 Proc.
frei von psychischen Störungen, andere Forscher noch weniger.
Wurde doch sogar schon die Behauptung aufgestellt, kein einziger
Fallsüchtiger sei vollkommen frei von elementaren geistigen Stör¬
ungen. Diese Annahme geht aber entschieden zu weit und muss
deshalb zurück gewiesen worden.
Andererseits ist es aber keineswegs immer leicht, die vor
handene Epilepsie nachzuweisen. Können doch die Krampfanfälle
nur sehr selten, oder unbeobachtet, namentlich nur nächtlicher Weile,
auftreten, oder gar durch kurze Anfälle von Schwindel oder geistiger
Absenz völlig ersetzt werden, welche leicht der Umgebung entgehen.
Bei der grossen Häufigkeit der Epilepsie und der durch sie
bedingten geistigen Abnormitäten darf es nicht Wunder nehmen,
dass gesetzwidrige Handlungen nicht selten von Fallsüchtigen be¬
gangen werden, und dass sie dann bei der mitunter recht schwierigen
richtigen Würdigung ihres Zustandes vor den Strafrichter gezogen und
verurthcilt werden. Alle grösseren Strafanstalten enthalten einen
gewissen Procentsatz halb- oder ganz-unzurechnungsfähiger Epi¬
leptiker, welche dort zu den schlimmsten Elementen gehören.
Die l’rage nach der Zurechnungsfähigkeit der Fallsüchtigen j
darf niemals allgemein gestellt werden, sondern bedarf der |
strengsten Individualist rung. Beobachten wir doch hier, j
wie kaum bei irgend welchen anderen psychisch abnormen Zuständen. 1
die allcrvcrschiedcnartigsten Abstufungen sowohl bezüglich der geistigen
Aendcrungen, als der geistigen Mängel. Bald handelt es sich um
dauernde und fortschreitende Abnahme der geistigen Kräfte, sowie
um Umwandlung des psychischen Lebens, bald um mehr («1er
minder rasch vorübergehende geistige Alienationen, welche den
Krampf- oder Schwindelanfällen folgen, ihnen vorausgehen , oder 1
endlich an Stelle derselben treten.
Bei diesen vor dem Forum der Justiz noch lange nicht genug
gewürdigten und doch so tief einschneidenden Verhältnissen, scheint
es geboten, die Aufmerksamkeit der ärztlichen Welt, viel mehr
als es bisher geschah, den epileptischen Zuständen zuzuwenden, :
um ungerechte Verurteilungen zu verhüten. Vor Allem muss
die Anforderung gestellt werden, dass jedes der Epilepsie ver¬
dächtige Individuum, welches wegen Ucbertretung der Gesetze vor
Gericht gestellt wird, auf das Strengste, bezüglich seines Vorlebens
und seines jetzigen geistigen Zustandes geprüft werde. In jedem
solchen Falle sollte genau erwogen werden, ob die vorliegende
Stratthat nicht auf einen krankhaften Untergrund zurUckzuführen sei.
Bu ™r i<--b auf die von Epileptikern begangenen gesetzes-
widngcn Handlungen näher eingehe, dürfte es wohl unerlässlich
sen in gedrängter Kürze einen Ucberbliek über die hier in Be¬
tracht kommenden abnormen geistigen Zustände zu geben, um an
diese die forens-psychiatrischen Betrachtungen anzuschliessen, resp.
sie aus denselben abzuleiten.
Die grosse Mannigfaltigkeit dieser krankhaften Störungen
macht eine Einteilung derselben erforderlich. Entschieden die
beste Ucbersicht gewinnen wir durch Unterscheidung folgender
vier Gruppen psychischer Anomalien:
1. Andauernde, allmählich fortschreitende Aendcrungen,
2. Rasch vorübergehend psychische Störungen,
3. Anfallsweise auftretende Symptomen-Complcxe.
4. Chronische epileptische Psychosen.
Entschieden am häufigsten beobachten wir bei Epileptikern an¬
dauernde und allmählich fortschreitende geistige
Aendcrungen. Sie sind auf eine progressive psychische
Degeneration zurückzuführen, die man am Besten unter den
Begriff des p sycli isch-epi 1 eptisch en Charakters zu¬
sammen fasst. Weitaus die Majorität der Fallsüchtigen verfällt
dein tragischen Geschicke, bald früher, bald später, bald langsamer,
bald rascher, geistig zu degencriren und zwar ebensowohl intellectucll
als moralisch. Die Intelligenz erleidet eine langsam fortschreitende
Einbusse ihrer Leistungsfähigkeit. Zunächst stellt sieh Vergess¬
lichkeit ein, die immer grösser wird und allmählich bis zum fast
völligen Schwinden des Erinnerungsvermögens fortschreiten kann,
der Art, dass die Eindrücke der jüngsten Vergangenheit alshnld
wieder aus dem Bewusstsein getilgt sind. Dann wird die Apper-
ception der äusseren Eindrücke mangelhaft, die Bildung von Be¬
griffen immer mehr erschwert, das Urteilsvermögen eingeschränkt,
so dass sich das Bild grosser geistiger Verarmung einstellt. Bei
längerem Leben können in der Folge alle Stufen des Schwachsinns
bis zum vollendeten Blödsinn durchschritten werden.
Gleichzeitig können allmählich die Sittliehkeitsgcfühlc er¬
blassen und später schwinden. Es stellt sich ein grosser Egoismus
ein, indem alle Interessen für die Mitwelt zurücktreten und aus¬
schliesslich die eigenen Angelegenheiten in das (Yntrum des Be¬
wusstseins treten. Dabei verliert die Stimmung ihr gesundes
Gleichgewicht, sie schwankt vielmehr grundlos zwischen Exaltation
und Depression. Doch überwiegt die üble Laune mit Verdriesslich-
keit, Misanthropie, Misstrauen und Kälte gegen die Umgebung,
mit Neid und Streitsucht.
Nicht selten kennzeichnet . sich die epileptische Demenz
durch eine eigentümliche Verschmelzung von Schwachsinn mit
A ergesslichkeit und mangelhafter Pcrception mit Krankheitsgefühl,
sowie Hoffnung auf Genesung, weiter durch eine Verbindung von
religiösem Formalismus mit Misstrauen und Jähzorn.
Entwickelt sich der psychisch-epileptische Charakter erst beim
Erwachsenen, so stehen die Erscheinungen des geistigen
Schwachsinns in der Regel im Vordergründe; hat er sich
dagegen bereits in der Pubertätszeit ausgebildet, so tritt die
moralisehe E ii ta rtung zumeist mehr hervor mit ungeselligem,
liebeleeren und streitsüchtigem Gebühren, bis zum gewaltthätigen
A ergehen, während die Intelligenz keine gröberen Defecte aufzu¬
weisen scheint.
Fast in allen Fällen stellt sich in der Folge eine hoch¬
gradige Ge m ii t li s r e i z b a r k e i t ein, eine ungemeine Neigung
zum Aff cot des Zornes (Iraeundia morbosa). Die Kranken verlieren
lieim geringsten Widerspruch, ja schon beim Versage nilirer Wünsche,
alsbald das geistige Gleichgewicht und gerathon in die heftigsten
Aufwallungen, die bis zu unbeherrschbaren Wnthanfüllen anwachsen
können.
liier muss nun auf die auffällige Thatsache hingewiesen
werden, dass sich diese Reizbarkeit nicht gerade selten auf das
Schroffste von dem übrigen Gebühren der Fallsüchtigen ablieht.
Nicht wenige dieser Kranken sind zumeist furchtsam und schüchtern,
gehorsam wie Sklaven, selbst einschmeichelnd und wohldienend.
\ 0,1 zu Heit- aber werden sie plötzlich von Missmuth befallen,
gereizt, heftig, und dann zu gewaltthätigem Vorgehen geneigt.
Mit Recht sehen deshalb manche Autoren gerade in dem extremen
Wechsel der Stimmung und der Gemüthsvcrfassung einen
charakteristischen Zug der psychisch-epileptischen Entartung. Bald
sind die Kranken ruhig und zufrieden, hoffnungsvoll ihre baldige Ge¬
nesung erwartend, oder innerlich beglückt, weil von religiösen Gefühlen
gehoben, bald dagegen verdriesslich, schmerzlich verstimmt und
entmuthigt. ln gleicher Weise schwankt die Höhe ihres geistigen
Niveaus. Heute sind sic gedächtnisschwach, schwer von Begriff
und verworren, um morgen ein activcs Geistesleben zu zeigen mit
frischer Erinnerung und lebhaftem Gedankengange; heute träg
und völlig arbeitsunfähig, morgen zur Arbeit angeregt und leistungs-
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21. Januar 1890.
fällig. Zweifelsohne zeigt sieh auch in diesen gemütlichen und
intellectuellen Schwankungen eine allgemeine Gesetzmässigkeit
welche in der Pcriodici tü t aller Erscheinungen bei den Epileptikern
ihren Ansdruck findet. Dieses Alterniren trügt nicht wenig dazu
bei, die Beurteilung des Thuns und Lassens dieser Kranken ganz
erheblich zu erschweren.
Krfahrungsgeniüss werden die in der geschilderten Weise geistig
entarteten Fallsüchtigen ans sehr verschiedenen Ursachen
vor das gerichtliche Forum gezogen. Die den unteren Stünden un¬
gehörigen, in ihrer Erziehung vernachlässigten Individuen werden,
weil sic keine Arbeit finden, zunächst Landstreicher und später
Gewohnheitsdiebe, ohne dass sie sich in Folge ihrer Vcrstandcs-
schwächc vollkommen klar über die rechtliche Bedeutung des
Diebstahls wären. Andere sonst noch verständige Kranke geben,
in Folge ihrer Gedächtnisschwäche, ohne es zu wollen, falsches
Zenguiss und werden wegen Meineids vor die Schranken des Ge¬
richtes gestellt.
Die krankhaft gesteigerte Gemüthsrcizbarkeit. führt leicht
zu hochgradigen Affectcn, welche zu impulsiven Entünsserungen
fuhren. Fehlt doch die sittliche Widerstandsfähigkeit und damit
die Möglichkeit, solche Aufwallungen zu beherrschen und zu
bewältigen. .Solche Entüusserungen können sich als Majestäts-
Beleidigungen darstellen, als Schmähungen, Verläumdungen Ehren-
krä,düngen und Bedrohungen, oder als Körperverletzungen bis zum !
Tcdsehla.ge. Ein aufgeregter Epileptiker ist ein höchst gefähr-
hcher, zu jeder Gewalttat fähiger Mensch. !
Schwachsinnige Fallsüchtige mit Abnahme der sittlichen I
befühle und Steigerung des Geschlechtstriebes, machen sieh oft
sexueller Vergehen und Verbrechen, wie der Nothzucht und U»
Zucht, der Paederastie und Sodomie schuldig.
Bei vielen Epileptikern treten rasch vorübergehende
elementare psychische und sensorielle Störungen
unmittelbar vor und nach den Krampfanfällen auf. Die den
Anfälen vorausgehenden Erscheinungen, welche sich oft in
EnS T T r0 \ j<Hl0,n ne,,e " Al ‘ fal| e wiederholen, werden
S ^ ei f hnet ' We,che nahen Ansbruch
erkühn. ]„*nd dies schreckhafte Sinnestäuschungen, namentlich
>' 1 1 Gesichts und Gehörs, selten in dem des Gefühls,
^ r ’ . raH f bartigC Verwirr «"g "" d Umnebelung,
uiw d! Sif geistige Verstimmung oder hochgradige Steiger¬
nd Veratin serrc g |,ark eit. In dieser momentanen Verwirrung
a t , kön r dic Krank “ 11 Ptotelieh ihren Dienst vor
Fön fl d . KiLSCrne flu ‘ llcn u,,d wonlen i» der Folge wegen
D™ 'j 1 ' " ,ul I Desertion« vor das Kriegsgericht gestellt.
« f0 , lge,,dcn
I nfähiekeif... n f ° ' cr " orr enhcit, geistige Ermattung mit
Stnjior Bald "k ' en , u “ d WaHrnehmen, oder als ausgesprochener
«Z KcmüthS: V'° S t hmm,iche bald hoch.
Handlungen aus*„l« Keizbarkeit > welchc wieder verbrecherische
wwisser KrreguncsziKt 1 1°™° n Iü andcren Füi!o " kann ein
Boi nnncb/ v 'f zu k, eptoinanischen Antrieben führen,
in welchen zwcdL^"^? . boobachteu wir kurze Absenzen,
vollzogen werden mit^f T Hand| i"»gon rein automatisch
Handlungen Z^- ***?** Amncsie - 8illd oft solche
H^odreiSteÄ 1’ n kÖnHCn Sie doch aucl > «»ter
d '«er Zustände ist f' CI JJ ehen Cha ™kter zeigen. Die Kcnntniss
die Dauer solcher 17 ^ b Von .^ osscr Wichtigkeit. Da aber
an Stelle von Schwindetonf II nnr . einc ,sebr kurze ist > sie oft 11 »r
mcis t sehr schwdS/ ? 11C, ‘ eintrCte,, '. S0 ist ihrc ^ststellung
Häufig typische YfiJL i i! D ' agllose WIrd erleichtert durch die
wie im Traume
Hemd gegenüber stelion ° T • sonstlgen _ Persönlichkeit vollkommen
taigkeit. ’ S0WIe durtdl die vollkommene Erinnerungs-
MÜNCHENER MKPIcm t SOHE WOCHENSCHRIFT.
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S1ÖrutrSSSEf a usitorisehen Anfälle psychischer
* crdl 'H, denn sie t-, lnÜ8s f n besonders eingehend besprochen
^“•en Wichtigkeit V ° r dem Berichts-Forum von der aller-
ollDc Zeugen vcrliefen lü.-’i.^!^” aber ’ wcnn sio flüchtig und
Da die V'■ ° n ’ l0icht verka unt.
‘rreseins au f 1 r d ° r ^ lx ‘ 0bachtetel1 Al,fal| e
No. 3 ^ e Pt'scher Grundlage beruht,
transitorischen
hat man stets
wild <] 'Z° SCi " | Aug< ; ,l . ,l ' ork zu flehten. Der Nachweis derselben
•] , ",". r dann le,t, ‘t gelingen, wenn den psychischen Anfällen
epdeptische Krämpfe unmittelbar vorausgegangoi, oder gefolgt s nd
SXt uTT u MS “ iU Anzahl,^ Ci
d'iireexui L d “! J arox,smus unterbrochen haben. Sind
dagegen die Krampf- oder Schwindclanfälle seit Jahren oder nr
^ dic Diebischen AnfSI
d e rieht .i wnr l‘ S ' a T T I,8yt ' bil ' a) »’b'^'ieh auf, dann kann
Unt, M r d,gU " g dc T e,bcn gr ° SS ° Schwierigkeiten bereiten.
Wir U “ Wr A "«~k zunächst
währen Ir T 7 T 0 " 0 ," Viehisch-epileptischen Charakter
diü er n iT f ™‘ ,tw V aWai “ «*»« genaue Anamnese
Anfälle aiifgetreten"seien. "" ^tische
Fullstn l7r T a,U '!‘ liU,!rt “ daSS Micl,t gerade selten bei
Ifn tT' k r /C I A,,tall, ‘ von Geistesstörung auftreten, so ist
kru. richtige M ürdigung doch erst neueren Datums, ja seihst
heute noch gehen die Meinungen über dieselben in wissenschaft¬
lichen Kreisen auseinander. Zur bestimmten Diagnose scheinen
nun zwo. Gesichtspunkte maassgebend zu sein. Erstens müssen
| beobachteten Anfälle einem bestimmten, jetzt festgestellten,
| klinischen J ypus entsprechen, zweitens müssen sie sich auf
, dem Boden einer epileptischen Neurose entwickelt
Haben. .Nicht jede irgendwie gestaltete, hei einem Fallsüchtigen
| aufgetretene I sychose kann ohne Weiteres als eine epileptische
, Geistesstörung angesproehen werden, vielmehr muss sie in den
I Kähmen der bekannten klinische» Bilder passen. Andererseits
müssen wir aber auch zu beweisen suchen, dass die Befallenen
wirklich Epileptiker seien. Dieser Beweis wird aber nicht immer
leicht gelingen, da ja Anfälle unschwer übersehen werden können
namentlich Krampfanfälle, die nur nächtlicher Weile auftrete»’
oder Schwindelzustände und Absenzen, die nicht in Gegenwart
geübter Beobachter abgelaufen sind.
Die transitorischen psychischen Anfälle der Epileptiker können
ihrem zeitlichen Auftreten nach unterschieden werden in
postcpilepti sehe, welche den motorischen Anfällen nacli-
rolgen, in auticpileptschc, welche ihnen vorausgehen und in
Äquivalente, welche an Stelle derselben auftreten, diese also
gewissermassen ersetzen. Dic Erstcrcn werden erfahrungsgemüss
am häufigsten, die Letzteren wohl am seltensten beobachtet.
In klinischer Hinsicht stellen die transitorischen epilep¬
tischen Psychosen kein einheitliches Krankheitsbild dar, zeigen viel¬
mehr verschiedenartige Variationen. Alle bieten aber — trotz
ihrer \ erschiedcnheitcn — gewisse gemeinsame Charakterzüge,
welche sic von anderen Psychosen unterscheiden: Stets bestellt
eine mehr oder minder tiefe Trübung des Bewusstseins, eine Neigung
zu impulsiven Acten, sowie ein mehr oder minder grosser Dcfoet
der Erinnerung nach Ablauf des Anfalls, partielle oder totale
Amnesie.
Dic häufigsten klinischen Bilder sind der Stupor und das
acute hallucinatori sehe Delirium; weit seltener der
protrahirte Dämmerzustand und der protrahirte manische Furor.
Diese verschieden gestalteten Störungen beweisen aber durch Uebcr-
gangsfällc aller Art ihre innige Zusammengehörigkeit. Von diesen
Formen scheint sich der Stupor nur nach Krampfanfällen ein-
zustellen, während die anderen Formen ebensowohl vor als nach
den Anfällen, sowie als freie Aequivalcntc auftreten können.
Der Stupor zeigt in Kürze folgcude charakteristische Er¬
scheinungen. Derselbe schliesst sich unmittelbar an einen oder
mehrere Krampfanfälle an und dauert wenige Stunden bis einige
Tage. Es besteht ein mehr oder weniger tiefer Dämmerzustand.
Der Kranke liegt längere Zeit regungslos und schweigsam umher
und rcagirt nicht auf Anfragen (vollkommener Mutaeismus) oder
er schwatzt leise und sinnlos vor sich hin, macht automatische
Bewegungen und verhält sich abweh rend gegen jede äussere
Berührung. Ganz plötzlich kann er alsdann gegen seine Um¬
gebung in activcr, aber blinder, Gewalttätigkeit vorgehen. Offen¬
bar befindet er sich in einem dem Traume ähnlichen Zustand von
Halbbewusstscin, in welchem er durch einen inneren, unwider¬
stehlichen Drang gegen seinen Willen zum gewalttätigen Vor¬
gehen angetrieben wird. Nach Ablauf des Stupor fühlt sieh der
Kranke unwohl, ermattet und sehlafstielitig. Er weiss, dass etwas
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Besonderes mit ihm vorgegangcn ist, allein die klare Erinnerung
an seine Aeusserungon und Handlungen fehlt. während in der
Regel einzelne Vorgänge bruchstückweise im Gedächtnis* erhalten
bleiben.
Die hier in Betracht kommenden impulsiven Acte sind
Beschimpfungen, brutale Oewaltthätigkeiten bis zum Mord. Dieb¬
stähle, 1 ’nzucht- Vergehen.
Als dem Stupor nahe verwandt- kann der Dämmer*
zust a n d in i t A n gs t i Falret’s petit mal intellectuel ) aufgefasst
werden. Bei diesem bestellt schmerzliehe Depression auf diimmer-
hafter Bcwusstseiusstufe, tiefes geistiges Wehe mit Verwirrung
der (iedanken, das sieh von der l’rüeordialangst des Melaneho-
lolischen durch schwerere Störung des Bewusstseins, sowie durch die
mangelhafte oder gänzlich fehlende Erinnerung unterscheidet.
Leicht können auch hier auf <irund der Angst und feind¬
lichen Verkennung der Umgebung impulsive Handlungen zum
Ausbruch kommen, bald Selbstmord-Attentate, bald schreckliche
Ciewaltthaten, Brandstiftungen u. dgl. m. , welche in der rück¬
sichtslosesten Weise ausgeführt werden.
Die zweite llauptform der transitorischen Psychosen der
Epileptiker bildet jener Zustand, den wir am besten als acutes
ä n g s 1 1 i c h es oder raiso n ni r e n d e s Delir i u m m i t
hall ueinat ori sehe r Erregung bezeichnen. (Kalret's grand
mal intellectuel..) Es besteht tiefe Störung, aber nicht völlige Auf¬
hebung des Bewusstseins, so dass — und dies ist charakteristisch —
die Fähigkeit noch besteht, zweckmässige Handlungen vorzunehmen.
Der Anfall wird durch ein kurzes Prodromalstadium ein¬
geleitet mit Kopfschmerzen, (’ongestiverscheinungen, leichten con¬
vulsiva» Zuckungen, reizbarer Stimmung. Plötzlich stellt sich
alsdann die intensivste angstvolle Erregung ein mit schreck¬
haften Ilallucinationen aller Art, namentlich entsetzlichen Visionen
von wilden Thieren , von Teufeln und Mördern, von Feuer und
Schaffet, Hören von Jammern und Stöhnen, von Kanonenschüssen
und Donnergeroll, peinlichen Sensationen in den verschiedensten
Körpertheilcu, abscheulichen Geruchs- und < leschmacks-Empfind¬
ungen etc. In anderen Fällen zeigt das Delirium einen religiösen
Inhalt mit Faseln von Hott, Himmel und Hölle.
Alsbald kommt es nun als Reuet ion gegen diesen furchtbaren
Inhalt des Bewusstseins, zu einer verzweifelten (Jegenwehr gegen
die vermeintlichen Angriffe und damit zu Aufregungszuständen,
welche bis zu wuthähnliehen Ausbrüchen ansteigen können.
Der Kranke stürzt sich dann mit blindem Ungestüm auf seine
Umgebung, schlägt, tritt, heisst, zerstört, was ihm unter die
Hände kommt unter lautem Schreien und Toben. Dazwischen
kann er auch den eigenen Kopf mit blinder Wutli gegen die
Wände stossen und sich selbst schädigen. Diese ungestümen
Handlungen scheinen trotz der grossen Verworrenheit mit einer
gewissen Planmässigkeit vollzogen zu werden, ohne dass ihnen dies
natürlich ihren krankhaften Charakter nimmt.
Neben andauernden Kopf•('ungestümen besteht in der Regel
Nahrungsverweigerung.
Die Anfälle pflegen, wie sie plötzlich eingesetzt haben, auch
rasch abzubrechen und werden zumeist gefolgt von Stupor und
mehrstündigem Schlaf, aus welchem Patient wieder psychisch frei
erwacht. Jetzt ist die Erinnerung an die Erlebnisse des Anfalls
in der Regel grossentheils entschwunden, immerhin haften nicht
selten noch abgeblasste Rudera der Delirien im (Jedächtniss. Zu¬
weilen aber — und Dies ist forens sehr bemerkenswert!» — kann
unmittelbar nach dem Anfalle die Erinnerung an die in demselben
vollzogenen Acte vorhanden sein und dieselben der Umgebung zu¬
gestanden werden, nach Ablauf des dem Anfall folgenden Stupor
ist aber Alles vergessen, es bestellt nunmehr gänzliche Amnesie.
Die geschilderten Anfälle können sich — und Dies ist-
diagnostisch wohl zu verwerthen — bei dem gleichen Individuum
von Zeit zu Zeit wiederholen. Hier gilt es nun, wenn auch
nicht ausnahmslos, als Regel, dass die folgenden den früheren
Anfällen gleichen und zwar nicht nur in ihrem (Jesammtbilde,
sondern auch in ihren einzelnen Zügen, der Art, dass nicht selten
in jedem neuen Anfalle die gleichen Vorstellungen und Handlungen
reproducirt werden.
Die Dauer des Anfalles beträgt selten nur wenige Stunden
(solche kurze Anfälle pflegen sieh rasch zu wiederholen), zumeist
NoJJ.
2—3 Tage; sie kann sich aber auch ausnahmsweise bis auf
2 Wochen ausdehnen.
Wenn sieh solche Anfälle im freien Leben abspiclcu,
können in ihnen die schrecklichsten <Jewaltacte begangen werde«.
Raid handelt es sieh um Selbstmordversuche, die nicht von gericht¬
licher Bedeutung sind, bald um Körperverletzungen oft schauerlicher
Art bis zum Todschlag, oder um brutale Nothzuehtsversuehe. um
Sachbeschädigungen, Brandstiftungen u. dgl. m.
Es liegt entschieden etwas ('harakteristisches in der Art
und Weise, in welcher diese (Jewaltacte vollzogen werden. Sie erfolgen
plötzlich, werden mit blindem Ungestüm und äusserster Heftigkeit
vollführt, ganz gleichgültig, ob sie sich gegen die eigene Person,
gegen .Mitmenschen, oder gegen Gegenstände richten. Immer ist
es von grosser gerichtlicher Wichtigkeit, dass jede Rücksichtnahme
auf etwa zur Stelle beiiudliche Zeugen fehlt.
Mit der Schilderung der beiden Haupt typen der an fallsweise
auftret enden psychischen Störungen der Epileptiker, des Stupor
und des acuten Deliriums ist aber keineswegs die Casuistik derselben
erschöpft, vielmehr kommen, wenn auch weit seltener, noch folgende
Formen zur Beobachtung: Zuerst begegnen wir protrahirten
Dämmerzuständen von Wochen bis Monate langer Dauer uiit
tiefer Störung des Bewusstseins, ängstlichen Sinnestäuschungen,
grosser Reizbarkeit mit Neigung zu (Jewalttbaten, dio sich nur
sehr allmählich lösen und später von Amnesie gefolgt sind. In
zweiter Linie lieobaehten wir manische, wuthähnliehe
E r re g u n g szustä n d e vMania gravist, die nicht nur Monate,
sondern selbst Jahre andauern können. Auch hier bestehen zahl¬
reiche und mannigfaltige Ilallueiiiationcn , sowie hochgradige
(Jereiztheit mit Neigung zu grausamen und zerstörenden Hand¬
lungen. In anderen Fällen wieder üiissern sich die Paroxismeu
als Erregungszustände mit umflortem Bewusstsein, ängstlichen und
religiösen Delirien, Reizbarkeit und kindischer Schwäche, welche
allmählich bis zum chronischen Zustand unheilbaren Blödsinns fort-
schreiton können. Au feine nähere Schilderung aller dieser Zustände
können wir hier verzichten, da die charakteristischen Erscheinungen
in Folge des chronischen Verlaufes so sehr hervortreten, dass sie
nicht leicht verkannt werden dürften. Sie beanspruchen deshalb
kein besonderes förenses Interesse.
Habe ich mich bisher bemüht, in allgemeinen Umrissen die
mannigfaltigen Bilder zu zeichnen, unter welchen sieh die geistigen
Störungen der Epileptiker darstellen und im Allgemeinen die Auf¬
merksamkeit auf diejenigen verbrechen scheu Handlungen gelenkt,
welche die Kranken vor das (Jeriehtsforum bringen können, so
will ich mich nunmehr der direct e n f o r e n s e u B e u r t-h eil un g
jener angeklagten Individuen zu wenden, welche an Fallsucht
leiden, oder im Verdacht dieser Erkrankung stehen.
Die wichtigste Frage, welche hier zunächst an den Begut¬
achter herantritt, ist eine pri neipielle: .Ist jeder einer
verbrecherischen Tliat überführte Fallsüchtige als
g e i s t i g u n f r e i z u b e t r a e 1» t e n V ■>- (1 ibt also die Epilepsie
einen Freibrief für das criminelle Handeln V Einige niediciniselic
Autoritäten haben sich, unter dem Einflüsse der intelleetuellen und
moralischen Schwächezustände, welche man bei der Majorität- der
Epileptiker erfalirungsgemäss beobachtet, in positivem Sinne dahin
ausgesprochen, -dass eine nachgewicsene chronische Fallsucht jeden
Angeklagten unzurechnungsfähig mache s. Denn ein ungetrübtes
Urtlieil, sowie eine freie Wahl sei durch die bestehende psychische
Degeneration ausgeschlossen. Die moderne gerichtliche Psycho¬
pathologie dagegen, welche ihre Beobachtungen nicht allein aus
den Irrenanstalten entnimmt, in welchen sieh allerdings nur schwer
geistig geschädigte Epileptiker befinden, sondern auch aus der frei
lebenden Bevölkerung, kann diesem allzu weit gehenden Axiom
unmöglich beistiinmon. Abgesehen davon, dass sich die strafende
Justiz niemals auf eine derartige Verallgemeinerung einlasseti würde,
sagt uns nicht nur die Geschichte, dass eine grössere Zahl unserer
geistigen Heroen (unterAnderen angeblich Cäsar,Mahonied, Napoleon I.)
epileptisch gewesen sein soll, sondern auch jeder eine grössere
Praxis betreibende Arzt kennt den einen oder anderen Fallsüch¬
tigen , welcher tadellos die Pflichten seines Berufes erfüllt, und
zwar nicht allein im Kreise der Handarbeiter, sondern auch i»
hervorragenden Stellungen, welche die ganze menschliche Geistes¬
kraft vollauf in Anspruch nehmen. Es kann deshalb die folgen-
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21. Januar 1896.
schwere Entscheidung, ob ein eines Dclictes beschuldigter Epilep-
tifcer rcclitlieli verantwortlich sei oder nicht, nicht im Allgemeinen
sondern nur von Fall zu Fall getroffen werden.
Treten wir deshalb an den conerctcn Fall heran, so werden
jeweils zunächst drei Fragen zu beantworten sein: Erstens ob
der Angeklagte überhaupt an Epilepsie leide; zweitens ob
derselbe der chronisch-epileptischen Degeneration oder
acuten Anfüllen geistiger Störung unterworfen sei
endlich drittens oh die in Frage kommenden Strafthaten als
Folgen dieser krankhaften Zustande aufzufassen
seien.
Für die Diagnose der Epilepsie sind zunächst die be¬
kannten ätiologischen Momente heranzuziehen, ln erster Linie
kommt hier der Nachweis der erblichen Belastung in Betracht
in zweiter — erlittene Kopfverletzungen oder Gen.üthsaffecto,
weiter Trunksucht u. a. in. .Sodann ist zu ergründen, ob epi¬
leptische oder epileptoide Insulte früher beobachtet wurden, C'onvul-
rionen in der Kindheit, Anfälle von nächtlichem Aufschrecken
von Somnambulismus, zeitweiliges nächtliches Bettnässen oder Fallen i
aus dem Bette, wahrgenommene Verletzungen oder Narben * der I
Zunge, Ecc-hyuiosen der Selcra u. a. m. Die Simulation von
Krampfanfällen muss mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden
lucnecturk'hc Pupillenstarre im Anfall.)
Znu. Behufe der Beantwortung der zweiten Frage muss zu¬
nächst der habituelle Geisteszustand des Angeklagten
einer genauen Prüfung unterworfen werden, insbesondere ist fest-
zustellen, ob derselbe die Erscheinungen des psychisch-epileptischen
(liaraktors, wie tiedüchtniss- und Vcrstandcssehwäehe, sittliche
Depmvatmn, gesteigerte gemüthliche Reizbarkeit aufweist.
Alsdann ist eine eingehende Anamnese darüber zu erheben,
* röh r Allf «»° von Geistesstörung transito-
n^H'r Art aufgetreten seien, welebc Erscheinungen dieselben
0b S,C n 8K - h »» Krampf- oder Vertigo-Anfälle oder an
l^vn angegossen, oder dense'ben vorausgegangen, oder „nah-
““^rcten seien, endlich ob solche früher
Stder^n 'i " ‘ heinuu ^ dd «'«1 Verlauf das typische
T? dCT ' railS " ürischc " Stö ™»«°» der Epileptiker gezeigt haben
zutre,en Unn of r r*" "V“ di ° «ler Frage heraui
a | s F| «ie vorliegenden in erim i n irten Thaten
Ä.“ 1 er C8t r tC,lten ’ durch di« Fallsucht
seien.' P 3 > eh i sehen .Störungen zu betrachten
bcdrohten^lf K!l J| W ' r dC " n 8nmt zu untCTS «ehcn, ob die mit Strafe
Zdt ?
i .um. euer Anfällen begangen worden seien.
dic Zeiten in Betracht, » m „ s
MCNCHENj lt MEDICINISCHK W OOHEN^Hnrnn,
51
die Kniseheidiin,. ‘.r , , / ' 0ltc " In Betracht, so muss
dir früher geschihlerti^n ob u " d wie weit
entwickelt sei Rio 'i’* ° ,8cb * c P*leptisc:hcDegcncratioii
bildung derselben^kann'^U < ^“« der wdt fortgeschrittene Aus-
111 beurthcilenden Krank Cl " d,e Entscheidunggebe», ob beiden
wenigstens beschränkt sei" Di' 0 T f C * StlffC 1 ' rci,K ‘ it aufgehoben oder
■bro Aufmerksamkeit n r v Untersuchung hat hier namentlich
fühigkeit, auf sittlichen' S, f b “ ahme dcr geistigen Lcistungs-
“"»WicbcKeizbarkcffzu richtet’ J "" auf Sporte ge-
"ü'eraiitwortlich do^tW^”\ CntC - *' |,do P tikcr s,n «l selbstverständlich
während die an' hndf 7” "V ,olim f* ra<,c moralisch degenerirte,
Affekthandlungen i„ S ’r", ^7°" de ? Zür " es Wenden bei
geschrittene Gedächtnis«. .1 “" frci 801,1 werden. Weit fort-
«•'gnung Von fremdem" Fi *77 ka " n ,eic,,t zur «»bewussten An-
falscheoi Eide führen ' gC “ thu “‘ ’ zu scheinbarem Betrüge, zu
* ‘Kn Angeklagten ’d<S ? an ?® n * cn » dcn °» jeder Dolus fehlt,
kr,nilcn - ^ttiichkefedei?c?w b ; iCht , W ° hl zur Last gelegt, werden
* J rüekzufül, ren nein d F irT de " ‘ auf u,ülali «-he n Schwachsinn
**** trübten Verbal f ■ ■ 1 ,St bc ‘ de " von Kpileptikern nicht
»ainei.tl.-M. v.. uai *njunen, sowie ivwnUtl.m_
" Ka verübten Verbal T. • ■ von Epileptikern nicht
»ameutlich Kö n KTverle t J,!r n ’ T? g0WalttI,iit, >'' Handlungen,
dureI ‘»u« , kra n kba ft "r , - J nnd ,hrcn Fyl g° n - ”> der Regel eine
Bei der Beul, ,do «» cl » aftIiohkeit nachweisbar.
6tf Häufigkeit* 01 ) 11 !^f 7"T W,r WeitCr zu "'^digen die
1 “"fo Ädct !!l Cr n USUlte ' weü diese das psychische
Ko. 3 . ’ terner -die Qualität der Anfälle, da nach
Angabe namhafter Autoren die Anfälle mm \i . , , r
”? r ■*■*» ä*
zu def Autun™ t Hnudluwu
gezogen werden sollten, so fordert doch diese Annälmrum "."
| des ThäJs aüf P J ’ rüf “«g do * geistigen Zustandes
' epilepti du . kurz vor und nach den
Diese kurzen Erörterungen führen zu dem Ergehniss dass
ielehc‘l - ll7i! ° 7 ad,t "" g dw verbrecherischen Handlungen',
khe Fallsüchtige m ihren anfallsfreien Zeiten begangen haben
SClt . eU .. auf grosse Schwierigkeiten stösst. Sic erfordert wenn’
Ti isG.e'T ’ T Ke *" U " iss dos Vorlebens, sowie eine
kritische, längere Zeit fortgesetzte Prüfung des gegenwärtigen Zu
«üLtu "r l,,n ,k ' r
In allen weit vorgeschrittenen Fällen dürfte wohl das Gut-
keit in Fl A " s f ,,Iioss '»'g der freien Willensthätig-
kut in 1 olge krankhafter psychischer Zustände >, lauten. In einer
Ruhe anderer Falle, in welchen die geistige Schwäche nur eine
-vMge ist, ,st die geistige Freiheit zwar nicht aufgehoben, wohl
S" vermindert; es besteht also der von unserer heutigen deutschen
Stiafgesetzgehung nicht anerkannte Zustand verminderter Zu-
rechiiungsfahigkeit dem der Richter durel, .Annahme mildernder
L imstande . möglichst gerecht zu werden sucht,
„ „ kü,n,no " »»»«'Ohr zur forensen Beurtheilnng der von
fallsüchtigen während transitorischer Anfälle psychischer
Morung begangenen verbrecherischen Handlungen, wobei wir dic
psychischen Äquivalente gemeinsam mit den imst- und anti-
epileptisehen Anfällen besprechen werden. Darüber dürfte wohl
kaum eine abweichende Meinung bestehen, dass alle diese Thaten
ausnahmslos in völlig unfreiem geistigen Zustande
begangen werden. Dagegen ist der Beweis nicht immer
leicht zu führen, dass die fraglichen Handlungen in einem der¬
artigen Anfalle begangen worden seien. Sind kurz vor, während
oder kurz nach dem Verbrechen fallsüchtige Anfälle beobachtet
worden, so fördern diese natürlich in sehr willkommener Weise
die richtige Beurtheilnng. Sind aber Krampfanfälle ohne Zeugen
oder nächtlicher Weile verlaufen, oder die nur allein aufgetretenen
Absenzen oder Schwindel-Anfälle unbeobachtet geblieben, dann fehlt
ein hochwichtiges Kriterium. Auf die gleichen Schwierigkeiten
stösst die richtige Würdigung der reinen psychische« Äquivalente.
Liegt, eine Anamnese vor, welche über frühere analoge Anfälle
oder über den bestehenden psychisch-epileptischen Charakter Auf¬
klärung bringen kann, so werden wir hiedurch Klarheit gewinnen •
wenn aber, wie in vielen Fällen, eine solche fehlt, dann sind wir
allem auf Inhalt und Verlauf der Anfälle angewiesen.
Im Falle die verbrecherischen Handlungen vor Zeugen aus-
geführt wurden, dann werden sie liir jeden nicht voreingenommenen
Beobachter sehr auffällig erscheinen, sowohl durch den Mangel aller
Motive, als auch durch ihre unwillkürliche, rein automatische
Ausführung. Ist ein Zustand von Stupor der motorischen Fmt-
ladung vorausgegangen, so wird dieser das Verständniss wesentlich
erleichtern. Bei vielen Kranken ist aber das Bewusstsein nur
getrübt, nicht aufgehoben; sie befinden sich in einem dem Som¬
nambulismus ähnlichen Traumzustaudc; ihre Handlungen können
dann als scheinbar willkürliche imponiren.
Eine weitere Quelle, des Irrthums kann darin liegen, dass
der Kranke, nach irgend einem Gewaltact zu sich gekommen, eine
Weile vernünftig spricht und handelt, alsdann entweder von Neuem
von Stupor befallen oder von einem Anfall von Vertigo oder Absenz
ergriffen wird, nach welchem er sich absolut nicht mehr an sein
früheres Reden und Handeln zu erinnern vermag. Hat. er sich
nun unmittelbar nach vollbrachter Tliat mit Bewusstsein über
Bei der Bcurthcihm^^acnschaf^tüchkeit nachweisbar.
UU: ÄtisSli!:; “ ^i* 0 » die l dieselbe geäussert, so wird diese Aeusscrung vom Richter als
Uct| r gefährde» - t - ‘ . weil diese das psychische I Eingeständnis» betrachtet werden, während dic später verloren
gegangene Erinnerung mit Iuabredestelleu des Thatbestaudes als
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MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHENSC HRIFT.-
No. 3
absichtliches Lcap.en und damit als directc. Beweis der Schuld
ss-rs zs££t~
dif'frt ** ^verbrecherischen Handlungen
"as Erscheinungsbild der Anfälle ist ein durch¬
aus t y p i s ch es. Ihr Anfang und Ende erfolgt in der Regel jähe
mit bestimmten somatischen Vorboten und Folgezuständen. Beim
Stupor besteht ein Dämmerzustand des Bewusstseins nnt ruh gern
schweigsamen Verhalten und passiven. Widerstreben, Ganz plötzlich
kann die stuporüse Haltung unterbrochen werden durch impulsm
Handlungen, deren Erinnerung in der Regel wieder mehr oder
wenter rasLh aus dem Inhalt des Bewusstseins getilgt wird.
Beim acuten ängstlichen oder raisonnirenden hallucnator.schen
Delirium treten, bei schwer gestörtem Bewusstsein aber doc
relativer Lucidität, unter dem Einflüsse von schreckhaften, unter
Umständen auch religiösen Delirien und zumeist einer "amen oscn
Angst, wuthahnliehe Aufregungszustände auf, welche zu ...aasslosen
motorischen Entladungen führen können. Auf diese folgt Sopor
u,,d Schlaf. Nach dem Erwachen ist auch hier die Erinnerung
an das im Anfall Vollbrachte mindestens sehr getrübt oft aber
auch völlig erloschen. Es kann auch unmittelbar nach Ausführung
irgend einer Gewalttat dieselbe im Bewusstsein bewahrt sein und
richtig zugestanden werden, während sie später völlig m \ ergessen-
heit geräth. Thatsüchlieh bestellt dann in diesem spateren Stadium
völlige Amnesie und von einem bewussten Leugnen
kann schlechterdings nicht die Rede sein.
Die während der Anfälle etwa vollbrachten ver¬
brecherischen Thateu weisen ein durchaus charak-
tcristiscl.es Gepräge auf. Sic erfolgen impulsiv, wenngleich
sic combinirt und planmässig scheinen. Sie sind im höchsten
Grade auffällig durch Mangel aller Motive und durch ihre rem
automatische Ausführung, sie erfolgen wie der Krampfanfall con-
vulsiviscli. Nicht selteu können solche Handlungen die schreck¬
lichsten Gewalttaten darstellen, welche in der rücksichtslosesten
Weise vollzogen werden. Je tiefer das Bewusstsein der Kranken
gestört ist, um so mehr werden die Thaten mit der gesunden
geistigen Persönlichkeit contrastircn, um so krasser werden die¬
selben' erscheinen. Ferner ist es sehr charakteristisch, dass nicht
gerade selten analoge Thaten in verschiedenen Anfällen zur
Ausführung kommen.
Hiemit glaube ich mein Thema — soweit dies in kurzen
Zügen möglich ist — erschöpft zu haben, denn die forense Be¬
urteilung der verbrecherischen Handlungen, welche während der
mehr chronischen Geistesstörungen der Epileptiker, während der
auf Monate protrahirten Dämmerzustände, der auf Jahre
ausgedehnten Mania gravis, oder endlich dcrchronischen, schliess¬
lich z u m B1 ö d s i n n fortschreitenden religiösen Erregungs¬
zustände Vorkommen, dürfte kaimi geboten sein. Die lange Dauer
so schwerer und charakteristischer Krankheitserscheinungen wird
zweifelsohne das Bestehen einer geistigen Störung in hellem Licht
erscheinen und die Zurechnungsfähigkeit des Thäters mit Sicherheit
ausschliessen lassen.
Indem ich den gegenwärtigen Stand der Epilepsie-Frage für
das gerichtliche Forum nutzbar zu machen suchte, komme ich zu
dem Ergebnis», dass die gerichtliche Beurthcilung des Thatbestandcs,
wie in anderen Tlieilen der gerichtlichen Modi ein, sich auf eine
möglichst genaue klinische Ergründung der einzelnen
Fälle zu stützen hat, sowie, dass alle klinischen Fortschritte dazu
beitragen, die richtige strafrechtliche Auffassung zu fördern. Wie
die jetzt allgemein anerkannte fortschreitende psychische Degeneration
der Epileptiker ein ganz bestimmtes Urtheil über die Handlungen
im intervallären Zeitraum gestattet, so bietet auch der Grad der
Bewusstseinsstörung während der transitorischen Anfälle, sowie die
jeweilige Grösse des Erinncrungsdcfectes nach Ablauf derselben
einen ganz bestimmten Maassstab zur gerichtlichen Beurtheilung
der während jener vollbrachten verbrecherischen Thaten.
Die Epilepsieist vonder allergrossten Tragweite
vor dem gerichtlichen Forum, aber jeder einzelne
Fall muss in allen seinen Erscheinungen klar gelegt
werden, um dem Gerichte einen erschöpfenden Ein¬
blick in die Art der E ntstehung der vorliegenden
Strafthat zu gcwährcu.
Ueber Geburten von Zwillingen in ungewöhnlich
langen Zwischenräumen.
Von Dr. C. Parrot in München.
Hei Durchsicht der überaus reichhaltigen Literatur über
Zwillingsgeburten stösst man relativ selten auf Angaben über
Intervalle, welche bei der Geburt der einzelnen Zwillinge zur Beob-
achtung gelangten. Man nimmt in. Allgemeinen an dass die
Pause zwischen der Geburt des ersten und zweiten Emdes gewöhn¬
lich nur einige Minute» beträgt und nur ^tenb.szuemcr
Stunde, ganz selten auf 2-3 Tage sich ausdehnt. Hann und
wann finden wir, zerstreut in den verschiedensten Fachzeitschriften,
Berichte über Zwillingsgeburten, bei denen die genannten Zeiten
noch um Vieles übertroffen werden; inan kann da von viele Tage,
ja Wochen währenden Intervallen lesen und wenn schliesslich von
Fällen berichtet wird, bei denen die Geburt des zweiten Kindes
eine Verzögerung um Monate erfahren haben soll so kann man
sich eines gelinden Zweifels nicht erwehren. Auffallend ist es
gewiss, dass in dem Maasse, als die medicinischc Forschung in den
letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte machte, als die Genauigkeit
und das Verständnis der Beobachtung wuchsen und die Grosse
und Frequenz der Kliniken wie die Zahl der beobachtenden Acrztc
überhaupt zunahni, in gleichem Masse sich eine Abnahme m der
Publieirung solch' aussergewöhnlicher Fälle bemerkbar machte.
Die grosse Mehrzahl der Beobachtungen fällt in eine lkngst ver-
gangenc Zeit; viele Fälle sind nicht von Aerzten beobachtet,
sondern von Laien und Hebammen berichtet; zudem ermangeln
die Berichte, auch die von Aerzten stammenden, oft wichtiger
Angaben, so über die Entwicklung der Früchte (die Falle von
vorausgegangeneni Abortus gehören nicht hierher), o sie c n
geboren wurden, ob die Geburt spontan erfolgte oder ob bei dem
einen oder anderen, oder bei beiden Kunsthülfe nothwcndig war.
Hinsichtlich der Beurthcilung der Momente, die eine Geburts¬
verzögerung des zweiten Kindes veranlassen können, dürfte men
zu bestreiten sein, dass durch einen frühzeitig notliwendig werden¬
den operativen Eingriff die Ausstossung des zweiten Kindes,
welche man der Natur überlassen will, eine Verzögerung erleiden
kann; solche Fälle, wo dann die Pause zu einer ganz beträchtlichen
ausartete, sind mehrfach berichtet. Was die künstliche Beendigung
der zweiten Geburt betrifft, so zeigte sic sich in sehr vielen hallen
nothwcndig, man glaubte sic wenigstens nicht länger hmausschicben
zu dürfen, und insofern handelte es sich um eine willkürliche
Abkürzung des Intervalles, welches vielleicht ohne Schaden für
Mutter oder Kind ein noch weit grösseres hätte werden können.
Besonderes Interesse beanspruchen demnach die Fälle, welche von
ausgetragenen Kindern handeln, die nach ihrer, durch einen grosseren
Zeitraum getrennten, spontan verlaufenen Geburt noch längere
Zeit am Leben erhalten wurden; insofern kann man, auch wenn
ein ausscrgewöhnlich langes Intervall zur Beobachtung ge angte,
noch von einem annähernd physiologischen Geburtsvorgang spree len,
von kleineren pathologischen Erscheinungen natürlich a ge se en ’
als welche man z. B. die in der Regel vorhandene Wehenschwaclic
bezeichnen müsste.
Nach gut beglaubigten Fällen der neueren Zeit ist m.
geneigt, bei Zwillingen eine Geburtspausc von wenigen oc c i
gelten zu lassen (Kaltenbach). Ohne auf die einschlägige
Literatur des Näheren eingehen zu wollen, sei nur erwähnt, ass
besonders englische Fachblätter auch in neuerer Zeit cs y ei
einschlägige Fälle bringen (so Brit. mcd. Journ., auch .Lancet j,
es kamen Pausen von 1—6 ja 7 Wochen zur Beobac tung.
den Annal. de la Hoc. de mdd. d'Anvers (1886) wird em Intervall
von 54 Tagen berichtet, in der Wiener Med. Woehensclirif (
ein solches von 18 Tagen. Aeusserst spärlich sind soc e
in Deutschland beobachtet worden. In der Dissertation
E. Pinkus (Ueber Geburten von Zwillingen in weit auseman
liegenden Terminen, 1885) wird ein Fall aus der Bresauer
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21. Januar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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verfiläk-Fcliklinilc mitgetheilt, bei dem es sich um eine Pause
vnn 36 Stunden handelte; die Zwillinge waren unreif. Immer¬
hin ist zu bedenke», dass, wenn eine Geburt zu einer Zeit in
(Jang kommt, wo noch nicht annähernd das normale Schwanger-
schaftaende erreicht ist, dann auch sehr leicht Verzögerungen in
der Expulsion des zweiten Zwillingskindes zu Stande kommen
können; es brauchen nur die Momente, welche die vorzeitige Aus¬
stoßung des ersten Kindes bedingten, bei der Geburt des zweiten
climinirt zu sein; es tritt eine vollständige Ruhe in der Wehen-
thätigkcit ein, die Theile schliessen sich wieder und die zweite
Fracht kann so lange ohne Gefährdung im Mutterleibe verweilen,
bis ein neuer Reiz die Veranlassung zu ihrer Ausstossung gibt,
ln den aus deutschen Kliniken stammenden Tabellen (wie solche
von (.’ hiar i, Braun und Spät, v. S iebo 1 d, R eu ss, S ic k el,
Scauzoui, Kleinwächter, Hecker u. E. Krahn auf¬
gestellt wurden'' finde ich nur ganz ausnahmsweise eine beträcht¬
lichere Pause zwischen der Geburt der beiden Zwillinge angegeben.
Es kamen Intervalle vor: von 26 Stunden (lteuss *), von
31 Stunden (v. Hecker*) und von 35 # /< Stunden (E. Krahn*).
Anschliessend an diese Bemerkungen will ich nun über einen
Fall aus meiner eigenen Praxis, den ich im vorvorigen Jahre zu
beobachten Gelegenheit hatte, liier ausführlicher berichten:
Die 21 Jahre alte M. W., I para, gebar am 24. Oktober 1894
um 6 b. Vormittags einen völlig ausgetragenen, ziemlich kräftigen
Knaben in Schädellage. Die Fruchtblase war schon am 21. Oktober
Abends 8 h. gesprungen (nach Angabe der Hebamme bestand
Hydramnion), die Wehen hatten sich aber erst am Abend des
folgenden Tages eingestellt. 4 ) Die Placenta folgte nicht. In Folge
der grossen Erschöpfung, in die Parturiens durch die überaus
protrabirte Geburt versetzt war, trat, obschon noch eine zweite Frucht
im Matterleibe sich befand, alsbald ein Zustand absoluter Ruhe
ein; dieser hielt fast 20 8tunden an, bis nach dem am 25. Oktober
2 h. a. m. erfolgten Sprung der zweiten Frachtblase von neuem
Weben sich bemerkbar machten. Als ich am Nachmittag des
25. Oktober zu der Parturiens gerufen wurde, befand sich diese in
sehr ermüdetem Zustande. Die mässig kräftig gebaute Parturiens
hatte in den Jahren vorher starke Chlorose und stets sehr heftige
dy*menorrhoi8che Beschwerden gehabt, überstand aber die Schwanger¬
schaft sehr gut, Bie fühlte sich im Gegentheile wohler wie je und
hatte besonders einen vorzüglichen Appetit. Der Leib der Parturiens
ist stark ausgedehnt, die Bauchhaut allseitig mässig gut anliegend.
Der Mnttermand, etwa fünfmarkstückgross, hat nach der rechten
Seite zu einen dicken wulstigen Saum, welcher sehr resistent und
dem Tieferrücken der vorliegenden Theile hinderlich zu sein scheint;
es macht nicht den Eindruck, als wenn der Muttermund kurz vor¬
her erst ganz verstrichen gewesen wäre; ebenso ist die Scheide relativ
eng, sie hat sich wieder ganz zusammengezogen. Niemand wäre
aus diesen Befunden auf den Gedanken gekommen, dass kurz zuvor
die Ausstossung einer ausgetragenen Frucht stattgefunden haben
könnte. Es handelte sich um eine vollkommene Fusslage; die Füsse
(nur diese) haben eben den Muttermund passirt; man kann jedoch
nicht genügend an sie herankommen, um einen festen Zug an
ihnen auszoüben; nachher zieht das Kind seinen linken Fass wieder
etwas zarück. Die Wehen bessern sich nach meiner Ankunft etwas
- alle 2 bis 2 1 /* Minuten eine Wehe —, trotzdem ist kein wesent¬
licher Fortschritt in der Gebart zu bemerken. Da die Herztöne
des Kindes gleichmässig gute sind, auch sonst keinerlei Indication
in einer Beschleunigung vorhanden ist, entferne ich mich auf einige
Zeit. Nach Ablauf von l‘/z 8tunden waren die Füsse etwas tiefer
getreten. Der Muttermund zeigte sich weniger rigide. Da die
Parturiens und ihre Umgebung ganz die Geduld verloren haben,
entechliesae ich mich zur Extraction. Ich lasse die Parturiens sich
auf den Bauch legen und in dieser Lage eine Wehe ab warten, da¬
durch ergibt sich eine günstige Verschiebung der Füsse, die auch
etwas tiefer treten, so dass ich jetzt die Extraction auf dem Quer¬
bette ohne Schwierigkeit (wenn auch langsam und mit grossem
Kraftaufwande) ausführen kann. Die Expression des grossen
Kopfes gestaltet sich schwierig. Der leicht asphyktische Knabe
(Geburt 25. Oktober 6 h 30 p. m.) schreit bald; er ist kräftiger wie
der vorige (ca. 3500 gr), leicht hydrocephalisch. Der Blutverlust ist
genug, wie er auch bei der ersten Geburt minimal war, der Damm
erhalten. Da sich aber sogleich nach Passirung des kindlichen
«“upfee durch den Beckenkanal ein sehr übler, fauliger Geruch
aua den Genitalien bemerkbar gemacht hatte, exprimire ich (nach
hysohrrigation) */* Stunde post partum die Placenta des zweiten
pries, welche sich sehr gross und ganz frisch erwies (laterale
üwertion der Nabelschnur, Eihäute ganz, dickere Partie als Trennungs-
5 J ,cb ‘V f- Gynäcolog. IV. pag. 120.
) C. v. Hecker Beobachtungen und Untersuchungen aus der
Gebäranstalt zu München 1859-1879.
) E Krahn: Ueber Zwillingsgebarten D. J. 1891 Königsberg.
) Die Angaben der Hebamme wie der Umgebung können als
ufchtus zuverlässige betrachtet werden. (Der Verfasser.)
Ko. 8.
Schicht der beiden Eier zu unterscheiden). Die Placenta 1) findet
sich nachher in der Scheide; Bie ist bedeutend kleiner, stark gelappt,
jedenfalls schon lange gelöst, von höchst üblem Gerüche (Nabel¬
schnurinsertion lateral). Mit Ausnahme einer eiterigen Mastitis
linkerseits verlief das Wochenbett gut. Die beiden Zwillinge wurden
in den ersten Tagen von der Mutter gestillt, dann aber bald abge¬
setzt; bei dem Erstgeborenen, der die Brust lieber nahm, wurde
etwas später zur künstlichen Ernährung übergegangen. Während
nun dieses Kind, das ursprünglich etwas schwächer gewesen, in der
Folgezeit sehr gut zunahm und nie krank war, litt der jüngere
Zwilling öfter an Darmstörungen und war immer sehr unruhig; der
Hydrocephalus, welcher schon bei der Geburt bemerkt wurde, nahm
stetig und langsam zu und hat jetzt, ein Jahr nach der Geburt,
schon einen sehr hohen Grad erreicht; in seinem Gefolge treten
öfter eclamptische Anfälle, cerebrales Erbrechen auf; das Kind,
welches zeitweise sehr heruntergekommen war, erfreut sich übrigens
eines ganz guten Ernährungszustandes. Es hatte weder die Mutter
der W. M. je Zwillinge, noch ist ein Fall aus der Verwandtschaft
bekannt. —
Zwischen der Beendigung der ersten und der zweiten Gebart
verstrichen also in diesem Falle etwa 36 Stunden; die Pause
würde noch um einige Stunden grösser geworden sein, wenn man
die Ausstossung des Kindes ganz der Natur überlassen hätte ; die
Erschöpfung der Parturiens war allerdings schon eine recht grosse;
die Beschleunigung der Geburt wäre aber jedenfalls durch die
beginnende Zersetzung der einen Nachgeburt direct indicirt gewesen,
was allerdings erst nachträglich geschlossen werden konnte, denn
der zugehörige Nabelstrang, der aus der Vulva hervorhing, schien
Neigung zur Vertrocknung zu haben; von einem üblen Gerüche
konnte anfänglich nichts wahrgenommen werden.
Was nun die Frage betrifft, wie wir uns therapeutisch
zu einer solch’ verzögerten Ausstossung der zweiten Frucht zu
stellen haben, so sind wohl die meisten Geburtshelfer, in Deutsch¬
land wenigstens, darin einig, dass man, wenn nicht besondere
gefahrdrohende Indicationen zu einer raschen Beendigung der
Geburt auffordern, ruhig abwarten und auch die Ausstossung des
zweiten Kindes womöglich den Naturkräften überlassen solle. So
lehren Z weif el, E. Martin , Kristeller. Nach U. J. Huber 5 )
gibt es keinen äussersten Termin des Hinwartens, denn weder für
Mutter noch Kind liege eine Gefahr darin, wenn man ihr die
von der Natur geschenkte Ruhe lässt, in welcher sie für die
nachkommende Geburt neue Kräfte sammelt. Auch Kristeller
hält eine Verzögerung der zweiten Geburt eher für ein günstiges
Ereigniss, da der Uterus nach und nach dadurch zu kräftigerer
Wehenthätigkeit erstarke. Der einzige Nachtheil der exs[K?ctativen
Behandlung liege wohl in dem Abfaulen der Nabelschnur (Zer¬
setzung der retinirten Placenta). Fr. v. Win ekel 6 ) räth auch,
abzuwarten, doch mahnt er zu grosser Vorsicht (Ueberwachung
des Blutabganges, prophylact. Ergotininjectionen); die Controle
der Herztöne ist selbstverständlich; Blutabgang kann ganz fehlen,
wie in meinem Falle. Scanzoni 7 ) meint, man könne, wenn
keine Zufälle vorhanden wären, die eine Beschleunigung der Geburt
erheischten, getrost Stunden lang zuwarten ; erwache die Wehen¬
thätigkeit 4—5 Stunden nach der Ausstossung des ersten Kindes
nicht, so sei es erlaubt, dieselbe durch das künstliche Sprengen
der Fruchtblase und durch sanfte Frietionen des Uterusgrundes
zu unterstützen. Spiegelberg 8 ) wartet den Wiedereintritt der
Wehen ruhig ab. Hecker 9 ) spricht sich sehr entschieden, im
spcciellen Gegensatz zu Klein Wächter ,0 ), dessen Gründe für
die Opj)ortunität seines Verfahrens (sofortige operative Beendigung
der zweiten Geburt) er einzeln zu widerlegen sucht, zu Gunsten
der abwartenden Methode ans. Hecker meint, dass man in den
allermeisten Fällen der sich ergebenden Indication auch noch
späterhin vollkommen gerecht werden könne; dass sich aber
ungünstige Ereignisse späterhin sehr viel schwerer bekämpfen
lassen, weil es bereits unmöglich geworden ist, die Haud ein¬
zuführen, müssen wir Klein Wächter zugeben. Auch in meinem
Falle zeigte sieh, dass schon nach Verlauf mehrerer Stunden sich
6 ) Nederl. Tijdschr. 1. Afd. Mei L86S, p. 257. (Beiträge zur
Lehre von der Zwillingsschwangerechaft.)
8 ) Fr. v. Winckel. Lehrbuch der Geburtabülfe p. 183 (I. Aufl.)
(1889).
7 ) v. Scanzoni. Lehrbuch der Geburtshülfe Bd. II. p. 139 ( 1852 )
8 ) Spiegelberg. Lehrbuch der Geburtshülfe p. 206. (1878)
^) 1. c. p. 47.
,0 ) L. Kl ein Wächter. Die Lehre v.d. Zwilliugen. (Prag 1871 ).
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»m.rHKNKR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT-
No. 3.
die Thcile wder j
Weuduug mit. sotort.gor Krtmt.on, ^ gew8|inMl( , n ,J„ blir t,
Schwierigkeiten gestessen s , , n hat Engländer und ,
wenn die Eröffnungsperl e die zweite Geburt schnell
besondere Fransosen wollten ij ^ dass deutsche
beendigt wissen Levy ) Vorfahren welches er auch für
HM und
das beste halte, aus r p MOL „ r auf Tage und
dasselbe nicht blos au ' * UH ®'* ’ d ,j as Zuwarten nicht !
Wochen ausdehnten Es ist> nch ^ - ;ft . uicht llis zur
auf die höchste Spitze getrieben und der E * , t e „ b a ch .«, ■
allerhöchsten Noth aufgespart werden dar * 1 ^
flössen sei; hege die zweite I rucht quer, is-, s ,.rieht .
t es
bleibe als Regel bestehen, nur dann dniugmien, wenn der natür¬
liche Verlauf zu Ungunsten von Mutter oder Kinl g •
Zweifel“) sagt in der neuesten Auflage seines Lehrbuchs,
fDie Geburt des zweiten Kindes hat man dem spontanen Ver¬
lad z« überlassen, so lange keine Noth zum Kingreite» «^
Doch rechnen wir dies als Anzeige zur Entbindung wenn a .
2 Stunden verstrichen sind, ohne dass das zweite Kind kam, weil
ein längeres Abwarten in ganz zweckloser Weise die Gefahr eine
spontanen Keimeinwanderung (Spontan - lmm.grat.on) vo^
muss». Fritsch 15 ) ist für baldiges Operirm. Durch
dfe Verkleinerung de, Utero, ,uu die Hälfte, die lotengruen» der
Plaeeuta mit der Placcntar,teile sei der Ijasaustaureh ■
sttmdiger, das Kind also immer m pmm ,l0 “ r .. 1 ' “J,)
erlaubt sich deshalb nur dann zu warten, wenn er d e Herztöne
, normaler Frequenz deutlich hört. Damit können wir uns ganz
einverstanden erklären. Waren die kindlichen Herztöne wahrend
der ersten Stunden dauernd gute, dann braucht man wühl nicht
zu fürchten, dass die Gasaustauschsvcrhältmssc m der holgczeit
schlechtere werden könnten , und man ist , wenn sonst alles
Ordnung, berechtigt, abzuwarten.
Wie man sieht, bietet die Mittheilung protralurter Zwillings¬
geburten auch praktisches Interesse, ln meinem Falle war man
jedenfalls berechtigt, solange zuzuwarten denn die artunens
erholte sich in der Zwischenzeit sichtlich; Blutabgang fehlte ganz
die Herztöne des Kindes waren bis zuletzt in Ordnung; die leichte
Asphyxie war nur durch die etwas verzögerte Expression des Kopfes
bedingt. Da es sich um zweieiige Placenteu handelte, so wäre es
natürlich günstiger gewesen, wenn die erste Placcnta g eich der
Ausstossung des Kindes gefolgt wäre, denn da sie gelost war,
konnte sie der Parturiens nur gefährlich werden.
Das nicht excessive, doch immerhin ungewöhnlich grosse
Intervall zwischen der Ausstossung beider Zwilhngsfrüchte findet
seine Erklärung zum Tl.eil in der überaus protrahirten ersten Geburt
und in der daraus resultirenden Erschöpfung der Parturiens tl.cils
auch in der relativ ungewöhnlichen Grösse des zweiten Kindes,
dessen'Austreibung grosse Anstrengung erforderte, schliesslich in
der abnormen Ausdehnung, welche der Uterus durch zwei grosse
Zwillinge und gleichzeitiges Hydramnion (im einen Ei) erfahren
haben musste. Wahrscheinlich spielte auch die Rigidität des
Muttermundes, welcher sich nach der ersten Geburt alsbald wieder
geschlossen zu haben scheint, eine Rolle. Die grosse Ausdehnung
des Uterus bei einem völligen Ausgetragenwerden der Früchte ist
jedenfalls auf die Energie, mit welcher die Austreibung des
zweiten Kindes bewerkstelligt werden soll, von ungünstigem Ein¬
fluss , ebenso wie. die starke Erschlaffung der Bauchmuskeln in
i‘) Hosp. Meddel. alser Bd. V. (1853).
«) R. Kaltenbach. Lehrbuch der Geburtshülfe p. 14b. (1890.)
13) f. Ahlfeld. Lehrbuch der Geburtshülfe p. 129. (1894)
p 7,wpifol Lphrhnch der Geburtehülfe P. 177. (1896).
Kolge i.*—.-!« tToSÄ Ä
entgegensteht. Eine Wehen bei der ersten Geburt
^Lfdtfteauch .«*
'oh 1> | 0UC ° 1 .„ n L t .lass die Gebärmutter, birgt sie noch
wäre die Annahme er . d Ausdehnung kräftigere
beide Kinder ... sich trotz der s ^ ^ ^ Wr
t Angriffspunkt für die Betätigung ihrer Austreibungsbewegungen
JS Kur wegen der völligen Eröffnung der Geburtswege
J|t trotzdem die Geburt der zweiten Frucht m der Regel
S s-h und ohne jede Schwierigkeit von statten. Mein
durch einen allzu protrahirten Geburtsverlauf beim ersten
KW, ein, «*r _ »fung über die
1
d” ist, »I» am ehesten bei I ,««. (™ auch
j Fallet de länger im Allgemeinen eine Geburt gedauert hat, um
fvU und schwacher pflegen ja auch.die NacWehen ■»
Die bei 1 parae gerne verkommende Wehensehwache hat nun als
eine Krinüdung des Organ, an dem grdsseren £*£■*£
Weich thcile aufgefasst. Ist einmal eine gewisse Zeit der völligen
Ruhe naclr der Ausstossung des ersten Kindes verstrichen ,
h , S diese Paresis Uteri auf Tage, i» "'«oben
\us der Tabelle von Hecker ergibt sieh ganz deutlich, dass
wenn die Geburt des zweiten Kindes einmal eine Ze.tJ»g ^
hat, also nach, sagen wir, 3 Stunden noch mclit **
ebenso oft eine weitere Verzögerung von 1 Stunde ine von 2 und
3 Stunden vorkommt; während also m 4 hallen eine ,
Stunden beobachtet wurde, so währte die Pau^auch nur dmma
3-4 Stunden; dasselbe Verhältnis« ergibt sich gleich deutlich
L den Tabellen von Siebold (s. "Pinkus- P- 10), Seanzon
“ i i u Braun. Es kommt ja auch im Verlaufe emer Emzeb
geburt bisweilen vor, dass die Wehen alln.ähhch ganz
die Parturiens ruhiger wird, schliesslich euischläft und die Geb«^
thätigkeit 12—24 und mehr Stunden ganz pausirt. Der lm.tr
eines grösseren Intervalls hoi Zwillingsgeburt ist cm«‘“ a1 ^
gang, nur dass es sich hier nicht um m der Eröffnung bogr
Geburtstheile handelt, sondern um .solche, die sich nai
Öffnung wieder theilweise geschlossen l.-™?»- ,
Wenn man schliesslich, um mit \eit« 6 ) zu rede^ eine (te
burtspausc von 8 oder 10 Tagen physiologisch sich eben . g
erklären kann, wie eine solche von dreien so stehtJ ^
,„it denionitreu Fällen, bei denen es sich wirklich der Beschreib« >
nacl, tun ciiiigerniasReii erlnÄl.e (1 Monat) »»»
Wenn Zwillinge, deren Geburt zeitlich g
einander erfolgt ist, verschiedene Entwicklung in
Länge, Gewicht und Kopfdurchmesser (wie das aUL 1 d
Zwillingsgeburten oft beobachtet wird) zeigen so kam, ja
nicht auffallen. Handelt es sich aber um sehr |NWJute J
und sind trotzdem beide Zwillinge als ausgetragen
so ist eine Erklärung ohne Zuhilfenahme der' ^
von den meisten Autoren gegenwärtig für ein überwundener ^
Punkt gehalten wird) nicht leicht zu geben, selbst dan ,
man (mit Kussmaul) annähme, dass der eine. de
und vorzeitig, der andere spätreif und üMg £
Die Annahme, dass das eine Ei in der frühesten Zeit m^
Entwicklung zurückgeblieben sein könnte, liess sich für j
nicht beweisen. Für die Fälle, in denen mau bc^ sehr
dehnten Geburtsintervallen einen Uterus dup ex siel {
konnte, wäre noch am ehesten die Möglichkeit «..er -tog***^
gegeben ; doch zeigt eine genauere Prüfung der einschlägigen Reo
pag 192
13 ) F. Ahlfeld. Lehrbuch der Geburtshülle p. 1Z9. (io»*).
i*) p. Zweifel. Lehrbuch der Geburtehülfe p. 177. (1896).
16 ) H. Fritsch. Klinik der geburtshülflichen Operationen
192. (1894.)
10 ) Handbuch der Geburtshilfe, herausgegeben von P. Müll
Bd. 1 p. 300.
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21. Januar 1896- _ MÜNCHE NER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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achtungen, dass nur wenige eine solche Vermuthang rechtfertigen
(Kassmaul ,7 ). Wichtig ist immer die Betrachtung der Plaeenta;
diese ist nach Auvard bei Zwillingskindern verschiedener Ent¬
wicklung in i li der Fülle eine einfache, was die Möglichkeit der
Superfütation ausschlieeseu würde.
Nach erfolgter Schwängerung eines Individuums greift nach
allgemeiner Annahme alsbald eine Sistirung der Ovulation Platz
und nur höchst selten zeigt sich die Menstruation noch einmal.
Eine Frau, die ich kürzlich behandelte, abortirte mit einem vier-
monatlichen Fötus, nachdem sie nur einmal die Periode nicht
gehabt und deshalb sofort den Arzt eonsultirt hatte. Die men¬
struelle Blutung, bisher immer regelmässig und von geringer
Intensität, setzte also erst beim letzten Termine aus; oder sollte
es sich um pathologische Blutungen geringeren Grades gehandelt
haben? Trotz der Periodicitüt der Blutabgänge wage ich es nicht,
zu entscheiden. Wenn eine Fortdauer der Menstruation, wenig¬
stens einige Monate lang, für möglich gehalten würde, so könnte
man auch an das Vorhandensein einer gleichzeitigen Ovulation
denken. Nach v. Win ekel 18 ) muss man in einem Falle, den
Hcndcrson berichtet (bei Uterus infrasimplex supraseptus),
höchst wahrscheinlich eine Ovulationsf ortdauer in der
Gravidität für erwiesen halten.
Ich erinnere auch an den von Ahlfcld 19 ) beobachteten Fall,
wo es sich vielleicht um deu zeitlich längsten Zwischenraum der U eb e r-
schwängeru« ghandelte, der Vorkommen kann ! Zu Gunsten einer
leherfruchtung scheinen am meisten die Fülle zu sprechen, wo
Zwillingsfrüehtc von gleicher Ausbildung, zumal reife, in weit aus¬
einanderliegenden Zeiträumen geboren wurden. Gleichwohl ist cs mög¬
lich, auch hierbei ohne die Hyjtothese der Superfötation auszukommen.
Man würde vielleicht einer Erklärung nahekommen, wenn
man derart schlösse : In der Entwicklung der Zwillinge, eineiiger
wie zweieiiger, sind die grössten Differenzen beobachtet, worden;
dieselben lassen sich theils durch mechanische Behinderung des
Wachsthums. in Folge von Raumbeschränkung oder ungünstiger
Implantation des Eies, theils durch Anomalien in der Nabelschnur,
theils durch Krankheit, welche nur den einen Fötus oder seine
Placenta ergreift, theils endlich durch Früh- oder Spätgeburt er¬
klären (s. die Dissertation von Al. Klautsch >0 ). Nehmen wir
nun an. der erste Zwilling, ziemlich ausgetragen, wird geboren,
und es tritt in Folge mangelnder Utcrusthätigkeit eine Verzögerung
in der Ausstossung der zweiten Frucht ein ; diese, viel sohwächer
als die erste entwickelt, bleibt vorläufig im Uterus und kann bis
tum Beginne erneuter Wehenthätiglceit weiter wachsen und sicli so
entwickeln, dass sie bei genügend langer Geburtspause das sciner-
zeitige Gewicht des ersten Kindes noch übertrifft; man weiss, dass
Zwillinge gerne zu früh geboren werden ; der völligen Austragung
des zweiten Zwillings, der länger wie der erste im Mutterleibe
verweilt, würde indessen nichts im Wege stehen. So würde sich
also eine Uebereinstimmung in der Ausbildung der beiden Früchte
ZQr Zeit ihrer Geburt erklären lassen, wenn auch die Ausstossung
in weit anseinanderliegenden Zeiträumen erfolgt wäre. Wenn wir
schliesslich noch des Umstandes gedenken, dass die Dauer der
einfachen Schwangerschaft ziemlich grossen Schwankungen unter¬
worfen zu sein pflegt — der Begriff des „Ausgetragenseins“ ist
eben ein sehr dehnbarer —, so werden wir auch bei der zeit¬
lich getrennten Geburt von Zwillingen, deren Entwicklungs-
abschlass iui Mutterleibe wohl ähnliche Schwankungen aufweist,
mit den verschiedensten Eventualitäten zu rechnen haben.
Zur definitiven Klärung der interessanten Frage wird es
künftighin nothwendig sein, auf alle derartigen Fälle verzögerter
Ausstossung der zweiten Zwillingsfrucht genau zu achten, sie
verkommenden Falles genauesten« zu überwachen und die gemachten
Beobachtungen ausführlich zu beschreiben, wobei Angaben über
die Gewichtsverhältnisse und die Nachgeburtstheile, auch über
etwaiges \ orhandensein einer Verdoppelung der Gebärmutter, für
keinen Fall zu entbehren sein würden.
,7 J A Kus8maul Von dem Mangel, der Verkümmerung etc.
der Gebärmutter p 312. (1859)
J Winckel. Lehrbuch p. 523. (1889.)
) Ahlfeld. Berichte und Arbeiten. Bd. III, p. 90.
) Ueber ungleich entwickelte Zwillinge, Halle 1892, I. V.
No. 3.
! Zur Omphalektomie bei eingeklemmtem Bruch.
Von Dr. von Noorden, Chirurg in München.
Die Omphalektomie bei freien und eingeklemmten Nabel¬
brüchen ist eine Operation neuester Zeit. Von Cond am in!)
wurde das Verfahren beschrieben und zur typischen Operation er¬
hoben. Es ist zur Chronologie mitzutheilen, dass Zoe ge v.
| M anteuf fei den gleichen Weg ciugeschlagen, ohne Kenntnis»
] von dem Vorgehen des französischen Chirurgen. Neuerdings ver-
f öffentlichte v. Brackei*) dessen drei Fälle. Einige Jahre vor
| Condamin war Kcen intra operationem auf dieselbe Idee ge-
: kommen, aber es entsprach die Anlage der Operation nicht der
nunmehr ausgcbildetcn Methode. Prof. P. Bruns 8 ) nahm sie
in Deutschland zuerst an und seiner Empfehlung, zugleich unter
Veröffentlichung eines Falles an einer, jedem Arzte zugänglichen
Stelle, ist es wohl zu danken, wird in geeigneten Fällen zur
Operation nach Condamin geschritten. Heute ist die Casuistik
noch spärlich, v. Brackei konnte einschliesslich der .«einigen
1 nur 7 Fälle zusammenstellen; ausser diesen veröffentlichte Per*
| nicc 4 ) einen weiteren Fall. So ist es vielleicht gerechtfertigt,
den eigenen operirten Fall beizufügen. Zweifellos wurde an
| Stellen reicheren Bruchmaterials die Operation des Oefteren aus¬
geführt und wir dürfen einschlägigen Mittheilungen entgegensehen,
um zu erfahren, oh die Methode auch in schweren Fällen, bei
i welchen es kaum ohne erheblichen runden bezw. spindelförmigen
1 Bauchwanddefect abgeht, brauchbar ist. Pernicc kommt zum
Schluss: Die Condani in’sche Methode ist nicht empfehlen»*
I werth für besonders grosse Brüche mit weiter Bruchpforte; für
; kleine Brüche mit weiter Bruchpforte redete er ihr das Wort.
' Die jedesmal entgegenstellenden Schwierigkeiten durch Verwachs¬
ungen intoressiren den Operateur und besonders auch die Fern-
1 resultatc der Naht und Narbe. Für diese wird durch die Aus-
I Schaltung der dünnen Gewebe nahe dem Bruche denkbar Bestes
geleistet. — Die Umstände in meinem Falle forderten combi-
nirtes \ erfahren. Beide, den Bruch durch die ganze Bauch-
wand umkreisenden Schnitte trafen im mittleren Dritttlieil Musku¬
latur, aber je im oberen und unteren Theile nur Fascienflächen,
bedingt durch starke Muskeldiasta.se. Um jedoeli in der ganzen
Schnittlänge gleichwertliig zu nähen, verwertete ich Gcrsuny’s 8 )
\ orschlag und führte die Muskelstränge nach der Muskelscheiden-
sclilitzung aneinander. Es ging unschwer. Die Naht hat ge¬
halten und scheint trotz Emphysem und bestehender Corpulenz
zu genügen, Binden und Bandagen überflüssig zu machen.
Was die Methode der Operation selbst angeht, so dünkt mir.
als sei der auch von Bruns angewandte, von Cond am in bei
seiner Empfehlung bereits zugestandene Schnitt auf die Bruch-
piorte sehr werthvoll. Einfachste Fälle mögen dessen nicht be¬
dürfen ; sobald grössere Notzmassen zu bewältigen sind, wird er
schwer zu umgehen sein, ist aller der Darm sicher oder fraglich aus
einem Brucbsack zu lösen. oder handelt es sich gar um vorge¬
schrittenere eingeklemmte Brüche, so erst recht nicht. Ich
möchte den Querschnitt nicht entbehren, weil er Raum spendet
und Zeit gewinnen lässt, hauptsächlich aber um es sicher in der
Hand zu haben, dass Bruchwasser nicht in die Bauchhöhle ab-
läuft. Mag Bruchwasser im Anfang einer Darmeinklemmung dem
Chirurgen wenig Sorge bereiten, nach Ablauf einiger Tage hat
man es als infectiöses Fluidum zu fürchten; es ist berechtigt,
Auftreten von Eiter nach Herniotouiien von geübter Hand, oft¬
mals einzig und allein dem über die Wundflächon sich vor-
theilenden Bruchwasser zuzuschreiben. Neuerer Zeit über Bruch¬
wasser heim Menschen aufgenommene Untersuchungen ergaben in
einem Fünftel der Fälle, die ich übersehe, Baeterien. So fand
sie Sc hl off er 6 ) zweimal unter 12 eingeklemmten Brüchen,
') Condamin: Arch. prov. de chir. T. II. p. 325. feit nach
Cb!, f Chir. 1893 p. 954.)
2 ) V Brackei: Cae. Beitrag zur Excision d. Btuchpforte etc
Arch. f. klin. Chir. 50, 3.
3 ) P. Bruns: Centralblatt für Chirurgie 1894.jp. 1082. (Keen-
Medical News 1888 Febr citirt nach Brun».) Original.
4 ) Pernice: Ueber die Omphalektomie bei Radicaloperation
von Nabelbrüchen. Orig. Centralbl. f. Chirurgie 1895 p. 75.
6) Gersuny: Centralbl. für Chirurgie, 1894 No 43. Original
6 ) Schloffen Bacteriol. Bruchwasseruntersuchungeu etc. Bei¬
träge zur klinischen Chirurgie XIV. p. 813 (Literatur).
3*
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56
Münchener medicinische Wochenschrift^
No. 3.
Garrfe früher bei 8 Fällen einmal, Tietze bei 10 Fällen
mal, Tavel und Lanz endlich unter 21 Fällen fünfmal
Rosving und Ziegler in je 5 Fällen allerdings niemals. Es
fanden sfch also in 61 Fällen aus der Praxis 12 halle mit Ge¬
fahr bringendem Bruchwasser! . , , . „ .
Ich glaube, der Operateur schützt sich bei Zurliilfenahuie
des Querschnittes vor allerlei Eventualitäten, auch vor über¬
flüssigem Zerren und Einreissen gespannter und eingeklemmter
Gewebe. Der Querschnitt entspricht durchaus dem wohl minier
mehr üblichen, freien und ausgedehnten Spalten der Bmchplortc
beim Leistenbruch. Wir führen heute das Messer präparando
und blutstillend von aussen nach innen auf den Hals und nicht
mehr in, Blinden von, Bruchsack aus durch die Bruchpforte nach
aussen, also heute in umgekehrter Richtung, wie cs die Alt-
vorderen in der Chirurgie lehrten. - Sobald die seitliche Ein¬
kerbung vorgenommen, Hessen sich auch in meinem halle die \ er-
hältnisse trefflichst übersehen und damit die eigentlichen Manöver
gegen den eingeklemmten Bruch leicht beenden. Der zweite
elliptische Schnitt durch die Bauchwand dient nur noch um die
angestrebte Bauclinaht vorzubereiten. In jedem Falle für sich
wird zu entscheiden sein, ob die Umkreisung zuerst beiderseits
gemacht werden, oder ob die Querspaltung mit Bruchversorgung
als Tempo zwischen beiden Schnitten eingeschoben werden soll.
Das ergibt sich aus den anatomischen Verhältnissen, hängt von
vorhandener Assistenz und vom Verlaufe der Narkose nicht zum
wenigsten ab.
K rankengeschichte: Die Patientin, 52 Jahre alt, kinderlos,
hatte seit Jahren eine kugelige Vorwölbung des Nabels. Seit längerer
Zeit Klagen über Unbehagen im Leibe. Aerztlich wurde auf Magen¬
übel behandelt. . , . , T1 ._
Seit 8 Tagen schmerzt der Nabel. Meine Untersuchung
ergibt eine reponirbare Netzhernie. 3 Finger dringen bequem durch
die Pforte in die Tiefe. Die Bruchpforte ist derb, fast scharfrandig.
Anordnungen für eine Nabelbruchpelotte und Leibbinde, da Patientin
auf radicale Operation nicht eingeht und chirurgischerseits diese bei
bestehendem Emphysem und grosser Adipositas nicht mit Nach¬
druck empfohlen werden kann. .
4 Tage nach diesen Anordnungen erwacht Patientin
mit heftigen Schmerzen im Nabelgebiete. Allgemeines Unbehagen
und die sonst leicht zurückdrftngbare Vorwölbung ist vergrössert,
hart, empfindlich. Keine Defäcationsstörungen. — Erst nach
weiteren 4 Tagen wurde ich von diesen eingetretenen Ver¬
änderungen benachrichtigt und stellte Hernia umbilicalis in-
carcerata von annähernd Mandarinenfruchtgrösse fest. Da Tage
vergangen, da locale Erscheinungen auf Laesion des Bruchinhaltes
hindeuten, wird von Repositionsversuchen abgestanden.
Operation (Februar 1895, Josephinum.) Dreiviertelstündige
Morphium-Cbloroform-Narcose ohne Zwischenfall. Leicht bogen¬
förmiger Schnitt links um die Nabelgeschwulst von 12 cm Sehnenlänge
senkrecht durch die Bauchwandungen. Die Fettschicht beträgt
4—5 cm. Der Schnitt trifft zu '/» Länge Musculatur und
arbeitet sich hier durch den M. Rectus unter Blutstillung in die
Bauchhöhle. Beim Abziehen des äusseren Wundrandes und Heben
des medianen sieht man Netzmassen in die Nabelgeschwulst hinauf¬
streben. Die Spannung ist beträchtlich trotz collabirter Därme. — Um
weiter zu kommen, wird die quere Einschneidung auf den Bruch¬
hals vorgenommen. Hierbei besondere Cautelen mit Tüchern gegen
das Bruchwasser. Die innersten und untersten Fasern des Schnür-
ringes fallen zuletzt. — Sofort nach Spaltung hatte man freies Bild;
der Bruchinhalt konnte leicht dem Bruchsacke entwunden werden
und wurde als in der Ernährung geschädigtes Netz partienweise
abgebunden. Hierauf wurde die andere Seite des leeren Bruch¬
sackes gleicherweise umkreist und das elliptische 12 cm lauge und
bis 6,5 cm breite Bauchwandstück resecirt. Auch rechtereeits traf
der Schnitt Muskel und distal sehnigeB Gewebe. Es folgte nach
Blutstillung die besprochene Naht und zwar mit durchgreifenden
dicken Seidennähten. Einige Etagennähte aus Seide wurden ver¬
senkt. Handtuchverband. Der Verlauf: war gestört durch eine
Stichkanaleiterung, die mehrere Wochen zu schaffen machte; ausserdem
schoppte sich am 4. Tage ein Lungeninfarct an. Patientin verliess in der
3. Woche das Bett. 5 Monate später stiess sich unter Absonderung eine
Seidennaht aus, nachdem längst feste Vernarbung und Gesundung
eingetreten. Dieser folgten neuerer Zeit noch zwei weitere, ohne den
Erfolg der Operation zu beeinträchtigen. — Aerztlicher Mittheilung
nach ist die Narbe noch fest. Diastase ist nicht eingetreten. —
Die Methode, eine wesentliche Vervollkommnung der Technik
bei Nabelbruchoperation, fordert auf bei Nabelbrüchen, deren
Träger sich Jahr aus Jahr ein mit Pelotten und Bandagen hermn-
zuplagen pflegen, häufiger an die Radiealoperation heranzutreten.
Bei Brüchen, wo die Verhältnisse wie hier gebieterisch zur Operation
zwingen, wird die Methode jetzt schon Freunde finden.
Bericht der kgl. chirurgischen Universitäts-Poliklinik
zu München im Jahre 1895.
Von Prof. Dr. IQaussner .
An genannter Anstalt wurden im Jahre 1895 16755 Kranke
behandelt? rechnet man hiezu noch 130 Kranke die aus dem Vorjahr
bis Mitte Januar 1895 verblieben sind, so ergibt sich eine Gesammt-
7 ahl von 15885, gegen 15329 des Vorjahres. . , _ r ,
Von diesen w,irden 15514 ambulatorisch, 200 in den Wohnungen
behandelt und 171 in die stationäre Abtheilung der Poliklinik auf-
BeD ° m u“ter den voraufgeführten 15755 Kranken befinden sich 4316
mit Zahnkrankheiten behaftete. Lässt man diese ausser Ansatz
so reducirt sich die Anzahl der Kranken auf 11439, welche sich
auf die einzelnen Monate vertheilen wie folgt
Tannar 1051 Februar 803, März 936, April 949, Mai 1011,
Juni 1030, Juli 1126, August 891, September 1000, <? ktober JL 52 *
November 879, Dezember 811 Nach Kreisen
auf- Oberbayern 5165 (darunter speciell Münchener 2968), Nieder
bayern 144'/ Pfalz 130, Oberpfalz 1406, Oberfranken 196, Mittel¬
franken 466, Unterfranken 221, Schwaben \02fa; die Uebrigen und
zwar 554 waren aus dem deutschen Reiche überhaupt und 833 aus
nicht deutschen Ländern. . ,___
Von diesen Kranken waren 6144 Männer, und zwar ihrem
Berufe nach 3735 Handwerker, Gewerbtreibende und Kaufleute,
1331 Arbeiter und Taglöhner, 123 Hausirer, Colporteure und ver¬
armte Geschäftsleute, 708 städtische Bahn-, Post- und Tramway-
Bedienstete, 247 Schüler und Scribenten . . ..
2633 waren Frauen, nämlich: 1104 Handwerker- und Arbeiter¬
frauen, 220 Frauen von Angestellten, 1416 Dienstmädchen und
Näherinen, 560 Fabrikarbeiterinen und Taglöhnerinen, 333 weiblich
Angestellte und Schülerinen.
Der Rest von 1662 waren Kinder.
In München waren theils ständig, theils vorübergehend wohn¬
haft 10107, die übrigen 1332 waren zugereiste oder auf der Durch¬
reise befindliche Arbeitslose und Bind sofort von hier wieder ab-
gegangen^r ^ 114;j9 Krankheiten waren nach dem Schema des k.
Gesundheitsamtes ausgeschieden: _
9 Entwicklungskrankheiten, 1136 Infections- und allgemein
Krankheiten (darunter 35 Erysipele, 96 bösartige Neubildungen, 371
Gonorrhoen, 102 primäre, 419 constitutionelle Syphilis); 12 Krank¬
heiten des Nervensystems, 2117 Krankheiten des Ohres; Io0 Krank¬
heiten der Athmungsorgane (darunter 47 Krankheiten der Nase, des
Halses und Adnexa und 102 Mal Kropf); 597 Krankheiten der Circu-
lationsorgane; 144 Krankheiten des Verdauungsapparates (darunter
6 eingeklemmte und 99 freie Hernien); 98 Krankheiten der Geschlechts¬
organe; 2989 Krankheiten der äusseren Bedeckungen; 892 Krank¬
heiten der Bewegungsorgane; 2417 mechanische Verletzungen (darunter
HO Fracturen und Luxationen) und schliesslich 878 anderweitige
Krankheiten, wofür im genannten Schema eine Rubrik nicht vor-
ge8eh Ueber die operative Thätigkeit an der chirurgischen Poliklinik
möge nachstehende Zusammenstellung, in der eine sehr grosse
Anzahl kleinerer chirurgischer Eingriffe nicht mitaufgenommen ist,
Aufschluss geben. .. ... . „„„„
Kopf Operation der Hasenscharte 1, von AbscessenundNekrosen
des Schädeldaches 1, des Nasenbeins 1, des Unterkiefers 6, Trepa¬
nation des Warzenfortsatzes 8, Extraction des Nervus inframaxiuaris
(nach Thiersch) 1, Operation der Zahnfistel 12, Operation (Exstir¬
pation) von Zahn- und Kieferkystomen 4, Cauterisation von Lupus
faciei 7, Angiom der Lippe 2, Lymphangiome der Wange 1, Excision
von Angiom des Gesichts 1, von Naevus pigmentosus 1, von Atberom
24, von Sarkomen der Parotis 3. von Dermoidcysten 2, von Lan-
croid der Nase 3, Carcinom der Oberlippe 1, der Unterlippe b, der
Wange 3, Exstirpation von Papillom der Zunge 1, von Carcinom aer
Zunge 1, Excision der Epulis 2, der Ranula 1, Evidement des Otnae-
matom 1, Palliativoperation von Carcinom der Parotis 1, des unter
kiefers 1, von Sarkom des Oberkiefers 1, Resection des Oberkieters
wegen Sarkom 1, des Unterkiefers wegen Phosphornekrose 1, uuko-
tomien und Evidements an Kopf und Gesicht 15, Plastik der Unter¬
lippe wegen nomatösem Defect 1, Transplantation im Gesicn >
Extraction von Fremdkörpern der Nase 3, des Ohres 5, von 1 o yp
der Nase 2, Paracentese des Trommelfelles 24, Exstirpation von ade¬
noiden Vegetationen des Nasenrachenraumes 62, Zahnnarkose Jb.
Hals. Onkotomieen und Evidements 30, Tonsillotomie l»,
Exstirpation von Struma cystica 4, Punction^yund Injection er
Struma cystica 4, Spaltung und Drainage der Struma cystica ,
Cauterisation von Struma parenchymatosa 3,^Tracheotomie w , e 8
Lues laryDgis 1, wegen Tuberculose des Larynx 1, wegen Garem
des Larynx 1, wegen Carcinom der Schilddrüse 1, Exstirpation
Larynx wegen Carcinom 1, Exstirpation von Lipom 1, von Lymp ° »
von Lymphangiom 1, von Lymphosarkom 1, von Carcinom L
cision von Atherom 3, von Carbunkel des Nackens 1, Cautensa
Rumpf. Onkotomieen (Achselhöhlen- Wirbelsäule - Glutaeal
Abscesse, paratyphlitische Abscesse etc.) 16, Sequestrotomie
I Clavicula 1, am 8temum 1, Operation der Mastitis 12, Amp
I Mamma wegen Carcinom 12, wegen Sarkom 1, Reposition mcarcer
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21. Januar 1896.
Hernien (crnral) 2, Hemiotomieen (inguinal) 1 rcrnmh 7 d ,
Operation freier Hernien (inguinal) 10 ExatirÄn V’ R ? d,caI
Brochsackes 1, Anfang eine*? DarinfiL wÄs
ileostomie wegen Darmverschluss 1, Darmresection W p ’ f > , den< ?'
nation 1, Resection des Wurmfortsatzes 1. Operation d« Ij Yagl '
neu wegen Careinem’ (S Koche «TST
pahon von Lipom 1, von Epitheliom der Lumbalaelend f
Isarkom der Gesässgegend 1, Nephrorrhaphie 1, Ooerftinn ’u u“
mguinalis 8, Operation der Phimose 8, der Paraphhnosö A p" B ,'! b °
der Hydrokele 13, Radicaloperation der Hydrokelel PnZii’ Pu . nctl0 _ n
Sectio alta wegen Stein 1, Excision der Ha™ renfisteM 2 ’
n ° d siei " ^«"»«»- i bSssz
a ä fc b, Ä£tÄ^. ,l ssss , r Fi ” 8e ™
Ganglien 3, Discision von Ganglien \° Sion
w^en Dupuytren scher Contraction 3, von Atherom . i
Sehnennaht an Hand und Vorderarm 9, Excision v^ • Hand J 1 >
Hand 1, Tcnotomie von Fingersehnen wegen Cont™«? ö n °J? der
ment der Spina ventosa 5, Excision von FrfmdkorS ^ \ E V de '
Operationen an den Fingern (Operation dor pi,i fl ^ n ^. er ^ an d3l,
Exarticulation, Resectionen, Pkstiken wegen Ver?«*?®' Amputation >
krosen) 26, Narbenexcision an der Hand und und
positiou des luxirten Daumens (unbTutig) eine r Ä m ( 3 ' Re ’
Reposition des luxirten Oberarmes (unblutig h h 0 ngerlu “ tl0 " 1»
luxirten Vorderarms (unblutig) 2, (blutig) 1 lon des
«ms wegen Carcinom der Hand J SSroÄ d f Vorder ’
arm und Oberarm 3, Resection fatv’niQr.h\ ^f° u ai J Hand, Vorder-
ÄYÄ«f SSS
Pes varus 10, des pes valgus 2Vxc sioi”°TOn'' tt 8 ’ R " dresse “«nt des
Onkotomie 7, Evidement fungöser Knorh«nh V ngU18 mcarnatus 14,
nud Fus8 20, Function &*!? U "^chenkei
forminjechon ins Kniegelenk 18 JodnftL^t!. - g ® leukes 3 - Jodo-
Bnsement des Hüftgelenkes 7 ’jodofnrrHn^ 6 ^ 10 " - Ins Hüftgelenk 8,
Arthrectomie und Resection des Knt^l* C!,on ,ns ^gelenk 2
stirpation eines Sarkom des Femur Wegen Rungus »*-
des Kniegelenkes 3, AroputatioiTdes Obere ,-hZl . TOn GeIen kmäusen
de« Fasses 1, wegen Fungus 2 Bwcn o ■ benk els w egen Gangraen
Reamputatio fibalae 1, pStirpatiM von t: 0 "? des H nter8 chenkels I,
von Lipom des Oberschenkels f von Cvatr, Sai [ konl der Kniekehle 2,
I ', T0 ? Cavernom des Unterschenkels 8 *,Sarkom des Unterschenkels
™ «»tdocent Pr. L „ dwig
Pracher. StonSSen hSÜ* U, .* d Herr Augusf
S&äss&Sassss
F euilleton.
Zür Vn 6e r hichte der griechischen Medicin.
V gnech,8c hen Londoner Papyrus 137.
I»derhJ nD u m ° d ' FmnX & ' pät ’ Ansbach -
ä D S her Qn ° dn8 Ae e rz n te Äb zJ deutscher
Poudon^ufmert griechi «chen PaSns de«™hEt , M ‘ N * ubur g«r
stücke« ,r erksain Da sich d ® 8 britischen Museums in
der bi Bh t e P ös8t * n Hoffnungen auf eiTe n* ^ halt diesea Schrift ‘
griechiSl 8 u “ an gelhafte n 8 und «SS, Bereicherung und Klärung
Untschen « 0 Med,dn k nüpften so m Ju 4881 ' 6 ? Geschichte der
andTra ^T^abe des vo n biels Ä° 88 u Icb mic 1 zu einer
v erdeot, ch “ n die8e . ra Zwecke behufsE"«^ edldirten Pa Pyrus«)
Dr. H. Bekh^i l?' 1 ein<? m mir hefrei j U , Ug ei “ er einwandfreien
Hruckin Verbindung^^ D?ese ^^' ogen * Herrn
6ber die i” Den - ß « dahin möchte ^ Arbeit Wlrd demnächst im
Und C u' 81 '“ Abschnitte des^p«^ 1 ™ e,nen Ueberblick geben
Linie i n 4 „ hrroei nungen welch« P p>rus a ufgeführten Aerzte
^ ■oSW "ebtnen und wortihH"“^ , Intere88e in er8t< ' r
n >cht erfolgt ist. WOrÜber bl8l *er eine Veröffent-
m d /$*£**+»-* -.«»
, - 57
briti 8t h nüclmt'd^es^en^PrcH'eli/enz 8 ^^nzV ^ Py , niH m '»erühren,
brit sehe Museum bei derartigen FnnH«^ • b “ n , beka nnt, da das
dar “ ber *« beobachten pflegt Die ernte itPHJJT® 11 ® 8 Stil 'Zweigen
machte Kenyon*), die Diel« S? 8 ^‘^«''“ng über denselben
a r deUteten Inha 't inte ress irte, veranlass«' ' J Ür de " dort
gäbe des Uusserst lückenhaften ,!5 h t’ J ne gr,echl sche Heraus
selh erk8 ^ eil i gen 1 eine höc hst schwieriee 6 A^f' 'h en Manu8cri P‘es zu
selbe mit bewundemswerthem 9 ch Q f® Aufg ahe, welcher sich der-
reiche Ergänzungen und etoen^ vfrtlSaSSnT ^ Durch 2ah l-
Dle s ein wenn auch nicht volktunA lcben ( ömmentar machte uns
werthvolles Schriftstück ^ugän V gth ftndige8 ’ 80 d0Ch immerhin recht
die Länge der ureprLghch^usarnmenhä gt ’ a° berecl 'net Diels«)
London der leichteren Hn„Hhni h ‘ ingende " Iiol| e, welche in
legt wurde, au? 3^1 die H«." g fT" in kl ®*n«ae Stücke^ zer
Columnen 39 zu d» / !ÄAl^ ,, ^ ™ Cm A die Zahl Z
der Papyrus 1914 Zeilen. Zei en Itn Ganzen umfasst
wähnten Vertffentlic^mi^TeslgesteR? ' d K 7 V' der oben er '
des Aristoteles nur entnommen sein^^ können d,e bet reffenden Citate
des Aristoteles gehende,! ""Z dem Nainen
aber l " ft cb Galen von Menon \lem Schnl«r1 l * x ? lKtt )' welche
rührt. Es gehört diese zu dem - de8 , Ar,8,otel es her-
Sammelwerke, wozu wir 7 R mich 1 ; 1 Aristoteles veranlass teil
Geschichte der Philosophie zähle,? Das^wJrt 0 ?,^ 881 .' 3 gefert igte
verloren gegangen und auch durch den P«^ k '' e “°. n 8 8e,bst ist
funden der ja nur Excerute an« <t«rr. C iv. Pa Py r us "icht wieder ge-
Angabe von Baas«) in der neuesten ÄrI entbält; dahin ist efne
Median zu corrigiren neuesten Ausgabe seiner Geschichte der
jetzt JÄNkhtf^uh-t werden^ Nacl, d n e Se o 8 p apyrU9 konnte bis
Weise benützt hat, zT? srhHessen »* Que ! len * " e,che er vor-
drimschen Schule. niiessen, war er ein Arzt der alexan-
Einleitung, in welche^ derselbe ehm ^«uptschnitte; nach einer
die Begriffe y 6 a V u„ „ 6 aoi «'«I!^J^ ehende Erörterung über
spitzfindigster Unterscheidung gibt ’ fo d«T » a v(' u ‘ a ' l, < mit
Theil über die Lehrmeinunfcn v«JcV , d r er . Ste ’ geschichtliche
4. Jahrhunderts v Chi " JL 1 ^hiedener Aerzte des 5. und
lange physiologische Theil an Als Quelle K Ch «* d * r z , Weite eben,ä o
m dem zweiten Abschnitte Swr Schrift !or A®!?““, de ^ Verf asser
Alexander Philaletes (gegen 20 n Chr V den Hero I>Uileer
er wahrscheinlich auch für den ^chkhM- t L^ mt an - da88
aus .Menon exce.pirt, sondem aorh lil! 6 . T, ' Cl1 nicht direct
geschöpft hat. welcher nach Galen«?, wleder ft us Alexander
ein umfängliches wirtr h!?®“ 8 ^ u Unter dom Titel
schrieben hatte. g erk dox °g ra Pbischen Inhalts ge-
in da.®? J^hÄ“Th^ ri dL WW V ° n Renyo " 7 ) und Diels
i n
Trajan, verlöt «egierungszeit des Kaisers Domitian oder
e:
crates von Kos 460-377 v Uhr- 1 n» 3 Hippo-
ö. Timotheus von Metapont; 6. A(b)as oder AMWE ,■%
Sf i «ar rtaSsB
S* 5 ’- T "p-'-'Ä.Vg“ bezeichnet;
in genösse des Platon.
ein jüngerer Zeit-
“1 Classical Review VI 1892 p. 237-240
3 t Hermes XXVIII 1893 p. 408-434. ’
der
, loyö P- «US—434.
medieini«ch«n' C w * Che E l nt f wi( ' kelun g des ärztlichen Standes und
medicm schen Wissenschaften v. J. H. Baas 1896.
) Diel8: Hermes 1. c 414 u 41 ',
B ) Galen VIII 126.
7 ) Kenyon 1. c.
«) Name lückenhaft; von Diels ergänzt.
) Name lückenhaft; von Diels ergänzt,
m lückenha ft; von Diels egänzt
d!«Ph«« } a , ^'lamowitz wahrscheinlich identisch mit dem tene-
He " en Stal - IX 2ä9 ’ 188& v *‘
(G.ir^vmJ^n^T) 1 ^'' der Ae " te v - Gurlt le84 '
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58
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Die Reihenfolge, in welcher die einzelnen Namen aufgezählt
sind, scheint keine streng chronologische zu sein, so z. B. wird
Herodicos von Selymbria von Einigen als Lehrer des Hippocrates
bezeichnet, müsste demnach vor diesem und nicht erst einige
Reihen später erscheinen; allerdings wäre es möglich, dass die
erwähnte historische Annahme unrichtig und vielleicht Herodicos
aus Knidos, der bisher unbekannt, als Lehrer des Hippocrates an¬
zusprechen ist. Es hätte dies auch insoferne mehr Wahrscheinlich¬
keit für sich, als Herodicos von Selymbria von Platon als Medicinal-
pfuscher persiflirt ist. 13 )
Deutlicher ist die Scheidung der aufgeführten Aerzte nach ihren
Lehrmeinungen und bildet der Verfasser selbst zwei Hauptgrup' en:
Die erste von Euryphon bis Aegimios v. Elis, welche die
Krankheiten hauptsächlich von den überschüssigen Rückständen aus
oder von im Ueßermass genossener, unverdauter Nahrung ableiten.
(Diese Ueberschüsse sind durchgehends mit dem griechischen Worte
negiooiöutna bezeichnet, welches im Laufe der Abhandlung bald im
engeren, bald im weiteren Sinne gebraucht wird und zwar im zweiten,
physiologischen Abschnitte des Werkes ausdrücklich in der Bedeutung
von Ausleerung und Koth. Eine nähere Definirung der nspioaoiuaia
gibt nur Dexippus, welcher sie als Galle und Schleim bezeichnet
(«/io tüf TQOcptjs nepirtuifutuay, toit Sony an6 ts/ni liff xni ipksy-
fiaios). Ich habe in nachstehendem Artikel stets das griechische
Wort neptoaaifxa-ta beibehalten.
Die 2. Hauptgruppe von Platon bis P h i 1 i s t i o n, welche neben
den 7is^iac(öfxam in der Verschiedenheit oder Veränderung der
constitutiven Elemente des Körpers die Ursachen der Krankheit
erblickt.
Das grösste Interesse unter den aufgetührten Aerzten bean¬
sprucht naturgemäss die Person des Hippocrates, welcher als Mittel¬
punkt der wissenschaftlichen Medicin damaliger Periode gilt. Bei
dem Dunkel, das von den frühesten Zeiten bis jetzt auf der als
Corpus Hippoeraticum überlieferten Sehriftensammlung lagert, ist die
Spannung begreiflich, mit welcher man der Aulklärung entgegensah,
die Menon-Aristoteles über Hippocrates und seine medicinische
Lehre bringen würde. Hierin aber erfuhren, um es gleich vorweg-
zunehmen, die Eingeweihten eine recht arge Enttäuschung; denn
Aristoteles-Menon überliefert von Hippocrutes eine Krankheitstheorie,
welche keiner unserer Zeitgenossen dem grossen Koer unterzuschieben
gewagt hätte.
unserem Anonymus lautet nämlich
Die betreffende Stelle in
(deutsch) also: ll )
„Hippocrates aber lehrt, wie Aristoteles von ihm auseinander-
„gesetzt hat, die Ursachen der Krankheiten seien die Blähungen
. Hippocrates nämlich erkläre die Krankheiten auf folgende
»Art: Entweder in Folge der Menge oder Ungleichartigkeit der
„zugeführten Nahrung oder in Folge davon, dass dieselbe sehr schwer
„verdaulich ist, entstehen (nspiatuüftac') überschüssige Rückstände.
„Wenn nämlich das Genossene zu viel ist, so wird die die Ver¬
dauung bewirkende Wärme von der Masse der Speisen überwältigt
„und befördert nicht mehr die Verdauung Dadurch, dass letztere
”xt u" ge8kbrk ’ 8k > entstehen die nepioaulfiaia. Wenn aber die zugeführte
„Nahrung ungleichartig ist, so gerütli der Leib in Aufruhr, und die
„holge hievon ist wieder die Umwandlung in mpiooaifiaia. Wenn
„endlich die genossenen Speisen dick und schwä r verdaulich sind
„so entsteht auf diese Weise eine Hemmung der Verdauung, nämlich
„wegen der Schwerverdaulichkeit, und hiedurch gleichfalls eine Um-
„Wandlung in nepiaaüftnxa. Aus diesen Rückständen nun steigen
„die Blähungen auf. Er bezeichnet das Pneuma als das noth
„wendigste und wichtigste in uns, bei dessen richtiger Strömung im
„Körper Gesundheit, bei Störung desselben aber Krankheit entsteht.
„Wir verhalten uns dabei nach Art der Pflanzen; wie diese in der
„Erde angewurzelt sind, so wurzeln auch wir in der Luft durch die
„Nase und den ganzen Körper. Wir gleichen nämlich speciell einer
„Pflanze, die Stratiotes genannt wird. Denn wie jene frei im Wasser
„wurzelt und dabei auf dem Wasser sich hin und her bewegt, so
j UCh W ' r - WI ~ eme Ark Pfla nze in der Luft angewurzelt und
„befinden uns in Bewegung, bald dahin, bald dorthin uns begebend
SnhX ’r aber 8 °. ,8t ’ 80 i8t off enbar das Pneuma das wichtigste:
entstehen, so entstehen daraus Blähungen
”Di K;»nth b | dUrC K ‘ hr Auf8t6ige, ‘ flie Krankheiten verursachen.
„Die Krankheiten aber entstehen in Folge Regelwidrigkeit der
”2 U w g en n n 1* "“b“ "wohl wenn sie "zu vfÄd, als
"IV U fl weB « “ nd; aber auch eine Veränderung der
erfnl^t g n h f E,nflu . 88 , a ? f d >e Art der Krankheit. Ihre Veränderung
"Sitz? oder Ion Z K«ltI ei ^ ent " eder durcb ein Uebermaass von
Krankheit an« -“ d J® n ? ch Art der Veränderung fällt die
hippocrates“ ‘ G An81cht d * 8 Aristoteles über
gelben" wt£ ; unT g d ^ 0 ^
^ ~ ä et:
e88en begegnen w >r aber dort, was hier schon hervorgehoben
!!!} Eiels > Hermes 1. c. p. 421 u. 422
“) Anonym. Londin. p. 8.
werden soll, einer ausführlichen Exemplificirung auf die Bedeutung
und Kraft der Pneuma im ganzen Weltall.
Da nun diese Schrift „de flatibus“ nach unserer bisherigen
Vorstellung vom Geiste des Hippocrates zu den sicher unechten
Werken gezählt wird und als ein dieses Arztes gänzlich unwürdiges
Machwerk gilt, so stellt Diels 10 ) die Ansicht auf, dass Menon bei
der Suche nach der Lehre des Hippocrates fehlgegriffen hat und
erklärt dies damit, dass es eben damals schon sehr schwer war, in
dem Chaos der medicinischen Werke jener Zeit sich zurecht zu
finden; anderseits nimmt er an, dass Menon wahrscheinlich als
Anhänger der damals die medicinische Welt vorwiegend beherrschen¬
den Pneumalehre, von dogmatischen Vorurtheilen befangen, die
übrigen Schriften der Hippocratischen Sammlung unberücksichtigt
Hess und nur die seine eigene medicinische Anschauung deckende
Theorie als von Hippocrates stammend in sein doxographisches
Werk aufnahm. Ist dem so, so erscheint der geschichtliche Werth
der Menon'schen Arbeit etwas zweifelhaft! Allerdings pflichten,
soweit ich den gegenwärtigen Stand der Kritik übersehe, die Philo¬
logen Diels' Urtheil in diesem Punkte bei; vielleicht ist aber
doch, wie später zu erörtern ist, noch eine andere Auffassung mög¬
lich. Vorerst bleibt hier die einzige mir bisher von ärztlicher 8eite
bekannt gewordene Aeusserung über diesen Gegenstand einzureihen,
welche eine von Diels abweichende Ansicht vertritt, v. Oefele 17 )
nämlich bestreitet Diels die Berechtigung, Menon die historische
Zuverlässigkeit abzusprechen und da er selbst noch an unserer
landläufigen Anschauung über Hippocrates festhält, so legt er sich
das Ganze folgendermassen zurecht: „Wenn Hippocrates auf die
Pneumalehre der Schule von 8echem' 8 ) zurückgriff und nicht auf
die Cardinalsäfte von On ls ), so zeigte sich gerade darin für jene
Zeit der nüchterne Arzt, der sich auf anatomische Befunde
stützen wollte . . . „Es ist nur die falsche Deutung der richtigen
Beobachtung der nach dem Tode leeren Arterien . . . Und was
vermag uns die moderne Physiologie zur Erklärung dieser Thatsache
zu bieten? Wenn wir in verba magistri zu schwören gewohnt sind,
allerdings alles ebenso klar wie für die Erklärung der Blut¬
bewegung im Pfortadergebiete. Emancipiren wir uns aber von
, diesem Köhlerglauben der Schule, so kann uns die Unklarkeit in
1 beiden Fällen nur ein mitleidiges Lächeln über die pharisäerhafte
Selbstüberschätzung der heutigen Medicin abnöthigen. Wir ver-
i stehen heute die richtige Pneumalehre des Hippocrates nicht
mehr und sehen nur die Auswüchse, zu denen ihn und seine
Nachfolger die Speculation verleitete*. Da ich nun meinerseits in
der angeführten Pneumalehre vom medicinischen Standpunkte nicht
j dasselbe wie v. Oefele zu finden vermochte, so neigte auch
i ich, solange ich an der bisherigen Vorstellung bezüglich Hippocrates
1 festhielt, zu Diels' Anschauung hin. Schwankend machte mich
erst eine neuere Arbeit Illberg's 19 ) über die medicinische 8chrift
„Ueber die Siebenzahl“ (mpi eßdojudduir). Dort ist auf eine Stelle
; des Platonischen Phädros hingewiesen, in welcher als Ansicht des
Hippocrates angeführt wird, es sei nicht möglich, die Natur
des (menschlichen) Körpers zu erkennen ohne Er-
I kenntniss des Weltganzen. 20 ) Dieser Grundsatz findet sich
j nach Illberg nun in der bisher vollständig lückenhaften und erst
! aus alten lateinischen Uebersetzungen reconstruirten Schrift „Ueber
die Siebenzahl", welche beginnt: „Mundi forma sic omnis ornata
est", auffallend durchgeführt. Illberg 21 ) weist vor Allem auf Dach¬
folgende hier abgekürzt wiedergegebene Stelle hin:
„ . . . . Es gibt 7 Jahreszeiten . . . auch beim Menschen
„unterscheidet man 7 Lebensabschnitte. Der menschliche Körper
-ist aus 7 Elementen zusammengesetzt, die denen des Alls ent
„sprechen . . . Auch die Erde endlich zeigt eine den Organen des
„Körpers entsprechende Siebentheilung: der Peleponnes ist dem
„Kopfe vergleichbar u. s. w. ... Ich werde nun zeigen, dass der
„Körper bei den Krankheiten dasselbe erleidet, wie die Welt als
„Ganzes ..." Am Schluss des Buches: „. . . Die Seele verlässt
„ihre Körperwohnung, das kalte, sterbliche Idol, und ihre Wärme
„kehrt in das All zurück.*
Illberg betont nun, dass der Inhalt dieses Werkes vor allem
Anderen mit der Aeusserung Plato's in Zusammenhang gebracht
zu werden verdient und vertritt 22 ) mit guten Gründen diese seine
Anschauung gegen Galen und Littr£, von denen der Erstere die
an der Platonischen Stelle angeführte Ansicht des Hippocrates auf
die Schrift „de natura hominis“, der Andere auf „de prisca medicina*
bezieht. Trotzdem aber wagt er nicht, die Schrift „nspi kßd9[xädwr\
,5 ) Anon. Lond. p. 10 u. 11.
16 j Diels, Hermes 1. c. p. 423 u. ff.
17 ) Aerztl. Rundschau Nr. 17, 1895.
18 ) Es sind dies nach v. Oefele medicinische Schulen Alt-
ägyptens. v. Oefele vertritt nämlich ganz entschieden den Stand¬
punkt, dass die griechische Medicin eine directe Tochter der ägyp¬
tischen ist. (v Allg. Med. C. Z. 1895, Nr. 11, 71, 78 u. a.)
19 ) Die med. Schrift „Ueber die Siebenzahl“ in „Griech. Stu¬
dien“, H. Lipsius zum 60. Geburtstag darg. 1894. pag. 22, 26 u. f.
20 ) Phaedrus p. 270 C. £u>xpdris' ’Pvyijs ovy xpvoiv «’ftu/r koyov
xarayoijoai otsi dvvaxdy elytu d v £ v rijf jov ö ko v cpvaeios
‘/■«iVpof; Ei fiey 'lnnoxpdiet ye iw zdjy Uaxktjmadiöy dei it m 9 sa&ca,
ovdi ns(ti aeSfiaios dys v xi}s ue9d9ov xavxve.
21 ) 1. c. p. 26 u. f.
®*) 1. c. p. 31 u. f.
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21. Jauuar 1896.
als Hippocratische Arbeit zu erklären, da, wie er angibt, auch in
dem Werke „de aöse et locia“, in dem wir den grossen Hippocrates
am deutlichsten zu erkennen glauben, die Jahreszeiten, Luftström
nagen, Wasserverhältnisse etc. als für den wissenschaftlichen Arzt
höchst beachtenswerth hingestellt sind. —
Es ist ja richtig, dass mit mathematischer Sicherheit der Be
weis sich me wird erbringen lassen, welches Buch Plato gerade im
Auge gehabt hat, denn ich finde einen derartigen Gedanken auch
ganz deutlich im I. Buch über die Diät (Cap. II). Es heisst dort-
„ man muss auch das richtige Verhältnis der Körper
„Übungen kennen gegenüber den Jahreszeiten, den Veränderungen
„der Winde-Auch den Auf- und Untergang der Gestirne
„muss man kennen, um sich vor den Veränderungen und über
.massigen Wirkungen der Speisen, Getränke, der Winde und des
.Weltalls, durch welche bei dem Menschen die Krankheiten ent¬
stehen, schützen zu können.“
In den folgenden Capiteln dieses Werkes ist auf die Kräfte
und Erscheinungen in der Natur Bezug genommen und die Be
deutung des Pneurna berührt. Endlich begegne ich, was ich hier
ganz besonders hervorheben möchte, der Platonischen Anspielung
auch m dem durch Menon-Anstoteies zum Streitpunkte gewordenen
Werke „de flatibus“ Es ist dort im III. Capitel in eingehendster
We.se auf die Bedeutung und Kraft des Pneurna im Weltall hto-
gewiesen. Alles was zwischen Himmel und Erde ist, Sonne, Mond
und Gestirne, werden durch das Pneurna geregelt u. s w Das
Pneurna ist die Ursache des Lebens bei den Sterblichen, bei den
kranken die der Krankheit. Und am Schluss der Schrift ist noch-
mfX ,'^ capi ^ h J t > ” da8S , dle Luft (Pneurna) auf alle anderen Dinge
GeäSe ,EinflU88 aU8übt ’ W ‘ e a “ Ch “ Uf di ® Kör P er der lebendfn
Allerdings ist damit, dass man diese Platonische Ansicht in
ugend einem Werke vorfindet, nicht schon der Beweis erbracht
dass dieses nun auch von Hippocrates stammt, denn es könnte iä
auch ein anderer Arzt den gleichen Gedanken verarbeitet haben
Sn Sollte rS thChe S y hU f 1 n SCheint diese Idee d <>ch Wnzu^
TS' b m aun reiner Zufall sein, dass in der Schrift deren
Sde Zh M H-° n ' An8 w tele8 de “ Hi PP° crate8 zugeschrieben wird
Sfindet? Ähr“,? 40 ?7 Hippocmtes
XtÄ 4 ftÄ wd,, l! da88 wir uns «Ä
sobald die NothwendSeiT°hiSir Ung - H lPP 0C , rates zu verlassen,
Wendigkeit f‘ Ch erwei8en ltts8t - Diese Noth¬
aus nachfolgende^ Ä h fÜr n ^. ezu erwiesen erachten und zwar
unter dem Namen ?- ie Frage nämIich - was von den
wirklich echt od er uS uns «herlieferten Schriften
hhren mit BestimmthS , , W,a8e “ w 80 wenig wie a »«ere Vor¬
weiche von feherTher L beantworten “ d bei der Unsicherheit,
aus der ja recht “ Gegenstand herrschte, wurden eben
echt bezeichnet ^ tlgCn Sammlun g zumeist jene Bücher als
sicht am ehrten gerade herrschenden medicinischen An-
&ko unsere Bewundwu^d 11 ' v* 8tü . tzen unter diesen Umstünden
der zwei Philosophen P^ ?°, ers eigeiltlicb nur auf das Urtheil
Beinamen „der Grosse“ ga^en welche Hi PPocrates den
dieses Arztes unterrichtÄnH h “S d T y ir8elb , 8t über die Arbeiten
.w>r das Urtheil derselhen chf’ ’J" d r , IC1 glaube daher, dass wir, die
’hr zweites über den Tnh n < if >er d ' C G J össe dieses Mannes aimehmen,
^ch bezeichn sollten WirTm Lehre , D ^ bt ° hae weitera a ' 8
uns über den StandnnnW , ' r 80 t . en vielmehr darnach trachten,
be > der Beu r (heilung L V ergeW1S8ern - den PIato und Aristoteles
““P®- Hiebei wird aber ^irhT™ 168 T bl eingenommen haben
Philosophen wahrscheinlich " cht zu verkennen sein, dass diese
**? wir jetzt zu thun pflegen w“ ganz “dem Massstab anlegten,
Wl8 *en und wie uns inS/w™ nämhch aus Platon Timaeus 2 ')
entwickelte dieser Gelehrt« Wei8e , unser Anonymus 20 ) berichtet,
und huldigt, wenn auch ^h* wund erliche medicinische Theoreme
«hieden depJi t ™ ht ausschliesslich, so doch sehr ent-
[«vor, dass er auS'd hU^ 188 aber hebt Diels2 ^ 8elbst
Werk« d«. «• uena näufig die nnn für i,nacht „c.— ,1 _
Mggg ™ MBDlCINISCmi WOCHKNSchp,^
autgabe der Erstnllnt,™ • 8einem Lehrer mit der so wichtigen
y*. wahrscSS g eto R f r A m h dicini8Cben »^aphie betifut
“ “uter solchen Verhältoif Anba ° ger der Pneumalehre war. Ist
■kistoteles bei der Beurtheite 60 i' Ch t nahe ! ie g end . dass Plato und
ihren eigenen nlöf des , . Ko . ers in seiner Bedeutung für
und dass ihnen ein Mann dosophischen Standpunkt einnahmen,
c Allem von philosoDhiaehlf' B ® arb ® ltun g medicinischer Probleme
aI * eiu einfacher nücht Ge6ICh n P ’^ nkten aU8 ^ n g- grösser
~- nüchterner Beobachter der natürlichen
_ 59
ÄÄÄii&Ä S
Schauspiel, dass die letzton allgemeinsteiTÄTem« 8 eige t nthU 4 mIicbe
genommen wurden und erst nnm«hih.h Fr ? ble “ 8 zuer8t ,n Angriff
Metaphysik zur positiven W ssenÄt statttan H Uebergang von der
in der Medicin Hippocrates in 8einer FmhrIf t d ' •? ben8 ° kann
lationen über die ferner veWenf u b e 1 «'eitgreifende Specu-
.teilt haben und S lo'Sem Kr " kheIK " »»8-
Werken von der Person "des ^H5 n a en * bi8har a > 8 echt geltenden
diese Erscheinung nicht neu in^Herr^t. 8 abseben müssten, wäre
mal irgend eine^Errunoenschaff mi?^ h,Cht ^ ‘ n der 8chon ma nch-
wurde »genschaft mit einem irrigen Namen belegt
mmmm
Um nicht länger mit vorwürfiger Frage zu ermüden, gehe ich
hn Z ch 6 'hfr , kurze 4 n . Schilderung der Lehrmeinungen der anderen
im geschichtlichen Abschnitte aufgeführten Aerzte über
gruppen e gSreTnt üh rWä !’ n , t 't hat der , Verfas8er 8alba ^ zwei Haupt¬
gruppen getrennt. Ich möchte nun die erste derselben in drei
weitere PrädsTrun^ 1 ^ 611 8ch ^ iden: a > 8olche Aerz ‘ a . welche ohne
Kmnkheften hl? g d i **£*'*&**« a " 8 'ch bei der Aetiologie der
Krankheiten heranziehen b) solche, welche die aus den neotoiuSuara
sich entwickelnden Blähungen, c) solche, welche die aus ^den
umache'“rchiwSn he »mh 1 fT t 8i ? keite ^ _ hu “ or “ - als Krankheits-
ursache schildern, wobei letztere Gruppe zumeist auch weitere
aufführt. 8 En *"' ickl “‘= Hitze oder
Zu Gruppe a) sind Euryphon von Knidos und Alca-
meuos von Abyda zu zählen, welche in erster Linie die Krank-
tohrp’n H Ung r Ügende . Thätigkeit der Verdauungsorgane zurück-
führen, wodurch nspiaauifuna entstehen, welche zum Kopfe auf¬
steigen, da genährt und wieder zum Körper geschickt die Krank-
heiten verursachen; auch Herodicos von Sclymbria kann
hieher gerechnet werden, welcher für die Entstehung aller Krank-
hei j e j ungenügende Körperbewegung bei übermässiger Ernährung
,.^ Urcb badlngt ® unzureichende Verdauung der Speisen be¬
schuldigt. Er bezeichnet deshalb die ärztUche Kunst als eine
Anleitung zum naturgemiissen Leben.
v ™ ., Ver . treter der Gruppe I ist nur Hippocrates aufgeführt.
Zum Theil gehört auch, wie wir später sehen werden, Plato hieher
Am zahlreichsten ist Gruppe c) vertreten, welche auf humoral-
pathologischem Standpunkte steht. Hier kann vorerst Herodicos
aus Knidos aufgeführt werden. Er legt im Gegensatz zu Europhon
kem Gewicht auf die Thätigkeit des Unterleibes, sondern lässt nur
aus mangelhafter Körperbewegung die ne^iaaui/Aara entstehen, aus
welchen hinwmdemm zweierlei Flüssigkeiten, eine sauere und bittere,
swh bilden. Je nach ihrer Verschiedenheit in Bezug auf Mischung
und dem Orte ihrer Ablagerung entstehen die verschiedenen
Krankheiten.
Timotheus von Metapont lehrt, wenn die Ausgänge im
Kopfe verstopft sind, werden die nsQtaauifxaia dort zurückgehalten
und es entstehen auf diese Weise eine salzige und eine scharfe
Flüssigkeit, die, wie oben erwähnt, die Krankheiten verursachen.
Abas erklärt die Entstehung der Krankheiten aus einer Rei¬
nigung des Gehirns durch Nase, Ohr, Mund und Augen; bei einem
Uebermass der Ausscheidung enstehen fünferlei Flüsse vom Kopfe
Die Stelle über Heracleidorus ist vollständig lückenhaft: so viel
ich aus den einzelnen erhaltenen Worten entnehme, steht er eben¬
falls auf humoralpathologischem Standpunkte.
27 ) Houdart M.; Histoire de la mödecine grecque depuis Escu-
lape jusqu’ k Hippocrate 1856.
28 ) Etat de la intklecine entre Homere et Hippocrate. Rev.
nrelieol. 9. J. VII. 1868.
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M(INC1110NKll .MJ0D1CINISCH10 WOC11KNSCHRIFT.
No. 3-
60
NachHippon aus Kroton hängt die Gesundheit von einem
normalen Maas und Verhalten der Körperfeuchtigkeit ab; diese
Körperfeuchtigkeit macht, wenn durch Hitze oder Kälte in Menge
und Beschaffenheit verändert, Krankheiten.
NiniaB aus Egypten unterscheidet zwischen angeborenen
und erworbenen Krankheiten; letztere leitet er aus den rte^taauifxaia
ab und steht, soweit die äusserst lückenhafte Stelle ersehen lässt,
wie die Uebrigen auf humoralem Standpunkte
Thrasimachos aus Sardes lässt die Krankheiten aus Ver¬
änderungen des Blutes entstehen; in Folge von Hitze und Kälte werden
aus dem Blute Schleim, Galle und Fäulnissstoffe erzeugt und daraus
die Krankheiten.
Dexippos nusKos: Krankheiten bilden sich aus Verdickung
und Fäulniss von Galle und Schleim (Stelle sehr lückenhaft.)
Der tenedische Arzt Phasilas führt die Krankheiten zurück
auf die Ablagerung der normalen Körpertlüssigkeit an ungeeigneter
Körperstelle. (Stelle ebenfalls Behr lückenhaft.)
Aegimius von Elis endlich lehrt als Ursache der Krank¬
heiten eine Störung der normalen Ausscheidungen bei Uebermass
von Nahrungsaufnahme und bei Verdauungsstörung.
Das wären die Aerzte der ersten Hauptgruppe. Ein Mittelglied
zwischen erster und zweiter Gruppe bildet Plato, welchem unser
Anonymus eine sehr eingehende Schilderung widmet. Die Theorien
Plato’s sind aus seinem Timaeus bekannt und können daher hier
übergangen werden. Erwähnt seien nur die vier Grundstoffe, aus
denen Plato Alles entstehen lässt: das Warme, das Kalte, das Feuchte,
das Trockene, welche den vier Elementen entsprechen: Feuer, Luft,
Wasser, Erde. — Die Krankheiten werden nach ihm auf dreierlei
Arten verursacht: 1. aus den Grundstoffen in Folge Veränderung
der vier Hauptqualitäten rücksichtlich ihrer Menge und ihres Sitzes,
und zwar in Folge einer gewissen Disposition der Grundstoffe; 2. aus
dem Bau des Organismus, bei anrichtiger Entstehung oder Bildung
der einzelnen Organe; 3 aus den im Körper sich befindlichen
7t8fiaaulfxaia und zwar wieder auf dreierlei Weise, entweder dadurch,
dass daraus Blähungen oder Galle und Schleim entstehen, von welchen
jedes für sich und eines mit dem andern krank machen kann. Hieran
reiht sich die Schilderung der Theorien des Philosophen Phiolaus
aus Kroton. Dieser behauptet, dass der Körper nur aus einem
Grundstoff bestehe, nämlich dem Warmen, weil auch der Samen
warm sei. Der Schleim, der allgemein als kalt galt, wird von ihm
warm genannt, weil yXsyfxa (Schleim) von tpidytty (brennen) abge¬
leitet sei u. s. w.; die Galle sei nicht ein Product der Leber, son¬
dern Fleischsaft. — Die Krankheiten entstehen aus Galle, Blut und
Schleim, als Hilfsursachen wirken ein Ueber- oder Mindermass der
Erwärmung, Nahrung und Abkühlung. Polybos behauptet, dass der
Körper aus zwei Grundstoffen, dem Warmen und Kalten, bestehe;
eine Aenderung dieser Grundstoffe oder unrichtige Mischung und
Vertheilung derselben verursachen Krankheiten, welche aber auch
durch unrichtige Mischungsverhältnisse im Blute, Schleim, gelber
oder schwarzer Galle entstehen können. Da diese Vorstellungen des
Polybos sich mit dem Gedanken in der Schrift „de natura hominis -
vielfach decken, so ist Di eis geneigt, Polybos als Verfasser dieses
Werkes anzunehmen; doch erfuhr diese Ansicht durch Fredrich";
eine Modification, die in der deutschen Ausgabe des Anonymus
nähere Berücksichtigung finden wird
In neuem, entschieden günstigerem Lichte als bisher in der
Geschichte der Medicin erscheint Menecrates mit dem Beinamen
Zeus, der von Haeser als das älteste Beispiel eines Charlatans
im grossen Stil bezeichnet wird. Als er Philipp von Macedonien
gefragt haben soll, ob er glaube, dass ihm, dem Menecrates, noch
etwas an seiner Vollkommenheit fehle, habe dieser geantwortet:
„Verstand I“ Auf eine gewisse Wichtigthuerei des Menecrates lässt
auch die Kritik unseres Verfassers Uber dessen medicinisches Werk
schliessen.
Nach Menecrates bestehen die Körper ebenfalls aus vier
Grundstoffen, zwei warmen und zwei kalten, die warmen seien
Blut und Galle, die kalten Luft und Schleim. Eine Störung im
harmonischen Zusammenwirken dieser Grundstoffe verursache die
Krankheiten. Durch Veränderung in der Beschaffenheit von Galle
und Schleim und Ablagerung derselben an einem ungeeigneten
Orte entstehen Krankheiten, z. B. in den Hüften Hüftweh, in den
Lungen Lungenentzündung.
Petron von Aegina nimmt einen eigentümlichen Stand¬
punkt ein bezüglich seiner Anschauung über die Galle. Er sagt
nämlich: nicht aus der Galle entstehen die Krankheiten, sondern
die Galle entstehe aus den Krankheiten. Im Uebrigen nimmt er
ähnlich den anderen Aerzten zwei Grundstoffe an, kalt und warm
mit zwei Ergänzungsstoffen, beim Kalten das Nasse, beim Warmen
das Trockene. Die Krankheiten entständen entweder aus Uebermass
keit der f Grundstoffe^™^ Verdauung oder aus Ungleichmässig-
Philistion aus Locri nimmt einen seinem älteren Zeit-
Plato . ähnlichen Standpunkt ein Er sagt nämlich: wir
V1 . er Meen, d h. vier Grundstoffen, die bereits bei
Glaubt T d ' Bez äghch der Entstehung der Krankheiten
fieh b il ,w d , ver8ch,ed « ne Ursachen wirken können, welche
sich m drei grosse Gruppen scheiden lassen. Zur 1. Gruppe rechnet
Götting ?894 br ° " y9 V lJ ' t0v pseudohippocrat. Dissert.
b.
er die Krankheiten, welche aus einer Störung in der Thätigkeit
oder Zusammensetzung der Grundqualitäten entstehen, zur 2. Gruppe
solche, welche aus einer gewissen Disposition der Körperorgane
entstehen (die Stelle ist hier etwas lückenhaft), zur 3. Gruppe
gehören Krankheiten durch äussere Ursachen veranlasst und
zwar a) durch Verletzungen oder Geschwüre, b) durch Uebermass
an Hitze, Kälte und Aehnliches, c) durch Umschlag von Hitze in
Kälte und umgekehrt, von geeigneter in ungeeignete Nahrung.
Hiemit schliesst der erste geschichtliche Theil, dem wir ganz
schätzeuswerthe Beiträge zur Kenntniss der altgriechischen Medicin
verdanken. Wie wir sehen, war um die Wende zwischen 5. und
4. Jahrhundert v. Chr. der humoralpathologische Standpunkt in
Blüthe, welcher bei einem einheitlichen Grundgedanken eine Menge
individueller Spielarten in sich vereinigt.
Im anschliessenden zweiten Abschnitte sind weitschweifige
Ausführungen mit breiter, oft recht unbefriedigender Beweisführung
über die Functionen des Körpers, Athemholen, Ernährung, Aus¬
scheidung enthalten Als mich am meisten interessirend möchte
ich daraus nur hervorlieben das entschiedene Eintreten des anonymen
Verfassers für die Anschauung, dass auch die Arterien, nicht nur
die Venen, Blut haben gegenüber Erasitratos, der behauptet,
daBS die Arterien nur Pneuma führen und bekanntlich die Blutung
aus verletzten Arterien durch die zwischen Arterien und Venen
vorhandenen Anastomosen erklärt, eine Ansicht, der sehr scharf
entgegen getreten wird.
Der Papyrus schliesst mitten in der Beweisführung über die
Ausscheidung durch die unsichtbaren Körperporen, weil, wie Diels
aus den fortwährenden Correcturen annimmt, der Schreiber in dem
Originale sich wahrscheinlich nicht mehr zurechtfinden konnte.
Referate und Bücheranzeigen.
He in sh ei mer: Entwicklung und jetziger Stand
der Scllilddrüsenbehandluilg. Münchener med. Abhandlg.
IX. Reihe. 1. Heft. München. J. F. Lehmann. 1895- Pr. 2 Mk.
Lanz: Beiträge zur Scliilddrüseufrage. Mittheilg.
V. Kliniken u. med. Instituten d. Schweiz. III. Reihe. Heft 8 - Hasel
und Leipzig, ('. Sallmann 1895- Fr. 2,40 Mk.
Der unbekannten Stellung, welche die Glandula thyreoidea
in der Physiologie einnimmt, geht man durch Forschungen nach
jeder Richtung hin jetzt mehr und mehr zu Leibe, und man ist
— ob bereits abschliessend, ist noch nicht gewiss — zu der
Ansicht gelangt, dass die Schilddrüse ..einen dem Wesen nach
räthselhaften') Stoff herstellt, der für den Stoffwechsel, die Eiweiss-
umsetzungen, namentlich aber für die Ernährung des centralen
Nervensystems nothwendig ist.“ Diesen Stoff dort, wo er wegen
Mangels an einer Schilddrüse überhaupt oder an einer leistungs¬
fähigen fehlt, zu ersetzen, ist das Ziel der ,,Sehilddrüsentherapie".
II. schildert uns nach der Einleitung die Entwicklung derselben
— Implantation, subcutane Injection von (Ilycerincarbolextract,
endlich Darreichung in Tablettenform |*er os — in kurzen, klaren
Zügen. \ oii Krankheiten, gegen welche diese: neue Behandlungsart
von Vernünftigen und anderen schon angewandt wurde, werden
schon zehn Gruppen mit über einem Dutzend Einzelnamen genannt.
Des Weiteren muss der Reaction Beachtung geschenkt werden
(Pulsbeschleunigung auf 110 — 120, Temperaturerhöhung, Ver¬
mehrung der Diurese, Albuminurie und Glvkosurie, Harnstoffver¬
mehrung, dazu oft eine Reihe subjectiver Störungen bis zu
gefährlichen Intoxicatiouserscheinungcn, Dermatitis squamosa —
daher die Anwendung bei Hautkrankheiten — ).
Man beginnt die Therapie, von welcher schwer Herzkranke
ausgeschlossen sein sollten, mit vorsichtigen Dosen, 1 / 2 , bei Kindern
Vs—V< Tablette pro die, und steigt, streng individualisirend, unter
Beobachtung von Puls und Temperatur auf 1 — 1 */2 K P r0 d ’ e
( = 4 Tabletten); freilieh muss man sich dessen bewusst sein und
— als practischer Arzt — der Familie des Kranken davon Mit¬
theilung machen, dass diese, ja nicht kostspielige Behandlung
Monate lang, ja bisweilen mit kleinen Dosen lebenslang fortgesetzt
werden muss.
Während man bei Myxoedem, Tctania thyreoipriva, sporadischem
Cretinismus und dergleichen gute Erfolge beobachtete, sind dieselben
bei Psychosen verschieden und wenig erinuthigend (vergl. Reinhold,
diese Wochenschrift Nr. 31 1894 und Nr. 52 1895), und das¬
selbe gilt wohl auch bis jetzt von den Hautkrankheiten, Lues,
‘) Vergl. diese Wochenschrift Nr. 2. 1896. 8. 38: Baumann,
Ueber das normale Vorkommen von Jod im Thierkörper.
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21. Januar 1896.
Lungentubcrculosc, wahrend bei allgemeiner Fettleibigkeit, wie es
scheint, bessere Ergebnisse zu berichten sind. Eine Tabelle mit
334 Fallen und ein Literaturverzeichnis« mit 1 77 Nummern ver¬
vollständigen die interessante Schrift.
Lanz führt uns die Frage mehr als Naturforscher vor
Pas Heft enthält vier Aufsätze: 1 . Thyrcoidektomic an Kalt¬
blütern (Zoolog. Institut von Neapel), der ausser interessanten
Mittheilungen über schwierige Versuche an allerlei Kaltblütern
durch eine Reihe auch tabellarisch dargestellter Kxjieriiiicntc an
Haifischen beweist, dass auch bei diesen und bei Fischen überhaupt
die Schilddrüse ein wichtiges, zum Leben nöthiges Organ ist
2. Heber den Ursprung der Muskelzuckungen bei der experi¬
mentellen Tctania thyreoipriva (Laboratorium d. Universitv College
Hospital iu London) mit graphischen Darstellungen und „Kranken¬
geschichten", mit dem Resultate, dass die Zuckungen wahrscheinlich
vum Mittelhirn und verlängerten Mark ausgclöst, aber auch vom
Gross- und Kleinhirn beeinflusst werden. 3. Erfahrungen über
die .Schilddrüsentherapie bei thyreoidektomirten Hunden (Physiol
Intstitut Bern). Auch hier kann der Ausfall der Gl. th. dauernd
aber auch nur durch dauernde Darreichung von Drüse aus’
geglichen werden. Aus allen Versuchen geht übrigens hervor, dass
rlcisehkost tctamsche Anfälle viel eher, stärker und häufiger aus
löst, als Pflanzenkost und Milchnahrung. 4 . Demonstration
athynotm-her und l.ypcrthyrcotischcr Tlnere, hochinteressante
fiinzclbeobachtuiigen.
Dr. Georg Liebe - Geithain (.Sachsen).
MggHEN EH MEDICINISCHE W OCHK^nm,,,^
61
den J r,1 ” d / ig GrÖnwa,d Mün<rhc,,: Lehre von
Vdaf vo ZWCitC *"** «"^beitete Auflage.
Verlag von J. F. Lehmann in München.
Diese zweite Auflage zeichnet sich vor der ersten dadurch
5, da f dle #,tere u,,d ncuere Literatur in viel reichlicherem
Jaaj herangezogen und ein wesentlich grösseres Beobachtung«-
Una verarbeitet wurde. Der wissenschaftliche Werth des Huches
ha dadurch bedeutend gewonnen. Der Stoff ist n n h -,i
«»■*.. WarbeUet. ÄÄ
treten „".sniamsgerciftercr und schärferer Form entgegen. Auch
, ' ek neue u,k1 anregende Gedanken in dieser zweiten
dl ' r *"
Andersdenkende so lei t h einuf T" ^ da "
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K i 11 i a n - Freiburg i. II.
SebeWomeVotMÄ'r Di ». N . a8enl,al,le uud illre
la * von I)r. D c t c r 2! „ ü^i* Da j tur,1 Cher Grosse. Vor
D lCrw nn s Buchhandlung Heilbronn.
“it seinen S,«L ( SSS** "** * S ^-ninneren
li m namentlich beim " S f? U " d 1>UCU, " atischcn Höhlen war
Anch war es, um mif a “ nangCnehm «“l>f«nden worden,
appotitlieh, ein ait<;s .• d ®“ Vcr £ asser zu reden, nicht gerade
Lcbc n, nm sich noch schnell S,,iritus l>räparat hcrauszu-
Diesem ManJl W T* 0peration ^ ™ in&r-
ubgeholfen, indem er nach Sch"»* 8 ° dankenswerther Weise
®°delle her,stellen liess JWm *”“* SpWtusschädels Gyps-
dlc sie gestellt werden Ir f** CUtSI,recl,cn allen Anforderungen,
Lässigkeit t in Klarheit und Zweck!
«ste Modell rcnräsonfÜT' • ffrossfcr anatomischer Treue.
mit «Hon Details den D T°k . Kagitta,scl ‘" itt d " rechten
Jemhöhle, wobei Zange’ Q-u Durchs , ch " ,tte » der Stirn- und Keil-
,a?c ^im Lelienden 8 <L' “p" U ." d Kohlko P f >» ü.rer natürlichen
r^'ten ModeI1 Nr ‘ 2 z cigt die so
)lü| a |iv Re,uilunaris nach Em n,fsC Siebbcins und am
3, die linke SL i «fl rna , ng dcr ,uittlere “ Muschel.
dea Du ctU8 lacrymalis den S®' darstclIend . zeigt die Mündung
• »» den Hiatus semilunaris sowie das Forameu
KcHlIeinhühlif ''Zf'T'* " i * Süfr °” t ? ,is Ulit *»" Durchschnitt der
Ä B «»--•l.tlieher Weise dargestellt sind. In dem m!,U
zellen ZZlT t ' in * ^ Kt ’ ,lku ' ,löh, e mit den hinteren Siebbeil
säs “ ,m "'* * *«■*.« ä
S.ÄÄÄ.“
> choch -München.
™LH USl I eS ,- L 1 e, f rbuch der schwedischen Heil-
U? U ri f Berücksichtigung der Herzkrankheiten. Mit
114 Abbildungen. 100 l ehungen und 40 Becepten. Verlag ven
1 ■ Bergmann, Wiesbaden 1806. ^
Fs möge hier gleich an einleitender Stelle hervoraohoben
werden' ’ kaniT “! *"** dw ^nannt
tuten kann , vvekhc m. letzten Lustruin über Gymnastik mf
dem. JIud.ern.arkt erschienen sind. Sehr weise beschränkt sieh ‘der
Gebiet uG' " Ur ( '-'•»••astik abzuhandeln und das grosse
. , dtr - Ma ' ss:l ^‘ Sü « ut w unberührt zu lassen, denn dafür
Lrili 0 : uw Ti ,,ton T r r !t dw ******* ^ 2
iKMlmftgtn. theoretische Betrachtung,... über das Wesen der
.vmiiastik, ihre Wirkungsweisen, die Principien der einzelnen
zVhheicl.o 'vi i 11 S,Ud ffrÜ " < ! li f h bd0U<,|,k,t - Dazu kommen dann
zahluidie Abbildungen, welche dem Leser besser als langatlm.ige
1,10 c,nzci,,e " 1 Übungen vor Augen führen. Regeln
hat °wor 1 VUr ,’ WÜ, 'T' d U " d ,,ach dcr D.viunastik zu beobachten
• t, erden gegeben; diesen schliesst sieh dann die Behandlung
du Allgeme.nle.den sowie der Organerkrankungen an, wobei dem
lkrzen, wie dies auch das Titelblatt anzeigt, ein grösserer Raun,
gewidmet wird um schliesslich eine Fülle von Keceptproben -
40 an der Zahl — hinzuzufügen.
Es kann selbstverständlich bei einem Lelirbuehe. welches nicht
weniger als 340 Seiten umfasst, nicht Aufgabe des Referenten
sein Auszüge aus demselben hier vviederzugoben. Es muss das
Werk vielmehr als Ganzes betrachtet, das Studium desselben abeu
dem Leser selber überlassen bleiben. In sehr geschickter Wcisr
lut H. die Lehren der Mechanik, der Anatomie und Physiologie ze
verwertI 1011 und ihr Anwendungsgebiet zu beleuchten verstanden
und wenn wir hinzufüge.., dass der Verfasser bemüht ist, überall
sachlich zu bleiben und durch klaren und gewandten Stil das Buch
leichtverständlich zu machen, hätten wir die Hauptvorzüge des
vorliegenden Werkes wohl genügend hervorgehoben.
Bei einer eventuellen 2. Auflage dürfte sicli jedoch manche
Aendcrung empfohlen, insbesondere wäre es gerathen, etwas anders
zu klassificircn. Auch dürfte sich gegen manche Auffassung Wider¬
sprach erheben, so z. B. dagegen, dass (S. 295) alle chronischen
Herzleiden mit Widcrstandsgyninastik zu behandeln seien, oder
wenn auf Seite 12 gesagt wird, dass die deutsche Heilgymnastik
D^urotischcr Hinsicht anzuwenden sei bei Lungcnlciden, die
schwedische bei Herzleiden. Es ist auch schwer zu begreifen,
w-aram die manuelle Gymnastik schwieriger abzuschätzen sein soll
als d,e instmnientolle (S. 16). Bei Herzkrankheiten 1 bat z. B.
Beferent darauf hingovviesen, dass die Widerstandsgymnastik besser
dosirbar sei als die Mascliinengyninastik. Auch das, was auf
»eite 12 am Schlüsse über die Selbsthemmungsgymnastik gesagt
wird, wird Zweifeln begegnen, und ebensowenig dürfte sich, wie
cs II. auf S. 95 thut, ein solcher Gegensatz zwischen Widerstands-
und Selbsthemmungsgymnastik construircn lassen u. dcrgl. m.
Doch all dies ist nicht so wesentlich und die geschilderten
Vorzüge des Hughes’sclien Lehrbuches sind der Art, dass wir
das Studium desselben nur lebhaft empfehlen und dem Werke
allgemeine Verbreitung wünschen können. Die Bergmann'sehe Ver¬
lagsbuchhandlung hat in der genügend bekannten Weise das Werk
reichlich ausgestattet. 'Sch 0 1 1 -Nauheim.
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G2
Münchener medicinische Wochenschrift
No. 3.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt fttr Innere Medlcin 1896, No. 2 und 3.
No 2 1) H ZeehuIsen-Amsterdam: Beitrag Kenn -
»iss der Sogenannten „physiologischen'' *1»—*^ ^
dC ‘ Ä'^ÄlhTÄbuminnric dk.» AU.™ MeU™.
renalen, accidentellen Ursprungs (rothe Blutkörperchen, Leukocjt ,
Sper T‘“tione!ie Albuminurien konnten bei .len nntersneMc»
‘““bS 7l'“/”“o“?e S'de'n'emptadUctoten Eesgentien keine
Spur von Eiweiss entdeckt werden).
2) Rosenfeld und Orgler: Zur Behandlung der harn-
SaUre pie D Untersuchungen der Verf., welche besondere die Einwir¬
kung des Eiweissumsat7.es auf die IlarnsUureausscheidung unter vei-
schiedenen Bedingungen beachteten, ergaben Folgendes. . .. .
schieuenen^ g^B Eiweissumsatze3 erzeugt eine beträchtliche
Steigerung der Harnsilureausscheidung, welche bei grossen 1 ilfe
ttSrlonTbO-S'g'Srlei versehene» Kineio,
4 Dadurch 1 Kalbsmilch hervorgerufene Steigerung der Ilarm
säuremenge wird durch Harnstoffdarreichuug so beemflusst, dass
sowohl eine geringere Bildung von Harnsäure als auch eine bessere
Slt“en iS&SL wirkt »uch Urotropin bildung,
vorminderndund löeungeverbeesernd »,,f die H“«k„^™ »ui
nicht so stark wie der Harnstoff, auch treten Nebenwirkungen aut
Blase und Magen-Darmtractus auf . v„..wh
6. Nach der Knlbsmilchpenode fand sich eine lange Nach/.eit
erhöhter Harnsäureausscheidung.
No. 3. 1) P. F. Richter: Zur Frage des Eiweisszerfalles
nach Schilddrüsenftitterung. (Aus der III. mediz. Khmk, 1 rof.
Senato Berlin)
Bei einem gesunden Manne wurde ein Stoffwechselvcrsuch aus_
geführt, um die Wirkung der SchilddrUsentobletten besonders auf
den Eiweissumsatz festzustellen. gelang, mneibalb 5 Tage
Abnahme des Körpergewichts um 2 kg zu erzielen aber ohne dass
der Ei weissbestand angegriffen wurde, ein Resultat das imG ege
satz steht zu den Untersuchungen von Leichtenstern und \- ende \
stadt. Dass der eiweisszerstörende Einfluss, den die Schilddrüse
offenbar besitzt, bei dem Versuche des Verf. nicht m Erscheinung
trat, wird darauf zurückgeführt, dass neben reichlicher Eiweisszufuhr
genügende Mengen von Kohlehydraten und betten gegeben wurden.
Der Gewichtsverlust war bei dieser Kost ein beträchtlicher, ohne den
Eiweissbestand anzugreifen. Es empfiehlt sich demnach, bei bett-
süchtigen, die mit Schilddrüse behandelt werden, keine diätetische
Entziehungskur anzuwenden, vielmehr ihnen eine ausreichende ge¬
mischte Nahrung zu geben, da anscheinend nur auf diesem Wege
Gewichtsverlust ohne Eiweissabschmelzung erreicht wird.
2) K. Bohland: Ueber den Einfluss des salicylsauren
Natrons auf die Bildung und Ausscheidung der Harnsäure.
(Aus der medic. Klinik in Bonn.)
Natr. salicylic. ruft eine beträchtliche Steigerung der Harnsaure-
ausscheidung hervor. Im gleichen Sinne änderte sich die Zahl der
Leukocyten, die um das Doppelte anstieg. Verfasser zieht aus den
Versuchen den Schluss, dass mittlere Gaben von salicylsaurem
Natrium eine deutliche Vermehrung der Leukocyten im Blute ver¬
ursachen und, wenn die Theorie von Horbaczewski richtig ist, eine
beträchtliche Leukolyse und dadurch eine Steigerung der Ausscheidung
der Harnsäure veranlassen. Für die Praxis ergibt sich, dass die
Darreichung des salicylsauren Natriums bei Gicht zu vermeiden ist.
W. Zinn-Berlin.
Monatsschrift für GeburtsMlfe und Gynäkologie. Bd. III.
Heft 1 (Januar).
1) B. S. Schultze-Jena: Einiges über Pathologie und
Therapie der Retroflexio uteri.
Der für die Entwickelung der Lehre von der Retroflexio uteri
hochverdiente Autor widerlegt in diesem bemerkenswerthen’Artikel
die Ausführungen Theilhaber's (cfr. d. Ref. in d. W. 1895, Nr. 46,
S. 1086) Punkt für Punkt. Dass häufig nach ausgeführter Reposition,
_, « „nnJnHimr wieder cintritt, die alten Beschwerden
tr0lZ { em jL S Verkleinerung, die
verschwunden b . » h nur kurze Zeit in normaler Lage
sich befand ^Kehrt der Uterus nun in die pathologische Lage zurück,
* nJe Beschwerden öfters erst nach längerer Zeit wieder
8 mf Dass öftere trotz gelungener Reposition, nervöse Beschwerden
auf- Dass euere, £ . , linsre7W ungen daraus, dass diese
bestehen bleibe» «tmlerung »bbUngig n-aren.
Ulf bestehende Blutungen ist sehr oft cclatant. Die ott erheDiicne
Volumenvemindening des Uterus nach Reposition findet durch
Sc t ÄÄÄI
t-ewiss sehr häufig durch Dannatonie bedingt sein können, ist
richtig, aber gewiss unrichtig, jeden Einfluss der Retroflexio bei
diesen Symptomen lüugnen zu wollen.
2) M. Voigt- Nowawes-Neuendorf: Ueber Drüsenbildung in
My ° Verfasser belichtet unter Anführung der einschlägigen Literatur
über 3 derartige Fülle. Die Drüsenbildungen m Myomen mögen
sie fötalen Gebilden entstammen oder erst postembryonal entstanden
sein "können cvstisch entaiten und auch (wie m einem halle \ .s)
zu grossen Drüsenanhäufungen und zu Polypen weiter wuchern.
3) 0. Engström-Helsingfors: Ueberzählige Ovarien.
Wie aus 2 vom Verfasser beobachteten und aus den in der
Literatur berichteten Fällen hervorgeht, können überzählige Ovanen
entweder embryonal getrennt angelegt .^in (sie zeigen dann em
eigenes Ligamentum ovarn oder auch eine Tubennnlage^ oder m
entstehen erst in späterer Zeit aus einem entwickelten Ovar mm
durch Abdrehung (Peritonitis, Schrumpfung im Ovanalgewebe) oder
Zerrung (W'achstlium von Tumoren etc.)
41 M Zwcigb aum-Warschau: Ueber die Cysten der Scheide.
Verfasser 5 berichtet über 3 Fälle, von denen 2 emor makro¬
skopischen Untersuchung unterworfen wurden Emen ^scr FäUe^
eine längliche in der vorderen Scl.e.denwand neben il ”
celcgcne Cyste, glaubt Verfasser als aus Rudimenten des W olff sciien
Ganges entstanden ansprechen zu müssen. Bezüglich der > P
snriciit sich Verfasser für die Exstirpation des ganzenSackes aus.
Die umfangreiche Literatur wird eiucr ausführlichen Besprechung
unterzogen.
5) F. A h 1 f e 1 d - Marburg: Ein Apparat zur Fixirung
ske'eUirter,Becken. ^ ^ ErUkM deI B»mo„»tr»üon to
Geburtsvorganges, insbesondere bei pathologischen Becken. (Wie
Schreibung -- Abbildung — muss im
Ccntralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 2.
1) E. Wertheim-Wien: Ueber Verlauf von Geburt und
Schwangerschaft bei vaginofixirtem Uterus.
Den von Strassmann und Graefe veröffentlichten Fällen
von Störungen der Schwangerschaft und Geburtnach ^Sbichtung
Vaginofixatio uteri lügt W. eine neue, eigeiBeobachtung
hinzu. Von W.s 37 Vaginotixationen wurden f BLh ,^ h S’ C am
endigte mit Abort im 4. Monat, eine mit normaler Entbmdung am
normalen Ende, die dritte ist die jüngste Beobachtung. Die Gdjurt
begann zu rechter Zeit; es bestand Querlage und starke Ante%emo
uteri, dessen Fundus wie angenagelt im vorderen fcchei B ' ö
stand. In tiefer Narkose gelang mühsam die Wendung und
Entwickelung einer lebenden Frucht. Normales Puerperium.
Nur der frühzeitigen Wendung schreibt W. ^en glückhehen
Ausgang zu. W. warnt auf Grund der bisherigen Erfab r u “ g ®. - en
den üblichen Methoden der Vaginofixation bei C° nc eptmnsf «
wegen der damit verbundenen Gefahren. Bei Prolapsen und Retro
deviationen älterer Frauen kann sie zu Recht bestehen b
2) R. Gersuny-Wien: Eine Operation des Tubenver¬
schlusses.
Bei einer linksseitigen Ovariotomie fand G. nach “ t |
der Cyste, dass die rechte Tube an ihrem Ende. sich erwe t^
und hier einen geschlossenen Sack von M all nussgrosse . g .
der Frau, die seit 5 Jahren in steriler Ehe lebte dl ® °°JXerte
fähigkeit wieder zu geben, spaltete G. uen Tu , ben ! nc J’JJn das
seinen Inhalt (nur dunkles, flüssiges Blutj und schob dann ^
Ovarium durch das Loch, das er in den Sack ’-Jg be .
hinein, wo es mit 6 Knopfnühtcn an den Rand des Schndte^u ^
festigt wurde. Das Ovarium lag nun mit Au8 “ a , b n3ack
kleinen Theils seiner Oberfläche in dem Tuben .
Heilung in 3 Wochen ohne Zwischenfälle. Nach 2
trat die Menstruation zum ersten Male auf, dann no
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21. Januar 1896-
:ü d ™ saÄ'ÄffKiJsr Tube,, " ck ™ ■*>
0 ä'ää: a -Mr»
öffentliclit in dieser Wocheuschr. 1893, No. 53, s. 1225 ) ß te Ver ‘
- Jaffd -Hamburg.
Jierliuer klinlsolio Wochenschrift. 1896, No 2
1) M. Jordan: Ueber Ileus, verursacht Hurrh
stirenden Ductus omphalomeseraicus. (Chirurg KMniHV^ E ers ‘:
Ein 193/* Jahre alter Patient wurde iTe MdS i i
von Iletiserscheinungen der Klinik zugeführt und soforf^ Au . ftret ° n
fand eich eine ausgedehnte Dünndarmgangraen die IhSv* f®
“„ Be “ iiS " n8 ““ ° P ““ ti0 "- P “‘- «irbt A rX 0 S ld „"a“J;
n.rb. D u"“;i°7, h c“bTb5 i “ S ™ ChUi »“<“'* “ Nabel-
Beein "''"“ n die Ri'S^falder die öffentliche
S. d. W. 1893, S. 1156.
de, ÜÄa B ' ilrae Z ” <« Cholesteatoms
S. d. w. 1893, S. 1066.
^ w Ä?Sh.Ä,Stai5 ,Ipolo,,,i * antwi ° r und ihre
Coeliotomie“ DiHmLnJ'bishe! 149 MaUnr a!“ | £? terior Vaginale
93 der Operirten litten an Pelveoneritomtia A ' 18fül ‘rung gekommen,
derselben lag der Uterus fixirt iLf^ 8 chronica, und bei 58
93 die verschiedensten Erkrankungen (OophoiSi? 6 ^ f'? h v®’ c iesen
salpini, Metntis, Erosionen der Poftio u s w v Sapin ?' fls - Sact °-
Öperirten litten 13 an Uterusmyom °8 an FwLnL <<m \ >b weiteron
und Tube, 25 an mannigfaltigen anderen p kranku "S ei1 der Ovarien
Von den Complicationen bei dS oiaSK?'erkrankungen,
gekommene Blasenverletzung zu erwühnüf^ PV^ ,? me 3 M “1 vor-
Slörungen 7 Mal kam ^ zu Nachblnfnn'/ 6 3 , Fttl 6 heiIten ohne
jedoch nicht beeinträchtigt wurde w g ’•'?° durch die Heilung
anterior als eine <«• Oolpotomif
Sar 9 derselben*'haben^eine"wesentficlm Be eder Unt ®f sucht "'erden,
in verzeichnen, esentliche Besserung ihres Befindens
«iAtsogiSflLnmM^^ er “ htct W. als
* - ^ cm »atetbaib Ä'Ä !SfttÄ ^
^ !5? ^S!«»^IOIlmm5_woCHB 1 fSCHRrFT.
Dentscho medlclnische Wocheusclirlft. No 3
, 1) Professor Dun bar- 7.„ p a 6 ‘
Schädlichkeit von E?dölrückstLJ^- Über die Ge8 “ndheits-
Massstabe i m Bäckereibetriebe ? ur Zeit in grossem
.gienischen Institute in Hamburg J wendet werden. (Aus dem
>n dieser^Nununer ltZUngSbencht des ärztli chen Vereins Hamburg
Berlta! dem : i n Sfü r U i n g fp Ü t ber , eine Poc kenepidemi e in
Weitere Beobachtungen flS ^ DS £ raU -^ eiten in Berlin.)
*tea«AuiIi erwfhntenPocklnfa?i ereitS letzter Kum ">er
rnedrichshain in Bprlin n- Pockenfülle aus dem Krankenhaus?
Sahen aber Da£r iJÄ® b «“«gen die bisherigen Än-
---__ 03
f ' l 'T ^'eJochr/uc^die leUte^Farbl 1>henolcf ‘loreform
zweite Methode ist die den ' b ? toffezu eliminiren. Eine
TmS ‘ Ch . auszuwa schen biszum Verachw'in 1 TI ' ie . rkoldo z » binden,
ocknen im Vacuum und Behandlung ‘ •* win< en de . r Ohlorreaction,
Phenolalcohol, darnach mit Pk on „i , lnd wasserfreiem, gesättigtem
bisst sich dann Au3 «ftztefer Äug
Aether oder Alcohol absolut gewinnen “ g ° dcr FäU ®»8 mit
i»toJaio„ VOl ' m * r B '‘ J - Kre ”-«l': Eh, K.„ von Pyroga , lol
G9 jährigen .Manne. yofeanolsalbe bei einem sonst gesunden
Vergiftung . 11 B ö ™ * >' M-den: Ein Fal, von Bromoform-
Herzpa r alyse? n Trism U ^a|lge^ 1 ’ei^£? 3 ^ i [ lnd f drobend er Lungen- und
ditaria ^“«» ßraunschweig: Ein Fall von Syphilis here-
periosritischw'Rejzung^der'beiden 8 BbS?®??*f be . iderscits mit
Basis bei einem bis dahin völS Luml «M- K hCred,tar ’ luetL,cher
tUotZT
whriebenen Hautödem auf aicoholiShe/cn ad? &Catem um *
^ÄjS2bei einem
Hautsehwellungen an den Augenhdeni Sn “ 6 '.' »"" 1 "' öde “*töse
nach 12-24 Stunden wieder Kto t’*°
Otiatrlo.
schlossene Säcke darstellten nicaJhJ 1 Mltte lohrcholesteatoraen abge-
cysten als RetSSSSSl 2f^B3^„ B ( f hnlich Ep^el-
obrcliolcsteatoms, d. b. ciniwauderSr F • . Bewühnlichen Mittel«
diese kleinen Epithelcysten "zu emssln E l' K j e rmis entstanden. Ob
an wachsen können, ist* zweifelhaft gefahrbringenden Tumoren
bei
. ination. Sämmtliche snh^ 11 B S, W ®' 8 für den Werth der
5^*^«5Ärssss?
K?i e T Ab «haJdelt HU lAus t de ölIe von D >Phtherie mitBehring's
Die Fäl? F in Bmnkfurt a de ^ l ) nnere, ‘ Abtheilung der städtischen
davon n s C i h® 8 8 ^ben 20 Proc'^Lr Trari" t AUf ? US f 1894 bis März
sta rben 12 — 44 4 Prfl „ 1 ’ zur T . ra cheotomio kamen 27 Fälle
Sfi“ Pme. Die riemt ™ ni ® ht ^acheotomirten Kindern
dass durd.geh! ", Stlgen »Hate erklären sich
Uhmnn men - Was Verlauf Zft d n " r schwere Fälle zurAuf-
Nenhrir' geDau ^’ Ataxie- in 6 Album - .betrifft, traten in 22 Füllen
ÄJ» sechsmal. Von VhS, T Une iu 58 Fäl 'en, ausgesprochene
ZWiSChen ° dem
fcÄS' (A °s dem dfemische neu e s Lösungsmittel der
Als \T üts in Berlin) Schind Laboratorlu m des patho-
äUier n .^«smittel benüht p?»“ 8 ^° - 2 -
«mÜch^K^k 03611 8ich das Urobilhi’ °°i P - roc ; Plleno l oder Plienol-
rbstoff, ungelöst bleibt da« em dem Haem atoporphyrin
oieibt das sogenannte Urochrom. Durcli
pweneiuait.
* TSrj'Wf'Sf?
mit offenen und 7/clitaeLn Auin iLTk"",
bei einer grossen Anzahl PonntimP fl Jbrenkran ^ en und fand
die kei.u.lpT^oÄiSdÄblTS'-'iS “ Ch b ,f ” lch “'
wie viel ffo,™.e „,ei, » t ,i,rÄ*SÄa
Pieter'Taubheit! B '' “= E ™ iW ““E einseitiger cum.
™“.« SU vlLSL2T de d° Sohe °d el > “ »örtÄ^Seh“
den SchiauebS c 3 dagegen den zu dem tauben Ohre leiten-
'ütSisüsi
aochÄ^^
wa T „rtLrso“":rÄ
entzündung, mit vier erläuternden Fällen. Ibidem
geführt r!? ^ehlussfolgerungen seien hier nur die folgenden an-
; Bel ac 1 ute , r eitriger Mittelohrentzündung gibt es wie H
Schwartze sagt, kein einziges Symptom, welches für sich allein
leieKf I, . ,d -* C * tl0n l ur Mast °idoperation liefert“. „Ebenso gibt es viel¬
leicht mit Ausnahme tiefen Comas, kein einziges Symptom welches
füi sich allein die Operation contraindicirt“. „Die Indication für die
Operation wird durch die Summe der Erscheinungen und den Ver¬
lauf der Krankheit festgestellt“. Scheibe-München
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MÜNCH KN K U M K DK' INI S( ’ H K WUD11K NSC H1U KT.
No. 3.
G4
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericlit.)
Sitzung vom 14. Januar 189G.
Herr Kiefer demonstrirt eine Anzahl von Präparaten,
welche die vor einigen Wochen von Herrn .Mure aus Chile
(Lassar sehe Klinik) an mikroskopischen Präparaten demoiistrirte
Beweglichkeit der Gnuococcoii widerlegen sollen. Herr
Kiefer zeigt, dass die von Herrn .Mure in den Kiterkörperchen
denmnstrirten beweglichen (lonococcen - nichts anderes seien, als
die E h rl ich sehen Granula, welche durch den in der Kochsalz¬
lösung entstandenen Difl’iisionsstrom zu lebhafter Bewegung an¬
geregt werdend insbesondere sind die neutrophilen (Iranula in sehr
lebhafter Bewegung, während die schwereren eosinophilen sich
langsamer und die im Verhältnis« zu jenen Gebilden plumpen
Gonocoeee» sich gar nicht bewegen. Betrachtet man gonor¬
rhoischen Eiter ohne Verdünnung mit Kochsalzlösung auf dein
heizbaren Objekttisch, so bewegt sich gar nichts; erst nach Zu¬
satz des genannten Menstruums tritt die Bewegung auf. Biese
ist selbstverständlich lediglich eine Molecula rbe wegun g. Bei
Zimmertemperatur hält sich dieser Bewegungsvorgang 1 - 2 Tage.
Die von Herrn .Mure weiterhin als freie, bewegliche Gomicocccn
demonstrirten Baeterien kann Vortragender überhaupt nicht als
(Jonocoeeen anerkennen.
i
!
i
Discussion: Herr Meissner, der als Assistent der I.assar- !
sehen Klinik die Arbeiten des Herrn M beobachten konnte, spricht j
für den des Deutschen nicht genügend mächtigen Herrn M. und f
hält dessen Angaben in allen Punkten aufrecht.
Herr Ha u sein a iiii demonstiirt einen Darm mit mul¬
tiplen DiYertikeln. Herr H. konnte nun an diesem Darm
naeliweisen, dass die Divertikel immer da entstehen, wo die Darm¬
venen (die von innen sichtbaren Gelasse) die Muscularis durch¬
brechen, und es gelang dun Vortragenden, derartige multiple
Divertikel auch experimentell zu erzeugen, indem er in die
Diirme, namentlich alter Individuen, Wasser unter höherem Druck
presste. Auch diese künstlich erzeugten Divertikel sassen
immer an der bezeielmeten Stelle, am locus minoris resistentiae.
Vortr. weist noch darauf hin, dass die an dein Darme aussen
sichtbaren Gefäss-Arterien die von innen zu sehenden Venen sind,
was in den Lehrbüchern nicht genügend hervorgehoben wird.
Herr Peisser demonstiirt einen in der Bagi n sky’scbeu
Poliklinik durch Tonsillotomie gewonnenen , an der Tonsille eines
Kindes hängenden gestielten Polypeil, welcher die Ursache häutiger
Erstickungsaufälle gewesen war.
Herr Silt*X demonstrirt einen Patienten mit pulsirendem
Exophthalmus. Derselbe hatte sich im Anschluss an einen Schädel-
Schuss entwickelt. I
Herr Ben da zeigt die Organe eines 20 jährigen Mädchens,
welches an Careilioni des Pharynx gestorben war, und
Herr Neuhaus mehrere nach dem Bön t ge n'sehen Ver¬
fahren hergestellte Photogramme.
I lerr Edm. Meyer : lieber Barlow’sche Krankheit.
Vortragender gibt die Krankengeschichten und den Obduktions- .
bofund von 4 Fällen dieser Krankheit (Knochcnauftrcibungeii, I
Zahnfleischschwellungen, Ilümorrhagien), worüber in der medicinisehen
< iesellschaft schon mehrfach gesprochen wurde. Kr zieht aus .
seinen Beobachtungen den Schluss, dass die heutzutage geübte Er¬
nährung der Säuglinge mit künstlichen E i wei sspräpa r a te n,
insbesondere der Bied’sehen Albumosenmilch, Schuld an der
Krankheit sei.
Discussion: Herr Hamburger hält diesen Schluss für zu ,
weitgehend. Zwar kämen Kinder zur Beobachtung, welche die 1
Ried'sche Milch nicht vertragen, doch würden gegenwärtig von der
Ried'selien Anstalt aus an 300 Kinder mit Albumosenmilch verpflegt,
welche dieselbe vortrefflich vertragen. In den Fällen, wo die Milch
nicht vertragen wird, müsse mau eben rechtzeitig damit auf¬
hören. Insbesondere würde jetzt auf seine Veranlassung die Pep-
tonisirung der Eiweisse in der Milch nicht mehr mit kohlen sau rein
Kali, sondern mit Natron carbonicum befördert und, wie er '
glaubt, dadurch die Bekömmlichkeit der Milch wesentlich erhöht. |
Herr Casper weist auf die Gefahren der übertriebenen
Sterilisirung hin, wodurch eben die Eiweisskörper der Milch
derart verändert werden, dass sie den Kindern unter Umständen
Schaden bringen. Er lasse jetzt den Soxleth zwar noch gebrauchen,
aber die Milch darin nicht 4ä, sondern nur 10 Minuten kochen.
Herr A. Baginsky hält ebenfalls die übertriebene Steri-
lisirung für schädlich.
II. Kohn.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Original bericht)
Sitzung vom 13. Januar 189G.
Herr Schwalbe demonstrirt die Organe eines unter den
gewöhnlichen Erscheinungen an M c d i a s t i n a 1 1 u in o r verstorbenen
Mannes. Herr Gluck einige Patienten mit künstlichem Kehl¬
kopf, Herr Gott schalk das Präparat eines angeblich symptomlos
per fori r teil Ulcus vontriculi mit gleichzeitigem
uleus ii uoden i, Herr Ewald zeigte an einem Kxtract aus
Schilddriiscntahlctten eine schöne Jodrcaction, welche nach dem
kürzlich von Bau mann puhlieirton Verfahren ^Nachweis von Jod
in der Schilddrüse) angestellt worden war.
Herr M e n d e 1 s oh ii: Ist das Radfahren als eine
gesundheitsgemasse l ehmig anziisehen und aus ärzt¬
lichen Gesichtspunkten zu empfehlen ! (Schluss.)
Vortragender weist nochmals auf die Gefahren des Radfahrens,
insbesondere des iinzwcckmässigen (s. d.W. 1 S9ö. No. 52 * Radfahrens
für «las Herz hin, welche bei gleichzeitiger unzweckmässiger Athmung
zu dauernder Schädigung führen kann, namentlich wurden schwere
Dilatationen nicht selten beobachtet. Dieselben können so be¬
deutend werden, dass in Folge der dadurch bewirkten relativen
Insuftieiciiz das klinische Bild des llerzklappcnfchlers und seiner
Folgen entsteht, wie dies in 7 Fällen, welche Oertel dem Vor¬
tragenden zur Verfügung gestellt, zur Beobachtung kam.
Auf der anderen Seite liegen sichere Erfahrungen vor, welche
das Radfahren unter Umständen als einen wirksamen Heilfactor
bei der Behandlung chronischer Krankheiten erscheinen lassen, so
bei der harnsaureii Diathese, bei plcuritisehen Schwarten, Bronchial¬
en tarrhen , und selbst bei initialer Liingcntuberciilo.se. Uontra-
indieirt dürfte cs dagegen sein beim Luugcncmpliyscm und endlich,
auch unter normalen Gcsundhoitsvcrhältnisscn, bei jungen Indi¬
viduen, bei welchen die Gefahr der Uebertreibung zu nahe gelegen,
die Organe aber noch zu wenig widerstandsfähig sind.
So kommt \ ortragender zum Schlüsse, dass die zum Thema
gewählte Frage weder einfach zu bejahen, noch kurzweg zu ver¬
neinen ist, sondern dass nur eine sorgfältige Imlividualisirung in
jedem Falle die richtige Antwort zu örtlichen im Stande sein wird.
Herr Boas: Vebei* Aniöbenenteritis. (Thema bis
jetzt nur zum Theil vorgetragen, soll im Zusammenhänge referirt
werden.) II. Kohn.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitz u n g a m 14. J a n u a r 1S9G.
Vorsitzender: 1 lerr K il m in oll.
I. Demonstrationen.
1. Herr Staude zeigt ein sehr grosses, durch Laparotomie
gewonnenes, cystiseh degcncrirtcs Myom des Uterus. Bei der
Operation fanden sich zwei grosse Tumoren des Uterus. Die sehr
schlaffen Bauchdecken nähte St. halinenkaminfönnig zusammen.
Bei der Exstirpation so grosser Tumoren ist vor Schluss der
letzten Naht die Luft sorgfältig aus der Bauchhöhle zu exprimiren.
Der Verlauf war im vorliegenden Fall ganz glatt.
2. Herr Deutschmann demonstrirt einen Mann, der vor
13 Wochen durch Schlag mit einem 1 lolzstück eine Verletzung
des linken Auges erhalten hatte. Pat. kam vor 3 Tagen wegen
Sehstörungon zu D., und dieser fand eine Luxat ion der
Linse nach links unten in den Glaskörper. Derartig luxirto
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2!. Januar IS9G.
Linsen könne!) kataraktös werden oder auch Glaucom, Irido-Cvclitis
u. dgl. hervorrufen. Die Extraction ist sehr schwierig, weil der
Glaskörper leicht mit ausläuft und nachher Bhthisis bull’.i eintritt
1). empfahl dem Patienten, sich häufig und möglichst lange a u f
den Kopf an stellen; am dritten Tage fiel die Linse in die
vordere Kammer, wo sie sich jetzt noch befindet.
3. Herr Zarniko zeigt einen Mann, der im rechten Nas-
loel. drei, im linken fünf Nasen muscheln hat. Derartige
Anomalien sind recht selten.
4. Herr Hmbden demonstrirt das Gehirn eines Pat der
an AIex ie gelitten hatte. Bei dem 45jährigen Mann * bestand
AI*» fnr *,3 »n» Buchstaben ohne eigentliche Aphasie Später
kamen Stauungspapille und optische Aphasie hinzu, keine Seelen
blindhcit. Pie Section ergab zwei Tumoren (Sarcome) im Gehirn
von denen c.ner im Oecipitalhirn (ffyrus angularis), einer in der
(.egend der Central Windung, das Corpus striatun, haihirend sass
hs handelte «eh um Metastasen eines primären Nebennieren”
sareoms, das auch Lungenmetastasen gemacht hatte.
. Herr Dunbar: Zur Frage über die Oesuml
vou . Erdölrfickständen, die zur Zeit
lerS ere,betr ebei1 iM ffr0SMm Ma assstabe verwendet
Aortr. weist auf die anscheinend wenig bekannte Thatsaehc
uu. dass in den letzten Jahren von Bäckern zum Ausschmieren
dir formen und selbst zum Verbacken Mineralöle verwendet werden
!• U "“‘ r d 7 Brüdfil 5 im Handel sind. Früher wurden’
hm nur pflauzl,che Fette, wie Butter, Talg, Margarine oder
LU4 verwendet. Dieses « Brodöl, ist nach Ansicht des Volt
dir Wundheit entschieden nachtheilig. In Frankreich wurde
«ttu «iv S TV ? ra , SCStellt - r " Deutschland ist
t r
»fa Ani'len iJTZ ln * • S“!,t
all,i " 100 Bäcker als KuX"t m, 0r ' S "" t Br ° d,il h<rVur ’ dcr
«'hädüeh rtr ' Jbvlc Bu,ir ,i !r iCkfitii . , , ,d0 fÜr Z ' Voifol,os gosundheits-
n ^•iHder hldus t : T rdC " a ’ S Maschinenöl, Spindelöl
dieser Kilikständo ihre B 7"T7° rtr - Mwclit die Herkunft
crklärt hat. ‘ - c Lowm s, der dieselben für giftig
7 Massenvergiftungen Illit Brodöl
4 Julien mehrere IVrs ^ 1895 prkri '" k ten in
‘^hiinuHgcn; dieselben I,J • ,,lf *- ,ll «' n den Magen- und Darm-
Spater wurden ‘7°“ " * Br, ' d v ""' so,l,on Bäcker ge-
* das., i„, Ganz W ° ItCrC ? ,el,lu "^ 1 * von Amten
,r | ninkt bekannt wurden TV 2 ° FamiVwn ^ Personen als
7*- und alles J i r«,!^ Biick ™ wurde ge-
<kr ‘rkraukten Port T“’ ^ «»*"•»>*. Mehrere
^'rokum geschmeckt häuf VTf 1 *"’ daSS das Brod nach
' '""Wzen, Uebelkeit Frbrn 1 1)10 ^Erkrankung bestand in Magen-
? '• Iid ^-hmerzcn ' w p"’, Kopfweh < Miwindel, Durchfällen
j||, ' B Pillen trat ßenesungein if™ ^ lI " d 1"
,, lle • "tersuchung de-’ ' gstens nacl ‘ Ablauf von 24 Stunden.
'S« fanden rieh i“ Lr ctc ' * r "* h keinerlei Gifte-
flnore *ircnden Oclcs tT" nic,lt «“erhebliche Meng.
h «nem ÄS 3,8 « BrodöJ » »"gesprochen werd,
-^^HM M^cL N IS OHE WOCHENSOHItlFT.
65
;en
werden
musste, j ; ’ ^les, das
l( ' U bomi ducken völligtnträndcrt B ' ^ DaSSelbe
Versuche anstellen lasset <,dll, j. liy « ic,,,s ^ l, en Institut verschiedene
Pb es Hunden Tu ’C n t, TZ: ” "*. Brod verbacken und
acuten Magenstörung^ gtasen 1 ? 7° ”$"*** Wtvr
T l “
mittelfälschung unter Strafe zu stellen.'" '° braUch 8,8 Nahrun ««-
seien?^^^^ S d ®i r ß^ra“eht 1 werdienl r ad8'"8chftdHch zu*bezTchnen
PelrolVückstü n d e' Sn nichtder G?suSt nachth T 0 ^"/ Reine
sylvanien seien die Arbeiter in Erd twerken hesnnJi he,1,g - 7 Penn '
Tuberculose sogar hist immun. werken besonders gesund, gegen
gibt, dass es U sich Vben'um Stückstände’^e" 0 ,! E ^ ülr 'j ckstü ' ule nicht
<lere„ Dum.tion
und Ä «yäto, P "Ä'!^l5. 0 n " b > r "n" 11 “ bei
Brodöls schon im VerwaltenSweee verw’ da8S 1 er J Gcbrauch des
eine völlig unverdauliche dfn Kötirtnverflndpt a Ch U,n
stanz handelt. orper unverändert passirende Sub-
Jaf f ö.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 14. November 1895.
«»SJISÜ'U" dM “ -u* —
Die Zungenfunction iS Sgestert ° perfttl0n8teI,en pr ™ a
nbnormtvÄTer^teS SKSSr“SÄ,^ d ° r
liehen Stamm mit der Arteri» • D,es . eIbe hntt ® gemeinschaft-
Präparate wurden voSS" m ' pi8chen Und makrosko P^ben
ne U raSe'mit.‘ 0ilt Heiuleiu “ von Brachial-
is££aSs-“ : «Sütas«:
an obenerwälmt^r'v' 3etr f f . eine " OOjährigen Buchhändler, welcher
^ Neuralgie mehrere Monate litt und mit arznei-
lorden w. d r. y8 S M,tteln bis dahin erfoI 6los behandelt
, AI s Ursache der Neuralgie wurde eine 1 cm lange snitzkesrel
SSS unto 8 r°,T Z 'm Qu l rf,n p r 1 breit oberhalb des Condylus fnt.
sitzend angesprochem USC braCl,ia,i8 ^ de “ O^rmknocLn auf-
Mo- P er ? elb ® WUf de in Chloroformnarcose freigelegt und mit dem
Me,se abgetragen. Wundheilung erfolgte per primnm i!t iZ
e " r inf »irrf»! Ch r a n d ^ b,S ietzt ni<ht wieder gekehrt. ’
Im zweiten Falle handelte cs sich um eine 28jähriee Näherin
des lin^L M H iat< i n « a £ 1 qUälen J dc " ^merzen in der äusseren Hälfte
des linken Handrückens und an Gefühl des Abgestorbenseins m
Zeige- und Mittelfinger leidet. Auf der Höhe der Schmerzanfälle
finie™ SPlitCr - aU i h d ,? n , SchIaf stellte sich Tremor des Zeige-
ZTLTj m , der T? Ige W " rde anch über Schmerz in der Obfr-
' Qnn? beingrufe geklagt. Objectiv erwies sich der Nerv, median
im Stile, bicip. int. annähernd in der Mitte auf Druck empfindlich’
websthfiflA bSt 7 Fde ■ aUCh 7 ne Verdickung der tieferliegenden Ge-
websthe le nachgewiesen. Doch konnte bei der Schmerzhaftigkeit
v:J,l P,0rat J 0n v ,Cht genUU aU8 oinander gehalten werden, ob die
a,Ä’" med - selbst ode '' di » Beinhaut des Obe,.™*
. a P'“schnitt in der Mitte des Sulc. bicip. int. ergab an den frei¬
gelegten Nerven zunächst normale Verhältnisse. Erst nach Ver-
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60
münchenku medicinische wochensciirift^
No. 3.
-* s "S?bÄ £»“*Ä“si
Patientin und Piilporato werden vorgefülirt.
Sitzung vom 28. November 1895-
Herr Flatau demonstrirt den Ausguss eines Uterns
(Mucosa, Subnmeose und Theile der Muscularis), den
i.v. i_ _ erhalten hat. Ei
Einlegen eines Chlorzinkstiftes erhalten hat. Es handelte sich
um künstliche Verödung des Uterus-cavum wegen eines eitong-
seriösen Fluors, gegen den Ausspülungen, Actzmittel und zwei¬
malige Excochleatiou sich als ohnmächtig erwiesen hatten. Im
eine''Anätzung der Vagina durch das ausübende Chlorzink zu
verhüten, wurden Tampons mit gesättigter Kaliumbicarbomcnmlosung
vor die Portio gelegt, in denen das Chlorzink sich m unschäd¬
liches, weil unlösliches Zinkcarbonat umwandelte.
Ferner wurden die Veränderungen der Ovarien bei
0 s t e o m a 1 a c i e an makroscopisehcn und mikroscopischen 1 ra¬
mmten demonstrirt. Dieselben bestätigen die starke Vermehrung
der Gefässe im Hilus, sowie die von Tonat, Neu mann und
Anderen gefundene vasculäre, pecivasculäre und iui Markt-heile
sich ausbreitende reiche hyaline Degeneration.
Herr Helbing demonstrirt an Patienten Kehlkopfpolypen,
sowie die neueren Instrumente zur Entfernung dieser Geschwülste.
Sitzung vom 12. December 1895.
Herr Yoit stellt einen Fall von symmetr. Gangrän
(Raynaud’scher Krankheit) vor.
Bei einem 4ö jährigen Schmied, der im Winter 94/95 mehrmals
Schwindelanfälle mit temporärer Bewusstseinsstörung hatte, kam es
im Mai 95 nach vorausgehenden Schmerzen m der Kuppe des
kleinen linken Fingers zur Bildung eines bläulichen, erbsengrossen
Fleckes, der bald gangränös wurde und nach Abstossung des Schorfes
mit einer festen Narbe heilte. Derselbe Vorgang wiederholte sich
in ähnlicher Weise im November 95 am rechten kleinen Finger und
an der linken kleinen Zehe. Ende November t-5 ergriff der gleiche
Process den linken Ringfinger und führte hier am 25. Dezember
zur Abstossung der ganzen mummificirten Endphalanx. Inzwischen
war auch der linke Mittelfinger von Gangrän befallen worden und
der Process hat bereits (bei Abfassung des Referates) zur Mummt-
ficirung der 2. und 3. Phalanx geführt und droht auf die erste
überzugreifen. . ... , ... ,
Eine genaue Untersuchung ergab völlig normales \ erhalten
der Sensibilität, überhaupt keine pathologische Erscheinung von
Seiten des Nervensystems. Auch die übrigen Organe sind gesund.
Zucker fehlt Etwas rigide Arterien, klingender zweiter Aortenton
und Spuren von Eiweiss im Urin lassen vermulhen, dass die Ursache
dieses Falles von symmetr. Gangrän in der gerade bei Schmieden
frühzeitig auftretenden Arterienscloroso zu suchen Bei.
Im Anschluss an diesen Fall gibt Vortragender einen Ucber-
blick über die in der neueren Literatur enthaltenen Arbeiten Uber
symmetrische Gangrän.
Herr Heinlein legt das Leiclienprilparat eines kindskopf¬
grossen Aneurysma doä Aortenbogens eines 02 jährigen Handels¬
mannes vor. Dasselbe hatte durch Druck den oberen T heil des
Sternum total perforirt; die Lücke in dem letzteren Knochen war
unregelmässig gestaltet, fünfmarkstückgross. Nach dem Durchbruch
des Brustbeines hatte das Blut auch die Weichthcilbedcckungcn
von der knöchernen Unterlage abgehoben, so dass während des
Lebens unterhalb des manubrium sterni eine über mannsfaustgrosse
Geschwulst sichtbar war; die die letztere bedeckende Haut war sehr
gespannt, dünn wie Pergament, so dass wohl in kurzer Zeit Durch¬
bruch nach aussen erfolgt wäre; wenn nicht der tödtliche Ausgang
durch Perforation des Aneurysma nach rückwärts in den rechten
liauptbronchus veranlasst worden wäre. Das Lungengewebe zeigte
in dem rechten Unterlappen auf dem Durchschnitt die für die reich¬
liche Blutaspiration charakteristischen Veränderungen; ausserdem fand
sich Dilatation des linken Ventrikels, fettige Entartung der grossen
Unterleibsdrüsen, chronische Nephritis. Aus der Krankengeschichte
konnten nähere Mittheilungen nicht gemacht werden.
Herr Heinlei u stellt einen 30jährigen Schlosser vor, bei
welchem er die Naht des durch einen Messerstich durchtrennten
Stammes des linken Nerv, radial! s mit vollem, seit Jahresfrist
perfect gewordenen Erfolg bethätigt hatte. Die Stelle der Verletzung
befand sich 2 Querfinger breit oberhalb des Epicondylus ext. humeri;
der durchtrennte Nerv wurde durch Schrägschnitt zwischen M. brach.
i k-nnhiol int freizelegt, durch je 2 neurotische und
radiahs und br • “ Ca f gut *j. 0 vereinigt, desgleichen auch
paraneui-otisclc M brac |,i 0 - r adinlis . Wundheilung p. p i ;
der Erfolg 1 war, wie schon erwähnt, ein vollständiger die Sensibilität
Im"Bereich des genähten Nerven hatte sich innerhalb weniger Tage
jm Bereie» k dio motorischen Functionen kehrten erat
völlig w J* d ®ü b ®!* Wochen zur völligen Norm zurück. In Bezug
im Laufe durfte in diesem Fall die Erzielung
rin f e8 d Hyp^ffectef angenommen werden, insofern der Verletzte die
eines llypcrcnec * da8fl a „f <| er Handrüekenflücho der ver-
spontane Ai ga ... ■ ' i _ v i e i feiner geworden sei, als rechter-
“TÄ Th”..'
v Stecknadel mit grosser Präcision und viel deutlicher
Ktiop rechts so dass man zu der Annahme gedrängt
durch | SrliS dic Nervennaht hier auf die specifische Energie des
Nerven einen sehr günstigen nutritiven Einfluss geübt hat.^^
Wiener Briefe.
(Originalbericlit.)
Wien, 18. Januar 1896.
Die Fortschritte in der Erkenntniss der Rücken¬
markskrankheiten. - Psorosperraosis cutanea vegetans.
— Ein neuer Apparat zur forcirten Dilatation des
Larynx. — Das neue Licht.
In der am 13- Januar 1. Js. abgohaltenen Sitzung unseres
Doetoren-Collegiums sprach Professor H. Über stein er über die
Fortschritte in der Erkenntniss der Rückcnmarkskraukheiten Er
wies einleitend auf den erstaunlichen Fortschritt unserer bezüglichen
Kenntnisse hin, fügte jedoch sofort mahnend bei , dass wir noch
keineswegs allenthalben einen festen Standpunkt haben, vielmehr
sicherlich hic und da noch eine naive Unkenntnis» verrathon,
über welche man wohl in 30 Jahren ebenso lächeln wird, wie wir
es jetzt thun, wenn wir die Anschauungen der Amte vor
30 Jahren kennen lernen.
Vor Allem besitzen wir jetzt eine klare Einsicht in den ana¬
tomischen Aufbau des Rückenmarkes. Früher unterschied inan in der
wissen Substanz des Rückenmarkes blos die Hintcrsträiigc un
die Vorderseitensträngc, während jetzt, wie Professor >er
steiner an einer grossen Tafelzeichuung darthut, an einen
solchen Querschnitte schon 16 Felder von bestimmter Bedeutung
unterschieden werden. Von den in diesen Feldern verlaufenden
Nervenfasern kennen wir zumeist schon Anfang und Ernte-
unterscheiden jetzt- die kurzen Fasern, welche einzelne 1 a
der grauen Substanz im Rüekemnarkc selbst unter einander ver¬
binden , sodann die sogenannten langen Fasern, welche zum oc
vom Gehirn gehen resp. kommen.
Erkrankungen, welche sich strenge auf einzelne Fasern.systcme
beschränkten, nannte man Systemerkrankungen (z. B. die labes a
Degeneration der Hinterstränge), während man sonst- von i n*
Erkrankungen sprach; doch ist diese Unterscheidung nicht mciir
strenge festzuhalten.
Neuere Fürbungsmethodeii (Nissl, Weigert) haben unsere
Erkenntniss der Erkrankungen der Nervenfaser, der Zellen u
Neuroglia sehr gefördert und auch das Studium des \ erlaufe» tL
Blutgefässe iiu Rückenmarke hat viel zur Klärung beige r. g •
So weiss man z. B., dass die Poliomyelitis zumeist Wo» jene
Gebiete befällt, welche von der Art, fissurae ant. mit Blut
sorgt werden u. dgl. m.
In klinischer Beziehung macht sieh der Fortschritt dahm
geltend, dass man jetzt exacter untersucht, (Prüfung der e i ^
reflexe, der Sensibilitätsstörungen, elektrische Untersuchung
Muskeln), so dass man jetzt den Sitz der Erkrankung ( J
zumeist gut localisiren kann, was der Therapie (Exstirpation)
Gute kommt. ,
Auch die Aetiologie der Rückenmarkskrankheiten wurde
vielfach aufgchcllt. Trotz der gegentheiligen Anschauung » n
Aerzte nimmt Obersteiner an, dass 70 Proc., vie e,c |
80 Proc. aller Tabiker an Lues gelitten haben, doch moc
nicht glauben, dass es Toxine sind, welche hier schädigend «
wirken, weil er sich nicht vorstellen kann, warum sic i ic
der Syphilis z. B. blos die Hinterstränge (Tabes) aussuchen
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22. Januar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
67
iniiifr;
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Kl-“.
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Rüde:
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di e benachbarten Fasernsysteme völlig verschonen sollen. Viele
andere Erkrankungen des Rückenmarkes beruhen auf Infeetion
Tvphns, Scharlach, Diphtherie, Gonorrhoe etc.), doch sollte man
hierin nicht wieder zu weit gehen und sollte z. B. unsere alte
Erkältung hier ebenfalls als krankmachendes Agens gelten lassen.
Einzelne Gift«, i. B. Secale cornut., wirken blos auf die pheriphere
»rvensubstanz und schädigen erst secundür das Rückenmark.
Noch vor 3U Jahren sagte Niemeyer in seinem bekannten
Wirkliche, dass die Tabes kein anatomisches Substrat im Rücken¬
marke aufweisc; heute kennen wir die pathologisch-anatomischen
Veränderungen nicht blos der Tabes, sondern auch vieler anderer
Krkrankungen des Rückenmarkes. Damit wird auch der Kreis
der sogenannten i'unctionellen Krankheiten, d. i. solcher, bei welchen
eben eine anatomische Basis fehlt, immer mehr eingeengt. Indem
der Vortragende dies für einzelne Krankheiten (Paralysis agitans etc.)
darlegt, bemerkt er, dass auch solche Erkrankungen des Rücken¬
markes, bei welchen eine organische Veränderung vorliegt, neb.st-
d e in eine blos functionelle Schädigung auf weisen, welch’ letzterer
Antlieil durch suggestive Einflüsse (Hypnose, Wasser von Lourdes)
gebessert werden kann. Daher die Besserung einzelner Symptome einer
Hüekeninarkskraukheit mit organischen Veränderungen (Schmerzen
der Tabes) durch eine Suggestiv-Behaudlung, was anfänglich sehr
überraschen musste.
So wenig man also diese Unterscheidung zwischen organischen
und functionellen Nervenerkrankungen gelten lassen kann, so
wenig sollte man die sogenannten centralen Rückenniarkskrank-
heiten von den peripheren, oder die sogenannten Systemerkrankungcn
ron den diffusen Erkrankungen trennen, da die Uebcrgänge der
einzelnen Formen in einander allzu zahlreich sind. So findet man
i. B. bei der Tabes nicht blos die Hinterstränge, sondern auch
die peripheren Nerven erkrankt, dasselbe gilt für die disseminirte
Sclerose u. A.
Schliesslich bespricht der Vortragende die Eintheilung der
Rilckenmarkskrankheiten auf pathologisch-anatomischer Grundlage,
während inan vor 30 Jahren den Begriff der Myelitis noch auf
»Ile möglichen Formen anwandte, hat man jetzt eine grosse Zahl
von Krankheitstypen aufgestellt und diese wieder unterabtheilen
gelernt. Man geht am Besten vor, wenn man vorerst die primären
Erkrankungen (entzündliche und nicht-entzündliche Forme») von
den secundär in das Rückenmark eindringenden Erkrankungsforuien
abscheidet, wobei letztere als Degeneration absteigend vom Gehirn
oder aufsteigend von den Nervenwurzeln anzusehen sind. Jede
solche Kintheilnng ist aber mangelhaft, weil man immer neue
Typen and neue Unterordnungen kennen lernt, welche manchmal
wieder aufgehoben werden müssen. »So hat man z. B. die »Syrin¬
gomyelie von den Hydrorrhachia anatomisch und klinisch scharf
getrennt, sich aber in neuester Zeit wieder überzeugt, dass in der
Mehrzahl der Fälle eine solche »Scheidung nicht angezeigt sei,
da sie sehr oft mit einander combinirt sind. Ebenso gibt cs
1 ebergangsformen zwischen der Poliomyelitis aut. und der amyo-
truphischen Latcralselerose u. dgl.
Gerade dem Kenner all' dieser Verhältnisse erwachsen bei
der Diffentialdiagnosc von Rückenmarkskrankheiten grosse Schwierig¬
keiten, die eben in der Natur der Sache liegen, aber voraus¬
sichtlich ebenfalls in gegebener Zeit beseitigt werden. »So gross
der bisherige Gewinn in der Erkenntnis« der einzelnen Erkrank-
Mgtn ist, so gering ist der Fortschritt in therapeutischer Be¬
gehung. Die blutige Nervendehnung, die »Sus|>ension, die elektrische
Behandlung — »ie lassen uns oft im Stich und die medicamentöse
Behandlung ist blos eine palliative resp. symptomatische. Hoffentlich
bringt die Zukunft auch nach dieser Richtung hin einen Fort¬
schritt.
In der k. k. Gesellschaft der Aerzte stellte Ilofrath J. Neu-
| ann ein 17jäbriges Mädchen vor, welches an verschiedenen
wrperstellen, zumal in der Achselhöhle und in der Inguinal-
'vend, neben graubrauner Verfärbung der Haut zahlreiche schwärz-
dio, leicht abkratzbare Knötchen aufweist, welche kleinen Condy-
wn oder warzigen Auswüchsen gleichen. Neumann spricht
ic Affection als Psorospermosis cutanea vegetans an, wiewohl es
im b® 1 der mikroskopischen Untersuchung nicht gelungen ist, in
••n eiben psurospcrnüeuälinlichc Gebilde (Darier) zu eonstatiren.
Die Affection dauert, nach Angabe des Mädchens, 2—3 Jahre.
Die sog. Psorospormien hat J arisch mittelst einer eigenen Färbungs¬
methode als Epithelzellen-Degeneration naehgewiesen und Neumann
ist der Ansicht, dass man es hier mit einer Hypertrophie der
Haut unter Betheiligung von Epidermis, Cutis und deren Adnexen,
mithin mit einer Hyjierkcratosc zu thun habe, deren Hauptvertreter
die Ichthyosis ist. Ob ein Parasit als Ursache der Krankeit.
gelten könne, das müsse noch dahingestellt bleilien.
Dr. Pfeffermann-Bors zeigte e'ne nach seiner Angabe
construirtc enge cylindrisi-hc Röhre, mittelst welcher es ihm gelingt,
einen stenosirten Kehlkopf in einigen Secunden zu dilatire». Die
foreirtc Dilation des Larynx mit dieser Tuln* führt nach einigen
Wochen, nachdem man 20—30mal je '/*- '/* Stunde lang den
Tubus hat liegen lassen, zur vollkommenen Heilung, welche durch
systematische Einlegung von Drainröhrchcu «Hier Bongies gefestigt
wird. Dadurch dass alle Theilc des Larynx gleichuiässig dilatirt
werden, ist der Schmerz bei der Einführung ungleich geringer,
als wenn einer der bisherigen Dilatatoren angewendet wird; auch
sonst sind die Reizungserscheinungen im Kehlkopfe geringer.
In der Discussion hob Professor Wein lech n er, der diese
Tuben in zwei Fällen von Kehlkopfverengerung bei Kindern mit
gutem Erfolge benützt hat, hervor, dass hier, weil die 3 Blätter
des Tubus federn, eine allmähliche Erweiterung des Larynxinneren
statt finde und dass das Verfahren fast schmerzlos sei. wesshalb er
diese Tuben anderen Dilatatoren, auch dem » s u-h röt ter's, vorziehe.
Unser Physiologe, Professor Sigmund Exner. zeigte mehrere
Photographien aus dem physikalischen Institute in Würzburg, welche
mit den sog. Kathoden strahlen hergestellt wurden. Da die Ent¬
deckung Professor Röntgen'« allenthalben genügend liesehrieWn
und gewürdigt worden ist, so brauche ich hier auf die Details
dieser Demonstration nicht einzugehen.
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.
Laut Beschluss des Ausschusses vom 12. Januar 185)6 soll die
diesjährige Versammlung des Vereins in den Tagen des 10. bis
13. September in Kiel statttinden, und sind vorläufig folgende
B er at hu ngsge gen stände auf die Tagesordnung gesetzt:
Grundwnsservcrxorgnng mit besonderer Berücksichtigung
der Enteisenung.
Bekämpfung der Diphtherie.
Dio gesundheitlichen Verhältnisse in der Handelsmarine.
Errichtung von Heimstätten für Wöchnerinnen.
Die Mitwirkung der Aerzte bei Handhabung der Gewerbe¬
hygiene.
Erfahrungen über Volksbäder.
Frankfurt a. M., Januar 1896.
Der ständige Secretär:
Geh. San.-Rath Dr Spiess.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
(Schilddrüsenbehandlung des Kropfes.) Herr Dr. P.
Münz in Nürnberg schreibt uns: «Ich habe in zwei Fällen von
Struma parenchymatosa, jener Form, welche nach Bruns sich
am besten für die Scliilddrüsenbehandlung eignet, diese Methode
mit ausgezeichnetem Erfolge zur Anwendung gebracht. Die eine
Patienlin, ein kräftiges, wohlgenährtes Mädchen von 13 Jahren, kam
in meine Behandlung wegen ihres „dicken Halses“. Zwei Monate
hindurch wurde ihr dreimal wöchentlich V*— 1 /» der bald rohen,
bald gekochten Drüse des Schafes verabreicht; unterstützt wurde
die Kur mit Massage und Bepinselung der Struma mit Jodtinctur.
Nach Ablauf der angegebenen Zeit war die Struma auf ein minimum
reducirt und die Schilddrüse fast zur Norm zurückgekehrt. Noch
eclatanter war der Erfolg bei der andern Patientin, einer sonst
gesunden Arbeiterin von 18 Jahren, die seit etwa drei Jahren ein
Dickerwerden des Halses wahrnahm. Sie erhielt etwa 50 Tabletten
im Verlaufe von sechs Wochen, nach welcher Zeit die Struma voll¬
ständig beseitigt war. Der Vorsicht halber Hess ich die Tabletten
noch einige Zeit fortnehmen. In beiden Fällen traten irgendwelche
lästige Nebenerscheinungen nicht auf. Der Urin wurde von Zeit zu
Zeit auf Eiweiss und Zucker — stets mit negativem Erfolge —
untersucht. Die bisher erzielten Erfolge mit Thyreoidprflparaten in
der einen oder andern Form dürften jeden Arzt zu Versuchen auf*
muntern».
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M^nwE NER MEDICINISCHE WOCH ENSCHggI:
No. 3.
(Zur Entdeckung Röntgen s)^ veröffejitlicht^d^^^ in
anzeiger folgende Mrttheilung welches mit Recht die Ent-
Beriin: „Bei dem lebhafien lnteres erregen , dürfte es
deckungen von 1 . P ®J* B8 ^ ^üfc zutreffende Auffassungen richtig
angezeigt sein, einige nicht Mitthe ilungen über diese
zu stellen, welche Vorgeschichte ausgesprochen worden sind.
Entdeckungen und :ihre an derZeit, die auch bei dieser
Zunächst wäre es für uns ^eutsc Bezeichnungen „Crookes sehe
Gelegenheit wieder u ^ erg , end l£li ganz fallen zu
Strahlen , .Crookes sehe ™ .. Crookes über die sogenannten
lassen. Was tat, war sd.o„
„Kathoden-Strahlen eriorscui Hittorf in Münster, zum
mehrere Jahre vorher zu TI 1 ^ physikalischer Mitarbeiter
Theil von Goldstein in U vor ;-,ff en tlicht worden. Neu
der hiesigen Sternwarte) g efu ™ relativ unerhebliche Einzel¬
sind bei Cr.okes au^^u Jer betfin dSEhS, Forscher musste
heiten, und die PrioriU , 3 q Ma j 1*179 ausdrücklich an-
von ihm in den „Chm N ef f n dera berühmt gewordenen
erkannt werden, lrotziiein August 1879 es versäumt,
Vortrage vor de ' ^ AuC h dV deutsche Uebersetzer
diesen Sachverhalt anzuge dasselbe gethan, und so ist denn
in weiteren Kreisen entstanden.
Tagesgeschichtliche Notizen.
— . . •__.J-.ffnnli;
JffiSrSSS
des preussischen Acrztekamrner , in der Verordnung
regelt wird A erztekammer l Riehen Standesvertretung
heutigen Nummer abgedruckt. h kurz
.7 t Dr JrllTä rLvo» ruÄprfcLrBO-tigteit
noch Müsse, alB medicinischer torscher m die Oeffentlichkeit zu
treten Auf der Naturforscherversammlung m München im Jahre 18
leete er seine durch Untersuchungen an Tlueren gewonnenen
Resultate über die auf dem natürlichen Wege der Athmung mögliche
ConCbsitBt der Tuberkulose vor. Wiewohl seine Theorie welche
fn die seit Menschengedenken in der Med,ein dies"ge-
hüreerten Ansichten Bresche schoss, anfangs auf Zweifel una cn
clauben stiess, wurde dieselbe durch Robert Koch s_epochemachende
Entdeckung vollinhaltlich bestätigt. Im Jahre I818 b^*nn er a s
61jähriger Mann seine bedeutungsvollen anthropologischen Studien,
die ihn in weitentfernte Länden Sicilien, Tunis, Agier. Malta führ
ten und eine Reihe schöner Arbeiten als Frucht dieser Studien
zeitigten. Vor zehn Jahren legte Tapp ein er /-Hm gossen Be; |
dauern seiner zahlreichen Clienten seine Praxis nieder, widmete ch
aber nach wie vor unausgesetzt medicin,sehen und anthrop^ogischen [
Studien Dr. Tappeiner ist Ehrenbürger Merans und Ritter des
Esernen Kronenordens III. Classe. Der Curort verdankt unter
Anderem dem Jubilar den sogenannten Tappemerweg einen^kunst- I
voll ausgeführten Promenadeweg, der eine ^' lg rd ° Vr ^ d ^ t g |
*— Mit der soeben ausgegebenen 88. Lieferung des von Ilofrath j
Dräsche (Wien) herausgegebenen Sammelwerkes ..Bibliothek
der gesammten medicinischen Wissenschaften (vertag
Karl Prochaska, Wien, Leipzig, Teschen) ist der II. Band der
Disciplin „Interne Medicin und Kinderkrankheiten" zum Abschluss
gelangt. Der Band beginnt mit dem Artikel „Ilarnsäuredyskrasic
und achliesst mit „Myxoedem“. — Da wir den Inhalt der ersten
Lieferungen dieses Bandes kurz nach ihrem Erscheinen mitgetlieilt
haben, so wollen wir nur aus den Schlusslicferungen folgende Auf¬
sätze besonders erwähnen. Die .Malaria“ hat Professor Jendrassik
(Budapest) geschrieben und durch eine übersichtliche Farbendruck¬
tafel illustrirt. „Manie“ und „Melancholie" stammen aus der
Feder des Wiener Psychiater Professor v. Wagner. In dem Artikel
Meningitis cerebralis hat Docent R. Stern (Breslau) die
zahlreichen, in den letzten Jahren über dieses Thema erschienenen
bacteriologischen Arbeiten eingehend berücksichtigt. Der Artikel
Mensuration“ hat den Tübinger Kliniker Professor Vierordt
zum Autor. „Lyssa“ und „Milzbrand“ hat Professor Babes
(Bukarest) 1 behandelt. Eine instructive Lektüre bietet der Artikel
„Morbilli“ von Professor Pott (Halle a/S. Zu erwähnen wäre
schliesslich noch der ausführliche Aufsatz „Muskelatrophie“ von
. . .„«„„„„Koni in dem die moderne Neuronenlehre
Dr. Higier ^ zugleich kurz dargestellt ist. — Von
i '” tlichen Frlktiter Ee -
schrieben. . H „ fp i „ ,, d’schen Gesellschaft zu Berlin
- In der Sitzung de,rH u f-l a J “ “"'"ation des Schädels
hielt Herr Gluck , sicll Ausführungen von Herrn Oppen
und Olochirurgie. an „„„lilnwn In der statutengemäss ab-
heim über Ilirntopographie anschlossmu ln^der ^ Herren
gehaltenen Generalvemammlung dor ^ Jie 1Ierren Brock)
aÄrÄÄiS V Salo ra on zu Schriltführern,
Ȋ s sr &
Freiburg i. B^ Halle, KönigbeT^
! und Invaliditäts-Versicherungsanstalt nach Breslau uoer,
I dort als Privatdozent habilitiren. Anlass der Hundert-
ÄS
£ SÄ Ä Ä'ÄÄ-
Personalnachrichten.
Bayern.
Auf Ansuchen l» .len danernüe» «“‘« s *5" 4 tre T™“S
Allerhuldvollster Anerkennung seiner ] a ”S e und t fe * erfchto .
Dienste Medicinalrath Dr. Karl Hermann Landg , • 0
A "* SÄ Der k. Bezirksamt I. Clnsse Bahnarzt Dr. Fr.«
Kötzting. Bewerbungstermin 8. 1-ebruar ü. J.
Klorbiditätsstatistikd. InfectionskrankheitenfürMUnchen
in der 2. Jnhreswoche vom 5. bis 11. Jftnaar 1 - . „
Betheil. Aerzte 400. - Brechdurchfall 8 (13*)^.f*^th e ne, Croup
fiG (18), Erysipelas lf» (11),. Interm,ttens, (A),
Kindbettlieber 2 (o), Meningitis cerebrospim j ), * l8 (17)>
, Oplithalmo-Blennorrhoea neonat. 7 (0), 1 arot tis ep, Rheumfl .
SÄ
Uebersicht der Sterbefälle in München
! während der 2. Jahreswoche vom 5. bis 11. Januar 18
Bevölkerungszahl: 396 C00. _»;..i,ihprie
Todesursachen: Masern H UO*), Scharlach ^( )< J1 Blutver -
und Croup 9 (6), Rothlauf 2 (-), ^'"* el }Jf b unterleibrtyp h u» 1
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall ( )> „ , \ Tuber-
1 fl), Keuchhusten — (l), Croupöse ^ngenentzrlndiujg b ( ). Acuter
1 culose a) der Lungen 21 (12), b) der übrigen Organe m. # (4)>
Gelenkrheumatismus 1(1), andere . ttb ^ ( ra Ä fSelapd 1 (4
Unglücksfälle 1(3), Selbstmord Tod durch tre VerMltnisBI ahl
Die Gesammtzahl der Sterbefalle 203 (l )» C22 8), für
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen ä. 0 l • {ür
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung , (
die über dem 5. Lebensjahr stehende 14,3 (UV).
Berichtigung: Die Uebersicht der 1895 bis
Nummcy bezog sich auf die 1. Jahreswoche \o • . 52. Woche
4. Januar 1896, nicht wie irrthümhch angegeben auf
des Vorjahres.
'■) Die eingeklammerten Za hlen bedeuten die Fälle jeri Vorw__
~ T
Verlag von J. »rLehmanu in München. - Druck der E. MtthUholer'schen k. Hof-BuchdrucUe|ern»Münchon^
fOj;;
i't -
■m: * -
nie Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens2’/*—3 Bogen,
preis vierteljährlich 6 M, praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer GO 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adreesiren: Für die Bedactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz IG-
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
n:.
Herausgegeben von
Cb. Bisfller, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, i. f. Michel, H. v. Ranke, F. v. Wlnckel, H. v. Zlemssen,
Freiburg i. B. München Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 4. 28. Januar 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, OttostraBse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Mi
u:i:
Er’-'
Originalien.
Aus der k. chirurgischen Klinik zu München.
Ueber die Behandlung des Kropfes mit Schild¬
drüsensaft.
Von Prof. Dr. 0. Angercr.
Die specifisehe Wirkung des Schilddrüsensaftes auf die Rück¬
bildung des Kropfes hat sich als ein zufälliger Nebenbefuml er¬
geben bei der Behandlung von kröpf leidenden Geisteskranken.
Moyan Sunderland hat zwar schon im Jahre 1893 die
Schilddrüsentherapie bei Kropf empfohlen. Aber erst die Mit¬
teilungen von Emminghaus und Rein hold, 1 ) sowie die von
Bruns*! haben die Aufmerksamkeit der Aerzte erregt. Von
vielen Seiten wurde diese neue eigenartige Therapie bei Kropf
versucht und die Resultate sind im Allgemeinen sehr günstig
tu nennen.
Die Frage, wie man sich die Wirkung des Schild¬
drüsensaftes zu erklären habe, blieb eine offene. So lange
uns nicht die physiologische Chemie exacten Aufschluss über die
Natur der Schilddrüsenseerete zu geben vermochte, so lauge die
Aetiologie das Kropfes unaufgeklärt blieb, konnten nur Hypo¬
thesen über die Wirkung dieser modernen Therapie aufgestellt
werden.
Der Einfluss der Schilddrüseufüttcrung beim Kropf war un¬
verkennbar und hatte grösste Aehnliehkeit mit der Wirkung
der Jodpräparate. Es lag daher die Frage nahe, die
Kocher 5 ) auch im vorigen Jahre gestellt hat, ob nicht in der
Schilddrüse Jod vorhanden sei. Professor Tschirsch hat darauf¬
hin den Schilddrüsensaft auf das Vorhandensein von Jod und Jod-
verbindungeu untersucht, konnte aber keine »Spur von Jod, Jodiden
und Jodaten fiuden. Auch andere Forscher haben die Schilddrüse
chemisch untersucht, um das wirksame Princip in ihr zu finden,
leb will nun auf die Untersuchungen von Notkin 4 ) in Kiew
hinweiseu. Er nahm das Vorhandensein zweier Seerete in der
Schilddrüse an, das Enzym und das Thyreoproteid. Das
erstere ist das eigentliche Secret der Schilddrüse, konnte aber
von Notkin nicht isolirt dargestellt werden. Wird dieses
leeret überreichlich producirt, so entsteht dadurch die Basedow sehe
Krankheit, die auf einer Hyperactivität der Drüse beruhen soll.
Das Thyreoproteid wird im Körper gebildet und in der Schilddrüse,
besonders deren colloiden Partien, abgelagert. Durch das Enzym
riri das Thyreoproteid umgewandelt und in unschädlicher horm
Jen Körpersäften zugeführt. Wenn nun in Folge operativer Ent-
fernnug oder Entartung 'der Schilddrüse das Enzym fehlt, so
tritt die Autointoxication des Organismus mit dem Proteid ein
und (’aehexia thyreopriva, Myxoedem sind die Folge der fehlenden
"der mangelhaften Secretion der Drüse. Das Enzym ist also
') Münch, med. W. 31. Juli 1894.
*) Deutsche med. W. 11. Okt. 1894.
s ) Corregpondenzblatt für Schweizer Aerzte. 1895. 1.
4 ) A Notkin: Beitrag zur Schilddrüsenphysiologie. Wien.
Hin. W. 1895.
No. 4
gewissermassen ein Antitoxin. Durch geistreiche Versuche sucht
Notkin seine Theorie zu stützen, aber trotzdem bleibt sie vor¬
erst Hypothe.se.
Sigmund Fraen k el ö ) hat am 22- November vorigen Jahres
in der Gesellschaft der Aerzte zu Wien über chemische Unter¬
suchungen berichtet, die er im Laboratorium L u d w i g’ s in Wien
angestellt. hat, um die Schilddrüsenwirkung klar zu stellen. Frae » kel
fällte aus dem Extract der frischen Drüse die Eiweiss- und Leim¬
körper und fand bei deren Prüfung, dass sie das wirksame Princip
nicht enthielten. W ? ohl aber konnte er aus dem eiweiss- und leim-
freien Filtrat eine krystallisirbare Substanz climinire», die sich in
ihren Reactionen und nach ihrer Zusammensetzung als ein Derivat
des Guanidin oder der llernsteinsäurc auffassen Hess und nach den
Ergebnissen der Versuche an Thieren das wirksame Princip der
Schilddrüse enthielt. Fraenkel knüpft an seine Versuche grosse
Hoffnungen für die synthetische Herstellung eines derartigen reinen
Thyreoautitoxin.
Vor wenigen Tagen erschien in Hoppc-Seyler’s Zeit¬
schrift für physiologische Chemie die hochinteressante Mit¬
theilung vou Professor E. Baumann 1 ’) in Freiburg,
dass i hm der Nachweis von Jod in der Schilddrüse
vom Hammel gelungen ist. Das Thyrojodill ist der wirk¬
same Bestandthei! der Schilddrüse. Das Thyrojodin ist eine braun
gefärbte amorphe Substanz, die im W'asser fast unlöslich, in Wein¬
geist. schwer löslich ist. Es ist eine < Jodverbindung, welche das Jod
in relativ beträchtlicher Menge und in sehr fester Bildung enthält ».
«Auch die menschliche Schilddrüse enthält diese oder eine ganz
ähnliche Jodverbindung wie die Hammelschilddrüse >. In der Schild¬
drüse vom Schwein wurde ebenfalls Jod nachgewiesen, jedoch in
wesentlich kleinerer Menge als beim Menschen und Hammel. Die
Thymusdrüse vom Rind enthielt kein Jod und der Jodgehalt eines
Colloidkropfes war geringer als der in der normalen Drüse. Bau-
m a n n schätzt den Gehalt an Jod in der Schilddrüse des Menschen
und des Schafes auf 1 mg pro Gramm.
Diese Entdeckungen Bau mann's sind von grösster Wich¬
tigkeit und eminenter praktischer Bedeutung. Die Wirkung der
Schilddrüsenfütterung bei Kropf und anderen Krankheiten wird
dadurch erklärt oder der Erklärung nahe gebracht und verliert
ihren mystischen Beigeschmack. Aber auch Rückschlüsse auf die
Aetiologie des Kropfes werden durch diese Mittheilungen Bau-
mann's angeregt. Baumann selbst weist auf Chat in hin
(1851), der lehrte, dass Kropf und Cretinismus in solchen
Gegenden auftrete, wo das Jod im Trinkwasser ganz oder fast
ganz felde. Diese Lehre galt als abgethan und findet durch
B a u m a n n ’ s Entdeckung eine neue Stütze.
Wir müssen jetzt den günstigen Einfluss der SchilddrÜsen-
fütterung beim Kropf als eine Jodwirkung auffassen Aber es ist
zweifellos, dass diese speeifische, organische Jodver-
b i n d u u g, die in der Glandula thyreodea vorhanden ist, auf
6 ) Dr. S. Frftnkel: Wiener Klin. W r ochenschr. No. 48, 1895.
e ) Ueber das normale Vorkommen von Jod im Thierkörper.
XXI Band. 4. Heft. 28. Dez. 1895.
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No. 4.
70
MÜNCHEN KR MEDIZINISCHE WOCH ENSCHRIFT
dcn menschlichen Organismus eine viel günstig, r« ,
übt, als die bisher angcwendeten Jodpräpanito. I ebmiimtm i
wird von Allen, die die Thyreodii.behandhn.g versuchten, bjstaügt,
dass die Wirkung auf den Kropf rascher ««tritt als Ij«: »er . m
bebandlung. Denn die Zufuhr von Jod von aussen, erk alt au-
mann, ermöglicht oder begünstigt nur die ltildung de.j.mgin
Stoffes, welcher in ,1er normalen Schilddrüse prmhie.rt ud
und durch die Schilddrüsentherapie fertig dem Stoffwechsel /»-
gefübrth ^ trotzdem ich Kranke monatelang mit roher Schal-
Schilddrüse gefüttert habe, nicht ein einziges Mal .lodschnnplen
(Conjunctivitis) oder ein .Jodcxanthem auftreten scheu .
Das Thyrojodin wird von Fr. Bayer & < omp. bergest eil
werden und hoffentlich bald in den Handel kommen W ir werden
in diesem Präparat die wirksamen Bestamltheile der ..childtrise
haben und es wird sich die moderne Schilddrüsentherapie m ein¬
facher und zuverlässiger Weise durchführen lassen.
Was meine eigenen Erfahrungen Uber die Erfolge der -cliHd-
drüsentherapie bei Kropf betrifft, so habe ich an unserer Klinik
seit November 1894 diese Therapie eingeführt. Es sind nahezu
100 Kranke, die der Schilddrüsentherapie unterzogen wurden,
unter ihnen 78 Kropfkranke. Ich Hess den Kranken die rohe,
fein gewiegte Schilddrüse vom Schaf cinnehmen und hatte die
Ordination so geregelt, dass jeden Freitag, wenn iiothwendig auch
Dienstag, Morgens die Schilddrüsen aus dem städtischen Schlacht¬
ham« abgeholt wurden, (legen eine geringe Entschädigung wurde
den an diesen Tagen frisch geschlachteten Schafen die vordere
Part hie des Halses mit der Trachea und der Schilddrüse und den
Nachbarmuskeln heransgeschnitten und sofort von einem Diener
in die Klinik gebracht. Hier wurden die Drüsen von einem
Assistenten herauspräparirt und darauf untersucht, ob sich in
ihnen nicht etwa pathologische Vorgänge zeigten. Denn sehr
häufig finden sich in der Schilddrüse des Schafes kleine lnrso-
bis linsengrosse Herde, die den Eindruck eolloider Cysten oder
von Käseherden machen. Solche kranke Drüsen wurden bei Seite
gelegt und zur Therapie nicht verwendet. Die für den einzelnen
Kranken genau dosirtc Quantität wurde in (fblaten gut eingewickelt
und dieser Bissen von den Kranken verschluckt. So einfach dieser
Modus der Verabreichung zu sein scheint, so scheiterte er doch
öfters daran, dass die Kranken einen unüberwindlichen Ekel vor
dem Präparat hatten, so zwar, dass der Bissen sofort wieder
erbrochen wurde. Bei solchen Kranken kamen 1 rocken Präparate
zur Anwendung, die Pillen und Pastillen von verschiedenen Fabriken,
die Dank der modernen Schilddrüsentherapie in reicher Auswahl
zur Verfügung standen. Das speciell von Kocher empfohlene
Thyraden von Kn oll & Comp, in Ludwigshafen a/Rh. habe ich
bis jetzt anzuwenden noch keine (lelegenheit gehabt. Auf («rund
meiner persönlichen Erfahrungen muss ich die rohe Schilddrüse
betreffs ihrer Wirksamkeit all e n 1' rocken präparat e n
voran st oll eil und ich habe deshalb die letzteren nur in Aus-
nahniefällen angewendet. Die Mittheilung von Becker, wonach
ein 2 \4 jähriges Kind auf Einmal etwa 90 Stück der nach Angabe
Leicht en stern’s fabricirten Thyreoidtablotten ä 0,3 gegessen
hat ohne irgend welche beunruhigende Symptome darnach zu zeigen,
ist nicht geeignet, das Vertrauen in die \V irksamkeit der Trocken¬
präparate zu befestigen. Ausserdem ist nicht zu übersehen, dass
die Schilddrüse sehr rasch, viel früher wie Muskelgewebe in Fäulniss
übergeht und bei der fabrikmässigen Verarbeitung von Schilddrüsen
zu Tabletten können leicht auch faule Schilddrüsen \ orwendung
finden. Lanz machte auf diese Möglichkeit aufmerksam und
glaubt, dass nicht alle als Thyreoidismus aufgefassten Symptome
der Ausdruck der speeifischen Wirkung der Schilddrüse sind,
sondern Iiitoxicationserschcinungen, hervorgerufen durch den Genuss
faulender Schilddrüsen Substanz.
Wenn ich nun zu meinen Beobachtungen übergehe, so stützen
sich dieselben auf ein ziemlich reiches Material.
Ich habe, wie bereits angegeben, bei 78 Fällen von Struma
die Schilddrüsentherapie durchgeführt und meine Erfahrungen be¬
stätigen vollkommen die bisher mitgetheiltcn Erfolge. Nur einige
wenige Kröpfe reagirten auf die Schilddrüsenfütterung nicht.
So viel aus den Krankenberichten zu sehen ist, sind es etwa
4 — 6 Kranke, bei denen diese Therapie erfolglos geblieben ist.
Boi einigen von ihnen wurden nur 2-3 Dosen gegeben und die
Kr-iukei!" blieben alsdann aus, bei anderen traten zu starke
Störungen, Erscheinungen von Thyreoidismus, auf so dass eine
Fortsetzung der Behandlung ausgeschlossen war In all den halle..,
wo das Schilddrüsen mittel vertragen und die Cur wochenlang fort-
gesetzt werden konnte, trat eine entschiedene Rückbildung dos
Kropfes ein. Nur die derben, festen Kröpfe bliche,, voll¬
kommen unbeeinflusst. CystenkrOpfc Wrten .n der \ eise,
dass zwar die Grösse und Füllung der (’yste gleich blieb, wohl aber
das „och vorhandene mehr ude r minder hy per plastische Schild¬
drüsen ec wehe atrophirte. Dadurch wird die (’yste leichter ab-
•«reizbar, kommt oberflächlicher zu liegen und wird ihre Ausschälung
erleichtert. Die gleiche Beobachtung macht man bei den diffus
tuberoesen Formen von (’olloidkröpfen und Kropfknoten. Die ein-
/einen Knoten treten deutlicher aus dem Gewebe hervor sind
nur lose mit einander verbunden und dadurch leichter verschiebbar
(reuen einander. Da in, Verlaufe der Behandlung auch das subcatanc
Fett schwindet, so sind die einzelnen Knoten schon durch die
Haut hindurch zu erkennen und heim Betasten hat man das
Gefühl, als ob man auf einen mit Nüssen gefüllten hack greifen
würde. Die einzelnen derben Knoten verkleinern sieh mellt, machen
bisweilen trotz der Atrophie des übrigen SehilddrUsengewebes Druck-
svinptome und müssen nachträglich exstirpirt werden. Die Blutung
hei diesen Operationen ist, wie Kocher und B r u „ s schon be¬
richteten, entschieden geringer als ohne vorausgegangene riiyreoiüiu-
behaiidluiig. , .
J)ie günstige Wirkung .1er Thyreoidinliehandlung ist bei ein¬
zelnen Kropf krank en geradezu verblüffend. Besonders bei den
weichen K rupf tonnen, den einfachen Hyperplasien, Adenomen
der Schilddrüse, bei den Kröpfen, die in den Pubertätsjahrcn
auftreten, genügen einige kleine Dosen, pro Woche 2 -3 «ramm
roher Schilddrüse, um diese Kröpfe zum Verschwinden zu bringen
Das sind die Kröpfe, die sieh auch auf dodbehandlung prompt
zurüekbilden. Aber es ist zweifellos, dass liier die Thyreoi m-
beliamllung wesentlich den Vorzug vor der Jodliehandlung verdien ,
weil ihre Wirkung eine viel promptere, rascher cintretende ist, ohne
die schädlichen Nebenwirkungen der .lodbeliandlung zu zeigen.
Es würde zu weit führen, wollte ich alle hier einschlägigen
Krankenberichte geben. Ich will nur ein paar Fälle skizziren
weil sie in besonders prägnanter Weise die Wirkung der .cm
driisenfütterung illustriren.
1. Ein junger Lieutenant musste im April 1889 1 n ^"aller
geben, weil er einen Kropf hatte, dessen' Rückbildung
Kropfmittel, trotz einer energisch durchgeführten Jode r .U
erreichen war. Die Sprache war heiser die Bereg chke t de
Kopfes behindert und das Tragen des anliegenden Unffornikragemi
unmöglich. Er war einer der ersten Kropftranken dicjch mit
Thyrcoidin behandelt habe. Er bekam xom ^. No embe
31. Dezember 1394 im Ganzen 00 Gramm roher Schilddrüse^
dem Erfolge, dass er am 1. April 189.» als Lieutena
wurde und seitdem ohne Beschwerden den anstrengenden rruppe
dienst versieht. Er schreibt mir unterm 29 Dezember d^s aem
Hals normal, seine Stimme gut und sein Allgemeinbefinde
besser als früher sei. ,. tor
2. Eine 41jährige Frau, Anna B„ wurde mit i b ° u C ' lg j 5; 0V ,
,.k'rnnf hedlllL't. am ZU.
2. Eine 41 janrige rrau, nima t>., "V- vn Nov.
Dyspnoe, durch einen enorm grossen Kropf hedingb am -
1894 in die Klinik aufgenommen. Der Krop betraf die gan^
Schilddrüse, reichte vom Zungenbein bis zum Jugulum und
die ganze Vorderfläche des Halses ein D.e su.
schon seit Wochen bis zu Erstickungsanfällen gesteigert u
anlasste die Kranke, sich in s Spital verbringen zu lassen ~ ptroffen ,
die zur Vornahme der Tracheotomie nöthigen Massreg % nj c
um in» entscheidenden Augenblick sofort openren zu ' ^ etl
Kranke wurde zu Bett gebracht und ihr eine Eiskravatte
Hals gelegt und mit der Schilddrüsenfütterung begonnen,
nach der zweiten Dosis ä h Gramm war jede ufM!cllt
schwunden, während die Kranke in den ersten Tage . ^ inl
im Bette sitzend mühsam athmen konnte Die Kranke e Qnd
Ganzen 40 Gramm rohe Schilddrüse vom il.hov. bi • nicht
die Wirkung war eine so grossartige, dass die KranRe
dazu verstehen konnte, einzelne Knoten noch exstirp ., • e rt,
Der Kropf war in allen seinen Durchmessern bedeutend ve « {
die einzelnen Lappen frei beweglich, liessen sich leicb
sogar umstAlpen. Die Trachea und Larynx, J. e J' ° n d irecten
gewebe verdeckt waren, waren frei und überall
Betasten zugänglich geworden. . . , • von Athen»-
Auch diese Patientin fühlt sich noch heute ff e dass
beschwerden, doch spricht sie in ihrem Briefe die Mein g * >
ihr Kropf wieder zu wachsen anfange.
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o
71
28 Januar 1896 _ _ _ MÜNCHENER MEDICTNTSCHE WOCHENSCHRIFT.
3. Ein 21 jähriger Holzschnitzer aus Oberanunergau wurde am
13 . November 1893 in die Klinik aufgenommen in hochgradigster
Athemnoth, so dass wegen Erstickungsgefahr sofort tracheotomirt
werden musste. Der Kranke hatte seit 8 Jahren einen Kropf, der
stetig wuchs und immer mehr Athembeschwerden verursachte. Auf
der Krise in die Klinik wurde er im Eisenbahnwagen von einem
Erstickungsanfall befallen und wurde schwer nach Luft ringend
cvanotisch in die Klinik gefahren. Die Athemnoth ward durch eine
die ganze Schilddrüse betreffende Hypertrophie veranlasst.
Der Kranke wurde späterhin einer Jodeur unterzogen. Der
Kropf wurde zwar wesentlich kleiner, doch war es unmöglich, die
Tracliealcantile zu entfernen, da sofort Athemnoth auftrat. Der
Kranke konnte sich zu einer Exstirpation des Kropfes nicht ent-
whliessen und verlies* am l. Februar 1894 die Klinik Am 13. De¬
zember 1*91 trat er wieder in die Klinik ein. Der Kropf war etwas
grösser geworden und das Decanulement war unmöglich. Bei jedem
Versuch trat sofort Stridor ein Der Kranke erhielt in den nächsten
11 Tagen 35 Gramm rohe Schilddrüse. Doch konnte er sich mit
dieser Behandlung nicht befreunden und verliess am 26 Dezember
I8't4 wiederum die Klinik Am 17. Juni kam er zum dritten Mal
zur Klinik, um die Canüle los zu werden, und ohne dass in der
Zwischenzeit irgend eine Cur vorgenommen worden ist, konnte jetzt
die Canüle entfernt werden, ohne dass Athemnoth auftrat. Der
Kropf hatte sich in der Zwischenzeit so zurückgebildet, dass nur
auf der liuken Seite ein kleiner Knoten fühlbar war. Die Tracheal-
fistel schloss sich rasch und am 22. Juni konnte der Kranke geheilt
entlassen werden.
1. Die 18jährige Eliße L. wurde am 23. April 1895 in schwer
asphyctigchem Zustand, ohne Puls, leichenblass, Schaum vor dem
Munde, mit weiten Pupillen in die Klinik gebracht. Ein grosser
Kropf, ziemlich weich, mit einigen harten Knoten, war die Ursache
der Asphyxie. Sofort wurde tracheotomirt und die künstliche Athmuug
eingeleitet. Es gelang, das entschwindende Leben zu halten; doch
war die Kranke noch eine ganze Stunde vollkommen bewusstlos.
Die Kranke wurde späterhin mit Schilddrüsentabletten gefüttert
Der Halsumfang war im Anfang 41,5 cm und ist unter der Thyreoidin-
behandlong auf 38 cm zurückgegangen. Aber trotzdem war es nicht
möglich, die Canüle zu entfernen, da sich bei jedem Versuch sofort
Athemnoth einstellte. Es wurde deshalb am 4. Juni ein Knoten
aus der rechten Schilddrüsenhälfte entfernt, der zwischen Trachea
und Oesophagus in die Tiefe ging und die Trachea comprimirte.
Gleichzeitig wurde der ganze Mittellappen, der colloide Entartung
zeigte, entfernt. Die Blutung war auffallend gering. Am 13. Juni
konnte die Canüle entfernt werden und am 22. Juni wurde die
Kranke entlassen.
Bei der grossen Mehrzahl der Kropf kranken wirkte das
Sliildilrüscniuittel in bekannter Weise. Oft schon nach der
erstell Dosis wurde die Athumiig leichter, der Hals freier, die i
Beweglichkeit des Kopfes grösser. Kranke, die jahrelang nur
mehr in einer bestimmten Kör|ierlagc schlafen konnten, konnten
nun in jeder Lage der Ruhe pflegen. Gerade die subjective
Besserung in dem Befinden der Kropfkrankon zeigt sich gleich
nach den ersten (laben, viel früher, als ohjectiv eine Abnahme
dos Kropfes zu coustatiren ist.
Mehr oder minder ausgesprochen traten bei fast allen Kropf-
kranken die Symptome auf, die man auf die specifische Wirkung
der Seliilddrüsensubstauz zurückführt. Das ist eine geringe Puls¬
beschleunigung und vermehrte Diurese, bisweilen starkes Transpiriren.
ln seltenen Fällen traten Schwindelanfüllo auf, Kopfschmerz, Uerz-
B'pfcn. Müdigkeit, ziehende Schmerzen in den Extremitäten,
N-hlaflosijrkeit stellte sich ein, der Appetit wurde geringer. Bei
diesen Anfangssymptomen des Thyreoidismus wurde das Mittel
Mszcsetit und die üblen Nebenwirkungen sind stets rasch
iesehwmulcn, so dass nach 1—2 Wochen neuerdings mit der
1 or kleinen Dosen begonnen werden konnte. Aber jedenfalls
w eine sorgfältige Ueberwaehung des Kranken und eine genaue
iWnmg des Mittels dringend geboten. Da die Wirkung des
Thyreoiditis Itei den einzelnen Kranken individuell verschieden
^tk ist, so ist es ein (reimt der Vorsicht, stets mit kleinen
husen atiiufangen. Ich lies« stets mit 3 g beginnen und stieg
alimähliir aa f 5 g ]q g pro Woche. Ich haW> nie bedrohlichere Kr-
Hheinuugen gesehen ausser in einem Falle: Ein Mann in den 50 er
•wen, ri» wegen Neurasthenie pensionirter Beamter, leidet seit
*' mer *1 ngend an einem Kropf, der derb und fast von Mannes-
fju.-tgn,sse der \ orderfläche der Trachea aufsitzt. Er hielt den
ni l’ f * ür den Hauptgrund seiner Nervosität, konnte sich aller
rllM ' r Operation nicht entschliessen und ich machte eine Reihe
'"H •)<doforui-<Jlycerininjectioneu in den Kropf, die dem Kranken
m Manie». Ich wollte nun auch bei ihm einen Versuch init
• hiHlrüse machen und gab ihm 3 g. Die Wirkung war eine
den Kranke» furchtbare: eiue Pulsfrequenz von 120—140
in den ersten drei Tagen, absolute Schlaflosigkeit. Zittern am
ganzen Körper, Herzklopfen, dass nach seiner Angabe bei jedem
l’ulsschlag der ganze Körper mit erschüttert wurde und eine
beunruhigende nervöse Erregung. Das war der einzige Kranke,
der in so heftiger Weise auf das Thyreoidin rcagirtc. Ein Ein¬
fluss auf den Kropf selbst hat sieh nicht gezeigt.
Bei denjenigen Kropfkranken, die in der Klinik seihst be¬
handelt. wurden, wurde genau Buch geführt über Qualität und
Quantität des Urins und über das Körpergewicht. Die Urinmenge
stieg in allen Fällen nicht unerheblich, nur selten wurden vor¬
übergehend Spuren von Kiwciss gefunden, Zucker niemals. Das
Körpergewicht ging nach den ersten Gaben merklich zurück,
späterhin war die Abnahme nur mehr eine geringe oder es folgte
sogar eine Zunahme des Körpergewichts. Oftmals stellte sich
während der Gur ein gesteigerter Appetit ein und die Kranken
fühlten sieh frischer und leistungsfähiger als je, so dass einzelne
von ihnen auf den Gebrauch des Mittels gar nicht mehr ver¬
zichten wollen.
Die mit der Schilddrüsenfütterung erzielten günstigen Resultate
sind nicht in allen Fällen dauernde geblieben und es .scheint, dass
die Cur nicht vor Hecidiven schützt. Bruns berichtet über
Kmpfreeidive nach Tliyrcoidinbchandhing und auch ich habe bei
zweien meiner Kranken wieder eine Zunahme des Kropfes bemerkt,
nachdem das Mittel 5—7 Monate ausgesetzt war. Und noch eine
andere Beobachtung habe ich hei Kranken gemacht, die erst mit
Schilddrüse gefüttert und dann nperirt wurden — das ist eine
auffallende Herzschwäche während der Narcose und insbesondere
nach der Operation. Bei einer 39 Jahre alten Kranken, die einen
sehr grossen, bis zur dritten Rippe reichenden Kropf hatte, wurde
die Seliilddriiscntherapie mit dem Erfolge durchgeführt, dass die
Athembeschwerden völlig verschwanden und auch der Kropf be¬
deutend kleiner wurde. Die Kranke erhielt im Ganzen 45 g
roher Schilddrüse, nahm in 5 Wochen um fast 6 Pfund am Körper¬
gewicht ah. vertrug aber sonst die Behandlung sehr gut. Die
Grösse des Kropfs war der Kranken sehr lästig und ich entschloss
mich zur Operation. Ich exstirpirte in typischer Weise die rechte
Scliildilrüscnhälltc und reseeirte den grösseren Tlicil des linken
Lappens nach Unterbindung der arter. und ven. tliyreoid. super.
Die Blutung war nicht stärker, vielleicht geringer als bei sonstigen
Kropfopcratinnen. Trotzdem zeigte die Kranke grosse Herzschwäche,
der sie einige Stunden nach der Operation trotz aller Excitanticn
und einer Koclisalzinfusion erlag. Die Ohduction ergab eine massige
Anämie aller Organe und zeigte besonders einen sehr schlaffen Herz¬
muskel. ln den fünf Jahren, in denen ich der chirurgischen Klinik
vorstehe. wurden 59 K ropfoper.it ionen der verschiedensten
Qualität vorgenommen, ohne einen einzigen Todesfall und ich
bin geneigt, für die Erklärung des einzigen Todesfalles wenigstens
zum Tlicil die Schilddrüscnthorapie mit heranzuziehen, indem sie eine
Schwächung des Herzmuskels mitvcrschuldet hat. Und in dieser
Auffassung bestärkt mich ein zweiter Fall, in dem gleichfalls
während und nach der Operation grosse Herzschwäche bestand.
Es wurde ein Scitenlappen und der Mittellappcn exstirpirt und
die Blutung war massig. Diese Kranke hat sich auf Uampher-
injectioneu wieder bald und gut erholt.
Bei malignen Kröpfen erweist sieh die Sehihhlriisentherapie.
wie nicht anders zu erwarten, als nutzlos. Mir will es scheinen,
dass dieselbe in zwei Fällen von Sarcom der Schilddrüse sogar
einen ungünstigen Einfluss ausgeübt hat. indem das Waehstlmm
der malignen Kröpfe raschere Fortschritte machte als man sonst
zu beobachten pflegte.
Aus dein patholog. anatoni. Institut zu Heidelberg.
Härtung mit Formaldehyd und Anfertigung von Gefrier¬
schnitten, eine für die Schnelldiagnose äusserst
brauchbare Methode.
Von 11. Plengr.
Mit dem Hinweis auf eine ausführlichere Mittheilung an
anderem Orte}, möchte ich an dieser Stelle kurz auf eine Methode
der makroskopischen Technik aufmerksam machen, die, nach
1 *
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72
Münchener medicinische Wochenschrift
No. 4.
meiner Meinung, ausser für den Kliniker und Anatomen, gerade
für die praktischen Aerzte von grösstem Interesse ist.
Auch im Besitze eines vorzüglichen Mikroskops und
erforderlichen technischen Ausbildung war es bisher dem pratschen
Arzte fast unmöglich, sich selbst an Schnittpräparaten den oft
so nötliigen Aufschluss über die Structur und Architectur einer
Geschwulst u. s. w. zu holen, wie er wohl nur an zusammen;
hängenden und feinen Schnittpräparaten zu erreichen ist. Denn
alle einigcrmasscn sicheren Behandlungswc.se.» erfordern einen vie
grösseren Aufwand von Zeit, als wohl den meisten Collegen zu
diesem Zwecke zur Verfügung steht. Dazu gesellen sich die
grossen Kosten eines guten Mikrotoms und der erforderlichen
Härtungs- und Einbettungsmittel.
Die folgende Methode ist allerdings von C ul len ) in» letzten
Sommer bereits in ähnlicher Weise veröffentlicht worden, hat aber
bisher wohl nicht die ihr zukommende Würdigung gefunden.
Ausserdem möchte ich auch hier darauf hinweise»., dass ich die
Methode selbstständig bereits im Oktober 1894 ausgcbildet un
anderen Collegen vielfach demonstrirt habe. Seitdem hat sich
dieselbe in ganz vorzüglicher Weise bei Untersuchung von Ge¬
schwülsten und zur rascheren Vcrwerthung des Sectionsmaterials
zu Demonstrationszwecken bewährt.
Die volle Ausnützung dieser Technik ist aber erst zusammen
mit der Verwendung des J ung 'scheu Hobelmikrotoms für Gefrier
und ParafAnschnitte 2 ) möglich.
Die Methode ist folgende:
1. Härtung eines möglichst dünnen, bei Operationen oder
Scctionen entnommenen, Gewcbstückchcns von etwa 1 cm
Seitenlange in 4 proc. Formaldehydlösung. s )
2. Anfertigung der Gefrierschnitte.
3. Auffangen in durch Kochen luftfrei gemachten» Wasser
oder besser in 50 proc. Alcohol zur Entfernung der
Luftbläschcn, die sich in den Schnitten bilden.
4. Färben in wässerigen Lösungen der Anilinfarben, Alaun-
carrnin, Hämatoxylin, Gram, Weigert etc.
5. Abspülen in Wasser; Alcohol, Ocl, Canadabalsam.
ad. 1. Bei Scheibchen von etwa 1 min Dicke genügt eine
Zeitdauer von */s — 1 Stunde zur Härtung. Da in Formaldehyd¬
lösung keine Schrumpfung und kaum eine Verkrümmung auftntt,
kann man die Seheiben beliebig dünn wählen. Hat man Zeit,
so nimmt man grössere W r ürfel und zerlegt die gehärteten nach
4 bis 24 Stunden mit grösserer Leichtigkeit in die zum Gefrieren
nöthigen, etwa 1 mm dicken Scheibchen. Längerer Aufenthalt m
Formaldehydlösung schadet nicht, doch gehe man nicht Uber 8 Tage
hinaus. Die Lösung braucht nicht gewechselt zu werden und kann
mehrere Male verwendet werden.
ad. 2. Die Schnitte werden in der Formaldchydlösung oder
in reinem W r asser angefroren. Letzteres empfiehlt sich für härtere
Objecte. Die Schnittdicke wählt man am besten von 30 bis \0 /x.
ad. 3- Die Schnitte sind sehr vollständig, sehr haltbar und
leicht zu handhaben. Durch die antiseptischen Eigenschaften des
Formaldehyd sind sie einige Tage vor dem Verderben geschützt.
ad. 4. Die Schnitte verhalten sich ungefärbt wie frische,
nur sind sie viel dünner, ebenmässiger und gleichmässigcr als
i) Cullen. Beschleunigtes Verfahren zur Färbung frischer
Gewebe mittelst Formalin. Centralbl f. allgem. Patb. u. path. Anat.
6. Bd. 1895. No. 11, S. 448. . , „ .
*) Dasselbe ist zuerst von P. Schief ferdecker (in der Zeit¬
schrift f. wissensch. Mikr. 9. Bd 1892 p. 168—175 m. Abb. i. Text)
beschrieben worden und zeichnet sich durch grosse Handlichkeit,
Bequemlichkeit der Anwendung und Sicherheit der Schnittführung
aus. Man erhält in einer unglaublich kurzen Zeit eine grosse Menge
brauchbarer Schnitte. — Der Preis schwankt zwischen 25 bis 40 M.,
je nachdem eine automatische Hebung des Objectes stattfindet oder
nicht. Am meisten zu empfehlen ist das mit automatischer Hebung
versehene Mikrotom zum Preise von 40 M. Vorläufig ist die Gefrier
Vorrichtung nur für Aether eingerichtet. Zu beziehen bei R. Jung,
Mechaniker und Optiker, Heidelberg, Preisverzeichniss No. 119.
3 ) Formol (Meister, Lucius und Brüning, Höchst a. M.),
Formalin (Schering, Berlin) und Formaldehydum solutum des
« Arzneibuch f. d. deutsche Reich, 3 Ausg. 1895, Nachtrag pag, 7»
stellen alle 3 eine 35—40 proc. Formaldehydlösung in Wasser dar.
Also Rp. Formaldehyd, solut. 120,0
Aq. dest q. s. ad 1000,0
oder Solutio Formaldehydi (4 Proc.) 1000,0
sonst Gefrierscbnitte pflegen. Andererseite aber nehmen sic alle
Färbungen so gut an, wie lange in Alcohol oder in anderen
Härtungsmitteln gehärtete.
ad 5 In starken Alcohol gebracht schrumpfen oder falten
sich die Schnitte nicht; ebensowenig in Nelkenöl, Xylol oder
sonstigen Aufhellungsmitteln. Sie lassen s,ch daher zu Dauer¬
präparaten vorzüglich verwenden. . ,
Die Brauchbarkeit der Methode ist eine so allgemeine, dass
ca eigentlich nur erforderlich ist, einige Fälle anzuführen, bei
denen sich Schwierigkeiten ergeben.
Ausgeschlossen von der Behandlung sind nach meinen bis¬
herigen Erfahrungen nur: normale Placenta, reines hettgewebe
fester Knochen, Knochenmark und klemzottige Geschwülste mit
vielen Ramificationen der Zotten, wenn diese nicht m einer schleim-
colloid- oder eiweissreichcu Umhüllungsmasse liegen. Dagegen
lassen sich unerwarteter Weise von Geweben, die nicht zu grosse,
mit Schleim, Colloid etc. gefüllte Hohlräume enthalten, sehr feine
Gefrierschnitte anfertigen. , IT , ,
Schwer zu behandeln ist normale Lunge, normaler Hoden und
Dünn darm dje^c können aber durch nachträgliche Alcohol-
bchandlung und Durchtränkung mit Celloidin oder Paraffin brauchbar
gemacht werden. Die so nachbehandelten Präparate sind zu den
feinsten Untersuchungen der Kernstructur und des Protoplasma
geeignet, ln 4 proc. Formaldehydlösung conservirte Stücke des
Centralnervensystems lassen sich mit Chrombeizen zum Zweck der
Weigert’ sehen Markscheidenfärbung, der Golgi sehen, Marchi -
sehen Methode etc. durch tränken.
Aus diesen Gründen ist auch in dem halle, dass solche
Präparate oder Theilc derselben zur weiteren Untersuchung an
pathologische Institute versandt werden sollen, eine Conscrvirung
der Präparate in 4 proc. Formaldehydlösung derjenigen in Spiritus
oder gar in denaturirtem Spiritus vorzuziehen.
Da auch die Formaldehyddämpfe ausgezeichnet härten, genügt
bei einigermassen gut geschlossenen Gefässen eine verhältmss-
mässig kleine Menge, un» auch grosse Stücke brauchbar zu er_
halten. Ein Liter der verwendeten Lösung kommt etwa au
1 Mark, so dass auch der Preis einer allgemeinen Verwendung
nicht hindernd im Wege steht.
Schon durch diese kurzen Angaben glaube ich meine obige
Empfehlung der Methode genügend gestützt zu haben. Die Me¬
thode ist in ihrer Auwendung ausserordentlich einfach und leie t
zu erlernen und gibt wirklich ausgezeichnet schöne und sichere
Bilder. Ein nicht zu unterschätzender Vorzug ist nach meiner Ansicht
auch der, dass sie in jedem Stadium unterbrochen werden kann,
ohne Verlust der aufgewendeten Mühe. (Ausführlichere Mitteil¬
ungen in Virchow’s Archiv.)
Aus dem städtischen Krankenhaus in Fürth i. B.
Ruptur der hinteren Blasenwand. Naht. Heilung.
Von Dr. Degen, dirigirender Arzt.
Die traumatischen Blasenrupturen, besonders die ohne jede
weitere Complication, wie Beckenbrüche u. s. w., gehören un
bestritten zu den seltenen Vorkommnissen. Stösse oder Int ,
Fall von grösserer Höhe auf den Unterleib oder auf die küsse
sind die bis jetzt beobachteten Ursachen und sie bewirken um so
eher eine Zerreissung der Blase, je mehr diese gefüllt ist. ,e
Einteilung der Rupturen in extraperitoneale und intrapentonea e,
je nachdem vordere oder hintere Blasenwand betroffen ist, ree
fertigt sich klinisch, prognostisch und therapeutisch vollkommen;
leider ist nur die Diagnose nicht immer sofort klar! Gemeinsam
ist beiden Arteu der heftige Schmerz in der Blasengegen , ie
Blutung, die Leerheit der Blase und der quälende Harndrang
Der Katheter fördert nur wenig blutigen Urin oder reines u
zu Tage ; nur wenn bei Rissen der hinteren Wand das Instrumen
in den Douglas dringt, kommt eine grössere Quantität Lrm zum
Vorschein. Spontan kommt in der Regel keine Harnen t c *- run ®
zu Stande, es besteht vollständige Anurie; wird noch eine mässig
Menge Urin gelassen, so spricht dies mehr für einen vor ere
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MÜNCHENER MED IC IN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
?3
28 . Janu ar 1896-
Riss, da bei intraperitonealen Rupturen Harn und Blut vollständig
in die Bauchhöhle laufen, ausgenommen die seltenen Fälle, in
denen sich durch Contractiou der Blasenmuskulatur der Riss zeit¬
weilig schliesst. Eine extraperitoneale Ruptur ist anzunehmen
beim Bestehen einer prävesicalen (Jeschwulst, während eine mehr
diffuse Dämpfung der Untorbauchgegend und eine Vorwölbung
der vorderen Mastdarmwand gegen das Rectum zu auf einen
intraperitonealen Riss sehliessen lässt. Vielleicht darf man zu
den Frilhsyniptouien der Ruptur der hinteren Wand den grösseren
Cullapsus und das unstillbare Erbrechen rechnen, da sie auf eine
Reizung des Bauchfells hindcuten. Mit Berücksichtigung der
angeführten Symptome wird man in den meisten Fällen eine
richtige Diagnose sofort oder kurze Zeit nach der Verletzung
stellen können. Sind freilich mehr als 24 »Stunden seit dem Un¬
fälle verflossen, dann wird in der Regel die »Sache für den Arzt
klarer — für den Patienten trüber! Harninfiltration nach allen
Richtungen oder septische Bauchfellentzündung lassen keinen
Zweifel über die Frage, ob die vordere oder hintere Rlasenwand
zerrissen ist. Prognostisch schlimmer sind die intraperitonealen
Risse, was sich ohne weitere Begründung begreift. Zwar wird
in der Literatur von spontaner Heilung solcher Verletzungen
berichtet, aber solche Fälle sind jedenfalls enorm selten, da
ausserordentlich günstige Umstände Zusammentreffen müssen, damit
ein »''|iontanverschIuss des Risses zu »Stande kommt. Auf keinen
Kall darf der Arzt, der einer Rlasenruptur gegenübersteht, mit
solchen Raritäten rechnen und sieh mit halben Massregel» begnügen.
Auch bei eingeklemmten Brüchen sind schon Heilungen ohne Ein¬
griff vurgekommen, aber es wird sich kein Arzt finden, der im
Vertrauen darauf das Messer im Etui Hesse!
Wie beim eingeklemmten Bruch soll auch bei der Blasen-
ruptur die Therapie eine energische und rasche sein, da sich mit
jeder Stunde Zuwartens die Prognose unverhältnissmässig trübt.
Ist die Diagnose von vornehercin gesichert, so wird man bei einem
Risse der vorderen Blasen wand dieselbe frei legen, die Blasen-
scbleimhaut mit der äusseren Wunde vernähen und mit Gaze
tamjKiniren. Hiedurch bekommt der Urin freien Abfluss, es wird
eine Nachblutung verhindert und der nicht gefahrlose Verweil¬
katheter erspart (»Schlange). Bei intraperitonealen Rissen aber ist
die Laparotomie, die Aufsuchung und Naht der Verletzung und
die Reinigung der Bauchhöhle indicirt. Aber auch bei bestehendem
Zweifel, ob extra- oder intraperitoneal, darf nicht gewartet werden.
Ma« beginne mit dem kurzen Schnitt der Sectio alta, der sich
im Bedürfnissfalle rasch verlängern lässt. Noch ehe man auf die
vurdere Blasenwand kommt, lässt die Beschaffenheit des prävesi-
den Zellgewebes erkennen, ob der Riss ein extraperitonealer ist.
Nach dieser kurzen sich auf den neuesten Standpunkt in
beregter Frage stützenden Einleitung komme ich nun zu dem im
hiesigen Krankenhause beobachteten und oj»erirten Falle von
Blasenruptur. Ich tlieile denselben möglichst ausführlich mit,
»eil er in seinem wceliselvollen Verlaufe manches Interessante
nnd vielleicht auch Neue bietet.
Br., Fabrikarbeiter, 31 Jahre alt, welcher am 28. April 1895
gelegentlich einer Kindstanfe reichlich Bier genossen hatte, stürzte
um Abend desselben Tages mit einem Bekannten, auf dessen
Schultern er sass, ca. 25 Stufen einer Treppe hinab. Er lag die
darauffolgende Nacht bewusstlos zu Hause und wurde am Morgen ,
«es 29. April von einem herbeigerufenen Arzte in das Krankenhaus
geschickt.
Bei seiner Ankunft war Patient bei Bewusstsein, aber stark |
collabirt und ungemein schlecht ausßehend Er klagte 'heftigen j
ahmen im Rücken und im Leib, dabei bestand vollständiges Un- ■
vermögen, Urin zu lassen. Die Blasengegend ist enorm empfindlich
Pten Berührung, etwas hervorgewölbt nnd diffus gedämpft, der i
Katheter entleert einige Esslöffel reines Blut. Erleichterung tritt j
weht ein; die Schmerzen bleiben gleich heftig. Kein Fieber.
30. April. Der Dämpfungsbezirk erstreckt sich über die ganze
Uterbauchgegend; äussere Zeichen von Quetschung fehlen. Der
Katheter entleert nur flüssiges Blut und Gerinnsel. Sehr quälender |
Harndrang, fortwährendes Erbrechen. Puls klein, 132 p. M. Keine
meteorigtigehe Auftreibung des Leibes Der immer mehr verfallende
■atient verlangt dringend, durch eine Operation von seinen Qualen
“«reit zu werden. Dieselbe wird um 4 Uhr Nachmittag — 2mal
stunden nach dem Unfall — vorgenommen, Aethernarcose nach
vorausgeschickter Injection von 0,02 Morph. Schnitt in der linea
J7.™ ^ er Symphyse bis einige Querfinger breit unter dem
k ’ 8 P^ er noch der linke Rectus quer durchschnitten.
Q ch die tiefen Weichtheile zeigen keine Spur von Quetschung.
No. 4.
Das Bauchfell, einem vorgefallenen Darm sehr ähnlich, wölbt sich,
blauroth aussehend, stark hervor und nach dessen Eröffnung stürzt
eine blutige Flüssigkeit in Strömen (mindestens 2 Liter) aus der
Bauchhöhle, zugleich fällt von oben lebhaft gerötheter, aber noch
spiegelnder Dünndarm vor. Es wird nun ein Metallkatheter ein¬
geführt und so die ganz zusammengefallene Blaße hinter der Sym¬
physe gefunden. Der Dünndarm wird nach oben zurückgehalten
und die schlaffe Blase mit scharfen Häkchen und einer Faden¬
schlinge in die Höhe gezogen. Die vordere Wand und die Kuppe
ist intact, aber unmittelbar unter letzterer befindet sich ein ca. 4 cm
langer von LO nach RU verlaufender Riss, der ganz oben lediglich
die Serosa, dann aber die ganze Blasenwand durchsetzt. Die Ränder
sind ziemlich glatt, das Bauchfell nirgends abgehoben In der Blase
selbst finden sich massenhafte Blutgerinnsel, die, soweit möglich,
mit dem Finger herausbefördert werden. Nun wird die Bauchhöhle
mit steriler Gaze ausgetupft und gereinigt — die reinste Sisyphus¬
arbeit, da der blutige Urin beständig wieder aus dem Douglas auf¬
steigt. Aus diesem Grunde und weil die hintere Blasenwand ohnehin
scliwer zugänglich ist, ist auch die Anlegung der Naht schwierig
und mühsam. Ich legte dieselbe möglichst enge durch Serosa und
Submucosa. Gerne hätte ich eine zweite, nur das Bauchfell fassende
Naht angebracht, aber die Operation musste wegen des collabirten
Zustandes Br.'s beendet werden. Nach trockener Reinigung der
Bauchhöhle und Zunähen des Bauches wird Patient zu Bette gebracht.
Er war pulslos und schien dein Exitus nahe. Er erbrach während
der Operation und unmittelbar nach derselben nochmals. Injection
von Campher, innerlich Sherry. Dauer der Operation vom Beginne
der Narcose 2 Stunden, Aetherverbrauch 200 g. Die Nacht war
sehr unruhig.
1. Mai. Patient ist äusserst schwach, Puls kaum fühlbar; T.
36,5 (Achseltemperatur) Schmerz und Harndrang sind ver¬
schwunden; Patient lässt einigemale spontan Urin, der anfangs
sehr blutig ist, im Laufe des Tages aber heller wurde. Abends ist
der Puls etwas voller, 132 p. M. Patient sieht schlecht, verfallen
und livid aus, ist aber ohne Schmerzen. Das Erbrechen hat seit
gestern Abend aufgehört Extremitäten kühl, etwas Schweiss, viel
Durst. Sensorium frei, spricht verhältnissmässig kräftig und ist
glücklich über das Aufhören seiner Qualen.
2. Mai. Nacht befriedigend; Morgens keine Temperaturer¬
höhung; P. 120, Gesichtsfarbe grau-livid Keine Schmerzen im Leib,
nur Wunde empfindlich; kein Erbrechen oder Uebelsein; der ge¬
lassene Urin ist spärlich, trüb, wenig blutig. Da der Verband etwas
durchgeschlagen ist, wird er gewechselt, Wunde sieht gut aus.
A.-T. 38,4.
3. Mai. Gute Nacht. T. 37,7, A. 38,5. Hat viel Urin gelassen;
blutig, nmmoniakalisch riechend. Schmerz nur beim Husten; Leib
in seinen unteren Partien empfindlich gegen Druck. Kein Stuhl¬
gang bis jetzt. Suhjectives Befinden gut, etwas Appetit. Puls
kräftig, ICO p. M
4 Mai. T. 38,6 A. 30,5. Blutige »Sputa; RHU Bronchialathmen,
etwas Dyspnoe; sonst Befinden gut, Puls kräftig. Auf einen Ein¬
lauf reichlicher Stuhlgang. Etwas Harndrang; Urin blutig, trüb,
übelriechend. Verbandwechsel. Zwei Nähte müssen herausge¬
nommen werden, da die Stichkanäle eitern. Umgebung der Wunde
gerölhet, infiltrirt, empfindlich. Spontaner Schmerz im linken
Ilypochondrium.
5. Mai. T. 38,4 A. 39,4. Sputa weniger blutig, Dyspnoe
gering. Puls kräftig. Urin etwas reichlicher von derselben Be¬
schaffenheit, wie gestern. Husten schmerzhaft links im Leibe;
feines Rasseln über beiden Lungen. Verbandwechsel. Wunde etwas
auseinandergewichen; übelriechender Eiter und nekrotische Fetzen
lassen sich hinter der Symphyse herausdrücken. Leib spontan
nicht schmerzhaft; empfindlich gegen Druck, namentlich links.
6. Mai. T 38,1 A. 38,8. Puls kräftig, wenig frequent. Urin
mit reichlichem Eitersatz. Wunde eitert stark im unteren Theile.
Auswurf noch blutig, Husten wird wegen des »Schmerzens im Leib
zurückgehalten. Gesicht bleifarbig.
7. Mai. T. 36,6 A. 37,2. Der Verband von Urin durch¬
tränkt; aus der Wunde steigt beständig Harn auf, da¬
gegen kommt aus der Harnröhre kein Tropfen. Allgemeinbefinden
dabei gut; Wunde in ihrem unteren Theil weit auseinandergewichen;
eine Dünndarmschlinge mit röthlichem, sammtartigen Ueberzug liegt
im Grunde derselben.
8. Mai. T. 36,5 A. 37,2. Beständiges Urinlaufen aus der
Wunde, namentlich aus dem kleinen Becken, mit Eiter vermischt
Zum erstenmale kommt wieder etwas Urin p. vias naturales.
11. Mai. Stets fieberfrei. Die Brusterscheinungen (Husten mit
blutigem Sputum, Dyspnoe etc.) haben seit einigen Tagen nachge¬
lassen. Es kommt nur wenig Urin aus der Urethra. Patient sieht
sehr schlecht aus, schläft viel. Leib weich, nicht schmerzhaft.
13. Mai. Es kommt mehr Urin aus der Harnröhre, abscheulich
ausschend und riechend, blutige Gerinnsel dabei. Appetit gut- Aus¬
sehen bleifarbig, Nasenflügelathmen. Darmschlinge im Grund der
Wunde mit bräunlichem, leicht abziehbarem Belage.
15. Mai. Allgemeinbefinden sehr gut; die Wunde reinigt sich
und granulirt; einzelne gangränöse Fetzen stossen sich ab. 500 bis
600 ccm Urin von der gleichen schlechten Beschaffenheit werden
durch die Harnröhre entleert.
2
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74
Münchener me dicinische Wochensch rift.
No. 4.
hemusdrücken. Allgemeinbefanden vortrefflich.
efaligemale erneuert werden musste, kann hegen b eiben.
«• «»'■ “ rv“mt B «e„i S
SWS, 2— J dLi»=he„ etwa, Hb.
7. Juni. Patient wird mit kleiner granulirender Wunde ent¬
lassen^ Diagnose des erzählten Falles bot keine Seliwieng-
k ei teil Der Sturz über die Treppe bei gefüllter Blase, die heftigen
Schmerzen in der Blasengegend, der quälende lenesmus, die Amme
nur reines Blut als Ergebniss des Katheter,s.rens - all du*
deutete auf eine Blasenruptur hin. Dass dieselbe eine mKa-
peritonealc sei, Hess sich ans den, starken Ullaps dun forG
währenden Erbrechen und der über die ganze Interbaucd.gegend
verbreiteten Dämpfung mit grosser M ahrschoinhchkeit «chhessem
Eine Untersuchung, vom Rectum aus die versäumt «urde lut c
die Diagnose ganz siehcrgestcllt. Mit derselben war auch d,c
Therapie: Eröffnung des Abdomen und Naht des Risses klar vor
gezeichnet. Dass die Operation nicht eher vorgenommen wurde,
lag lediglich in äusseren, hier nicht näher zu erörternden 1 „.stunden
Ich ging an dieselbe mit sehr geringen Hoffnungen; hatte ich doch
in Lehrbüchern und sonstigen Publicationen gelesen, dass L4 > tunden
nach dem Unfall der äusserstc Termin für einen Eingriff sei.
Die Operation wurde unter Aethernarkose vorgenommen. Ich bin
fest überzeugt, dass Patient, der mit einem Minimum von Herz
kraft auf den Operationstisch kam, auf demselben gestorben wäre,
hätten wir Chloroform zur Betäubung gebraucht. Nach Einleitung
der Aethernarkose hob sich der elende Puls sofort und blieb gut,
um erst gegen Ende der Operation wieder zu sinken - bc, dem
langen Manipuliren in der Bauchhöhle wahrlich kein Münder.
Ueberhaupt bin ich nach meinen Erfahrungen, die sich allerdings
erst auf ein paar hundert Aethcrnarkosen erstrecken, em treuer
Anhänger des Aethcrs, namentlich bei Bauchoperationen, und
begreife nicht, dass sich einzelne Chirurgen wieder vollständig
von demselben losgesagt haben.
Das Bauchfell fand sich trotz der grossen Menge des stark
blutigen, mit Gerinnseln durchsetzten Urins, der die Gedärme
zweimal 24 Stunden umspült hatte, nur im Zustande der Reizung,
was ohne Zweifel der sparsamen Anwendung des Katheters zu
danken war. Die Blutung aus den, Risse war, nach den massen¬
haften Gerinnseln in und ausser der Blase zu sehhessen, eine
bedeutende gewesen und erklärt zum Thcile das anämische Aus¬
sehen und den miserablen Puls des Patienten.
Es war nicht leicht, die ganz zusammen gefallene Blase hinter
der Symphyse hcrvorzuzichcu und sie handgerecht für die anzu-
lcgcnde Naht zu tixiren ; schwieriger noch war die Trockenlegung
und Trockenerhaltung der Bauchhöhle, spceioll des Douglas’schen
Raumes während der Nahtanlegung wegen der ununterbrochen
aufsteigenden blutigen Flüssigkeit. Auch die wiederholt von oben
vorfallenden Darmschlingen erleichterten die Arbeit gerade nicht,
so dass die lange Dauer der Operation wohl erklärlich ist. Warum
ich auf die tiefe Naht keine Scrosanaht folgen Hess, geht aus der
Krankengeschichte hervor. Die Reinigung der Bauchhöhle während
und nach der Nahtanlegung geschah mit trockenen stcrilisirten
Comprcsscn unter Vermeidung jeglichen Antisepticums. Einen
Verweilkatheter legte ich nicht ein: erstens fürchtete ich eine
nachträgliche Infection, zweitens sah ich auch keinen Nutzen von
dieser Maassnahmc ein. Denn entweder hält die Naht, dann findet
der Urin schon selbst seinen Weg, oder sic hält nicht, dann läuft
der gesummte Urin trotz Katheter naturgemäss in die Bauchhöhle.
Nach der Operation befand sich Patient in einem sehr pitoyablen
Zustande, aber schon in der ersten Nacht kam etwas Urin aus
der Harnröhre und die Schmerzen und der quälende Harndrang
waren verschwunden. Der entleerte Harn war lange Zeit stark
zersetzt, an manchen Tagen die reinste Jauche, aber Patient, der
sich rasch erholte, hatte merkwürdiger Weise von seiner Oystitis
kaum nenuenswertlic Beschwerden.
Wie aus der Krankengeschichte ersichtlich hat Patient in,
weiteren Verlaufe neben der Oystitis noch manche Fährhchkciten
durchgemacht. Eine am vierten Tage auftretende zum Glück
rasch verlaufende Pneunomic (InfarctV) dann die Phlegmone des
prävesicalen Zellgewebes mit dem begleitender.hohen I-iek-r
bildeten recht unangenehme Complicationein Doch war das M-
gemeinbefinden niemals schlecht und die Herzkraft hob sich von
Tag zu Tage. Nachdem nun der Unn eine Woche lang auf
natürlichem Wege gekommen war, konnte man sich nu Fug und
Recht der Hoffnung hingeben, dass der Blascnriss endgiltig gehult
sei Um so unangenehmer waren wir überrascht, als am siebenten
Tage aller Urin aus der Wunde strömte, die Naht also ganz
oder wenigstens zum grossen Theil sich gelöst haben musste
Was war Schuld daran? Das Nähmatcnal gewiss nicht, da ich
kein Catgut, sondern starke feine Seide verwendet hatte. \ .el-
lcicht war eben doch die einfache Naht nicht genügend ge¬
wesen, aber ich hatte, wie erwähnt, zur Scrosanaht be, dem c enden
Zustande des Patienten keine Zeit mehr gehabt. Der Hauptgrund
indessen zur Lösung der Naht wird die Oystitis gewesen sein in¬
dem sich in der serös durchtränkten Blasen wand die Fäden lockerten.
Immerhin war der Zweck der Naht insofernc erreicht, als sie den
Riss so lange zusammenhielt, bis durch Verklebungen die Peritoneal¬
höhle gegen die nächste Umgebung der Ruptur abgeschlossen war.
Dem sici, nach einer Woche in diesen Raum ergiesscnden Unn
war also der Weg in den Bauchfellsack versperrt, er war abgesackt
und stieg mit dem Eiter der Phlegmone vermischt hinter der
Symphyse in die Höhe. Patient hatte auch nach dem Mieder
durchbruch weder Schmerzen noch Fieber, sondern befand sich
verhältnissmässig recht wohl, obwohl der Urin nichts weniger als
aseptisch war.
War nun auch keine Peritonitis mehr zu befürchten, so sah
doch der Patient keiner angenehmen Zukunft entgegen: ein a
gesackter Harnabscess mit einer Fistelöffnung am Bauche und ge¬
rn,ger Tendenz zur Heilung! Nun trat aber — bemjhe „och
überraschender als der Wiederdurchbruch — m kurzer /.eit vo -
ständige Heilung ein. Schon au, Tage nach dem l rinaustnt
aus der Bauchwunde kam etwas Urin per urethran, dann m du,
folgenden Tagen mehr und mehr, am 14. Tage schon 2400 ec
d. h. die gesammte Urinmenge und dabe, schloss sich allmählich
die Bauchwunde. Zugleich nahm der Urin eine bessere Beschaffen¬
heit an, wurde hell und geruchlos. Drei Monate nach dem Lntai
„ahm Patient seine Arbeit wieder auf und ist vollkommen gesund
geblieben, specicll erfolgt die Harnentleerung ohne die mindeste
Störung und der Harn selbst ist in jeder Hinsicht normal.
Auf welche Weise die Heilung des wieder aufgegangenen
Risses zu Stande kam, lässt sich nicht bestimmt sagen. Wahr¬
scheinlich schloss sich der Riss zunächst durch die Contraction
der Blasenmuskulatur, die nach dem Ablauf der Cystitis wi e
leistungsfällig geworden war. Ob dann die definitive Heilung
durch unmittelbare Verklebung der Wundränder oder durch Bildung
von Granulationen aus der Absccsswand erfolgt ist, vermag ic
nicht anzugeben. Für erstereu Modus scheint mir das rasch
Zustandekommen des definitiven Verschlusses zu sprechen.
Was mir an dem erzählten Falle bemerkenswertk beziehungs¬
weise neu erscheint, fasse ich zum Schlüsse in folgende selbs -
verständlich nicht allgemein gütigen Sätze zusammen.
Selbst stark mit Blut vermischter Urin, der aus einer Blasen¬
ruptur in die Peritonealhöhle strömt, wirkt auch nach 48 stunden
noch nicht septisch, vorausgesetzt, dass zu häufiges . ampu ir
mit dem Katheter unterlassen wird. Laparotomie und aseD “
sollten dcsshalb auch nach dieser Zeit noch versuc t we >
wenn auch der Patient schon hochgradig collabirt ist: nur wu
im letzteren Falle die Narkose mit Aethcr vorzuzieheu. Halt«
Naht nur etwa eine Woche, so ist die Peritonealhöhle durch \ er
klebungen vor dem wieder austretenden Urin geschützt.
auch bei Wiederaufgehen der Naht, wobei sich der gesamni
Urin in den Raum hinter die Blase ergiesst, vollkommene Heilung
eintreten, über deren Modus sich nur Vermutungen um¬
stellen lassen.
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28- Januar 1896.
75
Lv-
L»
!i.
l-
M ÜNCHE NER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Haematoma vulvae et vaginae post partum.
Von Dr. mcd. A. Klautsch in Halle a. d. S.
In einer grössere» Arbeit über die Blutgeschwülste der äusseren
weiblichen Geschlechtsorgane und der Scheide schreibt J. Lwoff 1 ).
Vor allen Dingen müssen wir bemerken, dass Haeinatome in der
Gelmrtshülfe verhiiltnissmässig selten sind, und die C'asuistik der¬
selbe deshalb nicht sehr reich ist. Einige statistische Daten
sollen die Seltenheit der Ilaematome darthun. Nach Win ekel
kommt ein solcher Erkrankungslall auf 1600 Geburten. Hugen-
berger beobachtete Hämatome 11 mal bei 14 000 Geburten in
der Petersburger Hebaimnenanstalt, Hecker in München 2 mal
bei 17 220 Geburten, Spiegel borg 3mal bei 3000 Geburten,
Charpentier 1 mal bei ! 800 Geburten ; in der Pet er sbu r gcr
Entbindungsanstalt kamen auf 19 396 Geburten 8 Fälle,
darunter 2 Fälle traumatischen Ursprungs, ausser des Geburtsaetes.
Ich habe in der Lichatscheff'sehen Entbindungsanstalt
zu Kasan unter 2100 Geburten 2 mal Ilaematome gesehen ..
Diese Seltenheit der Ilaematome veranlasste mich zur Ver¬
öffentlichung dos nachstehenden Krankheitsfalles, welchen ich vor
einiger Zeit unter den denkbar ärmlichsten äusseren Verhältnissen zu
beobachten und zu behandeln Gelegenheit hatte.
Am 22. September wurde ich Abends 3 Uhr zu Frau Louise
II..., einer 22jährigen I. panv gerufen. Dieselbe war am Nach¬
mittag gegen 2 Uhr von einem normal entwickelten, nicht besonders
grossen, lebend'n Kinde männlichen Geschlechts in i. Scliädel-
hge ohne Kunsthülfe entbunden worden. Die Wehen halten am
Abend vorher um 8 Uhr eingesetzt, der Blasensprung war am Tage
danach, Nachmittags '/iS Uhr, also ’/i Stunde vor der Geburt des
Kindes, erfolgt. Die Wehen waren im Allgemeinen gut und kräftig
gewesen. Die Nachgeburt ging spontanum 2 '/* Uhr und vollständig ab.
Bei ihrem Abgang war keine bedeutendere Blutung aus dem Uterus
erfolgt.
Ungefähr 2 Stunden nach beendeter Geburt verspürte die
Wöchnerin in der rechten Seite der äusseren Gcsehlechtstheile
plötzlich spannende, heftige Schmerzen und fühlte, dass sich in der
rechten grossen Schamlippe unter qualvollem Drängen rasch eine
i-tärker und stärker werdende Geschwulst ausbildete. Die Schmerzen
worden von Minute zu Minute heftiger, unerträglicher und strahlten
von der Geschwulst sowohl in den rechten Schenkel nach unten,
wie nach oben in die Inguinalgegend und das Abdomen intensiv aus
Uebclkeit und Brechneigung, sowie heftige Kopfschmerzen vervoll¬
ständigten schliesslich noch diese Reihe subjectivcr Klagen.
Bei meiner Ankunft um 8 Uhr fand ich die Frau unruhig und
anfgeregt und laut schreiend, vorSchmerzen im Bette sich windend.
Dieselbe war eine sehr anämische Person von mittlerer Grösse,
grarilem Körperbau und müssig entwickeltem Panniculus ndiposus.
Die Körpertemperatur betrug :<7,2°, der Puls war sehr klein und
Iwsrlileunigt, 140 Schläge in der Minute. Uebcr dem Herzen und
den grossen Blutgefässen war schwaches systolisches Schwirren
z» hören.
Bei der Inspcction der äusseren Gcsehlechtstheile fiel sofort
das colossal halbkugelig ausgedehnte Labiuin majus der rechten Seite
aof. welchesiniteinerstarken Hervorwölbung der Dammgegend recht r-
seits bis zur Analöffnung hin einen einzigen über kindskopfgrossen
Tumor bildete. Die Haut über diesem circumscripten Tumor war von
bothrother Farbe, prall gespannt, glänzend üdematös geschwellt, und
fühlte sich sehr heiss an. Eine leise Betastung des Tumors an den
verschiedensten Stellen steigerte die schon vorhandenen Schmerzen
in für die Patientin unerträglichem Masse. Der Introitus vaginae
wr dnreh den Tumor vollständig verlegt und unzugänglich. Eine
innerliche Untersuchung zur Ermittelung der Ausdehnung der Go-
wUulst in der Scheide war deswegen, und wegen der damit ver¬
bundenen intensiven Schmerzen nicht angängig. A usserdem erstreckte
ucli von der grossen Labie die Schwellung auch nach oben bis in
den Mons Veneris hinein; und in der rechten Fossa iliaca fühlte
man in der Tiefe eine ziemlich harte Resistenz, deren Betastung
der Patientin gleichfalls lebhafte Schmerzcnsäusserungen entlockte,
und welche mit dem Tumor in der rechten grossen Labie in Zusammen-
tang stehen musste.
Der Fundus uteri stand ziemlich unter dem Rippenbogen; der
' terus selbst war gut zo3ammcngezogen, etwas nach links verlagert
Md aul Druck nicht sonderlich empfindlich. Weder an den Beinen
noch in der Vagina waren Varicen aufzufinden gewesen.
Anaranestisch wäre noch nachzutragen, dass die Frau als
Mädchen stets gesund gewesen und hereditär nicht belastet zu sein
»opb. Die Menses traten bei ihr mit 14‘/2 Jahren ein, und wieder- .
“wen sich regelmässig nach je drei Wochen mit 3—4 tägiger Dauer
und mit ziemlich reichlichem Ausfluss. Zum letzten Male seien die
Menses zu Weihnachten des vorhergegangenen Jahres eingetreten.
ährend der ganzen Dauer ihrer Schwangerschaft habe sie sich
öne8 guten Allgemeinzustandes zu erfreuen gehabt.
') Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie 1888.
Das plötzliche Auftreten dieses soeben beschriebenen Tumors
an den äusseren Gcscblechtstheilen nach einer rechtzeitig einge¬
tretenen und vollkommen normal verlaufenen Geburt, seine schnelle
Vcrgrösserung, der heftige damit verbundene Schmerz, die pralle
Klasticitüt und die Hand in Hand damit sich entwickelnde hoch¬
gradige Anämie ohne eine andere nachweisbare Blutung — alle
diese Symptome Dessen an dem Charakter der Schwellung keinen
Zweifel zu.
Therapeutisch war nun nach zwei Richtungen zu handeln.
Einerseits erforderten die Symptome der acuten Anämie die Dar¬
reichung von Excitantien, Wein und stark' m Kaffee, und eine zweck¬
mässige Lagerung der Patientin mit tief liegendem Kopfe, massig
erhöhtem Becken und leicht adducirten Schenkeln. Zur Linderung
der fast unerträglichen Schmerzen in der Geschwulst sowohl, wie
gegen eine Umfangsvermehrung derselben andererseits wurde Eis
auf dieselbe und auf die rechte Fossa iliaca aufgelegt. Um die
durch den Tumor unwegsam gemachte Scheide genügend rein zu
erhalten, und einer etwaigen Infection der eventuell in die Scheide
spontan durchbrechenden Geschwulst durch Scheiden- und Ixoehial-
socret vorzubeugen, wurde dieselbe täglich zweimal mit sterilem
Wasser ausgespült. Ebenso wurden die äusseren Theile täglich
zweimal mit Wasser und Seife gereinigt. Zur Vermeidung un-
nöthicen Mitpressens bei erschwerter Kothentleerung und einer
dadurch von Neuem erfolgenden Blutung wurde vom nächsten
Tage ab täglich Ol. Ricini verordnet. Schliesslich wurde zur
schnelleren und kräftigeren Involution des Uterus 2 stündlich I’ulv.
st cal. cornut. 1,0 in 6 Dosen verabreicht.
Der Verlauf der Heilung entsprach denn auch vollkommen
diesen therapeutischen Massnahmen. Uebcr die täglichen Pols¬
und Temperaturschwankungen während der nächsten Tage geben die
beigefügten, damals gewissenhaft aufgezeichneten Uurven Aufschluss.
Am 23. September. In der vergangenen Nacht war wegen der
starken Schmerzen in der Geschwulst der Schlaf ein sehr unruhiger
gewesen Erst gegen Morgen Hessen die Schmerzen in der Ge¬
schwulst an Heftigkeit nach. Die Haut über der Geschwulst stellen¬
weise dunkelblauroth verfärbt. Im Uebrigen hat die Geschwulst
an Ausdehnung nicht mehr zugenommen. Die Mutter hat ihr Kind
zu stillen begonnen.
Am 21. September. Tn verflossener Nacht guter Schlaf, sonst
Status idem. Die gestern dunkelblauroth gefärbten Stellen in der
Haut über der Geschwulst beginnen das gewöhnliche, für die blutigen
Hautinfiltrationen charakteristische Farbenspiel durebzumaelien. Im
Laufe des Vormittags erfolgte Stuhlgang.
Am 25. September. Status idem. Stuhlgang.
Am 26. September. Morgens etwas Kopfschmerz. Der Leib
ist unterhalb des Nabels stark ausgedehnt; die Schmerzen besonders
in der rechten Fossa iliaca sind wieder etwas heftiger. Die Aus¬
dehnung des Leibes ist durch die stark gefüllte Harnblase hervor
gerufen. Keine Eisblase'mehr aufgelegt.
Nachmittags: Da der Urin noch nicht spontan hat entleert
werden können, so werden mit einem weichen Ndlaton-Katlieter
circa 2 Liter dunkelrothgelben klaren Urins entleert. Nur mit grosser
Mülie gelang es, den Katheter in die hinter der colossal geschwellten
rechten Labie versteckte, und stark nach links dislocirte Urethra ein-
Zufuhren. Bei diesem Aufsuchen präsentirte sich iiu Introitus vaginao
ein etwa faustgrosses, unzersetztes schwarzes Bluteoagulum, welches
aus einer circa fünfraarkstückgrossen Oeffnung in der Scheiden-
Schleimhaut herausragte. Nach vorsichtiger manueller Entfernung
desselben war die Geschwulst äusserlich iu der rechten Schamlippe
sehr zusammengefallen. Durch die Oeffnung gelangte man in eine
Höhle, in welche man die ganze Faust mit Bequemlichkeit hätte hinein-
legen können. Es wurde sodann die Höhle mit sterilisirter physio¬
logischer Kochsalzlösung ausgespült, wobei noch eine grössere Anzahl
3*
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76
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT^
No. 4.
kleinerer und grösserer geruchloser Blutcoagula zum Vorschein kamen,
und daL mit Watte lose austamponirt Nach
Eingriffes waren die Schmerzen an der Stelle der Geschwulst fast
vollständig geschwunden, und die Patientin fühlte s.ch selbst sehr
erleichtert.^ ^ . m b er . Entfernung der Wattetampons und Ausspülung
der Höhle mit sterilem Wasser, wodurch noch eine grosse An » 1 » 1
Rlutcoaeula entfernt wurden. Danach Einlegen eines sterilen Gaze-
streifenf Wegen Retentio urinac abermals Katheterismus, circa
1 Liter hellgelben Urins. Es wurde von nun an eine Lagerung auf
die Unke Körperseite anempfohlen, um für freien ungehinderten
Abfluss der Wundsecrte aus der Höhle zu sorgen.
Am 28. September. Morgens Entfernung des Gazestreifens, w elcher
vollkommen geruchlos war. Ausspülung der Hohle, wobei abermals
mehrere Blutcoagula mit abgingen. Einlegen eines neuen Gaze
Streifens. Abermals Katheterismus. Stuhlgang spontan.
Abends Entfernung der Gaze. Spülung.
A m 29. September. Morgens Ausspülung der Höhle Einlegen eines
neuen Gazestreifens. Höhle ist bedeutend verkleinert. Katheterismua
Abends Entfernung des Gazestreifens Spülung. Einige Zeit
danach Abgang eines grossen unzersetzten Blutcongulums spontan
beim Aufrichten der Patientin im Bett. „ . . „
Am 30 September. Urin zum ersten Male spontan entleert. Aus¬
spülung der Höhle. Die rechte grosse Labie zeigt ziemlich normale
Verhältnisse wieder. Die Ränder der PerforationBöffnung in der
Scheide stellenweise nccrotisch. .
Am 1. October. Morgens erfolgten Koth- und Unnentleerung
spontan. Nur Scheidenausspülung auch für die nächsten Tage
Am 5. October. Es fliesst spärliches, gelblich tingirtes, geruchloses
Secret aus der Scheide hervor. Die Wundränder der Perforations¬
öffnung sehen frisch roth aus, die necrotischen Partien sind abge-
stossen. An der Stelle der früheren Geschwulst ist unter der jetzt
normales Aussehen besitzenden Haut eine etwa daumendicke ' er-
härtung der Gewebe der rechten grossen Sehamlippe und des Dammes
bis zur Analöffnung hin durchzufühlen, welche bei Betastung noch
einige Empfindlichkeit verursacht. Zur Resorption dieser Infiltration
wird ein täglich zweimal vorzunehmendes Einreiben von Jodjod-
kalisalbe angeordnet. . , „
Am 7. October. Patientin hat heute zum ersten Male das Bett
für einige Stunden verlassen, und fühlt sich im Uebrigen ganz wohl.
Am 10. October stellt sich Patientin in der Sprechstunde vor
als vollkommen geheilt. Aus der Scheide erfolgt keine Secretion
mehr. An den äusseren Geschlechtstheilen sind vollkommen normale
Verhältnisse zu constatiren, ohne dasB noch Residuen, welche an
jene schwere Erkrankung hätten erinnern können, nachzuweisen
gewesen wären. Die strangartige harte Infiltration unter der Haut
der rechten grossen Labie und des Dammes ist vollständig ver¬
schwunden.
Das Kind, welches sie von Anfang an ausreichend zu stillen
in der Lage war, hat sich gut entwickelt.
Wir haben es also, um noch einmal kurz die wesentlichsten
Momente aus der eben berichteten Krankengeschichte herauszu¬
greifen , mit einem subfascialen Hämatom zu thun, welches die
ganze rechte Schamlippe zu einem circa kindskopfgrossen Tumor
ausgedehnt hatte und sich nach oben bis unter das Ligamentum
Poupartii und bis zur Analöffnung nach unten, den Damm rechts-
seits stark hervorwölbend, erstreckte. Dasselbe war bei einer jungen,
bis dahin anscheinend ganz gesunden I para im Anschluss an eine
normale und ohne Kunsthülfe verlaufene Entbindung plötzlich unter
lebhaften Schmerzen und unter den beängstigenden Erscheinungen
einer acuten Anämie aufgetreten, und verursachte 7 Tage lang
Störungen in der spontanen Urinentleerung. Am 4- Tage nach
seiner Entwicklung war unter plötzlichem Ansteigen der bis dahin
stets normalen Körpertemperatur eine spontane Beratung des Tumor
in die Scheide hinein erfolgt, worauf sich derselbe von Tag zu Tag
mehr verkleinerte, so dass am 10- Tage nur noch eine kleine, feste,
strangartige, unter der Haut gelegene Infiltration nachweisbar war,
welche jedoch nach Verlauf von 11 Tagen vollständig verschwunden
war. Eiue äussere mechanische Gewalteinwirkung, welche für die
plötzliche Entwicklung dieses Haematoms hätte verantwortlich ge¬
macht werden können, liess sich nicht nachweisen.
Dieser interessante Fall gab mir die Veranlassung, die Literatur
der neueren nnd neuesten Zeit, soweit mir dieselbe zugänglich
war, nach einschlägigen, genauer berichteten Fällen durchzusehen.
Das Resultat habe ich der besseren Uebersichtlichkcit halber in
einer Tabelle zusammengestellt, welche jedoch auf Vollständigkeit¬
einen Anspruch keineswegs erheben will.
(Tabelle siehe auf nächster Seite.)
Dass' ein^J Austritt des Blutes aus seinen Bahnen in die
lockeren Maschen des unter der unverletzten Haut resp. Schleim¬
haut liegenden Zellgewebes der äusseren weiblichen Geschlechts-
theile hinein nur durch den Riss eines grösseren Blutgefässes zu
Stande kommen kann, ist ausser Zweifel; und dass eine aus einem
unter der Geburt zerrissenen Gefässe erfolgende Blutung Häma¬
tome von selbst Kindskopfgrösse zur Folge haben kann, ist bei
der Lockerung des Unterhautzellgewebes, und bei dem Reichthum
und der 1'ebcrfüllung der erweiterten Gefässe und besonders der
Venen der Geburtswege während der Gravidität und der Geburt
nichts Auffallendes. Ob die Blutung nun auch aus Arterien oder
nur ausschliesslich aus Venen erfolgt, das dürfte mit Sicherheit
in dem einzelnen Falle zu entscheiden seine grossen Schwierig¬
keiten haben. Denkbar ist, dass ebenso gut Arterien die Veran¬
lassung zur Entwicklung derartiger Blutgeschwülste abgeben können,
wenn auch in den meisten Fällen die Quelle der Blutung in
zerrissenen Venen zu suchen sein dürfte, da die Geschwulst einmal
nicht pulsirt, und dann nach ihrer Ruptur die aus der Wundhöhlc
erfolgende Blutung nicht stossweise erfolgt.
Wie aus der Zusammenstellung der Fälle zunächst hervorgellt,
trifft man Hämatome sowohl bei Erst- wie bei Mehrgebärenden
nach sonst normal, theils rasch, tlieils protrahirt verlaufenen,
ohne Kunsthülfe beendeten Entbindungen an, ohne dass also em
irgendwie stärkeres äusseres Trauma eiugewirkt hätte. Sie kommen
in ihrer überwiegenden Mehrzahl erst nach der Geburt des Kindes,
zu Anfang des Wochenbettes ganz plötzlich zur Entwicklung.
Wenn wir auch in einigen Fällen annehmen können, dass eine
Gefässzerrcissung schon während der Geburt stattgefunden hat. dass
aber durch den im Genitalschlauch befindlichen heruntertretenden
Kindstheil die Rupturstelle vorläufig noch couiprirairt, und dadurch
die Blutung noch auf gehalten wurde, oder dass das zerrissene
Gefäss noch so klein war, dass erst einige Zeit vergehen musste,
bis sich eiue sichtbare Geschwulst entwickeln konnte, ln anderen
Fällen wieder kann allerdings das Hämatom sich schon vor der Geburt
des Kindes, während der Austrcibungsperiodc ganz ausbilden. Meist
treten sic einseitig auf, gleich häufig in der rechten wie in der
linken grossen Sehamlippe, zum Theil unter Mitbetheiligung der
Dammgegend der betreffenden Seite.
Welches aber sind nun die Ursachen, welche die Ruptur eines
Gcfässes unter der Geburt herbeizuführen im Stande sind? In
3 Füllen unserer Zusammenstellung finden wir die Hämatombildung
in causalen Zusammenhang gebracht mit varieösenA enenerweiterungen.
Dass varicösc Knoten wohl zu einer Ruptur der Blutgefässe, und damit
zur*Hämatombildung prädisponiren können, ist wohl denkbar; auf¬
fallend nur [ist, dass Hämatome in den meisten Füllen gerade bei
Frauen zur Beobachtung gelangten, welche keine Varicen aufweisen
konnten, andererseits aber^aueh die ausgedehntesten Phlebcctasien
bestehen, ohne dass sie ein Hämatom zur Folge hatten; un
schliesslich £ müsste bei der Häufigkeit der V aricen in der
Schwangerschaft die Zahl der Hämatome eine viel bedeutendere
sein (W i n c k e 1 *)•
In zwei anderen Fällen wird die Haematombildung in Abhängig¬
keit gebracht von ererbter Haemophilie und Morbus maculosus Wer
hofii. Diese beiden Erkrankungen, welche durch eine abnorm leichte
Zerreisslichkeit der Gefässe^characterisirt sind, weisen darauf hin,
dass wir in einem Thcilc der Fälle recht wohl mit Sasanowa ) er¬
erbte anatomisch-histologische Veränderungen der Gefässwandungen,
wie auch Veränderungen im Bau und in den Ernährungsverhältnissen
der Gcfüsswände während der Geburt, wodurch dieselben an * rer
normalen Widerstandsfähigkeit eine beträchtliche Einbusse erfa ren
habeu, für das Zustandekommen von Haematomen verantwort ic i
zu machen haben.
Ausserdem aber darf auch den mannigfachen mechanischen
Schädlichkeiten, wie sie der Geburtsact mit sich bringt, ein ic
Haematombildung begünstigender Einfluss nicht abgesproe cn
werden. So kann auch nach W i n c[k e 1_*) eine Blutung und ire e
Zerreissung der Gefässe durch die nicht geringe Ausdehnung m er
zweiten Geburtsperiode (starke, stürmische Wehen) statt n en,
und durch rasche Ausdehnung der Geschlcchtstheilc un eine
gewaltsame Verschiebung in den Schichten des Genitaro res
wöhrend der Geburt. Ferner kann auch das rasche Durcitre n
2 ) Pathologie und Therapie des Wochenbettes. Berlin. 37
3 ) Zur Lehre vom Haematom. In der russ. Med. 1884.
und 38.
4 ) Deutsche Chirurgie. Heft 61.
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Google
28- Januar 1896.
MONCHENER MEDICmsCHE WOCmwarmm».
NoJ
Veröffent¬
licht von
Alter
der
Pat.
Dauer und Verlaut
der Entbindung
Zeit des Auf¬
tretens des
Hämatoms
Simon,
Centralblatt
für Gynäko¬
logie lo98,
Nr. 4.
J. Lwoff,
Zeitschrift füri
Gebnrtahülfe,
1888.
Dill,
Dublin Jour¬
nal of med.
Science
1886, Nov.
18 J.
Partus 7 Stunden
ohne Kunsthülfe.
2Stundenp p.
Angaben über die Behandlungsweise
und das Schicksal des Hämatoms
20 J. 1
Goldberg,
Centralblatt
für Gynäko¬
logie 1894,
Nr. 30.
20 J.
Sturzgeburt auf dem
Wege nach der Ent-,
bindungsanstalt,
ohne fremde Hülfe.
rechts.| Spontandurchbruch in derselben Nacht
j Ä a v P »f.^ten Tage. Tiefe Um
4 Ä g ^ erklemernng (ier HöhIe am
i ir T'l g ' K n- Ch weiteren « Tagen war die
I Hohle völlig ausgefüllt. Nach 14 Tagen
normnle Verhältnisse.
Bemerkungen
Spontane Geburt.
links.
rechts.
Verkleinerung der GeschGlstnur unter
Kuhelage vom 4. Tage ab Am 12. Tage
vollständig verschwunden. 8
Ruptur.
Heilung unter Tamponade und Des-
infection.
Partus 3 Tage ohne 1 Stunde p. p. links.
Kunsthülfe.
J. Lwoff,
Zeitschrift für,
Geburtshülfe
1888.
21 J.
1 I Partus 24 Stunden
I spontan; lang-
j dauernde Vorbereit-
ungswehen,verzöger¬
ter Durchtritt des
1 Kopfes durch die
Vulva.
Spontandurchbruch am 4. Tage. Nach
3 Wochen verliess Pat. das Bett.
Warszawski,
Centralblatt
für Gynäko¬
logie 1893,
Nr. 9.
Gleich p. p.
vor Abgang
der Tlacenta.
rechts
22 J. I 1
Partus 24 Stunden
spontan.
Ettinger,
Centralblatt
für Gynäko¬
logie 1895,
Nr. 45.
Chazan, ,
Centralblatt
für Gynäko-f
logie 1889,
Nr. 30.
24 J.
25 J. 2
II Tage p. p. 1 rechts
unter
Temperatur¬
steigerung.
Geburt währte im
Ganzen 12 Stunden.
Die Wehen waren
stark, schmerzhaft
und folgten rasch
aufeinander.
Mehrfache Schüttelfröste und hohe Tem-
peraturen Am 3. Tage Incision an der
Innenfläche der rechten kleinen Labie.
.täglich, mehrfache Sublimatspülungen
mit Einlagen von Jodoformglycerintam-
pons. Am 9. Tage Wundhöhle kleiner;
Secret spärlich. Am 14. Tage verliess
Pat. das Bett. Vollkommene Heilung
erst in der f.. Woche.
Durchbruch am 6. Tage. Erweiterte
der Oeffnung am nächsten Tage. Aus¬
spülung der Höhle mit Carboliösung.
Jodoformgazetampons.
1 Stunde p. p.
rechts.
Normale
Entbindung.
1V 2 Stunden;
P- P-
Incision am 4. Tage, Entleerung der Gc-
rmnse 1 mit dem Finger. Ausspülung der
Höhle mit 2°/o Carboliösung. Tamponade
mit Jodoformgaze.
Nach 4 Wochen verliess Pat. das Bett.
rechts
Partus 5 Stunden
schnell und regel¬
mässig.
Weder an den Beinen, noch
an den gesunden linksseiti¬
gen Partien der Geschlechts-
theile Varicen vorhanden.
Am 11. Tage Morbus ma-
culosus Werlhofii.
Platzen bei Extraction der sich schon
im Co [um Uteri und der Vagina gelöst
befindlichen Placenta an der Nabel¬
schnur. In den ersten 8 Tagen betrücht-
liches Fieber, dabei aber Schrumpfung
der Geschwulst. Am Ende der 3. Woche
nur noch eine leichte Anschwellung des
unteren Theiles der rechten Schamlippe.
■sSt 1 »*
Gleich p. p. .rechts
rechts.
Geburt dauerte 44
Stunden und wurde
durch Extraction des
perforirten Kindes
beendet.Kräftige,an¬
haltende, schmerz¬
hafte Wehen. Com-
pheationen: 2. Stirn-
>?ge, Armvorfall, ge¬
ringgradig allgemein
gleichmässig vereng¬
tes Becken.
Spontandurchbruch am 11. Tage in den
Scheideneingang. Am 3. Tage Verkleiner¬
ung. Am 9 Tage verliess Pat. das Bett
Secretion hielt 5 Tage an. Am 16. Tage
Perforationsöffnung spontan ver-
schlossen.
Ererbte Hämophilie. Keine
Varices.
10 Stunden nach der Entstehung In¬
cision. Behutsame Entleerung der Ge¬
rinnsel.
4 Stunden vor
Beendigung
der Geburt
nach Reposi¬
tion des vor¬
gefallenen
Armes.
links.
Incision des Hämatoms und Tamponade
der Höhle mit Jodoformgaze. Erneute
Blutung aus der Höhle machte Um¬
stechungen nothwendig. Die Höhle ver¬
kleinerte sich im Wochenbett rasch und
war in kurzer Zeit ohne Eiteruug ge¬
schlossen.
Vulva und Scheide sehr
blutreich und mit zahl¬
reichen mehr oder weniger
varicösen Venen durch¬
zogen.
Digitized by
Google
78
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 4.
No.
H.
Veröffent¬
licht von
Lingterink,
Neüerl. tijd-
schr. voor
Geneeskunde
i»89, Nr. 14.
Dauer und Verlauf
der Entbindung
I Zeit des Auf-
j treteiis des
Hämatoms
3 3
Angaben über die Behandlungsweise
und das Schicksal des Hämatoms
Bemerkungen
•24 J.
13.
J. Lwoff,
Zeitschrift für
Gehurtshülfe
18a8.
14.
15.
Engelmann,
Centralblatt
für Gynäko¬
logie 1»85,
Nr. 14.
33 J.
34 J.
Partus '/* stunde
ohne Kunsthülfe.
Partus 11 Stunden,
nach 9 ständiger
Dauer Sprengung
der Fruchtblase.
10
J. Lwoff,
Zeitschrift für
Geburtshülfe
1888.
39 J.
Spontandurchbrucli am b. Ta ß®-
lncision. Couiplete Heilung 4 Wochen
p. p.
Unter der
Geburt.
Geburt ohne
Zwischenfall.
12
Normaler Verlauf.
Vor dem Durchschneiden des Kopfes
Ruptur des Hämatoms. Heilung unter
Mutterkorngebrauch. Ausspülen der
Scheide mit Sublimatlösung. V erkleiner-
ung am 5. Tage und am 12. Tage nichts
mehr zu sehen.
Eine Menge varicöser
Venenerweiterungen an
den leicht ödematösen
Füssen, den äusseren Ge-
schlechtstheilen und am
Scheideneingang. Senkung
der vorderen von erwei¬
terten Venen durchzogenen
Scheidenwand.
Beim Durch¬
tritt des
Kopfes.
Gleich nach
den ersten
Wehen.
links
Platzen bei Repositionsversuchen des
gleichzeitig herausgetretenen Bruches.
Nach Entfernung der Placenta Aus¬
spülen der Wundhöhe mit Sublimat-
lösung.
Linker Ober- und Unter¬
schenkel starke Varicen.
Herabdrängender Bruch
(linke Inguinalhernie) Ur¬
sache der Gefässzerreiss-
ung.
rechts
Platzen bei Durchtritt des Kopfes. Am
3. Tage nach der Geburt verkleinert.
Secretion geringer und hört am 8. Tage
ganz auf. Am 7. Tage verliess Pat.
die Anstalt.
Nach jeder Entbindung
Hnematome u. stets rechts,
welche regelmiissig von
selbst aufbrachen und
langsam verheilten.
des Kopfes ausgedehnte Zerrungen und Gefässzerreissungen be¬
dingen (Zweifel, 4 ) Kucher). 5 ) Eine Stauung und in 1-olge
dessen eine übermässige Ausdehnung der Blutgefässe über ihre
Elasticitätsgrenze hinaus kann auch durch räumliche Mu»
hältnisse zwischen dem Becken der Mutter und dem kindlichen
Schädel, ungünstige Lage des Kindes , langes \ CT ™ *" **'
Becken befindlichen Kopfes ( Hcrvieux ,«) Cazeaux,< Girard) )
hervorgerufen werden. Schliesslich dürfte auch noch folgendes,
für die Entstehung der Haematome günstige Moment nicht zu
unterschätzen sein, auf welches J. Halliday Oroom ) nach
seinen bei drei Fällen gemachten Erfahrungen aufmerksam gemacht
haf »bei Hängebauch mit starker Anteversion des schwangeren
Uterus verbunden, wird die Scheide, namentlich deren hintere
Wmd wo in der That die Haematome meist ihren Sitz haben,
oft enorm nach oben gespannt, die Gefässe gedehnt und ihre
Wandungen stark verdünnt. Wird nun durch die hei solchen
Umstanden meist noch protrahirte Wehenthätigkeit diese Spannung
noch vermehrt, so tritt eine Zerreissuug der lang ausgedehnten,
stark verdünnten Gefässwände ein«. i
Wir sehen also, dass sich bezüglich der Aetiologie der den
Geburtsverlauf und das Wochenbett complicirenden Haematome j
verschiedene Ursachen und prädisponirende Momente anführen
lassen, von denen jedoch in jedem einzelnen Falle die ausschlag¬
gebenden herauszufinden, seine grossen Schwierigkeiten haben
dürfte. Wir werden sicher nicht fehlgehen, wenn wir sagen,
dass ein normales Individuum wenig zu einer Ruptur der Gefässe
disponirt sein dürfte, und dass in den seltenen Fällen, wo es zu
einer Haematombildung gekommen ist, als das vornehmste prä¬
disponirende Moment pathologische Veränderungen der Gcfäss-
wandungen, wodurch deren Widerstandsfähigkeit eine beträchtliche
Einbusse erlitten hat, anzuführen seien, wobei dann die mechanischen
Einwirkungen des Geburtstraumas nicht als ganz bedeutungslos in
letzte Linie zu stellen sind.
Die Erscheinungen, welche durch ein Hämatom hervor¬
gerufen werden, sind 1. die der Tumorbildung, 2- des Schmerzes an
den Stellen, wo das Haematom zum Vorschein kommt, und von
b ) Wiener Med. Wochenschrift 1872. Nr. 52
«) Trait6 clinique et pratique des maladies puerperal etc. 1870.
’) Traitd des accouchements. Paris.
8 ) Contribution äl'etudedesTlirombesdela vulve. etc. These 1874.
•) Edinb. med journ. Ie86. Mai.
da ausstrahlend in die Inguinalgegend und das ganze Be . der
betreffenden Körpers«*, und 3-die der acuten
Uebelkeit, Erbrechen, Ohnmachtsanfälle, Blasse des Gesichtes und
der sichtbaren Schleimhäute. Auf die Intensität aller_ du* E
schcinungen sind natürlich von wesentlichem Einfluss die Schmll g
keit und der Umfang der stattfindenden Blutung Je mehr und
je schneller der Tumor an Ausdehnung gewinnt, «« » *»
gesprochener werden die Beschwerden, die mit seiner Bildung^ u
bunden sind, sein. Zuweilen kommt es dann
zu Druckerscheinungen auf die Nachbarorgane Blase und Ha
röhre und Rectum, sodass hartnäckige Stuhlverstoji^n u^
Urinretention die Folgen sind. Ferner kann der terus^
als normal stehen und verlagert sein, und schliesslich kan de
Scheide so verengert und verlegt werden, dass der fcaeAM«-
der Lochialsecrete behindert ist, und Symptome von
Infection auf treten. Kommt ein Haematom gleich mit den er.
Wehen, während des Geburtsactes zur Entwicklung, so kam. das¬
selbe dann durch Verlegung und Verengerung des weichen Geburt.
I canalcs zu einem wirklichen Geburtshindermss werden.
Die Diagnose dieses Krankheitsbildes wird kaum jemals
i Schwierigkeiten bereiten, da die heftigen, spannenden Schmerzen,
das plötzliche Auftreten der Geschwulst und ihre schnelle
grösserung, ihre pralle Elasticität und die gleichzeitig sich c
wickelnde Anaemie die dasselbe genügend cliaraktensirenden
mente sind. .
Der Ausgang des Haematoms kann nun ein zweifaclier
sein. Entweder wird das in das Gewebe ergossene Blut * wenige
Wochen resorbirt, — das seltenere Ereigniss, oder aber e» bt -
in Folge des Druckes des ergossenen Blutes die darüber g
Haut resp. Schleimhaut und es entleeren sich aus der Hoble
und Blutgerinnsel. Bei diesem letzteren, meist emtretenden
cigniss ist dann die Gefahr einer von neuem erfolgenden,
Tod herbeiftihrenden Blutung nicht ausgeschlossen.
Was die Prognose angeht, so ist dieselbe bei kleineren
Haematomen als eine günstige zu bezeichnen, da hier o> nc ' I
Resorption das wahrscheinlichste ist; die flüssigen Bestandtb _
werden aufgesogen und das eingediktc Blutcoagulum emg P
Ist aber die Geschwulst von beträchtlicherer Grösse, und ko
zu einer Spontanruptur, so ist die Prognose etwas er “*
| stellen, einmal wegen der begründeten Besorgmss einer ’
I nach aussen erfolgenden Blutung und Nachblutung, un
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28. Januar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
79
wegen der Gefahr nachträglicher Infection, und Verjauchung oder Ver¬
eiterung des Inhaltes. Indessen dürfte dieser letzteren Eventualität
vurzubeugen durch die gegenwärtigen Behandlungsmethoden gelingen.
Die Heilung erfolgt in den meisten Füllen in 3 — 4 Wochen.
Mit einigen wenigen Worten mag schliesslich noch auf die
Behandlung dieser während nnd nach der Geburt entstandenen
Hacmatome eingegangen werden. Um die Gerinnung der ergossenen
Blutniassen und die Thrombenbildnng zu befördern, und dadurch
einer weiteren Extravasation Schranken zu setzen, ist ruhige Bett¬
le und die Kälte in Form einer Eisblase auf die Geschwulst
empfehlenswert!), wodurch man zugleich auch in gewissem Masse
schmerzlindernd wirkt. Da man bei einer irgend beträchtlicheren
Grösse der Geschwulst von vornherein auf eine Spontanruptur
gefasst sein muss, aber nicht wissen kann, wann und wohin die¬
selbe erfolgen kann, oh nach der Scheide, dem Rectum oder dem
Damm, so richte man von Anfang an sein Augenmerk auf die
Abhaltung von äusseren Schädlichkeiten für die nächste Zeit,
suree für freien Abfluss der Lochial- und Scheidensecrete, reinige
genügend und desinfieire die äusseren Geschlechtstheile und
die Scheide, weiter suche man leichten Stuhlgang und tägliche
Entleerung der Harnblase event. durch den Katheter herbei-
znführen; darüber vergesse man jedoch nicht den Uterus. Im
lehrigen ist der Allgemeinzustand der Kranken in Betracht zu
liehen. Das weitere therapeutische Handeln bestimmt dann lediglich
das Thermometer. Eine Spaltung des Tumor ist unter keinen
riustämle» ohne dringende Indieation vorzunehmen, da
wir durch ein exspcctativcs Vorgehen nichts versehen, noch den
Verlauf der Krankheit dadurch irgendwie verschlimmern können,
andererseits aber die keineswegs geringe Verantwortung auf uns
laden, eine bis dahin aseptische Wundhöhle dauernd aseptisch zu
erhalten.
Ausnahmsweise nur wird ein operatives Eingreifen und
directe Blutstillung durch Umstechung der blutenden Gefasse ein¬
mal in allen den Fällen angebracht sein, wo die Geschwulst unter
der Geburt entstanden ist und ein ernstes Geburtshinderniss bildet,
und dann in den seltenen Fällen, in denen im Verlaufe der
Resorption eine Zersetzung des Blutes durch von aussen auf
irgend einem Wege in das Innere der Geschwulst gelangte In-
fcctionskeime eintritt.
Ist aber eine Ruptur des Tumor siwmtan erfolgt, oder hat
man, der Xotli gehorchend, denselben eröffnet, so entferne man
vorsichtig mit den Fingern die gelösten und lösbaren Blutcoagula,
lasse dann eine Ausspülung der entleerten Höhle mit sterilem
Wasser, welchem man etwas Kochsalz zugosetzt hat, nachfolgen,
am die etwa noch gelösten, in den Buchten der Höhle befind¬
lichen Gerinnsel zu entfernen, und tamponire darauf die ganze
Hohle mit steriler Gaze.
Dieses Verfahren wiederhole man, so oft Teuiperaturstcigcr-
ungen vorhanden sind. Dass man in der Praxis selbst unter
den ärmlichsten äusseren Verhältnissen mit einem aseptischen Vor¬
gehen gute Resultate erzielen kann, dies lehrt der Fall, welcher
die vorliegende Arbeit vcranlasste. Da man im Wochenbett eine
stärkere Resorption von Seiten des Genitalcanales anzunehmen hat,
halte ich ein aseptisches Vorgehen um so mehr an gezeigt, und ,
die Anwendung von Jodoform und Carbol, resp. Sublimat für sehr
bedenklich. Die weitere Nachbehandlung der cröffncten Höhle
richtet sich im Uebrigen ganz uaeh den üblichen chirurgischen
Regeln.
Ein Besteck für Serumeinspritzungen.
Um Dr. Mitthauer, Oberarzt am Diaeonissenhan.se zu Halle a. S.
Nach der Erfahrung von nunmehr 1 ’/* Jahren und dem
günstigen Ausfall der Statistik ist wohl anzunehmen, dass die
' s ernmbehandlung der Diphtherie beibebalten und sich noch weitere
freunde auch unter den praktischen Aerzten erobern wird, die
'br ja bisher zum Theil misstrauisch gegenübergestanden haben,
hb habe von Anfang an mit dem besten Erfolge klinisch und
Poliklinisch Serum injicirt und werde demselben wohl auch treu
leiben, weil ich mit ihm das Erreichbare erreicht habe.
Bei den Einspritzungen in der Stadtpraxis hat sich mir nun
er '^ atl ? e i eines bequemen Bestecks herausgestellt, welches Alles
enthält, was man sonst im Packet verpackt mit sich führen musste,
und ich habe deshalb ein solches zusammengestellt und von der
bewährten Firma Herrn. Hacrtel in Breslau, Thiergartcnstr. 63,
ausführen lassen.
In einem Nickelinkasten, so gross, dass er bequem in der
Tasche getragen werden kann, befindet sich, gut befestigt, die
10 ccm fassende steri-
lisirte Spritze mit As¬
beststempel und zwei
Nadeln. In drei Klam¬
mern liegen drei Glas¬
flaschen, mit Gummi¬
stöpsel sicher ver¬
schlossen. Die eine
ist graduirt und soll
Lysol oderCarbolsäurc
aufnehmen; sollte für
Ersteros das Wasser
des betreffenden ()rtes
ungeeignet sein, so
können in ihr Subli¬
mat pastillen Platz
finden. Die zweite
Flasche wird mit ab¬
solutem Alcohol ge¬
füllt, die dritte soll
Jodoform- oder Ich-
thyolcollodium enthalten und deshalb ist. in den Gummistöpsel
dieser Flasche ein Pinsel eingelassen.
Der im Kasten noch verbleibende Raum soll mit Watte
ausgefüllt werden und daselbst liegt auch noch ein kleiner Kork¬
zieher; mit ihm können die Serumflaschen aufgezogen werden.
Eine Handbürste in Blech- oder Nickelinkästehen wird auf Ver¬
langen ebenfalls von der genannten Firma geliefert. Die Aus¬
stattung ist eine sehr gefällige, der Preis beträgt 24,75 Mark.
Ich mache die In jection in der Stadtpraxis in den Oberschenkel,
weil dieser leicht fixirt werden kann. Zunächst lasse ich mit V atte
und Seife, eventuell mit Bürste und Seife, die Haut reinigen, reihe
sie dann mit Alcohol ab und desinfieire zuletzt mit Lysollösung.
Nach de. Einspritzung bedecke ich die Stichöffnung mit einer
ganz dünnen Schicht Watte und bestreiche diese mit Collodium.
Niemals habe ich unangenehme Erscheinungen an der kleinen
Wunde bemerkt und hoffe, dass das Besteck dazu beitragen wird,
jede Infection zu vermeiden. Dass das Besteck eventuell auch
zu anderen Injoctionen, z. B. mit Jodoformemulsion, benützt werden
kann, brauche ich nicht hervorzuheben.
Ueber die Entstehung der Typhus-Epidemie in der
Garnison Passau im Sommer 1895.
Von Generalstabsarzt Dr. Vogl.
(Schluss.)
Wenn nun weder Uontact-Infection noch Trinkwasser diese
Massen-Erkrankungcn in der Kaserne verständlich machen, d. h.
wenn die vom bacteriologischen Gesichtspunkte als fast aus¬
schliesslich urgirte Verbreitungsweise nicht herangezogen werden
kann, so muss mau sich zu anderer Deutung entschliessen und
eine solche ist uns durch die Erfahrungen aus dem Münchener
endemischen Typhus gegeben. Es war damals mit Bestimmtheit
der Einfluss des Trinkwassers auf die Verbreitung des Typhus
ausgeschlossen ; denn die Stadt ward aus 3 ganz verschiedenen
Leitungen mit Trinkwasser versehen und der Typhus hat noch
länger fortbestanden, als schon die neue Leitung (Mangfall) in’s
Leben getreten war; erst die Reinigung des Untergrundes durch
Abfuhr und Fernhaltung der Auswurfstoffe aller Art (Kanalisation
und ganz besonders die Errichtung des Schlachthauses) vermochte
München in eine „gesunde Stadt“ umzuwaudeln; aber ganz typhus¬
frei ist sie nicht geworden; sie hat (abgesehen von der scharf
begrenzten Epidemie des Infantcric-Lcib-Regiments 1893) immer
noch sporadisch Fälle zu verzeichnen gehabt und zwar gerade in
3*
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80
Münchener me dicinische Woche nschrift
No. 4.
de» Vierteln welche früher der Hauptsitz des endemischen Typlms
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als Infections-Vermittler anzuerkennen.
Ebenso wie für den Münchener endemischen Typlms der ja
auch nur 1 einer Reihe von jährlich wiederkehrenden EHenneen
zusaininengesetxt wr, » .« man anch für de,
,,„d dessen epidemische Steigerung ,n der Kaserne (undl.n ,« neu,
Kloster) den Ansgang und die Verbreitung nur im 1 ntergru
suchen. _ . .
So wie cs damals (zur Zeit des Münchener
Fehler war, überhaupt die Möglichkeit der ( ontact- und Trink-
wasser-Infectionen in Abrede zu stellen so uian 1
ebenfalls mit Unrecht, geneigt, den Luftweg für K - —
Infectioncn nicht anerkennen zu wollen und zwar • ’
weil er sich mit der Biologie der Bactenen nicht gut m Ein¬
klang bringen lässt. Man hat übrigens in jüngster Zeit viel¬
fach Verbreitung durch Trinkwasscr auch da angenommen,
wo diese so schlüpfrigen Bactericn nicht zu fassen ge™*
wo aber Trinkwasscr und Erkrankungs-Gebiet sich vollkommen
gedeckt haben; man sollte sich also gegen die Verbreitung
durch den aufsteigenden Luftstrom nicht strauben , wen
alle anderen möglichen Wege verschlossen erscheinen — um¬
soweniger als die Ergebnisse der neueren Forschung einer solchen
Annahme nunmehr sehr günstig lauten: Lffelmann ) liat d,c
Widerstandsfähigkeit der Typhus-Bacillen u. a. gegen die Ein¬
trocknung geprüft und nachgewiesen, dass dieselben m gewissen
Medien sich bis 80 Tage lang lebensfähig erhalten und, m die
Luft getragen, dem menschlichen Organismus zugeführt werden
können ; es wurde dabei auf die Typhus-Epidcmicen in Folge von
Ausgrabungen oder von Zerstreuung des Typhus-Giftes aus einem
aufgeschütteten Scheldedammc (Kasern-Kpidemie m Antwerpen)
hingewiesen. Von grosser Bedeutung ist auch der Bericht 1 tuhl s )
über eine Tvplius-Epidemic in Landsberg a/W., bei welcher nach¬
weislich die ersten Fälle durch den keimtragenden Staub der ober¬
flächlichen Bodenschichten erzeugt worden sind, auf die man vor
3 Monaten die Ausleerungen eines Typhuskranken ausgeschüttet
hatte. Nach A1 m q u i s t 4 ) erhalten sich die Typhus-Bacillen m
einem mit Düngstoff gesättigten Saude längere Zeit lebensfähig.
So steht der Empirie, für welche die Entstehung von Massen-
Krkrankungen an Typhus nach Bioslegung des Untergrundes nahe
einem Wohnraumc nicht im Geringsten zweifelhaft ist, nun auch
das Experiment stützend zur Seite; da der Versuch gewiss noch
weiter geführt werden wird, darf man erwarten, dass die Grenze
der Lebensfähigkeit der Bacillen sich noch viel weiter als auf
80 Tage, vielleicht auf viele Monate, selbst auf Jahre hinaus¬
gerückt erweisen wird.
Dieser Verbreitungsart der Typhuskeime durch die Luft sind
in der Passauer Epidemie weitere und kürzere V ege offen gestanden ;
zunächst der freie Luftweg von der Bodenoberfläche im Kascrnhof
zu den Wohnungen; dann war durch Bcrstung der Kanäle oder
auch nur Durchlässigkeit eine freie Verbindung zwischen dem
verunreinigten und inficirteu Untergrund mit dem Innern der
Wohnräumc vermittels der Kanäle gegeben und endlich waren in
Folge der theils änsserst defectcn, theils fehlenden Spülung Massen
von Fäcalicn den Abortschläuchen angetrocknet und wie zum
Experiment geschaffen, dem aufsteigenden Luftstrom ihre noch
lebensfähigen in Staubatome gehüllten Typhusbaeillen zu übergeben
und den Wohnungen zuzuschicken. Es mögen in einem Kanäle
mit gut arbeitender Spülung die Kanalgase ungefährlich sein . in
einem derart verseuchten Rohrsystem scheinen sie doch als Träger
von Typhuskeimen nicht weniger geeignet Massenerkrankungen
2 ) Centralblatt für Bacteriologie Bd. XV. 1894.
8 ) Zeitschrift für Hygiene Bd. XIV. Heft I.
*) Zeitschrift für Hygiene Bd. XV. Heft II.
„u erzeugen, al» iufirfrta Trink.« vrenn auch in einer nicht
so explosiven Form.
Ebenso wie in der Ansiedlung und Entwicklung müssen sich
auch in der Verbreitung begünstigende oder hemmende Einflüsse
von Seite der Oertliclikeit geltend machen ; dieselben Wären über
manche auffällige Wahrnehmungen in der Epidemie zu Passau auf.
,\ Im sog Altbau der Nicolai-Kaserne war nicht blos der
Untergrund durch Bewohnung der Kaserne seit Anfang dieses
Jahrhunderts viel mehr verunreinigt als der des Neubaues es
waren dort auch die Wohnräumc ungünstiger speciell die Pass-
böden und die Abortverhältnisse. Im Neubau nun haben
16 Familien mit zahlreichen Kindern gewohnt — ohne einen
Erkrankungsfall! Daran mag die Thatsache Mitursache sein, dass
gerade diese Alterscategorie (Kinder und Eltern) weniger zu Typhus
disponirt ist, als junge Menschen von 20-22 Jahren Es sind
aber in selbem Neubau auch Mannschaften untergebracht gewesen
und von diesen hier gleichzeitig befindlichen 408 Mann 40, von
den 801 Mann im Altbau aber 131 erkrankt; a so ein Ver-
hältniss von 9,8 Proc. : 1G,3 Proc. Erkrankung«-
^ Da*die Leute im Alt- und Neubau Alles gemein hatten, nur
nicht die Oertliclikeit, die sie bewohnten, so kann doch nur dieser
der Unterschied der Erkrankungsziffer zugeschneben werden.
2) Noch belangreicher sind die Morbiditätsvcrhältmssc in der
neuen Barackenkaserne, welche mehr als */* km von der
alten Nicolai-Kaserne entfernt, also auf einem anderen Boden liegt
hvgienisch tadellos angelegt und erst seit wenigen Jahren bewohnt
ist. Von den 2 hier liegenden Compagnien (13. und 14.)
sind 3 bezw. 2 Mann erkrankt und davon ist nachweislich
einer in der Werkstätte der Nicolai-Kaserne, der andere in dem
anstossenden Stallhofe inficirt geworden. Die ü b ri ge n 8 U ome
pagnien hatten zwischen 15 (Neubau) und 25 Krank-
Die Menageverhältnisse waren in den Baracken gauz dieselben,
wie in der Nicolai - Kaserne; alle Rohbestandtheüe der Menage
wurden aus demselben Geschäfte bezogen, nur die Zubereitung
geschah in Kochherden und nicht in Dampfkochapparaten. Das
Trinkwasscr war auch aus der städtischen Leitung. Die ilann-
schaften haben die gleichen Hebungen am Gcfechtsschiessplatzc
zu machen gehabt und haben säiumtlich von dem nicht unver¬
dächtigen Trinkwasscr daselbst getrunken, aber sie hatten au
intactem Boden und in gesunden Wohnräumen gelebt, in welchen
die Typhus-Bakterien durch die fünf Erkrankungsfälle ja sicher
eingeschleppt, sich nicht zu entwickeln und zu verbreiten vermochten.
3. Auch die Erscheinung, dass nur 4 U n terotfieiere
erkrankt sind, ist zum grössten Tlieile durch die gegebenen
Wohnungsvcrhältnissc verständlich gemacht. Zunächst ist zu t-
inerken, dass die verheiratheten Untcrofficiere sämmtheh bei ihren
Familien im Neubau gewohnt hatten; doch auch die übrigen
Untcrofficiere waren zum grössten Tlieile in viel günstigereil o n
Verhältnissen, im Alt- und Neubau, vertheilt, indem die fleldweDei,
Vieefeldwebel, Fähnriche, Sergenten und älteren Lntcrofhciere
allein oder 2—4 ein eigenes Zimmer innegehabt hatten, so ass
im Ganzen gegen 70 Untcrofficiere nicht in Mannschaftszimmern
(ii 12 — 38 Mann) gewohnt und geschlafen hatten. Jederman
weiss aber, dass mit der Dichtigkeit der Belegung eines ohn-
raumes gelegentlich einer Epidemie der Procentsatz der Erkranx-
ungen steigt. .
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass von den 4 erkrankten
Untcrofficicren — als typhusverdäclitig geführt — keiner ™
bau und keiner in einer Baracke gelegen war. Doc auc
spielt noch ein anderer Factor mit, nämlich die geringere 1 el . j
zu erkranken, je nach dem vorgerückten Dienstalter. o s
von den 182 Erkrankten gestanden: _ . , ...
im 1. Dienstjahre 124 Mann ) bei gleicher Iststärke b
„ 2. „ 54 „ ( Jahrggänge
im 3- bis 12. „ _ 4 ,,
in Summa 182 Mann. . ,
Man kann sagen: Die Untcrofficiere hatten si
in einer geringeren localen und individue
Position, zu erkranken, befunden, als die o
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28. Januar 1896-
M ÜNCH EN E11 M E D K'IN ISO H K WOC H EN 8Cll HI ET.
Irgend einer andern Deutung ihrer geringeren Morbidität
kann man sieh ohne Zwang nicht hingeben. Der Dienst ist
zum Mindesten nicht leichter, als der Mannschaftsdienst, und was
die Beköstigung betrifft, so hatten sie dasselbe Fleisch, dasselbe
Kraut, dieselben Kartoffeln und natürlich dasselbe Trinkwasser,
wie die Soldaten; ihre Menage ward ebenfalls wie die Mannschafts-
kost in dem Becker’sehen Dampfkochherd zubercitet. Der Unter-
seliied hatte nur darin bestanden, dass den Unterofticieren ausser
einem geringen Plus des Kostansatzes einmal in der Woehe ein
Braten und dreimal ein anderes Gemüse gereicht wurde.
4 . Endlich muss noch eine aus Laien kreisen kundgegebene
Meinungsäusseruug berührt werden, die unter vielen andern allein
beanspruchen kann, ernst genommen zu werden, denn sie ist
unverkennbar sachverständig inspirirt; sie ist sogar von einer
modernen Anschauung getragen, dass nämlich durch schlechte
Kost, Veberanstrengung und Unreinlichkeit zwar kein
Typhus, wohl aber die Disposition hiezu geschaffen
werde, uud glaubt dies unfehlbar auf die l’assauer Kasern-
Kpidemie atmenden zu dürfen.
Zu einer derartigen Uebertragung kann man nur verleitet
werden, wenn man in Ablehnung aller gegenteiligen Versicherungen
und Nachweise sich der Thatsache verschliefst, dass der Gesundheits¬
zustand und die Leistungsfähigkeit der Truppe vor Hereinbrechen
der Epidemie ein vorzüglicher und die Erkrankungsfälle während
der Epidemie mittclsohwer und ausserordentlich günstig verlaufen
sind. Eine so mangelhafte Verpflegung aber, welche die Disposition,
zu erkranken, erhöht, muss noch mehr den Organismus wider¬
standslos machen gegen die Gefahren der Krankheit; ein derartiger
Einfluss ist bei unseren Kranken nicht zur Ueltung und Wahr¬
nehmung gekommen; wir hätten dann gewiss nicht 3,5 Procent,
beziehungsweise 2,2 Procent, sondern eine ganz bedeutend höhere
Zahl von Todesfällen zu beklagen gehabt.
Ein Umstand aber hatte sich der Ucbcrlegung entzogen, als
man die genannten 3 Faetoren der Vermittlung der Kasernepidemie
ansehuldigte: dies sind die Typhuserkrankungen in der Zivil¬
bevölkerung vor und während derselben und dann die Typhus¬
epidemie, welche im Winter 1 8 94/95 im Frauenkloster
Niedernburg in Passau geherrscht und die Kasernepidemie
eingeleitet, wahrscheinlich sogar veranlasst hat. Es kann aller¬
dings Niemanden in den »Sinn kommen , diesen Klostertyplms als
die Folge von ungenügender Kost, Ueheraustrengung und I’nrein-
liehkeit hinzustellen; es kann aber auch kein billig Denkender
die Ansicht vertreten, der Kli ster- und der Kaserntyphus, zeitlich
anschliessend und an gleichem Orte ausgebrochen, seien auf zwei
ganz verschiedene Ursachen zurUekzuführeu : der erstere auf nicht
Torhenuschende Vorgänge im Untergrund, der letztere auf Unter¬
lassungen aller Art und unverantwortliche Verwahrlosung der »Sol¬
daten. Und doch hat die vox jMjpuli dies gethan!
5. Pie beiden Epidemieen haben ein und dieselbe
I rsacho: die Aetiologie der Klosterepideinie, welche den Anfang
gemacht, beleuchtet die Entstehung der Kasernepidemie.
Es sind dort, so viel man erfahren konnte, von 1 00 Kloster¬
frauen 9 an Typhus erkrankt und 3 gestorben; dies macht eine
Morbidität von 9°/o der Inwohner und 33.3 I’roc. Mortalität dev
Erkrankten.
ln der Kaserne sind von rund gerechnet 1500 Mann 182
erkrankt und 4 gestorben; dies macht 12.1 Proc. Morbidität und
2.2 Prue. Mortalität.
Es besteht hier in der Mortalität eine Verschiedenheit. die
^vh aber nicht unschwer deuten lässt: es ist näiulich nicht anzu¬
nehmen. dass der Krankheitscharakter im Kloster um so Vieles
maligner gewesen sei, um eine so erschreckend hohe »Sterbliehkeits-
ziffer zu setzen; es ist vielmehr anzunehmen, und es ist auch
gewiss so, dass der behandelnde Arzt in berechtigter Absicht,
Beunruhigung ferne zu halten, eben nur die ganz ausgeprägten
Erkrankungsfälle in die Typhusliste aufgenommen, nicht aber,
* ie d’ es bei uns geschehen muss, auch die Typhusverdächtigen
arliotive und ganz leichte Fälle); wäre dies dort ebenfalls ge¬
schehen, so hätte sich die Procent-Morbidität sicher viel höher
1 bei uns berechnet und die Procent-Mortalität entsprechend gc-
nn f I latere wäre jedoch auch bei dieser Berechnung immer
Du< “ ^bor zu stehen gekommen als bei uns, weil Epidemie«! in
81
einem Kloster mit theilweiser oder gänzlicher Clausur erfahrungs-
gemüss den Insassen besonders verhängnisvoll sind.
Als unmittelbare Ursache der Klosterepideinie hat man krank¬
heiterzeugende Vorgänge im Untergründe proelamirt, da gleich
nach Aufgrabung eines Kanales gelegentlich eines Institutsneubaues
daseihst der Typhus ansgehrochen sei; dieser habe sieh blos im
südöstlichen Flügel, in einem Abortgchicte, nicht aber im west¬
lichen Flügel, wo sieh die »Schulen befinden, verbreitet.
Warm und wie die Einschleppung der speeitisehen Keime auf
den verunreinigten Untergrund erfolgt ist. war nicht naehzuweisen;
man hat an eine solche aus dem nahen Damenstifte Osterhofen
gedacht. Da aber im Jahre 1894 in Passau und l mgebung noch
70 Typhusfälle amtlich zur Anzeige gekommen sind, so bestellt
kein zwingender Grund, in der .'suche nach auswärts zu greifen,
— es müsste denn dieser Kinsehleppungsfall zur Evidenz er¬
wiesen sein.
Die Verunreinigung des Bodens in der Nicolai Kaserne bedarf
leider keiner weiteren Beweisführung, ebensowenig die »S-liwierigkeit,
ein uraltes unvollkommenes Kanalsystem auf dem Wege der Aus¬
besserung zu einer vollkommenen Leistung zu befähigen. Es
waren wohl noch wenige Kpidemieen, auf deren Entstehung und
Ausbreitung die misslichen Boden- und Wohnungsverhältnisse einen
so förderlichen Einfluss geübt haben, wie diese Kasernepidemie
und soviel aus den nicht fachlichen Mittlieilungen zu sohliessen
ist, auch die Klosterepidemie.
Wenn man nun der Leitung des Klosters keinen Tadel aus¬
sprechen darf, dass es ihr auf solchem Untergründe und in solcher
Umgebung nicht gelungen ist, sich den Typhus vom Leibe zu
halten, so ist dies noch weniger zulässig gegenüber der Militär¬
behörde; denn eine Einschleppung aus der Stadt in die Kaserne
ist unvermeidlich, da ja täglich die gestimmte Mannschaft des
Regiments frei und intim mit der »StadtWvölkcrung verkehrt.
Dass aber Typhus, einmal eingeschleppt, in einer alten
Kaserne sich epidemisch verbreitet, ist so verständlich, wie die
Epidemie in einem alten Kloster.
Die Analogie der Entstehung beider Kpidemieen stellt fest:
In beiden Fällen: insalubrer Untergrund, Ein¬
schleppung aus der Stadt und der Verbreitung
förderliche Wohnverhältnisse (Kaserne und Kloster).
Jede andere Deutung beruht auf Irrthum oder Willkür und
ist zu beklagen, weil sie geeignet ist, die Schutzmaassnahmen gegen
so unglückselige Ereignisse von der Bahn abzulenken, auf der
allein sichere Erfolge zu gewärtigen sind.
Eine gesunde Kaserne in einer gesunden Stadt
hat auch von wirklicher Einschleppung infeetiöser Krankheiten
wenig zu fürchten; sie kann der Verbreitung durch Contact so¬
wohl als derjenigen durch den Luftweg und durch Trinkwasser
mit Aussicht auf Erfolg entgegentreten. Gerade in den Infections-
Krankheiten liegt aber die grösste Gefahr für das Leben des
»Soldaten ; sie sind es, welche überwiegend die Höhe der »Sterblichkeit
der Armeen aller »Staaten bestimmen. Nach den jüngsten Berichten
sind in den beiden Etatsjahren 1S91/92 und 1892/93 in der
bayerischen Armee 5838 Mann mit Infeetions-Kranklieiten Scharlach,
Masern, Typhus, Gesichtsrose, Diphterie) in Lazarethbehandlung
gestanden; dies sind ]0.G% Morbidität der Friedensstärke der
Armee. Davon sind 143 Mann gestorben; den anderen inneren
Erkrankungen sind 11G -Mann erlogen.
Dieses Verhältniss war allerdings noch vor zwei Dccennien sehr
viel schlimmer gestanden ; cs kann und muss aber noch um ebenso
Vieles besser werden hei zielbewusster Bothätigung der Lehren,
welche Erfahrung und Wissenschaft gereift haben.
Die Städte dürfen in wohl verstandenem eigenen
I nteresse und dem der Garnison keine Opfer scheuen,
ihren U n t ergr u »d zu a ssa n iren und Trink w a sser
h e r z u 1 eit en aus absolut unverdächtige m < J e bic t e
u n d der Staat hat. die Verpflichtung, die Brutstätte n
für eingosehleppte Krankheitskeime — die alten
Kasernen — zu beseitigen und durch Neubauten
nach bewährtem System zu ersetzen; darin 1 i ogt
der »Schwerpunkt der Fürsorge für das Wohl der
wehrpflichtigen Jugend der Nation. Diese Mahnung
drängt alle anderen Vorschläge und Wünsche zurück, welche die
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82
MÜNCHKNKlt MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
wohlwollende, aber lenkbare öffentliche Meinung drohenden Epi¬
demien entgegenstellt; unter ihnen steht obenan das Verlangen
einer reichlicheren und gewählteren Soldatenkost. Die Ernährungs¬
weise der Truppen ist gewiss verbesserungsfähig und von wissen¬
schaftlichem Standpunkte aus verbesserungsbedürftig; sie ist aber
nicht so beschaffen, dass man von einer Aufbesserung auch nur
die geringste Verminderung der Morbidität und Mortalität an
Infections-Krankheitcn zu erwarten berechtigt wäre. Sie ist als
Wunsch discutirhar, die Beschaffung gesunder Unterkunftsräume
für die Truppen aber ist ein dringendes Gebot!
Feuilleton.
Entgegnung auf F. Wolters Bemerkungen zu meinem
Berichte über die Cholera im Elbegebiete.
Von Dr. Kühler, kaiserl. Regierungsrath und Mitglied des Gesundheits¬
amts.
In meiner in Nr. 50 des Jahrgangs 1805 dieser Zeitschrift
veröffentlichten Bemerkung zu dem Aufsatze von F. Wolter: „Nach¬
trägliches zur Hamburger Cholera-Epidemie von lb92* batte ich mich
darauf beschränkt, gegen einige in dem erwähnten Aufsatz enthaltene
Schlussfolgerungen, die sich auf meinen Bericht über die Cholera
im Elbegebiete bezogen, jedoch von mir als zutreffend nicht anerkannt
werden konnten, Einspruch zu erheben. Auf die Ausführungen der
mir keineswegs entgangenen Druckschrift desselben Verfassers:
„Die Cholera in Hamburg“ einzugehen, lag dagegen ein Anlass nicht
vor, da auch in Wolters Aufsatz in dieser Zeitschrift auf dieselben,
soweit sie meine Arbeit betrafen, nicht näher Bezug genommen
worden war. Auch jetzt, nachdem Herr Wolter in Nr. 2 dieser
Zeitschrift (S. 31 u. 32) nochmals auf die Angelegenheit zurück¬
gekommen ist und zur Stütze seiner Auffassung einige Erörterungen
aus der erwähnten Druckschrift wiederholt hat, glaube ich von einer
ausführlichen Widerlegung Abstand nehmen zu dürfen. Herr Wolter
hat aus meinem Berichte gewisse Mittheilungen, die ausserhalb des
Zusammenhangs die von ihm angenommene Bedeutung der Unter¬
grundsverhältnisse für die Choleraverbreitung zu erweisen scheinen,
verwerthet, diejenigen Begleitumstände aber, die mich in den be¬
treffenden Einzelfüllen zu der entgegengesetzten Ueberzeugung ge¬
führt haben, nicht erwähnt. So hebt er hervor, dass die meisten
Cholerafälle in Lauenburg sich in der tief gelegenen Unterstadt
ereigneten, verschweigt aber, dass die dort betroffenen Haushaltungen
8ümmtlich ihren Wasserbedarf in der Nähe der nachweislich mit Cholera-
entleernngen verunreinigten und durch langsame Strömung, theilweise
sogar Stauwasser ausgezeichneten Stecknitzmündung dem Flusse
entnahmen, und dass der Choleraausbruch sich auf wenige Tage
beschränkte, während die Untergrundsverhältnisse in so kurzer Zeit
sich kaum geändert haben dürften. Für die Beurteilung der Ent¬
stehung der Cholerafälle in Rendsburg ist ihm entscheidend, dass die
heimgesuchten Quartiere — es handelt sich um drei unmittelbar
nebeneinander liegende Häuser — in einem früheren Jahre mehr
als ihre Nachbarschaft an einer Typhusepidemie betheiligt waren;
dabei berücksichtigt er aber nicht, dass die Untergrundsverhältnisse
dieser Häuser sich von denen der von der Cholera vollkommen ver¬
schonten Nachbarschaft in keiner Weise unterschieden. In Würdigung
dieses Umstandes gewinnt aber die gerade den bezeichDeten Häusern
eigentümliche Wasserversorgung erst die ihr in dem Berichte bei-
gelegte epidemiologische Bedeutung.
Aehnlich wie in den vorstehenden Füllen hat Herr Wolter
auch die übrigen meinem Berichte entnommenen Erfahrungen ver¬
werthet. Für mich war es ausreichend, an einzelnen Beispielen
darzulegen, dass die Unterlagen der Beweisführung des Herrn
Wolter in anderem Lichte erscheinen, wenn die nebenhergehenden
Umstünde berücksichtigt werden Hiermit ist jedoch die Erörterung
der Angelegenheit an dieser Stelle für mich abgeschlossen
Referate und Bücheranzeigen.
Körner- Rostock: Die otitischen Erkrankungen des
Hirns, der Hirnhäute und der Blutleiter. II. grossen
theiis umgearbeitete Auflage. Verlag von Johannes Alt-Frank¬
furt a. M. 1896. (172 Seiten.)
Es war ein ebenso natürlicher als glücklicher Gedanke, dass
derjenige Otologe, welcher seit Jahren sich vorwiegend mit der
Sammlung und statistischen Bearbeitung der cerebralen Compli-
cationcn beschäftigt, die vom Gehörorgan ihren Ausgang nehmen
“ “f Vürhegcmle . n 8cbrift die gesammelten eigenen und fremden
Erfahrungen in einer für die Gesammtheit der Aerztc bestimmten
*orm niedergelegt hat. Dass Körner seine Absicht gelungen
mt, einen grösseren Kreis von Aerzton als nur seine speciellen
Facheollegen für diese in praktischer Beziehung bedeutungsvollsten
Oapitel der Ohrenheilkunde zu interessiren, worin er durch ein
Vorwort, das v. Bergmann bereits der I. Auflage voraussehickte,
wirksam unterstützt worden ist, das geht schon daraus hervor,
dass sein zuerst im Jahre 1894 erschienenes Buch bereits jetzt
eine neue Auflage erlebt hat, was für eine otologisehe Monographie
als ein seltenes Ereigniss zu bezeichnen ist.
Wie viel in dieser Neuauflage umzugestalten war, ergibt sich
am Besten aus dein raschen Anwachsen der in der Literatur sich
ansammelnden Berichte über die beiden wichtigsten cerebralen
Complicationen: In der I. Auflage konnte K. über 20, in der
jetzigen II. Uber 79 Sinusphlebitiden und ebenso früher über 55
und jetzt über 92 Gehirnabscesse referiren, deren Operation bis
heute publicirt worden ist. Die von Mittelohreiterung ausgehenden
septischen Erkrankungen wurden von den pyämischen getrennt
und denselben, ebenso wie der Meuingealhypcrämie mit Gehirn-
ödem und der Meningitis serosa eigene Capitel gewidmet.
Unter den 79 Fällen von Si n u s t h r om böse, die zur
Operation kamen, sind 41 geheilt, 37 gestorben, bei l der Aus¬
gang zweifelhaft. Eine gleichzeitige Unterbindung bezw. Durch¬
trennung der Vena jugularis interna wurde in 41 Fällen aus¬
geführt, 25 mal mit sicherem, 1 mal mit zweifelhaftem Erfolg.
Nicht unterbunden wurde sie in 38 Fällen mit 16 Heilungen.
Bei diesen letzteren Zahlen ist indess zu berücksichtigen , dass
die energischer eingreifenden Operateure in der Regel früher und
auch weniger schwere Fälle operiron werden, und ihre Zahlen schon
aus diesem Grunde natürlich günstiger Ausfallen müssen, sowohl
mit als ohne gleichzeitige Unterbindung der V. jugularis, über
deren Unerlüsslichkeit die Meinungen der Autoren sich noch nicht
geeinigt haben. Gegen die Unterbindung bei Pvätnie ohne Sinus¬
phlebitis nach Lane, welche neuerdings auch Lan ge n bu ch
empfohlen hat, erklärt sich auch Körner.
Die 92 von K. aus der Literatur zusammengestcllton operativen
Eröffnungen von otitischen Gchirnabseessen haben 51 mal zur
Heilung geführt, 41 mal war der Ausgang letal.
\ on 76 eröffneten Grosshirnabscessen wurden 42 oder 55.3 Proc.,
von IG eröffneten Kleinhirnabscesscn 9 oder 56,25 Proc. geheilt.
Als besonderes Verdienst Kürncr's muss cs hervorgehoben
werden, dass er ebenso wie bereits in seinen früheren Arbeiten auf
Grund der vorhandenen zahlreichen pathologisch-anatomischen Er¬
fahrungen das fast durchgängig bestehende enge Naclibarverhültniss
zwischen dem Hirnabscess und der erkrankten Region des Schläfen¬
beins als die wesentlichste und sicherste Grundlage für unser oi>era-
tives Vorgehen bei Gchirnabseessen festgestellt hat. Damit war
der verlässige und richtige Weg vorgezeichnet , auf welchem so¬
wohl Gross- als Kleinhirnabsces.se otitischen Ursprungs erreicht
werden können. Da es unsere Aufgabe ist, nicht nur den Hirn¬
abscess zu eröffnen, sondern auch den primären Eitcrungsheerd
im Schläfenbein selbst auszurotten, so wird am Besten die breite
Eröffnung des Heerdes im Knochen der Abscesscröffnung vor¬
an s g e s c h i c k t. Auf diesem Wege gelingt cs nicht nur am
Sichersten, die Ueberleitungsstellc in der Knochenwandung und die
erkrankte Sudle oder die eventuell vorhandene Fistel in der Dura
direct aufzufinden, sondern auch den Hirnabscess an seiner ober¬
flächlichsten und am günstigsten, d. h. am Weitesten nach ab¬
wärts gelegenen Stelle zu erreichen.
Seitdem haben sich eine Reihe von Autoren und unter den¬
selben auch Macewen und v. Bergmann im Prineip diesem
Vorgehen angeschlossen. Die Operationsmethode, wie sie gegen¬
wärtig v. Bergmann übt, wird von K. eingehend geschildert.
V ic richtig die Voraussetzungen Kömer's waren, geht
bereits heute aus den von ihm zusammengestellten Operations¬
resultaten der 92 operirten Gehirnabscesse deutlich hervor.
Es wurde nämlich die Trepanation bezw. Aufmcisselung der
unveränderten Schädelwand 69 mal ausgeführt mit 32 Heil¬
ungen und 36 Todesfällen;
in zwei weiteren Fällen wurde eine Gegenöffnung nach dem
Gehörgang oder den eröffneten Mittelohrraum gemacht, beide mit
günstigem Ausgang;
in vier Fällen konnte eine nach aussen führende Haut- resp.
Knochenfistcl verfolgt werden, ebenfalls sümmtlich mit günstigem
Ausgang,
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l.
28. Januar 1896.
und in 17 wurde die Sehädelhölile vom ursprünglichen
Knnkheitshcorde innerhalb des Schläfenbeines eröffnet mit
zwölf Heilungen und fünf Todesfällen.
Es ergaben somit die obigen G9 Eröffnungen durch die un
veränderte Schädel wand 47,8 Proc. Heilungen und 52 2 Proc
Todesfälle, dagegen die 17 Eröffnungen durch den Erkrankung*'
heerd in. Schläfenbein 70,G Proc. Heilungen und nur
29,4 Todesfälle.
Die Bedeutung einer genauen Kenntnis« der den otitisd.cn
Hirnabscesscn zu Grunde liegenden pathologischen Vorgänge im
Ohr und der hier schon an sich, noch mehr aber durch die
h.er bestehende grosse Variabilität cumplicirten anatomischen Vcr
hältmsse für Jeden, welcher auf diesem ungeahnt aussichtsreichen
belnete weiter arbeiten will, hätte keine wirksamere Beleuchtung
e^hren können als durch die unsere gesammten bisherigen
Erfahrungen m klaren Lmnssen zusammenfassende Bearbeitung
KörnerS - Bezold.
Dr ra„ Niessen: Der Syphilisbacillus. Verlag
von J. F. Bergmann, Wiesbaden 1896.
Beim Durchlesen der 92 Seiten starken und mit 5 Tafeln
versehenen Abhandlung kann den Leser nur ein gewisses Bedauern
darüber beseh eichen, dass der grosse Fieiss, den der Autor offenbar
auf sein Werk verwendet hat, so unglücklich verschwendet worden
Nle ; scn bat s,cb h ^ht, den Erreger der Syphilis zu
finden und zwar hat er den Ausgangspunkt seiner Untersuchungen
vom Blute aus genommen. Ehe er sich aber an die TTm™ ,
^ lachen Blutes machte, hatte
gestellt an normaem Blut, welches, unter sterilen Cautelcn ge
sESs“
Abhandlung spielt.'" L ° iStendCS der “ganztn
t b :r“ n zeit
schafft hat. Das« N. gerade' w'^" Iü J cct,ü ” sfcra ” kb eitci. ver-
UuItivirungsversuchen sieb tron- iMf "l™'" der Syphilis zn seinen
nicht* echt^ o \,Z Ährfl darÜbe I " ü11 “" Wir
für das geeignetste halten wird.' ****** dicses Ma ^ial
Biologie seines < BaeiBu^ VenerTs 01 ' ^ ^ d,e Morphologie und
«• A. gehört, dass der Eintritt^von r JT" **?**** “
begünstigt. " <,cw,ttern die Sporenbildung
dann Berichtülw ,t ^!nim X Slfc , ™ tCl1 ) Patl " ,lo * isehes * erhalten wir
Ziege wurden mit dem tt , rvorMIchc - 3 Kaninchen und eine
Kaninchen ging
SSSSfSs-MStMt
SiHsstgas
und , sich .WM,“ b^lT
so zi-nilS k T C ! SIcL wirklich «"» Syphilis handle, für ihn
S äs
Das z a weite V< K . ühnc , Weiteros f “r seine Diagnose verwerflich
, e ' te Kjn, "cbcn besass schon nach 8 Tagen «zwei harte
acht Stück 8 “ P 8te,len ’ " ach Weiteren zw ®i"Tagen sechs bis
ücber irgend welche Drüsenschwellung, was doch nicht ganz
rti;*:v der s r iousbcfundc wird - äc
n . . , ' L . rdt " w,ederum aut eine künftige Arbeit vertröstet. Trotz-
fthigkd der“’z 8 ?, die ® ehau P tun g ™n der woehe, .langen Lebens- Thiercn eine' • f f V" ^ Ver,auf der Krauk »'«f bei seinen
SwJÄliSf “ il d “ Art -
w Päg- 41 und 50 auseinandergesetzt wird nicht etwa d“ f f ° lgCn Aufzeichnnngen über Beobachtungen, welche Vcr-
ihr beschickte, in der _ 1_i • I ....
^geschlossenen Bacterien 7 5 WIrd - nicht «twa die
gemeint), so hat man weP die ^ rcs P- Gewebezellen
ff ““dern, dass da« ^ e « e , nlie, > « lcb darüber zu ver-
w - , uu e |H em uiutpraparat durchfübrte.
»“«dem das7d a r“" "T^I" Ue,egenbeit . «ich darüber zu ver- hohlen (Ibiem^ ^ bescl ‘ r icbenen Weise einen sterilen
stets (25 So t r a ‘ e , Blut sehr häufig, das Blut Luetischer dem " ßie II “ V ” TT «*"!“ ? ,ute - in ficirtc dies mit
und Bactcrien r(,en nukroscopisch untersucht), allerlei Cuccen der IWe ,r CnclI8B ' dichtete mit Wachs ab und wartete nun
Da es „atü H i’ “p* gclege,ltlic h Schimmelpilze enthalten soll würdigT 1 a °“ S ° Ilten - Es b,ieben auch hii chst merk-
irn *“. F ° ,ge d - Befundes der vielen CZl ^ För W dürfte cs genügen,
Da « natürlich rvj ^cninnneipiizc enthalten soll.
» Baeterienspecies
tät «f berauszubekommen ‘ e , Ä <len eigentlichen Atten-
eigene Methode,
noch zum Ziele, indem ,na/“ k ,°“ mt man seiner Ansicht
Syphilis mit floriden Svmnt * ' D Vurgescbr i tte nen Fällen tertiärer
* ÄiTi 1 mut' 0 ” b ° b l e ’ sterile °W«'
f UTor sorgsam abeenriSL . a . fc . 3US seichten 'Schnitten der
.* ur uen jiCser dürttc es genügen,
hm mitzutheden, dass m diesem Präparate am 3. Tage die rothen
Blutkörperclien, ebenso wie die weissen sich zu vermehren an-
nngen, eine Beschäftigung, der sich die Leukocyten noch 10 Tage
gaben bSt ? W ° Ch ® n der BcscIlickun « des Objectträgers hin’
zuvor som»m * "iT"* w “ rvuen mit Blut aus seichten Schnitt«.'A» Zum . Scblusse , finden wir ei " Langes und Breites über die
beschickt L ab f ese,ften un d mit Aether abgewaschenen Haut /|f ”, Ans,chten des Verfassers in Bezug auf Immunisirung
flaschen schlkssT* ^ ^ mit gr08Sen gleichfalls sterilen Deck „wT “• er ’ wie , cr pag ' 81 se l bsfc zugibt, Autodidact und absolut
>0 b» ,4 ^ Wachs vor Verdunstung Ä S LitCratur )> Pr « - d
«duedeoen Scrom’ b ‘ SW ®' en VOrd em, bemerkt man in dem abge eine T ue Dasa die Syphiüdologen, so da meinen,
fr««» t, . nira a n dem der P.i«, . g ^ ne L ucs mit ihrem Quecksilber und Jod heilen zu können, deren
r»Plifl Un ln n ir oKo«. V ..o-l__ • . ^ }
.. 14 Tagen bisweilen j V ° F ; erdunstuu g schützt. Nael
Jjiedcnen Senim an dem d° rd °r’i bemerkt man in dciu »bge-
^ ^d manchmal dnTelne C GIasaush(ihluilg entsprechenden
ab und zu aue f l T"’ WW,n mau ,äi '>gere Zeit
t C ‘ ^ füg ‘cn eigeiiartieen Zl 0”? Kranz von
aaa nach Sicht N, St) ! bche " bau ^ *■ Liese Stäbe],en
d« Syphilis dar. T„ den . 8 Bacil| us Veneris », den Er-
, 1 d ^ ss seine sämmtliehen eigouen Anmerkung bemerkt er
die, die wir weiterhin noch '* t , Uren ’ mit deneu er auch Ver-
“ ° inzi «en Fall schwer^^tertiä Pr ?'^ U ,- haben ’ anSte ' ,t€ ’ von
Demjeuigen, der b-. , ^ t, ^ rep S yP bl *is stammten.
™ »beite,, gewohnt ist,
acht wohl nur ein Lächeln abnöthigen.
Behandlung aber N. vorkommt. «wie eine Bärenjagd mit einem
Sonnenschirm», ihren Tlieil abkriegen, ist ja ziemlich natürlich.
Immerhin über gesteht N. zu, dass man vorläufig Jod und Queck¬
silber doch nicht ganz entbehren könne und macht sogar einige
positive Vorschläge, z. B. Unschädlichmachung des Priinüraffectes
durch Injectionen von Sublimat, Carbol oder Ichthyol in das in-
dunrte Gewebe selbst. (Du lieber Himmel I) Ferner stösst er einen
energischen Warnungsruf vor dem Sublimat aus, weil dies local
auf die Gewebezellen wie auf die Erytroeytheu zerstörend wirkt,
8 wie f lches bei Mischung von Blut und Sublimat sich direct
unter dem Mikroscop nachweisen lässt».
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MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHEN SCHRIFT.
No. 4.
Entbehrlich werden QneeWlber und M "ohl j”™
werden, wenn N. «inen «Foreehnngeergeb.m«» «fc
syphiliticum bald Mittheilungen u er ein ‘ Diffieilc
»n- a.ti-»yphilitieu,n naehtnlgen
cst satirara non senbere.
llt a^Ä ä: ä
5: W.rVbnri. I. Band, 1. und 2. Abthednng. Berlin, A.
"iraehwald «M-J|« ^'uiuigen, weiche die therapeutische
StrJ» g der modernen Medicin horvorgehraeht hat, nimmt d
So einen hervorragenden Blatr. ein. Sie «ucl.net »u*
vor anderen dadureh aus, da« eie das Oeaamtgehlrt der Kral e
in lexikograpliischer Form bearbeitet. Durch <bcse 1 orm Ur l ar
stellunc nähert sieh die ■< Kneyklopädie der Therapie dem u
Bum herausgegebenen trefflichen Therapeutischen Lexikon ■ • <o
‘ e L jedoch über den Rahmen des letzteren wett hmaus durch
L viel grösseren Umfang, in dem das neue 1 nternehmen g<H. ant
ist, sowie auch dadurch, dass sie nicht nur die «../einenkrank-
heilen in Hinsicht auf die Therapie besprüht, somhn. au.h
säuimtliehc Arzneimittel, Behandlungsmethoden, Kun.rto ^ ^
besonderen Titeln aufführt. Dass es so bewahrten Kräften, wie
den oben genannten, die von einer grossen Zahl \»n Mit¬
arbeitern unterstützt werden, gelingen würde, den umfassenden
Han zur befriedigenden Durchführung zu bringen war voraus-
Zusehen und wird durch die vorliegenden zwo. .Xhthedungcn dcs
I. Bandes bewiesen; dieselben erlauben schon jetzt, das
als ein empfchleuswerthes Nachsehlagebuch für den 1 raknkei zu
bezeichnen. Das ganze Werk wird IGO Druckbogen tunfassen und
in 3 Bänden von je 3 Abteilungen erscheinen.
Neueste Journalliteratur.
wM im Verlauf von 2 Monaten durch subcutane Araeninjactione»
nicht nur gebessert, sondern dauernd geheilt.
Im Anschluss an diesen Fall empfiehlt
G) ziemssen: Zur Methode der subcutanea Anwendung
dCS t S Te Iniection eine sterilisirte einprocentige Solutio Natrii
vLi nn.l Subt der subcutanen Einverleibung eine ungleich
SKÄ afs der per os zuschreiben zu können.
7) Foss: Ueber interne Anwendung der isomeren Kresole
resp. des »Eutej-ol“. Heilwirknng des Enterolea
bC1 C 8) S Engc e i P Experimentelle Untersuchungen überBacteriurie
Tuberkelbacillen, von Bader, coli und f“^n “bÄ to te
genau beschreibt, nach den Befunden bei W-
füllrlich beschriebenen Tierversuchen als «men für die‘ P
cilisch pathogenen Mikroorganismus bezeichnen zu können.
9) tirethe: Ueber die Wirkung verschiedener Chinin
derivate „„„ , lie Wirkung der wichtigsten Spal-
zuzusclireiben ist. (Vergl. die Arbeit von Tappeiner
d. W.)
ÄÄcÄÄVonBi^ ÄÄ „.
Deutsches Archiv für klinische Medicin. 56. Band, 1. und
2. Heft. t ,
II Ri eken: Ueber Lumbal punction.
Es werden 35 Fälle mitgctheilt, bei denen die von Quincke
in die Praxis eingeführte Lumbalpunction aus Ä, Jfff
therapeutischen Zwecken ausgeführt wurde. R. >J I( den !Luugr.ft
der Punction oder Lancettirung für gefahrlos (siehe «lW
bringer. Plötzliche Todesfälle nach Lumbalpunction. Centra l, für
innere Med 1896, Nr. 1) und glaubt aus der Zusammenstellung der
in der Kieler med. Klinik beobachteten Fälle den Schluss ziehen
zu können, „mit der Lumbalpunction doch entschiedene therapeu¬
tische Erfolge erzielt zu haben“.
21 Podack: Ueber die Beziehungen des sogenannten
Maserncroups und der im Gefolge von Diphtherie aufiretenden
Erkrankungen des Mittelohres zum Klebs-Löffler sehen Diph-
theriebaciUus. ^ 3 Kindern> die im Verlaufe von Masern an
Larynxcroup erkrankt waren, Diphtheriebacillen m den Membranen
nachweisen, dieselben Mikroorganismen fand er m zweien d eser
Fälle neben Streptococcen in den eitrigen Secreten der Paukenhöhlen.
31 Pick: Ueber Hemianopsie bei Uraemie. Nach einer
kurzen Besprechung der verschiedenen Hypothesen über die »rae¬
mische Amaurose theilt Verf. 4 Fälle von halbseitiger Erblindung
oder Sehschwäche (Hemiamblyopia) mit. Zu einer emlgiltigcn Lut
Scheidung über die Ursache der Uracmie-Amaurose kommt auch l.
nicht hält aber eine dauernde Ilirnlaesion in Form von Erweichung
durch Einwirkung der uraemischen Intoxication, wie er sie m einem
Falle gefunden hat, für nicht unmöglich.
4) Strauss: Zur quantitativen Bestimmung der Salzsäure
im menschlichen Magensaft. .,
Die Angabe Töpfers, dass eine 0,5°/o alkoh. Dimethylamido-
azobenzollösung die bisher gebräuchlichen Reagentien für den Nach¬
weis freier HCl an Empfindlichkeit übertrifft, kann von Strauss
auf Grund einer Reihe von Versuchen bestätigt werden. Als weiterer
Vorzug dieses neuen Präparates bei der Magensaftuntersuchung
wäre zu rühmen, dass es sich gegen organische Säuren (Milchsäure)
8 mal weniger empfindlich zeigt als gegen HCl. Als ein Nachtheil
ist zu erwähnen, dass die Erkennung der Reactionsgrenze bei der
Titrirung wegen der Breite des Uebergangsstadiums zwischen Roth
und Gelb recht schwer ist. Verf. weist ferner nach, dass die Menge
der Phosphate im menschlichen Magensaft nicht so geringfügig ist,
dass sie bei der quantitativen Säurebestimmung völlig übersehen
werden kann.
5) Katzenstein: Heilung eines Falles von Pseudoleu-
kaemie (Hodgkin’sche Krankheit) durch subcutane Arsen-
injection. . ...
Ein 37 jähriger kacliektischer Patient, dessen Inguinal-, Axillar-,
Cubital- und Cervicaldrüsen bis zu Faustgrösse angeschwollen waren,
Deutsche Zeitschrift für Chirnrgie, 42. Band, 3 Heft.
1) Perthes: Ueber Nierenexstirpationen. (Chirurgisch
Klin *^I)hT vorliegende Arbeit berichtet über
mit insgesamnit 3 Todesfällen. Trendelcnburg
der Nierenexstirpntion im Gegensatz zu den Vortheile,
Chirurgen den transperitonealen Schnitt. Lr ®mcht oVo
die der Schnitt von vorne bietet, für so bedeutend^ dassi er oe
vergrösserten Nieren immer die transpentoneale' Methode ^
bei verdächtigem Inhalt der Geschwulst ^ ^InUt V.ir Anwendung
Uvdronephroso) wird der extraperitoneale Schinittzi
gebracht, ebenso auch bei der Exstirpation nicht gr
^Maligne Tumoren kamen 12 zur Operation Verfasser weht
darauf hin. dass die von Bireh-Hirsch e d
Drüsengeschwülste bezeichneten Tumoren auc l g d
Characteristica haben (Auftreten im kindlichen Alter, ke:«ne ooe
unbedeutende Haematurie rapides W aclisthum t 8 „ " elcliriebmieu
zur M etastasenbilduug). Auch den von Grawitz; »Jqui-
Strumae suprarenales renis kommen gewisse khn:is. de3
lichkeiten zu (sehr langsames Wachsthum geringe Bet
Allgemeinbefindens, sehr erhebliche Blutungen . b lofig u
amyloide Degeneration, fast regelmässig Metow^nb^ng). U
Patienten sind nach der Operat.or'gestorben; ein TodesfaU. m ^
von Darmvorfall, ist auch zum The. der Methode zuzuschreio
Zwei Patienten sind von Recidiv frei geblieben, einer noch na
5 ^Beiden Fällen von Urogenitaltnbercul«. mwhte
die Diagnose des Sitzes der Erkrankung erhebl.che Schw.engkeiw
Einmal wurde die linke Niere als krank verönder-
während die anatomische Untersuchung^^^ hau8 ftt ^ Beobachtung
ungen in derselben nachweisen konnte und <*ie sp Tuber-
es ziemlich sicher machte, dass^ der > m H ke t Ure a ^ h S ‘f" en8vnl pt 0I ne
culose war. In einem anderen Falle d ^ D ^" lt ' e nom len und
so sehr in den Vordergrund, dass die Sectio alta J or * . Gesc hwüre
ein Theil der geschwürigen Blase exstirpirt '' rurde , , einfach
der Blase erwiesen sich aber bei der U ". te n XneS wegen Tuber-
catarrhalische. Die Resultate an 5 Nierenexstirpationen wegen
culose waren im Allgemeinen recht befriedigen e_ p vonep hrosen
Bei umfangreichen Hydronephrosen un ^ ^. • y kurz er Zeit
rätb T. zur primären Neplirectomie. Sie schafft m k ^ £r _
Heilung und Gesundheit, während es zweifdbaft ist, b ^ ^
haltung der hydroneplirotischen Niere bei d cr N p Bonner
Organismus von Bedeutung ist. Die Nephrectomie
Klinik nahmen alle einen günstigen \erlauf. _ .... -vhe
2) Rössler: Zur Kenntniss der Achülodyme. (
“V5W hat Albert vor 2 Jahren
beschrieben, die besteht in einer kleinen Geschwulst an d
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28. Januar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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der Achillessehne und einhergeht mit heftigen Schmerzen im Gehen
und Stehen. Verf. berichtet über 9 Fälle dieser Erkrankung. In
einigen derselben iiess sich deutlich ein Erguss in den zwischen
üehnenansatz und Tuber calcanei gelegenen Schleimbeutel nachweisen.
Bei einer sehr grossen Anzahl von anatomischen Untersuchungen
fand Verf. nur selten eine glatte Wand des Schleimbeutels; meist
zeigten sich Wucherungs Vorgänge am Endothel und dem unter¬
liegenden Periost, abwechselnd mit atrophischen Stellen. Verf. möchte
diesen Process in gleiche Linie mit der Arthritis deformans stellen
Als N8men für die Erkrankung schlägt er vor: Achillobursitis und
zwar anterior, zum Zeichen, dass der vor der Achillessehne gelegene
Schleimbentel gemeint ist.
3) Hildebrand: Experimenteller Beitrag zur Lehre von
den freien Gelenkkörpern. (Göttinger Chirurg. Klinik).
Um über das Wesen der bei Osteochondritis dissecans sich
bildenden freien Gelenkkörper Anhaltspunkte zu gewinnen, hat H.
eine Reihe von Tierversuchen unternommen. Zunächst fand er,
dass durch einfache massige Traumen sich Gelenkkörper nicht er¬
zeugen lassen. H. glaubt, dass, wenn eine Loslösung statt finden
soll, noch andere prfldisponireude Momente hinzukommen müssen.
' Weiter ergab sich, dass, wenn aus der Gelenkfläche Scheiben
herausgescbnitten und theils frei, theils gestielt im Gelenk belassen
wurden, der grösste Theil dieser Stücke resorbirt wurde. Ein The.l
der freien war, mit der Kapsel verwachsen, erhalten geblieben;
ein freier Körper fand sich bei der späteren Untersuchung nie im
Gelenk vor.
4 ) W. v. Heineke-Erlangen: Nekrolog auf A. v. Barde¬
leben. Krecke.
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 3.
1) M. Sänger-Leipzig: Drei Falle von Salpingo-Oophorec-
tomia duplex bei Hftmatometra gynatretica.
Die Fortnahme der Adnexa einer oder beider Seiten wegen
Blatretentionsgeschwülsten in Folge angeborener Gynatresien fand
S. nur 11 mal in der Literatur beschrieben. Er selbst hat diese
Operation, die er als .Balpingo-Oophorectomia“ bezeichnet,
im vorigen Jahre 3 mal ausgeführt; 2 Fälle betrafen Frauen mit
Uterus duplex, 1 Fall ein Mädchen mit Atresia vaginae und Hämato-
metra bei einfachem Utero-Vaginalkanal. In allen 3 Fällen ist
die Operation doppelseitig ausgeführt worden, in dem dritten nach
vergeblichem Versuch, die Vagina wegsam zu macheu. Die Heilung
erfolgte jedes Mal, im letzten Fall mit vorübergehender Recto-
Vaginalßatel
S. verwirft die Ansicht mancher Autoren, dass es eine „Tuben-
menstruation* gibt. Es bandelt sich immer um krankhafte Blut¬
ungen der Tuben8chleimhaut, Salpingorrhagien. Das ausgetretene
Blut bewirkt Pelviperitonitis, Perioophoritis und Perisalpingitis
adbaeaiva mit schliesslicher Verlöthung des Ostium tubae abdominale
und Bildung einer Sactosalpinx haemorrbagica. — Zur Behandlung
empfiehlt S. bei blosser Atresia hymenalis die einfache Incision;
bei höher gelegenen Atresien soll im Princip zur primären Köliotomie
geschritten werden, welche die besten Aussichten bietet. Eventuell
ist nach vorheriger Oeffnung von unten die secundäre Köliotomie
auszuführen. Bei einfachem Uterus und offener, einfacher Vagina
genügt die einseitige Operation; in allen übrigen Fällen sollen stets
beide Adnexa entfernt werden.
2) Leopold v. Dittel jr.-Wien.: Ein Fall von Zerreissung
des Mastdarms bei abdominaler Adnexoperation.
Bei der Laparotomie einer 47 jährigen Frau wegen rechts¬
seitiger Pyosalpinx riss das Rectum, das mit dem Adnextumor ver¬
wachsen war, ein. Das S-romanum wurde in einer Länge von 8 cm
resecirt Der Operateur (Chrobak) invaginirte hierauf das centrale
in das periphere Darmende und fixirte beide durch sero seröse
Nähte. Exitus 2 Tage später an diffuser Peritonitis.
Als Vorgänger der genannten Operation (Sigmoido-Procto-
stomie) citirt v. D. Hochenegg, van der Meulen, Kelly
und Sänger.
3) H. Ludwig-Wien: Sectio caesarea bei übermässig
entwickelter todtfauler Frucht
Bei einer 45 j. XIV para kam es erst 14 Tage nach Aufhören
d« Kindsbewegungen zur Geburt. Mit der Zange konnte nur der
Kopf und ein Arm des todtfaulen Kindes entwickelt werden. Auch
durch die hierauf noch ausgeführte Wendung gelang es nicht, die
stark entwickelte, sehr zerreissliche Frucht zu extrahiren. L. machte
daher die 8ectio caesarea. Verlauf günstig. Die ganze Frucht wog
Uber 7700g. Ein analoger Fall existirt nur 1 mal, indem A. Martin
ein 7210 g schweres Kind durch Kraniotomie extrahirte.
d) A. v. Gubaroff-Dorpat: Ueber eine neue Operation
zur Beseitigung des Uterus Vorfalles.
Die Operation besteht einfach in versenkten Circulärnähten,
die submuköa durch die vordere und hintere Vaginalwand gelegt
werden. Ala Nahtmaterial dient Silkwormgut. Narkose oder Anästhesie
8011 nnnöthig aein. J aff 6 - Hamburg.
berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 3.
Fo r tz J 4° ld8Cheider: ^ e * ,er ^* e Behandlung des Schmerzes.
2) Bial: Ueber den Mechanismus der Gasgfthrungen im
«agenaaft (Augusta-Hospital Berlin.) 8. d. W. 1895, 8. 1176.
krynxphtU a ? tnCr: ^ aS * e * 8 * e * die Localbehandlung der
Fälle von spontan geheilter Larynxphthise sind, wenn über¬
haupt sicher beobachtet, ausserordentlich selten. Die Localbehand¬
lung der Larynxphthise ist auch dann angezeigt, wenn sie das Grund-
leiden nicht beseitigen kann.
Verf. verfügt über 3 Fälle von örtlich behandelter Larynx¬
phthise, die seit 3, 4 und 4 */2 Jahren geheilt sind.
Die Methode des Verf.’s besteht zunächst in der Verwendung
milder Mittel: Menthol in öliger Lösung, Jodol und Sozojodolein-
blasungen. Führt diese Behandlung nicht zum Ziel, so tritt die Milch¬
säure in ihr Recht, aber nur bei Geschwüren und nicht bei der rein
infiltrirten Tuberculose. Versagt die Milchsäure, dann greift man zu
einem chirurgischen Verfahren: Incisionen, Curettage, Galvano¬
kaustik, Elektrolyse, Tracheotomie, Laryngofissur.
4. Baöza-Haag: Ein Unicum auf dem Gebiete der trauma¬
tischen Aneurysmen.
Stoss auf die Brust. Entwicklung eines bläulich verfärbten
kegelförmigen pulsirenden Tumors zur linken Seite des Brustbeins
von 9’/t cm Höhe, 21 cm Umkreis. 4 Abbildungen sprechen mehr
wie jede Beschreibung. Kr.
Deutsche medicinische Wochenschrift. No. 4.
1) Prof. V. Babes und Dr. E. Pop-Bukarest: Ueber Pustula
maligna mit secundärer hämorrhagischer Infection, verursacht
durch einen specifischen Bacillus.
Der beschriebene Fall ist besonders desshalb interessant, weil
thatsächlich in einem Fall von Pustula maligna nicht der Anthrax-
bacillus, welcher die Pustel selbst verursacht, den localen Infections-
heerd aber nicht verlassen hatte, sondern ein anderer Bacillus die
septisch-hämorrhagische Allgemeininfection und den Tod herbei¬
führte. Der betreffende Bacillus gehört zu den saprogenen, dem
Bacillus coli communis oder den Typhusbacillen ähnlichen Bacterien,
die sich aber besonders durch ihre eigenthümliche Flächenausbreit¬
ung in Form dünner durchsichtiger Uebcrzüge auf Agar-Agar, durch
Bildung fingerähnlicher Zacken, durch Verflüssigung der Gelatine,
durch Quellung, Blasenbildung und Längsspaltung der Stäbchen und
durch schnelle Auflösung unter Bildung reichlicher Zwischensubstanz
von jenen unterscheiden.
2) David Hansemann: Ueber Endotheliome.
H. beanstandet die nach dem Verlassen der His’schen Theorie
über die Parablasten hinfällig gewordene Bezeichnung «Endotbeliom»
als characterisirenden Ausdruck einer Reihe von Geschwülsten und
lässt dieselbe höchstens in der Form als «Carcinoma, Sarcoma,
Adenoma etc. endotheliale» gelten.
3) C. Sch werdt-Gotha: Enteroptose und intraabdominaler
Druck. (Fortsetzung folgt-)
4) A. B r u c k: Zur Behandlung der chronischen Eiterungen
am oberen Trommelfellpol (Atticus-Eiterungen) mittels einer
neuen Canüle. (Aus Dr. B. Baginsky's Poliklinik für Ohren-,
Nasen- und Halskrankheiten.)
Angabe einer neuen geradlinigen kleinkalibrigen, direct mit
der Injectionsapritze (nach Art der Pravaz'sehen) verbundenen
Canüle an Stelle des bisher gebräuchlichen von Hartmann em¬
pfohlenen S-förmigen Paukenröhrchens.
5) M. Blumen au: Primäres Sarkom der Pleura. (Aus dem
Militärhospital in Grodno-Russland.)
Krankengeschichte und pathologisch-anatomischer Befund eines
primären Pleurasarkoras bei einem 23jährigen Manne.
6) G. Meyer-Berlin: Ueber den Transport von Personen mit
inneren Erkrankungen. (Vortrag, gehalten im Verein für innere
Medicin am 21. Oktober 1895.) (Fortsetzung folgt.)
7) J. Beissel-Aachen: Uebersicht über die Mineralwässer
und Heilquellen der Vereinigten Staaten Amerika’s.
Uebersichtliche Zusammenstellung der reichen Schätze von
Mineralquellen Nord-Amerika’s, welche allerdings nur zum geringsten
Theile wissenschaftlich erforscht und rationell verwerthet werden.
F. L.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft
(Originalbericht.)
►Sitzung vom 22. Januar 1896.
Herr S t a b e 1: Znr Behandlung der Kropfe mit
Schilddrüsenextract.
Vortragender berichtet Uber eine grössere Reihe von Kropf -
behandlung mittelst .Schilddrüse, welche in der Berguiann’schen
Klinik vorgenoiumcn wurde. Die Resultate sind in Kürze die
gleichen, wie sie anderwärts erzielt wurden. Auffallend ist die
Angabe, welche zahlenmässig festgestellt ist, dass die Resultate
bei Behandlung mittelst Tabletten (Dresdener Fabrikate) weniger
günstige waren, als bei Verabreichung von frischen Drüsen.
Diskussion: Herr Ewald kam im Gegensätze zum Vortr.
mit den Tabletten zu besseren Resultaten, als mit der frischen Drüse;
allerdings benutzte er nur die englischen Fabrikate. Die besten
Erfolge erzielte er bei chlorotischen Mädchen, deren parenchymatöse
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86
MÜNCHENER ME PICINISCHE WOCH ENSCHRIFT
No. 4.
Strumen, namentlich im Anfang der Srdbgs nicht
beeinflusst wurden Eine vo®« nd 'g gefun dcn.
gesehen Zucker hat er in die Aetiologie der Strumen
Herr Kleist <Ti,, “eine“ JugemEt seine eigene
interessante Beobachtung. A 8 h _ Rudolstadt, der Heimat der
Familie von Preussen nach Schwa^burg R d wenJgen Wochen
Zeh auf Jodpinselmig und Jodkali wieder e *“ r n ^i{J“ elbc Sth,LkBal
hatte eine zweite J n P® 1 JjJ e J C bXici 1 en‘ sich nur auf Morbus
v H «« 1 Monde er keinen Erfolg erzielen,
iifmchrwen liiusste die Behandlung wegen bedrohlicher Symptome
fri,hZ H l Sr a renato t r'sa e h ll cöienfalls bei Basedow keine Erfolge.
Herr Silex: Pathognomonische Kennzeichen der
congenitalen Lnes (mit Krankenvorstellung).
^Vortragender weist zunächst auf die Wickert der
einer congenitalen Lues hin, die oft vorhandene Möglichkeit dir
Verwechslung mit Skrupulöse und die Bedeutung einer sok-lun
Verwechslung für die Therapie.
\m Auge können mit Ausnahme der Linse alle Theile
erkranken, jedoch ist keine der hier gefundene.»
charakteristisch, weder die Keratitis u.terst.t.alis, noch d e t hono -
ditis pigmentosa. Eine Veränderung besitzt nach Yortr. jedoch
pathognomonische Bedeutung: die Chorioiditis areolans diese vo
Förster zuerst beschriebene, von Hirschberg tu der letzten Zeit
näher studirto Form.
Pie Hute hin so..sehen Zähne, dies zweite Glied der
Trias würden wohl zu verwerthen sein, wenn man eine genaue
Beschreibung dieser Zähne besässe. So geht aber unter diesem
Namen vieles, was wohl mit Rhachitis oder Skrophulose zusammen-
hängt, mit Lucs aber nichts zu thun hat. Lediglich die beiden
oberen, inneren Schneidezähne kommen in Betracht. v\ «>" (llc '
selben die bekannte halbmondförmige Kerbe besitzen, l^ngs- und
Querriffe zeigen und grau oder grün belegt sind, dann hält Yortr.
diese Zähne für ein patliognomonischcs Zeichen der congenitalen Eues.
Ein drittes Zeichen sind endlich die syphilitischen
Narben in. Gesichte. Es sind dies schmale weisse Narben von
ein bis drei Centimcter Länge, welche sich tlieils um den : Luid,
theils im ganzen Gesiebte vorfinden können. Pie erstereu können
von skropliulüsem Eczem kommen und sind daher nur geeignet,
den Verdacht auf Syphilis zu lenken, während die letzteren, zumal
wenn sie sich in grosser Zahl finden, pathognoiuonisch für Lucs
sein sollen. r
Piskussion vertagt. is "
Vortr beobachtete nun »«ei Falle, «eiche ihm die Ansicht
nahelegen, dass diesen Prot..»«., doch en.e pathogenettsehe Be-
deutung sid , ei „ e 32j»hrige Harne, »elclie
Im 1. lau liaiiueii , h in Folge des Genusses von
sich in der Sommerfrisi , Darm katarrh zugezogen hatte,
schlechtem Trinkwasser, ^ ciewiclit verlieren liess und der
der sie in kurzer Zeit ^^ waren erbsenFarben, zeigten
jetzt seit d Jahren bestel ‘ ; alkalische Reaction. ln diesen Stühlen
starke Ausbildung und 2^ cn Sic bilden glänzend
konnte \ ortrreidii ich A f b in encystirtcm Zustand, theils in
kugelige Gebilde, die .. „ sfor m (Pseudopodien) vorfinden,
ruhender um theils in Bi \ «Mer mehrere Kerne und sind
Sie sind 10—L» cc f i ; , 1 S , „| n .) Ihre Lebensdauer ist
8 --10 Stunden. Jnfectionsvcrsuche an Kaizen sind
Vortr. nicht gelungen. _ . . ant , c wandt; zwar verschwanden
sä; —
hcut S Kn 1 jährige Phtliisica leidet an intercurre.it äuftretenden
action, niemals Blut- oder l.uerue n ^ ct was
\SSÄ ^en^Zz^Ä sich in den
ebenfalls ohne Erfolg.
Die pathogenetische Bedeutung der Amöbe«, wurde, wie er¬
wähnt, bestritten und darauf hingewiesen dass man auch bei
normalen Menschen solche Protozoen finden könne. Boas unter-
43 Fälle und konnte in 9 davon Gebilde hnd*. «JJj
den Amöben ähnelten, sic Hessen bis auf einen einzige 1 a
.stets die Beweglichkeit vermissen und waren immer nur in
vereinzelten Exemplaren vorhanden. Vortr. neigt daher vorläufig
zur Ansicht, dass die geschilderten Amöben nur unter patho¬
logischen Verhältnissen Vorkommen. Piskussion \ er tag . ^
Verein für innere Nledicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 20- Januar 1896-
Herr Jastrowitz demonstrirt weiterhin einige nach dem
Röntgen'sehen Verfahren hergestellte Photogramme, welche
Herr Spiess von der Urania hergcstcllt hatte. Ein Photogramin
verdient besonderes ärztliches Interesse: Bei einer vor Jahren
stattgehabten Glasgefässexplosion war einem, der Angestellten der
Urania die Hand verletzt worden. An der'Narbe hatte er noch
immer Schmerzen, welche die Vcrmuthung nahelegten, dass noch
ein Glassplitter in der Hand zurückgeblieben sei, und es gelang
nunmehr, denselben mittelst des neuen photographischen Verfahrens
nachzuweiseu.
Herr Boas: lieber Amöbenenteritis.
Die ätiologische Bedeutung der Amöben für Barmkrankhciten
wurde seinerzeit mit grosser Bestimmtheit von Cartulis aus¬
gesprochen, bald darauf von Schuber« ebenso entschieden in
Abrede gestellt. Letzterem war es namentlich gelungen, das
Vorkommen von Amöhen in den Stühlen ganz Gesunder zu eon
statiren, ja dieselben durch Verabreichung von Mineralsalzen bezw.
llicinusöl künstlich zu beeinflussen; andererseits gelang es ihm,
gleich anderen Untersuchern, in vielen Fällen von Enteritis nicht,
diese Amöben aufzufinden. Qui ncke und Ross glaubten daher
eine virulente und nicht virulente Form unterscheiden zu dürfen.
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 21- November 189.*.
Herr K.Koeli demonstrirt ein Carcinom des
einem 70jährigen Manne, dessen untere Grenze J - u £ nxe abcr
breit über dem Sphinetcr gelegen war dessen oborc u , cn
links, 'aber nicht auch rechts mit dem Finger mit der
konnte. Verwachsungen mit der Umgebung, namenUM
Blase und Prostata waren nicht vorhanden Am 9 . *o\ci«J»
das Rectum mit dem Sphincter bis hoch ^„„uiy’scl.cr
exstirpirt und sodann das resecirtc Darmcudo nach Gers ^
Drehung in den vorderen YVundwmkcl cin E?“‘ l b , „ 37 9 der
war bisher ein guter. Die höchste Temperatur betrug dl ,•,
Puls 92—96.
Herr Gottlieb Merkel demonstrirt den Oesopbagn«
und Magen einer 38jährigen Arbeiterin, welche
Tuberculosc gelitten hatte.
An der Cardin, ein Stück auf Magen und f^ZSel des
greifend, sitzt ein längliches Geschwür. Das untere big
Oesophagus ist stark erweitert und seine Wandung^dasebst na J
verdickt. Kleinere Ulcerationen finden «ch un „wu S schlcimhaut.
erwähnte Ulcus in den Längs alten der Oeaophagussclile» ^
Der Magen zeigt exquisite Sanduhrform, d e . Drittel. Sie
sich etwa an der Grenze von mittlerem u ^ ^ c , te b fiad i iche und
ist bewirkt durch eine alte, an der kleinen Curvatur ülcusnarbe.
hier mit dem linken Leberlappen fest '^'„''r durebgängig. Der
Die Stenose ist eben für den kleinen Finger djrcbgäng g Magcn .
Fundus ist kaum erweitert, der Py 1 orust-hc 1 1 Rlei , >e g C n-
Wandungen erscheinen makroskopisch abgesehen von de
stellen, normal. — Dazu bemerkt der Y o E . we ) c be
Das Präparat stammt von einer Sijähngen Arbeite , lby4 _
früher nie krank, vor Allem me magenleidend, am !■ cns in
plötzlich unter Mattigkeit, Frösteln Brennen nn Hals und - ^ ^
der Magengegend erkrankt, das Krankenhaus «_ b T ehcr dem
geringe Temperaturerhöhung, Collapscrscheinun e . , bmCrz .
Kabel links an der Mittellinie findet man einen pe ri-
haften Tumor, der leicht verschieblich ist. Stark« E \ g a)zs f U re,
tonitische Erscheinungen. Im Erbrochenen keme freie ^ be .
Gallenpigment. Die Magencapacititt ist ausserordenthc ger g
trägt nicht mehr als 400-500 ccm Bei Eing.cssungen wirdd« A Kraft
undeutlich, macht einer diffusen Resistenz Platz. . Probe-
erheblich vermindeit. Alle Versuche, 1 .‘ lt _ 1 - f^ tl ” v;(lprKtnlldi Unter
g. Januar 1896 .
strengster Diät lässt Schmerz, Erbrechen und Fieber n <.*h
Magensaft, mit der Sonde entnommen, enthält nunmehr stet« f D ° r
Salzsäure. Ein Diätfehler steigert alle Symptome wieder n’ G
erträtglichkcit. Ernährung durch Klysmata per Rectum n, U r
schwindet der Tumor. Plötzlich beginnt die Kranke zu ^
stellt sich iin rechten unteren Lungenlappon Kassein ein
Husten wird puriformer Schleim und werden nvissh-e M , lt
entleert, so dass die Diagnose auf PerforcSo" eE AbsÄf ''° 8t ?
*> lu “* c “ *K *»• von einem M s o„gc S ,‘
gegangen war. b KVOUIIWu r aus-
MESHSlM EMCmiSCHE Wom men™™
gegangen war.
Der Husten schwindet allmählich, mit ihm der ,•
Magenbeschwerden verlieren sich, die Kranke beginnt zti fl," f ’ dl f
erholt sich. An Stelle des Tumors fühlt « nS l ", !",.? 1
St Die Kranke Wird am 28 ‘ Fcbruar '893 sch ei n baTgencsen
Am 14. Ortober 1893 kommt sie wieder s;»
geschrittener Phthise der sie am 11. November erlieg VoT den
alten Magenbeschwerden war nichts mehr vorhanden ni« l Z?, ,
Appetitlosigkeit und intercurrente Diarrhöe“5d \S T Tp ?
bezogen. Viele Tuberkelbacillen im Auswurf PhtIl,se
Die Section ergab obigen Befund kpino o,,,,,. „•
SSM S
säst - * Si ’ e,86reste '■»—" ä
... des Sauduhrmagens, der einem chirurgischen
hingnff sicher sehr zugänglich gewesen wäre, war nicht gemacht
«erden. Die: iüllung des Pylorustheiles war stets nur eine sehr
geringe und für sich sicher nicht nachweisbar, denn sic hätte den
häufig wiederholten Untersuchungen nicht entgehen können. Foreirte
r ü, r WCCh ! cbens ° sieher hatten auf dic richtige Diagnose
hm, müsse, wurden nicht gewagt, da man von Anfang afian
der Diagnose Magengeschwür festgehalten hatte.
fwXä; Auu.rip,,.
Ä t *22
% v sJsT £‘“h-ä
schleifenförmiger Gestalte die e ^ 1 . f . tdick ® r , roth er Thrombus an von
derart heraufgcschlageu d^s efn vX? fre,en Schlei feilenden ai » d
Pulmonalarterienäste stattfindet Die k. erscIlluss der rechten
“»SÄ
ÄESlE-s t w Ä 8 "' ( i m «fÄÄt'Ä
Knacken ein! fuxaUon^ ith,n hörbar «">
erleidet. Dasselbe geschieht beim rrihÄ n ?f b hinton und oben
wartsstrecken und i d l t ' < T 8 Bein ^, Und bei “ Vor-
werden. Es ist deutlich zu beoha^t^ " 10 '} w,| lkürlich erzeugt
erat sich stark hervorhebt Si’ ' V .‘ e , der grosse Trochanter
braache des Leidens ist ein» ai d wieder zurückgleitet. Als
randes, resp. des limbus cartilamno Spren8Un ? des hintercn Pfannen-
'V ,ai anfdSiFed?be"h»fr'? ehen - Pati «nt war „ftmlich
schweren Steinen vom Boden rÄS 8 * gew f e °- «-‘inen Korb mit
heftigen Schmerz in der' rechten^ hÄ C lüu d ba,te dabei einen
weitere Beschwerden zu haben ° hne aber zunächst
äwmsä S-*-
to * SSÄ'ff'
Miysicalisch-medicinische Gesellschaft zu Würzburg
(Original bericht.) 3
Herr Hnff'TT/ V0UI 3 ' Jannar 1896.
?elanfener Coxitis JliiHf Ch hi® , V! ,ld,u,le dep ,,ach ab *
Hegenöhcr den frühu bl, * benen Deformitäten.
***** Methoden ist T l S 860,C,n bei . dcr <*** ««übten
m Vordergrund getreten D C °. ,,Senat,ve Tb <™pie derselben
UDSerc “ grossen Kliniken hat“^ T° An ” hl VOn Statistik c„
«•‘"ervative Behandlung t \ * ** TV“ 0 ’ tiasa ™ *»
dlC ?lcitI 'cn Verhältnis« anfw T “T d ‘ C Morta,ität ungefähr
ff 1 ia functioneller ßezfeh ^ X Kcsectiü "’ dass «e da-
f !. Crt ' Hs ergibt sich aus der,"'l? ? n ^ c,ucdc " bessere Kesultate
Jllc,l etwa 55,7 ]> roc Statistiken, dass von allen C'oxitis-
: dcn mit Eiterung cinheriT’ T" de " " icht eitrige, ‘ 76 Proe.,
^«•»servativen Behaut ?7 *" i,UP . 4, ’5 Proc - : Endresultate
Deu <schland aügemein ane’ d ' C gü,lstlgcr sind > a,s inan bisher
6 angenommen.
-- 87
trächtigung der Bowevlichkeif X l , Extremität, Beein-
falsche Stellung, ,,elenk “.
Zustandekommen derselben kann aber^v^^wr"'" Be,ne "' i,as
in allen Fällen das (Jelenk in der „n l . Cr ‘" ,eden werden, wenn
Stelhuig absolut fest fixirt,
behandlmig n'IILgebeml ti^dlnll"'r' Pie,, l “ UM f “ r di ° Voxiti *-
von denen die H e s s i „ g ' sehe , ^ 1 A " We " d “ n « ^rtativer Apparate,
»ind, kann den Patienten ‘ auch '''' l °^ n, ‘ üIac, | la PI iara l« die besten
Genuss frischer Luft ermöglicht Lden ® ' C " U " d ^ der
sicheren Erfolg verspricht gr,ff «""germassen
feto,*: -lisä **« di8 >—«
corrigirt, schwerere in ^hvXn^L^'' """
ä: ts. t: Sr
nicht genügend isf . a c-, LI1 Ule •'eckennxation
VertA I fotCr V r^ S “" g der (; « le,lk «udc„ treten die blutigen
ääää adr
ct f% .Sääk rs^
PfJ Cr ° Cga T S1 " d ’ ab ° r trot zdem zu Contracturstellungen und
Pfannenwanderuug geführt haben, lässt sich eine Modifi ati
desselben anwenden. Mittelst des 8 ch ei m pf I ug ' scheu Apparates
falschen^'st M '"rv .j" Kta,von durch Extension in der
falschen Stellung des Gliedes der Schcnkclkopf an der schiefen
ttlS! PW “ - ursprüngliches
hocJX dCU b , ,UtigCn Verfahreu W| rd eine atypische Re-
Gelenke h TI T" ., angCWC,ldct - "cm, noch Zeichen einer im
Geluiko bestehenden Eiterung vorhanden sind. Wird der Patient
nur durch d, e Verkürzung und die falsche Stellung belästigt, so
wird nur die Gorreetion der Deformität angestrebt werden die
durch die offene Durchschneidung der Wcichtheilc
erdmGsteotomie oder die Combination dieser beiden
Methoden erzielt wird.
Ti DlC . °zf 0nC Purchschneidung von Lorenz in die
I lierapie der Coxitis emgoführt wird allein nur selten zum Ziele führen
i* jedoch als präl imin äre Operation von grossem Vortheil, da
dann durch eie einfache lineare Osteotomie ganz nahe dem Scheitel
des winkelig ancylotisehen Gelenkes, am Sckenkelhals oder inner¬
halb der irochanteren, aucl, knöcherne Ancylosen corrigirt werden
ko„„c„ und dadurch die Keilosteotomic, die die schon bestehende
\ erkürzung nur noch vermehrt, vermieden werden -kann.
Die lineare Osteotomie, in der eben angegebenen Weise aus-
gerührt , vermag jedoch nur die Function des Beines zu verbessern,
mcht die \ erkürzung zu beheben. Dies gelang H. nun durch
Heranziehen einer zuerst von 0 liier in Lyon zur Behandlung
rachitischer Deformitäten dos Unter.scheukels geübten Methode,
die man als schiefe Osteotomie bezeichnet.
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s
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
In Deutschland benützte zuerst Schede diese Operation zur
Correction einer starken Verkürzung bei einem deform geheilten
Oberschenkelbruch; auch König hat die schiefe Osteotomie zur
Streckung von Kniegelenkancylosen empfohlen.
Am Hüftgelenke wurde die schiefe Osteotomie zuerst von
Hcnnequin und Terrier, sowie Broca in Anwendung ge¬
zogen. Iu Deutschland hat Länderer die Operation ausgeführt.
Von diesen Operateuren wurde die Osteotomie in der Weise geübt,
dass der Oberschenkel vom Trochanter major aus von oben aussen
nach innen unten durchtrennt wurde.
Vollständig unabhängig von den genannten Autoren
und ohne deren Arbeiten zu kennen — erst durch eine Discussion
nach seiner diesbezüglichen Mittheilung auf der Versammlung
deutscher Aerzte und Naturforscher in Lübeck wurde H. auf diese
Arbeiten aufmerksam gemacht — hat H. die schiefe Osteotomie
für die Hüftancylosen in Anwendung gezogen, nachdem er sie
zuerst in einem Falle von angeborener Luxation des Hüftgelenkes
eines erwachsenen Mädchens ausgeführt hatte, um eine Correctur
der Stellung und Verlängerung der Extremität zu erzielen. Es
bestand in diesem Falle starke Adduction und Innenrotation des
Oberschenkels und eine Verkürzung von G 1 /* cm. Die Durcli-
meisslung des Knochens mittelst des König' sehen breiten
Meisseis erfolgte dicht unter dem Troch. maj. von oben etwas
vorn, nach unten etwas hinten; hierauf kräftige manuelle Distraction
der Fragmente und Vereinigung derselben durch zwei Stahlnägel.
Nach 10 Wochen vermochte die Patientin umherzugehen und
war eine Correction von 2 */* cm erzielt worden, doch hatte das
Bein noch starke Neigung sich in Adductionsstellung zu begeben.
Die Schuld hiefür lag sicher in der Richtung des Schnittes und
änderte daher II. bei der nächsten Operation die Schnittrichtung,
indem er nun den Knochen in der Richtung von unten aussen
nach oben innen durchtrennte. H. machte die Operation bei
einem 15 jährigen Patienten, bei welchem nach einer ausgeheilten
Coxitis Ankyclose des Hüftgelenkes in leichter Beugung, starker
Adduction und Innenrotation, sowie eine Verkürzung von 4'/ 2 cm
bestand. Nach der Operation wurde ein Dauerextensionsverband
angelegt. Die Belastung betrug 18 kg. Nach 6 Wochen ging
Patient bereits umher, das operirte Bein stand in leichter Abduc-
tionsstellung und war relativ 1 cm länger als das gesunde.
Nach H. wird nun am zweckmässigsten die Ojieration so
ausgeführt, dass vorerst die subcutane oder offene Durchsclineidung
der gespannten Adductoren, der am Tuber ischii sich inserirenden
Muskeln und der von der Spina anter. herabziehenden Fascic und
Muskeln vollzogen wird. Hierauf Längsschnitt vom Troch. major
bis zur Grenze des oberen Drittels des Oberschenkels. Mit breitem
König 'sehen Meissei wird der Knochen vom unteren Pol der
Wunde aus gegen den Trochanter minor durchtrennt; die letzten
Lamellen des Knochens werden manuell durchbrochen. Nach Ver¬
sorgung der Wunde wird in der gewünschten Abductionsstcllung
ein Extensionsverband mit steigender Belastung angelegt. Nach
4—5 Wochen können die Patienten bereits mit einem G.vpsverband
umhergehen, nach 6 Wochen wird jeder Verband wcggelassen, um
energisch Massage und gymnastische Hebungen betreiben zu können.
H. hat die Operation bisher noch 5 mal ausgeführt und dabei
Verlängerung der Extremität um 5, 4, 4, 4 und 5 cm erreicht.
Die letzten Operationen betrafen Fälle einseitiger angeborener Hüft-
luxation älterer Patienten, bei denen sich durch die Operation
ausgezeichnete functionelle Resultate erreichen lassen. Ueber diese
Operationen wird an anderer Stelle berichtet werden.
v Herr Hoffa: Zur Behandlung der Distorsionen
der Fussgelenke. Der Vortrag wird als Originalarbeit in dieser
Wochenschrift erscheinen.
III. Sitzung vom 9. Januar 1896.
ß{f , I J e li rr K u a ! h £3 a Ü ner apricllt über die Entwicklung d
Giftzähne bei Schlangen. 6
IV. Sitzung vom 23. Januar 1896-
Herr Röntgen: Ueber eine neue Art von Strahle
stürmisch begrüsst von einem ausserordentlich zahlreich
Vortrag 1 ™ h ' e t ^ Pr0fes80r Röntgen seinen augekündigt
Die durch die Entladungen eines grossen Ruhm kor ff'sehen
Apparates erzeugten Lichterscheinungen werden, wenn an dem
Apparate' eine Ucberleitung mit einer verdünnte 1 Luft enthaltenden
Röhre angebracht ist, nur in dieser letzteren sichtbar werden, da
der Widerstand in dieser ein geringerer ist, als in der atlimo-
sphärischen Luft. Diese Verdünnung darf aber nur bis zu einem
gewissen Grade gehen, denn wenn dieselbe eine hochgradige ist,
so springen die Funken wieder zwischen den Electroden des
R u h in k o r f f über ; wird der Abstand der Electroden des
Ruhmkor ff vergrössert, so geht ein Theil des Stromes durch
die Vacuumröhre, ist der Abstand grösser als die Entfernung der
Electroden der Vacuumröhre beträgt, so geht der ganze Strom
nur durch diese. Diese Vacunmröhrcn sind nach ihrem Erfinder
als Hittorf’sche zu benennen, Orookes hat ihnen nur eine
gefällige Form gegeben, ln einer II ittorf'sehen Röhre ist beim
Durchleiten des Stromes eine sehr lebhafte Liehterscheinung in
der Kathode sichtbar. Die von dieser Stelle ausgehenden Strahlen,
die von Lenard und Hertz näher studirten Katbodenstrahlen,
zeichnen sich besonders durch zwei Eigenschaften aus: sie erzeugen
Fluorescenzerscheinungen und sind durch die Magnetnadel ablenkbar.
Beim Experimentiren mit den Kathodenstrahlen bemerkte nun
R t dass ein auf dem Tische liefindliches mit Bariumplatincyanür
bestrichenes Papierblüttehon bei jeder Entladung fluorescirte,
trotzdem die Hittorf’sche Röhre von einer schwarzen Oarton-
hülse eingeschlossen war. und konnte sich leicht überzeugen, dass
die Ursache der Fluorescenz vom Entladungsapparat und von
keiner anderen Stelle der Leitung ausging. Die Fluorescenz ist
noch in einer Entfernung von 2 m vom Apparat bemerkbar.
Für das durch die Cartonhülse hindurchdringende Agens
sind alle Körper durchlässig, jedoch in sehr verschiedenem Grade.
Die Fluorescenz war noch sichtbar hinter einem eingebundenen
Buch von ca. 1000 Seiten, hinter einem dopjielton Whistspiel;
dicke Holzblöckc, ein einfaches Staninolblatt bieten den Strahlen
kein Hinderniss. Metalle, je nach ihrer Dichte 1 , schwächen die
V irkung der Strahlen, so dass ein mehr oder weniger intensiver
Schatten entsteht; die Hand, zwischen den Apparat und den
1’luorescenzschirm gehalten, wird in ihren knöchernen Antheilen
als Schatten sichtbar.
R. bemühte sich nun, die Quellen für diese Lichterscheinungen
zu ergründen und fand, dass dieselbe von der Stelle der Glaswand
ausgehe, die von den Katbodenstrahlen getroffen wird und zwar
ist die Stelle der Wand des Entladungsapparates, die am stärksten
fluorescirt, als Hauptausgangspunkt der nach allen Richtungen sich
ausbreitenden neuen Strahlen, die R. X-Strahlen benennt, zu
betrachten. Lenkt man die Katliodcnstrahlen innerhalb des Ent-
ladungsapparatcs durch einen Magnet ab, so sicht man, dass auch
die X-Strahlen von einer anderen Stelle, d. h. wieder von dem
Endpunkte der Kathodenstrahlen, ausgehen.
Von besonderer Bedeutung ist die Thatsachc, dass photo¬
graphische Trockenplatten sich als empfindlich für die X-Strahlen
erwiesen haben. Dabei kommt die Eigenschaft der Strahlen, fast
ungehindert durch dünnere Holz-, Papier- und Stanniolschichten
hindurchgehen zu können, sehr zu statten; man kann die Auf¬
nahmen mit den in der Oassette oder in einer Papierumhüllung
eingeschlossenen photographischen Platten im beleuchteten Zimmer
machen.
R. demonstrirt nun eine Anzahl von Photographien von Gegen¬
ständen, die er mittelst der X-Strahlen gewonnen. Die Photo¬
graphien sind eigentlich nur photographische Aufnahmen der
Schattenrisse der verschiedenen, für die X - Strahlen mehr oder
weniger durchlässigen Objecte, die zwischen den Apparat und den
fluorescirenden Schirm oder die photographische Platte gebracht
wurden. So zeigte R. Photographien von den Schatten der Profile
einer Thüre, welche die Zimmer trennt, in welchen einerseits der
Entladungsapparat, andererseits die photographische Platte aufge¬
stellt waren; von den Schatten eines auf einer Holzspule versteckt
aufgewickelten Drahtes, eines in einem Kästchen eingeschlossenen
Gewichtssatzes, einer Bussole, bei welcher die Magnetnadel ganz
von Metall eingeschlossen ist, und endlich die Photographie einer
Hand. (Die Reproductiou dieser Photographie wird in nächster
Nummer erfolgen. Die Red.)
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28. Januar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
89
Zum Beweise, dass die X-Strahlen, nicht die Kathodenstrahlen
die wirksamen sind, machte R. folgenden Versuch. Er umgab die
Hittorf'sehe Röhre mit einem System von Bleiringen, bestehend
ans 4 wagrechten und 1 senkrechten. Schickte er nun eine Ent¬
ladung durch die Röhre und wurden hiebei die von den Ringen
entstehenden Schatten photographirt, so zeigte es sieh, dass der
oberste Ring als wagrechte, die folgenden als nach unten sehende
hyperbolische Streifen reproducirt wurden; es musste also die Licht¬
quelle gegen das obere Ende der Röhre hin liegen und nicht an
jener Stelle, wo die Kathodenstrahlen entstanden. Wurden die
Kathodenstrahlen durch den Magneten gegen die Mitte der Röhre
abgelenkt, so erschien der mittlere Ring als gerader Streifen, die
oberen waren nach oben, die unteren nach unten offene Curven.
R. demoDStrirt die betreffenden Photographien.
Pie X-Strahlen werden nicht gebrochen und eigentlich auch
nicht reflectirt ; die Körper verhalten sich den X-Strahlen gegenüber
ähnlich wie die trüben Medien dem Lichte gegenüber.
R. ist der Ansicht, dass wohl eine Art Verwandtschaft zwischen
den neuen Strahlen und den Lichtstrahlen zu bestehen scheine, worauf
die Schattenbildnng, die Fluoresccnz und die chemische Wirkung
(auf die photographische Platte) hin weise; er glaubt nun, dass diese
neuen Strahlen vielleicht durch die longitudinalen Schwingungen im
Aetber hervorgebracht werden, und will nun bestrebt sein, diese
Vermuthung durch weitere Forschungen zu begründen.
Zum Schlüsse bat Herr R. Herrn Geheimrath v. Kolli ker
vor dem Auditorium eine Photographie von dessen Hand aufnehmen
zu dürfen, welchem Ersuchen Herr Prof. Kolli ker gerne nach kam.
Prof. v. K öl 1 i k er hielt nun eine Ansprache an Prof. Rö n t ge n,
in welcher er ausführte, dass er in den 48 Jahren seiner Zuge¬
hörigkeit zu der physikalischen Gesellschaft noch keiner Sitzung
beigewohnt, in der so Grosses und Bedeutendes vorgetragen worden
sei, wie in dieser und schloss seine Ansprache mit einem dreifachen
Hoch auf den Entdecker, in welches das Auditorium begeistert
einstimmte.
Prof. v. Kolli ker machte hierauf noch den Vorschlag, die
X Strahlen in Zukunft Röntg e n 'sehe Strahlen zu nennen,
was von den Versammelten unter wiederholten Ovationen für
Röntgen acceptirt wurde.
Discussion: Prof. Kölliker frägt an, ob R glaube, dass
es mit derZeit möglich sein werde, auch andere Theile des mensch¬
lichen Körpers so zu photographiren, wie die Hand, und hiedurch
die Entdeckung auch in den Dienst der Anatomie und Chirurgie
zu stellen. Nach den Ausführungen R's. sei dies allerdings vor¬
läufig noch nicht möglich, da ja die Weiehtheile, Gefässe, Nerven
und Muskeln von annähernd gleicher Dichte seien und durch die
Strahlen nur die Schattenrisse der dichteren Medien, also hier der
Knochen, entworfen wurden.
Röntgen ist der Meinung, dass es möglich sein wird, auch
von grösseren Abschnitten des menschlichen Körpers Knoclienbilder
in bekommen, zu einer Fortsetzung der Versuche nach dieser
Richtung hin mangle ihm jedoch die Zeit, er sei jedoch ge'ne bereit
die diesbezüglichen Versuche, die von den Kliniken angestellt
würden, zu unterstützen. Hoffa.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 25- Januar 1896.
Maassnahmen zur Bekämpfung der Tuberculose. — Die
Röntgen-Strahlen im Dienste der Chirurgie. — Eine neue
Behandlung der angeborenen Hüftverrenkung.
Wenn man die Vorschläge liest, welche unser Stadtphysicus,
Rfgierungsrath I)r. Kämmerer, an den Magistrat zur Verhütung oder
Einschränkung der Tuberculose in Wien letzthin erstattete, so möchte
“an glaulien, der Hüter der Gesundheit unserer Bevölkerung habe
sch eigentlich vorgenommen, nicht blos alle hygienischen, sondern
alle socialen Schäden überhaupt zu beseitigen, mit einem Worte,
sogenannte sociale Frage für Wien zu lösen. In gründlicher
und erschöpfender Weise wird in diesem Gutachten dargetha»,
“it welchen Mitteln man dieser Volkskrankheit zu Leibe gehen
. nne - Mindestens 30 000 Personen sind es, welche sich in Wien
ln ^ en •‘Madien der Krankheit noch frei bewegen und daher über¬
allhin die Tuberkelbacillen mit ihren Sputas ausstreuen ; mehr als
6000 Menschen, circa ein Fünftel aller Todesfälle in Wien, sterben
jährlich an Tuberculose; durch Vcrdienstentgang und Krankheits¬
kosten gehen in Wien jährlich zwischen zwei bis drei Millionen
Gulden verloren. Es verlohnt sich also, dein Morbus Vienncnsis »
vollste Aufmerksamkeit zu schenken.
Als Maassregeln behufs directer Zerstörung der Ansteekungs-
keime, beziehungsweise behufs Verhinderung ihrer Verbreitung
schlägt unser Stadtphysicus vor: das stete Feuchthalten des Aus¬
wurfes nach Cor net (Aufstellung von Spucknäpfen und Anhaltung
dos Publikum unter Androhung empfindlicher Strafen
zur Benützung, in Spitälern, Versorgungs- und Siechenhäusern,
Schulen und Erziehungsanstalten, Kasernen, Arresten, Amts-
häusern, Hotels, Herbergen, Massenquartieren, Fabriken und
grossen Werkstätten). In Tramway- und Eisenbahnwaggons sollte,
der Fussboden mit solchen Stoffen belegt werden, welche ein
öfteres feuchtes Aufwischen derselben zulassen; dass eine solche
Reinigung nach jeder Tour vorgenommen werde, müsste
strengstens angeordnet werden. Dasselbe gilt von den Fussboden
in Gastwirthsehaften und von den Stiegenhäusern.
In den Spitälern und in der Privatpflege ist die separate
Behandlung der Tuberculösen möglichst anzustreben. Die Förder¬
ung der Errichtung von Sanatorien für Tuberculose, sowie die
Errichtung diesbezüglicher Unter Stützungsfonds für Reconvales-
centon muss als eine richtige und lohnende Aufgabe eines jeden
grösseren Gemeinwesens angesehen werden. In der Privatpflege
mögen die praktischen Aerzte mit helfen, dass Tuberculose möglichst
isolirt behandelt werden.
Nach Todesfällen durch Tuberculose (Wohnungswechsel solcher
Personen) soll die obligatorische Desinfcetion eingeführt
werden.
Eine zweite Categorie von Prohibitiv-Maassregeln bezieht sich
auf die Bekämpfung der Staubentwicklung innerhalb und ausser¬
halb des Hauses, wobei die oft beantragte Reform der Strassen-
pflasteruug und Strassenpfloge urgirt wird, ferner die gehörige
Strussenbespritzung im ganzen Gebiete der Stadt, die Reinigung
der Stiegen, der SchuUocalitäten etc., die Vermeidung der Staub¬
entwicklung in verschiedenen Gewerben, die Reinhaltung der
Atmosphäre von offensiven Beimengungen (Russ) u. dgl. in.
besprochen wird.
Als dritte Categorie von Maassregeln werden jene angeführt,
durch welche eine grössere Widerstandsfähigkeit des Organismus
unserer Bevölkerung gegen diese Seuche herbeigeführt werden
soll. Hielicr gehört: 1 . Die Förderung der Wohnung«-
hygiene (Verbot des allzufrühen Bewohnen« von Neubauten und
der l'eherfüllung der Wohnräume, Errichtung von sogenannten
Arbeiterwohnungen ,.durch ausreichende Unterstützung der reicheren
Klassen“); 2- Förderung der Volksernährung durch Ver-
wolilfeilung der nütliigsten Lebensmittel (Begünstigung der Zufuhr
von Schlachtthieren und Fleisch, Errichtung neuer Volksküchen
und Erweiterung der bereits bestehenden etc.); 3. Förderung von
Seehospizen und Reconvalescentenhäuseru u. dgl.; 4. aller auf
die Abhärtung der Jugend abzielcnden Einrichtungen; 5- die
Regelung des Aiumenwosens und Sicherstellung der ärztlichen
Oontrolc für jeden einzelnen Fall; 6 - die genaue Durchführung
der prophylactischen Vorkehrungen in Milchwirthschaften und bei
Fleischbeschau (Aus,Schliessung von Milch und Fleisch perlsüchtiger
Rinder rosp. Abkochung und Durchbratung derselben), endlich
7. strenge Beaufsichtigung des Lelirlingswesens (Nachweis der
physischen Befähigung hei der Aufnahme, Veberwachung der
Verwendung derselben , der Unterkunft und Verköstigung etc.
durch (iewerbe-Iiispeetoren).
Die praktischen Aerzte wären zu ersuchen, die möglichste
Separiruug der in Privatpflege befindlichen tuberculös erkrankten
Personen, sowie die Desinfcetion der Effecten und Lokalitäten nach
Todesfällen oder Wohnungswechsel zu veranlassen, auf die zweck¬
mässige und unschädliche Beseitigung des Auswurfes hinzuwirken,
die Berufswahl im Allgemeinen zu beeinflussen und von der Ehe-
sehliessung tuherculöser Individuen von ihrem Standpunkte aus,
wo dies ohne Uollision mit ihren sonstigen Bernfspfliehteu möglich
und thunlich ist, bis zur (’oiistatirung einer Heilung abzurathen.
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90
Münchener m kdihintsche woo henschrtft.
No. 4.
Wir fürchte.» sehr, dass viele dieser Vorsel.li.ge so nuul.eh
sich auch deren Durchführung erweisen würde, absolut kerne
praktischen Consequenzen haben, dass zuin -Nln.desten noch .nehre.e
Dezennien vergehen werden, ehe deren Zvveekd.enhehU.t « k hr
zum Gemeingute aller Denkenden (nicht bk» der . .m» a
räthe n. dgl.) geworden ist, dass man Seitens eines < oll i mm*
von Stadtverordneten, in welchem auch m.
Gevatter Schuster und Schneider das «>osse
obenerwähnten Massrcgcln durchführen werde. Das V ort otholera
erschreckt noch ein wenig und rüttelt die trüge Menge auf, che
Tuberculosc wird von ihr fast wie ein unabwendbares Geschick
ertrag^ ^ ^ 2 4. Januar stattgefundenen Sitzung der k. k. Gesell¬
schaft der Aerzte zeigte Prof. v. Mosetig- Moorhof zwei mittelst
der Röntge.» Strahlen hergestellte Photographien und wies darauf
hin, dass diese Bilder ihn in seinem chirurgischen Eingreifen
wesentlich gefördert hätten. Einmal war es eine Sehussvcv et/.ung
der Hand, wobei die mittelst der Kathodcnstral.lon angetert.gte
Photographie den Sitz des Projeetils durch eine kleine Erhabenheit
des Knochens verrieth, ein anderes Mal war es eine I iftorn.i .«
_ 6 Zehen an einem Busse - wobei die Photographie genau
zeigte, welche Zehe nur sehr wenig mit dem M.ttelfussknoeben
artieulirte und daher schadlos entfernt werden könnte. Gr spricht
sich schon jetzt dahin aus, dass man es hier nicht mit einer
;< chirurgischen Spielerei - zu tliun habe, dass diese Art der 1 Imto-
graphic der Chirurgie wohl noch grosse Dienste leisten werde.
Sodann hielt Prof. Dr. Adolf Lorenz seinen \ ..rtrag über
die unblutig-chirurgische Behandlung der angeborenen Hüftver¬
renkung mittelst der functioncllen Belastungsmethode.
Bei den operativen Einrenkungen, welche Lorenz bisher
in 200 Fällen vorgenommen hat, konnte der Vortragende die Be¬
dingungen und den zweckmässigen Modus einer Einrenkung aut
unblutigem Wege feststellen. Schon bei Kindern jenseits des
6. Lebensjahres scheiterten die Ropositionsversuche an der I n¬
möglichkeit, den Schenkelkopf auf unblutigem Wege genügend tief
herabzuholen. Innerhalb dieser Altersgrenze aber liegt nicht nur
die Herabholung, sondern auch die Einpflanzung des Schenkel¬
kopfes in die Pfannentaschc im Bereiche der sicheren Möglichkeit.
25 Mal hintereinander ist Lorenz die unblutig-chirurgische Re¬
position des luxirtcn Schenkelkopfes mit zweifelloser Sicherheit
gelungen. Die Lorenz sehe Methode stellt sieh folgende
Aufgaben:
1. Der Schenkelkopf wird in das Pfai.nennivcau herabgeholt.
(Roduetion.) Dies geschieht in Narkose des Patienten mittelst
manueller oder instrumeiiteller Schraubencxteiision.
2. Der Schenkelkopf wird in die rudimentäre Pfanne ein-
eingepflanzt. (Reposition.) Dies geschieht durch maximale Beugung
(behufs Entspannung der Vorderkapsel) und maximale Abduction
bei medialabwärts gerichtetem Antriebe des Scbenkelkopfes. Die
Einrenkung erfolgt- unter dem klassischen Phänomen des Ein¬
renkungsgeräusches und der Eiiireiikiiugsorsehütternng. Diese er¬
zwungene Einrenkung ist zunächst eilte labile und bat wegen des
Grössemnissvcrhältnisscs der Gelenkskörper nur bei mehr oder
weniger extremer Abduction Bestand.
3. Die' labile Depositum muss zu einer auch hei indifferenter
Streckstellung des Beines stabilen gemacht werden. Dies geschieht
durch die unmittelbare und mittelbare Erweiterung des Pfannen¬
lagers (Pfannenbildung)... Die unmittelbare Erweiterung der Pfannen¬
tasche wird durch Dehnung ihrer vorderen, fibrösen Wand (mittels
Ueberstreckung des Schenkels) bezweckt. Die mittlere Erweiterung
des Pfannenlagers geschieht auf dem Wege der Anpressung des
Scbenkelkopfes gegen dasselbe durch die Anspannung der ver¬
kürzten Weichtheilc, deren Elastizität durch die Herabliolung und
Reposition des Scbenkelkopfes geweckt wurde. Ferner durch den
dauerhaft erzwungenen Aufenthalt des Scbenkelkopfes in der ru¬
dimentären Pfanne, deren Waclisthumsriehtui.g hiedurch im Sinne
ihrer Ausgestaltung zu einem soliden, knöchernen Gehäuse be¬
stimmt wird; hauptsächlich aber dadurch, dass der sicher
repon irte Sehen kelkopf der Belastung mit dem Körper¬
gewichte unterworfen wird. Dies geschieht zunächst unter
Beibehaltung und Fixiruug jener geringsten Abductionshaltung,
bei welcher die Einrenkung noch stabil bleibt, später unter ctappen-
weiser Verminderung der Abduction, bis eine die Belastungsfunetion
dos Beines bequem ermöglichende Stellung desselben erreicht ist. Da
Je Ueberführnng .1er labilen in eine stabile Reposition, nicht nur ohne
wesentliche Unterbrechung der Funktion des Beines sondern
direkt unter der mächtigen Beihilfe der Be astung
desselben mit dem Körpergewichte erfolgt, hat Lorenz
seine Methode als .. f u .. etion e 11 e Bela stu.. gs methodo
bezeichnet. Dieselbe ist im Gegensätze zu alle» andern mechanischen
Methoden welche die Erfüllung ihrer lückenhaften Ind.eat.onen dem
Instinkte mehr oder weniger ...»zweckmässiger Apparate ».»vertrauen,
eine echt chirurgische, wenn auch unblutige, d. h. sie wird von.
Anfang bis zum Ende mit der Hand . mit dem vollkommensten
Instrumente durch geführt. Im diametralsten Gegensätze
zu allen anderen unblutigen Verfahre«, steht die
funetionclle Belast u „ gsmcthotlc von Lorenz inso-
fovnc als dieselbe die R um pf last, resp. die I'unetion
des Beines unter der Rumpflast in den Dienst ihres
II eil pl an es stellt und damit den mächtigste» \erbündetc„
in jenem Feind gewinnt, der von allen andern Methoden als der
gefährlichste Widersacher ihrer Bestrebungen unablässig bekämpft
wird. _ __
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Obstet rieal Society London.
Sitzung vom 1. Januar 1896
Der Einfluss des Stillens auf Menstruation und
Empfängnis.
Leonard Remfrv stellt als Resultat seiner
an eii em grossen Material folgende Sätze auf : Nur 57 Proc. flt' lender
Frauen'haben "absolute Amenorrhoe, von den Ob,*»» J"™
20 Proc. vollständig regelmässig. Concept.on hndet während cter
1 actation zwar nicht so prompt statt wie sonst, doch «ml der um
Ls des Stillens hierauf bedeutend , ü , be ™ ^ zt :.
\menorrhoe ist die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung b . i o,
sonst liO • 100- ie regelmässiger die Menstruation, desto grosser die
Conception. Bei nicht ȟllenden Frauen
stellen sich die Menses meist b Wochen post P*rturn .
Eden constatirte, dass keinerlei functionelle Bezieimng
zwischen den Mammae und dem Uterus beständen und dass die ge¬
dachte Verbindung nur in einer Reflexact,on, au «gelöst Ie S a tion
Hautnerve,i der Mammilla, besteht. Ovulation und Menstruation
sind getrennte Processe und die Bedeutung der
in der Vorbereitung der Uterinschle.mhaut zur Aufnahme J
Me. Cann bestätigt dieRemfry sehen Angaben. De« VVe,te
erwähnt er, dass prolongirte Lactation, besonders he, andauernd
starker Secretion, Superinvolution des Uterus und Stmlität l g t g
ferner dass die Secretion mit Eintritt der Conception oder der reg
Sa genMenstruation abnimmt und dass Conception innerhalb der
Lactafionsperiode meist erst nach dem achten ^nate Die
Ansicht, dass Nichtstillen eine Subinvolntion des Uterus beding
kann er nicht bestätigen.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Societe Medicale des Höpitaux.
Sitzung vom 10. Januar 1896.
Uebcr eine Serumtherapie der Blattern.
Es war natürlich, dass bald nach der Entstehung der ^rura^
Behandlungen damit auch Versuche gegen die Vanol
wurden; es wurde aber mit den schwachen Dosen ®* r “ ■' eben-
von geheilten Blatternkranken stammte, kein Resultat erzmlt
sowenig mit dem Serum von geimpften Menschen oder Th.eWD,
weil die betreffenden Forscher, Dr. Landmann in ijz c löre
M a c - E11 i o t in Amerika, mit zu geringen Dosen vorgingen. - c \
macht nun eine vorläufige Mittheilung über die Erfahrungen
er an 16 Blatternkranken durch die lnjection hoher Lg arom elt
Serum (>/.oo- '/wtel des Körpergewichts des Patienten) g
hat. Seine vorgängigen zahlreichen Experimente habe ^ Art
dass das Serum einer geimpften Färse, einem Thiere de- Thiere
in der Dosis von ‘/«»tel seines Gewichtes injicirt, b .
eine gewisse Immunität verleiht, so dass die n ? n ün fo J£ entär en
cutanen Einimpfungen des Blatterngiftes nur einen rud.menwre
und unschädlichen Ausbruch der Variola zulassen, «eite:re mg
die prophylaktischen und therapeutischen Eigenschaften de • ft
durch fortgesetzte Einimpfung einer gewichtigen ® “ { ^
zu erhöhen, hatten bis jetzt keinen Erfolg. An lb Blattern
wurde nun das solchermassen an Thieren geprüfte Serum a 8
um die für den einzelnen Fall nötbige Menge desselben ab«
zu können, musste man stets den vollen Ausbruch des - „
abwarten und nach der mehr oder minder grossen Zahl aer ^ y
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28- Januar 189 ■
MÜNCHENER M EDICTNTStn™
tionen die Prognose stellen. In leichten Fällen wo ,i;„ „„„ .
Heilung mit Sicherheit vorauszusehen war, ging ma „ „f. 1 P° ntai,e
Serum über; durch langsames, vorsichtiges Ansteigen kam l! » zum
auf einmal den Blattemkranken eine Menge Serum der var ^ni
Färse zu uijiciren, welche '/aotel ihres (der Kranken) Körnel*! " f* en
entspricht. Beim Erwachsenen wurde diese Dosis nicht
während bei kleinen Kindern dies ohne Müheu«i ei,te?»"“?"’
geschehen kann; so wurde einem 21 Tage alten gL® ® en,i '' 8
gebreiteter Erkrankung eine ‘/zotel seines Gewichtef entsprechende'
Serummenge mjicirt; es genas völlig, ohne allgemeine oder i« i
Folgen davonzutragen, während sein 3jähriges Brüderchen k ®
Injeetion der Krankheit erlag. Von den 1« Behon.leu/n ^ ohn „ e
wovon 2 besonders schwere Fälle; bei der geringen [ ag ?"„ 3 ’
will Bäclere noch kein definitives Urt&fTbS di !iLtl
dieses Serums abgeben, jedoch möchte er zu weiteren
anspomen, Serum einer geimpften Färse in hohen n7 ‘ en
Variola anzuwenden. Bedingung ist dass diese« gegCn
gesunden, speciell nicht tubercufösen Thieren entnommen 'i!t g “i" Z
eine tluerärztliche Untereuchung des frfaSL“hhSJEn ThiX 0
vor der Serumanwendung vorgenommeii nn.l .1««/ i c- 1 Tb,eres
völlig aseptischem Wege gewonnen wird. Serun * auf
XIV. Congress für innere Medicin.
1*96 vom 8. bis 11. April
Bäumler (Freiburg). D Präsidium übernimmt Herr
Folgende Themata sollen zur Verhandlung kommen-
Käst (Breslau) «eierenten. Herr Binz (Bonn) und Herr
Bmns (Tübingen) und Herr E wa 1 d (Berlin) Referente " ; Herr
floss des Karlsbader Wauen Ue . ber de " Ein-
Benedict (Wien)- Klinificiff L- f „ Magenfunction. — Herr
(Berlin): Ueber SklEtÄ ~ Herr E,,| enburg
Herr Einhorn (New-Yorki^ Fiwnp V. P e {' 1 P heren 'V erletzungen. —
sehen ronünuirlichen Magcnsafffluss über (| en chroni-
(Breslau); Grundzüge der Behandlnn' i f rr ( -' eor S Rosenfeld
Herr 0 Israel (Berlin)- tt!k! • g der barn8 auren Diathese. —
krankheit. - Hei M 0 ^ borst" bekannte ^ctions-
der Gicht; 2. De.uonstr» L,, - (Wlesbacien): L Zur Pathogenese
Stern .BresIau^S^ Präparate. - Herr
Periodische Änderungen der AthmSng “* und andere
ausserdem K«K<m __u <> . ..
Wochenschrift.
Dcmr
achtziger
■ b ‘l.re h nämSi5X l ^ 1 Ä S Ä m ° rdhilUfigkeit in die «
: dem Durchschnitt
401
416
384
Sachsen-Alten bürg
Reims jüngere Linie
bchwarzburg-Sondershausen
Hamburg
Sachsen ....
Brau lisch weig ’
Anhalt
Sachsen-Weimar
Sachsen-Meiningen
Oldenburg ....
Bremen .
Reuss alt. Linie .'
Schwarzburg-Rudolstadt ."
Meckl en bu rg-Strel itz
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Lübeck
Preussen
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Mecklenburg-Schwerin
Württemberg
Bayern . . ...
Lippe .... . ]
Schaumburg-Lipne
Waldeck .
Elsass-Lothringen
n - ,, , . — i Deutsches Reich
i“ r? de »
als bei den Weibern. (Innern ziemlich genau viermal
370
353
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331
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319
311
305
286
254
248
236
235
200
194
179
160
137
131
126
118
115
207
ssen der
so gross
Tagesgeschichtliche Notizen.
Generaldisciissioiw.iim' Etat des MiiTt™-^ kam « ele ? en tlich der
Medicinalratb D, Aubd “Äf^ÄS.h? ****** **
sei bedauerlich, dass die raassgohei.fWet n 1 ZU 8 ) irech en. Es
wie anderwärts bisher dem Wunsch nach freier77 W °m Pre,,8sen .
entgegentraten; er erinnere an dilSiilif ii^ 111 . 0 ^ hi " d ernd
Au^eri k . g aer Athmung.
/•Vjficht geteilt dieHeilii^Äke^ ^r! iChnUng dea Theums
Löffler (Greifswald) v Nonrd!.„ nr k A » ger er (München),
(Wiesbaden), WeinOTSÄf"“ 01 * * ^ Emil
Apparaten, Instrunmnten^Prä'paraten 6 Au88#ellunfl von neueren ärztlichen
Median von Interesse siud P Je?hm,«L u’ 80W , e,t sie für die ‘"nere
fl« ür den Ausstellern nicht bSe.Ä Besondere Gebühren werden
stellen und Wiedereinpacken sowX , H ’ n ‘ »“ d Ri “*f™lit. Auf-
md üblicher Weise Sache der Tr! etw \ nöth, S e Beaufsichtigung
0Dd AU8ku " ft b “ Herrn'Lfp/iSTr
(Hu f , ^ er schiedenes.
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1891
1892
1893
9 308
9 f.65
9 811
10 474
10 551
10 699
8 451
8 180
8410
8 884
9 285
9 043
Mit R • 8 202 | - »043
JE?Ä B *® ,,,,ah,nÄ der Bevölkerung in
'ö den Jahren 1889 und 18*fet° n8ta ? te Mebrun g de r Fälle,
Selbst!/ S eine Million i d V™ 8 geschwächt erscheint.
rd[JJe ^Wtau M !£lfeJ. , ;! 8 Ch e n Bevölkerung treffen
1882 - 197 I 1888 — 193
1883 = 223 i 1839 = 196
■884 — 211 ' '890 — 199
|885 = 216 J lh9 l = 210
{886 = 218 I 1892 = 210
-_=: 210 | 1893 = 211
'* in Deutschland. Bei-
*«vi iiioq in iif»r
üHer-5^ enk r en
«hesem Referenten abhüngt. Der W derstand^! g ' St i- at und y on
gegen die freie Arztwahl sei das g X dleser Ka sse
Schlimmeres, als wenn man es lemnlT?' em,Ich8te E 8 «ehe nichts
Arzt zu nehmen, £"JoTVviSS den
er bringt besondere materielle Opfer DerX^ Sehr , ncbtl 8 ! )> ausser
könne z. B. ihren Diensfhntpn Hausarzt einer Familie
behandeln, ausser es zahlt cHe^Herrsohpfr 11 ih ^ wünsc be, nicht
o<ler eventuell der Ar?t L A«nl7 T» L°.' der Dien8tbote selbst
Dienstboten hat und er ist nicht’ ziÄlS Ä. WenD ® ln , Arzt 8elbst
kann er sie nur behandeln wenn >.r n m g i K “? e,iarzt d es Bezirks,
bezahlt Das sei, menschlich gedarbt Ir, 6r ienst 8ote die Arznei
zu verstehen sei, war/m man 8 sehen« T uaai ? ge " ehm . dass nicht
Gerade die Geieinffinta^32CuS r “ dagegen «ei-
gehörigen und hier sei die freie AnShuJ b , dle ,? lei8 ten An-
kemer Kasse leiden die M,Scde7 !n .er T vordnngl.chsten. Bei
Arztwahl so wie bei dieser Sie dem Mangel der fr eien
23. ds. die fhr »**1«^««» wurden am
Bei Capitel 24 “^«‘»re.tat« benithen.
(Militärärzte) 2 728 'gefordert^'62537 M^meh" 2
vorigen Jahre. Die Mehrforderung wurde seiteü' r ^ ’ m
damit begründet, dass zur Hebung der Leistung!. !«!' Re « ,e . run g
dienstes durch VorbiHuu- und Srhi.l.mT il gdes En^ssamtäts-
die besonderen, in der Neuzeit wnü»„n- i g 168 8anität8 P er sonais für
Stetste: iiff Sr
300 Mann. Die französische Armee ca 23 000 ««nn r(- iz* 1 Booken
Bf}
äWßrnsmmi
öosondera 1 bMtelfen n in r der Z lIfitung e de8 n 8^^Ul^ l d^nste8^' en
ssÄiSÄ £ Äisch^ G r t
“Ä? deS Sitniti ltspersonals Die Fo,dcr„„g Je» Etate
I 1 ? P/eussischen Etat werden zur Unterhaltung einer
kofer'sHftUrT'fr fÜr ^ ^raeindliche Max von Petten-
m Hamburg unter ehrenvoUer
im im vorigen Monate eine Prämie
50 00()7™T?T! ei | l 7 g f d8S i 1 be rt o Lcvi-Preises im Betrage von
die°Sri«ü Prof - Behring und Prof. Roux-PariTdurch
die Pariser Academie des Sciences gewinnt für uns Deutsche dadurch
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MÜNCH EN KR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT-_
an Bedeutung, dass in dem von Bouchard darüber erstatteten
Bericht ausdrücklich die Entdeckung Prof Behring allem zu¬
geschrieben und in den anerkennendsten Ausdrücken seine Ver¬
dienste um die Lösung der Diphtherie-Frage anerkannt werden.
— Graf Henckel-Donnersmarck auf Neudeck hat dem
Professor Dr. Wagner, Leiter der Krankenhäuser zu kömgs-
hütte O.-S., die Summe von 30000 Mark zur Errichtung einer
Heilanstalt für Lungenkranke überwiesen.
_ Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 2 Jahreswoche, vom 5.-11. Januar 1806, die grösste Sterblichkeit
Dortmund mit 36,1, die geringste Sterblichkeit Plauen mit 7,4= Todes-
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Masern lu Brandenburg und Lübek; an Diph¬
therie und Croup in Halle, Kaiserslautern, Königshütte, Spandau.
_ p ro f Dr. R. v. Jak sch-Prag macht in der Deutschen medi-
cinischen Wochenschrift einen beachtenswerthen Vorschlag zum
einheitlichen Vorgehen bei Herstellung der Sonderabdrücke,
indem er dazu auffordert, jedem Sonderabdrucke auf der ersten
Seite den Namen der Fachschrift, Nummer und Pagina des betreffen¬
den Bandes und Jahreszahl deutlich aufzuführen, was das Auf¬
suchen derselben behufs Citirung wesentlich erleichtert.
(Universitäts-Nachrichten) Leipsig. Dr. G. Riehl aus
Wien, bisher dort Docent und Primarius am Wiedener Krankenhaus,
wurde auf die neu begründete Klinik und Professur für Hautkrank¬
heiten und Syphilis berufen und hat den Ruf bereits angenommen
Die stationäre Klinik zu etwa 150 Betten wird im Jacobsspital
neben den beiden anderen Kliniken und in Verbindung mit einer
grossen Poliklinik eingerichtet werden. (.Die von Wiener Blättern
ausgehende Meldung von der Berufung des Professors J arisch in
Graz war irrthümlich; es haben mit diesem keinerlei Verhandlungen
stattgefunden) — München. Am 25. Januar habilitirte sich für
Augenheilkunde Dr. Otto v. Sicherer, Assistent der ophtlialmo
logischen Klinik, mit einer Probevorlesung: «Ueber die Ursachen
der sympathischen Augenentzündung». Die Habilitationsschrift führt
den Titel: «Vergleichende Untersuchungen über verschiedene mit
Leucocytose verbundene therapeutische Eingriffe bei dem Staphylo-
coccengeschwür der Hornhaut.»
Bern. Dr. Leon Aster habilitirte sich als Privatdocent der
Physiologie. — Warschau. Der a. o. Professor der Chirurgie Dr.
W. Maximow wurde zum ord. Professor ernannt. Der Privat¬
docent Dr. Wassiliew wurde zum a. o. Professor der Chirurgie
ernannt.
Personalnachrichten.
Bayern.
Ernennung. Seitens des Generalstabsarztes der Armee wurde
der einjährig-freiwillige Arzt Dr. Bruno Krug vom 1. Chev-Rgt. zum
Unterarzt im 12. Inf.-Rgt. ernannt und mit Wahrnehmung einer
offenen AssiBtenzarztetelle beauftragt.
Niederlassung. Adolf Losch, approb. 1882, in Bayreuth.
Verzogen. Heinrich Bo pp, pract. Arzt, von Bischberg nach
Bamberg. — Dr. Rudolf Schmidt, appr. 1888, von Schwabhausen
bei Landsberg nach München.
IKIorbiditätsstatistikd. Infectionskrankheitenfür München.
in der 3. Jahreswoche vom 12. bis 18. Januar 1896.
Betheil. Aerzte 400 - Brechdurchfall 8 (8*), Diphtherie, Croup
50 (56), Erysipelas 25(15), Intermittens. Neuralgia mterm 2 (2),
Kindbettfieber 6 (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 169 1 (211),
Ophthahno-Blennorrhoea neonat 10 (7), Parotitis epidemica 16 (18),
Pneumonia crouposa 25 (26), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 49 (28), Ruhr (dysenteria) -- (—), Scarlatina 37 (32),
Tussis convulsiva 19 (19), Typhus abdominalis 4 (1), Varicellen 2b (28),
Variola, Variolois — (—). Summa 446 (453). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 3. Jahreswoche vom 12. bis 18. Januar 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursnchen: Masern 15 (14*), Scharlach — (1), Diphtherie
und Croup 8 (9), Rothlauf 1 (2), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) l (-), Brechdurchfall — (-), Unterleibstyphus -
(1), Keuchhusten 5 (-), Croupöse Lungenentzündung 6 (6), Tuber-
culose a) der Lungen 30 (21), b) der übrigen Organe 1 (7), Acuter
Gelenkrheumatismus 1 (1), andere übertragbare Krankheiten 2 (3),
Unglücksfälle 3(1), Selbstmord 2 (—), Tod durch fremde Hand —(1).
Die Gesamintzahl der Sterbefälle 199 (203), Verhältmsszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 25,5 (26,0), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 18,2 (17,6), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 15,5 (14,3).
Berichtigung. In vor. Nummer ist auf S. 63, Sp. 2, Z. 33
von oben zu lesen. Leutert statt Leuters; ferner ebenda 8p. 2,
Z. 81 von unten Rinne statt Reme.
*1 Die eingeklaminerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: November 1 ) und December
Regierungs¬
bezirke
Städte über
30,000 Ein¬
wohner
Oberbayern
Niederbay.
Pfalz
Oberpfalz
Oberfrank.
Mittelfrk.
Unterfrank
Schwaben
Summe
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1 132 168
- 49 46
- 15 9
9 10
61 4891 4841 4401 42711671 82
- - 161 139 50 48 9 6 188 148 - -
- - - 1 16 12 - -
Bevölkerungsziffern -. Oberbayern 1,103.160, Nlcüerbayern 664,798. Plalz i28,339, onerpiaiz o.w,*>4, UDeriranaen O'S.szu, «meunuuieu ,,
Schwaben 668.316. - Augsburg 75,629, Bamberg 35,815, Fürth 43,206, Kaiserslautern 37,047, LudwlgBhafen 33,216, München 349,024, Nürnberg 142,690, Eegensbarg so« .
Würzburg 61,039.
1) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung No. 1 (1896) eingelaufener Nachträge.
2i Im Monat November einschliesslich der Nachträge 1493. 3) 45.-48., bozw. 49.-62. Jahreswoche. /i..„.„nV,nn«en
Einsendungen fehlen aus den Aemtern Rosenbelm, Dlngolflng, Eggen fehlen, Griesbach, Kötzting, Landshut, Neunburg v. W., Dinkelsbühl, ounze '
Neustadt a. A., Mindelheim und Sonthofen. . _ __ n .~„th 68
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen 8tädtcn) werden gemeldet aus folgenden Aemtern bezw. Orten: Diphtherie, Croup: Bez.-Aemver Day««
(hievon 44 ln der Stadt), Obernburg 39, Nördlingen 38, Zweibrücken 33, Wunsledel 32 Fälle j leichte Epidemie ln Karlstadt, häufiges Auftreten ln 2 Gemeinden aes • •
Ascbnffenburg, lokale Epidemie ln 2 Gemeinden des Bcz.-A. Hersbruck. — Intermittens, Neuralgia Intermittens: ftrztl. Bezirk Teisendorf (Lauten) » . ,7
— Morbilli: Bez.-A .Pirmasens 126 Fällo. Nachlassen der Epidemie ln Rodalben, in zwei anderen Gemeinden neu aufgetreten. Fortdauer der Epidemie im
Hilpoltsteln und li der Stadt Aschaffenburg, desgleichen In Uuterstelnach (--tadtsteinach) und Umgebung; epidemisches Auftreten ln Hussfnrt, viele fcrtranjnjn«
Zell (Münchberg), meist ohne Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe. — Parotitis epidemica: Epidemisches Auftreten in Solnhofen (Welssenburg), gutartige jsp
in Scnwabach und Roth. — Tussis convulsiva: Epidemie ln Laulngen (Dilll 1 gen), meist ohne Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung. — Typnus aou *
nalis: Bez.-Amt Karlstadt 6, Gde. Muosterhausen (Krumbach) 4 Fälle. — Influenza: Stadt Augsburg 65, Bez.-Aemter Ansbach 20, Fürth 14, 8tadt Landsberg io
ärztlich behandelt, ausserdem vereinzelte Fälle besonders aus verschiedenen Bezirken Obcrbayerns.
PV Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zn erhalten, welche sic m
Bedarfsfälle unter Angabe der'Zahl der sich betheillgenden Aerzte an das K. Statistische Bureau wenden wollen. „r.nrht.
Im Interesse der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 20.) und regel mäsa) ge Einsendung dringendst ers
Zur Herstellung einer Gesammtüberslcht für dos Jahr 1895 und deien baldinögllchster Veröffentlichung wäre ungesäumte Mitthellung allenfal lstger c
träge aus früheren Monaten Behr erwünscht.
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck der E. Mühlthaler’schen k. Hof-Buchdrnckerel ln München.
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I
Wo Münchener Mcdlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens',; 1 /..—3 Bogen
Treis vierteljährlich 6 M, praenumerando zahlbar
Einzelne Nummer 6Ü 4 .
' Einzelne Nummer ei) 4 . MÜNCHENFil? OttoftnSaf® Für Hedsction
_ mann, Undwehrstr 70 - Fü? n?° nt , an 3 F ^
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(KRUIIER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UNO PRAKTISCHE ÄRZTE.
El. Biimler, 0. Bollinger, H, Cirscluianu, C. Gerhardt w 1 Hpin.J a 'u
* .. "‘- "L-JT- - \S£* \LS* B. i, Zlemssen,
M 5. 4. Februar 1896
Hedacteuf: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag. J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
Originalien.
Ueber „Witterungsneurosen“.
Von L. Löwenfeld (München).
Es ist eine bekannte Thatsachc, dass bei einer Reihe von
Jc i *"■"■■■
ÄtÄÄESXÄiC
bei den versehilnen^ J cu » a 7 \ u,,,,der häufig, zeigt siel,
myelitis („an, S der Zn, ■ Meningo-
verschiedenenta ^ multipler Neuritis >
tüngen ein -**■ Herderkran,
asthenie in erster Linie 7., eurosen i«t hier die Neur-
Kunden eineZi wuJ ^Neurasthenischen
derselben “ nd nicht wenige
fühlen JC , ^7 bt C ,ge r Chaf 7 Ülrer N <™' ^
ach zeigt, bere“s an'dü;; , "7 Wölkche " an. Himmel
bleiernen Schwere der GliZ '77 Druckt ; im K opfe und der
*» Hysterischen und Sl; 7 " ahendc «bitter. Auch bei
kranken *) macht sich eine F.wT T™ Zahlreichen Geistes-
hältnisse auf das Nerv™ * der atu| osphürischcn Ver-
■4 die AbtalÄS D,inder ; -an hat
Einflüssen nachzuweisen verend*" T uiet * ro l°gi«ehen
•«vielen nervösen und na 1 ’ ® ekannt ist ferner, wie sehr
Je Gemathsstimmung die ArST' minderwertl ' i g e " Menschen
* ** und de/JahresreH^schwankt nd ***■“*“ »*
odt” ate^ Z 2^ h ^ de {; es sich zumeist um Krank-
auftretenden ode^t ihr ’ weIche neb <-
»übile Symptome bedingen ,i 7 I " te " 8Ität schwankenden auch
—p—■ g ’ und bei Leiden, welche lediglich
125 d “ 9 (di e S Äung 8 d2r e Anfftll^ P K Ie - P ‘j qae8 Paris 1890 ’ s - 3I2 )
ES«* ß ic6tre durch Lan7? ? 7 den E P il eptischen seiner
bfSKS V® 9 im Mittel 15 Anfall der Monate Mai bis
Uomb” WClter evgab fÜr den Ta * bei ™higem, 23,8
KuSiVa J.h 1Mn k bui *ÄH?,*?», d * ut8cbe Gebersetzung von
?eirt n re hindnrc h fortwsetzi?R ,te K -u. EineBeihe in -einer
derSÜ“ uater den EffiÄ M B T eo ^ htn 1 n 8 en hat mich ver-
^udefTft Zu8tond 68 u « d der Würme
2 io äo , Beweis dafür ist ™f k , en 81 eh regelmässig ver-
t'iDtm di»"? i 2 ,° C zei e te . namentlich* 0 ^ d r' s T1| crinnmcter über
Tagen ofi der Tobsüchtigen von m! ?l? e jP er,w * P lötzlich
*«on es etito denen d ® 8 Barometer hm?« f °u 8tleg> wäl, rend in
K.:t ldb d ”
Ti <****> »—*.
Pich a« S »ohlio7»licl. L.1 ’
hältnisen durch Besch u gewiHsen Witterungsver-
Zeit dagegen kein crle T e od U VePrIth : in der üb -«en
transitorische Störungen ® r nu T g eringf ügige und
ich als Witt« ^ n Diese Affectionen die
Stelle gefunden Man sucht' Ab f cnBU ! lg ' J a überhaupt keine
“7 t^n krankh r 31 eL^tvxti r '
Es wl l ! ° Ch ZU sprcchen ko — en werden.
rrSTTi b f ngte “ Besc , hwerden recbt bedeutend, so
, de . Kranken eine schwere Belästigung, unter Um
standen auch eine Berufsstörung bilden. In der Beschaffenheit
Symptome darf man daher den Grund für die bisherige Ver
addässigung der betreffenden Zustände nicht suchen, derselbe
natlloSl v T Diancherlei Zufälligkeiten, welche die neuro-
Nachdem tn ^7 7'* 7 *" 0der je “ e Richtun « lenkca -
j . riedreich 1881 der erste und von mir 1888
er zweite Fall von Paramyoclonus (Myoclonie) veröffentheht
worden war drängten siel, alsbald in den Journalen die Mit
leilungen über diese Affection, und heutzutage besitzen wir eine
Leiden Öbersehende Literatur über Myoclonie. Dieses
7l ' , aber s / S, 7 r SC , °" V ° r . 1881 vor g ekomn >en und beob-
T ? r . en ' -* J ' Ilfc den Witterungsneurosen wird es nach
MyodonS eUgUDg ^ ^ ^ Verhalten aIs mit den
Was nun die Symptomatologie der in Frage stehenden Neu¬
rosen betrifft, so haben wir es nach meinen Wahrnehmungen
wesentlich mit 2 Gruppen von Störungen zu thun : Sensiblen
Tfeizcrscheinungen, Schmerzen und Parästhesien, und Zuständen
motorischer Schwäche. Wir wollen zunächst uns mit ersterer
unippe beschäftigen. Die Schmerzen, welche hier in Betracht
kommen, zeigen in ihrer Localisation, Ausbreitung, Intensität und
Dauer grosse Unterschiede. In einer Reihe von Fällen beschränken
s.ch dieselben gewöhnlich auf gewisse Körperteile, so namentlich
, d ! e “ nteren oder ober e" Extremitäten. In anderen Fällen
wechseln dieselben beständig ihren Sitz, ohne dabei irgend eine
Ki rpcrjiartie vom Kopie bis zu den Zehen ganz zu verschonen.
Zumeist sind die Schmerzen von ausgesprochen lancinirendem
J'V*°**" 7m Iat d . ie von Bernb » r <lt zuerst beschriebene,
von Roth als <parästhetische Meralgie» bezeiebnete Affection des
-N. cutaneue femoms externus ein den Myoclonien ähnliches Schicksal
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Münchener medicinische wochenschriet :
No. 5.
94 __
Sticht es einige Sekunden m emer Risse in den
Vorderarmen 8 , 6 die in'die Finger ausstrahlen,
W tngl e en^fo"gXr ^Die einzelnen Schnmrzanwandlungcn
«HIIÜ'HS
!ES^^
Schmerzen erreichen dieselben mitunter eine Intensität, da..
Algien der Tabetischen in nicht, nael,geben
un d die Patienten in das Bett bannen. Dieser unleidliche
kann sich über mehrere Tage erstrecken, wahrend allerding,
der Mehrzahl der Fälle erheblichere Beschwerden nur einen 1.J-,
mitunter auch nur einige Stunden bestehen.
Hieher gehören viele, ja wahrscheinlich die Mehrzahl der
Fälle von sogenanntem Gliederrcissen bei alteren Leuten. ...
Reissen tritt hier ausschliesslich bei Witterungsveränderungen und
^z unabhängig von Erkältungen und Durchnässungen auf.
Zumeist stellt sich dasselbe schon in der dem
gehenden Zeit, namentlich bei Eintritt von Hege».nni* »neefa
oder Thauwetter nach längerem Froste ein In der Zwischenzeit
mangeln derartige Beschwerden völlig. Die Schmerzen beschränken
sich hiebei keineswegs auf bestimmte Muskelgruppen , sind auch
nicht an die Bewegung der Tlicilc oder eine gewisse Lagerung
derselben gebunden ; sie strahlen oft in die Finger und Zehen
bis zu deren Enden aus (als wollten sic da hinausfahreni , nac .
Angabe der Patienten). Man hat dieses Reissen in Deutschland
ärztlicherseits bisher, soweit man demselben überhaupt Beachtung
schenkte, in den grossen Topf der Rheumatismen geworfen, wöbe
man sich der Laienauffassung anschloss, welche jede Art von
Gliederreisson (so insbesondere häufig die tabetischen Schmerzen)
als « Rheumatismus» betrachtet. Allein weder das was wir von
der Aetiologie dieser Beschwerden wissen, noch die Locahsation
und Art derselben berechtigen uns, hier einen chronischen Muskcl-
rheumatismus — dieser allein könnte hier in Betracht kommen -
anzunehmen. 4 )
Ungleich seltener als Schmerzen finden sich Parästhesien:
Gefühle von Schwere, auffälliger Müdigkeit, Steifigkeit oder auch
Taubsein in den Gliedern (sehr selten auch Gürtelgefühle). Diese
Sensationen treten als Begleiterscheinungen sowohl der erwähnten
Schmerzen als der ebenfalls selten verkommenden motorischen
Störungen auf. Von solchen konnte ich bisher nur bchwaclie-
zustände in den Armen beobachten, die allerdings erheblich genug
sein können, um die Beschäftigung zu behindern.
Die Beobachtungen, welche ich hier folgen lasse, mögen in
Kürze die Haupttypen dei Affection, soweit mir solche bisher
bekannt geworden sind, illustriren.
Beobachtung I. Erblich nicht belastete Frau, Mitte der 40 er
Jahre, kinderlos, leidet seit fast 20 Jahren ausschliesslich bei
Witterunesveränderungen an reissenden und bohrenden Schmerzen
in den Beinen und dem Gesässe, welche die Patientin nöthigen,
das Bett zu hüten, und zeitweilig dieselbe durch ihre furchtbare
Intensität geradezu zur Verzweiflung bringen. Die Anfälle währen
häufig mehrere Tage und stellen sich zu jeder Jahreszeit, aber nicht
bei jedem Witterungswechsel, sondern zumeist nur bei erheblichen
Umschlägen nach längerem stabilen Verhalten des Wetters ein.
In der Zwischenzeit ausser Migräne keine nervöse Störung; auch
objectiv negativer Befund. Die Affection trat nach einer schweren
fieberhaften Allgemeinerkrankung (wahrscheinlich Typhus) auf und
entwickelte sich im Laufe mehrerer Jahre zu ihrer jetzigen Gestaltung.
Mehrfache frühere Curversuche ohne jeden Erfolg. Das Leiden
wurde vorübergehend durch elektrische Behandlung, nachhaltiger
durch wiederholten Gebirgsaufenthalt und Gebrauch von Soolbädern
gebessert.
*) ln England und Frankreich hat man die fraglichen Schmerzen
vielfach auf eine herpetische oder gichtische Diathese zurückgeführt.
. , . ,T vmn in den 60 er Jahren, von ziemlicher
Beobachtung I Anzahl von Jahren bei erheblichen
Corpulenz le ‘ < J et , ®®' t insbesondere während der kalten Jahreszeit,
Witt ^Ä3 , n dÄen, die mitunter so heftig und
an reissenden Schmerz p icntin dflS Bet t hüten muss und der
Nachtruhe ttu* ^"ÄnÄÄ
und purulente
Pyelitis etc 40iälirizer Herr ohne erbliche Belastung;
eurÄSteluun
wandernde, dabei die oe e «Schmerzen Die Affection verlor
2Ä nach^twa* 1 3jlllirigera Bestünde vollständig. Autielegisel,
immer etwas ängstlicher l a ( ^ b . witterungsverftnder-
rnifuirter'auch be^gemüthlichen d J ; ti £fwa^ibges'ehen
seit 4 oder 5 Jahren nicht mehr der ’ E rknmkung
ausser der erblichen Belastung nichts
zu eruiren. V.iähriee Frau, wird seit etwa 1 •/* Jahren
bei Witternngsverftndenin^n^nantanRi^ 1
« Iä?«
Zei. " wÄeilSnn» noclt irgeL ein. sonstige Affection an
dem Arme vorhergängig. Dbjectiv 0. Jahren ohne erweis¬
liche
Sf?nÄI «Ä» «&, SÄ
hingen halten gewöhnlich an, so lange t v_ tte )e ssert;
und verschwinden sofort auch wiecter wenn bei Behr
Ü^^^ectimn ha^e^s^i^enJr(|lmrcn^eniTa^^^rrMCh^|au^e^l»^
BeSn^deT’Behandlung). die «chte Hand stärker
linke und die Nervcnstämme am recht ^. 0b u X der “ingeleiteten
empfindlich, welche Erscheinungen sich, unter de^ ^ Erfolg
jedoch nicht als dauernd erwiesen. „ intercurrente
l uter de.» angeführten Fällen weisen nur 2 mUttunn
Symptome auf. Bei dem Patienten der Beobachtung l\
sich während mehrerer Jahre ähnliche Schmerzen **
Wittcrungsverändernngcn mitunter bei gcmü hliehen Errcgi» g
ein. Das Bestehen einer abnormen emotionellen «cubark d
Nerven neben Witterungscinpfindlichkeit derselben habe_ ich< »uc
in anderen Fällen beobachtet. Man darf hieraus nicht folge j
in anderen Fällen Dcooaciuvt. ....... „hnnrmen
dass beide Erscheinungen immer auf derselben primären^ abnorm n
Erregbarkeit der Nerven beruhen lm angeführten Mio hatsch
die emotionelle Erregbarkeit schon seit längerer
während die Witten,ngsempfindlichke.t der Nerven noeh^ anh
In Beobachtung VI wurde zeitweilig stärkere Lijcction der rech
Hand und geringe Druckempfindlichkeit der Nervena«^
Oberarme der gleichen Seite constatirt. Beiden p ic
liegen wahrscheinlich vasoparetische Zustände ™
Symptome der Witterungsneurose , welche der ch(J
Patient darbot, lassen sich auf Gcfüsskrauipf ( vah nJcht
Reizung) zurückführen. Es kann he, dieser Annahm
befremden, dass dem Reizungszustande der \ asomotorc p
und zeitweilig ein parctischcr Zustand folgte.
Die Witterungsneurosen treten sowohl lsohr v< u.
plication anderer nervöser Leiden auf. Am äu gs n babe
schäften sie sich mit neurasthenischen Zuständen,
schon anderen Ortes 5 ) auf das Vorkommen speciell eine
t>) Löwenfeld, Pathol. u. Therapie der Neurasthenie u. Hysten
1894, S. 144.
Digitized by
Googl
4 . Februar 1896-
der Witterungsneurose (der oben erwähnten flüchtigen, immerfort
den Sitz wechselnden Schmerzen) bei Ncurasthcnischen hingewiesen.
Hinsichtlich der Aetiologic der Witterungsneurosen haben
meine Beobachtungen Folgendes ergeben. Das Leiden befällt beide
Geschlechter; in den Fällen, welche ich bisher gesehen habe, war
jedoch das weibliche Geschlecht stärker vertreten als das männliche,
abgesehen von den Kinderjahren wird kein Lebensalter verschont.
In einer Anzahl von Fällen spielen hereditäre Momente ent¬
schieden eine Rolle. Es kann sich hiebei um directe Vererbung
der Disposition zu der Affection handeln, in dem z. B. die
Tochter einer Mutter, welche an Gliederreissen hei Witterungs-
veränderungen litt, schon in jungen Jahren von Witterungs¬
einflüssen in ähnlicher Weise afficirt wird, oder die Witterungs¬
empfindlichkeit der Nerven tritt als Coniplication oder Thcil-
ersoheinung einer ererbten nervösen Disposition auf (v. Beob¬
achtung IV). Iu manchen Fällen scheint der Anstoss zu dem
Leiden von einer fieberhaften Allgemeinerkrankung (Infections-
krankheit) ausgegangen zu sein. Ob einer Diathcse (allgemeinen
Kmährungsanomalie) ein aetiologischcr Einfluss zuznsprechcn ist,
geht aus meinen Beobachtungen nicht mit Sicherheit hervor, doch
möchte ich wenigstens für eine gewisse ('lasse von Patienten die
Möglichkeit nicht in Abrede stellen, dass bei denselben ein solches
Moment im Spiele ist. Die mit Witterungsneurosen behafteten
Individuen jüngeren oder mittleren Lebensalters können ebensowohl
mager als wohlgenährt und fettleibig sein, während unter den
älteren Patienten sich allem Anschein nach vorwaltend wohl¬
beleibte Personen, die sich wenig Bewegung machen, finden. Bei
dom Zusammenhang von Gicht und Obesitas könnte man hieraus
auf eine arthritische Disposition schliessen; ich muss jedoch
bemerken, dass in den von mir beobachteten Fällen, welche ältere
Individuen betrafen, Gichtanfälle irgend welcher Art nicht bestanden
und nur bei einer Patientin Nierenconcremente vorhanden waren
(v. Beob. II).
Welche meterologischen Factoren specicll als auslösende Mo¬
mente bei den Witterungsneurosen wirksam sind, hierüber sind
wir noch sehr im Unklaren. Es ist gewissermassen eine Aus¬
nahme, wenn, wie es in Beobachtung VI zum Theil der Fall war,
extreme Temperaturen allein Störungen herbeiführen. Zumeist
iiu<?em einen solchen Einfluss nur Witterungsveränderungcn und
zwar die Uebergänge von günstigem zu ungünstigem Wetter, Regen,
Svhneefall, Stürme, viel seltener schon andauerndes ungünstiges
etter. Hiebei handelt es sich jedoch um die combinirte Ein¬
wirkung verschiedener meteorologischer Momente (des barometrischen
Druckes, der Bewegung, Temperatur, Feuchtigkeit und des Ozon-
echaltos der Luft, der atmosphärischen Eloktrieitüt und der Licht-
Intensität;, über deren Einfluss auf das Nervensystem noch sehr
wenig Genaueres bekannt ist. Dass plötzliche bedeutende Schwan k-
«neen des atmosphärischen Druckes hei den davon Betroffenen
nicht blus transitorische nervöse Störungen, sondern auch schwere
structurellc Läsionen in den (’entralorganen hervorrufen können,
lehren die Erfahrungen an den Caissonarbcitern , die, nachdem
sie unter einem Drucke von mehreren Atmosphären arbeiteten,
unvermittelt unter den normalen Luftdruck zurückkehren. Da-
Kgcu ermangeln wir noch der Aufklärung darüber, in welcher
'leise die relativ geringfügigen Schwankungen des Luftdruckes
an einem bestimmten Orte das Nervensystem beeinflussen und ob
dieselben für sich allein im Stande sind 6 ), nervöse Störungen
hervorzurufen. Unsere Unkenntniss in diesem Punkte erklärt sich
hh dem Umstande, dass die barometrischen Schwankungen immer
®it Veränderungen anderer meteorologischer Factoren verbunden
smd, welchen eine Einwirkung auf das Nervensystem nicht ab-
rosprechen ist. So ist der Grad der Luftfeuchtigkeit und ins-
sonders rasche und erhebliche Zunahme dieser für den Zustand
•, '! Q ber diesen Punkt vorliegenden Angaben sind durchaus
189-» ' So erwähnt B e a r d (PracticalTreatiseetc., Newyork
--^•92) in dem Trinkerasyl von Kings County sei durch die
die p ac .. In ^ en des Directore Mr. Willet festgestellt worden, dass i
und d ( * em sinken des Barometers sich verschlimmern
befällt Ve ™ m ? en nac h Stimulanzen sie mit besonderer Heftigkeit
dass ffen “ öderer barometrischer Druck besteht. Die Annahme,
ledis-lilh^ Liderungen in dem Befinden der Anstaltsinsassen
beitLr.uu re , ie Schwankungen des barometrischen Druckes her-
’ IUto t werden, wäre hier ganz ungerechtfertigt.
95
des Nervensystems jedenfalls von Belang. Jedermann weiss, dass
die Schwüle der Luft vor einem Gewitter im Sommer viel mehr
auf den Nerven lastet, als trockene Hitze und es lässt sich sehr
wohl denken, dass die Behinderung der Feuchtigkeitsabgabc durch
Haut und Lungen zu einer Retention von Flüssigkeit im Gefäss-
system und damit auch zu localen Gefässerweiterungen führt,
wodurch Schmerzen in gewissen Nerven gebieten ausgelöst werden
können , ähnlich wie durch die Fluxion nach den Beckenorganen
hei der Menstruation.
Es ist ferner mindestens sehr wahrscheinlich, dass Schwank¬
ungen in dem Verhalten der atmosphärischen Elektricität von Ein¬
fluss auf das Befinden vieler, specicll nervöser, Personen sind.
Nach den Beobachtungen, welche in Kew bei London und von
Wislicenus in Amerika gemacht wurden, ist die atmosphärische
Elektricität zumeist und zwar bei klarem Wetter sogar in der Regel
positiv. Das Vorkommen negativer Elektricität ist gewöhnlich mit
ungünstigem Wetter, Regen, Hagel, Sturm und Abkühlung, Schnee¬
gestöber etc. verknüpft. Board und Rockwell 7 ) äusserten die
Ansicht. dass der Sturm, insbesondere der Gewittersturm, die
Hauptur,sache des Auftretens negativer atmosphärischer Elektricität
bilde und von dieser die Exacerbationen rheumatischer und neu¬
ral,bischer Schmerzen und die Aendcruugen des Allgemeinbefindens,
welche bei vielen Personen bei Annäherung von Stürmen auftreten,
abhüngon. Sehliep (Baden-Baden), welcher längere Zeit Be¬
obachtungen über atmosphärische Elektricität und deren Einfluss
auf den Organismus anstellte, kam auf Grund dieser zu dem
Schlüsse, dass die negative elektrische Luft auf den Menschen
ungünstig wirkt, das vasomotorische Nervensystem erschlafft und
Leistungsunfähigkeit, Müdigkeit, Stockungen und Appetitvcrlust
herbeiführt . 8 1 Den Einfluss des Ozongehaltes der Luft auf Nerven¬
kranke hat inshesonders Eyselein 9 ) studirt. Dieser Beobachter
fand, dass bei plötzlichem und erheblichem Sinken des Ozon¬
gehaltes die Schwächezufitände des Nervensystems eine Steigerung
erfahren, sehr hoher Ozongehalt dagegen Reizzustände hervorruft
und bestehende vermehrt.
Wir ersehen aus dem Angeführten, dass verschiedene meteoro¬
logische Factoren zu Schädlichkeiten für das Nervensystem werden
können. Für die bei den Witterungsneurosen vorkommenden Be¬
schwerden dürften in erster Linie der Feuchtigkeitsgehalt der Luft
und das Verhalten der atmosphärischen Elektricität, zum Theil
vielleicht auch der Ozongehalt der Luft als veranlassende Momente
in Betracht zu ziehen sein.
Den Sitz der Affection werden wir, wenigstens für die im
Vorstehenden beschriebenen Formen der Witterungsneurose, im
Allgemeinen in die peripheren Abschnitte des Nervensystems,
allerdings mit Einschluss der spinalen Nervenwurzcln, verlegen
müssen. Der Mangel von Erscheinungen, welche auf eine Be¬
theiligung der Centralorgane bestimmt hinweisen, lässt vorerst eine
andere Auffassung nicht zu. Ich möchte jedoch die Möglichkeit
des Vorkommens central bedingter (oder mitbedingter) Formen
durchaus nicht in Abrede stellen. Bezüglich der Art der vor¬
liegenden nervösen Affection müssen wir uns auf die Vermuthung
beschränken, dass zwar nicht ausschliesslich, doch vorwaltend
sogenannte functionelle Alterationen im Spiele sein dürften. 10 )
Die Prognose der Witterungsneurosen ist bei Individuen in
jüngeren oder mittleren Jahren ohne spccielle hereditäre Anlage
nicht ungünstig. Ich habe Fälle gesehen, in welchen die Affection
nach mehreren Jahren anscheinend spontan sich wieder verlor;
auch erweist sich hier die Therapie nicht ganz einflusslos. Bei
ausgesprochener erblicher Belastung und bei fortgeschrittenem
7 ) Board u. Rockwell, Prakt. Abhandlung über die medic
u Chirurg. Verwerthung der Elektricität, deutsch von Väter, 1874
S. 71. *
8 ) v. Stein, Lehrbuch der allgem. Elektrisation, 3 Anflace
Halle 1886, S. 147 u. f. * * ^
•) 0. Eyselein, Tageblatt der 56. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte zu Magdeburg 1884.
,0 ) Zusatz während der Correctur: Ein vor Kurzem (Revue
Neurologique 30. Dec. 1895) von E. de Massary mitgetheilter Be¬
fund scheint mir für die Erklärung mancher Witterungsneurosen
speciell der nach Infectionskrankheiten auftretenden Fälle, von grosser
Bedeutung. M. fand, dass im Gefolge von Infectionskrankheiten
(Typhus, Tuberculose) an der Innenfläche der fibrösen Scheide
welche die spinalen Nervenwurzeln bis zum Spinalganglion umhüllt,’
1 *
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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96 ___-
Lebensalter des Patienten wird man dagegen kaum auf völlige
Beseitigung des Zustandes rechnen dürfen.
Dfc Diagnose erheischt in jenen Füllen entschieden Vorsich ,
in welchen die Schmerzen sich auf die Beine beschranken,
wissen dass sogenannte lancinirende oder rheumatoide Schmerzen zu
den constantcsten Initialsymptomen der Tabes zählen und mitunter
längere Zeit allen übrigen Tabessymptomen vorangehen. Diese
Schmerzen zeigen in ihrer Intensität und Dauer die grössten
Verschiedenheiten, und wenn dieselben, wie es öfters vorkommL
bei Witterungsveränderungen in heftigen und anhaltenden Attaquen
sich einstellen, dann können die intercurrent auftretenden Echteren
Anwandlungen sich der Beachtung des Patienten entziehen, so dass
dieser seine Schmerzen als lediglich von der Witterung abhängig
erachtet und bezeichnet. Man wird daher bei Individuen in jüngere...
oder mittlerem Lebensalter, namentlich bei solchen, bei welchen
specifische Infection vorherging. mit der Annahme einer \\ itterungs-
neurose, auch bei gänzlichem Mangel sonstiger Tabessyn.ptomc
zurückhalten müssen, wenn die in Frage stehenden Schmerzen ers
seit einigen Jahren bestehen. Handelt es sich dagegen um Indi¬
viduen, welche das 60- Lehensjahr überschritten haben, so stosst
die Diagnose einer Witterungsneurose entschieden weniger aut Be¬
denken, auch wenn die Schmerzen noch nicht seit langer Zeit
sich zeigen, weil die Entwicklung einer Tabes in höherem Lebens,
alter zu den Seltenheiten zählt, auf der anderen Seite das (.lieder-
reissen unter den Beschwerden alter Leute häufig figurirt.
Die Therapie hat ihr Augenmerk in erster Linie auf den
Allgemeinzustand des Nervensystems zu richten; die Erfahrung
zeigt, dass durch Kräftigung des Nervensystems auch dessen
Empfindlichkeit für Witterungseinflüsse herabgesetzt wird. Dies
gilt auch für die Fälle, in welchen die Beschwerden localisirt
auftreten. Hier mögen jedoch neben der allgemein roborirenden
Behandlung locale elektrische Einwirkungen (Galvanisation am
Rücken und der Nervenstämme) sowie Massage sich nützlich er¬
weisen. Bei den Witterungsschmerzen älterer Individuen wird man
sich auf die Anwendung sedativer Mittel bei den schlimmeren
Attaquen beschränken müssen.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT._
No. 5.
Der Processus vermiformis im Bruchsack.
Von Dr. Paul Sendkr , dirig. Arzt der chirurg. Abtheilung der
Kahlenberg Stiftung zu Magdeburg.!}
Am 14. November 1895, Morgens 9 Uhr wurde ich durch den
Hausarzt, Herrn Dr. Blick, zu dem fünf Wochon alten Knaben
Joachim D. eilig gerufen. Das bisher gesunde und muntere, übrigens
wohlentwickelte und kräftige Kind, an dem ausser einer Telangiektasie
des rechten Oberschenkels ein Nabelbruch von geringer Grösse und
eine Hypospadie leichten Grades sich vorfanden, war am Tage vor¬
her bereits unwohl gewesen. hatte schlechter als sonst getrunken
und keine Stnhlcntleerung gehabt. Der Zustand verschlimmerte sich
gegen Abend und über Nacht, es gingen keine Blähungen mehr ah,
am Morgen des 14. 11 trat mehrmals grünliches Erbrechen hinzu,
das Kind wurde sehr blass und collnbirte zusehends. — Warme
Bäder und hohe Einläufe waren ohne Erfolg geblieben. Während
vorher in der rechten Leistengegend eine Anomalie jedenfalls nie
bemerkt war, hatte sich eine leichte Schwellung derselben, sowie
der rechten Scrotalhälfto eingestellt.
Bei meiner Ankunft halte das Kind einen matten, verfallenen
Gesichtsausdruck und einen kleinen, sehr frequenten, kaum zu
zählenden Puls. Dabei bestand eine leichte Bronchitis. Die Nabel-
hernie war weich und leicht reponibel, der Bauch nicht resistent
eine Zellwucherung sich entwickelt, welche zur Bildung fibröser, die
Nervenbündel auseinander drängender Lamellen führt. Diese Läsionen
(die sich, nebenbei bemerkt, auch bei Tabelischen finden) beeinträch¬
tigten in den untersuchten Fällen, wie M. hervorhebt, die Vitalität
der sensitiven und motorischen Neurone in keiner Weise. Die
he: reffenden Kranken boten auch intra vitam kein Zeichen von
Tabes Es liegt nun sehr nahe, dass diese fibrösen, die Nerven¬
bündel einschnürenden Lamellen, welche keine permanenten Störungen
herbeiführen, doch sich Witterungseinflüssen gegenüber ähnlich wie
Narbengewebe in peripheren Theilen verhalten. Die gewaltige In¬
tensität der 8chmerzen in der ersten der oben mitgetheilten Be¬
obachtungen und deren Uebereinstimmung mit den Schmerzkrisen
Tabetischer scheint mir durch die Entdeckung Massary’s genügend
aufgehellt.
*) Nach einem Vortrag, gehalten in der Sitzung der medic.
Gesellschaft zu Magdeburg am 19. December 1^95.
und nicht aufgetrieben. In der rechten Ingmnalgegend verlief schräg
von aussen oben nach innen unten eine kleine, prall elastische,
wifrh wurstförmige Geschwulst, die entschieden schmerzhaft war.
Das Scrotum besonders in seiner rechten Hälfte ödematös geschwollen
Leichte Temperatursteigerung.
Nach dem Verlauf und dem Befunde konnte die Diagnose
auf Hernia inguinalis incarcerata dextra nicht zweifelhaft
sein Es wurde beschlossen, das Kind ungesäumt m die cmrurgische
Abtheilung der Kahlenberg-Stiftung überzuführen
Nach einem nochmaligen protrahirten wnrmen Bade wurde m
guter Aethernarkose ein vorsichtiger Repositionsversuch ohne Erfolg
gemacht und darauf sofort zur Operation geschritten
g Ein Schrägschnitt über die Höhe der kleinen Geschwulst legt
den Bruchsack frei, der bis an den sehr engen Bruchring isolirt und
dann eröffnet wird. Nach Abfluss des Bruchwassers zeigt sich als
wesentlichster Bruchinhalt der Processus vermiformis. Derselbe lag
in der Mitte geknickt, wie ein Riegel quer vor der Bruchpforte, war
nirgends mit der Umgebung verwachsen etwa 5 cm iang. von brau^
rother Farbe und stark aufgetrieben. Nachdem derselbe gestreckt
und etwas hervorgezogen war, sieht man an seiner Basis eine
tiefroth gefärbte Strangulationsfurche, hinter welcher eine kleine Partie
des Coecum erschien, das eine normale härbung.auf wies, nicht aut
getrieben überhaupt ohne alle Zeichen von Einklemmung, also
offenbar erst secundär in den Bruchcanal hineingezogen und an der
Incarceration gar nicht betheiligt war.
Der Wurmfortsatz besitzt ein wohl ausgebildetes, au der Basis
reichlich 1cm breites, nach der Spitze sich aUmähhg verschmäch-
tigendes Mesenteriolnm, welches gleichzeitig roth verftjjt «nd
der Länge nach von einem strotzend gefüllten Gefäss durchzogen
wird von dem einzelne feine Aestchen abgehen. Ais das Coecum
zu genauerer Orientirung über die Situation etw-as her '^? ez "f
wurde, stürzte noch eine ziemlich erhebliche Menge ascitischer
Flüssigkeit aus der Bauchhöhle hervor.
Nun wird der Wurmfortsatz an seiner Basis »gut uud abge
tragen, der Stumpf mit Serosa übernäht und in das Coecum einge-
stülpt, das letztere sodann nach ausgiebiger Spaltung d e ^ ruc "
pfortc reponirt. Der Bruchsack wird grös 8 te nthe i l8 ex8tirpirt. .le
Stumpf vernäht und versenkt, die Bruchpforte durch
Pfeilernath geschlossen. Schluss der Operationskode d.£ch Cafcut
nähte. Ganz aseptische Operation, nur über die Nahtlinie komint
zum Schutz gegen Urindurchnässung ein Jodoform c0 "°d' a '® c d^
Die Schleimhaut des aufgeschnittenen Appendix ist ödemates g
schwellt, zeigt sonst keine Besonderheiten ; der Inhalt .
etwas Schleim und einem minimalen, hellgelben, weichen K t
biöckelchen
Am Abend des Operationstnges ist bereits eine Blähung abge¬
gangen; Temperatur 38,7; viel Husten, Befinden sonst gut,
spontan. ^ Xemperatur 3 ^,3. Abgang weiterer Blähungen
Stuhl spontan. Das Kind nimmt Nahrung zu sich. Immer nou.
viel Husten, aber kräftiger Puls. Abends Temperatur 38 ,».
16. 11. Morgens Temperatur 37.6 Reichlicher gelber Stahl
Gesichtsausdruck viel munterer. Das Kind hustet weniger, n
reichlich Nahrung. Abends Temperatur 37,3. . . .
17. 11. Mosens 37,0, Abends 36,8. Befinden ausgezeichnet.
Die Temperatur bleibt nun normal, der Husten verseil« in ,
die Operationswunde heilt glatt durch prima intentio.
Bei der Entlassung am 21. 11, also genau eine Woche nacn
der Operation wird eine Gewichtszunahme von 310 g testgesi
Alle Funktionen sind in Ordnung.
Das Kind ist auch in der Folge gesund geblieben und geuei
vortrefflich.
Der vorstehend geschilderte Fall muss das Interesse nac
verschiedenen Richtungen erregen. Zunächst sind Inguinalhernien,
die den Processus vermiformis, resp. das Coecum eiithaten, el
Kindern überhaupt nicht häufig. Hilde brau d *) hat aus er
Literatur 20 Fälle gesammelt, von denen 2 am Foetus beobachtet
wurden. Dazu kommen noch 2 Fälle von Sonnenburg ) nn
der unsrige. , ,
Wie viele von diesen der Operation unterworfen un urc
dieselbe geheilt sind, geht aus dieser Zusammenstellung mch
hervor. Jedenfalls kenne ich keinen Fall, wo in einem so
Alter von 5 Wochen aus solcher Veranlassung die Hermotomio
nüthig geworden und mit bestem Erfolge durchgeführt ist. 1
Krankengeschichten, die mir zugänglich geworden sind, « tT ®
sämmtlich ältere Kinder. So hat Sonnenburg 4 ) einen 1 /* ] 1 •
und einen 2 jähr. Knaben durch die Operation geheilt.
2 ) Die Lageverhältnisse des Coecum und ihre Bezie’ung z ' ,r
Entstehung von äusseren Coecalbrüchcn. Deutsche Ae.
Cliir. XXXIII. Anhang:
3 ) Pathologie und Therapie der Perityphlitis. IV. .
Sarfert, der Proc. vermiformis im Bruchsack. Deutsche
f. Chir. XXXVIII
U Sarfert 1. c.
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4 . Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
97
v.
■fC:
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Lu:''
•: £'
II. I-
Was die Ausführung der letzteren betrifft, so finde ich in
vieleu Operatiousgesohichten erwähnt, dass der Bruchinhalt ein-
uchlimlich des Processus vermiformis reponirt wurde; in einigen
Fällen ist der üble Ausgang vielleicht gerade dadurch herbeigeführt.
Heute wird man das kaum noch thun , man wird vielmehr den
Appendix abtragen, selbst wenn er nicht in irgend einer Weise
pathologisch verändert sein sollte. Auch darüber herrscht wohl
heute keine Meinungsverschiedenheit, dass der Stumpf des Wurm¬
fortsatzes besonders versorgt werden muss, sei es, dass man eine
Serosamaoschette bildet, wie Mikulicz vorschlägt und wie auch
ich das bei starrwandigem Appendix stets zu thun pflege, sei es,
dass man den Stumpf in das Coecum einstülpt, oder einfach mit
ans der Nachbarschaft herangeholter Serosa übernäht.
Die Narkose mochte ich trotz des Alters von nur 5 Wochen
nicht entbehren, schon um die Anspannung der Bauchpresse durch
das Schreien, sowie das lästige Drängen und Pressen auszuschalten.
Ich wählte den Aether, weil die Herzthätigkeit eine sehr schwache
geworden war.
Ferner ist der Befund im Bruchsaok sehr geeignet, das
Interesse in fesseln. Zwei Fragen sind es ganz besonders bei
dieser Art von Brüchen, die einer befriedigenden Aufklärung noch
harren: wie geräth der Processus vermiformis in den Bruchsack
und wie sind die schweren Erscheinungen, welche durch die
Incxroeration eines für die Darmthätigkeit an sich so unwichtigen
Anhängsels ausgelöst werden, zu erklären?
Für die erste Frage erscheint solche Erklärung leicht in
jenen Fällen, wo Verwachsungen zwischen dem Wurmfortsatz, dem
Bruchsack und dem Hoden angetroffen werden. Sie scheinen die
Mehrzahl zu bilden, wenigstens habe ich nur 9 mal bemerkt gefunden,
dass freier Darm ohne Verwachsungen vorhanden war. Ohne uns
anf die Controverse über die Herkunft solcher Adhäsionen ein-
lulaasen, mögen sie nun einer fötalen Peritonitis oder anderen
Vorgängen ihre Entstehung verdanken, so erscheint es doch ein¬
leuchtend, dass durch eine von ihnen ausgehende Zugwirkung bei
offen gebliebenem Processus vaginalis eine Hernie leicht zu Stande
kommen kann. Bei diesen Formen ist aber niemals der Wurm¬
fortsatz allein, sondern stets in Gesellschaft anderer Danutheile
im Bruch angetroffen worden.
Freilich gehört auch hierzu noch mehr. Es müssen mindestens
das Coecum und Colon ascendens eine grössere Beweglichkeit be-
ätien, als sie diesem Darmabschnitt unter normalen Verhältnissen
bewohnt; es muss also entweder ausnahmsweise, wie das beobachtet
ist, ein aasgebildetes und breites Mesocoecum und Mesocolon vor¬
handen sein, oder es muss auf irgend eine Weise eine Dehnung
und Lockerung der Ligamente (Enteroptose) stattgefunden haben.
Dann aber kann die Beweglichkeit dieser Darmtheile so gross
werden, dass sie, wie durch eine Reihe von Beobachtungen sicher
Ketrtellt ist, selbst in einem linksseitigen Bruche erscheinen.&)
Alle diese Formen jedoch, so wichtig und lehrreich sie auch
»nst sind, stellen keine reinen Hernien als Processus vermiformis
w)r and können nur mittelbar zur Erklärung der Frage beitragen,
wie es möglich ist, dass der nicht verwachsene Wurmfortsatz allein
«r nur mit einem unbedeutenden Abschnitt des Coecum als
ruchinhalt auftritt und einer activen Einklemmung verfällt.
Die Entscheidung wird sehr erschwert durch die Seltenheit
orkommnisses an sich und durch den Umstand, dass in den
“waten Operationsgeschichten auf eine detaillirte Beschreibung
fundes, ganz besonders auf das Vorhandensein oder Fehlen
. esenteriolum des Appendix und auf die Beschaffenheit des
tcren zu wenig Rücksicht genommen ist. «Einen eingeklemmten
rotreffen», sagt Rose 6 ), «in dem nichts vorliegt, als der
iv, ^ lZ| °* uie durch den Hinzutritt von Brand in dem Ein-
® die Sachlage gestört zu werden, so glücklich bin ich
’ Jetrt erst einmal gewesen».
Er beobachtete eine 54 Jahre alte Frau mit rechtsseitigem,
«Wnnasgrossen, incarcerirten Schenkelbruch. Im Bruclisack
' emt nach Abfluss des Bruchwaasers in der Mündung ein
•arcrot ea Darmstück, welches kaum viel grösser schien, als
® r * )8e > aber fest eingeklemmt war. II. vernmthete
ij HiMebrand L c.
f. ChJ XXXV ®®°k»chtungen über den Bruchschnitt. D. Zeitschr.
No. 5.
einen Darmwaudbruch, das Gebilde entpuppte sich aber als Wurm¬
fortsatz , der in seiuen übrigen Theilen von blasser gogen das
eingeklemmte Stück sich scharf absetzender Farbe war. Die Ein¬
klemmung sass am äusseren zweiten Fünftel ; die Spitze und die
inneren drei Fünftel waren bleistiftdick und so blass wie gewöhn¬
lich ; in Form und Farbe gleichmässig; das eingeklemmte
vierte Fünftel dagegen nicht blos schwarzroth durch die
Einklemmung verfärbt, sondern auch gleichmässig derartig aufge¬
trieben, dass seine Mitte fast den doppelten Durchmesser hatte.
Der ganze Fortsatz hatte ein zartes, durchsichtiges Mesenteriolum,
an der Basis von der Breite eines kleinen Fingers, gleichmässig
auslaufeud bis zur Spitze, an der entgegengesetzten Seite von
einem prallroth gefüllten Blutgefässe umzogen. Nirgends Adhäsion
oder Spur früherer Entzündung.
Nun sind die durch die Einklemmung des Processus - vermi¬
formis verursachten Incarcerationserscheinungen ganz die gleichen,
wie bei anderen Darmstücken; theilweise sind sie sogar ausser¬
ordentlich schwer gewesen und haben in einzelnen Fällen trotz
der Operation rasch zum Tode geführt. Da der Wurmfortsatz
sonst für die Darmfunctionen ein so ausserordentlich unwichtiges
und entbehrliches Organ ist, gewiss auf den ersten Anblick eine
befremdende Erscheinung 1 Man hat deun auch vielfach nach
Erklärungen gesucht und verschiedene Theorien aufgestellt.
Für diejenigen Fälle, wo eine Abscedirung oder Nekrose des
Wurmfortsatzes gefunden worden ist, nehmen Sonnenburg und
Sarfert an, dass eine Appendicitis im Bruchsack Vorgelegen hat,
manchmal im Anschluss an vorhandene Kothsteine oder Fremd-
körjier (Nadel, Knochenstück). Sonst wird die Narkose aus dem
durch die Einklemmung gesetzten Circulationshinderniss erklärt,
das zu venöser Stauung und Austritt von Serum in den Bruch¬
sack führt. Das ist aber nur eine Erklärung für den Eintritt
der Nekrose des Appendix, aber noch nicht für deD schwerer
Incarcerationserschein ungen.
Für diese ist herangezogen worden eine secundär eintretende
Knickung oder Achsendrehung einer benachbarten Darmpartie, ein
Mechanismus, welcher durch einen in der Arbeit von Brieger 7 )
aus der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift citirten Fall ge¬
stützt wird. Hier fand sich bei der Scction eine halbe Achsen¬
drehung des Dünndarms und dadurch herbeigeführter Darm¬
verschluss.
Ferner ist die Behauptung aufgestellt worden, dass auch
durch Zug, den der Bruchinhalt am Darm ausüht, eine ähnliche
Wirkung hervorgebracht werden kann, was sicher für manche
Fälle zutrifft.
Viel bestritten ist dagegen die Ansicht von Klein, dass die
Einklemninngserseheinungen lediglich Symptome einer partiellen
Peritonitis seien. Das mag gelegentlich der Fall sein, kann aber
als eine erschöpfende Erklärung schon deshalb nicht angenommen
werden, weil eine Reihe acuter Einklemmungen, und zwar nicht
erst aus der neueren Literatur, bekannt ist, bei denen jede Spur
von Peritonitis gefehlt hat.
Man wird überhaupt mit einer einzigen, alle hier möglichen
Vorkommnisse umfassenden Erklärung nicht auskommen; meist
werden verschiedene Comjxmenten Zusammenwirken, um das Resul¬
tat zu ermöglichen. Oft ist gewiss die von mehreren Seiten ver¬
tretene Auffassung zutreffend, dass die Einkleniniuugserscheinungen
einfach die, möglicherweise auf nervösen Bahnen ausgelöste Folge
der Danuquetschuug sind. Auch Sarfert (1. c.) tritt dafür ein
und betont, dass nicht einmal der ganze Processus veriformis oin-
bezogen zu sein brauche, dass vielmehr die Einklemmung eines
Theils desselben schon genüge, um schwere Erscheinungen zu be¬
wirken. Er stützt sich auf den oben in kurzem Auszuge wieder¬
gegebenen Fall von Rose.
Dieser Autor macht die Möglichkeit der activen Einklemmung
des Appendix von dem Vorhandensein eines eigenen Mesenteriolum
desselben abhängig, da ein gekrösloser Prooessus vermiformis
wenn er sich neben anderen Darm theilen im Bruchsack vorfand
stets durch seine Blässe aufgefalleu sei und nicht einmal passive
YIV ^ Die Hernien des Processus vermiformis. Arch. t. klin. Chir.
aL", pag. bifif.
a ) 1 . c. pag. 62.
2
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Münchener me picinische Woc henschrift.-
No. 5.
ü----- ' , . . . , nf deui Gebiete der bösartigen Neubildungen gemacht
dauert, im in den Bgaohmbaoge,, Am r Punkt“ ;
M !n Stolle ich mir den Einklemmuugsmechan.smus so cor,
diesen Vorgang veranlassten Zngwirkung ist das Comun gtra
te?t gen^g naehgeW. - d» Appendi» mit „eumr Brno. gegen
den scharfen medialen Rand der engen äusseren Bruchpforte zu
pressen und dadurch wieder ist ganz direct an dieser .stelle eine,
durch die beschriebene scharf ausgeprägte htrangulationsfurcl.c
bewiesene Abklemmung herbeigeführt, die ihrerseits venöse Stauung
seröse Durchtränkuug, Schwellung und Verfärbung des O.gans
U s W. mit Nothwcndigkeit im Gefolge haben musste.
Da aber das bei der Operation hervorgezogene Coecun. nach
Form und Farbe sich in ganz normaler V erfassung befand und
keine Spur irgend welcher pathologischen Veränderung zeigte, so
1 4 11_111t* in .SO K lll L\. I
31ÄW.. Baad, W ' m Jahre 1866 gesehen, *
- M , v „„ — k “r»t~r SS
nrS Rundzellensareoni der Mtmd- Nasen- -
I, i I M,. ^„äter stellten sich noch mehr Mittheilungen über
2ÄÄ, insbesondere die von Brunn 1868
gemachte welche ein melanotisches Mammasarcom betraf. Neuer-
üZ haben insbesondere Co ley und ('zerny derartige »von
Spontanheilung sareomatöser Neubildungen durch Erysipel gesehen
Diese rein praktischen Erfahrungen nutzbar zu machen, hat
die experimentirende Therapie bisher 3 Wege emgescdilagen. Den
ersten betrat 1883 Fehleisen, der Entdecker des Eryapeh
erregers. indem er durch artetieielle Erzeugung eines wahren
Ervsipels die Natur in ihren Heilungsversuehen einfach cop rte
SeTne 7 Fälle - 4 Sarcomc, 3 Carcinome - zeigten sämmtheh
Besserung ein Sareoin wurde vollständig resorhirt^ Hervorzuheben
ist ' dass Feh leisen seihst die Gefährlichkeit dieser seiner In-
l’ettTnsmethode durchaus würdigte. Beweisend für diese
Gefährlichkeit wurden Fälle anderer Autoren, m denen das
& ourative* Erysipel zur unmittelbaren Todesuraache wimle
bei den Kranken von .la nicke 1884 und 1 -eil ehe. fei d 1888.
Immerhin waren die Erfolge derart, dass Bruns m seiner oben¬
erwähnten Arbeit die künstliche Erzeugung von Erysipel m ver
zweifelten Fällen inoperabler Tumoren, als letzten lleilungsversuch,
für berechtigt erklärt.
Die zweite Methode setzt an Steile der in ihren .olge»
S Spar irgend welcher ^„logischen Veränderung zeigt* , » Hie f “IV Tniet'tiTn die nach M1sa und Zeit ab
müssen die rin«-, ^2,,'"^'eine “gr^nzbare Int.zieatio». Las.ar behandelte 1891 --
müssen die seuweren .—o- -, ,
Zeit ein so bedrohliches Aussehen annahmen, lediglich als eim
Folge der Parmquetschung bezeichnet werden.
Nach dieser persönlichen Erfahrung stehe ich nicht an bis
ich durch anderweitige Beobachtungen eines Besseren belehrt
werde, der Auffassung Rose’s beizutreten, dass eine «reine»
Hernie des Processus vermiformis nur bei einem
vorhandenen Mesenteriolum möglich ist.
Der glückliche Erfolg in unserem Falle ist dem Gm Stande
zu verdanken, dass vom Hausarzte die Gefahr, in der das Kind
schwebte, und der Grund derselben sehr früh erkannt wurde, so
dass die ungesäumt angeschlossene Operation noch nicht zu spät
kam. Ein rasches, entschlossenes Handeln wird gerade in so frühem
Alter immer von grosser Wichtigkeit sein, denn die Kräfte eines
so jungen Kindes sind leicht erschöpft und seine V ulerstands-
fähigkeit ist bald gebrochen. , o ,.
Die glatte Primärheilung, die bereits nach 8 lagen du
Entlassung aus der Anstaltsbehandlung ermöglichte, bin ich geneigt,
dem rein aseptischen Verfahren, sowie dem Jodoformcollodiumschori,
der die Wunde vor Urindurchnässung schützte, zuzuschreilien.
Das anfänglich bestehende Fieber ist wahrscheinlich der begleitenden
Bronchitis auf die Rechnung zu setzen, denn es verschwand, nach-
dem diese abgeheilt war.
unabsehbaren inieetiun
grenz bare 1 n toxica tion. Eassar behandelte 1891 zum ersten
Male ein Eupuscarcino.n mit Bacteriensteffweehselproducten, welche
Filtration 8 er vcrmit.clat Hitze abge^teten Mg»
coecenreincultur gewann. Erfolge konnte er nicht notiren. 1892
„r„,.e Spronk mit einem von ihm im Inulin* Pasteur darf,
Filtration ans einer Misvhnns getödteter nnd ttoeh iehend«' - rf>t
coceen gewonnenen Fraparate bei 8 hareomen and 17 Ct.r™™e^
Er sah günstige Beeinflussung der Nu-comc, in einem Kdle soga
sehr hochirradiue, erkannte aber auch die geringe Dauerhaftigkeit
der Erfolge und das Ausbleiben der Wirkung '''^‘Gewöhnung
an .las Mittel. Ihre bedeutendste technische Ausbildung erfu
diese Int,, xicat ionsmethode durch die Arbeiten y«...Willm
Oolcv, der für seine Person noch einmal den ganzen Veg on
der Beobachtung der Spontanheilung eines «arcorns durch mte-
urrentes Erysipel über die Infect.onsmethodc zur Int^ a -
zurück legte. Er erkannte den Unterschied zwischen der V irkimg
eines sorgsam von Bacterienlcibern befreiten I« lUratos u«d -
ungleich kräftigeren, durch Erhitzen der Oultur hcrgestellten bte
lisates; er machte die Entdeckung Rogers von der Virulenz
steigernden Wirkung der Symbiose mit Bac. Prodigiosus a.1Fd»
Krvsipelcrreger seinen Zwecken dienstbar, er ga u ‘
einen localen Angriffspunkt, indem er seiner-Methode
mit lH.intiu.riu
.mus — -- ’ einen localen Angriffspunkt, indem er seiner .wum. -
ucu. diese abgeheilt war. , , , , Vorirmirc von Thier sch schon mit nundiirlu
Uebereinstimmend mit den Erfahrungen Sonnenburg s der nach dein M b 1-4000 — 1:1000, ver-
könuen auch wir mittheilen, dass die Ernährung des kleinen K«*» t.en Zahl seiner Be-
Patienten durch die nach der Operation eingetretene Regelung suchten paruicl y . _ > ^ ^ 38 garcoine> 1 9 Par¬
der Darmfunctionen auf das günstigste beemflussst ist. obachtu gc . c - ur ist i„ 9 SarcomfüUen
Eine präcisc Diagnose haben wir vor der Operation so wenig c.noine. Nach Amjendt ng • gowie völlige R ee idivfreihe.t
stellen können, wie dies Andere vermocht haben. Auch m Zukunft vollständige c > g g ’ Monaten. Kr tixirte endlich
wtd es wohl zu den Unmöglichkeiten gehören, eine Einklemmung während einer Beul*uEten^ wclche sich als
des Processus vermiformis mit Sicherheit zu erkennen, da die das Bild er 1 c e. verbunden, Uebelkeit und Er-
Symptome derselbe,, sieh mit denen anderer iaeareer.rter Hermen '^„.^Tia der Herl and Athen,thütigkeit prüeentire»
vollkommen decken. und „ t „ kes Soh wächeg,fühl nebst Abgeschlagenheit m-t “h
bringen, ja bei längerer Darreichung selbst zu ganz bede
Aus dem Karl-
- bringen, ja bei längerer warreicuuug -- o—
„ . . , chronischen Schwächezuständen führen können. Tntnvi-
Karl-Olga-Krankenhause zu Stuttgart, Chirurgische In Deutsc hiand gab die durch Coley ausgebildete lntox
Abtheilung von Professor Länderer. cationsmethode Friedrich in der Klinik von Th 1 erscsh n ^
zu einer längeren Versuchsreihe, die sich über 13 arci
4 Sarcomc erstreckte, ohne l>ositive Heilerfolge erzielen ^
Neue Gesichtspunkte gewann Friedrich allerdmgs n .
Arbeit ist aber für die Verbreitung der Methode m
von ausserordentlicher Bedeutung, einmal, wei er s ®'“® p u bHcation
gang in einer überaus gewissenhaften und ausführ ic t
»v»» j. --
Ueber die Bacteriotherapie der bösartigen Neu¬
bildungen und ihre Grundlagen.
Von Dr. Georg Glücksmann.
Du Gegensätze zu vielen anderen der jetzt so verbreiteten
bacteriologischeu Methoden in der Therapie haben die V ersuche,
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4 . Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
99
nieder/rele^t hat, andererseits durch die Anregung mich vielen
M'i ih& Säte« hi»- wefch« sein Vortrag auf dem letzten Chirurgencongress
fomsia;• ^ 1 ). Dort berichtete auch, — während Laue n s te i n ’s Versuch
* I#. erfolglos geblieben war—, Kocher über den auffallenden Rüek-
H. ( ,j ues mächtigen recidivirenden Beckensareonis unter der
Hirtlsa. (’ 0 |ev scheu Behandlung, einen allerdings nur temporären Erfolg,
•'» Uri-, j PD)1 Jj e betreffende Patientin ist in der Zwischenzeit bereits
tu Iwri. ( ,i neil | erneute« Recidive zum Opfer gefallen. Nicht verschwiegen
darf ei» schwerer Vorstoss gegen die gesammten bacterio-thera-
peatischen Heilerfolge bei malignen Tinneren werden, den am
r n ; f: . ((rte Ksuiareh unternahm, indem er behauptete, säuiint-
liehe durch Erysipel beeinflusste sareouiatöse Bildungen seien
ff •>’ i- syphilitische!! Ursprunges.
*- 'i': Gegenüber den wenig ermuthigeuden Resultaten Friedrich ’s
ffflhi eg rauz entschieden zu weiteren Versuchen mit der Coley’-
föv. .-£■ jjchen Methode anfeuern, wenn ein Mann von der Bedeutung und
fhrr Kritik Czerny ’s über einen ausgesprochenen Fall von Parotis-
liW-ty ^areoin berichtet, dessen Heilung er dieser Methode verdankt,
wo r.- Weitere Ftiuimen zu dieser Angelegenheit haben sich aus dem
in i- Vaterlande Uoley’s vernehmen lassen, so Roberts und de
lir i.’i Witt, und auf dem amerikanischen Aerztecongrosse in Baltimore,
3 c l f•. Senn und Kleen, welche sämmtlieh die Methode erfolglos an-
:t «v ge»andt liaben, während T i 11 y , Moore, K r e i d e r , R u m b o 1 d ,
Er.f. Johnson ebendort pasitive Erfolge mittheilten.
JA.... Seit einem Jahre nun versucht man, die bösartigen Ge-
.«chirflke noch von einer dritten Seite vermittelst des Erysipels
[ zu bekämpfen. Emmerich, der schon längere Zeit gegen Milzbrand
Kjrsipelcoecen und deren Derivate an wendet, versucht das steril
g r , entnommene Blutserum von Schafen, welche Erysipel durchgemacht
j.j,,, haben, zur Bekämpfung bösartiger Neubildungen parenchymatös
y zu iujicire». Ben Namen eines Krebsheilserums suchte er für
. , das von ihm proponirte Mittel in einer mit Scholl gemeinsam
. .. berausgegebeneu Arbeit durch die Krankengeschichten von 6 Car-
v , r rinom Fälle» zu begründen, von denen einer als unheilbar, ein
zweiter aus äusseren Grüuden entlassen werden mussten, während
ii die anderen 4 Heilung bezw. Besserung zeigten. Neben der
häutigeren Wirksamkeit soll der Vorzug dieses Mittels vor dem
Colev sehen ganz besonders in der Vermeidung aller stärkeren
Nebenwirkungen bestehen, da solche sich hierbei nur als Tem¬
pera! nrbewegungen leichtester Art, verbunden mit localer Schwel-
I! lang öfters auch sogenanntem aseptischen Erysipel, docuuientiren
»Uten. Eine sieh auschliesscndc Polemik mit Bruns, der bei
Experimenten mit dem Emmerich'sehen Mittel keine Erfolge,
'iagegen doch schwerere Nebenerscheinungen gesehen hatte, auch
über Verunreinigungen des Präparates klagte, brachte keine neuen
Gesichtspunkte, war aber auch nicht geeignet, das Vertrauen zu
dem neuen Mittel zu stärken. Ebensowenig die Mittheilung
breymuth 's, wonach das aseptische Erysipel gelegentlich auch ein
infectiöses sein könne; ein Widerspruch, dessen Lösung die Wirkung
des Emmerich'sehen Mittels durchaus nicht als reine Serum-
wirkang erscheinen Iiess. Ebensowenig die von Anger er, dass
“■ A. der Emmerich 'sehe Fall 1 inzwischen an Kachexie zu
'■ninde gegangen sei. Inzwischen experinieutirten nach Eni-
oierieli.«Methode noch Schüler, welcher dabei ein inoperables
■Mainmacarcinom zur Heilung kommen sah, und Klopfst ein in
der Klinik von May dl in Prag, welcher nur über Nebenwirkungen,
"idü über Heilungen Mittheilung macht. Auch wir haben im
harl-Olga-Krankcnhaus hier das E m m er i c h 'sehe Serum au-
ztwandt, allerdings nur an wenigen Fällen ; unser gänzlich negatives
k-nltat wiegt daher nicht zu schwer. Coley bediente sich
'Unfalls der Serummethode in 3 Fällen, ohne stichhaltige Resultate
za ^kommen. In eonsequentcr Ausbildung seines Gedankenganges
teilte er dann auch ein «Misehinfectionsserum» durch gleichzeitige
moipfuuif von .Streptococcus erysipelatis und Bacillus prodigiosns
ll ‘ r dl’Vf dessen Wirksamkeit er jedoch noch nichts Abschliessendes
jmtfheileii kann. Neuerdings maclite dann Emmerich mit
'"Jiniermann eine weitere Mittheiluug über 4 durch das Serum
beeinflusste Fälle. Das Bemerkenswertheste an dieser letzten
" dicatio" sind aber die Mittheilungen über eine neue Modification
’ r Methode. Besonders günstige Heilerfolge soll nämlich die
' ■eriuipfung lebender Erysipelcoccen nach vorheriger Seruni-
iaudlong geben. Vielleicht bedeutet diese Modification einen
praktischen Fortschritt, — indessen gibt Emmerich damit un¬
verkennbar das Originelle seiner Methode auf und kehrt einfach
zur alten Fehleisen'sehen Infectionsmethode zurück, indem er
nur (den sonstigen Mitteln und Maassnahmen, um dem erysipelatösen
Process einen bestimmten Weg vorzuschrciben >., ihn nur bis zu
einer bestimmten Grenze wachsen zu lassen, ein neues hinzufügt,
deu Versuch einer partiellen Immunisirung gegen Erysipel durch
ein Erysipelserum, getreu nach Behri n g scheu Principieu. Die
letzte dieser Publicationen endlich rührte von Scholl her, welcher
die im Priucip ja schon bekannte Herstellung des Emmerich
sehen Mittels in extenso darlegt und besonders den Gegensatz
zwischen dem noch coecen haltigen Ein Hier ich 'sehen Serum und
einem Beh ring'sehen Imiuunserum hervorhebt.
Nachdem so die Bacteriotherapie der bösartigen Neubildungen
kurz geschildert ist, mögen einige kurze Betrachtungen gestattet
sein über die Art und Weise, wie sich diese, — nochmals sei’s
betont, — auf rein empirischer Basis entstandenen Bestrebungen
unter die zur Zeit herrschenden allgemein-pathologischen Grund
anschauungen einordnen lassen. Histologische Enter suchungen,
welche vielleicht zur Orientirung dabei dienen können, wurden
bereits im Falle von Busch durch Rindfleisch angestellt.
Dabei fand sich im Wesentlichen eine Fettdegeneration der Ge-
schwulstelemente als Folge des Erysipels. Neisscr sah in dem
Falle von J a n i e k e massenhafte Erysipelcoccen in die Krebs¬
alveolen eingedrungen, die Zellen theils geschwunden, theils in
Coagulationsnekrose begriffen, Neelsen neben Zerfall und Fett-
degencration in den Alveolen Wucherung des interstitiellen Gewebes.
Friedrich wies namentlich vom klinischen Standpunkte aus auf
die Häufigkeit localer Circulation »Störungen der mannigfachsten
Form und verschiedensten Intensität in der Umgebung der In-
jectionstelle hin.
Anhangsweise sei dazu erwähnt, dass auch Fälle von Sarcom-
heilung nach nicht erysipelatösen, aber wie diese mit hohem Fieber
verbundenen Processen, zum Beispiel typhösen und septischen,
beobachtet sind, so besonders der von Plenio beschriebene.
Die histologischen Befunde constatiren im Wesentlichen das
Bestellen eines entzündlichen Processes im Gebiete des Tumors,
sowohl bei Spontanerysipel, als hei artefieiellem, als bei Behandlung
mit Krysipelderivaten; der Fall Plenio's und seine Analoga
zeigen eine Einwirkung des Fiebers als solchen. Danach wird
sich der Mechanismus der Erysipelwirkung auf bösartige Tumoren
am ungezwungensten vielleicht so darstellen, dass wir in der
natürlichen Beaction des Organismus, sowohl in der allgemeinen,
fieberhaften , wie ganz besonders in der localen, entzündlichen,
welche das Erysipel hervorruft, die in Bezug auf bösartige Neu¬
bildungen heilenden Factoren sehen. Allerdings hat nicht jede
Entzündung diese Wirkung auf bösartige Neubildungen, sondern
wir müssen sie als eine specifische Eigenschaft der
erysipelatösen Entzündung ansehen. Zur Erklärung
dieser Specifität reichen aber die geläufigen allgcmeinpathologischen
Grnmlan.schaumigen völlig aus. Denn die Entzündung ist ein
sehr zusammengesetzter pathologischer Vorgang, eine Uonibination
einer Beihe elementarer pathologischer Factoren, insbesonders der.
entzündlichen Störungen am Grundgewebe einerseits, am Circulations-
systeme andererseits. Jeder dieser Factoren kann quantitative
Verschiedenheiten aufweisen, und da es natürlich nur eine Folge
des entzündlichen Reizes sein kann, ob in einem eoncreten Falle
mehr die Störungen von Seiten des Circulationsapparates oder die
von Seiten des Gcwcbsparenchyius hervortreten, so wird jeder
Entzündungsreiz auch eine bestimmte, ihm eigenthüniliche Specifität
der Entzündung zur Folge haben. So besteht die therajieutische
Einwirkung des Tuberculiuuni Kocbii oder der von Länderer
eingeführten Zimmtsäure auf den tuberculösen Process in der Er¬
regung einer localen Entzündung, und zwar speciell in der
Steigerung der entzündlichen Störungen von Seiten
des Circulationsapparates, welche ja bei der tuberculösen
Entzündung gegenüber den localen Ernährungsstörungen in den
Hintergrund treten. Dem gegenüber besteht vielleicht die Sjiecifität
der erysipelatösen Entzündung in dem Ilervortreten der entzünd¬
lichen Ernährungsstörungen im Grundgewebe, in unserem Falle
also au den typischen Geschwulstelementeu.
—
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100
Münchener me dic« 180 ™ W ochenschrift.
No. 5.
klärungsweise sehe ' c ^ dre '« rle . weiteres wissenschaftliches
liehe Beobachtungen und emdgheht em sind)
Begehen der betretenen ***'£*£ * atur J d Aetiologie
mä: «£ü-i-i:
VerkLenmg, da» awei« ein enonnca
n sä £Sä —:
äv-ä^ä;
Rlutecfäss-Bindegewebsapparat vorfand, an den si
halten musste Die entzündliche Lockerung des inter-
stitfellen Gewebes und die pathologischen Lyinphstro.nungen diente
dann der recidivirenden Propagation.
Unsere Theorie macht sich also unabhängig von
jedem Zweckmässigkeitsprincip der Lntzündung^* J
a ie lässt im Gegeutheil auch die Erklärung für das
so häufig z. B im Kocher ’ sehen Falle beobachtete
floride Recidiv nach anfänglicher Besserung ur
blicken. Drittens endlich stellt unsere Theorie die locale Ein¬
wirkung in den Vordergrund und gibt damit die Erklärung für
die so häufig gemachte Beobachtung, dass sämmtliche entfernte
Metastasen ruhig weiter wachsen, während ein Tumor
erysipelatöser Entzündung hinwegschmilzt.
Im Rahmen der erörterten Anschauungen findet nun nicht
nur die Fehleisen'sehe Intoxicationsmcthode ihre befriedigen e
Erklärung, sondern auch jede andere Behandlung mit Erys.pel-
derivaten, wie sich aus den obigen Betrachtungen über SpecifatÄt
der Entzündung und überhaupt aus der ganzen an Weigert s
Namen geknüpften Theorie der aseptischen Entzündung ergibt.
Allerdings würden wir von ihr aus in dem Emmerich sehen
Verfahren nichts als eine unnöthige Verdünnung — m des W ortes
weitester Bedeutung — der Erysipeltoxine sehen können, so lauge
Emmerich seine Behauptung, dass die nach seiner Methode
ausgeschalteten giftigen Stoffe, die Ursachen der schädlichen Neben¬
wirkungen, wirklich von den durch sie vielleicht concentnrten
Heilstoffen principiell verschieden sind, unbewiesen lässt. Ein
solcher Beweis würde allerdings eine andere Auffassung seiner
Rache auch auf Grund der Entzündungs-Theorie ermöglichen.
Indessen liegt der Methode Emmerich's und seiner Schüler
thatsächlich eine andere Anschauung zu Grunde, wenn dieselbe
auch von Scholl in seiner letzten Publication nicht mehr unbedingt
aufrecht erhalten wurde. Emmerich legt seiner Auffassung
nämlich die Annahme eines directen Verhältnisses zwischen Erysipcl-
erreger und Tumorenerregern zu Grunde. Die Anfechtbarkeit dieses
Standpunktes ist bereite von Peter sen klargelegt worden, welcher
zeigte, dass dieses Emmerich'sche Postulat nicht nur unbewiesen,
ja vorerst nicht einmal beweisfähig sei, da ja ein Oarcinouierreger
in Emmerich’s Sinn gar nicht bekannt ist. Die nach Ribbert s
Renovation wieder aufgeblühte Cohnheim'sehe Geschwulsttheorie
leugnet ja die Existenz eines solchen principiell. Gegenüber diesem
schwachen Fundament des Emm er ich'sehen Verfahrens sei die
Universalität der Entzündungstheorie nochmals betont, deren Grund¬
lagen von allen Reflexionen über Natur und Aetiologie der Tumoren
unabhängig sind.
Ganz anders liegt allerdings die Sache bezüglich des neuesten
Emmerich’schen Vorschlages, nach einigen Serumgaben voll-
virulentes Erysipel überzuimpfen. Wie schon besprochen, fügt
sich diese Therapie quoad Tumorenbehandlung der Infections-
methode ein, kann also wie diese bequem unter die Entzündungs-
, • werden Quoad Erysipelabschwächung aber stellt
K.'SS— -* f"."? " ta
nnrtielle wie es dem Zwecke entspricht und
“ IZ denl ganzen Charakter des Erysipelserums im Gegen-
sich auch au - ergibt. Dieser Gedanke wird gewiss
Hat f t ZU hel ,n seTn erscheint auch recht einleuchtend, harrt aber
Äs »och des Beweises, bevor er der breiteren Praxis über-
gCben fsjach* 1 1)iscussion dieser Gesichtspunkte muss es .ledem selbst
. KlpiVipn die einzelnen bacteriotherapeutischen Methoden
lagen se st zu wird geg en das Zusammenwerfen der in
. i . als erschienen nur diese bacteno
SyÄÄ—-—
wis5 rr; c ^:»"r; r e r ^»..
Dank für Anregung «« diese, Arbeit und frenndheben Rath be,
Abfassung derselben.
Literatur.
1 Angerer, Münch- med. Woch 96, No 21.
i ^ D. Medio, woeb. 95,
cord 95, Jan. 19, April 27, Mai 1»-
7. Emm eJich! Münch 6 med.Woch. 94, No. 28 ff. D. med. Woch. 95,
8 v EBma 7 rc N h,' *• «*• «•
11. Friedrich, Verhandle d. D. Ge* f. Chir.
12. Freymuth, D. med. Woch. 95, No. 21.
18 Janicke, Cbl. f. Chir. 84, No. 25.
14. Klopfstein, Wiener klm. Rundschau 95, No. ,
15. Lassar, D. med. Woch. 91, No. 129.
16 Neelsen, Cbl. f Chir 84, S. 729.
17 . Peter sen, D. med Woch. 95, No. 20 No. .
18. Plenio, Arch f. klm. Chir 87,3. 698.
19. Roberts, Therap. Woch. 95. No. 36.
90 Tintrftr Rev. d. m6dic. 92, ^o. 1*- , ,
Schön, D med. Woch. 95 No 44 d Erom.nch,
22. Schüler, D. med Woch. 95,, No. 87
23. Spronk, Annales de 1 Inst. Part VI 1892.
24. Zimmer mann cf. Emmerich.
Ueber den Markfasergehalt der Hirnrinde. 1 )
Von Dr. Th. Käs.
Burdach’s Buch: «Von. Bau und Leben des
das 1819 erschienen war, steht, wie Edinger ) m ^ ^ us .
zu seinen 12 Vorlesungen sagt, so recht als Mar
gangspunkte der älteren Periode der Organe
schaft, die nicht über die allgemeine Formbeschreibung ^
des Centralnervensystems binausgekommen war. - -
der künstlichen Härtung, die wir Reil verdanken, konnte * ^
berg (1833) dartbun, dass das «Seelenorgan» auS ’ ak(183 8)
feinsten «Röhrchen» zusammengesetzt sei, während > demi
die Ganglienzellen näher beschrieb und Hannover ( macbu ,
Zusammenhang mit den Nervenfasern nach wies. \..f er tigung
Stilling den ersten Gefrierversuch, an den sich , ack
von Schnittserien anschloss, im Jahre 1858 cndlic wie.
1 ) Vortrag, gehalten in der biologischen Abtheilung des är
liehen Vereins Hamburg.
2 ) 1. c. S. 2.
PlinitiviaH h\/
i. Februar 1896■
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
101
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’fsrJafe.
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m ;• f:
KSBK-r
rSaSr*
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U-..
auf die Dnrehtränkung mit Oarmi» hin. 4 ) Wie sieh dann diese
relativ einfachen Methoden im Laufe der Bocennien verbesserten
und verfeinerten, welch’ ungeahnte Aufschlüsse wir insbesondere
über den histologischen Bau der Hirnrinde mit Hilfe der modernen
Tinctions- und [mprüguirungsinethodcii bekommen haben, das brauche
ieh kaum za erwähnen.
Wenn ieh die 4 Wege in Kürze streifen will, die der Anatom
der .Neuzeit, zur Erforschung des Baues der (irosshirnrinde ein-
xusclilageu hat, so muss ich zuerst die W eigert sehe Hucma-
toxvlimuetliode erwähnen, die die Färbung der Markscheiden der
.Nervenfasern ermöglichte und die in ihrer Vollendung die Krönung
des Stiliing sehen Verfahrens darstellt. N i ss 1 4 ) stellte sodann
durch sorgfältige Härtung und Nachbehandlung mit Anilinfarben
töniglieiizellenpräjiarate her, welche einen Einblick in das «Struetur-
bild der .Nervenzelle gewähren. Golgi und Bamon y Cajal
ferner beantworteten die wichtige Frage: Wie verhalten sieh die
.Nervenzellen im Centralorgan zu einander und wie entspringen
um! endigen die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark ?
Weigert schliesslich verspricht uns mit seiner Gliamethode
(richtige Aufschlüsse über das Verhalten der Zwischeusubstanz.
Indem ich nun zu meinem eigentlichen Thema, zur Betrachtung
des -MarkfascrgehaJtes der Hirnrinde übergehe, will ich vorerst
auf eiltwickluugsgeschiehtliebe Ausblicke in Bezug auf das Auf¬
treten von inarkhaltigen Nervenfasern im Wirbelthiergehirn ver¬
zichten, obgleich in seiner Arbeit: <Intorno alle fibre nervöse
intraenrfieali dei vertebratiBottazzi in Florenz mit Berück¬
sichtigung der umfangreichen Literatur ein hcaelitenswertlies Material
geliefert hat. Ieh will mich vielmehr auf die Mittlicilung dessen
beschränken, was bisher an der menseldiehen Hirnrinde gefunden
worden ist.
Wenn wir an einem frischen oder in Müller 'scher Flüssig¬
keit gehärteten Gehirne die Rinde auf einer senkrechten Durcli-
schnittsfläehe betrachten, so fimlcn wir sic scharf getheilt in die
graue lündensubstanz und in die weisse 31ark leiste. Letztere
'cli/ingt sich bogenförmig um die Windungsrinne herum und st ei et
keilförmig nach beiden Seiten zur Windungskuppe empor; auf
diesem Wege wird die .Markleiste von der grauen Rindensubstanz
nach aussen bandförmig umzogen. Dieses graue Band wird etwa
in der .Mitte von einem zarten weisseu Streifen durchzogen. den
vor etwa 100 Jahren Gennari und V i s q d’Azyr im Ilinter-
haupte entdeckten, den später Bai 11 arger auch in arideren
hegenden der Kinde in Spuren nachwies. Durch Abfaserung
konnte Mevncrt alsdann an der Grenze des Marklagers in den
Mindungsthälern ein bogenförmig verlaufendes Bündel isolireu, das
dcli gleichfalls an gehärteten Schnitten durch seine weisse Farbe
von der I.mgebiing abhebt, ich meine die * fibrae pmpriao <
Meynert s, .Mit der Lupe gelingt es allenfalls noch, eine
eioigeimssen reiche zonale Schicht als zarten weissen Randstreifen
tu erkennen. Das ist auch Alles, was an der Hirnrinde makro¬
skopisch zu sehen ist; gleichwohl lässt sieh aus diesen Befunden
der Satz eonstruiren : Der Markfaserreichthum eines Rimlenbezirkes
'locaiaentirt sich makroskopisch durch dessen weisse Farbe, die
bseniarmnth durch graue Farbe.
«Sehen wir nun zu, wie sich die allmähliche Markumhüllung
der .Nervenfasern in der Grosshirnrinde an nach Wolters 5 ) ge-
fjrhten Schnitten eines Kindergehirnes {l , /i Jahr) unter dem
Mikroskop verfolgen lässt.
9 ^'' nu "’ ,r die Rinde etwa eines 5—6 monatlichen Foetus
an gefärbten Schnitten betrachten, sehen wir eine gleich massig
»cissc Fläche. Allmählich dringt sodann von der Markmasse
'vntnim semiovalc) aus die Projoctionsausstrahlung gegen die
cripherie der Windung vor, während andererseits in den Win-
'"iiiKthälern die Meynert'schen fibrae propriae zwischen Rinde
a,l( Markweiss eine feste Grenze schaffen. Die Projection wächst
im in den ersten Lebensjahren nach Länge und Breite immer
.* uf< ’ r ‘ n _ ursprünglich (markfaser) leere Rinde hinein, so dass
| weniger Brcitcuzunahiiic der Rinde zu constatiren ist, die scliliess-
' lieh einem neuen Stillstand, wenn nicht Rückgang des Rinden-
waehsthunis Platz macht. Nach der Anlage der eigentlichen
Meynert'sehen Bogen fasern als Kern- und innerer Grenzpunkt
des grossen Associationsfascrsystcmes der Rinde dringen allmählich
weitere Fasern in paralleler Richtung mit den .Meynert sehen
und in unmittelbarem Anschluss an diese gegen die Peripherie zu
vor, erst einzeln, dann in grösserer Zahl, schliesslich schichten
sie sieb mehr und mehr und umkreisen die Projoctionsausstrahlung
innerhalb dieser als bandartiger Streifen. Wegen ihres innigen
Zusammenhanges mit den eigentlichen Meynert sehen Bogen-
fasern nannte ieh diese Schicht die äussere Meynert-’sehe
Association >. Noch bevor dieser Proecss vollendet ist, finden
sich am Rande der Projection, etwa in der Mitte der Rinde,
andere Fasern, zugleich treten dicht unter dem faserlosen Saume
neue Fasern auf. erstere. kurze, <(iior geschnittene Fäserchen ver¬
breitern sieh zum piusseren) B a i 1 large r' sehen , im Hinterhaupt.
Gen na r sehen Streifen, letztere zur zonalen Schiebt. Während
nun äussere .Mcy n er t sehe Association, Buillurgcr und zonale
«Schicht sich immer reicher und dichter mit Fasern belegen, treten
einerseits die Spuren eines zweiten iinneren) Baillarger auf.
während andererseits zarte Fasern in der 111. und II. Meynert'-
sehen Zellschicht, also zwischen Baillarger und zonaler Schiebt
auf treten und von innen nach aussen sich zu schichten beginnen.
Zu dieser primären Anlage luarkhalfigcr, senkrecht zur Pro
jeefion verlaufender Nervenfasern tritt das zweite System der in
'Gebrauch genommenen: Fasern. Die eigentlichen Mey nert’schen
Fasern erscheinen beim 1 1/4 jährigen Kinde durchweg kräftig ent¬
wickelt, dagegen findet man in der äusseren Association nur einzelne
Fasern merklich dicker und prägnanter als die andern vertretend,
meist in paralleler, aber auch in schräger Richtung; derartige
dickere Fasern finden sieh später in der III. und 11. Mey nert’selicu
Schicht, erst vereinzeln, dann zu einem Streifen organisirt. endlich
finden sieh solche dickere Fasern, auch im Baillarger und als
höchsten Ausdruck der Rimlenfaserneiiiwiekliiiig glcichmiD-riu fast
über die ganze Rinde vertheilt.
Die sucecssive primäre und seeundärc Schichtclihildting der
markhaltigeii Nervenfasern lässt sieh vom Kinde bis in ein höheres
Alter in den verschiedenen Rimlenpartieeu Schrift für Schritt ver¬
folgen ; bestehen doch selbst im reiferen Alter im Gehirn Bezirke
«.vordere Stirne, Insel«, die auf einer nur theilweisen Entwicklung
der .Markfaserung sieben geblieben sind, während in anderen Be¬
zirken ((’entralgegend, Hinterhaupt)
im Kindesalter ganz oder nahezu
Gesetz, dass, je mehr die seeumliire
Schichten in den Vordergrund tritt,
anlage verschwindet.
Redner erläutert das vorhin Ausgeführte durch eine schematische
Zeichnung an der Tafel und demonstrirt die allmähliche Faser¬
entwicklung in verschiedenen Altersstufen an einer grösseren Reihe
von mikroskopischen Zeichnungen. Schliesslich berührt er mit
einigen Worten den Nutzen und die Ziele der vergleichenden Unter¬
suchung der Markfasersysteme der Hirnrinde.
lereii
die primäre Faseranlage bereits
vollendet ist. Dabei gilt als
Ingebrauchnahme der einzelnen
desto mehr die primäre Fasern-
Zur Frage über die Einwirkung der Röntgen sehen
Strahlen auf Bacterien und ihre eventuelle thera¬
peutische Verwendbarkeit.
(Vorläufige Mittheilung.)
Von Dr. Fra tu Mincl:.
II.
ktzicn«
‘Ulf»
immer schmäler wird, bis von einer bestimmten Alters-
1 Jüuglingsjahren) von Neuem eine jmsitive Höhen-
siehe Edinger S. 2 u. 3.
) 1- c. S. 3.
5 ) Modificirte Weigert-Färbung.
No. 5,
Auf Anregung und unter Leitung des
Büchner stellte ich im Jahre 1802 eine
systematischer Untersuchungen über den Einfluss <h
Bacterien an. •) Die verschiedenen Baeterienarten
Pyoeyaueus etc.) wurden zunächst im Wasser
Beleuchtung durch diffuses Tageslicht wie auch durch direetes
Sunnenlicht exponirt: es stellte sieh eine stark desintieirende Kraft
jenen Bacterien heraus. Eine starke Aus-
Herrn Professors
grössere Reihe
des Lichtes auf
\Typhus, ('Indern,
suspendirt — der
des Lichtes gegenüber
*) cf - H - Büchner, Centralblatt für Bacteriologie IM vr
p.,782, Bd. XU p. 217, Archiv lür Hygiene, 1893 p 179
3
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Münchener medicmische W ochenschrift
No. 5-
u Tvnbus-Bacilleu in Fleisehpepton-Agar Ut«. — dcm
saat z. B. von Typhu. ... . bis j Stande exponirt —
dirccten Sonnen hellte 10 - Hoelistnml der Sonne
. wurden dieselben in einen Brutschrank von
1/, Stunde lang oxpon t — ^ 14atü|ldiponi Verweilen in demselben
40° 4 verbucht. „w,!.,*. keine mcrkenswerthe
in den einzelnen Monaten) — ‘ d ’7 d iffuse Tageslicht
cbcnsoweiiis eine aolelio, auf «t
während eines Zeitraumes ><>n u * tl ° . . . . au f Batterien so
gelang «ns, den schädlichen mit Typhus,
augenscheinlich nachzuweisc , Wplatte, welche dem
Cholera «1er Pyoeyaneu^BmUen -J-
Lichte exponirt wurde, nui .««klebten Buchstaben
wohin der Schotten der ant d.e (. ^^khU” ^
liinfiol. In ihrem Schatten tot dem J„„Jern
Lichtes geborgen, gingen die Bau u . k , db . Summe
kamen vielmehr zahllose vooimn ' d Buclistnlicn ent-
.r t -
“ txrsrs t r f =
Strahlen die unabhängig sind von der Durch sich tig
Min die im Stande sind, undurchsichtige Motte wie Holz,
Pappe,’Hartgummi, Metalle und auch die Haut und ou i
th.ilc des menschlichen Körpers -
Einfluss dieser nicht leuchtenden Bo.itgcn sehen X • tr ‘
auf Batterien zu prüfen, war daher für mich ein „ahel.egendu
Gedanke. Die leichtersichtliche Schlussfolgerung
dabei dahin, dass, wenn erwiesen wurde, dass * 1,udl < ' ‘ .. „ ,
überhaupt oi„m. auf die Bacterien „aclithe.l.gen Einfluss
ausübten dieser auch durch die Oberfläche des Körpers hindurch
be v n das Innere desselben hinein - jedenfalls bis zu einem
gewissen Grade - sich geltend machen würde. Da nun erwiesener
.nassen die neuen Strahlen Bön tgen ’s die Wdchtheik ^
zu durchdringen vermögen (wofür schon das bekannte . ein ttu bikl
des Handskelets zeugt), so kommt allen, d i e t rage m Betracht,
ob jene überhaupt auf Bacterien einen nachtl.e. 1. gen. zerstörenden
Einfluss ausüben. Sollte sieh letzteres als richtig erweisen, so
wünie - die Unschädlichkeit der X-Strahlen für den Organismus
vorausgesetzt - in diesen auch der internen Med,cm m > tu.
an die Hand gegeben sein, das zu den schönsten '
berechtigen und das, wenn seine Verwendbarkeit zur Klarstellung
so mancher chirurgischen D i a g n o so (Fractnren. Knochen iimoren
Fremdkörper unter der Haut etc.), wohl schon jetzt ausser
Zweifel steht, auch der internen T h e r a p i e (bacillärer Erkrankungen
wie Tubcrculose, Typhus, Cholera, Erysipel etc.) neuartige, aus¬
sichtsvolle Bahnen eröffnen würde.
Ein erster Versuch, welcher mir durch die Düte dis Hum
Professors Dr. v. Lomincl und die liebenswürdige 1 nterstutzung
des Herrn Dr. Fomn» bei Benützung des physikalischen Apparats
ermöglicht wurde, ergab allerdings ein n e g a 11 v e s Resultat. ei -
selbe wurde folgendennassen ausgefülirt: \ 011 einer 3 • l -° a ‘ 11
Typbus-Bouillon - C ul tu r wurden in Petrischalen 3 Agarplatten ange¬
legt, die gleiehmässig, mit je 1 Platin-Öse der Uultur, besäet waren.
Circa 1 Stunde nach Anlegung derselben im hiesigen hygienischen
Institut, wozu Herr Professor Büchner mir gütigst Erlaubnis*
ortheilt, wurde eine derselben im physiealiseben Institut der Um-
versität >/a Stunde lang einer etwa bimförmigen Hittorf'sehen
Röhre exponirt; ca. 10 cm unterhalb des dicken, strahlenden
Endes der Röhre befand sich die offene Petrischale (d. h. ohne
Glasdeckel), doch war dieselbe mit einem desintieirtcu ca. 3 mm dicken
Bleikreuz und einer desintieirtcu Hartgummiplatte belegt, letzteres um
den Einfluss leuchtend er Strahlen seitens der grünliclileuchtcnden
Hittorf'sclien Röhre zu vermeiden. Nachdem eine der 3 Platten
40° C verbracht. 1C n ‘ l< , b abso ] ut keine mcrkenswerthe
besichtigten Matten erjra > J ))r warcn a l| c 3 von Millionen
Differen* ,n der di , h t durchsetzt. Gerade dieser
von (olomeen, « • k j AusSiU ,t, wie besonders auch die
Umstand der zu Exposition die durch äussere Hindernisse
Vcmu:h , «*» * Ln*. J- ™1-
zeit leider alur au< Strahlen auf Bacterien zu sprechen,
n * ,,r , k d ™ Mat* entschieden
indem m den *> c - * . ;uu . b die Gesammtzalil der
etwas weniger gewachsen • * ;ds dio der Control-
(’olonieen dieser Platte etwas C ° n Bleikreiizos .lurch Anordnung
nicht zu erkennen Fraw über eine even-
Bcweiskraft zumossen und n um d - f ßa( . u , ri( , n vor der
tuollc Kinwirkuna II » n t K c n scher S.rnMon auf Kac*n
vorliehalten. _
Kurzer Jahresbericht über die gynäkologische Uni-
Sts Snik des Herrn Hofrath Prof. Dr. Amann
pro 1895.
Von Dr. Honlmn. Heiden, Assistent der Poliklinik.
K 51 (53), August 57 (5*), geptomber 3t (35), OOober
November 40 (40), Dezember 39 (2<) Kranken aus, wie folgt:
Dem Berufe nach scheiden weh die Kran ^ (244),
Ohne angegebenen Beruf (verheirat , abhängigen
selbständigen Berufs (HamUermen, Rennen uud Put7 ,
Bcrufs, Köchinen und Dienstmädchen 1• und Wirthschafts-
macherinen 3‘J, Ladnennen 1B, g e „ er i nen Wärterinen etc. 2.
bedienstete 34, Taglöhnerinen etc. • -> = . ^ d der Gemeinde-
Den X Ortskiankenkassen gehörten an 04 unu u
Krankenversicherung 45 Patientinen ausscheiden in
Dem Alter nach lassen sich die :Patienunen en ^ ^
solche von 1—15 Jahren 5_ , r 30—40 Jahren 151 = 27,14
Proc., 20-30 Jahren 24G — an fahren 21 = 3,8 Prot,
Proc, 40-50 Jahren 75 = 13,o Prot, W- 60 ^ ir( 0 Pröc.
60-70 Jahren 7 = l,2o Proc. und über «eu
Verlieiratliet sind 2*. ”^5 „'p™ dnm “eboren haben 117
Nie geboren haben 19b = 35,0 1 roc., ein« » __ p rQC
= 21,25 Proc., zwei und mehrmals « eboren ht 95 _. 16,96 Proc.
Aborte und Partus irnrnat. hatten durcligemacht y
Die Affcctionen scheiden s,ch aus in . Eruährungsst örungen
I. Erkrankungen der Vul\a 48 und zw • Erkrankungen
22, grössere Dammrisse 40 Carcmom ^ VuW»^ ^
der Bartholin-Drüsen 6. \ agimsmus 1, Pru Ernährungs-
II. Erkrankungen der Va p n J? Vaginalwände 74,
Störungen 269 , Inversionen und Descensus d g und V er-
Prolaps 0, Carcmom der \agma 2, bepten m s
wachsungen derselben mit der Portio vaginal, ute^” • ; a) Ent-
III. Erkrankungen des Uterus und ® sWrung en 691
wicklungsfehler (Uterus infantihs) , ) ” Perimetritis 249),
(Endometritis 223, Metritw 219, 1 ^ametnt.s im ophia p0 r-
c) Erosionen und Lacerationen an der . ’ Muttermunde» 1.
tionis 33, Subinvolutio uten 12, Stenose i J e ^''j^erungen des Uterus
Atrcsie des äusseren Muttermundes 3 >.^) ^ p^roflexio 29, Retro-
219 (Anteflexio pathol. 21, Anteversio 1 * io gl, Prolapsus
positio 53, Dextro- und Siniatropositio 44, Rctrover ^ bildunge n
uteri completus 4, Prolapsus uten mcomplet l^ e My0 .
des Uterus 43, (Carcinoma cervicis 9, Carcinoma co i
maU 22, Fibröse Polypen ^ennxj) ? ( g alpin giti8 39,
IV. Erkrankungen der Tuben und■ °'*" e p e Vj 0 ophoritis 8,
Perisalpingitis 4, Pyosalpinx 15, °°P^2 on L; m pfes 8, R clve0 '
Ovarialtumoren 22. Exsudat eines Opeiationsstump
PentOyt'l^^gerschaftsbeschwerden 49.
‘) Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen zeigen die F q
im gleichen Monate des Vorjahres.
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4. Februar 1896^
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
108
VI. Anderweitige Erkrankungen 16 und zwar Hernien 0, Pro¬
log rect. 1, Mastitis 4, Urethritis und Cystitis 8.
^ Wegen innerer oder Chirurg Krankheiten wurden an die dies¬
bezüglichen Abtheilungen verwiesen 53.
YU. Wegen acuter sexueller Erkrankungen wurden ins Kranken¬
haus verwiesen 44.
Interessant sind noch folgende Thatsachen: auf gonorrhoische
Infection lassen sich zurückführen 81 Erkrankungen, unter deren
Trägerinnen 2 im Alter von 14 Jahren stehen, von denen hin¬
wiederum 1 wegen Schwangerschaftsbeschwerden die Poliklinik
besuchte.
Erwähnen möchte ich ferner noch an dieser Stelle einen Fall
von besonderer Resistcnzfähigkeit, betreffend eine Krau, Th. F.,
;i-2 Jahre alt, welche, nachdem sie mit 13 Jahren menstruirte, mit
14 Jahren zum erstenmal gebar und seitdem 14 lohende Kinder zur
Welt brachte und 2 Aborte aufzuweisen hat. Die letzte Geburt
fand vor 3 Monaten statt, wobei die Frau ohne jede (fachmännische)
Hilfe Zwillinge gebar, den einen Vormittags, den zweiten Nach¬
mittags, und nach der Geburt sofort ihren häuslichen Geschäften
nachging. Erst vor 1 Monat stellten sich hei ihr leichte Schmerzen
ein die auf eine Metritis und Parametritis levis chron zurück-
zuführen sind. Aehnliche Beispiele von Resistenzfähigkeit werden
in der Literatur wenig zu finden sein.
Die gynaekologische Universitätspoliklinik war auch wieder
während des Jahres 189) als kassenärztliches Organ von fast allen
Ortskrankenkassen, einigen Betriebs- und Innungskrankenkassen,
sowie von der Gemeindekrnnkenkas.se aufgestellt.
Die Poliklinik wurde 3mal wöchentlich, Montag, Mittwoch und
Freitag, im Sommerseinester von 2-3 '/z Uhr, im Wintersemester
von 2—1 Uhr abgehalten.
Feuilleton.
Die neuen bayerischen Bestimmungen über Aufnahme
von Kranken in Irrenanstalten.
In der bayerischen Abgeordnetenkammer besprach kürzlich
lor Abgeordnete Fuchs die neuen Bestimmungen, welche das
Staatsministerium über die Aufnahme von Kranken in die
Irrenanstalten erlassen hat. Er beanstandete hauptsächlich, dass
nunmehr jede Aufnahme eines Geisteskranken durch die Polizei
vermittelt würde, wodurch einerseits die Aufnahme verzögert, anderer¬
seits den Familien der Besuch der bayerischen Anstalten verleidet
«erden würde. Seinen Wunsch nach Zurücknahme der betreffenden
Bestimmungen erklärte jedoch Herr Minister von Feilitzsch
nicht erfüllen zu können.
Die erwähnten Bestimmungen sind so wichtig, dass wir uns
veranlasst sehen, noch einmal auf sie zurückzukommen. Wir schicken
voraus, dass die neuen Anordnungen für die Krcisirrenanstalten,
«ie für die Privatirrenanstalten im wesentlichen die gleichen sind,
mit dem einzigen Unterschied, dass für letztere ein amtsärztliches
Zeugniss verlangt wird, während zur Aufnahme eines Kranken in
die Kreisirrenanstalt das Zeugniss eines praktischen Arztes genügt.
Za beanstanden sind von den neuen Bestimmungen 2 Punkte.
Erstens dürfen die Anstaltsdirectionen in Zukunft Kranke nicht mehr
selbständig aufnehmen, ausser im Nothfall, vielmehr muss principiell
in jedem Fall vor der Aufnahme die Genehmigung der Kreis¬
regierung (bei Privatanstalten der Districtspolizeibehörde) eingeholt
«erden, Dieses umständliche Verfahren verzögert jede Aufnahme
in die Anstalt mindestens um 8 Tage, ausserdem ist es aus dem
Grunde bedenklich, weil nunmehr nicht mehr der Sachverständige,
der Anstaltsdirector, sondern eine Verwaltungsbehörde über die Zu¬
lässigkeit der Aufnahme zu entscheiden hat. Die Behörde, in welcher
kein Fachmann sitzt, ist aber doch auf jeden Fall weniger befähigt
zu einer richtigen Beurtheilung der Sachlage, als der Anstaltsdirector.
Noch wichtiger und bedenklicher ist folgende ganz neue Be¬
stimmung. Abgesehen von den übrigen Nachweisen (Ärztliches
Zeugniss etc.) ist dem Aufnabmegesuch beizulegen: das Zeugniss
einer Districtspolizeibehörde, in welchem der beur¬
kundende Beamte auf Grund eigener Erhebungen und
unabhängig vom ärztlichen Zeugniss das Vorhandensein
«er Geistesstörung bestätigt. Wenn also in einer Familie
Jemaud geistig erkrankt und der Hausarzt oder Bezirksarzt die Noth-
«endigkeit der Anstaltsbehandlung constatirt hat, muss sich die
Kamilie erst an die Polizeibehörde wenden? Diese schickt einen
Beamten, welcher mit mehr oder weniger Tact «Erhebungen» pflegt-,
um sich von der Wahrheit der Behauptung zu überzeugen. Der
Beamt«, vielleicht ein Polizeicommissär, vielleicht auch ein Gensdarm,
jedenfalls aber ein Laie, hat das Hauptgutachten zu erstatten; über¬
ragt er sich nicht von dem Vorhandensein der Erkrankung, dann
er kein Zeugniss ausatellen — und die Verbringung des
ätienten in die Anstalt unterbleibt eben. Jeder Arzt weiss, wie
«rnwer es oft für den Geübtesten ist, in kurzer Untersuchung
jeistesstörung festzustellen, man kann sich daher leicht vorstellen,
Wie der Beamte zu einem negativen Resultat kommen wird.
Das vorgeschriebene ärztliche Zeugniss erscheint unter solchen
Ständen ganz werthlos, denn stimmt der Beamte demselben zu.
ist es überflüssig, stimmt er aber nicht zu, so wird es dadurch
ausser Wirkung gesetzt
Damit sind wir glücklich auf dem Standpunkt angelangt, dass
Laien über die Aufnahme eines Kranken in eine Irrenanstalt zu
entscheiden haben, erst ein Polizeibeamter statt des ArzteB, dann
ein Regierungsreferent an Stelle des Anstaltsdirectors. Wir glauben
nicht, dass die praktischen sowohl wie die Anstaltsärzte eine solche
Zurücksetzung verdient haben und wir glauben es um so weniger,
weil in Bayern sich die bisherigen Bestimmungen vollständig hew'ährt
haben und kein Fall widerrechtlicher Verbringung in eine Irren¬
anstalt vorgekommen ist.
Aber die Sache hat noch eine zweite Seite. Durch die erwähnten
neuen Bestimmungen werden die Aufnahmen von Geisteskranken
in die Anstalten zweifellos erschwert. Jede Familie wird sich
die Polizei möglichst lang fernhalten und nur im äussersten Noth¬
fall anrufen. Die Kranken werden daher möglichst lang in der
Familie behalten und nur, wenn es nicht mehr anders geht, der
Anstalt übergehen werden.
Nun steht längst fest, dass beim Eintritt geistiger Erkrankung
Alles darauf ankommt, dass die Kranken möglichst frühzeitig
in die Anstalt kommen, die frischen Fälle allein haben eine günstige
Prognose und je mehr-die Aufnahme verzögert wird, desto ungünstiger
wird die Aussicht auf Heilung.
Durch die neuen Bestimmungen werden somit zweifellos die
Kranken geschädigt; der vermehrte Rechtsschutz der Kranken dürfte
die Nachtheile nicht aufwiegen, abgesehen davon, dass in Bayern
für vermehrten Rechtsschutz kaum ein Bedürfniss bestand.
Vom Standpunkt der Aerzte sowohl als der Kranken müssen
wir die baldige Aufhebung der neuen Bestimmungen dringend
wünschen. Wie Herr Professor Grashey in einem Vortrage über
den Alexianerprozess 1 ) ausführte, ist es für den Rechtsschutz der
Kranken viel wichtiger, dass man ihnen die Möglichkeit gewährt,
sich einen gesetzlichen Vertreter zu verschaffen. Und zu diesem
Zwecke hat das Ministerium gleichzeitig ausreichende Bestimmungen
getroffen.
Vor Allem aber sollte man sieh entschlossen, endlich den
Wünschen der Irrenärzte nachzugeben und sachverständige centrale
Behörden für das gesannnte Irrenwesen einrichten. Der Verein der
deutschen Irrenärzte hat erst in seiner vorjährigen Versammlung
in Hamburg neuerdings die These aufgestellt, es sollte eine eigene
Ministorialabtheilung für das Irremvesen mit einem erfahrenen
Irrenarzte an der Spitze und einigen psychiatrisch gebildeten Hilfs¬
arbeitern, sümmtliche im Hauptamt angestellt, geschallen werden.
Eine solche centrale Behörde müsste weitgehende Befugnisse erhalten,
regelmässig die Anstalten besuchen, die Aufnahmen und Ent¬
lassungen controliren etc.; sie würde einen kräftigen Schutz für die
Irrenärzte gegen ungerechtfertigte Angriffe bilden, dieselben von
einem Thoil ihrer Verantwortlichkeit entlasten und in allen zweifel¬
haften Fällen die Entscheidung treffen, sie würde andererseits aber
auch das Misstrauen des Publicums gegen die Anstalten allein durch
ihre Existenz vermindern.
In anderen Ländern sind längst solche Behörden oder Com¬
missionen mit bestem Erfolg organisirt, hoffen wir, dass auch Bayern
bald nnehfolgen wird. L>ann werden sich die Klagen über die
Schutzlosigkeit der Geisteskranken den Aerzten gegenüber mindern
und Niemand wird mehr daran denken, die so nothwendige Auf¬
nahmefreiheit zu beschränken.
Referate und Bücheranzeigen.
Sahli: Ueber die Therapie des Tetanus und über
den Werth und die Grenzen der Seruintherapie. Basel
und Leipzig, Sullmann. 1895. Preis 3-20 31.
Im Gegensätze zu anderen Infeetionskrankheiteii, bei denen
das Gift nur so lange wirksam ist, als die Baeterien, welche es
erzeugen, im Körper leben, tritt beim Tetanus zur Infection eine
chemische Intoxieation hinzu. Während an der localen Iiifectious-
stelle schon alle Tetanusbacilleii abgestorben und weder mikro¬
skopisch noch durch Thierversuch mehr nachzuweisen sein können,
tritt im Körper die Wirkung der durch die Bacillen hervor¬
gerufenen Vergiftung ein. Man muss demgemäss auch eine
Therapie der Infection (causale Tb.) von einer Therapie der
Intoxieation (symptomatische Th.) trennen. üausal wird man zuerst
die (liftquelle verstopfen:-, d. h. die Wunde mit dem Thermo¬
kauter, mit .lodtinctur oder 1—2 proc. Jodtrichloridlösung behandeln,
unwesentliche, schwer verletzte Glieder abtragen etc. Wichtig ist
es hierbei, dass auch scheinbar heilende Schorfe noch Tetanus-
bacillen enthalten und den Körper immer neu vergiften können.
Man soll daher alle vorhandenen kleinen, wenn auch schon ver¬
heilten Wunden behandeln, was aus falscher Resignation bisher
zu wenig geschehen ist. Gegen die chemische Intoxieation ist
hingegen anders vorzugehen. Man hat hier zuerst das Gift
4 ) Diese Wochenschrift, 1895, No. 26.
8 *
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MÜNCHENER MEDICINIS CHE WOCHENSC HRIFT.
No. 5.
104 _
möglichst zuelhmnire.,7 dwn <liont reichliche Wasscrznfuhr per «,
snbeutan, intravenös, per annm. Darreichung von ™
\nrcgung der Diaphorese um so mehr, als die Natui dazu ,
fordert durch den bei Tetanus scheinbar
keitsprincipe reichlich entstehenden Schwetss. Psw Gift, ;°' u ^
im Körper bleibt, unschädlich zu machen, dienen physiologische
„nd chemische Antidota. Da die den Organismus am meiste
schädigenden und den Tod direct bedingenden (.iftwirkungtn
hochgradigen Krämpfen bestehen, so gilt es, diese zu unterdrücken,
bis die Natur den Sieg über das eingedrungene (nft davontrug.
Das erreichen am besten ('blond (Milfoi.al, IW und l etron.il).
Bromkalium, Morphium. Die Krämpfe lassen nach, • ‘hme^
losigkeit und lindernder Schlaf tritt ein. /u Wachten als höchst
wichtig ist, dass die (iahe individuahs.rt und das Mitul oftei
■'«wechselt werde. Hören die Stösse - auf, gibt man keine
Nareotica mehr. Als chemische (legengifte werden empfohlen
Carbolsäiirc (1 l'roc. subcutan), Lysol (10,0 3 proc. taglic i um
Antipyrin, ferner Salol und l'arakresol.
Eine eigenthümliclie Stellung nimmt das Serum ein deren
Klarlegung zu einem ungemein interessanten Expose über < u*
Serumtherapie überhaupt führt. Die bisherigen \ ersuche uml
Urtheilc litten an Einseitigkeit: man darf nicht vergleichen 1 a h
mit und ohne Serum behandelt, sondern Fälle mit Narcoticis plus
wurden einer operativen Behandlung unterzogen. Missbildungen
und Lageanonialien werden von 1L hossmann Circu-
lationsstörungen, Entzündungen und infcct.öse
Granulome von A. Martin und E. Orthmann k-
„.rochen An der Kintlieilung der Salpingitis m eme katarrhalische
und purulente Form wird festgehalten, die erstcre kann ... letztere
übergehen Die Aetiologie wird erschöpfend besprochen und hier
insbesondere die grosse Bedeutung der Gonorrhoe betont. Alle
Formen der acuten Salpingitis können bei geeignetem ver¬
halten so zur Ausheilung kommen, dass eine spatere Schwanger¬
schaft nicht ausgeschlossen ist. Die Ausheilung der purulenten
Form nimmt natürlich viel längere Zeit in Anspruch. Die
Prognose der chronischen Formen, bei denen es stets zu
Complicationen mit Erkrankungen des Ovariums und des Becken-
peritonüums kommt, ist eine viel ungünstigere. Vorzüglich nt
die präcise Darstellung der Differentialdiagi.osc; hier wird die
Probcpunction verworfen. Bei der Besprechung der Therapie der
Salpingitis ist besonders bemerkenswerth, dass ein so geübter un
erfolgreicher Operateur, wie Martin, die conservat.ve nicht
operative Therapie so warn, befürwortet. In den meisten
auch chronischen - Formen führt eine mit zielbewusster Um
seuuenz 6 — 12 Wochen hindurch fortgesetzte Therapie zum Ziele.
Erst hei der Erfolglosigkeit einer solchen Therapie kommt emc
l rt ihm ic inten «ii . ' „ ... ... Erst bei der r.rroigiosigKcu nun --- -
mit und ohne Serum behandelt, sondern Falle mit Narcotici. In. ^ Boh . UKlhuig in Frage. Die Massage ist ein sehr zwc.fel-
Scrum mit solchen ohne ersten?. Mie Sahcyl den acuten Bin „ nd nic ht ungefährliches Mittel, ebenso die Auskratzung
matisnius vertreibt, aber die Folgen, die Klappenfehler, Gelenk- ^ ])raina „ e des Uterus. Der lneision von der Scheide aus
Steifigkeiten nicht heilt, wie das Wasser den Brand loscht, < as Martin ablehnend gegenüber, ebenso der neuerdings vorge-
steifigkoiten ■ ....... - — .. .
Verbrannte aber nicht herstellt, so zerstört das Serum die retanus-
bacillen, welche. noch in der Wunde sitzen, un Begriffe, den
Körfier mit neuem Gifte zu überschwommen. Es heilt also
nicht die vorhandene Tetanuskrankheit, sondern verhindert —
prophylaktisch — nur Verschlimmerung. Die abgebrochene Krank¬
heit, ' die Wirkung des Giftes, welche darin bestellt, «dass die
Ganglienzellen unter seinem Einflüsse allmählich erkranken, resp.
dass sich Veränderungen ihrer Erregbarkeit, sei es mit oder ohne
anatomisches Substrat ausbildcn, die schliesslich eine ganz selbst¬
ständige Bedeutung erlangen», bleibt vom Serum ganz unbeein¬
flusst und muss vielmehr durch die erwähnten Nareotica bekämpft
werden. Darum wird niemals das Ideal mancher Leute eintretoii:
hie Krankheit No. soviel, hie Serum dazu = Heilung, sondern
die ärztliche Kunst wird immer dazu gehören.
Eine Fülle von Einzelzügen und Beobachtungen* sowie drei
Krankengeschichten mit Ourven machen neben dem skizzirten
Gedankengange das Werkehen äusserst lcscnswerth.
Dr. Georg Liebe, Geithain (Sachsen).
Handbuch der Krankheiten der weiblichen Adnex¬
organe. Bd. I. Krankheiten der Eileiter. Unter Mitwirkung
von R. Kossmann - Berlin , E. G. (> rt hm an n - Berlin , M.
Sänger-Leipzig und P. Wen delcr - Berlin herausgegeben von
A. Martin - Berlin. Leipzig 1895. E. Besold.
Es ist ein etwas missliches Unterfangen, ein derartig um¬
fassendes Werk einer kurzen Besprechung zu unterziehen, ebenso,
wie es unmöglich ist, alles besonders Bemerkcnswcrthe hervorzu¬
heben, geht es an, alle Vorzüge in das rechte Licht zu setzen.
Ich bcscheide mich daher bei einer Inhaltsangabe unter Hervor¬
hebung einzelner Punkte. Das erste Kapitel ist der Anatomie
" A. Martin), d er E n t w ic k el u n gsgc sch ich t e und Phy’-
siologie der Eileiter (P. Wcndelev) gewidmet. Ein
eigentlicher «Dcsconsus ovariorum» wird bestritten, vielmehr das
Herabwandern in das kleine Becken durch Wachsthumsverschiebung
der Körperwandung an dem fixirten Organe erklärt. Die Tuben¬
windungen entstehen durch die Incongruenz des Waehsthumes der
steht Martin ablehnend gegenüber, ebenso der neuerdings vorg •
schlagencn vaginalen Koeliotoniie. Erscheint hei der balpingo-
oophorectoinie der uterine Stumpf erkrankt, so wird derselbe
resccirt. Die rücksichtslose Entfernung solcher Tuben, hei ac« cn
Atresie entstanden, ohne dass ein infectiöser, also schädlicher
Inhalt darin eingeschlossen, ist ein nicht gerechtfertigter Lmgri .
Hier empfiehlt es sich, die Salpingostomie auszufUhrcn, um der
Kranken die Möglichkeit der (’onception zu erhalten. Kccidive
in der zurück gelassenen Tube sind selten. Eingehend wird die
Technik der Salpingotomic besprochen; die Drainage naci or
Laparotomie wird völlig verworfen. Die Mortalität bei 828 HlUm
(einschliesslich der allerersten Operationen!) beträgt 8,09 1 ruccnt.
Im folgenden Abschnitt sind die Neubildungen der Ei¬
leiter von M. Sänger und J. Barth in ausführlicher Meise
geschildert unter Heranziehung der gerammten einschlägigen
Literatur. 6 Fälle von Papillom, 17 Fälle von Carcmom er
Tube werden angeführt, darunter ein genau beschriebener hall
von Sänger, der in seinem histologischen Bilde dein c*
malignen Adenomes des Corpus uteri entspricht. In allen ha len
entwickelte sich die Neubildung auf dem Boden einer entzündlichen
Veränderung. Sareom der Tubcnschleimhaut ist bisher m rci
Fällen, der Tubenwand nur in einem Falle beobachtet- as
letzte Kapitel, die Eileiterschwangerschaft, ist wiederum
von A. Martin und E. G. Orth mann verfasst, 91 Beob¬
achtungen (77 operative) liegen ihm zu Grunde. Trotz der \ic_en
Hypothesen ist die Aetiologie noch keineswegs geklärt.
Anatomie ist erschöpfend von Orth mann besprochen. “I*'
und Tubenabort kommen annähernd gleich häufig zur Beobachtung,
überwiegend häufig tritt die Katastrophe im ersten unc z ') 01 c '
Monat ein. Der Abort erfolgt nicht durcli Tuhencontractionc ,
sondern durch die einmalige starke oder in verschiedenen sa z
aus der Plaeentarstellc entstehender Blutungen. Ne cn cn
Aborte kann es sccundär zu Zerreissung der Tube kommen.
Ferner sind die mikroskopischen Befunde eingehend besproc en-
Auch in der Tube kommt es zur Ausbildung einer Decidua reite •
Seihst bei lange abgelaufener Tubenschwangerschaft lassen sic m
Windungen entstehen durch die Incongruenz des Waehsthumes der oelüst Dei lange aDgeiauiener j.uoeiiscmv«uig ««konische
Eileiter und des Mesosalpinx. Die Entfaltung der Tubenwindungen Tube noch für die Schwangerschaft charakteristische unter
beginnt am uterinen Ende und ist bedingt durch die Entwickelung Befunde erheben. Die Diagnose an den Le en en ,erC , Be _
des Beckens. Zur Beförderung des Eies dient neben der Flimmer- selten unüberwindliche Schwierigkeiten. Bei er ' G dcrs g C .
hr'wpimmr der Tflnit.holipn nncli dip. Peristaltik der Tube. In einem SDrcchunc vermissen wir hier die von Fritsc c _
bewegung der Epitholien auch die Peristaltik der Tube. In einem
kurzen Anhänge zu diesem Kapitel bespricht Martin die Unter¬
suchungsmethoden. Der rectalen Untersuchung wird hier vor der
vaginalen kein Vorzug eingeräumt. Das zweite Kapitel behandelt
die Pathologie der Eileiter. In der Einleitung wird
das staunenerregend grosse Material besprochen: 1424 Eileiter¬
erkrankungen unter 20 605 gynäcologisch Kranken; 544 Kranke
beilVU UllUIJCinillUllUlU/ uvunivut ) '"'*vvu. - - ,
sprechung vermissen wir hier die von Fritsch beson ers
würdigten Schwierigkeiten, die entstehen können bei mtrau r
Gravidität und hartem, zumal elongirtem Cervix. Hoch in res
ist bei Besprechung der Prognose die Statistik au J- 1
Auf das Leben des Kindes darf bei der Therapie keine
genommen werden. Von einem operativen Eingriff darf nur
Abstand trenomnien werden, wenn cs zur Ausbildung el
4 . Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
105
Hämatocele gekommen ist und die Kranke unter dauernder sorg¬
fältiger Controlle sich befindet, da auch dann Nachblutungen
keineswegs selten sind. Punetion und elektrische Behandlung
werden verworfen, auch die Morphiuni-Injectionen in den Frucht-
nack sind als unsicher, besser zu unterlassen. Immer ist die völlige
Entfernung des Fruchtsackes anzustreben, die in frühen Monaten
meist leicht gelingt , in späteren Monaten besonders durch aus¬
gedehnte Dannadhäsionen grosse Schwierigkeiten bereiten kann.
Vereiterte Fruchtsäcke können — falls sic von hier aus zu¬
gänglich sind — von der Scheide aus in Angriff genommen
werden. Die von Dührsseu vorgeschlagene Kolj>otomia anterior
vordient Anwendung, wenn das zu entfernende Gebilde Faustgrössc
nicht iibertrifft und Verwachsungen ausgeschlossen werden können.
Zum Schlüsse bespricht Martin die von ihm geübte Laparotomie-
Technik. Zur Verhütung von nachträglichen Verwachsungen wird
die Verwendung eines mit sterilisirtem warmen Olivenöl getränkten
Schwammes empfohlen.
Jedem Kapitel ist eine ausführliche Litcraturangahe voran-
ecstellt. Das vom Verleger (E. Besold-Leipzig) vorzüglich nus¬
gestattete Werk bietet für Jeden eine reiche Quelle der Belehrung
und sei den Fachgenosseu zu eingehendem Studium — eine Be¬
sprechung kann ja den reichen Inhalt nur andcuten! — warm
empfohlen! G essner - Berlin.
0.Hainmarsten: Lehrbuch der physiologischen
Chemie. 3- Auflage. Verlag von B e r gm a n n -Wiesbaden.
Die dritte Auflage des bekannten, vortrefflichen Lehrbuches
hat gegenüber der zweiten Auflage mehrfache einschneidende Ver¬
änderungen erfahren. Einzelne Capitel erforderten in Folge der
grossen Fortschritte der physiologischen Chemie eine völlige Um¬
arbeitung, mehrere Capitel sind neu eingefügt. Dadurch hat das
Werk an Umfang zugenommen, ohne an der klaren Anordnung
und au der knappen und doch gefälligen Dietion die geringste
Einflüsse zu erleiden. Die Lücke, welche die zweite Auflage
dadurch aufwies, dass lediglich die Protei'nstoffo, nicht aber die
Kohlehydrate und Fette eine eingehendere Besprechung erfuhren,
ist in der dritten Auflage durch Einschaltung von zwei neuen
Capitcln . Die Kohlehydrate » und Das Thierfett » ausgefüllt.
Als weiterer Fortschritt ist die Behandlung der Chemie des Blutes
und diejenige der Chemie der Athmung in zwei getrennten Ab- :
schnitten zu bezeichnen. Aeusserlieh erscheint diese Trennung
fast als eine zu weit gehende, indem zwischen diese beiden
Capitol eine Reihe anderer hineingeschoben ist. Dass in einem
Lehrbuch der physiologischen Chemie so zahlreiche Hinweise auf
alle wichtigeren chemisch• pathologischen Vorgänge eingefügt sind,
bedarf bei dem heutigen Stande der Pathologie des Stoffwechsels
keiner weiteren Begründung; manche wichtige Erkenntniss hat ja
die physiologische Chemie aus der Untersuchung des krankhaft
veränderten Stoffwechsels geschöpft. Die ausführlichste Behandlung
lut, wie auch in den früheren Auflagen, das Capitel vom Harn
erfahren, worin neben den Erkennungsreactionen und der Dar-
stellungsweise der verschiedenen chemischen Verbindungen auch
deren quantitative Bestimmung in einer Weise angegeben ist, dass
weh der Anfänger darnach zu arbeiten vermag. Sehr zu begriissen
sind die neu eingefügten ausführlichen Literaturangaben. Zweifellos
*ird sieh das treffliche Werk auch in seiner neuen, erweiterten
form eines grossen Leserkreises erfreuen. F. V.
M. Joseph: Lehrbuch der Haut- und Geschlechts¬
krankheiten. I. Tlieil, Hautkrankheiten. II. Auflage. Leipzig.
Tkiemc, 1895.
Ls kann bei der herrschenden Uebcrproduction an literarischen
Behelfen des Studiums der praktischen Mediein als ein für den
Urf. selir erfreuliches Momeut bezeichnet werden, wenn sein Lelir-
bavh, das wir bereits früher mit warmer Empfehlung besprochen
Libcn, innerhalb von 3 Jahren in 2- Auflage erscheint. Wir
-laoben nicht zu irren, wenn wir diesen Erfolg dem Umstande
fluch reiben, dass der Vcrf. bei seiner Darstellung des Materials
n Bedürfnissen des Praktikers, wie denjenigen des Studirenden
10 ‘^>nne gerecht geworden ist. Er vermeidet alles Ueber-
Mge, berücksichtigt die Diffcrentialdiaguose und Therapie in
^reichender Weise, und bringt die nicht zu entbehrenden, für
13 ^ erständniss der modernen Dermatologie nothwendigen theo¬
retischen Ausführungen in Kürze, ohne deshalb unklar zu werden
Die neue, wieder trefflich ausgestattete und vielfach verbesserte
Auflage ist um 3 Abbildungen bereichert. Kopp.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Mediein. 1895, No. 4.
1) Leubuscher: Untersuchung eines aus Borneo stam¬
menden Pfeilgiftes.
Das untersuchte Pfeiigift, welches möglicher Weise ein an
eine Säure gebundenes Alkaloid, dagegen kein Glycosid enthält,
wirkt nur auf das Herz, während andere Organsysteme nicht be¬
einflusst erscheinen. Diese Wirkung auf das Herz kommt nicht durch
Vermittlung des N. vagus zu Stande, sondern ist höclist wahrschein¬
lich als eine directe Beeinflussung des Herzmuskels aufzufassen.
2) Köster: Zur Therapie der Anaemia splenica. (Aus
dem allgemeinen Krankenhause zu Gothenburg.)
Verfasser thoilt einen Fall von Anaemia splenica (Pseudo¬
leukämie) mit, in welchem Sauerstoffinhalationen (4 Liter pro Tag)
sich von sehr günstiger Wirkung zeigten, und empfiehlt, mit dieser
Therapie weitere Versuche zu machen. W. Zinn-Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 2—4.
No. 2. Thorkild Rovsing-Kopenhagen: Zur Castration bei
Hypertrophie der Prostata.
R., der früher selbst Einwände gegen diese Operation erhoben,
da er es nicht für möglich hielt, dass die Blasenwand ihr Contrac-
tion8vermögen wieder erlange, theilt einen interessanten Fall von
Castration bei beträchtlichen Beschwerden eines 85jährigen Greises
mit apfelsinengrosser Prostata mit, bei dem trotz lljähriger Unmög¬
lichkeit spontaner Urinentleerung schon nach 2 Monaten nach der
Castration der Harn schmerzlos und ohne Beschwerden in normaler
Häufigkeit gelassen werden konnte, so dass nur 30 ccm Residualharn
in 24 Stunden constatirt wurden, während die Prostata auf die Hälfte
der ursprünglichen Grösse sich verkleinert hatte. Im Hinblick auf
diesen, die Erwartungen des Operateurs übersteigenden Fall von
Wiedererlangung des Oontractionsvermögens der Blase sieht sich
R. zu der Hoffnung berechtigt, dass die Castration auch in den
schwierigsten und fortgeschrittensten Fällen von Prostatahypertro¬
phie vorzügliche Resultate erwarten lasse. Die bisherigen Erklä¬
rungen der Retention bei Prostatikern sind darnach allerdings nicht
mehr haltbar.
Luigi Lamarchia-Turin: Ueber einen Fall von Milznaht.
L. führte an einem 15jährigen Knaben, der nach Faustschlag
in den linken obern Bauchquadranten unter schwerem Collaps,
Dämpfung etc. erkrankt war, die I.aparatomie aus und entdeckte
nach Hinzufügung eines Querschnitts als Ursache der beträchtlichen
inneren Blutung (über 1 Liter) einen fast horizontalen Riss in der
doppelt grossen (Malaiia)-Milz, den er mit tieferen und feineren
Nähten vereinigte. Tod nach VJj Stunden. Als Ursache wird bei
der Obduction das Bestehen eines weiteren verticalen Risses an der
Innenfläche der Milz gefunden, der zur weiteren Blutung in die
Bursa omentalis und von da in die Bauchhöhle geführt hatte. L.
würde darnach in einem ähnlichen Fall der Splenektomie den Vor¬
zug geben.
No. 3. B. Schür may er-Hannover: Ueber einen neuen asep¬
tischen Verschluss von Wunden an Stelle der Wundnaht.
Sch. schildert für die Fälle, in denen die Naht wegen zu grosser
Spannung oder bei lockerem Granulationsgewebe sich unzweckmässig
erweist, ein Verfahren, das den Missstand der gewöhnlichen Pflaster¬
streifen umgeht, indem er Pflasterstreifen, die an den Enden um¬
geschlagen resp. dadurch verdoppelt sind, durchsticht und feine
Platindrahtstückchen, die an den Enden zu Häkchen umgebogen
(ausgeglüht und in antiseptische Flüssigkeit gelagert waren) quer
über die Wunde ziehen lässt. Während die Wunde zusammengehalten
wird, wird, nachdem der erste Pflasterstreifen mit eingehängtem Platin¬
draht senkrecht zum Wundenlauf angelegt und das 2. Häckchen in
den 2. Streifen eingehängt ist, der 2. Pflasterstreifen entsprechend
angezogen und aufgeklebt. Alan kann auch die Heftpflasterstreifen
ein Glied ganz umspannend anlegen. Hauptsache ist, dass jederseits
von den Wundrändern eine möglichst breite Zone bleibt, über die
sich nur die Drähte spannen, man kann auch längs derselben Gaze¬
streifen legen.
Canon-Berlin: Ein seltener Fall von Darmwandbruch.
Mittheilung eines Falles erfolgreich mit Resection behandelten
gangränösen Darmwandbruches, in dem nur circa >/$ des Umkreises
der Darmwand eingeklemmt war und zwar merkwürdigerweise eine
gegen den Mesenterialansatz zu liegend® 2 markstückgrosse Stelle
die vollständig abgegrenzt schwärzlich verfärbt von graugelblichen
Herden durchsetzt erschien.
No. 4) Leon Krynski-Krakau. Zur Technik der Ureter¬
tation in den Mastdarm.
Kr. empfiehlt als das beste Verfahren die Implantation der
Harnleiter mit einem Stück der Blasen wand (wie May dl bei Ektopia
vesicae räth) und hat in einem Fall von Blasenektopie bei 23jähr.
Mann mit sehr günstigem Erfolg die Excision eines elliptischen
Stückes der Blasenwand sammt Oeffnungen der beiden Ureteren
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MÜNCHEN ER MEDICINISCHE W OCHENSCHRIFT-
No. 5.
106 _
und das Einnahen dieses wo nur
Besonders aber bei dem bedeuter ld a i lein implantirt werden
die abgeschnittenen Enden v ;^^ i e n t f 3 de r Gefahren der Nieren-
müssen, empfiehlt er zur Verengerung (Hydronephrose)
infection einerseits oder consecut! e V T f tien . ers \ lc [ ien erprobtes
andrerseits, em ion l in , bl3 '“® ( , innern Flüche des Mastdarms
Verf3h , ren > ’l e r m F r e r X ara^ durch Seros» und Muscularis ‘2 Seiten
gerade unter der llexura s g g der DarmftC hse - 3 cm,
eines Dreiecks mcidirt (die . g Abpriipariren des nur aus
die kürzere Inc. quer 1 cm rireiecks^ in die Mucosa eine
Serosa und Muscularis macht, in diese
quere Incision nahe der' unte P‘J | Iarnleiters schiebt und Harn-
annftht.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 4.
1) G. Woyer-Wicn: Casuistischer Beitrag zur Symphyseo-
tomiefrage. MuU ipara mit einfach plattem, rachitischem Becken
WI1P J1893 legenabnorm grossem kindlichen Schädel und ungun
Untcrsuchurg fand sich, dass das Becken weit geblieben war, dass
Untersuchung vollkommen normal conligunrtcs
aus dem platten, racmuscnen ei denn auch normal, ohne
fede ScErigkeit. In diesem Falle hatte also dieiSymphyseotomie
als directe und dauernde Therapie eines platt rachitischen Beckens
geW 21 Goebel-Barmen': Der Bacteriengehalt der Cervix. G-
äÄÄi
coccen deren Eindringen er auf einen vorhandenen Gervixriss zurück
führt ’ Das Puerperium verlief trotzdem ganz normal. Ferner unter¬
suchte G den Inhalt von 3 Ovarialcysten und 2 Pyosalpmxen Die
3 Ovarialcysten und 1 Pyosalpinx zeigten völlig sterilen Inhalt; die
andere Pyosalpinx enthielt Staphylocoecen. In diesem Ball kam bei
der Operation etwas Eiter in die Bauchhöhle und Pat. starb an eitriger
Peritonitis.
31 Oskar Schaeffer-IIeidelberg: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Wehenthätigkeit des menschlichen Uterus,
angestellt mittels einer neuen Pelotte und eines neuen Kymo
graphions.^ ^ R . nem eigenen von ihm construirten Apparat Unter¬
suchungen über die Wehenthätigkeit bei 16 normalen Geburten an¬
gestellt, g die sich besonders auf die Frequenz, Zeitdauer, tormcharakter
und Wehenstärke beziehen. Aus seinen Resultaten sei nur erwähnt,
dass in der Eröffnungsperiode die Wehen anfangs am Kürzesten,
später mit zunehmender Erweiterung des Muttermundes immer länger
werden, während das Maximum der Wehenlänge in der ,Schlua^dlfte
dieser Periode erreicht ist und nun constant bleibt. Als Durchschnitts
zahl für das Wehenmaximum in der Austreibungsperiode fand ..ch.
35,2 Sekunden.
4) W. Rubeska-Prag: Prof. Howard A. Kelly und seine
Erfindungen auf dem Gebiete der Harnkrankheiten. R polemi
sirt in diesem Artikel gegen Kelly, der versucht hat eine von Pawl lk
herrührende Cystoskopie als seine Methode zu beschreiben und einen
eigenen Ureterenkatlieter angegeben hat, der nichts weiter sein soll,
als eine unwesentliche Modification des Pawlik sehen Katheters.
Kelly soll diese Methode nebst dazu gehörigem Inventarium bei
einem Besuche der Pawlik'schen Klinik in den Jahren 188« und
1889 erst kennen gelernt haben. J affe-Hamburg.
Vircliow’s Archiv. Band 143, Heft 1.
1) Rumpf-Hamburg: Klinische und experimentelle Unter¬
suchungen über die Bildung und Ausscheidung von Ammoniak.
Bei acuter croupüser Pneumonie, Typhus, Influenza, Poly¬
arthritis rheumatica, in einem Falle von Bronchitis mit Arthritis,
sowie im Stadium algidum der asiat. Cholera fand sich während des
Fiebers eine beträchtlich gesteigerte NHs -Ausscheidung, die sich zu
meist noch weit in das Stadium der Reconvalescenz.fortseUte. Die
Ausscheidung des Gesammt-N stieg dabei nicht parallel der NH 3 - Aus¬
scheidung, sondern blieb hinter dieser zurück.
Diese Steigerung ist auf die schweren Stoff Wechsel Veränderungen
im Gefolge der Krankheit, nicht aber auf die — vielfach NHs ent¬
haltenden — Stoffwechselproducte der Krankheit erregenden Bacterien
zurückzuführen.
2) Eug. Fränkel-Hamburg: Beiträge zur Pathologie und
Aetiologie der Nasennebenhöhlen-Erkrankungen.
In 146 Fällen, in denen F. dio Section der Nasennebenhöhlen
nach der Harke'sehen Methode ausführte, bekam er bei der patho-
logisch-bacteriologischen Untersuchung des Höhleninhaltes nur 73 mal
einen negativen Befund; in allen übrigen ergab sich die Erkrankung
einer oder zweier dieser Höhlen.
JÄSSÄÄr F. so benannte Bacillu» mucosus epsu-
latus in Betracht , einer Nnsenncbenhöhle Anlass zu
■ Selte ? ÄSSrÄd umgekehrt iuiecti«
einer ernsten Allgemei , ° ,■ fibrinöse Pneumonie)
—— -*■
Btandige Erkrankungen, Ueber ^ Durchlritt „rpus-
»•■• # Hrft ?. d Se
Panereas ohne Diabetes
somtern ( 'cher einer multiplen interstitiellen jSephntis oder dem
wmmmm
Bei Nervendurchtrennung geht die Heilung \c ’
Stumpfe aus; im peripherischen Stumpfe war meNervenncubildu „
zu sel ^ n professor Zahn; Mittheilungen aus dem pathologisch-
““TueEeTmÄU^epMlen «».gekleidete Cysten de. OeBO-
phagus, der Pleura und der Leber. Beitrag zur Lehre \on
angebornen Mucoidcysten. . . , Tf>hpr'nmJ es
k 7 hält diese Bildungen für congenital; m der Leber. smu es
unter gewöhnlichen Verhältnissen aber späterhin vollständig
schwindenden Oijune^n ^ Pert<maic , n deB s .. Kom a„um in Folge
““NfsemTM’eTeÄii Ueber die Structur, das Vor-
normal vorkommeiulen Sandknrpcr sind durch die Artihrer ISchicht g
und ihren Kalkgehalt durchaus von einander zu trennen.
Die Psammome enthalten als hyperplastischeTumoren der I
des Centralnervensystems nur dieselben Formen von Sandkörnern
W ' C ''Während* 1 die Zirbelkörperchen w»hnclieinlicfaJÄ»SK
tionen sind, entstehen die Sandk.irper der Adergeflechte aus Zeue
die hyalin entarten, sich zu Kugeln schichten und schliesslich
kalkem Unna _j Iambm . g . Zu r epithelialen Abkunft der Naevus
26116 Kurze Erwiederung auf die Arbeit von Bauer: Ueber emb
theliale Warzen und ihre Beziehung * u m BaAom (D^Ar
S. 407.)
Berliner klinischeJWochenschrift. 1896, No. 4.
1) J.R otter-Berlin. Günstigere Dauererfolge durch einve^
bessertes Operationsverfahren des Mammacarcinoms. (-
folgt.) Zu(jlzer; Ueber die AHoxurkörperausscheidung im
Harn bei Nephritis. (Städt. Krankenhaus An ,, ab e
Verfasser widerlegt in vorliegender Arbeit '-u^chst _
von Kolisch, dass bei Nephritis dm Ha J nBftu . r ® ab A S R ' ab d en früherer
lieh herabgesetzt sei, und weist nach,dass die Anga n^ ani .
Autoren, wonach sich bei der Nephritis annähernd
säurewerthe finden, zu Recht bestehen. nphauntung von
Des Weiteren wendet sich Z. gegen die
Kolisch, dass bei Nephritis das normale 'erhältmss 0 . fagt
säure zu den Alloxurbasen sich umkehre Es fa “ d 8 ‘ hftltnis3
allen Fällen mehr Harnsäure als Alloxurbasen. Das \ ernai
Alloxurbasen zur Harnsäure wird nur enger.
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j. Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
107
3) Bernhardt: Ueber die sogenannte Verschiebung der
motorischen Punkte als ein neues Symptom der Entartungs-
reaC Wertheimer Salomonson glaubt ein neues Symptom der
Enlartungsreaction gefunden zu haben, das darin besteht, dass die
motorischen Punkte der gelähmten Muskeln mehr nach der Sehne
zu sich verschieben. B. weist nach, dass dies Symptom deutschen
Autoren schon lange bekannt ist. Es beruht darauf, dass die Strom-
diclite stärker wird, wenn der Querschnitt des Muskels sich ver¬
kleinert. Die Bezeichnung «Verschiebung der motorischen Punkte»
(motorischer Punkt Eintrittsstelle des motorischen Nervenastes) ist
keine glückliche.
4 ) Peiper und Schn aase-Greifswald: Ueber Albuminurie
nach der Schotzpockenimpfung.
Im Anschluss an die Falkenhe im'sehen Untersuchungen
haben die Verfasser zahlreiche Urinuntersuchungen nach der Impfung
vorgenommen.
In 474 Urinproben von 122 Erstimpflingen fand sich eine leichte
Opalescenz 9 mal (bei 7 Kindern). Das ergibt eine Häufigkeit der
Albnroinurie von 5,73 Proc. gegenüber 18,7 Proc. Falken hei ms.
Bei 51 Wiederimpflingen fanden die Verfasser in 16,6 Proc. geringe
Albuminurie und bei 94 Soldaten in 10,63 Proc.
Die Verfasser schliessen, dass nach den bisherigen Untersuch¬
ungen kein Grund vorliege, der vaccinalen Albuminurie eine besondere
Bedeutung beizumessen.
5 ) Goldscheider: Ueber die Behandlung des Schmerzes.
(Schloss folgt) Kr.
Deutsche medicinische Wochenschrift. No. 5.
1) M. Jastrowitz: Die Röntgen’schen Experimente mit
Kathodenstrahlen und ihre diagnostische Verwerthung. Ref.
siebe d. \V. No. 4 pag. 86.
2) H. Riese: Ueber die temporäre Ligatur der grossen
Gefässstämme mit besonderer Berücksichtigung der Con-
striction der Carotis als Voroperation zur Oberkieferresection,
(Aus der chirurgischen Universitätsklinik in Würzburg.
Vier Fälle von Ligatur der lliaca communis und zwei der
Carotis communis werden angeführt zum Beweise, dass die temporäre
Unterbindung der grossen Gefässstämme bei grosseren Operationen
(Amputation und Exarticulation des Oberschenkels, Oberkiefer-
reseetion u. s. w.) ohne Gefahr durchgeführt werden kann, dass
die Blutersparniss eine bedeutende ist und dass sie mindestens bei
auämiscben Patienten sehr in das Gewicht fällt. Thrombenbildung
konnte in keinem Falle nachgewiesen werden im Gegensätze zu den
Thierexperimenten von Eberth und Schimmel husch. Zu
leichterer und aseptischer Ausführung der Constriction empfiehlt
sieb das von Schönbor n auf dem letzten internationalen Congresse
in Rom demonstrirte, einer zweiblättrigen, verschiebbaren, stumpfen
Unterbindungsnadel ähnliche Instrument.
3) K. Alt: Durchfall bei Kindern nach Genuss der Milch
von Kühen, die mit < befallenem > Klee gefüttert waren. (Aus
der Landes Heil- und Pflegeanstalt Uchtspringe.)
Dielnfection lässt sich per exclusionem auf die Fütterung der
Kühe mit „befallenem“, d. h. mit einer Pilzkrankheit (Phoma und
Psendopeziza trifolii) behafteten Klee zurückführen. Die Beobachtung
ist deshalb interessant, weil sie in der Fachliteratur ganz vereinzelt
dasteht und in Folge besonders günstiger Umstände den Werth
eines absoluten Beweises hat.
4) C.Schwerdt-Gotha: Enteroptose und intraabdominaler
Druck.
Fortsetzung aus Nr. 4.
5) G. Mey er-Berlin: Ueber den Transport von Personen
mit inneren Erkrankungen.
Schluss aus Nr. 4. Referat, siehe diese Wochenschrift 1895,
Sr. 44. F. L.
Pädiatrie.
W. Steffen. Zur Frage der Ernährung im Säuglings¬
alter. — Jahrbuch f. Kinderheilk. Bd. XL. Heft 4.
Zur künstlichen Ernährung der Säuglinge empfiehlt St. folgende
Mischung: Milch und Kalbtteischbrühe zu gleichen Theilen t 1 /* Pfd.
Kalbfleisch wird mit l /2 1 Wasser J / 2 —Stunden lang gekocht);
M 100g Milch -f- Brühe ää kommen noch: 1 Theeloffel Sahne und
, *gMilchzucker. Man hat dann: Fett3,l°/o, Casein l,8°/o, Zucker
W°/o. Diese Mischung gibt bei der Verdauung weiche, feinflockige
Gerinnsel; künstliche Verdauungsversuche, solche am Lebenden,
»wie bereits langjährige Anwendung in der Praxis zeigen, dass das
hemenge sehr gut vertragen und ausgenützt wird, die Kinder sehr
pt dabei gedeihen. Das procentualische Verhültniss der einzelnen
Bestandtheile nähert sich dem der Gärtnerischen Fettmilch.
L, Bauer. Zwei Fälle subcutanen Emphysems während
f” Intubation. Aus dem Budapester Stefanie-Kinder-Spital. —
Bd. XLI. Heft 1.
Unter 800 Intubationsfflllen des Spitals (Prof. Bökai) traten
out 2 mit aubcutanem Emphysem . (auf. j Beide diphtheriekranke
lunder warfen bei einem Hustenparoxysmus den durch Pseudo-
niembranen verstopften Tubus aus, worauf sich am folgenden Tage
( gedehntes Hautemphysem einstellte; in beiden Fällen Heilung.
• ßtotanden sein konnte das Emphysem entweder: 1) in Folge Kehl-
L
kopf-Decubitus durch den Tubus; dagegen spricht die kurze,
2-3 tägige Dauer der Intubation, während Decubitus überhaupt sehr
selten und nicht vor 4—5 Tagen zu Stande kommt; ferner die leichte
Durchführung der definitiven Extubation. — Oder 2) durch Alveolar¬
ruptur, die auch hier anzunehinen ist, bei sehr hohem Druck in
den Lungen (Hustenshisse) und gleichzeitigem Glottisyerschluss
(Obturation des Tubus); auf diese Weise kann suheut. Emphysem
auch hei Pertussis entstehen, sowie bei Frauen während des Ge¬
burtsacts.
K. Szegö. Ueber die Imitationskrankheiten der Kinder.
— Ibid. Heft 2. —
Die imitative Fähigkeit gehört zu den frühesten psychischen
Aeusserungen des Kindes und bleibt auch für das spätere Lehen
von grosser Wichtigkeit. Während im Mittelalter Imitationsepidemien
häufig waren, ist diesen die realistische Richtung unserer modernen
Zeit weniger günstig; dafür kommen nun, besonders bei überbürdeten
und dadurch nervös gewordenen Kindern, psychische Institutsendemien
öfters zur Beobachtung. So trat in einem Mädchenwaisenhause, das
65 Zöglinge hatte, bei 6 davon Folgendes auf: Die sonst gut ent¬
wickelten und genährten Mädchen stossen von Zeit zu Zeit eigen¬
tümliche hustenähnliche, aber nicht heisere, hellende Klanglaute
aus, ohne dass man diese wirklich als Husten bezeichnen könnte;
die freien Intervalle dauern einige Minuten bis zwei Stunden;
beginnt das eine Kind, so folgen die andern hold nach. Die ganze
Affection gehört zu den als -Chorea laryngis- bezeichneten Fallen:
ins Spital gebracht, wurden die Mädchen isolirt und nach 10 Tagen
geheilt entlassen. — Eine andere Endemie betraf ein Müdchen-
institut; 80 Zöglinge von 9-15 Jahren; hievon wurden 12 afficirt:
die Mädchen brachen in „oin, durch mehrere Minuten unterbrochenes,
mehrmals sich wiederholendes, dem Pferdeniesen ähnliches Exspirium
aus, welches von einer starken, den ganzen Körper erschütternden
Tonexplosion begleitet war. Das Stimmphänomen war verschieden,
glich bald dem Fauchen einer Gans, bald dem Gekreisch eines
Papageis, bald dein Wiehern eines Pferdes, in den meisten Fällen
jedoch dem Hundegebell.'“ Isolirung ausserhalb des Pensionats und
nach längerer Zeit Heilung. — Das Contagium war die Imitations¬
sucht, die sich unbewusst verbreitete, zumal hei Individuen, bei
welchen eine neuropathische Disposition anzunehmen war. Im Gegen¬
satz hiezu stehen Falle von Imitationssucht, denen eine bewusste
Absicht zu Grunde liegt, die Siuiu 1 at ionen sind. Sz. beschreibt
mehrere Fälle von Kindern, wo meist Spasmen, Contracturen, Krampf¬
anfälle (auch dyspnoisclie) zur Schau getragen wurden; bei indiffe¬
renter Behandlung schnellste Heilung.
Waclismuth. Ueber die „Schwerverdaulichkeit“ der
Kuhmilch im Säuglingsalter. — lbid. —
W. betont zunächst, dass die übliche Bezeichnung «Schwer¬
verdaulichkeit» unzutreffend sei, da unter normalen Verhältnissen
die Kuhmilch vom Säugling recht gut ausgenützt werde: richtiger
spräche man von »Schwerhekömmlichkeit», weil die Ernährung mit
Kuhmilch weit häufiger Störungen der Verdauung, der Gewichts¬
zunahme, sowie Erkrankungen des Magendarmkanals zur Folge habe
als die Ernährung mit Frauenmilch. Den Grund hievon suchte man
theils in chemischen Verschiedenheiten, hes. des Caseins, theils
im Bacteriengehalt der Kuhmilch; durch Verdünnungen und Zusätze
(z. B. Rahmgemenge, Fettmilch, etc., conf. oben Steffen), sowie
durch Sterilisiren lassen sich diese Nachtheile mehr oder weniger
ausgleichen. Es kommt aber nach W. ein weiterer Factor besonders
in Frage: die freie Salzsäure im Magen hat hohe antizymotisehe
Wirkung. Nun bindet aber die Kuhmilch chemisch durch ihre Salze
und das Casein eine grosse Menge davon, und zwar das 2—4 fache
gegenüber der Frauenmilch, so dass die HCl nicht mehr frei ist
und ihre antizym. Wirkung nicht mehr entfalten kann. Aus diesem
Wegfall des antibacteriellen Schutzmittels resultirt eine grössere
Disposition zu Verdauungsstörungen; wie auch bei dyspeptischen
Säuglingen Verminderung oder gänzliches Fehlen der freien Säure
des Magensafts zu constatiren ist.
A. Freud enherg. Ein Fall von Barlow'scher Krankheit
(Scorbutus infantum). — Archiv f. Kinderheilkunde. 19. Bd. III
u>IV. Heft.
Die Erkrankung war bei einem 5 jährigen Mädchen in Anschluss
an Keuchhusten aufgetreten; hämorrhagische Infiltration des Zahn¬
fleisches, lähmungsartige Schwäche der Arme und Beine in verschie¬
denen Graden, starke Schwellung der rechten unteren Extremität.
Eklatanter Erfolg der Therapie, die neben Pinselung des Zahnfleischs
mit Citronensaft in Darreichung möglichst frischer Bierhefo bestand
täglich 5 mal eine Messerspitze bis 6 mal ein Theelöffel in Wasser
verrührt. Lichtenstein - München
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 29. Januar 1896.
Von den zahlreichen Demonstrationen vor der Tagesordnung
erwähnen wir:
1) Herr Aronsohn zeigt die Lunge einer Ziege, welche
er durch Injection von Tuberkelbacillen phthisisch gemacht hatte.
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Münchener me dicinische Wochensc hrift.
No. 5.
108 ___
spontanen T,,bereu,o.e gefunden
^^2) Herr Silex stellt im Anschluss an die Diseussion in der
!SKJ ÄÄÄS SSSSa° Äddrasen:
tabletten nahezu geheilt ist.
3) Herr Kiefer demonstrirt nochmals emo grossere Zah] \on
Herr Kare wsky: a) Zur Behandlung der Spondylitis.
Vortragender demonstrirt an einigen Kindern die aus¬
gezeichneten Resultate, welche er durch Behandlung der . jH.ndj-
iitis mittelst eines « (1 y p s a n z u g c s » erzielte. Der N orband
stellt gewissermaßen eine Combination der (.ypshuse und des
(! ypscorsetts dar, ist aber viel leichter als jedes von diesen und
ermöglicht so dem kleinen Patienten das Heben und damit den
Aufenthalt in frischer Luft. Der Verband besteht aus .schustcr-
spannen und (lypsbindentouren, kann aber auch durch einen
abnehmbaren, dann aber sehr thouron orthopädischen Apparat
ersetzt werden.
b) Resectionen am Thorax.
Vortragender bespricht die Resultate, welche er durch um¬
fangreiche Resectionen am Thorax bei der Behandlung veralteter
Empyeme erzielt hat und betont den bekannten Grundsatz, dass
die Rippenresection in der Empyeinbehandlung als Normalmethode
zu betrachten sei. (Vorstellung von Kranken.)
Diseussion: Herr König erwähnt zunächst den interessanten
Fall, wo er zur Wegnahme des Sternums erst den linken 1 euraraum
dann nach Verschluss desselben das Pencard und endlich alb»
in einer Sitzung — den Pleuraraum eröffnet habe. Der Patient
wurde geheilt. Ferner bespricht er die Gefahr der Lungenverletzung,
welche 8 leicht zu Spannungspneumothorax führt Dann je»*
darauf hin, dass tuberculöse Empyeme m der Regel nicht ausheilen,
wenn man auch noch so viel Rippen resecirt und dass andererseits
die Aussichten der Empyembehandlung ohne grosse Resection doch
nicht so ungünstig seien, wenn man nur Geduld habe n k.
3. Primäres Rundzcllensarkom der Leber bei einem
34 jährigen Manne.
Die Leber hatte sich unter zunehmendein Ictrus sehr rasch
vetgvössert nnd war ÄÄH
unter der Sero,, gelegenen
Hessen z Th. eine krebsnabelartige Einziehung erkennen.
4. Ausgedehnte schwielige Myocardit.s bei einem
54 Jahre alten Manne. f _
Die untere Hälfte der linken Ventrikelwand ist in eine fast
ÄsrsÄSÄÄ
nicht mehr zu b j fast kinderhandgrosse Thrombus-
SPeC1 Es muss 0 daV.er d in dn^frühere^nfectiöse Myocarditis gedacht
“Er ÄÄÄ
SS, vorhanden. Das Herz,bot ausser Hypertroph« des, haken
Ventrikels keine auffallenden Erscheinungen dar. Der Erguss \on
SfJtawÄ. hat „..erwarteter tV.i* keine Symptom,
cemacht Der Kranke hatte keine Klagen, nahm Mittag un
Abendessen zu sich, schlief Nachts und versuchte am Morgen auf¬
zustehen. Dabei starb er plötzlich.
Verein Freiburger Aerzte.
(Officielles Protocoll.)
Sitzung vom 15- November 1895-
v. Kahlden: Ueber Gliafärbungen.
Der Vortragende bespricht die von Weigert puhlicirtc neue
Methode der Gliafärbung und die von dem Autor damit erzielten
Resultate. Zum Vergleich werden Uliapräparate vorgelegt, die
Gliomen sowie Fällen von amyotrophischer Lateralsclerosc und
Poliomyelitis entnommen und theils nach van (lieson, tlicils
nach Mallory gefärbt sind.
v. Kahlden: Demonstration von Präparaten.
1. Aneurysma dissecans der Aorta.
Bei einem 62 Jahre alten Manne war der Tod nach einem nur
wenige Tage dauernden Kranksein, in dessen Verlauf eine Lähmung
des linken Beines bemerkt worden war, eingetreten. Der Herzbeutel
ist enorm erweitert, theils mit geronnenem, theils flüssigem Blut
ausgefüllt. 3 cm oberhalb der Klappen befindet sich in der Intima
ein fast circulär verlaufender Riss, nur in der Breite von 1 cm
haftet die Intima der Media noch an. Von diesem Riss an ist die
Intima nach abwärts bis in beide Jliacae hinein losgelöst. Die
Gegend des linken Psoas blutig suffundirt, Intima der Aorta und
übrige Körperarterien stark atheromatös, vielfach verkalkt.
2. Ausgedehntes cavernöses Angioiu bei einem
3 Monat alten Kinde.
Das Angiom bildet genau über der Mitte der unteren und
mittleren Halswirbelsäule einen etwa kinderfaustgrossen Tumor, der
auf dem Durchschnitt von zahlreichen, bis haselnussgrossen Elut-
räumen durchsetzt ist. Bei der eigentümlichen Lage des Tumors
war umsomehr an eine Meningocele gedacht worden, als eine
Punction deB Tumor keine blutige, sondern eine ganz leicht getrübte
seröse Flüssigkeit ergeben hatte.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 28. Januar 1896-
Vorsitzender: 1 lerr K ümmoll.
I. Demonstrationen:
1) Herr Rumpf stellt zwei Fälle von mittels Tube reuilin
geheilten tuberculösen Peritonitiden vor “nR den
handelt es sich um jugendliche Individuen, bei denen ll; unter
Bauchdecken nicht verwachsener Abdominaltumor Bestand,
innerlicher (1,0 : 200,0), später subcutaner T^beFC.ul.Q^bmidhmg wuchs
und zur Fluctuation kam. Bei der Probemcision wurde fjügg««
und Granulationsgewebe, in dem sich Tuberkelbacillen uncl R es^
zellen fanden, entleert. R. beginnt mit WeinenDosen.und1 »tagt' .
wenn auf dieselben keine Reaction mehr emtntt. Gleic 1 zeitig
stehende Lungenaffectionen wurden erst deutlicher, sptte‘ d
gebessert. Der eine der Pat. nahm in 3 Monaten um 20 Pfund zu.
2) Herr Philippson demonstrirt: j i, Q f,wu-nrtet
a) einen Fall von Sclerodermie enpl&ques und' bef “ r *^J
die Salicylbebandlung der universellen Sclerodermien, ^
im vorliegenden Fall die Affection ohne therapeutische Eing
schwinden wird; . ... ganze
b) einen Fall von Lichen ruber universalis, d gan
Körper besonders der Rumpf und die Beugeseiten der ExtremiWten,
sind mit sehr dicht stehenden, hellrosafarbenen überdie inültmte
Haut ragenden, stecknadelkopfgrossen, derben knbtche ^
die unregelmässig angeordnet an manchen Stell ^ n corifl “ l l 8 P .
besteht nur massiges Jucken. Arsenbehandlung bheberiog -
betont das Ausbleiben der Arsenwirkung un Evolutionsstadium.
3) Herr Saenger demonstrirt: . Tlirnor
a) einen Patienten, bei dem er die Diagnose auf einen T m
basis cerebri gestellt hat. Tuberculöse und Lues sind
schliessen. Der 48 jährige Pat. erkrankte vor /* Jahr Be-
pleten linksseitigen Abducenslähmung. Dann traten ineur . . Ue
schwerden im 1 und 2. Ast des Trigeminus ein; zugleich ent^keue
sich allmählich eine complete Anästhesia des mauzen Tg ^ ^
Jetzt besteht eine typische Anästhesia dolorosa. We1 .^ en Acu-
einer peripheren Facialislähmung und gleichzeitigen „ ng .
sticusaffection und endlich zu einer beginnenden Oculomotonuslahm g
Die vorhandene Keratitis fasst Vortr. nicht als neuropara y , .
sondern bedingt durch den Leyophthalmus, die “«e e Jj rascll
secretion und die Anästhesie der Cornea, da die Kerat t
besserte, als Pat. auf der stationären Augenklinik mit einem
fältig angelegten Schutzverband versehen wurde. Es j en
liier um eine Fremdkörper- und Vertrocknungskeratit .
Krause'sehen Fällen nach Resection des Ganglion G ( a8 f" psie der
auch nie eine Keratitis neuroparaly tica gesehen trotz A , ilte;
Cornea, sondern nur einmal eine Keratitis superficialis, di n
b) einen Fall von Tabes dorsalis bei einer 38]an B
virgo iutacta, bei der auch die sorgfältigste jiess.
Spuren weder von hereditärer noch acquirirter Lues nachw
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4 . Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
109
Es wäre somit bei einer Jungfrau eine sichere Tabes constatirt, ein
Factum, dessen Vorkommen Möbius bestreitet. Vortr. polemisirt
eeeen die von Möbius besonders eifrig verfochtene Ansicht, dass
jede Tabes sich auf luetischer Grundlage entwickle. S pflichtet
Erb bei, dass man in etwa 10°,'o der Falle den Zusammenhang
mit Lues nicht nachweisen könne. Sehr bemerkenswert}! sei das
Factum, dass so ausserordentlich selten bei alten Puellis publicis,
die Alle syphilitisch gewesen seien, Tabes sich finde. Vortr. warnt,
bei jedem Tabischen ohne weiteres mit einer energischen Schmiercur
vorzugehen, zumal da eine etwa vorhandene Sehnervenatrophie rasch
zur Progredienz gebracht werden könne;
c) ein Sarcom des Hinterhauptslappens, das in's Klein¬
hirn fortgewuchert ist
4 ) Herr Jo lasse zeigt ein Gehirn, bei dem sich in der
Pia mater zahlreiche erbsen- bis bohnengrosse Cysticcrken-
Blasen gefunden haben. Klinisch hatten diese Erscheinungen in den
letzten 4 Jahren in Kopfschmerz, Schwindel, Ohrensausen und
Krämpfen bestanden. Da objectiv nichts nachweisbar war, wurde
der Patient für einen Simulanten gehalten.
5) Herr Fränkel legt zwei Fractions di verti kel der
Speiseröhre, hervorgerufen durch Einschmelzung und narbige
Retraction verkäster Lymphdrüsen, vor, von denen das eine am
Grunde in die Trachea durchgebrochen ist, dort ein frisches tubercu-
lö^es üicus erzeugt hat, von dem aus eine letal endigende frische
Infection beider Lungen (Peribronchitis) stattgehabt hat.
6) Herr Michael demonstrirt
a) die bei der Section gewonnenen Präparate eines Magen-
carcinoms mit Lebermetastasen und über die ganze Magenschleim¬
haut verbreiteten, multiplen polypösen Neubildungen;
b) nach dem Röntgen'schen Verfahren im hiesigen physika¬
lischen Staatelaboratorium von Professor Voller hergestellte Photo¬
graphien, von denen besonders das Bild einer schlecht geheilten
Vorderarmfraktur von Interesse ist, an dem die bayonettförmige
Dialocation der Ulna, sowie die Abknickung des Radius sehr deut¬
lich erkennbar sind.
II. Herr Lemke hält seinen angekündigten Vortrag: Ueber
Frühdiagnose und Therapie des Morb. Basedowii.
Vortragender betont als für die Frühdiagnose wichtigstes
Symptom das eonstante Vorhandensein von mehr oder minder
ansgeprägtem Tremor neben dem Delirium cordis. Er hat dies
Muskelzittem, das in der Ruhe und iin Schlafe aufhört, bei zwei
deswegen dienstuntauglich erklärten Soldaten beobachtet, bei denen
es neben der Pulsfrequenz im Vordergründe der Erscheinung stand.
Bei Beiden entwickelten »ich in der Folge die für die Diagnose
sehr wichtigen, indess, besonders für die incompleten Forums frustres
(Charcot) nicht absolut nöthigen Erscheinungen: Struma und
Kxophthalnm«. Der morb. Basedowii sei nicht als Nervenkrankheit,
sondern als Dyskraaie aufzufasseu, die auf einer Gif tabsonder ung
der Schilddrüse beruhe.
Das Gift sei ein speeifisches Muskelgift, das den Tonus der
.Muskeln herabsetzc, dieselben erschlaffe und sie in steter Action
erhalte. Dadurch seien sowohl das Delirium cordis, wie der all-'
gemeine Tremor, insonderheit auch der Exophthalmus (durch Vor- |
längerung der Augenmuskeln) erklärt. Der empirisch gefundene .
Nutzen der angewandten Tonica unterstützte diese Hypothese.
L- behandelt, wie aus früheren Veröffentlichungen hervorgeht, die
Basedow sche Krankheit durch partielle Strumectomie, hat bisher
17 Fälle operirt und ist mit dem Erfolg sehr zufrieden. Discussion
wird vertagt. We r n e r.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
Medicinische Section.
(Officielles Protokoll).
Sitzung vom 15-Dezember 1895-
Dr. 0. Vulpius: Die Behandlung des Klumpfusses
nfit dem raodellirenden Redressement.
Die mechanische Behandlung der Deformität wurde vor¬
übergehend durch operative Eingriffe zurUckgedrängt. deren
wichtigste der Vortragende kurz erwähnt und kritisirt. Die Miss¬
erfolge haben Veranlassung zur Wiederaufnahme der unblutigen
Methode gegeben. Dem forcirten Redressement, wie es
V0D König und Wolff geübt wird, steht das sog. model-
ürende Redressement gegenüber, das Verfasser erstmals bei
horenz sah und in etwa 150 Fällen methodisch anwendete.
biMelbe characterisirt sich durch die stets erneuten. aber nur
^« einzige Sitzung in Anspruch nehmenden Angriffe einer
Gewalt, welche die allmähliche Ummodelung des Klump-
fusses herbeiführt. Letzterer wird, wenn aller Federkraft beraubt,
in einen exaoten Geh verband gelegt. Die Nachbehandlung ist die
denkbar einfachste. sie erheischt keinen orthopädischen Apparat.
Auch bei Adolescenteii ist die unblutige Heilung möglich, cs
empfiehlt sich in schwirr*» Fällen die Händekraft durch Schrauben-
zug zu ersetzen.
Sitzung am 14- Januar 1896-
Professor Erb: Ein Fall von Chylothorax bei einem
Kranken mit hochgradiger Lymphangiectasie am linken
Bein.
Der heute vorzustellende, in hohem Grade eharacteristischc
und interessante Kall, gehört zu den grössten Seltenheiten und
kann wohl bisher als ein Unieum bezeichnet werden.
Am 25. November 1890 wird der 20jährige Kaufmann
W. H. in einem Zustande ziemlich hochgradiger Athemnoth zur
Aufnahme in die medicin. Klinik gebracht Er gibt an. erst seit
wenigen Tagen, seit dem 21 November, an anfangs geringer, dann
rascher an wachsender Engigkeit des Athmens zu leiden; über
weitere Erscheinungen habe er nicht zu klagen; er erinnert sich
jedoch, vor etwa 4 Wochen kurze Zeit — etwa */a—Tag lang,
an leichtem Stechen in der rechter. Seite, beim Athmen, ge¬
litten zu haben; er sei aber darnach wieder ganz wohl gewesen. —
Zufällig habe er sich — und das ist wohl nicht ohne Bedeutung,
am 17. November wieder einmal wiegen lassen und dabei zu seiner
Ueberraschung eine Gewichtszunahme von 10 Pfund constatirt!
Die genauere Anamnese ergibt, dass Patient aus gesunder
Familie stammt, früher selbst stets gesund war, bis Sommer 1894.
Da sei, etwa Mitte Juli 1894, zuerst an der Innenseite des
linken Oberschenkels eine etwa bandgrosse, weiche, fluc-
tuirende Anschwellung entstanden, die sich nach und nach
vergrösserte und sich bis oben zur Leistenbeuge ausbreitete. Wegen
dieser Anschwellung war er im April 1895 hier auf der chirurgischen
Klinik, wo man eine cavernöse Lymphangiectasie constatirto,
aus welcher bei der Probepunktion eine klare, helle Flüssigkeit
(Lymphe, sehr arm an Fetttröpfchen, mit spärlichen zelligen Elementen)
entnommen wurde; der geplanten chirurgischen Behandlung entzog
sich der Kranke und trug seither einen Gummistrumpf am linken
Bein, wurde auch von diesem Leiden sehr wenig beläs;igt.
Bei der Aufnahme constatirte man (25. Nov.) an dem etwas
blassen, sonst wohlgenährten Menschen, ziemlich hochgradige Athem¬
noth, 48 angestrengte Respirationen p. M., für welche di*« Ursache
in einem massigen, die ganze rechte Brusthälfte von
oben bis unten erfüllenden Pleuraerguss sofort gefunden
wurde. (Totale Dämpfung von der Supraclaviculargrube an, vorn
und hinten; Mediastinum und Herz nach links, Leber nach abwärts
verdrängt; abgeschwächtes Athmen, aufgehobener Stimm fremitus etc.).
— Alle übrigen Organe normal; kein Fieber (117,0), Puls 100. —
Es wurde aus Rücksicht auf die Grösse des Exsudats und die da¬
von herrührenden bedrohlichen Erscheinungen sofort eine (I.) Pleura¬
punktion gemacht und mittels derselben 2100 ccm einer gelblich-
weissen, milchigen, rahmähnlichen Flüssigkeit entleert,
die nicht wie Eiter aussieht, nach einiger Zeit in grossen lockeren
Klumpen gerinnt und sieh bei längerem Stehen mit einer dicklichen,
rahmähnlichen Haut bedeckt. Specif. Gewicht derselben (bei Zimmer¬
temperatur): 1020.
Darnach grosse Erleichterung; die Athemfrequenz wird
normal; Temperatur und Puls normal; vom und hinten oben tritt
wieder Lungenschall auf, Mediastinum, Herz und Leber rücken
wieder an ihre normale Stelle.
Die weitere Untersuchung des Kranken ergibt nur noch am
linken Bein sehr bemerkenswerthe Veränderungen: Ober- und
Unterschenkel sind umfangreicher als rechts; scharf in
der Leistenbeuge begrenzt zeigt, sich an der ganzen inneren Ober¬
schenkelfläche ein ganz schlaffer, weicher, mit Flüssigkeit
gefüllter, von einer etwas runzlichen und geschrumpften Haut
bedeckter Sack, in welchem man in leicht sichtbarer Weise die
Flüssigkeit hin- und herschieben kann; dabei gewinnt man aber
doch den Eindruck, dass es sich nicht um einen einzigen grösseren
Hohlraum, sondern vielmehr um ein System zahlreicher
kleinerer communicirender Hohlräume handelt, das Ganze
fühlt sich körnig, höckrig, uneben, schwammig an; einzelne rund¬
liche, durchscheinende Stellen in der Cutis lassen auch die einzelnen
Hohlräume erkennen; dieselbe Veränderung erstreckt sich aber
auch oben noch nach aussen um die Fläche des Oberschenkels in
Form einer schlaffen, teigigen Geschwulst gegen die Gesässfalte zu,
umgreift von innen her auch die innere Oberschenkeltiäche >nd
gelangt dann hinten hinab bis zur Kniekehle; ferner erstreckt sie
sich über die innere Fläche des Kniegelenks hinab und längs der
ganzen inneren Unterschenkelfläche bis zu den Knöcheln, wo sich
innen und aussen wieder eine grössere teigige Ausbreitung findet,
gerade wie bei mittelstarkem Oedem (aus einer kleinen Oeffnung
floss hier auch einige Tage lang etwas trübseröse, schwach-milchige
Flüssigkeit aus) — Sehr schön kann man die offene Communication
aller dieser in und unter der Haut gelegenen Hohlräume dadurch
demonstriren, dass man mit der flachen Hand bei massigem Druck
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110
Münchener me dicinische Wochenschrift.
No. 5.
di. Flüssigkeit au. dem Sack vom d "" h dS
schiebt; in Form einer Knöchel, um
Kniegelenk vor nn d Ungs oer Tib a mn Streichen von
sß*HHSL"a£i= tf ä
Schenkel dadurch dünn machen , ße-
Zweifellos handelt es siel. — und das geht aus
sei,affenheU der hei den späteren Punktionen ,n Massen aus
diesen Hohlräume,, entleerten Flüssigkeit (s. u.) mit ^
hemir _ UI „ eine eolossale Erweiterung und \\uehe-
rung der eutancu und subeu tunen hyniph bahnen
des linken Beines, um eine hyinpliangicc-tasia dittusa
caver uosa (vielleicht auch um ein sogenanntes E vin Phan glom,
dessen Trennung von der Lyinphangiectesic ja nicht überall durc i-
fU,nl Biese Evinphangieetasie hört scharf abgeschnitten am Ponpart-
sehen Bande auf; sie lässt sich auch nullt weiter bis in die
Bauchhöhle verfolgen; längs des Psoas und der [liatjilgefas^ s
nichts von einer ähnlichen Geschwulst *u H.hlon und es gelingt
nicht, durch tiefen Druck in das linke Hypogastrium etwa eine
stärkere Schwellung und Füllung der Lcistei.gesel,willst /u Ik-
Auf die Beschaffenheit der aus der Pleurahöhle sowohl wie
ans der Lvmphaiigiectasic entleerten Flüssigkeit hei mikroskopischer
und chemischer Untersuchung soll unten im Zusammenhang cm-
gegangen werden; zuvor sei nur kurz der bisherige weitere \ erlauf
des Falles geschildert!
Alsbald nach der I. Punction beginnt der Erguss wieder zu
steigen und schon wenige Tage später hat er bereits
frühere Höhe erreicht: am 3. Dezember sind wieder deutliche Ver¬
drängungserscheinungen, mit ausgesprochener Athemnoth vorhanden,
am 4 Dezember muss die II. Punction der Pleurahöhle gemacht
werden und es werden dabei 3At'0 ccm der gleichen Flüssigkeit ent-
lernt, wie das erste Mal - Diese Reihenfolge der Erscheinungen
wiederholt sich nun regelmässig von W ochc ■zu V oche . j nr «nd
eenöthigt, alle 6-» Taue, in der letzten Zeit alle 5 Tage, die flüssig
keit wegen Ueherfüllung der Pleurahöhle, Verdrängungserscheinungen
und Athemnoth zu entleeren; von der IV. Punction an haben wir
jedesmal auch aus der Lym phangiectasie am Oberschenkel
eine gewisse Menge |50ü-,00u ccm.) Flüssigkeit entleert, ohne jede
Schwierigkeit und ohne alle üble Folgen lür den Kranken, bis jetzt
sind im Ganzen 8 Punctionen gemacht worden
Das Allgemeinbefinden des Kranken ist dabei im Allgemeinen
ganz gut geblieben; nur i oder 3 mal ist nach der Punction eine
vorübergehende, nicht unerhebliche Temperatursteigung eingetreten,
aber nach 1 -‘2 Tagen ohne alle Folgen wieder verechwnnden; in
den letzten 3 Wochen ist Patient andauernd und vollkommen fieber¬
frei. Körpergewicht, Aussehen und Ernährung haben sich nicht ver¬
mindert, Harn ist normal — kurz, das Befinden des Kranken ist
trotz der enormen Verluste an ernährenden Säften, die er regel¬
mässig erleidet, ein ganz befriedigendes Die folgende kleine Tabelle
gibt eine Zusammenstellung der Ergebnisse der bisherigen Punctionen.
Datum
Nummer
Pleurapunction
Lymphangiectasie
d. Punction
Menge |
spcc. < lew.
Menge
spec. Uew.
25. XI. 95
i.
2100
ccm
1 020
ccm
4. XII. 95
ii.
3 500
1020
—
—
11. XII. 95
m.
3 000
1018
—
—
19. XII 95
IV.
2 500
1 016
1000
1015
28. XII. 95
V.
3 600
1016
500
1016
3. I. 96
VI.
3 400
1016
1 000
1 015
8. I. 96
VII.
3 350
1016
1000
1015
13. I. 96
VIII
3 600
1015
1000
1015
im uanzen sinci aiso ms jetzt runu ouwutuu. — uu
der beschiiebenen Flüssigkeit dem Kranken entzogen worden.
Was zunächst nun die Beschaffenheit der Flüssigkeit
aus dcrP 1 enrahöhle betrifft, so ist dieselbe bei allen Punctionen
annähernd genau die gleiche gewesen, kann also in Einem an¬
gegeben werden; nur das specitisclie Gewicht, das anfangs 1020
betrug, ist bei der 4. Punction auf 1016 gesunken und hält
sich nun ziemlich* stabil auf dieser Höhe. Das maernseop.
Aussehen der Flüssigkeit ist, wie schon gesagt., vollkommen das
einer sehr fettreichen, rahmhaltigen Milch und unterscheidet sieh
von dem wirklichen Eiter durch die mehr weissgelbliche Farbe
und die grössere Dünnflüssigkcit. Mikroskopisch findet sieh
das ganze Gesichtsfeld erfüllt mit fernsten, fast staubförmig-kleineu,
in lebhafter Molecularbewegung befindlichen Fett tropf eben, die bei
Behandlung mit Osn.inn.säure eine grauliche Färbung «.nehmen;
ausserdem einzelne Lymphzellcn oder farblose Blntkörperehcn and
g-mz vereinzelte rotlie Blutkörperchen ; keinerlei Bactenen, keine
Eiterkörperchen; (auch die Untersuch«.,g auf FJanen fiel negativ
_ Chemisch tritt beim Koclien der Flüssigkeit eine
reichliche Eiweissfällung ein; beim Ausschütteln mit Aether tritt
Aufhellung, bei Behandlung mit (Ismiumsäurc schwärzliche F ärbung
der Flüssigkeit ein (Fett); die Gal,rungsprobe weist die Anwesen¬
heit von Zucker in derselben nach; dies alle« zusammen scheint
;“it genügender Sicherheit zu beweisen, dass es sich hier um
wirklichen Ü h y 1 u s bandelt. , , K .
Diese Anschauung wird auch von Herrn ^eh.-Rath Kühne
bestätigt, der die grosse Liebenswürdigkeit gehabt hat, die Flüssig¬
keiten genauer zu untersuchen; er fand in denselben Globubn,
Serumalbumin, Fibrinogen, Fett und Zucker ,n ganz analoger
Weise, wie im (’hylus. . . ,. «
Fast genau in der gleichen Weise verhält siel, die aus der
Lv,„phangiectasie entnommene Flüssigkeit; nur ist
ihr Aussehen nicht so ausgesprochen milchig, sondern etwa« mehr
i„'s Gelbrüthliehe spielend, dünner und durchscheinender, aber
doch vollkommen trübe; ihr speeifisches Gewicht ist um eine
Kleinigkeit niedriger (1015). Mikroskopisch und chemisch verhalt
sie sich fast genau gleich, nur ist die Menge der Fetttropfihui
ein wenig geringer, die Zahl der farblosen und rothon Blutkörperchen
etwas grösser darin; auch in ihr gelingt der Nachweis verschiedener
Eiweisskörper, von Fetten und auch von Zucker.
Wir halten versucht, durch Entziehung des Fettes m dir
Nahrung des Kranken die Beschaffenheit der Flüssigkeit zu modi-
fieiren — ein sichtlicher Einfluss davon ist jedoch nicht zu Tage
getreten. Diese Versuche sollen aber in etwas eingehenderer und
modificirter Weise fortgesetzt werden.
Die Epikrise dieses Falles ist in mancher Beziehung silir
einfach und durchsichtig. Dass es sieb hier um einen Erguss
von wirklichem Chylus in die rechte 1 leurahoh i,
also um einen ächten Uhy lot horax handelt, kann wohl kerne«
Augenblick zweifelhaft sein. Die Beschaffenheit der Flüssigkeit,
die siel, in wenig Tagen stets wieder in der gleichen W eise repro-
diicirt {was entschieden gegen die Herleitung des Falles von \er-
fetteten Zellen, Epithelien, Geschwulstoiemeuten u. dgl. spnen-j
beweist das zur Genüge; ebenso das Fehlen aller Zeichen einer
wirklichen Pleuritis oder von irgendwelchen mediastinalen -<*>!>••
men etc.; ganz abgesehen von dem Vorhandensein der weitver¬
breiteten Lympbangiectasion am linken Bein. . .
Diese ca vor »Öse Lyinph angiee t a sie ist ebenfalls
seltene und hemerkenswerthe Erscheinung; sie hat sich rase
entwickelt und in ganz typischer Weise; sehr merkwürdig is nui,
dass sie — im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Befunde m solchi
Ketasion — nicht Lymphe, sondern Chylus enthält; bei dem
Aufenthalt des Kranken in der chirurgischen Klinik ist allerdings
noch klare Lymphe entleert worden, jetzt aber haben *m' cs
„„zweifelhaft mit Chylus zu thun. Aclmliches ist auch frühe
schon gelegentlich gefunden worden (Detters, WeiehseJbaum
A.) und wird gewöhnlich auf Verfettung von Kndothehen und
Lvinphzollen zurüekgeführt. Diese Erklärung dürfte hier wo
kaum zutreffend sein; vielmehr ist hier wohl daran zu denk ,
dass von dem erweiterten Truncus lumbalis her aus der Lysterna
clivli ein Büekströmei, und eine Mischung der ehylösen Flüssig
mit dem Inhalte der Lyniphangiectawe stattfindet und dass di .
erleichtert, und geradezu herbeigeführt durch die Punction
Lyn,phangiectasie, wobei aus derselben grössere Mengen von Flüssig¬
keit (bis zu 1 Liter) entnommen werden und ein Nachrücken t
unter hohem Druck stehenden Flüssigkeit aus den oberen Eympn-
wegen zu erwarten ist.
Dass hier ein enger Zusammenhang z w i s eh c n < c r
Lym phangiectasie des Beines und dem Chy ot l0r
bestehen wird. drängt sich dem unbefangenen Beobachter s
als unabweisbar auf. Am wahrscheinlichsten erscheint "°V
Annahme, dass die Erkrankung der Lymphgefässe des
siel, durch den Bauch bis zur Brusthöhle und zum Mediastmuu
fortpflanzt, und hier im Bereich des Ductus t.horacicus und „es
Truncus bronchowediastinalis dext. zu ähnlichen cavernüsen jC
eien, wie an, Bein, geführt hat. Verschluss des Duct. thoraccu.
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_
4. Februar 1896.
WHgjggRM MOrNISCHE WOCHH Mn^,.,
--- - —1 .
einerseits, Platzen einer oder mehrerer cystöser Frweifc» ------ Hl
andererseits mögen dann den I'ebertritt des Olivin« i.. rU "f en übt ‘ r Hie Verunreinigung des Hafen« .«j,
Pleurahöhle bewirkt haben. (Vorübergehend find sieh / , rePlte nicbt - wie Manche meinen durch r 0I ““ en ,st - Dieselbe wird
* *r 2. Function, ein hin dbroHoc^nn“!'Tf *T* * AbwairT "f? ■ «—
Pleurahöhle; derselbe ist aber jetzt dauernd ppw) ' k ? “haften Gaarden und Kllerbok bewirkr u- i i er benj clibarten Ort-
Für diesen Zusammenhang spricht jedenfalls der Umstand’" da« “J'! '-7 rU " d 100 °°0 Köpfen ihre iesImJtcn'sT“ t EinW ° hner ’
jeweils nach den ersten Entleerungen der Pleurahöhl.» «' 7, za , 1 reiolle " Stellen in den Hafen und 7» ‘-chrnutzwasser an
liebes Abschwellen des Beines efntrat S Z ^T'*" Inne " ha ^> oinführen Die *“ den
denkbar, dass nicht eine continuirlichc Erkranknmr j l > UCh " ae 1 Men S e »»d Beschaffenheit im All».• tz " lWSCr entsprechen
bis hinauf zur Brusthöhle, sondern dass zwei Krankheitsherde - 'f Abfuhreinrichtung vcrsZmr SST®" a " dCn5r
t::r e odTr jr*-* .-*• ^ rW,
Lymphbahnen in der Bauchhöhle mit * in de *« -hmulsten Wstm! hZ?,T? , IIafenw ^s,
Chylothorax ist eine üusserst seltene Erkrank r 7 ireu • .nasse betrifft, wahrend'siTZ' in‘ Wasaer -’
jüngster Zeit hat Bargebuhr (DcuS Arl t f x. die Ufambachnitto und LonLs di T 7“" HaSe "
Bd. 54. 1895) eine zLmmensteHuTaller au ffi n U v» S * ,ci,da ** ^«nkt. ^ ^ « h ? 7 M «" ? der
in der Literatur von 1633 an gZht und 2 T *7° sch “ ig e Aussehen desZ! T"™ durch das
als 41 (naehtrjglieh noch 3 weitere) ™ *“
Mehrzahl derselben handelt es sieh nicht einmal um echten Chi dn,,stu,, *e“ «“ww des Wassers und der Schlamnl-. W A T
^damtter ^ Süu, '^ r "’ recl ‘'
scheint also bis jetzt (vorbehaltlich weiter ' [J ! ,ser Pal1 zugeheu, die (Jefalir dass p eraor Ber ’\. '“C 1 Krankhcitsstoffo
t *rr^-SP
sä “s-- vUehtrs
druck mehr und ij, ™h “‘ü““"* k “ n “ «*
*t Pleuilile'bS,T»"w t" e f’ ff " Cten Coinnnmication mit haltai^“^'"“ 0 fe “ ,<t “J len ' “w" »eist unterVor
baidiger letaler Ausgau« dejlb™ „ “ .. f ", *" *"“*
- uueunete Ereignisse''eh„L TT“’J . " ioht
Kinzige'wtTe ThTr^pie ^ aUch wohI das schwand bT*"^ Wnrde > b -‘« «ic dem GcsiclTve"
Mit einigen all, ei ? f'“ Fa,le ,eisten ^nn. ,™ d ’ 8 .? ,C d '^ Bestimmung des Seefischen Gewichtes vor-
Hinweis auf eTnige nS 17 'f ° log,S . che " 15 < ! ''-e'-kunge., und dem i°”T et * un '!^ w f dabei > Hass jedesmal zugleich das
r hSrr Ä n,,t Krankcn “ srtÄÄtr r^h^
^ bi, ‘ ich in dic W versetzt ^TLTl ^TV" ^ Boh ™~
muthuiigen durch di! !“!“' entwickelten diagnostischen Vor- vor sich ' Das ( i f J® ) ? rn "f hun ^ bcider allmählich
am 28 bmn d ! 8 00 zu eo,,t roliren; der Kranke starb l'rdu» •' . 7, «''ec hsebe Gewicht einer den. Hafen entnommenen
muJZ \T 7" Meinungen einer acuten infection I“ * (!rade -*,e„ BücksclZ
"krankten Bein, rascher Colli a ' IS 7 , tetc L ^upbangitis an dem
H'* 1 Scction bestätigte in ii. *7 ^7 “ a . C 1 zweita si« er Krankheit,
von der colossalen >. n r n „,«L. C ", eta J 8 d ! u " einae, iten Annahmen;
, Y“wrg«Daii aes ftecwa.ssors kann von der
erweiterten DuetlZ“ ^ U " d ük ‘ r dicHC b >'“ a «« neben den. gewissen FntSm ‘ S H ^ nwass . ers , ct{o] ^ i,,injer «-st in einer
k'lns iu.d i„ ji?“ *“ das Mediastinum, an den Lungen- Absitze ir sSf ff l ’ zu Sta '* de d »rcb das
offen ndt der PI der P,eura fort, die zum Theil ..Wehster V I 77 7 ' 7 mch bei rubi ß cui Wae8er meist in
Ä-dfÄ“rs: “
- intensiver der Wellensdiln.r ,„„1
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offlcielles Protocoll.)
' tzung am 16. Dezember 1895 .
• a • , " T .—««»w.. oc starker die Strömung ie
intensiver der Wellenschlag und je höher der Wasserstand i.n
Hafen, um so rascher wird die Vermischung stattfindeu und um so
ausg.eb.ger d.e Verdünnung sich gestalten. xNeben den chemischen
und b.olog.schen Vorgänge.., welche an der Selbstreinigung des
Hafen wassers bet heiligt sind, kommt offenbar aber auch der Ein¬
wirkung des Sonnen- und des diffusen Tageslichtes eine hohe Be-
(Jttllt.nnp- 711 lllll Ort n.Al.« -1.. 1? C* 1
Prof d —. K m 16 * Dezeiuber 1895. «enwassers oetneiligt sind, kommt offenbar aber auch der Kin-
Hafens. ' F,Sche r: Zur Verunreinigung des Kieler Z7" g " "' le "' “7 dea diffnsen Tagealich tes eine hohe Be-
F gibt ei tt, g g d6S Kl6ler deUt 7 ng r f, U ’ 7 n,ehr > aIs die Schmutzwässer eine Zeit lang
L; . 1 ... . einen Ueberblick nu. j- . . * au Her Oberfläche des Hafenwassers verhleilwn
d “ * 4 ”Za ,e ™“ä lr t r
j ... „ , “ ’ a,a u,e oenmutzwasser eine Zeit laug
-- uuer aie H'rgphnisse 7i. I a " Hör Oberfläche des Hafenwassers verbleiben.
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Zeiten, der Witterung,. d ^ ankcrndon Schiffe u. s. w. »«achte,
Standes, der Zahl der i dicscr ßezio i uing vielmehr
ausführliche V^entHehun, in der
Zeitschrift für 11 ly »«*™noch die Mitte.
Zum Schlüsse wurde» vo» ^^ werdenden Heinhaitang
kurz berührt, welche kommen (/nter allen Umstünden
des Kieler Hafens ,n Betrmjtl-»•-, Ian ^ sje a , 8 .
müssen die Schuiutzwasscr gesammelt «erd ^ ehc ^
daUn d r"2; «»an kann aber auch die gesammelten
fr r= ää ä r:;i;
S » “*on Jnmc,, »1- ei« Ktouta*,. ***»?££
==* Srs“it£
wesentlich verbesserten Klarmethoden nicht berechtigt.
Aerztlicher Verein München.
Sitzung vom 11. Dezember 1895-
Münchenkk mk diüinischk wooh^ hkivt.
No. 5 .
Dr. Tausch demonstrirtmiUi.^
seitiger congenitaler HüfUuxatioi . 7 D gch e Schraube) behandelt
mittelst forerter E^ens.on (L ^ N61aton 8chen Linie stehende
worden, bis der o cm oue Pfannengegend herunterziehen
Kopf sieh in das Niveau ^^"‘SSSonMchiene, da eine
Hess. Dann Anlegung der |^ he f J ^^ichtslos erschien. Die
wirkliche Reposition des K P. , , Patientin, die vorher
Fixation des Kopfes gelang vo ’ . Wachsthumsatrophie
bleibt im Liegen vollständig werden. Mehrere andere,
“fÄ,Ä der gleichen
(Mitte rechts 29 cm “>°™ Ink i llreiche grössere und kleinere
ausgedehnte Venenpolster denen zaMreicne g # vermindert(
nt
“rXt'en mT 3Ä. anderweitig eingehender berichtet
Werd Herr Brunner zeigt einen Mann, dem er die rechte Niere
exstirpirthat’on Heinleth> Reic henhall, einen neuen SterUi-
aationsappwat. einen Fall von halbseitiger Syringo-
tnvelie vor. Deraelbe betrifft einen 28 jährigen Metzger vor drei
Jahren luetisch inficirt, der im Februar 1895 acut !mit Erbrc,chen
und starkem Schwindelgcfühl erkrankte. Auch soll Fieber be
standen haben. Zugleich trat Vertaubungsgefühl in dem linke»
Arm und auf der linken Kopfseite, besonders dem behaarten Kopfe
auf Zur Zeit lässt sich fast vollkommene rherraanästhesie und
Analgesie des linken Arms, sowie der linken Brust- und Bücken-
seite^nachweison. In etwas geringerem Grade bestehen diese Ver¬
änderungen auch an der linken Kopfseite, im Gesicht, wie am be¬
haarten Kopfe. Die Berübrungsempfindung ist dagegen an den
bezeichnten Stellen nur wenig herabgesetzt. Im linken Arm auch
Andeutung von Ataxie. Atrophien finden sich dagegen an dera-
SClbe An der linken Hand befinden sich einige schmerzlose Pana-
ritien am linken Arm und der linken Halsseite eine Anzahl
wunder, ebenfalls schmerzloser Stellen, die theils von Einreibung
von Sty« (gegen vorhanden,*lT"finlSÄ> SymptoT. 1
Reibung des Kragens herrü i • Lidspaltenverkleinerung
spinaler Sympath.cusparese ® als Zeichen von
und leichtem Enop 'jjH b ÖWoneata neben der schon erwähnten
Miterkrankung der Medulla oblongara ne ^ auch anf die
Gefühlsstörung im Trigenuni geh et Mundhöhlenschleimhaut
linke Nasenschleimhautund ^ k enHälftc des Gaumensegels
erstreckt, eine Lähmung vorhanden, ebenso ist die Zunge
Recurremlähmung ist nicht vorhanaen Der g chwinde l )
frei. Patient ist »' lt Jodka ^ ^ Kranke w ie betrunken taumelte,
der anfangs so heftig war, dw« ” awin ■ t eher eine Ver-
hat nachgelassen. In den Sensibilitätssiorung gchlu88 folj?t)
schlimmeriing zu verzeichnen. _ '
Physicalisch-medicinische Gesellschaft zu WUrzburg.
(Origi nal bericht.)
Nachtrag zur I. und II. Sitzung 1896-
zu veranschaulichen. doppelseitiger
Interessant ist “^“pat entin hate Beschwerden gehabt, die
Tubare hwangerschaft. Die 1 atientm vermu then besBen.
eine Perityphlitis mit -teilte sich dann
Die Menstruation war einige Monat * bleiben . Die Patientin
aber wieder ein, um später: abJ ]. ch 8icb einBt ellender Schmerzen
wurde dann schliesslich weg überführt Da schon früher
und Blutungen in die und die Ge-
mehrfach Menstruationsstörung bwankte die Diagnose zwischen
Schwulstbildung doppelseitig ^ e ntzündlXen Tubenge-
Tubarschwangerschaft und anaerwei g eine ßtwa orange .
sä s: sä-«» - -
Laufe eines Jahres in beiden Tuben concp.rt.
zt r Ä‘ - «S
RUPt Als Ergänzung zu diesen Ausführungen legt Herr Hof
in der folgenden Sitzung ein neues Präparat von Tubargra
vidität vor. , kpI welcher ein schon
Dasselbe stammt von einer Patientin ’ ff b noch rupturirt
längere Zeit in der Tube abgestorbenes Ei d °®X“ “fasenden und
war, so dass'es zu einer grossen Die Patientin
starke Schmerzen verursachenden Haematocele ^ der Rlinik ent-
war 8 Tage vor für abgeschlossen gehalten wurde
lassen worden, weil der Process iu * b aften Blutgennnseln
SÄtÄÄt ■ *r"» de,
Der Fall lehrt wiederum dass selbst Folge-
Eies in der Tuba keine Sicherheit gegen ^ere we 1 ^ ^
erschcinungen gibt. Ebenso ist er om Beweis d^ür d
besonderen Umstünden die Hämatoce e retroutenna ih
Stellung nicht einem Tubarabort verdankt. Ho££a
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 1. Februar 1896-
Die Röntgen -Strahlen im Dienste der Medimm-
Eine neue empfindliche Eiweisspro^. Z d .
therapie der Syphilis. - Funchonelle Betastung
lung von angeborener Hüftverrenkung. - Zwe, Ja
In der am 27- Januar ». Jm. abgehalt enen S.t .Mg ^
Doctorcn-Collegimns zeigte Dr. Kreidl, 1 xheil in
logischen Institutes, eine lteihe von PhoWgraplnen, 1
Wöraburg, rum Theile in Wien mittels.
hergestellt, und boapreeh emgeheed dtt' demonetrirte
des Würzburger Physikers. Bei diesem Anlass
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4. Februar 189G-
Professor G. Gärtner die Photographie der Hand eines acht
jährigen Kindes welche vom Director der photographischen Lehr¬
anstalt m Wien. Kcgieru.igsrath Eder über Gärtner's Veranlassuutr
aufgeno.nn.on wurde. Man sieht an diesen, prächtigen Hilde sehr
deutlich die Knorpelfugcn zwischen Epiphysen „nd
*"»x - h.*i,.„ s ™ r Ä,l*', h C
knrtchemiigsvorgänge bei der Khachitis dürften sich wie Gärt.,
ausführte, mit Hilfe dieses Verfahrens in dner bis jetzt"
nicht erreichbaren We.se verfolgen lassen. Auch bei der Gicht
(Arthritis defonnans) wird die Methode voraussichtlich diagnostische
Jfcdeutui.g gewinnen.
kT ,c 0fe T iXcnsser bat ebenfalls an seiner
k n.k diesbezügliche Versuche angestellt u„«| das Resultat der
selben vor einigen Tagen seinen Hörern mitgetheilt. Kr saete’
-lass ,hm der .Nachweis gelungen sei, dass Nieren- m„l m
steine für die Röntgen-Strahlen ebenso ....durchgängig seien wie
die Knochen, dass auch Gallensteine diese Strahlen
durel ,|a ^ n ahs das Lebergewebe, dass das Röntgen'sehe Verfahr™
■'"Hnn für die Lrkennt.i.ss dieser Krkrankungsfor.nen hera,.gezogen
»erden könne I rofessor Neuss er zeigte auf einem Hilde einen
(lalleiistein, der durch eine vier Querfinger dicke Leber hindurch
lihotographirt wurde. Ich erspare n.ir vorläufig di,, ur
Iiihoi, Ituinpf durchdringen *„ !a„„ , ««t 1 “'h ''
Iiu Ductoren.. Collegium besprach J) r \ d„lf tu
“«Äff* ™
“ ,ä (Ut “”" ™ *****
Hydra#gyr. bichlor. corros. io,0
Acidum suecinic. . . on n
Natr. chlorat. . . '
AqUae (lestil1 .50 o!o
. Ie ^ rü ^ung auf Eiweiss geselueht in <i«>r w • .
■J «ni von dem vorl.ee fiif • . ,, n 1 Wo,se > dass man
im, , ! ,'° rbcr . filtrlrte " Harne mit 1 ccm Essigsäure
MtoCMm^K DlClNISCHK WOOHBT gsnmnirm
113
wendet. Es zeigte sich d-.^/dt m! Ht ‘ l,a " (l| U">fszw,‘cken ver-
besonderen Vortheil vor der ^^0^1^™'’'° ‘-f 1 Sy,,hili8 koinon
der Affeetion aufweise, in L«dlJ Cn ,. i,,H5C, fi sch «' Behandlung
so dass m..’ la,Klle '. Jal!e " l'ess sie ganz im Stl-lw,
hinzufügt und* sejhüttelt"* 1 ' 1 1, 4 CPn ’ V °" dci " a,,gcgcbc,,<?n 1{ eagcns
Kinfluss des Muein. nach MMichkit*" Stö ™ de »
des Reagens die entsoflf ^ ehmunren. fügt aber dann
al *> 4 ccm zu und 8c i“Sr Ue " de J Ic,lge destillirten Wassers,
**■ -"15 mit .iJ* 1 ) l r - b *“***“" beider
* elehe durch die Ferrocyankali p t E |W «*w«l»iren eoustatiren,
sind. I)j e u *. k .* 1 robo absohlt nicht mehr z« er-
'on Kiweiss im \ erhäi?' 0 * 1 1USSt n0Ch den deutlichen Nachweis
f**» empfindlich^ b" ,S ?. V ° n ! :I20 - 000 zu - s ’ e ist also
1 eberiegenheit gegenüber £ T" * wori » «'*»e weitere
deichmässig in L e " hT Ferrocyankali-Probe liegt, es reagirt
*■ —spie E r;
Har " e ». und lässt schh-esslhl ? r,,,en ’ / CSp ' cb '«rnatrium-freien
«** »ehr d " ‘««-ti. I
u Hofrath Professor .J N PUren U,it Leidltigkd ‘ zu. I
■J*- C ’l»b die Frage der ^ **" "n bes > ,rach Jüngst im Wiener
3* ,uit dem Historismen de r ir thera,)ie der Sy|,bilLs - Ohne
,°rt der praetischen Resultate d 1 rUg Tr Z " beschäftige ", will ich
2* X Verfahrens Erwähnung thun,
S?Sr das Serum Svnhä . t! h ‘ U Uath einer briefliehen
we ' 8 ° h,,c S ‘baden" aSr aS , ^ ? ehand,ung reeenter
“dang gebraeht ' d .„ w an J I oh f e j*den Nutzen in An-
2 ffca " cs geläl de ! C ^ K der ei Blutserums entscheidend
2 ? att ^abter InfecSn !?, ^ der ^»ndären Syphilis
kciDe I’ositiven Resultate vIT lUtC " ’ d,csbezUglidl lie Scn aber
r dass man Ä
Störende Nebenerseheii.iiiiKen war. ,a ' ,d * ur Uekgreifeu musste,
einzelne Injectionsstcllci. waren Tugo" la.'! s< \ "“''f beüb:u? b‘en,
du rnsehor Te,„Z t „r A„ f.T T*“ l ’ T' 1 m " d ”
Alles in Allem lassen die Ki K • ^ dcr B'jicirteu beobachtet.
IliiiKic-ht.id, ,l™ Wortho« k °'"° HdllUm«
Methode d „rt Z T , d ' r S 'P hi,i » «». d'o
Uin»he Bc.„b:,eh„,, TO1 „ ilrt ZZl™' 1 *'""'**' ™ d
wir ä: “.fr r™“ ,o, ‘ ^
.Äte >3
Anknüpfend hieran demonstrirt Lorenz noch y a „
X rat - Ve " RcPOSition “«’^ogen
u..d dasa die do W elseWge„ l.u3L"„C" W " d '
, / * ' rtulg , e urz,elc " u "d unterlasse lieber von vornherein
d.e Inangnftnahme des schwierigen Unternehmens, wenn Ta Sc
IriÄÄS'ÄÄ
trrrr ä
cm etwas gesuchter ist, muss dennoch gesagt werden, dass Bene-
d.U sieh viele Verdienste um die Erforschung der Crimi.ml-
A ithropo'ogie. der Elektrotherapie und Neuropathologie erworben
MoseTia*T n*, T " AU T ,andc 8el,r hefcannt machten.
Alosct.g S Name hingegen ist mit der Einführung des Jodo-
foi »iverbandes ... die Chirurgie iuuigst verknüpft, es war die erste
Etappe zur Ausbildung der modernen Pulver- und Dan er verbände.
Benedikt lehrt an der Wiener Poliklinik, Mosel,g im allge¬
meinen Krankenhause -- Heide als Extraordinär», „ach der \„-
sehanniig ihrer .Schüler und Freunde als bei uns im Lande viel
zu wenig gewürdigte Forscher und Lehrer.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Clinical Society London.
Sitzung vom 10. Januar Ihö.
Behandlung der A ddison schc n Krankheit mit Neben
n.erenextrnct.
Von neun bisher beobachteten Fällen hatten 5 entschiedene
Besserung geze.gt, obgleich die Dauer der Behandlung in efnigen
fäl en n "nie TnnlicaT^'Vr 8 ^ am eia defiuitive8 Urtheil zu
F ‘" 6 di « - s
S y dn «y B in 8« r , u ."<l Arthur Phear berichten über einen
weiteren Fall, eine 28jährige Frau, seit zwei Jahren krank, deutliche
P gmentirung, keine Tuberculose. häufiges Erbrechen und allgemeine
Abnahme. Darreichung von Xebennierenextract in steigenden Dosen
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114
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
von 2,5—7,B g täglich. Anfänglich rapide Besserung für 4 Wochen,
dann plötzlicher Abfall, nach weiteren 2 Wochen Exitus letalis.
Section ergab Schrumpfung der Nebennieren auf ein Drittel der
natürlichen Grösse.
Parkinson erwähnt 1 anderen Fall, ebenfalls mit tödtlichem
Ausgang, 31jähriger Mann, dreimonatliche Dauer.
Turney sah ebenfalls 2 sehr vorgeschrittene Fälle, die auf die
Extracttherapie nicht reagirten.
Haie White erprobte die Methode an einem Falle, der sich
später als perniciöse Anämie herausstellte und constatirt die auch
von Phear allerdings nur im letzten Stadium beobachtete Tem¬
peratursteigerung als unmittelbare Folge der Darreichung von
Drüsenextract.
Das wiederholt beobachtete Erbrechen hält Phear mehrifür
ein Sympton der Krankheit als eine Folge der Therapie. F. L.
Aerztlicher Bezirksverein München.
Auszug aus dem Protokoll der Satzung v. 25. Januar 1896-
Zu Punkt 3 der Tagesordnung: Antrag Dr. Krüche betr.
Petition an den Reichstag um Aufnahme einer Bestimmung in das
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, welche den Geheim-
mittelschwindel und die Kurpfuscherei hintanhalten soll.
Referent und Antragsteller Dr. Krüche gelangt am Schlüsse
seines Referates zu folgenden zwei Anträgen:
Der ärztliche Bezirksverein wolle an den Reichstag zwei
Petitionen richten und
1. in der ersten derselben in Bezug auf die dem Reichstag
derzeit vorliegende Novelle zur Gewerbeordnung um Aufnahme der
Kurpfuscher in § 35 der Gewerbeordnung bitten;
2. im Hinblick auf den dem Reichstag zur Zeit vorliegenden
Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb bitten, dass aus¬
drücklich ausgesprochen werde, dass auch Personen, welche sich
gewerbsmässig mit dem Vertriebe von Heilmitteln oder Betriebe
von Heilmethoden befassen, unter den Begriff der gewerblichen
Leistungen zu subsumiren sind.
Correferentl)r A. Weiss beschäftigt sich nur mit dem zweiten
Anträge Krüche's, welcher mit Punkt 3 der Tagesordnung zu-
sammenfällt und kommt zu dem Anträge auf Ablehnung des
Antrages Krüche.
An der Discussion betheiligten sich ausserdem Geheimrath
von Kerschensteiner und Dr. Aub.
Der Vorsitzende betonte, dass es sich zunächst nur um den
sub Ziffer 2 gestellten Antrag Dr Krüche's handeln könne, weil
sein sub Ziffer 1 nunmehr gestellter Antrag nicht auf der Tages¬
ordnung sei. Es wird sodann über den Antrag Ziffer 2 des Dr.
Krüche abgestimmt und derselbe mit überwiegender Mehrheit
abgelehnt.
Bezüglich des Antrages sub Ziffer 1 wendet sich Dr. Aub
gegen dessen Form, weil nach seiner Meinung der Bezirksverein
nicht mit Umgehung des Aerztevereinsbundes und dessen Geschäfts¬
ausschusses sich direct mit einer Petition an den Reichstag wenden
sollte. Er ist vielmehr der Meinung, dass, wenn man einen Beschluss
in dieser Richtung fassen wolle, man sich zweckmässiger mit einem
bezüglichen Antrag an den Geschäftsausschuss des deutschen Aerzte¬
vereinsbundes wenden würde.
Dr. Krüche moditicirt danach seinen Antrag dahin, dass er
der Anregung Dr. Aub’s beistimmt und den Antrag an den Ge-
Bchüftsausschuss gerichtet wissen will.
Alsdann regt der Vorsitzende die Frage an, ob es zulässig sei,
über den Antrag abzustimmen, nachdem derselbe nicht auf der
Tagesordnung gestanden habe. In Anerkennung dieses formalen
Hindernisses unterbleibt die Abstimmung über diesen An¬
trag Dr. Krüche’s, nachdem der Vorsitzende sich bereit erklärt
hatte, die in dem Autrage enthaltene Anregung in der demnächstigen
Sitzung des Geschäftsausschusses des deutschen Aerztevereinsbundes
zur Sprache zu bringen. Mit dieser Art der Erledigung erklärten
sich die Versammlung und der Antragsteller einverstanden.
Für die Vorstandschaft des ärztlichen Bezirks Vereins München
Dr. Aub.
Verschiedenes.
(Die Röntgen'schen Strahlen). Im Nachtrag zu dem
Bericht über den Vortrag Prof. Iiöntgen’s in der Phys.-med.
Gesellschaft zu Würzburg in vor. Nummer bringen wir heute eine
Reproduction der von Röntgen dort demonstrirteu, historisch ge¬
wordenen Photographie einer Hand. Wir bemerken dazu, dass die
Reproduction ein getreues Abbild des Originals gibt, nur die Conturen
der Weichtheile erscheinen dadurch, dass im Cjich4 der Hintergrund
ausgeschabt wurde, schärfer als dort.
Seither hat die Technik der Photographie mit Röntgen’schen
Strahlen bereits Fortschritte gemacht. Auf der nachstehenden Figur
— Finger einer im Physikalischen Institut der Universität München
von Dr. Fomm aufgenommenen Damenhand — sind nicht nur die
Conturen der Knochen bereits viel schärfer gezeichnet, sondern es
lassen sich sogar feinere Details der Structur des Knochens z. Th.
erkennen. (In der Autotypie sind leider einige Feinheiten der
Originalplatte verloren gegangen.) Für die Ueberlassung dieser Auf¬
nahme, die zu den besten bisher erzielten gehören dürfte, sprechen
wir Herrn Dr. Fomm auch an dieser Stelle unseren Dank aus.
Dass die praktische Nutzbarmachung einer so viel ver¬
sprechenden Entdeckung sofort von den verschiedensten Seiten in
Angriff genommen wurde, ist selbstverständlich; so liegen aus Wien,
Paris, London etc. Mittheilungen vor, denen zu Folge die Methode
für die Diagnose sich nützlich erwiesen hat. In Berlin hat das
Kriegsministerium, wie der ..Reichsanzeiger“ meldet, Veranlassung
genommen, in Verbindung mit der Physikalisch-Technischen Reichs-
anstalt Versuche darüber anzustellen, ob die Röntgen’sehe Er¬
findung für kriegschirurgische Zwecke dienstbar zu machen und zum
Nutzen kranker und verwundeter Soldaten zu verwerthen sein wird.
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4 . Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
115
Id Folge dessen ist eine Reihe photographischer Aufnahmen von
anatomischen und kriegschirurgischen Präparaten gemacht worden,
in denen Geschosse und Geschosstheile in den Weichtheilen und
Knochen steckten. Die Photogramme geben ein deutliches Bild der
vorgekommenen Knochenverletzungen und Hessen den Sitz des
ateckengebliebenen Geschosses mit Sicherheit erkennen. Die Ver¬
suche werden in grösserem Massstabe fortgesetst.
(Schlimme Sitten) schreibt dem Württ. Corresp.-Blatt ein
College ans einer kleinen Stadt, scheinen sich unter den Aerzten
einrubürgern. Vor mir liegt eine bunt gedruckte „Geschäfts-
empfehlnng“ eines eben neu zugezogenen jungen Arztes, die jeder
Familie ins Hans getragen wird. Noch schlimmer aber, mit Ver-
leagnnng aller Grundsätze der Wissenschaft und des ärztlichen An¬
standes, treibt es ein anderer junger Arzt. Er schreibt einem Dienst¬
mädchen auf dem Lande: „Für gütige Empfehlung in Bekannten¬
kreisen bin ich Ihnen sehr dankbar. Das Hieherkommen der
Patienten ist nicht immer nöthig. Brieflich lassen sich die meisten
Fälle auch behandeln“. Ein Commentar ist überflüssig
Therapeutische Notizen.
(Zur Tracheotomie wegen Fremdkörper.) Bezug¬
nehmend auf meine Mittheilung in No. 52, 1895 d. W. und auf
den Fall Geiger s in No. 2, 1896 d. W. bemerke ich, dass ich
mit Geiger selbstredend, wie aus meiner Publication dcutlichst
hervorgeht, darin übereinstimme, dass die Tracheotomie bei Ver¬
stopfung der Bronchien durch Fremdkörper die souveräne thera¬
peutische Massregel sein muss. Mein Vorhaben, die Operation vor-
lunehraen, scheiterte nur an dem leicht begreiflichen Widerstand
der Eltern meines kleinen Patienten und an dem allerdings ebenso
unbegreiflichen Votum des hinzugerufenen Collegen, dass * es auch
so gehen könnte >, eine Ansicht, die der betreffende College wahr¬
scheinlich bei einem 2. Besuche, den er hinter meinem Rücken
unternahm, weiter vertreten hat. — Ich glaube meinerseits, dass
man heutzutage, wo man den narbigen Stenosen der Bronchien
instmmentell mit Erfolg zu Leibe geht, auch hoffen kann, einen
Fremdkörper aus den Luftröhrenästen zu extrahiren oder wenigstens
zu lockern. Die via a tergo allein ist wohl nicht immer im Stande,
den Körper zu lockern. Dr. Winands.
(Zur Therapie der Lepra) Nachdem bis jetzt die Lepra
überall und in allen Fällen als unheilbar galt, berichtet Dr. Gold-
sehmidt-Madeira über einen mittel schweren Fall von Lepra (an
Oberlippe, Augenlider, Kinn, Nasenspitze- und Schleimhaut und dem
einen Bein), welcher vorher lange Zeit hindurch vergeblich mit Jod-
Mi, Hgpraeparaten, Tuberculin behandelt worden war, aber von ihm
durch 4 Jahre lang fortgesetzte energische Behandlung definitiv geheilt
*urde. Die Untersuchung auf Leprabacillen, welche G. an all' den
angegebenen Körperstellen vorher gefunden hatte, ergab nach Ab¬
schluss der Behandlung überall ein negatives Resultat. Das ange¬
wandte Mittel war Europhenöl (5 proc.), welches durch zweimal
^>ch je 10 Minuten lang vorgenommene Massage auf und in die
betreffende Hautstelle applicirt wurde; in excidirten Gewebsstückchen,
sowie im Urin fand sich Jod, ein Beweis, dass das Europhen resorbirt
“tjd zersetzt worden war. In Fällen innerer Leprose und bei Er-
piffensein behaarter Stellen müsste das Mittel auf subcutanem Wege
«nverleibt werden; weit entfernt, das Europhenö] als Specificum
gfgeu Iepra anzupreisen, glaubt Goldschmidt es doch in Anbetracht
c* einen nun 2 Jahre anhaltenden Heilerfolges warm empfehlen
w müssen. — Er sah während seines nahezu 30 jährigen Aufent¬
haltes auf Madeira circa 150 Leprafälle und fand stets den von
.' l ? äeD taachriebenen Bacillus, jedoch gelang es ihm nie, trotz un-
,rpr '»ersuche und im Gegensätze zu anderen Forschern, den- i
N'iK Z 0 Reincultur za züchten and auf Thiere überzuimpfen. Die
•«edesMeeres hat nach seinen Erfahrungen keinen Einfluss auf
6 ^^cklung der Krankheit, ebensowenig die Fisch-Nahrung
(die Bewohner von Madeira sind in ihrer Armuth beinahe aus¬
schliesslich auf Vegetabilien beschränkt); dieNothistes, welche
das Terrain vorbereitet, und durch directe Ueber-
tragung von Mensch auf Mensch kommt die Krankheit zu Ent¬
wicklung, welche bis zum völligen Ausbruch circa 5 Jahre dauert.
Die Tuberculose macht gegen Lepra immun, jedoch ist oft der
letzteren Terminalstadium der Phthise sehr ähnlich; die bacterio-
logische Untersuchung des Auswurfs ergibt jedoch stets nur den
Hansen Bchen Bacillus, was differentialdiagnostisch wichtig ist. Im
Staub der Säle des Leprahauses konnte G. denselben nie finden,
fernere nie an der Haarwurzel bei den Kranken; an Stamm und
Gliedern wenig behaarte Racon Neger, Chinesen, Indianer dürften
dnher eine gewisse Disposition für Lepra besitzen. Was durch
prophylactische Manssregeln geschehen kann, beweisen Frankreich,
wo es im Mittelalter 2000 Leprosenhänser gab und heute die Seuche
fast ganz verschwunden ist, und Norwegen, wo die Zahl der Lepra¬
kranken von 3000 in Kurzem auf 1000 gesunken ist; im Gegentheil
dazu stehen die baltischen Provinzen Russlands, wo vor 40 Jahren
die Krankheit noch unbekannt war und es heute über 400 Lepra¬
fälle gibt. Bulletin M6dic. 1895, Nr. 96. St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 4. Februar. In der b. Kammer der Abgeordneten
hat am 30. und 31. v. Mts. eine grosse Debatte, die Reform des
Irrenwesens betreffend, stattgefunden. Man hätte zwar glauben
sollen, dass nach dem Erlass der neuen, an anderer Stelle dieser
Nummer eingehender besprochenen Bestimmungen über die Auf¬
nahme von Kranken in Irrenanstalten, auch die ängstlichsten Gemüther
sich darüber beruhigen würden, dass in Bayern avisreichende Cau-
telen gegen widerrechtliche Verbringung in eine Irrenanstalt bestehen;
allein gewissen Weltverbesserern genügen auch diese weitgehenden
Erschwerungen der Aufnahme in Irrenanstalten noch nicht So hat
Abgeordneter Dr. Ratzinger folgenden Antrag eingebracht: Die
k. Staatsregierung möge die nöthigen Schritte veranlassen, damit
a) zur Ueberwachung der Irrenanstalten eine Commission
gebildet werde, welche das Recht hat, diese Anstalten jederzeit zu
besuchen und über das Verbleiben oder die Entlassung Einzelner
in denselben zu entscheiden; b) nach Analogie der Entschädigung
von unschuldig Verurtheiiten denjenigen Persönlichkeiten, welche
irrthümlicherweise in eine Anstalt verbracht wurden, eine Ent¬
schädigung aus der Staatskasse gewährt werde; c) dass zu dieser
Entschädigung jene Aerzte, welcho bewusst oder aus Fahrlässigkeit
ein irrthümliches Zeugniss ausgestellt hatten, herangezogen werden.
In der Begründung seines Antrages brachte Dr. Ratzinger, gestützt
auf die bekannten Brochüren des berühmten « Psychiaters > Finkeln¬
burg eine Anzahl längst widerlegter Anklagen gegen die Irren¬
anstalten vor. Er schoss dabei soweit über das Ziel hinaus und
brachte eine solche Menge von laienhaften Anschauungen und
verkehrten Schlussfolgerungen zu Tage, dass der Staatsminister
von Feilitzsch, sowie die Redner der beiden grossen Parteien
leichte Mühe hatten, die Kammer zur Ablehnung des Antrages
zu bewegen, welche denn auch mit grosser Majorität erfolgte.
Minister von Feilitzsch erklärte den Antrag für überflüssig und
bedenklich, weil die bayerischen Irrenanstalten zu Klagen keinen
Anlass gegeben hätten, die Aufsicht über dieselben aufs Beste ge¬
ordnet, durch die neuen Vorschriften allem Missbrauch vorgebeugt
sei, und weil durch den Antrag nur die bestehende, bewährte Or.
ganisation gestört werde. Der zweite Theil des Antrages sei aug
juristischen Gründen unannehmbar, sowie desshalb, weil er ein gan
unberechtigtes Misstrauen gegen die bayerischen Aerzte enthalte 2
Die Redner der grossen Parteien stimmten dem Minister bei. Dabei,
zeigte sich aber die sehr interessante und wichtige Thatsache, dass
8ümmtliche Redner (abgesehen vom Abg. Grillen berger) eich mehr
oder minder scharf gegen die neuen Aufnahmebestimmungen aus-
sprachen. Die Abgeordneten Wagner (üb.), Dr. Aub (lib.) und
Josef Geiger (Centn), namentlich Letzterer in ausführlicher Be¬
gründung, äusserten schwere Bedenken gegen dieselben. Die Folge
würde, zum Unheil der Kranken, eine erhebliche Erschwerung und
Verzögerung der Aufnahme in die Anstalten sein, ferner sei zn be¬
anstanden, dass dem Laienelement (der Polizei) das letzte ent¬
scheidende Wort eingeräumt sei. Abgeordneter Geiger richtete
am Schluss seiner vortrefflichen Rede an den Herrn Minister
die dringende Bitte, im Interesse der Familien und der Patienten
die getroffenen Bestimmungen wieder abzuschaffen. Selbst der
Abg. Ratzinger gab in seinem Schlusswort zu, dass nicht bei
der Aufnahme, sondern bei der Controle grössere Strenge herrschen
solle. Wir sprechen unsere grosse Freude und Genugtuung darüber
aus, dass die bayerische Abgeordnetenkammer den von uns dar¬
gelegten Standpunkt eingenommen und das Ministerium darüber
belehrt hat, dass sie nicht Willens sei, durch Erschwerung der Auf¬
nahmen die Kranken zu schädigen, noch den ärztlichen Einfluss
zu Gunsten polizeilicher Maassregeln hintanzusetzen. Und wir hoffen
nun zuversichtlich, dass das Ministerium dem von der Abgeordneten¬
kammer ausgesprochenen Wunsch nachkommen und die angegriffenen
Verordnungen möglichst bald aufheben werde. Dagegen bedauern
wir, dass die Kammer den ersten Theil des Antrages Ratzinger
nicht angenommen hat. Ob Commission oder Ministerialabtheilung,
darüber lässt sich streiten. Darüber aber, dass eine höhere sach-
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Münchener mepicinische Wochenschrift-
Geisteskranken w*»re es se Anträgen an eine höhere
gegeben wäre, mit ihren ^^“Xnen Gegenwärtig ist die
Bach verständige Instanz appe>re di An8t altsdirection |2
«riESa-- Bl
ä ä *•
s. ssfet ■rvsssÄi“ 2
tischen .1. den. Me tanrtnAnslalts<lir«tor ab «ml K
einem o.genen Utthe.h So MW Au « bel , a „ dt | t , in der Anstalt d ,
di Tl,l b?g«Ä S«S.L Lage, de. Kranke .tar
^r : S TÄÄÄ*r?."£ *
wendige Vertrauen zu «ei anken sowohl als der Anstaltsärzte, dass
ÄÄ«,ständige■ Ei!
iS ET SfÄ rEbeiEen 8, £, Vertrauen des mhiiknrn. an
vermehren. . ... ■. i.
Das Münchener Gemeindecollegium genehmigte einstimmig
_ Das „ für Verbesserungen im kranken- t
,lic Summe von 13 - •. de8 Mag i 3tr ats die Summe bereits 1
au .?.. e , L . J t f8 £ t d J ) St der zeitgemässe Umbau dieser Anstalt t
bewilligt ist (s. bo. l a-J-) * de für die Erbauung eines 1
endgültig beschlossen. .,p. 0 _ 4 qq Kranke auf einem von dem 1
städtischen Sanatoriums fd lOO K Harlaching die
EE™ So”»““ ÄÄ einstimmig genehmigt
Die russische hygienische Gesellschaft gedenkt
den .7, den 14. Mai 1. J fallenden 10(^^ Geburt.»«g
i e r.7une d e e 8 r n Ge r s a enscLft am Jubiläumstag, Übertragung der
Festsitzung der Russische, einer Ausstellung aller auf
2 SSS 2 :SS=
gfässs
C 'Z - "ÄS Dr Ä»
iifÄ^rfvEllE.^
SÄ Herrn Dr W. Faltin dirig.rt »erden.
_ Unter Leitung von Dr. Buschan erscheint in J. U. Kerns
Verlag ein „Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Ur-
Jeschfchte.“ Der Preis für den 4 Hefte von je 6 Druckbogen um¬
fassenden Jahrgang beträgt 12 Mark.
_ Das „Lehrbuch der praktischen Photographie
n«. A,inlf Miffche (Verlae von W. Knapp in Halle a. S.),
dessen erste Lieferungen bereits angezeigt wurden, liegt nns jetzt
als elegaS ausgestatteter Band vor. Wir können das Merk Allen,
die sich*mit der photographischen Technik etwas ernster beschäf¬
tigen, als zuverlässigen Rathgeber empfehlen.
_ Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten ,n
ü Tal,reswoche vom 12.— 1*. Januar 1896, die grösste Sterblichkeit
Bonn mit 31,6, die geringste Sterblichkeit Metz mit 9,6 Todesfällen
nro Jahr und lüOO Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen
starb an Masern in Brandenburg Mete, Mülhausen l. E.; an Diph¬
therie und Croup in M,Gladbach, Königshütte, Mannheim.
(Universitäts-Nachrichten) WmzUrg. Gel.eimrath v
K öl liker wurde zum Ritter des Ordens pour le mörite gewählt
(an Stelle des verstorbenen Ludwig). ,
( Floren*. Der a o. Professor Dr. Banti wurde zum ordentl.
Professor der pathologischen Anatomie ernannt. — Innsbruck. Zum
ordentl. Professor der Anatomie und Direktor der anatomischen
Universitätsanstalt ist Dr. Hochstetter, bisher a. o Professor
an der Universität Wien, berufen worden. Dr. lIocliBtetter wird
der Nachfolger des Professors Wilhelm Roux, jetzt in Breslau
Leyden. Dr. W. Koster wurde zum Professor der Augenheil¬
kunde ernannt
(Todesfälle) In Greifswald starb der Geheime Medicinal-
rath Professor Dr. Rudolf Schirmer im Alter von 65 Jahren. Er
vertrat seit dem Jahre 1860 in G. das Fach der Augenheilkunde^
zuerst als Privatdocent, seit 1867 als ausserordentlicher und endlich
_i u7*j «ia m-HantlifVipr ProfftRHor. Im Jahre 1893 ging die Leitung
zuerst als Privatdocent, seit iöo i ais ausserurucm,.iv..i C i T —
seit 1873 als ordentlicher Professor. Im Jahre 1893 ging die Leitung
der oph> halmologisehen Klinik auf seinen Sohn, den a o. Professor
Dr. Otto Schirmer über. , _ .
In Klausenburg ist am 27 v. Mts. der ordentliche Professor
der Hygiene und der Veterinät Wissenschaften Dr. Alad&r Rözsahepyi
im Alter von -11 Jahren gestorben.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung. p■^VI dwig /f k K ^ li• B D? k oStbi•^ vom
Versetzt. Der Assis‘ C p*f'jn on ’_ Der Assistenzarzt 2. Klasse
12 Inf -Regt zum Eiscnbahn-Batadlon. Sanitätscorps.
Dr S Sr™ Ä 1. Klasse der Assistenzarzt
....,..., Ge I% r Xcf% g“ p n»Am (Hop. 0«pk4h) in Land,hu.
Morbiditätsstatistikd.lnfectionskrankheitenfiir München.
in der 4. Jahreswoche vom 19. bis 25. Januar 1896.
Betheil. Amte 400. - Brechdurchfall 8 (8*), Diphtherie, Croup
42 |50), Erysipelas 22 (25), Intermittens. ^eura pa^i^, n9 ^ 69 y
Kindbettfieber 3 (G), Menmgms cerebrospi' ■ ( -p ide mica 10 (16)
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 4. Jahreswoche vom 19. bis 25. Januar 189 .
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen: Masern 9 (15*), ScbarJjcb
und Croup 4 (8), Rothlauf - (ü- Kmdhettfleb ( j. {
( Ä ÄÄ <fIE;
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 25,1 (25, • JJJ
5?e über dem I. Lebensjahr stehende Bevölkerung L>,2 (18,2 , für
die über dem 5 Leb ensjahr stehende 12,2 (lö,o ).
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat Dezember 1895.
1) Bestand am 30. November 1895 bei einer Kopfsterke des
i Heeres von 64617 Mann, 207 Kadetten 21 Invaliden, 148 U. V.).
2012 Mann, 6 Kadetten, 7 Invaliden, 7 U.- • _ Invaliden,
2) Zugang: im Lazareth 1437 Mann, 4 Kadetten, tt y
16 U V ; im Revier 3630 Mann, 25 Kadetten, - Rahden.
■ Summe 5067 Mann, 29 Kadetten, ~ Mann 35 Kadetten,
, Summe des Bestandes und Zuganges <079 Mann »
7 Invaliden, 24 U.-V.; vom Tausend der Iststärke IWflo
, 169,56 Kadetten, 333,31 Invaliden, 162,10 U^V. ^ Tnva i ideDi 22
■_ 3) Abgang: geheilt 5111 Mann, 32 Kadetten, _ .y .
U.-V.; gestorben 12 Mann, - Kadetten, 77 ^“^u’-V.; ander-
■ S —- 5537
Riann 3 l^Kadetten^^ 1000 der ^"^nvalTd^und
” 914,38 der erkrankten Kadetten, 0,00 der
1 916 66 der erkrankten U.-V.; gestorben 1,69 von 1000 der ii-ra
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,0ü Invahden undO.OOU.-V Ka _
v. 5) Mithin Bestand am 31. Dezember 1895 : lo42 Man
lt detten, 7 Invaliden, 1 U.-V ; vom Tavisend der I8t8tärke 23,|b
4,83 Kadetten, 333,33 Invahden, 6,75 U.J. Vo “ betten 8 Inva¬
ti • stände befanden sich im Lazareth 1043 Mann, ] ^validen’— D-- v -
m liden 1 U -V ; im Revier 499 Mann, - Kadetten, * Invalide »
m Von den in militerärztlicher Behandlung GJrtoAwjn
or gelitten an: Pyoseptliämie im Anschlüsse an . n ^ er Leplo-
rd und loböre Pneumonie 1, Zuckerruhr mit nach g: “ ^
— meningitis 1, Hirnhautentzündung 1. Lungenschwindsucht , *
il- Degeneration des Herzmuskels 1, BUnddarmentzündung^, ^
Bauchfellentzündung 1, Knochenerkrankung des Beckens
al- eitriger Mittelohrentzündung mit nachfolgender ^ftmie l.
Er des Herzens un<l der linken Lunge 1 nn 1 2 durch
Je. Ausserdem verlor die Armee durch Selbstmord»JJ^merung
ch Erschiessenmitdem Dienstgewehr (einmal mit 8chädelzert um
„g und einmal mit Eröffnung der linken Herz-kammer) und
jor durch Erhängen mittelst des Gewd.rr.omens dem-
Der Gesammtabgang durch Tod m der Armee
sor nach im Monat Dezember 189 = l-> Mann.
* Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Itelle der Vorwoc
i) U.-V. = Abkürzung für ünteiOffiziers -Vorschüler. __
Verlag von F. ..„„‘n,. 1. Münch«. - l>n*k «1er E. M ü h 11ha 1 er’ncheii k. Ho^B Whrt rncU.^4^n=
k. Hof-BuehrtriicVerel iirMünchen.
Digitized by LnOOQle
Dio Münchener Medioin. Wochonsehr!ft erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens2‘/-—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M , praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60
münchenee Ss^-ßssm
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cd. dinier, 0 . Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W.». Heineke, G. Merkel J » MirhPi u „ D a „k fl c „ L „
Freiburg I. B. München Leipzig. Berlin, Erlangen ’ Nü7nber g ' Würzburg ’ «Lbf ’ ^ H ' ^«"SSeil,
M 6. 11. Februar 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmano, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der medicinischen Klinik zu Freiburg i. B.
(Geh. Rath Prof. Dr. Ch. Bäumler).
Stoffwechseluntersuchung bei einem mit „Thyrojodin“
behandelten Falle.
Von Privatdoeenten Dr. G Treupel.
Im Folgenden möchte ich über einen Fall berichten, der
mit den. von Baumann und Koos 1 ) aus der Scluifscliilddrttse
dargestellten t Thyrojodin.» behandelt worden war und bei den.
Hith Gelegenheit geboten hatte, den Einfluss dieses neuen Sehild-
Msenpräparates auf den menschlichen .Stoffwechsel zu untersuchen.
w aus der kurz wiedergegebenen Krankengeschichte ersichtlich,
handelte es steh um einen Fall, bei dem die Frage zu beantworten
war. ob die am Halse vorhandene Struma in ursächlichem Zu¬
sammenhänge stehe mit einer gleichzeitig vorhandenen von den
tockenknot-hen ausgehenden Geschwulst, oder ob beide Dinge un¬
abhängig von einander bestanden. Herr Professor Kraske. der
lrr ,c Lr eh ? und ,,ntersud,t i»««, ***** <1™ w.
hei i rs ° g lder Nichterfolg der HchilddrUsenthcrapic l.ier-
h i,, , d, * erei,t,el1 diagnostisches Mittel z« verwerthen und so er-
von dtn Fatiei n ÜW e,n °" Zeitnml " von 14 Tagen täglich 1
pulvern n ,| VU " BaU ' Ua "" 1111,1 Koos dargcstellten Thyrojodin-
durch vinlf i!" ll ? |ltC NV irksaiiikeit auf iiarcnchyimitösc Strumen
' rih Vlelfaltlge Versuche sichergestellt war.
Ober rechtsseitige J - G -Bossert aus Bischoffingen, der
klagte, bot bei 8 eSe! te A?f nie K en '- Ap § etitmanKel un ' 1 Schlaflosigkeit
folgenden Befund rniHr^^.“® ,n d,e Klinik < 5 - October 95) kurz
ausschliesslich recht«. IC *\ Hasses Aussehen. Am Halse eine fast
den BrSJSnen l Zen - e ^ V °- n - derber Con8istenz - Ueber
Besonderes, Das Ahdr.™ ein ? r . Bronchitis massigen Grades nichts
druckempfindlich • di« Ti" I8t , Y? ich und im Allgemeinen nicht
palpabeL i S erhebl ch vergrössert (16:8 cm) und
«wa handbreit oberSh p C ° eCa ? eg u nd lä88t sich in der Tiefe .
grosse, derbe höckerig P °?? a , r ?. 8cben Bandes, eine gut apfel-
ausgehende Resistpnv un Y er ®c.I , J e blich e und von der Beckenwand
Palpation schmerzhaft dil {! eut ' ch füh len. Der Tumor ist bei der
Wirbel sind Belir druckt 6 D J ,r 'l l { . 0 F t8tltze d er letzten beiden Lenden-
W. sup. ossftj zS ' PÖn a dl i Ch ’ P ie Ge 8 end über der Spina
Untersuchung des g Rin?«. dlffu . 8 k e . der . b elastische Schwellung. —
der weissen Blatkörperche 3 erglbt keme bes °ndere Vermehrung
I4 Tsppn p ..
jewesen - ißt die Strnma * Gnt war inzwischen in seiner Heimath
Renten sind vesteftT ? ÖS8er geworden und d >e Beschwerden des
«hmung. Vom 3 hi. 1 Wngoskopisch: rechtsseitige Recurrens-
Thyrojodinpu,ver f—°i ^ erbi ?lb Patient täglich
JJmor des rechten^iWdrt ] 8 der f ri sehen Drüse). Der
8nder t. Vorübergehendttf» n , P i Pe r a warde dadurch nicbt ver-
eic ht arhythmisch rat Gerzk o P fen auf und wurde der Puls
Stoffwe chfel °cb4 vtn , erS. Ein T 1 i , rkunz der Schilddrü3C auf den
ft der «elhen, ZeiSr f \ b nu die - Art der wirksftmei1 Sub-
b.W-41 E Baiim» C ' f pbys ' Cbem,e 1895 Bd. XXI, Heft 1
1111 Tl.ierkdrper, ZeitechTf normaIe Vorkommen von Jod
No. 6 f> phy8 ‘ Cl,em ■ &U5 Bd. XXI, Heft 4.
Storni irr!* L5? C i 95: . Ueber dera Manubrium sterni leichte Dämpfung
“ MSgeTi? y S s ' el ' ,en ,mtm " P,rt ' en ' sehr 1™=ta°P»"dlicb 8 :
Ap 9. Dec. 95: Exitus letalis.
Die Diagnose lautete: Wahrscheinlich von der rechten Becken
wand ausgehendes Sarkom mit Metastasen in der Schilddrüse und
den Lungen. Die Section bestätigte diese Diagnose
Th,,rt Ch r' Vlll . n0Ch r bemerken > dass Patient vor der Anwendung der
Thyrojodinpidver Liqn. Kal. arsenicos. innerlich , nach dem\us
Fernpr tf Natr ftrsenicos - ««bcutan erhalten hatte
h anzu Keben, dass Patient während seines ganzen Spital-
de! SwpcL e, . Chm K g le,cht gdiebert hat - Mit Rücksicht auf
Temnp t raf, h !i e D e f SUCb mu9S ,cb dfts g enauer e Verhalten von
T«hpllP " H ind u “ 8 V ° m 6 - ° Ct - 95 bis 5 ‘ Dec ‘ 95 in der folgenden
ISii i dergeben ’ Um ZU zeigen > da8S die während der Schild-
nSit e f t«i mi't g p ei f n p etr K enen T erä " derungen im Stickstoffhaushalt
nicht etwa mit auf Rechnung des Fiebers zu setzen sind.
Datum
i Tem- p
j peratur Pul8
(Horgwi | Abeod |,)forgen | Abend
*
ei?
' ® ri
:©
Datum
Tem-
i peratur
, Horgfu| Abtm
: *
Puls S>j*
| <D c
Norgzn- Abend || ^ ”
6. X. 95
37.7
(38.2
96
|
1
I 8. XI. 95 37.6
38.6
ii 1 r
1 1201
1.
37.6
38.5
92
96
62,6
9.
,37.2
38.2
1 1 120!
8.
37.9
38.1
! 100
84
10.
38.0
38.0
II104 I !l
9.
37.2
38.4
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! i l
10.
37.3
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12.
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12.
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17.**)
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381
16.
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38.8
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17.
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38.2
18.
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i 102 j
19.
37 9
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21.
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37.9
20.
37.8
38.3
104
108
22.
37.0
38.3
21. |
37.5
—
116
23.
37,0
37.9
Aufenthalt zu .
lause :
24.
37.0
37.5
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28.X. 951|
37.9
38.4
108'
25.
36.8
37.9
29-
38.3
108
|
26.
37.1
37.4
1021 1
30. i
37.9
38.1
101
128,
27.
36.9
37.4
1041 1
31. 1
37.4
38.6,
120
120 [
28.
37.1
38.1
j i 59,o
1. XI. 95 1
37.4
38.41
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|1
29.
2. ‘ 37.3
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120
30.
36.8
37.0
i !
3.*) 37.7'
38.4
36,o
1 XII 951
37.1
37.3
105 ! 1
4- !
37.1
38.6
116 'i
2.
37.1
37 7
5. -1 37.7
38.5 i
108 !
3. f
36.«
37.8
96,'
6. ; 37.8 |
38.5!
120 !
4.
37.2
37.5
' 60,o
7. ' 37.3 |
38.4 !
112 1
5. T 36.9 j
37.6
! !
Aus
der
vorstehenden
Tabelle ergibt siel
auch, dass der
Tcmporaturgang ilurch die Verabreichung des von Baumann
und Koos dargcstellten Thyrojodins nicht verändert worden ist.
Auch die Pulszahl ist im Ganzen nicht wesentlich liccinflusst
worden, nur vorübergelicud erschien der Puls leicht arliytlimiscli
und klagte der Patient Uber Herzklopfen.
*) Vom 3.—16. XI. 95 tilgt. 1 Thyrojodin-Pulver = 1 g der
frischen Drüse.
**) Pulver ausgesetzt
1
Digitized by
118
Münc hener medicinische Wochenschrift.
No. 6.
Wie schon Eingangs erwähnt, bot sich Gelegenheit, die täg¬
lich™ Harnstoffausscheidungon Uber einen längeren Zeitraum ^nahezu
Monat) zu bestimmen und den Einfluss zu erkennen den da
14 tägige Darreichung der Schilddrüsensubstanz,mher . ut d,c Aus
diddmig des Harnstoffes bezw. Stickstoffes ,m Harne ln, e. M
aus der folgenden Tabelle ersichtlich, befand s‘
drei Tage, bevor mit der Darreichung der Thjrojodn, Pul
begonnen wurde, nahezu im Stickstoffgleich gewicht.
Alsbald nach der Einnahme der >„lver steigt dte
24 ständige Harn,„enge und wächst das Gew,cht
des im Harne ausgeschiedenen Harnstoffe..
' Berechnet man aus der mit Bromlauge bestminUen Hnrush-ff-
menge den im Harne ausgeschiedenen Gesa,,,». -Stickstoff (du n
Kote zur Ausscheidung gelangenden N-Werthe hheKm uncmmoU)
und vergleicht man damit die durch die Nahrung zugetuhrte Stick¬
stoff,nenge. so erkennt man, wie das zuvor bestehende Stickstoff-
glek-h''ewicht zu Gunsten einer vermehrten St,ckstofD
•tu sie h e i d u n g gestört worden ist. I nd mit der dauernd
gesteigerten Stickstoffausscheidung geht eine verhä tnissmässig
f.;*ehe Abnahme des Körpergewichtes Hand n, Hand.
Bemerkenswerth ist noch, dass zu keiner Zeit Zucker
üdcr eine reduci rende Subst an z l m Harne des 1 atienten
nach gewiesen werden konnte, obwohl täglich und oft mehrmals un
Tage „dt mehreren Methoden darauf untersucht worden ist.*)
Die. im Einzelnen erhaltenen Resultate der vom 29. Ok¬
tober bis 26. November 1895 vorgenoinmenen Harnnntersueliuiigcn
lind aus der folgenden Tabelle zu entnehmen. Die Muss,jkcit*
mengen, die der Patient pro die zu sich nahm, bl,eben wahrend
der ganzen Untersuchungs/eit nahezu die gleichen.
j
Datum j
1
1
Harn¬
menge j
in ccm
Spec.
Gewicht
bd tr,° c.
Reaction
29./30. X. 95
1020 !
1018
sauer
30./31.
1300 '
1016
sauer
31./1. XI. 95
1300
1013
sauer
1./2.
1200 !
1015
sauer
2/3.
1400 1
1013
sauer
3./4.
1500 1
1015
sauer
4./5.
1650 :
1015
sauer
5./6.
1550 |
1016
sauer
6./7.
2050
1014
sauer
7.18.
1650
1017
sauer
■ .j
8. hX
2100
1013
sauer
9./10.
2100
1015
sauer
10./11.
2050
1014
sauer
11./12.
1900
1015
saner
12./13.
1950
1015
sauer
13./14.
1950
1014
sauer
14./15.
1900
1015
sauer
15./16.
2200
1013
sauer
16./17.
1900
—
—
17./18.
1900
1015
sauer
18./19.
1850
1013
sauer
19/20.
1750
1015
sauer
20./21.
17u0
1014
sauer
21./22.
—
1 -
22. '23.
1500
: 1014
sauer
23./24.
1500
1014
sauer
24./25.
1180
1013
sauer
25./26. XI. 95
1300
1016
sauer
l*roce»t
Stellt man die Ausgaben und Kinnahmen aus der Vor-, der
Thyrojodin- und der Nachperiode für je 6 Tage zum Vergleiche
zusammen, so erhält man:
In 6 Tagen
ausgeschieden
Harnstoff g
ln 6 Tagen
ausgeschieden
Stickstoff g
Der i. d. Nahrung
zugeführte
Stickstoff
Gesummt-]
nusgnbe j
Mittel j
Oesummt-
uusgabc
Mittel
Gesummt-
einnnhinc
Mittel
Vorperiode . .
152,0
25,4
89,0
14,8
88 0
14,7
Thyrojodinperiode
219,0
36,5
127,7 '
21,3
91,5
15,3
Nachperiode . .
190,2
31,7
111,2
1
18,5
729
12,2
Aus der vorstehenden Tabelle ergibt sich also eine ver¬
hält n i s s m ä s s i g b c tr ä c h 11 i e h e Steigerung der Harn¬
stoff- bezw. Stickstoffausscheidung unter dem Einflüsse
des Thyrojodins. Dass diese vermehrte Ausscheidung auf Kosten
des Körpereiwcisses geschehen ist, darf wohl in unserem Falle,
wo es sich um einen chronisch Schwerkranken handelte, als wahr¬
scheinlich angenommen werden. Damit soll aber nicht gesagt sein,
dass die vermehrte Stickstoffausscheidung nach Eingabe der Schild¬
drüsensubstanz stets auf Kosten des Körperciweisses erfolgt, viel¬
mehr ist durch neuere Untersuchungen, auf die ich weiter
60,5
tägl. 1 Thyrojodin
I pulv.(Baumann-
Roos] = 1 g der
frischen Drüse.
Im Harn kein
| Aceton,keine Acet-
essigsäure.
30,8
30,0
29,6
27,3
14,4
14,0
13,8
12,7
18,2
17,5
17,3
15,9
59,5
59,0
unten noch kurz zu sprechen kommen werde, gezeigt worden,
dass wenigstens beim Gesunden sehr wohl durch Darreichung )°_
Schilddrüsentabletten eine Abnahme des Körpergewichts erzielt
werden kann, ohne dass dabei die Stickstoff-Bilanz des Körpers
eine negative wird.
Ueber die während und nach dem Gebrauche von WuM
drüsenpräparaten vermehrte Harnstoff- bezw. Stic s o
ausscheidung liegt liereits eine ziemlich stattliche Rene
Theil sehr schöner und genauer Untersuchungen vor.
Im Jahre 1893 fand E. .Mendel 7 ), dass während der
Thvrcoidinhehandlung bei Myxoedem neben einer Steigerung _
Harumenge (von 1100 auf 1400 bezw. 2000 ecu.) die tägl cn
Harnstoffmenge von 13,3 g auf 19,2, ja sogar auf 36,4 g
2 ) Ich will hiebei nicht unterlassen zu bemerken , dM8 anter
Chloroformzusatz gesammelter Harn bei A üch ^® r . indem die
eine positive Trommer'seheProbe vortäuschen köi an , nnr
beim Anstellen dieser Probe erhitzte Harnsäule ( un d
Spuren Chloroform enthaltenden Harnes) sich a' 1 ®"® n i ich ’beim
zwar melir blutroth (nicht gelb oder rotlibraun wie g
positiven Ausfall der Troramer'schcn Probe) färbeni Kann.
3 ) E = Eiweiss, nur in Spuren nachweisbar (&pj.
4 ) Z = Zucker bezw. reducirende Substanz. hereebnet
h ) lm Harne ausgeschiedener Gesammt-Sticksto , des
aus dem Harnstoff-Stickstoff unter der Annahme, dass oo • ^
Gesammt-Stickstoffes als Harnstoff-Stickstoff ausges 1093 bis
«) Der Kalorienwerth der Nahrung vom 29. October
21. November 1895 betrug im Mittel 3000 Kalorien. Woc hensclir.
■) E. Mendel, Ein Fall von Myxoedem, D. uied. Wocnc
1893. Nr. 2. S. 26.
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]]. Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
119
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bv Englische Autoren bestätigten das; u. A. erläuterten W. M
‘ Ord and E. White 8 ) an einer sehr instructiveu Curve die ein-
tfjjJäjrigen Verhältnisse und zogen aus dein von ihnen beobachteten
t. falle folgende Schlüsse: 1- Die Harnmenge wird vermehrt; 2- die
täglich im Harne ausgeschiedene Stickstoff menge überschreitet die
in der Nahrung zugeführtc Gesawuit-Stickstoffmenge ; 3. ein wesent¬
licher Einfluss auf die Phosphor- und Chlorausscheidung ist nicht
erkennbar; 4- der vermehrt ausgeschiedene Stickstoff wird haupt¬
sächlich als Harnstoff ausgeschieden ; 5. das Körpergewicht nimmt
rapid ab.
Eben» constatierte A. Napier*) eine vermehrte Harn- und
Harnstoffausseheidnng unter dem Einflüsse der Schilddrüsenbehand-
Jung (Darreichung von frischer, roher und fein verhackter Schild-
drflse in Beef-tea oder Suppe) bei Myxoedem.
F. Vermehren 10 ) berichtete sodann über StoffwecliHel-
UDtemch ungen auch bei Nicht-Myxoedematösen. Bei drei alten,
nicht myxoedematösen Leuten stieg während der Thyreoidinbehand-
Jong die X-Aizsgabe von 14,5 auf 18,0 g, von 8,2 auf 12,0 g
und von 10,7 auf 17,5g (die Werthe wurden ermittelt durch
Titriruog nach Liebig bezw. nach Esbach’s Methode). Nach
dem Aussetzeu der Drüsendarreichung ging die Stiekstoffausscheidung
wieder langsam zurück.
Die nun folgenden Untersuchungen A. Dennig’s 1, ) ) der
die von Vermehren erhaltenen Resultate einer ausführlicheren
Besprechung und Kritik unterzieht und auch auf die inzwischen
erschienene Abhandlung von 0. Leichtenstern (über Myxoedem
und über Entfettungscuren mit Schilddrüsenfütterung, I). med.
Wochenschr. 1894 No. 50) eingeht, erstreckten sich zunächst
auf 3 Personen. Im ersten Falle ging während der Einnahme
der Thyreoidea-Tabletten (6 Tage lang englische Thyreoidea-Tabletten
and zwar 4 mal 4, 1 mal 5 und 1 mal 6 Tabletten; 1 Tablette
= 0,3 g Sehilddrüsensubstanz) das Körpergewicht von 88,25 auf
85,75 kg zurück und fand eine geringe Erhöhung der Harnstoff
und .Stiekstoffausscheidung statt, während die 24stündigc Ilarn-
rnenge nahezu die gleiche blieb. Auch iw zweiten Falle (2 mal 3
und 2mal 4 Tabletten) blieb die Harnmenge nahezu dieselbe und
täglich grössere Mengen Thyreoideasubstanz nehmen kann, o ne
in seinem Eiweissbestand wesentlich geschädigt zu werden, währen
bei einem anderen ein zur Vorsicht mahnender V erlust von Körper-
eiweiss stattfinden kann.
J. P. zum Busch 1 *) erwähnt einen Fall von Myxoedem
nach abgelaufenem Morbus Basedowii, in dem unter Darreichung
von Thyreoidea-Tabletten (Borrouglis, Wellcome & Co.) Uber mehr
als einen Monat hin das Körpergewicht von 143 auf 132,5 Pfd.
zurückging, währendjdie tägliche Harnmenge fast um das Doppelte
und die Harnstoffausscheidung sehr beträchtlich (von 16,5 bezw.
18,3 auf 30,1 bezw. 58,6 g) vermehrt war. ln einem anderen
Falle (Psoriasis; 1. c. S. 448) wurden während mehrerer Monate
bis zu 8 Tabletten pro die gegeben, ohne dass die Harnmenge
wesentlich verändert worden wäre ((regensatz zum Myxoedem).
Die Harnstoffausscheidung war, um etwa 5—12 g schwankend,
vermehrt; das Körpergewicht sank um 10 Pfd., stieg aber
noch während der Thyreoidinbebandlung wieder
um 4 Pfd. Emerns uud Zucker konuten in beiden Fällen nicht
nachgewiesen werden.
Einen exacten und mit allen nothwendigon Cautelen an¬
geführten Stoffwechsel versuch machten Bleibtreu und Wendel¬
stadt J 4 ) an einem der Verfasser. Es fand nach Thyreoidea-
einnahme(Borrougbs-Wellcome’sche Tabletten) eine Mehrausscheidung
von Stickstoff statt und zwar soviel, dass etwa ‘/e der Gewichts¬
abnahme der Versuchsperson auf Zersetzung N-haltiger Körper¬
substanz zurückgeführt werden musste. Diese Mehrausscheidung
von N bei gleichzeitiger Drüsenfütterung konnte durch stark er¬
höhte Zufuhr von Kohlehydraten nicht merklich vermindert
werden, während bei derselben Versuchsjxirson ohne Drüsenein¬
nahme schon bei mässig gesteigerter Zufuhr von Kohlehydraten
ein N-Ansatz eintrat. Die Verfasser kommen also zu dem Re¬
sultate , dass der unter dein Einflüsse der Schilddrüsenfütterang
sich cinstclleudc Gewichtsverlust mitbedingt ist durch den Unter-
Sehr bemerkenswerthe Versuche über die Einwirkung der
Schilddrüse auf den Stoffwechsel sind dann aus dem Baumann
gang N-haltiger Körpersubstanz. Freilich war, wie P. F. Ri ch tcr 16 )
neuerdings geltend macht, die Kostanordnung in den Bleibtreu-
fand eine erhöhte Harnstoff- bezw. Stickstoffausgabe statt Der Wendelstadt ’ ß(! hen Versuchen wohl keine ganz einwandsfreie,
dritte Fall (12 Tage lang täglich 3 Tabletten), wobei das Körper- Kaloneenbedarf von vorneherein nicht völlig gedeckt
gewicht von 77,5 auf 72,5 (bezw. 72,0) kg sank, zeigte- bedeutende J V er8uchsper80n 8icb a,3 ° ,m Zustande der Unterernährung
Abweichungen in Bezug auf die Harnstoff- und Stickstoffausgabe, befand -
jo dass bezüglich des genaueren Verhaltens auf das Original ver¬
wesen werden muss. Doch fand auch hier im Grossen und Ganzen
eine vermehrte Harnstoff- und Stickstoffausgabe statt und liier stieg aeben Laboratorium von E. Roos ,6 ) veröffentlicht worden, der
lach die tägliche Harnmenge um ca. 200 ccm im Mittel. In einer aQub die ühlor- und Pliosphoraussclieidnng in den Kreis seiner
»eiteren .Mittheilung berichtete Dennig 1 *) dann noch über einen Beobachtungen zog. Nachdem Roos bei einem Kropfkranken,
vielten Fall (Lupus), in dem das Körpergewicht während der dcr äHerdings die Diät nicht so streuge einhielt, dass ein genaueres
.'Hhilddrüsensubstanzdarreichung (15 T :ge lang je 3, 5 Tage lang N-Gleiehgewicht erhalten wurde, an manchen Tagen geringe Mehr-
“ " ausscheidung von N und Ul, sowie Mehrausscheidung von Pj Os
gefunden hatte, ging er, um sicherere Resultate zu erhalten, zum
Thierversuch Uber. Unter sorgfältiger Beachtung aller Cautelen
ergalx-n sich folgende Thatsachen: Die Sehilddrüsensubstanz (dar-
gestellt nach den Angaben von Professor E. Bau mann) bewirkt
in grösseren Dosen beim gesunden Thier eine Mehrausscheidung
von N, Na Ul und Pa Oö. Die Mehrausscheidung dos Ul dauert
im Gegensatz zu der von N und Pa Os nur kurze Zeit (2—3
Tage). Beim Hunde 9 hne Schilddrüse ist die Einwirkung
der eingeführten Sehilddrüsensubstanz auf die N- und Cl-Aus-
scheidung eher etwas stärker als beim gesunden Thier, während
die Ausfuhr der Phosphorsäure erheblich hinter den entsprechen¬
den Zahlen beim normalen zurück bleibt. Die Scbilddrtlseu-
substanz verursacht eine Zersetzung von Körper-
eiweiss und Fettgewebe und wirkt diuretisch. —
je 4 and 1 Tag 5 Tabletten) um I Kilo zurtlckging. Die Harn-
“«Jge stieg am ca. 200 ccm pro die; diese vermehrte Harn-
losscheiflnng dauerte nur 5 Tage, dann sank die Harnmenge und
beb dauernd unter dein Werthe der Vorperiode. Die Stickstoff-
Msscheidung (Bestimmung nach Kjeldahl) war während der
ersoehgperiode ziemlich gleiehmässig um etwa 2,5 g erhöht uud
?! -^setzen der Tabletten rasch zu den Wertlien der
> »Periode ab.
Oennig zieht aus diesen Untersuchungen keine weitgehenden
■kuT’ * >n< k fn ^' etoDt se ^ lr richtig, dass die Wirkung der
^ lirüsenfütterung auf den Körperhaushalt individuellen
1 vaoknngen unterliegt, ao zwar, dass der eine Mensch
in ^ ^ ^^ite, On certain changes observed
eit™* TI 111 . t ?^ rxoedema a Rer the Administration of glycerine
«wet 0 f thyroid gland, Brit. med. Joum. Jul. 29. 1893, vol. II.
tie thU^^ P ‘ er ’ ^ >,Dreflls increased exeretion of urea in
yroia treatment of myxoedema, Lancet.Sept. 80. 1893, p. 805.
}rm em Ln j , ren ' Stoffwecbseluntersnchungen nach Behand-
[1 G m l D 8 thyteoidea an Individuen mit und ohne Myxoedem,
ntf. Wochenecbr. 1893, Nr. 43, 8. 1038.
b Heber das Verhalten des Stoffwechsels bei
«Münch, med. Wochenschr. 1895, Nr. 17,
ä Ko® weitere Beobachtung Ober das Verhalten ■
M Q h® 1 der Schflddrüsenfütterung, Ebenda Nr. 20,
ffo. 6.
18 ) J. B. zum Busch, Die Schilddrüsen bebandlung beiMyxoedem
und verschiedenen Hautkrankheiten, Dermatolog. Zeitschr. September
1895, Bd. II, Heft 5, 8. 446.
,4 ) L. Beibtreu und H. Wendelstadt, Stoffwechselversuch
bei 8childdrüsenftttterong, D. med. Wochenschr. 1895, Nr. 22, 8. 848
und S49.
15 ) P. F. Richter, Zur Frage des Eiweisszerfalles nach Schild¬
drüsenfütterung, Oentralbl. f. inn. Medicin 1896, Nr. 3, 8. 66 u. 67.
,6 ) E. Roos, Ueber die Einwirkung der Schilddrüse auf den
Stoffwechsel nebst Vorvenguchen über die Art der wirksamen Sub¬
stanz in derselben, Zeitsohr. f. pbys Cbem. 1895, Bd. XXI, Heft 1,
8. 19—41.
2
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120
Münchener medicimsche -ffocggNscroiFT.
No. 6.
auch ein erhebhc 1 Vielleicht ist dieser Einfluss so zu
Stoffwechsel zuzukomm . un * r Hinweis auf das
p s Os as 8 imilirt werden kann.
Endlich ist hier n»h eine "S” S- roh
Burger 17 ) zu «™äh„cn der »n -d. TOD
rTL^Xrt-b Sich jrdosmal eine erhebliche
je H bonr. 11 la |“ ' r ^ of j au 8 ,„hcidang, sowie eine
Steigerung phosphor.äureausscheidung.
deutliche Zunahme der 1 hosphorsau
Im Ganzen wurden bei »*'S' r % mehr ans-
Versuehsreihe ( 3 ^ 10 g roher WM ^ chsroihe l3ma ,
geseheden innerha l g K6rpcrg ewioht sank während
Ü e* r » “1 Tagen um 2, kg, wahrend der zweien m
6 ^Während die bis jetzt genannten Autoren unter d™ ^
rÄÄÄÄ
srrx'Ä.-i-
ge,K "L m atr- hat C. A. Ewald») aber einen Fa,, , 0 .
Myxoedem berichtet, der durch Thyreoidea-Tabletten (Bor
roughs, Wellcome & Co.) geheilt worden ist und bei dem die vo
Breisacher vorgenommene Stoffwcchseluntersuchung unter Be^
rücksichtiguug der Einnahmen und Gesammtausgabcn ergab, dass
"iSzung der dargereichten N-ha.tigen “ eine nor¬
male war. Es fand während der Versuchsperiode weder eine
Abgabe noch ein bemerkenswerther Ansatz von j
weis. am Körper statt und das Körpergewicht blieb
^ Eine Gewichtsabnahme um etwa 2 kg innerhalb weniger
Tage ohne gleichzeitig den Eiweissbestand des Körpers auzu-
greffen hat neuerdings P. F. Richter 19 ) erzielt, indem er
dafür Sorge trug, dass das KalorienbedUrfniss der Versuchsperson
(gesunde Person) durch die Kostverordnung reichlich befriedigt
war Obwohl auch in seinem Falle eine allerdings nur genüge
Vermehrung der Gesammt-Stickstoff-Ausscheidung zu läge trat,
blieb doch die Stickstoffbilanz im Ganzen noch positiv.
Richter hat auch die Ausscheidung des Xanthm-N , des
Harnsäure-N, des NH 3 und P 2 0 5 berücksichtigt Er findet er-
wähnenswerth nur die geringe Vermehrung der Xanthinbasen im
Harne, was nach der Hör baczewski' sehen Theorie mit der
geringen Hyperleukocytose, die nach dem Genüsse von Schild-
drüsentabletten auftritt, in Zusammenhang gebracht werden könne.
Mir scheint indessen mit Rücksicht auf die Untersuchungen von
Roos auch noch bemerkenswerth, dass in dem Richter sehen
-rr J •• „«mahn, die Thyreoidintabletten (Borroughs,
Morbus Bmmdowu ^ dem Morbus Basedows
«- K Ä
gewicht er 16 h fort nahm und gleich-
11 en1 1 u die willkürlich be-
zeitig ihr - Bezüglich der Phosphor-
friedigen on ° ’ vy Scholz bei seinen Unter-
E td Z?« Lurch, »well «Mtapt ein Uh- -
Heroinen Beobachtung bei Merbuz Basedow,i erinnb.t M, *r
von Roos gemachten Annahme emo neue Stütze, dass
m.ndnla thyreoidea ein gewichtiger Brufluss anf de«
Phosphorsäurestoff Wechsel zukommt.
In unserem Falle ist auch der eventuellen Ausscheidung
von Zucker sorgfältige Beachtung geschenkt worden. .
SrtfST-i * negative». IM» * es .«**.■-
in den meisten Fällen '» *£" ^Lade
Schilddrüsensubstanz der Harn aut Zucker (
Substanz) untersucht worden ist Es »,nd aber auch Beeh
aclitnngen veiijffentlioht worden, bei denen unter ,
von Schilddrüsen präparateil Zucker (bezw. rednetrende SubsUa.1
im Harne aufgetreten ist.
Von deutscher Seite haben u. A. Ewald (1. c.) undD-enn g )
derartige Ergebnisse mitgetbeüt. Tn dem Ewald sehen Fallej
Ste der Zuckergehalt ziemlich hohe Wer.be (b.s » 6JM)
und verschwand antag. zwar .T* A *£T *,
Tabletten (Borroughs, Welecome A Oo.) wteder
schliesslich — und das ist beachtenswerth — daucrua (
T Proc), ohne da.,» allerding. sonstige diabetische Ersehemu«-
Sich dazu gesellten. Bei Dcnnig (an sicj selbst bwb^hte)
batte der Harn noch einen Monat nach der Einnahme
Tabletten redueirende Eigenschaften, verlor sie
nachdem der Verfasser sich eine Zeit lang auf Diabetesdiat ge
setzt hatte. „ _ „
Die Melliturie bezw. diabetische Erkrankung
nach Einnahme von Schilddrüsensubstanz it «
bemerkenswerth, gehört aber, wie Ewald mit Rücksic ^
sonstigen negativen Versuche selbst sagt, J edenfa gchi |d-
den sehr seltenen Erscheinungen, die mit der
drüsentherapie verbunden sind. -
Was hingegen die vermehrte Harnstoff- bezw. 1 U °\ kx
ausscheidung betrifft, so darf man wohl an der Ha
gegebeneu Literatur übersieht zusammenfassend sagen.
In fast allen Fällen (auch in denen von Scb ® 1 ""”.
Richter) trat unter dem Gebrauche der ver d(jr
sten Schilddrüsenpräparate eine Steige g ^
Harnstoff- bezw. Stickstoffausscheidung e,m
sehr vielen Fällen ist dieselbe so ® Körper-
Mir scheint inaessen um w,v sehr vielen Fällen ist aieseioc "V K- Kpner -
Roos auch noch bemerkenswerth, dass in dem Riestersch dass eiue Zersetzung von N-haltigem K P
Versuche die Phosphorsäureausscheidung während der Schilddrüsen- angenommen werden darf (Ord and " bl , ’
_n*™».!,« unil Wftllcome’s Tabletten) um ein Geringes mitenai angc „ n d Wendelstadt,
Versuche die Phospnorsaureausscneiuuiig --
fütterang (Borroughs und Wellcome’s Tabletten) um ein Geringes
erhöht war. .
Zu analogen Resultaten, wie Richter, war bereits vorher
W. Scholz 90 ) gelangt, der sehr genaue Stoffwechselunter¬
suchungen bei einer gesunden Person und in einem Falle von
«) k Bürger, lieber die Beeinflussung des Stoffwechsels
des gesunden Menschen durch Schilddrüsenfütterung, Inaug.-Diss.
“•A c. A. Ewald, Ueber einen durch die Schilddrüsentherapie
geheilten Fall von Myxoedem nebst Erfahrungen über anderweitige
Anwendung von Thyreoideapräparaten, Berlin, klin Wochenschr.
1895, Nr. 2 u. 3. , _ . ...
i») P. F. Richter, Zur Frage des Eiweisszerfalles nach Schila-
drüsenfütterung, Centralbl. f. inn Medic. 1896, Nr. 3.
») W. Scholz, Ueber den Einfluss der Schilddrüsenbehand¬
lung auf den Stoffwechsel des Menschen, insbesondere Morbus
Basedowii, Centralbl. f. inn. Medic. 1895, Nr. 43 u. 44.
wese«, dass eine Versetzung »»» White,
material angenommen werden darf (ür . el8tad t,
Vermehren, Deunig, Bleibtreu un Pülleii
Roos, Bürger, Treupel u. A.). In .-»«fl«"
(Gesunde Personen, Morbus B...do»n) 1 G
lungen, durch eine entsprechend g e frie-
anorduung (das Kalorienbedürfmss vollauf ^
digende Ernährung) dieser Zer8etzu ”* ßh0 lz,
haltigem K ör per m ate r i a 1 v o r z ub e u g (
Richter). Sehr wahrscheinlich spielen des
oder weniger ausgesprochenen Beein ate
Stickstoffhaushaltes durch Schilddr a ^ b]ag .
individuelle E i gen thüm lichk ei ten el . ne Rolle
gebende oder wenigstens sehr wicht g
(Deunig u. A.).
2 ‘) Münch, med. Wochenschr. 1895, Nr. 17, S. 392 u. 393
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11 . Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
121
Herr Prof. E. Baumann und Dr. E. Roos haben durch
Thierversuche und letzterer durch Beobachtungen am Menschen
sieh die Gewissheit verschafft, dass das Thyrojodin die wirksame
Substanz der Schilddrüse; ist (vergl. E. Bau mann, lieber das
normale Vorkommen von Jod im Thierkörjwr, Zeitschr. f. phys.
Chemie 1895, Bd. XXI Heft 4. S. 320—327). Meine heutige
Publication, durch welche zum erstenmal auf Grund von
Stoffwechsc lversuc b en am Menschen die Identität
der Wirkung des Tyrojodins und der Schilddrüse
erwiesen wird, geschieht, wie ich ausdrücklich hervorheben möchte,
im Einverständnis« mit meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof.
Baumann und seinem Mitarbeiter Herrn Dr. Roos.
Aus der chirurgischen Klinik zu Heidelberg.
Chirurgisch-photographische Versuche mit den
Röntgen’schen Strahlen.
Von Dr. Walther Petersen, Assistenzarzt der Klinik. *)
Die wunderbare Entdeckung der Rön tgen ’ sehen Strahlen
erweckte das Interesse der Mediciuer und vor Allem der Chirurgen
in ganz besonderem Maasse; denn es knüpfte sich für sie sofort
daran die Hoffnung der praktischen Verwerthbarkeit, namentlich
mit Rücksicht
1. auf den Nachweis von Fremdkörpern,
2. auf die genauere Erkennung von Knochenerkrankungen
und Knochenverletzungen.
In der Mitte des vorigen Monats stellte ich mit Genehmigung
des Herrn Geheimrath Quincke gemeinsam mit dessen erstem
Assistenten Herrn Dr. P recht einige Vorversuche an, wieweit sich
diese Hoffnungen auf Grundlage der Röntgen'sehen Angaben
verwirklichen Hessen. Die Resultate waren zunächst wenig ver¬
trauenerweckend. Zugleich stellte sich sehr bald heraus, dass
die Gesichtspunkte des Physikers und des Chirurgen zu verschieden
waren, um gleich im Anfang ein crspricssliches Zusammenarbeiten
zu gestatten. Ich zog es daher vor, in der hiesigen chirurgischen
Klinik mit eigenen, wenn auch einfacheren Apparaten die Frage
nach rein chirurgischen Gesichtspunkten allein weiter zu verfolgen.
.Vach einer Reihe von vergeblichen Versuchen wurden die Ergeb¬
nisse bald stetig günstiger.
Der von mir benutzte Apparat war folgender:
1. Eine Bunsen'sche Zink-Kohlen-Tauchbatterie von neun
Elementen.
2- Ein Ruhm kor ff'scher Inductionsapparat von 8 cm
Funkenlänge.
3. Eine bimförmige Hittorf’schc Röhre von 25 cm
Länge.
Ferner wurden nach der Angabe Lommel’s Blei-Blenden,
sowie ein kräftiger Hufeisenmagnet zur Concentration der Kathoden-
strahlen benutzt. Als zweck massigste Versuchsanordnung ergab
sich nach meinen bisherigen Erfahrungen folgende: Senkrechte
Aufstellung der Hittorf'sehen Röhre; möglichste Concen¬
tration der Kathodenstrahlen an der Basis der Birne; Ent¬
fernung der in der Kassette liegenden photographischen Platte von
der Lichtquelle 40—60 cm; Entfernung der 1—2 cm weit ge¬
bohrten Bleiblende von der Lichtquelle 4—8 cm.*)
Lm von äusseren Bedingungen möglichst unabhängig zu sein
und die Versuche möglichst mannigfach abändem zu können,
benutzte ich zunächst Leichen- und Thierpräparate. Dieselben
**ren conservirt in Formalin, welches die Durchlässigkeit der
Lewebc, wie ich mich vorher überzeugte, für die Rön tgen'sehen
Strahlen nicht wesentlich verändert.
Auf nächster Seite folgen die Abbildungen der fünf präg-
“äntesten von mir bisher gewonnenen Platten :
1. Eine Hand mit Fractur der Grund-Phalanx des Mittel¬
fingers.
2. Ein Vorderarm mit Fractur des Radius und der Ulna.
v einem Vortrag, gehalten in der medic. Section des
•'•wnustor.-medic. Vereins zu Heidelberg am 4. Februar 1896.
I Exposition >/*-2 Stunden.
3. Ein Unterschenkel mit Fractur der Tibia und Fibula.
4- Ein Kaninchenkopf, bei welchem ein Rehposten von
5 mm Durchmesser und ein Schrotkom von 2 mm Durchmesser
in die Schädelhöhle eingeführt waren, ein weiteres Schrotkorn
von 2 mm Durchmesser in den Glaskörper des linken Auges und
ein Rehposten von 4 mm Durchmesser unter das Nasenbein.
5. Verschiedene Gegenstände von ungefähr gleicher Dicke
zur Prüfung der verschiedenen Durchlässigkeit.
Bei den übrigen Leichenpräparaten waren Nägel und Nadeln
in verschiedener Richtung und Tiefe, theils in die Weichtheile,
theils in die Knochen eingebracht.
Sämmtliche Abbildungen 9 ) zeigen in Umrissen , die je nach
der Dicke des Präparates mehr oder minder scharf sind, dentlich
die Structur der Knochen. Die Weichtheile sind entweder noch
als Schatten erkennbar oder dort, wo das Licht am stärksten ein¬
gewirkt hat, ganz verschwunden. Die eingeführten Fremdkörper
helwn sich sowohl von den Weiehthcilen als auch von den Knochen
scharf ab. Die Lage der einzelnen Theile zu einander lässt sich,
was mich zunächst bei diesen reinen Schattenbildern am meisten
überraschte, nicht nur nach der Länge und Breite, sondern auch
nach der Tiefe durchaus genau beurtheilen. Die Tiefenbcurtheilung
wird nämlich ermöglicht durch die Abmessung der Helligkeit des
Schattens. Je näher ein Gegenstand der photographischen Platte
liegt, desto dunkler und schärfer erscheint sein Schatten, je
weiter er entfernt ist, desto heller und verschwommener. Bei
einiger Uebung gelingt es , ohne Weiteres die genaue Lage¬
bestimmung der einzelnen Theile vorzunehmen. Durch einige
kleine Hilfsmittel kann dieselbe wesentlich leichter und sicherer
gestaltet werden. Gesetzt z. B. den Fall, mau suche eine kleine
Kugel im Unterschenkel. Das Sicherste ist es dann jedenfalls,
der ersten Aufnahme eine zweite folgen zu lassen, bei welcher
das Glied um 90° um seine Längsachse gedreht ist. Wesentlich
einfacher aber und ebenso sicher ist es, wie ich mich an einigen
Versuchen überzeugen konnte, folgendermassen zu verfahren: Man
legt neben den zu photographirenden Unterschenkel ein Stück
Fleisch von demselben Durchmesser, in welches man Bleistücke
von der ungefähren Grösse der gesuchten Kugel, die ja meist
bekannt ist, in verschiedenen Höhenabständen versenkt. Durch
Vergleichung der Helligkeit der Schattenbilder dieser Bleistücke
und des Schattenbildes der gesuchten Kugel gelingt es leicht,
eine genaue Tiefenbestirumung zu machen.
Zu den Abbildungen seien noch einige kurze Erläuterungen
gestattet.
ad. 1. Der links neben der Fractur liegende Nagel (ohne
Kopf) liegt dicht unter der Haut, der quer dazu verlaufende liegt,
wie das etwas verschwommenere Bild zeigt, etwas höher über dem
Knochen. Die übrigen Nägel hatten dazu gedieut, die Hand auf
der Kassette zu befestigen ; sie verlaufen also mehr oder weniger
schräg oder senkrecht; die der Platte zunächst liegenden Spitzen
erscheinen daher dunkel und scharfrandig, nach oben werden sie
blasser und verschwommener. An einzelnen kann man deutlich
Kernschatten und Schlagschatten unterscheiden.
ad. 2- Um den oberhalb der Fracturstelle des Arms liegenden
Theil ist ein Draht heriungewunden. Der dunklere Nagel liegt
wiederum tiefer, unterhalb der Knochen, der verschwommene ober¬
halb derselben; die Nähnadel gleichfalls unterhalb der Knochen.
Die Lage der Fraeturenden ist deutlich zu übersehen. Das dis¬
tale Ende der in der Abbildung nach unten liegenden Ulna er¬
scheint deutlich dunkler und scharfrandiger als das proximale
Ende, liegt also der Platte näher. Das proximale Ende des
Radius erscheint wie durch keilförmige Gewalt auseinanderge-
brochen, man sieht deutlich den schräg verlaufenden, klaffenden,
helleren Knochenspalt.
ad. 3. Die Lage der Fraeturenden ist nicht so deutlich
wie in 2, aber doch immerhin gut erkennbar. Die Ortsbestimmung
der verschiedenen, in den Unterschenkel eingeführten Fremdkörper
(Nägel, Nähnadeln, Ring aus Kupferdraht) wird nach dem früher
Gesagten leicht sein. Markhöhle der Tibia deutlich sichtbar.
ad 4. Kaninchenkopf in der Ansicht von unten. (Mit
allen Weichtheilen). Die vier Kugeln, bezw. Schrotkörner heben
8 ) Natürlich vollkommen unretouchirt.
2 *
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
6
sich sehr scharf ab. Das Knochengerüst ist in allen Umrissen
und in vielen Einzelheiten (Jochbogen, processus condyloidei,
foramen magnuni, Wirbclkörper) deutlich erkennbar.
Rings um den Kopf herum waren kreisförmig eine Reihe
von Fremdkörpern (unter sich ungefähr gleich dick) zur Prüfung
der verschiedenen Durchlässigkeit angebracht, die in untenstehender
Figur 5 nebeneinander gestellt sind.
ad 5. Zunächst 1. ein Oxalatstein (an seiner warzigen
Oberfläche leicht erkennbar), dann 2. ein nur als leichter Schatten
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11 .
Februar 1896.
MÜNCHENER. MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
123
hervortretenderCholestearinstcin; 3- ein Metallgewicht; 4einNieren-
phosphatatein; 5- ein Blasenphosphatstein, in welchem sich ein
ovaler excentrisch nach oben gelegener IJratkern als hellerer Fleck-
deutlich abhebt, schliesslich 6. ein etwas dickerer Uratstein.
Wenn es gelingt, mit dieser neuen wunderbaren Methode in
so kurzer Zeit so überraschende Bilder zu gewinnen, und zwar
einem Experimentator, «1er sowohl in der Kunst der Photographie
wie in der Wissenschaft der Physik vollständiger Laie ist, dem
ferner als praktischen Chirurgen nur beschränkte Zeit zur An¬
stellung der Versuche zur Verfügung stand, so wird man zugeben
müssen, dass eine Grenze der Leistungsfähigkeit dieser Methode
gar nicht abzusehen ist. Die phantastischste Perspective ist
vielleicht in wenigen Wochen oder Monaten von der Wirklichkeit
weit überholt. Es ist kaum mehr zweifelhaft, dass die Rönt¬
gen 'sehen Strahlen für unsere gesammte Diagnostik eine ganz
ausserordentliche Bedeutung erlangen werden und dass in abseh¬
barer Zeit das Wort des französischen Astronomen auch für
die Medicin volle Geltung beanspruchen kann: Die photo¬
graphische Platte ist die Retina der Wissenschaft.
15 Schussverletzungen mit dem 7,9 mm Geschoss. 1 )
Von I)r. Seydel, Oberstabsarzt und Privatdocent.
In den letzten Jahrzehnten ist, wie Sie wissen, in der Bewaff¬
nung der europäischen Heere eine Umgestaltung eingetreten, wie
sie sich sonst nur im Laufe von Jahrhunderten zu vollziehen pflegte.
An Stelle des alten, ehrwürdigen Schwarzpulvers, dem
mechanischen Gemenge von Salj>eter, Kohle und Schwefel ist eine
chemische Verbindung, die gelatinirte Trinitrocellulose, das Nitrat¬
oder rauchschwache Pulver getreten.
Dieses neue Treibmittel übt auf das Geschoss iin Laufe
einen Druck aus, welcher = ist 3300 AtlunusphUren. In Folge
dieses Druckes verlässt dasselbe den Lauf mit Anfangsgeschwindig¬
keit von G40 m und legt, bis es zur Buhe gelangt, einen Weg
von 3800 in zurück.
Eine weitere Neuerung war die Einführung des Repetir-
gewehres.
Mit der Einführung des Repctirgewohres musste die Munitions¬
ausrüstung des einzelnen Mannes erhöht werden; dies war nur
durch Verringerung des Kalibers zu erreichen. Dieser Umstand
sowohl, wie andere hier nicht weiter einschlägige Gründe veran-
lassten die Einführung des KIcinkalibers und wir sind nunmehr
hei einem Durchmesser des Geschosses von 7,9 nun angelangt.
Die dritte einschneidende Aenderung in der Bewaffnung war
die Einführung von Mantelgeschossen.
Die Bleigeschossc, welche bis vor Kurzem ausschliesslich ver¬
wendet wurden, zeigten eine Reihe von störenden Eigenschaften,
wie ungenügende Durchschlagskraft, grosse Neigung zur Deformation
und unnöthige zerstörende Wirkung im menschlichen Körper.
Oberstlieutenant Bode in Berlin betonte zuerst die Notli-
wendigkeit und Zweckmässigkeit von Mantelgeschossen.
Der Mantel aus härterem Metall sollte erhöhte Widerstands¬
fähigkeit bieten, der Bleikern die nöthige Schwere bewirken.
Das Bode'sehe Geschoss hatte aber den Nachtheil, dass I
der Bleikern lose im Mantel steckte, beim Auf treffen auf einen
Widerstand löste er sich vom Kern.
Es ist das Verdienst von Lorenz, eine innigere Verbindung
des Mantels mit dem Kerne hergestellt zu haben, indem er den
Mantel vor dem Eingiessen des Bleies verzinnte, hiedurch entstand
eine Legirung dos Mantels mit dem Zinne einerseits, des Zinnes
■nit dem Blei andrerseits, somit eine innige Verbindung mit
dem Kerne.
Meine Herren ! Ich erlaube mir, Ihnen hier das neue Geschoss
in Natura und im Durchschnitt zu zeigen, sowie einige Tafeln
vor Augen zu führen, welche Zeugniss geben von der enormen
bnrchschlagskraft gegenüber den früheren Geschossen.
Andere Staaten sind, wie Sie wissen, noch weiter mit dem
Kaliber heruntergegangen.
') Vortrag, gehalten im ärztlichen Verein München ara 11. De¬
zember 1895.
No. 6.
Ein 6,5 mm Geschoss besitzt:
Italien, Rumänien, Holland, Schweden, Norwegen.
Ich erlaube mir, Ihnen hier einen Satz rumänischer 6,5 Pa¬
tronen nekst durchschnittenem Geschosse vorzuführen.
Das sind in Kürze die wichtigsten Momente in den Fort¬
schritten des Waffenwesens und ich gehe nun über auf die
Wirkungen dieser neuen Waffe auf den menschlichen Körper.
Erfahrungen durch einen grossen Feldzug besitzt die
Chirurgie nicht, es stehen ihr aber 3 Momente zur Klärung der
Verhältnisse zu Gebote.
1. Schiessversuohe ausserhalb des menschlichen Kürjiers auf
dem menschlichen Körper ähnliche Gewebe.
2- Schiessversuche auf Menschen- und Thierleichen.
3. Genaue Analyse der bis jetzt mit dem neuen Geschoss
vorgekommenen Unglücksfällc und Selbstmorde.
Erlauben Sie, meine Herren, dass ich Ihnen in Kürze, bevor
ich die von mir beobachteten 15 Fälle übergehe, einen kleinen
Ueberbliek über die Ergebnisse dieser dreifachen Forschung gebe.
Wenden wir uns zuerst zu den Schiessversuchen auf dem
menschlichen Körper ähnliche Gewebe.
Wir können die Gewelie unseres Körpers eintheilcn in elastische,
flüssige und feste.
Man schoss nun zuerst gegen elastische Membranen , z. B.
gegen straff gespannte Gummidecken.
Hiebei zeigte sich, dass die vom Geschoss getroffene Fläche
kegel- oder trichterförmig vorgewölbt wird, — aber nur an der
Spitze werden die Theile der Fläche weggerissen, während seitlich
die Elasticität zur Geltung kommt; hiedurch entsteht ein kreis-
rumler Defeet, welcher viel kleiner ist, als der Durchmesser
des Geschosses und im Allgemeinen einem Drittel des Geschoss-
durchmessers entspricht.
Trifft das Geschoss tangential auf. so ist der Defeet elliptisch.
Anders sind die Verhältnisse , wenn die Gummidecke nicht
strjiff gespannt ist, oder wenn das Geschoss bereits an Geschwin¬
digkeit abgenouiuicii hat, dann kommt es in der Gummidecke
zu Zerreissungen und unregelmässigen Defecten.
Alles was ich hier von der Gummidecke gesagt habe, können
wir sofort übertragen auf die elastischen Gewebe unseres Körpers,
speciell auf die Haut.
Die Verschiedenheit in Form und Grösse der Ein- und
Ausschussöffnuiigen erklärt sich zumeist nur aus Differenzen in
der Geschwindigkeit des Geschosses, aus dem Winkel unter dem
das Geschoss anf trifft, sowie aus der strafferen oder laxeren
Spannung der Haut.
Ganz anders ist die Geschosswirkung auf flüssige und feuchte
Substanzen :
Ein incompressibler Körper, wie das Wasser, kann durch
einen auf ihn ausgeübten Druck seine Form, nie aber sein Volum
ändern und wird das Volumen um den in ihn sich hineinsenkendon
Körper zunehmen. Ist er eingeschlossen in eine Hülle, so wird
durch die Raumbeengung in ihrer Gesammtheit ein Druck erzeugt,
welcher äquivalent ist der Grösse der angreifenden Gewalt; für
alle hier beobachtete explosive Wirkung ist einzig und allein der
hydrostatische Druck massgebend.
Einige Beispiele werden Ihnen sofort die Verhältnisse klären:
Schiesst man auf eine prall mit Wasser gefüllte Scliweins-
blase, so wird dieselbe vollkommen zerrissen; das Wasser spritzt
nach allen Seiten.
Schiesst man mit voller Geschwindigkeit in ein allseitig
geschlossenes, mit Wasser gefülltes Blcchgefäss, so wird dasselbe
vollständig zertrümmert; das Loch, welches die Kugel macht, ist
eben zu klein für das verdrängte Wasser.
Wenn man auch das Blcchgefäss oben vollkommen offen
lässt, so spritzt doch ein Strahl hoch empor, gleichzeitig wird
es aber auch durch Seiten Wirkung zerrissen.
Meine Herren! Wir treffen in unserem Kürjier dieselben
Verhältnisse, wenn ein Geschoss in die gefüllte Harnblase, in die
gefüllte Gallenblase, in das Herz, in das Knochenmark eindringt.
Diese hydraulische Pressung entsteht aber nicht nur iu reinen
Flüssigkeiten, sondern in geringerem Grade in feuchten Substanzen.
3
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Münchener me picinische wocHE NseggjgT-
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" dass man meint, cs sei fehlgcschossen worden, wahrend cm H
Steinwurf sie sofort in Pendelbcwegungen versetzt.
Es kann also ein Steinwurf der Scheibe im Ganzen viel mehr
von seiner Bewegung mittbeilen, als da» 7,9
bei dem Steinwnrfe eine Erschütterung e,n I nter K™
verstehen wir jene Form einer m.tgetheilten Bewegung, ^dche
darauf beruht, dass die einwirkendc Kraft den Fest,gke.tseocffieientcn
des Zieles nicht oder nicht völlig zu überwinden vermag.
Wir haben es also bei festen Zielen mit 2 Richtungen der
Gewalt zu tliun: mit der Durchschlagswirkung in der Rmtog
des Geschosses und mit der Seitenwirkung m einer dazu schrägen
oder senkrechten Richtung. . . , . I i
Durchschlagswirkung und Seiten Wirkung stehen m umgekehrtem I
Verhältnisse. I '
Als Illustration der beiden Arten der Bewegung mag Ihnen
das Verhalten mehrerer einander berührender Billardkugeln dienen 1
die bei einem langsamen Druck auf die erste a c »»«'"• ,
verschoben werden, während bei einem plötzlichen Stusse auf die
erste nur die letzte, oder doch die letzte am stärksten, "eg-
gesddeuderthwirdw^ ^ cinigc Schicssversuche auf feste Körper.
Schiesst man z. B. auf Sandstcinplattcn, so lässt sich die Fort-
leitung eines Stesses auch in intacter Platte darthun, indem grosse
flache Kegel auf der abgewandten Seite hcrausspnngen, ohne dass
das Geschoss durchschlägt. I
Wir finden in diesem Experimente eine Erklärung für lene I
Form von diaphysalcn Schnssvcrletzungen, in welchen z. B. der I
Knochen an der vorderen Seite getroffen wird, hier mtaet bleibt,
dagegen an der hinteren Seite ein Stück herausgeschlagen wird.
Bei Schüssen in Blechbüchsen, welche mit Marinorkugeln I
gefüllt sind, zeigt sich die Seitenwirkung am besten durch die
gallensteinartige Abplattung der Steine und die hu.npeniürinigon
Ausbuchtungen der Blcchwand.
Soweit die Schicssversuche auf dem menschlichen Körper I
ähnliche Gewebe. Dieselben vollziehen sich nach ganz bestimmten
physikalischen Gesetzen.
Eine reine Ucbertragung derselben auf die Schussverletzungen I
in unserem Körper ist jedoch nicht möglich, denn wir haben es
bei den Schussverletzungen in unserem Körper zumeist mit Ein¬
wirkung auf alle drei Arten zu tliun, wir müssen, das Alter, -die
Race u. s. w. mit in Betracht ziehen.
Daher sind Schicssversuche an Menschen- und Thierleichen
unerlässlich und solche Versuche wurden auch seit Einführung
der neuen Waffe von den Chirurgen aller Länder vorgenommen. |
Chauvcau, Chouwel Nimicr, Pesme Breton, Pclormc,
Chavasse experimentirten in Frankreich mit dem Neusilbcr-
mantelgeschoss und verglichen die Schusswirkung des Lcbelgewelircs
mit der des alten Grasgewehres.
In der Schweiz hat Bovet Bircher, Kocher mit dem
Rubinkupfermantel und Ileblerstahlmantelgcschossen, in Deutschland
Bruns, Bardeleben, die prcussische Medicinal-
abtlicilung, in Oesterreich Habart, Wagner und Andere
Schicssversuche angestellt.
Meine Herren! Sic Alle wissen, dass die anfänglich von
Bruns vertretene Ansicht, als handle es sich bei dem neuen
Geschoss um eine humane Waffe, nicht in allen Punkten aufrecht
zu erhalten ist.
Auf Grund von vielen Tausenden von Schnssprüparaten an
Leichen ist man heutzutage in allen Ländern einig und so ziemlich
V« denselben Resultate» Bekommen und die»c Resultate decken
»ich nun auch vollkommen mit den Erfahrungen, »eiche man h.
£ "uEeM: at N»r»eha„ nnd Biala der Bargen
krieg in Chile lieferten grosses nnd schönes Material, die 1 nglücks-
fälhf und Selbstmorde in den verschiedenen Armeen wurden ge-
inucstens analvsirt und beschrieben und so ist es möglich jetzt
schon einen Ueberblick zu gewinnen, wie sieh die Klemkahber-
schusswunden in einem kommenden Feldzuge verhalten werden
Seit Einführung des neuen Geschosses habe ich 15 Schuss-
Verletzungen, durch dasselbe erzeugt, behandelt, respect.ve bin ich
den Scctfonen angewohnt. Erlauben Sic, dass ich Urnen an dir
Hand derselben den gegenwärtigen Stand der Goseliossfrage ent¬
wickle.
Von den 15 Scbussverletzungen waren
2 reine Weichtheilsohüssc,
2 Schussverletzungen der Knochen,
3 Schussverlctzungeu des Unterleibes,
2 Schussverletzungeii der Lunge,
2 Schnssvcrletzungen des Herzens,
4 Schussverletzungeii des Schädels.
1. Fleischschuss durch den rechten Vorderarm.
V“m m e» d ". C »;e«te„ Q " <, Dlr gante Vorferarm
reactionslose Heilung ein.
2. Fleischschuss am Rücken. (Haarseilechuss.)
Das Geschoss war in einer Entfernung von 3 ^ ££
Die Grösse der Oeffnuugeu entsprach emer Bohne• AmJ dH««
Fall heilte ohne Fieber, Eiterung oder Storung - 8
befindens.
Bei reinen Wcichtheilwumlon beträgt der Durchmesser der
Einschussöffnung in nächster Nähe 7,6 mm, nimmt, mit er
sieh verringernden Geschwindigkeit des Geschosses sucecss've a
und beträgt auf 2000 n. 5,7 mm. Diese suceess.ve \ crklen cnn g
wurde jedoch nicht so gleichmäßig gefunden, dass man au
Grösse der Einschussöffnung rückschliessen konnte auf ic •
entfernung. , , , „ i
Bei senkrechtem Auf treffen ist das Loeli kreisrund,
tangentialem elliptisch. . ,•
Grössere Schwankungen in Gestalt und Form wo.
Ausschussöffnungen auf. v„ a ,
Man fand bis jetzt, dass ihrer Form nach die Aua* »
Öffnung in 20 proc. der Fälle rund, in 10 proe. sternform g
in den übrigen Fällen schlitzförmig war.
Die Ränder sind aber nie glatt, sondern immer getascr .
An, unregelmässigsten sind Ein- und Ausschussoffnnng
Haut bei diaphysalcn Knoclicnsclmssverletzungcn.
Die Muskelwunden stellen auf alle Entfernungen einen *
mit einem Locheisen ausgeselilagenen, schwach st»»
Kanal dar in einem Durchmesser von 4—5 mm. Hat bei ^
Entfernungen das Geschoss bereits von seiner Geschwind,gke
eingebüsst und ist die durehtrennte Musenlatur massig, so
man, dass das Geschoss bereits pendelt und wir be°kac
gegen die Ausschussöffnung zu eine trielitcrföruuge >rwei
5 des Selmsskanales. , , . ,. » ..i,.
Die Sehnen werden schlitzartig, die Fascien loc ar lg
i Ich mache hier gleich darauf aufmerksam, dass jeder ^
t. theilscliusskanal zumeist treppen- oder stufenförmig, a so nlt ; ^ .
ist, so dass der Schusskanal des einen Muskelbauches me ^
n Verlängerung des anderen ist, sondern höher oder tic er a s ^
h stellt, was durch die Verschiebung der Muskel bedingt r- •
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11. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
125
erhält nur dann einen geradlinigen Scliuaskanal, wenn man den
verwundeten Thcil wieder ganz genau in die Lage bringt, in
welcher das Geschoss den Körjier durchbohrte.
Meine Herren ! Ich komme nun zu den Schuss vor let zungen
’ der Knochen! Meine Erfahrungen diesbezüglich, wenn ich die
Knochen des Rumpfes nicht mit einrechne, sind gering. Ich
habe bloss 2 perforircudc Schussvcrletzungen der Finger behandelt.
3. Scbussverletzung des Daumens.
Der Daumen lag auf der Mündung des Gewehrlauf, s auf, als
der Schuss los ging. An der Volarseite des Daumens der linken
Hand fand man eine dreieckig gestaltete Einschussöffnung, an der
Dorealseite eine schlitzförmige Ausschussöffnung mit nach aussen
umgebogenen Rändern Der Schuss hatte die 1. Phalanx des Dau¬
mens durchbohrt. Vorhandene hohe abnorme Beweglichkeit liess
auf einen bedeutenden Substanzverlust im Knochen schliessen. Im
Verlaufe kam es wiederholt zu Abstossung nekrotischer Parthien.
Es bildete sich an Stelle der Fractur eine Pseudoartliroso aus.
4. Schuss durch den Zeigefinger der rechten Hand.
In nächster Nähe war das Geschoss an der Volarfläche ent¬
sprechend der 2. Phalanx eingedrungeu, hatte hier eine kreuzförmige
Wunde mit weit klaffenden Rändern erzeugt und war am Dorsum
des Fingers ausgetreten Die Ausschussöffnung erwies sich bedeutend
grösser als die Einschussöffnung, die Wundränder waren zerfetzt
und nach aussen umgebogen, die 2. Phalanx vollständig zerstört.
Der Ausgang war auch hier anfänglich eine Pseudoarthrose, welche
jedoch durch Knochennaht zur Heilung gebracht wurde.
Nichts setzt dem Geschosse im Körper grösseren Widerstand
entgegen, als die Piaphysen der Röhrenknochen.
Man nimmt auf (»rund der Sehiessexperimento und der Er¬
fahrungen am Lebenden an, dass bis zu 200 m Entfernung der
Knochen in seiner ganzen Ausdehnung zertrümmert wird. Man
findet zahllose kleine Splitter in die umgebende Museulatur einge- 1
sprengt, überall findet sieh sogenannter Knoehengrus, welcher mit Blut-
coagula und Fleisehtheilchcn fast verfilzt ist. Bei 600 m sind
die Splitter grösser und bleiben an ihrem Platze.
Bei 1000—1600 m besteht noch Zusammenhang der Splitter
mit der Knochenhaut.
Ganz anders wie die diaphysalen Schusswunden verhalten
sich die epiphysalen und die Gelenksehusswunden.
Die Epiphysen zeigen um so geringere Verletzungen, je
mehr die Spongiosa vorwaltet.
Zumeist finden wir eylindrischen Schusskanal.
Die Fissurirung ist an dem Ausschuss grösser als an dem
Einschuss.
Je näher der Schusskanal dem Gelenke, um so mehr besteht
die Wahrscheinlichkeit einer Fissurirung in das Gelenk.
Was die Gelenkverletzungen betrifft, so sind einfache_Kap.se!-
dnrrhholtrungen häufiger dem» früher beobachtet worden. Wenn
bei einem Knochen der diaphysale Ban nahe bis an das Gelenk
reicht, so kann cs auch noch bei sehr grossen Entfernungen zu
Zersplitterungen des Gelenkes und Zerstreuung der Splitter im
Gelenke kommen.
Bauchschüsse kamen 3 zur Beobachtung, 2 starben, 1 genas.
5. Schussverletzung des Unterleibes.
In nächster Nähe war das Geschoss 12 cm oberhalb des Nabels
dngetreten, hatte hier einen rundlichen Einschuss mit gleichmütigen
scharfen Rändern von 7 mm Durchmesser erzeugt, der Ausschuss
fand sich 5 cm nach links von dem 1. Lendenwirbel. Die Ausschuss-
öffnnng war 9 mm im Durchmesser haltend, kreisrund, aus derselben
hingen 2 kleine bindegewebige Fetzen heraus.
Der Verletzung war sofortiger Tod gefolgt. Bei der Section
zeigte sich, dass der linke Leberlappen vollständig zertrümmert war,
namentlich an der Rückseite Hessen sich die Gewebsfetzen in weiter
Ausdehnung (10 cm) nach aussen Umschlägen, so dass ein tiefer |
Krater entstand.
Die Bauchspeicheldrüse war in ihrer Mitte bis zur Hälfte
zertrümmert, das Gewebe in der Umgehung war stark mit Blut
durchsetzt.
In gleicher Weise war das ganze Fett und Zellgewebe der
linken Niere mit Blut durchsetzt, die Hnke Niere selbst ihrem Becken
entsprechend völlig zertrümmert.
6. Schußsverletzung des Unterleibes.
,, Auf Entfernung von ungefähr 15 m war das Geschoss in der
*"“ e der 7. linken Rippe daumenbreit vom Sternum entfernt ein-
gedrungen, hatte hier eine kreisrunde erbsengrosse Einschussöffnung
erzeugt und war links von der LendWirbelsäule in der Höhe des
2. Lendenwirbels ausgetreten. Die Ausschussöffnung war geschlitzt
in der Länge von 2 cm.
Der Tod trat J /* Stunde nach der Verletzung ein. Bei der
Section fand sich in der Bauchhöhle 1,5 Liter frisches Blut; der linke
Leberlappen war an der Unterfläche in Handtellerbreite fetzig zer¬
rissen, einzelne Theile davon losgetrennt, lagen dicht an der Wirbel¬
säule; an der oberen Fläche dieses linken Lappens 3 tiefe, 2—5 cm
lange Einrisse in die Substanz. Die Aorta abdominalis ist in der
Höhe des I. Lendenwirbels in der Ausdehnung von 7 cm vollständig
zerrissen, ebenso die Vena cava inferior.
Diesen beiden letal verlaufenen Fällen steht ein Fall geheilt
gegenüber, welchen ich bereits iui Centralblatt für Chirurgie 1895
No. 13 beschrieben habe.
7. Schussverletzung des Unterleibes.
Auf Entfernung von 2 m war das Geschoss ungefähr in der
Mitte einer vom Nabel zur rechten spina anterior superior gezogenen
Linie in den Unterleib eingedrungen und hat denselben hinter der
Dannbeinschaufel in der Mitte einer von der Christa oss. ibi zur
Trocbanterspitze gezogenen Linie verlassen. Die Länge des Schuss-
kanales betrug 15 cm, die Einschussöffnung war oval, 0,5 im Durch¬
messer haltend und bedeckt von einem Haselnuss grossen Fett¬
klumpen, welcher sich als prolabirtes Netz erwies Die Ausschuss¬
öffnung war kreisrund, hatte gefetzte Ränder und einen Durchmesser
von 2 cm.
Die weitere Untersuchung ergab die Zeichen des Shokes,
welcher sich lediglich durch Herabsetzung des Pulses auf 60. p. m.,
blasse Gesichtsfarbe und Harnverhaltung manifestirte. Am Unterleib
bestand kein Meteorisraus, keine Druckempfindlichkeit, Patient hatte
kein Aufstossen, batte nicht gebrochen, also nicht die geringsten
Zeichen einer Peritonitis. Die Gründe, welche mich veranlassten,
den Fall exspectativ zu behandeln, habe ich im Centralblatte für
Chirurgie niedergelcgt. Hier sei nur erwähnt, dass sich an der Stelle
der Ausschussöffnung eine Kothfistel bildete, welche ich durch
Eintreiben eines Hartgummistiftes in den Schusskanal des Darm¬
beines zur Heilung führte.
Die gegenwärtige Ansicht über die Schussverletzungen des
Unterleibes ist nun folgende:
Bis zu 2000 m wird die Bauchhöhle vom Geschosse glatt
durchschlagen. Fälle, in welchen das Geschoss die Bauchhöhle
durchbohrte ohne Verletzung von Eingewciden, sind von Bog-
d a n i e beschrieben.
Am häufigsten wird selbstverständlich das grösste Organ, die
Leber verletzt.
Der Schusscanal übertrifft liier weit den Geschossdurcbinesser.
Charakteristisch ist von jeher die ausgedehnte Fissurirung des
Organes. Die Schussverletzungen der Milz und der Niere bieten
annähernd dieselben Verhältnisse, wie die Schusaverletzungen der
Leber.
Wesentlich anders verhalten sich die Schussverlctzungen des
Magens und des Darmes, sowie der Blase. Ausser der Schussent¬
fernung spielen hier wesentliche Faetoren, die Art der Füllung,
der Grad der Füllung und die Richtung des Sehusscanalcs.
Streifschüsse der Darmwand wurden wiederholt beobachtet,
ja Aufschlitzungen derselben in der Länge von 12 cm. Bei
queren Durchbohrungen ist der Schussdefect in der Serosa immer
grösser, als in der Museularis und Mueosa. Je flüssiger der
Koth, um so ausgedehnter die Zerstörung; hiedurch erklärt sieli
wohl auch die günstigere Prognose der Dickdarmwunden gegenüber
den Dünndarm Verletzungen.
Wenden wir uns nun den Schussverlctzungen der Thorax zu.
Ich habe in den letzten Jahren 5 beobachtet:
2 Schuss Verletzungen des Herzens und der Lunge, welche
starben,
2 Schussverletzungen der Lunge allein, welche genasen.
8. Schussverletzung des Herzens.
Einige cm nach innen von der linken Brustwarze eine kreis¬
runde 5 mm im Durchmesser haltende Einschussöffnung. Die Aus¬
schussöffnung unterhalb der Mitte der linken Spina Bcapulae, eben
falls kreisrund, jedoch etwas kleiner als die Einschussöffnung.
Im Herzbeutel 200 ccm Blut Der linke Ventrikel, die Scheide¬
wand und der rechte Ventrikel vollständig zertrümmert, der Klappen¬
apparat erhalten In der hinteren Wand des Herzbeutels ein 4 cm
langer Schlitz; der linke Oberlappen der Lunge ist durch den
Schusskanal in einem Durchmesser von 1,5 cm tunnelirt. Im Pleura¬
raume 1500 ccm Blut.
9. Schussverletzung des Herzens.
Einschuss 4 cm unterhalb der linken Brustwarze, kreisrunder
Einschuss. 6 cm unterhalb der Mitte der linken spina Bcapulae
3*
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Münchener medicinische W ochenschrift
No. 6.
126 ___
ein. —T”* ’’ 5 ^ D “' Ch '
linke Herz ist vollständig VO rliegt. Die Zwischenwand
nur mehr zum kleinstenJhei geöftne * alten> die rechte Herz
»« — *■ - ~
fetzte Masse verwandelt.
10 Schu.s durch die rechte Lungenspi».
Dm Geschoss hatte in
anderen Körper durchbohrt (*«» d(Jr Mitte der Clavicula
clavicular-Gegend M «?£ ic j\ | . Thalergrosse, rundliche Wunde
eingedrungen, hatte ^er eme et« a i na^ rgr^ ^ ^ rechten Fossa
mit unregelmässigen Bändern e gt Scapula ausgetreten,
supraspinata, dicht über dem obe Markstückgrossen Ausschuss-
mit einer unr^emflss.ge^^ den Ein- und
Öffnung. Es bestand deutlic gai/man Luftbläschen in der
Ausschuss; bei tiefen Athemzüge tß etwaa Blut aU8 . hm
Tiefe der Wund ® h ^fl te Wand „icht Es muss also angenommen
Haematopneumothorax bestand men Verwachsungen der
^cä-JrÄSÄ Hie Heiiuug voiizog sich
■“ ÄS’”“, der foigeude Fall:
11 Schuss durch die linke Lunge.
Das aeechoBB war 2
Brustwarze eingedrungen und hat B id Kunden waren
Mitte der linken Spina scapulae ^"^ Grösse einer Erbse. Aus
kreisrund, faßt vollständig gleich de ^- Blut Haematopneu-
beiden Wunden drang Luft und schaumiges ^ waren die
SffÄÄärvSits
Lunge zu constatiren.
Erlauben Sic. meine Herren, 4 m. ich in Kürze im Antel,Ina»
an diese Fälle einige Worte über die hebnssverlettnngen
Herzens und der Lunge sage.
Ob cs bei Schussvcrletzungen des Herzens /.u E
Aussclinss oder tu eollständigcr Zemalmnng kommt bangt davon
ab ob das Herz in Systole oder Diastole getroffen wird , m.
ers'tcren Falle haben wir dieselben Verhältnisse, wie einfachen
Muskelschüssen, einfache Durchbohrung, im letzteren halle liydrau-
llSChe UeSns g tiinniend wird bis jetzt berichtet, dass die Ver¬
letzungen sich stets nur auf die Mnsculatur beschränken.
fibröse King zwischen Vorhof und Kammer, sowie der Klappen-
apparat bleiben zumeist intact.
Heber die Ausdehnung der Zerstörung von Lungengewebe
geben uns natürlich nur die zur Section gekommenen halle Ab¬
schluss. Man nimmt an, dass der Durchmesser des Schusscanalcs
die Dicke von 3 cm nicht überschreitet. Ist die Zerstörung eine
ausgedehntere, so sind cs meist Theilc der Kippen, die mit dem
Geschosse in die Lungen gerissen werden; Lungen Vorfall wurde
bis jetzt nicht beobachtet. Es ist zur Diagnose einer Lnngcn-
schusswunde nicht unbedingt uothwendig, dass Bluthusten besteht.
Uebcrcinstimmend berichten alle Autoren über günstigen
Verlauf der Lungensehusswunden. Die Prognose ist um so besser,
je mehr peripher die Lunge verletzt wird.
Ich komme nun zu den Schussvcrletzungen des Schädels:
12. Bei dem ersten Falle ging das Geschoss unterhalb dem
mQ Der Unterkiefer war zertrümmert, die Zunge zermalmt, der
rechte weiche Gaumen durchbohrt, der Rachen mit Gehirn ausgefüllt,
die beiden Oberkieferknochen von einander getrennt, die rechte
Nasenhälfte abgerissen, die beiden Nasenbeine waren erhalten, aber
von ihren Ansätzen abgetrennt. Das Stirnbein war in mehrere un¬
regelmässige Stücke gesprengt. Die Ausschussöffnung befand sich
in der Gegend der Vereinigung der beiden Scheitelbeine mit dem
Stirnbeine.
13. Bei dem zweiten Manne ist das Geschoss oberhalb de®
linken Ohres in den Schädel gedrungen. Es hing bereits aus der
Einschussöffnung ein Stück harter Hirnhaut heraus. Der ganze
Schädel war difform, indem die rechte Seite tief eingedrückt war,
das Geschoss hatte den Schädel oberhalb der rechten Augenbraue
verlassen. '
, j Palle war das Geschoss vor dem rechten
14 . In dem dritten Fa Bu88Öffnung war b'j* cm lang, die
Ohre eingedrungen. Die E ” b J rhaU) K dcB Unken Ohres. Der
SchÄ war Tn!, Ss grössere, theils kleinere Theile zersprengt.
Das Gehirn zcrm “’™ befand sich der Einschuss in der
15. In dem vierten Falle bei an a rec bten Ohre. Von
rechten Augenhöhle, der Nichts mehr zu sehen. Während
dem rechten Auge war über l * “ verletzt war, war die rechto
Anzahl von stücken
zerrissen. mln ine ine Herren welche die Chirurgie
l • i >t7t bei den Sehädelscbüssen gemacht hat, sind folgende.
S J te Ges^^ durchbohre,, die Schädel bis zu einer Distanz
von 2700 m. Erst bei dieser Entfernung bleiben *e möglicher-
» -* 50 “ K,,tfcn,Unt ' «"*
k-W>. »i-Y 1 ’" d ”'"‘ " , r , r H,c„ die Sprünge de. Ein-
Die in transversaler Dichtung «»dringenden Schüsse rufen
“ -
die Schussentfernung ist und je geringer der Wog ist,
Geschoss im Gehirn ^eklcgt. uieinC8 Vortrages an-
. ™ S mieh ferne gehalten von jeder Besprechung
der Behandlung, da ich im Sinne habe, darüber speciell an einem
AbCn i®l 1 *haS r Bta^nga meines Vortrages hervargehoben, dass die
Bewaffnung der europäiseben Heere i»
SlvorJwI?h^n te dU to Chirurgie hinter der K^ckkng
des Waffenwesens nicht zurückgeblieben ist, sondern mit ihr .
jetzt gleichen Schritt gehalten hat.
Zur Anwendung des Soxhlet-Milchkochers.
Von Prof. v. Storch in Kiel.
Die Unfehlbarkeit des S o x h 1 c t - M i 1 eh k o c he r * > st in
den letzten Jahren einige« erschüttert*»*»■ £
liehen wie in Laienkreisen macht sich eine Rc-icton ^ge ^
selben geltend. Hoffentlich führt sie nicht dazu, J* ^'“ ht
in seiner Anwendung allzusehr einzuschränken, l o ^^ ,cl p
sic nicht ebensoweit wie die allzuhohe Meinung, d^c man bt
von ihm hatte. Wenn die Frauen aufhören, den ^
glei chwertliig mit der Muttorbrust oder einer Am“.c zu l
« ist es ein Glück, und ich glaube wenigste«^ ^ ^renden
hältnisse den Eindruck zu haben, dass die Zahl mehr
Frauen in den besseren Ständen zunimmt, dass m ™ J^
als vor einigen Jahren geneigt sind, sieh den n w
des SeihstStillens oder einer Amme zu unterziehen,
ober viele Mütter, die in dem SczMet-Ap^ ^^
Besonderes sehen, die meinen, dass dm Kuhmdcl ü ^
Kochen in ihm in einen sehr verträglichen /aS ^" d * <(V(?r .
Das Wort « S te rilisir en » hat bei ihnen die Bedeutung ^
daulicher», selbst der Menschc.imilch ähnlich
Strengste wird die dem Apparat beigegebene «J
die Milch 8 /4 Stunden zu kochen , lieber noch et < l g
zu kurz. Die Erfolge mit der so behandelten Milch sind
immer die erwünschten. ,- j» np Kinder
Gerade in letzter Zeit wurden mir wieder versch {übrt
am Ende des 1. und Anfang des 2. Jahres stehend g ^ ^
die unter günstigsten äusseren Verhältnissen gcL K
bis dahin fast ausschliesslich mit einer /* * batten
Apparat gekochten Milch genährt waren. A c war dcr
z. T. Kachitis, entsprachen in ihrer Entwicklung p a bei
| penibeln Pflege und Sorge, die auf sie verwandt
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11 . Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICI.VISCIIE WOGHENSCHllIFT.
127
waren sic bisher eigentlich »io krank gewesen. Es blich nichts
übrig, als anznnohmen, dass die lange und fast ausschliossliclie
Krniihran.tr mit einer unuöthig lang gekochte» .Milch die Ursache
der Anämie und der sonstigen Störungen bei den Kindern
war. und den Eltern zu r:\thcn, schleunigst das lange Kochen der
Milch aufzugehen, statt 45 nur 10 -Minuten zu kochen, entweder im
Snxhlet-Apparat oder in einem gewöhnlichen Kochtopf. Ich
glaube, dass jeder Arzt, wenn er Gelegenheit hat. viele Kinder
zu sehen, die mit dein Soxhlet -Milehkoeher grossgezugeu sind,
sich ähnlicher Fülle erinnern wird. Unser Streben muss entschieden
dahin gehen, solche Vorkommnisse möglichst zu verhüten. Die
künstliche Ernährung der Säuglinge wird zwar immer etwas Un¬
vollkommenes und hoi jedem Kind mehr oder weniger ein Experiment
bleiben, aber hier liegt offenbar ein .Mangel vor, dessen Beseitigung
manche Kinder davor bewahren kann, anämisch zu werden und
eventuell zu stärkeren Ernährungsstörungen zu neigen. 1 )
Der eigentliche Zweck des Kochens wird, wie wir durch
Flügge wissen, in 10—15 Minuten erreicht, eine sichere
Sterilisation der Milch ist nicht nüthig und auch im Soxldet-
Ap|>arat in 45 .Minuten keineswegs immer möglich. Die Vorzüge
des Soxhlet-Apparates beruhen auch nicht darauf, dass die .Milch
in demselben mehr oder minder ganz stevilisirt wird, sondern darauf,
dass die einzelnen Mahlzeiten des Kindes in gleiehmiissiger W eise
and so vorbereitet werden, dass für den Gebrauch die jeweilige
Portion nur noch erwärmt werden muss; er gewährt der Mutter
namentlich in der heissen Zeit ein angenehmes Gefühl von Kühe
und Sicherheit und gewährleistet dem Kinde eine gleich imissi ec
Ernährung. Und das sind so grosse Vorzüge, dass der Soxlcfh-
Apparat unbedingt, wenigstens für städtische \ crhältnisse als der
beste Milchkocher anzusehen ist. Auch wenn er statt Srerilisir-
aiiparatnurMilchkoehapparathies.se, würde er das bleiben. .Jeden¬
falls ist für seine weitere ausgedehnte Verwendung nötliig, dass
die 'iebrauehsanweisung, welche ihm hrilicet, entsprechend den
Angaben von Flügge abgeändert, hc/.w. wenigstens die Zeit des
Kochens auf 10—15 Minuten ennässigt und die Verwendung
von Milch am 2- resp. am 3. Tag nach dem Kochen nicht zn-
gdassen wird.
Ich selbst habe liier in gewissem Grade die Initiative er¬
griffen, als der hiesige hauptsächlichste Verkäufer des Soxhlet-
Apparates sieh an mich um meine Meinung über den S.-A. wandte,
weil ihm von Seiten des Publikums Zweifel geäussert waren und
der Verbrauch von S.-A. naeliznlassen schien, ich erwiderte ihm,
«lass ich den S.-A. empfehlen könne unter der \ orausset/.ung.
dass die Milch in ihm nicht- 45 sondern 10—15 Minuten gekocht
werde. Der Händler hat mich , auf einem besonderen Zettel
meine Ansicht drucken lassen und jedem Apparat beilegen zu
dürfen. Ich glaubte, die Erlaubnis.*« dazu geben zu sollen,
da ich unter dieser Voraussetzung den Soxldet-Apparat für sehr
zweckmässig halte, im anderen Falle davor warnen würde. \ iele
•'"liegen würden es gleich mir dankbarst begrüssen, wenn «ler Kr- i
linder des Apparates sieh entsohlicsscn wollte, die Anweisung, die I
driii Apparat beiliegt, entsprechend umzuändern. Der ausgezeichnete
Apparat wurde dadurch seinem hohen Zwecke nur noch besser
dienen, und uns Aerzten würde die immer unangenehme Aufgabe
efsjiart, für die Anwendung des „Apparates eine andere Anweisung
i-dteti zu müssen, als ihm beiliegt.
Zur Kasuistik der acuten Cocain-Vergiftung.
Von I)r. K. G ross nimm.
brr von mir beobachtete Fall einer acuten Gocaiiivergiftunir
erlief in folgender Weise :
, hr.med. N., prakt. Arzt, circa 30 Jahre alt, litt an einer durch
Äshncaries bewirkten Periostitis des Unterkiefers und applieirte
U’ ?Ur Liderung der Schmerzen im Laufe einer Woche mehrmals
attebäuschchen an die betreffende ZahnOeischstelle, die mit 20 proc.
wcainlösung getränkt waren Ueble Nebenwirkungen wurden davon
iidit wahlgenommen. Auch am Morgen des 7 November 1895,
J° eiDrn aliges Erbrechen nach schlechter Nachtruhe auftrat, wurde
138 Dac hherige Einlegen eines Cocaln-getränkten Wattestückchens
’) Liebe. Ein Fall Barlow’scber Krankheit. Diese Wochen-
lchnf k 1896. No. 2. S. 30.
No. 6.
in die Zahnhöhle anscheinend ohne Schaden ertragen. Nachmittags
wurde nochmals etwas Watte an das Zahnfleisch gelegt, welche
circa 20 Tropfen einer frisch bereiteten 5 proc. Cocainlösung ent¬
hielt. Ein Theil des in dieser Einlage vorhandenen Cocains wurde
verschluckt, während bei den früheren Applicationen die etwa aus
der Watte gepresste Lösung sorgfältig ausgespuckt worden war.
5 Minuten später Unbehagen, Schwindelgefühl beim Aufstehen,
Schwäche in den Beinen, Beklemmung auf der Brust, Lufthunger.
Dieser kurzdauernde Anfall wird in kurzen, 2—3 Minuten langen
Intervallen von weitern 5 Attaquen stärkerer Athemnoth gefolgt.
Bald darauf der 7., 20 Minuten währende Anfall: Heftigste Prä-
cordialangst, Dyspnoe, kolikartige Schmerzen im Leib, intensives
Kältegefühl, das von den Enden der Extremitäten bis zum Rumpfe
aufsteigt und das Gefühl von „Taubsein“ der Glieder hinterlässt;
dann klonisches Zucken in einzelnen Muskelgruppen der Arme und
Beine, abwechselnd mit tonischen Streckungen, besonders in der
Rücken- und Nackenmuskulatur und den Beinen, sodass nach Aus¬
sage des betroffenen Collegen nur der Hinterkopf und die Fersen
auf der Unterlage sich aufstützten. Bei meinem Eintreffen fand
ich den Kranken in halbsitzender Stellung, bei freiem Sensoriurn,
doch deutlicher psychischer Erregung. Gesicht und Lippen roth
(kurz vorher soll nach Beobachtungen der sehr aufgeregten und
daher kaum verlässigen Umgebung Cvanose leichten Grades vor¬
handen gewesen sein). Haut nicht schwitzend, zeitweise noch Zucken
in den Armen, keine Sprachstörung, keine Erhöhung der Körper¬
temperatur. Dyspnoe bei ruhigem Liegen massig, steigert sich
schon hei unruhigen Gesten der Hände, ist mehr inspiratorisch.
Puls circa 95—100, sehr klein, etwas arrhythmiseb. Herztöne rein,
mittellaut. Reflexe habe ich nicht geprüft. Nach Herstellung hori¬
zontaler Körperlage, Darreichung starken schwarzen Kaffees, Wein,
0,4 gr Kampher per os, Besserung des subjectiven Befindens; auch
der Puls voller fühlbar, sinkt auf 82, steigt beim kurzen Aufsitzen
aber sofort auf 94. Die langsam zurückgehende Dyspnoe erhob sich
nochmals zu 2 kürzeren Anfällen stärkerer Athemnoth; später trat
nochmals Erbrechen auf, dem «las Gefühl entschiedener Erleichterung
und Besserung folgte. Nach circa 5 Stunden konnte der Kranke
nach Hause transportirt werden. Die Ruhe «ler folgenden Nacht
war theils durch die fortdauernde Erregung und leicht einsetzende
Dyspnoe, theils durch Zahnschmerzen unterbrochen. Am nächsten
Morgen fand sich der College zu meiner Ucberraschung bei mir
ein, klagte aber noch über grosse Hinfälligkeit. Beim Sprechen
zeigte sich Kurzathmigkeit, der Puls hatte sich gehoben. Die leicht
eintretende Ermüdbarkeit und Mattigkeit machte erst nach 3 Tagen
einem normalen Befinden Platz.
Naeli mehreren Richtungen hin bietet vorstehende Krank-
heitsgesehichfe klinisches resp. toxikologisches Interesse.
Die tausendfältige Anwendung des Cocains lenkt leicht- den
Klick von der Gefahr ah, welche die Application des Alkaloids
für einzelne Individuen herbeiführen kann. Unser Fall weist
durch seine ln'drohliclien Symptome auf die manchmal recht heim¬
tückische Natur des Mittels «lessbalh wieder einmal auf das Ein¬
dringlichste hin , weil in wirklich grohsinntulligcr Weise der Zu¬
sammenhang zwischen der Anwendung einer arzneilichen Cocai n -
Dosis und deren toxischem Effecte vor Augen geführt wird.
Solch«' Fälle sind sehr lehrreich, wo ülu*r .möglicherweise >• noch
dazwischen liegende Möglichkeiten nicht viel disputirt werden
kann. Zugleich liegt darin wieder ein Beweis, dass schädliche
Nchenwirkuugeii des Cocains auch schon bei m-lit kleinen Dosen
auftrctcn können. Hier handelt es sich um die Aufnahme von
höchstens 0 05 g einer frisch hergestellteu (’ocai'ii-Lösung, von
welchem Quantum ein Theil von der Mundschleimhaut, «ler andere
vom Magen oder Darm aus resorbirt wurde. Im Hinblick auf
den Umstand , dass noch eine andere Person dieselbe Lösung für
sich benützte, ohne eine toxische Wirkung von «ler mindestens
eben so grossen Dosis zu haben, kommt man fast unwillkürlich
zu der Vorstellung: Es sei eben auch hier die Indivi¬
dualität des betreffenden Kranken weiren der toxischen Wirkung
nnzusehuldig«'». Allein damit reimt sich schwer der andere Um¬
stand zusammen, dass der erkrankte College schon mehrmals kurz
vorher Cocain ohne Naehtheil angewendet hatte — sogar von
eiiu'r 4fach stärkeren Lösung'. — Entweder ist also «lasseHie In¬
dividuum an einem Tage mehr idiosynkrasiseh gegen Cocain als
an einem andern, wofür die ausschlaggebenden Bedingungen bis
jetzt nicht si«licr bekannt sind, oder wir werden für unser» Kall
zu der „Annahme g«'dräng r t, dass «'s sich um eine eumulative
Wirkung des mehrfach hinnen einer Woche und eines Tages
gebrauchten Alkaloids handeln könne. Decker hat einen der¬
artig zu deutenden Fall publieirt t,Münch, med. AVochensehr. 1887,
S. 752). Um «las Auftreten «ler resorptiven Wirkungen zu er¬
klären, darf vielleicht noch der Umstand in Rechnung gezogen
werden , dass gerade uud ausschliesslich an dein kritischen Tage
4
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Münchener medicinischk wo cHgOTcrngT.
No. 6.
128 _
ein Theil der angeführten ^
den Darmcanal gelangte, vre c er vie morg endliche Erbrechen
ein. abnornren Verha ^- «££ gün * igere Bedangen
hindeutet — ihr eine FrkläruuK nicht viel über eine
«**• Doch geht “*^ e X7»aohLe»in rezeptive
Vennuthung hinaus. Uebngens * weim das Mittel in
Nebenwirkungen de» ^ Re ^ ptlo „ M „lle, die hier nur
den Magen eingefüh > j Ben-Dotracht kommt,
mr »th bei unseren, Falle die tonische
Wirkung, welche auch cret "/ u 7dtn taptomen selbst
£ t
(das Stsni.um ™er ftanose S ^ weissaua bruch); ferner ist bc-
betenden Ar“ Wühl in, ersten Moment an einen hy.ter,sehen
der centripetal fortkriechcnden Kalte der Extrem,taten emes
-“fo£ rrÄ rs;:»,
.'SSSäS:
“ ä ;r i; Ä£-
fiabe von 0,05 g und darunter harmloser Natur. ,. ,
llh vemieide es, auch aus vorstehendem Fall ausdrücklich
den Rath abzuleiten, mit dem Cocain Vorsicht zu üben; denn
ein Mittel, in welcher Weise letztere innerhalb der arznedichen
Dosirung gehandhabt werden kann, ist mir auch hieraus nicht
bekannt geworden.
Zur Behandlung gewisser spastischer Neurosen
(Bronchialasthma, Schreibkrampf, Tic convulsif u. s. w.).
Vorläufige Mittheilung
von Dr. Otto Domblüth, Specialarzt für Nervenkrankheiten
in Rostook.
Die Bedeutung der körperlichen Anlage für das Zustande¬
kommen einer Krankheit zeigt sich fast nirgends in der Mediciu
deutlicher, als bei einer Anzahl von Leiden, wo eine geringfügige,
oft schwer oder gar nicht zu entdeckende peripherische Einwirkung
oder Veränderung hartnäckige motorische Erscheinungen nach sich
zieht, während in unvergleichlich zahlreicheren Fällen dieselben und
auch viel stärkere Reize ohne solche Folgen bleiben.
Bei dem Schreibkrampfe und den Beschäftigungsneurosen
von ähnlicher Bedeutung (Klavier- und Violinspielerkrampf, Walker-,
Cigarrenwickler, Ballettänzer- und Trommlerkrampf u. s. w.) schien
die Ermüdung als peripherischer Beiz genügende Erklärung zu sein,
und zumal die Auffindung von Muskelinfiltrationen und von ent¬
zündlichen Nervenverdickungen wurde meist als hinreichender Grund
der Functiou8störungcn angesehen. Die begleitenden allgemein
nervösen Beschwerden wurden, wenn man sie überhaupt beachtete,
dem üblen Einflüsse des hartnäckigen und berufstöreuden Leidens
auf das Gemüth der Kranken zugeschrieben. Wesentlich gab aber
die Beobachtung zu denken, dass, wenn der Schreibkrampfbehaftete
zur Aushilfe die linke Hand benutzte, schon nach wenigen Ver¬
suchen, jedenfalls ohne vorliegende Ueberanstrengung, auch diese
erkrankte. Damit war ein sehr deutlicher Hinweis auf die Mit¬
wirkung centraler Theile des Nervensystems gegeben.
D Tic convulsif des Gesichts, des Halses und
M v ! ns W lag die Beachtung der centralen Vorgänge viel
Nackens u. ■ • , Fällen ^ ke ine peripherische Schä-
„„her, ^ iaCh dk EntStehUng
Stanlbcwüguügc,, oder durch Nuchahmung kerne,, Zweifel
d F 0 fd££thm h i a (BroooWal M thma, Aethme »»eudxle ze.
, “iten alle bekannteren Theorieen auf die nervöse Grund-
nervosum) greifen alle beka Annahme eine acute Schwellung
läge euruek dre ja nach de we,terenA t ^^ ^ ^
KramuTto Zwetohfä. (Wintrich, Bamherg.r) oder n«h de,
Ä* ~ “l eTe“"
auci; «, jedenfi gehört eine
"a a£^Äi\£hr ^
«Ät“£=££
in der Praxis genügend berücksichtigt werden, nimmt auch die
Behandlung* wenig Rücksicht darauf. Es braucht hier nur an-
gedeuto, » .* W t n g t g dto e B “; Ml.
* «>i. verschiedensten Ern-
Sä
Heil wir g j:„ Fälle w0 die reizauslösende
Ausnahme bilden namentlich die r &ne,
Bronchiolitis durch Jodkalium geheilt werden kann
Wenn ich nun die nervöse Anlage, die auf leichte Heize m
pendiuu, der inneren Mcdicin 1 ) die BddU.jfuw dK~. bn»*
Zustandes als wichtigste Aufgal* der Behandlung hmg^llt hak,
so muss ich zugleich darauf aufmerksam machen d» h.er^
gewöhnlichen Maassregeln gegen nervöse Anlage
Fallen nicht ansreichen. Man steht dann wohl dass dte je >»c
dem Einzelfalle mehr oder wemger hervortretenden a lgeme
nervösen Erscheinungen bald vemhwmde», aber ^
Coordinationsstorung u. s. w. ble.ben bestehen.
nun nicht scklicssen. dass die . anfneurnshenntelte ,
die richtigen wären, sondern mau muss sich klar maclien, a
noch vorhandenen hervorragenden Storungen ein bessere 1hart-
näckiner Theil der Krankheit sind und nach dem A ° zugc
übrigen Erscheinungen sozusagen noch eine monosymp ma^^
Neurasthenie darstellen, iu demselben hmne, wie m.
symptomatischer Hysterie spricht. Vorfahren
Das auf Grund dieser Erwägungen angewendete Wahre
hat mir in einer Anzahl von Fällen, die sich Ande ™
sehr hartnäckig erwiesen hatten, sehr gtänzendcEo^e ge _r ^
Wichtige Fingerzeige dafür gaben mir die Erfahrung
Wirkung der Flechsig'schen Opiumbromcur bei 2? K
mit Epilepsie, also ebenfalls einer Neurose niit ^
motorischen Leistungen, bei 2 Kranken mit .Myelome fc»jr ^
an den curmässigen (iebrauch der Opiate in der >
lehnende Verwendung dieser Mittel bei hartnäckigen und s h ^
Fällen von Neurasthenie. Bekanntlich gibt es zun ^
kämpfung der Angstzustäude nichts Besseres es lag in
hältnissmässig nahe, gerade für die asthmatischen AnfäUe a
ihrem ganzen Bilde- den Angstanfälleu ähnlich sind, diese HU
heranzuzieheu. . , , , • unl die
Man darf nun nicht glauben, dass es sich d dn|ch
Unterdrückung des einzelnen Anfalles handle, wie “ Morp hium
eine oder mehrere grössere Gaben von Opn™
erzielen kann. Davon könnte man sich ohnehin weder be
i) 2. Aufl. Leipzig 1895, S. 40, 27G und 277.
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r
11. Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
129
krampf noch beim Tic convulsif etwas versprechen. Vielmehr wird
die bei curmässigem (jebrauche so ausgesprochene anregende (Opium
mehercle ac sedat ac excitat 1) und umstimmende Wirkung aus-
genütft; von Narkose ist so wenig die Rede, dass die Patienten
sich auch auf der Höhe der Cur stets völlig frei und in bester
Leistungsfähigkeit befinden. Bei den Bcschftftigungsncurosen bat
tuan noch den Vortheil, dass die Kranken gewöhnlich schon nach
einigen Wochen ihre Thätigkeit fast ungestört wieder aufnehmen
können.
hu Wesentlichen handelt es sich bei dom Verfahren um die
langsam ansteigende, bei einer bestimmten Einwirkung auf der
erreichten Höhe verbleibende und weiterhin sehr allmählich wieder
verminderte Verabreichung von Opium oder Co de in. Die genaue
Beschreibung der Methode muss der endgiltigen Veröffentlichung
Vorbehalten werden, da die Beobachtuitfcen noch eine längere Zeit
and (manche Einzelheiten vor der Verallgemeinerung noch der
weiteren Proben bedürfen. Nur so viel konnte schon gesagt
werden, dass keine der bekannten Methoden so gute Erfolge gibt,
und dass schädliche Nebenwirkungen, Gewöhnungen u. s. w., wie
schon die tausendfältige Erfahrung der Psychiatrie lehrt, bei
sachverständigem Vorgehen nicht zu befürchten sind.
Systematische Erhaltung der Gliedmaassen bei aus¬
gedehnter Zerquetschung derselben.
Von Dr. Karl Carossa, prakt. Arzt in Pilsting.
Auf dem jüngsten französischen Chirurgencongress hat sich
nach einem Berichte dieser Zeitschrift (vom 12. Nov. v. J.) Professor
Reelus entschieden für Conservirung ausgedehnt zerquetschter
(rlicdmaassen auf Grund mehrjähriger Erfahrung ausgesprochen. Er
gibt auch an, wie er hiebei verfährt, was Jeder selbst nach-
lesen kann.
Mir kommt es bei diesen Ausführungen darauf an, eine
Methode von höchster Einfachheit zur Discussion der bayerischen
Chirurgen zu stellen, die wegen ihrer verhältnissmässigen Einfach¬
heit Jeder machen kann und die nach meiner Ueberzcugung
dennoch an Sicherheit des aseptischen Verlaufs keiner andern nach¬
steht, wenn sie Dicht allen andern weit überlegen ist. Ich meine
damit eine permanente Irrigation der nach Möglichkeit offengehaltenen
Wundflächen mit sterilisirter antiseptischer Flüssigkeit durch hydro¬
philen Verbandstoff hindurch, indem man in regelmässigen Zwischen¬
räumen, etwa halbstündlich, die Flüssigkeit auf den Verband giesst.
Die Ausführung ist folgende: Man reinigt die Wunde so
gut als möglich ist, entfernt abgelöstc Knochensplitter, Blutcoagula,
Fremdkörper etc. Alsdann sei man bedacht, die Wunde so her-
wrichten, dass das den hydrophilen Verband durchtränkende und
mit einem Antisepticum antiseptisch gemachte Wasser die Wunde
überall passiren kann. Ein vollständiges Zunähen der
Haut ist völlig ausgeschlossen , höchstens darf selbe locker
mit ein Paar Fäden dann angeheftet werden, wenn eine Htörende
Bialocation derselben zu befürchten wäre. Auf die Wundflächen
legt man überall hydrophilen Verbandstoff, der natürlich mit
dem äusseren Verband in gutem Zusammenhang sein
muss. Wenn nun alle Theile, soweit es thunlich ist, an Ort
und Stelle sind, wie man sie haben will, so macht man einen
festen hydrophilen Verband um das ganze Glied.
Sehr gut ist es, die Wunde mit Alkohol auszuwaschen, und
inan kann auch die Streifen hydrophiler Watte, die man zwischen
die Wundflächen und in Wundvertiefungen gelegt hat, mit Alkohol
desinficiren.
Inzwischen muss Wasser gut gekocht worden sein und zwar
5—20 1 pro die. Dieses Wasser macht man antiseptisch, etwa
weh Zusatz von 8,0 Sublimat und etwas Creolin. Eine Kanne
' r im Nothfall sonst ein passendes Geschirr, das auch mit dem
asser initgekocht wurde, wird nun gefüllt und alle halbe Stunden
.**. und Nacht langsam auf den Verbaud gegossen, der das Wasser
■ an ^ Kaa ^" ^ er Rranke merkt das gar nicht, ist davon nicht
_ ll ^' ^ antisepfcische sterile Wasser etwas über Körper¬
richten ^ 6 ^ er ^‘ e Erfolg® hei Epilepsie werde ich besonders be-
wärme hat; er wird je nach seinem Gefühl schon sagen, ob er
es kälter oder wärmer haben will.
Die ganze Watte des Verbandes und der Wattestreifen, die
zwischen den Wundflächen sind, saugt -sich nun zunächst gierig
mit dem Wasser voll. Aber sowie man allmählich mehr zugiesst,
als die Watte halten kann, muss unten das sterile, antiseptische
Wasser in ein Gefäss oder in eine Gummiunterlage abfliessen,
welch letztere natürlich leicht so zu richten ist, dass das Wasser
nicht ins Bett, sondern nach aussen abläuft.
Ein fortwährender, nie unterbrochener Wechsel des Wassers
im ganzen Verbände und soweit die Watte reicht, ist die Folge.
Die Watte ist aber auch zwischen den Wundflächen und in allen
Wundvertiefungen, also ist auch an den Wundflächen ein ewiger
sanfter Wechsel der Flüssigkeit, der den Kranken gar nicht
belästigt. Der Flüssigkeitswechsel ist natürlich nicht immer
und an allen Stellen gleich stark ; sowie man eine frische Kanne
aufschüttet, ist er wieder stärker, allmählich wird er wieder
schwächer. Aber stets tropft es nach unten ab, also ist stets
Circulation vorhanden.
Hat nun das bloss kleine Vortheile?
Beim besten Reinigen und Desinficiren kann man bei so
schlimmen Verletzungen nicht alle Keime vernichten. Aber fort¬
währendes, sanftes, kaum merkbares Abspülen kann vorhandene
Keime wohl entfernen und von der Wunde in den Verband und
schliesslich ganz wcgschwenimen. Neue Keime kommen aber nicht
mehr zur Wunde, weil das neu zugeführte Wasser steril ist.
Bleiben aber auch wirklich trotzdem noch Keime zurück, wie sollen
sic sich bei der unaufhörlichen Störung, der sie durch die fort¬
währende Wassorcirculation ausgesetzt sind, zu (Kolonien entwickeln?
Im flicssenden Bachwasser sind auch genug Keime, aber sic können
sich nicht vermehren wie in ruhigen, stagnirenden Wässern und
so ist es auch hier. Die antisoptischc Wirkung der fortwährenden
Bewegung wird noch durch den Zusatz von Antisepticis erhöht.
Solches Sublimat, das immer frisch herankommt, mag wohl auch
eine bessere Wirkung haben, als solches, das sich in der Wunde
.schon zersetzt hat.
Ferners fällt bei diesem Verfahren schwer in die Wag-
schaalc, dass den pathogenen Bacterien, die etwa trotz Allem noch
vorhanden sind, ihre Nahrung entzogen wird, nämlich die ihnen
so recht zur Vermehrung dienlichen flüssigen Wundsecretc. Man
sehe nur zu, ob das abflicssende Wasser so rein ist, wie das auf-
geschüttete, und wenn es trüber ist, so ist es mitgeführtes
Wundseeret.
Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich demnach die
Meinung ausspreehe, dass innerhalb gewisser Grenzen, also bis
etwa der Verbandstoff durch eine Schichte von Eiter an Porosität
etwas verliert, diese Methode einem etwa alle zehn Minuten
vollzogenen Verbandwechsel mit sterilisirter und
antiseptischer Watte vollkommen an Wirkung
g 1 ei eh zus te 11 e n ist.
Natürlich dürfen keine alten Lumpen auf dem Verband liegen,
sondern höchstens frisch gewaschenes oder ausgekochtes Zeug, wenn
die Angehörigen des Verletzten durchaus über den Verband noch
eine Hülle haben wollen.
Auch die Hände der Aufwärterin müssen gut gewaschen
und desinfieirt sein, wenn sie gleich nur vermittelst der Kanne
mit dem Verband in Berührung kommt.
Wie lange hoII man dieses Verfahren fortmachen? Wann
soll man den Verband wechseln?
Sind einige Tage ohne Fieber verlaufen, so wird nicht leicht
mehr etwas Gefährliches passiren: man hat das Aergste über¬
standen. Bei so äusserst gefährlichen Verletzungen, wie sie mir
vorsehweben, soll man es doch wenigstens 8 Tage lang so fort¬
setzen. Einen Verbandwechsel muss man machen, wenn irgendwie
erhebliches Fieber auftritt; ein täglicher Verbandwechsel kann
gewiss nicht schaden, sondern nur nützen. Es ist aber ein Vor¬
theil dieser Methode, dass in Fällen, wo wegen Bruch und
Splitterung der Knochen ein Verbandwechsel sehr lästig ist und
wo durch die unvermeidliche Bewegung die Knochentheile wieder
m ihrer Lage verändert werden, ein Verbandwechsel nur selten
wirklich nöthig wird. Wirklich nöthig ist ein solcher nur wenn
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130
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHBNSOgMFT.___
No. 6.
Fieber anftreton sollte, um nachzusehen. wo etwa c^c ^ „„dflache
ist) die nicht mit hydrophiler Watte ausgo,mistet i. t.
Ich habe in einem solchen Falle, wo ich » r
„rt äz «z*. -
STÄ B.
handlang mit Verbänden. .
Dieses Verfahren ist gewiss nicht umstünd'ieh; Jkh emen, so
itaserst schwor Verlest.,. mm* ja s» w» *> *"“
verlässige Person gegenwärtig sein. Ob nun dies dun K,-m
alle halbe Stunden ein Kännchen hinter die »•<<■
diesmal in des Wortes wortwörtlichster Bedeutung
ganz gleich. . ...
Für die Landpraxis und die Leute, mit denen man < a
- ft- hat, lat auch das gut, das,
sich kaum sehr rächen, wenn nur fleissig lag
gegossen wird. .
Bei ganz ausserordentlicher Gefährlichkeit < ei ' u " '' 7 "
wen,, in dir gc„uct,cl,tcu Weich,heile i«f.K'tiö,e Stulle gerader,,,
hineingel»re, 3 t wären, würde ich ganr einfach AlkoM■ "
.„lohen Verdünnung mm Anfgicen nehmen da,, der Krank,
nicht zu sehr belästigt würde. Natürlich würden da so gross.
Mengen nicht nöthig sein; ich glanlie, dass 3-5 Liter pro die
genügen. Eine allenfallsige Alkol.olintoxikatiou »««-•>“ *« ar ^ r
Art Wäre leicht in den Kauf ru nehme,, un, ha, ür d,e „.ernten
Leute gar kein Schrecknis*. mag sogar den < hoc. der so schwere
Verletzungen gern begleitet, günstig beeinflussen. Nach ein ge
Tagen, wenn die grösste (iefahr vorbei ist, kann man zu steril,in
Wasser mit andern Antisepsis übergehe.., die nicht so bnniui .
Noch einen Punkt muss ich erwähnen. Wenn die \\nm\c
— was bei so ausgedehnten Quetschungen nicht leicht u.i kommt
_ ausschliesslich unten, also an der dem Bett zugewandten Seite
der verletzten Extremität ist, so ist die Methode etwas zu modi-
ficiren. Die hydrophile Watte saugt sieh zwar auch unten bis ...
die Wunde hinein an, wenn von oben aufgegossei. wird, al.er
etwas langsam und ist der Flüssigkeitswochsei unten besomlers ...
der Mitte des Gliedes langsamer als man glauben mochte. es-
halb muss man den Kranken - auf den Bauch würde es an,
Besten sein — auf irgend eine beliebige Seite legen, damit m.m,
oben aufgiessend, doch die unter dem \ erbamle liegende , te e
der Wunde trifft. Sollte dies nicht gehen, so würde uh m den
Verband oben eine oder mehrere Drüben machen, nicht gerade
bis zur Haut, aber doch ziemlich nahe hin, damit die Massigkeit
gut nach unten in die Wunde fließen kann. \ ersuche haben
mich überzeugt, dass sonst das Wasser unten zu wenig emulirt.
Diffusion findet auffallend wenig statt, wie sich Jeder selbst üher-
zeugen kann, wenn er zuvor den Verband an einem Phantom mit
klarem Wasser sättigt, dann gefärbtes nachgiesst: viele Stunden
lang flicsst noch stellenweise klares, mit dem gefärbten nicht ge¬
mischtes Wasser heraus.
Der Bede kurzer Sinn ist also; Zuerst Behandlung der
Wunde wie bisher, dann Verband mit hydrophiler Watte, die
sieh bis in die Wnndflüchen hinein fortsetzt, halbstündiges Pcber-
giessen mit sterilem antiseptischen Wasser, in ganz verzweifelten
Fällen mit Alkohol. Ich kann mir nicht denken, dass irgend ein
anderes Verfahren das (lleiche leisten könnte, besonders in der
Landpraxis. Es sollte mich bei der Wichtigkeit dieser Sache für
die Erhaltung von wenn auch verstümmelten, aber doch eigenen
Gliedmassen für manche Menschen freuen, wenn mir Autoritäten
ihre Bedenken dagegen in dieser Zeitschrift geltend machen möchten ;
ausserdem aber, wenn Niemand Etwas Besseres woiss. wenn dies
Verfahren als Methode cultivirt würde. Wie man die Antiseptik
bei so leichter Ausführung und solcher Unschädlichkeit weiter
treiben könnte, darauf wäre ich neugierig. Es wird, wie ich
wiederhole, hiebei aseptische. und zugleich antiseptiseho Flüssigkeit
verwendet, es wird eine fortwährende gewiss sehr antiseptisch
. wirkende sanfte und unmerkbare Circnlation auf der Wunde unter¬
halten, es werden zuletzt auch noch die dünnflüssigen Secrete,
die Nährsubstrate der pathogenen Bakterien weggeschwemmt. Was
kann man wohl mehr thunV
Das Vorfahr..,, ist natürlich a»ch für minftr schwere Vor-
i, .... Dann könnte man aut dem Lande auch
!hs U höcLf r Mögli<-he in Verhütung von Wnndfiober Brand etc.
leisten, da sich eine verlässige- Person doch überall auftrc.bcn lasst;
Künste werden von ihr nicht verlangt.
Bericht über die Münchener medicinische Universitäts-
Poliklinik im Jahre 1895.
Von Prof. Dr. Mnritx.
d “ Tie MSÄ'betrug ISO. 711Männer and 89F»»e».
war die Mortalität an Tuberculose 1892 45,5 Pr°c. »Her Sterbefä^
lH-PA 47 Proc 1894 49 Proe., 1895 beträgt sie sogar 52 Fne^ vu
■er zu beobachtende stetige Ansteigen der
dürfte indessen auf Zufälligkeiten beruhen. Um so kleine Unter
S'’?o“ÄeÄ ■
Die Mortalität an Herzkrankheiten war 1892 3 i?Tp!oc.
Gesammtmortalität, 1893 24 Proc., 18.14 23Pro - ’ rier ; m
Also auch liier eine gesetzmassige Übereinstimmung, '
Durchschnitt mehr als */<• <>er Todesursachen in HerzerkranKung
“ ’tÄ vermeid hären Umachen für eine
ÄSTÄ TÄW -
unteren Volksschichten nur auf eine derart erworbene Herzerkranki g
beträgt im Verhältniss »
kranke,ifrequenz 1894 und 1895 1,7 Proc, ,m i»94
der in ihren Wohnungen behandelten Kranken dagegen
'S Pme. und 1895 T.ü'W Die Mo« des Krankenta.^
1/1. zu dessen Gesammtfrequenz betrug 1893 4,9 Proc.
4,8 Proc. Hieraus folgt, dass wir es zwar un Ganzen m,t leichteren
Erkrankungsfällen als das Krankenhaus zu thun haben, dass dag
unserer eigentlichen Hauspoliklinik, die unsere * ^imfasst,
den Hospitalkranken direct zu vergleichenden Patiente
relativ mehr schwere Fälle als jenem zukommen. Herren
Als Assistenzärzte fung.rten im Laufe des Jahres ö
Dr. Neumayer, Dr. Luxemburger und Dr. G n 0 “1 en
als Volontairärzte die Herren Dr. M ermann, D • t
Dr. Oppler, Dr. Gtttschenberger und ^.Morgenrot
Allen diesen Herren gebührt die wärmste Aner r' n L 8 j 8 tenten
gewissenhafte und erspriessliche Dienst eistung; Als ss. ^
waren über .50 und als Praktikanten 130 altere Studirende
“Sentoiol. nach Monaten geordnet g^taltete gh
wie folgt; Januar 1040, Februar £99, März 8b4, April 844. Mai ^
Juni 704, Juli 809, August 737, September b3b, Oktober
vember 053, Dezember 010. ., -i., K ; P h die
Nach dem Reichsschema ausgeschieden vertheilen
Erkrankungen folgendermassen:
I. Ent Wicklungskrankheiten:
Angeborene Missbildungen 1, Menstruationsanmnata» •
Scbwangerschaftsanomalien 02, Geburts- und Wochen
Altersschwäche 9, andere Entwicklungskrankheiten o.
II. Infections- und allgemeine Krankheiten:
Scharlach 6, Masern und Röthelu 25, Mumps„hdurchfall 2,
Diphtherie 27, Keuchhusten 5, Wechselfieber 3, .® Blutarmu th 88,
Katarrhfieber 123, acuter Gelenkrheumatismus l . 0 ^. p “Jen 39,
Leukaemie 2, Pyaemie (Septichaemie) 3, thiensche P « ut ^
Tuberculosis 19, Scrophulosis 8, Rhaclntis b > Zuc k cr *^A «tphilis 4,
| Gicht 32, Bösartige Neubildungen 77, Gonorrhoe b9, pnmt yP
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11, Februar 1896-
131
MÜNCH KN KIl M K DTCIN1 SCH K WOCHKNSCHRTFT.
constitutionelle Syphilis 237, chronischer Alkoholismus 4, arnlere
chronische Vergiftungen 26.
III Local isirte Krankheiten.
A. Krankheiten des Nervensystems:
Geisteskrankheiten 40, Hirnhautentzündung H, Apoplexia ccrobri
39, andere Krankheiten des Gehirns 15, Epilepsie 5'.', Chorea 4,
Rtickenmarkskrankheiten 60, andere Krankheiten des Nerven¬
systems 75t».
15. Krankheiten des Ohres:
Krankheiten des äusseren Ohres 6, des inneren 10.
0. Krankheiten der Augen: 10.
D. Krankheiten der Athmungsorgane:
Krankheiten der Nase und Adnexa 3 >0. Kehlkopfkranklieiten 26S,
acuter Bronchialkntarrh 157, chronischer Bronchialkatarrh 253, Lungen-
Entziindung 23, Brustfellentzündung 173, Lungenblulung 3, Lungen¬
schwindsucht 1271, Emphysem 210, andere Krankheiten der Ath-
nuingsorgane 19, Kropf 39.
E. Krankheiten der Circnlationsorgane:
Herz- und Herzbeutelentzündung 57, Klappenfehler und andere
Herzkrankheiten 344. Pulsadergesehwulst 10, Krampfadern 41. Venen¬
entzündung 3, Lympligefftss- und Lyinphdrüsen-Ent/.ümlung 40.
F. Krankheiten des Verdauungsnpparates:
Krankheiten der Zähne 203, Zungenentzündung G, Mandel und
Rachen-Entzündung 535. Krankheiten der Speiseröhre 6, acuter
Mngenkatarrh 213, chroniseher Magenkatarrh 20S, Magenkrampf 23,
Magengeschwür 36, acuter Darnikaturrh 65, chronischer Darm-
katarrh :!6, habituelle Verstopfung 100, Bauchfellentzündung (IVri
tonitis und Perityphlitis) 33, eingeklemmte Brüche 1. nicht ein¬
geklemmte Brüche 36, Krankheiten der Leber und ihrer Ausführungs¬
gänge 57, Krankheiten der Milz 1.
G. Krankheiten der Geschlechtsorgane:
Nierenerkrankung 133, Krankheiten der Blase 39, Steinkrank-
heit 8, Krankheiten der Prostata 9, Verengerung' der Harnröhre 10
Wasserbruch 4. Krankheiten der Gebärmutter 1G0, Krankheilen des
Eieretockes 10, Krankheiten der Scheide 3.
H. Krankheiten der äusseren Bedeckungen:
Krätze 36, acute Hautkrankheiten 13, Zellgewebsentzündung 5,
Carbunkel 2, andere Krankheiten der äusseren Bedeckungen 9 >.
I. Krankheiten der Bewegungsor gane:
Krankheiten der Knochen 2 S , Krankheiten der Gelenke 113,
Krankheiten der Muskeln und Sehnen 233.
K. Mechanische Verletzungen:
Quetschungen und Zcrroissungen 23, Rippcnbrnch 1, Ver¬
brennung 1, Erfrierung 4,
IV. An andere Abtheilungen verwiesen:
Gesundheitszeugnisse etc. 636.
Feuilleton.
Historische Notizen über die Aufnahme von Arzneien
und Giften vom Mastdarm und von der Scheide aus.
Wi Dr. Georg ShcLrr, I’matu'oe« nt für innere .'b dicin au der
1 ’nivorsitat (Dessen.
In Nr. 28 des Jahrganges 1895 der Müin-heiicr luedhiniselien
" "tliciisclirift leihe ich die Behauptung aufeestellt. arzuciliilu-
Vergiftungen von der Scheide aus seien ziemlich jungen Ihuunis.
wiewohl die Einführung von Arzneien mittels KL-rimi. Supposi-
terien und Pessarien stets geübt wurden und so alt und >tet-g
'ci wie die Geschiehte der Heilkunde. Her erste Tlieil «Ls Sai/.e-
lst in einem gewissen Sinne falsch, wie mich neuli- li einige l-ut-
deefcuneen in aalten Büchern - .gelehrt haben; <l«-n :imlereii ’l heil
tah' ich in meiner angeführten Abhandlung ilher A r zii «■ il i c h «'
•'rgt ft ii ii g vom Mast da rin oder von der Scheide
durch Autoren des AJtertlmiiis und des Mittelalter-« U--
Indem ich .jenen Irrthum heriehtig«-. möeht«’ ieli diesen
{leWl ‘ ,s durch neue Stellen verstärken.
Feber die verschiedenen Formen der Arzneiapplieation durch
weiblichen Zeiigungswege erfahren wir aus «les Be ue«l icti
•311 vatici consiliorum et responsunim inedicinaiiuni «enturiae
•luatnor (Genevae 1662» folgendes:
_ Pessaria in vaginain immittendu ex mercnriali et sa- ina, qua •
maxime confert ad evocandos menses. (Cent. I, 100; efr. l\ r , II .)
Clyster uterjnus ex lacte caprillo, eocto cum srn-co solutri et
etnul8ione seminum papaveris albi vel granis «juinque aut sex opii
dissoluti: «pianquani enirn interno usu somnurn non conciliaverit,
interceptis forsitan ipsius vaporibus ah acriori exhalatione in eaput.
(Cent. IV, 31; cfr. IV 43.)
Extriusecns vero ex usu ernnt insessus in uquis D. Petri vel
Aponitanis; perduetis illis ad Uteri penitiores partes, eannula fora-
minihus pervia in eins eervicem immissa (Cent IV, 34.)
Also: Pessaie aus Sabina zur Anregung der Periode; Seheiden-
klystire mit, Mohnkopfabkoehung oder Opiumextract zur Erzielung
von Schlaf, wenn «las Opium bei „innerlichem" Gebrauch («1. h.
durch deu Magen) wirkungslos blieb; Berieselungen der Uterushöhle
durch eine viellöcherige Cuntile mit .Mineralwässern^.
Noch mag über die Einführung von örtlich un<l entfernt
wirkenden Arzneimitteln in die Scheide der grosse Gynaecologw des
sechzehnten Jahrhunderts gehört werden.
In «h-s Ludowici Mercati «le mulierum nlTect. lih II cap. HI
de Uteri strangulatione" lesen wir h> züglieh der Mittel in hysterischen
Zufällen:
„Sunt autein e.i, «juae i«l iniinus praestant, veluti zibetum,
bombax inuscatiis vel gossypimn nmselio conspersum, oleum muscho
peifusum. galia imis«-ata, alvpta muscuta, et gariopbyllum atque alia
huius censns, velnt oleum iasmiui, naphthe, stvracis et cinnamomi,
item cinuamommn ipsum, costus, eassia, lignuin aloes, diainbra ct
diinoselmm. Sed i in m il t ere oportet in »intim pmloris et
uteri cervicem, «juaeex bis eomposiia prodesse coinperinius, quäle
illud e : t. «piod recipit alvniae inuscatae ^ ij, ligni aloes, gario-
phylloruni «« ^ j, mnsci, auibrae «« gr V. excipiantur oleo de spica,
a«lditis styraee, balsaum, aqua musoata, vel alia odorata, cum hnlano
tieri possnnt pessi, «jni in Uteri coli um immissi plurhuum prosunt:
praetertpiam in virginibns, (piorum jiudemhim sat est inungere. —
Grösseres Interesse als die beigehrachteu Beleg«’ für die An¬
wendung von Arzneien per vagii am halten die folgenden Beispiele
für Vergiftungen und zwar willkürliche Vergiftungen von der
Scheide aus.
Der jüngere I’l in ins erwähnt in dem zweiten Capitel des
27. Buches seiner Hi*t«<ria naturalis wohl den ältesten uns auft»e
wahrten Fall von Concubitus venenatus; Antiquorum euram
dilicentiannjue «piis possit. sat's vein-rari, cum eonstet omnmin
veneiiorum oeyssiumin esse aconitum et tactis quoqne genitalibus
foeininini sexiis animalium eo.lein di«? inferre mortemV Ho«.* fuit
vencmim quo interemptas «lormientes a Calpurnio Bestia uxores M.
(’aecilius acciisator objeeit. Iliuc iila atrox pero atio eins in digitnm.
Mercurialis citirt im lib I cap. 17 de vein-ni» «lieseibe Ge¬
schichte ohne «len Plinius zu nennen, fügt auc : keine weitere
Beobachtung derart hinzu Dagegen bat Sehcm-kiits a Grafen
berg im siebenten Buch seiiu-r Gbservationum medicariiin rarioruin
(Francofurti 1GG5) noch folgende» Citat:
Fuit «iiii'lam perverse et scelerate malua, «jui dum conjunx
Kaiauyi ia habend, pudet dicere «luoniod«) succiim toxici Hispanorum
ei a-lmovit et uiulierem extinxit. ((D ato in epistola I lilt 2. Epist.
per Laurent. Sch oltz i uni puhlie. pag. 227).
Ein späteres Beispiel finde icli im Ahreg«) chronologique de
l histoire de France par S de Mezeray (II. partie, tome 3. Amster¬
dam 1673):
Ladislas, Roy de Naples.coimne il estoit trop «Rdtordö
apri’s les fenmies et d ailleurs furieusement Itay pour ses cruautez,
il fut empoisonno cette annee (seil. 1411) d une vilaine maniere; il
prit la mort dans la soiirce du plaisir et de la vie. Un mediciu
«lont il entietenoit la lille, avant donm) ä c«.dte malheureuse nne
«Irogne empoisonnee j.our s'en froter, eile erüt que cestoit un lilt re*
pour «loniier plus «l«‘ plaisir ä smi aniant; «-t de cette »orte se tua
avec luv. -
Diese infame Art des Giftmordes ist aueli zu Ende des ver¬
gangenen Jahrhunderts uu«l in unserem Jahrhundert mit J-'.rfolg ver¬
sucht w«>rden: Fünf Fälle werden in Maschka's Handhucii der
gern-litlichen Medicm von Schucliardt. (H«I. II S. 15) kuiz citirt;
drei, in welchen die Vergiftung dui<-h Arsenik, je einer, in welchen
sie durch Quecksilber beziehungsweise Belladonna geschah. Amh
Sei «lei fuhrt die Arseuikfnlle in jenem llamlhnch (I5A. II S. 239)
kurz an Binz, welcher aut Seidel verweist, hat einen sechsten
Fall ;.u.- Oasper s \’i«-rtiljahr«■s-=«-lirift <Bd. XXV S. 110) von
Brisken hinzngefugl. Di«* beiden ersten Fälle finde ich im IJni-
vi-r-allexi!"U «1er jiraktiselnm Me«li« in (I.eipzig 1840Dim Artikel « Iu-
toxicatio* weitlautiger als hei Masehka berichtet uu*l halte sie
des Ahschreibi ns werth: -Ansianlx ans Lüttich hat im Journal
gener. de tue«! (l.-D) «len Fall von einer Frau aus dem Horte
Lmieux milgetheilt. welche im 40. Jahre nach einer kurz dauernden
Krankheit. «1 i>* sieh durch eine beträchtliche Ansehwellung der Ge-
sehleehtstheile mit Blutverlust aus «ler «•«diärmutter, reichlichem
Erbrechen und copiösen Durehläileii geotfenhart. hatte, gestorben
') Nebenhei folgendes Citat aus dem Benedietus Silva-
ticu« für 'tu- <iynaecologen :
Pessariuui intni«londimi ex lil«> lineo, ovi gallinaeei forma, eera
ii Iba obilueeinhi.ii.contra utvii prolapsum. ((‘ent IV, l‘j;
efr. IV, 31 )
Dies«'in mag sah die Empfehlung eines Verfahrens des Nico¬
laus Bis«» iDe cognos«’ ct cur morbis. lil». IIl cap. LN. Franeof.
1.-30» zur llervorzi« Innig «les Uterus aiisehliesseu:
Me renchytes va«-ui syphonem collo uteri immisiss*-, niox in
ternuni pulsorium retraxisse, uteruin dcorsum rcvellit. — —
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Münchener me picinische Woch enschrift.
No. 6.
132 _
«ne»
Vagina erkennen. Der Leib war teorn ^ der gericht i ic hen
Därme entzündet und von Bnu^ ^ ng gegeben hatte, erfuhr
Untersuchung, zu der dieser Fall „SE woer seine ehelichen
man, dass ihr Mann in dem Augenblicke^ ™ die Schei de
Rechte geltend machte, seiner Frau Arsen iKoxyu
geb ”ln l ÄrLÄn« ä;
SET
während des Beischlafes ««K eb f J . Uie “ ll ° d e m Arsenik-
Untersuchung beauftragten Aerzte hatten ^noch ^ jedoch
oxyde in den Gescblechtstheilen gef ^ d j z we if e l übrig
r b f
^rsät ffiASÄ
ÄÄÄ
d“s Experiment der Kopenhagener Societät ist vergessen worden.
Neue Versuche 1 über Resorption von der Scheide aus waren wün-
ffiffiTÄe S S ch«Thar V S? in Ä.IhKVHandbuch angibt und
"n Coen undLevi in Livorno, welche Binz bereits genannt hat,
ausgeführt^ worden- Vergiftungen durch deri Weg der Vagina
finde ich in den älteren Toxicologien, welche l“ de " let
Monaten zufällig unter die Augen kamen, nicht erwähnt. ADer aen
beiden Vergiftungen aus jüngster Zeit, welche Verneu.l und ich
nach Aetzung der Vaginalportion des UteruB mit Chroms&ure ge
sehen haben, kann ich heute eine dritte zuweilen .welche irn
39 Jahrgang (1895) von Betzens Memorabilien unter No. 10b
aufbewahrt ist. Der leider nur sehr kurz mitgetheilte Fall gleicht
in der ganzen Symptomenfolge dem meinigen. —
Zur Geschichte der Aufnahme von Giften und anderen Sub¬
stanzen durch den Mastdarm mögen folgende Notizen dienen:
Devergie erwähnt in dem vorhin genannten Universallexicon
Vergiftungsfälle, welche Astley Cooper nach Tabaksclystiren ge¬
sehen hat, und eine eigene Beobachtung, in welcher ein Ctystirvon
Datura stramonium, irrthümlicherweise statt des Tabakaufgusses
angewendet, das Leben eines Kranken in Gefahr brachte
In diesen Fällen handelt es sich fraglos, wie bei der Einver¬
leibung aller löslichen Stoffe durch den Mastdarm , um eine directe
Aufnahme des Giftes in das Blut von der Schleimhaut des Mast-
darms oder des Dickdarms aus. .
Bekanntlich hat nun in jüngster Zeit Grützner duich sinn¬
reiche Versuche, über welche er in der deutschen medicimschen
Wochenschrift 1894 berichtete, erwiesen, dass der Dickdarm und
der Darm überhaupt neben seiner Resorptionstüchtigkeit noch die
Fähigkeit hat, den Inhalt tiefer gelegener Abschnitte rückläufig auf¬
wärts zu befördern und derart z B. ein Rectalclystir bis in das
Duodenum und bis in den Magen hinauf zu transportiren.
Damit ist die alte Lehre von der Antiperistaltik wieder zur
Geltung gekommen. Soviel jene Lehre in den Lehrbüchern bei Ge¬
legenheit des Miserere erwähnt wird, um bespöttelt zu werden, so
wenig scheinen ihre Grundlagen bekannt. Wenigstens citirt sie Nie¬
mand in diesem Jahrhundert, welches den vergangenen Zeiten kein
Verdienst lassen möchte. Sie sind aber sehr alt. Im dritten Buch
neoi aiucoy avfintui/xajuiy des Galen heisst es: xai yap xai xAvar^p
iiamjMe naiv tu? i[xe»-nvai (nam et clyster nonnullis ita ascendit ut
evomeretur).
Also sind Grützner's Experimente schon vor siebzehnhundert
Jahren gemacht worden, wenn auch unabsichtlich. Es gibt einmal
nichts Neues unter der Sonne.
In der Therapeutice universalis des Joannes Fernelius
(Francofurti 1593, lib. III. cap. 2) lesen wir bei den Cautelen, welche
die Anwendung des Reinigungsclystirs erfordert, die merkwürdige
Warnung: ad alvi subductinnem, quod saepe conturbet subvertatque
cibum, ventriculo vacuo induendus est: eine Warnung, welche durch
den späteren Satz deutlicher erklärt wird: raro admodum in ventri-
culum subit (seil: clyster).
Die Beobachtung des Galenus und des Fernelius hat auch
der Clevische Leibarzt Reinert Solenander gemacht und in seinen
Consultationes medicae Sect. V. cons. 16 (Francof. 15%) mitgetheilt.
~ ^ aber auf dem Versuchsgebiet der Antiperi-
Das Grossartigs Mailänder Arztes Joannes Matthaens
stalük hat eine Patientin des M läd^l ^ QeBchichte fa seinen
de Gradibus geleistet De Gr ad, du ^ Almanflorem unter dem
äSSr n d?vomite mitgetheilt. Sie scheint mir zu ergötzlich, als dass
iCh 8i vÄe^8^°de n Gr a I t di l bu^. püellam quandam atque sanasae,
Vidisse se, sagt u rlvsteres omnes et alvi exerementa
CUi “ in ™S Td^nti;r Quae c«“ oZr. juG pene ad deplc
sursum „ urandae j uvencu i ae ve l nulla omnino vel exigua
rationem vergerent e nraesidiorum in eam rem non expertum
esset relicta spes, nihil P , . i ev „tionem glandes et acutae valde
atque SÄXE.dfi via i!U attractrix
exerementa ferentnr) mex
medici ‘7 u tSS, ut em m.liu. conti-
Lr Sri n»tpätalnm tempoSe abrupti» fiUe vique maxima
% STSJSÄff‘et SfSffi ttSSOT
mmmm-
, u .„,mjorejep.m.et. rosiiin , ggm pin^n.
SÄKXXT I 6 ‘SB tÄ ^eymptomatum »M.
säc's ssää
Snem Manne möglich ist, beweist die Beobachtung des Phil ppus
S^oUnensiJ die sein.Schüler Antonius ^ainenus^in
der Practica medicinae (Paviae 1481 Tractat. v. cap. )
Uefert Su h p1ositorium opiatum his elapsis diebus cuidam tenwmomzanti
imponi fussit (seil. Philippus), qm P^J^nÄjSnsoin
r»Ä vero s s mee,V» fe
torium illud filo appensum evomuit. . -
Certe nisi mihi vir tantus enarrasset hoc, nx fhristo-
Für diese Fälle dürfte man den Einwand, wel . ch ® erhebt
manos mit Unrecht gegenüber Grützner^
dass nämlich die Patienten “ ne "^Experimente
schluckt hätten, wohl gelten lassen. OrUtva p in g^er
eind über diesen Einwand erhaben, f ^ Schicksal
«Nachprüfung der Grützner sehen pasche med.
von Rectalinjectionen an Menschen und Thierem ( e b# .
Wochenschrift 1885 No. 32) jüngst in der Giessener aiuu
wiesen hat.
Zur Geschichte der altgriechischen Medicin.
In dem unter obigem Titel in No ; 8 dieser
erschienenen Aufsatze citirt Spät circa e * . Auc h bricht er
und lässt dabei das Wort „nüchtern“ «P^^i-uptttzlich bei
den Satz, der endet: „stützen wollte und konnte , P“g An8icht
„wollte“ ab. Der Leser muss dadurch pjtirten Ausführung,
für die meinige betrachten. Der Sinn meine , li h ind ist:
deren einzelne Sätze nur im Zusammenhänge falBC h,
1. Die bisherige landläufige Ansicht über HjPP und An8ic bten
eine Reihe nach modernen medicimschen Th chte Bücher
aus dem Corpus hippocraticum als Be8t o e ® S^Senn Aristoteles
dem Hippokrates selbst zuschreiben zu müssen. 2. De^ Bicher
lebte noch gleichzeitig mit Hippokrates “J. ti “J®n Schriften)
noch mit voller Kenntniss der ächt hl P p .„ dea Hippokrates
durch Menon eine ganz andere Lehrmeinung f Erste, der
als die bisher angenommene überliefern. 3. Ich wa oni8chen
selbst einem D i e 1 s gegenüber die volle Riclit^k j Ausgeburt
Passus anerkannt wissen wollte. 4) Die von Dies
der kritiklosesten und beobachtungslosesten Aerrte , • log j BC h
Pneumalehre ist, soweit damals anatomisch und PhyW^
beobachtet werden konnte, ein wirkheh nü< * te ™^ '
gewonnenen Beobachtungen zu einem Ganzen *u verein,
Es freut mich wenn Spät und Diels jetat auch arn^ ^
dass Aristoteles und Menon sich nicht getäusc-bthabOT teg,
nicht der von der modernen Philologie war
sondern der von Menon überlieferte der ächte • j ch we jter
und ist meine Ansicht. Allerdings gehe ich P | berliefert en
als Spät und Di eis mit meinem Punkt 5. V& im nBichten des
corpus hippocraticum das Buch de flatibus zu . an, dieses
Menonischen Hippokrates passt, stehe ich keinen
Buch als achtes Buch Hippokratis anzuerkennen. Einfluss
Eine autochthone griechische Medicin ohne ügyP d - gjank
glaube ich vor wie nach nicht, da unter A P^ erem T K ‘ d i e ser Me-
lieitsursache „ne^laauifxa“ sich durch fast alle L
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11 . Februar 1896.
nonischen Aerzte lieht. Diodor aber 1.82 gerade » 1 =
ägyptischen Prieetermedicin mittheilt: J£l J? " age d ? r
ri nXioy eh« »< etrl 6y, da,
Bad Neuenahr, Rheinpreussen fw*-««#« lasroaovs.
Uefele.
Referat© und Bücheranzcigen.
MgggBMgDI CINISCHE WOCHü NSrHpn,.
o
v C '? reiSe « t; ® eiträge zur Kenntnis» der mensch-
Uchen Nenroglia. Festschrift zum 50jährige„ Jubiläum des
ärztlichen Vereins zu Frankfurt a. M.
Der berühmte Forscher hebt zwar mannigfach die Lücken
in dem, was er bietet, hervor, aber immerhin lassen sieh schon jetzt
damit manche irrige Auffassungen durch bessere ersetzen. Um
über die Zusammensetzung und Natur der Nenroglia ins Klare
*u kommen, galt es zunächst, eine elective Färbung ausfindig'zu
machen, welche nichts von den nervösen Elementen mitfärbt.
Nach langem Suchen bewährte sich folgende Methode am besten :
1. Fixirung und Beizung ganz frischer, nicht über «/, cm
:r 8 T g r r Kup “^ »* *«-
^ S ° hni,te “ SOl, ” ei<1 “'
3. Anfertigung der Schnitte.
f'hrJä R £ UCt ‘° n . dUr , Ch Kalium h . v Pcrmanganicuin und durch
Chromogenlösung schwefliger Säure.
_ 5. Verstärkung der Färbbarkeit für die Nenroglia und Contrast
^ DmÖSeD ElementC dnrch einfach-wässerige
_133
** esiehtsfeldanomaHen' und (j^thts^ld'T 0 Arbciten uber
■ Ji. KwmJ'Z J ™ lb Ai "“»»■»Br..»* 1> und
(iesammtzeitraum:
6. (Modificirte) Fibriumetliode.
)2 t 3 ~ 6 dauern zusammen einen Tag
iSüSsss
1 r “ e f SS
vorbeistreichen "^ ange,ehnt an ihnen
- der Li' die Nenroglia aus Zellen und
^Plasma roUkommen d r ßC ~ ?* IW "« we,cbe ™m
«w beim Erwachsenen histol™ 2 ? ““, d U " d ’ wie « wenig-
baten. Beide zusammen " ,chts mit deu Hellen zu thuu
aufznfassen, die jedoch ih ? "^htnervösc Intorcellularsubstanz
heblich vom gewühÜ ^^ mor T ho,ügisch und chemisch er-
Die Lrr\ he " Bl “ deg - ebc versc 'hieden ist.
haften als mehr ^der we^ We,g f rt hinsichtlich ihrer Eigen-
ßiegungen verlaufend al "^T- f erade ’ bezw - 1,1 starrgeschwungenen
Verdickungen. Die Dicket T' ’. g att ’ <dinc Auftreibungen oder
f-nbaret bis “"SS? ^ e, ' ne ' n feinSten > eben ”<**
fasern kommen nur unter . lber vun 1.5«; die ganz dicken
'■'eh bei progressiver^“^ ^^^hen Verhältnissen vor, nament-
l -.« ZTC 5 0 “ , ' dc - Als
erwiesen, sondern das n h’ Wle Ranvier zuerst meinte,
* re ?elmässig eine dicke S Cen ; ralncrven8 y3tem, und zwar bilden
“ nd des Centralcanals k J?® h,oht . u j ,t€r deu > «Pithel der Ventrikel
Oberflfehen i m Centraine/ S1Dd ,m Allgemeinen die äusseren
Nenrogliafageni umgebet TTT T ^ dichte " Schicht ™»
mächtig entlang den GefL d f* *® rneren fi, ' d en sie sich sehr
^ Iea herum, sow i e u as «Körbe» um grosse Ganglien-
def weissen Substanz Di^ I “, Bündel formirten Nervenfasern
Abschnitten des Central, ® Vertheil,Ing i» den einzelnen
gesehen werden. entralnerv ensystems muss im Original nach-
Die £ h 1 Buttersack -Hanau.
SK* pSJSSSSS^Ä? de8 Gesichtsfeld es «»ter
"Hbrandt, Augenarzt , T gen von 1)r Hermann
f“ bar *' Mit 8 Tafeln j „ ^ ,gemeineu Krankenhause in
'**« *■ J. F. Ber Jn 2 Tcxtahbild «” g en. Wiesbaden,
“ergmann, 1896.
damit die Empfindung des Helle,," 1 wabi-H DW “" lip ""* D «"d
der Assimulirung A, welcher die F «"f den ' Vorgan 8e
vorrnft, die chemisch £££* *£ ??***„** DuMkeln
■hren ursprünglichen Zustand zurüelit" *? U “ aI,l * cl | w W«
r tsrjz siz
kennen, nicht die. Waage so tritt” mcT”'*™ "“'i W,MSre I{oize
Zustand der Unterwerthigkeit ein Bei Au ** der
hätten wir es nun mit einen, 7 , ' ,,crvÖ8en Asthenopie
malen, den gleichen äusseren i • i, • • , ’ 1)61 dem nor-
wesenen Auge. Untenverthigke* d^Nctzhi' T '■ a " Hgesetzt ge ’
nervöser Asthenopie ebenso wie hei i ' Ut a ' ,8sere »«•' hei
Blendung - „nLwertE kaMtKch ~ durch
durch Verschwinden des centralen Fixatr™!, 0 " A “ ge cinerseita
einschränkung bei den leichtere,, l.’ , durch »nnüdungs-
engung in 5* Tull^Z’ a J ~rische Ein-
retinalen Sehsubstanz, welche sich 'stets's f I " terwertl,,gkeit der
erstrecke, trete nun in ,W ,ni i« Ut d ' C ganzc Netzhaut
««tarn» «C Tr er«!™ 1?" ; '' S0,,d WW '» dw
rcstr.xfirvS:
^ro^trfr” *r?
zeige nach dem Eintritte ». das Dunkelzin,mer allmählich die
Tendenz zu einer Erholungsausdehnung des Gesichtsfeldes Zum
genaueren Nad.wdse der Verlangsamung des ErholuCvorganZ
"-Ms
beobachten, sei die suggerirte Schwachsichtigkeit und die hyste-
'sche Amaurose, welche eine rein psychische Form des Nicht¬
sehens ist, während der Symptomeneon,plex der nervösen Asthe-
zieht, zunächst in die äussere Retinalschicht zu localisiren sei
lwo er von veränderten Stoffwcclmelverhältnissen abhängig bleibt’
Durch \ erniittl.uig centrifugaler optischer Nervenbahnen von weit-
cntlegenen Stellen des Gehirns her - primäre Ganglien oder
“’ ldC ~ I WÜrdeU dicSe Stoffwechsclvorgängc beeinflusst
werden können und zwar nicht auf vasomotorischem Wege, sondern
vielleicht analog den Vorgängen bei den Drüsennerveu. Diese
ccntrifugalen Bahnen seien nun wahrscheinlich völlig gekreuzte
weil ihre Functionsstörung nicht wie die der centripctalen rein
sensoriellen Fasern hemiopische sondern concentrische Beschränkung
des Gesichtsfeldes bedingt, Affection überdies auch einseitig vorkommt
In, weiteren Verlaufe seiner Abhandlung weist Verfasser
darauf hm, dass bei atrophischen Zuständen des Sehnerven stets
Symptome rem funetioneller Sehstörungen parallel laufen und dass
diese es smd welche das Schwanken in den Untersuch,mgs-
ergebmssen bedingen. Da es daher zumal im Beginne organischer
Leiden schwer fallen müsse, diese von rein functioneilen Störungen
zu unterscheiden, so werden die differential diagnostischen Anhalts¬
punkte kurz angeführt, wobei hervorgehoben wird, dass der Typus
bei funetionellcn nervösen Sehstorungen der allgemein bezw. 'rein
eoncentrisch verengte ist.
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»ONCHKNKR MüMCISISCHK WOCHKNSCIIKQ'T
No. 6.
1_34_ .
In den beiden I lemeralopie Im-
A Vorgänge 1*1 ctwoiIm.k. i • ^ mTViisn . Asthenopie |
sprochen. Die erworbene /.crtallt » Uwi ,. hlH . IM io „ml in die
bestehende, als Blcndnngs icm,cral 11 • 1 , Uotinal-
SL . . A-i. *-
schieb ton verursachte Bei Verdunkelung, ».ei der
dürfniss mul, rnU^tutjung de. A < ^ dor ,» I.
angeborenen «Ins Bedurtnis* Liclitenipliudung
sehen, aten illustnrte Buch «!,.dclils|H,nkte
.- - -*. -
tionellen Störungen bei nervöser Astl,e„„|„t. ^ S( .
VUr.rdt: K» AW* ^
An.cn'.aU;.'. <• A .«- r i„
muss willkommen gchcisMn ««O ■ fl|i ,. Wr \ Vl .jse /.„
.,,-v” r
Hir/.muskelcrkrankungen Berücksichtigung nneed. dn „ / , »•'• « •
Auch dürfte eine Zusammenfassung des Sun,,«.•„«,„, e- de,
ensationsstörune > zweckmässig ersehenen. M
Neueste JonroalUteratur.
Deutsches Archiv für klinische Medicin. 5h. Band, 3. mul
4 ‘ 1Ie n) S Askanazy: Klinisches über Diuretin. «Aus der
med Set " ^otTdUf’harntreibende Wirkung des Diuretins ausser
durch directe'Reizung der Nierenepithelien auch durch
mmmäßm
eardialer Dyspnoe rasch und ausserordentlich günstig ein. A .
diesen Erfahrungen zieht Verfasser noch Schlüsse „her «he la.ho-
genese der, Angina pec ßo r fi t . Maligne Endocarditis im An-
SChl X AnsdduM^^eine^Urethritis^onm'rhoica 0 h'tsicltmi einem
klanne fanden die Verfasser Diplococcen von typischer Semmtlform,
zum Theil innerhalb der Zellen liegend und nach Gram sieh ent¬
färbend Auf Nährböden aus dem Herzblut gezüchtet wiesen < je-e
Mikroorganismen trotz ihrer grossen morphologischen■ ^«ibchkeit
mit den Gonococcen «loch wesentliche bnterschiede von diesu, aul.
13) Borgen: Blutdruckbestimmungen bei Bleikolik. (Aus
dem med. klin. Institut zu München.) uhit.lniel-
Durch eine stattliche Reihe von Pulseurven und Bl blr>ck
bestimm,ingen kann B. nachwe.sen, dass mit der b'eikol k e ne
ganz typische Circulationsstörung einhergeht und «war fa lt «Us
Stadium der Blutddrucksteigerung und das des hohen Blutdrucke-
mit der Perio.le des Kolikschmerzes zusammen: u.it dem Druck¬
abfall schwindet auch der Schmerz,. Blutdmckbestimmungcn be
einer grösseren Anzahl von gesunden Bleiarbeitern und bei Studuite
ergaben das Resultat, dass die durchschnittliche Druckhohe bei den
ersteren etwas höher ist als in der Norm. D ,
14) Lindemann und May: Die Verwerthung der Rham-
nose vom normalen und vom diabetischen menschlichen Or¬
ganismus. (Aus dem med. klin, Institut in München.)
Durch diese Versuche wird der von Ebstein aufgestellte Satz,
dass die Pentosen für-den menschlichen Organismus werthlos seien,
widerlegt. Die Rhamnose, in die Reihe der Pentosen gehörend,
wird vom gesunden menschlichen Körper wie vom Diabetiker zum
weitaus grössten Tlieile zerlegt, daneben wirkt dieses 1 räparat, wie
aus den mitgetheilten Zahlen liervorgeht Eiweiss sparend. _
15) Goldschmidt: Ueber den Einfluss der Elektrizität
auf den gesunden und kranken menschlichen Magen. (Aus
der med. Poliklinik in München.)
, . tatiren «lass die directe Faradisation
Verfasser konnte ®"“‘f* 1 auf , die motorische Thätigkeit dieses
„„,1 Galvanisation «les Mag (He ThWigke j t der Magendrüsen
Organes nur einen J»«™*® ’ w n nun wie aus 15 mitgetheilten
aber gar keinen die Endogalvanisation und Endo-
Kr.mkmigesehichten her ’ yor/iiglich es Mittel zur Bekämpfung
faradisation augenscheinlichi ß Dllatatio ventriculi) Magen-
von nervösen ' v ' e • die Möglichkeit eines rein suggestiven
aftectionen ist, s<> « h hillt die Art und Weise der Wirkung
bei tuberculösen^Processeii. (Aus Jen allgenreinen Kranken-
infiltrirender rubertulof’«• f “ yon Haemoptoe eine vorüber-
weisser Blutkörperchen, l ‘ phthise, hei Cavernenbildung
gehende Lcukoeyiose. Bei i -e «er J ’ der weissen Blut¬
lässt sich eine ist eine zur
KÄr“™.«»*' s “ u,,däre Mec "°”
»»■uschen., die Wirkung der Phenylchin.-
line und Pho.pI.tae “«"“S'S in ihre, Giftigkeit
Die stark wirkenden 1d'enj clnnoime ^ hinen noch übe r-
für Infusorien 11 nd . (VTleSlze und Baeterien ebenso wie gegen
SS Är^'ÄVw.ta.lto ull( i Pi-,drin nur we.ng
emplindlich.
('entralblatt für innere Medicin. IMG, Vo. b. *
'V r - T 1 ' 1,1,r:1
bei Erkrankungen des Magens, t , ,^„tische Wirkung
Die Pcpsinseeretion (gemessen « urc ‘ 1 gB, 79iiureBe cretion
«l.-s Magensaftes) scheint »n W ,c "®^, aur ehaUige Magensäfte
parallel zu geben, so zwar, dass stärker aatoiiare m KUr
auch bessere Pepsin Verdauung - k ..Uerdings 8 nicht. Auch die
völligen UÜbereinstimmung gellt <h\s «■ lerdi g de8 Magensaftes
Schnelligkeit, mit der die «.«einen ^“»ponenten ^« 8
zu Grunde gehen, ist eine versduede^ die SaUsäure,
SsXgS
Ät-S SS Äo^nderen Tb.k
saelieii gedeutet werden.
*2) Rudolph-Magdeburg: Ueber den Heilwerth des y
nÄT- «n„.d r-weier
sehlägiger Fälle zu «1er Überzeugung b' .^Us ausüben kann, dass
uanz ausscrorilenthehen Ein " ss ,-‘‘ u sV1) h,iis geheilt, nur nach langer
aber das Urtheil, »he Row imt die..>tl • h werden
Beol,achtungsdauer des betreftenden 1*alles ans ^ t8p zinn . Ber i in ,
darf.
Beitrüge zur klinischen Chirurgie. Bd. W, Hcf
Das 2. Heft des XV. Bandes ,1er Erfahrungen
Arbeit von K rönloin (Züricher : ü ?^ ir B “ 1 jJ“Erfahrungen betr
über das Magcncarcinom, wo” 1 ‘ er j rte Fälle (19 als inoperabel
ii7 Fälle berichtet, nämlich Jb nicht openrte _ 4 Gastro-
entlassen), 22 Probelaparotomien '“' er B e7 -folicR der Gastro-
enterostomien, 15 Magenpylorusrosectioneu- ^ ^ ^ {ür
enterostomie stellt Kr. auf «len‘ ‘ ’ mit ausgesprochenen
die Fälle unexstirpirbarer MaKüHtarcmome .b i M1 b
Stenosencrsehcinungen empüehlt, Magenresectionen sind 11
friedigenden Erfolg davon N °, n iTw Mortalität ergibt (während
geheilt, 4 gestorben, wonach sich 2b 1 r ° L - ., anderer Mittheilungen
eine Zusammenstellung der Gesummt *>• FjUle hintereinander,
40,Ü Proc. Mortalität zeigt); u. A. hatte . - Fä n e erlagen
die den schweren Eingriff glücklich JberJuto- 4 J e ” eration . In
später Recidiven, durchschnittlich 1,8 Jahr nacl ü P^ Curvatur
1 Falle wurden 22 cm an der grossen, 13 an de rbereitungen
ausser dem Pylorus initentfernt. Er betont, da«^ ^ Mage is
nicht zu lange sein sollen, er macht die A pü » Qn er zie ht
nur 1 Tag vor der Operation und am Tage der Ol c her'scben
Z B i 11 r 8 01h - w ö If 1 e r ’ sehe Meüiod.« d«r neueren K o ch • en
vor und schildert sein im Wesentlichen demi BiU {ührt er mlt
fahren entsprechendes Vorgehen, die Abklemmu g
Billrotli'sehen Klemmzaugeu aus o-hlatter:
Aus «1er gleichen Klinik stammt;te ^ tr J| r i etzu i,gen, worin
Die Behandlung der traumatischen; 1 ma8 u. A. einen
Schl, nach Berücksichtigung der Literatur dieses tran8V . un d
Fall von Sticliverlctzimg der Leber und B r °' a P® d urch die Leber-
Netz. mittheilt, in dem die profuse Leberblutung d Leb er-
naht erfolgreich gestillt wurde sowie “‘rS.^blutuiig durch
naht erfolgreich behandelten Fiül '^n iS denen durch die Leber-
Revolverschuss neben 6 anderen Vallen, in l ‘ en . hin Hess sich
naht «las Leben nicht erhalten werden konnte, m Blutetillung
durch dieselbe in allen betreffemlen Fällen eine ' b ll t darin,
erreichen und sieht Schl, einen grossen Vortheü der ^eo
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11. Februar 1896-_MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 135
dass sie sofortigen Verschluss der Bauchhöhle gestattet. Er hält
die Lebertainponade nur dann für berechtigt, wenn sich die Leber¬
naht nicht mit befriedigendem Erfolg ausführen lässt.
Penetrirende Stich- und 8chussverletzungen der Leber ver¬
pflichten den Chirurgen, so rasch wie möglich die Laparotomie zum
Zwecke der Blutstillung auszuführen, doch gibt der fast durchweg
tödtliche Ausgang der nicht operativ behandelten Leberrupturen dem
Chirurgen das Recht, auch bloss auf Wahrscheinlicbkeitsdiagnose
hin eine Laparotomie vorzunehmen, um rechtzeitig eventueller Leber-
blutong entgegentreten zu können. Die Naht ist das leistungs¬
fähigste blutstillende Mittel für Leberwunden, das Nahtmaterial soll
dicksein (am besten Catgut); zur sicheren Blutstillung sind meist
möglichst tiefe Parenchymnähte erforderlich, die besser haftenden
Kapselnähte können diese in ihrem Halt wirksam unterstützen.
Die beste Zugänglichkeit für die Lebernaht bietet die Laparotomie
in der linea alba oder ein Bauchdeckenschnitt längs des rechten Brust¬
korbrandes, eventuell beide combinirt.
Aus der Tübinger Klinik liefert F. Hofmeister einen Bei¬
trag zur operativen Behandlung des Ulcus ventriculi und theilt
einen erfolgreich operirten Fall mit, in dem die Resection der er¬
krankten Partie nöthig war, im Anschluss an welchen er betont,
dass bei jahrelangen Magenbeschwerden, beträchtlicher Abmagerung,
freier Salzsäure, bei Bauchtumoren in der Regio epig. oder mesogastr.
(auch von ziemlicher Grösse) doch die Möglichkeit eines mit der
Baachwand verwachsenen Ulcus ventriculi mit schwielig erkrankter
Hagenwand in Erwägung gezogen werden muss. H. Küttner be¬
richtet aus der gleichen Klinik über angeborene Verdoppelung
des Penis im Anschluss an ein Präparat der Tübinger Klinik, in
dem beide penes und urethrae vollkommen normal gebildet waren.
Deslemeren theilt Hofmeister „zur Schleich’schen Infiltrations¬
anästhesie“ Beine günstigen Erfahrungen in dem betreffenden Ge¬
biet mit und schildert das betreffende Verfahren, durch das in der
weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle der beabsichtigte Zweck
vollkommen erreicht wurde und 20 Minuten lange Anästhesie, ja
zuweilen bis ’/» Stunde erzielt wurde; an den Extremitäten kann
Combination mit der Esmarch'sehen Blutleere eine merkliche Ver¬
längerung der Wirkung erzielen (doch darf man den Schlauch erst
nach der Infiltration anlegen), so dass H. das Verfahren als alle
anderen Formen der lokalen Anftsthesirung an Leistungsfähigkeit
weit abertreffend bezeichnet.
Aus der Freiburger Klinik berichtet H. Reerink zur
operativen Behandlung irreponibler Luxationen, worin R. die
Lehre von den veralteten Luxationen besonders betreffs operativer
Behandlung darstellt und betreffendes Material aus der Literatur
zuBammenstellt. Betreffend Schulterluxationen sammelte R. mit
2 Fällen aus der Freiburger Klinik 48 Fälle aus der Literatur
(24 mal subcorac.), in denen 22 mal Arthrotomie, 25 mal Resection
ausgeführt wurde; für die Arthrotomie ist ein nur relativ kurzes
Bestehen der Luxation Haupterfordern iss, resp. das Alter der Luxa¬
tion für die zu wählende operative Behandlungsweise ausschlag¬
gebend; in 22 Fällen von veralteter Hüftluxation wurde 17 mal
Resection aosgeführt, Arthrotomie gelang in 5 Fällen, 2 mal wurde
Osteotomie ausgeführt.
Betreffs der Ellenbogenluxation (18 Fälle) empfiehlt R. die Schnitt-
fühnjng wie zur Resection, die Arthrotomie für alle frischen Fälle;
wo sie im Stich lässt, ist partielle oder totale Resection zu machen,
die verschiedenen Repositionshindernisse werden eingehend be¬
sprochen. Betreffend operativ behandelte Kniegelenksluxationen
werden G Fälle zusammengestellt (2 nach vorne, 2 nach hinten,
2 Subluxationen nach aussen) und speciell noch die durch die ver¬
schiedenen Repositionshindernisse bekannten Daumenluxationen be¬
sprochen (12 Fälle aus der Literatur), für die R. bei Repositions¬
hindernissen die Arthrotomie warm empfiehlt.
Aus der Heidelberger Klinik berichtet M. Jordan über
atypische Formen der acuten Osteomyelitis und schildert speciell
chronische Formen derselben nicht eitriger Natur, die scheinbar
«arcomähnliche Neubildung hervorbringen können, im Anschluss an
2 Falle der Heidelberger Klinik.
Aus der Prager Klinik schreibt Fr. Neugebauer zur
Nenrorhaphie und Neurolysis, worin er die Eingriffe an Nerven
aas der Grazer Klinik Wölfl er's darstellt (7 Fälle mit Naht) und
o. A. eine erfolgreiche Facialisnaht berichtet, mehrere Fälle von
Neurolysis bei Narben oder Calluscompression des Nerv, radialis mit-
theilt und nnter Berücksichtigung der betreffenden Literatur zu dem
Schlüsse kommt, dass 1) die leichtesten Grade der Nervencompression 1
durch Callas oder Narben als Neuralgien verlaufen, 2) vor dem Ein- I
hitt von Bewegungs- und Empflndungslähmungen Hemmungen in j
der Muskelernäbrung auftreten (die nicht als Inactivitätsatrophie
sofzufaasen), dass 8) diese Störungen und Lähmungen bei zweck¬
entsprechender Therapie gute Prognose geben und dass diese
I) nicht nur in Isolirung, sondern auch, wenn möglich, in Exstirpation
des Narbengewebes um den Nerum herum bestehen müsse.
Schreiber.
Centralblatt fiir Gynäkologie. 1896, No. 5.
1) W. Rubeäka-Prag: Ein Fall von Sarkom der Scheide
W einer Erwachsenen.
35jährige Frau, I. para, mit einem primären Sarkom der
“ntera ßcheklenwand, das vor 11 Jahren exstirpirt worden ißt und
bis jetzt ohne Recidiv blieb. Der Tumor war 11 cm lang, 5—6 cm
dick und erwies ßich mikroskopisch als Spindelzellensarkom tuberöser
Form. In der Literatur sind bis jetzt erst 17 Fälle primären Scheiden-
sarkoms beschrieben.
2) O. Schaffer• Heidelberg-. Pathologische Wehen und
ihre Behandlung.
Sch hat seine Curvenheobachtungen durch Pelottenregistrirung
auf volumimetrischem Wege (cf diese Wochenschrift No. 5) auch
auf pathologische Wehen ausgedehnt, die er in 2 Hauptgruppen
theilt: atonische Wehen und partiell tetanische Krampf¬
wehen. Erstere können durch directe — vom Uterus ausgehende —
lind indirecte — von andern Organen herrührende — Wehenschwäche
bedingt sein. Während bei den atonisehen Wehen die verschiedensten
Ursachen sich vorfanden, war bei den Krampfwehen Endometritis
cervicis die bei weitem häufigste Ursache.
Die Behandlung der Krampfwehen bestand in Seitenlagerung,
warmen Vollbädern, Umschlägen, Scheidenirrigationen, Sinapismen
und Jpecacuanha.
Die rein atonisehen Wehen wurden durch kleine Dosen Ergotin
(0,05 — 0,1 subcutan) günstig beeinflusst Dasselbe veränderte zuerst,
nach 4 — 11 Minuten, die Wehenform, dann, nach 12—24 Minuten,
traten danach auch eine Zunahme der Wehenstärke, beziehungs¬
weise ruhigere Pausen auf.
3) Otto Engström - Helsingfors: Ein Fall interstitieller
T ubenschwangerschaft.
Es handelte sich um eine 25 jährige Mehrgebärende, die wegen
Verdachts einer Extrauterinschwangerschaft laparotomirt wurde.
Hierbei fand sich, dass es sich um die sehr seltene interstitielle
oder tubouterine Gravidität handelte; der Fötus sass in der
rechten Fundushälfte des Uterus, der nach rechts einen Ausläufer
zur Tube schickte. Fötus, Placenta und Eihäute wurden durch
einen Schnitt in die vordere Uteruswand entfernt, und die Wunde
wieder vernäht. Heilung ohne Zwischenfälle.
E. glaubt selbst, dass es richtiger gewesen wäre, das ganze
Uterushorn nebst Tube zu resecircn, da das Lumen der Tube in
Zukunft schwerlich offen bleiben wird. Jaffö.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 5.
1) H. Stabei: Zur Schilddrüsentherapie.(Cliir. Klinik Berlin.
S. d. W. 1896, S. 85.
2) Goebel: Ein Fall von traumatischer Neurose mi
schnellem Uebergang in Psychose. (Oppenheim’sehe Poliklink )
Bei einer 43jährigen Patientin entwickelten sich nach einer
schweren Verletzung der rechten Hand folgende Erscheinungen:
trophische und mechanische Störungen der rechten Hand, motorische
Storungen der Armgelenke auf psychischer Grundlage, totale rechts¬
seitige Hypaestheeie, rechtsseitige Geschmacksstörung, beiderseitige
Anosmie und hochgradige concentrische Einengung des Gesichts¬
feldes, ausserdem Kopfschmerz, mangelhafter Schlaf, Uebelkeit,
Ohnmachtsanfälle, Sucht zu übertreiben, kurz die subjectiven und
objectiven Zeichen der traumatischen Neurose.
Plötzlich, wahrscheinlich in Folge des Vorwurfes der Simulation,
entwickelte sich eine psychische Störung (Paranoia?; mit Dissimulation
der früher vorhandenen Störungen, von denen sich einige (die
HypaestheBie) noch nachweisen Hessen.
Verfasser weist auf die praktische Bedeutung derartiger Krank¬
heitsfälle hin, und erwähnt, dass Oppenheim bei derartigen
Kranken Suicidium beobachtet hat.
3) J. Rotter: Günstige Dauererfolge durch ein verbessertes
Operationsverfahren der Mammacarcinome. (Hedwigs-Kranken¬
haus Berlin.)
S. d. W. 1895, S. 915.
4) Goldscheider: Ueber die Behandlung des Schmerzes.
Verfasser unterscheidet drei Schmerzarten, die echte Schmerz¬
empfindung (Zahnextraction), das Schmerzweh (Kopfschmerz), den
ideellen Schmerz (bei Neurosen).
Die Therapie des Schmerzes muss zunächst eine ursächliche
sein. Die secundär bedingten Schmerzen (Entzündungen u. dgl.)
sind leichter zu beeinflussen, als die durch eine genuine Erkrankung
des Nervensystems bedingten.
Ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich, so ist der
Schmerz direct anzugreifen. Das erreicht man a) durch Beruhigungs
mittel, Nervina, Schlafmittel, Kälte, Elektricität, b) durch ableitende
Reize, c) durch Veränderung der Blutvertheilung, d) durch Massage
und Bewegungstherapie, e) durch psychische Mittel (Suggestion,
Hypnose). Narcotica (Morphium) sind nur bei unheilbaren chronischen
und bei acuten Affectionen (vereinzelt!) zu verordnen.
Ableitende Reize wirken einmal hemmend, in zweiter Linie
psychisch, indem der grössere neue Schmerz den anderen mit weg¬
nimmt. Dies ist nach Verfassers Ansicht vor allem die Wirkung
der Elektricität. (Sehr richtig! Ref.)
Massage wirkt in der Hauptsache umstimmend, die Bewegungs¬
therapie hat ihr Gebiet bei den Neuralgien der Extremitäten und
wirkt einestheils abgleichend, anderenteils hemmend.
Bei der psychischen Behandlung handelt es sich um dreierlei:
1; um die Erzeugung von Empfindungen, 2) um die Erzeugung von
Vorstellungen meist auf verbalem Wege, 3) um die Beeinflussung
der Willensthätigkeit.
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136
Münchener me dicinische W ochenschrift.
No. 6.
;3:|iffs5ÄSH;S=S5:
erlaubt und nothwendig. ^io Erzeugung . . klichsteu ist es,
,,„d Wahnempfindungen vom Snggestionirenden
S^Ä^-^^CvihWong. die spater wegmass.rt
sich auch ohne Hypnose beeinflussen.
Deutsche medicinische Wochenschrift. No 6^
HF Ahlfeld und F. Vahle: Die Wirkung des Alkohols
bei der geburtshilflichen Desinfection. (Aus der Umve
Frauenklinik jn Marburg.) , w die b.ctericide Wirkung
_5KSs5Är^i£^^ s^fssss:
Sä s £=‘ £ SriVn^Uu,
gehen muss. ^ R Walter; Weiteres über das Vor
kommen von Influenzabacillen im Central-Nervensystem. Aus
der Untersuchungsstation des X. Armeecorps in Hanno .)
f0,,,t 3) W. H ol d h e i in: Zur Kenntniss der cerebralen fibrinösen
Pneumonie im Kindesalter. (Aus der inneren Abteilung des
städtischen Krankenhauses am Friedrichshain in Berlin)
H lenkt die Aufmerksamkeit auf die l-alle '
latent verlaufender rncumonien mit vorwiegend c ® reb ^ le ^ ^ h '
tomen, die oft das Bild der tubereulösen Meningitis Vortäuschen
Henoch geht sogar so weit, zu behaupten, dass die meisten kalle
sogenannte? « geheilter Meningitis im Kindesalter » auf diese »Formen
zurückzuführen sind. Fünf diesbezügliche Krankengeschichten
werden berichtet. _
4) C. Schwerdt-Gotha: Enteroptose und intraabdorai-
naler Druck. Schluss aus No. 5. „ Ä _
Auslührliche, im Rahmen eines kurzen Referates ^ u . ht ^ ^. r e
schöpfende Darstellung des ganzen Krankheitsbildes, der Aetiolog e
und Pathologie, Therapie und Prophylaxe der Enteroptose. D e
Enteroptose ist nach S. eine Constitutionskrankheit, der verminderte
intraabdominale Druck i-t dos erste und wichtigste Syinpton der¬
selben Genaue manometrische Messungen und klinische Beob¬
achtungen stützen die Ansichten des Verfassers. Interessant ist der
Vergleich des ZustaDdes bei der Enteroptose mit einem Schlottei-
gelenke: Erschlaffung der Wände Verminderung des inneren
Druckes, Druck- und lnactivitätsatrophie des Muskels. Mit als haupt¬
ursächliches Moment zur Entstehung der Enteroptose wird das
Schnüren und das Corsett überhaupt erwähnt, durch Verhinderung
der mechanischen und chemischen Function des Verdauungs-^ und
Athmungsapparates, als Ursache von Bluterkrankung und Gircu-
lationsanomalien.
5) Kübler: Statistisches zur Wirkung des Impfgesetzes.
Durch die amtlichen Ermittlungen sind innerhalb 8 Jahren
unter etwa zwei Fünfteln der Bevölkerung des deutschen Reiches
nur 3 Fälle nachgewiesen worden, in denen erfolgreich wiedergeirupite
Personen an einer reinen Pockenerkrankung gestorben sind F. L.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
T 4 *rr Hirschberg hält die Zähne in dem von Hutchinson
fJhr^Zustand für charakteristisch für hereditäre Lues und
angeführten Zustand welche eine Folge der hereditären Lues
-Sb——
werden könne. __
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbcricht.)
Sitzung vom 3- Februar 1896.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Litten fnsclie und
bestehende Cylinder fand er bei Blutkranken.
Discussion zum Referate des Herrn Mendelsohn: Ueber
daS D^togausBedelmte Discnssion, an «eiche, »ich die.Herrn.
r.v/ i Ä« ,e iÄ h 'i
setne Gefahren in eich berge. »ber für die kbrperhdro und B,ul.ch
anzu8chl^gende 8 pmk^üb r e'Bedeutung',^ein sehr bequemes und «.ehr
rasches Beförderungsmittel darzustellen.
Sitzung vom 5. Januar 1896.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr König den amputirten
Unterschenkel einer seit mehreren Jahren an Knie gelenksaffection
leidenden Dame, welchen er wegen Tumors der Tibia abgenommen
hatte Nach der Abnahme wurde das Bein mittelst des Röntgen-
schen Verfahrens photographirt und es gelang den Tumor im
oberen Tibiaende ziemlich deutlich zur Anschauung zu bringen.
Discussion über den Vortrag des Herrn Silex: Pathogno-
monische Kennzeichen der congenitalen Lues (s. Nr. 4).
Herr Busch warnt davor, aus den Zähnen allein eine Dia¬
gnose stellen zu wollen, sie seien nur ein Unterstützungsmittel der
Diagnose.
Herr Blaschko schliesst sich im Wesentlichen den Aus¬
führungen des Vortragenden an.
Herr Lew in hält die vom Vortragenden angeführten »Narben--
für Falten.
Verein Freiburger Aerzte.
(Officiellcs Protokoll.)
Sitzung vom 27- Dezember 1895.
v. Kahlden: Demonstration patholog.-anatomischer
Präparate.
11 Carcinom der Schilddrüse. .
Die Schilddrüse bildet einen ki » , ^ sk oP f ^f se V r !! U siI’noxleido-
hauptsächlich nach der linken Seite hin bis ü ^rdenSternocle.ü
mastoideus hinaus entwiche t hat Ä^“g Stroma.
denen sich ein äusserst zartes Stroma mit weiten cap
Gefftssen befindet.
2) Linksseitiger Nierenkrebs bei einer 59 jährigen l'rau.
Niere, doppelt so gross wie normal, bat . lh ^ e Unteren Hälfte
behalten, der Durchschnitt der Geschwulst ist '"^""^lenweise
markig weiss, in der oberen Hälfte mehr
cavernös. 2 Metastasen in den retroperitonealen Drüse .^nd^
Diagnose Hatte schon 6 Monate vor dem T ? deR ' , ® de i( 1 . b Harn
sein von einzelnen Epithelzapfen und reichlichem Blut im
gestellt werden können.
3) Aneurysma der Aorta bei einem 49 jährigen > Iannc -
Das Aneurysma sitzt unterhalb des Zwerchfells, hat eine ng
von 12 cm und ist mit der Wirbelsäule fest verwachsen.
4) Hochgradige Prostatahypertrophie mit Cystitis und Hy ro-
neplirose bei einem 72 Jahre alten Manne.
Die Prostata hat die Grösse einer Kinderfaust. lm B ,J^ ste j n
an die Cystitis hat sich ein mehr wie wallnussi^c Bl^ ^
aus Tripelphosphat gebildet, der von unregelmässiger desto
an der Oberfläche höckerig ist.
5) Lcberabscessc bei einem 12 jährigen Knaben.
Der ganze rechte Leberlappen ist von ywjifober-
eiugenommen, die nahe dem Zwerchfell blasen ®; em i; c h dünnen
fläche prominiren. Sie entleeren beim Aufsclmeiden deutlichen
gelblichen Eiter. Die meisten Abscesse sind f^ffiuden sich
pyogenen Membran ansgekleidet 1»^'frischere
grössere coagulationsnecrotische Herde und a “ 8 ®* TI ter8UC hung
kleine eiterige Infiltrationsherde. Die mikroskopische Cultur -
des Eiters auf Bacterien blieb erfolglos, ebenso fällt ^
verfahren negativ aus und auch im Schruttpr p dass die
Bacterien nicht auffinden. Auffällig ist in den S«h ’-a n derte9
kleinen Abscesse oft ganz unmittelbar an g TPac tive Zone
Lebergewebe angrenzen, ohne dass “geudwie pineeßC hoben
von Leukocyteninfiltration oder von Bindegeweb 6..
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11. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
137
wäre. Amöben konnten ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Die
Gallenblase und die grösseren Gallengftnge waren bei der Section
frei, die kleineren Gallengänge erweisen sich bei der mikroskopischen
Untersuchung ebenfalls unverändert. .
6) Echinococcus bei einer 59 jährigen Frau.
In der stark vergrösserten Leber finden sich im rechten Lappen
zwei kindskopfgrosse Siicke, die durch eine schmale Schicht von
Leber- und Bindegewebe von einander getrennt sind. Beide Säcke
sind mit einer enormen Anzahl von Tochterblasen gefüllt. Im
linken Leberlappen findet sich noch eine wallnussgrosse Echino¬
coccusblase. Die äussere Hälfte des rechten Ovariums ist in einen
inannBfftU8tgrossen Echinococcussack verwandelt, ausserdem fand
sich im Douglas noch ein vereiterter Echinococcussack, der während
des Lebens drainirt worden war.
7) Thrombose des Sinus longitudinalis bei einer 66 Jahre
alten marantischen Frau.
8) Erworbene Pulinonalstenose bei einem 12jähr. Knaben.
Die Pulnionalklappen sind an ihrem Schliessungsrande ver¬
dickt, retrahirt, mit einander verwachsen, so dass daraus eine knopf¬
lochförmige Stenose des Ostiums resultirt. Der rechte Ventrikel
bat eine Wanddicke von 9—10 mm. Der rechte Vorhof zeigt eben¬
falls eine starke Verdickung seiner Wand, er ist doppelt hühnerei-
gross. Auf der Tricuspidalis frische endocarditische Auflagerungen.
In der Intima der Pulmonalis 3 cm oberhalb der Klappe eine fast
markstückgrosse, rundliche, flache Thrombusmasse. Der linke Ven¬
trikel erweitert, in der Spitze durch central erweichte, ausgehöhlte
Thromben aupgefüllt. Schluss folgt.)
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 26. November 1895.
Vorsitzender: Herr Unna. Schriftführer: Herr Reiche.
Herr Krause hält seinen angekündigten Vortrag: Patho* 1
logie der Knochen und Gelenkstuberculose:
Unter Demonstration zahlreicher Präparate, Zeichnungen, 1
Photogramme und mikroskopischer Aufnahmen bespricht Vor¬
tragender das Thema. Auch an geeigneten Versuchsthieren sind
die beim Menschen beobachteten Veränderungen experimentell er¬
zeugt worden, wie die vorgezeigten Präparate beweisen.
DiscusBion. Herr Wiesinger: Der von Herrn Krause
citirte Fall aus der Volkmann'sehen Klinik, in dem neben einer
tuberculösen Erkrankung des Kniegelenks eine lipomatöse Wucherung
der Synovialzellen beobachtet wurde, erinnert ihn an einen analogen
Befund, den er vor circa 2 Jahren bei einer Kniegelenksrescction
erhob. Klinisch hatten hier die stark vergrösserten Gelenkzellen
als freie Körper imponirt.
Herr du Mesnil de Rochemont berichtet über Unter¬
suchungen zur Aetiologie der Cystitis, die er in Gemeinschaft
mit seinem Assistenten, Herrn Dr. Mülling, an 25 Fällen von
Blaseneutzündung anzustcllen Gelegenheit hatte. Aus dem unter
aseptischen Cantelen abgenommenen Urin wurden 14 Arten von
Mikroorganismen rein gezüchtet, unter denen 9 facultativ anaürobe
and 5 obligat aerobe waren. In Betreff des Vermögens, Harnstoff
zu zersetzen, war das Verhältnis 7 zu 7, eitererregend war nur
eine Art und pathogen für Kaninchen gar keine. Mit den Bouillon-
culturen der gefundenen Mikroorganismen wurden thierexperimentelle
Intersuchungen gemacht, nachdem einige für die Entstehung der
Cystitis wichtige Vorfragen auf gleiche Weise einer Prüfung unter¬
zogen waren. Die Schlussfolgerungen aus den Versuchsresultaten
waren folgende:
1. Aseptische, nicht chemisch und mechanisch reizende Fremd¬
körper erregen in der Blase des Kaninchens keine Entzündung
(falls sie die Urinentleerung nicht behindern).
2. Die aus cyatitischem Urin gezüchteten obligat aeroben, so- |
wie anaeroben harnstoffzersetzenden and nicht harnstoffzersetzenden
Bacterien in Reincultur in die Kaninehenblasc eingebracht, machen
(ohne Urinretention) keine Cystitis.
3. Durch Injection eines nicht eitererregenden facultativ
anaeroben barnstoffzersetzenden Bacteriums in die Kaninehenblasc
mit nachfolgender 24ständiger Urinretention kann eine eitrige
Cystitis erzeugt werden.
4. Injection eines anaöroben nicht Harnstoff zersetzenden
nicht eitererregenden Bacteriums in die Kaninchcnblase in Rcin-
cultur mit nachfolgender 24stündiger Retention des Urins macht'
eine Cystitis.
5. Bei Injection einer Reinkultur eines obligat aß rohen
stark Harnstoff zersetzenden, nicht eitererregenden Bacteriums in
die Kaninehenblasc mit nachfolgender 24«tündiger Unterbindung
der Harnröhre wird der Harn in dieser Blase zersetzt und
eine Cystitis mit Eiter und Epithelabstossung erzeugt.
6. Obligat aerobe Bacterien, 24 Stundeu in der
abgebundenen Kaninchenblase zurückgehalten, bleiben so weit
lebensfähig, dass sie den Urin zersetzen und aus demselben
durch Verimpfung in Reincultur wieder gewonnen werden können.
7. Durch 24stündige Unterbindung der Harn¬
röhre entsteht beim Kaninchen an der Blasenschleimhaut eine so
hochgradige Stauungshyperümie, dass dieselbe zu Hü-
morrhagien und Nekrose der Blasenschleimhaut. führen kann ; im
Urin treten rothe Blutkörperchen. Eitcrkörjicr und Blasenepithclien
auf, (ein Befund, der von dem bei leichten acuten Entzündungen
nicht zu unterscheiden ist).
8- In der normalen Blase finden sich unter Umständen
Mikroorganismen, die dieselbe nicht zu schädigen im Stande
sind und manchmal Culturvcrsliehen auf unseren bekannten Nähr¬
böden gegenüber sich refraetär erweisen. (Die Untersuchungen
werden in extenso in der Jubiläumsschrift des Hamburger ärzt¬
lichen Vereins veröffentlicht.)
Discussion. Herr Fränkel: Das von Herrn du Mesnil
beobachtete Vorkommen von Mikroorganismen in der Wand der
normalen Harnblase steht im Gegensatz zu den Befunden vieler
einwandsfreierBeobachtungen, denen zufolge die Gewebe des gesunden
Körpers keine Mikroorganismen enthalten. Da die Bacterien nur in
gefärbten Präparaten gesehen wurden, haben Züchtungen aus Ge-
webspartikeln der Blase noch zu erweisen, ob in jenen Fällen
nicht bereits abgestorbene Mikroben in der Blaseawand gelegen. —
Bezüglich der pyogenen Bacterien warne er, allein aus Thierversuclien
den Schluss zu ziehen, ob sie eitererregend sind oder nicht. — Er
frage Herrn du Mesnil, ob bekannte Bacterien sich unter den
von ihm isolirten befinden.
Herr Wiesinger: Der Befund von Mikroorganismen in der
unverletzten Harnblasenschleimhaut sei sehr geeignet, manche bisher
unerklärte Autoinfectionen nach traumatischen Verletzungen der
Harnblase und der sie umgebenden Gewebe zu deuten.
Herr du Mesnil: Der von ihm gebrauchte Ausdruck pyogen
soll eich nur auf das Ergcbniss des Thierexperiments am Kaninchen
beziehen. — Er habe absichtlich vermieden, auf die Classiücirung
der einzelnen von ihm gefundenen Mikroben einzugehen; er rede
von Gruppen derselben, hamstoffzereetzenden und nicht-harnstoff-
zersetzenden, aeroben und nicht aeroben.
Herr Unna erinnert daran, dass manche absterbenden Bacterien
Eiter zu erregen vermögen, die dies in der Blüthe der Vegetation
nicht können; es gibt Mikroorganismen, die stets, andere die nur
hin und wieder Eiterung bedingen. Er bitte Herrn du Mesnil
um nähere Auskunft über die von ihm erwähnten eitererregenden
und nicht pyogenen Staphylococcen.
Herr du Mesnil: Er habe als Staphylococcen ganz allgemein
die Coccen bezeichnet, die im mikroskopischen Bilde ein trauben¬
förmiges Zu8ammenliegen zeigen.
Herr P h i 1 i p p s o n: Es ist schwer zu erklären, dass die Harn¬
blasenwand lebende Mikroorganismen enthalten und der Urin in
solchen Fällen steril bleiben soll.
Herr Wiesinger weist darauf hin, dass es nicht gestattet
sei, schlechthin von pyogenen und nicht eitererregenden Bacterien
zu sprechen; der wichtige Factor einer verschiedenen Resistenz¬
fähigkeit der Gewebe werde dabei ausser Augen gelassen.
Herr Fraenkel glaubt, dass in den von Herrn Wiesinger
berührten Beobachtungen Bacterien von aussen (durch das Trauma)
Eingang gefunden.
Herr Wiesinger: Ich habe natürlich nur solche Fälle im
Sinn, bei denen Continuitätstrennungen der Haut nicht Vorgelegen.
— Nach klinischen Beobachtungen neigen Blasenverletzungen weit
mehr wie Nierenläaionen zu secundärer septischer Infection.
Herr Fraenkel: Die grössere Nähe des Darmes, dessen
Durchgängigkeit für Bacterien experimentell erwiesen ist, mag letzteres
Moment möglicherweise erklären. Jedenfalls liegt noch keine Noth-
wendigkeit vor, in der normalen Blase a priori Mikroorganismen
anzunehmen: tritt nach Zerreissungen derselben Infection ein, so
wird diese oft durch im Blut kreisende Mikroorganismen bedingt
sein. Das ist ein erwiesenes gelegentliches Vorkomraniss.
Aerztlicher Verein München.
Sitzung vom 11. Dezember 1895.
(Schluss).
Herr Barlow: Demonstration einer Moulage von
« Creeping-Eruption » oder « Larva migrans » mit Erläuterung.
Meine Herren ! Die Moulage, welche ich mir erlaube, Ihnen
heute zu demonstriren, betrifft eiue ungemeine Rarität. Es sind
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münchbneb me dicinische w ocHENSCHRgt.
vo» der Erkrankung die » X HJ
»0, * Mlc in f L B™ Pa»S ™ im die» Montage etaurmt 3 ■ :
laud gesehen worden. Der 1 a Uu euinan „’ sehen Klinik andc
ist der jüngst bekannte und lag aut aer beim
m ^Herr Hofrath Neuinann hat aufden'haH «”
die Moulage und in JtTni^Kriüutorungen versehe., (efr. Kxc
selbst dcmonstnrt und mit einig Herr Dr. mdi
Wiener klin. Wochensehr. o 2Pag ; 121, deti:
llille, Privatdoccnt und Assis « . , cwese „, m ir unb
Klinik int dann auf ™"> ^Tattir Weich ge- dr«.
einige detaillirtcre Anga, n , wofür ich ihm hicmit sch'
stattet, von denselben Gebrauch u »^ Moulage
an dieser Stelle meinen » n Henning dortsclbst gefertigt, gew
selbst ist Wiener Arbeit und von D • ® h (leswegen zu be- n. a
Dieselbe ist ganz vorzüglich gehin^g ^ ^ Jiesen m ^t, pe v
•daer^nen'der^nst^anz'identisehcn englischen Fülle bei Croeker her
in “
rKÄe^Ä = r r fel
Streifen sich vom After aus über d . l8S diese Streifen der
Unterextremität v « rb /f'^lteS d 4 Monate nach Beginn der Er- kc
Längsrichtung nach fort ch " tte j e |, inik und es wurde damals die So
krankung kam das Kind hi in dem zu demonstrirenden v j,
Moulage fgenornmen. Sic sehen und Si werden au u „
Objecte dargestellt eine tarne u , unden un d geschlängelt
derselben einen t bed3 g ® r “ d e> Vr hellrotli aussieht und ganz *•
verlaufenden Streifen Partien geht die Farbe mehr m
leichterhabenist In den ..tfstreifen^igt dort auf der Höhe wi
bra "” ^ 6 n " Shrpung e£:Sv Stand bei dem Kinde
srsJsrA"* -» ;■
Sehr interessant ist es, dM8 d'® . d ies deutlich sichtbar h:
betonte, in der Längsrichtung j a8S da d i e rothe Linie I >1
nur in den ersten Nachtstunden th ^ d d nur eine gerin ge oder k ,
sehr schnell vorwärts sehnt , ,. werden konnte. Leider I .
gar keine Ausdehnung derselben beobajtet ’wenden ^ der „
hat mir Herr Dr. Rille nicht »»<£«*»g "® englischen Fällen g
Streifen pro 24 Stunden verlä | 2 4 Stunden circa 1 Zoll. b
war der Zuwachs deBrothenStredens ‘“f* tUch einmal in 21 j.
In einem der Lee sehen i alle wur g K bei Crocker 8 1
Stunden eine Längsausdehnung / wahrgenommen (cfr. I
Patienten eine solche von I * und Bericht «
2®3SSSS^i?sS ;
^ bi. in die frühen |
Es stellt sich nun die Frage, worum cs siel, eigentlich bei
Niiehtatmiden fJUcitc». Diese Idee bat »ich jedem der b,.l,cr,g b
Beobachter aufgedrängt und C r o c k c r veranlasst, in seinem Uhr¬
buche die Affeetion unter dem Namen «Larva migran. >
beschreibe,,. Wo aber sitzt nun der Parasit? - «
der beiden supponirten Parasiten des vorliegenden I alles b s an
ein Nagelglied hinaufgewandert. Hier verlor sieh nun der Han
in eine grössere geröthete quaddelartige Stelle, die erst nach
mehreren Stunden abblasste und die neu entstandenen Limen
hervortreten Hess. Excision eines kleineren Ilautsfcückehcns ergab
kein Resultat, die rothe Linie ging jenseits der Wunde weiter.
Es wurde daher in 2 verschiedenen Operationen unter Narkose.je
ein grösseres Hautstück herausgesehnitten und damit die Affeetion
zum Stillstände gebracht. Leider aber wurden bisher in den |
Schnitten wohl der (lang, aber keine Parasiten nachgewiesen, ob¬
wohl das eine Stück in G00 Scrienschnitte zerlegt wurde.
Die englischen Fälle, welche ich vorher erwähnte, sind ...
ihrem Verlaufe ganz absolut identisch. 2 davon sind von Roher .
1 Klin Soc Trans, vol. VIII p. 44 u. vol. XVH p. 75
Lee m dem Klm. • ^ ^ um e5n weibliches Kmd von
pubheirt. I« Rankheit am Beine begonnen hatte. Im
3 Jahren, Affeetion einen erwachsenen Mann, der
andern Falle betraf je #uf e|uem Abtritte geholt zu haben,
behauptete, sich d “ . wden ]> a tienten handelte
Der Beginn war hier an dem ^ ^ ^ ^ Linie
es sich nur um einen ar. < ^ j Parasit wurde
Excision brachte bei *- 1“ due „icht näher
SÄ “ “
*«** des strcifwa keine Ab ‘
seliuppung gesehen m l»bcn. ich .seinerzeit selbst
Von dem (’roeker sehe ^ ^ wi(J in , Ncu .
gesehen habe, schrei )t in,r ’ N ausgehend vorhanden
dies nicht
mtwRw'w,. Cr.dc, tat 1-1
—Sa szrrslÄ« » ^
"Sr«Ä
Selbst wenn wir einen Parasiten animhm ^ ^ durch Must . iden .
^W—tam. —'“'“Ü'dil
kommen könne , mellt ganz aus. c 11 b ilbkugclige Prominenz
; im Anfangs« des (’olou ascendens «M baUikngchgc ^
, gefunden, die er zunächst ur " y j^sität hielt. Beim
. bläulich durchsein,nmenideu 1 arbt für „ t * n ® . oingc bcttct eine
1 SÄSÄ
e kommen sein und sieb dort entwickelt in bim
\ Ob dieser eben erwähnte Fall wirklich so « «t» •
J man die. verand.t Da«, »ill ich dahin £ iicK
n
S
n- Stelle dieser Nummer. .
d An der Discussion betheiligt sich Herr A g
hl Herr Seitz gibt einen Bericht der Serum-Commissio
«c Dcwlho wird ebenfall, in der W.mhen»hrift e'^he«^^ ^
eil A n der Discussion betheiligen sich Her
en Herr Seitz
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung am 5. Dezember 1895.
Dr. Carl Koch spricht über dieTuberctUose der platten
Schädelknochen (Perforirende Tubcrcubse der P
knoeben) und tlieilt 3 von ihm beobachtete Talle n .‘ loB6
Im ersten hat es sich um _ eine infiUrirendeFrcjr^^ gehandelt,
des rechten Scheitelbeines bei einem 2 ^ b " g ® ^ en den Tbeil der
Fast das ganze Scheitelbein war nebst dem angren ^ gehr aU8 -
Schläfenbeinschuppe schliesslich erkrankt “ “ deg gnochens.
gedehnter Sequesterbildung in der Weg e entfernt,
Die käsigen Sequester wurdentheilsaufoperat Er S n kung am
theils stiessen sie sich von selbst aus. ^® 8er nkun e am hnk#»
Schädel war nocli eine tuberculöse Knochenerkm ^ g nken ober
Unterkiefer und ein tuberculöser W eichÜiedabsce geinem Leiden,
| schenke! (Glutäalabscees) vorhanden. Das Kmd er g
niniti7arl hv/
I Zf Ai in I
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
189
l
11. Februar 1896.
dae stetige Fortschritte machte, nach ca. I 1 /* jähriger Dauer desselben.
Der zweite Fall betraf ein 20 jähriges Fräulein, dessen Eltern
bereits an Lungentuberculose gestorben waren. Ale Kind war die
Patientin immer gesund, mit dem 15. Jahre fing sie zu kränkeln
an. Im 18. Lebensjahre machte sie eine Rippenfellentzündung durch;
im Dezember 1893 bildete sich eine Geschwulst in der Mitte der Stirn ;
zwei weitere kleinere Geschwülste entstanden im Februar 1894 über
dem rechten Scheitelbein; im April 1894 entwickelte sich eine Ge¬
schwulst am rechten Unteraugenhöhlenrand. Mit der Bildung der
Geschwulst an der Stirn traten gleichzeitig Schmerzen und Schwellung
am rechten Kniegelenk auf.
Am 30. April 1894 wurde die Kranke in die Privatklinik des
Vortragenden aufgenommen. Der Befund war damals folgender:
blasses, nicht sehr gut genährtes Mädchen. Lungen frei von Er¬
krankung. Ungefähr in der Mitte der Stirne eine auf dem Knochen
aufsitzende, halbkugelige fluctuirende Geschwulst von der Grösse
eines halben Hühnereies. Die Haut Über derselben normal. Zwei
kleinere, etwa mandelgrosse ebenfalls fluctuirende Geschwülste über
dem rechten Scheitelbein; eine ähnliche, etwas grössere, am rechten
Infraorbitalrand. Das rechte Kniegelenk geschwollen, schmerzhaft,
bei den Bewegungen etwas behindert.
Am 1. Mai 1894 Operation. Freilegung und Eröffnung der
Stirngeschwulst durch Kreuzschnitt. Entleerung käsigen Eiters. Die
Wandungen der Abscesshöhle mit schlaffen Granulationen ausgekleidet.
Dm Stirnbein in der Ausdehnung von Zweimarkstückgrösse entblösst,
an der Oberfläche zernagt, schwefelgelb verfärbt, ohne jede Blut-
vereorgung und käsig infiltrirt. Das so veränderte Knochenstück
mit den angrenzenden gesunden Parthien im Zusammenhang, nirgends
gelöst. Es wird in seiner ganzen Dicke ausgemeisselt. Unter ihm
befindet sich eine grosse Ansammlung dicker, käsiger Massen, die
zwischen Dura und Knochen gelagert sind. Nach ihrer Ausschabung
hebt sich die niedergedrückte Dura und pulsirt. Auch die über dem
rechten Scheitelbein befindlichen Geschwülste, die die gleiche Be
Bchaffenheit in ihrem Innern zeigen, werden ausgeschabt. Der
Knochen scheint hier nur an der Oberfläche angenagt. Eröffnung
und Ausschabung des Abscesses am Infraorbitalrande. Oompressiv-
verband des rechten Kniegelenkes.
Die angelegten Operationswunden erholten sich trotz fieberlosen
Verlaufes recht langsam. Sie behielten lange Zeit ein schlaffes
Aussehen und verkleinerten sich nur allmählich. Die Kranke wurde
am 18. Juni in ihre Heimath entlassen. Es war noch keine der
Wunden vernarbt; das Kniegelenk noch etwas mehr geschwollen
und schmerzhaft. Spätere Nachrichten fehlen.
Der 3. Krauke war ein 36 jähriger Mann. In früheren Jahren
stets gesund, erkrankte er im Jahre 1892 an Riickenschnv rzen, für
die sich lange Zeit kein besonderer Grund auffinden liess. Im
Frühjahr 1894 bildete sich ein kalter Abscess am Rücken rechts
vom unteren Theile der Brustwirbelsäule; derselbe wurde am 8. Juni
1891 incidirt und ausgeschabt. Seit September 1894 entstand eine
Geschwulst an der rechten Seite des Kopfes und ziemlich gleich¬
zeitig eine Geschwulst am Rücken, in der Mitte des linken Darm¬
beinkammes. Anfangs November 1894 war Folgendes zu constatiren:
Flacherhabene fluctuirende Geschwulst über dem rechten Scheitelbein
ungefähr in dessen Mitte, dicht neben der Sagittalnaht in der Grösse
eines halben Hühnereies. Haut darüber normal Klein apfelgrosser
kalter Abscess in der Mitte des linken Hüftbeinkammes. 15 cm
lange Narbe rechts von der Wirbelsäule, die an einzelnen Stellen
noch kleine fistulöse Oeffnungen aufweist.
Am 8. November Operation der Geschwulst am Schädel und
am Becken. Nach Spaltung der Weichtheile über dem Scheitelbeine
zeigt sich, dass der Knochen in grosser Ausdehnung erkrankt ist.
Derselbe ist an seiner Oberfläche zerfressen, blutleer, käsig infiltrirt.
Die erkrankte Stelle ist etwa zweimarkstückgross und ist mit der ge¬
sunden Nachbarschaft noch überall im Zusammenhang. Trepanation mit
Meusel und Knochenscheere. Unter dem Knochen eine grosse
Menge käsiger Massen auf der Dura angesammelt. Spaltung des
Abscesses am linken Darmbein, von dessen Kamm ein ziemlich
grosses Stück resecirt werden muss. Der Verlauf hat sich günstig
gestaltet, wenn es auch sehr lange dauerte, bis die Wunden sich
verkleinerten und schlossen. Die beiden Wunden am Rücken sind
vollständig ausgeheilt; die Wunde über dem Scheitelbein ist bis auf
eine atecknadelgrosse Fistelöffnung, die noch nach der Dura zu führt,
’rernarbt. An der Trepanationsstelle eine tiefe Lücke im Schädel¬
dach, in welche die Weichtheile der Umgebung narbig hineingezogen
sind. Der Grund dieser Lücke ist fest, anscheinend ist eine dünne
Knochenlage neugebildet. Die Pulsationen des Hirnes sind demnach
nicht mehr zu sehen; nur die geringe Menge Flüssigkeit, die sich
m der Fistelöffnung ansammelt, zeigt noch Pulsation. Der Kranke
hat sich ausgezeichnet erholt, ist dick und stark geworden
Der letitoperirte Kranke wird vorgestellt.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 8- Februar 1896-
Aus dem Jahresberichte des Stadtphysikats. — Die
mechanisch • gymnastische Behandlung von Circulations-
**toongen. — Eintreibung ärztlicher Forderungen.
Ein hoehweiscr Beschluss unserer Stadtväter ging dahin, dass
nicht mehr alljährlich, sondern bloss alle 8 «Jahre einmal der
Bericht unseres Stadtphysikus in Druck gelegt und der Oeffentlich-
keit übergeben werde. Natürlich geschah es aus Sparsamkeit,
weil der Druck upd die Versendung von drei Berichten mehr
kosten, als die eines einzigen, wenn auch uaturgemäss stärkeren
Bandes. Es zeugt dieser Beschluss wieder von der hohen Achtung,
welche der Thätigkcit unseres städtischen Gesundheitsamtes Seitens
der Gemeinderätin* entgegengebraeht wird — man liebt es einfach
nicht, sich vom selbst beste) 1 tei i Wächter der Gesundheit immer
wieder sagen zu lassen. dass da und dort unzeitig gespart wird
dass man der Sache zu wenig Verständniss und darum auch viel
zu wenig Interesse entgegenbringe; es ist alsu genug, derlei Re-
criminationcn alle 3 Jahre einmal zu lesen.
Dem Referenten erwächst hiedurch die Pflicht, einen riesigen
Band durchstudiren zu müssen. Der eben erschienene Bericht
unseres Stadtphysikats für «las Triennium l'9i—1893 umfasst
mehr als 1000 Seiten und birgt eine Unsumme v«»u Gutachten
und Erlässen, statistischen Tabellen und Special-Referaten etc. etc.
Es ist recht schwer, den überreichen Inhalt dieses Bandes auch
nur andeutungsweise wiederzugebeu, es möge daher Einzelnes ge¬
nügen.
Im Jahre 1892 erfolgte die Angliederung zahlreicher, bis
dahin selbständiger Vororte an die Grosseuuimune Wien. Die
Stadt, welche bloss 10 Bezirke gezählt hatte, zählt seither deren
19. Mit der Einverleibung der zahlreichen Gemeinden, deren
sanitäre Verhältnisse stets schlechter bestellt waren, als die der
Commune Wien, erwuchsen auch dem Stadtphysikate neue grosse
Aufgaben, welchen es. wie der vorliegende Bericht lehrt, voll¬
kommen gewachsen war. Die Gesamnitsterblichkeit ist während
der 3 Berichtjahre stetig gesunken, von 24*32 des Jahres 1891
auf 24*28 (1892^ und 23*34 (1893) auf je 1000 Einwohner.
Das war aber auch der Fall hei den neu augegliederten Bezirken
(XI—XIX), deren Mortalität wohl noch etwas höher, aber den¬
noch innerhalb des besagten Trienniums ebenfalls stetig ahnaluu:
von 28*08 des Jahres 1891 auf 24*96 des Jahres 1894- hu
Ganzen wurden bisher für die Verbesserung der hygienischen Ver¬
hältnisse der neu eingereihten Vororte Wiens Seitens der Gross-
commune vorläufig 8'/» Millionen Gulden bewilligt und zum
Theile auch verausgabt. Das ist viel Geld; es hat aber auch
schon gute Zinsen getragen, denn seit der Einbeziehung der Vor¬
orte hat Wien nahezu 3500 Menschenleben erspart.
Die Sterblichkeitsziffer Wiens könnte aber noch stark hcrab-
gedriiekt werden, wenn nicht rebelstäudc bestünden, welche unserer
Stadt ganz eigenthümlich sind. Eine intensive Schädigung bildet
das dichte Beisammenleben der Menschen. Nach der letzten Volks¬
zählung kamen auf ein Haus in Wien 47*49. in Berlin 36. in
Paris 33*1, in London bloss 7*2 Bewohner. Xirgends gibt cs
so grosse Zinshäuser, wie in Wien, in keiner Weltstadt wurden
so riesige Bauten zu Privatzwecken aufgeführt, wie an der
Donau. . . . Uugünstige Wohnungsverhältnisse und erhöhte Sterb¬
lichkeit stehen im geraden Verhältnisse..... Als Folge des
dichten Beisammenlebens sind die Abfälle und Auswurfsstoffe
jeglicher Art und im Falle deren ungenügender Entfernung die
Verunreinigung des Untergrundes und des Grundwassers, ferner
die Verderbnis« der atmosphärischen Luft anzuführen. . .
F.in Thcil des Verschuldens der grossen Sterblichkeit ist der
mangelhaften (’ a n al isa t io n , d. i. den Dünsten faulender
organischer Substanzen zuzuschreiben. . . . Uebervölkerung führt
durch Ausserachtlassung der öffentlichen Reinlichkeit zur Boden-
verunreinigung und zu letzterer gestaltet sieh die Brunnenverderbniss.
Endlich ist dicArmuth, d. h. der Mangel an den nothwendigsten
Mitteln des Unterhaltes, allenthalben der stärkste Grund für die
erhöhte Sterblichkeit.
Das Stadtphysikat stellt immer wieder Anträge und Anträge,
es begegnet aber allzu oft tauben Ohren , daher seine bitten*
Klage: Das Stadtphysikat kanu nicht umhin, bei diesem, sowie
bei anderen analogen Anlässen zum Ausdrucke zu bringen'. ^ dass
mit dem Abfordern gutachtlicher Aeusscrungen allein eine* Ver¬
besserung sanitärer Zustände nicht durchführbar ist; praktisches
Vorstäuduiss und vor Allem reges und andauerndes Interesse für
die Förderung der Gesundheitspflege Seitens der Executivorganc
i
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HO
Münche ner medicinischk Wochenschrift.
No. 6.
sät Artfvs, ta ,Ä
Vhvsikafs zurüokgcbl.cben Mud,. 8 . 308>
ernst« und mutliigo Werte et,.es '.„.<,55 p, TO . bis
Die Infoctionskratikheitcn „alme.. eueh UV.
53-01 Pro«: an der fiesannn^rH.cbke.t ^f^Vund
Bewohner entfallen in den Be»k«„ 1 ‘ 9 \ 29 \, nd 9 .20 Todes.
(i■ 30. in den Bezirken M—XLX. je tu 5. thule n bilden
Bile in Folge kW- ^ ° Ve,bmtung über-
nur allzuhiinfig e.ne w. ht.ge *. „hulprophy-
der «e—Brbliehkeit cd» von * ««00 Men* ^ ^
SSl Ätit in den drei Beriel.tjal.ren eh. ernten^
WeSTrsehhlge: Spülbehandlung der einzelnen Mle und
Errichtung von Specialheilstätten. ,,
\n Dinhtheritia erkrankten von je 1000 m den alten Kt-
-
llie Amt« stehen nach alledem auf der H ft hr ‘ r A
nahe es ist traurig genug, dass sie n.el.t Überall das zur
Fruetifieirung ihrer Ideen „otl.wendige Verstund,,,« hnden Bannt
ist es eben sebleeht bestellt. Ein Stadtrath - e,n '
sagte vor nicht langer Zeit in einer öffemthehen Gen,e.nden,ths
sitzuii"* dass ein altes Weib mehr verstände als alle Pottorcn der
Medicin zusauiinengononinien. Pieser Ausspruch spne it uh u
* B im Wiener medie. Club hielt »m 5. Februar 1. J. Dr.■■ A. Bum
«inen interessanten Vortrag Uber ,neelmn,sei,-gy„,nast,sel,e Behang
lung von ('irculationsstörungen. Er besprach an de
Literatur das Verhalten der Muskeln während der Arbeit, die
chemischen Vorgänge bei deren Contraction d,e Weoh»elw,rUng
zwischen vermehrter Sauerst.,ffiabgabc durch die arbe,t«mien Muske n
und dadurch relleetorisch bedingte, Vermehrung der
endlich die Entspannung der Arterien durch Widerstandsbewegung
und gelangte zu folgenden Schlüssen: •
Methodische Muskelbewegungen vermögen aut refloctoribtlicm
Wege die Widerstände im grossen Kreisläufe herabzusetzen, die
Herzarbeit - eine gewisse «Rcservekrafb vorausgesetzt - zu
begünstigen und im Vereine mit regelmässigem _liefathu.cn du
Abfluss des venösen Blutes zu befördern, scheinen mithin alle
Bedingungen zu erfüllen, unter welchen die l’irculation des Blutes
ungehindert vor sich zu gehen vermag. Die mechanisch-gymnas¬
tische Methode wirkt nach all dem kräftigend auf den Herzmuskel
selbst ein, was auch klinische Erfahrungen bestätigen. (Demon¬
stration von Sphygmograinmcn mehrerer Herzkranker.)
Die mechanische, allgemeine Therapie der Kreislauf¬
störungen ist, abgesehen vou ihrer propliylactiselicn Bedeutung,
als Therapeuticuni indicirt bei allen Klappenfehlern behufs Be¬
günstigung der (Kompensation, bei idiopathischer Hypertrophie und
Dilatation (Ueberlastung) des Herzens, chronischer Myocarditis (mit
Ausnahme der schweren Fälle), Fettherz, Herzneurosen und Arterio¬
sklerose massigen Grades (G. Zander), Indicationcn, von welchen
wohl nur die einfache Hypertrophie und die beginnende Fett-
degcncration des Herzmuskels Aussicht auf Heilung bieten. Die
Behandlung ist zu sistiren bei Ausbleiben der relativen Euphorie
und Zunahme der Pulsfrequenz und Arythmie und ist contram-
dicirt bei höheren Graden von Arteriosklerose, Regeneration des
Herzmuskels und Aneurysmen.
Schliesslich skizzirt der Vortragcude die Technik dieser
Behandlung. Sie besteht in Massage der Extremitäten und des
Halses, vorsichtigen passiven Bewegungen, zumal in den grossen
des Rumpfes, mit m ssige und entsprecheuder Ruhe-
Be “ htU Ll‘l Tn Thoraxersehtltterung in Fora von Klopfnng und
“ f «-
seiner Mitglieder . „ 1 :* m ,tlieilt wird, ein zufrieden-
l-olge freiwilliger . a richterliche Intervention des Gläubigers
gebracht worden, we Ratenzahlungen
nicht gewünscht worden war ; der wird thens w
vierteljährlich statt.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Pathological Society London.
Sitzung vom 21. Januar 1896.
Doborw.ndornng^^h.^iUn.lndenSUD
auch klinisch sämmtheh ein erwähnte üeber-
von anderer Seite (Wright, Frosch, ^ i dafi Ein¬
wanderung der Diphthenebac llen m den Biumtro ^ go 8eltene8
dringen derselben m die ^ Fäl Jen enthalten die Lungen
Vorkoinmmss sei. In_ sämmtlicöen war directe Broncho-
zahlreiche D^hthenebaciüen diphtheriti8ch erNatur. Auch
pueumonie nachzuweisen, , den Diphtheriebacillus in den
2SJ£* {S-Ä
der g vou den beiden Forschern beobachteten Fä ( cheotom irt
9 :14) bestand Larynxdiphtherie und mus Verschleppung der
werden, ohne dass jedoch die OP^a ion der^Veracmeppu^ ^
Infection beschuldigt jerden könnte I d Wri ght und
DiphthenebaciUen “ konnten. Kanthack
Stokes sie nur in b von 40 hallen naenwe wandte bessere
sucht den Unterschied ®^I?t diente ihm eine stark
Methode zu erklären. Als Nährflüssigke „ «_ von 15 proc.
alkalisch gemachte Asci^flüssigkmt md e In aämmt-
JÄlt Sehe"" S™ iS in derO.
werden konnte, war er auch in deneine^directe Ueberwan-
Diese Beobachtungen sprechen fü ^ ® . W jd e repruch mit
derung der Bacillen in d * f e " ebe BUdung eines Fermentes
Sidney Martins HypothesevonderB a . g jfisch toxische
durch die Bacillen, welches das Gewebsproteld P«? w Hunte r
Albumosen umwandle. Dieses berme ^ d stop hen 8 be¬
zeigt, noch nicht nachgewiesen. KanthacKun p ^ duct dea
SlrVorbroTta“ Diphtheriebw^Bn auch die Mengeder »
Ä. MB
in den betreffenden Organen erwiederte K d “ 8 de - nur durch
gröberer anatomischer Veränderungen der Kachweis n f L
Culturversuche zu führen sei.
I. Internationaler Congress für Psychologie in München
4. bis 7. August 1896.
Empfangs-Comitö:
Vorsitzender: Prof Dr. Lipps, Georgenstrasse 18j. Arzt ,
Generalsecretär: Dr. Frhr. von Schrenck-Notzing, v
Max Josephstrasse 2/i. • Rrond Versicherungskammer,
Kassier: Ernst Retter, Secretär bei der Brandversicneru 8
Adalbertstrasse 6/s „ Grashey, F«>f.
Comit4-Mitglieder: Obermedicmalrath Prof. Dr. ^ der Physik
Dr. Rüdinger, Prof. Dr. Joh. Ranke,
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11 . Januar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
141
Dr. Graetz, Geheimrath Dr. von Kerschensteiner, Privat-
docent Dr. Cornelius, Privatdocent Dr. Cremer, Dr. G. Hirth,
Dr. Fogt, Edmund Parish, Dr. Weinmann, Carl Kabisch,
stdnograph. Secretär.
Executiv-Ausschuss des Local - Comites: Prof. Lipps, Dr. Frhr.
von Schrenck-Notzing, Secretär Retter, Herr Parish,
Dr. Fogt, Dr. Weinmann.
Internationales Organisations-Comitd:
I. Präsident: Prof. Dr. Stumpf, Berlin
II. Präsident: Prof. Dr. Lipps, München.
Generalsecretär: Dr. Frhr. von Schrenck-Notzing, München.
Comite-Mitglieder: Bain, Baldwin, Bernheira, Delboeuf,
Dr. H. Donaldson, Ebbinghaus, Ferrier Fullerton,
Stanley- Hall, Hitzig, James, Lehmann, Li6geois,
Lightner Witmer, F. W. H. Myers, Newbold, Preyer,
Richet, ßchäfer, Sidgwick, 8ully, Ward.
Organisation.
Die Eröffnung des Congresses findet statt Dienstag, den
4. Augnst 1896, Vormittags, in der grossen Aula der kgl. Universität.
Zur Theilnahme an den Sitzungen des Congresses sind ein¬
geladen Gelehrte und gebildete Personen, welche für die Förderung
der Psychologie und für die Pflege persönlicher Beziehungen unter
den Psychologen verschiedener Nationalitäten Interesse hegen.
Weibliche Mitglieder des Congresses gemessen dieselben Rechte,
wie die männlichen.
Behufs Anmeldung von Vortragen und für die Theilnahme
an dem Congress beliebe man zur Verfügung stehende Formulare aus¬
zufallen und vor Beginn des Congresses einzusenden an das Secre-
tariat (München Bayern, Max Josephstrasse 2, parterre).
Für die Theilnahme an den Sitzungen des Congresses sind
15 Mark (in österr. Währung y Gulden) zu entrichten. Als Quittung
erhält jedes Mitglied eine Theilnehmerkarte, welche berechtigt zum
Eintritt zu den sämmtlichen Sitzungen des Congresses, zum unent¬
geltlichen Bezüge des Tageblattes (mit dem Mitgliederverzeichniss),
sowie eines Exemplares des Congressberichtes. Endlich gilt die
Karte als Legitimation bei den zu veranstaltenden Festlichkeiten
and den hierbei für die Congresstheilnehmer stattfindenden Ver ¬
günstigungen. Bis zum Beginn des Congresses sind die Theilnehmer-
Karten zu erhalten beim Kassierer: Herrn Retter und zu be¬
ziehen durch die Buchhandlung von Lehmann, München, Land¬
wehrstrasse 31.
Das Tageblatt, welches in 4 Nummern erscheint, dient zur
Orientirnng der Gäste. Dasselbe enthält Mittheilungen über den
Wohnnngsnachweis, das Programm der Vortröge und gesellige Ver¬
anstaltungen, das Verzeichniss der Mitglieder und eine Uebersicht
über die Münchener Sehenswürdigkeiten.
Als Congresssprachen gelten deutsch, französisch, englisch
und italienisch.
Der Congress erledigt seine Arbeiten in allgemeinen Sitzungen
und Sectionssitzungen. Die Eintheilung der Sectionen richtet sich
nach Maß8gabe der angemeldeten Vorträge Die Sitzungen finden
statt in den Räumen der k. Universität.
Die Dauer der Vorträge in den Sectionssitzungen ist auf
20 Minuten bemessen. Mitglieder, welche an den Discussionen theil-
nehmen. Bind im Interesse einer correcten Wiedergabe ihrer Aeusser-
nngen gebeten, kurze Autoreferate während oder nach den Sitzungen
einzureichen. Zu diesem Zweck stehen Formulare zur Verfügung.
An sämmtliche Gelehrte, welche für den Congress Vorträge
anmelden, ergeht das Ansuchen, den kurzen schriftlichen Auszug
mit einer Inhaltsangabe des Vortrages in der Länge von 1—2 Druck¬
seiten vor Beginn des Congresses an das Secretariat einzusenden.
Diese Auszüge werden nachgedruckt und bei Beginn des Vortrages
unter den Hörem vertheilt, damit bei der Verschiedenheit der Con¬
gresssprachen das Verständnis für die Hörer erleichtert wird.
Die Gelehrten, welche auf dem Congress Vorträge halten
wollen, werden höflichst ersucht, die Themata womöglich schon
jetzt, jedenfalls aber vor dem 15. Mai 1896 an das Secretariat
(München, Max Josephstrasse 2) anzumelden, sowie die schriftlichen
Auszüge einzusenden. J)as Comite kann keine Garantie übernehmen,
dass die später als 15. Mai 1896 angemeldeten Vorträge mit in das
Programm aufgenommen werden.
Ueber die einzelnen Theile des Arbeitsprogramms ertheilen
<he Mitglieder des Localcomite’s, welche in der Eintheilung angegeben
sind, Auskunft Ebenso wende man sich in Bezug auf Besichtigung
der wissenschaftlichen Institute und eventuelle Demonstrationen
m denselben an die betreffenden Fachgelehrten aus dem Localcomite.
Arbeitsprogramm.
I. Psychophysiologie.
Auskunft über nachstehendes Arbeitsgebiet ertheilen: Prof.
Büdinger, Prof. Graetz, Privatdocent Dr. Cremer.
A) Anatomie und Physiologie des Gehirns und der
Sinnesorgane (körperliche Grundlagen des Seelenlebens). — Form-
entwicklung der Nervencentren, Localisations- und Neuronen-
* e hre, Leitungsbahnen und Bau des Gehirns. — Psychologische
runction der Centraltheile, 'Reflexe, Automatismus, Innervation,
opecifiache Energieen.
B) Psychophysik. Zusammenhang physischer Vorgäpge mit
psychischen, Psychophysische Methodik, Fechner’s Gesetz, Sinnes-
physiologie (Muskelsinn, Hautsinn, Gehöre- und Lichtempfindung,
audition colotee), psychische Wirkungen bestimmter Agentien (Arznei¬
stoffe), Reactionszeiten, Messung vegetativer Reactionen (Athmung,
Puls, Muskelermüdung).
II. Psychologie des normalen Individuums.
Auskunft über nachstehendes Arbeitsgebiet ertheilen: Prof.
Lipps, Privatdocent Dr. Cornelius. Dr. Weinmann.
Aufgaben, Methoden, Hülfsmittel, Beobachtung and
Experiment. — Psychologie der Sinnesempfindungen,
Empfindung und Vorstellung, Gedächtniss und Reproduction —
Associationsgesetze, Verschmelzung, Bewusstsein und
Unbewusstes, Aufmerksamkeit, Gewohnheit, Erwartung, Uebung
— Raumanschauungdes Gesichts, des Getast B, der übrigen Sinne,
Tiefenbewusstsein, geometrisch optische Täuschungen,Zeitanschauung.
Erk enntnisslehre — Phantasiethätigkeit — Gefühlslehre,
Gefühl und Empfindung, sinnliche, ästhetische, ethische und logische
Gefühle, Affecte, Gefühlsgesetze — Willenslehre, Willensgeftihl
und Willenshandlung, Ausdrucksbewegungen, Thatsachen der Ethik
— Selbstbewusstsein, Entwicklung der Persönlichkeit, indi¬
viduelle Verschiedenheiten derselben.
Hypnotismus, Suggestionslehre, normaler Schlaf, Traum¬
leben — psychischer Automatismus, forensische und päda¬
gogische Bedeutung der Suggestion, pädagogische Psychologie.
III. Psychopathologie.
Auskunft über nachstehendes Arbeitsgebiet ertheilen: Prof.
Dr. Grashey, Dr. Frhr. v. Schrenck-Notzing, Herr Edmnnd
Parish.
Bedeutung der Erblichkeit auf psycho pathologischem Gebiet,
Statistisches, Frage nach Vererbung erworbener Eigenschaften,
psychische Beziehungen (leibliche und seelische Vererbung), Er¬
scheinungen der Entartung (Degeneration), psychopathische Minder¬
wertigkeit, Entartung und Genie. Sittliche und sociale Bedeutung
der Erblichkeit.
Beziehungen der Psychologie zum Cr im in airecht. —
Psychopathologie der Sexualempfindungen. — Grosse Neu¬
rosen (Hysterie, Epilepsie). — Alternirende Bewusstseinszustände,
psychische Ansteckung, pathologische Seite des Hypno¬
tismus, pathologische Schlafzustände. — Psychotherapie,
praktische Anwendung der Suggestion zu Heilzwecken —
Verwandte Erscheinungen: Suggestion mentale, Telepathie,
psychischer Transfert. internationale Hallucinationsstatistik. — Ein¬
schlägiges aus dem Gebiete der Psychiatrie, wie Sinnestäusch-
ungen, Zwangsvorstellungen, Aphasie und Verwandtes.
IV. Vergleichende Psychologie.
Auskunft über nachstehendes Arbeitsgebiet ertheilen: Prof.
Dr. Ranke, Dr. G. Hirth, Dr. Fogt.
MoralstatistiBches. — Seelenleben des Kindes. — Die
psychischen Functionen der Thiere. — Völkerpsychologie und
anthropologische Psychologie. — Vergleichende Sprach- und Schrift
forschung in ihrer Beziehung zur Psychologie.
Verschiedenes.
(Zum preussischen Medicinalötat) entnehmen wir der
Allg. Wr. med. Ztg. folgende Mittheilungen: «Die medicinischen
Facultäten sind gar nicht besonders bedacht. So ist für die Ber¬
liner Facultät nur eine Stelle fiir einen Assistenten der syphili-
dologischen Klinik mit 1350 M. neu in den Etat eingestellt, dafür
aber die Remunerirung des Custos am Hygiene-Museum (400 M.)
eingezogen. Die geplanten Ausgaben für Universitätsbauten be¬
schränken sich bei Berlin im Wesentlichen auf kleinere Beträge zu
Ergänzungs- und Reparaturbauten. In Bezug auf den Umbau der
Charite und die damit im Zusammenhang stehende Verlegung des
Botanischen Gartens ist eine Position von 30 000 AL in den Etat
eingestellt für die erforderlichen Vorbereitungen, Vermessungen etc.
Die Kosten für den Umbau der Charite sollen zunächst durch eine
Anleihe aufgenommen werden, und diese soll ohne Inanspruchnahme
von Staatsmitteln wieder durch den späteren Verkauf des Terrains
des Botanischen Gartens gedeckt werden. Die Baupläne zum
Charitebau sind vollständig ausgearbeitet und vom Staatsministerium
genehmigt und es wird demnächst eine besondere Gesetzvorlage dem
Landtage zugehen. Mit dem Umbau der Charite soll in diesem
Frühjahr begonnen werden. Für die Universität Königsberg
werden eine ordentliche Ersatzprofessur für pharmaceutische Chemie
(an Stelle des Prof. J a f f 6) und zu Reparaturbauten an der chirur¬
gischen und Augenklinik 16 500 M. gefordert In Greifswald soll
ein Ersatzordinariat für den ausscheidenden Professor der Anatomie
Sommer geschaffen und das Instrumentarium des anatomischen
Instituts, namentlich mit grösseren Mikroskopen etc. ausgestattet
werden, wozu 60OO M. erforderlich sind. In Breslau werden die
klinischen Neubauten auch im nächsten Etatsjahre fortgeführt. Für
den Neubau der Augenklinik, die 230000 M. kosten wird, werden
als erste Rate 110 000 M. gefordert; zum Neubau des anatomischen
Instituts, dessen Kosten auf 466 500 M. veranschlagt sind, als zweite
Rate 180 000 M. und zur Instandsetzung und Neuaufstelluug der
I
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Münchens® wmioismc KB -wdcbbiw ctbiw-.
No. 6.
142 __
anatomischen u„ö sootomi.chen
“es asepttschen «n<l bei der
Institut soll ferner ein . 1200M. Remuneration angestellt
„edidni.chenKl.mk “»O^ Lheetand tretenden Pro-
werden. In Halle soll für den m u ^ Umm {(lr pat ho-
feBsor Ackermann ^m ein Vertreter für gerichtliche
logische Anatomie geschaSen ^ d M bestellt werden.
Medicin mit dem Wrstlichei atoWM einen auf 22 500 M. ver-
Für das hygienische Institutso amt ^ zwei Mikro-
anschlagten Erweiternngsbau ei - n Kiol beansprucht das
skopirrftmne geschaffen «erde h die auf 34 000 M. berechnet
hygienische Institut eine > _, pf »ipi n ischen Klinik ein Oberarzt mit
ist Ausserdem soll bei der " te % Bsi8tent mi t .200 M.
2ü00,M. .und.bei der Frauenklinik Neubau der Frauen-
angestellt werden. In ®« t,n 8^ u ausser den in den Vorjahren
klimk zu Ende geführt we ™ e “» ei f or derlicli sind, kerner
bewilligten 800 000 M. mmhUBOOOU^ e j”™“ bto ,rischen Klinik
soll die RemunerationdMAssistentenan i Öhren Poliklinik um
um BOOM, erhöht und dm Subvention mr o Neu bau der
600 M, ^ «JjndJ 1 werden .wozu ausser .len bereits
chirurgischen Khnik vohe d t ^ erforder lich sind. In die dann
bewilligten 598 WO M- iBchen Klinik sollen das hygienische
ÄTStSÄ"Ä‘ und
fei 6 de, M F r g .nenklinik ist wegen
Unterbilanz gearbeitet'.vor , decken B ei der chirurgischen
HÄ Mw- A "ÄeÄE (M itnnÄ'
pwiS des zur Abgabe gelangenden Heilserums angeordnet und in
SsrrrÄffri
forschung verwendet werden.»
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 11. Februar. Die Hygiene-Commission der
Berliner ärztlichen Standesvereine beschäftigte sich in
ihrer Sitzung vom 29. v. Mts. mit dem Antrag, eine Petition um
Aufnahme der Curpfuscherei in den § 35 der Gewerbeordnung an
den Reichstagzu bringen. Es soll dadurch die Möglichkeit gegeben
werden einem Curpfuscher, dessen «Unzuverlässigkeit» durch That-
rachen erwiesen sei, den ferneren Gewerbebetneb zu untersagen
Den Antrag vertraten als Referenten Dr. Lewandowsky und
Rechtsanwalt Joachim. In der Discussion sprachen für denselben
Reicbstagsabgeordneter Dr. Kruse, dagegen Geh-Rath Liebreich,
San-Rath^ Oldendorff, Dr. Kossmann, Dr..Euhcmunn und
Dr Krön worauf der Antrag mit Stimmengleichheit ab gelehnt
wurde. Das Hauptargument der Gegner des Antrages war, dass
durch denselben die Curpfuscherei eine erhebliche Stärkung erfahren
würde und dass das Publicum in der über die Curpfuscher ausge¬
übten Controle eine gewisse staatliche Anerkennung der nicht gc-
maassregelten Elemente erblicken werde. Der G es c h ä f ts au s s ch u ss
der Berliner ärztlichen Standesvereine, dem die Hygiene-Commission
in seiner letzten Sitzung über die Angelegenheit Bericht erstattete
schloss sich diesen Bedenken an und verwarf die Petition mit
grosser Mehrheit. - Wie wir hören, hat der Geschäfts-
Ausschuss des deutschen Aerztevereinsbundes in seiner letzten
Sitzung am 9. d. Mts. einstimmig abgelehnt, den Petitionen an den
Reichstag, betr. Aufnahme einer Bestimmung in das Gesetz gegen
den unlauteren Wettbewerb, welche den Geheimmittelschwindel und
die Kurpfuscherei hintanhalten soll, Bich anzuschliessen.
— Am 9 Februar fand in Berlin eine Sitzung des Geschäfts¬
ausschusses des deutschen Aerztevereinsbundes statt. Anwesend
waren die Herren Aub-München, Busch-Crefeld, Eulenburg-
Berlin, Heintze-Leipzig, Heusinger-Marburg, Hüllmann-
Halle, K r a b 1 e r - Greifswald, Landsberger-Posen, Lindmann-
Mannheim, Löbker-Bochum, Pfeiffer-Weimar und Wallichs-
Altona. Entschuldigt fehlten die Herren Brauser- Regensburg und
8 i g e 1 - Stuttgart. An Stelle des verstorbenen Graf-Elber¬
feld wurde Aub-München zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Die Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden fiel auf Pfeiffer-
Weimar. Als
27. Juni 1896, als Ort Mbe ‘ bem then. - Die Wahl
gleichzeitig wurde die vorlä ge iag^ m { Vorsitzenden des Aerzte-
unseres Mündum« n g wir m it besonderer Genugtuung. 8ie
Vereinsbundes begrüsse p nach dem Aub durch eine lang¬
stand allerdings wohl a ^ Qe8C h&ftsausschuB8 und auf
jährige verdienstvollJ 8 a!s Vertreter Graf's wiederholt zu
SS ÄÄ e eSr a für diesen wichtigen und verant¬
wortungsvollen Posten befähigtist . Am 1. d. M feierte
, ,^ s i^ a ?Äe C r h ztHc b he Verein» sein 80jähriges Stiftungsfest unter
fand, gab der Vorsitzende die Wandlungen in der Geschichte
aber inhaltsreichen Rü »giß mit Mitgliedern (darunter
SSS-itÄsTit
rrvertretn'"die Ä WsSnschaft längst einen guteriKkng
ÄÄ AÄSir ÄS SJS
bleiben^ ml E di n g e r in Frankfurt a/M. wurde zum Provisor
* iir F hat sich bekanntlich durch zahlreiche gediegene
ITi .uf demoÄ der Himanatomie einen .„ge.eichneten
Namen in der Wissenschaft erworben. .
_ von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten m
Cr °uPj%t r %ön nd D R r e T h N d euhauss in Berlin herausgegebene
«Photographische Rundschau » bringt in ^m neuesten Hefte
Artikel über die Röntgen sehen Strahlen von Dr. Gl. R
Kaymond »nd vom Herausgeber, sowie gnt gelungene Repm
ductionen einer nach Röntgen aufgenommenen Hand und ande
0bieC (Univei8itäts -Nachrichten) Turin. Professor Ces. Loru-
broso bisher o. Professor der gerichtlichen Medicin^ wurde ^
o Professor der psychiatrischen Khnik ernannt. EdljbUig.
Stelle des zurücktretenden Argy 11 Robertson wurde u .
A Berry mit Vorlesungen über Ophthalmologie betraut.
Personalnachrichten.
Bayern.
Auszeichnungen. Seine Königliche Hoheit .*&**££*$£
des Königreichs Bayern Verweser haben Smh inhdtti h ^
höchster Entschliessung vom 7. ds. Mts. ^lergaUg^^ ^
gefunden, den nachgenannten beim Garmsonslazareth Ra ^ie
getheilten oder dort während der vorjähngen TyP *£ h ten
verwendet gewesenen San,täte - Offizieren dm ntiw bezeic
Auszeichnungen zu verleihen, und zwar, das Dr Ke yi t
des Militär-Verdienstordens dem OberetabsarztL Klas eD d er,
Regimentsarzt im 16. Inf-Reg, und dem Stabsarzt Dr S<Verdienst-
Bataillonsarzt im vorgenannten RegimentfernerdasM IW V br
kreuz den Unterärzten der Reserve Dr. «axl Vogel .“Job er.
Assistenzarzt 2. Klasse der Reserve (I. Münzen), und R- e ”
Ferner haben Allerhöchstdieselben » ^ nng
migen geruht, dass den Nachgenannten die AUerhÖchste Ai ^ de «
durch das Kriegsministerium eröffnet wer ^ e “ f ü ™’ ber g und Dr.
Stabsärzten Dr. Kolb bei der Kommandantur Nürnberg
Groll, Bataillonsarzt im 16. Inf.-Reg.; den Assistenzarzt • dem
Dr. Rothenaicher und Dr. Ott, beide ' (^cfiaffen-
Assistenzarzt 2. Klasse der Reserve Dr. Heinrich Ebkens (
bUrg) Niederlassung: Dr. Theodor Wolf, approbirt !892 zu Bad
Kissingen. — Dr. Brod, approbirt 1893 zu Wü ^urg.
Verzogen: Dr. Ferdinand Büchner von Märkt-R^tz ^
Sintmannsbuch bei Emskirchen, nachdem er seine ärztlicne
” iede Ärb™: D, Awgu« Schmi«, kgl. Be,irk. a mt .. D. («b«
in Gerolzhofen).
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Januar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
143
Amtlicher Erlass.
Bayern.
Bekanntmachung, die Verhältnisse der Privatirrenanstalten betr.
Kn die k. Regierungen, Kammern des Innern, die k. Polizeidirection
München und die sämmtlichen Districtsverwaltungsbehörden.
K. Staatsministerium des Innern.
Iin Anschlüsse an die Ministerialentschliessung vom 1. Januar
1 . Js. «die Unterbringung von Blödsinnigen und Geisteskranken in
Irrenanstalten und deren sonstige Verwahrung nach Art. 80 Abs. II
des P-St.-G.-B. vom 26. Dezember 1871 betr.» — Ministerial-Amts¬
blatt 1895 S. 2 ff. — und an die Ministerialentschliessung vom
9 . November 1. Js. «die Aenderung der Statuten der Kreisirren-
aDStalten betr.» hat das k. Staatsministerium des Innern auch die
Verhältnisse der Privatirrenanstalten näherer Würdigung unterzogen.
Nachstehend folgen zunächst die leitenden Gesichlspunkte, an
welchen hinsichtlich der Anlage und des Betriebes solcher Anstalten
im öfientlichen Interesse und im Interesse des Rechtsschutzes ihrer
Pfleglinge festzuhalten ist.
Daran schliessen sich Directiven für die Anwendung dieser
Grundsätze, sowohl in den Fällen der Errichtung neuer als auch
bei Controle bereits bestehender Privatirrenanstalten.
I.
§ 1. Die bauliche Anlage wie die durch den speciellen Anstalts¬
zweck bedingten sonstigen Einrichtungen der Privatirrenanstalten
6ollen im Wesentlichen jenen Anforderungen entsprechen, welche
an öffentliche Kranken- bezw. an die Kreisirrenanstalten gestellt
werden.
§ 2. An jeder Privatirrenanstalt ist der irrenärztliche Dienst
von einem verlässigen, approbirten, fachmännisch gebildeten, durch
mehrjährige Thätigkeit an öffentlichen oder grösseren Privatirren¬
anstalten erprobten Irrenarzte zu leiten. Jeder Wechsel in dieser
ärztlichen Leitung ist vom Unternehmer der Vorgesetzten Districts¬
polizeibehörde, in München der k. Polizeidirection anzuzeigen.
§ 3. Dem Anstaltsleiter muss das erforderliche Personal an
Hilfsärzten zur Seite stehen. Die Hilfsärzte haben nebeu persön¬
licher Unbescholtenheit entsprechen le theoretische, die zu Stell¬
vertretern von Anstaltsleitern bestimmten auch hinreichende prak¬
tische Ausbildung für den irrenärztlicheu Beruf nachzuweisen.
Anstaltsleiter und deren Stellvertreter müssen in dem Anstalts¬
gebäude Wohnung nehmen.
§ 4. Neben dem ärztlichen ist auch das nothwendige Pflege¬
personal an geschulten, zuverlässigen und unbescholtenen Wärtern
und Wärterinnen aufzustellen und für sofortige Entlassung unzuver¬
lässiger und sonst ungeeigneter Elemente aus dem Pflegepersonal
borge zu tragen.
Bei der Pflege weiblicher Geisteskranker dürfen männliche
Personen auch nicht aushilfsweise verwendet werden, ebenso ist die
Verwendung von Personen, welche dem Anstaltsleiter weder dienstlich
untergeben sind, noch zu seiner Familie gehören, bei der Pflege,
Beaufsichtigung und Beschäftigung der Kranken untersagt.
§ 5. Der Anstaltsbetrieb ist durch Satzungen, Kost- und Haus¬
ordnung und durch Dienstanweisungen für Aerzte-, Pflege- und
sonstiges Anstaltspersonal zu regeln. Die Satzungen und die übrigen
obengenannten allgemeinen Betriebsvorschriften unterliegen der
Genehmigung der Vorgesetzten Distriet-polizeibehörde.
Für die satzungsmässige Regelung der Aufnahme und Ent¬
lassung der Pfleglinge sind die in der Anlage abgedruckten «Bestim¬
mungen über Aufnahme und Entlassung der Pfleglinge der Privat¬
irrenanstalten > massgebend.
Die sonstigen Satzungsbestimmungen, namentlich jene über
den Aufenthalt der Kranken in der Anstalt und über ihre Behand-
lung während desselben, über die Disziplin, die Mitwirkung der
Anstaltsleitung bei der Entmündigung der Pfleglinge, die Beurlaubung
derselben etc. sind tbunlichst den Satzungen der Kreisirrenanstalten
inzupassen.
§ 6. Der Personalstand an Pfleglingen ist fortwährend evident
iu halten.
Zu diesem Zwecke ist für sämmtliche Pfleglinge ein Haupt¬
buch nebst Zugangs- und Abgangsliste zu führen.
Ausserdem ist für jeden Pflegling eine genaue Krankengeschichte
w fertigen und ein Personalact anzulegen, welcher den Nachweis
I er or dnungs- und satzungsgemäss erfolgte Aufnahme und Ent¬
lang des Pfleglings, sowie die sonstigen, während seines Auf¬
enthalts angefallenen Actenstücke zu enthalten hat.
II.
.» Ü; Gemäss § 30 der Reichsgewerbeordnung und § 10 der
Allerhöchsten Verordnung vom 29. März 1892 «Jen Vollzug der
etchsgewerbeordnung betreffend» sind zur Ertheilung der Con-
°*®onen für Unternehmer von Privatirrenanstalten die Districts
t^altungsbehörden, in München die k. Polizeidirection, zuständig
Bei Würdigung der Gesuche um Ertheilung solcher Concessionen
haben diese Behörden neben der Prüfung der gesetzlichen Voraus¬
setzungen für die etwaige Versagung der Concession die Sach-
instruction auch auf jene Punkte zu erstrecken, welche den vorher¬
gehenden Paragraphen zufolge vom Standpunkte des öffentlichen
Interesses für die Genehmigung der Gesuche in Betracht gezogen
werden müssen.
Demgemäss ist über die bauliche Anlage und die für den
speciellen Anstaltszweck erforderlichen Einrichtungen, über die
Maximalzahl der Kranken und Betten in jeder Abtheilung und in
den einzelnen Zimmern der Abtheilungen, über die Befähigung des
Anstaltsleiters und der Hilfsärzte, über die erforderliche Anzahl des
ärztlichen und Wärterpersonals, über die Satzungen und Regulative
(S 5) ausser dem k. Bezirksarzte auch der Director der einschlägigen
Kreisirrenanstalt gutachtlich einzuvernehmen.
§ 8 Wird die Genehmigung ertheilt, so sind die nach dem
Ergebnisse der Sachinstruction erforderlichen besonderen Anord¬
nungen zu treffen, bezw. dem Unternehmer die etwaigen beson¬
deren Verpflichtungen im Beschlüsse aufzulegen.
Ausserdem ist dem Unternehmer und Anstaltsleiter wegen
Erfüllung der ihnen nach Ziffer I gegenwärtiger Entschliessung
obliegenden allgemeinen Verbindlichkeiten geeignete Weisung zu
ertheilen.
III.
§ 9. Die Privatirrenanstalten sind alljährlich öfteren unver-
mutheten Visitationen durch die zuständige Districtspolizeibehörde,
bezw. die k. Polizeidirection, gemeinschaftlich mit dem k. Bezirks¬
arzte zu unterziehen.
Ausserdem wird die zuständige k. Kreisregierung, Kammer
des Innern, die Anstalten periodischen Besichtigungen durch den
k. Kreismedicinalrath unterstellen.
Die Beiziehung eines erfahrenen Irrenarztes zu allen Visitationen
ist, wo sie ohne unverhältnissmässige Schwierigkeiten ausführbar
ist, nicht zu unterlassen.
§ 10. Die Visitation soll sich auf die Controle der Erfüllung
der dem Unternehmer, bezw. Leiter durch die Concessionsurkunde
und durch Ziffer I gegenwärtiger Entschliessung auferlegten Ver¬
pflichtungen, dann auf die sonstigen baulichen, sanitären, öeono-
mischen und administrativen Verhältnisse der Anstalt erstrecken;
nicht minder ist, wo Veranlassung besteht, dem Rechtsschutze der
Pfleglinge, zumal durch Intervention behufs Erwirkung einer gericht¬
lichen Entscheidung über deren Geisteszustand, die gebührende
Bedachtnahme zuznwenden.
Ueber das Visitationsergebniss ist dem Unternehmer Bescheid
zu ertheilen und demselben zum Vollzüge der getroffenen Anord¬
nungen unter Vorbehalt des Beschwerderechts eine angemessene
Frist zu setzen.
Im Ungehorsamsfalle ist, sofern die Nichtbefolgung oder Ab¬
weichung von zulässigen Concessionsbedingungen in Frage steht,
(äj 30 Abs. 1 mit § 147 Ziff. 1 der Reichsgewerbeordnung) Straf-
einsebreitimg zu veranlassen; jedenfalls ist wegen etwaiger Zurück¬
nahme der ertheilten Concession nach Massgabe des § 53 Abs. 2
der Reichsgewerbeordming und § 24 Abs. 2 der Allerhöchsten Ver¬
ordnung vom 29. März 1892 «den Vollzug der Reichsgewerbe¬
ordnung betr.» weitere Einleitung zu treffen.
München, den Dezember 1895.
Frhr. von Feilitzsch.
Der Generalsecretär:
von Kopplstätter, Ministerialrath.
Anlage.
Vorschriften Ober Aufnahme und Entlassung der Pfleglinge der Privat¬
irrenanstalten.
§ 1. Zur Aufnahme eines Pfleglings in eine Privatirrenanstalt
ist in allen Fällen, in welchen die Unterbringung eines Geistes¬
kranken nicht im Zwangswege durch eine Districtspolizeibehörde
verfügt wurde (Art. 80 Abs. 2 und 81 des Polizeistrafgesetzbuches),
von dem Anstaltsleiter die Genehmigung der Vorgesetzten Districts¬
polizeibehörde, bezw. der k. Polizeidirection einzuholen.
§ 2. Zu diesem Behufe hat der Anstaltsleiter das Aufnahms-
gesuch der genannten Behörde vorzulegen und die nachstehenden
Belege beizugeben:
a) einen amtlichen Nachweis über Namen und Stand, Familien¬
verhältnisse. Heimath und Staatsangehörigkeit des Pfleglings,
b) ein Geburts- bezw. Taufzeugniss,
c) eine. Constatirung des gestörten Geisteszustandes der auf¬
zunehmenden Person, verfasst von einem amtlichen deutschen Arzte
und gestützt auf persönliche, innerhalb der letzten 4 Wochen vor
Stellung des Gesuches vorgenommene Untersuchung von Seite des
Zeugnissausstellers,
d) eine Constatirung gleichen Inhalts von Seite der Districts¬
polizeibehörde des letzten Aufenthaltsortes der aufzunehmenden
Person, gegründet auf selbständige von dem ärztlichen Zeugniss
_ unabhängige Erhebungen des beurkundenden Beamten,
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No. 6.
^vrmv.> . K R MKDICIXISCHK \VO(mK NSCHRlFT.-
e) die zustimmende Erklärung d ®® e Era£mglung > eines
Vormundes der f fzn "®zw VormundeTdi; zustimmende Erklärung
gesetzlichen Ascendenten, Descendenten,
der nächsten Angehörige ( 8 Geschwister).
“” d *“ leret Eelege
anheimgegeben. entscheidet über die Zulässig
keit 1 ganz
oder zeitweise absehen. ertheilten Aufnahmegenehmigung,
Sie wird ferner von de tl Ministerialentschliessung
soweit die Vorausetzungen der Zra Blödsinnigen und
vom 1. J“ Mr Ä ,- MÄWblrttS.«. - «itrelfen,
Geisteskranken etc. bet.• .{j!? Landgerichtes verständigen,
den Staateanwalt des emschlägg ^ me , det gich e in Kranker frei-
(§ 1) binnen 24 .Standen « venjUtoJ^ ßeleg mangelt ,
Letztere wird, sofern der * TTntersuchung des Kranken
die sofortige, wenn nötüig wiederholtj die ®g rstattu | g eines Gut-
durch den zuständigen Am arz , und mit thunlichster Be-
achtens von Seite treffen.
rsssa s
durch die Ä “ e ta ^ tiasgu ^ e . nes pflegHugs aus der Anstalt hat vor-
,a88U T ^dief 1 Voraussetzungen °d£
Ar a t g 80 Abs.
als zutreffend erachtet, so . der k p 0 Hzeidirection
herbeizuführen. verfahren, wenn ein freiwillig, auf
für den Fal1 8eines A _ U8 ‘_
«5- “ d^^^mKUmig'^er^zmiäch^t^Beteiligten (Angehen,
Vormünder etc.) pSlin^, welche auf Grund
desiÄÄ
worden 8l ^.>. b , e . b ?" t . 1 , h i ie88UD | { vom 1. Januar 1895 massgebend,
geführten Ministena g Austritts sind unstatthaft.
!ÜSSJTSi es anheimgegeben, die Entlassung
eines MÄ “nch ohne diesbezüglichen Antrag ,m Anstalts-
Interesse ruve g Entlasaung eines Pfleglings hat der A'iswlh-
8 6 - , irht Taeen der Vorgesetzten Distnctspolizeibehörde
l ei ter mnerhalb acht ag 0 g öffentlichen In te re B8e
EÄÄ Ä erforderlichen Mittheilnngen An-
zeige zu erstatten.
Morbiditätsstatistikd.lnfectionskrankheitenfur München.
in der 5 Jahreswoche vom 26. Januar bis 1. Februar I89bv
Betheil Aerzte 400. - Brechdurchfall 4 (8*) Diphtherie, Croup
59 (42), Erysipelas 21 (22), Intenmttens. Neuraigm interm 2 (1,
K'indbätfiet 6 e?Ä »(10 l
Ophthalmo-Blennorrhoea neonat JMJ), "” ictende p _ (_), Rheuma-
s=?rafa& p -(- VÄ ««
Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 5. Jahreswoche vom 26 Januar bis 1. Februar 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000. . .
Todesursachen : Masern 6 (9*), Scharlach 1 ( 7 K
und Croup 3 (4), -
UfgSÄ i ejj c ä VS: Ä
culose a) der puwauM ,'^dere übSSare KmnkheiMn 6 (3).
£ ÄT'ÄÄjSC % -
die über dem 5. Lebensjahr stehende 11,8 (12,2).
*, Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditäts-Statistik der Infections-Krankheiten im Königreiche Bayern
im Jahre 1895.
Januar . .
Februar . .
März . . .
Apiil . •
Mai . . .
Juni. . •
Juli . . .
August .
September
October .
November
Dezember
Summe
Winter .
Frühling
Sommer .
Herbst .
i 1103
1, 1794
31%
6 15' 1
13 407
4 305 j
1 433 |
631 ,
136
13 &;>.
1309
3?6 !
215 ■
25
4 281
1 250
434
i 164
52
922
283
1 92
1 34
2 071
4169
1 324
330
i 160
i 23
170 I
101
174
732
473
233
273
5 113
6100
2 316
3 463
8 467
171 j
27
4 461 j
1 544
8 913 |
2258
1 389 j
276
3 249
1365
34
833
2418 |
459
1 53
713
2 538 1
330
450
1312
52
11 311
1759
592
l
3 2C036 | December, ''an . Febr.
-3512 1 März, April. Mol
I 22 6« Juni. J»li. $&r.
3 -‘6200 |i Sept., Oct.. bo"-
») Zusammenstellung der von den Amts- und pra^ Mona^^ Aufnahme mehr finden konnten.
Nachträgen und bezxv. Berichtigungen. weiche wegen verspäteter Anmeldung ---
Verlag von J. F. I.chmann ln München. — Druck
der E. Müh 1 th a 1 er’aehen k. IIof-Buchdrnckcrei in München.
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Diu Münchener Mcdlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von miiuleäteus2'/..—3 Bogen.
Vrcis vierteljährlich 6 M, jiracuuraernndo zahlbar
Einzelue Nummer fio 4 -
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redaction
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an 3- P. Leh¬
mann, Landwehratr. 70. — Für Tnserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz lfi.
MEDICINISCHE WOCHENSCHBIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ck. Biwnler, 0. Boilinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. i, Helneke, G. Merkel, J. r. Michel, H. r. Ranke, F.«. Wlnckal, H. r. Zlemssei,
Freiburg i. B. München Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würaburg München. München. München.
M 7. 18. Februar 1896
Redacteur: l>r. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der chirurgischen Klinik zu Heidelberg
(Geh.-Rath Czerny).
Tuberculöse Halsdrüsen im Zusammenhang mit
cariösen Zähnen.
Dr. Hugo Stank,
Volontärassistent an der cliir. Klinik.
In der Lehre von den acuten und chronischen Infections-
kraukheiten spielte von jeher die Erforschung der Eingangspforte,
durch welche das infectiöse Virus in den menschlichen Organismus
gelangt, eine berechtigte Rolle; glaubte man doch aus der Kenntnis»
derselben einen gewissen prophylactischen Nutzen ziehen zu können.
Dass diese Hoffnung nicht in befriedigendem Masse erfüllt wurde,
ergibt sich schon aus dem auch heutzutage noch so häufigen Vor¬
kommen von solchen auf Iufectiouskeime zurückzuführenden Krank-
beiten. Freilich kann von einer Prophylaxe gegen eine Infection
keine Rede sein, wenn, wie es Tappeiner, Pizzini, Oornil,
Dnbroklowski u. A. an nehmen, dass es gar keiner makro¬
skopischen Läsion der Haut und besonders der Schleimhäute
bedarf, um dem Iufectionskeim den Eintritt in den Körper zu
ermöglichen. Aber wenn auch Versuche, bei welchen Tnberkel-
bacillen auf die normalen Schleimhäute nur aufgestrichen wurden,
jx>sitiv ausfielen und so eine Tuberculöse der regionären Drüsen
verursacht wurde (dornet), so wird dieser Modus der Berührung
von Infeetionskeiuien und normaler Haut doch nur ausnahmsweise
in einer Infection des Körpers führen. Leichter wäre cs bei
hutzündungen der Schleimhäute, besonders der (.'onjunetiven, der
Nase und des Intestinaltractus zu verstehen. Dass die katarrhalische
Mileimhaut gegen Infcctionskeime wenig widerstandsfähig ist, sehen
Wlr bei jeder Halsentzündung, indem dabei das Auftreten ge¬
schwollener Halsdrüsen etwas ganz Gewöhnliches ist. Auch im
befolge von Bindehautkatarrhen beobachtet man gelegentlich diese
Drüsen, ebenso bei Entzündungen, und noch constauter bei leichten
licerationen der Mundschleimhaut. Man sollte annehmen, dass
wrade bei diesen Erkrankungen durch geeignete Behandlung eine
Prophylaxe gegen eine Infection des Körpers geschaffen werden
könne; aber nichts ist schwerer als eine gründliche Desinfection
der Mundhöhle mit ihren »Schlupfwinkeln, Buchten und Schleim-
hautfalten, erschwert besonders durch die Anwesenheit von hohlen
Zähneu, welche einer Unmasse von nicht pathogenen und pathogenen
Mikroorganismen gegen unsere Desinfection Schutz gewähren, und
80 jeder Zeit als Infectionsquelle für die Mundhöhle dienen.
Dieser Gebalt der Zähne an Infeetionskeiuien liess auch die Frage
aufwerfen, 0 b nicht auch die cariösen Zähne eine dem Körper
gefährliche Eingangspforte bildeten. Bei der Häufigkeit des Vor¬
kommens von cariösen Zähnen wurde diesem Gegenstand neuer¬
dings eine grössere Bedeutung beigemessen.
Von Israel wurde bereits früher auf Grund eines von
üjni beobachteten Falles darauf hingewiesen, dass der Actinomycos¬
is 2 gelegentlich seinen Eingang in den Körper durch einen
bohlen Zahn nehme.
No. 7.
Ferner konnte man aus dem gleichzeitigen Vorkommen von
cariösen Zähnen und Haladrüsenschwellungon bei Kindern auf
einen aetiologisclien Zusammenhang beider Affectionen schJiessen.
Ich hatte Gelegenheit 113 Kinder mit Halsdrüscnschwellungen
zu untersuchen und dabei einen eventuellen Zusammenhang der
Entstehung der Drüsen mit vorhandener Zahnearies zu prüfen.
Ein solcher Zusammenhang durfte wohl als sicher gelten, wenn
sowohl in den cariösen Zähnen wie in den Drüsen oder in den
Verbindungswegen beider derselbe Infectionskeim gefunden wurde.
Da aber diese Drüsen, welche man als einfache chronische Lymph¬
adenitis bezeichnen kann, meist nicht maligner Natur sind und
daher die Indication zur Exstirpation nur äusserst selten gegeben ist,
so schien nur der einzige Weg der Untersuchung offen, das Iläufig-
keitsverhältniss des beiderseitigen Vorkommens von cariösen Zähnen
und HalsdrUsenschwellungen festzustellen, andererseits allen Mo¬
menten, welche Drüscnsclnvellungen zur Folge haben können, tiacli-
zugehen und zu constatiren, ob und wie häutig keine der gewöhnlich
. angenommenen Ursachen für Drüsenschwellungen vorhanden sind.
Auf diese Weise konnte bei 41 Prot*, aller Untersuchten die
Entstehung vorhandener Halsdrüscn auf gleichzeitige Zahnearies
zurückgeführt und dabei coustatirt werden, dass die Drüsen fast
1 stets dem Sitze der cariösen Zähne entsprachen, so dass bei links-
' seitiger (’aries zugleich links die Drüsen sassen, ja dass, wenn
die hinteren Backzähne cariös waren, auch die Drüsen sich in der
Gegend des Kieferwinkels befanden, dass andererseits hei Caries
der Schncidezähne weiter vorne oder auch auf der andern Seite
Drüsenschwellungcn bestanden; kurz es konnte ein ziemlich con-
stantes örtliches Verhältnis» zwischen den Drüsen und cariösen
Zähnen festgestellt werden. In vielen Fällen Hessen sich auch
zeitliche Beziehungen zwischen beiden Affectionen verzeichnen, indem
häufig dem Entstehen der Drüsen Zahnweh vorausging, oder doch
die Caries das primäre war.
Auch aus der Ausdehnung beider Proeesse liess sich ein
Zusammenhang erkennen, denn hei Caries mehrerer Zähne war
oft ein ganzer Kranz von Drüsen zu fühlen, bei geringgradiger
Caries, besonders bei nicht eröffneter Pulpa, war die Drüsenaffection
eine entsprechend geringere.
Üdeuthal war durch ähnliche Untersuchungen zu ähnlichen
Resultaten gelangt und wies auch darauf hin, dass gelegentlich das
tuberculöse Virus durch die cariösen Zähne in den Organismus
eiudringen und so eine Drüsentubereulose veranlassen könne. Er
citirte dabei einen von Ungar veröffentlichten Fall, wo bei einem
1 3jährigen Jungen im Anschluss au einen cariösen Zahn tuber-
culöse Halsdrüsen auftraten. Ein anderer ähnlicher Fall wird von
’ Rühle auf dom VI. Congress für innere Mediein angeführt.
In beiden Fällen wurde allerdings die Untersuchung des Zahu-
inhaltes verabsäumt. Experimentell konnte aber bereits C o r n e t
einen solchen Zusammenhang naehweisen, indem er eine Drüsen-
tuberculosc erzielte, nachdem er in künstliche Defectstellen an
Zähnen Tuberkelbacillen eingestrichen hatte.
Von 5 hierher gehörigen Fällen, welche ich beobachtete,
waren 3 Kinder im Alter von 7—10 Jahren ; einmal konnte
tuberculöse Heredität vermuthet werden, zweimal war sie aus-
1
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Münchener memcinischb Wochenschrift.
No. 7.
146 __
., Tonsillen und Schleimhäute waren normal ; auch
geschlossen. Tonsillen _ i(jhte Pathologisches nachzuweisen,
sonst war am ganzen Kb l deu eariöseu Zähnen
Die Drüsen entsprachen jeweils dei La«! entstanden,
und waren zweimal nach vorausgegangmmm ^7^ 3Vn
Die pathologische Untersuchung de.^ tubcr culösen
Tuberculose. Der ätiologische Zu ™ e ” a ,„ wahrscheinlich;
Drüsen mit den canösen Zähnen war h Tuberkelbacillen
Prägnanter ist der Beweis für den angenommenen Zusammen¬
hang in den beiden folgenden Fällen geliefert.
SiiSFiiÄÄ asm
ihn in die hiesige Klinik , hat unter dem linken
SÄSÄ WiÄtfÄ S Ä ~
einig. *“»
Gehörorgan normal. Molarr.ähne oes n ■» Oberkiefers stark
IfeSSSSffiSffi&e
des linken Unterkiefers. . „ oal ,_4
m « n I4iahr Mädchen. Eltern, 7 Geschwister gesun .
ÄÄ g “v“ä saAÄ*?
—SS
““‘SSSataÄrpation de, zum Theil verkästen, tuberculöse»
Drüsen. Extraction des Zäh™»- . „«-and
Das Mädchen ist nach »/* Jahren noch völlig gewna.
In diesen beiden Fällen wurde man schon durch die Anamnese
auf die Aetiologie der Halsdrüsen hingeführt; das 14 jährige
Kind hatte die Empfindung, dass die Halsdrüsen mit dem Zahn¬
weh Zusammenhängen müssen. , . »
Hier ist auch unsere Yermuthung durch die mikroskopische
Untersuchung der Zähne gesichert. Im ersten 1dl wurden in
den beiden Molarzähuen zahlreiche Tuberkel
bacillen nachgewiesen, im zweiten befand sich zwischen
zwei Wurzeln eines Molaris I. ein schon makroskopisch durch den
Gehalt an Knötchen verdächtiges Granulationsgewebe, welches den
Grund einer cariöscn Höhle bildete, in welchen die mikroskopische
Untersuchung eine Reihe von Tnberkelknötehen mit zahlreichen
Riesen zellen ergab. Dadurch, dass nach *>/* ke ' n
auftrat, wird die Deutung dieses Falles noch klarer. Es handelt
sich hier um eine einmalige Infection von Tuberkelbacillen, welche
sich in der canösen Zahnhöhle festsetzten und zwischen den
Wurzeln derselben einen primären Herd schufen, von welchem
aus die Infection der Drüsen erfolgte.
Solche Fälle geben hinsichtlich der Therapie und Prognose
einige nicht zu verachtende Winke. Man wird sich in allen
Fällen von tuberculösen Halsdrüsen zunächst darüber zu ver¬
gewissern haben, ob es sich um einen rein localen Affect handelt
oder ob die Drüsen als Theilerscheinung einer tuberculösen Diathesc,
der Scrophulose, aufzufassen sind. Fehlen Lungenerscheinungeu,
multiple Schleimhautkatarrhe, üherhaupt Symptome und Habitus
der Scrophulose, so wird man die Drüsen wohl als Localtuberculose
ansehen dürfen. Andererseits wird man, wenn neben vorhandenen
r ■£? Ä n
auch zufällige ttri u . ' _ h ^ Primäre waren und
^ n :TTJund £^ na!hTem d^ tuberculöse Virus jene ent-
ob nicht erst s • , „. f ^ benützt hat, die Drüsen
zündeten der Infection in manchen
inficirt wurde . v ,. Tbatsache dass bei Halsdrüsen-
Fällen vorkommt^ bevrns ^ Mun dsohieiuihaut Primäraffecte
beobachtet sind. Auch eine vorausgegangene Angina kann für
beofaentet . n; v011 Nutzen sein; von manchen
XmhentwM der ToneiUc ab, Eingang»,,£or«iof«ti»n Material»
„nd s^iell der
r*H.“—-.o«, bei denen zugleich der MjtaMfc
Gestalt von Tuberkelknötchen in den Tonsillen gefunden wurde.
STSi nicht nur das allgemeine Interesse, welch*. uns ver^
anlasst, nach der Eingangspforte zu forschen; ihre Auffindung
kann hinsichtlich der Therapie von hohem \Verth
wird ia freilich durch die Behandlung eines vorhandenen Katarrhes
wird ja rre hinsichtlich des Hauptlcidens erwarten
“abS''In ÄuHer'fuu eiuea tes i„ de,
"ist oder in de. Ton.ta wird uzoh der Drüzenezatirpation
vielleicht ein Recidiv verhüten. .
Einen grossen therapeutischen Erfolg kann man sich ver¬
sprechen, wenn mau cariöse Zähne als Eingangspforte ^r Tuberkeh
bacillen erkannt hat und zwar in zweierlei Weise, wie der zuletzt
angeführte Fall beweist.
Angenommen, es wäre gar kein Primäraffeet vorhanden
gewesen und der Zahn wäre nicht gezogen worden, so konnte sic
derselbe Infectionsproccss durch denselben hohlen Zahnunmer
Sellen, es wären stets Recidive aufgetreten das Tuberkelgift
hätte sich allmählich in dem nunmehr geschwächten Organismus
verbreitet und das Kind wäre schliesslich unter den Erscheinungen
der Allgcineininfection zu Grunde gegangen.
Solche Fälle mögen häufig genug da verkommen wo die
Kinder, in deren Umgebung sich ein phthisisches In^u
befindet, einer stetigen Infectionsgcfahr durch bac.llenhalt.geu
Zimmerstaub und Nahrungsmittel ausgesetzt sind.
Durch die gleichzeitige Entfernung eines solchen earmsea
Zahnes mit der Exstirpation der Drüsen wird die Eingangspforte
t£Tm di. Uefahr der Kecidiv. -» **
Handelt es sieh aber um eine zufällige einmalige InfoCon »
mag es vielleicht bei unserrn Patientchen der Fall gewesen am
wobei e» zu einem von der Wurzetat .«»geh.>" d “ Z
kam, »o musste die Zurücklassung des Zahnes erst rech
Unheil führen, denn, weun »ich nun die Infeetiun von ans
mcht wiederholte, so blieb doch ein «.bereute ™
bestehen, von welchem ans stets eine ltafeetson der W»«
treten konnte. (Ein Shnliehe, Primüraffect ““
wurzeln wurde auch in diesem Jalire n> der hieetg» Kl>^ ^
achtet') Eine radicale Heilung konnte also in diesem 1 alle nur
durch gleichzeitige Entfernung des Zahnes und der Drüsen erfolgen.
Ueber die Prognose tuberoulöser Halsdrüsen ««M wr-
ausgesetzt, dass die Exstirpation stete dei
aus obigen Erörterungen Folgende«: Sie ^t kurz «engt, ^
Serophulose, wo der gan„ Körper dem Kuta. ^
bacillen oder deren Toxinen unterworfen ist, am aflhle f b ,
“sieh, weun di. Drte. nur
sind und kann als günstig bezeichnet werden, wenn der
pforte oder einem Primäraffeet in wirksamer Weise beuukomu*»
Da die Extraction oder Füllung eines Zahnes leicht aus«!
werden kann, so sind Drüseaschwellungen, welche »br«?* * n
Moment in einem canösen Zahne haben, als progBO»tt8ck^gu_
bezeichnen, sobald ihre Aetiologie und somit r r
einzuschlagende Weg erkannt sind. ,
Wenn oben erwähnt wurde, dass trotz der Erfbrsc
Auffindung von Eingangspforten für mfect.ös^ Ma ^ ^
Hoffnung hinsichtlich der Prophylaxe nicht in Erfüll g J ^
soll auch hier noch kurz die Kenntnis der «canösen
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18 . Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINI8CHE WOCHENSCHRIFT.
147
Eingangspforte» auf ihren Werth für die Prophylaxe geprüft
werden.
Im Allgemeinen wird es sich darum handeln, einmal die Ent¬
stehung einer Eingangspforte zu verhüten, andererseits aber das
Vorhandensein einer solchen frühzeitig zu erkennen und durch
Verstopfung oder Beseitigung derselben die Infectionsgefahr zu
verhüten.
Beides scheint uns hier im Bereich der Möglichkeit zu liegen.
Man wird durch eine gründliche Zahnpflege und Mundhöhlen-
dcsinfection im Stande sein, im Allgemeinen die Entstehung der
Zahncaries zu verhüten oder doch wenigstens zu verzögern.
Andererseits wird eine beginnende oder bestehende Zahn¬
caries stets vom Zahnarzt frühzeitig erkannt werden können, oder
wich auch schon dem Laien durch den Spiegel, Kältegefühl,
Schmerz ctc. verrathen.
In solchen Fällen muss der Zahn zur rechten Zeit gefüllt
oder gezogen werden.
Es wird aber hier noch ein eifriges Zusammengehen von
Amten und Zahnärzten erforderlich sein, damit vom Volke und
besonders von der Jugend, welche für alle Infectionen empfäng¬
licher ist, die Zahn- und Mundpflege in ihrem vollen Werthc
gewürdigt wird und man wird daher Röse’s Vorschlag, die
Schulen unter zahnärztliche (Kontrolle za stellen, empfehlen müssen.
So kann mit einer richtigen Zahnpflege die beste Prophylaxe
gegen manche Infectionen geschaffen werden. Es werden dann
ausser Halsdrüsenschwellungen auch Infectionen verhütet werden,
welche man sonst als kryptogen zu bezeichnen pflegte. Vielleicht
werden dann aber auch die so häufig in der Hals- und Kiefer¬
gegend beobachteten malignen Tumoren seltener. Gerade in der
letzten Zeit wurden in der hiesigen Klinik derartige Fälle von
Sarkomen und Carcinomen beobachtet, welche einen höchst infectiösen
Eindruck machten und wobei die auf derselben Seite bestehenden
cariösen Zähne einem den Gedanken anfdrfingten, ob sie nicht in
einem, wenn auch bis jetzt noch geheimnisvollen Zusammenhang
mit den Tumoren ständen. Sollte die ans unbekannte causa
rnovens hier etwa auch durch die cariösen Zähne in den Körper
emgedrnngen sein?
Di« SaJzsäurebindung des Glutin.
Von Dr. A. Gnttenbcry, prakt. Arzt, Würzburg.
Das Verhalten des Eiweiss und seiner Verdauungsproduc-te
wr Salzsäure, d. h. die Fähigkeit derselben, die Salzsäure zu
bindern, ist, nachdem Blum, Hofmann und Paal ihre dies¬
bezüglichen Arbeiten mitgctheilt haben, in eingehender Weise von
Krcngel, 1 ) Gflrber,*) Schaller 8 ) und Daniels 4 ) unter¬
sucht worden. Durch quantitative Bestimmungen konnten Letzt¬
genannte den Nachweis erbringen, dass das Eiweiss sowie seine
fyaltungsproducte (Albumosen, Peptone) die Chlorwasserstoff säure
nach constanten Gewichtsverhältnissen binden.
Ueber die entsprechenden Eigenschaften des Glutin liegen
I utersuchungen von C. Paal 5 ) übef Glutinpeptone vor. Durch
hmdampfen von Gelatine mit Wasser und Salzsäure hat Paal
die Salze des Glutinpeptons dargestellt und deren Gehalt an Salz¬
säure bestimmt; je nachdem Paal dem einzudampfenden Leim
mehr oder weniger HCl hinzufügte, schwankte der Gehalt der
Peptoosalze an Salzsäure «wischen 10,38 und 18,34 Proc.
Die nicht unwesentliche Bedeutung der leimgebenden Sub¬
stanzen als Nührmitel, welche s. Z. in Folge der lebhaften
Agitation von Sir Benjamin Thompson®) behufs Verwendung
dw Knorpel und Knochen für die Volksernährnng, die Unter-
raehungen der Pariser Academie der Wissenschaften, sowie die,
jüngst von J. Munk berichtigten Arbeiten von C. Voit über
den Nährwerth des Glutin zeitigten, bot hinreichend Veranlassung,
') Krengel: Inaug. Diss. Würaburg 1896.
J ) Gürber: 8it*.-Ber. d. Würzb. Phys. med. Gesellsch. 1895.
3 ) Schaller: Inaug. Diss. Würzburg 1896.
‘) Daniels: Inaug. Diss. ibidem.
s ) C. Paal: Ber. d. Deutsch, chem. Gesellsch. XXV.
*) Nach König Nahrangs- und Genussmittel.
das Verhalten des Glutin zur Salasäure einer Prüfung au unter¬
ziehen.
Mit Rücksicht darauf, dass eine genaue Gewichtsbestimmung
des Leims durch Verunreinigung desselben mit organischen und
anorganischen Bcstandtheilcn nicht leicht möglich ist, hat sich
nachfolgendes Vorfahren als rationell erwiesen, um ein sicheres
Urtheil für die quantitativen Bindungsverhältnisse der Salzsäure
durch Glutin zu gewinnen.
Käufliche Gelatine wird unter Wasserzusatz auf dem Wasser-
bade gelöst und neutralisirt, alsdann wird zu derselben solange
*/io Normalsalzsäure hinzugefügt, bis die G ü n z b u r g ’ sehe
Reaetion cintritt, d. h. bis das Vermögen der Glutinlösung, Salz¬
säure zu binden, gesättigt ist. Nunmehr wird der Stickstoffgehalt
der Lösung nach der Methode von Kjedahl-Argutinsky
ermittelt, der gefundene Stickstoff dient als Maassstab für die
Bestimmung des Säurebindungsvermögens das Glutin.
Versuch I. Glutinlöaung von 0,126 g Stickstoffgehalt bindet
8,975 ccm, */io NormaUalzBäure d. h. 0,126 g N bindet 0,0327 g HCl.,
mithin bindet 1 g N 0,2596 g HCl.
Berechnet man dieses Verhältnis auf das Atomgewicht des
8tickstoffs = 14, so binden 14 N: 3,683 HOI.
Versuch II. Glutinlösung von 0,0917 g Stickstoffgehalt bindet
0,0237 g HCl.,
mitbin bindet 1 g N 0,2589 HCl.
Auf das Atomgewicht des Stickstoffs berechnet, binden 14 N:
3.625 HCl.
III. Versuch. Glutinlösung von 0,ö95 g Stickstoffgehalt bindet
0,0259 HCL,
mithin bindet 1 g N 0,269 HCl.
Aof das Atomgewicht de» Stickstoff» berechnet, binden 14 N:
3.626 HCl.
Demnach gestaltet sich das Verhältniss zwischen Stickstoff
und Salzsäure wie
Versuch I 14 ’• 3,633,
„ n 14 : 3,625,
„ III 14 : 3,626-
Es kämen also 10 Atome Stickstoff im Leim auf 1 Molekül
Salzsäure. I)ic geringe Differenz zwischen der Menge der gefundenen
Werthc und dem Molekulargewicht der Salzsäure = 36,5 dürfte
im Hinblick auf das benützte Material sowie die nicht zu ver¬
meidenden Fehler in der Ermittlung des Stickstoffgehaltes und
der nicht gebundenen Salzsäure als unwesentlich ausser Betracht
bleiben.
Berechnet man das Verhältniss der Salzsäure zum Stickstoff
wie oben mitgethcilt d. h. 1 g N : 0,259 HCl auf Glutin (Leim,
Gelatine), indem man den Stickstoff mit dem Factor des Glutin =
5,6 multiplicirt, so binden 5,6 g Gelatine 0,259 HCl oder 10 g
Leim 0.4625 Salzsäure. Die Gelatine bindet somit 4,625 9 /»
Salzsäure.
Nachdem somit der Beweis erbracht ist, dass das Glutin ein
constantes Bindnngsverhältniss zur Salzsäure hat, lag es nahe, das
analoge Verhalten des gespaltenen Leimes einer Untersuchung zu
unterziehen. Eine Reihe von Verdauungsversuohen mit künstlichem
und natürlichem Magensaft, wie solche nachfolgend mitgethcilt
sind, führte zu keinem Resultat, weil offenbar das Pepsin nicht
oder nur in geringem Grade die Fähigkeit hat, den Leim zu ver¬
dauen. Verflüssigte Gelatine mit Ferment und Salzsäure versetzt
und 24—48 Stunden im Thermostaten bei Körpertemperatur ge¬
halten, ergab:
Gelatine -f- Pepsin (Brflcke) -}- Salzsäure: keine Spaltung.
„ -f „ (Finsterberg)-f „ :sehr geringe Spaltung.
„ -j- Magensaft v. Kaninchen + Salz¬
säure : minimale Spaltung.
„4 „ v. Menschen -|- 8alz-
sänre: desgleichen.
„ 4- „ v. Schwein (Glycerin-
Extract) -f- Salzsäure: desgleichen.
„ -f „ v. Hnnd (a. Magen-)
fistel) -f- Salzsäure : nach 20 Sfcd. Spaltung.
Um nun den Leim doch zu spalten, wurde derselbe lange
Zeit auf dem Wasserbade gekocht, das am gespaltenen Glutin
untersuchte Säurebin dun gsvermögen ergab, wie folgt:
Versuch I. Leim durch fünftägiges Kochen gespalten bindet
0,0533 HOI, enthält 0,186 N, mithin bindet 1 g N: 0,288 HCl.
Anf das Atomgewicht des Stickstoffs berechnet, binden 14 N-
4,082 HCl.
1*
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148
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Versuch II. Leim durch siebentägiges Kochen gespalten, bindet
0,0794 HCl, enthält 0,266 N, mithin bindet 1 g N : 0,298 HCl.
Auf das Atomgewicht des Stickstoffs berechnet, binden 14 N:
4,17 HCl.
Das Verhältnis» von Stickstoff zu Säure gestaltet sich also wie
I 14 : 4,032,
II 14 : 4,17,
cs entsprechen 9 Atome Stickstoff <les gespaltenen Leimes l Molekül
Salzsäure.
Da nun, wie ersichtlich, das Kochen mit der Spaltung des
Glutin eine Zunahme seines Vermögens Säure zu binden zur
Folge hat, dieselbe sich jedoch durch längeres Kochen nicht
steigern lässt, 'so musste zur weiteren Zerlegung Säure hinzugefügt
werden. Das Verfahren bestand darin, dass Gelatine mit Wasser¬
zusatz auf dem Wasserbade verflüssigt, und mit Salzsäure versetzt
wurde, nach eingetretener Spaltung des Leimes wurde die freie
Säure durch Natriumcarbonat neutralisirt, alsdann Säurebindungs¬
vermögen und Stickstoffgchalt in derselben Weise wie bei den
vorhergehenden Untersuchungen festgestellt.
Versuch 1. Leimlösung mit 5 eem Salzsäure versetzt durch
fünfstündiges Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,097, gebundene
Salzsäure 0,056;
1 g N bindet 0,577 HCl
14 N binden 8,078 HCl.
Versuch II. Leimlösung mit 5 ccm HCl versetzt durch
248tündiges Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,0686, gebundene
Säure 0,05475;
1 g N bindet 0,798 HCl
14 N binden 11,172 HCl.
Versuch III T ). Leimlösung mit 5 ccm HCl versetzt durch
24 ständiges Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,0957, gebundene
Säure 0,0972;
1 g N bindet 1,016 HCl
14 N binden 14,22 HCl.
Versuch IV 7 ). Leimlösung mit 10 ccm HCl versetzt durch
24 ständiges Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,076, gebundene
8 äure 0,1016;
1 g N bindet 1,337 HCl
14 N binden 18,718 HCl.
Versuch V 8 ). Leimlösung mit 5 ccm HCl durch 48 ständiges
Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,1076, gebundene Säure 0,1816;
1 g N bindet 1,688 HCl
14 N binden 23,632 HCl.
Versuch VI 8 ). Leimlösung mit 5 ccm HCl durch 72 ständiges
Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,086, gebundene Säure 0,1368;
1 g N bindet 1,58 HCl
14 N binden 22,12 HCl.
Versuch VII 8 ). Leimlösung mit 10 ccm HCl durch 24 ständiges
Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,0708, gebundene Säure 0,1365;
1 g N bindet 1,927 HCl
14 N binden 26,978 HCl.
Versuch VIII 8 ). Leimlösung mit 10 ccm HCl durch 48stündiges
Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,066, gebundene Säure 0,137;
1 g N bindet 2,075 HCl
14 N binden 29,05 HCl.
Versuch IX 8 ). Leimlösung mit 10 ccm HCl durch fünftägiges
Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0.069, gebundene Säure 0,1 H;
1 g N bindet 2,48 HCl
14 N binden 34,72 HCl. .
Versuch X. Leimlösung mit 20 ccm HCl durch fünftägiges
Kochen gespalten: Stickstoffgehalt 0,0384 gebundene Säure 0,08o4,
1 g N bindet 2,224 HUI
14 N binden 31,136 HCl. .
Versuch XI. Leimlösung mit 20 ccm HCl durch achttägige.
Kochen gelten: Stich..« gebundene Stiere 0,M«,
14 N binden 35,126 HCl.
Verhältnis« von Stickstoff zur Salzsäure:
I 14 : 8,078 d. h. es entsprechen 9 Atome N
’ 11,172
II 14
III 14
IV 14
V 14
VI 14
VII 14
VIII 14
X 14
IX 14
XI*14
: 14,22
: 18,718
22,12
23,632
26,978
29,05
31,136
34,72
13
5
2
5
3
4
5
6
2 Moleküle HCl
4
"-T W«®
angestellt.
produetc zur Säurebindung bei der Deuteroalbumose in maximo
3 N : 1 HCl beträgt, lehren die obigen Versuche, dass durch
Spaltung des Glutins Produetc entstehen, welche die äusserste
Grenze der Säurebindung erreichen, so dass an 1 Atom Stickstoff
1 Molekül Säure gebunden wird. Diese Salzbildung dürfte nun
auch zur Erklärung über die Configuration, in welcher der Stick¬
stoff im Eiweiss resp. Glutin enthalten ist, dienen.
Entsprechend der allgemein geläufigen Annahme, dass die
Verdauung«- resp. Spaltungsprodnete des Eiweiss und Glutin amido-
säureartige Körper sind, welche sieh mit Salzsäure zu Chlorhydraten
verbinden, wie dies von Gürber 9 ) des Näheren ausgeführt ist,
liegt der Schluss nahe, dass der Gesammtstiekstoff als Ammoniak¬
verbindung im Eiweiss resp. Glutin enthalten ist und durch die
Spaltung derselben in die Amnioniumconfignration, welche die
Salzbildung ermöglicht, übergefülirt wird. Reim Glutin wenigstens
scheint dies nach dem Resultat, dieser Untersuchungen mit dem
Gesaumit-Stickstoff der Fall zu sein, denn das gefundene Ver¬
hältnis« von 14 Stickstoff zu 35,126 Salzsäure dürfte wie 1 : 1
zu setzen sein, da sich Fehlerquellen, wie bereits erwähnt, nicht
gänzlich meiden lassen und die Differenz zwischen dem gefundenen
Wertho und dem Molekulargewicht der Salzsäure = 36,5 nur
1.474, also nur 4 l’roc. beträgt.
Von Interesse ist, gegenüber dem Eiweiss und seinen Spal-
tungsproducten die ad liiaxiinum fortschreitende Steigerung der
Säurebindung der Spaltungsprodnete dos Glutin, welche eine eon-
tinuirliche Reibe bilden. .Jedoch muss darauf hingewiesen werden,
dass dieser Process in dircetem Verhältnis« zu der Zeitdauer des
Kochens, sowie der Quantität der hinzugefügten Säure steht.
Andererseits lehren nachfolgende Versuche, dass das Rindungs-
verhältniss der Salzsäure an das Glutin ein labiles ist. Dampft
man nämlich gespaltenen Leim , dessen Säurebindung nach
Günzburg ermittelt ist, unter Zusatz von überschüssiger Säure
wiederholt ein, und bestimmt man alsdann durch Titriren mit
1 /j o Normalnatronlauge das Quantum der gebundenen Salzsäure,
so findet man, dass ein Theil der vorher gebundenen Säure ver¬
dampft ist.
Versuch I. 5 ccm gespaltenes Glutin, welche nach Günzburg
24,4 'ft» Normalsal/.säure gebunden haben, werden mit überschüssiger
Säure versetzt, fünfmal in einem Porzellanschälchen eingedampft
und Rufgenommen. Mit ’/'° Normalnatronlauge titrirt enthält das
<>lutin nach dem Eindampfen nur 21,5‘/io norm. HCl mithin
— 2,9 ccm >/>o HCl. d. h. — 12 Proc.
Versuch II. 5 ccm gespaltenes Glutin, welche 25,4 '/*o Normal
Salzsäure gebunden bähen, binden, wie oben behandelt, nach dem
Eindampfen l>*,ö ccm '/io HCl. d. h. — 6,9 ccm J / 10 HCl 27 Proc.
Analog den Berechnungen procentualcr Säurebindung des
gedämmten Glutins zur Salzsäure, wie dies mit den ersten Ver¬
suchen geschehen ist, enthält nachfolgende Tabelle die diesbezüg¬
lichen Wertho des durch Säure gespaltenen Leims.
I lgN= 5,6 Glutin bind. 0,577 gHCl od lOgesp. Leim bind. 1,03HCl.
n .?■??? ..!;!?:
.... 2,39 „
; ' ;; :.2,82 „
.3,01 „
. . . 3,44 „
■ ' ; ; . ... 3,71 „
■ ■ : .... 3,97 „
4,43 „
; ; ; .4,48 „
Während 100 g der ungespaltenen Gelatine 4,625^Gewicht^
theile Salzsäure, die durch Kochen gespaltene 5,15 5 ’ 8
binden vermag, steigt dieses Verhältnis» bei dem durch Saure
gespaltenen Glutin von 10,3 bis auf 44,8 Gcwichtsthcde
Die Thatsachc, dass durch Kochen des Lc.ms mit Saure
ä sw-
ir dw
Leim», wenigst«» für deren untere f.rcnze,
») GÜrber 1. c.
III
IV
VI
V
VII
VIII
X
IX
XI
1,016
.1,337
.... 1,58
.... 1,688
.... L927
. . . 2,075
. . . .2,224
. . . 2,48
2,509
j g. Febraar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
149
Nach Hofmeister 10 ) besteht das Molekül des Chitin aus
0 50,76 H 6,47 N 17,86 O 24,91 als Schwefel frei gedacht.
Nun binden 14 Gowichtstheile Stickstoff 36,5 Gewichtstheile
Salzsäure, mithin binden 17,86 Gewichtstheile Stickstoff 46,56 Ge¬
wichtstheile Salzsäure.
Also binden 100 g Leim demnach 46,56 HCl. Diese Ver¬
bindung Leim-Chlorhydrat enthält 31 Proc. gebundene Salzsäure.
Hieraus ergibt sich für das gespaltene Leim-Chlorhydrat die
empirische Formel C.54 1453 N10 013 (CI H)io entsprechend einem
Molekulargewicht von 1170.
Berechnet man nach Subtractioii von 31 Proc. für die
gebundene HCl die entsprechende Formel für das Glutin, so
ergibt dieselbe: C45 1109 N13 O17, dies entspricht einem Mole¬
kulargewicht von 1003.
Nehmen wir afxsr an, dass nach Hofmeister der Leim
0.0 Proc. Schwefel enthalte, so berechnet sieh, da mindestens
ein Atom Schwefel = 32 Gewichtstheilen im Molekül Leim Vor¬
kommen muss, das Molekulargewicht des Leims auf 5333. Da¬
ran.« ergibt sich die empirische Formel für das Glutin C 023 H345
N&3 Ogj Sj. Vergleichen wir diese empirische Formel mit der
aus der Salzsäureverbindung berechneten, so sehen wir, dass diese
fast genau das Fünffache derselben beträgt.
Bericht der Serumcommission der ärztlichen Vereine
Münchens.
Erstattet von Privatdocent Dr. ('. Seit'..
.Meine Herren! Nach den Angaben, welche uns Herr Medieinal-
rath Aub im Oktober v. J. über die Diphtherieerkrankungen im
Bezirke der Stadt Müneheu in den Jahren 1889—1893 machte
war ein Zurückgehen der jährlichen Morbiditätsfrequenz von 3092
auf 2043 in diesem Zeitraum zu constatiren, wobei die Mortalität
zwischen 11.76 mit 13-18 schwankte.
Mein Bericht erstreckt sich auf die Resultate der Scrum-
behaudluug in der Privatpraxis der Münchener Aerzte in der Zeit
von Anfang Oktober 94 bis Anfang Dezember 95. Was die
Morbiditäts- und M or tal i tä t s v e r h ii 11 n i sse <1 er 1> i p li-
therie für München in diesem Zeitraum von 14 Monaten
betrifft, so kamen da zur Meldung 2422 Fälle von Erkrankung
und 246 Todesfälle — die direct vorausgehonden 14 Monate er¬
gaben 2130 Erkrankungen und 313 Todesfälle an Diphtherie und
Croup. Die Häufigkeit der Erkrankungen hat nicht nur relativ
i. e. entsprechend einer supponirten Mehrung der Bevölkerung
Ulu 20000 Einwohner sondern auch absolut zngenommen — die
.Mortalitätsziffer ist dagegen um nahezu 5°/o gesunken.
Da leider durchaus nicht über alle der Serumtherapie unter¬
worfenen Fälle Bericht vorliegt, können wir den Vergleich der
Resultate mit und ohne Serumtherapie nicht durchführen.
Aus der GcsainmtZiffer von 2422 Diphthcriefüllen dürfte
immerhin etwas mehr als ein Drittel zur Scrumbchandlung ge¬
kommen sein, denn Herr von Ranke verfügt bereits über etwa
300, ich nahezu über 900 Fälle, während bei der Sammelforschung
Karten über 230 Fälle eingelaufen sind, l’el >er 90 von diesen
«urde bereits im März berichtet 1 ). Von den 140 Kindern der
^ • Serie standen dem Alter nach 17 im ersten oder zweiten,
76 im 3. ß 4> 42 j m 7.—15. Lebensjahre, die restirenden fünf
Individuen waren Erwachsene.
Das allgemeine Urtheil über die Schwere der
alle lautet ; 46mal leicht, 37mal mittelschwcr, 57mal schwer bzw.
*nr schwer. Die Local Symptome waren 56mal auf die
onsillen beschränkt, 43nial war der Rachen mehr oder weniger
ffns afficirt, 20mal bestand intensiver Fötor, 17 malwarmit dem
Rachen die Nase ergriffen — 17mal Rachen und Kehlkopf —
2®al Rachen, Nase und Kehlkopf -— 5mal der Kehlkopf allein.
0D 24 mit Betheiligung des Kehlkopfes einhergehenden
phtherien zeigten 6 nur geringe Stenoseerseheinungen, während
12 Fälle schon mehr oder weniger hochgradige Suffocationssymp-
toino boten, zu deren Beseitigung 3mal Tracheotomie ausgeführt
~~ 4mal vorgeschlagen und verweigert wurde. — Quoad A11-
'®) Hof meistert Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. II.
J Münch, med Wochenschrift 1895, No. 29.
No. 7.
gern einbefinden bei Einleitung der Serumtherapie ist dasselbe
59mal mit schlecht oder sehr darniederliegend, 14mal als relativ
gut oder gut bezeichnet; 3mal bestand Erbrechen, 2mal Nasen¬
bluten , 2mal ; Leihweh> ; — 11 Fälle zeigten von Beginn
der Behandlung bis zur Vornahme der Injection schon innerhalb
24 Stunden grosse Tendenz zur Ausbreitung — es ist übrigens,
wie gleich hier bemerkt sein mag, in dieser wie in der ersten Serie
von in toto 190 Fällen, in denen zur Zeit der I n-
jeetion der Larynx frei war derselbe nachträglich
auch niemals befallen worden — ein Vorkommniss, das
bei allen früheren Behandlungsweisen keineswegs ein so eonstantes war.
Von Coinplieationen bei Beginn der Serum-
therapie sind notirt: 5mal Bronchitis diffusa, lmal Pneumonie,
4mal Herzschwäche, lmal Mitralinsuffieienz, lmal intensive Chlorose,
1 mal hei einem 15jährigen Mädchen intensive menstruelle Blutung,
einmal 20stiindige Anurie, 8mal bestand vor der Iujcction Alhu-
minurie, 2mal Nephritis (mit 4°/oo Albanien), 4 Fälle waren mit
Scharlach, 1 mit Masern eomplicirt.
Hier mag das Zeitintervall zwischen Krankheitsheginn und
Einleitung der Serum therapie erörtert werden; von den 140 Fällen
dieser Reihe kamen in Behandlung am
I. Tag
51 Fälle, am
gleichen
Tag
zur
Iujcction
31
Fälle,
zweiten
,,
,,
13
j ,
dritten
,,
3
,,
,,
vierten
7 '
15
,,
2. Tag
50 Falle, am
gleichen
Tag
zur
Iujcction
44
Fälle (-2f)
zweiten
,,
2
**
dritten
,,
,,
7 ?
2
y y
,,
vierten
, ,
??
1
zehnten
,,
,,
„
1
0 H-)
3. Tag
28 Fälle, am
gleichen
Tag
zur
Iujcction
20
Fälle (—j*2)
zweiten
yy
yy
6
,,
dritten
>>
7 7
1
77
fünften
,,
77
1
7 »
4 . Tag
7 Fäll.-, am
gleichen
Tair
zur
Iujcction
5
Fälle (-'r2i
77
zweiten
,,
77
2
77
5- Tag
2 Fälle, am
G. Tag
1 Fall, am 14 Tag
I
Fall (-f).
Die zur \ erwendung gelangten Serumdosen sind auch in
dieser Reihe relativ geringe; es treffen pro Fall 930 A.E. Wieder¬
holte lujoctionen sind Gmal gemacht worden, meist mit den gleichen
Dosen.
Leber den Einfluss der Seruiutherapie bezw. die Krankheits-
Symptome post injcctioncui ist aus den 60 'genauer geführten
Krankengeschichten zu entnehmen, dass 40 mal innerhalb 12 bis
24 Stunden ein auffallend rasche Besserung des All¬
gemeinbefindens eingetreten ist ; — 5 mal ist eine sehr un¬
ruhige Nacht der Iujcction gefolgt — eine nur langsame Besse¬
rung des Allgemeinbefindens ist 7 mal notirt. Von 35 z. Z. der
Iujcction hoch febrilen Fällen zeigten 18 über Nacht kritischen Ab¬
fall, 3 weitere noch einen voraufgehenden Anstieg — bei 13 Fällen
ging die Temperatur erst allmählich herab.
Bezüglich der örtlichen Erscheinungen im Rachen
ist ein völliges Verschwinden der Beläge 3 mal innerhalb 12,
25 mal innerhalb 24 Stunden notirt, in 16 Fällen erfolgte die
Abstossmig am 3., in 6 am 5-, in je 5 Fällen am 5. und 6. Tag,
in 3 Fällen am 7. Tag, 4 mal ist nicht der sonst charakteristische
Stillstand der localen Ausheilung erfolgt. — l) Zweimal erscheint
der Belag nach 24 Stunden. Sticker-> geht dann rasch zurück.
2) Mittelschwerer Fall, Dosis l am 2. Tag injicirt, Belag resistent
— nach Wiederkehr der Dosis I rapide Abstossung. 3) Schwerer
Fall — am 2- Tag mit Nr. I injicirt, nach Rückgang am 4. Tag
neuerdings Zunahme der Beläge, auf wiederholte Iujcction in 2 Tagen
Rückgang aller Erscheinungen.
Speciell bezüglich der ausgesprochenen Stenosenersehei-
nungen ist 6 mal ein völliger Rückgang in 24 Stunden erwähnt,
2 mal innerhalb 48 Stunden, 3 mal erst innerhalb 4 Tagen.
Die diphtherische Nasenaffeetion ging meist in 2 Tagen zurück
2 mal nur langsam. — Die Drüsen Schwellungen gingen gewöhn¬
lich auch rasch zurück — 1 mal ist Vereiterung angegeben.
Die In j oetion »stelle blieb 5 mal länger schmerzhaft — 1 mal
kam es am 3. Tag zu einem kleinen Abseess.
2
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No. 7.
150
" W- * K—~ r
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S?Äi -b. &■'«• — wW “ w
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SSL-L Schädigung oder lungeren Beein«eht,gn„g de. All-
«»S Ep - "T^
rsr r«r— ä 8 ^.
CrirSÄ b» »erden:
Todesfälle der II. Serie No. 10 230.
__ , . -r o.i T prkrankt und in Behandlung
ge— ™fin\^
saLÄTr äää
He " P No al ??9 MTdehe S n C T'j , 1. XI. 91 erkrankt, 14. XI, 91 in
ss».
aU t ged ctTlnfSen eD -VTxi F^ge“? Pul" nicht. Hals¬
belöge völlig^verschwunden, Befinden etwas gebessert. Beginnendes
erkrankt, etwas Reber!
SÄ“5,‘SSÄSSSE^^
“Ä^. 3 ^ülÄ,'lfÄg r
grld^ÄSc^Foril^elnmnr Kei^ich\S™er ßlfag Ä
4 Stunden. K erkrantt 9 . V III.; in Behandlung und
zur Iniection (B I) gekommen am 3. Tage mit geringem Halsbelag,
hochgradigen Erstickungserscbeinungen, Crouphusten. Exitus am
anderen Morgen. Keine Section. , v q(S
No. 161. Mädchen, 4 J., erkrankt 2 X. 9o. 4 . X. 95 zur
Behandlung und zur Injection (B. III) gekommen ; mit starker
Cyanose Dyspnoe. Temp. 37. Intensiver Belag und Drüsenschwellung.
Tracheotomie. - 5. X Diffuse Rasselgeräusche i r. Unterlappen
Exitus nach 48 Stunden. Section: Rachenkeblkopfdiphtherie,
Bronchopneumonie lob. erst durch die Bronchitis purulenta.
No. 230. Knabe 1 ‘/* J., am 4. Krankheitstage mit B. I mjicirt,
schwere Stenose, Cyanose, Tracheotomie verweigert. Tod am Nach-
raittag.
Was nun die 132 in Genesung ausgegangenen Fälle betrifft,
so ist von grossem Interesse eine tabellarische Zusammenstellung,
wobei die Zeit, welche zwischen Injection und Genesung lag und
die Serumdosis und Schwere des Falles berücksichtigt sind,
sie ergibt geradezu frappante Resultate. Von den mittelschwereil
Fällen ergaben die am 1. Tag mit I injicirteu Fälle eine mittlere
Genesungsdauer von 5 Tagen, die am 1. Tag mit II injicirten
eine durchschnittliche Heilungsdauer von 4 Tagen, für den 3- Tag
’’ • v o bezw 7 Tage als mittlere Heilungsdauer. Ton
ergeben sich 9 he - - t j „, Jlcirten
den schweren Fällen ergaben de am 2 ? Tage, mit
eine lleilungsdauer von 20 lagen,
Nr. III 8 Tage u. s. w. deutlich wie der Verlauf der
Krankhl^crfrühX 0 -d ausreichende Serumanwendung in
günstiger V eise beunflu. st ,- den Material der Sammel-
Wenn wir aus dem im Allgemeinen die
forscliung resuimren, so erg ’ • ka bcn • j n den weitaus
■«»..- Auch
meisten 1'allen n „ pn wenden sich zumeist in
die A Ugeui einer sehe l nun gen d zum Bessern.
<■■«««•*" 7 ^ ix«, d.. *«
Eine dauernde ^ hal.gung _ tritt an uns daher
^' th wo n <H g' 1 * die Auf fordering, im gegebenen Falle
Mit »in» Hilfe kennen »trw.eB.' ™ (t , chliBlul5 „ B
Waffe in die Hand gegeben hat.
Ueber Behandlung der Diphtherie mit Behring’schem
Heilserum.
Von Dr. Ckssin, Egenhofen.
Während der Epidemie, welche im '^Fälle
der Nahe mein« Wohnrit», herrschte, beobachte .ob 2. ™
von Diphtherie, in. November und Dccember ^ ^
zwar nieht «.»glich, die Diagnose dun* .ho
SÄar: -
sr,;i :
XZXTt «0 konnten J ^ornioh,
^iÄ~. 8 t2r 3 dJe uLre» so» in. Folgenden
k, " ! Ähr, handelte e S sich -
viermal war gleichzeitig Rachen und Kelil op ergn
Nase, Rachen und Kehlkopf, einmal Nase folgender-
Nach dem Lebensalter verteilen sich ^ Kranke g
massen: 7 standen im 2--G- Lebensjahre, 12 im 8- U,
einer im 14-, 16- und 46- Jahre. tweder au
Bei Allen genügte 1 Injection; diese wurd ^ ^
der seitlichen Brustwand oder zwischen den Schulte
geM £, kam lmnl No. I, lOmal No. U, ll^ So. ,111 »ul Am
Wendung; von jeder localen Behandlung wurde abgesehen,
Foetor ex orc Kali chloricum als Mundwasser verordne - ^
5 kamen am 1. Krankheitstage, 9 am 2-, 4 am a-,
6., 2 am 8-, 1 am 11. in Behandlung. ^ ^
Die Wirkung der Einspritzung war, soferne sie « ^
Krankheitstagen vorgenommen wurde, meist n , gchon me hr-
16—20 Stunden eine auffallend günstige. Kinder,
fach beschrieben wurde, habe auch ich gesehe , ^
welche vor der Injection somnolent dalagen, am 8 Das
selben munter im Bette sassen und 'J 1 ®' 80 zu imIDer die hohe
Fieber war häufig geschwunden, jedoch Dich . hinge »
Pulsfrequenz, die Beläge begannen sich z " * ö8e "’ men he rab-
schon in Fetzen von den stärker geschwellten T verzögcrtc
Wurde erst in den späteren Krankheitstagen injicirt,
sich die Reaction um etwa einen Tag. Einspritzung
In einigen Fällen hatte sich der Belag n jsolirter
in coutinuo noch ansgebreitet, einmal sic ein >
Belag am Gaumensegelrande gebildet. Im lal e > näch6Wn
der geringe Belag schon in Fetzen herunterhing, die
Tage eine dicke, grauweisse Membran entstanae , ^ ^
Rachengehilde vollkommen verdeckte. Doch kon
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18. Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
151
diesen Fällen nicht von einem eigentlichen Fortschreiten des
Proeesses sprechen, wie ich auch in keinem Falle ein solches
auf den Kehlkopf gesehen habe. Die günstige Beeinflussung der
bereits bestehenden Kehlkopfstenose zeigt in hervorragender Weise
Fall VI. Die Stenose war hior so hochgradig, dass ich, we
es irgendwie möglich gewesen wäre, ohne Verzug die Tracheotomie
gemacht hätte, uud fürchtete, dass die Heilseruminjeetion zu spät
käme. Dennoch genas auch dieser anscheinend hoffnungslose Fall.
Die im Allgemeinen rasche Reeonvalescenz erlitt nur in einem
Falle (XXI) unter ikterisehen Erscheinungen einige Verzögerung.
Exantheme habe ich in 5 Fällen gesehen: 2 mal Herpes
labialis, 2 mal ein morbillüses, 1 mal ein Urticaria ähnliches Exan¬
them. Sie traten bald nach der Einspritzung auf und beschränkten
sich, abgesehen von dem Herpes, auf die Umgebung der Einstich
stelle. Entzündliche Infiltrate oder Abscesse kamen nicht vor.
Albuminurie wurde 6 mal beobachtet; am 2-—4. Tage be¬
ginnend, verlief sie ohne weitere Erscheinungen; 3mal bestand
sie schon vor der Einspritzung und wurde anscheinend durch
diese in keiner Weise beeinflusst.
Von Lähmungen wurde mir in 3 Fällen berichtet. In
Fall VI trat nach einiger Zeit, wie es scheint, eine. Augenmuskel-
und Gaumensegellähmung, in Fall XII und XV Accommodations-
störung auf. Einer der beiden letzteren wurde an der Augenklinik
des Herrn Hofrath Berger in München untersucht; es wurde
constat-irt: Paresis aceommodationis, anämischer Angenhintergrund
{? = •!, -{- 3,5 D. Für die freundliche Mittheilung dieses Befundes
spreche ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus.
Bei einem 16jährigen Mädchen, das seit langer Zeit an
Lnngentuberculose leidet, trat nach der Einspritzung eine be¬
deutende, 2 Tage anhaltende Verschlimmerung des Allgemein¬
befindens mit Hämoptoe ein. Mehrmals bestand etwa 24.ständige
Harnverhaltung, einmal Dysurie. Ob diese Erscheinungen auf das
Heilserum zurückzuführen sind, wage ich nicht zu entscheiden.
Doch erwähnt, was die letzteren anlangt, auch Lennox B r o w n
eine Neigung zur Anurie nach Heilserumeinspritzungen.
Gelenkschmerzen oder -Schwellungen habe ich nicht gesehen.
Zur Immunisirung wandte ich das Heilserum nicht an, da
es mir in dieser Hinsicht von unsicherer Wirkung zu sein schien.
Denn wenn auch der Procentsatz der nach Immunisirung an
Diphtherie Erkrankten als gering bezeichnet wird, so scheint er
mir nicht unbedeutend, wenn man in Betracht zieht, dass viele
Kinder trotz reichlicher Ansteckungsgelegenheit auch ohne Iuimuni-
sirung von der Krankheit verschont bleiben, wie man es in armen
Familien häufig beobachten kann. Andererseits wurde schon über
mehrere Fälle berichtet, in denen wenige Wochen nach Heil-
injectionen eine abermalige Erkrankung auftrat, lieber einen der¬
artigen Fall verfüge auch ich (IV und XIV). Hier wurden am
4. October 1000 I. E. injicirt, worauf rasche Genesung erfolgte.
Am 26- October zeigte das 8jährige Mädchen, welches in der
Zwischenzeit fortwährend mit den übrigen an Diphtherie erkrankten
Geschwistern zusammen war, abermals Rachendiphtherie.
Zum Schlüsse führe ich die mit Heilserum behandelten Fälle
kan an:
Fall I. Susanna B., 6 jährig. 30. IX. plötzlich mit Brechen,
Hitzen, Schluckbeschwerden erkrankt. Temperatur früh 39,3, Puls
HO, leichte Somnolenz, Rachendiphtherie, foeter ex ore, im Harn kein
Eiwriss. Nachmittag Injectio No. II, Kali chloricum äusserlich. —
'• X Temp. 38,0, Puls kräftiger und langsamer; vermehrte Schwel¬
lung der Tonsillen, Belag hängt in Fetzen herunter; kein Eiweiss
im Harn. — 2. X. Temp. 37,0, Euphorie, mächtige, grauweisse
Membran an den Bändern gewulstet, verdeckt Uvula und Tonsillen,
Harnverhaltung. — 4. X. Membran zur Hälfte geschwunden, Ham
tyur Eiweiss. — 5. X. Auch zweite Hälfte der grossen Membran
pschwanden, scheint verschluckt worden za sein; darunter noch
leichter Belag. — 6. X. Dyspepsie, Stuhl angehalten, vermehrte
cjweiasausscheidung. — 7. X. Kein Belag mehr.
, Fall II. Anna H., 8 jährig. 3. X. plötzlich erkrankt. Temp.
™|0,Rachendiphtherie, Abends 9 Uhr Injectio No. II. — 4. X., Vor-
9 Uhr, keine merkliche Besserung. Belag mehr ausgebreitet.
<r e “P' 38,5- — 5. X. Euphorie, Beläge sich lösend, kein Fieber. —
'• X In der Umgebung der Injectionsstelle morbillöses Exanthem,
an Belag, im Ham kein Eiweiss.
Fall III. Anna B., 5 jährig, seit 8 Tagen krank; seit 3. X.
aseren Husten, Athembeschwerden. — 4. X Früh Temp. 39,0,
(achte Rachendiphtherie, Kehlkopfstenose. Nachmittags Injectio
‘°u. — 5. X. Athmung freier, Ham- und Stuhl Vorhaltung. —
Albuminurie. — 7.-9. X. Husten und
6. X. Athmung ganz frei.
Heiserkeit.
Fall IV. Marie B (Schwester von I), seit 2. X. krank. — 4. X.
Rachendiphtherie, Temp. 39,0. Injectio No. II. — 5. X. Kein Fieber,
Belag geringer. In der Umgebung der Einstichstelle Urticaria. Ham
Spur Eiweiss. — 6. X. Harnverhaltung. — 9. X. Kein Belag mehr.
Fall V. Anna H. (Schwester von II) 4. X. Röthung und
Schwellung der Mandeln, kein Fieber, kein Belag. — 6. X. Plötzlich
Verschlimmerung, Temp. 39,7, Belag Injectio No III. — 7. X.
Besser. — 9. X. Geheilt. Im Ham kein Eiweiss.
Fall VI. Martin Tr., 5 jährig. 9. X. erkrankt — 10. X. Geringer
Rachenbelag, hochgradigste Kehlkopfstenose. Abends 8 Uhr Injectio
No. II. — 11. X. Vormittags keine Besserung. Nachmittags Ath¬
mung leichter, hustet und exspectorirt kräftig. Fortschreitende Ge¬
nesung; später zeigte sich Augenmuskel- und Gaumensegellähmung.
Fall VII. Stephan Tr. (Bruder des vorigen), 3 jährig. 11. X.
Rachendiphtherie. Injectio No. II. Ist rasch genesen.
Fall VIII. Maria K., 16jährig, leidet seit Jahren an Lungen-
tuberculose. Seit 5 Tagen Schluckbeschwerden, Hitzen, Heiserkeit;
führt dieses auf ihr sich alle Jahre um diese Zeit verschlimmerndes
Lungenleiden zurück. 14. X. starker Foetor ex ore, Ham sehr viel
Eiweiss. Temp. 39,5. Rachen- und Keblkopfdiphtherie Injectio No. III.
— 15. X. Sehr schlecht. Hämoptoe; hustet weisse Membranen aus.
Temp 38,8. — 16. X. Vormittags 38,3, Hämoptoe, im Rachen keine
Besserung. — 17. X. Euphorie, Temp. 37,8, Beläge geringer. —
19. X. Kein Fieber, kein Belag, Harn noch sehr viel Eiweiss.
Fall IX. Michael V., 4jährig, seit 10 Tagen kränklich; seit
12. X. heiseren Husten, Hitzen, Erscheinungen von Kehlkopfstenose
und Nasendiphtherie. — 15. X. Nachmittags Temp. 37,8, geringer
Raclienbelag; athmet durch den Mund, Nase durch gelbe Borken
verklebt, mittlereKehlkopfsteno.se; Eiweiss im Harn. Injectio No. II.
— 16. X. Keine Besserung, Harnverhaltung. — 17. X. Athmung
leichter, Rachen rein. — 19. X. Athmung ganz frei, auch Nase
wegsam, noch wenig Eiweiss im Harn.
Fall X. Ludwig B., 9jähri'_' (Bruder von IV) 15. X. erkrankt.
16. X Temp. 39,0 Früh, Racliendiphtherie, Injectio No. III. —
17. X. Früh kein Fieber, Beläge hängen in Fetzen von den Ton¬
sillen herab, Harnverhaltung. — 18. X. Kein Belag mehr. Nachts
Hnrnbeschwerden, kein Eiweiss.
Fall XI. Katharina K. (Mutter von VIII), seit 16. X. Schluck¬
beschwerden — 17. X. Kein Fieber, starker Kachenbelag. Injectio
No. III. - 19. X Belag geschwunden, noch geringe Röthung und
Schwellung der Tonsillen.
Fall XII. Therese B. (Schw'ester von X), 25. X. plötzlich er¬
krankt; Mittag 1 Uhr Temp. 40,’', Puls 140, leicht zu unterdrücken,
foetor ex ore, Raohendiphtherio. Injectio No. III. — 26. X. Vormittags
Temp. 37 ,h. Puls 112. Belag missfarbig, neuer Belag am Ganmen-
segelrande links 27. X. Kein Fieber, nengebildeter Belag
geschwunden. — 29 X. Rachen rein, Harn von Anfang kein Eiweiss.
Nach einiger Zeit trat Accommodationsparese auf.
Fall XIII Johann B. (Bruder der vorigen\ 25 X. erkrankt.
— 26. X. Früh Temp. 38,2, Puls 116. Rachendiphtherie. Injectio
No. III — 27. X Temp. 38,2, keine merkliche Besserung — 28. X.
Kein Fieber, noch geringer Belag.
Fall XIV. Maria B., 8 jährig (Schwester des vorigen), hat
4.-9. X. 1. Js. Diphtherie überstanden, seit 24. X schlechtes Aus¬
sehen. — 26. X. Mandelschwellung, grauweisser Belag, kein Fieber.
Injectio No. III. — 27. X. Kein Belag mehr.
Fall XV. Therese L., 10jährig. 25. X. erkrankt. — 26. X 1
Temp. 39,5, Puls 140,0. Rachendiphtherie. Injectio No. III. — 27. X.
Temp. 37,0, Puls 120,0, Belag etwas mehr ausgebreitet. Eiweiss im
Harn. — 29. X. Kein Fieber, noch geringer Belag. Bekam später
Accommodationsparese.
Fall XVI. Maria F., 2 jährig, seit einigen Tagen krank. —
29. X. Rachendiphtherie. Injectio No. II. — 30. X. Noch geringer Belag.
Fall XVII. Anna B (Schwester von XIV), 14jährig, seit 30. X-
Schluckbeschwerden — 31. X. Puls 112, Temp. 39,2, starke Röthung
und Schwellung der Tonsillen, ohne Belag. Injectio No. IH. —
2. XI. Keine Schwellung, kein Belag.
Fall XVIII. Michael B. (Bruder von XV), 8jährig. 2. XI. seit
2 Tagen krank, Temp. 28,2, Puls 120,0 Rachendipbtherie. Injectio
No. II. — 3. XI. Kein Fieber, Belag geringer, Albuminurie. Herpes
labialis.
Fall XIX. Maria N., 6jährig. 23. XI. erkrankt, Temp. 39,1,
Puls 140,0, Foetor ex ore. Rachendiphtherie Injectio No. ni. —
24. XI Kein Fieber, Puls 120, Belag gewulstet. — 25. XI. Kein
Fieber, Puls 100; Schwellung geringer, so dass auch an der Rachenwand
Belag sichtbar wird. — 28. XI. Geheilt; im Harn war kein Eiweiss
zu constaliren.
Fall XX. Therese B., 4 jährig. 18.’ XII. erkrankt. — 19. XII.
Temp. 39,4, Puls 140,0, Somnolenz, Nasen- und Rachendiphtherie,
Albuminurie. Injectio No. II. — 20. XII. Nachdem es gestern
noch sehr schlecht gewesen war, sitzt'daaJKind in seinem Bett und
isst. Temp. 37,4, Puls 140, starker, eitrig-schleimiger Nasenausfluss.
Belag, welcher gestern gelblich war, heute weissgrau und mehr aus-
2 *
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152
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
gebreitet, sich lösend. — 22. XII. Nase fast frei, Tonsillen noch
etwas geröthet, ohne Belag. Albuminurie.
Fall XXI. Katharina Tr., 4jührig, klagte vor 8 Tagen über
Halsweh. — 21. XII. Hitzen, heiserer Husten. — 22. XII Temp.
39,0, Puls 13G, kräftig. Rachen- und Kehlkopfdiphtherie. Kein Ei-
weise im Harn; Nachmittag erscbwertere Athmung. Injectio No II.
— 23. XII. Mittag Temp. 39,0. Puls 140,0. Athmung schlechter,
sehr erschwerte Expectoration. Belag geringer. Conjunctivitis rechts
Albuminurie. — 24. XII. Nach Verschlimmerung heute Früh Ath¬
mung leichter, kräftige Expectoration, Puls 128, Temp. 36,0, ver¬
mehrte Albuminurie. Unter Ikterus langsame Genesung.
Fall XXII. Maria K., 12jährig. 25. XII. erkrankt. — 26. XII.
Temp. 38,7, Puls 112. Rachendiphtherie. Injectio No III. — 28. XII.
Kein Fieber, Puls 80,0 etwas unregelmässig, stark hebenden Spitzen-
stoss, am Herzen sonst nichts zu finden. Her Belag hat sich noch
ausgebreitet, beginnt sich zu lösen; kein Eiweiss im Harn, sehr
ausgebreiteter Herpes labialis.
Mittheilungen über das Airol. 1 )
Von Dr. Merkel in Nürnberg.
Es sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Ersatz¬
mitteln für das Jodoform in den Handel gebracht worden. Ich
möchte hier nur an das Dermatol, Aristol, Tliiol, ferner auch
theilweise das Europium (besonders bei Ulcus molle empfohlen)
und das Losophan erinnern. Neuerdings ist nun ein I’ulver
empfohlen worden, von dein ich glaubt', dass ihm eine längere
Lebens- und Anwendungszeit beschieden ist, als den meisten andern
genannten, nämlich das Airol.
Das Airol stellt ein graugrünes, feines voluminöses Pulver
dar. Dasselbe.ist gerueh- und geschmacklos, an trockner Luft ver¬
ändert es sich nicht, während feuchte Luft und direkte Einwirkung
von Wasser den Körper in eine rothe Verbindung überführt. Das
Airol ist ein Wismuthoxyjodidgallat.
Dargestellt wird das Airol in der chemischen Fabrik in Basel,
während die ersten Versuche hiemit von II agier in Basel ge¬
macht wurden. Derselbe vergleicht, insbesondere Airol mit dem
nahe verwandten Dermatol — basisch gallussaures IN ismuth — und
auch mit dem allbekannten Jodoform.
Kr machte zunächst Untersuchungen über die giftigen Wir¬
kungen des Dermatol, Airol und Jodoform. Die Präparate wurden
in stcrilisirter physiel. Kochsalzlösung emulgirt und mit einer asep¬
tischen Spritze den Thieren subcutan in die Muskulatur oder intra-
{icri tonca 1 beige! »rächt.
Das Resultat war folgendes : Jodoform 1,0 pro Kilogr. Ka¬
ninchen und Meersehweinehen ist eine absolut tödtliehe Gabe und
zwar subcutan oder intraperitoneal. Bei der letztem Art der Dar¬
reichung tritt der Tod rascher ein. Kür Dermatol ist die doppelte
Dosis die entsprechende, bei Airol die 3—4 fache. Der Tod er¬
folgte hier als chronisch verlaufende Wismuthvergiftung (Gingivitis,
Schwarzfärbnng des Zahnfleisches und der Zähne, Diarrhoe). Auf
den Menschen übertragen kommen diese Gaben nicht als giftig
wirkend in Betracht, soweit man eben überhaupt mit solchen Tliier-
vcrsuchcn auf eine ähnliche Wirkungsweise beim Menschen rechnen
kann. Hie innere Darreichung (per os) dieses Mittels ist dagegen
in Hinsicht auf »Störungen in der .Magenwand — bei Dermatol
häufige Perforation der Magenwand, bei Airol Wismuthvergiftungcn
— nur mit üusserster Vorsicht, brauchbar. Es wird im Magen, wie
durch Control versuche festgesetzt wurde, das W ismuth aus dem
Airol ungemein rasch ausgeschieden und resurbirt, im Gegensatz
zum Bisin. subnitr., das bekanntlich in grossen Dosen reactiouslos
ertragen wird.
Im Anschluss an diese Untersuchungen über die Giftwirkung
der genannten Stoffe werden solche über die antiseptische Wirkung
von Dermatol, Airol und Jodoform gebracht. Hierüber möchte ich
kurz Folgendes mittheilen: Bei fast allen Bactcrienarten wird durch
.Jodoform das Wachsthum verzögert, theilweise sogar völlig liint-
angchalten. Abgctttdtet aber wurde nur Spir. choler. asiat. und zwar
in kurzer Zeit. Bei Abimpfen von mit Jodoform behandelten Kul¬
turen zeigt sieb das Wachsthuin beeinflusst. Die mit Airol be¬
handelten Kulturen ergaben dasselbe Endresultat, nur mit dem
Unterschied, dass in den ersten Tagen die NVachsthumbehindcrung
’) Vortrag gehalten im Aerztl. Verein Nürnberg.
grösser war als bei Jodoform. Der Grund hiefür ist wohl in der
ziemlich bedeutenden Jodabspaltung des Airols zu suchen. Der¬
matol ist hier fast total unwirksam.
Die Erfahrungen der AirolanWendung am Krankcumaterial
bilden den Schluss der Mittheilungeii von Hä gl er. Airol hat liier
vor dem Jodoform besonders zwei Dinge voraus : Das erste ist die
Fähigkeit, in Verbindung mit den warmen Körpersäften sofort
einen kleinen Tlieil Jod abzugeben; die zweite Eigenschaft ist der
Wismuthgehalt des Airols, hiedurch hat dasselbe eine grosse Fähig¬
keit austroeknend zu wirken, ohne dass es reizt; cs befördert den
Granulationsprucess und wirkt bei Eiterungen (insofern cs in die
Tiefe gebracht werden kann), hauptsächlich aber bei jauchigen
Processen, wie das Jodoform. Es wurde meist in trockener Form
mit dem Bläser oder imprägnirt in Gazestoff (selten in Salbcn-
form) angewendet. Das feine Pulver ist zum Zerstüul>en ausser¬
ordentlich angenehm, indem es sich überall gleiclmiässig vertheilt
und so bei Jlölileuwundcn in jede Tasche gebracht werden kann.
Besonders gute Dienste leistet Airol, wie auch vorauszusehen
war, bei ()bcrfläehoiiwuudou: Geschwüren und Brandwunden. Bei
Beingeschwüren trocknet Airol das Geschwür rasch aus, befördert
den Grnnulationsprocess und es tritt entschieden (in Verbindung
mit den immer hier angewendeten komprimirenden Verbünden) eine
raschere Ucbcrhäut-ung ein, als dies bei Anwendung des Jodoforms
z. B. geschieht.
Ich möchte hier einen Tlieil der von mir gemachten Erfah¬
rungen einfügo»: Ich habe bisher die l ntersehenkelgescliwüre, die
ich in Behändlung nahm, zuerst mit feuchten Sublimat-Verbänden
VltTO behandelt; dann, wenn sieh die Geschwüre so ziemlich ge¬
reinigt hatten, habe ich abgewechselt mit Borvaselin, Arg. nitr.-
Salbe i l/l(>o) und Sublimatverbümlen. Ich habe damit bisher ziem¬
lich gute Resultate gehabt, auch dann, wenn sich, was ja häufig
der Fall ist, die Patienten nicht die ganze Zeit legen konnten. Ich
lasse dann sog. Schlauehbinden darüber tragen. Die Gummibinden
habe ich gänzlich verlassen. In den Fällen nun, wo ich bisher
zum Borvaselin etc. überging, streue ich nun Airol auf und ich
kann sagen mit ausserordentlich gutem Erfolg. Die umgebende
Haut wird durch das Airol gar nicht gereizt und die Granulations-
bildung ist eine sehr gute und feste; was ich ferner noch beson¬
ders, wie auch Kahm , hervorheben kann, ist die starke Beschrän¬
kung der Secretion.
Ich komme noch einmal auf die Arbeit Hägler's zurück
wegen einer weiteren Anwendungswoiso des Airols. In der Basler
chirurgischen Poliklinik ist man nämlich zur UÜberzeugung ge¬
kommen, nachdem man eine Zeit lang von jedem Antiseptieum
sieh cmancipirt hatte, dass gerade in einer Poliklinik, wo so viele
Infeetionskeiine tagsüber zusammengetragen werden, ein moderirtes
und individualisirendos antiseptisches Vorgehen doch den Vorzug
vor dem rein aseptischen behält. Es gilt dies weniger für die
Operationswunden, als für frische und nicht frische Verletzungen,
welche in einer Industriestadt wie Basel oft mit ausgedehnter
Nekrose nach sieh ziehenden Quetschungen verbunden sind. Ge¬
rade bei solchen Maschinenverlctzungen erzielen nach den in Basel
gemachten Erfahrungen antiseptische Verbände ungleich bessere
Resultate, als das einfache trocken-aseptische Vorgehen. Früher
wurde hier — wie auch bei acut entzündlichen Processen der
Oberfläche — der Sublimatpricssnitz für einige Tage angewendet,
bis bei Wunden die Gefahr einer sieh rasch ausdnhiicudcn In-
fection als überwunden betrachtet werden konnte. In Basel hat
man mm als Ersatz dieser Sublimatverbünde Verbände angelegt,
wobei die Wunden mit Airol bestreut wurden, darüber wurden
sterilisirte Wasser-Verbünde gelegt. Die Resultate haben sieli als
den Sublimat-Vorhänden vollständig ebenbürtige erwiesen.
Ich habe mich diesem Vorgehen nicht ganz angeschlossen, und
zwar dosshulb, da ich auch heute noch dasselbe Verfahren übe, welches
ich vor nunmehr sieben Jahren im Krankenhaus geübt habe, und
womit ich so zufrieden bin, dass ich keinen Grund habe davon
abzugehen. Ich mache hei allen Quetschungen, sowie bei allen
frischen Wunden, bei denen ich nicht ganz sicher auf eine prima
reunio hoffen zu dürfen glaube, immer Sublimat-Guttapercha-Ver¬
bände. Neuerdings nehme ich nun nach einigen Tagen, wenn einer¬
seits keine Eiterung mehr zu fürchten ist, oder andererseits, wenn
ein gut aussehender Granulationsprocess sich eingestellt hat, ziem-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
158
18. Februar 1896-
ich dick aufgetragene Airol-Ein Streuungen, und hier muss ich
allerdings auch zugeben bezw. bestätigen, ich habe noch nie so
rasche und reactionslose Heilungen gesellen. Ich glaube dies um
so eher beurtheilen zu könuen, als ich die ganze — ich möchte
fast sagen — Jodoformzeit und späterhin Dermatoleinstreuungen
selbst mit durchgemacht habe.
Einen Punkt möchte ich hier noch speciell erwähnen, was
ich als besonders günstig bei der Airolbehaudlung gesehen habe.
Es ist mir hier nie wie früher so oft bei der Jodoformbehandlung
vnrgekommen, dass unter dem Schorf, der sich nach dem Ein¬
streuen auf der früheren Wunde bildete, nach einigen Tagen wieder
Eiter hervorgequolleu ist.
lieber zwei weitere Anwendungsweisen des Airols, über die
Behandlung von Hautkranken, insbesondere nässenden Ekzemen,
ferner über die Behandlung von tuberculösen Gelen kaff eetionen mit
Airol kann ich ans meinen eigenen Erfahrungen nichts mittheilen,
ich habe kein entsprechendes Kranken material gehabt, um hierüber
Versuche zu machen. Nach den Erfahrungen von Hägler scheint
Airol das Jodoform bei der Behandlung von tuberculösen Gelenk-
affectionen und kalten Abscessen nicht recht ersetzen zu können ;
angewendet wurde es in einer 10% Emulsion mit Glycerin und
Aq. aä.
In der Behandlung der Hautkrankheiten scheint Airol eher
eine Rolle spielen zu dürfen, wie Vciel in Cannstatt mittheilt.
Ich kann mich auf Grund meiner Beobachtungen völlig den
Schlussworten Hägler’s anschliessen, dass wir im Airol ein Trocken-
intisepticum haben, das alle Beachtung verdient. Es entspricht
den Postulaten, die wir an solche Pulverantiseptiea stellen, am
vollständigsten von den bisher bekannten ähnlichen Mitteln; es
darf dem Jodoform, was seine Wirksamkeit betrifft, wohl an die
Seite gestellt werden, übertrifft dasselbe sogar in einigen Beziehungen,
ohne die üblen Eigenschaften des Jodoform zu haben. Weitere
Versuche, besonders in der von mir angedeuteten Richtung, sind
jedoch noch erforderlich.
Errichtung von Heilanstalten zur Behandlung von
Lungenkrankheiten jeder Art,
speciell aber
iter Tuberculose mit den bei der Cellulosefabrikation sich
ergebenden Gasen und Dämpfen in den Cellulosefabriken. 1 )
Von J. A. Rosenberger in Würzburg.
Gegen die Errichtung von Sanatorien zur Behandlung von
Lungenkranken in Cellulosefabriken wäre vom hygienischen Stand¬
punkte aus nichts zu erinnern, vorausgesetzt, dass die Gebäude,
in denen die Kranken untergebracht werden sollen, gross genug
und genügend ventilirt sind. Es müsste ferner aber auch noch
verlangt werden, dass die Betriebsleitung und Überwachung einem
ipprobirten Arzte unterstellt würde, der von Zeit zu Zeit vom
Amtsärzte zu controlliren wäre.
Die Behauptung, dass durch Anhäufung von Lungenkranken
in Heilstätten eine Gefahr für die Umgebung derselben geschaffen
’ode, ist nicht richtig. Soll eine Uebertragung von Individuum
10 Individuum stattfinden, so gehört dazu ein ganz enger Verkehr,
•ne Erkrankung an Tuberculose setzt eine Disposition zu der-
voraus, die entweder angeboren oder erworben sein kann.
s Ums findet sich dann überall. Nach Davos, wo vielleicht
'grösste Anzahl von Tuberculösen beisammen ist, gehen jedes
» und so viele gesunde Engländer, um dort zu überwintern,
Saison bekanntlich dort erst im Winter beginnt. Ebenso
■ ^ en s I°k in Keichenhall und anderen Badeorten sehr viele
Y ^ Dkra uke, d. h. Tuberculöse, die keineswegs abgesondert sind.
uu einer da stattgehabten Infection durch einen Tuberculösen
f ^ nichts bekannt geworden. In neuester Zeit hat auch
. * shni, Hausarzt der Heilstätte Falkensteiu im Taunus 8 )
rrage für Falkenstein bearbeitet und ist auf Grund einer
eiuem » dem Medicinalau8SchuB8 von Unterfranken und
bUr f.erstatteten Referate und auf Wunsch des genannten
vE* v er PbRcirt
1 ®“Dch. med. Wochenschr. 1885. No. 40.
sehr gründlichen statistischen Arbeit zu dem Resultate gekommen,
dass die Anhäufung der Lungenkranken in Falkenstein gar keine
Gefahr für die Umgebung gebracht hat.
Der Tuberkelbacillus wurde im Staube von Krankenzimmern
und Eisenbahncoupd’s wohl nachgewiesen, aber er sowohl, wie
seine Sporen waren tot. Uebrigens ist die Beseitigung der Sputa,
die die Tuberkelbacillen enthalten, Sache dea leitenden Arztes und
zwar nach Prinzipien, die allgemein anerkannt sind.
Die Behandlung der Lungenkrankheiten mit den Dämpfen in
Cellulosefabriken ist eine Erfindung der Neuzeit, sie verdankt ihre
Entstehung der Erfindung des Tuberculins und den schlimmen Er¬
fahrungen, welche bald damit gemacht worden sind. Ein gewisser
Herr Dr. Oerm aus Elmhult-Delary in Schweden wurde durch die
Koch-Begeisterung auch nach Berlin gelockt, um das neue Ver¬
fahren zu studiren. Als man sich leider Behr bald Überzeugen
musste, dass zu früh frohlockt war, erinnerte sich dieser Arzt, dass
in nächster Umgebung und ganz besonders unter den Natron-Zell¬
stoff-Fabrikarbeitern Delarys seit langen Jahren Niemand an dieser
Krankheit gestorben sei. Da aber das Land meilenweit dieselben
klimatischen Verhältnisse hat, so sagte er sich, dass die Fabrik
daran schuld sein müsse. Diese seine Vermuthung wurde dadurch
glänzend bestätigt, dass ein an Tuberculose erkrankter Realschüler,
bei dem nach der Ansicht seines behandelnden Arztes jede Aussicht
auf Genesung ausgeschlossen war, durch Einathmung der Dämpfe
in der Cellulosefabrik zu Delary sehr bald geheilt wurde. Diese
Beobachtung wurde in No. 39 dea Jahrganges 1891 der Papier Zeitung
von dem Director der Fabrik, Herrn C. Hennefeld, besprochen.
Dadurch angeregt, machte Emil Ndmethy aus Fuji in Japan in
No. 67 desselben Jahrganges die Mittheilung, dass er im Jahre 1885
in der Papierfabrik zu Pilsen sehr rasch von einem alten hartnäckigen
Halsleiden befreit wurde, nachdem die Fabrik durch eine Zellstoff-
Anlage vergrössert worden war. N ö m e t h y schreibt seine Heilung
der Einathmung von Schweflig-Säure-Dämpfen zu und gibt ein Ver¬
fahren an, wie man sich im Zimmer die schweflige Säure bereiten
soll. In No. 10 des Jahrganges 1892 derselben Zeitung findet sich
schon eine Notitz, dass das „Christiania Morgenblad“ die Mittheilung
gebracht habe, dass in den Sulfat-Zellstoff-Fabriken Moos, Bamble
und Ran heim die ersten Patienten zur Einathmung von Dämpfen
erschienen seien.
In No. 16 desselben Jahrganges schreibt ein gewisser Herr
Knüsel aus Dresden-Plauen über die günstigen Wirkungen der
Zellstoff-Dämpfe bei Lungenerkrankungen. Eigeiithümlich berührt
es, wenn man in derselben Nummer von einer grossen Ueber-
production von Zellstoff liest. In No. 18 des Jahrganges 1892 tritt
wieder Herr Ndmethy aus Japan auf, um Herrn Hennefeld,
der den von ihm gemachten Vorschlag zur Einathmung schwefliger
Säure nicht ernst nehmen wollte, zurechtzuweisen und seinen Stand¬
punkt zu wahren. Nömetby fühlt selbst, dass die Erörterung
eines so heiklen Themas, wie die Heilbarkeit der Tuberculose durch
Laien, vielen Lesern zwecklos, ja vielleicht lächerlich oder schädlich
erscheinen möge, umsomehr, als es, wie die Zeitungen meldeten,
Herrn Dr. Koch nunmehr gelungen sei, im Verein mit Professor
Klebs in Zürich das Tuberculin von seinen schädlichen Bestand-
theilen zu befreien und mit dem verbesserten Mittel, dem Tuber-
culocidin, günstige Heilerfolge zu erzielen. Er entschuldigt sich mit
einem schönen Spruche, den er einmal in der Papier-Zeitung gelesen
haben will, nämlich:
Kannst Du nicht Dombaumeister sein,
Füge als Werkmann Stein auf Stein;
Fehlt Dir auch dazu Geschick und Verstand,
Trage Mörtel herbei und Sand.
Von diesem Gesichtspunkte aus hofft Ndmethy, dass der
Dombaumeister Koch den Sandmännern ihre gutgemeinte, wenn
auch unberufene Einmischung verzeihen wird.
Im Dezember 1892 berichtet ein Anonymus über einen an sich
selbst gemachten Versuch, nicht zu verwechseln mit Beobachtung.
Auf einem grösseren Ausfluge, der vollständig verregnet wurde, zog
sich der Unbekannte eine „ziemlich starke Erkältung, Schnupfen,
Husten und sogar etwas Lungenkatarrh“ zu. Er erhitzte nun
Schwefel bis zum Schmelzen und endlichen Verbrennen, nach der
von Ndmethy vorgeschlagenen Methode. Der Erfolg war eine
kleine Erleichterung, welche sich jedoch nicht als nachhaltig erwies.
Daraus zog er nun grosse Schlüsse über das Abtödten der
Bacterien beim Schnupfen durch schweflige Säure und behauptet
zum Schlüsse, dass sich aus seinem Versuche ergebe, dass die
schweflige Säure nicht die gleiche günstige Einwirkung auf erkrankte
Athmungsorgane habe, wie das Gemisch von Gasen und Dämpfen
in den Zellstoff-Fabriken.
Auf demselben Niveau des wissenschaftlichen Werthes befinden
sich fast alle weiteren Mittheilungen der Papier-Zeitung über
dieses Thema.
Im Jahre 1892 erschien auch eine populär - wissenschaftlich
gehaltene Brochüre von einem amerikanischen Arzte Franz Hart¬
mann, die etwas mehr Beachtung verdient. Dieselbe trägt den
Titel: „Ueber eine neue Heilmethode zur Heilung von Lungen-
tuberculose, Katarrh, Influenza und anderen Krankheiten der
Athmungsorgane vermittelst der Einathmung gewisser Gase und
8
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154
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 7.
Dämpfe aus der bei der Cellulose-Fabrikation gebrauchten Koch¬
flüssigkeit.“ Leipzig, Wilhelm Friedrich. Genannter Arzt will
schon 1870 verschiedene, aber noch unvollständige Beobachtungen
über den günstigen Einfluss der schwefligen Säure in gewissen Ver¬
bindungen, auf verschiedenartige Erkrankungen der Athmungsorgane
gemacht, denselben aber keine ausserordentliche Bedeutung zu¬
geschrieben haben Vor einigen Jahren, als er sich in Hallein,
Oesterreich, woselbst sich eine Sulflt-Cellulose-Fabrik befindet, nieder¬
gelassen hatte, wurde seine Aufmerksamkeit wieder dadurch angeregt,
dass die Bewohner der Umgebung den Gasen, mit welchen die Luft
in der Nähe der chemischen Abtheilung geschwängert ist, grosse Heil¬
kraft bei verschiedenen Erkrankungen der Athmungsorgane zu¬
schrieben und desshalb oft um die Erlaubnis» nachsuchten, einige
Stunden in der Fabrik verweilen zu dürfen, wenn sie mit Katarrh,
Influenza und dergleichen behaftet waren. Von den Fabrikiirzten
ähnlicher Anstalten wurde bestätigt, dass Arbeiter, welche mit allen
Anzeichen einer Lungen- oder Kehlkopf-Tuberculose behaftet, in
die Fabrik eintraten, sich in kurzer Zeit über alle Erwartung er¬
holten. In Folge ähnlicher Beobachtungen und noch mehr in Folge
einer an sich selbst gemachten Erfahrung, nämlich der schnellen
Heilung einer hartnäckigen Bronchitis, welche ihm nach einer Er
krankung an Influenza geblieben war, die aber durch Inhalationen
der aus der Kocherlauge gewonnenen Gase vermittelst einer Wulff-
sehen Flasche sehr bald verschwand, entschloss sich Dr. Hart m u n n ,
dasselbe Mittel auch bei Kranken ausserhalb der Fabrik zu ver¬
suchen.
Ursprünglich wurde zu diesem Versuche die gewöhnliche
Kocherlauge benutzt, welche in einem gewissen Stadium des Koch
processeB den Cellulose-Kochern entnommen war. Es stellten sich
bei Verwendung derselben in rohem Zustande bald manche Uebel-
stände heraus, wie der Gehalt an freier schwefliger Säure, welche
einen unangenehmen Reiz auf den Kehlkopf• ausübte; dann die
Ungleichmässigkeit des Präparates, je nach den zur Cellulose-
Fabrikation verwendeten Holzgattungen und schliesslich die geringe
Haltbarkeit der Lauge, in welcher sich während der Aufbewahrung
Essigsäure und andere chemische Verbindungen bildeten.
Nach einigen Versuchen wurde unter Mitwirkung eines Herren
Dr. Kellner ein Präparat hergestellt, das alle Ansprüche erfüllte,
und dem der Name: «Dr. Hartmanns Lignosulfit» beigelegt
wurde. Dasselbe stellt eine Flüssigkeit dar, in welcher ausser
einigen bedeutungslosen Mineralstoffen Verbindungen von schwef¬
liger Säure S O 2 mit Dextrin und glycoseartigen Substanzen des
Holzes, zum Theile flüchtigen Verbindungen der S Oa mit ätherischen
und balsamischen Stoffen in Form von sulfinsauren Verbindungen
enthalten sind. Die Flüssigkeit besitzt einen scharfen Geruch, aber
ein nicht unangenehmes Aroma. Das Wirksame soll die schweflige
Säure sein, welche die Krankheitserreger in der Lunge tödtet, während
sie den Lebensprocess warmblütiger Wesen vollständig unberührt lässt.
Am 2 . Oktober 1692 wurde in Hallein ein Inhalatorium für
Dr. Hartmann's Lignosulfit errichtet. Nachdem über ein Jahr
lang verschiedene Versuche angestellt waren, gab Dr. Hart mann
eine neue Brochüre, aber diesmal für Aerzte heraus mit dem Titel:
Die neue Behandlungsweise zur Heilung der Lungentuberculose und
anderer Krankheiten der Athmungsorgane durch Inhalationen von
Lignosulfit. Mit einer Beschreibung der Erfolge im ersten Inhala¬
torium zu Hallein-Burgfried bei Salzburg. Wien 1895. Verlag von
Karl Kravani, VI Mariahilfstrasse No. 64.
Die verhftitnissmässig geringe Zahl von behandelten Fällen
wird in der Brochüre von dem Fabrikarzte Dr. Stan ko beschrieben.
Die Erfolge sind so günstig, dass für St an ko zweifellos festgestelll.
ist, dass das Lignosulfit eine überraschende Heilwirkung bei
chronischen Katarrhen, Influenza und Tuberculose, ja selbst in weit
vorgeschrittenem Stadium bat. Aöer auch bei hartnäckigen Haut
krankheiten, wie Psoriasis, Eezem und dergleichen sollen Ein-
pinselungen überraschend schnelle Heilungen herbei
geführt haben.
Das Lignosulfit kommt dadurch zur Anwendung, dass man
demselben im Zimmer bei geschlossenen Thüren und Fenstern, so
dass kein Luftzug entstehen kann, eine möglichst grosse Ver
dunstuugsoberfläche darbietet, wodurch die Luft mit den Producten
der Verdunstung geschwängert wird. Dies geschieht durch eine
Art von Gradirwerk, indem verschiedene Tanuenzweige übereinander
geschlichtet werden, durch die das Lignosulfit fortwährend abtropft.
Auch anderes Material, wie 8trauchholz, Stroh und dergleichen
erfüllt denselben Zweck. Für den Hausgebrauch sind ähnliche
Apparate in kleinerem Massstabe nöthig. Hat man einen solchen
nicht zur Hand, so kann man die Verdunstung auch auf einem
Teller oder noch besser auf TanneDzweigen oder dergleichen, die
auf einer Schüssel liegen, vor sich gehen lassen. Eine andere Art
der Anwendung ist, das Lignosulfit mittelst einer Wulff'sehen
Flasche einathmen zu lassen. Derartige Apparate können in der
Tasche getragen und beim Spaziergange verwendet werden. Das
Inhaliren geschieht ohne irgend welche künstliche Vorrichtung. Die
Patienten athmen, wie in gewöhnlicher Luft, sie können dabei lesen,
schreiben, spielen und sich unterhalten, ja es empfiehlt sich sogar,
nebenbei noch andere geeignete Hilfsmittel, wie schwedische Heil
gymnastik, Kaltwaaser-Curen und Massage zu gebrauchen, dagegen
sind Beschäftigungen, welche ein Zusammenpressen des Brustkorbes
evrursachen, wie Nähen, Stricken u. s. w. zu vermeiden. Ist der
Mensch an eine mit Lignosulfit gesättigte Luft nicht gewöhnt, so
bekommt er unangenehme Empfindungen auf den der Luft lugäng-
liehen Schleimhäuten; die Augen thränen, Niessen, Hustenreiz und
beengendes Gefühl auf der Brust stellt sich ein. Diese Erscheinungen
schwinden, sobald sich der Mensch daran gewöhnt hat, was sehr
bald der Fall ist, sodass die Patienten, gleichviel mit welcher Er¬
krankung die Athmungsorgane behaftet sind, auch in einer sehr
stark gesättigten Atmosphäre ohne unangenehme Empfindung ver¬
weilen können. Pan übertriebenes Inhaliren empfiehlt sich nicht,
weil sonst Diarrhöen und Magenverstimmungen, Aufstossen etc..etc.
eintreten.
Anfangs verstärkt sich der Husten und eine reichlichere Ab¬
sonderung des Sputums soll sich bemerkbar machen Bei Phthisikern
schwindet der quälende, trockene Husten. In der II. und III. Woche
sinkt das Fieber und es verschwinden die nächtlichen Schweisse.
Der Appetit hebt sich, der Gemüthszustand bessert sich und die
Genesung schreitet vorwärts. Am leichtesten heilen Tuberculöse
im ersten und zweiten Stadium, aber auch Tuberculöse mit Cavernen
und Geschwüren im Halse sollen der Hoffnung auf Wiederherstellung
ihrer Gesundheit nicht beraubt sein.
Die mikroskopischen Beobachtungen stimmen nach den von
Hartman n gegebenen Schilderungen mit denen überein, welche
man bei der Behandlung mit Tuberculin gemacht hat Die Stäbchen
schnüren sich in 3 oder 4 Stücke ab, um vollständig zu degeneriren.
Sie treiben immer weniger Sporen, vermindern sich desshalb, um
schliesslich ganz zu schwinden. Manchmal soll es auch Vorkommen,
dass nach scheinbarem vollständigen Verschwinden der Bacillen sich
wieder eine bedeutende Menge derselben zeigt. Dies soll sich bei
der allgemeinen fortschreitenden Besserung des Ernährungszustandes
und sämmtlicher Symptome der Schwindsucht durch Absonderung
aus tiefer gelegenen Tuberkelherden erklären. Elastische Fasern
sollen noch lange Zeit nach dein Verschwinden der Tuberkel-Bacillen
im Sputum sich finden, was leicht damit zu erklären ist, dass bis
zur Ausheilung von Cavernen längere Zeit erforderlich ist.
Wenn auch das Lignosulfit keine schädlichen Nebeneinwirkungen
auf den Organismus ausüben soll, da ja keine freie schweflige Säure,
sondern nur flüchtige schwefligsaure Lignin-Verbindungen zur Ein-
athmung gelangen, so soll die Behandlung doch unter einem mit
diesem Verfahren betrauten Arzte staufinden, da sich die schon
erwähnten Diarrhöen und Magenverstimmungen bei richtiger An¬
wendung vermeiden lassen.
Das Hartmann'sche Lignosulfit wird z. Z. in Hallein bei
Salzburg dargestellt und der Verkauf desselben, sowie der Ver¬
dunstung»- und Inhalationsapparate befindet sich in den Händen
des Herrn Dr. Sedlitzky, k. k. Hofapotheker in Salzburg, welcher
im Begriffe ist, in allen grösseren Städten Centralstellen zum Ver¬
kaufe zu errichten. Ausser der ersten Versuchsstation zu Hallein
sind Inhalatorien theils errichtet, theils in der Entstehung begriffen,
wie in Meran von Qu ehl, in Ems von Quehl, in Mentone von
Dr. Appenzeller, in Cannes von Dr. Appenzeller und in
Reichenhall von II. H. Zerzog. Ferner sollen aus verschiedenen
anderen Städten Anfragen vorüegen, ebenso sollen auch iu Falkeu-
stein seit einiger Zeit Versuche mit Einathmungen von Lignosulfit
gemacht werden.
Aus einem Briefe des Herrn Dr Schubert aus Reinerz in
Schlesien, pubiieirt in No 32 der Papier-Zeitung des vorigen Jahres,
geht hervor, dass nach seiner Ueberzengung die Einathmung von
Sulfitdämpfen von gutem Einflüsse auf die Heilung der Tuberculose
sei, wenn nicht ein schon zu weit vorgeschrittenes Stadium vorliege.
Er verspricht, wo es möglich ist, inhaliren zu lassen, schon aus
dem Grunde, weil kein Mittel so schnell, so energisch und gründlich,
dabei ganz unschädlich und ohne üble Nebenwirkungen die Lunge
vom alten Schleim reinigt und die Atbmung frei macht. Die Er¬
richtung einer Anstalt in einem Curorte hält er vorläufig für nicht
geeignet, da erst noch mehr Erfahrungen gesammelt werden müssen.
Auf der laryngologischen Abtheilung des Professors Dr. Chiarl
an der Poliklinik zu Wien wurde im März vorigen Jahres ein In¬
halatorium für Lignosulfit eingerichtet und im September schon
bringt Dr. Albert Heindl, Assistenzarzt der genannten Klinik, auf
Wunsch des Herrn Professors Chiari vorläufige Mittheilungen über
die Wirkungen von Lignosulfit-Inhalationen bei Kehlkopf- und Lungen¬
tuberculose in der Wiener klinischen Wochenschrift. Heindl bestätigt
im Allgemeinen die Beobachtungen Hartmann's und kommt zu
folgenden Schlüssen:
I. Diese Art der Behandlung der Tuberculose der oberen Luft¬
wege ist einer Beobachtung werth und würdig eines weiteren genauen
Studiums.
II. Eine schädliche Wirkung konnten wir nur bei frischen
Wunden im Kehlkopfe, in den Lungen nur aus dem zweimaligen
Auftreten von Haemoptoe constatiren, wcsshalb eine gewisse Vor¬
sicht und Ueberwachung der Patienten, wie dies in Spitälern oder
Heilanstalten leicht möglich ist, wohl geratben erscheint.
III. Der günstige Einfluss auf Patienten, welche an Lungen¬
phthise leiden, scheint festzustehen. Dafür sprechen; das baldige,
subjective Wohlbefinden derselben, die Zunahme an Körperkraft,
Aussehen und oft auch Gewicht, das Schwinden des Fiebers, der
Nachtschweisse, Athemnoth, Schmerzen und Appetitlosigkeit. Mög¬
lich, dass auch der Eintritt besserer Jahreszeit zu dem Zustande¬
kommen dieser Resultate beigetragen hat, doch ist dies in solchem
Grade kaum denkbar. (Die Beobachtungen reichen von Mitte Mär*
bis Ende Juli.)
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18. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
155
IV. Al« directes Heilmittel gegen die Tuberculose kann ich es
jedoch nach dem Bisherigen nicht erkennen, denn erstens «eigen
di« Spat« nicht die Eigenschaft, dass man daraus einen bestimmten
Schlum ziehen könnte. Die Bacillen fanden sich im Sputum so
wie ohne jede Behandlung, manchmal zahlreicher, minder zahlreich
oder gar nicht. Auch die dem Lignosulfit von anderer Seite zuge¬
schriebene zerstörende Wirkung auf den Bacillus konnte von uns
nkht conatatirt werden, da Degenerationsformen oft gerade in den
Sputis vom Beginn der Behandlung zu treffen waren.
Zweitens hielten sich die Befunde, welche uns die Auscultation
und Percussion lieferten, auch noch immer betreffs ihrer Schwank¬
ungen innerhalb jener Grenzen, wie man sie bei längerer Beob¬
achtung eines Phthisikers zu sehen gewohnt ist.
V. Die häufig beobachtete günstige Wirkung auf den Gesammt-
organismus könnte vielleicht — wenn ich mir erlauben darf, meine
ursprüngliche Erklärung zu wiederholen — darauf zurückgeführt
werden, dass das Lignosulfit durch seine expectorirende und des-
inficirende Wirkung, die Entfernung der in den Luftwegen stag-
nirenden Massen bewirkt, einen weiteren Zerfall der Gewebe hint-
aohält und so eine Jnfectiou des Gesammtorganismus durch Resorp¬
tion von Zersetzungsproducten verhindert.
Der nun folgende Ausfall von Fieber, Xaehtschweissen,
Schwäche und Appetitlosigkeit wäre meiner Ansicht nach die natür¬
liche Folge davon.
Nach einem Gutachten des Herrn Bezirksarztes Dr. Nieden-
thal in Alzenau sind auch in der dortigen Cellulosefabrik bereits
drei Heilungen von Tuberculose vorgekommen.
Wenn man die Litteratur über die Behandlung der Lungen¬
krankheiten, speciell der Tuberculose mit Lignosulfit, bezw. mit den
bei der Cellulose-Fabrikation gewonnenen Gasen und Dämpfen auf¬
merksam prüft, so muss man zur Ueberzeugung gelangen, dass
durchaus noch kein Beweis dafür erbracht ist, dass die genannten
Mittel eine epecifische Wirkung gegen Tuberculose besitzen. Die
Erfahrungen und Beobachtungen von Laien können desshalb un¬
möglich in Betracht gezogen werden, weil die richtige Diagnose
fehlt. Das Material aber, welches von Aerzten erbracht wurde, ist
noch viel zu klein, um in einer solch wichtigen Frage beweiskräftig
tu sein Tuberculose, die als geheilt betrachtet werden sollen,
müssen viel länger beobachtet werden. Der älteste Fall, welcher
von Dr. Oerm augeblich geheilt und in der Papier-Zeitung ganz
oberflächlich von einem Laien beschrieben wurde, stammt aus dem
Jahre 1891. Ueber das Schicksal desselben hat man nichts ver¬
nommen. Dass die Tuberculose heilbar ist und dass solche Kranke
auch ohne jede Behandlung hie und da schon geheilt sind, ist eine
Thateache. Der vorerwähnte Patient war ein Realschüler, der von
seinem früheren Arzte von der Stadt Malmoe weg und auf's Land
nach Delary geschickt wurde. Es ist desshalb nicht festgestellt,
was in diesem Falle die Heilung herbeigeführt hat, der Aufenthalt
in frischer Luft ohne Sorgen für die Schule oder die Einathmung
der Dämpfe in der Cellulosefabrik oder Beides zusammen.
Aehnliche Bedenken lassen sich bei anderen Patienten erheben,
welche aus ungünstigen Verhältnissen und aus einem angestrengten
Berufe herauskamen und lediglich zur Cur in eine Fabrik oder gar
in das Inhalatorium zu Hallein geschickt wurden. Die schönen
Curen, welche bei guter Verpflegung in einer gesunden Waldluft,
im Gebirge oder gar in Höhencurorten gemacht werden, sind jedem
Arzt bekannt, leider aber auch der rasche Umschlag, wenn solche
Kranke wieder in andere Verhältnisse kommen
Es kann nicht bezweifelt werden, dass einmal ein Mittel gegen
die Tuberculose gefunden wird. Von diesem Mittel braucht dann
durchaus nicht verlangt zu werden, dass e8 sich in jedem Falle,
bezw. in jedem Stadium der Erkrankung bewährt, es würde schon
als ein 8pecificum betrachtet werden können, wenn es die Tuber-
culoee im Anfangsstadium und ohne weitere Nebenkrankheiteu zur
Heilung bringt. Für das Lignosulfit steht dieser Beweis vorerst
noch aus.
Sämmtliche fünf Aerzte, welche die in Frage stehende Behand¬
lungsweise der Tuberculose in Anwendung gezogen haben, empfehlen
dieselbe, ohne dass jedoch alle an eine specifische Wirkung glauben.
Heind 1, welcher seine Beobachtungen an der Wiener Poliklinik
gemacht hat und dessen Arbeit wohl den grössten Anspruch auf
Wissenschaftlichkeit machen kann, spricht es sogar aus, dass er
da«lignosulfit nicht als ein directes Mittel gegen die Tuberculose
efltennen kann. Er erklärt sich den günstigen Einfluss ganz in
derselben Weise, wie es Dr. Schubert in Reinerz schon ein halbes
Jahr vorher gethan hat, durch die expectorirende und des-
mficirende Wirkung, wodurch die in den Luftwegen
atagnirenden Massen entfernt werden, sodass sie sich
uicbt weiter zersetzen und den Gesammtorganismus
durch Resorption der Zersetzungsproducte nicht infi-
ciren können, wodurch dann die ungünstigen Folgen,
wie Fieber, Nachtschweisse, Schwäche und Appetit¬
losigkeit in Wegfall kommen. Sei dem, wie ihm wolle! —
>achdem die günstige Wirkung des Lignosulfit's von fünf Aerzten
^erkannt brt, verdient dasselbe auch in weiteren Fällen geprüft zu
werden. Dies kann von Jedermann und unter allen Lebensverhält-
«g* * n Anwendung gezogen werden, es ist desshalb durchaus
uicht nöthig, dass der Kranke ein eigenes Banatorium besucht, sinte-
®a* Hartmann auch Bchon Zimmer ja sogar Taschenapparate
Nr die Strasse constrnirt hat und das Lignosulfit jetzt schon zu
beziehen ist und demnächst wohl in allen Apotheken zu haben sein
wird.
Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus erscheint es desshalb
geboten, dass die Errichtung von öffentlichen Sanatorien für ein
vorerst noch so zweifelhaftes Mittel so lange unterbleibt, bis dessen
sichere Wirkung durch weitere Beobachtungen unumstösslich fest¬
gestellt ist.
Operative Entfernung einer Nadel aus der Hand nach
mehrjährigem Aufenthalt.
Von Dr. Max. Breitung in Coburg.
Knabe 0. K., 9 Jahre alt, wurde mir am 8. ds. Mts. vorge-
führt wegen Schwerhörigkeit. Bei dieser Gelegenheit zeigte mir der
Vater des Knaben eine eigenthümliche, bewegliche Geschwulst am
linken Unterarm und bat um Aufklärung. Er gab an, dass die
Geschwulst ihren Sitz verändere Vor 4 Jahren schon habe er den
Knaben untersuchen lassen, der Arzt habe erklärt, die verschieb¬
liche Geschwulst sei eine dicke Sehne. Die Untersuchung liees mir
keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es sich um einen mar-
sebirenden Fremdkörper, jedenfalls eine Nadel handelte. Ich hätte
nun gern erst eine Aufnahme mit X-Licht gemacht, wenn ich nicht
— wie oft in solchen Fällen! — gerade keine brauchbare Röhre bei
der Hand gehabt hätte. Denn die Hittorf'sehen Röhren ver¬
sagen, wenn sie sich erhitzt haben. Da ich nun den Fremdkörper
in einer für den chirurgischen Angriff günstigen Lage einmal hatte,
besann ich mich nicht lange, schnitt ein und entfernte eine über
4 cm lange Nähnadel mit ausgebrochenem Oehr und abgebrochener
Spitze. Die Nadel war gleicbmässig schwarz Heilung erfolgte bei
vollkommener Asepsis unter einem Verband. (Loretin.) Wie lange
die Nadel im Körper war, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls ist
man von der Wahrheit nicht allzuweit entfernt, wenn man annimmt,
dass dieselbe Bich zu einer Zeit in den Körper eingeschlichen hat,
in der das Kind noch rutschte, noch nicht gehen konnte.
Es thut mir leid, dass ich ohne Röntgen fertig geworden
bin; ich weise wohl, dass es ganz unmodern ist, eine Nadel un-
photographirt zu entfernen.
in diesem Falle musste aber doch das wissenschaftliche In¬
teresse dem sehr viel concreteren des Patienten weichen. Salus
aegroti suprema lex!
Feuilleton.
Pensionsverein für Wittwen und Waisen bayerischer
Aerzte.
Die Aerztekammer von Mittelfranken hat in ihrer Sitzung vom
•J9. Oktober 1895 auf einen Namens des Bezirksvereins Nürnberg
gestellten Antrag und nach Anhörung »1er diesem Anträge bei¬
gegebenen Motive die nachstehende Resolution gefasst:
«Die Aerztekammer erkennt die Wichtigkeit der Erhaltung des
im Pensionsverein angesaramelteu grossen Vermögens für die Ge-
sammtheit der bayerischen Aerzte an, schliesst sich im Allgemeinen
«len Ausführungen des Antragstellers vollkommen an. Sie gibt
«lemselben die Erlaubnis», diese Meinung der Aerztekammer an
den KreiHausschuss des Pensionsvereins für Mittelfranken, sowie
durch diesen an die anderen Kreisausechüsse gelangen zu lassen,
um die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung
des Pensionsvereins mit der Tagesordnung einer zeitgemässeu Um¬
wandlung desselben herbeizuführen».
Der Verwaltumrsrath des Pensionsvereins für Wittwen und
Waisen bayerischer Aerzte hat zu dieser Resolution Stellung genommen
und gibt seiner Meinung in vorwürfiger Sache biemit Ausdruck.
Aus dem Wortlaute der beschlossenen Resolution erhellt die
Absicht des Antragstellers wie der Aerztekammer auf Einberufung
einer ausserordentlichen Generalversammlung des Pensiousvereins
zu dem Zwecke, um letzteren, bezw. dessen Satzungen einer Um¬
wandlung zu unterstellen.
Was die für eine solche Maassregel bestimmenden Gründe
anlangt, so erscheinen dieselben theils in der Resolution selbst,
theils in den Motiven zum Anträge erläutert-, es ist einerseits die
Befürchtung, dass bei dem dermaligen schwachen Neuzugange von
Mitgliedern der Pensionsverein mit der Zeit sich auflösen und das
Vermögen desselben dem edlen Zwecke verloren gehen könnte; es
ist andererseits die Hoffnung, dass durch eine Umgestaltung der
Statuten dem Vereine eine erhöhte Anziehungskraft, neue Mitglieder
und damit neues Leben zugehen werden.
Der schwache Beitritt wird im Referate mit ungenügenden
Leistungen des Vereins begründet, ungenügend nicht nur, weil die
den Wittwen und Waisen gewährten Pensionen allzu gering, sondern
auch, weil diese Pensionen nicht auf die Aerzte selbst ausgedehnt
seien, ungenügend endlich deswegen, weil das Wittwer gewordene
Mitglied die gemachten Einzahlungen nicht ersetzt bekommt.
Die Hoffnung, dass der Verein mit geänderter Verfassung zu
höherer Blüthe gelangen werde, stützt sich nach dem Referate auf
3*
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münchbnbr mb dicinische w ooggNgcmgT.
No. 7.
156 _
_äaHÄ'SSBSÄ 6
berg E TÄre n AuS»™ B erscbeint bei vüllig objectiver Betracht-
nähme als ausgeschlossen. de8 bezüg i ic hen Referates dieser
Denn wenn auch im Verla hiedene 8 n stellen zu vermissen
Standpunkt der Objectiv:Unmittelbarem Zusammenhänge mit der
ist, wenn dort auch m Vereinsvermögens die Leistungen
Gonstatirung des jetzig;en for derungen der Jetztzeit nicht ent-
als nicht genügend, als den Antorae werden> B0 kann
sprechend, als herabgesetzt stet1 *verfassunK des Vereins, Angesichts
tMtzdemAngesichts der-derzeit generhoben
des vor 2 Jahren von mer AutontÄt irnje^ Gen eral-
und mit den Verhandlungen d , über die Lebens- und
Versammlung veröffentlichten . icbt8 der i n dieser General-
Leistungsf ähigkeit deB ’ ngsvlrständigen Mitgliede des Ver-
versammlung von dem rec■ * 3 der Tagesordnung
waltungsrathes zu den j JL, endlich der einstimmigen Beschluss-
über di - e8G ADträge -=" ^fL^Vnrhalt.
1 _t_ ..L4 oi.llrnmmPD . als wolle
fassung der G ®“ e ^e^ a “E wolle dem Pensionsvereine der Vorhalt
doch nicht aufkommen, als er zur Ze it leisten könnte,
gemacht werden er leiste wenig , Mitglieder an den Verein sind
Die dermaligen Zahlungen a , für eine Pension von
nach den Bru J? e , Bche ? 6 Der seinerzeitige Zwangsbeitritt mit
1006. = 171 M. berechnet. Der sexnerae g ^ ^ peilsionBfond
der Folge der Ansammlung t^osser Mitt ^ stock f on ds haben
und die hochherzigen Schenku g . andererseits
einerseits zur Erhöhung der Insoweit nun die
zur Gewährung ® pln die Erhöhung der Pension, ohne
erstere dieser beiden Ma8sreg_ ’ d ® erische G r U ndlage verschoben
entsprechendes Aequivalent d enB i on8 { 0 nds stark belastet hat,
und im Laufe der^ Jahre d «"^X™ammlung vom Jahre 1888
musste, wie dies schon in de p r n G ^ ra S a Erg ä nzung der Pensions-
“
die Dividende musste herabgesetzt werden. Pension
auitaucbende 1 S
ÄlpSÜj tat d*-. «B unmöglich, »,
den Verwaltungsrath nicht vorhanden. ,
dem nm«ons? 6 bezabU habe, - bedürfen kurzer Richtigstellung.
gaDZ ÄÄÄ niemals die Absicht hatte oder b*
thätiete neue Mitglieder zu pressen, lehrt ein Blick in den Berich
üb« die Verhandlungen der Generalversammlung vom Jahre «
Hinsichtlich der für unbemittelte Aerzte aus den Zinsen des
Stockfonds geleisteten Zahlungen darf constatirt werde " > d “ B ,^ b
j pr diesbezüglichen Ausgabe im Durchschnittsbetrage von jährlich
drca 250 Ä S eminent humanitärer Zweck nämlich die Sicherung
de? Pension für die Hinterbliebenen dieser Unbemittelten, erregt
wurde, während die Vertbeilung der genannten 8 ?““® “
mit Pension bedachten Wittwen offenbar ohne jede finanzielle Wir
kung für das Individuum gewesen wäre.
Mit der Behauptung, dass der Arzt, der das Unglück hat,
seine Frau zu verlieren, alle Beiträge ganz umsonst bezahlt habe,
verlässt das Referat den Boden vollständig, auf wel an Wer
Fragen ausgetragen werden können, den Boden der pnmihven Ver-
Sherungsgrandfätze. Der Arzt, der 10, 20 oder 30 Jahre lang an
den Verein bezahlt hat, bezahlte 10, 20 oder 30 Jahre langfür den
Anspruch, den seine Frau bezw. Wittwe un Falle seines Vorablebens
an den Verein erheben durfte. Der Verein hatte das Risiko und
dafür musste der Mann zahlen. Wer wird behaupten, er habe seine
Feuerversicherungsprämie ganz umsonst entrichtet, weil es bei ihm
noch nicht gebrannt hat?
Etwas anderes ist es, wenn die Frage aufgeworfen wird, ob
es nicht möglich wäre, unter Abänderung der Statuten durch erhöhte
Zahlungen dem Mitgliede das Recht auf Rückgabe seiner Beiträge,
für den Fall er Wittwer wird, zu sichern, und dies führt zu dem
Standpunkte, von welchem aus der Verwaltungsrath, wie oben
gesagt, die ganze Sache einzig und allein auffasst und von welchem
aus einzig und allein über den Antrag des Bezirksvereins Nürnberg
discutirt werden kann: zu dem Standpunkte einer beabsichtigten
Verfassungsänderung des Vereins.
Hier darf nun allerdings nur mehr gerechnet werden. - Hier
musB der persönliche Eindruck, dass der Betrag von 1200 000 M.
ein bedeutendes Vermögen sei, in den Hintergrund treten. Jedes
Gefühl, jeder Wunsch, ist hier in trockene Zahlen umzusetzen, und
je schöner dieses Gefühl, je höher der Wunsch, umso grösser
die Zahlen.
. , mftl »ii c h sein, die Beiträge neu eintretender
Zweifellos ^rd es m ghch beBtimmen> d ass im Falle des Vor-
mtglieder um so viel h b ^ Zahlungen ohne Schjligung der
Ven^tens zum grössten Theil refundirt werden
können. . möKlicb , durch erhöhte Leistungen
Zweifellos wird«höhte Pension zu sichern.
“ d l»ch“r re c e h” e“h» Grundlage «Or ein. Althravcorgnng der
Aerzte eelbet "»M .““j^Ulch übrndienach dieserBeitehiuwohl
Die Frage.iBt hiebe, laset übOThaap t eine Einigung
“verbal— Hatte btah™—£
geplanten Neuerungen H ® 8itritt zum Pensionsvereine nur einer
der Ueberzeugung, dass der Sicherstellung von Wittwen und
der verschiedenen Factorenfürdie Sichers^uung {eaten
Waieen der Aende am» könne. & wcn ,„; denn
Ueberzeugung dass d e r Ver « in n beBitztf ka nn wohl Schwan-
eine Gemeinschaft, welche V 8^ naturge mä88 nicht absterben,
kungen unterworfen sein, s nicbt ermangeln, sobald an
Der Verwaltungsrath wird Aenderung der Statuten
ihn das überwiegende .^^en Schotte in diefer Richtung zu
herantritt, sofort die ein , Vorschläge technisch prüfen
Buchungen den Rreisausschüssen^Sichen Generalversammlung
Zur Einberufung einer auss d “ keine Veranlassung be¬
dürfte bei dieser Lage der ^8® w K enn d ie einzelnen Kreis¬
stehen. Es würde f d emng ’ abzielenden Anträge fornu-
KfSSÄr-» Fragen uothwendig hiu.ua
“““wegen .oleher Hiu.ua.chiebuug i« eine Getahr JrJ-J-J
nicht zu befürchten. Der ^draum^in ^Jahr ^ ^ ^ en8chen leben.
artiges Unternehmen nicht so zu toure , ne aber schon
deswegen au^eschTosTenT da° jede Aenderung d^/^VhS^
-
die diesbezügliche optimiatie^e A"« .betÄ ™
sie im Referate vom 29. Oktober 1895 , Q^staltung der
wesentlich höherer Staatszuschuss ^ erwarten stehe, so
Vereinsverfassung gleichsam mit Sidie , b beda uerücher-
rÄÄÄssss
Äue'n“ ErSuTedS St «* di> geb0t “” m
Schritte geschehen. Ueberzeugung Ausdruck
Zum Schlüsse möchte der festen T ter g 8Be des Vereins
gegeben werden, dass es iin wohlverstan kan fti g hin als interne
erforderlich tat, Fragen ^>e die b, er behande lt^ IrriBrung
Angelegenheit aufzufassen und demgemäss, j s h d en zu
wühl der Mitglieder als der dem 5?V«J3SS des zu¬
vermeiden, in solchen Dingen sich durcn Verwaltungsrath
ständigen KreieausschusseB vertrauensvoli d pen8ion8vere in8 für
zu wenden, dem das Wohl und Wehe de« H lag und
Wittwen und Waisen bayerischer Aerzte stets a
liegen wird.
Die neuen bayerischen Bestimmungen Uber Aufnahme
von Kranken in Irrenanstalten.
Zu den Bemerkungen in No. 5 d - W. über die n ^ ue f r ^Siten
e B Ärdem üb S. d“d e rsch^
«Im Feuilleton der No. 5 der !V p ü ? cb '-“® anBta it Klage geführt
wie es scheint, von dem Leiter einer * d es k. Staate-
gegen zwei Bestimmungen der Bekaantaiaj^ g Verhältnisse
Ministeriums des Innern vom 3 Dezemb «- UH, erete dieser
der Privatirrenanstalten bete. ^.A.-Bi. No^jL b Aufna hme
Bestimmungen betrifft das durch «Die^Vorschntt*^^ __ An)ftge zU
und Entlassung der Pfleglinge der Pnv ^ t '^®°JSS Ü ^esbezügliche Ver-
oben genannter M.-Bekanntmachung g Polizeibehörde,
fahren und zwar zunächst die Mitwirkung.der^ tnctepo ^ durch
Begründet wird diese Bemängelung “lt der ^ mindestens acht
das umständliche Verfahren jede Au f^ bm t e nicht me hr der Sach
Tage verzögert wird > und dass uunmeh Verwaltungsbehörde
verständige, der AnBtaltsdirector, sondern eine
über die Zulässigkeit der Aufnahme ^ ^ de/ dass die fraglichen
Zunächst darf wohl entgegengehalten w ®™® n *,r B oben n e d i cinal-
Vorschriften nach gutachtlicher Einvernahme . &rt> erlassen
nllüOoVinCQPQ d<*m auch ein Psychiater von Kux ang * ft nch in
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18. Februar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
157
der bayer. Kreisvertretungen, soweit dieselben bereits Stellung zur
Sache genommen haben, Bestimmungen gleichen Inhalts im Ein¬
verständnisse mit den Anstaltsdirectoren in ihre Anstaltssatzungen
aufgenommen haben.
Eine nähere Prüfung der bemängelten Vorschriften dürfte
übrigens den Ungrund der geäusserten Klagen und Befürchtungen
zur Genüge erweisen.
Fürs erste entscheidet § 3 Abs. 1 über die Zulässigkeit der
Aufnahme die nach § 1 zuständige Behörde nach Einvernahme
des Bezirksarztes; fürs zweite kann die Behörde von der Bei¬
bringung einzelner Belege ganz oder theilweise absehen. — § 3
Abs. 2. Hiermit ist einerseits der Behörde, bezw. dem Anstaltsleiter
eine weitgehende Dißpensbefugniss auf Grund eigenen Ermessens
eingeräumt, andererseits die für die Behörde unter Umständen
unentbehrliche Beibringung der einzelnen vorschriftsmässigen Belege
gesichert. Zur Behörde, zum Amtsärzte wie zur Anstaltsleitung
darf zweifelsohne nach allen Erfahrungen vertraut werden, dass
von diesem Auf nähme verfahren der bemessene, dem jeweiligen Falle
entsprechende Gebrauch gemacht werde, wobei jede Chicar.e für
Anstaltsdirector, Arzt und Kranken, wie dessen Angehörigen un¬
schwer zu vermeiden ist.
Für s Dritte sieht § 3 Abs. 4 bei Gefahr auf Verzug oder bei
freiwilliger Anmeldung eines Kranken zum sofortigen Eintritte in
die Anstalt die Zulässigkeit der augenblicklichen provisorischen Auf¬
nahme vorbehaltlich der nachträglichen Beibringung der erforder¬
lichen Belege vor.
Für besonders bedenklich wird erachtet die Bestimmung der
Vorschriften (Anlage) in § 2 lit. d. welche lautet:
»Der gestörte Geisteszustand ist, ausser von einem amtlichen
deutschen Arzte, auch zu constatiren von Seite der Districtspolizei-
behörde des letzten Aufenthaltsortes der aufzunehmenden Person,
gegründetauf selbständige, von dem ärztlichen Zeugnisse
unabhängige Erhebungen des beurkundenden Beamten».
Abgesehen davon, dass es sich hiebei häufig um Aufnahme von
auswärts befindlichen Kranken handelt, über welche solche Notizen
nöthig sind, mnss der Behörde die Möglichkeit verbleiben, etwa
dringend nothwendige Erhebungen durch Beamte pflegen zu laBBen.
Dass derartige Erhebungen mit der entsprechenden Discretion unter
Wahrung des Amtsgeheimnisses und in anständiger Weise ohne
Beihilfe von GenBdarmen, welche der Feuilletonist mit diesen Ge¬
schäften betraut sich vorstellt, gepflogen werden, dafür werden die
Behörden gewiss Fürsorge treffen Auch die Behauptung, dass ein
«Laie» von nun ab das «Hauptgutachten» zu erstatten habe, ist
nicht zutreffend. Die Hauptgutachten verbleiben nach wie vor den
Aerzten.
Wenn Übrigens die Civilprocessordnung die Ent¬
scheidung, ob eine Person für geisteskrank zu erklären
sei, dem Amtsrichter, also einem Laien überträgt, so
wird wohl auch darin keine Anomalie erblickt werden
können, dass über die Frage, ob eine Person durch die
Unterbringung in eine Irrenanstalt der Freiheit be¬
raubt werden soll, ein rechtskundiger Beamter ent¬
scheidet.
Die weiters vorgebrachten Bedenken dürften hiemit hinfällig
werden. Es tritt keine Verzögerung durch Erschwerung des Auf¬
nahmeverfahrens ein, die Aussicht auf Heilung in Folge rechtzeitiger
Aufnahme ist nicht vermindert. Die in den genannten Punkten
angefochtene Ministerialbekanntmachung bezweckt nicht nur 4 .er¬
höhten Rechtschutz der Kranken, sondern gleichmässig auch den
8chutz des Anstaltsleiters selbst gegen mancherlei Unrecht, was ihn
bisher treffen konnte.
Bis vor kurzer Zeit war in fast völliger Ermangelung privater
Irrenanstalten in Bayern kein Anlass zu besonderer Regelung des
Aufnahme- und Entlassungsverfahrens der Kranken gegeben; da
aber nunmehr drei reine Privatirrenanstalten in Bayern bestehen,
ao trat die Not!)wendigkeit des Erlasses entsprechender Vorschriften
an die kgl. 8taatsregierung heran. Zunächst wird, wie bei jeder
Verfügung, der Erfolg abzuwarten sein; sollte derselbe den Erwar¬
tungen nicht entsprechen, oder irgend wie auf die in Bayern befind¬
lichen Privatirrenanstalten schädigend wirken, so wird Abhilfe nicht
schwer sein».
Wir möchten hierzu zunächst bemerken, dass unser Artikel
sich nicht ausschliesslich gegen die Verordnung vom 3. December
70r - J-. die Verhältnisse der Privatirrenanstalten betr., sonde rn
ganz allgemein, wie schon der Titel sagte, gegen die neuen Be¬
stimmungen über Aufnahme von Kranken in Irrenanstalten, speciell
also auch gegen die MinisterialVerordnung vom 9. Nov. 1895. die
Aenderung der Statuten der Kreisirrenanstalten betr., wendet. Durch
diese Entschliessung wurden die von uns angegriffenen Bestimmungen
in die Satzungen der Kreisirrenanstalten hineingebracht Hierin liegt
die allgemeine Bedeutung der neuen Bestimmungen. Die 3 Privat¬
irrenanstalten mit ihren 100 Kranken kommen dabei kaum in Be¬
tracht. Wenn die Privatirrenanstalten durch die neuen Bestimmungen
geschädigt wurden, so werden sie selbst wissen, welche Wege sie
einzuschlagen haben, um sich zu schützen. Ganz anders bei den
Kreisirrenanstalten, in welchen jährlich 2000 Kranke Aufnahme
finden. Wenn jährlich einige Tausend Kranke geschädigt werden,
so liegt ein eminentes öffentliches Interesse vor und dieses allein
n*t uns zu unserer Stellungnahme bewogen.
Es kann nun nicht zugegeben werden, dass durch die Erklärung
der Ungrund der von uns geäusserten Klagen und Befürchtungen
erwiesen werde. Wendungen, wie: «man darf vertrauen, dass von
dem neuen Aufnahme-Verfahren der entsprechende Gebrauch ge¬
macht werde», weil den Behörden weitgehende Dispensbefugnisse
eingeräumt sind, sind nur eine Bestätigung unserer Ausführungen.
Wenn Alles in’s Ermessen der Behörden gelegt ist, dann hätte man
die neuen Bestimmungen überhaupt unterlassen können, denn di©
Möglichkeit zu allen ihnen nothwendig erscheinenden Recherchen
hatten die Behörden auch jetzt schon und sie haben auch von
dieser Befugniss genügend Gebrauch gemacht.
Das Unglück liegt darin, dass die Behörde in der Regel die
angeordneten Zeugnisse verlangen muss. Im Interesse ihrer
eigenen Verantwortlichkeit müssen die Behörden auf die Beibringung
der Zeugnisse, nachdem sie einmal ministeriell angeordnet sind, be¬
stehen, darüber ist kein Zweifel. Die Dispensationen werden nur
ausnahmsweise statt finden und die Aufnahmen werden — wie wir
naebgewiesen haben — ganz bedenklich erschwert werden.
Wenn in der Erklärung weiter behauptet wird, die Forderung
des distriktspolizeilichen,Zeugnisses sei unbedenklich, das Hauptgut¬
achten verbleibe nach wie vor den Aerzten, so vermögen wir dies
nicht in Einklang zu bringen mit dem Wortlaut des § 2 lit. d der
Verordnung (Anlage), welcher sagt, dass die G ei stesstöru ng von
einem Beamten «unabhängig vom ärztlichen Zeugniss*
constatirt werden muss. Constatirt er sie nicht — und das
wird oft genug der Fall sein — dann ist die Behörde nicht be¬
rechtigt, die Aufnahme zu verfügen — folglich hat, wie der Ab¬
geordnete Geiger sich im Landtage ausdrückte, der Beamte, der
Laie, das letzte Wort. Wie der von uns durch Sperrdruck her¬
vorgehobene Satz der Erklärung besagt, wird hierin auch thatsächlich
an massgebender Stelle keine Anomalie erblickt.
Auch die Berufung auf die Civilprocessordnung erscheint uns
nicht zutreffend. Der § 599 derC.-Pr.-O. schreibt ausdrück¬
lich vor: «Die Entmündigung darf nicht ausgesprochen
werden, bevor das Gericht einen oder mehrere Sach¬
verständige über den Geisteszustand des zu Ent¬
mündigenden gehört hat». Nach den neuen Bestimmungen
aber ist, wie schon erwähnt, dem Beamten bei Ausstellung
seines Zeugnisses geradezu verboten, das ärztliche
Zeugniss zu berücksichtigen.
Auf welche Weise die «Erhebungen» vorgenommen werden
sollen, können wir auch aus der offieiösen Erklärung nicht ersehen;
wir sehen nur, dass sie «in anständiger Weise, ohne Beihilfe von
Gensdarmen» gepflogen werden sollen. Das ist immerhin etwas;
ob aber der Herr Bezirksamtmann, der nun wohl selbst die Er¬
hebungen machen muss, oder der Herr Polizeirath, im Stande ist,
eine richtige psychiatrische Diagnose, unabhängig vom ärztlichen
Gutachten, zu machpn, möchten wir doch bezweifeln.
Wenn die Erklärung sagt, die fraglichen Vorschriften seien
nach gutachtlicher Einvernahme deB Obermedicinalausschusses, dem
auch ein Psychiater von Ruf angehört, erlassen worden, so ist
damit noch nicht gesagt, dass der Obermedicinalaus-
schu88 die Vorschriften auch gebilligt hat. Ebensowenig
ist damit gesagt, dass dem Obermedicinalausschnss die Verord¬
nung vom 9. November v. J., die Kreisirrenanstalten
betreffend, vorgelegt wurde. Diese aber war die primäre. Die
Erklärung stellt die Sache so hin, als ob durch die neuerliche Er¬
richtung der Privatirrenanstalten der Erlass vom 3. December auf
einmal nothwendig geworden wäre, allein thatsächlich waren die
gleichen Vorschriften schon vorher für die Kreisirrenanstalten an¬
geordnet und wurden einfach auf die Privatirrenanstalten über¬
tragen .
Eis fragt sich also, haben der Obermedicinalausschuss oder
andere Sachverständige die Verordnung vom 9. November gebilligt?
Wir glauben es nicht, denn erstens wurden alle Fachkreise von den
neuen Verordnungen völlig überrascht und zweitens hat der oben¬
erwähnte «Psychiater von Ruf», Herr Prof. Grashey, sichin seinem
Vortrag über den Alexianerprocess ganz anders geäussert. Er sagte
wörtlich ‘):
«Ziemlich allgemein wird jetzt die Forderung gestellt, das Auf¬
nahmeverfahren in die Irrenanstalten müsse complicirter, die Auf¬
nahme der Kranken in die Irrenanstalt müsse erschwert werden.
Ich halte einen solchen Schritt nicht für erspriesslich und bin der
Meinung, dass er ungerechtfertigt sei und dass im Gegentheil die
rasche Aufnahme der Geisteskranken in eine Irrenanstalt möglichst
erleichtert werden müsse». Ferner: «Viel richtiger als die Er¬
schwerung des Aufnahmeverfahrens ist die Reorganisirung der Ueber-
wachung «ler Irrenanstalten und die Ernennung eines psychiatrisch
gebildeten Beamten, der allein oder im Zusammenwirken mit einer
hiezu bestellten Commission regelmässig die betreffenden Anstalten
zu besuchen und über die Entlassung oder das Verbleiben Einzelner
in denselben zu entscheiden hätte».
So sprach Professor Grashey am 19. Juni 1895. Wir glauben
daher nicht, da-«s er im Obermedicinalausscbusse die neuen Bestim¬
mungen gebilligt hat, wir müssen vielmehr annehmen, dass dieselben
ohne Zuziehung Sachverständiger ausgearbeitet; wurden. , Um so
mehr wäre zu wünschen, dasB nicht erst abgewartet werde, bis
Schaden eingetreten ist, sondern dass man sie einer Versammlung
‘) Diese Wochenschrift 1895, No. 26.
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158
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 7.
von Sachverständigen vorlege, damit sie entweder abgeändert oder
mmmmm
Referate und Bücheranzeigen
Professor I>r. F. Bezold München : Das Hörvermögen
der Taubstummen mit besöiidercr Berüeksjcbtiguiig de
Helmholtz’ sehen Theorie des Sitzes der Ei Kränkung
und des Taubstummenunterrichts. *ür Acrztc und Tai
stuminenlehrer. Wiesbaden bei J. F. Bergmann, 1896.
156 Seiten.
Es ist eine schon längst festgestcllte Thatsache, dass von den Taub¬
stummen ein bedeutender Bruchtheil noch Reste, von Hörvermögen
besitzt, dass diese Reste aber offenbar jeweilen nicht ausgereicht
haben, dem taubgeborenen Individuum das Lernen der Sprache
zu ermöglichen oder dem im früheren Kindesalter Ertaubten die
schon erlernte Sprache zu erhalten. Diese Hörreste hat der \ er¬
fassen in vorliegender Abhandlung, welche eine Erweiterung seiner
189 3 in dieser Zeitschrift erschienenen vorläufigen Mittheilung
bildet., nach streng akustischen Grundsätzen aualysirt und zwar
bei den 79 Zöglingen des Münchener kgl. Taubstummeninstitutes.
Als wichtigstes Prüfungsmittel verwandte Verfasser die von ihm
zusammen gestellte und von Pr. Edelmann in München ausge¬
führte ,• continuirlichc Tonreihe » , deren relativ^ obertünefreien
Töne die ganzen 11 Octaven der percipirbaren Skala umfassen
und welche daher eine bis dahin unerreichte Präcision gestattet
in der Feststellung der Hörbezirke. Wie schon die erwähnte
vorläufige Mittheilung erwarten Hess, sind die auf solche \\eise
erhaltenen Resultate in jeder Beziehung merkwürdig. Geradezu
überraschend aber sind die klaren Schlussfolgerungen, welche \ er-
fasser aus den Zahlen seiner nach verschiedenen Gesichtspunkten
statistisch geordneten Untersnchungscrgebnissen zieht und welche
geeignet sind, auch den praktischen Arzt, den Physiologen, Aeu¬
rologen und den Taubstummenlehrer in hohem Grade zu interessiren.
Letzteres dürfte um so eher der Fall sein , als eii.e Menge von
brennenden Fragen praktischer und theoretischer Natur dabei nicht
nur gestreift, sondern gründlich beantwortet werden und zwar in
einer Art und Weise, welche möglichst allseitig auch den Bedürf¬
nissen des nicht otologisch Geschulte» gerecht wird.
Obwohl es gewagt erscheinen muss, aus einem solch eigen¬
artigen, fast auf jeder Seite neue Anschauungen und Thntsachen
bringenden Werke einen blossen Auszug zu bringen, will ich
doch versuchen, ein kurzes Referat zu geben.
Einleitend bespricht Verfasser im 1 ■ und 2- (.'apitel die
Arbeiten, welche von 11 a r d , Toy n bec , neuerdings von Hart-
mann, Hedinger, Schmaltz, Lemcke, lieh er mann,
Mygind u. A. Uber die Taubheit publicirt worden sind und
welche schon viel von dem Dunkel gelichtet haben, welches auf
diesem Gebiet bis in die neueste Zeit hinein geherrscht hat. Wenn
auch diese Arbeiteu gegeneinander grosse Abweichungen aufweisen
in ihren Zahlenresultaten (was bei dem verschiedenen Vorgehen
in der Erhebung der Anamnesen und in der Wahl der Prüfungs¬
mittel nicht verwunderlich erscheinen muss), so stimmen die be¬
treffenden Autoren doch alle darin überein, dass die erworbene
Taubstummheit grössere Hördefoctc aufweist als die angeliorenc
Form derselben.
Pas 3- Capitol handelt über die bei den Taubstummen bis
dahin verwendeten Hörprüfuugsuiittel und zeigt, wie Letztere
keineswegs genügen für eine vollkommene Ucbersicht dos vor¬
handenen Functionsausfalls, so «wie wir dieselbe zur wissenschaft¬
lichen Beurteilung des Falles sowohl im Leben als für eine
eventuelle spätere Section bedürfen. »
lm 4 Capitol bespricht B. seine continuirhche Tonreihe und
die mit ihr schon früher constant erhaltenen charaktenstwchen
Resultate: 1. bei Verlust der Schnecke: totale Taubheit 2. bei
Mittelohrdefeet (doppelseitige At^sm auHs congemta) und Mhteb
ohraffection (speziell bei Steigbügelankylosis): IMect im
Thcil der Tonskala der Luftleitung bei gut erhaltener Knoten¬
leitung, 3. bei Erkrankung des inneren Ohres (inclus. Acusücus
und centrale Hörbahn): grössere Defecte der Luft- «nd Kuooh«-
leitung; die Pefecte der Luftleitung können aus den verschiedensten
Tlicilen der Tonskala localisirt sein und finden sich am häufigsten
am oberen Ende, zuweilen auch am unteren, viel ^ltener^ in der
Continuität (Lücken',. Wird nur ein kleines Stück der Skala
nercipirt, so wird dasselbe von Bezold kurzweg «Insel» genannt.
Pas 5. Capitol widmet Verfasser der Helmholtz’sehen
Theorie, unter Anführung der für ihre Gütigkeit .
Thatsaehcn. Pass der Schnecke eine ton zer legende Funetton,
so wie sie von Helmholtz dargestellt ist, in Wirklichkeit zu¬
kommt, rcsultirt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den B«.h-
achtungen von Lücken» und «Inseln», welche bei den
Taubstummen sich auffallend häufig finden. Man wird aber
Bezold rückhaltlos bei pflichten, wenn er sagt «dass eine
definitive Lösung dieser für unser otologischee Denken funda-
mentalen Frage erst dann möglich sein wird, wenn eine genügende
Zahl von iScctionen Taubstummer vorliege und dass es 'J™™*
vereinigten Zusammengehens der Otologcn und der HistolOgOT,
sowie der Hirnpatliologcn und Physiologen bedürfe», um die
Obduction nach dieser Richtung hin fruchtbringend ™ «estaltem
In, Capitol 6 geht B. näher ein auf die Prüfung der
79 Zöglinge des Münchener Taubstummeninstitute auf m
Pcrccption von Tönen. Die Prüfung der Knochen citung musste
als unzuverlässig und werthlos gänzlich bei Seite
ihre Vernachlässigung fällt aber nicht in Betracht, dader Haupt
sitz der Taubheit, auch wenu die Erkrankung vom Mittelohr aus¬
gegangen ist, sich durchgängig im nervösen Apparat des inneren
Ohres oder im Gehirn befindet. Für die Prüfung der Luftleitung
ist die ganze Reihe von Tönen nothwendig, welche das norimüe
Ohr überhaupt zu percipiren im Stande ist. Mittelstarke Tito
genügen vollkommen. Pie nähere Beschreibung des Prüfungs¬
modus findet sich pag. 44- Ausser 4 Pfeifen und den nach
unten sich anschliessenden Stimmgabeln kam auch die Sprache
und die Glocke zur Anwendung.
Was die Resultate anbelangt (Cap. 7), «eigte es sich, dass
nur */> der Gehörorgane und nur »/# der untersuchten Individuen
total taub waren. Pie 68,4 Proc. der Gehörorgane, welche noch
Reste von Hörvermögen bosassen. theilt je nach Anordnung der¬
selben Bezold in 6 Gruppen: 1. Inseln, 2. Lücken, 8- D«“®
der oberen Hälfte, 4- Pefecte am oberen und unteren Ende,
5. grosser Dcfeet am unteren Ende, 6- kleiner Defcct am untere
Ende. ,
Pas doppelseitige Vorkommen gleichartiger Pefecte ist durch¬
gängig ein relativ so häufiges, dass B. den offenbar berechtigten
Schluss zieht, diese auf Grund der Symptomatologie gebildeten
Gruppen seien auch in nosologischer und pathologisch-anatonn •
Beziehung abgeschlossene resp. getrennte Ganze; nur die LüC
und Inseln sind sehr nahe verwandt.
Bei der angeborenen Taubstummheit (Cap. 8) ist die w e
Taubheit relativ am seltensten, bei den erworbenen Formen aber
mit der stärksten Zahl vortreten.
Pie Untersuchung von Gehörgang und Trommelfell (Cap. 9)
ergibt ebenfalls eine Fülle höchst interessanter Beobachtungen,
der normale Reflex — d. h. das sichere Anzeichen für toVOT
densein -normaler Stellungsverhältnisse und normaler Fläcüengc
staltung des Trommelfells — ist in */* der Fälle, a so 1U
nämlichen Häufigkeit wie bei den von Bezold untersuo
Schulkindern zu constatiren; damit fällt auch die ohnedies un
bare Theorie, wonach der Tubenabschluss zu Processen des inneren
Ohres in naher aetiologischer Beziehung steheu soll ( P 1
Boncheron' s).
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18. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Trotzdem Kinder mit andauernder foetider Eiterung in die
Taubstummenanstalt nicht aufgcnomiucn werden, finden sieh dueh
.Mittelohreiterungen und Residuen saldier relativ häufiger als bei
(Jeu Schulkindern ; das Haupteontingent dieser Eiterungen liefert
laut Anamnese der Scharlach. Wenn man die Wahrscheinlichkeit
ins Auge fasst, dass in diesen Fällen die Labyrinthaffcction
vom eiternden Mittelohr fortgeleitet ist, so muss es andererseits
als höchst bemerkenHwerth und für die Holmholt*'sehe Theorie
sprechend bezeichnet werden, dass bei dieser Gruppe die Taubheit
in nahezu der Hälfte der Fälle eine totale ist und bei der anderen
Hälfte sich ein Defect am oberen Ende der Skala zeigt — also
im Bereich derjenigen Töne, welche nach Helmholtz im unteren
der Paukenhöhle zunächst liegenden Schneokenabschnitt |«roipirt
werden. «Die Bestätigung der Helmholtz'sehen Theorie ist
somit eine so vollkommene, als wir sie nur erwarten konnten».
Capital 10 verbreitet sich übor die Gleichgewichts¬
störungen bei den untersuchten Tanbstummen: unsicherer
Gang fand sich bei '/* derselben; diese vertheilten sich so
ziemlich gleiehmässig über alle 6 Gruppen. Nur die 6. zeigte
eine etwa* erhöhte Kiffer. Beim Drehversuch (functioneile Prüfung
des Vestibulär- und Bogengangapparates) erscheint auch wieder die
6. Gruppe mit einer relativ grossen Zahl, welohe Schwanken und
normale rhytmische Augenbewegung zeigten, während das Aus¬
bleiben des Schwindels und der normalen rhytmisohen Augen-
beweguugen sich am häufigsten bei den Totaltauben fand. Alles
dies weist darauf hiu, dass iu der 6- Gruppe es sich zum Unter¬
schied vou den 5 übrigen Gruppen nicht um Störungen im
Labyrinth, sondern in der oentralen Hörbahn resp. um corticale
Defecte handelt. Die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme wächst
noch um ein Bedeutendes, wenn die Resultate der Hörprüfung
mittelst der Sprache festgestellt und mit den auf instruuientellem
Wege erziehen Resultaten verglichen werden (vgl. unten Cap. 14).
In Cap. 11 werden die Anomalien im Augenbefuud besprochen :
Retinitis pigmentosa (4,6 Proc.), Syphilis, Cataract, Neuritis optica etc.
Die Prüfung des Hörvermögens mittelst der Sprache (Cap. 12)
»gab die auffallende Erscheinung, dass auch ein Theil der total
Tauben die unmittelbar am Ohr gesprochenen Laute p, t und r,
unterscheiden vermag, was sich nur dadurch erklärcu lävsst,
dass das Gesprochene gefühlt wurde; vielleicht gelangt in diesen
Fällen auch die Trommelfellbewegnng und die Spannungsveränderung
an den Binnenmuskeln znm Bewusstsein. Eines der allerwichtigsten
Ergebnisse seiner Arbeit fasst Bezold in folgendem Satze zu-
saaaea (Cap. 13 pag. 121)*
«Unbedingt nothwendig für das Veratändniss der Sprache ist
nur die Perception der von den Tönen ~b—~g umfassten Strecke
in der Tonskala»; ferner müssen die innerhalb dieses lutervalles
gelegenen Töne bereits bei einem mittleren Grade von Intensität
*ur Pejoeptioa des Ohres gelangen können. Wo das Gehör für
das hier umgrünzte Stück der Tonskala doppelseitig verloren ge¬
gangen ist, findet eich durchgängig auch das Gehör für die
Sprache verloren. Die Perception für Vocalc zeigte sich gebunden
je au das Vorhandensein von Hörresten, welche den von He Im¬
hol ti und Hermann bestimmten Tonstreeken der Skala ent¬
sprechen.
Eine Sonderstellung nehmen, wie schon oben angedeutet,
^ hier die Fälle der Gruppe 6 ein, insoferne als trotz Kr-
h*h*nsein dar Peroeptkm für beinahe die ganze Tonskala und
trotz relativ guter Hörschärfe (lange Hördauer der betr. Stimm¬
gabeln) doch die Lautsprache auffallend schlecht oder gar nicht
verstanden wird (Cap. H). Wie Bezold auch mit Bezug auf
Aetaologie, oteeeopisohen Befund etc. nachweist, handelt es sieh
hier offenbar um die Gruppe der s e n s o r i s e h e n Aphasie,
also um Defecte in der Hirnrinde und nicht im Labyrinth. (Zwei
Arbeiten von Piek in Prag, von denen die eine in den aller-
lztzten Tagen ina Archiv für Psychiatrie erschienen ist, sowie eine
frühere PubHcation desselben Autors und ferner die Untersuchungen
vou Freud und Brieger [Labyrinthtaubheit uml Spraclitaubheit,
^wabadeu 1896] zeigen, wie unendlich wichtig es ist, dass die
Fälle von sensorischer Aphasie auf ihr Tongehör gründlich und
foohgewäss untersucht wurden und wie nahe die Eventualität liegt,
d* 88 in verwirrender Weise alle möglichen Formen von Taubheit
üe Rubrik « sensorische Aphasie >. eingeordnet werden. Rcf.)
159
Im Sehlnsscapitel finden sieh die praktischen Folgerungen,
welche Bezold aus seiner Arbeit für Veberwaehnng und Unter¬
richt der Taubstummen zu ziehen berechtigt ist: l. früherer Be¬
ginn des Unterrichts eventuell Einrichtung von Kindergärten für
Taubstumme; 2. frühe zweckmässige Behandlung von Mittelohr¬
eiterungen und von mechanischen Hindernissen für das Hören;
3- methodische Uebungen mittelst der Sprache vom Ohr aus, wie
sie neuerdings von Urbantsclutsch dringend wieder empfohlen
worden ist. Dagegen verspricht sich der Autor aus leicht ver¬
ständlichen Gründen für die Hebung des Gehörs nicht viel von
der Zuleitung rein musikalischer Töne; 4. überall sollten die
Taubstummen - Schüler in besondere Unterrichtsabtheilungen so
geschieden werden, wie dies in Dänemark schon seit 1886 ein¬
geführt ist: Die Klasse der absolut Tauben ist nach der bis¬
herigen Methode zu unterrichten. Bei später Ertaubten mit
Spracherinnerung muss der Unterricht an letztere sieh anknüpfen;
bei diesen sowohl als hei den Taubstummen mit Hörresten
ist neben der Artieulationssprachc (< Ablesen vom Munde des
Sprechenden ») die Sprechübung mit Hilfe des Ohres zu üben.
Das Sprechorgan der Frauen ist für den Unterricht im allgemeinen
besser geeignet.
Die rein wissenschaftlichen und humanen Absichten, welche
den Verfasser hei dieser Arbeit durchwegs geleitet haben , finden
ihren Ausdruck auch darin, dass der Ertrag der Schrift, wie das
Titelblatt anzeigt, für das (Vntraltauhstuiiuucninstitut in München
bestimmt ist.
Referent ist überzeugt, dass in engcreu und weiteren Kreisen
diese Arbeit Bezold’s nicht nur lebhaftes Interesse wecken
sondern auch Nutzen stiften wird und dass bei manchem von den¬
jenigen Acrzten, welche bisher noch gegenüber der funotionclleu
Prüfung des Ohres nach des Verfassers Vorgehen sich gleichgiltig
oder gar ablehnend verhalten haben, sich eine Wandlung vollziehen
wird angesichts der hier so evident zu Tage tretenden praktischen
Wichtigkeit dieses Verfahrens.
Lohend muss auch des Druckes und der Ausstattung des
Werkes Erwähnung gethan werden. F. *S i ehe um an n- Basel.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 6 u. 7.
No. 6. J. Boas: Ueber die Bestimmung der Lage und Grenzen
des Magens durch Sondenpalpation. (Vorläufige Mittheilung.)
Das von B. construirte Instrument besteht aus einer aussen
angebrachten Drehvorrichtung, mit welcher eine Spirale in Ver¬
bindung steht, die mit der Sonde in Berührung gebracht, diese in
Rotation versetzt. Hierbei ist es wichtig, dass nicht die ganze
Sonde, sondern nur der untere Theil derselben rotirt Der Apparat
ist mit Vortheil für die Bestimmung der grossen Curvatur zu ver¬
wenden, indem man an der Bauchwand sehr deutlich die rotirenden
Bewegungen des Magenschlauches und zwar sowohl in liegender
als auch in stehender Stellung des Kranken palpireu kann. In
einzelnen Fällen war Verfasser im Stande, in noch einfacherer
Weise, nämlich lediglich durch Palpation des eingeführten Magen¬
schlauches und zwar nicht bloss der Sondenspitze, sondern des
gesammten, dem wandständigen Theil der grossen Curvatur ent¬
sprechenden Sondenabschnittes, die grosse Curvatur festzustellen.
Die Untersuchung geschieht am besten bei leerem oder mäesig
gefülltem Magen (*/a — 1 1 Flüssigkeit) und in liegender Position.
Bei Anwesenheit von Mageninhalt thut man gut, das vordere
Schlauchende durch einen Quetschhahn abzuklemmen Wenn man
die Lage und Grösse des Magens nicht kennt, thut man gut. eine
recht lange (80—HO cm) Sonde einzuführen, doch geht man damit
nur so weit, bis man die Sonde die grosse Curvatur entlang deut¬
lich zwischen den Fingern verfolgen kann. Unter 30 Patienten
konnte die Sonde bei 25 sehr deutlich gefühlt werden.
Auch die Lage des Pylorns kann mit grösserer Sicherheit als
bisher bestimmt werden.
Wenzel, Ikterus nach Lactophenin. (Aus der städtischen
Krankenanstalt Magdeburg Sudenburg.)
Der Fall betrifft einen 34 jährigen Kaufmann, der, vor etwa
Jahresfrist in Folge neuralgischer Schmerzen zum Morphinisten
geworden, schon seit Monaten zur Entziehungscur in ärztlicher
Behandlung gewesen war und einen ziemlich reducirten Ernährungs¬
zustand darbot. Verschiedene Sedativa waren auf die sehr vagen
Beschwerden des Patienten ohue Einfluss. Schliesslich wurde ein
Versuch mit Lactophenin 3 mal täglich 0,3 gemacht 14 Tage wurde
das Mittel gut vertragen, bis dann ein intensiver Ikterus eintrat, der
nur sehr allmählich im Laufe der nächsten Wochen zurückging.
Der Stuhl war etwa 10 Tage lang farblos, der Urin noch nach
längerer Zeit dunkelbraun. Auf der Höhe dar Erkrankung bestand
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MONCHKNBBj^crafficmwooH^gmiFT.
No. 7.
Uebelkeit, Erbrechen. Die Ursache ^rine 8 toxische Einwirkung auf
dasiictophenin; der VerfW« «ÄS^lche dem Spaltungs-
das Blut (Zerstörung r °^ er p ^Sp hen ol zukommt und her anderen
producte des Mittels, dem Para P beobachtet wurde.
PräPft r; ÄS-ki: Ein Fall von Alkaptonune.
(Aus der medicinischen Klinik in Zürich.) d durcb interessant,
(A “ Der von dem Verl besehnebeM M **
da B s die Alkaptonune kur , ( ! hteten Fa uen chronischer Natur
während sie in den bisher ^ kterieti8C hen Reactionen, welche
war. Die für c "Xin8äure beruhen, waren deutlich
auf der Gegenwartjon Homog 1 HamfJ beim stehen an der
vorhanden; nämlich Nachdunkel Reduct ion von ammomaka-
Luft, bei Zusatz von Alk v a '' en ^ UD { eraa i 7 . en . Die Kranke starb an
lischer Silberlösung und Bauchfells, des Darmes. Verfasser
Tuberculose der ^WjnSlSdSuw in seinem Falle auf die
Centralblatt für Chirurgie. > heute üblichen
No. 5. 1) Carl Lauenste»mHamburg^ ^ ^
Osteoplastik »seb Wladinrircff-
“¥--1 beiOperstioses j;—
beabsichtigten Arthrectomie zu aber in P BO lchen Fällen
gehen muss, der Hüt e ^ sehe Querschnit^ |r<){f Mikulicz au8 .
die conservirende Operation na .j Be inen ausgedehnten
schliessen würde so »„gewendet), der,
i ■»* °-***“ d “
'"‘“SÄ" Ersatz eine. Metstarsas dorch
Osteoplastik. . , „ometischen und functioneilen Nachtheile
Cr. schildert ein die koametis en trotzdem radh ales und
der Metatareusexstirpation umgehend 8 ^ ^ Erkrankung
definitive Heilung ermöglichendes Vertan ,P t Mei88el8 der
des Metatarsus III, »dem der Metatarsus i ^ die dßr Lücke
StSkÄ iS die^cbe bisübe ?) eb„ £ usd^er
Opotifon^tmeXsTlSdi». usd uls. soll .p«er ...tühriieb
berichtet ^ er d e R r a s k e - Freiburg: Ueber die operative Behand¬
lung der statischen S^^l h ^8 v «rb»g|MJ^ die8er ^
Die Hüftresection scheint Kr. iur “‘htfertigender Eingriff zu
ein unnöthig grosser dnreh J* te nicht oder nur wen ig ver
sein, da Gelenk und Gelenkk p g B elastungsdeformität auf
ändert sind. im Hüftgelenk bei
und erklärt auch d ‘® ®® W ^ 8k !J B annung bedingt (analog dem ent-
diesem Leiden als durch MusP . . d - ausgesprochene Steifig-
zündlichen stet. Plattfuss)- jedenfalls 1Bt e “* ‘^^trLrticuläre Ver-
keit. des Hüftgelenks nicht durdi derMtig^on ^ dje Resection
änderungen bedingt, ftU ® . Q ation kann nur eine
abzuleiten wäre; die einzig h ^ ]b { p die B t a tische Schenkel-
Osteotomie sein Kr. empfiehlt desshaib iu^ ^ ^ ftr zutreffend)
halsverbiegung ( d >e Bezeichnung __ ^ ftU8 dem Sc henkelhnls ein
eine keilförmige Osteotomie, entnommen wird, so dass
beseitigen l« 88 ®“ ™ d . a ’^ne^JeTden SenkelhXleSt ftectirten
^* 1 ^ ert ^o^das* 8 sich^zwischei' 8 gro8seni'Trochanter un^KapseS
Iin la him’eichend breiter Keil aus dem Schenkelhals extraarticulär
entfernen lässt.
Archiv für Gynäkologie. uO. Band, 3. Heft.
Mit diesem Hefte ist der 50. Band vollständig geworden lm
Tahre 1870 war der erste Band erschienen, „redigirt \on Credö
und Spiegelberg“; von den 23 Herausgebern deren Namen
ausserdem g auf dem 1. Bande angegeben sind, finden sich auf dem
60 Bande nur noch 6 verzeichnet, während jetzt die Zahl der Heraus¬
geber 31 beträgt. Unter Redaktion von Gusserow und Leopold
beginnt das Archiv nun das zweite Halbhundert; möge ihm ein
gleich erfolgreiches Wirken beschieden sein, wie den ersten 60 Banden.
8 1) Fabricius: Ueber Cysten an der Tube, am Uterus
und dauern CygteQ baben nac h F folgende Entstehung:
Unter dem Einflüsse der Entzündung beginnt das Keimepithcl der
Ovarien zu wuchern und erstreckt sich über die Tuben-Serosa. Wie
an dem Ovarium stülpt Bich auch hier das Keim-Epithel ein und
veranlasst die Bildung von Schläuchen und Cysten.
2) Gottschalk und Immerwahr: Ueber die im Genital-
canale vorkommenden Bacterien in ihrer Beziehung zur Endo¬
metritis.
bis
Unsere mangelhaften Kenntnisse über Bacterien als Ursache
der chronischen Endometritis erfahren durch diese Arbeit eine er-
» fin Fällen von (meist chronischer) E.
wünschte Bereicherung. , h öhle bei der ersten Untersuchung
corporis wsr dssSecrct f“7 4 “ von diesen 21 Füllen bheh es
21 mal keimfrei - 34,f> iroc- Beobachtung bezw. Behandlung
auch während ^T^Fällen traten Bacterien auf, die durch
keimfrei; in den anderen Fülle ^ dürften Die8 pn märe
intrauterine Behandlung hmemg 1 8^ von f ungöser und catarrha-
Fehlen von Keimen zeigt, ^“feilen Ursprungs sind. - In 39 Fällen
lischer E. gibt, die “'J^^iSiuchungMho”Keime in der Uterus¬
fanden sich bei der ersten U te Eiter-Staphylococcen zum
höhle, und zwar in 7 t äflen — h : cbe e. (Secundär-Infection,
Theil im Anschlüsse an acute go . d „ n n j cb t gefunden. In den
nicht Misch-Infection); Streptococce h th ene Bacterien, wie
säsä
Beckens ^naä der
nur im minimalsten Maasse möglichM* Das sta^ ^ ^
der Tuberositas i ei 'asse s ch u 8^ ^ durch Knoc heninark-
änderungen an der sco'iotischen v auch die Lehre anfechten,
blähung erklären Lolgenchtig i ^ttünden könne> die aus-
dass im Ueo8acralgelenk eine Bteta beträcht i ic h zu verändern.
giebig genug sei, um de Co j fr durch 8e ine Ausemandersetz-
Obwolil aber P. selbst JJ en ”^Theorie über die scheinbare
ungen die Richtigkeit der neuere vieüeicht noch nicht genügend
Verschiebung des Ileum nach Inn Versuche einer andern
fundirt“ sei, hält ihn dies nicht a , . . kam, kurzweg
als „misslungen“ zu bezeichnen. (Hienmer
weitere Erörterungen vor ) Kennt niss des Schwangerschafts-
4 ) Strassmann: Zur Kenntniss «
und Geburtsverlaufes bei antefixirte d( ^ Gebärmutter-Körpers
Die junge °P<r rat '°“ , Sr^^agin^fixatio uteri) be
und -Grundes an d.e Sch ®‘de n (V S eiJfaehS Pessar-Behandlung
ginnt ernste tolgen zu zeig • p roc also um 11 P roc -
16,<5 Proc. Aborte, nach Vaginifixur 27, ^ (vielleicbt besser:
mehr Aborte; und bei rechtzeitige Tbe n bedenklichsten
trotz) Vaginifixur die verschiedens . z^u ^ wU1 eBj da8B VO n der-
1 Geburtsstörungen. Ein mgenthümhche ^ ßVaginifix ur auszu-
selben Stelle aus, an die Schattenseiten dieser
arbeiten begann, jetzt durch S trass de8 Uterus dargethan
künstlich geschaffenen abnormen Liige ff Kai8er8chni tt erfor-
werden. ln deni einen Falle^wurde beg8er> 8tatt der von
derlich; die Patientin starb. F ; nR( ,h n itte in den verzerrten unteren
anderen Seiten vorgeschlagenen Einschnitte h yon Anfang
Abschnitt des Uterus während der Gebu ^ ^ ^ rege ln erfordern?
“ ^““d.’snd"’Isch'oH “üÄer b5s«« S = Tsmorc»
C ^r”Ä re .»s„,e Fülle • * n
maligner Metastasen einer Blasenmole^ dags e8 entg egen
ihren eingehenden Untersuchung! 6 Geschwülste der Chonon-
der Ansicht Kossmann s doch ma g , nü tterliche Gewebe ein-
zotten, also fötaler Theile gebe, welche m ütt h fötalen ,
dringen; auch das .Carcinoma syncytiale* köune K f® in . Mün chen.
statt mütterlichen Ursprungs sein r „„üknlmrie Bd. in.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. *
Heft 2, (Februar). Ovarialcystome bei
1) H. Löhlein-Giessen: Doppelseitige uvtu
drei Schwestern. bekannt gegebenen Beobachtungen
Die wenigen in der Literatur oeKanm k b VprfasBer um eine
von Ovarialtumoren bei ^ chweB ^ r “ b h er ^; e r t e Veröffentlichungen
Beobachtung, in der Hoffnung, dadurch w e_ ^ um ein me hr
anzuregen zur Entscheidung der Frage, ererb te Disposition *ur
zufälliges Zusammentreffen oder um eine d V 0 Kra nken-
cystösen Entartung der Ovarien Bandelt . bri ^g cygti8ch
gescliichten von 3 Schwestern: bei , z !Jf'* n ffl Y d 8icb bei derLaparo-
entarteten Ovarien entfernt, bei d^dnt 15 Jahre nach der
tomie nur das eine Ovarium erkrankt. Hg er efcwa V j t Jahren
ersten Operation entwickelte Bich im » La«'' d zu e mer
in dem anderen Ovarium ein sehr grosses Lyswrn,
zweiten Laparotomie nöthigte. ..teri.
2) C. St au de-Hamburg: Zur teri j B t nur dann
Eine operative Behandlung der Retrofle p^earbehandlung
angezeigt, wenn die Beschwerden nich Ketroflexio werden
gehoben werden können. Comphcirte täfle v . die yentro-
besser nicht durch vaginale Operationen, sonde ^^ yen Beha nd-
fixation in Angriff genommen. Zur vaginale P troflexione n, w
lung eignen sich wesentlich nur di Hilfe bringt, dies
denen ein Pessar keine oder “^Ä^DS^ensus, Prolaps),
sind 1) Fälle von zu weiter schlaffer Scheide (D sc dßr Ba818
2) Fälle von Zerrung der Cervix durch^Narbe räng_ FäUe yon
eines ligamentum latum, 3) ^'^ B Scheidengewölbes,.
zu kurzer Scheide oder mangelhafter Bddung d'e Retroflexio B1 nd
5) zu bewegliche uten. Unter etwa ^ Fä w ° er irt worden. In
nur 6 auf abdominalem, 7 auf vaginalem ^ ® ^ nacb Ablösung
letzteren Fällen (meist mit DescensuB va K“ ia ®J n w f das Peritoneum
der Plica vesico-uterina das Blasenpentoneum mit
Fundus bis zum inneren muiw«
aer rnut ycoku-uw»*“«-—-
des Uteruskörpers vom Fundus
Diqitized bv
GooqIi
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
18 . Februar 1896.
Catgutnaht aufgenäht. (Bezüglich der Einzelheiten der Operation
muss auf das Original verwiesen werden!) Verfasser sieht die Vor¬
züge seiner Operationsmethode darin, dass die Excavation Bicher
verödet wird, Blasenfunktionen nicht gestört werden und der Uterus
in physiologische Lage gebracht wird. Vor Recidiven wird auch
diese Methode nicht schützen, voraussichtlich aber auch keine
Störungen bei der Geburt machen. Eine nach der Operation beob¬
achtete Schwangerschaft verlief bisher ungestört, doch zeigte in
diesem Falle der Uterus schon Neigung, wieder in die pathologische
Lage zurückzukehren.
3) B. S. Schul tze-Jena: Einiges über Pathologie und
Therapie der Retroflexio uteri.
Wilhrend in dem ersten Abschnitte (im Januarhefte) der Ver¬
fasser sich nur gegen die Ausführungen Theilhaber's wendete,
werden in diesem zweiten Abschnitte verschiedene wichtige Punkte
besprochen, von denen ein Theil an dieser Stelle wiedergegeben
sein möge. Im Puerperium — sowohl nach rechtzeitiger wie vor
zeitiger Geburt — sind die Chancen der Pessartherapie für die
Dauerheilung der Retroflexion am günstigsten. Die Reposition, die
durch die Narkose sehr erleichtert wird, geschehe mit unbewaffneten
Fingern, bimanuell. Es empfiehlt sich stets, ein für den spociellen
Fall ausgewäbltes und geformtes Celluloidpessar einzulegen. Liegt
ein derartiges Instrument richtig, so ist eine öftere Controlle und
Reinigung des Ringps unnöthig. Es erhltlt den Uterus in normaler
Lage und bewahrt ihm seine normale Beweglichkeit, ein Vorzug vor
allen operativen Fixationen! Ueberfüllung der Blase muss ver¬
mieden und für regelmässigen Stuhlgang Sorge getragen werden.
Kehrt ein reponibler Uterus trotz gut liegenden Pessars immer wieder
in die pathologische Lage zurück, so liegt dies meist an narbigen
Strängen im Parametrium oder an peritonealen Schwielen In der¬
artigen Fällen erweist sich die Thure Brandt’sche Massage erfolg
reich. Oefters finden sich auch in derartigen Füllen Fixationen der
Ovarien oder breite flächenhafte Verwachsungen mit der vorderen
Rectalwand oder der Rückwand des Beckens. Hier ist die vom
Verfasser empfohlene Lösung der Fixationen in Narkose anzu¬
wenden. Eventuell können derartige Fixationen auch von einem
Einschnitt in das hintere Scheidengewölbe aus in Angriff genommen
werden. Ist aber zur Lösung der Verwachsungen die Laparotomie
unumgänglich, dann empfiehlt es sich, die Ventrofixation auszu¬
führen, eine Operation, die der Verfasser zur Behandlung der mobilen
Retroflexion verwirft. Mit den Erfolgen der Vaginolixation ist der
Verfasser nicht zufrieden.
4) A. Theilhaber-München: Zur Pathologie und Therapie
der Retroflexio uteri.
Verfasser wendet sich gegen B. S. Sch ul tze's Ausführungen
im letzten Hefte der Monatsschrift, die er einer eingehenden Kritik
unterzieht und führt eine Reihe weiterer Leobachtungen zur Stütze
der von ihm vertheidigten Anschauung an, duss die Retroflexio
uteri ein völlig gleichgiltiges Leiden ist und die ihm zugeschriebenen
Symptome vielmehr nervöser Natur Bind oder auf Störungen der
Darmfunctionen zurückzuführen sind. Auf die einzelnen Punkte
nochmals hier einzugehen, würde zu weit führen.
5) 0. Beuttn er-Genf: Ulcus rotundum simplex vaginae.
Verfasser beschreibt zwei Fälle dieser seltenen, bisher nur
Gmal in der Literatur erwähnten Erkrankung; nur drei von diesen
Beobachtungen sind an der Lebenden gemacht. Auch die beiden
Fälle des Verfassers sind zufällige Scetionsbefunde. Die Erkrankung
kommt nur im höheren Alter vor und stellt eine an der hinteren
Scheidenwnnd gelegene oberflächliche Geschwürsbildung mit scharfen
theils steil abfallenden, theils überhängenden Rändern dar. Das
Zustandekommen ist auf Gefüsserkrankungen, vielleicht auch auf
oorrodirende Wirkung der Genitalsecrete zurückzuführen. Differential¬
dingnostisch kommen luetische und maligne Processe in Betracht.
6) H. Peters-Wien. Incarceration eines < Col tapiroide >
in einem Sch atz’sehen Schalenpessar.
38jährige Patientin, Nullipara, trug seit über Jahresfrist wegen
Prolapsbeschwerden ein Pessar, das 8 Tage bevor die Patientin zur
Beobachtung des Verfassers kam von neuem eingelegt war. Seitdem
bestanden Schmerzen und geringe Blutung. Es fand sich die coniseh
zugespitzte, hypertrophische Portio vaginalis durch die mittlere
wffnung des Pessars hindurch getreten. Durch den Druck des
Instrumentes war es zu einer theilweisen Amputation gekommen,
die Wundränder zeigten sich missfaibig belegt. Amputation etwas
oberhalb der gesetzten Wundflächen führte zur Heilung.
G ess ner-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 6.
1) Emil Rossa-Graz: Zur operativen Therapie bei Gyn-
atresien.
„ . ®* w eist zunächst darauf hin, dass Sänger in seiner jüngsten
• ittheilung über diesen Gegenstand (s. dieses Bl 1898. No. 4, S. 85)
einen Fall beiderseitiger Wegnahme der Adnexa mit supravaginaler
Amputation des atretischen Uterus, den R. 1894 beschrieben, nicht
erwähnt hat. Im Anschluss hieran berichtet R. über einen neuen
W «k ,Cn er ’ ra ^ u 8 U8t 1894 operirt hat. Fis handelte sich um eine
•Jährige Frau mit einem Tumor im Abdomen, der für eine links-
eitige, wahrscheinlich intraligamentäre Ovariencyste gehalten wurde,
ei der Laparotomie wies sich der Tumor als Hämatometra in
er 'l? r8c h 1 ossenen linken Hälfte eines Uterus bicornis
Hämatosalpinx derselben Seite aus. Exstirpation; Heilung.
161
2) W. Bühl: Ueber die Behandlung der Geburtsstörungen
nach vaginaler Fixation.
R. hat 12mal nach vaginaler Fixation des Uterus Gravidität
beobachtet. 7mal erfolgte die Geburt spontan, 3mal gelang die
Wendung mit günstigem Ausgang für Mutter und Kind. 2 mal
machte die Geburt grosse Schwierigkeiten Ueber die letzteren
2 Fälle berichtete R ausführlicher.
Hier hatte sich der Kopf in einem Divertikel der vorderen
Uteruswand entwickelt, und der Muttermund war von einem sehr
harten, unnachgiebigen Gürtel umgeben Im 1. Falle machte R. die
Perforation und incidirte dann den vorderen Muttermund, indem
er gleichzeitig die incidirten Stellen mit Katgut umstach. Nach
Extraction des Kindes wurde die Ineision sofort wieder vereinigt.
Im 2 Falle gelang nach der Incision die Extraction mit dem Forceps.
Das Wochenbett verlief in beiden Fällen normal.
3) E. Morsbach-Dortmund: Ein Uterusstopfer.
Das Instrument besteht aus 2 Branchen, die durch ein Zangen-
schloss lose verbunden und innen ausgehöhlt sind, um die zusammen¬
gepresst c Gaze aufzunehmen. Das Instrument soll leicht zu hand¬
haben sein und vor falschen Wegen sichern Es ist speciell für
Freunde der sStopfcur« bei Utcrusleiden construirt.
J af fe-Hnmburg.
Archiv für Hygiene. 25. Band, 1. Heft.
1) Max Rubner: Luftbewegung und Wärmedurchgang
bei Kleidungsstoffen. (Hyg. Institut Berlin.)
Rubner hatte in einer früheren Arbeit gezeigt, dass im
„Durchströmungsapparat" emgeschlossencr lockerer Wollflanell die
Wärmeleitung 1,5mal schlechter vor sich gehen lasse, als glattes
Baumwollgewebe. Es war hierbei die Luft in den Stoffen in Cir-
culntion ohne Communication mit der Aussenluft. Als Rubner
nun einen mit Wasser von 95° gefüllten Leslieschen Würfel mit
dichten und lockeren Stoffen von gleicher Dicke bezog und die
strahlende Oberfläche jedesmal durch gleichmässige Ueberspannung
mit einem Baumwollstoff gleich machte, fand er die Ausschläge
einer bestrahlten Thermosttule nur sehr unbedeutend (bis 5 Proc.)
verschieden, ob er dichte Baumwolle oder lockere Wolle zur W r ürfel-
bekleidung verwandte. Da die Strahlung unter diesen Umständen
ein Maafs für die Leitung darstellte, so schloss Rubner, dass die
Luftbewegung vom Würfel in s Freie hier mächtig die Wärme¬
abgabe des Würfels beeinflusse.
Die Arbeit sucht nun Material zu liefern zur Entscheidung
der Franc, in wie weit die Luftbewenung neben der Strahlung und
der Leitung im Gewebe an der Wärmeabgabe dos bekleideten
Menschen betheiligt sei.
Die durch Temperaturdifferenzen bedingten Druckdifferenzen
in unserer Kleidung findet Rubner bei 15° sehr klein — kaum mit
dem Differentialnianoiueter messbar —, etwa von 0.001—0,02 mm
Wasser. Einen aufsteigenden Luftstrom in unseren Kleidern konnte
Rubner nicht constatiren.
Bei einem Druck von 0,34 mm Wasser geht bei gleicher Stoff-
dicke und verschiedener Dichte durch:
dichte Baumwolle 1
Flanell 7,9.
Die Luftdurehlilssigkeit nimmt ziemlich proportional dem Druck
zu. Variation der Stoffdicke ist auf den Luftdurcheang bei Flanell
fast ohne Einfluss, bei appretirter Baumwolle sinkt die durchgehende
Luftmenge fast proportional der Schichtdicke.
Durch die dichten Gewebe findet am Körper wohl nur ein
sehr geringer Luftaustausch statt, wenn nicht Wind herrscht. Die
Anwendung lockerer, luftreicher und dadurch warm haltender Stoffe
findet eine Grenze in der Luftbewegung, die mit zunehmender
Durchlässigkeit eintritt.
2 > Max Rubner: Einfluss der Feuchtigkeit auf das Warme*
leitungsvermögen der Kleidungsstoffe. (Hyg. Institut Berlin.)
Nachdem ältere Versuche der Literatur keinen Unterschied
machten zwischen der Beeinflussung des Leitungsvermögens
der Kleidung durch Wasseraufnahme und der Vermehrung der
Wärmeabgabe durch Wasserverdunstung von der durchnässten Um¬
hüllung hat Rubner neue Versuche gemacht.
Das Wärmeleitungsvermögen ist:
Luft. . . 0,0000532,
Wolle . . 0,0004791,
Baumwolle 0,00141,
Wasser. . 0,00147,
d. h. trockene Wolle (luftfrei gedacht) leitet etwa 9 mal, trockene
Baumwolle und ebenso Wasser ca. 2 5 mal so gut wie Luft. AVird
also an Stelle von Luft in Kleidungsstoffe Wasser eingelagert, so
nimmt die Leitungsfähigkeit zu.
Ueber die Bedeutung des hygroskopisch aufgenommenen Wassers
hat Rubner nur wenige Ueberlegungen und Versuche raitgetheilt.
Die Leitungsfähigkeit der Grundsubstanz wird durch Aufenthalt bei
100°/o Feuchtigkeit zwar geändert um:
109,8 Proc. bei Wolle,
40,6 „ bei Seide,
15,9 „ bei Baumwolle,
aber da die Gewebe, namentlich die wollenen, neben viel Luft nur
wenig Grundsubstanz enthalten, so steigt das Leitungsvermögen der
Gewebe nur um bescheidene Werthe, etwa 10—20 u /o.
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i
162
Münchener me dicinische Woche nschrift.
No. 7.
Viel energischere ( alle
ÄS «\SL
rieh
derUrstoffe zurucktreten; nur aie muiuu
eine Spur günstiger. , dagegen bei nicht maximaler
Sehr er»»» U " te ™!“^t er “‘irt bS.lcr, der Zustand bei
Befeuchtung hervor, uns mtcr a8S ' n die nach starkem Aus-
„minimaler Befeuchtung , d. • e J 1 .8. einmal desshalb wichtig,
teifSum fe 8 durch Schweiss zSuS ?XotmplocSHen
Wollflanell . . •
Seide.
Loden .
Glatte Baumwolle.
Winter-Kammgarn
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13.3 Proc
30,0 „
38.4 .
50,?» „
22,1 „
0,0001136
(1,0001844
0,0001806
0 00027f>0
0,0001438
l: 1,06
1:2,8
1.2,58
1:3,39
1:2,0
..... werden Die Differenz beider Zahlen ist dem
Gährung ermittelt werden.
Zuckergehalt des ^""^P^verfähren in zweierlei Weise inodifidrt,
L. hat das B. sch eria ^ Gewkht mjt HUfe de3 VO n lhm
indem er erstens das p . . vierten Decimale bestimmt,
an d e?e S n er zweitens 11 die beiden für die Methode erforderlichen
Bestimmungen an Methode ein
cJgSÄÄa Arzt geeignetes Verfahren
zur ErmiUelung^Zu^ergeha^ ArtWog|e deg Phemphig08
neonatorum. , Rrunt irestillten Kinde einer an
Bei dem 9 p, “ Frau entwickelten sich auf
schwerer ^^" .Ir erbsen- bis tlialergrossc Blasen, deren bacter.o-
dem ganzen Körper■ erns . lococcug py0 genes aureus und einen
^faäsrs
stillenden‘Mutter) ^ch°die Impfungen mit dem Blut des K.ndes
Verlief Di n es P e°Beo V bachtung spricht dafür, ^ der Phemphigus^neona-
KpÄuÄ Sn," imfch durch eine Infeetion auf den
B1Ut - 5 TwoLTdMn: Zur Dilatationsbehandlung der Harn-
IÖh TfÄ S 1112. Kr '
3) Max Rubner: Die äusseren Bedingungen der Wärme-
•n;ÄÄ u.™ “ä
esses»
lieh unter die in trockenem Zustande herabsetzt.
lieber die Verdunstung ergeben . Rub °®. r . 8 SSSflnSt
WaÄer"‘gefüllt Yi“^ Man Siättl glauben können, eine geringe
Durchfeuchtung begünstige die Wasserverdunstung, weil um so
leichter Luft in die Gewebe eindringen könne, je unvollstdndigcr
die Poren mit, Wasser gefüllt sind; es ist aber nicht so. Ls scheint,
als ob die schwierige Verdunstung kleiner Wassermengen auf emer
festeren Bindung und die Anordnung in besonders engen Gewebe
lücken beruhe. Wenn Wasser langsamer von ausgedrücktem hlanell
als von Leinwand verdunstet, so kommt dies von d> m
Wassergehalt des ausgedrückten Flanells, nicht von der Eigenschaft
de? Wolle. Es zeigt sich auch hier wieder die kleine minimalste
WassercapacitUt der Wolle als Vortlieil. .
Die Raschheit der Verdunstung ist von der Temperatur abhängig,
steigt die Temperatur:
von 30 so steigt die Wasserverdunslung von 1
auf 40 „ ., .. .. auf 2
„ 66 „ „ „ » ” 5 ’ 4 -
In einer Reihe von Versuchen wurde schliesslich die Ver¬
dunstung in einer mehrfachen Schichte aufeinandergelegter nasser
Stoffproben untersucht, die auf einem Trockenschrank lagen. otets
trocknete die innerste zuerst. Schichtet man über ein feuchtes
Flanellstück ein feuchtes Leinenstück, so geht die \ erdunstung
langsamer, als wie wenn umgekehrt über ein feuchtes Leinenstück
ein feuchtes Flanellstück geschichtet wird. Bedeckt man feuchte
Stoffschichten mit trockenen, so wandert, indem die nassen Schichten
trocknen, etwas Wasser in die trockenen hinein.
K. B. Lehmann.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 6.
1) Schramm-Dresden: Schwangerschaft, Geburt und
Wochenbett nach Nierenexstirpation.
Bei einer 2b jährigen Patientin war wegen Hydronepliose die
rechte Niere exstirpirt Unter dem Einfluss einer nach 3 ’/a Jahren
einsetzenden Schwangerschaft bildete sich eine ziemlich beträchtliche
Albuminurie, aus, die aber 7 Tage nach der ohne Störung verlaufenen
Entbindung wieder verschwand.
2) B. Baginsky: Ueber die chronischen Eiterungen der
Nebenhöhlen der Nase.
Enthält eine Reihe von diagnostischen Bemerkungen, deren
kurze Wiedergabe unmöglich.
3) L o h n s t e i n-Berlin: Ueber densimetrische Zucker¬
bestimmung.
Zur quantitativen Zuckerbestimmung empfiehlt Verfasser die
vor 30 Jahren von Roberts angegebene Methode. Dieselbe besteht
darin, dass die specifischen Gewichte des Urins vor und nach der
ö. ü. •' • ’
Dentschc medicmi.cb. W M he»»chrifL
SÄÄ Schien“ de, »--“Ä SÄ
dem zu behandelnden lalle vo^ Opemteur selbstge 8 bleiben .
tg $gg St»
andererseits entwickelt haben kön ?®“- der mal i gnen
NeoÄÄÄÄf (A- der chfrurgischen Privat-
^ Ve^lbe''’ °J* \Zp “ Injectionen °^Z
constatiren. K . WaUer: Weiteres über das Vor
kommen von Influenzabacillen
der Untersuchungsstation des X. Armeccorps l
^Beobachtungen an 4 Fallen von Mt»» ■
sclieinungeu von Seite des Centrain er veny ^ davon mit
Bilde der typischen Cerebrospmaln emng tis »uftxate , Uuter .
rapidem, tödtlichem Verlaufe. Genaue ba fl c ^V g aciUen in den
Buchungen ergaben das Vorhandensein ^ sämratlich im All-
betreffenden Organen selbst obwohl Dementsprechend
gemeinen das Bild der Mischmfe t directer Einwirkung des
werden auch die Erscheinungen als Folge direcrer
Bacillus und nicht als rein toxischer Natur a J f « e *J“ ' in den
6) K o e h 1 e r - Posen: Zur Aetiologie der £b»®ÜJIbe.
Gaumenmandeln und dem sie urage en häufig^recidivirender
Es wird auf den causalen Zusammenhang h g Fal]e
Tonsillärabscesse mit Ohrenerkrankungen. 1 gemacht Die In¬
chronische Otitis media purulente, auf merksa me ß eB8erU ng
fection nimmt ihren Weg durch dre Tuba Eustochii. Nacn.n•
des Ohrenleidens blieben die sonst regelmässig wiecicr* ? L
Mandelentzündungen definitiv aus.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 12- Februar 1896-
Herr Lehfeld demonstrirt ein junges Machen, J eC
durch eiueu am Telephon erhaltenen elektrischen
Halbseitenlähmung mit gleichseitiger Anästhesie der
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
163
18. Februar 1896.
Sinncsqualitäten und Gesichtsfeldeinengung bezw. Skotom acquirirte.
(Hysterie. Ref.)
Herr Schüller deinonstrirt Kaninchengelenke, in welchen
er durch Injection von «Rheumatismusbacillen» d. h.
Bacillen des chronischen Gelenkrheumatismus einen «chronischen
Gelenkrheumatismus » erzeugt hatte. Die erwähnten Bacillen hat
Sch. vor längerer Zeit beschrieben. Er gewann dieselben aus
den Gelenken von an chronischer Arthritis leidenden Personen,
konnte sie aber auch im Vaginalschlcim (!) und Speichel (!) von
solchen Kranken nachweisen und es gelang ihm leicht dieselben
zu züchten.
In der Diseussion zum Vortrage des Herrn Silex über
pathognoinonische Zeichen der congenitalen Lues hielt
der Vortragende im Schlussworte seine Ansichten in allen Punkten
aafrecht, 11. K.
Verein Freiburger Aerzte.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 27. Dezember 1895-
(Schluss).
Geh.-Rath Prof. Bäumler thcilt in Kürze die Ilauptzüge
des Krankheitsfalles von erworbener Stenosirung der Pul¬
monalklappen , von welchem Herr Prof. v. K a h 1 d e n das
Präparat demonstrirt hatte, mit.
Der Kranke war ein 16 jähriger, schwächlicher Schneider¬
lehrling, welcher indessen bis zum Frühjahr 1894 nie krank gewesen
sein wollte. Die ersten Erscheinungen, die ihn belästigt hätten,
seien Athemnoth beim Bergaufgehen und Herzklopfen gewesen.
Im Frühjahr 1895 batten sich dieselben gesteigert, so dass der Arzt
ihm rieth, sich in's Hospital aufDehmen zu lassen. Doch hat er
mit Mühe noch bis zu seinem Eintritt, am 29. April 1895, gearbeitet.
Beim Eintritt in die Klinik bot der leicht hydropischo und
cyanotwehe Kranke die Erscheinungen eines Her zkl appenfe hlers
mitwahrscheinlich noch fortbestehender Endocarditis
und einer haemorrhagischen Nephritis dar. Wie lange die
Erscheinungen der letzteren schon bestanden hatten, liess sich nicht
feststellen. Das Anfangs vorhanden gewesene Oedem und der Blut-
gehalt deB Harns nahmen im Hospital bald ab, letzterer zeigte
jedoch erhebliche Schwankungen bei im Allgemeinen etwas ge¬
steigerter, wiederholt 2000 ccm übersteigender Menge.
Der Puls des meist auffallend blassen Kranken war bis einige
Tage vor dem durch ein Gesichtserysipel erfolgenden Tod (am
25. Dezember 1895) stets
etwas gespannt, was sich
auch in der Curve, die an¬
fangs eine Andeutung von
Anakrotie zeigte, deutlich
aussprach.
Im Anfang des Hospital-
aufenthaltes bestand häufig
Nasenbluten, später
traten mehrmals h a e m o r -
rbagische papulöse
Erytheme an den Ex¬
tremitäten und im Ge¬
sicht auf, während im
Augenhintergrund niemals
Blutungen nachgewiesen
werden konnten.
Im Oktober war die von
Anfang an neben massiger
Stauungsleber sehr vergrösserte Milz unter heftigen Schmerzen
und leichten, aber rasch vorübergehenden Fiebererscheinungen be-
trächtlich angeschwollen. Gleichzeitig entwickelte sich
linkerseits, wie es schien, im Zusammenhang mit der Milz-
vergrössening, ein pleuri tisch er Erguss, der sich, ebenso wie
die Milzvergrösserung, langsam wieder verkleinerte.
Am Herzen fand sich constant ein systolisches Geräusch,
an der Herzspitze neben dem 1. Ton nur schwach hörbar, am
lautesten über der Basis auf dem Sternum und am
b^Sternalrand am Ansatz des 3. Rippenknorpels. Die Herz¬
dampfung überschritt nach R nur wenig den R-Sternalrand, reichte
weh L. bis jenseits der Mammillarlinie, der Herzspitzensloss war
Wiwach und undeutlich.
Das etwas rauhe systolische Geräusch, zeitweise als schwaches
ta Y lrren an * dem Man. sterni, am L-Rande desselben
fflKiK er Ä * 8 a ^ er auc h * m jugulum und an den Carotiden
hfl ih* 8e ** r oberhalb der 4. Rippenknorpel bis zum Jugulum
i r- ~*hb etwas weiter vom 8ternum gegen die Axilla hin als R sich
streckend. Der 2. Ton war an der Herzspitze sowohl als an der
8. Mai.
10 Xovvmlier.
Basis laut, stets vollkommen rein. Ein diastolisches Geräusch
war nie hörbar.
Von der zuerst, hauptsächlich auf Grund der grössten Intensität
des Geräusches am L. Sternalrand, gehegten Vermutliung, dass es
sich um eine Erkrankung der Puluionalklappcn handle, war man
bald zurüekgekommen, da die durch Percussion festzustelleude
Vererösserung des r. Herzens dafür zu gering zu sein schien, da
ferner das Geräusch bis in die Carotiden fortgeleitet wurde, die
Halsvenen zu keiner Zeit eine besondere Peherfüllung oder Pulsation
zeigten und da der Radialpuls zwar klein, aber ziemlich gespannt
war. Vielmehr schienen weiterhin zu Gunsten einer Erkrankung
der Aortaklappen die hämorrhagische, vielleicht embolische Nephritis,
die plötzlich auftretende stärkere Anschwellung der Milz, die wieder¬
holt auftretenden, wie inan unuahm, cinboiisclien llautaffeetionen
zu sprechen.
Die iSection zeigte jedoch, dass die erste Annahme doch
die richtige gewesen war, dass Aorta und Mitralklappe vollkommen
frei waren, und die Erkrank u n g lediglich ihren Sitz
in der Pulmonalis hatte. Dabei handelte es sieh um eine
längst abgelaufene Endocarditis, welche durch Verwachsung der
freien Ränder der Klappensegcl zu einer Verengerung dos Lumens
der Pulmonalarterie geführt hatte, der Art, dass die mit einander
verwachsenen Klappensegel ein D i a p h r a g m a m i t central e m
Loch von etwa 1 c in P ureli in esser darstellten. Frischere
Entzündung in Form von \ leorat ion und Tliroiiihenbildung fand
sich mehrere Contiinetor oberhalb dieses Klappoiisoptums an der
R. und vorderen Wand der Pulmonalarterie.
Embolische Herde fanden sieh weder in der durch Stauung
sehr vergrösserten Milz, noch in den Nieren, wiewohl im Spitzentheil
des L. Ventrikels zwischen den Trabckeln sich central erweichte
Thromben gebildet hatten. Die Nieren waren bunt gefleckt, die
Rinde etwas geschwunden.
Iin unteren Tlieile der 1. Pleurahöhle und auf der Zwerch -
fellsflürlie des L. I'nterlappens fanden sich frische miliare graue
Knötchen (miliare Tuberkel'; irgend ein allerer tuhcrnilösor
Herd liess sich jedoch nirgends auflindcii. Ebensowenig irgendwo
sonst miliare Tuberkel.
Der r. Ventrikel und Vorhof waren dilatirt und bedeutend
hypertrophisch, der 1. Ventrikel gleichfalls etwas dilatirt und
hypertrophisch.
Abnorme Communicationen zwischen den Herzhöhlen fanden
sich nicht, auch war der duet. art. Botalli oblitcrirt.
Es handelte sich also hier um einen jener sehr seltenen
Fälle von erworbener Stenose der P u 1 m o n a 1 k 1 a p p e n ,
wobei jedoch nicht durch noch frische Endocarditis mit bl tunen-
kohlartigon Wucherungen das Lumen der Pulmonalarterie verengt
wurde, sondern, wie dies an der Aorta öfter vorkommt, ältere
Verwachsungen der Klappensegel ein Septum mit centraler Oeffnung
gebildet hatten. Angesichts dieses Befundes ist es sehr auffallend,
dass keine Erscheinungen einer Insufricienz der Klappen während
des Lebens vorhanden gewesen waren. Ferner ist bemerkens¬
wert li, dass an den Halsvenen zu keiner Zeit besonders auffällige
Stauungserselieinungen hervorgetreten waren und dass die Stauung
sich hauptsächlich auf das Pfortadergebiet beschränkte.
Welchen Antheil an «1er Hypertrophie des L. Ventrikels die
Drucksteigerung im venösen Abschnitt des Kreislaufs und welchen
etwa die chronische, zum Tlieil interstitielle Nephritis an derselben
hatte, lässt sieh nicht mit Bestimmtheit festst eilen. Die Hyper¬
trophie des Ii. Ventrikels hatte aber wohl jedenfalls zur Conqien-
sation beigetragen.
Diagnostisch ist von Wichtigkeit, dass, wie der Fall zeigt,
auch bei Pulmonalstenose Geräusch und Schwirren bis in die
Carotiden fortgepflanzt werden können.
Aerztlicher Verein zu Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom U. Februar 1896.
Vorsitzender; Herr Kümmell.
I. Demonstration:
Herr Mohr stellt einen Fall von nach Trauma entstandenem
in 6 Wochen geheiltem Hirnabscess bei einem vierjährigen
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i
MÜNCHENER MBDICUnSCHEJTOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Ko.beo vo, bei de» -ÄÄÄ'ÄS
und HypoglossusstOning für die Lo sind fa(jt giinzhch zurück¬
furche sprachen^ Die Ausfallserscnei Herdsymptome an,usprechen.
gegangen und demgemäß y Jos Herrn Lemke:
II. Demonstrationen d g S Mor b. Basedowii
Ueber Frühdiagnose und Therapie
und Discussion über denselben : > von M orb. Based.
Herr Peltesohn zeigt eine ‘forme fri o eigentliche
Bei derFranken .besteht
Struma, dagegen sind dasGr liefe sei -> I ie fluchtige das Gc-
Zeichen, Tremor Ä e u«^ »nd sichern die Diagnose
sicht überziehende Böthe sehr d plötzlich einsetzende
Bei einem zweiten typisch>en Fa1 *iM ^ dfl9 Vorausgehen einer
8 “” sche "
sind, lässt Vortr dahingestellt ^ gche Daten übe r die von
Herr Lemke gibt einige , un d demonstnrt zwei
Rehn 1882 inaugnnrte operative Beha dl g gehe ilte männ-
von ihm durch halb»ert,fe v 8 „ ihm operirten
liehe Basedowkranke, lall 1 ist uer c d es Krop i es mdi-
Kranken. Bedrohliche Äüle geUs emt
cirten die Tracheotomie 1J ^S ^tion Rd Fall n bestand
nach der halbseitigen und Lebensüberdruss
tiefe Gemüthsdepression, AAertron Fall ohne Struma
Herr S ä n ge r zeigt emen ausgesp . f z M o c b i u s und
warnt unter Berufung auf koch > » Eg handelt sich meist
Strümpell vor der operatuen ‘^ 2 wen ig widerstand»-
um sehr leicht blutende, wegteGe “^ ndarem Basedow, in
fähigen Patienten. Nur» 1 Fri! ,’?£,, pil . ht durch Druck derselben auf
denen sich zu einer S. 1 'u™^ wäre die Operation
den Sympathicus) B«sedowsj mptome derselben keinen Nutzen
indicirt. Theoretisch köm nnrtielle Strumectomie nicht alles Gift
versprechen weil dur ®[i * J ilre Ausserdem käme beim gleichen
bereitende Gewebe entfernt wäre. der Schibklrüsc — und
Individuum Morb. Based. — Hyperl n vor. Fülle von
sich durch L.’s Muske 1g 1 f Uheo nicht J gondem durch
ÄÄ'^ÄÄ^sich um eine functionelle
tiven Verfahren», wenn Interna nicht mehr heuen,.«me ^ ^
ausgesprochener Kr ^'® r ^a^X Erfolge' beobachtet. 4 geheilte
und in manchen Fallen eklatante g nirer vorgcst ellte Kranke
SnachT's 6 ^aS" eine Hypertrophie des rechten Schilddrüsen-
laPPe Hecc Nonne »echt ,W —
SmÄmerk^m gemeSt. Die ^„f.kheit'lo“
verminderten Tonus derselben nicht zu erklären. ^
uleim externa — Lähmung sämmtheher Augenmuskeln \siw-
Exophthalmus, wenn überhaupt vorhanden .lange mcht so hoch¬
gradig wie bei M. B. Auch Beobachtungen von Heilung des M.
durch Darreichung von Thyreoidextract sprechen gegen L. s Iheorie.
HerrBöttiger bemerkt, dass melancholische Zustände relativ
selten »ich im Verlaufe einstellten; es handle sich viel häufiger um
hallucinatorische Verwirrtheit und um M«» e - , s .
Herr J. Hess ist mit Moebius der Ansicht, dass das SecTet
der erkrankten Schilddrüse ein Nervengift kein Muskelgift sen Die
Erkrankung befällt vorzugsweise 1- rauen, besonders hereditär neuro
pathisdi r veranlagte^^» n n erwähnt, dass der Exophthalmus durch
eine stärkere Blutfülle der retrobulbären Gefässe be¬
dingt ist, daher bei der Leiche nicht mehr bestände. Durch Morphium
injectionen ist das Graefe'sche Symptom vorübergehend zum V er¬
schwinden zu bringen. Das spontane Auftreten und g^egeiitliche
Zurückgehen des Exophthalmus, isolirte Abducenslähmung, die Mannig¬
faltigkeit der Pupillarreaction und das Fehlen von Accommodations-
paresen lassen sich mit L's Theorie nicht vereinen.
Herr Lemke bestreitet die Gefahr der Operation, verwahrt
sich gegen den Vorwurf übereilter Diagnosenstellung und beschränkt
«oh »u« don Hinweis, d« die. Zuhuaft über dea Werth »eine,
Theorie Aufschluss E cbe " ™ r über B au man ns jüngste Entdeckung
Herr Em den refemt über »a^ Schüddrü3e (Thyro jod>n),
des Jods als vvirksamcn Verfahren gewonnene Jodreaction
demonstnrt die nach de • Schilddrüse sowie aus den
aus einer «»e n8C ^ Iche d ® e ist an der Hand von Beispielen
e ™ f e den h .hÄoh“nJ pVtiech eaonnea Werth diese, .und.-
mentalen Thatsache hin. Werth der Lumbalpunction
">■ ; l erscheint i» «ta.
für Diagnose und Therapie w c r „ c r .
in dieser WVlienschritt.
Aerztlicher Verein München.
Sitzung vom 11. Dezember 1895-
(Nachtrag.)
Discussion zum Vortrag des Herrn Seydel: Ueber
j/isc.ussii - o mm-Geschoss. (b-
I5 Schussverletzungen mit dem 7.9 “
zu mildern, durch die neue g egenüber dem früher eingeführten
bestehe. Es sei zw £> fe . U ? 3 ’ die schwersten Verletzungen hervor-
Mausergewehr das Kleinki bd { Entfe , nU ngen, wo das 11mm-
bringen könne und zwar noch a Die Wirkungen des
Geschoss nur mehr Gontusionw „ kenne er nicht ans
Kleinkalibers auf den menschliche^ Körpe^K^^^ das
eigenen Erfahrungen, ttb Wb kung auf Hochwild kennen zu
moderne Geschoss in »eine > rku * um Schü8se , die in relativ
lernen. Auf der dagd liandle e3 ‘ en würden und ausserdem
geringer Entfernung, bis loO \ * Verwendung, sondern ein Ge¬
binde nicht das Vollmante'geschos * Geschossspitze sei
schoss, das nur */» ^ nt S?SÄ;tiS ^ öSd»^ begtt«**.
a ÄiÄ ÄS sei Lunge und Herz eines
Hirsches^ 7 ^ g enthejm l, ^e^hraone iu zukünftigen ^rm^n^^werde v^n
1000 bis 2000 m liegen undJ“ «Ji* «Äche Splitter, die an ihrer
SrMcKT-'das, auch
zu liegen. . ... „,, ob die Scliussverletzungen
jjÄsa*»«« dMie äiePrognM '
der Lungcnschüsse sehr günstig sem. deg sdlilde l s Ein
Um so ernster sind die bchussverieizui g Geschoss
auf eine Entfernung von |‘0 0mdur J t to dt und man darf an¬
in den Kopf geschossener Soldat war sotO h ^^ durcb8cbbi gen wird,
nehmen, dass noch über - , > oqq m Distanz sich am
während das 11 mm- Geschoss schon bei 8wm ^ Verletznllge n
Schädelknochen platt drückte. Fbensowi d kUbrie Geschoss
der grossen Blutgefässe vermehren da duMemi^ tt und scharf
die Blutgefässe nicht zur Seite schiebt, onde ^ für die
durchschlägt. Dadurch s.nd auch ungünstigere^jea^ ^ d
Thrombusbildung gegeben u . nd . n d « r fl >“„ Krfefen. Auch die Ver-
Schlnchtfelde häufiger sein als in frühere«_ K g f sein , da
letzungen des Unterleibs werfen viel ernster au bei D ann*
wohl alle Bauchschüsse perfonrendo ßemjveraen fen
schössen der »ustretende Koth konnte,
-haben wird, bevor eine geeignete Therapie 1 lat ^ k ]iber W ird
Die Prognose der Schusswunden durch das Klm die Wunde n
im Allgemeinen noch günstig be . e , 1 "‘ 1 ' ,s ® t nd Behandlung dadurch
sich den subcutanen \Vunden nähern and dag Ge8choss
ÄÄ o'der d - Anstreifen
SXSÄS Ä beträchtliche
und die Durchschlagskraft eine geringe. Gefässe betrifft, so
Herr Seydel: Was die Verieteun^n d.“ ^“errissen, bei
werden kleinere Gefässe von dem GeschM» vö^g ^ EröffnU ng
grösseren Blutgefässen beobachtete ra ai»8 aUSge sprengte
jedoch nicht durch das Geschoss, sondern 1 s hu88ver i e tzungen.
Knochensplitter in der Nähe von d »P h y» le “ “ z Cn gr0S »en Gefässe
Die Ausdehnung der Schussverletzungen | dBiutfülhmg ^
hängt von der Scliussd.stance von der G^sseun te
Gefässe, sowie von dem Umstande ab ob gich defonn .rt
Querdurchmesser getroffen ist ( und ° b .^^„etroffen, so kommt
hat. Wird das Gefäss im grössten Durchmesser g daffiit zur a us-
es zur hydraulischen Pressung im Gefässrohr u
gedehnten Zerreissung. ;„c,u oan ndere bei Strassen-
Dass durch das neue Geschoss, haben <h e
kämpfen, viele indirecte Geschosse erzeugt
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18. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
165
Unruhen von Nürschan und Biala nach Bogdanic'ß Veröffentlichung
gezeigt; aber auch das 7,9 mm-Geschoss allein kann, wenn es vor
dem Eindringen in den Körper auf Stein oder Eisen aufgetroffen
ist, Verletzungen erzeugen, welche den mit gehacktem Blei hervor¬
gerufenen vollkommen ähnlich sind.
Herr Seitz: Bericht der Serumcommission der
ärztlichen Vereine Münchens. Der Vortrag ist an anderer
Stelle dieser Nummer abgedruckt.
Discussion: Herr v. Ranke: Im Anschluss an die Beobacli-
tnngen über die Wirkung des Heilserums in der Privatpraxis dürfte
es von Interesse sein, wieder einmal etwas über die mit dem Heil¬
serum erreichten Resultate an den Diphtherie-Kranken der k. Uni-
versitätskinderklinik zu erfahren.
Die günstigen Erfolge, über welche Redner irn vergangenen
Frühjahr auf dem XIII. Con^ress für innere Medicin berichtete,
seien erfreulicher Weise bis heute constant geblieben.
Die letzte zusammenfassende Uebersicht reicht bis zum (.Sep¬
tember; bis dahin gelangten seit 24. September 1894, dem Tage, an
welchem mit der Serumbehandlung begonnen wurde, 241 Fülle von
Diphtherie zur Aufnahme.
Mit Abzug der noch in Behandlung Befindlichen verbleiben
225 Fälle zur statistischen Verwerthung. Von diesen 225 Fällen
starben 43. Es entspricht das einer Gesammtinortalität von 19.1 Proc..
während in den vorausgehenden 8 Jahren diese Mortalitätsziffer pro
Jahr zwischen 42,2 und 57 Proc. geschwankt hatte.
Von den 225 Fällen waren 17 mit Scharlach, 5 mit Masern
complicirt, verbleiben 203 Fälle primärer Diphtherie. Von diesen
203 Fällen primärer Diphtherie starben 34, entsprechend einer Mor¬
talität Ton 16,7 Proc.
Während die Wirkung des Heilserums den diphtherischen
Process im Allgemeinen mehr gutartig und weniger progressiv zu
gestalten schien, war der günstige Einfluss auf den Verlauf der
diphtherischen Laryngostenose ganz besonders deutlich
hervortretend und geradezu überraschend.
Von den 203 Fällen primärer Diphtherie boten 108 =• 53,2 Proc.
bei der Aufnahme Erscheinungen von Laryngostenose.
Bei 33 von diesen, d. i. bei 30,5 Proc, gingen die stenotischen
Symptome nach der Injection ohne Operation wieder zurück.
Bei 68 Fällen musste eine Operation vorgenommen werden.
Von diesen starben 21 = 30,9 Proc., während in den letzten K Jahren
die Mortalität dieser Gruppe geschwankt hatte zwischen 59,5 und
75,4 Proc.
Besonders erfreulich gestalteten sich unter dem Einfluss der
Serumtherapie die Erfolge der Intubation. Die Tube braucht jetzt
bei den geheilten Fällen viel kürzer im Kehlkopf zu liegen als
früher und die Gefahren des Decubitus sind dadurch ausserordentlich
vermindert worden.
Auf Grund von 46 durch die Intubation allein geheilten
Fällen unter der Serumtherapie stellt sich das Verhältnis« folgender¬
maßen:
Vor der Serumzeit konnte die Tube weggelassen werden nach
24 Stunden oder etwas früher bei 8 Proc., während der Serum-
zeit bei 19 Proc.
Nach 2 Tagen vor der Serumzeit bei •-6 Proc., während der
Serumzeit bei 45,7 Proc.
Bei der Gruppe dann, die die Tube länger als 4 Tage be-
nöthigt, tritt procentiscb der grösste Unterschied hervor:
Vor der Serumzeit waren das 36 Proc. aller Intubirten, jetzt
nur noch 10,8 Proc.
Das sind Veränderungen im Krankheitsverlauf, welche die
ausserordentlich günstige Wirkung des Serums über allen Zweifel
erbeben.
Redner achliesst mit einem warmen Appell an die Collegen,
sich dieses wunderbar segensreichen und nie schädliche Wirkungen
äußernden Mittels noch mehr zu bedienen, als dies bisher der
Fall war.
An der Discussion betheiligen sich Herr von Ranke und
Herr 8eitz
Herr Seitz tritt nochmals für möglichst frühzeitige und aus¬
reichende Seruminjection auch bei sogenannten septischen Fällen
ein, ferner auch eventuell bei zweifelhaften Fällen, da ja keinesfalls
eine nennenswerthe oder dauernde üble Folgeerscheinung durch die
Serambehandlung zu befürchten sei. Ferner tritt S. der in der
Sammelforschung wiederholt ausgesprochenen Ansicht entgegen, dass
Fälle mit geringem oder ohne Fieber als leichte aufzufassen seien,
».erklärt schliesslich, dass die im vorigen Jahre zur Verfügung
gestellten Mittel zwar erschöpft seien, dass er jedoch auch fortan
bereit sei, diphtberiekranke Kinder armer Leute unentgeltlich poli¬
klinisch mit Serum zu behandeln.
Wiener Briefe.
(Original bericht.)
Wien, 15- Februar 1896-
Schäden der mit gelbem Phosphor erzeugten Zünd¬
hölzchen. — Die Cholera in Galizien. — Magensecretion
unter Nerveneinflüssen. — Psychosen als Ausdruck gastro¬
intestinaler Autointoxicationen.
Unser Oberster Sanitätsrath hat sieh letzthin mit «ler Frage
der Einschränkung rexp. des Verlndes der Erzeugung und des
\ ertliches «1er mit «lern giftigen gelben Phosphor liercitcten ge¬
wöhnlichen Zündhölzchen und deren Ersatz durch solche mit
ungiftigem rothen Phosphor «sog. schwedische) lieschüftigt. Die
Arbeiter in derlei Ziimlhölzchcnfahrikcn erleiden, auch bei strenger
Durchführung und Beobachtung «ler erlassenen sanilütspolizeilichcii
Verordnungen, gewisse Gesundheitsstörungen, dann wird alljährlich
eine nicht unbeträchtliche Anzahl von „Menschenli-ben dahingeratVt
durch I ngliicksfälle und Vergiftungen, welche durch unvorsichtige
und missbräuchliche Verwendung «ler gewöhnlichen Phosplmr-Zünd-
hölzclicn verursacht werden, endlich kommen die indireeten Schäden
an Lehen, Gesundheit und Eigenthum in Betracht, welche «lurcli
Brandschäden bedingt werden, die in Folge der lemliteren Ent¬
zündbarkeit durch mit gelbem Phosphor erzeugte Zümlhölzeheii in
häufiger« in „Mnasse verursacht wer«len. Mit Uiieksicht hierauf
würden vom sanitären Standpunkte alle Maas.-nahnien als sanitärer
Fortschritt hegrüsst. welche auf die E i u seh rä n k u n g «ler Er¬
zeugung und «les Gebrauches der mit gelbem Phosphor erzeugten
Zündhölzchen hiiizielcn.
ln Galizien sind wahr« ml der abgclaufcnen \\ oelie keine
weiteren Cholera fülle aufgetr« ten So lautet die neueste «dlicielle
Mittheilung. Die Gesammlzahl der vom 23- August 1895 bis
26. Januar 1896 in 58 zu 14 politischen Bezirken gehörenden
Gemeinden Galiziens constatirten Erkrankungen beträgt 453, <li«‘
der Todesfälle 296 — 65.3 Proc. Mortalität.
Den llauptsitz der Cholera in Galizien bildeten im Herl ste
des verflossenen .Jahres eine Heilte von Gemeinden im Fluss¬
gebiete des Seretli und ein an dieses Gebiet sieh an¬
schliessender Thcil «les Bezirkes Husiatyn am Ta jua-Fluss¬
laufe. Die Wichtigkeit der l eberwaehung der Flussgebiete zu
Cholerazeiten ist hiedurch abermals bewiesen.
Ilinsiehtiieh der Provenienz der Cholera hotchl die An
nähme, «lass die Seuche in die Stadt Tannpol aus dein russischen
Gouvernement Wolhynien cingoM-hleppt wurden sei, es wurde jedoch
hiefür durch die angestcllten Nachforschungen der sichere Nach¬
weis nicht erbracht.
In 3 in «ler Stadt Przcmysel vorgekommeiicn Fällen handelte
es sich um S p i t a I s i n f ec t i on. Wegen <l«'s auffälligen Auf¬
tretens von Choleracrkrankungen hei fünf, Schneiderfamilion an¬
gehörenden Personen in der Stadt Crembowla A nf a n gs J a u ua r
1. J.« zu einer Zeit, wo in «len übrigen verseucht gewesenen
Gebieten die Cholera als nahezu gänzlich erloschen anzusehcn
war, wurden die eingehendsten Untersuchungen darüber ungeordnet,
oh die Cholorainfoction hei «liescn Fällen durch mit Clmleradejecteu
beschmutzte Kleidungsstücke erfolgt sei. Das Ergehniss dieser
Erhebungen ist noch nicht bekannt. Zugleich wurde verfügt, dass
hei der Verbrennung von Kleidungs- um! Wäschestücken Cholera-
kranker mit der grössten Strenge, ohne hiebei Rücksicht
a u f <1 e n S t a a t s s <• h a t z z u n e h m e n , vorgegangen werde.
(Erlass des Ministerium des Innern vom 12. Januar 1896.)
Alles in Allem kann unsere oberste Medicinalleitung auf das
Resultat «ler sanitären Uebenvaclmug «ler direct be«lrobten Gegenden
Galiziens, sowie ganz (lestenvichs, wohin auch nicht ein Fall
verschleppt wurde, stolz sein. Alle ihre Vorkehrungen haben
sich glänzend bewährt.
1 in Wiener tucdicinischcn Club hielt Dr. J. Sch ne vor einen
Vortrag über die Magensecretion, dev manches Neue hot. Der
Redner hat im Laboratorium «les Prof. Basel» an 17 Hunden
Versuch«* in der Hiebtung angestellt, dass er einmal den peripheren
Stumpf «les durchschnittenen Vagus am Halse reizte, dann wieder
das centrale Vagusende und schliesslich den peripheren und centralen
Splanchnicusstumpf. Nur im ersten Falle, also hei Reizung des
peripheren Vagusstumpfes, wurde Magensaft erhalten, in den
anderen Fällen alter nicht, was zur Evidenz lteweist, dass der
Vagus die seeretorisehen Fasern für den Magen führt.
Der erhaltene Magensaft wurde fernerhin auf seine Beschaffen¬
heit untersucht und hiebei die Richtigkeit der von Ri «Gier
und Schmidt aufgcstcllten Behauptung eoustatirt, dass der
Magen im physiologischen Zustande ein salzsäurehaltiges, pepsin -
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Gc >gle
i
t
166
MÜNCHENER MEDICINI8CHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
verdauendes Sccret liefere. Das war nämlich von Hagen be¬
stritten worden, indem er behauptete, dass die Magenschleimhaut
bloss fixe Chloride secernire, aus welchen erst durch Intervention
der Nahrungsmittel die Salzsäure gebildet werde. Die Nahrungs¬
mittel rufen also, wie aus Sch n eye r ’s Experimenten hervorgeht,
einen Strom von fixen Chloriden aus dem Blute gegen den Magen
zu hervor, sie regen aber gleichzeitig die Magendrüsen an, die aus dem
genannten Strome Salzsäure secerniren, während er die Drüsen
passirt, wobei er ihnen das Material zur Bildung dieser Salzsäure
liefert. Die Kenntnis» der Magenseeretion und -Function ist
durch diese Versuche wesentlich bereichert.
In der am 14. Februar 1. J. abgehaltencn Sitzung der
k. k. Gesellschaft der Aerzte sprach Prof. v. Wagner Uber
Psychosen als Ausdruck gastrointestinaler Autointoxicationen. Kr
wies einleitend auf die Aehnliehkeit hin, welche Polyneuritiden
toxischen Ursprunges mit gewissen Formen von Psychosen be¬
sitzen ; es ist also die Möglichkeit gegeben, dass letztere eben¬
falls durch gastrointestinale Störungen, nach Infectionskrankheiten
(jKistfebrile Psychosen) in Folge Aufnahme von Bactericn-Toxinen,
bedingt werden.
Fassen wir z. B. die Acetonuric als Symptom einer Auto-
intoxication auf, so wissen wir, dass bei gewissen gastrointestinalen
Störungen ungemein häufig im Harne das Aceton, die Diacetessig-
säure, die ()xybuttersäure etc. nachweisbar sind. Die Aceton uric
ist für uns gewissermassen ein Index, dass im Organismus Stoff¬
wechselanomalien vorgehen, wobei in höheren Graden auch andere
Körper (die genannten Vorstufen des Acetons) auftreten und da¬
mit schon schwere Symptome bedingen. Ob das Aceton aus dem
Eiweisse der cingeführtcn Nahrung entstehe, oder aus dem des
Blutes und der Gewebe, das sei dahingestellt. Die wesentliche
Bedingung zur Bildung des Acetons ist die Digestionsstörung.
v. Jak sch hat nun in seiner bekannten Monographie über
drei Fälle berichtet, in welchen acute postfebrile Psychosen mit
Acctonuric einhergingen. Redner kann diese Entdeckung von
Jak sch vollauf bestätigen, ja sogar einen gewissen Parallelis¬
mus zwischen der Menge des Acetons und dem Grade der Psychose
(Amentia nach Meyncrt) eonstatiren. In derlei Fällen war zu¬
meist auch das Indican in grosser Menge vorhanden, zuweilen auch
Eiweiss im Harne nachweisbar. Es betraf also Fälle von Auf¬
geregtsein und Ideenflucht, zuweilen von Depressivzuständen, ferner
von Delirium alcoholicum und postopileptischen Delirien.
Das Aceton war im Beginn der Erkrankung sehr reichlich
vorhanden, später weniger, es schwand völlig, wenn Heilung ein¬
trat. Die Fälle verliefen ohne Fieber und die Kranken abstinirten
nicht. Es ist dies dcssbalb wichtig, weil es eine febrile Form der
Acctonuric gibt, sodann eine Hungerform. Uebrigens scheint auch
die sog. Hunger-Aeetoriurie gastrointestinalen Ursprungs zu sein,
da der Hunger rasch zu Intoleranz von Ingestis führt, so dass
bei reichlicher Einbringung von Nahrung bei Abstinirenden (künst¬
liche Fütterung der Irren) sich oft Erbrechen cinstellt. In solchen
Fällen verabreicht v. Wagner daher anfangs bloss kleine Speise-
rnengen, oder bloss etwas Wasser.
Ist die Indigestion oder eine vorausgegangene fieberhafte* Er¬
krankung die Ursache der Acctonuric, so genügt cs oft, eine
energische Kotierung des Darmes einzulciten, um die Heilung der
begleitenden Psychose mit Schwinden des Acetons herbeizuführen.
In anderen Fällen reicht dieses Verfahren nicht aus, man muss
diejj Bacterien-Toxinc oder die Fermente im Darme durch ein
kräftiges Darm-Antisepticum unschädlich machen. Als solches
schlägt v/W. das Jodoform vor, weil es ungelöst den Darm
passirt, mithin überallhin in genügender Coneentration gelangt.
Er gibt 1 g pro die, auf 10 Einzcldosen vertheilt und wieder¬
holt* die Gesammtdosis, sobald der Urin keine Jodrcaction mehr zeigt.
Es genügten stets 3—4 g. Auch hier waren die Erfolge sehr
günstig und dieser Umstand bestätigt wieder die Vermuthung,
dass die Acctonbildung durch bactericlle oder Fermentwirkung zu
Stande kommt, wobei es gleichgültig sein kann, ob sich das Aceton
im Darme selbst bildet, oder sich erst im Blute und in den Ge¬
weben abspaltet.
Schwand das Aceton aus dem Harne, so wurde dieser wieder
licht, sein spocifischcs Gewicht wurde niedriger, er sediuientirtc
wenig. In einzelnen Fällen trat rasche Heilung ein (der Redner
berichtet am Schlüsse ausführlich über 3 solche Fälle seiner Be¬
obachtung, in anderen Fällen wurde bald eine auffallende Wendung
im Krankheitsbilde beobachtet (z. B. die Krauken abstinirten nicht
mehr, nahmen reichlich Nahrung zu sieh und gewannen an
Körj»ergowicht, oder es schwanden die allgemeine Schwäche, der
schwankende Gang, der Schwindel etc.), an welche Wendung sich
die Heilung anschloss. Bestand die Acetonurie und mit ihr die
Psychose schon durch längere Zeit, so trat eine solche günstige
Wendung nicht ein.
Die Acetonurie sieht der Vortragende nur als einen speciellcn
Ausdruck einer gastrointestinalen Störung an; es gibt ihrer gewiss
noch andere, welche zu eruiren, resp. aufzuhellen, Sache der
Chemiker und Baoteriologe» wäre. Dann würde auch so manches
Krankheitsbild klarer sein, welches jetzt noch recht dunkel erscheint.
So geht die vermehrte Eiwcissfäulniss mit vermehrter Aus-
scheidungjvon Indican vor sieh. Sic ist oft mit Acetonurie ver¬
bunden und es gibt wieder Psychosen, welche mit dieser Indicanurie
parallel laufen. Sie ist recht hartnäckiger Natur, sie widersteht
der einfachen Darmentleerung, aber auch der Darmdesinfection, wie
denn überhaupt die Lösung dieser Sache noch nicht erfolgt ist.
In theraj»cutischer Hinsicht wäre noch nachzutragen, dass
v. W. als Abführmittel das Calomel benützt. Er gibt sofort eine
grössere Dosis (0,3 — 0,5 g), da cs neben seiner abführenden
Wirkung noch eine zweite hat, die man sicli gut als desinficirende
vorstellen kann. Kr glaubt, in dieser Weise das Entstehen einzelner
Psychosen sogar cupirt zu haben und möchte annehmen, dass in
der Privatpraxis so manchem Kranken durch eine tüchtige Dosis
von Calomel der Weg in’s Irrenhaus erspart werden könnte.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadömie de Medecine.
Sitzung vom 21. Januar 1896.
Die Erfolge der Schutzimpfungen bei den Tbieren.
Nocard bringt eine Statistik über die Epizootieen, welche im
Jahre 1894 in Ungarn geherrscht haben und hebt dabei besondere
die von Pasteur eingeführten Impfungen gegen den Milzbrand und
den Scbweinerothlauf, die Hauptplage der ungarischen Viehzucht,
hervor. Im Jaöre 1894 wurden 110,739 Stück Rindvieh und
222,648 Schafe gegen Milzbrand geimpft, die Mortalität, welche für
eretereB vorher 5 Proc., für letztere 10 Proc. betrug, sank nach den
Impfungen auf 0,024, resp. 0,032 Proc. Gegen den Rothlauf wurden
681,118 Schweine geimpft, die Mortalität, welche vorher bis za
20 Proc. betrug, sank nach den Impfungen auf 0,28 Proc. Diese
Ziffern zeigen zur Genüge den hohen Nutzen welchen die Schutz¬
impfung mit abgeschwächtem Gift, eine durchaus französische Ent¬
deckung, der Landwirthschaft aller Länder erwiesen hat.
In der Sitzung vom 28. Januar hob Fournier die Wichtig¬
keit der Röntgen'schen Entdeckung hervor und demonstrirte die
Photographie einer Hand, welche das mit einer durchsichtigen Zone
umgebene Skelett derselben zeigt; die Dauer der Sitzung betrug in
diesem Falle 20 Minuten, dürfte aber je nach der Dicke der Ge¬
webe eine variable sein.
Academie des Sciences.
Sitzung vom 27. Januar 1896.
Ueber den Nutzen der Photographie mit den X-(Rönt-
gen-)Strahlen zur Krankheitsdiagnose.
Lannelongue zeigte erstens die Photographie eines mit
Osteomyelitis behafteten Knochens (femur), welchen die X Strahlen
durchdringen konnten, da neben dem intakten Periost ln diesem
Falle die äusseren Knochenschichten sich durch den Kmnkheits-
process auf Papierdünne reducirt hatten. Die centralen Schichten
sieht man bis auf */ 2 mm von der Oberfläche zerstört und in Cavernen
verwandelt und das Knochengewebe bis auf wenige Bälkchen rare-
fleirt. Eine zweite Photographie zeigt die tubercolöse Affection an
der ersten Phalange des linken Mittelfingers, dieselbe ist stärker
aufgetrieben wie das entsprechende Glied der übrigen Finger und
die Grenzen des Knochens sind verwischt, w r eil das Periost durch
fungöse Wucherungen und vielleicht eine Hypertrophie des Knochen¬
gewebes verdickt ist; die Photographie bestätigte auch insofern® die
klinische Diagnose, als nach derselben auch die zweite Phalange
etwas ergriffen war und das Bild eine hellere Knochenstelle, das
Zeichen einer rareficärenden Ostitis, ergab. Bei der dritten Photo¬
graphie handelte es sich um eine schon mehrere Jahre in Alkohol
gelegene Hand; eine oberflächliche Ulceration der Haut übereinem
Substanzverlust des einen der Carpalknochen wird auf der Photo¬
graphie durch einen weissen Fleck an der Stelle der Affection ge¬
kennzeichnet.
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lg. Febroar 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
167
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Royal medical and chirurgical Society.
Sitzung vom 28. Januar 18%.
Das Colles’sche Gesetz.
Dm Colles'sche Gesetz beruht bekanntiich auf der Thatsache,
dass eine Mutter durch das von einem syphilitischen Vater aus ihr
getaugte Kind in der Regel nicht inficirt wird.
G. Ogilvie fügt zu den bisher in der Literatur bekannten
20 Fällen, die eine Ausnahme von dieser Regel constatiren, 2 neue
hintu, und bestreitet die allgemeine Giltigkeit und die daraus zu
nahenden Consequenzen des Gesetzes. Noch weniger lässt sich
nieh seiner Ansicht das Pendant zu dem Colles’sehen Gesetz,
das sogenannte Profeta'sche Gesetz aufrecht erhalten, wonach
gesunde, von syphilitischen Müttern stammende Kinder immun
gegen die Krankheit der Mütter wären
J. Hutchinson tritt für das Colles'sche Gesetz ein Die
Gefahr der Mütter von ihren syphilitischen Säuglingen angesteckt
za werden sei eine sehr grosse und doch sei die Zahl der bekannten
Ausnahmen eine verschwindend geringe. Colcott Fox glaubt
diese Seltenheit der Infection durch die Muttterbrust auf die That¬
sache zurückführen zu müssen, dass der Mund bei hereditärer
Syphilis nur sehr selten affidrt ist.
B. Lees erwähnt einen Fall, in dem ein anscheinend hereditär
syphilitisches Kind die Brust der Mutter und eine Schwester inficirte;
nachträglich stellte sich aber heraus, dass das Kind erst post partum
inficirt worden war. E. Coke re 11 unterzieht auch die übrigen
erwähnten Ausnahmefälle einer Kritik, besonders die von Ranke
und von Merz beobachteten.
R. W. Parker schlieest aua der Thatsache, dass in den ärmeren
KlasBeu Weiber sehr oft die luetischen Sprösslinge Anderer unge¬
straft säugen, dass die Ansteckungsgefahr seitens der hereditären
Syphilis nicht so gross sei, als Colles geglaubt habe.
B. Lees betont Angesichts der nicht erwiesenen Ansteckungs¬
gefahr die Nothwendigkeit, den hereditär Belasteten nicht die Wohl-
that der Mutterbrust und damit die Möglichkeit einer passenden
Ernährung und gedeihlichen Entwicklung zu entziehen. F. L.
Verschiedenes.
• (Eineonservatives Krankenhaus.) Der unter diesem Titel
in Ko. 61 des vor. Jahrg. d. Wochensclir. erschienene Artikel von Dr.
Grassmann hat in Prag bedeutendes Aufsehen erregt und er scheint
erfreulicher Weise zu praktischen Schritten zur Abhilfe der gerügten
Mängel die Anregung gegeben zu haben. Wir entnehmen der Prager
medic. Wocbenschr. hierüber Folgendes: «Nicht bloss die Tages-
preaae hat die Notiz (in No. 4 der Prager medic. Wochenschr., in
welcher der Grassmann'sche Artikel wiedergegeben war) wörtlich
reproducirt oder Leitartikel in derselben Angelegenheit geschrieben,
im Budgetausschnsse des Landtages kam sie bereits zur Sprache.
Der Referent Abg. Dr. Zintl beantragte für das hiesige k. k. Allge¬
meine Krankenhaus die Einstellung eines Betrages von 240 000 fl.
Erbetonte hiebei, dass die Unterbringung der Kranken in dieser
Anstalt nicht in einer den Anforderungen der Zeit entsprechenden
Weise erfolge. Der Berichterstatter rügte weiter die Ueberfüllung
der Krankenzimmer, den Mangel nothwendiger Reinlichkeit, die
schlechte Verpflegung der Secundarärzte und Assistenten, die geringe
Besoldung derselben und verlangte Abhilfe. Die Abgeordneten
Siegmund und Dr. Zdenko Schücker beantragten folgende Re¬
solution; Die Zustände des in der Verwaltung des Staates stehenden
Allgemeinen Krankenhauses in Prag sind nach dem Berichte des
Beferenten derartige, dass Abhilfe dringend nothwendig ist. Die
Regierung wird darum ersucht, Erhebungen zu pflegen und dem
Undeeauascbusse das Ergebniss derselben mitzutheilen, eventuell
entsprechende Abhilfe zu schaffen*. Der Antrag des Berichterstatters
and die Resolution wurden einstimmig angenommen. Wir haben
«Kündigungen eingezogen und von wohlunterrichteter Seite er-
Uhren, dass schon vor 20 Jahren von Seite der medicinischen
Fscultät in Prag alle denkbaren Schritte bei den com-
pottoten Behörden unternommen wurden, um den schon damals
sieh geltend machenden Uebelständen im k. k. Allgemeinen Kranken-
hwse abzobelfen. Die weitere Ausgestaltung und die Durch-
whning von Erweiterungsbauten des Krankenhauses sind seither
vielfach Gegenstand commissioneller Berathungen gewesen und
sehr eingehend gearbeitete Elaborate sind von Seite des
rioffiMoren-CoUegiums der deutschen medicinischen Facultät der
«gierung vorgelegt worden. Wiederholt wurde auf günstige Constel-
mtionen hiagewiesen, durch welche benachbarte Gründe und Häuser*
rT P d au * pflüge Weise zu erwerben gewesen wären. Die räurn-
ucae Beengung wurde erst recht empfindlich, als plötzlich durch
Wörong der czechischen Universität alle Kliniken in doppelter
au * demselben Raume untergebracht werden mussten. Die
OMutäto- und Unterrichtsbehörden sind demnach über die miss-
ooäen Verhältnisse im Prager Allgemeinen Krankenhaus^, welche sich
auf die Art der Verwaltung beziehen, gut informirt. Wenn
* ie d er h°lt gestellten Anforderungen der klinischen Vorstände
iBfV“ ,iner nicht entsprochen wurde, so kann dies nur zum Theil
‘* an Umstand «urflekgeführt werden, dass sich nunmehr, nach¬
dem alle Gelegenheiten für eine entsprechende Ausdehnung und
Gewinnung des Baugrundes versäumt wurden, bei der Errichtung
von Neubauten auf beschränktem und unebenem Terrain Schwierig¬
keiten ergeben. Der Mangel einer grossen Grundfläche führt zum
Aufbau eigentümlich hoher, mehrstöckiger Pavillons. Dass das
Prager Krankenhaus in Bezug auf seine inneren Einrichtungen
(Betten, Wäsche, Kleidung u. s. w.) modernen Anforderungen
in keiner Weise entspricht und in dieser Hinsicht mit Recht
e'in «eonservatives», d. i. zurückgebliebenes, genannt wird, muss
Jeder zugeben, der die übrigen Krankenanstalten des ln- und
Auslandes mit einigem Verständnis zu besehen Gelegenheit hatte.
Trotz der alten Localitäten könnten saubere Betten, reinliche Wäsche,
nette Krankenkleidung, besseres Wartepersonal einen günstigeren
Eindruck auf den Besucher hervorrufen; alles Dinge, deren Mangel
von jedem in diesem Krankenhause Beschäftigten nur zu sehr
empfunden wird»
(Ausbruch einer Typhusepidemie durch Genuss von
Eis.) In dem französischen Gamisonsstädtchen Rennes brach plötz¬
lich zur Zeit eines besonders guten Gesundheitszustandes unter dem
Offizierskorps, und zwar unter diesem allein, eine Typhusepidemie
aus, welcher von G Erkrankten 2 junge Lieutenants erlagen. Zur
Ermittelung der Ursache für dieses plötzliche Aufflammen einer
Epidemie, von welcher die übrige Bevölkerung völlig verschont blieb,
begab sich ein Specialberichterstatter des unten gezeichneten Blattes
an Ort und Stelle und es wurde ermittelt, dass bei einer Offiziere¬
tafel nur der Lieutenantstisch sich dem Genüsse des Champauners,
welcher mit Eis gekühlt war, hingab, während die höheren Offiziere
sich mit anderen Getränken begnügten und auch später keinen
Typhusfall auf wiesen. Das Eis war, wie weitere Nachforschungen
bei dem Lieferanten ergaben, aus einer Stelle des bei Rennes vor¬
beiziehenden Flusses Vilaine entnommen, wo dieser unterhalb
dieser Stadt sich mit einem anderen Flüsschen (Ille) vereinigt, alle
Abwässer der 8tadt aufnimmt und das Ufergelände die
Mehrzahl der Wäschereien vereinigt Eine andere Ursache für das
Entstehen der Epidemie, als der Genuss des aus so stark verun¬
reinigtem Wasser stammenden Eises konnte nicht gefunden werden,
zumal die Nebenumstände, wie oben erwähnt, sehr zu Gunsten
dieser Hypothese sprechen; von einer bacteriologischen Untersuchung
des Flusswassers oder Eises, welche die letztere hätte erhärten
können, ist in dem Berichte nichts enthalten. Bulletin Medical
1896, Nr. 4. St.
Therapentische Notizen.
(Iritis syphlitica) behandelt Parisotti (Rom) neuerdings
mit subconjunctivalen Injectionen von l°/uo Sublhnatlo&ung. Auch
As coli (Rom) hat bei einem sehr schweren Fall nach zwei Injec¬
tionen besten Erfolg beobachtet. Der Schmerz nach der Injection
hielt 2—8 Stunden an, war aber bei der Wiederholung bedeutend
geringer. Ein auf die erste Injection folgendes Lid-Oedem schwand
nach 3 Tagen.
(ZurBehandlungdergonorrhoischen Erkrankungen
des Auges.) Der Bearbeitung dieses Themas im «Handbuch der
speciellen Therapie innerer Krankheiten», (herausgegeben
von Prof. Dr. F. Penzoldt in Erlangen und Prof. Dr. R. Stintzing
in Jena) durch Prof. Dr. O. Eversbusch in Erlangen entnehmen
wir Folgendes: Nach Besprechung der die Entstehung der Ophthalmo-
blennorrhoea neonatorum begünstigenden Momente während der
Geburt, sowie der in gonorrhöeverdächtigen Fällen in Bezug auf
die Mutter zu ergreifenden prophylactisclien Maassnahmen, schildert
E. die Prophylaxe in Bezug auf das Kind. Schon unmittelbar nach
der Geburt des Kopfes sollen die Augenlider, ohne dass die Augen
dabei geöffnet werden, mit Wattebäuschen, die in Jodtrichlorid
1:4000 bereit liegen, abgewischt werden. Unmittelbar nach der
Geburt wird ein kleines Tröpfchen einer 2procentigen Argentum
nitricum Lösung mittels eines Glasstabes in die eben geöffnete Lid¬
spalte eingeträufelt. Der Höllenstein tödtet nicht nur die schon
vorhandenen Gonococcen, sondern er bietet auch einen Schutz gegen
etwa später eindringende Coccen. Jede weitere Besichtigung der
Augen unterbleibt. Namentlich darf in den nächsten 24—36 Stunden,
falls eine leichte Röthung oder Schwellung der Lider mit Schleim¬
absonderung erfolgt, die Einträufelung nicht wiederholt werden.
Wird der Conj.-Sack mit Argent. nitr. überschwemmt, so können
dadurch Reizungskatarrhe der Bindehaut künstlich erzeugt werden.
Auch mit Einträufelungen von Sublimat 1:5000 wurden gute Resul¬
tate erzielt. Die Reaction ist kaum nennenswerth. — Bei beiden
Mitteln ist darauf zu sehen, dass die Lösungen vollkommen klar
sind; bei Argent. nitr., dass es in einem mit eingeschliffenem Glas¬
stöpsel gut verschlossenen schwarzen oder braunen Fläschchen ge¬
liefert wird. — Während des ersten Bades dürfen die Augen des
Kindes nicht mit dem Badewasser in Berührung kommen — Gegen
etwaige 8pätinfection aber nützt kein Verfahren. Besonders gefähr¬
lich sind hier die mit Genitalsecreten beschmutzten Finger der
gonorrhoisch erkrankten Mutter. — Ist die Ophthalmoblennorrhoe
ausgebrochen, so gilt folgendes Verfahren; Zunächst wird für eigene
Waschutensilien gesorgt. Unter den Kopf des Kindes kommt zum
Schutz der Bettwäsche ein reines Leinentucb, das oft gewechselt
wird. Die Hände des Kindes werden durch ein lose über die Arme
nach dem Rücken zn festgestecktes kleines Handtuch verhindert,
an die Augen zu kommen, während sie sich sonst frei bewegen
können. Ein ßchntzverband für das noch nicht erkrankte Auge ist
überflüssig. Es genügt, den niedrigen Nasenrücken des Kindes mit
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168
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
etwas Borvaselin au bestreichen »uni anzuordiien, dass stets das
gesunde, oder weniger erkrankte Auge zuerst gereinigt
werde. Nach Friinkel gelingt es durch tägliche Einträufelung eines
einzigen Tröpfchens einer 2 procentigen Argent, nitr.- Lösung, das
gesunde Auge vor Ansteckung zu schützen. Die Reinigung der Augen
geschieht am besten mit sterilisirter einfacher Verbundwatte. Der aus-
fliessende Eiter wird sorgfältig abgewischt, die gebrauchten Watte-
bäuschchen sofort in den Ofen befördert. Darnach werden die Lider zart
und behutsam, unter Vermeidung jeglichen Druckes auf das Auge selbst;
etwas auseinandergehalten und der Bindehautsack mit einer leicht
angewärmten physiologischen Kochsalz- oder Sproc. Borsäurelösung
gründlich gereinigt, indem man abwechselnd spült und die Lider
wieder schliesst Zur Spülung bedient man sich eines kleinen Glas-
kölbcheiis — Undine genannt. Spritze ist zu widerrathen. Die
Reinigung und Ausspülung wird je nach dem Grade der Blennorrhöe
und nach der Menge der Kiterubsonderung Tag und Nacht alle 1
bis 2 Stunden wiederholt. Die Wärterin ist zur gründlichen Reinigung
ihrer Hände anzuhalten und auf die leichte Ansteckungsmöglichkeit
für sich aufmerksam zu machen. Solange die Eiterung stark ist,
wird das Baden ausgesetzt. Sind bereits Substanzverluste der Horn¬
haut vorhanden, so muss zur Behandlung mit Argent. nitr. über¬
gegangen werden. Für diese Fälle sind Bepinselungen (nicht Ein¬
träufelungen!) «1er Bindehaut der Lider und der Ucbergangsfalten
einmal täglich mit Argent. nitr. geboten Man beginnt bei — nicht
vor Beginn der Eiterung mit einer lproc Lösung und gebt, wenn
diese gut vertragen wird, allmählich über zu l'/s-, 2- und Sproc.
Ferner wird jedes Lid für sich behandelt und hauptsächlich die
Uebergangsfalte berücksichtigt. Die Bepinselungen sind bis zum
Verschwinden der Eiterung fortzusetzen und womöglich täglich zur
selben Stunde auszuführen. Nur wenn bei regelmässigem Kauteri-
siren die profuse eiterige Secretion fortbesteht, darf die Aetzung
2mal innerhalb 24 Stunden vorgenommen werden, aber stets nur
dann, wenn von dem Aetzschorfe nichts mehr zu sehen und die
Epithelschicht der Bindehaut wieder regenerirt ist. Nach der Kau¬
terisation werden für 1—2 Stunden gut ausgetrocknete Eisumschläge
applieirt, wobei jeder Druck zu vermeiden ist. Mit Verringerung
der Eitersecretion und Abschwellung der Bindehaut wird die Argent.
nitr. Lösung auf 1—’/- Proc. abgeschwächt. - Beachtenswert!«
ist die Weisung Hirschberg’s, dass die ‘/sproc. Lösung spätestens
nach 2, die lproc. nach 4 Wochen zu erneuern ist Die 2proe.
Lösung ist haltbarer. Gegen das Hornhautgeschwür, mag es central
oder peripher sitzen, leistet neben der Kauterisation der Bindehaut
Physostigmin vorzügliche Dienste. Eine */« proc. Lösung wird mehr¬
mals des Tages in gleichen Zwischenräumen eingeträufelt. Daneben
allstündlich Einträufelungen von Aq. chlorat. (1:2 bis 1:3 Aq. dest),
die gleichzeitig eine Ausspülung des Bindehautsackes bewirken.
Auch Umschläge mit verdünntem Clorwasser auf die Lider fördern
die Reinigung und Heilung des Hornhatitgesehwüres. Das Bedenken,
dass die unter Umständen mehrere Wochen fortgesetzte Physostigmin-
Behandlung leicht Iritis und hintere Synechien erzeugt, trifft für
das Auge des Neugeborenen nicht zu, da selbst nach reichlichster
Physostigmin-Anwendung jederzeit später durch Scopolamin eine
gleiclunässige und ergiebige Erweiterung der Pupille erzielt wird.
Prognostisch bemerkenswert!« ist, dass die Wendung zum Besseren
stets mit dem Eintritt der Pupillenvercngcrnng einsetzt. Zur Auf¬
hellung der Hornhautnarben, mit der man aber erst nach völligem
Aufhören der Secretion beginnen darf, verwendet man zuerst Opium-
tinctur, alltäglich lmal Vormittags. Wegen der Empfindlichkeit
«ler Neugeborenen gegen Opiumpräparate darf die Anwendung des
Mittels nicht den Angehörigen überlassen werden. Ein sehr wich¬
tiger Punkt ist auch der allgemeine Ernäli rungsz u st an d des
Kindes. Derselbe ist von grösstem Einflüsse auf den Verlauf der
Erkrankung der Augen. — Weit schwieriger gestaltet sich die Behand¬
lung der Conjunctivitis gonorrhoica der Erwachsenen, was
auch durch die erheblich grössere Verlustziffer dargethan wird.
Selbst die anscheinend leichteren Fälle können trotz sorgfältigster
Behandlung mit Erblindung und Schrumpfung des Auges enden.
Es ist darum ausnahmslos die Behandlung in einem Krankenhause
unumgänglich nothwendig.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 18. Februar. Das preussische Cultusministcrium
hat eine neue « Prüfungsordnung behufs Erlangung der Befähigung
zur Anstellung als Physikus » erlassen. Dieselbe ist auf dem Um¬
schläge dieser Nummer abgedruckt. Sie unterscheidet sich von der
bisher gütigen Prüfungsordnung vom 10. Mai 1875 hauptsächlich
dadurch, dass von den Candidaten der Nachweis zu liefern ist, dass
sie eine Vorlesung über gerichtliche Medicin besucht und eine aus¬
reichende psychiatrische Vorbildung erworben haben. Eine gründ¬
lichere Ausbildung der angehenden Amtsärzte in den genannten
Fächern ist entschieden wünschenswert!«. Nur wäre es ein billiges
Verlangen, dass den höheren Anforderungen, welche an die Bewerber
um Staatsstellen gestellt werden, auch eine bessere Bezahlung der
letzteren entsprechen würde.
— Die 2 Kammer des sächsischen Landtages hat dem Ent¬
würfe eines Gesetzes, betreffend die ärztlichen Bezirksvereine, mit
allen gegen 14 Stimmen ihre Zustimmung ertheilt.
D° r VII. Congress französischer Irrenärzte und Neurologen
tagt am 1 . August d. J. in Nancy. Verhandluugsthemata sind:
Verlag von J. F. Lehmann ln München?
Pathogenese der Gehörshallucinationeu. — Semiologie des Zitterns.
— Unterbringung der Geisteskranken in Specialanstalten; Therapie
und Gesetzgebung.
— Zum Chefarzt der chirurgischen Abtheilung des grossherzog-
liclieu Krankenhauses in Braunschweig ist an Stelle des verstorbenen
Professors Seidel Hofrath Dr. Sprengel-Dresden ernannt worden.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
«ler 5. Jahreswoche, vom 26 Januar bis 1. Februar 1896, die grösste
Sterblichkeit Bonn mit 27,7, die geringste Sterblichkeit Kassel mit
;0,1 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Bonn; an Diphtherie und
Croup in Dessau und M.-Gladbach.
— Im Verlage «ler Dürr'schen Buchhandlung in Leipzig wird
Dr. Eugen Grätzer in Sprottau vom April d. J. ab ein «Central¬
blatt für Kinderheilkunde» Herausgebern Dasselbe soll in monat¬
lichen Heften erscheinen und ganzjährig 6 Mk. kosten.
— Vom «Animal of the universal medical Sciences», heraus-
gegeben von Charles E. Sajous (Verlag der F. A. Davis Comp.,
Philadelphia) ist soeben der Jahrgang 1895 erschienen. Das Jahr¬
buch umfasst wieder 5 stattliche und reich illustrirte Bände.
— Die bekannte Kunstschlosserei Ernst Lentz in Berlin, die
sich speciell mit der Herstellung eiserner Möbel zur Krankenpflege
befasst, bat einen neuen reich illustrirten Katalog herausgegeben.
Derselbe zeigt die Reichhaltigkeit des Lentz'sehen Lagers, nament¬
lich an Operationstischen und anderen für aseptische Operationssäle
bestimmten Gegenständen.
(Uni versitiitsnachrieilten.) Berlin. Professor Dr. Rudolf
Köhler, bisher 2. dirigirender Arzt an der chirurgischen Klinik der
Charitd, ist aus dieser Stellung ausgeschieden. K. wurde dabei zum
Geheimen Medicinalrath ernannt.
(Todesfall.) In Marburg starb der o. Honorarprofessor der
Anatomie Dr. Guido Wagen er im Alter von 74 Jahren
— Herr Dr. Petersen ersucht uns, im Nachtrag zu seiner in
voriger Nummer veröffentlichten Arbeit: « Chirurgisch-photographische
Versuche mit den Röntgen sehen Strahlen», um Aufnahme folgender
Notiz: « Die Abbildungen geben leider verschiedene Details der
Originalphotographien nicht wieder; der Text wird dadurch an ein¬
zelnen Stellen unverständlich. So ist z. B. der Knochenspalt am
proximalen Ende des Radius nicht erkennbar; die Lage der Fraktur¬
enden in Abbildung 3 ist nicht zu übersehen, ebensowenig der
Uratkern im Phosphatstein Die Unterschiede in der Helligkeit der
verschiedenen Steine sind fast vollkommen verloren gegangen; vor
Allem ist der Cholestearin-.tein viel zu dunkel geworden.» — Wir
bemerken hierzu, worauf wir schon in No. 5 hinwiesen, dass die
Autotypie, das einzige für die Reproduction von Photographien im
Buchdruck in Frage kommende Verfahren, leider nicht ausreicht,
um die feinen Schatten, um welche es Bich bei den Photographien
mit Röntgen' sehen Strahlen oft handelt, genügend deutlich wieder¬
zugehen.
Personalnachrichten.
Bayern.
Verzogen: Dr. Wilhelm K rem er von München nach Friedrichs-
thal hei Saarbrücken. — Dr. Paul Reichel, l’rivatdocent, von ^ ürz-
burg nach Breslau.
Niederlassung: Dr. Michael Körber, Zuchthaus- und Bez rks
arzt zu Würzburg.
Gestorben: Dr M. Mörscliell, k. Bezirksarzt a. D., 83 J ihre
alt, zu Miltenberg. —Der k. Oberstabsarzt a. D. Dr. Wiugefelder
in München.
Morbiditätsstatistik d. InfectionskrankheitenfürMUnc en.
in der 6. Jahreswoche vom 2. bis 8. Februar 18%. i
Betbeil. Acrzte 400. — Brechdurchfall 14 (4*), Diphtherie, ( oup
59 (59), Erysipelas 26 (21), lntermittens, Neuralgia interm. 3 (2),
Kindbettlieber I (6), Meningitis cerebrospin. 2 (1), Morbilli 84 U),
Ophthalmo-Blennorrhoea neonat 6 (2), Parotitis epidemica 19 [15),
• Pneumonia crouposa 25 (32), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rh« ma-
tismus art. ac. 50 (36), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 41 42),
: Tussis convulsiva 14(22), Typhus' abdominalis - (2),: Varicellen 2< 48).
Variola, Variolois — (—). Summa 370 (373). Medicinalrath Dr. ab.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 6. Jahreswoche vom 2. bis 8. Februar 1896
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern 7 (6*), Scharlach 1 (1), Dipb erie
und Croup 4 (3), Rothlauf — (2), Kindbettfieber — (-), B Ver¬
giftung (Pyämie) — (1), Brechdurchfall 1 (1), Unterleibstyp! i —
(—)> Keuchhusten 2 (1), Croupöse Lungenentzündung 3 (4), her-
culose a) der Lungen 20 (14), b) der übrigen Organe 7 (8), «ter
Gelenkrheumatismus 1 (•—), andere übertragbare Krankheiten (o),
Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord 1 (4), Tod durch fremde Hand ("")■
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 166 (171), Verhältn zahl :
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 21,3 (21, **j r
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 12,7 (13 * ür
die über dem 5 Lebensjahr Btehende 9,6 (11,8).
*1 Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Voi che.
Druck der E. Mühlthal er 'gehen k. Hof-Buch druokerel ln Mflnohen.
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sf J
nie München« Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens 2*4—3 Bogen,
r-reis* vierteljährlich 6 Ji, prnenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer GO 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adrcsslren: Für die Redaction
Ottostrasse 1. - Für Abonnement an J. r . usn-
mann, Landxvchrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
nn Rudolnh Mos.se. Promenadeplatz tt>.
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Cli. Biumler,
Freiburg i. B.
Herausgegeben von
M 8. 25. Februar 1896.
Redacteur: Br. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. P. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ueber den diagnostischen und therapeutischen Werth
der Lumbalpunction 1 ).
Von Prof. H. Lenhartz,
Direetor des Allgemeinen Krankenhauses zu Hamburg-St. Georg.
M.H.! Wenn man sieh nach den bisherigen Veröffentlichungen
und den gelegentlich in ärztlichen Gesellschaften gefallenen Aeusse-
rungen ein Urtheil über die Lumbalpunction zu bilden versucht, wird
es ziemlich ungünstig ausfallen. Man erhält den Eindruck, dass die
Zahl ihrer Anhänger nur klein und offenbar getheilter Ansicht ist.
Ausser Quincke (1-4) rühmt nur von Zierassen (5) neben dem
diapostischen Nutzen auch den Heilwerth des Verfahrens.
Heubner und A. Frankel (9) sahen in je einem Falle einen
gewissen Nutzen. Alle Anderen bestreiten die Heilwirkung und
lassen das Verfahren nur für die Diagnose gelten. Ich selbst
neigte früher ebenfalls dieser Gruppe zu und habe noch auf der
letzten Naturforscher-Versammlung als eine Schattenseite der
Punction die Thatsache hervorgehoben , dass ich bei zwei autop-
tisek gesicherten Fällen von Meningitis keine Flüssigkeit ge¬
wonnen hätte. Beide Male ergab die Section fast ausschliesslich
sulzig-plastisches Exsudat. Erst kürzlich hat Fürbringer (6)
einen ähnlichen Fall beschrieben.
Gleichwohl erschien mir das Verfahren einer umsichtigen
Prüfung durchaus wertli. Ich hielt diese um so mehr für er¬
laubt, weil ich bei den früheren zur Autopsie gekommenen Pallen
trotz sorgfältiger Besichtigung nie die geringsten Reizerscheinungen
an der Punctionsstelle beobachtet und mich in l Übereinstimmung
mit Quincke auch davon überzeugt hatte, dass das \ erfahren
ohne jede örtliche und allgemeine Betäubung auszuführen war.
Ich habe seither bei 85 Kranken über 150 positive Punctioncn
gemacht und bin daher in der Lage — wenn ich nach den bis¬
herigen Mittheilungen urthcilen darf —, nächst Fürbringer wohl
mit über die grösste Erfahrung zu verfügen. Meine Ergebnisse
weichen in wesentlichen Punkten von seiner Darstellung ab, und
ich hoffe auch Sie durch meine heutige Mittheilung davon über¬
zeugen zu können, dass das Verfahren durchaus ungefährlich ist
und uns zu ungeahnten und beinerkenswerthen Beobachtungen auf
diagnostischem und therapeutischem Gebiete geführt hat und
hoffentlich auch weiter führen wird.
Ehe ich zur Darstellung meiner Beobachtungen übergehe,
will ich zuvor mit wenigen Worten die Methode, wie sie jetzt
auf meiner Abtheilung geübt wird, kurz schildern. Der Einstich
wird mit 4—8 cm langen, feinen Hohlnadeln ausgeführt, die in
einer Nickelhülse gut befestigt und durch Auskochen sterilisirbar
sind. Ich lasse Ihnen hier ein paar Muster für Kinder und Er¬
wachsene herumgeben.
Während der Kranke möglichst horizontal und mit heraus¬
gedrücktem Kreuz in linker (oder rechter) Seitenlage liegt, sticht
man genau in der Mittellinie, bei Kindern geradeaus, bei Kr-
•) Nach zwei im Aerztlichen Verein zu Hamburg gehaltenen
Vorträgen.
No. 8.
wachsenen mit mehr oder weniger starker Neigung nach aufwärts
(kopfwärts) im 3- oder 4- Lendcnwirbelzwischenrauiu die Nadel
ein, deren Lumen so lange mit einem Draht verschlossen bleibt,
bis man die Dura durchstochen hat. Ist dies geschehen, so zieht
man den Draht heraus, dem meist sofort die Flüssigkeit folgt.
So einfach wie der Verlauf hier geschildert ist, spielt er
sich bei den ersten Punctioncn , die man bei E rwachsciien
macht, für gewöhnlich nicht ab. Während man bei Kindern
n i e die geringsten Schwierigkeiten heim Einfuhren der Nadel
findet, stösst man bei Erwachsenen leicht gegen den Knochen an
und muss bald in schräger Richtung unter einem W inkel von
etwa 40°, bald mehr geradeaus den V cg suchen. Man vermeidet
aber bei Erwachsenen die Schwierigkeiten viel leichter, wenn man
abweichend von Quincke nicht 1 cm neben , sondern g e n a u
in der Mittellinie zwischen den Dornfortsätzen einsticht. Nur
muss man stets darauf achten , dass man genau in der bei dem
Liegenden horizontal stehenden Sugittal Ebene bleibt. An zwei
in der Medianebene gemachten Durchschnitten, die von der Leiche
eines Erwachseneu und eines Kindes stammen , können Sie sich
die in Frage kommenden V erhältnisse sehr gut z\ir Anschauung
bringen.
Als wichtig hebe ich hervor, dass ich hei keinem Fall
die Narkose oder örtliche Betäubung angewandt habe; der Eingriff
ist offenbar selbst bei zarten .Mädchen und Kindern nicht mit
wirklichem Schmerz verbunden.
Ab und zu kommt es vor, dass zunächst keine l'lüssigkeit
vortritt, dass sie aber erscheint, wenn die Nadel etwas gedreht
oder vor- oder rückwärts bewegt wird. Auch später, wenn der
Abfluss stockt, sind diese leichten Drehungen von Nutzen, damit
das Lumen frei im Liquor spielt und vielleicht von Filamantcn
des Conus befreit wird, die mit der Strömung angezogen worden
sind.
Ab und zu tropft zu Anfang wohl etwas Blut mit ab; diese
offenbar erst durch den Einstich bewirkte Blutbeimengung ist in
der Regel bedeutungslos, weil es sich meist nur um wenige Tropfen
handelt. Anders, wenn ein haemorrhagischer Erguss in der Höhle
besteht; dann bleibt die Flüssigkeit von Anfang bis zu Ende innig
blutig gemischt.
Dringt gar keine Flüssigkeit vor, so kann man eine vor¬
sichtige Ansaugung versuchen; oft bleibt sie ohne Plrfolg und
dann thut man gut, die Punction an einer anderen Stelle zu
wiederholen oder ganz davon abzustehen.
Bei sehr erhöhtem Druck spritzt der Liquor meist im Strahle
heraus; seit ich regelmässige Druckmessungen vornehme, sehe ich
dies nur selten.
Den Druck bestimme ich nach Quincke’s Vorschlag, indem
ich die Flüssigkeit unmittelbar in ein dünnes Glasrohr steigen
lasse wie Sie es hier vor sich sehen, und dann die Höhe der
P’lüssigkeitssäulc mit dem Bandmaass messe. In der Regel bestimme
ich den Druck nach Ausfluss von je 5 ccm , schalte Pausen ein,
wenn der Druck sehr stark und der Abfluss sehr rasch ist und
beende die Punction, wenn der Druck sich auf 120—100—60 mm
Wasser eingestellt hat, einer Höhe, die auch nach meinen Er-
1
Digitized by
Google
170
Münchener medicinische^wochenschr^t.
No. 8 .
fahrungen der Norm entspricht. Auf diese We.se erhält man erst
einen klaren Einblick über den Druck und semc Schwankungen
wie sie dureh den Herzschlag und die Athmung bewirkt Werden
und gewinnt eine Vorstellung von dem starken Emfluss,
Husten Pressen u. dergl. auf die Druckvcrbältmsse ausüben.
Die abgelassene Flüssigkeit ist fast stets wasserklar. Man er¬
blickt keinen Unterschied in der Farbe und wässerigen Beschaffenheit,
mag es sich um chronische Transsudate bei Tumor, Apoplexie u s. f-,
oder um acute tuberculöse Meningitis bandeln Nur wenige Male
fand ich auch bei dieser das Exsudat getrübt. Innig rotb ge¬
mischt sah ich es bei haemorrh. Pachynienmgitis und traumatischer
Quetschung des Rückenmarkes, dick und eitrig eitrig sch und
eitrig blutig, aber auch wasserhell bei epidemischer Genickstarre
lieber den mikroskopischen Befund der Flüssigkeit werde ich
später sprechen ; hier will ich nur noch anfüge.., dass der E.wc.ss-
gehalt von Spuren bis zu 9 °/oo steigen kann, und dass die
höheren Werthc fast nur bei Entzündungen gefunden
werden. Das specifisehe Gewicht schwankt meist tu engen
Grenzen zwischen 10- 5—10<>8, bewegt sich aber auch zwischen
2 002 _ 1011 . und erlaubt uns, wie ich schon hier betonen mochte,
keine zuverlässigen diagnostischen Schlüsse.
Die Menge, die normaler Weise nur ganz wenige ccm betragt,
wurde bei unseren Punctionen im Mittel zu etwa 20 ccm selten
nur zu 2—3, in manchen Fällen bis zu 80—100 ccm gefunden.
Nur in verschwindend seltenen Fällen ergibt die Punction
keinen Abfluss, weil thatsächlich nur plastisches Exsudat oder nur
sehr spärliche Flüssigkeit im Subarachneoidealraum enthalten, oder
weil die Verbindung zwischen Hirn- und Rückgratshöhle verlegt
ist. Ich habe oben schon dieses Umstandes gedacht. Trotzdem
glaube ich, dass oft nur der Zufall sein tückisches Spiel treibt,
und dass man selbst bei krankhaft vermehrter Menge und freien
Wegen zwischen Ilirn und Rückgrat eine Punctio sicca erleben
kann. Vordringen der Nadel in die vordere Höhlenwand, An¬
lagerung der Oeffnung an die Seitenwand, Verstopfung durch
feine Blutgerinnsel oder zarte Gewebspfröpfc, die unterwegs trotz
des Mandrins ausgestochen sind, können den Abfluss verlegen.
Jedenfalls begegnet es uns jetzt, wo wir nach der grossen Unter-
suchungsreihc gelernt haben, solche Zufälligkeiten zu vermeiden,
nur äusserst selten, dass wir gar keine Flüssigkeit erhalten.
M. II. Ich halte das Verfahren für absolut
gefahrlos, wenn man sich sorgfältig gearbeiteter und gepflegter
Nadeln bedient. Bei einer ganzen Reihe von Fällen, die zur
Autopsie gekommen sind, haben wir uns jedesmal überzeugt, dass
man nur mit grösster Mühe die Spuren des Einstiches in der
Dura findet und selbst bei wiederholten Punctionen nie Reiz-
erseheinungen wahrnimmt.
Vor einem bösen Zufall muss man sich aber hüten ; er betrifft
das Abbrechen der Nadel, was mir bei etwa 160 Punctionen
2 mal begegnet ist. Es waren wenig gut gearbeitete Nadeln, die
durch unzweckmässige Behandlung in 5 proc. Carbollösung innen
arrodirt waren. Sie brachen quer durch, ohne in den Knochen
gedrungen zu sein; ein Nachtheil wurde glücklicherweise nicht
bewirkt.
Abgesehen von dieser unbequemen Beigabe, die meines Er¬
achtens durch Aufmerksamkeit, sorgfältige Pflege und Prüfung der
Nadeln vor der Punction vermieden werden kann, haben wir
hei unseren Punctionen n i e üble Zufälle erlebt.
Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich nun zur Darstellung
meiner Untersuchungen über. Es handelte sich dabei um die
Entscheidung der Fragen:
1 . Ob und in welchem Grade die verschiedenen Hirn- und
Rückenmarksstörungen, und andersartige, aber mit Hirnreiz-
erschcinnngen einhergehende Krankheiten zu einer V ermehrung
der Menge und Spannung des Liquor cerebrospinalis führen,
2- ob wir aus der Art und Menge der Punctionsflüssigkeit
und der gefundenen Druckhöhe differentialdiagnostische Zeichen
gewinnen, und
3. ob und unter welchen Umständen wir auf Heilwirkungen
der Punction rechnen können.
Diese Fragestellung erschien mir geboten, weil uns die Farbe
des Liquors nur sehr selten sofortige Schlüsse erlaubt und die
Bestimmung des Eiweissgehaltes und die mikroskopische Unter¬
suchung ebenfalls nur vorsichtige Folgerungen zulassen. -Auf der
anderen Seite sind die bisher nur sehr spärlichen Heilerfolge be¬
gründeten Zweifeln begegnet.
Meine Untersuchungen setzten:
I Bei der tubcrculösen Meningitis ein. Ich habe 14 solche
Fälle mit Punetionon behandelt und bei 12 Fällen regelmässig
Exsudat gewonnen. Hei den ersten 5 Fällen begndgtc rch nnch
mit der diagnostischen Prüfung, später versuchte reh durch
häufigere, fast tägliche Punctionen auf den Verlauf der Krankheit
einanwirken, ohne dass mir bisher ein Erfolg besehieden gewesen ist.
Erstaunlich sind die gewonnenen Mengen und ebenso die Druck¬
höhen, die man oft abliest. Nur bei 5 Punctionen erhielten wir
3—5 ccm im Mittel 25—30—35 bei der Einzclpunction, je
imal sogar 70 und 100 ccm. Die Anfangsdruckhöhe lag nur
l,m«l bei 16'. mm, meist zwischen 250-320, wiederholt lasen
w , r 400—540 also fast 40 mm Hg ah.
Das specifisehe Gewicht schwankte zwischen 1003—1011. mi
Mittel zwischen 1005-1003- Den Eiweissgehalt fanden
wir nie unter l"/oo, oft zwischen 2—3 ’/oo, 1 mal sogar bis
')°/oo gesteigert. Bcachtenswerth ist die Thatsache, dass kein
Parallelismus zwischen Eiweissgehalt und specifisehcm Gewicht besteht.
Wir beobachteten 4°/oo bei 1003, 3>o bei 1005 und 1 /oo
bei 1007 Gewicht. „ p , , •
Wenig erfreulich war für uns die Erfahrung, dass wir
nur bei einem einzigen Falle Tuberkel-Bacillen im
E xsudat nachweisen kann ten. Selbst in den Fällen, wo
die starke Vermehrung der polynucleären Leueocytcn eine heftige
Entzündung anzeigte, liess uns die bacteriologische Untersuchung
im Stich, und ich hebe Angesichts dieser Thatsache ausdrücklich
hervor, dass ausser mir noch eine Reihe von Herren, die in der
mikroskopischen Untersuchung zuverlässig sind, gleichfalls vergebhc
nach den Bacillen gesucht haben. In dem einzigen positiven
Falle wurden sie sofort in mehreren Präparaten gefunden.
Diese Thatsache, die auch mit Ausnahme von Lieh theim (./)
und Fürbringer ( 8 ), alle anderen Autoren (9) hervorgehoben
haben, setzt den diagnostischen Werth der Lumbalpunction iur
solche Fälle sehr herab. Denn nur der positive Bacillcnbefimd
ist unbedingt entscheidend ; Vermehrung und höhere Spaunung (los
Liquors können auch, wie wir sehen werden, bei vielen anderen
Krankheiten auftreten. Diese Erkenntuiss bewog mich zu syste¬
matischen Untersuchungen bei andersartigen Krankheitsfällen.
Bevor ich zu diesen übergehe, will ich noch die trage be¬
antworten, ob günstige Wirkungen der Punction beobachtet worden
sind. Meines Erachtens waren sie mehrere Male so unverkennbar,
dass sich uns ohne Weiteres der Gedanke aufdrängte, man konuc
doch einmal auf diesem Wege den einen oder anderen der sons
stets verlorenen Fälle retten. Ohne Zweifel erliegen diese Kranken
in der Regel dem zunehmenden acuten Hydrocephalus und seinen
Folgen. Räumt man diese Gefahr aus dem Wege, so wird man
ja stets noch mit den schweren Infcctionserseheinungcn der mehr
oder weniger ausgebreiteten und heftigen acuten Miliar-Tu ercu osc
zu rechnen haben, — und dass dieser die Mehrzahl der a e
stets erliegen wird, ist für mich nicht zweifelhaft — aber *
halte es nicht für ausgeschlossen, dass manche Kranke dem
liehen Ende entgehen könnten, wenn sic nur mit der Miliartu ercu osc,
nicht gleichzeitig mit dem schweren entzündlichen Hirndruc' za
kämpfen haben würden.
Lassen Sie mich aus der Reihe meiner Fälle 3 lehrreic
kurz mittheilen:
Der eine betrifft ein 20jähriges, gut genährtes und bjüjmndes
Mädchen K., das am 11. November v. J. aufgenommen wurae
zunächst bei noch klarem Sensorium nur über heftige P .
Nackenschmerzen klagte. Da diese 6ich von Tage zu läge „angab
Erbrechen und Nackensteifigkeit hinzutraten und _ * fü r
früher lange an linksseitigem Ohrenfluss gelitten zu h , ® n K m K er
allerdings kein örtliches Zeichen sprach — machte ich an L l P' a aB8
die erste Punction mit der geradezu überraschenden Wir “ *' — z
der Kopfschmerz schon während des Abfliessens von ob' .
verschwand und ungestörtes Wohlbefinden ohne Erbr .
Nackenstarre 2 */2 Tage anhielt. Als am 18. November ’
Sprachstörungen, Ataxie der Extremitäten, Zuckungen mit
und starke Nackenstarre mit heftigem Kopfschmerz einse >
schaffte die zweite Punction ebenfalls sofortige Erleichterung, ,
I 3‘/2 Tage anhielt. Das Mädchen blieb völüg klar, frei von ^op
1 klagte nur ab und zu über Nacken-, Rücken- und Gürtelsch
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25- Februar 1896.
171
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
nahm Nahrung mit regem Appetit zu sich. Nur die Atonie war nicht
ganz gewichen, die Sprache fast ungestört.
Dann begann am 22. November von neuem rasche Verschlech¬
terung: Benommenheit, schlaffe Lähmung des linken Armes, links-
eeitige homonyme Hemianopsie, Reactionslosigkeit beider Pupillen
und Schlucklähmung .treten auf. Diese Erscheinungen bleiben durch
die dritte Punction unbeeinflusst. Unter vermehrtem Sopor erfolgte
am 21. November Abends ruhig der Tod.
Die Section ergab ausser sehr reichlicher miliarer Cerebrospinal-
Meningitis'mehrere linsen- bis klein kirschengrosse Solitürtuberkel an
verschiedenen Stellen der Hirnrinde und ziemlich beträchtlichen
Hydrocephalus.
2 Ein l'/ajähriges Kind H. ; das ich mit Herrn Collegen
Krara'er behandelte und vom 10.—16. Februar 3mal punctirte, bot
ebenfalls nach der 1. Punction von 30 ccm eine so auffällige Bes¬
serung dar, dass die Eltern dringend die Wiederholung wünschten,
als nach Ü’/atägigem Wohlbefinden die Verschlechterung begann.
Der üble Ausgang wurde aber durch zwei weitere Punctionen nicht
abgehalten.
3. In einem andern Fall, der einen 50jährigen, seit Monaten
auf meiner Abtheilung liegenden kranken Mann betraf, habe ich vom
22.—28. Januar 1800 5 Punctionen gemacht und nie unter 25, meist
40 ccm entleert.
Ich gebe hier die Aufstellung:
Es wurden am 23. I. 30 ccm bei 380 —G0 mm’) Druck,
21. I. 40 „ „ 510-50 „
20 I. 25 „ „ 4 20 — 100 „
27.1.25 „ „ 32 »- 75 „
2-». I. 25 „ „ 520-1-0 *
und „ 4 ) „ — durch Drainage gewonnen.
Wollen wir nachdrücklich helfen , so müssen wir für an¬
haltenden Abfluss sorgen. Schon Quincke hat dcsshalb die Er¬
öffnung des Duralsacks mit einem feinen Messer ausgeführt in
der Hoffnung, dass die Flüssigkeit bei Ueberdruek in das Gewebe
austreten möchte. »Sein Plan ist gescheitert. Ich versucht«* bei
dem letzten Falle die dauernde Drainage in Seitenlage, nachdem
ich schon 25 ccm abgelassen hatte, und der Druck von 520 auf
80 mm gesunken war. Es flössen-in den nächsten 2 l h Stunden
noch 40 ceni ab; dann beseitigte der »Stationsarzt die Hohlnadel,
weil nach ihrer Verstopfung nichts mehr abfloss. Der Kranke
starb 15 »Stunden später. In den erweiterten »Seitenventrikeln
fanden wir noch je 15—20 ccm. Ausserdem bestand reichliche
Aussaat miliarer Knötchen, aber nirgends sulziges Exsudat. Die
Kückgrathühle enthielt wenig Flüssigkeit. Diese Fülle ermuntern
mich bei der sonst völlig hoffnungslosen Krankheit mit der regel¬
mässigen Punctiou oder Drainage fortzufahren, es wird aber nöthig
sein, möglichst früh damit zu beginnen, um der Erweiterung der
Ventrikel vorzubeugen.*)
II. Es folgen jetzt zunächst die Beobachtungen bei chro¬
nischen Erkrankungen und zwar:
1. bei Hirntumoren.
»Schon von vornherein hat man sich bei diesen Störungen
wenig begründeten Hoffnungen bingegeben. Man glaubt«*, gestützt
auf wenige Fälle, wo die Trepanation die vorher unerträglichen
Beschwerden gelindert hatte, dass auch die Lunibalpunctionen nützen
konnten. Ich seihst habe bei 4 sicheren — autoptiseh bestätigten
— Fällen dieser Art 8 mal punctirt und meist grössere Mengen :
20, 30, 60—75 ccm entleert. Nur ein Kranker, der von wahn¬
sinnigen Kopfschmerzen geplagt wurde, verspürte 2 mal eine ent¬
schiedene und 2 Tage anhaltende Linderung. Meist blieb der
kingn'ff ohne jede Wirkung; 2 mal klagten die Kranken über
vermehrten Kopfschmerz und in einem Fall trat etwa 7 »Stunden
später der Exitus letalis ein. Die Section ergab einen mächtigen,
den grössten Theil der linken Grosshirnheuiisphäre einnehmenden
Tumor. Natürlich drängte sieh die Frage auf, ob der wenige
»‘Hunden nach der Punction erfolgte Tod durch die Punction be¬
schleunigt oder verschuldet sei. Ohne die Möglichkeit bestreiten
zu wollen, bekenne ich offen, dass ich selbst dann kein Unglück
darin erblicken würde, und daher auch mit Fürbringer’s (10)
Abwehr der Punctiou nicht übereinstimme. Meines Erachtens ist
solch trostlosen Fällen gegenüber jedes Mittel am Platz, das nur
fine Spur von Linderung verspricht. Da diese aber durch die
Lumbalpunction in der Regel nicht erreicht wird und wohl stets
nur flüchtiger Art ist, werde ich mich in Zukunft bei Hirn¬
tumoren nur auf die diagnostische Punction beschränken.
') Die 2. Zahlenreihe zeigt'den Enddruck jeder Sitzung an.
„ ) Bei einem neuen Fall flössen bei ununterbrochener Drainage in
Stunden 600 ccm Exsudat ab, worin Bacillen nachgewiesen wurden.
Wichtig ist noch die Thatsache, dass der Eiweissgehalt
des Liquors auch bei Tumoren erhöht sein kann. Wir fanden
ihn z. B. bei einem autoptiseh gesicherten Fall (S.) bis zu 2 1 /* °/oo
erhöht. Diese Beobachtung stützt die Annahme, dass auch bei
Tumoren entzündliche Vorgänge Vorkommen, die ja von mancher Seite
(Leber, Deutschmann) (11) für die Ausbildung der Stauungs¬
papille gefordert werden ; sie erschwert aber u. A. die Differential-
diagnosc zwischen Tumor und Meningitis und zwar um so mehr,
als wir in keinem Fall die L i ch t h ei m’-Angabe (7) bestätigen
konnten, dass «1er bei den Tumoren gefundene Liquor Zucker
enthalte. Wir haben mit der Ny 1 a n der ’ sehen Probe niemals
eine Roduction erhalten.
Bei 2 noch auf der Abtheilung befindliche» unsicheren Fällen
hat uns die Punction noch nicht gefördert, trotzdem wir bei dem
einen Fall zweimal 35 cem Flüssigkeit gewonnen haben. Ob bei
dem Kranken ein einfacher Hydrocephalus oder basilare Meningitis
vorliegt, ist einstweilen unentschieden.
Auf die bei allen Kranken bestehende, zum Theil hochgradige
S t a u u n g s p a p i 11 e hat die Punction selbst nach Entnahme
von 75 cem keine Wirkung ausgeübt. Wohl aber schien es Herrn
Collegen Wilbrandt, der mit dankenswerther Freundlichkeit alle
unsere Fälle vor und nach der Punction untersuchte, als ob bei
2 Kranken die schon vorher bestehende Neigung zu Netzhaut¬
blutungen unmittelbar erhöht worden sei.
Im Anschluss an diese Gruppe will ich nur kurz erwähnen,
dass ich bei einer autoptiseh bestätigten Pachymcningitis hac-
morrhagica nur wenige ccm reines Blut erhielt und bei einem
Kranken der chirurgischen Abtheilung, der mit acuter völliger
Qucrlä Innung des Halsmarks in Folge traumatischer
Wirbelluxation aufkam , 100 fern innig blutig gemischten Liquors
entleerte. Eine Besserung blieb beidemale aus.
2. Von Interesse scheint mir das Ergebniss der Punction
bei chronischen Apoplektikern. Nicht wenige derselben leiden
an hef igen Kopfschmerzen und »Schmerzen in deu Gliedern. Es
lag der Gedanke nabe, bei ihnen das Verfahren schonend anzu¬
wenden ; auch war die Punction vom diagnostischen »Standpunkte
werthvoll. Die 11 Kranken standen im Alter von 37—75 Jahren;
es wurden im Ganzen 14 Punctionen gemacht. Die Menge der
Flüssigkeit schwankte zwischen 8—45 ccm. Eine (objective) Besse¬
rung der Beschwerden war nie ersichtlich. Lehrreich ist die That¬
sache, dass das specifisehe Gewicht des Liquors zwischen 1006-1 "07
schwankte, während die Eiweissprüfung meist nur Spuren, in
einem Fall aber 0,5, in einem andern 2 7« °/oo ergab. Den
Druck fanden wir mehrmals zu 60—80 mm, ja einmal 150,
180 und sogar 280 mm. Gerade diesen grossen Druckwerth
zeigte eine seit Jahren linksseitig gelähmte 57 jährige Frau Pr.,
die stets viel Schmerzen in der Seite und ein auffallend gedunsenes
Gesicht hat und bei der leicht 15 ccm Liquor abflossen.
3. Von chronischer seröser Meningitis punctirte ich
folgende Fälle:
1. Ein seiner Zeit 8 Monate altes Kind, das im Juli 1895
wegen gastrointestinaler Erscheinungen aufgenommen wurde. Es
bot zuerst keinerlei meningitische Zeichen dar; diese setzten erst
ira September schleichend ein, wo das Kind ab und zu Stra¬
bismus, Nackensteifigkeit, Popillenträgheit und wechselnde Unruhe
zeigte, ohne dass die Eigenwärme je die Norm überschritt. Das
Kind trank schliesslich sehr schlecht und kam sichtlich herunter.
Da es auch wahrscheinlich wurde, dass es nicht mehr deutlich sah,
ohne dass die ophthalmoskopische Untersuchung einen Anhalt bot,
machte ich am 9. Oktober die erste Punction.
Die folgende Tabelle giebt über die bei diesem Kinde gemachten
Lumbal-Punctionen Aufschluss:
Am
5. X. 2o ccm
10. X. 75 „
14. X. 30 „
18. X. 15 „
24. X. 40 „
30. X. 30 „
14. XI. 3 .,
9. I. 96. 40
unter starkem Druck
1009 sp. G. 74°/oo Eiw.
1004 .
400 mm Druck.
130 „ „
410 „
300 „
i7o „ „ 1003 „ „ ;; ;
2(0 n „ 1006 „ „ „ „ in IG M.
Das Kind hat sich körperlich ziemlich entwickelt und erwidert
Kosegerflusche und Streicheln mit freundlichem Lachen. Die vor
den Punctionen oft fehlende Pupillenreaction kehrte steta fast sofort
wieder und ist seit Dezember erhalten; die vorgewölbte Fontanelle
sank zurück. Die vor den ersten 4 Punctionen meist ziemlich starke
Nackensteifigkeit verschwand jedesmal bis zum anderen Tage.
1 *
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172
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
2. Der 22 jährige Arbeiter M. war schon einige Monate vorher
auf meiner Abtheilung wegen heftiger SchwindelzufAlle und Gastr-
algien behandelt worden. Dass dieselben centralen Ursprungs sein
möchten, war uns ziemlich wahrscheinlich, zumal M. träge Pupillen-
reaction zeigte und der Patellarreflex links ganz fehlte, rechts träg und
schwach war. Wir dachten in erster Linie mit an gastr. tabische
Krisen, wogegen freilich das jugendliche Alter und das Fehlen einer
luetischen Anamnese sprach.
Der Kranke wurde am 20. Oktober von neuem aufgenommeu,
klagte über schwer eingenommenem Kopf, Schwindel, heftige Magen-
nnd Rückenschmerzen und hatte wiederholt erbrochen.
Die jetzt vorgenommene Lumbal-Punction ergab:
am 22. Oktober 23ccm klare Flüssigkeit, die unter 210mm
Druck stand und ein specifisches Gewicht von 1007 bei geringem Ei¬
weissgehalt zeigte.
ln den folgenden Tagen fühlte sich M. wesentlich"'besser und
wünschte nach 14 Tagen bereits seine Entlassung; kurz zuvor ergab
die diagnostische Lumbal-Punction
am 13. Oktober nur 5 ccm bei 165 mm Druck.
Ich halte es darnach für das Wahrscheinlichste, dass es sich
um eine chronische Meningitis handelt.
3. Schwieriger ist die Deutung folgenden Falles.
Die 23jährige Johanna A. wird am 25. Dezember früh, gerade
als ich die Hauptvisite machte, in die Aufnahme-Abtheilung ge¬
bracht. Sie ist bewusstlos vor einer Stunde in einer offenen Haus¬
flur gefunden und wird durch die Polizei dem Krankenhause zuge¬
tragen. Die gut genährte Kranke ist völlig bewusstlos und sehr kühl
— es waren b° R. Kälte — hat kleinen, mässig frequenten Puls 112.
Der Nacken ist steif, unbeweglich und auf Druck scheinbar
schmerzhaft. Die Pupillen sind mittelweit, gleich und reagiren,
Patellarreflex vorhanden. Keine äusseren Verletzungen.
Bei dieser Kranken wurden folgende Punctionen ausgeführt:
am 25. XII. 95 35 ccm, 110 mm Druck, 100G sp. G , '/*°/oo E.
„ 6.1.% 40 „ 2:'0 „ „ 10GG „ >/*“/«o„ in 11 Min.
„ 12.1.% 12 „ 125 „ „ 1006 » Spur.
„ 23.1.96 32 „ 380 „ „ „ 12 „
„ 29.1.96 32 . 240 „
Die Kranke erwachte 4 Stunden nach der ersten Punction, blieb
noch schlafsüchtig und gab an, dass sie Abends zuvor von einem
Manne, der sich zu ihr gesellt habe, plötzlich auf den Kopf ge¬
schlagen und umgefallen sei und seitdem nichts mehr von sich wisse.
Für die naheliegende Annahme, dass ein Stuprum vorgenommen
sei, ergaben sich keine objectiven Zeichen.
Der Nacken war beweglich, schmerzte aber ebenso wie der
Kopf noch in den nächsten Tagen, au denen noch häufiges Erbrechen
eintrat.
Da die Kopfschmerzen am 6. Januar sich steigerten, wurde
die zweite Punction gemacht, die subjectivc Erleichterung brachte.
Auch die folgenden Punctionen wurden wegen erneuter Kopf-
und Nackenschmerzen mit gleich gutem Erfolge wiederholt.
Inzwischen erfuhren wir, das die Kranke im Jahre 1895 zwei
Monate im Eppendorfer Krankenhause wegen liystero-epileplischer
Anfälle behandelt worden sei. Diese Thatsnche lässt daran denken,
dass die A. schon seit längerer Zeit an einer serösen Meningitis
leidet und durch den Schlag auf den Kopf eine Verschlimmerung
erfahren hat. Ich habe desshalb seit dem 7. Januar Jodkali und
seit dem 1. Februar eine Inunctionscur bei der Kranken begonnen;
sie ist frei von Beschwerden.
Ebenso wie bei dem 2. Kranken wird liier der weitere Ver¬
lauf abzuwurten sein, bevor wir ein endgültiges l'rtlieil abgeben.
III. Ich gebe nun zur Betrachtung solcher Fälle über,
welche die Erscheinungen einer acuten, nicht tuberculösen,
(' e reb ro s p i n a 1 - .M c n i n g i t i s dargeboten haben.
Bei 2 Kranken, die ich mit den Herren Collegen v. Oos teil,
Michael und Krieger behandelte, erhielt, ich keine Flüssigkeit,
obwohl ich in dem Duralsack gewesen zu sein glaube. Es handelte
sich um die schwere epidemische Form; beide Kranken sind nach
monatelanger Krankheit genesen. In 3 weiteren Fällen ergab die
Punction reichliches Exsudat, das in dem einen 5mal punctirtcn
Falle rein serös, im zweiten dünneitrighlutig, im dritten dickeitrig
war. Bei allen 3 Kranken waren intracelluläre Diplo-
c o c e e n nachweisbar.
c Eer ® rste dieser Fälle betraf eiue 46 jährige Frau M die i
Lu? . F ^ ufg , enomn, en war. Die Diagnose schwankte zwisch
epidemischer Cerebrospmal-Meningitis und Abdominaltyphus. Da ,
erste Punction negativ ausfiel, stand ich mehrere Wochen von eii
Wiederbohmg ab Erst am 15. Oktober fand ich bei der 2. Puncti
FraS holden h k ' a r 6 8 E *® udat Die '"zwischen äusserst abgemage
M dieser Menin «' l 'sform nicht so seltenen, stetig ft
schreitenden Marasmus und Muskelschwund dar. Fünf Punction
Whkun'rb^S“, 50 CCm , Ex * udat herausbeförderten, waren oh
SkoW «h J Nach d« ersten Punction fiel das Fieber ab.) Die zi
zJ Grunde * Kranke g ‘" g völli » »drastisch am 27 Dezeml
m n n„ Be ii^ m a “ d f ren Falle L - do » ich mit Herrn Collegen Frie
mann (dies ist der einzige Fall, bei dem ich mit der Spri
öfters aspirirt habe) in Altona sah, konnten wir 80 ccm Exsudat
entleeren. Das erst 2 Tage kranke 13jähr. Kind verblieb im tiefen
Coma und verschied etwa 15 Stunden nach der Punction, ohne dass
die geringste Einwirkung zu erkennen war. Besonders hebe ich
hervor, dass Opisthotonus und Krämpfe, gleich stark fortdauerten.
Bei dem 3. Fall, der ein 5 jähriges Kind M. betraf, versuchte
ich, da sehr dicker Eiter aus der Canüle vordrang, eine vor¬
sichtige Auswaschung der Rückgratshöhle. Thatsächlich flössen dann
reichlichere Eiterflocken und feingemischter Eiter ab. Erfolg erzielten
wir nicht. Das Kind ging comatös zu Grunde. Die Section zeigte,
dass besonders in der Gegend der Brücke und der grossen Sub-
aracheoideae-Cysternen noch dickes, eitriges Exsudat sass, während
das Rückenmark nur strichweise und zart damit überzogen und nur
spärliches flüssiges Exsudat in der Rückengratshöhle vorhanden war.
Ein weiterer Fall, der bei einer schon längere Zeit auf meiner
Abtheilung wegen Empyems behandelten 2l)jähr. Kranken zur
Beobachtung kam und in 4 Tagen tödtlich ablief, ist dadurch von
Interesse, weil wir hier 2 mal dicken Eiter zu 8—20 ccm entleerten,
der völlig keimfrei war. Es bestand ein Druck von 300 mm. Die
Section ergab typische eitrige Cerebrospinal-Meningitis und in dem
der Leiche entnommenen Ventrikel Exsudat Streptococcen, die in
Reincultur wuchsen. Der Rett der früheren Einpyemhöhle völlig
frei von Eiter; das Ependym des linken Seitenventrikels von einer
etwa linsengrossen Stelle oberflächlich arrodirt. — Dass der Fall mit
dem früheren Empyem in ursächlichem Zusammenhang steht, wäre
wohl denkbar, zumal bei dom abweichenden bactcriologiscben Befund.
Aber man darf nicht vergessen, dass ab und zu auch bei der croup.
Pneumonie die Fränkel'sehen Coccen fehlen und nur Strepto¬
coccen Vorkommen können.
M. II. So interessant die letzten Fälle für den Diagnostiker
abliefen, so wenig erfreulich war die theraiteutische Seite. Bei
der einen subacuten Krankheit wurde trotz mehrmaliger, allerdings
erst nach 6 wöchentlicher Dauer der Krankheit begonnener Ent¬
lastung des Hirns der Marasmus nicht mehr aufgehalten, bei den
anderen setzte der rasch eintretende tödtlichc Ausgang allen
weiteren Bestrebungen ein Ziel. Anders mit den folgenden 5 Fällen,
die ich der acuten serösen Ccrebrospinal-Meningitis
zurechnen möchte'.
Der erste Fall betrifft einen 19jfthrigen Köper N., der am
9. November vor. Jrs mit den Zeichen eines milden Gelenkrheu¬
matismus, schwerer Nephritis und Debilitas cordis aufgenommen
wurde. Die Temperatur bewegte sich um 39° C. Der Kranke war
meist benommen und delirirte in massigem Grade. Der Ham
enthielt 7,5°/oo Eiw. und ausser zahlreichen Nierenepithelien viel
Eiter; er wurde in den nächsten Wochen eiweissfrei. Am 14. Krank¬
heitstage traten ziemlich plötzlich Coma, Opisthotonus und von
Neuem Fieber ein. Die jetzt vorgenommene Punction entleerte
unter hohem Druck in knapp 10 Minuten 35 ccm seröser Flüssig¬
keit, worin bei 1010 specifischem Gewicht reichlich Eiweiss und
Leukocyten enthalten waren. Schon im Laufe des Tages begann
sichtliche Besserung; die folgende Nacht verlief im Gegensatz zur
vorhergehenden ruhig und die Nackensteifigkeit war andern Tags
völlig verschwunden. Der jetzt fast klare Kranke bewegt den Kopf
ohne nennen8\verthe Beschwerden. Da ab und zu wieder etwas
Steifigkeit im Nacken geklagt wird, wiederholten wir 8 Tage später
die Punction, bei der jetzt nur 6 ccm unter massigem Druck ab-
fliessen. Sehr wahrscheinlich war aber die Hohlnadel etwas ver¬
stopft gewesen, denn als ich nach 3 Tagen wegen erneuter Nacken¬
steifigkeit und Delirien den Eingriff wiederholte, gewann ich rasch
20 ccm. Der Nacken wird sofort frei beweglich. Wohl aber hat
der Kranke noch längere Zeit Fieber wegen einer entzündlichen
Schwellung am linken Unterkiefer und Rückfall der Nephritis. Von
Interesse ist, dass vorher schon Facialis-Parese links eintrat. Jetzt
ist der Kranke bis auf zeitwei-e einselzende Tachycardio völlig
wieder hergestellt.
2. Der am 27 December 1895 aufgenomraene 10jährige Knabe
Hermann H war 14 Tage zuvor plötzlich mit Appetitlosigkeit, Er¬
brechen und Schmerzen in allen Gliedern erkrankt. Er macht einen
schwerkranken Eindruck und bot bei Temperatur 40,2 böchstgradige
Nackenst8rre und Druckschmerz dar; das Sensorium nicht benom-
nien. Die mässig weiten Pupillen reagiren sehr träge. Der Leib
ist stark eingezogen. Die andern Tags vorgenommene Punction
ergab bei 600 mm (44,0 mm Hg), 13 ccm klares Exsudat
von 1007 specifischem Gewicht und mässigem Eiweiss¬
gehalt Es tritt sehr bald völliges Wohlbefinden und Entfieberung
ein; der Nacken wird frei und ohne Schmerz beweglich, die Pupillen .
reagiren lebhaft. Eine nach 9 Tagen auftretende Ephemera ist
ohne Bedeutung, die zweite zu diagnostischen Zwecken am 17. Ja- I
nuar vorgenommene Punction ergibt 12,5 ccm bei 70 mm Druck.
3. Die 42 jährige Frau Minna K. ist nach Angabe ihrer
Schwester am 1. Dezember 1895 mit Schüttelfrost, Hitze, Kopf- und
heftigen Nackenschmerzen erkrankt und seit 2 Tagen völlig unklar
und unruhig. S‘e wird am 8. Dezember aufgenommen, ist ganz ver-
wirrt und unruhig. Der Nacken sehr druckempfindlich, ist am
9. Dezember steif. Die jetzt ausgefflhrte Punction ergibt bei
einem Anfangsdruck von 260 mm= 19,2 Hg 22 ccm einer
klaren Flüssigkeit von 1007 specifischem Gewicht.
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MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
173
25. Februar 1896.
In den beiden folgenden Tagen hält die Unruhe und Verwirrt¬
heit noch an, die Nackensteifigkeit wird grösser. Vom 12. Dezember an
beginnt deutliche Besserung, die nach der nächsten, am 18. Dezember
wiederholten Punction, womit 17 ccm der gleichen Art bei 175 mm
Druck entleert werden, merkliche Fortschritte macht, so dass die
Kranke schon am 2. Januar das Haus völlig geheilt Verliese.
4. Der 11jährige Knabe Albert Kr., am 1. Novbr. aufgenommen,
bot ein fast 3 wöchentliches, unregelmässiges Fieber dar und als
einzigen sonstigen Befund ein eigenartiges, vesiculöses Exanthem dar¬
bot, das in mehreren Schüben den unteren Theil des Rumpfes mit
besonderer Bevorzugung der Regio hypogastrica und dos Mons pubis
befiel. Die Blasen füllten sich sehr rasch mit wässrig getrübtem
Inhalt und erhoben sich auf lebhaft gerötheter, kaum geschwollener
Grundlage. Die Umgebung war ohne jede Spur von Röthe. Die
Schleimhäute blieben ganz frei, die Extremitäten zeigten nur spär¬
liche Blasen.
Von Ende November ab konnte der Junge kein Wasser lassen,
wir fanden die Blase mit über 1 Liter gefüllt, auch der Stuhl
war angehalten. Die Patellarreflexe erhöht. Ich dachte an
die Möglichkeit einer serösen Meningitis und punctirte zuerst am
4 Dezember beieinem Druckvon 320 mm Wasser (23,6 mm Hg)
25ccm klare Flüssigkeit, die bei mässigem Eiweissgehalt ein
specifisches Gewicht von 1005 zeigte. Am 9. Dezember wurden
abermals30ccm entleert, derDruck betrug jetzt nur 105 mm.
Ein Einfluss auf den Zustand war unverkennbar; der Knabe
konnte vom nächsten Tage an den Ham stets wieder freiwillig
entleeren. Die Reconvalescenz machte stetige Fortschritte.
Indess ergab die am 9. Januar aus diagnostischen Gründen aus¬
geführte 3. Punction bei 200mm Wasserdruck in 15 Min.
Zeit 35 ccm Flüssigkeit. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass
in Folge des Infectionsfiebers eine seröse Meningitis entstand, die
milde begann und noch nicht ganz verschwunden ist.
Von ungleich grösserem Interesse ist folgender Fall, den ich mit
Herrn Collegen Nevcrmann in Winterhude behandelt habe.
5. Die 27 jährige Frau M., die von Dr. N. schon wiederholt
wegen Blutarmuth behandelt war, erkrankte am 30. November in¬
mitten völligen Wohlbefindens, als sie sich fröhlich in einer Gesell¬
schaft befand, Abends 1 /ad Uhr plötzlich mit heftigstem Kopf¬
schmerz, der scharf die rechte Kopf- und Gesichtshälfte einnahm.
Eine Minute später brach sie bewusstlos zusammen, als sie aufzu¬
stehen und die Gesellschaft zu verlassen versuchte. Herr College
N. findet die Kranke, die inzwischen anhaltend bewusstlos ge¬
blieben war und mehrmals erbrochen hatte, in tiefem Coma,
die weiten Pupillen sind völlig lichtstarr; auch besteht
Strabismus divergens, der Puls ungleich, oft aussetzend und stark
verlangsamt. Die Kranke wird um 11 Uhr mit dem Krankenwagen
in ihre Wohnung geschafft und bleibt bis zum Mittag des nächsten
Tages bewusstlos. Das Erbrechen wiederholt sich die Nacht hindurch.
Nach dem Erwachen am 1. Dezember jammert die Kranke
über »rasenden* Kopfschmerz, besonders im rechten Vorderkopf.
Derselbe dauert auch bis zum 2. Dezember, wo ich vom Herrn
Collegen N. zugezogen wurde, trotz mancherlei Mittel hartnäckig
fort. Der Puls bleibt verlangsamt und sehr ungleich. Bei der ge¬
meinschaftlichen Untersuchung ist die üppig genährte Kranke schlaf¬
süchtig, aber sonst klar; sie vermeidet ängstlich jede Kopf- und
selbst Augenbewegung. Druck an den Nervenaustritten, ebenso
wie im Nacken schmerzhaft. Steifigkeit nicht vorhanden. Pupillen
mittelweit, reagiren, ebenso sind die Patellarreflexe erhalten. Keine
motorischen und sensiblen Lähmungen. Die Temperatur ist normal.
Ich schlug für den nächsten Tag die Lumbalpunction vor, wenn
der Zustand in gleich unerträglicher Weise fortbestehen sollte. Wir
beschränkten uns einstweilen auf Eis und Clysmata, neben löffel¬
weise gereichter Flüssigkeit, gegen die überdies grösster Wider¬
willen bestand.
Am 3. Dezember Nachm. 3 Uhr machte ich die 1. Punction,
da der Zustand ganz unverändert war. Die Flüssigkeit spritzte
heraus, und trotzdem fand ich noch einen Druck von 320 mm,
der nach Abfluss von 30 ccm auf 120 mm verblieb.
Schon bald nach der Punction trat eine merkliche subj. Er¬
leichterung ein, die dadurch eine objective Bestätigung
erfuhr, dass der vorher äusserst unregelmässige und
ungleiche Puls von 48 auf 54 stieg und absolut gleich
»nd regelmässig wurde.
Am 4. Dezember war der Zustand wesentlich besser,
™ Kopfschmerz erträglich, stundenlang ganz verschwunden. Der
ruls bleibt regelmässig. An der Oberlippe zeigt sich deutlich Herpes.
. aber am 5. Dezember Früh von neuem heftiger Kopfschmerz
«ntntt, wird Nachmittags die von der Kranken selbst gewünschte
ninchon (2) wiederholt. Ich entleerte inetwa 12Minuten30ccm.
er Druck sinkt währenddem von 355 mm auf 130 mm.
^ ^ ,n k. e Seitenlage der Kranken unerträglich wird, hörte ich
schon da mit der Punction auf. Der Puls ist regelmässig und steigt
von 40 -44 auf 54-56.
Die folgende Nacht ist leidlich. Dann beginnt völliges
i
n ob 1 befinden, das (36 Stunden lang) bis zum 7. Dezember
i’acnmittags andauert. Der Kopf ist völlig frei, die Kranke wird
wnehmend fröhlicher und hat Appetit. — Plötzlich (5 Uhr Nacb-
®'j*aga) beginnt von neuem heftiger rechtsseitiger Kofschmerz
•rbrechen. Die Nacht zum 8. Dezember ißt schlecht.
No. 8.
mit
Die Kranke fleht um möglichst rasche Wiederholung der
Punction, die am 8. Dezember Nachmittags V 2 ^ Dhr gemacht wird.
Beim Einstich der Nadel spritzt die Flüssigkeit in
einem mindestens 15cm langen Strahl hervor, sodass ich
erst, als mehrere ccm abgeflossen waren, die Verbindung mit dem
Steigrohr herstellte, und trotzdem fand ich noch einen Druck von
420 mm W. rr 30,8 mm Hg.
Nach Abfluss von weiteren 35 ccm hatte sich der
Druck auf 100 mm eingestellt. Der Puls stieg von 48 auf 54,
ist regelmässig. Die jetzt erzielte Besserung war zwar) nicht so voll¬
ständig, wie nach der 2. Punction; indess befand sich die Kranke
bis zum 10. Dezember Abends ganz wohl, dann begann wiederum
Verschlechterung, Kopfschmerz und Erbrechen. Auf ihren dringen¬
den Wunsch wird, da sie sich in der Nacht zum 11. Dezember
äusserst schlecht befunden hat, am 11. Dezember die 4. Punction
gemacht. Ich entleerte wieder etwa 30ccm bei einem An¬
fangsdruck von 400 mm, der zuletzt auf 60 mm sank. Gleich
nach der Punction tritt ruhiger Schlaf und sichtliche Besserung ein.
Von da ab wurde die Reconvalescenz nie wieder gestört. Er¬
brechen trat nie wieder ein. Der ab und zu besonders gegen Abend
gesteigerte Kopfschmerz erreichte nie wieder die frühere Heftigkeit
und ist jetzt ganz beseitigt. — Der Puls hielt sich Anfangs noch
um 64, stieg allmählich auf 72, am ersten Weihnachtstage sogar
auf 85 Schläge. Die Eigenwärme war stets normal.
Das gewonnene Hirnwasser war stets wasserhell, zeigte ein
specifisches Gewicht von 1008, und bis zu V/tPIoo Eiweiss; ferner
ziemlich reichlichen Leukocyten-Gehalt, aber nie Mikrobien.
Herr College N., den ich kürzlich um eine Auskunft bat,
schrieb ausser den eben wiedergegebenen Notizen «in diesem Fall
war die Lumbalpunction wirklich ein wahrer Segen, besonders auch
nach dem eigenen Gefühl der Kranken». (Schluss folgt.)
Aus der medicinischen Universitäts-Poliklinik zu Kiel.
Zur Kenntniss der Myelitis acuta luetica.
Von Dr. v. Starck.
In letzter Zeit hatte ich Gelegenheit eine frühere Patientin
gesund wiederzusehen, deren Geschichte in verschiedener Beziehung
interessant ist, und die ich kurz mittheilcn will.
Pauline G., Schneiderin, 27 Jahre alt, bat am 19. August 1892
um die Hilfe der Districtspoliklinik. Sie gab an, vor 12 Tagen
ziehende Schmerzen im Rücken bekommen zu haben, welche 4 Tage
später auch in den Beinen, namentlich in dem rechten auftraten.
Dazu habe sich eine zunehmende Schwäche in den Letzteren gesellt,
während die Schmerzen an Intensität nachgelassen hätten. Der
poliklinische Praktikant, welcher die Kranke zuerst sah, hielt die
Beschwerden für Rheumatismus und traf eine entsprechende Ver¬
ordnung. In den nächsten Tagen entwickelten sich indess aus¬
gesprochene Lähmungserscheinungen bei der Patientin. Am 23. August
konnte dieselbe nicht mehr stehen oder gehen. Schon Tags zuvor
begann Urin und Stuhl unwillkürlich abzugehen; an beiden Beinen
wurde hochgradige Anästhesie konstatirt, der Patellarreflex war
beiderseits nicht hervorzurufen, am Kreuzbein zeigte sich Decubitus.
Da Patientin nicht in ihrer Wohnung .bleiben konnte, wurde
dieselbe in das damals noch mit der Poliklinik verbundene städtische
Armen- und Krankenhaus verlegt, wo ich die mir von früher bekannte
Patientin zuerst in ihrem jetzigen Zustande sah. Die genauere
Anamnese der Kranken ergab, dass sie im Laufe des letzten Jahres
dreimal im städtischen Armen- und Krankenhause wegen Geschlechts¬
krankheit in Behandlung gewesen war. Zuerst wurde sie auf¬
genommen am 21. September 1891 mit Urethritis und Cervical-
katarrb ohne Zeichen von Syphilis; zum zweiten Mal am 19. November
1891 mit einem über den ganzen Körper verbreiteten grossfleckigen,
kupferfarbenem maculös - papulösem Exanthem, Corona veneris,
Rhagaden an den Mundwinkeln, Placques auf den Tonsillen, breiten
Condylomen an den Labien und multiplen Drüsenschwellungen.
Unter Behandlung mit Injectionen von Hydrargyrum salicylicum
verschwanden die Erscheinungen und konnte Patientin nach sechs¬
wöchentlicher Cur entlassen werden. Die dritte Aufnahme erfolgte
am 21. April 1892 wegen mehrerer kreisrunder Geschwüre am rechten
Unterschenkel und eines solchen am rechten Oberschenkel. Die¬
selben zeigten einen speckigen Grund und wallartig infiltrirte
Ränder und sahen aus wie zerfallene Gummata. Daneben bestanden
Drüsenschwellungen und eine eitrige Urethritis. Erneute Behand¬
lung mit Hydrarg. salicyl. Entlassung am 21. Mai 1892.
Status am 26. VIII. 92.
Mittelgrosses Mädchen, Knochenbau mittelstark, Muskulatur
schlaff, Panniculus gering, Hautfarbe blass, Leukoderma am Halse,
ausgedehnte rundliche Narben unterhalb des rechten Knies. Brust-
und Bauchorgane ohne Besonderheiten, Appetit schlecht, Zunge
belegt, keine Zähne (k. Gebiss). Die rechte Gesichtshälfte schlaff,
Nasolabialfalte verstrichen, Mund beim Pfeifen nach links verzogen,
keine Storung in den Bewegungen der Zunge, im Geschmack, in
der 8peichelsecretion und von Seiten des Gehörs. Beide Beine
lahm, mit dem rechten kann Patientin überhaupt keinerlei Bewegung
ausftihren, das Unke nur ganz wenig heben und geringe Bewegungen
2
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MÜNCHENER ME DICINISCHE WO CHENSCHRIFT.
No. 8.
MUiNv;ru^^ v ^ — _ ___ #
174 _—- . f «Drechen höchstens für eine Heizung der
i v Die Muskulatur ist beiderseits sehr schlaff, Schmerzen im , P hgn Entw i c klung der myelitischen
im Fussgelenk machen. Die M rechte Hinterbacke weniger Meningen — und d « vv—nwenia kann ein Guimna die
(kntang sprecncu —~ ~ , ....
„ . nnd der raschen Entwicklung der myelitischen
Meningen Ebensowenig kann ein Gumma die
Symptome auszu“““ ' ^ Verlauf spricht unbedingt
STäm'äöute, diffuse entzündliche Erkrankung den Immbalmarke»,
tür eine ac , v„v, e i s „,it vorwdegendem Befallensem der
3 s “S i£.r— isrsrs
-3....«*■ »*“■TT2VS.E”‘
im Fussgelenk machen. Die Musku at Hinter backe weniger
der rechte Unterschenkel und die ree {ehlendt Cremaster¬
voluminös als links. Fusssohlenrefle Patellarreflex fehlt
reflex rechts fehlend, links ? e £wS2 Äs in geringem Grade
beiderseits, Fussklonuarecht unwillkürlich entleert. Sensi-
vorhanden. Kot und Harn werden unwiu ^ ^ Nabelhöh e
bilität: der Tastsinn im Bereichi der • ü ^ Bereich de8 Kreu z-
stark herabgesetzt in der Glutäalg g letztere m Bezirk besteht
m "%1e Prüfung de, r* —
Mangel eines genügend starken pp f ara dischen Strom war an
wir auch sie vie leicnt aurcii n««». , - - , ,
r mit dieser unter der antiluctischen Behandlung verschwand,
möglicherweise aber nur einfach rheumatischer Natur,
moglic Myelitis anderen als luetischen Ursprunges gewesen
sei kann wohl mit Rücksicht auf die Anamnese der Patientin
und den prompten Erfolg der Hg-Behandlung nicht bezweifelt
werden Hie reiht sich einer beträchtlichen Anzahl bereits bc-
i lL,r Falle an in denen meist während der ersten Jahre
nach 6 der syphilitischen Infection oft plötzlich im Verlauf weniger
sr
bestehend in Infcbonffl DaneEen wurde bald j h „ e „ CIlüber den meisten sonst beobachteten durch den ausser-
- “ ~ “ d - 8ich SS ÄÄ
Monaten uT^^die
ein Auch bei mehrjährigem Verlauf blieben die Krankheitser
scheinungen meistens unverändert. Ein Fall von gleichem
Ausgang wie der unsere gehört leider zu den Sdtenhertcn. Günstig
und glücklich war für unsere Patientin, dass die Myelitis nicht
so rapide verlief, wie in manchen anderen Fällen luetiseher R c cn
markserkrankung, und dass die Kranke so bal \ n*A iBegum te
Erscheinungen in die Hände der Aerzte kam, die *"Anwm£
sicher kannten. So konnte die Heilung angebahnt werden,
.-n.. i_i, l.^VirrTfidicr oeworden waren,
Cin “ IX. Heute zuerst schwache willkürliche Bewegung des
ÄSSÄiÄÄÄÄ
Obstipation.^ jx patientin mac ht den ersten Versuch zu stehen,
Patellarreflexe wieder nachweisbar, Decubitus kleiner.
P Den U X Patientin kann sich selbständig im Zimmer be
wegen, das rechte Bein beim Gehen nachschleppend. Patellar-
reflexe^beidersmts 8“^ am rec hten Bein u " d ,. G * utAa ! ge ?®? d
von normalem Volumen, auch links kräftiger und dicker als beim
L. . ... _ _i, EnraUpaPbi.. Decubitus zur Hälfte geheilt.
sicher kannten, fto Konme um
Den 20 XI. Muskulatur am rechten cein uiiuy.uuv».^.- die Veränderungen im Rückenmark so hochgradig geworden war ,
ron normalem Volumen auch links kotiger und ‘ das s s e m ir mit Narbenbildung und damit mit dauernd zurück-
“ftn^bÄbSÄSSÄ in Weihenden Störungen zu heilen vermochten. KIM £■
normaler weise auf den faradischen Strom. .Sensibilität annähernd , auf dcr Krankheit keine Abweichungen von denen der gewö^
Den 7 XII. Die Muskeln beiuer unwrewieuwi ...
normaler Weise auf den faradischen Strom. Sensibilität annähernd
normal, Decubitus bis auf eine kleine ‘/sem breite und 3 cm lange
nässende Stelle geheilt. Facialislähmung geschwunden. D ^ Beine
ermüden noch leicht beim Gehen, sind sonst aber fast vollständig
functionsfähig. Blase- und Mastdarmfunction normal.
Mitte Dezember wird Patientin, nachdem sie 18 , Injec . t ’^ en
von Hydrarg. salicyl. erhalten hatte, vollkommen gesund entlassen,
um sich bald darauf zu verheirathen.
Ich hatte Gelegenheit, sie hier noch eine Zeit lang zu ver¬
folgen, später hat sie Kiel verlassen. Kürzlich sah ich sie offen¬
bar völlig wohl wieder. Recapituliren wir den Fall kurz, so sehen
wir, wie ein 27 jähriges Mädchen wahrscheinlich Ende September
. ™. t .i_QWwtpn snilter Alleemcinerscheinungen
lauf der Krankheit keine adwhbiiuu B » — -----
liehen Lumbalmyelitis. Die Rücken schmerzen m > Begmn kön
auch bei letzterer Vorkommen und es ist nicht nothig,
Falle eine eigentliche Betheiligung der Meningen an dem Kran
heitsprocess anzunehmen. Viele Autoren sind der Meinung das
bei den syphilitischen Myelitiden stets eine Meningitis das pnn
sei. Indessen bot der pathologisch - anatomische Befund n c
immer erhebliche Veränderungen an den Meningen, oft nur gering
Verdickungen und Infiltrationen der Pia und Arac nou
der Höhe und Ausdehnung der Myelitis oder auch cinm .
i -a. Ai* l? rt/>l'Pnmarksnaute
er iuvfiiwa - -
rir, wie ein 27 jähriges Mädchen wahrscheinlich Ende September fanden sich die RüekenmarkshUute
1891 Lues acquirirt, 7—8 Wochen spater Allgemcmerschemungen * Zu den Ietzteren Fällen dürfte der unsere wohl auch
zeigt, eine antiluetische Cur durchmacht, sechs Monate danach ^ „ nd dic Krankheit als eine acute primäre Myelitis
wegen tertiärer Lues in Behandlung kommt von neuem einer auf i uetisc h cr Grundlage anzusehen sein.
Cur unterworfen wird, nach weiteren 4 Monaten, also etwa eünst igen Erfolg der antiluetischen Behandlung
12 Monate nach der Infection, von einem Rückenmarksleiden be- Ob für den g ^ tlg . bcsonde rer Bedeutung
wd von «M- . durch eine dritte lüngcrc »»—e Ich mochte nur uoch «ohn»
5XÄEL begann mit Schmerzen im Rücken nnd La ich tonst mit den M*. d- Ä-
in de» Beine», die rasch yerschwanden, um dem ansgesprochenen die eh vor eeehs Jahren ,m h,c«.*e» ^t^ chen^. dcKn
Bilde der Myelitis lumbalis Platz zu machen. Schon auf der Station für fast
14 Tage nach Beginn der Schmerzen, die inzwischen verschwanden, wir uns seit vier Jahren m der über haupt zufrieden
war das Bild der Myelitis lumbalis ausgebildet. Es bestand eine moto- ausschliesslich bedienen^ tm^ Allgcm^ ^ ^ ^.Lnwfrkungcn der-
■ v i *11 T»_ 4 «« Dnii<n rlin finKnanrnflnvn wornn Ol*-
^ar das uua aer luyeiuis mmuiuis »uagcunuw;.
rische und sensible Paraplegie der Beine, dieSchnenrcflcxe waren er-
loBchen, Blasen- und Mastdarmlähmung war cingetretcn. Rasch
entwickelte sich ein grosser Decubitus. Dazu gesellte sich eine
massige degenerative Muskelatrophie jedenfalls am rechten Bein
und partielle Entartungsreaction. Die Hautreflexe zeigten sich
aufgehoben resp. vermindert. Nach 3'/« monatlicher Cur waren
.. 11 « 1 .' .... 1 . 1 . At+nAMamlikn.... „ rrim M-ioilnr vi>r«flnv 11 mlpTl. fllO GchrailcllH-
ausscliliesslicn bemenen, iui -y ,
gewesen bin und irgendwelche nachtheilige Nebenwirkung
selben so gut wie nie beobachtet habe ; spcciell ha e > c
mal einen Glutäalabscess danach gesehen, der aber zwei c
ungenügende Vorsicht bei der Injeetion zurückzutüliren
,„ü partielle Jimtartungsreacuu... — * D 8 Rumpf, die syphilitischen Erkrankungen des N«vem
ufgehohen resp. vermindert. Nach 3*/« monatlicher Cur waren 8ysten ' 8 Wiesbaden 1887, S. 33G. Böttiger, Beitrag; zui der
die Krankheitserscheinungen wieder verschwunden, die Gebrauchs- von den luetischen Rückenmarkskrankheiten Arcbl 7., 1 .?f i omb aire
ähigkeit der Beine in vollkommenem Maasse wieder hergestellt, Bd. 26, S. 42. Renault, Sur un cas de my6 R® ®yP “f ; n Schmidts
•atientin ganz friacb und leiatungsfähig. f S «’ h ' L 7 ' p ' ^ '
'keit der Beine in vollkommenem Maasse wieder hergestellt, Bd. 26, S. 42. Renault, Sur un cas de myentesyp.ojH- i(Jt B
mtin ganz Md, nnd leistungsfähig. , fg* “ «*> ^ L P ' ^
Differentialdiagnostisch kann kaum etwas anderes in 1«rage ») s. Böttiger, l. c. M've nicht
kommen. Eine Spinahneningitis auf luetischer Grundlage ist bei 3^ Die früheren gleichen Curen hatte rasche Reci i
dem Mangel meningitischer Erscheinungen — die geringe" 1 ' : - J ‘
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
175
i
25. Fcbmar 189G.
Namentlich für die ambulante Behandlung der Poliklinik halte ich
das Hydrarg. salicyl. für sehr brauchbar. Im Uebrigen hängt
der Enderfolg einer antiluetisehen Cur wohl weniger von der
Appücationsweise des Quecksilbers ab, als davon, dass die einzelnen
Cnren sachgemäß und in bestimmten Zeitabschnitten wiederholt
vorgenommen werden. Leider sind ungebildete Personen besonders
schwer dazu zu bringen, sich nach der ersten Cur auch ohne neue
Krankheitserscheinungen bestimmten weiteren Curcn zu unterwerfen,
um geheilt und vor schweren Spätererkrankungen bewahrt zu
werden. Und gerade für solche Menschen sind die Ilg-Injectioncn,
welche eine Unterbrechung der Berufstbätigkeit nicht nöthig
machen, so bequem und zugänglich.
Ueber die Bedeutung der Leukocyten für den Schutz
gegen Infectionen. 1 )
Von Privatdoccnt Dr. Martin Hahn in München.
M. II. In einem Vortrage, den Professor Büchner im
Mai 1894 über die Immunitütsfragc vor Ihnen gehalten hat,
wurde zum ersten male die sogenannte natürliche Widerstandsfähig¬
keit gegen Infectionen streng geschieden von der künstlich erzeugten
oder erworbenen Immunität resp. Giftfestigkeit. Die natürliche
Widerstandsfähigkeit findet ihren Ausdruck in der baetcrientöten¬
den Wirkung des normalen Blutserums, die ihrerseits auf die
Gegenwart von Alexinen zurückzuführen ist. Die künstlich erzeugte
Immunität dagegen beruht auf der Anwesenheit von Antitoxinen
im Blutserum. Alexine und Antitoxine sind Kör|>cr mit grund¬
verschiedenen Eigenschaften: Die Alexine sind äusserst labil,
werden durch Erwärmen auf 60°, durch Lichteinwirkung zerstört,
die Antitoxine sind viel haltbarer, vertragen Temperaturen von
70—80°, die Einwirkung des Sonnenlichtes etc. Die Alexine
variireu je nach der Thierspecies: d. h. das Blutserum eines
Hundes z. B. zeigt andere baetcrientötende Eigenschaften, als das
eines Kaninchens etc. Die Antitoxine sind abhängig von der
Baetorienart, mit welcher das betreffende Thier immunisirt wurde ;
d. h. die Antitoxine des Tetanus-immunisirten Thieres sind andere
als die eines Thieres, welches gegen Diphtherie immunisirt wurde.
Alter ob man das Blut eines diphtherieimmunen Meerschweinchens
oder eines diphtherieininmnen Pferdes nimmt, das ist principiell
gleich, das Antitoxin der Diphtherie bleibt immer dasselbe.
Es ist klar, dass für jeden, der sich mit der natürlichen
Widerstandsfähigkeit des Menschen gegen Infectionen beschäftigt,
die Frage von höchstem Interesse sein muss: woher stammen nun
eigentlich diese Schutzstoffe, diese Alexine, die ja als chemisch
reine Körper leider noch immer nicht dargestellt wurden? Denn
nur, wenn wir die Quelle dieser Sehutzstoffo im Organismus kennen,
ist ja für uns die Möglichkeit gegeben, eine Erhöhung der natür¬
lichen Widerstandsfähigkeit , die wir auf’s äusserste erstreben
müssen, zu erzielen. Der Oedanke, dass der Ursprung der Alexine
in den Leukocyten zu suchen sei, war naheliegend und er ist auch
thataäcblich frühzeitig aufgetaucht. Er war naheliegend, denn die
Beobachtungen Metschnikoff's über die Pbagocytosc, also über
das Verhalten der Leukocyten bei den Infectionsprocesscn wiesen
ihnen dabei eine hervorragende Rolle zu. Es fragte sich nur: ist die
Vernichtung der Batterien an die lebende Zelle gebunden, kann
diese Wirkung nur direct von der organisirten Substanz der Leu¬
kocyten ausgehen oder sind die baetericidcn Stoffe auch von den
leukocyten abtrennbar, kann die baetericide Wirkung auch ohne
die Gegenwart der lebenden Zelle, durch gelöste Stoffe, die von
den Leukocyten ausgeschieden wurden, erfolgen? Alle früheren
Versuchsanordnungen, wie die von Hankin und Kanthak. die
v 'on De »vh und Havet gewählten waren nicht geeignet, diese
frage zu entscheiden: denn man hatte in diesen Versuchen die
Leukocyten nicht abgetötet und somit war eine Wirkung der
Leukocyten als Phagoeytcn, als lebende Zellen nicht ausgeschlossen,
bi jenem Vortrage nun, den Herr Professor Büchner vor
U/* Jahren in diesem Vereine gehalten hat.*), hat er Ihnen auch
über Versuche, die er in Gemeinschaft mit den Herren Ko 11»
') Vortrag, gehalten im ärztlichen Verein München am 13. No¬
vember 1895.
J ) Diese Wochenschrift 1894, No. 24 nnd 25.
und Schuster angestellt hatte, berichtet, die geeignet erschienen,
diese Frage zu lösen. Da ich nun auf Veranlassung dos Herrn
Professor Büchner und unter seiner steten Förderung diese
Versuche weiter fortgesetzt habe, so möchte ich mir erlauben
die damaligen Mittheilungen dos Herrn Professor Büchner hier
weiter fortzuführen. Es ist Ihnen vielleicht noch erinnerlich,
dass cs gelingt, durch Injection von Weizenkleber oder auch durch
Injection von Aleuronatinohl, das mit Stärke zu einem Brei ver¬
rieben und sterilisirt wurde, in der Pleurahöhle von Kaninchen
und Hunden etc. sterile Exsudate zu erzeugen. Diese Exsudate
sind, wie gesagt, völlig baeterienfrei und enthalten, das ist. wichtig,
grosse Massen von Leukocyten. Wenn nun die bacterientötenden
Eigenschaften des Blutes aus den Leukocyten stammen, so musste
ein solches stark leukocytenhaltiges Exsudat auch stärker bactcrieid
wirken als Blut und Blutserum des gleichen Thieres. Dabei
mussten aber die Leukocyten vorher getötet werden, damit man
nicht etwa eine stärkere baetericide Wirksamkeit der Phagocytosc,
also der lebenden Zelle zuschreiben konnte. Das geschah durch
Einfrierenlassen und Wiederaufthauen des Exsudates; die Leuko¬
cyten sind dann abgetötet. Werden nun eine Anzahl Eprouvetten
mit gleichen Portionen Serum und Pleuraexsudat desselben Thieres
beschickt und mit gleichen Mengen einer Baeterienart besät, so
findet man, dass im Exsudat, und zwar gleichviel, ob cs gefroren
ist oder nicht, die Keimzahl beträchtlich mehr abnimmt, als im
Serum des gleichen Thieres.
Ich selbst habe eine ganze Anzahl von derartigen Versuchen
mit Typlmsbacillen und Staphylococcen angcstellt, die stets das
gleiche Resultat ergeben haben: das leukocytenhaltige Exudat
wirkt stärker bacterientötend als Blut und Blutserum des gleichen
Thieres. Diese Erscheinung muss nothwendiger Weise auf die
Gegenwart der Leukocyten zurückgeführt werden und es war daher
von Interesse, möglichst mit reinen isolirten Leukocyten diese
Frage nach dem Ursprung der Alexine nachzuweisen. Dazu hatte
man ja nun den Inhalt von sterilen Abscessen wählen können,
wie man sie durch Injection von Weizcnkleher unter die Haut
von Hunden und Kaninchen leicht erzeugen kann. Aber diese
Abscesse entstehen nur langsam, sie bilden sich erst im Verlauf
einiger Tage und die Erfahrung hatte uns gezeigt, dass die Leu¬
kocyten , wenn sie bereits vor längerer Zeit die Gefässwandung
verlassen haben, sich nicht mehr so activ gegen die Bacterien er¬
weisen. Wir wählten daher eine andere Versuchsanordnung: os
wurden Kaninchen unter aseptischen Cautelen laparotomirt und
ihnen dann in die Bauchhöhle Wattebäusche oder kleine Schwämme
eingeführt, die mit Alcuronatstürkcbrei getränkt waren. Dann
wurde vernäht und nach 24 Stunden wieder geöffnet: da zeigte
sich nun. dass diese Wattebäusche oder Schwämme, wenn sie steril
geblieben waren, mit den Därmen fest verlöthet waren : sie waren
eingebettet in einen Wall von Leukocyten, ungefüllt mit Leukocyten
und konnten nur mit einer gewissen Gewalt vom Darm getrennt
werden. Um nun die Leukocyten zu gewinnen, wurden die
Schwämmchen einfach ausgepresst, die Wattebäusche aber wurden
unter aseptischen Cautelen zerkleinert und mit Kochsalzlösung
extrahirt. Die resultirende Flüssigkeit enthält natürlich nelien
massenhaften Leukocyten auch etwas Serum , aber die Menge der
serösen Flüssigkeit betrug höchstens 3 ccm. Sie wurde bei den
nachfolgenden Vergleichen mit Serum stets in Betracht gezogen.
Wenn man nun diese leukocytenhaltige Flüssigkeit mit Serum
mischte, in Portionen zu 2 ccm in Eprouvetten vertheilte und anderer¬
seits Serum mit gleichen Thcilcn physiol. Na CI lösung mischte und
gleichfalls in Eprouvetten vertheiltc, so zeigte sich, dass nach Bc-
säung der Proben mit Staphylococcen oder Typhusbacillen stets
das leukocytenhaltige Serum mehr Keime abtötete, als das mit
Kochsalz verdünnte. Aber auch, wenn man das Serum nicht mit
Kochsalzlösung verdünnte, erwies es sich gegenüber dem leukocyten-
haltigcn Serum als unterlegen. Und andererseits zeigte die Lcuko-
cytenflüssigkeit an sich , wenn sie auch nicht mit Serum versetzt,
wurde, ein sehr beträchtliches bactcricides Vermögen, das dem des
unverdünnten Serums mindestens gleichkam, das verdünnte Serum
aber noch übertraf.
Durch diese Versuche wurde also wieder bestätigt, dass die
Alexine wenigstens zum grossen Theil aus den Leukocyten stammen.
Nun war aber weiter die Frage: sind diese Schutzstoffe Zerfalls-
2 *
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i
176
Münchener me dicinische Woc henschrift.
No. 8.
Produkte der Leukocyten oder sind es
jeder Gewinnung deB Blutes, überhaupt plasmatmeher|
also auch von Exsudaten, gehen ja massenhaft Leukocyten zu
Grunde und es wäre daher sehr wohl denkbar, dass die bactenen-
tötenden Eigenschaften des Serums und die noch stärkeren der
Exsudate auf solche Zerfallsprodukte der Leukocyten Bicll bcz ' t ' ^;
Somit müsste also ein Blut, in dem die Leukocyten wohl erhalten
sind das also keine Zerfallsprodukte von Leukocyten entha t. gar
nicht oder schwacher bactericid wirken ult» das Blut'des gleiche
Thieres, wenn es in der gewöhnlichen Weise defibnmrt oder z
Serum Erarbeitet wird. Ein solches Blut mit wohl erhaltenen
Leukocyten, das nicht gerinnt, lässt sich nun gewinneni, "dem
man nach Lilienfeld das Blut aus der Carotis direct ui eine
Histonlösung fliessen lasst. Das Histon tot «j|/; 1W T*Xmu
basischem Charakter, den man aus dem Nucleohiston der Thymus
drüse gewinnt. Das Nucleohiston zerfallt be, der Spaltung mit
Kalk- oder Barythydrat in das Leukouuclein mit saurem und das
Histon mit basischem Charakter.
Wir haben derartiges Ilistonblut mehrfach dargestellt und cs
in Bezug auf seine bactericidc Wirksamkeit mit dem defibrinirten
Blut und Serum des gleichen Thieres verglichen: da« Histonblut,
in dem die Leukocyten wohl erhalten waren, zeigte stets das gleiche
bactericide Vermögen wie die auf gewöhnlichem Wege gewonnenen
Flüssigkeiten. Demnach ist es nicht wahrscheinlich, dass die
Leukocyten durch ihre Zerfallsprodukte die Bactenen schädigen,
sondern wir müssen an nehmen, dass die von ihnen abgesonderten
Stoffe es sind, die den menschlichen Körper vor Infcctionsproccssen
schützen. Freilich können wir noch nicht mit Bestimmtheit sagen,
ob nicht auch andere Körperzellen derartige Schutzstoffe abzusondern
vermögen. Wir können ferner auch nach diesen Versuchen noch
immer nichts neues über die chemische Natur dieser Schutz¬
stoffe oder Alexine aussagen. Aber wir dürfen sagen: es ist
wahrscheinlich, dass die Leukocyten durch Product«, die sie aus¬
sondern, den Organismus vor Infection schützen. Dadurch 18t
uns aber vielleicht die Möglichkeit gegeben, durch Hervorrufung
einer künstlichen Leukocytosc die natürliche Widerstandsfähigkeit
des Organismus zu steigern und in der That liegen schon experi¬
mentelle Untersuchungen von Pawlowsky für den Milzbrand,
von Löwy und Richter für die Pneumococeeninfection der
Kaninchen vor, welche für das Gelingen einer solchen künstlichen
Steigerung der Alexinmenge im Blut und damit der natürlichen
Resistenz sprechen. Freilich dürfte diese Steigerung auch ihre
Grenzen haben. Gerade diese Frage wollen wir weiterhin der
experimentellen Prüfung unterwerfen.
Zur Kieferhöhleneiterung.
Von Dr. Linkenheld in Wiesbaden.
Es ist eine auffallende Thatsaehe, dass in neuerer Zeit
Eiterungen oder überhaupt Erkrankungen der Kieferhöhle dem
Arzte so häufig zu Gesicht kommen, während dieselben früher
mehr zu den selteneren Erscheinungen der Sprechstundenpraxis
gehörten. Die Ursache hierfür ist theils darin zu suchen, dass
manche ätiologische Bedingungen zur Entstehung solcher Er¬
krankungen in neuerer Zeit häufiger Vorkommen (Influenza, über¬
triebener Eifer in Conservirung schadhafter Backzähne), theils
dass ihre Erkennung durch die jetzigen Untersuchungsmethoden
so ausserordentlich vereinfacht worden ist. In der Durchleuchtung
und der, wenn aseptisch ausgeführt, absolut harmlosen Probe-
punction eventuell mit nachfolgender Durchspülung haben wir ein
Mittel, uns jeder Zeit von der normalen oder kranken Beschaffenheit
der Kieferhöhle zu überzeugen, auch wenn uns keine sogenannten
typischen Symptome hierzu veranlassen sollten. So konnte ich in
einigen Fällen von Migräne, Neuralgien im Trigeminusgebiete,
halbseitiger Schwere und Eingenommenheit des Kopfes die Ursache
in einer Kieferhöhlenerkrankung durch die Punction feststellcn,
obschon die Klagen der Patienten nicht auf ein Nasenleiden hin¬
wiesen, und obschon bei der Inspection der Nase kein verdächtiges
Sccret im mittleren Nasengangc wahrgenommen wurde.
Wie wenig manchmal überhaupt die Klagen der Patienten
von vornherein auf eine Erkrankung der Kieferhöhlen lnnweisen,
zeigt folgender Fall: .
Fin Patient war mir von seinem Arzte zur Behandlung eines
ki£w Ohrenlei.lens zugeschickt worden. Seme einzigen Be-
angeblichen lästigem continuirlichem Sausen auf dem
rÄ S«“Ä S Ohre, ergab hierfür heinea
Anhaltspunkt; die Gehörschärfe war normal. Bei der Untersuchung
der Nase fanden sich Granulationen und schleimig eitriges Secret
im mittleren Nasengange. Punction der Kieferhöhle förderte dasselbe
Anamnese nicht angegeben.
Wie ich bereits erwähnt habe, spielt unter den ätiologischen
Momenten für eine Kieferhöhleneiterung (und ebenso natürlich auch
für alle anderen Nebenhöhleneiterungen) die Influenza eine hervor¬
ragende Rolle. Während des Herrschen« einer Influcuzacpidenuc
und auch noch einige Zeit darauf häufen sich die Eiterungen der
Nasennebenhöhlen in auffallender V eise.
Warum wir in praxi nur immer einzelne Nebenhöhlen in
Folge von Influenza oder überhaupt aller acuten Infectionskrank-
lieiten erkrankt vorfinden, dafür kann es wohl nur zwei Erklärungen
geben (auch die pathologisch - anatomischen Untersuchungen von
Weichselbaum, Siebenmann, Ewald u. A. berichten
von Eiterungen einzelner Nasennebenhöhlen) Entweder waren die
übrigen Nasennebenhöhlen schon abgclieilt, als der Fall zur Unter¬
suchung kam, und nur diejenigen persistirten, deren Ausführungs¬
gänge durch Schwellung der Schleimhaut oder Granulationsbildung
in Folge vorausgegangener Katarrhe oder durch sonst ein Hinderniss
mehr oder weniger verlegt sind, oder aber es erkranken von vorn¬
herein im Anschluss an acute Infectionskrankheiten nur solche
Nebenhöhlen eitrig, deren Schleimhäute in Folge vorausgegangener
Katarrhe schon pathologisch verändert waren.
Die erste Erklärung scheint mir dcsshalb nicht stichhaltig
zn sein, weil eine Spontanheilung einer eitrigen Entzündung in
einem buchtigen, allseitig geschlossenen Räume mit nur kleiner
Ausführungsöffnung doch nur selten Vorkommen dürfte. Dagegen
scheint die zweite Erklärung einleuchtender und zwar aus folgendem
Grunde: Bei jedem heftigeren Schnupfen tritt ausser Schwellung
und vermehrter Secrction der Schleimhaut der Nase auch solo
der Nebenhöhlen ein (dafür sprechen die die meisten Schnupfe
begleitenden Kopfsymptome und die massenhafte Secretion be
Nachlassen des acuten Stadiums, die die Schleimhaut der msc -
höhle allein nicht producircn kann). Mit dem Abheilen der Nascn-
schleimhaut geht auch die Heilung der Nebenhöhlenschleimhaute
einher. Wiederholen sich diese Katarrhe öfter und che der vorher
gehende Katarrh vollständig ausgeheilt ist, dann entstehen Jacht
Hypertrophien der Schleimhaut. Ebenso wie in der, Nase in soicnen
Fällen leicht isolirte Hypertrophien z. B. nur der Hinteren en e
unteren Muscheln Zurückbleiben können, ebenso können sich aucn
aus irgend einem Grunde Hypertrophien der Schleim aut
oder jener Nebenhöhle ausbilden. Derartige Höhlen mit hyper¬
trophischer Schleimhaut und leicht stagnirendem Secrete bieten
aber den eindringenden Coecen und Bactenen eine von g 1C
Stätte zum Anpflanzen und zur Weiterentwicklung. 088
jedem heftigen Schnupfen eine Miterkrankung der - asenne c
höhlen cintritt, muss natürlich erst noch bewiesen werden,
den traumatischen Schnupfen (ich will dio nach Ga vanocaub
der Nasenschleimhaut eintretenden Schnupfen auch hierzu r ®£. n
konnte ich mich manchmal von der Mitbetheiligung er ie
höhlen überzeugen. Ich habe nämlich einige Male Veranlassung: g •
nommen, bei Patienten, denen ich wogen hypertrophisc -exsu a
Rhinitis die unteren Muscheln gründlich galvaoocaustisc vcrsc
hatte, eine Probepunction der Kieferhöhlen vorzunehmen,
nach der Caustik übermässig schwere Kopfsymptome eintraten,
nach Entfernung der Brandschorfc nicht schwanden. c
dann seröses Exsudat, das nach Abheilung der Bran wun c
selbst verschwand.
Für die Kieferhöhleneiterungen, die sich weder im Anse uss
an acute Infectionskrankheiten, noch in Folge cariöscr ac
oder Traumen entwickelt haben, wird man eine gelegentlic e
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25. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
177
i
fection der schon vorher katarrhalisch erkrankt gewesenen Höhlen
vun der Nase aus annehmen müssen.
Ich glaube als Beispiel hierfür folgenden Fall anführen zu
dürfen:
Ein Patient litt schon seit vielen Jahren an einer Hyper-
secretion der Nase. Dieselbe sei nie verstopft gewesen, aber er
habe täglich mehrere Taschentücher nöthig gehabt. Hauptsächlich
sei das Secret aus der linken Nase gekommen; dasselbe sei nie
eitrig gewesen. Seit 14 Tagen sei die linke Kopfhälfte eingenommen,
seit 3 Tagen habe er so heftige Schmerzen in der linken Kopfhälfte,
dass er vollständig arbeitsunfähig sei. Die Secretion habe an Menge
nicht nachgelassen, aber seit 3 Tagen sei dieselbe mehr eitriger
Natur. Auf einen Schnupfen führe er diese Erscheinungen nicht
torück, weil er sich in letzter Zeit nicht erkältet gefühlt habe. Die
Untersuchung der Nase ergab mit der Sonde leicht bewegbare Hyper¬
trophie des Vorderendes der mittleren Muschel und eitrig schleimiges
Secret an ihrer Aussenseite. Eröffnung und Ausspülung der linken
Kieferhöhle vom unteren Nasengange aus beförderte dasselbe Secret
zu Tage Schon am nächsten Tage war die Secretion rein schleimig,
vom 6. Tage ab hörte dieselbe vollständig auf und ist bis heute
(6 Monate) nicht wieder aufgetreten. Am Tage der Eröffnung der
Kieferhöhle wurde gleichzeitig das Vorderende der mittleren Muschel,
das sich eariöB erwies, entfernt.
In diesem Falle war die Infection der schon vorher katarrhalisch
erkrankt gewesenen linken Kieferhöhle ganz frischen Datums, was
auch durch die auffallend rasche Heilung bewiesen wurde. An
eine acute Exacerbation in Folge Schleimverbaltung und Verlegung
des Ausführungsganges kann hier nicht gedacht werden; denn
Patient gibt an, dass die Secretion nach wie vor in derselben
Quantität bestanden habe.
Die Prognose und ebenso unser operatives Eingreifen bei
den Krankkeiten der Kieferhöhle wird sich immer nach der Art
der Infection und der Zeitdauer derselben richten müssen. Wie
weit die bacteriologische Forschung uns hierbei unterstützen wird,
muss die Zukunft lehren. Vorläufig sind wir noch auf das Aus¬
sehen des punctirten Secretes angewiesen. Befördert die Function
rein eitriges oder vorwiegend eitriges oder gar jauchiges Exsudat
zu Tage, dann wird natürlich die Prognose quoad sanationein
perfectam eine ungünstigere sein und uns therapeutisch zu ein¬
greifendem chirurgischen Verfahren von vornherein zwingen. Ist
das pnnctirte Secret dagegen rein schleimiger oder vorwiegend
schleimiger Natur, gibt der Patient an, dass das Nasensecrct erst
in allerletzter Zeit sich verändert und einen mehr eitrigen Charakter
angenommen habe, dann sind wir berechtigt, eine bessere Prognose
za stellen und zu versuchen, die Kieferhöhle durch eine kleinere
künstliche Oeffnung mit nachfolgenden Ausspülungen zur Heilung
zu bringen. Verschweigen will ich nicht, dass cs auch Fälle mit
vorwiegend schleimigem Secrete gibt, die einen äusserst protrahirten
V erlauf nehmen und die Anwendung aller möglichen mcdicamentösen
Ausspülungen gebieten. Es hängt das jedenfalls von dem Grade
der Hypertrophie der Kieferhöhlenschleimhaut ab. Unter Umständen
muss auch hierbei noch die breite Eröffnung der Höhle und Aus¬
kratzung ihrer Schleimhaut vorgenommen werden.
Bedingt die Natur des Falles eine breite Eröffnung und
Ausräumung der Kieferhöhle, dann schlage ich folgende 2 Wege
nu. Sind die Backzähne gesund, dann wird die vordere Kiefer-
liöhlenwand ausgiebig rcsecirt, die Innenwand der Höhle mit den
Fingern abgetastet und ihre Schleimhaut gründlich ausgekratzt.
Alsdann lege ich noch an ihrer nasalen Seite eine Gegenöffnung
an, indem ich mit dem abgebogenen scharfen Löffel grossen Calibers
•len nachgiebigsten Theil derselben durchstosse.
Ist einer oder sind mehrere obere Backzähne cariös, dann
«öffne ich die Kieferhöhle durch partielle Resection ihrer unteren
" T and. Es ist dieses die einfachste und leichteste Weise, eine
breite Eröffnung der Kieferhöhle vorzunehmen. Mit der Knochen-
^'beere wird zuerst am vorderen und dann am hinteren Ende
’les betreffenden Zahnfaehes der ganze Alveolarfortsatz bis in die
Höhle hinein mit einem Scheerenschlage durch treu nt, mit einer
beisszangenförmigen Knochenscheere wird alsdann das dazwischen
liegende Stück durchgebrochen. Die Oeffnung ist so gross, dass
man m >t dem Finger die Kieferhöhle abtasten kann. Auch hier
kpe ich an der nasalen Wand eine Gogenöffnung an.
Pie Nachbehandlung ist die chirurgisch übliche. Das Haupt¬
augenmerk ist auf gründliche Säuberung der Nase von Granu-
Hypertrophien etc. zu legen, ferner auf genügendes
Na 8.
Offenhalten der beiden künstlichen Oeffnungen. Von Ausspülungen
mache ich nur spärlichen Gebrauch. Sobald das eitrige Secret
sich in schleimiges umgewandelt hat, lasse ich die Kieferhöhle
vollständig in Ruhe und überlasse ihre Reinigung dem die beiden
Oeffnungen passirenden Luftstrome Iteim Ausschnauben der Nase.
Damit dieser Luftstrom gehörig in die Kieferhöhle eindringen und
das in ihr enthaltene Secret herausbefördern kann, lege ich ausser
der breiten Eingangsöffnung noch die grosse Gegenöffnung an.
Aus demselben Grunde lasse ich auch keinen Obturator tragen,
sondern verschlies.se die Aussenöffnung nur durch leicht aufgelegte
Gaze, die bei jedem Aasschnauben der Nase zu entfernen ist.
In sehr vielen Fällen muss während der Nachbehandlungszeit
ein wiederholtes Auskratzen der Höhle und ein Erweitern der
beiden Oeffnungen vorgenommen werden.
Bei den Patienten, die derartige wiederholte Eingriffe scheuen,
ist man natürlich später auf das lästige Ausspritzen augewiesen.
Ich habe indessen gefunden, dass die Kieferhöhleneiterungen,
welche man in der Nachbehandlnngszeit möglichst in Ruhe lässt,
rascher zur Hciluug tendiren als diejenigen, die täglich 2 oder
3 mal mit Ausspülungen tractirt werden.
Geheilter Fall von Gebärmutterriss.
Von Dr. Bode in Herrenberg.
Fälle von Gebämmtterrissen sind nicht gerade selten, so
dass es fast verwegen erscheint, diese Krankengeschichte zu ver¬
öffentlichen. Der Verlauf des Falles, der mit Heilung endigte,
ist aber wohl für viele College» interessant genug, die Veröffent¬
lichung zu rechtfertigen.
Am 12. August Nachmittags wurde ich zu Frau R. in D. ge¬
rufen. Die Frau, III para, hoch in den zwanziger Jahren, hatte
Morgens um 8 Uhr die ersten Wehen bekommen unter ziemlich
beträchtlicher Blutung. Der Wundarzt des Dorfes hatte gegen die
Blutung einen Esslöffel voll Mutterkorn gegeben. Da hiernach die
Blutung nicht stand, war von der Hebamme die Tamponade der
Scheide ausgeführt worden, welche endlich das gewünschte Ergeb¬
nis, die Blutung zu stillen, hatte.
Bei meiner Ankunft fand ich die Frau in ausserordentlich
heftigen Wehen, ao dass sie sich vor Schmerzen auf dem Bette hin-
und herwarf. Die Gebärmutter war steinhart zusammen gezogen.
Rechts oben fühlte man in einer Wehenpause kleine Theile; auch
der Kopf war im kleinen Becken stehend zu fühlen. Bei der innem
Untersuchung kam man rechts vorne bei handtellergross eröffnetem
Muttermund auf die grosse Fontanelle. Es handelte sich also um
eine Vorderscheitelbeinlage. Dicht neben dem einen Stirnbein fand
sich noch ein randständiges Stück Nachgeburt vorliegend. Die Blutung
stand vollkommen; die Tampons der Scheide waren schon vor
meiner Ankunft von der Hebamme wieder entfernt worden. Der
Muttermund war auf's Aeusserste gespannt. Bei der bestehenden
Vorderecheitelbeinlage wäre es angezeigt gewesen, wenn es möglich
war, die Geburt thunlichst lange dem natürlichen Verlauf zu über¬
lassen. —
Kaum indess hatte ich meine Untersuchung beendet, als die
Wehen aufhörten und die Frau im Gesicht erblassend auf ihre
Kopfkissen zurücksank und alsbald heftiges Erbrechen bekam. Die
äussere Untersuchung Hess dann keinen Zweifel übrig, dass die
Frucht die Gebärmutterhöhle durch einen Riss verlassen hatte, denn
der früher fest in das kleine Becken eingekeilte Kopf liess sich
dicht unter den Bauchdecken beweglich hin und her schieben und
daneben links in der Mitte des Unterleibs fühlte man deutlich die
kleiner gewordene gut contrahirte Gebärmutter.
Die Mutter erholte sich bald wieder. Die Geburt zu beenden,
gab es unter diesen Verhältnissen nur einen Weg, die Laparotomie,
zu der ich mich auch sofort entschloss. Auf die Assistenz des
anwesenden 80jährigen Wundarztes konnte ich mich in keiner Weise
verlassen, es wurde daher noch der College Schiler von Calw
herbeigerufen, welcher nach drei Stunden um 7 Uhr eintraf. Bei
Lampenlicht wurde alsdann sofort zur Operation geschritten.
Nachdem die Kreissende auf einen langen Tisch gelagert und
die Bauchdecken desinficirt waren, eröffnete ich in der Linea alba
durch einen Schnitt vom Nabel bis zur Symphyse die Bauchhöhle.
Sofort stürzte eine grosse Menge blutig gefärbten Fruchtwassers
heraus. Die Frucht selbst wurde von mir an dem zunächst vor¬
liegendem Theile, dem Halse, gefasst und mit grösster Leichtigkeit
durch die Bauchwunde entwickelt. Wie nicht anders zu erwarten,
war das Kind todt. Sogleich nach Herausnahme des Kindes wurde
die Nachgeburt durch einige kräftige Wehen ohne irgend welche
Kunsthilfe auf natürlichem Wege geboren. Alsdann wurde zur
Reinigung des Baachfelles geschritten, die sich indess kaum nöthig
erwies, weil sämmtliches Fruchtwasser in dem Raume vor der Ge¬
bärmutter geblieben war und sich schon beim Bauchschnitt nach
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178
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
aussen entleert hatte, eine Blutung aber überhaupt nicht statt-
gefunden hatte. Sehr klein war die Wunde der Gebiirmutter, kaum
2 cm lang, so dass wir lange danach suchen mussten. Sie befand
sich'rechts vor dem Ansatz des breiten Mutterbandes; es war eine
längliche Wunde von oben nach unten, die sich in den Muttermund
fortsetzte. Sodann wurde die Bauchwunde vernäht, zunächst das
Bauchfell, dann einige Entspannungsnilhte durch sämmtliche Bauch¬
decken, zuletzt die Haut. Auf die Wunde kam ein Verband mit
Jodoformgaze.
Der Verlauf des Wochenbettes war recht günstig. Am andern
Tage fühlte sich Frau R. recht schwach; Temperatur 38,0°. Die
nächsten Tage hielt sich die Temperatur auf 38,G°, eine Höhe welche
nicht überschritten wurde. Vom achten Tage an war die Temperatur
normal. Am 28. August bekam Frau R. einen Anfall von Herz¬
schwäche, der nach einigen Gaben Alkohol bald vorüberging. Die
Heilung der Bauch wunde wurde nur dadurch gestört, dass einige
Nähte des Bauchfells eiterten und erst nach fünf Wochen entfernt
werden konnten. Es hatte dies aber nicht den geringsten Nach¬
theil für das Allgemeinbefinden der Kranken, welche am 7. Oktober
geheilt aus der Behandlung entlassen werden konnte.
Es bleibt nun noch die Frage zu erörtern, wodurch der
Einriss in den Muttermund entstand und ob und auf welche
Weise er etwa vermieden werden konnte. Bei der ersteren Frage
ist vorzugsweise die grosse Gabe von Mutterkorn, es mögen wohl
5,0 gewesen sein, zu beschuldigen. Für dies Mittel lag hier auch
nicht die geringste Anzeige vor, denn der Zweck, den der Wund¬
arzt erreichen wollte, die Blutung aus der randständig vorliegenden
Nachgeburt zu stillen, konnte durch Mutterkorn nicht erzielt
werden. Die Wirkung des Mittels wurde aber dadurch unheilvoll,
dass cs vorzugsweise auf den Muttermund wirkte und diesen zur
äussersten Spannung brachte. Wehen verstärkend mag auch noch
die Tamponade gewirkt haben, die aber, um die Blutung zu stillen,
nicht unterlassen werden konnte. Ferner aber wurde die Spannung
durch die ungünstige Lage — vordere Scheitelbeinlage — bei nicht
ganz normalem Becken begünstigt. Das Becken war etwas platt;
immerhin aber hatte die Frau ihre ersten zwei Geburten ohne
Kunsthilfe, wenn auch schwer, überstehen können, so dass ich
glaube, dass auch diese Geburt trotz ungünstiger Lage, wenn
man sich auf die Tamponade beschränkt hätte, ohne Kunsthilfe
hätte vorübergehen können; höchstens wäre es nötliig geworden,
die Zange anzulegen, sobald der Kopf im Beckenausgang stand.
Die zweite Frage ist unbedingt zu verneinen. Ich kam zu
spät, das Unglück zu verhüten. Denn kaum hatte ich die Frau
untersucht und mich über die Lage unterrichtet, so war der
Einriss der Gebärmutter schon erfolgt. Wäre ich indess noch
zur Zeit gekommen, um irgend eine Operation zur Verhütung
des Unfalls vornehmen zu können, so wäre nur die Verkleinerung
des kindlichen Kopfes angezeigt gewesen. Eine Zange anzulegeu,
wäre bei dem hohen Stande des Kopfes sehr schwierig, auch bei
der ungünstigen Lage nicht angezeigt gewesen. Ausserdem hätte
die Zange die Spannung des Muttermundes vergrössert, statt sie
herabzusetzen und man hätte gerade dadurch das Unglück des
Einrisses, das man verhüten wollte, herbeigeführt. Aelmlich ver¬
hielt es sich mit der Wendung, an die man zur schnelleren Be¬
endigung der Geburt hätte denken können. Auch hier hätte die
neben dem Kopfe eindringende Hand die Spannung des Mutter¬
mundes nur vermehrt und dadurch die Möglichkeit des Einrisses
des Muttermundes begünstigt, wenn man absehen will von der
Schwierigkeit, in einen den kindlichen Kopf krampfhaft fest um-
schliessenden Muttermund mit der Hand einzugehen.
Der Fall ist wieder einmal ein Beispiel, wie vorsichtig man
aem soll, einer Kreiseenden während der Geburt, namentlich ehe
der Muttermund genügend erweitert ist, Mutterkorn zu verordnen.
Sollte er andererseits einen Collegen, der in der Landpraxis in eine
entsprechende Lage kommt, ermutliigen, alsbald zur Laparotomie
zu schreiten, so ist der Zweck dieser Zeilen erreicht.
Zur Casuistik der Gelenkmetastasen bei der
Gonorrhöe.
Von Dr. Wolff.
Einen gewiss ganz exquisit seltenen Beitrag zur Casuist
des inpperrheumatismus lieferte mir jüngst die Praxis.
Der Fall und sein Verlauf ist kurz folgender-
EmÜif ““ füBf Monate altes Kind in normak
Emährungsverhältnissea. Das rechte Kniegelenk kt stark gesohwoll«
und es lässt sich reichliches Exsudat in ihm nachweisen. Starke
Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen. Die Gegend des IV. Metatar-
sophalangealgelenkes ist ebenfalls geschwollen und leicht geröthet.
Die übrigen Gelenke sind frei. Die weitere Untersuchung stellt
eine intensive Vulvitis mit reichlicher purulenter Secretion fest.
Im 8ecrete waren Gonococcen mit Sicherheit zu identificireu. Der
Grund der Erkrankung ist ganz zweifellos in der bei beiden Eltern
bestehenden, nach langem Zögern zugegebenen Gonorrhöe zu suchen,
die, wie gewöhnlich bei uns in solchen Fällen, der Vater von einem
Hamburger Kurpfuscher, die Mutter, da, wie sie mir mit naiver
Indolenz et klärte, sie schon öfter am Weissfluss gelitten hätte, gar
nicht behandeln liess. Nach etwa 3 Wochen langem Bestand waren
die Erscheinungen bis auf eine leichte Schmerzhaftigkeit im Knie¬
gelenk zurückgegangen.
Die Ansicht, dass Gonorrhöe durch Gelenkmetastasen mit
fast den gleichen Erscheinungen, wie die Polyarthritis rhemnatiea
sie aufweist, complicirt werden kann, ist im Allgemeinen wohl
kaum mehr bestritten. Doch hat in neuerer Zeit Gläser dagegen
seine Stimme crbol>en, indem er behauptet, dass das Zusammen-
vorkommen von Gelenkerkrankungen rheumatischer Art und
Gonorrhöe rein zufälliger Natur wäre. Nun ist bei Kindern
unter einem Jahr Gelenkrheumatismus erst in einer ganz geringen
Anzahl von Fällen bekannt geworden, und ich glaube, es liegt
näher und ist ungezwungener im vorliegenden Falle, für die
Gelenkerkrankung die Tripperinfection verantwortlich zu machen,
als zu behaupten, dass hier zufällig bei einem Tripper Gelenk¬
rheumatismus oder bei einem Gelenkrheumatismus Tripper auf¬
getreten sei.
Eine Anekdote aus dem Gebiete des unbewussten
Seelenlebens.
Von Prof. Dr. Reulnld in Wflrzburg.
Dieselbe betrifft, was vorausgescliickt werden muss, ein
Braut|>aar; ein solches dürfte wegen der starken Couoentratiou
seines Seelenlebens auf sich selbst und bei dem fehlenden Interesse
für mannigfache äussere Verhältnisse seiner Umgebung zu dem
Vorgänge, der mitgetheilt werden soll, besonders geeigouschaftet
sein. Herr X. also besucht ciues Tages soiue Braut für kurze
Zeit; man liest einige Gedichte zusammen und erinnert sich
dabei plötzlich, dass noch ein gemeinsamer Brief für Danksagungen
geschrieben werden müsse. Rasch wird nun der Tisch abgeräumt,
um Papier und Schreibzeug aufnehmen zu können; bei dieser
Gelegenheit ward auch eine Taschenuhr mit hinweggeoomwen.
Der Brief fesselte um so mehr die Aufmerksamkeit des Paares,
als ein Spaziergang augesagt worden war. Nach der Rückkehr
von diesem dachte man endlich au die Uhr, die vou der Brant
bei ihrer Toilette vermisst wurde und forschte nun eifrig, ja
endlich unter einiger Aufregung nach derselben auf allen Möbeln,
in Schubladen, Kästchen, hinter Gerätheu, kurz, an allen mög¬
lichen und unmöglichen Plätzen — vergebens. Sie blieb auch
bei ferneren Nachsuchungen verloren und man gewöhnte sieh schon
an den Gedanken dieses Verlustes, so unerklärlich er sein mochte,
da ein Diebstahl nicht in Frage kommeu konnte. Siehe da!
Nach etwa einer Woche langte ein Brief von Herrn X. mit der
frohen Botschaft ein, die Uhr sei gefunden; er habe in ver¬
flossener Nacht geträumt, sie stecke in der äusseren Brusttasche
seines Rockes, und — richtig — da sei sie auch gewesen, der
Traum habe nicht getäuscht.
Demnach war ein Vorgang, der zwar im bewussten Seelen¬
leben doch lediglich mechanisch und ohne alle Aufmerksamkeit
sich abgespielt batte, der unmittelbar nachher vergessen und auf
längere Tage hin, ja wohl für i mm er für das Bewusstsein völlig
verloren gegangen war, aus der Tiefe des Unbewussten un¬
vermittelt , aber mit concreter Sicherheit wieder aufgetaucht-
Bekanntermassen träumen wir nicht selten von Dingen und That-
sachen, die weit zurückliogen in unserem Leben — die Examens-
Träume — und selten oder nie im wachen Zustande reproducirt
werden; dieselben sind indess nicht eigentlich vergessen, da sie
auf Besinnen in unserem Gedächtnisse als noch vorhanden gewusst
werden, wobei freilich das frühere Erlebniss nicht mit jenem
Gemüthsznstande bewusst zu werden pflogt, der ihm seiner Zeit
an haftete und der lebendig auch im Traume wieder auftritt. I®
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MÜNCHENER MBDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
179
26. Februar 1896-
vorliegenden Falle war das Factum jedoch für die bewusste Er¬
innerung völlig ausgelöscht, wie dies ja beim Weglcgen eines
Gegenstandes (z. B. :<Verlegen >> eines »Schlüssels) nicht selten ist.
Die kleine Anekdote hat vor vielen anderen den bemerkens-
werthen Vorzug, dass sic in allen Einzelheiten, besonders in dem
Vergessen trotz eifrigen Besinnens unmittelbar nach dein Vor¬
gänge und für längere Zeit nachher, und in dem Wiedererinnern
durch den Traum — nicht etwa bloss während eines Halb¬
schlafes — wahr ist. Einsender bürgt dafür.
-I
l
Feuilleton.
Bemerkungen zur neueren medicinischen Literatur.
Gelegentlich des Todes des Philologen Martin Hertz war unter
seinen vielen Schriften eine kleine Abhandlung aus dem Jahre 1819
erwähnt mit dem verlockenden, etwas dunkeln Titel: «Ein philologisch-
klinischer Streifxug». Ich muss gestehen, enttäuscht gewesen zu
sein, als ich in dem «klinischen» Streifzug im wesentlichen bloss
textkritische Auslassungen, aber Medicin nur insofern entdeckte,
als die Gelegenheitsschrift einem Kliniker, dem Neuropathologen
M. Bömberg, gewidmet ist and da und dort Ausdrücke wie curiren,
Diagnose u. s. w. in Anwendung zieht. Der Gedanke lag nahe,
einen kleinen Spaziergang durch die neuere inedicinische Literatur
xu unternehmen, wenn man so will, einen «medicinisch-philologischen
Streifzug», mit welcher Bezeichnung auch die mehr zufällig, in
gelegentlicher Lectüre gesammelten Ergebnisse übereinstimmen
dürften. Vollständigkeit war weder beabsichtigt, noch möglich;
sie hätte den Vorwurf der Pedanterie unmittelbar heraufbeschworen,
dem der Verfasser bei manchen seiner Fachgenossen so wie so
begegnen wird. Einstreuungen historischen oder literar historischen
Inhalts werden keine allzugrossen Abschweifungen vom eigentlichen
Thema darstellen und dürften als naheliegende Ergänzungen da und
dort am Platze sein.
Wenige wissenschaftliche Nomenclaturen, ausgenommen etwa
die zoologische und botanische, sind so mit Eigennamen belastet,
wie die medicinische, nicht gerade zur Freude des Lernenden.
Sömmerring und nach ihm Henle haben, wenigstens für die
anatomische Disciplin, die Unzulänglichkeit derartiger Benennungen
nachdrücklich betont und schon um ihrer Ungerechtigkeit willen
getadelt, denn sie sind nicht immer nach der Seite des wahren
Verdienstes gefallen. Um nur ein Beispiel anzuführen: der grosse
.Reformator der Anatomie, Andr. V e s a 1 i u s, erscheint nur in einigen
untergeordneten, dazu noch wenig gebrauchten, anatomischen Be¬
nennungen: im Foramen Vesaliirr Emissarium sphenoideum, in den
gelegentlich vorkommenden «Vesal'schen Sesambeinen» der Ursprnngs-
sehnen des Muse, gastroenemius (Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie,
10. Aufl., p. 492) und endlich in dem Ligamentum Vesalii, wie das
meist nach Poupart genannte, aber auch schon von Falloppia
gut beschriebene Leistenband ausnahmsweise einmal heisst. Eines
höchstens ist dieser Art von Nomenclatur uachzurühmen: sie unter¬
hält, wenn auch in schwächlicher und zufälliger Weise, das Andenken
an einzelne um unsere Wissenschaft hochverdiente Männer. Wer
würde sonst noch in unserer, geschichtlich-medicinischen Studien
abholden Zeit von einem Herophilus, einem Eustacchio und
Falloppia, einem Willis oder Hunter wissen?
Wenn aber Otto Abel in seinem Büchlein: «Die deutschen
Pereonen-Namen», Berlin 1853, sagt: «das eigenste, was der Mensch
besitzt, das ist sein Name», so wird dies Eigenthum nicht immer
respectirt. Blosse «Schreibfehler» lassen wir beiseite und beschränken
uns auf gewisse, 8ystem verrathende, Irrungen, wie sie unsere
Literatur d&rbietet In freier Nachbildung der Morgagni'schen
Hydatide und ähnlicher Bezeichnungen muss man — häufig genug —
von Bartholini' sehen Drüsen lesen (Archiv für Gynaekologie, 45. Bd.,
p. 475 und 476, Archiv für Dermatologie und Syphilis, 29. Bd. 1894,
p.363; Deutsche medicinische Wochenschrift 1894, p. 680; Roth's
Klinische Terminologie, 4. Aufl., p. 63; Dornblüth's, sonst sorg-
altiges «Wörterbuch der klinischen Kunstausdrücke», 1894, p. 18);
uum auch von Haversi'sehen Kanälchen (Handbuch der spec.
Thgrapie innerer Krankheiten, V. Bd., p. 216 u. 217 bei den Figuren,
ment aber im Text), von Fowleri’scber Arseniklösung (Zeitschrift
für klinische Medicin, 28. Bd., p. 271), und so sind ein Däne und
zwei Engländer glücklich zu italienischer Namensendigung gekommen.
Andere Male werden latinisirte Namen durch unbefugte Ausstossung
der Endsilbe oder Anbringen des unnützen Apostrophs in ähnlicher
weise geändert: Sylvi'scho Wasserleitung und Furche (Hyrtl, 1. c.
P* j^l u. 786), Rivini’sche Gänge (R. Sy, die Eigennamen in der
medicinischen Nomenclatur, Jenenser Dissertation 1887, p. 58),
Färacelsi'sche Schriften (G. Kahlbanm, Theophrastus Paracelsus.
Vortrag, Basel 1894 p. 24). Die Al bini’sehen, übrigens auch von
Oruveilhier u. a. erwähnten Körperchen, noduli am Rande
der Atrio-Ventricular-Klappen, sind von Guiseppe Albini 1856
genauer beschrieben (Wochenblatt der Zeitschrift der Wiener Aerzte,
i'o. 26) und nicht etwa nach dem ausgezeichneten Leydener Ana-
^ en , B. 8. Albinus (1697 - 1770) benannt. Aus dem Dänen
weis 8tensen, der sich auch Nicolaus Steno oder Stenonis
nennt (vergl. z. B seine Widmung an Friedrich III. von Dänemark
in der Schrift «de muaculis et glandulis etc.») macht 8y (1. c. p. 64)
einen Stenoni und spricht von Stenoni‘schein Gang, der Franzose
Pierre Tarin (f 1761) wird zu Tarini. Wie aber der «Amtsarzt
und Operateur» Palm in Ulm, der unter den ersten die Resection
einer Unterkieferhälfte im Jahr 1820 aasführte (Grftfe’s und
Walther’s Journal für Chirurgie und Augenheilkunde, IX. Bd.,
Heft 4, 1827, p. 595) zu dem Namen Palmi kommt (Häser, Lehr¬
buch der Geschichte der Medicin, 3. Bearbeitung, 2. Bd., p. 978),
ist schwer erklärlich. Vielleicht bloss ein Setzerversehen, da im
Text dem Namen ein «i» folgt. Aber auch das Register verzeichnet
den merkwürdigen Namen. Besonders befremdlich wirken diese
Aenderungen der Namen, wenn diese trotz italienischer Endung, wie
es bei mehreren der oben erwähnten der Fall ist, Laute enthalten,
welche das italienische Alphabet gar nicht kennt, wie th, w, (x), y.
Erwähnt mag übrigens werden, dass es in Grenoble in der That
einen Arzt Sylvi (f 1844) gegeben hat. — Hinwiederum kann, wie
zur ausgleichenden Gerechtigkeit, gelegentlich ein Italiener in andere
(französische) Form gegossen werden: Roland'sehe Furcho (Fort¬
schritte der Medicin 1892, p. 1012), oder es wird der Engländer
Francis Glisson in einen Franzosen Francois Gl. (Sy, 1. c. p. 24)
verwandelt Verzeihlich bis zu einem gewissen Grad ist ein solches
Quidproquo, wenn gleichlautende, etwa französische und italienische
Namen in Frage kommen — in der That hat z. B. 8y (1. c. p. 5)
den durch die Ossicula und Columnae Bertini bekannt gewordenen
Anatomen Exupfere Joseph Bert-in d. Vater (1712— 1785; schrieb
«sur les cornets sphönoidaux et la structure des reins» 1744) mit
dein ungefähr gleichzeitigen Florentiner Guiseppe Maria Saverio
Bertini verwechselt — oder wenn im Correspondenz-Blatt für
Schweizer Aerzte 1894, p 792 zweimal von Littrd'scher Hernie
gesprochen wird, also der 1726 gestorbene Alexis Litt re mit dem
verdienten medicinischen Schriftsteller und Lexikographen ^Max.
Paul Fmile Littre (1801—1881) zusammengeworfen ist. Die Roth'-
sehe Terminologie (s. o.) weiss gar von Hernia litterana und von
Litter'schem Bruch zu erzählen. Selbstverständlich müssen sich
auch (englische) auf a endende Namen gefallen lassen, dass ihnen
dasselbe als Genitiv-8 angerechnet wird, und man liest demgemäss
Williams Trachealton (Sy, 1. c. p. 62 u. 74), William'scher
Trachealton (Sahli, Lehrbuch der klinisch. Untersuchungs-Methoden
1894 , p. 4 5 u. 47b), Stoke's Liniment (Sy, 1. c. p. 64).
Aber auch in anderem Sinne kommen die unglaublichsten
Verwechslungen vor und. wieder trägt hiebei Sy mit seiner Disser¬
tation die Palme davon. Es wird da verwechselt: der im 17. Jahr¬
hundert lebende Cecilio Folio (Processus longus s. Folianus mallei)
mit Professor Fol in Genf, Joh. Conrad Brunner, der Beschreiber
der B r u n n e r'schen Drüsen im Duodenum (1687) mit einem
Dr. Conrad Brunner in Zürich, der allerdings sonst weniger be¬
kannte, früh gestorbene Wiener Anatom Joh. Ludwig Gasser,
dessen Namen nach seines Schülers Anton Balthasar Raymnnd
Hirsch Vorgang (Paris quinti nervorum encephali disquisitio
anatomica, Viennae 1765) das ganglion semilunare des Quintus
(früher Taenia nervosa genannt) trägt, mit E. Gasser in Marburg,
Hermann Treschow G ar t n e r (1785—1827), nach dem die Urnieren-
gänge einiger Säuger als Gärtner'sehe Kanäle benannt sind (die
betreffende dänisch geschriebene Abhandlung aus dem Jahr 1822
in den Vidensk. Selskab. naturvidenskab. og mathemat. Afhand-
linger), mit dem Tübinger Chirurgen Karl Friedr. Gärttner
(i786—1833). Hirsch's oben genannte Inaugural-Abhandlung ist
wieder abgedruckt in Christ. Friedr. Ludwig: Scriptores neurologici
minores selecti. Tomus I Lipsiae 1791. Es heisst dort bei der
Explicatio tabulae auf p. 262: «Ganglion semilunare seu ab Inventore
interioria ejus fabricae Gasserianum imposterum dicendum». Wris-
berg'in seinen «Observationes anatomicae de quinto pare.nervorum
encephali», Goettingae, 1777 verwendet den Namen neben der
ihm mehr zusagenden Bezeichnung Intumescentia semilunaris. Die
Caro quadrata Sylvii ( caput plantare flexoriß digitorum pedis com¬
munis longi); wird wohl richtig entgegen 8y (1. c. p. 65) auf den
Pariser Anatomen Jacques Dubois (1478—1555) zurückgeführt, der
sich eingehender mit den Muskeln beschäftigt hat, auch als der
erste Nomenclator derselben gilt. Bei dieser Gelegenheit sei be¬
merkt, dass Hvrtl (1. c. p. 38) den Jacobus Sylvius 1417 geboren
sein lässt, auf der folgenden Seite aber ihn als Lehrer des 1514
geborenen Vesal nennt. Die Fossa Sylvii ist nach des Thomas
Bartholinns Darstellung (Anatomia . . . tertium . . refonnata.
Lugd. Bat. und Roterod. 1669 p. 819) auf «Fr. Sylvins, anato-
micus magnus», also Franz de le Boö (1614—1672) zurückzuführen,
ausdrücklich ist dort von der «anfractuosa fissura» die Rede, auch
der Aquaeductus heisst nach diesem Sylvins, der die Gehirn¬
anatomie sehr wesentlich bereichert («in cerebri »ectione vereatis-
8imus> Bartholin p. 313) und namentlich auch die Venen-Sinus und
Ventrikel des Gehirns genauer beschrieben hat. Hyrtl (1. c. p. 38)
legt also irrthümlieber Weise dem älteren Pariser Anatomen die
Fossa Sylvii bei. Vom Ossiculum lenticnlare Sylvii am langen Fortsatz
des Ambosses sagt Bartholin (1. c. p. 498): quartum os auditus
inveuit nobisque monstravit FranciBcus 8y lvius etc. Nach Sprengel
(Geschichte der Arzneikunde. 4. Theil 2. Aufl.-1801 p. 266) ist dies
um das Jahr, 1640 geschehen.
S y lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, Autoren*gleichen
Namens, wenn sie in einem verwandtschaftlichen Verhäftnisslzu
einander stehen, mit einander zu verwechseln; so tritt an ilbr.
••
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^vnnRN RR MEDICINISCHE WOCH ENSCHRgT
No. 8.
Bartholinianae, als auch
der Enkel (1655^1738) ii‘Betracht k R Tv?Jus (1679) die Priorität der
.W-rB.rtläO.I»
sah und besser als dieser betrieb. Bezeichnungen
Eine ge Sa ÄX handelt es sich um
wTl aÄ
a 780—1865) im ÄcTnischen Correspondenzblatt des
Ludwig (1780— ibbö) im Bd. 1836 p. 21 «über eine
württembergischen ärztlichen . eesc hrieben, die auch von
Form von Halsentzündung» (laut Register) g er beobachtet
sogenannten Uebersetzung gegeben hat (Berliner klinische Wochen-
schritt 1893 P ; ren^eiten verfuhr man in diesen Dingen noch viel
, J lS zw?berühmte Beispiele. Es gibt ein seltenes
sorgloser. Uebersetzung^derbjnft:
r heiligen
dev zweiiem« \“'£V?''~" ht „ n Doctor» kalten Blutes «Kriechen.
Ceschrifft und b ei e ? ss von den Griechen genug wusste und
schreibt, er der d h £ u h eise auch von einem ungebildeten
f . f So P kann man es auch der Naivetät einer ungelehrten Zeit
u. 8. f. bo Kann Vläme Yperman vom«Ypocras«
s'S u ä°"«kä
lesen» (Jul. Lewin in einem A • Murr 18941 Er wird nur
Ä /K)j. r Ve gewisse BetrOtai.s_.ber
ä *. ?Äed? uÄrÄi” 'SÄ
nt Rd ITT Abth t) 273) Anger er, der richtigen, z. B. auch in
Eulenburg's Enzyklopädie vertretenen Lesart viel näher kommend
von Angina Ludovigii. Die übergrosse Mehrzahl neuer und älterer
Lehr- und Handbücher: Niemeyer, Strümpell, du !X e “®£“>
Dornblüth (Compendium und Wörterbuch) etc. schreibt Angina
Ludovici. Nun hat aber J. Fr. Conradi in seiner Dissertation:
Ueber die Lage und Grösse der Brustorgane, der Leber und Milz etc.
(Giessen 1848%. 3) den beim Einsinken der oberen Brustpartien be-
somiers 1 hervortretenden Sternalwinkel mit Beziehung auf den (kaum
anders zu latinisirenden) Pariser Kliniker PierreCharles»Alexandre
Louis (1787-1872) als Angulus Ludovici belehnet. Eine Unter
Scheidung beider Autoren erscheint aber durchaus geboten Die
Franzosen nennen die Ludwig'sche Angina, soweit sie nicht Be¬
zeichnungen wie Angine sous-maxillaire mfectmuse (Tissier) oder
Phlegmon sublingual (Delorme u. a.) gebrauchen richtig Angine de
Ludwig (vergl. z. B. Demoulin in Archives gdndrales de mddecine
Oft besteht eine gewisse Sucht, die Namen und ihre Schreib¬
weise willkürlich zu verfeinern. So fasse ich es wenigstens auf,
wenn Sömmerring (aus Semmelring entstanden) zu Sömering
abgeschwächt. Fraunhofer zu Frauenhofer erweitert Keyl
stattReil (Sy l.c.p.57 und 64), Beaudelocque statt Baudelocque
(Zweifel Lehrbuch der Geburtshülfe 1887 p 102 und 103, in den
neueren Auflagen übrigens verbessert), Tier fei der (nach moderner
Orthographie) statt Thierfel der (Rais er, Fall von acuter gelber
Leberatrophie, Tübinger Dissertation 1895) geschrieben wird, wenn
in der «Bibliothek der gesammten medicimschen Wissenschaften»
(Interne Medicin II Bd. p. 14) vom «Starhemberger-See» die Rede ist
oder in einem Bericht über die Wiener Naturforscherversammlung
(s. Wiener medicinische Wochenschrift 1894 p. 2193) vom «Rhom-
berg'sehen Symptom> gesprochen wird. Rhomberg hiess, wie ich
kürzlich in einer Zeitung las, im vorigen Jahrhundert ein berühmter,
aus der Münchener Gegend stammender — Damenschneider m Paris,
dem vielleicht sein schlichter Name nicht mehr genügte. Weniger
in diese Kategorie dürften gehören die Umänderung des Val es cus
de Taranta in einen Valesco von Tarent (Kormann m
Gerhardt's Handbuch der Kinderkrankheiten, Nachtrag I p. 14),
oder die 5 mal auf einer Seite (Centralblatt für innere Medicin 1894
p. 77) prangenden pilulae «Blandii» oder endlich die abweichende
Schreibart gewisser berühmter Namen, als da sind Hyrtel, Henlen
und Hänle, Choppart (Walcher. Senkung und Vorfall von
Scheide und Gebärmutter 18ö7 p. IX, 9,13,39). Das grossartigste in
dieser Richtung hat aber Hergott in seiner französischen Ueber¬
setzung des bekannten, in Deutschland vollständig vergriffenen
E. C. J. v. Siebold'schen Werkes: Versuch einer Geschichte der
Geburtshilfe, geleistet. Es genügt, auf die keineswegs erquickliche
Blumenlese hinzuweisen, die H. W. Freund in seiner Kritik der
geTähr^ekanntostcn 11 derselben (VIII, 6), schon als Motto filier s
Räubern der Vergessenheit entrissenen nichtkennt so mag_e h
zitwmmszz
xss =
malattia di Concato = poliorromenite acuta. der
Krankheit, bestehend in spastisch-paralytischen Affectionen^ ^
— Lähmung der unteren Armmuskeln mit Lähm g der
pupillären Fasern des Halssympath.cus (Mad>‘* AK*ber am
de mddecine 1885). Brodies Disease .nach d^sichHuDej ^
Schluss des genannten Aufsatzes erkundigt, (s z B Will.
generation» der Synovial-Membran des Knie-Gelenkes (s^ z. B^^
Fergusson, practical surgery. ft" Edit. 1870 P- i ). gg
»SS feS 2
1825: Propositions de mddecine Doch kann‘ »chmi d» *>
auf 6 Seiten untergebrachten, aphoristischen Sätzen nichts
Gegenstand bezügliches entdecken. Abschied Eß-
Von dem Capitel der Eigennamen soll nicht Abschiea jjj
nommen werden, ohne auf eine recht tB bezeichnungßn,
merksam gemacht zu haben, ich meine auf Ryankhe w enn die
wie Bartholinitis, Tenonitis, Descemetitis Daltonismuis W'
Physik für einzelne Apparate und Vorrichtung« Mill-Ampfere
Wörter den Namen der Erfinder wählt, oder von , q
u. dgl. spricht, so mag es noch hingehen, wenn manab
Namen sich entzünden lässt und mit der famoBen En ng ^
versieht, so ist dies sprachliche Gewalttat Man j u . ähnl.
Adenitis Bartholiniana, meinetwegen auch Stenden mit
Vielleicht lassen die nach «Prägnanz« des Ausdrucks Stre n
Peyeritis, Schneideritis, Highmontis nicht mehr ^“Zfrachlicher
Die willkürliche Handhabung des Geschlechts fwmdsp ^waige
Substantive soll mit ein paar Worten gestreift werden. Jto gein
Vorwurf der Schulmeisterei, über die ein Mediciner erti
sollte, darf nicht davon abhalten, um so weniger, dürfte,
ein Hinweis auf den Fehler zur Ablegung desselben genügen
völlig eingebürgert ist .der. Cervix. Fest .Ue aU
Anatomen, Schröder. Beigel, Luschka, He , ^vix»,
guter Lateiner bekannte Hyrtl (1. c. §814) Bchre cervicis
«im cervix» etc. Spiegelberg, der ein Pr Og r »““ Jr {aBa t hat,
uteri in graviditate mutationibus etc. Regimonti 18bD
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25- Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
181
i
schreibt ebenfalls im «Lehrbuch der Geburtshilfe» »der» Cervix;
der spätere Bearbeiter des Buches, Wiener, hat ihn verbessert.
Auch bei Winckel, Prochownik und einigen anderen finde
ich das richtige Geschlecht gesetzt. Villaret's Handwörterbuch I
p. 292 lässt sich durch den Beisatz: «ital cervice f.« nicht abhalten,
den betreffenden Artikel einzuleiten: «Cervix, der [lat]» und con-
eequent «der» zu schreiben. In älterer Literatur stösst man
auf Ausdrücke, wie cervix obstipa = caput obstipum, cervix
rigida = der rheumatische steife Hals, cervix uteri producta rr der
verlängerte (und hypertrophische! Gebftrmutterhals. — Auffällig ist,
dass ein so korrektes Buch wie Krause s Anatomie 3. Auflagen Bd.
auf p. 461 zwar richtig Appendices epiploicae, p. 491 aber appendix
epididymidis vesiculosus schreibt — im Register (p 969) stehen sie
friedlich neben einander —, aber noch auffallender erscheint mir,
dass der massgebende neue Codex der Anatomen: W His, die
anatomische Nomenclatur, Leipzig 1895, auf p. 65 beim Intestinum
crassum die Appendices epiploicae verzeichnet, auf der folgenden
Seite aber von Appendix fibrosus hepatis spricht. Dagegen ist es
zweifellos richtig, wenn Wunderlich, Geschichte der Medicin,
Stuttgart 1859 p. 70 Vesalius «den» fornix (cerebri) entdecken lässt,
aber wiederum falsch ist es, «die muttermundförmige Apex» zu
schreiben, wie es in Villaret’s Handwörterbuch Bd. I p. 390 im
Artikel Intussusception geschieht. «Ein schwerer Pyosalpinx» steht
Münchener mediciniscbe Wochenschrift 1895 p. 1141 und in ähn¬
licher Weise sagen die Franzosen le purpura, le cholära. Dass die
in Gedanken neben den lateinischen Ausdruck gestellte deutsche
Uebereetzung den fehlerhaften Artikel bedingt (für die genannten
Beispiele Hals, Anhang, Spitze), erscheint deutlich und so mögen
auch diejenigen, die von «der» Thymus reden, in Gedanken Drüse
anfügen. Eine femininische »vpos gibt es im Griechischen nicht,
dagegen zwei maakulinisebe (s. hierüber auch Hyrtl's lehrreiche
■ Onomatologia anatomica» Wien 1880 p. 544) Da darf man es noch
als eineu glücklichen Zufall erachten, dass ganz allgemein das
Pancreas und der Uterus gesagt wird. Virchow rügt in seinem
Artikel «Barbarismen in der medicinischen Sprache» (Archiv 91
Bd. 1883 p. 1) mit Recht den fehlerhaften Artikel, den die deutschen
Mediciner einigen aus dem Französischen in die Kunstsprache über¬
nommenen, übrigens entbehrlichen Worten, Contour, Plaque, ge¬
flissentlich vorsetzen. An was der Autor gedacht hat, welcher < das
Aurikel» schreibt (Zeitschrift für klinische Medicin 21. Bd. p. 159),
an das Herzohr oder gar noch etwas anderes, ist schwer zu sagen.
Wenn Villaret's Handwörterbuch (1,771) in einem Artikel Gym-
nema silvestre und dann G. lactifera schreibt, das Wort aber von
yv/trif und io yijfia (der Faden) ableitet, so ist die zweite Benennung
ebenso falsch, als die Aufschrift «folia Gymnemae silvestr.» statt
Gymneraatis, wie im «Katalog der Drogen-Sammlung von Bruckner,
Lampe & Co.» Berlin 1892 unter No. 1049 zu lesen ist. Dass der
Plural von Scolex (<r*oUvf) scoleces lauten muss, wird von den
wenigsten medicinischen Schriftstellern beachtet. Bei den Alten
(Hippokrates, Aristoteles) ist ro' ifißpvoy die Bezeichnung auch für
die reifere menschliche Frucht. Wann der maskulinische Embryo
aufkommt, vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Wahr¬
scheinlich ziemlich spät. Harvey, nach ihm A. v. Haller, schreiben
so. Jedenfalls ist der Plural Embrya (Hirschberg, Berliner klin.
Wochenschrift 1895 p. 657) den fehlerhaft gebildeten Embryones
vorzuziehen. Einzelne scheinen DiamSter für ein Wort der alten
klassischen Sprachen zu halten, was es übrigens so wenig ist, wie
etwa Meter oder Geometer. Demgemäss wird dann geschrieben:
diameter obliqua (Schröder, Lehrbuch der Geburtshilfe, auch in
den neueren Auflagen) oder auch diameter obliquus (Sy, 1. c.
P- 15). Richtig muss es heissen diametros obliqua. «Liquor ferri
sesquichloratum»(Therapeutische Monatshefte 1895 p. 549) ist auch ein
hübsches Latein. Wenn man zuweilen zu lesen bekommt: qui bene
diagnoscit, bene medebitur — der bekannte Ausspruch Baglivi's
— so ist daran zu erinnern, dass die lateinische Sprache bloss ein
Zeitwort «dignoscere» kennt, sowie auch nichts gebessert, im Gegen¬
teil verschlechtert ist, wenn aus dem Lupus exedens ein L. exeßdens
gemacht wird (Prospect zu A. W olff. Haut- nnd Geschlechts¬
krankheiten, Stuttgart 1893) oder die gefährliche Scylla zu einer
anschuldigeren Meerzwiebel (Scilla) herabsinkt (Navrätil, die Elemente
der psychischen Therapie, Wien 1896 p. 22).
Wer die 8chuld an solchen Fehlem bloss dem überflüssigen
Gebrauch todter Sprachen zuraessen will, möge bedenken, dass man
anch in den modernen Sprachen straucheln kann. So übersetzt
Baas in seinem «Grundriss der Geschichte der Medicin» 1876 p. 326
den schönen Pard'schen Wahlspruch: «Je le pansay et Dieu le
guariat», vielleicht durch eine bekannte (alttestamentliche) Sentenz
verleitet, mit: «Ich dachte und Gott heilte». In Baas' neuestem
Werke: Die geschichtliche Entwicklung des ärztlichen Standes etc
Berlin 1896 p. 220 ist übrigens der Fehler ausgemerzt.
Die «Komödie der Irrungen» liesse sich leicht noch weiter
verfolgen und es ist verlockend, die Untersuchung auf die, kurz
S^agt, historischen Unmöglichkeiten, nicht etwa bloss auf die durch
falsche Jahreszahlen veranlassten, sondern auch auf die inneren
Widersprüche und Ungereimtheiten auszudehnen. Die Literatur
J^melt von ihnen. So beruht beiHaeser, 1. c. I. p.384 Galen’s
whrgebäude auf «einpm, oft genug sehr unkritischen Eklekticisinus»,
*• P- 244 ist es «ein seit mehr als 1000 Jahren herrschendes, mit
»wanderangswürdigem Scharfsinn aufgeführtes System«. Morgagni
egt «war «auf Anerkennungseiner Verdienste grossen Werth» (ibid. II
j p. 538) dem Werk «de sedibus et causis morborum« wird aber als
' «eine seiner schönsten Zierden die dasselbe durchdringende Be¬
scheidenheit» nachgerühmt. Haeser (l. c. II. p. 32) lässt 1539 den
«kaum 23jährigen Jüngling» Vesalius nach Padua berufen werden,
der doch am 31 Dezember 1538 das 24 Lebensjahr vollendet hatte.
In B r e i t e n s t e i n’s Repetitorium der Geschichte der Medicin
II. Theil p. 8 ist Vesal anno 39 natürlich auch 23 jährig und schreibt
sogar seine grosse, wesentlich in Italien, also seit 1539, entstandene
Anatomie schon in «seinem ein und zwanzigsten Lebensjahre» (!).
Ludwig XIV. wird 1687 (nicht 1686) an Mastdarmfistel operirt.
Dennoch lässt Haeser (1 c. II p 431) den 1642 gestorbenen
Richelieu «kurz vorher» der gleichen Operation erliegen. Baas
(1. c. [Grundriss] p. 327) bezeichnet Jacques Guillemeau als Leib¬
arzt Karls IX. nach Pard’s Tod. Karl starb aber schon 1574, wie
Baas selbst auf der gleichen Seite angibt, Pard 1590, wie auf der
vorhergehenden Seite zu lesen ist. Auf Heinrich IV., dessen Leib¬
wundarzt Guillemeau in der Tliat gewesen ist, würde die Notiz
passen. Auch Jacques’ Sohn Charles war Leibarzt des Königs
(Ludwig XIII.).
So gewiss die Richtigstellung derartiger falscher Angaben — ihre
Zahl könnte ohne sonderliche Mühe vermehrt werden — geboten
erscheint, mit nicht minderem Recht ist die Verbesserung fehlerhaft
gebildeter und geschriebener Kunstworte anzustreben, die in einer
gewissen falschen Pietät gegen die Altvordern trotz besserer Erkennt¬
nis festgehalten werden. So begnügen sich die Franzosen Torticolis
(der rheumatische Schiefhals) zu schreiben, wie sie auch Colis, Gepäck¬
stück, sagen (vergl. colporten und doch müsste eigentlich Torticolis
medicinisch ganz was anderes bedeuten, wie jedes lateinische Lexikon
bei Colis rr Caulis ausweist. Andererseits musB bei der völlig
eingebürgerten Schreibung < Dyssentdrie > der Mediciner und Philo¬
loge £. Littrö (s o.) bemerken: «l’Acaddmie devrait rdformer ces
deux 88. > (Dictionnaire de la langue frangaise II. p. 1256). — Die
Schreibweise Miosis ist zweifellos richtiger, als das früher allgemein
übliche Myosis, also sollte man sich keinen Augenblick be¬
sinnen, das bessere Wort zu gebrauchen. Manches in dieser
Beziehung Beherzigenswerthe findet sich in Virchow’s oben er¬
wähntem Aufsatz und in seinem lehrreichen Vortrag: «über die
Sprache der Aerzte», (Deutsche medicinische Wochenschrift 1892
p. 215) hat Hirschberg, besonders für sein Fach, die Augenheil¬
kunde, den fälschlichen Gebrauch mancher, dazu noch vielfach un¬
richtig gebildeter, Worte an einer Reihe von Beispielen in über¬
zeugender Weise nachgewiesen, wie er schon früher in seinem ge¬
lehrten «Wörterbuch der Augenheilkunde» Leipzig 1887 eine Fülle
von Stoff kritisch bearbeitet hat
Man kann dem Letztgenannten gewiss Recht geben darin,
dass sich manches Wissenschaftliche gerade so gut oder noch besser
in der Muttersprache ausdrücken liesse, als durch mühsamst heran¬
gezogene Fremdwörter, man kann auch Benedikt beipflichteu
(Second life, das Seelenbinnenleben des gesunden und kranken
Menschen, Wien und Leipzig 1894), dass nicht mir.der auf dem
Gebiet der Seelenheilkunde sich manches ganz treffend deatsch
wiedergeben lässt: Schwermuth für Melancholie, Erstarrungszustände
für Katalepsie, meinetwegen auch Schlafwachzustand für Somnam¬
bulismus etc, aber man wird auch zugeben müssen, dass es unmög¬
lich und nicht einmal zweckmässig erscheint, hier durchgreifend
Wandel im Sinne des deutschen Purismus schaffen zu wollen. Aber
viel wäre gewonnen, wenn unnützes fremdeB Beiwerk, vor allem
in der Rede, von Deutschen Deutschen gegenüber, vermieden würde.
Mir wurde einst ganz eigenthümlich zu Muthe, als ich auf irgend
einer Versammlung von Fachgenossen die Gull und Sutton’sche
Arterio-capillary fibrosis mit der geschmackvollen englischen Aus¬
sprache und Betonung aus deutschem Mund ertönen hörte. Wozu
solches? Eine folgerichtige, allseitige Verdeutschung der wissen¬
schaftlichen Ausdrücke würde uns — gestehen wir es offen —
nicht sehr anmuten; es gibt eben Bezeichnungen, die nicht mehr
übersetzbar sind. Man lese z. B. K. Hullmann’s Schriftchen:
«Die Wissenschaft und ihre Sprache» Leipzig 1894, worin die Sprache
der Mathematik behandelt ist. Da kann man sich ja* umBeispiele
anzuführen, gefallen lassen Geviert statt Quadrat, gerade "und ver-
hältliche Reihe (arithmetische und geometrische Progression); weniger
wird uns befriedigen «verkehrter» Beweis statt indirecter und einen
Begriff wie Logarithmus muss der Verfasser so wie so stehen lassen.
Und ähnlich würde es uns mit der medicinischen Namengebung
ergehen. Für «Anatom» stünde uns, wenn wir nicht das altvaterische
«Zergliederer« wählen wollten, das schöne Wort * Leichnamschneider»
zur Verfügung Nach Vilmars deutschem Namenbüchlein, 4. Aufl.
1865 p. 29, hat es im vorigen Jahrhundert in Wien einen Hofpfarrer
dieses Namens gegeben.
Geradeso wie Hirschberg «daß unwürdige Joch einer
barbarischen Mischsprache abzuschütteln» auffordert'(Vorwort zum
Wörterbuch p. IV;, ruft Benedikt: «fort mit dem gelehrten Kauder¬
welsch und Kaudergriechisch!« Mit dem entbehrlichen gewiss. Und
man hat auch schon genug abgestossen. Ein Blick in irgend ein älteres
medicinisches Lexikon lehrt dies. Aber auch fort — sage ich —
mit dem Kauderdeutsch, das so üppig wuchert, allerdings'nicht
bloss in medicinischer Literatur. Ohne ein medicinischer Wustmann
sein zu wollen,' möchte ich mir erlauben, einiges]}herauszugreifen.
Die überaus häufige, förmlich grassirende Umstellung (Inversion)
nach «und» erwähne ich, weil sie schon W. Stricker in Beinern
kleinen Aufsatz «Antibarbarus medicus» (Virchow’s Archiv 41 Bd.
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182
MÜNCHENER MEDICINI80HE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
1861 p. 361) getadelt hat. Genützt hat es nichts. «Und war es
Nothnagels grosses Verdienst» (Deutsches Archiv für klinische
Medicin .52. Bd. p. 353). Die Thatsache, dass auch Goethe ge¬
legentlich diese Umstellung gebraucht, macht sie immer noch nicht
schön und liachahmenswerth, sie bleibt füglich anderen, als gerade
wissenschaftlich schriftstellernden Kreisen überlassen, in die genau
genommen auch nicht Ausdrücke gehören, wie «ich hatte den Vor¬
zug (!), diesen ausgezeichneten Kenner der Leberkrankheiten meiner
Ansicht beitreten zu sehen» (Deutsche medicin. Wochenschrift 1893
p. 742). «Sämmtliche Entzündungserscheinungen .... sind nonnaliter»
(Zeitschrift für klinische Medicin 24. Bd. p. 268) bekundet den völlig
neuen Gebrauch eines Adverbiums als Prädicat, gerade als ob es ein
Adjectiv wäre. Das Umgekehrte kommt bekanntlich im Deutschen
oft genug vor (bei dem Adverbiale modi). Der Autor, welcher
schrieb (Zeitschrift für klinische Medicin 23. Bd p. 127): «Herr
Professor Z. hatte die grosse Liebenswürdigkeit, am 13. August 1892,
morgens früh, in nüchternem Zustande und bei völliger körperlicher
Ruhe lieh war eingeschlafcn) meinen respiratorischen Gaswechsel
zu bestimmen», hat sicherlich ganz was anderes sagen wollen, als
der mit der deutschen Satzbildung Vertraute herauslesen kann
und muss.
Doch genug der Schulmeisterei! Aber man möchte versucht
sein, ein Distichon hierher zu setzen, das sich in einem «Splitter
und Späne» betitelten Büchlein von W. Haek (Leipzig 1893) lindet:
«Anders wird es fast tilglich, ob besser? Wer hegt da noch
Zweifel?
Wissenschaft schreitet wohl vor,aber die Bildung zurück.»
Schliesslich gehört aber die Sprache auch zum unentbehrlichen
Handwerkszeug einer Wissenschaft, welches rein und säuberlich zu
halten vielleicht gerade so geboten ist, als die Asepsis der Instrumente,
welche ein wissenschaftliches Erforderniss ersten Ranges isf. Auch
hofft der Verfasser, dass der Hinweis auf Genauigkeit ihm nicht
zum Vorwurf gereichen werde in einer Disciplin, in welcher ein
falsch gesetztes Komma ein Menschenleben gefährden kann. Im
Uebrigen darf er diese seine Auslassungen dem geneigten Urtheil
der Fachgenosseu überlassen, das Recht dazu muss er ihnen billiger
Weise einräumen, denn neuerdings (Centralblatt für klinische Medicin
1893 p. 516) «kritisireu» sogar — die Pneumonien.
Q u a d r i v i u 8.
Referate und Bücheranzeigen.
Th. Kosen heim: Pathologie und Therapie der
Krankheiten des Verdauungsapparates mit besonderer
Berücksichtigung der Diätetik. Zweiter Theil: Krankheiten
dos Darmes. Wien und Leipzig. Urban und Schwarzen¬
berg 1893- 631 Seiten.
Wenn auf die Besprechung des 1. Theilex des Rosen -
heiui’schen Werkes in dieser Zeitschrift (1892 No. 3) erst nach
vier Jahren die des 2. Theiles folgt, so trägt daran nicht der
Autor Schuld. Denn die viel umfangreicheren Krankheiten des
Darmes sind schon im Jahre 1893 erschienen. Schuld an der
Verspätung ist allein der Ree. Selbst mit einer grösseren
Arbeit, der Therapie der Magen- und Darmkrankheiten beschäftigt,
war er der Meinung, dem Buch nicht besser Gerechtigkeit widerfahren
lassen zu können, als wenn er sein Urtheil erst nach Abschluss
der eigenen Arbeit aussprechen würde. Denn die Einsicht in den
Werth eines Buches, welche der Kritiker durch blosses, wenn
auch noch st) sorgfältiges Durchlesen gewinnt, lässt sich doch nicht
vergleichen mit derjenigen, welche eingehendes Studium hei der
productiven und reproductiven Beschäftigung mit dein gleichen
Gegenstand gewährt. Diese letztere hat aber dem Ree. in Uh er¬
zeugender Weise dargethan, welche werthvolle Grund¬
lage für das schwierige vielfach so dunkle Gebiet der
Darmkrankheiten von Rosenheim geschaffen worden ist.
Alle spätere Autoren werden auf derselben mehr oder minder
fussen. Nach diesen empfehlenden Worten erübrigt es nur kurz
den Inhalt auzugeben. Zunächst führt eine klare anatomische,
physiologische und diagnostische Einleitung in die specielle Patho¬
logie und Therapie des Darms ein. Die verschiedenen Formen
der Enteritis, sowie die perityphlitischen Processe werden sodann
ausführlich geschildert. Darauf folgen die verschiedenen Maxtdarm-
erkrankungen. Wiederum sehr gründlich, ganz der Wichtigkeit und
dem Interesse derselben entsprechend, sind die Yerschliessungen des
Darms abgchandclt. Die folgenden Capitol beschäftigen sieh mit
den Ocschwürsprocesson, einschliesslich seltenerer Erkrankuugsfortnen
wie Anthrax, Aktinomyces n. A., sowie den Geschwülsten, um mit
den Neurosen, sowie der Enteroptose und den Schmarotzern »bau¬
sch Hessen. Dazu kommen noch Keeeptformeln. sowie ein ungemein
praktisches, reichhaltiges Literaturverzeichnis*. Alle Darstellungen
lassen die gründliche anatomische und physiologische Durchbildung,
sowie die reiche praktische Erfahrung des Verfassers auf jeder
Seite erkennen. Die grössere Schwierigkeit der Materie rechtfertigt
den im Verhältnis« zu den Magenkrankheiten grossen Umfang des
Werkes vollkommen. Möge derselbe nicht von dem Studium ab-
schroeken! Möge das Ruch vielmehr durch seinen gediegenen
Inhalt , mit dein sieh eine gefällige, anregende Form verbindet,
sich recht viel Freunde unter den Aerzten gewinnen !
P e n z o 1 d t.
Biedert und Langer mann: Diätetik und Koch¬
buch für Magen- nnd Durmkranke. Verlag von Ferd.
Enke, Stuttgart 1895. 180 S.
Es ist in neuerer Zeit das Bestreben unverkennbar, der
wichtigen Lehre von der Krankenernübrung auch in der Publieixtik
die gebührende Stelle zu verschaffen. Die Diätetik für Magen -
nnd Dannkranke bildet einen der wichtigsten Abschnitte dieser
Lehre, den die Verfasser mit grossem Flcisse und auf Grund
sehr eingehender eigener Erfahrungen dargestellt haben. Das
Buch bringt eigentlich mehr als sein Titel besagt, indem auch
eine Skizzirung der Krankheitsbilder, der grösstentheils modernen
physikalischen und chemischen Untersuchungsmethoden der Magcn-
und Darnistorungen und der allgemeinen Behandlung gegeben wird.
Der speeiolle diätetische Theil bringt ausführliche S|>eisezettel, für
die auch der Koh-(’alorienwerth (d. h. der Üaloricnwerth ohne
Berücksichtigung der Ausnützungsgrösse der betr. Nahrungsmitteli
mitgetheilt wird. Es ist gewiss von Vortheil, wenn in dieser
Weise die «(uuntitative Betrachtung der Ernährungslehre, die
durch die Zurückfiihrung aller Nahrungsstoffe auf ihren Calorien-
wertli sehr erleichtert wird, in die Praxis sich einzubürgern
beginnt. Werden doch manche, als besonders kräftig» geltende
Nährpräparate vielfach noch in homöopathischen Dosen zur An¬
wendung gebracht. die jeden Effect illusorisch machen müssen.
Ein gebührend breiter Raum ist den sorgfältig ausgearbeiteten
Kochreeepten eingeräumt. eine Reihe tun Krankengeschichten
bilden den Schluss des Werkelten*. dein wir den verdienten
Erfolg glauben Voraussagen zu dürfen. Moritz.
J. Donat: Die gynaekologische Untersuchung.
Medicinische Bibliothek für praktische Aerzte. Leipzig. ('. G.
N a u ui a n n.
Dem Bedürfnisse des praktischen Arztes, die Technik der
gynaekologisehen Untersuchung in ihrem modernen Umfange kennen
zu lernen, wird vorliegendes Werkehen des Leipziger Gynaokologen
durchaus gerecht. Was im Fürs durch mündlichen Verkehr ge¬
lehrt wird, beschreibt Donat sehr genau und lebendig und wenn
man die gynaekologische Untersuchung nur durch das Wort er¬
lernen könnte, würde Donat’s Buch genügen. Der Verfasser
hätte aber die Wichtigkeit der unausgesetzten U e b u n g mehr betonen
sollen. Nichts ist vergessen; die dem Praktiker erreichbaren
Methoden werden mit Hecht sehr ausführlich behandelt, gegenüber
solchen, die nur in der Hand des Spccialisten Bedeutung haben,
wie z. B. die Uystoskopie und die Punction von der Vagina etc.
Besser wäre es gewesen, wenn der Verfasser vor der Sonde noch
eindringlicher gewarnt hätte. Im Abschnitt über die Erweiterung
und Austastung des Uterus hätten die (’ontraindicationen in ihren
einzelnen Formen und die Mahnung strengster subjectiver und
objectiver Asepsis mehr hervorgehoben werden dürfen. Ein gut
gearbeitetes Register unterstützt die Brauchbarkeit des Buches.£
F latau-Nürnberg. ,
B. Pe r 1 i a - Crefeld: KrolPs Stereoskopische Bilder.
Dritte verbesserte Auflage. Hamburg und Leipzig. Verlag von
Leoj>old Voss. 1895.
Die 1 887 im gleichen Verlage erschienenen stereoskopischen
Bilder von Dr. W. Kroll hatten den Zweck, dauerndes Schielen
durch Anregung des schwächeren Augenmuskels und Stärkung
des Sehvermögens auf dem zum Schielen disponirten Auge zu
verhüten, andererseits nach gelungener Scl»ielo|>eration gemein¬
schaftlichen Sehact beider Augen zu erzielen. Perlia hat nun,
von der Ansicht geleitet, dass es im Wesentlicheu darauf an-
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25- Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
183
5
3
r-
n
1
l
komme, den Trieb zur stereoskopischen \'erschuielzung der Bild-
liiilften mehr zu verstärken, von den 2> Kroll'sehen Tafeln
12 durch neue ersetzt und noch ein Bild beigefügt, welches eine
Veränderung des Abstandes seiner Hälften ermöglicht.
Da Kindern, um die es sich bei Schielen ja meistens handelt,
der Begriff des körperlichen Sehens nicht klar zu machen ist und
die gewöhnlichen stereoskopischen Bilder daher nicht zu gebrauchen
sind, so können die Kroll- Perlia' scheu Bilder, welche Kindern
nebenbei Spasa und Anregung gehen, bestens empfohlen werden.
Dr. Seggel.
Dr. M. Ohle mann Augenarzt in Minden : Augenarzt*
liehe Therapie fflr Aerzte und Ntudirende. Wiesbaden.
J. F. Bergmann 1896.
In diesem Werkchen, welches kein Lehrbuch der Augen¬
heilkunde sein soll, aber doch gute diagnostische Winke gibt,
sind die recht mannigfachen augenärztlichen Behandlungsarten
unter Anführung von über 200 Receptformeln zusammen gestellt.
AI« gutes Nachschlagebuch kann es dem Praktiker, für den es
bestimmt ist, um so mehr empfohlen werden, als ein derartiger
Leitfaden seit dem 1817 von dem älteren von Graefe heraus¬
gegebenen Repertorium augenärztlicher Heilformeln nicht mehr
auf den Büchermarkt kam. Dr. Seggel.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Mcdicin. 20. Band, 3. und 4. Heft.
8) Esc hie: Beitrage zum Studium der Resorptions- und
Ausscheidungsverhaltnisse desGuajacols u. Guajacolcarbonats.
(Aus dem physioL-chemischen Laboratorium B a u m a n n's in Freiburg.)
Nach einleitenden Bemerkungen über die Constitution des
Guajacols und die Ausscheidung der Phenole aus dem Körper
beschreibt Verfasser seine eigenen Versuche, in welchen er sowohl
nach Einverleibung von reinem Guajacol als auch von Guajacol-
carbonat die Aetherscbwefelsäure im Harn bestimmte. Das Guajacol,
rein oder als Carbonat genommen, wird bis zu 66 Proc. als Aether-
schwefebäure, zum Theil in anderen Verbindungen (Glycuronsäure),
zum Theil auch höher oxydirt als ein Oxyhydrochinon- oder Pyrogallol-
derivat ausgeschieden. Von dem Carbonat wird eine ziemliche Menge
mit dem Koth entleert. Da die Spaltung des Carbonates durch die
Daricfäalniss geschieht, so werden kleinere Dosen von Guajacol-
carbonat besser ausgenützt als grosse, bei denen die antifermentative
Wirkung des abgespalteten Guajacols die Fiiulnissprocesse beschränkt,
und sind deshalb kleine Dosen 4mal täglich 0,3-0,5 in der
Phthisiotherapie zu verwenden.
9) H. Strauss: Ueber das specifische Gewicht und den
Gehalt des Magensaftes an rechtsdrehender Substanz, sowie
über das Verhalten der H CI-Secretion bei Darreichung von
Zuckerlösungen. (Aus der med. Klinik von Riegel in Giessen)
Die vom Verfasser in 272 Einzeluntersuchungen vorgenommenen
Bestimmungen des specifischen Gewichtes der filtrirten Mageninhalte
ergaben: Specifisches Gewicht unter 1010 kommt bei Hypersecretion
und Hyperacidität, bei Gasgährung und bei Neurosen mit im Sinne
der Hyperacidität verändertem Ablauf der Secretionscurve vor Die
physiologische Breite liegt zwischen 1010 und 1020. Werthe über
1020 kommen fast nur bei Subacidität vor. Die Menge des Magen¬
inhaltes hat, abgesehen von excessiven Grössen, keinen wesentlichen
Einfluss auf die Höhe des specifischen Gewichtes, dagegen ist von
wesentlicher Bedeutung der Gehalt an rechtsdrehenden, saccharificirten
Substanzen, welche bei fehlender freier Salzsäure das hohe specifische
Gewicht in dam ausgeheberten Probefrühstück bedingen. Weitere
Versuche des Verfassers mit Eingiessung von 400 ccm verschieden
concentrirter Zuckerlösung in den leeren Magen ergaben, dass con-
centrirte Zuckerlösungen im Magen verdünnt werden, und dass die¬
selben ziemlich lange (Über l 1 /* Stunden) im Magen verweilen. Die
Salisäuresecretion zeigte sich bei allen Versuchen nach Einverleibung
der Zuckerlösung im Vergleich zum Probefrühstück, bei welchem
noch nicht gelöste Kohlehydrate eingeführt werden, vermindert;
Verfasser empfiehlt daher bei Fällen von Hyperacidität mit und ohne
Ulcus Darreichung von Zuckerlösongen (bis zu 300 ccm 20 proc.
Traubenzuckerlösung pro die), warnt aber vor der Anwendung dieser
Znckercur bei motorischer Insufficienz wegen der leicht auftretenden
Gährungen, und bei Hypersecretion, da die concentrirte Zuckerlösung
einen Flüssigkeitastrom in das Innere des Magens veranlasst. Zum
Schlosse erwähnt Verfasser, dass niemals bei seinen Fällen eine
alimentäre Glycoeurie zu beobachten war.
10) H. Lüthje: Ueber Bleigicht und den Einfluss der
Bltiintoxication auf die Harnsftureausscheidung. (Aus der Klinik
Leydens-Berlin.)
V«lasser bespricht zuerst die Literatur über Bleigicht, theilt
hierauf 2 Eigenbeobachtungen mit and geht auf die Pathogenese,
Symptomatologie, Diagnose und Prognose der Bleigicht ein. Hienach
®tÄe Intoxication mit Blei bei genügend langer Dauer für
8 ioh allein im Stande» die Gicht hervorzubringen, indem das Blei
Nekrosen erzeugt, welche die Harnsäure des Blutes an sich reissen.
ln welcher Weise jedoch das Blei zu der hei Gichtikern nach
Klemperer's Untersuchungen vorhandenen H y perprod uction
der Harnsäure beitragt, ist noch nicht zu entscheiden. Die
Aussch eidung der Harnsäure wird durch Bleiintoxication, wie
die Versuche des Verfassers an Hunden, welchen längere Zeit Plumb.
acetic gereicht wurde, ergaben, nicht beeinflusst, auch wenn eine
Steigerung der llarnsäureproduction, wie durch Thymusfütteruug;
veranlasst wird. Die klinischen Besonderheiten der Bleigicht be¬
stehen darin, dass sie in einem früheren Alter als die gewöhnliche
Gicht auftritt, in kurzer Zeit rasch nacheinander viele Gelenke des
Körpere befällt, darunter häufig solche, welche bei der gewöhnlichen
Gicht äusseret selten ergriffen werden, wie die Schultergelenke, die
Halswirbelgelenke, die Sternocostalgelenke, die Verbindungen des
Nasenrückens mit der Nasenwurzel etc., dass die Neigung zu Tophus-
bildung und zu deformativen Processen viel ausgeprägter als bei
der gewöhnlichen Gicht ist, und dass endlich die Prognose bedeutend
schlechter ist als bei der gewöhnlichen Gicht, hauptsächlich wegen
der meist gleichzeitig vorhandenen übrigen Bleiintoxicationssymptome
besonderes wegen der Bleischrumpfniere. Erwähnenswerth erscheinen
noch die Resultate der Xanthinbasenbestimmungen des Verfassers
im Hundeharne und Hundeblute, wonach diese Basen beim Hunde
in annähernd gleicher Menge wie die Harnsäure ausgeschieden
werden und nach Thymusfütterung im Blute nachweisbar sind.
11. D. Gerhardt: Ueber seltenere Ursachen des doppelt-
schlägigen Pulses. (Aus der medicinischen Klinik zu Straasburg.)
Verfasser gibt die Krankengeschichte zweier diesbezüglicher
Fälle mit Curvenbildern, wovon bei dem einen, eiuer Mitralstenose
mit Aorteninsufficienz, die erste Welle durch die Vorhofscontraction,
bei dem zweiten, einer typischen Aorteninsufficienz, die erste Puls-
welle durch eine systolische Elasticitätselevation erzeugt wurde.
Für die Entstehung dieser ist nach Verfasser vielleicht das Recon-
vaie8cenzstadium nach der vorausgegangenen fieberhaften Erkrankung,
einer Pericarditis. verantwortlich zu machen.
12) Moxter: Beitrag zur Auffassung der Tabes als
Neuronerkrankung. (Aus der Klinik Leydens in Berlin)
Beschreibung des klinischen und anatomischen Befundes bei
einer Tabes; ist zu einem kurzen Referate nicht geeignet.
13) S. Kornfeld: Ueber den Mechanismus der Aorten¬
insufficienz. Fortsetzung. (Aus dem v. Basch’schen Laboratorium
in Wien.)
Verfasser geht nun auf das Verhalten des Druckes in den
Arterien und iui linken Vorhofe in den einzelnen Versuchen ein.
Die Steigerung des Vorhofsdruckes bei sinkendem Arteriendruck lässt
siel» nur bei wenigen Versuchen auf die rein mechanischen Folgen
der Klappenzerstörung zurückführen; auch die Annahme von einem
Nachlass der Ventrikelleistung mit gleichzeitig eintretender Erhöhung
der Widerstände im Gefässsystem durch Reizung der Gefässnerven
reicht nicht zur Erklärung aus. Auch das Gleichbleiben oder Binken
des Vorhofsdruckes bei gleichzeitigem Sinken des Arteriendruckes
in mehreren Versuchen kann durch derartige Annahmen nicht erklärt
werden. Verfasser nimmt daher eine Ausweitungsfähigkeit der Ven¬
trikelwand an, vermöge welcher im Gegensatz zu den Verhältnissen
bei einem Kautschukbeutel eine vermehrte Füllung ohne Er¬
höhung der Wandspannung und damit ohne Vermehrung des
Widerstandes für die Entleerung des Vorhofes eintreten kann. Für
die Entscheidung der Frage, ob die Steigerung des Arteriendruckes
auf Steigerung der Ventrikelleistung oder auf Vermehrung der Gefäss-
widerstände zu beziehen ist, iat das Verhalten des Vorhofdruckes
massgebend. Bei Steigerung des Arteriendruckes durch Gefässnerven-
reizung, wie z. B. durch Reizung des Ischiadicus, steigt der Vorhof¬
druck entsprechend. Damit ging in den Versuchen sehr häufig
gleichzeitig eine Insufficienz des linken Ventrikels einher, welche
sich ausser der unverhältnissmässig hohen Drucksteigerung im linken
Vorhofe durch Unregelmässig- und Langsamwerden der Pulse docu-
mentirte. Es darf daher allein aus der Steigerung des arteriellen
Druckes bei Aorteninsufficienz nicht auf eine Besserung der Herz¬
arbeit geschlossen werden. (Schluss folgt.)
14) R. Kolisch und R. Burian: Ueber die Eiweisskörper
des leukämischen Harnes mit besonderer Berücksichtigung
des Histons. (Aus der Klinik Neuss er's in Wien.)
Verfasser discutiren die Frage nach dem Ursprung der
bisher im leukämischen Harne gefundenen Eiweisskörper und. Al-
bumosen und berichten, dass sich bei ihren Untersuchungen die
vermuthete Proportionalität zwischen der Menge der ausgeschiedenen
Alloxurbasen und Albumosen, welche auf den Leukocytemerfall als
gemeinsame Ursache zurückzuführen wäre, nicht bestätigt habe.
Ebensowenig konnten sie eine Proportionalität zwischen den
Alloxurkörpern und dem von ihnen bei einem Fall von Leukämie
gefundenen Histon,einem aus den Kernen der Leukocyten stammenden
Eiweisskörper, constatiren; es müssen also noch andere, noch unbe¬
kannte Ursachen ausser dem Kernzerfall für das Auftreten von
Histonurie angenommen werden. Linde mann-München.
Archiv für klinische Chirurgie. 51. Band, 4 . Heft
1) Basse: Die conservative Behandlung der tuberculösen
Coxitis und deren Resultate. (Aus der Chirurg. Klinik Berlin.)
Eine beachtenswertste Arbeit, die nunmehr auf Grund des
grossen Materials der Berliner Klinik und Poliklinik die conservative
Behandlung der tuberculösen Coxitis als das Normal verfahren fordert.
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184
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Zu Grunde gelegt sind der Arbeit 110 Fälle, die zumeist Kinder
in dem ersten Lebensdecennium betreffen. Die Behandlung wird in
der Weise geübt, dass zunächst in Narcose ein Gypsverband in
leichter Flexion und Abduction von den Zehen bis zu den Brust¬
warzen angelegt wird. Die Extension wird als entbehrlich be¬
zeichnet, zumal es fraglich ist, ob dabei eine wirkliche Distraction
stattfindet. Der Verband wird nach 4 Wochen gewechselt, und,
falls es erlaubt erscheint, nur bis zum Unterschenkel geführt. Weg¬
gelassen wird der Verband erst, wenn jede Schmerzhaftigkeit ge¬
schwunden ist. Dann wird nur noch Extension bei Nacht an¬
gewendet.
Von Jodoforminjectionen ist in den letzten Jahren nur wenig
Gebrauch mehr gemacht; das Vertrauen auf das Jodoform scheint
im Schwinden begriffen.
Die Resection wird nur als ultimum refugium angesehen Sie
wurde bei 27 von den 110 Patienten vorgenommen.
Von den 83 nicht resecirten Fällen haben 7 die Behandlung* vor
Abschluss derselben aufgegeben. Von den übrigen 76 sind 56 geheilt.
Bei 5 Kranken ist eine völlige Restitutio ad integrum einge¬
treten, darunter befindet sich ein Fall mit Abscessbildung.
Die Behandlungsdauer schwankte zwischen 14 Tagen und 36
Monaten.
Gestorben sind im Ganzen 21 Fälle, darunter sind 8 Resecirte.
Die Todesursache war 15 mal Meningitis bezw. Miliartuberculose;
3 mal war die letztere im Anschluss an eine Jodoforminjection
entstanden.
Von 95 Patienten konnte Verfasser noch später das End¬
resultat in Erfahrung bringen. Darnach sind geheilt geblieben
(ohne Fistel) 52 Kranke.
Das functioneile Resultat war meist ein befriedigendes. Ver¬
fasser weist mit Recht darauf hin, dass nach der Heilung noch Jahre
lang die Fixirung des Gelenkes zur Vermeidung von Contracturen
nothwendig ist. Bei den Resecirten waren die functioneilen Resul¬
tate viel ungünstiger wie bei den conservativ Behandelten.
2) P. Ziegler: Untersuchungen über die Regeneration des
Achsencylinders durchtrennter peripherer Nerven. (Aus der
chirurgischen Klinik München.)
Verfasser hat seine Versuche an Hunden, Ratten, Kaninchen,
Fröschen sowohl nach Durchtrennung wie nach Abbindung der
Nerven an Schnitt- wie auch besonders an Zupfpräparaten angestellt.
Die sehr sorgfältigen Untersuchungen, auf deren Einzelheiten hier
leider nicht eingegangen werden kann, führen ihn zu sehr bemerkens-
werthen, vielfach durchaus neuen Anschauungen über die Art der
Nervenregeneration. Nach der bisherigen Ansicht sollte es sich bei
der Nervenregeneration im Wesentlichen um ein < Auswachsen des
alten Achsencylinders » handeln. Die Beobachtungen des Verfassers
beweisen hingegen, dass die Rolle des alten Achsencylinders eine
nur passive ist; das active Moment ist vielmehr ein kernreiches
Protoplasma, welches primitive protoplasmatische Fasern bildet, an
denen durch Differenzirung sowohl der Achsencylinder, wie die
übrigen Bestandtheile der definitiven markhaltigen Faser secundär
entstehen. Das kernhaltige Protoplasma stammt von den Zellen
der 8 c h w a n n ’ sehen Scheide, die durch die Läsion und ihre Folgen
zu lebhafter Wucherung unter Kernvermehrung angeregt werden.
Von diesem Protoplasma werden grössere oder kleinere Portionen
Mark und Achsencylinder umflossen und assimilirt. Die Schwann’-
sche Scheide kann darnach nicht bindegewebiger Natur und Her¬
kunft sein.
Der Anschluss der neuen Fasern an die alten wird durch einen
kernhaltigen Protoplasmapfropf vermittelt, welcher im distalen Ende
der alten Faser im engen Zusammenhänge mit der Sch wann'sehen
Scheide dieses Fasernendes auftritt.
Bei der Differenzirung der neuen Fasern zeigt sich zuerst der
Achsencylinder als ein feiner Faden. Der Anschluss der neuen an
den alten Achsencylinder ist ein secundärer Vorgang.
Nach dem Achsencylinder differenzirt sich das Mark, und erst dar¬
nach entsteht die membranöse Schwann'sehe Scheide, nachdem die
Kerne der neuen Fasern eine oberflächliche Lage angenommen haben.
3) Rovsing-Kopenhagen: Ueber Diagnose und Behandlung
der Nierensteine.
Die vom Verfasser in vorliegender Arbeit veröffentlichten
Berichte über 6 von ihm operirte Nierensteine betreffen die ersten
derartigen in Dänemark ausgeführten Operationen. R. glaubt, auf
Grund seiner Erfahrungen, dass die Nierensteine häufig verkannt
werden. Haematurie und Nierenkolik sind nur selten vorhanden,
um die Diagnose auf Nephrolithiasis stellen zu lassen. Verdacht auf
Steine muss immer da geschöpft werden, wo Schmerzen in der
Nieren- und Blasengegend bestehen. Auch ohne erkennbare Ur¬
sache auftretende Haematurien und Pyurien müssen unseren Arg¬
wohn rege machen. Bei der genaueren Untersuchung hat man vor
allen Dingen auf die anamnestischen Angaben des Patienten zu
achten, hereditäre Verhältnisse, Podagra, voraufgegangene Nierenkolik,
Abgang von Steinen. Bei nierenkolikähnlichen Schmerzen findet
man fast regelmässig Veränderungen am Urin: Eiweiss, Epithelien,
rothe und weisse Blutkörperchen, Krystalle, Cylinder. Zur Differential¬
diagnose von Tuberculose ist immer eine bacteriologische Unter¬
suchung des Urins vorzunehmen.
Die Cystoskopie dient zur Unterscheidung zwischen Nieren-
und Blasenleiden und zur Feststellung, welche Niere Sitz der Er¬
krankung ist
Fixe oder häutig zurückkehrende Schmerzen in der Nierengegend
sprechen für ein grösseres festsitzendes Concrement im Gegensatz
zu Sand und Gries. Noch charakteristischer ist es, wenn man die
gleichen Schmerzen durch Druck auf die Niere hervorrufen kann.
Die Behandlung richtet sich in erster Linie darnach, ob
die Steinbildung mit Eiterung einhergeht oder uncomplicirt ist. Bei
den suppurativen Fällen kann es sich nur um einen operativen Ein¬
griff handeln. Bei den uucomplicirten Fällen glaubt Verfasser
immer, wenn die Diagnose auf ein grösseres Concrement gestellt
ist, den Patienten die Operation vorschlagen zu müssen unter Hin¬
weis auf die mannigfachen Gefahren, welche den Nierensteinkranken
drohen. R. glaubt, dass durch das andauernde Trinken von alkalischen
Wässern der Stein nur zu rascherem Wachsthum gebracht wird. Ob
im einzelnen Falle die Nephrotomie oder die Nephrectomie gemacht
werden soll, hängt insbesondere davon ab, ob dort ein functions-
fäbiges Nierengewebe vorhanden ist, und wie der Zustand der
Niere ist. Die Prognose der Nephrectomie war bisher eine schlechte,
40 Proc. Mortalität, jedenfalls desshalb, weil die angegriffene andere
Niere die Function der exstirpirten nicht übernehmen konnte.
• 4) Haberkant-Danzig: Ueber die bis jetzt erzielten un¬
mittelbaren und weiteren Erfolge der verschiedenen Opera¬
tionen am Magen.
Die Arbeit enthält den Rest der literarischen Nachweise zu der
im vorigen Heft erschienenen Abhandlung.
5) W. Rindfleisch: Mittheilungen über das erste Ver¬
suchsjahr mit Behrings Heilserum. (Chirurg. Klinik Berlin.)
Im ersten Jahr (1895), wo das Heilserum verwendet wurde,
ist ein Rückgang des Zuganges an Diphtheriefällen bis auf die
Hälfte der bis dahin geringsten Frequenz zu beobachten: 132 Fälle
mit einer Gesamratmortalität von 29,5 Proc. Die geringste früher
beobachtete Mortalität war 43,2 Proc. gewesen. Dabei ist zu berück¬
sichtigen , dass besonders die Mortalität der Tracheotomirten von
(durchschnittlich) 68,7 auf 53,7 Proc. gesunken ist. (Ein sinn¬
störender Druckfehler in Tabelle II erschwert das Verständnissl)
Die Arbeit enthält weiter bemerkenswerthe Mittheilungen über den
Fieberverlauf bei der Diphtherie.
6) Lehmann-Nit8che: Ein Beitrag zur praehistorischen
Chirurgie. (Münchener anthropolog. Institut.)
Verfasser beschreibt mehrere Knochenkrankheiten und -Ver¬
letzungen, die er gelegentlich anderer Untersuchungen unter den
Knochen der Reihengräberfelder von Allach, Memmingen, Burg¬
lengenfeld (5.—7. Jahrhundert n. Chr.) gefunden hat. Arthritis
deformans an der Hüfte, Schädelimpression, Verletzung der Os fron¬
tale, Schrttgfracturen der Tibia und Fibula, Fracturen der Fibula.
Interessant ist der Befund von Arthritis deformans an der
Hüfte eines aus der älteren Bronzezeit (1400—1500 v. Chr.) stam¬
menden Skelettes.
Verfasser glaubt aus den geheilten Verletzungen schHessen zu
müssen, dass man vor der Geschicklichkeit und Fähigkeit der alt¬
germanischen Aerzte die grösste Achtung haben müsse. Referent
will die chirurgische KunBt unserer Altvordern in keiner Weise
bezweifeln, er kann aber den Beweis für die Behauptung des Ver¬
fassers nicht als erbracht ansehen. Derartige Sehädelfracturen wie
die beschriebenen können gewiss auch einmal ohne besondere
sachgemässe Behandlung heilen; und die Unterschenkelfractur ist
ja wohl ganz ordentlich geheilt, tadellos kann man aber die Heilung
doch nicht nennen, da eine nicht unbedeutende Verschiebung der
Bruchenden aneinander deutlich bemerkbar ist.
7) Nässe-Berlin: Ein Fall von incarcerirter Hernia ileo-
appendicularis.
Der beschriebene Fall ist der zweite dieser Art: incarcerirte
Hernie des Recessus ileo-appendicularis bei einem 46jährigen Arbeiter.
Operation am 7. Tage, Tod unmittelbar nach der Operation. — Der
erste derartige Fall ist 1846 von Snow beschrieben.
(Ein Punkt in der Krankengeschichte, den N. nicht besonders
hervorhebt, scheint dem Referenten wichtig genug, um besonders
erwähnt zu werden. Patient bekam während der Operation plötzlich
Trachealrasseln, und es wurde bemerkt, dass fäculenter Mageninhalt
in die Höhe gepresst war. Bei der Obduction fand sich in den
Bronchien fötider Inhalt. Küster hat bekanntlich empfohlen, vor
jeder Operation einer eingeklemmten Hernie eine MagenauBspülung
vorzunehmen, und N.'s Fall beweist, wie berechtigt diese Em¬
pfehlung ist.) K recke.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 7.
Dr. Carl Lauenstein - Hamburg: Die subcutane Durch*
trennung des Vas deferens zur Behandlung der Prostata¬
hypertrophie.
Da nach zufälligen Durchtrennungen des Vas deferens nie eine
Wiedervereinigung eintritt, empfiehlt L. auf Grund der von Helferich
u. A. durch Resection eines Stückes des Vas deferens erzielten Resultate
eine noch weitere Vereinfachung der Operation, d. h. die subcutane
Durchtrennung des Samenganges. Am besten fixirt man sielt hiezu
das Vas deferens und L. bediente Bich einer ausgekochten Sicherheits¬
nadel, deren Spitze er oben an dem auseinander gezogenen *platten »
Scrotum durch die Scrotalhaut ein-, hinter dem Vas deferens her
und aus der Scrotalhaut wieder heraus führte; zur Durchtrennung
dient ein feines, spitzes Messerchen am besten. — Die Verschieb¬
lichkeit der durchtrennten Stücke des Vas deferens zeigt dem Gefühl
deutlich, dass die Disdssion stattgefunden hat. Sehr.
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25. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 7.
1) Hubert Peters-Wien. Zur Operation der primären
Vaginal carcinome.
Bei einer 85jährigen Frau, die im oberen Drittel der Vagina
ein primäres, tbalergrosses, geschwürig zerfallenes Carcinom hatte,
operirte P. in der Weise, dass er nach Verschorfung des Carcinoms
mit dem Paquelin zuerst eine Scheidendammincision bis etwa
2-3 cm vom unteren Carcinomrand machte und dann von dieser
Wunde aus den Tumor in seiner ganzen Ausdehnung unterminirte.
Hierbei kam P. ziemlich tief in's rechte Parametrium, eröffnete aber
den Douglas nicht. Dann wurde der Tumor abgeschnitten und zu¬
letzt vorsichtshalber wurden auch beide Labien amputirt. Die Heilung
war nach 17 Tagen beendet und Patientin sieben Monate nach der
Operation noch recidivfrei.
P. folgte bei seiner Operation den Vorschlägen Thorn's, der
die von Olshausen empfohlene perineale Methode bei im oberen
Drittel sitzenden Carcinomen für zu schwierig und blutig erklärt
hat. Mit Rücksicht auf die besonders von Winter betonte Gefahr
einer Impfinfection dürfte sich in Zukunft vielleicht die Exstirpation
der Carcinome nur mit dem glühenden Messer empfehlen, die
neuerdings von Mackenrodt und Ros ne r befürwortet wird.
2) Eugen Steltner-Königsberg: Ein Geburtsfall bei kypho-
tischem Becken mit hochgradigem Hängebauch bei einer
Primipara.
Es bandelte sich um eine 27 jährige Erstgebärende mit hoch¬
gradiger Kyphoskoliose der unteren Brust- und oberen Lenden¬
wirbelsäule. Die Beckenmaasse betrugen:
Dist. spin. 24 cm
„ crist. 25 „
„ trochant. 27 ,
Conjug. ext. 18 „
„ diag. 10—11 cm
„ vera auf 8—9 » geschätzt.
Da Patientin den Kaiserschnitt verweigerte, so musste die
Perforation des lebenden Kindes vorgenommen werden. Das Wochen¬
bett verlief normal.
P. glaubt, dass für eine 8ymphyseotomie die Beckenverengerung
zu hochgradig war, kennt auch keinen Fall von Symphyseotomie
bei kyphotischem Becken. Für eine eventuelle erneute Gravidität
erscheint ihm nur die Sectio caesarea mit Kastration verbunden,
eventuell die Porro-Operation angezeigt.
J aff Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 7.
1) Brandenburg: Ueber die diagnostische Bedeutung
der Harnsäure und Xantbinbasen im Urin. (Gerhardt'sehe
Klinik Berlin).
Neben der Harnstoffbildung geht nach den Untersuchungen
der letzten Jahre ein eigenartiger Stickstoff-Stoffwechsel einher, dessen
Ausgangspunkt die Kernsubstanzen, die NukleYne, sind. Dieser
Stoffwechsel führt zur Bildung von Harnsäure und Xanthinbasen,
die das Gemeinschaftliche haben, dass sie sich aus einem Alloxan-
kern und einem Harnstoffkern zusammensetzen und daher von
Krüger als Alloxurkörper bezeichnet werden.
Verfasser hat über die Auscheidungswerthe dieser Körper bei
acuten und chronischen Consumptionskrankheiten eine Reihe von
Untersuchungen angestellt. Bei einem einfach herabgesetzten Er¬
nährungszustände werden beide Werthe erniedrigt. Bei Abdorainal-
typhus wird der AUoxur-N abnorm gesteigert. Ebenso tritt eine
erhebliche Steigerung des Alloxur-N ein bei chronischen Con¬
sumptionskrankheiten (Phthisis, Magencarcinom), eine Thatsache, die
bei der Diagnose von Carcinomen von Bedeutung werden kann.
Die Hamsäurebildung scheint in einer gewissen Abhängigkeit
ru stehen von der secretorischen Thätigkeit des Darmes.
2) Silex: Pathognomonische Kennzeichen der congenitalen
Lues. (Augenklinik Berlin) 8. d. W. 1896, S. 85.
3) Boettiger-Hamburg: Zum Wesen der Myoclonie
(Paramyoclonus multiplex).
Verfasser weist nach, dass die von Unverricht unter dem
«amen Myoclonie beschriebenen Fälle kein eigenartiges Krankheits-
bild daretellen, sondern sich mit dem bekannten Bilde der Chorea
chronica progressiva decken. Verfasser hält es für angezeigt, den
Paramyoclonus multiplex (Myoclonie) als Krankheit sui generis
überhaupt fallen zu lassen.
4) A. Lewin: Zur Argoninbehandlung der Gonorrhoe.
(Posner'sche Poliklinik Berlin.)
Das Argonin ist eine Metall-Eiweissverbindung von Argentum
ünd Casein. Dasselbe vermag die Gonococcen in kurzer Zeit zu
vernichten, ohne dabei eine stärkere Reizung der Harnröhre zu ver-
wachen. Eine antikatarrhalische (adstringirende) Wirkung besitzt
t 8 Mittel leider nicht. Es ist von Jadassohn in die Praxis
eingeführt und wird in einer Concentration von 3 : 200 5 mal täglich
*°j® 10 ccm in die Harnröhre eingespritzt. Die Flüssigkeit bleibt
® Minuten in der Urethra. Bei 9 von 12 so behandelten Fällen
verschwanden die Gonococcen in 2 — 6 Tagen. Der nach Ver¬
schwinden der Gonococcen noch andauernde Ausfluss wurde durch
iQjection von Zinc. sulfo-carbol. und Aehnlichem rasch beseitigt.
5) H. Burger: Bewegungsstörungen im Kehlkopf bei
«ystemchen.
Polemik gegen Treupel (s. d. W. 1896,8.18). Kr ecke.
. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1896, No. 8.
1) F. König-Berlin: Die Bedeutung der Durchleuchtung
(Röntgen) für die Diagnose der Knochenkrankheiten. (Berliner
med. Gesellschaft.)
Referat siehe diese Wochenschrift No. 6 pag. 136.
2) Hammer: Auffindung eines metallischen Fremdkörpers
im Dauraenballen mit Hilfe der Röntgen’schen Strahlen.
Da die Röntgen' sehen Strahlen nicht von einem Punkte
aus, sondern von einer ca. Zweimarkstück grossen hellgrün fluores-
cirenden Fläche der Hittorf'sehen Röhre ausgehen, so sind auch
die Contouren der Schatten nicht scharf, sondern verlieren sich in
gewissen Halbschatten. Je näher nun aber ein undurchlässiges
Object der photographischen Platte ist, desto mehr müssen diese
Halbschatten verschwinden und man kann daher aus der 8ehärfe
der Contouren (worauf schon Petersen in No. 6 d. W. aufmerk¬
sam machte) auf die relative Entfernung der Schatten werfenden
Körper von der Platte schliessen.
3) Augusto M u r r i - Bologna: Ueber Chininvergiftung.
(Schluss folgt.)
4) Th. Baer: Ueber die Rectalgonorrhoe der Frauen. (Aus
der dermatologischen Abtheilung des städtischen Krankenhauses in
Frankfurt a. M.).
Von 191 mit Gonorrhoe behafteten Fällen, die innerhalb von
6 Monaten auf der weiblichen Abtheilung zugingen, waren 67, d. h.
35% auch an Rectalgonorrhoe erkrankt. Die Mitbetheiligung der
Rectalschleimhaut in diesem enormen Procentsatz ist bisher noch
nicht betont worden. In der Mehrzahl der Fälle ist das Ueber-
fliessen, bezw. mechanische Hineinbringen des gonorrhoischen Secretes
in das Rectum als Ursache anzusehen, directe Infection durch
widernatürlichen Coitus und Secundärinfection durch Durchbruch
eines gonorrhoisch erkrankten Organes nach dem Rectum nur in
Ausnahmefällen.
Die Pathologie und Therapie der Rectalgonorrhoe werden aus¬
führlich besprochen.
5) R. Pfeiffer: Ein neues Grundgesetz der Immunität.
(Aus dem Institut für Infectionskrankheiten in Berlin; Dir.: Prof.
R. Koch.) Schluss aus No. 7 d. W.
Entwicklung des jetzigen Standes der Immunitätsfrage. P.
vertritt die Ansicht, dass im Choleraserum specifische Antikörper
in grosser Menge vorhanden sind, welche an sich nicht die K o c h '-
sehen Vibrionen abtödten können, sondern erst indirect durch ein
offenbar actives Eingreifen des damit immunisirten Thierkörpers
specifisch bactericide Processe hervorrufen. Die im Choleraserum
enthaltenen immunisirenden Substanzen, welche an sich nur schwach
entwicklungshemmende Eigenschaften besitzen, hängen genetisch
zusammen mit den erst im Organismus sieb bildenden specifisch
Vibrionen-auflösenden Stoffen und stellen gewissennassen eine Vor¬
stufe derselben dar. Die Cholera-Antikörper bilden nach P.'s Ansicht
eine Art specifischer Enzyme, fermentartige Körper, die in specifischer
Weise nur auf ein einziges Bacterienprotoplasma wirken. Die als
Phagocytose und Phagolyse bezeichneten Processe treten dabei
ganz in den Hintergrund.
6) M. Benedikt-Wien: Biomechanische Grundlagen.
Anschliessend an die Arbeiten von H. Hirsch und A. Mosso-
Turin betont B. die Wichtigkeit der Mathematik und Mechanik
(Geometrie etc.) für die Entscheidung biologischer Fragen.
7) Däu hier-Berlin: Ueber den gegenwärtigen Stand der
medicinischen Tropenforschung (Acclimatisation und Physio¬
logie des Tropenbewohners). (Schluss folgt.)
8) E. Braatz-Königsberg: Eine Ansteckungsquelle für
Tuberculose.
B. macht auf die bei Papageien nicht seltene Erkrankung an
Tuberculose und deren leichte Uebertragbarkeit auf den Menschen
aufmerksam
9) Brandenburg-Trier: Ueber Fürsorge für jugendliche
Unfallsinvaliden.
Es wird die Bildung einer Centralstelle für Arbeiterversorgung
für solche gefordert, die ihrem bisherigen Berufe nicht mehr ge¬
nügen können. F. L.
Ophthalmologie.
Prof. Dr. Otto Evers husch-Erlangen: Erfahrungen über
die Behandlung des chronischen Trachoms und seiner Folge¬
zustände. (Klinische Monatsbl. f. Augenheilkunde. Januarheft 1896,
p. 1—17.)
Nachdem in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Behand¬
lungsmethoden des Trachoms theils chirurgischer, theils mechanischer
Art in Vorschlag mtd in Anwendung gebracht worden sind* von
denen immer eine gewaltsamer und grausamer ist als die andere,
z. B. Ausschneiden der Uebergangsfalte, Ausquetschung der Binde¬
haut mit der Kornzange oder einer eigens zu diesem Zwecke con-
struirten Roll-Pincette, Ausschabung der Bindehaut, Abschabung der
Bindehautoberfläche, Zerstörung der Trachomkörner mittels des
Galvanokauter, auch flächenhafte Ausbrennung der Bindehant, Ab¬
reibungen mit starken Snblimatlösungen, Ansbürstung n. dgl., be¬
rührt es ganz wohlthuend, heute den Leiter einer stark frequentirten
Klinik einer schonenden Behandlung genannter Krankheit das Wort
reden zu hören und aus dessen Erfahrungen zu erkennen, dass die
Erfolge damit mindestens ebensogut sind, als mit jenen eingreifenden
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186
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Methoden. Mit Recht hebt der Verfasser in seiner Einleitung hervor,
dass keine von diesen letzteren von dem Vorwurfe freizusprechen
ist, des Guten zu viel zu thun und unter Umständen «eine Narben¬
bildung einzuleiten, die umfangreicher ist als die, welche aus der
spontanen narbigen Umwandlung der Granulationen resultirt». —
In der Durchführung seiner Behandlungsart betrachtet der Verfasser
als obersten Grundsatz: « so wenig operativ (im weitesten Sinne des
Wortes) vorzugehen, als irgend möglich». Eine einzige Ausnahme
bildet in dieser Beziehung die Erweiterung der Lidspalte, die regel¬
mässig als erster Act der Behandlung unternommen wird in allen
denjenigen Füllen, in denen eine Verkürzung der Lidspalte oder
eine Einwürtekehrung der Lider ohne oder mit fehlerhafter Stellung
der Augenwimpern vorliegen. Bei der Canthoplastik weicht E. von
der herkömmlichen in der Weise etwas ab, dass er wegen der
stärkeren Spannung, der in trachomatös erkrankten Augen die nach
aussen gezogene Bindehaut ausgesetzt zu sein pflegt, möglichst eng
näht und statt der üblichen drei Nähte deren sechs bis acht anlegt.
Die Heilung erfolgt am glattesten, wenn inan die Fäden erst am
siebenten bis zehnten Tage entfernt. Um zu verhüten, dass sie nicht
schon in den ersten Tagen durchschneiden, wird für die ersten zwei
bis drei Tage ein doppelseitigerVerband angelegt. Damit beim Wechsel
desselben die frisch verklebte Wunde nicht gezerrt wird, kommt auf
die äussere Lid-Commissur ein Borlintstückchen, das mit einer dicken
Schichte Borsalbe bestrichen ist, darauf ein die ganze Lidgegend
deckender Gaze-Lappen, der mit einer Mischung von drei Theilen
Rindstalg und einem Theile Palmöd durchtränkt ist. Zum Schlüsse
hydrophile Verbandstoff-Läppchen, die nach aussen abgeschlossen
werden durch einen Verband aus Gaze-Binden. — Zur Herstellung
dieses Verbandmaterials legt man Verbandgaze in sechs- bis acht¬
facher Lage zusammen, schneidet daraus Streifen in der nötbigen
Breite und drückt diese mittelst eines sterilisirten Glasstabes in die
fast bis zum Kochen erhitzte Masse, so dass sie damit völlig durch¬
tränkt werden. Dann läSBt man sie soweit erkalten, dass man sie
gut ausdrücken kann. Hierauf werden die Streifen in Stücke von
der nöthigen Grösse zerschnitten. Ihre Sterilisirung und Aufbewahrung
erfolgt in den SchimmeibuBch’schen Blechbüchsen. Diese Art
der Blepharophimosisoperation reicht für viele Fälle.von Entropium
völlig aus. Wenn es indess hiedurch nicht gelingt, die Berührung
der fehlerhaft stehenden Wimpern mit der Augapfelvorderfläche zu
beseitigen, so zerstört E. die Wimpern, wenn sie nur vereinzelt
fehlerhaft stehen, indem er nach Entfernung derselben mittelst
der Cilienpincette den Haarwurzelboden mit einer feinen galvano¬
kaustischen Spitze gründlich, aber doch vorsichtig, ausbrennt. Ist
der Cilienboden in grösserer Ausdehnung betheiligt, so wird er
unter möglichster Schonung uud Erhaltung der Haut durch einen
spitzkeilförmig gestalteten Ausschnitt abgetragen. Was nun die
Behandlung des Trachoma chron. selbst anbetrifft, so hat E. ganz
vorzügliche Erfolge von der.Teq uir ity - Maceration in allenden Fällen
gesehen, die mit Gefässentwicklung in der Hornhaut verbunden
waren. E. verwandte zuerst regelmässig eine sehr dünne Maceration
— */* bi 8 V 2 P rocent 'g — indem er davon mehrere Tropfen in den
Bindehautsack einträufeln Hess. Je nachdem nun die Wirkung sich
gestaltete, blieb er entweder bei diesem Procentsatze stehen, die
Einträufelung nach völliger Rückbildung der Reaction (im Allgemeinen
nach 8 bis 10 bis 12 Tagen) wiederholend, oder er ging ganz all¬
mählich zu höherer Concentration, aber nie über 3 Proc. hinaus.
Trat die Wirkung jäher, in- und extensiver auf, so kamen Eis-
compressen anhaltend oder in kürzeren oder längeren Zwischen¬
räumen zur Anwendung. Nachtheilige oder bedenklicheVeränderungen
am Auge hat E. bei dieser vorsichtigen Art der Anwendung in keinem
einzigen Falle gesehen. Da sich jedoch die Behandlung auf diese
Art oft stark in die Länge zog, so kam E. dazu, das schon in
früheren Zeiten bei Trachom gern gebrauchte Argentum nitr. zu
verwenden und hat sich dafür folgendes Verfahren ausgebildet:
Der Kranke liegt im Bette oder auf dem Behandlungsstuhle so,
dass der Kopf sich in waagrechter Haltung befindet. Der zu Hüupten
des Kranken stehende oder sitzende Arzt stülpt das obere Lid (es
ist hier das rechte Auge angenommen) um und hält es, mit dem
Zeige- und Mittelfinger der linken Hand den Lidrand möglichst hoch
hinauf und rückwärts gegen den Rand des Stirnbeins andrängend,
so, dass die Lid-Bindehaut und die oberen Uebergangsfalten in ihrer
ganzen Ausdehnung bis gegen die Augapfel-Bindehaut und gegen
die Lid-Commissuren sichtbar sind. Indem der Kranke hierbei mit
beiden Augen stark nach unten sieht und durch Zuspruch angehalten
wird, in dieser Stellung zu verharren — am besten erreicht man
dies dadurch, dass der Kranke da« andere Auge immer offen
lässt — schiebt der Arzt mit dem Daumen der rechten Hand
das untere Lid in frontaler Richtung so hoch hinauf, dass dasselbe
mit qeinem freien Rande hart an die freie Fläche der umgestülpten
oberen Uebergangsfalten bezw. an die Stellen, an denen diese in die
Augapfel-Bindehaut übergehen, anstösst. Es tritt hiebei öfter eine Stei¬
gerung der Thränen-Absonderung ein, wesshalb es sich empfiehlt, un¬
mittelbar vor der Betropfung die umgestülpte Bindehaut mit einem
sterilisirten Watte-Tupfer sanft abzutupfen. Nunmehr lässt man
mittelst eines gewöhnlichen Tropfglases eine frisch bereitete 5 proc.
Ilöllensteinlösung auf die Bindehaut in der Art aufträufeln, dass
eine Stelle nach der anderen sich mit einem feinen Schorf bedeckt.
Am besten beginnt man hierbei mit den an das untere Lid an-
stossenden Theilen der Uebergangsfalten und schreitet gegen die
Lid-Bindehaut bis zum freien Rande vor. In der Regel genügen
10 bis 15 Tropfen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Damit
die Flüssigkeit nicht an den Wangen oder Schläfen herunterfliesst
liegt der Kranke während der Procedur nach links und etwas
hinten, so dass die abfliessenden Tropfen von der Gegend des inneren
Augenwinkels aufgenommen werden. Nunmehr wird alle über¬
schüssige AetzHüssigkeit mit einem sterilisirten Watte-Tupfer ab¬
gesaugt und eine leichte Berieselung der geätzten Theile mit an¬
gewärmter physiologischer Kochsalzlösung — am besten mittelst der
Undine — vorgenommen. Erforderlichen Falles kommt dann die
Bindehaut des unteren Lides daran. Wegen der grösseren Leichtig¬
keit dieses umzukehren, geht die Beträufelung um so schneller
von statten; auch sind die Einlagerungen hier gewöhnlich weniger
zahlreich und ausgebreitet. Hornhaut und Augapfel-Bindehaut
werden dadurch von der Berührung mit der Aetzfiüssigkeit ge¬
schützt, dass man, während die eine Hand das untere Lid nach
unten und aussen zieht, mit dem Mittelfinger der anderen Hand
das obere Lid nach unten und schläfenwärts bis zum Umschlags¬
rand des unteren Lides schiebt. Zugleich wird der Kranke aufge¬
fordert, die Lider leicht zu schliessen. Die leicht eintreteude Brauu-
färbung der ektropionirenden Finger durch die Höllensteinlösung
kann zum guten Theil beseitigt werden durch sofortiges Waschen
mit warmer Jod-Kalium-Lösung. Eine Cocafnisirung schickt E.
wegen der ischämisirenden Wirkung des Mittels der Betropfung
nicht voraus. Je nach Bedürfniss oder Verlangen lässt derselbe
nachher mit Unterbrechungen laue oder kühle, unter Umstünden
selbst Eisumschläge machen. Nur wenn Pannus erheblicheren Grades
vorliegt, soll die der Betropfung folgende Reaction in ungeschwächtem
Maasse unterhalten werden. Zu diesem Behufe legt E. einen
doppelseitigen Verband folgender Art an: Auf die geschlossenen
Lider kommt ein mit Palmöl durchtränkter Gazelappen, wie oben
beschrieben; dann folgen 1—2 Lagen von hydrophilen Verband-
stoffläppchen, die in 3 proc. Borsäurelösung eingetaucht wurden.
Zum Schlüsse eine Gazebinde. Bei der Abnahme des Verbandes
ist meistens die Absonderung reichlichen, schleimig-eiterigen Secretes
festzustellen, die in verringertem Maasse auch noch die nächsten
Tage andauert. Etwaige iritische Reizung ist durch ein Mydriaticum
zu bekämpfen. Der Erfolg dieser Behandlung ist der, dass die
Bindehaut nach und nach glatter wird und der zunächst stärker
hervortretende Pannus abnimmt Die Hornhaut hellt sich auf und
dementsprechend nimmt die centrale Sehschärfe zu.
Je nach der Individualität führt E. in kürzeren oder längeren
Zwischenräumen (5 bis 8 Tagen) mit den Betropfungen fort, stets
sie nur dann wiederholend, nachdem jede Andeutung von Argentum
nitric.-Wirkung gänzlich verschwunden ist. Darnach — auch schon
zwischendurch — macht E. gern Gebrauch von der Massage mit
gelber Salbe. Bei hartnäckigem Pannus corneae macht Verfasser
von der üblichen Peritomie keinen Gebrauch, sondern wendet
gern Tinct. jodi an, die mit einem sehr feinen Malerpinselchen
in einer Entfernung von 2 bis 3 mm vom Hornhautrande punkt¬
förmig auf die Stellen der Bindehaut aufgetragen wird, an denen
die Hauptverästelungen der neugebildeten Gefässe zur Hornhaut
übertreten. In besonders heftigen Fällen ist es auch ganz unbe¬
denklich, die Jod-Cauterisntion in Gestalt einer ununterbrochenen
bogenförmigen Linie vorzunehmen, die sich, je nachdem, auf einen
Quadranten beschränken, oder die Hälfte des Hornhautumfanges
und mehr umfassen kann. Darnach folgt ein doppelseitiger Verband
für 24 Stunden. Bei Entlassung aus der Anstaltsbehandlung werden
die Kranken eingehendst über die grosse Tragweite der allgemein
gesundheitlichen Verhältnisse für die völlige Ausheilung des Leidens
unterrichtet. Es ist ihnen möglichst viel Aufenthalt im Freien,
genügende Zufuhr von guter Luft in die Schlafzimmer und peinlichste
Reinlichkeit an der eigenen Person zu empfehlen. Selbst wenn die
Bindehaut keine verdächtigen Unebenheiten mehr zeigt, sollen die
Kranken doch noch für die nächsten Monate täglich in der Frühe
abwechselnd Cupr. sulf. 0,1:20,0 oder 30,0 und Sublimat 1,0:5000
einträufeln oder in Salbenform einstreichen.
Die Zeitdauer der Behandlnng betrug durchschnittlich 1 bis
2 Monate. In günstiger gelagerten Fällen reichten auch 3 bis
4 Wochen aus.
Eine Augenspiegel-Lampe für Gas- und elektrische Beleuchtung
(Klin. Monatsblätter f. Augenheilkunde. Dezemberheft 1895) bat
Prof. Eversbusch in folgender Weise construirt: Das Lampenstativ
ist etwas höher als das allgemein gebräuchliche. Der Lampenarm
ist horizontal und vertical dreh- bezw. verstellbar. An seinem einen
Ende befindet sich oben die Gas-, unten die Glühlampe. Erstere
besitzt zur Verminderung der Wärmeentwicklung einen Glimmer-
Cylinder und als äuBsere Umhüllung einen mit Metallringen zusammen¬
gehaltenen Asbest-Cylinder. Beide Cylinder lassen sich beim Reinigen
der Lampe bequem entfernen. Ausserdem ist der Asbest-Cylinder
nach allen Richtungen um die verticale Achse beweglich. Diese
Einrichtung ist desshalb nöthig, weil zur Beseitigung der Licht¬
zerstreuung in der Höhe der Flamme an den Asbest-Cylinder ein
Tubus waagrecht angesteckt ist. Dieser, 3 */* cm lang und 3 cm im
Durchmesser, ist an der Innenfläche mit weissem Emaillack gestrichen.
An seiner Vorderseite ist der Tubus abgeschlossen durch einen um
ihn drehbaren und senkrecht gestellten viereckigen Rahmen, dessen
obere, horizontale Fläche offen ist und in dessen Vorderfläche eine
kreisrunde Oeffnung von 3 cm Durchmesser eingeschnitten ist. In
diesen Rahmen lässt sich von oben her zur Abdämpfung des Gas¬
lichtes, wie sie sich namentlich für die Erkennung der feineren
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25. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
187
Farbenveränderungen des Opticus-Querschnittes, nicht minder auch
für das Studium des aufrechten Bilies und der Veränderungen in
den brechenden Medien empfiehlt, eine schwach gebläute oder eine
matte planparallele Glasplatte von 2 mm Dicke und nach Bedarf
auch noch eine geschwärzte Metallblende von wechselndem Durch¬
messer einstecken. Die Glühlampe ist in einen Hohl-Cylinder von
Eisenblech eingeschlossen, der ebenfalls um die verticale Achse
drehbar ist. Er ist so befestigt, dass er bei etwa nöthig werdendem
Ersatz der Glüh-Lampe leicht abgenommen werden kann. An der
Innenseite ist er in den Theilen, die den Glühkörper umgeben, mit
weissem Email-Lack gestrichen, in den übrigen Abschnitten hin¬
gegen geschwärzt. Die Aussenseite ist ganz geschwärzt. Ferner ist
der Cylinder oben und unten durch eine Deckplatte abgeschlossen,
die je drei Oeffnungen für den Durchgang der Luft besitzt. Im
Uebrigen hat die Glüh-Lampe die gleiche Tubus- und Rahmen-
Vorrichtung wie die Gaslampe. Dr. Rhein - München
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 19- Februar 1896.
Herr Stadelmann: Ueber Cholagoga.
Gallentreibende Mittel hat man bei zwei Krankheiten beson¬
ders versucht, den Gallensteinen und dem katarrhalischen Ikterus,
indem inan durch Druckerhöhung das Ilindcrniss überwinden zu
können hoffte.
Ueber die gallentreibende Wirkung der verschiedenen Mittel
gingen die Angaben der experimentirenden Autoren auseinander,
vas hauptsächlich in der Wahl der Methode gelegen sei; die thera¬
peutischen Erfahrungen kämen wohl weniger in Frage, da sie zu
vieldeutig seien.
Die Methode Stadel mann's bestand nun darin, dass er hei
pt genährten Hunden eine complcte Gallenfistel anlegte, während
i. B. Rosenberg die Hunde im Hungerzustande untersuchte, was
St. für ganz willkürlich betrachtet.
Auch bei der genannten Versnchsanordnung kommen durch
psychische und körperliche Einflüsse bedingte grosse Schwankungen
vor, so dass man, um Vergleichszahlen von einiger Sicherheit zu
gewinnen, am besten grössere Zeiträume, also etwa 12 Stunden,
mit einander vergleicht.
Natürlich seien die Erfahrungen beim Hunde nicht ohne
weiteres auf den Menschen übertragbar und auch die an operirten
Menschen gefundenen Resultate nicht allgemein giltig, da es sich
um pathologische Verhältnisse handelt.
Der den Stadelmann’schen Experimenten gemachte Vorwurf,
dass es sich um maximal-gereizte Tliiere handelt, welche einer
Steigerung ihrer Gallensecretion nicht mehr fähig seien, sei hinfällig,
da es St. in der That gelang, zwei gal len treibende Mittel auf diesem
Wege zu finden; diese seien das salicylsaure Natron und die
gallensauren Salze. Dagegen konnte er an den bisher als
Cholagoga geltenden Mitteln eine gallentreibende Wirkung nicht
wahmehincn; als diese Mittel galten: grosse Wassermengen, Al¬
kalien, Drastica, Aleohol, Olivenöl. Zweifelhaft war die Wirkung
beim Durand’schen Mittel, dessen Wirksamkeit dem Terpentinöl
nuuschreiben sei.
Das salicylsaure Natron zeigt gelegentlich eine ganz
ausserordentliche Steigerung der Gallensecretion (bis zu 70 °/o).
N'x-h erheblicher und sicherer ist die Wirkung der gallensauren
•''alze, gleichviel ob man dem Thicre frische Galle oder chemische
Präparate verabfolgt. Die eingeführton Gallenmengen werden fast
völlig wieder ausgeschieden.
Uebrigens sei, wie Vortr. betont, die gallentreibendc Wirkung
feer Mittel schon von anderen Autoren erwähnt.
Was nun die therapeutische Verwcrtlning anlangt, so kommen
gallentrcibcnde Mittel nicht die in der Blase, sondern nur die
111 den ableitenden Wegen sitzenden Steine in Betracht; doch sei
^'oe Differentialdiagnose vorläufig noch nicht möglich. Eine erlieb-
lc _ e Drueksteigerung sei übrigens nicht möglich, wie die Heiden-
a 't> sehen Experimente lehren.
Wie nun endlich die nicht wogzuleugnende Wirkung der Al-
alien zu erklären sei, lässt Vortr. dahingestellt.
Discussion. Herr Rosenberg bestreitet die Vorzüge der
Versuchsanordnuug Stadelmann's und die Beweiskraft seiner Ex¬
perimente.
Herr Senator berichtet über vor 30 Jahren gemachte Ver¬
suche an einem Hunde, wonach grosse Nahrungsmengen von grossem
Einfluss auf die Gallensecretion seien. Desshalb halte er auch grosse
Wassermengen für günstig. Vom Oel sah er einmal günstige Wirkung,
wie auch vom Natron salicylicum.
Herr Ewald sah ebenfalls von beiden Mitteln gute Erfolge.
H. Kohn.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 17- Februar 1896.
Herr Huber demonstrirt eine Anzahl von auf der Levden’-
schen Klinik aufgenommenen Röntgen’schen Photogrammen
von acutem und chronischem Gelenkrheumatismus und Gicht.
Bei letzterer Affection sind an den Gelenkflächen dunkle Streifen
sichtbar, welche H. als Niederschläge von Harnsäure deuten zu
dürfen glaubt. Sehr hübsch waren in einer nicht aufgeschnittenen
atheromatösen Aorta die darin befindlichen Kalkplatten photogra¬
phisch zur Anschauung gebracht.
Diskussion. Herr Thorner weist auf die in kurzer Zeit zu
erwartenden Vereinfachungen der Apparate zur Aufnahme Rönt¬
gen'scher Photogramme hin.
Diskussion zum Vortrage des Herrn Boas: Ueber
Amöbenenteritis.
Herr Borchardt berichtet über eine hieher gehörige Be¬
obachtung aus dem städtischen Krankenhaus am Urbau: Bei einem
40 jährigen Manne bestand seit Jahren eine in Anfällen auftrete’nde
hartnäckige Diarrhoe. In den Stühlen fanden sich Amöben. Unter
Calomelgebrauch waren nach 3 Wochen die Krankheitssymptome
zurückgegangen und die Amöben aus dem Stuhle verschwunden.
Infectionsversuche mit den Stühlen waren bei Katzen erfolglos. Die
ätiologische Andeutung der Amöben lässt er vorläufig dahingestellt.
Herr Renvers: Ueber chronischen Ikterus.
Vortragender beginnt mit einem kurzen historischen Ueber-
blick und führt zunächst aus, dass durch die neueren Forschungen,
wenn auch ein stringenter Beweis dafür noch nicht gogelxm,
sicher gestellt sei, dass die alte Lehre von einem hämatogenen
Ikterus nicht aufrecht gehalten werden könne und einzig allein
ein hepatogener Ikterus existire.
Zu den einzelnen Arten des Ikterus übergehend, glaubt
Vortragender zunächst, dass der sogenannte katarrhalische
Ikterus nicht als ein Stauungsikterus (Sehleimpfropf, Schleim-
hautschwcllung) aufzufassen sei, sondern als ein toxischer bezw.
infectiüscr Ikterus betrachtet werden müsse. Zwar gebe cs auch
einen Stauungsikterus, aber in den erwähnten Fällen fehle die
Stauung, die Gallenblase sei klein und die Galle werde, wie die
nur theilweise Entfärbung der Faeces zeige, zum Theil wenigstens
entleert. Hier müsse man eine Giftwirkung vom Darme aus an¬
nehmen, denn der Ikterus erfolge so rasch nach dem Eiutritt der
Erkrankung, dass er nur als Giftwirkung erklärt werden könne.
In einer anderen Reihe von Fällen von sogenanntem katarrhalischen
Ikterus handle cs sich offenbar um einen Infeetionsikterus, wie
die Milzschwellung, das Fieber und der wiederholt gelungene
Nachweis von Baetericn in den Gallenwegen beweise. In die
letztere Kategorie glaubt Vortragender auch die Mehrzahl der
Fälle von Weil'scher Erkrankung rechnen zu sollen. Der
.Schleimpfropf könne wohl gelegentlich eine Bolle spielen, sei aber
meist schon eine Folge der Erkrankung.
Was nun den chronischen Ikterus anbelangt, so kommt hier
vor Allem der Ikterus hei Gallensteinen und Geschwülsten in Frage;
vom Ikterus hei Cirrbose, Ahseessen und Echinococcen will Vortr.
ahsehen.
Auch vom Ikterus hei Gallensteinen glaubt Vortragender, dass
er nur in den seltensten Fällen als Stauungsikterus aufzufassen sei,
für gewöhnlich handle es sich hiebei um entzündlichen Ikterus,
verursacht durch eine Erkrankung der Gallenwege, welche erst
seeundür zur Steinbildung führt. Man finde ja bei langdaucrmlcm
Ikterus meist gar keinen völligen Verschluss, sondern eine so
beträchtliche Erweiterung der ableitenden Gallenwege, dass nur
zuweilen eine Einklemmung von .Steinen mit Gallenretention ein-
treten könne. Gerade diese Erfahrung mache die Diagnose so
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Münchener me dicinische Woc henschrift.
No.
188
^7 diese komme in erster Innie die Annahme, ob
schon'^Colikanfälle und Ikteras
- rrjÄtÄi: ~
(laUensUnnc verloren zur Operation, aber es fanden sich
heftiger Kolikantiuic wurdo geheilt entlassen. Die
in der Blase ton ^ ^ durch e i„ c Wanderniere.
IfÄÄ’ÄS
Scsstä w®“ ns“rp
hnufag verkleinert g g komme als unterstützendes
7 Zt nteht X" eine Dilatation des Magens zur Beobachtung.
"TLlÄfci k— noch in Fm* £ ££
Entzündung der Gallenblase, welche sieh sowohl bei Steinen
, , nW gnißhe finde und ein schweres, pyamieahnhches
K JkhlS Audi in di« Fällen WmdU «
lieh um Infeetionsikterus, hervorgerufen durch I eberwandern
Entzündungserreger von der Gallenblase aut die Leber.
Discussion vertagt.
■ Herr Heinem ann- New-York : Ueber mechanische
Behandlung der Herzkrankheiten. H Kohn
Greifswalder medicinischer Verein
(Officielles Protocoll.)
«J ”'i" im * ’ 0 rrZ ; f ntr e a”nl Eiwci,»“!,”! W
f.“!™ kiUin Vortragender hat im Verein mit Dr. Schn aase
SÄ M Brstlinptlingcn genaue Urinunlereuclmngcn am 1.,
,, „ nd 10 Tage post vaccinationcm vorgenommen und m
ea’ S Proc. Albuminurie, freilich stete nur im mimmalstcn (,u*
constatirt. Bei WiedeHmpOiug» wurde - .■ £
T£TS£ F.n “Äi- noch Vortragender konnten das
PWaen einer Nephritis beobachten. Das gelegentliche Auftrete,
eblcr nur selten mehr als einen Tag dauernden Albnrmnnne «
„ach Ansicht des Vortragenden keineswegs etwas Anffäiliges,
handelt es sich doch um eine absichtlich liervorgerufone Infect...
die, wenn sic nachträglich Seliute gewähren soll, unter Fieber und
Allgemeiuerscheinungcn verläuft.
Sitzung vom 30. November 1895-
Vorsitzenden Herr Monier. Schriftführer: Herr H. Hoffman
1) Herr Bonnet. Heber den Bau der Arterienwand,
(In extenso mitgcthcilt in No. 1 der Deutsch, mal. Wochenschr.
1896, ref. d. Wochenschr. No. 1, 1896 )
2) Herr Helfe rieh: Ueber eine neue Operation bei
Prostatahypertrophie. (In extenso mitgctlic.lt ... der Deutsch
mcd. Wochenschr. No. 2, 1896, ref. d. Wochenschr. No. 2, 189b.)
In der Discussion bestätigt Herr E HofIimanri die wunder¬
baren Erfolge der Operation. Er berichtet über mnen Fall, bei
welchem nach der ResecÜon der Vasa deferentia die hochgradigen
Beschwerden beim Urinlassen in einigen Tagen fast
Der Residualharn verminderte sich von 150 ccm 2 Monate
blieb bestehen, Blasenausspülungen wurden nicht gemacht. 2 Monate
nach der Operation zeigte sich bei der Untersuchung vomiMutoj
aus der Prostatatumor scheinbar unverändert Der Kranke Start)
später an Perforation der Blase durch einen Stein.
3 ) Herr Peiper: Ueber den Einfluss der Schutz¬
pockenimpfung auf die Abnahme der Pocken. Ueber
Albuminurie nach der Schutzpockenimpfung.
Von den Impfgegnern wird einerseits der Einfluss der Impfung
auf die Abnahme der Pockenepidemien in Abrede gestellt, anderer¬
seits die eventuell mit der Impfung verbundenen Gefahren über¬
trieben. In Bezug auf ersteren Punkt bespricht Vortragender
die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Statistiken über
die Pockenmorbidität und -Mortalität im Heere und der Zivil¬
bevölkerung von Deutschland, Oesterreich, Frankreich und Italien.
Deutschland steht in Bezug auf die Geringgradigkeit der Pocken¬
morbidität und -Mortalität unerreicht da. Des Weiteren ist erwiesen,
dass die prophylaktische Impfung einen erheblichen Einfluss auf
die Mortalität der an Pocken Erkrankten besitzt. Vortragender
führt dies ebenfalls an der Hand einiger statistischer Daten an.
Mehr aber noch als die Nutzlosigkeit der Impfung wurden
von den Impfgegnern die mit derselben verbundenen Gefahren
betont. Im Jahre 1893 ist von Perl ein Fall von Nephritis
im Gefolge der Schutzpockenimpfung beobachtet worden. En fehlt
allerdings in der Mittheilung die sichere Angabe, dass das Kind
nicht schon zuvor krank war. I 111 Anschluss daran hat Falken -
heim- Königsberg zuerst Untersuchungen über die Eiweissaus¬
scheidung nach Schutzpockenimpfung angestellt und bei einer
grösseren Reihe von Kindern in ca. 19 Proc. Albuminurie, freilich
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protocoll.)
Sitzung vom 10- Dezember 1895-
Vorsitzender: Herr I.enhartz, Schriftführer: Hm
D e y c k c.
Herr Unna macht geschäftliche Mittheilungen.
Herr Unna hält seinen angeküudigten Vortrag über die
Structur des Protoplasmas und das Spongioplasma.
Herr Unna demonstrirt das Spongioplasm.
gewelLlen aus Wundgranulationen und speciel Ito Jom d t
Korbzellen und der PIattenzellen welche- d*
Spindel- und Spinn enteil cn vermitteln »^Korb 1
sind oedematöse Bindegewebszellen von »4« r
einen schaumigen Bau besitzen, d. li. aus ruu 1 Lamellen RC -
erfttlltcn Waben bestehen, die durch äusserst dünne Lamclkn£
trennt sind. Auch die Plattcnzellen ^n AVabenbau^at*
die Waben sind hier zwischen geradlinigen I aden d
erstarrt und gestreckt. Die rein wabig ^^J^öbcr.
Plattcnzellen geben in solide, anscheinend 8t ^ ct « r '°^ ^ bi
Die Spindel- und Spinnenzellcn sind ebenes wab.g fe
baut, zeigen aber nur zum kleinsten Tlieile runde ’ ^
halb auch hier, wie bei den Plattcnzellen, die Wabenwan
flü %ict Zetten° entsprechen theils der lW-{^
Bütschli (Korbzellen), theils derjenigen vor> ^.g,^ giml
den Ausdruck: Spongioplasma schuf. >a< J , di i etzte re
Wabeninhalt und Wabenwände flüss’g, nach L >
fest. Unna schücsst sich für die Mehrzahl der .
Zellen der letzteren Anschauung an, hält aber m
das Spongioplasma (im Gegensatz zu Leydig)
Pr0toP DU Wähentheoric zieht, * . einer ,™ ^
von Flemming und Wa 1 deyer sieh
Besprechung der verschiedenen Theorien über Yn > p
hervorgeht, allen anderen, speciell der ladengerüs^ heone
Flemming gegenüber. Nach Unna können abe^d
derselben Zelle zu Recht bestehen , indem häden, losgcn
andere Bestandtheilc in eine wabige Grundsubst"ntlich bestimmt,
sind; da letztere die äussere Gestalt der Zell «1 wes
constant vorkommt und einen constantcn (n Rainen:
migen) Bau zeigt, so ist Unna geneigt, erse ^ ; n den
Protoplasma zu vindiciren. Nur gibt es nac ^ c j n0 n
meisten thierischen Zellen ausser dem ..pongiop Graiu>-
anderen, wesentlichen Bestaudtheil des Protop asmas, andcrc
plasma, welches andere Functionsverhältnisse un Leber-
physikalische und chemische Eigenschaften besitz . )t .
wiegendes Granoplasmas in dem wohlerhaltenen Spongioplasma
stehen die bekannten Plasma zellen Unna 8. w H err
Da zur Discussion Niemand um’s Wort bittet,
Unna als Schlusswort: „ des Zellproto-
Die Botaniker, Zoologen etc., die über den • gubtilein Ma-
plasmas Untersuchungen anstellten, hätten mi _ ine Ansichten
terial gearbeitet. Das Material, aus dem er selb ^ denl0 n-
über das Protoplasma geschöpft habe und vo
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25- Februar 189G.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
189
strirten mikroskopischen Präparate stammten, sei ein jederzeit bei
der Hand befindliches; er verdanke dasselbe in erster Linie Herrn
Sick und Herrn Lauenstein. Da ferner die Filrbemethoden
durchaus einfach seien, so könnte jetzt die Frage über den feineren
Aufbau des Protoplasmas zur allgemeinen Discussion gestellt werden.
Herr Simmonds hält den angekündigteu Vortrag: Zur
Pathologie der Paedatrophie.
S. bat die Nieren von sechzig atrophischen Säuglingen, die
an keiner ernsten Complication gelitten hatten, histologisch unter¬
sucht und regelmässig parenchymatöse Pegenorationszustünde ver¬
schiedenen Grades angetroffen. Thcils fanden sieh nekrobiotisehe,
tlieils plasmolytische Vorgänge an den llarnkanälchencpithelicn,
bisweilen ausgedehnte Verfettungen, Kapselexsudate, Cylinder-
bildung. Per der Leiche entnommene Urin enthielt stets kleine
Eiweissmengen. S. glaubt nicht, dass die Nierendegeneration eine
Folge der allgemeinen Ernährungsstörung ist, da kein Parallelismus
zwischen dem Grade der Atrophie und der Intensität der Nieren-
vcrändcruDg sich erkennen lässt, da fernerhin bei älteren, durch
chronisches Siechthum stark reducirten Kindern derartige Nicrcn-
atörungeu nicht die Regel bilden. Von den bei den Sectioncn
angetroffenen Complicationen könne nur eine fast alle atrophischen
Kinder befallende Erkrankung, die Mittelohrentzündung als Ur¬
sache der Nierendegeneration in Frage kommen. S. theilt mit,
dass er bei 140 Kindern unter zwei Jahren 135 mal Exsudate
in den Paukenhöhlen angetroffen habe. In 60 bacteriologisch
untersuchten Fällen sei in mehr als der Hälfte der Fälle der
Pnemnococcus Fraenkels angetroffen worden, sehr häufig der
Streptococcus pyogenes, der Bacillus pyocyaneus, der Staphylocoecus
pvog. albus und flavus und andere Mikroben mehr in grossen
Mengen. Bedenke man, dass dieses mit anerkannt pathogenen
Mikroben dicht durchsetzte Exsudat in einer mit Schleimhaut
überzogenen, unter Druck stehenden Höhle sieh befinde, bedenke
man, dass es sieh um kleine, wenig widerstandsfähige Individuen
bandle, so werde man es begreiflich finden, dass so schwere All¬
gemeinerscheinungen resultirten. Um den Nachweis einer Generali-
sirung der Keime von der Paukenhöhle aus zu erbringen, hat ,S.
die Nieren in einer kleinen Zahl von Fällen mit Hilfe von Züch¬
tungen untersucht und dabei mehrfach in diesem Organ den
Pneumococcus und den Bac. pyocyaneus angetroffen. In den
Fallen, wo Keime in der Niere nicht nacligewiesen werden können,
müsse eine Beeinträchtigung der Nieren durch die resorbirten
Bacteriengifte vorausgesetzt werden. S. weist auf die von K ossel
angetroffene Generalisirung des Bac. pyocyaneus bei Kindern, die
mit Otitis media behaftet waren und auf die von Fraenkel
und Kei che beschriebenen, unter dom Einfluss des Pneumococcus
bei fibrinöser Pneumonie entstandenen Nierenveräuderungeu hin,
welche grosse Achnlichkeit mit den bei atrophischen Kindern an¬
getroffenen Nicrenbildern liefern. S. kommt zu dein Schluss, dass
die bei atrophischen Säuglingen angetroffene Nicrcndegencration auf
Bacterien Wirkung zurückzuführen ist und zwar auf Wirkung von
Bacterien, die von der Paukenhöhle aus Verbreitung finden. Prak¬
tisch empfiehlt er daher eine grössere Berücksichtigung der Paukcn-
liöhlenerkrankungen und eine sorgfältige Hygiene der Nasen-,
Bachen- und Mundhöhle bei der Behandlung atrophischer Kinder.
Discussion: Herr Deycke berichtet über ein einschlägiges,
im Neuen Allgemeinen Krankenhause gesammeltes Sectiousmaterial
v . on im Sftuglingsalter stehenden Kindern. Bei 104 derartigen Sec¬
tionen fanden sich in 84,6 proc. Ohrkatarrhe, die in circa 80 proc.
der Kalle einen eiterigen Charakter hatten und doppelseitig waren.
In einer Minderzahl fand sich im Mittelohr ein gelatinöses Exsudat,
in einigen Fällen war das Exsudat in dem einen Ohr gelatinös, im
anderen bereits eiterig, so dass man das gelatinöse Exsudat als die
'orstnfe des eiterigen aufzufassen hat. Die an einer Reihe von
Fällen ausgeführte bacteriologische Untersuchung ergab kein ein¬
heitliches Resultat; in einer Mehrzahl wurden Pneumocoecen ge¬
funden, sonst Staphylococcen, Streptococcen, Bac. pyocyaneus etc.
Bei 10 Sectionen mit Ohraffectionen lag ausgesprochene Tuborculose
anderer Organe, resp. allgemeine Tuberculose vor. Nähme man
diese, sowie alle anderen anatomisch wohl charakterisirten Krank-
heitsbiJder aus, so bleibe eine nicht geringe Zahl von Fällen übrig,
welche D. sowohl klinisch wie anatomisch übereinzustimmen schienen.
D. schildert kurz diese klinischen and anatomischen Erscheinungen
und gibt der Vermuthung Ausdruck, dass es eich bei diesen, ge¬
wöhnlich mit dem Namen der Paedatrophie bezeichnten Erkrankungs¬
formen um chronisch septische Processe handle. Dafür scheine ihm
auch das zeitweilige Epidemisiren dieser Erkrankungen zu sprechen.
Herr PI u d e r erwähnt, dass die Ohrkatarrhe im Säuglingsalter
nicht zu Zerstörungen des Trommelfells führen. Den Ausdruck
Mittelohreiterung hält P. nicht für geeignet, er möchte Empyem d< s
Mittelohrs vorschlagen. Von Wal b in Jena ist die prophylaktische
Anwendung von Politzer’s Verfahren zur Verhütung dieser
Empyeme vorgeschlagen.
Herr Fraenkel bestätigt, dass es nur ausnahmsweise bei
Ohraffectionen im Säuglingsalter zur Perforation des Trommelfells
komme. Einen Unterschied machen zu wollen zwischen Empyem
des Mittelohrs und Mittelohreiterung halte er nicht für berechtigt.
Nach der Qualität des Exsudats unterscheide man eine Otitis gcla-
tinosa und eine Otitis suppurativa; speciell vom Pneumococcus
Fraenkel sei es bekannt, «Jasser beide Arten von Exsudaten veran¬
lassen könne. Fr. citirt eine Arbeit von Czerny, der in einer
Reihe derartiger Krankheitsfälle bei Säuglingen verschiedenartige
Bacillen aus dem Blut züchtete. Nach dieser Richtung hin bedürfe
es weiterer Untersuchungen. Er selber glaube, dass trotz des
Mangels grobanatomischer Veränderungen im Magendarmtractus bei
sorgfältigen mikroskopischen Untersuchungen sich Anhaltspunkte
für eine tiefergehende Erkrankung der Magendarmschleimhaut ge¬
winnen lassen würden und erinnert in diesem Sinne an die bei
pernieiösen Anaemieen gefundenen Atrophieen der Magendarm-
schleiinhaut. Seit längerer Zeit habe er regelmässig bei Sectionen
von Säuglingen auf die Highuiorsliöhlen geachtet und habe dort
gleichfalls in einzelnen Fällen exsudative Processe gefunden. Bac¬
teriologisch hätten sich in diesen Exsudaten Bact. coli., Strepto¬
coccen, der Pneumococcus Fraenkel u. A. gefunden,
Herr PIuder glaubt, dass, je jünger daß Kind ist, desto ge¬
ringer seine Chancen seien, bei einer eiterigen Affection des Mittel¬
ohrs eine Trommelfellperforation davonzutragen. Uebrigens möchte
er bemerken, dass auch Gonococi en eine Rolle bei der Otitis media
des Kindes spiele.
Herr Fraenkel möchte hier die specifischcn Affectionen ausser
Betracht lassen.
Herr Lenhartz kann sich mit den von Herrn Deycke ver¬
tretenen Anschauungen nicht befreunden, wenigstens hält er sep¬
tische Zustände für höchstens ausnahmsweise in Betracht kommend
bei den Erkrankungen des Säuglingsalters. Er fasst vielmehr die
Paedatrophie als eine durch intermittirende Gastroenteritiden be¬
dingte allmähliche Erschöpfung auf, es spielten dabei Autointoxi-
cationen eine Rolle, die ihrerseits zu der allgemeinen Degeneration
der Organe Veranlassung gäben. Auch er plaidirt für eine gründ¬
liche Untersuchung des Magendarmtractus nach allen Richtungen
hin. Die Otitiden hält er für secundärer Natur; sie bildeten sich
in den letzten Tagen des Lebens, dafür spräche das Fehlen von
Troinmelfellperforationen und von Meningitiden. Den Eiweissgehalt
des bei Sectionen gewonnenen Urins auf eine im Leben bestehende
Nephritis zu beziehen, halte er nicht für berechtigt; er hält diesen
Urin für Stauungsurin, der bedingt werde durch die als Theil-
erscheinung der allgemeinen Degeneration auftretende Herzentartung.
Herr PIuder bemerkt, dass bisweilen die Paracentese des
Trommelfells das Krankheitsbild ganz anders gestaltete und direct
als lebensrettender Eingriff betrachtet werden musste.
Herr Deycke hat selber, allerdings im Säuglingsalter, ohne
nennenswerthen Erfolg, die Paracentese in einer Reihe von Fällen
ausgeführt. Doch sind ihm neuerdings bessere Resultate von Herrn
Versmann im Neuen Allgemeinen Krankenhaus gezeigt worden.
Jedenfalls könnte, falls der therapeutische Nutzen der Paracentese
sich in Zukunft bestätigen sollte, dies nur für seine Auffassung als
Stütze dienen. Herrn Lenhartz gegenüber halte er daran fest,
dass in einer grösseren Anzahl von Fallen sowohl klinisch wie patho¬
logisch-anatomisch jeder Anhaltspunkt für eine ernstere Magendarm-
atfection fehle. Für diese Fälle halte er einstweilen seine Auffassung
der Erkrankungen als chronisch septischer Zustände aufrecht.
Herr Simmonds bestätigt gleichfalls das seltene Auftreten
von Trommelfellperforationen. Dass die Gonococcen bei den Otitiden
eine wesentliche Rolle spielen, glaubt er nicht, da man bei den
Augenblennorrhöen der Kinder niemals gleichzeitige Otitiden beob¬
achtet. Für die von ihm gefundenen Nierenveränderungen macht er
einstweilen, da er keinen anderen positiven Befund zur Erklärung
lieranziehen kann, die Allerdings erst in der letzten Zeit des Lebens
auftretenden eiterigen Otitiden verantwortlich.
Nach Schluss der Sitzung erklärt Herr Unna ein von ihm
vielfach zu bacteriologischen Zwecken benutztes Platten verfahren
welches gestattet, Culturen durch lange Zeit, durch Jahre hindurch
zu beobachten, ohne dass man Verunreinigungen zu befürchten
hätte. U. demonstrirt eine Reihe derartiger Platten.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 22. Februar 1896.
Zur Organisation des geraeindeärztlichen Dienstes in
Oesterreich. — Mangel an Corpsgeist. — Ein interessantes
Glaukom geheilt. — Eine schwere Verbrennung.
Am 30- April 1870, also vor mehr als 25 Jahren, erschien
ein Reichssanitätsgesetz, welches die Regelung des Sanitätsdienstes
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No. 8.
190
r f <%***£
diesem Gesetze l'elgc ^ letzten Schritte gethan, um
S.hlc.ien b.t iü.grt .b^J^'^^ Jcn DlM1 .t der
ein solches LandesgeseU mx schatt Gemeinde
Gemeindelrzte in diesem Lamle einheitlich rcgcl wwkn
(falls eine Gemeinde nicht verpflichtet, sich
mehrere Gemeinden jusammeng welchcul auch die
einen ärztlichen Bei ra- Urztlic l lC Behandlung armer
Besorgung der Todtenbesch W iegt. Die Gemeinden
Kranker, da ; „ ,e »—-r
daher der vi.rhdhundertiuhrigc ,,-ve ^.der S .a„d
der Landesvertretungen. ,„.fürstete Grafschaft
er^r %
eine unerhörte Nichtbefolgung eim. «bekanntlich- jeder
die Verbesserung des Sanitätswesens .st ^ J pcllt ,
ausgegebene Kreuzer ein hinausgeworfenes G Id und
es . bekanntlich v den Landärzten ho gut will jede
duru,n -* cr
*r Ar. rf*.
einmal du Minimum erm-rta, kum, helfe ,,J I^riufcn ;
Leben beanaprueh. a y d.m Äc8 w , c bcn
dafür nimmt cs aber das ltcclit u r o tcm dcr
subventionirten Arztes für sich in -■ nsp ■ • • ^ w j f
Subventionsgewährung an die Samtütsgemem e i . ■ ,
einem jüngsten Berichte des „lederosterreich »tht^
aussclmsses entnehmen, als erspncsslicl. hera.usgestcll . ^
der subventionirten Samtütsgcmemden ist von 1/1
auf 201 am Ende des Jahres 1895 gestiegen, so dass «m der
Gesammtzahl der 471 Sanitätsgemeinden (Gruppen, m J
Hälfte die Subvention in Anspruch genommen hat Pie Anza
!l c ; subvmitionirten Aerzte beträgt 173, wobei zu bemer^ w*.
dass für 28 subventionirte und für lo m ^ l ‘ ' cn 10 A t
sainmen also für 43 Sanitätsgemeinden ein^Ar^t
bisher nicht gewonnen werden konnte. •
höhe der in Niederösterreich bewilligten Subventionen ist seit
dem Jahre 1891 bis Ende 1895 auf 69 400 fl- gestiegen. 1 ür
diese Aerzte wird eine vierjährige provisorische kündigungszeit
neu e ”|ß ef ^ u w . r ül)ripo „ s auc h in allen anderen Krm.ländern
dass nämlich für zahlreiche Sanitätsgemeinde,, «bisher kein Awt
gewonnen werden konnte > - weil nämlich oft die u ". c, ' t ^
Behandlung aller Kranken des Genieindebezirkes für einige b.»d
Gulden gefordert wird, in Gegenden, in welchen dir Arz abs,
keinen sonstigen Nebenerwerb hat. Fixe Bezüge von 00 er
200 11. jährlich und etwa noch ein geringes W agenpauschale
ein Holzrclatum kommen in derlei Concurs Aussehreibungen uni
Districtsarzteiis-Stellen „och heutzutage nicht gar selten vor und
da wundert man sich, dass die Herren Doetoren der
Heilkunde nicht mit allen zwei Händen „ach so fetten 1 tründu,
zugreifen! Gott besser's !
Man muss wohl die Aerzte auf Gottes Hilfe vertrösten da
sie selbst das Möglichste thun, um sich ihre Stellung noch zu
verschlechtern. Vor einigen Wochen hat die Versicherungsanstalt
des Lehrerhaus-Vcreins, eine registrirtc Hilfskasse, an zahlreiche
Aerzte Wiens ein Circular gerichtet, in welchem diese um einen
Preisnachlass für die Mitglieder des Lehrerhaus -Vereins ersucht
werden. Die Aerzte, welche derlei Nachlässe Minuendo-Licitation,
da jeder Arzt selbst die Höhe der Reduction an geben soll) gestatten,
werden quasi als Kassenärzte des Vereines fungiren etc. Dabei
rechnen sich die Lehrer «zu den Wohl thätern der Mensch¬
heit» und verlangen daher als solche eine Ausnahmsstellung.
Dem besagten Lehrerhaus-Verein gehören aber nicht bloss die
wirklichen Lehrpersonen an, er zählt als gleichberechtigte M it¬
glieder auch solche Personen, welche dem Lehrerstande nicht
. K -, Beamte, Geschäftsleute u. dergl., die gewiss nicht
angchörcn, , dcr Menschheit gehören,
zu den W ohlthätc Ansuchen einer zahlungs-
Man sollte nun ghuiben, Entschiedenheit zurück¬
fähigen Chentde vo„ ^ ^ nicht s0 . Kinzclne ärztliche Vereine
gewiesen worden ist. n ihr0 Mitglieder aufzufordern, den,
Wiens haben zwar Vereines keine Folge zu geben, «da
Ansuchen des Lehrer Ur/tlk . hcu Stellung der Ehre und
die ^bernahme ^ Sundes zuwid erläuft» ; - das Organ j
dem Ansehen des ar aber ; n seiner jüngsten Ausgabe
des Lehrerhaus-^er ,^ ^ ^ praktischen Aerzte Wiens genug
mit Befriedigung, • ... cingclangt sind, so dass den
Anmeldungen mit \ J-e,s,,.J FaniilienangehörigC n eine recht billige
Vercinsnutgliedern u p ieger Mangel an Corpsgeist
ärztliche Behandlung gcsie . betrübendsten Erschein-
bei den Amten W ‘^ ri ^ tUer^ng unseres Standes bedingen,
ungen, welche den materiellen Nudeirg.. 8 Gesellschaft der
In der gestern seltenen Fall eines
Aerzte stellte 1 hnkoma (Hvdrophtlialmus congenitus) vor.
fST. Ä SÄ
s, " d 'Varn* .rar intrSäro Dmckstcigcrong, TrOb»g
trotzdem verlief die ^ giph dic Linse dieses Auges
glatter, ln, A erlauf, L ^ ^ b l 08 vorübergehende,
getrübt und ghuil t 1; d ürnca , wundc diese Trübung hervor-
Berührung der Un» md des Auges ist jetzt minimal, sie war
sr vC d T Au ^
U Ä normal gross, die Cornea klar und
;iusßcsi>rochoii ist-, in o p n t .
r«
SS " i™«**
Stande kam. , . a Jübrice Junge, ein Selcber-
A,„ 15 -Januar verbrannte der I Sjähng, ) - erkanlltc
gehilfo, wurde Tags dar J uf in S ^ d ‘yjderarmcn, links mehr als
man, dass an beiden Händen und verkohlt seien;
rechts, Haut und Weiclitheile urc un ge wissennasscn
auch die subeutanen V-enen waren m : *«■“ « icatioo.
injieirten Inhalte verkohlt. Keine Erseheinung ci ^
I normale Diurese. Die “ C^s oÄ*. " **
bloss, die Gelenke wareu croffnet auch . - J ^ da3 ab er
jetzt noch die Amputation übng blelbt , ^ Yer brennung
möglich V Einmal besass der Körper nnd Kleider
bedingte, eine hohe W ännccapacität, ^ der
wmreifvMl Fett, welches *
Junge aus, er sei bei der Arbeit cngcscUa^fen^ ^
wacht, als er schon brannte, habe nun e g Jahie
stellte sich heraus, dass der Junge innerha Insoltns
einige epileptische Anfälle erlitten hatte, in eine
epileptieus war nun die Verbrennung erfolgt-
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Academie des Sciences.
Sitzung vom 27. Januar 1396.
Das Serum gegen die Schlangen >b ^ ß
Calmette hatte im InstitutPasteurzu , onnen und da
Menge dieses Serums von immunisirten Pferden g
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GooqI«
25. Februar 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
191
von in die meisten Länder gesandt, wo die giftigen Schlangen be¬
sonders herrschen, namentlich Indien und Australien. Dieses Serum
besitzt eine derartige Jmmunisirungskjaft. dass die Injection von
1 dgr genügt, um ein Kaninchen von 2 kg Gewicht gegen eine
Dosis des Cobragifies zu schützen, welche ein Kontrollthier in 3
bis 4 Stunden tödten konnte. Nach dem Bericht des Dr. IJankin
in Agra büsste das Serum durch den weiten Transport um eine An¬
zahl Jmmunisirungseinheiten ein, so dass auf je 1 kg eines Thieres
i/zgSernm nöthig waren, um die nöthigc Immunität zu erzielen
Dr. I.epinay, der Vorstand des bacteriologischen Instituts zu
&dgun, prüfte das Serum gegen verschiedene Arten von Schlangen¬
gift (Bungarup, Trimeresurus und Naja tripudians) und erzielte bei
den Thieren gegen jedes derselben lmmunisirung. Ein Annamitc,
der von einer Naja gebissen wurde, ward durch die Anwendung
des Serums (12 cg eine Stunde nach dem Biss) geheilt, während
eine Frau, welche kein Serum erhielt, 2 Stunden nach dem Biss
verstarb. In all’ den Füllen, wo das Serum gegen das Schlangengift
angewandt wurde, stellte sich kein einziger Zufall ein und Cal inette
glaubt daher, auf's Angelegentlichste dieses Mittel empfehlen zu
müssen. ' St.
Society Medicale des Höpitaux.
Sitzung vom 17. Januar 1890.
Ueber Creosotin toxi cation.
Faisans bekam einen Patienten mit allen Erscheinungen einer
schweren Gehirnatfection, eine Meningitis vortäuschend, in Behand¬
lung; derselbe hatte vorher 3 Wochen lang Creosot in steigender
Dosis genommen und war von 10 g des 7,5°/oigen Creosotöls bis
auf HO g gekommen. In zwei anderen Füllen waren die einge¬
nommenen Dosen ebenfalls 6ehr hohe, die Zeichen der Vergiftung
stellten sich ganz plötzlich ein (Benommenheit bis zu Delirien,
Krämpfe der Extremitäten abwechselnd mit Hlhmungsartiger Schwäche,
spontaner Abgang von Urin und Koth), nahmen aber nach Aussetzen
des Mittels allmählich ab und waren nach 0 — 0 Tagen völlig ge¬
schwunden. Ausser den 6chon bekannten Vergiftungserscheinungen
wie profusen Schweiss, Hypothermie und Schwarzfürbung des Urins
kann also daB Creosot auch cerebro-spinale Erscheinungen (Pseudo¬
meningitis) verursachen; das ist für Faisans ein Grund mehr, die
Anwendung dieses Mittels möglichst einzuschränken, und in Anbetracht
der vorhandenen zahlreichen Contraindicat innen ist es ihm nur
schwer begreiflich, wie das Creosot das beinahe ausschliessliche
Mittel gegni die Tuberculose werden konnte.
Sitzung vom 31. Januar 1896.
Serumtherapie per rectum.
Wenn aucli die subcutane Injection für alle Arten von Serum
der gewöhnliche Weg der Einverleibung bleiben wird, so hat sich
gezeigt, dass manche Kranke gegen die Injectionen besonders em¬
pfindlich sind und dass in anderen seltenen Füllen die Injections-
stellc lange sehr schmerzhaft bleibt, zu Schwellungen oder sogar
Abscesscn führt. Chantemesse versuchte daher in 20 Füllen,
das Serum per rectum einzuführen und überzeugte sich, dass die
Resorption durch die Darmschleimhaut leicht vor sich ging und gar
kein Nachtheil damit verbunden war. Zur Reinigung des Darmes
wird dem Kranken zuvor ein gewöhnlicher Einlauf gegeben und
dann mit einer Spritze und 20 cm langen Sonde von mittlerer Dicke
das Serum injicirt. Die Wirksamkeit des Serums war die gleiche
wie bei subcutaner Injection: dasselbe Gefühl des Wohlbehagens,
ebenso Herabgehen der Temperatur, Unterdrückung der Albuminurie
o. s. w. Auf dem rectalen Wege konnten in einigen Tagen 200—
300ccm von Marmorek's-Seruui bei schweren Fällen von Erysipel
ohne Nachtheil angewandt werden. Local bildet das Serum, mit
der fünffachen Menge Lanolin vermischt, ein treffliches Verbands-
inittel für Erysipelerkrankungen: Schmerz, Röthe und Schwellung
sind dadurch beträchtlich zurückgegangen.
Le Gendre führt Fülle leichter Diphtherie an, wo erst nach
der Injection von Serum schwere Krankheitserscheinungen
auftraten; die Hauptsymptome dieses neuen Krankheitstypus sind
beftigeB Fieber, Gelenk- und Muskelscbmerzen, vielgestaltiger Aus-
«dilag, Anurie, Albuminurie und Phosphaturie. Die Frage ist nun, 1
ob in Fallen gutartiger Diphtherie der Arzt die Pflicht hat, Injectionen 1
zu machen, auf die Gefahr hin, eine schwere Erkrankung jetzt erst j
bervorzurufen ?
Gaucher berichtet über einen Fall von gutartiger Diphtherie
wo er nur auf Drängen der Eltern das Serum anwandte und trotz
strenger Antisepsis zwei Monate lang unausgesetzt eine Reihe von
Absceesen auftraten. G. glaubt, dass derartige Fülle häufiger seien
sls man bis jetzt erfahren habe und schlägt die Aufstellung von
bezüglichen Fragebogen vor, welche an säramtliche Aerzte Frank¬
reichs zu vertheilen seien. St.
Sitzung vom 7. Februar 1896.
Weiteres über die Serumtberapie und deren Gefahren.
Variot, welcher im Jahre 1895 im Spitale Trousseau 1414
diphtheriekranke (bacteriologisch constatirt) Kinder behandelte, führt
die Schädlichkeiten, welche zuweilen entstehen, auf die Toxine oder
Antitoxine, die im 8erum enthalten sind, zurück. So habe das von
Aronson präparirte Serum stets fiebererzeugend gewirkt und als
J « m einer grossen Stadt Europas (— wohl Berlin —) hintereinander
I 9 Todcofüllc verursacht hatte, musste man die Anwendung des Mittels
einstellen. Im Spitale Trousseau wurde zwar Derartiges nicht be¬
obachtet. von Zeit zu Zeit traten jedoch, und oft in grösserer Zahl,
trotz peinlicher Antisepsis Abscesse auf, ebenso wie gleichzeitig im
grossen Kinderspitale, ein Beweis, dass einzelne Serumproben ver-
unrein : gt, resp. pyogener Natur waren. Unter den circa 1500 er¬
wähnten Kindern traten zwar häutig als Folgeu der Seriiminjectionen
Erytheme aller Art und geringe Tomperatursteigcrung auf, aber
wirklich schwere Symptome, wie profuse Diarrhöen, Lungencou-
gestion, Gelenkschmerzen und allgemeine Prostration nur sehr selten
und kein Todesfall konnte dem Serum zugeschrieben werden. In
der Privatpraxis hingegen waren diese sceundären Erscheinungen
häufiger und zuweilen sehr schwerer Natur, wenn auch ohne letale
Folg-n; das hängt wahrscheinlich mit der minderen Qualität des
Serums zusammen, welches, vom Apotheker entnommen, schon lange
bei demselben steht und, wie bekannt, mit derZeit an Wirkung
abnimmt; in den Spitälern hingegen werden die Vorrüthe schnell
verbraucht und rasch wieder erneuert.
Was die von le Gendre aufgeworfene Frage betrifft, so will
Variot der klinischen Diagnose noch immer die erste Stelle
einräumen, wenn auch die bacteriologisehe jetzt nicht mehr zu ent¬
behren ist. In leichten Fällen von Diphtherie möge man mit den
früheren Mitteln Vorgehen und nur bei schwereren das Serum an¬
wenden. Es ergab sich auch hier wie anderwärts die Thatsache,
dass seit der Serumepoche viel mehr Kinder in die Spitäler Auf¬
nahme suchen, im Spitale Trousseau waren es früher 800 — 900, im
Jahre 1895 über 1400, die Bacteriologie hat eine grosse Zahl Fälle
eingereiht, welche früher nicht zur Diphtherie gerechnet wurden.
Von den 1414 Kindern 6tarben 2<>5 = 14,5 Froc. Mortalität.
H u t i nel ist schon lange der Ueberzeugung, dass die schwersten
den Seruminjeotionen folgenden Zufalle weder ausschliesslich dem
Serum 9elbst noch dem darin enthaltenen Antitoxin, sondern wahr¬
scheinlich secundären Infcetionen zuznschreiben sind (Streptococcus).
Auch die chronischen Halsentzündungen, Schwellungen der Mandeln,
welche vor der Diphtlierieinfection schon bestanden haben, und
adenoide Vegetationen spielen eine Rolle in der Genese der post¬
serösen Zufälle.
E. Hirtz ebenso, wie Vorredner ein begeisterter Anhänger der
Serumtherapie, erlebte besonders eclatante Fälle, wo nach den In¬
jectionen plötzlich Albuminurie anftrat und 8—14 Tage bestehen blieb.
Variot hingegen kann nicht zugeben, dass Albuminurie eine
Folge des Serums sei. St.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
(Ueber eine mechanische Behandlung der Neural-
gia ischiadica) berichtete Negro in der Turiner medic. Akademie;
das sehr einfache Verfahren ist folgendes: Nachdem der Patient in
horizontale Bauchlage gebracht, werden die unteren Extremitäten
völlig gestreckt und einander zum Contact genähert. Durch Pal¬
pation wird der gewöhulich am meisten schmerzhafte Austrittspunkt
des Nerv. isch. aus der Incis. isch. maj. aufgesucht und der rechte
Daumen fest auf den Truncus isch. aufgesetzt. Nun wird, indem
noch der linke Daumen den Druck des rechten verstärkt, etwa 15
bis 20 Sekunden lang eine möglichst starke Compression ausgeübt
mit leichter seitlicher Vertheilung des Druckes nach allen Richtungen,
ohne jedoch den Angriffspunkt zu wechseln. Dies Verfahren wird
nach minutenlanger Pause mehrmals wiederholt, wobei die Schmerz¬
empfindung bei jedem Male geringer wird. Schon fünf bis sechs
solche Sitzungen, die ein um den andern Tag vorzunehmen sind,
führen zu gutem Resultat. Negro hat mit diesem Verfahren von
113 schweren Fällen, bei denen alle möglichen anderen Curen
erfolglos gewesen waren, 100 geheilt oder doch bedeutend gebessert.
(Zur Behandlung der Akne rosacea.) In einem den
derzeitigen Stand der Rosacea-Behandlung schildernden Artikel em¬
pfiehlt Ernst Heuss in Zürich (Schweiz. Corr.-Bl. 1896 No. 2) als
ein in vielen nicht zu weit fortgeschrittenen Fällen recht wirksames
Mittel die Application kurzdauernder Heisswassercompressen, der
«heissen Abschreckungen»: Entsprechend grosse Compressen oder
Schwämme, in möglichst heisses, gerade noch ertragbares Wasser
(dem bei fetter Haut 2—3 Proc. Borax zugesetzt wird) getaucht und
ausgepresst, werden auf die Nase aufgedrückt und nach 8—10 Se-
cunden (nicht länger) entfernt. Die durch die Hitze eben ad maxi-
mum dilatirten Gefässe verengern sich wieder, die Haut wird blasser,
begünstigt durch Verdunstung des Wassers, worauf (d. h. nach
einigen Minuten, nachdem vollständige Abkühlung eingetreten) die
Procedur wiederholt wird, eventuell noch ein drittes und viertes
Mal. Die Nase wird dann leicht gepudert (bei fetter Haut) oder
eine indifferente Salbe (Cold cream, Zinksalbe etc.) aufgelegt. Oft
erst nach wochenlanger Anwendung dieser «Gefässgymnastik» (wo¬
bei mit Vortheil jeweilen nach 8 Tagen 1—2 Tage pausirt wird)
tritt Besserung ein: die Gefässe bekommen wieder ihren normalen
Tonus, ihre Elasticität, verengern sich, die Nase erhält eine nor¬
malere Färbung. Vortheilhaft wird diese Thermotherapie mit der
medicamentösen combinirt: Morgens heisse Abschreckungen, tags¬
über Puder oder eine indifferente Salbe, Abends z. B. Einreiben
einer 10 proc. Schwefelsalbe.
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192
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 24. Februar. Der «Fall Weber», über den wir im
vorigen Jahrgange wiederholt zu berichten hatten, hat einen für den
Urheber des aus ihm hervorgegangenen Zeituugsscandals, Professor
Finkelnburg, sehr unrühmlichen Ausgang genommen. Der mit der
Untersuchung des Sachverhaltes beauftragte Landesrath Vorster hat
dem Laudesdirector der Rheinprovinz, Dr. K1 e i n, ausführlichen Bericht
erstattet, welcher zu dem Schluss kommt, dass das beigebrachte Material
nicht geeignet sei, den Nachweis dafür zu liefern, dass die Anstalts¬
ärzte sich in Beurtheilung des Geisteszustandes des etc. Weber geirrt
haben, geschweige denn, dass ihnen eine schuldbare Mitwirkung an
einer «widerrechtlichen Internirung eines geistig Gesunden» zur Last
zu legen wäre. Diesem Bericht liegt eine kurze gutachtliche Aeusserung
des Dr. Oebeke vom 9. Januar 18% bei, welche vom psychiatrischen
Standpunkt dasselbe Urtheil füllt. Ferner hat der erste Staatsanwalt
in Coblenz an den hauptsächlich angegriffenen Director der Provinzial¬
irrenanstalt in Andernach, Dr. Nötel, folgendes Schreiben gerichtet:
Coblenz, 29. Januar 189'».
Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich ganz ergebenst mit-
zutheilen, dass die angestellten Ermittelungen nicht den mindesten
Anhalt dafür ergeben haben, dass der Kaufmann Josef Weber aus
Euskirchen widerrechtlich in die Provinzial Irrenanstalt zu Andernach
verbracht oder dort zurückbehalten worden wäre, oder dass eine
andere strafbare Handlung vorliege.
Der Erste Staatsanwalt: Schumacher.
Dass man in Zukunft aufhören wird, überall da, wo es gilt,
die ärztliche Irrenpttege herabzusetzen, Herrn Finkein bürg als
Autorität zu citiien, wagen wir trotz alledem nicht zu hoffen.
— Die Aerztekammer für Brandenburg-Berlin tritt
am 28. d M. zu einer Sitzung zusammen. Zunächst findet, nach
Anordnung des Herrn Oberpräsidenten, die Wahl eines Mitgliedes
und Stellvertreters für den Acrztekammer-Ausschuss statt. Weiter
stehen auf der Tagesordnung zwei Ausschussanträge, von denen der
eine die Gestaltung der Aerztekammern auf gesetzlicher Grund¬
lage fordert und dabei namentlich die Fragen der Erweiterung der
Disciplinargewalt und des Besteuerungsrechtes in's Auge
gefasst sehen will, der andere die Abgabe ärztlicher G u tach teil
für Reclamezwecke als unstatthaft erklärt. Zu dem ersteren
beantragt der Vorstand, in der Erwägung, dass die Wahlperiode der
Kammer zu Ende geht, von einer Beschlussfassung Abstand zu
nehmen, diese vielmehr der nächsten Kammer zu überlassen. End¬
lich soll über den vielumstrittenen Vertrag mit der landwirt¬
schaftlichen Berufsgenossenschaft verhandelt werden. Der
Vorstand beantragt, den bestehenden Vertrag zu kündigen und einen
neuen abzuschliessen, für deu nach den Vorverhandlungen der
Commission, günstigere Bedingungen — Vereinfachung des Formulars.
Erhöhung der Honorarsätze — in Aussicht stehen. (Berl. klin. W.)
— Der GesehäftsausschuBS des Aerztevereinsbundcs hat auf
die Tagesordnung des, wie schon beruhtet, am 2G. u. 27. Juni in
Nürnberg stattfindenden Aerztetages vorläufig folgende Verhandlungs-
gegenstände gesetzt: «Die neue Organisation des ärztlichen Standes
ira Königreich Sachsen auf Grund des obligatorischen Beitritts zu
den ßezirksvereinen, und deren Bedeutung»; ferner «Der Erlass des
k. preuss. Handelsministers betr. den Abschluss von Verträgen der
Krankenkassen mit ärztlichen Vereinen in Bezug auf den Beschluss
des XXIII. deutschen Aeiztetages». Referenten sind für ersteren
Gegenstand Heinze, für letzteren Eulenburg. Sollten sich der
Abhaltung des Aerztetages in i^Ürnberg örtliche Schwierigkeiten
entgegenstellen, so wird derselbe iu Freiburg i. B stattfiuden.
— Dr. Kappeier, der durch seine hervorragende chirurgische
wie literarische Thütigkeit bekannte Leiter des thurgauischen Canton-
spitals in Münsterlingen folgt einem Ruf an das Krankenhaus in
Konstanz. An seine Stelle tritt der Privatdocent der Chirurgie in
Zürich Dr. Konrad Brunner.
— Die österreichische otologische Gesellschaft in Wien ver¬
anstaltet am 28. und 29. Juni 1. J. einen Otologentag, zu welchem
alle deutschen Ohrenärzte geladen werden.
— Der 2. internationale Congress für Gynäkologie und Geburts¬
hilfe findet in der ersten Septemberwoche d. J. in Genf statt.
— Ira Verlag von F. Enke in Stuttgart erschien soeben das
l. Heft eines «Archiv für Unfallheilkunde, Gewerbehygiene und
Gewerbekrankbeiten. Herausgeber sind Baehr-Hannover, Gole-
biewski-Berlin, Brunner-Triest, Bueler-Bonn und Pietrzi-
kowski Prag. Dna Archiv erscheint in zwanglosen Heften von
circa 10 Bogen. Preis des Heftes Mk. 5.—.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 6. Jahreswoche, vom 2. bis 8. Februar 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Bonn mit 32,3, die geringste Sterblichkeit Rostock mit
6,2 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Kassel und Mülhausen i.E.;
an Diphtherie und Croup in Darmstadt, Dessau, Gera, M.-Gladbach,
Magdeburg, Zwickau.
— Frequenz der Schweizer medicin. Facultäten im
W. ß. 1895/96: Basel 148 männliche, 3 weibliche; Bern 162 m.,
Verlag von J. F. Lehmann ln München. — Druck der
41 w.; Genf 167 m., 74 w.; Lausanne 91 m , 9 w.; Zürich 215 m.,
94 w. In Summa 1004 Studirende, 783 m. und 221 w., darunter
623 (607 -f- 16) Schweizer.
(Universitätsnachrichten.) Freibarg i./B. ProfessorBau-
niann hat den an ihn ergangenen Ruf als Nachfolger von Hoppe-
Seyler in Strassburg abgelehnt. — Heidelberg. Stabsarzt Dr. med.
Passow, Assistent an der Charildabtheihing für Ohrenkranke unter
Professor Trautmann, ist als ausserordentlicher Professor an die
Universität Heidelberg berufen worden. Er übernimmt bei dieser
den durch Professor Salomon Moos' Tod erledigten Lehrstuhl der
Ohrenheilkunde.
(Berichtigung.) In dem Artikel des Herrn Privatdocenten
Dr. Seitz: II. Bericht der Serumcommission der ärztlichen Vereine
Münchens sind durch ein Versehen der Druckerei folgende Druck¬
fehler uncorrigirt geblieben: pag. 149 Spalte 1, Zeile 6 v. o. lies:
11..6 und 13.18 Proc. statt mit; p. 149 8p. 1, Z. 25 v. o.: über
200 Fälle statt 900; p. 149 Sp. 2, Z. 25 v. o.: 4 Fülle statt 15; p.
149 Sp. 2, Z. 15 v. u.: Ausbreitungstatt Ausheilung; p. 149 Sp 2,
Z. 14 v. u.: stärker statt sticker; p. 149 Sp. 2, Z. 12 v. u.:
Wiederholung statt Wiederkehr; p. 150 Sp 1, Z. 17 v. o.: am
Stamme statt am Steisse; p. 150 Sp. 1, Z. 12 v. u.: Broncho¬
pneumonie loh. sub. et inf. d. statt erst durch die; p, 150 Sp. 2,
Z. 14 v. o.: speciell statt resp
Ferner ist auf Seite 156 Sp. 1, Z. 40 v. o. statt Mitgliederzahl
zu lesen: Mitgliederzahlungen.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Hans S pörl, approb. 1895, in Neumarkt i.Obpf.
Versetzt: Der Assistenzarzt 1. Classe Dr. Hartmann vom
13. Inf-Reg. zum 7. Inf.-Reg. — Der Assistenzarzt 2. Classe Dr.
Gustav Kn oll (I, München) in den Friedensstand des 13. Inf.-Reg.
Befördert im Beurlaubtenstande: Zu Assistenzärzten 2. Classe
in der Reserve die Unterärzte Joseph Dambleff (Landau), — Dr.
Werner Rosenthal (Erlangen), — Franz Deutschländer —
und Dr. Heinrich Glaser (I. München), — Adam Lotzemer
(Würzburg), — Dr. Robert Moser, — Julius Gotthardt — und
Dr. Gustav Knoll (I. München), — Dr. August Feil (Ludwigs¬
hafen), — Oskar Friede (I. München), — Dr. Hermann Lieb-
städter (Wi)rzburg\ — Dr. Richard l’asquay — und Dr. Rudolf
Exil er (I. München), — Heinrich Sc har ff (Hoft, — Maximilian
Joachim — und Dr Karl Maul (Wür/.burg); — in der Landwehr
1. Aufgebots den Unterarzt Johann Müller (Augsburg).
Abschied bewilligt: dem Stabsarzt der Lnudwehr 1. Aufge¬
bots Dr. Siegfried Egger (Passau) mit der Erlaubnis zum Tragen
der Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Ab¬
zeichen.
Erledigt: Die Stelle des k. Directors der Kreisirreuanstalt
Werneck.
Gestorben: Medicinalrath Dr. Anton Dressier, 81 Jahre alt,
Bezirksarzt a. D. zu Würzburg. — Dr. Max Hubrich, 59 Jahre
alt, Director der Kreisirrenanstalt Werneck.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheitenfdr München.
in der 7. Jahreswoche vom 9. bis 15. Februar 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 10 (14), Diphtherie, Croup
58 (59), Erysipelas 13 (26), Intermiltens, Neuralgia interm. 3 (1),
Kindbettfieber 1 (1), Meningitis cerebrospin. — (2), Morbilli 86 (84),
Ophthalmo-ßlcnnorrhoea neonat. 3 (6), Parotitis epidemica 11 (19),
Pneumonia crouposa 26 (25), Pyaemie, Septicaemie —(—), Rheuma¬
tismus art. ac. 41 (50), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 27 (43),
Tussis convulsiva 18 (14), Typhus abdominalis 2 (-), Varicellen 19 (26),
Variola, Variolois — (—). Summa 318 (370). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 7. Jahreswoche vom 9. bis 15. Februar 1896.
Bevölkernngszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern 7 (7*), Scharlach 4 (1), Diphtherie
und Croup 6 (4), Rothlnnf — (—), Kindbettfieher — (—), Blutver¬
giftung (Pyäinie) — (—), Brechdurchfall 3 (1), Unterleibstyphus 1
(—), Keuchhusten 3 (2), Croupöse Lungenentzündung 5 (3), Tuber-
culose a) der Lungen 20 (20), b) der übrigen Organe 6 (7), Acuter
Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krankheiten 3 (2),
Unglücksfälle 1 (2), Selbstmord 1 (1), Tod durch fremde Hand 3 (—)•
Die Gesarumtzahl der Sterbefälle 193 (166), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 25,4 (21,3), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 18,2 (12,7), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 15,0 (9,6).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Möhlthal er'Beben k. Hof-Buchdruckeroi ln Münchon.
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?
«
i
I
Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich In Nummern von mindestens 2«/*—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M , praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 >).
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresriren: Für die Redaction
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cd. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, G. Gerhardt, W. i. Heinehe, G. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. v. Wlnckel, H.!. Ziemssei,
Frefburg i. B. München. Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 9. 3. März 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ueber die diagnostische Verwerthung der Form und
Vertheiiung der Sensibilitätsstörungen. 1 )
Von Br. Georg Sticker,
Privatdocent für innere Medici» an der Universität Giessen.
M. H.! Sie wisseu, dass wir im Stande sind, bei motorischen
Lälunuugen aus der jeweiligen Gruppirung der gelähmte» Muskeln
einen sicheren Schluss auf die Station zu machen , an welcher
die ccntrifugale Nervenleitung verletzt ist. Nichts ist einfacher
als die Diagnose z. B., ob eine Streeklähmuug der Hand auf
Unterbrechung der isolirten lladialisleitung oder auf Läsion des
Plexus brachialis oder auf Verletzung der Rückenmarkswurzeln,
welche den Brachialplexns versorgen, beruht, wenn im einzelnen
Palle genau auf die Muskeln geachtet wird, welche etwa ausser
dein Extensorencomplex der Hand gelähmt sind.
Das Studium motorischer Ausfallsymptome ist im Wesentlichen
ein Stück angewandter topographischer Anatomie und Physiologie
der centrifugalen Leitungsbahnen.
Ln Gebiete der sensiblen Störungen bat man analoge Be¬
ziehungen der Form uud Vertheiiung der Symptome zu bestimmten
anatomischen Stationen des centripetalen Leitungssystems nicht über¬
sehen. Aber erst seitdem man, namentlich durch Charcot, auf
die eigentbümliche Vertheiiung und Form der hysterischen oder
psychischen Sensibilitätsstörungen aufmerksam geworden ist, fängt der
ärztliche Blick an, sich eu gewöhnen, neben den Sensibilitätsfeldern,
welche durch die Vertheiiung der Hautnerven vorgeschriebe» werden,
auch andere Projectionsfiguren zu sehen und zu würdigen.
Es liegen ans den letzten Jahren eine Reihe physiologisch
experimenteller und klinischer Untersuchungen vor, welche über
die Beziehungen bestimmter Stationen des Nervensystems zur \er-
theilung der Sensibilität in der Haut und in den Sinnesorganen
belehren. Wenn sie auch noch nicht in den feineren Verhält¬
nissen durchaus übereinstimmen, so gestatten sie doch, wie mir
scheint, die Aufstellung bestimmter allgemeiner Regeln und die
Verwerthung der letzteren zu klinischen Zwecken.
Am einfachsten liegen die gedachten Verhältnisse an der
sensiblen Ausbreitung des Opticus. Hier sind sie auch am ehesten
und deutlichsten erkannt worden. Die Ophthalmologen haben uns
längst gezeigt, dass man aus einer bestimmten V ertheilung der
Anaesthesie oder Hyperaesthesie der Netzhaut eineu sicheren Schluss
auf die Stelle der Läsion in der Sehleitung ziehen kann.
Je nachdem die periphere, centrale oder transcorticale Leitung
befallen ist und zu einer partiellen Amblyopie geführt hat, stellt
sich die Figur des negativen Scotoms oder der Gesichtsfeld-
Einschränkung in anderer Form dar.
Die absolute und totale Seelenblindheit für -ein Auge oder
die mehr oder weniger hochgradige concentrisehe Einengung seines
Gesichtsfeldes oder zonuläre Defecte des letzteren sehen wir bei
den sogenannten functioneilen, hysterischen, richtiger gesagt, bei
den psychischen Sehlähmungen.
Das positive halbseitige Scotom, die Amaurosis partialis fagax,
K wie die Ausfallserscheinungen beim sogenannten Flimmer scotom
l ) Nach einem Vortrag in der medic. Gesellschaft zu Giessen.
No. 9.
und bei gewissen epileptischen Aequivalenten andeuten, die Form
der Retinalähmung bei der Rindenerkrankung.*)
Die Hemianopsie ist charakteristisch für die Läsionen, welche
die Leitung von den Schcentren in die Occipitalrinde bis zur
vollendeten Kreuzung der Sehbahnen unterbrechen, und zwar ist,
wenn die Läsion oberhalb der Decussatio nervoruin opticorum liegt,
eine homonyme Hemianopsie, wenn sie das Chiasina selbst von hinten
oder von vorne her trifft, eine temporale Hemianopsie das typische
Merkmal. Erkrankt der Nerv zwischen Chiasma und Bulbus, so
finden wir, je nachdem die Läsion an der Peripherie oder im
Centrum des Nerven beginnt, eine charakteristische periphere
Einschränkung oder centrale Verdunkelung des Gesichtsfeldes: im
ersteren Falle, z. B. bei der retrobulbären Neuritis, eine ungleich-
mässige concentrisehe Einschränkung mit mehr oder weniger tief
eingreifenden sectorenförmigen Defeeten, welche von der Peripherie
'-’) Liebhaber historischer Notizen wird es interessiren, dass
die Localisation des Flimmerscotoms in das Gehirn schon von
Kant getroffen worden ist. Denn man wird nicht umhin können,
die Selbstbeobachtung, welche Kant vor bald 100 Jahren am Ende
seiner Abhandlung: «Der Streit der Facultäten» (179b) in
einer Fussnote zur Nachschrift über das Unwesen in der Wahl der
Buchdruckerlettern veröffentlicht hat, als Migraine ophthalmique zu
deuten und somit Kant in zweifacher Beziehung als einen Vor¬
gänger Charcot's hinzustellen, als Patienten mit Flimmerscotom
und als trefflichen Beschreiber und Deuter dieses Uebels. Ich setze
die Note her:
«Unter den krankhaften Zufällen der Augen (nicht eigentlichen
Augenkrankheiten) habe ich die Erfahrung von einem, der mir
zuerst in meinen Vierzigerjahren einmal, späterhin, mit Zwischen¬
räumen von einigen Jahren, dann und wann, jetzt aber in einem
Jahre etlichemal begegnet ist; wo das Pbaenomen darin besteht:
Dass auf dem Blatt, welches ich lese, auf einmal alle Buchstaben
verwirrt, und durch eine gewisse, über dasselbe verbreitete
Helligkeit ganz unleserlich werden, ein Zustand, der nicht über
6 Minuten dauert, der einem Prediger, welcher seine Predigt vom
Blatte zu lesen gewohnt ist, sehr gefährlich sein dürfte, von mir
aber in meinem Auditorium der Logik oder Methaphysik, wo nach
gehöriger Vorbereitung im freien Vortrage (aus dem Kopfe) geredet
werden kann, nichts als die Besorgniss entsprang, es möchte dieser
Zufall der Vorbote vom Erblinden sein; worüber ich gleichwohl jetzt
beruhigt bin, da ich bei diesem jetzt öfter als sonst sich ereignenden
Zufalle an meinem einen gesunden Auge, (denn das linke hat das
Sehen seit etwa 5 Jahren verloren,) nicht den mindesten Abgang
an Klarheit verspüre. — Zufälliger Weise kam ich darauf, wenn
sich jenes Pbaenomen ereignete, meine Augen tu schliessen, ja um
noch besser das äussere Licht abzuhalten, meine Hand darüber¬
zulegen, und dann sähe ich eine hellweisse, wie mit Phosphor im
Finstern auf einem Blatt verzeichnete Figur, ähnlich der, wie das
letzte Viertel im Kalender vorgestellt wird, doch mit einem, auf
der convexen Seite ausgezackten Rande, welche allmählich an Hellig¬
keit verlor und in obbenannter Zeit verschwand. — Ich möchte wohl
wissen, ob diese Beobachtung auch von Andern gemacht, und wie
diese Erscheinung, die wohl eigentlich nicht in den Augen, — als
bei deren Bewegung dies Bild nicht zugleich mit bewegt, sondern
immer an derselben Stelle gesehen wird, — sondern im sensorium
commune ihren Sitz haben dürfte, zu erklären sei. Zugleich ist es
seltsam, dass man ein Auge (innerhalb einer Zeit, die ich auf etwa
3 Jahre schätze) einbüssen kann, ohne es zu vermissen.» —
Eine noch ältere, vorzügliche Beschreibung des Flimmerscotoms finde
ich in der «Sammlung vonBeobacbtungen ans der Arzney-
gelahrtheit» des Dr. Philipp Geasner (Nördlingen 1769) unter
dem Titel: «Beobachtung einer Nervenkrankheit» Seite 168. «—
Das Leiden betraf einen 13 Jahre alten Knaben.
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194
MÜNCHENER MEDICINI8CHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
Obere Extremität
sc supra clav. ax axil¬
laris cpi cat. post. Bup
cpi cut. post. inf. cmd cut.
medialis cm cut medius
cl cut. later, cp cut pal¬
mar. pu palm. uln. me
median, u ulnaris. r
radialis.
des Gesichtsfeldes ausgehen; im anderen Falle, z. B. bei den
chronischen Intoxicationsamblyopien, das negative pericentrische
Scotom, welches die Fovea centralis einnimmt, oder das para-
centrischc Scotom, welches den Fixirpunct berührt und den
M a r i o 11 e’sehen
Fleck ein- Figur Ia.
s c h 1 i e 8 s t ; letz¬
teres als Ausdruck
der Systemerkrank¬
ung des papillo-
maeuiären Faser¬
bündels.
Ich brauche nicht
zu betonen, dass
diese charakteristi¬
schen Defecte der
verschiedenen Sta¬
tionen durch com-
plicirteLäsionen ver¬
wischt, durch zufäl¬
lige Combinationen
vorgetäuscht werden
können. Kein Arzt
wird sich auf ein
Symptom verlassen,
sondern alle berück¬
sichtigen ; aber ein
charakteristisch aus¬
gebildetes Symptom
benutzt er gerne,
um der schwanken¬
den Diagnose eine
bestimmte Richtung Ausbreitungsfelder der sensiblen Hautnerven,
zu geben. Mit dieser
selbstverständlichen Einschränkung möchte ich nun die folgenden
Erörterungen über die Bedeutung der Form und Vertheilung der Haut¬
sensibilitätsstörungen für die Diagnose des Sitzes der Läsion darstellen.
Wie an der Retina berücksichtige ich auch weiterhin im
Wesentlichen die Figur Ha
Ausfallser¬
scheinungen,
die Anaesthesien
u. Hyperaesthesien,
unter scheinbarer
Vernachlässigung
der Reizerschei-
n u n g e n, der Hy¬
peraesthesien ; ich
sage, mit schein¬
barer Vernachläs¬
sigung, denn sie
unterliegen mit Aus¬
nahme der Schmerz-
und Wärmeempfin -
düng genau den
gleichen Regeln wie
die Lähmungen der
Sensibilität.
Welches die Form
der durch peri¬
phere Nervenlä-
sionen bedingten
Sensibilitätsstörun¬
gen sein muss, ist
klar. Sie werden
mehr oder weniger
den Bezirk aus¬
füllen , der durch
die Endausbreitung eines jeden Nervenastes in der Haut vor¬
geschrieben ist. Wenn wir von den Abweichungen, welche hier
durch collaterale Nervenverbindungen bedingt werden, absehen, so
gibt das nach Henle construirte Schema in Uebereinstimmung
Untere Extremität
ii ilio-inguin li lumbo
inguin se spermat. ent.
cp cutan. post, cl cutan.
later, obt obturat. er
cruralis. sa sapben. epe
comm. peron. cti coram.
tibial. epp. cut. plant
propr. pll plant lat.
mit der klinischen Erfahrung die anatomischen Grenzlinien für
die anaesthetischen Bezirke des Trigeminus, der Cervicalnerven,
Brachialnerven u. 8. w. (Figur Ia u. Ib)
Für die Nervenplexus muss der {Innervationsbezirk und
damit die Ausdeh-
/Figur I b nung der Anaesthe-
sie nach Quertren¬
nung des Plexus dem
vereinigten Bezirk
__ _ der einzelnen peri-
<yw " -•*-• • ~ pheren Componen-
/ / " - -- ten entsprechen. Er
thut es auch, wie
die Praxis lehrt.
Wie man sich
bisher die Form des
anaesthetischen Be¬
zirks gedacht hat,
die der Durchtren¬
nung eines Rücken¬
marksnerven, einer
Plexuswurzel ,
folgen muss, weiss
ich nicht. Vielleicht
haben sich nicht
Viele diese Frage
gestellt. Jedenfalls
lehrt eine einfache
anatomische Be¬
trachtung hier
nichts; sie über¬
zeugt nur, dass die
Ausbreitungsfelder der sensiblen Hautnerven. Verhältnisse hier
von vorneherein
jenseits aller Muthmassung liegen, da sich ja die einzelnen
Plexus aus mehreren Wurzeln zusammensetzen und es auf
anatomischem Wege noch nicht gelungen ist, die räumliche
Anordnung der einzelnen Wurzelzweige in den verschiedenen
Figur II b. Plexusästen zu über¬
sehen.
Wir wissen, dass
der Plexus brachialis
— und an dieses
Paradigma wollen
wir uns halten —
aus den vier unteren
Cervicalwurzeln und
der oberen Dorsal-
wurzel des Rücken¬
marks zusammen -
fliesst; aberweichen
Wurzeln seine Auf¬
lösungen : der Ner¬
vus axillaris, mus-
culo-eutaneus, medi-
anus, radialis, ul naris
in letzter Instanz
angehören, ist uns
nur ungenau be¬
kannt. Jedenfalls
wissen wir durch die
Anatomie nichts
über die musivische
Vertheilung der ein¬
zelnen Wurzeloom-
ponenten an der
Periphere; der Ana¬
tom kann uns die
Projection der Wurzeln oder der ihnen entsprechenden Rücken¬
markssegmente in der Haut nicht darstellen. Hier treten nun die
physiologisch-experimentellen Forschungen und klinischen Beobach¬
tungen der letzten Jahre ein, auf welche ich vorhin deutete.
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8. März 1896-
X
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
195
Figur III.
Es hat sich herausgestellt, dass, während die genannten Nerven-
te ige rhombische Bezirke versorgen, wie die Henle’sche Tafel
sie zeigt, die W uY z e 1 n in Längsstreifen sich auf der Haut pro-
jiciren, so zwar, dass an der Innenfläche wie an der Aussenfläche
des Armes die Haut der ganzen Extremität in schmale Längs-
gtreifen zerfällt, welche von der radialen nach der ulnaren Seite
hin successive von der V., VI.,
VH, VIÜ. Cervicalwurzel und der
I. Dorsalwurzel versorgt werden.
Die Tafel nach Thorburn
und nach Allen Star versinnlicht
diese Verhältnisse für den Arm.
Für die übrigenTheile derKörper-
oberfläche haben die Untersuchungen
Thorburn ’s, Sherrington’s
nnd Head’s die Projectionsfelder
der Spinalnervenwurzeln aufgedeckt
und die klinischen Beobachtungen
von Bruns, Herter, Ross,
Williamson,Egger, namentlich
auch die vortrefflichen Studien von
Uhr haben die Angaben jener
erstgenannten Autoren mit kaum
wescntlichenAbweichungen bestätigt. Schematische Darstellung der Uraschaltung
„ , , . j . der V. und VI. Cervialwurzel m den N.
Das Endergebnis der genannten ax ji] ar i s un( i cutaneus lateralis als Beispiel,
Arbeiten ist in der beifolgenden wie die Verbreitungsfelder der peripheren
Tafel angedeutet, auf welcher die Nerven von den Projectionsfeldern der
Befunde in einem Umriss von Carl Wurzeln zusammengesetzt werden.
Gustav Carus eingetragen sind;
und zwar sind die Verhältnisse an den Armen nach Thorburn
und Starr, am Rumpf nach Sherrington, Head und Lähr,
an dem Gesäss und dem Hüftbezirk nach Starr, an den unteren
Extremitäten nach Thorburn und Starr skizzirt.
(Figur II a und II b.)
Für das Gesäss gebe ich der Tafel von Starr vor der
Thorburn ’ sehen
selbst in einem Falle von Pachymcningitis cervicalis hypertrophica
und in einem Falle von Tabes überzeugt habe.
Die Tafel zeigt also bei einer Vergleichung mit derHenle’-
schcn, wie die Versorgungsgebiete der hinteren Rückenmarkswurzeln
sich wesentlich von denen der peripheren Nervenstämme unter¬
scheiden. Während von diesen im Allgemeinen rhombische
Felder, welche dachschiefer¬
artig sichfolgen, abgetheilt werden,
schneiden jene die erwähnten gür¬
telförmigen oder schlingen-
förmigen Streifen aus der
Hautfläche, die als anaesthetischc
Bezirke beim Untergang der Wur¬
zeln in der Tabes, in der Wirbel-
caries, nach Wirbelfractnren u. s.
w.; als hyperästhetische Bezirke bei
Reizung der Wurzeln im Brown-
Sdquard' sehen Syndrom, im Her¬
pes Zoster, in den visceralen Neu¬
ralgien sich darstellen.
Wie es möglich sei, dass die
Fasern der sensiblen Nervenzweige
im Plexus eine solche Umschaltung
erfahren, dass sie in den Rücken¬
markswurzeln auf die neue Art
gruppirt sind, um streifenfthnliche
Projectionen auf der Haut zu geben,
kann man sich leicht an den ver¬
schiedenen Körpertheilen dadurch zu
Gesicht bringen, dass man eine Reihe von Wurzeln mit ver¬
schiedenen Farben zeichnet und ihren anatomisch bekannten Ver¬
lauf in den Plexuszweigen verfolgt.
Erinnert man sich z. B., dass der Nervus axillaris vom V.
und VI. Cervicalnerven, der Cutaneus medialis vom VII. und VIII. C.
und vom I. Dorsalnerven, der Cutaneus medius vom VII. und
VIH. C., der Cu-
Figur IV a.
Einige Formen der
Sensibilitätsstörun-
gen bei der Hysterie.
d«n Vorzug, da in
ihr für die Sacral-
wurzeln genau das
Princip der Ver-
theilung wieder¬
kehrt, welches an
allen anderen Kör¬
pertheilen sich
iOBsert, nämlich die
Vertheilung der Sen¬
sibilität inl^Gür-
t e 1 - oder Schlin¬
genform, die ja
am Rumpf ohne
Weiteres ersichtlich,
aberauch8onst leicht
aufzufinden ist. Man
sehe nur i. B. wie
der vom VI. Cervi-
calast innervirte
Streifen^ von der
Schal terblattgegend
die Streckseite des
Annes entlang über
Daumen und Zeige-
%er continuirlich
nach der Beugeseite
sich hinüberzieht,
um dnreh die Ellen- (F r0 3ectionsfel der der transcorticalen Leitung?)
^Dge gegen das
Acromialende des Schlüsselbeins und weiter über die Brust von
er einen Seite zur anderen in einem Zuge sich fortzusetzen.
Dnd so alle übrigen.
Die Tafel^ soll das Princip darstellen; sie wird fraglos im
kleinen noc ^ manche Aenderung nöthig haben ; im Grossen nnd
'anzen kann sie als zuverlässiges Schema dienen, wovon ich mich
Figur IV b.
Einige Formen der Sen¬
sibilitätsstörungen bei
der Hysterie.
taneus lateralis vom
V., VI. nnd Vn. C.
seine Fasern erhält
und leitet auf einer
Zeichnung die ver¬
schieden gefärbten
fünf Wurzeln durch
jene vier Nerven
hindurch bis in die
peripheren Ausbrei¬
tungsgebiete der
letzteren, so sieht
man leicht, wie in
verschiedenen
Höhen die einzelnen
S treifen abschn itte
der Wurzelfelder
sich über die Gren¬
zen der Zweigfelder
hinweg verbinden
können.
(Figur IIL)
So viel über die
typischen Anästhe-
sieformen der Wur¬
zelläsionen.
Gehen wir in der
(Projectionsfelder der transcorticalen Leitung?) weiter aufwärtß) ^
wissen Sie, m. H.,
dass die Paraanästhesie ein nothwendiges Symptom der Quer¬
schnittläsion des Rückenmarks ist. Sie verstehen die
eigenthümliche Vertheilung der Sensibilitätsstörungen bei der Halb¬
seitenläsion Brown-Sdquards, in welcher Hemianästhesie der
Querschnitthalbtrennung und anästhetischer nnd hyperästhetischer
Gürtel der Wurzellftsion (welcheTrennung und Reizung verschiedener
i
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196
monchener medicinische Wochenschrift.
No. 9.
. . ■ kennen die Hemianiisthcsic
sensiblen Körperbahnen. in dem hinteren Drittel des
(wc, ' ig a tr ue^nU*m
“lendeten Ausbildung eine wirklich totale ist mit scehschcr
Unwegsamkeit der transcortiealen Bahnen <«r Grundlage haben
s:t£srrs.;Ä
Formnicrkmal ist, dass ihre Begrenzung immer senkrecht
d “ SLm unästhetisch oder h.vpe«sthetiseh
i oin Tbpil derselben immer endet die Anästhesie
senkrecht aur GlWuxe od^rhaupt
aur Nervenlänge steht. ^ „ehe in
für die Retina, kurz überall. wie eine einfache Überlegung
Nervennchtungen^i zeigt.« QM „ C dncg hysterisch» Mri-
duums anästhetisch, so entspricht die Ausdehnung der Anästhes e
immer einer Vorstellungseinheit, nimmt also da. K lenbogen,
Schulter, das Knie ein u. s. w„ immer nieder mit jener
Längsrichtung des Körperteils senkrechten B J^«.
Im Gegensatz zu den Ncrvenzweigen und den Rücheumar
wurzeln, deren Projectionsfelder der Löngsansbrntung der.Nerven
folgen, liefert also das transcorticale Leitungssystem sensible Ab
schnitte, welche auf jener Richtung senkrecht begrenzt sind.
(Figur IV a und IV b.)
Nur ein Tlieil des Nervensystems theilt mit dem transcorti-
calen Gebiet jene besondere Anordnung der Projectionsfelder: das
centrale Höhlengrau des Rückenmarks, wie wir be, der .yrmgo-
myelie sehen; doch ist nicht zu vergessen , dass d e sensiblen
Störungen bei dieser in Form der bisher von uns
Analgesie und Thermoanästhesie erscheinen und cs spricht \ iclcs
dafür, dass diesen Sensibilitätsqualitäten ein durchaus von der
centripetalen Gehirnleitung verschiedenes Leitungsorgan dient.
Sicher dürfte, nebenbei bemerkt, der Streit über die Identit.i
oder Verschiedenheit der Syringomyelie und der Morvan sehen
Krankheit und über die Beziehung der letzteren zur Lepra anae-
sthetica durch das Studium der Sensibilitütsfelder in den hin-
gehörigen Fällen zu schlichten sein. Im einen hall muss die
Vcrtheilung wesentlich verschieden sein von der im anderen 1-alle,
im letzteren wäre der Typus, welcher der Neuritis entspricht, zu
erwarten. . , ..
Ich fasse kurz zusammen: Die peripheren Nerven versorgen
die Haut nach dem Schema von Heule, die Rückenmarkswurzeln
nach dem Schema, welches sich aus den Angaben von Thor-
bum, Head, Starr, Lähr u. A. combimrcn lässt. VVie
die einzelnen sensiblen Rückenmarksbündel und Stabkranzbündel
auf die Haut sich projiciren, wissen wir nicht; wir kennen nur
die Läsionen ihres ganzen Querschnittes. Das transcorticale Organ
schneidet aus der sensiblen Peripherie geometrische Figuren, deren
äusserste Grenzen wie Amputationsschnitte liegen und deren Aus¬
dehnung über Vorstellungscinheitcn am Körper sie zu Functionen
des Seelenorgans stempelt.
Alle diese Tliatsachen weisen auf eine gesetzmüssige für ver¬
schiedene Stationen der Nervenleitung wechselnde Anordnung der
anatomischen Elemente hin und beweisen, was die Hysterie angeht,
dass diese Krankheit anatomischen Gesetzen folgt, dass sie ihren
anatomischen Ort (als solcher bleibt nur das Associationssystem)
besitzt und sieh also nicht, wie selbst der auf neurologischem
Gebiete nicht hoch genug zu schätzende Möbius meint, im
Widerspruch mit der anatomischen Anordnung befindet, sich über¬
haupt einer anatomischen Gesetzmässigkeit entzieht , sondern nur,
da s wie und weil für die verschiedenen Abschnitte verschiedene
Gesetze der Verkeilung bestehen, auch die Hysterie, reaktive
das Organ der Hysterie, die transcorticale laserleitung, dir be¬
sonderes Verthcilnngsgesctz hat.
Wie die Form partieller Sensibilitätsfelder an den Eingeweide
sei ist nicht ergründet. Leber die Ausbreitung der hysterischen
Hyperästhesie an den Bauchorganen kann ich nach einer grosseren
Reihe von Untersuchungen in der Giess euer Klinik, deren
Ergebnisse ich im Oktober des vergangenen Jahres an die Zeit¬
schrift für klinische Medicin geschickt habe mich kurz dalim
äussern dass sie sich genau auf das ganze Organ in jedem Auv
dehnungszustai.de gleichmässig erstreckt, so dass bei der hyste-
rischen*"Magenhvperästliesic der ganze Magen, innen und aussen
bei der hysterischen Leberhyperästhesie die ganze Leher soweit
sie der Palpation und Percussion zugänglich ist, überempfindlich,
an allen Stellen gleichmässig überempfindlich erscheint. Dasselbe
gilt für die Harnblase, den Rauchfellsack.
Damit unterscheidet sich der hysterische Magenschmerz durch¬
aus von jeder localen schmerzhaften Magenaffection, besonders
von. (1 cschwürschinerz, hei welchem die Empfindlichkeit mehr oder
weniger scharf localisirt ist, jedenfalls einen Knotenpunkt hat
Damit unterscheidet sieh die Leberhyperästhes^
Cliolclithiasismaskc der Hysterie als eine wesentliche T h e.lcrsthci
nung aufzutreten pflegt, vom spastischen, vom entzündlichen,
vom ueuralgiformen Gallcnsteinschmerz u. s. w.
Dass die * tiefe v Empfindlichkeit bei der liystenschen Hype
asthesie des Magens nicht mit der oberflächlichen Ilautcmpfindlid.-
keit hei dem (an die Intcreostal-Musciilatur sich
eostalsclimerz livstcrischer Personen verwechselt werden darf bc
dürfte keiner Erinnerung, wenn ich nicht dieses M.ssverständn.ss
hei Anderen erlebt hätte.
Literaturangaben:
„„rssrffjSÄi«TssrÄfääs
to the pain of visceral disease. Bram 18.'o. (l •
für Nervenheilk. u. Psych. 1894 Februar)
William Thor bum. The sensory distnbution of spinal
Ludwfg Ä ßros, Ueber einen Fall totaler traumatischer Zerstörung
dis Rückenmarkes an der Grenze zwischen Hals
Porsalniark. Archiv für Psychiatrie Bd. XXV. 1L89d. ^
Allen Starr. Local anaesthesia as a guide in t ,094
les ons of the u PP er portions of the spinal corL Bam > 8 k
Gilles de la Tourette. Die Hysterie 1 nach den Lerne“
Salpetrige. Deutsche Ausgabe v0 " ^YnhS^orealisu^dihre
Max Lähr. Ueber SensibilitätMtöranjjn bei^
Localisation (aus Jolly s Klinik). Arcniv
Georgs ticket Krüge zur Hysterie. Zei.schrilt für kW*
Medicin 1896.
Ueber jodhaltige Organismen und deren arzneiliche
Anwendung.
Von Professor Erich Harnack in Halle.
Die ebenso überraschende wie wichtige Entdeckung Baa
..n.V), nach welcher die normale Schilddrüse Warn
blüters eine zugleich auch physiologisch wirksame «ga h ^
stanz beherbergt, die mindestens 10 1 roc. Jod g cine
Bindung enthält, lenkt unsere Aufmerksamkeit zurdc ^
Anzahl thierischer und pflanzlicher Organismen, d arznci .
ältere Heilkunde vor Entdeckung des Jodes viclfac
liehen Zwecken bediente. . . , Organismen
Es ist längst bekannt, dass ganze (e.rfach.twJ Orpn. ^
oder gewisse Organe complicirtcrcr Organismen bef ® , d , h.
stimmte Elemente in organischen Verbindungen anzu ’ nnUJlg
(wie B a u m a n n sich ausdrückt) « einen in ungeheur eine
dem Körper zugeführten Stoff selectiv aufzusjieichern
i) Baumann, Zeitschr. f. physiol. Chemie. XXI. pag. 319-
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3. März 1896-
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
197
functionell wichtige Verbindung überzuf(ihren ». Diese Fähigkeit
der organisirten Materie kommt in besonders augenfälliger Weise
zur Erscheinung gegenüber einem Elemente, wie dem Jode, das
auf unserer Erdoberfläche zwar, wie es scheint, verbreitet, aber
durchweg nur in winzigen Mengen verbreitet ist.
Die Fähigkeit, bestimmte Elemente anzusammeln, ist in
hohem Grade auch gewissen im Meerwasser lebenden thierischen
und pflanzlichen Organismen eigentümlich, und für das Jod ist
diese Thatsache schon lange bekannt. Sie steht zur Entdeckung
des Elementes (1811) in nächster Beziehung.
Die alte Medicin hat sich, was in hohem Grade interessant
ist, schon viele Jahrhunderte vor Entdeckung des Jodes rein
empirisch dieser dem Meere entstammenden jodreichen pflanzlichen
und thierischen Organismen zu Heilzwecken, namentlich gegen
Kropf, Drüsenaffectionen, Skrophulose etc. bedient. Von Süss¬
wasserorganismen kommen nur wenige (wie Spongia fluviatilis) an
Jodreichthum jenen Meeresproducten nahe und wurden daher auch
bei weitem nicht in dem Umfange arzneilich verwendet. In der
Asche der Landpflanzen pflegt die Jodmenge weit geringer zu sein,
obschou es keineswegs ganz fehlt.
Das erste und älteste jener jodhaltigen Mittel ist die aus
dein gemeinen Badeschwamm bereitete Schwa in mkohle (Spongia
uiarina usta, seltener Spongia fluviatilis usta), die heute noch in
der französischen und griechischen Pharmakopoe enthalten ist.
Richtiger ist die Bezeichnung S p o ii g i a e tostae; denn es findet
sich ganz übereinstimmend die Angabe, dass die Wirksamkeit des
Präparates, speciell gegen Kropf, eine weit grössere sei, wenn
der Schwamm nicht zu kohlehaltiger Asche verbrannt, sondern
nur nach Art der Kaffeebohnen in einer Trommel bei gelindem
Feuer geröstet würde. Die Pharm. Gail, schreibt vor, dass er
dabei nicht mehr als , (4 seines Gewichtes verlieren soll, was
allerdings mit einiger Genauigkeit schwer zu erreichen ist. s )
Dieser Umstand weist darauf hin, was auch durch andere That-
sachen, durch die Untersuchung des »Schwammes 5 ) selbst, nahezu
sichergestellt ist, dass das Jod sich in dem Organismus nicht als
Jodmetall, sondern in fester organischer Bindung befindet 4 ). Man
könnte meinen, dass die Vorschrift, den »Schwamm nicht zu stark
zu rösten, nur den Zweck verfolge, ein theilweises Verdampfen
flüchtiger .Jodverbindungen zu verhüten; indess ist die Schwamm-
aschc so reich an Basen (Calcium, Magnesium, Natrium), dass
ein solcher Vorgang kaum zu befürchten ist. Wenn aber wirklich
die organische Jodverbindung, wie sie der Organismus des Schwammes
bildet, arzneilich wirksamer ist als das Jodmetall, so ist diese That¬
sache von hervorragendem Interesse und stimmt mit den bei der
Schilddrüsentherapie gewonnenen Erfahrungen vollständig überein.
Auf letzteres macht auch Baumann aufmerksam; es heisst in
seiner Mittheilung (1. c. p. 326): «Wir . . . können eine einfache
Erklärung der Thatsache geben, die allen Beobachtern bei der
Ndiilddrösentherapie zunächst auffiel, dass nämlich die Wirkung
der »Schilddrüsen überraschend schnell sich zeigt und viel früher,
aD es bei der Jodbohandlung der Fall ist, eintritt. Denn die
Zufuhr von Jod von Aussen ermöglicht oder begünstigt nur die
ßildung desjenigen »Stoffes, welcher in der normalen »Schilddrüse
producirt wird und durch die Schilddrüsentherapie fertig gebildet
dem Stoffwechsel zugeführt wird. Es handelt sich dabei offenbar
a ) }gl Hirsch, Universal-Pharmakopöe 1890, pag. 653. —
nr einige Pharmakopöen schreiben die Verbrennung in gut ver-
8cnios8enem Tiegel vor; andere (z. B. Ph. Badens. u.Württ.) erwähnen
aosrtrückhch, dass die »Schwämme nicht zuvor mit Chlor gebleicht
em dürften. Bei der die Jodverbindungen zerstörenden Kraft des
' lora ist diese Vorschrift wohl begreiflich.
IT _,)*8l. A. Vogel, Repertorium f. d. Pharmacie. Bd 102 (3. R.
H- Bd.) 1049 , pag. 118.
) Wahrscheinlich gilt dies nicht bloss vom Jod, sondern von
allen sogenannten anorganischen Elementen, welche nach der land-
u ügen Bezeichnung die «Asche* der Organismen und ihrer Theile
zusammensetzen. (Vgl. Harnack, Zeitschr. f. physiolog. Chemie.
‘ P a fr 300. — Nencki, Archiv f. exp. Path. u. Pharm. 34.
VrfJ j)' werc * en Körper theils zur Bildung organischer
eroindungen verwendet, theils verbinden sie sich mit solchen in
® . r . °der weniger fester Weise In ersterer Hinsicht ist auf das
"©«spiel des Eisens, 8chwefels and Phosphors, in letzterer auf das
r® Calciums, Kaliums, Natriums etc. und wahrscheinlich auch des
,7, ors hinzuweisen. Was das Jod anlangt, so scheint beides mög-
■ich zu sein.
No. 9.
nicht um eine Wirkung des freien Jods oder eines Jodsalzes,
sondern um die Bildung derjenigen specifischen organischen
Jodverbindung, welche wir in dem Thyrojodin soweit als möglich
isolirt haben. Dieser Vorgang scheint ganz ähnlich demjenigen
der Aufnahme des Eisens zu sein, dessen Wirkung dem Organismus
auch erst dann zu »Statten kommt, wenn es in diejenige organische
Eisenverbindung, aus welcher der Blutfarbstoff bestellt, übergeführt
ist». 5 ) Die obige Thatsache, soweit sie als sichergestellt angesehen
werden darf, ist sicherlich von hoher principieller Bedeutung für
die Beurtheilung der arzneilichen Wirkungen des Jodkaliums.
Wenn wir den gleichen, nur quantitativ verschiedenen Heilerfolg
(bei Struma) eintrete)« sehen , gloichgiltig, ob wir eine organische
Jodverbindung oder freies Jod, resp. freie Jodwasserstoffsäure oder
Jodkalium etc., anwandten, so ist doch klar, dass es dabei im
Princip auf die Wirkung des Jod-ions ankouimt, welches wahr¬
scheinlich im zweiten und dritten Falle in eine wirksame Ver¬
bindung erst im Körper übergeführt wird. 0 ) Es ist dies wohl
genau ebenso, wie wir von der Wirkung des Quecksilber-ions
sprechen, gleichgültig, ob wir freies Quecksilber oder dessen Chlorür,
Chlorid etc. in den Körper einführen. Das war auch von Anfang
an, seit Entdeckung des Jodes und Jodkaliums, die Auffassung
der Praktiker: das Jodkalium wurde stets als ein Jodmittel an¬
gesehen und bezeichnet . Die pharmakologisch - wissenschaftliche
Auffassung der letzten Decennien war dagegen mehr geneigt, hoi
der arzneilichen Wirkung des Jodkaliums die sogenannte « »Salz¬
wirkung» in den Vordergrund zu stellen. Zugleich freilich bemühte
man sich nachzuweisen, dass und aus welchen Gründen an ein¬
zelnen »Stellen im Körjier Jod aus dem Jodkalium in Freiheit
gesetzt würde (Buchheim, Binz u. A.). Dieser Bemühungen
bedarf es nun nicht mehr, und der Begriff der « Salzwirkung >•
muss auf Grund der modernen Errungenschaften der theoretischen
(physikalischen) Chemie nicht unwesentlich modificirt werden. Wir
wissen jetzt durch die Arbeiten von Oswald, Arrhenius u. A.,
dass durch die blosse Lösung in Wasser die neutralen, einfachen
»Salze in ihre Jonen zerlegt werden , um so mehr, je verdünnter
die Lösung ist, so dass also bei der Jodkaliumwirkung das Kaliuni-
und das Jod-ion gleichzeitig wirken. Die Frage ist demnach gegen¬
über dem Jodkalium nur die, wieweit die Wirkungen des Jod-ions
modificirt werden, wenn gleichzeitig äquivalente Mengen des Kalium-
ions in den Organismus eingeführt werden. Das chemische Ver¬
halten des Jod-ions ist in der That unter diesen Bedingungen
nach vielen Richtungen hin ein anderes, aber das lieht die Wir¬
kungen des Jod-ions im Organismus nicht auf. Letzteres wirkt,
wenn in Form von KJ in den Körper gebracht, iu subtilerer,
milderer und in nicht so acuter Weise. Es ist das für den
therajieutisehen Effect, bei dem cs meistens auf Gewebswirkungen
ankommt, von besonderer Bedeutung, und das Jod erzeugt als K J
weit weniger leicht Vergiftungen, als wenn es in gewissen anderen
Verbindungen oder in freiem Zustand eingeführt wird.
Die obige Frage haben wir uns übrigens bei der Wirkung
eines jeden löslichen Neutralsalzes vorzulegen, z. B. auch für das
Chlornatrium, wo ihre Beantwortung zugleich von physio¬
logischer Bedeutung ist. Die durch die Lösung getrennten Jone,
das Chlor- und das Natrium-ion können jedes für sich an
& ) Diese letztere, auf die Eisenwirkung bezügliche An¬
schauung Bau mann’s würde ich selbst dann nicht ganz zu theilen
vermögen, wenn statt «besteht» das Wort «entsteht» gesetzt wäre.
Ich würde sagen: wenn es in die wirksame organische Eisenver¬
bindung übergeführt ist. Die wirksame braucht aber nicht die zu
sein, aus welcher der Blutfarbstoff entsteht, d. h. das arzneilich
wirksame Eisen braucht nicht zu Hämoglobin zu werden. Sonst
würden wir z. B. nicht begreifen, warum auch das Arsen gegen
Chlorose wirksam ist, ohne ein normaler Bestandteil deB Körpers
zu sein (wenigstens soweit bisher bekannt; vielleicht entdeckt man
noch einmal Arsen in irgend einer Organverbindung V). Wahrschein¬
lich regen Eisen wie Arsen, nachdem sie in die wirksame Verbindung
übergegangen, nur die Hämoglobinbildung in den bezüglichen Or
ganen aus dem eisenhaltigen Material der Nahrung u. s. w. an
ohne dass ersteres notwendig selbst in Hämoglobin tiberzugehen
braucht. Eisensalze regen auch in der Pflanzenzelle die Bildung
des eisenfreien Chlorophylls an.
# ) Für die Jodwirkung kommt es natürlich darauf an, ob es
eine Jodverbindung ist, aus der das Jod-ion im Körper in die wirk¬
same Verbindung übergeführt werden kann. Dasselbe gilt auch vom
Chlor etc.
2
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
199
r
3. .März 1896-
nicht ohne Interesse ist; auch der Leberthrau 1 *) scheint immer
eine kleine Menge Jod zu enthalten. Dass man auch Taubenmist,
Schlangenfett, Maulwurfsasche und selbst calcinirte menschliche
Nabelschnur u. dcrgl. angewendet hat. sei nur beiläufig erwähnt.
Was die jodhaltigen Mittel vegetabilischer Herkunft
anlangt, so ist in erster Linie der sogenannte Aethiops vege-
tabilis zu nennen, dargestellt durch Verkohlen von Seetangen,
lesonders Fucns filurn und vesiculosus s. Quercus marina (Meer-
ciche), dessen Asche den sogenannten Kelp (Varek oder Meergras-
asohe) bildet. Seine Bestandtheile sind wesentlich dieselben , wie
bei Spongia usta, nur treten die Kalksalze zurück. Andere jod¬
haltige Seealgen, wie Sphaerococcus confervoides und das
als Wurm nt oos (Hel mint hoch or ton) bezeichnet«“ (lernen ge,
wurden namentlich von Italien (Venedig, Corsika, letzteres von
Najxdeon I.) aus empfohlen, während man sich in Indien der
ziemlich jodreichen calcinirten Lam i n ari a Saccharina bediente.
Auch die bekannte Laminaria digitata ist jodhaltig. Ueber die
sogenannten Meerballen (Pilae marinae) ferner bemerkt Län¬
derer 16 ), dass sie die Basis von Zostera marina 17 ) als Fasern
umgeben, durch die Wellen losgerissen und in einander verwickelt
werden. Sie dienen im gedörrten oder verkohlten Zustande wegen
ihres Jodgohaltea als Heilmittel gegen Hypertrophien der Milz,
Brüscngeschwülste, Kropf etc., auch in Form von Kataplasmcn.
Besonders häufig kommen sie auf einigen türkischen Inseln,
namentlich Lemuos und Kreta vor.
Von Landpflanzen ist die T a b a k s a s c h e 18 ) zu nennen,
deren sieb die ältere Mcdicin l>ei Struma und Skrofeln bediente;
vielfach hat man behauptet, auch der Tabaksrauch enthalte kleine
Mengen von Jod. Ausserdem empfahl die alte Therapie zahlreich« 1
Arzneipflanzen 1D ), in Betreff deren es lohnend sein könnte, zu
untersuchen, ob sie etwa jodreiclier sind als andere ihrer Art.* 0 )
Die Fähigkeit, Stoffe, welche in dem ihn umgebenden Meer-
wasscr nur in ungemeiner Verdünnung enthalten sind, in sieh
aufzusamuieln, besitzt der Badeschwamm nicht nur gegenüber dem
Jod, sondern auch gegenüber dem Eisen. Als ich zufällig
einige besonders grosse Schwamm.steine der hiesigen pharmako¬
logischen Sammlung chemisch untersuchte, in Hinsicht darauf,
dass auch diese an Stelle der Schwammkohle von der älteren
Medicin gegen Struma etc. verordnet wurden, gelang es mir nicht,
Jod in denselben aufzufinden, auch nicht einmal in Spuren, wohl
aber fand ich einen recht beträchtlichen Eisengehalt. Die erste
quantitative Bestimmung in dem lufttrockenen Stein ergab :
3,53 Proc. Eisenoxyd
= 2,86 Proc. Eisen
Später fand ich eine ältere Analyse der Schwaminsteine
von Bley* 1 ), wonach dieselben ungetrocknet:
48.4 Proc. kohlens. Kalk,
39.4 Proc. kohlens. Maguesia,
2,75 Proc. Eisenoxyd
enthalten. Proust (cf. oben) gibt «len Eisengehalt der Schwämme
selbst auf
2,87 Proc. Eisenoxydul
,b ) de Jongh (die drei Sorten deB Leberthrans. Leipzig
1844) beträgt der Jodgehalt 0,03—0,01 Proc. und zwar zweifellos in
organischer Bindung.
IS ) Länderer, Büchners Repertor. d. Pharm. Bd. 108. pag. 80.
1851.
IT ) Auch von Posidonia oceanica oder Täuidium oceanicum,
röanzen, die einen Rasen auf dem Meerboden bilden.
') Vgl. Schröder, thesaur. pharmacol. pag. 688.
) Genannt werden: Folia u. Semen perfoliatae (perfoliata
™gans8ima 6. arvensis. Durchwachs, Bruchwurz), Fol. rutae murariae
jöteinraute, auch Adiantum s. Capillus Veneris genannt), Fol. Senecii
Areuzwnrz oder Grindkraut), Fol Verraicularis (Sedum minimum,
^werpfeffer), Umbilicus Veneris (Nabelkraut), Radix Bardanae
‘«or (Klette), Radix Cyclaminis, Radix Verbenae, Radix Scrophu-
'»nae-Cortex Mandragorae u. a.
rflo ^ ein 8*hendeten quantitativen Jodbeßtimmungen in Meer-
p anzeu hat zuerst Sarphati in Leiden (vgl. Büchners Repert. d.
inii™ - u' *®37. P a 8- 393) ausgeführt. Nach ihm enthalten die
ickL 61 - 8t ^ n P^ anz en 0,1 bis 0,2 Proc. Jod, also doch erheb-
JTnJ ,eD L? er as d er Badeschwamm. — Sarphati fällte das Jod mit
m und w °g al» Kupferjodür.
n»'a n ey » Trommsd. n. J. XXVI. pag. 287 (publicirt in Buch-
8 ««Pertor. der Pharmacie. Bd. 49. 1834. pag. 262).
an. Aber alle diese, an sich recht gut übereinstimmenden Zahlen
sind zu hoch, da sie den Cudialt an Eisen und Thon erde
zusammen angeben. Bei der Trennung beiiler von einander **)
ergab sich in den Schwammsteinen :
2,19 Proc. Eisenoxyd
= 1,53 Proc. Eisen.
Die Differenz von 1,34 Proc. gegen die erste Bestimmung 011t-
spricht dem Gehalt an Thonerde. Der Eisengehalt des Meerwassers
ist ein überaus geringer, kaum nachweisbarer und gegenüber dieser
verhältmssmüssig bedeutenden Eisenmenge in den Schwämmen und
deren Kalkconcrementen muss die Frage aufgeworfen werden,
ob der Schwamm nicht den Pflanzen gleich befähigt ist , das
Eisen aus den Bestandteilen des Meerbodens, auf dem er wächst,
aufzunehtnen. Oh hei der Verordnung der Schwammkohle und
Schwainmsteine das Eisen nicht auch in therapeutischer Hinsicht
in Betracht zu ziehen ist, lässt sich schwer entscheiden. Wahr¬
scheinlich findet sich das Eisen zum grössten Theile als Silicat
vor, von welchem wohl nur der allerg(*ringste Theil zur Resorption
und zur Wirkung kommen dürfte. l»d«\ss ist cs doch wohl
möglich, «iass bei «1er Wirkung der von «1er alten Medicin so
hoch geschätzten Schwammkohle bei Struma etc. gleichzeitig drei
verschiedene Agentien in Betracht kamen, nämlich die Ver¬
bindungen dos Judos, des Calciums (Magnesiums) und des Eisens.
Die ganze Geschichte der Anwendung jodhaltiger Heilmittel
ist eine der interessantesten in der Geschichte der Heilmittel
überhaupt; von der Anwendung des Jodes in Organismen ist vor
600 Jahren «lie Heilkunde ausgegangen und in unseren Tagen
wi«‘der zu derselben zurüekgokehrt, nur dass es damals niedere
Organismen waren, heutzutage hochurganisirte sind. Wird zu
unserer Zeit die praktische Heilkunde von Chemie und Physiologie
befruchtet, so bildete sie seinerzeit das Fundament, auf welchem
sich die wichtigsten chemischen und physiologischen Errungen¬
schaften aufhauten.
Halle, im Februar 1890.
Ein geheilter Fall von acuter Osteomyelitis der
linken Hand.
(Heilungs-Resultate nach 6 Jahren controlirt durch die
Rö ntgen’schen Strahlen.)
Von Dr. Hugo Stcrnfchl, prakt. Arzt in München.
Die Rön tgen’sche Entdeckung hat in der ganzen Welt,
besonders aber in ärztlichen Kreisen, berechtigtes Aufsehen erregt
und alsbald suchte man nach einer praktischen Verwerthung der¬
selben ; insbesondere diente dieselbe schon vielfach zur raschen
Auffindung und dadurch sicheren Entfernung von in den Körjjer
eingedrungenen Fremdkörpern, wie Nadeln, Nägeln, Projectilen u.s.w.
Dessgleichen hat dieselbe bereits vielfach Verwerthung gefunden
zur Controlc betreffs des Heilungs-Vorganges nach vorausgegangenen
Verletzungen der Extremitäten, wie Fraeturen u. s. w. Im Nach¬
stehenden nun soll ein Fall mitgetheilt werden, welcher «lie Ver-
werthbarkeit der Röutgcn’schen Strahlen zur Contmle betreffs
des Heilungs-Vorganges hei chirurgischen Erkrankungen
der Knochen und Gelenke, hier speeiell des Wiederersatzes von
Knochen, die in Folge von Erkrankung au acuter infectiöscr
Osteomyelitis nekrotisch geworden waren, illustriren soll. Der
Fall ist in Kürze folgender:
Am 4. November 1889 erkrankte die Patientin, ein Mädchen
von 13 Jahren, plötzlich, nachdem Tags zuvor bloss über ziehende
Schmerzen in der linken Hand geklagt worden war, unter den
schwersten typhösen Erscheinungen, während sich die Schmerzen
in der linken Hand colossal steigerten, ohne dass zunächst äusser-
lich das Geringste (Röthung oder Schwellung) wahrgenommen werden
konnte. Bloss bei Berührung, besonders der Gegend des Metacarpus
22 ) Der zermahlene Stein wurde mit 8oda und 8alpeter geglüht,
der Rückstand mit HCl ausgezogen, die Lösung mit NHs und
Schwefelammon gefällt, der Niederschlag nach 24 Stunden gesammelt,
ausgewaschen, in HCl gelöst, die Lösung in heisse Kalilauge ge¬
gossen, der Niederschlag nach dem vollständigen Ausscheiden ge¬
sammelt, ausgewaschen und geglüht.
2 *
l
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200
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
i
i
♦.
des Zeigefingers, bestanden die heftigsten Schmerzen, so dass die
Hand nicht die leiseste Bewegung oder Berührung gestattete. Bis
zum andern Tag trat jedoch schon starke Schwellung des Hand¬
rückens auf, welche sich auch auf das Handgelenk und den Vorder¬
arm erstreckte, wobei die oberflächlichen Weichtheile noch ganz
unverändert waren, abgesehen von der teigigen, ödematösen In¬
filtration und dem stärkeren Hervortreten der Hautvenen. Die
Schwellung der Hand und des Armes nahmen in dem Maasse wie
die schweren Allgeraeinerscheinungen von Tag zu Tag zu, so dass
kein Zweifel bestehen konnte, dass wir es hier mit einer schweren
Phlegmone und Periostitis der linken Hand und des Vorderarmes
zu thun hatten, deren Ursachen allerdings zunächst vollkommen un¬
bekannt waren, da dieselbe ganz spontan, ohne jedes vorausgegangene
Trauma und ohne jede nachweisbare vorausgegangene Infection
entstanden war. Am 6. Tage der Erkrankung (am 10. November)
wurde von Herrn Prof. Klaussner eine ausgiebige Spaltung der
Streck- und Beugeseite der linken Hand und des linken Vorderarms
gemacht, wobei sich bereits zeigte, dass silmmtliche Knochen des
Metacarpus und ('arpus sowie Radius und Ulna im unteren Drittel
durch den massenhaften Eiter von Periost entblösst waren. Durch
die Entlastung der Gewebe trat wenigstens ein Nachlass der
Schmerzen und bald auch ein geringer Nachlass der schweren All¬
gemeinerscheinungen ein (Fieber, Kopfschmerz, Insomnie, Delirien),
die jedoch noch immerhin so sehr gefahrdrohend erschienen, dass
die Amputation der Hand, um das Leben zu retten, in Frage kam.
Glücklicherweise jedoch Hessen die lebensbedrohenden Symptome
allmählich nach und die locale Erkrankung wurde unter fortgesetzter
streng antiseptischer Behandlung wenigstens so weit gebessert, dass
ein Stillstand der acuten Erscheinungen eintrat und schliesslich,
nachdem die nekrotisch gewordenen Knochentheile der Hand eli-
minirt waren, Heilung eintrat, so dass bereits am 30. Mai 1890
silmmtliche Wunden ohne Zurücklassung von Fisteln geschlossen
waren. Am 28. Januar wurde der Metacarpus des Zeigefingers, am
8. Februar zwei Handwurzelknochen (Kopf und Hakenbein), welche
vollkommen nekrotisirt waren, mit der Kornzange entfernt und im
weiteren Verlauf haben sich noch verschiedene Sequester, die theils
den Metacarpalknochen der übrigen Finger, theils den Handwurzel¬
knochen angehörten, entweder Bpontan ausgestossen, oder sind,
weil sie lose waren, mit der Kornzange entfernt worden.
Die Wiederherstellung der Function der Hand ist soweit ge¬
diehen, dass Pat. seit Jahren wieder mit dieser Hand Klavier
spielt. Der Daumen kann vollständig, der Zeigefinger bis zur Hälfte,
die übrigen drei Finger nicht so stark gebeugt werden; also eine
Faust zu machen ist der Patientin unmöglich, sonst aber ge¬
braucht sie ihre linke Hand vollkommen wie ihre rechte
Hand, obwohl dieselbe natürlich in Folge der durch die Nekrose
der Knochen entstandenen Defecte, insbesondere durch die Epi¬
physenerkrankung der Metacarpalknochen und an Radius und Ulna,
sowie durch das Fehlen von vier Handwurzelknochen im Wacbsthum
gegenüber der anderen zurückgeblieben ist. Im Uebrigen ist die
Hand bis zum heutigen Tage vollkommen geheilt geblieben und
auch das Allgemeinbefinden der Patientin hat in der Folge durch
die überstandene schwere Erkrankung keinerlei Störung erlitten.
Dadurch nun, dass ich die
nek.ro tisirteil Knochenstöcke s. Z.
aufbewahrte und, wie aus neben¬
stehender Abbildung ersichtlich,
zur besseren Uebersicht in ihre
natürliche Lage zusaimnenstellen
liess, wofür ich Herrn Professor
R ü d i n g c r besonders Dan k
schulde, bin ich in der Lage,
durch Vergleich der Photographie
des Präparates mit der mittelst
Röntgen’ scher Strahlen her¬
gestellten Photographie der ge¬
heilten Hand , welche ich der
Güte des Assistenten des hiesigen
physikalischen Instituts Herrn
Dr. Fouim verdanke, zu zeigen,
welche Knochen damals erkrankt,
welche durch Nekrose theilweise
oder ganz zu Grunde gegangen und welche sich (zum Beweise
dass es sich hier nicht um Caries, sondern um Osteomyelitis
gehandelt hat) neu gebildet bezw. ersetzt haben.
Erkrankt waren: 1. Die 4 Metacarpalknoehen vom Zeige-,
Mittel-, Ring- und Kleinfinger und zwar hat sich der erste fast
in toto, von den mittleren zweien die unteren Epiphysen und
vom letzten ein grosser Theil der Diaphyse und die untere Epi¬
physe nekrotisch abgestossen. Der auf diese Weise fast vollkommen
elimiuirte Metacarpus des kleinen Fingers hat sich vollkommen
wieder ersetzt, ebenso sieht man auf der Photographie die Epi¬
physen des Metacarpus des Zeigefingers und die sich entgegen¬
wachsenden Diaphysenthcile, doch kam es zu keiner vollkommenen
Annäherung dieser neugebildeten Knochen mehr und es bildete
sich hier eine Pseudarthrosc, welche für die bessere Beweglich-
keit des um 2 cm hiedurch verkürzten Zeigefingers sehr wichtig
ist. 2- Von den Handwurzelknoehcn sind nur drei ganz unversehrt
geblieben : das Erbsenbein, das dreieckige und das Mondbein. Von
den übrigen fünf haben sieh Theile des grossen vieleckigen (und
vielleicht noch Reste vom Kahnbein) erhalten, welche (an Stelle
der verlorenen Gelenkverbindung des Os naviculare mit dem Radius)
die Gelenkverbindung mit dem Radius herstellen; an Stelle der
übrigen vier Handwurzelknoehen, die sich fast in toto nekrotisch
abgestossen haben, sieht man die Lücken als helle Flecken: binde¬
gewebige Narben, in denen theilweise Knochenneubildung (zwischen
multangulum majus und lunatnm) sichtbar ist. Radius und Ulna,
bei denen cs bloss zur Periostitis, nicht zur Nekrose und Dia-
phvsenlösung gekommen ist, sind dennoch im Wachsthum zurück¬
geblieben, sind dünn und schmächtig und auch verkürzt.
Wie selten eine derartige multiple Erkrankung an acuter
sjxmtaner Osteomyelitis, besonders der kurzen Knochen, sein muss,
glaube ich daraus entnehmen zu dürfen, dass es mir nicht ge¬
lungen ist, aus der ganzen mir zugänglichen Literatur von
Chassaignac (1859) bis heute auch nur einen einzigen
ähnlichen, geschweige denn gleichen Fall von so
ausgedehnter Erkrankung der Hand und des Vorder-
armes aufzufinden. Die Osteomyelitis der kurzen Knochen
ist an und für sich im Vergleiche zu der der langen Röhren¬
knochen ziemlich selten (Tibia, Femur, Humerus sind in der
genannten Reihenfolge die am häufigsten erkrankenden Knochen,
weitaus seltener erkranken Radius, Ulna, Fibula und die Röhren¬
knochen des Metacarpus, Metatarsus und der Phalangen), wie ans
den wenigen in der Literatur vorhandenen Zusammenstellungen
hervorgeht. Fröhncr (Beiträge zur Kenntnis» der acuten spon¬
tanen Osteomyelitis der kurzen und platten Knochen, Beitr. z.
klin. Chir. V. 1. p. 79) sagt daher mit Recht (1. c. p. 87):
«Was zunächst die kurzen Knochen betrifft, so liegt über die
acute Osteomyelitis derselben noch gar kein Material zusammen- ^
gestellt vor;» weiter (p. 88): «Erkrankungen an einzelnen Fuss- ^
1
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3. März 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
201
und Handwurzelk nuchen, wie Bruns einige Fälle zu beobachten
Gelegenheit hatte, finden wir nirgends erwähnt.»
Von iusgesammt 104 Fällen verschiedener Autoren (es sind
dies alle Fälle, die er aus der Literatur z usain in en zu tragen ver¬
mochte) fand sich nur ein einziger Fall von Erkrankun g
des Os naviculare.
Was speciell die multiplen Formen betrifft, so kommen
dieselben nur bei jugendlichen Individuen vor Abschluss
des Wachsthums vor und zwar ist dies nach Garrfe (lieber
besondere Formen und Folgezustände der acuten infectiösen Osteom.
Beitr. z. klin. Chir. X. 2. p. 241) in */& der Erkrankungen der
Fall. «Es zeigte sich aber, dass die Mehrzahl davon Localisation
der Erkrankung an zwei Herden betrifft, während schon drei
Herde seltener, vier oder füuf hingegen geradezu den
Seltenheiten beizuzählcn sind» (1. c. p. 276). Ebenso
äussert sich Funke auf dem letzten Congress der deutscheu Gesell¬
schaft für Chirurgie, der unter 664 Fällen aus der Klinik in
Prag 87mal mult. Osteom, beobachtet hat; in je vier Fällen waren
3 und 4 Knochen und in einem Falle sogar fünf gleichzeitig
erkrankt (Bericht über die Verhdlgn. d. deutsch. Ges. f. Chir.
1895 p. 29—30).
Hieraus mag der Schluss auf die Seltenheit meines Falles,
in dem es sich um Erkrankung von 11 Knochen (4 Meta¬
carpal-, 5 Handwurzelknochen, Ulna und Radius) handelte, wohl
gerechtfertigt erscheinen.
Als interessant bezüglich der Aetiologie des Falles möchte
ich erwähnen, dass P. kurz vor der Erkrankung an Ikterus
katarrhalis ca. 3 Wochen erkrankt war; wir hätten also die Ein¬
gangspforte für den Infectionsstoff der Osteomyelitis (der kein
anderer als der der übrigen eitrigen Entzündungen überhaupt) in
unserem Falle im Darme zu suchen, was nach Versuchen von
Ullmauu, der durch Fütterungsversuche an Thieren experimentell
Osteomyelitis acuta zu erzeugen vermochte (U11 in a n n Beitr. z.
Lehre der Ost. ac. Wien, Alfred Hol da 1891), als möglich
zugestanden werden muss, umsomehr, da jedes aetiologisehe Mo¬
ment fehlt, soferne wir nicht den prädisponireuden Momenten, wie
solche in Erkältungen, Trauma, jugendlichem Alter angenommen
werden, ein besonderes Gewicht beilegen wollen, besonders wenn
wie hier ein Trauma wissentlich gar nicht vorausgegangen ist.
Nach den neuesten Veröffentlichungen, insbesondere den
Verhandlungen der chirurgischen Gongresse des letzten Jahres in
Berlin (April 1895), Lübeck (September 1895) und Paris (Ok¬
tober 1895) kann es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, dass
wir es bei der acuten Oäteorn. mit einer Infeetionskrankheit zu thuu
haben, d. h., dass eine im Blute kreisende infectiöse Substanz
von der Blufcbahn aus in die Gewebe eindringt und dieselben
u »ter gewissen Voraussetzungen in Entzündung ver¬
setzt. Canon (Sitzungsbericht vom 13. Mai 1895) bat in 9 Fällen
die C'occen, meist Staphylococcen, auch im Blute nachgewiesen;
ja e# gelang ihm sogar, in mehreren Versuchsreihen junge Ka¬
ninchen gegen Staphyl.-Infection zu immunisiren durch vorher in
die Blutbahn injicirtes Blutserum von einem Knaben , der eine
schwere Osteom, eben überstanden hatte. Die Staphyl., die diesen
fhieren injicirt wurden, stammten direct aus osteomyelitischem Eiter.
Auch Lexer(Wien. med. Pr. 1895, pag. 1765) konnte in
2 schweren Fälleu von 0. a., die tödtlich endeten, den Staph.
Pyog. aur. im Blute nachweisen. Einer der beiden betraf einen
7jährigen Knaben, der als typhnskrank behandelt wurde.
Lannelongue in Paris hat eine Zusammenstellung von
90 fällen von O. mit Rücksicht auf den bacteriellcn Befund
gemacht (Congr. der franz. Chir. 21—26. Oktober 1895). Es
fanden sich 56 mal St. aur., 11 mal St. alb., 1 mal aur. u. alb.,
lwal eitr., 1 mal aur. u. Colibacill., 10 mal Strept. pyog., 1 mal
^trept. u. Staph. alb., 3 mal Pneuiuococc., 2 mal ein unbestimmter
.likroorganismus (vielleicht Pneumococc.), 4 mal Typhusbacillus,
orherrschend ist also der Staph. pyog. aur. ; Streptococcen und
neomococcen befallen mit Vorliebe jugendliche Individuen. Am
gefährlichsten waren die Fälle mit Bacterienassoeiationen.
Bic verschiedenen Infectionserreger bedingen auch die Ver-
«hiedenartigkeit des Verlaufes und sollten auch für die jeweilige
JkMadlungsmethode nach L. in Betracht kommen, unter denen
111 Deae stcr Zeit die Total-Reseetion von Bergmann (St. Petersb.
No. 9.
med. Wochensehr. 17, 1895) bei sehr schweren Fällen empfohlen
wird. Wir glauben jedoch mit Rücksicht auf den geschilderten
Fall wenigstens bei der Osteomyelitis der Hand eine
möglichst eonservative Behandlung empfehlen zu dürfen, die, wie
schon Dem me im Jahre 1862 in seiner dassi sehen Arbeit über
Osteomyelitis spont. diffusa (Arcb. f. klin. Chir., pag. 271) zum
Schlüsse sagt, «auch auf dem Gebiete der Osteomyelitis spont.
diffusa, die bisher noch zu ausschliesslich der verstümmelnden Konst
preisgegeben schien, schöne Triumphe zu erzielen berufen ist».
Um wie viel mehr muss dieser Ausspruch in unserem Zeitalter
der Antiseptik und Aseptik seine Berechtigung verdienen!
Nach dem übereinstimmenden Urtheile der bedeutendsten
Kliniker wären die Hausärzte viel häufiger in der Lage, solche
Fälle zu beobachten, als die Kliniker, die meist die Folgezustände
oder abgelaufenen Fälle (Nekrosen) zur Behandlung bekommen.
Der Einzelne kommt, wie Volk mann (Beitr. z. Chir., 1875,
pag. 144) sagt, bei der Ost. ac. spontanea nicht recht über die
fragmentarische Beobachtung hinaus. Umsomehr ist jeder auch
noch so kleine Beitrag zur Aufklärung über diese in ihren Einzel¬
heiten noch viele dunkle Punkte enthaltende Affcction berechtigt,
weil sie eine weitere Förderung unserer Kenntnisse, wenn auch
nur in bescheidenstem Maasse, wie durch diese Mittheilung, zur
Folge haben kann.
Radiusfractur, nach Prof. Röntgen photographirt.
Mitgetheilt von Privatdocent Dr. Fes sie r.
Nachstehendes Bild wurde Ende Januar im Physikalischen
Institut der Universität München vom Lebenden abgenommen. Die
Expositionszeit betrug 12 Minuten. Der rechte Unterarm des
Verletzten lag mit der volaren Seite auf der in schwarzes Papier
und Guttapercha eingehülltcn lichtempfindlichen Platte und wurde
von der llückenfläche des Handgelenkes her durch die Röntgen¬
strahlen getroffen.
Der Fall erscheint der Mittheilung desshalb werth, weil er die
für Brüche am untern Ende des Kadins typische Dislocation der
Bruchenden veranschaulicht. Das Bild ist als durchscheinender
Grundriss auf einer durch Radius und Ulna gelegten Ebene zn
denken/ in welchem*die compacteren Knochentheile rvt«. „ i u
Knochenenden, welche übereinander liegen weisser ■ Bolc be
sie weniger X-Strahlen (lurchlassen. ’ erscheinen, weil
8
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MONCHBNER MEDIcmiSCHEJVOCHENSCmg^
2 02 _ _
In Folge dieser ^^JerRöhJe^knÄn'Ing^deutit, man
Bind. Dureh d^se DislcKat einspringende Winkel,
1) an der Brucnsieue abeeknickt erscheint,
wodurch die Unterarrnachse seitlich abg woJurch der Processus
2) die Radialabduction der Hi , u)naren Rand de8 Hand-
Btyloideus ulnae mehr als ge da8 0 b triquetrum diesem
eelenkes vorwölbt; man sveh > Hand nicht Folge ge-
nach der radialen nah! gerückt und aus seiner sonst
leistet hat, sondern eher der etW as herausgewälzt ist.
innigen Verbindung mit norma i e n Verhältnissen nicht soweit wie
Die Ulna, welche m normalen herft b re i C ht, sondern von
der Radius zu den ^^a^tknorpel (Cartilago triquetra, Liga-
diesen noch durch einen überragt im vorliegenden Falle
mentum subcruentum) getoenn p^jus am untern Ende
den gebrochenen und dadure J Q . h zW i 8 chen Os lunatum und
BOgar »T‘ " 2 ? Die Folge Sfeser ^ Verschiebung wird eine Bewegung«-
Schränkung (in der ^ schnabelförmigen Bruch
Die Dislocatio zu ersehen ist, 3 cm. Aller¬
enden beträgt wie ans dem Schattenns erkenne n, in welchem
dings lässt sich aus diesem Flächen du . einander geschoben sind;
räumlichen Verhältnis die ^Aufnahme haben, welche den Radius
JoTdÄElSte auspro««™^
Unterarmes durchbohrt und so die (Metzger, 35 Jahre alt)
ist dadurch entstanden dass der ^“^ien i8t| welches
mit der Hand in das Treitoad emer M“. ton* b hat . Daher
ihm das distale Ende des'ünterames <* durch Hebelwirkung
Ä“ÄwSÄ XtereEpipHy».) -H* -.
Zur Frage Uber den Einfluss Röntgen’scher Strahlen
auf Bacterien.)
Von Dr. F. Minclc in München.
■ Die V—W ■£ ÄÄ
Z:LZ7*2. abtödtende Wirkung
nahe und durfte desswegen einige Berechtigung ' ^
mmmm
Gesuudheitsamte Bd. 1Ä, p- 4U0 , deren Ab-
einerseits durch Verwendung verschiedener Lösungen, deren ad
„rpCnt-eifen vorher bestimmt waren, andere,™ ts durch , b
f c ; rca 2 Ul breiten Spectrums eines elektriscncn
Ätee, dcs.e„ einreinen Farben die mit Barrien bcs«en
Vlatten exponirt wurden, nachzuweiscn, dass nur die blauen,
violetten und ultravioletten Strahlen die abtjitende Wirkung^
Lichtes auf Bacterien in sich schlossen. In Berücksichtigung
dieses Ergebnisses, dass fast lediglich die c h c mi s c h wirksamen
Strahlen des Lichtes Bacterien zu vernichten im btande sind,
musste es auch als möglich, wenn nicht wahrscheinlich erscheinen,
dass auch die Röntgen 1 sehen Strahlen baetenenfemdhehe Eigen¬
schaften besässen, da ja auch ihnen chemische Wirksamkeit
anhaftet (wie z. B. auf die photographische Platte).
Diese Vermuthung, welche kürzlich auch von Wade im
«British medical Journal» ausgesprochen wurde, hat sich jedoch
auf Grund neuerdings von mir angestellter Versuche als irrig
erwiesen: Mit Typhus - Bacillen besäte Agarplatten, welche, mit
einer Hartgummiplatte und einem Bleikreuz belegt, 2—8 stunden
lang*Röntgen'schen Strahlen exponirt waren, zeigten — nach
15 ständigem Aufenthalt im Brutschrank — in den bestrahlten
Partieen absolut keine merklichen Unterschiede in der Ent¬
wicklung, d. h. keine Minderzahl der Colonien. (
Eine nennenswerthe schädigende Einwirkung der Röntgen -
sehen Strahlen auf Bacterien hat sich also — entgegen den
gehegten Erwartungen — leider nicht ergeben und ist somit
eine therapeutische Verwendbarkeit derselben in der früher an ge¬
deuteten Weise ausser Frage gestellt.
i) cf M. med Wochenschrift No. 5
Di«» « “■
(Schluss.)
, lt , , „teile unter diesem Eindruck, und ich
M. H. Aue dcr letzt 1(C8cbriebcne FaU ein
spreche es gerne aus, da.. g en igt Es fragt sich,
therapeutischer Lichtbhc scharfen Kritik gegenüber
ob wir mit unserer Awk£ Beantwortung dieser Frage bis
bestehen können. I verschieben, theils um sonst un-
zum Schluss meiner - entgehen theils auch, weil die
vermeidbaren W'iederho ungen g ^ ild dcr letzten Gmpi>e
Erklärung dieser Fälle natu utr
einfacher wird. mindestens ebenso interessanten
ÄÄSSÄ
darboten, mehrmals punctirt habe.
cSe n Ccrebrospinal-Meningiti 8 dabei ... Frage kamen
O 1 „1,0 Falle wo neben anderweitigen acuten Krankheite ,
*■
Zur 1 Gruppe rechne ich folgende 9 Kranke.
{ ,i» 14 monatliche. Ktad J. mit Tetanie nni hohem
TÄhS -pBm haemorrbag. >.
STnur Ä« 0=» bei «hwaobem
DrUCk S. ein
lach plötzlich von einer üebernaiien * Seite, einschliesslich
S? ganzen^chte^FÄ ZA des linken Oculomotorius, sowie
‘ pSt ' r 4 A S“ ie wÄich,a Kind T.
SÄ ESSE?» S^ÄÄ-t'- ein Haa
matoma durae zu beziehen waren; pertUBfji8 und MorbilU auf-
k am dat“ darbet, nnd »
gedehnten Bi»».—en „Ug, Nuclearlahmung^dLie W *•
33 jährigen vorher•gesundenManne c g7 .^rigen Manne G.
«ar pneumome
begann und alle charakteristischen Merkmale gte. ^ ^
8. ein 51 jähriger Mann Gr.,.der iu iag 6 ma _ darbot;
acuta transversa — neben mächtige Aorte Q ue tschung
9. der schon oben kurz berührte Fall von^ 52jähngen
des Halsmarkes durch einen luxirten Wirbe
Manne N. Paiion in erster Linie
Es handelte sich für mich bei diesen Fällen^ ob
um die diagnostische Seite; ich woUte hrt * UD d seine
Menge und Druck des Liquorsi v ’ xhatsäcblicb
sonstige Beschaffenheit geänd t 2 und 7 stets
fand ich die Menge, ausser be den ^ > igert , so
sehr vermehrt, und den Druck oft . R r gnn mm,
bei Fall 4 auf 100 mm, bei 5 auf 310 mm, bei 6 auf 300
bei 8 auf 180 mm und 9 auf 200 mm. „ geändert.
Dio Farbe war oor bei der traomatmehen Za4»™.gge» ^
sonst überall hell »nd klar. Das »pombsühc Qe«.A ^
Haematom, der Kiweissgebalt nnr be. der acuten
zwar auf 1 ’/» °/oo erhöht. , ^: D kann, ob
Dass es für den Kranken nicht gleich & üg ^ Ver .
neben den sonstigen Veränderungen er . besteht,
mehrung des Liquors mit gleichzeitiger g ha be ich
kwrio-r l-pinpr weiteren Ausführung. Fune _ ,
189H.
gor uruoB.owa‘6-- ■ v
b^arf' keiner = Ausführung, ^^“m ^ ier
von der L.-P. nur bei dem kleinen M g angenommen,
Dura, und bei der ersten acuten Nuclearlähmung &
ohne den sicheren Beweis dafür führen zu ■ n ' ^ Erg ebnis3
Mit einer gewissen Spannung verfo ^® Hirnr eizungser8chei-
der Punction bei den anderen acuten, dar effen folgende
nun gen complicirten Krankheitsfällen. k
10 Fälle :
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3 . März 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
203 .
1) ein 2 1 /* jähriges Kind K, das mit Pertussis aufgenommen
wurde und Otitis med. mit starker Himreizung darbot. Wir ent¬
leerten 5 ccm bei 180 mm Druck ;
2) ein 29 jähriges Dienstmädchen V. mit Abdomiualtyphus, bei
dem wir aber mit an die hier ziemlich häufig auftretende Cerebro-
gpinalmeningitis denken mussten Die wasserklare Flüssigkeit wurde
tu 8 ccm bei 180 mm Druck gewonnen.
Die Fälle 3—5 betrafen 3 weibliche Kranke mit heftiger
fieberhafter Influenza nnd intensiven Kopf- und Augen¬
schmerzen.
Bei Frau K. ergab die L.-P. 20 ccm bei 200 mm Druck
,, Dstm. W. ,, ,, ,, 10 >> ,, 170 ,, i,
,, m ü. ,, ,, D 30 ,, ,i 100 ,, ,,
Die keimfreie Flüssigkeit zeigte massigen Eiweissgehalt. Nur
bei den letzten beiden Kranken schienen die Kopfschmerzen ent¬
schieden gebessert.
Die Fälle 6—8 beziehen sich auf 3 Potatoren , die sämnit-
lich schwere croup. Pneumonie mit alcohol. Delirium
zeigten. Bei dem ersten 33jährigen Kranken B. fanden wir
ausser Benommenheit deutliche Nackenstarre, die sehr bald
nach der Punction wich. Hier entleerten wir in etwa
10 Min. 36 ccm unter 260 mm Druck. (Hirnoedem).
Bei dem 43 jährigen Kranken K. und dem dritten 51jähr.
v. H. zeigte das Manometer 150 mm; das specifische Gewicht
war bei diesen 3 Kranken 1007 und 1008. Der Kiwcisagehalt
betrog */a °/oo -
Zwei weitere Beobachtungen betreffen eine Eklampsie mit
schwerer Schwangerschaftsniere bei einer 41 jährigen Frau »Sch.,
und einen Fall von rapid verlaufender Uraemie bei einem 5jähr.
Kind G. Die erste Kranke erlag den unaufhörlich auf einander
folgenden Convulsionen, das Kind verschied nach 1 2 stüudiger
Dauer des tiefen Comas, das dauernd von Krämpfen begleitet war.
Der Druck war im ersten Fall 260 mm, im zweiten 320 mm.
Von den zuletzt erwähnten 19 Kranken sind im Ganzen
9 verstorben; die Uebrigen befinden sich grösstentbeils wohl. Bei
Keinem hat sich die geringste von der Punction abhängige »Störung
gezeigt. Nach diesen Erfahrungen wird cs erlaubt sein, dort, wo
schwere Hirndruck- und Reizerscheinungen bestehen, und wo uns
sonstige Mittel (Blutentziehungen, Ableitungen durch Senf- und
Kanthariden-Pflaster u. dergl.) im Stich lassen , die L.-P. auszu¬
führen. Es handelt sich um einen milden, ungefährlichen Eingriff.
M. H. Es bleibt mir jetzt noch übrig eine Krankheits¬
gruppe in besprechen, bei der uns die L.-P. nicht nur diagnostisch,
sondern auch therapeutisch wesentlich gefördert hat.
Sie werden sich vielleicht einer kurzen Bemerkung erinnern,
die ioh gelegentlich des Nonne'schen Vortrages über die Behand¬
lung der Chlorose hier fallen Hess ’). Ich deutete an, dass manche
Falle von Chlorose durch die Neigung zu Thrombosen ausgezeichnet
seien und eine sehr vorsichtige Behandlung erforderten.
Ich erwähnte u. A. die Arbeit von Kockel (12), der mit
erschreckender Deutlichkeit nachgewiesen habe, dass auch tödtliche
Ausgänge der Chlorose in Folge von Thrombose nicht so selten
seien, wie man in der Regel annähme. — Mir selbst war die
Kockel’sehe Arbeit sehr willkommen gewesen, denn ich hatte
schon früher in meinen poliklinischen Vorlesungen in Leipzig stets
auf die Gefahren der Thrombose hingewiesen, und gelehrt, dass
man nie versäumen dürfe, bei Chlorotischen die Wadenmuskulatur
IU untersuchen, weil daselbst viel häufiger als meist angenommen
würde, Thrombosen gefühlt werden könnten.
Kockel fügt den bis dahin von Proby (s. bei Kockel)
auaammengestellten 1 5 Fällen 5 eigene an, von denen 3 durch
embolischen Verschluss der Art. pulmon. bei Sckenkclthrombose
mid 2 durch Sinusthrombose zu Grunde gingen. Seine Kranken
litten ausschliesslich an reiner Chlorose. Auf die näheren Um¬
stände, die für uns vou Interesse sind, komme ich später zurück.
Diese einleitenden Bemerkungen sollen zunächst nur den
Zweiflern zeigen, dass die Chlorose überaus gefährliche Zustände
herbeiführen kann. Und wenn diese Ansicht noch nicht Gemeingut
der praktischen Aerzte geworden ist, so liegt das daran, dass die
') Siehe diese Wochenschr. 1895 Seite 659. (Selbstverständ¬
lich habe ich von Thrombose, nicht von Embolie d. Hirnsinus
gesprochen.)
bedrohlichen Zufälle, besonders die Mors subitaoea junger Mädchen,
nicht immer so gut aufgeklärt worden sind, wie in den Kockel sehen
Fällen, und dass man geneigt ist, die Chlorose als eine harmlose
Entwicklungskrankheit anzusehen und sie als eine überaus häufige
und daher einigermaassen langweilige »Störung zu betrachten.
Nun zu meinen eigenen Fällen! Im ersten handelt es sich
um ein 16jähr., schwer bleichsüchtiges Mädchen, Wilhelmine U.,
das am 6 . November 1895 auf meine Abtheilung kam und 20 Proe.
Hb, 2,20 Mill. roth. Bltkrp. , 1022 sj>ecifi.sches Gewicht und
Poikilocvtose des Blutes zeigte.
Es bestand deutlich fühlbares Nonnensausen, Dilatatio cordis
bis zum r. »Sternalrand ; sytol. (anaem.) Geräusch, besonders in der
Gegend der Art. pulmon. Der Arteriendruck schwankte über den
Radiales zwischen 100—115.
Der Verlauf wurde besonders durch das Auftreten
von ausgedehnten Thrombosen beider Beine, die ab¬
wechselnd das typische Bild der Phlegmasia alba dolens
zeigten, und durch fast ununterbrochen bestehende,
wiederholt unerträglich gesteigerte Kopf schmerzen
beherrscht; dieselben wurden bei dem ersten schweren Anfall
links, später rechts in die Sehljifengegend verlegt. Es bestand
gleichzeitig grösste Uebelkeit und starkes Erbrechen.
Besonders bemerkenswerth waren wiederholte Fieberanfülle,
die ganz regelmässig mit der »Schcnkelveuenthroinbose und den
gesteigerten Kopfschmerzen zusammentrafen. Auf der hier vor¬
gelegenen Curvc können »Sie sich sofort davon überzeugen.
Durch 2 Lumbalpunctionen am 29. November und
6 . Dezember hatte ich die Sicherheit gewonnen, dass
beträchtlicher Hirndruck bestand. Wir erhielten zwar
nur 5—8 ccm klare Flüssigkeit von 1003—1008 speeifischem
Gewicht, fanden aber Druckhöhen von 260—300 mm Wasser.
Erst am 26- Dezember floss bei der 3- Punction,
die wegen Fortdauer des schweren Allgemeinzustandes und der
Kopfschmerzen vorgenommen wurde, eine grosse Menge
Flüssigkeit ab. Wir erhielten in 20 Minuten 65 ccm,
wobei der Druck von 330 auf 80 mm herabging.
»Schon während und noch auffälliger kurze
Zeit nach der Punction war die Kranke wie uu> -
gewandelt. Das bisher stets mürrische und sichtlich schwer
leidende Mädchen gab an, endlich einen ganz freien Kopf zn
haben, und dieser erfreuliche Zustand hielt, von ganz flüchtigen
bedeutungslosen Unterbrechungen abgesehen, dauernd an. Der
Widerwille gegen das Essen nnd die Brechneigung hörte ganz
auf. Fieber trat nie wieder ein. Das Körj)ergewicht stieg seitdem
von 46 auf 52 kg. Der Haeinoglobingehalt hat sich seitdem von
60 Proc. auf 80 Proc. gehoben und die Zahl der r. Bltkrp. auf
4,5 Mill. — Das Mädchen ist seit 14 Tagen ausser Bett und
befindet sieh unvergleichlich viel besser.
Der 2. Fall betrifft die 16 jährige Martha B. — Auch sie
zeigte bei hochgradiger reiner Chlorose, die durch den Blutbefund
(2,5 Mill. Zahl der rothen Blutzellen, 38 Proc. Hb) erwiesen
war, üble cerebrale Zufälle. Tag und Nacht anhal¬
tender, reis sender und allen beliebten Mitteln
trotzender Kopfschmerz mit- starkem Brechreiz,
und öfteres Erbrechen machten den Zustand ernst.
Fieber war auch hier vorübergehend vorhanden.
Nachdem wir bei der vorigen Kranken so vortreffliche Wirkung
gesehen hatten, schritten wir auch bei dieser zur L.-P., die 4mal
wiederholt werden musste. Wir entnahmen:
am 4.1 35 ccm bei 400 mm Dr. in 15 Min.
15.1 36 „ 420 „ ,. „ 8 „
20.1 50 „ „ 470 „ ., „ 18 „
27.1 30 „ „ 210 „ „ „ 9 „
Sowohl die Mengen, wie die Druekhöhen beleuchten den Fall
in bemerkenswerther Art. Ich darf versichern, dass das Mädchen
nach jeder Punction eine grossartige Erleichterung
erfuhr, die auch jedem objcctiven Beobachter auffällig wurde.
Das dumpfe Druckgefühl im Kopf schwand hier gerade so, wie
bei dem vorhergehenden und dem oben beschriebenen Falle M.,
wo ich 4 mal punctirt habe.
3*
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204
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Seither hat sich die Kranke fortschreitend erholt und ist
jetzt dauernd frei von Kopfschmerz. Der Hb ist auf 80 Pro«.,
die Blutkörperzahi auf 4,7 Mill. gestiegen.
Nachdem ich diese beiden Fälle etwas ausführlicher beschrieben
habe, will ich anfügen, dass ich bei 3 weiteren Fällen von Chlorose
einen gleich guten Erfolg von der Function gehabt habe.
Es sind folgende
1. Das 19jährige Mädchen Clara H., das am 9. Januar nach
einer Punction von 40ccm, bei 230mm Druck entleert, seine uner¬
träglichen Kopfschmerzen sofort verlor. Der Hb.-Gehalt betrug
bei ihr 50 und ist auf 68 gestiegen, das Herz war verbreitert; auch
bestanden schmerzhafte Stellen in den Wadenmuskeln.
2. Das 17 jährige Mädchen Mina H., das durch zwei Punctionen,
wobei am 16. Januar 80 ccm. bei 400 mm Druck und am 18. Januar
30ccm bei 350mm Druck entleert wurden, ebenfalls völlig frei von
Kopfschmerz wurde. 8ie zeigte bei der Aufnahme einen Hb-Gehalt
von 27 Proc. bei 1039 specifischem Gewicht und am 5. Februar
40 Proc. Hb.
3. Die 22 jährige Frau Pauline T., der ich am 15. Januar 20 ccm
bei 200 mm Druck entnahm; sie hat seitdem nur hin und wieder
noch etwas Kopfschmerz, der aber nie die frühere Stärke erreichte.
Bei ihr ist der Hb.-Gehalt von 50 auf 65 Proc. gestiegen.
M.' H.! Den zuletzt vorgetragenen Fällen darf ich eine Be¬
obachtung anreihen, die von Rieker (13) aus der Quiuck e'schen
Klinik mitgetheilt worden ist. Auch dort handelt es sich um
ein 19 jähriges chlorotisches Mädchen, das neben gastrischen Stör¬
ungen leichte Ermüdbarkeit, Kopfschmerzen und Ohnmachtsneigung
zeigte. Die Lumbalpunction, die wegen starker Kopfbeschwerden
und rasch eingetretener Pulsverlangsamung gemacht wurde und
12 ccm in 17 Minuten entleerte, befreite das Mädchen schnell
von seinen Beschwerden. Der Fall (Nr. 7 in der Ricker’schen
Arbeit) ist als acute seröse Meningitis gedeutet, ohne dass die
ursächliche Bedeutung der Chlorose berücksichtigt worden ist.
Ich bin aber der Ansicht, dass der Chlorose an sich eine
ausschlaggebende Rolle bei der Entwicklung dieser 6 Krankheits¬
bilder zufällt. Vergegenwärtigen wir uns doch noch einmal kurz
den zuerst beschriebenen Fall. Ein stark chlorotisches 16 jähriges
Mädchen bietet ausgedehnte Venenthrombosen an den beiden unteren
Extremitäten dar, die durch pralles, beide Beine bis zur Leisten¬
beuge einnehmendes Ocdem und durch die im Beginne und später
deutlich fühlbaren Thromben « handgreiflich» gesichert sind. In
dieser Zeit besteht ein massiges remittirendes Fieber (38,2—39),
das durch keine anderen Erscheinungen erklärt und vielleicht auf
Ferment-Wirkungen bezogen werden kann. Das Mädchen wird
abwechslungsweise auch von heftigen, bald in die rechte, bald in
die linke Seite verlegten Kopfschmerzen betrofFen. Die Gegend
des Schläfenbeines ist dabei ungemein empfindlich gegen Druck
und Beklopfen. Auch zu dieser Zeit sind kürzere und leichtere
Fiebersteigerungen bemerkbar; es besteht dabei Schlafsucht, De¬
pression , Brechneigung und Erbrechen. Die Nächte sind durch
die hartnäckigen Kopfschmerzen gestört und oft sehr unruhig.
Ophthalmoskopisch wird deutliche vermehrte Füllung sowie Schlän¬
gelung der Venen erkannt (Dr. Wilbrand). Mehrmals wieder¬
holte Lumbalpunctioneu erbringen den exacten Beweis einer be¬
trächtlichen Drucksteigerung und starker Vermehrung der Menge
des Liquors. Durch die Entnahme von 65 ccm Flüssigkeit wird
eine sofortige auffällige Besserung des schweren Krankheitsbildes
erzielt.
Die Deutung dieses Falles würde bei dem Fehlen der Au¬
topsie grösseren Schwierigkeiten begegnen, wenn uns nicht die
Kockel’schen Sectionsbefunde bei Sinusthrombose und eine Be¬
obachtung von Leicbtensteru und Bücklers (14, 15) einen
werthvollen Anhalt böten.
Sie sind für uns so wichtig, dass ich sie kurz wieder¬
geben muss.
Der erste Fall von Kockel betrifft eine 19jähr. Schneiderin,
die, lange Zeit schon chlorotisch, am 27. Oktober 1892 starke
Kopfschmerzen und Erbrechen bekam und 3 Tage später bewusstlos
wurde. Sie wurde in s Krankenhaus gebracht und verschied dort
nach wenigen Stunden. Die Seotion ergab neben sehr ver¬
mehrter Flüssigkeit in den Ventrikeln eine pralle Aus¬
füllung der Vena magna Galeni mit einem Thrombus, der sich in
den linken Sinus transvere. fortsetzte. Hier befindet er sich in
centraler Erweichung, ist also als der primäre anzusehen.
Der zweite Fall wurde bei einem 17 jährigen Mädchen beobachtet,
das am 14. Dezember 1892, nachdem es schon längere Zeit sehr
blutarm gewesen, mit Kopfschmerz und Erbrechen erkrankte und
No. 9.
nach 3 Tagen tief benommen und Tags darauf in's Krankenhaus
gebracht wurde. Hier starb es nach 2 Stunden. Man fand auch
hier die Vena magna Galeni durch einen rothen Thrombus völlig
verschlossen, der mit einem Pfropf im Sin rectus zusammenhängt
und sich beiderseits in den Sin. transvereus fortsetzt
Während im ersten Fall nur das Ependym der Ventrikel
erweicht war, zeigte sich beim zweiten eine ausgedehnte grauröthliche
Erweichung mit zahlreichen frischen, feinen Blutungen in den die
Seiten Ventrikel umgebenden Hirntheilen.
Der dritte, hierher gehörende Fall ist von Bücklers (14) als
primäre haemorrhagische Encephalitis beschrieben. Ich stimme aber
Kockel durchaus bei, wenn er ihn mit zu den Fällen schwerer
Chlorose und ihren Folgen rechnet.
Die 19 jährige Dienstmagd litt seit längerer Zeit an Chlorose,
war sonst nicht krank. Am 18. Mai 1891 litt sic an Kopfweh und
zeitweisem Erbrechen. Am 19. Mai wurden die 8chmerzen stärker,
hinderten sie aber nicht, ihrem Dienst nachzugehen. Nachmittags
5 Uhr bricht sie plötzlich bewusstlos zusammen. Sie bot kein
Fieber (37,6 in recto), 72 Pulse und weite, aber gut reagirende
Pupillen dar. Am 20. Mai Mittags erfolgt bereits der Exitus letalis,
nachdem kurze Krämpfe vorausgegangen waren.
Die Section zeigte, dass beide Ven. cerebral int., die das
Blut aus den Ventrikeln führen, durch einen bis in die V. magna
Galeni sich fortsetzenden adhärenten Thrombus verstopft sind. Der
Thrombus der V. magua setzt sich auch in den Sin. perpendicularis
fort. Ausserdem bestand ac. haemorrhag. Encephalitis
Die Wandungen der beiden Seitenventrikel, sowie die Balken
sind sehr weich, aufgelockert und oberflächlich macerirt.
M. H.! Meines Erachtens steht nichts im Wege, meinen
ersten Fall zu dieser Reihe von Chlorosen zu rechnen ; es besteht
nur der Unterschied, dass cs hier noch nicht zu gleich schweren
Veränderungen im Hirn, vor allem nicht zur Thrombose der
Vena magna Galeni gekommen ist. Wohl aber halte ich mich
berechtigt, eine Thrombose der beiden Sinns transversi hier anzu-
nehmen.
Dass schwere Chlorosen zu Sinusthrombose führen können,
lehren die 3 autoptisch beschriebenen Fälle. Bei allen 3
gingen der Katastrophe klinisch 2 — Stägige Pro¬
drome voraus, in denen unzweifelhaft, wie die Autopsie
lehrte, schon die Sinusthrombose bestanden hatte,
ohne andere Erscheinungen, als heftige oder ver¬
mehrte Kopfschmerzen und Erbrechen zu bewirken.
Sucht man sich in Hand- und Lehrbüchern über die Zeichen
der Sinusthrombose zu belehren, so überzeugt man sich bald,
dass es sichere Zeichen nicht gibt, es sei denn, dass man, wie
bei der Thrombose des Sinus transversus im Gefolge von Otitis,
durch die Operation einen Einblick gewinnt. Wohl können
wir hier auf Grund einer reicheren Casuistik mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit schon vor der Operation die Thrombose annehmen;
absolut gesichert wird sie erst durch die Besichtigung des Sinus
selbst.
Auf solche sichere Zeichen müssen und wollen wir bei der
Chlorose verzichten. Aus den 3 lehrreichen Sectionsfällen wird
uns die Möglichkeit der Sinustbrombose vor Augen geführt. Ueber-
rasclien können uns solche Fälle nicht, weil wir die Neigung zu
Thrombosen als ein Zeichen der Chlorose kennen. Jeder, der es
nicht unterlässt, in jedem Fall von schwerer Chlorose auf
die Venen der Unterschenkel zu achten , kann sich davon über¬
zeugen , dass Thrombosirungen durchaus nicht selten sind. Es
ist ein bemerkenswerther Unterschied zwischen dem Blute der
Chlorotischen und pernieiös Anaemischcn. Bei letzteren begegnen
wir Thrombosen überaus selten. Worauf diese Neigung zu Ge¬
rinnungen beiuht, ist noch nicht aufgeklärt. Ich möchte aber
mit Birch-Hirschfeld(16) die eigenartige Blutbeschaffenheit in
erster Linie für das Auftreten der chlorotischen Sinusthrombosen
beschuldigen und nächst ihr die ungenügende Herzkraft. Dass
diese nicht dauernd herabgesetzt war, zeigen die Blutdruckwerthe,
die wir mit dem v. Basch’ sehen Sphygmometer gefunden
haben ; jedoch spricht die längere Zeit nachweisbare Dilatatio cordis
dafür, dass die Muskelelasticität gelitten hatte, und dann kann
es in den staarwandigen, zur Anpassung an wechselnde Füllungen
wenig geeigneten Röhren um so leichter zu Gerinnungen kommen,
als die sonst den venösen Blutlauf fördernden Muskelbewegungen
hier ausfallen.
Ist die Thrombose entstanden, so dürfen wir uns über den
Austritt des Serums, die dadurch bewirkte Vermehrung des
Liquors und erhöhte Spannung nicht mehr wundern. Durch den
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3 . März 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
205
Ausfall dos weiten Ahfluss weges muss es zu Kreislaufstörungen
kommen, der Liquor wird angestaut und vermehrt; er entweicht,
so lange es geht, in die nachgiebige Rückgratshöhle. Ist die
Grenze ihrer Klastieitiit erreicht, so wird jede Steigerung der
Flüssigkeitsuienge die Spannung bedenklich vermehren. Dann
leidet in der Hauptsache die Strömung in den Oapillaren. Sie
sind die einzigen Tlieile des Gehirns, die bei den in der Schädel¬
höhle überhaupt verkommenden Druck werthen einer Compression
unterliegen können. Selbst wenn diese nur gering ist, sind ihre
Folgen ernst; schon bei einer Verminderung des Capillardurch-
messcra um ’/io. fliesst nur noch die Hälfte der früheren Menge
und bei eiucr solchen um '/ 5 nur ,,0<: h der zehnte Theil aus.
(v. Bergmann 17).
Es liegt mir fern, bei allen meinen Fällen von Chlorose, bei
denen die L.-P. wohlthätig gewirkt hat, Sinusthrombose mit
ihren Folgen anzuuehmen. Nur für den 2- Fall halte ich dies
auch für sehr wahrscheinlich, da Menge und Druckwerthe des
Liquors gross, Kopfschmerzen und Schwindel ungemein heftig
und mit Erbrechen verbunden waren und neben sehr herabgesetztem
Hb-Gehalt und Thrombose in den Wadenmuskeln deutliche Herz¬
verbreiterung bestanden. Aber für die anderen Fälle scheint mir
die Annahme der Sinusthrombose gewagt. Hier möchte ich nur
annehnien, dass es in Folge der Chlorose zu stärkerer Transsudation
in den Subarachnoidealraum gekommen ist. Das scheint mir wahr¬
scheinlicher als die Au nähme einer wirklichen acuten serösen
Meningitis, denn der Eiweissgehalt hielt sich meist unter ’/* und
war oft nur spurenweise angedeutet.
Gewöhnlich nahmen die Kranken erhöhte Rückenlage ein;
es ist das begreiflich, weil so der venöse Abfluss begünstigt ist
und einer fortgesetzten Transsudation möglichst entgegengewirkt
wird. Wir Hessen auch vorsichtige, kräftige, langgezogenc Ein-
athmungen und Ausathmungen machen. Dass diese in auffälliger
Art die Spannung des Liquors beeinflussen, sieht man in der
Hegel sehr deutlich an dem Wassennanometer. Während man
die systolische Drucksteigerung selbst bei sorgfältigem Suchen oft
vermisst, kann man die durch tiefe In- und Exspirationen
bewirkten Schwankungen nicht übersehen, da sie nicht selten
10 nun betragen. Bei Husten und Pressen liest man Steigerungen
von 20—30—40 mm ab. Diese physiologischen Schwankungen
gleicht der frei und leicht zwischen Hirn und Rückenmark beweg¬
liche Liquor aus. Er rückt bei jeder Systole und in grösserer
Menge bei jeder Exspiration aus der festen Schädelkapsel in die
einer Dehnung au den Bandscheiben fähige Rüekgratshöhle. Ist
es aber zu einer hochgradigen Füllung derselben gekommen, ist
ihre Elasticität voll ausgenützt, so ist eben nur durch die Capillar-
compression Raum zu gewinnen. Dadurch leidet das Hirn und
ganz besonders die auf reichste Ernährung angewiesene Hirnrinde ;
es kommt nicht nur zu Eingenommenheit des Kopfes und geistiger
Trägheit und Ermüdbarkeit, sondern auch zu schwereren Ilirn-
druckerscheinungen, deren Aufzählung ich mir hier ersparen kann.
Lassen Sie mich jetzt noch ganz kurz auf den zur acuten
serösen Oerebrospinal - Meningitis gerechneten Fall M. zurückkommen.
Da die Kranke blass und etwas gedunsen aussah und von Herrn
Kollegen N. vielfach mit Eisenmitteln behandelt worden war, dachte
ich auch hier an die Möglichkeit einer Sinusthrombose, zumal da
der Kopfseiunerz ganz bestimmt in die rechte Kopfseite verlegt
worden war. Aber ganz abgesehen davon, dass der ganz unver¬
mittelte und plötzliche Eintritt der Störung dagegen spricht,
möchte ich auch den hohen Eiweissgehalt und das Auftreten
reichlicher Lcukocyten im Liquor gegen diese Vermuthung an-
führen.
Nun zum Schluss. Ich hoffe, dass Sie nach den gegel
Mittheilungen, die ja viel Neues beibringen, mit mir die Ar
theilen, dass wir in der Lumbalpunction ein werthvolles diagnosti
und therapeutisches Hülfsmittel besitzen. Sie gibt uns übe
_rankhafte Vermehrung und Spannung des Liquors in es
eise Aufschluss und hat uns einen Einblick in Krankheitsl
eröffnet, die uns bisher klinisch verborgen waren. Ohne Bedt
ich ein, dass noch weitere Erfahrungen nöthig sind,
>e ndieationen der Function genauer fcstzusetzcn und aus
weh sie gewonnenen Zeichen bestimmtere Schlüsse für die l’
K M ™ n 8 ^ er Krankheit zu folgern, wie das bisher erlaubt i
•letzt, müssen wir noch daran fest halten, dass
der durch die Function gelungene Nachweis einer
k ran k li af te n Ver tu eh r u u g «ndSpa n n u n g des Liquors
- von wenigen oben berührten Ausnahmen abgesehen — erst dann
seinen Werth erhält, wenn er a 1 s eine w i eh t i ge
Grösse in die d i a g n o s t i s e h e W ahrsehcinlichkeit s-
r e c h n u n g e i n g e f ü g t w i r d , worin alle anderen kli¬
nischen Zeichen ihre Stelle finden.
Sicher ist nächst der Bestimmung der Menge und Spannungs¬
grösse des Liquors die Prüfung des Eiweissgehaltes und des mikro¬
skopischen Verhaltens von Bedeutung. Obschon die mitgetheilten
Fälle einige Ausnahmen bringen, scheint mir bis zu gewissem
Grade die Annahme berechtigt, dass ein höherer Eiweissgrad als
1 j 4 °/on und vermehrtes Auftreten von Leueocvten auf Entzündung
hindeutet.
M. H. Die Geschichte der Lumbalpunction zeigt wieder ein¬
mal, wie innig die Beziehungen zwischen den wissenschaftlichen
Laboratorien und der praktischen Heilkunde sind. Durch seine
physiologischen Studien wurde Quincke zu praktischen Versuchen
geführt. Key un d R e t zi us und A11h an n (hei v. Berg¬
mann [17)) hatten die völlig freie Beweglichkeit dos Liquors in
den Subarachnoidealräume» des Hirn und Rückenmarkes kennen
gelehrt und sahen l>ei Injeotionsversuehen die blaue Masse vom
Rückenmark aus bis zur Hirnoberfläche und in die Ventrikel Vor¬
dringen. v. Bergmann (17) hob den künstlich durch Waehs-
injeetion bewirkten < Hirndruck >• auf, indem er den Liquor durch
eine Hohlnadel herausspritzen Hess, die er durchs Lig. oceipito-
atlanticum eingestoche» hatte. Quincke gab uns das brauch¬
bare Verfahren für die Praxis.
Stadelmann (18) hat jüngst vor der Anwendung der
Punction in der Privatpraxis gewarnt, da .< die grossen Vor¬
bereitungen >> besonders im Falle des Misslingens einen bösen Ein¬
druck auf die Angehörigen machen könnten. Demgegenüber
möchte ich betonen, dass die Vorbereitungen nicht grösser sind,
als für die Eröffnung eines kleinen Abscesses oder einer Probe-
punction der Pleura, und dass ich weder bei den ersten beiden
negativen, noch bei den folgenden 12 positiven Lumbalpunctionen in
der (’onsiliarpraxis den geringsten Schwierigkeiten begegnet bin.
Dringend nöthig ist es allerdings, dass jeder Arzt, der die Punetion
bei Erwachsenen ausführen will, sieh vorher in genauester Weise
über die anatomischen Verhältnisse — au» besten an der Leiche
— unterrichtet und heim Einstich jedes gewaltsame Vordringen
vermeidet. Beherzigt er diese Warnung und die von Quincke (4)
und die in meinen Vorbemerkungen gegebenen Kegeln, st» wird
er auch zum Ziele kommen.
Nachtrag. Von grundsätzlicher Bedeutung wird vielleicht
eine Beobachtung sein, die ich bei einem Kopf verletz teil gemacht
habe. Bekanntlich sind diese u. A. durch das hinzutreteude
(congestive) Hirnödem oft schwer gefährdet. Ich dachte daran,
dass man hier sowohl, wie bei manchen Formen der Commotio
cerebri, durch die L.-P. nützen könnte. Obwohl ich nur einen
solchen Fall gesehen habe, füge ich die Beobachtung kurz an,
weil sie zur Nachprüfung ermuntert. Es handelt sieh um einen
36 jährigen Heizer, der Tags zuvor von einem schweren Kisenstück
gegen die linke Wange betroffen und in massig benommenem Zu¬
stande auf die chirurgische Abtheilung meines Krankenhauses
auf genommen worden war. Herr Oberarzt Wiesinger war so
freundlich, mir den Kranken zu zeigen, der, 20 Stunden nach
der Aufnahme, so|K)rüs war, enge, undeutlich rcagirende Pupillen
darbot und durch lauten Anruf und Hautreize nur zu flüchtiger
Reaction zu bringen war. Es wurden bei etwa 200 mm Druck
18 ccm klares Hirnwasser (in Seitenlage) abgelasson mit dem
sofortigen Erfolge, dass der Kranke aus dem Soi*>r erwachte
und sehr bald über seinen Unfall berichten konnte. I)i e Pu¬
pillen wurden unmittelbar nach der Punction
mittel weit und roagirten tadellos. Die Genesung
machte von da ab rasche und ungestörte Fortschritte.
Ich möchte aus diesem Falle bis jetzt nur die eine Nutz¬
anwendung ziehen, dass man bei ähnlichen Fällen die L.-P. ver¬
sucht. Erst aus grösseren Reihen werden Schlüsse erlaubt sein.
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206
Literatur.
1. H. Quincke, lieber llydrocephalus 10 (Kongress für innere
Medicin. 1891
2. Derselbe, Die Lumbalpunction des Hydrocephalus. Berl. klin.
Woch. 1891. 39
3. Derselbe, Ueber Meningitis serosa. Sammlung klin. Vorträge.
Neue Folge 67. 189$.
4. Derselbe, Ueber Lumbalpunction. Berl. klin. Woch. 1895. 41.
5. v. Ziemasen, Ueber den diagnost und therap. Werth der
Punction des Wirbelcanals. 12 Congr. f. inn Med. 1893.
6. Fürbringer, Zur Frage der ergehnisslosen Lumbalpunction
Dtsch. med. Woch 1895. 45.
7. Lichtheim, Zur Diagnose der Meningitis. Berl. klin. Woch.
1895. 13.
8. Fü'rbringer, Zur klin. Bedeutung der spinalen Punction. Dtsch.
med. Woch. 1«95. 45.
9. Verhandlungen der Berl. med. Gesellschaft vom 20 Mürz 1893.
Berl. klin. Woch. 1895. 13.
10. Fürbringer, Plötzliche Todesfälle nach der Lumbalpunction.
Central bl. f. innere Med. 1896 1.
11. Deutschmann, Ueber Neuritis optica u. s. w., bes. über die
sog. Stauungspapille. Jena 1887.
12. Kockel, Ueber Thrombose der Hirnsinns bei Chlorose. D.
Woch. f. klin. Med 52. Bd, S 557.
13. Rieken, Ueber Lumbalpunction. I). Woch. f. klin. Med.
56. Bd. S. 1.
14. Leichtenstern, D. med. Woch. 1892, S. 39.
15. Büeklers, Zur Kenntniss der acuten primären haemorrhag.
Encephalitis. Arch. f. Psych. 24. Bd., S. 741.
16. Bir ch - H irschfei d, 11 Congr. f. inn Med. 1892, S. 28.
17. v. Bergmann, Die Lehre von den Kopfverletzungen. Deutsche
Chirurgie. Lief. 30, S. 274 u. ff. 18t>0.
18. Stadelmann, Berl. klin. Woch. 1895. 25.
(Aus dem hygienischen Institute der Universität Wien.)
Theorie der activen und passiven Immunität gegen
Cholera, Typhus und verwandte Krankheitsprocesse.
Von Max Orttbrr.
Aus Untersuchungen, welche ich gemeinsam mit Herrn L>r.
Herbert K. Durhatn aus London im Laufe der letzten
1 */2 Jahre ausgefiilirt habe, und ül>er welche demnächst aus¬
führlich im Archiv für Hygiene berichtet werden wird, ergeben
sich folgende Erkenntnisse über das Zustandekommen und Wesen
der Immunität gegen Cholera, Typhus und andere Krankheits¬
processe.
1. Durch die intraperitoneale Einverleibung der vollkommen oder
nahezu ungiftigen, durch! ’hlorofonn oderKrhitzen auf 60 °abgetüdteten,
Vegetationen des Vibrio der Cholera und anderer Vibrioarten, des
Typhus- und des Coli-Baeterium lässt sieh hochgradige und lang-
dauernde Immunität der Meerschweine erzielen. Die Thiere zeigen
hei dieser Behandlung gar keine oder nur unbedeutende und bald
vorübergebende Allgemeinerseheinungen, obwohl wir ihnen Dosen
bis 0-5 g Bactcrienleiber auf 1 kg Thier auf einmal ein verleibt
haben. Die einzigen regelmässig auftretenden Krankheitsersehei¬
nungen sind durch die im Gefolge der Injection auftretende, durch
die Baeterienproteine bedingte Peritonitis veranlasst. Wartet man
den Ablauf derselben ab, so kann man die Thiere, ohne Verlust
zn erleiden, in kurzer Zeit bis zu den höchsten Graden immunisiren.
Es ergibt sieh aus diesen Thatsuchen, dass die a bgetöd teten
Ba c te rie u1cib er selbst nie h t gif t i g sin d , sowie das s
<1 ie im in un i s i ren den Leibes be stau dt hei le d er B acter ien
von den Baeterien giften verschieden sind.
2. Die auf diesem Wege erzielte Immunität ist bei allen den
genannten Bacterienartcn eine wahre I n f c c t i o n s f e 81 i g k e i t,
keine Giftfestigkeit; was nicht ausschliesst, dass auf anderem Wege
auch gegenüber diesen Bacterienartcn und ihren Giften eine solche
auf Giftfestigkeit beruhende Linuiunität sich erzielen lässt.
3. Der Untergang der Baeterien im acfciv imuianisirtcn Thiere,
sowie in dem passiv durch das »Serum von Immunthieren geschützten
Thiere erfolgt, wie Pfeiffer richtig erkannt hat, unter dem
Einflüsse der K ö r p e r s ä f t e. D i e p o 1 y n u c 1 e ä r e n
Phagocytcn spielen dabei nur eine zweite, wenig
bedeutende Holle.
4. In dem Blute und den »Säften der iunnunisirteu Thiere
sind die «Antikörper» fertig vorhanden.
No. 9.
5. Im aefiv und im passiv im m u nisirten Thiere
wirken sie unmittelbar genau so wie ausserhalb des
t h i e r i s e h e n J»e i b e s a u f d i e B a e t e r i o n ein. I m p a s a i v
im mui) i s i rte n Thiere findet keinerlei rea etiv e
U in g o s t a 11 u n g d e r A u t i k ö r p c r «tat t.
6- Die Antikörper», die charakteristischen Bestandteile
des Blutes und der Körpersäfte der iuimunisirtcn Thiere haben
unmittelbar in i t d er A btöd t u n g d e r B a c ter i en nichts
zu tluin.
7. Die Abtöd tung der Baeterien wird auch in
allen act i v und passiv immunisirten Thieren durch
die in den Kör per.säften stets vorhandenen, nicht
specif ische n Sch utzstof fe, die «Alexine» Büchners
bewirkt.
8. Die wesentliche Wirkung der Antikörper der
'Säfte der immunisirten Thiere besteht darin, dass
sie die Hüllen der B acter i en lei ber zum Verquellen
bringen. Dies verräth sich dadurch, dass die mit diesen Säften
behandelten Baeterien klebrig werden, sich zu grossen Ballen ver¬
einigen und ihre Eigenbewegung verlieren. Diese fundamentale
Wirkung der Immunsera ist von Pfeiffer und seinen »Schülern
vollkommen übersehen, von Metschnikoff und Bordet zwar
gesehen aber in ihrer Bedeutung nicht erfasst worden. Dieser
fundamentalen Wirkung halber nenne ich die Antikörper der
speeifisch immunisirten Thiere Glabrificine (Klebrigmacher).
9. Dadurch, dass die Glabrificine die Oultnr der Baeterien
zum Verquellen bringen, machen sie das Bactericnproto-
plasma den Alexinen zugänglich, wodurch der Tod
der Baeterien herbeigeführt wird. Dieser Process geht
innerhalb wie ausserhalb des Körpers ganz in gleicher Weise vor
sich, wenn die Baeterien mit den Glabriticinen und den Alexinen
gleichzeitig zusammen gebracht werden.
10- Die Glabrificine werden bei dieser Ein¬
wirkung auf die Baeterien verbraucht (gebunden, zer¬
setzt V). Daher ist die Wirkung der Immnnsäfte genau der
angewandten Menge proportional.
11. Active und passive Immunität sind im Wesen
identisch. Beide Immunitäten beruhen in gleicher
Weise auf dem Vorha nden sei n der Glabrificine in
den Körper.säften.
12. Eh gibt keine aetive Immunität ohne Vor¬
handensein von Glabrifieinen in den Körpersäften.
13. Die Behauptung, dass aetive Immunität bestehen bleibe,
auch nachdem die Antikörper vollständig aus den Körpersäften
verschwunden sind, also die Fähigkeit derselben, passiv zu ininm-
nisiren, ist darauf zurückzuführen, dass die Concentration der
Glabrificine im Laufe der Zeit immer geringer wird, so dass
schliesslich die in den angewendeten Serumdosen enthaltenen
Mengen zur passiven Imraunisirung nicht mehr hinreichen.
14. Ich konnte das Vorhandensein der Glabri-
ficinc in den immunisirten Thieren noch 13 Monate
nach der letzten Immunisirung sicher nachweisen.
Ein vor noch längerer Zeit zum letzten Male immunisirtes
Versuchsthicr steht mir augenblicklich nicht zur Verfügung.
15. Die Glabrificine sind speeifisch verschie¬
den. Jeder Bacterienart entspricht ein spccifisches Glabrificin.
16. Jedoch ist die Wirkung derselben keine
speeifisch abgegrenzte, sondern nur eine graduell
abgestufte, so dass jedes Glabrificin gegen die
eigene Art am stärksten wirkt. Auf andere Bacterien-
arteu ist die Wirkung um so stärker, je näher verwandt die be¬
treffende Bacterienart ist.
Die gegeutheilige Behauptung Pfeiffer's von strenger
»Sjiecifität der Wirkung der Immunsera ist eine Uebertreibung des
wahren Sachverhaltes.
18) Die Glabrificine sind sicher Abkömmlinge
von Leibesbe8tandtheilen der Baeterien (specifischer
Proteine?) werden jedoch erst im im munisir ten Thiere
durch Umwandlung (Verbindung mit Bestandteilen des infi-
cirten Organismus?) erzeugt. Der Ort ihrer Erzeugung
sind vielleicht die Macrophagen, welche sieh schliesslich der
MÜNCHENER MKPICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
-
jS EN NO 3 chmidt -
V
J .
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
Verlag von J. F. LEIIMANN in München.
/> • * * 7
8. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
207
mit den Bacfcerienproducten beladenen polynucleäreu Leueocyten
bemächtigen.
19 . Alles Gesagte bezieht sieb nur auf Cholera, Typbus
und verwandte Procesßc. Bei Diphtherie- und Tetanus-Immunität
scheinen wesentlich andere Verhältnisse vorzuliegen.
Feuilleton.
Benno Gottlob S. Schmidt.
Am 3- März dieses Jahres begeht Benno Gottlob
S. Schmidt die Feier seines 70. Geburtstages. Unter den
Vielen, die den hervorragenden Gelehrten an diesem seinem
Ehrentage beglückwünschen werden, wollen auch wir nicht fehlen,
wollen ihm vielmehr mit unseren herzlichsten Wünschen zugleich
öffentlich den Dank sagen für all’ Das, was er während seiner
langjährigen, ausserordentlich erfolgreichen Thätigkeit der Wissen¬
schaft und der leidenden Menschheit genützt hat.
Wenn sich die deutschen Chirurgen alljährlich zu ihrem
Congress in Berlin versammeln, dann fehlt selten der Leiter der
Leipziger chirurgischen Poliklinik, Geh. Med. - Rath Prof. I)r.
B. Schmidt, der sich, allgemein verehrt und geachtet, durch
sein liebenswürdiges, biederes Wesen die Herzen seiner jüngeren
Collegen im Fluge erobert. Man erkennt schon nach kurzem
Gespräch mit ihm, dass dieser Mann so recht geeignet ist, ver¬
möge seiner grossen Fähigkeiten und seines lauteren, offenherzigen
Wesens die Stellung vollkommen zu erfüllen , auf welche ihn die
Leipziger medicinische Facultät schon vor nunmehr 27 Jahren
berufen hat.
Wenn Benno Schmidt an seinem 70. Geburtstage auf
sein vergangenes Leben zurückblickt, so wird er dies nicht ohne
grosse eigene Befriedigung thun können.
Im Jahre 1826 zu Kadlitz bei Dresden geboren, studirtc er
in Leipzig Medicin, wo zu damaliger Zeit hervorragende Forscher
und Lehrer wirkten. Namentlich waren cs die Gebrüder Weber,
Claras, Oppolzer und der Chirurg Guenther, die mächtig
auf den strebsamen »Studenten einwirkten. Nach beendigter
Studienzeit wurde Schmidt im Jahre 1850 Assistent an der
chirurgischen Klinik des Prof. Guenther und blieb in dieser
Stellung bis zum Jahre 1857 tliätig. Was Guenther sich als
vornchmliches Ziel gesteckt hat, seine »Schüler zu denkenden, vor
Allem mit den häufigsten Vorkommnissen der gewöhnlichen Praxis
vertrauten Aerzten auszubilden , sic dabei aber doch gleichzeitig
auch zu reger wissenschaftlicher Arbeit anzuhalten, das hat er bei
Benno Schmidt voll und ganz erreicht, hat es doch Benno
Schmidt selbst wieder verstanden, in seiner jetzigen Stellung
Tausenden von jungen Aerzten die Grundsätze dev praktischen
Chirurgie fest und sichor einzupflanzen.
Die Assistenten zeit war für Benno Schmidt aber auch
insofern ausserordentlich lehrreich, als ihm wiederholte Reisen
Gelegenheit gaben, an den Hochschulen von Prag, Wien und
Paris, das, was er zu Hause gelernt batte, in vollendeter Weise
zu ergänzen.
Nach 7 jähriger Thätigkeit bei Guenther babilitirte er sieh
in Leipzig alsDocent für Chirurgie, wurde 1865 ausserordentlicher
Professor und 1869 zum Director der chirurgischen Poliklinik
ernannt. Er hatte bis dabin schon eine ganze Reihe hervorragend:.r
wissenschaftlicher Arbeiten geliefert. »Seine Dissertation (1850)
hatte die Tuberculosc der Hoden zum Vorwurf gehabt. ln
Guenther ’s grosser Operationslehre hatte er die Capitel "über
den künstlichen After, über die Operationen am Mastdarm, am
Hoden und Hodensack, über die Blasenscheidenfistel und über die
Interleibsbrüche» geschrieben. Weiter waren werthvolle «Beiträge
,ur chirurgischen Pathologie der Harnwerkzeuge» von ihm er¬
schienen.
Die grosse Erfahrung, welche er im Laufe der Jahre an
dem reichhaltigen Material der Leipziger chirurgischen Poliklinik
gewann, gaben ihm auch weiterhin Gelegenheit zu zahlreichen
wissenschaftlichen Studien, in denen er tlieils die theoretische,
zumeist aber die praktische Ohirurgie erheblich förderte. Alle
diese Arbeiten hier aufzuzählen, wäre überflüssig. Wir erwähnen
DUr seine Bearbeitung der «Unterleibsbrüche» für das Handbuch
der Chirurgie von Pitha und Billroth, die Arbeiten <ül*er
die Entstehung der Obersehenkelluxationen. , 'über die Aehsen-
drehung der Wirbelsäule Ixfi habitueller 8coliu.se und ihre Behand¬
lung», «Uber die Resultate der Herniotomieen seit Einführung der
antisepti.schenOperatiunswei.se. . In den letzten Jahren erschienen
unter seiner Leitung werthvollc Arbeiten von ihm selbst und
seinen Schülern als -.Arbeiten aus der chirurgischen l.’niversitäts-
poliklinik zu Leipzig».
Den Feldzug 1870—71 machte er als consultirender General¬
arzt des XII. kgl. sächsischen Armeecorps mit und hat als solcher
dem Vaterlande unvergessliche Dienste geleistet, hat ala*r auch
später noch vielfach sein Interesse den Saintütseinrichtungon der
Armee zugewendet.
Unaussprechlichen Dank hat sich Benno Schmidt bei
seinen zahlreichen Kranken verdient. Unermüdlich tliätig, ver¬
bindet er mit der grössten Gewissenhaftigkeit eine echte Menschen
freundlichkeit, die dem Kranken über die Schwere seines Leidens
liinwcgzuhelfen und ihm allezeit Trost zu spenden vermag.
Diese humane Art, chirurgische Praxis zu treiben, ist Benno
»Schmidt auch bestrebt, seinen Schülern beizubringen; das hat
uns bei wiederholten Besuchen seiner Poliklinik ganz ausser¬
ordentlich gut gefallen.
Möge dem Jubilar, dem es an zahlreichen Ehrungen während
seines Lebens nicht gefehlt bat, dem es unter Anderen vergönnt
ist, auch seinem König bei seinem schweren Leiden als ärztlicher
Berather zur Seite stehen zu dürfen, der die grosse Freude hat,
auch einen seiner Söhne als langjährigen Assistenten der Heidel¬
berger chirurgischen Klinik und Docenteu der Chirurgie erfolg¬
reich wirken zu sehen, möge es dem Jubilar vergönnt sein,
in gleicher Frische des Geistes und des Körpers wie bisher so
noch recht viele Jahre in seinem Berufe zu wirken, sich zur
Freude, seinen Kranken zum Heile. Hoffa.
Nochmals : Ein „conservatives“ Krankenhaus 1 ) (Prag).
Von Dr. K. Grass mann in München.
Es war leicht vorauszusehen, dass meine nicht sehr schmeichel¬
haften Auslassungen über die Zustände im k. k. allgemeinen Kranken¬
hause zu Frag da und dort über dem Böhmerwald drüben trübes
Wetter machen würden. Aus den literarischen und sonstigen Nieder¬
schlägen, welche daraus hervorgingen, darf ich den verehrten Lesern
des Feuilletons vielleicht noch Einiges vorlegen, ohne fürchten zu
müssen, dass ich lästig werde; ganz abgesehen davon, dass mich
einige Ausführungen in der Prager medicinischen Presse persönlich
herausfordern, darauf Red' und Antwort zu stehen.
In No. 4 der Prager medicinischen Wochenschrift kommt der
Herr Verfasser eines Referates über meinen früheren Artikel zu
folgendem Satze: «Gefühle nichts weniger als angenehmer Art sind
es, die uns beim Lesen dieses Artikels beschleichen. Vor Allem
drängt sich eine gewisse Verstimmung auf, dass gern gewährte Gast¬
freundschaft, eine Eigenschaft, deren sämmtliche Kliniken unseres
Krankenhauses, sowie dessen Direction, sich rühmen können, auch
solche Früchte tragen kann etc ».
Wenn in diese Worte sich der Vorwurf gegen mich kleidet,
als hätte ich eine der Pflichten genossener Gastfreundschaft, nämlich
die Discretion, verletzt, so halte ich dieser Auffassung die meinige
gegenüber, dass ich durch das Betreten des k. k. allgemeinen Kranken¬
hauses zu Prag auch nicht stillschweigend die Verpflichtung über¬
nahm, über das, was mir von den Herren Collegen dort in offenster
Weise gezeigt wurde, ja reinen Mund zu halten! Kein Arzt, der in
fremdem Lande Krankenhaus-Einrichtungen besichtigt, wird sich des
Rechtes begeben, die erhaltenen Eindrücke daheim in der Fachpresse,
also an ordnungsgemässer Stelle, objectiv aussprechen zu dürfen.
Für Discretion gibt es eine Grenze, jenseits welcher die Mit¬
schuld beginnt. Ich kann kaum glauben, dass der Verfasser
jenes Referats ein Arzt ist. Humane Aerzte werden niemals darüber
verstimmt sein, wenn ein anderer Arzt Schritte unternimmt, um dos
Loos von Kranken zu verbessern. Oder glaubt vielleicht der Herr
Verfasser in Prag, ich hätte meinen Artikel aus einem andern Mo¬
tive geschrieben? Vielleicht aus politischen Gründen, wie auch ein
Wiener Blatt mir zumuthet? Nein! Was ist mir Böhmen ? ft Vollends
gar die böhmische Politik!? Wenn ich die traurigen Zustände im
Prager Krankenhause mit dem Zurückgedrängtwerden der deutschen
Elemente in Verbindung brachte, so waren für mich lediglich cultur-
historische Thatsachen massgebend, die anzuführen ich nur zu
höflich bin —.
') Vergl. den gleichnamigen Artikel in No. 51 vor. Jahrg. dieses
Blattes.
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208
Münchener me dicinische Wochen schrift.
No. 9.
Welcher Gestalt
mir verletzte Gastfreundschaft f d gebrachten Mittheilung
geht aus der bereite Landtag jün|t 240 000 fl. zur Ver-
hervor, wonach der böhmische ^a SJ8 verbo!) Zustände em-
besserung der ^tigen hygi g^^ ( jen Kranken im allgemeinen
stimmig bewilligte. Ich , , her «Früchte», — selbst um
indä«™.!»» i enes Herrn Refers«-
Verfassers. anch fojg^de» S.U “■ r ‘^
Angaben Grassmann s über a P ; beruhen auf falscher
" d T3 " SSÄX “ - »»< «rund
WinL weien po*. ™S”=h «^el £
Krank. m e!„ere Kranke auf dem FuB.bodeu
Abteilungen und Klink ^ ma88enha f t en Ansammlung von
We ilt h en etc" möge der sich dafür interessirende Leser an
■ 6i ta dir Ä« Selbstkritik weichende,,
Dirtnm schliesse ich meine böhmische Excureion und gedenke meine
Ss 'hW?SSÄLeserschaft nicht ferner durch derartige Aus¬
flüge zu ermüden. —
Referate und Bücheranzeigen
J a r u 11 1 ow s k y: Die geschlossenen Heilanstalten
für Lungenkranke und die Behandlung in denselben.
Berlin 1896- S. Karger. Preis 1 Mark.
Nach einer geschichtlichen Einleitung, in welcher J., ein
früherer Assistent der Goerbersdorfer Heilanstalt, Brelimer s
Verdienste um die Phthiseotlierapie — mit vollem Beeilte — be¬
tont, wird der Hauptthcil der Abhandlung den drei lleillactoren.
<( Klima, Hygiene und Diätetik » gewidmet. Kam Brelimer auf
die Wahl des Gebirges für seine Anstalt, um das schwache Herz
der Phthisiker, das Urübel des Leidens, zu stärken, so hat man
zwar neuerdings diese Ansicht als falsch erwiesen, wä i t a er
doch mit Vorliebe wiederum Gebirgsgegenden für die Lungen¬
heilanstalten aus verschiedenen Gründen. Die Einen behaupten,
Tuberculose sei überall heilbar, wenn nur die Luft rem sei (rem
von Staub und somit auch von Mikroorganismen, welche aus der
Tuberculose erst Phthise, Schwindsucht machen), und das ist ja
im Gebirge hervorragend der Fall, weniger in der Nähe einer Stadt
wie Berlin. Andere empfehlen die Gclirgsluft wegen ihrer Trocken¬
heit, Kälte, Verdünnung, ihres vermehrten Ozongchaltcs und wer
weiss was sonst; die neuesten Forschungen scheinen sogar eine
« specifischc » Wirkung der Höhenluft durch mächtige Beeinflussung
der Blutbildung zu beweisen, kurz, Mancherlei spricht dafür, bei
freier Wahl des Ortes, immer eine waldige Gebirgsgegend, fern
von Rauch und Staub, vorzuziehen.
Die Luftcur, möglichst reichlicher Aufenthalt der Kranken
in frischer Luft, selbst bei Kälte, die Liegecur, in ihrer tech¬
nischen Vollendung in Falkenstcin durchgeführt, das Bergsteigen
und die Lungengymnastik werden behandelt, Punkte, von deneu be¬
kanntlich der letztere noch viel umstritten wird, indessen, selbst¬
verständlich bei individualisirendcr Anwendung (wo wäre überhaupt
in der Mcdicin Schablone am Platze?), wie man bei Verfolgung
der neueren Publicationen sieht, sich immer mehr Freunde erwirbt.
Der Abschnitt über diätetische Behandlung nimmt Rücksicht
sowohl auf die allgemeine Ernährung, als auch auf die beiden
Schosskinder Milch und Alkohol; besonders das über den Milch¬
genuss (als eine Reserve!) Gesagte ist beherzigenswert und steht
recht im Gegensätze zur Schablonen Verordnung in praxi: «Trinken
Sie viel Milch 1 » Was heisst « viel » ? Einige Seiten über päda-
gogisehe Behandlung, »dcl,. da» Verhemhehen der Raaktat
Sn und »ich natürlich über die Vorthe.le der A»»tal »behand-
tang in dieser Belebung gegenüber dem fraen Aufenthalte a.
Curorten verbreiten, beschlicssen diesen Thal.
Die symptomatische Behandlung des Fiebers (Hauptfactorei,
Ruhe, Eisbeutel auf die Brust(?), Phenacetin und Ungurwcm),
d» Schweis»., de» Huat.na, der Blutungen verach.edeaer Grade,
d£ Magen- und DamhcBchwerden bildet den Inhalt der ™kh»«n
hydnjpathiöche Behandlung (in lnbenawerther Reiehh.tagke.t
empfohlen), die St.ti.tik der An»talt»beh.ndlu„g and endheh e,ne
kann Beschreibung der Anstalten n Goerbersdorf, Wkenstcm,
Bavos, Hohenbonnef, Reiboldsgrün und St. Ilten bilden den-
ienigen der letzten Abschnitte.
Das Heftehen skizzirt ungefähr die gauze * ra K e - ohl “
natürlich - auf 46 Seiten — die einzelnen tapite anders als
„dt wenigen Strichen zeichnen zu können. Neuere Arbeiten dieser
\ r t sollten, wenn anders sie ihren Zweck erfüllen wollen zum
Studium der Angelegenheit anzuregen, ein recht reichhalt,ges
Literaturverzeichnis« enthalten. . ,,, , »
])r. Georg Liebe, Gcithain (Sachsen).
Prof. A.Socin, E. Markees, H. Br & « n * n .? er ’
C.Hagier: Jahresbericht über die chimrg. Abtheilnng
und die Chirurg. Poliklinik des Spitals zu Basel. Basel
1894- Werner-Ri chm.
Die 207 Seiten starke Broschüre behandelt in der übersicht¬
lichen, topographischen Weise der früheren Basler Jahresberichte
die Vorkommnisse des Jahres 1894 auf der Chirurg. Klinik und
Poliklinik, rubrieirt das Material in verschiedenen Tabellen, so
die Diphtheriefälle (22 Fälle mit 19 Tracheotomien) die Strumen
(29Fälle mit 23 Op., 9 intraglandulärehnucleationcn, 7
rcsectionen, 7 halbseitige Reaktionen), die Hernien (U emgek-
Leistenbrüche, 5 eingekl. Schenkelbrüche, 22 Op. uneuigcUM-
hrüche [7 nach Kocher]), ehe Mammacarcmome (2 Hlk) ^
Rectumearcinomc (4 Fälle). Von der überaus interessanten CasrnstA
sei u. a. nur eine erfolgreiche Entfernung eines Trachealfrcmdkörpus,
eine Fraetur des XII. Brustwirbels, eine Atlasluxation, eine tedt-
liclie Bauch Verletzung durch Hirschgeweih etc hervorgehoben
die Erkrankungen mehrerer Körperteile, die OpcraUonen und
Narkosen werden eigens beschrieben (unter letzteren 307 Aethcr
narkoson, 74 Chloroform-, 72 Bromäthylnarkosen). ^nr.
Neueste Jourualliteratur.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 8.
Dr. L. N. War neck-Moskau: Ein Fall von Angioma byper-
trophicum musculi recti abdominis. , •,
Mittheilung eines anfänglich für ein Bauchdeckendermo.iU^
haltenen Tumors bei einem 2s jährigen Mädchen, der be, der p “
mit einem Theil des rectus abdom. entfernt wnrde Das
skopische Präparat ergab eine Menge von neugebddete
und hier nnd da verkümmerte Muskelelemente
Ccntralblatt fiir Gynäkologie. 1896, No. 8.
1) Czempin-Berlin: Verstellbarer Operationstisch tor
Beckenhochlagerung und für vaginale Operationen.
Cz. hat den von Fritsch angegebenen Beck ®“ 80 .
alle abdominalen Operationen vielfach verwendet und de be ^
gar der Trendelenburg'sehen Hochlagening Liogisfche
selbe hat nur den einen Nach theil, dass e ^® lc M äk §JJen 2 Tische
vaginale Operationen nicht eignet, also für den Gynäkol
erforderlich macht. Diesem Uebelstaud soll ein n ’ Mechanismus
Höhen einstellbarer Operationstisch abhelfen, desBenMch
Cz. an Abbildungen erläutert und der für alle Arten Opern,o
geeignet ist
2) Guonther-Dessau: Ein Fall von vaginaler Ventro-
fixation des Uterus. . ,
Bei einer 28 jährigen Frau mit Retroflexio ”" d G D die zur
kystom über dem vo deren Scheidengewölbe benutz „ ' von ihr
Entfernung des Kystoms geschaffene Colpotomiewunde un
aus den Uterus an die Bauchwand zu fixiren; daher ^mährte diese
dox klingende Name: »vaginale Ventrofixation« Uterus in
Operation, indem er nach Abtragung des Tumors den Uteru^^
Anteversion brachte. dann von der Scheidenwunde uem ^
Seidenschlinge durch das Lig. rotundum J ^ e8e durch
führte, ihre Enden in gekrümmte Nadeln einfädelte Punkten
die Bauchdecken hindurch an zwei vorher auf^uemen ^
am Pecten ossis pubis führte. Blase und Däime danu
unter die Finger gekommen sein. Die beiden Fäden
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3 . März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHUHT.
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auf der äusseren Bauchhaut geknotet, zum Schluss die vaginale
Wunde vemftht. Am 12. Tage wurde Patientin geheilt entlassen;
der Uterus stand antevertirt.
G. hält die Ventrofixation für berechtigter und physiologischer,
als die Vaginifixur, die ja neuerdings wegen der dadurch bedingten
Geburtsstörungen und anderer schädlichen Folgen stark in Miss¬
kredit gerathen ist. G. hofft, dass seine Operation die Vortheile der
vaginalen Methode mit den Erfolgen der bisher abdominalen Ventro-
tixation vereinigen werde
3) A. 8itzinski-Peterhof: Partus per rupturara perinei
centralem.
2G jährige Erstgebärende, deren Geburt eine Hebamme leitete.
Hierbei kam es zu einem centralen Dammriss, durch den das ganze
Kind (Knabe) nebst Nachgeburt austrat. Rectum und Anus blieben
völlig unversehrt. Jaf f^-Hamburg.
Ziegler’s Beiträge zur pathologischen Anatomie. Bd. XV11I,
Heft l.
I) Grigorjeff: Ein Beitrag zur chronischen Mutterkorn¬
vergiftung bei Thieren. (Aus dem pathologischen Institut der
Universität Freiburg i. B)
Experimentnlarbeit, nusgeführt an Hühnern und Hunden.
Das Mutterkorngift schädige in erster Linie das Centralnerven¬
system. Es komme offenbar zuerst zu einer Reizung des vasomo
torischen Centrums, zur Contraclion der peripheren kleinen Arterien,
zur Ischämie; darauf folgt dann später die Lähmung des vasomo¬
torischen Apparates mit Erweiterung der kleinen Arterien und Venen,
Stase und Oedem. Die Folge sei die Necrose peripherer Körpertheile.
(Am Hahn z. B. Theile des Kammes.) Anatomisch fänden die Verän¬
derungen im Centralnervensystem ihren Ausdruck in einer frischen
Myelitis, welche speciell die Hinterstränge des Rückenmarkes befalle.
Ausserdem beobachte man Degenerationsvorgänge am Endothel der
Gefilsse, Degeneration der Parenchymzellen von Nieren und Leber,
der Herzmuskelfasern, Katarrh der Schleimhaut des Magendarm
tractus, speciell im unteren Abschnitt des lleums, Gefässalterationen,
Blutextravasate und Entzündungen auf den Lungen, Zunahme der
Zahl der weissen, Abnahme der Zahl der rothen Blutkörperchen
und Degenerationserscheinungen an beiden. Aus alledem entwickle
sich ein Zustand von tiefstem Marasmus; der Tod der Thiere er¬
folge in Folge ihrer Myelitis. Auch für den Menschen lasse sich
nach dem Krankheitsbild annehmen, dass neben den nachgewiesenen
Rückenmarksveränderungen auch dieselben oder ähnliche Ver¬
änderungen an den übrigen Organen desselben sich finden würden.
Die stärksten Wirkungen auf den thierischen Organismus äussere
das frische Mutterkorn selbst; die Wirkung desselben erhalte
sich viel länger, als man bisher geglaubt hat; und zwar ist die
des Mutterkornes noch 8 Monate nach der Ernte, die der Sphacelin-
säure 4 Jahre nach der Bereitung aus frischem Mutterkome vor¬
handen. Interessant ist die Thatsache, dass das in der ärztlichen
Praxis vielgebrauchte Ergotinum Bombeion in den Grigorjeff-
schen Versuchen sich als absolut wirkungslos erwies
2) A. Grigorjeff: Zur Frage von der Resorptionsfähig-
keit des Amyloids. (Aus dem pathologischen Institut der Uni¬
versität Freiburg i. Br.)
G. hat Thieren Stückchen von in Spiritus aufbewahrten stark
nmyloid degenerirten Organen unter die Haut oder ins Peritoneum
gebracht, um nach Ablauf gewisser Zeit sie wieder herauszunehmen
und einer mikroskopischen Prüfung zu unterziehen. Die Versuchs¬
ergebnisse stimmen im Allgemeinen mit den schon früher von
Litten erhobenen überein. Das Amyloid wird, wenn auch sehr
langsam, wenigstens bei gewissen Thieren nach Durchsetzung der
eingeführten Organtheilchen durch Fibroblasten und Riesenzellen
thatsächlich resorbirt. Letztere spielen dabei eine phagocytäre Rolle.
Die AmyloidsubBtanz behält während des Resorptionsprocesses fast
alle ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften bei; beiden
kleineren Amyloidschollen können sich dagegen die mikrochemischen
Eigenschaften insofern ändern, als ein vollständiger Verlust oder
eine Abschwächung der specifischen Färbung bei der Jod- und
Methylviolettreaction gefunden wird. Es scheint somit das Amyloid,
ein umgewandelter Eiweiasstoff, eine regressive Veränderung ein¬
ten zu können, und zwar in Hyalin. Mit anderen Worten: Das
Hyalin ist eine Vorstufe des Amyloids
3) Wl. Schamschin: Beiträge zur Pathologie des Herz¬
muskels. (Aus dem pathologischen Institut der Universität Frei¬
burg i. B)
Nach experimentell ausgeführter Vagusdurchschneidung finden
sich am Herzen Unregelmässigkeiten der Blutvertheilung (anämische
neben hyperämischen 8tellen), geringe fettige Degeneration und eine
eigentümliche, mit Körnchenbildung einhergehende Entartung in
manchen Muskelzellen des Herzens, dagegen keine messbare De¬
generation der letzteren. Der Vagus hat also keinen trophischen
Einfluss auf das Herz. Zur Erklärung der Veränderung der Herz¬
muskulatur genügen die anderen Erscheinungen: so die Störung der
Regulation der Herztätigkeit, die Unregelmässigkeiten der Blut-
mrculation, wahrscheinlich auch die Störungen an den Lungen und
dem oberen Abschnitt des Verdauungstractus.
Der Herztod bei Diphtherie ist eine Folge schwerer, als Ent¬
artung sich kennzeichnender Schädigung des Herzmuskels durch die
mittels der Blutbahn zugeführten Toxine. Veränderungen an den
nervösen Elementen des Herzens konnte Sch. in den von ihm
untersuchten Fällen nicht finden.
4) Boris Werhovsky: Untersuchungen über die Wirkung
erhöhter Eigenwärme auf den Organismus. (Aus dem pathol.
Institut der Universität Freiburg i. B.)
Verfasser hat in einem sehr zweckmässig construirten regulir-
baren Wärmeschrank die Eigenwärme von Kaninchen verschieden
lange Zeit auf sehr hoho Grade gebracht (bis 42°); die Untersuchung
der Organe der Thiere, von welchen ein Tlieil im Wärmekasten
starb, ein anderer getödtet wurde, ergab fast regelmässig paren¬
chymatöse (vaeuoläre und fettige) Degeneration der Leber, Nekrose
der Epithelien der gewundenen Harnkanälchen, Verfettung der
Herzmuskulatur und mancher Lymphoeyten, reichliche Anhäufung
von Hämosiderinen in Milz, Lymphdrüsen und Knochenmark und
starke Abnahme der Erythrocyten und des Hämoglobins im Blute.
Werhovsky glaubt seine Versuche so angeordnet zu haben, dass
er die genannten Erscheinungen lediglich als die Wirkung der
erhöhten Eigenwärme der Kaninchen auffassen dürfe.
Wenn auch das Fieber nicht mit der Erhitzung des Körpers
durch Wärmeretention identilicirt werden dürfe und ausserdem der
fiebernde Mensch sich auch unter anderen Verhältnissen befindet
als das beständig im Wärmekasten gehaltene Versuchsthier, so
bleibe doch die Erhöhung der Körpertemperatur etwas für den
Organismus Schädliches und man dürfe nicht — von gewissen
Fä len abgesehen — im Fieber einen hauptsächlich Balutären Vor¬
gang sehen.
6) Boris Werhovsky: Beiträge zur pathol. Anatomie der
Abrinvergiftung. (Aus dem pathologischen Institut der Universität
Freiburg i. B.)
Das in den Samen von Abrus Praecatorius enthaltene Abrin
ist bekanntermassen ein heftiges Gift. W. hat sich nun der
dankenswerthen Aufgabe unterzogen, an Thieren, welche mit Abrin
vergiftet worden waren, die anatomischen Veränderungen genauer
festzustellen
Er fand regelmässig blutig-seröse Flüssigkeit in Herzbeutel und
Peritoneairaum, lebhafte Injection des Peritoneums, croupöse Ent¬
zündung von Magen- und Darmschleimhaut, blutigen und flüssigen
Darminhalt und Schwellung von Milz, Leber, Pey er'sehen Plaques und
mesenterialen Lymphknoten. Mikroskopisch: Stauungshyperämie,
Zerstörung der Erythrocyten, Auswanderung der Leukocyten, starke
Entzündungserscheinungen im Darm, im Falle längerer Dauer der
Vergiftung Nekrosen der Nierenepithelien und stark (durch hydropisclie
Schwellung) entartete Herzmuskelzellen. Boris W. sieht letztere Er¬
scheinung als die eigentliche Todesursache an.
(») Ernesto Bozzi: Untersuchungen über die Schilddrüse.
(Aus dem pathologischen Institut der Universität Freiburg i. B.)
Es ist leider nicht möglich, auf die ftusseret ausführliche und
interessante Arbeit, welche in erster Linie rein anatomische oder
physiologische Fragen behandelt, des Näheren einzugehen. Nur
einige Worte über die Ergebnisse der experimentell ausgeführten
Schilddrüsenexstirpationen des Verfassers! Darnach scheint es, dass
beim Hunde (vermuthlich auch beim Menschen) eine erhebliche
Neubildung von Schilddrüsengewebe in den Reststücken der Drüse
nicht statthat. Wenn überhaupt eine compensatorische Hypertrophie
des zurückgelassenen Stumpfes eintritt, so geschieht dies jedenfalls
sehr langsam; wenn nach Operationen sehr rasch Hypertrophie
bemerkt wird, so dürfte es sich wahrscheinlich nur um ein Weiter-
sclireiten des alten Krankheitsprocesses, welcher zur Exstirpation
geführt hatte, handeln.
7) Cesare Biondi: Experimentelle Untersuchungen über
die Ablagerung von eisenhaltigem Pigment in den Organen
in Folge von Hämatolyse. (Aus dem pathologischen Institut der
Universität Freiburg i. B )
Biondi hat experimentell Hunden, Kaninchen und Katzen
das Blutgift Toluylendiamin sub cutem beigebracht. Nach ihm ist
die pathologische Siderose, abgesehen von der Einspritzung von
Eisensalzen und der Gegenwart von Blutextravasaten, durch Häma¬
tolyse verursacht. Diese H. findet in der Milz und im Gastro¬
intestinalgebiet durch die Thätigkeit weisser Blutkörperchen, welche
Erythrocyten einschliessen, statt. Diese « globuliferen» Zellen tragen
der Leber das Material zur Zellenfarbstoffbildung zu, das eisen¬
haltige Pigment wird auf diese Weise frei und wird von «sideroferen »
Leukocyten wieder weiter nach Milz, Knochenmark und Lymph¬
drüsen transportirt, um hier abgelagert zu werden. Dementsprechend
muss die Siderose im Verhältniss der Gallensecretion zunehmen und
ist am stärksten bei dem Ikterus durch Pleiochromie. Abgesehen
von der Niere, in deren Epithelien hie und da Hämosiderinnieder¬
schläge Vorkommen, ist die Siderose nie ein Zeichen, dass in loco,
wo sie gefunden wird, hämolytische Zellthätigkeit stattgefunden hat,
sondern dass hier das in der Leber hergestellte Pigment vom Blute
deponirt worden ist. Die gesunde Leberzelle gibt ihre Secretions-
producte, Bilirubin und Eisenpigment, rasch ab; man findet daher
nur in der kranken, functionsunfähigen Leberzelle Hämosiderine.
Es fehlt jeder Beweis, dass die «globuliferen» Zellen sich in
«siderofere» umwandeln. Wegen der Einzelheiten der äusBeret
interessanten und ausführlichen Arbeit muss auf das Original ver¬
wiesen werden. v. Notthafft, München
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Münchener me dicinische Woche nschrift.
No. 9.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, »o. 8.
für einen entschieden^ Fortsc tt J Q( . gllen Dingen therapeu-
reicherung unserer „ < J' a f'° d 8t g ^ amens Autoskopie, worunter man
tischen Technik. Statt des * . . t sc hläet er vor «Speculum-
v°n jeher die Namens A utöskop GCelilkopfspeculum>.
Untersuchung» und stau a«**vereinzelten Fällen von
Bei Erwachsenen *l* nbt ” r n n " r V on 3 Kehlkopf-
dem Verfahren Gebrauch machen z Hilfe de8 Kehlkopf-
sat*• »*■« —
unter Leitung des Spiegels «^‘„^“dic Methode bei Kindern.
2 Kinder mU^mult^plenPupillouienkonnten^er Specuhuiiuntersuchung
mit Leichtigkeit unterzogen t^ t ®^Se n . Bei 3 weiteren
der Tumoren mit der D ™ bt «* l, 2g Ljf^“ch Sheotomie ; 2 der-
selben^onntcn mit dem Siegel
belirliches Hilfsmittel. _
2) Leo Bonn: Ueber die voraussichtliche Bedeutung der
Katll Be?m S Rumpf D dürft^die^'w^^lof^Kathödenstrahlen zu durch
SSSÄlKSÄ
j&Ä to für den Patienten in .ich
' Chli “t Erkrankungen im Körperinncm, für «eiche die E6 „tg e n
Smää» “äSk
Fremdkörper, Verkalkungen, ^T^McielHiurlf^die^ftU. Harnsäure
ScSSÄ. Türte’sÄen -MM ** «J
Durchlässigkeit scheint zum Theil vom specifischen Gericht
betreffenden Körper abzuhängen.
3) Bruck: Zur Syphilis des äusseren Ohres. (Baginsäy-
” he S“L breiten Condylomen in beiden Gehürgängen,
gleich mit einem papillären Syphilid an der Ohrmuschel.
41 Silex: Pathognomonische Kennzeichen der conge
talen Lues. (Augenklinik Berlin.) S. d. W. 1896, 8. 85. ^
Deutsche medieinische Wochenschrift. lS9i>, No 9
1) W Ebstein: Einige Mittheilungen über die durch das
Maul- und Klauenseuchengift beim Menschen veranlassten
Krankheitserscheinungen. (Aus der medicmischen Umversitäts
Klinik in Göttingen.) (Schluss folgt.)
2) Börger: Zur Behandlung der Typhusabdominalis mit
antitoxischem Hammelserum. (Aus der medicmischen Universi¬
täts-Klinik in Greifswald Dir.: Prof. Mosler.)
Die im Einverständniss mit den Professoren Beutner und
Pei per, den Darstellern des antitoxischen Typhuwerums, gemachten
Versuche ergaben vorläufig ein wenig günstiges Resultat. Die Ver
suchsreihe umfasste 12 Fälle, nur für 4 derselben kann e.ne Mög-
lichkeit der Beeinflussung des Verlaufs zugegeben
liehe Wirkungen der zum Theil sehr beträchtlidien Mengen das
injicirten Serums (bis zu 200 ccm) wurden nicht beobachtet.
3) K. Schuchardt: Spontane Heilung einer inoperablen
bösartigen Blasengeschwulst. (Aus der chirurgischen Abtheilung
des städtischen Krankenhauses in Stettin.)
Eine seit circa 4 Jahren allmählig zunehmende Blasengeschwulst,
wahrscheinlich sarcomatöser Natur - mikroskopische Untersuchung
wurde leider nicht gemacht -, die bei der Probelaparotomie wegen
Uebergreifen auf die Umgebung und Metastasen in die Bauchmus¬
keln als inoperabel erklärt wurde, ging unter sechswöchentlicher
profuser Eiterung vollständig zurück. Nach weiteren 2 Monaten
wurde der Kranke als völlig geheilt entlassen
4) H Mayser: Ueber das Zustandekommen der hypno¬
tischen Wirkung der Disulfone. (Aus der medicmischen Universi¬
täts-Klinik und dem pharmakologischen Institute der Universität
BreslSy) nderlin( j en und de Buck suchten die nach längerer
Darreichung der Disulfone beobachtete Ausscheidung von eisenfreiem
Haematin, dem sogenannten Haematoporphyrin, im Harne sowohl,
als die hypnotische Wirkung derselben auf physikalisch-chemischem
Wege zu erklären. M. weist nun nach, dass die von ihnen behauptete
Verminderung der Alkalescenz des Blutes nicht stattfindet, die
Wirkung des Sulfonals und Trionals also keine toxische genannt
werden kann. Das Vorkommen der Haematoporphyrinnrie wird auf
individuelle Idiosynkrasie zurückgefübrt.
'5) A. Murri-Bologna: Ueber Chininvergiftung,
aus No. 8 d. Wochenschr.)
, j io ftpafhichte einer Malariakranken, welche
Anschliessend an die^ ^ ^ g mit
auf die jewefiige Gabe v Ohm Schüttelfrost, Icterus und
typischen Intom^tionBerschemunge ^ ^ ^ chinin
Haemoglobmurie reR ^ ’ . u auf da8 Blut wirkt. Eine directe
sSSsSSf#
Europäer, in Tropenlündern, eu Fd*. die
der Tropenforschung m Allgemeinen nic.u *5 der Tropen .
sogenannte die Colonisation hochgelegener,
hygiene verdrängt wd ^mh wisse Ansiedler nur durch Ver-
geeigneter Tropengebmw {rj8chem Nach8chnb aus Europa und
unSrobStJÄ hygienischen Vorsichtsmaassregeln mögheh^e,
Vereins- und Congressberichte.
Verein ftlr innere IKIedicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 24. Februar 1896.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Professor
Oppenheim u. G. einen Apparat zur monopolaren Elektri-
sirung und Herr Becher knüpft daran einige Bemerkungen,
wie dieser Apparat vielleicht zu therapeutischen und diagnostischen
Zwecken verwertet werden könnte ; ersteres durch Gombmation
der Elektricität und Massage. Ueber diese Art von Elektnsiren
hat in den letzten Tagen ein russischer Herr höchst phantastisch
Anschauungen veröffentlicht und sie, wenigstens den
berichten zufolge, als seine Erfindung ausgegeben. J\' c
Tr eitel in der Discussion zu obiger Demonstration ganz richtig
bemerkte, wird aber diese monopolare Ladung eines Körpers
mittelst Elektricität von Herrn Spiess in dev Uran,a ^
dem Vortrage: Tcslas Licht der Zukunft) seit Jahr u„ d Tg
demonstrirt. Es handelt sich um hochgespannte Wechsc*
ströme, mittelst deren eine moditieirte Leyden sehe hascht
geladen wird. - Herr Leyden weist auf seinen in Gesellschaf
für öffentliche Gesundheitspflege gehaltenen \ ortrag über
zuerrrichtcnden Heimstätten für Lungenkranke hm und 8 “ c ! >t
Interesse der Gesellschaft für diese gemeinnützige Institution zu
erwecken. .
Tagesordnung: Schluss des Vortrages des Herrn Heinc-
mann aus New-York über mechanische Behandlung der H
krankheiten.
Aerztlicher- Verein zu Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 25. Februar 1896.
Vorsitzender: Herr Kümmel 1.
I. Demonstrationen:
1. Herr Wiesinger stellt einen Kranken vor be ‘ <““[
wegen myelogenen Osteosarcoms des Hnm«m mi
Oberarm den ganzen Scbultergürtel bis aufS^'SteSSdenen
Ende der Clavicula entfernt hat und demonstrirt den e »t Arm
Dcfect. Während der Kranke, dem eine Eisenstange > auf d rbande
gefallen war, ohne denselben zn fracturiren, 1CQ . n ; cb t be-
lag, kam es durch regressive Veränderungen der vorhenu^
merkten malignen Neubildung zur Spontanfractur des Harne™* ^
zum radicalsten Vorgehen veranlasste, um sicher ■ n 1a hr e
operiren. Bei demselben Patienten wurde eme mxndestens ^
alte, fünfmarkstückgrosse, von der Diploe nach «wjen ^ zum
gewachsene Metastase am rechten os parietale entfern , au{ .
Theil mit der Dura bereits verwachsen war. Die Du»
fallender Weise nicht gespannt, sondern schlaff^ P™“™| ter be-
sondern undulirte über einer serösen Flüssigkeit, di Fa n ist
findliche Gehirnsubstanz war atrophisch. — Ein ähnlicü
von Köhler in der Gesellschaft der Chante-Aerzte Ende Vong
Jahres vorgesteUt. - Herr Kümmell berichtet, dass bei dem
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3. März 1896-
ihm vor 2 Jahren vorgestellten Kranken nach einem halben Jahre
an Metastasen der Exitus eintrat. Die Prognose ist überaus infaust.
2. Herr Deutschmann zeigt eine Kranke mit Iris-
condylomen: Iritis papulosa syphilitica. Die in der Secundär-
periode auftretenden Papeln sind fast immer multipel — in diesem
Falle finden sich 3 confluirende Condylome —, während Gummen
der Iris stets in der Einzahl auftreten. Gleichzeitig besteht bei der
Kranken eine papulöse Roseola.
3. Herr Rumpel stellt einen 38jährigen Mann vor, bei dem
ef die Diagnose offen lässt — am wahrscheinlichsten handelt es
sich um Myxoedem oder Akromegalie. Seit dem 30. Lebens¬
jahre hat sich folgender Symptomencomplex entwickelt: Allgemeine
nervöse Beschwerden; hochgradigeBlutarmuth; starke Polyurie 6—7 1
Urin pro die ohne Eiweiss, Zucker und Formbestandtheile; An¬
schwellung der Hände und Füsse, Trockenheit der Haut, Aufhören
der Schwei9secretion; Abnahme der Potenz, Atrophie der Sexual-
organe: Hoden kirschkerngross, etwas schmerzhaft auf Druck,
Scrotuin atrophisch, Penis unverändert; Ausfall der Haare, mit Aus¬
nahme der Kopfhaare; Thyreoidea nicht vergrössert. Patient ist
sehr stark neryös belastet. Behandlung mit Schilddrüsentabletten
ist eingeleitet. Gewichtsabnahme von S'/a Pfund in 14 Tagen.
4. Herr Raether: demonstrirt a) eine Dermoidcyste des
Ovariums, die er durch laparotomia vaginalis anterior während
der Schwangerschaft entfernt hat; b) eine durch dieselbe Opera¬
tionsmethode gewonnene Pyosalpinx.
5. Herr Katzenstein zeigt eine nach dem Röntgen’schen
Verfahren hergestellte Photographie einer Hand, in deren
Daumenballen sich eine Nadel befand, die, auf diese Weise ausser¬
ordentlich deutlich gemacht, leicht entfernt werden konnte.
II. Discussion über den Vortrag des Herrn Lenhartz:
Der Werth der Lumbalpunction für Diagnose und Therapie.
Hen Lenhartz gibt auf Wunsch eine kurze Zusammenfassung
seiner Untersuchungen: 1. Die Lumbalpunction gibt in diagnosti¬
scher Beziehung exacten Aufschluss über die Vermehrung und
Spannung des Hirnwassers; sie erlaubt bisweilen sofort die Diagnose
(Eiter bei epidemischer und andersartiger eiteriger Meningitis) bis¬
weilen erst nach der bacteriologischen Untersuchung (Tuberkel¬
bacillen, Diplococcen) oder bietet uns drittens in der Grösse der
Druckzahl und Ausflussmengen ein wichtiges Zeichen für die Diffe¬
rentialdiagnose, bei der aber alle übrigen Punkte aus Anamnese
und Status praesens je nach ihrer Bedeutung gewürdigt werden
müssen; denn es ist ausdrücklich zu betonen, dass sowohl Ver¬
mehrung der Menge wie der Spannung des liquor bei den verschie¬
densten Krankheiten auftreten können. Werthvoll ist die Prüfung
des Eiweissgehaltes, der im Allgemeinen bei entzündlichen Vorgängen
höher ist, als bei Transsudation, wichtig die Beachtung der
Stauungspnpille, über deren Entstehung die Ansichten noch
getheilt sind, von Interesse die Beobachtung, dass selbst täglich
wiederholte reichliche Punctionen keine Aenderung des ophthalmo¬
skopischen Bildes herbeiführten. (Regelmässige Controle der Fälle
durch Dr. Wilbrand) Dieser Umstand und der Befund hoher
Eiweiaswerthe bei Tumoren stützt die Entzündungstheorie.
'I Der Heilwerth der L.-I*. wurde beobachtet bei chronischer
seröser Meningitis, bei acuter seröser Meningitis und besondere bei
Chlorose und deren. Folgezustftnden. Man sah Wiedereintritt der
Pupillenreaction, Schwinden der Nackenstarre und Benommenheit.
Bei der Chlorose erklärt sich L. den günstigen Einfluss dadurch,
dass durch die Beseitigung des Oedems die gedrückten Capillaren
wieder wegsam werden und der Kreislauf in der Schädelböhle wieder
lebhafter wird. Durch tiefe Inspirationen wird der Abfluss in den
Venen lebhafter und kann dadurch dem Wiederansammeln von liquor
vorgebeugt werden, unter Umständen ist bei Chlorose wiederholt
“unction erforderlich.
Herr Deutschmann vertritt schon seit 1887 die Ansicht,
dass es sich bei der Stauungspapille um entzündliche Vorgänge
“Melt. Das beweisen a) die klinische Beobachtung, dass es keine
airnkrankheit gibt, bei der es ohne Entzündung zu einer Stauungs¬
papille kommt, dass bei grossen Apoplexieen dieselben niemals zur
Beobachtung kommen, dass sie sich ferner bei einfachen Meningitiden
and bei B right 'scher Retinitis, bei denen es sich nicht um Hirn¬
druckbandelt, entwickeln können; b) das Experiment: Durch künst-
hdie Druckerhöhung im Schädel durch Agar oder mit Tusche
gemengten Glycerininjeotionen bei Thieren lässt Bich keine Stauungs¬
papille erzeugen; dagegen erscheint die Tusche in den Scheiden des
w°^' Cn8 " ® 8 entw * c kelt sich ein einfaches Oedem der Papille;
r h ^ natomißc ^ e Untersuchung, durch die in allen Fällen entzünd¬
liche \ eränderungen nachgewiesen sind. Bei Hirntumoren handelt
^ sich um die Abscheidung eineB chemischen Agens, das in die
^hnervenscheide abfliesst und hier Entzündung erregt. Papiliitis
mul Stauungspapille sind nur graduelle Unterschiede der Ent-
*öndong.
?® rr Aly hat bei einem einjährigen Kinde mit acutem ent-
onulichem Hydrocephalus mehrere Male bedeutende Mengen von
iqoor durch die Punction entleert und gute, momentane, aber nicht
permanente Erfolge davon gesehen.
HerrDuMesnil hat in 16 Fällen 21 mal punctirt. Flieset
r Liquor nicht spontan ab, so aspirirt er 1—2 ccm (gegenüber
vbringer). Die Technik ist sehr einfach. Ueble Zufälle hat
r wclit zu verzeichnen. Diagnostisch ist die Punction äusseret
211
werthvoll, in 6 Fällen von tuberculöser Meningitis gelang 3 mal der
Bacillennachweis; bei epidemischer Cerebrospinalmeningitis fand
sich der Fränkel'sche Kapselcoccus. In 2 Fällen von traumatischer
Affection war das Serum haemorrbagisch. Die therapeutischen Er¬
folge waren weniger günstig. Nur in einem Falle von Meningitis
serosa trat nach der Entleerung von 60 ccm eclatante Besserung
ein. Bei einer Chlorose mit heftigem Kopfschmerz konnten nur
einige Kubikcentimenter entleert werden, trotzdem wurde das sub-
jective Befinden gebessert.
Herr Nonne: Lenhartz’ Beobachtungen geben den ob-
jectiven Beweis dafür, dass es sich bei der Chlorose um eine
Plethora serosa handelt, wie dies die alten Aerzte bereits an-
nahmen. Er hat zwei Fälle von schwerer Chlorose gesehen , die
mit cerebralen Symptomen einhergingen, Beobachtungen, die er
damals (1892/93) nur in Veröffentlichungen aus dem Ende des
vorigen Jahrhunderts von Emmerich und Hoffmann be¬
schrieben fand.
Herr Len b artz: Proby hat bereits 1889 eine Reihe von
Chlorosen mit Thrombosen, darunter solche mit schweren Cerebral¬
erscheinungen, mitgetheilt. Die Erfolge der Lumbalpunction in der¬
artigen Fällen sind so eclatant und objectiv staunenerregend, dass
man nicht zögern darf, dieselbe anzuwenden. Bei Hirnverletzten,
bei denen die congestive Hyperaemie gleichfalls zu Hirnoedem führt,
ist die Indication zur Punction gegeben. Redner beobachtete bei
einem 39 jährigen Hirnverletzten, der in soporösem Zustande, mit
kaum reagirenden engen Pupillen etc. ins Krankenhaus kam, nach
der Entleerung von 18 ccm ein sofortiges Aufhören der Hirnsyrap-
tome, Wiederkehr des Bewusstseins und Eintritt lebhafter Lieht-
reaction der normal weiten Pupillen.
Herr Fraenkel bittet L. um eine Erklärung, wie Hirnoedem
durch Punction entfernt werden könnte. — Für die entzündliche
Aetiologie der Stauungspupille spricht auch die beobachtete vorüber¬
gehende Besserung derselben bei wachsenden Tumoren. Was die
Diagnose der Cerebrospinalmeningitis anlangt, so scheinen Fr.'s
Befunde von intracellularen Diplococcen nicht beweisend, vielmehr
sprechen seine Untersuchungen dafür, dass der Erregerder Fraenkel-
sehe Diplococcus lanceolatus sei, der auch in den Nebenhöhlen der
Nase Eiterungsprocesse erzeuge (cf. Virchow's Archiv, Band 143,
Heft I). Bei tuberculöser Meningitis dürfte man wohl hei genauester
Untersuchung in allen Fällen Tuberkelbacillen finden.
Herr Lenhartz antwortet, das9 die Versuche von Key und
Ketzins und von Althann die völlig freie Verbindung der Supra-
arachnoidealräume des Hirns und Rückenmarks ergeben hatten und
«'aas es für ihn zweifellos sei, dass man Hirnoedem durch Lumbal
punction beseitigen könne.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
Medicinische Section.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 14. Januar 1896.
1) Prof. Erb: Ueber Chylothorax. Ref. iu No. 5
dieser Wochenschrift.
2) Dr. Petersen: Ueber einige seltenere histolo¬
gische Befunde bei Carcinomen.
P. bespricht und erläutert durch zahlreiche mikroskopische
Präparate
1. Ein primäres Schweissdrüsencarcinom auf dem Boden eines
Ulcus cruris.
2. Ein Psaimno-Uarcinom des Ovariums.
3- Das Vorkommen von Riesenzellen in Carcinomen.
Der Vortrag wird an anderer Stelle ausführlich veröffentlicht
werden.
Sitzung vom 4. Februar 1896.
1 ) Dr. Petersen: Chirurgisch-photographische Ver¬
suche mit Röntgen-Strahlen ipnblicirt in No. 6 dieser
Wochenschrift).
2) Dr. Cramer: Ueber die Beschaffenheit des Heidel¬
berger Leitungswassers.
Die Heidelberger Wasserversorgung ist eine doppelte, tlieils
Quellwasser-, tlieils (Jrundwasserversorgung durch einen circa 22 in
tiefen Schachtbrunnen und ein 50 cm tiefes Bohrloch. Da das
Wasser aus dem unteren und mittleren Buntsandstein stammt,
ist es in chemischer Hinsicht tadellos rein (kein NHs, kein HNOf,
keine oder höchstens Spuren HXOs, Spuren Uhlor. 40—60 mg
Trockenrückstand i»er Liter, Spuren organischer Substanz, , / * bis
2 Härtegrade). Die durch 9 Monate fortgesetzte Untersuchung
ergab, dass das Heidelberger Leitungswasser eine zeitweilig stärker
werdende Verunreinigung durch Oberflächenwasser erleidet. Der
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
Keimgehalt, der meist 50 pro ccm nicht überschreitet, öfters unter
10 pro cm 3 bleibt, steigt nach starkem Regen auf 3—5000 pro
cm*. Von den 13 Quellen erwiesen sich 3 als tadellos, mit
dauernd nahezu keimfreiem Wasser, 3 waren schlecht und wurden
geschlossen. Auch die übrigen Quellen waren bei extremen
meteorologischen Verhältnissen einer geringeren oder stärkeren Bei¬
mengung von Oberflächenwasser ausgesetzt, doch war derselben
zunächst in sanitärer Hinsicht keine Bedeutung beizumessen.
Tadellos war der Schachtbrunnen. Bedenkliche Zustände fanden
sich bei dem Bohrloch. Dasselbe besteht aus einem IG m tiefen
Schacht zur Aufnahme der Pumpe, an den sich bis auf 50 m
das Bohrloch anschlicsst. Es fand sich ein mittlerer Keimgehalt
von 70—80, an eiuem Tage 3000 — 5000 Keime pro cm 3 .
Es muss also jedenfalls eine erhebliche Verschmutzung des Bohr¬
loches stattfinden. Die locale Besichtigung Hess die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen erscheinen, dass aus der 10 m entfernten
Jauchegrubc der Maschinistenwohnung Bostandtheilc in das Bohr¬
loch gelangen. Redner schloss mit den Worten, dass, wenn sich
auch bei der Heidelberger Wasserleitung zur Zeit erhebliche Miss
stände gezeigt haben, man doch sagen muss, dass dieselben mit
relativ geringen Kosten beseitigt werden können. Bei der an¬
erkannten Fürsorge der städtischen Behörden für das gesund¬
heitliche Wohl der Stadt, da geeignete Maassregeln zur Zeit schon
getroffen sind, steht zu hoffen, dass Heidelberg binnen kürzester
Frist sich bezüglich seiner Wasserversorgung zu den ersten
deutschen Städten mit Recht wird zählen können > .
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 6- Januar 1896-
Herr Klein: Ueber die Verhältnisse zwischen Druck
und Füllung bei Hohlorganen (Lunge und Herz) und
dessen Ableitung aus der Längsdehnung.
Der von der Lunge ausgeöbte Druck muss bei stärkerer
Füllung nicht nothwemlig grösser sein als bei schwächerer: Ein
Kautschukballon zeigt bei gleiehmassig steigender Füllung mit
Luft einen schnell bis zu einem Maximum wachsenden, dann
langsam wieder abnehmenden und schliesslich nochmals etwas
zunehmenden Druck. Der Druck, den der Ballon bei irgend einer
Füllung auszuhalten hat, ist gleich dem vom Manometer angezeigten
Druck multiplicirt mit der Oberfläche. Dieses Product wächst mit
zunehmender Füllung in demselben Verhältniss, wie das (lewicht,
welches einen aus dem Ballon geschnittenen, in einem grössten
Kugelkrcise verlaufenden Streifen auf die betreffende Länge dehnt.
Der Druck in lebenden Froschlungen zeigte sich wesentlich abhängig
von contractilen Elementen (Erhöhung durch galvanische Reizung).
Für das Herz lässt sich aus der Dehnungscurve des Muskels
berechnen, dass gegen Ende der Systole die Kraft grösser als
am Anfänge ist. Genaueres, sowie weitere Beobachtungen über
Froschlungen in der ausführlichen Veröffentlichung (NB. ver-
muthlich Zeitschrift für Biologie von Voit).
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 29. Februar 189G.
Aus der Wiener Aerztekammer. — Hintanhaltung
der Ordination für Bemittelte in den Ambulatorien resp.
Beschränkung der Spitalsbehandlung auf Arme. — Vom
Lehrerhausverein.
Im \ orjahre hat die Wiener Aerztekammer eine motivirte
Eingabe an die niederösterreichische Stattluilterei gerichtet, in
welcher um Abhilfe gegen den Missbrauch der Spitäler und
Ambulatorien seitens wohlhabender Kranker petitionirt wurde.
Diese Eingabe mit Vorschlägen von zur Abhilfe geeigneten Mitteln
wurde auch den Leitern aller öffentlichen Krankenanstalten und
Ordinationsinstituten, sowie allen Abi heil ungsvocständen überreicht
und diese ersucht, in ihrgm Wirkungskreise die Tendenz der
Aerztekammer zu unterstützen und ihren Vorschlägen zur Durch¬
führung zu verhelfen.
Die Wiener Poliklinik hat nun der niederösterreichischen
.Statthalterei eine (Segenschrift überreicht, in welcher die Motive
und Anträge der Aerztekammer für unhaltbar hingestellt wurden
und dieses Memorandum der Poliklinik wurde wieder der Aerzte¬
kammer zur Aeusserung übergeben. In der Aerztekammer-Sitzung
vom 25- Februar 1. Js. wurde nun die neuerliche Eingabe der
Aerztekammer an die Statthalterei, mithin die Replik derselben
berathen und vollinhaltlich angenommen. Es bildet dieses Schrift¬
stück ein interessantes Pocument dafür, wie leicht eine gute
Sache zu vertheidigen ist, wie schwer es dagegen wird, auch nur
erträgliche Schcingründe für eine ungerechte Sache beizubringen.
Die Verfasser des Memorandums der Poliklinik scheinen zeitweise
jede Kritik verloren zu haben, so lächerlich und banal sind ihre
gegen die schwerwichtigen Gründe des Aerztekammer-Referates
vorgebrachten Einwürfe. Ich beschränke mich auf eine gedrängte
Wiedergabe der jüngsten Replik der Aerztekammer.
Eingangs wird auf einen Widerspruch hingewiescu, indem
die J’olikliniker einmal behaupten, dass die Vorstände der Spitäler
und Polikliniken sich von jeher bemüht hätten, gegen diesen
Missbrauch ihrer Anstalten seitens Wohlhabender anzukäuipfen,
dass dieses Bestreben aber auf unüberwindliche Schwierigkeiten
gestossen — einige Zeilen tiefer aber sagen, dass durch moralische
Mittel und tactvollcs. humanes Benehmen der Vorstände diese
1’ehelstände behoben werden könnten. Sie, die Polikliniker, werden
es wohl selbst niemals an tactvollem und humanem Benehmen
haben fehlen lassen V! < )der doch ?
Wenn die Polikliniker behaupten, die Hilfesuchenden könnten
sieh unmöglich sofort ein (gestempeltes > Anmithszcugniss ver¬
schaffen, so weist der Referent der Aerztekammer auf seine An¬
träge hin, die bloss die Beibringung eines relativen Mittellosigkeits-
Zeugnisses für nüthig erachten, welches Zcugniss der Hausbesitzer,
resp. Hausbesorger, der Arbeits- oder Dienstgeber, sogar der
behandelnde Arzt, nach in den Gemeindeämtern unentgeltlich
abzugelienden Formularen axisstellen könne.
Die Hauptaufgabe der öffentlichen Krankenhäuser und Am¬
bulatorien — sagen die Polikliniker — sei die Heilung von
Kranken. Ganz richtig! Die Stifter und Gründer der genannten
Anstalten halien aber stets die Einschränkung getliau, dass die¬
selben nur für solche Kranke bestimmt seien, welche die effeetiven
Krankheitskosten nicht aufbringen können. Auch Kaiser Josef II.
bat das k. k. allgemeine Krankenhaus nur für Arme bestimmt,
hiefür existiren die Urkunden. Auch die in den sogen. Klassen¬
zimmern untergebrachten Kranken zahlen nicht die vollen Kosten,
welche ihr Spitalsaufenthalt bedingt, es bleibt immer noch ein
Rest, welcher durch das Geld der Steuerträger, resp. Wohl-
thätigkeitsspenden gedeckt wird.
Wohl gibt es auch, was die Polikliniker zum Vergleiche
hcranziehen , in den Alpenhospizen zahlende und wohlhabende
Kranke; sie verlangen aber die ärztlichen Hilfeleistungen nicht
unentgeltlich, sie machen vielmehr Gegenleistungen, mehr als die
effeetiven Kosten ihres Aufenthaltes betragen und sodann ist es
unmöglich, sie liier abzuweisen, da es keine anderen derartigen
Anstalten gibt.
Wenn die Polikliniker sagen, dass sich ihre Aerzte einer
Verletzung ihrer Berufspflichton schuldig machen würden, da in
Folge versagter Hilfe auch Gesundheitsschädigungen entstehen
könnten (Einklemmung bei einem Leistenbruche, Sepsis bei einem
Panaritium), so weist der Referent der Aerztekammer darauf hi",
dass cs in Wien genug Aerzte gibt, welche derlei Krauke gegen
Entgelt behandeln würden, auch in demselben Bezirke, dass man
cs ferner einem Frauen-Hospitale absolut, nicht, verargen würde,
wenn es einen Mann mit einer Hernie oder einem Panaritium
abweist, dass man die Aerzte dieses Spitalos gewiss nicht der
Verletzung ihrer Berufspflicht zeihen dürfte. Es kann also jeder
wohlhabende Kranke abgewiesen werden , zumal er ja in der
Poliklinik oft auch auf die Ordination eines bestimmten Arztes -
wird stundenlang warten müssen, also inzwischen Zeit hat, andere j
— bezahlte — ärztliche Hilfe aufzusuchen.
Klassisch ist folgendes Argument, welches die Polikliniker ,
für sich heranziehen. Sie sagen : Auf Eisenbahnen verwehrt man J
auch Wohlhabenden nicht, die III. Wagenclasse zu benützen, |
l ' r g°. Nun sind die Eisenbahnen bekanntlich keine
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3. März 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
213
Wohlthätigkeitsinstitute, welche unentgeltlich oder zu wohlfeilen
Preisen Personen befördern; wäre dies aber der Fall, dann müsste es
das Gericht ahnden, wenn sich ein Wohlhabender einschmuggeln und
diese für arme Leute bestimmte Institution benützen würde. Es
gibt übrigens auch billige Aerzte für Reiche; die durch Steuern
oder Wohlthätigkcit aufgebrachten Mittel dürfen aber nicht reichen
leuten zu Gebote stehen.
Nicht ernst zu nehmen ist der fernere Einwurf der l’oli-
kliniker, dass in dem Umstande, dass Wohlhabende nicht umsonst
oder zu billigen Preisen in Ambulatorien und Spitälern behandelt
werden sollen, eine Einschränkung der persönlichen
Freiheit erblickt werden könne, da auch den Reichen die
Wahl zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Behandlung frei¬
stehen solle. In Conscqucnz dieser Anschauung müsste man auch
darin eine Einschränkung der persönlichen Freiheit erblicken,
wenn bei einer Vertheilung von Brod oder Holz an Anne die
Wohlhabenden zurückgewiesen würden, oder überhaupt dann, wenn
ein Bäcker für sein Brot Zahlung verlangt oder einem Kunden
Brod nicht verkaufen will. Haben aber die Verfasser des poli-
klinisehcn Memorandums damit bloss gemeint, dass der Arzt für
seine Arbeit nichts verlangen dürfe, ohne die persönliche Freiheit
des Hilfesuchenden einzuschränken, so steht eben die Aerztekammcr
auf dem entgegengesetzten Standpunkte, dass die ärztliche Hilfe¬
leistung nur den Unbemittelten unentgeltlich oder zu abnorm
wohlfeilen Preisen geleistet werden dürfe, dass der Reiche daher
jede ärztliche Leistung entsprechend zu bonoriren habe.
Die Aerztekammcr ist sich dessen bewusst, dass sic mit
ihren Anträgen nicht jeden Missbrauch der ärztlichen Humanität
aus der Welt schaffen werde; sie hat bloss das Minimum dessen
verlangt, wozu Recht und Billigkeit und das Interesse der prak¬
tischen Aerzte sie berechtigen. Sie erneuert daher ihre frühere
Petition, zumal ja den Minderbemittelten und Bedürftigen durch
geringe Frequenz der Polikliniken und Ambulatorien kein Abbruch da¬
durch geschieht, dass die Wohlhabenden denselben ferne bleiben sollen.
Die Versicherungsanstalt des Lehrerhaus-Vereins in Wien,
über deren Ansuchen an die Aerzte Wiens ich in der vorigen
Nummer berichtet habe, ist scheinbar zum Kreuze gekrochen.
Es sei ihr ferne gestanden, erklärt sie in einer Zuschrift an die
ärztlichen Vereine, die Ehre und das Ansehen des von ihr so
hoch geachteten ärztlichen Standes zu verletzen, sie wünsche die
Honorarbegünstigungen bloss für Mitglieder des Lehrerpersonalcs
und nicht auch für die übrigen Vereinsmitglicder; die sich
meldenden Aerzte sollten nicht als Kassen-, sondern nur als Ver¬
trauensärzte fungiren, welche in jedem einzelnen Falle eine ent¬
sprechende Herabsetzung des Honorars fixiren würden, die Aerzte
mögen also bloss ihre Ililfskassc nach Möglichkeit berücksichtigen.
Gleichzeitig liegt uns aber ein (gedrucktes) Formular eines
‘Lebercinkommens zwischen den Herren Controlärzten der Ver¬
sicherungsanstalt des Lebrerhaus-Vereins in Wien und dem Vor¬
stande der genannten Anstalt» vor, aus welchem wir einige Punkte
citiren. Es soll dies beweisen, dass der Rückzug der gedachten
Versicherungsanstalt nur ein Manöver ist. Es heisst da wört¬
lich: «Mit Rücksicht auf die Kosten der Errichtung der Anstalt
und der nothwendigen Einrichtungsstücke (wer lacht da V !), Bücher
und Drucksorten und mit Rücksicht auf das Gedeihen der An¬
stalt verzichten die Herren Controlärzte auf das Honorar ....
insolange, bis die Zahl der Mitglieder der I. Abtheilung (Ver¬
sicherung von Krankenunterstützungen und Begräbnissgeldern)
1000 beträgt». Bei einer Mitgliederzahl von 1000—2000 zahlt
die Versicherungsanstalt für die Feststellung des Gesundheits¬
zustandes 1 Krone = 50 kr., bei einem Mitgliederstande von mehr
als 2000 aber 2 Kronen = 1 fl. Für jede Controlvisite im Rayon
gleich von allem Anfang an (wie nobel!) 1 Krone = 50 kr. Ein¬
jährige Kündigung, jedoch wird «für unvorhergesehene Falle»
rine eininonatliche Kündigungsfrist festgesetzt.
Ind trotz alledem, fürchte ich, werden sich praktische Aerzte
finden, welche auch derlei Verträge abschliessen werden. Hat
doch die Zahl der Aerzte Wiens im Vorjahre wieder um mehr
3,8 100 zugenommen (1869 gegen 1768) und mussten von diesen
nicht weniger als 235 von den Kammerbeiträgen befreit werden,
we ü sie die 10 resp. 5 fl. nicht bezahlen konnten.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadömie de M^decine.
Sitzung vom 4. Februar 1896.
Ueber die Wirkung des 8mm Geschosses auf kurze
Entfernung.
Delorme hatte Gelegenheit, an 42 Personen die Wirkung,
welche das 8 mm Geschoss auf eine Entfernung von weniger als
100 ra ausübt, genau zu erforschen. 8 der Verletzten starben, ohne
dass überhaupt Hilfe möglich war, an penetrirenden Wunden des
Gehirns, der Bauchorgane und d«r Brust; von den anderen 34 zeigten
zwanzig Verletzungen der Weichtheile, sechs Diaphysenbrüche, acht
penetrirende Gelenksverletzungen und zwei Splitterungen von platten
oder kurzen Knochen. Vor Allem ist die geringe Erschütterung
hervorzuheben, welche die Geschosse verursachen, selbst wenn die
Knochen, wie in einem Falle beide Oberschenkel, nahe am Stamme
getroffen sind. Die primäre Blutung ist eine geringe, ebenso wie
das Schmerzgefühl auffallend gering ist. Eintritts- und Austritts¬
öffnungen sind grösser als es dem Durchmesser der Kugel entsprechen
würde; der Umfang der Ausschusswunde ist stets grösser als der
an der Einschussstelle erzeugte, dies ist noch deutlicher, wenn die
Diaphyse eines Röhrenknochens getroffen ist. Bei der grossen
Gewalt, mit welcher das Geschoss bei naher Entfernung aufschlttgt,
werden Stückchen der Kleidung mit in die Wunde hineingerissen,
welche durch Eiterung jedoch bald wieder eliminirt werden und
dem Eiter eine besondere Farbe verleihen können. In Berührung
mit resistenten Körpern gekommen, zerspringen die Mantelgeschosse
mit grösster Leichtigkeit und man muss dann mit den Wirkungen
rechnen, welche die Bleimasso und der Ueberzug hervorrufen. Bei
6 der Verletzten kam die Verwundung dadurch zu Stande, dass die
Geschosse am gepflasterten Boden oder an der Mauer zersprangen
und die Splitter (bei einem in der Zahl von 20) an verschiedenen
Körperstellen eindrangen. Der constante Erfolg, welcher sowohl in
Bezug auf Erhaltung des Lebens als auch der Gebrauchsfähigkeit
bei den 34 zum Theil sehr schwer Verletzten erzielt wurde, lassen
einen sehr günstigen Schluss auf die Resultate der Verletzungen
zu, welche bei den im Nahekampfe üblichen Entfernungen gesetzt
werden; denn auch Wunden der Extremitäten gaben trotz grosser
Ausdehnung und trotz Zerquetschung der Weichtheile bei rein
conservativer Behandlung die grössten Aussichten auf Erfolg.
Societe Mödicale des Höpitaux.
Sitzung vom 14. Februar 1896.
Weiteres über die Anwendung des Kreosots. 1 )
Fern et hat schon lange darauf verzichtet, das Kreosot per os
zu geben, weniger wegen des unangenehmen Geschmackes, als wegen
der reizenden Wirkung, welche es auf die Magenschleimhaut ausübt,
und der oft dadurch entstehenden Dyspepsie. In gewissen Fällen
von Tuberculose (mehr torpider Natur) ißt jedoch das Kreosot ein
gutes Hilfsmittel, aber weit entfernt, specifisch zu wirken.
H a n o t verordnet in Betracht der schweren Magendarm¬
störungen, welche das Kreosot hervorrufen kann, dasselbe nur mehr
per rectum: Morgens und Abends ein Lavement von 0,5—2,0g
Kreosot, pur.; die Dosis von 4g wird selten überschritten. Zunahme
des Körpergewichtes, Verminderung des Auswurfs und der Bacillen
in demselben schienen schneller und ausgeprägter einzutreten als
bei der Darreichung des Mittels per os (in Form der früher ange¬
wandten Kreosotöl kapseln, deren mittlere Dosis 6 Stück pro Tag war).
Die günstige Wirkung der rectalen Einverleibung beruht wahrschein¬
lich darauf, dass die fäulnisshemmende Eigenschaft des Kreosots sich
mehr direct äussern und besonders die Bildung von Urobilin, welches
H. im Harn von mehr als 300 Phthisikern vor der Behandlung bei
48 Proc. der Männer und 30 Proc. der Frauen fand, hintanhalten kann.
Für Hayem ist das Kreosot stets ein schädliches Mittel, be¬
sonders aber bei Tuberculose; es wirkt ausserordentlich reizend und
eines der Hauptfactoren für das, was H. medicamentöse Gastritis
genannt bat. Das Verschwinden des Urobilins, eines Harnbestand-
theiles, der hauptsächlich bei fiebernden Alkoholikern vorkommt,
kann auch mit der Krankenhausdiät und besonders der Alkohol¬
abstinenz Zusammenhängen.
B a r r i 6 beobachtete bei der grossen Zahl von Phthisikern, welche
er im Spitale Tenon stets in Behandlung hat, dass das Creosot per
os häufig Magenbeschwerden und Verdauungsstörungen verursacht,
und wendet daher seit 4 Jahren ausschliesslich Suppositorien an
welche 0,5-0,6 g (?) des Mittels enthalten; davon wird Morgens
und Abends je eines gegeben.
Manquat (Val-deGräce) hält den rectalen für den besten
Weg, das Kreosot zu geben, und zwar in Form der Milch-Lavements,
wie sie in den Spitälern von Grenoble schon allgemein eingeführt sind!
Burlureaux bleibt in der sehr lebhaften Debatte beinahe
der einzige Vertheidiger des Kreosots und besteht darauf, jeder
Kranke, welcher hohe Dosen desselben vertragen kann, heilen soll
und umgekehrt; das Kreosot vertrete bei den Armen, aus welchen
sich die meisten Phthisiker rekrutiren, die Hygiene der Reichen wie
die Luftcurorte u. s. w. Wichtig ist bei fiebernden Patienten, wenn
sie bei 2 g pro Tag angelangt sind und das Fieber anhält oder
steigt, das Mittel auszusetzen.
*) Siehe diese Wochenschrift, No. 8 pag. 191.
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Münchener me dicinische woc^ NSCHRgr
Tuberculose betrachtet wissen wollte.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Pathological Society London. I
Sitzung vom 18. Februar 1896. bei
Die nicht euppur.tiven Fernen der Ankyloee gj
-
des Gelenkes ist die Fog Bändern und der Gelenkkapsel. I
t£gS£ Ä äÄwacbsung sfeh leicht in eine £
knöcherne verwandeln kann. Einthei lung der nicht eitrigen e
ÄÄSHSS
Insult, entweder bei Contusioni,» ™® rden Oder durch den
section, Arthrectomien ^ B^ . bei Sep tikäinie, Puerperal-
Charcot sehen Krankheit Au den g rheumati8chen Art hntis, t
sogenaSnt n e g < 9 Spondyütisdeformans, I
" ird ÄÄSffhJSÄ^ mehrere Präparate von Wirbel-
™ ‘'^rsTeuSz'eigreinen Fall von falscher Ankylose wahrschein¬
lich von den Muskeln ausgehend. In der Narkose ble > bt ^’ e Steif -
heit bestehen. Die betreffenden Extremitäten waren Btr °P bl8 ° b >
Rückenmarkserkrankung und Rheumatismus waren auszuschhessen, I
möglicherweise handelt es sichjim diffuses Scleroderma. 1
g & M Humphry bespricht die Formen von sogenannter I
fibröser Ossification, in denen die Verknöcherung zuerst die Liga¬
mente befällt und von da aus erst durch Einwanderung von Knochen¬
gewebe von den Markhöhleu der beiderseitigen Knochenenden aus
auf die Gelenkflftchen übergreift.
Clinical Society London.
Sitzung vom 14. Februar 1896. I
Splenectomie wegen Milzruptur.
B Pitts und C.A.Ballance berichten über 3 sehr interessante
Fälle von Milzruptur, bei denen die Milz exstirpirt werden musste.
Der erste Fall betraf einen lOjäbngen Knaben; heftiger Schlag i |
die linke Seite, zuerst starke Schmerzen, nach fünftägiger Pause
plötzlicher Collaps, Abdomen aufgetneben, druckempfindlich, stark
vergrösserte Milzdämpfung. Eine Incision in der Nabelgegend ent¬
leerte eine grosse Menge Blut. Daraufhin Incision in der Milzgegend,
Entfernung grosser Blutgerinnsel und der Btark ruptunrten Milz.
Der zweite Fall betraf eine 45jährige Frau, die von einem Wagen
überfahren wurde. Tu diesem wie im dritten Falle, 36jähriger Mann,
schwerer Fall auf die linke Seite, wurde die Operation wegen
drohender innerer Verblutung bald nach der Verletzung gemacht.
Für die Diagnose von Wichtigkeit sind folgende Punkte. der
Sitz der Verletzung, der Nachweis innerer Blutung, die grosse Aus¬
dehnung der Milzdämpfung, die Thatsaclie, dass die beiden Seiten
abgeschwächten Schall zeigen, der sich jedoch bei Lagewechsel
rechts aufhellt, die Auftreibung und Empfindlichkeit des Leibes.
Interessant ist der Verlauf der 3 Fälle. Im ersten lalle, in
dem ein Spleniculus zurückgeblieben war, wurde die normale Blut¬
beschaffenheit in 6 Wochen wieder erreicht. In den beiden andern
. oirca 14 Tage nach der Operation schwere
Fällen ateHton ■ch ciro ^ ^ einen Falle durch Darreichung
anämische Erscheinung >... Tagl und rohem Knochen-
von Milzextract (je eine P Knochenmark und besonders
s&kta rSSKxMÄ
,n
ffiofoÄ tfÄt
Sc£S schwereVerwundungen des Organs reactionslos heilen
können, was »uch ^ WaUjjb«. Jgt ^ Blutungen hin,
valolrn bei der Mfi" leicht durch die rhythmischen Bewegungen,
welchen dw^rpm^ausgraetzt^ist, n^ere Kenntniss
„er Fo.g«»«ndc juch' M ““f Ä»
I letalen Ausgang zur Folge hatte.
Deutsche Otologische Gesellschaft.
Die fünfte Versammlung der Deutschen Otologischen Gesell-
schaft wird in diesem Jahre
am aa. u. 33. Mai in Nürnberg
falls an den Unterzeichneten zu richten. M . vereen det
Die ausführliche Tagesordnung wird Anfang Mai versenaei
werden.
Göttingen, den 25. Februar 1896.
Im Namen des Ausschusses:
der Ständige Secretär
Prof. Dr. K. Bürkner.
Verschiedenes.
(Galerie h e r v o r r a g e n d e r Ae r zt e u nd Najnr-
forscher.) Der heutigen Nummer hegt bei das 54. Bl
Galerie: Prof. Benno Schmidt.
Therapeutische Notixen.
(Zur Serumtherapie.) Von 110 in die
zu Halle aufgenommenen diphtheriekranken Km behandelt.
Kurt Müller berichtet, 71 mit und 39 _„ ob “® Rfirum . un d
Letztere mögen als Controlfälle gelten. 73 Proc. b ^®™ logi8C he
63,7 Proc. der Controlfälle wurden tracheotoimrL Die bacter _g ^
Untersuchung ergab bei 94 FäHen: i8 mal reme P e » mit
Complication mit Staphylococcen, 19 mal mlt ti 5 P s^to C occen Die
Streptococcen und 5 mal mit Staphylo- "u^SSE von den
Fälle waren demnach prognostisch meist sehr ungün tg^ ^ den
tracheotomirten Serumfällen starben 26 — 5 • umstand,
52 tracheotomirten Controlfällen nur 10 - 49 die Serum-
der im ersten Moment befremdet, der aber nicht g g
therapie sprechen kann da 16^5^ Ä-» b0 -
gcring ist, als dass ein Unterschied von 10-15 Proc. w
deuten hätte. Die Mortalität sank aber in dem Jahre ma^ ^
Serum angewendet wurde, gegen das Vorjahr Eindruck davon,
37,3 Proc., um beinahe 20 Proc. Miller trtgt den Ei hande lt
dass ein bereits vorgeschrittener Fall von Diphtherie (un h»
es sich fast nur um solche) sich kaum beemflusaen ^^ ^
Staphylo-, Strepto- oder Diplococcen (besonders letztere) ^
Diphtheriebacillen sich vorfindeu und sagt, dass Fälle besteht.
Serumbehandlung gerade in Behandlung beginnende Jäh nnerheb .
In den meisten Fällen fand nach der Injection eineVf J lica tion
liehe Steigerung der Temperatur stätt, eine enistere Co P die
von Seiten der Nieren aber wurde nicht beobachtet. «* ]20
Frage der Immunisirung betrifft, so erkrankten Kinder 3 nach
Antitoxineinheiten immunisirten Geschwistern obiger * “«chwistern
, I resp V* und S‘/> Monaten.. Von 41
, nur ein Einziges, wahrscheinlich an Diphtherie. E D ipbtberie-
niclit mehr nicht immunisirte Geschwister als immunisi P R
krank geworden. Dr J A.
(Li gn os ul fit.) Bezugnehmend auf den Arükel von •
i Rosenberger-Würzburg in No. 7 d. W. theilt benannte
1 F. Hartmann in Hallein mit, dass das von „ lb dinU r dar-
* Lignosulfit > keine Kocherlauge sei, sondern aus dieser u
n gestellt werde.
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3 . März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
215
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 3. März. Im hygienischen Institut der Universität
Wien sind von Prof. Gruber in Gemeinschaft mit Dr. Durham
Untersuchungen ausgeführt worden, welche neue und wichtige Auf¬
schlüsse über das Wesen der Immunität gegen Cholera, Typhus und
verwandte Krankheitsprocesse ergeben haben. Wir freuen uns, in der
Lage zu sein, eine vorläufige Mittheilung über die interessanten Re¬
sultate Gruber's in unserer heutigen Nummer bringen zu können.
— Das Institut für Infectionskrankheiten in Berlin, das im
Jahre 1891 auf dem Areal der Charitd errichtet wurde, soll ge-
gelegentlich des Umbaues der Charitd von dieser getrennt und ver¬
legt werden. Vom Cultusministerium wird die Angliederung des¬
selben an das zu erbauende neue vierte städtische Krankenhaus ge¬
wünscht.
Der Geh. Medicinalrath und Vortragende Rath im preuss.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegen-
heiten, Dr. Moritz Pistor, ist zum Geh. Ober-Medicinalrath ernannt
■worden.
— Dem Dr. Kappel er in Münsterlingen, der, wie schon be¬
richtet, zum Oberarzt des allgemeinen Krankenhauses in Konstanz
in Baden ernannt wurde, wurde, unter Entbindung von der vorge-
Bcbriebenen Prüfung die Approbation als Arzt für das deutsche
Reich ertheilt. — Ebenso wurde dem a. o. Professor Dr. Richard
Nenmeister in Jena die Approbation als Arzt vom Grossherzogi.
sächs. Ministerium ohne Prüfung ertheilt.
— DasOrganisationscomitAdes XII. internationalen medicinischen
Congresses in Moskau zeigt das anerkennenswerthe Streben, die auf
früheren Congressen allzu gross gewordene Zahl von Sectionen zu
vermindern. Es soll dies dadurch geschehen, dass einige Speciali-
täten, welche auf den letzten Congressen vollständig getrennte
Sectionen bildeten, in natürliche Gruppen vereinigt wurden. So wurden
die Fächer: Ohrenheilkunde, Laryngologie und Zahnheilkunde der
chirurgischen Gruppe eingereiht, ebenso Militärmedicin. Eisenbahn¬
hygiene, Gesundheitstechnik u. s. w. schliessen sich der Fundaroental-
gmppe Hygiene an. Hydrologie und Climatologie wurden der Section
für allgemeine Therapie und Pharmakologie zugetheilt.
Diese im Princip gewiss lobenswerthe Neuerung wird nur dann
durchführbar sein, wenn die Congressleitung gleichzeitig den weiteren
ßchritt thut, die Flutb der Vorträge, welche die früheren Congresse
überechwemmte, einzudämmen. Denn es ist klar, dass eine geringere
Zahl von Sectionen noch weniger als bisher im Stande sein wird,
eine so grosse Anzahl von Vorträgen, wie sie auf den letzten Con-
gresBen angemeldet war, zu bewältigen. Wenn also nicht etwa der
Besuch des Moskauer Congresses hinter denen von Berlin und Rom etc.
bedeutend Zurückbleiben sollte, wird die Congressleitung nicht umhin
können, unter den angemeldeten Vorträgen eine Auswahl zu
treffen, eine Maassnahme, die nur dazu geeignet wäre, das wissen¬
schaftliche Niveau der internationalen Congresse zu erhöhen.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 7. Jahreswoche, vom 9. bis 15. Februar 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Bonn mit 38,0, die geringste Sterblichkeit Bielefeld mit
11,8 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Brandenburg a. H, Darmstadt,
Freiburg, Kassel und Metz; an Diphtherie und Croup in Darmstadt,
Dessau, Fürth, M.-Gladbach, Kaiserslautern, Remscheid.
— Viele Collegen dürfte der Preis der zur Erzeugung Rönt¬
gen'scher Strahlen nöthigen Apparate interessiren. Nach einer
uns vorliegenden Preisliste des Fabriklagere photographischer Be¬
darfsartikel von W. Gtimbel in München—Neu-Pasing, welcher die
genannten Apparate vorräthig hält, kosten: 1 Hittorf’sehe Va-
cuumröhre 8.50 Mk.; 1 Ruhmkorff'scher Funkeninductor von
60mm Funkenlänge 200 Mk., bei grösserer Funkenlänge entsprechend
theurer (200 mm = 450 Mk.); B u n s e n - Elemente per Stück 6.50
bis 8.25 Mk.; Schirm mit Bariumplatincyanür 3.50 Mk.
(Universitätsnachrichten.) Göttingen. Prof. Sch midt-
Rimpler feierte am 1. März sein 25 jähriges Professoren-Jubiläum.
— Wärzbnrg. Die medicinische Facultät ernannte einstimmig Pro¬
fessor Röntgen zum Ehrendoctor.
(Todesfall.) Am 28. Februar verschied in Reicheuhall nach
laugem Leiden der dortige Curarzt Dr. Hugo Heinzelmann im
jugendlichen Alter von 33 Jahren. In dem Verstorbenen verliert
unsere Wochenschrift einen treuen Mitarbeiter, dem sie eine Reihe
interessanter Beiträge verdankt. In den letzten Jahren beschäftigte
er sich hauptsächlich mit dem Studium der psychischen Eigen¬
tümlichkeiten Tuberculöser, wobei ihm eine gründliche psychiatrische
Ausbildung, die er als mehrjähriger Assistenzarzt der oberbayerischen
Kreisirrenanstalt erwarb, zu Statten kam. Seine hierauf bezüglichen
Publicationen Bind ausser in dieser Wochenschrift in der Zeitschrift
für Krankenpflege, in der D. Medicinalzeitung und in der Wiener
ned. Presse erschienen. 8eine Freunde betrauern in ihm einen
ebenso begabten wie liebenswürdigen Collegen.
(Eingesandt.) Von beteiligter Seite werden wir um Auf¬
nahme der nachstehenden Notiz ersucht: In No. 15 der hiereelbst
erscheinenden Wochenschrift, < Aerztliche Rundschau», vom 13. April
1895, redigirt und herausgegeben von dem praktischen Arzte Dr. Arno
Krüche erschien in der Rubrik «Bücherecbau» unter der Ueber- '
•chnft «der Process Czynski» ein aus der «Wiener med. Wochen¬
schrift» vom 23. Februar 1895 nach gedruckter Artikel, dessen
ursprünglicher Autor Professor Benedikt die Thätigkeit der Sach¬
verständigen in jenem Processe einer abfälligen Kritik unterzieht.
Durch die Ausführungen jener nachgedruckten Besprechung sah
sich der praktische Arzt Dr. Freiherr von Schrenck-Notzing
veranlasst, Strafantrag zu stellen und Privatklage zu erheben wegen
eines Vergehens der Beleidigung begangen durch die Presse, gegen
den verantwortlichen Redacteur der «Aerztlichen Rundschail»,
Dr. Arno Krüche.
In der Verhandlung am 21. September 1895 kam das
Schöffengericht zu der Anschauung, dass der Angeklagte zweifel¬
los gefehlt hätte, weil der fragliche Artikel überhaupt keine sach¬
liche Kritik, sondern nur gewöhnliche Invectiven enthalte. Schon
die im Eingang des Artikels auf den Privatkläger angewendete Be¬
zeichnung «der hypnotische Baron Schrenck-Notzing» enthält
nach dem Urtheil «eine persönliche Beleidigung», ebenso wie die
weiteren «Reflexionen und Ausführungen bei weitem das Maass einer
straflosen Kritik überschreiten». Das Schöffengericht des k. Amts¬
gerichts München I fällte nach gepflogener Hauptverhandlung in
der genannten Privatklagesache folgendes Urtheil:
«I. Der Angeklagte Dr. Arno Krüche, geboren am 19. Mai 1854
in Zeulenroda, protestantisch, verheiratet, praktischer Arzt dahier, ist
schuldig eines Vergehens der Beleidigung begangen durch die Presse und
wird hiewegen in eine Geldstrafe von fünfzig Mark, umgewandelt für
den Fall der Uneinbringlichkeit in eine Gefängnisstrafe von zehn
Tagen, sowie zur Tragung der Kosten des Verfahrens und der Straf¬
vollstreckung verurtheilt. II. Der Urtheilssatz ist innerhalb vierzehn
Tagen nach Zustellung einer Ausfertigung des rechtskräftigen Urtheils
an den Angeklagten in der «Aerztlichen Rundschau» und zwar in
dem nämlichen Theile und der nämlichen Schrift wie der Artikel
«Process Czynski» auf Kosten des Angeklagten aufzunehmen.»
Gegen dieses Urtheil legte Dr. Krüche Berufung ein. Dieselbe
wurde aber durt h die erste Strafkammer des k. Landgerichts München I
in der Sitzung vom 7. December 1895 als unbegründet verworfen
und dem Dr. Arno Krüche die Tragung der Kosten aufgebürdet.
Auch die 2. Instanz kam zu dem Urtheil, dass der fragliche Artikel
«keine sachliche Kritik in einer medicinischen Streitfrage enthalte,
vielmehr lediglich Angriffe auf die Ehre des Privatklägere und per¬
sönliche Verunglimpfung desselben. Desswegen sei die richterliche
Verurtheilung voll begründet».
Personalnachrichten.
Niederlassung. Dr. Wilhelm Scheffer in Hohenburg B.-A.
Parsberg.
Aufruf zu Beiträgen für ein Pasteur-Denkmal zu Paris.
Im Institut Pasteur in Paris trat unterm II. Dezember v. J.
ein Comit^ zusammen, bestehend aus den Herren: J. Bertrand,
ständiger Secretür der Akademie der Wissenschaften, als Präsident,
J. Simon, ständiger Secretär der Akademie der moralischen und
politischen Wissenschaften, als Vicepräsident, den Professoren
Grancher, Brouardel, Duclaux, Roux u 8. w., in der Ab¬
sicht, die Errichtung eines Denkmals für Pasteur auf einem der
Plätze von Paris zu verwirklichen.
Zu diesem Zweck sicherte eich das Comit6 zunächst die Mit¬
wirkung sämmtlicher officieller Persönlichkeiten der französischen
Republik und wendet sich nun, zur Beschaffung der nöthigen Mittel,
auch an das Ausland, da — wie mit Recht hervorgehoben wird —
das Andenken Pasteur’s von allen Völkern gemeinsam gefeiert
werden könne, da alle Völker ihm die Mittel des Kampfes und
Sieges gegenüber gemeinsamen Feinden verdanken: gegen Krank¬
heit und Tod.
Zufolge Aufforderung des Pariser Comitö's haben es nun die
Unterzeichneten unternommen, für Bayern die Einleitung von Samm¬
lungen zu dem erwähnten Zweck zu veranstalten. Es ergeht demnach
an alle Fachgenossen und alle diejenigen, welche Pasteur's
unsterbliche Verdienste um die Menschheit durch ein Denkmal am
Hauptorte seiner Wirksamkeit zu ehren wünschen, die Aufforderung,
sich mit Beiträgen zu betheiligen und solche entweder an Professor
Duclaux, Director des Instituts Pasteur in Paris (25, Rue Dutot)
oder an einen der Unterzeichneten, welche die Ueberführung der
gesammelten Beiträge an das Centralcomit4 in Paris übernommen
haben, gelangen lassen zu wollen.
München, 1. März 1896.
Dr. von Ziemssen,
k. Geheimrath, oö. Professor,
Director des Allgemeinen
Krankenhauses,
Decan der Medicinischen Facultät
der Universität München.
Dr. H Büchner,
oö. Professor,
Vorstand des hygienischen Instituts.
*
Briefkasten.
Ein College bittet am nähere Auskunft über die Aussichten
deutscher Aerzte in Transvaal, insbesondere darüber, ob es möglich
Dr. M. v. Pettenkofer,
k. Geheimrath, oö. Professor,
Präsident der Akademie der
Wissenschaften.
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^2r=“SS£Ä.'-“.
für gefällige Mittheilung dankbar.
■-ÄÄir
Pneumoma cr0U P 08a d 3 (26), .L teria \ P __ (_), Scarlatina 28 (27),
tiBEQua art. ac. 40 (41), »ih' h ^ y ab dominali8 1(2),(Varicellen 23 (19,,
vS?vTriX-(-).SiJmma 315 (318). Medicinalrath Dr. A u b.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 8. Jahreswoche vom ^ b's^SS. Februar
Bevölkerungszahl : 40b üou.
Todesursacli^n:^Masern(^(7*^ i ^barlach^2 ^(^^Blutver-
SStungT ^ i ) 1 (-), £^ tS ! eL & S ^
(1), Keuchhusten 1 (3). ^^oupöse * . Organe 4 (6), Acuter
s Krssf « % *
die über dem 5. Lebensjahr stehende 14,9 (15,0).
münohenek medicinische_wochenschbiet.- — 2
--—- 1 G — rt MÄ - k ' bayer rmee
~* Heeti >
- I 1542 Mann, 1 Kadett 7 Inva » g Kadetten> _ invaliden,
•ankheitenfürMünchen. 19 Ä Ä ml
* 2 , Sehruar im. = £. M =d - jj««® *“£
“ ffltS,?S Äaelt. 8 » 1 . S&i .Ä“ -f InvJiden M
Din. — (—), Morbilli 64 (86), I Ah«?ane- geheilt 6509 Mann, 18 Kadetten, _ ’ „ .
Parotitis epidemica 22 (M, I y ) torben 6 Mann, — Kadetten, 2 Inv _ ^ y .
Summa: «1
Kalis 1 (2), (Varicellen 23 (19', weitig 139 Mann l *“ v| fo den> 14 u,V.
I18) . Medicinalrath Dr. A u b. ^ Hi—
-- 692,30 der erkrankten ^ a ^ tte ^ g ^ben 0,61 von 1000 der Kranken
Ille in München. SÄ« ".o” Kadetten, 2 8 5 ,n Invaliden und WO ^ ? &
MOCm F6brU ” " detteS
,11 l (3), Unterleibstyphus — “den, < u. , m :, ltÄr «, z tlicher Behandlung Gestorbenen haben
Qgenentzündung 3 (5), Tuber- Von den ,^ “’ w^phus l. eitriger Hirnhautentzündung 1,
übrigen Organe 4 (6), Acuter gelitten an: .^^TSenentzündung 1, Herzbeutel- und Brustfell
bertragbare Krankheiten 9 (3) Miliartuberculose 1, LuugenenUU ^ g > chroni8chem ßlasenlmtarrh
Tod durch fremde Hand 1 (3), I entzündung 1, j Knochenbruch des Schädels 1; ferne«
ÄSSfwTÄ SS
‘ 16 ’ 2 w: ' ■
r dem 5. Lebensjahr stenenue x*,? i_ , fll „ r
njäejngeMatnmerten Zahlen bedenten die Fal le der Vorwoche. 1 ■, U-V. — ~
Hnrhiriit ätstatistik der Infectionskrankheiten in Ba yern: December I895‘) und lanuar 18 96.
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Schwaben 687.962. - Augsburg 80,798, Bamberg w* — —.
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Ch. Biomler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. r. Heineke, 6. Merkel, J. t. Michel, H. i. Ranke, F.». Winckel, H. r. Ziemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München
M 10. 10. März 1896
Redactenr: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: /. F. Lehmano, Land weh retr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ergebnisse der pathologisch - anatomischen Unter¬
suchung des Ohres bei Masern. 1 )
Von Prof. Dr. Bei old
Der Aufforderung unseres Vorsitzenden, ein otologisclics
Thema zur Besprechung zu bringen, komme ich gerne nach,
und habe mir als solches die Erkrankung des Ohres im Verlaufe
der Morbillen gewühlt, nachdem sich mir vor einer Anzahl
von Jahren die Gelegenheit geboten hat, eine grössere Anzahl
von Gehörorganen masernkranker Kinder pathologisch - anatomisch
xn untersuchen.
Bereits vor 9 Jahren, im Jahre 1887, ist im Archiv für
Kinderheilkunde *) eine klinische und pathologisch - histologische
Studie über Morbillen von Dr. Adolf T o b c i t z, dom damaligen
Assistenten an der Grazer Klinik für Kinderheilkunde, erschienen,
welche in demjenigen Theile der Arbeit, der sich mit dem patho¬
logisch-anatomischen Verhalten des Ohres befasst, Mittheilungen
enthält, die geeignet sind, das Interesse der Aerzte und insbesondere
der Ohrenärzte in hohem Grade zu erwecken.
Bis dahin waren wir gewohnt, in den Erkrankungen des Ohres
während und nach den Masern Complicationen der Allgemein¬
erkrankung zu sehen, deren Zustandekommen man sich durch
Fortpflanzung der regelmässig vorhandenen acuten katarrhalischen
und sonstigen Affectionen zu erklären suchte, welche bereits vor
Ausbruch des Hautexanthems und noch nach demselben in Nase
und Nasenrachenraum sich abspielcn.
Zu ausgedehnteren Zerstörungen im Trommelfell, an der
Schallleitungskette oder den Wänden der Mittelohrräume mit oder
ohne Betheiligong des Labyrinths und seines Inhalts führen die
Masern und die an sie anschliessende Otitis im Gegensatz zu
Scharlach nur in einer kleinen Minderzahl der Fälle. Die Zahl
der chronischen, jahrelang fortdauernden Mittelohreiterungen mit
grösseren Trommelfellperforationen etc. nach Masern, welche uns
klinisch entgegentreten, ist eine viel kleinere als diejenige der
gleichen Processe, welche auf Scharlach zurückzuführen sind.
Ebenso stellen die Masern ein bedeutend geringeres Contingent
Ia den Taubstummen als die Searlatina; und auch bei diesen
Zahlen mögen noch so manche anamnestische Täuschungen mit
untergelanfen sein.
Blau hat auf Grund der statistischen Berichte einer Reihe
fon Autoren, worunter sich auch meine früheren Berichte be¬
finden, im XXVH. Bande des Archivs für Ohrenheilkunde die
procentische Häufigkeit für die Erkrankung des Ohres überhaupt
nnd für eitrige Mittelohrentzündung, für nervöse Schwerhörigkeit
und für Taubstummheit insbesondere einerseits nach Masern
andererseits nach Scharlach zusammengestellt. Die Procentzalilen
der einzelnen Autoren zeigen zwar unter sich sehr grosse Y er-
schiedenheiten, aber fast durchgängig ist der Scharlach bei den
') Vortrag, gehalten im Aerztlichen Verein München, am
«. Januar 1896.
*) Bd. VIII, pag. 321.
No. 10.
schweren und dauernden Störungen im Ohre mit bedeutend
grösseren Zahlen vertreten als die Masern. Die allgemeine klinische
Erfahrung ergibt uns, dass die Masern-Otitis, wenigstens in der
Mehrzahl der Fälle, unter dem Bild des einfachen Mittelohr-
katarrhs in Erscheinung tritt und meist , ohne zu Perforation
des Trommelfells zu führen, mit unserem Zutliun, oder auch
ohne dieses, wieder zur vollen Heilung zu gelangen pflegt.
Für das letztere werde ich Ihnen spater ziemlich beweisende
Zahlen aus meinen < SchulUntersuchungen des kindlichen Gehör¬
organs/- anführen.
Tobeitz konnte nun unter den 22 Masern fällen, die in
seiner Beobachtungsreihe letal endeten und zur Section kamen,
eine Erkrankung des Mittelohrs, während eine solche sich klinisch
nur bei 7 derselben manifestirt. hatte, am Seoirtiselie in all e n
Fällen nachweisen, bei welehen das Ohr überhaupt einer patho¬
logisch-anatomischen Untersuchung unterworfen wurde; dies war
bei 17 der obigen 22 verstorbenen Maserukrankeu gesehebeu.
Unter den Fällen, bei welehen das Ohr mit obducirt wurde,
befand sich ein 1 1 js jähriges Mädchen, das schon in der nächsten
Nacht starb, nachdem das Masornexanthein Tags zuvor allsge¬
brochen war. Auch hier fanden sich beide Paukenhöhlen mit
grünem Eiter erfüllt und die »Schleimhaut bedeutend geschwollen.
Ganz in der gleichen YVei.se verhielt sich beiderseits das Mittelohr
bei einem 1 s ji jährigen Kinde, das am dritten Tage nach
Ausbruch des Exanthems gestorben war.
Tobeitz sehliesst aus seinen Befunden, > dass bei Masern
vor dem Erscheinen des Hautexanthems, ebenso wie der Res-
pirations- und Digestionstraet , wie die (Vmjunctiva, auch die
»Schleimhaut der Tuba Kustachii und der Paukenhöhle erkrankt
und zwar, wie die anderen, selbständig und nicht durch Fortleitung
des Katarrhs durch die Tuba :.
M. H. ! Wenn diese Beobachtungen von Tobeitz sich bei
einer fortlaufenden Verfolgung der Ohductionsbefunde im Ohr der
Masern kranken weiterhin bestätigen, dann verdienen sie in mehr¬
facher Beziehung unsere volle Beachtung. Einerseits wäre die
von Tobeitz regelmässig gefundene Otitis media purulenta acuta
eine wesentliche Vervollständigung des gesammten Krankheitsbildes
der Masern und würde als ein regelmässiges Y'orkommniss der¬
selben zu registriren sein ; andererseits aber wird in diesem Falle
seinen Befunden eine hohe und geradezu grundlegende Bedeutung
zugemessen werden müssen für unsere Auffassung über die Patho¬
genese, den Y'erlauf und die Heilung der acuten sogenannten
katarrhalisehen und der eitrigen Entzündungsprocesse, welche uns
im .Mittelohr überhaupt entgegen treten, mögen sie nun durch
Masern oder durch irgend eine andere Ursache hervorgerufen sein.
Inwiefern uns die Masern-Otitis, falls sie wirklich eine eonstante
Erscheinung ist, neue Gesichtspunkte in letzterer Richtung bietet,
darüber werde ich mich später verbreiten.
Diese Erwägungen waren es, welche mich bereits im Jahre
1889 veranlasst haben, mit meinem damaligen Assistenten Rudolph
Ohrsectionen in grösserer Zahl bei masernkranken Kindern vor¬
zunehmen, nachdem im Leben die otoskopische Untersuchung vor¬
ausgegangen war.
1
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M< wnHMEBM BDicnnscHE _vrocmNBcmg^
No. 10.
218 ___
Das Krankenmaterial hat ...
^Beiden* Herren bin ich dafür - grossen. Danke
verpflichtet. . R Schläfenbeinobductionen von 16
Es sind im Gauzen 18 Krankengeschichten
masernkranken Kindern mit en zu Rudolph damals
und als Inaug.-
rÄ,.
rtr ^ STiSÄ’L. -- Herbste eine.»
frühen Tode f 1 ®«“ “J* , Krankengeschichten selbst werden
Die Sectionsbencht, und in einer Fachzeitschrift
nun als nachgelassene A Ihnen nur ein kurzes
Veröffentlichung finden. Hier uiochte ich Ihnen ^ ^ dcn
Resume über deren Erge ' ° Ki licn ’kurzen zusammenf aasenden
Nichtotiatrikermtercssircn könne . «Krankheiten
\ ‘ä "r":
Ä - - *■
:H=£=S=ä£S
fLV^ic Meningen, das Gehirn und
SS"Ä Sm^oncn einzi^n, vom
Ohr ihren Ausgangspunkt nehmen können, ug auss r .
Rahmens unserer Betrachtung.
Um die Sectionscrgebnisse von Tobeitz auf <h g
mässigkeit
STaUoTtoS 'endenden Masernkranken die Section auch auf
0 i. r ausgedehnt, und haben in der Kegel, wo wegen zu vc
genommen werden konnte, diejenige beite gcwl«Mt, auf^ welcher
das Gehörorgan im Leben die geringeren oder gar keine Ent
Zündungserscheinungen dargeboten hatte.
Trotzdemhatschlcimigeitrigcsodcrrc.n eitriges
Secret in keinem einzigen der 18 von
Leiche eröffnten Schläfenbeine ganz gefehlt
K i n Gehörorgan müssen wir hier aussehhesscn, weil nicht
nur im Leben ein fötider Ausfluss aus dem Ohr bestanden
hatte sondern auch die an der Leiche gefundenen Veränderungen,
nämlich Zerstörung des ganzen Trommelfelles bis auf d,e ,,ac J®*
Umgebung des Hammergriffs, schmutzige Verfärbung der gcschwcllton
Mittelohrschleimhaut und einige von Schleimhaut cl ‘ tbl ,8S ^^ * *
an den Knochenwänden mit grösserer \\ ahrscheinliehkeit für ei
alten bereits lange vor den Masern bestehenden E.terungsprocess
sprachen, als für ausschliesslich frische durch die Morbillcn
ducirte Affection.
In den übrigen 17 Fällen lagen EntzUndungserschemungen
offenbar frischen Datums vor. 6mal hatten wir Gelegenheit die¬
selben schon am 8--4- Tage nach Ausbruch des Hautexanthems
zu constatiren, in den übrigen Fällen war der Tod am 6.—33-
Tag nach Auftreten des Exanthems cingetreten.
Nur in einem Fall beschränkte sich die Ansammlung von
Secret auf die knöcherne Tuba und machte den Eindruck, als
ob dasselbe erst kurz vor dem Tode ans dem Nasenrachenraum
in die Tuba hineingescbleudert worden wäre. Es fand sich nämlich
am 6- Tage nach Ausbruch des Exanthems ausschliesslich nn
3; Band II, pag. 309.
, -T..V,., e i n zähes, trübes, luftblasenhaltiges
rrrÄ ~ «-- — ^
sehen. m nac h Erscheinen des Kxan-
tecM»k«“icb die Secretion auf Md» Tnba und
BOde "l„ d "llen''SfoeMvorganen fand siel, Sccretanaan.n.lung
, 1 i Schwellung ausgebreitet über die sümmthehen Hohl-
Röthung und Kl wel ung a g und Paukenhöhle,
räume de» M.ttdohr». mch nur tt« ^ ^ ^
sondern auch über • . gebildet waren, auch Ober
—hon diese Ausbreitung eine
die peripheren WarZ ® nZU1 . ’ , ZeUcn verschont blieben. Das
ungleichmässige war Gehörorganen (die wahrscheinlich
S ct , ; ng 15 bif'XrechL, deren Heid-
ÄrÄ^
eitrigem Secret, fibrinöses .a auf das A ntcum sieb besebriinkte.
„nd V d ica e,’ 1 ’l 5 Schläfenbeinen gehörten Kindern an,
welche das 2. »hr
ausgebild.de und 4n,al mit dem
sieh die V— ™ 6 ™ 1 ^“."trtum« des Mit.elobrs; nur
■ e mmi^ehWenlline, einem üjuhrigen Knaben ungehörig, be¬
schränkte sieh die von Eiter
geschlossen) war das . Gcfä88rslul jfi C ationen erkennen Hess und
Ä:l.r ^ ^hleinihaut hiOte :
TtoSJL hmienTtba 1 ««^ ZZltiZ, und einmal am 6. Tage
ta *=
durch"'(He A ^näSS^t«i e'itnommm. war, J*
Secret auf pathogene Organismen mikroskopisch,^thcilw^ ^
mittelst Oulturversuche ^id tnii»fung durch !> . - {and ^
sucht. Am häufigsten und wiederholt albu8 und
der Streptococcus, halb so häufig der Staphjlo^««
etwas seltener der Stapliylocoeeus aureus. In keinem
suchten Fälle haben die pyogenen Organismen gefehlt
Was den zeitlichen Ablauf der
nungen betrifft , so kann, nach unseren Krgebn , ^
3. Tag nach Ausbruch des Exanthems, nat ,, sondern
am 1. Tag, nicht nur W»
auch im Antrum und ebenso m den übn « e diesc gcsa mmtcn
diffus injicirt und geschwellt »n und ko , J ch in f Einzclfall
Räume sich mit eitrigem beeret gef 11 ’ vprsc i,iedon graste
die Fluchenausbreitung der Entzündung ei . ‘ Exsudat mH
sein kann. Am 4. Tag kann sieh schon
Blutextravasaten auf der Schlcimhau • . der Ze ; t T oui
als im Antrum gebildet haben. Ebenso ^ dcr knöc licnion
4 —6- Tage einzelne kleine polypöse Granulationen 1
Tuba, der Paukenhöhle und dem Antrum aufechieste. djp
Zu einem spontanen Durchbruch desjUr«*
Morbillen-Otitis, wie uns ja schon die tägliche
lehrt, nur in einer kleineren Minderzahl derr^ enthaU e,idon
Mit Rücksicht auf den stets pyogene 0r 8““V^ wc lcl,o
Eiter muss ebenso wie am Trommelfell auC . fä] , s j c h dar¬
an der Mittelolirschleimhaut bei unseren Sectmnsfi M ^
geboten hat, als eine auffällig geringe Exsudate»
wir von den auf kleine Strecken beschränkten fibmös«. f ^
abschen, welche in nicht ganz einem V.ertthcil der
getreten sind. . , w;t „ r b ei acuter
Während wir sonst gewohnt sind, "® be ” J hochgradig
Mittelohrentzündung an der Leiche die Schleunh
_t _
10. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
219
geschwellt zu finden, dass beispielsweise die Gehörknöchelchen von
ihr vollständig eingehüllt sind, war dies bei unseren Befunden nur
ausnahmsweise (insbesondere neben fibrinösem Exsudat) der Fall.
Auch die Gefässinjection ist eine geringere und vor Allem sehr
ungleichmüssig vertheilte, manchmal punkt- und fleckförmige. Eine
Zerstörung der Schleimhaut mit Blosslegung der Knochenwände
wurde bei unseren Seetionsbefunden, wenn wir von dem einen
wahrscheinlich chronischen Fall absehen, niemals beobachtet.
Zur Erklärung dieses differenten Verhaltens der Mascrn-Otitis
gegenüber den genuinen, den im Reconvaloscenzstadium des Typhus
auftretenden Otitiden ctc. haben wir zwei Möglichkeiten:
Entweder ist das im Mittelohr bei Mascrn-Otitis zur Wirkung
gelangende entzündungserregende Agens ein die Gewebe weniger
stark schädigendes, oder es kommt hier eine Herabsetzung der
Reactionsfähigkeit zum Ausdruck, welche auf der Höhe der All¬
gemeinerkrankung den Gesamintorganisums betrifft.
Da die Eitererreger, welche im Secret bei der Morbillen-
Otitis von Anderen und uns vorgefunden wurden, die gleichen
sind, wie bei den sonstigen Mittelohreiterungen, so lassen sich für
die erstero Annahme keine positiven Anhaltspunkte gewinnen.
Dagegen spricht für die Zulässigkeit der zweiten Möglichkeit
vor Allem der stark protrahirte Verlauf der Morbillen-
Otitis, der uns ja bereits lange durch die klinische Beobachtung
bekannt ist. Den klinischen Erfahrungen entsprechen in dieser
Beziehung auch unsere Obductionscrgcbnisse. In demjenigen
unserer Fälle, der am Spätesten, nämlich am 33. Tage nach Aus¬
bruch des Exanthems, zur Section kam, fanden sich nämlich die
Röthung und Schwellung, sowie die Secretansamiulung in Pauken¬
höhe und Antrum keineswegs geringer ausgesprochen, als man sie
in den ersten Wochen der Erkrankung finden kann. Im Gegen-
theil: an der Schleimhautplattc des Trommelfells, welche wegen
dessen Durchsichtigkeit den Grad der Schwellung und Injcction
an der Leiche am Unzweideutigsten erkennen lässt, war gerade in
diesem Fall sogar eine ungewöhnlich starke Verdickung zu con-
statiren. Zu einem Durchbruch des Trommelfells war es aber
trotz der langen Dauer nicht gekommen.
Einen sicheren und positiven Beweis für die verminderte
Reactionsfähigkeit des Organismus auf der Höhe der Masern¬
erkrankung habe ich indessen erst kürzlich erlangt durch einen
Fall von Otitis media purulcnta acuta mit subpcriostealeiu Abscess
post niorbillos, welcher in den letzten Monaten zur Operation kam.
Derselbe betraf einen 6 jährigen Knaben, welcher am 8. Oktober
1895 im otiatrischen Ambulatorium des med. klinischen Instituts zur
ersten Untersuchung kam.
Vor 14 Tagen Masern und Bronchialkatarrh. Vor 3 Tagen
Beginn von Schmerzen im rechten Ohr; seit 2 Tagen besteht aus
demselben stärkerer seröseitriger Ausfluss. Temperaturerhöhung,
Aengstliche Schiefhaltung des Kopfes nach der Seite des kranken
Ohres.
Bei Luftdouche mittelst Politzer's Verfahren Perforations-
geräusch. Trommelfell sehr stark und lebhaft diffus roth und escoriirt;
der hintere obere Quadrant unregelmässig vorgewölbt; an dieser
Stelle scheint sich die Perforation zu befinden. Linkes Trommel¬
fell auffallend dunkel. Flüstersprache rechts 6cm („5", „4") links
11. Oktober. Vorgestern Erbrechen. Temperatur heute 38,6.
Grenzen des Sehnerveneintritts etwas verschwommen. Die Gegend
hinter dem rechten Ohre seit vorgestern in starker Ausdehnung j
geröthet, geschwellt und druckempfindlich. Muschel rechtwinklig ab- 1
gehoben und mindestens um 2 cm nach abwärts gerückt. Caput
OMtipum noch ausgesprochener. Kein Strang entlang der Vena
jugnlaris zu fühlen. Harn eiweissfrei.
Am gleichen Tage operative Eröffnung des Antrum.
Crista temporalis durch die Schwellung hindurch nicht mehr
föhlbar. Schnitt, circa 4 cm lang, in der hinteren Ansatzlinie der
Muschel entleert in seinem obersten Theil ein Eiterflocke. Das
Benost findet sich ungefähr auf Thalergrösse im Bereich der Crista
temporalis sowohl ober- als unterhalb derselben abgelöst Die
entsprechende Knochenaussenfläcbe von blasser Knochenfarbe mit
ein paar grossen Gefässlöchern. Bei der Abmeisselung, welche in
th des Antrum begann, zeigt sich, dass der ganze Warzen-
tbeil aus kleinzelligen Räumen besteht, welche grossentheils leer
sind und nur ein paar stecknadelkopfgrosee Eiterpunkte enthalten,
uw hintere Ende des Antrum wird weit blossgelegt; hier findet sich
noch eine grössere ziemlich consistente Eiterflocke, wahrscheinlich
tbeilweise fibrinöses Exsudat. Jodoformverband.
15. Oktober. Temperaturerhöhung besteht fort. Der Ausfluss
m o? Gellör gang hat aufgehört.
22. Oktober. 8eit 2 Tagen hat das Fieber aufgehört. Keine
oenmerzen. Die mässig secernirende Wunde ist von normalem Aus¬
sehen bis auf die obere Partie, in welcher die Weich-
theile noch in der ursprünglichen Ausdehnung vom
Knochen abgelöst sind. Der blossliegende K nochen
selbst bleibt von weisser Farbe und ohne Gefäss¬
injection; ebenso bleiben die auf dem Querschnitt
blossliegenden Knochen zellen leer.
29. Oktober. Der untere Theil der Wunde lebbaft granulirend;
in ihrer oberen Partie liegt der Knochen noch immer frei
und sind die Weichtheile noch nicht angelegt.
8. November. Knochenfläche granulirend. Die Weichtheile
legen sich an. Flüstersprache rechts 7 in und mehr.
3. Dezember. Wunde geschlossen.
Es wurde also in diesem Fall trotz sonstigem normalen Ver¬
lauf noch 18 Tage nach der Operation am blossliegcnden Knochen
die im gesunden Organismus regelmässig und bald eintretende Keaetion
vollständig vermisst, und erst nach 10 weiteren Tagen fand sich
derselbe in normaler Weise von Granulationen bedeckt, worauf der
Verschluss der Wunde bald eintrat.
Das gleiche, durch lange Zeit reactionslo.se Verhalten operativ
und durch Eiterung blossgelegtcr Knoehonfläehcn, wie cs uns in
diesem Falle entgegentrat, habe ich nach Operationen am Warzen-
theil im Verlaufe von Typhus, Pyämie und Phthisis pulmonum
beobachten können. Wir dürfen in demselben einen directen Aus¬
druck für eine herabgesetzte Reactionsfähigkeit der Gewebe er¬
kennen, welche eine charakteristische Eigenschaft des Gesummt-
organismus unter dem Einfluss der genannten Allgemeincrkrankungen
darstellt; denn unter normalen Verhältnissen kommt es sehr rasch
zur Bildung von Granulationen auf den blossgclogtcn Knochen-
flächen, oder aber dieselben können in seltenen Ausnahmefällen
nekrotisch werden.
Nach diesen Beobachtungen bleibt die Keaetion der Gewebe,
die Injeetion und Schwellung während der Höhe der Allgemein¬
erkrankung unterhalb der Grenze, welche wir sonst bei genuinen
Mittelohreiterungen des im Uebrigen gesunden Organismus zu sehen
gewohnt sind , und der Beactionsprocess steigert sich erst in den
nächsten Woeheu im Laufe und unter dem Einflüsse der Reeon-
valeseenz soweit, dass er in dieser Zeit noch nachträglich zu einem
Durchbruch des Trommelfells fuhren kann.
Seither hat auch Prof. Habermann in Graz in seiner
«pathologischen Anatomie des Ohres;' im Handbuch der Ohren¬
heilkunde, herausgeben von S eh wart zc 4 ) mitgetheilt, dass er in
7 Gehörorganen von 4 Fällen von Masern, die er secirtc, •das
Mittelohr stets erkrankt, die Schleimhaut mehr weniger hoch¬
gradig entzündet, mehrmals hämorrhagisch und mit Schleim oder
Eiter bedeckt gefunden hat. «Stets fanden sich Streptococcen und
in einem Falle neben diesen auch Staphylococcus pyogenes aureus>,•.
Aus mündlichen Mittheilungen von Prof. Sieben mann in
Basel wusste ich, dass auch er Sehläfenbeinsectionen bei Morbillen-
kranken ausgeführt hat. Auf meine briefliche Anfrage theilt mir
derselbe nun mit, dass er 4 Scctionen von Schläfenbeinen an Mor-
billcn gestorbener Kinder gemacht hat. In allen 4 Fällen handelte
es sich um eine acute eiterige Entzündung der gesammten Mittel¬
ohrräume (2 mit, 2 ohne Trommelfellperforation). 2 weitere Fälle
hat Sieben mann’s Assistent l)r. Morf in dessen Institut
secirt und bei beiden ebenfalls eiterige Entzündung des Mittel¬
ohrs gefunden. Das Alter der zur Obduction gekommenen Kinder
lag zwischen 1 und 5 Jahren.
Dieser bereits ziemlich stattlichen Zahl von positiven Seotions-
befunden im Mittelohr bei Masern (17 Fälle von Tobeitz, 18
von Rudolph und mir, 7 von Habermann und 6 aus Sieben -
mann’s Institut) steht, meines Wissens, kein einziger Befund
gegenüber, welcher vollkommene Intactheit an dieser Stelle im
Verlaufe von Masern constatirfc hätte.
Wir sind nach diesen Seetionsergebnissen wohl berechtigt,
die Form von Otitis media purulenta acuta, welche sich regel¬
mässig bei allen Ohrseetioncn im Verlaufe von Morbilleu vorge¬
funden hat, ebenso wie dies für die begleitende Conjunctivitis,
Rhinitis, Pharyngitis und Bronchitis von je geschehen ist, als
eine integrirende Theilcrscheinung dieser Allgemein¬
er^ ankung zu bezeichnen. In gleichem Sinne ist auch die,
wie es scheint, ebenfalls regelmässig vorhandene Miterkrankung
der Schleimhaut in den Seitenhöhlen der Nase aufzufassen.
Ö~BdTl, pag- 26). (Schlu88 foI « t *)
1 *
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Münchens medictoschk wocHgNgcmgl:
No. 10.
I -—“ Ä mit v6 " igem ““ ,re,er
Procent Zuckergehalt:
•> -hl Minute b) n.eh .,^una, 0 -* • «
1 Versuchsperson 1,0 Proc - «0 „
2 . 1.0 » t’t ” 6,4 „
3. » Op ” 12,0 B
! : 8': 8 : SLl.
Tns^der medicinischen Klinik des Herrn Gehoimrath
Aus de. ™ pruf( , ssor Eieg6l in Giessen.
lieber die Intensität der Mundverdauung bei Gesunden
und Magenkranken.
Voll l)r. Fritx Burger in Giessen.
Hüb '% Zti vonIdolen Au
andere Körperflüssigkciten *» Magen
:r c ^rr *. **». *.
“c“: "‘ unsere Kenntnisse von den Wechsch
beiichungen der Secretc Urtier^durch ^den Nac h *2d VC rdmung
Magenverdauung m gew ' 8 ^ \ usfaU der Mundspeiehelwirkung
”Se "e“ r^ef L W ä«-Sr-»t»ngcn - Tl.ats.chc
"'diel Beobachtungen nnd »Wahrungen kenn,™ *Yer
e«l nd. Zunahme der Mugcnsaf.absonderung d,e
Ak *S£ K£f*rMöglichkeit durtK
mmmm
suehungen in. Laboratorium und am M ^f alC / ^^Pankc
Klinik zu Giessen zu gestatten, wofür ich .hm zu lebhaften. Pauke
verpflichtet bin. . , , •
Pie Intensität der Mundverdauung prüfte ich zunächst U
«es,»lc„. Ais s 1’rubchissen
der Zuckergehalt in der möglichst klar filtrirten Flüssigkeit alsdann
bestimmt, wobei »ich folgende Werthe ergaben:
I. Versuche an Gesunden.
Procent Zuckergehalt:
a) -eh 11 Minute b, nach W> °> “
1 . Versuchsperson 2,4 Proc. 3 ’ 4 10,5
2 . .. 1,3 "
2,0
2,2
1,4
3,0
3,2
3,6
3,2 Proc.
11,ft „
8.4 „
9,2 ■
9.4 Proc.
in, Durchschnitt 1,7 F~ 3,0 Proc. , 8,0 P™.
III Versuche au Kranken mit Hyper.eldiUIt des Magensaftes.
Procent Zuckergehalt:
a) nach 1 Minnte ») nach ^Stunde clnaeh^S-.
1 Versuchsperson 1,6 Proc. 4, ■ 12 4 ,
2. 2,8 . W • 9,0 „
» ■ *2 :: # m .
4. .1 » 34 ( 6,0
hr Durchschnitt 1,8 Pr^ 5 ’ 2 Pr0C ‘
IV Versuche an Kranken mit Subacidität des Magensaftes.
Procent Zuckergehalt: ,
a) „ach, Minute b, -* V£— « T*‘ £*
1. Versuchsperson 3,0 Proc. 8,4 ,
2. „ 2,4 . 4,0 „ 12,5 .
3. . 1.0 T ’ 9.0 -
4- - **£ - i’ü ” 12,0
im Durchschnitt 2,1 Proc; 4,2 Pr ^' ~ fZjj^Tbei
»....—ü. _s sssrs
s-c,IBR jj ZZTZ. XÄiÄs
benutzte leb das von Hühner in dieser Ita-Jt »*«*£ “lihhUngig der Beschaffenheit des O*—
SÄt Ä c:^TÄ -- * -
kiä si*r r
träger Mastieation nicht geringere Werthe als be h ^ ^
Versuche einzelne Personen
höhere Werthe erzielten. . Weiteren bei
Aus den vorstehenden Tabellen ergib sic i) arc hschnitts-
Bctmchtung der einzelnen Vcrsuchszahlcn wie der dcr
Ziffern, dass ein wesentlicher Unterschie in verschiedensten
Mundverdauung bei Gesunden und J Iagcnkrank , Cn d ^. clb<! Individuum
Art nicht besteht. Indem ich aber cm und d»dta * ^ den
an mehreren Tagen hinter einander untersuchte, f»
einzelnen Versuchspersonen Folgendes :
morsche 1TODC UHU uui iuuui«»»v. -
Digestion desselben nur Spuren von Zucker erkennen, welche für
unsere Zwecke vernachlässigt werden können.
Der Probebissen nun, als welchen wir ein halbes Bisquit
bezeichnen, wurde den verschiedenen Versuchspersonen stets zu
derselben Vormittagsstundc, ^11 Uhr gereicht und vcm dicsen
genau 1 Minute gekaut; der Bolus wurde dann m ein graduirtcs
Gefäss gespuckt und mit destillirtom Wasser von 37
oder mit einer 0,27 proc. Salzsäurclösung wurde hierauf
Volumen auf 50 ccm gebracht. Per Salzsäurezusatz diente dazu
die Amvlolysc in» Gemische sofort zu unterbrechen, da sich der
Gehalt von 0-27 proc. I1C1 in einer Reihe von Vorversuchen als
ausreichend zu diesem Zwecke erwiesen hatte Per Zusatz von
blutwarmem Wasser geschah dann, wenn die Verzuckerung der
Stärke im Brutofen sich noch eine bestimmte Zeit weiter toit-
setzen sollte, um so etwaige Unterschiede in der Amvlolysc durch
die früher oder später auftretende Erschöpfung der Ptya...Wirkung
zu erkennen. Pie Zeitspannen, welche hiebei gewählt wurden,
betrugen 72 und 1 Stunde. Mit dem Polarisationsapparate wurde
i) Ueber Wechselbeziehungen zwischen Secreten und Excreten
des Organismus. Zeitschrift für klm. Mechern, BdXJ, ^ .Magen
saftsecretion und Blutalcalescenz, Münchener medic. Wochenschr. 188 ,
^») Die Bedeutung des Mundspeichels, Berlin 1889, Verlag von
E. Gros^r^rnacki, die Bedeutung der Mundverdauung und des
Mundspeichels für die Thfttigkeit des Magens. Zeitschrift für klm.
Medicin, Bd. XXI, 1892. , . .
4 ) C. v. Noorden, Ausnützung der Nahrung bei Magenkrank¬
heiten, Zeitschrift für klin. Medicin, Bd. XVII, lh90.
B . . . mit Ectasia
ventriculi cum
hypersecretione
Proc. Zuckergehalt:
a) nach ‘/a Stunde
4,0 Proc.
3,0 „
W
. mit Carcinoma
ventriculi
. . mit Carcinoma
ventriculi
2,5
2,3
2.3
6.4
1,8
2.5
1,2
3,0
2.4
1.6
2.5
b) nach 1 Stunde
9,0 Proc.
12,6 -
12,0 .»
6,0 n
6,0 •
9,0 n
7.4 n
6.4
6,8 „
12,0 *
8,0 *
8,8 ,
11,6 n
Digitized by
Gc >gle
10. Märe 1896.
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
221
Proc. Zuckerhalt:
S_mit ulcus ventric. a) nach ‘/* Stunde
cum Hypcraciditate: 2,0 Proc.
4.4
M „
6.4 „
b) nach 1 Stunde
10,4 Proc.
9,0 „
10,4 „
6,8 „
3,6 „
Die Schwankungen in dem Grad der Amyloly.se hei den ein’
seinen Individuen sind hiernach an verschiedenen Tagen nicht
kleiner als sie in den verschiedenen Krankheitsgruppen beobachtet
werden.
Es ist daher die Mundverdauung, in dem Rahmen unserer
Versuchsanordnung, von »Störungen der Magcnseeretion als un¬
abhängig anzusehen. Ob durch eine grössere Mahlzeit, etwa
ein starkes Mittagsmahl, in einzelnen (.iruppen eine schnellere
Erschöpfung der »Speicheldrüsen ein tritt als bei Gesunden, bedarf
weiterer Untersuchung.
Es erübrigt mir noch, an dieser »Stelle Herrn Privatdoeent
Dr. »Sticker für die Anregung zu dieser Arbeit und vielfache
Cnterstützung bei derselben meinen Dank auszusprechen.
Mittheilnng aus der chirurg.-ortliop. Privatklinik des Privat-
docenten Dr. Ilüffa in Würzburg.
Zur Behandlung der Distorsion im Fussgelenk.
Von Dr. Albert Hoffet, Privatdocent der Chirurgie.
Als ich vor nunmehr vier Jahren das «Hospital for
RuptureJ und Crippled» in New - York besuchte, zeigte mil¬
der Leiter dieser Klinik, Prof. N. I*. Gibney, einen Heft¬
pflasterverband zur Behandlung von Distorsionen des Fuss-
gelenkes, den er selbst von Dr. V. K. Davis kennen gelernt
hatte und der ursprünglich von K. Cotterell in London hcr-
staiuuien soll.
Gibney erzählte mir, dass er erst seit Anwendung dieses
Verbandes rechte Befriedigung von der Distorsionsbehandlung habe
und empfahl mir den Verband auf das angelegentlichste.
Nach meiner Rückkehr habe ich nun diesen \ erband in
einer grossen Reihe von Fällen verwendet und mich von seiner
ansgezeichneten Brauchbarkeit überzeugt. Teil stehe daher nicht
an, ihn den Oollcgen zur Nachprüfung vorzulegen und bin sicher,
dass sie, bei richtiger Befolgung der Technik, von demselben eben¬
so befriedigt sein werden, wie ich selbst und namentlich wie die
Patienten selbst.
Gibney selbst hat sein Verfahren im Anfang des vorigen
Jahres (16. Februar 1895) im New-York Medical Journal publieirt.
Ein Referat dieser l’ublication befindet sich im (Vntralblatt für
t’hir. No. 29. 1895.
Ich will das Verfahren, wie es sich mir am besten bewährt
hat, an einem conereten Beispiel schildern. Nehmen wir an, es
handelte sieh um eine schwere Distorsion des Fussgelenkes mit
Zerrei,ssung der Bänder an der äusseren Seite des (ielenkcs, so
wird der Verband, wenn der Patient alsbald nach geschehener
Verletzung in unsere Behandlung tritt, sofort angelegt. Ist da¬
gegen schon längere Zeit nach dem Unfall verstrichen und ist
dann, wie gewöhnlich, eine stärkere »Schwellung vorhanden, so
wickle ich den Fuss mit einer Flanellbinde ein, lege über diese
noch eine Gummibinde und lasse den Fuss dann für 24 Stunden hoch-
Wen. leb verbinde also während dieser Zeit die Elevation des
Passes mitcincrelastischen C o m p r e s s i p n desselben. Nach
Ablauf der genannten Frist wird der lief tpflasterverband angelegt, nach¬
dem vorher noch, wenn nüthig, die restirende Schwellung durch
Massage nach Möglichkeit beseitigt worden war.
Zur Anlegung des Verbandes bedient man sich des gut
klebenden, als Mead’s adhesive plaster bekannten, amerikanischen
Heftpflasters, das man ja jetzt auch überall bei uns in Doutsch-
k*"d in den Apotheken bekommt. Von dem Heftpflaster schneidet
maa 8Ic h zweierlei »Streifen, längere und kürzere, zurecht und
hängt die »Streifen, damit sie nicht aneinander kleben, über eine
btohllehnc. Die Streifen erst während des Anlegens des Verbandes
«•schneiden zu wollen, ist unzweckmässiger, weil man dann später
einen Assistenten mehr braucht. Das Maass für die längeren
No. 10.
Streifen bestimmt man so, dass man eine Schnur von der Grenze
des mittleren und oberen Drittels des Unterschenkels aus, an der
Ausscnseite desselben herab- und über die Fusssohle auf den Fuss-
riieken bis zur Höhe des gegenständigen Knöchels hinführt. Das
Maass für die kürzeren »Streifen nimmt man ebenfalls mit der
Schnur, indem man dieselbe von der Basis der kleinen Zehe längs
des äusseren Fnssrandes um die Ferse, längs des inneren Fuss-
randes bis zur Basis der grossen Zehe verlaufen lässt. Die Breite
der »Streifen ist etwa die eines erwachsenen Daumens. Man braucht
im Durchschnitt 10 längere und 10 kürzere Streifen.
Sowohl beim Nehmen des Matisses als namentlich heim An¬
legen des Verbandes selbst, ist es unbedingt notb wendig,
den Fuss genau in recht winkeliger Stellung zum
Unterschenkel halten zu lassen; denn nur bei einer solchen
Stellung des Fnsses kann der Patient gut gehen ; jede auch noch
so geringe Spitzfussstellnng hindert die Abwickelung des Fasses
vom Boden und verursacht damit dem Patienten Beschwerden.
Das Anlegen der »Streifen geschieht nun folgcndermassen:
Während ein Gehilfe den Fuss, wie gesagt, genau in recht-
winkeliger Bcugestellung hält, klebt man selbst den ersten
langen »Streifen entsprechend der Tibiakante an der Grenze des
oberen und mittleren Drittels des Unterschenkels
an. Der Patient, selbst drückt mit seinen Fingern
den »Streifen fest an. Der Arzt selbst, alter spannt
den »Streifen an, führt ihn längs der Tibiakante
gerade herunter, legt, ihn steigbügelartig um die
Fusssohle herum und klebt sein Ende auf der
inneren Seite des Fussrüekens in der Höhe des
Mallenins internus und fingerbreit vor demselben
entsprechend etwa der Sehne des Extensor halliicis
longus an. Der »Streifen muss straff angespannt
sein, wenn er richtig liegt. Dieser erste lange
»Streifen wird nun am Fuss durch den ersten
kurzen Streifen fixirt. Dieser letztere wird
am äusseren Fussrand, an der Basis der kleinen
Zehe beginnend,.angeklebt, um die Hacke herum
und bis zu der Basis der grossen Zehe hinge¬
führt und fest angeklebt. Liegen
diese zwei ersten »Streifen, so
werden nun die übrigen langen
und kurzen Streifen diesen beiden
ersten Streifen parallel so ango-
. j legt, dass sich die einzelnen
k ' Streifen stets dachziegelförmig
zur Hälfte decken, so lange bis die ganze Gegend des Malle¬
olus externus bis zu m R a u d d er A c h i 11 e s s e h n e
mit dem Heftpflaster bedeckt ist. (Fig. 1).
Wenn man dann will, kann man zur Verstärkung des Ver¬
bundes noch einige diagonale »Streifen anlegen. Unbedingt nüthig
ist dies aber nicht.
Handelt es sich um eine Distorsion, bei der vorzüglich die
inneren Bänder des Kussgelenkes gelitten haben, so werden die
Heftpflasterstroifen anstatt auf der äusseren, auf der inneren »Seite
angelegt, bis die Gegend des inneren Malleolus völlig bedeckt ist.
Ist vorzugsweise das Mittelfussgelenk geschädigt, so legt man
die Touren entsprechend dem bekannten Steigbügelverband an.
Man beginnt z. B. mit den ersten Streifen an der Innenseite der
Hacke, führt denselben um die Hacke herum auf und ijuer Uber
den Fassrücken bis zur Basis der grossen Zehe, wo er an der
Sohlenflüchc endigt. Der zweite Streifen geht in derselben Weise
vom Malleolus externus um die Hacke herum zur Kleinzehenseite
und endigt an der »Sohle unterhalb der kleinen Zehe. Die folgenden
Streifen werden dann, ebenfalls sich zur Hälfte dach ziegelförmig
deckend, angeklebt, bis der ganze Fuss von den Zehengelenken
bis zur oberen Grenze des unteren Drittels des Unterschenkels
eingewickelt ist.
In jedem Falle muss eine völlige circulare Ein¬
schnürung des Fussrüekens vermieden werden; Uir-
eulationsstörungcn dürfen nicht entstehen. Liegen alle Streifen,
so wickelt man über dieselben eine Cambricbinde und eventuell
no‘-h eine steife Gazebinde, und nun kann der Patient sofort seinen
Strumpf und Schuh überziehen. Die Patienten können nun selbst
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münchenbb medic inische wociiENScmiiFT.
No. 10.
mit schweren Distorsionen di^ v ^.J^ ck ß^f^ber lernen sic
ft» Berufsgeschäften wieder
“ b Ä» genügt ein Verband^ Man lüeat
denaeL etwa 8 Tage liegen und ,nas»rt dann noch für
8 Tage täglich einmal den Untecschenk h — Kcchy .
m «“d"nc:pjn Veehand nach 0 8 Ta^t M
Isg^SSS?«
Ueber den Ileus.
Von Dr K. Witthauer, Oberarzt am Diakonissenhaus in Halle a. S.
Wenn man die Liter»«,, de, loteten Jäte
KsäsSsr/r
für Diagnosenstellung und Handeln. Wenn .c k ,
wenig schematisch erscheinen und der praktische Arzt am Kranken
bett vielleicht nicht Alles so herausfinden und zur Erkennung der
Sachlage verwerthen kann, so ist die Sclll a n *® SC yj/y ' { iURSCr
für Jeden, der Ileus behandeln will, unentbehrlich. Der yU'O
unterscheidet einen d y n a m i s c hon« n dm c c h a n, s che n I_ • •
Erstercr entsteht durch Lähmung einer Dannstrecke von k' "«cr n
%TZL— Tlmfang and wird am häüligato., vo^t ™oh
Peritonitis. Letzterer ist entweder ein S t r a n g u1 a 1 1 o n Biens
oder ein Obturationsileus. Durch object.ve sorgfaUigste
Untersuchung erkennt man die für die einzelnen » .IW
Verschlusses charakteristischen .Symptome; die nachwob. ^
Veränderungen des erkrankten Darms betretten
die Modificationcn seiner Form und seiner ewtg
hchkeH^i peritonit . g entwickelfc 8ich Rtct9 c i n c Lähmung, sei
cs eines eircumscripten Darmabschnitts, sei es des ganzen Darms^
Der Darm ist nicht nur aufgebläht, sondern auch in seiner
Beweglichkeit gestört. Bei umschriebener 1 eritomtis ist
die geblähte Darmschlingc nicht erheblich gespannt, die dii us
Peritonitis führt dagegen zu ausgedehntester Blähung der 1 m-
schlingen; die Lähmung ist eine vollkommene, jede Beweglich-
2. Ist ein Darmstück strängulirt, so tritt eine starke
Anschwellung dieser Schlinge auf, die eingeschnürte Schlinge ist
fixirt, kann ihren Standpunkt nicht verändern und ist frei von
jeder pcristaltisclien Bewegung. Das abführende Darmstück wird
bald leer, das zuführende füllt sich allmählich an und bläht
sich auf, zeigt auch deutliche peristaltische Bewegungen.
Führt die Incarccration zur Peritonitis, so erlischt mit er
nun cintrctenden Lähmung des Darms auch seine Beweglichkeit.
3. Bei der Obturation ist das zuführende Darmstüek
in einer nach dem Magen zu abnehmenden Weise gefüllt, das ab¬
führende leer. Im aufgeblähten Darm finden peri¬
staltische Bewegungen statt, solange keine Peritonitis
besteh,. Die Bewegungen ™jf- “ *
Verstopfung | nu^ganatoinischeif Grundsätzen ist das tlrerapeuttebe
Zuerst beric , ,, Tahres von mir beobachtet
wu*n" C ieb t “““lauf -einer späteren Ausführungen
theol. R. gerufen der über he tg Leib ht Johannisbeeren
am Tage vorher einen groben D.atfehter ge^ Danach
in grossen Massen 8 e 8® BS . . ■ e Stühle aufgetreten. Patient
warln Leibschmerzen undim Leib und
hatte bei meinem Eintreffen kol k g den Drang ge{ilhlt>
hatte .trotz wiederholter belegt, starker Durst,
!“* hr w"w£n* U l3i hielt den Zustend zunächst nur für einen
ernsten Magendarmkatarxh und vejordnete Acid mmiat. ^ ^
--“Fääää
rindenthee und gab ihm . pflegte. Darauf wurden die
pillen, welche sie selbst zu nel P 1 gen noch Stuhlgang
Tillnr S“» "Diäkonisseub.». au, woselbst er 0,015 Mer
hart; überall tympamtischer Schall, ke n j P efti | e Schmerzen,
steht sehr hoch, mftssige Dyspnoe, * u ® lich 00 15 Morphium,
Rectaluntersuchung ohne ® mal^ tag a b. Puls
hohe Einläufe ohne Erfolg, djjWJj« lg & Kohl8C hütter. .
und Temperatur normal Consultation i b Schmerzen an-
6. Juli. Der Leib ist:nochmehr aufgetrre . ^ gtuW
dauernd heftig. Man sieh ’'*£**£ wLereTnlftufe, das Ajlgc-
Teurperuter, gute, M
Därme sind enorm ausgedehnt, Flexura sigmoidea, an
sich dns collabirte Darmstüek uuterl 'e Achsendrehung des
der Flexur des Colon descendens halte em herbeige fübrt
Darms stattgefunden, welche den {(lrehung des Volvulus
hatte. Diese lässt sich durch einfache ,u J en ^ astdarm eingc-
beseitigen und nun lassen sich durch 1 Der mehr un d mehr
führtes Rohr massenhaft Blähungen ent cbhöhle zurückgebracht
zusammensinkende Darm wird in die Bauenuon
und die Wunde durch doppelte Naht g^chloss«zufrieden-
Nach der Operation war das Befinden 8pontan Stubl-
stellend, der Puls leidlich kräftig. Ak d er ' ß i ftUer ange -
gang, in der Nacht trat aber em Collaps ein, uer
wandten Mittel tödtlich endete. . b dabe j nssi-
Den II. Fall bat mir Herr Dr. G*»® 1 «*Es bandelt
stirte, für meine Veröffentlichung ‘ * l “® r “ • Jah r von
sich um eine 26 jährige Frau H welche s^on ^ t ^| ringr ^dität
einem anderen Arzt wegen einer J> nkB8 ^ t,g .„ AugUBt 1895 Abends
laparotomirt worden war. Sie wurde am U- » Extraa tenn-
von ihrem Hausarzt mit der Diagnose ein. 2Jj}^ haua eingeliefert-
Schwangerschaft und Haematoce.e ii verspürt batte,
Sie batte, nachdem sie heftige Schmerze der Eisenbahn
plötzlich einen Collaps bekommen und war sofort die w e
hierher befördert worden. Be. de 'f'S befand sichv.el
an der früheren Bauchschnittnarbe adhaere U Bchwa ngere Tube
geronnenes Blut in der Bauchhöhle, uiej?epia noch «he an¬
wurde leicht entfernt. Zur Banchdcckennaht mnssw d
gewachsenen Därme theilweise J^gn Puls und erholte
Eingriff glatt und rasch, die Patientin hatte guten
sich rasch. . , . , Befinden, in der
Der folgende Tag verging bei relativ goto heflige Lel b-
Naclit war Patientiii sehr unruhig und kljvg abge gangen;
schmerzen. Weder Blähungen noch Stuhlgang^ • ritze ohne
Mittags starkes Erbrechen grünlicher Masse . G y ^ krtfUg-
Vrfr.1^ Abends Temperatur dl ,o. ruis n*.
Patientin ist sehr unruhig, erhält 0,01 Morp m ®- aQch ein gpul-
Am 16. August wiederholtes Erbrechen, ,. ch norm al, P”' 3
wurm zu Tage gefördert . w ^ d -J® m k P e Yne Blähungen, heftige Leib
ian T.p.ih weich, nicht auf getrieben, keine uianu b
No. 101.
») Sammlung klin. Vorträge. Leipzig. Breitkopf und Härtel,
ni
,3„
die Unruhe hat zugenommen Patien *’ 1 " w b -: fl „ u einer bestimmten
her, gibt an, dass die Darmbewegungen bis zü en lh ren
Stelle gehen und von da aus dann <he hefbgen ^ ^ V om
Ausgang nehmen. Abdomen in de L g dr u C kempündlich. In *
Nabel ein wenig abgetrieben, mcht, druckemg^ h e Bewegungen
rechten Bauchseite sieht man deutlich penstaius
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11 ucunmu r - -
GooqIc
10. März 1896.
durch die Bauchdecken. Glycerinspritzen. MagenauHKniilim,,
Erfolg. Puls zwischen 120 und 146. Morphium P g ° hne
18. August Hoher Einlauf mit Pfeffermttnzthee. Erbrechen
kolossaler, jetzt deutlich kothig riechender Massen. Die Kranke?«
sehr unruhig, trinkt aus der Eisblase, steht auf etc Da din tw® 1
Ileus zweifellos erscheint Nachmittags zweite Operation: Se rea ®
lionslos aussehende Bauchwunde wird eröffnet und „„„i u reac '
*»“■ ■>*,"•» . dls v n " h ,
wachsenen Därme im Verdacht hatte, werden diese abgelöst aber
durchgängig gefunden. Die Därme werden in feuchten Gafeservietten
eventirt und nun zeigt sich eine Verwachsung zwischen S Snul i
einer DUiindannachlinge, die de» Da™ WI|£ SS““"
Die Verwachsung lässt sich leicht lösen, der Darm wird sofort
durchgängig. Bauchdcckennaht, Verband mit Gaze und PniLfi?,
Am 19. August nach guter Nacht Te nperatur 3H9 , '‘ m ;
M.ttags auf 38,6, Puls ISO, Abends 38«. Wiederholt dSnntm - gt
Huhlgänge dessha'b 20 Tropfen OpinmtinkturPulsAbeids
flüssige Diät, Excitantien aller Art. Patientin ist wieder eehr unn lS
und verwirrt. Morphium 0,02. 8enr unr,1 hig
20. August. Früh leidliches Allgemeinbefinden snätpr
Unruhe, grosser Durst, Durchfälle. Flüssige Diät Alkohol in T
liehen Mengen, Abends Temperatur 38,8 g p u Is 140 reich '
21. August. Nach Morphium leidliche Nacht
haltend, Opium, Nachmittags eine Injection von Kreosot 01 ärnnho"
*• Abends Temperatur 39,6. Puls 130 U1 ‘ cam Pnor.
.*«»1 säes ts’ ®
TTT TToll u <a * .
jjggggggjLMj jPICMISCm: WOCHrnsnir,,,,™
__223
Da w^ie?Erbrechen a eiutriu eil \vird C der d Mfl i8 ‘ andauornd leidlich,
worauf das Befinden und die Stimmnru* j Ia ^ ll zw ? lmal ausgespült,
bessert. Kein Stuhlgang, geringe ürZV Pat, ^" tin »Ich erheblich
bis zum 28. Oktober keine H'»' Mec 5 B S? n - °b«ohl im Zustand
zeitweise Nahrung gu t behält obw ohl"? ® chlechten eintritt, Patientin
stets normal, wird £ me über H Temperatur
erscheint, dio Kranke mit die^r ™ä£läf? e, \ da 88 ,,icht m,i « lich
zu erhalten. Herr Dr. G r a e feS d" Lehrung am Leben
as8i8tiren r a e r e und Assistenzarzt Dr. Keil
wesentliche Blutung 1? ln® 1 Ba^ichhö^le^ eing88chnitten und ohne
zeigt sich mit <ler PeritoneaEbe ^ ran . 8en ' Der Darm
wachsen, er wird stumpf gelöst doch ? 18m ‘ober Au8d ehnung ver-
deruiss für die Durchg™ ngfgkS\orhid«; gt 8 : C \ dass hier kein Hin-
mit einander verklebte D (fnndarmsrl.Hn™ ’ 8t ' Nun werde n einzelne
vorsichtig abgesucht. Oberhalb f I l r l 6nnt und der Darm
dem Dünndarm in Spiralform verlauft ’ K appe 8ieht man auf
sehnig glänzende, schmale stranpförm^ M f lne j . circa 20 cm lange
verengt und dadurch, dass dc^ üTrm d , ie d »£i Lumen etwas
wachsen und um seine Achse eedreh? a, ?dern Schlingen ver-
bewirkt hat. Die Verwachsung lst > emen Darmverschluss
richtige Lage gebracht; die Narbe -u^mnrir 6 ° 8t> darDarm in 8e >ne
d “" eine Darmre.ection nöthig «ein »“ df ", icht ™ l
Convolut von Dannschlineen 11 «.!! 101 k, ? lne .“ Becken ist ein ganzes
seheinen; es w“ des.haKnf S’ ’i' Koth Ä
den Ä SbJTÄÄS Ä SU5S. i„
ÄSrarsfe SS-Ä -
verschlossen Dauer der Operation !S Seide nnähten
geringer Chloroformverbrauch!Pu?s leidüch*’ Nark ° 8e War gUt >
Portwein gereicht* ^Der Puls e °ird a ™oLX’ llnje h t |' 0 'i erl geraacht und
a‘ap r f h,iChe StuhI -tleerung ein, um Tüt’ShT pSenMn?^
ergibt im UnteriappeL* der^ech^TnTuV^ pat , hologis ^ hen Institut)
monische Herde; das Hera ist ohne TI mel , lrere T> bronchopneu-
g E etSen g T
dem tqnelint,SS" Scheide ”P arti » benachbarten Stellen mit
de88halb ei weil kI Rlf B oh tientiu Übe e 8tarke Leibschmerzen und erhält
*»**“ subcutan.
abgi? 0 ' aI ?F ? £ h } Zeit“;
bemcbT Cn - f ( mt ’p^?^ bmi tI ag, ®^ r iSt^b®I^e8 l Erbrechen Iruhige^nicht
pfindlich, wieder Erbrechen, das kothig gerochen haben soll Tom
E ErbreXe». 1 ” *' “ ““ "Ä»
wird Da ? TuT. viereckige Gazestück (siehe unten)
bei donon RiaJ Mehrma ' 8 Erbrechen kothiger Massen, 3mal Einlauf
kei n d Frhroc on UDg n n abge W® 8ein sollen (?). 12 Stunden lang
kein Erbrechen Darmperistaltik an keiner Stelle nachzuweisen
iu D embe . r ' ^ ach leidlicher Nacht fühlt sich Patientin besser
kiin°M en n 8t Wei xT he k’, nicbt mehr 80 druckempfindlich. Eisblase’
eeidact lmlT I ? achde . m Patientin über Druck auf den Mastdarm
geklagt hat, erfolgt spontan eine dünnflüssige Darmentleerung Nach-
mitta^ wieder Kothbrechen Magenauss^ülung, 3 WeffiysK.
• , 11 ■ Dezember. Leidliche Nacht, früh 2 Einläufe. Um 9 Uhr
Ä deUt,1CheS k ?^biges Erbrechen; man bemerkt leichte peristal-
tische Bewegungen in der rechten Bauchseite, desshalb Laparotomie
Die stark geblähten Dünndarmschlingen werden vorsichtig hervor-
wird g fU« Tl m - feucbt ® Gazetücher eingepackt. Nach kurzem Suchen
wird die Ocdusionsstelle gefunden, eine Darmschlinge hat sich leicht
um ihre Achse gedreht und ist S förmig verklebt. Der Darm ist
Darm t w‘ hTT k a'* . Verk, . ebun g en werden stumpf gelöst, der
Darm wird deutlich durchgängig. Die Operation vollzog sich rasch
£h® ho° 88e p Ch oroformverbranch. Nachmittags wieder kothiges
’ak U 8 i k ei f ne f ““d frequenter. Campherölinjectionen, Wein-
klystiere. Abends sUrker Durst, keine Blähungen. Puls 110, klein;
Einlauf ohne Erfolg. Champagner. Nachts wegen grosser Unruhe
2 *
TTT T? li ui -— v * 'wijjtotciu,
launenhaft gewese'n sdn ^sÄ^soh 1 ’ 8? ‘- ‘Tf h y 8terisch und
Weise Selb8tmordvereuche vomlh^ 011 t. in,ge Ma,e in “"geschickter
lang jede Nahrung vIr T ^ Zr Um ZU Verbunger »- ‘ a ge-
zu essen. Vor drei Tahron ’;*♦ ”” aber im ™ er wieder angefangen
worden. Wegen hefliven Pool iki* 5 wegen Gaemorrhoiden operirt
Geschwnlst im^eü) 6 is'f^eHhllm x? e - D ono • e ^ ner wachsenden
Frauenklinik die supravasrinile A^ 23 '. 1 ?“ 1 18 , 92 111 der Strassburger
worden. Sie ist schon lange matenKo '°a ^i , UterU8 aus geführt
gehabt. Sie hofft jetzt hefo;^. 8 f U ^ d hat oft Schmerzen
Am 17. Oktober d t , ° Per8ti0n ZU Sterben -
2 Tagen heftige Msgenschmerzon' h T®“}, weiI sie 8chon 8eit
Stuhlgang fehlte seitdem Tae vorhol^r v. Dd “l® Speisen erbrach,
am folgenden Tag Morohiumpins^t ' Ich macbte am Abend und
Wohl befand. Als aberTe B^wp . ZUn ? en> WOrauf sie sich 8 «br
■ob eie in« Diakonissenbaus überfüSen. wiederkeh ^n, hess
GesichtefaX'lnd e 1ngefalleAon 6 ^ 8chwächbclle Person mit dunkler
ängstlich, im Uebrigen macht si 7? ge -K Der Geaichtsausdruck ist
hysterischen, aber kehieswls «rLi i lhr ,® m ganzen We8en einen
Schmerzen durch MorphiumlLunirf^ e r k ™ nken Ei ndruck . Wenn die
ganz vergnügt. P coupirt sind, erzählt sie lebhaft und ist
das Abdomen istle^ch^auäetriehp 6 ' 06 15c “ lan g e Laparotomienarbe,
em wemg druckempfindlich ZU -u® ld ? u Seiten des Nab el8
P ba • Lebergrenzen und Zwerohfi'??’fT 6 überal1 tympanitischen
Intersuchung^kann man ^ nnaI ' Bei va gi"aler
Dl f 8 Ptenisstumpf abtasten Beu ^‘chkeit einen etwa 5 cm
Blähungen sind nicht vShanden S fUnd * Deg ^ tlv - Stuh| gang und
"eise Erbrechen. den - Temperatur 36,6. Puls 84. Zeit-
® Vordergrund,°es wird'eine hvatm^ 80 ^ 'j? rläufi g 8teht die Hysterie
y a J Perden zunächst GlycerinsDritzä 0 Darm | ähmun g angenommen.
fuTr, aU8ges P ült und AbSs Mnl verordnet, Nachmittag der
ausspülung ist das Erbrechen gegieben. Nach der Magen-
P , *>• Oktober. Das AlW nU8g ® bheben > leid lich gute Nacht.* 5
p“ 1 ?«' Abdomen wie u ’ n l 8t leidlic h, kein Erbrechen, I wei oner, ment mehr so druckempfindlich. Eisblase'
Ä" b8billt kle ine MenVn The« » r ^ eI ? in,auf ohne Wirkung, ieWaet b«!''"";' I ^ achde . m Patientin über Druck auf den Mastdarm'
de /träghch, Abends MorphhS El m,t Wein ' Die Schmerzen SS wieder^ t g oft eme dünnflüssige Darmentleerung. Nach-
v , 2I -Oktober n,« v P , m weder Kotbbrechen. Magenausspülung. 3 WpinklvpHo,»
Erb«“ ' f.El‘ k 'T 9
s «™. e »et
k iÄtetf‘ li ' ntini,8 ‘ z "«" e t'emfWle m d X Sc ’) mera ' 1 nicht
wahrLhL i haf - Blähungen solLn auffaIlend gutgestimmt. Nachts
Ä 1 «* «ä iS eSST ? ei "i d “ h ■»<>
22 nt. A L bends ^d der Leih ft, i —xt , ngedrungene Luft
abernn;° kt0ber - Die Kranke^ v n^' Nährklystiere.
im : * n ® Thei! zurücShalten^ 2 !t ? eut l 3 Nährklystiere, die
Beut« L füh i l man aufgeWebprfp ? r , de “' Der PuI s ist kräftig, 90,
em Erbrechen, massige sämSen^; eWegende Darmsc hJingen.
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224
Münchener me dicinische Woch enschrift:
No. 10.
» ST.Ä tf. “
moribunder Eindruck. In der ß unde darnach reichliche
SSBÄ£. i,,gemeinbe,taden
18t “Die“'BeTserunglchrei^t mm*eig
.’ Die (Wik, überhaupt die Literatur über Ileus .st be-
=H£ a s
eine erschöpfende Ucbersicht zu g^hen. Diu"iioson-
d a rauf einzelnes Interessante über die Aetiolog ■ ‘ e ‘
Stellung, die Prognose und Therapie unseres so viel besproehuK
Thema’s herauszugreifen.
Die Knts.olnmgsursacheii de» Ile«. M unendheh vcrntoJ™-
■,rti*c Der dynamische Ileus Schlange « *,rd am
verursacht durch Peritonitis, die sehr oH nach la«.
„erforitioncn und nach Bauchopcrationen das Bild des Darm
l;;Sr s hervorruft. Sie veranlasst eine Udunung de» pmuen
Darms oder eines Abschnittes desselben; hier werden du Ko.
■ i t („rtbcwcct der Dann blüht sich, die Kothentleerung ist
auf gehoben. Dasselbe Bild zeigt sieb auch bei Magen Perforationen
wie ich erst kürzlich bei einem Kranken meiner Abteilung
sehen Gelegenheit hatte.
Aber nicht nur durch eine Entzündung des lentonoums
entsteht Darmlähmung mit seinen bedrohlichen •
•mch bei völlig intactcm Bauchfell kann Darmparulsse auttuten.
Schon Ülsli ausen hat auf diese Gefahr nach änger dauernder
Eventration der Darmschlingen bei Laparotomien hin*» kk»
auch ich habe im Jahre 1891 in den^ tlicrapcnt.schon Monato
heften einen Fall, der ans derselben Ersuche ™ 'runl c fc,
beschrieben; Sommola (Neapel) 2 3 ) beruhtet über Ileus m Hy
mangelhafter Innervation des Darms, welche durch 1- arad.sat.on
geheilt wurde.
Von den mechanischen üwachen des DannVerschlusses
ist die häufigste Strangulation c i n e s D a r in s tue k s. \ m
den iiussern eingeklemmten Hernien, von der ltcpuMtioi. cn bloc
derselben n. A. will ich abschen, weil da ja die A erhalt.i.ssc
klar sind, und ihre Behandlung eine unbestrittene ist.
Innerhalb der Bauchhöhle kann ein Dann in eine der
bekannten gefährlichen Taschen des Bauchfells oder des Mesen¬
teriums schlüpfen, am häufigsten aber wird eine . tr.mgul.it iu.
herbeigeführt durch pathologisch entstandene Membranen, Adliae-
sionen, Stränge n. A., durch welche das Darmrohr abgek.uekt
gedreht oder bis zum Verschluss umschlungen wird. Koertc )
beobachtete eine innere Einklemmung, verursacht durch eine
Membran, die mützenförmig vom Darm ausgehend, ein ganzes
('onvolut von Darmsehlingcn überwölbt und in der so entstandenen
Tasche den Dam eingeklemmt hat.
Dass selbst der Foctus von der Gefahr des Dan,.Verschlusses
durch Adhaesioi.cn nicht verschont bleibt, zeigt der Fall desselben
Autors, in welchem er 4 Tage post partum einen künstlichen
After angelegt hatte. Das Kind starb nach 5 Tagen an Er¬
schöpfung und cs zeigte siel., dass in Folge einer Peritonitis eine
stark geblähte Darmsclilingc um die Achse gedreht und m dieser
Stellung durch einen Strang verwachsen war, der zur Leber zog
und durch einen zweiten, der zu einer obern Dünndannschlingc ging.
Törngren 4 ) (Helsingfors) operirto eine an Ileus erkrankte
Virgo, welche ein interstitielles Myom hatte und hei der der rechte
erweiterte und Blut enthaltende Eileiter am Coccum adhaerirtc,
der linke mit dem S. romanuni, das Netz mit der I lexura coli
sin. verwachsen war. Erst als alle diese Adhaesionon getrennt
waren, wurde die Darmpassagc wieder frei.
2 ) Internat, klin. Rundschau 1892, No. IG.
3 ) Berl. klin. Wocliensckr. 1894, No. 42.
4 Fiutka Lftkare sällskapets Handlingar, Bd. do, 189ü, NO. II.
I, andau i) nacht aufmerksam auf die Kut.tehung eine,
T1 1 Li Hacniatocelc rctrouterina, verursacht
Ä Blutcoagula auf den Darm in. Doug!as'stlica
„ i .lnri-li Bildung von Adhaesionon der Darme unter sich
rji Ä T hhi
V • “r Peritonitis ausgedehnte Adhacsionsbildung, die zur
Laparutomie und Anlegung einer Dünndarmfistel führten.
sr 'S .rrs s tr >*. r * «*
TI jioinelirt und bilden mit t
«"‘führen, r meine Kranken II,HI und IV bieten ja
auch eine deutliche Illustration des Kninkheitsbildcs.
Matthicu 7 ) schildert einen Fall, wo eine Dünndarmschi.nge
an einer, 11 vsterectomionarbe aclhaerc.it geworden war ; so war ein
Darinwandbrmh entstanden und da die
Vchse gedreht war. entstand Darmvorschlnss, der zum Tod führte.
Lcrncr») beobachtete nach einer Ovariotom.e Senkung dcs l.ck-
darmes der sich auf einen Peritonealstrang legte und so Ab-
kiiUkmig erlitt, Ferguson»! .Indianopolis) sah Dan,.Verschluss „ach
SU M welcher die stark vor»ud.»e„ou Ad,,„, *
tVrnt und die Ventro-fixatio uter. gemacht war. 6 lj 8 e nat
der Operation wurde die Bauchhöhle nochmals eröffnet, und e,
tHd sLh eine Adhaesion zwischen dem Stumpf und emer Dünn-
,.-,11 des Frl. M., in welchem es selbst dem pathologischen Anatomen
!,-"der Lion 'schwor war. den Darm zu entwirren Das ^
S,h ich hei der Section eines Knaben, der cm Jahr vorher seno
wegen Ileus oporirt war und nun nach kann, 2 tägiger Kranket
einem erneuten Anfall zum Opfer fiel. Man musste sich ^rnnd«.
dass bei diesem Gewirr von verwachsenen Darmschhngen,
„assage so lange erhalten geblieben ist.
Die 0,.er.,«eure hebe., „attlrlieh nach der c
der Dan„„dUio„e„ geferseht. Sehen IMS 1
din ir ,0 ) auf dem Gvniikologoncongress m Halle 3
ZLiZ. .. tretende, führte *
Wundfläche anlegt. , ,
ln. Jahre 1894 hat mm Schiffer'*) aus der ^
Klinik die auffallende Thatsache berichtet, dass
der trockenen Asepsis zu weit langer dauernde und^
Störungen der Darmperistaltik nach der l* ra -n. en thera-
.ft musste wegen ümlurihgängigkeit den ersten T gen ‘h
,Kultisch oingegriffen worden und
’öliotomieei, in 2 Jahren 5 Fälle von todUnto ‘ „
vor. Walthard ,s ) kam auf Grund exae*r
folgendem Ergebniss: « Länger dauernder toiitact d^
sphärischen Luft mit der normalen Serosa der ^ ^ ei „ 0
durch Austrocknung Nekrose der oberston ZcU^to , ^
Schädigung, welche auch bei völlig aseptischem Vcdau ^
logisches Moment peritonealer Adhaesionsbildungcn^J ^
Demgemäss stellt er als Forderung auf, ass . • ßauch-
Ascpsis, namentlich bei lange dauernden Operationen , d
Höhle, die feuchte Asepsis einzufübrci, sei, und zwa ^ carboll .
einer sterilen sogenanntem Ta versehen Losung ( > s 'j,iffer
calvin., 7,5 Natr. cblorat. pur. auf 1 Liter Wasser). *cn
6) Berl. klin. Wochenschr. 1889, ho. IG.
8 ) Münchener med. Wochenschr. 1892, JSo. ö*.
7 ) Gaz. m6d. de Paris 1895, No. 19.
») Gaz. m4d. de Paris 1895, No. 35
») Journ. of the amer. med. assoc. 18J5, AP ru u
’°) Gyn. Congress Halle 1889.
u ) Centralbl. f. Gyn. 1892, No. 50.
«) Centralbl. f. Gyn. 1894, No. 38.
13 ) Correspondenzbl. f. schw. Aerzte lbyö.
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10. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
225
i
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empfiehlt desshalb, mit dieser Lösung die in die Bauchhöhle ein-
zuführonden (Jazecouipressen zu befeuchten und hat seitdem keinen
Ileus wieder gesehen. Dem gegenüber erklärte Zweifel 14 ), dass
er bei Benutzung trockener (Jazettteher unter 307 Bauehsehnittcn
nur 2 Fälle von Ileus sah. Boeder lein ,s ) bestätigt Schiffer’s
und Walthard's Beobachtungen.
Ich habe bei diesem Punkt etwas länger verweilt, weil der-
selbc auch bei meinen Fällen in Betracht gezogen werden könnte. ,fi )
Bei Fall II wurde am Abend sofort nach vollbrachtem Transport
vom Land wegen drohender Verblutung operirt; der Eingriff war
sehr rasch erledigt, da die geplatzte Tube gleich nach Eröffnung
der Banchhöhle zugänglich wurde. Wir pflogen die Därme
sonst auch mit sterilen trocknen Gazecom pressen zurückzuhalten,
in diesem Fall war dies aber nicht nöthig und es wurde eine
Conipresse gar nicht benutzt, auch eine Toilette des Peritoneum
nicht vorgenommen, sondern nur die zu Tage liegenden Blutgerinsel
entfernt. ,7 ) Die von der vorhergehenden Operation herrührenden
und bei der zweiten zum Theil abgelösten Darmparticen hatten
den Grund zum Hinderniss der Kothpassagc nicht abgegeben,
wohl aber wäre zu erwähnen , ob nicht die in der Bauchhöhle
zurüekgelasscneu Blutgerinnsel einen Theil der Schuld trageu. Ich
verweise auf die oben berichtete Ansicht Landau’s über Ileus
bei llaeuiatocelc rctronterina und gebe zu erwägen, ob nicht
die der Darmserosa anhaftenden Gerinnsel eine
Heizung derselben veranlassen und somit die Nei¬
gung zur A d h aes ion sbi Id ung veranlassen können.
In den Fällen, wo nach einer blutigen Banchoperation erst nach
längerer Zeit Darmvcrwaehsungen sich bilden und dann durch
irgend eine Gelegenheitsursache oder spontan Darinversehluss ein-
tritt, wäre es ja auch denkbar, dass die zwischen den
Darin sch 1 i n gc n liegenden Blutgerinnsel n ic h t gleich
resorbirt werden, sondern dass eine Neu bi) <1 u ng von
jungen Bindegewebsfasern, eine Organisation i n
ihnen statthat, die natürlich 2 benachbarte Parm-
scli 1 ingen dan n i ii ni g in i t einandcr vcr Iö t li e t. Leute,
die in der günstigen Lage sind, Thiorversuche machen zu können,
mögen der Frage experimentell näher treten!
(Schluss folgt.)
Erwiderung auf Stabsarzt Steudel’s Aufsatz „Zur
Chininbehandlung des Schwarzwasserfiebers“.
Von Dr. F. Plein), kaiserl. Regierungsarzt in Panga, Ostafrika.
In No. 43 der «Münchener Medicinischen Wochenschrift» ver¬
teidigt Steu de 1 die von ihm in seiner Monographie: «Die perniciose
Malaria in Ostafrika » verfochtene Ansicht, dass die bezeichneto
Krankheit mittels grosser, die bisher üblichen bei weitem über¬
steigenden Chinindosen (bis 10,5 g an einem Tage, 123 g in 23 Tagen)
mit sicherem Erfolg behandelt werde und polemisirt gegen die von
mir auf Grund meiner in Kamerun gesammelten Erfahrungen ge¬
wonnenen und in meinem Vortrag: über das Schwarz wasserlieber
der afrikanischen Westküste') vertretene Ueberzeugung, dass das
Chinin, in dem fieberhaften Stadium der Krankheit gegeben, keinerlei
Nutzen schaffe, sondern eher geeignet sei, den Verlauf derselben
schwerer zu gestalten, dass die Krankheit eine verhitltnissmässig
grosse Neigung zur Spontanheilung habe und bei geeigneter sympto¬
matischer Behandlung und guter Pflege in der überwiegenden Mehr¬
zahl der Fälle in der That spontan heile.
Steudel's Aufsatz ist in Folge meiner nach Ablauf meines
Heimathurlaubs inzwischen erfolgten Wiederaufnahme meiner re¬
gierungsärztlichen Thätigkeit in Afrika — diesmal an der ost¬
afrikanischen Küste — sehr verspätet zu meiner Kenntniss gelangt.
1 ‘) Central bl. f. Gyn. 1895, No. 38.
,:i ) eod. loco.
ltt ) Bei Fall III wurde die erste Laparotomie in Strassburg
gemacht und ich weiss nicht, ob trockene oder feuchte Asepsis an¬
gewendet wurde. Bei der 4. Patientin wurde, wie wir es nach
lotalexstirpationen per vaginam stets thun, erst ein viereckiges
Gazetuch in den Wundtrichter nach der Bauchhöhle hinaufgeschoben
imd in dieses noch ein Jodoforragazestreifen eingestopft. Das Gaze¬
tuch kommt natürlich mit Därmen in Berührung und es ist ja
möglich, dass der Berührongsreiz das Darmepithel abgeschürft hat
und so die Verwachsungen nach Herausnahme des Gazetuchs
begünstigte.
”) Um die Operationsdauer nicht zu verlängern.
) Deutsche medicinische Wochenschrift 1895 No. 25—27.
No. 10.
Im Hinblick auf die Lange der zwischenliegenden Zeit sowohl, wie
auf die in Vorbereitung begriffene znsammenfassende Behandlung
verschiedener mit der bezeichneten in Beziehung stehender Fragen
werde ich mich an dieser Stelle nach Möglichkeit kurz fassen.
Die Beweisführung Steudel's ist folgende:
Es sind früher in Deutsch-Ostafrika, als noch kleinere Chinin¬
gaben beim Schwarzwasserfieber zur Anwendung kamen, 70 Proc.
der Erkrankten gestorben, im letzten Jahre unter 14 Fällen Keiner. 2 )
— Dem gegenüber constatire ich, dass ich nach meinen an der West- v
küste gesammelten Erfahrungen die lediglich schätzungsweise ge¬
wonnene Mortalitätsziffer von 70 Proc für um ein Mehrfaches zu hoch |
gegriffen anselien muss 3 ), sowie dass unter den 25 Erkrankungs¬
fällen, welche ich im letzten Jahre meiner Thätigkeit in Kamerun
beobachtete und bei welchen auf jede specifische Medication, nament¬
lich auf jede Darreichung von Chinin, verzichtet wurde, nur ein
Todesfall vorgekommen ist. 4 ) Die sich daraus ergebende Mortalitäts¬
ziffer stimmt sehr genau mit der überein, welche mein Nachfolger
in Kamerun, in seiner Behandlung von denselben Grundsätzen
ausgehend, an einem verhältnissmässig bedeutenden Beobachtungs¬
material nach mir erzielt hat (vgl. letzten Gesundheits-Jahresbericht
aus Kamerun).
Wenn ich auch im Ganzen sehr wenig geneigt bin, auf ein
anderes als ein sehr beträchtliches Material hin in therapeutischer
Hinsicht Schlüsse zu ziehen und es andererseits gar nicht für aus¬
geschlossen halte, dass auf die bezüglich des Ergebnisses der
Kameruner Hospitalbehandlung sehr günstige Periode der letzten
Jahre bei einer Aenderung des Charakters der Krankheit auch
wieder einmal eine ungünstigere folgen kann, so halte ich mich
doch auf Grund des Vergleichs der vorliegenden Zahlen für be¬
rechtigt, einen günstigen Einfluss der Chininbehandlung auf die ,
Mortalitätsziffer des Schwarzwasserfiebers in Abrede zu stellen.
Zur Beurtheilung der Wirkung eines different wirkenden Mittels
bei einer Krankeit gehört in erster Linie die Kenntniss des Verlaufs
derselben ohne Beeinflussung durch das letztere. Ein solches Ver¬
gleichsmaterial steht Steudel nicht zur Verfügung. Er kann +
ebenso wie vor ihm Börenger-Ferrand 6 ) nur zwischen Fällen
vergleichen, in welchen ein quantitativer Unterschied in der Menge
des dargereichten Chinins bestand. Steudel hat unzweifelhaft
nachgewiesen, dass ausserordentlich grosse Massen Chinin in den
malariakrankcn Organismus per os eingeführt werden können, ohne
»lass der Exitus eintiitt. Eine andere Frage aber ist es, einmal ob
das per os eingeführte Chinin wirklich ganz oder zum grössten
Theile zur Resorption gelangt und dann, oh seine Einfuhr nützlich
für den Kranken ist, d. h. den Verlauf seiner Krankheit günstig
beeinflusst.
Beim westafrikanisclien Schwarzwasserfieber ist das unstillbare,
in kurzer Zeit gallig werdende Erbrechen, das ein alkalisch reagirendes
Verdauungsproduct herausbefördert, eines der charakteristischsten
und zugleich quälendsten Symptome. Ein mit einem solchen In¬
halt gefüllter Magen ist so gut wie völlig ausser Stande, grosse
Mengen Chinin, das zur Resorption einer saueren Reaction des
Magensaftes bedarf, zu verdauen. Unter diesen Umständen verlässt
der weitaus grösste Theil des Chinins, soweit er nicht schon durch
das Erbrechen selbst wieder entleert wird, mit den Fäces unverändert
den Körper ü ). Den Gegenbeweis der erfolgten Resorption grosser
Chininmengen auch in diesem Zustand, welcher doch seiner Theorie
eine nicht unwesentliche Stütze hätte geben können, durch Nach- .
weis des Chinins im Harn, hat Steudel nicht erbracht. j
Bei der unter diesen Umständen völlig mangelnden Controle
der Menge des thatsüchlich aufgenommenen Chinins glaube ich gar
keinen besonderen Werth darauf legen zu sollen, ob ein paar Gramm
mehr oder weniger täglich eingeführt worden sind — wenigstens
hinsichtlich des therapeutischen Effects nicht.
Die zweite Frage ist die, ob das Chinin den Verlauf der Krank¬
heit günstig beeinflusst.
Ich glaube, dass beim Vergleich des Verlaufs der von mir in
Kamerun beobachteten und ohne Chinin behandelten Schwarz wasser¬
fieberfälle mit denen, welche ich selbst früher mit Chinin behandelte
2 ) NB. von 18 Fällen 4 = 22,2 Proc., aber Steudel zählt die
4 Todesfälle nicht mit, da die Erkrankten entweder gar nicht oder
in hoffnungslosem Zustande in ärztliche Behandlung gekommen waren.
Vgl. auch No. 46 der Deutschen medicinischen Wochenschrift.
:| ) Kleine oder lediglich schätzungsweise gewonnene Mortalitäts-
Statistiken haben bei einer in ihrer Intensität so ausserordentlich
wechselnden Krankheit, wie dem Schwarzwasserfieber, einen sehr
geringen Werth. Umfangreiche Mortalitätsstatistiken verdanken wir
Guiol, welcher auf Madagaskar unter 185 Fällen 49mal den tödt-
liclien Ausgang constatirfe, und B4renger-Ferrand, welcher 286
in Senegambien behandelte Fälle zusammenstellt, von denen 66
lödtlieh verliefen. Es ergibt sich daraus eine mittlere Mortalität
von 24,1 Proc. der mit Chinin behandelten Schwarzwasserfieberfälle.
4 ) Fall 1 (pag. 8 in meiner oben citirten Schrift) gehört nicht,
wie Steudel annimmt, in diese Gruppe, da er noch einer differenten
Medication ausgesetzt war, übrigens auch zeitlich nicht in die be-
zeichncte Periode füllt.
°) De la fievre hilieuse mdlanurique.
ü ) cf. Binz, Untersuchungen Über das Wesen der Chinin¬
wirkung. Berlin 1868, pag. 62. Lewin, Nebenwirkungen der Arznei¬
mittel, pag. 19 und 453.
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No. 10.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
und denen, welche BtS renger-Ferrand und Steudel beschreiben,
verneinen zu müssen und zwar sowohl im Hinblick auf den im
Allgemeinen viel langwierigeren und hartnäckigeren Verlauf der
letzteren 7 ), als auch auf den Zustand, in welchem sich die Kranken
nach Ablauf der Krankheit befanden.
In Kamerun waren es in der letzten Zeit immer nur die Aus-
nahmefiUle, in welchen bei nichtbestehender Nachkrankheit der Zu¬
stand des Reconvalescenten auch nach dem dort ja sehr häufigen
Ueberstehen mehrerer Schwarzwasserfieber die Heimsendung durch¬
aus angezeigt erscheinen Hess, während in Deutsch-Ostafrika nach
Steudel’s Schilderung der Zustand hochgradigster Schwäche und
Aniimie bei den Reconvalescenten derart überwog, «lass er ohne
Weiteres die -- letzthin freilich etwas modificirte - Forderung der
alsbaldigen Heimsendung eines jeden vom Schwarzwasserfieber Ge¬
nesenen glaubte stellen zu müssen.
Steudel weist darauf hin, dass es sich in meinen Fällen
möglicher Weise um weit leichtere Erkrankungen gehandelt habe,
als die waren, welche er selbst behandelt hat. Das wäre immerhin
denkbar, aber doch seltsam in einer Sumpfniederung wie Kamerun,
wo doch sonst Zahl und Schwere der Fiebererkrankungen sehr viel
grösser ist als in Deutsch-Ostafrika. Letzteres gibt ja auch Steudel
seihst zu und dem, der an beiden Küsten Beobachtungen in der
Hinsicht zu machen Gelegenheit hatte, drängt sich diese Wahr¬
nehmung bereits nach sehr kurzer Zeit auf. Unzweifelhaft wechselt
der Charakter des Fiebers auch an demselben Ort in beträchtlichem
Grade, doch ist das Herrschen eines besonders günstigen Genius
epklemicns kaum für einen Zeitraum von nun nahezu 3 .fahren an¬
zunehmen, derZeit, während welcher die bezüglichen Untersuchungen
in Kamerun angestellt wurden. Auch sprechen die reichlichen
Todesfälle bei den ausserhalb ärztlicher Behandlung erkrankten
Europäern dagegen. Demgemäss kann ich nicht umhin, da alle
übrigen Verhältnisse entweder gleich lagen oder zu Ungunsten
Kamerun'» sprachen, der principiell verschiedenen Behandlungs¬
methode einen Einfluss auf den wesentlich leichteren Verlauf der
im Kameruner Hospital behandelten Schwarzwasserfieberfalle zu¬
zusprechen.
Ich habe die Malaria nunmehr seit ..er Anzahl von Jahren
zum Gegenstand meines speciellen Studiums gemacht und in Deutsch¬
land und Italien, wie in Südamerika, Im-en, West- und Ostafrika
hinreichende Erfahrungen gesammelt, um mit der Verallgemeinerung
des in einem bestimmten Lande zu besti; utcr Zeit über die Krank¬
heit gewonnenen Urtheils sehr vorsichtig •••.» sein. So habe ich mich
auch vor einer Uebertrngung der in Karne- .in gemachten Erfahrungen
auf die ostafrikanischen, in mancher Hinsicht anders liegenden Ver¬
hältnisse geflissentlich gehütet und die von Steudel empfohlene Thera¬
pie nur mit ein paar Worten gestreift, um allgemeinen Bedenken Aus¬
druck zu geben, welche wohl kaum ein Pharinakolog oder Kliniker in
Deutschland bei dem Lesen der Steudel'schen Arbeit unterdrückt
haben wird. Ich that das namentlich, um unerfahrene Aerzto an der
Westküste, so die meist nur für eine Reise verpflichteten Schiffsärzte
zu warnen, welche nicht selten Schwarzwasserfieberkranke an Bord in
Behandlung bekommen. Steudel hält sich ohne Weiteres für be¬
rechtigt, seine an der Ostküste gemachten Erfahrungen auf die West¬
küste, speciell Kamerun, zu übertragen, ja er macht sogar von Kails-
ruhe aus ganz bestimmte Vorschläge, wie durch prophylaktischen Chinin¬
gebrauch die ausserordentlich hohe Erkrankungsziffer in Kamerun
herabgedrückt werden solle. Wäre Steudel mit der betreffenden
Literatur besser vertraut, so würde er wissen, dass lange vor ihm
Zahl, der erste Regierungsarzt von Kamerun, auf Grund von Er¬
fahrungen, welche mein Bruder'') und nach ihm Gräser 0 ) in
Indien gemacht haben, das von ihm jetzt vertretene Princip des
prophylaktischen Chiningebrauchs, das mit gewissen Beschränkungen,
z. B. an Bord von Schiffen, nach besonders anstrengenden Unter¬
nehmungen, eine zeit lang nach überstandenem Fiebern, s. w. zweifel¬
los berechtigt und auch von mir stets angewandt worden ist, in dem
Steudel'schen Sinn zu verallgemeinern gesucht hat. Der Versuch
wurde nach einiger Zeit als durchaus misslungen aufgegeben.
Steudel stützt sich bei seinen die Westküste betreffenden
Ausführungen auf eine inzwischen erschienene kleine Arbeit von
Küchel' 0 ), welcher als Schiffsarzt 4 Fälle von Schwarzwasserfieber
an der afrikanischen Westküste zu behandeln Gelegenheit hatte,
und auf das bei Behandlung derselben erzielte Resultat hin die
Stcndel’sche Behandlung glaubt empfehlen zu sollen.
Ich halte es für sehr bedenklich, auf Grund derartig kleiner
Beobachtungszahlen hin ein Urtheil über die Zweckmässigkeit einer
bestimmten höchst eingreifenden Behandlungsmethode abzugeben,
namentlich wenn, wie bei Küchel, jede vergleichende Beobachtung
mit einer anderen Behandlungsmethode fehlt. Das Endresultat war
7 ; Nach Angabe Berenger-Ferrand's (1. c. pag. 420) be¬
trug die Zeit der erforderlichen Hospitalbehandlung in den leichten
Fällen 21 Tage, in den mittleren 28 — 35, in den schweren 45-65,
wo Heilung eintrat. Diese Zahlen dürften ungefähr der Behandlungs¬
dauer der Steudel’schen Fälle entsprechen, zu Kamerun betrug
dieselbe meiner Zeit selten länger als I—l'/a Wochen.
<*) Piehn: Prophylaxe der Malaria. Berlin, klin. Wochenschr.
1887, Nr. 39.
•) Gräser: Einige Beobachtungen über Verhütung des Malaria¬
fiebers durch Chinin. Berl. klin. Wochenschr. 1888, Nr. 47.
,0 ) Küchel. Deutsche med. Wochenschr. 1895, No. 28.
das, dass von den 4 Fällen ein Kranker, also um statistisch zu
reden 25 Proc. starben, ein Zweiter eine hochgradige und
langwierige, möglicher Weise dauernde Sehstörung
durch C’hininvergiftung davontrug und auch die beiden
Letzten erst nach längerer schwerer Krankheit genasen.
Mit einem solchen Ergehniss würde ich eine Behandlungs¬
methode des Schwarzwasserfiebers nicht empfehlen. Dasselbe ist,
soweit ein Schluss aus so kleinen Zahlen überhaupt gestattet ist,
gegenüber den von Kohl stock, meinem Bruder und mir erhaltenen
Resultaten nicht günstig, sondern sehr schlecht.
An der Westküste hat die Steudel sche Behandlung kaum
Aussicht, sich einzubürgern. Die grosse Vorsicht, mit der dort
gerade von den erfahrenen Aerzten mit dem Chinin bei Schwarz¬
wasserfieber vorgegangen wird und welche Küchel selbst hervor-
hebt, hätte ihn veranlassen sollen, etwas vorsichtiger im Ziehen der
Consequenzen aus seinen an 4 Fällen gemachten Beobachtungen zu
sein. Sind doch selbst die französischen Aerzte dort, welche eine
Zeit lang auf Berenger-Ferrand's Autorität hin begeisterte An¬
hänger der Behandlung des Schwarzwasserfiebers mit grossen Chinin-
Dosen waren, wie icli das selbst beobachtet habe und wie sich das
gerade in der neuesten französischen Literatur ausspricht"), durchaus
davon zuriiekgekomraen.
Das hat seinen guten Grund. An der afrikanischen Westküste
besitzt der Organismus unter dem Einfluss der nahezu mit Feuchtig¬
keit gesättigten heissen Luft, wie der häufigen Fieberanfälle und
der mangelhaften Bluterneuerung, welche in einer in gesunden
Tropengegenden nicht nachweisbaren Anämie ihren Ausdruck findet,
ganz im Allgemeinen eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber
starkwirkenden Medicamenten, so vor Allem gegen grössere Dosen
von Chinin. Schon nach einer ärztlichen Thätigkeit von wenigen
Monaten an der Ostküste ist mir der zwischen dieser und Kamerun
bestehende Unterschied aufgefallen.
Der bezeichnete Einfluss des Chinins äussert sich, abgesehen
von den bekannten Erscheinungen von Seiten des Herzens, des
Seh- und Gehörorgans, des Centralnervensystems und der Nieren
(Albuminurie) 12 ), besonders im Auftreten einer mit mehr oder
weniger Temperaturerhebung einhergehenden Hämoglobinurie, wie sie
auch nach dem Gebrauch anderer Medicamente auftritt. 13 )
Steudel stellt aus rein theoretischen Gründen diese That-
saclie einfach in Abrede, weil sie sich bisher seiner Kenntnis» ent¬
zogen hat und er keinen Beleg dafür in der Literatur hat finden
können. Es möge mir desshalb gestattet sein, ihm aus der Zahl
der übrigen besonders zwei Werke zum Studium zu empfehlen, das aus¬
gezeichnete Werk von Lewin < über die Nebenwirkungen der Arznei¬
mittel > und Tommaselli * L'intossicatione quininien e l'infezione
malarica. Memoria letta all accademia Givenia nella seduta ordinaria
del 1) marzo 1874 >. 14 )
Es handelt sich in einer Reihe der angeführten Fälle um
Menschen, die weder in Malariagegenden lebten, noch auch mit
Malaria behaftet waren, grossen Tlieils freilich an Malaria leiden,
aber das ist ja natürlich, da in keinem Fall sonst so häufig Chinin
angewandt wird.
Ich will gar nicht leugnen, dass in einem Theile der letzteren
Fälle die Steudel'sche Theorie der Aufrüttelung der Malariakeime,
welche übrigens Seitens desselben keinerlei exacten,
etwa durch die Blutuntersuchung vor und nach Ein¬
führung des Chinins zu erbringenden Beweis erfährt,
zutrifft,glaube das sogar selbst, wir kommen aber mit derselben da nicht
weiter, wo es sich zeigt, dass es beim einmaligen Paroxysmus bleibt,
wenn das Mittel ausgesetzt wird, dass derselbe sich aber jedesmal
wiederholt, sobald die Chininzufuhr wiederholt wird. Wie wichtig gerade
in diesen Fällen die Blutuntersucbung in diagnostischer Hinsicht ist,
brauche ich wohl nicht besonders hervorzuheben. Unbestreitbar
führt auch ohne Anwendung von Chinin der Mulariaprocess au sich
zu einem so rapiden Zerfall des Blutes, wie er erforderlich ist, um
") Macland. (Arch. de med. nav. et colon. 1895.) Tome
soixante troisieme. La m&Iication quininique n'ayant pu enrayer
les accidents ur£miques .... Je l'ai completement abbandonn^e.
Yersin (eod. loc. 1895 tome soixante quatri&me). 11 semble
donc que la quinine ne soit non seulement inutile mais encore nui-
sible dans le traitement de la bilieuse li6maturique.
cf. auch: Grant (West African Hygiene 1887).
Mc. Daniel (Med. News NL1II 56).
,2 ) cf. Lew in 1, c. pg. 482.
,3 ) z. B. in dem von mir in meinem Vortrage erwähnten Fall
von Hämoglobinurie nach einer Tuberculininjection (0,01). Das
Tuberculin als Heilmittel der Malaria wurde Anfang 93 von dein
Arzt einer englischen Expedition in Ostafrika empfohlen und auf
seinen Rath auch von mir beim Suchen nach Ersatzmitteln für
Chinin in ein paar Fällen angewendet.
") Ausser den genannten sind für den auf diesem Gebiet
Arbeitenden folgende Werke von Interesse:
Tommaselli (Congress der italienischen Gesellschaft für
innere Medicin in Rom 1888).
Tampoukis (Etüde clinique et bactdriologique -sur les fifevres
de la Gr£ce. Paris 1888.
P. Muscato (Sur l'hemoglobinurie paroxystique par la quinine).
(Gaz. degl. osp. 1890.)
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10. März 1896.
227
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Hämoglobinurie hervorzurufen; am häufigsten aber tritt dieselbe
ein, wo beide unter bestimmten Umständen unzweifelhaft in gleichem
Sinne wirksamen Factoren, Malaria und Chinin, gleichzeitig auf den
Körner ein wirken---——*—
kann: Aehnlicli steht es mit der in der neuesten Arbeit von
Steudel wiederkehrenden Empfehlung der Bluttransfusion bei
hochgradig nach Schwarz Wasserfieber. Ich ver-
g den Hinweis auf die gerade in diesen
r ebrigen über die Zweckmässigkeit der
n will — dringend noth wendige
3S deslndividuums, von welchem
erden soll. Sonst könnte es etwaigen
auf diesem (jebict ebenso wie Steudel
ihm zur Stütze seiner Theorie zur Ver-
s er ein mit latenter Malaria behaftetes
-iff verwendet, wie das im Steudel’-
in blutspendenden Neger einen
nten 3 Tage nach der Operation
• Anfall beweist. Für die Lehre
keit der Malaria von Mensch auf
ent unzw eifei haftvonlntcresse,
len zu werden verdient, weil auch bei
s nicht eintrat, erscheint mir zweifei-
teresse der Kranken auch in solchen
r Vorsicht in der Bcurtheihing des Er-
dt, was er so zuversichtlich verspricht,
ne Afrikas einer glücklichen Zeit ent-
id eines mehr als 2 jährigen Aufenthalts
lern als der haemoglobinurischen Form
bei dieser aber hat er, wie er ohne Ueber-
zn dürfen, durch seine Therapie den
jr Hand. Es müsste also, da einerseits
den Aerzten und Patienten Ostafrika’s
-Ferrand’s früher unter den fran-
is reichlich Anhänger gefunden haben,
: der Behandlung bei ihrer ausserordent-
iige Einfuhr der erforderlichen Anzahl
gesetzt, kaum einmal ein Arzt oder ein
*• ' ist, sondern allein die Umgebung des
r ein Todesfall an Fieber in Ostafrika
" hatsachen widersprechen* dem in be¬
züglich der im Lazareth behandelten
in diesem wie in so manchem früheren
r- jher die. Medieation empfohlen ist, im
11 der Zeit, stehen wird, während derer
d die Thatsachc, dass die - dreiste >
etzt schon, laut des letzten SanitiUs-
en wird, scheint mir ein Beweis dafür
uilleton.
Shaw Billings,
.‘58 in Switzcrland, Indiana.
erschien der Schlussband eines Werkes,
t. seit dem Jahre 1880 von Jolm S.
uorausgegeben wurde, betitelt: Index
e surgeoii general'» oftice I’nited States
‘ uns schon einige Mal t lelcgenheit zu
Müttern gegeben haben. Mit einer
it wurde von diesem Kies« nwerke 16
ein 800— 1000 grosse Oetavseiten
nunmehr ist dasselbe glücklich zum
ist es denn wohl an der Zeit einmal
; Lehen des Mannes zu werfen, dein
osses verdankt.
• am 12. April 1838 in Switzcr-
sfudirte an der llliami-Universilät in
College in Cincinnati, wo er 1860
•ze Zeit in Cincinnati privatim Prakti¬
ka Arzt bei der nordamerikanisehen
id des Bürgerkrieg«'« Assistent und
aretlie. Im Anfang des Jahres 1864
l ? cllLb «it MoxcitoTJ-mniBreiscirwarzwftBSÜrneber hei mir ohne jede
Anwendung von Chinin, 8eit dem Tage meiner Erkrankung (29. Febr.)
>8 zum 30. Nov. h. a., also 9 Monate, bin ich seither vom Fieber
jerechont geblieben, obwohl ich in der ganzen Zwischenzeit kein
K °m Chinin genommen habe.
14 ) Cf. Lewin 1. c. pag. 17.
er Ihitomac-Armee, später wurde er
uztes in Washington angestellt , wo
i 1 hätigkeit gewesen ist. Schon im
cm Werke: Imports «ni the diseasivs
öl füllIL'III UllJ 'IJF^P^Ürvor, wcleheiu dann eine Reihe die
Hygiene behandelnder Schriften < A report on the Hygiene of the
C. S. Army 1875 u. A.) folgten.
1874 Hess er zunächst. den üatalogue of the library of surgeon
general’.» ofliee, als Vorläufer seines grossen Index - Catalogne
3*
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
das, dass von den 4 Fällen ein Kranker, also um statistisch zu
reden 25 Proc. starben, ein Zweiter eine hochgradige und
langwierige, möglicher Weise dauernde Sehstörung
durch Chininvergiftung davontrug and auch die beiden
und denen, welche Börenger-Ferrand und Steudel beschreiben,
verneinen zu müssen und zwar sowohl im Hinblick auf den im
Allgemeinen viel langwierigeren und hartnäckigeren Verlauf der
letzteren 7 ), als auch auf den Zustand, in welche m sich die Kranken
nach Ablauf der Krankheit befanden.
In Kamerun waren es in der letzt
nahmefälle, in welchen bei nichtbestehe
stand des Reconvalescenten auch nach
lleber8tehen mehrerer Schwarzwasserfiel,
aus augezeigt erscheinen liess, während
Steudel's Schilderung der Zustand hc
Anämie bei den Reconvalescenten den
Weiteres die — letzthin freilich etwas i
alsbaldigen Heimsendung eines jeden vi
nesenen glaubte stellen zu müssen.
Steudel weist darauf bin, dass
möglicher Weise um weit leichtere Erl
als die waren, welche er selbst behandt
denkbar, aber doch seltsam in einer Sn
wo doch sonst Zahl und Schwere der I
grösser ist als in Deutsch-Ostafrika. Let
selbst zu und dem, der an beiden Kt
Hinsicht zu machen Gelegenheit hatte
nehmung bereits nach sehr kurzer Zeit i
der Charakter des Fiebers auch an dems
Grade, doch ist das Herrschen eines 1
epidemicns kaum für einen Zeitraum v<
zunehmen, derZeit, während welcher die
in Kamerun angestellt wurden. Aue.
Todesfälle bei den ausserhalb ärztlicl
Europäern dagegen. Demgemäss kann
übrigen Verhältnisse entweder gleich
Kamerun's sprachen, der principiell
methode einen Einfluss auf den weser
im Kameruner Hospital behandelten I
zusprechen.
Ich habe die Malaria nunmehr se
zum Gegenstand meines speciellen Studii
land und Italien, wie in Südamerika, I
hinreichende Erfahrungen gesammelt, ut
des in einem bestimmten Lande zu best
heit gewonnenen Urtheils sehr Vorsicht');
auch vor einer Uebertrngung der in Kann
auf die ostafrikanischen, in mancher Hii
hältnisse geflissentlich gehütet mul die voi
pie nur mit ein paar Worten gestreift, un
druck zu geben, welche wohl kaum ein 1
Deutschland bei dem Lesen der Steud.
haben wird. Ich that das namentlich, un
Westküste, so die meist nur für eine Re
zu warnen, welche nicht selten Schwarzw
Behandlung bekommen. Steudel hält
rechtigt, seine an der Ostküste gemachtei
ktiste, speciell Kamerun, zu übertragen, .
ruhe aus ganz bestimmte Vorschläge, wie di
gebrauch die ausserordentlich hohe Erl
herabgedrückt werden solle. Wäre Ste
Literatur besser vertraut, so würde er
Zahl, der erste Regierungsarzt von Ka
fahrungen, welche mein Bruder') un
Indien gemacht haben, das von ihm j
prophylaktischen Chiningebrauchs, das m
z. B. an Bord von Schiffen, nach besoi
nehmungen, eine zeit lang nach überstam
los berechtigt und auch von mir stets an
Steudel’sehen Sinn zu verallgemeinern
wurde nach einiger Zeit als durchaus in
Steudel stützt sich bei seinen <
Ausführungen auf eine inzwischen ers<
Küchel 10 ), welcher als Schiffsarzt 4 Fä
an der afrikanischen Westküste zu he.
und auf das bei Behandlung derselbe)
Steudel'sche Behandlung glaubt empfi
Ich halte es für sehr bedenklich,
Beobachtungszahlen hin ein Urtheil übe
bestimmten höchst eingreifende)) Behai
namentlich wenn, wie bei Küchel, jede
mit einer anderen Behandlungsmethode
GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER
HAW
Beilage zur Münchener medieinischen Wochenschrift. \0 \
Verlag von J. F. LEHMANN in München. . ■ .
trug die Zeit der crioruerncneii
Fällen 21 Tage, in den mittlere
wo Heilung eintrat. Diese Zahl
dauer der Steud e rsehen FiU
dieselbe meiner Zeit selten
*) Tlehn: Prophylaxe
1887, Nr. 39.
») Gräser: Einige Bc
fiebers durch Chinin. Bei'
Küchel. Deutsi
innere Medicin in Rom 1888).
Tampoukis (Etüde clinique et bact^riologique sur
de la Grece. Paris 1888.
P. Muscato (Sur l'hemoglobinurie paroxystique par
(Gaz. degl. osp. 1890 )
. 1 i 11 . Wochen schr,
les fievres
la quinine).
nitung des Malaria-
888, Nr. 47.
1895, No. 28.
GooqL
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io. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
227
Hämoglobinurie hervorzurufen; am häufigsten aber tritt dieselbe
ein, wo beide unter bestimmten Umständen unzweifelhaft in gleichem
Sinne wirksamen Factoren, Malaria und Chinin, gleichzeitig auf den
Körper einwirken.
Die Erfahrungen, die von mir über den bei rein symptomatischer
Behandlung in der Mehrzahl leichten Verlauf der Fälle von solchen
Schwarzwasserfiebern gemacht waren, haben mir in der zweiten
Hälfte meiner Kameruner Thätigkeit die Scheu vor der unter solchen
Umstanden sehr wirksamen Chininprophylaxe nach Ablauf von
Fieber und Hämoglobinurie genommen. Ich lasse, sobald die Blut-
Untersuchung die Abwesenheit von activ-parasitären Malariaamöben
ergibt, 2—3 Wochen lang das Chinin in wöchentlichen Dosen von
1—2 g gebrauchen. Ich thue das in der Absicht, das Blut des
Reeonvalescenten durch den Chininzusatz zu einem ungeeigneten
Nährboden für die Malariaparasiten zu machen. Ich bin mir dabei
sehr wohl der Gefahr bewusst, beim Uebersehen von Malariakeimen,
das auch dem Geübten passiren kann, eventuell einen neuen hämo-
globinurischen Anfall hervorzurufen, fürchte diese Gefahr aber nicht,
da es in der weitaus grössten Mehrzahl dieser Fälle, das sofortige
Aiissetzen des Chinins vorausgesetzt, bei dem einen einige Stunden
währenden Anfalle bleibt. 15 ) Wesshalb Steudel die Ratio bei
dieser rationellen Behandlung vermisst, ist mir nicht völlig klar
trotz seines sclönen, aber recht unglücklich gewühlten {Gleichnisses.
Mit der dringend erforderlichen Correctur versehen würde dasselbe
etwa folgendermassen lauten, wobei zu berücksichtigen ist, dass
schiefe Bilder, auch wenn man sie umdreht, nicht gerade werden:
«Flchn scheut sich nicht, in angehäuftes Brennmaterial zu blasen,
so lange er nicht weise, dass sich ein glimmender Funke darin
befindet; hat er sich davon überzeugt, so hört er mit Blasen auf,
und weiss dann, dass in den weitaus meisten Fällen der Funke
von selbst erlischt, während er durch weiteres Blasen zur verderb¬
lichen Flamme angefacht werden kann. Ist der Funke erloschen,
wovon er sich nun mit besonderer Sorgfalt (Biutuntersuchung)
überzeugt, so „bläst" er das Brennmaterial auseinander, damit ein
etwa wieder hineinfallender Funke keine Nahrung finde.»
Steudel wirft sich mit wenig Recht zum «Ehrenretter» des
Chinins auf. Nicht gegen seinen Gebrauch beim Fieber,
sondern gegen seinen Missbrauch habe ich Einspruch
erhoben. Dieser wird in der That zur Zeit sehr vielfach an der
Ostküste getrieben und n icht zuletzt au f die Steu de l'sch e n
Lehren hin. Seine Folgen: Seh- und Ge hörsstörungen,
katarrhalische Magenaffectionen und Anämien, sowie
die völlige Unmöglichkeit, noch Chinin zu vertragen,
bemerkt man bei Leuten, die im Verlauf weniger Wochen
und Monate das Chinin zu Hunderten von G rammen ver¬
braucht haben, bereits nach kurz dauerndem Aufent¬
halt an der Ostküste.
Ich meinerseits wende das Chinin in fast jedem
Fall von Malaria an, ausser beim h ä m ogl o I) in ur i sch en
Fieber, bei welchem ich eine schädigende Wirkung desselben
mit Bestimmtheit wahrgenommen zu haben glaube;
Schlichte mich wo irgend möglich vor seiner Anwen¬
dung nach dem Ergehn iss des Blutbefundes und ver¬
meide nach Möglichkeit gänzlich, es während des
Fiebers zu geben. Bezüglich der Dosirnng habe ich
noch niemals gefunden, dass besonders grosso Dosen
günstiger auf den Krankheitsverlauf einwirken, als
die gewöhnlichen von 2—3 g in jedesmaligen Gaben von
1,0-2 g.
Ebensowenig einleuchtend wie die Behandlung des Schwarz-
wa«serfiebers mit den kolossalen Chinindosen sind mir, wie ich
gestehen muss, andere von Steudel empfohlene therapeutische
Massnahmen geblieben, dazu rechne ich die Empfehlung grosser
Chiningaben in dem postfebrilen Stadium der Anurie nach den
schwersten Formen des Schwarzwasserfiebers, der fiövres Siddrantes
der Franzosen. Diese kann einige Tage dauern und endet in den
meisten Fällen mit dem Tode. Eine solche zu den Grund¬
lehren der Pharmakologie in krassem Widerspruch
stehende Behändlungsweise 16 ) in Fällen, wo bei völliger
Aufhebung der Nierenthätigkeit die grossen eingeführten Chinin¬
mengen gar nicht oder nur zum allergeringsten Theil aus dem
Körper ausgeschieden werden können, wo aber andrerseits
activ parasitäre Malariaparasiten, welche getödtet werden
könnten, im Kreislauf gar nicht mehr vorhanden sind, sollte
doch nicht auf ganz unbewiesene theoretische Erwä¬
gungen hin empfohlen werden, solange der Experimentator sich
auch nicht auf einen glücklich verlaufenen Fall berufen
,J ) Natürlich gibt es auch in der Hinsicht Ausnahmen. Dazu
rechne ich den ausserordentlich schweren, 3 Tage dauernden
pchwarzwasscrfieberanfall, welchen ich selbst 4 Monate nachdem
ich die afrikanische Westküste verlassen, in Berlin durchzumachen
" dieser war, wie bereits erwähnt, wenige Stunden
nachdem ich prophylaktisch Chinin genommen, ausgebrochen und
eilte wie bereits 2 frühere Schwarzwasserfieber bei mir ohne jede
Anwendung von Chinin. 8eit dem Tage meiner Erkrankung (29. Febr.)
« zum 30. Nov. h. a., also 9 Monate, bin ich seither vom Fieber
erschoiit geblieben, obwohl ich in der ganzen Zwischenzeit kein
Norn Lhinm genommen habe.
,8 ) Cf. Lewin 1. c. pag. 17.
kann: Aehnlich stellt es mit der in der neuesten Arbeit von
Steudel wiederkehrenden Empfehlung der Bluttransfusion bei
hochgradig anämischen Zuständen nach Schwarzwasserfieber. Ich vor
misse bei dieser Empfehlung den Hinweis auf die gerade in diesen
Fällen — man mag im Uebrigen über die Zweckmässigkeit der
Operation denken wie man will — dringend nothwendige
UntersuchungdesBlutes desIndividuums, von welchem
das Blut entnommen werden soll. Sonst könnte es etwaigen
weiteren Experimentatoren auf diesem Gebiet ebenso wie Stendel
hei dem einzigen Fall, der ihm zur Stütze seiner Theorie zur Ver¬
fügung steht, begegnen, dass er ein mit latenter Malaria behaftetes
Individuum für seinen Eingriff verwendet, wie das im Stendel'-
schenFall der bei dem blutspendenden Neger einen
Tag, wie bei dem Patienten 3 Tage nach der Operation
aus br ech en de M a laria- A nf al 1 beweist. Für die Lehre
von der Ueherimpfharkeit JerMalaria von Mensch auf
Mensch istdasExperimentunzweifelhaft vonlnteresse,
ob es als Heilmittel empfohlen zu werden verdient, weil auch hei
diesem Patienten der Exitus nicht eintrat, erscheint mir zweifel¬
hafter. Ich möchte im Interesse der Kranken auch in solchen
Fällen dringend zu kritischer Vorsicht in der Beurtheilung des Er¬
folgs rathen.
Wenn Steudel das hält, was er so zuversichtlich verspricht,
so gehen wir in der Hygiene Afrikas einer glücklichen Zeit ent¬
gegen. Stendel hat während eines mehr als 2 jährigen Aufenthalts
einen Todesfall an einer andern als der haemoglohinnriselien Form
der Malaria nicht beobachtet, hei dieser aller hat er, wie er ohne Ueber-
treibung glaubt behaupten zu dürfen, durch seine Therapie den
nahezu sicheren Erfolg in der Hand. Es müsste also, da einerseits
Stendel s Lehren unter den Aerzten und Patienten Ostafrika's
ebenso wie die B er enger - E er ran d 's früher unter den fran¬
zösischen Aerzten Westafrikas reichlich Anhänger gefunden haben,
andrerseits zur Durchführung der Behandlung hei ihrer ausserordent¬
lichen Einfachheit, die nüthige Einfuhr der erforderlichen Anzahl
von Centnern Chinins vorausgesetzt, kaum einmal ein Arzt oder ein
Lazarethgehilfe erforderlich ist, sondern allein die Umgehung des
Kranken genügt, kaum mehr ein Todesfall an Fieber in Ostafrika
Vorkommen dürfen. I)ie Thatsacben widersprechen dem in be¬
dauerlicher Weise, auch bezüglich der im Lazaroth behandelten
Kranken. Ich fürchte, dass in diesem wie in so manchem früheren
Fall, die Zuversicht, mit welcher die Medication empfohlen ist, im
umgekehrten Verhältnis« zu der Zeit stehen wird, während derer
man sie anwenden wird und die Thatsaehe, dass die -•dreiste»
Cliinintherapie Steudel's jetzt schon, laut des letzten Sanitäts¬
berichts, in Ostafrika verlassen wird, scheint mir ein Beweis dafür
zu sein
Feuilleton.
John Shaw Billings,
geh. 12- April 1S3S in Swil/.crland, Indiana.
Ende November 1 895 erschien der Schlusshand eines Werkes,
welches, einzig in seiner Art. seit dem »Jahre 18S0 von »lohn S.
Billings in Washington herausgegeben wurde, betitelt: Index
Catalogue of the lihrarv of tlie surgeon general'.« office United States
Anny, dessen frühere Bünde uns schon einige Mal Gelegenheit zu
Besprechungen in diesen Blattern geuehon haben. Mit einer
staunenswerthen Pünktlichkeit wurde von diesem Riest nwerke !(',
»lahre hindurch alljährlich ein SCO — 1000 grosse Octavseiten
umfassender Rand publicirt ; nunmehr ist dasselbe glücklich zum
Abschluss gebracht, und da ist cs denn wohl au der Zeit einmal
einen näheren Blick auf 'las Lehen des Mannes zu werfen, dem
die medicini-t he Welt so Grosses verdankt.
»1. S. Billings wurde am 12. April 1*38 in Switzer-
land, Indiana, geboren; er studirte an der Hliami-Uiiiver-ilät in
Oxford, und am Ohio med. College in Cincinnati, wo er )
promovirte. Nachdem er kurze Zeit in Cincinnati privatim prakti-
cirt hatte, trat er 1861 als Ar/.t hei der nordamerikanis<hen
Armee ein und war während des Bürgerkrieges Assistent und
Direetor verschiedener Feldlazarcthe. Im Anfang des .Jahres 1864
war er Medieinal-Tuspeetor der Pot omne-Armee. später wurde er
im Bureau des Generalstabsarztes in Washington angesfellt. wo
er seitdem fast 32 »lahre in Thätigkeit gewesen ist. Schon im
.Jahre 1869 trat, er mit einem Werke: Reports on the diseases
of cattle in the U. S. hervor, welchem dann eine Reihe die
Hygiene behandelnder Schriften y\ roport on the Hygiene of the
U. S. Army 1875 u. A.) folgten.
1S74 liess er zunächst den Catalogue of the lihrarv of surgeon
general’s office, als Vorläufer seines grossen Index - Catalogue
3 *
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i
No. 10.
erscheinen. Wie er zu dio»r < 5ö™mli”l895
er bei Gelegenheit des *1 Anfänge seiner Praxis (1864)
gegebenen Festes selbst erzähl . ü ber dic chirurgische
tad er eich dumu.» aber nicht h
Behandlung der Amerika zu erhalten, um <te
der Lage, f ra nzM.zehe Journale^ ^ Als er nun auch
Genauigkeit gewisser Kctcrate .. d Boston nur die
auf eine Anfrage in NewAnrL, lh^iladelj. ^ sich ihm
Hälfte der gewünschten Journa Jurch welche man
zuerst dic Nothwendigkeit einer mjt Macht au f. Damals
jede Art von Information ^ ^ ^ m Büchern in
— 1865 — waren nui 2 , d ul ,d seit ]cncr /eit
dem Bureau des Gcneralst ^ ar 2 ss a lc Bibliothek anzulcgcn, deren
begann Billi 1 »«■ “ ^SSL'™» «- *■ J «"
™ “
"“Ä« nagte eiuma, die
des Verfertigers eines W»rwhuehs * ^ MtoP erklärte,
oder das Hämmern am Amboss und Ycr}mdicn au f der Erde
dass wenn es irgend cm a sc ■ seinen Vater getödtet
gäbe, wenn einer die Gott.iei S« ^ golchcs DJetionnaire machen
hätte, den sollte man zur . r. ^ _ s0 erzählte S.
lassen. Trotzdem spreche J. ' • «„dehnen, — von dicser
Weir Mitehen, demw» jeneder Liebe! Und
Arbeit in einer seiner Vorrede, , . ^ ^ lg8() _ 1895 an ,
nicht bloss diesen Index-Catalog - gc - t lg76 inon atlich
er war zu gleicher Zeit er crau.^ zwcin|fd c j nc „ichrmonatliche
erscheinenden Index “»« d,c ® ’ . zt aufs Neue erscheinen wird.
Unterbrechung erfahren hat, ab ■' Chadwick und Dr. Fiel eher
An seinen trefflichen hrcunden ; ‘Mitarlxntcr, aber Referent
fand John Billings unermüdliche . ggg berichten, dass
Wann aus eigener wurde, durch
Jeder einzelne Buchzettel, c p r ivatwohnung, ging.
Billings eigene Hände, und nicht bloss dic 300000
Nun sind aber m jenen 1 . «H e „ nur denkbaren
Bücher alphabetisch geordnet, son e ‘ w f dic kleinen
Gesichtspunkten sind die Autors, mögen dic
und kleinsten Aufsätze eines j Journalen noch so sehr
selben in Zeitungen, Wochenschau^ osse Werk zu
zerstreut sein, zusammenges ^ > alter und
gleicher Zeit du da, geht und in
neuer Zeit in der ganzen '* ... r o Billings
welch unglaublicher Weise durch die «"J crle £ht C rt werden,
die wissenschaftlichen Forschungen aller Amte cIm
„ollen wir an einen, Beispele, ar.dem ^ auJ 42
Hier finden wir in Band*^ Irankhch vom Jahre 1521
grossen Octavseiten die Liter auf 2 2 Seiten alle
an alphabetarisch angeführt und • g
brsondem, Werke «her Fest dann kommen
3 Colonnen alphabetisch georuic er . o y i lütul1g derselben
Kric'gsschiffem" Dieses eine Beispiel wird genügen, um zu zeigen,
Studien haben, dem unermüdlichen J. ^ dar .
Danke verpflichtet sein müssen. V er ach aber an }
über bilden will, wie exaet alle Citatc in de-J^rkewi^er
gegeben sind, der sehe nur dic im Anhang an den X\ I. Band
gebrachten Druckfehler der früheren XV Bande an “f^V
Seiten sind alle angegeben und die letzten Bände XIV und XV
haben deren sogar nur 10—13'. der
Dazu kommt nun noch, dass dieses kostbare Werk von der
amerikanischen Regierung in der liberalsten Weise ‘ L "
ärztlichen Institute der Welt und an emo «ta “
bekannter Aerztc verschenkt worden ist. 1 ‘ ; h
demselben war so gross, dass ein vollständiges Exemplar schon
Ä «u haben ist, indem einzelne Bände vergriffen sind.
Man sollte glauben, dass
des Verfassers gnm: ahsor >,r ^ Zeit noch ein sehr
davon hat J. J. B>J mll scum geschaffen und ausscr-
bcdcutendcs mcdieinisches > natio „ales Lexikon erscheinen
dem ein mcdicinischc. franzö8igchcI1) deutschen, Italic-
lassen , welches alle cn *, ’ sdrückc enthält, dic in der Medicin
nisehen und lateinischen yj ' i ftcn vor kommcn. Dieses
und den ihr verwandte wisscnschaft i ichcr Tabellen
Lexikon enthält ausscidcm K örpcrorganc bei Menschen der
über Gewichte und (»rosse dte Worth der Nahrungs-
verschicdencn Volkerracen, beiden Bände bringt auf
mittel und Diäten u. «■ * , technici medieinales in all
700 Seiten die *' rkl “j™ ,g an vio len Stellen auch noch die
den erwähnten Sprache , ^ dass dieses Werk eines
griechische als sechste hm£ ‘ ’j/, uiasscn haftcn Variationen
der trefflichsten Nachschlage m Anomalien bei den wichtigsten
in der Bezeichnung von m^cnij cn Anomalie ^ ^ ^
Culturvölkern geworden ist. wem
erschienen. , •* kommen wir jetzt erst zu der
u„d „cd, md.t scn.jg tat; STwJ, nkmlioh d C „
grösHt,'" “"^“nulUgl ulB , modkiniseker Bcnthor
jeiligen, welche B U> d fo i 20 nde Bewandtnis hat.
Johns Hopkins ein
• w A 'i? 10 ‘,ier ' Bürger von Baltimore, seiner Vaterstadt ein
reicher Bamjuier, Burger Millionen Mark, zum
Capital von 7 Millionen Dollars, und cincs Hos|lita lcs
Erbauen einer Unimsiält, etnes ^ h ^ 9 Sclmlc für Kranken-
als Appendix der Il,UV " d ^ ’ ulil K ewnV alcsccntcnhäuscrn. In
Pflegerinnen und verbünd Hospital für bedürftige
grossartigster Weise bestimmte er d.e^ ^
Kranke der Stadt un z ®, cich sollte eine beschränkte
Geschlecht, Alter und 1ar - A ^ wclche bezahlen könnten.
Zahl von Kranken aufgenommen dass der hin-
« Es ist meine specielle i losl ,i ta ls gefühlt
fluss der Religion m er g 1 * 1 - cst0 ' weI ,jgcr wünsche ich, dass
und erkannt werde; aber * rS&ch J Mc keine Störungon
bei der Ausübung dieser '* . vorko ni m e! » Ausscr-
durch Secten-EinflUsse, daS8 das Hospital ausdrücklich
dem bestimmte Johns Holk , errichteten
ein Theil der med, ein, sehen Schule.an ^ ^ Johng Hop .
Fnivcritki in »gen nun 5 Amte
kins ernannten 12 Lurator T 0 bn S. Billings,
zur Ausführuug des Baues zu 16 Häuser zu ärztlichen
welcher von l87o 18 '- J r)iesc Krankcnhauscolouic
und Krankenhcilungszweckcn leitete. Beschreibung mH
wurde im FriAiakr 1880 ^,,^^--1«*-
allen Plänen hat wiederum J. S. B U 8 ^ Kefcrcnt) V or
der Unermüdlichen, geliefert. * • ’ « Photographien,
L-r 1 sssr'-i fr r^f ^
klärten denn auch, als das giossc , and rC cord, that
desselben: tlic board des,res t0 . can daimasan
whatever excellcncc fc 10 1! * . g duc t0 t hc great
advancc in liospital constr , d san itary
and dcccrncd eminenee 1 “ “ C ^knowlcdgc
scicnce of Dr. Billings and Ina ' f d „ cd through
of Hospital re lief of 8 ®” cr,nß t ’ ha J department in
bis Governmental Service u 1 grossartigen
thc late war - - und sprachen ihm für seine g
Leistungen öffentlich ihren Dank aus hlrdchcn „eueren und
Wir verzichten nun darauf, al ‘willings zu citircn,
neuesten weiteren Publicationen von • . v • ^ Näheres
da cs unsere Leser sicher noch mehr intercssiren
über seine Persönlichkeit zu erfahren. kräftig, blond,
J. S. Billings ist über mittlerer G /^ 6 ’ ^^aphien
blauäugig; der Ernst des Forschers tr,t J' ,uS ^ Hier sprudelt
viel mehr hervor, als im täglichen \ crkehre Bemerkungen,
er geradezu von lustigen Einfällen und scherzhaften JK
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
220
10. März 189G.
Kr lat ein fröhliches Geuitlth, ist ein immer heiterer Gesellschafter
und oft ertönt in trautem Freundeskreise sein fröhliches Lachen,
welches geradezu ansteckend wirkt. Die Stunden, welche Referent
mit ihm auf europäischem und amerikanischem Roden im Familien-
uml Freundeskreise verlebte, wird er immer zu den schönsten seines
Lebens rechnen. B. ist die Bescheidenheit selbst; wenn man seine
Arbeitskraft anstaunt, so entgegnet er: «Sic machen Original¬
arbeiten, ich compilirc nur!» Er lebt in glücklichster Ehe und
seine treffliche Gattin, die ausgezeichnete Mutter ihrer Kinder,
versteht ihm sein Heim üussert behaglich zu machen. Ein Sohn
ist schon Arzt im Johns Hopkins Hospital; in England und im
fernsten Westen der Vereinigten Staaten sind seine Töchter glück¬
lich verheirathet und erblühen ihm liebliche Enkel. Aber auch
an schweren Sorgen hat es ihm nicht gefehlt und in geradezu
klassischer Weise hat er dieselben überwunden, ohne selbst seine
näheren Frennde jahrelang dieselben ahnen zu lassen. Oft hat
J. g. Billings den Ocean gekreuzt, theils um an wissenschaft¬
lichen Versammlungen Tlieil zu nehmen, theils um seine fernen
Kinder und seine Freunde zu besuchen ; so hat er Grossbritannien,
Deutschland, Frankreich, Italien, Oesterreich, Ungarn und Russland
durchreist, überall von seinen zahlreichen Freunden auf’s herzlichste
aufgenoimncn. Es gibt kaum ein Gebiet des menschlichen Lebens,
über welches man sich nicht bei ihm Belehrung erholen kann.
Er hat ein immenses Gedächtniss; als er vor dem Berliner Con-
gress im Sommer 1800 in München bei mir war, gab ich ihm
ein Werk von Horst aus dem Jahre 1628 — glaube ich —;
er sagte sofort: diese Ausgabe hat unsere Bibliothek noch nicht;
wir sahen sogleich in seinem Index Catnlogue nach und richtig,
sic fehlte in demselben.
So viel über den Mann , welchen die mcdit-inischc Facultüt
der Universität München bereits 1888 zu ihrem Ehrendoctor
promovirt hat. Die zahlreichen Motive für diese Auszeichnung,
welche auf dem Ehrendiplome in lateinischer Sprache angebracht
waren, wurden bei Gelegenheit der grossen Feier, die am 30- No¬
vember 1895 zu Ehren von J. S. Billings in Philadelphia
stattfand, von Dr. J. R. Chadwick (Boston) besonders hervor¬
gehoben. 259 amerikanische und englische Aerztc — leider
haben wir Deutsche davon nichts erfahren — hatten, um ihn
bei Beendigung seines Riesenwerkes zu ehren, eine Summe von
10 000 Dollars (42 000 Mark) zu seiner Verfügung gesammelt,
über die ihm ein Check in einer silbernen Dose überreicht wurde.
Zugleich thciltc Dr. Win. Osler mit, dass das mcdicinischc
Araeemuseum in Washington ein Oelportrait von J. S. Billings
erhalten werde aus einem bereits gesammelten Fund. Die hohe
Wehrung, die warme Freundschaft, ja herzliche Liebe, mit der
alle seine Freunde an dem seltenen Manne hängen, kam in den
Reden derselben an jenem Festabend überall zu Tage, dess zum
Zeichen nur wenige Zeilen aus der langen Ansprache von A.
Jaeobi (New-York).
Jacobi sagte, sein ganzer Titel sei Billings, aber wie
früher bei «Alexander Humboldt der Zusatz in Europa genügt
hatte, so bei Billings in Amerika». Sic verehrten in ihm einen
grossen und guten Mann, dessen eminente Werke die Aerztc
der ganzen Welt längst schätzen gelernt hätten und fuhr dann
fort: I try to read in the soul of our guest; unlcss modest to
a fault, that hc has the right to elaim, that therc is no man
who has been raore active in the serviee of the pro-
fcssion and through the profession to all countrics.
Aot a ycar of bis lifc but has been filled with the
results of the labors of an always seething brain.
lortunately it was warm cd by a generous heart and
sustained by great physical powders. Seine Selbst¬
losigkeit, seine Generosität, bei seinem rastlosen, geistigen Schaffen
und sein inniger Zusammenhang mit all’ seinen Freunden wurden
von allen Seiten dankbar hervorgehoben.
Nach den Mittheilungen von Dr. Wm. Osler und anderer
Festtheilnehmer hat nun Billings seine Thätigkeit in Washington
in der Bibliothek und am Armcemuscuw beendet und widmet sieh
seinen Vorlesungen über Hygiene in Philadelphia und Baltimore;
aber wir zweifeln nicht, dass seine erstaunliche Arbeitskraft uns
noch manches werthvolle Werk schenken wird und von Herzen
wünschen ihm auch all’ seine deutschen Freunde noch eine lange
und segensreiche Wirksamkeit.
München, 15. Februar 1896. F. v. Winckel.
Dr. Hubrich f.
Am IG- Februar 189G starb nach langem Leiden Herr
Dr. Max Hubrich, kgl. Direetur der Kreis-Irrenanstalt Werneek.
Geboren am 19- September 1837 zu Schäftlarn, erhielt er seine
Gymnasiulhildung im Holländischen Institut zu München, absolvirte
die Universität München 1862 mit Auszeichnung, ging zu seiner
weiteren Ausbildung Vs Jahr nach England, ward Assistent am
pathologischen Institut und an der Kreis-Irrenanstalt München.
1865 vermählte er sich mit Anna Dyk, Tochter des damaligen
Generaldirections-Käthes Karl Dyk in München. 1870 wurde er,
33 Jahre alt, zum Direetur der Kreis-Irrenanstalt Werneck ernannt.
Er trat als würdiger Nachfolger in die Fusstapfcn seines
Vorgängers Guddcn, kräftigte und befestigte das durch Gud-
den begründete Ansehen Werneck’s und machte der Anstalt
einen Namen, der weit über die Grenzen unseres engeren Vater¬
landes hinaus bekannt ist. Sein ganzes Interesse galt der Anstalt
und ihren Bewohnern, deren trauriges Loos er nach Kräften zu
erleichtern bestrebt war, und denen er die denkbar grösste Frei¬
heit gewährte. I 11 diesen hochherzigen, humanen Bestrebungen
liess er sich weder durch Unannehmlichkeiten, noch durch Ge¬
fährdung seines eigenen Lebens beirren. Im Februar 1877 machte
ein Paranoiker, der sieh heute noch in der Anstalt befindet, ein
Attentat auf ihn, feuerte 3 Revolverschüsse auf ihn ah, 1 Kugel
prallte an einem Knopfe ab, die 2. blieb auf der Rippe sitzen
und wurde Abends noch entfernt. Viele Neuerungen und Ver¬
besserungen hat er eingeführt, die Anstalt durch 2 grosse Flügel-
bauten vergrössert, 2 Colonien wurden errichtet. Allseitig fanden
seine Bestrebungen Anerkennung und an Allerhöchster Stelle
durch Verleihung des Verdienstordens vom hl. Michael gebührende
Auszeichnung.
Die Pflege und Erhaltung des schönen Parkes, in dem so
viele Kranke Ruhe und Erholung finden sollten , war ihm beson¬
ders am Herzen gelegen. Sein sehnlichster Wunsch, im Parke
selbst ein eigenes Heim zu besitzen, sollte ihm erst ganz spät in
Erfüllung gehen. In der psychiatrischen Welt hatte sein Name
einen guten Klang. Als im Jahre 1886 das Unglück über unser
erlauchtes Königshaus hcreinbrach, da war er mit unter den
Aerzten, welche berufen waren, ein endgiltigcs Gutachten über
den Geisteszustand unseres unglücklichen Königs abzugeben. Mit
Dircctor Hubrich ist ein Mann der praktischen Psychiatrie aus
dem Leben geschieden, ein Mann von seltenen Anlagen des Geistes
und Gemüthcs. Seine Jahresberichte sind mustergiltigc wissen-
sehaftliche Arbciten.
Auf dem Gebiete der mikroskopischen Forschung hat er
sehr viel geleistet. Noch bedeutender sind die anatomischen
Präparate, die er in früheren Jahren fertigte. Seine Gcliör-
präparate sind nach Geheimrath von Köllikcr wahre Kunst¬
werke, einzig in ihrer Art. Dircctor Hubrieh war nie unthätig;
die einschlägige Fachliteratur studirte er mit grosser Sachkenntnis».
In seiner freien Zeit beschäftigte er sich gerne mit Astronomie
und Botanik, welch letztere er in den Parkanlagen praktisch ver-
werthete. Mit anthroi>ologischen und geologischen Studien be¬
schäftigt, richtete er sein Augenmerk auf die Durchforschung der
hiesigen Gegend und förderte vieles Interessante zu Tage, so er-
öffnete er an verschiedenen Stellen Hünengräber und bilden die
denselben entnommenen interessanten Funde einen werthvollcn
Beitrag zur prähistorischen Geschichte unseres Kreises.
Auch ein Freund der Musik, pflegte er dieselbe nach Kräften
und erfreute in den Anstalts-Concertcn Gesunde und Kranke durch
feiu gefühlvolles Spiel.
Im Jahre 1870 wurden auf seinen Antrag mehrere disj>oniblc
Räume der Anstalt zur Aufnahme Kranker und verwundeter
Feldzugs-Soldaten eingerichtet, und viele haben seiner erprobten
Hilfe Leben und Gesundheit zu verdanken.
Nahezu 26 Jahre stand er der Anstalt Werncck vor ; eine anläss¬
lich seines 25 jährigen Dienstjubiläums geplante Festlichkeit lehnte
er iu seiner bekannten überaus grossen Bescheidenheit dankend ab.
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Münchens» ^icinmc^^chiwsomvt
No. 10.
Ein wissenschaftlich hochgebildet^ Mann ,
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k I>roi Kinde, »nd zaldreiehe Verwandte k- - ■"« *»
Kranken, deren Angehörigen und zahlreichen 'rennten nn
Verstorbene in allen
Kreisen 0 erfreute, davon gab den den,liebsten I ew™ »™»
Menee der Leidtragenden, welche gekommen waren, ihm du letzte
Ehre * zu Erweisen. Durch seine Liebenswürdigkeit und umamtat
hat er sieh ein Denkmal gesetzt aerc perenmus. ur. •
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. M. Fried mann: Heber den Wahn. Wies
“tW«« des Wahnes, eine
gliederung der Wahnbildung unter zu Lrundelegung der Um«, ihe
Thatsachcn wie cs Fried man n’s Buch unternimmt, zu
liefen',, bedeutet nichts weniger als Grundprobleme zweier, theo¬
retisch und praktisch nahe verwandter Wissenschaften
der Psychologie und der Psychiatrie: Das eine
Logik des Urtheils durch eine ihrer seihst bewusste Kraft (-1
ception) oder aber durch einen unbewusst vor sieh gehend und
nur durch Uebung vervollkonmmeten Assocationsprociess vor sh h
geht» (Einleitung pag. VII); das andere. 0 ! Kruik
hat der Wahn für die Genese und Stellung psyeli.scher Kf.u,k-
heiten? Beide Probleme sind im regsten l'lussc begiifftn,
Lösung aber scheint nur auf dem Wege gewissenhafter empirischer
Forschung möglich ; mit der Lösung beider ist zugleich das 1 roh cm
der Wahnbildung zu entscheiden. Wenn nun 1' ricdm.uin
dass «das thatsächliche Material der Psychopathologie reichhaltig
genug ist, um aus demselben eine bündige und eindeutige Lehrt
der Genese des Wahns zu gestalten» (pag. VII). «enn er die
klinischen Thatsachcn als «im Wesentlichen bekannt» voraussetzen
zu dürfen glaubt, so gibt er sich einem gewissen Optimismus hm,
der die Lösung des gewählten Problems nicht erleichtert. Die
Lektüre unserer psychiatrischen Lehrbücher zeigt, wie weit gerade
in der Auffassung des Wahnes als Symptom und der W almpsy-
chosc, der Paranoia, die Meinungen divergiren. Dennoch glaubt
Fr. die «Controversen gerade in der Paranoialehre nicht sowohl
durch ein noch umfassenderes klinisches Studium, als durch cm
tiefer eindringendes Verständnis der merkwürdigen Erscheinung
der Wahnbildung» fördern zu können ; — also nicht durch neue
Thatsachcn, sondern durch (philosophirende) Reflexion über bekannte
Thatsachen.
Speciellcr belehrt uns über die Methodik dieses seines
Forschungsweges pag. 15 der Einleitung: « Die Methode, mit der
diese und alle speciclleren Schlüsse gefunden werden, ist eine sehr
eigenartige und sonst in der Wissenschaft kaum wiederkehrende,
die dem Räthsel-rathe» gleicht; ein Hineindenken nnd Hand¬
arbeiten ‘ des beiderseitigen (d. li. des psychologischen und des
physiologischen) Mechanismus ist erforderlich, von wo aus dann
die Parallelen gezogen werden. Die Richtigkeit der Lösung ergibt
sich nur aus dem einfachen Zusammenpassen; denn von einer
rt r,r
fr ^zjz riT-Ä “je
PM Thtlhc. in di. Wulkcnrcgioi, »tatrncto. Red—
\ V r > R yii Reflexion mul Hypothese ist es wohl auch
Der Nc« 1 ■ ^ ^ ursI>rttlljHitf h beschränktere Plan des
ZS' Ȋ
„icwohl er auch de, A ,.|.eree,.t. u., »lehre eine relative Kt
"'“w^Sln 11 Hetraelitnne der l»jeM»lie„ Runetionei, »II
»nn da.
1 Umfassende (.umhinationstaln.^Kiit, &■
keif V die offene Verbindung mit tiefere« Ncrve.icc.itnm . 4 J
S mtaneität; 5- die Neubildung von Hombinatimio« ; 0 ; ^
O.v.lität d h Bewusstsein. <»cgcn diese Autsteming
SÄlp. ** haalitsiU-'ilieli 2 Bedenk™
U eleirt tw. dass jede p^U. M-««
li p 1>„nkt 4 unter nein ternumi*
yii ,r loich bewusst sei , unn 2* n.iss 1 un ^ % .
liholnpischei, und eliendsekc, .Ki.enseliaRe« des eori« —J«
finden (pag 15); verstanden aber konnten c, ^ ^ ^
Plan der Hirnrinde erstaunlich einfach.. (• • • ’ „
Verbindung von Wahrnehmungen mit entsprechende» Inncn.it
gefüllten (/- B. der Augen- oder Sprach,uuskcln). .. w
Erst durch W'icdermitcrregung dieser Inneryatio -g
die Vorstellung als Erinnerung lebendig oder wie es •
hil,Hiebt: «Der Rcproduction steht gleichsam die Klm
Innervation offen «ml dieser Antheil ist völlig
die Vorstellung» (8. 20). Wie ist nun eine
Association zu «erklären»? Die Noneiizellcn sin . ^
als Reservoire «leicht zu entfesselnder» (explosi c ,. 6 ‘ 1 ^
chemischer Verbindungen, die sieh entweder auf 2!)
gezeichneten Bahnen oder durch chemische !• ernw.rku g L • _ ^
gegenseitig sättigen können; und dieser . 1 ^ ^ N;ic h
Association zweier Wahrnehmungen oder Wstellungen.
dieser Hypothese könnten sich aber 2 Vorstellungen
mal associiren, da „ach den Gesetzen der Chemie
düngen nur einmal sättigen und binden können, ^ ^
geht eine Association um so leichter vor sich, ] " ,,, n
ducirt wurde. Zur Erklärung dieses W^pm^cht^
die Hilfshypothese, dass jeder corticalc Reiz, der e_^ ^
wachnift, also 2 chemische \ erbindungen sättig , höhcrcr
ligten Zellen 2 neue Verbindungen erzeugt, von 1 klejncrc
Labilität (Explosivität) als die früheren, so dass m £ ^
Reize genügen, um die Association auszulosen. ^ n0ch
also, der chemische Verbindungen zersetzt, soll neue A, * | n der
grösserer Actmtät: Das ist das Perpetuum m ,,.^ cnCT
Hirnrinde! An Stelle des Gleichnisses von der «ausg ^ ^
Bahn» ist die Hypothese vom Perpetuum mobile geset ,
Uebung zu erklären. Der Begriff der ^80^100 ^ ^ ,,
chemischer Action identisch ; und «cm unermessliches Netz
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10. Marz ISOfi.
MÜNCHENER MEPICINISCTIE WOCHENSCHRIFT.
231
1
I
artig verschlungener und sieh verschlingender Silberfäden, durch
die chemische Assiuiität zusammen gehalten , das -würde also das
Bild unserer Vorstellungen im Gehirn sein-.- iS. 22).
Im 2- Abschnitt— die Ideenassoeiation und ihre
Gesetze - — nennt Fr. 3 («»setze der ass««ciativen Thätigkoit
des Gehirns: 1) elas Gesetz des Zwanges zur Association, d. h.
des inneren Zwanges jede, neue Vorstellung an l>ekannte anzu-
gliedcrn; 2) die bewusste Qualität; aber nicht der ganze Assoeia-
tionsvorgang, sondern nur Ausgangs- und Endvorstellnng sind
liewusst, da nur der Prnccss in <1 en Zellen selbst be¬
wusst wird, aber -der Strom in den Assoeiationsfasern keine
bewusste Gestaltung?- f S. 22) erfährt; 3) die associative Vorwandt-
siliaft in ihren verschiedenen Formen.
Der 3. und 4. Theil gehören zusammen und behandeln die
Associationsstufen, deren Fr. zweie treffend eharaktorisirt : Die
niedere Form ist die der geradlinig fortschreitenden Association, die
Aneinanderreihung von Vorstellungen ausschliesslich nach assoeiativer
Verwandtschaft, eine Form, die in pathologischer Form Ideenflucht
genannt wird. Ihr stellt Cap. 4 die 2- höhere Form der Association
alsdiedescentralisirten, des gehemmten Fortsehreitons der Association
gegenüber. Sie ist der Modus des normalen logischen Denkens; hier
bildet sich um eine Ausgangsvorstellung eine Anzahl associativ
verwandter Vorstellungen, von denen aber nur eine den Fortschritt
vollführt und wiederum zum Centrum eines neuen Assoeiations-
kroises wird. Wie gelingt es nun, unter den vielen zur Association
verfügbaren Vorstellungen die richtige zum weiteren Fortschritt
auszuwählen, «wie fängt es«, um mit Fr. (Seite 58) zu reden,
?die Hirnrinde an, dass sie so bewunderungswürdig Herrin wird
über die brutale ( T iivermuift des Zufalls und die Mangelhaftigkeit
ihrer eigenen morphologischen Structur> ? Es associirt siidi mit
der Ausgangsvorstellung diejenige, welche mit ihr die meisten
Kinzcleinpflndungcn gemein hat, die stärkste Erinnerungsvorstellung;
diese überwindet — dies ist der Kern der llerbart-Friedmann schon
hehre — die anderen durch ihre Stärke und geht dann mit jener,
die sie ihrerseits wieder verstärkt, siegreich die Association ein :
dies ist der Kampf der Vorstellungen um die U'wusste Existenz
— — um den verfügbaren Nervenstromv (S. G2). Diese Ver¬
stärkung einer Vorstellung vor anderen kann auch noch durch
seeundäro Momente, Affect und Wille, durch Lenkung der Auf¬
merksamkeit geschehen. Cap. V reeapitulirt in grösserer Rreite.
Cap. \ I soll nun mit seiner Fragestellung : Wie gelangen wir, mit
unser» beschränkten Mitteln ausgestattet, zur Erkenntnis der
'Velt>, und •<wie bilden wir das objective HealitätsurtheiL . den
I ebergang zum psychopathologiseben Problem des Wahns bilden ;
trotzdem ist die Frage nach dem objeetivou Uealitätsurtheil
einerein crkenntnisstheoretische. Die hier interessiremle Frage wäre
nur die gewesen: Wie bilden wir das subjective Koalitäst-
urtheil. I’r. erörtert seine Frage nun in äusserst auffallender Art
uml Weise. Dass wir die Welt nicht wie sie ist, erkannten, läge
nämlich daran, dass unsere Empfindungen - bewusste Qualität
Litten, und dass wir weder die Schwingungen der Molecüle ausser
uns. noch die unserer eigenen Hirnmolceüle wahrnähuien (S. 83);
glücklicherweise würde dieser «hauptsächlichste Mangel unseres
geistigen Organs? durch •■«alle weiteren Eigenschaften>? desselben
omipensirt. dass unser Cr theil wenigstens zu «empirisch rich¬
tigen Resultatenx über die Welt gelange; das unendlich Grosse und
uiwmllieh Kleine aber bleibe uns immer verschlossen und «die
Schätzung der absoluten Intensität fohle uns — «so
ziemlich?. (S. 84). Das nur nebenbei. Am Schluss erhält auch
die Frage nach dem subjeetiven Hcalitütsurthcil eine Antwort:
Su 1»Joetiv real ist jede fest geknüpfte Association.
Diese im 1. Theile vorgetragenen Hypothesen haben den
'orzng, dass sie sich im 2- Theile des Buches mit grosser Leich¬
tigkeit auf das Pathologische übertragen lassen ; dabei ergeben sieh
folgende Sätze:
L Wie in der normalen Vor stell un gseo ncurren z die stärkste \ or-
^tellung ülier andere obsiegt, so erzwingt in pathologischen
/-»ständen jede intensiv verstärkte Vorstellung
d«T Association durch ihre Stärke; 2 jede Intcnsitäts-
steigerung einer Vorstellung bedeutet zugleich eine logische
fcberwcrfcbigkeit höheren Grades. 3- Zwangs-, Wahn- uml
uberwerthige Ideen sind pathologisch verstärkte Vorstellungen, die
einfach durch ihre Stärke die Association erzwingen. Bei der
Paranoia nun, d. h. der chronisch verlaufenden, typischen, von
formalen Denkstörungen und gröberen Affectsehwankungcn freien,
Paranoia tritt eben diese Verstärkung einzelner Vorstellungen ein,
welche zur Bildung von Wahnideen führt. Die Bedingung aber
zu so übermässiger Verstärkung einzelner Vorstellungen sei eine
allgemeine Nervosität , Hysterie oder psychische (’onvulsihilität ,
ohne welche die typische Paranoia niemals anzutreffen sei. Letztere
Behauptung Fr.’s ist offenbar durch seine Theorie suggerirt worden,
da nach Anderer und des Referenten Erfahrungen Paranoia ebenso
häutig hei gemässigten, als bei exeentrisehon und aufgeregten
Naturen beobachtet wird.
Cap. III des 2- Theiles holt noch einmal weiter aus und
versucht nach den im 1. Theile gewonnenen psychologischen Ge¬
sichtspunkten ein System psychischer Störungen überhaupt aufzu¬
stellen, das aber klinischen Thatsaehen gegenüber zu wenig stich¬
haltig ist, als dass es eine eingehendere Wiedergabe rechtfertigte.
Cap. IV wendet sieh dann zu speeieller Besprechung vou^
Form und Vorkommen derjenigen psychischen Störungen, welche
Fr. nach Wern icke als überwerthige Ideen zusammen fasste,
der Zwangsidee, Wahnidee und fixen Idee.
Die Zwangsidee ist nach Fr. eine pathologische, derlnten-
s i t ä t n a c h g e s t e i g e r t e , un-anschauliche V o r s t e 11 u n g ,
welche während der Dauer dieser Steigerung gewöhnlich eine
Association erzwingt, welche später wieder gelöst wird.
So lange diese besteht, erscheint sie subjeetiv real. Die
Zwangsidee ist eine der häufigsten Formen der gesteigerten Vor-
stellungsthütigkeit überhaupt. , von der fixen und Wahnidee nur
durch das eine und einzige Kriterium ihres paroxysmalen Auf¬
tretens unterschieden i, 108 Diese Definition der Zwangsidee
bedeutet, der bekannten Westphal sehen gegenüber eher einen Rück¬
ais Fortschritt; das paroxysmale Auftreten kann kein wesentliches
rnterschcidunirsmerkmal abgeben , da es sowohl Zwangsideen von
hartnäckigem Bestände, als paroxysmal auftretende Wahnideen
gibt. Die Entstehung der iparanoischen'! Wahnidee selbst «lenkt
sich nun Fr. folgendennaassen: Auf dem Boden allgemeiner l'eher-
reizt heit, psychischer Cmivulsibilität , Neurasthenie — welche Fr.
nach S. 10 als Vorstadium, nach S. HO als nothwendige Bedin¬
gung der Paranoia anzusehen scheint —, daun allgemeimo Steigerung
der Verstelliingsthütigkeit und Entstehung sehr intensiver Vor¬
stellungen , welche schon durch ihre Stärke die Association er
zwingen und damit zugleich als subjeetiv real gelten.
Gegen diese Auffassung der Wahnbildung, die auf allen fol¬
genden Seiten des Buches nicht mehr wesentlich erweitert wird,
sind vom Standpunkte unbefangener klinischer Beobachtung aus
besonders 2 Punkte geltend zu machen ; erstens, dass die Wahn-
hilduug in den meisten Fällen chronisch uml nicht in Folge plötz¬
licher Intcnsitätssteigernng einzelner Vorstellungen vor sieh geht;
zweitens, dass Fr's. Auffassung des Pudels Kern nicht beachtet,
weshalb nämlich der Paranoische Ideen, die ein Gesunder prüfen
und als unmöglich zuriiekweison würde, seien sie auch noch so
intensiv- , für wahr nimmt und chronisch boibehält, weshalb im
Verlaufe der Paranoia ein anfänglicher Argwohn, eine Sinnes¬
täuschung zur Wahnidee heran wachsen kau».
Eine Analyse dieser sjH*eifischen Kritiklosigkeit des Paranoikers
hätte das Problem sicherer gefördert, als Hypothese». Hm kurz
und offen zu sein, Fr.’s Lehre vom Wahn ist ein Gerüst von
Hypothesen, an den beiden von Ilerbart und Wernieke ent¬
nommenen Begriffen Intensitätssteigeriing «1er Vorstellungen und
«Ucberwerthigkeit hängend; nirgends aber vorurtheilsfreie Beob¬
achtung, nirgends klare logische Induetion. Für deren Mangel
vermag die grosse Menge von Gelehrsamkeit , von bedeutenden
Fremdworten, von mannigfachen liyi«otheso» den Leser nicht zu
entschädigen. Im Gegen theil erschwert die eigenthümliehe Art
von Fr.’s Denk- und Darstollungsweise die fortlaufende LeetUro
so , dass seinem Buche gegenüber W u n d t ’ s Psehologie ««der
Kant’s Kritik der reinen Vernunft als leichte Leetüre gelten
können. Zu all’ dem kommt noch ein Gebreolion, an dem zwar
ein grosser Theil unserer wissenschaftlichen Literatur krankt, das
aber gleichwohl immer auf’s Neue zu beklagen bleibt, das ist dm-
Stil. Statt einzelner Nachweise der, schwer zu summirenden,
grammatischen Fehler mögen 3. mehr zufällig gewählte. Beispiele
i
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^nHB OTüt MEDicnnscH BWOOHENgcmim
No. 10.
zeigen, in welcher Weise Geldlir ^ J ; sNur „uantitat.v
ihre deutsche Sprache handhaben. - « ^ einfacher Aus¬
sind alle Abwandlungen und St«, un^o^ ^ ^ ^ p robU . m
fall von Functionen*. Wer •- ■> ^ yorpuf als cin besonders
dev Erklärung der Wahnbild». ; ^ ()dcr S . 75: < — — i
schwierig zu entwirrende. * • j rrt j ium , den man gerne
drittens zeigt berate die No Affocte und im regelrechten
anführt, wohl aber im l rtl Vwwandtcg8 etc. Sprache und
Yorurthcil in Menge dem ' ‘ fUr Bücher, wie Fr. s
Logik sind Eins und dessweg • fordern. Die Ecctüre
Wahn, sprachliche iUünhc.t un^ ledn^ . leUler iUU h in
des Buches ist m nunc ])r -fr«inner-Dresden,
letzterer.
Neueste Journalliteratur.
«euTOw «v«»»-
Deutsche Zeitschrift für ''„f ^“t'oeh"' Darum
-hhir«rgie“hri''ungewähÄh'Lagen und Gestaltungen des
S'a«r ÄÄ
^e K n 0m Bie Tnai^i SS». - — —
werden ausführlich e . rö T i t f!' t U rRrheinune en des Vo’.vulus steht obenan
Unter den klinischen Erscheinung n umbihealen und
die mächtige Gasgeschwulst m de PS Pa lpation erscheint die
linken hypochondrischen Gegend LBei ^ und Unken Ober
Flexur als äusserst gespannte Blase a Darmthtltigkeit.
«igegend. D ?”f “JÄn dosI 1 « “tt
Erbrechen nur selten, Au ^0^0^ . r das Rectum nicht
darms; mehr als / ll ,s Die A n g emeinerscheinungen sind
eingegossen werden (Vorsicht KnlikartißO Schmerzen, Appetit-
wie g bei der Brucheinklemmung I „ arnme nge, «rtlaps-
losißkeit, trockene Zunge, Verminderung zweifellos ab
artige Zustände. AJle„^“^e^’Tbgeschnürten Schlinge sich bilden-
von der Aufsaugung de in( f Peritonitis hinzukommt, über-
lÄÄwÄ Krankheitsbihle, insbesondere stellt
Sich alsdann Brhrechen rgelrnässigen^ lag besteht in dem
Die einzig rationelle Therapm Abla8S en des Gases,
Bauchschnitt: grosser Schnitt, J°, Rs Freilegung der Fusspunkte
Verschiebung des Heu™ na ? . • dem Falle wegzunehmen und
der Schlinge Die Fle fX wenS innerhalb derselben die Schenkel
zwar bis zur Drehnngsrtelle, wenn u die Drehungss telle
nicht sehr gelitten ^{.•jJSTridi & MJ«« Darmrohre ver-
hinaus. Im enteren Falle 1«" « künstlichen After am
einigen, im letzteren Falle muss jna , _ eine Ueumschlmge
ftttfülÄ Dis blosse Aufwickeluug (Detorsion) de.
s Romanum ist zu verwerfen. . der ceQ tralen
2) Bennecke: B ® ltr ^f. ZU |p ath olog. Institut Marburg),
epithelialen Kiefergeschwülste. lä g ren Cystoms und einer
Genaue Beschreibung einesii n terkiefers. Beide Tumoren
“ESSä“ —
Symptom des Tetanus. , K f . und Gesiclits-
Bekanntlich zeigen sich bei . zuerst in der Gesichts¬
wunden auftretenden Tetanus di ^ nalogon zu dem experi
muBkulatur. Durch diese Tal Verfasser berichtet in seiner Ab-
mentellen Thier-Tetanus geg® • Rückenwunde anschliessenden
handlung über einen sich an eine Rückenwu ^ ^ Mm erector
Tetanus, bei dem die Krämpfe levator anguli scapulae
trunci, cucullaris, latissimus dors rlaombor d R e ^ n ai ° de8 Franken be-
SÄS ehSgen MuSefsMre einen nach rocht.
concaven Bogen. Grund derftrtige r Beobach-
toogcriTpÄ’Ädos
Das Gift ist nicht virulent genug, um Vert g moleculare V er-
Nervenbezirke zu Stende
! Abnahme des Gerachsvermögens,
Verlegung des Nasenluftweges Lichtscheue und Doppelbilder.
Schwfndel Ä Nasensecretion Ver-
Als objective Zeichen ““f®“« ® enwnrze l wie des inneren oberen
iVickunK und Anschwellung der Nase manchmal Erkrankungen
Orbitalrandes, Sedem, Sebstörungen)
de3 Orbitalinhaltes (Dislocation diagn03ti8ch es.Hilfsmittel
Gehirnerscheinungen. Als 8 von aussen anzusehen.
ist die Eröffnung des Sinus fronia Leiden8 scliliesst sich Verf.
In Bezug auf Beha "f‘ U "f ne d breK Eröffnung der Höhle ver-
denjenigen Antoren an.dm ein ^ völUge Verödung des Sinus
langen. Durch die °P er * t ‘.°" 1 “ t ” nd Resection der ganzen vorderen
durch Entfernung der Schleimhaut d durch ent8te ht eine flache
Stirnhöhlenwand “veichthcile bei möglichst geringer
Knochenrinne, m die man uw
Entstellung einheilen lässt. er8C hiencne Arbeit des Ref., der
za ,Schlussfolgerungen kommt, schemt
dem Verf. entgangen zu sein.)
f>) Zur Coxa vara. . zwischen Müller (Statt,
und Kocher. A ^rt"br e ÄSt™S Wesentlich, 'über
Tb? Angelegenheit hervorgeboben. der Arterie subclavia
ifisfranc. (Chirurg. Kiin,k
I . «ad e Ä e The,, jj- £
dieser Spalte ^ vÄtJnUndnng de, Bnbeiavin v^ngelmm
EÄ«ÄlMÄ&cbdem—,
8es ^DaiTverfnh^en'ist schon von Li s f r a n c angegeben. Kreeke.
Centralblatt für Chirurgie. 1896 No. ?•
1) F. Hofmeister: Ueber ^-scheinende Arbeit,
II. schildert unter Hinweis auf^^ Methode der
die nach seiner Ansicht für diP ^ ^ llo llen gewickelten Roh-
Catgutsterihsation, die in l11 Ä 24 Stunden, Kochen m Wasser
catßufs in 4 °/o Formahnlösung für ^4 btuu . Alkoho i m,t
ÄÄ— gut, die haet. Cnter.nehnng
ergab Keimfreiheit Wie deranheilung voll-
2) M. Hirschberg. Zur Frage
ständig vom Körper 8e 1ne Änsicht aufrecht erhäl ,
Polemik gegen K raus ej iin der H., seine 8olch e Haut-
dass zur Transplantation «»eh » ® ß dichte8) C utanes Ge ilssnetz
Imsitzen 6 oder solche! ^n denen künstlich, Hyperümie erzeugt »k
Centrnlhlatt für Gynäkologie. 1896 ’ ® soIs
Wochmtsciir. No 1, S* IT) vor dns, es nieh.^genuge™ - j
S25S* SL K° d Ä einiger
äsäSs’äs
mann behauptete Reizlosigkeit ® bei Geschwüren b»J-
W. nicht bestätigt; das Mittel, m ,, thei i intensive brennend
Wundhöhlen angewendet, erzeu f ® , dst ffnßirt, so ist seine Amven-
Schmerzen. Da Chinosol energisch adstii g ’ j gneter , als *. B -
S» Ausspülen der Vagina ledenfalb ungeeg^ 3-4 a , so
Die Bcdentuog des Chm..
sols als Äntisepticum. klinisch und bacteriologiscb nach
Verfasser haben das Chmosol k «ch Re8U ltaten gelangt.
ElT'DiebmSriologS
bÄnJSteüSÄSSt des” HMwnig
subcutanen Injectionen, die 0,2 g Clnno l 1)ien hier schwarz
d sno S » r i“nderdi^eren, hatten U--»
Farben.
(Diaconissenkrankenhaus Dresden.) v , | vem wftr en dem rotli venarot, —6“““' caneer’s
ausführlich zu besprechen 0 „i,i P otive und objective. Zu Vortrag: Zur Doyen sehen
erstens, 6 rechnet er *den S Stirnkopf8chmerz * Tie ^rnekempfmdlichkeit, nniis.
r* _t ^
10. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
233
Polemik gegen Sänger, der in seinem Vortrage nur von einer
Doyen'sehen Methode redet, während L. dieselbe Methode seit
1887 übt und in einem Vortrage 1893 durch Th. Landau hat
empfehlen lassen.
4) M. Sänger-Leipzig: Ueber Descensus und Pelvifixura
ovariorum.
S. unterscheidet 2 Grade von Descensus der Ovarien: D. la¬
teralis, wo das Ovariura neben dem Uterus liegen bleibt, und
D. posticus s. retrouterinus, wo es hinter den Uterus herab bis
zum Fornix gelangt. Als Ursachen des Descensus wurden bisher
beobachtet Traumen, Puerperium, Lage Veränderungen des Uterus,
Inversio uteri, Ausweitung der Fössa retroovarica und recto-uterinn
nach Entfernung von Tumoren, abnorme Vergrösserung des beweg¬
lichen Ovariuru und neuerdings auch die vaginale Köliotomie. Die
Behandlung kann nichtoperativ und operativ sein. Letztere bestand
bisher in Castration, Resection der Ovarien, Ignipunctur etc. Hierzu
fügt S. als neues Verfahren die künstliche Befestigung der
Ovarien an der seitlichen Beckenwand in der Gegend
des Lig. Suspensorium. Diese Operation, die er «Pelvifixura
ovariorum» nennt und deren Technik im Original eingesehen
werden muss, hat S. bisher in 2 Fällen erfolgreich ausgeführt und
empfiehlt sie zu weiteren Versuchen. Ja ff 4- Hamburg.
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 28. Bd.
1. Heft. Berlin, A. Hirschwald. (Auswahl.)
1) A. Pick-Prag: Neue Beiträge zur Pathologie der Sprache.
P. berichtet über 6 Fälle von Sprachstörungen, die grösstentheils
zum Capitel der sensorischen Aphasie gehörten. Das Symptomenbild
der transcorticalen sensorischen Aphasie (mangelndes Sprach Verständ¬
nis?, Paraphasie, Paragraphie, Nachsprechen correct etc.) wird ge¬
nauer besprochen, insbesondere auch in seinen Beziehungen zur
Taubheit.
2) v. Leonowa-Zürich: Beiträge zur Kenntniss der se-
cundären Veränderungen der primären optischen Centren und
Bahnen in Fällen von congenitaler Anophthalmie und Bulbus¬
atrophie bei Neugebornen.
7 Fälle: 4 von Anophthalmie, 3 von Bulbusatrophie. Die
Resultate bestätigten unsere anderweitig schon gewonnenen Kennt¬
nisse vom Verlaufe der optischen Bahnen.
3) Br uns-Hannover: Klinische und pathologisch-anato¬
mische Beiträge zur Chirurgie der Rückenmarkstumoren.
Brun8 tbeilt in dankenswert!) ausführlicher Weise den Ver¬
lauf von 2 Fällen mit. In beiden Fällen (Sarkom der Lenden- resp.
der oberen Brustmarkgegend) war trotz der exacten Diagnose des
Höhenaitzes die vorgenommene Operation ergebnislos. Im ersten
Falle wurde der Tumor nicht gefunden, im zweiten zwar entfernt,
aber ohne Erfolg. Wichtig ist vor Allem für den operativen Ein¬
griff die Bestimmung der oberen Grenze des Tumors. Die Prognose
der Operation ist sehr zurückhaltend zu stellen, bisher ca. in ’/3 der
Fälle nicht ungünstig.
4) Na ecke- Hubertusburg: Die Menstruation und ihr Ein¬
fluss bei chronischen Psychosen.
An einem nicht sehr grossen statistischen Material weist N.
nach, dass der Einfluss der Menstruation auf den Gang des Leidens
ein relativ geringer und oft inconstanter war.
5) Troemner: Beitrag zur Kenntniss der Störungen
der äusseren Sprache, besonders bei multipler Sklerose und
Dementia paralytica. (Psych. Klinik, Jena.)
6) Koeppen: Der Querulantenwahnsinn in nosologischer
und forensischer Beziehung. (Psych. Klinik der Charitd.)
Das ‘Queruliren» ist ein psychopathisches Symptom, das aber
nicht einem klinisch einheitlichen Erkraukungsprocess entspricht.
Es kommt vor bei der Paranoia chronica, der Dementia senilis,
dem Alkoholismus etc. Das Wort «Querulantenwahnsinn > ist aus
praktischen Gründen in Gutachten zn vermeiden.
7) Bo edeker- Lichtenberg: Anatomischer Befund bei einem
Falle von chronischer nuclearer Augenmuskellähmung. (Troch-
leariskern intact.)
8) Ludwig-Heppenheim: Entwurf eines Lageplans für
die psychiatrische Klinik in Giessen.
9) Minor-Moskau: Klinische Beobachtungen über centrale
Haematomyelie.
Mittheilung von drei nur klinisch untersuchten Fällen. Zwei
waren nach Trauma, einer spontan apoplektiform entstanden. Die
Abgrenzung von der Syringomyelie ist nicht immer sicher möglich.
10) Treitel-Berlin: Ueber Heterotopie der Wortlaute.
Chr. Jakob Bamberg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 9.
1) Stadelmann: Ueber Cholagoga. S. a W. 1896, S. 187.
2) H. Oppenheim: Zur Lehre von der multiplen Sklerose.
Im Anschluss an seine früheren Arbeiten weist 0. zunächst
darauf hin, dass die multiple Sklerose häufig auf eine Intoxication
rurückzufübren ist. Von 28 genau examinirten Kranken waren 11
für längere Zeit in innige Berührung mit Giften gekommen (Blei,
Kupfer, Grünspan, Zink, Anilinfarben, Kohlenoxyd). 0. zeigt, wie
wichtig es ist, den allerersten Anfängen der Krankheit nachzugehen,
aase man häufig den Beginn der Erkrankung bis in die Kindheit
iirück verfolgen kann.
Atypischer Verlauf der Erkrankung ist nicht selten. Bei einem
Patienten kam es zu einem tiefen Verfall der Intelligenz, bedingt
durch eine schwere Affection des Balkensystems. Viele Fälle zeigen
eine ausgesprochene Neigung zur Rückbildung, so dass der Unter¬
sucher geneigt werden kann, die ursprünglich gestellte richtige Diagnose
fallen zu lassen. Das Zittern der multiplen Sklerose ist nicht nur
an die intendirten Bewegungen geknüpft, sondern kann auch bei
den Mitbewegungen, den Reflexbewegungen, den automatischen und
Affectbewegungen hervortreten. Bei manchen Kranken kommt es zu
vorübergehender Demenz und Verwirrtheit von verschieden langer
Dauer.
3) Kirsteiu: Zur Operation der adenoiden Vegetationen
des Nasenrachens. (Senator'sche Klinik und Poliklinik.)
K. empfiehlt ein neues, wie es scheint, zweckmässiges Instru¬
ment zur Entfernung der adenoiden Wucherungen. Dasselbe besteht
aus einem langgestreckten, annähernd rechtwinkligen Rahmen, welcher
vorn über die Fläche aufgebogen ist, hinten auf einem Stiele sitzt.
Der vordere Querbalken des einem Wundbaken ähnelnden Instru¬
mentes ist an seiner inneren Kante scharf geschliffen.
Die Ausführung der Operation gestaltet sich genau wie bei
dem Gottstein'sehen Instrument.
Das Messer ist zu beziehen von Pfau, Berlin NW., Dorotheen*
Strasse 67. Preis 6,50 M.
4) Zielinski, v. Nencki und Karpinsky: Die Entzün¬
dung der Tenon'sehen Kapsel (Tenonitis) und ihr Verhältniss
zur sog. Hundestaupe. (Laboratorium der Warschauer Hospitäler.)
Die Ten 011 'sehe Kapsel stellt bekanntlich eine lockere Fascie
dar, welche drei Viertel der Augapfeloberfläche von hinten um¬
spannt und einerseits an die Albuginea bulbi, andererseits an den
Orbitalrand anknüpft. Die Entzündung führt zu charakteristischen,
durch die anatomischen Verhältnisse bedingten Erscheinungen.
Die Verfasser haben eine ganze Epidemie dieser Erkrankung
beobachtet und ihre Coutagiosität von Mensch zu Mensch sicher
erwiesen. Sie sahen auch regelmässig charakteristische Allgeniein-
erscheinungen, wonach die Tenonitis als eine acute Infectionskrankheit
aufzufassen ist. Eine gleichzeitig bei einem Mops der betreffenden
Familie auftretende Erkrankung von durchaus ähnlichen Erschei¬
nungen wurde als Hundestaupe erkannt, upd es wurde erwiesen,
dass die letztere auf Menschen und umgekehrt übergetragen werden
kann. Die Ursache beider Erkrankungen bildet ein dem Staphylo-
coccus albus ähnlicher Mikroorganismus. Kr.
Deutsche medicinischc Wochenschrift 1896, No. 10.
1) W. Fi lehne: Beiträge zur Lehre von der acuten und
chronischen Kupfervergiftung. (Aus dem pharmakologischen
Institut der Universität Breslau.)
Während das weinsaure Kupferkalium und -Natrium, wie F.
bereits in einer früheren Mittheilung (D. med. W. 19, 1895) erwähnt
hat, schon nach kurzer Anwendung und in kleinen Dosen die
charakteristischen Zeichen einer Kupfervergiftung zu erzeugen im
Stande ist, zeigen sich die Cupratine, die Kupferalbumine bei
interner Darreichung im Wesentlichen als ungefährlich, umsomehr
als sie als Emetica wirken und so selbst wieder für ihre Entfernung
sorgen. Gefährlicher sind die fettsauren Verbindungen des Kupfers,
besonders das Kupferstearat, bei längerer Anwendung desselben
treten deutliche Vergiftungssyniptome auf. Es finden sich Degenera¬
tionsveränderungen in den Organen, Pigmentablagerung in der
Leber, in schwächerem Grade auch in den Nieren. Demgegenüber
ist die Giftwirkung des metallischen Kupfers eine sehr geringe.
Immerhin sind seine Wirkungen auf den Organismus derartige,
dass sich bestimmte Vorsichtsmaassregeln für die mit Metallstaub in
Berührung kommenden Arbeiter empfehlen.
2) K. Oestreich - Berlin: Plötzlicher Tod durch k Ver¬
stopfung beider Kranzarterien.
Beginnende Arteriosklerose bei einem 32 jährigen, sonst gesunden
Individuum, seltene polypöse Form parietaler Thrombose, deren
eigentümlicher Sitz den Verschluss der beiden Coranararterien
verursachte.
3) A. Neu mann: Ueber Mastdarmdivertikel. (Aus <ler
chirurgischen Abtheilung des städtischen allgemeinen Krankenhauses
am Friedrichshain in Berlin, Dir. Prof. E. Hahn).
Divertikellartiger Anhang des Rectums, der deutlich den Typus
der äussern Haut trägt', aber mit dem Mastdarm an'einer Stelle
zusammenhängt, an welcher derselbe schon mit Schleimhaut aus¬
gekleidet ist. Bemerkenswerth ist die in diesem Falle vorliegende
Heredität. Operation mit Heilung. 0
4) E. Holländer: Zur Frage der nicht puerperalen In¬
versio uteri. (Aus der chirurgischen Abtheilung des jüdischen
Krankenhauses Berlin. Dir.: Prof. J. Israel.)
Fall von Inversio uteri completa ohne eigentliche Veranlassung
im Uterusfundus ein breit auf sitzendes Myom. Da nach dessen
Abtragung die Reposition noch nicht möglich, in einer zweiten
Sitzung Amputatio uteri oberhalb der Cervix. Controverse mit
Schauta über das Zustandekommen*solcherJInversionen.
5) Determann-;st. Blasien: Casuistischer Beitrag zur
Kenntniss der Migräne. (Schluss folgt.)
6) W. Ebstein: Einige Mittheilungen über die durch das
Maul- und Klauenseuchengift beim Menschen veranlassten
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MÜNCnENEU
No. 10.
9.M ---- grösstem Interesse ist nun die Aetiologie
Krankheitserscheinungen. (Au. der „edicinischen VmmM* der ge " an „tc. V " "Üb™/'mehreren .Tahreu von einem
Klinik in Göttingen.) (ßc Ufas a ' er klar erwiesener Infec- Die Patientin war' n.un Unterlcibsbescli worden operirt
Bericht über einige Fitlle nicht mmB CheQ Et wa 8-4 tägige hiesigen Gynäkologen "egen vag naell einiger Zeit die
SrsSSSs v=?=£S
Ss tssrsüVAVsu^. “c“ jrcruär
Klauenseuche. -- rictl , M „ Fra» willigt« cm und ^
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbcricht)
Sitzung vom 26. Februar 1896-
Herr Ewald: Bericht ..“£ r r ^TpUwöse“
l^ySÄ Falles von Botriocephalu,
"n wtd"«Id er beiden wollte das. Pa« am folgenden
Tage sein Todesurtlieil in der Zeitung lesen konnte.
Die Besserung war, wie erwartet nur eine vuiü
gewesen und vor einiger Zeit erfolgte de Jo^dcn^ ^
dclndc Arzt, ^rrPr^P^en c ‘ 11 ^ abzuwehren suchte,
fusion von defibnmrten Blut vergem des Verdau -
Die Section ergab led^eine ^ stcllcn weisc auch
ungstractus, er. » Cl Primäre oder schon eine Folge
der Muscularis. Ob dieselbe das unentschieden,
der Bluterkrankung gewesen, lässt Vortragender
Herr Ewald liess auch eine Bestimmung des Eisengehaltes
der Leber vornehmen; derselbe betrug 0,693 l>roc. gegen 0,078
1,1 dC1 I,n N Tnsehlu.ss hieran demonstrirt Herr Ewald einen Mann
Ti,“ t welcher im verflossenen Jahre an einer schweren Anämie
litt die sich nach einer erfolgreichen Bandwurmcui 1-x r -
5 mf mar.)mh Abgang eines Botriocephalu. atus rasch
besserte und jetzt völligem Wohlbefinden gewichen ist.
r . i. .L Ai
uuu jvvm/ • e- .
D i ß C u s s i o n: Herr V i rchow fragt » y entfernt worden
wLT'S 8 weist n fe d rner e auf die“ jetzt constatirte Ausbreitung des
bar seien.
Herr Meissner: Ueber elastische Fasern in ge¬
sunder und kranker Haut. . , ,
Mit Hilfe der Orcein-Färbung hatte Vortragender eingehende
Studien über obige Verhältnisse gemacht.
Wir verweisen bezüglich der sehr interessanten,
kurzem Bericht nicht so sehr geeigneten Details auf ^hip.
mittheilung.
Sitzung vom 3- März 1894-
Herr Abel: Eine neue Indication zur Sectio caesarea
nach Porro.
Vortragender wurde zu einer Zweitgebärenden geraten:: Fracht-
wasser zum Theil abgeflossen und auch etwas Mecon,um entleert,
Vagina schlauchförmig aus^zt^n, Muttermund hoch b unJ
Gegend des vorletzten Lendenwirbels, fundus Uten a ^
Xä“ •A'” ?S£
der Lenden Wirbelsäule fühlbar. Herztöne schwach. A. entecbl.esst
iiach^^sl'unden'operatioi^' ^E^wird'^tdn^asphyktisclies imd iliclit
Uterus nahm A. desshalb vor, weil der Uterus an i „sdbe
Bauchwand fest verwachsen war und eine neue Gonception d
Gefahr bedingt haben würde.
rau dic Ursache der Lebensgefahr,
Ä aJTa» d.tht nachträgüche “t gebracht
wurde ' , diesen Anlass, um gegen die Opcvir-
^’SÄ. »"<• «» IÄat— -»
Front zu machen. . vernünftigen Therapie
. ^fDesitef^rer normalen Organe geblieben es wären
„.eilt blos im Bcsrt/. t gcWicbciI) von denen jede
’tr^U ir A.er- — "—»<«“ A " w
kann - , 8 : c l, von den zahllosen Operationen
l!„d gm aug andcrcn Ursachen vornehmen,
sagen, die die G>nä g unbedeutendes
Wie die seltensten
Leiden genannt werden kann, das go ^ ^ ä , inUc h
*•»?• tST Äk» Adnexerkrankungen sagen,
dl t ^ung £ = ~ "
Bedenke man, da», bet einer Mortahtot ™ „ M ,, meta in
wogen Adnexerkrankungen cine 0peratic „ „„ dieser
Folge der Operation starb . ^ M den Utcrumtyomcn),
Krankheit gestorben war ( < unberechtigt und uuverant-
so zeigt diese Erwägung sc 10 , ^ n M . m m « gc doch
wörtlich das Vorgehen vice . 1 , | die unbedeutendsten
endlieh bedenken das, selbst u»■ Anschluß an
5S Ä worden sind, nur die Indicationen ,« Opera-
**■ ÄÄÄ *- “ te dc ”
Vortrag dos Herrn Mackenrodt statt.
Dorr Rosenheim: Ueber Gastroskopie.
Vortragender demonstrirt das
von Moditicatiouen angebraeh stnd Ente tose ^ ^ d ass
lässt sich ohne Abb'ldung me i ^h ^ aW», starre,
das Instrument eine 68 cm lange un xx
gerade Mctallröhre darstellt wo eh noch 2 rengto
5
% “a rjsrs
dieser Untersuchungsmethodc schränkt ' Vj« ausreichen
cngc ein, da einerseits
und andererseits eine Anzahl von • k . ausg eschlosscn
mit Lcbercirrhose, Hcrstehlern) von vornhemn au g ^
werden müssen. Herr Ewald wo», auf un „.
Methode hin und tragt Vortragenden ob er
genehme Erfahrungen damit gemacht habe.
Fortsetzung der Discussion vertagt.
Zum Bericht vom 5. Februar 1896- ^
Herr Professor Schüller legt niheumatismus
legcntlich Beiucr Demonstration vom ihn seine
bacillen» gesprochen habe — ‘im Geg: , Zusammenhang
früheren Untersuchungen dazu, emen genet dem acut en
der chronisch-rheumatischen Gelenkentzündung ^ ^ nirgendB be-
Gelenkrheumatismus zu verneinen, - und d ßaciUen z»
hauptet habe, es sei ihm leicht geworden, die Kohn
züchten.
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Gooule
10- Mär* 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
285
l
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Discussion über den Vortrag des Herrn Renvers: Ueber
chronischen Ikterus.
Herr A. Fraenkel glaubt zwar mit Herrn Renvers, dass
eine gewisse Anzahl der Falle von sogen, katarrhalischem Ikterus
auf eine Infection zurückzuführen sind, hält es aber für zweifelhaft,
ob man die übrigen Fälle als toxische betrachten darf. Man müsse
den Begriff des katarrhalischen Ikterus doch festhalten. Dass bei
Steinen nicht immer Ikterus auftritt, ja häufig fehlt, kann er
bestätigen. Wenn die Steine eitrige Entzündung der Gallenwege
bewirken, kann es zum Ikterus kommen, ohne dass ein Verschluss
der Gallenwege besteht.
Herr J. Mayer hat chronischen Ikterus Jahre lang bestehen
und erst mit der Entleerung von Steinen verschwinden sehen.
Herr Litten erinnert daran, dass man jetzt nicht mehr eine
periodische, sondern eine continuirliche Secretion der Galle an-
nebme. Er konnte dies auch kürzlich nach der Exstirpation eines
Echinococcus beobachten und hatte dies auch früher experimentell
erwiesen.
Herr H. Kohn berichtet über einen Fall, der den Uebergang
eines chron. Stauungs- in einen Infections-Ikterus illustrirt und
wegen seiner Aetiologie (Tuberculose an der Porta hepatis)
zu den grössten Seltenheiten gehört.
Durch die Tuberculose war es erst zu Compression der Gallen¬
gänge und Pfortader und nach mehreren profusen in Folge der
Pfortadercompression entstandenen Hümatemesen zur Infection der
Galle und von da des Gesamratorganismus gekommen. Tod des
19jährigen Mannes nach einjähriger Krankheitsdauer.
Herr Freyban führt als eine besondere Form des toxischen
Ikterus die von ihm gemachte Beobachtung an, dass eine gewisse
Kategorie von Bleikranken das Begleitsymptom des Ikterus dar¬
bieten und zwar handelt es sich fast ausnahmslos um bleikranke
Arbeiter aus Accumulatorenfabriken. Dieser Ikterus entsteht plötz¬
lich und vergeht nach 2—3 Tagen; keine Entfärbung der Stühle.
Den katarrhalischen Ikterus fand er häufig bei atrophischer
Lebercirrhose.
Herr Stadelmann kann Renvers darin nicht beistimmen,
dass der «katarrhalische» Ikterus gar nicht oder nur selten existire.
Dass bei katarrhalischem Ikterus in einer Anzahl von Fällen die
Stühle nicht entfärbt sind, braucht noch nicht so gedeutet zu wer¬
den, als ob nun gar kein mechanisches Hindemiss für die Gallen¬
entleerung bestünde und der Ikterus ein rein toxischer sei. Es
kann doch die Schwellung der Schleimhaut nur gerade so gross sein,
dass sie zur Stauung der Galle führt, ohne einen Abfluss ganz und
gar zu verhindern.
Herr Karewski spricht über die Chirurg. Seite der Frage.
Herr Ewald macht auf die Möglichkeit einer nervösen Ur¬
sache des Ikterus aufmerksam und weist auf die manchmal vor¬
handene Bedeutung der Magensaftuntersuchung für die Differential-
diagnose zwischen Ulcus ventriculi und Cholelithiasis hin.
Herr Leyden kann nicht zogeben, dass der hämatogene
Ikterus völlig negirt wird und weist auf die Entstehung von Ikterus
nach Einverleibung von Blutgiften hin. H. K.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
Medicinische Section.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. Februar 1896.
Dr. von Beck: Ueber Punction der Gehirnseiten¬
ventrikel.
Vortragender stellt 3 Fälle von Gchirnaffeetionen vor, die
out Vermehrung des Ilirndruckes einhergingen, und bei denen
erfolgreich die Ventrikel punction ausgeführt worden war.
I- Fall. Exaeerbirendc chronischc Ot-itis media,
Meningitis scrosa, acuter Hydroccphalus, 3malige
Funktion des rechten G ehirnseiten Ventrikels, Heilung.
14 jähriger Knabe, mit 7 Jahren Otitis media nach Rachen-
mpbtherie, nach 3 Jahren Ausheilung derselben, 4 Jahre darauf
plötzlich Schmerzen im rechten Ohr, Abnahme des Hörvermögens,
AuBßtrablen der Schmerzen in die ganze rechte Kopfhälfte, Er¬
brechen, Benommenheit, kein Fieber. Nach 3 Tagen Verbringung
'!* .die chirurgische Klinik zu Heidelberg (26. Februar 1894). Deut-
k ^gesprochene Nackenstarre, Hyperästhesie des ganzen Körpers,
erhöhte Sehnemeflexe, Btarke Stauungspapillen, Puls 54.
, Ohr Trommelfell getrübt, verdickt, nicht perforirt, sehr schmerz-
P' a 8 Qose : Otitiscbe Meningitis, Verdacht auf Himabscess.
Anfmeisslung des Proc. mastoid., derselbe stark sclerosirt, in den
Ullulae und Cavum tympan. trübes Serum; Freilegung des Sinus
. 8 versu8 und des ßchläfenlappens, Sinns intact, Gehirn nicht pul-
sirend, Probepunction des Schläfenlappens weist keinen Himabscess
nach, Punction deB Seitenventrikels entleert 26 ccm
L'iquor cerebrospinalis. Danach Freiwerden des Sensoriums,
Ansteigen des Pulses auf 80, subjectives Wohlbefinden; Abnahme
der Stauungspapille. 10. Tag wieder Kopfschmerzen und Schmerzen
in allen Zähnen; 12. Tag Erbrechen, Unruhe, Puls 64, Benommen¬
sein, Erweiterung der Trepanationsöffnung, Punction des Stirn- and
Hinterhauptlappens negativ, Punction des SeitenveutrikeU
ergibt 40ccm klaren Liquor cerebrospinalis. Sofortiges
Verschwinden der Hirndrucksymptome. Am 22. Tag Wiederauf¬
treten von Drucksymptomen, Facialisparese, Blutung im rechten und
linken Augenhintergrund; 23. Tag Bewusstlosigkeit, Puls 44, III.
Seitenventrikelpunction, Entleerung von 40 ccm Liqu.
cerebrospinal. Danach Schwinden aller Gehimsymptome, Rück¬
gang der Stauungspapille, 32. Tag Aufstehen; 56. Tag kräftig und
gesund nach Hause entlassen. Wiedervorstellung nach 2 Jahren,
Patient ist vollständig gesund geblieben und ist vollkommen arbeits¬
fähig als Landwirth.
II. Fall. 3 Wochen alte complicirtc Fractnr des
rechten Stirnbeines, Oontusionahcrd des Gehirnes,
Htirn himabscess, Incision , eitrige Con vexitäta¬
rnen in gitis, acuter llydroceplialus internus, Punc¬
tion des rechten Gehirnseitenventrikels; Heilung.
4 jähriger Junge. Sturz aus dem 2. Stocke eines Wohnhauses
auf das Strassenpllaster, complicirte Stirnfractur ohne Lähmungen.
3 Wochen nach dem Unfall Einlieferung in die chirurgische Klinik
wegen Meningitis (29. Juli 1894). Bewusstlosigkeit, Puls 120,
Nackenstarre, Hyperalgesie, Exophthalmus, beiderseits Stauungs¬
papille, keine Lähmungen, Temperatur 39,5. Rechte Stirngegend
Splitterfractur mit Contusion des Stirnhirns, temporale Eitersenkung.
Erweiterung und Freilegung der Fracturstelle, Entfernung der
Splitter, Gehirn nicht pulsirend, Dura gerissen, eitrig. Auf Incision
des Stimhirns Eröffnung eines taubeneigrossen Marklagerabscesses,
Drainage. Anfangs Rückgang des Fiebers, Besserung des Allgemein¬
zustandes, vom 7. Tag ab wieder hohes Fieber, Prolaps des Stirn¬
hirnes, 11. Tag diffuse Convulsionen, im Gebirnabscesslager keine
Retention, 15. Tag Bewusstlosigkeit, starke Krämpfe, Abends Ab-
ducenslähmung rechts, links Parese des Facialis, Armes und Beines.
Punction des rechten Seitenventrikels, Entleerung von
40 ccm trüben Liquor cerebrospinalis, danach rasche Rück¬
kehr des Bewusstseins, Auf hören der Krämpfe, langsamer Abfall
des Fiebers, im Laufe von Wochen Besserung der Arm- und Bein¬
parese, Verschwinden der Stauungspapillen, nach weiteren 2 Monaten
geheilt nach Hause entlassen. 1896 Wiedervorstellung, keinerlei
Spuren von Abducensparese, keine Arm- und Beinschwäche mehr
vorhanden, Allgemeinbefinden vorzüglich, Lernen noch etwas ver¬
langsamt.
III. Fall. Tumor der hinteren Schädelgrubc
w a li r s c h e i n 1 i c h d e s K 1 e i n h i r n s, II y d r o c e p h a 1 u s
chronicus durch Blutstauung bei Druck des Tumors
auf die Vena G a 1 e n i. Osteoplastische Trepanation
der linken hinteren Schädelgrube, 3 malige Punct ion
des linken Seiten Ventrikels des Gehirnes. Besserung.
13jähriges Mädchen, gesunde Familie, als Kind Masern und
Scharlach. Mai 1893 plötzliches Zusammenstürzen beim Ballspiel
ohne Bewusstseinsstörung, danach Kopfschmerz, einige Wochen
darauf abermals Zusammenstürzen nach links, von da ab täglich
Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen, Oktober 1894 bis April 1895
etwas Besserung. September 1895 Abnahme der Sehkraft links,
Oktober 1895 Schwinden des Sehvermögens rechts, Unvermögen zu
lesen. Anfang Oktober schwerer epileptischer Anfall mit mehr¬
stündiger Bewusstlosigkeit, tonischer Krampf im rechten Arm. Da¬
nach hie und da Zuckung im rechten Bein. Ende Oktober Eintritt
in die medic. Klinik Heidelberg. Nystagmus, Stauungspapillen links
stärker als rechts, taumelnder Gang; Diagnose: Tumor der hinteren
Schädelgrube, Kleinhirnsitz; etwas Besserung auf Jodkali und Brom¬
kali. Wegen Zunahme der Sehschwäche zur operativen Therapie
nach der Chirurg. Klinik verbracht (17. Dezember 1895). Osteo¬
plastische Trepanation des os occipit. sin. Freilegung des Occipital-
himes und Kleinhirnes, Gehirn stark vorgewölbt, nicht pulsirend,
zur Entlastung Punction des Hinterhorn des linken Seiten¬
ventrikels, Entleerung von 40ccm Liqu. cerebrospin.
Darauf Erschlaffen der Dura und Eintritt von Pulsation. Palpation,
Inspection und Punction ergibt keinen Tumor der linken Kleinhirn¬
hemisphäre, Sitz wahrscheinlich im Wurm oder Vierhügelgegend.
Zurückklappen des osteoplastischen Weichtheilknochenlappens und
Schluss des Schädels. Am oberen Rand des Knochenlappens in
der Nähe der Gehirnpunctionsstelle Anlegung einer kleinen Knochen¬
lücke zur Vornahme später nothwendig werdender Punctionen. Fieber
loser Verlauf, Schwinden der Kopfschmerzen und des Schwindels,
langsame Besserung des Sehvermögens rechts. 20. Tag Aufstehen.
26. Tag leichte Kopfschmerzen, etwas Schwindel. 29. Tag zwei
Stunden nach psychischer Aufregung Verschwinden des Sehver¬
mögens, wirres Sprechen, Sinken des Pulses, Ansteigen der
Körpertemperatur, leichte Convulsionen, dann Bewusstlosigkeit,
Cheyne-Stokes'sches Athmen, sofortige II. Punction des Seiten¬
ventrikels durch die vorhandene occipitale Knochenlacke und
Entleerung von I20ccm Liqu. cerebrospinalis. Schon nach
Aspiration von 20 ccm Aufwachen aus dem Corna, Verschwinden des
Cheyne-Stokes'schen Athmens, Steigerung des Pulses auf 80, freie
Sprache; nach Beendigung der Entleerung der 120ccm vollständige
oogle
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MCNCHENR B MEDIOINISCH EJWOCHgNSCHBgT.
No. 10.
ZO O ____
Wohlbefinden, tägliches A^atehen der Pa t.entm im
Schwindel, dann aber abends V 5V schlaflose Nacht, gegen
?!*“<*•“ de, KörporteraperMur, S.nken
s Ä - Er ».
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V ° rtr i) C Bei "«1— "SÄital ü
hoi Jeden des ™ - ». W
bescitigung des pnmJrcn d • , ZcrrciM niig der Art.
w,,cUr, ’1
‘ k, Tw "i J:Ä
deren Sitz durch Mangel an Her • s - u " 1 'J" . odcr 7UV Knt- 1 wclc
‘der deren diagnosticirte Hage ^ ehroni- Med
fernung ungeeignete Begaffen f(ihron > sow ic bei den halt
schein llydroccphalus i mit rast . bcr und starker
diffusen Erkrankungen de. inalifl i„ die (ichirn- fläcl
Exsudation von Li.,u. cere ^ ^ primäre Leiden s g knl
Ventrikel, den Moni:" g 1 , 0 g5 sc i, c Product das die M ,
unanstastbar blubt, da- 1 , . i_ H vdrops d er V eil* 1 kan
weiteren schweren Erscheinungen > ( ; ebirn A „,
trikel, in Angriff zu nehmen, zu beseitigt n un rei <
zu entlasten. , (iehin.s geschieht durch Ab- JJJ
3 ) Diese Entlastung * a „gesammelten Liqu. cere- he ;
— - - sä ÄÄ =
»Ä—- S
Jen, Knoch.nl»,. „enrand wird m te ^ „
!ÄTÄ -*■« «*"*' . .. c
.
freien, möglichst ge fassarme > Stirnwiu- I S
entweder mm Stirnhir» an. " «• "" d ^ von «
dang, 3 cm oberhalb des die Tiefe, oder von *
3er Mittellinie, 3 ™*™Y”br 2 Centralfurche, 2,5 cm !
der Parietal gegen d aus 3 cm vor u ^ oine Tiefe 1
lateral von der Medianlinie naci a ■ Schläfenlappen I
r-rwEsÄ-“
des proc. mast., Tief . 3 4 < n Medianlinie, Tiefe
Protuberantia externa, 3 cm titerai
3 cm, llichtung direct nach vorn. cm lanecm
Punetionshohlnadcl von Strohhalm dicke u 7 I
rr irassrr
j“, tÄ ’Ä “re’^fnfee J,
irofn.hr für das Gehirn in sich schliesst. I
fe . 7) Die Gchirnvcntrikclpunction ist hei weitem der
0uin ckc’ sehen Lumbalpun ction des Rückenmarkdural
sa'cke s an Erfolg überlegen, da sic den Hauptansammlungsort I
dcs pathologisch vermehrten Liqu. cerebrosp entleert und nicht w
2 Lumbalpun ction oft einseitig nur den Rückcnmarkskanal
entlastet sobald durch Tumoren der hinteren Schadelgrubc oder
entzündliche Oblitcntionen die compensntomchen AhtobBnnngen
des IV. Ventrikels nach dem Rückenmark zu versch ossen «n .
SLh die alleinige Befreiung des Itückcnmarkdnra «aekes von
1 kn cerebrosp. gibt es eine arterielle Fluxion, die siel, auf
das Gehirn weiter fortsetzt, dort bei der schon bestehenden
serösen Stauung eine vermehrte Transsudation bewirkt und beim
Fehlen der compensatorischen Abflussvorrichtung des Liqu. cerebrosp.,
• • tin fl raind ZU Insufficienz
dessen Ventrikelhydrops s »ge des GcbirnC s führen kann.
der lcbcnswichMgen C tjon wcrden die i ob ens-
8) Durch dl ' ;c , n ,. wirl(un)!e „ sofort beseitigt und
bedrohenden Hirndru wiederholte Punctioncn
können bei Hir«tumoren von Hirndrucksymp-
in gewissen Zeiträumen Beschwerden des Leidens wesent-
tomen die qualvollen su Jecn Kranken verlängert werden,
lieh gemildert die Lebensdauer ta* kann dic
Rci cn tzün d 1 i ehern > , Circulationsverhältmsse
SÄtTÄ- - - - “
lung des Kranken führen.
Aerztlicher Verein zu Hildesheim.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 30. Januar 1896-
Br. Otto Snell *dt
vomTsTuguet 1894, Seite 697) «**
h ° ,U '’ Ü bestand an S«e *£-«*- Kopfhaut
Scheitelhöhe ist die MUgebiUteto Hau Mechanifjche Beschränkung
zuweilen an einzelnen Stel^nwieterf deg KranUen nicht zur
kam trotz der Anfangs hochgradigen un vor übergehend verab-
Anwendung, auch ^Ä^HoHung der Verletzung hat sich
reicht. Mit der allmählichen nenuiq, eingestellt. Die aus-
I eine auffallende Remission „ m dig verschwunden. Krank¬
reifenden Grössemdeen sind vollstän ^ 8einer Aufnahme
leinsicht besteht insofern, gewesen zu sein; jetzt hält
ie Anstalt nicht nehltag un Kopte g ^ vemünftige Pläne. Das
ich für gesund. Für . dl ® J u * un . J,„ e im Juli 18ü4 57 k, stieg
pergewicht betrug bei der f und beträgt jetzt,65 k. Die
n im Sommer 1895 bis auf b K ^ ergten Vorstellung nach-
mungserscheinungen, welche die p atel i arre fl e xe sind
sbar waren, sind ziemlich fttr dic Annahme einer
h sehr stark D.eser Fall Bpncht^se dauernde Eiterungen
,stigen Beeinflussung der Para y d ’ r ® h g e mac ht worden, durch
ÄÄÄ'Ä S. Verlauf de,
iorea chronica progressiva vor. ^ irrenangtalt
August W„ geboren a “ 17 ^^“Shch^ nicht schwer belastet
fgenommen am 4. Mai lö8 . 9 e ; n Bruder im Alter von
ind fiel durch gesteigerte Esslust aur verwendbar, ruhig
- r,
ÄtÄ“®-” d “ rch Beis9 “'
Extremitäten, des Rumpfes und igt undeutlich. Durch
nähme der Augenmuskeln. ^Bewegungen seiner Glieder
Ä““ -* schwe,g3,m
und stets heiterer Stimmung aufgenommen am
Friedrich R., geboren am 9 J: P K b e lite sein, doch s.nd d.e
30 November 1895, soll erblich nicht b ®‘ a f‘ el fiher ’ 8e in Vorleben,
Nachrichten über dieMnmit, ist verheiratet
mangelhaft. Er machte den Feldzug l»M egannen unwiBWr
und Vater von 3 Kindern. Vor lb Janrei » erbre iteten
liehe Zuckungen in der rechten Sch ^ r ‘ Kö ^ «id nahmen an
sich diese Störungen über _ d ®" ®^SteS&e Arbeitsunfähigkeit
SÄ “-»SS- der sti,Bse t
Ä Ld SJ
osp, ausgebildet. Der Kranke kann zwar gehen, sems
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10 . März 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
237
macht bald grosse, bald ganz kleine Schritte Auch die Muskeln
des Gesichtes sind in beständiger Erregung, nur die Augen bleiben
ruhig. Die Sprache ist schwer verständlich; es werden gewöhnlich
einige Worte hastig ausgestossen, dann erfolgt eino längere Pause.
Der Kranke kann allein essen, schüttet sich aber dabei viel über
die Kleider. Die choreatischen Bewegungen werden geringer, wenn
R. es unternimmt, mit Anstrengung seiner Willenskraft bestimmte
Bewegungen auszuführen. Die Patellarreflexe sind sehr stark. Am
linken Obre sieht man die Reste eines alten Othftmatomes, das durch
Anstossen in Folge der unwillkürlichen Bewegungen erworben war.
Der Kranke ist blödsinnig, spricht sehr wenig, ist am Tage ruhig,
verlässt aber Nachts oft sein Bett.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 20. Januar 1896.
Herr B. Fischer: Ueber im Magen einiger Säuge-
thiere vorkommende Spirillen.
Die zuerst von Bizzozzero im Hundcmagcn und zwar auch im
Protoplasma sowie in Vacuolen der Belegzellen beobachteten dünnen,
3—8 ft langen Spirillen hat Herr Hugo Salomon im hygie¬
nischen Institut zu Kiel zum Gegenstand eingehenderer Unter¬
suchungen gemacht. Dieselben fanden sieh im Saft und Schleim
des Magens, sowie in den Pylorus- und Curvaturdrüsen bei älteren
Hunden, Katzen und Ratten, konnten dagegen beim Menschen,
Affen, ltind, Schwein, Eichhorn, Meerschweinchen, Kaninchen,
Maulwurf, sowie bei der Haus- und Feldmaus, ferner hei der Eule,
Krähe und Taube bisher nicht aufgefunden werden. Sie fehlten
bei Hunden und Katzen, so lange sie noch gesäugt wurden, regel¬
mässig, sie wurden bei Hunden frühestens am 27. Lebenstage,
bei Katzen erst in der 9. resp. 13- Lebenswoche gesehen, werden
also anscheinend erst nach der Entwöhnung mit der Nahrung
aufgenommen. Nach ausschliesslicher Fütterung mit spirillcn-
haltigcn Hunde- und Katzenmägen fanden sich die Spirillen
übrigens auch bei der weissen Maus — bei der sic für gewöhn¬
lich stets vermisst wurden — im Magen, woselbst sie in grossen
Massen bis zum Grunde der Schlauchdrüsen reichten, während sie
sonst hauptsächlich nur am Eingang desselben beobachtet wurden.
Krankheitserscheinungen bezw. krankhafte Veränderungen an den
Organen waren bei den Thicren mit spirillenhaltigem Magen nie
wahrzunehmen, im Darm konnten sie nie aufgefunden werden.
Waren überhaupt Spirillen im Magen vorhanden, so kamen
regelmässig 3 Formen vor, wie sie die herumgereiehten Photo-
gramnic zeigen, die von Präparaten des spirillenhaltigen Magen¬
schleimes im hängenden Tropfen bei 500 bezw. llOOfaehcr Ver-
grösserung aufgenommen sind. An» häufigsten vertreten waren
hier verhältnissmässig dicke Schrauben von 7—9 dicht aneinander
gerückten Windungen, deren Durchmesser meist nach der Mitte
hin zunahm, wodurch eine rhombische Umrissfigur entstand.
Seltener fand sich eine zweite Form aus längeren, dünneren,
15—24 Gänge aufweisenden Schrauben bestehend, bei denen die
Windungen einen weit kleineren überall gleichen Durchmesser
anfwiesen, und noch dichter als bei der ersten Form aneinander
gerückt waren. Hier bildete die Längsachse nicht selten einen
schwach gewölbten Bogen. Ebenfalls seltener angetroffen wurde
eine dritte Form mit regelmässig nur 2—5 mehr auseinander¬
gezogenen Windungen von derselben Leibesdicke wie die erste
Fora und daher möglicherweise derselben Spirillenart wie diese
angehörig, während die zweite Form wahrscheinlich einer besonderen
Art zuzurechnen ist.
Die Spirillen, frisch dem Körper eutnomuicn von lebhafter,
bohrender Bewegung, behalten dieselbe im hängenden Tropfen bei
Zimmertemperatur 24 Stunden und länger bei, sie zeigen zuweilen
ausser der bohrenden Bewegung noch eine leichte Krümmung in
der Längsachse. Beobachtet man die zur Ruhe gelangten Schrauben
bei künstlicher Beleuchtung mittelst Auer'schem Gasglühlicht, so
bemerkt man an jedem Ende einen geraden, an Länge dem Ab¬
stand von etwa 3 Waldungen entsprechenden, in der Dicke an¬
fangs dem Spirillenleib nahe kommenden, weiterhin sich allmählig
verjüngenden Fortsatz, wie ihn auch die Photogramme mehrfach
deutlich wiedergeben. Unterm Mikroskop erscheint dieser Fortsatz
manchmal wie aus lauter einzelnen, feinsten parallelen Fäden zu-
8 * n miengesetzt. Die Geisaeifärbung stiess, da es nicht gelang die
Spirillen genügend vom Schleim zu befreien auf Schwierigkeit, bei
der von Nicollc-Morax empfohlenen Modification des Löffler¬
sehen Geisselfärbungsverfahrens erschienen die Schrauben auf¬
fallend dick und fanden sich, glcichgiltig ob es sieh um längere
oder kürzere Spirillen handelte, stets an beiden Enden gleich lange
gefärbte Fortsätze, ähnlich wie im ungefärbten Präparat, aber
regelmässig von welligem Verlauf. Eine Zusammensetzung aus
Einzelfädeu, wofür die Dicke der Fortsätze sprach, konnte liier
indess mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden.
Zur gewöhnlichen Färbung der Spirillen in Ausstrichpräparaten
wurden Ziehl’sches Fuchsin und Loeffler’sches Methylenblau
verwandt, die Spirillen blichen 1—3 Tage in der Loeffler'sehen
Farbflüssigkeit. Im Ausstrich des Magcnschlcims sind die leicht
gekrümmten Schrauben ähnlich wie die Kommabacillen, im Aus¬
strich einer Darmstrecke bei der Cholera in parallel verlaufenden
Zügen angeordnet. Ein Photogramm eines solchen Ausstrichs, bei
4o0facher Vergrösserung aufgenommen, kann auf den ersten
Blick wohl für ein Photogiamm von Kommabacillen gehalten
werden, erst, genaueres Zusehen bezw. die Anwendung der Loupe
schützt vor einer solchen Verwechslung, indem an den hakenförmig
gekrümmten Gebilden jetzt die korkzielierförmige Gestalt deut¬
lich wird.
Auf Schnitten fällt die Längsrichtung der Schraube mit der
Längsachse der Drüsenschläuche zusammen. Mehrere der vor¬
gezeigten Photogramme geben die zahlreichen zierlichen Schrauben
im Lumen der Drüsen besonders schön wieder.
Die Spirillen finden sich auch innerhalb der Belegzellen
und zwar oft zu mehreren bis zu 9 Stück in der Zelle. Manche
liegen mitten im unveränderten Protoplasma, bei anderen ist das
Protoplasma in der nächsten Ileihe stärker körnig, oder es hat
sich wohl auc-h eine Strecke weit zurückgezogen, so dass die
Spirillen in Lücken des Protoplasmas zu liegen scheinen. Nicht
selten aber fanden sie sich in präformirten. ringförmig den Kern
umfassenden Lücken, und häufig in den Vacuolen. Wiederholt
wurde beobachtet, dass diese Vacuolen mit dem Prüsonlumcn in
Verbindung standen, und gewann man in den Schnitten den Ein¬
druck, dass die Spirillen vom Drüsenlumcn aus in die Vacuolen
hineintreten.
Anhaltspunkte für eine etwaige, phagocytärc Wirkung der
Bclegzellen gegenüber den Spirillen bezw. gegenüber Leucocytcn,
die ihrerseits Spirillen in sich aufgenommen gehabt hatten, dass
etwa die Belegzellen eine phagocytärc Wirkung zu entfalten und
auf diese Weise die Spirillen in sich aufzunclmien vermöchten,
ist nicht wahrscheinlich, da bei zahlreichen Fütterungsversuchen,
hei welchen wcissc Mäuse längere Zeit hindurch grössere Mengen
von Culturcn pathogener Bactcrien (Cholera, Milzbrand u. s. w.)
bezw. von Karminaufsehweuimungen erhielten, später innerhalb
der Belegzellen nichts von den betreffenden Bactcrien bezw. vom
Karmin wahrzunehmen war. Auch Hess sieh bei mit Mäuse-
septichämic subcutan geimpften Mäusen eine irgendwie nennens-
werthe Aufnahme des Septichämieerreger seitens der Belegzellen
nicht beobachten.
Züchtun gsversuche in mit 0.1—0,5 Proeent Salzsäure ver¬
setzter Bouillon bezw. Peptonlösung, auf mit Magensehlciin ver¬
setztem Agar bezw. Glycerinagar, sowie auf Magenschleim, humor
aqueus u. s. w., blieben, trotzdem sie mehrfach wiederholt wurden,
ebenso erfolglos wie solche auf dem gewöhnlichen Nährböden.
Herr Hochhaus spricht über die secundären De*
generationen im Rückenmark unter Vorzeigung von mikro¬
skopischen Präparaten.
(Der Vortrag wird anderweitig publicirt.)
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 7. März 1896.
Die Zukunft unserer Kliniken und Institute._Die
Verstaatlichung des poliklinischen Unterrichtes. — Locale
Behandlung des Magens. — Acquirirte Syphilis bei einem
Kinde in Folge der rituellen Clrcumcision.
Letzthin hat unsere oberste Unterrichtebehörde vom Ab¬
geordnetenhause die Mittel zur Errichtung mehrerer medicinischer
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238
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
Univcrsi tätsinstitute in Wien votirt erhalten. Nach der Regierungs¬
vorlage soll unsere Facultät zwei vollkommen selbständige physio¬
logische Institute, ein histologisches und ein embryologisches Institut,
endlich mehrere klinische Laboratorien erhalten. Alle diese sowie
das hygienische Institut, dessen Neubau mit 900 000 fl. ebenfalls
feststeht, sind bislang in völlig unzulänglichen Localitätcn unter¬
gebracht, die zum Theile sogar baufällig sind — für keinen Fall
jedoch unserer Facultät zur besonderen Ehre gereichen.
Auch die Misere, welche hinsichtlich des Raummangels an
allen unseren Kliniken herrscht, soll endlich und dauernd beseitigt
werden. Wie officiell verlautbart wurde, sollen die Gründe der
dermaligen Landes-Irrenanstalt, welche selbst natürlich auf's Flach¬
land verlegt wird, zur Verwendung gelangen, um auf denselben in
14 Pavillons 18 Kliniken mit einem Belagraume von 1700 Betten
zu errichten. Deui Projecte zufolge, welches jüngst von der
Statthalterei dem Unterrichtsministerium vorgelegt wurde, sind die
Pavillons zwei Stockwerke hoch gedacht, mit IIörsälcn von je
100—250 Hörer. Eine Riesenküehe, ein Central-Dampfbad, ein
chemisches Institut, eine Wasserstation, Aufnahms- und Diener¬
gebäude etc. sind zur Vervollständigung der Anlage ebenfalls daselbst
in Aussicht genommen. Das gegenwärtige allgemeine Krankenhaus
soll auch fernerhin mit einem Belagraum für 1010 Betten erhalten
bleiben und mit den neuen Anstalten direct in Verbindung ge¬
bracht werden. Die Kosten des Projectes sind mit 11 '/* Millionen
Gulden berechnet, wovon 4,3 Millionen Gulden auf den Ankauf
der Irrenhausrealität entfallen. Das wäre nun wohl sehr schön,
wenn es nun endlich einmal zu Stande käme; leider dürfte
noch einiges Wasser die Donau abwärts flicssen, bis unsere «Kaiser-
Universität » derart ausgestattet ist, wie sie es ihrem altehrwürdigen
Ruhme und ihrer riesigen Hörerzahl nach wohl längst verdient hätte.
Haben die Hörer ihre liebe Notli an einzelnen Kliniken,
die sie frequentiren müssen, leidet hiedurch naturgemäss auch
der Unterricht und die practische Ausbildung der Mcdicincr, so
haben auch einzelne junge Doccnten ihre liebe Noth, Hörsäle für
ihre Kurse und Uebungcn zu acquirircn und schliesslich muss
das ambulante Material oft stundenlang auf die Behandlung warten,
zusammengepfercht in engen , überheizten Gängen , oder in den
Krankenzimmern selbst, im Angesichte ihrer ebenso bedauerns-
werthen Socii malorum.
Da wurde jüngst im Wiener Professoren-Collegium der An¬
trag gestellt, den Assistenten der Kliniken und Institute die Ab¬
haltung von Privatkursen an Studirende zu untersagen und
das liegende Krankenmaterial mehr für die Privatdoccnten der
betreffenden Fächer zu reserviren. Dieser Antrag wurde im Col¬
legium einem Comite zur Vorberathung zugewiesen. Inzwischen
wird im Unterrichtsministerium der Plan ventilirt, ob es sich
nicht empfehlen würde, die Wiener Poliklinik, bisher ein Privat¬
institut , zu verstaatlichen, so dass der Unterrichtsfond für die
Erhaltung des Institutes aufkommon würde, wofür die Unterrichts-
Verwaltung die Leitung der Anstalt, die Besetzung ihrer Vorstände
und Assistenten etc. in die Hand bekäme. Dann könnten auch
zahlreiche Doccnten besser mit Material versehen, dann könnte
dieses Material auch mehr zu Unterrichtszwcckcn für Mcdicincr
berangezogen und schliesslich könnte die Beaufsichtigung der da¬
selbst Hilfe suchenden Kranken auch nach der Richtung hin
ausgedehnt werden , dass fernerhin keine Klage mehr laut wird,
dass daselbst auch wohlhabende Kranke unentgeltlich behandelt
werden. (Siehe die Vornummer dieser Wochenschrift.) All dies
ist jedoch ebenfalls noch ein Project, nicht einmal ein ganz neues
mehr, da man sich vor Jahren schon einmal mit der Sache ein¬
gehend beschäftigte.
In unserer k. k. Gesellschaft der Acrzte hat Docent Dr. Alois
Pick letzthin ein neues Verfahren zur Localbehandlung des Magens
mitgetheilt. Er macht vorerst eine Magenausspülung mit einem
gewöhnlichen Magenschlauch, welcher einen Glasaufsatz hat. So¬
dann wird das Glasstück entfernt und durch den Schlauch hindurch
ein 71 cm langer, dünner und biegsamer Magenkathcter eingeführt,
welcher'Katheter an seinem abgerundeten Ende zahlreiche, von
innen unten nach aussen oben gerichtete Bohrungen besitzt, mittelst
welcher die nun eingespritzte Flüssigkeit in fein vertheilten Strahlen
die^ Magenwand trifft, resp. mittelst welcher ein feines Pulver,
welches in einer mit vielen kleinen Oeffnungcn versehenen Kammer
sich befindet, auf die Magenwand applicirt wird. Zu letzterem
Zwecke dient noch ein Gummiballon, der so an die Sonde ange¬
setzt wird, dass das Pulver in einer grossen Wolke in den Magen
getrieben wird.
Bevor man den Katheter in den Schlauch einführt, muss
letzterer (70 cm lang) etwas herausgezogen werden, so dass das
Magenende des Katheters etwa 1 cm weit frei in den Magen ragt.
Sodann muss noch eine zweite Vorsiehtsmassregel beachtet werden.
Die Magenwände des leeren Magens legen sieh in der Regel so
aneinander, dass man die Flüssigkeit resp. das Pulver nicht mit
einer grösseren Fläche der Magenschleimhaut in Berührung bringen
würde; der Vortragende räth also, den Magen vor der Einspritzung
resp. Einblasung von Pulvern mit Luft aufzublasen, durch den
Magensehlauch mittelst Ballons. Hiezu genügen 250 cm 8 Luft.
Nach Einführung des Modicamentos wird vorerst wieder der
Katheter entfernt und der Magen eventuell wieder ausgespült.
Zur Auswaschung des Magens bei chronischem Magenkatarrh
und bei Hyperseeretion benützt Dr. P. eine warme alkalische
Lösung. Sodann wird die geölte Sonde (Magenkatheter) in den
Schlauch eingeführt und mittelst aufgesetzter Spritze eine Höllen-
stoinlösung (0,1 — 0.5 Pruc.) injicirt, der Katheter entfernt und
mit einer physiologischen Kochsalzlösung nachgespült. Bei dieser
Behandlung ist mit Rücksicht auf die Entstehung von Argyrose
einige Vorsicht geboten.
Den Zerstäuber benützt Dr. P. zur Einführung von Bis-
mutlium subnitrienm oder von Dermatol oder anderen pulver-
förmigen Substanzen.
In der Wiener dermatologischen Gesellschaft wurde letzthin
ein 7 Monate altes Kind aus der Klinik Professor Läng s
demonstrirt, welches in Folge der rituellen Cireumeision eine
schwere Syphilis (Geschwür am Penis, Schwellung der Inguinal-
drüseu, später ein Exanthem etc.) acquirirt hatte. Die Lvmph-
drüsen waren stark geschwellt , die Sklerose über kreuzergross,
Psoriasis palmaris und plantaris, ein Infiltrat im Nebenhoden, die
Milz geschwellt, das Kind sehr herabgekoinmen.
Bei diesem Anlasse gaben die Professoren Kaposi, Lang,
Neu man n u. in. a. ihren bezüglichen Erfahrungen auf diesem
traurigen Gebiete Ausdruck. Wiewohl die Cireumeision jetzt mit
reinen Instrumenten ausgeführt werden muss, wiewohl das " Aus¬
saugen - der Wunde gesetzlich verboten ist und in Wien sogar
die Vorschrift besteht, dass jeder Cireumeision ein Arzt bei¬
wohnen müsse, welcher die Pflicht habe, die Instrumente in
Augenschein zu nehmen, kommen derlei Fälle leider noch immer
vor. Im deiuonstrirtcn Falle konnte man nicht eruiren , ob der
Beschneiden welcher nach Angabe der Mutter des Kindes n o e h
zwei andere Kinder inficirt hat, selbst luetisch war, («1er
ob die Infeetion durch dessen Instrumente geschah; in Krakau
konnte vor längerer Zeit bei einer förmlichen Epidemie derartiger
Syphilisinfectionen bei Kindern bei dem betreffenden Beschneider
Syphilis der Mundschleimhaut eonstatirt werden. Freilich 4 kann
auch manchmal der Operateur ganz unschuldig sein. So ein
hereditär-syphilitisches Kind, ohne alle sichtbaren Erscheinungen
der Syphilis, wird wegen Schwächlichkeit sehr spät, nach Wochen
oder Monaten, erst beschnitten und nun erst wird die Wunde
derb, heilt nicht etc. Die Besebneidung gab sodann bloss den
Anlass zur Stellung der Diagnose. Sodann ist zu beachten,
worauf Docent Dr. Grünfeld hinwics, dass derlei Wunden oft
bloss verunreinigt sind und sodann schlecht heilen. Diese Operation
sollte daher bloss von Acrzten ausgeführt werden. — In Wien
gibt es derzeit zwei Doetore», welche sieh mit Erfolg dieser
« Specialität » zugewendet haben.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Academie de Medecine.
Sitzung vom 25. Februar 1890.
Das Tuberculin als diagnostisches Hilfsmittel.
Das einzige Mittel, die Tuberculose erfolgreich zu bekämpfen,
besteht in der frühzeitigen Krkenntniss dieser Krankheit; während
bei Lungenphthise durch Untersuchung des Auswurfs eine relativ
frühzeitige sichere Diagnose möglich ist, ist dieselbe viel schwieriger
bei Tuberculose der Hirnhäute, der Knochen u. s. w. Straus»
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
289
10. März 1896.
steht nicht an, zu erklären, dass das Tuberculin ein sicheres
und zugleich gefahrloses Mittel ist, um alle Arten von Tuberculose
zu erkennen; er gibt dasselbe in sehr geringer Dosiß, und
zwar von 0,02 cg (= -’/io mg) und glaubt sogar mit noch niedrigeren
Gaben, welche gewiss unschädlich seien, Erfolg gehabt zu haben.
Die Verdünnungen dürfen erst im Bedarfsfälle hergestellt werden,
was nach den Angaben Nocards in folgender Weise geschieht;
Zuerst wird eine lOprocentige Lösung mit ’/* procentigem Carbol-
wasser gemacht, dann 1 g dieser Mischug in */• 1 heissen Wassers
aufgelöst, was eine Lösung von 1 : 5000 ergibt. 1 ccm derselben
enthält io mg des rohen Tuberculins; die Dosis von */io mg scheint
ungenügend zu sein und 2 /io— ;i /io mg für die erste und von 6 /io mg
für eine zweite Injection dürften gerade geeignet sein. Mit allen
Regeln der Antisepsis ausgeführt, haben die Einspritzungen nie zu
Abscess oder anderen unangenehmen Folgen geführt; Temperatur¬
messungen Morgens und Abends, je zwei bis drei Tage vor und
Dach der Injection, sind genauestens zu führen. Unter 13 auf diese
Weise Behandelten ergab sich durch die stattgehabte Reaction eine
sichere Diagnose, welche sonst sehr schwierig, wenn nicht unmög¬
lich gewesen wäre, bei 5 derselben, d. i. in 2 Füllen von Lungen¬
induration ohne Bacillen im Auswurf, 2 Fällen von Meningitis und
1 Addison'schen Erkrankung. In zwei weiteren Fällen von Pleuritis
war die Reaction eine zweifelhafte, während hingegen in 4 Fällen
(3 mit vorgeschrittener Lungentuberculose und 1 mit geheiltem
Tumor albus) keine Reaction vorhanden war. Das Ausbleiben
derselben bei ersteren erklärt Straus s damit, dass wegen der
natürlichen Durchseuchung des Körpers und der Gewöhnung an
das Gift mit so schwachen Gaben eine Reaction nicht eintreten
kann; um eine solche hervorzurufen, muss das Tuberculin in Be¬
rührung mit Organtheilen kommen, welche noch wenig vom Bacteriengift
angegriffen worden sind. Dieselbe Thatsache wird auch in den Vor¬
schriften hervorgehoben, welche zur Diagnose der Rindertuberculose
durch das Tuberculin erlassen wurden. In Fall 13, welcher eine
leichte Reaction zeigte, handelte es sich um eine veraltete Syphilis
ohne tuberculose Complication, so dass der schon früher aufgestellte
Salz bestätigt wird, wonach das Tuberculin nur bei gleichzeitigem
Ausschluss von Syphilis (Lepra oder Actinomycose) zur Diagnose
der Tuberculose verwerthet werden kann. Straus s hofft, dass
der Tag nicht mehr ferne sein wird, wo die Akademie das Tuber¬
culin zur Diagnose der Tuberculose beim Menschen ebenso warm
empfehlen werde, wie sie nun berufen sei, es bezüglich der Rinder¬
tuberculose zu thun. —
Nach dei auf Anregung des Landwirthschaftsministers ange-
stellten Enquöte kam nämlich die Akademie zu dein Schlüsse, «die
Anwendung des Tuberculins als werthvollen Mittels zur Erkennlniss
der Rindertuberculose sei mit allem Nachdruck zu empfehlen >.
St.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Royal medical and chirnrgical Society London.
Sitzung vom 11. und 25. Februar 1896.
Discussion über den Malariaparasiten.
R. J Mar 8 hall und G. Th in stellen nach einer kurzen
historischen Entwicklung der Malariaforschung, wie sie hauptsächlich
von den Italienern Marchiafava, Celli, Golgi u. A. und dem
Franzosen Laveran begründet und gefördert wurde, als Hauptsatz
auf; Die verschiedenen Typen des Fiebers weisen verschiedene,
specifische und typische Formen des Parasiten auf, auf deren
DiSerenzirung hier nicht näher eingegangen werden kann. Diese
verschiedenen Formen sind nur Entwicklungsstadien und Formver¬
änderungen des einen Parasiten. Der Umstand, dass die Quotidian¬
fieber zuerst meist als Tertian- oder Quartanformen aufireten, und
die meisten Tertianformen anfänglich irregulären Quotidiantypus
aufweisen, wird durch das gleichzeitige Vorhandensein verschiedener
i Generationen des Parasiten in verschiedenen Entwicklungsstadien
erklärt. Nach Feletti finden sich die selteneren Formen der Sporen¬
bildung der La veran 'sehen Parasiten gerade vor dem Eintritt
eines neuen Fieberanfalles.
Die Incubationsperiode der Malaria für das Quartanfieber be¬
trägt 11—15 Tage, für das Tertianfieber 6—12 Tage, für die Quoti-
dianformen des römischen Sumpffiebers nur 2—5 Tage, ein indirecter
j Beweis für den kurzen Cyclus der betreffenden Parasitenform. Der
fieberfreie Zwischenraum nach einer Chiningabe bängt ab von der
j Anzahl der durch das Chinin abgetödteten Sporen. Mit dem Tode
des Individuums hört die Entwicklung des Parasiten auf, die un-
pigmentirten Amoeben verlieren ihre Bewegungsfähigkeit. Wasser
zerstört das Leben der Parasiten. Malariablut, zur Hälfte mit Wasser
verdünnt, kann ungestraft injicirt werden. Die Erscheinungen, die
von Grassi und Feletti als das Zeichen des absterbenden Proto-
, Plasmas angesehen wurden, werden von Golgi als die Uebergangs-
iormen betrachtet.
Die Symptome des Malariafiebers sind die Folge der toxischen
Froducte der Plasmodien während ihrer Entwicklung. Diese toxischen
Stoffe afficiren das Nervensystem, speciell den Sympathicus und
das Drüsenepithel. Die Dauer des Fieberparoxysmus entspricht
wahrscheinlich der Zeit, welche zu ihrer Elimination nöthig ist.
“emieiöse Fieber werden durch Parasiten mit kurzem Entwicklungs-
cyclus, also die Quotidianformen veranlasst. Dieselben müssen in
grosser Anzahl vorhanden, aber in einem Organe oder einem Theile
eines Organs angehäuft sein. Sie werden durch die weissen Blut¬
körperchen aufgenommen und zerstört in einem Zeitraum von 10
bis 12 Stunden. Chinin tödtet die durch Zerfall der Parasitenträger
frei gemachten Sporen sehr räBch, die rothen Blutkörperchen aber
bewahren die Parasiten vor dem Einfluss des Chinin. Erst nach
längerer Einwirkung von Chinin können dieselben vernichtet werden
(Baccelli). Arsen beeinflusst die Parasiten nicht.
Ferner werden die Erfahrungen über den Parasiten der Malaria,
die in Südspanien gemacht wurden, erwähnt. Die dort gefundenen
Plasmodien entsprechen dem Tertian- und Quartanfieber und be¬
stätigen im Allgemeinen die Golgi'sehen Beobachtungen. An
Präparaten konnte die beinahe ununterbrochene Entwicklungsreihe
von jungen Sporen zu der ausgebildeten Laveraniaform nachge¬
wiesen werden. Ferner scheint sich zu bestätigen, dass das Trink¬
wasser für gewöhnlich nicht das Medium ist, durch welches das
Malariagift verbreitet wird, auch die Ansicht von Laveran,
Pfeiffer u. A., wonach Mosquitos und andere Insekten als Zwischen-
wirthe anzusehen seien, konnte nicht bestätigt werden. Das Zu¬
sammenwirken von Hitze und Feuchtigkeit, besonders wenn im
Boden Zersetzungsvorgänge sich abspielen, ist als Hauptmoment für
die Entwicklung und Ausbreitung der Malariakeime anzusehen.
Curnow weist zunächst auf die von Lawrie-Indien in der
jüngsten Zeit aufgestellte Behauptung, dass die Plasmodien nur zu¬
fällige Veränderungen der weissen Blutkörperchen seien und ein
eigentlicher Malariaparasit also gar nicht existire, beziehungsweise
noch nicht constatirt sei, hin. Er hält die Infection durch Trink¬
wasser aufrecht und belegt seine Ansicht mit Beispielen. Die In-
fectionsübertragung durch Mosquitos dagegen bestreitet er. Als
prophylaktisch wichtig wird die systematische Darreichung von Chinin,
ehe das Individuum überhaupt sich der Gefahr der Infection aus¬
setzt, empfohlen.
G. Th in brachte ferner interessante Befunde an den Organen
eines an pernieiöser Malaria nach viertägiger Beobachtung unter
comatösen Erscheinungen in Sierra-Leone Gestorbenen: Im Ge¬
hirne fanden sich in den grossen Gefässen wenig, in den kleineren
massenhaft Malariaparasiten in allen Stadien der Entwicklung in
den rothen Blutkörperchen, ebenso Sporen, manche Endothelzellen
der Gefässe enthielten Pigment. In der Milzpulpa eine grosse An¬
zahl weisser pigmenthaltiger Blutkörperchen im Stadium der De¬
generation, einzelne davon enthielten auch rothe parasitenhaltige
Blutkörperchen eingeschlossen. Im Allgemeinen wenig rothe para¬
sitenhaltige Blutkörperchen. In der Leber viel Pigment, in den
grossen weissen Blutkörperchen im interlobulären Gewebe theil-
weise auch, in den Leberzellen dagegen keine Parasiten. In den
Nieren nur in den Gefässknäueln ein Befund: Schwellung und
Granulirung des Epithels und mangelhafte Kemfflrbung.
J. Anderson schliesst eich der Curnow'sehen Ansicht über
den Infectionsmodus an. Die Incubationsdauer beträgt nach ihm wenige
Stunden bis zu 6—8 Tagen und er glaubt mit Laveran, dass die
plötzlich eintretenden Fälle sogenannter Malaria wahrscheinlich auf
Hitzschlag zurückzuführen sind, welcher ja auch durch Chinin günstig
beeinflusst wird. Die Latenzperiode kann mehrere Jahre dauern.
Er weist auf den Unterschied der Malaria in Indien und Westafrika
hiD, welch letztere der Chininwirkung widersteht. Als am besten
empfiehlt er das salzsaure Chinin, da es den Magen am wenigsten
belästigt und auch subcutau gut vertragen wird. Opium und Jod¬
präparate per os unterstützen die Chininwirkung.
Manson und Galloway bestätigen den von Th in aufge¬
stellten Satz, dass die verschiedenen Fieberformen verschiedene
Parasitenformen zur Ursache haben. Die sogenannte sterile Form
erkennen sie nicht an, sondern halten sie für ein Kunstproduct.
Die bösartigen Formen seien Mischaffectionen verschiedener Para¬
sitenformen. Die Geisselbildung ist nach Manson's Ansicht nur
zu beobachten, wenn der Parasit den Körper verlassen hat, homolog
den Sporen, es sind keine DegenerationserscbeinungeD, sondern die
Form, in welcher der Parasit durch Mosquitos aufgenommen und
übertragen wird. Auch die Uebertragung durch Wasser ist möglich,
aber der Parasit kann nicht lange in diesem Medium leben.
H. Cayley führt die verschiedenen Malariaformen auf einen
einheitlichen Parasiten zurück, der nur durch verschiedene Be¬
dingungen, als Klima, Temperatur u. s. w. verändert wird. Er ist
zuerst frei, dann eingebettet in die rothen Blutkörperchen. Die
Vertheilung des Pigments ist eine zufällige. In chronischen Formen
kann das Plasmodium als Laveran’scher Halbmond erscheinen.
Chinin soll im Schweissstadium des Anfalls gegeben werden, kure
vor dem Anfall ist es zwecklos. Er empfiehlt warm die prophy¬
laktische Darreichung des Chinins, */a g täglich früh.
W r i g h t erwähnt als die Chininwirkung unterstützend Citronen-
wasser und antiscorbutische Mittel.
Scriven betont die differentialdiagnostische Wichtigkeit des
Malariaplasmodiums zum Unterschied von Typhus und Wechsel¬
fieber in Indien.
In einem Schlusswort bekämpft Th in energisch die von Cur¬
now vertretene Ansicht der Infection durch Trinkwasser unter Hin
weis auf die hohe Kindereterblichkeit an Malaria in den Fluss¬
niederungen, was sicher nicht auf das Trinkwasser zurückgeführt
werden könne. Auch die Uebertragung durch Mosquitos ist nach
seiner Ansicht unwahrscheinlich. F. L.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. io.
240
Verschiedenes.
(Galerie her vor rage nder Aerzte und Naturforscher.)
Mit der heutigen Nummer erscheint das 55. Blatt unserer Galerie:
John S. Billings.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 10. März. In der vergangenen Woche fand in der
bayerischen Kammer der Abgeordneten die Bernthung des Cultus-
etats statt. In der ausgedehnten Generaldiscussion wurde von dem
socialdemokratischen Abgeordneten von Vollmar auch die Frage
des Fraaenstudiums berührt und die Zulassung der Frauen zum
Universitütsstudium verlangt. Dabei war die Antwort des Cultus-
ministers von Landmann von Interesse, der sich dahin ausspracb,
«dass er es für kein Unglück für den Staat halte, wenn nach dem
preussischen Vorgänge einzelne Damen, die sich durch besondere
wissenschaftliche Tüchtigkeit auszeichnen, durch besonderen Mini¬
sterialerlass von Fall zu Fall zum Besuch einzelner Vorlesungen
zagelassen würden». Allerdings stehen auch dieser beschrankten
Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium zunächst noch die
Universitätssatzungen entgegen, welche Damen vom Besuche der
Universität nicht nur als Studirende sondern auch als Hörerinnen
ftU88Ch]}6S86üi
Was die einzelnen Postulate für die medicinischen Facultäten
(cf. vor. Jalrrg. S. 971) angeht, so wurden sie der Hauptsache nach
genehmigt. Nur das Postulat für den zahnärztlichen Unterricht
wurde abgelehnt und auch vom Minister nicht aufrecht erhalten,
da die Meinung bestand, dass mit der geforderten Summe dem be¬
stehenden Bedürfniss doch nicht abgeholfen werden könne. Ls
scheint Aussicht vorhanden, dass bis zur nächsten 1‘inanzperioue
die Mittel zur Errichtung eines zahnärztlichen Instituts in den Etat
werden eingestellt werden. — Ferner wurden für Bauten an der
Universitätsfrauenklinik Erlangen statt der geforderten 95000 Mk.
nur 15000 Mk (für Herstellung einer 2. Treppe) zur Verfügung
gestellt. ^ preU8S Abgeordnetenhause hat der nationalliberale
Abgeordnete Dr. Kruse-Norderney, unterstützt von der national¬
liberalen Partei, zur zweiten Berathung des Cultusetats folgenden
Antrag eingebracht: . A . , , ..
«Die Staatsregierung zu ersuchen, in kürzester Frist den seit
langer Zeit in Aussicht gestellten Gesetzentwurf über die
Medicinalreform vorzulegen, welcher insbesondere das Verhältnis
der Kreisphysiker dahin regelt, dass dieselben unter Beschränkung
ihrer Privatpraxis und entsprechender Erhöhung ihres als pensiotis-
fühig festzusetzenden Gehalts in höherem Maasse als bisher den
Aufgaben der gerichtlichen Medicin und der öffentlichen Gesundheits¬
pflege sich widmen können.»
— Die Aerztekammer Berlin-Brandenburg berieth in ihrer
Sitznng vom 28. vor. Mts. über folgenden Antrag des Aerztekammer-
Ausschusses: , „ , , „
«Die Abgabe ärztlicher Gutachten über Handelsartikel (kos¬
metische, diätetische, pharmaceutische u. s. w.) schädigt, soweit sie
nicht fachwissenschaftlichen Zwecken, sondern der gewinnsüchtigen
Reklame dient, dos Interesse der Aerzte und des Publikums. Die¬
selbe widerstrebt aber namentlich der Ethik des ärztlichen Standes
sind. Die Verordnungen über die amtliche Thätigkeit der Aerzte
werden hiedurch nicht berührt. Wir werden die Taxordnung auch
in ihrer nunmehrigen Form, sobald sie Verordnungskraft erlangt
hat, zum Abdruck bringen.
— Der Bundesrath hat beschlossen, der Resolution des Reichs¬
tags, betreffend die Errichtung einer Amtstelle zur Sammlung von
Mittheilungen wegen Recognoscirung unbekannter Leich¬
name und wegen Ermittelung vermisster Personen, keine Folge
zu geben.
— Der Landtag der Provinz Sachsen genehmigte in seiner
Sitzung vom 6. ds. die Creirung zweier neuer Aerztestellen, sowie die.
Anstellung eines eigenen Apothekers für die Landes-Heil- und
Pflegeanstalt Uchtspringe (Altmark).
An der vor nicht ganz zwei Jahren eröffneten, neuerbauten
Anstalt werden demnach jetzt acht Aerzte wirken. Es verdient noch
erwähnt zu werden, dass vor einiger Zeit bOOO Mark zur inneren
Einrichtung der wissenschaftlichen Laboratorien bewilligt wurden.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 8. Jahreswoche, vom 16. bis 22. Februar 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Posen mit 32,9, die geringste Sterblichkeit Bromberg mit
8,9 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Barmen, Brandenburg a. H.,
Freiburg und Kassel; an Diphtherie und Croup in Bielefeld, Dessau,
M.-Gladbach, Königshütte, Spandau.
(Universitätsnachrichten.) ÖÖttingen. Dr. Sultan,
Assistent der chirurgischen Klinik von Prof. Braun, hat sich für
Chirurgie habilitirt. — Jena. Der Weiraarische Landtag hat für
Erweiterungsbauten an den grossherzoglichen Landesheilanstalten,
welche zugleich Universitäts-Kliniken sind, die Summe von 293,000Mk.
bewilligt. Zur Ausführung kommen demnächst eine neue Augen¬
klinik, eine Badeanstalt und ein Auditorium für die medicinische
Klinik, sowie ein neues Verwaltungs- und Wirthschafts-Gebäude.
— Marburg. Prof. Behring hat die ihm zugefailene Hälfte des
Alberto Levi-Preises der Pariser Akademie der \V issenschaften
im Betrage von 25 000 Francs dem preussischen Staats¬
fond zur Förderung der Serumforschung überwiesen.
Dieser Fond soll aus den zu erwartenden Ueberschüssen der
amtlichen Controlstation für Diphtherie Heilserum gebildet werden,
die vor einigen Monaten zur Prüfung des in den Verkehr gelangenden
Diphtherie-Serums geschaffen wurde. — München Am 7. März 18%
habilitirte sich für Chirurgie Dr. Fritz Lange (früher Assistent von
Prof. Madelung in Strassburg) mit einer Probevorlesung: «Die
Pathologie und Therapie der angeborenen Hüftgelenksverrenkung.»
Die Habilitationsschrift führt den Titel: * Der Gallertkrebs der Brust¬
drüse in anatomischer und klinischer Beziehung.» — Strassburg.
Als Privatdocent für das Fach der Kinderkrankheiten hat sich
Dr. A. Siege rt habilitirt.
Personalnachrichten.
Bayern.
Ernannt zum k. Bezirksarzte I. Classe in Kötzting der
praktische Arzt Dr. Alfons Auer in Waldsassen.
Niederlassung: Dr. Gustav Gerheuaer, appr. 1896, in
München; Dr. Alfons Doll mann, appr. 1895, in München.
und ist desshalb unzulässig.»
Der Antrag wurde nach eingehender Discussion unter Wegfall
der Worte: «nicht fach wissenschaftlichen, sondern» angenommen.
_ Um die Vornahme von Impfungen zu erleichtern und die
mit der Impfung für die Imflinge sowohl wie für deren Angehörige
verbundenen Unannehmlichkeiten zu vermindern, und weil in Gastalt
der Thierlymphe ein so wirksamer Impfstoff zur Anwendung gelangt,
dass es möglich ist, mit einer geringeren als bisher vorgeschriebenen
Anzahl von Impfschnitten sich zu begnügen, ohne dass gleichwohl
von der Forderung von mindestens zwei gut entwickelten Pusteln
abgesehen zu werden braucht, hat das sächsische Ministerium des
Innern in Verfolg einer bezüglichen Anregung von Seiten des Herrn
Reichskanzlers auf Grund des § 18 Absatz 2 des Impfgesetzes vom
8. April 1874 die Impfärzte ermächtigt, für die Zukunft bei Erst¬
impfungen mit (mindestens) vier seichten Schnitten von höchstens
1 cm Länge nur am rechten Arme, bei Wiederimpfungen aber mit
ebensoviel dergleichen Schnitten nur auf dem linken Arme sich
zu begnügen, jedoch unter der Voraussetzung, dass solchenfalls die
Anwendung von blossen Impf Stichen gänzlich in Wegfall zu
kommen hat. (Sächs. Corr.-Bl.)
— Der ministerielle Entwurf einer neuen ärztlichen Taxe
für Preussen ist am 29. Februar lfd. Jrs. im Herrenhause ange¬
nommen und die alte Taxordnung aufgehoben worden. Der auf
dem Umschläge unserer No. 17, 1895, abgedruckte erste Entwurf hat
durch die Vorlage einige Abänderungen erfahren, deren wesentlichste
darin besteht, dass der Satz für folgende Besuche im Verlauf der¬
selben Krankheit von 1—6 auf 1—10 Mk. erhöht wurde. Die neue
Taxe soll auf dem Wege ministerieller Verordnung und nicht durch
Gesetz eingeführt werden, um zukünftige Veränderungen derselben
zu erleicbtera Die Vorlage hat nun noch das Abgeordnetenhaus
zu passiren. Die neue Gebührenordnung ist im Allgemeinen so ge¬
halten, dass den Fortschritten und der Erweiterung der ärztlichen
Thätigkeit Rechnung getragen und die Sätze entsprechend normirfc
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 9. Jahreswoche vom 23. bis 29. Februar 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 12 (7), Diphtherie, Croup
29 (45), Erysipelas 14(21), Intermittens, Neuralgia interm. 3 (1),
Kindbettfieber 3 (6), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 67 (64),
Ophthalmo-Blennorrhoea neonat 6 (3), Parotitis epidemica 18 (22),
Pueumonia crouposa 23(33), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 38 (40), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 26 (28),
Tussis convulsiva 35 (20), Typhus abdominalis — (l), (Varicellen 15 (23),
Variola, Variolois — (—). Summa 289 (315). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälie in München
während der 9. Jahreswoche vom 23. bis 29. Februar 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen: Masern 3 (5*), 8charlach 3 (2), Diphtherie
und Croup 1 (5), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (2), Blutver¬
giftung (Pyämie) 1 (1), Brechdurchfall 2 (l), Unterleibstyphus 1
(—). Keachhusten 1 (1), Croupöse Lungenentzündung 3 (3), Tuber-
culose a) der Lungen 28 (20), b) der übrigen Organe 10 (4), Acuter
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 5 (9).
Unglücksfälle 1(4), Selbstmord — (—), Tod durch fremde Hand —(1).
Die Gesammtzahl der Sterbefälie 209 (200), Verhältnisstahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 26,8 (25,6), für
die über dem I. Lebensjahr stehende Bevölkerung 17,0 (16,2), für
die über dem 5 Lebensjahr stehende 16,0 (14,9).
> v, e eingeklaminerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoch
Verlag von J K. Lehmann ln Mönchen. - Druck der K. MtthUh. 1 er^en)r5of5^rnck erel , n München.
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Die Münchener Medicin. Woehenschrift erscheint
wöchentlich ln Nummern von mindestens'.:'/;—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 Jt, proenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 -J.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redaction
Ottostrosse 1. — Für Abonnement an J ¥. Len-
mann. Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cb. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. i, Heineke, G. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. i. Winckel, H. v. Zierassen,
Freiburg i. B. München. Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 11. 17. März 1896.
Redacteur: l)r. B. Spatz, Ottostrassc 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
I
1
Originalien.
Casuistische Mittheilungen aus der chirurgischen
Klinik zu Heidelberg. 1 )
Von Gehciinrath Oxerntj.
I. Jackson'sehe Epilepsie durch Entfernung
eines subduralen Spindclzel 1 en sark oms geheilt.
E. P., 41 jähriger Maurer, erhielt mit 13 Jahren einen Stein
wurf auf das Hinterhaupt, der ihn bewusstlos machte. Vom 15. bis
‘20. Jahre Masturbation. Sommer 1839 starke Kopfschmerzen, im
Oktober Zuckungen im linken Bein, welche nach der linken Bauch¬
seite fortschritten von 20 Minuten Dauer. 1890 wurden die Anfälle
durch Bromkali für 6 Monate beseitigt, kehrten dann aber heftiger
wieder und dehnten sich auf den linken Arm, 1893 auf die linke
Gesichtshälfte ans. Bis vor 3 Jahren konnte er als Maurer arbeiten,
da er aus den Zuckungen am Bein merkte, dass der Anfall kommt
und noch zeitig das Gerüst verlassen konnte. In letzter Zeit konnte
er nicht mehr arbeiten und lag meist zu Bette. Ausser diesen kleinen
Anfällen hat er mauchmal grosse Starrkrampfan fülle von 20 Minuten
Dauer mit Bewusstlosigkeit. Nach dem Anfalle ist er eine Stunde
lang verwirrt. Vom Dezember bis März 1305 war er in der medic.
Klinik (Geh.-R. Erb), wollte sich aber keiner Operation unterziehen.
13. November 1895. Aufnahme in die Chirurg. Klinik. Status:
2 Finger breit nach links von der Mittellinie und einen Finger breit
ober dem Sin. transversus eine nicht adhaerente Hautnarbe. Keine
Stauungspapille- Sensibilität und Motilität beiderseits gleich, nur
links vermindertes Muskelgefühl (leichtes Schwanken). Subjectiv
starke Unruhe, Angstgefühle, Ameisenkriechen links. Das Gedächt-
niss hat gelitten, etwas schwierige Rechenexempel kann er nicht
lösen. 20./21. November ein starker Krampfanfall am 1. Bein be¬
ginnend, dann auf den Arm, das Gesicht übergehend, dann Zuckungen
am ganzen Körper, tonische Krämpfe, Bewusstlosigkeit von J / 4 Stunde
Dauer; dann war er noch längere Zeit verwirrt.
Klinische Diagnose: Jackson’sche Epilepsie mit besonderer Be¬
theiligung der motorischen Centren, vielleicht veranlasst durch einen
corticalen Tumor. Für die Diagnose fehlten locale Kopfschmerzen
and die Stauungspapille.
Operation am 25. November 1895. Aus dem rechten Os parietale
wurde ein zungenförmiger Hautknochenlappen mit der Basis nach
dem Ohre zu, die Spitze gegen den Sinus longitudinalis entsprechend
dem oberen Ende der Roland'schen Furche mit Circularsäge und
Meisel Umschnitten und aufgeklappt. Die Dura pulsirte kaum, war
stark gespannt und wurde in Form eines Lappens mit hinterer Basis
Umschnitten.
Entsprechend dem oberen Ende der hinteren Centralwindung
fand sich ein blaurother scharf begrenzter, dicker höckeriger Tumor
von 4'/* auf 3 3 /4, 37z cm Durchmesser, welcher mit breiter Basis
der Innenfläche der Dura und der rechten Fläche der Sichel an-
haftete, sich aber ziemlich leicht abprilpariren liess Nach vorne, in
die vordere Centralwindung reichend, fand sich eine haselnussgrosse
mit Serum gefüllte Cyste. Gegen das Gehirn war der Tumor durch
eine gefässführende Membran (Arachnoidea und Pia) scharf abge-
Penzt und nur am hinteren Ende fester verwachsen, so dass hier
eine kleine Randschichte des Gehirns mitging. Die venöse Blutung
wurde durch Tamponade mit Jodoformgaze gestillt. Operationsdauer
Nach der Operation trat Starrkrampf und Zuckungen im linken
1 Un d Be*» auf. Am 26. und 27. November abermals Zuckungen
***** Grades. Am 29. war er sehr aufgeregt und musste
arm Bromkali beruhigt werden. Im Uebrigen verlief die Wund-
eunng ohne Störung und am 29. Dezember konnte er das Bett
h .,') Krankenvorstellungen im Naturhistorisch-medicin. Verein zu
Heidelberg am 11. Februar 1896.
No. 11.
verlassen. Die Wunde war bis auf eine wenig eiternde Fistel ge¬
heilt. Keine Zuckungen mehr. Der Gang ist leicht hinkend. Mit
der linken Hand fühlt er unsicher, der Patellarreflex ist links leb¬
hafter als rechts.
Am 5. Januar wieder ein Krampfanfall, welcher sich nicht
wiederholte, nachdem am 6. Januar eine kleine Eiterverhaltung be¬
hoben war.
Bei der Vorstellung am 11. Februar war die Wunde vollkommen
geheilt, keine Krampfanfälle mehr, aber der linke Arm und das
linke Bein noch etwas schwächer als rechts. Starke neurasthenische
Beschwerden.
Der exstirpirte Tumor ist ein typisches Spindelzellensarkom
und 'geht wahrscheinlich von der Innenfläche der Dura mater aus.
(Geh.-R. Arnold).
Das ist mein 4. Fall, bei dem ich mit genauer Diagnose
einen subduralen Tumor in der motorischen Rindensphäre exstir-
pirt habe. Der 1. Fall ist von Erb, der 2. von Vierordt,
und alle 3 (vor dem oben mitgetheilten Falle) sind von Dr.
v. Reck (Beitr. z. klin. Cbir. Bd. XI1 S. 96) beschrieben.
Ausserdem habe ich noch 4mal mit der Vcrmutlmng eines Tu¬
mors, aber ohne sichere Localdiagnose, trepanirt. Ein Fall wurde
beute von Herrn Dr. v. Beek mitgetheilt, in einem 2- fand sieh
ein diffuses Carcinom der mittleren Sehüdelgrube, einmal eine
l'achyiueningitis syphilitica und in dem letzten Falle war kein
jKisitiver Befund, welcher die unausstehlichen Schmerzen und Ab-
dueenslühmung erklären konnte. Der Kranke lebt noch. In allen
Fällen hatten wir den Eindruck , dass der operative Eingriff als
solcher leicht überstanden wurde und dass man mit osteoplasti¬
schen Lappen beliebig grosse Flächen des Stirn-, Schläfe- oder
Occipitalhirnes freilegen kann. Beim Sueben nach dem Tumor
am Kleinhirn muss mau wegen der Nachbarschaft der Rauten-
grübe sehr vorsichtig sein und kann es wohl erleben, dass man
bei der Sectio» einen Tumor dicht neben der Stelle findet, wo
man ihn bei der Autopsie in vivo vergeblich gesucht hat. Die
Hauptsache bleibt immer die sichere Loealdiagnose, welche vor¬
läufig leider blos in einer beschränkten Anzahl der Fälle mög¬
lich ist.
II. Ein Mastdarmkrebs bei einem 13 j ähr. Kn alten.
F. S. wurde mir von Med.-Rath Ileddäus aus Oberstein zu¬
geschickt. Im Rectum fand sich dicht unterhalb des Promontoriums
eine zapfenförmige, innen ulcerirte Geschwulst, welche nach hinten
etwas fixirt war. Ein kleines Stückchen, das mit dem Finger entfernt
wurde, ergab eine atypische Wucherung von Cylinderzellenepithel.
Wegen der Jugend des Pat. wurde zunächst die Diagnose auf ein
papilläres Adenom gestellt, aber sofort eine radicale Operation be-
beschlo8sen. Der Tumor hatte sich seit '/i Jahre entwickelt. Ana¬
mnese sonst ohne Belang.
20. Januar 1896. Resectio recti in der Länge von 8 cm mit osteo¬
plastischer Durchtrennung des 4. Sacralwirbels. Das carcinomatöse
Geschwür umfasste 4 cm hoch das Mastdarmrohr und die epitheliale
Wucherung reichte durch die Muscularis bis auf die Serosa des
Douglas'schen Raumes, welche in Pfenniggrösse charakteristisch
skirrhös entartet war und mit entfernt wurde. Die circuläre Naht
des Darmrohres hielt wie gewöhnlich nicht vollkommen, so dass jetzt
noch aus dem hinteren Schnitt ein Theil des Kothes herauskommt.
Ich pflege desshalb in der Regel bei den Resectionen des Rectum
nach Hinten eine Oeffnung als Sicherheitsventil offen zu lassen,
welche man später durch die Naht schliessen kann, falls der Patient
durch dieselbe genirt ist.
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i
242
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Der jüngste Fall von Mastdarmkrcbs, welchen ich bisher
beobachtet hatte, war 18 Jalire alt. Ich habe nicht nur den
Eindruck, dass die Krebse häufiger werden, wie es namentlich in
England statistisch erwiesen ist, sondern dass sie auch immer
jugendlichere Lebensalter ergreifen.
UI. Ein Fall von Lepra Ara bum aus Heidelberg.
M. R, 41 Jahre alt, aus Helmhof geboren, arbeitet seit vielen
Jahren in Heidelberg als Taglöhner. Eine Schwester von ihm ist
an l’hthise gestorben. 1870 lag er während des Feldzugs einige
Wochen an Typhus in einem Lazareth bei Orleans. Sonst war er
nicht ausser Land.
1886 kam er zuerst in die chirurgische Klinik mit einer Lym-
phangoitis und Phlegmone am Fusse, welche 9 Tage nach einer Ver¬
letzung an der grossen Zehe durch einen Nagel entstanden war.
Am 20. Januar 1887 wurde durch mehrere Incisionen stinkender Eiter
entleert und am 27. Januar Patient entlassen. Im Jahre 1890 war er
ambulant mit der Diagnose Lupus behandelt. Bei der 2. Aufnahme
am 29. November 1892 fand sich eine elephantiastische Verdickung
am rechten Fusse. Keine Varicen. Ueber dem Fussrücken war eine
fluctuirende Schwellung ohne Schmerzen, aus welcher eine Incision
käsigen Eiter und nekrotisirendes Zellgewebe entleerte. Die Knochen
und Gelenke waren nicht erkrankt. Aus einer Fistel unterhalb des
Sprunggelenkes entleerte sich Serum. Sie wurde ebenfalls gespalten
und ausgesch&bt, wobei man nicht auf Knochen kam. Die Wunden
wurden thermokauterisirt. Die Verdickung reichte bis zum unteren
Drittel des Unterschenkels. Die Haut war theils entzündlich geröthet,
theils fleckig pigmentirt und stellenweise albinotisch pigmentarm.
Aehnliche Pigmentverilnderungen fanden sich über den ganzen
Körper verstreut, namentlich um das linke Ellbogengelenk, den
rechten Vorderarm, in der Kreuzbeingegend und an der Hinterfläche
des rechten Oberschenkels. Stellenweise findet man am Rande dieser
Flecken kleine röthliche, leicht schuppende derbe Knötchen. An¬
scheinend bilden sich diese weissen Narbenflecken aus den Knoten
ohne Ulceration. Lungen, Herz, Nieren normal. Lymphdrüsen in
der Inguinalgegend bis haselnussgross derb geschwellt. Der rechte
Nebenhoden knotig verdickt. Eine Infection wird geleugnet und
ist auch nirgends eine solche nachzuweisen.
Die Untersuchung der ausgeschabten Massen ergab nekrotisches
Gewebe und Granulationen. Auf Bacillen wurde nicht untersucht.
Unter Behandlung mit Jodoformgaze, Höllensteinsalbe heilten
die Geschwüre allmählich. Die Kpididymitis steigerte sich am
18. December bis zu einem gitnseeigrossen milseig schmerzhaften
Tumor.
Am 30. Januar wurde er geheilt entlassen und arbeitete bis
December 1895.
Am. 10. Januar 1896 kam er wieder in die Klinik, weil sich
seit 4 Wochen über der linken Achillessehne in der Subcutis eine
hühnereigrosse Geschwulst entwickelt hatte und zugleich eine Schwel¬
lung an den Zehen des rechten Kusses mit leichten Schmerzen sich
einstellte. Die Zehen wurden wund, die grosse Zehe schwarz und
brandig. Der Brand begrenzte sich etwas oberhalb des Köpfchens
des Mittelfussknochcns. Die Haut war noch etwa handbreit weiter
nach oben unterempfindlich, sonst keine Störungen in der Sensibilität.
Der merkwürdig chronische Verlauf des ganzen Leidens, die
elephantiastische Verdickung des Kusses, welche nach einfacher
Ausschabung von nekrotischem Gewebe ausheilte, die eigentliüm-
liclie Figuientalteration an der Haut des Stammes und der Extremi¬
täten , die Knotenbildung an der Achillessehne und am Neben¬
hoden, endlich das Auftreten von Gangracn an einer paraesthctischen
l’usspartie, die lupiisühnliehen Knötchen mussten den Verdacht
auf Lepra erwecken. Freilich fehlte die sonst gewöhnliche Alte¬
ration der Gcsiehtshaut; allein das konnte mit der Eingangspforte
der Infection von den unteren Extremitäten aus Zusammenhängen.
Ferner war es auffallend, dass ein Lepra full in Heidelberg ent¬
standen sein sollte. Da die Incubationszoit für Lepra von 3 bis
f> .Jahren angegeben wird (A. von Bergmann), könnte man als
lnfcctionszeit nicht leicht vor das Jahr 1880 greifen, wo die
Lymphangoitis nach einer Verletzung mit einem Nagel den Kranken
zuerst in die Klinik brachte. Auf das Jahr 1870 zuriiekzu-
greifen, wo er vielleicht mit Turcos und südfranzösischen Soldaten
zusammen gelegen haben mochte, geht nicht gut an. Die Ent¬
scheidung musste die bacteriologische Untersuchung bringen. That-
säehlieh fanden sieh schon auf den Schnittflächen eines frisch
exstirpirteu Knotens, von welchem durch Absehabcn ein Deck¬
glaspräparat mit den üblichen Tuberkelbaeillcmnethoden gefärbt
war, eine grössere Zahl von in Form der Leprazellen dicht¬
gedrängten Bacterienhaufcn, so dass man an der Diagnose nicht mehr
zweifeln konnte (l)r. Petersen). Ich hoffe, in der nächsten
Sitzung Ihnen auch in Schnittpräparaten die charakteristischen
Leprabaeterien demonstriron zu können. Der Fall würde beweisen,
No. 11.
dass die Lepra in Deutschland noch nicht ausgestorben ist, was
ja erst kürzlich (). Lassar und A. Wassermann betont haben.
(Berl. klin. Wochensehr. 1895, No. 50.)
Aus der chirurgischen Klinik und Poliklinik in Greifswald.
(Prof. Helfe rieh.)
lieber die Nachbehandlung punctirter Hydrarthrosen
des Kniegelenkes.
Von Prof. Dr. L. Hcidcnhain, Secundärarzt der Klinik.
Es ist bekannt, dass man nach Punction und Ausspülung
eines Ilydrarthros genu viele Aufmerksamkeit an wenden muss, um
eine Wiederkehr des Ergusses zu verhüten. Lässt man den Kranken,
nachdem er eine Woche mit einem Druckverbande gelegen hat,
ohne Weiteres oder mit eitler Bindeneinwickclung des Gelenkes
aufstehen, so ist fast ausnahmslos schon am ersten Abend ein
geringerer oder grösserer Erguss wiedergekehrt, oder er zeigt sich
in den nächsten Tagen. Schützt man das Gelenk für die ersten
8 bis 14 Tage nach dem Auf stehen durcli einen leichten (Jyps-
oder Wasserglasverband vor zu starker Inanspruchnahme, so kehrt
der Erguss wieder, wenn die Bewegungsübungen nach Abnahme
des Verbandes nicht besonders vorsichtig gemacht werden, weil
kleine Zerrungen und Zerreissungcn in der etwas geschrumpften
Synovialis mit kleinsten Blutungen in das Gelenk entstehen,
welche genügen, wieder eine Reizung der »Synovialis herbeizu-
führen (v. Volk m a ti n).
Seit etwa drei Jahren habe ich in einer grossen Anzahl von
klinischen und poliklinischen Fällen nach Entfernung des ersten
Druckverbandes (am Ende der ersten Woche) das kranke Bein
von den Zehen bis hoch hinauf zum Oberschenkel mit dein
V n n a’schen Ziukleim eingeleimt ') und die Kranken mit der
Weisung, sich nicht zu stark anzustrengen, gehen lassen. Solcher
Verband liegt der llaut vollkommen glatt an und hindert durch
seine Unnachgiebigkeit, so lange er liegt, mit wohl vollkommener
Sicherheit die Wiederkehr eines Ergusses, wenigstens habe ich
dieselbe nie beobachtet. Trotz alledem gestattet der Verband,
wenn er erst einige Tage liegt, eine massige Beugung im Knie¬
gelenk (etwa 45 Grad). Die Belästigung der Kranken durch den
Verband ist desshalb keine allzugrosse. 8 ) Die Erklärung des
nach meiner Erfahrung durchweg guten Enderfolges scheint mir
darin zu liegen, dass sich das Gelenk unter einem Verbände,
welcher die Wiederkehr eines Ergusses nicht gestattet, allmählich
an die Wiederübernahme der Function gewöhnt. Je nach dem
Falle muss man die Verbände alle 8 bis 14 Tage wechseln und
im Ganzen 4—G—8 Wochen liegen lassen. Dann ist Heilung
eingetreten. Besonderer Erwähnung werth erscheinen mir zwei
immer wiederkehrende Ergüsse nach Luxatio patellae bei Studenten
der Mediein. Die Verletzung war einige Wochen vorher passirt.
Druck verband beseitigte die Ergüsse, Ziukleim verbände verhinderten
ihre Wiederkehr. Der eine der Herren hat den Verband viele
Wochen lang tragen müssen, weil sich sofort ein leichter Erguss
oinstelltc, wenn der Verband versuchsweise 2 Tage fortblieb. Aber
bei Beiden ist Heilung eingetreten. In einigen Fällen habe ich
mit gutem Erfolge hei auswärtigen Patienten die Punction, Aus¬
spülung, Einleimung poliklinisch durch geführt.
Gelegentlich ruft nach Punction und Ausspülung die rück-
bleibende starke Kapselschwellung den Verdacht auf Tubereulose
der Synovialis wach. In solchen Fällen ist nachträgliche, regel¬
mässige Injection von Jodoformglycerin in’s Gelenk zu empfehlen.
Ich habe in den letzten Monaten bei 2 derartigen Fällen Heilung
mit vollkommener Abschwellung der Kapsel und Erhaltung nor-
’) Ueber die Technik des Zinkleimverbandes vgl. L. Heiden¬
hain, Ueber die Behandlung von chronischen Fussgeschwären und
Eczemen mit dem Unna’schen Zinkleimverband. Berliner klin.
Wochenschr. 1892 No. 14. Zinkleim beziehen wir von Beyers¬
dorf & Co. in Hamburg. Auf Unter- und Oberschenkel kommen
etwa 3—4 Lagen der Binde, auf das Kniegelenk die doppelte Anzahl.
2 ) Kleine Ergüsse verschwinden häufig nach einfacher Ein¬
leimung, trotzdem die Kranken umhergehen, vielleicht weil sie gehen;
denn bei Beugung des Unterschenkels übt der Verband einen ver¬
stärkten Druck auf das Gelenk aus (Selbst-Massage!).
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17. März 1896-
MÜNCHENER MEDICINLSCHK WOCHENSCHRIFT. 243
inalcr Beweglichkeit gesehen. Bei dem einen Kranken, einem
Schmiede im Anfänge der fünfziger Jahre, war die Gelenk-
tuberculose dadurch mit Sicherheit nach gewiesen, dass ein grosser
mit dem Kniegelenk eommunicircndcr Sehleimbeutel in der Knie¬
kehle (wurde exstirpirt) sich als tuberculös erwies. J)cr Kranke
hat schon 14 Tage nach Beginn der Behandlung seine Arbeit
wieder aufgenommen und dieselbe, nur immer nach einer neuen
.lodoforminjection auf 2 bis 3 Tage unterbrochen. (Auch die
zweite Kranke wurde ambulant behandelt.) Es mag ja sein,
dass in solchen Fällen später Rceidive cintretcn können. Vor¬
läufig ist Patient glücklieh, dass er arbeiten und seine Familie
ernähren kann. Anhangsweise möchte ich bemerken, dass sich der
Zinkleimverband auch bei Behandlung der gewöhnlichen chronischen
Bursitis präpatellaris gut bewährt hat. Wenn nicht eine sehr
starke Verdickung der Wandungen des Sackes bestand, habe ich
diesen in den letzten Jahren nur mit einer Spritze punctirt, etliche
(iramni 3 procentige C’arbolsäure oder etwas .Jodoformglyeerin injicirt
und eingeleimt. Nach 14 Tagen ist an der Stelle der Bursa nur
mehr eine derbe bindegewebige Schwiele vorhanden ; gelegentlich
fehlt selbst diese. Ilecidivc sind mir nicht zur Beobachtung
gekommen.
Aus der medicinischen Poliklinik in Jona.
Ueber den Gebrauch des Tannigens gegen Durchfälle.
Von Dr. G. Bachus, Assistent der Poliklinik.
Die Möglichkeit, sicherer als bisher Gerbsäure auf die I>arm-
gchleiinhaut einwirken lassen zu können, forderte uns auf, mit dem
von H. Meyer 1 ) dargestellten und von F. Müller zuerst am
Menschen angewandten Tannigen eine Reihe Kranker unserer Poli¬
klinik zu behandeln. Es ist bekannt, wie unwahrscheinlich es ist,
dass reine, durch Vermittlung des Magens gereichte Gerbsäure
überhaupt in wirksamer Form an die tieferen Thcile des Darmes
kommt. Wenn man auch durch cinhüllcnde Stoffe wie schleimige
Abkochungen und durch Rindenahkochung einer zu frühen Auf¬
saugung beziehentlich Fällung des Tannins bis zu einem gewissen
Grade Vorbeugen kann, so erweckt doch eine Anwendüngsweise
des Präparats, welche dasselbe überhaupt erst in den tiefen Partien
des Darms in Wirksamkeit treten und mit Sicherheit in den Fäees
unverändert erscheinen lässt, von vornherein mehr Vertrauen und
stellt wesentlich grössere Sicherheit der Wirkung in Aussicht.
Das von H. Meyer dargcstcllte Biaeotyltannin (Tannigen)
hat die Eigenschaft, den Magen und oborn Tlieil des Dünndarms
unzersetzt zu passiren und erst dort, wo die Reaktion alkalisch
wird, die Gerbsäure frei zu geben, den wirksamen Stoff also direct
an die Orte zu bringen, welche er beeinflussen soll. Vie schon
F. Müller hervorhob. ist das Präparat in der That für den
Magen vollkommen unschädlich. Wir können das vollkommen be¬
stätigen: Erwachsene erhielten und vertrugen 3 mal täglich eine
gute Messerspitze, Kinder nahmen 0,25 Tannigen dreimal am
Tage, nie wurde von uns irgend welche schädliche Einwirkung
auf den Magen gesehen. Da der Körper geruch- und fast ge¬
schmacklos ist, so gab cs beim Einnehmern von Seiten der Kranken
nie »Schwierigkeit; nur bei sehr kleinen Kindern muss das Pulver
sorgfältig mit Wasser verrührt sein, damit Husten und Brcch-
beweguugen vermieden werden. Sehr warme Milch oder andere
warme Flüssigkeiten eignen sich nicht als Vehikel, da sich das
Tannigen darin zu Klumpen zusammenballt. 2 )
Wir behandelten im Ganzen 70 Kranke mit dem Präparat,
darunter 47 Kinder. Die Erwachsenen litten zum grössten Tlieil
an einer einfachen Form von Enteritis, beziehentlich an fnnetionellcn
Darmstörungen, welche mit verstärkter Peristaltik einhergingen.
Neben Tannigen wurde die übliche, vorwiegend schleimige Diät
verordnet und in allen Fällen mit Ausnahme von zweien, welche
weiter unten zu besprechen sind, erzielten wir eine auffallend
rasche Besserung der Erscheinungen. Es ist nicht möglich, diese
Behauptung mit Zahlen zu belegen, denn die genannten Zustände
dauern zu verschieden lang, sind untereinander zu ungleichwerthig.
1 ) Deutsche med. Wochenschrift 1894, No. 31.
2 ) Reichraann, Berliner klinische Wochenschrift 1&95, No. dl.
als dass sie zahlenmUssig zusammengefasst werden könnten. Hierbei
muss man sieh auf den ärztlichen Eindruck verlassen und wir
haben in allen Fällen den sichern Eindruck gewonnen, dass in
dem Tannigen ein werthvolles Mittel zur Behandlung der genannten
Zustände gegeben ist und es erscheint, uns entschieden als ein
Vortheil, dass man für diese Fälle dem Opium einen gleich sicher
wirkenden und dabei nicht einschläfernden Körper an die »Seite
setzen kann.
Von den erwachsenen Kranken, bei denen uns das Tannigen
im »Stieb Hess, waren 2 Phthisiker mit tubcrculösen Darmgeschwüren;
auch bei 2 grösseren Kindern, welche bei Lungen- und Darm¬
tubereulose 4—5 dünne Stühle am Tage hatten und bei einem
11 jährigen Mädchen mit chronischer, wahrscheinlich einfacher
Peritonitis und Durchfällen, vermissten wir jede Einwirkung des
Tannigens auf Zahl und Beschaffenheit der Ausleerungen, während
Opium stets äusserst prompt wirkte. Es liegt uns fern, daraufhin
behaupten zu wollen, dass das Mittel hei Dar in tuljcrculosc nicht
von Neuem zu versuchen sei. Einmal ist die Zahl unserer Fälle viel
zu gering um ein entscheidendes Urtheil auszusprechen, dann
hielten zwei von unsern Kranken sicher die verordnet« Diät nicht
ein. Denn wenn auch bei einfachen Diarrhöen das Tannigen wirkte,
ohne dass eine strenge Diät beobachtet wurde, so wird bei den
uleerüsen Processen doch vielleicht gerade durch vereinte Wirkung
von strenger Diät und Tannigen eine Wirkung zu erzielen sein.
Iüberdies berichtet F. Müller, 3 ) dass er gerade auch bei Darm
tubereulo.se eine günstige Wirkung des Präparates beobachtete, so
lange dasselbe gereicht wurde. Auch bei heftigen Durchfällen, die
sich in Abhängigkeit von Morbus Bascdowii einstellten, liess uns
das Präparat einigemale im »Stich; Opium half in einem derselben
sehr rasch, im andern trat auch daraufhin nur langsame Besserung
ein. Auch hier ist die Zahl unserer Fälle viel zu gering um zu
einem abschliessenden Urtheil zu kommen ; wir möchten indessen
bemerken, dass gerade bei Basedow scher Krankheit, deren Durch¬
fälle wohl kaum von einer erkrankten Darmschleimhaut aus erzeugt
sind, die geringe Wirksamkeit eines die Mucosa beeinflussenden
»Stoffes verständlich wäre.
Unter den Kindern befanden sieh 41, die das 2- Lebensjahr
noch nicht vollendet hatten; die meisten von ihnen waren unter
1 Jahr, wurden mit der Flasche genährt und litten an Brech¬
durchfällen mittleren Grades. Bei ihnen wurde stets die Diät
zuerst in Ordnung gebracht und dann das Tannigen entweder direct
gegeben oder in schwereren Fällen verabreichten wir vorher 3 Caloiuel-
pulver (zu je 0.008—0 01). Von diesen Kindern waren 35 nach
2 — 3 tägiger Behandlung geheilt; 2 schieden nicht gebessert aus
der Poliklinik, 4 starben. Von den letzteren kamen 2 erst im
letzten Stadium in unsere Behandlung, bei den beiden anderen
konnten wir feststellen, dass von den Eltern beziehungsweise
Pflegern die Diätvorschriften in keiner Weise befolgt, sondern die
alten schmutzigen Gewohnheiten fortgesetzt wurden.
Also auch bei den Brechdurchfällen der Kinder ist eine heil¬
same Wirkung des Tannigens sicher festzustellen und hier um so
werthvollev, je weniger Arzneimittel sieh sonst zur Beeinflussung
des kindlichen Darms eignen. Wir empfehlen das Tannigen auf
das Wärmste, und befinden uns damit in voller Uebereinstimmung
mit Künkler 4 '!, de Buck 5 ), Drews®'), Wienands 7 ), Lwoff H >.
Bing 0 ), Re ich mann l0 ), die ühuliehe günstige Resultate der
Tannigenanweudung berichten.
Ueber die Bedingungen für die Entstehung harnsaurer
Sedimente.
Von Dr. Mordhorst in Wiesbaden.
Unter dieser Ucbersehrift veröffentlichte A. Ritter in No. 18
(1895) der < Münchener Med. Wochenschrift» eine Arbeit, die
neben neuen Ergebnissen einer Anzahl Untersuchungen auch eine
3 ) I. c.
*) Allgemeine med. Centralzeitung 1895, No. 13 u. 14.
& ) Wiener klinische Rundschau 1895, No. 36.
°) Allgemeine med. Centralzeitung 1895, No. 35 u. 36.
i) Münch- med. Wochenschr. 1895, No. 40.
*) Therapeut. Monatshefte 1895, pag. 1082.
9 ) The med. times and register 1895 v. 25. September.
10 ) 1. c.
1*
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244
MÜNCHENER M EDICINISCHE W 0CHENSCM1FT.
No. 11.
b-t -r tsÄÄÄC
Thatsachcn und — vcJ-scHioac . gestellt, das Vor-
^ “ e
vergleichsweise nll.er zn Ri tter tai ,,biologischen
tattat'™ »nch"nüT«hung.n vornzta über toür*ta
t ääl' . oäu. ^ ™
ss sä» ™ -
Hofmann sehen vor Jahren ansteltou ^ UcbOTfegcn
s- *
i„ die Waagef* , cn TOn Harnsaure und Dinatrium-
S£-*5=££3 eSS
SSs=£SSiS=
Welche Factore» ausser der Aciditiit -Pidcn
nun bei dc m Ausfallen der HarnsUure aus den,
In" früheren ^Arbeiten ') habe ich gezeigt dass <«o Harnte
in den Körpersaften in einer Verbindung cireuhrt dte mehr M rmm
als Harnsäure enthält, also nicht als saures ^‘ rn ^ r ^ ^ ’
und dass diese Verbindung nicht als Nadeh, sondern als ’
«Kugclurate», bei Übersättigung der mitde«^
Ausfallen. Diese «Kugclurate» können d.c ve«ch,edenstcn Gr^.n
haben. Im Blute sind sie so klein, dass sie *t be, tarUr
Vcrgrösserung nicht wahrgenommen werden können Durch V
Schmelzung können sic beim Ausfallen 50 und mehr Mal grosser
werden als Lcukocytcn. Wird einer Lösung von Dmatriumphospl a ,
kohlensaurem oder doppeltkohlensaurem Natron nur so viel llan -
säure zugesetzt, dass die Lösung nicht gesättigt ist, das Alkali
also in üebcrschuss bleibt, und lässt man einen Tropfen dieser
Lösung mit dem Objectträgcv 20-30 Minuten offen stehen, so
sieht man, denselben unter dem Mikroskop betrachtend eine
unzählige Menge von kleinen Kügelchen, die am Kandeam
grössten sind. Es sind Verbindungen von Natrium und Harn¬
säure, in welchen das Natrium in Überschuss ist. (Näheres
hierüber cf. meine früheren Arbeiten.)
In solchen Verbindungen nun circulirt die Harnsäure nu
Blute. In ca. 0,7 procentigen Lösungen von Dinatnuuiphosphat,
kohlensaurem und doppcltkohlensaurcm Natrium werden die grössten
Mengen Harnsäure gelöst. Je gesättigter die Losungen mit Harn¬
säure sind, desto weniger Natrium enthalten die Kugclurate, die
bei üÜbersättigung der Lösung mit denselben ausfallen Bei Leber¬
sättigung der Lösung mit Harnsäure sind die ausgefallenen Kugel-
urate fast wie saures harnsaures Natrium zusammengesetzt, bic
enthalten nur unbedeutend mehr Natrium als dieses. > chon nach
einer halben bis 3 Stunden haben sic dies Mehr von Natrium
an die Flüssigkeit abgegeben und haben die Nadelform ange-
xt i i_nnc cuiivPiYi nnmsaurcn
Bic en thal tCB. Die» verschickt, «erde ich z„, Beaet.
W ° rtU Nac d h d^AelaHäTsh^e de» Harns hrtfaH*r«.
von Urnten U,K ; in H arn enthält, desto leichter fallen
sonst gleichen V““““" “L„ don „„iCründen: 1. Je mehr
die Urate an« un ^ dosto mchr Harnsäure enthalten die
I-Iarnsaure der Kueclurate (llrate) und desto leichter
AC1 A^dritto F«tor S 'n.uss der Harnstoff genannt «erde».
Derselbe wirk, in ^
StTon Ä hü -hr Harnsäure löst als Wasser. Folgende,
Versuch, den ich häufig gemacht habe, beweist dies.
Versuch I: Zu 2 Gläsern, das eine dcstilhrtcs Wasser
enthaltend, das andere eine 2 V^LndTn dm WaJcr
gleich ^)'3 do H " n v„rder Harnsäure trotz vielem Schütteln
_ nach einer wr war in dci . Harnstoff lösung fast alle
Sa3T gelöst. U- f ^"^3, tTI
3 22T&.“«; Rest des » —.rr
"Sää
setzung d wäre dann müssten die
und Natrium. Wenn dies nicht der *all wäre, dann
FÜtgSsS
dieser Behauptung:
, r v tt Auf einem Obiecttrüger befinden sich nrfl
Stoff. Zu beiden Msungen “^33
verdünnten Essigsäurelösung hmzug , Kugeln, die
„och alkalisch blieben. Es bilden sich
wie die l’ratc des Harns aussehen, und wie ^
Vcrgrösserung deutlich ihre Kuge orm z ® g ‘ d ganz das
grossem sich durch Verschmelzung und
Aussehen der Kugclurate. Wird ]C z fä t j n a
gesetzt, bis die Lösung schwach sauer reagirt >
schon die Bildung von Harnsäurekrystallcn.an, d y jT .
fortachrcitet, bis sie auf einmal aufhort. Die» Natriums
seheinung ist die, dass die Lösung
der Kugclurate an das Mononatriumphosphat, woduren cn
Phosphat entsteht, neutral oder selbsttsch,wa h, . k l g g
ist . Bei weiterem Zusatz von Saure scUtsicn ^
der Harnsäurekrystalle fort, bis alle Kugcluratejn
krystalle verwandelt worden sind. entstehen
In b ist der Vorgang ein ganz anderer. H die
bei Säurczusatz bis schwächer - c » fischt wird,
Lösung durch Umrühren mit dem G asstab gu
keine Harnsäurekrystalle. Erst wenn die Losung ^
einer halben bis 3 Stunden haben sic dies Mehr von mtriun, kcine Harnsäurekrystalle. turai -weuu ^ gic h
an die Flüssigkeit abgegeben und haben die Nadelform ange- deutcn( j saurer gemacht wird als m der ms g . ^ gc i, r
nommen. Diese «Nadelurate» bestehen aus saurem harnsauren i ln6 Harnsäurekrystalle. Dabei geht die Bildu g •. zu
" -- - '. 1 viel langsamer von Statten. Bei noch weiteren
stark saurer lleaction bilden sich ▼ 1 ® , uratc unver-
Immer aber bleiben noch viele Ku g pie
ändert, trotz der hohen Acidität ^ er ' d ] nng der
Ursache dieser Verzögerung und Behinderung er ^ zt , gc .
Natron (Cs^IhiNaOs oder kurz NaU).
Da nun das normale Blut vcrhältnissmässig wenig Harnsäure
enthält, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die Harnsäure¬
verbindung in demselben mehr Natrium enthält als Harnsäure. Die
Kugclurate sind um so löslicher, je mehr Natrium
ein rate sind um so löslicher, je meur n a * r i u ui i jj r8ac kc dieser V erzögerung und .Behinderung u .
. A Kugelurate in Harnsäurekrystalle kann nur dem Harns
4 ) Verhandlungen des XII. Congresses für innere Medicm und werden
Centralblatt für innere Medicm > No. 35, löJ». I
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17. März 1896-
MÜNHBNER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
l)cn Grund der Nichtumwandlung — ausser dem Einfluss des
Harnstoffes — glaube ich darin suohen zu müssen, dass die Kugel-
urate in eine geleeartige Masse eingebettet liegen, durch welche
die Säure nicht dringen kann. Diese Masse wird wahrscheinlich
aus dem Harnstoff gebildet. Auch in» sogenannten gelösten Zu¬
stande der Urate — es ist wahrscheinlich, dass die Harnsäure-
verbindung, sowohl des Harns als des Blutes ganz kleine, selbst
bei grösster Vergrösserung nicht wahrnehmbare Kugelurate bildet
(ef. meine erwähnten Arbeiten) — sind die Moleküle der Urate
durch solche feine Schicht organischer Substanz umgeben, die eine
Einwirkung der Säuren oder der sauren Salze verzögert oder ganz
verhindert.
Da von den anderen Bestandtheilen des Harns Keiner solchen
Einfluss ausübt, wie der Harnstoff, so muss dieser jeden¬
falls die Hauptursache des Nie h t a u s f allen s der
Harnsäure in dem sauren Urin sein. (Wir werden unten
sehen, dass die neutralen Salze, wie Kochsalz, schwefelsaures
Natron etc. und das Harnpigment eine verzögernde Wirkung auf
die Zersetzung der Urate ausüben.) Der Einfluss der Harnsäure
und des Harnstoffgehaltes des Harns auf die Ausfüllung der
Harnsäure ist hiernach abhängig von der Höhe des Quotienten
Je kleiner derselbe ist, desto leichter
fallen die Harnsüurekrystalle aus und umgekehrt.
Harnstoff /U+
Harnsäure \U"
Dass hierbei die Concentration des II arns an diesen
beiden Salzen auch eine Rolle spielt, versteht sich von selbst. Je
höher der procentische Gehalt des Harns an Harnsäure und je
niedriger derselbe an Harnstoff, desto leichter fallen Urate und
Harnsäure aus. Hierdurch erklärt sich die auffallende, bekannte
Erscheinung, dass nicht immer die eoneentrirtoston oder richtiger
die specifisch schwersten Harne am schnellsten die Urate und
Harnsäurekrystallc ausfallen lassen. Ich habe oft einen starken
Uratniederschlag gesehen in Harnen von einem specitischen Gewichte
von 1,020—1,015, während oft solche von J,030—1,0*2 und
noch höher, selbst nach langem (5 —8 Wochen) Stehen, keinen
Niederschlag zeigte. Letzteres ist. jetzt erklärlich. Der Harnstoff¬
gehalt ist ein hoher, der Harn Säuregehalt ein verhältnissmässig
niedriger, oder kürzer ausgedrückt, der Quotient — ist ein sehr
grosser. Ist der Quotient ein sehr kleiner, so können Urate auch
in Harnen von geringerem specitischen Gewicht ausfallen. Am
häutigsten war das der Fall bei einem specitischen Gewicht von
1,023. Bei einem solchen von unter 1,010 sah ich selten Sedi¬
mente von Urate» und Harnsäure, selbst wenn der Quotient — T
sehr klein war.
Es geht hieraus hervor, dass sehr grosse Mengen von Flüssig¬
keit getrunken werden müssen, um hei kleinem Quotienten und
hoher Acidität ein Ausfallen von Uraten und Harnsäure zu ver¬
hindern. Da jedoch durch Zufuhr grosser, nicht
säurehaltiger oder säurebildender Flüssigkeiten
die Acidität auch verhältnissmässig herabgesetzt wird, so ist die¬
selbe auch schon ans diesem Grunde nützlich.
Die L’mlagerung der Urate in Harnsäure und Natrium
geschieht viel schneller in destillirtem Wasser als in Lösungen
von neutralen Salzen, wie Kochsalz, schwefelsaurem, neu¬
tral! sirtern phosphorsaurem oder salicylsaurem Natron u. a.
Es war Sir William Roberts, der zuerst auf diese Thatsacho
aufmerksam machte. Ich habe seine diesbezüglichen Versuche
wiederholt und bestätigt gefunden. Roberts berichtet in Ucber-
einstimnmng hiermit, dass Seeleute, die colossale Mengen von
gesalzenen Fischen essen, sowie Bewohner von Norfolk, genannt
«Marshland », wo das Trinkwasser viel Kochsalz enthält, nie an
narnsteineu leiden, während die Nachbarn von Norfolk, die nicht
solches Wasser haben, sehr viel daran leiden.
Endlich habe ich durch die mikroskopische Untersuchung
cs Sedimentes einer sehr grossen Anzahl von Harnen die Be¬
obachtung gemacht, dass stark pigmentirte Harne nicht
80 häufig einen Harnsäureniederschlag haben als
weniger stark pigmenthaltige, und dass, wo solche
vorgefunden, die Harnsüurekrystalle die mehr unfertige Form haben,
No. 11.
245
d. h. spindelförmig oder rhomboidförmig sind. Das heisst mit
andere)) Worten: Big ment verzögert oder verhindert
die Zersetzung der U r a te i n llariisäure und Natrium.
Die Factoren, die die Ausfüllung der Urate im Harn
bewirken, sind, nach ihrem Einfluss der Reihe nach, also
Ud-
folgendc: 1. hohe. Acidität, 2. niedriger Quodient 3- con-
centrirtcr Harn, 4. Abkühlung des Harns. Solche, die die Zer¬
setzung der Urate in Harnsäure und Natrium befördern sind:
U+
1. hohe Acidität, 2. niedriger Quotient — —, 3. nicht, concentrirter
U~
Harn, 4 wenig neutrale Salze, 5- wenig Pigment.
Ein Ausfallen von Uraten und Harnsäure in
alkalischen Harnen i s t e i n e Unmöglichkeit, wenigstens
habe ich dies nie beobachtet. Ich habe im Gegentheil gefunden,
dass alkalische Harne, wenn sie durch das Harnsüuretilter tiltrirt
wurden , immer mehr Harnsäure enthielten als vor dem Filtriren.
Nach alledem ist es verständlich, 1 . warum in einigen Harnen
Urate nie ausfallen, während ein reichliches Sediment von Harn-
säurekrystallen vorhanden ist und 2 ■ warum die Urate oft nur
zum Theil in Harnsäurekrystallc verwandelt werden. Krsteres ist
der Fall, weil der Harnstoff in so geringer Menge im Urin vor¬
handen ist, dass er nicht im Stande ist, die Zersetzung der noch
nicht ausgefallenen Urate, zu verhindern. Letzteres findet seine
Erklärung in dem Folgenden: Die Kugelurate des Blutes sind
so klein , dass sie im Stande sind durch die Capillarwand in die
Glomeruli zu dringen. Schon in den Harnkanälchen werden sie
der Einwirkung der im Harne vorhandenen Säuren, hauptsächlich
aber des Monouatriumphosphats ausgesetzt. Es ist wahrscheinlich,
dass die Kugelurate hierdurch soviel ihres Natriums an das Mono-
natriumphosphat. abgeben, dass sie nur wenig mehr davon behalten
als zur Bildung von saurem harnsaurem Natron nüthig ist. Da die
Harnsäureverbindung die K»igelform behalt, also nicht in Nadeln ver¬
wandelt wird, so ist kaum anzunehmen, dass sie gerade nur ein Molekül
Natrium enthält, es wäre nicht einzusehen, warum sie sonst nicht die
Nadelform annähme. In jeder anderen sauren Flüssigkeit als der
Harn geben die Kugelurate all’ ihr Natrium an die Saure oder
die sauren Salze ab, und die Harnsäure fällt aus. Dass dies
nicht im sauren Harn geschieht, das kann, wie wir gesehen haben,
nur dem Einfluss der im Harn vorkommenden Stoffe zugeschrieben
werden. Von diesen ist es hauptsächlich der Harnstoff - , der
gewissermasse» die Kugelurate vor der Einwirkung der Säuren
oder sauren Salze schützt. Auf welche Weise dies geschieht,
ob derselbe eine für die Säure schwer durchdringlichc Schicht
um die Kugelurate bildet und so die Einwirkung der Säuren
erschwert oder ganz verhindert oder sonst wie, ist selbstverständlich
schwer zu sagen. Dass sie es aber thut, beweisen meine Versuche.
Ist nun also im Harn genügende Menge von Harnstoff vor¬
handen, um die Zersetzung der Kugelurate zu verzögern, so fallen
in eoncentrirten Harnen — d. h. in Harnen, die so viele Kugel¬
urate enthalten, dass dieselben sie nicht in Lösung halten können
— die Urate wohl aus, aber die Zersetzung derselben geht sehr
langsam von Statten. Die Zersetzung findet in der Weise statt,
dass das saure Monon a tri umphosphat sich des
Natriums des sauren harnsauren Natriums be¬
mächtigt. Es entsteht hierdurch Harnsäure und
Di na tri um phosphat. Dieser Vorgang setzt sieh nun fort,
bis die Acidität des Harns soweit herabgesetzt worden ist, dass
sie nicht länger vermag die Wirkung des Harnstoffs zu überwinden.
Unterstützt wird letztere durch reichliches Vorhandensein von
neutralen balzen und von Pigment. Interessant ist der Befund
Ritter’s, dass fast überall da. wo sich kristallinische Harn¬
säure absetzte, die Gesammt-P 2 O 5 zur Deckung des nachgewiesenen
Säuregrades durch Mouonatriumphosphat gar nicht ausreichend
war, und dass hier neben dem sauren Phosphat noch andere saure
oder doch wenigstens ungesättigte Verbindungen, wohl organi¬
scher Natur, zu der Grösse der Süuremengo beigetragen habe».
Die Frage, ob Staub beziehungsweise Keime aller
Art die Sedimcntbildung beeinflussen, wie das Pfeiffer annimmt,
muss nach Ritter im negativen Sinne beantwortet werden,
2
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Münchener medjcinbchewochenschrot
No. 11.
nachdem die verschütte, «tee einen derartigen Einfluss ^
” iCht ^ h Sre ,891 - ~ IJE-Ä U-
konnte ich in meinem \ ortrage üh Harnuntersuchungen dass
Gicht» als Resultat «.er ^^'^htc Beobachtung, Vcr,
fcststellcn, dass die von E- Harnsäure dem Harm bei
Harne von Gichtkranken geben fast a ‘ k ’ ^ iUrcn Grund helik
säurefilter ab, duroH welchos ^c fil arnS h at. Es wurde gn>*
in der hohen sondern auch von anderen Autoren konr
das nicht alWn von 1 t ei tf .^r ^ diescr Behaupt- sein
bestritten, «letzt gib i Versuchsergebnisse bestätigen I
an,,«. Kitter» "fJSS - im 'M2
dieselbe. Auch Sir Willia«, 1 Gesunden, der vorüber der
(cf. Lancet) - dass der Har ^ HarnsUure auf dem Harn- für
gehend sehr sauer war, * , der Acidität des Harns, ent- I er 1
säurefilter zurückliess. Be. Abnahme der - Alk
St auch das Filtrat entsprechend besprechen, Hel
Es bleibt mir noch übrig, unc ‘ ' ItllüUK . rn geführt hat, das
die vielfach zu Z ^
die nämlich, dass jede mit Harn “” lt J oHenBaureul , essigsaurem cm
natrinmpbosphat, kohlcnsaurem, PI Niederschlag von 1 sai
Natron nach kürzerer oder l»»g™ "/” ldct . Dienen Irr- U
saurem harnsaurem Natrium, ^ K Pfeiffer, Bitter Gi
thurn begingen Sir Wilhaui ’ ri ngen Coneentrationen 1 zu
und Andere. Hätten diese ors sichcr zu anderen Ke- ra
dieser Lösungen expenmcntirt, ^ zu wicdc rholten su
sultaten gekommen, l'olgcndc >. ihrer Angaben. an
Malen gemacht habe, beweisen du 1 ”,0 3 _ 0 4-U.5-0/. - 0,
Versuch ni. Es wurden 0,0o-0,1-0, U 0, »o nD ’i natriu m P h O 8- N
0,7-0,,8-0,19-1,0-1*-*: und hergestellt. Zu der- B
phat, Natriumcarbonat und Nat D leich grosse Mengen von j d(
selben Menge dieser Lö . 8U " ge ( ^ 1 t „korkten Gläsern hingestellt.
Harnsäure zugesetzt und i n g u h die Harnsäure in
Vorher wurden die dem Glasstab fein zer- w
alkalischen Lösungen zusammenbauen, mi j,
kleinert. . _ e n des Dinatriumphosphats und d
ln den 0,7 und 0,8 proc. Losung ^ einer halben
des Natriumcarbonats hatte emhdieH ftlg in letzterer -
Stunde fast ganz gelöst — 0 4-0,3-0,9—0,2 -1,0— 1
dann folgten der Reihe nach die 0,b '°» ! ^ LösU ngsfähigkeit der
0,15-0,1 —1,5 2,0—8,0 proc. L ^ s “ , ‘f e ,, a i 8 d ie der Sodalösung,
Dinatriumphospliatlösung war etw J doppeltkohlensaurem
diese etwas grösser als die £r verschiedenen
Natron. Die Reihenfolge dieaelb f i n allen 3 Lösungen. In den
Coneentrationen war ungefähr diesem hinzugesetzten
schwächsten Lösungen (0,05-0,1 -0, l5 P^d w unver ändert,
verwitterten Harnsfturekrystalle nach Jinet -w un ge .
iu den 0,)!-0,3-0^4 proc wa^n nQch höbere m Grade
worden, in den 0,5 und 0, p . r Rest derselben ungelöst war,
der Fall, so dass nur noc sodalösnng deutliche Spuren,
in den 6,7 und 0,8 proc. *’nVrPhosphatlösung
in der Bicarbonat ösung etw fX!^ Tn £ concentrirteren Lösungen
alle Harnsäure vollständig aufge . ■ , Aussehen bekommen;
hatten die Harnsäurekrystalle ein 24 Stunden
sie hatten sich in KugeltesSrSadelurrte, ver-
hatten diese sich fast alle in j Naae __ d h 80 l c he, die
wandelt. Je concentnrter die ^ aren de8 to schneller
m ehr d. 0,8 Proc. de. Salze. „Xdnm halben J.hre
hatten die Kugelurate sich ge t, noc g dalösung - ihre Kugel-
dem concentrirter gewordenen Tropfe, vo ®" m °’ ichtbare p Un kt-
und 3 proc. Lösungen waren nur 8 a . . ’ dem Tropfen von den
Sb jr&SÄ o” .SÄt«
dafür, dass diese Lösungen am meisten Harnsäure gelost batten
L6.»og e ö“sato SS
Xe*»e,
Hiernach wirkt eine 0,7 proc. Kochsalzlösung
nicht hemmend auf die Auflösung der Harnsäure
in alkalischen Lösungen.
ffi „c KHctoWMt 8er Ernsee * V "*
ist nicht schwer. mehr Harnsäure ' t lösen und in
Dass alkalische igt eine s0 bekannte Thatsache,
Lösung halten können als ^ ?iehen w i r d. Bei meinen
dass wohl Keiner diese b ^ annähernd festzustellen,
Versuchen handelte es s . ] jösun gen, von welchen die Lös-
bei welcher Concc.tration die ^^äüre abhängig ist, die
I im sta “ dc “
in ‘ „“über verdanke,,
Die ersten czacten „ji, bei harnsaurer Dialhcse
der fc.cl,»»hna.ronhal,^K^ „ .tntzen, K»
für sehr wirksam häl • über da8 Lösungsvermögen der
er eine Reihe \on \ n rSl ‘£ für Harnsäure von einem seiner
Alkalien und alkalischen E unter An derem zu dem Resultat,
Schüler anstellen. Hersel Natron bicarbon.cnm
dass in 100 ccm reiner ® iner 0 ,15 proc. 0,06, in
gar keine, m eine 0, ^ ^ einer 0jQ5 proc . nur 0,03 g Harn¬
einer 0,10 pr ° C , J’°v r bewies damit, dass das Lösungsvennogen, der
säure gelost wurden. E 1 ^'^ ' nur big zu einer gewlsS en
Lösungen von doppeltkoblens. dcr alkalischen Lösung
Grenze mit der Btt*. d « dann nimmt dasselbe
, zunimmt. Wird diese «rc . Lösungen keine Unter-
. rapid ab. l>a mit anders ^ emitte lt. Wie
i Buchungen a.gestellt, s° w° ^ ^ dieselbe ungefähr eine
. aus meinen \ ersuchen , i tko hlensaurem und kohlensaurcm
- o, 7 - 0.8 »-■ XÄ-***«-* »v“'i
, Natron, etw» “ CT , .T* „ vem6ge n nicht parallel geht nnt
■- Behauptung, dass das L g» _ ; 8t also richtig, ho
I ” 8er Concentrotion dcr^lkahBc^ t r^,„^ ^ ^
1g e es sich um sUrkerc ^ als0 auc b um physio-
ÄÄf-r Diato ' taJ
'»r.t d. durch
Während nun destillirtcs V asser - n l6 Q00 ccm —
är Harnsäure besitzt — bekannt ic cir g Lögung yon Natron-
isen nach Fürst \000 ccmi em ^ meiuen Untersuchungen
licarbonicuui 1,6 g Harnsäure. ^ 0)7 proc. Lösung circa
auss ich annehmen, dass 1000 Harnsäure in 500 ccm,
> g lösen und in Lösung halten, also 1 g I™ &n das9 das
- o 3 l SLt
Blut. Enthält es mehr Harnsäure, zdt in Nadeluratc
urate aus, die nach kürz starker concentrirte Lösung
verwandelt werden. Venn nun elD Harnsäure in Lösung
ausserhalb de. »per. bedeutend «to ir
halten kann, so muss das Blu Durch genügende
die Alkalien in demselben vermehren^ ein Aus-
Erhöhung der Bl.uU.le.ee.. wird Ver¬
fallen von H ar . säure verbi. dun gen ^
suche mit Blutserum ausserhalb des Körpers Natur
Werthc geben, weil fortwährend «.
"S
Das. aber aneh, wenigsten, der Theone «»h, “ Nlrf .
en ' der Blutalkalcscenz einer Auflösung der schon ab ^
ädern urate nichts im Wege steht, erhellt aus de
j der Nehmen wir an, eine 0,2 proc. Losung Harnsäure
rigen - sei mit Harnsäure gesättigt. Wir setzen etwas
r'Vii ui.v **—- ^ -
___ . -u r Wesen uno
*) «Einiges über die «harnsaure Diathese», ^
ihre Behandlung». Deutsche Medicmalzeitung
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17. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
247
hinzu; die Harnsäure bleibt unverändert am Boden des Glases
liegen. Eine Lösung, die mehr als 0,7 Proc. Dinatriumphosphat
enthält, sagen wir 1,5 Proc., wird darauf mit Harnsäure gesättigt.
Wird jetzt mehr Harnsäure hinzugesetzt, so bleibt dieselbe nicht
unverändert am Boden des Glases liegen, sondern wird aufgelöst.
Im selben Vcrhältniss aber wie die Auflösung stattfindet, fallen
Kugelurate aus der Lösung heraus. Man nennt solche Proeesse
das «Aussalzen>- der Lösungen. Es sind Alkalien und
Wasser genug in der Lösung, um die Harnsäure mit
Natrium zu Kugcluraten zu verbinden, aber nicht
Wasser genug, um die gebildeten Kugelurate i u Lö•
s u n g z n halten, weil die grössere Menge des Dinatriumphosphats
eine grössere Menge Wassers Iwansprucht um gleichzeitig die Kugel¬
urate in Lösung halten zu können als eine geringere Menge des
Salzes. Es kann dies nur der Grund sein, weil Zusatz von hin¬
reichendem Wasser ein Ausfallen der Kugelurate verhindert. Wird
allmählich immer mehr Harnsäure zu der Lösung gesetzt, so tritt
schliesslich die Grenze ein, wo dieselbe unverändert am Boden
des Glases liegen bleibt, weil durch die Verbindung der Harnsäure
mit dem zweiten Natriumatom des Dinatriumphosphats das Morio-
natriuniphosphat in Ueberschuss kommt und eine weitere Lösung
der Harnsäure verhindert. Da die Lösung vollständig mit Harn¬
säure gesättigt war, so enthalten die ausgefallenen Kugelurate
möglichst viel Harnsäure, wesshalb sie schon nach einer halben bis
2 oder 3 Stunden die Nadelform angenommen haben. Das hier¬
durch frei gewordene Natrium verbindet sich mit Mononatrium-
phosphat zu Dinatriumphosphat, und die Lösung bleibt alkalisch.
Trotz der alkalischen Rcaction derselben kann von
einer Auflösung der « Nadel uratc > nicht die Rede
sein, weil die Lösung mit Kugcluraten vollständig
gesättigt ist.
Der hier beschriebene Vorgang hat viele Forscher, unter
Anderen auch Ritter — er experimentirte mit 2 proc. Lösungen
von Dinatriumphosphat — zu der irrthümlichen Annahme ver¬
leitet, dass stärkere alkalische Lösungen oder Alkalien in Substanz
zu schwächeren alkalischen , mit Harnsäure gesättigten Lösungen
gesetzt, ein Ausfallen von Ilarnsäureverbindungen bewirken. Es
ist dies nur der Fall, wenn zu schwächeren Lösungen alkalische
Na Salze in solcher Menge hinzugesetzt werden, dass die ('oncen-
tratioii 0,7 Proc. übersteigt. Werden dagegen zu Lösungen von
Conceutrationen unter 0,7 Proc. alkalische Natronsalze hinzugesetzt,
so wird dadurch das Lösungsvermögen derselben für Harnsäure
erhöht, vorausgesetzt, dass der Gehalt an denselben nicht 0,7 Proc.
übersteigt. Da das Blut nur circa 0.2 Proc. alkalische Natron¬
salze enthält, so könnte das Lösungsvermögen desselben für Harn¬
säure um das Drei- bis Vierfache gesteigert werden, wenn wir
ini Stande wären, die Alkalescenz desselben nach Belieben zu
erhöhen.
Dass stärker alkalische Lösungen — nicht über 0.7 Proc. —
auch mehr «Nadelurato- lösen können als schwächere, geht aus
den folgenden Versuchen hervor.
Versuch VI. Von einem von mir selbst hergestellten Vorrath von
kleinen und grossen Krystallen von saurem hamsaurem Natron, oder
kurz Nadeluraten, brachte ich gleichgrosse Mengen — nämlich 0,01 g —
in 5 ccm fassende Gläschen, die ich mit römischen Zahlen bezeichnete.
ln I wurde reines destillirtes Wasser,
„ la eine 0,7 proc. Lösung von Kochsalz,
Lösung von doppelkohlensaurera
Natron und 0,7 Proc. Kochsalz,
„ VII Wiesbadener Gichtwasser — ca. 0,8 Proc. doppel¬
kohlensauren Natrons und ca. 0.7 Proc. Koch¬
salz enthaltend — gebracht.
Nach 24 Stunden waren in den Gläsern V und VII die Nadeln
bis auf einzelne kleine vollständig aufgelöst, während in dem Wasser
mindestens die Hälfte des Sedimentes ungelöst geblieben war. Unter
dem Mikroskope betrachtet, bestand dasselhe aus einem Gemische
'on Nadeln und Harnsäurekrystallen. In dem Salzwasser war
circa die Hälfte gelöst, aber keine Harnsäurekrystalle zu
entdecken. Die Lösungefäbigkeit der Lösungen für/saures,
harnsaures Natron war der Reibe nach folgende: V, VII, IV, III,
' I, II, Ia. In I fand nur eine theilweise Auflösung statt,*der Rest
wurde in Harnsäure verwandelt. Die Lösung reagirte schwach
alkalisch, in Folge der Abgabe von Natrium an dieselbe, das ja
u®i der Zersetzung der Nadeln frei wird.
III
IV
V
VI
u, i proc.
0,2 „
0,3 „
0,5 „
1.0 ..
Um mir einen Begriff von dem hierbei stattfinden len chemischen
Process zu machen, habe ich den Vorgang unter dem Mikroskop
beobachtet.
Unter den Notizen, die ich immer während und nach den Ver¬
suchen machte, befinden sich, diesen Vorgang betreffend, folgende:
1. Kleine Nadeln in wenig lialbnormal Natronlauge lösen sich
innerhalb einer halben Stunde ganz auf
2. Kleine Nadeln in Gichtwasser verwandeln sich nach ca. einer
halben Stunde in kleine Kügelchen, die allmählich amorphe Gestalt
annehmen — sie sehen aus wie Urate im Han: - und] verschwinden.
Retrograde Umwandlung!
3 Auch nach Zusatz von viel Wasser fängt nach 5—6 Stunden
die retrograde Umwandlung der Nadeln an.’ Gleichzeitig aber
bilden sich viele Harnsäurekrystalle.
4. In einer lprocentigen Sodalösung und in der Kochsalz¬
lösung blieben die Nadi-ln nach 2 t Stunden fast unverändert.
5. Bei fortwährendem Wasserzusatze verwandeln sieh die aus-
gebildeten Harnsäurekrystalle (s Punkt 3) in ganz kleine Kügelchen,
die bei Verdunsten des Wassers in Nadeln von saurem harnsaurem
Natron übergehen.
6. Grosse Nadeln in Gichtwasser verwandeln sich erst nach
mehreren Stunden in kleine Kügelchen, die wieder erst nach
einigen Stunden ganz verschwinden.
Was für Lösungen aus doppeltkohlensaurem Natron möglich
ist, das ist in noch höherem Grade der Fall für solche aus dem
stärker alkalischen Dinatriumphosphat und Natriumcarf*ouat.
Venn Bitter statt 2 proc. Lösungen von Dinatriumphosphat,
Nutnumcarbonat und Natiiumbicarbonat 0,7 proc. für seine Vor
suche benützt hätte, wäre er sicher nicht zu der Ansicht gelangt,
dass es eine Utopie sei, ein saures harnsaures Salz durch Alkalien
lösen zu wollen, und dass die Capacität des Blutes für saures
harnsaures Natron um so geringer sei, je mehr Salze dasselbe
enthält, d. li. je höher die Alkalescenz des Blutes sei.
üb eine 2 proc. Lösung von Kochsalz nur sehr wenig
saures harnsaures Natron zu lösen im Stande ist, habe ich durch
Versuche nicht festgestellt; eine 0,7 pruc. Lös ung aber
löst ebensoviel wie destillirtes Wasser.
Mährend Kochsalz und andere neutrale Salze einer mit Harn¬
säure gesättigten Lösung von Natronlauge, Dinatriumphosphat,
Soda etc. hinzugesetzt , gar keine aussalzcnde Wirkung entfaltet,
ist das in hohem Grade der Fall, wenn sie Lösungen von harn-
saurem L i t h i o n , harnsaurem 1’ i p e r a z i n , harnsaurem L y s i d i n
hinzugesetzt werden.
Letztere Thatsacho ist sicherlich mit ein Grund, warum
Lithion, Piperazin, Lysidin nicht gehalten haben, was ihr Ver¬
halten Harnsäure gegenüber ausserhalb des Körpers in wässerigen
Lösungen versprach. Die Anwesenheit von Kochsalz, schwefel¬
saurem Natron und anderen neutralen Salzen in den Körpersäften
und im Harn heben die sonst liarnsäurclöscnde Wirkung dieser
Salze auf.
Ein anderer Grund der Wirkungslosigkeit dieser
dem Körper fremden Salze ist die homöopathische Con-
ccntration derselben in den I\öri>ersäftcn. Die Wasser¬
menge des Körpers eines Menschen beträgt zwischen 63—72 Proc.
des Körpergewichtes, hei einem Manne von 75 kg Körpergewicht
also mindestens 50 kg oder 50 1 oder 50 000 ccm. Wird täglich
I g Piperazin, Lithion oder Lysidin genommen, so enthalten die
Körpersäfte nur ganz kurze Zeit 1 g davon in 50 000 ccm Wasser.
Bedenkt man nun, dass eine 1 proc. Lösung dieser Salze viele,
eine halb proc. nur wenig, eine fünftelproc. fast gar keine Harn¬
säure mehr löst, so ist es in der T h a t unbcgrcifli e h ,
wie Jemand ernstlich glauben kann, dass eine
Lösung dieser Salze von 1 auf 50 0"0 auch nur die
geringste harnsäurelösende Ei gen sch af t haben kan n.
Bedenkt man ferner, dass gleich nach der Resorption dieser
Salze auch die Ausscheidung durch die Niere und die
Verbrennung der organischen Basen anfangen, so wird
sie in einer Conecntration von nur l auf circa 100 000 in den
Säften vorhanden und ihre Wirkung selbstverständlich gleich
Null sein.
Endlich ist es doch auch sehr fraglich, ob ihre Affinität
zu Harnsäure grösser ist als die der anderen alkalisehen Salze des
Blutes. Vielleicht verbinden sie sich gar nicht mit derselben.
Aber auch die Einwirkung des Natrons der meisten
alkalischen Mineralwässer auf die Alkalescenz der Körjicrsäfte
kann nur eine sehr geringe sein. Wir sahen vorhin, dass ein
8 *
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Münchener medxcinischb__wochbnschki£^
248 _
Mensch von»
Wasser enthält. D,c 1 ,l . in den 50 000 cem Wasser
Concentration von cm* 0,2 - alka li 8 eher Salze vorhanden,
des Körpers sind also c rca , ä lk . h wQr dc im gün-
Eine Zufuhr von in * alkahseher auf 0 ,22 l>roe.
stigstcn Falle die Conoentr. ■ Stande wäre, diese
erhöhen, vorausgesetzt, dass dci K..rper
Menge zurückzuhalten Bcrecliml1lg , seihst wenn *c
Es geht jedenMb a«« annUhcrlldc Richtigkeit mael.cn
keinen Anspruch auf auch vol , Alkalien, wie die
soll, hervor, dass so kleine, '{ ‘„ hingen mit einbegriffen,
meisten alkalischen Mmcralwassc , kQn dil . Alkaleseenz der
sic enthalten, wohl kaum liu ‘ ‘ dass die mittelstarken
Safte zu erhöhen. Ich ^ ^“„’brunnen nur schwach
Wässer wie 1« aclnufecn, t • . , , „icht einmal neutral
saure Harne AU f“ k —« ^ X, der Harn innrer
machen können, und dass, wenn d . b kü \ 1 i’ 01isaureui Kalk hat.
Niederschläge von phosphomurem k , s0 vicl alkalische
Nur das Wiesbadener Gichtwa^c ^ F , !|scl|0 „ in de.
Natronsalze, dass cs durc. 1 und vcrlll ögc seines geringen
allermeisten Fallen den Ha * • Niederschlägen
Kalkgehaltes, "VnichJ allein sicher
macht, hs vorhin mi d Harnsäuresteinen,
jede Bildung V.. 1U . r " qbs t d i c g » “s ten Steine
sondern ist im Stande, selbst d Mdne fUll f.
mit vollkommener ►' <■ *' Q FuUon haben diese Thateache
jährigen Erfahrungen in jer alkalischen Natronsalze
bestätigt. Neben den grossen »!c gJ ^ ^ dcr Stein¬
wirken, wie schon erwähn , .! dcs Gichtwassers
hildung sehr entgegen nainenUuh der hohe ^ habcn .
an Kochsalz, wovon die anderen Wasser nu ,
No. 11.
Die
Ergebnisse der pathologisch-»atomischen Unter-
suchung des Ohres bei Masern.
Von Prof. Pr. Be'.oUl
(Schluss.)
Was die specicllere Pathogenese der Masern-Otitis
betrifft, so spricht »wohl ihr mit dem ««S 1 "" ‘ ''
geiucincrkraukuug VS
«V w’.,»::..." uosgebreitete 1,0-
calisation mit Entschiedenheit gegen die b»^ohr
häufigste angenommene Entstehungswcise von . *
“Zg überhaupt, nämlich durch Propagation von Nase und
Nasenrachenraum in die Tuba und von
Paukenhöhle, Aditu, ad antrusn, Antrum und die
„der durch ein Hincinschlcudem von Sceretiousproductou au
Nase oder Nascnrachenraiun in die genannten Baume, wie ■<*
solches als die wahrseheinliel, häufigste Ursache der ,n der Regel
erst spät, in der Reconvalescens auftretenden Mlttclohreitornngeu
im Verlaufe von Typhus angenommen habe.-)
Mit Rücksicht auf eine etwaige directe Propagation sind
unsere Befunde in der knorpligen Tuba von besonderem |
Interesse. Dieselbe wurde fast durchgängig, und zwar
auch schon in d cn aller ersten Tagen der Allgemein-
erkrankung, ohne jede Veränderung gefunden.
Die ganze Form der Entzündung in der Schleimhaut, ihre
ungleichmässige Ausdehnung auf verschiedene Bezirke >
und punktförmige Injection, die Blut-Extravasate, vielleicht auch
die an einzelnen Stellen rasch aufschiessendeu kleinen Granulationen
fordern vielmehr zu einem Vergleich der Schleimhauterkrankung
mit dem Exanthem auf der äusseren Haut heraus, und es fandet
diese Form ihre, den path. anatomisch constatirten Befunden am
besten entsprechende Erklärung, wenn wir sie in directc Analogie
mit dem Hautexanthem stellen.
Den vorliegenden Obductionsbcfunden im Ohr bei Masern-
Kranken kommt eine weitere principiclle Bedeutung zu für unsere
a . r „ cutcn Mittelohrentzündungen überhaupt.
Auffassung der acut< i assen die Abgrenzung in
geschilderten Befund • welche wir zwischen acutem
ein- „eoe„Lieh«e er«hmn w c^he ^ „ |ue , ohrrl „ mt
(Katarrh > und acuter n
zu machen gewohnt s 1 • Mittelohr unter massigen
Wo schleimige,tnges fW J“ ^ und ()hne Durchbruch
acuten EnUündungsemd.mi.u^n siedet J ^ ^
des Trommelfells lkz e,hi.ung Otitis media katarrhalis
nach allgcmeiiiem U , ! ^ 1)urehbrudl d es Secrets durch das
m U,a g S näel .tsen mit anschliessender Eiterung, .so lautet
Tro.nmeltcH nach. Bezeichnung Otitis media purulenta acuta.
diC Wie ,e mir tJeits meine OlHluctio.cn des Gehörsorgans bc,
\\,c nu, '«-reu. wie dics e l, cnS o und mit noch grösserer
Typhus gezeigt haben, .. t io nen Morbillcnkranker sieh ergeben
Deutlichkeit bei den r, ('renze zwischen den Formen, welche
hat, lässt sich aber c, ' ,c ^” ^ einfachen acuten Katarrhs entgegen-
uns klinisch unter den durch das perforirte Trommel-
treten und de, Pom IW-
feil überhaupt nicht a.eheu. Beide s l„|, nicht durch
Organismen hcrvnrgcrufcn Iliihegrad, welchen die Er-
* Qualität. -*rn nnr to* *- /“X ' Beurteilung
T »'ää
™n Fäulnisa-Organismen in
das Mittclohr etc. eröffnet hat meinen statistischen
trStÄ’ als allein maassgebende, Un,er-
scheiduugsmerkmal gelten lassen. Mittelohrräumcn
Das schleimig des Trommelfells
sich vorfindet, mag dasselbe • deletären Bedeutung
führen oder nicht, lernen tnr ““ tiec „den an,-
erst dann kennen, wenn« ™ XSLnCnn einer andere»
tomischen Verhältnissen nicht s • « u Gelangt dieses
Stelle durchbricht als durch das ^
Secret aus den Mittelohrräumen zwischcnKnoc^
oder zwischen Knochen und Dura, »<» 1 b er das Periost
oder ein extraduraler Abseess I durd.br.
oder die Dura, so entstehen nu ers Reptomeningitis,
Senkungsabscesse am Halse, zW ^’’ Llwendg ein Durch-
Sinusthrombose, Gehirnabsccss, ohne dass
brach des Trommelfells vorausgegangen zu sun taw )uii .
Endlich möchte ich noch darauf hinweg welc dag
f»,gerangen wir nn. den
schlicssliche E ndsehicksa vermögen, wenn
in den Mittelohrräumen zu ziehen vermöge
sie ihren Weg nicht nach Aussen linden. ^ >IindesUjn
Die allgemeine Annahme geh • ’ . yj befallen wird,
die grosse Mehrzahl aller Kinder von Morbille
Nach den Ergebnissen meiner ^luntersuehumgen ^
kindliche Gehörorgan» 6 ) hatten 52.4d ro. oder
suchten 1897 Schulkinder laut der ^ ^ ^
Angehörigen die Masern üherstanden. unfccr denjenigen,
die Procentzahlen für die schlechthorcnden • tUc h un-
welche früher an Masern erkrank. «™- geblieben
günstiger ausfielen, als unter denen. d,e davon verschon
waren^^nh ^ damaljge „ ^^»enstcllung., hat«. —
die Masern überstanden „ Kinrlorn 51,02 Proc.,
unter den Flüstersprache über 16 m hörende 52,83 „
„ 16-om » >• Y4 „
” ”, ”, - ’ ” ’ 50 ' 68 3
Und Also gerade unter den letzteren,
Kindern wir früher vorausgegangene ^“ e Q rkrank
verhftltnissinässig kleinsten Procentzahl vertreten aUS .
Ha wir „nn die eitrige. Mittelohrent.ündung * ^ „
nahmslose Theilerscheinung der Masern kennen g der
sind wir nach dem Ergebnis« dieser Zusammenstellung
6) Ueber die Erkrankungen des Gehörorgans bei Ileotyphns
Archiv f. Ohrenhlk. Bd. XXI pag. 1, L8»4.
«) Wiesbaden, Verlag von Bergmann 1«8&.
■>) cf. daselbst pag. 48, Tabelle XIX.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
249
17. März 1896-
Annahme gezwungen, dass in der grossen Mehrzahl dieser
Fälle der Eiter in den Mittelohrräumen symptom¬
los und, ohne weitere Störungen zu hinterlassen,
wieder zur vollständigen Resorption gelangt ist.
Die geschilderten pathologisch - anatomischen Befunde bei
Masern stehen übrigens in ihrer Häufigkeit, resp. wie es nach
unseren mitgetheilten Beobachtungen scheint , Constanz durchaus
nicht vereinzelt in der Pathologie des Ohres da.
Seit v. T r ö 11 s e h wissen wir, dass circa bei drei Viertel
aller in Kranken- und Findelhäusern gestorbenen Säuglinge sich
Eiterung im Mittelohr findet, welche im Leben mehr oder weniger
symptomlos bleibt und nicht zum spontanen Durchbruch des
Trommelfells zu führen pflegt. Kosse 1 8 ) und Hartmann 9 )
haben in den letzten Jahren im Institut für Infectionskrankheiten
von Koch diese Thatsaclie durch neue Cntersuchungsreihen be¬
stätigt und auch in dem gefundenen Eiter das regelmässige Vor¬
kommen pathogener Organismen nachgewiesen.
Rasch ,0 ) in Kopenhagen hat ebenfalls das Gehörorgan bei
einer grösseren Anzahl von Kindern bis zu 2 Jahren obducirt
mit dein gleichen Resultate. Derselbe legt, ebenso wie dies bereits
vor Jahren W r e d e n gethan hat, ein grosses Gewicht auf die
gleichzeitige Erkrankung der Respirationsorgane. Rasch hat in
70 1 /a Proc. seiner Untersuchten Bronchopneumonie gefunden. Unter
den an Bronchopneumonie Erkrankten war das Mittelohr in nicht
weniger als 99 Proc. afficirt und zwar bei 77 Proc. in Form einer
eitrigen Ohrentzündung. — Auch Hartmann konnte die Häufig¬
keit dieser Coincidenz feststellen.
Darnach darf es uns auch weniger wundern, dass bei Masern-
kranken, zu deren constanten Sectionsbefunden ja die Broncho¬
pneumonie gehört, die Mittelohreiterung ebenfalls einen constanten
Befund bildet.
Ich muss hier ferner hin weisen auf eine grosse Untersuchungs-
reihe über pathologisch-anatomische Ergebnisse im Ohr bei Variola,
welche bereits aus dem Jahre 1872 stammt, und die wir Wendt 11 )
verdanken. Seine Statistik basirt auf 168 Obren von 84 Personen,
die von ihm selbst obducirt worden sind.
Darunter befanden sich 24 Gehörorgane, welche Kindern
von 0 — 1 Jahr, 56, welche solchen von 1 — 8 Jahren und 88,
welche Erwachsenen angehörten.
Unter den 0—ljährigen war schleimig-eitrige oder rein eitrige
Secretion des Mittelohres vorhanden in 62,5 Proc., unter den I -8 jähr.
in 57,1 Proc. und unter den Erwachsenen in nur 22,7 Proc.
Mittelühreiterung fand sich demnach bei den
variolakranken Kindern bis zum 8- Jahre nahezu 3mal
so häufig als bei den Erwachsenen.
Die besondere Prädisposition zu Mittelohreiterungen im kind¬
lichen Lebensalter, welche wir ja schon aus den klinischen Er¬
fahrungen genügend kennen, kommt somit auch iu der Statistik
Wen dt’s über Variolaerkrankung des Ohres entschieden zu Tage.
Die entzündlichen Affcctionen der Respirations¬
organe unter den Variolakranken zeigen dagegen
hei Wendt keinen deutlichen Einfluss auf die Er¬
krankung des Ohres.
Es wurde diese Oomplication von Wendt in 43 Fällen ver¬
zeichnet und zwar 28 mal katarrhalische und croupöse Pneumonie
und 15mal Bronchitis. Unter diesen 43 Fällen traten die Ver¬
änderungen im Mittelohr sogar in etwas geringerer Frequenz auf;
nur die stärksten Schwellungen und die rein eitrige Secretion finden
«ich unter ihnen in etwas grösserer Zahl (beide 9,3 Proc. gegen
<>,9 Proc. und 5,3 Proc. der Gesammtheit).
Für die Masern-Otitis wurde das verhältnissmässig erst späte
»wachsen der Entzündungserscheinungen in der Zeit der Recon-
valescenz hervorgehoben.
wtt'J V eber Mittelohreiterungen bei Säuglingen. Charit4-Annalen,
ÄV HI. Jahrgang.
Wochenschr. Mittelohrentzündung der Sänglinge. Deutsche medic.
l • ,Ueber die Häufigkeit und Bedeutung von Mittelohrentzündungen
Pag 3i!? en kranken Kindern. Jahrb. d. Kinderheilk. Bd. XXXVII,
Ueber das Verhalten des Gehörorgans und des Nasen-
»cnenraums bei Variola. Arch. f. Heük. Bd. XIII, pag. 117 u. 414.
No. 11 . *
Analoge Verhältnisse haben sich Wendt auch für die Variola-
Otitis ergeben.
Obgleich die schon im Beginn der Allgemeinerkrankung d. h.
im Stadium der Effloreaeenz zur übduction gekommenen Gehör¬
organe in ihrer grossen Mehrzahl bereits entzündliche Verände¬
rungen, insbesondere netzförmige Injcction, faltige Schwellung
und seröse, schleimige und schleimig-eitrige Secretion der Mittel¬
ohrschleimhaut darboten, hatte unter den in der Zeit der Ver¬
krustung bis zum völligen Ablauf obducirten Gehörorganen nicht
nur die Zahl der Erkrankten noch zugenommen, sonden es waren
auch die schwereren Entzündungserseheinungen, diffuse Injection,
starke Schwellung und eitrige Secretion, beträchtlich häufiger zu
consta tireu.
Also auch bei den Blattern zeigt der Entzün¬
dung sproeess im Ohre, obgleich er ebenso wie bei den
Masern meist sofort mit Beginn der Allgemeinerkrankung einzu¬
setzen pflegt, den gleichen torpiden Verlauf während
der Höhe der Allgemeinerkrankung nnd die gleiche
Tendenz, erst im Reconvalescenzstadi um stärker
aufzulodern. Zur Erklärung dieses Verhaltens liegt es auch
für die Blattern am Nächsten, eine Herabsetzung der localen wie
allgemeinen Reactionsfähigkeit des Organismus auf der Höhe der
Erkrankung anzunehmen, wie wir dies bei den Masern gethan haben.
Gestatten Sie mir noch m. H. mit einigen Worten das Bild
zu eharakterisiren, welches uns die Masern-Otitis am Lebenden
darbietet; es gehört dies insofern noch zu der Aufgabe, welche
ich mir gestellt habe, als wir die wesentlichsten Veränderungen,
welche im Leben zu constatiren sind, nämlich diejenigen an der
Aussenfläche des Trommelfells, auch an der Leiche zu sehen und
zu verificiren vermochten.
Bei unseren sämmtlichen Ohrsectionen sind wir gewohnt, die
vordere Gehörgangswand bis zum Trommelfell zu entfernen, um
das letztere direct zu überschauen.
Das Trommelfell gibt gerade im Verlaufe verschiedener
Infectionskrankheiten in hohem Maasse charakteristische Anhalts¬
punkte nicht allein für die Affection des Ohres, sondern auch
häufig für die Diagnose der vorliegenden Infectionskrankheit selbst.
Wir sind nicht selten im Stande, schon aus dem Trommelfellbefund
allein die zu Grunde liegende Allgemeinerkrankung zu erkennen.
Das Trommelfellbild bei Masern-Otitis ist allerdings für die
allgemeine Diagnose mehr nur in negativer Weise verwerthbar,
insoferne die für andere Infectionskrankheiten charakteristischen
Befunde liier in der Regel fehlen, und im Allgemeinen nur die
Erscheinungen des acuten Mittelohrkatarrhs oder, falls es zum
Trommelfelldurchbruch kommt, diejenigen der genuinen Mittelohr¬
eiterung sich entwickeln.
Bei einem, wie es scheint, nur kleinen Bruchtbeil der Fälle
sind auffällige Erscheinungen an der Aussenfläche des Trommel¬
felles im ganzen Verlauf der Masern überhaupt nicht vorhandeu.
Meist spiegelt sich indess der im Mittelohr, wir wir gesehen
haben, eonstaut vorhandene Entzündungsprocess mehr oder weniger
deutlich auch an der Aussenfläche des Trommelfells.
Dieselbe erscheint meist im Ganzen etwas dunkler, insbesondere
im hinteren oberen Quadranten diffus injicirt, von lividrother
Farbe. Die gleiche livide Köthuug erstreckt sich auch auf die
hintere ol>ere Gehörgangswand, so dass die Trommelfellgrenze hier
vollständig verwischt sein kann.
Ist eine grössere Menge Eiter innerhalb vorhanden, so kann
derselbe in der intermediäreu Zone der hinteren Hälfte gelblich
durchscheinen. Wir Anden dieselbe dann gewöhnlich stärker her¬
vorgewölbt. Neben diesem Befunde zeigen sich verhältnissmässig
häufig in verschiedener Deutlichkeit einzelne radiäre Gefässe. Eine
geringere Vorwölbung des hinteren oberen Quadranten ist häutig
auch allein durch Schwellung und Infiltration der Trommelfell¬
substanz bedingt. Eine deutliche durch das Trommelfell durch¬
scheinende Flüssigkeits grenze, sowie einzelne durchscheinende
Luftblasen haben wir nur an der Leiche bei senkrecht auffallendem
Licht einige Male constatiren können.
Nur in einzelnen Fälleu und zeitweise findet man statt Ver¬
wölbung vielmehr die Erscheinungen von Einsenkung am Trommelfell,
3
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25Q
Münchener medicimschejvochen^ 1 ^
No. 11.
•to
A « des normalen vom ümbo »nd Bildung einer
der Epidermis mit a X
Oberfläche »ncoessive ^^L^hT^aterTurli^rtn^Evbenden^üneben-
sich, insbesondere an de > i h fältelt und ruiwlich
Leiten der oberfäehhehen' verschwinde». Es
Wird wöbe. H™ e '^ n " e J hcit vi elleiel,t noch das am meisten
cdiarakteristisehe^yiuptom an der Tromme.Wleherfläehe im Variante
lamelle in Form einer kleineren Bla« dünn-
abheben; es kommt tan ” *f ( 7 eil tder wenige Tege.
U *— Kpidermissehieh«
leicht los. i i, ,i ps Eiters vom aMittelohr,
» wr“ “„rEpid^obcrfläclm rism, -d es «»det^e
ä rs;
SeTte“ 1 £ fibriniSr 1 SÄÄZ
AU ”trSnef »rlr 28 fahrigen praktischen Erfahrung
Verlanf toVtem tar 2
-jÄÄrS
als bei der perforativen Form consUnt unter regelrechter Behandlung
ZUr N I)™s untef ungünstigen Bedingungen — und nach meinen
•sr=-
auch alle die schlimmen Comphcationen c,«treten Wonnen, wie sie
r einem gewissen Procentsatz an jede Mittelohrcterung über-
haupt sich anschliesscn, wurde bereits erwähnt.
Wenn wir die Masern-Otitis mit den E n t z u nd un g«v-or-
<m Mittelohr b ei den übrigen Infectionskrank-
C» 6 er :*he eine» eharakteristisehc» Trommel»
ssua lä r
ä/s £ äs;*
Erfahrungen, bei Masern niemals der hall ist, nach wenigen Tagen
kann das Trommelfell total verschwinden und der Hammcrgnfl
soweit einschmclzcn, dass die Watte tarn Abtupfe,i an den ent¬
standenen Unebenheiten des cariösen Knochens hängen bleibt.
Auch bei Typhus sind die Perforationen gewöhnlich viel
ausgedehnter, auch öfters mehrfach und gelangen keineswegs durch-
gängig zum Wiederverschluss. . . , .
Ferner fehlen bei Masern-Otitis die charakteristischen Blut¬
ergüsse und manchmal bis weit in den Gehörgang sich erstreckenden
hämorrhagischen Blasen, welche bei der ersten grossen Influenza
epidemie so ziemlich allerwärts in ungemeiner Häufigkeit gesehen
worden sind. Seitdem sind wir regelmässig im Stande, das Auf¬
treten einer neuen Influenza-Epidemie an der raschen Häutung
der genannten Befunde am Trommelfell zu erkennen.
Ich will nur noch e i n c Infectionskrankheit namhaft machen,
deren Ohrbefund in hohem Maasse charakteristisch ist, nämlich
die Tuberculose. Hier tritt vor Allem die dauernde .mangel¬
hafte Reactionsfähigkeit des Organismus m den Vordergrund.
Schmerzlos können hier eine oder mehrfache Perforationen au
jeder Stelle des Trommelfells, auch direct an seiner Peripherie,
auftreten, täglich unter unseren Augen sich vergrössern, und die
einzelnen Oeffnungen sich durch Schmelzung der zwischenliegenden
Brücken vereinigen. Ohne dass eine nennenswerte Reaction der
Schleimhaut eintritt, können wir hier sehr bald ausgedehnte
Streckeu der Mittelohrwände mit der Sonde cariös fühlen.
Wenn wir den durchschnittlichen Verlauf der Otitis post,
w ,ir diese, hier angedeuteten Vorkommnissen be,
morbillos mit all ■ vergleichen, so bin ich wohl be-
anderen Infections ran >e ^ . ihren milden Charakter als
rs«
hervorgehoben habe.
Ueber den Ileus.
Von l)r. K. Witthauer, Oberarzt am Diakonissenhaus in Halle a. 8.
(Schluss.)
TA wende mich .im, » Actiologie de» Volvnln., der die
nracT^TchUdert einen Fall, der in seinen Sy^me^d
seinen äSgXhte^^ blassen Flexun
' I)lC Vi aufwärts der Scheitelpunkt der Schlinge lag unter
deuf linken RipponWen und * ££
sich um diejenige horm der Tor ^ £ Colonschenkcl
- “
IrlT"'»“ MOÄÄ «1 M von V*- de,
«“7 rrfr.ZiZ’TL
welcher ^ 'entetanden war durch eine d ”
Sta/ IleruuseUlinge
"
^“•Älrfr Ä"-* *■ —
Obtnration de» Dar»,rohr» veranlass«» »elnldej ■ , i
Aetiologie cbense vielgestaltig «rt . <™ dae der andere ^ ^
Hierher gchtiren die Fälle von . nva £™ fi j j Zahlreich sind
Kindesalter * «f“« “Jf, »ab Ileu», «*•*•
die Veranlasser 1’ remdkbrpcr. Isr.ic ) d Darw-
durch einen Gallenstein, der einen er **
musculatur erzeugt hatte denn ^ als Ursache
ganz, leicht hin-und hersclnebeii. * , Dfinndanus • and«’’
einer tätlichen Peritonitis einen Volvulus des Dünndar ^
Ileococcalklappc »a»»en 250 Kirschkerne «nd 4 ™“““ nb *|
die eine ansged.hne Uleeration and Stenose de,7™ jfai.l«
hatten. Einen mit Erfolg wegen der gle,chcn Ursache
operirten Knaben sah ich in Breslau. Wesen er* 5 ’'
Ich will hier noch einen Fall von b uhr ^
anführen, die als Ursache für Darmocclusion den,D^
8 Jahre lang unausgesetzt getragenen Bessar. Ursache
das Kreuzbein beobachteten. Zahlreich sind ferner
Tumoren des Darmrohrs und Narb«.
Die Symptome des Ileus zu schildern, halte icl™ auS
da sie genügsam bekannt sind; sic Brbrec hcn,
5 Kardinalerscheinungen : V erstopfung, J ] ht zus!U ninen-
Kothbrechen, Meteorismus. Wenn dmse sc g • st dM
treffen, ist die Diagnose nicht schwer zu stellen
aber nicht häufig der Fall und zweitens ist
Diagnose eines Ueus für ein zielbewusstes < p ic Haupt-
noch Nichts getlian. Sonnen bürg ) g , des Heus
Schwierigkeit liegt in dem Umstund, dass die l rsacfic
‘») Berl. klin. Wochenschr. 1892, No_ 1- Helf,er' ch
«) Von gleichen Fällen benchten Ewald und n
(Berl. klin. Wochenschr. 1888 No. 2 und No. 33)
“) Berl. klin. Wochenschr. 1888, No. 12.
“) Berl. klin. Wochenschr. \m, No 21-
«) Deutsche med. Wochenschr. 1887, J>o. ho.
**) Berl. klin. Wochenschr. im, No. 1.
•*) Deutsche med. Wochenschr. 1889, No. 4.
“) Deutsche med. Wochenschr. 1887, N°- •
-®) Deutsche med. Wochenschr. Ib88,
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17. März 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
251
jn jedem einzelnen Fall meist dunkel und unsere Hilfsmittel zur
Diagnosenstellung mangelhaft und unvollständig sind. Daher kommt
es, dass wir nur selten entscheiden können , ob wir durch eine
Operation überhaupt im Stande sind. das Hinderniss der Koth-
bewegung zu beseitigen». Genaueste manuelle Untersuchung,
aber auch sorgfältige Erhebung der Anamnese müssen uns in den
einzelnen Fällen Aufklärung verschaffen.
Schlange gibt uns hiefür werthvolle Fingerzeige, die ich
Eingangs meiner Arbeit schon erwähnt habe: Von allgemeinen
Symptomen des Darmverschlusses ist die vermehrte Aus¬
scheidung von P h e u o 1 und I u d i c a n durch den Harn
hervorzuheben; sie sind Produkte der Eiweissfäulniss im Darm¬
kanal und von hier aus resorbirt worden. Namentlich beim Ver¬
schluss des Ileuni soll Indicanurie auftreten, beim Dickdarmver-
schluss fehlen. Dar Leibseh merz ist Folge der Reizung der
Bauehfellncrveu, der Meteorismus Folge der pathologisch ge¬
steigerten Gasbildung im Darm und der Verminderung der Gas¬
resorption, deren Ursache in den Uireulatiousstörungcn des Darms
experimentell erklärt ist. Das Erbrechen, si>ecicll das Koth-
brechen ist nicht auf sog. anti]>crista1tischc Bewegungen zurück-
zuführen, sondern kommt zu Stande durch ein «Ueberlaufen des
Darminhaltes nach oben >.■.
Finden wir also, um zu den einzelnen Arten des Ileus über¬
zugehen, wie sie Schlange schildert, den Leib stark und zwar
gleichmässig aufgetrieben, nirgends ist eine stärkere Resistenz
nachweisbar, nirgends sind Darmschlingcn durch die ziemlich dünnen
Bauchdecken erkennbar, auch Beklopfen der Bauchdecke ändert an
diesem Verhalten der Därme Nichts, bei der Auscultation ist
kein Geräusch wahrzunehmen, nur allgemeine .Schmerzhaftigkeit
des Leibes, so haben wir es mit einer Darmlähmung in Folge
diffuser Peritonitis zu thun; die Anamnese gibt uns viel¬
leicht eine Anhaltspunkt für ihre Entstehung.
Auch die locale Bauchfellen tzUndung kann ileusartige
Erscheinungen hervorrufen. Hier ist die Diagnose leichter. Zu¬
nächst fehlen fast stets die Collapserscheinungen, die Druck-
einpfindlichkeit ist auf die kranke Stelle lucalisirt; dabei oft recht
erheblich. Die benachbarten Darmschlingen sind deutlich aufgebläht,
in der Regel unbeweglich; auf Druck zeigen sie keine nennens-
werthe Spannung, weil man ihren Inhalt in einen angrenzenden
Darmabschnitt fortschiebt. Diese Entweichung der Darmgase er¬
folgt unter gurrendem Geräusch.
Die inneren Incareeration en machen meist ein recht
charakteristisches Krankheitsbild: Gewöhnlich tritt, vielleicht nach
einer grössereu Anstrengung, plötzlich ein heftiger Schmerz ein.
Die bisher gesunde Patientin fühlt sich sehr krank und elend,
Aufstosseu und spärliches Erbrechen galliger Massen stellen sieh
ein, der Stuhlgang bleibt angehaltcn. Flatus gehen nicht ab. Der
Puls ist noch leidlich kräftig, die Kranke zeigt aber deutliche
Collapserscheinungen. Die manuelle Untersuchung, die durch Nar¬
kose erleichtert wird, lässt eine längere oder kürzere gefüllte I)arm-
schlinge feststellen, die ganz ausserordentlich stark aufgebläht ist.
Viel schwieriger ist natürlich die Diagnose, wenn nur eine
kleine Darmschlinge abgeschnürt ist, welche, wenn sie auch
noch so sehr gebläht ist, doch weder durch die Bauchdecken,
noch vom Mastdarm oder der Vagina aus gefühlt werden kann.
Zu diesen Formen gehören die Einklemmungen einer Darmschlinge
im kleinen Becken und die in den Peritouealtaschen eingeklemmten
Hernien. Plötzlicher Schmerz und schweres Krankheitsgefühl
bilden auch hier die Anfangssymptome, Stuhlverhaltung, Erbrechen
folgen, jetzt heisst es den Kranken peinlich beobachten! Die
Diagnose wird klar, sobald sich eine Darm partie auf¬
bläht; es ist dies die über der Einschnürung gelegene Schlinge,
die nun auch leichte per ist alt i sehe Bewegungen zeigt. Der
Unterschied ist also der: bei Einklemmung grosser Darm-
partieen (also auch bei Volvulus) Aufblähung einer
grossen Schlinge sehr bald nach der Einklemmung
and keine peristaltische Bewegung derselben, bei
Strangulation kleiner Darmtheile Aufblähung des
darüber liegenden Darmabschnitts nach einigen Tagen
und leichte peristaltische Bewegung desselben.
Wird nicht eingegriffen, so verwischt sich selbstredend nach
und nach dieses prägnante Bild und der fassförmig aufgetriebene
Leib bietet schliesslich das Aussehen der allgemeinen Darmlähmung
oder diffusen Peritonitis.
Wir kommen nun zu der letzten Form, dem Obtnrafcions-
i 1 e u s, der gewisse allgemeine classische Symptome zeigt: 1. Das
Fehlen des intensiven, initialen und anhaltenden Schmerzes.
2- Das Fehlen meist der Collapserscheinungen. 3. Das Vor¬
handensein deutlich erkennbarer, geblähter Darmschlingen mit
peristaltischer Beweglichkeit im aufgetriebenen Leibe. 4. Das
Vorhandensein von Störungen irgend welcher Art, welche
auf ein ursächliches Leiden in der Bauchhöhle, speciell ein Darm-
leiden schliessen lassen, vor dem Beginn des Ileus. Eine
Specialisirung der Diagnose, wo die Obturationsstelle sich befindet
und welcher Art das Hinderniss ist, muss nun die weitere Unter¬
suchung ergeben.
Schlange sagt weiter, dass die so häufig vorkommenden
mannigfachen Verwachsungen verschiedener Darmschlingen unter
einander etc. meist Symptome von ausgesprochen chronischem
Charakter zeigen, da sie wohl auf Koprostasen beruhen. Dass
dem nicht immer so ist, beweisen unsere Fälle HI und IV, die
sich innerhalb weniger Tage entwickelten, ohne dass eine Strangu¬
lation im Spiele war.
Wir müssen dem verdienten Autor gewiss zu dem grössten
Dank verpflichtet sein, dass er in die dunkle Frage von der
Diagnose des Daraversehlusses Licht gebracht hat; wer seine
Lehren beherzigt, wird mit dem Gefühl grösserer Sicherheit am
Bett eines Ileuskranken stehen, aber sein Ausspruch «vermuthlich
wird stets unerfüllbar die Forderung bleiben, in jedem einzelnen
Fall von Ileus Art und Ort des Hindernisses genau zu präcisiren »
ist sicher berechtigt. Besonders scheint mir aber auch die Unter¬
scheidung des Obturationsileus von den andern Arten nicht jedesmal
möglich und dass diese Ungewissheit für die Therapie gerade ver-
hängnissvoll ist, liegt auf der Hand.
Ich will noch hervorheben, dass, zumal ‘ nach Operationen,
Ileus und Sepsis leicht verwechselt werden können und erwähnte
schon früher, dass Magen Perforationen zu Täuschungen Anlass
geben können, weil deren Symptome denen der Strangulation fast
gleich sein können. Den einzigen Unterschied würde hier die Be¬
schaffenheit des Erbrochenen bilden, welches zumeist nicht faecu-
leuten Charakter haben wird.
Was die Qualität und Frequenz des Pulses betrifft, auf die
früher so viel Gewicht gelegt wurde, so muss ich diese nach
meinen Erfahrungen für durchaus nebensächlich und unsicher
erklären, wie ich das auch bei Magenperforationen gesehen habe.
Ein kleines diagnostisches Hilfsmittel, welches aber von
zweifelhaftem Werth ist, sind die hohen Wassereinläufe, die je
nach den eingeführten Wassermengen in einzelnen Fällen vielleicht
einen Maassstab dafür geben können, ob das Hinderniss höher oder
tiefer sitzt. Selbstverständlich ist auch die Reetaluntersuchuug nie
zu versäumen.
Die Prognose des Ileus ist im Grossen und (tanzen eine
schlechte; die Ansichten der Autoren differiren stark. Gold¬
ammer* 7 ) z. B. hat von 56 Fällen 15 geheilt und zwar ohne
Operation, nur mit Opium, Wassereinläufen und Diät. Till¬
mann 28 ) hat von 20 Fällen nur 2 geheilt, weil zu spät operirt
wurde, und hei der Scetiun zeigte sich, dass weitere 11 durch
frühzeitige Operation hätten gerettet werden können. Obaliuski* 9 )
hatte bei seinen Laparotomieen wegen Darmoeclusiun 66 Proc. Todes¬
fälle. Von unseren 4 operirten Fällen sind die Hälfte am Leben
erhalten worden, was natürlich bei der geringen Zahl Nichts beweist.
Von einer Prophylaxis kann selbstredend nur in sehr
beschränktem Maasse die Rode sein. Reherzigenswerth ist der
Vorschlag, den Law son Tait und auch französische Operateure
gemacht haben, dass man nach Bauchschnitten schon am folgenden
Tage ein leichtes Abführmittel geben soll, um nicht durch Ruhig¬
stellung dos Darms Adhäsionsbildung zu begünstigen. Opium-
verabreichung nach Laparotomieen ist natürlich ganz irrationell und
auch Morphiuminjectiouen sollen nach Möglichkeit eingeschränkt
werden. Wie man es in Bezug auf die trockene oder feuchte
Asepsis bei Operationen halten soll, muss die Zukunft lehren.
* 7 ) Berl. klin. Wochenschr 1»89 No. 10.
st ) Deutsche med. Wochenschr. 1895 No. 49.
*•) Berl. klin. Wochenschr. 1888 No. 52.
8 *
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moncheneb medicinische wo oggsgcmgr.
No. 11.
Viel ’fltchüg 8 dnretauaMrt I **
rrÄ js Dic ,
inneren MedWner neck der beiden feindlichen ^
verkannt werden soll, das d wie hei der Behänd- I ,
Heerlager über diesen 1>u ' lkt v ° Sde Theile nach ihrem speciellen I ’
,nn g der Peri W »„ — «e Der chi ™
Standpunkte und nach ihre g häufig m die I
ist natürlich viel schlechter daran^ ^ ^ richtige Zeitpunk t “ q
Lage kommt, eingreifen z ’ ,■ Grunde ist auch I .
Mr'die Operation vorüber »t jnd - |„ Mi.,- *
TZ r internen Medieiner -
- ÄpSSst- S
uischen Mitteln. L ' eb .^“ R e,B v ^lmnde“ 8ind, im Anfang Abführ- n
scheinungen von Pentoni Knie-Ellenbogenlage. Sind pen- I u
mittel und Darmeingiessungen j ne ^ ^ | ingie88Ungen ange- e
tonitische Erscheinungen da, solle P Uebrige per rectum. b
wendet werden. AusaMdem XuSpüSngen desselben" Für Magen- (1
Ist der Magen sehr gefüllt, Ansspüug^^ ^ und zwar dann ,
ausapülungen tritt be80 " de ™ h «^oder das Erbrechen plötzlich 1
—> V*TÄ“S—•** Sperre mg***
SÄiÄÄHS ;
Leguen 81 / hat auren . loy ‘- vc „ c-iillpn bei ausgesprochenem
geheilt. P o D a k ^iv-pn^Erfolg 1 durch Magenwaschungen und Bitter-
^Ä b ÄartrÄ, «.Jb-Mh* ™, ^reb höbe
Eingiessungen^ lm befdelTdureh l mM8r g e e höh , e Eingießungen ein
Volvulus der Flexur entstanden war.
Mitchell») hat bei 8 Kranken nnt gute n Er olg Olenm
m
:|§igS5S£
Ä Ä«“ÄS. nach Ein.ah.ung „etalheehen
^mm §üs
Semmola* 1 ) ebenfalls durch Faradisauon.
Curschmann«) wendet mit gutem Erfolg die Gaspunct
an: «Die Entleerung der Darmgase ist nicht allem
verhftngnissvollen Zustand zu erhalten und zu befeshpn. Er h
in 10 Fällen nie einen Nachtheil davon gesehen. Bei Fällen, wo
so) Deutsche med. Wochenschr. 1892, No. 11 u. 12.
81 ) Therap. Monatshefte, Aug. 1891.
82 ) Gaz. m4d. de Paiis 1895, No. 19.
88 ) Münchn. med. WochenBchr. 1893, 1 u. ff.
M) Deutsche med. Wochenschr 1887, 42.
s5 ) Semaine med. 1891, No. 51.
3«) Centralblatt f. Gynäkologie 1892, 50.
37) Deutsche med. Wochenschr. 1892, 20.
38 ) Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 17.
89 ) Deutsche med. Wochenschr. 1891, No. 49.
**>) Centralblatt f. klin. Med. 1892, No. 32.
*>) Siehe oben.
42 ) Deutsche med. Wochenschr. 18b<, ^o. Jl.
, t. » -„voit an einer tiefgelegenen Stelle des Darmrohre,
b»oÄ”im SSSIu suche» ist, macht er Lotteinblasunge» vom
B6Ct ”wcrfe» Wir einen turae» Rückblick auf diese noch lang,
werten . « Methoden, so müssen wir zugeben,
f ht i— - t e F r
dass sie aut ei , finden. Die mechanischen
Stellung der In ici ^ lu " * Volvulus und Obturationsileus
p-:-d^rrt
Gebühr hinaus geschoben wird (K oerte>
■* r “ ’r::^r :t —
Ä U ope^Än» der C
nicht ausgebildet ist, wenn .ke veroe blichen Versuchen, den Darm
steht d.h nach 12-lbstündig ft Jf gewi88 das Ideale, wenn sich
durchgängig zu machen». Das wä gew^ 8icherheit 8tellen besäe
nur die Diagnose immer glei Angehörigen derselben zu
und wenn sieb die ""^dÄSlich. Symptome
einer Operation bestimmen be8He n, h nnd igt man gewiss,
bestehen. Weiss man, um was es^ sich bin« ^ hat , der durch
dass man einen 8trangulationsileuB u. • i d der Entschluss
innere Mittel selbstredend nicht heilt, dann wir
kein schwerer sein. selbstverständlich, dass wir bei
Sonnenburg* 5 ) sagt, “ ,D £ ei bekannter Ursache
sicher diagnosticirtem Slt einfachere Mittel uub im Stich
. des inneren DarmverschluBses, wenn e n b Hier dürfte
i lassen, nicht zögern dürfen zur. 0p "j‘ rend in zweifelhaften Fällen
. die Laparotomie indicirt sei , Laparotomie ist als die
1 die Enterostomie angeze gt ist . D J p au8ge dehnten Darro-
‘ gefährlichere Operation gefürchtet, wen weil d ie eventuell
schlingen jeden Orientirungave o„bftdlichkeiten’ nach sich zieht und
„ nöthige Eventration der Därme 0B8e Schwierigkeiten bietet.
n die Reposition der ansgedehnten Därn gr al8o eine bedeutende
Das Gelingen eines so großen Emg r die Laparo-
Widerstandskraft bei de “ P h in ihrer Sbung zurückhaltend sein
tomie ist, so wird man doch > n .' bre p n ^T er d urch sie werden die
“ müssen. Die Enterostomie ist v > eleinfach ®’ , dadurc h Platz ge-
l f angehäuften Koth- und Gasmass^ entfernt u,au ^ vQn Ach8C n
macht zur Zurückführung der Herbeiführung normaler Druck-
m , drehung, Invaginationenu. ilgl. DurehlH können ferner
! ’ 1 Verhältnisse im Innern des Dame.und der Bau^hö^ ^ ^
, die abnormen penstaltischen e Anlegung eines künst-
lf ‘ liehen, geordneten eingeleitet werden - » un d eine
liehen’ Afters soll nicht einen dauernden ^“^SilosBen.. Wie
™ Laparotomie früher oder 8 P^ e L „ i f e r i ch ,8 ) der Enterostomie ein
en Sonnenburg, so räumt auchHeferich) ob bei
weites Feld ein. Nach seiner M “ ' 0 ‘ en 0 ien werden soU,
ler Heus Enterostomie oder Laparotomie rge ^ andern der
'“) unrichtig; bei dem einen ist „ ’ de r grösseren Grupp«
ler künstliche After zu machen und_ bei der dritte . , nicht auf-
811 > von UeusfäUen, wo eine be ® tl ““^.° p ® n - c b t klar liegen, ist «he
>03 mstellen ist und wo VwhllltaMM mcht >^»rzuzifhen. Da^
>«; Enterostomie, als die unptoriiÄer« ^ Helferich
luf übrigens die letztere Methode zur Heilu gg^ a)g Bewe iB für
len an 2 Fällen und sein Assistent Hoffma K ) k geBC hichte an, wo
nw bss»
1” LUDg,» h-
r g oto SStS“ ITE?‘W«•"«
ken einen anus praeternaturalis angelegt und^ e gtrictur ftm Colon
inen Laparotomie und Resection einer narbige
hat ascendens vorgenommen. der
- Zum Schluss kehre ich wieder zu Scblange^rück,^^
auch für die Behandlung ganz bestimmte 14 ^: danll
lat der Ileus Folge einer diffusen Pe Jon ^ ^
ist eine Laparotomie nicht zu em BC hwi e rig is l >
den stark geblähten Dannschlingen die .^ perat kostet und auch
weil die Reposition der Därme zu viele Mü
*8) Archiv f. klin. Chirurgie XXXXIH, 34
44) Münch, med. Wochenschr lbM, >No. 52.
43 ) Deutsche med. Wochenschr. 1888, «o.
t6 ) eodem No. 33.
*»)^erl klin. Wochenschr. 1891, No. 31.
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17. März 1896.
die Eröffnung einer gespannten Darmschlinge daran nicht viel
ändert, denn wegen der Darmlähmung geschieht die gewünschte
Entleerung nur sehr unvollkommen. Wenn keine abgekapselten
Exsudate nachzuweisen sind, beschränkt man sich demnach auf
eine symptomatische Behandlung, bestehend in Priessnitz’sehen
Umschlägen, Magenansspülungen und Darreichung von Opium.
Abgekühlte, mit etwas Cognac versetzte Milch und kleine Dosen
Champagner werden per os gegeben ; gegen den Durst lässt man
kleine Eisstückchen schlucken, bei starker Herzschwäche und
grossem Wasserverlust der Gewebe sollen subcutane Kochsalz-
infusionen gute Dienste leisten. Wird der Meteorismus zu stark,
käme die Uaspunction oder Anlegung einer oder mehrerer Darm¬
fisteln in Frage. Dieselbe Therapie, Ruhe, Diät und Opium ist
auch bei 4er localen Peritonitis anzuwenden.
Lässt sich mit Sicherheit eine Strangulation eines Darm¬
stücks annehmen — wie die Diagnose gestellt werden kann, zeigten
die früheren Ausführungen — dann ist mit der Operation nicht
zu zögern; nur die Laparotomie kann Hilfe bringen. Schlange
bevorzugt die breite Eröffnung der Bauchhöhle, die eineu schnellen
Ueberblick gestattet. Es muss rasch oporirt werden. Der Darm
wird nöthigen Falls ausgepackt und ohne jeden unnöthigen Zeit¬
verlust gellt man an’s Ende der Aufblähung, die scharf gegen den
contrahirten Darm durch das mechanische Hindern iss abgesetzt ist,
dessen Beseitigung nun in geeigneter Weise vorgenommen wird.
Als allgemeiner Grundsatz Ihm der operativen Behandlung
des Obturationsileus muss gelten, dass man zunächst eine
Entleerung des überfüllten zuführenden Darmes bewirkt, dazu
dient die E n te r o.Storni u , die man, wenn der Sitz des Hinder¬
nisses bekannt ist, möglichst unmittelbar über der Verengerung
ausführt. Liegen die Verhältnisse günstig, so kann man eine
radicale Beseitigung des Hindernisses durch Exstirpation ete. an-
schliessen, sonst wartet man einen günstigeren Kräftezustand des
Patienten ab und ojierirt dann. Ist. der Sitz des Hindernisses
unbekannt, dann legt man ebenfalls eine Darmfistel, am besten
in der Coecalgegond an, untersucht nach Entleerung der Därme
und Weicherwerden des Leibes von Neuem und verführt nun, je
nachdem man Geschwülste oder anderes entdeckt, nach den jeweiligen
Umständen. Einen im Darm festgehaltenen Fremdkörper wird
man nüthigen Falls durch Incision der Darmwand entfernen und
den Darm gleich wieder vernähen.
Diese Indicationen sind meines Erachtens so klar, dass man
mit gutem Bewusstsein nach ihnen handeln kann. Es bleiben
nun die Fälle, wo die Diagnose des Heus trotz allergcnauester
Beobachtung und Untersuchung nicht gestellt werden kann und
wo die Ursache des Hindernisses unklar bleibt. Hier muss mau
sich einstweilen mit der internen und mechanischen Behandlung,
d. h. Opium, Diät, Priessnitz, hohe Einläufe begnügen, aber sofort
auch da zur Eröffnung der Bauchhöhle schreiten, sobald deutliches
Kothbreclien auftritt und eine Peritonitis auszusehliessen ist. Wenn
der Kräftezustand des Patienten genügend ist, soll die Laparo¬
tomie gemacht werden , andernfalls soll man sich mit der provi¬
sorischen Enterostomie zufrieden geben. Eine Sonderstellung in
der Beurtheilung nehmen die Ueusfälle ein, welche sieh unmittel¬
bar an Operationen in der Bauchhöhle anschliessen. Treten Ihm
ihnen Symptome auf, die Verdacht auf Darm Verschluss erwecken,
so soll man dreist Abführmittel probiren , weil die peritouealen
Verklebungen durch eine gesteigerte Darmperistaltik noch gelöst
werden können, und auch hohe Einläufe sind zu diesem Zweck
mit Wasser oder Oel durchaus empfehlenswert!). Lassen alter die
bedrohlichen Erscheinungen nicht nach, tritt Kotherbrechen ein,
dann muss der Leib wieder eröffnet, das Hinderniss anfgesucht
und beseitigt werden. Die Prognose einer zweiten intraperitoneale»
Operation soll ja eine schlechte sein, dass man aber auch in
scheinbar hoffnungslosen Fällen noch guten Ausgang erlebt, das
beweist unser Fall IV. Künftig würde ich bei ähulichen Fällen
früher eingreifen.
Der 3- Fall ist zu atypisch, um irgendwie für Diagnose und
Therapie verwerthbar zu sein, aber auch er lehrt, wie launenhaft
das Befinden einer solchen Sehworkranke» sein kann , wie leicht
nianj, namentlich durch die Erfolge der Magenausspülungen und
des Morphiums, in der Diagnose schwankend gemacht werden kann.
253
Es ist ein traurig ernstes Capitol der Medicin , welches wir
behandelt haben und die besprochene Krankheit wird noch manchem
gewissenhaft denkenden und bandelnden Arzt unruhige Stunden
bereiten, aber etwas weiter sind wir in den letzten Jahren in der
Beurtheilung der Ileusfälle doch gekommen. Die innert' Me<licin
und die Chirurgie müssen Hand in Hand gehen und ohne Vor-
urtheilc das Thema behandeln, dann kann auch in diesen schweren
Fällen viel Segen gestiftet werden.
Es hat mir fern gelegen , eine genaue Uebersicht über das
ausserordentlich umfangreiche Gebiet, geben zu wollen; es wird
mir genug sein, wenn der praktische Arzt, der Zeit und Gelegen¬
heit zum Studiren nicht hat, aus der Zusammenstellung einige
Anhaltspunkte für künftiges Urtheilen und Handeln gefunden hat.
Herrn Dr. M. Graefe spreche ich für die Ueberlassung
seiner Fälle meinen herzlichsten Dank aus.
Feuilleton.
Aus den preussischen Aerztekammern.
Von Dr. Brauner.
Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, ein genau abgegrenztes
Bibi von den Arbeiten der ärztlichen Standesvertretung in Preussen
zu geben. Der dem Beobachter vorliegende Stoff wird stets reicher
und vielseitiger; einzelne Themata erfordern so viel Zeit und Mühe,
dass sie nicht innerhalb eines Jahres zum Abschluss gebracht
werden können, sondern im nächsten Jahre wiederkehren; andere
Themata, welche im Vorjahre von einer Reihe von Aerztekammern
behandelt und erledigt wurden, stehen erst im folgenden Jahre
auf der Tagesordnung der übrigen Aerztekammern. Besonders
wichtige Fragen müssen natürlich alle Instanzen, die einzelnen
Vereine, die zwölf Aerztekammern, den Aerztekaimneraussehuss
pnssiren, um zu einem definitiven Abschluss zu gelangen und so
sind Wiederholungen in den bisher jährlich bearbeiteten, über¬
sichtlichen Berichten kaum zu vermeiden. Trotzdem will ich es
versuchen, in nachfolgenden Zeilen die Arbeiten des Jahres 1895
in gedrängter Uebersicht zu beleuchten und dabei wieder Vergleiche
mit unseren bayerischen Verhältnissen anzufügen. Es drängt mich,
auch von dieser Stelle an den schweren schmerzlichen Verlust zu
erinnern, welchen unsere preussischen Collegen und mit ihnen nicht
minder die ganze deutsche Aerztewelt erlitten hat durch das Ab¬
leben unseres unvergesslichen Eduard G raf- Elberfeld, welcher
einen grossen Theil seines Lebens, seiner geistigen und körperlichen
Kraft dem Wohle des ärztlichen Standes gewidmet hat. Was er
als Vorsitzender des deutschen Aerztevereinsbundes, als Leiter von
21 deutschen Aerztetage», als Vorsitzender des preussischen Aerzte-
kammerausschnsscs sowie der Aerztekammer der Rheinprovinz ge¬
leistet hat, mit welcher Wärme er in seiner Eigenschaft als Mit¬
glied des preussischen Abgeordnetenhauses die Interessen des ärzt¬
lichen Standes vertreten hat, sichert ihm in den Herzen aller
deutschen Aerzte ein tiefempfundenes, warmes Gedenken. In der
Sitzung des geschäftsführcnden Ausschusses vom 9- Februar wurde
der bisherige stellvertretende Vorsitzende, Medicinalrath Dr. Aub-
MQuellen an Graf'« Stelle gewählt, welcher seine hohe parla¬
mentarische Befähigung, seine Begeisterung für die Sache der
deutschen Aerzte bereits so glänzend erprobt hat, dass wir mit
vollstem Vertrauen die Fortführung der Geschäfte eines Vorsitzenden
der deutschen Aerzte Vereinigung im Geiste Graf’s erhoffen dürfen.
Die bisher stets rege Betheiliguug der Collegen unseres engeren
bayerischen Vaterlandes an den Amtetagen und ihren Arbeiten
hat dadurch einen weiteren kräftigen Sjairn erfahren.
In erster Linie war es die innere Organisation der ärztlichen
Standesvertretung, welche alle Kammern lebhaft beschäftigt hat.
Die Verordnung vom 25. Mai 1887. welche jene Organisation
staatlich regelte, wurde auf Wunsch der Kammern durch Ministerial-
verordnung vom 6. Januar 1896 dahin abgeändert, dass der bis¬
her aus freier Initiative und aus einem unabweisbaren Bedürfnis«
hervorgegangene Aerztekammerausschuss als integrirendes Glied der
Stalldesorganisation aufgenummen wurde. Der Entwurf zu dieser
Verordnung war unter m 28. März 1895 Seitens des Ministeriums
den Aerztekammern zur Begutachtung vorgelegt und von diesen
angenommen worden.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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5
müncueneh
No. 11.
^^"«»»ehns», -"„»^'LTrlrn
kaminern durch Wahl ““^'"Älmern üutcrcinaudcr »o»ie
und vermittelt ™ , * hc " “^ isterium ,1er Medicinalangelegenheitcn.
zwischen diesen und dem . - f lureh ihn an die Aerzte-
Alle Vorlage« Kammer« »erde« durch ihn
kaimnern, alle Antrag .. , Kntschhessungeu ge-
«He» »te“ “fth lit der gefaaa.o« Beaehlüsse
— “
m er«: WaH'der MegirU.« 1« de« neue« Aerat,
kanimerausschuss findet im ,1er bayerischen Be-
Bei der jüngst erfolgten Suiudes .
Stimmungen über die Jtaathc e , dic bisher aus
Vertretung wurden aut \ unsch der Ausschüsse
freier Bestimmung derselben Schaffe . { dcr 0rgaui .
der einzelnen Kammern^ vom ta* * otfiu Aorztl ,
sation anerkannt. Em .Viiaiogo Vereinigung der Aerzte-
SÄ TZ. E- -£ Z
A "“s;;:«h d ::
Mehrfach beschäftigt bereits seit längerer /eit tie l
rechtes für die
.. der neuen Gebührenordnung enthaltenen
langen, dass die Minimalsätze der bisher gütigen
laÜT'einer Tfebühreaordiiung^üherhaupt u«d für Aufhebaag aller
bisherigen einschlägigen B ^ U ““ U ^ en ^ neue Gebührenordnung
Wenn , wie bei uns f( | r r ; c bterliche Entscheidungen
nur einen Anhaltspunkt ge • einzelnen Taxsätze in
in streitigen Fällen, £ gen die .Aufstellung
gehörigem Spielraum eingewen det werden, wiewohl
einer solchen nichts • _ Gewerbes nicht ent-
dieselbe eigentlich fT ®£*^*EL* noch gilt.
Kammer «JÄ
"“dt: , U ,: d b“«* vor das Forum des deutschen Aerate-
tages verwiesen. Kammer von Westphalen,
Hicher gehört auch Bestimmungen
bei der k. Staatsregierung den Erl... t, ( und Mühe .
s Ä^uchS:^
Prousscn auf ..rund «m» ™ Veranlasst war der Antrag
der Rhcinprovinz gestellten Antrages , achener p ro cesse fest¬
hauptsächlich durch die in dem bekannte ' und pfl ege
gestellten unglaublichen \ orgänge in Pflegeanstalt der
von Geisteskranken, wie sie in derdor gen g ^ ^
Alexianer Krankenbrüder hervorgetreten sind 8ge werbe-
Zustande wird mit Recht d,e Kranke,
ordnung verantwortlich dl ne h„,en kann, speciell
demnach auch Geisteskranke in Behend g gQ dcr Reichs .
die mangelhafte Fassung und Auslegung d > ' t rankenan3ta lte„
taüon dffi Aerztekammerausschusses war \Z T mangelhafte Fassung und A*« ~&S*Z**»
Betreff der gesetzlichen Retoim des * , vij.iister gewerbeordnung, welcher nur von • nicht von
Ministerium mündlich vorstellig au werden. ■ »° 1 ™ | ift . spricht, dic gewerbsmässig heUiele« ”*' ^ ’ d gesettlichen
„ich. au sprechen war. legte die Boimtatm« '>‘ r düs leto- Wohlthätigkcitsansmlten, eudheh das »^-1*«,
lieh nieder. In Kreisen hingewiesen, Ttmümmm,. „tchen müssen. Mit diese.
lieh nieder, ln dieser scliriuncuen »i.ir-«- "
handnehmen de, Socialdcmokra.ic in «ra,liehen
welcher Passus mehrfach scharfe Entgegnungen hcnomci. X
Aerztekammerausschuss lehnte die V—tung ** ^
laut der Eingabe später ab, nachdem die Deputation nu
mündlichen Vorstellung beauftragt worden war. J' aI e
wichtige Frage ist noch in der Schwebe und wurde von '»«{*««-
Seiten bei dieser Gelegenheit die Schaffung einer < eu sc ien - <- ■
ordnung als dringend nothvvendig betont. nnmht
»ich aber auch die Feberzeugung geltend und Mu*r*.ht wohl
iet/t den grössten Theil aller deutschen Aerzte, alk Kc
mühnngen, dic Stellung des «.etlichen Standes » **■»£ ( “““'Z
wie in materieller Hinsicht wieder an B stümmui güü
können, wenn in erster ^ ‘•«Ä
Wohlthätigkeitsanstalten. cndlic “ ““ der verantwortlichen
Bestimmung, dass alle Irrenanstalten utarMit dieser
Leitung psychiatrisch gebildeter * j rrcn arzte in seiner
Frage hat sich bereits der er befasst und seine
Sitzung vom 25- Mai 1893 111 niedergelcgt, welche sich
Anschauungen in einer Reihe von • 1)iese Theseu ver-
die preussischon Aerztekau.mern aucignete . » Mieten,
werfen alle Anstalten für Geistesk^nke Epü ptn^e dgn ^
welche nicht unter ärztlicher L ^ U nf Tnd H^anität ent-
forderungen der Wissenschaft, ^ rfah ^ d er Provincial- und
sprechend, erklären es für Pflicht des Staates, ü Leitung
Kreisverbände, .solche Kranke nur etliche
stehenden Anstalten unterzubnngen, ; ® r ^ g Resitze von Privaten
Leitung unter Staatsaufsicht auc ur Anstalten, fordern da-
wic in materieller Hinsicht wieder zu ucucn, Leitung unter Staatsaufsicht auch tür auc . fordern da
können, wenn in erster Lime die ""glttcscigi ‘ 0 der religiösen Genossenschaften stehenden x ’, the0 retisch
der Reichsgewerbeordnung über die Ausübung der Heilkunde uncr ^ ^ ^ Är Anstalten nur P-jJ^mig-ng **
gründlichen Revision unterzogen werden, wenn di . ^ f md )>rakfc iscli vorgebildcte Aerzte , welche mit Anna hme
mehr unter die Gewerbetreibenden, die Ausübung d ^ e, ‘“ Staatsbehörde anzustellen sind und halten die ternete
nicht mehr unter die freien Gewerbe gerechnet wert- - - * ^ ^ a „ cim , r „icht unter ärztlicher
dieselbe hingegen wieder von dem Nachweise der AllsUllt durc h einen Arzt für widerstreitend dem ^
hängig gemacht und den, Curpiuschertlium 1 1 kr ^ ' s wird sich Interesse und der Würde des ärztlichen Stande^ yer{)flegiiiig
licher Riegel vorgeschoben wird. Nur aut sok k - hygienischen Einrichtungen solcher Anstalten, so d wcrden .
eine deutsche Aerzteordnung nach unserem Sinne wird ^^ Krankon „ 1U ss der ärztlichen Aufsicht “ nt ^ 8te anderc
Medicinalgesetzgcbung eines Einzelstaates mi vo er ' . hieran anschliessend verlangen die Aerzte amme a ber
aufbauen lassen. Halbe Massrcgeln, wie die jungst lx - u ra J' . , dos s 30 der Rcichsgcwerheordnung, vor
Aufnahme von Bestimmungen über Heilmittel und Heilmethoden ^ 6 und 29 derselben, » d«
W.’tthevvcrb werden niemals
Aufnahme von Bestimmungen uner ueumitw.. ......
in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb werden niemals
zu diesem Ziele führen. ,.
Mit der Aufstellung einer neuen Gebührenordnung ' ur , K
preussischen Aerzte haben sich in diesem .Jahre sämintlielie
Kammern beschäftigt und ist die Frage ihrer definitiven Lösung
wesentlich näher geführt worden. Auf Ansuchen des Aerzte¬
kammerausschusses hat .las Ministerium den Kammern den Ent¬
wurf einer neuen Gebührenordnung in Vorlage gebracht und wurt e
dieser Entwurf mit einzelnen unwesentlichen Abänderungen von
den meisten Kammern angenommen. Allgemein war das er
Auslegung des § 30 der Reichsgcwerneomuuu^, ^ ^ AaR -
eine Acudernng der 6 ' ind 29 >Iedicinalpersonen zu-
Ubung der Heilkunde nur den appr , . d j c gesetzliohc
s ,At Diesen Forderungen, »eiche «n ™ \, ti »ich
Herbeiführung der Medicinalreforui zu erfü igterte Arzt
jeder denkende, für das Wohl seines Stande ^ durch
aus vollem Herzen an schlossen, und die ^ e wichtigste
dieses Vorgehen unserer preussischen Collcgen^ ist.
Lebensfrage der deutschen Aerzte wieder amtlichen
Auch in Bayern haben wir in jüngster Zeit eure Ge _ 8t€8
Erlass zu constatiren, durch welchen die Aufnahm
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17. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
255
kranken in Irrenanstalten neu geregelt wird. Die Bestimmungen
über die Aufnahme von Kranken, welche nunmehr auch die Zu¬
stimmung der Districtspolizeibehürde verlangen, haben schon Ent¬
gegnungen wachgerufen, welche in der dadurch den) Laienthum
eingeräumten Competenz eine Erschwerung, mindestens eine Ver¬
zögerung des Abnahmeverfahrens erblicken, wie es scheint, nicht
mit Unrecht, denn einen) noch so tüchtigen Verwaltungsbeamten
kann doch nicht zugemuthet werden, die Diagnose einer geistigen
Erkrankung zu stellen, welche oft für den psychiatrisch gebildeten
Arzt mit Schwierigkeiten verknüpft ist.
Das Verhältnis« der Aerzte gegenüber der socialpolitischen
Gesetzgebung beschäftigte auch in diesen) Jahre alle Kammern.
Mit den Berufsgenossenschaften sind von mehreren Kammern
Verträge abgeschlossen worden bezüglich der Zeugnisse, deren
Honorirung, der Frage der Obergutachten ; vorwiegend wurde das
Princip der freien Aerztewahl betont.
Auch die Verhandlungen mit den Verwaltungen der Invaliditäts¬
und Altersversicherungsanstalten scheinen noch keineswegs überall
zu dem von den Aerzten gewünschten und mit Kocht geforderten
Ziele, der Honorirung der ersten Zeugnisse für die Rentenbewerber
nicht durch diese, sondern durch die Versicherungsanstalten, ge¬
führt zu haben. Die Auffassung einzelner Versicherungsanstalten,
dass nach dem Wortlaute des Gesetzes nur die Rentenbewerber
verpflichtet seien, das zu ihrem Gesuche nothwendige ärztliche
Attest zu honoriren, kann nicht die richtige sein, denn es haben
schon eine ganze Reihe von Anstalten mit den Aerzten Verträge
abgeschlossen, oder sind in Unterhandlung darüber, wodurch gerade
das Gegeutheil, d. h. die Bezahlung der ersten Zeugnisse durch
die Anstalt, zugesiehert wird. Es werden daran natürlich Be¬
dingungen geknüpft; theils der Nachweis gänzlicher Mittellosigkeit
des Rentenbewerbers, theils die Kinfordcrung des Atteste» durch
die untere Verwaltungsbehörde, die Benützung des vereinbarten
Formulares, die directe Einsendung desselben an die Behörde,
Bedingungen, welche die Aerzte leicht eingehen können, wenn
ihnen das Honorar für ihre Arbeit gesichert ist. In einem
Regierungsbezirke wurde, da die Anstalt die Honorirung der
Zeugnisse ablehnte, beschlossen, die Ausstellung der Zeugnisse
einfach zu verweigern, dagegen dem Rentenbewerber zu bescheinigen,
dass kostenfreie Ausstellung des Atteste» nicht erfolgen kann. Es
wäre sehr wünschbar, wenn diese Verschiedenheit der Auffassungen
einmal gründlich beseitigt und ein allgemeines Princip in dieser
für den ärztlichen Stand so wichtigem Frage eingehaltcn würde.
Ris dahin sollten sich die Aerzte in den Kreisen, in welchen
noch keine Verein bar un gen bestehen , entschlossen, den Renten¬
bewerbern auf einem ganz kurzen Zeugnisse, ohne Benützung des
Formulares, die vorhandene Krankheit und Erwerbsunfähigkeit zu
bestätigen. Die Versicherungsanstalten werden dann meistenteils
genöthigt sein, den Arzt um weitere Angaben, um Ausfüllung
emes bestimmten Formulares zu ersuchen; dann ist sofort der
Fall der «weiteren Erhebungen» gegeben, in welchem schon nach
dem Wortlaute des Gesetzes selbst (§ 75- II) die Versicherungs¬
anstalt zur Honorirung des Zeugnisses verpflichtet ist. Nur durch
solch' gleichmässiges Vorgehen aller Betheiligten kann endlich Klar¬
heit in diese Frage kommen.
Die hieher gehörige, schon im vorigjährigen Berichte aus¬
führlicher erwähnte Frage des Unterrichtes der Medici» Studircnden
,n der social politischen Gesetzgebung, spociell der Aufklärung der
jungen Aerzte über Arbeitsunfähigkeit, procentuale Erwerbs¬
unfähigkeit, über Ersparnisse in der Receptirkunde, wurde auch
m diesem Jahre von mehreren Kammern erledigt. Ueberein-
stimmend wird dieser Unterricht für < wünschenswert!) >•, nicht
für «nothwendig * erklärt, und dabei betont, dass eine Ueber-
häufung der Studirenden mit Material durch Verlegung dieses
Unterrichtes in die klinischen oder in ein anzufügendes praktisches
Jahr zu verhüten sei. lieber die Nothwendigkeit der Berück¬
sichtigung einer Pharmacopoea oeconomica sind die Anschauungen
getheilt.
Ein weiterer, bereits im Vorjahre allen Aerztckammern mit-
getheilter, die Approbationsentziehung entmündigter und geistes¬
kranker Aerzte, oder Solcher, welche für immer die Eigenschaft
eines Zeugen vor Gericht verloren haben, betreffender Antrag,
hat verschiedene Beurtheilung Seitens der einzelnen Kammern
erfahren; drei haben den Antrag angenommen, zwei gänzlich
abgelehnt; eine Kammer ging darüber zur Tagesordnung über,
eine andere stimmte bloss für Approbatioiisentziehung bei ent¬
mündigten und geisteskranken Aerzten, zwei dagegen nur für
Approhationsentziehung im Falle des Verlustes der Zeugeneigen¬
schaft, drei Kammern haben noch gar nicht gesprochen.
Die Entziehung des Wahlrechtes wurde nur in ganz ver¬
einzelten Fallen verhängt, einmal mit Beschluss der Veröffent¬
lichung; einmal wurde dieselbe als zu weitgehend vom Ministerium
wieder aufgehoben. Die Kammern haben das Bedürfnis« em¬
pfunden, sich über die Grundsätze zu einigen, nach welchen über
die Veröffentlichung solcher Erkenntnisse verfahren werden soll.
Es ist die Veröffentlichung der Wahlrechtsentziehung eine wesent¬
liche Verschärfung der Strafe, während andererseits den preussisehen
Aerzten vorerst gar keine anderen Diseiplinarfonnen, wie die ver¬
trauliche Rüge, die öffentliche Rüge, der Ausschluss aus dem
Vereine zu Gebot« stehen, wie sie in unseren bayerischen Satzungen
vorgesehen sind. Die preussisehen College)) wollen gelegentlich
der beabsichtigten Erweiterung der Discipli»Urgewalt der Aerzte-
kamincr» auch andere Strafmittel anstreben.
Sehr verschiedene Beurtheilung fand ein von der Berlin-
Brandenburg’schen Kammer ausgehender und vom Aerztekammer-
ausschuss dein Antragsteller zur weiteren Verfolgung überlassener
Antrag, welcher sich gegen die Seitens der königlichen Entbindungs¬
institute an die Hebammen zu gewährenden Geldprämien für die
Zuweisung geburtshilflicher Fälle richtet , und iu zweiter Linie
jede, behufs Erlangung (tersönlieber Vortheile stattfindende, geschäft¬
liche Verbindung von Aerzten mit dem niederen Heil personale,
speeiell die Gewährung von Prämien an Hebammen für die Zu¬
weisung von geburtshilflichen Fällen für unstatthaft erklärt. Einige
Kammern stimmten zu, eine mit dem Zusatz zu « niederen Heil¬
personal und anderen Personen >, um auch die widerrechtliche
Verbindung von Aerzten mit Kassen Vorständen u. dgl. zu treffen ;
mehrere Kammern hielten ein allgemeines Votum nicht für möglich,
weil die Entscheidung localen Interessen Vorbehalten bleiben muss,
weil z. B. einzelne Universitäten diese Einrichtung betreffs der
Hebammen gar nicht entbehren können. Die defiuitive Regelung
wird den einzelnen Kammern zu überlassen sein.
Bedeutungsvoll und sehr nachahmenswertl) erscheint ein vom
Coblenzer Verein ausgegangener Antrag: «Die Ausstellung ärztlicher
Zeugnisse und Gutachten über Handelsartikel zu therapeutischen
Zwecken, soweit sie nicht einer Fachwissenschaft, sonder)) der
gewinnsüchtigen Keclame dienen, ist unzulässig, da dergleichen
Gutachten das Ansehen des ärztlichen Standes und der ärztlichen
Zeugnisse gefährden». Die Kammern, welche diese)) Antrag bis¬
her behandelten, haben denselben übereinstimmend mit dem Aerzte-
kammerausachuss angenommen. Derselbe dürfte nach vielen Rich¬
tungen hin sehr der Beachtung zu empfehlen sein.
In gleicher Weise wird in einer Kammer dringend vor der
Ausstellung von Zeugnissen über Geheimmittel gewarnt. Die
Kammer von Pommern hat eine Euquete veranstaltet über Ge-
heiin mittel wesen und Curpfuscherei; der Bericht war in der Herbst¬
sitzung eiugelaufeu, dessen Besprechung wurde jedoch für die
nächste Kammersitzung vertagt.
Auch auf dem Gebiete der Gesundheitspflege waren mehrere
Kammern thätig; die Anzeigepflicht bei Infectiouskrankheiten,
welche bisher auf einem Regulativ vom Jahre 1885 basirte, soll
zu Gunsten der Aerzte einer Revision unterzogen und ihrer
Härten, Androhung von Gefängnisstrafen, entkleidet werden.
Eine Vereinbarung zwischen den einzelnen Regierungsbezirken
über die Anzeigen bei ansteckenden Krankheiten soll getroffen
werden. In Schlesien wird über die hygienischen Verhältnisse der
dortigen Badeorte ausführlich gesprochen und die Regierung um
Verbesserung derselben ersucht. Eine Kammer beantragt die Er¬
stattung der Portogebühren bei den Anzeigen ansteckender Krank¬
heiten. Hieher gehören noch die interessanten Verhandlungen
über die Schulverhältnisse in Breslau, woselbst die Absicht be¬
steht, die bisher fünfstündige ununterbrochene Schulzeit wieder zu
trennen in eine vierstündige Vormittags- und zweistündige Nach¬
mittags-Schulzeit ; die Frage wird einer Commission übergebeu.
In Danzig übernimmt der Stadtmagistrat da« dortige bucterio-
logische Institut auf seine Kosten. Die Kammer von West-
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V^nHKNEBjU plClNISCM JjfOCHESgC^T.
No. 11.
256 _
preusaen beträgt die ,^2^^
sundheitspflege in d ° n /l7 Krankentransport in Berlin, ebenso
das Rettungswesen und der « anstec kenden Krankheiten
die Gefahren des Transportes o t , ern WUete den
Behafteten auf Eisenbahnen und nach 1
Gegenstand von Anträgen. Anerbieten des medi-
wurde 1 ,^wie^aoeh^voii^en^bayerisehen Aerztckammern, ablehnend
verbeschieden. . f , Krage, als in einer
B» Apotbekenwescn kam imdlt do r Homöopath.,»
555Ä ~ - '-f™ »K '' ine
VÜrhiU ludi und Versicherungswesen
wurde mehrfach besprochen. , hu „ g aller für die
^SSSS^vSÄ - - —
noch anfügen, dass die höc stc . ^J t Mw j kjinaIwe8ell| ihre Jahren*
wissenschaftliche f abhic l t mit der Tagesordnung:
Sitzung am 16. Oktober 1»»» aicb die Grundsätze der
Wohmnigshy^ene' 1 durch ' gesundheitspolizeiliche. Massregeln zur
DU ^T*s",laube ich das reichhaltige VeGmudlun^-
material der preussischen Aerztekammern vom *h« 118.^, ^
drängter Uebcrsicht zusammengestellt «*» ^ uns
wiederholt den Beweis einer gros * Betheiligten, die
das Zeugnis* des auszunützen
Competenz der ärztlichen . Standes selbst, sondern auch
zum allgemeinen Wohle des * diesem Jahre
Denjenigen Aerztekammern, welche mir a«u ^ d}eser
ihre Separatprotokolle zukommen hessen, spree
Stelle meinen verbindlichsten Dank aus.
Eim, Einleit™* enthält Notiaen übe, die Methode der C y8tt .
Photographie. Methode auch in den Händen
Unterdessen hat «eh ^ Sanität8rathe8 Dr. Viertel
anderer Siieciahstcn, • • iesen un d ist ein unübertreff-
in Breslau, als sehr Befande „bjectiv festzuhalten,
liebes Mittel, um bcs erneuten Anstoss zur Benutzung der
Müge der Atlas geben. Referent
Cystoscopie hat ««^ ^ j diesen Wunsch und die
ist aus eigener Erfuhr g . H el f er ich • Greifswald.
Wichtigkeit der > et o e zu ^ 1)irector de r Universitäts-
Otto Korner, »■ ke in Rostock: Die Ohren*
Poliklinik für Ohren- uud K *J^ 01 y ort geha lte„ auf der Natur-
heilknnde des Hippokrates ^ ^ Bergmann, 1896.
forschervcrsammlung zu UübccU) ^ Sicbtung nnd Be-
l)ie interessante > , • ben Werken verstreuten Einzel-
spreehung der m den HipP ‘ ^ gebt aU8 derselben hervor,
teobaelituugen von ir ran ^ neune „ a werthe anatomische und
dass die Acrztc jener Z zweckmässige Untersuchungs¬
physiologische K ' "^j; 1 Tcharfsicbtige Beobachtung eine weitgehende
methoden allein durch .\ )hrkra nkheite U sich erworben, und dass
Kenntnis* der wu-hUgsU t Oh k^ gehalWne Behandlung«
Mio auch manche och he ^ die Wechselbeziehungen
weise geübt haben. Mit * weaniamns und die Einwirkung
zwischen Ohrkrankheit und. es ])ie Scbule des Hip po-
äusserer Verhältnisse verfog ^ Hypotbe8en) doch die
krates war "H-ht frc v Jh* Beobaxjbtung des Krankhe.ts-
letzteren stören weder die J „..„.„„kmässigen therapeutischen
Verlaufes, noch verleiten sie letz teu Jahren
Eingriffen. Gerade m iesir . der bacteriologiscben
gefehlt worden. . >jm sel 0hren heilkunde zweckmässige thera-
l iitcrsuchungsinethodcn in b . Beobachtung als solche
,Kultische Eingriffe uekh d J Erwägungen verlassen
erkannt waren, allem aut uru Otitis media.
worden. " W * $-»*"£ t«r TÜm Zeit *
KümerV Studie kommt dal, 8 £ m folge», und
"’d^Ä —- >— -
durch theoretische Erwägungen zu ent ' st ” beibe .München.
Dr. K. Wehmer,
J.— 4!« . de iL,!5!i Ul Iltigen Bestimmungen. Mit
Referate und Bücheranzeigen c üblen on»dri« der
Hermann Tillntanns: VeV von Bieb»d Scb
Luiaenstrassc ... . ,w
Mit
hoetz,
^ '% hc "t n Bc v™ 8
“ ts. .* »• •
empfohlen sein 1
Max Kitze: Cystopliotographischer Atlas.
baden, Verlag von J. Y. Bergmann 1894 _
Der verdienstvolle Begründer der Cystoscopie pbt 1er
10 prachtvollen Tafeln 60 in Photogravure von Meisenba . ,
Riffarth cSt Co. ausgeführte Abbildungen der normalen um
kranken Harnblase. Wenn die Bilder auch die natürlichen harten
nicht wiedergeben, so sind sie doch so scharf nnd charakteristisch,
Ä"ausgewählt, dass ihr Studium für Reuigen wdcW
die Ovstoscopie praktisch treiben will, von grösstem t orthul ist.
Zwölf Bilder sind der normalen Harnblase, der Falte am r\ cmn.
internum, der Luftblase im Scheitel der Blase, dein Harnleiter
willst und der Harnleitemündung gewidmet.
Zwei Tafeln enthalten 12 Abbildungen der Blase von
Prostatikern, seitliche Wülste und den Mittellappen der Prostata,
beginnende Divertikelbildung etc. l’erner sind zwei laten
Blasensteineu, zwei den Blasengeschwülsten und endlich cm
verschiedenen Blasenbefunden (Varia, z. B. Ligaturfaden, Maar
nadel, Divertikel, Tuberculose) gewidmet.
gesundlieitspflege sind berat* «'» ^ Theile
und Bestimmungen erschienen, hochwichtigen Gegen-
dieses volkswirthschaftlich und 84,11 d dan kenswerthe
Standes behandeln, dass « «e ^nkto^ pwMe „
Aufgabe war, die* dmmhchen ^ f 8 susammen
gütigen Bestimmungen wohlgeordnet dem vorliegenden
zustellen. Verfasser hat smh dieser Aufgate^ ^
Werke mit grosser \ cUständigkeit d ^ ^ Schulorganen
damit nicht nur jedem preussischen zug leich Gelegenheit
eine vorzügliche Handhabe gebo n, . d Gebiete der
gegeben, die dort gütigen Bestimmungen auf dem ^ & ^
Schulhygiene mit denen anderer Staaten z 8 , H der Schule
das Buch auch einen praktischen Werk über
Beschäftigten und liefert zugluc i Einleitung <1> U
diese Wissenschaft. Dasselbe behände » '^ gpecidl die
Gesundheitspflege des Körpers im A11 «* er ^ iu den einzelnen
Aufgaben der Schulgesundheitsp cgc. * d ie gesundheits-
Tlieilcn das Schulhaus und seme Emnchtougen ü
gemässe Ertheilung des Unterrichtes und die V er-
in den Schulen behandelt und überall j as Werk sehr
Ordnungen beigefügt. Auf diese e ? 8 Unterricht benützt
gut auch als Leitfaden für den hygiemsch Aerzte oder
werden, sei es an den hygienischen Institute « ^ Handbuc h
an den Universitäten für Verwaltungsteamte, ^ Dieser
für den Unterricht über Hygiene in CU ' b] wer th erscheinen,
vielseitige Zweck lässt das Buch doppe einj ^ Brauser.
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Neueste Journalliteratur.
Archiv für klinische Chirurgie. 52. Band, J. Heft.
1) Henle: Beitrag zur Lehre von den traumatischen
Erkrankungen der Wirbelsäule. (Chirurg. Klinik Breslau)
Kümmell hat vor einiger Zeit auf gewisse traumatische Er¬
krankungen der Wirbelsäule aufmerksam gemacht, die sich dadurch
kennzeichnen, dass im Anschluss an eine Verletzung zunächst mehr
oder weniger heftige Schmerzen in der Wirbelsäule entstehen Diese
Schmerzen verschwinden wieder, und erst nach längerer Zeit stellen
sich wieder heftige Schmerzen in der Wirbelsäule ein, verbunden mit
Neuralgien im Gebiete einiger Intercostalnerven, leichten Motilitäts¬
störungen in den unteren Extremitäten, unsicherem Gang. Gleich¬
zeitig gebildet sich dann ein deutliche Kyphose mit einem mehr oder
weniger ausgeprägtem Gibbus aus.
H. beschreibt 4 Fälle dieser Art, von denen allerdings nur
einer genau dem Kü m mel 1'sehen Krankheitsbilde entspricht. Ge¬
meinsam ist allen die abnorme, längere Zeit nach Einwirkung des
Traumas progredient bleibende, zur Gibbusbildung führende Weich¬
heit der Wirbelknochen.
Ueber das Wesen der Erkrankung kann man bei dem Fehlen
von Sectionsbefunden nur Vermuthungen aufstellen. Es liegt nahe,
an einen der Osteomalacie nahestehenden Process zu denken. Den
Anstoss zu denselben gibt vielleicht ein intra-, bezw. extra-durales
Haematom.
Die Behandlung des Leidens muss genau die gleiche sein, wie
bei der tuberculösen Wirbelentzündung.
2) Hufschmid: Ein Fall von nichttraumatischem Aneu¬
rysma der Arteria vertebralis. (Breslauer chirurg. Klinik).
Das Aneurysma betraf einen 58jährigen an starker Arterio¬
sklerose leidenden Patienten und war nach einer plötzlichen ruck-
weisen Bewegung des Kopfes und Halses entstanden. Die Diagnose
konnte leicht gestellt werden, da die Art. carotis über der Geschwulst
verlief und der Tumor sich bei Compression der Carotis communis
nicht verkleinerte.
Mikulicz machte die Unterbindung der Vertebralis nach
der von Chassaignac angegebenen Methode (Schnitt am hinteren
Rande des Sternocleidomastoideus, Aufsuchung der Vertebralis 2 cm
unterhalb des Carotidenhöckers), wobei er zur Erleichterung der
Operation die Clavicularportion des Knopfnickers abtrennte.
Die Tumor sowie die örtlichen Beschwerden des Patienten
verschwanden nach der Operation.
3) Kramer-Glogau: Beitrag zur Aetiologie und Operation
der desmoiden Geschwülste der Bauchwand.
Ein Spindelzellensarkom der Fascia transversa bei einem
4’/* jährigen Mädchen war dadurch bemerkenswert!), dass dasselbe
mit Sicherheit als ein congenitales erwiesen werden konnte.
Der Fall ist weiter dadurch ausgezeichnet, dass Verfasser den
durch die Operation entstandenen Muskeldefect vermittelst einer
Plastik durch Verschiebung des M. rectus beseitigen konnte. In
einem anderen Falle, wo ein grosser Peritonealdefect entstanden
war, schloss K. den letzteren in der Weise, dass er die Serosa eines
gleichzeitig bestehenden Leistenbruches in denselben einnähte
4) Anders -St. Petersburg: Eine neue Bearbeitung des
Filzes für Herstellung von Immobilisationsapparaten.
Verfasser ist von seinem Verfahren, dessen Einzelheiten im
Text eingesehen werden müssen, sehr befriedigt.
5) Schucbardt-Stettin: Ueber gutartige und krebsige
Zottengeschwülste der Harnblase nebst Bemerkungen über
die operative Behandlung vorgeschrittener Blasenkrebse.
Verfasser beschreibt genau 3 Zottengeschwülste der Blase,
1 gutartige und 2 Krebse.
Verfasser erörtert ausführlich das Verfahren, welches man bei
der Exstirpation der ganzen Harnblase einzuschlagen hat. Die
Harnleiter müssen dabei in den Mastdarm bezw. die Scheide hinein¬
geleitet werden. Eine Infection des Peritoneums kann man dadurch
vermeiden, dass man nach Ausführung des suprasymphysären Schnittes
das Peritoneum der vorderen Bauchwand an das Peritoneum der
hinteren Blasenwand annäht.
6) R. Meyer: Ueber ein metastatisches Hautexanthem
bei Sepsis. (Allerheiligen-Hospital Breslau )
Im Verlaufe einer im Anschluss an einen Stirnfurunkel ent¬
standenen Sepsis entwickelten sich am Rumpf und an den Streck¬
seiten der Extremitäten flache Pusteln von Stecknadelkopf- bis
Linsengrösse. In den verschiedenen inneren Eiterherden fand sich,
wie auch in den Hautpusteln, der Staphylococcus pyogenes aureus.
7) F. Franke-Braunschweig: Ueber Sehnenüberpflanzung.
Verfasser hat nach dem Vorgänge anderer Autoren 2 mal die
Sehne eines gelähmten Muskels mit der Sehne eines nicht gelähmten
Muskels zusammengenäht und dadurch eine recht befriedigende
Besserung der Lähmung erzielt. Beide Male handelte es sich um
die Einpflanzung der Sehne des gelähmten Extensor digitomm longus
in die Sehne des nicht gelähmten Tibia!is anticus.
Verfasser kann das Verfahren angelegentlich empfehlen. Nach
den literarischen Mittheilungen sind bisher im Ganzen 17 derartige
Operationen ausgeführt worden.
8) E. Saul: Untersuchungen über Catgut-Desinfection. —
Die Desinfection mit siedenden Alkoholen. (Bergmann sehe
Klinik Berlin.)
Die vorliegende Arbeit ist die letzte auf Anregung des unver
gesslichen Schimmelbusch verfasste.
Das Bedürfnis«, zur Sterilisation des Catgut ein schneller wir¬
kendes Verfahren zur Hand zu haben als die bisher üblichen, hat
dazu geführt, die Desinfection vermittelst der siedenden Alkohole
herbeizuführen. Bei den nach dieser Richtung hin angestellten Ver¬
suchen des Verfassers ergab sich zunächst die eigenthüinliche That-
saclie, dass von den untersuchten Alkoholen (Methyl-, Aethyl-,
1 ropyl-Isobutyl-, Amylalkohol) keiner bei Siedetemperatui die Sporen
des Milzbrandes innerhalb der für den Versuch als Maximalfrist
gesetzten Zeit von 3 Stunden zu tödten vermochte, weder der bei
Go u siedende Methylalkohol, noch der bei 132° siedende Amylalkohol.
Ganz anders wurden aber die Resultate, wenn man zu den Alkoholen
Wasser in bestimmten Verhältnissen hinzufügte, und noch Über¬
raschender wurden die Ergebnisse, wenn man noch gleichzeitig
Karbolsäure zusetzte. Am wirksamsten zeigte sich der siedende
HOproc. Propylalkohol, der siedende ÜOproc Isobutylalkohol in Ver¬
bindung mit ;> proc. Carbolsänre und der siedende Aethylalkohol
gleicher Concentratio». Für die Praxis empfiehlt Verfasser den
letzteren. Den verschiedenen bei dem Verfahren anzuwendenden
Vorsichtsmaassregeln wird ein von Lau tenschl äger hergestellter
Apparat in bester Weise gerecht.
9) Eichel-Strassburg: Ueber Schussverletzungen mit dem
Deutschen Armeerevolver 83.
Der Deutsche Armeerevolver ist ein Einzelhinterlader mit ge
zogenem Lauf von 11,7 cm Länge und hat ein cylindro-ovigales
Weichbleigeschoss von 1,08 cm Kaliber. Verfasser hat mit diesem
Revolver eine Reihe von .Schussverletzungen erzeugt, die ihn zu
folgenden Schlussfolgerungen führen. Die Hauteinschuss- und Aus¬
schusswunden sind im Allgemeinen rund, ebenso die Muskelsclinss-
wunden. Die Knochen bieten dem Geschoss einen ihrer Härte
entsprechenden Widerstand, den dasselbe nicht immer zu über¬
winden vermag. Lochschüsse finden sich nur in den platten Knochen,
hier mit Splitterungen in der Compacta, und in den Epiphysen,
hier mit Rissen nach allen Richtungen. Die Diaphysen verhalten
sich verschieden nach der Härte der getroffenen Knochen und
nach der Entfernung: oberflächlicher Eindruck oder gänzliche Zer¬
trümmerung. Die Blutgefässe werden mehr oder weniger ausgiebig
zerrissen.
Die Lungen bieten im Allgemeinen den Weichtheilen ent¬
sprechende Sciinsscanüle. Werden die grossen Gefässe der Lungen¬
wurzel durchschlagen, so finden sich dahinter Zertrümmerungshöhlen
im Gewebe. Stets finden sich solche Höhlen bei Leberschüssen.
Der Darm wird je nach seinem Lumen entweder lochförmig
durchbohrt oder von seinem Mesenterium abgerissen.
Am Schädel zeigt sich bei dünnen Knochen und nahem Ziel
eine Sprengwirkung
Die Geschosse werden schon bei Weichtheilschüssen deformirt.
Bei Knochenschüssen sitzen feinste Bleitheile im getroffenen Knochen.
Grössere Bleitheile werden abgetrennt.
10) W. Sachs-Mühlhausen i/E : Ein neues Harnblasen-
phantom.
Ein Beutel aus Pnrngummi stellt die Blase dar. An demselben
wird vorn die Urethra und hinten die Ureteren in Form von
Kautschukröhren angebracht. Das Ganze liegt in einem Kasten
und scheint zur Einübung der Untersuchungs- und Operations¬
methoden recht geeignet
11) af Schulten-Helsingfors: Ueber osteoplastische Füllung
von Knochenhöhlen, besonders der Tibia.
Verfasser verlangt, dass eine Osteoplastik zur Füllung von
Knochenhöhlen folgenden 3 Forderungen gerecht wird:
1. Form und Maasse des Knochens und zugleich dessen Festig¬
keit sollen möglichst wenig geändert werden.
2. Die Hautränder müssen soweit vereinigt werden, dass nach
der Heilung nur eine schmale Narbe entsteht.
3. Die Operation darf nicht so eingreifend sein, dass durch
dieselbe eine nennenswerthe Gefahr entsteht.
Um diesen Forderungen nachzukommen, hat Verfasser ein
Verfahren ersonnen, das im Wesentlichen in Folgendem besteht und
in erster Linie für die häufigen Nekrosen der Tibia giltig ist:
Die Vorderwand der Höhle wird ganz entfernt und diese selbst
durch .Schaben und Meissein in eine möglichst rechtwinklig parallel-
epipedische Form gebracht. Hierauf werden die Seitenwände von
innen gelöst, aber in Verbindung mit dem Perio3t belassen, gegen
einander gerückt und in dieser Stellung durch Nähte befestigt. Dar¬
nach Vernähung der Hautränder. Um die Verschiebung der ge¬
lösten Seitenwände zu ermöglichen, muss ein Theil des gegen den
Höhlenboden angrenzenden Theiles der Wand fortgemeisselt werden,
damit die oberen Theile der Seitenwände dicht aneinander gerückt
werden können.
Je nach Umständen kann dies Verfahren inodificirt (werden.
Die Osteoplastik soll immer erst einige Wochen nach der Auf-
meisselung und Sequestrotomie ausgeführt werden. Wichtig^ist ein
möglichst leichter Schutzverband.
Die Erfolge des Verfassers sind recht befriedigende.
12) Zaudv-Wesel Ueber die Tubercolose der Alveolar¬
fortsätze.
Unter Mittheilung eines neuen Falles aus der Bonner chirur¬
gischen Klinik stellt Verfasser 37 Fälle dieses seltenen Leidens aus
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MÜNCHBNEE MEDIOIWSCHBJTOCHBtreCIfflffT.
No. 11
258
und ««tat deBsen Stomatologie und
TherÄ 13} D i tt m e r - Hannover: Zur CaBoi.tik seltener Knochen-
brÜCh i e Ein Fall von Pseudarthrosenbildung nach Bruch des Collum
anatomicum humeri im Alt er von 8-9 Jahren.^
rr“Ä*t
Antefixatio uteri. Methoden der Antefixatio uteri schwere
Da bei den bisherigen Met emp fi e hlt W. statt des Corpus
Gebnrtsstörungen beobachtet si , ^ d( f r vorder en Vaginal¬
uteri die Ligamenta Vorschlag, die vaginale Fixation
wand zu b ® feBtl *?”- , t bisber V on Schauta in 4 Fällen aus-
der Ligamenta rotunda, ist biahe Ueber Dauerresultate kann
ÄSÄÄ ‘ °“ CT
1»« Ret '°-
versio uteri mit Erfolg ausgeführt
a) g. Waleher-Stuttgart: Principielles über das Lege
Nähte bei plastischen Operationen Bauch-
Zum Aneinanderlegen grauer Wundthlclu tn ’™ de n so tief zu
naht nach Laparotomien “• f®'» ® wundflächen beschreibt, dessen
legen, dass er einen Kreis «“^^ndSe oder no^ grösser ist.
rrÄÄ
2££SSr»Ä von versenkten Mhten gans
Abstand zu nehmen. ltnd
3) 0. A. B o i j e - Helsingfora: Beitrag zur Aetiologie und
Z “ r T^tF^lle c^oni e scheiEndometritis auf ihren Bacteriengehalt
„„«Mundkolt ru ähnlichen £
Endometritis interstitial.s fanden sich Baetene £ Ver-
Fälle, bei E. glandulara in 28,7 Proc. ^Jiese terH88chleim .
ä sää a s
liegen^) ^ Biermer . Bonn; Ein Fall von Luftembolie im An¬
schluss an die Enucleation eines Myoms. 32iähr
Die Luftembolie erfolgte während der Laparotomie emer 32 ]ä ^
Frau in dem Moment, als ein 8 cm langes und 5 m b,reil^ Mjom
der vorderen Uteruswand enucleirt wurde. To< i a ° f . or ^“ by ^ a8 P ei -
Das rechte Herz war weit und der Vorliof gebläht, unter
angestochen entleerten sich grosse Luftblasen aus dem rechUn \e •
trikel. Die Lungenartenen waren leer. Jaff6 HamDu g.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 10.
1) v. Navratil-Budapest: Zur Therapie der multiplen La-
rynxpapÜlome^ommt ftuf Grund seiner Erfahrungen zu dem Schluss^
dass das Verfahren zur Entfernung der Larynxpapülome bei K ndem
und Erwachsenen ein verschiedenes sein muss.
erst die endolaryngeale Entfernung zu versuchen Tritt bei Kindern
Athemnoth auf, so ist die Tracheotomie zu machen und danni auf
endolaryngealem Wege zu curettiren, gegebenen Falles auch von der
Trachealfistel aus, bis zur völligen Heilung. .
Kommt es bei Erwachsenen zu Recidiven, so ist die Ausrottung
mit Hilfe der Kehlkopfspaltung vorzunehmen.
2) Landgraf: Zur Pathologie des weichen Gaumens.
L hat bei 2 Patienten, die über Paraesthesien im Rachen
klagten, nach aussen von der Basis der Uvula, da, wo die Gaumern
bögen auseinander gehen, ein kleines Loch gefunden, m welches
sich die Sonde 1 cm tief einführen liess. Etwas ähnliches ist früher
von Tourtonal und Merkel beschrieben worden. Merkel gibt
ihm den Namen Fossa supratonsillaris.
3) Marthen: Ueber tödtliche Chloroformnachwirkung.
(Stadt-Irren- und Siechenhaus Dresden.) . _, „
Bei einer 31 jährigen Patientin wurden in
14 Zahnwurzeln entfernt. Dauer der Narkose 40 Minuten Ohloro-
formverbrauch 70 Gramm. (!) Nach der Narkose trat anhaltendes
und übermässiges Erbrechen auf, bald zeigte sich auch Ikterus, ( i
H arnmenge nahm immer mehr ab bei verhältnissmässig geringem
Eiweissgehalt. Unter zunehmender Herzschwäche ging 1 atientin am
4. Tage nach der Narkose zu Grunde. .
Bei der Section fand sich: fettige Entartung des Herzfleisches
und beider Nieren, acute Fettdegeneration der Leber. .
Der Fall bildet somit ein Analogon zu den von E. 1 r a n k e l
beschriebenen Fällen.
4) Nonne-Hamburg: Ueber Poliomyelitis anterior chronica
als Ursache einer chronisch-progressiven atrophischen Lähmung
bei Diabetes mellitus.
. . ha üiVtinczaTi Dame trat zu einem schon 4 Jahre be-
Bei einer 64 1** 1 | . me iiitus im Laufe von l‘/a Jahren
stehenden mitt f|f r C ^ p xtr ^Häten beginnende und langsam auf die
eine an den oberen otpnnb j 8C he Parese der Muskulatur — distal¬
unteren fortschreitern , , £ en d — mit einer der degenerativen
wärts an Intensität ektr - 18C h e n Erregbarkeitsveränderung der
Atrophie ^kommende l licbten Bulbärerecheinungen ging
Muskeln Na*h AkeleiLungenaffectkm zu Grunde.
Patientin an e ' ner ^ ut , im Rückenmark eine hochgradige,
Bei der ^. ect 'Z ^Mhei\ 2nehrnende, chronisch-atrophische
vomHalstheil bis zum Fasern der grauen Vorderhörner mit
Degen £lr7 trophÄ v^deren Wurzeln^nil nebenbei eine nicht
hoÄtdTge undicht systematische Faser-Rarefication der weissen
Substanz. „nächst einen der seltenen Fälle von
Die Erkrankung «teilt zunächst einen . gt be8timml
Poliomyelitis anterior , Für den letzteren ist wiederum
SSSsr—
5) Stadelmann: Ueber Cholagog . Kr
S. diese Wochenschr. Ib9b, S^187.
~ “r?
lides mitsammt der Conjuncuva p . de8 Frickeschen
sich bei der Blepharoplastik die Unteriuwerung Unterlippe
Lappens mit Schleimhautm die frineu Härchen
rsÄ Die ° peration wird am
Besten in zwei Zeiten •“®8efün r • Tanninpräparat zur
2) R. Gottlie b '■ V . dem phanna cologischen Institut
Adstringirung des Darmes. ( prQ £ ^ Schröde r.)
rsrSÄrsr— ~ s
mährischen Landeskrankenanstalt in llrunnj müssen
Mittel, welche auf die ^rmschleunhaut wirken zur
im Magensafte unlöslich «ein h auf d j e unteren Parüen
Resorption kommen ^^^rm aSsüben zu können. Dies suchte
des Dünndarms und den Dickdarin au Eiwe i 8SV erbindung der
Gottlieb dadurch zu erreichet^ dass eMien Die8elbe
Gerbsäure a—6 stu "^ n g „Aachmackloses Pulver dar, welches
stellt dann ein gdblich«. l Magen ungelöst bleibt und
XriÄ TnÄnltung feiner unwirksamen Ei-
chronischer und acuter Darmerkrankuug ^an^^ „albin entfaltet
den auf dasselbe gesetzten Erwart: Wirkungen eines Tanninpräparates
als Darmadstringens alle günBtigen Wir g speciell empfiehlt es
4) Ribbert-Zürich. Bemerkungen zu einem
primärem Lungencarcinom. . Virchow's
P Der betreffende Fall wurde im 142. dadurc h wichtig,
Archiv von Betschart beschrie en v itam nachweisen Hessen,
dass im Sputum sich Krebse emente »nt» ' ‘ ta ™ n U ^ ten I5 Jahren
5) H. Stettiner: Bericht über die in den w«
behandelten Fälle von 0 ,*J*°“jJmKränkenhauseB am Friedrichs-
Abtheilung des städtischen allgemeinen Kranken
hain in Berlin, Director: Professor Haha) aC uter Osteo-
Die Erfahrungen, welche an beinaheJW *a la88en sich
myelitis der langen
dahin zusammenfassen, dass bei sdiweren g ^ Aufmeissel-
reits vor Ausbildung des eubpenostalen Au8 i ö ff elung seiner
ung des erkrankten Knochens mit nach ^® n b j ber eit8 gebildetem
Markhöhle indieirt ist. Im .^Sl defwrichtS his »Ita
SÄ StÄÄf" dieTemperatar eicht ab,
■° Fai1 von
Meningitis tuberculosa mit Ausgang in j ener Meningitis
Der Sectionsbefund des 3 Jahre nach «J«®“ b“»^ die da 7
an acuter Phthise gestorbenen 22] ähngen . ai: estritten e Heil¬
mals gestellte Diagnose und .damit auch_ <be vic dic da .
barkeit der tuberculösen Meningitis. Bemerkensw J dkall b is
mala ohne Schaden angewendeten Toehea. f
zu 40 g pro die, in toto beinahe 1000 g m e > n l’ a r Rennt-
7^ Determann-St Blasien: .
niss der Migraine. (Schluss aus No. 10 der roit seinen
Der ziemlich ausführlich beschriebene 8 ngeD) Wahn¬
vieldeutigen Symptomen: Aphasie, A^aphie, &9k( ^ über, den
Vorstellungen, motorischen SchwädhMrsch«ijng^^ versteht, hinaus
Rahmen dessen, was man gew öhnlicli unter g F. L.
und streift das Gebiet der Epilepsie (Gowers).
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17. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
259
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 11. März 1896-
Herr Bröse: Ueber diffuse gonorrhoische Peritonitis.
Vortragender beobachtete zwei Fälle, wo sich iui Anschluss
au eine acute Gonococceninfection ein Krankheitsbild entwickelte,
welches klinisch ganz und gar einer acuten Peritonitis gleicht und
welches er daher als Peritonitis gonorrhoica auffassen zu dürfen
glaubt. Beide Fälle gingen sehr rasch spontan in Heilung über.
Im einen Falle war die Peritonitis im Anschluss an die Auf¬
richtung eines rctrofleetirten Uterus entstanden. Gonoeoeeen
waren im Peritonäum nicht nachgewiesen worden, ebensowenig
ein Exsudat durch Punetion sicher gestellt.
Herr Kiefer bezweifelt die Zulässigkeit der Diagnose, wenn
keine Gonococcen nachgewiesen sind. Dieselben seien im Peritonäum
überhaupt noch nicht gefunden.
Herr Lewin hat eine Gonococcenperitonitis noch niemals
gesehen.
Herr A. Baginsky sah solche Peritonitiden im Anschlüsse
an Vulvo Vaginitis der Kinder entstehen.
Herr Dührssen erinnert sich auch, solche Fälle, wie Bröse,
gesehen zu haben Die bacteriologische Untersuchung müsste den
Ausschlag geben.
Herr Landau legt hingegen auf die bacteriologische Unter¬
suchung nicht soviel Gewicht; das klinische Bild sei maassgebend.
Die von Bröse geschilderte Affection scheint ihm jedoch unwahr¬
scheinlich, auch hat man solche peritonische Symptome im An¬
schlüsse an jegliche Art von Trauma (alßo Lösung eines retro-
flectirten Uterus) entstehen sehen.
Herr A. Baginsky: Anwendung des Marmorek’schen
Streptococcenserums gegen Scharlach.
B. hat zwar im Ganzen 57 Fälle von Scharlach mit obigem
Serum behandelt, doch kommen nach Ausschaltung aller nicht
einwandsfreien Fälle nur 27 in Betracht. Von diesen wurden
einige gebessert, in anderen trat trotz Injcction Verschlimmerung
ein und zwar kam es gerade zu den bekannteren, den Strepto¬
coccen zngcschriebenen ('omplicationen (Drüseneiterung, Nephritis).
Kin l’rtheil abzugeben, ist Vortragender demnach ausser Stande.
H. K.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 9. März 1896.
Herr Lazarus demonstrirt gefärbte Blutpräparate
eines Falles von pemieiöser Anämie aus dem Krankonkaus
Moabit, ln denselben finden sich ausser den gewöhnlichen Befunden,
kernhaltigen rothen Blutkörperchen, Megalo- und Normoblasten, noch
rothe Blutkörperchen mit kleinen, bläulich gefärbten Körnchen;
dieselben sind entweder ganz klein oder grösser und klumpig. L.
konnte diese Gebilde in den letzten 3 Jahren in jedem Falle von
iwrnieiöser Anämie wahrnehmen, in über 20 Fällen, die theils im
Krankenhaus Moabit zur Beobachtung kamen , theils der Privat¬
praxis des Herrn R e n v e r s entstammten. Sie finden sich nur in
wenigen Fällen so häufig, dass man sie gleich sieht, meist muss
man erst etwas darnach suchen. Einmal sah er diese Gebilde auch
in einem Falle von Leukämie. In den schweren Fällen von
secundärer Anämie konnte er sie nie finden, bis auf eine schwere
nämie bei einem Hämophilen, bei welchem aber der Uebergang
er secundären in die pernieiöse nicht von der Hand zu weisen
ist. L. sah diese Körnchen nur bei Methylenblau-Eosin-Färbung,
me in frischen Präparaten. Sie wurden in einer unter von Noorden
ve ortigten Dissertation und einmal von Ascanaczy beschrieben,
p s 'k*' esst 8 ' c h der Ansicht des Letzteren an, dass es sich um
roduetc dos Kernzerfalls handelt. Der klinische Werth dieser
co ac tung dürfte für die Diagnose und Prognose der per-
mciösen Anämie von Bedeutung sein.
Fortsetzung der Discussion Uber den Vortrag des Herrn
envers: Ueber chronischen Icterus.
und £ e ", G \ Lewin hat circa 400 Fälle von Ikterus beobaef
fectionJ ^ k ? U “ j ema,s etWÄ8 wahrnehmen, was für einen
lecnons- oder toxischen Ikterus gesprochen hätte.
Herr Stadelmann möchte bezüglich des hämatogenen Ikterus
noch bemerken, dass er gleich der ganzen Naunyn’schen Schule
einen hämatogenen Ikterus im alten Sinne, d. h. einen solchen mit
Ausschluss der Leber, verwerfen muss. Jeder Ikterus hat seinen
Grund in der Leber, indem eben durch die verschiedenen Momente,
welche den sogenannten hämatogenen Ikterus bewirken sollen, eine
stärkere Tbätigkeit der Leberzellen angeregt wird; dieselbe bezieht
sich aber nicht auf die Galle im Ganzen, sondern nur auf den
Gallenfarbstoff, wesshalb er statt des vorgeschlagenen Namens Poly-
cholie den Ausdruck Pleiochromie empfehlen möchte. Den alten
Namen «hämatogener Ikterus» aufrecht zu halten, hält er wegen des
Missverständnisses, dass es sich um einen solchen im alten Sinne
handelt, für unzweckmässig.
Herr Gottschalk führt einen Fall an, wo die kindskopf¬
grosse Gallenblase zu Verwechslung mit einem abgeschnürten Colon
Veranlassung gab. Operation. Heilung.
Herr Goldscheider führt eine Beobachtung an, wo eine
schwere, in wenigen Tagen zum Tode führende interstitielle Hepatitis
Ursache eines Ikterus gewesen war.
Im Schlusswort weist Herr Kenvers nochmals darauf hin, *
dass die schwersten katarrhalischen und phlegmonösen Erkrankungen
im Duodenum und zwar in der Nähe der Papille Vorkommen, ohne
dass sich ein IkteruB einstellte.
Die Punetion der Gallenblase intra vitarn hat er oft vorge¬
nommen und die Galle meist bacterienfrei gefunden; er hält diesen
Eingriff für gefahrlos, wenn man den Kunstgriff anwendet, möglichst
viel Galle herauszuziehen, damit die Gallenblase für einige Zeit zu¬
sammengesunken bleibt und die Stichöffnung verkleben kann.
Herr Rosenbaum stellt 2 Kinder mit hereditärer Ataxie vor;
in der Familie ist Diabetes erblich. H. K.
Aerztlicher Verein zu Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 10. Mürz 1896-
Vorsitzender: Herr K ü m m e 11.
I. Demonstrationen:
1) Herr J jaucnstein zeigt das Actinogramm (Röntgen)
einer Ilandwurzelfractur. Mit grosser Schärfe lässt sich die Aus-
cinandorsprengung des Seaphoideums, in das das Capitatum hinein¬
gedrängt ist, erkennen. L. stellt ferner zwei jugendliche Patienten
vor, bei denen er mehrere Blasensteine operativ entfernt
hat. Bei dem einen handelte es sieh um dicht oberhalb des
Sphincter vesicae gelegene, fest eingeklemmte Tripelphosphatsteine,
deren Kern aus chlorophyllhaltigen Pflanzenfasern bestand. Urin
stinkend, alkalisch ; Blasentam|>onade. Im zweiten Falle bestanden
die eoncentrisch geschichteten, mandelgrossen Steine aus harn-
saurem Ammoniak und kohlensaurem Kalk. In den vor der
Ojicration bestehenden Steinbeschwerden spielten Blutungen aus
dem Rectum eine grosse Bolle, die L. auf durch die Steine
bedingte Stauung im Gebiete der Haemorrhoidal-
Venen zurüekführt.
2) Herr K r a us e - Altona bespricht die Bedeutung der
Röntgen’ sehen Photogramme für die Chirurgie und er¬
örtert die Technik. Nach seiner Ansicht wird die Methode in
jedem grossen Krankenhause zur Anwendung kommen und sich
um so leichter Bahn brechen, als das Verfahren viel weniger
Schwierigkeiten bietet, wie andere längst eingebürgerte Unter-
suchungsmethoden, z. B. die Cystoskopie. Die ausserordentliche
Bedeutung der grossen Entdeckung lernt man erst schätzen, wenn
man die Ausführung selbst in die Hand nimmt und sie nicht den
I hvsikern von F ach überlässt. K. zeigt einige von ihm gemachte
Aufnahmen : 1. doppelte Endphalanx des Daumens, 2. Handgelenk-
resection und damit zum Vergleich ein normales Handgelenk,
3- eine osteoplastische Operation am Fuss, bei welcher der 4. and
5. Metatarsalknochen in der Mitte durchgemeisselt und der vordere
Theil des 5- quer in die Meisseifläche eingesetzt wurde. Hierdurch
ist die äussere Form des Fusses, die durch eine vor 14 Jahren
erlittene Verletzung so verunstaltet war, dass das 16jährige
Mädchen kaum gehen konnte, wieder völlig normal geworden. —
Zum Schluss Darlegung des photographischen Verfahrens an Ab¬
bildungen.
3) Herr Unna stellt den sog. «Gummimenschen«
Spanner vor, welcher sich seit 1888 in fast sämmtlicheu
deutschen Universitätsstädten producirt hat und über welchen von
Du Mesnil, Seifert, Williams und Unna klinische und
histologische Mittheilungeu vorliegen. Derselbe besitzt am ganzen
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No. 11.
260^_________
Körper eine auffallend
mühelos in zollhohe, J. ■ . hörbarem Geräusch in
mühelos in zollhohe, ja sc '* ‘. hörbarem Geräusch in
um bei - raschem „ , „ i1 tat *****
die frühere Lage «uüik . iti dass <lie Haut ihre
und ü. kann diese sülul eri. einem abnormen
Dehnbarkeit nicht eimn - ('„tis hyper
******* r*?- »is i‘«ti» i«.
clastics. für diese - ,l0r . 1 n. |> ;lss ,liesc gi-osse Dehnung
(KoPb) oder 1)» o -V» ^ ... Mensch
des Cutis, einschliesslich der oingelagertoi, Organe,
mancherlei trägt, möglich is u ' ' crk | iirt , dass alle weniger
wird durch den hisUilogisc ic i ^ jj ( , mi|1 j,i Überdehntem
dehnbaren Thcilc, speeie11 Blutgc ‘' . ‘ d vor handen sind.
und daher für gewifl," ■<* ^md 1 laarbälge auf-
Ebenso liegen die Knaueidrüsen, , , iiut gewebe.
fallend frei, von weiten ^.vnipispa fi . hk . n überhaupt, was
Das Collagen ist. feintascr g , g d es Fettgewebes hervor-
besonders an den sonst so dicken *£» ta ^
tritt. IT. vcrinuthet, dass mit i i. : . , Dehnbarkeit
collagenen Gewebes auch «ne groi^ ull „ 1 i eh e „
es— £?£
..*
Sl Manometern »»io durch du, Beschlagen e,nc„ W‘-
ti Hon-Staude - Ueber Antefixatio uteri. cr
». "v£Sä:h-- -
Vesicofixatio uteri erschienen und in dieser
No. 7, 18vKi referirt. Diseussion vertagt.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 3. Februar 1890.
Herr Quincke spricht über die Heilungsbedingungen
bei S B Ä ten , den Seblciuibauteitcruiigcii oder
eitrigen Katarrhen findet die Entfernung des eitrigen Beblenm.
durch Flimmerbewegung, Respiration*- und llustenbewcgt.ng statt.
Bei sehr langer Dauer bilden sich durch Soeret-fetauung Bruncl,«*-
tasien, hauptsächlich in den Untcrlappen ; für diese bat Q.• <«r
Beförderung der Expcctoration in einigen Fällen
des Rumpfes mit tief liegendem Kopf für einige Stunden
oder zweimal am Tage vorteilhaft gefunden.
Eiterungen durch Gewebszerstörung, Absccsso, «ii hK 11
Verschlucken oder bei Pneumonien durch Secundännfection zu . tarnte
kommen, heilen, wie in anderen Organen, durch Bildung strahhgcr
Narben unter Verziehung des benachbarten Gewebes. Die Narben
bildung geschieht am leichtesten in gesunder Lunge und nn
Unterlappen, schwieriger iu dem von einem starren Rippenring
umschlossenen Oberlappen oder in pathologisch mdunrtem Gewebe.
Im Unterlappen kommt es leichter zu Sccretstauung, im Über¬
lappen sehr selten. .
Die Aufgabe der chirurgischen Behandlung ist datier ver¬
schieden: für'den Unterlappen hauptsächlich Ableitung des Eiters
durch Eröffnung der Höhle, für den Überlappen hauptsächlich
Ermöglichung der Narbeuretraction durch Rippenresection.
In chronischen Fällen werden die Bedingungen für den Lnter-
lappen ähnlich denen des Oberlappens durch Induration der Lunge,
, .. v.ni 54 von Q- zusammengestellten
der l ! k “ l \ n \- , ^ lu .n'Fällen sass die llöhle 46 mal in. Untcrlappen.
r.CÄjLg. für die acuten Fälle mit 65 Proc.
HoiUtHK, M .hiSerculösen Absccs,
E„,c »cs.mdcrc EuRung mh^ n Klaffcn8 * Cavcrnen
höhlen der Eungc ■ ; hr abweichendes Aussehen
bezeichnet werden. 1» J rond Starrc des umgebende.,
und den besonderen Na ,UU1 u ri „,, es . Auch hei ihnen ist
Gewebes und des «“****. 1)t dureh Einspritzung desinficirender
i:nä=»£ äü z ^ M -
Rippenresection. Apparat, welcher
warm zu halten.
14 . März 1896.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien
- Aerzte alT Strohmänner. - Heilserum gegen Dtph-
teritis — Ueber Appendicitis Simplex.
Mehrere spiritisti^m Magnc-
xt: ÄV- “
legt und von die*... totathu. vcrtamWt. 1.'oto*
siä
iirzte und der Vcn,., 8 U,ltu„ B öfFentbeher M»
Ä4U, -lehe ,»i. Hüeksiel.t
Verhältnisse bezüglich der tl.o.lweise veralteten \ erordnu g
zutreten hätten. m-toher 1845 bezieht
Collegiums hielt in dieser Woche *...e ecneralve »mmlung
die in gewohnter Weite recht »t,11 ..bl.ef V» 2
des Institutes waren volle «“» „^“„d tat im
Bezug auf die Selbsthilfe. Da besteht «u » gut tandute ^
stitut, das wirklich sehr geringe Anforderunge. M
glieder stellt und trotzdem ist die Bothcibff 8 um ( . m
demselben eine so geringe. Das Institut ZJ g Mitg Beder
glieder weniger als in, Jahre 1894, da in. « fl.
gestorben sind und bloss 2 neu bmjuknmon '■ ^ vü „
als Jahresbeitrag, sodann einen einmahgen . hinaus zll rück
30 fl. und einmal je 8 fl. für jedes über a ' . zW eier
gelegte Lebensjahr. Erforderlich ist bloss die B^tatgu g
Aerzte, dass der Aufnahmsbewerber derzeit ^ 7_ 40 0 «•)
fähig sei. Die Unterstützungen sind zeitwu g & j iclienkoste n-
oder dauernde (jährlich 400 fl.), endlich wird
beitrag in angemessener Höhe gewährt. vur einigt
Der niederösterreicliischo Landessamtatsra ilire Be-
Zeit darauf hingewiesen, dass einige Zahnte eh ,
HinitivoH h\/ Cinoalp
17. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
261
fugniase überschreiten und zahnärztliche Operationen unter dem
Deckmantel und Verantwortung von Aerzteil vornehmen, welche
eigentlich nur die Rolle von Strohmännern spielen. Das Ministerium
des Innern hat nun in einem Erlasse darauf aufmerksam ge¬
macht, dass das Disciplinarrccht der Aerztckammcr ein ausreichendes
Mittel bietet, gegen diese Unzukömmlichkeiten wirksam einzu¬
schreiten, und hat daher den Wiener Magistrat beauftragt, gegen
jene Acrztc, welche sich mit Hintansetzung der ärztlichen Standes¬
rücksichten aus Gewinnsucht zum Deckmantel derartiger Befugniss-
Vcbersehrcitungen hergeben, die Anzeige an die Acrztekauimer zu
erstatten >-.
So meldet die «Wiener modicinisehc Wochenschrift». Ich
möchte mir aber die Frage erlauben, warum das hohe Ministerium
des Innern nicht darauf achtet, «lass dieses Disciplinarrccht der
Aerztckammcr auch entsprechend zur Geltung gelange. Ende März
vorigen Jahres wurden die Maassregeln zur Bekämpfung des
ärztlichen Keclamewescns in der Wiener Aerztckammcr codificirt,
sodann allen Aerzten Wiens zur Darnachachtung zugestellt —
fast ein volles Jahr ist also seither verstrichen und noch immer
finden wir in allen politischen Zeitungen Wiens die bekannten
Schandinserate der sog. Specialisten für Geschlechtserkrankungon,
die Ankündigungen der raschen und sicheren Heilung, auch brieflich,
um 1 fl. Honorar etc. etc. Die Wiener Aerztckammcr hat ihre Pflicht
längst gethan, die verurtheilten Acrzte haben jedoch recurrirt
und diese Recurse liegen Monate lang im Sanitätsbureau der
Statthalterei oder sonstwo — man hört und sieht nichts von
einem Erfolge der Thätigkeit der Aerztckammer und ihres Khreu-
rathes, wohl aber liest man noch immer alltäglich die bewussten
Ankündigungen von 20 oder mehr Aerzten der Hauptstadt. Das
verstimmt nicht bloss die Acrzte Wiens, das verstimmt insbe¬
sondere die Kammormitglieder, die über die Fruchtlosigkeit all'
ihrer Bemühungen so manchen SjH)tt »Seitens ihrer Collcgen über
sich ergehen lassen müssen. Das Ministerium des Innern mache
also einmal Ernst, cs wahre das Disciplinarrccht. der Kammer
und dann werden blosse Ermahnungen genügen, um dem fehlenden
Arzte den richtigen Weg zu weisen, dann werden auch die oben
gerügten Hintansetzungen der ärztlichen Standesrücksichten aus
Gewinnsucht nicht mehr Vorkommen. Mit scharfen Erlässen allein
ist da nichts gethan.
Das Organ für die Publikationen des k. k. obersten Sanitäts-
rathes bringt in seiner jüngsten Nummer vom 12. März 1895
den Nachweis über die in der Periode vom 10- November bis
inel. 7- Dezember 1895 (4 Wochen) in ganz Oesterreich in
Evidenz gehaltenen Fälle von In feet ionskrank beiten. An Croup
und Diphtheritis erkrankten in dieser Zeit 6004, zugewachsen
sind 4682, gestorben 1479 Personen = 24,6 Proc., so dass 1390
iu Behandlung verblieben. Das officiellc Blatt schreibt sodann:
Die Serumtherapie findet immer allgemeiner Anwendung.
Oberösterreich berichtet im Allgemeinen über viele günstige Erfolge.
In »Steiermark war die »^eruuibehandlung bei 43 von 234 Genesenen
und bei 13 von HO Gestorbenen angewendet wurden. Ausserdem
wurden 66 Präventivimpfungen vorgenonnnen. Das »Serum war
15 mal aus den Höchster Farbwerken bezogen worden.
Von den 12 in Kärnthen ausserhalb der »Spitäler behandelten
Kranken sind 6 genesen, 3 gestorben. Aus Krain wird nur im
Allgemeinen über günstige Resultate berichtet.
Im allgemeinen Krankenhause in Triest wurden 193 Kranke
mit Serum behandelt. Von diesen sind 121 genesen, 30 gestorben,
während von 181 in Privatpflege mit Serum behandelten Kranken
27 genesen und 8 gestorben sind. In Tyrol und Vorarlberg
genasen von 9 injicirtcn Kranken 8. Böhmen berichtet im All¬
gemeinen über viele günstige Behandlungsergehnisse. Aus Böhmen
wird auch über eine systematische Opposition gegen
die »Serumtherapie berichtet, welche, gleich wie die Gegner¬
schaft gegen die Blatternschutzimpfung, im Runburgcr (!) Bezirke
am verbreitetsten ist. Bukowina berichtet, dass von 118 mit
Heilserum behandelten Kranken 19 = 16 Proc., während von 187
nicht Behandelten 101 =■ 54 Proc. gestorben sind. Zu Immuni-
sirungazwecken wurden 136 Kinder injicirt, von welchen später
nnr 2,9 Proc. erkrankt sind.
Diese Daten sind um so interessanter, als sie — ich wieder¬
hole es absichtlich — amtlichen Charakter tragen.
In der Gesellschaft der Acrzte brachte jüngst Dr. Arthur
Fogcs casuistische Beiträge zur Klinik der Apj>endieitis simplex.
Früher sprach man von Peri- und Paratyphlitiden, aber mit Un¬
recht, da sehr selten das Coecui», zumeist aber der Wurmfortsatz
den Ausgangspunkt der Erkrankung bildet.
Man unterscheidet eine Appcndicitis simplex und eine per-
forativa. Letztere ist bekannter, erstcre hat erst Sonnen bürg
aufgehellt. Als Hauptursache dieser Erkrankung wird nun all¬
gemein nach »Sonnenburg die Sccretstauung angesehen, welche
auf einer vom Dickdarm fortgeleiteten katarrhalischen »Schwellung
beruhend, das Lumen des Appendix verengern kann. Die Wand
des Appendix hvpertrophirt, der Kranke klagt Uber wiederholte
kolikartige Sei»merzen, welche ihn sehr heruntorbringen und sogar
arbeitsunfähig machen. Zuweilen gelingt es, den Api>endix als
druckempfindlichen Strang iu «1er Fossa iliaca zu tasten. In zwei
Fällen dieser Art war bereits eitriges »leeret im verengten Lumen
des hypertrophirten Proc. vermiformis vorhanden, sie heilten nach
vorgenommener Operation. Die Krankheit verläuft zuweilen so
latent, «lass erst die Probe-Laparotomie die richtige Diagnose stellen
lässt — C'oliea appendieularis nach Talamon. Unter 13 Fallen
wurden vom Primarius Gorsuny auch 2 Fälle dieser Form er¬
folgreich operirt.
Durch Adhäsionen ^Producte einer septischen Lymphangitis,
häufiger jedoch durch Exsudationen bedingt) kommt es zu Knick¬
ungen und Zerrungen des Wurmfortsatzes, welche ihrerseits wieder
zu anhaltenden Koliken führen. Tn 9 Fällen von Appcndicitis
adhaesiva hat Gersuny mit Erfolg die Operation ausgeführt —
Lösung der Adhäsionen , Exstirpation des nur katarrhalisch ver¬
änderten Appendix.
Zum Schlüsse weist Dr. Fuges auf die vielseitigen Be¬
ziehungen des weiblichen Geschlechtsapparates, speeiell auf «lie
Verwachsungen des Wurmfortsatzes mit dem Uterus, den rechten
Adnexen um! gleichzeitiger Erkrankung des rechten Ovariums hei
Appcndicitis hin und plaidirt ebenfalls dafür, dass man hei Ent¬
fernung rochtscitigcr Adnextumoren auch den Appendix genau
untersuchen und denselben, falls er sieh abnorm gelagert, ver¬
wachsen oder hypertrophisch vorfindet, gleichzeitig exstirpire, da
man dadurch oft die Quelle anhaltender Koliken verstopfe.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Laryngological Society London.
Sitzung vom 12. Februar 1&96.
Larynxcomplicationen bei Typhus.
Kanthack und J. A. Drysdale bezeichnen als die Prac-
dilectionsstellcn, an denen die typhösen C'omplicationen im Larynx
Vorkommen, die Spitze und die Ränder der Epiglottis, sowie die
Umgebung der wahren Stimmbänder. Die typhogenetische Natur
dieser Laesionen ist w'eder klinisch noeli bacteriologisch nachzu¬
weisen. Sie werden offenbar durch Mikroorganismen, meist Pyo-
coccen, verursacht, nur in den seltensten Fällen lassen sich Typhus¬
bacillen nachweisen.
Watson Williams dagegen tritt für die specifische Natur
der Laesionen ein aus folgenden Gründen: Cornil und Ran vier
hatten in den acuteren Formen der Typhuslaryngitis die Lymph-
follikel geschwellt und das lymphoide Gewebe mit Knötchen
durchsetzt gefunden, welche mikroskopisch dieselben Erscheinungen
zeigten wie in den Darmfollikeln. Analog dem häufigen Auftreten
initialer Lungensymptome und dem Nachweis des Typhusbacillus
in den Lungen ist auch im Larynx ein ähnlicher Infectionsmodus
anzvinehmen. Die Ulcera haben ein charakteristisches Aussehen,
manche Typhusfälle können nur durch eine Infection von den Luft¬
wegen aus erklärt werden. Er schreibt die Entstehung dem gemein¬
samen Wirken des Typhusbacillus und des Bacterium coli zu.
G. Borne sucht das Auftreten der Kehlkopfgescbwüre durch
die in Folge des Typhus verminderte Resistenzfähigkeit gegen Tuber-
culose zu erklären.
F. Semon weist auf das relativ häufige Befallenwerden der
Cartilago cricoidea hin.
S.G. Shattock und Kanthack widerlegen die von Williams
angeführten Gründe, indem sie nachweisen, dass die in Betracht
kommenden Parthien des Kehlkopfs überhaupt kein adenoides Ge¬
webe besitzen, und der Eberth’sche Bacillus nur in sehr seltenen
Fällen in den eitrigen oder entzündlichen Producteu des Typhus
gefunden wurde. F. L.
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«ttufMI WEB MEDICMISCHB WOCHgSSCHBgT.
No. 11.
XXV Congress der Deutschen Gesellschaft für
ÄÄ a Chirurgie.
Jubiläums-Fcicr.
Der XXV. Congress der Deutschen Gesellschaft
Chirurgie findet vom^ ^ ^ Mft . d j 8 .
Promenaden-Concert statt und ist GJ g der Mitglieder sind
hohen Hauses geboten. r £“ e JJ£JJ rat ion werden geöffnet sein
willkommen. Die J la , u “ e B zum Empfang von Mitglieds- und
In der Vorhalle ist d “ d S Herrn Anders eingerichtet,
Damcn-K arten unter de Le itung cles Jen kann . Dieselben
da der Zutritt nur auf :k T ^«nbeck-Hause zu haben.
Karten sind auch vorher im L g Hüreaus lade ich am Mittag
Die Mitglieder des Ausschusses und ßüreaus aoe i 2 .
desselben Tages 1 Festsitzun g
Die Eröffnung de s Congresses nn^ ^ ^ Langenb eck-
am Mittwoch, den “ desselben Tages wird der
Hause statt Am .^^LliedeJn die ihn begleiten wollen, Krdnze
Vorstand mit denjenigen Mitgliedern c * Bard eieben s auf
auf die Gräber von Langenbeck s unu
“ ss
w.l—r
„Tver^mnilung süddeutscher Laryngologen
"i'e m. Versammlung süddeutsche, Laryngologen wml ain
2. Pfingstfeiertage, ^ g5 Mft . in Heidelberg
stattfinden. Collegen, welche Vorträge oder Demon-
Diejenigen Herren > werde n gebeten, ihre Themata
strationen zu halten bea ei ^ h ulterzei C bneten zuzusenden.
bi ‘ ■B.'Äwi' Tagesordnung »ird An.ang M», v.r.e.det
werden. E r Eulenstein, II. Schriftführer,
Frankfurt a. M , Bleichstrasse 31.
V erschiedenes.
CrSCh Z en Fe Z stvÄ werden nach dem einleitenden Vortrage des
Vorsitzenden haJten: E8march K . el Die Krfolge der künstlichen
Herr'B ru*n's-Tübingen: Die Entwicklung der modernen
HÄffiSSiK Dk Entwicklung der Lehre von den
„eMÄ ÄÄ S “*
HeÄnnenburg-Berliu: lieber die Operationen au,
Her”e„ V Ääi„: Heber die Operationen an
den Gallenwegen.
Ä‘n— tis ÄIÄjjl« »- K "
(Eingang von der Mauerstrasse).
An, Donnerstag, den Freie
im Langenbeck-Hause Am Abend^d^ g ^ MitgUeder der
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu einem Feste in Kroll s
Etablissement am Königsplatze ein. 26 . Abends
abzuholen. Sonnabend dauern die Sitzungen im
Am Freitag un J wie gewöhnlich. Die Nachmittags-
Langenbeck-Hause von 10 * Ub ’ der Generalversammlung.
Sitzung des Freitags hat den Charekwr n tiber das
In ihr findet statutenmassig die Rechenschall 5 fahr 1807 statt.
SlriSiSS*
Beiträge' zur Statistik der Narkosen sind Z J. 5S°teteSl
dahreSÄStS^ zS^^gÄ^ «« Mark
fÜr *SS23B£ Ss^tÄs^HS Sellslaft auf
besondere 8 Zuwendungen und Stiftungen ihrer Mitglieder, zumal von
Sern fü die Bibliothek. Bildnissen berühmter Chirurgen m s vv
Karten die zur Theilnahme am Festmahle im Kaiserbot
(Mittwoch prücise 4 Uhr) berechtigen, sind bei Herrn Anders
*“ ha {Tden poliklinischen Sälen der Kgl. chirurgischen Universitäts-
Klinik findet während des Congresses eine Ausstellung von chirur¬
gischen Instrumenten und Apparaten statt in
Billets zum Besuche der grossen Berlin er Aus ste 1 ung m
Treptow sind während der Congresszeit bei Herrn An ders zu haben.
E. von Bergmann,
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
für das Jahr 1896.
(Versuche über rauch verbötende^ und
zehrende Feucrungs- Anlage .} te un(l a us 24 hervor-
Minister für Hände Xtn^estehende Commission zur Prüfung und
ragenden Sachverständigen bestehen . M hielt vor Kurzem
Untersuchung von Rft ucbverbrennurgrornc hat zu¬
in Berlin eine Sitzung ab Der 8 verschiedene praktisch er-
letzt im Auftrag der Comro ssiou &u{ dem Prin cip der
probte Feuerungsaiilagen unters'icht, Syetem besteht dann,
K o h 1 c n »t. u b I <>» e r u DJ^ h «^ ub D '““ St „d diesen Sie,.b,
dass man alle Kohle zufe ' n ® ,. {te trcmi beigemengt, in den Feuerungs¬
in feinsterVerthe.lung einem e ralg kennt weder Rost noch
raum hineinbläst. Die Kohlen schwebend verbrannt. Alle
Schichtung; jedes.Kohlenstaube!hen d ^ übereinstimmende Be-
3 näher untersuchten Systeme ergaijjniss und einer fast voll-
sultat einer sehr bedeutenden Kohlen «pjrj«« bj8 79 p uach
ständigen Rauchlosigkeit. Es Feuerung8anla gen aller Art
gewiesen, gegen Pr 9?» die » Vermahlens der Kohle betragen
erreichbar sind. DlC :inen"nicht mehr als 5 Proc des
deutenden anderweitigen Ersparnisse in dcr Verwerthung
Bedeutung der Kohlenstaubteueru g Ergebn i 8S der gepflogenen
minderwerthiger Kohlen zu suche . bfe „| rung in hohem Grade
Erörterungen war für die K >h ^Merspruchslos anerkannt, dass
günstig und wurde von allen Seiten P vollständig löse. Aus
sie das Problem der Rauch Verhütung nahe^ erfreuliche Thatmcho
den Verhandlungen der sich Bahn bricht: Kohle
zu entnehmen, dass endlich die E rk « nnt “ E eschic htet, ebensowenig
ist, in Stücken vorgelegt und auf Koste Kaffee vollkommen zu
vollkommen zu verbrennen, wi Bohnen im ungemahlenen
extrahiren vermöchte, wollte man die üonne
Zustande verwenden!
inde verwenuen \ N . den
(Zur freien Arztwahl in Wütern
schweren Schlägen, welche che iEr eie J b JJ nendon Stellungnahme
Zeit, namentlich in Berlin, in folg einmal einer amtlichen
dir Behörden erlitten tat, tot ^*,^«..1 der freie»
Kundgebung zu begegnen, welche eine ärztlichen Landes-
Aerztewahl gleichkommt. Einer \oretei . de8 Innern, es
ausschusses Württembergs an f“ 8 k. Mn«“jj^hiedenen Systemen
möge neuerdings Stellung nehme^ Seitens der Krankenkassen,
der Gewährung ärztlicher BehandU n beaufsichtigenden
durch Anempfehlung de, ,S“h dn«. an *•
Behörden, bat das genannte Ministenu ‘u r c ^ d}e Ge roemdebc-
an die k. Kreisregicrungen, che k. Obert e “ d Wortlaut hat.
hörden gerichteten Erlass entsprochen, ^rfolgenu^e ^ ^ ^
Das Ministerium hat in Ziff. 1 desi E Grund der in der ersten
betr. die Verhältnisse der Krankenkasse >„ r , in2Szese tzes vom 15- Junl
Zeit nach Einführung des Aufstellung von
1883 gemachten Erfahrungen den Krankend ^ Verträgen mit
Kassenärzten empfohlen und für den ' . d inzwischen die No-
folchen Aerzten nähere
veile zum Kr.-V. Gesetz vom 10.Apri\ltiM»e8i Arz twah das in
welche auf der Voraussetzung beruhen d “® s n d * Btimmun g gütige und
Slllgluug einer besonderen ei»«
unter bestimmten Bedingungen auch ts ansustrebende System der
gegentheiligen statutarischen Bestimmung anzu mit der freien
Gewährung ärztlicher Behandlung ist, nac R „Handlung durch den
Arztwahl, welche den Gassenmitgliedern ® en Standesinteressen
Arzt ihres Vertrauens sichert uiui zugje ® ökonomischen Inter
der Aerzte entspricht, auch vornzweckentsprechen-
essen der Krankencassen aus beim Vorhanaen ü n 8 11 g e J '
der Vertragsbestimmungen mehrfach n h t Er f as8 vom 27. Sep
f a h r u n g e n gemacht worden sind wird d def en An
tember 1886 in Folgendem ergänzt. Das by b ung der W»
wähl wie es früher bestanden hat, d. h. ai s g der Folge,
liehen Behandlung an alle Aerzte emes ^enb ^„gereichten Fon
dass die von den Aerzten für die Einzc les t g nimmt auf
derungen von der Casse ohne W ei ^® r v _„i,p n cassen nicht di® 8
die finanzielle Leistungsfähigkeit . der . 5wähl eingeführt werden, so
bührende Rücksicht. Soll die freie A^^Szirks, welche zur
ist es unerlässlich, dass die Aerzte de Uedet bereit smd,
Mitwirkung bei der Behandlung der Gassenmng
X
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17. Marz 1896. _MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT._ 263
ein genau zu bestimmendes Vertragsverhältniss zu der Casse
treten. Der Honorirung der Aerzte werden dabei zweckmässige
Aversalsummen zu Grunde gelegt, welche nach der Zahl der Cassen-
mitgüeder berechnet werden. Dies kann so geschehen, dass die
Caasenmitglieder veranlasst werden, für einen bestimmten Zeitabschnitt
sich für einen der betheiligten Aerzte zu entscheiden, in welchem Falle
die Casse dem einzelnen Arzt diejenige Summe ausbezahlt, welche
sich aus der Multiplication des Einheitssatzes mit der Zahl derjenigen
Cassemnitglieder ergibt, die sich für ihn entschieden haben. Ein
anderer Weg der Honorirung ist der, dass der Gesammtheit der
betheiligten Aerzte ein Avers um ausgesetzt wird, welches diese
unter einander nach der Zahl der in einem bestimmten Zeitab¬
schnitt behandelten Mitglieder oder nach der Zahl der in diesen
Zeitabschnitt fallenden Einzelleistungen vertheilen. Die Aerzte
hätten sich ihrerseits zu verpflichten, bei der Behandlung der
Kranken, insbesondere bei der Verordnung von Arzneien und
sonstigen Heilmitteln und bei der Ausstellung von Krankenscheinen
bestimmte Rücksichten zu beobachten. Die Einhaltung der letzteren
wäre vertragsmässig von einer Controlcommission zu überwachen,
welche zweckmässig je zur Hälfte aus Mitgliedern des Cassen-
vorstandes und gewählten Vertretern der ärztlichen Bezirksvereine
zusammengesetzt wird. Diese Commission prüft die Recepte und
Krankenscheine und ist verpflichtet, den Arzt, der die vertrags-
mft8sigen Vorschriften nicht beachtet, zu verwarnen, ihm die ent¬
stehenden Mehrkosten zur Last zu legen und im Fall schwerer
oder öfters wiederholter Verletzung seiner Pflichten die Berechtigung
zur Behandlung der Cassenmitglieder zu entziehen. Wo die
finanzielle Lage einer Krankencasse eine ungünstige ist, ist bei dem
Uebergang zu dem Systeme der freien Arztwahl besondere Vorsicht
geboten, wie denn überhaupt die besonderen örtlichen und per¬
sönlichen Verhältnisse bei der Entscheidung über die Art und
Weise der Gewährung ärztlicher Hilfe berücksichtigt werden müssen.
Die Kreisregierungen, Oberämter und Gemeindebehörden werden
angewiesen, die obigen Gesichtspunkte bei der Beaufsichtigung und
Besetzung der Krankencassen im Auge zu behalten.
(Verhaftung eines Homöopathen.) Die Verhaftung des
homöopathischen Arztes Dr. Volbeding in Düsseldorf erregt wegen
der scandalösen Geschäftspraxis dieses Herren, die dabei zu Tage
kam, grosses Aufsehen. Die «Frankfurter Ztg.* schreibt darüber:
Volbeding veröffentlichte regelmässig in einer grossen Reihe von
i Zeitungen Atteste von angeblichen wunderbaren Heilungen,
die er bei Kranken erzielt habe und fand dadurch einen ausser¬
ordentlich grossen Zuspruch aus allen Himmelsgegenden. Täglich
liefen mehrere hundert Briefe von Kranken ein, die ihr Leid schilderten
i und um Rath fragten. Volbeding selbst kümmerte sich um diese
Briefe wenig oder gar nicht Sein «Bureauchef* Könnecke, ein
junger Mann, der einige Klassen des Gymnasiums besucht hat,
öffnete die gesammte Correspondenz und vertheilte sie an das aus
sieben oder acht jungen Leuten bestehende Bureaupersonal. Ein
früherer Rechtsanwaltgehilfe machte die «Diagnose*, indem er auf
den Briefen etwa den folgenden Vermerk anbraehte: «III. G. N.»,
das heisst : «Pulver drei, 6 Mark Nachnahme.> Der Brief mit diesem
Recept ging dann in die «Apotheke» — Volbeding hatte das
Recht, selbst zu dispensiren — und Abends wurden die hundert
Packete zur Post befördert. Erst in der letzten Zeit, als sich die
Polizei um diese «Praxis» zu kümmern begann, hatte sich Volbeding
einen Apotheker angestellt; alle die Jahre vorher besorgten die aller
medicinischen und pharmazeutischen Kenntnisse baren jungen Leute
auch die Geschäfte des Apothekers. Andere bedenkliche Praktiken
des Herrn Doctors hat die Untersuchung ebenfalls klargestellt. Auf
welche Art er das Vertrauen der Tausende, die ihre letzte Hoffnung
auf den Wunderdoctor setzten, missbraucht hat, mag aus der That-
sache erhellen, dass er mit seiner Begleiterin im letzten Sommer
mehrere Monate Skandinavien bereiste, ohne dass der Betrieb in
Düsseldorf die geringste Störung erlitt. Die Geschäfte wurden vom
Bureau glatt erledigt, ohne dass der Herr Doctor einen Brief zu
Gesicht bekam und ohne dass er einen ärztlichen Stellvertreter in
Düsseldorf zurückgelassen hätte. Da die geringste Nachnahme für
ein Packet 6 Mk. betrug, er aber von Wohlhabenden auch ganz
horrende Preise nahm, bo ist die durch die Untersuchung zu Tage
geförderte Thatsache, dass Volbeding eine regelmässige tägliche
Kinnahme von über tausend Mark hatte, nicht weiter ver¬
wunderlich. Von der Macht des Geldes war er so überzeugt, dass
glaubte, dadurch auch die Presse und selbst die Behörde zum
Schweigen zu bringen. Die nach dieser Richtung von ihm unter¬
nommenen Versuche sind natürlich nicht zu seinen Gunsten aus¬
geschlagen. Die Polizei hat ein bedeutendes Belastungsmaterial
gegen Volbeding zusammengebracht, und die Localpresse hat schon
seit Wochen seine Geschäftspraxis nach allen Richtungen hin be¬
leuchtet.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 17. März. Das Herausgebercollegium der < Münchener
medicin. Wochenschrift» hat in seiner Generalversammlung am
11.da. Mts. aus den Erträgnissen der Wochenschrift dem Pensions¬
verein für Wittwen und Waisen bayerischer Aerzte die
Summe von 1000 Mark überwiesen. Desgleichen hat dasselbe der
•Sammlung für ein Pasteur-Denkmal in Paris die Summe von
200 Mark zugowendet.
— In der am 14. ds. zur Feier des 137. Stiftungstages der
k. b. Academie der Wissenschaften abgehaltenen Festsitzung konnte
der Präsident, Herr Geheimrath v. Pettenkofer, die Mittheilung
machen, dass eine Anzahl Münchener Bürger und Industrieller zu
Gunsten der mathematisch-physikalischen Klasse eine Stiftung ge¬
macht habe, welche den Forschungszwecken dieser Klasse zu Gute
kommen solle. Die Stiftung beträgt vorläufig 59,500 Mk., doch
stehen weitere Zeichnungen in Aussicht. In dem an Geheimrath
v. Pettenkofer gerichteten Begleitschreiben heisst es u. A.:
«Sämmtliche Geber richten an Sie die Bitte, diese Sponde zu einer
Stiftung als Zeichen der grossen Verehrung und des grossen Dankes,
welchen Ihnen die Münchener für Ihr erspriessliches Wirken damit
aussprechen wollen, in der Art zu verwenden, dass die Bestimmungen
über diese Verfügung von Ihnen oder mit Ihrer Zustimmung fest¬
gesetzt werden, und dass diese Stiftung den Namen «Münchner
Bürgerstiftung bei der Academie der Wissenschaften zu Ehren
des Geheimraths Dr. v. Pettenkofer» tragen möge*. Letzteren
Beisatz beantragt Herr Geheimrath v. Pettenkofer in bekannter
Bescheidenheit zu streichen.
— Zum Nachfolger des bekannten Neurologen Dr. C. Eisen-
lohr, der aus Gesundheitsrücksichten seine Stelle als Oberarzt der
innern Abtheilung am Neuen Allg. Krankenhause in Hamburg-Eppen¬
dorf niedergelegt hatte, ist am 10. ds. Mts. Dr. M. Nonne, früher
Assistent Eisenlohr's und zuletzt dirig. Arzt am Vereinshospital in
Hamburg, erwählt worden.
— Grosse Erregung verursacht in ärztlichen Kreisen Berlins
eine Abmachung des Vereins Berliner Kassenärzte — desselben
Vereins, auf dessen Wühlereien der Rückgang der freien Arztwahl
zurückzuführen ist — mit denjenigen Krankenkassen, mit welchen
der Verein in Vertragsverhältniss steht, nach welcher Abmachung
die nicht versicherungsplliehtigen Familienangehörigen der Ver¬
sicherten in Zukunft von den Kassenärzten zu ermässigten Sätzen
— jedoch ohne Garantie der Zahlung seitens der
Kassen — behandelt werden. Nachdem die in diesem Abkommen
liegende Unterbietung der übrigen Berliner Aerzte bereits in der
Berlin-Brandenburger Aerztekammer die verdiente Verurteilung ge¬
funden hatte, wird in einer in derselben Sache einberufenen allge¬
meinen Aerzteversammlung von dem Referenten Dr. Henius
folgender Antrag gestellt werden: «Die von dem Geschäfts-
ausschn8.s der Berliner ärztlichen Standesvereine und dem Verein
zur Einführung freier Arztwahl einberufene Aerzteversammlung
verurtheilt auf das schärfste den Beschluss des Ver¬
eins Berliner Kassenärzte, betreffend die ärztliche
Behandlung der Familienangehörigen der Kassen¬
mitglieder, weil dieser aus egoistischen Motiven hervorgegangene
Beschluss geeignet ist, 1) die wirtschaftliche Lage des ärztlichen
Standes in unheilvoller Weise zu schädigen, 2) die sociale Stellung
der Aerzte dem Publikum gegenüber herabzudrücken, 3) den jüngeren
Aerzten das Eintreten in die Praxis unmöglich zu machen.
— Im preussischen Cultusministeriuin ist ein Gesetzentwurf,
betreffend die Erweiterung der Disciplinarbefugnis.se der
Aerztekammern ausgearbeitet worden, welcher demnächst den Aerzte-
kammern zur Beratung zugehen soll. Bekanntlich hat die Mehr¬
zahl der preussischen Aerztekammern eine Erweiterung der Dis-
ciplinarbefugnisse gewünscht; unter den Gegnern einer solchen stand
in erster Linie die Aerztekammer Berlin-Brandenburg. Wenn die
Anzeichen nicht trügen, so haben die Ereignisse der letzten Zeit
dahingeführt, auch unter den Berliner Collegen einen Stimmungs¬
wechsel herbeizuführen und dürfte der Entwurf heute auch dort
nicht mehr auf principiellen Widerstand stossen.
— Ein im Reichstag eingebrachter Antrag auf Aufhebung des
Impfzwanges ist nach längerer Debatte erfreulicherweise abermals
abgelehnt worden.
— Wie schon berichtet, hat das Organisationscomit^ des XII.
internationalen medicinischen Congresses in Moskau als in den
Sectionssitzungen zulässige Sprachen die französische, deutsche und
russische bestimmt. Dieser Beschluss stösst begreiflicher Weise auf
allseitigen Widerspruch. Denn es ist nicht einzusehen, wurum die
verbreitetste und wichtigste Cultursprache, die englische, von den
internationalen Congressen ausgeschlossen sein sollte. Im Interesse
des Gelingens des Congresses halten wir es für dringend erwünscht,
dass das Comitö die genannte Bestimmung ändern möge, denn das
Fernbleiben der englischen und amerikanischen Collegen würde «1er
Bedeutung des Congresses schweren Eintrag thun Dass das Rus¬
sische als Congresssprache zugelassen wurde, ist natürlich. Bei der
notorischen Sprachgewandtheit der Russen ist jedoch anzunehmen,
dass davon wenig Gebrauch gemacht werden wird; denn darüber
werden die russischen Collegen sich klar sein, dass sie bei Benutzung
ihrer Landessprache sich fast ausschliesslich an ihre engeren Lands¬
leute wenden. Das aber ist nicht der Zweck eines auf einem inter
nationalen Congresse gehaltenen Vortrags.
— In Hamburg hat sich Anfangs ds. Js. ein «Verein Ham¬
burger Schiffs ärzte» gebildet, in welchen alle approbirten Aerzte,
welche zur See fahren oder gefahren sind, aufgenommen werden
können. Der Zweck des Vereins ist « coliegialen Verkehr zu pflegen
und standesrechtliche und standesgemässe Interessen seiner Mit¬
glieder zu vertreten». Versammlungen des Vereins finden statt
jeden Montag Abend 8 Uhr im Lokale Münchener Hofbrflu, Ham-
burg-St. Pauli, Ecke Marien- und Eimsbüttelerstrasse.
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No. 11.
""T^Tam Donnerstag der« 5.
,1er Hufeland 'sehen ' unter localer Anästhesie;
Schleich einen Tumor der 0 ‘ kod ynamische Bemerkungen;
H err Liebreich machte das«P“£ m * urze y m von Herrn Schleich
Herr Martens, welcher' set Erfahrungen Sodann
operirt worden war, berichtete «De neue Methode der Be-
führte Herr Boas eine von ihm ang f(lhrter Schlundsonde an
Stimmung der Magengr Discussion sprachen die Herren
ÄÄrt “ SÄ
SS,“lSS Balncologen-Congress «*»><*■
- Einen, weibHcheu Zdtotol <Si«ltS° Es ist
rsrsa
£ SSÄ» übergeben werden.
- Von deutschen Mdg »«"Ä
1äfifSTÄ SS XjtSS. »SS
mit 8,8 Todesfällen pro Jahr «n jn Bannen, Freiburg,
ÄL«! r DSÄ n Me^»u Diphtherie und Croup in Branden-
bmg und^wichau^ —
IÄÄÄä'Ä
als «neues Mittel gegen *“£^1 mit ^ Lignosn , fit
dass auch in unserem Kiankenh - daBB in Fällen, in denen
vorzügliche Erfolg ■ vorgeschritten war, durchweg
die Tuberculose nicht zu ß icse Behauptungen sind Er-
Heilung erreicht sei u. s. Ueclame; in unserem
findungen einer ?«*\W' nd '{fit bis jetzt überhaupt keine
Krankenhause sind mit dem Lg y ziemssen.
F.rfolee erzielt worden.
- Die Höchste, Farbwerke « fg^Zs-
stehender Mittheilung. on Füllung unserer Fläschchen
nummer 429) ab verenden wir zur Ui * nthneter 2..0 Immu-
nur noch solches Serum dasm einem ou b - s m j . E ) Die
mittel ist dann folgende: irtikett
N °- l oTÄSÄl“ Iminuuisiruugsdosifl
"»■ Ä = Einfache Heildosis
*- f fTL Doppelte Heildosis
No. 1' I Seh r - h f^O E i’-E ett = Dreifache Heildosis.
Bei die«? Verringerung der Serummenge schwinden alle Be-
denken bezüglich des Carboisäuregehaltes.
r^ÄuÄSr b £Ä ÄÄisiru^u-
beiten enthält. .
mmmm
ist auf den vacanten anatomischeni Lehrstuhl bei ii en. Stras g
Hebammenschule.^n ^ de8 verstorbenen Gynäkologen van der
Mev wurde Dr. Hector Treub aus Leiden zum
Utrecht. l)r. Naratl., Assistent der chirarasclien Khnikd«i Protowo
Gussenbauer in Wien, wurde zum ord. Professor der Chirurgie
an Stelle Eiselsberg’s ernannt.
(Todesfälle.) In Genf starb der bekannte Gynäkologe, Pro¬
fessor der geburtshilflichen und gynäkologischen Poliklinik an der
Universität Genf, Dr. F. Vulliet.
7: <5 wa J sich ein Additionsfehler findet. Die
SSÄÜSJS £ Ldife.de» betrug im Winter 1895,96 uicbt ,090,
sondern 7796.
Personalnachrichten.
Bayern.
, . 7 ,„ Praxis hat sich angemeldet: Dr.
Niederlassung, Zur 1891, in München; Dr.
Anton Blank, k A 8S ^Ap^ Z 71ir , t t'q ’ appr 1891, in München; Dr.
Dr. Ä J»
M Beeker (I. Münch.») r.»r lteserre des San,-
‘“'Truanut: r.um k. Landgcrichtsarstc iu Bayreuth do, praktische
An * IgÄbau, Müucheu, 89 Jahre alt. Johauu
Bapt. Staudinger, prakt. Arzt m Schwindegg.
Amtlicher Erlass.
srnÄtrÄsarss
Es wir^ biemit'bekamB'gegeheu, ^^f^^j^^bst^üchtete
beauftragt ist, auch für dasdiesjähr^ ltg Imp f., n g von Arm
Ä'SÄÄft r.weite.Impfung, -*
nicht mehr zu bedienen ist. , f werden die k. Bezirks-
„rate
an die k, CenHalim P ?anstalt zu berichten, für wie viele Impfling
sie Thierlymphe zu beziehen wünschen. Seite der
'Hinsichtlich der ^"P^^wfXretcTirnTderAnhaltung der
j k. Centralimpfanstalt wird be' GeschäftBvereinfwhung für Abnehmer
angemeldeten Termine und *“* t ^. , J* tKchun g des k. Ccntrahmpf-
und Empfänger auf «he ,n _ l . .. dcr Münchenermedicimsclien
arztes Dr. L. Stumpf vo ;»»- M “ÄS Vereinbarung, welche siel»
Wochenschrift in Vorsch g g aufmerksam gemacht,
als zweckentsprechend bewahrt ha • f f g yon Thierlymphe
geübt wurde, w.rd luem,.
" kht Ä„,de„1.Müra«.
Frhr. von Fcilitzscli.
Der Generalsccretär.
von Kopplstätter, Min.ster.alraÜ.-
47 (Äs
Pneumonia crouposa18 (23), , Py * ( _ )t Scarlatma 87 (»h
Uebersicht der Sterbefälle in »« n ° h ^ s0
während der 10. Jahreswoche vom V.^ '
Bevölkernngszahl: 406 000- Bipl.therie
und C™r“ r (^
fTaasäT fö S£gss , 4 S ss
Unglücksfälle 1(1), Selbstmord 1 (-), Tod "»oft Verhältnis^
b Die Gesammtzahl der Sterbefälle 19JW, (26 ,8), »
auf das Jahr und 1000 Einwohner im 17,3 (17,0), fur
die über dem 1. Lebensjahr ^Jiende B^ölkerung
die über dem 5. Lebensjahr stehende 14,1 (iw
*, Dieeingekla mmertenZahlen bedeuten die Fälle der^W^l-
Digitized by VjOOQIC
Universität Genf, Dr. F. vulliet.
fBerichtigung) Wir werden darauf aulmerksam gemacht,
dass in del Hebereicht'’über die Frcqn« » der deutschen medicin^
r
Die Münchener Medlcin. Woehenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens 2V 3 —3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer GO -j.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die KedacUon
Ottostrasse l. — Für Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwehmr. 70. - Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ci). Bäumler, 0. Bollfnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Reineke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. v. Winckel, H. v. Zleassei,
Freiburg i. B. München. Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würxburg München. München. Mönchen.
M 12. 24. März 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, OttostrasBe 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehretr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Die „üblen Zufälle“ bei und nach Chloroform- und
Aethernarkosen.')
Von l>r. IE. Zoetjc von Mauten ffel in Dorpat.
Trotzdem in der Narkosen frage, die seit dem 22. Chirurgen-
cutigress wieder recht lebhaft discutirt wird, so gewiegte Stimmen
wie die eines Bruns, König, Kocher zur Vorsicht mahnen
und vor übereilten Schlüssen gegenüber deiu Aether warnen, finden
die mehrfachen ungünstigen Berichte über die Aethernarkose, wie
sie von Foppert und Mikulicz u. A. veröffentlicht wurden,
im grossen ärztlichen Publicum, das ja allerdings conservativ sein
muss, einen fruchtbaren Boden, wie icli mehrfach zu beobachten
Gelegenheit hatte. Ein Tadel des •< neuen Anaestheticnm,
namentlich so energisch ausgesprochen, wie von Seiten Mikulicz’s,
muss ja in der That Jeden kopfscheu machen, der selbst noch
keine Versuche angestellt hat resp. ans teilen kann.
Und so wie Mikulicz und Poppert die Sache darstellen,
liegt sie in der That nicht 8 ), auch meiner, allerdings nicht sehr
reichen Erfahrung nach nicht, die ich dennoch in s Feld zu führen
wage, denn wenn 80 Narkosen schon ein abschliessendes Unheil
gestatten sollen, so werden 400 wohl jedenfalls eine vorläufig
genügende Beobaehtungszahl bilden, um ein wenigstens suhjectives
Unheil über den Aether als Narkoticum zu gestatten.
Und viel mehr als solch ein suhjectives Urtheil können wir
eigentlich überhaupt nicht erwarten, abgesehen von den Kennt¬
nissen, die wir aus Experimenten und gelegentlichen sogenannten
1 uglücksfällcn erwerben. Denn die Saunnelstatistik lässt uns
wieder einmal im Stich. Das beweisen die letzten Erfahrungen,
wie mir scheint, auf s allerdeutlicbste.
Wie oft ist nicht schon der einzelne Beobachter mit sich
selbst im Zweifel, ob er einen üblen Zufall während einer Narkose
dieser selbst oder einem anderen Umstand zuzuschreiben hat, wie
uft muss er bei reicherer Erfahrung nicht frühere Beobachtungen
und Ansichten nachträglich corrigireu. Wie verschieden schliesslich
Jeder sieh seiner Erfahrung gemäss zu den klinischen Beobach¬
tungen Anderer stellt, das zeigt die wechselnde Auffassung der
wn Poppert aus der (1 ur 11' scheu Statistik herausgeleseucu
Aethertodesfülle, die von Uurlt augenscheinlich doch wohl nicht
als solche angesehen wurden, von Poppert und Mikulicz dem
Aether zur Last gelegt werden, von Kocher, ebenso von König
zum Theil angezweifelt werden, und so wohl von Jedem in seiner
Weise gedeutet werden. Da kann man doch wirklich nicht hoffen,
durch Massenbeobaehtungen die Fehler der Einzelbeobachtungen
zu verkleinern.
tag jgg^ Ußzu 8 8we ’ 8e vorgetragen auf dem Livländiechen Aerzte-
1 ^ euer< ^* n g 8 hat Poppert übrigens seinen Standpunkt
gegenüber dem Aether geändert. Er ;hält die Frage, welchem
naestbeticum der Vorzug zu geben sei, für noch nicht entschieden.
Zeitschrift für praktische Aerzte, 1896 No. 1.
No. 12.
Ich muss gestehen, dass ich Beobachtungen aus erster Hand
einen viel grösseren Werth beimesse. weil hier der Leser einer
gleichartigen Anschauungsweise gegenüberstoht. der er beistimmen
kann oder widersprechen muss; immer aber kann er die subjeetive
Anschauung des Beobachters in der Schätzung mit verrechnen,
was bei der bunten Mosaik einer Sammelforschung nicht möglich ist.
Die Kritik der beiden Mittel — Aether und Chloroform —
muss sich nothgedrungen an die bei der Application dieser N’ar-
kotica beim Menschen auftretenden üblen Zufälle halten. Die
Versuche am Thier sind aber auch nicht zu vernachlässigen, insofern
sie erstens die physiologische Wirkungsweise des Mittels auseinauder-
zulegen im Stande sind und ferner die klinischen Erfahrungen
bestätigen.
Halten wir uns zunächst an das, was die Klinik uns lehrt.
Unter den üblen Zufällen bei der (’loroformuarkose wird als
erster die primäre Synkope angeführt, ln thesi müssen wir
verlangen, dass alle Fälle von Shoek hier abgezogen werden.
In praxi ist das allerdings sehr schwierig. Weniger schwierig
scheint es mir. diese vom Trigeminus vermittelte refiectorisehe
Herzlähmung im Beginne der Narkose zu vermeiden. Die neuer¬
dings empfohlene methodische Tropfnarkose ist. wie mir scheint,
sehr wohl geeignet, der Gefahr der primären Synkope zu begegnen.
Sie ist auch für alle Kinder und die meisten Frauen geeignet,
eine tiefe, langdauerndo Narkose zu erzeugen und zu unterhalten.
Für Männer reicht sie nicht ans. Ich habe wiederholt versucht,
genau nach der Vorschrift tröpfeln zu lassen, bei den meisten
kam es allerdings bis zum Excitatiunsstadium, dieses wurde jedoch
so furibund, zog sich so in die Länge, dass von dem ausschliess¬
lichen Tröpfeln abgesehen werden musste, um der das Herz gewjss
sehr erheblich belastenden Muskelunruhe ein Ende zu machen. —
Ich habe auch nirgends, auch nicht auf deutschen Kliniken und
Krankenhäusern. eine wirklich regelrecht durchgeführte Tropf-
narkose ausführen sehen. Stets wurden im Exeitationsstadium
einige grössere Gaben nothwendig. Immerhin danken wir der
Empfehlung der methodischen Tropfnarkose die Erinnerung, dass
wir jedenfalls zu Beginn der Narkose tropfenweise und in Summa
stets so wenig wie möglich Chloroform gelten sollen.
Vielleicht hat gegenüber der primären Synkope» die Kosen-
b e r g sehe Uocainisirung der Nasenschleimhaut eine Bedeutung.
Ich halte- sie einige Male versucht, fand auch, dass sie zum Beginne
der Narkose gute Dienste zu leisten scheint. Unbequem ist
jedoch die kurze Dauer der Cocainwirkung. Denn bei Wieder¬
holung der Uocainisirung in Narkose fliesst Cocaiulösung und
gelöster Nasenschleim in den Nasenrachenraum, was mindestens
als sehr lästig zu bezeichnen ist. Immerhin wären Versuche in
dieser Richtung, namentlich mit einmaliger Uocainisirung, zur
Vermeidung der Frühsynkope gerechtfertigt.
Zu alledem ist aber die Frühsynkope meiner Erfahrung nach
so selten — ich habe in 12 Jahren einen Fall gesehen und da
handelte es sich noch um ein fast moribundes Individuum _ dass
wir, namentlich wenn wir die Beispiele von Shoek , die vorliegen,
noch berücksichtigen, der primären Synkope wegen sicherlich das
Chloroform nicht verwerfen werden.
1
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266
mcnchener me dicmbche w ocHENsegRgT.
No. 12
Weit U » 6g ee «« »einet
■■j'-jfjss
r K intn t ht J"^e:„ - j" "
liehen Erwachsenen. Pie tf***'“^„'Isionen (Kömg)
Athembeweguiigen und r J*> J 5 ^Zn. ÜJld diese Fälle, der
wieder zuni Leben zuruekgeb glücklich vollbrachter
Schrecken aller Chirurgen, be. denen muh gldek.
Arb eit plötzlich die ^ ^ Todes -*« ^
des Kranken tagern, ■ 1 P» ^ ^ schlechterdings
Athmung und Puhi sti ' ‘ J )er8 meint) dass es sich auch
das Chloroform schon fortgelassen war und aut s >cue
erwachten vorgehalten wurde. Knaben resecirte ich
Einem 12jähngen recht anämischen ^K tion und des
das linke Hüftgelenk ? ach ? e an g ge l e 8 gt. Die Chloroformmaske
Verbandes wurde die . E ^ n *!° der Knabe beim Anlegen
lag »chon 15 Minuten Ä“' zu , e ^re„“ fing and »chrie,
der Extension m unbequemer w« ,“*» „ os8en un d diese
wurden 5 Tropfen Puls und Re-
dann flüchtig vorgehalten. Sofort dila P Respiration, bis
spiration verschwanden. ^Stunden küns t Knabe todt
Livores auftraten und es somit klar wurae,
""“nsfeJ sieh hierbei tun rhetorischen Hme.ilWand und
(Professor Dragendorff) untersuchen : « -f ^ bl -
rein erklärt. Den Tag darauf führte uh uik _
einem ebenfalls 12 jährigen Knaben behufs Nekrotoinic au^
gleich der Knabe kräftig - mellt antamch war *> F>‘
kein Blut verlor, keinerle. septische Stoffe re«wb. ^
9 Tage lang einen l uls \on ubu ~00- ■
habe ich noch eine ganze Reihe gesehen, die ich hier nicht Ile
anführen will. Stets handelte es sich bei Kindern um erneute.
Auf giessen im Erwachen. Bei Erwachsenen
2 mal zu sehr ernster Spätsynkope gekommen, wo die M.mke duuh
aus nicht mehr vorlag. In den übrigen handelte es sich ebenla ■
um Aufgicssen geringer Chloroform.nei.gcn, nachdem eine Zeit
lang die Application unterbrochen war und Patienten inehr oder
weniger schon Reflexe aufwiesen. Es ist mir, Dank den rhyth¬
mischen Thoraxcompressionen und Athembeweguiigen, m ■
übrigen Fällen gelungen, die Patienten am Leben mjt halten
Stets musste aber die Operation unterbrochen werden und manch
mal haben wir recht lange arbeiten müssen, bis Alles ^\vr m.
(leleis gebracht war. Es fragt sich nun , hätten wir durch du
Eos enb erg’sehe Cocainisirung alle diese Zufälle vermeiden können .
L weiss es nicht, habe mich aber nach einigen Versuchen davor
gescheut, einem mehr weniger Reflexionen Cocain enmiblasen, weil
es wie erwähnt, mit dem Schleim zusammen in den Naseniaehtn-
raum läuft und dort die Respiration beschwert, was sieh m iauten.
Rasseln kund gibt. Applicirt man nur mimmale Mengen Cocaim
so wird die Schleimhaut nicht in toto anästhetisch. Im Hinblick
auf die angeführten Beobachtungen sind wir gegenüber dem .li-
kulicz’sehen Vorschlag, bei Septischen die Narkose ganz ober-
flächlieli zu machen, in einer etwas eigenthümhchen Lage, Ls
ist ja richtig, dass von der angewandten Chloroformmenge auch
viel abhängt, - so die Zerstörung des Blutes - die Neeraem.e
und die Degeneration des Herzens, auf die ich noch zn sprechen
komme. Aber gerade bei Septischen wird auch die Reflexlähmung
leicht zu Stande kommen, eben, weil das Herz schon degencrirt
ist Und wenn letztere Gefahr auch geringer als die erste ist,
so besteht sic immerhin. Rechnen wir hinzu den Shock, den
eine Operation bei nicht voll erloschenem Bewusstsein hervornüen
kann, rechnen wir hinzu die Belastung, die das Herz durch die
Muskelagitation im Excitationsstadium erfährt, so können wir die
«oberflächliche» Narkose sicher nicht als so ungefährlich bezeichnen,
wie Mikulicz das tkat — abgesehen davon, dass man physisch
an den meisten Operationen durch die Reaetion des Patienten ver¬
hindert wird. — Und eine oberflächliche Narkose muss sich notli-
cedrungen um das Excitationsstadium herumbewege» ; sonst fühlt
der Kmnke Alles und hat das Bewusstsein davon oder ist eben
t,ef "vatmdich werden wir so wenig wie möglich Chloroform geben,
i werden die Narkose möglichst gleichmässig im reflexlosen
Stadium halten. Denn, was das Toben und Sträuben zu bedeuten
i if sehen wir am ehesten bei schon geschwächten Herzen der
Kinder Wer erinnert sich nicht des sich sträubenden kleinen
Diphtheriekindes aus seiner Praxis das durch sein wildes M e,gern
sednen Puls bis über 200 hinautschnellt und, noch bevor es
Chloroform erhielt, stille ward für immer ^ .
Jedenfalls aber sind wir bei Septischen und Anämischen ,n
,nnz besonders übler Lage mit der Chloroformnarkose - Schützen
Sr sie vor der Neeräu.ie, so setzen wir sie der Reflexlähmung
Z versuchen wir diese zu umgehen, so kann die verbrauchte
Chloroformmcnge durch Zersetzung des Blutes und Degenera ,o„
der Parenchyme noch spät ihre deletären Wirkungen entfalten.
Ebenso wie wir sahen, dass die Rcflexhil.iuu.ig sehr wohl
,uch bei sonst Gesunden, nicht Septischen verkommt kann die
Neerämie bei ganz gesunden Personen sich zeigen. Als wir des
Glaubens waren, dass besonders die Verunreinigungen des Chloro¬
forms als schädlich anzusehen waren menten wir jede neue
ehannaceutisehc Leistung in Exactheit der Darstellung des ( hloro
forms mit Freuden begrüssen zu müssen. Aber je reiner das
(Jift wurde — um so giftiger wurde es auch — Als uh mit
Schering’» Chloralchloroform zu narkotis.ren lx'pnn, sah ich
Urner und immer wieder hochgradigen Ikterus als Zeichen der
Zerstörung des Blutes nach absolut normal verlaufenen Operationen
c ; ntr cten Diese Beobachtungen machte ich im I nvathospital,
1 ,„d der Ikterus in. Stadthospital, wo in Summa schwerere
J41K, namentlich auch viel septische Phlegmonen etc. lagen,
derselben Zeit nur andeutungsweise vorkain, weil leb
billigere Chloroform (E. H.) benutzte. Solch eine N-had.gung des
, • . ; , in ciiiitren Tagen verwunden und verschwunden.
«rrfShSSl i- sie "aber nicht und direct bedenklich erscheint
* l-.Äerl «njrtokr.™ V—,
s i„d die Störungen, die du» tlderefnnn an den Carenel.yme »e rn
Namentlich die fettige Degeneration der Nieren ’
„r »Ile» de» Herz™ ““ fco Dinge in
»ehe,? lang “allge,nein bekannt sein doch Ende ichi nirgends; fc
L praktische Chirurg die hier an, Tliiore gewonnenen
tztt afi’Tni=: 1Ä ~
uns die Wirkungen des Chloroforms auf die Ktirper ewe
folgender,nassen zu denken. Das eingeathmete Gas
direete Degeneration sowohl des Blutes als auch i^J ■ j ^
des Körpers. Diese Degeneration ist. wenn der od n
der Narkose erfolgt, ebensowenig naehzmve.sen, ™ « e ln
hisst an Thieren, die sich wieder vollständig Zu-
der Zwischenzeit jedoch gelingt der Nachweis deg e nt, ^
stände am Herzen (Fettdegeneration und hragment.ru g)
Nieren, dem Magen. Als Ausdruck dieser Eiweisszersetzung g
lingt es schon früh eine vermehrte Stickstoftauschei uu -
weisen. Sehr bald erscheint das Fett als nfiltrat’on m d*lj^
Diese Fettmetamorphose der rothen Muskulatur e (.
durch Sauerstoffmangel und Kohlensäureüberladung, als dc^ ^
sacbe sowohl direete Chloroformwirkung, als auch Als
Chloroform bedingte Degeneration des Blutes auzuse ii
Ausdruck der letzteren findet sieh Ikterus bei derungell
sich im Harn Gallenfarbstoffe nachwe.sen. Diese \cr d ^
treten so ziemlich bei allen Thiergattungen, nicht aber^
Individuen auf. Es lässt sich jedoch nicht eruircii, • ^ ^
Thiere besonders disponirt erscheinen. Eriiegt • - iebeneI1
wiederholten Narkosen und den danach auftreteude *
Veränderungen nicht, so bilden sich die Erschein 8
in Tagen und Wochen zurück.
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I
24. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
267
Ich habe seit 188G mein Augenmerk auf die Spätwirkungen
des Chloroforms gerichtet, namentlich in Veranlassung einiger nach¬
stehend kurz zu referirendcr Fälle.
1. 58 jähriger starker Raucher und Potator. Mundbodencarcinom.
Verschied am 8. Tage post Operationen! plötzlich unter den Zeichen
der Herzlähmung nach vollständig glattem Wundverlauf. Section:
geringes diffuses Aneurysma der Aorta, Arteriosklerose, Degeneration
des Herzmuskels, der Nieren, Fettleber.
2. Carcin. labii. Mann zwischen 60 und 70 Jahren. Tod 8 Stunden
nach der Operation unter den Zeichen der Herzlähmung. Section:
Pigmentherz, Trübung des Herzfleisches und der Niere. Arteriosklerose.
3. Carcin. labii. Mann, 60 Jahre alt. Tod 2mal 24 Standen poßt
operationem unter denselben Erscheinungen und mit genau dem¬
selben Leichenbefund. Nur war die Degeneration noch ausgesprochener.
Bei allen 3 Kranken handelte es sich um chronische Ver¬
änderungen am Circulationsapparat, die sie wohl weniger wider¬
standsfähig gegen das Chloroform gemacht hatten, aber um Ver¬
änderungen — und hierauf lege ich eiuen besonderen Accent —
um Veränderungen, die im Leben nicht zu erkennen
waren. Es war an allen Dreien keine Contraindication gegen die
C'hloroformapplication zu finden, denn das Aneurysma war zu ge¬
ring, um klinische Symptome zu machen, die Pigmentherzen kann
man überhaupt nicht diagnostieiren und die Arteriosklerose bildet
im Allgemeinen keine Contraindication. Der 1. Patient hätte mit
seinem Aneurysma sonst jedenfalls noch lange leben können.
Es reiht sich diesen 3 Beobachtungen ein Fall von Fett¬
herz an:
4. Frau W., 56 Jahre alt, Hernia incarcerata umbilicalis (1890),
ziemlich energische Taxisversuche waren vorausgegangen, sehr reicher
Pannic. adipös. Herniotomie ohne Zwischenfall (in der Nacht). Schon
am nächsten Tage traten 2 mal Anfälle von Tachycardie auf, die
*/*— 1 /a Stunde dauerten und eine Pulsbeschleunigung von 72 auf
140 erzeugten. Sie wiederholten sich den nächsten und den über¬
nächsten Tag häufiger unter starker Präcordialangst. Von Digitalis
werden sie gar nicht beeinflusst. Temperatur und Wunde durchweg
normal. Nach 24 Stunden Tod unter Erscheinungen der
Herzlähmung. Kein Eiweiss im Harn. Section: Am Pericard eine
Ecchymose. Peritoneum und Wunde ganz rein. Herzfleisch fett
durchwachsen und trübe. Schon klinisch war sowohl die König sehe
peritoneale Sepsis auszuschliessen, als überhaupt Peritonitis. Um
jedoch allen Einwftnden begegnen zu können, wurde das Jugular-
venenblut und die Peritonealoberfläche bacteriologisch untersucht
mit durchaus negativem Resultat.
Vergleichen wir diese Krankengeschichte mit den Thier-
expcriuienten (> s t e r t a g’s und S t r a s s in a n n 's, mit der Be¬
obachtung Ambrosius’, s<> hiesso es den Thatsaeheu Zwang
anthun, hier noch nach anderen Todesursachen zu fahnden, wo
der Zusammenhang des Todes mit der Narkose noch durch die
wiederholt auftretenden tachycardischen Anfälle direct angedeutet ist.
5. Fräulein K., 20 Jahre alt, Empyem der Gallenblase, leichte
Chlorose. Operation nach Lauenstein (Verticalschnitt). Pie Gallen¬
blase lässt sich nicht bis an die Haut bringen und wird daher die
Wunde austamponirt mit steriler Gaze, um nach Verwachsung die
Gallenblase zu eröffnen. Puls nach der Narkose, die circa 45 Minuten
gedauert hat, elend. Abends etwas Erbrechen. Puls 6tets filiform
112—120. Den anderen Morgen ausgesprochener Ikterus. Verband¬
wechsel. Leib weich eingesunken, nirgends schmerzhaft. Wechsel der
Tamponade (ohne Jodoform), die Tampons des Peritoneum überall
absolut trocken und rein. 6 Stunden danach, 26 Stunden nach der
Narkose, unter zunehmender Körperschwäche Tod. Section fand
leider nicht statt. (Das Chloroform, Scherings Chloralchloroform
in Originalverpackung, war einige Zeit vorher und dieselbe Flasche
unmittelbar nachher im hiesigen pbarmaceutischen Institut unter¬
sucht und als sehr rein und gut befunden worden.)
Das Sectionsergebniss fehlt hier leider. Es ist somit dieser
Fall nicht gauz einwandfrei. Da aber die allerdings nur partielle
Autopsie beim Verbandwechsel eine Peritonitis ausschliessen Hess,
halte ich mich zu der Annahme berechtigt, dass es sieh um
Chloroformnachwirkuiig gehandelt hat und wüsste nicht, wie ich
nur den Tod der sonst gesunden, nicht fiebernden Patientin er¬
klären sollte.
Die vorstehenden 5 Fälle betreffen alle sog. Spätwirkungen
des Chloroforms nach Inhalationen. Sie stehen in directer Relation
zu jenen Experimenten Strassmann's und Ostertag's, so
dass mir die Berechtigung, sie als solche <Spätwirkungen als
folgen der durch das Chloroform gesetzten Veränderungen der
Organe aDznsehen, fraglos erscheint. Den einzigen Anstoss, den
man an den beigebrachten Fällen nehmen könnte, wäre der, dass
meino Kranken länger lebten, als die Versuchsthiere, und dass
letztere, wenn sie so lange lebten, meist die Folgeu der Ver-
No. 12.
giftung verwunden hatten. Erstens mal handelte cs sich gerade
in den Fällen, in denen der Tod spät eintrat, um recht wesent¬
liche chronische Veränderungen am Herzen und es ist verständlich,
dass hei schon bestehenden chronischen Veränderungen der Cir-
culationsorgane und namentlich des Herzens bleibende, dauernde
Schädigungen resultiren können, die erst spät zu voller Entfaltung
und Wirkung gelangen. Die Gründe, warum gewisse Individuen,
gewisse Herzen das Chloroform nicht vertragen, kennen wir nicht,
und kann ich nach meinen Beobachtungen darüber ebensowenig
Auskunft geben , wie Ostertag und A in b r o s i u s. i >onn die
Zahl der wohlgclungonen Narkosen hei Arteriosklerose, ja bei Herz¬
fehlern u. s. w. ist auch in meinem Material viel zu gross, als
dass ich jene Veränderungen direct dafür verantwortlich machen
könnte.
Andererseits sind bei den Thierversuchen stets eine ganze
Reihe von Narkosen dem Tode voraufgegangen. Und dann haben
wir doch noch absolut kein Crtheil darüber, oh beim Menschen
die vollständige Restitutio, oder wenigstens die Erholung bis zur
Gefahrlosigkeit, auch so schnell erfolgt wie beim Thier. Vielerlei
lässt vermuthen, dass dem nicht so sei. Doch statt der Ver-
uiuthungeu mag liier lieber eine Beobachtung Platz finden.
6. Liirri Buhsik, 74 J. a., Potator, aufgenommen in das Bezirks¬
hospital am 14. II. 1894 wegen Gangraena senilis
DieGangraen betraf die 4. und 5.Zehe; erheblicheLymphangoitis
bis zum Knie; Tempeiatur 39,8. Allgemeine Arteriosklerose — die
Dorsalis pedis der kranken Seite pulslos. Herz vergrössert, lautes
systolisches und diastolisches Blasen über allen Ostien. Emphysema
pulmonum. Freie rechtsseitige Innqiunialhernie.
Nach 10 tägiger Hochlagerung ist die Lymphangoitis fast ganz
zurückgegangen. Temperatur 39.
24. II. Operation in Chloroformnarkose von a / 4 Stunden, 60 g
Chloroform verbraucht, ohne Störung; Amput. nach Gritti. Ver¬
senkte Naht der Sehne, seitlich 2 Drains. Am 26. wird eine Incision
in den oberen Iiecessus nöthig, desgl. in den praepatellaren Schleim¬
beutel. Abfall der Temperatur. Bei der ca. fingerbreiten Rand-
gangraen, normalen Temperaturen und steigendem Wohlbetiuden
heilt die Patella gut aus. Bald stüsst das Nekrotische sich ab, die
Wunde granulirt gut.
Am 21. III. erhält Patient, der inzwischen schon auf Krücken
nmherging, aus Versehen des Lazarethdieners anstatt Schnaps
23 g Chloroform E H III. Bald darauf Erbrechen. Als ich hinzu¬
komme, fand ich den Kranken unbesinnlich, delirirend, er versucht
sich aufzurichten und erbricht mehrfach. Magenausspülung. Das
Erbrochene und das Spülicht riechen stark nach Chloroform. Puls
langsam arhythmisch. Respiration oberflächlich. Allgemeine Cyanose.
Nach V 2 Stunde hört die Respiration auf. Künstliche Athmung.
Die Narkose dauert mit Unterbrechungen, in denen Patient allerhand
confuses Zeug redet, von 8 Uhr Abends bis ‘/ 2 2 Uhr Nachts.
Am andern Morgen fühlt der alte Potator sich ganz wohl, der
Puls frequent und äusserst schwankend, Harn enthält keine abnormen
Bestandteile. Am 3. Tage sind etwas Eiweiss und einige Cylinder
zu finden, die später wieder schwinden. Ebenso tritt am 2. Tage
vorübergehende ikterische Färbung der Sklerae auf, die aber schon
am 4. Tage nicht mehr zu finden ist. Patient fühlt sich ganz wohl,
geht umher, nur eine l’rostatahvpertrophie macht ihm Beschwerden.
Am 31. erhält Patient, da die Wunde sich erheblich verkleinert
hat und sich benarbt, einen Borvaselin-Lappen und leichten Verband.
Die ganze Zeit über schwankt der Puls zwischen 104 und
116, nur vorübergehend geht er auf 84 zurück. Dabei traten am
gesunden Bein und in den Augenlidern Oedeme auf. Digitalis
wurde nicht gegeben. Am 20. IV. unter Erscheinungen plötzlicher
Herzschwäche Exitus lethalis.
Section: Insuflicienz und Stenose der Mitralis, Verkalkung der
Klappen, Verkalkung fast aller Arterien. Trübung des Herzfleisches
(fettige Degeneration), Fettleber. Magen: Chronischer Katarrh.
Arteriosklerotische Schrumpfnieren.
Das in vorstehendem Falle per os aufgenoimncne Chloroform
musste ganz andere Wirkungen entfalten, als das inlialirtc. Eigen-
tliümlieh war es. dass der augenscheinlich wenig resistente Kranke
die lange Narkose relativ gut ertrug. Ich hätte mich sehr ge¬
scheut, ihn einer 5 1 /» ständigen Inhalationsnarkose auszusetzen.
Allerdings war die aufgcmmimcnc Chloroform menge gering, denn
Erbrechen und Magcnausspüluugen haben die an sieh nicht grosse
Menge entschieden zum grössten Theil beseitigt.
Immerhin muss die thatsäehlieh resorbirte Menge beträchtlich
grösser gewesen sein, als zur vorauf gegangenen Inhalationsnarkose,
was wir aus der Dauer der Wirkung wohl erschliesscn können.
Es fragt sich nun, oh wir den Tod einen Monat später
noch mit der Chloroformaufnahme in Verbindung setzen können.
Es wäre ja immerhin der Einwurf nicht von der Hand zu weisen,
dass Patient auch ohne Chloroform an plötzlicher Herzlähmuug
2
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HrfYTflfl TTENF.lt MEDICINISCHE W0C gENSCHRgT-
No. 12.
pensat.onsstorungen ; -B Abstossung der Gangraen zu
die Eiterung, ^ un dheüung,J ^ gQ gut| dass d ,e
überwinden, war di ^ Kranken befriedigenden Weise
Heilung in ein .yi cin der p u j s regelmässig. Erst nach I 1
? F TLSe des Giftes stellt sich Unregelmässigkeit in der wäre
der Aufnahme Ocdem des noch vorhandenen Beines
Pulsfrequenz, Ajrythmie da > dic encrgischerC n gew
ein, letzteres K s wäre gezwungen, hier katf
vofbHntm Zufall reden zu wollen, wo wir ein notorisches Herz- »
rift in toxischer Dosis aufgenommen sahen. ras;
Wie man nun auch diesen letzten Fall auffassen möge, in ^
den 5 anderen Fällen haben wir » viel Bc . 18!
Ä^'a^rtande, eine andere Todes- d *<
obachtung, sm b ; cr „ot.hgedrungen das I .
—• " w " ““Tndfvitr“^ -■
(Muskel- und Parenchymdegeneration) erliegen k ® ,, "* n * h,
Chloroformsorten nicht nachzuweisen gewesen sic ' v
kologisch als rein und nicht verschieden von anderen zu bezeichnen. h
Blicken wir noch einmal zurück auf das, was wir aus dem
Bisherigen gelernt und erfahren, so können wir sagen . v
7 Die primäre Synkope bei Chloroformnarkosc rt*» j
seltene Erscheinung, die sich vielleicht ganz vermeiden lässt dass .
wir ihretwegen die Chloroformnarkose nicht verwerten wird . j
o Die secundäre Synkope ist sehr viel häufiger, und wenn (
.sic auch in der Mehrzahl der Fälle in ihren Folgen zu beseitigen (
ist so gelingt das doch nicht immer. <
' ’ o Die durch Necrämie und Degeneration verursachten nach- j
trägliclien Schädigungen der Circulation und damit des Lebens
sind weder vorauszusehen, noch zu beseitigen. Höchstens kann
man sagen, dass hier das reinere concentrirtcre 1 raparat auch
das gefährlichere ist»).
Nach allen diesen Erfahrungen wird es Sie nicht wundern,
1U H wenn ich endlich, nachdem schon andernorts der Aether
vielfach versucht war, zu diesem Narkoticum überging. Ich be¬
gann mit den Aethcrnarkosen im Jahre 1894-
Wenn ich das, was wir bisher über die üblen Zufälle bum
Aether wissen, kurz zusammenfasse, so ergibt sich etwa Folgendes:
Es ist über einige wenige Fälle von plötzlichem Tod wahrend
der Syncope berichtet worden. Selbst Poppert legt nur einen
von 15 000 dem Aether direct zur Last. Hierzu kann ich nur
dasselbe bemerken, was ich demselben Zufall gegenüber vom
Chloroform sagte. Ein Tlieil dieser Fälle gehört vielleicht zum
Shok Ein anderer wird sich sicher vermeiden lassen, wenn man
die Erstickungsnarkose aufgibt. Was dann noch naclibleiben sollte,
wird uns sicher nicht hindern, den Aether als Narkoticum zu |
verwenden. . . . ,
Der Aether schädigt viel früher die Respiration, als irgend
bedenkliche Einflüsse auf die Circulation sich bemerkbar machen.
Das haben unzählige Narkosen an Menschen und eine grosse Reihe
Thiernarkosen erwiesen.
Die Hauptgefahr bei der Aethernarkosc besteht in der Schädi¬
gung der Respiration, in den sogenannten Aetherpnenmonieen. Ich
muss hier nun vorab König durchaus beistimmen, wenn er sagt,
dass cs wohl für den Kranken ziemlich gleich sei, ob er auf dem
Tisch in Folge von Chloroformsyncope bleibt oder am dritten I age
3) Die billigeren Sorten Chloroform EH enthalten als Verun¬
reinigung meist Aether und etwas Alkohol. Dementsprechend erlebt
man nicht selten Salivation und Cyanose wie bei Aetliernarkose.
• »iirht dass dieses für den Arzt aber gar
an Aetherpneumonic stirbt, dass
nicht einerlei sei. - Tahrcn rund über 450 Aether-
u „ d 2Ä w 1 * - —-'*• v °"
den G—*
1 leichter — Hcruia inquinalis Genesung.
Dann haben noch 4 Patienten Bronchitiden gehabt, die m
i-a Sgcn bei geeigneter Therapie (Expectorantien) verschwunden
waren. Sabelhernie handelte es sieh um eine ausser-
, J i v Mn mit einem schon bestehenden Bronchial-
ES“X™"’Sr S—. Adiposität « da, Chlorofo™,
katarrh. g deshalb Aethernarkosc angewandt. Sie
zu fürchten und wurde c starkes Tracheal-
vcrlief nicht gut, mdem ^ 8 p a jj noch dadurch, dass
rasseln auftraten Comphcirt wa d La enbeck ’ s Arc hiv
TfgsN®“! ™nBraokel übe; Nabdhrüche.) Die Pueumonie
dauerte etwa 10 läge. n . _ war v ; c ] leichter,
Der andere Fall mit pneumonischem Sputum w ar vn
■ - 7 Säen war der alte Herr, dem rrir eine RataloperaUon
m ü— 6 lugen war ui seiner Pneumonie
seiner Scrotalhernic ausgeführt hatten, von seiner
« enes *"\ , , andpren Fä n cn von Bronchialkatarrh war einer
Unter den intraabdomineller Blntu.E
Verletzung
ünd h iTdle 2, Temperatur, die ebensogut
' auch von Blutresorption herrühren konnte, Bedcutung
: Wenn ich alte den A-J-J —^i
zusprechen kann, die ihnen . ‘ Auf trabe sein muss.
■ immerhin eine Gefahr, der vorzubeugen unsere Aufgabe se,
“ Wir werden vor Allem die Erstickungsnarkose «it Gar
verwerfen. Die übermässige Salivation lässt sich bei lan^u
» aÄ» in den meisten Men ganr “
iä dennoch ein, so haben «,r d.e 3».*«. » Hasten
Mund gehörig auszureinigcn, eventuell den • der Kranke
n erwachen zu lassen. Hilft das auch nieh , so -t«gt de r l
; tÄt }£- zz
- rt:: "“ÄÄÄ^we*
wesentliche Alteration der Circulation v ™?T*Lus*csvrochene m
•». Handelt es sich um einen Emphysematikcr m . J P q aug .
,cr Katarrh, bei dem wir etwa noch gar e,n * oontra indicirt.
Ih- zuführen haben, so ist der Aether von Munde,
Unbetiuem ist ferner die Aethernarkosc bei l « über dauere,
- nicht weil die Narkose die Application . kn™, « »hert.^ ^
es: „ aa jedenfalls nicht in störender Weise statthat, - tiirt
>”d immerhin erhebliche Saliration das Operiren ^
,en Bei einzelnen Potatoren dauert das Excitations. ]m(i prac .
nur Hier habe ich die neuerdings auch beim Aetlier P
om liminare Morphiuminjection bewährt gefundeiK • er {ür
™ In Summa wissen wir also beim Aethe , uliser e
nan den alten Continent ein neues Narkoticum ist, d l de ,
llte > Kranken für die Narkose auszuwahlen, als bei
zu Chloroforms. ft P fabren der Aether-
Um den bekannten und unbekannten Gefahren^
;e " d narkose zu entgehen, hat Kocher empfohlen d^
hen - ceuten zu appelliren. Richtig ist naturhe 1 , möcbt€ aber
;olhe erkannte Beimengungen entfernt haben wollen. ßeim
vor einem Zuviel in Bezug auf die Re, ndarstellung warne
llädl ‘ Chloroform ging die Reinigung soweit, dass da. SellC1 i
Ich _ pi c tet’s Eischloroform — ein unerlaubtes 1 d ^ ^
wir zu, dass bei der Reinigung des Aethers meh h#dlichen
dem fernung der schädlichen Beimengungen auch ^ c0 „.
Tage ausgeschieden werden und so das Gift für unsere L
centrirt wird. , reichen Er-
er . u "; Nach meinen bisherigen, allerdings nicht sein hr .
ae ° fuhrungen muss ich sagen: Der Aether is a
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24. März 1896.
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
269
Höhere Narkoticuni und zwar weil ich die C o n -
traindicationcn gegen seine Application präcise
stellen kann, was mir beim Chloroform in ähnlicher
Weise nicht möglich ist.
Sollte vor Beginn der Narkose sich eine solche Contrain-
dioation nicht gefunden haben, jedoch noch während der Narkose
deutlich werden, so können wir bei einiger Aufmerksamkeit noch
immer rechtzeitig zum Chloroform übergehen. Eine Reihe von
Fällen werden somit gleich dem Chloroform zugewiesen, eine andere
fällt ihm später zu, womit für Manche der Werth des Acthers
sinkt, weil er sich nicht in allen Fällen anwenden Hesse, wie
das Chloroform >- — hört man wohl sagen.
Es lässt sieh aber eben auch das Chloroform nicht in allen
Fällen anwenden, was wir zum Schaden unserer Kranken aber
erst nachträglich erkennen.
Nachtrag.
Im II. Semester 1895 habe ich, nachdem vorstehender Vor¬
trag schon gehalten war, unter circa 120 Aethernarkosen (neben
80 Chloroform- und einigen Mischnarkosen) noch 3 Fälle beob¬
achtet, die mir der Mittheilung werth erscheinen.
Fall 1. Soosaar, Frau, 48 Jahre alt. Myoma Uteri, operirt am
14. Nov. (Dr. Kessler). Dauer der Operation 75 Minuten, der
Narkose 120 Min. Verbrauchter Aetber 180 g. Extrem anämische
Frau. Schon den anderen Morgen Temp. 38,3, Puls 120. Abends
39,3 und 130. Wir fahnden auf Peritonitis. Doch ist liier nichts
zu finden. — Den 17. Nov. steigt die Temp. auf 40,1, P. 130. Aus-
cultation ergibt Infiltration und Knisterrasseln über einer hand¬
breiten Zone dicht unter dem Schulterblatt rechts. Am 20. u. 21.
ein wenig rostfarbenes Sputum. Die Pneumonie breitet sich über
die halbe Lunge aus und erreicht unter Temp. bis 39,3 und Puls
bis 120 und 130 fast die Spitze. Inzwischen heilt die Öperations-
wnnde glatt und ohne Störung, trotzdem Pat. fortwährend aufgesetzt
und umgelagert werden muss. Am 23. erscheint die Kranke stark
collabirt, erholt sich jedoch wieder etwas. Es sinkt vom 26. ab die
Temp. ganz langsam bis auf 37,4 M. und 37,9 Abends bei einem
Puls von 98—115 am 2. Januar 1896. Pat. ist gegenwärtig (am
10. Januar) nach Hause als genesen entlassen. Die Kranken¬
geschichte hat mir Dr. Kessler gütigst zur Verfügung gestellt.
Fall 2. Jaan Marwa, 23 Jahre alt. Hernia inguin. reponibilis.
Am 22. Nov. Radicaloperation nach Bassini mihi — dabei findet
sich Tuberculose des Brucbsackes und Peritoneum. Einige 100 ccm
klarer gelber Flüssigkeit werden aus dem Perit. entleert und durch
Anheben der Bauchdecken Luft ins Abdomen gesaugt. Operation
37 Miauten Dauer und Narkose 55 Min. 240 ccm Aetber. Abends
T. 38,5, PuIb 90. Keine Schmerzen. Das nach der Operation ent¬
leerte Sputum ist innig mit frischem Blut gemischt.
23. Kein Blut mehr im Sputum. Kein Hustenreiz. Leib etwas
aufgetrieben. Puls beschleunigt. Temp. erhöht. Zunge trocken.
Keine Schmerzen.
24. XI. Temp. sinkt, Puls 80—90. Leib weich. Von Seiten
der Lungen keinerlei Symptome. Unter leichten subfebrilen Tem¬
peraturen, die auf die Resorption der Tuberculose geschoben werden,
heilt Alles bei vortrefflichem subjectivem Befinden I. intentione.
Am 2. XII. Nähte entfernt. 2 Tage darauf entlassen.
Fall 3. Hedwig Bachmann, 33 Jahre alt, verheiratliet, multi-
loculäres Ovarialcystom (op. Kessler unter meiner Assistenz).
Operation am 3. XI. Stiltorsion, Netzadhäsion. Dauer der Narkose
circa 90 Minuten (Patientin wurde auch photographirt), verbrauchte
Aethermenge 155 ccm. Am Abend nach der Operation 38,8, Puls 80.
Am nächsten Morgen 37,1, Abends 37,1. Sputum innig mit Blut
gemischt. Deu 5. Temperatur 37,2 und 37,5. Sputum ebenso.
Am 6. bei normaler Temperatur noch etwas weniger Blut. Später
keinerlei Blutbeimengungen, dagegen schwarze Kohlenpartikelchen
im spärlichen Sputum (Patientin lebte für's Gewöhnliche in einer
Rauchstube). Heilung ohne Störung. Auf den Lungen keinerlei
abnorme Befunde. Patientin nach 4 Wochen entlassen.
Ich glaube, dass diese 3 Fälle recht instructiv sind. Iiu
ersten Fall trotz Anämie eine recht bös einsetzende Pneumonie,
die das Leben der allerdings an sich sehr geschwächten Kranken
in ernstliche Gefahr bringt.
In den anderen beiden Fällen, primäre Lungenblutungen,
ohne dass vorher irgend etwas an den Lungen nachzuweisen war,
noch auch später irgend welche Erscheinungen von Pneumomic etc.
eingetreten waren. Wenn ich diese Fälle mit den früheren ähn¬
lichen Zusammenhalte, kann ich mich dem Eindruck nicht ver-
schliessen, dass die Blutung vielleicht als wesentliche Ursache der
Aetherpneumonie aufzufassen ist. Wie anders könnte man sieh
auch sonst das, auch in den oben erwähnten Fällen beobachtete,
sehr frühe Auftreten von Blut im Sputum und den meist so
uulden Verlauf verursacht denken? Die Blutung ist eben das
Primäre und wird, wenn keine pathogenen Keime in den feinsten
Bronchien sitzen, ohne Störung ausgehustet. Begegnet das Blut
auf seinem Wege in den grösseren Bronchien den hier etwa
stationirenden Mikroorganismen, ist zugleich die Expectoration etwas
erschwert, so gibt es eine von jenen leichten Bronchitiden, wie
ich sie bei dem Selbstmörder mit Leberverletzung beobachtete. Nur
wo die Expectoration besonders erschwert ist, so bei Emphysem,
nach Laparotomien, bei sehr heruntergekommenen Individuen, und
wo pathogene Keime in der Lunge vorhanden sind, gewinnt das
Blut die Bedeutung eines guten Nährbodens. Ich will nicht be¬
haupten, dass es unter den schon beobachteten Pneumonien nach
Aethernarkosc nicht auch Sehluekpneumonieen gegeben hat, in
Folge übermässiger Salivation. Wenn wir aber die Erstickungs¬
methode aufgeben, und sie ist ja schon aufgegeben, wird diese
Gefahr beseitigt. Aus den oben angeführten Beobachtungen dürfte
aber eine Mahnung sich ableiten lassen, die ja übrigens auch
schon von anderer Seite laut geworden: Phthisiker nicht zu ätheri-
siren, wenigstens dann nicht, wenn schon Blutungen stattgehaht. Im
Uebrigcn wird aber auch diese Einschränkung des Aethergebrauches
sicher nicht uns zum <Chloroform auf jeden Fall» zurückkehren
lassen, und habe ich auch jetzt fast alle Laparotomien und Hernio-
tomieen ungestraft unter Aethernarkosc ausgeführt.
Zum gegenwärtigen Stand der Osteoplastik. 1 )
Von Dr. Kroiiacher in München.
Die Transplantation wird zur Zeit immer noch als ein
medicinisches Curiosum betrachtet, wenn gleich ihr die moderne
Chirurgie, zum guten Theil mit Hilfe der Asepsis, in den letzten
3 Decennien fast alle thierischen Gewebsarten zugeführt hat.
Man erwäge nur die Einheilung von Catgut und Seidenligaturen,
von versenkten Nähten, elastisch ligirte Stümpfe resecirter und
exstirpirtcr Organe, Elfenbeinstifte und Nägeln in Skelettknochen,
die B e v e r d i n sehen , von Thiers e h u. A. nioditieirten 1 laut-
Überpflanzungen, Wölflers Schleimhautübertragungen, die Ein¬
heilung von Sehnen, Muskeln, Nerven. Und wo man solche
Gewebe nicht direct. transplantirte, überbrückte man beispielsweise
Nerven oder Muskeln mit Catgut und Seidenbündeln, und gelangte
auch so oft zum Ziele. Derartige Vorgänge waren nichts Anderes
als die Einschaltung eines resorbirbaren, substitutions- und organi¬
sationsfähigen Stoffes, welcher als indifferentes Bau- oder Gerüst-
material für die verschiedenen in Proliferation begriffenen Gewebe
des Organismus die Regeneration, Wundheilung und Narbcnbildung
veranlassend, aufzufassen ist.
Schwerer als Weichtheildefectc zu decken, schien der Ersatz
von Knochen zu sein. An der Hand eines interessanten Falles
möchte ich hier in möglichster Kürze die wesentlichsten Fort¬
schritte auf diesem Gebiete besprechen. Die allgemeine Bezeich¬
nung für die Knochenübertragung sind die Auto- beziehungsweise
Homoplastik, oder die Heteroplastik. Bei der ersteren übertragen
wir zur Deckung eines Defectes Knochen von demselben oder
einem anderen Individuum, oder einem Thiere, direct von dem¬
selben oder einem anderen Skelettheile, oder präparirt, wie durch
Decalcinircn, Desinficiren; bei der Heteroplastik verwenden wir
fremdes Material, wie Celluloid, Elfenbein, Metall. Es ist dabei
von grosser Wichtigkeit, dass der Boden, auf den ein solcher
Körper, gleichviel ob lebender oder todter Stoff, übertragen
wird, osteogene Eigenschaften besitzt; der transplantirte Körper
übt hiezu einen funetionellen Reiz aus; er muss dabei so be¬
schaffen sein, dass er eine gewisse Vitalität wahrt, nicht zu
Grunde geht, oder wenigstens nicht, bevor er seinen Zweck, neuen
fehlenden Knochen zu schaffen, den totalen oder partiellen Verlust
eines solchen zu ersetzen, erfüllt hat. Wie bei den vorher ge¬
schilderten Weichtheiltransplantationen, so dient auch er auf dem
ossificationsfähigen Boden als Gerüst zum Aufbau neuer Knochen,
um dann entweder durch Resorption, Degeneration o. A. zu Grunde
zu gehen, oder als fremder Körper eliminirt zu werden *). Ein
‘) Nach einem im ärztlichen Verein in München am 13. Nov.
1895 gehaltenen Vortrage.
a ) Hierüber hat Barth (Deutsche Gesellschaft f. Chirurgie 1894)
interessante Untersuchungen gemacht.
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No. 12-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
implantirtes Elfeiibeinstüek lxMspiolswoi.se muss aber nicht immer
zum Aufbau eines neuen Knueliens dienen, um alsdann eliminirt
zu werden; es braucht nur einzuheilen, um als Fixationsmittel
zu dienen; wenn ihm also nicht allein temporäre, sondern auch
definitive Bedeutung zukäme, daun könnten wir zuweilen auf
osteogene Eigenschaften des Körpers in höherem Maas.se verzichten,
was denn auch thatsäehlich möglich ist.
1 >ie Beimplantation von Kuocbenstüekcn und die Trans¬
plantation thierisehor Knochen sind bereits vor 200 Jahren
gemacht worden (Job van Mceekren). Das Einheilen von
l’rojectilen in Schusscanälen, von Knochensplittern aller Art bei
Fraeturcn, die Behandlung von Dscudarthrosen durch Friction,
Einbohren von Nägeln und Elfenboinstiften, die Kc|»ositinii eben
extrahirter Zähne, sowie das Einsetzen künstlicher aus Ochsen¬
knochen, lange bekannt, neuerdings von Mitscherlich und
Sün sen mit Erfolg geübt, sind belangreiche Thatsaehen. Hahn,
Bergmann u. A. haben bei l’seudarthrosen nach Fraeturen die
beiden Fragmente erfolgreich in einander plantirt. Tr endo len-
bürg verschloss dauernd eine Bruchpforte durch eine Knochen-
scheibe ans einem eben amputirten Humerus. Die 1 cbeitragung
von Periost- bezw. Knocheiilappen nach König's Vorgang bei
llliino- und Gaumenplastik sind genugsam bekannt, Langenbcek
und Gluck haben zur Fixation von Knochenfragmenton Schrauben
Metallschienen erfolgreich einverleibt. Erwähiieiisworth ist hier
auch das Einhcilon von Knochenplomben aus Metall und <iips.
Solche Erfahrungen mussten den Weg zum zielbewussten
Handeln — Experiment an Menschen und Thieren — vorzeigen.
Schon im Jahre 1878 hat Kesser 3 ' nach dieser Richtung hin
erfolgreich an Thieren experimentirt. Er konnte wenigstens fest¬
stellen, dass Fremdkörper in Schädel- und Röhrenknochen-
dcfecte einheilcn; die zur Implantation verwendeten Stoffe
waren (iummipropfou, Korkplatten, Bleistücke. Die Methode
nannte er < Heteroplastik • . Ein praktisches Interesse hat in
erster Linie der Ersatz von Defeeten am Schädel gewonnen.
Filter den Methoden der Autoj lastik , wie sie von Sevdel,
Senn, Kiimuiel, König u. A. empfohlen sind, haben sich
besonders die Weichtheil-Periost-Knochcnlappen von Müller-
König und die der decaleiuirten Knochen eingeführt. Bei
allen Vorzügen überwiegen fast ihre Nachtheile. Es können
zwischen Dura und Schädel leicht Adhäsivprocesse entstehen und
so zu traumatischen Neurosen Veranlassung gehen, nothwendiger
Weise werden grosse Verletzungen an den Skelettheilen » Schädel,
Tibia , aus denen der zu implantirende Thcil entnommen wird,
gesetzt, zudem ist das Verfahren umständlich, bei dünnen Selnidel-
knuehen die Entnahme eines Stückes schwer oder nicht ausführ¬
bar und schliesslich kann es. besonders bei decaleiuirten Knochen,
zur frühzeitigen Resorption und füglieh einem bindegewebigen
Verschluss statt eines knöchernen kommen. A. Se h m i 11 bewies
dies durch das Thierexperimcnt, Wölfler u. A. durch klinische
Beobachtung. Aus diesen tiründen ist neuerdings speciell für
Dcfccte des Schädels die Heteroplastik mehr in den Vordergrund
getreten, zuerst durch A. Frankel 4 ) auf Grund von Thier-,
\ersuchen, durch Hin terstoisser : ’) auf klinische Erfolge hin
empfohlen. Die Vortheile dieser Methode sind das Ausbleiben
von Adhäsivprocessen, ein festes, widerstandsfähiges Gewebe ist
geschaffen, der Eingriff geringer, Gleich der Autoplastik muss
tadellose Asepsis < Jrundhediugung sein, die Misserfolge sind grossen-
theils durch schlechte Wundverhältnisse veranlasst. Dem Bei¬
spiele der genannten Forscher sind eine Anzahl Chirurgen,
grossentheils mit guten Erfahrungen, gefolgt. Filter den zahl¬
reichen in der Literatur verzeichneten Fällen von Heilung möchte
ich nur einige hier hervorheben :
v. K ist* I sh erg*') hat 2 Fälle von Hchädeldefectcri durch
Kinheilung von Celluloidplatten nach Frankel zur vollständigen
3 ) E. v. Lesser: Ueber das Verhalten des Catgut im Organis¬
mus und über Heteroplastik. Virchow’s Archiv Bd. 95, H. 2.
*) A. Frönkel, Wiener Klin. Wochenschrift 1890, No. 25.
Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie. 1895.
ö ) v. Hintcrstoisser, Wiener klin. Wochenschrift 1891,
No. 16, ibidem 1894, No. 4.
°) v. Eiseisberg. Ueber Schädelchirurgie. Demonstration in
der k. k. Gesellschaft der Aeizte in Wien. Internat, klin. Rundschau
1891 No. 24.
Deckung gebracht; bei einem 17 Jahre alten Mädchen hat E.
den durch Caries des linken Stirnbeins entstandenen Dcfoct durch
eine (Ylluloidplatte ersetzt, die Haut darüber vernäht. Seit
8 Monaten Einheilung. Einem 40 jährigen Manne wurde ein
depriuiirtes Kiioehenstliek des Schädels entfernt und durch Cellu¬
loid ersetzt. Ein Bluterguss unter der Platte führte erst zu
Störungen; nach 2 Wochen wurde die. zuerst wieder entfernte
Platte neuerdings ersetzt und heilte ein. 2 Monate Beobachtungs¬
zeit. Frey') deckte einem 72 Jahre alten Manne einen 10 cm
langen und 4*/2 em breiten Sehüdeldefect durch eine Celluloid¬
platte frisch nach der Verletzung erfolgreich. Selbstverständlich
sind auch für diese Methode Misserfolge zu verzeichnen.
Nicht nur da, wo ein kleiner Freindkörix*r einen Defcct
dauernd vorschliesscn soll, wie am Schädel, sondern auch dort,
wo grössere und grosse Apparate der Function Stütze und Be¬
wegung dienen sollen. können dieselben dauernd einheilen, ohne
jemals Beizungen mit Nothwendigkeit veranlassen zu müssen.
Wölfl er*! hatte einem Patienten den Bing- und zwei Tracheal-
kuorpel erfolgreich durch Celluloidplatten ersetzt; ferner einmal
die untere Orbitalwand, ein anderes Mal theilweise den resecirten
Oberkiefer durch Platten ersetzt. Bei Sattelnasen wurde wiederholt
erfolgreich Aluminium implantirt. 9) Länderer 19) hat neuerdings
über eine erfolgreich implantivte Fingordiaphyse aus inacerirtem
Hundeknochen, weiterhin über eine durch Osteomyelitis verloren
gegangene und autoplastisch ersetzte Clavieula berichtet. Sowohl
bei kleinen als auch vor Allem bei grossen Höhrenknochendefecten
ist wiederum die Heteroplastik am Platze, und hier hat. Gluck fl)
seit nahezu zwei Pcccnuien bahn brechend gewirkt; er bezeichn etc
seine Arbeiten auf diesem Gebiete als < Invaginationsmethode der
Osten- bezw. Arthroplastik». Er hat nicht nur partielle und
totale Knochemiefccte von Epi- und Diaphysen, sondern regel¬
rechte Gelenke ersetzt, letztere in Form von Charnier- und Kugel¬
gelenken, oder einer (’omhination derselben. Auf dem Chirurgen-
eongre'ss 1895 demonstrirte er eine grosse Anzahl Präparate von
implantirtem Elfenbein in Knochen, von dem ersten Tage bis
Monate und Jahre nach dem Eingriffe, eingeheilte Metallapparate
mit denen Hunde Jahr und Tag normal nmlierliefen; Patienten,
hei denen nach 1, 2 und 5 Jahren Elfenbeinphalangen, eine Gold¬
prothese der Mandibula, eine Elfenbein - Ulna und -Tibia u. A.
noch vorzüglich wirkten. Bcaehtenswcrth für die temporäre Ein¬
heilung und den durch den Fremdkörper hervorgerufenen Ossifi-
cationsproeess ist ein von G. beobachteter Fall, wo die untere
Epiphyse liehst Condyl. hinnen hei einem jugendlichen Patienten
durch einen Elfonbeincylinder ersetzt war, und 12 Wochen post
operat. wieder entfernt werden musste; es hatte sieh während
dieser Zeit in und aus dem 15 cm laugen (Minder neuer Knochen
sul sfituirt. Die Ansehauungen über die Gluck'sehen Exjierimente
und Erfahrungen gehen zur Zeit noch selbstverständlich auseinander,
Erfolge und Misserfolge wechseln im Lager anerkannter Autoritäten.
Mag dem sein, wie ihm wolle, so müssen wir an den bisherigen
Errungenschaften fcsthalten und das chirurgische Können und
Wollen wird den noch wackeligen Bau fester gestalten helfen.
Im Anschluss an das eben Gesagte erlaube ich mir, Ihnen
eine gelungene Elfenheiiiiinplantation der Fibula zu demonstriren.
Einem 5’/2 Jahre alten Knaben musste ich wegen eines von
der Fibula ausgehenden Sarkoms circa s /* dieses Knochens reseciren.
f> Tage später invaginirte ich einen 15 cm langen, soliden Elfen¬
beinstab, mit einem Dickendurchmesser von 7 mm in die restiren-
den Knochentheile; oben waren noch 3 cm der Diaphyse unter dem
caput fibnlae, unten der Malleolus stehen geblieben.
Die Prothese war wegen der sicheren Festigkeit nicht aus¬
gehöhlt, sondern in toto solid, seitlich waren zur Fixation bezw. zur
7 ) R. v. Frey. Ueber Einheilung von Celluloidplatten. (Klinik
Wölf ler.) Wiener klin. Wochenschrift 1894 Nr. 3.
Wölfler’s Klinik v. Frey.
9 ) Gluck — Chirurg. Congress 1895.
,0 ) Länderer. Naturforscherversammlung in’Lübeck 1895.
li ) Th. Gluck. Antoplastik, Transplantation, Implantation von
Fremdkörpern Berliner klin. Wochenschrift 1890 No. 19.
idem. Referat über die durch das moderne chirurgische Ex¬
periment gewonnenen positiven Resultate, betreffend die Naht und
den Ersatz von Defeeten höherer Gewebe, sowiejüber die \er-
werthung resorbirbarer und lebendiger Tampons in der Chirurgie
Mittheilungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1890.Jf • _
idem. Mittheilungen der deutschen Gesellsch. f. Chirurgie 1895.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
271
24 . Mürz 1896.
Ampntirter Unterschenkel.
-E
Aufnahme der von der Umgebung einwuchernden bindegewebigen
Stränge eine Anzahl punktförmiger Löcher, je 1 cm von einander
entfernt, in entgegengesetzter Richtung verlaufend, angebracht. Die In-
vagination, nach vor¬
heriger Ausräumung
der Markhöhle, war
leicht; eine Naht
nicht nöthig, Secret-
stauung nicht zu be¬
fürchten, da für Ab¬
fluss zwischen Pro¬
these und Knochen¬
wandung gesorgt
war. Volkmann-
sche Schiene, dann
Gyps verband. Kei¬
nerlei Reaction nach
der Implantation.
2 Monate später
konnte ich mich bei
der Exstirpation
eines kleinen Reci-
divs in den Weich-
theilen überzeugen,
dass die Prothese
bereits eingeheilt
war, vollkommen
festsass. Einecallus-
äbnliche Masse war
weder oben noch
unten fühl- resp.
sichtbar. Bei Frei¬
legung des Elfen¬
beinstückes war das¬
selbe von einer
derben, periostähn¬
lichen Membran
dicht umgeben, von
welcher eine Anzahl
Bindegewebsstränge
durch die seitlichen
Oeffnungen ge¬
wuchert war. Nach
unten war der im
Malleolus fixirte
Theil von einer knor¬
pelähnlichen Masse
gut wall nussgross
umgeben. 3 Wochen
später hatte sich ein
zum Theil die Tibia
zerstörendes, aus¬
gedehntes Recidiv
gebildet, welches die
Amputation nöthig
machte. Hiedurch
bin ich in den Besitz
des Ganzen gelangt.
Das Präparat bietet
die nachstehenden
, Verhältnisse dar:
«Das invaginirte Elfenbeinstück ist fest eingewachsen, an der
oberen Vereinigungsstelle mit dem Diaphysenreste ist es kaum
von diesem deutlich zu unterscheiden; eine 4—5 mm dicke Knochen -
whicht umgibt diese Stelle auf eine Strecke von 3 cm, besonders
hinten und seitlich, die vordere Partie wird nicht ganz gedeckt.
Am Malleolus ist die Prothese von einer etwa wallnussgrossen,
knorpelähnlichen 8chicht umgeben. Eine periostähnliche, 1 mm
starke Membran hüllt das Elfenbeinstück mit dem Fibularest allent¬
halben dicht ein, derbe, bindegewebige Stränge in die seitlichen
Löcher sendend; das 8arkom ist stellenweise an das Elfenbein heran¬
gewuchert, im obersten Theile ist eine 2 cm lange. Strecke des
letzteren osurirt. Die Farbe der Prothese ist blasser geworden.
Iraplantirte Elfenbeinprothese der Fibula.
F = Fibularest.
G = Grenze zwischen Fibula und Prothese.
R = Die Fibula und Prothese bedeckende
Knochenschicht, am unteren Ende
der Knochenschicht ist vorne die
Prothese frei.
E = Elfenbeinprotbese.
seitliche, die Prothese durchsetzende
punktförmige Löcher.
Periostähnliche Membran der Prothese.
Die das untere Ende des Elfenbeines
bedeckende knorpelfthnliche Schicht.
!L =
P
s
Neuropathologische Mittheilungen.
Von Dr. Rudolf von Hoesslin, ding. Arzt der Ouranstalt
Neuwittelsbach.
I- Ein Fall von Myoclonie; Heilung durch Arsenik¬
behandlung.
Die Myoclonie gehört jedenfalls zu den selteneren Erkrankungen
des Nervensystems; besonders so lange noch Zweifel darüber bestehen,
ob rie eine eigenartige Krankheitsform, oder der Hysterie einzureihen
(Strümpell, Möbius), verdient jeder einzelne zur Beobachtung
gekommene Fall besprochen zu werden. Da die Prognose der
No. 12.
Myoclonie als sehr ungünstig gilt, so beansprucht der nachfolgende
Fall besonders desswegen ein gewisses Interesse, weil er rasch in
Heilung ausging, nachdem sich die Krankheit vorher im Verlauf
von 13 Jahren stetig gesteigert hatte.
Herr N. N., 20 Jahre alt, Kaufmann in Adrianopel, begab sich
am 22. Juli 1895 in die Curanstalt Neuwittelsbach, um sich wegen
eines seit der Kindheit bestehenden Leidens behandeln zu lassen.
Im Alter von 7 Jahren begannen sich Muskelzuckungen am Hals
einzustellen, bald darauf Zuckungen in den Augenlidern; einige
Jahre später, so viel Patient sich erinnert, im Alter von 12 Jahren,
traten oft beim Gehen unwillkürliche Bewegungen in den unteren
Extremitäten, 2 Jahre später Zuckungen in den Armen und in den
Händen auf. Am meisten belästigt wird Patient in den letzten
Jahren durch Zuckungen in der rechten Schulter und im rechten
Arm, durch die manchmal Fahrer in der Schrift entstehen. Auch
ermüdet der Arm sehr rasch beim Schreiben. Die Zuckungen sind
bald stärker, bald schwächer, ganz frei davon sei er seit Beginn des
Leidens nicht einmal mehr auf Minuten geworden. Durch jede an¬
haltende Muskelbewegung tritt rasch Ermüdung ein. Eine willkür¬
liche Unterdrückung der Zuckungen ist unmöglich, vermehrt dieselben
aber auch nicht. Hitze, Erregung, Aerger steigern die Intensität der
Zuckungen. Von einer hereditären Belastung ist nichts bekannt.
Patient hat wiederholt an Malaria gelitten, war sonst immer gesund.
Epileptische Krämpfe waren nie vorhanden.
Status. Patient erfreut sich eines blühenden Aussehens und
eines trefflichen Ernährungszustandes. Lässt man Patienten in
den Kleidern ruhig vor sich stehen, so fällt sehr wenig auf, be¬
sonders die Extremitätenmuskeln scheinen sich ziemlich ruhig zu
verhalten; nur ab und zu sieht man eine leichte choreaäbnliche
Bewegung einer Hand, oder der Kopf wird mit einem leichten
Ruck nach rechts gedreht; diese Bewegungen sind aber so wenig
auffallend, dass sie übersehen werden könnten, wenn man sein
Augenmerk nicht speciell darauf richtet. Im Gesicht treten geringe
Zuckungen auf, bald im Corrugator supercilii dexter, bald im Orbi-
cular. oris sin, im Levator alae nasi sin. Manchmal zucken auch
Muskelgruppen, so dass Patient mit den Augen zwinkert oder den
Mund nach einer Seite verzieht. Aber diese beiden Formen von
Zuckungen sind so gering, dass sie kaum auffallen. Die Sprache
ist nicht verändert. Die Zunge wird prompt hervorgestreckt, aber
an beiden Zungenhälften sind beständige fibrilläre und fasciculäre
Zuckungen zu beobachten, so dass sich die Zunge in einem
dauernden Wogen befindet. Solche wogende Zuckungen treten
auch in den beiden Masseteren auf, wenn man Patienten auf etwas
fest beissen lässt.
Wenn Patient sich entkleidet, so fallen in einem grossen
Gebiet der Körpermusculatur clonische Zuckungen auf. Besonders
im Musculus deltoideus dexter et sinister, in beiden Museal, pecto-
rales, in M. biceps d., im latissiraus dorsi d., im Muscul. quadriceps
d., und in vielen anderen Muskeln mit Ueberwiegen der rechten
Körperseite stellen sich solche Muskelzuckungen in regelloser Wieder¬
holung ein, so dass eigentlich in keinem Augenblick absolute Ruhe
vorhanden ist. Die Zuckungen befallen nie ganze Muskel-
complexe, nie synergisch wirkende Mus kein, sondern vor¬
wiegend einzelne M uskel n, die normaliter nicht isolirt
bewegt werden; bisweilen contrahiren sich nur einzelne Theile
eines Muskels, z. B. nur die Stemal- oder nur die Clavicularportion
des Muscul. pectoralis, oder nur die vordere Partie eines Muscul.
deltoideus. Es wird keine bestimmte Reihenfolge in den Zuckungen
einzelner Muskeln eingehalten, sehr oft wiederholt sich die
Zuckung im selben Muskel blitzartig mehrmals hin ter-
e inan der, ungefähr so, als wenn ein Muskel rasch hintereinander
wiederholt durch einen starken faradischen Strom isolirt gereizt
wird. Symmetrisch auf beiden Körperhälften sind die Zuckungen
nie, meist sind sie rechts stärker.
Der locomotorische Effect der Muskelzuckungen
ist ein sehr unbedeutender und bleibt meist ganz aus; nur
bei Zuckungen in der Halsmuskulatur tritt bisweilen eine Dreh¬
bewegung des Kopfes ein; die Zuckungen der rechten Armmus¬
kulatur haben trotz ihrer Intensität so wenig Einfluss auf die
Schrift, dass dieselbe kaum pathologisch erscheint; immerhin wird
Patient gerade beim Schreiben sehr durch die Zuckungen belästigt
und erregt, so dass die Zuckungen am Arm und am ganzen Körper
während des Schreibens zunehmen. Die grobe Kraft der Muskulatur
hat durch die Zuckungen nicht gelitten, der Dynamometer gibt
rechts einen Ausschlag von 50, links von 41 Kgrmtr. Patient muss
im Ganzen als muskulös bezeichnet werden. Die elektrische Unter¬
suchung der zumeist von den Zuckungen befallenen Muskeln ergab
keine Herabsetzung der faradischen Erregbarkeit, während im r.
Muskul. deltoideus K. 8. Z. = A. 8. Z. war. Die mechanische
Erregbarkeit der Muskeln war gesteigert. Die Sensibilität war
völlig normal für alle Empfindungsqualitäten, auch die Geeichts-
feldmessung zeigte normale Verhältnisse für Weise und die Farben.
An den Armen fehlen Periost- und ßehnenreflexe, die Patellar-
reflexe sind sehr lebhaft.
Nach dem beschriebenen Krankheitsbild konnte an der Diagnose
kaum ein Zweifel bestehen: es handelte sich offenbar um Myoclonie
oder Paramyoclonus multiplex, wie Friedreich die Krankheit
nannte. Das Auftreten blitzartiger Zuckungen, die nicht
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
24
t
i
synergisch wirkende Muskeln, sondern solche Mus¬
keln betrafen, die nie willkürlich für sich allein
contrahirt werden können, zeichnet die myocIo¬
nischen Muskclzuckungen vor allen anderen ähn¬
lichen Krankheitsformen aus.
Die Chorea, mit welcher von allen in Betracht kommenden
Affectionen noch die grösste Aehnlichkeit besteht, unterscheidet sich
von der Myoclonie besonders dadurch, dass durch die choreatischen
Bewegungen stets ein locomotorischer Effect erzielt wird; trotz
der heftigen Muskelzuckungen , die bei dem Kranken beobachtet
wurden, war der locomotorische Effect desselben ein so geringer,
dass die Zuckungen ganz übersehen werden konnten, wenn der
Kranke bekleidet war.
Ebenso wenig war eine Verwechslung mit der Maladie
des Tics convulsifs möglich; die bei dieser beobachteten
Grimassen und Verzerrungen der Gesichtsmuskulatur haben mit
den bei unserem Kranken beobachteten Zuckungen einzelner Ge¬
sichtsmuskeln keine Aehnlichkeit, besonders fehlte hier die stereotype
Wiederholung bestimmter Muskelbewegungen und fiel es ebenso
wie am übrigen Körper auch im Gesicht auf, dass die Zuckungen
vielfach in Muskeln isolirt auftraten, die wir willkürlich nie allein
zur Contraction bringen können. Gerade der letztere Umstand,
dass von sonst stets synergisch wirkenden Muskeln nur einer oder
der andere Muskel isolirt zur Zuckung kommt, dass sich die
Zuckungen sogar auf Theile eines sonst immer im Ganzen wirkenden
Muskels beschränken können, wird die myoclonische Zuckung stets
von den Muskelbewegungen und Muskelzuckungen der Hyste¬
rischen unterscheiden lassen. Mein Kranker hatte auch sonst
keinerlei hysterische Stigmata aufzuweisen.
In der Hälfte der publieirten Fälle — es werden bis jetzt
im Ganzen 61 sein — fehlen Zuckungen der Gesichtsmuskeln;
auch in unserem Falle waren dieselben weit geringer, als an den
Extremitätenmuskeln. Das Vorhandensein der Zuckungen im Gesicht
kann keinesfalls gegen die Diagnose Myoclonie sprechen. Die
Un verricht' sehen Fälle von Myoclonie, die mit Epilepsie ver¬
bunden waren, sprechen sehr für den Sitz der Myoclonie in den
motorischen Centren der Hirnrinde oder der benachbarten Mark¬
substanz; dass hiebei auch das Hypoglossus- und Facialisgebiet in
Mitleidenschaft gezogen werden kann, ist naheliegend.
Die Behandlung bestand in Abreibungen von 20—10° R., in
ganz kurzen Halbbädern von 18°, mit nachfolgender Abgiessung von
12°, ausserdem gab ich Solutio Fow ler i 3 mal täglich 2—10
Tropfen und behandelte die gesammte Muskulatur mit dem gal¬
vanischen Strom. Der Erfolg dieser Behandlung war nun ein so
vortrefflicher, dass Patient, der seit 13 Jahren nie frei von seinen
Zuckungen geblieben war, sondern eine stetige Zunahme derselben
constatiren konnte, nach 5 Wochen fast völlig frei von Zuckungen
entlassen werden konnte. Vor Allem waren die den Kranken am
meisten belästigenden Zuckungen im rechten Muskul. deltoideus
und im rechten Muskul. biceps nahezu spurlos verschwunden und
Patient ermüdete auch viel weniger beim Gehen und anderen
Bewegungen. Ich hatte den Eindruck, dass die Besserung mit
der Steigerung der Arsenikdosis Hand in Hand ging.
Zur Behandlung des Gesichtslupus.
Von Dr. Haun, Gladenbach.
In letzter Zeit wurde fast ausschliesslich der Transplantation
zur Heilung des Gesichtslupus das Wort geredet und behauptet,
dass diese Methode die sicherste in Bezug auf das Dauerresultat sei.
Es mag dies im Vergleich zu den anderen bisher angeführten
Methoden (Galvanocauter, Ferrum candens, Aetzmittel) zutreffen,
da deren Wirkung in der Tiefe des Gewebes mit Recht als
unsicher, weil uncontrolirbar, erachtet wird. Trotzdem wird sich
die Transplantation, namentlich im Beginne der Krankheit, nicht
einbürgern, weil die Patienten vor jeder blutigen Operation, bzw.
überhaupt schon vor dem Wort «Operation» zurückschrecken.
So gehen sie dann aus einer Behandlung in die andere, gerathen
auch schliesslich zum Curpfuscher oder nach Würishofeu, und die
Krankheit greift mehr und mehr um sich.
Würde man dem Patienten im Anfangsstadium eine Behand¬
lungsmethode vorschlagen, welche unblutig, nicht allzu schmerzhaft,
von Sitzung zu Sitzung einen sichtbaren Erfolg zeigend, schliesslich
dauernde Heilung bringt, so würden die weit vorgeschrittenen
Fälle bald nicht mehr Vorkommen.
Das von mir angewandte Verfahren der Elektrolyse ist durchaus
nicht neu, nur scheint es gerade beim Lupus noch keine oder
geringe Anwendung gefunden zu haben.
Schon Gärtner und Lustgarten heilten ulcerirenden
Lupus mittelst Elektrolyse, indem sie eine mit einem isolirenden
Gummirand versehene Silberplatte auf die gesellwürige Fläche
brachten und diese Platte negativ schlossen. Bei tieferen Knoten
war die Behandlungsweise aber unwirksam.
Mein Verfahren ist folgendes: Die beiden Electroden, feine
Platinnadeln von 3—5 mm Länge, werden in beliebiger Entfernung
von einander jode in ein Lupusknötchen senkrecht eingestochen.
Das Einfuhren in das kranke Gewebe ist nicht schmerzhaft.
Wohl aber treten sofort Schmerzen auf, sobald man in das gesunde
Gewebe vordringt, was desshalb zu vermeiden ist. Nach einiger
Uebung lernt man sehr bald herausfühlen, wo das weichere kranke
Gewebe in das härtere gesunde übergeht.
Die Stromstärke beträgt je nach der Empfindlichkeit des
Patienten 10—30 M.A. Je nach der Grösse der Knoten bleiben
die Nadeln 10—30 Seeundon liegen. Da man mit zwei Nadeln
zugleich arbeitet, kann man bei massig empfindlichen Patienten, in
einer Sitzung recht gut eine haudtellergrosse Fläche bearbeiten.
Schon bis zu der am dritten oder vierten Tage abzuhaltenden
abermaligen Sitzung zeigen sich die Knoten geschrumpft , das
Gewebe ist. fester und sieht gesunder aus. In dieser zweiten
Sitzung wird entweder bei grosser Ausdehnung des Lupus ein
neues Gebiet in Angriff genommen, oder es werden die vorher
schon bearbeiteten Knoten von neuem eingestochen, indem man
mit der Nadel sich stets im kranken, weichen Gewebe hält.
Nach einiger Zeit sind die Knoten derartig geschrumpft,
dass man schon bei ] mm Tiefe auf festes, gesundes Narben¬
gewebe stösst.
Jetzt wäre es zu langweilig und auch zu schmerzhaft, wollte
man die Nadeln senkrecht einsteeben, besonders auch, weil nun¬
mehr die Knoten meist verschwunden sind und der Krankheitssitz
mehr zu einer ebenen geschwürigen Fläche geworden ist. Hier
benützt man Nadeln ') von 3—4 cm Länge, deren vorderes, sehr
dünnes Ende 1—2 cm weit parallel zur Oberfläche in das kranke
Gewebe cingeführt wird. Bei einiger Uebung lässt es sich auch
hier vermeiden, in das gesunde Gewebe zu gerathen und dadurch
Schmerz zu verursachen.
Besondere Aufmerksamkeit erfordern die Ränder der. Lnpus-
geschwüre. Selbst bei ganz normal aussehender Cutis sind doch
oft die Bänder bis 1 cm weit unterminirt. Mit kleinen Nadeln
reicht man liier oft gar nicht tief genug, da man nicht senkrecht
durch die unverletzte Haut eingeben kann, sondern vom Geschwürs¬
rande her eindringen muss. Man nimmt desshalb hier etwas
längere Nadeln. Aber auch diese Stellen werden bald flacher und
machen gesundem, festem Narbengewebe Platz.
Ich habe, seit ich diese Methode anwende, leider erst zwei
Lupus-Fälle in Behandlung bekommen und geheilt. Ein Rocidiv
ist bisher (seit */* Jahr) nicht aufgetreten. Dasselbe lässt
sich entschieden auch vermeiden, wenn man die Behandlung so
lange fortsetzt, bis jedes Knötchen verschwunden ist. Mit den
feinen Nadeln lässt sich jede kranke Stelle herausfinden und die
beabsichtigte Wirkung kann genau übersehen und controlirt werden.
Die beiden Patienten waren mit der Art der Behandlung und
natürlich auch mit dem Erfolge sehr zufrieden.
Der Eine litt bereits über 10 Jahre an Lupus der rechten Nase,
die bis an den knöchernen Theil verschwunden war, und der näheren
Umgebung derselben. Auch die Nasenschleimhaut war nach oben
hin bis 1 cm vom Rande mit Knoten durchsetzt. Nach etwa
Ift Sitzungen zeigte die ganze erkrankte Partie schönes, straffes
Narbengewebe.
Die zweite Patientin hatte das Uebel bereits 15 Jahre, das¬
selbe umfasste die Nase, deren seitliche Umgebung auf ca. & cm,
die ganze Ober- und Unterlippe, zum Theil über dieselbe noc
*) Die von mir angegebenen Nadeln Hess ich bei Böttcher
& Quarck, Fabrik elektr Apparate in München, Müllerstr. anfertigen.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
27S
24. März 1896-
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hinausgehend. Nach ca. 25 Sitzungen war die Kranke völlig geheilt
und zeigt nach nunmehr 3 /* Jahr ebenfalls noch kein Recidiv.
Die Methode hat, wie oben schon erwähnt, den nicht zu
unterschätzenden Vorzug, dass die Patienten sich der Behandlung
gerne unterziehen. Es werden desshalb, falls diese Behandlungs¬
weise Anklang findet, schwerere Fälle von Lupus gar nicht mehr
Vorkommen, da jeder praktische Arzt, der ja gerade die Anfangs¬
stadien in die Hände bekommt, die Behandlung leicht selbst
erlernen und ausführen kann, und es muss auch gerade dem prak¬
tischen Arzte eine iunerc Befriedigung gewähren, ein IJebel selbst
heilen zu können, dessen Behandlung er bisher zumeist den
Specialisten überliess.
Eine neue Methode zur Herstellung absoluter Asepsis
des Nahtmateriales.
Von Dr. med. Otto Ihle in Dresden.
Die Dcsinfection unserer chirurgischen Nähseide, die sich
auch heute noch schwer bis zum Grade absoluter Keimfreiheit
herstellen lässt, ist von Kocher auf dem letzten Chirurgen-
congress abermals zum Gegenstand eingehender Erörterungen ge¬
macht worden. Während erwiesenermassen das kochende Wasser,
das stärkste unserer physikalischen Keimtödtungsmittel ist und
in spätestens 5 Minuten sfimmtliche infectiöscn Wunderreger mit
Sicherheit abtödtet, stimmen im Gegensatz hierzu die Praktiker
darin überein, dass bei der Seide diese Zeitdauer bei weitem
nicht ausreichend ist, selbst wenn man chemische Desinfeetions-
mittol, wie Carbolsäure und Sublimat, dem kochenden Wasser
zugesetzt hat. He gar fand die Seide sogar nach halbstündiger
Abkochung in 5 Proc. Carbollösung noch nicht vollständig keimfrei.
Dieser scheinbare Widerspruch der Thatsachen findet nach
meinem Dafürhalten allein in dem I mstande seine Begründung,
dass das kochende Wasser nur sehr
langsam und schwer bis in die untersten
Schichten der Seide — da wir diese ja
auf Röllchen in mehreren Lagen über¬
einander wickeln — eindringt, und dass
das Wasser, wenn es endlich doch bis
dahin vorgedrungeu ist, sich gar nicht
mehr im kochenden Zustande befindet.
Nur die oberste* Schicht der auf Röllchen
gewickelten Fäden wird vom kochenden
Wasser direct getroffen und auch sie
nur auf ihrer nach aussen dem Wasser
unmittelbar zugekehrten Oberfläche,
nicht auf der nach innen gewendeten,
da sie mit dieser der darunter befind¬
lichen Seide aufliegt.
Ich suchte daher nach einer Me¬
thode, die es ermöglicht, dass das
kochende Wasser sofort an jeden ein¬
zelnen Faden in gleicher Weise bequem
sowie von allen Seiten her frei heran¬
treten und demnach auch mit Leichtig¬
keit in ihn eindringen kann. Der neben¬
stehend abgebildete kleine Apparat
(Fig. 1) hat sich zu diesem Zwecke recht
brauchbar erwiesen. Derselbe besteht
aus einem einfachen geraden Stab, der
an seinen beiden Enden rechtwinkelig
abgebogen ist. Auf die beiden hierbei
entstehenden kurzen Querstücke, welche
quer zu einander verlaufen, wird der
Faden in seiner ganzen Länge auf¬
gewickelt. Rechts und links an den
Querstücken stehen Dorne hervor, die
ein Abgleiteu verhindern.
Das Aufwickeln selbst geht in über¬
raschend leichter und bequemer Weise
und dabei gleichzeitig bei weitem
, schneller vor sich als die Aufdrehung
ttT i • 6118 au * Reichen. Der Faden wird mit seinem Anfangs-
einfach an dem einen Querstücke festgeknüpft. Nachdem
es dicht in der Nähe des ^Stabes selbst und zwar auswärts
on dem Dome geschehen ist, wird er über die beiden Quer-
ucke fortlaufend herumgeführt, selbstverständlich jedoch so, dass
nicht Faden über Faden hinweg, sondern stets nur Faden neben
Faden zu liegen kommt, wie dies auch aus den Abbildungen er¬
sichtlich ist. Das Ende des Fadens wird an domseiben Querstück,
an dem der Anfangstheil befestigt ist, jedoch am freistehenden
Ende desselben, welches eine kolbenförmige Anschwellung trägt,
angekniipft.
Es ist wohl ohne Weiteres klar, dass die kochende Lösung in
dem Augenblicke, wo der Apparat in dieselbe eingelegt wird, un¬
mittelbar und sofort an jeden einzelnen Faden herantritt und in
ihn eindringt. Es ist daher auch kein Grund mehr vorhanden,
wesshalb das kochende Wasser, welches sonst andere Objecte inner¬
halb 5 Minuten vollständig aseptisch macht, diesen Erfolg nicht
auch hier haben sollte. In der That, seitdem ich diese Vorrichtung
gebrauche, habe ich bis heute nie wieder die Vereiterung eines,
wenn auch nur einzigen Stichcanalea der W’unde gesehen, selbst
wenn ich die dickste Nummer von Turner s geflochtener Patent-
Seide, die ich für Bauchdeckennähte stets verwende, in Benutzung
zog. Auch wenn ich die Fäden volle 18 Tage in der Wunde liegen
liess, zeigte sich nicht einmal eine Spur von Nässe. Ich möchte
daher das Verfahren den Fachgeuossen angelegentlichst empfehlen.
Der Vortheil,
I. dass die Seide absolut aseptisch wird und
II. dass dieser Zweck innerhalb 5—10 Minuten erreicht wird,
bedingt zunächst weiterhin den Vorzug,
III. dass man nicht überflüssig viel Seide auf Vorrath zu
kochen braucht.
Seide muss selbstverständlich, will man sicher gehen, stets
unmittelbar vor jeder Operation und nicht Tage oder Wochen vorher
auf Vorrath gekocht werden. Kochte man nun weniger Seide, als
sich nachträglich während der Operation als nöthig herausstellte,
so war es bei dem bisherigen zeitraubenden Verfahren nicht möglich,
die noch fehlende Menge schnell genug hinterher noch aseptisch
zu machen. Kochte man zuviel, so wurde die übrigbleibende Seide,
da sie ja vor Verwendung bei der nächsten Operation, die vielleicht
erst nach Tagen stattfand, von Neuem aufgekocht werden musste,
durch den wiederholten und andauernden Kochprocess nur allzuleicht
morsch und brüchig und war in Folge hiervon gar oft nicht mehr
verwendbar.
Figur 2.
Beide Nachtheile werden bei meinem Verfahren vermieden.
Man kocht zunächst nicht mehr Seide, als man ganz sicher ge¬
brauchen wird. Stellt sich dann während der Operation ein Mehr-
bedürfniss heraus, so lässt man rasch einige Fadenhalter, die mit
P'äden bewickelt immer in Vorrath gehalten werden, in die nebenan
stehende und für unvorhergesehene Fälle stets in Bereitschaft
kochende antiseptische Lösung einwerfen In 5 — 10 Minuten ist
die Seide steril und sofort brauchbar. Der Operateur hebt sie selbst
mit einer Pinzette oder Komzange — und nicht mit den Händen,
da die Lösung kochend ist — heraus. Damit der Apparat nicht
zerspringen kann, wie dies bei Glas, welches man in kochende
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274
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 12.
Lösung einwirft, stets der Fall ist, so habe ich auch metallene,
gut vernickelte Exemplare in Gebrauch. Vernickelte Metallgegenstände
darf man aber selbstverständlich nicht mit Sublimat, sondern nur
mit Carbollösung in Berührung bringen.
Bei Gebrauch meines Apparates wird also die Seide gespart
und geschont. Ein weiterer Vortheil für die Sicherheit der Asepsis
und die Einfachheit der praktischen Handhabung besteht darin, dass
IV. der Operateur sämmtliche Fäden selbst und zwar mit einem
einzigen Scheerenschlage zurechtschneiden kann, indem er die
vordere oder hintere Lage der Fäden in der Nähe des einen Quer¬
stabes durchtrennt (Fig. 2). Am besten geschieht dies in der Nähe
desjenigen Querstabes, an dem sich die Knoten des Fadenanfanges
und des Fadenendes befinden. Da nur die eine Lage der Fäden
durchtrennt wird, so sind die einzelnen zurechtgeschnittenen Fäden
doppelt so lang, wie der Apparat selbst. Da ich die Fäden gern
32 cm lang anwende, so lasse ich den Fadenhalter 16 cm lang an-
fertigeu. Es ist ferner praktisch wichtig,
V. dasB bei Anwendung meines Verfahrens die Fäden alle
genau von gleicher Länge werden. Bekanntlich wird dies beim
Ab wickeln von Röllchen nie möglich, selbst bei Aufwendung von
grosser Zeit und Mühe. Es ist aber ausserdem angenehm.
VI. dass die Fäden sich nicht wie die von Röllchen entnommenen
durcheinander kräuseln, und, wenn sie in grösserer Anzahl bei ein¬
ander liegen, verfitzen. Sie behalten im Gegentheil die lange gerad¬
linig gestreckte Form, die sie durch Aufspannung auf den Apparat
erhielten, auch nach dem Zurechtschneiden noch bei. Es bewirkt
der Process des Kochens eine Steifung des Fadens, sodass dieser nach¬
träglich in der Form, die er beim Kochen inne hatte, verharrt.
Weder verfitzen sich die Fäden mit einander, noch durchkräuseln
sie sich, sondern sie liegen wie Silk-worm-Fäden glatt neben¬
einander. Hebt man einen Faden an, so kommen nicht gleichzeitig
die übrigen, da sie sich nicht mit ihm verfizt haben, empor. Hier¬
durch wird es ermöglicht,
VII. dass der Operateur die Fäden während der Operation mit
Leichtigkeit selbst ergreifen und einfädeln kann. Dies war bei der
bisherigen Methode so gut wie unmöglich.
Um diese Vornahme selbst zu erleichtern, bewahre ich aller¬
dings die zurechtgeschnittenen Fäden während der Operation nicht
feucht auf. Ich lasse sie nicht in antiseptischer Lösung eingetaucht
liegen, sondern lege sie trocken in einen der eraaillirten durch Aus¬
kochen keimfrei gemachten Einsätze meines Instrumentenkochgefässes
ein. Durch die blendend weisse Farbe des Email heben sie sich
dem Auge deutlicher kenntlich ab, alB die in Flüssigkeit unterge¬
taucht liegenden, besonders wenn die Lösung, in der die Seide gekocht
wurde, mit Eosin gefärbt war, da diese eine rothe Färbung der Fäden
zur Folge hat. Es ist nicht zu befürchten, dass aus der Luft
nachträglich Keime an die Fäden herantreten, denn die Luft muss
ja sowieso stets vor einer jeden Operation keimfrei gemacht werden,
weil sie an und in die Operationswunde tritt und sonst etwaige in
ihr vorhandene Keime in diese bringen würde. Vergl. Ihle, Münch,
med. Wochenschr No. 11 und 12 1895.
Mein Verfahren ist in aseptischer Beziehung auch noch da¬
durch von Bedeutung,
VIII. dass die Fäden von dem Moment an, wo sie durch Ab¬
kochen keimfrei gemacht worden sind, nur ausschliesslich und allein
mit den Händen des Operateurs und nicht mit denen fremder, be¬
sonders nicht ärztlicher Personen, auf deren Asepsis man sich nie
verlassen kann, in Berührung kommen. Der Operateur kann viel¬
mehr, wie bereits gesagt, die Fäden nicht allein mit grösster Leich¬
tigkeit und Schnelligkeit selbst zurechtscbneiden, sondern auch an¬
heben und einfädeln.
IX. Endlich ist es praktisch von Vortheil, dass man jederzeit mit
Leichtigkeit die Anzahl der Fäden, sowohl wenn man sie noch auf
dem Apparat hat, als auch wenn sie zurecht geschnitten sind,
zählen kann.
Die Person, welche die Aufwickelung besorgt, ist in der Lage,
auf jeden Apparat eine gleichgrosse Anzahl von Fäden aufzuziehen.
Irrthümer hinsichtlich der Menge der aufgewickelten Seide können
in jedem Moment revidirt werden. Der Arzt vermag vor dem Ab¬
kochen des Apparates mit Leichtigkeit die Zahl der aufgespannten
Fäden zu controliren, ohne dass er das Nahtmaterial selbst über¬
haupt erst anzufassen braucht. Beim Aufwickeln auf Röllchen ist
eine jede solche Controle ausgeschlossen. Auch die bereits zurecht¬
geschnittenen Fäden lassen sich, weil sie langgestreckt und gerad¬
linig nebeneinander liegen, mit Leichtigkeit zählen. • Der Operateur
ist dadurch während der Operation in den 8tand gesetzt, rechtzeitig
das Kochen neuer Fäden anzuordnen, ehe die noch vorhandenen
vollständig verbraucht sind. Es braucht kein Aufenthalt im Fort¬
gang der Operation einzutreten, wie solches häufig geschieht, wenn
man die Fäden von Röllchen entnimmt, da diese sich wirr und
regenwurmartig durcheinander kräuseln und desshalb bekanntlich
nur recht schwer und nicht ohne erheblichen Zeitverlust zählbar sind.
Nicht ohne Bedeutung ist fernerhin der Umstand,
X. dass mein Fadenhalter selbst wesentlich billiger ist, als die
bisher gebrauchten Fadenröllchen. Der Preis beträgt nur etwa die
Hälfte.
Mein Fadenhalter ist zwar länger als die für die Aufwickelung
des Nahtmaterials gebräuchlichen Röllchen der Regel nach sind. Es
bedingt dies aber keine Unannehmlichkeit, sondern bat im Gegen¬
theil noch den weiteren Vortheil, dass der Apparat beim Kochen
nicht auf dem Boden der Schüssel glatt aufliegt, sondern schräg in
der Flüssigkeit steht, indem er sich mit dem einen Ende am Rande
des Bodens und mit dem anderen an der gegenüberliegenden ßeiten-
wand des Gefässes anlegt. Das kochende Wasser kann hierdurch
um 80 bequemer und sicherer an jeden einzelnen Faden heran¬
treten.
Gekochte und während der Operation nicht zum Verbrauch
gekommene Fäden lassen sich nachträglich leicht, da sie geradlinig
gestreckt und steif sind, wie Silk-worm in Bündelchen zusammen¬
binden. In dieser Form werden sie sowohl aufbewahrt als von
Neuem gekocht. Sie sind daher als bereits gekochte und wegen
ihrer geringeren Festigkeit zu lebenswichtigen Unterbindungen nicht
mehr ganz geeignete Fäden jederzeit leicht zu erkennen.
Soll Catgut als Nahtmaterial zur Verwendung kommen, 60 wird
auch dieses zweckmässig auf den von mir angegebenen Fadenhalter
aufgezogen, anstatt dass man es auf die bisher Üblichen Röllchen
aufwickelt. Sowohl die heisse Luft, wenn man nach Egbert Braatz
sterilisirt, als die antiseptische Sublimat-Alkohollösung, wenn man
die von Bergm an n'sehe Methode vorziebt, dringen leichter an
und in jeden einzelnen Faden ein. Selbstverständlich aber erreicht
man hier keine absolute Keimfreiheit innerhalb 5 Minuten. Alle
anderen oben erwähnten Vorth eile, die der Gebrauch meines Faden¬
halters bietet, kommen aber auch hier voll und ganz zur Geltung,
Mein Fadenhalter ist als Gebrauchsmuster gesetzlich geschützt.
Zu beziehen ist derselbe von Knoke & Dressier, Dresden, König-
Johannstrasse. Er wird in jeder gewünschten Länge geliefert, gleich¬
viel ob er aus Glas oder vernickeltem Metall bestellt wird.
Feuilleton.
Felix Hoppe-Seyier.
Aui 10- August vorigen Jahres hat die Universität Strassburg
in Felix Hoppe-Seyier, Professor der physiologischen Chemie,
einen Lehrer und Forscher durch raschen Tod verloren, der cs
wohl verdient hat, dass seiner auch in weiteren mcdicinischcn
Kreisen durch einige Zeilen eines kurzen Nachrufes gedacht wird.
In Freiburg i. Th. als Sohn des Pastors Ernst Hoppe
atu 26. Peecmber 1825 geboren, verlor Felix Hoppe schon
mit 9 Jahren seine beiden Eltern. *) In liebevollster Weise nahm
sich sein Schwager, der Pastor Dr. Scyler, des verwaisten Knaben
an und wurde ihm durch später erfolgte Adoptirung ein zweiter
Vater, wesshalb sieh Felix Hoppe nunmehr Hoppe-Scyler
nannte.
Als Zögling des Erziehungsinstitutes der Francke'sehen
Stiftung in Halle absolvirte der junge Hoppe das Gymnasium
und bezog 1846, reichlich ausgestattet mit Vorkenntnissen in den
Naturwissenschaften, besonders in Botanik und Chemie, zum .Studium
der Mediciu die Universität Halle. Hier hörte er neben den
medicinisch-propädeutischcn Vorlesungen bei Erdmann auch Logik.
Metaphysik und Psychologie. Schon um diese Zeit begann Hoppe
mit selbständigen chemischen Untersuchungen durch Analysen von
Pflanzenaschen, die er in Stcinberg’s Laboratorium ausführte.
Die gelegentlich einer Ferienreise in’s Ricscngebirg gemachte
Bekanntschaft mit Ernst Heinrich und Eduard Weher
veranlassten Hoppe zur Fortsetzung seiner Studien in Leipzig,
wohin er im Herbst 1847 übersiedelte. Hier trat er vor Allem
in nähern Verkehr mit den drei Brüdern Weber, was in hohem
Grade bestimmend auf seine spätere wissenschaftliche Entwicklung
wirkte. Bei Lehman n hörte II o p p e physiologische Chemie
uud arbeitete in dessen Laboratorium. Daneben besuchte er
fleissig die Kliniken und die specielleren medicinischen Oollcgien.
Im Frühjahr 1850 kam Hoppe nach Berlin, wo er im Herbst
dieses Jahres mit einer Dissertation «De cartilaginum struetura et
chondrino nonnulla» als Mediciner proruovirte. Während dieser
Zeit diente er als Unterarzt sein Jahr als Freiwilliger im Kaiser
Alexander Garde-Regiment.
Im Mai 1851 wurde Hoppe in Berlin als Arzt und Wund¬
arzt approbirt und ein Jahr später bestand er, nachdem er sieh
in Wien und Prag darauf vorbereitet hatte, die Prüfung als
Geburtshelfer. Hoppe lies» sieh nun als praktischer Arzt in
Berlin nieder, konnte aber in der ärztlichen Praxis seine Be-
*) Die biographischen Angaben über Hoppe-Seyier entnahm
ich zum grössten Theil dem tief gefühlten und von grosser Ver¬
ehrung für ihren verstorbenen Lehrer zeugenden Nachruf von E,
Baumann und A. Kossel. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. XXI.
2. Heft.
Digitized by UjOOQie
GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER
----
f ELIX f^foPPE- SeYLER.
Digitized by
Googl
24. M&rz 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
275
friedigung nicht finden, wesshalb wir ihn schon 1854 als Pro-
sector der Anatomie in Greifswald finden, wo er sich auch
habilitirte. Da ihm aber die dortige Stelle nicht behagte, so
sehen wir ihn bald wieder in B e r 1 i n , wo er die ihm von
V 6
Auscnltation und Percussion auf klare physikalische Begriffe zu¬
rückführte. Wenn auch manche seiner Anschauungen mit der
Zeit sich als unhaltbar erwiesen, so blieb davon doch so viel bis
heute zu Recht bestehen, dass sein Name neben den Namen der
'er physikalischen Diagnostik gestellt zu
GALERIE HERVORRAGENDER ARZTE UND NATURFORSCHER.
J^ELIX j'fopPE-ßEYLER.
gie und Geologie verdanken Hoppe-
zum Tlieil sogar grundlegende Unter¬
lids te Wirksamkeit entfaltete Hoppc-
•biete der physiologischen Chemie. Nicht
der dieser jungen Wissenschaft, sondern
os hervorragendster Vertreter. Von allen
e Wissensgebiet in Angriff und förderte
wichtiger, grundlegender Thatsaehcn zu
eine physiologisch-chemische Forschung
- S e y I e r unvergessen bleiben wird, ln
lind die Resultate seiner Untersuchungen
ie wichtigsten das Blut, den Stoffwechsel
ige im Thierkörper, den Eiter, die Ent¬
lang der Transudate, das Cholesterin,
in. die Analyse der Milch, dann ferner das
se der Glihrung und der Fiiulniss betreffen,
wichtiger Untersuchungen hat Hoppe¬
rn Werke < Physiologische Chemie- vor-
k, 1877—1881 in vier Abtheilungen
h> erschöpfende, wie klare Darstellung des
lcmischen Wissens und auch heute noch
ruhe für jeden physiologischen Chemiker.
iat sich aber H o p p e - S e y 1 o r erworben
*iner physiologisch chemischen Methodik,
in Handbuch der physiologisch -
rheinischen Analyse gegeben hat.
893 unter der Mitarbeiterschaft Thier-
uflage erschienen, dürfte dieses Handbuch
entbehrlichste Wegweiser der physiologisch -
•iben. Nicht minder wurde von Huppe-
id die Selbständigkeit der physiologischen
i die Gründung seiner Zeitschrift für
die heute die bedeutendsten Physiologen
rniker zu ihren Mitarbeitern zählt.
Forscher und Schriftsteller, sondern auch
p p c - S c y 1 e r der allgemeinsten Beliebtheit
icn. Sein klarer, ungekünstelter Vortrag,
>lle Begabung, eine stets liebenswürdige
eine fast unglaubliche Geduld und Näch¬
sten Schülern, machten seine Vorlesungen
ndst.cn. was die Universität Strass bürg
inntc.
seinem Tode wurde Hoppe- Scy ler die,
Tlieil, als corresjiondircmles Mitglied der
le Medeciue ernannt zu werden, die höchste
nerkennung ist ihm aber geworden in der
ner zahlreichen Schüler, in der ungetheilten
seiner Collegen und Fachgenossen.
G ü r b e r - Würzburg.
simpfgesetz und die hiezu erlassene
jgsverordnung vom Jahre 1875.
ihm, kgl. Bezirksarzt l. CI. in Neu-Ulm.
licilagp zur Mitnehmer medicinisrhen Hot henschrift. '
Verlag von J. F. LEHMANN in München.
\ "L,
möglich,auf fast allen Gebieten <Tör MöHTCITl rmn (irr rvrmrT—
Wissenschaften als Forscher und Schriftsteller thätig zu sein. So
war Hoppe-Seyler einer der Ersten, der die Lehre von der
Vpril 1874 das Impfgesetz für das deutsche
n war und die bayerische Staatsregierung
875 die zur Ausführung desselben nöthigen
ess, war die Anwendung von Thierlymphe
en und die prompte Wirkung ersterer noch
cannt, dass deren ausgedehnte Zulassung in
hätte Aufnahme finden könuen — Es wurde
itzt, dass die Impflymphe womöglich von
Geimpfter und nur ausnahmsweise von
pfter genommen werden dürfe. — ln Bezug
impfeiiB wurde bestimmt, dass bei Erst-
i m p f I i n g e u m Oberarme 5 Stiche oder Schnitt¬
chen zu machen, bei Wiederimpfungen dagegen nur
6 Schnittchen am linken Oberarme anzubringen seien.
Digitized by'
Google
274
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 12.
Lösung einwirft, stets der Fall ist, so habe ich auch metallene,
gut vernickelte Exemplare in Gebrauch. Vernickelte Metallgegenstände
darf man aber selbstverständlich nicht mit Sublimat, sondern nur
mit Carbollösung in Berührung bringen.
Bei Gebrauch meines Apparat* 1 ® wird aU» dia finirl« «aan—t
und geschont. Ein weiterer Vort
und die Einfachheit der praktisch
IV. der Operateur sämmtlich
einzigen Scheerenschlage zurecl
vordere oder hintere Lage der I
Stabes durchtrennt (Fig. 2). Am
desjenigen Querstabes, an dem s
und des Fadenendes befinden,
durchtrennt wird, so sind die ein
doppelt so lang, wie der Appar.
32 cm lang anwende, so lasse ic
fertigen. Es ist ferner praktisch
V. dass bei Anwendung n
genau von gleicher Länge werd
Abwickeln von Röllchen nie mö
grosser Zeit und Mühe. Es ist e
VI. dass die Fäden sich nich:
durcheinander kräuseln, und, wej
ander liegen, verfitzen. Sie bebal
linig gestreckte Form, die sie du
erhielten, auch nach dem Zurec
der Process des Kochens eine Steif
träglich in der Form, die er b
Weder verfitzen sich die Fäden
sie sich, sondern sie liegen v
einander. Hebt man einen Fade
die übrigen, da sie sich nicht mi
durch wird es ermöglicht,
VII. dass der Operateur die
Leichtigkeit selbst ergreifen und
bisherigen Methode bo gut wie u
Um diese Vornahme selbst
dings die zurechtgeschnittenen F
feucht auf. Ich lasse sie nicht in
liegen, sondern lege sie trocken i:
kochen keimfrei gemachten Einsät:
ein. Durch die blendend weise«
dem Auge deutlicher kenntlich s
taucht liegenden, besonders wenn
wurde, mit EoBin gefärbt war, da
zur Folge hat. Es ist nicht zi
nachträglich Keime an die Fäder
ja sowieso stets vor einer jeden
weil sie an und in die Operation
ihr vorhandene Keime in diese br
med. Wochenschr No. 11 und 15
Mein Verfahren ist in ase
durch von Bedeutung,
VIII. dass die Fäden von d
kochen keimfrei gemacht worden
mit den Händen des Operateurs
sonders nicht ärztlicher Personen
verlassen kann, in Berührung ko
mehr, wie bereits gesagt, die Fäd
tigkeit und Schnelligkeit selbst zi
heben und einfädeln.
IX. Endlich ist es praktisch 1
Leichtigkeit die Anzahl der Fäd®
dem Apparat bat, als auch w<
zählen kann.
Die Person, welche die Auf
auf jeden Apparat eine gleichgro
Irrthümer hinsichtlich der Menge
in jedem Moment revidirt werdei
kochen des Apparates mit Leicht
Fäden zu controüren, ohne dasi
haupt erst anzufassen braucht,
eine jede solche Controle ausgesc
geschnittenen Fäden lassen sich,
linig nebeneinander liegen, mit L
ist dadurch während der Operatic
das Kochen neuer Fäden anzuoi
vollständig verbraucht sind. Es
gang der Operation einzutreten, w
man die Fäden von Röllchen €
regenwurmartig durcheinander k
nur recht schwer und nicht ohne e
Nicht ohne Bedeutung ist ff
X. fl »®® mein Fadenhalt«-"
bisher gebrauchten Fadenr«>
Hälfte. _
theil noch den weiteren Vortheil, dass der Apparat beim Kochen
nicht auf dem Boden der Schüssel glatt aufliegt, sondern schräg in
der Flüssigkeit steht, indem er sich mit dem einen Ende am Rande
des Bodens und mit dem anderen an der gegenüberliegenden Seiten-
-- 1 '-~ f * -—*—*■—
Mein Fadenhalter F
lee Nahtmateriala gebrä
»©dingt dies aber kein«
für die Aufwickelung
r Regel nach sind. Ee
ondera hat im Gegen-
"JRSBirtEr-
TCmnHT [JWfeäten Theil dem tief gefühlten uüü W __ „
ehrung für ihren verstorbenen Lehrer zeugenden Nachruf von E.
Baumann und A. Kossel. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. XXI.
2. Heft. F 3
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24. Mär* 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
275
friedigung nicht finden, wesshalb wir ihn schon 1854 als Pro-
sector der Anatomie in Greifswald finden, wo er sich auch
habilitirte. Da ihm aber die dortige Stelle nicht behagte, so
sehen wir ihn bald wieder in B e r 1 i n, wo er die ihm von
R. Virchow angebotene Prosectnr am pathologischen Institut
und die Leitung des dort eingerichteten chemischen Laboratoriums
übernommen hatte. Hier beginnt seine eigentliche Laufbahn als
physiologischer Chemiker und hier begründet er auch seinen wissen¬
schaftlichen Ruf. Aber nicht zum Mindesten hatte Hoppe-
Seyler seine erfolgreiche Thätigkeit dem Entgegenkommen
Virchow’s zu verdanken, der ihm eine fast selbständige Stel¬
lung für physiologische Chemie geschaffen hat. Für den uner¬
müdlichen Fleiss, mit dem sich Hoppe-Seyler dieser Stellung
widmete, spricht nicht nur die grosse Schaar von Schülern, die
er hier um sich versammelte, sondern legen auch die zahlreichen
zum grössten Theil sehr werthvollen Publicationen, die zu dieser
Zeit aus dem chemischen Laboratorium des pathologischen Institutes
hervorgingeu, ein beredtes Zeugniss ab.
1858 verheirathete sich Hoppe-Scyler. Es entsprossten
dieser Ehe ein Sohn, Georg Hoppe-Seyler, jetzt ausser¬
ordentlicher Professor der Medicin in Kiel und eine Tochter.
1860 wurde Hoppe-Seyler zum Extraordinarius ernannt
und im Frühjahre darauf folgte er einem Rufe nach Tübingen als
Nachfolger Schlossberger’s für angewandte Chemie. Als in
Tübingen die Vertreter der naturwissenschaftlichen Fächer aus
der medicinischen Facultät ausschieden, um eine naturwissenschaft¬
liche Facultät zu gründen, schloss sich ihnen auch Hoppe-
Seyler an. Trotz der sehr primitiven Einrichtung seines Labo¬
ratoriums entwickelte er auch hier eine äusserst erfolgreiche Thätig¬
keit. Er las abwechselnd mit den» Ordinarius für Chemie
anorganische und organische Chemie, daneben physiologische Chemie
und Toxicologie.
1872 wurde llnppe-Seylcr als Professor für physiologische
Chemie an die neugegründete Universität Strassburg berufen.
Auch hier hatte er lange Jahre wegen der Mangelhaftigkeit
der Laboratoriumsräume und deren Einrichtung mit grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen, die erst mit der Erbauung des neuen
Instituts gehoben wurden. Das ganz nach den Angaben Hoppe-
Seyler's erbaute physiologisch-chemische Institut in Strassburg
ist eine Musteranstult an Zweckmässigkeit der Anlage und Voll¬
kommenheit der inneren Ausstattung und dürfte seinem Schöpfer
für alle Zeiten ein ehrendes Denkmal sein.
Die Lehrtätigkeit, die Hoppe-Seyler in Strassburg ent¬
faltete, war eine ebenso erfolgreiche, wie vielseitige. Er hielt Vor¬
lesungen über physiologische Chemie, Toxicologie, forensische
Chemie, Physiologie der Ernährung und des Stoffwechsels und
über Hygiene. Mit diesen Vorlesungen verband er praktische
chemische TJebungen, die in Bezug auf die dabei erreichten Ziele
geradezu die Verwunderung seiner Fachgenossen erregen müssen.
Daneben war Hoppe-Seyler’» Laboratorium stets von einer
grossen Zahl junger, in- und ausländischer Physiologen und Aerzte
besucht, unter denen sich die Namen der bedeutendsten Vertreter
der heutigen Medicin verzeichnet finden. Wenn wir nun noch der
zahlreichen Untersuchungen gedenken, die Hoppe-Seyler in
seinem Laboratorium selbst ausgeführt hat, oder durch seine
.Schüler hat ausführen lassen, dann haben wir das ganze Bild von
dem enormen Fleisse und der gewaltigen Energie, die Hoppe-
Seyler auch in seiner Stellung in Strassburg entwickelte.
So hat er es auch gehalten bis in sein hohes Alter. Nicht als
gebrochenen Greis, sondern voll jugendlicher Kraft zu weiterem
Wirken und Schaffen hat ihn der Tod ereilt. Nachdem er noch
wenige Tage vorher der Iloehzeitsfeicr seines .Sohnes in Kiel bei¬
gewohnt hatte, machte in dem Augenblicke, als er sich zu einer
Kahnfahrt auf dem Bodensec anschickte, ein Herzschlag seinem
erfolgreichen Leben ein plötzliches Ende.
Hoppe-Seyler war ein echter deutscher Gelehrter, ein
Feind aller Mache, einzig nur darauf bedacht, in selbstlosester Weise
seine ganze Kraft den höchsten Zielen der Menschheit zu widmen.
Sein ebenso vielseitiges wie gediegenes Wissen machte es ihm
möglich, auf fast allen Gebieten der Medicin und der Natur¬
wissenschaften als Forscher und Schriftsteller thätig zu sein. So
war Hoppe-Seyler einer der Ersten, der die Lehre von der
Auscultation und Percussion auf klare physikalische Begriffe zu-
rückführtc. Wenn auch manche seiner Anschauungen mit der
Zeit sich als unhaltbar erwiesen, so blieb davon doch so viel bis
heute zu Recht bestehen, dass sein Name neben den Namen der
allbekannten Begründer der physikalischen Diagnostik gestellt zu
werden verdient.
Seihst die Mineralogie und Geologie verdanken Hoppe-
Seyler einige wichtige, zum Theil sogar grundlegende Unter¬
suchungen. Die bedeutendste Wirksamkeit entfaltete Hoppe-
Seyler aber auf dem Gebiete der physiologischen Chemie. Nicht
nur ist er ein Mitbegründer dieser jungen Wissenschaft, sondern
zugleich auch ihr zweifellos hervorragendster Vertreter. Von allen
Seiten nahm er das neue Wissensgebiet in Angriff und förderte
dabei eine solche Fülle wichtiger, grundlegender Thatsachen zu
Tage, dass, so langt 1 es eine physiologisch-chemische Forschung
gibt, der Name Hoppe-Scyler unvergessen bleiben wird. In
über 150 Publicationen sind die Resultate seiner Untersuchungen
niedergelegt, von denen die wichtigsten das Blut, den Stoffwechsel
und die Oxydatiousvorgiinge im Thierkörjter, den Eiter, die Ent¬
stehung und Zusammensetzung der Transudate, das Cholesterin,
das Chitin, das Harnindican. die Analyse der Milch, dann ferner das
Chlorophyll und die Processe der Gährung und der Fäulniss betreffen.
Eine weitere grosse Zahl wichtiger Untersuchungen bat Hoppe-
Seyler iu seinem grossen Werke «Physiologische Chemie > ver¬
öffentlicht. Dieses Werk, 1877—1881 in vier Abtheilungen
erschienen, ist eine ebenso erschöpfende, wie klare Darstellung des
damaligen physiologisch-chemischen Wissens und auch heute noch
eine unschätzbare Fuudgrube für jeden physiologischen Chemiker.
Das grösste Verdienst hat sich aber Hoppe-Seyler erworben
durch die Begründung einer physiologisch chemischen Methodik,
wie er sie uns in seinem Handbuch der physiologisch-
und pathologisch-chemische n Analyse gegeben hat.
1858 zum ersten Mal, 1893 unter der Mitarbeiterschaft Thier-
feldcr's in sechster Auflage erschienen, dürfte dieses Handbuch
noch für lange Zeit der unentbehrlichste Wegweiser der physiologisch-
chemischen Forschung bleiben. Nicht minder wurde von Hoppe-
Seyler das Anseben und die Selbständigkeit der physiologischen
Chemie gefördert durch die Gründung seiner Zeitschrift für
physiologische Chemie, die heute die bedeutendsten Physiologen
und physiologischen Chemiker zu ihren Mitarbeitern zählt.
Aber nicht nur als Forscher und Schriftsteller, sondern auch
als Lehrer hatte sich Hoppe-Seyler der allgemeinsten Beliebtheit
und Verehrung zu erfreuen. Sein klarer, ungekünstelter Vortrag,
eine seltene experimentelle Begabung, eine stets Iiel>en«würdige
Hilfsbereitschaft, sowie eine fast unglaubliche Geduld und Nach¬
sicht mit den minder begabten Schülern, machten seine Vorlesungen
und Curse zum Anziehendsten, was die Universität Strassburg
den Studenten bieten konnte.
Wenige Tage vor seinem Tode wurde Hoppe-Seyler die
hohe Anerkennung zu Theil, als corrospondirendes Mitglied der
französischen Academic de Modeeine ernannt zu werden, die höchste
und denkbar schönste Anerkennung ist ihm aber geworden in der
Liebe und Verehrung seiner zahlreichen Schüler, in der ungethcilten
Hochachtung von Seiten seiner Collegen und Faehgenosson.
G ü r b e r - Würzburg.
Das deutsche Reichsimpfgesetz und die hiezu erlassene
bayerische Vollzugsverordnung vom Jahre 1875.
Vou Dr. Friedrich liiihm, kgl. Bezirksarzt I. ('1. in Neu-Ulm.
Als unter dem 8. April 1874 das Impfgesetz für das deutsche
Reich proclamirt worden war und die bayerische Staatsregierung
unter dem 24. Februar 1875 die zur Ausführung desselben nöthigen
Vollzugsvorschriften erliess, war die Anwendung von Thierlymphe
an Stelle der humanisirten und die prompte Wirkung eraterer noch
nicht in dem Maasse bekannt, dass deren ausgedehnte Zulassung in
dieser Verordnung schon hätte Aufnahme finden können. — Es wurde
desshalb in § 9 festgesetzt, dass die Impflymphe womöglich von
Blattern zum erstenmal Geimpfter und nur ausnahmsweise von
solchen wiederholt Geimpfter genommen-werden dürfe. — ln Bezug
auf die Technik des Impfens wurde bestimmt, dass bei Erst¬
impflingen an jedem Oberarme 0 Stiche oder Schnitt¬
chen zu machen, bei Wiederimpfungen dagegen nui
6 Schnittchen am linken Oberarme anzubringen seien.
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276
MÜNCHENER MEDICFNISCHB WOCHENSCHRIFT.
Verschiedene zu Tage getretene Missstände, besonders aber der
Vorwurf der Impfgegner, dass durch das Ueberiinpfen von Arm zu
Arm das Uebertragen schlimmer Krankheiten begünstigt werde,
veranlasste zahlreiche Aerzte. Versuche mit Gewinnung von Thier-
lymphe und deren Anwendung an Stelle humanisirter in ausge¬
dehnterem Masse vorzunehmen — Eingehende Arbeiten wurden
hierüber veröffentlicht und wie Bayern als einer der ersten Staaten
die Wohlthaten der Zwangsimpfung zur Bekämpfung der Blattern-
seuche seiner Zeit erkannte und dieselbe energisch zur Durch¬
führung brachte, so war es auch in diesem Falle voran, als es galt,
den öffentlichen Impfärzten die nöthigen Quantitäten animalischen
Impfstoffes aus der Centralimpfanstalt zur Verfügung zu stellen.
Ebenso nahm aber auch die deutsche Reichsregierung alsbald zu
diesem Fortschritte auf dem Gebiete der Gewinnung von Thierlymphe
Stellung. Unter dem 28. April 1887 erfolgte von Seite des deutschen
Bundesrathes eine genaue Anweisung über Gewinnung, Aufbewahrung
und Versendung von Thierlymphe. — In der dieser Vorschrift bei¬
gegebenen Gebrauchsanweisung für Verimpfung von Glycerin-Thier¬
lymphe wurde Nachfolgendes bestimmt:
«Die Impfung wird in der Regel an den Oberarmen vorgenommen.
Sie hat nie durch Stiche, sondern durch Schnitte zu geschehen,
welche mindestens je 2 cm von einander entfernt angelegt werden.
Bei Erstimpflingen genügen 3 — 5 seichte Schnitte von
höchstens 1 cm Länge an jedem Arme, bei Wieder
impflingen 5—8 seichte Schnitte a'n einem Arme».
Die bei der Gewinnung der Thierlymphe sowohl wie in der
Impftechnik gemachten Erfahrungen haben solch' herrliche Resultate
zu Tage gefördert, dass die kgl. Centralimpfanstalt in ihrem ofliciellen
Berichte über das Impfgeschäft vom Jahre 1894 mit Stolz referiren
konnte, dass dieselben von verschiedenen Impfärzten als geradezu
«hervorragende» bezeichnet worden seien.
Die gleiche Beobachtung in Bezug auf die Wirkung der animalen
Lymphe wurde im benachbarten Württemberg ärztlicherseits
gemacht und desshalb in den dortigen medicinischen Zeitschriften
der Zulassung der Impfung auf nur einem Arme auch bei Erst¬
impflingen das Wort geredet. — Wie nun in den jüngsten Tagen
die Presse gemeldet, hat die Regierung dieser Anregung entsprochen
und die Impfung mittelst dreier Schnittchen auf nur einem Arme
als zulässig erklärt.
Auch bei den bayerischen öffentlichen Impfärzten hat sich die
gleiche Ueberzengung befestigt. So bemerkt der k. Centralimpfarzt
in obigem Berichte, dass in Bezug auf die Methode der Impfung
bei Anwendung der Thierlymphe öfters aus einem Kreuzsclmitte
1—6, durchschnittlich aber 3 — 4 Pusteln entstanden seien; es sei
desshalb vielfach die Zahl der Schnitte reducirt worden. — Diese
Reduction sei freilich manchmal sehr weit gegangen, sogar bis auf
2 Schnittchen pro Impfling. Vier Impfärzte hätten mit 6 Schnittchen
nur auf einem — dem rechten — Arme geimpft und habe ein
Impfarzt folgende Gründe für diese Methode angeführt: 1) sei hiebei
die entzündliche Reaction der Impfpusteln nur auf einen Arm
beschränkt und dadurch das Allgemeinbefinden der Impflinge
weniger gestört; 2) sei die Gefahr des Abwischens des Impfstoffes
von der Impfstelle weniger zu befürchten; 3) sei die Pflege der
Kinder im Stadium der Florescenz eine leichtere und weniger
schmerzliche; 4) könnten die Mütter ihre Kinder leichter auf dem
Arme tragen; 5) sei die Möglichkeit eher gegeben, das Kind auf
die Seite zu legen und 6) sei das Impfgeschäft sorgfältiger und
rascher durchzuführen.
Wir pflichten diesen Gründen, besonders aber dem letzten bei
und möchten noch beifügen, dass auch den Gegnern der Zwangs¬
impfung die Agitation gegen das Impfgesetz bei Zulassung der
Impfung auf einem Arme um Vieles erschwert würde. — Unter¬
liegt es doch keinem Zweifel, dass der Impfling in der Zeit, in
welcher die Pusteln in der Blüthe stehen, in der Bewegung seiner
beiden Arme in hohem Grade gehindert ist, in Folge dessen un¬
ruhig wird und sein Unbehagen der Umgebung durch lautes Schreien
anzudeuten pflegt. Das gilt der besorgten Mutter selbstverständlich
als Zeichen des Schmerzes und dadurch wird gar manche Mutter
bestimmt, in das Geschrei der Impfgegner mit einzustimmen.
Mögen nun ohige Gründe noch so packend und schwerwiegend
sein, so steht — wie ganz richtig der k. Centralimpfarzt in seinem
Berichte bemerkt — ein wichtiger Einwand dagegen, nämlich der
Umstand, dass diese Art der Impfung mit den Bestimmungen der
bayerischen Vollzugsvorschriften im Widerspruche steht. — Nun
steht aber auch fest, dass diese letzteren zu einer Zeit erlassen
wurden, wo nur vonArm zu Arm mit humanisirter Lymphe
geimpft werden durfte. Dass aber die Impfung mit Thier-
lympbe andere Anordnungen auch nach der technischen Seite hin
als nöthig erscheinen liess, davon gibt obige Anweisung des deut¬
schen Bundesrathes vom 28. April 1887 den sicheren Beleg.
Bis vor Kurzem bestand weiter die Impfung mit humanisirter
Lymphe, d. i. von Arm zu Arm auch bei uns noch zu Recht und
kam in verschiedenen Fällen neben der Anwendung von Thier¬
lymphe zur Anwendung. Dieses ist jedoch jetzt anders geworden,
nachdem in dem Amtsblatte des kgl. Staatsministeriums des
des Innern vom 4. Mlirz 18% in dem Ausschreiben an die k. Be¬
zirksärzte und öffentlichen Impfärzte ausdrücklich bemerkt ist, dass
die Impfung von Arm zu Arm sowohl bei der erBten wie bei der
zweiten Impfung sich nicht mehr zu bedienen sei. Damit ist —
und zwar mit Recht — der Anwendung von humanisirter Lymphe
No. 12.
das Ende bereitet! In um so höherem Grade erscheint es aber
nunmehr als wünscheuswerth, eine Revision der bestehenden Voll¬
zugsvorschrift über die Itnpftechnik bei der Anwendung von Thier-
lymphe zu erhalten, welche die Erfahrungen der Impfärzte in Be¬
rücksichtigung zieht — Diese sind in den Berichten des kgl. Central-
impfarztes niedergelegt und stimmen allgemein darin ein, dass die
Wirkung dieser Lymphe eine ausserordentlich exacte, ja in manchen
Fällen eine zu starke zu sein pflege, und dass desshalb, wie oben
angeführt, verschiedene Impfärzte trotz bestehender Vorschrift aus
Rücksicht auf die Gesundheit der betreffenden Impflinge von dieser
abzuseben und mit weniger Schnittchen oder nur auf einem Arme
zu impfen sich veranlasst sahen. — Ein solches eigenmächtiges
Handeln ist jedoch, im rechten Lichte betrachtet, nicht gestattet,
obwohl es in manchen Fällen im Interesse der Impflinge geradezu
geboten erscheint.
Es liegt desshalb sowohl im Interesse der Impfärzte wie der
zu Impfenden, dass bei dieser veränderten Sachlage erneute Instruc¬
tionen hinausgegeben werden, welche den gemachten Erfahrungen
Rechnung tragen und den Impfärzten für gegebene Fälle gestatten,
bis zu einer festzusetzenden Minimalzahl Impf¬
schnitte zu machen oder ebenfalls nur auf einem
Arme zu impfen.
Hiedurch wäre das Impfgeschäft vereinfacht, und die Mütter
würden zum Danke verpflichtet, dass bei dem Bestreben, ihre
Kinder vor der Erkrankung an einer so schrecklichen Seuche zu
bewahren, Alles vermieden wird, was den hiezu nöthigen Eingriff
alz zu intensiv erscheinen liesse. — Die Gewissenhaftigkeit, mit der
die öffentlichen Impfärzte Bayerns schon bisher bei Erfüllung dieser
ihnen gewordenen Aufgabe zu Werke gingen, wird auch in Zukunft
die Gewähr bieten, dass bei Erfüllung obiger Wünsche dem eigent¬
lichen Zwecke ein Nachtbeil nicht bereitet wird!
Referate und Bücheranzeigen.
Briefe von Theodor Billroth. Hannover und Leipzig,
Hahn’sclie Buchhandlung 1895-
Wenn es auch bei dem Ihn fange, den die medicinische
Literatur angenommen, nicht zu verwundern ist, dass Biographien
in derselben nur eine kleine Holle spielen und die üblichen Nach¬
rufe mehr die Werke, als die Persönlichkeiten zu berücksichtigen
pflegen, so sind doch auch hier Lehensschilderungen, die dem
Leser einen Blick in das Seelenleben eines hervorragenden
Mannes gestatten, sein Geistesleben ihm unmittelbar nahebringen,
von hervorragendem Werthe; gerade von Ghirurgen liegen uns
aus naheliegenden Gründen wenig Selbstbiographien vor, Wenigen
ist das hiezu nöthige otiuni gegönnt (ich nenne nur die interes¬
santen Lebensbilder von Stroinever und Pirogoff), wir
werden daher eine solche von Billroth, einem der Glücklichen,
der die deutsche Chirurgie mit zu der nunmehrigen führenden
Stellung brachte, um so mehr begrüssen, wenn sie uns in Briefen
des grossen Chirurgen dargeboten wird, die uns in überaus fesselnder
Weise mit dessen Empfinden und ]lenken, seinem rastlosen »Streben
und Schaffen, seiner edlen Gesinnung und Begeisterung für alles
»Schöne und Gute in Verbindung bringen und die Grösse und Be¬
deutung des unvergesslichen Mannes, die bestrickende Liebens¬
würdigkeit seiner Persönlichkeit so recht empfinden lassen. — Nur
um zum eignen Lesen des eigenartig packenden Buches anzuregen,
möge der Inhalt desselben hier kurz skizzirt sein: Bio Briefe
beginnen mit der »Studienzeit, unter andern einem begeisterten
Brief an Billroth’» Mutter, in dem der junge »Student B. die
enthusiastische Aufnahme von Jenny Lind Seitens der Göttinger
Studentenschaft schildert, ein anziehendes Bild der grossen Sängerin
gibt, in deren Concerten selbstthätig mitzuwirken, er sich so
glücklich schätzte. — Innige, treue Anhänglichkeit an seinen
Lehrer Baum < der ihn in Göttingen wie einen Sohn in sein
Haus aufgenommen > , spricht aus vielen der Briefe, in denen er
diesem seine Arbeiten und Pläne mittheilt, über Eindrücke in
Paris etc. berichtet etc., wir erhalten dann einen Einblick in sein
Leben und Strebe» als Assistent Langen beck ’s, eine Reihe
der Briefe bringen die Freuden und Leiden des jungen Doccnten
zu lebhaftem Ausdruck und in rührender Weise schreibt er u. A.
an Fock Privatpraxis habe ich vorläufig noch gar nicht und
friste mein Dasein von den < Iperationscurscn, die ich täglich von
10 12 lese oder an Baum «nur die Unabhängigkeit fehlt
mir doch mag diese Beschränkung recht heilsam für mich
sein sein Verhältnis» zu Langeubeck schildert B. als «ein
durchaus oollegialisches , sagt aber treffend: «Laugen beck
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24. März 1896.
würde sich bedanken, Alles auf sich zu nehmen, was wir Assistenten
behaupten , wir suchen etwas darin, möglichst selbständig zu
denken und zu schreiben *. — Nach verschiedenem Hangen und
Bangen erhält B. 1860 den Ruf nach Zürich, es beginnt die
glückliche, langersehnte Zeit selbständiger Thätigkeit dort in aus¬
gedehntem Wirkungskreis , wie sie sich in Briefen an Bau in,
His, Esmarch, Eiser u. A. so schön wiederspiegelt und die,
wenn er auch in Manchem in der Schweiz sich etwas fremd fühlt,
die literarischen Arbeiten ihm zuweilen Mühe machen { die
Eukc’sche Chirurgie manchmal wie Blei auf ihm liegt ») — ihm
doch später im rosigsten Lichte erscheint, so dass er sie später in
einem Briefe an Socin «die Idylle seines Lebens nennt. —
Doch bald wird dem rastlos Furtarbeitendeu der Wirkungskreis zu
eng, «ich habe hier Alles erreicht», schreibt er u. A. an Esmarch,
«was ein Chirurg hier erreichen kann und das ist für einen
Menschen von 37 Jahren doch ein entschiedenes l’nglück » ; —
nachdem sich andere Berufungen zerschlagen, erfolgt 1867 die
nach Wien ; «es wirbelt mir bei dem Gedanken, in der Weltstadt
Wien zu arbeiten», schreibt er an His, «ich habe mir immer so
etwas gewünscht, nun wird mir fast bange >. — Nicht Alles ging
im Anfang nach Wunsch, manch’ Hinderniss war zu überwinden,
«im ersten »Semester hatte ich rasendes Unglück », schreibt er an
Esmarch, die aussergewöhnlichsten Dinge häuften sich bei den
Operirten, jetzt hat es zum Glück umgeschlagen * etc. — An
dem hervorragenden Platze kommt das Lelirtaleut B.s rasch zur
allgemeinsten Anerkennung; < das grösste Glück was ich hier habe >,
schreibt er u. A. «ist eben doch, dass cs mir gelingt, meine
Studenten für die Wissenschaft zu gewinnen und ein neues Leben
hier zu erwecken » und indem er seiner Freude am Lehren Aus¬
druck gibt, erwähnt er, dass «es darin noch immer Fortschritte
zu machen gibt». — Dass einen Kerndeutschen, wie B., die
grosse Zeit 1870/71 nicht ganz ausserhalb der deutschen Heimatli
duldete, versteht sich von selbst; schon vor dem Ausbruch des
Krieges urtheilte er mit klarer Voraussicht «ein Krieg zwischen
Frankreich und Deutschland kann nur, wenn auch vielleicht nach
langer Zeit, mit der Niederlage Frankreichs enden» und treffend
schildert er u. A. in einem Briefe an His die Stimmung im Be¬
ginn des Krieges « das Gefühl der Deutschen, den andern Nationen
an Cultur und Geist ebenbürtig zu sein und doch immer nur
eine huldvolle Anerkennung vom gesammten Europa zu erhalten,
hatte sich zur Unerträglichkeit gesteigert»; bald sehen wir B.
in den Lazarethen von Weissenburg und Mannheim gemeinsam
mit Czerny aufs intensivste arbeiten und wenn ihn auch, früher
als ihm lieb, die Pflicht nach Wien zurückruft, so zeigen doch
bald seine ebir. Briefe aus den Kriegslazarethen, dass « in der Zeit,
in der sein ganzer Tisch voll Kriegsliteratur liegt » er sich nicht
minder angelegen sein liess, seine persönlichen Erfahrungen der
Allgemeinheit zu Nutze kommen zu lassen; — < nie aber », schreibt
er u. A. an König, « habe ich es schmerzlicher empfunden, ausser¬
halb Deutschlands in fernen Diensten zu sein, als in dieser grossen
Zeit, wäre ich allein und nur mir verantwortlich gewesen, so
hätte ich die ganze Affaire mitgemacht, selbst auf die Gefahr
hin, meine Stelle zu verlieren », « seit es ein Deutschland gibt, möchte
ich in Deutschland wieder sein». — Es ist nicht zu verwundern,
dass ein Mann von so feinem Kunstverständniss, von so universellem
Interesse in Wien eine ihm congenialo Heimath fand, dass er
später sogar den Ruf auf die erste /deutsche Uhirurgieprofessur
ausschlug. «Ein Billroth ohne Brahms und Hauslik ist
nicht denkbar» sagt Fischer sehr zutreffend in der Vorrede und
in der That lesen wir in den Briefen mehr von Kunst- und
Kunstgenüssen, als medicinischer Wissenschaft, sei es, dass er
mit Brahms über neuere Musikwerke sich unterhält und seine
kritischen Eindrücke mittheilt, seiner Tochter über ein Concert,
eine Oper berichtet — den von ihm so sehr geschätzten Genuss
«l 1 /* Stunden ruhige Musik » — sei es, dass er mit Seegen
n. A. über literarische Neuigkeiten plaudert oder seine Beobach¬
tungen auf Reisen über Besuch von Gallerien z. B. der Natioual-
Gallery mittheilt — überall fühlen wir die Freude am Schönen mit
■— * das Schöne empfinden ist schon höchstes Glück » besonders
gern spricht B. über die engen Beziehungen von Kunst und
Wissenschaft zu einander — «sie schöpfen aus derselben Quelle ».
Die Chirurgie selbst tritt natürlich in den Briefen weniger
277
in den Vordergrund, wenn wir auch über Magenresection , Kehl-
kopfrcsection etc. in Briefen an Czerny manch' interessante Mit¬
theilung finden und uns speciell die Art interessirt, wie B. erst
allmählich für die antiseptische Wundbehandlung sich gewinnen
liess, u. A. an Volk mann schreibt .< Um Dir eine Freude zu
bereiten, listerc ich .seit, 1. Oktober». Treffend bezeichnet er den
durch die Antiseptik vollzogenen Umschwung: . Die ganze Chirurgie
trägt jetzt antiseptisehe Uniform; unsere Kunst ist zu drei Viertel
Wissenschaft und Handwerk geworden {Kunstgewerbe?); haben
wir das nicht Alle angestrebt. * ; — stets hat B. warme Anerkennung
für die Arbeiten Anderer, wenn auch anscheinend auf undank¬
barem Gebiet, so schreibt er u. A. betreffs der specifischen
Behandlung maligner Tumoren « ich halte es für sehr verdienstlich,
wenn sich immer wieder Aertzte finden, die in dieser Richtung
nach Neuem suchen > . Eine in einem Briefe an Brahms
geüusserte Anschauung ich hal>e noch nie einen grossen Forscher
kennen gelernt, der nicht im Grunde eine Art von Künstler
gewesen wäre, mit reicher Phantasie und kindlichem Sinn», trifft
besonders für B. selbst zu. Das Glück, zahlreiche, verständige
»Schüler gefunden zu haben, hat B. genossen und geschätzt —
so schreibt er u. A. .< wenn mir auch durch meine »Stellung am
hiesigen Platze eine Art Recht zur Führerschaft gegeben ist, so
wird man doch dann erst zum eigentlichen Führer, wenn man
eine reichliche und kräftige Nachfolge hat, welche die Bahn des
Eiuzelnen erweitert, denn nur dadurch wird sie der Gesammthoit
nützlich». «Sie ahnen nicht, welch’ herrlichen Kreis von talent¬
vollen, pflichttreuen Menschen ich um mich habe >< und an anderer
»Stelle « meine »Schüler Czerny, G u s s e n b a u e r, W i n i w ar ter,
Wölfler gelten mit Recht als deutsche Chirurgen ersten Ranges,
darauf bin ich stolz, um so mehr, als sie alle Oesterreicher sind».
Zahlreiche Briefe an Gersunv u. A. geben aber auch davon
eine Vorstellung, wie B. es verstand, seinen Schülern nicht nur
liebenswürdiger Chef, sondern auch väterlicher Freund zu sein,
der Jedem sein volles Interesse zuwandte, stets für sie besorgt
war; «meine Praxis ist» — schreibt er u. A. an seinen Freund
Toppius — ■< freilich durch die vielen vortrefflichen Schüler, die
ich gebildet und denen ich ihren Lebenspfad geebnet, stark zurück¬
gegangen, doch ist das ganz natürlich und ich darf mich glücklich
schätzen, mich von allen meinen Schülern geliebt zu wissen ». —
Er huldigt dem Grundsatz: «»Sich selbst entbehrlich zu machen
in seinen Schöpfungen, ist in meinen Augen das höchste erreich¬
bare Ziel». —
Eine seltene Vielseitigkeit liess bei B. eine Ueberschätzuug
der modernen Errungenschaften nicht aufkommen, «wenn wir
immer im Bewusstsein bleiben (sagt er u. A.), wie viel Grosses
und Gewaltiges der Mensch sich schaffen musste, bevor er da
stehen konnte, wo wir jetzt stehen, so werden wir gar uicht so
grossartig davon denken , dass wir in Einigem dabei etwas mehr
wissen >.. Ausser der Fachwissenschaft hatten auch die andern
selbst anscheinend ihm ferner liegenden Gebiete, wie Psychologie
uud Ethik sein volles Interesse und er gibt u. A. Kxnor Recht,
indem er in gewissem »Sinne ■•< die naturwissenschaftliche Behand¬
lung aller Gegenstände den Zopf unseres Jahrhunderts» nennt.
B.'s Vielseitigkeit führte zu einer gewissen Milde des Unheils,
ein Vorurtheil kannte er nicht, seine gütige, wohlwollende Lebens¬
auffassung verleugnet er auch nicht, wo er Kritik übt; wo er
einen Tadel ausspricht, fügt er doch gern eine Anerkennung l>ei.
Ho sagt er z. B. von einer Person < N. hat viele »Schwächen,
doch kann ich uicht sagen, dass ich ihn je auf einer Lüge ertappt
hätte» und wenn es auch vielleicht etwas zu viel gesagt ist (wie
es in der Vorrede des Buches her vor gehoben), dass B. zuerst den
Muth hatte, in der Chirurgie die volle Wahrheit zu sagen, so
kann B. doch auch darin als Vorbild gelten, •.< im Ganzen bemühe
ich mich immer (sagt er u. A.), meine statistischen uud thera-
jieutliischen Resultate so schlecht als möglich herauszureehnen,
mir bleibt nur alles Misslungene im Gedächtnis«, das Gelungene
betrachte ich als selbstverständlich ». In packender Weise weiss
B. in wenig Zügen Personen und Charaktere zu schildern, ich
erinnere nur an die Schilderungen Hasn er ’ s , Mundy’s u. A.,
wie könnte man z. B. Arlt treffender zeichnen, als es B. thut,
indem er sagt « ich verehre ihn nicht nur als «den Meister der
Meister» unter den Augenärzten unseres Jahrhunderts, sondern
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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278
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
ebenso sehr als Arzt und Mensch, der mit einer seltenen anbetungs¬
würdigen Anima candida von der gütigen Natur begabt wurde».
Zuweilen übt B. in seinen Briefen scharfe Selbstkritik «ich habe
in meiner guten Zeit zu viel in’s Auge genommen >• sehreibt er
u. A. an (i ruber, und höchst interessant vergleicht er u. A.
seinen Charakter mit dem Mundy's in einem Briefe an letzteren:
« Wahrend Sie vor Allem von Hass gegen das Mittelmässige und
Miserable erfüllt werden und mit heroischer Impetuosität darauf
losfahren und dadurch am meisten zu nützen glauben, hat mich
eine decennienlange Erfahrung als Lehrer der Jugend gelehrt,
dass ich, für meine Person wenigstens, mehr wirke und praktisch
mehr erreiche, wenn ich vor Allem das Oute und Tüchtige
anerkenne, fördere und lobe, das Mittelmassige und Schlechte
unbeachtet bei Seite lasse und ihm nur da einen Fusstritt ver¬
setze, wo es aufdringlich hervortritt *. Welch' feine Lehre liegt
in diesen Worten ! Ein reizender Humor erfreut uns nicht selten
in den Briefen; so wenn er z. B. den Kampf beim Durchsehen
und Austeilen einer Rede schildert «der manchmal sehr tragisch,
da er dabei die liebsten Kinder seiner Phantasie todtschlagcn oder
sie bei der Erziehung in eine enge Zwangsjacke bringen muss»,
oder z. B. in einem Briefe an Rosthorn über die Schreibart
des Wortes < lethal / plaudert und R. rälth •« sich an einen Voll¬
blutphilologen » zu wenden, oder wenn er n. A. Brahms Uber
die Construction des Sitzungssaales des Aerztchauses mittheilt, dass
sein Hauptaugenmerk dabei darauf gerichtet gewesen sei, dass
man lautlos durch eine der 20 Thüren verschwinden könne, wenn
es langweilig wird» etc. etc.
Die Frage des Lehrcns und Lernens in der Medicin war
ein Lieblingsgebiet B.’s, das er ja in seinem vielbesprochenen
speciellen Werke behandelte; in Manchem hatte er darin vom Land¬
läufigen abweichende Anschauungen, so schreibt er u. A. an W öl fl er
was medicinischen Unterricht betrifft, stehe ich auf einem geradezu
reactionären und antediluvianen Standpunkt; medicinische Schulen,
bei welchen in den Kliniken die Zahl von 100 nicht überschritten
werden darf, freie ärztliche Niederlassung nur in Städten über
20 000, sonst jeder ärztlicher Bezirk, der seinen Mann ernähren
kann, vom Staat vergeben und wo ein Arzt nicht existiren kann,
bestimmten Gehalt».
Dass ein Mann von der Gemüthstiefe B.’s auch die Schatten¬
seiten des ärztlichen Berufes, die fortwährende Berührung mit
; < der Menschheit Weh» ganz empfand, ist nicht zu verwundern.
B. ist ein beredter Zeuge gegen die viel verbreitete Ansicht, dass
der Arzt gegen diese Eindrücke stumpf werde. Schon von Zürich
schreibt er u. A. « dass ihn Kummer und Sorge um das Leben
so manches kräftigen, lebensfrohen Menschen nicht verlässt» und
beneidet z. B. in einem Brief au H i s die glücklichen Natur
forscher, «die gar keine Ahnung haben von dem furchtbaren
Jammer, der die ganze Menschheit durchzieht ; auch der Forscher
stösst auf Hindernisse, aber sie haben nicht die traurige Bei¬
mischung menschlichen Elendes » und «wenn man sich als Arzt
sagen muss, wie viel in unserem Wissen Stückwerk ist, das müssen
zuweilen Menschenleben büssen, von denen die Existenz ganzer
Familien abhängt» , so entringt sich ihm zuweilen ein Seufzer,
« ach, wenn man doch immer helfen könnte! >• und wir verstehen
es, wenn er z. B. in einem Brief an His sagt «so ungeschmälert
glücklich und zufrieden, wie früher am Mikroskop, war ich selbst
bei den erfolgreichsten Operationen nicht». — Das warme Mit¬
gefühl äussert sich in den Briefen ganz besonders, wenn er sich
nach einem kranken Freund erkundigt, für irgend einen besonders
Hilfsbedürftigen Fürsorge trifFt oder gar über die schwere Er¬
krankung eines ihm Nahestehenden (wie z. B. Arlt, Breisky etc.)
sich ausspricht.
Wie könnte man präciser die Misere des Arztes schildern,
als B. z. B. in einem Brief an seinen Freund Toppius et thut:
«spärlich sind die Freuden des Arztes, hie und da treue Anhäng¬
lichkeit des Patienten, Dankbarkeit für die grösseste Pflichttreue,
ja selbst Opfer, selten Freude an einer gelungenen Cur, Bewusst¬
sein treuer Pflichterfüllung — das ist wohl das Höchste, was ein
Arzt erreichen kann» — glücklich, wer sich dabei begnügt und
trefFeud sagt B.: «ahnte der Jüngling diese moralischen Qualen,
wenn er begeistert in den Tempel Aesculaps tritt, er würde gewiss
oft umkehron, dem uuverschleierteu Bild von Sais gegenüber zustehen,
dazu gehört die ganze unerschrockene Resignation, die wir uns
nur langsam im Beruf erkämpfen». Gar oft empört sich B. darüber,
dass er «statt Heilung mit unsichern Worten nur Trost kann
spenden den Verlorenen» und besonders schön klingt diese Empfin¬
dung in einem Gedichte an Brahms aus: «und muss ich denn
von diesen Grenzen weichen, so lasst mich fort, lasst mich der
Menschheit Weh nicht sehen mehr und hören, lasst allein der
Kunst und meiner Neigung nur mich leben, ich habe eine ganze
Welt in mir, in dieser möcht ich endlich glücklich sein», aber
er antwortet sich selbst in dem gleichen Gedicht «du kannst es
nicht mehr, denn mit deinem Leben hängt Alles fest zusammen,
was du von dir wirfst», und in einem Brief an His hebt er
u. A. selbst hervor, «dass er die tausend Beziehungen, in welche
man als Arzt zur Gesellschaft tritt, so j»cinlieh sic oft sind, so
aufregend, so deprimirend, nicht mehr entbehren könne», aber
es kann uns nicht wundern, dass die aufreibende Thätigkeit, wie
er sie in der Beschreibung seines Tagwerkes in einem Brief an
Brahms schildert, auch seine Urkraft erschütterte. Rührend ist
es zu lesen, wie er Andere vor Ueberanstrengung warnt und z. B.
Volk mann schreibt: «Du arbeitest auch zu viel und hast es
doch nicht nöthig, Dich durch Arbeit zu narcotisiren», er erkennt
an, dass «die Sehnsucht nach fortgesetzter Aufregung ein patho¬
logischer Zug unserer Zeit» und schreibt u. A. an Fischer:
«mein Gehirn ist im Laufe der letzten Jahre in einer Weise
maltraitirt, dass ich zuweilen fürchte, es macht nächstens einmal
Strike», gar oft drücken die Briefe ein intensives Bedürfniss nach
geistigem Ausruhen aus: .Schlafen, Sclilafeu ohne zu träumen,
ist was wir anstreben müssen» und gar oft ist der Grundton der,
wie er ihn in einem tiefempfundenen Gedicht an Brahms aus¬
drückt, «nur Kampf und immer wieder Kampf! wann gibt's denn
endlich, endlich Frieden!» — Solchen Frieden hat B. nur in seinen
Ferien auf seinen zahlreichen Reisen genossen. Führten ihn schon
Uonsultationsreisen nach Neapel, Athen, Lissabon etc, so verstand
er es doch vorzüglich, die Ferien im südlichen Klima, auf zahl¬
reichen italienischen Touren zu gemessen ; «reise auch einige Wochen
nach Rom», räth er u. A. einem Freund, «Sicilien, Riviera und
träume im Halbschlaf dort mit einem kunstgeschichtlichen Buch
oder guten Bekannten — ich weiss aus eigner Erfahrung, dass
das die beste Cur ist». Wir dürfen annehmen, dass ein Mensch,
der so intim die Natur und ihr Leben beobachtet, der in seinen
Briefen so reizende, farbenprächtige Naturschilderungen gibt, sei
es, dass die Umgebung von Abbazia, die Aussicht vom Monte
Pellegrino, den Blick von Sorrent etc. schildert und darin die
feinsten Stimmungsbilder hervorzaubert (ich führe nur die Schil¬
derung eines Sommertags an, der ihm den Satz aus Elias «der
Himmel ist ehern über mir», in’s Gedächtniss ruft oder die feine
Marinestimmung «il marc fuma») — auch doppelt das Schöne genoss.
Jede Grenze war B. unerträglich, «eine Sehnsucht nach
Etwas, was ich selber nicht weiss, stört mich im ruhigen Lebens¬
genuss», schreibt er u. A. Brahms, und an denselben richtet
er in einem poetischen Brief die Zeilen : «ich will nichts von den
Grenzen wissen, die menschlich Thun beschränken, denn mein
Sehnen geht dort hinauf, wo's keine Grenzen gibt». — Doch
der hohe Flug seiner Gefühle zeigt gar bald eine Depression. Die
2 grossen Aufgaben, die er sich gesetzt, das Rudolfinerhaus, das
Wölfler mit Recht als «ewiges Denkmal für B.'s Menschenliebe»
bezeichnet und das Haus der Gesellschaft der Aerzte reifen ihrer
Vollendung entgegen, auch betreffs der nenen Klinik erscheint
«der Wall, den er nicht zu durchrennen vermag» durchbrochen.
«Endlich», schreibt er an Gruber, «sehe ich Land auf unserer
Entdeckungsreise nach der neuen chirurgischen Klinik», aber es
häufen sich Aeusserungen gedrückter Stimmung, die anfänglich
nur Folge des zunehmenden Alters zu sein scheinen, — «je älter
ich werde (schreibt er u. A. an So ein), um so empfänglicher
bin ich für alles Liebe, das man mir anthut», «ich stecke jetzt
(schreibt er an His) in einer Periode, wo mich das Detail und
die Specialität nicht recht befriedigen will und wo mich Probleme
von allgemeiner Art mächtig an ziehen, das ist ein Zeichen der
beginnenden Decadence, des beginnenden Alters» ; an Meissner:
«in meiner Familie hatte ich manches 3Iissgeschick, alle meine
4 Brüder sind todt, von 6 Kindern sind mir 3 gestorben, ich
fühle meine Kräfte auch matter werden, mein Stern beginnt zu
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24- März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
27U
)
sinken, das ist so der Welt Lauf . Erklärt Brahms: «meine
Kraft nimmt ab, doch die Ansprüche der Menschen an mich
nehmen zu? und wenn B. sich aucli sagt: «selten war ein Mensch
so vom Geschick begünstigt, wie ich, darum ist es recht all>ern
von mir, wenn ich zuweilen melancholisch bin>., so ist eben
doch die melancholische Grundstinimnng da. ob mit, ob ohne Grund,
ist einerlei — «ist man erst von Frau Sorge angehaucht, so wird
man blind gegen die spärlichen Freuden des Lebens . Ein
schönes Leben liegt hinter inir (schreibt er an Laue ns fein),
vor mir nur Kummer und »Sorge und ich hoffe, dass es nicht zu
Lange dauern wird) ; dass einem Mann von der Lebcnsenergie und
Schaffensfreudigkeit wie B. ein langes Krankenlager unleidlich
erschien, wird Niemand wundern; oft sehnt er sieh nach der Ruhe,
-nnr kein Siechthum v ruft er in einem Brief an Wölfl er aus
und wünscht sich das Glück eines plötzlichen Todes; zuweilen
wohl spricht sieh eine gewisse Resignation aus (wie in einem Brief
an Czerny): < mir ist Alles recht, ich hin reisefertig, mein reiches
Loben betrachte ich als abgeschlossen, das Sterben ist nur noch
eine Formalität, mit der ich auch noch anständig fertig zu werden
gedenke? und n. A. an Sec gen: was mein wissenschaftliches
Leben betrifft, so habe ich gethan, was ich vermochte . Wahr¬
haft rührend sind die Briefe nach der schweren Pneumonie 1887,
in denen er den Seelen zustund in seinem Halbschlummer schildert,
wie er hoch beobachtete, wie die Atheinzügc immer rasselnder
und flacher wurden und sein Geist zu wandern schien, wie das
unvergleichlich schöne Brahms sehe Lied «Feldeinsamkeit» aus-
drüekt: «mir ist, als ob ich längst gestorben bin? — bis er die Stimme
der Gattin erkennt, die ihn mit den Worten so tbu's doch um dev
Kinder willen?, zur Nahrungsaufnahme aufrüttelt. Wenn B. auch
an Ritte! u. A. schreibt "der frühere lustige, lebhafte, auch wohl
energische Billroth ist begraben, nur sein Schatten flattert noch
sohin und her:, so ist es doch der liebenswürdige B. um so mehr,
der aus den Briefen spricht, wie verbindlich weiss er Jedem, der
zu seiner Festschrift beigetragen, seinen Dank abzustatte» und
etwas Liebes zu sagen.
Wie eine Idylle wirkt in dieser schweren Zeit der zunehmenden
Beschwerden das Ruheplätzchen St. Gilgen am Wolfgangsee, das
er saus Wiesen, Feld, Steingcröll und Wald als einen der schönsten
menschlichen Wohnplätze» sich selbst geschaffen, worauf er sieh
(wie er an Brahms schreibt) mehr einbildet, als auf sämmtliehe
Werke. «Es ist hier so still und friedlichdass er wünscht, alle
seine lieben Freunde bei sich zu sehen und in warmen Worten
siud die Einladungen dahin an Brahms, ])i1 1 e 1, (iersuny,
Wölfler u. A. geschrieben, -.mit einer gut ausgestatteten Biblio¬
thek, einem Ehrbarflügel und einer ihm in s Herz singenden Tochter
und mancherlei Familienplauderei fühlt er sieh hier als Patriarch
fern vom WcItgetUimncI, vollkommen befriedigt , und gibt u. A.
m einem Brief an (iersuny ein treffliches Stimmungsbild seines
Ausrollens: «der Mond erhellt Busch und Thal, der Brunnen
rinnt. Nachtfalter umflattern die Lampe, um mit versengten Flügeln
das tollkühne Sehnen nach dem Lieht zu bereuen und doch immer
v<m neuem des Spiel zu beginnen, wie die Menschen' — im
Kreise seiner liebenden Familie hat sein kunstverständiger Sinn
noch Manches genossen, so sehr er des herannahenden Eudes sich
bewusst war; «mein Leben war unendlich reich (schreibt er
Gcrsunyj, ich habe viel empfangen und gerne und so reichlich ge¬
geben. als ich cs vermochte, jetzt ist es ausgelebt; cs verklingt
Itise, fiir mich schön und harmonisch, hoffentlich auch ebenso
für meine gute Frau, meine lieben Kinder und meine treuen,
lieben Freunde. .
Ein Lieblingswunsch B’s, mit dem Blick aufs Meer sich zum
»Sterben zu legen, ist in Erfüllung gegangen, er starb am 6. Februar
1894 in Abbazia, die Wogen der Adria rauschten dem Sohn der
nordischen Insel den letzten Gruss. — Eine weihevolle »Stimmung
beherrscht den Leser der Briefe und derselbe wird Georg Fischer
zu grösstem Danke sich verpflichtet fühlen, dass er es trotz der
entgogonstehenden Schwierigkeiten ermöglichte, dass wir (um mit
bischer zu sprechen) auch über das Grab hinaus mit dem
Menschen Billroth durch seine Briefe innig verbunden bleiben,
an seinem Vorbild uns erfreuen können. Kehr.
Neoeste Jonrnalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 11.
Aufrecht: Acute Leberatrophie bei Sklerema neonatorum.
Verfasser beschreibt einen Fall von Sklerema neonatorum mit
ausgesprochener acuter Leberatrophie, eine Beobachtung, die bisher
noch nicht gemacht wurde. Das thatsächliche Bestehen der acuten
Leberatrophie ist hier erwiesen eineBtheils durch die klinischen
Symptome: Ikterus, Petechien, Eiweiss und Leucin im Harn, andem-
theils durch das Ergebniss der anatomischen and mikroskopischen
Untersuchung, welche eine Verkleinerung der Leber, Aufhebung der
regelmässigen Anordnung der Leberzellen, Kernschwund d. h. Co-
gulationsnekrose, Vacuolenbildung im Protoplasma, Blutaustritt in
die Lebersubstanz und das Vorhandensein von Bacterien in der
Leber ergeben hat. W. Zinn-Berlin.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 42. Band, 6. Heft. (Aus¬
gegeben am^lO. März 1896).
1) Husemann -Göttingen: Die Schlafschwämme und andere
Methoden der allgemeinen und örtlichen Anaesthesie im Mittel-
alter.
Die vorliegende Arbeit gründet sich auf das Studium einer
Anzahl von mittelalterlichen »Schriften, deren Ausbeutung für die
Chirurgie bisher unterblieben ist.
Die allgemeine Anaesthesie findet sich Bchon bei griechischen
und römischen Schriftstellern erwähnt. Sowohl Discorides als
Plinius geben an, dass Chirurgen das Absetzen von Gliedmassen
schmerzlos ausführten, nachdem sie den Kranken vorher einen
weinigen Auszug aus einer atropin- und hyoscyaminhaltigen
Solanee, den Bog. Mandragorawein, zu trinken gaben. Neben Man¬
dragora wurde im Mittelalter auch Opium als Betäubungsmittel vor
Operationen angewendet.
Schon bei Discorides wird das Riechen an Mandragorawein
als der innerlichen Verwendung gleichwirkend angegeben. Die prak¬
tische Verwendung solcher Dämpfe zu anaesthetischen Zwecken ge¬
hört dem Mittelalter an. Da zur Aufnahme der narkotischen Pflanzen¬
säfte ein »Schwamm benutzt wurde, so wird das Verfahren als das
der Schlafschwämme bezeichnet Das älteste Document über die
Scblafschwämme stammt aus dem Jahre 1100 und enthält die von
Nico laus Salernitanus gegebene Vorschrift (Antidotarinm
parvum). Auf diese sind alle späteren Vorschriften zurückzuführen
(Theodoricus von Cervia, Heinrich Pfolsprundt, Gil¬
be rtu8 Anglicus). In allen Vorschriften findet sich Opium,
daneben Hyoscyamus, Mandragora, Lactuca, Cicuta, Epheu. In
Ländern, wo die Mandragora nicht wuchs, wurde die Belladonna
verwendet.
Schlafschwämme für Personen mit Schlaflosigkeit wurden eben¬
falls zuerst in Salerno verwendet. Ebenso kommt der Salernitaner-
Schule die erste Anwendung der örtlichen Anästhesie zu Operations¬
zwecken zu: Kataplasraa aus Mohn, Bilsenkraut und Mandragora.
Nicht sicher erwiesen ist, ob im Alterthum der Lapis memphites
zur örtlichen Anaesthesie verwendet wurde.
2) Craraer: Beitrag zur Casuistik der subphrenischen
Abscesse und der Querresection der Niere. (Kölner Bürgerspital,
Bardenheuer.)
Von den beiden Fällen von subphrenischem Abscess war der
erste von einem Milzabscess, der zweite von einer Genitaleiterung
ausgegangen. Beide Kranke wurden durch die Operation geheilt.
Die Querresection der Niere kam zweimal bei Nieren-
tuberculose zur Anwendung. Bardenheuer glaubte sich zu der
Annahme berechtigt, dass die Tuberculose nur einen Theil der
Niere betraf. Weitere derartige Erfahrungen müssen abgewartet
werden. Der erste Patient starb bald nach der Operation, eine
Section wurde nicht gemacht. Der zweite Patient hatte nach
4 Monaten einen völlig eiweissfreien Urin.
3) Jottkowitz: Ueber Heilungsresultate von Unter-
schenkelbrfichen mit Bezug auf das Unfallversicherungsgesetz.
(Knappschafts-Lazareth Königshiitte.)
In Königshütte bestehen die denkbar günstigsten Verhältnisse
zur Behandlung von Unfallkranken. Krankenkasse und Berufs¬
genossenschaft greifen glatt ineinander, im Lazareth besteht ein
Zander’sches Institut, die Abschätzung der Arbeitsfähigkeit ge¬
schieht im Verein mit dem Vertrauensmann der Berufsgenossenschaft.
Bei 71 Unterschenkelfracturen betrug die durchschnittliche Be¬
handlungsdauer 116,3 Tage, von welchen 54,3 auf klinische und 62
auf medicomechanische Behandlung entfallen. Bei 39 bestand am
Tage der Entlassung völlige Erwerbsfähigkeit, bei 32 bestand noch
eine Erwerbsunfähigkeit von durchschnittlich 27 Procent.
Wegen der weiteren Zahlen muss die Arbeit eingesehen
werden. Krecke.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 10 und 11.
No. 10. Karl Dahlgren: Ein neues Trepanationsinatrumeut
Von der Ansicht ausgehend, dass die bisher gebräuchlichen
Trepane für temporäre Resection nicht ganz zweckentsprechend, der
Meissei durch Erschütterung nachtheilig, ja oft gefährlich wird be¬
absichtigte D. von »Stille ein Instrument hersteilen zu lassen’ das
nach Durchtrennung der Corticalis mit der Kreissäge die Tabula
interna durchtrennen sollte. Nach mancherlei Versuchen gelang es
Stille, ein Instrument herzustellen, das auch ohne vorhergegangen©*
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No. 12.
280 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sägen selbst das dickste Cranium so durcbschneiden lässt, wie man
es bei temporärer Resection beabsichtigt. Das Instrument hat das
Aussehen einer Zange, deren Schenkel sich nicht kreuzen, von denen
der eine gespalten, der andere (mittelst eines Gelenkes angebracht)
eine Art mit scharfen schneidenden Kanten versehenen Hacken
trägt, mit dem das Schneiden geschieht. Das in der Abbildung dar¬
gestellte Instrument ist einfach, kostet 83 M. Das Ausschneiden
eines grossen Lappens damit soll nur 3—4 Minuten dauern.
No. 11. Friedrich Bähr (Hannover): Zur Entstehung der
Scoliosis ischiadica.
Auffassung der Affection als einer statischen, so dass die Be¬
zeichnung «scoliosis statiea im Anschluss an Ischias» vorgeschlagen
wird. Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 11.
1) O. Witzel-Bonn: Extraperitoneale Ureterocystostomie
mit Schrägcanalbildung.
W. hat sein bekanntes Verfahren einer Schrägcanal¬
bildung, wie er dies für die Magen-, Harn- und Gallenblasen¬
fistelanlegung und für die Hydronephrosenoperation angegeben hat,
in einem Falle von Ureterocystostomie wegen Ureter-Scheiden¬
fistel mit Erfolg zur Anwendung gebracht. Wegen der Einzelheiten
der geistvoll erdachten Operation muss auf das Original verwiesen
werden. Der Erfolg war vollkommen; die neue Verbindung des
Ureters mit der Blase functionirte ohne jede Störung.
'/) S. Flatau-Nürnberg: Vagitus uterinus.
Beschreibung eines Falles von Schreien des Kindes im Uterus.
Dasselbe wurde gehört während der Wendung, die wegen Placenta
praevia vorgenommen wurde, und konnte von allen Umstehenden
constatirt werden. Das Kind kam asphyktisch zur Welt, erholte
sich aber bald nach Massage der Herzgegend. Da der Schrei in dem
Moment gehört wurde, als F. die Nabelschnur zwischen die Finger¬
bekam, so ist ihm seine Beobachtung ein Beweis dafür, dass auch
dieser erste Schrei, wie der extrauterine, Folge eines dyspnoischen
Zustandes der Med. oblongata ist.
3) Eherhart-Köln: Eine neue verstellbare Beckenhebe
Vorrichtung.
Tisch für Laparotomien mit Vorrichtung zur Beckenhochlagerung,
die nach beendeter Operation leicht entfernt werden kann, und das
Anlegen des Verbandes erleichtert. Jaff4-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 11.
1) Erb Heidelberg: Syphilis und Tabes.
Gegenüber einer Statistik von Storbeck (aus der Klinik von
Leyden, ref. d. W. 1896, No. 1), welche bei 108 Tabesfällen in
58 resp. 69 Proc. das Fehlen früherer Syphilis behauptet, publicirt
E. für weitere *200 Tabesfälle (bei Männern besserer Stände) sein
Ergebniss: 92,5 Proc. waren früher luetisch inficirt, nur 2 Proc.
sicher nicht syphilitisch. Wie schon früher, spricht sich E. auch
hier gegen die statistische Verwerthung tabeskranker Weiber sehr
entschieden aus, da bei ihnen der Nachweis früherer Syphilis schwer
zu führen sei.
2) Stüve- Frankfurt a. M.: Klinische und experimentelle
Untersuchungen über einige neuere Nährmittelpräparate.
Die Versuche, auf der Abtheilung von v. Noorden angestellt,
beziehen sich auf Sesamöl und Rahm. Ersteres wurde als ein
wegen seiner guten Bekömmlichkeit und seiner vortrefflichen Re-
sorbirbarkeit (circa 95 Proc.) sehr empfeblenswerthes, dabei billiges
Fett befunden, besonders auch geeignet für Kinder, Fiebernde,
Magenkranke. Bezüglich des Rahmes (zu sterilisiren!) ergab sich eben¬
falls eine sehr vollkommene Resorbirbarkeit. Die Fette empfehlen
sich besonders als Ersatz für den Leberthran. Die Resorbirbarkeit
vom Mastdarm aus ist für Sesamül höchst gering, für Rahm beträgt
sie 25 Proc.
3) Karewski - Berlin: Zur Behandlung der Spondylitis.
Vergl. No. 5 der Wochenschr.; Jahrg. 1896.
4) Han Bemann-Berlin: Ueber eine häufig bei Syphilis
vorkommende Veränderung an der Epiglottis.
Nach 55 Fällen manifester, zur Autopsie gekommener Syphilis
besteht die betreffende Veränderung darin, dass sich eine narbige
Anteflexion der Epiglottis vorfindet. Es handelt sich dabei aber nicht
um ein für Syphilis pathognomonisches Zeichen, sondern nur um
ein weiteres Beweismoment bei vermutheter Lues.
Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 12.
1) H. Leo: Ueber Gastroptose und Chlorose. (Aus der
medicinischen Univereitätspoliklinik in Bonn.)
Der von Mein ert vor einiger Zeit aufgestellte Satz, dass die
Chlorose in ursächlichem Zusammenhänge mit einer durch das
Tragen des Corsetts bedingten Gastroptose stehe, wird durch L.'s
Nachuntersuchungen dabin berichtigt, dass der CausalnexuB zwischen
Gastroptose und Chlorose zwar nicht erwiesen werden kann, das
Coreett aber bei dem in der Entwicklung begriffenen Körper immer¬
hin schädliche Wirkungen auszuüben im Stande ist.
2) Kolaczek-Breslau: Zur Narkosenfrage.
K. tritt in Anbetracht ihrer gefährlichen Nachwirkungen für
die Entbehrlichkeit der allgemeinen Narkose, sei es nun mit Aether
oder Chloroform, in gewissen Fällen ein und will an ihrer Stelle
die jaogenannte «halbe Narkose» oder Localanaesthesie, besondere
dar ßchleich’sche Oocaln-Infiltrationaverfahren in grösserer Aus¬
dehnung gehandhabt wissen, selbst für Laparotomien, Myomotomien,
eingeklemmte Hernien u s. w. Ueber einige so operirte Fälle wird
berichtet.
3) E. Stadelmann: Pockenrecidiv oder Varicellen und
Variola ?
Anschliessend an die erst kürzlich an dieser Stelle referirten
Berichte von Fürbringer und Vage des über die kleine Pocken-
epädemie in Berlin wird an einem in Dorpat beobachteten Falle
die Frage der Pockenrecidive erörtert und deren Möglichkeit nach¬
gewiesen.
4) Huber: Zur Verwerthung der Röntgen-Strahlen im
Gebiete der inneren Medicin. (Aus der I. medicinischen Uni¬
versitätsklinik in Berlin, Director Prof. v. Leyden.)
Demonstrationen in der Sitzung des Vereins für innere Medicin.
Berlin am 14. Februar 1896. Referat siehe d. W Nr. 8, pag. 187.
5) Eduard Müller-Hagen i. W.: Missbildung eines Händ¬
chens in Röntgen’scher Beleuchtung.
Das intra vitam anfgenommene Photogramm der Deformität
ergibt den Mangel sämmtlicher Handwurzelknochen, sowie einzelner
Phalangen.
6) R. Pfeiffer und W. Kolle: Zur Differentialdiagnose
der Typhusbacillen vermittels Serums der gegen Typhus im-
munisirten Thiere. (Aus dem Institute für Infectionskrankheiten
in Berlin, Dir.: Prof. R. Koch.)
Die Versuche Pfeiffer's, auch ausserhalb des Thierkörpers
die specifischen Eigenschaften des Typhusserums diagnostisch zu
verwerthen, scheinen durch das Beschicken desselben mit Typhus-
culturen ein einfaches, in jedem Laboratorium leicht auszuführendes
differential-diagnostisches Mittel von praktischer Bedeutung ergeben
zu haben. Die Details müssen im Originale nachgelesen werden.
7) P. Mayer: Ueber den Einfluss von Nudeln- und Thyre-
oidin-Ftitterung auf die Harnsäureausscheidung. (Aus der mcd.
Klinik des Prof v. Jak sch in Prag.)
Die angeführten Versuche bestätigen die bisherigen Angaben,
Wonach durch Thymusfütterung die Harnsäureausscheidung gesteigert,
durch Thyreoidin dagegen nicht beeinflusst wird. NucleYnfütterung
bewirkt eine bedeutende Vermehrung der Leukocyten.
8) F. Mainzer: Vorschlag zur Behandlung der Ausfalls¬
erscheinungen nach Castration.- (Aus Prof. L. Land au's Privat-
Frauenklinik in Berlin.)
Durch Darreichung von Ovarialsubstanz, circa 3 Wochen lang
2mal täglich 5—20 g, konnten die nach doppelseitiger Ovariotomie
eintretenden lästigen Symptome der Climax praecox beseitigt werden.
Zu Nachversuchen wird aufgefordert.
9) Ludwig- Frankfurt a. M.: Fall von wochenlanger Blutung
aus der Harnröhre nach Injection einer 0,7 proc. Kali hyper-
manganicum-Lö&ung.
Der Fall ist hauptsächlich interessant durch die starke Aetz-
wirkung des sonst als ziemlich harmlos bekannten Mittels und fordert
zu erhöhter Vorsicht bei dessen Dosirung (höchstens 2°/oo) auf.
F. L.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Origi nal bericht.)
Sitzung vom 18- März 1896.
Discussion über die Vorträge der Herren Abel und
Mackenrodt.
Herr Gottschalk hält daran fest, dass es Fälle von Retro¬
flexio uteri gibt, die nicht anders als operativ behandelt werden
können und er wendet zuweilen das Mittel der künstlichen Ver¬
kürzung der lig. sacro-uterina an.
Die neue Indication Abel's zur Porro'sehen Amputation
des Uterus kann er nicht anerkennen, die Sectio caesarea und
Lösung des Uterus würde nach seiner Meinung auch genügt haben.
Im Uebrigen hält er Abel s Stellungnahme gegen den «Furor
operativus » für völlig gerechtfertigt.
Herr Dührssen ist im Gegentheil der Ansicht, dass man viel
öfter operiren muss, als es nach Abel’s Darstellung berechtigt wäre.
Herr Landau: Die Retroflexio uteri mobilis ist zu allermeist
kein locales, sondern ein allgemeines Leiden, eine Theilerecheinung
einer allgemeinen Enteroptose, eines Leidens, das sich bei
Frauen, die geboren haben und etwas schlecht genährt sind, häufig
findet. Während es aber noch einen Sinn hat, z. B. eine Wander¬
niere festzunähen, um beispielsweise Ureter-Knickungen undI d'en
Folgen dieser Affection zu begegnen, so ist es völlig unverständlich,
warum man einen beweglichen retroflectirten Uterus, also ein von
Natur aus bewegliches Organ, festnäben will. Zu der Zeit, als n och
eine Anteflexio uteri in den Köpfen der Gynäkologen existirte, oa
hat man auch diese operirt, bis Schultze nachwies, dass ein be-
• weglicher anteflectirter Uterus gar keine Krankheit sei. Kaum war
aber diese Periode überwunden, so ging man gegen die Retroflexio
uteri in der Weise vor, dass man den Uterus durch Vaginofixation
vorne festnflhte, also gerade Dasjenige heretellte, was man früher
als krankhaft bekämpft hatte. Die Vaginofixation sei übrigens auch
schon von einem ihrer Väter wieder aufgegeben. Die Ventroflxation
24. März 1896.
wurde von Olshausen seinerzeit eingeführt und dabei die weise
^nzu wenden*^ empf ° hlen ' öie DUr in Bonst ‘trostlosen Fällen.
Herr Olshausen: Die von Landau gezogene Parallele 7W i
sehen Ante- und Retroflexio Uteri sei denn doch nicht durchführbar
D.eAnteflexiosei ein physiologischer, die Retroflexio uteri ein
pathologischer Zustand. Auch die nicht complicirte Retroflexio mache
zuweilen ernste Beschwerden die sich nicht immer am Uter“s ab
Zuspielen brauchen, r. B Kopfschmerzen, Magenbeschwerden u dgl
u Yi DD “ ögllch ’ . 8 ? lle , man diese Fälle orthopädisch (Ring)
behandeln; doch gäbe es sicherl.ch eine Anzahl, die nur operativ
behandeU werden können Doch würde hier in der That noch viel
fach übertrieben, sowohl bezüglich der Indication als auch bezüglkh
der Befestigung, die oft viel zu fest ist uezugucn
Dass man einen krankhaften Process durch einen anderen
krankhaften, aber unschädlichen ersetzt, das komme in derart
hohen Thätigkeit oft genug vor. Die Indication zur Ventrolixation
schränke er heutzutage übrigens keineswegs mehr so enge ein wie
vor 12 Jahren, als er diese Methode bekannt gab B ’
_ Herr Virchow macht darauf aufmerksam, dass hier vielfach
«pathologisch» im Sinne von «krankhaft» gebraucht worden sei
was nicht ein und dasselbe sei. 8ei >
• v.» H ^ rr Lan u a j- b ?J ont nochmals, dass wir in vielen Fällen gar
nicht wissen ob die Retroflexio uteri mobilia ein physiologische?
whInS? k ^ ft i terZU8tÄnd *?■ Cons t quent habe wenigstens Sänger
gehandelt, indem er neuerdings auch die beweglichen Ovarien fest-
H. K.
J ÜÜNCHENER MEDICINISCHE W OCHENSODPTP-t
281
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 16. März 1896.
In der Discussion über den Vortrag des Herrn Heinemann
d“'? h sk n i S ü h ber Be d h te n vir n| *- der w- e t krankheiten) Spricht Herr Zablu ‘
• aber ,. die gUnst ige Wirkung der Massage in den Fällen
welche eine active Gymnastik nicht zulassen, und Herr A Frünkel
fi™i«? e8Ul ? a , te > welche Dam entlich bei Herzneufo n m
vo y n Leuten^ 11 A,, I Uhrlich ™de « von einer Anzahl
HerzmtSie S " name , nthch Aerzten, consultirt, welche an
leS^fVteti n d i? angei ;, ehmen Sensationen in der regio cordis
schebeS S dGS H f:f^! Stand . e s); dies listige, aber an
TIpKimno imi ^ er ungefährliche Leiden wird meist durch körperliche
heirj 5 , UDd . vernünftige Lebensweise beseitigt. Was di? Bäder
w f°H 8ei “ ja aUS8er Frage > dass ln SaSefm
Ansicht Lr r deD .' der heutzutage aber vielfach gehörten
krankheitenseTÜiÄ“ ll “ , ? f el gege “. aIIe möglichen Herz¬
würde er niemals Ieufe mit nich ». anschliessen; insbesondere
schicken. Leute m,t Compensationsstörungen nach Nauheim
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 17. Februar 1896-
im pSl! 6 t S ?- y 1 ® r de,nonstrirt Photographien, welche
Ebert von H " ^ Stltut unter Leitung von Herrn Professor
sind, darunter nlüLntrV “’t K J, ntgc n * S fcra b 1 e n angefertigt
Unterschenkels ^ f hch ein 1)01 Durchstrahlung eines amputirten
KraS w I yteDeS , Bild - Derselbe ™ - städtischen
Daboi stellten J ec,dmrendcn Fibrosarkoms entfernt worden.
he£ Bewert ^ sk,erotisch ™ d -kalkt
Durchstrahlung traten f Ick ° Wadenmusku,atur vorgenommeuen
Tibialarterien ^Is * d f Platte ganz deutlicb die verkalkten
hervor und auf de/pif ^ Bänder zwiscben den Knochen
charakteristischer Sehten^ 3,8 dunkle Streifen von
wechselnder Dunkelfirh 6 g U . nd JC nach dcm Kalk 8 ehalt
diese Weise ArtariK^“ 8 ZU erkennen - Die Möglichkeit, auf
an der Aort™ ^ Gefiissen > vielleicht auch
U1 >d damit vielleicht 6186 * 1 ^ k ® n ! ien ’ dürfte danach gegeben sein
(Auch beim Lebenden IT mcbt ! g ? Erweiterun g dcr Diagnostik.
West h UDS 8eitdem ^ Nachweia gelungen.)!)
der Uteruss^hleimhaut^nR Regenerati onsvorgänge in
Vortragender hat ™ ® ez j eh ung zur Menstruation.
p 1 e m m i n g ’ sc h Pr pi,, 5 °, 8ckledene > möglichst normale, mit
Ta gen der Menstruation 3 ' 6 Hterusschleimhäute von allen
sichtigung der Mim* U0 deS Dttenralls m ' 1 besonderer Berück-
Äd”’ CUret “"™ t8 - 6
11 «»Cheint ausführlich in dieser Wochenschrift.
-Ätät -
bis etw°a m sum T ;T ■?" “.t'“ durch Zellthcilung
theilu!« an T * C V ' CP ' U,kt ”” d ^“mässigstc Vor
fast ein? f - 1 L \r ' 0m 18 ‘ Tage ab E P>thel und Drüsen
^«ÄLT ' "" Bi " dCgeWObc "*•»« '»»»der.
Durch die Blutlacunen werden hei der Menstruation Enithel-
V S"" ^‘haftenden Stromaparthien abgehoben und in ihrer
1?’ 1 ^'"^vht.gt (Trübung des 1‘rotepla.smas, VeZ Z
ich 6 S r C f ^ f iC kÖDnen abgesto88en -erde 6 ’
oder sich wieder anlegen. Durch letzteren Vorgang und durch
Verschiebung der sehr beweglichen oberen Thcile der Drüsen findet
^ orst ZZZ
Die Regeneration des Obcrflächencpithcls geschieht zumWesent-
hchen von den Drüsenhülsen aus, man findet aber auch einzelne
Mitosen in der Mitte zwischen 2 Drüsenmündnngen.
Im «Stroma finden sich besonders zahlreiche Mitosen in der
subcpithelialen »Schicht.
auf 7oLf'T nStrUalC S l' 1W0llung «Schleimhaut beruht nicht
auf Zellvermehrung, sondern besteht in einem serösen Erguss
zwischen die Stromaze len und «Schwellung und schleimiger Secretion
Sch ein E| ,e Ze en- Die ,,ienstruelIc Hyperämie tritt dann
Der Vortrag wird ausführlicher veröffentlicht werden.
1 rot. Flemming demonstrirt mit Formaldehyd-Alkohol
conservirte menschliche Gehirne. Bei Anwendung reinen
verdünnten Formaldehyds, wie sie von Born u. A. empfohlen
ward ist bekanntlich die starke Quellung störend. Kürzlich haben
I arker und Floyd (Anat. Anzeiger 1895, 28. September)
empfohlen ein Gemisch von Alkohol (6 Theilc) und verdünntem
(2 proc.) hormaldehyd (4 Theüe) anzuwenden, wobei die Quellung
fast ausblcibt. Die Genannten scheinen bisher nur an «Schafs¬
gehirnen experimentirt zu haben; es war also fraglich, ob hei dem
voluminöseren menschlichen Hirn die Conservirung ebenso gelingen
würde. Der Vortragende hat zunächst zur Vorsicht die Lösung
weit stärker an Formaldehyd genommen, dieser wurde etwa halb¬
verdünnt (che 40 proc. Lösung) mit Alkohol zu etwa gleichen
The,len gemischt. Hierin 3 Wochen eingelegte Menschenhirne
sind prachtvoll conservirt, vorzüglich schneidbar, und zeigen die '
Diffcrenzirung von Grau und Weiss so schön wie sie nur ge¬
wünscht werden kann. Mit Versuchen, ob auch verdünntere,
d. n. an hormol ärmere Lösungen das Gleiche leisten, ist der
Vortragende beschäftigt.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 21. März 1896.
Semesterschluss an der Wiener medicin. Facultät. —
Eine Muster-Sanitätsanstalt. — Enquete über ein neues
Unfallversicherungsgesetz. — Noch einmal der Lehrer¬
hausverein. — Vom Pensionsinstitute des Wiener medi-
cinischen Doctoren-Collegiums. — Wittwen- und Waisen-
Societät. — Ein Sanitätscorps bei Eisenbahnen. — K.
k. Gesellschaft der Aerzte.
Das Wintersemester 1895/96 ist zu Ende, die Universitäts¬
ferien, welche bis einschliesslich 16. April 1. J. andauern, haben
begonnen und cs lohnt sich, einen kurzen Rückblick auf die Fre¬
quenz unserer medicinischen Facultät zu werfen. Die Universität
zählte an allen 4 Facultäten 7012 Hörer, von welchen auf die
medicinische Facultät entfallen : 1727 ordentliche, 465 ausser¬
ordentliche Hörer und 998 Frequentanten, in toto 3190. Von
diesen entfallen wieder auf das Inland (Oesterreich-Ungarn) 2454,
während der Rest sich aus dem Auslande recrutirte. Bayern
stellte 1 ordentlichen, 1 ausserordentlichen Hörer und 17 Fre¬
quentanten, ■ zumeist Aerzte, welche einzelne Specialcurse belegten.
Die russische und die amerikanische Colonie waren auch im letzten
Semester ziemlich stark, wir zählten 147 Russen, 197 Amerikaner,
selbstverständlich wieder zumeist Cursisten. Auch Prensscn war
noch mit 45 Hörern resp. Frequentanten bei uns vertreten. Die
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282
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Zahl der ungarischen Medieiner hat im Verlaufe der letzten Jahre
stark nachgelassen, sie erreichte sonst fast die Hälfte aller
Medieiner. betrug aber im letzten Semester bloss 33 I, von welchen
90 wieder nur als Frequentanten verzeichet sind.
Es braucht an dieser Stelle wohl kaum des Weiteren aus¬
geführt werden, dass die I) e s i n f e c t i o n n a c h anst c e k e n d e n
Krankheiten eine der wichtigsten prophyluetischen Maassregeln
eines geordneten Gemeinwesens darstelle. Wir verzeichnen cs
darum mit Vergnügen, dass letzthin die Errichtung einer Sanitäts-
Centralstation im II. Bezirke Wiens genehmigt wurde, welche für
künftige ähnliche Bauten als Muster gelten soll. Diese Anstalt
wird mit allen Anforderungen der Neuzeit ausgestattet werden.
Von hier aus soll sowohl der gesannnte Krankentransport als auch
das IJesinfcctionsgeschäft für 4—5 umliegende Bezirke besorgt
werden. Das eigentliche Desinfeetionsgebäude ist von den übrigen
Objecten vollständig isolirt und mit einer eigenen Zufahrt für
die Wagen mit infieirten, ebenso mit einer Abfahrt für die Wagen
mit bereits dcsinficirten Gegenständen versehen. Sehr zweckmässig
und jode Gefahr einer Krankheitsverschleppung vollkommen aus-
scldiessend, ist der Desinfectionsraum ausgestattet. Um diese
Anstalt herum gruppiren sich die Gebäude, welche für Zwecke
des Krankentransportes bestimmt sind.
Eine ähnliche Anstalt, jedoch in kleinerem Maassstabe be¬
findet sieh bereits im IV. Bezirke Wiens, welche für 4 Bezirke
bestimmt ist, und für weitere 4 neu ein bezöge ne Bezirke ist die
Errichtung einer 3. Desiufectionsanstalt in Aussicht genommen,
8o dass mit der Zeit allen bezüglichen Anforderungen —
10 000—12 000 Dampfdcsinfcctionen jährlich — entsprochen
werden dürfte. Selbstverständlich wird dann auch die Zahl der
städtischen Sanitätsaufseher und Desinfectionsdiencr bedeutend
erhöht werden müssen.
Die Wiener Aerztekammcr beschäftigte sich jüngst mit dem
Referate über eine von der Aerztekammer für das Königreich
Böhmen an die Wiener als gesehäftsführende Kammer gerichteten
Zuschrift, in welcher angeregt wird, die Acrztekammern Oester¬
reichs mögen dagegen Stellung nehmen, dass bei der Ende des
Vorjahres stattgehahten Enquete über ein neues Unfallsversiche¬
rungsgesetz kein Dclegirtcr der Acrztekammern zugezogen
worden sei. Es wurde beschlossen: 1. Die Resolution der böh¬
mischen Aerztekammcr wird allen Acrztekammern übermittelt. 2- Die
Wiener Aerztekammer bestellt einen Referenten , der die geplante
Reform des Unfall Versicherungsgesetzes und deren Beziehung zu
den ärztlichen Interessen zu studiren und darüber zu berichten
habe. 3- Die Beschlussfassung wird bis zur Erstattung des Re¬
ferates vertagt. 4. Von diesem Beschlüsse sind alle Aerztekaui-
mern Oesterreichs zu verständigen.
Inzwischen erfahre ich, dass einige Acrztekammern Oester¬
reichs von ihren Statthaltereien zur Nominirung eines Delegirten
für die besagte Enquete bereit« aufgefordert wurden — die Wiener
Aerztekammer von ihrer Statthalterei bislang noch nicht, offen¬
bar, weil der Weg von der Herrengasse in die Börsengasse ein
allzu weiter ist. Jedenfalls ist damit wieder ein, wenn auch vor¬
derhand. bloss moralischer Sieg der Acrztekammern zu verzeichnen.
Das Unfall Versicherungsgesetz tungirt doch gewiss die Thätigkeit
der praktischen Aerztc und sie haben cs durchgesetzt, dass sie in
einer bezüglichen Berathung »Sitz und Stimme haben. \
In Bezug auf das von mir bereits zweimal besprochene An¬
suchen des Lehrerhaus-Vereines um Uebernahme der ärztlichen
Beliandlung der Vereinsmitglieder gegen ermässigtes Honorar (siehe
No. 8 und 9 dieser Wochenschrift), wurde vor einigen Tagen allen
kammerpflichtigen Aerzten Wiens eine diesbezügliche Resolution
der Wiener Aerztekammer zur Darnachriehtutig zugeschickt, welche
lautet: «Die Versicherungs-Abtheilung des Lehrerhaus-Vereins hat
zu Beginn dieses Jahres an einzelne praktische Aerzte eine Zu¬
schrift wegen Herabsetzung des Honorars gerichtet. Weiters hat
der Vorstand der Wiener Aerztekammer von dem Inhalte eines
Uebereinkommens zwischen dieser Anstalt und den von ihr zu
bestellenden Control-Aerzten Kenntniss erlaugt. In jener Zuschrift,
welche allerdings seither zurückgezogen worden ist, und in diesem
Uebereinkommen erblickt der Vorstand der Wiener Aerztekammer
eine bedauerliche Geringschätzung des ärztlichen Standes; er
speicht daher die Erwartung aus, dass die Wiener Aerateachaft
sich gegenüber den Anträgen der Versicherungsanstalt, dos Lehror-
haus-Vereines ablehnend verhalten werde».
Auch das Pensions-Institut des Wiener modicinischcn
Ductoren - Collegiums, eine kaum zwei Dccennien laug bestehende
Institution, hielt in diesem Monate ihre ordentliche General¬
versammlung ab. Die Anzahl der Mitglieder beträgt 157, das
Vermögen belauft sieh auf ruml 500 000 fl- Das Institut zählt
bereits 22 Pensionäre, was im Vorjahre bei der mit G00 fl. be¬
messenen Pension 13 200 fl. erforderte. Der zur Verlesung ge¬
brachte Rechenschaftsbericht des Präsidenten schloss mit folgenden
Worten: Lassen Sie mich mit dem Wunsche sehliessen, dass nament¬
lich nach Genehmigung der neuen, bedeutende Erleichterungen
des Eintrittes gewährenden Statuten unserem Pensions-Institute
viele jüngere Mitglieder beitreten mögen. Die (’ollcgen werden
dadurch dem Institute eine Erweiterung bringen, ihre Zukunft
sichern und die Interessen des so schwer geprüften ärztlichen
»Standes in wirksamster Weise fördern helfen !
Die Wittwen- und Waisen-Socictät hielt ebenfalls in dieser
Woche ihre Generalversammlung ab. Dieses ungemein segensreich
wirkende Institut zählt ‘341 Mitglieder. Im Vorjahre gelangten
an 179 Wittwen und Waisen die Summe von 125 278 fl- zur
Auszahlung. Die Jahreseinnahmen beliefen sich auf 174 057 fl-,
die Ausgaben betrugen 140 677 fl-, so dass eine Ersparnis von
33 3S0 fl- resultirte. Der Vermögensstand der »Societät beträgt
2 633 250 fl- Die Höhe der Pension für je eine Wittwe wurde
für die nächsten 5 Jahre mit 700 fl- festgesetzt.
Eine nachahmenswerthe Vorkehrung hat die Verwaltnng der
Kaiser Ferdiuands-Nordbahn (Wien-Oderberg etc.) getroffen, näm¬
lich die Errichtung von Sanitätscorps, welche die Aufgabe haben,
innerhalb des Dienstbereiches ausser bei Eisenbahnuirfällcn auch
zur Hilfeleistung bei sonstigen Verletzungen und plötzlichen Er¬
krankungen die am betreffenden Orte thätigen Aerzte zu unter¬
stützen, den Transport der Verletzten zu bewerkstelligen und die
Begleitung und Wartung derselben zu übernehmen.
.Jedes Sanitätscorps besteht aus mehreren Gruppen, jede
Gruppe aus U) —12 Mann und gliedert sich in Sanitätsgehilfen
und Sanitätsdieuer mit je einem Gruppenleiter (Beamter oder
Unterbeamter). An der Spitze steht der Oorpsarzt.
Die Ausbildung der Gruppenleiter besorgen die Bahnärzte,
die Abriehtung der Mitglieder die Gruppenleiter. I)ic Bahnärzte
sondern das beigestclltc Material nach seinen Qualificationcn, der
('orpsarzt stellt alljährlich einmal mit den einzelnen Gruppen
l ’ebungen an. Eine lichtblaue Binde mit Stern und Buchstaben
macht diese Helfer dem Publicum und auch nach ihrer Heimaths-
station kenntlich. Vorerst werden in den auch mit Rettungs¬
wagen dotirten Stationen Wien, Lundenburg, Prcrau, Mährisch-
Ostrau, Bielitz und Krakau derartige Sanitätscorps errichtet.
Die k. k. Gesellschaft der Aerzte hielt am 20- ds. Mts.
ihre feierliche Jahressitzung ab, in welcher auch die Wahlen von
Functionären und Mitgliedern vorgenommen wurden. Gewählt er¬
schienen : zu Ehrenmitgliedern Behring- Halle , II c g a r - Frei¬
burg, Hering- Leipzig und Kuapp- New-York ; zu correspon-
direnden Mitgliedern K n o 11 - Prag, Felix M a r c h a n d - Marburg,
Orth- Göt tingen, Pr ies 11 ey S uii t h - Birmingham und Ziegler-
Freiburg. Ausserdem wurden 37 Wiener Aerzte zu ordentlichen
Mitgliedern der Gesellschaft gewählt, so dass diese derzeit schon
502 ordentliche Mitglieder zählt. Das laufende Vereinsjahr ist
das sechzigste, und war, wie der Secretür Professor Bergmeistcr
in seinem Jahresberichte constatirtc, das eben abgelaufene Vereins¬
jahr ein für das geistige Gedeihen und die materielle Sicherung
der Gesellschaft überaus erfreuliches. Zum Schlüsse hielt Pro¬
fessor Sigmund Exner den angekündigten Vortrag über die
Function der Haare.
Verschiedenes.
(Undurchdringlichkeit der Augenschichten für die
Röntgen-Strahlen.) Darier berichtete in der Pariser ophthal-
mologischen Gesellschaft (Sitzung vom 3. März 1896) über eine Reihe
sehr interessanter Versuche, welche er bezüglich der Durchgängig¬
keit der verschiedenen Augenschichten für die Röntgenstrahlen
machte, und zeigte auch die bezüglichen Photographieen. Trotz
halbstündiger Einwirkung erwiesen sich die Augenschichten, welche
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24. März 1896.
so leicht vom gewöhnlichen Licht durchdrungen werden fn.
Röntgenstrahlen sehr wenig durchgängig Die Tinfe S’ fQ ^
weniger wie die Hornhaut, welche schon^eine sehr Trinl p n ° ch
büität zeigt, ebenso wie Sclera, Retina und Chorioidea T»« Sf rmea ;
hat gar keinen Einfluss auf diese Strahlen d ’ das ^gnent
(Aerztliche Prüfung von Ausländern! r. , '
Schliessung des k. bayer. Cultusministeriums wide im JuH um
bestimmt, dass künftig ausländische Candidaten der uJ ■ 18 , 94
ein Gymnasial-Absolutorium nicht besüzen und aneh
sicht haben, in Deutschland sich als Aerzte u* i b '
füllung der sonstigen Voraussetzungen zur ärztlichen K,’ ^ E *'
lassen werden können mit dem Vorbehalte dass sie tü j?*
Bestehens der Prüfung lediglich eine Bescheinigung deT Prüfung
comraission hierüber, nicht aber die AnnrnhaH« i * -”“ fun gs-
Im Interesse eines gieichmtoSeVvoÄd'SS
iS” - -
ÄÄL"habms J3»Sf e““"^
Therapeutische Notizen.
ÄsSÄh e r*7r £: ä
storbenen 40 Pm, d n» he der «besserten ITProc., der Ge-
Geheiken 2hU der* ü nÄWSP**? « Pr ? c ‘ Von dauernd
Hereditär Ästetwaren u■ wu*?* 12 Ä der üUe8te 47 Jahre,
jedem der GdätS m W beJastet 7, durchschnittlich wurden
er ueneiiten 115/ mg Tuberculin einverleibt.
Vortnge a ndcr le dS r ki e Tne f n e 'n I " J 6 nV° n , S do 3 e n »"betrifft, so hält
selben zSmeist von beln D ° 1 > 8en < 1,0 t ‘ /!0 f 'ir zwecklos, da die-
als zum T-ioii ° D * ieiner Reaction begleitet sind und er letztere
tritt bei fortge"ftzter'iniection^ki'- C *\ era ,? tet - Ab « esehen davon
Strang des Or»S™«« ÜS? \ klle |i? 8 t er Dosen S ern eine Immun!-
überliaupt keine Temnfnftf 1 c *® 8 Tubercul,n ein . so dass später
Die Dosis soll vielmehr '"f T' T- nge “ mehr zu ««Wen sind.
8o gewählt werden Ae ’ - G Ca , S Hoch schon früher betont hat,
Reaction'erfolgt• tTW’u wenn aucb nicht zu hohe
frühzeitige Gewöhnung 1n ailch a ) lzuh o he Beactionen können eine
Vor ci. n ° g das Tuberculin im Gefolge haben,
forderlich, vor 0 einer 1 e I* 6 r L re * 8ein ! es ist dcsshalb er-
länger fortgesetzte 9—q j, d 1 n ^J pus der Körperwärme durch
Dosis für die Probe Inieetinn n *jl lche Messungen festzustellen. Die
Zwischenräumen ajführt zweckmü881 X in *“ 3 tägigen
dass die Temperatur e»«? 1 bet 8gt ® m S- Hierbei ist zu beachten,
Das ? gerUng auch Nachts eintreten kann,
Phthisiker legt* VOTtraeemlo d % Tuberculinbehandlung bacillärer
einzelnen,vorliegenden i“ f ,, die Iadlvid ualisirung des
wochenlange BeobaclUnn/ ? »*!■ es ' Es 8 nt durch nöthigenfalls
vermögen, sein Temneram« 1" Patle X en studiren, sein Emährungs-
schiedensten ÄnÄ 6 Erregbarkeit auf Reize der ver¬
mische und eventuell L J' t ? rung , u ' der 8 b prüfen, die mikro-
zitihen. Erst aus dem Frcoh t ® n °i® gl8Che Unter suchung zu Rathe
sich dann ein Schluss ziehen dl ^ S tf 8ämmtlicben Factoren lässt
erscheint oder nicht fe ° b der Fal1 zur Tuberculin-Cur geeignet
tSÄUS»*
Hgggg ™ MEDICINISCHE WOCggNSCHKIFT
283
lieh reagirendeVhtWsiker^nen schneller. ' 8t d ^ r . An8icht > das s deut-
” ha S^^
Ä z b u7en n ÄrD e e r tt aUf ?? V 1
und der SammeÄu^^'C^he W mit 142 Tage“)
335 Tagen) zu denken ^bt ™erculm behandelte Fälle mit
schnittliche Zunahme des Fort!™ *!!. abzi } brec hen. Die durch¬
geheilten Fällen während eTnefp 1 '^ be ' äUft sich bei d ^ 21
59 Tagen auf 13*/ 2 Pfund auf den Kop^ darch ^lich
Sätze Ä!n: fa88tSeine Aus * Qbrun 8 en schliesslich in folgende
richtiger^ruiividusdisirungd d ^ deF E u . n 8 en8 chwindsucht ist bei
ungefährlich S Slgraic“ ’ ^ ke ’ De ^“PÜotion besteht,
Tu bercul^-Cur* durdT hygfenisch-diäteüsche 11811 )) tr'u d V ° r Begl ' nn der
lung nach Möglichkeit zu beseitigen “ khmaÜ8cbe Beba nd-
früher der Fall war. 8Icnerer und angenehmer erreicht, als es
ha„dlS ) ng D r 8 r t SchfÄffeÄ UDkt gGgenÜber dCr Tuberculin - B -
Tagesgeschichtliche Notizen.
«lass eine reine , n nun d,e Untersuchung «
Misch-Infection nich^dS*!,, bezw ‘ dass eine vorhandene
von der TubercS BehaÄJ T***? b ® herrscht - 80 kann man
Wogegen Mi sch .j f 8ha ° dlan g- nu , r d f ßeste erwarten. Stehen
so lange als ungeeignet 2 » y° rd ergrunde, so ist der Patient
d >e Secundär-Infection 8pac ' fi8aben Behandlung anzusehen, bis
durch die klimatisth-diftitiih« T f ^ e8 t) W ! rd sich noch am ehesten
In geeigneten Falle v, e . Anstalts Behandlun g erreichen lassen.
Erfolg eine Reactiorf so n wid 8 Ip nt r. V °- rtr w gender die Cur mit 1 m 8-
a bgeklung en ist; erfolgt ke no r‘ 6 ?- 0sis b eibehalten, bis das Fieber
enoigt keine Reaction, so wird die Dosis gesteigert,
die il rzt h ch e n *E h rc nger i c h t Um lag e re c h t und dfe Kassef de^
verfangt wurde T“ U - nd T de ” preuiLhln Aerzten S
staatHche Fi ith.nn 0rga "'u' rt d ' 6 ärzllichen Ehrengerichte als eine
steht dfeSr u/ P .’ W6 Ch ® unter der A u f8 'chfc des Oberpräsidenten
nl f, ! auch lm ehrengerichtlichen Strafverfahren durch
v, f , f , lgteu vertreten. Dem Ehrengericht hat ein richter
liches Mitglied eines ordentlichen Gerichtes anzugehören welches
als Unterenchungseommissär zu bestellen ist. Die*Anklage vertritt
.1urcif ea - Uftra R te u 68 OI,er Präsidenten. Der Angeklagte kann sich
fn W« 1 *® chtsan '™ lt 1 vertreten lassen. Die Strafen bestehen
danernder ng Entri^ 8 ’ G ® ldßtrafe . bis 3000 Mk. und zeitweiser oder
dauernder Entziehung des activen und passiven Wahlrechtes
fchebte 6 ka b" a . uf Veröffentlichung der ehrengerichtlichen Ent-’
Scheidung erkannt werden. Als 2. Instanz wird ein < Ehren-
g !:tS'. ernc h tet . de r aus dem Director der Medicinalabtheilung
des Ministeriums der Medicmalangelegeuheiten oder in dessen Ver g
hinderung aus dem rechtskundigen Mitgliede dieser Abtheilung als
Vorsitzenden, ferner aus 3 ärztlichen Mitgliedern der wissenschaft¬
lichen Deputation für das Medicinalwesen und aus 3 Mitgliedern
y Acrztekammeraussclnisses besteht Die beamteten Aerzte und
aanitätsofficiere unterliegen dem Ehrengericht nicht, jedoch kann
dieses der Vorgesetzten Behörde des Arztes unter Uebersendung der
Verhandlungen zur weiteren Veranlassung .Mittheilung machen
Von stimmen der preussischen Fachpresse über den Entwurf
liegt uns bisher nur eine Aeusserung der Berl. klin. Wochenschrift
vor, welche schreibt: «Nur das Eine sei heut schon anerkannt, dass
wir hier einer Arbeit von grösster .Sorgfalt und eingehender Ver-
tiefung in die ärztlichen Verhältnisse geeenüberstehen, die jedenfalls
die Leberzeugung erwecken muss, dass sie zur Hebung unseres
Standes bestimmt ist. Wir haben so lange nur Versprechungen und
Zukunftshoffnungen gehört, dass wir jeden Versuch einer positiven
Leistung, auch wo Einzelnes anders gewünscht werden möchte
freudig und dankbar begrüssen müssen». Da die genannte Zeit¬
schrift Erweiterungen der Disciplinarbefugnisse der Aerztekammern
bis vor Kurzem abhold war, so kann ihre sympathische Beurtei¬
lung des Entwurfs als charakteristisch für die unter den Berliner
Aerzten eingetretene Meinungsänderung betrachtet werden.
Von den bayerischen Bestimmungen unterscheidet sich der
preussische Entwurf weit. In Bayern liegt die Discipliuarbefugniss
bei den Vereinen und besteht lediglich in dem mit Mühe und
Noth errungenen Recht der Vereine, ein unwürdiges Mitglied auszu-
schliessen. Trotzdem wird man in Bayern den preussischen Collegen
ihre neuen Befugnisse neidlos gönnen, so lange nicht durch die
Erfahrung der günstige Einfluss dieser auf die zweifelhaften Ele¬
mente des ärztlichen Standes erwiesen ist. Da wir jedoch an die
Besserung solcher Elemente durch Geldstrafen nicht recht glauben,
so genügt uns vorläufig das Recht, die Vereine von denselben zu
säubern und dadurch auch nach Aussen hin zu zeigen, dass der
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284
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
ärztliche Stand die Gemeinschaft mit unwürdigen Mitgliedern von
sich weist. — Wir werden den Entwurf in der nächsten Nummer
zum Abdruck bringen.
— Das preuss. Abgeordnetenhaus hat in der Sitzung vom
16. März den Gesetzentwurf betreffend die Aufhebung der im Ge¬
biete der Monarchie bestehenden Taxordn ungen für appro-
birte Aerzte und Zahnärzte ohne Debatte angenommen
Ebenda wurde der Antrag des conservativen Abgeordneten v. Hil¬
genheim, die Regierung um Einführung des Schulzwanges
für taubstumme Kinder zu ersuchen, nach kurzer Debatte
angenommen. Ferner wurde bei Berathung einer Interpellation
über die Einschränkung der Viehseuchen amtlich erklärt,
dass die Schutzimpfunggegen den Roth lauf der Schweine
sich nicht bewährt habe, da bei der Impfung viele Thiere eingingen.
— Tu b erculin-Impf u ng der Rinder. Am 14 März
Unterzeichnete der Präsident Faure ein Decret, wornach alles in
Frankreich eingeführte Rindvieh, welches nicht sofort dem Schlacht¬
hofe zugeführt wird, einer Tuberculinprobe unterworfen werden
muss. Ueber die Motive dieser Maassregel wird nichts mitgetheilt;
da kaum anzunehmen ist, dass die in Frankreich, ähnlich wie in
anderen Ländern, weitverbreitete Rindertuberculose auf den Import
ausländischer Thiere zurückzuführen ist, dürfte die obligatorische
Tuberculiu-Impfung, die überdies häufig im Stich lässt, eher den
Zweck haben, die Einfuhr der Rinder zu erschweren und die ein¬
heimische Viehzucht zu schützen.
— Auf der Berliner Gewerbeausstellung wild vom Vorstande
der Untergruppe ‘Krankenpflege» eine vergleichende Uebersicht von
Krankenpflege - Utensilien zur Vorführung gebracht werden; die
Herren Aerzte, welche geeignete Gerätschaften der Art angegeben
haben, sowie die Herren Techniker, welche solche hersteilen, werden
ersucht, sich baldigst zum Zwecke einer Berücksichtigung ihrer
Gegenstände mit Herrn Privatdocent Dr. M. Mendelsohn, Berlin
NW., Neustädtische Kirchstr. 9 in Verbindung zu setzen.
— Der Pariser Unterrichtsrath beschloss, um Aus¬
länder vom Studium der Heilkunde an der medicinischen Facul-
tät abzuhalten, dass künftig Fremde nur eingeschrieben werden
sollen, wenn sie in Frankreich die Reifeprüfung nach der
für Einheimische geltenden Vorschrift bestehen.
— Die Jahrespension von 25000 Francs, welche das fran¬
zösische Parlament dem verstorbenen Pasteur am 2. Angust 1883
votirt hatte, wurde auf seine Wittwe übertragen.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 10. Jahreswoche, vom 1. bis 7. März 1896, die grösste Sterblich¬
keit Bonn mit 39,2, die geringste Sterblichkeit Kiel mit 13,7 Todes¬
fällen pro Jahr und lOOo Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Masern in Freiburg und Hagen; an Diphtherie
und Croup in Brandenburg.
— Einige Photographien mit Roentgen sehen Strahlen, welche
Professor Lebedef in der letzten Sitzung der Petersburger
medicinisch - chirurgischen Gesellschaft demonstrirte,
weisen auf ein neues Feld der praktischen Anwendung dieser Methode
hin. Dieselben waren s’on einem Falle viermonatlicher Uteringra¬
vidität aufgenommen und Hessen deutlich das Skelett des Fötus
sowohl wie der Mutter erkennen. Besonders für die Fälle zweifel¬
hafter Extrauterinschwangerschaft wäre das Verfahren von grosser
Bedeutung.
— Am 15. de. Mts. wurde in München eine Privatheil-
anstalt für diätetische Krankheiten, speciell für Magen-
und Darmkranke, unter Leitung von Dr. J. Decker eröffnet.
— Heinrich Fritsch’s Lehrbuch der «Krankheiten der
Frauen > ist abermals in neuer Auflage, der siebenten, erschienen
(Verlag von Friedr. Wreden 1896). Das längst zum Gemeingut
der Aerzte gewordene Buch lässt auch in dieser Auflage auf jeder
Seite die sorgfältig bessernde Hand erkennen. Besondere Erwähnung
verdient die als Anhang beigegebene Fharmakopoea gynaekologiea.
— Eine neue medicinische Zeitschrift erscheint von Ende ds.
Mts. ab im Verlag von O. C'oblentz in Berlin unter dem Titel;
‘Vierteljahresberichte über die Gesammtleistungen auf dem Gebiete
der Krankheiten des Harn- und Sexual-Apparates». Herausgeber
sind Dr. L. Casper und Dr. H. Lohnstein. Der Preis beträgt
Mk. 8 pro Jahrgang.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Die bisherigen Privat-
docenten in der medicinischen Facultät der Friedrich-Wilhelms-
Universität in Berlin, erster Assistenzarzt ain klinischen Institut für
Chirurgie zu Berlin, Dr. Dietrich Nasse, und Abtheilungsvorsteher
am physiologischen Institut zu Berlin, Dr. Johannes Thierfelder,
sind zu ausserordentlichen Professoren in derselben Facultät er¬
nannt worden; ebenso ist Dr. Otto Hildebrand, Leiter der jüngst
begründeten chirurgischen Poliklinik bei der chirurgischen Charit4-
klinik, früher Privatdocent an der Universität Göttingen, zum ausser¬
ordentlichen Professor an der Universität ernannt worden; Dr. Oest-
reich, Assistent am pathologisch-anatomischen Institut, hat sich als
Privatdocent habilitirt. — Leipzig. Als Privatdocent hat sich habilitirt
Dr. Friedrich, Assistent des medicinisch-poliklinischen Instituts,
Abtheilung für Nasen- und Halskranke. — Marburg. Der bis¬
herige Privatdocent Dr. Arthur Barth ist zum ausserordentlichen
Professor in der medicinischen Facultät der Universität ernannt
worden. — Strassburg. Auf den neu errichteten Lehrstuhl für
Hygiene wurde Professor J. Förster in Amsterdam berufen.
(Todesfall.) In Paris starb der Anatom Constance Sappey
im Alter von 86 Jahren; in Amsterdam starb der Professor der
Dermatologie van Haren Nom an.
— In der vorigen Nummer der «Münch, med Wochenschrift»
ist ein Inserat enthalten, in welchem ein Arzt gesucht wird für eine
Naturheilanstalt in Brasilien, «welche sich alle Errungenschaften (!)
der Neuzeit (Kneipp, Kühne, Walser, Bilz, Winternitz) zu Nutzen
gemacht hat». Dieses Inserat widerspricht so sehr den von der
Wochenschrift vertretenen Principien, dass es fast überflüssig er¬
scheinen könnte besonders zu betonen, dass die Aufnahme desselben
ohne Verschulden der Redactiou erfolgte. Nachdem jedoch bei einer
früheren Gelegenheit ein ähnliches Versehen in perfider Weise gegen
die Wochenschrift ausgebeutet wurde, ziehen wir vor, den Sachverhalt
durch die an dem Versehen betheiligten Factoren in der nach¬
folgenden Erklärung feststellen zu lassen: «Auf Wunsch der Re¬
daction der «Münch, med. Wochenschrift» erklären die Unterzeichneten,
dass die in No. 11 der Wochenschrift auf der 4. Seite des Umschlags,
Spalte 2 enthaltene Annonce «Für eine Naturheilanstalt .... Arzt
gesucht» nach bereits vollzogener Revision des Umschlages seitens
des Redacteurs und ohne Wissen und Kenntniss desselben aufge¬
nommen wurde. »
München, 18. März 1896.
Für die Für die
Annoncen-Administration; Mühlthaler'sche Buchdruckerei:
J. Freytag. B. Holzer.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Adolf Pracht, approb. 1892 in Schwarzen¬
bach a/W.; Dr. Anton All wein, approb. 1892, in München.
Verzogen: l)r. Gustav Fink von Roding nach Regenstauf;
prakt. Arzt Dr. Max Lauter von Regenstauf nach Stadtamhof;
Dr. Ferdinand Kern von Schwarzenbach a/W. nach Zoppot in Ost-
preussen.
Ruhestandsversetzung: Medicinalrath Dr. F. G. Egger in
Landshut auf Ansuchen nach zurückgelegten 70 Lebensjahren in
den dauernden Ruhestand versetzt unter Verleihung des Titels und
Ranges eines k. Ohermedicinalrathes in Allerhöchster Anerkennung
seiner ausgezeichneten Leistungen im Dienste und in der Wissenschaft.
Ernannt: zum k. Regierungs- und Kreismedicinalrathe in
Landshut der k. Bezirksarzt I. Ol. Dr. Ambros Herrmann in
Neumarkt.
Erledigt: Die Stelle eines Bezirksarztes I. CI. in Neumarkt
(Oberpfalz). Bewerbungstermin 15. April 1896.
Functionsiihertragimg: Die bezirksärztliche Stellvertretung
beim k. Amtsgerichte Waldsassen dem praktischen Arzte Dr. Franz
Mayr dortsei bst.
Gestorben: Dr. Ludwig N ey, praktischer Arzt in Ludwigshafen.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 11. Jahreswoche vom 8. bis 14. März 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 20 (20), Diphtherie, Croup
40 (47), Erysipelas 15 (25), Intermittens, Neuralgia interm. 1 (-—),
Kindbettfieber 1 (4), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 78 (79),
Ophthalmo Blennorrhoea neonat. 4 (13), Parotitis epidemica 20 (25),
Pneumonia erouposa 24 (18), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 53 (36), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 38 (37),
Tussis convulsiva 34 (29), Typhus abdominalis 1 (—), ;Varicellen22(19),
Variola, Variolois — (—). Summa 351 (352). Medicinalrath Dr. Au b.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 11. Jahreswoche vom 8. bis 14. März 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern 4 (7*), Scharlach — (1), Diphtherie
und Croup 2 (6), Rothlauf 2 (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 1 (2), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung 4 (4), Tuber-
culose a) der Lungen 31 (28), b) der übrigen Organe 14 (7), Acuter
Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krankheiten 5 (6).
Unglücksfälle 2 (L), Selbstmord 2 (1), Tod durch fremde Hand —(—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 193 (199), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,7 (25,9), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 16,1 (17,3), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13.6 (14,7).
*) Oie eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche
Die Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens2Vi—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 JC , praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 ,.J.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adreariren: Für die Redacdon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwchretr. 70. - Für Inserat« und Beilagen
na Rudolph Moane, Promcnadeplnfz 16
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. 6erhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. f. Michel, H. r. Ranke, F. i. Wlnckel, H. v. Zleassei,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würsburg. München. München. München.
M 13. 31. März 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus dem hygienischen Institute der Universität Wien.
Eine neue Methode zur raschen Erkennung des
Choleravibrio und des Typhusbacillus.
Von Max Gruber und Herbert E. Durham.
Der Eine von uns (G.) hat bereits in No. 9 dieser Zeit¬
schrift vom 3- März kurz mitgetheilt, *) dass das Blutserum (und
die Peritoneallyiuphe) eines gegen Cholera iiumunisirten Meer¬
schweines eine höchst auffällige, bisher übersehene bezw. nicht
gewürdigte specifisclie Wirkung auf den Choleravibrio ausübe,
ebenso das Serum eines gegen Typhus immunisirten Thieres auf
das Typhusbacterium u. s. w.
V* Mischt man ^ der Aufschwemmung der Agarcultur einer der
genannten Bacterienarten das betreffende Schutzserum bei, so sieht
ma» 1 die Bacterien zu grossen Ballen verkleben und die Eigen¬
bewegung zum Stillstände kommen. Diese Wirkungen sind auf’s
Engste mit der Schutzwirkung der Sera verknüpft. • Sie sind die
Folge davon, dass die Bacterien unter der Einwirkung der in den
Iniuiuuseris enthaltenen Autikörper klebrig werden. Wir nennen
daher die speoifischen Substanzen der Immunsera Vor kl ober,
Agglutiuine. *)
. Hochwirksame Immunsera bringen noch in erstaunlich grossen
\ erdünnungen deutliche agglomerirende Wirkungen hervor. Soll
al>er die Erscheinung rasch und vollständig ein treten, dann muss
man höhere Ser um con een tratioi i ei i anwenden. Je höher die ge¬
wählte Ooncentration ist, um so überraschender ist der Erfolg.
Verfügt mau über hochwirksames Serum, so kann man durch
Zusatz von 5 Proc., von 1 Proc. und noch weniger Serum zur
Aufschwemmung der voll virulenten Bacterien binnen kurzer Zeit
vollständige Agglomeration und Bewegungshemmung erzielen. Es
ist gar nicht nothwendig, das Mikroskop anzuwenden, um die
Wirkung des Serums wahrzunchmeu. Schon mit unbewaffnetem
j Auge erkennt man die Zusammenballung der Bacterien daran,
dass die gleich massige Trübung der Flüssigkeit bald flockig wird,
die Flocken immer grösser werden und zu Boden sinken, wobei
sieh die Flüssigkeit vollkommen klärt. Die ganze Erscheinung,
die nach Zusatz des Immunserums zur Bacterienaufschweummng
ein tritt, gleicht vollkommen der allmählichen Ausscheidung eines
flockigen Niederschlages aus einer Salzlösung nach Zusatz eines
FälluDgsmittels.
S Ausgedehnte Versuche haben uns darüber belehrt, dass
Oholeravibrioncn und Typhusbacterien ausnahmslos in der be¬
schriebenen Weise auf die Einwirkung ihrer zugehörigen Immun-
scra reagiren. Wir haben bisljer etwa 20 Oholeravibriogeneratioucn
und 20 Typhusbacteriengencrationen verschiedenster Herkunft mit
*) Die erste Mittheilnng erfolgte am 3. Januar d. Js. durch
Durham an die Royal Society in London. Am 28. Februar hielt
Gruber einen das ganze Problem behandelnden Vortrag mit Demon¬
strationen in der Wiener k. k. Gesellschaft der Aerzte.
2 ) Die früher angewendete Bezeichnung < Glabrificin » beruht
äüf einem lapsus calami.
No. 13.
V
Hilfe zahlreicher verschiedener Sorten der betreffenden Immun-
sera mit stets gleichem Erfolge geprüft.
Wie verhalten sich nun diese hochwirksamen Inununsera
gegenüber anderen Bacterienarten ?
Mischt man das Irnmunserum der Aufschwemmung fremder
Agarculturen bei, so kann der Erfolg ein sehr verschiedener sein.
Auf zahlreiche Vibrioneu übt das wirksamste Cliolerascruin
gar keine agglomerirende Wirkung aus, z. B. auf den V. proteus
von Finkler-Prior, V. Metschnikovi, V. danubicus, den Leucht¬
vibrio aus dem Falle Brinks (Rumpel) u. s. w. Ebenso ist
Typhusserum höchster Wirksamkeit gegen zahlreiche Arten von
Coli-Bacterien gänzlich wirkungslos.
Gegenüber allen solchen unempfindlichen Bacterien versagt
dann auch die Schutzkraft des Serums im Thiere gänzlich.
Es ist aber schon in allen unseren früheren Veröffentlichungen
darauf hingewiesen worden, dass die Wirkung der Immunsera keine
scharf specifisch abgegrenzte ist. wie es nach solchen Versuchen
scheinen könnte. Choleraserum wirkt auch mehr oder weniger
stark agglutinirend auf Vibrionen, die wahrscheinlich nicht vom_
Choleravibrio abstammen, so, um nur einige Beispiele zu nennen,
auf die von Rumpel gezüchteten Leuchtvibrionen aus den Fällen
Oergel, Elvers u. s. w.
Auf V. Ivanoff, auf den V. < Seine-Versailles », Sanarelli’s und
auf den V. Berolineusis endlich wirkt das Choleraserum fast oder
genau so intensiv, wie auf die als echt anerkannten Vibrionen
aus dem Darme von Cholerakranken. Es kommt also darauf an,
ob man die drei genannten Vibriosorten zum Cboleravibrio rechnet
oder nicht. Bezüglich der beiden ersten Sorten nehmen bekannt¬
lich die meisten Fachmänner das Erstere an, für den Berolinensis
das Letztere. w
In allen Fällen, in welchen das Choleraserum agglutinirend »
auf die Batterien wirkt, wirkt es auch schützend im Thierkörper )(
und der Grad des Schutzes ist um so grösser, je intensiver die r
Wirkung in vitro ist. Gegen V. Ivdnoff, V. Seine-Versailles und
V. Berolinensis schützt das Choleraserum genau so wie gegen die_-
sicheren Cholera Vibrionen.
Die Wirkung des Typhusserums ist im Allgemeinen strenger \
specifisch abgegrenzt, als die des Choleraserums. Wir haben aber \
neuerdings auch Bacterien gefunden, welche zwar Typhusähnlich, t
aber sicher nicht Typhusbacillen sind, und doch von Typhusserum
ziemlich stark beeinflusst werden.^_^ """
So hat in den letzten Tagen der Eine von uns (G.) in dem
Bat*, enteritidis von Gärtner eine Bacillenart keunen gelernt,
welche durch concentrirtes Typhusserum in völlig typischer Weist_
agglutinirt wird, obwohl sie Lackmusmolke binnen 24 Stunden stark
säuert und in Zuckeragar Gas bildet, also vom Typhusbacillus nach
allgemeiner Annahme specifisch verschieden ist. Allerdings zeigen
sich auch hier noch quantitative Unterschiede in der Wirkung des
Typhusserums auf den Bac. enteritidis und in der auf echte
Typhusbacillen, was uian bei Erprobung von Serumverdünnungen'
deutlich erkennt.
Mit diesen Beobachtungen, welche die Annahme einer strengen
Speeifitüt der Wirkung des Cholera- und des Typhus-Serums wider-
1
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286
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
legen, stimmt es überein, dass verschiedene fremde Imnnutsera
und unter Umständen selbst Normalsera deutlich agglomorirend
auf Oholeravibrioiicii und auf Typhusbaeterien einwirken.
Durch diese Feststellungen wird der Werth der Serumprobe
''als diagnostisches Mittel natürlich ganz wesentlich geschmälert.
Sie wird dadurch aber keineswegs diagnostisch völlig werthlos
gemacht. Bestehen auch keine durchgreifenden qualitativen, so
bestehen doch in den meisten Fallen genügend grosse quantitative
Unterschiede in der Wirkung der Immunsera auf ihre specitisch
zugehörigen und auf fremde Batterien , um sic diagnostisch ver-
werthen zu körnten.
Die Reaction kann in verschiedener Weise ausgeführt werden.
Nach der von dem Einen von uns (Durhaut) ausgebildeten
Modification verfährt man so, dass man die Aufschwemmung von
einer Oese voll (2—4 mg) junger Agarcultur der zu untersuchenden
Bacterienart in */a ccm Bouillon mit einer Verdünnung von 10 mg
des betreffenden hochwirksamen Immunserums in '/* ccm Bouillon
vermischt und durch Betrachtung mit freiem Auge bezw. durch
mikroskopische Untersuchung feststellt, ob vollständige Agglutination
eintritt oder nicht.
Hat man Choleravibrionen bezw. Typhusbacillon vor sich, so
muss nach 10— 15 Minuten vollständiger Bewegungsstillstand und
vollständige Agglomeration mikroskopisch nachweisbar sein und
binnen 1 Stunde vollständige Fällung der Batterien und voll¬
kommene Klärung der Flüssigkeit ein treten.
Nach neueren Versuchen des Anderen von uns (GA wird die
Reaction am raschesten in folgender Weise ausgeführt:
Man immunisirt ein kräftiges Meerschwein so hochgradig
als möglich. Immunisirt man durch intraperitoneale Injection
abgetödteter Culturen, so kann man binnen 4— 6 Wochen eine
ausserordentlich hochgradige und langdauernde Immunität erzielen.
Die Immunität muss so hoch gesteigert werden, dass die Peritoneal-
lymphe oder das Blutserum des Thieres bei Zimmertemperatur
einem gleichen Volumen Aufschwemmung der specitisch zugehörigen
Bacterienart zugesetzt, binnen der ersten Minute vollständigen
Bewegungsstillstand und vollständige Agglomeration herbeiführen.
Von der zu prüfenden Baeteriengeneration legt man sich eine
Agar-Reincultur an und bereitet sich von der 10—20 ständigen
Vegetation eine Aufschwemmung, indem man etwa 2 — 4 mg
(eine kleine Platinöse voll) in I ccm steriler Bouillon sorgfältig
aufsehwenuut. Das für die Cultur verwendete Agar soll eine
trockene Oberfläche haben und die Vegetationsmasse muss sorg¬
fältig mit einem Tröpfchen Bouillon verrieben werden, bevor sie
in der Flüssigkeit vertheilt wird, weil man sonst von vorneherein in
die Aufschwemmung Bröckelchen und Klümpchen hineinhekommt.
Man bringt nun ein Tröpfchen der Immunlympho oder des
Immunserums auf ein Deckglas, setzt ein gleichgrosses Tröpfchen
der Bacterieuaufsehwemuiung daneben, mischt die beiden Tröpfchen
und legt das Deckglas auf den hohlgesehliffenen Objeetträger. 8 )
Bleibt nun die Verklebung der Vibrionen unter der Ein-
* Wirkung des Cboleraserums aus, so ist es völlig sicher,
dass der Choleravibrio nicht vor liegt. Ebenso ist
es ausgeschlossen, dass es sich um den Typhus-
bacillus handelt, wenn die verdächtigen Stäbchen trotz Ein¬
wirkung des Typhusserums isolirt und beweglich bleiben.
/* Ebenso wenig kann es sieh um den Oholeravibrio bezw. um
' den Typhusbacillus bandeln, wenn auch nur ein Th eil der
Individuen die Eigenbewegung im Serumgeniiselie fortsetzt und
noch nach Ablauf einer Viertelstunde active Bewegung — wenn auch
nur am Orte — einzelner Individuen oder ganzer Ballen zu
beobachten ist.
Hat man echte Choleravibrionen bezw. Typhusbacillen vor
sich, so muss eben die Eigeubewegung sofort oder
binnen der ersten Minuten vollkommen erlöschen
und die Agglomeration sich vollenden. Allerdings ist das letztere
nicht allzu wörtlich zu nehmen, da stets eine Anzahl von Exemplaren
am Glase festklebt u. 8 . w. und dadurch der Agglomeration entgeht.
Ist man im Zweifel, ob man es mit einer ganz vollkommenen
oder mit einer — wenn auch nur spurenweise — unvollkommenen
*) Selbstverständlich darf dem Serum keinerlei Conservirungs-
mittel zugesetzt sein.
Reaction zu thuii habe, so kann man die Probe noch dadurch
verschärfen, dass man nun das Präparat für */4 bis '{2 Stunde
in «len Brutofen verbringt. War die Reaction unvollständig, so
nimmt eine grössere Anzahl von Exemplaren und Ballen die Eigen-
beweguug wieder auf, während bei vollendeter Reaction Alles in
Bube bleibt.
^^Während der negative Ausfall der Reaction eine völlig sichere
Diagnose gestattet, ist dies nach dem soeben Mitgetheilten bei
positiven Erfolge der Probe nicht der Fall. Dann hat
die Diagnose Oholeravibrio bezw. Typhusbacillus nur eine je nach
den Umständen grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit für sich
und mau muss sich dann bestreben, noch weitere Unterscheidungs¬
merkmale zu ermitteln *). Dass der Thierversuch in solchen Füllen
ebenfalls werthlos ist, wurde schon oben angedeutet.
Wenn es sich um die Probe auf Typhusbacillen handelt,
muss inan unbedingt zuerst eine Reincultnr der verdächtigen
Stäbchen hersteilen, was durch die neue Eis» er'sehe Methode
ungemein erleichtert zu werden scheint.
Auch die endgiltige Prüfung der Vibrionen wird man an
einer Hein cultur anstellen müssen. Indessen wird man hier auch
schon vor Gewinnung der Rciucultur eine Vor probe anstellen
können, welche bei der Untersuchung choleraverdächtiger Fälle von
Werth sein kann.
Man legt mit dem verdächtigen Stuhlgänge oder Danninhalte,
nach der von Koch mit so grossem Erfolge adoptirteu Methode,
eine Vorcultur an. Nach wenigen Stunden bereits hat sich auf
der Oberfläche der Flüssigkeit eine dünne Decke von Vibrionen
gebildet. Man holt sieb ein Tröpfchen aus der obersten »Schichte
der Flüssigkeit heraus und vermischt es, nachdem man sich davon
überzeugt hat, dass active Vibrionen darin vorhanden sind, mit
einem Tröpfchen einer frisch dem Thierc entnommenen Peritoneal¬
lymphe oder eines Immunserums und beobachtet deren Einfluss.
Findet sofort vollkommener Bewcgungsstillstand und vollkommene
Agglomeration statt, so hat die Diagnose «Choleravibrio» gewiss**
bedeutende Wahrscheinlichkeit für sieh. Bleibt die Reaction voll¬
kommen aus, was sieh aber unter diesen Umständen oft schwer
bcurtheilcn lassen wird, dann wäre ?. Choleravibrio» ausgeschlossen.
Bleibt die lleaetion unvollständig, dann muss die Diagnose bis zur
Prüfung der Heineulturen in dubio bleiben, weil ja ein Gemisch
verschiedener Vibrioarten in der Vorcultur vorliegen kanu.
Bei Anwendung unserer Methode wird man also unter günsti¬
gen Umständen binnen der ersten 6 —10 Stunden bereits ein
ziemlich sicheres bacteriologisehes Urtheil über einen eholeravef-
düchtigen Fall gewinnen können.
Zur pathogenen Wirkung des Bacillus Friedlaender. —
Ein Fall von acut metastasirender Allgemeininfection
nach Otitis media und Empyem des Proc. mastoides.
Von Dr. Conrad Brunner,
Chefarzt des Kantonsspitals Münsterlingen.
Erfahrungen der letztvergangenen Jahre haben gezeigt, dass
der Friedlaender' sehe Kapselbacillus so wie die pyogenen
»Streptococcen und Staphylococce», wie der Pneumo-
coccus, der Bae. pyocyaueus und der Colibacillus
nicht nur Localerkrankungen verschiedenen Charakters zu erzeugen
vermag, sondern auch Allgeineininfcctionen des menschlichen
Organismus von verschiedener klinischer Form hervorzurufen im
Stande ist. Aus einer umfassenden »Studie, in welcher Et i en n e l )
ausführlich die Rolle schildert, welche dieser Mikrobe in der
Pathologie spielt, ist z\i ersehen, dass derselbe bei folgenden
Organerkrankungen als Erreger nachgewiesen worden ist: Bei
Stomatitis, Rhinitis, Parotitis, Otitis media puru¬
le n t a , hei eitriger Meningitis, Pericarditis, Pleu¬
ritis, Pyelonephritis, sowie bei Bronchopneumonie.
*) Vielleicht lässt sich die Serumprobe zu einem verlässlichen
Unterscheidungsverfahren ausbilden, wenn man die Quantitäten
genauer berücksichtigt. Herr Dr. K. Landsteiner ist mit der¬
artigen Versuchen beschäftigt. Gr über.
*) Le Pneumo-Bacille deFriedlaender.son röle en Pathologie.
(Arch. de m^decine ezperim. 1895, 1. Januar.)
Digitized by UjOOQie
31. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
287
1
T
Was nun die bis jetzt beobachteten, durch denselben Bacillus
bewirkten Allgemeinerkrankungen betrifft, so führt
Etienue dieselben unter den beiden Kategorien Pyaemie und
Scpticaemie auf. Er hält sich dabei an die auf rein klinische
Unterscheidungsmerkmale gestützte Definition der beiden Sammel¬
namen, d. h. er stellt dem erst genannten ('ollectivbegriffe die mit
Metastasen verlaufenden Fälle unter, dem letzteren solche, die ohne
klinisch manifeste Heerde unter schweren Allgemeinerscheinungen
einhergehen. Nach dieser Zusammenstellung würde die letztere
Form der Allgemeinerkrankung die häufigere sein. Von meta-
stasirender Pyaemie sind Etiennc nur 3 Fälle bekannt, von
denen er 2 selbst beobachtet hat. Da all’ unser Wissen über
die Wirkungsart dieser Organismen im menschlichen Körper nur
aus sorgfältigen Einzelbeobaehtungen zusammengesetzt werden
muss, so ist es geboten, die spärliche bis jetzt vorliegende
Casuistik zu vermehren. Nur durch das Studium eines umfang¬
reichen, klinisch und bacteriologiseh gut analysirteu Beobachtungs¬
materiales können wir uns ein Urtheil darüber verschaffen, ob gewissen
pathogenen Mikroorganismen bei ihrer Wirkung auf den mensch¬
lichen Körper pathognomonisehe Eigentümlichkeiten zukommen,
ob es beispielsweise möglich ist, eine durch den Fri edlaen der¬
sehen Bacillus erzeugte Allgemeinerkrankung klinisch zu
differenziren von einer reinen Allgcmcininfeetion andern parasitären
Ursprunges. Als Beitrag zur Aufklärung der letzteren Frage
und zur Ergänzung unserer Kenntnisse über die Pathologie der
Friedlacnderinfeetionen überhaupt möge die folgende eigene
Beobachtung dienen.
Am 13. September 1895 wurde ich von Zürich aus zu einem
55jährigen Herrn St. in U. gerufen. Patient litt seit 4 Wochen
an eitriger Otitis des linken Ohres und hatte dieses Leiden Anfangs
vernachlässigt. Am 3. September begannen heftige Schmerzen im
Kopfe und hinter dem Ohr. Es wurden Blutegel angesetzt, welche
vorübergehend Erleichterung brachten; dann aber traten die Schmerzen
mit erneuter Heftigkeit auf. Im Uebrigen bestanden zu dieser Zeit
nach Mittheilung des behandelnden Arztes, Hrn. Bezirksarzt Dr. Ritter
keine Hirnsymptome, kein Erbrechen, keine Temperatursteigerung.
Status praesens vom 13. September. Die Untersuchung der
inneren Organe lässt nichts Abnormes nnchweben. Temperatur 37°,
Puls 60—70. Die Gegend des linken Proc. mastoides stark ge-
röthet und geschwollen, bei Druck schmerzhaft,' nicht fluctuirend.
Die Infiltration ist auf die Gegend des Warzenfortsatzes localisirt;
hinter dem letzteren keine Schwellung oder Druckempfindlichkeit.
Am Halse in der Tiefe des Gefässspaltes keine nachweisbaren Ver¬
änderungen. Das Trommelfell ist perforirt; zur Zeit keine Secretion
aus dem Gehörgang.
Es wurde die Diagnose auf eitrige Entzündung der
Zellen des Proc. mastoideus gestellt und die Operation auf
den folgenden Morgen festgesetzt.
14. September. Trepanation. Leichte Chloroformnarcose,
ohne Störung verlaufend. Chloroform verbrauch 40 gr. Nach üblicher
Praeparation Hautschnitt, Freilegung des Knochens. Letzterer ist
nirgends perforirt, zeigt überall feste Schale. Nach wenigen Meissei¬
schlägen quillt unter auffallend starkem Druck gelblicher Eiter in
reichlicher Menge vor. Die Sonde gelangt in eine ziemlich umfangreiche
Abscesshöhle. Nach vollständiger Entleerung dieser letzteren wird die
Höhlung mit Jodoformgaze ausgelegt und die Wunde offentjelassen.
Verlauf nach der Operation. Die Nachbehandlung des
von mir entfernt wohnenden Patienten wurde vom behandelnden
Arzte, Herrn Dr. Ritter, in sorgfältigster Weise geleitet. Nach
der Operation fühlte sich Patient, wie College R. mir mittheilte
ausserordentlich erleichtert. Die Schmerzen wichen vollständig, das
Allgemeinbefinden war ein sehr gutes. Am 5. Tage aber nach der
Trepanation begannen von Neuem heftige Schmerzen im ganzen Kopfe,
hauptsächlich aber gegen das Hinterhaupt sich hinziehend. Temperatur
schwankend zwischen 37,5—38,9 °, Puls 90—120. Die Wunde fing
mittlerweile an zu granuliren und secernirte nur wenig.
Am 29. Sep¬
tember wurde
ich wieder con-
sultirt und fand
folgendes Krank¬
heitsbild: Voll¬
ständig benom¬
menes Sen-
sorium. Patient
stöhnt oft und
hat offenbar bei
starkem Uriu-
drang heftige
Schmerzen in der
Blase. Pupillen
mittelweit. Ausgesprochene Nacken starre. Wunde gut ausseheud.
Im Urin Eiweiss, kleine Eiterflöckchen suspendirt. Temperatur
zwischen 39 und 40° (Vergl. Curve). Wiederholte Schüttelfröste
Clonische Krämpfe. Am 1. October f- Autopsie am 2. October.
Auszug aus dem von mir seihst aufgenommenen
Sectionsprotokoll. Nach Entfernung der Dura mater zeigte
sich die ganze Oberfläche beider Hemisphären von einer grünlich
gelben sulzigen Eiterschicht überzogen. Ausgedehnte eitrige Menin¬
gitis auch auf der Basis des Gehirnes. Sinus transversus und
Sinus longitudinalis mit missfarbenen Thromben gefüllt, enthalten
fast kein flüssiges Blut. Nirgends ein Abscess! Nach Abziehen
der Dura von der Schädelbasis tritt eine ziemlich ausgedehnte
Knochenusur am Felsenbein zu Tage, welche mit der Trepanations¬
öffnung communicirt. - Im Uebrigen zeigte sich schlaffe Herz¬
muskulatur. Herzklappen ohne Auflagerungen. An Lungen und
Pleura keine makroskopisch erkennbaren Veränderungen. Milz
sehr gross, weich. Vorgeschrittene Le her cirrli ose. Inheiden
Nieren, namentlich im Bereiche der Rindensubstanz zahlreiche
kleinere und grössere Abscesschen von Hämorrhagien um¬
säumt. Blase mit trübem Harn wenig gefüllt.
Bäcterioskopische Untersuchungen. (Ausgeführt im
hygienischen Institut Zürich.)
Untersuchung des bei der Trepanation gewonnenen
Eiters.
Bei der Operation fing ich von dem aus der Trepanationslücke
abfliessenden Eiter in ein steriles Röhrchen auf. Es zeigte dieser
Eiter makroskopisch keine besonderen Eigenschaften; er war von
fadem Geruch, dünnflüssig, hellgelb.
Ich machte hievon ira hygienischen Institut eine Aussaat zu¬
nächst auf Glycerin-Agar; es gelangte in Reincultur ein Bacillus
zum Wachsthum, den ich hei weiterem Studium als mit dem Fried -
lnender'sehen Kapselbacillus identisch erachten musste Der
Bacillus bietet morphologisch und biologisch folgende Eigen¬
schaften dar:
Morphologie.
In Ausstricbpräparaten von Agar- und Kartoffelcultur erweisen
sich die Oiganismen als kurze plumpe Stäbchen mit abgerundeten
Enden, oft oval geformt, fast coccenähnlich, meist zu Diplobacillen
geordnet, nicht selten kleine Ketten zu 4 — 5 Gliedern bildend. Es
entspricht das Aussehen dem Bilde der Friedlaender'sehen
Kapselbacillen (vergl. Bauragarten, Mykologie I, pag. 240).
Die Stäbchen färben sich leicht mit Anilinfarben, entfärben
sich nach Gram. Sie besitzen Kapseln, deren Färbung mir
nach Friedlaender's Angaben (Alkohol, Gentianaviolett und Essig¬
säure) gut gelang an Ausstrichpräparaten von Organsaft, Peritoneal¬
flüssigkeit einer infleirten Maus. Sporenbildung konnte ich nicht
beobachten.
Biologie.
Verhalten im hängenden Tropfen. Die Stäbchen sind
unbeweglich; bei einzelnen glaubte ich eine Spur träger Eigen¬
bewegung wahrzunehmen.
Verhalten auf Gelatine.
Gelatineplatten bei circa 20°.
Makroskopisch sieht man nach 36—48 Stunden in der Tiefe
des Nährbodens runde, stecknadelkopfgrosse weisse Colonien. An
der Oberfläche sind zur selben Zeit die Colonien grösser, Stearin-
oder porcellanähnlich aussehende Knöpfchen mit scharfen Rändern
darstellend. Indem diese Colonien sich vergrössern, sinken sie ganz
leicht in die Gelatinemasse ein, ohne diese zu verflüssigen
In Esmarch'schen Rollröhrchen entsteht nach 14 Tagen
bis 3 Wochen deutliche Bräunung des Nährbodens.
Gelatinestich. Oben an der Stichöffnung typische Nagel-
cnltur, genau den gegebenen Abbildungen von Kriedlaender-
Cultnren entsprechend. Im Stichcanal feine, aneinander gereihte
Kügelchen.
Gelatinestrich. Ueppiges Wachsthum, anfangs in convexem
Band längs des Impfstriches, nachher sich verbreitend, nach unten
sinkend.
Impfung in flüssige Gelatine im Reagensglas, Er¬
starrenlassen des Nährbodens. Es entwickeln sich Colonien
als runde Kügelchen. Zwischen und um dieselben nach einigen
Tagen deutliche Gasblasen!
Verhalten auf Agar. (Gewöhnlicher Agar. — Agar mit
4°/o Glycerin — Agar mit 2°/o Zucker.)
Auf schräger Agarfläche im Reagensrohr bei 37°.
Nach 32 Stunden feucht grauglänzender Ueberzug, nach 48 Stunden
ist die Hauptmasse der Cultur als dicker gelblicher Schleim (Nasen¬
schleim ähnlich!) nach unten in die Höhlung des Glases gesunken.
Stich in gewöhnlichem Agar. Sehr bald derselbe Belag
auf der Oberfläche wie auf schrägem Agar. Im Canal keine
charakteristischen Merkmale.
Stich im Glycerin-A gar und Zucker-Agar mit Ueber-
guss. Deutliche Gasbildung! Abheben des aufgegossenen Agar -
cylindere.
Verhalten in Bouillon. (Gewöhnliche Bouillon.) Nach
24 Stunden leichte diffuse Trübung. Reaction nach 4 Tagen noch
alkalisch.
Verhalten auf Kartoffeln. Aeusserst schnelles Wachs¬
thum bei 20° und 37°. Weisslich grauer bis gelblicher, feuchter
dichter Rasen. Gasblasen konnte ich hier keine beobachten
Verhalten in Milch. Die Milch wird bei 37° nach 5 Tagen
vollständig coagulirt.
1 *
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288
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13-
Die Bacillen wachsen besser aörob als anaerob und bilden
Gas. (Vergl. Wacbsthum in Gelatine-Agar.)
Pathogene Wirkung.
1. Versuch. Weisse Maus. I Oese von Kartoffelcultur
subcutan.
Zeit der Impfung: 17. 8eptember Abends 7 Uhr. 20. Sep¬
tember: das Thier ist moribund, streckt die Hinterbeine wie
gelähmt aus; wird getödtet und sofort secirt. An der Impfstelle
schmieriger Beleg; Abimpfung davon, sowie aus Herzblut und den
verschiedenen Organen. Ueberall dieselben Bacillen massenhaft in
Reincultur.
Derselbe Versuch wird bei anderen weissen Mäusen wiederholt,
wobei verschiedene alte Culturen verwendet werden. Es konnte
keine merkbare Abnahme der Virulenz constatirt werden. — Aus-
stricbpräparate werden zur Kapselfärbung verwendet. (Siehe oben!)
2. Versuch. Meerschweinchen. 1 ccm frischer Bouillon-
cultur subcutan am Bauch, Zeit der Impfung: 22. September
Morgens 10 Uhr. 24. September moribund. Abends getödtet und
sofort secirt. An der Impfstelle ausgedehnte Infiltration der Haut,
subcutan sulzig — haemorrhagisches Oedem. Hochgradige fibrinöse
Peritonitis. Reinzüchtung des Bacillus aus Peritonealexsudat und
den Organen.
3. Versuch. Meerschweinchen. 1 ccm frischer Bouillon-
cultur in’s Abdomen. Zeit der Impfung: 18. September Abends 8 Uhr.
19. September Abends f. Unmittelbar nach dem Tode Autopsie.
Starker Erguss im Peritonealsack. Reinzüchtung der Bacillen aus
Herzblut, Leber, Milz, Peritonealllüssigkeit.
4. Versuch. Kaninchen, '/j ccm frischer Bouilloncultur
subcutan an der 1. Ohrwurzel. Zeit der Impfung: 22. Sep¬
tember 1895 Morgens 10 Uhr. 24. September starke, auf die Impf¬
stelle localisirte Infiltration mit ausgesprochener Schwellung und
Röthung. 25. September, die Symptome gehen zurück. Das Thier
bleibt gesund.
5. Versuch. Kaninchen. 1 ccm frischer Bouilloncultur
intravenös. Das Thier zeigt keine Krankheitserscheinungen.
Bacterioskopische Untersuchung von bei der Aut¬
opsie des Patienten gewonnenem Impfmaterial.
Bei der Autopsie impfte ich ab aus: 1) Eiter der Menin¬
gitis. 2) Blut aus Sinus longitudinalis. 3) Herzblut.
4) Leber. 5) Milz. 6) Nieren. 7) Urin.
Die Impfungen geschahen an Ort und Stelle auf schräge Agar¬
fläche. Das zu untersuchende Material wurde aufgefangen theils
mit der Platinoese, theils mit Pasteur'scher Pipette. Sämmt-
liche Impfungen fielen positiv aus, mit Ausnahme des
Herzblutes; hier hatte ich offenbar zu wenig Flüssigkeit verwendet.
Ueberall gelangte in Reincultur derselbe Bacillus zum
Wachs th um, welcher im Eiter bei der Operation gefunden wurde
In grosser Menge war der Bacillus im Urin vorhanden.
Eine Reincultur des beschriebenen Bacillus habe ich an Herrn
Dr. Abel in's hygienische Institut zu Greifswald geschickt. —
Die Culturen habe ich in der Gesellschaft der Aerzte Zürichs
demonstrirt.
Die Ergebnisse der vorstehenden bactcrio-
skopischen Untersuchung lassen den Schluss zu, dass der
hier beschriebene Mikrobe zu der Gruppe von Bacillen gehört,
deren Hauptrepräsentauten der Bacillus Friedlaender darstellt.
Unter der Flagge des letzteren segeln, wie Abel sich ausdrückt 8 ),
Organismen verschiedenster Herkunft und Eigenschaft; es gehören
zu seiner Familie eine ganze Reihe von Kapselbacillen, die als
bestimmte Species oder Abart wegen mehr oder weniger markanten
Merkmalen von den Entdeckern abgetrennt worden sind. Ich
erwähne nur den Pf ei ff er ’ sehen Kapselbacillus, den
Bacillus sputigenusKreibohm’s, den Rhinosklcrom-
baci 11 us, den Ni ko 1 aier ' sehen Kapselbacillus, den
Abel' sehen 0zaen aba ci 11 us, den als Erreger einer Py aemic
von Chiari beschriebenen Bacillus. — Hier liegt, wie ich
glaube, die Berechtigung vor, die gefundenen Organismen mit den
Friedlaender'sehen selbst zu identificiren. Es stimmen die
morphologischen und tine torieilen Eigenschaften überein;
es sind die als charakteristisch bezeichneten eulturellen Merk¬
male vorhanden : Die porzellanartige Nagelc-ultur, das Unvermögen,
die Gelatine zu verflüssigen, die Bräunung der Gelatine im RoII-
röhrchen, die Bildung von Gasblasen in Gelatine. Desgleichen
stimmt das Verhalten auf Agar, Kartoffeln, in Bouillon mit dem
Signalement des Friedlaender. Die Milch sehen wir unter
seiner Wirkung coaguliren. In Bezug auf die letztere Erscheinung
gehen die Erfahrungen auseinander. Denys und Martin, welche
vier Culturen verschiedener Herkunft in dieser Richtung unter-
2 ) Die Aetiologie der Ozaena. Zeitschrift für Hygiene und
Infectionskrankbeiten Bd. XXI, 8eparatabdruck pag, 108.
suchten, fanden bei den einen constant Coagulation, bei den
anderen nicht.
Ein Vergleich meiner Culturen mit einem Friedlaender
anderer Provenienz, den Herr Dr. Silberschmidt, Assistent
des hygienischen Institutes, mir zur Verfügung stellte, liess in
keiner Richtung Differenzen von Belang feststellen.
Was die Virulenz betrifft, so steht die deletäre Wirkung
Mäusen und Meerschweinchen gegenüber, sowie das refraetäre
Verhalten von Kaninchen in Einklang mit dem, was von den
Friedlaender’ sehen Bacillen berichtet wird.
Gang der Infection. Dass das geschilderte Krankheits¬
bild allein durch diesen, mit dem Fr icdlaen der ’ sehen
Bacillus idontificirten Mikroben erzeugt wurde, dürfte bewiesen
sein. 1 )erse!be ist als ei n zige r baetcrioskopisehe r Be¬
fund intra vitnm aus dem Eiter des eröffneten Heerdes, post
mortem aus den verschiedensten Organen reingezüebtet worden.
Primärer He erd, Ausgangsheerd der ganzen Infection
war die Otitis media pur ulen ta. In die Paukenhöhle
gelangte der Bacillus, wie wir als wahrscheinlich annehmen dürfen,
aus dem Nasenrachenraum; ist er doch an diesem Ork*,
wie wir aus Untersuchungen von Netter u. A. wissen, auch hei
gesunden Individuen ein wenn auch seltener Gast. Etiennc
hat über die Aetiologie der Otitis media eine Statistik von 223
bacterioskopischen Befunden zusammengostellt, unter welchen nur
5 mal der Pneumo-Bacillus F r i e d 1 ä n d c r vertreten ist; es
ist also schon daraus zu sohliessen, dass unsere Infection zu den
seltenen Ereignissen gehört.
In diesem Schlüsse werden wir bestärkt durch das Studium
der übrigen einschlägigen Literatur. (Schluss folgt.)
Ein Fall von wiederholter Masernerkrankung.
Beitrag zur Lehre von der erworbenen Immunität.
Von Dr. Adolf Gottstein, Arzt in Berlin.
Casuistische Mittheilungen sind stets berechtigt, wenn sie in
der schlichten Form der beschreibenden Darstellung nur eine Ver¬
mehrung des Beobachtungsmateriales bezwecken. Eine grosse Vor¬
sicht ist aber bei der Mittheilung von Einzelfällen geboten, wenn
mit denselben ein ursächlicher Zusammenhang zwischen mehreren
Vorgängen bewiesen werden soll. Diese Vorsicht ist schon gegen¬
über derjenigen Uasuistik am Platze, welche die Wirkung einer
Behandlungsmethode darstellcn soll; in viel höherem Maasse aber
ist dies der Fall, wenn eine Einzelbeohachtung mitgctheilt wird,
um eine bestimmte Erscheinung als die Wirkung einer bestimmten
Ursache darzustellen. Hier soll die Einzelbeobachtung die Stelle
des planmässigen Experimentes vertreten; aber wenn schon das
Experiment an belebten Organismen grosse Schwierigkeiten zu
überwinden hat, weil immer eine Reihe das Experiment beein¬
flussender Vorgänge nicht willkürlich ausgeschaltet werden kann,
so gilt dies in viel höherem Grade für die Beobachtung des Ein¬
zelfalles, dessen complicirte Bedingungen überhaupt nicht geändert
werden können. Hier ist in der Bcurtheilung des ursächlichen
Zusammenhanges zweier Vorgänge die grösste Zurückhaltung nöthig;
trotz derselben ist aber das subjectivc Ermessen des Beobachters
niemals ganz auszuscliHessen.
Unter dem Vorbehalte dieser in der Sache liegenden Schwierig¬
keiten theilc ich den folgenden Fall von Masernerkrankung mit.
Derselbe bietet einige quantitative Abweichungen vom gewöhnlichen
Verlauf; ich sehe in diesen Abweichungen keinen Zufall, sondern
einen Zusammenhang, welcher durch die Theorieen über die er¬
worbene Immunität seine Aufklärung findet, die jüngst von
C. L. Schleich und mir aufgestellt worden sind.
Ein jetzt 10 jähriges, sonst gesundes Schulmädchen erkrankte
vor fast zwei Jahren an Masern, zu einer Zeit grösserer Verbreitung
dieser Erkrankung. Der Verlauf war ein sehr leichter. Nach Behr
kurzer Prodromalperiode verbreitete sich das Exanthem in der
typischen Form über den Körper, die Entfieberung trat schnell ein
und die Reconvalescenz gestaltete sich sehr glatt. An dem ganzen
milden Verlauf der Krankheit waren besonders die sehr geringen
katarrhalischen Begleiterscheinungen auffallend. Doch fehlte keines
der Symptome vollständig, auch war der Ausschlag so charakteristisch,
dass eben an der Diagnose der Masern ein Zweifel nicht ent¬
stehen konnte.
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31. März 1896.
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
289
Im Märe dieses Jahres erkrankte dieses selbe Kind wiederum.
In ihrer Schulklasse waren verschiedene Mitschülerinnen, darunter
ihre Nachbarin, an Masern erkrankt. Am Abend des 1. Märe stellte
sich leichter Schnupfen ein, welcher in der Nacht zunahm. Vom
nächsten Tage ab wurde die Patientin unter heftigen, fieberhaft
katarrhalischen Erscheinungen bettlägerig; am 3. Märe fand sich
sehr starke Conjunctivitis, die für Masern typische, fleckenartige
Angina und der charakteristische, nunmehr Tag und Nacht anhaltende
Masernhusten. Dabei hohe Abendtemperaturen über 39°, sehr be¬
schleunigter Pnls und nächtliche Delirien. Ich verkündigte für die
nächsten 24 Stunden den Ausbruch des Masemexanthems Dasselbe
blieb aber aus. Während der ganzen drei Tage blieb der Zustand
unverändert; sämmtliche Symptome der Maserneruption waren typisch
vorhanden, nur das Exanthem fehlte. Dabei machte das Kind,
namentlich am 5. März, einen recht schwer kranken Eindruck.
Schon glaubte ich einen der seltenen, selbst von Henoch nicht
beobachteten Fälle von Masern ohne Exanthem vor mir zu haben.
Da kam in der Nacht vom &. zum 6. März endlich das Exanthem
zum Ausbruch. Ich sah dasselbe am Morgen des 6. März, es hatte
die typische Beschaffenheit und Localisation, war aber sehr wenig
intensiv an Farbe und Dichtigkeit, insbesondere nirgends confluirend.
Schon am Abend des 6. März war es im Rückzuge und am Morgen
des 7. März überall gänzlich abgeblasst Von da an fiel das Fieber
ab, die Reconvalescenz begann, wenn auch etwas langsamer, als
dies Bonst bei Kindern dieses Alters der Fall, aber ohne Störungen.
Jetzt ist die Patientin als genesen zu betrachten.
Der Fall bietet nun zwei Besonderheiten. Die erste liegt in
der zweimaligen Erkrankung an Masern im Verlaufe von nicht
ganz zwei Jahren. Diese Thatsache der Wiedererkrankung ist nicht
gerade häufig, aber längst bekannt und unbestritten. Die zweite
Besonderheit liegt in dem verspäteten Ausbruch des Exanthems.
Bei der einfachen Lectüre und bei dem Vergleich mit der vor¬
handenen Literatur erscheint es vielleicht manchem Leser nicht
als etwas so der Mittheilung Werthes, dass der Ausbruch der
typischen Angina morbillosa dem Exanthem um 3 Tage voraus¬
ging. Dem Beobachter musste es anders ergehen. Das Exanthem
trat mindestens 48, vielleicht 72 Stunden später auf, als ich es
auf Grund der Beobachtung von hunderten von Masernfällen erwarten
und in Anbetracht der schweren Allgemeinerscheinungen erhoffen
musste.
Diese zweite Besonderheit verliert aber den Charakter einer
nebensächlichen Zufälligkeit bei dem Vergleich der beiden Masern¬
erkrankungen. Während bei der ersten Erkrankung das Exanthem
im Vordergründe stand, die übrigen Erscheinungen der Masern
dagegen äusserst geringfügig waren, beherrschten beim zweiten
Male gerade diese Symptome das Krankheitsbild; das Exanthem
dagegen liess in der geschilderten auffallenden Weise auf sich
warten, gleich als ob es durch irgend eine Ursache am Ausbruch
zurückgehalten wurde; schliesslich, nachdem es endlich hervor¬
getreten, verschwand es in sehr kurzer Zeit.
Diese Besonderheiten lassen sich leicht verstehen , wenn sie
iin Lichte der von Schleich und mir aufgestellten Theorien über
die erworbene Immunität betrachtet werden. J )
Die auf Jahrtausende alte Erfahrung gestützte Lehre, dass
die Ueberwindung einiger contagiöser Erkrankungen einen Schutz
gegen die Wiedererkrankung an denselben Leiden gewährt, ist in
unserem Jahrhundert willkürlich verallgemeinert worden. Die
experimentellen Forschungen des jüngsten Jahrzehntes über die künst¬
liche Immunisirung haben scheinbar dieser Verallgemeinerung eine
feste Stütze gegeben. Trotzdem ist dieses Dogma in seiner All¬
gemeinheit in hohem Grade anfechtbar; lehrt doch schon die
klinische Erfahrung, dass bei einer grossen Zahl infectiöser Er¬
krankungen das einmalige Ueberstehen geradezu für die Wieder-
erkrankung disponirt. Es muss also für jede einzelne Erkrankung
der besondere Beweis verlangt werden, dass die einmalige Erkrankung
vor dem Wiedererkranken schützt. Dieser Beweis kann nur durch
die Wahrscheinlichkeitsrechnung an der Hand der Statistik geliefert
werden. Die Wahrscheinlichkeit, von einer bestimmten Krankheit
befallen zu werden, ist durch die Morbiditätsstatistik gegeben ; die
Wahrscheinlichkeit, ein zweites Mal und in einem bestimmten Zeit¬
raum befallen zu werden, lässt sich durch eine einfache Formel,
die ich 1. c. angegeben, berechnen. Sie ist natürlich sehr viel
kleiner als die Möglichkeit der Ersterkrankungen, ihre Grösse ist
') A. Gottetein und C. L. Schleich, Immunität, Infections-
theorie und Diphtberiesernm. 2. Aufl., Berlin, 8pringer, 1894.
A. Gottatein, Epidemiologische Stadien über Diphtherie und
Scharlach. Berlin, Springer 1895.
No. 13.
abhängig von der Disposition der Bevölkerung für die in Frage
kommende Infectionßkrankheit. Nur wenn die beobachtete Zahl
der mehrfachen Erkrankungen wesentlich kleiner ist, als die be¬
rechnete Wahrscheinlichkeit derselben, ist man berechtigt, von einer
durch die Ersterkrankung erworbeuen Immunität zu sprechen.
Wenn man aber ans der grossen Seltenheit der Mehrerkrankungen
schon auf die erworbene Immunität schliessen will, so ist dies
gerade so falsch, als wenn man für eine Lotterie mit schlechten
Gewinnchancen die Behauptung aufstellt, dass ein einmaliger Gewinn
gegen spätere Gewinnaussiehten immunisire.
An der Hand der Morbiditätsstatistik war ich daher genöthigt,
für einige Krankheiten, die bisher fälschlich angenommene er¬
worbene Immunität zu bestreiten, so für Diphtherie und Typhus
abdominalis.
Für andere Krankeiten, vor Allem für Pocken, hat die
klinische Erfahrung so sichere Beweise der erworbenen Immunität
gegeben, dass an derselben nicht gezweifelt werden kann.
Wie aber ist diese erworbene Immunität zu erklären? Auf
Grund der experimenteilen Forschung ist man gegenwärtig geneigt,
dieselbe als eine generelle, den gesammten Körper betreffende,
anzusehen. Eine Reihe glänzender experimenteller Errungenschaften
führten zur Aufstellung mehrerer Theorien, die selbst noch im
steten Wechsel begriffen sind, die aber alle das Gemeinsame haben,
die erworbene Immunität als eine Eigenschaft des vorbehandelten
Organismus in toto anzusehen.
Diesen Theorien hat Schleich 1. c. seine localistische Theorie
der erworbenen Immunität gegen über gestellt und durch zahlreiche
experimentelle und klinisch chirurgische Erfahrungen gestützt.
Schleich geht davon aus, dass die erworbene Immunität vielfach
nur auf einer durch die erste Erkrankung erzeugten Veränderung
der Eingangspforte des Infectionskeimes oder des Giftes beruht.
Die erste Erkrankung erzeuge in vielen Fällen an deren Eingangs¬
pforte und dem Hauptsitz der Erkrankung derartige Veränderungen
entzündlicher und anderer Art, dass bei einer späteren Erkrankung
oder Vergiftung das Haften des Infectionskeimes oder die Re¬
sorption des Giftstoffes auf Hindernisse stösst und die Auslösung
der Krankheitserscheinungen erschwert wird. So bildet die durch
vorangegangenc phlegmonöse Erkrankungen erzeugte Bindegewebs-
narbe oder die durch gleiche Ursache entstandene Verdichtung
der Lymphdrüscn ein schwer übcrwindliches Hinderniss für
spätere phlegmonöse Processe und deren Verallgemeinerung. So
verändert die snbeutane Injeetion von differenten Stoffen den Re¬
sorption sappa rat derart, dass die Aufsaugung neuer Giftmengen
eine längere Zeit gebraucht, während welcher die entgiftenden
Vorgänge des Organismus grösseren Spielraum haben; es erklärt
sich hiedurch so manche Giftgewöhnung, weil nunmehr zor Er¬
zielung des gleichen toxischen Effectes grössere Mengen erforderlich
werden. Wird aber dasselbe Gift, für welches an der gebräuchlichen
Einverleibungsatellc Resorptionshindernisse und damit eine scheinbar
allgemeine Immunität besteht, auf einem anderen Wege dem Körj>or
einverleibt, so stellt sich vielfach sofort heraus, das die schein¬
bare Immunität nicht vorhanden ist. So erliegen nach Koch
die subcutan gegen Milzbrand immunisirten Thiere der Verfütterung
von Milzbrand, so vertragen an subcutane Morphiuminjectionen
giftgewohnte Versuchsthiere nicht mehr die Einverleibung der ge¬
wöhnlichen toxischen Dose durch Trepanlöcher, so kann der Mensch,
der Scharlach auf dem gewöhnlichen Wege der Infcction Über¬
stunden, an Wundscharlach erkranken. Dies ist im Wesentlichen
der Inhalt der von Schleich aufgestellten localistisehen Theorie
von der erworbenen Immnnitüt, welche sicher viele Fälle derselben
befriedigend erklärt, deren einzelne Beweisgründe aber im Original
eingesehen werden müssen.
Der oben geschilderte Fall von wiederholter Masernerkrankung
lässt sich im Lichte dieser Theorie leicht verstehen. Der Or¬
ganismus des Kindes, welches vor fast zwei Jahren Masern Über¬
stunden hat, hatte hiedurch an sieh gegenüber dem Contagium
nicht die geringste generelle Immunität erworben; denn bei der
nächsten Berührung mit dem Contagium trat sofort erneute Infection
ein. Wohl aber bestand eine deutliche, wenn auch nur quantativ
merkbare, locale Resistenz gegenüber den Krankheitserscheinungen
und zwar von Seiten desjenigen Organsystems, welches bei der
ersten Erkrankung am lebhaftesten reagirt hatte. Von besonderem
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290
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Interesse ist es hiebei, dass das Hautsystem im vorliegenden
Falle gar nicht die Eingangspforte des Infectionsstoffes darstellte,
sondern nur die Hauptlocalisationsstelle des Krankheitsvorganges.
Dieses selbe Organ hatte nun durch die erste Erkrankung, wie
man annehmen muss, derartige Veränderungen erfahren, dass eine
zweite gleichartige Localisation beträchtlich erschwert wurde; der
Ausbruch 'des Exanthems erlitt eine erhebliche Verzögerung.
Schliesslich, wohl zum Heile des Patienten, wurde das Hinderniss
überwunden. Diejenigen Organsysteme aber, welche bei der ersten
Erkrankung nur unbedeutend betroffend waren, reagirten in aus¬
gesprochenster Weise auf die erneute Infeetion.
Die Saug- und Druckkraft des Thorax in der
pneumatischen Kammer.
Von Dr. &r. Liebig.
Ich möchte den Lesern dieser Wochenschrift einige Versuche
über die Wirkung der verdichteten ' und der verdünnten Luft in
den pneumatischen Kammern vorlegen, welche noch nicht in wei¬
teren Kreisen bekannt, aber für die Anwendung des Luftdruckes
in Krankheiten von Bedeutung sind. Das Verständnis« dieser
Wirkung wird durch eine kurze Einleitung erleichtert werden.
Es ist bekannt, dass weniger geübte Bergbesteiger häutig den
Zufällen der Bergkrankheit unterworfen sind, wenn sie iu Höhen
von mehr als 3000 m unter stark vermindertem Luftdrucke von
500 mm und darunter sich bewegen. Die Zufälle beginnen mit
gestörten», zu kurzem Athmen und beschleunigter Herzthätigkeit,
es folgt ein Versagen der Muskelkraft in den Beinen und andere
Zustände, unter welchen ich Schwarzsehen oder Funkensehen und
Uebelkeit erwähnen will.
Diese Zustände werden auch unter dem verminderten Luft¬
drucke in den pneumatischen Kammern beobachtet, wo sie, wie
uns Paul Bert gezeigt hat, auf Athmung eines sauerstoffreichen
Luftgemisches rasch vergehen. Sie hängen also mit einer gerin¬
geren Sauerstoff aufnah me in der verdünnten Luft in irgend
einer Weise zusammen, indem entweder die Athmung unzureichend
wird, oder indem wirklich zu wenig Sauerstoff in der verdünnten
Luft enthalten ist.
Nun ist es Thatsache, dass in Gegenden, wo man in den
betreffenden Höhen verweilen kann, in der kurzen Zeit von 10
bis 14 Tagen Gewöhnung an den verminderten Luftdruck statt¬
findet und dass dann die Beschwerden aufhören. Da nun Nie¬
mand behaupten wird, dass man sich an eine geringere Sauerstoff¬
aufnahme gewöhnen könne, so kann die Ursache des Nachlassens
der Beschwerden nur darin liegen, dass man in dieser Zeit wieder
gelernt hat, die Athmung den Umständen anzupassen , ^ so dass
nun auch aus der verdünnten Luft die Lunge genug Sauerstoff
für die Bedürfnisse des Körpers schöpfen kann. Die Ursache der
anfänglichen Athembeschwerden ist die unter Verminderung des
Luftdruckes anfangs auftretende VerkleinerungderLungen-
capacität, welche die Ausdehnung der Lungen oft stark
erschwert. Von dem verdünnten Luftsauerstoff können die Lungen
unter diesen Umständen eine für die normale Sättigung des Blutes
genügende Menge nicht aufnehmen und dies führt zu einer Schwächung
der Muskelkraft, auch in den Athemmuskeln, wodurch die Ath¬
mung nur noch stärker erschwert und das Uebel vergrössert wird.
Wird dann sauerstoffreichere Luft geathmet, so verschwinden
die Beschwerden sofort, indem die Muskeln sogleich die nöthige
Kraft finden, auch unter dem verminderten Luftdrücke die Lungen
auszudehnen, wodurch den übrigen Erscheinungen der Boden ent¬
zogen wird.
Der Schwächung der Athemmuskeln, welche im Verhältmss
der Abnahme des Luftdruckes zunimmt, steht eine zunehmende
Kräftigung derselben gegenüber, wenn man den stark erniedrigten
Luftdruck wieder ansteigen lässt, und man kann eine weitere
Kraftzunahme verfolgen, bis zu einer gewissen Grenze, wenn
man fortfährt, den Luftdruck über seine gewöhnliche Grösse zu
erhöhen; dies Alles tritt am deutlichsten hervor bei dem soge¬
nannten Person’schen Versuche, bei welchem die Athmung auf
kurze Zeit unterbrochen wird. Ich habe darüber zuerst im Januar
1893 der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München
berichtet. 1 ) Seitdem habe ich den Versuch in der pneumatischen
Kammer in Reichenhall wiederholt, wobei ich den Luftdruck auf
eine halbe Atmosphäre sinken und auf zwei Atmosphären steigen
liess, und wobei ich ausserdem noch den umgekehrten Versuch
mit der Ausathmung hinzufügte. Der Person’sehe Versuch
besteht darin, dass man zuerst im Sitzen die Lungen unter Ein¬
ziehung der Bauchmuskeln entleert, so dass sie wesentlich nur
noch die Residualluft enthalten. Dann nimmt man eine Röhre
in den Mund, die mit dem einen Schenkel eines offenen Quecksilber¬
manometers verbunden ist, welches auf dem Tische steht, und
versucht bei geschlossenem Nasenrachen raume einzuathmen. Der
höchste Stand des Quecksilbers, den man in diesem Schenkel mit
Anwendung aller Kraft einathmend erreichen und ein paar Sekunden
einhalten kann, wird dann abgelesen, und die unter jedem Luft¬
drucke erreichte Höhe dient als Maassstab der unter diesem Drucke
verfügbaren Kraft der Einathmungs-Muskeln. Für den umgekehrten
Versuch mit den Muskeln der Ausathmung nimmt man einen
möglichst vollen Athemzug, den man mit aller Kraft in das Mano¬
meter zu entleeren versucht, und bemerkt sieh den im anderen
Schenkel erreichten Quecksilberstand. Für die Dauer eines Ver¬
suches, 5—8 Sekunden, ist die Athmung unterbrochen.
Bei diesen Versuchen unterstützte mich Herr Dr. Schöppner
in Reiehenhall, mit welchem zusammen ich in dem erhöhten Drucke
drei Versuchsreihen ausführte, die erste bis zum Ueberdrueke von
86 cm Quecksilberhöhe, die zweite bis zu 50 cm und die dritte
bis zu 76 cm oder einer Atmosphäre Ueberdruck. In dem ab¬
nehmenden Luftdrucke, bis zu 380 mm oder einer halben Atmo¬
sphäre, machte ich fünf Versuchsreihen, wovon drei gemeinschaftlich
mit Herrn Dr. Schöppner. Herr Dr. Orten au iu Reichenhall
hatte die Güte, mit Herrn Mack, dem Besitzer der pneumatischen
Anstalt, die Druckabnahme zu leiten.*)
Die Ergebnisse unserer Versuche sind in den Curven A und
B dargestellt. Die Curven A zeigen in ihren Ordinaten die
Höhen der im Person'sehen Versuche erreichten Quecksilber-
stäude, die Curven B die Quecksilberstände im umgekehrten Ver¬
suche für die Muskeln der Ausathmung, beides unter Abnahme
sowohl, als unter Zunahme des Luftdruckes. Das Steigen und
Fallen des Luftdruckes von 10 zu 10 cm Quecksilberhöhe ist in
den Abseissen zu verfolgen. Die oberen beiden Curven wurden
von Herrn Dr. Schöppner, die unteren von mir selbst erhalten.
TEs würde zu einer leichteren Beurtheilung der Verhältnisse
beitragen, wenn man von den SauerstofFmengeu in den Lungen,
welche bei der Erniedrigung und bei der Zunahme des Luftdruckes
in Betracht kommen, einen annähernd richtigen Begriff haben
könnte, und zu diesem Zwecke habe ich aus den wahrscheinlichsten
Grundlagen die Menge des bei deD Versuchen in den Lungen be¬
findlichen Sauerstoffes berechnet, woraus die unterhalb der Kraft
Curven befindlichen Linien a und b her vor gegangen sind. Von
diesen gibt die untere, a, die unter den Luftdrücken von /s 10
2 Atmosphären in der Residualluft der Lungen vorhandenen Sauer-
M Siehe auch Berliner klin. Wochenschrift 1893. No. 23.
2) Sitzungsber. d. Gesellschaft für Morphologie u. Physiologie
in München 1894. No. 27.
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31. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
291
stoffmengen an, wenn man die Grösse des Lungen raumes zu
1000 ccm annimmt. 8 ) Die Berechnung wurde nach der von
Setsehenow in Pflüger’s Archiv Vol. 23 und 24 angegebenen
Formeln gemacht. Unter dem Drucke von */* Atrn. enthält
der Residualluftraum nur 40 ccm Sauerstoff (gemessen unter dem
Drucke von 760 mm und nicht auf 0° reducirt) und unter dem
Luftdrucke von Reichenhall (720 mm) enthält er 130 ccm, unter
2 Atin. 340ccm. Nach Katzenstein (Pflüger's Arch. 49,
SSO 1 ) ist aber der Bedarf eines 60 Kilo schweren Körpers in der
Ruhe etwa 240 ccm in der Minute und bei Arbeit 3—4 mal so
viel. Es ergibt sich also, dass während der kurzen Unterbrechung
des Athmens im Person'sehen Versuche, unter dem verminderten
Luftdrucke die Lungen nur sehr wenig Sauerstoff enthalten können.
Die obere Linie b entspricht den Sauerstoffmengen, die nach einem
vollen Athemzugc in der Luuge enthalten sind, nämlich unter dem
Drucke einer halben Atrn. 150 ccm ; unter dem Drucke von
Reichenhall 439 ccm und unter 2 Atm. 1096 ccm.
Diese beiden Linien folgen im Allgemeinen ziemlich gleich¬
laufend den entsprechenden Kraftcurven A und B, und so scheint
es, dass die in den Kraftcurven ausgedrücktc Ab- und Zunahme
in der Kraft der Athemmuskeln enge mit der Ab- und Zunahme
des Sauerstoffes in den Lungen zusammenhängt, wenigstens ist
dies mit der C’urve des Person’schen Versuches der Fall. Die
Wertke beider Curven betragen in cm-Quecksilber:
'/* Atm.
1 Atm.
2 Atm.
Bei
Dr. Sehöppner B.
5,8
8,1
10,4
A.
5,2
7,3
10,0
bei
Dr. v. Liebig B.
7,0
“ 8,4
11,0
A.
6,8
8,1
10,2
Der Umstand, dass die Curve B etwas höher verläuft als
die Curve A, hängt wohl damit zusammen, dass bei beiden Personen,
die bei der Ausathmung in Betracht kommenden Muskeln in ihrer
Oesammtheit einer grösseren Kraftentwicklung in dieser Richtung
fähig waren: Bei einer dritten Versuchsperson war die Kraft der
Ausathmung nicht hoher, als die der Kinatbuiung. Der Verlauf
der Cnrve B ist ausserdem weniger gleichförmig, als der Verlauf
der Curve A. Anfangs ist er mit der entsprechenden Linie b
ziemlich gleichlaufend bis zu dem Ueberdruck von 20 und von
30 cm, dann aber nimmt er in jeder der beiden Curven B eine
andere Richtung an und neigt sich dem Parallelismus mit der
Abscissenachse zu. Dies macht es wahrscheinlich, dass bei 20 bis
30 ccm Ueberdruck das Blut beinahe so viel Sauerstoff aufge-
nouunen habe, als dies überhaupt möglich ist und dass bei einer
weiteren Druckerhöhung über 2 Atm. eine grössere Kraftentwick¬
lung nicht zu erwarten wäre. Die Curve A behält im Gegen¬
teile ihre mit der Sauerstofflinie a parallele Richtung bei bis zum
Drucke von 2 Atm., was dafür spricht, dass bei Suspension der
Athmung in der Residualluftstellung selbst unter 2 Atm. Druck
das Blut immer noch etwas Sauerstoff aufnehmen könnte.
Bei unseren Versuchen fällt die Schnelligkeit auf, in welcher
die Wirkung der Druckerhöhung oder Verminderung auf die
Muskelkraft sich zu erkennen gab. Einen vergleichbaren Maass¬
stab finden wir in der Geschwindigkeit, mit welcher bei Paul
Bert der eingeathmete Sauerstoff die Pulsfrequenz herabsetzte,
welche zurückging, so bald er anfing, von der sauerstoffreichen
Luft zu athmen: Eine Wirkung, welche nur durch die Ver¬
mittelung einer gesteigerten Muskelkraft erfolgen könnte.
Schon bei sehr geringer Erniedrigung des Luftdruckes, so
wie sie einer Erhebuug um weniger als 1000 m entspricht, be¬
obachtet man bekanntlich eine geringe Steigerung der Pulsfrequenz,
welche zunimmt, wenn der Luftdruck noch weiter sinkt. Dies
beruht nicht auf der Verminderung der Sauerstoffmenge in der
dünneren Luft, sondern auf der Abnahme des negativen Druckes
im Pleuraräume und auf der Beschränkung des Blutlaufes durch
die Lungen: Veränderungen, welche durch die besonders im An¬
fänge im verminderten Luftdrücke verstärkte Zusammenzichung
der Lungen und die dadurch verengte Lungenstellung veranlasst
werden. Dieselben Veränderungen liegen der Bergkrankheit 4 ) zu
8 ) In meiner früheren Mittheilung hatte ich .1500 ccm an¬
genommen, was nach neueren Arbeiten zu hoch erscheint.
*) Ein Artikel «Bergkrankheit» wird im Julihefte der deutschen
Vierteljahresschrift für Gesundheitspflege 1896 erscheinen.
Grunde und P. Bert war diesem Einflüsse der Druckabnahme
in stärkerem Grade unterworfen, als die meisten anderen Menschen,
desshalb erreichten auch bei ihm die Erscheinungen der Bergkrank¬
heit in der pneumatischen Kammer einen höheren Grad. Wie
stark die Verengung seiner mittleren Lungcnstellung gewesen sein
muss, das geht hervor aus der grossen Verminderung seiner
Lungencapacität. Diese hatte unter dem gewöhnlichen Luft¬
drucke 3750 ccm betragen , als aber der Luftdruck auf 430 mm
gefallen war, konnte er mit aller Kraft seine Lungen nicht weiter
als bis zu 2560 ccm ausdehnen, also um fast ein Drittel weniger.
In einer Sitzung am 20- Februar 1874, in welcher er öfters
Sauerstoff athmete, konnte man zweimal beobachten, dass die
Athmung des Sauerstoffes, das Sinken der erhöhten Pulsfrequenz
um 20 und um 10 Schläge, sowie deren Zählung sich jedesmal in
der kurzen Zeit einer Minute vollzog und die Curven zeigen, dass
das Sinken fast augenblicklich begonnen hatte. Der Luftdruck
betrug 440 mm und 445 mm s ).
Die Sauerstoffatbmung an sich verlangsamt bekanntlich die
Pulsfrequenz nicht. Sie bewirkte hier, indem sich das Blut rasch
mit Sauerstoff sättigte, durch die frische Zufuhr eine sofortige
Kräftigung der Muskclthätigkeit, die durch den Sauerstoffmangel
geschwächt war. Die Inspirationsmuskeln konnten nun die relativ
stärkere Zusammenzichung der Lungen überwinden und die Aus¬
dehnung der Lungen erweiterte zugleich deren Blutbahn und
bewirkte die Zunahme des negativen Druckes, wodurch die Puls¬
frequenz fiel. Auf die gleiche Weise wie hier erklärt sich bei
unseren Versuchen unter dem sinkenden Luftdruck die Abnahme
der .Muskelkraft, und ebenso ihre Zunahme bis zu einer gewissen
Grenze xmter dem steigenden Drucke, der die Menge des geathmeten
Sauerstoffes vergrösserte. Die Sauerstoffmenge in den Lungen
musste bei den Versuchen durch die Verengung der Lungen-
stolluug im verminderten Luftdruck noch kleiner werden, als wir sie
oben berechnet hatten , und bei der Erweiterung der Lungen¬
stellung unter dem erhöhten Luftdrucke grösser.
Schon durch A. v. Humboldt’s und durch meiue Versuche
über die Muskelrespiration 6 ) ist der unmittelbare Einfluss des
Sauerstoffes auf die Muskclthätigkeit fcstgostellt worden, später,
186S fanden C. Ludwig und A. Schmidt 7 ), dass das Blut
die Leistungsfähigkeit der Muskeln nur dann herstellt und unter¬
hält , wenn es sauerstoffhaltig ist, und dass die Muskeln den
Sauerstoff um so rascher aufnehmen, je mehr das Blut davon
enthält. 1872/73 fand ich 8 ), dass das Blut bei der Athmung
in der pneumatischen Kammer unter der Druckerhöhung von
32 Um. Hg. mehr Sauerstoff aufnahm als gewöhnlich, was P. Bert
um dieselbe Zeit in anderem Verhältnisse für höhere Drucke
nachwies. Aber schon 1863 hatte F o 1 ey y ) bei dem Brückenbau
zu Argentcuil beobachtet und hervorgehoben, dass die Caisson-
Arbeiter unter dem Luftdrucke bis zu zwei Atm. kräftiger und
mit geringerer Ermüdung arbeiteten und dass sie und auch die
Aufseher lebhafter geistig angeregt waren. Also auch auf das
Nervensystem erstreckt sich der Einfluss der reichlicheren Sauer¬
stoff/ ufuhr.
Diese Einflüsse machen sich nun auch geltend bei durch
Krankheit geschwächten Personen und erklären die so häufig
beobachteten gün; :gen Wirkungen des erhöhten Luftdruckes in
der pneumatischen Kammer. Die raschere Sauerstoffaufnahmc
unterstützt dort die mechanische Wirkung des Luftdruckes auf
die Verbesserung der Athemthütigkeit, welche bekanntlich durch
die Nachwirkung noch lange Zeit beibehalten wird. — Man könnntc
die Frage auf werfen , ob nicht mechanische Ursachen gleichfalls
mitwirkten, um die mit der Ab- und Zunahme des Luftdruckes*
gleichlaufende Ab- und Zunahme der Kraftentfaltung der Athem¬
muskeln zu Stande zu bringen. Obgleich eine solche Möglichkeit
denkbar gewesen wäre, so haben einige darüber angeateilte Ver¬
suche gezeigt 10 ), dass eine derartige Mitwirkung nicht bestehe.
6 ) 1. c. 751, Protokoll 3 Uhr 25 Minuten und 3 Uhr 34 Minuten
®) Müller s Archiv 1850, S. 393.
7 ) Sitzungsberichte d. k. sächs. Ges. d. Wissensch. Leipzig 1868
8 ) Pflüger’s Archiv Bd. X, 1875.
9 ) Du travail dans l’air comprimä. Parte 1863.
10 ) Sitzungsberichte der Gesellsch. f. Morph, u. Physiologie in
München 1894, S. 41. ^
2 *
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292
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Neuropathologische Mittheilungen.
Von Dr. Rudolf von Hoesslin, dirig. Arzt der Curanstalt
Neuwittelsbach.
U. TurnorderEpiphysis cerebri. Diabetes insipidus.
Oculomotoriuskernlähmung.
E. K., 9 Jahre alt, wurde mir im Januar des vorigen Jahres
von Herrn Dr. Neger, Hausarzt im rothen Kreuz, zur Untersuchung
zugewiesen und war von dieser Zeit an wiederholt in meinem Am¬
bulatorium. Derselbe litt seit mehreren Monaten an bedeutendem
Durst und starker Polyurie; Herr Dr. Neger hatte Wochen lang
regelmässig von der Mutter des Kranken Aufschreibungen über die
Menge der vom Knaben getrunkenen Flüssigkeit und der aus¬
geschiedenen Harnmenge machen lassen. Es zeigte sich, dass im
Tag 20—24 Quart getrunken und ebenso viel durch den Urin ent¬
leert wurden. Eine genaue Untersuchung des Knaben, welche schon
mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines bestehenden Hirntumors
gemacht wurde, ergab an keinem Organ objectiv nachweisbare Ver¬
änderungen. Der Urin hatte ein sehr niedriges specitisches Gewicht
und war jetzt und später frei von Zucker und Eiweiss. Die Be¬
handlung, die sonst beim Diabetes insipidus manchmal gute Resul¬
tate liefert — Brom und Valeriana —, erwies sich als völlig nutzlos.
Ich habe vor Jahren im D. Archiv für klinische Medicin einen Fall
von Diabetes insipidus beschrieben, in welchem eine syphilitische
Neubildung Ursache des Diabetes war. Die Anamnese des Knaben
ergab nichts, was für hereditäre Lues verwerthet werden konnte.
Das Krankheitsbild blieb nun bis auf Schwankungen aufwärts
und abwärts im Körpergewicht längere Zeit unverändert. Vorüber¬
gehendes Erbrechen konnte auf Darreichung von 01. jecor. aselli
bezogen werden, die zunehmende Müdigkeit des Kranken war bei
der «normen Urinabscheidung nicht auffallend. Da trat plötzlich
eine bedeutende Verschlechterung ein; nachdem der Knabe drei
Wochen nicht mehr bei mir gewesen war, kam er am 11. April
wieder; nun waren heftige Kopfschmerzen und häufiges Erbrechen
aufgetreten und er war nicht mehr imstande, gerade zu gehen. Er
schwankte beim Gehen sehr bedeutend und hatte überhaupt Mühe,
sich auf den Beinen zu halten. Seit 14 Tagen bestehen Sehstörungen.
Die Untersuchung ergab Folgendes: Grobe Kraft der unteren
Extremitäten stark herabgesetzt, Gang taumelnd; die Pupillen sind
beiderseits ad maximum erweitert, die Augen können nach links,
rechts und unten bewegt werden, dagegen ist die Bewegung der
Bulhi nach oben über die Horizontalebene hinaus unmöglich. Es
bestand also eine isolirte Lähmung beider Mm. recti superiores, der
Mm. obliq. super, und eine Lähmung des Sphincter pupillae. Die
Sehschärfe war so bedeutend herabgesetzt, dass der Knabe nur ganz
grosse Buchstaben unterscheiden konnte. Beiderseits Stauungspapille.
Nachdem früher die Diagnose Tumor cerebri nur vermuthungs-
weise gestellt werden konnte, war jetzt kein Zweifel mehr darüber,
dasß es sich um einen Hirntumor handelte; der bestehende Diabetes
insipidus liess daran denken, dass ein auf den Boden des 4. Ven¬
trikels drückender Tumor denselben hervorrufe. Die jetzige
Lähmung des Blickes nach oben und des Sphincter pupillae
beiderseits konnte nur auf eine Oculomotoriuskernlähmung bezogen
werden. Da diese Kerne am Boden des Aquaeductus Sylvii
liegen, so wurde die Diagnose eines diese Gegend compri-
mirenden oder durchsetzenden Tumors noch wahrscheinlicher. Die
Schwäche der unteren Extremitäten konnte nicht als Herdsymptom
verwerthot werden, da dieselbe bei Tumoren verschiedener Regionen
vorkommt, doch war auch zu berücksichtigen, dasB besonders
median sitzende Tumoren der hinteren Schädelgrube durch ihren
Druck auf Pons und Hirnschenkel zu schlaffen Paresen der beider¬
seitigen Extremitäten führen.
Auch der schwankende Gang ist besonders bei Tumoren, die
das Kleinhirn beeinträchtigen, beobachtet worden.
Der weitere Verlauf gab keine weiteren diagnostischen Anhalts¬
punkte mehr; die Schwäche der unteren Extremitäten nahm Hand
in Hand mit der allgemeinen Schwäche rasch zu, die Sehkraft der
Augen nahm immer mehr ab und es stellten sich häufig heftige
ohne Bewusstseinverlust einhergehende allgemeine Convulsionen ein
und nach einem solchen Anfall trat der Tod ein. Der Diabetes
insipidus war schon mehrere Wochen vor dem Tode wieder ver¬
schwunden , während die partielle Oculomotoriusparalyse bis zuletzt
bestehen blieb.
Aus dem am 23 Mai von Herrn Privatdocenten Dr. Schmaus
aufgenommenen Sectionsprotocoll entnehme ich nur das für die
Diagnose Wichtige:
Nach Herausnahme des im Ganzen sehr grossen Gehirns zeigt
sich über den Corpor. quadrigemin. und dem vorderen Theil des
Kleinhirns ein über wallnussgrosser nur vorn mit den Corp. quadri-
gern. verwachsener Tumor, welcher auch im Uebrigen nirgends mit
der Substanz des Gehirns verwachsen ist. Der Tumor ist von sehr
weicher Beschaffenheit mit grauroth gefleckter Oberfläche; seine
Umgebung zeigt im Allgemeinen keine Deformation, jedoch findet
sich eine solche in ziemlich starkem Grade unterhalb desselben.
No. 13.
Die Corpora quadrigemina sind kaum mehr erkennbar, vollkommen
abgeflacht, die ihnen entsprechende Oberfläche etwas erweicht, je¬
doch fühlen Jie gleichen Stellen sich gegen die Tiefe zu, aber
unterhalb der erweichten Oberflächenpartie derb an. Die Rauten¬
grube in ihren vorderen Partieen verbreitert. Gegend vor d. Corp.
quadrig. stark abgeflacht mit glatter Oberfläche. Gegen den dritten
Ventrikel zu zeigt sich an letztgenannter Stelle eine flache, anschei¬
nend dem Aquaeductus Sy.vii entsprechende Furche, welche nach
rückwärts spitzwinklig zuläuft Von hier setzt sich eine schmale
Furche unmittelbar in die Medianfurche der Rautengrube fort.
Sonst ist vom Aquaeductus Sylvii nichts mehr zu erkennen. Boden
der Rautengrube von normaler Configuration, doch von derber
Consistenz. An d. Corpor. quadrigem. setzt sich nach beiden Seiten
zwischen den Stielen derselben und dem Kleinhirn, jedoch nur mit
den ersteren zusammenhängend und offenbar von denselben aus¬
gehend, Tumormasse fest und zwar nach beiden Seiten von der
Mittellinie an gerechnet in der Länge von 2'/* cm.; Gehirnschenkel
vielleicht in ihrem verticalen Durchmesser etwas abgeplattet. Pons,
medulia oblong., Kleinhirn im Uebrigen ohne Befund, Grosshirn¬
ventrikel sämmtlich erweitert.
. Auf Grund vorstehenden Befundes ergibt sich als anatomische
Diagnose: Tumor der Epiphyse, übergreifend auf die Corpora qua¬
drigemina. Leichte Sklerose am Boden der Rautengrube, Compres-
sion mit Zerstörung des Aquaeductus sylvii
Die später vorgenommeue mikroskopische Untersuchung des
Tumors ergab, dass es sich um ein gefässreiches, im Innen zer¬
fallenes und mit Blutungen durchsetztes Spindelzellensarkom handelte.
Nach dem .Sectionsbefund war die Annahme, dass der Diabetes
insipidus durch Druck eines Tumors auf den Boden des 4- Ven¬
trikels bedingt war, gerechtfertigt. Die bestehende Sklerose
desselben war jedenfalls schon älteren Datums und fiel ihre
Entstehung wohl zusanmieu mit dem '/j Jahr vor dem Tode
aufgetretenen Diabetes insipidus. Die Veränderungen am Aquae¬
ductus Sylvii dagegen waren grösser, als im Leben angenommen
werden konnte, denn im Leben hatte nur eine isolirte Kernlähmung
bestanden, nur die Kerne für den Sphincter pupillae und für die
Muscul. rect. super, und obliq. inf. beider Seiten wurden als zer¬
stört angenommen, während bei der hochgradigen Zerstörung des
Aquaeductus der ganze Oculomotoriusursprung l>etheiligt gewesen
sein muss. Es soll nun an dem inzwischen gehärteten Präparate
noch durch Schnitte entschieden werden, wie weit die Oculomotorins-
kerne wirklich zerstört waren. Die Erkrankung, d. h. Zerstörung
des Vierhügel war intra vitam nicht zu diagnostieiren, weil die bei
Vierhügelerkrankung beobachtete Abnahme der Sehkraft ebenso gut
durch die nachgewiesene hochgradige Stauungspapille erklärt werden
konnte. Interessant ist der Fall jedenfalls desswegen, weil aus
demselben hervorgeht, dass ein ohne alle weiteren Krankheits¬
symptome bestehender Diabetes insipidus uns auf die Entstehung
eines Gehirntumors aufmerksam machen kann.
Feuilleton.
Die endemische Verbreitung des Kropfes und
Cretinismus im Kaukasus.
Von Stabsarzt Dr. Wilke in Dresden.
Bei einer Reise, welche ich im vorigen Sommer durch den
Kaukasus unternahm, fand ich auch mehrfach Gelegenheit, der Frage
nach der endemischen Verbreitung des Kropfes und Cretinismus
in diesen Alpengebieten näher zu treten. Dieser Gegenstand inter-
essirte mich um so mehr, als ich bereits bei früheren Reisen durch
die europäischen Alpen, insbesondere im Klosterthal westlich vom
Arlberg, namentlich aber in der Gegend von Martigny im Rhone¬
thal und noch mehr in dem Büdlich vom grossen St. Bernhard ge¬
legenen Aosta und dessen Umgebung, diese noch immer vollständig
räthselhafte Krankheit in ihren schwersten Formen und in ihrer
excessivsten Ausbreitung kennen zu lernen Gelegenheit hatte.
Die Literatur, welche wir über die endemische Verbreitung
dieser Erkrankung im Kaukasus finden, ist ziemlich spärlich Ausser
einigen gelegentlichen Bemerkungen einzelner Reisender, wie nament¬
lich des in dem vorigen Jahrhundert lebenden grusinischen Geo¬
graphen Bachusoht, ferner von Bartholomäi 1 ). Bakradse 9 ),
Radde»), Serid inski*) und einigen anderen, sind namentlich die
‘) PojesdkawSwanetij: ssapiski kawkasawo otdjela irnper.
russk. obschtschestwa. Buch III, S. 32, 59 und 61.
a ) 8wanetija: ssap. kawkask otdjel. B. VI, S. 25.
8 ) Putjeschestwije w mingrelskich alnach i w trjoch werchnich
pro<l>>lnich dolinach: ssap. kawkask. otdjel. Bd. VII, 8. 60—62.
4 ) Ostschork rastitjelnosti Rionskawo basseina. Odessa 1870,
Seite 38.
Digitized by t^.ooQie
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
293
31. März 1896-
Arbeiten von Seydlitz 5 ', sowie von Ssaltykow 6 ) zu nennen
von «lenen erstere einen Gesammtüberblick über das Vorkommen
der Krankheit im ganzen Kaukasus gibt, letzterer ihre Verbreitung
im westlichen Daghestan behandelt, und die beide vorwiegend als
Unterlage für die nachstehenden Ausführungen gedient haben.
Beginnen wir zunächst, mit den Nordabhängen des westlichen
Kaukasus, welcher sich orograpbisch in den eine ungeheuere, ununter¬
brochene Mauer bildenden Hauptkamin und zwei stufenartig vor¬
gelagerte, nach Süden hin steil abfallende Vorkämme gliedert und
der ebenso geologisch, entsprechend den dreitheiligen, verschiedenen
Entstehungsperioden angehörigen Formationen, einen verschiedenen
Aufbau erkennen lässt: nämlich Jura, Kreide und Tertiär. Das
eigentliche Gebirgsgebiet liegt südlich und südöstlich der südlichen
Terasse und umfasst die Quellen und den Oberlauf dreier Neben¬
flüsse des Kuban: der Bjelaja, der beiden Labs und des Urug, welche
8ämmtlieh in nördlicher Richtung fliessen und in malerischen engen
Schluchten die vorwiegend der Kreideformation angehörende nördliche
Terasse durchbrechen. Die Nachrichten über das Vorkommen des
endemischen Kropfes und Cretinismus in diesen Gebieten lauten
vollständig negativ. Insbesondere berichtet der General Petruse-
witsch, dass er trotz mehrjährigen Aufenthaltes in dem in einem
Kessel des oberen Kuban gelegenen Karatscha. und trotzdem er
sehr gut mit der ganzen Bevölkerung bekannt geworden sei, doch
nirgends irgend welche Erscheinungen jener Krankheiten unter den
dortigen Einwohnern bemerkt habe. Auch die benachbarten Felsen-
thftler des Urup, Tshegem, der Bisinga und des Balkar, deren Be¬
wohner jenen des oberen Kubanthaies staminesverwandt sind, sind
aller Wahrscheinlichkeit nach kropffrei. Wenigstens haben weder
die Engländer Mur, Tekker und Freshfield, welche Ende der
sechziger Jahre die den Elbrus umgebenden Wildthiller besuchten,
noch der Verfasser des «kalten Kaukasus», Grove, ebenfalls ein
Engländer, welcher mit dem oben erwähnten Mur, sowie .Tukker
und Gardner 1872 jene Gegenden durchstreifte, in ihren Reise¬
berichten der Krankheit Erwähnung gethan. Auch das östlich vom
Elbrus bis zum Kasbek beziehungsweise dem Terek heranreichende
Gebiet, welches sich in mancher Hinsicht von dem westlich vom
Elbrus gelegenen Abschnitt unterscheidet, scheint nach den mir
vorliegenden Nachrichten vollständig kröpf- und cretinismusfrei zu
sein. Jedenfalls fehlt jede Mittheilung darüber und auch ich selbst
habe weder in den an der grusinischen Heerstrasse selbst gelegenen
grusinischen und ossjetischen Ortschaften, noch in einigen von mir
besuchten Seitenthälern des wildromantischen Terekthales, die sich
Bämmtlich durch ihre Enge und Wildheit und die steilen, das Thal
begrenzenden, hochaufragenden und zerklüfteten Felswände aus¬
zeichnen, noch endlich in dem Thal des Potumok, welchem die be¬
kannten kaukasischen Mineralbilder Pjatigorsk, Schelesnowodsk,
Jessentuki und Kisslowodsk angehören, wirklich ausgebildete Kröpfe
gesehen. Geringe Vergrösserungen der Schilddrüsen habe ich aller¬
dings wiederholt beobachtet und namentlich fielen mir in dieser
Beziehung mehrere Frauen in dem unweit «les Dorfes Kasbek am
Eingänge in das Tschcherkathal gelegenen, sehr ärmlichen Dörfchen
Gortschety auf, welches ich gelegentlich eines Besuches des den
Kasbek angehörigen Kirwan-Zweri-Gletschers berührte.
Wie in den westlich vom Terekthale gelegenen Abschnitten
des Nordkaukasus, so findet sich auch in den östlich davon liegenden
Digorien, welches dem Oberlaufe des Urruch. sowie dem allseitig von
gigantischen mit ewigem Schnee bedeckten Bergen eingeschlossenen
Längsthaie des Mamisson und Nardon angehört, weder Cretinismus
noch Kropf in endemischer Verbreitung Dies bekunden sowohl
Seydlitz als Pfaff ganz übereinstimmend, welche beide jene
Gebiete durchstreift haben.
Der erste Punkt, an welchen wir bei dieser Wanderung von
Nordost nach SüdoBt entlang des Nordabhanges des Kaukasus auf
Kropf stossen, ist das obere Thal des Scharo-Argun, in welchem
der General Petrusewitsch nach einer Mittheilung von Seyd- i
litz mehrere mit ausgebildetem Kropf behaftete Tschetschenzen
antraf. Doch scheint dort die Krankheit noch nicht sehr verbreitet
zu sein, da der oben erwähnte Reisende Seydlitz, der 1872
gelegentlich einer Reise von dem Dorfe Attenbag (in der Gemeinde
Chartscherojew) nach dem Dorfe Buni (in der Gemeinde Tscliaberloi)
den Thalkessel der Scharo-Argunquellen passirte, davon nichts zu
sehen bekommen hat.
Wenden wir uns noch weiter südöstlich, so gelangen wir nach
Daghestan (tatarisch, so v. a. Gebirgsland), welches sich bis an das
Kaspische Meer erstreckt und das russische Gouvernement Derbent,
die sogenannte Kaspische Region (Kuba) des Schamohalat von Tarki,
das mechtulinische Kanat und die Landschaften Kaite und
fabasseran umfasst. Das in seinem Kern aus Jurakalk aufgebaute
Gebirge ist durch Labyrinthe tiefeingeschnittener Tbäler in isolirte,
ringsum steil abfallende Plateaus zerschnitten, die sich fächerförmig
zum Kaspischen Meer hinziehen und in den mächtigen, schnee¬
bedeckten Kalkgipfeln des 8chachdagh ihre höchste Entwicklung
lr ^ rasprostranjenij soba i kretinisma na Kawkasje; Ipwjesdija
awJ{ °^J e L imp. russk. geogr. obschtschestwa. B«l. VI, S. 287 ff.
, ' Ob endemitscheskom sobje w sapadnom Dagestanje; iswj.
kawk. otdjel imp. russk. geogr. obsch. Bd. VII, 8. 274 ff.
Anmerkung: Die meisten der hier vorkommenden Fluss- und
Dnsnamen sind auf den Karten der besseren Atlanten angegeben.
No. 13.
erreichen. In diesen Gebieten ist der Kropf schon bedeutend
stärker entwickelt als in den vorher erwähnten Theilen des Kau¬
kasus. Die ersten Beobachtungen in dieser Richtuug rühren vom
General A. W. Komarow her, welcher sich lange Zeit in jenen
Gegenden aufhielt und auch sehr gute Arbeiten über die dortigen
Volksstämme und die herrschenden Sprachen geschrieben hat. Die
ersten Fälle sah er in dem Thale des andijskischen Koisu in ein
paar kleinen Dörfern des Tschamalalischen Bezirkes, in welchen er
zwei sonst schöne Mädchen mit ausgebildetem Struma antraf.
Uebrigens fanden diese Beobachtungen Komarow's noch weitere
Bestätigung durch die Angaben der Einwohner, nach deren Aus¬
sagen der Kropf auf dem linken Ufer des Andij'schen Koisu
ausserordentlich stark verbreitet sein sollte, namentlich in den
Dörfern, die am Nordabhange der aus der Hauptkette des Andij-
kammes wie Strebepfeiler heraustretenden Gebirgsmassen liegen.
Die Beobachtungen Komarow's fanden allerdings keine
Unterstützung durch seydlitz, welcher im Jahre 1880 die oberen
Koisuthäler besuchte und weder selbst das Vorkommen des Kropfes
an dem linken Ufer dieses Flusses beobachtete, noch auch sonst
etwas über die Verbreitung dieser Krankheit in diesen Regionen
erfuhr, während dieselbe nach den ihm von den Einwohnern ge¬
machten Mittheilungen in dem Dorfe Chustadt sehr verbreitet sein
soll. Dagegen fanden die Angaben des Generals Komarow neue
Bestätigung durch die Mittheilungen des Dr. Ssaltykow, welcher
in den am 1. Ufer des andijschen Koisu im Andijschen Kreis sieben
Werst von Botlich (dem Hauptverwaltungscentrum dieses Theiles
Daghestans) und ungefähr 5 Werst unterhalb des Forts Preobra-
schensk gelegenen Aul Konchidatlj (Kreis Andji, West-Daghestan)
fast bei allen Einwohnern in mehr oder minder hohem Grade
Kropf entwickelt fand. Meist handelte es sich dabei um Struma
hypertrophica diffusa, doch waren auch vereinzelte Fälle von Struma
fibrosa darunter. Wie fast überall, so war auch hier das weibliche
Geschlecht in stärkerem Grade befallen als das männliche. Doch
war auch bei Kindern — mit Ausnahme der Säuglinge — der
Kropf fast ausnahmslos vorhanden. Cretinismus hat dagegen
Ssaltykow weder hier, noch sonst in dem übrigen westlichen
Daghestan zu Gesicht bekommen. Uebrigens hindern die starken
Kröpfe, welche man dort antrifft, die Leute nicht, zum Theil ein
recht hohes Alter zu erreichen. In gleicher Weise wie in Konchi¬
datlj ist der Kropf auch in dem eine Werst oberhalb genannten
Ortes am rechten Ufer des Andij'schen Koisu gelegenen Incheli 7 )
verbreitet (und zwar Nieder-Incheli oder Encheli wie es Rossikow
schreibt, während Ober-E. kropffrei ist.)
In ätiologischer Beziehung interessant ist, dass ausser diesen
beiden Auls die übrigen, unter sonst ganz gleichen Temperatur-,
klimatischen, geologischen und orographisclien Verhältnissen befind-
lichen benachbarten Auls des Koisutliales, welches von wilden, hart
an die Flussufer herantretenden, fast ganz vegetationslosen, hoch¬
aufragenden Sandsteinwänden eingesäumt wird, von dem endemischen
Kropfe vollständig verschont sind, trotzdem die Bewohner dieser
Auls genau dasselbe — an erdigen Bestandteilen zwar sehr reiche,
sonst aber anscheinend sehr gute und gesunde — Flusswasser
trinken, wie die Bewohner der beiden andern Auls. Ssaltykow
sucht dieses ausschliessliche Auftreten des Kropfes in Konchidatlj
und Incheli durch die Beschäftigung der Bewohner dieser beiden
Orte zu erklären, welche sich sämmtlich mit der Gewinnung von
Kochsalz und Salzsiederei beschäftigen. Männer, Weiber und Kinder
dieser beiden Auls bringen fast den ganzen Tag auf den 1—l 1 /»
Werst unterhalb gelegenen Sudplätzen zu und sogar die Nacht wird
die Arbeit nicht abgebrochen. Allerdings scheint nicht recht plausibel,
in welcher Weise diese Beschäftigung das Zustandekommen des
Kropfes begünstigen soll, und es steht diese Ansicht doch zu sehr
in Widerspruch mit der sonst über die Entstehung des endemischen
Kropfes herrschenden Annahme. Erwähnt sei noch, dass nach einer
weitern Mittheilung Komarow'«, manche Kranke dieser Gegend,
die in der wilden Shuschetskischlucht gegenüber den Dörfern Ssantlad
und Koantlad befindlichen kohlensäurehaltigen Quellen als Heil¬
mittel gegen ihre Krankheit gebrauchen und dass bei Gebrauch
«lieser Wässer bereits nach einem Monat Heilung oder Besserung
eintreten soll; in schweren Fällen hilft man sich jedoch durch Ein¬
pinseln mit Jodtinctur.
In den Nachbargebieten wurden von Bayern gelegentlich
einer Reise mit dem Academiker Abich in die Umgebung von
7 ) Eine gute und ausführliche Beschreibung dieses Gebiete«
mit guten Abbilduugen der beiden genannten Orte gibt Rossikow
(eap. kawk. otdjel. Buch XIII S. 278). Es heisst daselbst: «Der
geolog. Bau der Oberfläche des Thaies ist ftusserst einförmig.
Ueberall bemerkt man ein und dieselben Sedimentär-Formationen
der neueren Zeit und das vollständige Fehlen der sogenannten
vulkanischen Durchbrüche älterer Bildung. Die grauen und gelben
Felsen bestehen fast ausschliesslich aus mächtigen Schichten erdigen
und porösen Kalkes, Thonschiefer, Sandstein, Mergel und Mergel¬
schiefer.» Derselbe beschreibt ebenfalls den dortigen endemischen
Kropf, von dem mindestens 10 Proc. der Bevölkerung und zwar
2 Proc. Männer, 8 Proc. Frauen befallen sind. Das früheste Auf¬
treten desselben soll im 3. Lebensjahre, gewöhnlich jedoch erst im
8.—12. Jahre erfolgen. Auch dieser Autor bestätigt das ausschliess¬
liche Vorkommen in diesen beiden Orten und sucht ebenfalls das
Gewerbe als Erklärung geltend zu machen.
3
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294
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 13.
Tinda Fälle von Kropf beobachtet, während Seydlitz indem Dorfe
Chwarachi einen ziemlich bedeutenden Kropf bei einer Frau fand.
Am Südabhange des Hauptkamms sah Bayern den Kropf
stärker verbreitet im Kreise Tionety des Gouvernement Tiflis, an dem
perekitalischen Alasan in Tuschetien, sowie am Oberlauf der Jura
in Pschawien.
Derselbe Reisende hat auch ebenso wie Dr. Parshitzki das
Vorhandensein des Kropfes im sogenannten kleinen Kaukasus fest-
gestellt, obwohl diese Angaben nicht sehr bestimmt sind. Nach
Ersterrn begegnet man dem Kropf in nicht sehr bedeutend au6ge
bildetem Grade in dem gebirgigen Theil des frühem Kreises Naehi-
tsev^an, wie Seydlitz hinzufügt, aller Wahrscheinlichkeit nach in
Daralagjosa am Oberlauf des östlichen Arpatschni. Darauf scheint
sich auch eine Aeusseiung Bayern's zu beziehen, welcher endemi¬
schen Kropf in einem tatarischen, am Westhange des Kessir-baga-
Kammes, in der Niihe von kalten Schwefel- und Eisenquellen ge¬
legenem Dorfe vorfand.
Ueber das Vorkommen des Kropfes im Gebiet von Datum 1 *),
liegen Mittheilungen von Bakradse vor, welcher ihn sowohl in
Ober- wie Nieder-Adschar beobachtete. Besonders ist er in den
Thälern des Chula, des Tschontschehalo und der Merissa entwickelt,
wo er bisweilen vollständige Kugelform annimmt Merkwürdiger¬
weise ist hier das weibliche Geschlecht in geringerem Grade befallen
als das männliche, gerade umgekehrt als man es fast in allen andern
Ländern beobachtet. Als ätiologisches Moment für die starke Ent¬
wickelung des Struma in Adschar nimmt Bakradse das vollständige
Fehlen von Jod im Trinkwasser an, eine Erklärung, die wohl nach
den jetzigen Anschauungen nicht mehr zutreffend ist. In geringerem
Grade findet sich der Kropf nach demselben Autor noch in den dem
Ober-Adtschar benachbarten Imer- Chewskithale, währe ad er nach
Aussage der Einwohner an andern Orten und insbesondere in
Scbawschetien nicht vorkommt.
Schliesslich haben wir noch des endemischen Kropfes in
Swanetien zu gedenken, in welchem er zum ersten Male von Bar-
tholomäi gelegentlich einer im Jahre 18*»2 durch diese Gebiete
unternommenen Reise beobachtet und beschrieben wurde, und wo
er ohne Zweifel unter allen Gebieten des Kaukasus am stärksten
entwickelt ist.
Was zunächst die oberen Gebiete von Swanetien anbelangt, so
wurde der endemische Kropf am Oberlauf des Ingur namentlich in
der Gemeinde Usehkula durch den Photographen D. J.Jcrmakow
beobachtet, welcher daselbst eine Gruppe von mit Struma behafteten
Personen aufnahm. In den swanetischen Gemeinden Mushala,
Mulacha und Adischi, welche an zwei rechtsseitigen Nebenflüssen
des oberen Ingur-Gebietes liegen, sahen Bartholomäi, Bakradse
und Sseredinski Leute mit Kröpfen. Letzterer behauptet, dass
die Krankheit dort so häufig sei, dass sie geradezu ein nothwendiges
Attribut der dortigen Einwohner bildet, ln dem östlich vom Ingur
im Dadianowischen Swanetien gelegenen Zchenis Zkalithale be¬
obachtete der auch in Deutschland sehr wohl bekannte Director des
grossartigen ethnologischen Museums in Tiflis, Professor Radde,
endemischen Kropf in dem Dorfe Lascheheti, wo der Kropf ebenso
wie in den noch niedriger liegenden (1847 ü d. 8. M ) Dörfchen
Ziplakaki entgegen dem gewöhnlichen Verhältnis unter den Männern
mehr entwickelt ist, als unter den Weibern. Im Ganzen sah Radde
im letztgenannten Orte 47 Personen beiderlei Geschlechts mit der
Krankheit behaftet Weiter sahen sowohl Radde als Sseredinski
Kropfkranke in den Gemeinden Lentechi und Tscholur, wobei Radde
in ersterem Orte noch sechs ächte Cretins vorfand Ueberhaupt
erreicht nach den Worten Rad de s, die Krankheit irn Thale des
Zchenis-Zkali eine stärkere Entwicklung als in den Thälern des
Oberlaufes des Ingur und Rion. Dort in Lentechi waren fast alle
Leute mit Struma behaftet. Von hier an bis zum Dorfe Muri in
einer Ausdehnung von circa 20 Werst, hat die gesammte Bevölkerung
Kropf. Das Dorf Luchwano mit einer Gesammtbevölkerung von
ungefähr 1600 Seelen, hat sogar eine Berühmtheit durch seinen
endemischen Kropf erworben, welchem man aber auch in dem auf
dem entgegengesetzten linksseitigen Ufer des Zchenis-Zkali gelegenen
Dorf Muri begegnet. Merkwürdig ist, dass nach Radde «Kropf¬
kranke im ganzen Thale des Zchenis-Zkali Vorkommen sollen, sogar
auch da, wo derselbe in den Rion einmündet.» Allerdings beruht
diese Mittheilung nur auf den Aussagen der Einwohner dieses Thaies,
welche Radde darnach ausfragte, und Seydlitz setzt daher in
diese Mittheilungen einige Zweifel. Einer Prüfung bedarf auch eine
Mittheilung des grusinischen Fürsten Bachuscht, welcher in seiner
8 ) Vergl. hierzu auch Kasbek: Tri mesjaza w Turezkoi Grusij:
ssap. kawka;-k. otdjel. irnp. russk. geogr. obschtschestwa. B. X. S. i.
Vereinzelte kleinere Drüsenschwellungen habe ich auch in der
Stadt Batum seihst gesehen; namentlich ist mir ein Wasserträger
in dieser Beziehung noch deutlich in der Erinnerum: geblieben. Dorh
ist es bei der wechselnden Bevölkerung fraglich,.ob diese Leute aus
der Stadt selbst stammten oder in den höher gelegenen Theilen des
Kreises Batum zu Haus waren. Eigene Beobachtungen über das
Vorkommen des Kropfes unter den Frauen in Batum und dessen
höher gelegener Umgebung habe ich nicht anstellen können, da die
grösstentheiis dem Islam ungehörigen Frauen jener Gegend in der
Regel nur ganz tief verhüllt auf der Strasse sich bewegen.
9 ) Putjeschestwije poSwanetij: ssapiski kawkask. otdjela
russ. imp. geogr. obsch. Buch X, S. 327.
Beschreibung Grusiniens behauptet, dass die in dem Kreise Bake,
d. h. in dem oberen Theile des heutigen Kreises Kutais zwischen
Rion und Zchenis-Zkali an dem kleinen Flusse Gubis-Zkali wohnenden
Imeretinen, und zwar Männer und Frauen, in Folge Genusses von
Wassers aus gewissen Brunnen «grosse Geschwülste am Halse hätten.»
Wenn also die Mittheilungen Radde's bezüglich des Vor¬
kommens «les Kropfes in der Ebene auch der Bestätigung bedürfen,
so kann man ein gleiches nicht bezüglich der über die Verbreitung
der Krankheit, in den an Swanetien grenzenden Gebieten I.etschguma
und Ratsch» von ihm gemachten Angaben sagen. Im Oberlauf des
Rion wurde das .Struma von ditsem Forscher in den Dörfern- Scori
und Z<‘fi beobachtet., die beide deswegen berüchtigt sind. Merk¬
würdig ist, dass weder Eich wald, welcher 1826 in Zesi war, noch
Koch der die genannten Orte ls>36 besuchte, der Krankheit Er¬
wähnung thun, obwohl sie daselbst ungeheuer stark verbreitet ist.
Etwas uberhalb dieser Ortschaften im oberen Theile des Thaies
des Luehiumr, eines rechtsseitigen Nebenflusses des Rion, fand
•Sseredinski eine sehr grosse Menge strumöser Personen, nament¬
lich in dem 700 Einwohner zählenden Dorfe Urawi, wo auch Bayern
Leute mit Kropf antraf. Ebenso begegnet man demselben nach den
Angaben des letztgenannten Reisenden im Kudarskithal, am Ober¬
lauf der Dshodsho-a, einem rechtsseitigen Zufluss des Rion, welche
von den schneebedeckten Gipfeln des Sak.i berge« (1265J F.) herab¬
kommt. I)a die gesammte. oberhalb der Imeritinischen Dörfer
Zedieini und lri wohnende Bevölkerung (ungefähr 2.700 Seelen] aus
Osseten bestellt, so bildet dies vorläufig das einzige Be spiel für das
Vorkommen des Kropfes unter diesem Volksstanune.
Endlich berichtet auch noch Stojanow über das Vorkommen
des Kropfes und Cretinismus in diesen Gegenden, wo nach seiner
Angabe beide Degenerationsformen ebenso wie Idiotismus unge¬
mein häutig Vorkommen. Besonders beschreibt er zwei Kretins
näher, welche er in dein Oertchen Zalanari im Zchomarskithale
an traf.
Soweit lauten die Nachrichten über das endemische Vorkommen
des Kropl'es im Kaukasus. Ueber ein epidemisches Auftreten der
Krankheit, wie es in West-Europa wiederholt beobachtet worden
ist, namentlich aber unter den russischen Truppen in Kokand in
Turkeatan während des Jahres lb7< der Fall war, fehlen alle Nach¬
richten und eigentliche Epidemien scheinen daher kaum vorzukommen.
Doch sind die Kenntnisse, die wir über den Kaukasus überhaupt
und über die nosologischen Verhältnisse daselbst im Besondern
besitzen, immer noch so unvollständig und lückenhaft, dass man
aus dein Fehlen bestimmter Nachrichten über ab und zu auftretende
Epidemien noch nicht den Schluss ziehen darf, dass ein epidemisches
Auftreten jener Erkrankung überhaupt nicht vorkommt. 8 9 10 )
Fassen wir nun das, was wir über die Verbreitung des Kropfes
im Kaukasus kennen gelernt haben, noch kurz zusammen, so bildet
diese Krankheit überall mit Ausnahme an den Nordhängen der west¬
lichen Hälfte dieses Gebirges mehr oder weniger ausgedehnte, zum
Theil allerdings ganz eng umschriebene endemische Verbreituhgs-
herde.
Was die Beziehungen des endemischen Kropfes zu der geo¬
logischen Zusammensetzung des Bodens anbelangt., so kommen
endemische Krankheitsherde wohl ausschliesslich nur auf marinen
Ablagerungen vor und zwar auf den marinen Sedimenten des
paläozoischen Zeitalters, der Triasperiode und der Tertiärzeit, während
die aus dem Erdinnern stammenden an der Oberfläche erstarrten
Eruptivgebilde, das krystallinische Gestein der archäischen For-
mationsgruppe, die Sedimente dos Jura und Kreidemeeres des
quaternären Meeres, sowie sämmtliche Süsswasserablagerungen vom
Kropfe frei zu sein scheinen. Diese Thatsachen schliessen sich eng
an die von Bircher im Jahre l->h3 veröffentlichten Angaben über
die endemische Verbreitung des Kropfes und des Cretinismus in
der Schweiz an. ,l )
Eine Complication des Kropfes mit Cretinismus und Taub¬
stummheit scheint nur an dem Südabhange der Nordwesthälfte des
Kaukasus, in Swanetien, zu bestehen, wo nach Seydlitz unter den
dort lebenden Völkerschaften auch sonst noch gewisse Degenerations¬
erscheinungen zu beobachten sind Doch ist auch hier der Cretinis¬
mus, Idiotismus und die Taubstummheit, wie es scheint, noch lange
nicht so stark entwickelt als an manchen Punkten der Schweiz,
z. B. in dem schon oben erwähnten Martigny und namentlich in
dem Thal von Aosta, wo man auf Schritt und Tritt solchen unglück¬
lichen Geschöpfen begegnet. Als Erklärung dieser Thatsaehe, dass
in der Mehrzahl der Fälle die im Kaukasus vorkommenden Kropf¬
endemien nicht von Taubstummen- und Cretinen-Endemien begleitet
,0 ) O sab je woobsehtsche i ob epidemitsehes kom Bobje w Ko-
kanje w ossobennosti; wojennornediz. sbornik 1878, Juni, S. 134.
Diese Epidemie war so bedeutend, dass bereits ein Jahr nach der
Besetzung Kokand's durch die Russen 245 Mann von 2753, d. i.
8,7 Proc. des Effectivbestandes, von der Krankheit befallen waren.
Es wurden übrigens davon nicht nur die Mannschaften, sondern
auch 7 Ofliciere, der Stadtcommandant, ein nicht zur Besatzung
gehöriger Oberst, sowie mehrere Beamte von der Krankheit ergriffen.
Als einziges Mittel gegen die Epidemie blieb nur ein Wechsel der
Garnison übrig, welche ebenso wie die Kreisverwaltung in die
Nachbarstadt Margelan verlegt wurde.
ll ) Bircher, Der endemische Kropf und seine Beziehung
zur Taubstummheit und zum Cretinismus.
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81 . Mart 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 295
den sozialen Verhältnissen nur ein" sehr untergeordnete Bedeutung
hei der Kropfätiohigie zuschreiben dürfen.
Schliesslich fehlt es auch an bestimmten Anhaltspunkten,
welche die hydro tellurische Theorie der Strumagenese stützten Im
Gegentheil haben wir sogar eine Beobachtung im Thale des And-
ijschen Koisu kennen gelernt, wo Bewohner ganz nahe nebeneinander
liegender Ortschaften ein ganz gleichartiges Wasser zum Trinken
benutzen und wo in dem einen Falle Kropf endemisch existirt, in
dem andern nicht. Uehcr besondere Kropfbrunnen liegen nur Nach¬
richten in den untern Gebieten Grusiniens vor, doch sind dieselben
wenig bestimmt und zuverlässig Das Trinkwasser wird wohl im
Kaukasus fast überall nur aus den Flüssen und laufenden Quellen
entnommen; wenigste s habe ich Brunnen nur ganz ausnahmsweise
zu Gesicht bekommen F.benso wenig liegen nähere Angaben über
die chemische Beschaffenheit der verschiedenen von den Bewohnern
benützten Trinkwässer vor. Trotzdem aber wird man nach den aus
andern Ländern, namentlich den europäischen Alpen über den Kropf
bekannt gewordenen Thatsachen das Trinkwasser wohl als den
hauptsächlichsten, wenn nicht ausschliesslichen Träger der Infection
ansehen müssen und muss man sich mit Bircher vorstellen, das9
das Miasma an ganz bestimmten murinen Ablagerungen unserer
Erde haftet und von diesen aus mit dem Trinkwasser in unseren
Körper gelange. Durch die Trinkwassertheorie erklärt sich auch am
einfachsten die sonst ziemlich wunderbar erscheinende therapeutische
Wirkung der Kohlensäure haltigen Quelle im Schuschedski-Thale
bei den Dörfern Santlad und Koantlad Es handelt sich in diesem
Falle eben nur um eine Aenderung des Trinkwassers, welche auch
nach son u t vorliegenden Beobachtungen in noch nicht sehr weit vor¬
geschrittenen Fällen meistens ein sehr schnelles Verschwinden des
Kropfes bedingt.
Referate und Bücheranzeigen.
Buttersack: Immunität und Heilung im Lichte
der Physiologie und Biologie. Kino Studie. Virchow’s
Archiv. 142. Band, 1895.
sind, kann man mit Bircher recht wohl annehmen, dass es sich
dabei um leichtere Formen des Miasma handle. Denn die Ort¬
schaften, wo neben Kropfendemien auch solche von Cretinismus
bestehen, zeichnen sich in der Regel nicht nur durch die ungeheure
Zahl der Erkrankungsfälle aus, sondern hier zeigt der Kropf in der
Regel auch eine ganz excessive GrössenentWicklung. Allerdings
stimmen damit nicht rocht die Erfahrungen in Schweden überein,
in welche nach Rossander'O der Kropf sehr stark endemisch
verbreitet ist und die Geschwulst theilweise eine ganz ausser¬
ordentliche Grösse erreichen soll, während Cretinismus daselbst
völlig unbekannt ist. '
Ob die für Cretinismus und Struma pritdestinirenden Boden¬
formationen auch sonst noch eine allgemein degenerirende Wirkung
auf die Constitution der Bevölkerung ausüben, lässt sich aus den
mir vorliegenden Daten nicht constatiren. Denn im Allgemeinen
finden sich nirgends Angaben darüber, welche einen Zusammenhang
derartiger conatitutioneller Krankheiten, wie Albinismus, Pellagra,
Rhachitis und namentlich Tuberculose. wie dies Thomas More
Madden für Irland annimmt ,:t ), mit dem Kropf beziehungsweise
der cretinisehen Degeneration wahrscheinlich machten. Im Gegen-
theil wird von verschiedenen Beobachtern besonders hervorgehoben,
dass die. betreffende Bevölkerung sich sonst in gesundheitlicher
Beziehung und physischer Entwicklung auszeichne Nur die Be¬
wohner der Ufer des Oberlaufs des Zchenis Zkali und seiner Zu¬
flüsse, unter welchen Kropf und Cretinismus am intensivsten ver¬
breitet ist, lassen, wie wir bereits erwähnt hatten, auch sonst
gewisse degenerative Erscheinungen erkennen und stellen im Allge¬
meinen einen kleinen, schlecht entwickelten, schwächlichen Menschen
schlag dar.
Als prädisponirendes Moment kommt das Geschlecht nur bedingt
in Frage. Denn während allerdings im Allgemeinen wie in andern
Ländern so auch im Kaukasus das weibliche Geschlecht in stärkerem
Grade unter dem Kropfe zu leiden hat, als das männliche, so kommen
doch andererseits auch einzelne Gebiete vor, wo das Verhältniss
ein umgekehrtes ist, wo also die Krankheit bei den Männern vor¬
herrscht; so in Daghestan und im Gebiet von Batum. Ob die
Beschäftigung eine Rolle spielt, lässt sich ans den mir vorliegenden
Nachrichten nicht erkennen; vielleicht übt das häufige Tragen
schwerer Lasten bergauf, welches im Allgemeinen wohl mehr Sache
der Frauen ist, einen begünstigenden Einfluss auf die Entstehung
des Stiuma aus. Für die Entwicklung des sporadischen Kropfes
kann man das Bergsteigen und Tragen schwerer Lasten so-jar mit
Wahrscheinlichkeit als eines der ursächlichen Momente annehmen.
Von sonstigen auf die Beschäftigung der Bewohner zurückzuführenden
Ursachen ist noch das Salzgewerbe im Thale des Andijschen Koisu
erwähnt worden. Da jedoch hierfür jedes Analogon in andern
lAndern fehlt, so erscheint es zweifelhaft, ob man diese Be¬
schäftigung als ätiologischen Factor gelten lassen kann.
Das Lebensalter spielt unter den prädisponirenden Momenten,
soweit Angaben darüber vorliegen, nur eine untergeordnete Rolle.
Denn ausser hei Säuglingen findet sich die Krankheit hei allen
Altersklassen vertreten. Allerdings pflegt sie in der Regel erst
zwischen dem achten und zwölften Lebensjahre sich zu entwickeln,
vielleicht desswegen, weil von diesem Lebensalter an die Kinder
anfangen, häufiger bergauf zu steigen und zum Lasttragen verwendet
werden, damit also eine Gelegenheitsursache geschaffen wird.
Die Configuration des umgebenden Bodens und die Höhenlage
der betreffenden Ortschaften scheinen zwar auf den ersten Blick
eine gewisse Rolle mitzuspielen, da die meisten endemischen Herde
in den höher gelegenen Abschnitten des Gebirges und in engen
wilden, von steil aufragenden vegetationslosen Felswänden ern-
geschlossenen Gebirgsthälern beobachtet werden. Doch ist auch
'lies kein unbedingt nothwendiges Moment, da, -wie wir gesehen
hatten, der endemische Kropf auch noch in den Ebenen des Rion
angetroffen wird, eine Thatsache, die ebenfalls den von Bircher
in seiner oben erwähnten Arbeit gemachten Angaben entspricht.
Die sozialen Verhältnisse sind überall im ganzen Kaukasus
annähernd dieselben und im Allgemeinen sehr wenig günstig Die
Wohnungen, von denen ich selbst an verschiedenen Orten eine An¬
zahl im Innern besichtigt habe, sind ausserordentlich primitiv und
dürftig. Dieselben sind zur Hälfte in die Erde eingegraben, während
der obere Theil des nur aus einem Stockwerk bestehenden Hauses
aus einfachen Steinwänden besteht. Das Dach ist gerade und ent.
hält eine kreisrunde Oeffnung, welche die meist fehlenden Fenster
ersetzen muss und zugleich zum Abzug für den Rauch dient. Denn
Oefen existiren hier nicht, sondern nur ein paar auf dem Boden
der Iliitte hingeworfene Steine bezeichnen die Stelle des Herdes,
auf welchem die Bewohner ihr spärliches Essen zurichten und um
welchen sich die Familie gruppirt- Das ausschliessliche Feuerungs-
materiul bilden eine Art Brikets, welche man aus Kuhmist bereitet
und welche nur glimmen. Man kann sich daher vorstellen, was für
ein Dunst in einer solchen Wohnung, in welcher man auch nach
dem einfachsten Mobiliar sich vergeblich umsteht, herrscht. Auch
im Uebrigen ist die Lebensweise dieser Volksstämme fast überall
eine ausserordentlich dürftige und ärmliche. Man wird daher auch
•') Rossau der, Das Vorkommen und die Behandlung des
•Struma in Schweden; Verb. d. X. internst, med. Congr in Berlin.
,n ) Thomas More Madden. On the sfrunious diseases of
childhood and their relatiou to tubercle.
Die vorliegende Arbeit bedeutet nichts Geringeres als einen
wohl organisirten, breit aufgebaute» Frontangriff auf die seit den
Erfolgen «ler Serumtherapi«; zur allgemeinen Herrschaft gelangte
chemische Immuhitütstlieorien. Wohl ein gewagtes Unternehmen
zu einer Zeit, da die tliatsä« bliche Heilkraft des Diphtherieserums
durch eine sorgfältige statistische Yerwerthung massenhaften, genau
beobachteten klinischen Materials sich zur Anerkennung in der
ganzen medirinisehen Welt durchgerungen hat. Aber dieser Erfolg
berechtigt die incilicinixche Wissenschaft nicht. nunmehr auf den
Sicgeslor!leeren auszuruhen und objectiv vorgebrachte Entwände
unbeachtet zu lassen, ln diesem Sinne mag ein etwas eingehenderes
Referat über obige Arbeit gerechtfertigt erscheinen.
Ihr Verfasser geht aus von dem Standpunkt, dass «ler
wesentliche Vorgang der Heilung einer lufectioiiskrankheit nicht
in einer Abtö«ltu»g der pathogenen Keime im Körper ( etat
bactericiilc !, sondern nur in einer Entwicklungshemmung
besteht; auf der Höhe des Krankheitsprooesses tritt ein Punkt
ein, wo die Bakterien iui Körper nicht mehr weiter wachsen
können. sie werden jetzt ausgeschieden und sind auch in der
Reeonvalesconz nicht abgetüdtet. was durch die Thatsache liewiesen
wird, dass Beeonvaloseeiiten noch anstcekungsfähige Keime auf
Andere übertragen können.
Nach Erledigung dieses Punktes führt- B. weiter aus, dass
diese Entwicklungshemmung, welche auf dem Höhepunkte der
Krankheit beginnt, zwar bei gewissen typischen infectiüsen
Processen an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden ist, dass jedoch
dieser Zeitpunkt sieb verschiebt, je nach «ler Intensität des
inl'cctiösen IWi'ss-s, beziehungsweise der individuellen Disposition ;
so tritt B. die Ueaction auf die Sehutz|M>ekenimpfung am
spätesten ein bei «ler Erstimpfung und immer früher, je öfter
revaeeinirt wird; es kommt daher bei den späteren Impfungen
gar nicht mehr zur Vollentwicklung des Krankheitsproeesses (der
Pustel) selbst, weil schon zuvor «ler Höhepunkt, die beginnende
Entwicklungshemmung in die Erscheinung getreten ist. Demgemäss
nimmt Verfasser an, dass auch viele Menschen, wenn sie mit
fiifect-ionskranken umgehen, in leichten, ja fast unmerkliehen Graden
von den Infectionsstoffen angegriffen werden und dass also häufig
da, wo eine angeborene Immunität zu bestehen scheint, that-
sächlieh eine erworbene Immunität vorliegt ; Die Immunität
und die sogenannte Disposition unterscheiden sich nicht als qualitativ
heterogene Dinge, sondern quantitativ dadurch, dass die Krankheits-
8 *
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'>0
296
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Symptome das eine Mal gar nicht, in anderen Fällen mehr oder
weniger heftig in die Erscheinung treten ».
Weiter wird ausgeführt, dass dieser quantitative Unterschied
zwischen Disposition und Immunität sich gründet auf eine indi¬
viduell verschiedene IIeaetion der Z e 11 en i n div iduen :
«Reactionen sind Auslösungen physiologischer Kräfte auf einen
minimalen Reiz». Diese Auslösungen sind aber nicht beim einen
Individuum vorhanden, während sie beim anderen fehlen, sondern
sie sind abgestuft in allen denkbaren Graden und sie sind um so
stärker, je grösser die Reizbarkeit der Zellen ist. < Die Reiz¬
barkeit, die Reactionsfähigkeit ist die allen physiologischen Er¬
scheinungen zu Grunde liegende Eigenschaft der lobenden Materie».
Solche Reactionen sind es, welche als Antwort auf eine Ver¬
brennung eine Blase entstehen lassen , auf einen .Stiefeldruck ein
Hühnerauge, auf eindringende Bacterien ein Panaritium.
Diese Reactionen verlaufen aber nicht durchweg zweckmässig
nach einem bestimmten Plane und wenn auch in ihrer Bothiitigung
eine Tendenz der Selbsthilfe des Organismus zu liegen scheint,
ja eine Selbsthilfe thatsächlich eintritt, so darf eine solche nicht
teleologisch aufgefasst werden, denn dieselben Auslösungen, welche
hier die Genesung anbahnen, haben dort den Tod zur Folge.
Die Grösse der Reaction richtet sich nur nach der Grösse der
vorhandenen Spannkräfte, welche durch den Reiz, der eingewirkt
hat, ausgelöst werden.
Zumeist wirkt nun der Reiz nicht bloss auf einzelne Zellen
oder kleine Zellgruppen, sondern er pflanzt sich auf grössere Zell¬
territorien fort; die vom Reiz betroffenen Zellengruppen werden
selbstverständlich in ihren natürlichen Functionen gestört und es
leuchtet ein, dass die Grösse «der Reaction, d. h. der Störung
im Ablauf der gewöhnlichen Oekonomie abhängig sein muss einer¬
seits von der Intensität, Ausbreitung des Reizes, andererseits von
dem jeweiligen Zustand des Auslösungsapparates in dem befallenen
Organismus». Als Auslösungsapparat betrachtet der
Verfasser in Uebercinstimmung mit Hoppe-Scyler
hauptsächlich das Nervensystem, besonders die wärme*
regulirenden aber auch andere, namentlich höhere psychische
Centreu. Als Beispiel wird der Einfluss psychischer Depressions-
zustände auf den Ablauf der Reactionen herangezogen und durch
verschiedene Citate belegt; eines derselben wäre indessen nach
Ansicht des Referenten besser unterblieben, nämlich dasjenige von
Zuelzer in Eulenburg’s Encyclopädic, wonach der Abduminal-
typhus soll entstehen können, ohne dass das Krankheitsgift von
aussen in den Körper gelangt, lediglich in Folge von heftigen
Gemüthsbewcgungen. Sicher will sich der Verfasser durch dieses
Citat nicht mit dieser autochtonistischen Auffassung identificiren,
für welche heutzutage wohl nur noch die Romanschriftsteller zu
haben sind.
Alle Vorgänge, im Ablauf der Krankheit wie der Heilung,
sind also Auslösungen von Spannkräften der durch das krank¬
machende Agens gereizten Zellen. Diese Auslösungen erfolgen
unter der Leitung des Nervensystems. Wohl sind sie in letzter
Linie chemischer Natur — Störungen, Aenderungen in der Stoff-
wechselökonomic der Zellen — aber niemals können diese Zellen
qualitativ Anderes leisten als in ihrer ursprünglichen Anlage liegt
und ihre vitalen Eigenschaften können nur quantitativ gesteigert
werden. So können auch keine neuen chemischen Körper gebildet
werden , die sonst im Organismus nicht entstehen. Auch Stoffe
wie das Aceton im Harn des Diabetikers oder das Leucin und
Tyrosin zeigen wohl an, dass der Stoffwechsel gestört, nicht aber
dass er qualitativ verändert ist.
Von diesem Standpunkt aus tritt der Verfasser an eine kri¬
tische Besprechung der Theorien von der Bildung von Schutz-
körpern eh ent isolier Art heran, welche ja solche neue, nie
dagewesene Stoffe darstellen müssten und doch ist man sich über
die Natur dieser Stoffe keineswegs klar, was mit Aeusserungen
von Büchner, Bouchard, Emmerich, Mutschnikoff
u. A. belegt wird. Gegen des Letzteren Phagocytentheorie wircf
geltend gemacht, dass es nicht ersichtlich sei, warum allein den
weissen Blutzellen die reaetive Thätigkeit gegenüber den Parasiten
zukommen soll.
Will es also vom physiologischen Standpunkte aus schon
nicht einleuchten, dass solche neue chemische Körper gebildet
werden können, so werden weitere Bedenken hinsichtlich ihrer
ferneren Schicksale erhoben; es sind hier 3 Möglichkeiten denkbar:
entweder sic bleiben unverändert im Kreislauf oder sie werden
zersetzt und ausgesehieden oder endlich sie werden immer auf’s
Neue erzeugt. Dein gegenüber wird ein Ausspruch Emmerich’s
eitirt, wonach alle Forscher darin einig sind, dass es sich bei
diesen Schutzstoffen um höchst labile Verbindungen handle; auch
ist überhaupt ein derartiges unveränderliches organisches Gebilde
nicht bekannt. Die Sehutzstoffe müssen also einer raschen Zer¬
setzung unterliegen. Es bliebe also nur die Möglichkeit ihrer fort¬
währenden Rcproduction; eine solche ist aber nach Ablauf der
Krankheit, wenn die Mikroorganismen aus dem Körper entfernt
sind, nicht mehr denkbar, denn oessante causa cessat effectus.
Gegenüber dieser Theorie von chemischen Sehutzstoffcn ver¬
tritt der Verfasser die Anschauung, dass in Folge der Reaction
der von den Parasiten gereizten Köri>erzcllen eine Störung des
Stoffwechsels eintritt, welche als solche das Körpermaterial zu
einem schlechteren Nährlnxlen für die Parasiten macht und so
eine Kntwiekelungshennuung der Parasiten und damit die Heilung
bewirken kann. Oh diese Entwickelungsliemmung aber erfolgt,
hängt davon ah, ob sich die Parasiten dem neuen Zustande an¬
zupassen vermögen. Diese Ansicht findet ihre experimentelle Stütze
in der von B. angeregten Arbeit von Dicudound über die
Anpassungsfähigkeit von Bacterien an ungünstige Temperatur¬
verhältnisse. Für die Praxis würde sich aus dieser Theorie des
Heilungsvorgangcs bei Infectionskrankheiten ergeben, dass es Auf¬
gabe würde, den Auslösungsapparat mobil zu machen und im
Verlauf der Krankheit die Reactionen zu überwachen und zu tem-
periren.
Die Reaction nun, welche bei der .Spontanheilung einer
lnfeetion.sk r.mkheit durch Reizung Seitens der eingedrungenen
Parasiten ausgelöst wird, würde nach B. auch ausgelöat werden
können durch solche Substanzen, die wir empirisch als Speeifica
kennen gelernt haben, wie z. B. Chinin oder Quecksilber; in der¬
selben Weise stellt sich aber der Verfasser auch die Wirkung des
Heilserums und anderer «Vaecins ; als eine den Auslösungsapparat
mobilisiremle vor und er verwirft die Vorstellung einer chemischen
Neutralisation von Gift und Gegengift: wie das Gift Morphium
durch das Gegengift Atropin nicht direct chemisch neutrulisirt
wird, sondern das eine einen lähmenden, das andere einen irritirenden
Einfluss auf das Nervensystem äussert, so würde auch das Heil¬
serum — oder welches Spceificum immer — seine Wirksamkeit
durch geeignete Mohilisirung des Reactionsapparates bethätigen.
So plausibel auch der physiologische Aufbau, die Wieder¬
anknüpfung an den Faden der Cellularpathologie sein mag, an dessen
Leitung unsere Wissenschaft seit einem halben Jahrhundert heran¬
gewachsen ist, so bleibt doch die Frage ungelöst, warum gerade
die Stoffe, welche aus dem durchseuchten Organismus gewonnen
werden, — sei es das getrocknete Mark von lyssakranken Hunden,
sei es das Serum mit Diphtherie inficirter Thicre — die Reaction
auszulösen die geeignetsten sind.
Wird nun so der Vorgang der Heilung einer Infections-
krankheit aufgefasst als eine durch die Reaction der lebenden
Gewebszellen erzeugte Verringerung des Nährbodens für die einge-
drungenen Parasiten , so soll die erworbene Immunität sieh dar¬
stellen «als eine Art von Hebung der einzelnen Zellgattungen und
des Auslösungsapparates». In derseU»en Weise wie Verfasser am
Anfang seiner Betrachtung auf die stets rascher aber auch in
geringerem Masse erfolgende Reaction gegenüber der .Schutzpucken-
impfung hingewiesen hat, so erklärt er sich auch das Zustande¬
kommen der Immunität für kürzere oder längere Zeiträume mit
einer durch die überstandene Infcction zurückgelassenen Ucbung
der Reactionsfähigkeit. Für gewisse Krankheiten würde diese
Ucbung mit dem einmaligen Ueberstehen dauernd erworben sein,
so z. R. bei Scharlach und Pocken, für andere müsste die Auf¬
frischung der Infcction von Zeit zu Zeit wieder erfolgen wie bei
der Sehutzpockenimpfung. Hier wird auch die grössere Gefähr¬
lichkeit der cxanthematischcn Krankheiten an Orten, wo sie selten
eingeschleppt werden (Masern Island) auf verloren gegangene Uebung
der Reaction zurückgeführt. Für solche Reizgewöhnung kennt
die Physiologie Beispiele, so das plötzliche Ergrauen der Haare,
die Akromegalie, auch die Acclimatisation.
*
Digitized by UjOOQie
81. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
297
l
Zura Schlüsse weist Verfasser darauf hin, wie da und dort
eine Harmonie der Forscher mit dem in der Arbeit vorgetragenen
Gedankengang sieh erkennen lässt, was mit einigen Belegen von
Büchner, Hertwig und Metschnikoff gestützt wird, wie
überhaupt die Arbeit neben ihrem geistvollen Aufbau durch ge¬
schickte Benutzung umfassender Literatur sich auszcichuet. Der
Verfasser will, wie er am Schlüsse seiner Studie betont <uiclit
neue nie gehörte Dinge besprechen, wohl aber' Dinge, die augen¬
blicklich vielleicht zu wenig in den Kreis der Combinationen
gezogen worden sind.» H. J a e g e r - Stuttgart.
Kegierungsrath Dr. Kübler: Die Cholera in den an
Hambarg angrenzenden Theilen des Regierungsbezirks
Schleswig. (Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Band XII, S. 235—271.)
Wer seiner Zeit den Gang der Cholera-Epidemie in Hamburg
verfolgt hat, wird mit dem grössten Interesse den vorliegenden
Bericht lesen. Es handelt sich darin hauptsächlich um das Auf¬
treten, bezw. Nicht-Auftreten der Seuche in den zwei unmittelbar
an den Choleraherd sich anschliessenden Städten Altona und Wands¬
bek. Beide haben mit Hamburg die Boden- und Grundwasser¬
verhältnisse, Regenmenge, Sieleinrichtungen u. dergl. gemeinsam,
und die Lebensverhöltnisse sind hier wie dort dieselben gewesen.
Die einzige öffentliche Einrichtung, welche diese beiden Städte
in gleicher Weise von Hamburg unterschied, war die Trinkwasser¬
versorgung. Wie diese in Hamburg beschaffen war, ist noch in
frischer Erinnerung; Altona und Wandsbek dagegen besassen den
derzeitigen Anforderungen völlig genügende Filteranlagen: Altona
war mit filtrirtem Elbewasser, Wandsbek mit solchem aus einem
18,5 km entfernten Waldsee versorgt.
Die Zahl der in diesen beiden »Städten gemeldeten Cholerafälle
betrug 488 mit 320 Todesfällen für Altona, 63 mit 43 Todes¬
fällen für Wandsbek bei einer Einwohnerzahl von 1 .'»0 OM), bezw.
20 500- Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der hier
Erkrankten sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Hamburg inlicirt
hatte; auch die Curven der täglich zugehenden Fälle stützen die
Annahme, dass es sich in beiden »Städten um Einschleppungen
und nicht um einen in diesen bestehenden Herd gehandelt hat.
Sehr beachtenswerth ist des Ferneren die Thatsache, dass
die Cholera iu 40 Ortschaften der angrenzenden Kreise Pinneberg
und Stormarn zwar eingesehleppt wurde (107 Erkrankungen mit
53 Todesfällen), aber nirgends sich auszubreiten vermochte. Analoge
Verhältnisse sind bekanntlich auch in einzelnen Orten aus dem
übrigen Elbegebiet (Arbeiten aus dem Kaiser! Gesundheitsamt X
S. 132) beobachtet worden; warum es in manchen Orten, die
sich durch keinerlei hygienische Einrichtungen auszeichnen, nicht
zu Epidcmieen gekommen ist, dafür dürfte z. /. eine völlig aus¬
reichende Erklärung noch ausstehen. B u 11 e r s a ek - Hanau.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 12.
1) L.Isnardi: Behandlung des paralytischen Klumpfusses
mittelst Osteoplastik verbunden mit Athrodese.
Isnardi (Turin) sieht den Grund, warum bei paralytischem
Klumpfuss die Arthrodese zu unbefriedigenden Resultaten führt,
darin, dass nach der Operation (wenn der Fuss in rechtwinklige
Stellung gebracht wird) ein leerer Raum zwischen dem Sprungbein
und den Unterechenkelknochen bleibt, der eher durch Bindegewebe,
als durch Knochen ausgefüllt wird, so dass die gewünschte Anchvlose
nicht erfolgt. In zwei Fällen hat daher Isnardi eine Knoihen-
iraplantation in diesen Raum ausgeführt, d. h. einen gelegentlich
einer Astragalectomie entnommenen keilförmig zugeschnittenen Talus
eingetrieben und sah in beiden Fällen ausgezeichnetes Resultat
J. schreibt dem implantirten menschlichen Knochen keine besondere
Wirksamkeit zu, es handelt sich nur darum, einen 1-remdkörper
(Thierknochen etc.) einzuführen, der die Knoehenneubildung anregt,
ihr als Gerüst dient.
2) F. Krause: Zur Verwendung grosser ungestielter
Hautlappen.
Gegenüber den Hirschberg'sehen Ausführungen auf pag 196
sieht Krause das Geheimniss der Transplantation ungestielter Haut¬
lappen iu strengster Antisepsis und durchaus trockenem Operiren,
sowie gehöriger Vorbereitung des mit der neuen Haut zu bedeckenden
Bodens, er hält dagegen Vorbereitung des Lappens selbst (künstlich
erhöhte Turgescenz und Blutfülle desselben) eher für schädlich, als
für vortheilhaft. Sehr.
Archiv für Gynäkologie, 51. Bd. 1. Heft.
. 1) Salus: Ueber einen Fall von schrägverengtem Becken,
bedingt durch die Ankylose im Ileosacralgelenke mit gleich¬
zeitiger Hüftgelenksluxation derselben Seite. Entbindung durch
Kaiserschnitt. (Aus der deutsch, geh. Klinik Prag.)
Wenn bei einseitiger Oberschenkeliuxation die Kranken gehen
können, so wird die Beckenhälfte der gesunden Seite verengt, weil
der einseitige Oberschenkeldruck hier das Becken zusammenpresst; in
dem Falle von S. war aber trotzdem diese Seite die weitere, und
es konnte daraus geschlossen werden, dass die Ursache der Becken-
Difforraitüt nicht in der gleichzeitig vorhandenen Hüftgelenks
Luxation, sondern in einer mangelhaften Entwicklung und Ankylose
des Kreuzbeinflüirels der verengten Beckenhälfte liege.
2) Heil: Untersuchungen über die Körpergewichtsverhält¬
nisse normaler Wöchnerinnen. (Aus der Frauenklinik Heidelberg.)
Bei 100 Wöchnerinnen betrug der Durchschnittsverlust an
Körpergewicht 2,3 kg zr l ju des Anfangsgewichtes; der Verlust ist
am grössten am 1. Tage; am 8.—10. Tage zeigt sich Gewichtszunahme,
gegen Ende der 2. Woche des Puerperiums eine geringere, secundäre
Gewichtsabnahme. In Folge der besseren Anstaltsernährung der
Frauen war der Verlust im Ganzen geringer als bei den Unter¬
suchungen Anderer (Gassner, Bau mm).
3) Jellinghaus: Ueber fötale Schädelformen mit Be¬
rücksichtigung der Hecker’schen Aetiologie der Gesichtslagen.
(Aus der Frauenklinik Halle.)
J. stützt die Lehre Heckers, dass durch primär vorhandene
Dolichocephalie das Entstehen von Gesichtslage begünstigt wird; er
beschreibt u. A. eine primäre Dolichocephalie bei dem in die Bauch¬
höhle ausgetretenen Kinde einer geplatzten schwangeren Tube.
4) Elisabeth Winterhalter: Ein sympathisches Ganglion ,
im menschlichen Ovarium nebst Bemerkungen zur Lehre von
dem Zustandekommen der Ovulation und Menstruation. (Aus
dem Senckenberg. Inst. Frankfurt a/M.)
W. beschreibt perivasculäre Nervengeflechte und ein Ganglion
in der Zona vasculosa des menschlichen Eierstocks. Sie nimmt an,
dass dieses Ganglion eine Reizvermittlung in der Weise übernimmt,
dass der vom reifenden Follikel hervorgebrachte Reiz sich in den
Ganglienzellen accumulirt und fernerhin periodisch in den Gelassen
eine erhöhte Blutznfuhr hervorruft; dadurch solle die periodische
menstruale Blutung erklärt werden.
5) Gottschalk-Berlin: Ein weiterer Beitrag zur Lehre von
den malignen, placentarvillösen Geschwülsten.
6) Runge-Göttingen: Ein neuer Fall von bösartigem
Tumor der Chorionzotten.
G. hat einen früher von Dr. Tannen beschriebenen Fall
näher untersucht und kommt zu dem Ergebniss, dass es sich um
eine maligne Neubildung handelt, die von den Chorionzotten
also von fötalem Gewebe ausgeht und nach Ausstossung einer
Klasenmole destruirend in mütterliches Gewebe eindringt (vgl. «Car¬
cinoma 8yncytiale>, in No. 44, 1895 d. Wochenschr.). — R. beschreibt
einen neuen Fall von Chorioncarcinoin, das ebenso wie in den
Fällen von Gottschalk, Apfelstedt und Aschoff (Arch. f.
Gyn., Bd. 50, H. 3) u. A. seinen Ausgang von einer Blasenmole nahm.
7) Rosenthal: Ueber Zellen mit Eigenbewegung des In¬
halts beim Carcinom des Menschen und über die sogenannten
Zelleinschlüsse auf Grund von Untersuchungen an lebens-
frischem Material. (Aus der Frauenklinik Dresden.)
R. hat im Gegensätze zu anderen Untersuchern nicht gehärtetes
und gefärbtes, sondern lebensfrisches Material benützt und zwar unter
Verwendung eines neuen heizbaren Mikroskops. Neben anderen Be¬
funden war der auffallendste der von Zellen mit gelben Körnern,
die sich lebhaft bewegen und schliesslich aus der Zelle austreten.
R. erwähnt die Aehulichkeit dieser Zellen mit manchen Protozoen,
ohne sie desshalb mit Bestimmtheit als Protozoen oder gar als die
Careinom-Erreger anzusprechvn.
8) Neumann: Weitere Untersuchungen über die Stoff¬
wechselverhältnisse des Calciums, Magnesiums, der Phosphor¬
säure und des Nitrogens bei puerperaler Osteomalacie, mit
besonderer Rücksicht auf die durch die Castration und andere
therapeutische Eingriffe verursachten Veränderungen des Stoff¬
wechsels. (Aus der 2. geb.-gyn. Klinik Budapest.)
N. bestimmte bei 3 Osteomalarischen das CaO, MgO, die
P'j Oa und den Stickstoff einerseits in den Nahrungsmitteln, anderer¬
seits im Harn und Koth, und zwar sowohl vor Einleitung der
Theiapie, als nach der Castration bezw Entfernung der schwangeren
Gebärmutter. — Von den Ergebnissen der Arbeit seien folgende
hervorgehoben: Die Kalkausscheidung durch den Urin ist zu Beginn
der Krankheit, wo die Knochen noch über eine grosse Menge von
Kalksalzen verfügen, die grösste; beim Fortschreiten der Krankheit
nimmt die Mehrausscheidung in Folge der Decalcination ab. — Der
Calciumstoffwechsel schwankt in den einzelnen Stadien und Graden
der Erkrankung. — Nach Entfernung der Ovarien oder des Uterus
kehrt in minder schweren Fällen der Magnesium-, Phosphoreäure-
und Kalkstoffwechsel zur Norm zurück; in einem schweren Falle
N.'s bewirkte weder die Chloroform Narkose noch die Castration eine
Verbesserung des Kalk- und Magnesium-Stoffwechsels — Die Osteo¬
malacie spielt sich aber nicht allein in den Knochen ab, sondern sie
bildet einen auf den GesamrntstoffWechsel sich erstreckenden Process;
während der Zunahme der Erkrankung wird Eiweiss eiugerissen,
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298
MÜNCHENER MEDICIN1SCME WOCHENSCHRIFT.
N«. 13.
bei der Heilung eingespart. — Ein Erfolg ist von der Entfernung
der Ovarien oder des Uterus nur bei nicht allzu schweren Fällen
zu erwarten Ist die palliative Behandlung unwirksam, so soll defcs
halb radical, d. li. operativ ve»fahren werden, bevor die schwersten
Symptome der Krankheit auftreten.
Gustav Klein-München.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 1896.
Band III, Heft 3 (März).
1) R. Chrobak- Wien: Beitrag zur Kenntniss und Therapie
der Uterusmyome.
Verf. berichtet zunächst über einen Fall von Uterussarkom,
der in mehrfacher Hinsicht Interesse bietet. Bei einer 27 jährigen
Patientin wurde ein langsam wachsender, öfters seine Consistenz
wechselnder Tumor an der linken Seitenkante des Uterus constatirt.
Da auch leichte Fiebersteicerungen beobachtet wurden, stellte man
die Diagnose mit Wahrscheinlichkeit auf Pyosalpinx und es wurde,
da die Patientin sehr l.erunterkam, die Laparotomie ausgeführt. Der
Tumor wurde als intraligamentöses Myom erkannt und wegen des
elenden Zustandes der Pat. die jedenfalls sehr blutige Enurleatiou
nicht, sondern nur die Castration ausgeführt Pat. erholte sich gut,
bald aber zeigte der Tumor ein rascheres Wachstlmm, so dass die
Enucleation des Tumors, der inzwischen deutlich höckerig geworden
war, von der Scheide aus ausgeführt wurde. Der entfernte Tumor
erwies eich mikroskopisch als Myoma myxosarkomatosnm. und zwar
ging die maligne Degeneration von den Muskelzellen aus — Des
weiteren unterzieht Verf. die verschiedenen Operationsmethoden
bei der Myomotomie einer Kritik. Die guten Erfolge «ler Myomotomie
hängen weniger von der Wahl der einzelnen Methoden, als vielmehr
von der exacten Ausführung derselben ab. Bei der Vielgestaltigkeit des
Leidens ist strenges Individualismen in der Auswahl der Operations¬
methode am Platze, « ft genug sprechen hier auch äussere Umstände
mit. Neben den abdominalen Methoden verdienen die vaginalen
ausgedehnte Anwendung Bei der abdominalen Totalexstirpation,
die am besten in Beckenhochlagerung ausg .'führt wird, soll stets
ein vollkommener Peritonealahschluss hergestellt werden. Trotz der
bekannten Vortheile der Totalexstirpation wird die < retroperitoneale »
Versorgung des Stumpfes nach Amputatio Uteri noch viel vom Verf.
geübt, insbesondere wenn es schwer oder unmöglich ist, an die
Scheidengewölbe heranzukommen.
2) P. Wendel er-Berlin: Ueber einen Fall von Peritonitis
chronica productiva myxomatosa nach Ruptur eines Kyst-
adenoma glanduläre ovarii.
Trotzdem seit der Mittheilung Werth's über das Pseudo¬
myxom» peritonei zahlreiche derartige Fälle veröffentlicht sind,
liegen genaue mikroskopische Untersuchungen noch wenige vor.
Verfasser hat einen derartigen in der A Mart in'scheu Anstalt
beobachteten Fall genau untersucht. Bei einer 53 Jahre alten Frau
wurde eine Combinationsgosohwulst (Dermoid und Kystadenomn
glanduläre) «les rechten Ovariums entfernt, die an mehrcien Stellen
geborsten war. Im Peritonealraume fanden «ich grosse Mengen
myxoider Massen, das Peritoneum seihst zeigte starke Schwarten-
bildung. Es liess sich nun feststellen, dass die grosse Zerreisslieh-
keit dee Gewebes des Kystomes auf eine herdweise wirkliche
myxomatöse Degeneration seiner Wandungen zurückzuführen war.
Die austretenden eolloiden Massen riefen nun auf dem Peritoneum
eine productive Entzündung hervor und in dem neugebildeten Ge¬
webe selbst konnte wiederum eine myxomatöse Degeneration fest-
gestellt werden. Eine Organisation der eolloiden Massen des Kystomes
vom Peritoneum aus im Sinne Werth s liess sich nirgends fest¬
stellen. Der Effect der Operation war ein recht guter, die Patientin
befand sich nach fast Jahresfrist vollkommen wohl; es liess sich
feststellen, dass die ausgedehnte Erkrankung des Peritoneums fast
ganz zur Abheilung gekommen war, nur in der Gegend des Netzes
befanden sich vielleicht noch krankhafte Veränderungen.
3) F W. Bukoemsky-St. Petersburg: Ueber Anaesthesirung
durch Aether- und Chloroform-Inhalationen bei normalen
Geburten.
Durch Aether-Inhalationen wird die Gehurtsdauer nicht ver¬
längert, bei Erstgebärenden eher sogar etwa« verkürzt, indem die
Pausen meist kürzer werden und der Wehemlruck anscheinend ver¬
stärkt wird Zweifellos werden die .Schmerzen, insbesondere heim
Durchschneiden des Kopfes, vermindert Der Aether übt keinen
naehtheiligen Einfluss auf den Verlauf der Nachgeburtsperiode und
des Wochenbettes aus, manchmal trat die Milchsecretion etwas
später auf. Reizerscheinungen von Seiten der Athmungsorgane
waren nur geringe. Aach in grossen Quantitäten eingeathmet, hat
der Aether keine nachtheiliae Einwirkung auf da« Kind Man
beginnt am besten mit der Aetherdarreiehung am Ende der Er-
öffnungsperiode. — Obwohl das Chloroform auch in kleinen Dosen
die Geburtsdauer etwas verlängert, so ist dies doch als unschädlich
für die Kreissende zu bezeichnen. In der Nachgeburtsperiode wurden
keine Blutungen beobachtet, auch liess sich kein nachtheiliger Ein¬
fluss auf das Befinden der Kinder constatiren. Verfasser gibt dem
Aether vor dem Chloroform den Vorzug in der Anwendung hei
Kreissenden.
4) K. Ulesko-Stroganowa - St. Petersburg: Beiträge zur
Lehre vcm mikroskopischen Bau der Placenta.
Die Arbeit eignet sich, der vielen histologischen Details wegen,
nicht zur Wiedergabe in einem kurzen Referate. Hervorgehoben
möge hier nur werden, dass die Verfasserin «las Syncitium als foe-
tales Gebilde, hervorgegangen ans der Langhans'schen Zellschicht
auffasst, sowie dass sie der Letzteren einen Hauptantheil an dem
Aufbau einer »Decidua foetaüs» zuschreibt.
5) R. Teu ff el - Chemnitz: Beitrag zur Lehre von der
Schwangerschaft bei abnorm fixirtem Uterus.
Verfasser führte im Anfänge des 7. Monats hei einer Frau,
bei welcher bereits zweimal der Kaiserschnitt gemacht worden war,
den Kaiserschnitt aus, weil er wegen der abnorm gedehnten Uterus¬
narbe eine Uterusruptnr hei Fortdauer der Schwangerschaft be¬
fürchtete Letztere Annahme erwies sich als unrichtig, es fand sich
keine Narbendehnung, vielmehr befanden sich an den Narben der
früheren Kaiserschnittwunden derartig ausgedehnte Verwachsungen
auf der rechten Seite, dass eine starke Torsion des Uterus nach
rechts entstanden war: daher die starke Verdünnung der nach vorne
gerichteten linken Uteruskante. Der Kaiserschnitt wurde nach Porro
ausgeführt. Heilung, das Kind starb nach ein paar Standen.
«>) J. Neu mann-Wien: Dystokie in Folge abnormer Ver-
grösserung des kindlichen Bauches.
Wegen Stillstandes der Geburt legte Verfasser bei einer Erst¬
gehären.len die Zange an, doch liess sich nach der Geburt des
Kopfes der Rumpf nicht extrahiren, schliesslich riss bei den Be¬
mühungen der Kopf ab. Nun liess sich feststellen durch Eingehen
mit der ganzen Hand, dass das Abdomen der Frucht durch Flüssig¬
keit stark ausgedehnt war, so dass der Eintritt des Rumpfes ins
Becken unmöglich war. Nach Punction und Entleerung von 2 Liter
wasserheller Flüssigkeit erfolgte die weitere Geburt leicht. Bei der
Section der Frucht fand sich: Kloakenbildung mit Einmündung von
Enddarm, Urach us, Dieteren und Müll ersehen Gängen in dieselbe;
Fehlen von Urethra und Anus, rudimentäre Anlage der äusseren
Genitalien. Die Hemmungsmissbildung wird auf eine mangelhafte
Anlage der Urethra zurückgeführt. Gessner-Berlin.
Oentralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 12.
1) E. B u m in - Basel: Ueber Ovariotomie von der Va¬
gina aus.
B hat in 5 Fällen einen Ovarialtumor durch Kolpotomie ent¬
fernt, 3mal vom hintern, 2mal vom vordem Scheidengewölbe aus.
In einem Falle (Dermoidcyste) gelang die Operation nicht; es musste
die Laparotomie angeschlossen und von oben her die Cyste entfernt
werden. Geheilt wurden alle Operirten. B. gibt selbst zu, dass die
vaginale Methode nur für Tumoren, die «keine Adhaerenzen erwarten
lassen >. geeignet ist, räumt ihr aber bei solchen mehrfache Vor¬
züge vor der Laparotomie ein.
2) Albert Sippel- Frankfurt a M : Zur Kenntniss der sep¬
tischen Peritonitis.
Im Anschluss an eine Myomotomie wurde eine Frau septisch,
bekam Ikterus und Herzschwäche und starb am 6. Tage nach der
Operation. Das Illut erwies sich kurz vor dem Tode als steril.
Dagegen enthielt das peritonitische Exsudat und die verjauchte
Uteruswunde Reincultnren von Staphylococcus albus. Die Leber,
welche das typische Bild der acuten gelben Atrophie bot, erwies
sich, ebenso wie das Blut, als völlig steril.
S. deutet den Fall nicht als Infection im eigentlichen Sinnfe,
sondern als I ntoxication, bewirkt durch die vom Staphylococcus
gebildeten Toxine. Als praktische Folgerung ergibt sich, in solchen
Fällen wie auch bei septischer Endometritis puerperalis, den Gift¬
herd, also den Uterus, zu entfernen und damit zugleich dem Eiter
aus dem Peritonealraum freien Abfluss zu verschaffen.
3) J. Esser-Altona: Ein Fall von Sectio caesarea bei
einer übermässig grossen, todtfaulen Missgeburt.
Die Missgeburt bestand in einer Umwandlung des foetalen
Körpers in eine grosse, 46 cm lange und 18 cm breite Geschwulst,
bedingt durch Ansammlung von klarer Flüssigkeit in Brust- und
Bauchhöhle.
E. glaubt, dass in einer Klinik unter allen Cautelen der Asepsis
der Kaiserschnitt eine bessere Prognose gibt, als die Embryotomie,
und bezeichnet seinen Fall als «relative Erweiterung der relativen
Indication des Kaiserschnittes» J aff 6 -Hamburg.
Archiv für Hygiene. XXV. Band, Heft 2, 3 und 4.
H. 2. 1) Martin Hahn: Ueber die Beziehungen der Leuko-
cyten zur bactericiden Wirkung des Blutes. (Hygienisches
Institut München.!
Die Arbeit ist im Wesentlichen in Nr. 8 des Jahrgangs 43
dieser Wochenschrift vom Autor selbst mitgetheilt.
2) PiorkowBki: Ueber die Einwanderung des Typhus-
hacUlu« in das Hühnerei. ('Hygienisches Institut Berlin.)
Wie früher für andere Bacterien bewiesen, vermag auch der
Typhnsbacillus — am besten hei 28 — 37° — die Eischale zu durch¬
wandern.
3) J. H. Milroy: Die Gerinnung der Albuminstoffe des
Fleisches beim Erhitzen, (llygienis« lies Institut Berlin.)
Mit 15 proc. Chlorammoniumlösmig lässt sich aus frischem
Fleisch 14 — 28 1 roc. der Trockensubstanz entziehen. Von diesem
löslichen Eiweis wird in 1 Stunde
bei 50°
circa bO
Proc.,
. 60°
,, 70
ff
„ 70°
. 90
ft
, 80°
„ ioo
„ unlöslich.
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31. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
299
Von den weiteren Untersuchungen, die »ich auf coräuchertes,
gepökeltes, gebratenes, in Essig gebeiztes Fleisch beziehen, sei er¬
wähnt: Räuchern und Salzen vermindert die Menge des extrahirbaren
Eiweiss; schwaches Braten (innere Schichten) wirkt wie 1 ständiges
Erhitzen auf 50°, schwaches Braten (äussere Schichten) wie 1 ständiges
Erhitzen auf 60 ü , starkes Braten coagulirt alle Eiweisskörper. Beizen
mit Essig vermindert sehr die Extrahirbarke.it, geringes Erwärmen
des sauren Fleisches genügt, um sie gleich Null zu machen. — Ein
Versuch mit Kalbshirn ergab wenig extrahirbares Eiweiss, das durch
Wärme, ähnlich wie das des frischen Fleisches, beeinflusst wurde.
4) Carl Günther und Hans Thierfelder: Bacteriolcgische
und chemische Untersuchungen über die spontane Milch¬
gerinnung. (Hygienisches Institut Berlin )
Der Erreger der spontanen Milchsäuregährung in Berlin ist ein
kleines sporenfreies, nach Gram färbbares, facultativ anaerobes
Stäbchen, das ohne Verflüssigung auf Gelatine gedeiht und auf
zuckerhaltiger Gelatine gut wächst. Die Colonien werden auf festem
Nährboden Btets nur sehr klein gefunden. Weder auf Trauben- noch
Milchzuckerlösungen wird Gas gebildet, die gebildete Säure ist reine
Rechtsmilclisäure.
5) N. P. Schierberk-Kopenhagen: Ueber die Bestimmung
des Feuchtigkeitsgrades der Luft für physiologische und
hygienische Zwecke.
Die vieler physikalischen Formeln halber nicht kurz zu re-
ferirende Arbeit schliesst:
Bei der Beurtheilung des Einflusses eines Klimas auf die
Wärmeregulirung des Organismus und bei der Beurtheilung der aus-
trocknenden Wirkung derselben sowohl auf den Organismus als auf
leblose Gegenstände ist das Hauptgewicht auf die Geschwindig¬
keit der Verdampfung zu legen. Das Spannungsdeficit ist kein
Maass für die Geschwindigkeit der Verdampfung, dieselbe ist vielmehr
proportional: log B-l_ (1 + „ t)
B f t
wo B der Barometerstand, f und fi die Wasserdampfspannung bei
der Temperatur des trockenen und feuchten Thermometers, w die
Windgeschwindigkeit
H. 3. 6) Prof. Dan ilewsky -Charkow: Zur Lehre von der
Malaria-Infection bei Menschen und Vögeln.
Danilewsky vertheidigt gegen Di Mattei die Ansicht, dass die
Blutparasiten der Vögel auf's nächste denen der Menschen verwandt
sind. Di Mattei's Tauben litten nur an einer chronischen Infectinu,
die wenig Symptome macht da: eben gibt es aber auch bei den Vögeln
acute Erkrankungen mit ernsteren Symptomen. In 20 Sätzen wird
die Analogie der Vogel- und Menschenmalaria zu erweisen gesucht,
eine Identität nimmt Dan i le wsk y seit Jahren selbst nicht mehr an.
7) Max Rubner: Ueber den Wärmeschutz durch trockene
Kleidungsstoffe nach Versuchen am menschlichen Arm. (Hyg.
Institut Berlin.)
Nach Abschluss der physikalischen Studien über die Kleidung
wendet sich Rubner nun wieder zu physiologischen. Auf die
Methodik und Berechnung der Versuche kann nur andeutungs¬
weise eingegangen werden. Die Wärmeabgabe des menschlichen
Armes, gewöhnlich beider verschieden bekleideten Arme, wurde
calorimetrisch untersucht.
Von wesentlichem Einfluss bei den Versuchen ist es nicht, ob
die Luft im Calorimeter gar nicht oder langsam erneuert wird, da¬
gegen steigert starke Ventilation die Wärmeabgabe sehr und zwar
um so stärker, je kühler die Luft; bei 18 u erhöhte für den nackten
Arm eine circa 10 mal schnellere, als die gewöhnliche minimale Luft¬
bewegung die Ventilation um 75 Proc., bei 26° um circa 20 Proc. Die
Vermehrung der Wärmeabgabe wird nicht durch Vermehrung der
Wasserdampfabgabe, sondern der Wftrmeleitung und Strahlung be¬
bedingt. Beim bekleideten Arm steigert die Ventilationsverstärkung
weniger die Wärmeabgabe, bei 19 u und 10 mal verstärkter Ven¬
tilation etwa 46 Proc.
Ein gewöhnlicher halbweiter Baumwollärmel setzte die Wärme¬
abgabe um 17,6 Proc., ein ganz eng anliegender um 12,5 Proc. herab,
in anderen Versuchen hielt der eng anliegende bis um die Hälfte
weniger warm, als der bauschig umschliessende.
Die Bekleidung mit gleich gewobenen Tricotgeweben aus ver¬
schiedenem Material ergab keine wesentliche Differenz im
Wärmeschutz durch gleich dichte, gleich dicke Stoffe — die Wolle
schützte ein unbedeutendes besser als Leinwand und Seide.
Die Stoffdicke ist von Einfluss, aber nicht von sehr bedeutendem;
so spart eine einfache Baum wolltuchhülle 14,18, eine doppelte 17,2 Proc.
Wärme.
8) Max Rubner: Einfluss des St&rkens von Baumwollstoff
auf die Wärmedurchlässigkeit.
Gestärkte Baumwolle ist bei niedriger Temperatur ein etwas
besserer Wärmeschutz als ungestärkte, von 20° ab wird die Wasser¬
abgabe gestört, der feuchte, gestärkte Stoff gibt nun mehr Wärme
ab als der ungestärkte.
Max Rubner: Calorimetrische Versuche am mensch¬
lichen Arme bei nasser Kleidung.
Die Wärmabgabe wird gesteigert gegenüber einem nackten
Arm durch feuchten Flanell um 44 Proc.
„ Tricotwolle „ 34 „
„ Tricotseide „ 46 „
„ Tricotbaumwolle „ 58 „
„ glatte Baumwolle „ 74 „
Setzt man die Wärmeabgabe des unbekleideten Armes =r 100,
so ist die Wärmeabgabe
bei trockener Bekleidung für alle Kleidungsstoffe 80—83,
bei feuchter Bekleidung aber 121—157 d. h.:
die Wärmeabgabe kann durch Durchnässen der Kleidung verdoppelt
werden.
Zur Orientirung über die Wärmeabgabe von feuchter Kleidung
unter dem Einfluss verschiedener Ventilation hat Rubner einst¬
weilen noch folgenden Versuch mitgetheilt. Die Steigung einer
minimalen Windgeschwindigkeit (0,0017 m pro Secunde) auf 0,017
ergab eine Zunahme der Wärmeabgabe um 47 Proc., weitere Steigerung
steigert noch beträchtlich mehr, aber durchaus nicht proportional.
H. 4. 10) M. Holz, Corpsstabsapotheker: Das Wasser der
Mosel und Stille bei Metz.
11) Prof. Gustav Kabrhel und Dr. Strna: Beitrüge zur
Kenntniss der Verfälschung von Zuckerwerk.
ln ('» Proben Prager Zuckerwerk fanden sich zweimal 2.8 und
3,0 Proc. Baryumsnlfat, ein andermal etwas Kieselsäure und Chrom.
12) B. Schünnayer Hannover: Bacteriologische Unter¬
suchung über ein neues Desinflciens « Kresol Raschig » (Liq.
Kresoli saponatus).
Die sehr ausführliche Arbeit ergab, dass Kresol Raschig in
allen Verhältnissen in Wasser löslich ist und dass nur leichte
Trübungen dabei entstehen, Her Geruch ist unbedeutend, die Deso-
dorisations- und Desinfectiouskraft sehr gut, Kreolin, Lysol und
Solveol lassen sich erfolgreich ersetzen.
Es kostet endlich
1 Kilo Kresol pur. liquef. Nördlinger 4—5 M.
1
„ Solveol
3,50
1
„ Creolin Pearson
2,50
1
„ Lysol
2,-10
1
„ Kresol Raschig
1,50
13 1 Franz Mignesco: Wirkung des Sonnenlichtes auf die
Virulenz der Tuberkelbacillen. (Hygien. Institut Catania.)
Die Tuberkelbacillen in Auswurf angetrocknet verlieren nach
10-15 Stunden Sonnenlichteinwirkung einen Theil ihrer Pathogenität
und sind nach 24-3 i Stunden in nicht zu dicker Schicht getödtet.
14) Stabsarzt Dr. Scheurlen-Strassburg: Zur Beurtheilung
antiseptischer Salben und Oele.
Verfasser hat, um die in neuerer Zeit mehrfach gelobte Wir¬
kung antiseptischer Salben näher verstehen zu lehren, geprüft, wie¬
viel Phenol und Kresol eine f> procentige Lösung dieses Mittels in
verschiedenen Constituentien an Wasser abgibt bei 37 u . Das Re¬
sultat war, dass, je geringer das spee. Gewicht des Constituens, um
so grösser die Abgabe des Desinficiens an Wasser Am günstigsten
unter den gebräuchlichen Constituentien verhielt sich Paraffinum
liquidum, dem, um 5 Proc. Phenol lösen zu können, 10 Proc.
Olivenöl zugesetzt werden mussten, (10 g Oel machten 200 ccm
Wasser in 1 h zu einer 0,21 Proc. Carbolsäure), am schlechtesten
Vaseline, denn in 1 h verlieh es dem Wasser nur einen Gehalt
von 0,007 Proc. Das Resultat ist sehr merkwürdig, da Vase¬
line ja Paraffinum liquidum i6t, in dem 25 Proc. Paraff. solidum
gelöst sind. — Aehulich dem Paraff. liquidum verhielt sich Rüböl,
Mohnöl, ziemlich ungünstiger Olivenöl, Lanolin kam schon sehr
dem ungünstigsten Körper, dem Vaseline, nahe.
K. B. Lehmann.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 12.
1) Grawitz-Berlin: Ein Fall von Poliomyelitis anterior
subacuta (mit Zwerchfelllfthmung) bei einer Erwachsenen.
Eine lbjährige Strickerin erkrankte unter schweren Allgemein¬
symptomen, zeigte nach 3 Tagen Lähmung aller 4 Extremitäten.
Vertheilung der Paresen, resp. Lähmungen sprungweise, da 1. be¬
sonders der m. cucullar., weniger die Schalter- und Oberarramuskeln
betheiligt; r. m. cucullar. intact, dagegen m. deltoid., die rhomboid.,
serrat. und pector. maj. ergriffen. Dabei die ausgesprochenen
Zeichen der Zwerchfell-Lähmung. Blase und Mastdarm unbetheiligt.
Degenerative Atrophie der gelahmten Muskeln; Sensibilität normal.
Aetiologisch wird — ausser event. Berufsschädigung — lange Lac-
tation bei der Kranken in Betracht gezogen.
2) K. Pfeiffer-Wiesbaden: Thermal-Badecuren zu dia¬
gnostischen Zwecken.
Verfasser berichtet folgende Erfahrungen; Wenn bei einer
aetiologisch unklaren, schmerzhaften Affection die Thermal-Badecur
eine vorübergehende Verschlimmerung erzeugt, handelt es sich um
eine rheumatische oder gichtische Erkrankung. Bei Gicht zeigt sich
diese Reaction meist schon nach 3—4 Badetagen, bei Rheumatismus
erst nach 6 - 7. Das ist differentialdiagnostisch wichtig. Eine
weitere Handhabe in dieser Hinsicht bildet das Verhalten der
Harnsäure im 24 stünd. Ham (Einzelnheiten cfr. Original), welche
nach 20—21 Bädern bestimmte Veränderungen zeigt, bei Gicht
andere als bei Rheumatismus.
3) S. Wolf Strassburg: Befund von Friedlaender'schera
Kapselbacillus in einem Empyem.
Die wesentlichen Einzelnheiten des bacteriologischen Nach¬
weises eignen sich nicht zu kurzer Wiedergabe.
4) Schanz-Dresden: Die Bedeutung des sog. Xerose-
bacillus bei der Diagnose der Diphtherie.
Sch. sucht nachzuweisen, dass die Unterscheidung zwischen
dem Xerose-Bacillus und dem Löffler sehen Diphtheriebacillus
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
300
weder durch Deokclas- Präparate, noch durch das Culiur Verfahren
gelinge. Er hält den Xerose-Bacillus vorläufig für einen Löffler'
sehen Bacillus von geringerer Giftigkeit und fordert, dass für letzteren
stets auch die Giftigkeit als Kriterium nachweisbar sein müsse.
5) Wein rieh-Berlin: Ueber Cocain-Intoxication von den
Harnwegen aus.
Nach einer kurzen Uebersicht über die Symptome der Cocain-
Vergiftung berichtet W. über einen Fall, bei welchem nach Durch¬
spülung der Blase mit Cocain-Lösung (2o:30) sehr bedrohliche Er¬
scheinungen mit allg. Krämpfen 3 /< stünd. Dauer, starker Respirations-
Störung (Cheyne-Stokes-Typus), ausgeprägte Cyanose auftraten. Schon
5 mal war kurz vorher von dein nämlichen Kranken dieselbe Coc.-
Dosis ohne Schaden ertragen worden. Hier, wie in einem zweiten
ähnlichen Falle erfolgte günstiger Ausgang. Langdauernde, künst¬
liche Respiration erwies sich als vorteilhaft.
Grass mann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 13.
1) F. Ahlfeld: Woher stammen die grossen Differenzen
in den Morbiditätsstatistiken deutscher Entbindungshäuser.
(Aus der Universitäts-Frauenklinik in Marburg.) Schluss folgt.
2) K. Bohland: Weitere Mittheilungen über die Bülau’-
sehe Heberdrainage bei der Empyembehandlung. (Aus der
medicinischen Universitätsklinik in Bonn.) Schluss folgt.
3) S. Türk: Ueber Retractionsbewegungen der Augen.
(Aus der Universität»-Augenklinik in Zürich, Dir : Prof. Haab)
Erörterungen über den Mechanismus der Augenmuskeln unter
pathologischen Bedingungen, als deren äusseres Zeichen eine Ver¬
engerung der Lidspalte, als deren Folge eine Retraction des Bulbus
auftritt.
4) M. Dahmen-Crefeld: Das Schicksal des Hämoglobin
und einiger moderner Eiseneiweisspräparate im Verdauungs-
' tractus.
Eine vergleichende spectroskopische Untersuchung der Ver-
dauungsproducte der verschiedenen Hümoglobinpräparate (von
Pfeuffer, d'Em ilio, H ommel, Merck, G lau sch und Pi zzala)
ergab für dieselben dasselbe Spectrum wie für das Dah men'sche
Hämalbumin. D. schliesst daraus, dass die Darreichung der ge¬
nannten Präparate per os zwecklos sei, da sie bei normaler Ver¬
dauung doch in die Form des Hämalbumin gebracht werden.
5) W. Becher-Berlin: Zur Anwendung des Röntgen'schen
Verfahrens in der Medicin.
6) K. Biesalski-Berlin: Eine praktische Verwendung der
Röntgen’schen Photographie.
Während der letztgenannte Autor einen weiteren casnistischen
Beitrag zu den «Nadelfällen» liefert, sucht Krsterer innere Hohlorgane
durch Einführung für die X-Strahlen undurchdringlicher Flüssigkeiten,
z. B. Liquor plumbi subacetici — vorläufig allerdings nur an todten
Meerschweinchen — mit Erfolg sichtbar zu machen. F L.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 25. März 1896.
Herr J.- Israel stellt folgenden Fall vor:
Bei einer Frau war wegen Darmstenose vor einem Jahre von
anderer Seite eine Enterostomie gemacht, die Ursache des Darm
Verschlusses aber damals nicht aufgeklärt worden. I. fand bei com-
binirter Untersuchung einen über kindskopfgrossen, anscheinend mit
dem Darm verwachsenen Ovarialtumor und nahm, da er in
diesem die Ursache der Darmstenose vermuthete, die operative Ent¬
fernung desselben durch Laparotomie vor. Bei der Operation aber
bestätigte sich diese Annahme nicht, dagegen fühlte er auf der ent¬
gegengesetzten Abdominalseite ein Coloncarcinom; daher so¬
gleich Anlegung eines zweiten Bauchschnittes, Vorziehung der
erkrankten Darmschlinge und Einnähung derselben in die Bauch¬
wunde. In einer zweiten Sitzung wurde der Tumor exstirpirt und
ein zweiter Darmmund angelegt. In einer dritten Sitzung wurde
dann der eine und in einer vierten Sitzung der andere Darmmund
geschlossen. Heilung.
Discussion über die Vorträge der Herren Mackenrodt und
Abel (Schloss).
Herr Mackenrodt bestreitet die Berechtigung der von Herrn
Abel gestellten neuen Indication zur Porro'sehen Operation. Der
«furor operativus» sei lange nicht so schlimm, als der Ueberfluss
an Operateuren, welcher ein Dilettantenthum unter den Gynäkologen
gezeitigt habe.
Herr Abel hält seine Indication iin vorliegenden Falle auf¬
recht. In demselben seien übrigens die Portioamputation und später
die Ventrofixation von zwei der anerkanntesten Berliner Gynäkologen
vorgenommen worden, denen man dilettantenhaftes Operiren gewiss
nicht vorwerfen könne. Bezüglich der Gefahren eines jeden opera¬
tiven Eingriffes weist er nur noch auf die in neuester Zeit von
anderer Seite gegebene Zusammenstellung der Lungenembolien
hin, welche nicht nur bei grösseren, sondern selbst bei den schein¬
bar unbedeutendsten gynäkologischen operativen Eingriffen zur Be¬
obachtung kommen.
Discussion über den Vortrag des Herrn Rosenheim:
Ueber Gastroskopie.
Herr Pariser zeigt ein Instrument, das er vor circa einem
Jahre construirt und zur Gastroskopie bei Hunden benutzt hat. Es
gleicht im Wesentlichen dem Rosenhei m' sehen.
Herr Rosenheim bestreitet zunächst die Priorität des Herrn
Ewald. Dass es Herrn Ewald einige Male gelungen sei, ein ge¬
rades Rohr in den Magen einzuführen, um Messungen vorzunehmen,
sei nicht das Entscheidende, sondern die methodische Ausbildung
dieser Prozedur, und zwar zum Zwecke der Gastroscopie. Waa die
Gefährlichkeit anlangt, so habe er ja die Indication zur Vornahme
dieser Untersuchung auf's engste eingeschränkt. Man solle aber doch
bedenken, dass auch die anderen Methoden, z. B. Einführung einer
weichen .Sonde, Aufblähung des Magens, bei nicht vermuthetem Ulcus
die schwersten Folgen herbeiführen könnte. Und so müsse er die
Frage des Herrn Ewald allerdings dahin beantworten, dass er mit
seinem Instrument leider schon einmal die Perforation des
Oesophagus erleben musste. Damals wurde ausnahmsweise in
Chioroformnarkose vorgegangen, was er jetzt principiell vermeidet,
um durch den geringsten Schmerz des Patienten zur Vorsicht und
eventuell zum Atifgeben der Untersuchung gemahnt zu werden.
H. K.
Aerztlicher Verein zu Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 24. März 1896.
Vorsitzender: Herr K ü m m e 11.
I. Demonstrationen.
1) Herr Wiesinger zeigt eine Röntgen'sche Photo¬
graphie der Ellenbogengegend eines Mannes, dem er im
Oktober 1H95 das obere Drittel des Radius wegen Osteosarkoms
entfernt hatte. Es handelte sich um die Frage, ob ein Recidiv im
Entstehen sei. Das Actinogramm beseitigt die Befürchtung. Derselbe
stellt zwei Fälle von Darmausschaltung vor. Bei dem einen
besteht totale Darmausschaltung mit totaler Occlusion des
Colon transversum et descend. und der flexur. sigmoid.
(diese Wochenschr. 1895 No. 51). Bei dem anderen Falle ist das
Coecmn und Colon ascendens ansgeschaltet wegen Tuberculose des
Coecum . Auch hier sind die Enden des ausgeschalteten Darmstückes
occiudirt; jedoch besteht noch eine haarfeine Fistel, welche in das
Coecum führt, als Ueberbleibsel einer Kothfistel, welche jetzt nur
etwas schleimigen Eiter secernirt und sich voraussichtlich bald
schliessen wird. Beide Kranken haben von dem ausgeschalteten
Darmstück keine Beschwerden.
2) Herr Franke stellt einen Kranken mit Pemphigus con¬
junctivae et corneae vor, bei dem er durch die Transplan¬
tation eines Thiersch'sehen Läppchensauf die Hornhaut
bis zum Pupillargebiete, nach vorheriger Abtragung der pterygium-
ühnlichen Fortsätze, das Fortschreiten des Processes verhindert hat
Diese Behandlung derartiger nicht gerade häufiger Affectionen ist neu;
das gute, bereits 3 /* Jahre controlirte Resultat fordert zu weiteren
Versuchen auf.
3) Herr Schulz demonstrirt bei einer Frau eine ganz colossale
Auftreibung des rechten Oberschenkels, die durch ein gutartiges
myelogenes Osteosarcom bedingt ist. Der Tumor hat an
seiner breitesten Stelle eine Circumferenz von 82 cm und erstreckt
sich aut die untere Hälfte des Ober- und die obere des Unter¬
schenkels. Ein ähnlicher Fall ist von Busch beschrieben.
4) Herr Kümmel zeigt die durch Obduction gewonnene
Wirbelsäule eines Mannes, bei dem er vor l‘/a Jahren ein extradural
gelegenes Sarkom der Brustwirbels 11 ule operativ entfernt
hat. Das stark comprimirte Rückenmark dehnte sich sofort aus,
die totale Lähmung schwand erst nach 4 Monaten. Exitus an
Metastasen.
5) Herr Mohr demonstrirt eine exstirpirte Pyonephrose;
vorher war versucht, durch Anlegen einer Witzel'sehen Schräg¬
fistel den Eitersack zum Verschluss zu bringen. Doch war die im
Mittel 600 ccm pro die betragende Secretion so lästig, dass die Total¬
exstirpation der erkrankten Niere vorgenommen wurde, nachdem
durch quantitative Harnstoff- und Harnsäure-Bestimmung der Nach¬
weis geliefert war, dass die andere Niere vicariirend eingetreten sei.
(Schluss folgt.)
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. November 1895.
Herr Hahn: Ueber die Bedeutung der Leukocyten
für den Schutz gegen Infectionen. (Der Vortrag ist in
Nr. 8 d. Wochenschr. veröffentlicht.)
Discussion: Herr Büchner bemerkt im Anschluss an den
vorausgegangenen Vortrag, die Alexintbeorie habe Anfangs viel An-
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31. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
301
l
feindung erfahren, namentlich von Seite Metsch n ikoff's, aber
auch in Deutschland. Jetzt habe sich das geändert. Was die Leu-
kocyten betrifft, so müsse man sich klar sein, dass dieselben keines¬
wegs unter allen Umständen für den Schutz des Organismus einen
Werth haben, z B nicht im leukaemischen Blut, oder als Eiter¬
körperchen in einem Empyem u. s. w. Wenn die Leukocyten selbst
krankhaft verändert oder gealtert sind, kann eine Lieferung bacteri-
cider St> ffe durch sie nicht mehr erwartet werden Die Labilität
der letzteren bringt es Übrigens mit sich, dass man au eine "künstliche
Zufuhr derselben in den Organismus zu Schutzzwecken nicht denken
kann, da die Alexine der Thiere bei Einbringung in den mensch¬
lichen Körper zu Grunde gehen würden. Ein Vorgehen in prak¬
tischer Beziehung müsse daher in anderer Richtung, etwa auf dem
Wege der Erregung von Leukocytose gedacht werden.
Herr Kronacher: 1. Einige Bemerkungen zur Be«
hstndlung der männlichen Hypospadie I. Grades.
Der Epi- bezw. der Hypospadie leichteren Grades begegnen
wir verhältnissmässig häufig, der letzteren am meisten. Kür diese
Form findet sieh eine wirklich methodische, gut ausgebildete Ope¬
ration kaum irgendwo angegeben. Der Grund hiufttr liegt in der
unrichtigen Annahme, dass man diese Anomalie nicht immer, oder
nur in zwingenden Fällen operiren müsse. Die vielen functionellen
Störungen, die kosmetischen (moralischen) Momente u. A. machen
jene Annahme hinfällig. Eine Arbeit über diese Anomalie meiner¬
seits erscheint demnächst anderweitig, ich möchte hier nur einige
Bemerkungen zur operativen Beseitigung derselben machen, wobei
ich bemerke, dass ich auf dem Standpunkte Derer stehe, die diese
Anomalie immer und zwar frühzeitig — Säuglingsalter — beseitigt
wissen wollen. Denn die Erfahrung hat gelehrt, dass späterhin
die Operation durch zu geringe Ausdauer seitens der Hypospaden
u. A. immer mehr erschwert wird. Abgesehen von der palliativen
Beseitigung ist die Durchbohrung der Eichel mit nachfolgendem
Verschluss der Fistel durch Umschneidung oder plastische Deckung
lange Zeit geübt worden, doch mehr und mehr verlassen.
Allgemein wird jetzt die Thi er sch 'sehe Methode mit Bildung
der Eichelharnröhre aus der Eichel mittelst zweier seitlicher Lappen
(Epithelkeil) und plastischem Verschluss der Fistel mittelst des
durch die Glans gesteckten Präputiums angewandt..
Das Idealste wäre , die neugebildete Harnröhre mit Schleim¬
haut zu versehen, was denn auch aus dem Präputium theilweise,
vielleicht in tot« geschaffen werden kann. Bei den von mir in
der letzten Zeit operirten Fällen bin ich diesem Prineip gefolgt
und habe dabei sehr schöne Resultate erzielt. Zuerst bilde ich
für Eichel und Fistel eine gemeinsame, offene Rinne; ist diese
fertig (vernarbt), so decke ich die fehlende Wand mit Präputial-
schleimhaut mittelst eines umgeschlagenen Lappens. Das Präpu¬
tium wird zuvor in mehreren Partien gespalten, damit im Falle
des Misslingens Reservelappen zur Verfügung stehen. Bei dem
ersten so operirten und in Folge noch mangelhafter Technik miss¬
lungenem Falle habe ich zur Deckung die Scrotalhaut erfolgreich
benutzt. In einem der letzten Fälle benutzte ich zur Auskleidung
der ganzen Rinne die Präputialschleimhaut; leider blieb der schon
5 Jahre alte Patieut mitten unter der Behandlung aus — ein viel
beklagter Uehelstand und ein Grund zur frühzeitigen Operation —.
Mit der oben angeführten Methode habe ich bislang tadel¬
lose Resultate erhalten.
2. Zum gegenwärtigen Stand der Osteoplastik.
(Erschien in No. 12 d. Wochenachr.)
Discussion: Herr Hans Büchner weiöt darauf hin, dass
die reactionslose Einheilung von Elfenbeinplatten u. s w die frühere
Anschauung widerlegt, als ob Fremdkörper unter allen Umständen
Eiterung erregen müssten. Die letztere Wirkung hänge vielmehr
damit zusammen, dass die betreffenden Fremdkörper entweder In-
fectionserreger enthalten oder ihrer Substanz nach dem Organismus
nicht genügend homogen sind. Unter diesem Umstande entstellt
dann auf indirectem Wege Anlockung von Leukocyten und damit
Eiterung.
Herr Anger er glaubt nicht an eine Einheilung der Elfenbein-
Stücke im physiologischen Sinne, sondern dass lediglich eine Um-
wachsung stattfinde. Er spricht den Wunsch aus, Herr K ronacher
möge histologisch seinen Fall untersuchen; er setzt keine zu grossen
Hoffnungen auf die Implantationsmethode und erinnert an einen
al von Gluck, den er beobachtet hat; derselbe sei Anfangs
reactionslos verlaufen, später aber sei doch noch Eiterung aufgetreten.
j Sch in i 11; Auf Grund zahlreicher Thierversuche, welche
as Schicksal eingepflanzter Fremdkörper verfolgen sollten, kann
ic sagen, dass die Einheilnng (allerdings nicht iui physiologischen
mne) beliebig grosser Elfenbeinstüeke, Asepsis vorausgesetzt, ohne
Weiteres gelingt. Wenn und so lange von diesen implantirten
Stücken eine Leistung, eine Function nicht verlangt wird, wie z. B,
von den in das knöcherne Schädeldach eingeheilten Elfenbein- oder
Celluloidplatten, können sie ruhig lange Zeit, vielleicht dauernd
liegen bleiben; wird aber das Elfenbeinstück zu einer Leistung be¬
ansprucht, wenn es in eine Tibia, einen Femur z. B. eingepflanzt
ist, so dass es eine Last tragen muss, dann wird es über kurz oder
lang nicht nur selbst ausgestossen, beziehungsweise es liegt lose in
der Einpflanzungsstelle und eine Fistel führt nach aussen, sondern
wird in Folge des Reizes und Druckes meist der Knochen, in welchen
es eing'pflanzt ist, au der Einpflanzungsstelle zum Absterben ge¬
bracht.
Herr Kronacher hält die Heteroplastik bei grossen Diaphysen-
defecten noch nicht für vollkommen, doch glaubt er in den Erfahrun¬
gen und wiederholten Demonstrationen Gluck's einen Beweis zu
erblicken, dass in dieser Richtung noch Manches zu erreichen sei.
Indess gibt er auch gerne zti, dass Gluck’s Mittheilungen zuweilen
gerechtem Zweifel begegneten.
Gegenüber »len Bemerkungen des Herrn Schmitt erwähnt
er, dass sein l’atient 3 Wochen nach der Invagination mit der
Schiene (Volkmann'sehe) gelaufen ist und erwähnt wiederholt
Gluck's Erfahrungen.
Sein Präparat zeige, dass die Prothese in der kurzen Zeit zur
Genüge eingeheilt sei, die Bedingungen für die Einheilung seien
hier besondere vorhanden. (Kindliche Epiphysen )
3. Vorstellung eines Falles von hochgradiger, partieller
Hyperostose des Schädels, auf luetischer Basis beruhend.
Patient ist 2 Jahre, der Tumor besteht seit dem 6. Lebens¬
monate.
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 6- Februar 1896.
Herr Wirth stellt einen Fall vor von Molluscum fibrosum.
Die 26jährige Patientin, welche schon in frühester Jugend
einige Knötchen hatte, ist nunmehr, besonders am Rücken, besät
von Stecknadel- bis faustgrossen Molluscumknoten. Die mikrosko
pische Untersuchung eines Knöt hens ergab Molluscum fibrosum.
Herr Ferd. Giulini demonstrirt im Anschluss daran Präparate von
Molluscum contagiosum, an welchen sehr schön die Molluscum-
Körner ausgebildet waren Die Präparate stammen von einem
7 jährigen Mädchen, we dies am oberen und unteren Lide des
rechten Auges .» kleine, etwa halberbsengrosse Knötchen hatte
Herr Ernst Kiefer stellt zwei Fälle von „Unfall*
neurose“ vor.
Beim I. Fall handelt es sich um eine an sich nicht sehr er¬
hebliche Handverletzung, in deren Gefolge sich aber schwerere
psychoneurotische Erscheinungen entwickelt haben. Letztere be¬
stehen hauptsächlich in einer vollständigen Anästhesie der verletzten
Hand, starkem Zittern und Kraftmangel derselben. Bezüglich eben
dieser Symptome habe die Beobachtung und der Verlauf deutlich
gezeigt, dass sie nicht wirklich objectiver Natur, sondern von der
Gedankenrichtung des Patienten abhängig und psychogenen Ur¬
sprungs sind. Der Fall gebe eine schöne Illustration ab für das,
was ProleBBor Strümpell jüngst über die traumatische Neurose
in seiner Abhandlung; »Ueber Untersuchung, Beurtheilimg und Be¬
handlung von Unfallkranken 1 ) ausgeführt hat Der Patient könne
nämlich bei abgelenkter Aufmerksamkeit und besondere, wenn «r
im Affect sei, die verletzte Hand in einer Weise gebrauchen, wie
es bei einer so hochgradigen Gi fühle-, Kraft- und Bewegm.gsstöiung
mit materieller Unterlage nicht möglich wäre Bei der Entwicklung
der Anästhesie lasse sich der Einfluss der Suggestion und Auto
Suggestion verfolgen; Die Sensibilitätsstörun: sei Anfangs nicht da¬
gewesen und erst im Anschlüsse an eine darauf gerichtete Unter¬
suchung in einein kleineren Bezirk (Umfang der Verletzungsstelle)
entstanden. Sie sei dann nach Anwendung des faradisehen Pinsels
in einer Sitzung verschwunden, nach einiger Zeit aber, und zwar
nun in einer Ausdehnung ü-.er die ganze Hand, genau an der Hand¬
wurzel abschneidend, wiedergekommen, ohne dass nunmehr der
elektrische Strom den geringsten Eindruck machte.
Im II. Falle handelt es sich um einen in seiner Deutung etwas
dunkeln nervösen Symptomencomplex, der sich an eine leichtere
Schulterverletzung angeschlossen hat, und dessen causaler Zusam-
roenhang mit dem Unfälle nicht sicher ist. (Parese des linken Arms
und Berns, sehr starke Erhöhung des linken Patellarreflexes und
der mechanischen Erregbarkeit des muscul. qtiadrie., eigentümlicher
Tremor dieses Muskels, der besonders beim Stehen auf dem linken
Bein nicht beim Geben, ausgeprägt ist, «lern ganzen Bein eine zit¬
ternde Bewegung verleiht und bei Entspannung des Muskels aufzu-
horen pflegt, kein l-ussclonus Anästhesien und Hyperästhesien
in der linken Bauch und Schultergegend.)
l ) Münch, med. Wochenschrift
189Ö, No. 50 u. 51.
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302
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Herr Neuburger stellt, einen Mann vor, der durch Täto¬
wierung eines durchsichtigen Hornhautfleckes ein erheb¬
lich besseres Sehvermögen erlangte als er vordem hatte und hält
im Anschluss daran einen Vortrag Ober ; Verbesserung der Seh¬
kraft durch Schwansfärbung durchsichtiger Hornhautflecke», der
in der •< Münch, med. Woehensohr.» veröffentlicht wird.
Herr Ferd. Gi ul in i demonstrirt eine von dem Priinarlehrer
in Basel, Herrn Müller construirtc Brille für Schulkinder,
welche ein zu starkes Vorbeugen des Kopfes, bezw. Annähern
des Auges an das zu betrachtende Object, insbesondere beim
Lesen und Schreiben verhindern soll. Dieselbe ist so construirt,
dass im kritischen Momente, d. h. wenn die Neigung des Kopfes
eine zu starke werden will, durch zwei mit einander verbundene
Klappen aus Celluloid, eine vollständige Verdeckung der Augen
herbeigeführt wird. Diese Klappen steigen jedoch automatisch
wieder in die Höhe und geben den Blick frei, sobald der Kopf
wieder in die richtige Lage gebracht wird. Die Hebung und
Senkung der Klappen wird durch einen sinnreichen, einfachen
Hebclmechanismus bewirkt.
Sitzung vom 20- Februar 1896-
Herr Göschei: Ueber traumatische Luxationen der
unteren Extremität. (Erscheint in extenso in der Wochensehr.)
Herr Sigmund Merkel zeigt einen 5 cm langen bis zu
1 cm breiten und ’/* cm dicken Holzspahn vor, welchen er
vor ein paar Tagen einem Arbeiter aus der Haut am Daumen-
rüeken herausgeschnitten hatte.
Das Interessante an diesem Falle ist, dass dieser Spahn durch
Abspringen von einem durch eine Frais-Maschine laufenden Holz¬
stück eine solche Fluggewalt hatte, dass am Daumen eine nur
1 ’/* cm breite, nur wenig klaffende Wunde vorhanden war und zwar
unmittelbar über dem Daumen-Zwisehentingergelenk. Von hier aus
l'/z cm nach dem Handgelenk zu beginnend war erst die obere
Spitze des Spahns unmittelbar unter der Haut fühlbar, während das
untere Ende noch l’/z cm unterhalb des Daumen-Handgelenkes
scharf die Haut emporhob. Hier wurde auch durch Incision erst
ein Zugang zu dem Holzstückchen geschaffen und mittelst einer
Zange eitrahirt. In den ersten Tagen war die ganze Stelle etwas
geschwollen, auf Sublimat-Verbände ist jedoch alles zurückgegangen.
Am 9. Tage hat der betreffende Arbeiter wieder seine Thätigkeit
aufgenommen.
Herr Sigmund Merkel referirt über eine neue Form
antiseptischer Wundbehandlung von Schleich- Berlin
mittelst Formalingelatine.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 28. März 1896.
Die Gehalte der Hochschul-Professoren. — Keine
Collegiengelder mehr. — Wohlfahrtsinstitute für die
Aerzte Oesterreichs. — Die Function der Haare.
Dem Abgeordnetenhause wurde eine Regierungsvorlage be¬
treffend die Neuregelung der Bezüge der aetiven Staatsbeamten
zur Bcrathung übergeben. Da zu Letzteren auch die Professoren
der Hochschulen gehören, so werden auch deren Gehalte geregelt,
und zwar in folgender Weise:
Der Gesetzentwurf stipulirt, dass künftighin die Grundgehalte
der ordentlichen und ausserordentlichen besoldeten Professoren an
säui mfliehen Hochschulen gleich gestellt werden, während
die Activitüts-Zulagon unverändert bleiben. Die Ordinarii rangiren
in der VI. Rangsclassc (3200, 3600, 4000 fl. Grundgehalt).
Ausserdem sind für sämmtliche Hochschulen 60 Gehalte der
\ . Rangsclassc (50u0 und 6000 fl.) nebst Activitäts-Zulage in
A ussicht genonin 1 en.
Die bisherigen Grundgehalte der ordentlichen Universitäts-
I’rofessoren betrugen in Wien 2200 fl., in Prag 2000 fl., an den
übrigen Universitäten (Graz und Innsbruck) 1800 fl. und erhöhten
sich nach 5 Quiiiqucnnieu auf 3200, 3000 und 2-00 fl. Nach
Annahme des Gesetzes würden sonach die ordentlichen Professoren
bereits im Augenblicke ihrer Ernennung an allen Hochschulen
einen Gehalt beziehen, welcher dem bisherigen Höchstgehalte
eines Wiener Universitäts-Ordinarius nach 25 Jahren
glcichkomm t.
Die besoldeten ausserordentlichen Professoren sollen einen
.lahrcsgehalt von 1600 fl. nebst der systemmässigen Activitäts-
Zulagc erhalten. Dieser Gehalt wird durch zwei Quinqucnnal-
Zulagen ä 200 fl. erhöht, beträgt demnach nach 10 Jahren
2000 fl- *
Nach Lage und Erfordernis der Verhältnisse können ein¬
zelnen Professoren auch höhere als die systemmässigen
Bezüge (Hier andere Begünstigungen zugestanden werden. (Dieses
erste HintcrthUreheu Hess sich der Vnterrichtsminister offenbar
für eventuelle Berufungen von eminenten Lehrkräften aus dem
Auslande offen.)
Denjenigen Universitäts-Professoren, welche künftighin diese
erhöhten Gehalte beziehen , soll kein Anspruch auf das von
den Studireudcn zu entrichtende G'ol legicngeld zustehen.
Dieses Collegiengeld ist in die Staat sc assa in Abfuhr zu bringen.
Den unbesoldeten ausserordentlichen Professoren, den Privatdocenten
und sonstigen Lehrern au den Universitäten bleibt der Bezug deB
Collegiengeldes im bisherigen Umfange gewahrt.
Den derzeit aetiven ordentlichen oder ausserordentlichen be¬
soldeten Professoren steht, es innerhalb einer sechsmonatlichen Frist
frei, für den Fortbczug des G'ollegicngcldcs unter den bisherigen
Gchaltsuormen zu optiren. (Zweites Hiuterthürchen für die Ueber-
gangsperiode.)
Das durch diese Gohaltsregulirung der Professoren an den
Universitäten und denselben gleichgehaltencn Hochschulen und
Lehranstalten (z. B. technische Hochschule) bedingte M ehrerfor-
derniss beziffert sich rund auf 976,600 fl. Der Eingang des
Collegiengeldes betrug im abgelaufenen Studienjahre 466,600 fl-,
wovon etwa die Hälfte als Staatseinnahme veranschlagt werden
kann. Es ergibt sich somit ein Netto - Mehrerforderniss von
743,300 fl.
Es ist klar, dass zahlreiche, derzeit aetive Hochschul-Profes-
soren , welche als Theoretiker wirken und nicht viele Hörer auf¬
weisen, durch die geplante Gohaltsregulirung nur profitiren können,
und die Professoren mit 300—400 Hörern per Semester werden
vorderhand für den Fortbezug des Collegiengeldes optiren. Wie
sich aber die ganze Sache in der Zukunft gestalten wird und
welche Stellung unsere Facultätsprofessoren hier einnehmen werden,
das sei einer späteren Besprechung Vorbehalten.
Die Wiener Aerztekammer hat, als derzeit geschäftsführende,
allen Aerztekammern Oesterreichs einen Fragebogen zugeschickt,
durch dessen Beantwortung die Errichtung von Wohlfahrtsinstituten
für die Aerzte Oesterreichs wieder in Fluss gebracht werden soll.
Es handelt sich hier um die beantragte obligatorische Wittwen-
und Waisen-Versicherung, sowie um die Altersrenten-Versicherung,
um Institutionen, deren Gruudzüge ich schon im Vorjahre (No. 29
vom 16- Juli 1895) an dieser Sudle ausführlich erörtert habe.
Das Referat hierüber bildete den Gegenstand eingehender Be¬
rathungen auf dem 1. Aerztekauiuiertagc zu Brünn (Oktober 1895),
doch fand dasselbe keineswegs ungetheilte Zustimmung. Die Be¬
denken , welche gegen dasselbe geltend gemacht wurden, bezogen
sieh in erster Linie auf die Höbe der von den Aerzton zu
leistenden Prämien, deren Einbringlichkeit mehrfach bezweifelt
wurde, auch divergirten die Meinungen darüber, ob nur für den
Todesfall oder nur für das Alter oder für beide Eventualitäten
vorgesorgt werden solle.
Die Nothwcndigkeit der Errichtung von Wohlfahrtsinstituten
wurde übrigens einstimmig erkannt, der centrale (oder vielleicht
besser ausgedrückt, der einheitliche) Charakter derartiger Institute
mit 15 gegen 4 Stimmen als höchst wünschenswerth bezeichnet,
für das Princip der obligatorischen Versicherung stimmten von
19 Delcgirten IS, und zwar unbedingt 6, bedingt 12-
Indem also neuerdings an die Discussion dieser Angelegenheit
lierungotrctcn wird, betont das Coiuite nochmals die Prin cipicn,
an welchen hei der Errichtung von Wohlfahrtsinstitutcn für die
kammerpflichtigen Aerzte Oesterreichs festgehalten werden muss.
Sie lauten: 1. Nur durch Institute mit obligatorischem Bei¬
tritt. kann das angestrebte Ziel erreicht werden. 2- Zur Schaffung
des für die Errichtung obligatorischer Institute erforderlichen
Gesetzes ist die Zustimmung sämmtüeher Aerztekammern Oester-
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31. März 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
303
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadämie de Mädecine.
Sitzung vom 10. März 1890.
Behandlung von Geschwülsten der Mundhöhle mit
Kali chloricum.
reichs erforderlich. 3. Derartige Institute können nur auf
versicliorungsuiatheinatischer Basis gegründet werden, da das Gesetz
keine anderen zulässt. 4. Aus dem zuletzt angeführten Grunde ist
das Umlageverfahren bei den geplanten Instituten ausgeschlossen.
5 . Aerztliche Krankencassen und Unterstützung«- Institute für
hilfsbedürftige Collegen können nicht für alle Aerzte gemeinsam
gegründet werden und muss deren Errichtung den einzelnen Kammern
überlassen werden. 6- Die Versicherung soll nicht auf ein Capital,
sondern auf eine Rente abgeschlossen werden.
Sollte eine Kammer in der Lage sein, principiell abweichende
Antworten geltend zu machen oder specielle Vorschläge zu er¬
statten, so wird um Motivirung derselben gebeten, welche möglichst
ausführlich in besonderer Beilage zu geschehen hätte. Schliesslich
wird die Rücksendung der beantworteten Fragebogen für spätestens
1. Mai 1. J. erbeten.
In unserer Gesellschaft der Aerzte sprach Prof. S. Exner
über die Functionen der Haare. Die Urahnen des Menschen,
führte der Vortragende aus, waren aller Wahrscheinlichkeit, nach,
gleich den anthropoiden Affen, stark behaart. .\IaD kann dies
auch aus der reichen Behaarung unserer Embryoneu erschließen.
Schon Darwin hat die Frage eingehend erörtert, warum die
Enthaarung der Menschen solche Fortschritte gemacht hat und
lautet seine letzte Antwort dahin , dass die jetzige Haarlosigkeit
ein secundärer Geschlechtsckaraktcr sei, durch Selection bedingt,
die beim Manne mehr hervortritt als beim Weibe, daher sei auch
die Enthaarung des Weibes vorgeschrittener. Hier spielte also der
Geschmack der werdenden Menschheit eine wichtige Rolle.
Ebenfalls nach Darwin sind unsere Haare als degenerirte
Organe zu betrachten und verweist E. in dieser Richtung auf
eine neuere Arbeit Maurer's, derzufolge die Haare sich bei
einzelnen Reptilien aus sogen. Hautsiunesorganen, zu welchen
Nerven führen, herausbilden. Wenn auch degenerirte Organe, so
sind die| Haare desshalb nicht funetiouslos.
Vor Allem dient eine Gruppe derselben als »Sinnesorgane.
Hierher gehören die Cilien, welche sich als Tasthaarc den Schnurr¬
haaren der Säugetliiere an die Seite stellen lassen. Thatsächlieh
fand Dr. Mieses, der über Veranlassung Exner’s die Uilien
nach dieser Richtung hin untersuchte, an denselben einen sehr
feinen Nervenapparat, den schon J a u b e r t beschrieben hat. Das
Auge braucht eben einen so feinen Tastapparat, damit alle Schäd¬
lichkeiten von demselben ferne gehalten werden.
Dasselbe gilt von den Augenbrauen, welche ebenfalls als
empfindliche Tastorgane als »Schutzvorrichtung für das Auge dienen.
Auch die kurzen Härchen des Körpers, die feinen Woilhaare, ver¬
mitteln die Tastempfindung.
Die gekräuselten Haare in der Achselhöhle, in der Urogenital-
und in der Aftergegend haben eine andere Function, sic vermindern
die Reibung zweier aneinander liegender Hautflächen, daher diese
leichter übereinander gleiten. Diese Haare wirken also gewisser-
massen als Walzen.
Sodann haben die Haare eine dritte Function, sie reguliren
die Temperatur der betreffenden Körperparthie. Bekannt ist ferner
das elektrische Verhalten der Haare, welches bei Säugethieren
gewiss eine Rolle spielt. Die langen, gröberen Haare sind stets
positiv, die feinen, dichten Woilhaare des Säugethierpelzes negativ
elektrisch, sobald Reibung eintritt. »^o wird der Pelz dicht und
sind die Haare gleichmässig vertheilt, das Thier wird recht gut
gegen Witterungseinflüsse geschützt.
Das Kopfhaar des Menschen schützt ihn gegen plötzliche
Abkühlung, da die Haare schlechte Wärmeleiter sind und der
Schädel mit vielen zwischen den Haaren befindlichen Luftsäulehen
umgeben ist. Gegen die Einwirkung der Wärmestrahlen wirken
die Haare abhaltend, da die strahlende Wärme sofort in leitende
Wärme umgesetzt wird, welche ungemein rasch wieder abstrahlt.
Die Haare haben endlich, nach Darwin, noch eine vierte
hunction, sie dienen als Schmuck: Bart des Mannes, langes Kopf
haar des Weibes. Wieder ist es hier der Geschmack des Menschen,
dessen bildende und umgestaltende Wirkung auf den Körper des
Menschen sich noch heute bemerkbar macht, welcher auch von Ein¬
fluss war, dass die Haare an gewissen Körperstellen geblieben sind.
In 3 Fällen, wovon es sich zweimal um ein Epitheliom der
Zunge und des Zahnfleisches handelte, beim dritten Patienten die
Natur der Geschwulst aber zweifelhaft war. nahm Dumoutpallier
folgende Behandlung vor. täglich 4mal wurde fein gepulvertes Kali
chloricum in ziemlicher Menge auf die Neubildung applicirt und
ausserdem musste der Patient täglich 4 g des Mittels, aufgelöst in
120 g Wasser, nehmen. Der Erfolg, welcher in allen 3 Fällen ein¬
trat, ist nur dann ein sicherer, wenn die Behandlung 2-3 Monate
fortgesetzt wird und die Nieren, welche zugleich mit den Speichel¬
drüsen hauptsächlich das Kali chloricum entleeren, stets auf ihre
Intactheit. geprüft werden; auch die Zähne müssen in unversehrtem
Zustande sein
Reelus sah zwar in l.‘» Fällen von Epitheliomen der Haut
dauernde Heilung durch Kali chloricum, aber bei Geschwülsten der
Schleimhaut war dieselbe nur vorübergehend.
Dumontpallier stellt seine Patienten vor; hei einem der¬
selben besteht die Heilung bereits seit II Monaten, bei einem
anderen, welcher ein Cancroid der Zunge von 4..» cm Länge und
1,5 cra Breite hatte, ist an Stelle derselben eine beinahe völlig
vernarbte Wundfläche vorhanden, welche eine Heilung binnen Kurzem
erwarten lässt. Wichtig ist, die Behandlung mehrere Monate fort¬
zusetzen und erst dann, wenn trotzdem kein Erfolg eintritt, zum
Messer zu greifen.
Intra-uterine-Pbotographie.
Pinard zeigt die durch X Strahlen erhaltene Photographie
des Gebärmutterinhaltes. Es handelt sich um einen vor 2 Jahren
exstirpirten graviden Uterus, welcher inzwischen in Alkohol gelegen
war. Die doppelte Wand der schwangeren Gebärmutter (durch den
Alkohol gehärtet), die Placcnta, das Rectum nebst dem aufliegenden
Fett Hessen sich durch die X-Strahlen durchdringen und man sieht
den Foetus, dessen Weiehtheile nicht durchdrungen werden, auf
der Photographie deutlicher, als es mit blossem Auge durch die
einfachen Eihäute hindurch möglich wäre.
Direkte Uebertragung des Krebses.
Guermonprez (Lille) operirte einen Gesichtskrebs und hatte
eben den Zeigefinger im Munde des Kranken, als dieser durch eine
rasche Bewegung eine Nagelverletzung verursachte. Es entwickelte
sich in der Folge unter dem Nagel ein Papillom, welches 19 Monate
allen Kautherisationen widerstand. In einem zweiten Falle bekam
ein Arzt an der Stelle einer aufgekratzten Aknepustel im Gesicht
ein ulcerirendes Cancroid; er behandelte damals mehrere Frauen,
welche Gebärmutterkrebs hatten, ohne die nöthige Vorsicht in der
Antisepsis zu gebrauchen, so dass G. dies für ein wahres Inocula-
tionscarcinom hielt, zumal in hereditärer Beziehung nichts nachzu¬
weisen war. St.
ObatetricAl Society London.
Sitzungen vom 5. Februar und 4. März lt*96.
Abdominale Hysterectomie mit Intraperitoneal¬
behandlung des Stumpfes.
Harrison Cripps eröffnete eineDiscussion über dieses Thema.
Als Indicationen der Uterusexstirpation wegen fibroider Tumoren
stellt er auf: profuse Blutungen, welche durch die gewöhnlichen
Methoden nicht gestillt werden können und bei denen die Ovario-
tomie nicht möglich ist, schwere Druckerscheinungen auf Blase
und Mastdarm, excessive Schmerzen. Der Vergleich der intra- und
extraperitonealen Behandlung des Stumpfes fällt zu Gunsten der
ereteren aus. Während bei der letzteren Methode allerdings die
Gefahr der Sepsis eine geringere ist, wächst die der Obstruction
der Gedärme und des Ureters. Um die Möglichkeit der Infection
von der Scheide aus zu vermeiden, empfiehlt er gründliche und
wiederholte Scheidenspülungen mit Sublimat, sowie exacte Ver
nähung des Peritoneums über dem Stumpfe. Bei der Operation
selbst legt er den Hauptwerth auf eine genügend grosse Incision
und ausgiebige Unterbindung der Gefässe der breiten Mutterbänder.
Von 8 Fällen verlor er einen durch Infection von der Scheide ans.
Cullingworth befürwortet ebenfalls die Operation, weil diese
sehr oft für harmlos gehaltenen Tumoren besonders im Klimakterium
zu gefährlichen Complicationen, Bildung von Oedemen, malignen
Veränderungen, sogar zu Gangrän neigen Die Operation ist ange
zeigt, wenn degenerative oder oystische Metamorphosen Platz greifen
und wenn der Tumor, besonders nach Eintritt der Menopause, rasch
an Volumen zunimmt. Die Häufigkeit der Infection per vaginam
wird von ihm beetritten.
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Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
304
P. Horrocks verwirft die extraperitoneale Behandlung des
Stumpfes und hält die Einlegung eines Drains in die Bauch wunde
bei der intraperitonealen Behandlung desselben für überflüssig.
Dementgegen tritt Meredith energisch für die Behandlung des
Stumpfes extra Peritoneum mit Serre-noeud etc. ein und gründet
seine Ausführungen auf ein Material von beinahe 100 Fällen ohne
einen einzigen Fall von Infection oder Darmocclusion.
F. H. Champneys betont die Wichtigkeit einer genauen
Indicationsstellung der Operation bei den Fibroiden des Uterus, da
erfahrungsgemäs8 die meisten derselben ohne Beschwerden, sogar
ohne Symptome zu machen, bestehen. Die Wahl der Operation
richtet sich nach den bisher erreichten Resultaten, wenn auch
vorauszusehen ist, dass die intraperitoneale Behandlungsmethode
die extraperitoneale allmählich verdrängen wird. F. L
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
(Formol bei Schweissfüssen.) Um den üblen Geruch von
SchweissfüSBen zu verhindern und dem Schuhwerk der Schweiss-
füssigen denselben zu nehmen, empfiehlt Orth-Göttingen (Berl.
klin. Wochenschr. No. 13) als ausgezeichnetes Mittel Formol (l Ess¬
löffel auf 1 1 Wasser). «Man lasse Morgens und in besonders schweren
Fällen auch Abends die Füsse mit einem in die Formollösung ge¬
tauchten Schwamm oder Tuch tüchtig abreibcn, besonders zwischen
den Zehen, und das Schuhwerk lasse man mit der Lösung füllen
und dann mit Schwamm oder Tuch wiederholt auswischen.»
(Gegen rheumatische Affectionen) empfiehlt Bozzolo
subcutane Injectionen von:
Salol
Chloroform an 1,0
Ol. amygdalar. sterilis. 8,0.
2—4 Pravaz'sche Spritzen voll täglich subcutan zu injiciren.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 31. März. In der allgemeinen Aerzteversammlung,
die vom Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine
und dem Verein zur Einführung freier Arztwahl einberufeu war, um
zu dem Vertrag des Vereins Berliner Kassenärzte mit den Kranken¬
kassen, betreff, die Behandlung der Familienangehörigen der Kassen¬
mitglieder durch die Kassenärzte, Stellung zu nehmen, hat den schon
in No. 11 d. Wochenschr. mitgetheilten Antrag des Referenten
Dr. Henius mit einem Zusatze von Dr. A. Bernstein angenommen.
— In die Prüfungscommission für die preussischen
militärärztlichen Prüflingen des Jahres 18% sind berufen
worden: 1) für specielle Kriegschirurgie Prof, von Bergmann und
Prof. König, 2) für die Kriegsheilkunde im Allgemeinen General¬
arzt Gras nick von der Kaiser Wilhelm-Academie für das militär¬
ärztliche Bildui)gswe8en, Prof. Dr. Rudolf Köhler und Oberstabs¬
arzt Dr. 8e 11 erbeck; 3) für die Militiirgesundheitspflege und
Sanitätspolizei Prof. Robert Koch, Generalarzt Dr. Soli aper von
der Charit^ und Prof. Rubner, 4) für die Kenntniss der Ver¬
waltung des MilitärsanitütsweBeiiB Generalarzt Dr. Sch aper, die
Oberstabsärzte Burchardt und Gödicke und der Generalarzt
der Marine Dr. Wenzel. Neu eingetreten ist in die Commission an
Stelle Bardeleben's der Prof, der Chirurgie König.
— Die diesjährige Wanderversammlung der südwestdeutschen
Neurologen und Irrenärzte wird am 6. und 7. Juni in Baden-Baden
stattfinden. Vorträge sind bis 10. Mai anzumelden.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 11. Jahreswoche, vom 8. bis 14. März 18%, die grösste Sterblich¬
keit Bonn mit 42,6, die geringste Sterblichkeit Schöneberg mit 9,4
Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Darmstadt und Kassel; an
Diphtherie und Croup in M.-Gladbach.
— Der Bau des künftigen weiblichen medicinischen
Instituts in Petersburg, für welches die Stadtverwaltung be¬
kanntlich einen Platz beim Peter-Paul-Hospital auf der Petersburger
Seite hergegeben bat, soll im April dieses Jahres begonnen und
zum Herbst 1897 fertiggestellt werden. Nach dem Voranschläge
werden, wie der «Wrätsch» erfährt, die Baukosten mindestens 450
bis 415 Tausend Rbl. betragen. Da nun das bisher für dieses Institut
gesammelte Capital kaum 600,d0o Rbl. gross ist, so bleibt nach
Fertigstellung der Gebäude und der Einrichtung ein Capital von
circa 100,000 Rbl. übrig, welches zura Unterhalt des Instituts kaum
hinreichen dürfte. — Die Aufnahme der Zu hör er innen beginnt
im Herbst dieses Jahres und ist die Zahl derselben för's Erste auf
l2n Personen festgesetzt. Den Vorzug bei der Aufnahme gemessen
diejenigen Damen, welche den vollen Curaus der historisch-philo¬
logischen oder physiko-mathematischen Abtheilungen der St. Peters¬
burger höheren Frauencuree absolvirt haben; es folgen dann Die¬
jenigen, welche die Roshdestwenski'schen Curse für Aerztegehülfinnen
und Feldscherinnen oder des Moskauer classischen Gymnasiums der
Frau Fi8eher beendigt haben, und schliesslich Diejenigen, welche
den Curaus in den weiblichen Gymnasien und den mit denselben
gleichberechtigten weiblichen Lehranstalten absolvirt haben. Die
Abiturientinnen der höheren weiblichen Curse werden ohne Examen
aufgenommen, doch müssen sie ein Zeugniss über ihre Kenntnisse
in der lateinischen Sprache beibringen. Die übrigen Aspirantinnen
aber haben sich einem Examen in der lateinischen Sprache an einem
der Knabengyrnnasien zu unterziehen Petersb med. Wochenschr.
— Ein vor Kurzem verstorbener Moskowiter A. L. Behren-
s tarn in hat von seinem fast drei Millionen betragenden Vermögen
950,000 Rbl. zum Besten des Olga-Kinderhospitals und
anderen Wohlthfttigkeitsanstalten in Moskau, deren Mitglied er war,
testamentarisch vermacht.
— In Moskau ist ein bacteriologischeslnstitut eröffnet
worden, dessen Bau und Einrichtung gegen 55000 Rubel gekostet
haben, die durch freiwillige Spenden und Subventionen von einigen
Städten und Landschaften beschafft worden sind. Der Unterhalt
des Instituts ist auf mehr als 1600» Rubel jährlich veranschlagt.
— Die Mittheilungen der österreichischen Gesellschaft für
Gesundheitspflege erscheinen seit Beginn d. Jra. in erweiterter Gestalt
als «Monatsschrift für Gesundheitspflege». Neuerdings hat Profeesor
M. Gr über in Wien die Redaction des Referatentheiles der Monats¬
schrift übernommen.
— Eine « Geschichte des Aerztlichen Vereinswesens in Deutsch¬
land » hat Dr. H. Berger in Neustadt a. Rbge. geschrieben (Verlag
von J. Alt, 1896). Nachdem derselbe Gegenstand erst von Kurzem
von Eduard Graf monographisch bearbeitet wurde, war ein Be-
dürfniss nach einer erneuten Darstellung wohl nicht vorhanden.
Dennoch verdient auch die vorliegende Brochüre, die wesentlich
kürzer als die Graf'sehe ist, Beachtung, besondere, da sie weiter
zurückgreift wie diese und auch interessante Mittheilungen über
ärztliche Verhältnisse im Alterthum und im Mittelalter, speciell über
die ersten Anfänge des ärztlichen Vereinswesens in Deutschland,
bringt. Den Schluss bildet eine Darlegung der gegenwärtigen Haupt¬
bestrebungen der Vereine, welche nach Verf. bestehen in der Los¬
lösung der Aerzte aus der Gewerbeordnung und in der Erweiterung
der Disciplinarbefugnisse der Aerzte kam mern.
— Dr. E. Vogel's «Taschenbuch der praktischen Photo¬
graphie » (Verlag von R. Oppenheim in Berlin, lh96) ist soeben in
4. Auflage erschienen. Die 1. Auflage erschien im Jahre 1891. Ein
empfehlenswerter, kurzer Führer bei Erlernung der photogra¬
phischen Technik.
(Universitätsnachrichten.) Berlio. Die Leitung der neu¬
gegründeten preussischen Staatsanstait für Heilserum-Prüfung sowie
des mit dieser verbundenen wissenschaftlichen Laboratoriums wurde
dem a. o. Professor Ehrlich übertragen. — Erlangen. Der Privat-
docent Dr. Albert Fl ei sch mann wurde zum ausserordentlichen
Professor in der philosophischen Facultät der k. Universität ernannt
und dems Iben die Zoologie und vergleichende Anatomie als Lehr
aufgabe zugewiesen, sowie die Direction des zoologischen Instituts
der Universität übertragen. — Greifswald. Der ausserordentliche
Professor Dr. O. Schirmer wurde zum Ordinarius der Augenheil¬
kunde befördert. — Tübingen. Dr. W. Küster, Assistent am
physiologisch-chemischen Institut, hat sich als Privatdocent habilitirt.
Brüssel. Der in Frankreich verstorbene Belgier Arthur Renier
hat dem belgischen Unterrichts minister 2 Millionen Francs ver¬
macht, mit der Bestimmung, dass ein Institut für Physio-
1 ogie errichtet werden solle. — Lausanne. Dr. L. Secretan ist zum
ausserordentlichen Professor der Otologie und Laryngologie ernannt.
— Wien. Der Privatdocent Dr. Hans v. Hebra wurde zum ausser
ordentlichen Professor der Dermatologie ernannt.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Anton Mühe, k. Bezirksamt I. Gl. a. D.,
in Regensburg.
Verzogen: Dr. Eisler von Altenglan nach Nohfelden (Birken¬
feld).
Erledigt: die Bezirksarztesstelle I. CI. in Laufen. Bewerbungs¬
termin: 15. April d. Js.
Verliehen: der Titel eines grossherzogl. badischen Hofrathes
dem Dr. med. B. Hagen zu Homburg i. d. Pfalz.
Befördert: im activen Heere: zum Oberstabsarzt II. CI.
der Stabsarzt der Landwehr 2. Aufgebots Dr. Franz Brunner
(I. München) unter Stellung a la suite des Sanitätscorps; zum
Assistenzarzt II. CI. der Unterarzt Dr. Georg Mayer vom 19. Inf.-Reg.
im 17. Inf.-Reg.; im Beurlaubtenstande: zum Stabsarzt in der
Landwehr 1. Aufgebots der Assistenzarzt I. CI. Dr. Gustav Hauser
(Erlangen); zu Assistenzärzten 1. CI.: in der Reserve der Assistenz¬
arzt II CI. Dr. Josepb Hubbauer (I. München); in der Landwehr
1. Aufgebots der Assistenzarzt II. CI. Dr. Maximilian Krim er
(Rosenheim); zu Assistenzärzten II. CI. der Reserve die Unterärzte
der Reserve Oskar Strümpell, Franz Linder, Dr. Otto Manz,
Dr. Otto Ringe und Dr. Johann Raphael (I. München), Dr. Karl
Dobmayr (Landshut) und Maximilian Ried (Mindelheim).
Abschied bewilligt: dem Stabsarzt der Reserve Dr. Michael
Enzensperger (Straubing) und dem Assistenzarzt I. CI. der Land¬
wehr 2. Aufgebots Dr. Friedrich Rabl (8traubing).
Gestorben: Dr. Carl Geaselle, k. Bezirksamt in Laufen a.
Dr. Acker in Edenkoben.
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fc it
3 4 *
4
Beilage zu No. 13 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
Entwurf
eines
Gesetzes, betreffend die ärztlichen Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Kassen der Aerztekammern.
i
l
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen pp.,
verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtags für den
Umfang der Monarchie, was folgt:
I. Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Für den Bezirk jeder Aerztekammer wird ein ärztliches
Ehrengericht, für den Umfang der Monarchie ein ärztlicher Ehren¬
gerichtshof gebildet.
§ 2. Die Zuständigkeit des Ehrengerichts erstreckt sich auf die
approbirten Aerzte mit Ausnahme:
1. der beamteten Aerzte,
2. der Sanitätsofßciere,
3. der Sanitätsofßciere des Beurlaubtenstandes während ihrer
Einziehung zur Dienstleistung.
§ 3. Das Ehrengericht hat die Aufrechterhaltung der ärztlichen
Standesehre und insbesondere die Erfüllung der ärztlichen Berufs¬
pflichten zu überwachen.
Zu diesem Zwecke hat das Ehrengericht
1. die ehrengerichtliche Strafgewalt zu handhaben,
2 die Beilegung von Streitigkeiten zu vermitteln, welche sich
aus dem ärztlichen Berufsverhältnisse zwischen Aerzten
oder zwischen einem Arzte und einer anderen Person er¬
geben.
Bei Streitigkeiten zwischen einem Arzte und einer
anderen Person findet das ehrengerichtliche Vermittelungs¬
verfahren nur auf Antrag der letzteren statt.
§ 4. Kommen in Bezug auf einen der in § 2 No. 1—3 be-
zeichneten Aerzte Thatsachen zur Kenntniss des Ehrengerichts,
welche, wenn sie in Bezug auf einen anderen Arzt vorlägen, ein
ehrengerichtliches Verfahren nach sich ziehen würden, bo hat das
Ehrengericht hiervon der Vorgesetzten Dienstbehörde des Arztes
unter Uebersendung der Verhandlungen zur weiteren Veranlassung
Mittheilung zu machen.
§ 5. Die örtliche Zuständigkeit des Ehrengerichts ist begründet,
wenn der Arzt, gegen welchen das ehrengerichtliche Strafverfahren
oder der Antrag auf ehrengerichtliche Vermittelung gerichtet ist, zur
Zeit der Erhebung der Klage oder der Einreichung des Antrags in
dem Bezirke der Aerztekammer seinen Wohnsitz oder in Ermange¬
lung desselben seinen Aufenthalt hatte.
Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines Ehrengerichts werden
von dem Ehrengerichtshof endgiltig entschieden.
Wenn der Ehrengerichtshof das Vorhandensein von Gründen
anerkennt, aus welchen die Unbefangenheit des Ehrengerichts be¬
zweifelt werdentann, so tritt an die Stelle des Letzteren ein Anderes,
von dem Ehrengerichtshof zu bezeichnendes Ehrengericht.
§ 6. Das Ehrengericht beschliesst und entscheidet nach absoluter
Stimmenmehrheit in der Besetzung von 5 Mitgliedern.
Die Beschlüsse des Ehrengerichts können mittelst schriftlicher
Abstimmung gefasst werden, sofern nicht ein Mitglied mündliche
Verhandlung verlangt.
Die bei einer Angelegenheit betheiligten Mitglieder des Ehren¬
gerichts sind'bei einer Beschlussfassung oder Entscheidung über die¬
selbe ausgeschlossen und werden durch Stellvertreter ersetzt.
In den Fällen des § 3 No. 2 kann das Ehrengericht die Ver¬
mittelung einzelnen seiner Mitglieder übertragen.
§ 7. Das Ehrengericht besteht:
1. auB dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden
und zwei anderen Mitgliedern des Vorstandes der Aerzte¬
kammer. Der Vorstand wählt die Letzteren für die Dauer
ihrer Amtszeit und bestimmt die Reihenfolge, in welcher
die übrigen Mitglieder des Vorstandes alB Stellvertreter zu
berufen sind;
2. aus einem von dem Vorstande der Aerztekammer für die
Dauer seines Hauptamts gewählten richterlichen Mitgliede
eines ordentlichen Gerichts.
Das richterliche Mitglied des Ehrengerichts erhält, neben einer
Vergütung aus der Lasse der Aerztekammer, Tagegelder und Reise¬
kosten für Dienstreisen nach den ihm in seinem Hauptamte zu¬
stehenden Sätzen; im Uebrigen werden die Geschäfte des Ehren¬
gerichts von den Mitgliedern unentgeltlich geführt; haare Auslagen
werden ihnen jedoch erstattet.
§ 8. Den Vorsitz des Ehrengerichts führt der Vorsitzende des
Vorstandes der Aerztekammer und bei seiner Verhinderung der
stellvertretende Vorsitzende.
Der Vorsitzende vertritt das Ehrengericht nach Aussen und
vollzieht die von demselben auszustelle.iden Urkunden im Namen
desselben. Er beruft die Sitzungen und ist verpflichtet, die Beschlüsse
und Entscheidungen des Ehrengerichts zur Ausführung zu bringen,
§ 9. Die Aerzte im Bezirke des Ehrengerichts sind verpflichtet
auf die im Vermittelungsverfahren (§ 3 No. 2) an sie ergehenden
Ladungen zu erscheinen, die verlangten Aufschlüsse zu ertheilen und
den zu diesem Zwecke erlassenen Anordnungen des Ehrengerichts
und seiner beauftragten Mitglieder Folge zu leisten.
Zur Erzwingung einer solchen Anordnung können Geldstrafen
bis zum Gesammtbetrage von dreihundert Mark festgesetzt werden.
Der Festsetzung einer Strafe muss deren schriftliche Androhung
vorangehen.
Gegen die Anordnungen oder Straffestsetzungen eines beauf¬
tragten Mitgliedes des Ehrengerichts findet Beschwerde an das
Ehrengericht 6tatt.
Die nach Absatz 1 an die im § 2 No. 1—3 genannten Aerzte
ergehenden Ladungen oder sonstigen Anordnungen sind der Vor¬
gesetzten Dienstbehörde des Arztes mit dem Ersuchen um Zustellung
zu übermitteln. Die Vorschriften der Absätze 1—3 bleiben ausser
Anwendung, wenn die Vorgesetzte Dienstbehörde des Arztes gegen
die Ladung oder die sonst getroffene Anordnung Einspruch erhebt.
§ 10. Gerichts- und Verwaltungsbehörden sind, soweit ein
dienstliches Interesse nicht entgegensteht, verpflichtet, auf Ersuchen
des Ehrengerichts oder seiner beauftragten Mitglieder behufs Auf¬
klärung des Thatbestandes Auskunft zu ertheilen.
Das Ehrengericht und seine beauftragten Mitglieder sind be¬
rechtigt, auch die Ortspolizeibehörden um Auskunft oder um proto¬
kollarische Vernehmung von Personen zu ersuchen.
Das Recht, Zeugen oder Sachverständige eidlich zu vernehmen
oder die Gerichte um Vernehmung von solchen zu ersuchen, steht
dem Ehrengericht und seinen beauftragten Mitgliedern nur im förm¬
lichen ehrengerichtlichen Strafverfahren zu.
§ 11. Die allgemeine Staatsaufsicht über den Geschäftsbetrieb
des Ehrengerichts führt der Ober Präsident.
Im ehrengerichtlichen Strafverfahren wird derselbe durch einen
von ihm dauernd oder für den einzelnen Fall bestellten Beauftragten
vertreten.
§ 12. Die Schriftstücke der Ehrengerichte und ihrer beauf¬
tragten Mitglieder, sowie die an diese gerichteten Schriftstücke sind,
soweit sie nicht eine Beurkundung von Rechtsgeschäften enthalten,
frei von Gebühren und Stempeln.
§ 13. Der Vorsitzende des Ehrengerichts hat alljährlich dem
Ober-Präsidenten einen schriftlichen Bericht über die Thätigkeit des
Ehrengerichts zu erstatten.
II. Abschnitt. Ehrengerichtliches Strafverfahren.
§ 14. Jeder Arzt ist verpflichtet, seine Berufsthätigkeit gewissen¬
haft auszuüben und durch sein Verhalten in Ausübung des Berufs,
sowie ausserhalb desselben Bich der Achtung und des Vertrauens
würdig zu zeigen, welche der ärztliche Beruf erfordert.
Ein Arzt, welcher diese Pflichten verletzt, hat ehrengerichtliche
Bestrafung verwirkt.
§ 15. Die ehrengerichtlichen Strafen sind:
1. Warnung,
2. Verweis,
3. Geldstrafe bis 3000 Mark,
4. zeitweise oder dauernde Entziehung des activen]und passiven
Wahlrechts zur Aerztekammer.
Verweis, Geldstrafe und Entziehung des Wahlrechts können
- mit Ausnahme der Fälle des § 16 — gleichzeitig als Strafe aus¬
gesprochen werden.
In besonders geeigneten Fällen kann auf Veröffentlichung der
ehrengerichtlichen Entscheidung erkannt werden.
Die Veröffentlichung erfolgt durch die von dem Ehrengericht
alljährlich bestimmten Blätter, falls das Ehrengericht nicht in dem
einzelnen Falle eine andere Art der Veröffentlichung für angemessen
erachtet. Die Kosten der Veröffentlichung gehören zu den Kosten
des ehrengerichtlichen Verfahrens.
§ 16. Wegen Handlungen, welche'ein Arzt vor Erlangung seiner
Approbation begangen hat, ist ein ehrengerichtliches Verfahren nur
zulässig, wenn die Handlungen die dauernde Entziehung des Wahl¬
rechts zur Aerztekammer zu begründen geeignet sind.
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306
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
Nr. 13.
§ 17. Ist gegen einen Arzt wegen einer strafbaren Handlung
die öffentliche Klage erhoben oder das Verfahren auf Zurücknahme
der Approbation eingeleitet, so ist während der Dauer jenes Ver¬
fahrens wegen der nämlichen Thatsachen das ehrengerichtliche Ver¬
fahren nicht zu eröffnen und das eröffnete ausznsetzeu
Ist im ehrengerichtlichen Verfahren auf Freisprechung oder
auf Einstellung des Verfahrens erkannt oder ist das Verfahren auf
Zurücknahme der Approbation eingestellt, so findet wegen derjenigen
Thatsachen, welche in dem vorangegangenen Verfahren zur Erörterung
gelangt sind, ein ehrengerichtliches Verfahren nur insofern statt, als
diese Thatsachen an sich und unabhängig von dem Thatbestande
einer im Strafgesetze vorgesehenen Handlung oder des § 53 der
Reichs-Gewerbe-Ordnung die ehrengerichtliche Bestrafung begründen.
Ist im gerichtlichen Strafverfahren eine Verurtheilung ergangen,
auf Grund deren die Verwaltungsbehörde die Approbalion nicht
oder nur auf Zeit zurücknehmen kann (§ 53 der Reichs-Gewerbe-
Ordnung), so beschlieBSt das Ehrengericht, ob ausserdem das ehren¬
gerichtliche Verfahren zu eröffnen oder fortzusetzen ist.
Wird nach Eröffnung oder Aussetzung des ehrengerichtlichen
Verfahrens die Approbation des Angeschuldigten dauernd zurück¬
genommen, so ist das ehrengerichtliche Verfahren einzustellen. Ver¬
öffentlichung des Einsteilnngsbeschlusses ist nach Maassgabe des
Schlusssatzes im § 15 zulässig.
Kann im gerichtlichen Strafverfahren eine Hauptverhandlung
nicht stattfinden, weil der Angeklagte abwesend ist, so findet die
Vorschrift des Absatzes 1 keine Anwendung.
§ 18. Warnung. Verweis und Geldstrafen bis zu 300 Mark
können nach Anhörung des Beauftragten des Oberpräsidenten (§ 11
Abs 2) ohne förmliches ehrengerichtliches Verfahren durch Beschluss
des Ehrengerichts verhängt werden.
In jedem Falle ist jedoch der Angeschuldigte über die ihm zur
Last gelegte Verfehlung zu hören.
Dem Angeschuldigten und dem Beauftragten des Ober-Präsi¬
denten steht das Recht zu, vor der Beschlussfassung auf Eröffnung
des förmlichen ehrengerichtlichen Verfahrens anzutragen. Die Ab¬
lehnung dieses Antrages ist nur bei gleichzeitiger Einstellung des
nicht förmlichen ehrengerichtlichen Verfahrens zulässig.
§ 19. Ein nach § 18 Abs. I gefasster Beschluss ist in Schrift
licher, mit Gründen versehener Ausfertigung dem Angeschuldigten
und dem Beauftragten des Oberpräsidenten zuzustellen.
Beiden Theilen steht die Beschwerde an den Ehrengerichtshof zu.
Die Beschwerdefrist beträgt 4 Wochen und begiunt mit der
Zustellung des Beschlusses.
§ 20. Das förmliche ehrengerichtliche Verfahren besteht in
Voruntersuchung und Hauptverhandlung
§21. Die Voruntersuchung wird durch einen Beschluss des
Ehrengerichts eröffnet, in welchem die dem Angcschuldigten zur
Last gelegten Verfehlungen aufzuführen sind.
Ausserdem ist in dem Beschlüsse der Untersuchungscommissar
und der Vertreter der Anklage zu benennen.
§ 22. Als Untersuchungscommissar ist in der Regel das richter¬
liche Mitglied des Ehrengerichts zu bestellen.
§ 23. Die Anklage vertritt der Beauftragte des Ober-Präsidenten
(§ 11 Abs. 2).
§ 24. Die Eröffnung der Voruntersuchung kann von dem
Ehrengerichte sowohl aus rechtlichen, als aus thatsüchlichen Gründen
abgelehnt werden
Gegen den ablehnenden Beschluss steht dem Vertreter der An¬
klage binnen 4 Wochen die Beschwerde an den Ehrengerichtshof zu.
Gegen den die Voruntersuchung eröffnenden Beschluss steht
binnen 4 Wochen dem Angeschuldigten die Beschwerde an den
Ehrengerichtshof nur wegen Unzuständigkeit oder Befangenheit des
Ehrengerichts zu.
§ 25. In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter
Mittheilung des Eröffnungsbeschlusses vorgeladen und, wenn er er¬
scheint, gehört.
Die Zeugen und Sachverständigen werden vernommen und die
zur Aufklärung der Sache dienenden sonstigen Beweise erhoben.
Die Zeugen und Sachverständigen sind zu beeidigen, wenn ihre
Aussagen für die Beurtheilung der Sache erheblich erscheinen und
ihre Beeidigung zulässig ist. Die Beeidigung erfolgt nach der Ver¬
nehmung; im Uebrigen finden auf das Verfahren bei der Vernehmung
von Zeugen und Sachverständigen, sowie bezüglich des Rechts zur
Verweigerung des Zeugnisses oder Gutachtens und bezüglich der
Zeugen- und Sachverständigengebühren die Vorschriften des 6. und
7. Abschnitts des 1. Bucha der Reichs-Straf-Processordnung vom
1. Februar 1877 (§§ 48, 49, 51-57, 58 Abs. 1, 59-64, 66-68, 70
71 Abs. 2, 72—80) entsprechende Anwendung
Erscheint ein ordnungsmäßsig geladener Zeuge oder Sachver¬
ständiger nicht oder verweigert ^derselbe ohne gesetzlichen Grund
seine Aussage, so ist der Untersuchungscommissar berechtigt, das
zuständige Amtsgericht um dessen eidliche Vernehmung zu ersuchen.
Auf das Ersuchen finden die Vorschriften der §§ 158 -160,
166 des Gerichts - Verfaseungsgesetzes t vom 27. Januar 1877 ent¬
sprechende Anwendung,
Die Vorschriften der Absätze 4 und 5 finden auch Anwendung
wenn der Untersuchungscommissar wegen weiter Entfernung des
Wohn- oder Aufenthaltsorts des Zeugen oder Sachverständigen das
zuständige Amtsgericht um Vernehmung desselben ersucht.
§ 26. Ueber jede Untersuchungshandlung ist unter Zuziehung
eines verpflichteten Protokollführers ein Protokoll aufzunehmen.
Die Verpflichtung erfolgt mittels Handschlags an Eidesstatt.
§ 27. Der Vertreter der Anklage ist berechtigt, von dem Stande
der Voruntersuchung durch Einsicht der Akten jederzeit Kenntniss
zu nehmen und die ihm geeignet erscheinenden Anträge zu stellen.
Weigert sich der Untersuchungscommissar, einem Anträge auf
Ergänzung der Voruntersuchung stattzugeben, so ist die Entscheidung
des Ehrengerichts einzuholen.
§ 28. Erachtet der Untersuchungscommissar den Zweck der
Voruntersuchung für erreicht, so übersendet er die Verhandlungen
dem Ehrengericht, welches dieselben, wenn es die Voruntersuchung
für abgeschlossen hält, dem Vertreter der Anklage zur Stellung
seiner Anträge vorlegt.
Der Angeschuldigte ist hiervon zu benachrichtigen
§ 29. Der Vertreter der Anklage hat alsdann bei dem Ehren¬
gericht entweder die Einstellung des Verfahrens oder unter Ein¬
reichung einer Anklageschrift die Anberaumung einer Sitzung zur
Hauptverhandlung zu beantragen.
Die Anklageschrift hat die dem Angeschuldigten zur Last ge¬
legte Pflichtverletzung durch Angabe der sie begründenden That¬
sachen zu bezeichnen nnd, soweit in der Hauptverhandlung Beweise
erhoben werden sollen, die Beweismittel anzugeben.
§ 3'. Die Einstellung des ehrengerichtlichen Verfahrens er¬
folgt durch Beschluss des Ehrengerichts.
Ausfertigung des mit Gründen zu versehenden Kinstellungs-
beschlusses ist dem Angeschuldigten zuzustellen.
Ist das ehrengerichtliche Verfahren ohne Hauptverhandlung
eingestellt, so kann die Klage nur während eines Zeitraums von
fünf Jahren und nur auf Grund neuer Thatsachen oder Beweismittel
wieder aufgenommen werden.
§ 31. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so ist der Ange¬
schuldigte unter abschriftlicher Mittheilung der Anklageschrift zu
einer von dem Vorsitzenden des Ehrengerichts anzuberaumemlen
Sitzung zur Hauptvcrhandlung vorzuladen.
Der Angeschuldigte kann sich dabei des Beistandes eines Rechts¬
anwalts als Vertheidigers bedienen. Dem Letzteren ist Einsicht der
Untersnchungsakten zu gestatten.
§ 32. Die Mitglieder des Ehrengerichts, welche bei dem Be¬
schlüsse auf Eröffnung der Voruntersuchung mitgewirkt haben, sind
von der Theilnahme an dem weiteren Verfahren, insbesondere der
Hauptverhandlung, nicht ausgeschlossen.
§ 33. Die Hauptverhandlung ist nicht öffentlich.
Den Mitgliedern der Aerztekammer ist der Zutritt zu gestatten,
anderen Personen nur nach dem Ermessen des Vorsitzenden.
§ 34. In der Hauptverhandlung gibt nach Verlesung des Be
Schlusses über die Eröffnung der Voruntersuchung ein von dem Vor¬
sitzenden des Ehrengerichts aus der Zahl der Mitglieder desselben
ernannter Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen eine Dar¬
stellung der Sache, wie sie aus den bisherigen Verhandlungen her¬
vorgeht.
Hierauf erfolgt die Vernehmung des Angeschuldigten, sowie
die Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen.
Die Aussagen der nicht geladenen, bereits in der Vorunter¬
suchung oder durch einen ersuchten Richter vernommenen Zeugen
und Sachverständigen sind in der Hauptverhandlung zu verlesen,
sofern es der Vertreter der Anklage oder der Angeschuldigte bean¬
tragen oder das Ehrengericht die Verlesung beschliesst.
Zum Schlüsse der Hauptverhandlung werden der Vertreter der
Anklage, sowie der Angeschuldigte und sein Verlheidiger mit ihren
Ausführungen nnd Anträgen gehört. Dem Angeschuldigten gebührt
das letzte Wort.
§ 35. Das Ehrengericht kann jederzeit die Aussetzung der
Hauptverhandlung anordnen, wenn es eine solche behufB weiterer
Aufklärung der Sache oder beim Hervortreten neuer Thatumstände
oder rechtlicher Gesichtspunkte für angemessen erachtet.
§ 36. Das Ehrengericht kann nach freiem Ermessen die Ver¬
nehmung von Zeugen und Sachverständigen durch einen ersuchten
Richter oder in der Hauptverhandlung anordnen.
Die Vorschriften des § 25 Absatz 3 — 6 finden hierbei ent¬
sprechende Anwendung.
§ 37. Die Hauptverhandlung kann stattfinden, auch wenn der
Angeschuldigte trotz Vorladung nicht erschienen ist.
Eine öffentliche Ladung oder Vorführung des Angeschuldigten
ist unzulässig.
Der Angeschuldigte kann sich durch einen Rechtsanwalt ver¬
treten lassen. Das Ehrengericht kann jedoch jederzeit das persön¬
liche Erscheinen des Angeschuldigten unter der Verwarnung an-
ordneo, dass bei seinem Ausbleiben ein Vertreter nicht werde zu¬
gelassen werden. . , _ r ,
§ 88. Die Hauptverhandlung schliesst mit der Verkündung
der Entscheidung. Dieselbe kann nur auf Freisprechung oder er-
urtheilung lauten.. . TT ,
Das Ehrengericht urtheilt dabei nach seiner freien ueDer-
zeugung^e Außfertjgung der mit G rün d e n versehenen Entscheidung
ist dem Angeschuldigten zuzustellen. ,
S 39. Ueber die Hauptverhandlung ist ein Protokoll äu
nehmen. Dasselbe ist von dem Vorsitzenden und dem I ro o
führer (§ 26) zu unterschreiben.
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31. März 1696.
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
307
§ 40. Gegen die Entscheidung des Ehrengerichts steht sowohl
dem Vertreter der Anklage, als dem Angeschuldigten die Berufung
an den Ehrengerichtshof zu.
Die Berufung ist bei dem Ehrengericht, welches die angegriffene
Entscheidung erlassen hat, schriftlich einzulegen, doch genügt zur
Wahrung der Berufungsfrist auch die Einlegung bei dem Ehren¬
gerichtshof.
Von Seiten des Angeschuldigten kann die Einlegung der Be¬
rufung durch einen Bevollmächtigten geschehen.
Die Berufungsfrist betragt 4 Wochen und beginnt für beide
Theile mit dem Abläufe des Tages, an welchem dem Angeschuldigten
die Ausfertigung der Entscheidung zugestellt ist.
§ 41. Ist die Berufung verspätet eingelegt, so hat das Ehren
gericht das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.
Der Vertreter der Anklage und der Angeschuldigte können
binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Ent¬
scheidung des Ehrengerichtshofes antragen.
§ 42. Zur schriftlichen Rechtfertigung der Berufung steht dem
einlegenden Theile eine vom Ablauf der Eiulegungsfrist ab zu be¬
rechnende Frist von 2 Wochen offen.
Die Schriftstücke über die Einlegung und Rechtfertigung der
Berufung sind, wenn der Vertreter der Anklage die Berufung ein¬
gelegt hat, dem Angeschuldigten in Abschrift zuzustellen oder falls
die Berufung seitens des Angeschuldigten eingelegt worden ist, dem
Vertreter der Anklage in Urschrift vorzulegen.
Innerhalb 2 Wochen nach erfolgter Zustellung der Berufungs¬
begründung kann der Gegner eine Beantwortungsschrift einreichen.
Die Fristen zur Rechtfertigung und Beantwortung der Berufung
können von dem Ehrengericht auf Antrag verlängert werden.
Neue Thataachen, welche die Grundlage einer anderen Be¬
schuldigung bilden, dürfen in der Berufungsinstanz nicht vorgebracht
werden.
§ 43. Nach Ablauf der in den §§ 40, 41 Absatz 2 und 42 be¬
stimmten Fristen werden die Acten an den Ehrengerichtshof ein-
gesandt.
§ 44. Der Ehrengerichtshof besteht:
1. aus dem Director der Medicinal Äbtheilung des Ministeriums
der Medicinal-Angelegenheiten oder in dessen Verhinderung
aus dem rechtskundigen Mitgliede dieser Äbtheilung als
Vorsitzenden,
2. aus 3 ärztlichen Mitgliedern der Wissenschaftlichen Depu¬
tation für das Medicinalwesen,
3. aus 3 Mitgliedern des Aerztekammerausschusses.
Die 3 Mitglieder der Wissenschaftlichen Deputation für das
Medicinalwesen und 3 Stellvertreter derselben werden von dem
König ernannt.
Die 3 Mitglieder des Aerztekammerausschusses und 3 Stellver¬
treter derselben werden für die Dauer ihrer Amtszeit von dem Aerzte-
kammerauaschusse mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt.
§ 45. Der Ehrengerichtshof beschliesst und entscheidet nach
absoluter Stimmenmehrheit in der Besetzung von 7 Mitgliedern.
Ein Mitglied, welches bei der angefochtenen Entscheidung mit¬
gewirkt hat, ist von der Theilnahme an der Verhandlung und Ent¬
scheidung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen.
§ 4(3. Auf das Verfahren in der Berufungs- und Beschwerde¬
instanz finden die Vorschriften über das Verfahren erster Instanz
entsprechende Anwendung.
Für die Einlegung von Beschwerden gegen Beschlüsse des
Ehrengerichts sind die Bestimmungen des § 40 maassgebend.
Die Verrichtungen des Vertreters der Anklage werden von einem
rechtskundigen Kommissar des Medicinalministers wahrgenommen.
§ 47. Für das ehrengerichtliche Verfahren werden nur baare
Auslagen in Ansatz gebracht.
Der Betrag der entstandenen Kosten ist von dem Vorsitzenden
des Ehrengerichts festzusetzen. Die Festsetzung ist vollstreckbar.
Ueber die KostenerstattungspHicht des Angeschuldigten ist von
dem Ehrengericht oder dem Ehrengerichtshof mitzuentscheiden.
Kosten, welche weder dem Angeschuldigten auferlegt, noch
von dem Verpflichteten eingezogen werden können, fallen der Casse
der Aerztekammer znr Last. Dieselbe haftet den Zeugen und Sach¬
verständigen für die ihnen zukommende Entschädigung in gleichem
Umfange, wie in Strafsachen die Staatscasse. Bei weiter Entfernung
des Aufenthaltsorts der geladenen Personen ist denselben auf Ver¬
langen ein Vorschuss zu geben. j
§ 48. Die Vollstreckung der eine Geldstrafe festsetzenden ehren¬
gerichtlichen Entscheidung erfolgt auf Grund einer von dem Vor¬
sitzenden des Ehrengerichts ertheilten, mit der Bescheinigung der
Vollstreckbarkeit versehenen beglaubigten Abschrift der Entscheidungs¬
formel nach Maassgabe der Verordnung vom 7. September 1879,
betreffend das Verwaltungszwangsverfahren wegen Beitreibung von
Geldbeträgen (Ges. 8. S. 591).
Dasselbe gilt für die Vollstreckung der die Kosten festsetzenden
Verfügung.
§ 49. Die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgenden
Zustellungen und Vorladungen sind giltig und bewirken den Lauf
der Fristen, wenn sie unter Beobachtung der für gerichtliche Zu¬
stellungen durch die Post vorgeschriebenen Formen — ij§ 177, 178
der Civil-Process-Ordnung vom 31. Januar 1877 — Demjenigen, an
den sie ergehen, zugestellt werden.
Der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers bedarf es dabei nicht.
111. Abschnitt. Das Umlagerecht und die fassen der Aerzte-
kammern.
§ oO. Jede Aerztekammer ist befugt, von den wahlberechtigten
Aerzten des Kammerbezirkes einen von ihr festzusetzenden jährlichen
Beitrag zur Deckung ihres Casseubedarfs zu erheben.
Der Beschluss der Aerztekammer über die Höhe des Beitrags
und über die Festsetzung des Beitragsfusses bedarf der Genehmigung
des Ober-Präsidenten, welche von dem Vorstande der Aerztekammer
nachzusuchen ist.
Wird die Genehmigung ertheilt, so erfolgt die Einziehung der
Beiträge, soweit dieselben nicht freiwillig gezahlt werden, nach Maass¬
gabe der Verordnung vom 7. September 1879, betreffend das Ver-
waltungszwang8verfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen (Ges
S. S. 591).
§ 51. Bei jeder Aerztekammer wird eine Casse errichtet. Die¬
selbe gilt als Vertreterin der Aerztekammer in allen vermögens¬
rechtlichen Angelegenheiten. Sie kann Rechte erwerben und Ver¬
bindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden.
Zu der Casse der Aerztekammer fliessen:
1. Geldstrafen und Kosten (§§ 47 und 48);
2. die Beitrage der Kamroermitglieder (§ 5(J);
3. die der Aerztekammer gemachten Zuwendungen jeder Art.
Aus der Casse werden bestritten:
1. die Verwaltungskosten einschliesslich der Tagegelder und
Reisekosten der Mitglieder des Vorstandes der Aerzte¬
kammer ;
2. die Kosten des ehrengerichtlichen Verfahrens, soweit nicht
eine Erstattung derselben stattfindet;
3. der durch Beschluss des Aerztekammerausschusses fest¬
gesetzte Beitrag der Aerztekammer zu den Kosten des
Aerztekammerausschusses;
4. die sonstigen von der Aerztekammer beschlossenen Auf¬
wendungen für Angelegenheiten des ärztlichen Standes.
§ 52. Die Casse wird von dem Vorstande der Aerztekammer
verwaltet und nach Aussen vertreten.
Cassenführer ist der Vorsitzende des Vorstandes der Aerzte¬
kammer oder ein anderes Mitglied des Vorstandes.
§ 53. Der Cassenführer ist zur Empfangnahme von Geldern
und zur Ertheilung von Quittungen, sowie auf Anweisung des Vor¬
standes der Aerztekammer zu Zahlungen berechtigt.
Die einkommenden Gelder sind nach Maassgabe des § 39 der
Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 (Ges.-S. S. 431) zinsbar
zu belegen
Der Cassenführer hat über Einnahmen und Ausgaben Bücher
zu führen und die Belege bis zur Entlastung aufzubewahren.
§ 54. Der Cassenführer hat im Namen des Vorstandes der
Aerztekammer die Einziehung der Geldstrafen und Kosten, sowie
der nicht freiwillig gezahlten Beiträge der Kammermitglieder zu be¬
treiben.
Als Vollstreckungsbehörde im Sinne der Verordnung vom
7. September 1879, betreffend das Verwaltungszwangsverfahren wegen
Beitreibung von Geldbeträgen (Ges.-S. 8. 591), gilt der Vorstand der
Aerztekammer.
§ 55. Der Vorstand der Aerztekammer hat mindestens jähr¬
lich ein Mal durch 2 seiner Mitglieder die Casse und die Bücher
nebst Belegen zu prüfen.
Der Cassenführer hat dem Vorstände und der Letztere der
Aerztekammer jährlich Rechnung zu legen.
Die Aerztekammer ertheilt nach Erledigung etwaiger Anstände
die Entlastung.
§ 56. Der Ober Präsident ist befugt, jeder Zeit von dem Stande
der Casse selbst oder durch einen Beauftragten Kenntniss zu nehmen
und Bücher und Belege zu prüfen.
IV. Abschnitt. Schlnssbestimmungen.
§ 57. Der § 5 der Verordnung vom 25. Mai 1887, betreffend
die Einrichtung einer ärztlichen Standesvertretung (Ges.-S. S. 169)
wird aufgehoben.
§ 58. Dieses Gesetz tritt ara.in Kraft.
Mit der Ausführung desselben wird der Medicinalminister be¬
auftragt.
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308
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
Nr. 13.
Amtlicher Erlass.
Bekanntmachung, die Abhaltung bacteriologischer Curse betr.
Kgl. Staatsininisterium des Innern.
Im Einverständnisse mit dem k. Staatsministerium des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten wird das k. Staatsministerium
des Innern zehn mit dem Nachweise der mit Erfolg bestandenen
Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst versehene Aerzte zu dem
in der Zeit vom 27. April bis 9. Mai 1. Js. im hygienischen Institute
der k. Universität Würzburg abzuhaltenden bacteriologischen Curse
beiziehen.
Dieses wird mit dem Beifügen bekannt gegeben, dass jene
Aerzte aus den Prüfungsjahren 1880 mit 1887, welche nicht in einer
der drei Universitätsstädte Praxis üben, ihre Gesuche bis spätestens
zum 1. April 1. Js. beim k. Staatsministerium des Innern einzureichen
haben. Den zum Curse zugelassenen Aerzten wird für die erwachsenden
Baarauslagen einschliesslich des Honorars für den Leiter des Curses
und die Beschaffung der erforderlichen Materialien ein Aversalbetrag
von 200 JL bewilliget.
Die Zulassung von Theilnehmera, welche die Kosten selbst
zu tragen geneigt sind, ist dem Leiter des Curses, dem k. Universitäts-
Professor Dr. K. B. Lehmann anheimgegeben.
München, den 14. März 1896.
Frhr. von Feilitzsch.
Der Generalsecretär:
von Kopplstätter, Ministerialrath.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat Februar 1896.
1) Bestand am 31. Januar 1895 bei einer Kopfstärke des
Heeres von 64813 Mann, 207 Kadetten, 19 Invaliden, 148 U.-V. 1 ):
2647 Mann, 7 Kadetten, 5 Invaliden, 7 U.-V.
2) Zugang: im Lazareth 1905 Mann, 5 Kadetten, — Invaliden,
26 U.-V.; im Revier 5572 Mann, 31 Kadetten, — Invaliden, 3 U.-V.
Summe 7477 Mann, 36 Kadetten, — Invaliden, 29 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 10124 Mann, 43 Kadetten,
5 Invaliden, 36 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 156,20 Mann,
207,72 Kadetten, 263,15 Invaliden, 248,24 U.-V.
3) Abgang: geheilt 6931 Mann, 33 Kadetten, 1 Invalide, 27
U.-V.; gestorben 22 Mann, — Kadetten, 1 Invalide, — U.-V.;
invalide 70 Mann; dienstunbrauchbar 117 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 202 Mann, 1 Kadett, — Invaliden, — U -V.; Summa: 7342
Mann, 31 Kadetten 2 Invaliden, 27 U.-V.
4) Hiernach sind geheilt 684,61 von 1000 der Kranken der Armee,
767,44 der erkrankten Kadetten, 200,00 der erkrankten Invaliden und
U.-V. = Abkürzung für Unteroffiziers-Vorschüler.
750,00 der erkrankten U.-V.; gestorben 2,17 von 1000,der Kranken
der Armee, 0,00 Kadetten, 200,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
5) Mithin Bestand am 29. Februar 1896: 2782 Mann, 9 Ka¬
detten, 3 Invaliden, 9 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 42,92 Mann,
43,47 Kadetten, 157,89 Invaliden, 60,81 U.-V. Von diesem Kranken¬
stände befanden sich im Lazareth 1750 Mann, 2 Kadetten, 1 Inva¬
lide, 9 U.-V.; im Revier 1032 Mann, 7 Kadetten, 2 Invaliden, - U.-V.
Von den im Lazareth bezw. Revier Gestorbenen haben
gelitten an: Scharlach und dessen Complicatiouen 5, epidemischer
Genickstarre 3, Gelenkrheumatismus mit Herzaffection 1, Gehim-
schlag 1, Hirnhautentzündung 1, Lungenentzündung 2, Lungenschwind¬
sucht 2, Tuberculose 1, Brustfellentzündung mit Herzaffection 1,
chronischem Alkoholismus 1, Blinddarmentzündung mit Durchbruch 1,
chronischer Darmverschlingung 1, Leberentzündung 2, Altersschwäche 1
(Invalide); ausserdem verlor die Armee noch 2 Mann (in Urlaub),
durch Lungenerkrankung und 1 Mann durch Selbstmord (Erhängen);
die Gasammtabgang durch Tod beläuft sich demnach im Monat Februar
auf 26 Mann. _ __
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 12. Jahreswoche vom 15. bis 21. März 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 8 (20), Diphtherie, Group
43 (40), Erysipelas 26 (15), Intermittens, Neuralgie interm. — (1),
Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin. 1 (—), Morbilli 57 (78),
Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 2 (4), Parotitis epidemica 18 (20),
Pneumonia crouposa 20 (24), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 33 (53), Ruhr (dysenteria) — (—-), Scarlatina 27 (38),
Tussis convulsiva 26 (34), Typhus abdominalis — (1), (Varicellen 19 (22),
Variola, Variolois — (—). Summa 282 (351). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 12. Jahreswoche vom 15. bis 21. März 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen: Masern 4 (4*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 2 (2), Rothlauf 1 (2), Kindbettfieber — (—) ( Blutver¬
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 1 (1), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten 4 (2), Croupöse Lungenentzündung 2 (4), Tuber¬
culose a) der Lungen 25 (31), b) der übrigen Organe 2 (14), Acuter
Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krankheiten — (5).
Unglücksfälle 5 (2), Selbstmord 3 (2), Tod durch fremde Hand (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 188 (193), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,1 (24,7), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,3 (16,1), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 12,8 (13,6).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: Januar 1 ) und Februar 1896.
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1) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 9) eingelaufener Nachträge
2 i Im Monat Januar einschliesslich der Nachträge 1494; 1.—5., bezw. 6.-9. Jahreswoche.
Stadt a. a'° Brückenau ^berVl.^ S0Wie den Aemtem R °senhelm, Griesbach, Kötzting, Neunburg v. W., Hof, Dinkelsbühl, Gunzenhausen, Neu¬
erzbischöfliches Seminar Scheyern
Typhus abdominalis:
Stadt Günzburg; zahlreiche
Erkrankungen im Bez.-A. Füsi’eüT-t j<= o raue. - varicetien: Kieme Epidemie
Stadt- und f r 8 ? 4, Bez.-Acmter Hersbruclt ca. 120, Bamberg II 44, Neu-Ulm 40 Fälle; stark verbreitet im Bcz.-A. Bergzabern, sehr häufig im
Wunsiedel desgleichen ff S’ elchen i ? on Mitte Februar ab meist in nervöser Form Im Bcz.-A. Naila, zahlreiche Fälle gegen Ende des Monats im Bez.-A.
»unsiulO;fliehen und zwarmeist in bronchitlscher Form im Bez.-A. Rothenburg a. T.. kleine Epidemie ln Eichenbühl (MIHenblrg).
Bedarfsfälle iintVr*n»ohi k /„ t S^J nlu . re v ( ur v° r )!egende Statistik sind durch die zuständigen Herrenk. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich im
Im Interesse der vor!S£ , d M t r Ü2 b ‘•etheillgenden Aerzte an das K. Statistische Bureau wenden wollen.
Im Interesse der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 20.) und regelmässige Einsendung dringendst ersucht.
Verlag von J F. Uehmann in München. — Druck der E. Mühlthaler'schen k. Hof-Buohdruckerei in München.
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Ltiu Münchener Mediclu. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens2‘/.—3 Bo*en.
I-reis vlerteljnhrUeh 6.«. praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 4 .
MÜNCHENER
Zuseuduugen sind zu adresslren. Für die Redact io ti
Ottostrasse 1 — Für Abonnement an J F. Left-
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«n Rudolph Mosse, Promcnadeplalz tfi
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cb. Biumler, 0. Bollinger, H. Gurschmann, C. ßerhardt, W. i. Reineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. v. Ranke, F. i. Wlackel, ff. f. Zleassen,
Freiburg I. B. München. Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Wiirxburg München. Münch an. München.
M 14. 7. April 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
lieber das Thyrojodin').
Von K. Ha mumm.
Vor Kurzem habe ich ül>er eine organische Jodverbindung,
das Thyrojodin, berichtet *1, welche aus den Schilddrüsen von Menschen
und Thicren beim Kochen mit Schwefelsäure oder durch künst¬
liche Verdauung abgeschieden werden kann. Pas Thyrojodin ist
eine in kaltem Wasser fast unlösliche Substanz von schwach sauren
Eigenschaften ; in Weingeist und in Alkalien löst es sich, in
reinem Aether ist es fast unlöslich. Pas Thyrojodin enthält ausser
Stickstoff Jod in sehr fester Bindung. Die bis jetzt analysirten
Präparate ergaben einen Jodgehalt von gegen 10 Proc. Oh dem
Thyrojodin ein kleiner Gehalt an Phosphorsäureverbindungen zu-
kommt, wie aus den bisherigen Analysen geschlossen werden kann,
muss durch weitere Versuche festgestellt werden.
In dem vor einigen Tagen erschienenen Hefte der Zeitschrift
für Biologie (Bd. XXXIII, S. 96 ff.) findet sieh eine sehr inter¬
essante und wichtige Mittheiluug von E. P reell sei über Gorgoniu,
einen jodhaltigen Bestandtheil von Gorgonia (’avnlinii. T) rech sei
ist es gelungen, aus dieser Substanz eine krystallisirte Jodverbindung,
die Jodgor gosänre, welcher die Formel (’* Hs N JOa zukommt,
abzuscheiden. Auch diese Säure enthält das Jod in sehr fester
Hiudung.
Preehscl zieht, wie ich es beim Thyrojodin gethan halte,
die Möglichkeit in Betracht, dass die Jodgorgosäure das Jod in der
Bindung der Jodo-, bezw. Jodoso-Verbindungen von V. Meyer
enthalten könne. Es wird von nicht geringem Interesse sein, die
jodhaltigen Substanzen aus den Korallen und aus der Schilddrüse
in ihrem chemischen und physiologischen \ erhalten näher mit
einander zu vergleichen, lieber die chemischen Eigenschaften des
Thyrojodin« wird an anderer Stelle berichtet werden. Ich habe
bald nach der Entdeckung des Thyrojodin» Versuche unternommen,
um zu ermitteln, ob die jodhaltigen Verbindungen der Schwämme
und von Laminaria digitata in näherer Beziehung zum Thyrojodin
stehen, was indessen nicht der Fall ist. Aus den Schwämmen 3 )
werden beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure schon nach
einigen Stunden merkliche Mengen von Jodwasserstoff abgespalten,
was beim Thyrojodin und bei der Jodgorgosäure Preehscl s
nicht der Fall ist, während das Gorgonin nach Preehscl s Be¬
obachtungen heim Kochen mit Salzsäure freies Jod abscheidet.
l ) Im Wesentlichen nach einem am 28. Februar 18% im Verein
det Freiburger Aerzte gehaltenen Vortrage, bei welchem auch 2 Röhren
mit Jodkrystallen aus Schilddrüsen von Menschen und von Hämmein
ionstrirt wurden. , , e / 1UQ e.\
-1 Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chem.21, S. 319 11890).
3 ) Neue Bestimmungen des Jodgehaltes von Schwämmen sind
dich von Harnack (diese Wochenschr. 1896 Na 9) no«tgetheiU
den. Die von mir untersuchten Schwämme enthielten auch Brom
sehr bemerkbare Mengen von Mangan. Die Schilddrüsen ent
en kein Brom, mitunter aber Spuren von Mangan.
No. 14.
Pie bei der Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure aus
den Schwämmen abspaltbare organische Jodverbindung ist ausser¬
dem in Wasser ziemlich leicht löslich, während das Thyrojodin
fast unlöslich ist.
Ihn die Frage zu entscheiden, oh das Thyrojodin in der
Schilddrüse frei oder in Verbindungen enthalten sei, habe ich in
Gemeinschaft mit Herrn Pr. Boos eine Reihe von Versuchen
angestellt, welche Folgendes ergaben. Nur ein kleiner Thcil des
in der Schilddrüse enthaltenen Thyrojodin» ist darin als solches
vorhanden. Durch Auskochen mit absolutem Alkohol kann es der
Drüse entzogen werden. Die Hauptmeuge des Thyrojodin» ist in
der Schilddrüse an 2 Eiweisskörper, eine Albumin- und eine
Globulin-Substanz, gebunden, unter welchen die erster« stark ver¬
wiegt 4 !. Durch wiederholte Extraction mit verdünnter Kochsalz¬
lösung werden gut zerkleinerten Schilddrüsen alle Jndverbindungcu
entzogen. Durch Verdünnen mit viel Wasser und Einleiten von
Kohlensäure wird aus dem Salzwasserauszug die jodhaltige Globulin-
Substanz gefällt, welche entsprechend ihrem Jodgehalt hei Kröpfen
ungefähr so wirksam ist. wie die frischen Schilddrüsen. Das Gleiche
gilt von der Albumin Verbindung (Thyrojodalbumiu), welche durch
Kocheu aus dem mit Essigsäure angesäuerten Filtrat abgeschieden wird.
Wenn man die Salzwasserauszüge der frischen Drüsen nach
dem Ansäuern mit Essigsäure zum Sieden erhitzt, so werden beide
Eiweisskörper und die geringe Menge des freien Thyrojodin» ge¬
fällt. Letzteres kann den eoagulirten Eiweissstoffen durch Aus-
koehen mit Alkohol wieder entzogen werden.
Beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure wird aus beiden
Eiweisskörpern Thyrojodin abgespalten.
Die Wirksamkeit der Thyrojodinpräparate wurde durch Herrn
Dr. Koos zunächst hei parenchymatösen Kröpfen festgestellt.
Von einem solchen Präparate, welches 10 Proc. Jod enthielt, er,
wiesen sich Milchznekerverreibungen, welche 1 mg der Substauz-
somit */10 mg Jod enthielten, nach mehrmaliger Darreichung als
gut wirksam.
Die von den Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer & Clo. in
Elberfeld dargestellten Thyrojodinpräparate, von welchen l g (der
Verreibung) 0,3 mg Jod enthält < entsprechend 1 g frischer Schild¬
drüse), zeigten eine Wirksamkeit, welche derjenigen eines gleichen
Gewichtes frischer Schilddrüse mindestens gleichkam. Wo die
Wirkung des Thyrojodins versagte, blieb auch nach Eingabe
frischer Schilddrüsen jeder Erfolg aus.
Dass das Thyrojodin alle diejenigen Erscheinungen und thera¬
peutischen Effecte hervorruft, welche durch die l’ntersuchungen
von Howitz, Murray, Leichtenstern, Kmminghaus
und K e i n h o 1 d, Ewald, Mendel u. A. als charakteristische
erkannt sind, wurde bewiesen : durch die Wirksamkeit des Thvro-
4 ) Vergleiche hierzu: E. Baumann und E. Roos, Hoppe*
Seyler's Zeitschr. f. physiol. Chem. 21, Heft 5 und 6, wo die Be¬
ziehung dieser Körper zu den von Notkin aus der Schilddrüse
isolirten ei weissartigen Substanzen (Wiener med. Wochenschr. 1895,
No 19 und 20) eingehender behandelt wird.
1
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810
MÜNCHENER MEDICINISCHE WO CHENSCHMFT.
No. 14.
jodln» bei ,^nel,y^« ^ $ ’u^
bei Myxocdem nach Beob.ii ' *’ j Berlin mir gütigst
stern in Köln und Herr l rot 11 . BorHnX durch
worden, bevor die Domrung f s J U ^it den oft beschriebenen
Durch die Art ihres Verlauf j der ^ sich
Symptomen nach Eingabe grosh * Thvrojodin gerade
sä— s-'«—*
-
n t r °FrU»kT® S Thv^ntitoxin > steht in keinerlei Beziehung
ErSvir ES
J-“S5a:
aus den letzteren durch dui \ cnuiing au _hlossen, dass
^“3ss=sr.:'
SC ““«cbdem da» Thyroindin als - normal«- und fnnci.moll
WemungayoUer Bcstandthei. d™ So«d^
es allon Di»»® «*MW. “ vo „ Mcnaol.en und
Ä"rl3=rSs£
f t wird ^ Mit dieser Methode, welche annähernd gnU-
SS:
äst. LÄ fp.--
jirja-nrī
£Ä1 ein» regeln,in»ig« E-sol.oinnng und Krn„le
sehr häufig. . . ,. ,
Der Jodgehalt der Schilddrüsen schwankt zwischen ziemhch
weiten Grenzen. Abnorm grosse Drüsen enthalten m ( f
keine Jodbehandlung vorausging) genüge Mengen von Jod^ De.
26 Leichen Erwachsener von Freiburg war 7 mal d .
so gering, dass er nur qualitativ nachgewiesen, aber nicht qnanto-
rȟ, bestimmt worden konnte. Nur zweimal betrug der Jod-
„chalt über 4 mg (7,2 und 8,8mg). Ob in diesen Fällen vic
leicht schon längere Zeit vor dem Tode eine Jod- oder Jot o «.r" -
behandlung stattgefunden hat, liess sich nicht mit
*) Heber die Ausführung dieser Bestimmung B- K Bauinann
und E. Roos. Hoppe-Seyler s Zeitschrift f. phys.ol. Chemie,
Bd. 21, Heft 5 und 6.
’ i i ;tt««'lvilt. der Schilddrüsen Erwachsener
ermitteln. Al» 1)im,1S ?' 0 ” ‘ Jud gefunden. Die Schilddrüse
:U1S Freilmrg wurden c 2 - in sehr gutem Ernährungs-
einos Selbstmörders von Di ’ ,
zustande »ich V^aSo“'aus Hamburg, wclcbo
Unter 27 Schilddrüsen Erwachsen waren , kan.
dnrcbsebnittliob kann,„ „mtn.it«.!,«,, Bostim-
e» nur einmal vor. d. ge 7si<hligen Frau, welche an
äl — 4r
schiede „n .lodgehaUc • ' aus Freiburg (1 Tag bis
und aus Hamburg. ungewandten Methode nicht
7 Jahre alt» war «mal J«d mit der . „, H
nachweisbar, in 7 weiteren ’a • q 3 mg Jod ermittelt
nm l :, „,al konnten Mengen von 0,0/ bis 0,8 mg
werden. 5 Kindern aus Hamborg (5^ Tage
bis , Jahr alt) war ausnahmslos Jod naebweisbar. De, Schult
schwankte von 0,1 >»is 0,45 “!«, 4 Männern aus Berlin
• v !! iC “ M 1 Selbstmörder und 2 i«
Folge von Schädelbruch plötzlich Verstorbene) ergab einen t.ehalt
- •.» l.w « 1 nur Jod in einer hclnlddrüse.
.iÄr.trÄüÄ
S™ »MB woaeu«, .„ehr -lud „I» die M~ ■*
a„ Krankl,eiten ^ UWUfers auf den
mm
Sit. woKrilpfe nicht eudemi,.,
rurkommem», Krfalmwn llta . aicae Vcrtahnisac bedürfen
„,«,1, d r ( "veliaUtudigung und der Erweiterung «deaaet,
tat M schon jetzt erkennen, da»» eine Beziehung de»
dadurcdi wieder eine gewisse Bedeutung wenn auch m omen. ff
anderen Sinne .» B. ^ ta d ie
Theorie^ 1 atrfgeatcllt, da»» in Gegenden,
ST«" « »■ .»*7
liegen Wasser Jod | »nd viele
Ander^i 0 "unrichtig erkannt worden, und seine Udire, die mcht
selten belächelt wurde, galt schon am Ende der o0
widerlegt und fiel der völligen Vergessenheit anheim. I d
wenn auch als festgestellt anzusehen ,8t > j as ; ^ s0 ist es
wasser keine nachweisbaren Mengen von Jod ^Halten s
doch wohl möglich, dass manche andlere Angat 1 " s “ iblien
Jas Vorkommen von Jod mehr Beachtung
bisher zu Theil geworden ist angestellt habe,
Die Beobachtungen, welche ich bis jetz S
fübref alle Ihin (wo die Ernährung mit Seebachen mcht »
•) Dass die Art der Ernährung, durch
fischen den Jodgehalt der Schilddrüsen stark beeinnusbc
Fütterungsversuehen bei Hunden enmtteU werde .
Compt. rend. 83. S. 519, 529, ob*.
8) Ebend. 38. 8. 518, 544.
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7. April 1896
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Betracht kommt), die Quelle des .Tods in der pflanzlichen Nahrung
zu suchen. Die Asche fast aller Land pflanzen, worüber schon
viele Belege in der Literatur vor liegen, enthält nachweisbare Spuren
von Jod. Daraus geht hervor, dass das Jod in grösster Ver¬
breitung, wenn auch immer in sehr kleinen Mengen, in der festen
Erdrinde enthalten ist. Cm welches jodhaltige Mineral es hierbei
sich handelt, ist noch ganz unbekannt. Von grossem Interesse
erscheint mir für diese Frage eine Notiz zu sein, welche ich
meinem Collegen, Herrn Prof. St ein mann, verdanke. Dann
sagt in einer älteren Auflage seines «System of Minerulogy
5 th edition 1868 S. 532 : " Phospurito of differential Incalitics
has afforded a trace of jodine : . Wenn diese Angabe richtig ist,
so wäre damit eine allgemeine Quelle der Abstammung des Jods
im Boden nachgewiesen.
Aus dem Boden können Spuren von Jodverbindungen jeden¬
falls auch «i Quell- und Fluss-Wässer übergehen. Ob aber diese
Spuren von Jod für die Jodan.samuilung in den Schilddrüsen, die
bei Menschen und Thieren eine sehr ungleiche, ist. einen wesent¬
lichen Einfluss besitzen, erscheint zur Zeit noch fraglich. Auf
die Beziehungen zwischen der Beschaffenheit des Trinkwassers
und dem Vorkommen von Kröpfen, über welche eine umfang¬
reiche Literatur existirt, möchte ich an dieser Stelle nicht näher
eingehen; dass dieselben existiren, kann nach den bis jetzt vor¬
liegenden Erfahrungen (vergl. Ewald, die Erkrankungen der
Schilddrüse etc. Wien 1896) nicht bestritten werden. Ewald
spricht sich darüber folgeudcrmasseu aus: 'Wenn das Wasser
von Einfluss auf die Entstehung des Kropfes ist — und das ist
zweifellos —, kann der Grund nur in der Anwesenheit eines (\>n-
tagimn vivuui, eines organischen Krankheitsgiftes, gesucht werden .
Ob im Boden (und im Trinkwasser) der Kropf'gegemleii weniger
Jod als in anderen Gegenden sieh findet, darüber wissen wir zur
Zeit noch nichts. Dass in einer Kropfgegend ein geringerer Jod¬
gehalt der Schilddrüsen besteht, zeigen meine 1 ’ntcrsucluuigen
)so unvollständig sie noch sind) bestimmt an. Wenn die Ergeb¬
nisse der letzteren eine allgemeine Bedeutung erlangen, ist es
wohl möglich, dass die Lösung des lläthscls darin zu suchen ist,
dass die im Wasser der Kropfgegenden enthaltenen Mikroorganismen
der Assimilation der in der Nahrung enthaltenen kleinen Spuren
von Jod entgegenwirken können. Es wäre dann weiter anzunehmen,
dass das Thyrojodiu diesem Einflüsse nicht unterliegt , welcher
überhaupt bei grösserer Jodzufuhr überwunden würde, leb bin
indessen nicht geneigt, dieser Spcculation zur Zeit eine andere
Bedeutung beizulegen als die einer Frage, welche durch das
Experiment erst entschieden werden muss.
Da das Jod in Spuren in den Landpflanzen in grosser Ver¬
breitung vorkommt, wird es von Wichtigkeit sein, zu ermitteln,
ob Zusätze kleiner Mengen von Jod zum Kalidünger von Einfluss
auf das Wachsthum der Pflanzen sind. Nachdem von Eiseis-
berg und Hofmeister gezeigt haben, welcher bedeutende Einfluss
auf das Wachsthum und die Entwicklung der Tliicre der Function
der Schilddrüse d. h. der Production des Thyrojodins in der
Schilddrüse — wie wir jetzt sagen dürfen — zukomint, ist der
Gedanke nicht gerade von der Hand zu weisen, dass auch für
das Wachsthum der Pflanzen Jodverbindungen wichtig sein können.
Von den Pflanzen und Thieren des Meeres gilt das Gesagte,
ohne Zweifel, in noch höherem Grade. Hier wird der Einfluss
der Jodverbindungen auf das Gedeihen und das Wuchst hum der
Organismen, noch leichter als bei den Landpflanzen , durch Be¬
obachtungen in Seewasseraquaricu, bei denen der Jodgehalt des
Wassers leichter controlirbar ist, festgestellt werden können. Die
schönen Untersuchungen von 1) rech sei (l. e.) über die Jod¬
verbindungen der Gorgonia stellen es ausser allen Zweifel, dass
cs sich hier nicht um eine zufällige, sondern um eine für das
Leben nothwendige Bildung bestimmter Jodverbindungen handelt.
bür den Menschen und eine ganze Reihe von am Land
lebenden Thieren ist durch die bis jetzt vorliegenden Erfahrungen
sicher erwiesen, dass das Jod ein für ihr Leben »o t h -
wendiges Element ist.
Der Nachweis des Jods in der Thymusdrüse vom
Kalb. Dass das Thyrojodin von der Schilddrüse aus in andere
Organe des Körpers übergeht, ist nicht zu bezweifeln. Indessen
handelt es sich hierbei um so kleine Mengen, dass der Nachweis
des Jods bisher nicht gelungen ist. Ich habe Hypophysen von
Menschen wiederholt vergeblich auf Jod geprüft. In meiner ersten
Mittheilung habe ich über das gleiche negative Resultat bei Unter¬
suchung der Thymusdrüse berichtet. Diese Angabe ist indessen
zu berichtigen. Als der Versuch mit einer grösseren Menge der
Thymusdrüse wiederholt wurde, konnte Jod deutlich — wenn auch
in sehr geringen Mengen — nachgewiesen werden.
200 g frische Kalbsthymus wurden getrocknet, mit wenig
absolutem Alkohol zerrielten und durch wiederholte Extraction
mit wasserfreiem Aether entfettet. Die zurückgebliebene Masse,
welche trocken 38 g wog. ward«* mit wenig verdünnter Natronlauge
(aus metall. Natrium) befeuchtet, und in einer Silbersehale gelinde
erhitzt, bis keine flüchtigen Prmlucte sieh mehr entwickelten;
schliesslich wurde die Kohle durch allmähliches Einträgen in einen
Silbertiegel, in welchem geschmolzenes Aetznatron und Salpeter
sich befanden. zum grösseren Theile verbrannt. Die wässerige
Lösung der Schmelze wurde filtrirt, abgckühlt und nach Zusatz
von "» ccm Chloroform mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert;
dabei zeigte sich eine Jodreactiou, welcher '/io bis ’/is Milligramm
Jod entsprechen mochte. Dieser Nachweis des Jods in der Thymus
gewinnt eine besondere Bedeutung, wenn man sich der interessanten
von Mikulicz“) zuerst beobachteten Thatsache erinnert, dass
Kröpfe nach wiederholten Eingaben von 10 —25 g Thymusdrüse
erheblich abnahmen. Es ist danach wahrscheinlich, dass auch
die Thymusdrüse das Jod in Form von Thyrojodin, wenn auch
in viel geringerer Menge als die Schilddrüse, enthält.
Veränderungen des Jodgehaltes der Schild¬
drüsen. Gibt, man Menschen oder Thieren Jodkalium ein, so
steigt der Jodgehalf der Schilddrüsen erheblich. Das Gleiche ge¬
schieht nach äusserer oder innerer Behandlung mit Jodoform und
wahrscheinlich vielen anderen Jod Verbindungen. Am schnellsten
zeigt sieh dieser Effect nach Schilddrüsenbehandlung und nach
Eingabe von Thyrojodin.
In allen diesen Fällen handelt es sich um eine Vermehrung
des Thyrojodingehahes, der dadurch auf das lu -20 fache des
Normalen erhöht werden kann. Schilddrüsen von Menschen, welche
vor dom Tode mit Jodkalium oder Jodoform behandelt worden
sind, enthalten nicht selten 20—30 und mehr Milligramm Jod.
ln der Schilddrüse eines sehr grossen Hundes, dem die Bauch-
decken wiederholt mit Jodoform eingerielwn worden waren, wurden
nicht weniger als 48 mg Jod nachgewiesen.
Die Schilddrüse kann als das empfindlichste Reagens für
Jodverbindungen benützt werden. Die hier lebenden Hunde haben
nicht selten Kröpfe; bei Fütterung mit dem Fleisch hier ge¬
schlachteter Tliicre enthalten ihre Schilddrüsen sehr geringe Mengen
von Jod, meist weniger als ’/i» u»g- Nach melmvöchentlieher
Fütterung mit Hundekuchen tSpratt’s Patent) steigt der Jod¬
gehalt der Schilddrüsen merklich (0,5—0,8 mg Jod). Die Nach¬
forschung ergab, dass die Hundekuchen getrocknete Zuckerrüben
bester Qualität enthalten. In den Zuckerrüben hat schon vor
langer Zeit Fehling Jod nachgewiesen. Ich habe auch in der
Asche von Runkelrüben, welche bei Freiburg gewachsen sind, Jod
gefunden. Sehrjviel grösser*wird Jder^Jodgehalt der Schilddrüsen
bei Hunden, welche eine ! Zeit lang mit Stockfischen gefüttert
worden.
Um zu ermitteln, ob organische Jod Verbindungen im Stoff¬
wechsel eine Zersetzung erfahren, wird mau in Zukunft am besten
den Versuch so ans teilen, dass man die etwaige Zunahme des
Jodgehaltes in der Schilddrüse nach Application der betreffenden
Substanz zu bestimmen sucht.
Ist einmal ein Vorrath von Thyrojodin in der Schilddrüse
vorhanden, so erhält er sieh lange, während Wochen und Monaten,
über der Norm, ein Zeichen, [dass nur sehr geringe Mengen von
Thyrojodin im Körjier verbraucht werden. Wie gross dieses
Quantum ist. wird sich nicht leicht ermitteln lassen. Denn wenn
aus dem Thyrojodin, wie anzunehmen ist. in den Organen, welche
es verbrauchen, Jod abgespalten wird, kann dieses in die Schild¬
drüse zurückkehren ’ und auf’s Neue in Thyrojodin verwandelt
werden.
9 ) Berl. klin. Wochenschr 1895. No. 16.
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312
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Dafür, dass das Thyrojodin nicht ein Product des allgemeinen
Stoffwechsels ist, sondern dass cs in der Schilddrüse gebildet
wird, spricht zunächst die Erfahrung, dass bei Myxoedem Thyro¬
jodin sehr wirksam ist, während Jodkalium — wie ich durch
Herrn Dr. Roos erfahren habe — die Erscheinungen des Myx-
oedeuis nicht beeinflusst, weil bei Myxoedem die Schilddrüse nicht
mehr functionsfähig ist. Ueber weitere Versuche, diese wichtige
Frage zu entscheiden, wird in Kurzem berichtet werden.
lieber den Jodgehalt der Kröpfe. Die Beantwortung
der Frage, ob der Jodgehalt in Kröpfen gemindert oder vermehrt
sei, begegnete zunächst ganz unerwarteten Schwierigkeiten. Bald
war Jod in Kröpfen nicht nachweisbar oder nur in Spuren ver¬
treten, bald fand es sich in erstaun lieber Menge. In einzelnen
Fällen, wo ein Kropf viel Jod enthielt, konnte ermittelt werden,
dass vor dem Tode, oder wenn es sich um eine Operation handelte,
vor der Exstirpation des Kropfes eine Jodbeliandlung vorausgegangen
war, in anderen Fällen war ein solcher Nachweis nicht zu führen.
Indessen bin ich doch allmählich zu der Ansicht gelangt,
dass in den Kröpfen der Jodgehalt normaler Weise immer ein
sehr geringer ist. Ich habe 5 ('olloidkröpfc untersucht, in welchen
nur minimale Mengen von Jod sich fanden, und halte diese
negativen Ergebnisse für beweisender, als diejenigen Fälle, wo
erhebliche Mengen von Jod in den Kröpfen nachgewiesen werden
konnten. Man wird nicht fehl gehen, wenn man annimmt, dass
bei der Mehrzahl der Kröpfe zu irgend einer Zeit Jodprüparate,
Kropfpulver u. dgl. angewendet worden sind, wovon die Betreffenden
später oft nichts mehr wissen und der behandelnde Arzt keine
Kenntniss erlangt. Dabei kommt sehr in Betracht, dass die
Ansammlung von Thyrojodin in dem noch functionsfähigen Drüsen-
gewebe der Kröpfe jedenfalls Monate lang bestehen kann. Mit
Basedowkröpfen scheint es sich ebenfalls so zu verhalten, doch
sind hier, wie überhaupt bei der Kropffrage, noch weitere l’uter-
suchungen erforderlich.
Was den Jodgehalt der Schilddrüsen der Thiere anlangt, so
ergeben sich auch hier nicht unerhebliche Schwankungen, welche
bei den Hammelschilddrüsen , welche immer relativ reich an Jod
sind, genauer ermittelt wurden. Die Hannnelsehilddrüsc ist das
beste Material für die Gewinnung des Thyrojodins. Die Schild¬
drüsen vom Rind, von Milchkälbern sowohl als von Kühen,
komme® im Jodgehalte den Hammelschilddrüsen ziemlich nahe.
Bestimmungen des Jodgehaltes der Drüsen von Ochsen, Pferden,
Kaninchen und Schweinen sind gleichfalls mehrfach ausgeführt
worden. Die Schweinschilddrüsen zeigten (bei Fütterung mit
Küchenabfällen) den geringstem Jodgehalt.
Dass die Bildung des Thi'rojodins in der Schilddrüse in hohem
Grade abhängig ist von der Menge von Jod oder Jodvcrbindungeu
in der Nahrung, geht aus den früher angeführten Versuchen
deutlicli hervor. Ob dabei auch noch eine grössere oder geringere
Leistungsfähigkeit der Schilddrüsen bei verschiedene») Thieren
mitwirkt, bleibt vorläufig noch unentschieden.
Die experimentellen Belege der im Vorstehenden oft nur
angedeuteten Versuche werden in mehreren Abhandlungen theils
von mir, theils von Herrn Dr. Roos demnächst in Hoppe -
Seylcr’s Zeitschrift für physiologische Chemie geliefert werden.
Aus der mediciuischen Klinik des Herrn Geheiinrath Prof.
Dr. Gerhardt in Berlin.
Beitrag zur Wirkung des „Thyrojodin“ auf den Stoff¬
wechsel bei Fettsucht.
Von Dr. E. Graimtx.
Bei dem allseitigen Interesse, welches die Entdeckung des
«Thyrojodin >.• von Baninann und Roos hervorgerufen hat,
dürfte eine kurze easuistische Mittheilung über die Wirkung des¬
selben auf den »Stoffwechsel besonders in Rücksicht auf die in
No. 6 dieser Wochenschrift (vom 11. Febr. 1896) von Treupel
berichteten Verhältnisse von Werth sein.
Das für die Versuche verwendete Präparat wurde der Klinik
von den Farbenfabriken vorm. Bayer A Co. in Elberfeld über- ;
sandt als die aus der Thyreoidea des Hammels isolirte
organische Jod Verbindung «Thyrojodin >.
No. 14.
Dasselbe ist zunächst bei zwei an Fettsucht leidenden Frauen
erprobt und bei einer derselben dabei eine genaue Bestimmung
des Stickstoff - Stoffwechsels vorgenommen worden.
Die 53 Jahre alte Näherin K. war schon mehrfach wegen
rheumatischer Schmerzen in der Charitö behandelt worden und
kam am 4. Januar d. J. wegen desselben Leidens wieder zur Auf¬
nahme.
Die Kranke zeigte eine mittlere Constitution, ziemlich kräftigen
Knochenbau, geringe Musculatur und stark entwickeltes Fettpolster.
Ihre Beschwerden bezogen sich auf rheumatische Schmerzen, be¬
sonders in den Kniegelenken und im Rücken. Die erwähnten Ge¬
lenke zeigten ältere fibröse Verdickungen der Kapsel, keine acuten
Schwellungen, die Temperatur war dauernd normal. Besondere
Veränderungen der Organe waren sonst nicht zu constatiren.
Bald nach ihrem Eintritt war bei der Kranken eine Ent-
fettungscur eingeleitet worden, da sich schon bei ihrer früheren
Anwesenheit erwiesen hatte, dass mit der Abnahme des Fettpolsters
ihre Beschwerden sich besserten. Es wurden demgemäss bei der
Bestimmung der Diät das Fett und Kohlehydrate %uf ein sehr
geringes Quantum beschränkt, reichlich Eiweiss haltende Nahrung
und ein massiges Quantum von Gctränkeu gewährt. Gleichzeitig
erhielt die Patientin warme Bäder mit nachfolgendem Schwitzen.
Dabei ging jedoch ihr Körpergewicht nur von 89,2 auf 88 Kilo
herunter, die Patientin wurde desshalb wieder auf gewöhnliche
Diät gesetzt.
Nach etwa 14 Tagen wurde das Thyrojodn zur Entfettung bei
ihr in Anwendung gezogen, in der täglichen Menge von 1 g.
Zur Ausführung eines Stoffwechselversuche» erhielt die Kranke
eine leicht analysirbare Nahrung, bestehend in Fleisch, Weissbrod,
Graubrod, Butter (20 g), Eiern, Milch (500 g) und Kaffee in einer,
ihrem Bedürfnis angemessenen Quantität
Die Resultate dieses Versuches gehen aus der folgenden
Tabelle hervor.
N ah
rung
Urin
Fäces
Ausge-
schied.
Körper
Th>
ro-
uauim
N
Cal.
Menge
ßpec.
Gew.
N-
< Inhalt
N
sammt-
N
gewicht
jodln
20.
II.
12,0
1930
1000
1019
10,78
0,94
11,72
88,0
21.
n
12,2
2010
850
1028
13,0
0,94
13,94
22
ii.
11,9
1950
900
1026
12,80
0,94
13,74
1
fi
23.
12,2
1970
1050
1025
13,29
0,94
14,23
87,30
1
g
24.
12,0
1930
1010
1024
14,64
0,94
15,58
1
g
25.
.
12,3
1970
1200
1021
15,08
0,94
16,02
1
g
26.
12,2
1970
1300
1023
16,38
0,94
17,32
1
g
27.
12,0
1960
860
1028
15,40
0,94
16,34
85,13
1
g
28.
„
12,1
1960
830
1030
15,68
0,94
16,62
1
g
29.
»
12,1
1960
910
1030
18,14
0,94
19,08
1
g
1.
iii.
12,0
1960
850
1030
15,68
1,44
16,12
85,0
2.
12,2
1970
1000
1030
15,17
1,44
15,61
3.
»
12,2
1970
1200
1021
14,58
1,44
15,02
85,0
Während der Versuchsdauer zeigten sich im Befinden der
Kranken nicht die geringsten Störungen; Puls, Athmung und Tem¬
peratur blieben in denselben regelmässigen Verhältnissen, wie vor
dem Versuche. Der Appetit blieb während dieser Zeit gleich, in
der Stuhlentleerung trat zeitweise eine leichte Retardation ein.
Die starke Abnahme des Körpergewichtes um
3 Kilo in 8 Tagen hei täglichen Gaben von nur 1 g Thyro¬
jodin ist um so bemerkenswerther, als die Patientin in ihrer
Nahrung mit Milch, Butter, Weissbrod und Eiern circa 45 g
Fett täglich und auch an Eiweiss und Kohlehydraten ein für ihr
Bedürfniss vollständig ausreichendes Quantum erhielt, während —
wie erwähnt — einige Zeit vorher bei kohlehvdrat- und fettarmer,
knapp bemessener Diät nur ein ganz geringer Gewichtsverlust
erzielt wurde.
Die Vermehrung der »Stickstoff-Ausscheidung findet sieh hei
dieser Patientin ebenso deutlich, wen)) auch nicht in so hohem
Grade unter dem Einflüsse des Thyrojodin ausgeprägt, wie bei
der Beobachtung von Treupel und ich verzichte hier auf ein
Eingehen in die bezügliche Literatur, da dieselbe bereits von
Treupel in grosser Ausführlichkeit berücksichtigt ist.
Dass der Verlust an Stickstoff, welcher in der achttägigen
Thyrojodin-Periode im Ganzen 31 g betrug, nicht ohne Weiteres
die stärkere Abnahme des Körpergewichtcs erklärt, ist selbst¬
verständlich, es muss vielmehr ein ziemlich beträchtlicher Verlust
an Körperfett eingetreten sein. Vermehrte Flüssigkeitsabgabe
fand weder durch den Harn, noch durch Schweis» oder sonstige
» s 'ecretc statt.
Digitized by VjOOQie
5 « *
7. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
313
Die Untersuchungen des Urins ergaben iu Bezug auf Ei¬
ei ss und Zucker während der ganzen Versuchszeit negative
esult ate.
Eine Nachwirkung des Thyrojodin schien insofern vor¬
zuliegen, als die vermehrte Stickstoff-Ausscheidung in der Nach¬
periode nur langsam zurückging, ähnlich wie es auch Treupel
beobachtete, doch trat eine weitere Gewichtsabnahme bei der
Patientin in der Folgezeit nicht mehr ein.
Eine zweite Patientin, 30jährige Arbeiterin, an chronischer
deformirender Arthritis und starker Fettleibigkeit leidend, erhielt
während drei Wochen täglich je 1 g Thyrojodin bei gemischter,
nach keiner Richtung hin beschränkter Nahrung.
Auch diese Patientin , welche schon seit Monaten auf der
Klinik behandelt wurde, ohne dass in ihrem Körpergewichte
neuneuswerthe Aenderungen zu verzeichnen waren, zeigte nach
Ablauf jeder Woche während des Thyrojodin-Gebrauches eine Ab¬
nahme um t k, im Ganzen also um 3 k, während nach dem
Aussetzen des Mittels das Gewicht zunächst gleich blieb und dann
zu steigen begann.
Das subjective Befinden blieb auch hier völlig ungestört und
ebensowenig Hessen sich im Urin Eiweiss oder Zucker nachweisen.
Erwähnenswerth ist vielleicht noch, dass bei dieser Kranken
während des Gebrauches des Mittels öfters stärkeres Schwitzen
auftrat, doch Hess sich nicht mit Bestimmtheit nachweisen, dass
dasselbe auf die Medication zurückzuführen war.
Ueber Thyrojodin.
Vorläufige Mittheilung von Dr. Arthur Häutig
in Königsberg i./Pr.
Bald nachdem die ersten günstigen Mittheilungen über Schild¬
drüsentherapie bekannt geworden waren, beeilte ich mich auch
meinerseits die Wirkungen des Thyreoideaextractes an einem ge¬
eigneten Materiale zu studieren. Im Laufe der Jahre habe ich
eine Reihe von Präparaten beim reinen Kropf, beim Morbus
Basedowii und bei Obesität versucht, doch sah ich keine wesent¬
lichen Erfolge; hin und wieder, für kurze Zeit trat eine relative
Besserung ein, aber gewöhnlich musste das Mittel wegen der un¬
angenehmen Nebenwirkungen kürzere oder längere Zeit ausgesetzt
werden, und unterdessen waren die früheren pathologischen Er¬
scheinungen wieder in vollem Umfange aufgetreten, ja hatten sich
bisweilen noch verschlimmert und dann war die Wirkung ausser¬
ordentlich inconstant.
Mein Vertrauen zur Schilddrüsentherapie war in nicht geringem
Maasse erschüttert, und ich war willens meine Versuche abzubrechen,
als Bau mann seine höchst bemerkenswerthe Mittheilung (Hoppe-
Seyler's Zeitschrift für physiologische Chemie Bd. XXI, Heft 4,
1895) «über das normale Vorkommen von Jod im Thierkörper:>
veröffentlichte. Nach derselben war es Baumann im Vereine
mit Dr. Roos gelungen, durch ein fein ersonnenes, eomplicirtes
Verfahren die wirksame Substanz der Thyreoidea selbst zu
isoliren, deren technische Bereitung von den Farbenfabriken vorm.
Fr. Bayer & Co. in Elberfeld, die sie Thyrojodin benannten
und Methoden zu einer Gewinnung in grösserem Maassstabe aus¬
gearbeitet haben, aufgenommen wurde. Bau mann allein kommt
das Verdienst der epochemachenden Entdeckung zu, in der
Thyreoidea des Hammels und anderer Thiere, sowie in der Schild¬
drüse des Menschen Jod in Form einer specifischen organischen
Verbindung gefunden zu haben. Dieser Gehalt an Jod schwankt
jedoch je nach der Herkunft und dem Alter des Hammels in
sehr weiten Grenzen, im Durchschnitte ergab die Analyse auf 1,0
der frischen Schilddrüse 0,3 mg Jod in organischer Verbindung und
auf Grund dieser Ergebnisse wurde von den Farbenfabriken ein
Product in den Handel gebracht, das mit Milchzucker in der
Weise eingestellt wurde, dass 1,0 Thyrojodin 0,0003 Jod enthielt
u nd 1,0 der frischen Schilddrüse aequivalent war. In diesem
Präparate ist das Jod nicht mehr als Eiweisskörper enthalten und
daher dauernd haltbar und niemals einer Zersetzung unterworfen.
Ich will hier gleich bemerken, dass nacli den Mittheilungen
Baumann’s der von S. Fränkel (Ueber Thyreoantitoxiu , der
physiologisch wirksame Bestandtheil der Thyreoidea, Wien. med.
No. 14.
Blätter 1895, Nr. 48) dargestellte Körper weder nach Art der
Gewinnung noch nach seinen Eigenschaften in irgend einer Be¬
ziehung zu dem Thyrojodin steht, und das Gleiche gilt von dom
von White (Brit. med. Journal 1893, 11. Februar) in den
Handel gebrachten Präparat; wer nun aber von ihnen, oder ob
überhaupt einer von ihnen das wirksame Princip der Schilddrüse
gefunden, resp. absolut rein durgestellt hat, bleibt vorläufig noch
fraglich, und müssen hierüber erst weitere Untersuchungen ange¬
stellt und exaete Nachuntersuchungen gemacht werden.
Mit dem oben bezcichneten Thyrojodin habe ich nun seit
einer Reihe von Monaten abermals Versuche an Kropfkranken, bei
Obesität und beim Morbus Basedowii angestellt und lege hier in
einer vorläufigen Mittheilung meine Vntorsuehungsresultate in aller
Kürze zusammengefasst nieder.
Ich habe nur Erwachsene im Alter von 26 bis 45 Jahren
behandelt; die Tagesdosis schwankte zwischen 0,5 und 3,0 ; das
Präparat wurde als Pulver zu 0,5 oder in Tabletten zu 0,3 ge¬
reicht und jederzeit ohne Anstand genommen.
Was die Wirkung anbetrifft, so war sie in allen Fällen
von Obesität vorhanden und in manchen derartig eklatant,
dass aus Furcht vor üblen Zufällen häufiger pausirt wurde; Ge¬
wichtsabnahmen von 1 k in der Woche waren die Kegel, aber sie
stiegen bis auf 3,5—5,0 k. Eine constante Abnahme konnte
nicht festgestellt werden, aber auch kein triftiger Grund gefunden
werden, warum derselbe Kranke bei anscheinend unveränderter
Lebensweise und der Entnahme desselben Quantums in einer
Woche wesentlich mehr an Körpergewicht einbüsste, als in der
folgenden oder der vergangenen; im allgemeinen wurde aber
gefunden, dass anfangs die V erminderung beträchtlicher war als
später. Während der qu. Cur wurde keine Diät eingehalten,
sondern dem Patienten aufgogeben, genau in derselben Weise
weitcrzulebeu wie bisher, lntercurrente Krankheiten wie Influenza,
Schnupfen Heber, wie das Auftreten der Periode wurden nicht als
l'ontraindicatiomn zur Fortsetzung der Cur angesehen, der Gewichts¬
verlust während dieser Zeit war stets bedeutender als in gesunden
Tagen. Die bedeutendste Abnahme betraf eine Dame von 32 Jahren,
die in 23 Tagen um 9,75 k bei absolutem Wohlbefinden abnahm.
Weniger constant war der Einfluss des Tltyrojodins auf den
erworbenen Kropf. Zwar verringerten sich iu einem Falle die
Maasse um einige Centimeter, doch blieb dieser Erfolg nicht
dauernd, während iu einem andern Falle überhaupt keine merk-
und messbare Abnahme dos Kropfs stattfand. In beiden
Fällen wurde das Mittel ausserdem nicht gut vertragen und musste
öfters Tage bis zu einer Woche ausgesetzt werden.
In gleicher Weise war eine subjeetiv wahrnehmbare, günstige
Beeinflussung des Morbus Basedowii nicht vorhanden, ob¬
gleich die betreffenden Kranken sich im allgemeinen wohler fühlten
und behaupteten, geringeren Druck im Halse zu verspüren und
weniger von dem unangenehmen Herzklopfen belästigt zu werden;
in den letzteren Fällen traten geringe Gewichtsabnahmen auf.
Eine nicht unbedeutende Anzahl von Nebenerscheinungen
wurde dagegen subjeetiv resp. objeetiv wahrgenoimuen, besonders
instructiv in dieser Beziehung war eine 43 jährige Kropfkranke.
Minimale Dosen von im Ganzen 0,4 pro die vertrug diese Patientin
ohne jede besondere Erscheinung, aber schon Dosen von circa
1,0 pro die riefen ein allgemeines Krankheitsgefühl, bisweilen
heftige Kopfschmerzen, Sehwindelanfälle, Müdigkeit, Appetitmangel,
Herzklopfen, Schlaflosigkeit, ziehende Schmerzen im Rücken und
besonders in der linken Brust, Zittern in der linken Hand, leichte
vorübergehende Albuminurie, Pulserliöhnng hervor, Symptome, die
sich im Laufe weniger Tage nach Aussetzen des Mittels verloren,
um, sobald mit der Dosis, nachdem Patientin von neuem mit
kleinen Quantitäten begonnen hatte, gestiegen wurde, sofort wieder
in ähnlicher Weise in die Erscheinung zu treten.
Bei einer an Obesität leidenden Patientin wurde kurz vor¬
übergehende, leichte Glykosurie constatirt, die nach dem sofortigen
Aussetzen verschwand, um beim Wcitergebrauchc derselben Quanti¬
täten Thyrojodin nicht mehr aufzutreten.
Ueber meine bei Haut- und Geschlechtskranken ge¬
machten Beobachtungen will ich vorläufig noch nicht berichten,
doch sind weitere Untersuchungen auf diesem Gebiete voll und
ganz berechtigt.
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2
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314
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
In wie weit nun besonders bei der Obesität dein Mittel ein
dauernder Erfolg zugesebrieben werden darf, wird erst die Zukunft
lehren und wäre es verfrüht, schon beute ein eudgiltiges Urtheil
über den Werth, wie über die Iudicationen für dieses Präparat
fällen zu wollen.
Zunächst wird man rein empirisch versuchen, den Wirkungs¬
kreis des Thyrojodins unter steter Berücksichtigung jener oben
geschilderten Nebenerscheinungen vorsichtig kennen zu lernen, wie
aber auch seinen Einfluss auf den normalen Organismus genau zu
studiren.
Aus der Universitäts-Frauenklinik in Kiel.
Kurze Mittheilungen über die Behandlung der Be¬
schwerden bei natürlicher oder durch Operation
veranlasster Amenorrhoe mit Eierstocksconserven
(Ovariin Merck.)
Von Dr. llickard Mond, I. Assistenzarzt.
Die Erfolge, welche bei Fütterung mit Schilddrüsensubstanz
gegenüber den Störungen, die nach krankhafter Veränderung, resp.
nach Entfernung der Schilddrüse aufzutreten pflegen, erzielt
worden sind, legten es nahe, in gleicher Weise auch gegenüber
den Beschwerden, welche dem natürlichen Schwunde der inneren
Genitalien und in noch höherem Grade verstümmelnden Eingriffen
an diesen folgen, einen Versuch mit Organtherapie anzustellen.
Das Material zu diesem, seit dem Sommer vorigen Jahres
begonnenen Versuch verdanken wir der chemischen Fabrik von
E. Merck, Darmstadt, welche bereitwilligst einer Anregung
meines verehrten Chefs, Herrn Prof. Werth, Folge leistete
und geeignete Trockenpräparate aus frischen Kuhovarien her¬
zustellen unternahm. (S. Jahresbericht von K. Merck pro 1895,
pag. 111. Die Darreichung des Mittels geschieht in kleinen,
leicht schluckbaren Tabletten, die zu gleichen Theilen ans Koch¬
salz (0,25) und OvarialSubstanz hergestellt sind. Es wurden uns
von Herrn Merck 3 Präparate zur Verfügung gestellt, zu
deren Zubereitung
1) die Substanz ganzer Ovarien,
2) Eierstocksrindensuhstanz,
3) ein Praecipitat des Follikelinbaltes
in Anwendung gekommen ist.
Die Zahl der Fälle, bei denen das Präparat verabreicht
wurde, ist vorläufig eine kleine; denn da uns zur Feststellung
der Wirkung der Substanz längere Zeit genau durchgeführte
Beobachtung allein massgebend erschien, wurde dieselbe nur solchen
Frauen gegeben, die entweder in der Klinik selbst lagen, oder doch leicht
erreichbar waren, so dass öftere Vorstellung ermöglicht war. Ver¬
suche sind bis jetzt ausschliesslich mit Präparat 1 und 3 gemacht;
letzteres, seiner Beschaffenheit nach jedenfalls am schwächsten wir¬
kend, wurde zumeist den ambulant behandelten Frauen verabreicht.
Die Beschaffung geeigneten Materials war für uns insofern erschwert,
als einerseits schon seit einer Reihe von Jahren die Kastration
bei Myomen vollständig aufgegeben worden ist, anderseits bei
allen Operationen an den erkrankten Adnexen das Bestreben
darauf gerichtet ist, so weit angängig, möglichst etwas Eierstock
zu erhalten, so dass hervorragend schwere Fälle von Sympathicus-
ncurosen fast in Wegfall kamen. — In Berücksichtigung dieser
Umstände würde es noch geraume Zeit gedauert haljen, ehe wir
auf Grund zahlreicher klinisch beobachteter Fälle ein abgeschlossenes
Urtheil über die Wirksamkeit der von uns eingeführten Substanz
hätten füllen können; wir halten es daher an der Zeit, schon
jetzt über die Ovariinbebandlung in Kürze zu berichten, zumal
da auch von anderer Seite, allerdings nur über einen einzigen,
mit frischer Ovariensubstanz behandelten Fall *) Mittheilung
gemacht worden ist.
Wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist, kam das
Präparat, ausser bei Fällen von ganzer oder theilweiser Exstir¬
pation der inneren Genitalien, bei Fällen von natürlichem Klimax,
bei Amenorrhoe auf Grundlage von Atrophie der Genitalien, sowie
bei einem Fall von rudimentärem Uterus mit Hypoplasie der
Ovarien versuchsweise zur Anwendung.
J. N.
u p
Diagnose
Operation
Datum
Verhalten
Verabreichung i
Bemerkungen
Name
der
Operit.
der
Enlla«.
nach der Operation
der Präparate
über die Wirkung derselben
15,523.
27
Gravidit.
Laparoto-
5.
28.
8. XI. 94 Wiedervorstel-
Erhält am 21. VIII. 95 20
126. VIII. 95. Wiedervorstellung: Nach
15,806.
tub. sin.
raie, Ab-
IV.
IV.
lung: Seit der Entlassung
Tabletten ä 0,5 (Substanz ,
wie vor Kopfschmerzen; Wallungen nur
Frau
tragung d.
94
i 94
täglich bis 6 mal Anfälle
des ganzen Ovariums) mit
Abends aufgetreten. Der einzelne Anfall
Sch.
1. grav.
von aufsteigender Hitze
der Weisung täglich 4 Stück
viel schwächer als früher, 2—3 Minuten
Tube u. d.
mit nachfolgendem
zu nehmen.
dauernd, ohne Schweissausbruch. Keine
1. Ovar.
Schweissausbruch, circa 1
Störung des Allgemeinbefindens. Erhält
10 Minuten dauernd 1
40 Tabletten (Substanz ganzer Ovarien).
Abort.
Laparoto-
13.
14.
Schmerzhafter Druck im
3. IX. 95. Einzelne Tage ohne jeden An-
tub. dextr.l
mie, Ent¬
fernung d.
IX.
X.
Hinterkopf. Sexuelle Er-
fall. Kein Kopfschmerz. Guter Appetit,
94
94
regbarkeit vollkommen
guter Schlaf.
r. Adnexe.
herabgesetzt.
12. III. 96. Patientin will in der Zeit nach
Verbrauch der Tabletten wieder von starken
Wallungen belästigt worden sein. Kopf¬
schmerzen, Schwindelgefühl wieder in ver-
.
stärkter Weise aufgetreteD. Bittet um
neuen Vorrath. Erhält 60 Tabletten. (Folli-
|
kelinhalt).
13,488.
29 |
Menor- 1
Exstirpa-
8.
28.
Mit regelmässig 4 wöchent-
14. XI. 95. Erhält 40 Ta-
23. XII. 95. Wiedervoretellung: Angeblich
Frau
rbagie.
tio uteri
I.
I.
liehen Intervallen auf-
bletten (ganzes Ovarium)
in Folge des Präparats häufiges Aufstossen
M.
total.
91
91
tretende Erscheinungen
mit der Weisung, täglich
und Magendruck. Keine Veränderung des
von Hinterhauptsschmer-
4 Stück zu nehmen.
Zustandes. Erhält 40 Tabletten.
zen.Uebelkei t, Ohmn achts-
28. I. 96. Präparat besser vertragen wie
an wandlangen, Wallun gen
früher. Herabsetzung der Hinterhaupts-
mit Röthe des Gesichts
schmerzen; im Uebrigen keine Verände-
und Schweissausbruch,
5—6 mal am Tage, Be¬
einträchtigung der sexu-
rung im Zustande. Wallungen nach wie vor.
25. III. 96. Erhält 40 Tabletten (ganzes
Ovarium).
eilen Sphäre.
Oeftere Vorstellungen im 1
Laufe der nächsten Jahre: i
status idem.
’) F. Mainzer, Vorschlag zur Behandlung der Ausfallserscheinung nach Castration. Deutsche med. Wochenschr., 1896, No. 12.
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7. April 1896.
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
815
J. N.
Name
u 0>
s*
Diagnose
Operation
Dat
der
Oparat.
um
der
Entlass.
Verhalten
nach der Operation
' ' '
Verabreichung
der Präparate
Bemerkungen
über die Wirkung derselben
16,400.^
Frau j
F.
32
Pyosal-
pinx dext
Oophorit.
dext.
Salpingit.
sin.
Extirpa-
tio uteri
totalis per
vaginam.
Salpingo-
oophorek
tomia
dextr. Sal-
pingo-
tomia sin
7.
VIII.
95
31.
VIII.
95
31.X. Seit der Entlassung
fast täglich, besonders
A ben ds mi t starke m H itze-
gefühl und Röthung des
Gesichts einhergehende
Wallungen, oft über eine
Stunde anhaltend. Bei
leichten körperlichen An¬
strengungen Schweissaus¬
bruch.
20. II. 96. Erhält 40 Tablet¬
ten (Follikelinhalt) mit der
Weisung, täglich4—6 Stück
zu nehmen.
8. III. 96. Patientin gibt an, während des
Gebrauchs der Tabletten Erleichterung der
bisher empfundenen Beschwerden bemerkt
zu haben. Wallungen noch öfters am Tage
aufgetreten, höchstens 10 Minuten dauernd.
Erhält 60 Tabletten.
16,490.
Frau
H.
40
Metritis
chron. Re-
troflexio
uteri.
Peri¬
oophoritis
sin.
Exstirpa-
tio uteri
totalis per
vaginam.
! 17.
! ix.
95
8.
X.
95
6. XI. 95. Wiedervorstel¬
lung: Wenige Wochen
nach der Entlassung stark
auftretende Ausfallser¬
scheinungen, Wallungen
mit Röthung des Gesichts,
Mattigkeitsgefühl, Zittern
der Extremitäten, Kopf¬
schmerz, Erscheinungen,
die mehrere Tage anhalten
und in 4 wöchentlichen
Intervallen besonders
stark auftreten sollen.
15.1. 96. Erhält 40 Tablet¬
ten mit der Weisung, 4 bis
6 Stück täglich (Follikel¬
inhalt) gleich beim ersten
Einsetzen der Anfallser¬
scheinungen zu nehmen.
3. II. 96. Gleich am 2. Tage des Gebrauchs
der Tabletten wesentliche Besserung. Ver¬
minderung und Herabsetzung der Wal¬
lungen, besonders Nachlassen der Kopf¬
schmerzen bemerkbar. Guter Schlaf, guter
Appetit. Harn ohne pathologische Er¬
scheinungen. Erhält 60 Tabletten.
15. III. 96. Bittet um neuen Vorrath, da
in den Tagen, an denen das Mittel in
Anwendung kam, ein Nachlassen aller
früheren Beschwerden vermerkt worden
sei. Erhält 60 Tabletten.
16,596.
52
Uterus
myomat.
Metritis
chron.
Perisal¬
pingitis et
Oophoritis
dextr. et
sinistr.
1
Extirpa-
tio uteri
myomat.
per
vaginam.
Salpingo-
oophorek
tomia
dupl.
I
16.
XI.
95
,
i 28.
II.
96
1
In der 3. Woche nach der
Operation erstmaliges Auf¬
treten vonfliegenderHitze,
Röthe des Gesichts und
Sch weiseausbruch, 5-6
mal am Tage, über 10 Min.
dauernd. Gefühl von Un¬
behagen im ganzen Kör¬
per. Kopfschmerz und
Schlaflosigkeit.
'
Erhält vom 8. XII.-14. XII
Anfangs 4, in den letzten
3 Tagen 6 Tabletten ä 0,5
(ganzes Ovarium).
Am 10. XII. nach Verbrauch von 18 Ta¬
bletten Nachlassen der vorerwähnten Be¬
schwerden, freieres Gefühl im Kopf, guter
Schlaf, guter Appetit.
Am 26. I. zeigen sich wieder Ausfallser¬
scheinungen in derselben Weise wie früher.
Vom 26.1.—31.1. täglich 6 Tabletten (a 0,5)
der ganzen Substanz. Am 28.1. Besserung
des Zustandes, kein Hitzegefühl, kein
Kopfschmerz. Täglich Urinuntersuchung,
kein pathologisches Verhalten des Harns,
keine Nebenerscheinungen. Am 30. I.
Nachts zum 1. Male wieder schwache W'al-
lungen. Patientin hat nach der Entlassung
brieflich um Tabletten gebeten.
Amb.
3668
Frau
D.
45
Molimina
climacte-
rica.
2. II. 96. Vorstellung. Nor¬
maler Genitalbefund. In
den letzten Monaten un¬
regelmässig ganz schwach
auftretende Menses. Kla¬
gen über abendlich auf¬
tretende Wallungen,
Angstgefühl, Herzklopfen,
Schwäche in den Gliedern,
Schlaflosigkeit, häufiger
Kopfschmerz.
|
Erhält am 2. II. 96 50 Ta¬
bletten (Follikelinhalt) mit
der Weisung, täglich 4 St.
zu nehmen.
19. II. 96. Wiedervorstellung. Ohne jede
Nebenerscheinungen deutliches Nachlassen
der früher geklagten Beschwerden. Nach¬
lassen des HitzegefUhls. Verminderung der
Kopfschmerzen; guterSchlaf, guter Appetit.
Erhält 50 Tabletten. (Follikelinhalt!).
11. III. 96. Wiedervorstellung. Anhaltend
gutes Befinden seit Gebrauch des Mittels.
Patientin will sich in den letzten Jahren
nie so gut gefühlt haben wie in den letzten
Wochen seit Gebrauch des Mittels. Er¬
hält 50 Tabletten.
25. III. 96. Völliges Wohlbefinden. Kein
Kopfschmerz, keine Wallungen bemerkbar,
wenn die Tabletten genommen werden.
Erhält 40 Tabletten (ganzes Ovarium).
Amb.
3615.
Frau
Sch.
43
Molimina
climacte-
rica.
Vorstellung am 7. II. 96.
Letzte Menses vor 7 Mo¬
naten. 8eit dem Sistiren
der Menses fast täglich
Ohnmachtsanfälle, Schwä¬
chegefühl nach jeder kör¬
perlichen Anstrengung,
abendliche Wallungen 5
bis 6 Minuten dauernd,
Rückenschmerzen.
Erhält am 7. II. 50 Ovariin-
tabletten (Follikelinhalt),
täglich 4 Stück zu nehmen.
i
13. III. Wiedervorstellung. Rücken¬
schmerzen noch vorhanden. Tabletten
ohne Verdauungsstörungen gut vertragen.
Patientin will eine Herabsetzung der
früheren Beschwerden bemerkt haben;
besonders Nachlassen der Kopfschmerzen
und der früher täglich aufgetretenen
Wallungen.
16,559.
Frl.
K.
22
Amenor¬
rhoe. Atre-
sia vagin.
Hypo¬
plasie des
Uterus
und der
Ovariea
!
21. X. 95. Seit 3 Jahren
anhaltendes Schwächege¬
fühl, Herzklopfen, Druck¬
gefühl auf dem Kopf,
Schlaflosigkeit, Hang zur
Einsamkeit. Verstim¬
mung, 7—8 mal am Tage
auftretendes Hitzegefühl,
jedesmal fast 2 Minuten
ohne Schweissausbruch
anhaltend. Alle diese Be¬
schwerden treten in 4-
wöchentlichen Intervallen
einige Tage in verstärktem
Maasse auf.
22. X. 95 Beginn der Ovariin-
behandlung mit 2 Pillen
ä 0,5 anfangend (ganzes
Ovarium), wird bis zu 4—6
Pillen (ä 0,5) täglich ge¬
stiegen und die Behand¬
lung bis zum 29. XI. 95
fortgesetzt.
22. X. — 28. X. Oefters Klagen über
Magendrücken und Aufstossen nach dem
Genüsse der Tabletten. Tägliche Wallungen
nach wie vor, Herzklopfen, Schlaflosigkeit.
Vom 29. X. allmählich Erleichterung
der Beschwerden, Appetit und Schlaf
bessert sich, weniger Kopfschmerzen, kein
Herzklopfen mehr; nur ganz vorübergehend
an einzelnen Tagen kurze Wallungen,
einige Secunden andauernd. Gewichts¬
zunahme.
29. XI. Entlassung. Seit den letzten
L4 Tagen keinmal mehr von Wallungen
befallen, kein Kopfschmerz, gute Stimmung.
Digitized by
Google
(
316
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 14.
J . N.
Name
16,708 ! 31
Frau j
E.
Diagnose
Amenor¬
rhoe.
Neur¬
asthenie.
14,888.
Frau
R.
Privat
3026.
29
38
Frau
L.
Operation
I 4. I. 96. Bis August 95
[ regelmüssig menstruirt.
i Reit dem Ausbleiben der
| Menses Klagen über
Schwäche, häufig auftre¬
tenden Kopfschmerz, Ap¬
petitlosigkeit, häufig Ver¬
stimmung
j Am 24 IV. 93 wurde Pa-
(tientin wegen Metrorrha-
| gien in der Klinik der
j Abrasio mucosae uteri
! unterzogen. Seit der Ent¬
lassung Menses stets un¬
regelmässig, öfters mit
mehrmonatlichen Inter¬
vallen stets sehr schwach.
Beträchtliche Zunahme
des Körpergewichts. Oef-
ters Gefühl von aufsteigen¬
der Hitze, Flimmern vor
den Augen, Zittern und
1 Fliegen der Extremitäten,
j Erscheinungen, die beson-
: ders stark zur Zeit wo die
! Menses erwartet werden,
| sich eingestellt haben.
j Seit 1892 vcrheirathct; vor
der Verheirathung Menses
i regelmässig 4 wöchentlich
1 4—5 Tage lang; in den
ersten Tagen der Ehe sta
tus idem. Dann allmäh¬
liches Schwächerwerden
1 der Menses. Auftreten mit
mehrmonatlichen Inter¬
vallen, viel Kopfschmer-
jzen, viel aufsteigende
! Hitze, Schweissausbruch.
Letzte M. vor 6 Monaten
Datum
der ! der
Opera!. Entlass.
Verhalten
nach der Operation
Verabreichung Bemerkungen
der Präparate j über die Wirkung derselben.
4.1. Beginn der Ovariin- | Tabletten von Beginn an gut vertragen.
! Behandlung. In den ersten 1 Vom 10.1.—13.1. Menses zum ersten Male
Tagen erhält Patientin täg seit August 95, mittelstarker Blutverlust,
lieh 4, später, mit Aus Wohlbefinden der Patientin,
nähme weniger Tage, täg- . 12. II. Entlassung. Appetit, Schlaf
lieh 6 Tabletten u 0,5 gut, kein Kopfschmerz, gute Stimmung,
(ganzes Ovarium). | Gewichtszunahme.
Erhält am 26.1. 60 Tablet¬
ten mit der Weisung, täg-]
lieh 4 Stück (Follikelinhalt) 1
zu nehmen.
20. II. Wiedervorstellung. Tabletten
gut vertragen. Seit Gebrauch des Mittels
von der aufsteigenden Hitze, sowie von
den anderen vorerwähnten Erscheinungen
nichts mehr bemerkbar. Menses noch
nicht wieder eingetreten. Erhält 60 Ta¬
bletten.
Erhält am 15.1. 40 Tnblet- \ 30. I. 96. Wiedervoretellung. Angeblich
ten mitderWeisung, iStück : in der ersten Woche nach Gebrauch des
täglich zu nehmen. ] Mittels eigentümliche Empfindungen im
i Kopfe, die Patientin mit dem Gebrauche
des Präparates in Zusammenhang bringt
Aufsteigende Hitze in geringerem Grade
I aufgetreten als früher, im Uebrigen deut-
! liehe Wirkung der Tabletten nicht sichtbar.
Ein ahscli lies. sch dos Urtheil lässt sich natürlich über
das neue Präparat und seine Wirksamkeit durchaus noch nicht
fallen ; jedenfalls ermutigen uns jedoch die Resultate, die bis
jetzt bei den mit der Substanz behandelten Kranken vorliegen,
mit der Anwendung fortzufahren und späterhin in ausführlicherer
Weise darüber zu berichten. Zweck dieser vorläufigen Mitteilung
ist der, in weiterem Kreise auf unser neues Verfahren aufmerksam
zu machen und durch diese Anregung zu weiteren Versuchen
Veranlassung zu geben.
Ueber die Verwendung der Röntgen - Strahlen zur
Diagnose der Arteriosklerose').
Von G. IIoppc -Seyler in Kiel.
Seit der Entdeckung der R ö n t g e n - Strahlen sind zahlreiche
Versuche gemacht worden, dieselben für tnedicinischo Zwecke dienst¬
bar zu machen, und manches Ergehniss ist schou erzielt, so dass
man jetzt schon einigeriuasscu zu übersehen im Stande ist, was die
neue Methode für die Diagnostik zu leisten vermag und wo ihre
Grenzen liegen.
Auf die Versuche, das Knochenskelett am Lebenden sichtbar
zu machen , folgte bald der Nachweis von Knochendifformitäten,
von Fracturen, Luxationen, Tumoren an denselben. So berichteten
u. A. König 2 ) über den Nachweis maligner Knochentumoren,
Leo 8 ), Neusser, Petersen 4 ) auch über die Durehlüssigkcti
verschiedener ('oncremente für die betreffenden Strahlen etc. Reim
Rekanntwerden der Entdeckung von Röntgen dachte ich daran
zu untersuchen, ob in Folge von Arteriosklerose verkalkte Gofäss-
wändc etwa sieh ähnlich wie Knochen verhalten, also ein Hinder¬
niss für die Passage der Strahlen abgeben würden. War dies der
Fall, so konnte es gelingen, Arteriosklerose in der Tiefe dicker
*) Zum Theil nach einem im physiologischen Verein in Kiel
am 17. Februar 1896 gehaltenen Vortrag. Mit 1 Tafel.
2 ) Berl. klin. Wochensclir. 1896 S. 150.
3 ) Berl. klin. Wochenschr. 1896 S. 160.
■*) Münch, med. Wochenschr. 1896 No. 6.
Weichtheilmassen da nachzuweisen, wo die Palpation kein Resultat
mehr ergab. Pass die normale Gefässwand kein llindcrniss für
die Strahlen abgibt, zeigten die betreffenden Rildcr von normalen
Extremitäten.
Zu dem ersten Versuch benutzte ich den amputirten Unter¬
schenkel eines Mannes mit starker Arteriosklerose.
Fritz C., 68 J. alt, befindet sich seit Jahren im Armenhause.
Reit mehreren Jahren leidet er an einer häufig recidivirenden Ge¬
schwulst des linken Calcaneus. Dieselbe wurde zum zweitenmal
am 8. November 1895 exstirpirt und erwies sich, während sie vorher
den Bau eines Fibroms gezeigt, nun als ein Fibrosarkom. Die
Wunde heilte nur theilweise, es kam wieder zum llecidiv und zu
einer Metastase in Gestalt eines haselnussgrossen Knotens an der
linken Wade.
Es war daher die Amputation des linken Unterschenkels noth-
wendig, welche ich am 4. Februar vornahm, etwa handbreit unter
dem Knie. Zirkelschnitt, Zurückpräpariren des Hautlappens; bei
Durchtrennung der Weichtheile zeigten sich die Arterien stark ver¬
kalkt, so dass sie umstochen werden mussten. Die Heilung ging
gut von statten, so dass nur z. Z. eine kleine granulirende Stelle
noch vorhanden ist.
Am 10- Februar wurde dann der Unterschenkel, welcher in
Chloralhydratlösnng aufbewahrt war, noch frische Färbung der
Museulatur und keine Veränderung in seinem Volumen zeigte,
im physikalischen Institut hier unter Leitung von Ilerru Professor
Ebcrt durch Herrn Roas, denen ich für ihre freundliche Unter¬
stützung sehr zu Dank verpflichtet bin , etwas über eine Stunde
den R ö n t g c n strahlen ausgesetzt. Das Object war so gelagert,
dass die Strahlen durch die dicke Waden museulatur hindurch von
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^ y3 />.),f
Beilage zu Na. Li der Münchener Medicinischen Wochenschrift.
Zu Hoppe-Seyler: Ueber die Verwendung- der Röntgen-Strahlen
zur Diagnose der Arteriosklerose.
Verlag von J. F. LEHMANN in München
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7. April 1896.
817
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
hinten her den Zwisehenknuclienruuin passimi mussten. So konnten
die beiden Tibialartericn, unbehindert durch Knochen, getroffen
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Beilage zu No. 11 der Münchener Medicinischen Wochenschrift. \
Zu Hoppe -Seyler: Ueber die Verwendung’ der Röntgen-Strahlen
zur Diagnose der Arteriosklerose.
einem anatomischen Präparate hat dies schon Hubert versucht
und die Verkalkung deutlich wenig durchlässig gefunden, aber
sowohl wegen der l eberlagerung^dureh
ier Dicke der ganzen zu durchstrahlen-
i. Bisher ist es auch noch nicht ge¬
llten bei Durchstrahlung des Rumpfes
ersuche zur Feststellung der Verwert h-
Strahlen für mediciniseh-chirurgisehe
er Mediciualubth. des König), preuss.
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Verlag von J. F. LEHMANN in München
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guter Bilder. Von besonderem Interesse würde es jedenfalls sein,
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sbach bei München.
• des rechten Centrum semiovale,
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:, Rentier, wurde am 2. Juli v.*Js. von
ng in meine Anstalt gewiesen.
■n lang immer sehr gesund gewesen,
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und mehrmals wurde bemerkt, dass
Karten aus der linken Hand fielen.
nun eine bedeutende Schwäche im
sich so sehr steigerte, dass Patient seit
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>, dass das linke Bein schwer beweglich
chenkels herauf stark geschwollen war.
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ten und das Aussehen waren vor-
»rdnet und das linke Bein hochgelagert,
die Schwellung ab und die Beweglich-
:hwerbewpglichkeit für bedingt durch
en hätte, wenn nicht die Mittheilungen
1 des Hausarztes des Kranken, Herrn
Sicherheit erwiesen hätten, dass zuerst
(in Folge einer von Laienhand aus-
rabose entstanden war.
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a eine kleine Apoplexie der rechten
n Folge Gefüssthrombose entstandenen
Stelle. Der weitere Verlauf war nun
» wesentlich abgeschwollen und beweg
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Tage war das Bein bedeutend stärker
fine Thrombose der ganzen Vena sa-
dass wieder absolute Bettruhe noth-
, also 23 Tage nach der Aufnahme,
im linken Arm und im linken Bein
d stärker als im Arm Direct darauf,
Minute, war die Beweglichkeit und
rmal, im linken Bein stark beschränkt;
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md frei.
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ials, ohne dass irgend welche Paresen
; vom 6 August trat aber ein heftiger
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izen linken Facialisgebiet, im linken
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linke Körperliälfte in dauernder Be¬
il »ei stark nach rechts gedreht, während
’mig nach links standen. Zeitweise
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ging, das Bewusstsein dauernd
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Ueber die Verwendung der Rönl
Diagnose der Arteriosk
Von G. Hoppe - Sci/ler i
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Bekanntwerden der Entdeckung von B ü n t
zu untersuchen, ob in Folge von Arteriosk
wände etwa sich ähnlich wie Knochen verl
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Fall, so konnte es gelingen, Arteriosklen-
*) Zum Theil nach einem im physioi
am 17. Februar 1896 gehaltenen Vortrag.
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7. April 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
317
hinten her den Zwiselienkuoulienraiuii pasMien mussten. So konnten
die beiden Tibialarterien, unbehindert durch Knochen, getroffen
werden. Zwischen der Platten-!'asscttc und denselben lag dann
die Museulatur der Extensoren. Die Dicke der Wademnusculatur
über dein Zwischen knochenrauin betrug etwa 5 cm , die der Ex-
tensoremnuseulatur 3 cm. Auf der Platte sieht mau die beiden
Knochen als ein breiteres und ein schmäleres Band von heller
Farbe, zwischen ihnen eine dunklere Zone, den Zwischenknochen¬
raum. Diese zeigt nun zwei hellere, geschlängelte, schmale Bänder,
von denen das eine später unter der Tibia verschwindet. Auf
der Copie sicht man den hellen Partien entsprechende dunkle
Massen und Streifen, das Bild der Arterien zeigt ausser Aus¬
buchtungen und Schlängelung verschieden starke Dunkelfärbung,
je nach der Stärke der Kalkeinlagerung, auch ist dasselbe von
dunkleren Streifen begrenzt, während die Mitte heller erscheint.
Die beistehende Abbildung gibt dieses Vcrhältniss cinigermassen
wieder, doch treten die Einzelheiten auf einer directcn photogra¬
phischen Copie viel schöner hervor. Die Platte hatte eine Grösse
vou ]8:24 cm, die Abbildung gibt nur einen Theil derselben
wieder. Ferner zeigt das Bild noch eine Brücke zwischen Tibia
und Fibula von dunkler Farbe auf der Copie; in der Nähe der
Tibia verläuft ein hellerer Streifen durch sie hindurch. Es ist
das die Stelle einer alten Fractur, die zu einem starken ver¬
knöcherten Callus zwischen den Knochen geführt hat. Patient
hatte davon gesprochen, doch war es nicht möglich, die Stelle
von Aussen durchzufühlen. Endlich sieht man , dass da, wo die
Haut dem Unterschenkel fehlt, also im oberen Theil, und da, wo
die Metastase herausgeschnitten war, die Strahlen viel besser durch¬
gegangen waren. Man kann so die Lage des Zirkclschnitts deut¬
lich feststellen. Es ist also die Haut ein gewisses Hinderniss
für die Durchstrahlung. Sonst ist an den Weichtheilen keine
Differenzirung nachzuweisen.
Es könnte ja nun überraschen, dass eine so dünne Ivalk-
schieht, wie sie sieh in den arteriosklerotischen Gelassen befindet,
schon ein so bedeutendes Hinderniss für die Rön t gen - Strahlen
abgibt. Alter man muss dabei berücksichtigen, dass dieser Kalk
sehr compact ist, während ein grosser Theil des Knochens spon-
giös zu sein pflegt und das Knochengewebe auch die Knochen¬
kanälchen etc. enthält, Bestandteile, welche leicht durchlässig sind.
Auch am Lebenden haben wir dann derartige Versuche ge¬
macht, und zwar bei einem 74 jährigen Arbeiter, Detlef I'., welcher
seit 4. September 1895 im Krankenhause sich befand wegen Em¬
physem, Bronchitis und Magendarmkatarrh. An der Kadinlis und
Brachialis, sowie an den kleineren Arterien des Kopfes und der
Füsse zeigte er deutliche. Schlängelung und harte Verdickung der
Wandung. Nachdem bei kürzerer Durchstrahlung der Hand kein
gutes Resultat erhalten war, sondern nur die Knochen einiger-
rnassen hervortraten, wurde die Hand etwas über eine halbe Stunde
durchstrahlt. Auf der so gewonnenen Platte sieht man deutlich
neben dem Metacarpus V an dessen Innenseite einen etwa strick-
nadeldiekcn Streifen entlang verlaufen, der anf der Platte beinahe
so hell wie der Knochen ist, auf der Copie dunkel erscheint mit
einem helleren Streifen in der Mitte. Es handelt sich wohl um
einen Ast der Art. ulnaris, der zum kleinen Finger zieht, am
Capituluni des Metacarpus verschwindet und auch am Carpalende
zum Theil verdeckt ist. Ausserdem sieht man einen kurzen ähn¬
lichen Streifen Uber das os hamatum zum Theil wegziehen und
zwischen den beiden letzten Mctaearpalknoehen verschwinden. An
der Radialseitc der Handwurzel sind noch einige zweifelhaftere,
dunkle, geschlängelte Bänder in der Copie zu sehen, die vielleicht
\ erzweigungen der Art. radialis entsprechen. Wahrscheinlich ist
übrigens die Verkalkung in den verschiedenen Theilen der Hand
an den Arterien eine ungleiche. Da durch die Palpat’on kein
Aufschluss darüber zu erhalten war, so muss das in suspenso
bleiben, während an dem amputirten Unterschenkel durch Prä¬
paration die Lage und die Verkalkung der Gefässe sich genau
feststellen liess.
Bei grösseren, stark pulsirenden Gefüssen mag auch die da¬
durch entstehende Bewegung hinderlich sein für die Erlangung
guter Bilder. Von besonderem Interesse würde es jedenfalls sein,
auf diese Weise Verkalkung an der Aorta nachzuweisen. Bei
No. 14.
einem anatomischen Präparate hat dies schon II über "M versucht
und die Verkalkung deutlich wenig durchlässig gefunden, aber
heim Lebenden wird dies sowohl wegen der Ucberlagcrung^durch
Knochen, als auch wegen der Dicke der ganzen zu durchstrahlen¬
den Schicht schwer gelingen. Bisher ist es auch noch nicht ge¬
lungen, gute Bilder zu erhalten bei Durchstrahlung des Rumpfes
Erwachsener (vergl. auch Versuche zur Feststellung der Verwerth-
barkeit Rön tgen'scher Strahlen für medicinisch-ehirurgische
Zwecke, mitgcthcilt von der Medieinalabth. des König!, preuss.
Kriegsministeriums, Berlin 1896).
Doch lässt sich erhoffen, dass bei Verbesserung der Methoden
auch dies noch zu erreichen sein wird und damit ein wichtiges
Hilfsmittel der Diagnostik innerer Krankheiten an die Hand ge¬
geben wird.
Neuropathologische Mittheilungen.
Von Dr. Rudolf von Hoesslin, dirig. Arzt der Curanstalt
Neuwittelsbach bei München.
III. Subeorticaler Tumor des rechten Uentrum semiovale.
Complete linksseitige motorische Lähmung.
Herr J. S., 70 Jahre alt, Rentier, wurde am 2 Juli v.'Js. von
Herrn Dr. Beiseie in Tutzing in meine Anstalt gewiesen.
Patient war sein Leben lang immer sehr gesund gewesen.
Im Verlaufe des letzten Jahres waren wiederholt ganz leichte
Schwindelanfälle aufgetreten und mehrmals wurde bemerkt, dass
beim Kartenspielen einige Karten aus der linken Hand fielen.
Vor 14 Tagen machte sich nun eine bedeutende Schwäche im
linken Bein bemerkbar, die sich so sehr steigerte, dass Patient seit
5 Tagen gar nicht mehr gehen kann.
Die Untersuchung ergab, dass das linke Bein schwer beweglich
und bis zur Mitte des Oberschenkels herauf stark geschwollen war.
Die thrombosirte Vena poplitea war als harter Strang zu fühlen
und sehr druckempfindlich. An der Herzspitze war ein lautes
systolisches Geräusch zu hören, sonst keine objectiven Veränder¬
ungen. Das Allgemeinbefinden und das Aussehen waren vor¬
trefflich.
Es wurde Bettruhe verordnet und das linke Bein hochgelagert.
Nach wenigen Tagen nahm die Schwellung ab und die Beweglich¬
keit zu, so dass ich die Schwerbeweglichkeit für bedingt durch
die Venenthrombose angesehen hätte, wenn nicht die Mittheilungen
des Herrn Dr. Bei sei e und des Hausarztes des Kranken, Herrn
Dr. Feilerer, mit absoluter Sicherheit erwiesen hätten, dass zuerst
die Parese und dann erst (in Folge einer von Laienhand aus¬
geführten Massage) die Thrombose entstanden war.
Bei dem hohen Alter des Patienten handelte es sich aller
Wahrscheinlichkeit nach um eine kleine Apoplexie der rechten
Hemisphäre oder um einen in l*’olge Gefässthrombose entstandenen
Erweichungsherd an gleicher Stelle. Der weitere Verlauf war nun
folgender:
Nachdem das linke Bein wesentlich abgeschwollen und beweg¬
licher geworden war, wurde dem sehr ungeduldigen Patienten, der
sich ganz wohl fühlte, 14 Tage nach der Aufnahme gestattet, etwas
aufzusitzen und das Bein mehr zu bewegen. Das ging auch ganz
gut, aber schon am nächsten Tage war das Bein bedeutend stärker
geschwollen und es wurde eine Thrombose der ganzen Vena sa¬
phena magna constatirt, so dass wieder absolute Bettruhe noth-
wendig wurde. Am 25. Juli, also 23 Tage nach der Aufnahme,
traten plötzlich Convulsionen im linken Arm und im linken Bein
ein, im linken Bein bedeutend stärker als im Arm Direct darauf,
der Anfall dauerte nur eine Minute, war die Beweglichkeit und
Kraft im linken Arm ganz normal, im linken Bein stark beschränkt;
nach wenigen Minuten war auch die Kraft im linken Bein wie vor
dem Anfall. Sensorium dauernd frei.
Nun wiederholten sich diese clonischen Zuckungen in den
darauffolgenden Tagen mehrmals, ohne dass irgend welche Paresen
zurückblieben. In der Nacht vom 6 August trat aber ein heftiger
Anfall ein. Die ganze linke Körperhälfte war von heftigen clonischen
Zuckungen befallen. Im ganzen finken Facialisgebiet, im finken
Arm und im finken Bein waren die Convulsionen von gleicher
Heftigkeit, so dass die ganze finke Körperhälfte in dauernder Be¬
wegung war. Der Kopf war dabei stark nach rechts gedreht, während
die beiden Bulbi in Zwangssteliung nach links standen. Zeitweise
traten kleine Pausen oder wenigstens ein Nachlass der Zuckungen
ein, aber schon nach Minuten verstärkten sie sich wieder und
dauerten so über 4 Stunden an. Dabei war, wie aus den Ver¬
suchen des Kranken, zu reden, hervorging, das Bewusstsein dauernd
erhalten. Nachdem der Anfall ungefähr 2 Stunden gedauert hatte,
war der Patient imstande, mit Flüsterstimme etwas zu sagen, er
klagte über die enorme Anstrengung, die ihm die Zuckungen
s ) Berl. klin. Wochenschr. 1896 S. 190.
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318
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
machten, verlangte nach Wasser, konnte aber sehr schwer schlucken.
Als der /mfall vorüber war und die Zuckungen nacli und nach
schwächer und seltener wurden und zuletzt ganz aufhörten, war die
ganze linke Körperseite. Facialis inbegriffen, völlig gelähmt. Auch
war Patient von diesem Augenblick an absolut aphonisch und der
linke Hypoglossus war gelähmt.
Es war also eine complete linksseitige Paralyse eingetreten.
Ein Versuch, den Augenhintergrund zu untersuchen, missglückte
mir wegen des beiderseitigen Kataraktes. Die Kehlkopfuntersuchung
war wegen der Unmöglichkeit des Patienten, den Mund genügend
zu öffnen und die Zunge herauszuhalten, leider auch nicht ausführ
bar. Es bestand jelenfalls Stimmbandparese. In den nächsten
Tagen traten noch mehrmals leichte Zuckungen im linken Arm
und im linken Bein auf. Die motorische Lähmung blieb völlig
unverändert. Die Thrombose der linken Saphena pflanzte sich noch
weiter nach oben in die Vena cruralis und iliaca fort, der Kranke
fing an. immer apathischer und marantischer zu werden, es stellten
sich leichte Delirien und Hallucinationen ein und am 22. September
trat der Tod an Lungenödem ein, ohne dass noch neue Herd¬
erscheinungen dazu getreten wären.
Nach dein Krankheitsverlauf' hatte ich mir folgendes ana¬
tomische Bild gemacht. Bei dem Patienten hatte sich in Folge
der Altersveränderung der (ich irngefas.se eine Thrombose der (lefässe
im Gebiet der rechten Oentrahvindungen, resp. der benachbarten
Marksubstanz entwickelt; im Anschluss an die Thrombose war
daselbst ein Erweichungsherd entstanden, in dessen Umgehung
gelegentlich eine grössere Blutung in die Hirnrinde oder die .Mark¬
substanz entstanden war. Auf eine derartige Blutung bezog ich
den heftigen convulsiven Anfall vom 6. August mit der nach
folgenden Lähmung der ganzen linken Kür|>erhälftc.
Die am 23. September von Herrn Dr. Dürck (k. patlml.
Institut^ vorgenommene Seetion ergab nun einen dieser Auffassung
nicht völlig entsprechenden Befund, dessen wesentlichen Inhalt
ich folgen lasse.
Im rechten Centrum semiovale, auf die Oberfläche projicirt,
entsprechend dem Gyrus centralis, prae- und postcentralis ein über
wallnussgrosser, ziemlich derber, schmutzig braunrother Knoten, in
dessen Umgebung sich kranzförmig zahlreiche Capillarapoplexieen
zeigen; die innersten Partieen des Knoten sind theilweise breiig
erweicht. Hinter dem Tumor die weisse Substanz im Zustand
citronenfarbenen Oedems, Die graue Rinde wird weder von dem
Tumor, noch von den hämorrhagisch durchsetzten oder erweichten
Partieen an irgend einer Stelle erreicht. Metastasen waren nicht
vorhanden. Die mikroskopische Untersuchung des Tumors erwies
denselben als ein sehr gefässreiches Spindelzellensarkom, in dessen
Umgebung die Hirnsubstanz sich im ZuBtand der Nekrose befand.
Also was die Loealisation des Herdes betrifft, wurde die
klinische Diagnose durch die .Seetion bestätigt, nicht aber in Bezug
auf die Natur des Herdes. Während ich einen Erweichungsherd
rcspcctivc eine Blutung erwartet hatte, war der Syuiptoncmomplex
durch eine Neubildung bedingt gewesen.
Es wird immer sehr schwer sein, unter gleichen Umständen
die richtige Diagnose zu machen. Das hohe Alter des Patienten,
die vorausgegangenen leichten ^cbwindclanfälle und rasch vorüber¬
gehenden Paresen, endlich die unter heftigen ('onvulsionen plötzlich
entstellende complete Paralyse, Hessen ebenso wie die bestehende
Thrombose der Sehenkelvenen an eine Gefässcrkrankung mit Blut¬
austritt denken, während für eine langsam wachsende Gehirn¬
geschwulst aber auch gar keine Anzeichen vorhanden waren.
Auch ist längst bekannt, dass Erweichungsherde und Blutungen
im Gehirn Convulsiouen und epileptische Anfälle erzeugen, wenn
sie in der Gegend der Centralwindungen oder der von diesen
umgebenen Marksubstanz ihren Sitz haben. So beschrieb erst
vor Kurzem Muratow (D. Zeitschrift f. Ncrvenkrankli. VIII.
p. 97) einen solchen Fall, in welchem ein Erweichungsherd im
unteren Dritttheil der rechten hinteren Centralwindung cionische
und tonische Zuckungen der linken Körperhälfte und Lähmung
dieser Seite neben selteneren allgemeinen epileptischen Krämpfen
hervorgerufen hatte.
Es sprachen also alle Erwägungen für einen Erweichungsherd
und gar keine Umstände für einen Gehirntumor. Dass doch ein
solcher vorhanden war, zeigt, wie vorsichtig wir in der Diagnose
sein müssen und dass selbst bei scheinbar klar liegenden Fällen
Ueberraschungeu durch die Autopsie nicht immer erspart bleiben.
Zur pathogenen Wirkung des Bacillus Friedlaender. —
Ein Fall von acut metastasirender Allgemeininfection
nach Otitis media und Empyem des Proc. mastoides.
Von Dr. Conrad Brauner ,
Chefarzt des Kantonsspitals Mttnsterlingen.
(Schluss.)
In seiner umfassenden Monographie über <I>ie otitischen
Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute und der Blut¬
leiter (1896) berichtet Körner über die bisherigen Ergeb¬
nisse der bactcriologisehen Untersuchung dieser Proeessc zusammen-
fassend Folgendes : Nach den Untersuchungen von Moos, Zaufal
und Anderen scheint es, dass alle Mikroorganismen , welche Ohr¬
eiterungen Hervorrufen, auch den Schädelinhalt inticiren können.
Macewcn fand als Erreger otitischer intercranieller Eiterungen
am häutigsten Streptococcus pyogenes oder Staphylo-
(•oceus pyogenes aureus, in einzelnen Fällen auch albus
und ei treu s, doch diese stets mit aureus oder mit Strepto¬
coccen zusammen; einmal enthielt der Eiter aus Ohr- und Hirn-
absecss Beineulturen des Bacillus pyogenes foetidus, ein¬
mal den Diplococcus pneumoniae (Fränkel). Da. sich
häutig zu dem primären Erreger einer Eiterung im Ohr- und
Schläfenbeine im weiteren Vorlaufe andere Mikroorganismen ge¬
sellen, welche die ersten Krankheitserreger unter Umständen über-
wucliern, so können auch diese, sofern sic nicht lediglich Sa pro-
pliyten sind, zur Entzündung des Hirns, der Hirnhäute und Blut-
leiter führen. Die weitere Forschung wird zeigen, ob und wie
die Art, die Verbreitung, der Verlauf und der Ausgang dieser
Krankheiten bei den einzelnen Infectionskeimen verschieden ist.
Die vorhandenen wenigen Befunde gestatten jedoch zur Zeit noch
keine Schlüsse in irgend einer der erwähnten Richtungen.
Von der Paukenhöhle aus wurde die Infection auf die
Knochenzellen des Proc. mastoides fortgeleitet; dasellwt kam es
in einem Stadium, in welchem der Eiterabfluss aus dem Gehör¬
gang fast versiegt war, zur Bildung eines Abscesses, der sich
unter Schmelzung der Knoclienscpta rasch vergrösserte. Dieses
Empyem des Warzenfort.satz.es üusserte sich klinisch objeetiv
in heftigen Entzündungserschein ungen des W eich theil Überzuges,
ohne dass dabei die Knochcnkapscl vom Eiter durchbrochen war.
Durch die Trepanation der ('orticalis erst wurde der unter starkem
Druck stehenden Eiterretention Luft gemacht. Dieser operative
Eingriff war nur vorübergehend von Erfolg begleitet. 5 Tage
nach der Operation sehen wir von Neuem bedrohliche Erschei¬
nungen auftreten, welche die Annahme einer weiteren Propagation
der rnfectionserreger als gewiss erscheinen Hessen. Acut stellen
sich die Symptome von Meningitis ein, sowie auch Zeichen
der Allgemeininfection: Schüttelfröste, sehr hohes Fieber,
Eiterflecken im Urin! Die M e n i n g i t i s war die nächste Haupt-
Etappe der Infection. Auf welchem Wege wurden vom Heerde
im Warzen fort satze die Infektionserreger hieher geleitet 1 ? Be¬
kanntlich kann von der Brutstätte der Otitis aus der Weiter¬
transport der Keime in die Schädelhöhle auf verschiedenen Bahnen
.stattfinden 3 ). Am häufigsten erfolgt die Propagation von E i -
terungen aus dem Warzonfortsatz auf Hirnhäute, Blut¬
leiter und Hirnsubstanz durch Erkrankungen des Knochens, die
sich direct bis zur Dura und den Blutleitern ausbreiten, die Dura
und die Sin us wände vom Knochen abheben und in Entzündung
versetzen 4 ). Der Befund bei der Autopsie lässt auch hier diesen
Vorgang als den wahrscheinlichsten annehmen. Erscheinungen,
welche vor Eintritt der Meningitis oder zur Zeit, da diese schon
bestand, aufSinusthrombo.se hätten schliessen lassen können,
waren nicht vorhanden. Die Indication zu weiterem operativen
Eingreifen — Entleerung der Thrombose war also nicht gegeben.
Als die menin,gitischen Symptome schon deutlich vorhanden waren,
wie dies der Fall war, als ich den Kranken wieder sah, konnte
3 ) Vgl. hierüber die umfassenden Darstellungen von Sch wartze
Chirurgische Krankheiten des Ohres, pag 409. Jansen. Erfahrungen
über Hirnsinusthrombosen etc. Volkmann's Vorträge 1895. No. 130.
Körner, Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute etc.
II. Auflage. 1896.
4 ) Körner 1. c. pag. 16.
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319
i
♦
i
I
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
7. April 1896.
von einer weiteren Operation mit Aussicht auf Erfolg nicht mehr
die Rede sein.
Mit der Invasion der Bacillen in den venösen Sinus war zu¬
gleich die Möglichkeit zum Transj>ort durch den allgemeinen Kreis¬
lauf und zur Ktabhrung der lufectionserreger in entfernten Körper¬
organen gegeben. Wir sehen frühzeitig eitrige Metastasen
in den Haupt-Ausscheidungsorgancn, den Nieren entstehen un.d
sich klinisch manifestiren. Die ei terer regen de Wirkung der
Bacillen gelangte nur im primären Heerde, sowie bei Ktab-
lirung der Keime in den Meningen und in den Nieren zur
Geltung. Die Meningitis ist als Continuitätsinfection aufzu¬
fassen; hieher gelangten die Keime jedenfalls in sehr grossen
Mengen. Die Nieren fingen als Hauptbacterienfilter die im
Blute kreisenden Bacillen auf; in diesem Prädilectionsurgane
blieben die letzteren frühzeitig in den (,'apillarschlingen, wohl
vernehmlich der Glomeruli haften. ln den übrigen Organen,
»iKJcicll der Milz, sehen wir unter der Wirkung der Bacterien-
invasion keine Eiterheerde, sondern nur parenchymatöse
Schwellung auftreten. Zur Erklärung dieser verschiedenen
Organreaction müssen die verschiedene anatomisch-physiologische
Beschaffenheit der Gewebe, speeicll der Gefüssanordnung, die
ungleichen mechanischen Bedingungen für das Haftenbleiben der
Organismen, sowie die ungleiche chemische Dignität der Organe,
die verschiedene chemische Action ihrer Zellen den Mikrohien
gegenüber in Betracht gezogen werden. Wahrscheinlich ist, dass
bei längerer Dauer der Krankheit auch in anderen Organ¬
geweben aus vorläufig nur mikroskopisch kleinen Hecrdcn Eiter -
Metastasen sich entwickelt hätten.
Charakteristik des gesummten klinischen Bildes
der Allgemeininfcetion. Es hat die bacterioskopische Unter¬
suchung, wie gesagt , nur eine Mikrobienart als lufectionserreger
festgesteilt, wir haben es mit einer Monoinfcction zu thun.
In der Aufschrift habe ich den Fall als acute meta s ta si reu de
Allgemeininfcetion bezeichnet. Der Name Septhacmie
findet hier, entsprechend meiner in früheren Arbeiten 5 i gegebenen
Begründung keinen Platz, denn er wäre gemäss seiner ihm inne¬
wohnenden aetiol ogisehe» Bedeutung ganz unuiotivirt.
Fäulnissproeessc sind hier nicht im Spiele. Als symptomatologiseh-
klinischer Begriff im gebräuchlichen Sinne ist die Bezeichnung un¬
passend, weil Eitermetastasen zur Entwicklung gelangen, welche
schon klinisch , nicht nur pathologisch-anatomisch sich uachweiseu
lassen. Die combinirto geläufige Benennung l'yo-Septhacmie
ist unzulässig, weil, wie eben bemerkt, die Anwendung des zweiten
Hauptwortes nicht begründet ist.
Von den herkömmlichen Collectivbegrifferi wäre nur die
Bezeichnung Pvaemie annehmbar. Das Symptomen hi Id der
Pyaemie ist hier durch die Eitermctnstascn und Schüttelfröste,
nicht aber durch die intermittirende Ficbercurve gekennzeichnet;
wir haben ausgesprochene hohe Continua re m i 11e n s; Maxima
. bis 39,6°, Minima zwischen 37 und 37,5°. Diese Friedlaender-
Curve hat durchaus nichts Besonderes an sich. Vergleichen wir
dieselbe mit Teini>eraturcnrven von Allgcinoininfectionen. welche
durch S t a p h y I o c o c e e n fi ) oder Streptococcen 7 ) verursacht
werden, so finden wir ganz dieselben Typen. Wir könnten ebenso
gut eine Streptococeencurve vor uns haben, welche nach Koeli
und Petrus chky 8 ) « die charakteristische Neigung zu Remission
mehr oder weniger ausgeprägt darbietet. >;
Bestimmte pathognomonische Eigentümlichkeiten, welche
den Symptomeneomplcx gegenüber motastasirendeu Allgemein-
mfectioneu andern parasitären Ursprungs unterscheiden Hessen,
fehlen überhaupt.
Der Krankheitsverlauf ist ein höchst acuter. Die Parallele
zwischen Virulenz der Infectionserreger dem menschlichen Or-
ä ) Vergl. meine Aufsätze über: Zui>pathogenen Wirkung
des Proteus vulgaris und dessen Beziehungen zur Wnnd-
infection. (Münch, med. i Wochenschrift 1895 No. 5). — Ueber
Wundscharlach.»'(Berlin, klin. Wochenschrift 1895 No. 22). —
Eine Beobachtung von acuter Staphylococcen-Allgemein-
mfeetjon nach Varicellen. (Deutsche Med.-Ztg. 1896 No. 1-3).
8 ) Vergl. die Curven in Kocher u. Tavel: Staphylomycosen.
7 ) Die Erscheinungen der Streptococceninfection. Zeitschr. f.
Hygiene, Bd. XVI11, Heft 3, p. 432.
8 ) b c. |
ganisiuus und demjenigen der Versuchsthiere gegenüber darf nach
den augesteUteii Versuchen als eine vollständige bezeichnet werden.
Die Invasion höchst virulenter Bacillen fand hier in einem Organismus
statt, der in seinem »System antibacterieUcr »Schutzvorrichtungen
Breschen darhot; als solche darf wohl die bei der Autopsie eon-
statirte stark vorgeschrittene Erkrankung des Leberparenchyms, die
Lebercirrho.se «aufgehisst werden, durch welche gewiss der
•< antihacterielle Coefficient» 9 ) dieses Organes und des gesummten
Organismus ungünstig verändert wurde.
Vergleichen wir unsere Beobachtung in ihrer Aetiologie und
ihrem Verlauf mit den in der Literatur bereits beschriebenen,
durch den Bac. F ri cd 1 ae»der verursachten m e t a s ta s i r e n den
Allgemeiniufectionen, so finden wir das Analogon in einem von
Weichselhau ui mitgethcilten Fall ,H ). Auch hier entsteht nach
eitriger Otitis Entzündung des Warzenfortsatzes, Meningitis,
parenchymatöse Nephritis. sowie Bronchopneumonie. Bei den in
der Studie E tie n n e ’s reforirten zwei Beobachtungen ist der primäre
Ucerd des ersten Falls eine Bronchopneumonie, dazu gesellen sich
eitrige Pleuritis, Pericarditis. Meningitis, eitrige Metastasen
in Knie- und »^chultergelenk. Beim zweiten, diesem ersten sehr
ähnlichen Fall ist wieder Bronchopneumonie der Ausgangsheerd;
dazu kommt eitrige Pleuritis, Pericarditis, endlich ein grosser sub-
cutaner Ahscess am »Schenkel. Näher wieder an meine Beobachtung,
sowie an die von W ei eh sei ha um, sehliesst sieh diejenige
D m o e h o w s k i ’ s 1 *) an. Hier begann der Process r aller Wahr¬
scheinlichkeit nach v in Form eines Katarrhs in der Nase. ging
dann auf das Antrum Highmori, den »^inus sphenoidalis, die Orbita
über und endigte mit M e n i n g i t i s und H i r n a b s e e s s.
Diese kleine Casuistik von Fried 1 aendei - Pvaeni icn lässt
schon erkennen, dass hier unter den Eitermetastasen die Meningitis
eine wichtige Rolle spielt. Es ist in dieser Hinsicht eine Ver¬
wandtschaft mit den P n eu m oeoeec n - A11 gem ei n i n f ect io n e n ’*)
nicht zu verkennen. Die Erklärung zu dieser übereinstimmenden
Wirkung ist wohl darin zu suchen, dass beide Mikrohien von
d e m selben A u f e n t h a 11 s o r t e, der N a s e n r a c h c n h ö h 1 e
aus, nicht selten Infeetioneii insceniren, wobei leicht auf ver¬
schiedenen Wegen die Propagation des Infectionsprocesscs auf die
benachbarten Meningen stattfinden kann.
Den wenigen bekannten, hier besprochenen Fällen von nicta-
stasirender Allgemeininfcetion stehen nach Etienne eine Reihe
von Beobachtungen gegenüber, hei denen die Fr ied 1 aen de r ’sehen
Bacillen wohl eine A 11 gernein i n f ecti on des Organismus,
aber keine Eitcrnietastasen erzeugten. Bei nicht nachweisbarer
oder meist wenig markanter primärer Organerkrankung (z. ß. Gastro¬
enteritis, Bronchitis) kommt es bei diesen Fällen zu einer Ver¬
mehrung der Organismen im Blute und in den Organen, welche
unter den schwersten Allgemeinerscheinungen zu rasch tödtlieher
\ ergiftung führt, so dass zur Entwicklung von klinisch manifesten
soeundären Metastasen vor Allein die Zeit fehlt. Wiederholt ist *
dabei, wie Etienne hervorhebt, unter den klinischen Symptomen
Purpura hacmorrhagica constatirt worden.
Etienne fasst, wie ich eingangs erwähnte, diese Beobach¬
tungen unter dem Namen Scptieaemic zusammen, dabei an
die geläufige symptomatologische Definition dieses Begriffes sieh
haltend. Ich lasse, entsprechend meiner in den citirten Arbeiten
gegebenen Begründung, diesen Ausdruck hier bei »^eite. Auch
zur Bezeichnung dieser Fälle genügt der Begriff «Allgemcin-
infcction», den wir, um den Unterschied im klinischen Ver¬
laufe gegenüber der metustasirenden «pyaemischen » Allgemein-
infeetion mitanzudeuten. durch den Zusatz * acut, nicht meta-
stasirend » ergänzen können.
AVio bei den »Staphylococcen-, Streptococcen-,
P neu muco c ce n erkrankungen , so finden wir auch hier durch
denselben Infectionserreger die verschiedensten Syniptoiuencomplexe
®) Vergl. Marmorek, Theorie der sept. Krankheiten.
,0 ) Ueber eine von einer Otitis media suppurativa ausgehende
und durch den Bacillus pneumoniae (Friedlaender) bedingte All-
gemeininfection (Monatsschrift f. Ohrenheilkunde 1888, No. 8u. 9.)
“) Beitrag zur Lehre über die pathogenen Eigenschaften des
Fri edländer schen Pneumococcus. Centralbl. f. Bacteriologie 1894,
Bd. XV, p. 581.
u ) Vergl. meine Arbeit «Ueber Gelenkmetastasen bei croupöser
Pneumonie». Correspond.-Bl. f. Schweizer Aerzte 1892.
3 *
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320
No. 14.
MÜNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
mit den verschiedensten I’ebergängen und Zwischen formen hervor¬
gerufen. Hier wie dort ist zu ersehen, wie richtig man diese
wechselnden Krankheitsbilder als Resultanten der mannigfachsten
Componenten auffasst.'*) Nicht nur die variirenden Eigenschaften
der infieirenden (Irganismciispccics, ihre Qualität und Quantität
ändern den Ausschlag, sondern es gelangen alle die wechselnden
Eigenschaften des Infectums, des befallenen Organismus bei der
Gestaltung des Syiuptomcncomplexes zur Geltung. Beim nämlichen
Werthe des Inficiens, bei derselben Valenz der infieirenden Mi¬
krobien , bei identischer Loealisation ihrer Eintrittspforten muss
die Krankheit hei mit ungleichen Schutzkräften begabten Individuen,
bei verschiedener Gegenwirkung des Organismus eine variable Gestalt
an nehmen.
Feuilleton.
Eugen Baumann.
Eugen Baumann, dessen Bild dieser Nummer heiliegt,
hat durch seine Entdeckung des Thyrojodins. einer jodhaltigen
organischen Substanz in der Schilddrüse, in den letzten Monaten
die Aufmerksamkeit der medicinischen Welt besonders auf sich
gezogen. Scheint doch die Schilddrüseiitherapie, die so viel von
sieh reden machte, durch den Nachweis dieses Körpers, welcher
das wirksame Priucip der bisherigen Präparate aus der Schilddrüse
darstellt, eine wissenschaftliche Grundlage erst zu erhalten und die
Verwendung jodhaltiger Mcdicamcnte und ihre Wirkungsweise im
Organismus in ein klareres Licht gestellt zu werden.
Es wird daher von Interesse sein. Näheres über seinen Lebens¬
gang und seine wissenschaftliche Thätigkcit in kurzen Zügen zu hören.
E. Baumann, geboren 12- Dezember IS46 in Cannstatt,
Sohn des Apothekers J. Baumann, besuchte die Lateinschule dort
bis zum 14. Lebensjahre, dann das Obergymnasium in Stuttgart,
welches er im Sommer 1864 mit dem Zeugniss der Reife verlies«.
Von Herbst 1864 bis Frühjahr 1867 studirte er Chemie und
Naturwissenschaften am Polytechnikum in Stuttgart und arbeitete
bei Fehling. Gleichzeitig absolvirte er im Geschäfte seines Vaters
die Lehrzeit als Pharmaceut. Von 1867 bis Sommer 1868 war
er in Lübeck in einer A|>otheke als Gehilfe, dann bis Anfang 1870
im Laboratorium einer grossen Ajxitheke in Gotenburg thütig.
Im Frühling 1870 bestand er in Tübingen die Apothekerprüfung.
Bei dieser lernte er F. Hoppe-Seyler kennen; Herbst 1870
trat er dann bei ihm als Assistent ein, promovirtc Ende des
Wintersemesters 1871/72 bei der naturwissenschaftlichen Facultät
mit einer Dissertation ".Heber einige Vinylverbindungen» und
begleitete Iloppe-Seylcr 1872 nach Strassburg, wo er dessen
1. Assistent wurde. Dort habilitirtc er sich Sommer 1S76 für
Chemie. Im darauffolgenden .Jahr wurde er Vorstand der chemischen
Abtheilung des physiologischen Instituts in Berlin, bei seinem hort¬
gang wurde er von der Strassburger medicinischen Facultät zum
Doctor medic. honor. caus. ernannt, habilitirtc sich in Berlin Jan.
1878 in der philosophischen Facultät gleichfalls für Chemie,
erhielt bald nachher den Titel Professor und wurde März 1882
zum Extraordinarius der medicinischen Facultät befördert, folgte
dann am 1. October 1883 einem Ruf nach Freiburg i. B. als
ordentl. Professor der Chemie in der medicinischen hakultät als
Nachfolger von v. Babo.
Baumann’s wissenschaftliche Thlitigkeit begann im Labo¬
ratorium F. Hoppc-Seyler’s. Von ihm erhielt er die Anregung
zur Beschäftigung mit physiologisch-chemischen Fragen und den Im¬
puls zum Eintritt in die academische Laufbahn; zwischen Beiden hat
bis zum Tode des letzteren ein reger Gedankenaustausch stattgefunden.
Baumann’s erste Arbeiten beschäftigen sich hauptsächlich
mit dem Cyanamid, dem Sarkosin, Guanidin und der Mcthyl-
hydantoinsäure, Im Jahre 1876 veröffentlichte er dann seine
wichtigen Inter Buchungen über gepaarte Schwefelsäuren oder Aether-
sehwcfelsüuren. In zahlreichen Arbeiten, z. Th. mit anderen
zusammen wie Herter, Brieger. Christian i u. A. hat er
ihre.'Bildungsweise, ihre Bedeutung für den Stoffwechsel und den
Schutz des Organismus gegen Gifte klar gelegt. Ausgehend von
der Beobachtung, dass im Harn Säuren vorhanden sind, welche
13 ) Vergl. die cit. Studie Marmoreks.
durch starke Mineralsäuren in Schwefelsäure und aromatische
Substanzen gespalten werden, wies er nach, dass in dieser Weise
Phenol, Resorein, Hydrochinon, Kresol etc., im [Jrin ausgeschieden
werden, wenn diese Körper oder ihnen verwandte, wie Benzol etc.
in den Organismus cingeführt werden. Er fand sie als normalen
Bcstandthcil der Urins und führte ihre Entstehung z. Th. zurück
auf die Eiweissfäulniss im Darm, indem er hierbei aus Eiwciss
Tyrosin, weiter Hydroparaeumarsünre, Paroxyphenylessigsäurc,
Parakrcsol, Paroxybenzoesäurc und endlich Phenol sich bilden sah.
Die Ausscheidung der Oxysäuren lehrte er kennen, er fand endlich,
dass das Indol, welches bei Eiweissfäulniss entsteht, im Organismus
hydroxylirt wird, das gebildete Indoxyl sich mit Schwefelsäure
paart und so als IndoxylschwcfelsUure im Urin erscheint, als ein
Körper, der bisher als »Indican« bezeichnet und mit dem indigo-
bildenden gleichnamigen Glyeosid in Isatis tinetoria verwechselt
worden war. ln einer zusammen fassenden Publication (Zeitsehr.
f. physiolog. Chein. Bd. 10 S. 123) hat er die Resultate dieser
Untersuchungen vieler Jahre übersichtlich dargelegt. Die Abhängig¬
keit der Actherschwcfelsäurcn von der Fäulnis» im Darm, ihre
Abnahme hei Einschränkung derselben zeigt er daselbst und gab
damit Anlass zu zahlreichen klinischen Untersuchungen, bei denen
die Intensität der Darmfäulniss aus der Grösse der Actherschwcfcl-
säurcausscheidung erschlossen wurde, und es gibt wohl noch kein
sichereres Merkmal für dieselbe, als eben die Bestimmung der an
Fäulnissprodncte gebundenen Schwefelsäure im Urin. Die Ungiftig¬
keit der Aetherschwcfelsäuren führte auch zur Aufstellung des
Glaubersalzes als Antidot bei Carboivergiftung.
Die Entdeckung der Bromphenylmereaptursäurc, welche er
mit Preusse zusammen im Urin nach Brombenzoleingabe auffand
und als « Acetamido-a-bromphenylthiomilchsäurc erkannte, führte
zur Beschäftigung mit dem C v s t i n , aus dem sich durch Reduction
Cystein darstellen lässt; Bromphenyieystein wurde aber aus der
Bromphenylmercaptursüure erhalten. Er studirte die Ausseheidungs-
verhältnissc des Cystins, führte seine Entstehung auf den Darm
zurück, wohl als Folge der Einwirkung einer besonderen Bacterien-
urt, fand mit Udranszky Diamine im Urin bei Cystinuric,
während solche sonst üusserst selten in ihm Vorkommen. Namentlich
klärte er die Zusammensetzung des Cystins auf. Dabei war ihm
eine neue Methode von Nutzen : das Ausschütteln der betreffenden
Flüssigkeiten mit Benzovlehlorid und Natronlauge. Hie dabei erhal¬
tenen Niederschläge lieferten neben Cystin auch die Diamine wie
Tetra und Pentamethylendiamin sowie auch die Kohlehydrate.
So gelang ihm und Weden ski der Nachweis von geringen Mengen
von Zucker auch im normalen Urin, was bisher bestritten war.
Mit Käst zusammen hat er ferner das Verhalten der Sulfone
dem Organismus gegenüber geprüft und die Wirksamkeit derselben
als von der Zahl der Aethylgruppcn abhängig kennen gelehrt. So
wurde auch das Sulfonal, Trional etc. in die Therapie cingeführt.
Die A lkapton urie hat er mit einigen Schülern näher
untersucht und als Stoffweohselanomalic erkannt, bei der die von
ihm dargestelltc Homogentisinsäure, die vom Hydrochinon sieh ab¬
leitende Dioxyphenylessigsäure, in den Urin übergeht. Diese
liefert dann die charakteristische braune Färbung des l rins bei
ihrer Zersetzung. Sie entsteht, wie er bewies, aus dem Tyrosin
im Darm, vielleicht durch die Wirkung einer besonderen Art von
Mikroorganismen. Zahlreich sind die Arbeiten seiner Schüler,
welche seine eigenen Untersuchungen zum Theil ergänzen. Viele
haben bei ihm gearbeitet, die ihm für seine unermüdlichen Unter¬
stützung mit Rath und That dankbar sind.
Seine Publicationen, sowie die seiner Schüler, finden sich
fast alle in der Zeitschrift für physiologische Chemie und in den
Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft.
Seine jüngste Arbeit, die wirksame Substanz der Schilddrüse
betreffend, basirt auf längeren mit Roos zusammen durchgeführten
Untersuchungen über den Stoffwesel bei Darreichung von Schilddrüse.
Baumann’s Arbeiten, von denen nur die wichtigsten
erwähnt werden konnten, haben in ähnlicher Weise, wie die seines
Lehrers, grossen Einfluss auf die Anschauungen in der klinischen
Medicin ausgeübt, die Diagnostik und TI erapie wesentlich bereichert.
Klar erhellt aus ihnen die hohe Bedeutung der physiologisch -
chemischen Forschung für das ganze Gebiet der Mcdicin.
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GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
Digitized by ^.ooQie
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7. April 18'J6.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSClllUET.
321
Referate und Bücheranzeigen.
F. Jo Uv TTphpr
V ^
deuten» für die Häufigkeit der Anfälle massgebend geworden.
Hätte dieser Kranke zu einer Operation seine Zustimmung gegeben,
»Fut-- tan-Mlo ot.un «k der Exostose entsprechendes verändertes
•den sein, so würde man den Nachlass
Operation zu Gute geschrieben haben.
GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
-3>-
jElJGEN
AUMANN.
1 e lehren, wie vorsichtig man
s Operationserfolges von E p i •
Wenn verhältnissmässig frische Kopf¬
ion und Absplitterung des Knochens
asate oder auch Gehirnabcessc zur Ent-
so ist die Operation nothwendig, nicht
cm zur Beseitigung der unmittelbaren
Uen schwindet nicht selten mit der
sherde die Epilepsie,
inderungen, bei alten Narben iui Gehirn,
tion ein viel zweifelhafterer. Günstige
[»sie treten auch dann häutig ein, sie
der Fälle nur vorübergehende. Solche
t, wenn sieh gar keine Herde im (Jehirn
r Erfolg bei einer einfachen <Lüftung”
eht klar.
beweisen auch diese Befunde
pileptische Veränderung des
d e r Zustand, w e 1 c h e r d i e h a b i -
/on Krämpfen bedingt, nicht
gebunden ist, von welcher
ei z zu ihrer Entstehung a u s -
A. Cr am er- Göttingen.
i ii r Elektrophysiologie. Jena,
in zweierlei Richtung Veranlassung, sich
und Methoden zu beschäftigen. Erstens
lervorragende Bolle, wenn es sich darum
ihre lebenden Bestandtheile in Erregung
Folge ihrer Dosirbarkeit und relativen
meisten benützte Reizmittel. Zweitens
von Lebenserschcinungen, bei welchen
Stromquellen werden. Das vorliegende
gäbe, die in beiden Richtungen bisher
zu sammeln und soweit möglich von
spunkt aus zu ordnen, ein Unternehmen,
durch seine zahlreichen ausgezeichneten
gigen Gebieten als in besonderem Grade
’f
Beilage tur Münchener medicinischen Wochenschrift, i
Verlag von J. F. LEHMANN in München.
h 3 > 1
Auen annrtJT IV m n K C Wü r RtartTOT Pötä tor," ünTnraFdie J VielleiehrTsf II
durch den iSpitalsaufenthalt l»edingtc Reduction in der täglichen
Alkoholzufuhr den Nachlass der epileptischen Anfälle herbcigefUhrt.
Es hat also auch in diesem Falle von sogenannter Rinden
epilepsic ein anderes cpileptogcncs Agens mitgewirkt und ist min-
Der Verfasser b
anderer Forscher
der Autoren wöri
umständlich und
leinungen zeigen sich am deutlichsten
studirt an den Muskeln und Nerven.
beiden Structuren, mit deren elektro-
en sich das Buch vorwiegend beschäftigt;
in den Theil der Physiologie, welchen
»1- und Nervenphvsiologie zu bezeichnen
auch die elektromotorischen Wirkungen
llen, die elektrischen Vorgäuge im Auge
den, soweit darüber Beobachtungen vor¬
eise berücksichtigt. Ein sehr ausführ-
der ebenso interessanten wie noch viel-
der elektrischen Fische gewidmet. Es
erdienst des Buches bezeichnet werden,
Erscheinungen an höheren wie”niederen
n gleich eingehender Weise, ohne ein-
iinen oder anderen in den Bereich der
lass die Erörterung der physiologischen
auf der eingehenden Würdigung der
ilt nisso.
1 'teratur des fraglichen Gebietes ist
1 'euer Objectivität berücksichtigt.
' Guten etwas zu viel gethan.
t die Untersuchungsergebnisse
sondern führt die Aussagen
ii . welches die Darstellung
■ht. Wenn trotzdem der
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320
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
mit den verschiedensten Cebergängen und Zwischenforinen hervor -
gerufen. liier wie dort ist zu ersehen, wie richtig man diese
wechselnden Kninkheitsbildor als Resultanten der mannigfachsten
Couiiwnenten auffasst. 13 ) Nicht nur)
der inficirenden (Irganismen.spccies. i
ändern den Ausschlag, sondern es ge
Eigenschaften des Infectums, des bei
Gestaltung des Symptomcncomplexcs zu
Werthe des Inficiens, bei derselben
krobien, bei identischer Loealisation
die Krankheit ln'i mit ungleichen Schutz
bei verschiedener Gegenwirkung des Org
an nehmen.
durch starke Mineralsäuren in Schwefelsäure und aromatische
Substanzen gespalten werden, wies er nach, dass in dieser Weise
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gezogen. Scheint doch die Schilddriis
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darstellt, eine wissenschaftliche (Irundla
Verwendung jodhaltiger Medieamcnte i
Organismus in ein klareres Licht gesfc
Es wird daher von Interesse sein,
gang und seine wissenschaftliche Thätigk)
E. B a u m a n n, geboren 12 • De»
Sohn des Apothekers J. Baumann, bet
bis zum 1-1. Lebensjahre, dann das 0
welches er im Sommer I 864 mit dem
Von Herbst 1864 bis Frühjahr 186',
Naturwissenschaften am Polytechnikum
bei Feh 1 i n g. Gleichzeitig absolvirtc er
die Lehrzeit als Phamiaccut. Von 11
er in Lübeck in einer Apotheke als Geh
im Laboratorium einer grossen Apotl
Im Frühling 1870 bestand er in Tübii
Bei dieser lernte er F. II o p p e - S e y 1
trat er dann bei ihm als Assistent
Wintersemesters 1871/72 bei der natu
mit einer Dissertation ■< Heber einigt
begleitete Hoppe-Seyler 1872 nacl
1. Assistent wurde. Dort habilitirte
Chemie. Im darauffolgenden Jahr wurdt
Abtheilung des physiologischen Instituts
gang wurde er von der Strassburger i
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1878 in der philosophischen Facultä
erhielt bald nachher den Titel Profest
zum Extraordinarius der medieinisehen
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Nachfolger von v. Babo.
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chemischen Forschung für das ganze Gebiet der Medicin.
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Aach
7. April 18‘J6.
MÜNCHENER MEDICINISCUE WOCHENSCHRIFT.
321
Referate und Bücheranzeigen.
F. Jolly: lieber traumatische Epilepsie und ihre
Behandlung. Charit«-Annalen. Jahrgang 2'».
Ein 1 4 jähriger Mensch erleidet eine erhebliche Kopferseh Ut-
terung, 14 Tage darauf treten epileptische Anfälle mit nachfol¬
gender Verwirrtheit auf, welche sich mehrfach wiederholen. An
Stelle der bei dein Unfall erlittenen Verletzung bleibt eine schmer¬
zende und auch druckschmerzhafte Narbe zurück und scheint nach
den Angaben des Kranken der Ausgangspunkt der Störungen
seiner Uehirnfunction zu sein. Eine auf Wunsch des Kranken
vorgenommene Operation, welche sowohl den Knochen im Bereiche
der verletzten Stelle beseitigt als auch mit einem Eingriff in die
motorische Zone der Hirnoberfläche verbunden ist, bleibt völlig
resultatlos. Es kann also nicht die örtliche Wirkung der Ver¬
letzung die eigentliche Ursache der Epilepsie gewesen sein.
Der Möglichkeiten, durch welche eine mit starker Erschüt¬
terung verbundene Kopfverletzung zur Epilepsie führen kann, gibt
es eine ganze Reihe. Versuche von C. Westphal haben er¬
wiesen, dass durch eine starke Erschütterung des Kopfes einerseits
ohne sichtbare gröbere Verletzung des Gehirns Epilepsie zu Stande
kommen kann, dass andererseits, wenn in Folge der Erschütterung
Blutungen im Gehirn entstehen, dieselben an den verschiedensten
Stellen disseminirt gefuuden werden, ganz besonders in den mehr
basal gelegenen Hirnthcilen. Jedenfalls können solche trau¬
matische ebenso wie auch andere Herdläsionen von
sehr verschiedenartigem Sitz denjenigen habituellen
Zustand des Gehirns herbeiführen, welcher zur zeit¬
weiligen Auslösung epileptischer Anfälle Veranlas¬
sung gibt. Wo dieser Zustand localisirt ist, ob es überhaupt
eine einheitliche Localisation gibt, darüber sind wir trotz vieler
Untersuchungen noch im Unklaren. Die Wahrscheinlichkeit einer
örtlichen Veränderung und damit zusammenhängend die Wahr¬
scheinlichkeit eines Operationserfolges wächst, wenn Erscheinungen
vorhanden sind, welche eine Affection der motorischen Zone ver-
muthen lassen. In dem vorliegenden Falle hat vor der Operation
dieses Kriterium gefehlt, nach derselben trat es allerdings ein.
Zu den allgemeinen epileptischen Anfällen gesellten sich nun auch
solche, welche von der örtlichen Läsion abhängig, den Charakter
der halbseitigen Anfälle zeigen. Eine zweite Operation beseitigte
gewisse durch das Offenbleiben von der ersten Operation her¬
rührende Knochenlücken, ausserdem Beschwerden und bringt, ohne
dass eine Excision von Gehirnsubstanz vorgenommen wird, für
mehrere Monate sowohl die halbseitigen wie die allgemeinen An¬
fälle und zugleich auch die halbseitigen Lähmungscrschcinungcn
fast vollständig zum Schwinden. Sodann kehrten d i c A n f ä 11 c
in beiden Formen wieder und ebenso stellten sieh
Hemiparese und Hcmianästhesie wieder ein.
Nicht selten spielt nun in Fällen traumatischer
Epilepsie eine schon vor Einwirkung des Trauma’s
bestehende Disposition zur Epilepsie eine Rolle,
so dass also traumatische Einwirkungen von gleicher Schwere je nach
der Verschiedenheit dieser Disposition von ganz verschiedener
Bedeutung sein können. In dem vorliegenden Falle war eine
solche Disjtosition durch den ausserordentlich starken Alkohol¬
missbrauch gegeben. Die Epilepsie der Säufer ist eine bekannte
und häufige Erscheinung, die «epileptische Veränderung» ist in Folge
der Intoxication häufig schon längere Zeit latent vorhanden, und
cs bedarf nur eines Anstosses, um die Epilepsie auszulösen.
In einem weiteren Falle handelte es sich anfangs um eine
typische sogenannte Rindenepilepsie. ausserdem wurde ungefähr
an der Stelle der motorischen Region eine Exostose entdeckt.
Bereits nach der ersten Aufnahme verminderte sich die Zahl
der Anfälle sehr; eine Zunahme der Anfälle nach der Entlassung
veranlasste eine 2. Aufnahme. Wieder verminderten sich
ohne Operation die Anfälle und blieben mehrmals bis zu einem
Jahr vollständig weg. Die Hemiparese hat eher zu als abgcnomincn.
Auch dieser Kranke war starker Potator, und hat die
durch den Spitalsaufenthalt bedingte Reductio» in der täglichen
Alkoholzufuhr den Nachlass der epileptischen Anfälle herbeigeführt.
Es hat also auch in diesem Falle von sogenannter Rinden
cpilepsie ein anderes epileptogcnes Agens mitgewirkt und ist min¬
destens für die Häufigkeit der Anfälle massgebend geworden.
Hätte dieser Kranke zu einer Operation seine Zustimmung gegeben,
und würde etwa ein der Exostose entsprechendes verändertes
Knochcnstück entfernt worden sein, so würde man den Nachlass
der Anfälle zweifellos der Operation zu Gute geschrieben haben.
Diese beiden Fälle lehren, wie vorsichtig m an
bei B c u r t h e i I u n g dos Operationserfolges von Epi ¬
leptikern sein muss. Wenn verhültnissmässig frische Kopf¬
verletzungen mit Depression und Absplitterung des Knochens
vorliegen, wenn Blutextravasatc oder auch Gchirnabcessc zur Ent¬
wicklung gekommen sind, so ist die Operation nothwendig, nicht
der Epilepsie wegen, sondern zur Beseitigung der unmittelbaren
Gefahr. In solchen Fällen schwindet nicht selten mit der
Beseitigung der Krankheitsherde die Epilepsie.
Bei alten Knochen Veränderungen, bei alten Narben im Gehirn,
ist der Erfolg einer Operation ein viel zweifelhafterer. Günstige
Wirkungen auf die Epilepsie treten auch dann häufig ein. sie
sind aber in der Mehrzahl der Fälle nur vorübergehende. Solche
Erfolge wurden auch erzielt, wenn sich gar keine Herde im tiehirn
fanden. Woher nun dieser Erfolg bei einer einfachen «Lüftung
des Gehirns kommt, ist nicht klar.
Auf jeden Fall beweisen auch diese Befunde
wieder, dass die «epileptische Veränderung des
Gehirns», d a s h e i s s t der Zustand, w e 1 c h e r d i e habi¬
tuelle Wiederkehr von Krämpfen bedingt, nicht
an die Oer11iehkei t gebunden ist, von welcher
ursp ii n ir i ■ :• h J cr Reiz zu ihrer Entstehung aus-
gegangen ist.
A. Gramer- G ötti ngen.
W. Biedermann: Elektrophysiologie. Jena,
G. Fischer, 18*J5.
Die Physiologie hat in zweierlei Richtung Veranlassung, sich
mit elektrischen Vorgängen und Methoden zu beschäftigen. Erstens
spielt die Klektricität eine hervorragende Rolle, wenn es sich darum
handelt, Organismen oder ihre lebenden Bestandtheile in Erregung
zu versetzen; sie ist in Folge ihrer Dosirbarkeit und relativen
Unschädlichkeit das am meisten benützte Reizmittel. Zweitens
gibt es eine grosse Zahl von Lebenserscheinungen, bei welchen
die Organismen selbst zu Stromquellen werden. Das vorliegende
Werk stellt sich die Aufgabe, die in beiden Richtungen bisher
gewonnenen Erfahrungen zu sammeln und soweit möglich von
einem einheitlichen Gesichtspunkt aus zu ordnen, ein Unternehmen,
zu welchem der Verfasser durch seine zahlreichen ausgezeichneten
Arbeiten auf den einschlägigen Gebieten als in besonderem Grade
berufen erscheinen muss.
Die genannten Erscheinungen zeigen sich am deutlichsten
und sind am genauesten studirt an den Muskeln und Nerven.
Es sind demgemäss diese beiden Structuren, mit deren clektro-
phvsiologischen Eigenschaften sieh das Buch vorwiegend beschäftigt;
es enthält im Wesentlichen den Theil der Physiologie, welchen
man als allgemeine Muskel- und Nervenphysiologie zu bezeichnen
pflegt. Es sind indessen auch die elektromotorischen Wirkungen
der Epithel- und Drüscnzellen, die elektrischen Vorgänge im Auge
sowie in pflanzlichen Gebilden, soweit darüber Beobachtungen vor¬
liegen , in eingehender Weise berücksichtigt. Ein sehr ausführ¬
liches Capitol ist endlich der ebenso interessanten wie noch viel¬
fach dunklen Erscheinung der elektrischen Fische gewidmet. Es
muss als ein besonderes Verdienst des Buches bezeichnet werden,
dass es die einschlägigen Erscheinungen an höheren wie”niedcrcn
Formen der Lebewesen in gleich eingehender Weise, ohne ein¬
seitige Bevorzugung der einen oder anderen in den Bereich der
Betrachtung zieht und dass die Erörterung der physiologischen
Vorgänge überall fusst auf der eingehenden Würdigung der
anatomischen Structurverhältnisse.
Die sehr um fangreiche Literatur des fraglichen Gebietes ist
mit der grössten Sorgfalt und seltener Objcctivität berücksichtigt.
Vielleicht, ist in dieser Richtung dos Guten etwas zu viel gethan.
Der Verfasser begnügt sieh nicht, über die Untersiu hungsergehnisse
anderer Forscher einfach zu berichten, sondern führt die Aussagen
der Autoren wörtlich an , ein Verfahren, welches die Darstellung
umständlich und zuweilen ermüdend macht. Wenn trotzdem der
ßigftized by CjOO^Ic
322
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Zusammenhang der Darstellung überall gewahrt bleibt, so spricht
dies für die ausserordentliche Beherrschung des Stoffes, über
welche der Verfasser gebietet. Dabei ist den Thatsachcn nirgends
Gewalt angethan und jeder Dogmatismus vermieden, so dass auch
derjenige, welcher mit den, übrigens nirgends sich verdrängenden
theoretischen Gesichtspunkten des Verfassers nicht überall im
Kinklänge steht, das Buch mit ungeschmälertem Genüsse und
Gewinn benützen wird. I m so mehr ist zu bedauern, dass Ver¬
fasser die literarischen Früchte seiner Arbeit nicht durch ein
Autorenregister zugänglicher gemacht hat. Nach den am Schlüsse
der einzelnen Capitol gegebenen Literaturverzeichnissen, auf welche
im Text mit fortlaufenden Nummern verwiesen wird, die Arbeiten
eines bestimmten Autors verfolgen zu wollen, ist ein Unternehmen
von fast hoffnungsloser Umständlichkeit. Audi das Sachregister
konnte bei der ausserordentlichen Reichhaltigkeit des Buches von
viel grösserer Ausführlichkeit sein. Von diesen rein technischen
Mängeln abgesehen. stellt das Buch eine der werthvollsten Be¬
reicherungen dar, welche die physiologische Literatur in den letzten
Jahren erfahren hat. M. v. Frey.
Th. Kocher und E. Tiivel: Vorlesungen über
chirurgische Infectionskrankhciten. I.Thcil. ('. Sallmann,
Basel und Leipzig 1895.
Der Wunsch einem weiteren ärztlichen Publicum das Resultat
gemeinsamer Forschung auf einem wichtigen Gebiete chirurgischer
Pathologie zugänglich zu machen, hat die Autoren zur Veröffent¬
lichung der vorliegenden Vorlesungen bewogen.
In dem Werke ist die Aufgabe, die sich die Autoren ge¬
stellt, in der glänzendsten Weise gelöst. Der bacteriologische Theil,
von Tavel bearbeitet, macht uns mit dem gegenwärtigen Stande
dieses hochwichtigen Thciles der Pathologie bekannt, berücksichtigt
alle neueren Forschungen und Errungenschaften auf diesem Ge¬
biete, ohne hiebei zu ausführlich zu werden. Den klinischen Theil
hat sich Kocher Vorbehalten und ist die ganz ausgezeichnete
Bearbeitung des berühmten Lehrers und Klinikers würdig.
In dem gegenwärtig vorliegenden I. Theile finden wir da¬
durch die Staphyloeoecen hervorgerufenen Infectionskrankhciten
behandelt, die Kocher unter dem Namen der Staphylo-
mycosen zusainmcnfasst. Vorausgeschickt ist der allgemeine,
aus 3 Capitoln bestehende Theil. Das 1. (’apitel hat die Darlegung
des gegenwärtigen Standes der Therapie der Infectionskrankheiton
zum Gegenstände, und sind die Resultate der zahlreichen neueren
1*orschungen auf diesem Gebiete besonders berücksichtigt.
Im II. Gapitel bespricht Tavel den Mechanismus der Iu-
feetion und macht uns an der Ilaml eines ganz originellen Schemas
mit der (Terminologie der Infectionskrankciton>< bekannt. Im
TU. Capitol, «Allgemeines über die Entzündung und Eiterung»,
behandelt I a v e 1 vorerst kurz die vergleichende pathologische
Anatomie der Entzündung, um hierauf zur Schilderung der sich
bei der Entzündung und Eiterung in den Geweben abspielendcn
Processe überzugehen, mit besonderer Berücksichtigung jener Er¬
scheinungen, die hiebei den Kampf zwischen Bacterien und Zellen
reprüsentiren.
Das IV. Capitol enthält die Lehre von der Staphylomycosc.
In einem kurzen allgemeinen Theile sind die Biologie und Patho¬
genität der Staphyloeoecen besprochen, während der Rest des
( apitels, den Haupttheil des Bandes bildend, dem klinischen Theil
gewidmet ist.
An einer Reihe von prägnanten klinischen Krankheitsbildern
führt uns Kocher die verschiedenen durch die Invasion von
Staphyloeoecen hervorgerufenen Symptomencomplexe vor. Er beginnt
mit der Osteomyelitis und behandelt diese am ausführlichsten,
da sie, am Knochen localisirt, uns in der Regel am Reinsten das
Bild der Staphylococccninvasion bietet und am Besten das Studium
der durch dieselbe hervorgerufenen Veränderungen der Gewebe
ermöglicht. Hierauf folgen die durch Infection mit Staphyloeoecen
veranlassten Erkrankungen der Haut. Im Anschlüsse an jede der
sorgsam ausgewählten Krankengeschichten, sowie auf Grundlage
der gesummten Casuistik bespricht Kocher in gewohnt gründ¬
licher Weise die Symptomatologie und Therapie dieser Erkrankungen.
Betreffs der Genese der Osteomyelitis ist K. der Ansicht,
dass sehr häufig Staphyloeoecen wie auch andere Mikroorganismen
durch sehr kleine Verletzungen und oberflächliche Entzündungen
(Eczcme) der Haut in den Kreislauf gelangen und in gewissen
Organen abgelagert werden, ohne vorerst zu besonderen Störungen
Veranlassung zu geben; hier im lebenden, anscheinend normalen
Gewebe erhält er sich Monate und Jahre lang entwicklungsfähig,
bis ihn ein Trauma zu neuem Leben erweckt. Für das äusserst
variable klinische Krankheitsbild stellt K. drei Hanpttypen auf,
um die sich, in den einzelnen Symptomen mehr minder abweichend,
die Fälle gruppiren lassen. Er unterscheidet: die proliferirenden
Formen der Staphyloeoecen-Ostitis (Ostitis vasculosa, sclerotica,
granulosa und serosa), die circumscripten oder besser localisirten
eitrigen Formen (Knochenabsccsse, eitrige Periostitis und Synovitis)
und endlich die metastasirende Form.
Als Grundprineip der Therapie fordert K. die vollste Be¬
herrschung der Asepsis. Für die erste Gruppe empfiehlt er die
Eröffnung der Krankheitsherde mit Messer oder Thermoeauter und
vollständige Ausräumung der Krankheitsherde, eventuell Punction und
Injection von 5 proc. (’arbollösung. Für die zweite Form bleibt die
einzig richtige Therapie die Eröffnung der Ahscesse, um vor Allem
die in denselben angehäuften Toxine aus dem Körper zu entfernen.
Punction und Injection von 5 proc. Carbollösung werden hier nur
in wenigen Fällen von Erfolg sein , meist ist Eröffnung des
Absccsses und Drainage oder die Trepanation des Knochens nöthig,
doch ist Kocher entschieden gegen die Frühtrepanation. Die
Trepanation ist nur auszuführen, wo man Sicherheit hat, Eiter¬
herde in ganzer Ausdehnung sicher und dauernd entleeren zu
können ohne schwere Schädigung durch Blutverlust und ohne
Anbringung einer eomplicirtcn Wunde. Das Hauptgewicht legt
K. auf möglichst frühzeitige Entleerung jeder Eitcransainmlung
unter dem Periost oder in anstossenden Gelenken und Weich-
theilcn, da dadurch am ehesten die Gefahr für den ganzen Kür|»er,
als auch die der cintretenden Nekrose der Knochen abgewendet wird.
Die Behandlung der dritten Form ist durch die Metastasen
und die hier in den Vordergrund tretende Toxinwirkung eine
schwierige und meist wenig aussichtsvolle. Als Grundprineip stellt
liier K. den Satz auf: sofortige Entleerung einer jeden Eiter-
ansammlung, die gross genug ist, dass sie sicher eröffnet und
gründlich entleert werden kann.
In den 1-ällen, wo es zu einer raschen I eberschwemmung
iles Körpers mit Staphyloeoecen kam , . die uns also das Bild der
sogenannten Pyaemic bieten, wird kaum an eine locale Therapie
zu denken sein. Hier müssen wir den Körper kräftigen und
Mittel zur Auswaschung der im Blute angehäuften Toxine und
zur internen Antisepsis in Anwendung ziehen.
Für die Therapie der Staphylomvcosen der Haut empfiehlt
K. Pinselungen mit Jodtinctur, eventuell zur Beförderung der
Leukocytosc feuchtwarme Ucberschläge und bei operativen Ein¬
griffen, besonders beim Carbunkel, Anwendung des Therniocauters
oder Verätzung der Wundränder mit starken Desinficientien, um
ein Eindringen der Staphyloeoecen in die durch Incision cröffneten
Blut- und Lyuiphbahncu und damit die Verbreitung der Infection
zu verhindern.
Den Schluss des Bandes bildet die Besprechung der ver¬
schiedenen Formen der Phlegmone. Bei der eitrigen Phlegmone
empfiehlt K. im Anfänge durch Aufpinselung von Jodtinctur
(12 proc.) durch die Haut hindurch auf die eingedrungenen Tn-
fectionsstoffe einzuwirken. Einer Abgrenzung der Entzündung
sind auch warme Umschläge, sowie solche mit 90 proc. Alkohol
zuträglich. Sobald es jedoch zu Nekrose und Eiterung gekommen
ist, besteht auch hier die stricte Indication zur Eröffnung des
Herdes unter den angeführten Cautelen. Bei der diffusen Phleg-
moue sieht K. die einzige Möglichkeit, eines Erfolges in möglichst
frühzeitigem energischen Eingreifen. Durch massenhafte, dicht-
stehende, kleine Incisionen, am besten mit dem Thermoeauter,
durch die ganze Hautdecke, eventuell Fascicn hindurch soll eine
gründliche Desinfection des ergriffenen Gebietes ermöglicht werden.
K. räth die Anwendung von Jodtinctur in häufigen Einpinselungen
oder Austamponircn jeder Incision mit einem kleinen in Jodtinctur
getränkten Bäuschchen, und dreistündiges}Wechseln derselben. Als
das Wichtigste erscheint die wiederholte Spülung und Application
gelinder (d. i. blos entwicklungshemmender) Antiseptica, am besten
mit Abwechslung. Kann das Fortschreiten der Affection nicht
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
323
7 . April 1896.
gehindert werden , so ist eventuell die Amputation vurzunehuien.
Neben dev localen Behandlung empfiehlt sieh auch die Anwendung
innerlicher Antiseptica.
Was bisher von der ausgezeichneten Arbeit vorliegt, lässt
auch für das Kommende das Beste erwarten und wir können
unseren Fachgenossen nur in ihrem eigensten Interesse eine sorg¬
same Lectüre des Werkes empfehlen. Hoffa.
Otto Lange: Schemata zum Eiuzeichnen ophthal-
mologischer Krankheitshefntide. Braunsehweig, Harald
Bruhn 1894.
Diese in Mappenform erschienenen Schemata 'zeichnen sich
dadurch aus, dass bei der zarten Ausführung der als Schema
dienenden Figuren die eiiizuzciehnenden Bilder wenig oder gar
nicht beeinträchtigt werden. Ein weiterer Vortheil der in vier
Couverts geordneten Schemata:
]. für äussere Augonbcfunde,
2. horizontaler Durchschnitt des Auges,
3. u. 4- zum Einzeichnen und Einmalen ophthalmoskopischer
Bilder — ist, dass jedes der einzelnen Couverts von der Verlags¬
buchhandlung nachbezogen werden kann . man also durch den
Mehrgebrauch eines Schemas nicht zum Nenkauf der cnmpleton
Mappe genöthigt ist. Soggel.
Karl Rosner: Shakespeare’« Hamlet im Lichte
der Neuropathologie. (Vortrag, gehalten in der Gesellschaft
lur psychologische Forschung, München) Berlin— Drag, Fischer
1895. —
Verfasser versucht den Nachweis, dass Shakespeare in Hamlet
mit Bewusstsein einen kranken Menschen und zwar einen Hystoro-
neurastheniker habe zeichnen wollen. Selbstverständlich bietet
ein Mann , der einen so schweren psychischen Choc erlebt hat
und wegen Energielosigkeit sieh Monate lang nicht, aus der Klemme
ziehen kann, einige Züge, die auch bei Neurasthenie Vorkommen.
Alle diese Symptome sind in dem Vortrag geschickt heraus¬
gehoben; eine Diagnose konnte aber nicht in überzeugender Weise
gestellt werden , und wie gewöhnlich in solchen Sachen fordern
einige recht gezwungene Deutungen den Widerspruch heraus.
Bleu 1 er.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift fiir klinische Medicin. 29. Band, 5. und 6. Heft.
16) Fr. Pick; Ueber chronische, unter dem Bilde der
Lebercirrhose verlaufende Pericarditis (pericarditische Pseudo-
lebercirrhbse) nebst Bemerkungen Über die Zuckergussleber.
(Curschmann.) (Aus der I. deutschen medic. Klinik Pribram's
in Prag.)
Verfasser berichtet über ein Krankheitsbild, das in 2 Fällen
zur klinischen Diagnose «Lebercirrhose verleitete, während die
Section eine Stauungsleber mit starker Bindegewebswucherung als
Folgeerscheinung einer chronischen Pericarditis ergab. Zur richtigen
Diagnose des Symptomencomplexes, der, wie die Durchsicht der
Literatur ergab, auch andere zur Verwechslung mit primärer Leber-
cirrhose, des starken Ascites, der geringen Oedeme an den Beinen
und der deutlich palpablen Veränderungen der Leber wegen geführt
hat, können anamnestische Angaben über vorausgegangene Pericar¬
ditis, früher bestandene Oedeme an den Beinen und häufige Unter¬
suchung des Herzens führen, wie in dem dritten vom Verfasser be¬
schriebenen Fall, bei welchem zeitweise vorhandenes pericardiales
Reiben anf die richtige Fährte lenkte. Zum Schlüsse glaubt Ver¬
fasser den von Curschmann und den von Rumpf als Zucker-
gussleber beschriebenen Fall, bei welchen beiden Obliteration des
Pericards gefunden wurde, den von ihm oben beschriebenen drei
Fällen anreiben zu müssen.
17) Buttersack-Hanau: Wie erfolgt die Infection der
Langen ?
Verfasser unterzieht die verschiedenen Ansichten über die Art
der Lungeninfection einer Kritik und kommt hiebei zu dem Resultate,
dass die Infection nur zum geringen Theil von der Alveolenoberfläche
erfolgt, dass vielmehr meistens das in der Mund-, Rachen- und Nasen¬
höhle reich entwickelte adenoide Gewebe die Infectionskeime auf-
nimmt, dass diese von hierin die Lymphdrüsen und von da auf
dem Wege des retrograden Transportes in die Lungen (viel¬
leicht zunächst in die Pleura) gelangen.
18) G. Kelling-Dresden: Ein Fall von familiären perio¬
dischen Anfüllen von Erbrechen und Diarrhoe und vasomo¬
torischen Störungen
Verfasser gibt die genaue Beschreibung eines Falles von
«merie bei einer 42jährigen Frau, welche, wie ihre Grossmutter
Und “Qtter, an periodisch wiederkehrende n Anfällen von Schwindel, |
Ohnmacht, Erbrechen und Diarrhoe, mit vorausgehenden Oedemeu,
die von einer Extremität auf die andere überspringen, leidet. Die
Untersuchung des während des Anfalles gelassenen Harnes ergab
dem Verfasser stärkere Acidität und Toxicität als nach dem Anfall.
Ein Einfluss des Barometerstandes auf die Anfälle war nicht zu
constatiren.
19) A. Asch off: Zur Aetiologie der serösen Pleuritis.
(Aus dem städt. Krankenhause am Urban in Berlin. Innere Ab¬
theilung A. Fraenkel’s.)
Aus seinen an 200 serösen pleuritischen Ergüssen angestellten
hacteriologischen Untersuchungen zieht Verfasser folgende Schlüsse:
Die serösen Ergüsse sind fast alle frei von Eitererregern; enthalten
sie solche, so kommt es mit Ausnahme der Pneumococcenexsudate
zum Empyem, das bisweilen auch ohne Operation völlig ausheilen
kann. Ob eine isolirte rheumatische Pleuritis vorkommt, ist sehr
fraglich; meist sind die beim Gelenkrheumatismus auftretenden
Pleuraergüsse mit Herzaffectionen verbunden. Salicylbehandlung hat
keinen besonderen Vorzug in der Therapie der serösen Pleuritiden.
Die idiopathischen Ergüsse beruhen fast alle auf Tuberculose, können
aber ausheilen.
20) S. Kornfeld: Ueber den Mechanismus der Aorten-
insufficienz. (Aus dem v. Basch'schen Laboratorium in Wien.)
Schluss.
Verfasser berechnet in seinem Resumd die Arbeitsleistung des
linken Ventrikels bei der Aorteninsufficienz und gelangt zu Formeln,
welche die Abhängigkeit der Grösse der Arbeitsleistung von dem
verminderten Blutdruck, wie von der veränderten Zeitdauer der
Systole zum Ausdruck bringen. Hiernach wird die Arbeitsleistung
durch die Verminderung des Blutdruckes verringert und durch die
Verlängerung der Systole vermehrt, so dass je nach der Grösse
dieser beiden einander entgegenwirkenden Factoren die Arbeit des
linken Ventrikels bei einer Aorteninsufficienz entweder grösser oder
kleiner als bei normalen Aortenklappen, oder gleich gross ist. Dem¬
nach bedingt nicht nothwendig jede Aorteninsufficienz eine Mehr¬
arbeit des linken Ventrikels, also auch nicht nothwendig eine Hyper¬
trophie des linken Ventrikels. Die Verlängerung der Systole bildet
dem Verfasser den Maassstab für die Ausweilungsfähigkeit des
Ventrikels; in den klinisch günstigen Fällen d. h. in den Fällen,
in denen die Ausweitungsfähigkeit des Ventrikels eine grosse ist.
ist also eine Verlängerung der Systole zu erwarten. Zum Schlüsse
theilt Verfasser die verschiedenen klinischen Formen der Aorten¬
insufficienz in 4 Gruppen ein. In der ersten günstigsten Form wird
der ursprünglich niedere Arteriendruck durch die Aorteninsufficienz
etwas erniedrigt, ebenso der Druck im linken Vorhof ; bei der zweiten
Gruppe wird der in Folge von Arteriosklerose ursprünglich hohe
Druck durch die Aorteninsufficienz ebenso wie bei der vorigen
Gruppe erniedrigt, in gleicher Weise auch der Vorhofsdruck. Bei
dieser Gruppe ist auch Hypertrophie des linken Ventrikels zu
erwarten und besteht Gefahr der Insufficienz der Ventrikelmusculatur
bei noch weiterer Erhöhung der Widerstände. Bei der dritten Gruppe
besteht Stauung im linken Vorhofe, also Drucksteigerung in dem¬
selben, durch primäre Insufficienz des linken Ventrikels oder unge¬
nügende Dilatationsfähigkeit desselben bei gleichzeitig gesunden
Gefässen also niederem Arteriendruck; bei der vierten Gruppe
kommen dazu noch sklerosirte Gefässe, so dass der Arteriendruck
hier von beträchtlicher Höhe beim Eintreten der Aorteninsufficienz
herab8inkt. Eine besondere Form, eine fünfte Gruppe, würden die
Fälle bilden, in welchen durch vorübergehendeGefässcontraction
gleichzeitig mit dem arteriellen Druck der Druck im linken Vorhof
ansteigt, also Insufficienz des linken Ventrikels eintritt.
21) J. Perl: Anatomische und klinische Beiträge zur Be¬
gründung der Gastroskopie. (Aus der Senator'schen III. med.
Klinik und Universitäts-Poliklinik in Berlin.)
Verfasser bestimmte auf eine Anregung von Rosenheim an
32 Leichen die Lage des Magens und der Speiseröhre in ihrer
Beziehung zu den Wirbeln und fand den Stand der Cardia meist in
der Höhe des 12. Brustwirbels; der Verlauf des subphrenischen
Speiseröhreabschnittes, welcher durch Eingiessen von Gyps festge¬
stellt wurde, ist derart, dass die Speiseröhre in den meisten Fällen
unter dem Zwerchfell nach links abbiegt, häufig auch eine spiralige
Drehung und Streckung erleidet. Die an 23 Männern und 10 Frauen
vorgenommene Einführung eines starren, geraden, 12 mm dicken
Rohres gelang in fast 90 Proc.; dieses günstige Resultat erklärt
Verfasser daraus, dass er, um die Abknickung des subphrenischen
Theils auszugleichen, vom rechten Mundwinkel aus die Sonde ein-
führte. Den häufigsten Widerstand bildete ein Krampf der Cardia,
der sich oft überwinden Hess.
22) E. 8chm oll: StofiFwechselversuch an einem Gicht¬
kranken. (Aus der Klinik v. Leyden'ß in Berlin.)
Der vom Verfasser an einem 50jährigen Gichtiker vorgenommene
Stoffwechselversuch ergab eine verminderte Ausscheidung von Stick¬
stoff, welche Verfasser auf eine Retention von Stoffwechselendpro-
ducten, nicht auf einen Eiweissansatz bezieht. Diese Retention
wurde durch Thyreoidea Darreichung verringert, durch Thymus
fütterung vermehrt. Die Ausnützung der Nahrung war eine sehr
gute; die Phosphorsäure-, Harnsäure- und Xanthinbasenausscheidung
war normal, Thymusfütterung erhöhte die Ausscheidung der Harnsäure.
23) R. Bernstein: Ueber die durch Contusion und Er¬
schütterung entstehenden Krankheiten des Herzens.
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MÜNCITENEli MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT-
No. 14
324 _
Nach einer gedrängten Wiedergabe des bisher beobachteten
Materiales (126 sichere und 24 unsichere Fälle) geht Verfasser auf
die verschiedenen durch das Trauma •‘^."jÄSe'Snng
Von den rein nervösen Störungen fand sich bei 13 1 ulsbeschieuiiigung,
bei 2 Puls Verlangsamung; bloss sensible Störungen waren in keinem
Falle veShnef Von® 'unmittelbaren organischen Veränderungen
kamen ausser den Rupturen des Herzmuskels besonders Rupturen
an den Klappen (ü mal: 5 mal an der Aorta, 3 mal an der 'Incus-
pidalis, 1 maf an der Mitralis) vor. Von consecutiven Veränderungen
waren unmittelbar im Anschluss an das Trauma 4 mal F.ndocar
E davon 2 mal ulceröse Form, 6 mal Pericarditis. thcils seröser
theil’s eitriger Natur, 1 mal Myocarditis beobachtet; weniger als ein
Jahr bis fum Tod des Patienten verstrich bei 8 Fällen, in denen
die Entzündungserscheinungen ein späte:res St^^^'nten
2. Fällen, in welchen mehr als ein Jahr bis
verstrich fanden sich ganz chronische oder abgelaufene Futzün
düngen vor. Bei den Fällen, wo überhaupt kein Sectionsbefuiu]1 vor-
lieef wurde 10 mal Endocarditis, Peric.uditis oder Myocarditis, 2 mal
Blutergüsse in's Pericard, sonst lauter Klappenfehler d.agnosUcijl
Herzaneurysmen wurden 6 mal, Dilatation ganzer Herzkammern ohne
vorige Klappenfehler 2 mal beobachtet.
24) M. Michaelis: Ueber einen neuen Fall v on End°
carditis gonorrhoica. (Aus der Klinik v. Leydens m Berlin)
Verfasser gibt die genaue Krankengeschichte eines 2n Jahre
alten Schneider!, welcher im Anschluss an eine Gonorrhoe eine
verrucöse Endocarditis an der Aorta ^qmnrte der er er ag^ Die
von den endocarditischen Auflagerungen gemachten Präparate, von
denen 2 Abbildungen beigefügt sind ergaben; ‘^ i^Abiohol
formen zeigende, in den Zellen hegende nach Gr am, durch Alkohol
und Lavendelöl sich entfärbende Diplococcen, weichedurdiden
negativen Ausfall der Reincultur als echte Neisser sche Clonococcen
sich erwiesen. Zum Schlüsse bespricht Verfasser noch die bisher
veröffentlichten Fälle. Lindemann-München.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 12 und 13.
Mcinert-Dresden: Ueber normale und pathologische Lage
des menschlichen Magens und ihren Nachweis.
Die Ergebnisse seiner zahlreichen, genauen Untersuchungen
fasst M in folgender Weise zusammen: . _
«Ausschlaggebend für die Lage des Magens ist die Lage von
Pylorus und kleiner Curvatur. Für beide Geschlechter bat als die
normale Lage zu gelten die von Luschka als solche: dargestelIte.
Annähernd constant in dieser seiner normalen Lage dürfte der
Magen in erster Linie bei den noch im Zustande der Nackthe t
lebenden Naturvölkern anzutreffen sein. Bei den m der (europäischen)
Cultur am meisten fortgeschrittenen Völkern aber, und zumal m
ihren Centren, bildet die normale Lage des Magens nur noch für
das männliche Geschlecht die Regel, während sie für das weibliche
Geschlecht zur Ausnahme geworden ist.
Die typische Lageanomalie des menschlichen Magens ist -die
Gastroptoso, welche wahrscheinlich ausnahmslos als Anpassung
der Lage und der Gestalt des Magens an veränderte Raum Verhältnisse
in der oberen Bauchhöhle aufzufassen ist. Es handelt sich bei der
Gastroptose um eine mehr oder weniger mit Auszerrung des Magens
in der Längsrichtung verknüpfte Dislocation nur des nach dem Pylorus
zu gelegenen Magenabschnittes, gewöhnlich mit (seltener ohne) Be¬
theiligung des Pylorus selbst, — niemals um eine Dislocation des
ganzen nOr^ana, D . glocation trttgt Seliuld entweder (aber verhilltniss-
mässig selten) ein pathologischer Vorgang in einem der soliden
Nachbarorgane (zumal der Leber) des betheihgten Magenahschnittes
oder (und dies gewöhnlich) der die Leber umformende, beziehentlich
durch das Lebergewebe sich fortpflanzende Druck, welcher von einer
pathologischen, gleichviel ob stabilen oder labilen, 1> ormveränderung
des Brustkorbes ausgeht. ,
Die in Frage kommenden Verunstaltungen des Brustkorbes
■ können, wenn ihre Ursachen (in erster Linie Druck von Kleidungs
stücken, aber auch Berufsschüdlichkeiten, Rhachitis etc.) auf eine
Reihe von Generationen eingewirkt haben, endlich vererbbar werden
und zwar auf beide Geschlechter. Diesesfalls treten sie aber nicht
als angeborene Anomalien auf, sondern (nach bekannten \ ererbungs-
gesetzen) als Entwicklungsanomalien.
So könnte wohl die als Secundürerscheinung vererbter Thorax-
defoi mitäten acquirirte, allem Anscheine nach aber niemals direct
vererbte, Gastroptose im Laufe der Zeiten zur Rasseneigenthümlich-
keit werden. Vorläufig jedoch und jedenfalls noch auf viele Jahr¬
hunderte hinaus ist sie tiotz ihrer ausserordentlichen Häufigkeit
bei unseren Frauen als pathologische Veränderung des Magensitus
aufzufassen. Einer solchen Auffassung entspricht auch die con¬
stitutioneile Minderwertigkeit, welche sich mit dem Besitze eines
verlagerten Magens zu verknüpfen pflegt.
Conditio sine qua non für die exacte Diagnose der Lage
des Magens am Lebenden ist die volle Aufblähung des Organs.
(Acid. tartar. 6,0; Natr. bicarb. 8,0 in getrennten Lösungen). An
der Leiche jedoch lässt sich auch ohne dieselbe und überhaupt
ohne besondere Hilfsmittel der Situs des Magens erweisen.»
W. Zinn- Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 13.
Dr. Seydel-München: Operative Entfernung eines intra-
craniellen Tumors.
MitMung eine, ope^iv
wurde wesentlich gebessert.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 13.
1)N P Marjantschik Kiew. Ein Fall von Laparotomie
weven angeborenem Nabelschnurbruch (seit 1836 bis jetzt dl raue;
SCÄSTÄÄ
Blutungen in der Magen- und Dickdarmschleimhaut und eine rudi
mentäre fMd^nd ^ biglierigen Erfahrungen stellte M. einige Schluss¬
sätze auf Bei lebensfähigen Kindern soll man stets und möglichst
früh ooeriren Als beste Methode empfiehlt sich die Laparotomie,
die bisher in 32 Fällen 7 Todesfälle = 21,87 Proe. Mortalität ergeben
hat Wegen der übrigen Ausführungen sei auf das Original \er
wiesen. ^ B 0 d e . Dresden: Intraperitoneale Verkürzung der
Ligamenta rotunda zur Heilung der Retroflexio uteri mittels
XtTÄ’ v a „°'WeVtbeim (cf. d. Wod,e„.chr 189»
s 2b8) empfohlene, in der Ueberschrift angegebene Operation bereits
dreimal ausgeführt, bis jetzt mit befriedigendem Erfolg.
Yircliow’s Archiv. Band 143, Heft 2 und 3.
Heft 2. I) E. Neumann-Königsberg: Haematologische
^Untersuchungen am Knochenmark des Frosches über die Ent¬
stehung der einzelnen morphotisclien Blutbestandtheile. Zu kurzem
Referat an dieser Stelle nicht geeignet. . . ,. nd
2) Paul Manasse-Strassburg i E.: Zur Histologie und
Histogenese der primären Nierengeschwülste. . . .
Fortsetzung von Band 142. S 192. Schluss folgt. Wird refenr ,
wenn vollständig erschienen
3) C. Achen hach-Marburg: Ein Fall von orbitalem
Melanosarkom, ausgehend vom episkleralen Gewebe hinter
dCm Wafinussgrosse, hinter dem "Bulbus gelegene, aus Rund- und
Spindelzellen bestehende Geschwulst, deren Entstehung A auf ®‘"
Wucherung der an der Hinterfläelie des Bulbus vorhandenen schon
physiologisch pigmentirten Zellen der Sklera zurückfuhrt; es handelt
sich also um ein primäres orbitales Melanosarkom.
4) So koloff-St. Petersburg: Ein Fall von Gumma der
HyP °Nur y 2 FäUe r dieser seltenen Geschwulst sind bis jetzt beschrieben,
von Weigert und von Barbacri. Massgebend für die Diagnose
der wallnussgrossen Neubildung waren: behlen von Tuberkelbaulle ,
von tuberkelähnlichen Knoten, endarternt.sche Processe .binde¬
gewebige Kapsel um den Käseherd, Vorhandensein von sternförmigen
Narben und zahlreichen verkästen Knoten in der Leber.
5) Ebstein und A. Nicolaier-Göttingen: Ueber die Aus¬
scheidung der Harnsäure durch die Nieren.
Das Ziel der Arbeit, bei Thieren durch Emverleibung von
Harnsäure auf experimentellem Wege harnsiiuvehaltige Harnsteine
zu erzeugen, konnte nicht erreicht werden. Die Einverleibung ge
schah durch Fütterung, durch intravenöse, subcutane und lntra-
peritoneale Injection und zwar sowohl bei gesunden Kaninchen
als auch bei solchen, deren Nieren mittelst Injection von Aloin
oder chromsaurem Kali krank gemacht waren. Die verfütterte
Harnsäure bewirkte weder im Harn noch in den Nieren eine ver
änderung; die injicirte Harnsäure dagegen wurde un Harn aus_
geschieden und übte einen deutlich schädigenden EmfluaB auf
die Nieren aus (parenchymatöse und interstitielle Entzünc g
erscheinungen). Sie imprägnirt, wahrscheinlich in ? er ^orrn von
harnsauren Salzen, die Epithelzellen gewisser Abschnitte der Harn
canälchen, die in Folge dessen aufquellen, sich vergrössern einen
glänzenden Leib und vielfach eine schwach gelbliche Farbe bekomm
(kleine und grosse « Uratzellen «). »_ v .
6) Martin B. Schmidt-Strassburg: Ueber die localen Amy
loidtumoren der Zunge. _ a 0 t?hii«
Die amyloiden Zungengeschwülste , von denen ^ * R . ,,
beobachten konnte, werden immer an einer und derselben b
vom Zungengrund gefunden. Sie schlossen mit einer ziemliclien
Constanz knorpelige und knöcherne Herde ein, so dass Amvloids
besonderer Werth gelegt werden muss. Die Ablagerung d^Amylmd
erfolgt an vielen Stellen im Innern von Canälen £k y P JL der
untef Riesenzellenbildung in der Umgebung. Die Entwicklung der
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7. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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I
i
Amyloidtumoren längs des Respirationstractus liegt in der peri¬
chondralen, bezw. parachondralen, jedenfalls mit Knorpel und
Knochen bildenden Fähigkeiten begabten Natur des betr. Binde¬
gewebes begründet and steht die Amyloidbildung in diesen Fällen
mit der Knorpel- und Knochenproduction wahrscheinlich in einem
gewissen Zusammenhang.
7) E. Aron-Berlin: Ueber die Einwirkung barometrisch
verschiedener Luftarten auf den intrapleuralen und den Blut¬
druck bei Kaninchen.
Der negative intmpleurale Druck wächst beim Kaninchen mit
zunehmender Compression der umgebenden Atmosphäre und sinkt
wiederum mit Nachlassen der Luftverdiehtung; umgekehrt ist es
in verdünnter Luft.
Kleinere Mittheilungen. 1) Ebstein-Göttingen: Ver¬
erbung von Missbildung derFinger und Zehen.
2) Zahn-Genf: Ein neuer Fall von Flimmerepithelcyste
der Pleura. (Nachtrag zu Bd. 143, S 175 und S. 182—183.)
3) Congress für innere Medicin.
Heft 3. 1) Israel und Pappenheim-Berlin: Ueber die
Entkernung der S&ugethiererythroblasten.
Die Lehre Virchow's, dass die pathologischen Processe keine
specifischen sind, dass vielmehr für sie Analogien in dem normalen
Leben bestehen, fand bisher nur auf zwei der bekannten patho¬
logischen Processe keine Anwendung, auf die Nekrose und die
amyloide Entartung. Betreffs der Enteren suchen nun die Verfasser
ein Paradigma in dem Kernschwund und dem Verlust anderer
Zellbestandtheile der Erythroblasten während des Fötallebens und
weisen nach, dass es sich dabei um eine echte Nekrose, nicht um
eine Nekrobiose handelt. Betreffs der Einzelheiten dieser an dem
Blute weisser Mäuseföten gemachten Untersuchungen sei auf das Ori¬
ginal verwiesen.
2) Eij km an -Batavia: Blutuntersuchungen in den Tropen.
Untersuchungen über die osmotische Spannung des Menschen¬
blutes, sowie über das Volumen der körperlichen Bestandteile
desselben. Die Erstere wurde bestimmt mittelst des Grijns'schen
Hämatokrits, eines Apparates, der diejenige Concentration der
wässerigen Lösung eines bestimmten Stoffes Bucht, in welcher die
Blutkörperchen ihr ursprüngliches Volumen nicht ändern; eine solche
Lösung hat dann offenbar die gleiche osmotische Spannung wie die
natürliche Blutflüssigkeit, sie ist damit < isotonisch». Als Mittel wurde
dabei eine isotonische Kochsalzlösung von 0,856 Proc gefunden.
Das specifi8che Gewicht der Blutkörperchen wurde mit 1,0994
berechnet.
3) A. Schmidt-Bonn: Untersuchungen über das mensch¬
liche Magenepithel unter normalen und pathologischen Ver¬
hältnissen.
8. fixirtö möglichst frühzeitig nach dem Tode das Magencpithel
durch eine verdünnte Sublimatalkohollösung, die er entweder per
Schlundsonde oder mittelst directer Injection durch die Bauchdecken
in den Magen brachte.
Das normale Magenepithel ist, morphologisch, functionell und
entwicklungsgeschichtlich betrachtet, gänzlich verschieden von dem
Darmepithel. Normaler Weise kommen im Magen («abgesprengte»)
Darmepithelien nur ausnahmsweise in unmittelbarer Nähe der Duo¬
denalepithelgrenze vor. Ausser bei acut wirkenden Noxen zeigt
Bich das Epithel der Magenoberfläche bei entzündlichen Zuständen
der Schleimhaut in der Regel besser erhalten als die Drüsenzellen.
Bei atrophischen chronisch entzündlichen Processen, welche insel¬
förmige Herde bilden, geht das Magenepithel stellenweise eine Um¬
wandlung in darmepithelähnliche Zellen ein.
4) Farner-Bern: Beiträge zur pathologischen Anatomie
des Morbus Basedowii mit besonderer Berücksichtigung der
Struma.
Genaue histologische Untersuchungen von 10 Basedow¬
strumen.
5) Kockel-Leipzig: Beitrag zur Histogenese des miliaren
Tuberkels.
Aus den Ergebnissen der bei experimenteller Lebertuberculose
gemachten Untersuchungen heben wir u. A. hervor: Das den Glisson-
sclien Kapseln entlang auftretende Granulationsgewebe ist als erstes
Bpecifisches Product der eingedrungenen Tuberkelbacillen zu be¬
trachten, da es keine Neigung zur Vernarbung fiat, sondern später
verkäst. Vom 9. Tage ab entwickeln sich die eigentlichen miliaren
Lebertuberkel, die sämmtlich intracapillar entstehen und von Anfang
an gefässlos sind. Alle tuberculösen Producte in der Leber ent¬
stehen ausschliesslich durch Wucherung der Endothel- und Binde¬
gewebszellen; eine Betheiligung der Leberepithelien und Leukocyten
an dem Aufbau der tuberculösen Gewebe ist unwahrscheinlich.
Die tuberculösen Riesenzellen können auf verschiedene Weise ent¬
stehen; die in der Leber bilden sich aus hyalinen Oapillarthromben
und Endothelien; das Reticulum der Lebertuberkel ist vorwiegend
ein Gerinnungsproduct, hervorgerufen durch die fixirenden Lösungen.
6) Rosin-Berlin: Ueber wahre Heterotopie im Rücken¬
mark.
Eine grosse Zahl von 60 g. Heterotopien (Verlagerung von weisser
oder grauer Substanz an eine Stelle, wohin sie sonst nicht gehören)
b *™“ en i van Gieson lehrte, auf postmortalen Quetschungen
u dgl. des Rückenmarks. Es kommen jedoch wahre Heterotopien
Th üVT nen au< * e ‘ n von R* beobachteter Fall zählt; es handelt
Bleu dabei um breite und kolbig angeschwollene Piafortsätze zwischen
den Vorder- und Seitensträngen, in welchen sich mikroskopisch
Gliagewehc, Ganglienzellen und markhaltige Nervenfasern erkennen
Hessen.
7) Lo e ser-New-York: Ueber paroxysmale Tachycardie.
Dieselbe ist als eigenartige Krankheit von dem Symptom der
Tachycardie streng zu trennen. Die Her-dilntation ist ein häufiges,
aber nicht nothwendiges Vorkommnis» bei dieser Krankheit und
kann daher nur als secundüre Complieation, nicht als essentielles
Symptom betrachtet werden.
Kleinere Mittheilungen. 1) E. Gurlt: Medicinisch-
naturwissenschaftlicher Nekrolog des Jahres 1895.
2) Zeller-Stuttgart: Nachtrag zu dem Aufsatz: Ein Fall
von multiplen pseudomelanotischen Gasabscessen der Haut
nach Erysipel. (D. Arch. Bd. 139, S. 233.»
3) H a 11 e rv o r d e n - Königsberg: Ueber Ainmoniakaus-
scheidung.
Erwiderung auf den Aufsatz von Rumpf: Klinische und
experimentelle Untersuchungen über die Bildung und Ausscheidung
von Ammoniak. (D. Arch. B. 143 H. 1.) Hecker-München.
Archiv fiir Hygiene. XXVI Band, Heft 1.
1) Stabsarzt Dr. Sch eurlen - Strassburg: Geschichtliche
und experimentelle Studien über den Prodigiosus.
Die Arbeit bringt neben Zusammenstellung mehr weniger
bekannter Thatsachen eine Reihe neuer Beiträge:
1. Prodigiosusepidemien(Speisenröthung) finden stets im Sommer
und Herbst statt, wie dies bei den Choleraepidemien ja auch ganz
vorwiegend der Fall ist.
2. Die Geissein des Prodigiosus fehlen auf der Kartoffel, dort
wird durch reichliche Ammoniakbildung vielmehr eine Verquellung
der äusseren sonst geisseltragenden Membran bewirkt.
3. Der Prodigiosusfarbstoff lässt sich durch Wasser aus al¬
koholischen Lösungen Ausfällen, er enthält keinen oder nur sehr
wenig Stickstoff.
4. Die Bildung von Ammoniak, Methylamin, Bernstcinsiture
und Ameisensäure wurde nachgewiesen.
2) H. Wolpert: Ueber den Einfluss der Lufttemperatur
auf die im Zustand anstrengender körperlicher Arbeit aus¬
geschiedenen Mengen Kohlensäure und Wasserdampf beim
Menschen. (Hygienisches Institut Berlin )
Verfasser beginnt in dieser Arbeit eine Reihe wichtiger Unter¬
suchungen zur Fabrikhygiene mit Hilfe eines Respirationsapparates für
den Menschen, wie ihn jedes hygienische Institut besitzen sollte. Der
Berliner Apparat ist nach dem Pettenkofer 'sehen Princip gebaut die
saugende Gasuhr durch einen Peltonwassermotor bewegt. — Alle Ver¬
suche sind an Menschen in Hemdärmeln gemacht, sehr viele sind
Selbstversuche; der Apparat ist so construirt, dass die Versuchsperson
gleichzeitig mittelst Opernglas die nöthigen Ablesungen machen
kann. Die am Ergostaten geleistete Kurbelarbeit betrug in 4 Stunden
60 000 Meterkilogramm — eine sehr beträchtliche Menge. Die Haupt-
resultate waren :
1. Temperaturen von 5 — 25° waren auf den ruhenden wie
arbeitenden Menschen in Beziehung auf die CO.* Ausscheidung ohne
merklichen Einfluss.
2. Die Grösse der CO 2 Ausscheidung verhielt sich
bei Schlaf Itube Arbeit (15 000 Meterkilo pro Stunde)
wie 4 : f> : 12
3. 15 000 Meterkilogramm Arbeit entsprechen einer Mehr¬
ausscheidung von 50 g Kohlensäure pro Stunde, somit bedeutet
jedes überschüssige Gramm Kohlensäure rund 300 Meterkilogramm.
I Meterkilogramm = 3 */2 mg Kohlensäureausscheidung.
4) Die Wasserdarapfproduction betrug pro Stunde
bei 16° und starker Arbeit (15 000 Meterkilogramm)
210 b
und Ruhe..
119 g
230 g
42 g
73 g
49,5 g
60 ß.
kleinen
„ 22,5 0
„ 25,7 0
„ 20,1 0 während des Schlafes
” 21 > l ° r
Es droht in kleinen Arbeitsräumen, ebenso in sehr
Wohn- und Schlafräumen die Gefahr, dass die Wohnung feucht wird.
3) H. Wolpert: Ueber die Kohlensäure- und Wasserdampf-
Ausscheidung des Menschen bei gewerblicher Arbeit und bei
Ruhe. (Hygienisches Institut Berlin)
Nach den eben referirten Selbstvorsnchen bat IVolpe'rt'an
zahlreichen in gewohnter Weise leicht und schwerer arbeitenden
Menschen die Kohlensäure- und Wasserausscheidung untersucht
(Näherin, Schreiber, Schreiner, Damen und Herrenschuhmacher etc.)
— alle tibertraf er weit durch seine Ergostatarbeit in ihren Leistungen,
Kohlensäure- und IVasserausscheidungen. Es berechnet sich selbst
für den Herrenschubmacher nur 8000 statt 1)000 stündliche Meter-
calorien Arbeit. Die Details der übersichtlich dargestellten Arheit
lassen sich auf kurzem Raume nicht mittheilen.
K. B. Lehmann.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 13.
1) J. Orth -Göttingen: Ueber die Verwendung’des Formal¬
dehyd im pathologischen Institut in Göttingen.
Das Formol (40 Proc. Lösung des Formaldehyd) ist ein vor¬
treffliches Härtungsmittel, besonders auch für das Gehirn. Mit
Müller’scher Lösung im Verhältnis von 1:10 gemischt, bringt
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Formol an Organstücken rasch die zum Schneiden nöthige Con-
sistenz hervor, fixirt vorzüglich Karyomitosen. Schnitte gut färbbar
Obige Mischung conservirt die Blutfarbe, auch Pigmente. Ltichen-
theile können durch Abspülen mit 1 Proc. Formollösung lange con¬
servirt werden. 10 Theile Formol auf 400 Theile Wasser gibt ein
höchst wirksames Desinticiens und Desodorans; speciell gegen den
üblen Geruch von Schweissfüssen wirkt Abwaschen mit einer Formol¬
lösung (1 Esslöffel auf 1 1 Wasser) sehr gut. Zur Desinfection von
Räumen empfiehlt 0. die von Tollens angegebene Formaldehyd-
Lampe.
2) Th. Rosen heim-Berlin: Ueber Gastroskopie. (Schluss
folgt.)
3) A. Dührssen-Berlin: Ueber Geburtsstörungen nach
Vaginofixation, ihre Bedeutung, Behandlung und Verhütung.
(Schluss folgt.)
4) Abel-Berlin: Eine neue Indication zur Sectio caesarea
nach Porro. S. d. lief, in No. 10, S. 234 d. W.
5) J. Levin-New-York: Ueber eine Methode, die Harn¬
blase durch das Cavum ischio-rectale zu eröffnen.
Der vorläufig ausschliesslich auf anatomischer Arbeit an Leichen
gegründete Vorschlag des Verfassers ist im Original einzusehen, da
die vielen anatomischen Details nicht kurz referirt werden können.
G r a s s m a n n - München.
Deutsche medicinisclie Wochenschrift 189(3, No. 14.
1) Hahn: Ein Beitrag zur Chirurgie des Gehirns. (Aus
der chirurgischen Abtheilung des städtischen allgemeinen Kranken¬
hauses am Friedrichshain in Berlin.) (Schluss folgt.)
2) Schjerning und Kranzfelder: Ueber die von der
Medicinalabtheilung des Kriegsministenums angestellten Ver¬
suche zur Feststellung der Verwerthbarkeit Röntgen’scher
Strahlen für medicinisch-chirurgische Zwecke.
Zusammenstellung der bisher für die medicinische Wissen¬
schaft durch die neue Methode erreichten Vortheile. Der ausführliche
Bericht findet sich im 10. Heft der « Veröffentlichungen aus dem
Gebiete des Militärsanitätswesens >.
3) J. Boas: Ueber Amoebenenteritis.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin zu Berlin am
13. und 20. Januar 1896. Referat siehe d. W. No. 4, pag. 86.
4) F. Ahlfeld: Woher stammen die grossen Differenzen
in den Morbiditätsstatistiken deutscher Entbindungshäuser.
(Schluss aus No. 13 d. W.)
A. führt die in der That auffallenden Unterschiede auf eine
nicht überall genügend exact durchgeführte Thermometrie zurück.
Bei möglichster Beschränkung der inneren Untersuchung, peinlichst
durchgeführter Sterilisation des untersuchenden Fingers konnte, 3^°
Körpertemperatur als Fiebergrenze genommen, nur bei 62 Proc.
der Wöchnerinnen ein fieberfreies Wochenbett erzielt werden. Wird
die Grenze dagegen auf 38,5° erhöht, so steigt die Ziffer auf 82 Proc.
Den Grund dieser nicht zu vermeidenden Erkrankungsfälle sucht A.
in einer Form der puerperalen Selbstinfection. Durch gründliche
vaginale Desinfection der Kreissenden lässt sich auch diese Ziffer
noch vermindern. Die Mortalitätsziffer der Marburger Klinik be¬
rechnet A. auf 0,014 Proc , ein bisher noch niemals erreichtes Resultat.
5) Karewski: Resectionen am Thorax.
Vortrag, gehalten in der Berliner medicinischen Gesellschaft,
am 29. Januar 1896. (Fortsetzung folgt.)
6) K. Bohl and: Weitere Mittheilungen über die Bülau’sche
Heberdrainage bei der Empyembehandlung. (Aus der medi¬
cinischen Universitätsklinik in Bonn, Direktor Prof. F. Schultze.)
Schluss aus No. 13.
Die durch 20 neue Fälle bereicherte Statistik ergibt für die
Bülau'sche Methode 85,6 Proc. Heilung. Die Methode ist indicirt
bei grosser Schwäche und Complicationszuständen der Kranken,
doppelseitigem Empyem und einfachem jauchigen Empyem; selbst
bei veralteten Fällen ist ein Versuch noch angezeigt. Bei den
Empyemen Tuberculöser ist der Erfolg zweifelhaft.
7) B. Körner-Magdeburg: Heilung einer Morphium Ver¬
giftung durch Injection von Kali hypermanganicum,
Die durch '/2 g Morphium hervorgerufenen Vergiftungserschei¬
nungen wurden durch Injection einer Spritze Kalipermanganatlösung
(4:30; oder besser 5 Proc.), Herzmassage und Magenspülung binnen
14 Stunden gehoben. Besonders günstige Wirkung des übermangan¬
sauren Kalis auf die tonischen Krampfzustände bei der Morphium¬
vergiftung. F. L.
Orthopädisches aus dem ersten Quartal 1896.
Der Fluthenschwall, welcher in dem sich stetig verbreiternden
Strombett medicinischer Journale dahinbraust, treibt an unseren
Blicken verwirrend Vielerlei vorüber. Wir finden nicht die Zeit,
jede Publication auf ihren Werth zu prüfen, oder uns aus der Fülle
der gebotenen Casuistik einheitliche Anschauungen auszuarbeiten,
wissenschaftliche Forschungsergebnisse und experimentelle Resultate
mit praktischen Erfahrungen erspriesslich zu combinircn.
Mag schliesslich auch der Specialist den Ueborblick über das
ihn Interessirende gewinnen, dem praktischen Arzt geht Vieles ver¬
loren. Verloren namentlich in Einzeldisciplinen, welche nicht durch
deren Sonderinteresse dienende Zeitschriften leicht zugänglich gemacht
sind. In einer solchen Lage befindet sich leider zur Zeit in Deutsch¬
land die Orthopädie, da deren Organ nur sehr unregelmässig, wenn
überhaupt erscheint. Dieser Mangel ist zu bedauern, sowohl wegen
der praktischen Wichtigkeit des Faches, als auch wegen des beträcht¬
lichen Aufschwunges, den dasselbe in letzter Zeit genommen hat.
Diese Lücke möglichst auszufüllen, soll durch vierteljährliche
Besprechungen der orthopädischen Literatur angestrebt werden.
Die Rachitis ist für den Orthopäden ein stets interessantes
Capitel, nicht nur wegen der alltäglichen Deformitäten, die sie ohne
Zweifel erzeugt. Auch im späteren Alter auftretende Deformitäten,
solche, die man habituelle zu nennen pflegt, werden mit Rachitis in
Zusammenhang gebracht, die spät auftritt, oder recidivirt unter
Beschränkung auf einzelne Skeletabschnitte. C a u 11 e y (Recrudescent
or late rickets, Brit. med. Journal 1896 No. 1) theilt uns eine Reihe
von Füllen mit, wo bei Adolescenten eine durchaus charakteristische
schwere Rachitis in Erscheinung trat und Knochenverbiegungen
erzeugte. Anderer Meinung ist Vierordt in seiner Monographie
über Rachitis und Oateomalacie (Nothnagel 'b specielle Pathologie
und Therapie VII. Bd. 1. Theil), indem er Spätrachitis und ihren
Einfluss auf das Entstehen von Skoliosen nicht gelten lässt. Das
jüngst erschienene Buch bringt unter den Symptomen der Rachitis
Schilderungen und neue Abbildungen der häufigsten rachitischen
Deformitäten.
Die specielle Therapie dieser Folgeerscheinungen der Rachitis
ist in dem Buche nicht enthalten, wohl aber bemerkenswerthe Rath¬
schlüge bezüglich der medicamentösen Behandlung des Grundleidens.
Statt des zu schwachen Kalkwassers wird G'alcar. carbon. 0,5 mehr¬
mals täglich empfohlen und zwar nur im Stadium der Ausheilung,
da nur in dieser Periode « Kalkhunger » angenommen werden könne.
Wann empfohlen wird der Leberthran, bei schweren Fällen in
Verbindung mit Phosphor.
Auf dem Gebiet der allgemeinen operativen Orthopädie ist die
von Franke (Archiv f. klin. Chirurgie 52 Bd., 1. Heft) ausgehende
Anregung zu ausgedehnterer Anwendung der Sehnentransplan¬
tation zu erwähnen. Das Verfahren sucht bekanntlich Sehnen
paretischer Muskeln mit gesunden Muskeln in Verbindung zu setzen,
die selbst der Antagonistengruppe angehören können, und so an¬
nähernd normale Function wiederherzustellen
Er hat 2 mal bei paralytischem Klumpfuss die Sehne des ge¬
lähmten Extensor digit. pedis longus an die Tibialis anticus-Sehne
angenäht, ohne letztere zu durchtrennen, mit gutem Erfolg.
In der Literatur fand er 17 derartige Operationen, die zu
weiteren Versuchen auch an der oberen Extremität ermuthigen.
Auf die häufigen Misserfolge des Brise me nt forcö ist
neuerdings mehrfach aufmerksam gemacht worden. In ähnlichem
Sinne berichtet Townsend (Results of treatement of rheumatic
fibrous ankylosis by brisement forcö, Medical News 1896 No. 5),
der nach dem Eingriff meist erneute Ankylose eintreten sah. Nur
wo eine Stellungsverbesserung nothwendig ist, erscheint das Brisement
angezeigt, das durch Zerreissen der Adhäsionen wirksamer wird
als durch Dehnen.
Von grosser praktischer Bedeutung sind auch für den chirurgisch
thätigen Orthopäden — und Orthopädie und Chirurgie sind untrenn¬
bar — die schönen Versuche von Barth «über die künstliche Er¬
zeugung von Knochengewebe> (Berliner klin. Wochenschr. No. 1).
Es hat sich ihm ergeben, dass die Erfolge der Auto-, Homo-
lind Hetero-Plastik von Knochengewebe bedingt sind einzig durch
den Kalkgehalt des implantirten Fremdkörpers.
Er bevorzugt dementsprechend die durch Ausglühen gewonnene
Knochenkohle, da ihre poröse Struetur ein rasches Durchwachsen
von Seiten des Nachbargewebes gestattet.
Auch Gips hält er für gutes Material, während er Elfenbein
als zu compacten Stoff verwirft.
Für die Technik orthopädischer Apparate kommt eine von
Anders (Archiv f. klin. Chirurgie, 52. Bd., 1. Heft) ausgehende
Empfehlung des Filzes als Material in Betracht. Der Filz ist be¬
kanntlich aus der Mode gekommen besonders desshalb, weil er in
der Wärme nachgab und sich somit den pathologischen Körper¬
formen rasch anschmiegte statt dieselben zu korrigiren.
Anders behauptet durch sein Verfahren diesen Uebelstand
vermieden zu haben. Der Filz wird aus Hasen- und Kaninchen¬
haaren für jeden Fall besonders hergestellt, in heissem Wasser dem
Modell angepresst, getrocknet, mit spirituöser Lacklösung getränkt,
an der Innenseite mit Glaspapier geglättet, aussen wiederholt lackirt.
Die so hergestellten Apparate sollen leicht und sehr fest sein.
Ob dies zutrifft, scheint zweifelhaft, sicher sind sie sehr theuer.
Der Filz wird die aus Holzspähnen oder Cellulose in letzter Zeit
hergestellten leichten, festen und billigen Apparate kaum wieder
verdrängen.
Die meisten Capitel der specieilen Orthopädie haben neue
Publicationen aufzuweisen.
Einen wichtigen Beitrag «zur Behandlung des musculären
Schiefhalses > liefert Hartmann (Beiträge zur klin. Chirurgie
15. Bd 3. Heft). Er suchte sich über die Dauerfolge der Kopfnicker -
durchschneidung zu unterrichten, über welche bisher wenig bekannt
war. Es standen ihm 22 Fälle zur Verfügung, deren Krankenjour¬
nale allerdings nicht die wünschenswerthe Genauigkeit aufwiesen.
Das Resultat wurde in 4 Gruppen untergebracht: Völlige Heilung,
fast volle Heilung, Recidiv mittleren Grades, hochgradiges Recidiv.
Nur ein Drittel war tadellos geheilt, und dies waren zudem nur die
als leicht bezeichneten Fälle. Bezüglich der viel umstrittenen Aetio-
4
«
*
7. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
327
logie neigt er za der Ansicht, dass an ein Trauma sich eine Myositis
fibrosa oder Dystrophia fibrosa anschliesse. Ist dieser Prozess sehr
gering oder aber bis zur völligen Muskeldegeneration vorgeschritten,
80 hat die Totalexstirpation des kranken Muskels nach .Mikulicz
keinen Werth, es genügt die offene Tenotomie nach Lorenz und
geeignete Nachbehandlung.
Der Werth und die Methode der «gymnastischen Behandlung
bei Wirbelsäulenverkrümmung», bei rundem Rücken wie bei
habitueller Skoliose wird in einer Veröffentlichung von Pietrzikowski
(Prager medic. Wochenschrift Nr. 1—7) ausführlich erörtert Bringt
die Arbeit auch nicht viel Neues für den Specialisten, so enthält
sie doch für den Praktiker manchen guten Rathschlag auch bezüg¬
lich der Untersuchung und der Beurtheilung von Skoliosen.
Dem immer noch etwas räthselhaften Krankheitsbild der
Scoliosis ischiadica hat Bähr (Centralblatt f. Chirurgie No. 11)
seine Aufmerksamkeit zugewendet und sucht statische Ursachen für
die beiden Formen des Leidens, den heterologen und den homologen
(Neigung des Rumpfes nach der Seite des kranken Beines) Typus,
ausfindig zu machen. Dass es sich hier nicht um eine statische
Skoliose, auch nicht im weitesten Sinne derselben handeln kann,
wird nicht schwer zu beweisen sein.
Für die Behandlung der Spondylitis hat sich die Lagerung im
Gypsbett so bewährt, dass eine Verbesserung der Methode kaum
möglich erscheint. Karewski (Berliner klin. Wochenschrift No 11)
hat dies versucht, ob mit Glück, muss zunächst dahin gestellt bleiben.
Er legt den Patienten in einen «Gypsanzug» der auf Tricot in leichter
Suspension hergestellt wird und den ganzen Körper einscbliesst.
Längs und quer verlaufende, mit Schusterspähnen verstärkte Binden¬
touren fixiren die Wirbelsäule und lassen zwischen sich grosse Venti¬
lationslücken frei. Die Beine werden in massiger Abduction ein-
gegypst, um die Defäcation zu ermöglichen. Von 10 während 6 —15
Monaten derart behandelten Kranken wurden 6 gänzlich geheilt.
Recht fraglich muss es zum Mindesten erscheinen, ob die Erschüt¬
terung des Rückens beim Gehen in dem Verband ausgeschlossen ist.
Zur vorsichtigen Beurtheilung der ambulanten Spondylitis-
bebandlung mahnt eine Mittheilung von Lovett (The ambulant
treatement of Pott's disease, Medical News No. 9). Eine Reihe von
Messungen überzeugte ihn, dass Spondylitiskranke im Liegen wesent¬
lich länger sind als im Stehen, dass ferner die in einem Corsett zu
erzielende Verlängerung nur einige Minuten anhält. Er räth dess-
halb, während der schmerzhaften Periode wenigstens die Patienten
liegen zu lassen und nur vorübergehend das Aufstehen mit einem
Apparat zu erlauben, der die Reclination der Wirbelsäule erzwingt.
Grosses praktisches Interesse bietet eine traumatische Er¬
krankung der Wirbelsäule, welche der Spondylitis ähnelnde
Erscheinungen macht. Das von Küm mell erstmals aufgestellte
Krankheitsbild wird von He nie (Archiv f. klin. Chirurgie 52. Bd.,
Heft 1) ergänzt durch einen Bericht über 5 hierher gehörige Fälle
aus der Breslauer Klinik, die verschiedene Segmente der Wirbel¬
säule betreffen. Das Leiden umfasst 3 Epochen: Die ersten vor¬
übergehenden Unfallfolgen, ein Intervall scheinbarer Wiederher¬
stellung, die Entwicklung des Gibbus.
Einer der Patienten zeigte 6 Wochen nach dem Unfall ausser
der Kyphose eine beträchtliche Skoliose mit Torsion. Dass diese in
Folge der supponirten traumatischen Knochenerweichung so rasch
entsanden sein soll, klingt kaum glaublich. Die Knochenerweichung
beruht vielleicht auf trophischen oder vasomotorischen Störungen
(im Anschluss an ein extra- oder intradurales Haematom ?)
Die Differentialdiagnose gegen tuberculöse Spondylitis wird
ermöglicht durch die ausgedehntere, rundliche Kyphose, Fehlen
eines Abscesses. Ueber die Prognose der neuen « Unfallskrankheit»
lässt sich noch nichts Bestimmtes aussagen. Die Therapie hat für
Ruhe und Entlastung des Rückens zu sorgeD, späterhin kommt ein
Stützcoreett in Frage. (Schluss folgt.)
Privatdocent Oscar Vulpius-Heidelberg.
Vereins- und Congressberichte.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 30. März 1896.
Herr von Leyden und Herr Mendelsohn: Demon¬
stration einer exstirpirten Niere.
Herr Mendelsohn demonstrirt eine Niere, welche auf die
Diagnose Nierentuberculose hin von Herrn König exstirpirt worden
es fand sich jedoch eine Pyonephrosis calculosa. Patient
batte von dem Leiden wenig Beschwerden gehabt und nur gelegent-
hch bemerkt, dass sein Urin trübe war, dass er weniger arbeits¬
fähig wurde und abmagerte. Der behandelnde Arzt hatte schon die
Diagnose auf Nierentuberculose gestellt und Patient zu v. Leyden
geschickt, welcher ihn zur Vornahme einer cystoskopischen Unter¬
suchung an Herrn Mendelsohn wies. Bei dieser Untersuchung
konnte M. nun deutlich bemerken, dass die eine Ureterenmündung
sich nur periodisch öffnete und dann klaren Urin entleerte, während
oje andere ständig klaffte und in continuirlichem Strom trübe eiter-
aunliehe Flüssigkeit abfli essen liess. Im Urin fanden sich dann
Bacillen, welche für Tuberkelbacillen gehalten werden konnten und
zur Diagnose und Indicationsstellung Veranlassung gaben.
Die Niere zeigt das bekannte Bild der vorgeschrittenen Stein¬
nieren: grosse verästigte 8teine im Becken, Atrophie der Nieren¬
substanz, eitrige Pyelitis. Ihre Exstirpation war also auf alle Fälle
indicirt.
Herr v. Leyden weist auf die Möglichkeit der Verwechslung
der Smegmabacillen mit Tuberkelbacillen hin, was zwar seit längerem
bekannt, aber wieder in Vergessenheit gerathen zu sein scheint.
Herr König spricht kurz zur Operation des vorliegenden Falles
und erwähut bezüglich der genannten Verwechslung der Bacillen
einen ähnlichen Fall, wo selbst einem geübten Untersucher diese
Verwechslung passirt war. Er erinnert ferner daran, dass auch um¬
gekehrt Nierentuberculose vorkomme, wo keine Bacillen im Harne
gefunden werden.
Herr Senator weist auf die Schwierigkeit der Diagnose
Nierentuberculose hin; so unbekannt, wie Herr v. Leyden meint,
sei übrigens die erwähnte Verwechslungsmöglichkeit nicht; in den
neueren Lehrbüchern sei dieser Umstand gebührend gewürdigt.
Herr A. Fraenkel bestätigt diese Angabe Senators. Im
Krankenhaus am Urban wurde seit Jahren in allen hier in Rede
stehenden Fällen (Untersuchung von Urin und Fäces) die alte
Ehrlich sche Färbung angewendet. Bei sorgfältiger Entfärbung
mit Salpetersäure würden die Smegmabacillen stets entfärbt, man
dürfe natürlich nicht die G a b b e t ’ sehe Methode an wenden Uebrigens
kämen gerade im Urin die T. B häufig in der Anordnung vor, welche
sie in Reincultur zeigen und dann seien sie nicht zu verwechseln.
Herr Fürbringer sucht dieser Verwechslung vorzubeugen,
indem er nur mit Katheter entnommenen Urin auf Bacillen
untersucht.
Demonstrationen:
Herr Albu demonstrirt ein junges Mädchen aus dem Kranken¬
haus Moabit, bei welchem neben einer indurirenden linksseitigen
Lungentuberculose eine umschriebene Pulsation links vom oberen
Sternum und über dieser Stelle Dämpfung, sowie ein systolisches
und diastolisches Geräusch wahrzunehmen sei. A. glaubt daraus die
Diagnose Aneurysma der Arteria pulmonalis stellen zu
dürfen.
Herr Gerhardt gibt die Möglichkeit dieser Diagnose zu, weist
aber auf die ausserordentliche Seltenheit dieser Affection hin und
bespricht kurz die Möglichkeit anderer Erklärungen dieses Befundes.
Herr Magnus-Levy stellt ein Mädchen mit Friedreich scher
Ataxie vor; daselbe ist jetzt 17 Jahre alt, leidet seit dem 6. Jahre
an cerebellar ataktischen Gang und Ataxie in den Händen, Schwäche
in den rechtsseitigen Extremitäten, Fehlen der Sehnenphänomene,
Kyphoskoliose. Sprachstörung und Nystgamus sind nicht vorhanden.
Heredität besteht nicht. H. K.
Aerztlicher Verein zu Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 24- März 1896.
Vorsitzender: Herr K ü m m e 11.
(Schluss).
H. Discussion über den Vortrag des Herrn Staude:
Ueber Antefixatio uteri.
Herr Kümmel pflichtet Herrn Staude bei, dass die Indi-
cationen zur operativen Beseitigung von Retrodeviationen der Gebär¬
mutter nicht streng genug gestellt werden können; andererseits
sei einer allzu langen gynäkologischen Pessarbehand-
lung eine rasche Heilung durch Operation vorzuziehen.
Ist der Uterus fixirt, so empfiehlt er, denselben an das Periost
der Symphyse zu befestigen. Bei mobilem Uterus empfiehlt er
die Alexander'sehe Operation mit den von Kocher angegebenen
Modificationen. Blasenbeschwerden, die wohl nach jedem derartigen
Eingriffe auftreten, schwinden rasch. Von 15 von ihm operirten
Kranken ist eine 4 mal gravid geworden und hat ohne Kunathüfe
geboren.
Herr Rae tb er (Altona) hat seit Mai 1892 42 Vaginoflxationen
gemacht und will in keinem Fall Becidive gesehen haben. * Er befür¬
wortet die vaginale Fixation vor der ventralen Laparotomie. Bei
der von St. empfohlenen Methode befürchtet er, dass ein Theil der
Blase eingeschnürt würde.
Herr Lauenstein warnt ebenfalls vor allzuhäufigem Operiren.
Er macht darauf aufmerksam, dass eine Reihe von Beobachtungen
vorlägen, wo die Ventrofixatio für spätere Sch wangerschaften
zu den ernstesten Folgen Veranlassung gegeben hätte.
Herr Aly steht, was die Indicationsstellung anbelangt, mehr
auf Kümmell’s Standpunkt. Er hat 8mal operirt und einmal ein
Recidiv gesehen. Er vertheidigt die Ventrofixation; nur müsse die
Eröffnung des Peritoneums in möglichst geringer Ausdehnung
erfolgen.
Herr Prochownick: Die Retropositionen des Uterus sind
meist nur Fo 1 gezustande anderer Erkrankungen des Uterus, des
Beckenzellengewebes, der Anhänge, des Bauchfells oder gar des
ganzen Organismus. Desswegen und auf Grund operativer Er-
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328
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
fahrungen geht P. für die reine Retroflexio mobilis noch weiter als
St. und lehnt es ab, sie chirurgisch anzugreifen. Nur für
das Zusammentreffen schweren Vorfalls mit Retrollexio im zeugungs¬
fähigen Alter halt er die chirurgische Anzeige aufrecht. Für peritoneal
befestigte Reflexionen bevorzugt er die vaginale Operation. Tech¬
nisch ist an zwei Grundsätzen festzuhalten: f) Bei mobiler Gebär
mutter muss die Excavatio vesicouterina verödet werden; auch
für die fixirte ist dies erwünscht, aber nicht Erforderniss. 2) Es
ist stets wieder Bauchfell mit Bauchfell zu vereinigen.
Schon vor Mackenrodt's und Dührssen's Veröffentlichungen
wurde das Bauchfell eröffnet. Von 1883 bis Ende 1895 53 Ventro-
fixationen, von Anfang 1892 bis Ende 1895 53 Vaginofixationen
Recidive werden nicht ausbleiben. Doch machen die objectiven,
palpatorisch constatirbaren nicht immer Beschwerden. An Neben¬
erscheinungen sah er starke Narbenbeschwerden bei 3 Frauen,
2 Pyelitiden (die Kranken waren nicht katheterisirt) und eine an
Psychose grenzende Hysterie. Schwangerschaften verliefen meist
ohne Störung.
Herr Matthaei erwähnt, dass Olshausen bei einer jähr¬
lichen Durchschnittsziffer von 409—450 Operationen von 1887 bis
1892 nur 23 mal Ventrofixationen ausgeführt hat. Man vermeidet
Recidive, wenn man die ligam eu ta rotunda als Stützpunkt benutzt
und wird auch bei Geburten keine Störungen verursachen, wie M.
sie in einem Falle erlebt hat. Diese üblen Zufälle sind nur die
Folge allzu fester Fixation.
Herr Rosen, früher Assistent Mackenrodt's, berichtet über
seine Erfahrungen und empfiehlt die transperitoneale Vaginofixation.
Herr Staude gibt zu, dass die Fixirung des Uterus an die
Blase keine sichere sei; aber gerade desswegen müsse die Indication
vorsichtig gestellt werden. Auch er wird gegebenen Falles einen
iixirten Uterus auf vaginalem Wege angreifen, besonders da er erst
kürzlich bei einer Gebärenden mit ventral befestigter Gebärmutter
die sich aus dieser Lagerung ergehenden Beschwerden und Geburts
hindernisse wieder einmal beobachtet hat. Sehr feste Fixationen
sind, im Hinblick auf Schwangerschaft und Geburt, recht be¬
denklich; einfache peritonitische Adhäsionen sind allein erstrebens-
werth. In allen Füllen sei eine kunstgerechte Pessarbehandlung
in Verbindung mit Massage u. A. längere Zeit zu versuchen Er
warnt nochmals dringend vor leichtsinnigem Operiren mit Berufung
auf eine Brochure von Priestley: «die Operationswuth in der
Gynäkologie >. Das Vorgehen von B u m m (Centralblatt für Gynäko¬
logie 1»96 No. 12), der bei einer Ovariotomie, um sich Platz zu
schaffen, den Uterus exstirpirt hat, hält er für unberechtigt.
Werner.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 7. Januar 1896-
Vorsitzender: Herr Unna. Schriftführer: Herr Deyckc.
Herr Embden: Ueber Alkaptonurie.
Man bezeichnet als Alkaptonharn einen I rin, der durch zwei
Eigenschaften gekennzeichnet, ist: Durch ein sehr bedeutendes
Reductionsvermögen und eine beim Stehen an der Luft, vor Allem
heim Eintritt der ammoniakalischen liarngährung eintretende Braun-
bis fechwarzfärbung. Diese findet ebenso beim Zusatz von Alkalien
statt und geht mit Sauerstoffabsorption einher. Träger der beiden
Eigenschaften des Alkaptonharns ist in jedem Falle eine, nicht
aber in allen Fällen dieselbe Substanz. Die Ausscheidung einer
solchen Alkaptonsubstanz ist ausser einer vom Vortragenden nach¬
gewiesenen, von Ogden bestätigten, sehr erheblichen Verminderung
der Harnsäureausscheidung die einzige wesentliche bekannte Ano¬
malie bei den Producentcu eines Alkaptonharns. Vor Allem ist
ihre Gesundheit nicht merklich durch den abnormen Process gestört,
der in der Alkaptonurie zum Ausdruck kommt. Darin liegt ein
grosser Unterschied gegenüber den übrigen zur Bildung abnormer
Stoffwechselendproducte führenden Stoffwechselanomalien, und gewiss
ein Grund für das geringe seitens der Aerztc dem Gegenstand
gewidmete Interesse. Dazu kommt freilich noch die enorme Selten¬
heit der Erscheinung. Ihre Wichtigkeit liegt demnach weniger
m ihrer praktisch klinischen Bedeutung, ist aber durch die von
\Yolkow und Baumann über das Wesen der Alkaptonurie
augestellten Untersuchungen und die daran geknüpften theoretischen
Erwägungen weit über das Gebiet der hier besprochenen Eiuzel¬
frage hinausgehoben worden. Die erwähnten Erörterungen haben
jüngst durch die Synthese einer Alkaptonsubstanz durch Bau¬
mann und Fräiikel und die dadurch gegebene endgiltige Be¬
stätigung der analytisch gewonnenen Constitutionsformel ein neues
und festes Fundament gewonnen.
Nach einer kurzen Uebersicht Uber die Literatur demonstrirt
der Vortragende die Eigenschaften eines Alkaptonharns, die Braun-
färbung bei Zusatz von Alkalicu und das Reductionsvermögen.
Letzteres kommt durch positiven Ausfall der T rom mer ’ sehen
Probe zum Ausdruck. Vor Verwechselungen mit zuckerhaltigem
Harn schützt der negative Ausfall der Wismutprobe beim Alkapton¬
harn, sowie dessen optische Inaetivität und seine Unfähigkeit zu
vergühreu. Auch reducirt Alkaptonharn, im Gegensatz
zum diabetischen, ammoniakalischeSilbcrlösung (in der
Kälte). Letztere Keaction, die sehr leicht anzu-
s teilen ist, dient neben der von oben her ein treten¬
den Braunfärbung hei Zusatz von Alkali zur Diag¬
nose der Alkaptonurie.
Es folgen Angaben über das Vorkommen: man hat Alkapton
zweimal liehen Zucker, sonst ohne weitere Stoffwccliselanomalie
gefunden, einmal bei einem 10 tägigen Kind, immer, mit einer
einzigen Ausnahme, dauernd das ganze Leben hindurch fort¬
bestehend. Die Ausnahme betraf einen Diabetiker, bei dem zu
einer Zeit, als der Zuckergehalt des Urins unter der Behandlung
mit Myrtillusprüparatcn sank, 2 mal Alkapton vorübergehend nach¬
gewiesen wurde (Geygor).
Wichtig ist das mehrmals beobachtetc Vorkommen
von A. bei Geschwistern.
Vortragender geht nunmehr kurz auf die früheren Unter¬
suchungen über die Natur des Alkaptons ein und weist darauf
hin, dass wir nur 2 Alkaptonsubstanzcn genauer kennen. Die
Urolcucinsäure Kirks und die Homogentisinsäure von Wolkow
und Baumann. Sicher gestellt ist die Constitution nur bei der
letzteren, von ihr ist im Folgenden ausschliesslich die ltedo.
Die Homogentisinsäure ist diejenige Dioxyphcnylessigsäure,
die sich vom Hydrochinon herleitet:
OII
I
c
C—CII„—COOII
C
I
OII
Sie ist in den Fällen von Wolkow und Bau man n"(Ban-
maun und Kraske) Embden, Garnier und Voiriu, ()g-
den, Geyger nachgewiesen und mit Marshall’s Glvkosur-
säure identisch.
Von grösster Wichtigkeit ist der durch W. und B. geführte,
später vom Vortragenden wiederholte Nachweis, dass ihre Mutter¬
substanz das Tyrosin sei. Die Umwandlung des Tyrosins (Paroxy-
phcnyl- und Amidopropionsäure) in Homogentisinsäure ist von
Wolkow und Baum an n durch folgende Formel ausgedrückt
worden :
OII
I
c
+ nn
+ 50
+ HH
C-H
C - CH., - CII <( NH
Tyrosin.
c00u OH,—COOH
Aus dieser Formel ergibt sich, dass der Process aus einer
gleichzeitigen Oxydation und llcduction am selben Molecul besteht.
Derartige Processe sind als thierische Lebenserscheinung unbekannt,
sind aber für die durch Sprosspilzo veranlassten «Gährungen»
charakteristisch. Desshalb haben B au mann und Wolkow in
der Alkaptonurie den Ausdruck einer im Darmcaual der betreffen-
t«
7. April 1896. _MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 329
den Individuen sich ab'spielcnden, durch abnorme Organismen hefe-
artiger Natur veranlasst«» (Jährling; gesehen.
Die bisher zur experimentellen Prüfung dieser Ansicht aus¬
geführten Versuche haben kein einwandfreies Resultat ergeben.
Es ist dem Vortragenden nicht gelungen , durch Mittel, welche
die l’äulnissprocesse im Darmcanal beschränken oder deren Pro¬
ducts rasch aus dem Darm entleeren und der Resorption entziehen
li Kefyr, Terpentinöl. Ricinusol) in einem Falle von Alkaptonurie
die Menge der ausgeschiedenen Houiogentisinsüure zu verringern,
ln dem negativen Ausfall dieser Versuche liegt aller desshalb
keine Widerlegung der Hyjiothcse, weil die bekannten fäulniss-
beschränkenden Mittel durchaus nicht ebenfalls den vermuthetcu
gährungsähnlichen Vorgang zu hemmen brauchen. Schwerer in’s
Gewicht fällt die Thatsaehe, dass es bei reichlicher Darreichung
von Abführmitteln nie gelungen ist, die Substanz in den Faeces
nachzuweisen, wie es bei ihrer Bildung im Darm zu erwarten
wäre. Weitere Versuche sind wünschenswerth, weil die Haupt¬
frage, ob ein durchaus gährungsühnlieber Vorgang etwa hei ein¬
zelnen ■< variirten » Individuen (Vorkommen der Alkaptonurie bei
Geschwistern) Function der menschlichen Gewebe sei, von
grösstem allgemein-physiologischen Interesse ist.
Herr Nonne hält seinen angekUndigten Vortrag: Ueber
die Befunde im Rückenmark bei letaler Anämie. Er hat
zwei neue Fälle untersucht; bis jetzt hat N. 21 Fälle von letalen
Anämiecn untersucht; in 11 Fällen fand er Veränderungen im
Rückenmark.
In N.’s erstem Falle handelte es sich um eine 65 jährige Dame,
die nie syphilitisch gewesen war, welche seit langen Jahren an
wechselnden Erscheinungen von Nervosität und Hysterie litt; vor 8,
7 und 6 Jahren litt sie an «Morbus Brightii» — genau beobachtet —,
die Albuminurie verschwand nach mehrmaligem Aufenthalt im Süden
völlig und trat in den letzten 6 Lebensjahren nicht wieder hervor.
Vier Monate ca. vor ihrem Tode ward sie anämisch und adynamisch ;
die klinische Untersuchung ergab keine palpable Anomalie au den
inneren Organen; der Hämoglobingehalt ging bis auf 15 Proc., die
Anzahl der rothen Blutkörperchen auf weniger als l Million herunter;
eine Vermehrung der kernhaltigen rothen Blutkörperchen, der eosino¬
philen Zellen, eine stärkere Poikilocytose etc. lag nicht vor. Der
ophthalmoskopische Befund war normal, klinische somatische Symp¬
tome von Seiten des Nervensystems hatten gefehlt.
Bei der Section zeigte sich, abgesehen von einer extremen
Anämie und einer typischen fettigen Degeneration des Herzens,
makroskopisch keine Organ-Erkrankung. Die mikroskopische Unter¬
suchung des Herzens ergab ebenfalls fettige Degeneration, in den
Nieren fanden sich hier und da Narhenprocesse — in Glomeruli
und Hamcanälchen —, in der Leber stellenweise kleine Infiltrations¬
herde um die Pfortaderverzweigungen herum und im Parenchym;
die art. cruralis zeigte eine ausgesprochene Wucherung der
Intima.
Im Rückenmark fand N. nur 3 kleinste Herde, alle
im Halsmark gelegen. Ein Herd sass lateral vom rechten
Seitenhorn, ein 2. lateral, aber nicht ganz symmetrisch, vom linken
8eitenhorn, ein 3. Herd in der Tiefe des r. Vorderstrangs, dicht vor
der vorderen Commissur. Die Herde charakterisirten sich wieder durch
die Ansammlung einer Reihe von Fasern, deren Achsencylinder oder
deren Markscheiden — oder Beides zusammen — im Stadium der
acuten «Myelitis» sich befanden; die übrigen intramedullären
nervösen Gebilde waren sämmtlich normal; speciell die graue Sub¬
stanz zeigte sich absolut normal — vordere und hintere. Das
Fasemetz war reichlich entwickelt und durchaus intact, die Ganglien¬
zellen normal an Zahl, Volumen, Form etc.
Vortragender betont, dass er ausser der Borax-Cararin-Methode,
der Färbung nach Weigert, Pal, Wolters, Kultschitzky ,
auch die Nissl’sche Färbung und die Orcein- und van Gie-
I sonsche Methode angewandt hat. — Was die Gefässe betrifft, so
erschienen auch hier die Wandungen zum Theil unter dem Bilde
der hyalinen Degeneration und waren stellenweise auffallend dick;
auch hier erschienen die Lymphräume vereinzelt erweitert. Jeden¬
falls boten die Gefässe nicht das gewöhnliche Bild normaler Rücken-
markgefässe; an der art. spinalis anterior und posterior fand sich
keine Anomalie.
N. betont, dass nach dem Befunde an der art. cruralis von
jetzt ab in allen Füllen — hei der Untersuchung dos zweiten
Falles hatte N. die Erfahrung leider noch nicht gemacht — die
lH;ripheren Arterien untersucht- werden .sollten, gerade in Rücksicht
auf die noch immer strittige Frage nach der Stellung der Gefässe
zu der Erkrankung der nervösen Elemente.
Vortragender geht auf Roth man ns letzte l’ublieation ein,
der in einem Fall schwerer Anämie ausgedehnte symmetrische
Strang-Erkrankungen im E.-.M. fand und auf diesen Fall hin
•kr Meinung Ausdruck gab, auch in den bisherigen Fällen anä¬
mischer R.-M.’s-Erkrankungen habe es sich um mehr oder weniger
weit vorgeschrittene combinirte Strang-Erkrankungen gehandelt.
Die primäre Alteration sitzt nach R.'s Ausführungen — er fand
in seinem Fall eine leichte Veränderung der vorderen grauen
Substanz — in der grauen Substanz des Rückenmarks; unabhängig
von Pierre Marie wird auch lt. auf die Annahme einer endogenen
und exogenen Erkrankung der weissen Substanz des R.-M.'s geführt.
Der vorliegende Fall beweist von Neuem das, was die bis¬
herigen Autoren festgestellt hatten, dass die Affeetion in Form
kleinster acut-myelitiseher, ganz irregulär gelegener Heerde sich
entwickelt, dass die graue Substanz — auch nach der Niss 1 'sehen
Methode untersucht — nicht nachweisbar affieirt ist und dass
die intramedullären Gefässe nicht ganz normal sind.
Zu ganz denselben Schlüssen führt auch der zweite von N.
beobachtete und anatomisch untersuchte Fall :
Eine 68jährige Dame, die im Wesentlichen früher stets gesund
gewesen war, erkrankte im Anschluss an schweren Kummer —
plötzlicher Tod des Gatten, bald nachher unerwarteter Tod einer
Schwester und tödtliche Erkrankung eines erwachsenen Sohnes —
an allgemeinen Schwäche-Erscheinungen; bald wurde Pat., unter
hochgradiger Anorexie, anämisch. Die Anämie war progressiv, der
Hämoglobingehalt sank bis auf 10 Proc., die Anzahl der rothen
Blutkörperchen bis unter eine Million; es traten ziemlich zahlreiche
kernhaltige rothe Blutkörperchen auf, eine Vermehrung der eosino¬
philen Zellen blieb zweifelhaft.
Ophthalmoskopisch Hessen sich keine Netzhautblutungen nach-
weisen. Auch hier fehlten objective Anhaltspunkte für die Annahme
einer Erkrankung des Central-Nervensystems.
Die anatomische Untersuchung ergab hochgradige Verfettung
des Herzfleisches, geringe fettige Degeneration der Leber; im
Rückenmark im r. Hinterstrang 2 mittelgrosse, im 1. Hinter-
stram; ein kleinerer acuter Degenerationsherd vom bekannten Cha¬
rakter — ebenfalls nur im Halsmark —; die Herde gruppirten sich
je um ein Gefäss herum; dasselbe zeigte die irn vorigen Falle
beschriebenen Eigenschaften.
Die vordere und hintere graue Substanz war in jeder Be
ziehung — untersucht nach denselben Methoden, die im Fall I zur
Anwendung gekommen waren — normal. Die Herde waren in der
mittleren Wurzelzone gelegen, lagen unsymmetrisch; auch hier Hess
sich an der art. spinalis anterior und posterior keine Abnormität
nachweisen.
Diese beiden neuen Fälle bestätigen somit auf’s Neue die
Ansicht der Autoren und sind nicht geeignet, die Ansicht
Roth m a n n ’ s zu stützen.
Die zwei Fälle weisen darauf hin, dass, wenn man nur
daraufhin untersucht, vielleicht im ganzen Organismus verbreitete
Degenerationsvorgänge sich in diesen Fällen aufdecken lassen.
Während man den zweiten Fall wohl als xpernieiöse Anämie»
rubriciren kann, fällt der erste Fall nur unter die Bezeichnung
' einfache letale Anämie-- ; auch hierin sieht man nur eine Bestätigung
des an dem bisherigen Material Festgcstellten, d. h. die Meinung
wird hierdurch wieder bestätigt, dass bei verschiedenen Formen
von Anämien — die allerdings alle progressiv waren — die in
Rede stehenden R.-M.’s-Erkrankungen auffrreten können. — Nur
ein Zufall wird es fügen können, festzustellen, ob auch bei schweren
Formen von Chlorose derartige Alterationen der R.-M.s’-Substanz
Vorkommen.
Herr N o n n e bringt dann noch folgenden klinischen Bei¬
trag zur Casuistik.
Er behandelte consultativ vor einem halben Jahre eine
60jährige Dame, die, früher Btets gesund und kräftig, niemals
syphilitisch inficirt, im Anschluss an eine vor ca. einem Jahre durch-
gemaehte Influenza an Symptomen von Herzschwäche erkrankte.
Im Laufe der nächsten Monate begannen die allgemeinen Körper¬
kräfte ziemlich schnell zu sinken; eine mehrere Male wiederholte
Untersuchung ergab keine palpable Anomalie an den inneren Or¬
ganen; hingegen wurde Patientin auffallend anämisch; während
der 4monatlichen Beobachtung Seitens des Vortragenden sank der
Hämoglobingehalt bis auf 10 Proc., die Anzahl der rothen Blut¬
körperchen betrug schliesslich nur wenig über eine Million, Poikilo¬
cytose und Mikrocytose war deutlich, die kernhaltigen rothen
Blutkörperchen vielleicht etwas vermehrt; ophthalmoskopisch ausser
einer hochgradigen Anämie der Retina keine Anomalie; ca. 6 Monate
änte mortem, als Patientin schon stark anämisch war, wurde sie
«schwach auf den Beinen», sie litt häufig an lästigen Parästliesien
in den unteren Extremitäten; bei der objectiven Untersuchung fand
sich eine ganz leichte atactische Störung und paretische Schwäche
der unteren Extremitäten, beiderseits Aufhebung des Pa-Reflexes;
weitere objective Bomatische Symptome Seitens des Nervensystems
Hessen sich nicht nachweisen. Trotz aller erdenklichen Roborirung —
eine Kochsalz-Transfusion wurde noch zwei Wochen ante mortem von
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330
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
dem Hausarzte vorgenommen — erfolgte der Exitus an allgemeiner
Prostration und Anämie. Die Section wurde nicht gestattet.
N. ist überzeugt, dass dieser Fall ebenfalls in das hier in
Rede stehende (iebiet gehört, und dass in diesem Falle die ana¬
tomische Untersuchung ausgedehnte Veränderungen im Rückenmark
würde aufgedeckt kaben. *
Discussion: Herr Embde n berichtet über einen interessanten
Fall von pernieiöser Anämie aus dem Neuen allgemeinen Kranken¬
hause. In diesem Falle betrug die Zahl der rothen Blutkörperchen
20 000 im cbmm, der Hämoglobingehalt war auf 20 Proc. herabgesetzt.
Der Patient ging in einem Tage unter Delirien zu Grunde, so dass
klinisch das Vorhanden-ein nervöser Störungen fraglich bleiben
musste. Hei der Section zeigte sich ausser der Anämie ein ebagrinirtes
Herz, Schwefelammonium-Reaction der Leber fehlte; schon makro¬
skopisch zeigten sich Herde im Rückenmark (Demonstration von
Zeichnungen nach Weigert-Präparaton). Sehr merkwürdig war der
bei der Section des Magens erhobene Befund: die Magenschleimhaut
erschien in toto von grauer Färbung; besonders in der Gegend des
Pylorus, aber auch sonst fanden sich zahlreiche linsen- bis 5 Pfennig-
stückgro.sse Erhabenheiten, die sich als mit Flüssigkeit gefüllte
Cysten erwiesen Mikroskopische Schnitte durch diese Herde zeigten
daselbst eine hochgradige Atrophie der Magenschleimhaut, in der
Cystenflüssigkeit lagen die degenerirten Drüsenepithelien. Im Darm¬
canal Hess sich nichts Pathologisches nachweisen. Der Fall erinnert
an den seiner Zeit von Eisenlohr veröffentlichten Fall.
Herr Michael fragt, ob in Herrn Nonne's Fällen die Siderosis
der Leber und Nieren nachgewiesen sei.
Herr NonÄe hat daraufhin nicht untersucht.
Herr Michael fragt, wie die Kückenmarksherde sich in Bezug
auf ihre Längsausdehnung verhalten.
Herr Nonne bat keine Längsschnitte gemacht, dagegen Serien¬
schnitte; derartige Herde Hessen sich etwa in 20— 2;‘> aufeinander¬
folgenden Schnitten nachweisen. Uebrigens haben Minnich's sehr
genaue Untersuchungen nachgewiesen, dass diese Herde sehr kurz
sind, die längsten betragen noch nicht ganz 1 mm.
Herr Liebrecht fragt, ob im Verlaufe des Opticus sich
gleichfalls solche Herde gefunden haben, und ob Gesichtsfeld¬
untersuchungen gemacht sind. Bei anämischen Mädchen würden
vielfach wechselnde Scotome beobachtet, die sich vielleicht auf
vereinzelte derartige Herde zurückführen lassen.
Herr Nonne hat selber anatomische Untersuchungen des
Opticus nicht gemacht, doch sind ihm Arbeiten bekannt, die in
dieser Beziehung ein negatives Resultat hatten. Auch Gesichtsfeld¬
untersuchungen hat er nicht gemacht. Untersuchungen peripherischer
Nerven sind von Minnich ebenfalls mit negativem Erfolg gemacht
worden.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 4. April 181)0.
Die Nostrification weiblicher Aerzte in Oesterreich.
— Meisterkrankenkassen. — + Hofrath Späth. — Erfolge
bei Behandlung mit Thyreoidintabletten.
Brav und tüchtig muss sic sein — reich muss sie sein —
über 24 Jahre alt — nach Oesterreich zuständig. So will es
unser Unterrichtsiuinister, der vor einigen Tagen eine Verordnung,
betreffend die Nostrification der von Frauen im Auslande erwor¬
benen lucdiciiiisclien Ductordiplomc erliess. Jawohl, die künftige
Aerztin in Oesterreich wird es nicht so leicht haben. An einer
österreichischen I’acultät zu studiren, das wird ihr nicht
gestattet, wiewohl sie an einem inländischen Staatsgymnasium die
Maturitätsprüfung abgelegt haben muss. Sic muss vielmehr an -
der mcdicinischen Facultüt einer ausländischen Universität, 1
deren Studien-Einriehtungen jenen der österreichischen I niversitäten
im Wesentlichen gleich kommen, eine Studienzeit von zch n Semestern
hinter sich haben, sie muss ein Zeugniss beibringon, dass gegen
ihr ^ erhalten während der Studienzeit im Auslände kein Anstand
erhoben wurde, sie muss 24 Lebensjahre zurückgelcgt haben oder
das 24. Jahr in jenem Kalenderjahre vollenden, in welchem die
Nostrification angesucht wird, sie muss sieh einem Beschlüsse des
Professoren-Collegiums fügen, welches über die Zulassung oder
Nichtzulassung der Candidatin. sowie über ausnahmsweise Gewäh¬
rung von Erleichterungen oder Begünstigungen entscheidet, i n
jedem einzelnen Falle jedoch seinen Beschluss dem Ministe¬
rium zur Genehmigung vorlegt — endlich aber muss sie, die
Candidatin, sämuitliche theoretischen wie praktischen
Prüfungen mit Ausschluss der naturhistorischcii Vorprüfungen
überstellen. Man glaube aber ja nicht, dass ihr bei diesen Prüfungen
etwas geschenkt werden wird, denn die Verordnung besagt aus¬
drücklich, dass die Anforderungen, welche bei jedem einzelnen
Prüfungsacte zu stellen sind, jenen an männliche Candidatco
vollkommen gleich zu sein haben. Hat die Candidatin allen diesen
Anforderungen entsprochen, so ist dieselbe zu promoviren und ihr
das Diplom auszufolgen. Diese Verordnung tritt sofort in Kraft.
Man weiss, was das für ein junges Mädchen bedeutet, iu
die Fremde zu ziehen, sich volle 5 Jahre lang an einer aus¬
ländischen Facultüt herumzutreiben, sieb dann bei fremden Prüfern,
die man nicht gehört, deren Vortrags- und Prüfungsart man also
nicht kennt, den strengen Prüfungen zu unterziehen ! Dazu wird
viel Geld, viel Muth und ein starker Charakter gehören und wir
fürchten sehr, dass nur wenige Frauen resp. Mädchen unseres
Vaterlandes all diese Eigenschaften aufbringen werden, um post
tot discrimina reruin die freie Concurrenz mit den Aerzten auf¬
zunehmen, resp. weit hinten, wo die Völker aufeinander schlagen,
in Bosnien oder sonstwo, eine mit 1400 fl- dotirte amtsärztliche
Stelle zu erlangen.
Wenn schon nicht in Wien und Prag — und es ist absolut
nicht einzuschen , warum nicht — so hätte man diese Candida-
tinnen an eine kleinere österreichische Universität, z. 1L nach
Innsbruck, verweisen können, woselbst man wohl auch Mittel und
Wege gefunden hätte, sie in Bezug auf ihre Moralität , intellec-
tuelle Fähigkeit und ihren Fleiss genügend zu überwachen. Sie
aber mit ihren Studien in s Ausland verbannen — nein Octavio,
das hast du nicht gut gemacht. Die Zukunft wird’s bald lehren.
ln der Wiener Aerztekamuier kam letzthin auch ein Seitens
der deutschen Section der Aorztekammern für Böhmen überreichter
Petitions-Entwurf in Angelegenheit der beabsichtigten Gründung
einer M ei s t er k rau k e ii k asse zur Verlesung. Es wird ange¬
strebt, eine obligatorische Krankenkasse für Meister, also nicht
mehr bloss fiir die armen Arbeiter, auf legislatorischem Wege
zu erlangen. An der an das Ministerium des Innern zu richten¬
den Petition, welcher sieh al 1 c Aerztekamuiern ansehlicssen mögen,
wird ausgoführt, welch’ traurige Nachtheile dies für die Aerzte
schaff, nach sich ziehen würde. (Um den nothleidenden Bezirks¬
krankenkassen ergiebigere Beitragsquelhm zuzufUhren, wurden seit
dem Bestände des Krankcnvcrsichcrungsgcsetzcs immer weitere und
wohlhabendere Kreise in den Bereich der Zwangsversicherung ge¬
zogen, die mit A rbei fern , für welche ursprünglich die Kranken¬
versicherung bestimmt gewesen ist, wahrlich nicht mehr den ge¬
ringsten Berührungspunkt gemein Tiatten und die früher stets in
der Lage waren, den Arzt für seine Bemühungen anständig zu
honoriren, während er jetzt mit dem Bettel von ein paar Kreuzern
abgefertigt wird, welchen der geringste Picnstmann entrüstet zurück-
weisen würde. Und nun soll der Kreis dieser mehr oder weniger
bemittelten Gassenmitglieder noch um die ganze, grosse (.'lasse der
Meister erweitert, den bestehenden Intentionen des Gesetzes zu¬
wider eine Krankenkasse für Arbeitgeber creirt und
dadurch die Erreichbarkeit einer halbwegs entsprechenden ärzt¬
lichen Entlohnung auf ein noch kleineres Feld eingeschränkt
werden !
Dass diese Krankenkasse — heisst es weiter in der Petition
— einzelnen Meistern, welche relative Noth leiden, erwünscht
sein mag, wollen wir nicht in Zweifel setzen ; aber dass cs unter
den selbständigen Gewerbetreibenden auch viele Solche gibt, welche
trotz ihrer geringen Schulbildung und ihrer wenig verantwortlichen
Arbeitsleistung bezüglich ihres Einkommens die angesehensten t
und beschäftigtesten Aerzte in den Schatten stellen, ist ebenso
zweifellos und dass sieh endlich die Mehrzahl der Meister bei all’
ihrem Jammer materiell besser befindet, als die Mehrzahl der
Aerzte, an deren Lebensführung übrigens ungleich höhere Ansprüche
gestellt werden, wird kein Wissender leugnen können.
Das Ministerium wird schliesslich gebeten, «von der geplanten
Errichtung von Meisterkrankenkassen geneigtest Abstand nehmen
zu wollen'.
So will ein Stand um den anderen abbröckeln, um sich die
ärztliche Hilfe um einen Bettel zu sichern. Die Staatsbeamten
errichten sich Casino s mit Krankenversicherung und Kassenärzten,
die Lehrer gründen einen Lehrerhausverein mit Krankenversicherung
etc., nun kommen die Gewerbetreibenden und wollen sich auch
ihre Kassen machen : wovon soll der praktische Arzt in der Stadt
und auf dem Lande schliesslich leben ?!
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7. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
381
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i
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Solu- wenigen Aei-zten trelin.irt es, einen Sparptennig für
ihre alten Tage zuriiekzuiegen, was ja die neuerlichen Verhand¬
lungen über die Seitens der Aerztekamuicrn geplanten obligatorischen
Versicherungen aller Amte Oesterreichs gegen Tod i Wittwen und
Waisen) und Invalidität (Altersrente' zur < lenUge erweisen. Die
rarae aves gelten aber der grossen Menge noch immer als die
regelmässigen oder als die Durchschnittsfällo, noch immer wird
der ärztliche Stand im Allgemeinen beneidet und als ein sehr
lucrativcr angesehen, dem man ungestraft etwas Einkommen
abzapfen dürfe.
So eine rara avis ist jüngst verschieden, ein gottbegnadeter
Arzt, Dr. Josef Späth, pensionirter Professor der Geburtshilfe
der Wiener l'niversität, 73 Jahre alt. Er hat fast sein ganzes
Vermögen humanitären Instituten hiuterlassen, so dem Vereine
zur Pflege kranker Studirender in Wien rund 250,000 fl., zur
Stiftung von Stipendien für Studirende der Wiener l'niversität
ohne Unterschied der Confession ein Legat von 40,000 fl. etc. etc.
Späth war nicht biosein ausgezeichneter Lehrer, der vortreffliche
Schüler heranhildete, er war auch ein humaner Arzt, der von den
kranken Frauen Wiens mehrere Decennien lang als Helfer in der
Notli vergöttert wurde, er war auch zeitlebens ein guter Mensch und
sein Andenken wird auch in .späteren Generationen geehrt werden.'
Im Wiener medicinisehen Club berichtete jüngst der Assistent
der Klinik Sehrötter, Docent Dr. H. Schlesinger, über seine
Krfolge bei der Behandlung mit Thyreoidin-Tabletten englischer
Provenienz. Er stellte vorerst eine Wärterin vor . die an allge¬
meiner Fettleibigkeit mit Erscheinungen eines Cor adiposum litt,
und seit circa 13 Monaten in Behandlung stand. Sie hat seither
v>n ihren 120 kg Körpergewicht 32 kg verloren, wiegt also jetzt
bloss 88 kg, ohne dass ihre Diät oder ihre sonstige Lebensweise
wesentlich geändert, ohne dass irgendwelche Störungen bei ihr be¬
obachtet wurden.
Sch. ging in der Weise vor, dass er Anfangs täglich bloss
eine Thyreoidin-Tablette verabreichte und darauf achtete, dass
der Gewichtsverlust womöglich nur */»— 1 kg wöchentlich betrage.
War die Gewichtsabnahme, welche alle 3— 4 Tage controlirt wurde,
trotzdem noch eine stärkere, so wurde eine halbe Tablette täglich,
resp. au jedem zweiten 'lag eine Tablette verabfolgt. Der Harn
wurde auf das Auftreten von Kiweiss oder mlucircnden Substanzen
bin fleissig untersucht, nöthigenfalls das Mittel sofort ausgesetzt,
wie denn Individuen, welche an Albuminurie oder Glycusurie litten,
der Behandlung mit Thyreoidin gar nicht unterzogen wurden.
Auch hochgradige, irreguläre Herzaction und starke Abmagerung
emtraindiciren die Einnahme dieses Präparates.
Blieb das Körpergewicht constant, so stieg man mit der
Dosis, jedoch wurden an der Klinik Sehrötter niemals mehr als
drei Tabletten täglich verabfolgt. Zuweilen war es gut, das
Präparat eine Woche lang auszusetzen, da es bei der Wiederauf¬
nahme der Darreichung wieder prompt wirkte. Wichtig ist die
stetige Controle dieser Kranken und soll sie der Arzt wenigstens
einmal wöchentlich zu Gesichte l>ckommen.
Der Vortragende beobachtete öfters, dass quälende Präcordial-
angst und Anfälle von Angina pectoris bei dieser Behandlung
wichen, jedoch empfiehlt er grössere Vorsicht, wenn ein Fettherz
bereit« mit Pulsirregularitäten oder gar mit leichten Oedemen ein¬
hergeht.
Beim Morbus Basedowii wurde wohl ein Rückgang einzelner
Symptome (der Struma, des Exophthalmus, aber nicht der Tachy-
urdie), aber keine eigentliche Heilung beobachtet, was mit den |
- ngaben anderer Autoren (Mendel, Ewald) stimmt. Gut
wirkten diese Tabletten ferner bei der parenchymatösen Form des
• truma; Colloidstrumen und Trachcostenosen in Folge von Kröpfen
ieheu unbeeinflusst. Auch hei Akromegalie (2 Fälle) wurde trotz
gemeiner Abmagerung kein Erfolg erzielt, desgleichen nicht bei
b.vmphosarcojn, Pseudoleukämie etc.
Eine Beschleunigung der Herzaction, aber ohne subjective
unangenehme Gefühle wurde des Oefteren beobachtet. In dieser
el! *' wurden keine üblen Nebenerscheinungen, vielmehr häufig
irutt ' Heilerfolge beobachtet.
Aus den Pariser medicinisehen Gesellschaften.
Acadeiuie des Sciences.
Sitzung vom 23. März 1396.
Die X-Strahlen im Dienste der Chirurgie.
Lannelongue berichtet über 2 Fälle, wo die Anwendung
der Photographie die Wahrscheinlichkeitsdiagnose zu einer scheren
gemacht hat. ln dem einen Falle handelte es sich um eine ööjiihrige
Frau, welche lange Zeit mit Arthritis 6icea am rechten Kniegelenke
behaftet war und allein Anschein nach durch einen zwischen die Gelenk¬
flächen eingekeilten Fremdkörper die völlige Streckungsffthigkeit in
diesem Gelenke verloren hatte. Sie wurde l 2 Stunden den
Röntgen-Strahlen ansgesetzt und man eonstatirte auf diese Weise
mitten im Gelenke einen undurchsichtigen Körper von ziemlicher
Grösse, im Centrum duukler wie an der Peripherie (ein Kuoehen-
auswuchs mit knorpeliger Umhüllung). Im zweiten Falle war ein
junges Mädchen beim Klavierspielen plötzlich von heftigen Schmerzen
am oberen Theile des rechten Unterarms befallen worden. Diese.
Schmerzen wichen zwar einer energischen Massagebehandluug,
traten aber nach einigen Monaten wieder sehr heftig auf, hielten*
so über 2 Jahre an und hatten Atrophie der betrellendeu Muskel
partieen zur Folge; in der Gegend des Radiusküpfehens und längs
der hinteren äusseren Seite des Unterarms war eine ca. 3 cm breite
Zone, welche sowohl bei Bewegung wie auf Druck ausserordentlich
schmerzte. Es wurde zwar die Diaguose auf Hysterie gestellt,
doch von anderer Seite das Vorhandensein einer Exostose behauptet
und eine entsprechende Operation dem jungen Mädchen angerathen.
Nach I'/i stündiger Anwendung der Röntgenstrahlen wurde nun
lestgestellt, dass die Knochen völlig intact (sowohl Radius wie
unteres Ende des Humerus) waren und das ligaiuentum interosseum
sowie die Gelenksfläehen- und Zwischenräume keine Besonderheiten
darboten.
Del bet war in der Lage, bei folgenden 3 Fällen durch die
X-Strahlen eine sichere Diagnose zu stellen:
1) Anwesenheit einer Revolverkugel in der Hand einer Frau
welche vor 10 Jahren dieselbe erhalten hatte, bei der Palpation
hatte man die Kugel nicht erkennen können.
2) Nicht consolidirte doppelte Fractur des Wadenbeins, welche
Verletzung trotz des sehr umfangreichen Unterschenkels der Patientin
die Photographie klar erkennen Hess.
3) Nach einer Ellbogengelenksresection entstandene ziemlich
seltene Art der KnochenVerwachsung (Auswärtssteilung des humerus).
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.
XXI. Versammlung zu Kiel
in den Tagen vom 10. bis 13. September 1896.
Tagesordnung:
Donnerstag, den 10. September.
I. Grundwasserversorgung mit besonderer Berücksichtigung der Ent¬
eisenung. Referenten: Baurath A. Thiem (Leipzig)- prnf
Dr Bernhard Fischer (Kiel). ’
II. Einrichtung von Heimstätten für Wöchnerinnen. Referent •
Dr. H. B. Brenn ecke (Magdeburg).
Freitag, den 11. September.
III. Bekämpfung der Diphtherie. Referent: Prof. Dr Carl Fränkel
(Halle).
IV. Die Mitwirkung der Aerzte bei Handhabung der Gewerbe¬
hygiene. Referent: Medicinalrath Dr. Gottlieb Merkel
(Nürnberg).
Samstag, den 12. September.
V. Die gesundheitlichen Verhältnisse in der Handelsmarine und
auf den modernen Dampfschiffen. Referenten- Geh Re¬
gierungsrath Prof. Busley (Kiel); Hafenarzt Dr Noeht
(Hamburg).
Alles Nähere, die diesjährige Versammlung Betreffende wird den
verehrlichen Mitgliedern mit den von den Herren Referenten auf-
gestellten Thesen oder Schlusssätzen Mitte August mitgetheilt werden.
Frankfurt a. M, 1. April 1896.
Der ständige Secretär:
Geh. San.-Rath Dr. A. Spiesa.
Verschiedenes.
• n (Tri K hi , n 0 °a! e) Jr Tref !“ r , t ’ Kreis Mühlhausen, erkrankten
im Dezember 1895 und Januar 1896 zahlreiche Personen von denen
27 m ärztliche Behandlung traten, nach dem Genuss von theils roh
als Hackfleisch, theils schwach angebraten als Bratwurst zubereitetem
Schweinefleisch. Unter den Erkrankten befand sich der Eigentümer
des Schweines, von dem daB Fleisch herrührte. Es wurde festgestellt
dass die nach dem Schlachten des Schweines ordnungsgemäss herbei’
geführte Trichinenschau von dem Fleischbeschauer R mit grosser
Nachlässigkeit vorgenommen war; R. hatte nicht die vorgeschriebenen
8, sondern nur 4, vielleicht sogar nur 2 Fleischproben entnommen
und nach der Untersuchung das Schwein für trichinenfrei erklärt.
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332
No. 14.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Dagegen wurden später von einem anderen Fleisehbesc.hauer und
dem Kreisphysikus in Fleischtheilen von dem verdächtigen Schweine
Trichinen gefunden. In Folge dessen ist der Fleischbeschauer R.
seines Amtes enthoben und zur strafrechtlichen Verantwortung ge¬
zogen worden. Die Erkrankten sind inzwischen sämmtlich wieder
genesen. V. d. K. G.-A.
(Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.)
Der heutigen Nummer liegt das 57. Blatt der Galerie bei: Eugen
Baumann.
Therapeutische Notizen.
(Präparate aus thierischen Organen.) In welchem
Umfange Präparate aus thierischen Organen in jüngster Zeit her¬
gestellt und wohl auch angewendet werden, zeigt ein Blick in
E. Merck's Bericht überdas Jahr 1895, der, abgesehen von Heil
Berum, Haemoglobinpräparaten u. dergl. Stoffen animalischer Herkunft,
folgende Präparate aus thierischen Organen, auf weist: Cerebrum
exsiccatum pulv.; Glandulae suprarenales sicc pulv.; Hypophysis
cerebri sicc. pulv. und Hypophysis-Tabletten; Medulla ossium rubra
sicc. pulv.; Ovariinum siccatum pulv. und Ovariin-Tabletten; Prostata
siccata pulv. und Prostata-Tabletten; Renes siccati pulv.; Thymus
siccatus pulv. und Thymus-Tabletten; Thyreoidinum siccatum;
Thyreoidinum depuratum.
(Ueber die Verwendung des Tannigens bei Diar¬
rhöen der Kinder) berichtet Prof. Es eher ich-Graz in No. 10
der Therapeutischen Wochenschrift. Das Mittel wird an der Grazer
Universitäts - Kinderklinik seit mehr als Jahresfrist angewendet.
In subacuten, an und für sich zur Heilung tendirenden Fällen von
Darmkatarrh wurde bei gleichzeitiger Anwendung diätetischer Mittel
rascher und günstiger Erfolg beobachtet, indem der Schleim- und
Wassergehalt der Stühle sich vermindert und die kothigen Bestand-
theile überwiegend werden. Aber auch bei chronischen Fällen ist
wenigstens im Beginn der Behandlung die Verringerung des 8chleimes
und die trockene Beschaffenheit der Stühle stets erkennbar. Dagegen
war der Erfolg bei acuten Darmkatarrhen mit dünnen, spritzenden
Stühlen, sowie im Beginn der Enteritis follicularis weniger günstig;
hier blieb E. bei der altgewohnten Calomel- und Wismuthmedication.
Die Dosirung ist: 0,25 g bei Kindern bis 1 ’/a Jahren, 0,5 g bei
älteren, 4—6 mal täglich der Nahrung beigemengt. Nachtheilige
Folgen wurden nie beobachtet.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 7. April. Der Gesetzentwurf, betreffend die ärztlichen
Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Gassen der preussischen
Aerztekammern, findet in der Fachpresse allseitige Zustimmung.
Hier und da geäusserte Abänderungsvorschläge betreffen nur Punkte
von untergeordneter Bedeutung. Einen principiell ablehnenden Stand¬
punkt nehmen selbst diejenigen Blätter nicht ein, welche früher
Ehrengerichte und Disciplinarmassregeln perhorrescirten. Vor Allem
scheint der Umstand, dass beamtete und Militär-Aerzte der Disci-
plinarbefugniss der Aerztekammern nicht unterstellt sind, nicht
länger zu einem Ablehnungsgrund für die ganze Vorlage gemacht
zu werden, ln den Vereinen ist der Entwurf noch nicht discutirt
worden. Hier wird es allerdings an einzelnen Orten noch zu leb¬
haften Discussionen kommen; doch besteht darüber schon jetzt kein
Zweifel, dass der Entwurf von der überwiegenden Mehrheit der
preussischen Collegen acceptirt werden wird. Dass er auch die Zu¬
stimmung der gesetzgebenden Körperschaften finden wird, ist, trotz
der heftigen Anfeindung, welche der Entwurf in der freisinnigen
Presse erfährt, ebensowenig zweifelhaft.
— In Folge des bevorstehenden Umbaues der Berliner Charitd
ist bekanntlich die Verlegung des Instituts für Infectionskrankheiten
nötbig geworden. Seitens der preussischen Regierung war die
Verlegung nach Dahlem bei Berlin im Anschluss an ein dort zu
errichtendes Kreiskrankenhaus geplant. Der Teltower Kreistag hat
jedoch in seiner letzten Sitzung einen darauf bezüglichen Vertrag
mit dem Staate abgelehnt. Aus der Debatte hierüber ist die Er¬
klärung des anwesenden Geh.-Rathes Alt ho ff von Interesse, dass
eine Reihe von Orten sich zur Aufnahme des Instituts bereit erklärt
hätten, darunter Frankfurt a. M, und dass man der Werbung dieser
Stadt, in welcher sich ein sehr reger medicinischer Geist bekunde,
eine gewisse Sympathie entgegen bringe
— Im Kaiser- und Kaiserin Friedrich-Kinderkrankenhaus zu
Berlin ist, wie der soeben erstattete Jahresbericht ausweist, die
Diphtheriesterblichkeit seit Anwendung des Diphtherieserums be¬
trächtlich gesunken. Während dieselbe in den ersten 3 Jahren des
Bestehens des Hauses durchschnittlich 37,63 Proc. betrug, sank sie ,
1894 auf 27,8 Proc. und betrug im letzten Jahre bei 538 Fällen nur
noch 11,2 Proc. Ausser den in der Anstalt behandelten Kranken
wurden noch 460 Kinder zur Immunisirung mit Heilserum injicirt;
von diesen erkrankten zwar nachträglich 18, jedoch meist leicht und
keines dieser Erkrankten ist gestorben — Im v. Hauner’schen
Kinderspital in München betrug die Diphtheriesterblichkeit im Jahre
189i 17,4 Proc.
— Am 13. April beginnen die commissarischen Berathungen
über die reicbsgesetzliche Regelung des Apothekenwesens.
— Durch Entechliessung vom 29. März wurde die Einführung
des Infanterie Officierssäbels nebst Officiere-Säbelkoppel mit goldenem
Tressenbesatz für die Sanitätsofficiere, Unterärzte und einjährig¬
freiwilligen Aerzte der bayerischen Armee an Stelle des bisher ge¬
tragenen Degens M/73 genehmigt
— Eine Petition der freien Vereinigung sächsischer Ortskranken-
kassen an die sächsische 2. Kammer um Errichtung eines Lehrstuhles
für Naturheilkunde an der Universität Leipzig wurde mit 51 gegen
13 Stimmen abgelehnt.
— Von deutschen Städten über -10 000 Einwohner hatten in
der 12. Jahreswoche, vom 15. bis 21. März 1896, die grösste Sterblich¬
keit Augsburg mit 38,3, die geringste Sterblichkeit Offenbach mit 10,2
Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Darmstadt, Hagen, Kassel;
an Diphtherie und Croup in Elberfeld, M.-Gladbach, Münster.
— Der bekannte Londoner Frauenarzt Play fair wurde in
einem gegen ihn angestrengten Process wegen Verletzung des
ärztlichen Geheimnisses zur Zahlung einer Entschädigungssumme
von 24t) 000 «H verurtheilt.
— Die Akademie der Mcdicin in Paris wählte Professor
Leuckart -Leipzig zum correspondirenden Mitglied.
— In Berlin erschien am 1. April die erste Nummer des neu¬
begründeten Organs des Geschäftsausschusses der Berliner ärztlichen
Standesvereine: »Berliner Aerzte-Correspondenz ».
(Universitätsnachrichten.) Breslau. Dem Privatdocenten
für Gynäkologie Dr. Johannes Pfannenstiel wurde der Titel
Professor verliehen. — Freiburg i. B. Dem Professor und Director
des chemischen Instituts der medicinischen Facultät Dr. Eugen
Bau mann wurde der Charakter als Hofrath verliehen. — Greifs¬
wald. Prof. Paul Strübing wurde als Hilfsarbeiter in die Medicinal-
abtheilung des preussischen Cultusministeriums berufen. — Königs¬
berg. Prof. Lichtheim wurde zum Geh. Med.-Rath ernannt.
Chri8tiania. An der Universität zu Christiania sind 2 neue
Docenturen eingerichtet worden: für propädeutische Chirurgie und für
Psychiatrie. Die erste ist Hagb. Ström, die letztere Haran Holm,
übertragen worden.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Konrad Aschenau er in Pfakofen, B.-A.
Regensburg.
Verzogen: Dr. August Müller, bisher in Nürnberg, nach
Roding.
Amtlicher Erlass.
Bayern.
Königlich A11 e r 1» <"> c 1» s te V e r o r d n u n g, den Vollzug des Impf¬
gesetzes vom 8. April 1874 betreffend.
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Luitpold,
von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,
Regent
W i r haben Uns bewogen gefunden, die Bestimmung des § 9
Abs. 4 der Königlich Allerhöchsten Verordnung vom 24. Februar 1875,
den Vollzug des Impfgesetzes vom 8. April 1874 betreffend, einer
Revision zu unterziehen, und verordnen hienach auf Grund des § 18
Abs. 2 bezeichneten Gesetzes, was folgt:
Der § 9 Abs. 4 hat zu lauten:
An dem rechten Oberarme jedes Erstimpllings sind vier bis
sechs Schnittchen zu machen, bei der Wiederimpfung dagegen sind
am linken Oberarme sechs Schnittchen anzuhringen.
München, den 25. März 1896.
Luitpold,
Prinz von Bayern,
des Königreiches Bayern Verweser.
Frhr. v. Feilitzsch
Auf Allerhöchsten Befehl:
Der Generalsecretär:
von Koppletätter, Ministerialrath.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 13. Jahreswoche vom 22. bis 28. März 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen: Masern 2 (4*), Scharlach 1 (—), Diphtherie
und Croup 2 (2), Rothlauf 1 (1), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) 4 (—), Brechdurchfall 2 (1), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten 2 (4), Croupöse Lungenentzündung 6 (2), Tuber-
culose a) der Lungen 26 (25), b) der übrigen Organe 8 (2), Acuter
Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krankheiten 2 (—).
Unglücksfälle 4 (5), Selbstmord 2 (3), Tod durch fremde Hand — (—)•
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 190 (188), Verhältnisszabl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,3 (24,1). für
die über dem l. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,4 (14,3), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 14,1 (12,8).
*j Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verlag von J F. Lehmann ln Mönchen. — Druck der E. Mühlthaler'uchon k. Hof-Bnchdruckcrei ln Mönchen.
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Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Kümmern von mindestens .{bogen.
Kreis vierteljährlich 0 Jl . pmemimerando zahlbar.
Einzelne Nummer t>0
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
MÜNCHENER
Zu-emiungen sind zu sdressiren Für die Redaclion
Ouostrasse 1. — Fiir Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwehrstr 70. — Für Inserate und Beilagen
nn Rudolph Mo««e. Promenadeplntz 16.
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cb. Biuiler, 0. Bolltnger, H, Carschmann, C. Gerhardt, W. t. Heineke, G. Merkel, J. t. Michel, H.». Ranke, F. t. Winckel, H.». Zlemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 15. 14. April 1896.
Redacteur: l)r. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. P. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Beitrag zur physikalischen Erklärung functioneller
Herzgeräusche.
Von Dr. Richard (ifif/cl, Privatdocent in VVüA’.burg.
Wo es sieh um die physikalische Deutung der ilerzgeräuschc
handelt, hat inan sich schon geraume Zeit mit den Ansichten ab¬
gefunden und zufriedengegeben, die allgemach üblich geworden
waren. Es mochte scheinen, dass seit den Arbeiten der Klassiker
auf diesem Gebiet nichts Neues mehr zu leisten übrig geblieben
wäre, und zu unfruchtbarem Dogma erstarrt ging immer die alte
Lehre vom Lehrer auf den Schüler, von einem Lehrbuch in das
andere über. . Man muss auch zugeben, dass bisher die Theorie
für die Bedürfnisse der Praxis so ziemlich ausgereicht hat und
dass der Diagnostiker so ziemlich seine Rechnung fand, gleichviel
ob er durch die »Sehlagwörter unregelmässige Schwingungen der
Klappe» oder «Wirbelbildung» sich befriedigt fühlte. Gleichwohl
dürfte, daran festzuhalten sein, dass die Grundlage für jede physi¬
kalische Diagnostik eine möglichst weitgetriebene Einsicht in die
physikalischen Vorgänge bei den einzelnen Erscheinungen abgeben
muss, dann kann erst die klinische Beobachtung das letzte Wort
sprechen und die Regeln für die Stellung der Diagnose formuliren.
Nun ist, wie mir scheinen will, in der Herzdiagnostik die Frage
nach der Entstehung der sogenannten funetionellen Geräusche noch
ein ziemlich wunder Punkt und beide, die Theorie und die klinische
Beobachtung könnten hier wohl noch Manches leisten. Wenn ich
es im Nachfolgenden versuchen will, dieser Frage näher zu treten,
so beabsichtige ich nur einen Theil derselben und zwar von der
theoretischen Seite aus in Angriff zu nehmen. Dabei bilden die
Grundlage für meine Anschauungen die Resultate zweier meiner
früheren Arbeiten, auf welche ich desswegen hier verweisen muss 1 ).
Wenn am Herzen ein systolisches Geräusch auftritt, so ist
wohl zu unterscheiden, ob es neben einem I. Ton oder ohne
einen solchen, denselben also ersetzend gehört wird. Nur mit
letzterem Falle wollen wir uns liier beschäftigen.
Bekanntlich ist von Martius gezeigt worden, dass der I. Ton
während der Verschlusszeit der Ventrikel gebildet wird. Ich konnte
darlegen, dass seine Bildung sogar überhaupt abhängig ist vom
bestehen eiuer - Vcrsclilusszeit..'. Es ist dabei wesentlich, dass
nicht schon im ersten Beginn der Systule Blut aus dem Ventrikel
entweichen kann und so die gesammte Eingrenzung des Letzteren
einer neuen Gleichgewichtslage sich nur langsam — cuiiform mit
cm Ausfliessen des Blutes — nähert. Mit einem .'ehläge muss
8ic die Lage der Theile ändern, letztere müssen ihre neue Gleich¬
gewichtslage vermöge ihrer Geschwindigkeit und ihrer Trägheit
ü »erschreiten, wenn sie um diese Gleichgewichtslage jene trans¬
versalen stehenden — Schwingungen ausführen sollen, welche
üen er ( ste, ‘ reinen Ton geben.
g,. w,r nun zu . wodurch -der Ventrikel zu Beginn der
st Qe Schlossen gehalten, eine Vcrsclilusszeit also gebildet wird,
’) Virehow's Archiv 140. Bd., Heft 2 und 141. Bd , Heft 1.
No. 15.
so ist Folgendes ohne Weiteres klar. Intacten Klappenapparat
vorausgesetzt, halten die Vorhofsklappen dem steigenden Druck im
Ventrikel vermöge ihrer Gestalt Stand, diese Thüren öffnen sich
nur nach Innen. Die arteriellen, halbmondförmigen Klapjwn al>cr
werden geschlossen gehalten von Aussen her, dureli den Druek in
der Arterie, diese Thüre geht nach Aussen auf. Es ist also,
wenn die Vorliofsklappen schliesse», das Auftreten einer Verschluss-
zeit einfach abhängig davon, ob der Druck in der Arterie gross
genug ist. um dem Ventrikcldruek in «1er ersten Phase der Systole
das Gleichgewicht zu halten oder nicht. Dabei ist es sogar princi-
pioll vollständig gleichgültig, ob die arteriellen Klappen schlussfii iig
sind oder nicht, auch bei Aorteninsufficienz kann durch den hoben
Druck in der Arterie eine Art Vcrsclilusszeit. Spannungszeit
‘Schmidt) und damit ein I. Ton gebildet worden. In welcher
VN eise aber doch eine Insuffie!enz secundar von Einfluss darauf
sein kann, «lass ein T. Ton fehlt, resp. von einem systolischen
Geräusch ersetzt wird, kommt noch später zur Sprache.
Ist das bis jetzt Vorgetragene richtig, so fällt v«>n selbst
uns die Erklärung der sogenannten anämischen Geräusche, wenig¬
stens einer bedeutenden Anzahl derselben, als reife Frucht in den
Sehooss. Es ist das Sinken des Blutdrucks bei der
Anämie, nicht diese selbst, etwa die veränderte Blutqualität, was
hier als ursächliches Moment angenommen werden muss. Sobald
der Druck in einer grossen Herzarterie unter ein gewisses Maas.«
gesunken ist. so dass er die halbmondförmigen Klappen zu Beginn
der Systole nicht mehr geschlossen hält, so hat eben der Ventrikel
«hon im Anfang der Systole ein Loch — das Ostiuui arteriosum —.
durch welches er das Blut austreibt, ohne einen ersten Ton bil¬
den zu können. Augenscheinlich entsteht dabei das Geräusch
am arteriellen Ostiuui und dürfte wohl als ein einfaches Stenosen-
geräusch aufzufassen sein. Damit an Stelle des fehlenden ersten
Tons ein systolisches Geräusch tritt. die physiologische Stenose
am Ostiuui arteriosum zur Bildung ; eines solchen hin reicht, ist
nothwendig, dass liier die Stromgeschwindigkeit nicht unter ein
gewisses Maass sinkt, sonst bleibt sowohl erster Ton als systo¬
lisches Geräusch aus. In der Thal ist es auch bekannt, dass
bei sehr bedeutend gesunkener Herzkraft — in Agone — zu¬
weilen am Herzen nur ein Ton — ein zweiter und sonst gar
nichts gehört wird.
Forscht man nach den Bedingungen, unter welchen die Ge¬
schwindigkeit an der Stenose am grössten sein , ein functionelles
systolisches Geräusch also am leichtesten entstehen wird, so kommt
dabei in Betracht das Gefälle des Blutstroms, also die Druck¬
differenz zwischen Ventrikel und Arterie und die Weite «les
Ostiuui arteriosum. Je grösser das erstcre, je kleiner die zweite,
desto bedeutender die Stromgeschwindigkeit und desto eher kann
man nach Th. Weber’s liekannten Hxj »crimen teil ein Geräusch
erwarten. Jetzt wird von vornherein klar, warum so häufig bei
reiner, uneouipiieirter Aorteninsufficienz ein systolisches Geräusch
beobachtet wird. Das Blut fliesst aus der Arterie nach 2 Seiten
ab, der Druck fällt während der Diastole sehr bedeutend und «lern
steht zu Beginn der Systole ein ungeheuerer Ventrikcldruek gegen¬
über. den der hypertrophische Kammeruiuskel bei seiner C’ontrae-
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334
MÜNCHENER MKPICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
tion herbeifahrt. Kein Wunder also, wenn schon ein normales
Ostiuui arteriosum für das rasch hinausgeworfene Blut eine phy¬
siologische Stenose darstellt und man ein systolisches Geräusch
hört. Wie Jeder weiss, bewirkt die plötzliche Entladung des
Ventrikelinhalts in die Arterie bei Aorteninsuffieienz noch eine
Reihe anderer Erscheinungen, die ja sogar mit zur Stellung der
Diagnose auf diesen Herzfehler verwendet zu werden pflegen , so
der pulsus celer, der T ran la’ sehe Doppclton, das Duroziez'-
schc Doppclgerä usch. Es ist nun sehr beachtenswert!), dass diese
Phänomene auch bei einfacher Anämie ohne Klappenfehler Vor¬
kommen. Seitdem ich darauf achte, habe ich sie häufig ange¬
troffen ; dass der pulsus parvus der Anämischen zugleich auch
celer ist, weiss man schon lang. Augenscheinlich besteht also
auch hier ein Missverhältnis zwischen Ventrikeldruck und arte¬
riellem Druck; wohl ist der erstere gewiss nie so hoch wie bei
Aorteninsuffieienz und wohl meistens sogar subnormal, aber der
arterielle Druck ist auch wohl ebenso sicher bei starker Anämie
geringer als bei gut couipensirter Insufficicnz der Aortenklapj>on,
so dass doch die nämliche Differenz, die allein wichtig ist,
dabei herauskommen könnte. Und was dabei noch fehlt, wird
nicht unwahrscheinlicher Weise noch durch die Dimensionen der
physiologischen »Stenose wett gemacht, indem man wohl annehmen
kann, dass, wie die peripheren Arterien, so auch die grossen
enger seien und einen geringeren Tonus der Wand haben werden.
Beides kann die Entstehung eines Geräusches nur begünstigen.
Mit dem Vorgetragenen würde recht gut übereinstimmen,
dass functioneile Geräusche bei gesteigerter Herzkraft verschwinden
können, während bekanntlich bei einem organischen Klappenfehler
das Umgekehrte zutrifft. Es ist dann aber nicht «bessere An¬
spannung der Klappensegel« u. dergl., sondern es ist der gestiegene
arterielle Druck, der den Ventrikel geschlossen hält, das Geräusch
vernichtet und an seine Stelle einen ersten Ton bringt. Man
muss es sich nur klar machen, dass — gleiche Widerstände in
der Peripherie vorausgesetzt — der Ventrikel mit jeder einzelnen
Systole sich die Arbeit für die nächste erschwert, indem die Kraft
vermehrt wird, mit welcher das in der gedehnten Arterie vor¬
handene Blut die halbmondförmigen Klappen von Aussen ge¬
schlossen hält.
Hiernach ist also ein systolisches functionelles Geräusch ohne
ersten Ton physikalische Folge und Ausdruck gesunkenen
arteriellen Drucks, nicht schlechter llerzkraft; diese kann
schlecht sein, muss es aber nicht, wie ja schon das Beispiel gut
couipensirter Aorteninsuffieienz beweist. Verschwindet aber das
systolische Geräusch, ohne dass an seine »Stelle ein erster Ton
tritt, dann muss ein und zwar bedeutender Nachlass des Ventrikel¬
drucks, der Herzkraft, als unmittelbare Ursache angenommen werden.
Eine Aenderung im umgekehrten Sinn muss bei anämischen
Geräuschen der vorliegenden Art Folgendes herbeiführen. Gelingt
es, durch irgend welche Mittel die Herzkraft zu steigern, so muss
zunächst das Geräusch lauter werden, weil die Differenz Ven-
trikeldrnek minus arteriellen Druck grösser wird. Erhöht sich aber
durch die bessere Herzarbeit auch der arterielle Druck, dann muss
ein Zeitpunkt kommen, an welchem eine Verschlusszeit sich
bildet und an die Stelle des Geräusches ein erster Ton tritt.
»Sache der klinischen Beobachtung muss cs sein, diesen Hergang
zu verfolgen und specicil zu untersuchen, welchen Effect rasch,
aber auch flüchtig wirkende Jlerzreize, körperliche Bewegung und
Anstrengung, Alkohol und dg!., und welche Dauer länger und
ergiebiger wirkende (Digitalis und dg!.) haben,. Dass schliesslich bei
gelungener Heilung einer Chlorose z. B. der Ton das frühere
Geräusch dauernd ersetzt, braucht nicht erwähnt zu werden.
Wohl aber ist nun vielleicht ein neues Lieht auf jene nicht
seltenen Fälle geworfen, wo bei einem und dem nämlichen Kranken
durch »Stunden oder selbst Tage hindurch bald ein Geräusch, bald
ein Ton gehört wird: während jener Perioden ist nach unserer
Auffassung der arterielle Druck relativ niedrig, während dieser
relativ hoch.
Zu besprechen wäre kurz noch, was dann eintreten muss,
wenn hei einem Gesunden ganz acute Herzschwäche sich ent¬
wickelt, z. B. durch psychischen Choc, Trauma, Vergiftung. Nach
den entwickelten Anschauungen darf dabei ein systolisches Geräusch
zunächst nicht anftreten, weil in den Arterien noch viel Blut von
vorher ist und jedenfalls unter einem noch hinreichend hohen Druck,
um den plötzlich geschwächten Ventrikel geschlossen zu halten.
Damit stimmt recht gut die Erfahrung überein, dass in solchen
Fällen die Herztöne zwar leis aber rein sind. Anders, wenn die
acute Herzschwäche durch profuse Blutverluste erzeugt ist, da
kann es, wie auch die Erfahrung lehrt, sehr bald zur Bildung
'(blasender«, «anämischer« Geräusche am Herzen kommen, da
ist al>er auch der Blutdruck pro priino gesunken.
Es ist kaum nöthig zu bemerken, dass all’ dies auch für
das rechte Herz seine Gültigkeit haben muss und mir specicil
nicht zweifelhaft, dass ein guter Theil anämischer Geräusche nicht
an der Aorta, sondern an der Pulmonalis gebildet wird. Die
Differenz Ventrikeldruck minus arteriellen Druck wird sogar in
Fällen von Anämie hier eher erhöht sein und bleiben können als
links, aus zweierlei Gründen. Erstens erlahmt bekanntlich der
linke Ventrikel bei Sauerstoffmangel leichter und eher als der
rechte und zweitens sind die Widerstände im Pulmonalkreislauf
mit seinen weiten (,’apillaren unstreitig viel geringer als im grossen
Kreislauf. Was auch der rechte Ventrikel mit relativ grosser
Kraft hinein wirft, findet, ohne den arteriellen Druck wesentlich
zu steigern, glatt seinen Abfluss nach dem linken Vorhof hin.
Es wäre leicht, weitere Belege aus klinischer Beobachtung
dafür beizubringen, dass die Entstehung solcher Geräusche mit
grosser Wahrscheinlichkeit an die Pulmonalis zu verlegen ist, ich
will aber hier nicht darauf eingehen. Nothwendig aber müssen
sich solche Fälle von anderen wohl unterscheiden lassen, bei denen
nach der landläufigen Erklärung eine Schwäche der Papillartuuskeln
also functioneile Insuffizienz der Mitralklappe angenommen wird.
Bei letzteren ist der zweite Pulmonalton verstärkt, bei jenen nicht.
Ueber Frühdiagnose und Theorie des Morbus
Basedowii.
Von Dr. F. Lemke in Hamburg.
M. H. Als ich Ende 1894 eine Arbeit über Diagnose und
Theorie des Morbus Basedowii veröffentlichte, war ich leider nicht
in der Lage, gleichzeitig das Krankenmatcrial vorznführen, das
dieser Arbeit zu Grunde lag.
Es handelte sich nämlich um 2 Militärpersonen/ deren Ent¬
lassung als dienstuntauglich unmittelbar bevorstand, die aber zur
Zeit noch Gegenstand militärärztlicher Beobachtung waren. Diesem
Umstande habe ich cs wohl zuzuschreiben, wenn damals berufene
und unberufene Kritiker in abspreekendster Weise nicht über
meine Theorie, denn die hing ihrer Meinung nach ja in der Luft,
aber über meine Person herfielen; bekämpfte man doch in mir
den Vorkämpfer der chirurgischen Behandlung des M. B., dem
man schon vor Jahren das Stichwort angohängt hatte, «der M.
B. gehört nicht auf die innere, sondern auf die chirurgische Ab¬
theilung der Krankenhäuser«.
Durch die allgemeine Anerkennung der partiellen »Strumaex¬
stirpation als eines Heilmittels des M. B. seitens des letzten Chi-
rurgeneoiigresses ist die Rolle eines Vorkämpfers vollständig über¬
flüssig geworden, und ich will hier nur erzählen, wie ich zu
obigem »Stichworte gekommen bin.
Im Jahre 1890 veröffentlichte ich meine beiden ersten Fälle
von Heilung des M. B. durch die partielle »Strumaexstirpation.
Für die Beweisführung, dass die innere Behandlung keine Erfolge
aufznweisen habe, führte ich mehrere damals ganz neue Disser¬
tationen an, unter andern eine aus der Münchener Klinik, worin
ganz offen berichtet wurde, dass daselbst ein Fall ganz allmählich
an Erstickung zu Grunde gegangen sei. Hieran schloss ich die
sachliche Frage : «Warum hat man den Patienten nicht wenigstens
noch tracheofcomirt?« Ein öfteres Vorkommen derart könnte den
»Schluss nahe legen , «die Kranken an M. B. gehören nicht auf
die innere, sondern auf die äussere Abtheilung«.
Dieser »Schluss wurde seitens der Kritik aus dem Zusammen¬
hänge gerissen und als Schlagwort gegen mich proclamirt und »Sie
können sieh selbst ausmalen , • wie freundlich man mich nach da¬
maligem wissenschaftlichen Standpunkte behandelte.
Die Erfolge haben sich nun glücklicher Weise inzwischen
durchaus zu meinen Gunsten ausgesprochen , gleichzeitig sind sie
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14. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
335
aber die wesentlichste Stütze geworden für die Theorie, dass der
M. B. hervorgerufen wird durch eine Giftabsonderung der Schild¬
drüse, mit andern Worten, dass der M. B. eine Dyskrasie
ist. —
Nach Virchow (Cellularpathologie S. 126) ist eine Dys¬
krasie abhängig von einer dauernden Zufuhr schädlicher Bestand-
theilc von gewissen Punkten her — bei uns also der Schild¬
drüse —; der M. B. gehört also in dieselbe Reihe wie der Scor-
but, die Purpura, die Petechialdyskrasie, die Virchow selbst als
Dyskrasien vorführt, er hat aber vor diesen den Vorzug, dass die
Stelle, von der das Gift stammt, so gut wie sicher bekannt ist.
Dies ist jetzt wohl die verbreitetste Anschauung über unsere
Krankheit.
Der Morbus Basedowii ist also keine Nerven¬
krankheit, falls nicht bewiesen wird, dass das Gift
der Schilddrüse ein Nervengift ist.
Welcher Art ist nun dieses Gift?
Die Beantwortung dieser Frage glaube ich einem günstigen
Zufälle zu verdanken.
Im November 1894 erschienen gleichzeitig in meiner Sprech¬
stunde 2 Militärs, die in den nächsten Tagen als dienstuntauglich
entlassen werden sollten. Ich schildere zunächst den Zustand
von damals und die von mir daraus gezogenen Schlüsse, um erst
dann Ihnen durch den jetzigen Befund die Richtigkeit meiner
Schlüsse zu beweisen.
No. 1. Müller, Diätar, war im Herbste 1894 eingetreten, also
noch Rekrut. Patient bot einen höchst merkwürdigen Anblick dar.
Sobald er sich zur Untersuchung präsentirte, wobei er noch unwill¬
kürlich eine militärisch stramme Haltung annahm, gerieth der
ganze Körper in ein fortwährendes Schwanken und Vibriren, das
um so stärker wurde, je mehr Patient sich bemühte, es zu unter¬
drücken. Gleichzeitig Hess sich das hochgradigste Delirium cordis
beobachten, der Puls ist nicht zählbar. Dieser Zustand verlor sich
sofort im Sitzen oder Liegen, auch der Puls wurde ruhiger. Im
Dienst soll ein Stillstehen in Reih’ und Glied ganz unmöglich
gewesen sein, wenn es erzwungen werden sollte, so stürzte Patient
einfach zu Boden.
Zur Anamnese gibt Patient an, schon seit Jahren an Herz¬
klopfen gelitten zu haben, was ihm besonders in seinem Berufe als
Schreiber zum Bewusstsein gekommen sei, als hier seiner Zeit die
Cholerastatistik ihm angestrengte und lang andauernde Arbeit zu-
gemuthet hätte, er habe damals seine Stellung aufgeben müssen.
Ein Herzklappenfehler ist nicht nachweisbar. Die Frage nach einem
etwaigen Schreck wird mit der Schilderung eines unglücklich ver¬
laufenen Sonntagsrittes beantwortet.
No. 2. Riess ist seinem Berufe nach Schlachter. Patient
bietet genau dasselbe Bild wie No. 1, aber noch in verstärktem
Grade, dasselbe Schwanken und Vibriren, dasselbe Delirium cordis
ohne Herzklappenfehler. Dasselbe Verschwinden dieser Symptome
im Sitzen oder Liegen. Auch er hat seit Jahren Herzklopfen und
Tremor und gibt auf meine Frage nach einem Schreck an, sich vor
einem losgerissenen Ochsen sehr erschrocken zu haben.
Dieser Patient ist aber schon zum zweiten Male eingezogen
worden, nachdem er schon im Jahre 1892 wegen Herzklopfens und
Gliederzittems vorläufig als dienstuntauglich entlassen war. In
der Z wischenzeit zwischen seiner ersten Entlass ung
im Jahre 1892 und seinem Wiedereintritt im Herbste 1894
hat sich aber bei ihm eine sehr deutliche Struma ent¬
wickelt.
Das Nebeneinander dieser beiden schwankenden Gestalten war
so frappant, dass ich mir sofort sagte:
Pat. No. 2, Riess, leidet an M. B. und zwar bietet er vor¬
läufig noch das incomplete Bild desselben, er hat Delirium cordis,
hochgradigsten Tremor und Stroma. Vor 2 Jahren bot er das¬
selbe Bild ohne Stroma, genau wie Pat. Müller, folglich leidet
Pat. Müller ebenfalls an M. B. und zwar an einem früheren
Stadium dieser Krankheit, ehe es noch zu der Entwickelung einer
Struma gekommen ist.
Auf diese beiden Symptome hin, — das Delirium cordis, oder
hoi geringeren Graden dieser Affeetion, die Tachyeardic nnd den
remor, betrachtete ich mir nun alle von nur bisher beobachteten
älle, sie boten sümmtlich diese beiden Symptome, wenn aucli nicht
so hochgradig, gehörten aber, — weil sie noch ausserdem andere
> ymptome wie Struma und Exophthalmus zeigten, dem späteren
Stadium dieser Krankheit an.
Dass beide Patienten sonst gesunde Individuen waren und
nie t etwa anderweitige «NervenSymptome» boten, geht schon 1
No. 15.
daraus hervor, dass sic die sorgfältige Untersuchung der Militär¬
ärzte passirt hatten und für dienstfähig angesehen waren.
Pat. No. 1, Müller, wurde wegen Herzklopfens und Glieder¬
zitterns entlassen.
Pat. No. 2, Riess, unter der mit Hinzuziehung eines hiesigen
Neurologen gestellten Diagnose «männliche Hysterie».
Entscheidend hierfür soll ein Befund gewesen sein, den man
am Pat. im Sitzen bei übergeschlagenen Beinen machte, wo das
Zittern nur dann aufhörte, wenn er ein bestimmtes Bein über
das andere schlug, umgekehrt bestand es weiter. Die Erklärung
hierfür ist nach meiner Ihnen noch vorzuführenden Theorie sehr
einfach: Das Zittern hörte auf, wenn er das Bein Uberschlug, das
er seiner Gewohnheit nach in Ruhe überzaschlagen pflegte, während
das Ueberschlagen des anderen Beines immer noch eine gewisse
Muskelanstrengung erforderte, weil es eben der gewohnten Ruhe¬
stellung nicht entsprach. Des Kropfes soll nur als nebensächlich
Erwähnung gethan sein.
Seit langen Jahren ist bekannt, dass es Fälle gibt, die nicht
das vollständige classische Bild, Herzklopfen, Struma, Exophthalmus
bieten. Diese Formen werden vielfach als «falscher Morbus
Basedowii» bezeichnet, ein Name, der die Vorstellung erweckt,
als ob man es mit einer besonderen Krankheit zu thun hätte,
sie müssen aber vielmehr als « Morbus Bas. incompletus » bezeichnet
werden, denn es sind, wie unsere Fälle lehren, frühere Stadien
dieser Krankheit, die sich in der gehörigen Zeit und bei Fort¬
bestehen der Schädlichkeiten allmählich zu dem classischen Bilde
entwickeln werden. Charcot hat sie formes frustes genannt,
da aber doch das Latein die Sprache unserer Wissenschaft ist,
so stimme ich für obige Bezeichnung.
Ein Symptom, das fehlen kann, kann doch für die Diagnose
kein entscheidendes und maassgebendes sein, sein Vorhandensein ist
werthvoll, weil es die Diagnose bestätigt, seine Abwesenheit spricht
aber nicht gegen die Richtigkeit derselben. Es gibt nun Fälle
ohne Struma und solche ohne Exophthalmus, unsere beiden Fälle
lehren aber, wie man eigentlich von vornherein anzunehmen
berechtigt wäre, dass es auch Fälle gibt, wo beide Symptome
fehlen, es bliebe also von dem classischen Bilde nur das Herz¬
klopfen als constantes, allen Fällen gemeinsames Symptom
übrig, wenn wir nicht gleichzeitig aus unseren Fällen lernten,
dass der Tremor ein in seiner Wichtigkeit bisher unterschätztes,
constantes Symptom sei.
So kommen wir zu dem Satz:
Ein Kranker leidet an Morbus Basedowii, wenn
T a e h y e a r d i e und Tremor vorhanden sind, alle andern
Symptome sind werthvoll, weil sie die Diagnose bestätigen, sind
aber für dieselbe nicht nothwendig. Alle anderen Symptome sind
spätere, erst bei längerem Bestehen der Erkrankung hinzn-
koinmende, für die Frühdiagnose genügen vollständig Taehyeardie
und Tremor.
Ergänzend füge ich hinzu, dass diese beiden Symptome nur
bei Anstrengungen und zwar selbst geringfügigen aufzutreten
pflegen, dagegen in Bube und im Schlafe meist nicht vorhanden
sind. Ein so hochgradiges Vibriren des ganzen Körpers, wie in
unseren Fällen ist durchaus ungewöhnlich, cs wird auch wohl nur
bei Soldaten, Gymnastikern und Turnern, kurz bei Personen zu
beobachten sein, die vorzugsweise ihre ganze Körpermnsculatur
anstrengen müssen, in anderen Berufsarten erkranken gewöhnlich
vorzugsweise nur die Muskelgruppen, deren Leistungen von dem
betreffenden Berufe besonders beansprucht werden. Daraus erklärt
sieh, dass diese Krankheit so früh die von ihr Befallenen arbeits
unfähig macht.
Bisher habe ich nur von dem Befunde gesprochen, den beide
Patienten Ende 1894 boten, es erübrigt noch, Ihnen zu berichten,
wie der Zustand sich weiter entwickelt hat und wio der Verlauf
meine damals gestellte Diagnose bestätigt hat.
Beide sind seit ihrer Entlassung in meiner Behandlung ge¬
blieben und ich sah sie bis vor Kurzem alle 4 Wochen. Von
dem Vorschläge einer Operation habe ich von vornherein abge¬
sehen, da ich es der Zeit überlassen wollte, meine Diagnose durch
Weiterentwickelung des Symptomencomplexes zu bestätigen.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Beide Patienten eind in guten Verhältnissen and brauchen
sich keinen grossen Anstrengungen zu unterziehen, fühlen sich in
Folge dessen relativ wohl, der Zustand ist aber, so bald ihnen
Anstrengungen zugeniuthet werden, genau derselbe wie früher.
Die Struma des Patienten Riess hat inzwischen 6 cm an Um¬
fang zugenommen und muss entschieden zu den grossen gerechnet
werden. Beim Patienten Müller ist von Struma noch keine
Spur, dagegen entwickelt sich in letzter Zeit ein deutlicher Exoph¬
thalmus, so dass auch ihn jetzt jeder Arzt als an M. B. incom¬
pletus erkrankt ansehen wird.
In einer meiner früheren Publicationen habe ich darauf hin¬
gewiesen, dass man sich bei der Beurtheilung der Heilung nach
partieller Strumectomie von vornherein darauf gefasst machen
müsse, dass die Rückbildung des Strumarcstes und des Exophthalmus
erst sehr allmählich vor sich ginge, ebenso langsam geht es in
vielen Fällen auch wohl bei der Entwickelung des Symptomen-
complexes; dieselbe kann sich über Jahre hin erstrecken, bis das
elassisehe Bild vollständig ist.
Zur Anamnese möchte ich noch bemerken, dass es wohl viel¬
fach auf Suggestion beruht, wenn die Patienten einen Schreck
als Ursache angeben. Sobald der Arzt den Verdacht auf M. B.
hat, stellt er dem Patienten diese Frage und wer fände in seiner
Erinnerung nicht einen Schreck; so krystallisirt sich dann noch
nachträglich die ganze Krankheitserinnerung um diesen Schreck
herum, doch gibt es auch viele Fälle, die ihre Erkrankung nicht
darauf zurückführen.
Jetzt komme ich zu meiner Theorie.
Die auffallende Thatsaehe, dass die beiden frühsten und
allein constanten, d. h. allen Fällen gemeinsamen
Symptome, speciell in den Functionen des Muskelsystems, dem
Herzmuskel und der quergestreiften Musculatur zum Ausdruck
kommen, legt den Gedanken nahe, dass das Gift der Schilddrüse
ein specifisches Muskelgift sei, welches den normalen, physiologischen
Muskeltonus aufhebt und dadurch den Act der Contraction in
kleine, oberflächliche Zuckungen zerlegt, die Muskelaction im Ganzen
also langsam, schwerfällig und unsicher macht.
Beim Herzmuskel ist die Tachycardie oder das Delirium cordis
der Ausdruck dieses Zustandes und beim quergestreiften Muskel
der Tremor, die glatte Musculatur wird natürlich ebenso affleirt.
Ein längeres Bestehen dieses Zustandes muss nothwendiger Weise
zu einer allgemeinen Erschlaffung aller 3 Muskelarten führen. Beim
Herzmuskel wird sich dieser Zustand als Dilatation deutlich machen,
beim quergestreiften Muskel als Welkheit, Schlaffheit und Ver¬
längerung der einzelnen Muskeln. Während nun die meisten
Muskeln sich beiderseits an Knochen inseriren und so ihren ver¬
längerten Zustand wenig deutlich documentiren können, muss dieser
Effect sehr deutlich werden bei Muskeln, die nur einerseits an
Knochen, andererseits an Sehnenhäuten oder Kapseln inseriren.
Das Prototyp dieser Insertion ist aber das Auge, dasselbe muss
also bei verlängerten und erschlafften Augenmuskeln durch den
Blutdruck hervorgetrieben werden, es ergibt sich somit von selbst
eine Erklärung des Exophthalmus, der bisher jedem Erklärungs¬
versuche widerstanden hat.
Diese Verlängerung der Augenmuskeln ist übrigens bei älteren
Scctionsbefunden thatsüchlich festgestellt. Die Leichtigkeit und
Natürlichkeit, mit der diese Theorie gerade den Exophthalmus er¬
klärt, halte ich für einen Hauptstützpunkt derselben. Ja, wir
müssten uns geradezu wundern, dass es überhaupt Fälle ohne
Exophthalmus gibt, wenn wir nicht mit Recht annehmen könnten,
dass eben nicht alle Muskeln gleichzeitig zu erkranken brauchten.
Sehen wir uns jetzt weiter die übrigen, bisher von mir über¬
gangenen, aber von den Neurologen besonders geschätzten Symptome
an, so constatire ich von vornherein die auffallende That-
sache, dass sie alle mit Muskeifnnctionen Zusammen¬
hängen.
Das Gracfe'sehe Phänomen, das langsame Folgen des oberen
Augenlides bei der Abwärtsbewegung des Bulbus erkläre ich nicht
für eine Coordinationsstörung, sondern für den Ausdruck der
schwerfälligen, langsamen und unsichern Function des Muse,
sphincter palpebrarum.
Das Stellwag’sche Phänomen, der langsame und seltene
Lidschlag, hat dieselbe Ursache, das Phänomen von Mocbius, die
mangelhafte Convergcnz der Bulbi ist der Ausdruck der ungleich¬
mäßigen Erkrankung einzelner Augenmuskeln.
Die träge Pupillenfunction ist derselbe Effect bei den Mnsc.
sphincter und Dilatator pupillae.
Die Erscheinungen von Seiten des Gehirns: Kopfweh,
Schwindel, Launenhaftigkeit, Melancholie, sind die Folge dieser
Erkrankung der Gefässmusculatur der Hirngcfüsse, die sich als
Blutüberfüllung documentiren muss (die alten Autoren sprechen
direct von arterieller Hyperaemic.)
Bei der Lunge wird sich dieser Zustand als Asthma, Lungen-
blutung, linsten etc. zeigen, bei der Niere als Polyurie, bei der
Haut als fliegende Röthc oder Ilyperhidrosis, beim Magen oder
Darm als Erbrechen, Verdauungsstörung und Durchfall.
Meine Herren ! So können Sie sich das ganze Bild des M. B.
vollständig construiren, natürlich ohne Struma, denn die ist ja
die Ursache. Eine Theorie, die das leistet, muss auch richtig sein.
Jetzt komme ich zu einem indirecten Beweise der Richtig¬
keit der Theorie, nämlich dem aus der empirisch gefundenen
Therapie.
Ich lege besonderen Werth auf die Empirie, weil sie es
war, die seit undenklichen Zeiten den Genuss der Schilddrüse
verbietet, während doch die Thymusdrüse als Leckerbissen gilt.
Die Schilddrüse wird von allen Schlachtern nicht nur weggeworfen,
sondern man verhindert auch, dass die Hunde dieselbe fressen.
Auch die jüdischen Speisegesetze des Talmud verbieten deut¬
lich den Genuss derselben, die Tradition ist also uralt, merk¬
würdigerweise ahnte die hohe Wissenschaft nichts davon. Die
Empirie hat nur instinctiv fast ausschliesslich die Arzneigruppe
in Anwendung gebracht, die den Namen «Tonica», der Spann¬
kraft gebenden trägt. Nach Binz umfasst diese Gruppe folgende
Mcdieamente: Digitalis, Strychnin, Secale, Chinin, ja das sind
alles Heilmittel, die von Allen bei M. B. angewandt werden.
Dazu kommt noch das Jod als specifisches Kropfmittel, das auch
jetzt von Baumann in dem Saft der normalen Schilddrüse naeh-
gewiesen ist, das Ferrum, das die oft gleichzeitig bestehende
Chlorose bessern soll und die Elektricität; aber was hat etwa die
elektrische Behandlung für einen andern Zweck, als den Tonus
der Blutgefässe und Musculatur zu lieben! Nach meiner Theorie
würde ich alle diese Mittel einschliesslich der Elektricität als
event. nützlich empfehlen, sie leistet auch in diesem Punkte
Alles, was man überhaupt von einer Theorie erwarten kann.
Sehr interessant ist die Perspective, die diese Entdeckung
auf die Huinoralpathologic eröffnet. Virchow selbst sagt in
seiner Cell.-Path.: « Die humoralen Schulen haben im Allgemeinen
das meiste Glück gehabt, weil sie die bequemste Erklärung und
in der That die plausibelste Deutung der Krankheitsvorgängc
gebracht habeu.» «Man kann sagen, dass alle glücklichen Praktiker
und bedeutende Kliniker mehr oder weniger humoralpathologischc
Tendenzen gehabt haben, ja diese sind so populär, dass es jedem
Arzte äusserst schwer wird, sich aus ihnen zu befreien.» « Es
war aber», wie Wagner S. 6 seines Lehrbuches sagt, «ein Irr-
tlium, zu glauben, dass die Cellularpathologic die ganze allgemeine
Pathologie in sieh schliesst, für letztere sind Blut und Nerv
ebenso wichtig als die Zelle des Organs. »
Dieser Periode der Geltung der Cellularpathologic folgte dann
eine solche des Ucbcrgowichts der Neuropathologie, es wurde und
wird noch Alles auf Nerveneinflüsse zurückgeführt, herrscht doch
jetzt z. B. noch nach Analogie der Theorie des Athmungscentrums,
das durcli die Kohlensäure des Blutes gereizt wird, die Ansicht,
als müsste das Blut, um auf Muskeln zu wirken, erst seine
Wirkung auf die einzelnen Nervencentren ausüben, als ob es
nicht direct in den so blutreichen Muskeln seinen chemischen
Effect hervorbringen könnte. Möge man daher endlich der
Humoralpathologie den ihr zukommenden Platz einräumen.
Zum .Schlüsse möchte ich mir nicht versagen, zu berichten,
dass ich jetzt 17 Fälle operirt habe und mit den Resultaten
durchaus zufrieden bin.
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14- April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
337
Sectionsbericht zu Seiferfs Fall von syphilitischer
Bronchostenose.
Von Dr. Fritz Schwyxcr, pathol. Anatom am deutschen Hospital
in New-York.
In No. 31 der Münch, iued. Wochen.sehr. 1895 hat Seifert
einen Fall von syphilitischer Bronchostenose beschrieben, bei
welchem er im Jahre 1894 mit grossem Erfolg Bougirungen vor¬
genommen hatte. Der Patient, bei welchem zuerst einige New-Yorker
Aerztc(J. Adler, Sachs), dann Seifert, Gerhardt und Andere
Gummata des Mediastinums diagnosticirt hatten, erholte sich,
nachdem er sehr grosse Mengen von Quecksilber in verschiedener
Form und Jodkali bekommen hatte. Im Herbst 1895 wurde er
in New-York bougirt, weil die Stenoseerscheinungen wieder schwerer
geworden waren. Nachdem die Bougirungen anscheinend einige
Besserung erzielt hatten , erkrankte der Patient Mitte November
mit Fieber, starker Dyspnoe, hustete frischen, mit Blut gemischten
Eiter aus, manchmal auch alte, mehr käsige Eitcrbröekel, und
ging wenige Tage darauf, nachdem er schon zuvor einige schwere
Erstickungsanfälle durchgemacht hatte, an einem solchen zu Grunde.
Der Fall ist von so vielen Acrzten gesehen worden und ist auch
ein so seltener, dass es sieh lohnen dürfte, das Sectionsprotokoll
zu veröffentlichen.
Mr. .... gest. 27. Nov. 95. — Mittelgrosse männliche Leiche von
kräftigem Körperbau. Starke Todtenstarre; viele blaue Todtenflecke
an den Seiten und an den Oberschenkeln. Keine Oedeme; das
subcutane Fettpolster erscheint etwas reducirt, schlaff, Musculatur
kräftig und von frischrother Farbe. Die Schädelhöhle wird nicht
geöffnet; am Kopf keine äusserlich wahrnehmbaren Abnormitäten.
Därme nicht aufgetrieben, keine Flüssigkeit im Peritoneum, keine
Verwachsungen oder Trübungen. Zwerchfellstand: Kuppe rechts
bis zum unteren Rand der vierten, links bis zum oberen Rand der
fünften Rippe. Rippenknorpel leicht verkalkt, der erste links ver¬
knöchert. Sternum hart, aussen und innen unverändert.
Lungen retraliiren sich sehr wenig; der vordere Rand der
rechten reicht bis zur Mittellinie; die linke ist nicht zu sehen, sie
ist von der verdickten Pleura costalis vollständig verdeckt. Die Leber
reicht nach links bis zur linken Mammillarlinie, nach unten l —2 cm
über den Rippenrand hinaus. Rechte Pleurahöhle frei bis auf
wenige kleine Adhäsionen. Das Pericard tritt nur in geringer Aus¬
dehnung zu Tage. Die Herzspitze steht in der linken Mammillar¬
linie am oberen Rand der sechsten Rippe. Der Herzbeutel ist ver¬
dickt und enthält circa 50 ccm einer klaren, gelblichen Flüssigkeit.
Die Pleura parietalis der linken Lunge erscheint in den vorderen
und oberen Theilen weiss, undurchsichtig. Erst nach Incision der¬
selben wird die Lunge sichtbar. Auch über der Lungenspitze und
auf der mediastinalen Seite ist die Pleura parietalis links auffallend
dick, aber nur oben innen fest mit dem pulmonalen Blatte ver¬
wachsen. Sonst ist die linke Pleura anscheinend frei. Die Pleura¬
höhlen enthalten wenige ccm klarer, seröser Flüssigkeit. Die Rippen
zeigen keine Veränderungen.
Die Hals- und Brusteingeweide werden zusammen heraus¬
genommen. Oesophagus contrahirt, Schleimhaut unverändert, ebenso
der aditus ad laryngem. Kehlkopf mit schaumig blutigem Fluidum
gefüllt. Kehldeckel und Stimmbänder unverändert, die Trachea in
ihren oberen Theilen ebenso. 3 cm über der Bifurcationsstelle
wölbt sich eine halbkugelige Geschwulst von der vorderen Tracheal-
wand aus dermassen in das Lumen der Trachea hinein, dass diese
zu einem Canal mit sichelförmigem Querschnitt verengt wird. Das
Centrum der Geschwulst liegt etwas links von der vorderen Median¬
linie der Trachea, so dass besonders der linke Bronchus in seinem
Lumen beeinträchtigt wird. Mitten auf der Geschwulst zeigt sich
ein kreisförmiges, kraterartig in die Tiefe gehendes Geschwür von
6 mm Durchmesser, aus welchem ein 3 mm breites und 2 mm dickes
Knorpelstück 6 mm weit herausragt. Dasselbe entspricht einem
Trachealring, welcher an einer Stelle, am Boden des Geschwürs
von aussen her durchbrochen worden war. Auf Druck entleert sich
ans diesem Geschwür ein grauröthlicber, rahmiger Eiter. Derselbe
kommt hauptsächlich zwischen der unterminirten Trachealschleim-
haut und der Knorpelwand hervor, während aus dem tiefen Ge¬
schwürsgrund graugelbe Massen von festerer Consistenz sich ent¬
leeren. Eine Sondo kann unter der Schleimhaut (zwischen dieser
und Trachea) nach rechts 2 cm weit vorgeschoben werden, nach
unten 1 cm weit, nach oben */*, nach links 2,9 cm, hier aber freilich
ausserhalb der Trachealknorpel, Senkrecht in der Tiefe stösst die
Sonde nach 5 mm auf harte, anscheinend fibröse Massen. Nach
vorne links kann man, ohne Gewalt anzuwenden, die Sonde derartig
vorwärts schieben, dass sie schliesslich durch zähe Blutgerinsel hin¬
durch in das weiter unten zu beschreibende Aneurysma der Aorta
emdringt. Ein ähnliches, aber kleineres Geschwür befindet sich
am oberen Bande der in die Trachea sich vor wölb enden Geschwulst.
Dasselbe communicirt direct mit dem Grossen (gemeinschaftliche
flubmucöse Abscesshöhle), die Trachealwand ist aber an dieser Stelle
nicht durchbrochen. Der rechte Bronchus scheint in seinem Lumen
nicht wesentlich beeinträchtigt zu sein; die Mucosa ist leicht geröthet
und mit einem blutig tingirten, schleimigen Fluidum belegt.
Rechter Oberlappen röthlichgrau, Überall lufthaltig, ziemlich
anaemiscb, mässig oedematös. Die Alveolen an vielen Stellen ent¬
schieden vergrössert. Bronchien, Arterien und Venen zeigen nichts
Besonderes. Rechter Mittellappen wie der Oberlappen; Unterlappen
enthält viel Blut und Flüssigkeit, wenig Luft, fühlt sich etwas derb
an, zeigt aber nirgends deutliche Infiltrate.
Trachealumfang oberhalb der Geschwulst, inwendig gemessen,
5,8 cm, rechter Bronchus 4,5, linker 3,7 cm. Oesophagus mit linker
Tracheal wand und linkem Bronchus durch dicke, schwielige Maasen
fest verwachsen, ebenso die Aorta mit der Trachea.
Im linken Bronchus, dessen Eingang durch die Tracheal-
geschwulst theilweise verdeckt wird, finden sich nirgend» geschwü-
rige Veränderungen, dagegen beträchtlicher Katarrh und viel Schleim,
dem etwas Eiter und Blut beigemengt sind. Nirgends ist eine
narbige Stenose zu sehen. Oberlappen der linken Lunge röthlich¬
grau, überall lufthaltig, seine vordere Hälfte von glatter unverän¬
derter Pleura bedeckt, die oberen und hinteren Partieen dagegen
sind durch äusserst derbe Adhäsionen mit den obersten Theilen
der Brustwand verwachsen. Unterlappen dunkelroth, und auch
sonst wie der rechte. Unten und hinten an der Bifurcationsstelle,
mit dieser sowohl wie mit dem Pericard fest verwachsen, findet sich
ein 3»/2 cm langer (horizontaler Durchmesser von rechts nach links)
2'/a cm hoher, und 1,3 cm dicker, schwieliger Tumor ohne Er¬
weichung, welcher mit der oben beschriebenen Geschwulst der vor¬
deren Trachealwand in keiner Verbindung steht Sonst sind die
beiden Blätter des Pericards frei. Lymphdrüsen des Lungenchylus
nicht vergrössert.
Herz contrahirt, etwas kleiner als die Faust dos Todten. Rechter
Ventrikel enthält etwas Blut; Klappen unverändert, Pulmonalis
zart, mittelweit, linker Ventrikel enthält schwarzes, geronnenes Blut,
Aorten und Mitralklappen unverändert, ebenso der Vorhof. Mus-
cnlatur etwas bräunheh, sonst für das bloBBe Auge unverändert.
Coronararterien leicht geschlängelt, sonst unverändert. Ostium aortae
mittelweit, ebenso die Aorta auf die Länge von circa 4 cm über
dem Ostium. Dort beginnt plötzlich eine sackförmige Erweiterung,
welche ebenfalls ziemlich plötzlich am Beginne der Aorta descendens
wieder aufhört. Der Sack misst in der Länge 12—13 cm, ist ei¬
förmig, mit einem Querdurchmesser von 6—8 cm. Die hintere Wand
des Sackes ist mit z. T. organisirten Blutgerinnseln dick belegt. Die
A. anonyma sehr stark erweitert, ebenso die subclavia rechts; sowohl
Aorta ascendenß als descendens, als auch die Anonyma zeigen ziem¬
lich starke atheromatöse Veränderungen. Das vordere Mediastinum,
welches das Aneurysma einschliesst, ist in eine dicke, fettähnliche,
aber sehr derbe Masse verwandelt; auch die Seitenwände des Aneu¬
rysmas auffallend dick und schwielig. Nach hinten grenzt dasselbe
flächenhaft gegen den Trachealtumor, der 2 J /a cm dick ist. Die
Wand des Aneurysmas an dieser Stelle sehr verdünnt, flach (nicht
gegen das Lumen vorgewölbt) und mit derben Gerinnsel belegt.
Milz hart, etwas gross. Follikel deutlich, Pulpa quillt über
den Schnitt nicht hervor. Die ganze Schnittfläche bat leicht speckigen
Glanz. Kein Amyloid.
Niere mittelgross, Rinde von normaler Breite, Oberfläche glatt,
Schnittfläche speckig glänzend, Farbe der beiden Nieren blauro'h,
am unteren Pol der rechten Niere einige gelbliche Flecke von
1—3 mm Durchmesser. Kein Amyloid.
Leber ähnliche Flecken wie an der Niere. Gallenblase unver¬
ändert; Lebergewebe braun. Colon descendens weit, Colon trans-
versum contrahirt, für den kleinen Finger kaum durchgängig. Darm¬
wände und Magen zeigen nichts Besonderes, ebensowenig Blase,
Ureteren, Urethra und Hoden. Die Intima der Aorta descendens
leicht sclerotisch verdickt. In Nieren und Leber einige Rundzellen¬
infiltrate. Die Gewebszellen daselbst nehmen Kemfarben nur schlecht
an, scheinen also nekrotisch zu sein.
Anatomische Diagnose: Gumma des Mediastinums (peri-
tracheal) mit Durchbruch in die Trachea und submucoesem Abscess
daselbst. Stenose des linken Bronchus und der Trachea. Altes
Gumma an der Bifurcation der Bronchi. 8chwielige Narben im
Mediastinalraum (zwischen Oesophagus, Bronchi, Trachea, GefäsBen
und Pericard). Chronisch entzündliche Vorgänge in der Pleura
parietalis sin. mit beträchtlicher Verdickung derselben. Aneurysma
des Arcus aortae.
Wenn wir uns nun einige epikritisohe Bemerkungen erlauben
dürfen, so möchten wir vor Allem hervorheben, dass der Patient
ausser dem in vivo diagnosticirtem Gumma des Mediastinums auch
ein Aneurysma der Aorta gehabt hat. Ein Aneurysma ist weder
von Seifert noch von den anderen geübten Diagnostikern erkannt
worden, obwohl direct darauf hin untersucht wurde, und Geifert
z. B. ausdrücklich angibt, dass er bei Auscultation mit Otoskop
und Bronchialsonde Geräusche nicht habe hören können. Es
mag wohl sein, dass die centrale Lage und die relative Kleinheit
des Aneurysmas ein Erkennen desselben verhinderte, zumal Gum¬
mata des Mediastinums mit Recht angenommen werden mussten.
Aber es besteht auch die Möglichkeit, dass das Aneurysma in
jener Zeit noch nicht ausgebildet war und sich erst im Laufe des
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338
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
letzten Jahres entwickelt hat. Als Actiologic für seine Entstehung
Hessen sich dann folgende Factorcn anführen. Patient hatte
ziemlich starkes Atherom der Aorta, hatte ferner Lues und ver¬
narbende Geschwülste im Mediastinum. Die luetischen Proeesse
in der Aortenwand können durch Alteration der Media die Klasti-
cität der Wand herabgesetzt haben. Es kann ferner durch den
Druck der mediastinalen Gummata auf den Arcus aortae, welcher
durch Compression der Vasa vasorum die Wandcirculation störte,
eine Schwächung der Wand zu Stande gekommen sein. Endlich
muss man aber auch daran denken, dass die Gummata, die erst
das Mediastinum ausfüllten, bei ihrer Schrumpfung einen gewissen
Zug auf den Arcus ausübten, da sie auch mit der Umgebung
verwachsen waren.
Was nun die Bronchostenose anbelangt, so war dieselbe nicht
durch Narben bedingt, sondern durch eine Geschwulst, welche in
das Lumen der Trachea und den linken Bronchus hineinragte.
Wahrscheinlich war der Befund zur Zeit, als Seifer t seine
Bougirungen ausführte, etwas anders als bei der Seetion. Ver¬
mutlich hat damals der Knoten unterhalb der Bifurcationsstello
die Compression verursacht.
Die Erstiekungsanfälle der letzten Tage sind auf Rechnung
des 8ubmucösen Absccsses der Trachea zu setzen. Wäre der
Patient einem solchen Anfall nicht erlegen, so hätte binnen Kurzem
ein Durchbruch des Aneurysmas durch das Gumma in die Trachea
erfolgen müssen.
Einen Fall ähnlicher Art veröffentlichte Stöcklin (Areh.
f. klin. Med. Band 55). Ein Gumma hatte die Traehealwand
zerstört und die Vena anonyma sin. arrodirt und zu tödtlicher
Lungcnhacmorrhagie geführt.
Ueber Carboigangrän.
Von Dr. Lcusser in Münnerstadt.
Während die Carbolsäure, die in der ersten Epoche der
antiseptisehen Aera so vielgepriesene und mächtige Alleinhcrrschcrin
in der Wundbehandlung, mit dem Bekanntwerden anderer theils
besserer, theils aber auch schlechterer Desinficicntien mehr und
mehr aus der Chirurgie verdrängt wurde und mit dem Anbruch
der aseptischen Periode nur noch zur Desinfection der In¬
strumente und anderen Operationsmaterials Verwendung fand,
bürgerte sie sich in der Folgezeit immer mehr unter den soge¬
nannten Hausmitteln der Laien ein und erwarb sich, unterstützt
von eifrigen Badern und Hebammen, in diesen Kreisen einen Ruf
als Panacee gegen alle Arten von Verletzungen und äusseren
Erkrankungen. Dies war um so leichter möglich, als dem Publicum
nichts im Wege stand, 2- und 3procentigc Carbolsüurclösung als
sogenanntes Carboiwasser ohne ärztliche Verordnung aus der Apo¬
theke zu erlangen. Man hatte sich auch in der Beobachtung
der häufigen und vielfältigen Anwendung der Carbolsäure von
Seiten der Aerzte daran gewöhnt, 6ie nicht nur als etwas absolut
Ungefährliches, sondern vielmehr als etwas ungemein Heilbringendes
zu betrachten. War doch die Carbolsäure von vielen Aerztcn sogar
zu innerlichem Gebrauche herangezogen worden! Und kein Ge¬
ringerer als Hueter hatte dieselbe zur localen Antiphlogosc*
empfohlen! Bei dieser Unterschätzung der Bösartigkeit und Ge¬
fährlichkeit des Allheilmittels, Carbolsäure, konnte cs darum nicht
ausbleiben, dass sieh in neuerer Zeit die Fälle mehrten, in welchen
durch die leichtsinnige und kecke Manipulation mit Carbolsäure
bei Behandlung äusserer Wunden tiefe und bleibende Störungen
im Organismus der Betroffenen hervorgerufen wurden.
In ärztlichen Kreisen war man ja schon lange auf die hohe
Giftigkeit der Carbolsäure aufmerksam geworden und kannte die
Gefahren, die erwuchsen, wenn dem Organismus in ihrer An¬
wendungsweise günstige Gelegenheit zu reichlicher Besorption ge¬
geben wurde. Die Veröffentlichungen über Carboivergiftungen,
Carbolekzeme und andere Krankheitserscheinungen, die nach und
während ihrer Application beobachtet wurden , wuchsen mächtig
an. Nur eine ihrer schwersten Erscheinungsformen, die Carbol-
gangrän, hatte man lange Zeit vollkommen, vornehmlich in
Deutschland, übersehen. Begegnete man auch da und dort
solchen Erscheinungen, so war man immer geneigt, diese anderen
Umständen und Zufällen in die Schuhe zu schieben; man be¬
schuldigte die zu starke Compression des verletzten Gliedes, bei
Quetschwunden machte man eben die zu starke Quetschung der
Weichtheile für das Auftrctcu der Gangrän verantwortlich und
Anderes mehr.
Erst Kort ÜU» 1 ) publicirtc im Jahre 1888 zwei von ihm be¬
handelte und als solche erkannte Fälle von Carboigangrän. Es war
ihm aber ebensowenig, wie später Frankonburger *), der demselben
Thema eine sehr eingehende und fieissige Abhandlung widmete,
möglich, gleichartige Veröffentlichungen in der gesummten Literatur
zu finden, ln Frankreich war man dagegen schon gleich zu
Beginn der Li sterischen Wuridl>ehandlung auf die obengenannte
üble Wirkung der Carbolsäure aufmerksam geworden. Tillaux 8 )
theilto bereits im Jahre 1871 aus dem Hospital Saint Antoine
zu Paris 3 Fälle von Carboigangrän mit, denen Sechcyron 4 )
weitere 4 Fälle anschloss. Bis heute sind mit Einrechnung der
sich hier anschliessenden 3 Fälle aus meiner Praxis im Ganzen
34 Beobachtungen 3 ) von Carboigangrän in der gcsanuntcn Literatur
beschrieben worden. In denselben war die Concentration der ver¬
wendeten Carbolsäure eine ganz verschiedene. Wir finden, dass
in den einen Fällen 2, 3, 5 und 8 proe., in anderen 20, 23
und 30 proc. und in wieder anderen sogar reine Carbolsäure zu
Umschlägen genommen wurde/’) Immer kam cs, je nach der
Concentration der Carbolsäure und nach der Dauer ihrer Application,
bald früher bald später, bald mehr bald weniger ausgesprochen,
zu denselben Erscheinungen. Es trat an der »Stelle der Application
der Carbolsäure trockener Brand auf.
Es folgen meine eigenen 3 Beobachtungen.
I. B. W., 45 Jahre alt, hatte sich am Mittelfinger der rechten
Hand eine kleine Verletzung zugezogen. Auf Anrathen eines Baders
machte dieselbe Umschläge mit einer schwachen Carbolsäure-Lösung
und bekam zu diesem Zwecke von Letzterem ein Fläschchen reiner
Carbolsäure, um selbst die nöthige Lösung zurecht machen zu können.
Am Abend des II. Dezember 1890 beauftragte die Patientin ihre
Magd, ihr einen Umschlag zu appliciren. Diese aber verwendete
hiezu aus Unkenntniss die reine Carbolsäure. 7 ) Zuerst trat starkes
Brennen an dem verletzten Fingergliede auf, das aber nicht für be¬
denklich, sondern für selbstverständlich angesehen wurde. Bald
darauf sistirte dieser brennende Schmerz. Am andern Morgen aber
begannen rasende Schmerzen, die sich den ganzen Arm entlang bis
zur Brust hinzogen, zugleich kam es zu einer ausgedehnten, allmählich
den ganzen Arm umfassenden Röthung und Schwellung.
Als ich am 12. Dezember 1890 gerufen wurde, zeigte der Mittel¬
finger der rechten Hand eine bis zum 2. Fingerglied reichende weisse
und theils schon bräunliche Verfärbung der Haut. Letztere war
gerunzelt und fühlte sich trocken an. Auf Nadelstiche bis auf den
Knochen verhielt sich die letzte Phalange des betreffenden Fingere
vollkommen gefühllos. Der übrige Theil des Fingers, die ganze
Hand und der Arm bis über das Ellenbogengelenk hinaus waren
stark geröthet und geschwellt. Es unterlag keinem Zweifel, dass es
sich hier um trockenen Brand, hervorgerufen durch Application
reiner (V) Carbolsäure handelte.
*) Dr. M. Kortüm. Ueber Carboinekrose. Intern, klin. Rund¬
schau 1888 No. 52.
2 ) Dr. Frankenburger. Ueber Carboinekrose. Inaug.-Diss.
Erlangen 1890.
3 ) Till au x. De la gangrene produite par les pansements
ä l’acido phönique. Bull, g£n de Therap. m£d. etc. T. LXXX 1871
p. 275.
*) Seche yron. De la gangrime söcbe des extrthnitös par
l'application de la solution pheuiauöe. forte et en particulier de la
solution dite Phdnol-Boboeuf. Annal. d'Hygiöne publique
1886 p. 155.
5 ) Walzberg. Multiple Nekrose der Haut. Centralbl. f. Chir.
1881 S. 269.
Gautier. Quelques petits m^faits etc. Rev. mdd. de la
Suisse rom. 1886 H. 4.
Warfield. Carbolic acid gangrene. The med. News 1890
No. 15.
Carlier. La gangrene ph6niqu£e. Gaz. des Höp. 1892 No. 38.
Steinhausen. UeberCarbolgangrlln. Inaug.-Diss. Berli n 1892.
Müller. Gazette möd. de Strassbourg 1889 Nr. 11.
Rosenbach. Ueber die Gefahr der Carboigangrän etc Die
Praxis 1896 No. 1.
Largier. Gazette mäd. de Paris 1895 No. 2.
A. Henry. Centralblatt f. Chir. 1895 No. 19.
®) In einigen Beobachtungen fehlen leider bestimmte Angaben
über die Concentration der verwendeten Carbolsäure. D. V.
7 ) Die betr. Magd leugnete übrigens hartnäckig, dass sie reine
Carbolsäure zum Umschlag verwendet habe.
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14. April 1896-
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
839
Umschläge mit essigsaurer Thonerde bis zur deutlichen De-
marcation. Dann Amputation des letzten Fingergliedes hart oberhalb
des letzten Phalangealgelenkes. Heiluug.
II. J. H., 37 Jahre alte Bäckersfrau, schnitt sich am f>. Januar 1894
von der Kuppe und dem Nagel des linken Zeigefingers ein kaum
kirschkerngrosses Stückchen ab. Am ß. Januar 1894 liess sich
Patientin von einem Bader einen Umschlag mit 3 Proc. Carbolsäure-
Lösung machen, der noch mit 5 Proc. Carbolwatte und Guttapercha
überdeckt wurde. Am 7. Januar 1894 wurde dieser Umschlag noch
3 mal in derselben Weise wiederholt.
Am 8. Januar 1894 wurde ich gerufen, da der Finger sehr
schmerzhaft wurde und eine so eigentümliche Verfärbung darbot.
— Die letzte Phalange des linken Zeigefingers zeigte eine weissliche
gegen das letzte Fingergelenk hin sich undeutlich abgrenzende, teil¬
weise schon bräunliche Verfärbung der Haut und fühlte sich kalt
an; das ganze erste Glied war geschrumpft, wie eingetrocknet.
Nadelstiche bis auf den Knochen wurden bis zum letzten Phalangeal-
gelenke hin nicht empfunden. Der übrige Theil des Fingers und
der Handrücken waren mässig gerötet und geschwellt. Gangrän
der III. Phalange.
Am folgenden Tage war die Gangrän deutlicher ausgesprochen
und begann sich zu demarkiren. Umschläge mit essigsaurer Thon¬
erde während 8 Tage, um eine deutliche Demarkationslinie abzu¬
warten. Dieöe war am 16. Januar 1894 gut ausgesprochen. Ampu¬
tation des Fingers unterhalb des letzten Phalangealgelenkes. Heilung
nach 3 Wochen.
III. L. R., 18 Jahre alter Kaufmannssohn, wurde von einem
Hunde am 16. Januar 1896 in die Innenseite des rechten Unterarmes
in der Gegend über dem Handgelenk gebissen. Die Wunde war
nicht bedeutend. Auf Anrathen eines seiner Angehörigen machte
er sich am Abend desselben Tages einen Umschlag mit Carbolsäure
auf die Wunde. Ans Unkenntniss aber verwendete er hiezu reine
Carbolsäure. Der Umschlag, der nicht besonders unangenehm
empfunden wurde, blieb während der ganzen Nacht auf der Wunde
liegen. Als derselbe am anderen Morgen entfernt wurde, fiel dem
Patienten die ungewöhnliche Verfärbung der Haut an der verletzten
Stelle und ihrer Umgebung und die Anschwellung der Hand und
des Armes auf, wesswegen er mich rufen liess.
Der ziemlich kräftige Patient klagte über keinerlei Schmerzen.
Temperatur und Puls waren normal. Allgemeinbefinden gut. lieber
dem rechten Handgelenk, und zwar an der Innenseite desselben, war
die Haut in einem Umkreis von circa 6 cm im Durchmessvr weiss
und bräunlich verfärbt, trocken, gefühllos, und gritf sich wie Leder
an. Die Nadel konnte ziemlich tief eingestochen werden, ohne dass
sich Schmerzen bemerkbar machten. Die ehemalige Bisswunde, in
der Mitte dieser eben beschriebenen Stelle gelegen, war an ihren
leicht klaffenden Rändern schwarz verfärbt und vollkommen trocken.
In unregelmässiger Begrenzung zog sich um diese gangränöse Stelle
ein leicht gerötheter, niedriger Wall. Der Handrücken, die Finger
und die Hälfte des Unterarmes waren mässig geröthet und geschwellt.
Am 19. Januar 1896 ist der Zustand noch derselbe. Die gan -
gränöse Stelle ist mehr dunkelgelb und an manchen Partien noch
brauner verfärbt. In der Tiefe macht sich allmählich mehr Empfin¬
dung bemerkbar. Die am 17. Januar 1896 verordneten Umschläge
mit 2 Procent essigsaurer Thonerde werden fortgesetzt und die Ab-
stossung der brandigen Partien abgewartet. Heilung nach 4 Wochen.
Ausser den in der Literatur angeführten 31 Fällen sind
noch mehrere bekannt geworden, die aber nicht genauer beschrieben
worden sind. So gibt C a r 1 i e r an , dass während mehrerer
Sitzungen der Societc de Chirurgie noch 10 Fälle von Carbol-
gangrän gelegentlich mitgetheilt worden seien. Bei 4 derselben
sei totale Nekrose eines Fingers, bei den 6 anderen nur partielle
ciugetreten. Man vernmthete, dass CarbolUmschläge vorausgegangen
waren, in einem Falle (Paiiaritium) waren mit Gewissheit Hader
in concentrirtcr Lösung gemacht worden. Auch Billrath soll,
wie Warfield erzählt, einmal brieflich erwähnt haben, dass er
4 Fälle von Carboigangrän der Finger beobachtet habe.
In allen beschriebenen Beobachtungen wiederholt sich immer
dasselbe Krankheitsbild. Gleich nach Application der Carbol -
Umschläge macht« sich mehr oder weniger starkes Brennen der
betr. Körperstelle bemerkbar, dem aber eine üble Bedeutung
gewöhnlich nicht beigelegt wurde. Dieses Brennen liess in der
Kegel bald nach und an seine Stelle trat eine gewisse Gefühl¬
losigkeit, die betr. Stellen waren wie eingesehlafen . Einige
Stunden später aber kam es zumeist wieder zu lebhafterer Schmerz¬
haftigkeit und als dann die Patienten ihren Umschlag entfernten,
»nachten sic mit Schrecken die Wahrnehmung, dass bereits ein
wehr oder weniger grosser Theil der betr. Körperstclle weiss oder
schon schwarzbraun, trocken und gerunzelt aussah und auf Nadel¬
stiche unempfindlich war. Es war trockener Brand ein¬
getreten, dem oft ein ganzer Finger oder wenigstens die eine
°dcr andere Phalange zuiu Opfer fiel.
No. 15.
Prädilectionsstellen für Carboigangrän sind immer Finger und
Zehen ; sie sehliessen sich in ihrer Empfindlichkeit für Carbolsäure
dem Scrotum an.
Während es weniger zu verwundern ist, dass obige Erschei¬
nungen nach Anwendung von reiner oder sehr concentrirter Carbol-
saure auftrateu, ist es auffallend, dass schon bei Behandlung
verletzter Glieder mit Umschläge», die nur in 2 proc. Carbolsüure-
Lösungen getaucht waren, dieselben üblen Folgen sich bemerkbar
machten; letztere traten um so leichter und schneller ein, wenn
der mit Carbolsäurc-Lösung befeuchtete Umschlag noch mit Gutta¬
percha umhüllt wurde. Immer kam es zum sogenannten
trockenen Brand.
Es ist einleuchtend, dass in allen Beobachtungen nichts
anderes für die schlimmen Folgen der Wundbehandlung verant¬
wortlich gemacht werden kann, als eben da« angewendete Heil¬
mittel, die Carbolsäure und ihre Lösungen. Recht
betrübend ist aber dabei die Wahrnehmung, dass es immer nur
ganz geringfügige, in vielen Fällen der Behandlung von Seiten der
Verletzten gar nicht beachtenswerthe Wunden waren, die erst
durch die Behandlung mit Carbolsäure für die Patienten vor-
hüngiiissvoll wurden.
Auf die Frage wie es zu erklären ist, dass bei Anwendung
von Oarbülsäure-Umschlägcn der trockene Brand auftritt, gibt uns
Frankenburger in seiner experimentellen Studie über Carbol-
gangrän Antwort. Er hat nachgewiesen, dass durch die Einwirkung
der Carbolsäure auf das wiederholten Umschlägen in schwächerer
oder stärkerer Coneentration ausgesetzte Glied eine dircete Schädigung
der rothen und weissen Blutkörperchen, ein Zerfall derselben und
dadurch eine Blutstase und Verstopfung der Gefässe und zwar
zuerst der Capillaren, dann der Venen und Arterien eintritt, die
das Absterben des betr. Körperthciles zur Folge haben. Je länger
die Carbolsäure auf das lebende Gewebe einzuwirken vermag, desto
tiefere Thcile werden von der Thrombose ergriffen.
Dass die Carbolsäure in grösseren Mengen selbst durch die
unverletzte Haut in den Körper eindringen kann, haben Versuche
von Huscmann, Hoppe-Seyler und Köhler ergeben, die an
Thieren durch Application der Carbolsäure auf die äussere intacte
Haut Carbolintoxication hervorriefen. Auch beim Menschen, dem
Carbolumschlägc auf die intacte Haut verordnet worden waren,
wurden zahlreiche Carbolvergifturtgen beobachtet und in der Literatur
beschrieben. Die rasche Resorption der Carbolsäure durch die
Haut wird dadurch bedeutend erleichtert, dass nach längerer
Application derselben bald eine Maceration der Haut eintritt,
wodurch Lücken in letzterer entstehen, die eine rasche Aufsaugung
der Carbolsäure vom Coriuui aus durch die Blutgefässe und Lymph-
bahnen begünstigen. Warum gerade immer trockene Gangrän
der betr. Stelle eintritt, hat darin seinen Grund, 1., dass die
Carbolsäure eine Wasser entziehende Wirkung hat, 2., dass ausser¬
dem noch nach Unterbrechung der Blutcirculation durch die
macerirte Haut eine leichtere Verdunstung der noch vorhandenen
flüssigen Bestandteile der Gewebe stattfindet.
Dass bei den Einen nach Carboiumschlägen so tiefgreifende
Zerstörungen zu Stande kommen, während Andere ungestraft lange
Zeit diese vertragen, beruht auf individueller Disposition. Kinder,
Mädchen, Frauen, vollkräftige Männer, Greise und Greisinen können
in gleicher Weise bei Anwendung der Carbolsäure Gangrän aequiriren,
am meisten aber scheinen schwächliche oder geschwächte Personen,
Kinder und Frauen von der Gefahr der Carboigangrän bedroht.
Nur einmal trat in den oben aufgeführten Beobachtungen
der Tod ein. Es bandelte sieh um einen 75 jährigen Greis. Aus
dem Umstande, dass die Gangrän fortsehritt, darf man wohl ent¬
nehmen, dass Altersbrand hinzugetreten war. Es bestand nach¬
weislich allgemeine starke Arteriosklerose. In allen übrigen Fällen
war Heilung eingetreten, leider war aber oft der Verlust eines
Theiles und selbst auch des ganzen Fingers zu beklagen.
Um solche traurige Vorkommnisse mit Sicherheit zu vorhüten,
erscheint mir als das zweekmässigste, den Handverkauf der Carlnfl-
säure Lösungen ganz und gar zu verbieten. Auch Badern und
Hebammen wäre der Gebrauch der Carbolsäure vollkommen zu
untersagen. Es gibt andere unschädlichere Dcsinfieienticn genug
für deren Gebrauch. Mindestens aber müssten diese Personen,
ebenso wie auch Krankenpfleger und Pflegerinen auf die hohe
(*>
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340
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Gefährlichkeit der Carbolsüure immer wieder aufmerksam gemacht
werden und es dürfte ihnen der Gebrauch der letzteren nur zur
Desinfection von Instrumenten und andern Gegenständen der
Wundbehandlung und Krankenpflege gestattet sein. Jeder Arzt
sollte ausserdem in den Familien, die sieh seiner Obhut anvertraut
haben, darauf hinwirken, dass die Carbolsäurc aus dem Hause,
wo sie sich schon so fest unter den sogenannten Hausmitteln
eingenistet, wieder verschwindet und an ihre Stelle andere unschäd¬
liche Mittel für die Wundbehandlung treten.
Traumatische Neurose und Diabetes mellitus.
Von Dr. mcd. M. Hei wann, prakt. Arzt in Schwäbisch Hall.
So vielfach wir Acrztc auch Ursache haben, der modernen
socialen Gesetzgebung gram zu sein, in einem Punkte dürfen wir
ihr, speeicll der geschaffenen Unfallversicherung. Dank wissen für
die reichliche Gelegenheit, die uns zur Erweiterung unseres aetio-
logisehen Gesichtskreises geboten. Je mehr nun der einzelne Arzt
mit fortschreitender Zeit gezwungen sein wird, sich gutachtlich
über den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Trauma und
einer nachher zur Beobachtung gelangenden Störung der Gesund¬
heit des Verletzten zu üussern, um so mehr erscheint cs wünschens¬
wert]], Fälle von zweifellos beobachtetem Causalnexus zur allge¬
meinen Kcnntniss zu bringen. Diese Erwägung möge die Ver¬
öffentlichung des nachstehenden Falles, der auch im l’ebrigen
Manches von Interesse bieten dürfte, rechtfertigen :
Die 50 Jahre alte Strassen Wärtersehefrau 1?. W. verunglückte
am 16. November 1894 in Folge Durchgehens ihrer zwei an den
Wagen gespannten Kühe. Die Verletzte, welche eines der beiden
Thiere am Halse geführt hatte, wurde nach Angabe der be¬
gleitenden Tochter zunächst um ihre eigene Achse gerissen, dann
von den zuerst in Folge des Sclieuens seitwärts drängenden Thieren
mehrfach mit den Hufen getreten und zuletzt vom hinteren Rade
des übrigens leeren Wagens unterhalb des Schultergürtels über¬
fahren. Als ich die Verletzte alsbald nach dem Unfälle zu sehen
Gelegenheit hatte, fand ich dieselbe unter dem Einflüsse des Shoks
noch im Zustande grosser Depression. Objeetiv Hessen sieh folgende
Verletzungen constatiren:
Uncomplicirter Bruch des rechten Schienbeins, handbreit über
dem Sprunggelenk, verbunden mit der obligaten Schwellung bezw.
Blutunterlaufung;
Verstauchung des linken Sprunggelenks, Blutunterlaufung da¬
selbst und oberflächliche Schürfungen;
Erhebliche Schwellung und Blutunterlaufung der vorderen
Brustwand, namentlich in der Nähe der linken Schulter.
Die letztgenannte Stelle, an welcher objeetiv am wenigsten
nachzuweisen war, wurde eigentümlicher Weise von der Verletzten
als am meisten schmerzhaft bezeichnet.
Die Behandlung war die gewöhnliche, Fixirnng des einge¬
richteten Bruches in einer gepolsterten Beiidade, über die anderen
Partien kühlende Umschläge. Am 21. November erster, am
3. Dezember zweiter Gypsverband, in welchem der l'uss in normaler
Stellung verheilte. Bereits in den ersten Wochen nach erlittenem
Unfälle begann die Patientin über eigenartige Schmerzen in der
Magengegend, verbunden mit gastrischen Störungen, welche durch
Salzsäuremixtur mit geringem Morphiumzusatz einigermassen be¬
kämpft werden konnten, zu klagen. Am 28. Dezember entliess ich
die Verletzte auf ihren Wunsch gebessert aus der Behandlung, mit
dem Aufträge, beide untere Extremitäten in der von mir vorgezeigten
Weise fleissig massiren zu lassen.
Am G. März 1895 hatte ich behufs Ausfertigung eines Gut¬
achtens für die .... . Berufsgenossenschaft die Verletzte wieder zu
sehen Gelegenheit. Bezüglich der Anamnese möge hier Platz finden,
dass der ^ater der Verletzten, 81 Jahre alt, an Alterschwäche, die
Mutter, 69 Jahre alt, am Herzschlag gestorben sind. Letztere habe
wiederholt an «Gicht > des rechten Armes gelitten, sonst aber seien
beide Eltern durchweg gesund gewesen. Der einzige Bruder kränkelt
an den Folgen der von ihm mitgemachten 2 Feldzüge. Genaueres
darüber war nicht zu ermitteln. In der Familie keinerlei nervöse,
hereditäre Belastung. Die Verletzte ist selbst bis zum Unfälle
völlig gesund gewesen, nur während ihrer Schwangerschaften,
namentlich bei der ersten, ebenso auch bei der Menstruation, will
sie über gesteigerte nervöse Beschwerden zu klagen gehabt haben.
Das Aussehen der Verletzten am genannten Tage ist viel
weniger günstig, als sie seiner Zeit aus der Behandlung entlassen
Der gebrochen gewesene l'uss ist noch erheblich geschwollen und
schmerzhaft, Schwellung und Schmerzen werden durch Herumgehen
bedeutend gesteigert. Seit etwa 5 Wochen, also seit etwa Anfang
Februar, hätten sich auch jene Schmerzen der Magengegend und
Störungen der Verdauung in verstärktem Maasse wieder eingestellt,
\\ociurch das Allgemeinbefinden bedeutend heruntergegangen sei.
Appetit fehle vollständig. Auf Befragen gibt Expl. weiter an, dass
Durst m vermehrt, r Weise nicht vorhanden, dass aber ihr Mund
6tets trocken sei, und dass sie glaube, in letzter Zeit etwas mehr
Urin als gewöhnlich habe lassen zu müssen, doch sei die Steigerung
jedenfalls nicht bedeutend. Die von mir nunmehr, wie in solch’
zweifelhaft liegenden Fullen überhaupt auch hier vorgenommene
Untersuchung des Urins ergab deutlich das Vorhandensein von
Zucker und zwar, wie die quantitative Bestimmung 1 ) erwiep, in der
Stärke von 0,9 Proc. Bezüglich der Menge des täglich gelassenen
Urins habe ich dann noch eine Zeit lang Messungen vornehmen
lassen, doch überschritt dieselbe die Norm selten und dann nur
um ein Geringes, während eie oft, theilweise sogar erheblich, unter
der Normalen blieb.
In dem von mir erstatteten Gutachten führte ich aus, dass
es keinem Zweifel unterliegen könne, dass die nachgewiesene Zucker¬
harnruhr als Folge des von der Verletzten erlittenen schweren
Unfalls bezeichnet werden müsse. Dieselbe sei vorher völlig gesund
und arbeitsfähig gewesen, so dass sie die immerhin ausgedehnten
Arbeiten ihres landwirtschaftlichen Betriebes uud ihres Haushaltes
ohne Unterstützung des dörch seinen speciellen Dienst in Anspruch
genommenen Mannes und mit Hilfe der kaum erwachsenen Tochter
habe erledigen können; auch wäre keines der Zeichen nachzuweisen
gewesen, die wir durch länger dauernden Diabetes entstehen sehen,
vielmehr mussten die bereits kurze Zeit nach der Verunglückung
sich zeigenden gastrischen Störungen, bezw. sebmerzhaften Er¬
scheinungen in der Magengegend, als Beginn desselben aufgefasst
werden. (Im weiteren Verlaufe werden wir indess sehen, dass
speciell dieses letztere Symptom eine andere Deutung erfahren
musste.) Auf Grund dieses Gutachtens erhielt dann die Verletzte,
die damals zu keiner Arbeit fähig war, vielmehr zumeist das Bett
hütete, die volle Invalidenrente.
Im Laufe des nachfolgenden Vierteljahres wurde ich wiederholt
zu der Verletzten gerufen wegen heftiger Störungen, denen sie
anfallsweise ausgesetzt war. Dieselben bestanden zumeist in starken
Kopfschmerzen, Druck in der Magengegend mit öfterem nachfolgenden
Erbrechen, anhaltender Schlaflosigkeit. Die in dieser Zeit wieder¬
holt vorgenommene Untersuchung des Urins, dessen Menge auch
jetzt im Wesentlichen um die normale schwankte, ergab trotz strenger
diabetischer Diät stets das Vorhandensein von Zucker. Auf Ver¬
anlassung der gleichen Berufsgenossenschaft musste ich sodann am
12 Juli 1895 die p. W. einer erneuten Untersuchung behufs
Feststellung ihrer Erwerbsfähigkeit unterziehen. Bei derselben trat
nun das Bild, das sich in der vorerwähnten Attaque bereits ange¬
deutet hatte, deutlicher in den Vordergrund.
Expl. gibt an, dass sich ihr Zustand seither wenig gebessert
habe, bie fühle sich sehr matt, jede Anstrengung verursache leb¬
hafte Athembeschwerden, beim Heben von Gegenständen habe sie
das Gefühl, als ob die Arme brechen wollten. Vornehmlich klagt
sic über Steigerung jenes alten Schmerzes in der Magengegend, der,
vorne auf der Brust beginnend, bis hinten in den Rücken und beim
Versuch sich anzustrengen, auch in das Kreuz hinein sich ausdehne.
Die Füsse seien oft noch recht schmerzhaft und versagten vielfach
den Dienst, überhaupt sei sie zitterig am ganzen Körper. Ihre
geistige Kraft habe sich in letzter Zeit sehr gemindert, ihr Gedächt-
niss lasse sie im Stich, fast immer sei sie traurig gestimmt, an nichts
mehr habe sie Freude. In letzter Zeit habe sich etwas mehr Durst
gezeigt, auch wäre das Hungergefühl etwas mehr ausgesprochen
gewesen. Urinmenge zuweilen leicht gesteigert.
Die objective Untersuchung, die, während die Kranke in letzter
Zeit vielfach hatte das Bett hüten müssen, auf dem Sprechzimmer
vorgenommen werden konnte, ergab am gebrochenen Fusse nur
noch eine geringfügige teigige Schwellung. Bei Druck auf die
Magengegend werden lebhafte Schmerzen geäussert, es scheint sich
dabei der Puls, der in der Ruhe 78 Schläge zählt und gespannt ist,
zu beschleunigen. Doch ist irgend ein nachweisbarer pathologischer
Befund (Tumor etc.) an dieser Stelle nicht zu erkennen. Alle Be¬
wegungen der Untersuchten, auch das Herausstrecken der Zunge,
erfolgen unter lebhaftem Zittern, sie selbst erscheint in ihrem Auf¬
treten gedrückt, ist leicht zum Weinen geneigt, wie denn auch die
meisten Fragen unter Thränen beantwortet werden.
Pupillen beiderseits gleich weit, Reaction auf Lichteinfall träge.
S =r ’/e, erhebliche Einengung beider Gesichtsfelder.
Urin zeigt deutliche Zuckerreaction.
Ehe ich nun auf die in dem damals erstatteten Gutachten
erfolgte Würdigung dieser neuen Kranklieitsmouicntc eingehe, mag
noch angeführt werden , dass ich hernach wiederholt Gelegenheit
hatte, die Kranke aus eigenem Antriebe bei mir zu sehen und
zu beobachten, wie sich die Erscheinungen in dein Rahmen des
vorgezeichneten Bildes weiter entwickelten. Während dieser Be-
obaclitungszeit fiel mir zunächst auf, dass etwa über die Dauer
des August der spärlich gelassene Urin sich zuckerfrei erwies,
und auch trotz der Einführung grösserer Mengen von Kohle¬
hydraten in der Nahrung blieb. Seither war indess wieder, ob¬
wohl sofort die Kranke auf streng diabetische Kost gesetzt wurde,
‘) Diese wie auch die spateren quantitativen Bestimmungen
wurden in liebenswürdigster Weise mir von Herrn Apotheker
Dr. Blezinger ausgeführt, dem auch an dieser Stelle dafür Dank
sagen zu können mir zur lebhaften Genugthuung gereicht.
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14. April 1896.
dauernd Zucker nachzuweisen, IJriuuienge nicht besonders dabei
vermehrt. Im Monat Dezember ergaben z. li. länger fortgesetzte,
genauere Messungen durchweg 1 , /a—2—3 Liter, Zuckergehalt
durchschnittlich 0,275 Proc.
Mehr in den Vordergrund traten dagegen die nervösen Er¬
scheinungen. Der in der Magengegend sich manifcstirende Schmerz
strahlt jetzt nicht allein mehr bis in das Kreuz, sondern in den
ganzen Körper aus. Schwindel und Zittern sind stärker aus¬
gesprochen. Von Zeit zu Zeit intensive Kopfschmerzen, ver¬
bunden mit andauernder Schlaflosigkeit; manchmal sei der Kopf
heiss, dann wieder plötzlich kalt, als ob ihr kaltes Wasser darüber
geleert würde. Beim Fassen von Gegenständen hat sie das Ge¬
fühl, als ob die Arme eingeschlafen wären, auch die Füssc bieten
oft die Empfindung des Pelzigseins. In letzter Zeit wird sie von
Gähnkrümpfcn befallen, die oft viertelstundcnlang und länger
andauern. Oft hat sie das Gefühl, als ob sich am Leibe sowohl,
wie an den Extremitäten ganze «Knöpfei plötzlich zusaminen-
ziehen. Beinahe regelmässig jede Nacht gegen 3 Uhr käme ein
Schwächeanfall, der durch Zuführung von Nahrung beseitigt werde.
Die weinerliche Stimmung, die geistige Depression hat eher etwas
zugenommen. Im l'ebrigen bietet die objective Untersuchung
während dieser Zeit kein wesentlich anderes Bild, als das zuletzt
skizzirte, nur scheinen die Sehnenreflexe an Intensität zu-
zunehmen.
Die Würdigung des gesummten Kranklicitsbildes lässt keinen
Zweifel zu, dass es sieh im vorliegenden Falle um einen Diabetes
mellitus, complicirt mit Neurose, handelt, und dass Ix-ide Er¬
krankungen, wie wir das bereits für den Diabetes allein ausgeführt,
durch das gleiche schwere Trauma veranlasst worden sind. Die
ersten Symptome beider Erkrankungen traten hoi der vorher völlig
gesunden und zu schweren Arbeiten befähigten Frau so bald nach
erlittenem Unfälle, ja man kann wohl sagen, mehr minder im
Anschluss an denselben auf, dass hier der (’ausaincxus beinahe
mit absoluter Gewissheit festgestellt werden kann. Der erste
Nachweis des Zuckers erfolgte zwar erst Jahr nach der Ver¬
letzung, doch war derselbe nach dem ganzen Krankheitsbilde
zweifellos früher vorhanden, und wir gehen wohl nicht irrig, wenn
wir die Störungen der Verdauung als dadurch bedingt annebmen.
Anders dagegen verhält cs sich wohl mit der im ersten Gut¬
achten aufgestellten Anschauung, dass auch die in der Magen¬
gegend geklagten Schmerzen eine Erscheinung des begonnen
hallenden Diabetes gebildet hätten. vielmehr sind dieselben als
Anfang der später immer mehr in den Vordergrund tretenden
traumatischen Neurose aufzufassen. Auch die eine Zeit lang
gehegte Vermuthung, dass es sieh dabei um eine Affection des
Pankreas, welche ihrerseits den Diabetes hätte bedingt haben
können, handeln möchte, musste wegen jeglichen Mangels an ent¬
sprechendem objeetiven Befunde fallen gelassen worden. Vielmehr
dürfte der ganze Verlauf der Krankheit, speeiell die immer weiter
von diesem Punkte aus sich entwickelnde Irradiation des Schmerzes,
demselben den rein nervösen bezw. hysterischen Charakter virnli-
circn. Iin Uebrigcn fehlt kein elassisehes Zeichen der trauma¬
tischen Neurose, wir finden Parästhesicn, Neuralgien, motorische
Störungen bis zu den « Sensation» bizarres», kurz jenes Bild, wie
es Brouardel und 11 i char diere 2 ) für ihre französischen
Beobachtungen registriren, während Ebstein 3 ) sie nach dem
in der deutschen Literatur vorliegenden Material in dieser Form
für selten hält.
Was nun den Diabetes anbelangt, so handelt es sich auch in
unserem Falle um einen Diabetes decipiens und zwar einen Diabetes
decipiens intermittens. Weitere Erfahrungen werden und müssen
lehren, ob hierin nicht mehr als eine blosse Zufälligkeit zu finden
ist, oder oh in der Verbindung mit Neurose der traumatische
Diabetes immer oder wenigstens mit Vorliebe diesen Charakter
annimmt. Vielleicht dass auch der Mangel an Polydipsie und
Brouardel und R icbardifcre, Du diabhte trauraatique
au point de vue des expertises inddico-ldgales. (Annales d'Hygiöne
publique, III. stSrie, T. XX, pag. 4lö) W. Ebstein, Traumatische
i'eurose und Diabetes mit besonderer Berücksichtigung des Unfall-
vereicherungsgesetzes; deutsches Archiv für klinische Medicin, 5 t. Bd.,
6 - u. 4. Heft, pag. 361.
ä ) W. Ebstein, 1. c. pag. 351.
341
Polyurie durch den geringen quantitativen Gehalt an Zucker
bedingt gewesen ist. Im Gegensätze zu Ebstein ist in unserem
Falle eine Disposition, weder eine persönliche noch eine familiäre,
nicht nuchzuweisen, wenigstens soweit sich dieses durch die Anam¬
nese kund gibt. Die «Gicht, im rechten Arm der Mutter —
mit dieser Krankheitsbezeiehnung wird hier zu Lande ein grosser
Unfug getrieben — ebenso die nervösen, in Verbindung mit dem
Sexualleben der Frau sieh zeigenden Beschwerden können doch
wohl nicht dafür in Anspruch genommen worden.
Gegenwärtig geht vielfach das Bestreben und die Meinung
dahin, der traumatischen Neurose, indem man ihren psychogenen
Charakter zu sehr betont, angeblich ganz den Boden abgraben zu
können dadurch, dass der Arzt in seinem Gutachten die völlige
Zurückweisung der Invalidisirungsansprüche hei der zuständigen
Stelle beantragen soll. Ja, cs fehlt s »gar nicht an solchen Aerzten,
welche z. '/. diese Erkrankung als mehr minder bewusste Simulation
zu bezeichnen belieben. Indes» keine Naeherkrankung nach einem
Unfälle erträgt weniger eine gencralisirende Behandlung, und keine
fordert mehr bei dem ihr eigenen hysterischen Charakter ein
individualisircndes Eingehen auf den einzelnen Fall, als die trau¬
matische Neurose. Jedenfalls alter sollte jeder Arzt, wie cs auch
Strümpell 4) bei aller seiner sonst scharfen Auffassung verlangt,
wenn er glaubt, eine völlige Abweisung beantragen zu dürfen, sieb
vorher auch von der wieder erlangten völligen Rüstig¬
keit d e s V e r I e t z t c n und das a uf G r u u d e i n e r g e n a n e n
in- und e x t c n s i v e n Int o r s u c li u n g überzeugt haben. Das
dürfte, wie der von Ebstein 5) veröffentlichte Fall Brandt,
auch vorstehende Beobachtung wieder beweisen.
Beitrag zur Histologie der Erfrierung 1 ^.
Von Dr. lloilura.
M. 11.! Die interessanten Angaben von v. Recklinghausen
über die Erfrierung sind Ihnen wohl bekannt. In einem Fall
von gangränöser Erfrierung der unteren Extremitäten fand Reck¬
linghausen den grössten Theil der Gefüsse und auch einzelne
(kapillaren mit hyalinen Thromben gefüllt. Kriege hat die An¬
gaben von Recklinghausen bestätigt bei seinen Versuchen
von künstlicher Erfrierung, die er an den Ohren von Kaninchen
durch Aethcrsprav hervorgerufen _ hatte. 24 Stunden nach der
Erfrierung fand Kriege gleichfalls hyaline Thromben in dem
Innern der Gebisse. Ich habe 5 Stücke untersucht, die von
2 Fällen von tlicilwciscr gangränöser Erfrierung der unteren Ex¬
tremitäten herrühren und weiter habe ich mittelst Aethcrsprav
Kaninoheiiohre» künstlich zur Erfrierung gebracht und auch ich
kann die Angaben von R e <■ k 1 i ii g h a u s e u und Kriege be¬
stätigen. Ausserdem habe ich noch einige andere Veränderungen
hierbei beobachtet.
Ich werde Ihnen meine Befunde so kurz wie möglich uiit-
thcilen. Von den 5 von mir untersuchten Stücken stammen 2
aus einer ganz gangränösen Stelle, die 2 anderen ans der Demar-
cationsgegend einschliesslich einer Stelle, die mit ßraudschorfe»,
und einer anderen Stelle, die mit Epithel bedeckt war. Das
fünfte Stück endlich war einer Stelle entnommen, an der die Er¬
frierung durch ein Erythem sieh kundgab und deren Epidermis
ganz unversehrt war. Die mikroskopische Untersuchung dieses
letzten Stückes enthielt die ersten Veränderungen der Erfrierung.
Man gewahrt eine ungeheuere Erweiterung sämmtlieher Ge¬
lasse und ein beträchtliches (Km lern. In einzelnen Thcilen des
Gewebes beobachtet man feinkörnige und fädige Fibringerinnungen
unter Trennung und Zerreissung der Bindegewebsfasern. Sümmt-
liclie Gefüsse sind von einer Zellschicht umgehen, die fast aus¬
schliesslich aus Lymphocyten und aus verschiedenen Vebergangs-
4 ) lieber die Untersuchung, Beurtheilung und Behandlung
von Unfallkranken. Praktische Bemerkungen von Prof. Dr. Adolf
Strümpell in Erlangen. Diese Wochenschr. 3.—10. Dzb. 1895.
! ') Zur Lehre vom traumatischen Diabetes mellitus. Zugleich
ein Beitrag zur Lehre von den sogenannten traumatischen Neurosen
von Wilhelm Ebstein in Göttingen. Berl. klin. Wochenschr. 1892,
No. 42 und 43, pag. 1041. ff.
1 ) Vortrag, gehalten in der biologischen Abtheilung des ärzt¬
lichen Vereins Hamburg.
8 *
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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342
MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
formen der mononucleären Leukocyten besteht. Die polynucleüren
Leukocyten sind verhältnissmiissig wenig im Gewebe vertreten.
Die Bindcgewebszellen weisen el)enfalls massige Proliferation und
Hypertrophie auf. Kurz wir haben das Bild einer beginnenden
Entzündung vor uns.
Am wichtigsten sind die Veränderungen des Blutes. In
den Gefässen findet man eine massige Anhäufung von weissen
Blutkörperchen. Vielfach haben sich die Leukocyten in mehr oder
weniger grosse homogene hyaline Körper umgewandelt, die theils
getrennt bleiben, theils zu unregelmässigen Klumpen oder zu
groben, netzförmig verbundenen Balken zusammenfliessen und die
sich nach der Weigert’selten Methode mit Gentianaviolct sehr
gut färben lassen. Mit Hilfe der Unna'sehen Färbung (Methylen¬
blau - Tannin Säurefuchsin) kann man die Umwandlung der
Leukocyten in hyaline Körper auf das Schlagendste nach weisen.
Mit Hilfe dieser Methode lassen sich die hyalinen Körper dunkel-
roth färben und bei einigen von ihnen gewahrt man im Innern
noch einzelne Trümmer von Kernchromatin, die der hyalinen Um¬
wandlung entgangen sind und blau gefärbt erscheinen.
Auch die rothen Blutkörperchen erfahren beträchtliche Ver¬
änderungen. In vielen Gefässen ist ihr normales Stroma zerfallen
und sie nehmen unregelmässige, wunderliche Formen an. Im
Gegensatz zu den normalen Blutkörperchen färben sich diese zer¬
fallenen und veränderten Blutkörperchen trotz Alkoholhärtung total
mit Säurefuchsin und Eosin. Sie zerfallen in einen Haufen
kleiner unregelmässiger Körperchen, die stellenweise sich zu ver¬
schieden dichten Thromben zusammenballen. Man kann mittelst
der Färbung diese beiden Arten von Thromben gut unterscheiden.
Nach der Wcigert ’ sehen Methode färben sich die hyalinen,
leukocytüren Thromben sehr stark, während die aus rothen Blut¬
körperchen zusammengesetzten Thromben fast ungefärbt bleiben.
Mit der Methylenblau - Tannin -}- Säurefuchsin-Methode dagegen
werden beide Arten roth gefärbt. Dann lassen sich aber die
grossen, hyalinen, leukocytären und häufig abgerundeten Körper
immer noch morphologisch von den diffusen Massen der ver¬
änderten Erythrocyten unterscheiden.
Nun gibt es aber in den Gefässen noch eine dritte Art von
Thromben. Diese bestehen aus zarten, kleinen, runden Körnchen,
die meistens einem Fibrinnetz aufgclagert sind und die sich nach
Weigert und Unna färben lassen. Stellenweise lassen sich die
fibrinösen Thromben mittelst der Weigert’sehen Methode nur
sehr schwach färben. Diese schwach gefärbten Theilc nehmen
aber die Eosin- uud Säurefuchsin-Färbung sehr gut an, so dass
man an einen Ucbergang von Fibrin in Hyalin glauben könnte.
In der Umgebung einzelner Gefässe beobachtet man die nämlichen
Gerinnungen des fibrillären und körnigen Fibrins. Diese 3 Arten
von Thromben sind jede bald allein, bald zusammen in den Ge¬
fässen und füllen verschieden grosse Strecken der Unterbaut-
gefässe und der tiefliegenden Cutisgcfässe aus; der Rest des Gc-
fässlumcns ist mit Leukocyten und normalem Blut gefüllt* Einzelne
Gefässe sind aber gänzlich von hyalinen Thromben obliterirt.
In diesem Stück aus der erythematösen Zone der Erfrierung
finden sich nun weiter wesentliche Veränderungen der elastischen
Fasern. Mehrere dieser Fasern sind ungeheuer hypertrophirt und
erreichen eine fünf- bis sechs- und auch mehrfache Vergrüsserung
ihres normalen Umfangs. Später unterliegen sie wieder einer
regressiven Entartung; sic sind stellenweise aufgefasert oder va-
cuolisirt, stellenweise brüchig, lassen sich immer schlechter färben
und verschwinden endlich ganz. In dem subcutancn Gewebe stösst
man noch auf Trümmer dieser ungeheuer hypertrophirten elasti¬
schen Fasern.
In meinen beiden Stücken , die der Demarcationsliuie ent¬
nommen sind, gewahrt man dort, wo die Epidermis noch erhalten
ist, die nämlichen Veränderungen, wie bei der erythematösen Er¬
frierung, nämlich : hyaline Thromben und Entzündungserscheinungen,
nur dass letztere hier viel ausgesprochener sind und namentlich
auf die obere Schicht der Cutis übergreifen. An der Grenze der
nekrotischen Zone sind die Capillaren sehr bedeutend erweitert,
einzelne von ihnen mit rothen Blutkörperchen vollgepfropft, andere
mit leukocytären Thromben augefüllt, während noch andere hyaline
Ihromben enthalten. Der nekrotische Theil dieser beiden Stücke
ist mit mehr oder weniger tiefgehenden Brandschorfen bedeckt.
Die Brandschorfe bestehen aus abgestorbener, homogener Epi¬
dermis allein oder mit mehr oder weniger abgestorbener Cutis,
bedeckt von polynucleüren Leukocyten. Alle diese Brandschorfc
lagern auf einer ungleichmässig dichten Schicht von polynucleüren
Leukocyten , durch welche ihre Abstossung bewirkt wird. Dieser
reichliche Austritt polynucleärer Leukocyten ist durch die Morti-
fication des oberflächlichen Gewebes bedingt; denn nirgends anders
sind diese polynucleären Leukocyten in so grossen Mengen vor¬
handen , wie unmittelbar unter dem Brandschorf. Auch in den
Schnitten aus der erythematösen Zone der Erfrierung waren die
polynucleären Leukocyten nur spärlich in dem Gewebe vorhanden,
im Gegensatz zu den mononucleären Leukocyten, deren grosse
Menge auffiel. Unterhalb der Brandschorfe besteht eine hoch¬
gradige Proliferation und Hypertrophie des Spongioplasmas der
Bindcgewebszellen. Man gewahrt hier Haut- und Unterhautgefässe,
deren Lumen fast gänzlich von proliferirten Zellen ausgefüllt ist
uud deren Intima sich zur Thrombenbildung anschickt. Einzelne
grosse Gefässe sind auch völlig von einem neu gebildeten, fibrösen
Thrombus ausgefüllt, in Folge von Endarteritis oder Endophlcbitis
obliterans.
Ferner beobachtet man unter den Brandschorfen einzelne
Gefässe mit fibrinösen oder hyalinen Thromben, andere Gefässe
dagegen weisen keine Thrombenbildung auf. Ausserdem findet
man noch verschiedene andere regressive Veränderungen. Das
collagene Gewebe ist theilweise in homogene Balken umgewandelt
und diese haben ihren normalen, fibrillären Bau verloren. Ihre
Zellen sind atrophirt und es finden sich nur noch Trümmer des
Kernchromatins. Eiuzelne grosse Balken des collagcnen Gewebes
sind ihrer Zellen schon ganz beraubt. Endlich ist noch auf eine
interessante Veränderung der Sehweissdrüsen hinzuweisen. Alle
Ausführungsgänge der Sehweissdrüsen sind von homogenen, hya¬
linen Massen gänzlich ausgefüllt, die sich (an Alkoholpräparaten)
durch Säurefuchsin stark roth färben.
In meinen beiden letzten Stücken , die von ganz gangränes-
cirtcn Stellen stammen, fehlt die Cutis fast ganz; die tiefere
Schicht der noch erhaltenen Cutis ist in einen Brandschorf ver¬
wandelt mit Haufen von Leukocyten, die in hyaline Körper um
geformt sind. Die Bindegewebsfasern sind bis zur Tiefe des
IIy|H>dcrms in grosse homogene, hyaline Balken umgewandelt und
fast aller ihrer zeitigen Elemente beraubt. Alle grossen Gefässe
der Subcutis sind fast gänzlich thrombosirt und ihre Wände sind
ebenfalls in homogene, hyaline Stränge umgewandelt.
Dieses, meine Herren, sind die Veränderungen, die ich bei
der Erfrierung menschlicher Körpcrtheilc gefunden habe. Nun
gestatten Sie mir aber auch, Ihnen in Kürze meine Befunde, wie
ich sie durch künstliche Erfrierung bei Thicren erlangt habe,
vorzulegcn.
Zuvörderst einige Bemerkungen über die Befunde von Kriege.
Kriege hat drei Reihen von Untersuchungen angestcllt. In der
ersten Reihe hat er die Ohren von Kaninchen mittelst Aether-
spray zum Erfrieren gebracht und sie dann gleich wieder auf-
thauen lassen. In den Präparaten, die 20 Minuten darauf an¬
gefertigt wurden, fand er im Inneren kleiner Gefässe die fein¬
körnigen Thromben von v. Recklinghausen, welche er mit
den Blutplättchen von Eberth und Schimmelbusch ident i>
fieirt. Bei Präparaten, die 3 /* Stunden später entnommen waren,
konnte er beginnende Entzündung beobachten. Verschiedene kleine
Gefässe strotzten von Blut und Leukocyten und waren von Haufen
von weissen Blutkörperchen umgeben. Wieder 2 Stunden später
war die Entzündung noch weit ausgesprochener, cs bestand Oedem
und fibrinöse Gerinnung in den Geweben neben hämorrhagischen
Infiltrationen. 6 Stunden nach der Erfrierung fand er ausserdem
Gefässe, die mit leukocytären Thromben gefüllt waren. 24 Stun¬
den später gewahrte er in den Gefässen hyaline, lcukocytäre
Thromben und an der Oberfläche kleine Bläschen. 4 bis 6 Tage
später bestand daneben eine Proliferation der Bindegewebszellen.
ln seiner zweiten Versuchsreihe liess Kriege wiederum die
Ohren erfrieren und erhielt sie eine halbe Stunde in diesem Zu¬
stand. 2 Tage darauf beobachtete er ausser den schon erwähnten
Veränderungen diffuse Nekrose in Folge von hyaliner Degeneration
des Bindegewebes. Er fand ausserdem Haufen von Leukocyten,
die sich im Gewebe in hyaline Körper umgewandelt hatten, ferner
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14. April 1896.
(iefäs.swände in Form von hvaliti<»>
das cilK ‘ hyaline Umwandlung erfahren hatte. U " 8 ° g * r fclMthe1,
In seiner dritten Versuchsreihe endlich lies« Kr;«» • i
die beiden Ohren erfrieren, hatte aberzu vord f T WK ^
einer Seite durchschnitten. An dieser letzten
rir- p ^ zz dt
Tel, habe nun auch das Ohr eines Kaninchens fi.it Aetl.er
spray zum Erfriere, gebracht und habe diese» Zustand 5-^0
Minuten andauern lassen. 3 Stunden danach war das Ohr »n
geheuer geschwollen, roth und sehr schmerzhaft o, i
•später hatte die Schwellung noch zugenommen, es bestandZlr
stellpnweise eine blasige Auftreibung der Haut, die eich „ hr S
• , . ' 3 1 gc n f c, ‘ dor Erfrierung hatte die Schwellung
w eder abgenommen; es bestanden stellenweise oberflächliche, bräun
hohe Brandschorfe, die s.ch wie Pergament anfühlten. An. fünften
luge war d.e Anschwellung fast ganz verschwunden; die ober
flächhehcn Brandschorfe bestanden aber noch. Ich habe in. Ganzen
4 Präparate angefertigt und zwar je eines 3 Stunden, 24 Stunde
beziehungsweise 3 und 5 Tage nach der Erfrierung. Währet
der nächsten 8 läge habe ich leider das Thier nicht beobachtet
habt dann aber zu meinem grossen Erstaunen wahrgenommen ’
t? t ,r t eh0 !, StÜCk dCT oberon Ohrhülfte fehlte. Sicher
csjbrandig geworden und hatte sich abgestossen. Den. mau
gewahrte an der oberen Ohrpartie noch einen dicken Brandschorf
der im Begriff stand abzufallen. Die Haut schien überall geheilt
zu sein. Ich entnahm den Brandschorf mit einem Stückchen Haut
darunter zur Untersuchung.
In dem Präparat, das 3 Stunden nach der Erfrierung ent¬
nommen war fand ich in verschiedenen üefässen eine Anhäuf^g
von wessen Blutkörperchen und die drei verschiedenen Thromben
ornmn WIe ich sie bei der menschlichen Erfrierung erwähnt habe.
1. h ah„-leukocyUire, 2 . erythroeytäre und 3 . feinkörnige auf
SS 2 r„it'. gi5lagertC T i; ro ' , 1 ,bOSCn - Schr «"■“ Strecken der
iJlre V •frr Cne '\ flbr T 1Üren Und k0, ' nigeui Fibri " Gedeckt,
zerrissen H m^" T be ' Hämorrha « ie » die Bindegewebsfasern
finden ^ 1,lhitratio,,c " dagegen konnte ich nirgends
Oedem sd fefasssystem war ungeheuer erweitert, das
ÜCberal1 i "' ÜCWebe «" d Byini.hkörper
elastisehe P t { jeuk f ytcn 111 geringer Anzahl zerstreut. Das
bei' der SV* 1 pS- deinselben Masse bypertrophirt, wie
zz ivian fi,,det ,,nr hiu i " id *•**
• ‘ne, zum Pheil hypertrophirte elastische Fasern
ln dem Präparat das 24 Stunden nach der Erfrierung ent-
ZT doTl> Ti SiCh ÜhnHchC Vcrände rungen, nur da2 dl
smll! • 1 apilIarkorf iers stärker ist und dass die Epidermis
«n einzeben Ct sSi abe t!; 0 - , r n - Cr8Cheint ' Ansaordem ist die Epidermis
lat das ÖL , e "/ p Ve f " Ur SC,1Wach färbbar - das Oedem
hineingedrünct l t* Ep,tbelkerne "’eggespült und in die Cutis
n, s u g ’ WeIcbe , m,t Cbromatin-Trümmcrn bedeckt ist.
entnommen WC CheS dritten Tagc nach der Erfrierung
^bringeri nni ri d n e ’lT Sfc W,cht, « c Veränderungen auf. Oedem und
fassen sieht g Ube " wcsent]lob nachgelassen und in den Ge-
aber die beiden “L T TT hya,inC ° der fibrinöse Thromben,
aus derbem cöllS V' G f Se u Slnd « äDzIich vou »eu gebildeten,
Die Proliferation^ Tu ' eWebe bestcbeuden Thromben ausgefüllt,
gewebszellen Et im Hypert ™ p,U ? deS Pro Masmas der Binde-
Plasmazellen ehe Tf” Ge,vebe e,ue ungeheure. Auch die
»Ä15 und dnkerniee Le “ k “ yto ' -
schiedener TLfrTv 0116 T ? aUt S ' tzen ßran d«chorfe von ver-
aus abgestorben me ‘ r oberflü chlicben Brandsehorfe bestehen
Haufen von noiilTf “»* aus einem
Schorfe besJL u' Leukocyfcen - die tiefer gehenden Brand-
nucleären Leukocvtön ff S . torbener Cutis >. die gleichfalls von poly-
ist das collagene(' ' , edeckfc mnd - I" diesen letzten Brandherden
**«» völHg homogene
Mgggggjg_MBD iciNiscm; wocggNsom mr
t. i „t" dig ° n ^ “ W «—- » » s™»en Haufen
an S of«rä 8 /Sr t, aofef & f* r , S ^ *r Krfrien,„ g
ein „ ur da j
Wieder „c„„ BnHora™ ^bMeThat"’ “"' i d '”'“ “ ich bercit “
Das letzte, vom dreizehnten Tage nach .1er F,<v; l
stammende Pränarit va i,.i w A • , Uer Erfrierung her¬
lehrt uns, dals dter • ,5 CS T"T ^ Brand schorf bestand,
gewordenen Ohres besteht ra i)a 8 runter hlt 8tÜ ° ke brandi g
gebildet n; p -j . ' darunter hat sieh eine prächtige Narbe
2E-;
auch « grosse Anzahl von Plasmazellen. nneDZel,en ’ daruntcr
M n, JT; H ’ s,nd die Ergebnisse meiner Erfrierungs-Versuohe
M«m sieht, dass sie mit den Befunden bei den menschlichen Fr'
von r T g l"cek lT "* ? bcreinstini “ en und dass sie auch den Angaben
von v. Heeklinghauseii und Kriege entsprechen T>!«
einzige worauf ich hmweisen möchte, ist, dass Kriege behauptet
seine feinen granul,rten Thromben seien niemals mit FibrinW,’
vermengt und dass er sie mit Thromben von Blutplättchen oder
die von K ldentlÜ f L Ich wa g e nicht, zu entscheiden, ob
hZh i f ? 7° crwUhnten Blutplättchenthromben den von mir
eobaditetcn feingranulirten Thromben entsprechen, welche sich
nach der Weigcrt'sehen Methode färben, fast immer auf einem
1 brn,netz aufhegen und die meiner Meinung nach aus feinkörnigem
r.bnn bestehen. Vielleicht aber sind diese Blutplättchen-Thromben
identisch mit den Haufen veränderter rother Blutkörperchen
die stellenweise ein körniges Aussehen haben; eine Veränderung,’
die Kriege nicht beobachtet zu haben scheint. *
Hinzafügen muss ich noch, dass v. Recklinghausen
rothen °Bln T*™ h „ 0ni0 / ene k Massen vo " zusammengeflossenen
lothen Blutkörperchen gefunden hat, die seiner Meinung nach
wahrscheinlich aus einer «Stagnations-Thrombose» von rothen Blut-
korperchen hervorgegaugeu sind; aber ich möchte nicht mit
Bestimmtheit erklären, dass sie mit den erythrocytären Thrombosen
identisch sind, die ich m allen Stadien der Erfrierung beobachtet habe.
Kurz zusammengefasst komme ich zu folgendem Schluss:
|e Erfrierung ist eine hochgradige entzündliche
Rcaction in Verbindung m i t ver schi ed e ne n regres-
siven Veränderungen, mit Bildung von hyalinen
und fibrinösen Thromben in den Gefässen. Diese
Thromben tragen wahrscheinlich die Hauptschuld
an der Mortification und an der Bildung von mehr
oder weniger tiefgehenden B ran d scho r f e n. Letz¬
tere können in schweren Fällen eine bedeutende
Tiefe erreichen, stossen sich aber in günstigen
Tüllen gänzlich ab und lassen eine glatte Narbe
zurück.
Feuilleton.
Pensionsverein für Wittwen und Waisen bayerischer
Aerzte.
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344
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
der Vcrwaltungsausschuss von dem Antrag nach Form und Inhalt
nicht gerade sympathisch berührt war uud es mag wohl sein, dass
die etwas temperamentvoll geschriebenen Motive zu dem Antrag
Anlass zu Verstimmungen und Missverständnissen gaben. Wir be
dauern dies aufrichtig und wir brauchen wohl kaum zu sagen, dass
wir den hervorragenden Collegen, welche an der Spitze des Pensions¬
vereins 8teilen, persönlich die grösste Hochachtung zollen. Wir
möchten auch noch ausdrücklich betonen, dass wir eine «Irritirung»
der Vereinsmitglieder oder der andern Aerzte durchaus nicht beab¬
sichtigten, sondern dass wir, wie wir bereits in dem Anschreiben an
die einzelnen Kreisausschüsse ausführten, «lediglich im Interesse der
Erhaltung und des Aufblühens des Pensionsvereins eine zeitgemässe
Umgestaltung der Verfassung desselben anstreben und dass wir der
gegenwärtigen Geschäftsführung, welche an die zur Zeit bestehenden
Satzungen gebunden ist, keinerlei Vorwurf zu machen haben, sondern
im Gegentheil von derselben nach sachgemässer Aussprache eine
freudige Förderung unserer Bestrebungen hoffen >. Und in der That
hat der Verwaltungsausschuss des Pensionsvereins bereits jetzt
unsere Bestrebungen gefördert, dass er seine Antwort auf unseren,
in den höchst sporadisch gelesenen Protokollen der Aerztekammer
vergrabenen, Antrag in dem Feuilleton der in weitesten ärztlichen
Kreisen gelesenen Münchener Med. Wochenschrift erscheinen Hess. Das
hat die allerdings leider sehr dünn gesäten Mitglieder des Pensions
Vereins sowohl als auch besonders die vielen, dem Verein bisher
ferne stehenden Aerzte aufgerüttelt, dem einst für alle bayerischen
Aerzte gestifteten und durch den Zwangsbeitritt sowie durch hoch¬
herzige Schenkungen und Vermächtnisse reich dotirten Pensionsverein
ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Nur dadurch kann ja der Verein
in seiner Mitgliederzahl und seiner Bedeutuifg wieder gehoben
werden, dass sich das allgemeine Interesse ihm zuwendet und
den Verein nöthigt, seine Satzungen den jetzigen Zeitverhältnissen
anzupassen. Denn was sollt n in unserer Zeit 220 Jt jährlich für
eine Arztswittwe, da doch jeder Taglöhner und jede Taglöhnerin
annähernd dieselbe Summe im 70. Lebensjahre, und bei Invalidität
gegebenen Falls viel früher, aus der allgemeinen Alters- und Invaliden-
Rentencasse bezieht! Der Verwaltungsausschuss will es nicht be¬
zweifeln, dass es möglich sein wird, durch erhöhte Leistungen an
den Verein den Relicten eine erhöhte Pension zu sichern, ja auch
den Aerzten eine Altersversorgung, — aber «er hat bisher wenig
Veranlassung gehabt, in den geplanten Neuerungen das Heil des
Vereins zu erblicken» und glaubt nicht, dass höhere Beiträge an¬
lockend für den Pensionsverein sein werden. Die höheren Beiträge
freilich nicht, aber die höheren Leistungen des Vereins an die
Beitragenden. Hat doch bisher schon die bei weitem grössere
Anzahl der bayerischen Aerzte sich durch Beitritt zu Lebens- und
Renten-Versicherungsanstalten bei meist recht beträchtlichen
Prämien für ihre Familien bei früherem Tode, oder für sich selbst
in höherem Alter, zu sorgen gesucht. Bei dem von den ersten
Jahren seiner Gründung an gut fundirten, zeitgemäss umgestalteten,
bayerischen ärztlichen Pensions verein könnte dagegen eine ansländige
Fürsorge schon durch mässige Beiträge erreicht werden. Das
was vom Beitritt in den Pensionsverein trotz seiner sehr niedrigen
Prämiensätze und trotz aller kräftigen Aufforderungen hiezu abhielt,
war eben die Geringfügigkeit der Pension und der Verlust aller
Jahresbeiträge zusammt dem nicht unbedeutenden Eintrittscapital
bei dem früheren Tode der Frau! Da passt der Vergleich des
Verwaltungsausschusses mit der Feuerversicherung nicht! Bei der
Feuerversicherung wird kein Eintrittscapital bezahlt und dann: ein
Brand im Haus ist zwar recht bitter, aber doch auch sehr selten;
aber der Tod noch bitterer und tritt Jeden an! Holt er zuerst
die Frau, so hat der Mann alle Einzahlungen umsonst gemacht,
die er, selbst oft schon alt und gebrechlich, recht gut brauchen
könnte, — holt er aber zuerst den Mann, so hat die auch oft schon
hochbetagte Frau eine gänzlich ungenügende Pension. Nun könnte
man ja wohl einwenden: Worauf stützt Ihr Eure Ansicht, dass man,
auch bei der Umgestaltung des Pensions Vereins, massigere Prämien
als bei den andern Lebensversicherung«- und Rentenanstalten bei
gleichen Leistungen an die Mitglieder zu fordern braucht? Hier
kommen 4 Punkte in Betracht. Erstens ist die Verwaltung eine fast
ganz kostenlose, da sie zum grössten Theile in aufopfernder Weise
durch die Aerzte selbst geschieht. Zweitens ist ein bedeutender
Stockfond bereits da, der bei andern Gesellschaften sich erst an¬
sammeln muB8; drittens bekommt der Pensionsverein Staatszuschuss,
hoffentlich bald auch einen höheren wie jetzt, den die Lebens- und
Renten-Versicherungsgesellschaften nicht bekommen; viertens sind
dem Pensions verein schon grosse Summen durch hochherzige
Stiftungen und Schenkungen zugeflossen und werden ihm sicher,
wenn der Verein mit seiner segensreichen Wirksamkeit wieder die
Mehrzahl der bayerischen Aerzte umfasst, in erhöhtem Maasse zu¬
gewendet werden! — Es wäre aber noch ein Fünftes möglich, das
dem Pensionsverein sofort seine frühere Bedeutung wiedergeben
würde! Das wäre, wenn die hohe Staatsregierung, wie 1852 ver¬
ordnen würde, dass jeder Arzt, der die Praxis in Bayern ausüben
will, dem Pensionsverein beitreten muss. Dieses Muss hat man
allerdings zur Zeit der Alleinherrschaft der manchesterlichen Ideen
mit der Ireigabe der ärztlichen Praxis nicht vereinen zu können
geglaubt. Seit dieser Zeit aber hat der Staat unbeschadet der
Gewerbefreiheit und der Freizügigkeit doch jeden Arbeiter gesetzlich
gezwungen, einer Krankencassa beizutreten und für seine dereinstige
Alters- und Invalidenrente zu bezahlen. Es könnte desshalb wohl
der bayerische Staat, unbeschadet der Freizügigkeit und der freien
ärztlichen Praxis im ganzen deutschen Reiche, von den in Bayern
prakticirenden Aerzten den Beitritt zu seinem staatlich sub-
ventionirten Pensions verein verlangen! Hat doch erst vor
wenigen Wochen das Königreich Sachsen ein Gesetz gegeben, kraft
welchem alle in Sachsen prakticirenden Civilürzte den ärztlichen
Bezirksvereinen angehören müssen! Und diesen Bezirksvereinen
ist über ihre Mitglieder zur Aufrechterhaltung der ärztlichen Standes¬
ehre eine D.isciplinargewalt eingeräumt, welche ausser einer Reihe
anderer Strafen die Befugniss gibt, bis zu 1500 JC Geldstrafe zu
verhängen. Wenn ein solcher Zwang in Sachsen ausgeübt werden
kann im Interesse der ärztlichen Standesehre, so könnte doch wohl
auch in Bayern zu dem edlen Zweck, die Wittwen und Waisen
bayerischer Aerzte und die Aerzte selbst im Alter vor Noth und
Elend zu bewahren, ein gesetzlicher Zwang ausgeübt werden ? I
Doch wir greifen hier Fragen auf, die zunächst vor das Forum des
Verwaltungsausschusses und der Kreisausschüsse, respective der
Generalversammlung des Pensionsvereins gehören und die vor Allem
in ernste Erwägung gezogen werden müssen; denn wohl gar mancher
unserer Collegen wird solchen « Zwangs-Neuerungen > nicht hold
sein. — Auch der Verwaltungsausschuss hat ja seine Bedenken
gegen alle Neuerungen ausgesprochen, aber doch das loyale Ver¬
sprechen gegeben, sobald an ihn durch die Kreisausschüsse das
überwiegende Verlangen nach Aenderung der Statuten herantritt,
sofort die einleitenden Schritte nach dieser Richtung zu thun, meint
aber, dazu bedürfe es zur Zeit nicht der Einberufung einer ausser¬
ordentlichen Generalversammlung. Darüber kann man gewiss ver¬
schiedener Meinung sein und wir müssen im Einvernehmen mit
den anderen Kreisausschüssen erst den weiteren Plan des Vorgehens
sowohl als auch die Höhe der Pension und Altersrente, die erstrebt
werden soll, feststellen. Einstweilen können wir schon jetzt mit-
theilen, dass nunmehr aus sämmtlichen Kreisausschüssen unseren
Bestrebungen zustimmende Erklärungen eingelaufen sind, wovon
die meisten vollständig unserem Antrag beitraten, einzelne noch
specielle Vorschläge forderten. Wir hoffen desshalb zuversichtlich,
in nicht zu ferner Zeit mit unseren hochverehrten Collegen vom
Verwaltungsausschuss über die Neugestaltung unseres Pensionsvereins
in’s Benehmen treten zu können und wir werden sehr dankbar sein,
wenn der Verwaltungsausschuss, wie er es in Aussicht gestellt hat,
die ihm zukommenden Vorschläge technisch von den ihm zur Seite
stehenden bewährten Hilfskräften prüfen lässt und das Resultat
dann einer Generalversammlung in Vorlage bringt. Es ermuthigt
uns zu weiterer Arbeit, wenn wir aus den Zuschriften der Kreis¬
ausschüsse ersehen, dass unser Bestreben als zeitgemäss anerkannt
wird, wie denn z. B. ein Kreisausschuss mit der grössten Freude
es begrüsst, wenn Mittel und Wege gefunden werden, dem Pensions¬
verein ein weiteres Feld zum Wohl der Gesammtheit der Aerzte
und deren Hinterbliebenen zu verschaffen Denn dass in dieser
Beziehung mit der Zeit Etwas geschehen müsse, darin seien wohl
alle Aerzte einig. «Mögen Ihre Bemühungen », so schliesst die Zu¬
schrift an uns, «denen wir vollkommen unsere Zustimmung
und Sympathien ausdrücken, von den besten Erfolgen zum
Wohl des ärztlichen Standes begleitet sein!»
Referate und Bücheranzeigen.
Emil Fischer und Wilh. Niebel: Ueber das
Verhalten der Polysaccharide gegen einige thierische
Secrete und Organe. (Sitzungsbericht der kgl. preu38. Akademie
der Wissenschaften zu Berlin; Gcsammtsitzung vom 30. Januar.)
In der vorliegenden Arbeit sucht der um die Chemie der
Zucker hochverdiente Forscher, dem wir u. A. schon die Kenntniss
der biologisch wichtigen Thatsache verdanken, dass der alkoholischen
Gährung der Polysaccharide allgemein die Spaltung derselben in
Monosaccharide durch die Enzyme der verschiedenen Hefen voraus¬
geht, im Vereine mit seinem Mitarbeiter das biologische Verhalten
jener Polysaccharide auch auf ihrem Wege durch den Organismus
der Thiere zu verfolgen. — Die Untersuchungen erstrecken sich
auf das Verhalten von Stärke, Glykogen, Maltose, Milchzucker,
Rohrzucker, Trehalose, Melitose (Kaffinose), von a- und /f-Methyl-
glucosid, ß- und /?-Mothylgalactosid und endlich Amygdalin gegen¬
über dem Blutserum sowie den Infusen verschiedener Organe
(Pankreas, Schilddrüse, Hoden etc.) und Schleimhäuten des Vcr-
dauungstractus verschiedenster Thiere (Pferd, Kalb, Rind, Schwein,
Schaf, Ratte, Gans, Huhn, Ringelnatter, Frosch, Schildkröte,
Fische). Das von den Verfassern geübte Versuchsverfahren bestand
darin, dass aus den zerkleinerten Organen (nur in einzelnen Fällen
wurden diese selbst angewendet) die klaren Filtrate bezw. Infusc
oder das vom Blutkuchen abgegossene Serum mit 2 — 5 Proc.
des zu untersuchenden Kohlehydrates, sowie zum Zwecke der
Aufhebung der Thätigkeit lebender Zellen mit 1 Proc. Toluol ver¬
setzt und dann 24 Stunden lang im Brutofen digerirt wurden. Das
14. April 1896.
rr nd r Monosa( ' char i d wurde m mit FC hi
L 7" g bcst T ,D,,nt ’ "*f crn das /angewandte Polyaaccharid nich
selbst jene Losung reducirte. Bei der grossen An/ihl „i
dasselbe Thema vorliegenden Untersuchungen sind die Ile 1 , T
de, Verf^or vielfach einelBesWiguag l„ka„„ te , THalaachon ^d
bringen Neues nur insoweit, als es sieb „„„u • , !
„„tcachte Zucke, (T,eha,oae, IM*« c,c.) XXI7“
dehnune de, ÜMceüchuugen auf bisher noch nicht untenmehte
Th,e,s,«e,e 8 handelte. So erführt B. die Thataache, *. S ”,k,
Glykogen and Maltose von de« Seccten de, voveehWenen Th e c
ganz gleiehmkasig aogegrrffe,, werten, d«,ch die flntonnchunl
de, Vertu«, eine «wettete Giltigkeit auch fü, die FiX
Reptilien, An.ph.hon, fe,nc, fit, den Huh„ck,«„f, die Schild
d,a,e and die Hoden. Auch bezüglich den RohXker» gela“«
CI e "‘°' B n Sti ‘u e ”” E tr “’ Crer »“"*■*. "«EI
CI. Bernards, wonach dieser Zucker vom Magensaft wenie
von den Secreten des Darmes sehr stark, von Blut dagegen
sowm von Ga le, Speichel, Pankreas-Saft und von den AufgSen
der Lymphdrflsen und der Schleimhäute des Dünndarms uifd der
B ase gar nicht hydrolys.rt wird. Nur der wässerige Auszug de
Dünndarmschleimhaut von Pferd und Huhn erwiesen sich auf den
Rohrzucker von spaltender Wirkung. Ein merkwürdiges Verhalten
zeigt die mi Pflanzenreiche verbreitete Trehaiosc, indem sie /wir
vorn Blutserum mancher Fische, ganz besonders des Karpfens
nicht aber von demjenigen der Warmblüter hydrolysirt wird. Die
für diesen Zucker schon bekannte Hydrolyse durch den Dünndarm
des Kaninchens erstreckt sich „ach vorliegenden Untersuchungen
auch auf den Dünndarm des Rindes und Pferdes, dagegen nicht
des Schafes und der Ringelnatter. Bei der Mclitoso, welche sich
gegen Hefe wie der Rohrzucker verhält und desshalb ebenso wie
dieser eine Spaltung durch den Dünndarm des Pferdes erwarten
hess, hat sich dies nicht bestätigt, woraus geschlossen wird, dass
das zuckerspaltciide Enzym des Dünndarmes zweifellos mit dem
konnn. in übe, b i "-T T' 1 “ ist - Uinc Hydrolyse der Mclitoso
i° T V . T nntersud,tw ' Fälle eonstatirt
werden. Von den untersuchten Glucosiden und dem Amygdalin
wurde nur das ^Methylglucosid durch den Dünndarm des Pferdes
hTdroSirt myg ' denjenigen des Fferdcs Kaninchens
Arbeit CrSehen aUS def kurZCn InhjJt *”>6abe der interessanten
wluere; ST,.,- , r0tZ dCr , FHÜe der « rbraclltc '> 'Tatsachen noch
reta/TT ° m ChUn f* n bGdarf ’ 11111 die «^zielten Resultate des
zu machen T ^ e , Dtklciden und zu dei11 Schlüsse beweiskräftig
ZucUr w T- 8chwankenden Ver,laIte11 dcr verschiedenen
wirklich T Z T" ei " ander nabesteben den Thiere» auch
zum a A T St r^ - Merk “ aIe dCr bctreffcild «" Mucker bezw.
Au fall oT T u k ° U,Dien U ‘ ,d daas dcr ^ itivc «der negative
iZrl nyT fT^r VerSUChe Unter a,l «> 1 ^nden eine
Ällvt 8 - T W T Dfähigkeit dcr treffende» Species für
auch Ä v T ZuCkCr bcdeaU '- ~ Dies «ü‘ namentlich
aetueliT 7 T T rSUcbe «nt Milchzucker, welchen zunächst die
»ctuellstc Bedeutung für die Medici., zukommt und als deren
iriJiTriT VerWr " A - U ‘ itthcilen kd ™> d -
stattgefunden hT ^ k ' hzuckc f s durch Blutserum in keinem Falle
nicht nur W«.- b)agcg , en baben die Versuche mit Dünndarm
Thiere fKulh < l MS dcm b)ünnd arm Neugeborener und junger
h^drolysirende Fähigkeit für Milchzucker
älterer ThierT 0 "' T® C ' ne soIchc aucb für den Dünndarm
achiwmhe SS! hi T T Ver8UChC Cin be -
des MiIchzu C kenf i,? fl C i dM b ' sIlCr "° cb du “ k,e Schicksal
ringer Glvkotnvl ‘ m , 0rgan ! fimua und stellen die auf Grund ge-
Fr£ e d E r e m bt Ung ? ^ Leber jüngSt I’rincipicll bejahte
dS in Le fei g , dUng ^ MiI « bzu «kers in der Leber neuer-
ein ohne WeitJ denn wcnn vom Milchzucker schon im Dünndarm
^gespalten werdet , g ykogenfüb, g e!5 Monosaccharid, die Galaktose,
bildung in der T oZ° T f 1 "“ kommt für eiuc vermehrte Glykogen¬
eben aus Galaktn *• T t Gine sdcbe aas Milchzucker, sondern
derLeberthätivkTT In J« ge ’, WaS nafcürli « h für die Beurtlieilung
anderer Bedeutung T 0 ^ ecbsel des Milchzuckers von principicll
dings die Unter 8 , IS ' Entscheidend in dieser Frage sind aller-
80 Enge dieseltT T" V °" E ' Pischer »*<1 Nie bei nicht,
mcht ein annäherndes Urtheil darüber gestatten,
Hgggggg MJSMCINISOHE W OCH mH G»„ P «,
__ 345
man da» CZS ' h v“"' f™?”“ ta.»
j-ar^Diiiss solcher \ ersuche für die Erklärung v
Lt ä stÄt
Ritter- Carlsbad.
Sv,»hnis V0 !LÜ Üri "T T K,inische Vorlesungen über
J Wen’ T r f Und Lc,pz,g ’ Verla « von E. Voss, 1895
Wenn der Verfasser in der Vorrede des vorliegenden Werkes
bemerkt, tJass dasselbe nicht als ein Lehrbuch in. eueren W
troff" 7T ang ® sehen werden «oll, so ist das insoferne wohl zu-
An^Tungen" tbT VieI T h 8UbjeCtive und d « n ^sehenden
werdet E T? ^ der ^ecl,ende Meinungen vertreten
Werkes itdet Tt T" T* di ° 8tCta anregcnd « Eectüre des
P ononcir t,f Z» T ^ ^ Be,ehrUng und die oft
prononcirte Stellungnahme des Autors in strittigen Fragen die
■eh aus der Entstehung des Werkes, welches aus freien am
SärTisTk 815ha l te,,en .Vorigen bervorgegangon ist, leicht
Z TiTr* 8 t Nachtheil desselben zu betrachten.
des LtT T " aP,,e D,Cti c 0 "’ d’ e Fassung der Lehrmeinungen
von Kral V TT ** ^Einstreuung
von Krankenbeobachtungen zur Illustration der gegebenen Aus
führ.,„gen. Allen Denen, welche siel, für die aetuelicm StrcitfraT,
und d ::, ( ?T Cte der Syph ! lis I ,at| ioIo«ie «nd -Therapie interessiren,
WbT e,M - C g f Unde I>0 ' C,uik 0hne l^önliche Angriff;
fruchtbarer zu so... scheint, als eine mehrfache Wiederholung fet-
giunmitcr Anschauungen „nd Begriffe, sei die Lectüre der
on 1 uring sehen Vorlesungen bestens empfohlen. Kupp.
Lesoproben für die Nähe. Jäger's Schriftscalcn,
mod.hc.rt von Prof. Dr. E. Fuchs. Zweite Auflage. Wien,
vÄL;; 1 ,'' 1 ' k - "■ k - " nd
Wem. auch die älteren Jäger'sehen Schriftscalen keinem
bestimmten Gesetze folgen, wie die späteren Sn eilen'schon
Uptotyp., so hatten sie doch den Vorzug einer grösseren Zahl
von Abstufungen der Scliriftgrösse und wurden desshalb in der
Iraxis vielfach bevorzugt. Da nun bei häufigem Gebrauche die
ersten Blatter der Schriftscalen, mit welchen das Lesen in der
iahe geprüft wird, bald beschmutzt waren und dadurch eine
.Neuanschaffung nothwendig wurde, bat Prof. E. Fuchs die
rühmhehst bekannte Firma veranlasst, nur die ersten 16 Nummern
herauszugeben, nachdem er auf Grund genauer Berechnung und
Versuche die (Gösse der einzelnen Nummern in gesetzmüssiger
Weise hatte abstufen lassen. Der billige Preis der neuen Ausgabe
von nur 1 Mk. bei vorzüglicher Ausstattung macht dieselbe noch
besonders empfehlenswert!!. Seggcl
Neueste Journalliteratur.
* QQ „ B e itr %e zur klinischen Chirurgie. Bd. XV, Heft 3. Tübingen
10570. iiaupp. °
des XV. Bandes der Mittheilungen beginnt mit
einer Arbeit von K. R o th aus der Heidelberger Klinik über Hernien-
tuberculose in der über 3 Fälle aus Czerny’s Klinik berichtet
wird, so dass die Zahl der bekannten Fälle 22 ist; es wird betr
path. Anatomie die schwartige und knotige Form unterschieden,
betr. Aetiologie betont dass zwar primäres, locales Auftreten vor¬
kommt, in der Regel jedoch die Hemientuberculose mit Betheiligung
des übrigen Peritoneums einhergeht. Von den 22 Fällen wurden
16 chirurgisch behandelt, 14 der Radicaloperation unterzogen, 6 mal
Theile des erkrankten Netzes mitentfemt.
. Eine Arbeit von H. Hartmann aus der Rostocker Klinik
gibt einen Beitrag zur Behandlung des muskulären
Schief hals es indem er über 22 in der Rostocker Klinik operirte
fälle auf Garris's Anregung betr. des defin. Resultats berichtet
(b absolut vollkommene Heilungen, 3 fast vollkommene, 10 mit
zurückbleibender Krümmung der Wirbelsäule, 3 ungeheilt). Danach
sind y» der Patienten tadellos geheilt, */7 so gebessert, dass man mit
dem Zustande sehr zufrieden sein kann, die Uebrigen ungeheilt Ob-
4*
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346
Münchener me dicinische Wo chenschrift-
No. 15.
rÄÄÄÄS«
■ ich c rärrSSS SÄa SS JK
Kropfexstirpationen an der yon Sue8 kind und
eine Arbeit, die an ie anachliesst und im Ganzen 1034
Fischer aus der gleichen K* imk a •i. pr (i P irsichtiKt die auch
(359 klin., 725 ambul. rechts
deutliche Prädilection des P^Hats^lters, hw^ Betre£fs der 300
und beim weiblichen Geschlecht 2,- . g letzten beiden Jahren)
SÄ»®»'*
Stillung etc. Die Unterbindung der . _ B y etreffs der Enucleationen
Zeit m Tübingen mehr Aufonbrne gefunden^ ^XinXn.n,
kamen bei den Enucleationen häufig » Tr nt i a88U ng betrug für
glatt, 25 B mH geri^Sge^ 9 mit
käi fÄÄr-a 1 :
C»erden nicht die Tracheotomie sondern sofort die Bauern
«? ffiSSSä, ä
(Sie oder später Tetanie beobachtet. ^ Ein Dntte^ ^»110^0)
rÄÄ«»:-tr
Arbeit von D. Monati über Ureter-Anastomosen (Mrttherlung ent-
sprechender experimenteller Untersuchungen). , d ie
toÄBlK einer^esAloeBenmtHarnröhrc^ gelang (7 mal durch
sSsis äss mä
Resultate ribt. als die früheren Methoden, dieselbe specieu tue
fncont nrinae nicht beseitigt und die Form des Fern» nichtbessert
so dass sie hinter der Thiersch sehen Methode (mit Krönlei n s
und Trendelenburg's Modificationen) zurücksteht, wenn sie anch
leichter ausführbar ist, g dass für die Hypospadie die R sehe Open*«*
methode jedoch einen Fortschritt darstellt, «J, durch ISrnfadkhert
und Sicherheit vor anderen Verfahren auszeichnet, wenn sie auch
die Deformität des Gliedes nicht beeinflusst
Aus der Tübinger Klinik theilt 0. Faisst einen Fall von
Totalnekrose des Unterkiefers nach Osteomyelitis mit.
H Stieda berichtet über das verkalkte Epitheliom un
Anschluss an drei Fälle der Tübinger Klinik und wiU nach^seinen
Ausführungen diese besondere Geschwulstform speciell in Rücksicht
ÄXogenese beibehalten wissen. H Kü 8 “ 8
aus der Tübinger Klinik stammende Arbeit handelt über e
zündliche Tumoren der Submaxillar-Speicheldrüse,
worin K., anschliessend an die Arbeit Riedel s (über el ^ u '^ h ^ ;
der Rückbildung fähige Vergrösserungen des Pancreaskopfes) und
an 2 Krankengeschichten über diese durch chronisch mterebbelle
Entzündung bedingte tumorartige Vergrösserung der SubmaxiUam
berichtet (ohne dass Concremente un Ausführungsgang gefunde
wurden) und einige ähnliche Beobachtungen betreffend der Parotis
beifügt^ p Bruns verbreitet sich über die Kirstein sehe
directe Laryngoskopie und ihre Verwendung bei endo-
laryngealeii Operationen und theilt seine an 8 diesbezüglichen
Fällen (5 Tumoren, 3 Stenosen) gemachten Erfahrungen mit, dahin¬
gehend, dass bei Erwachsenen in geeigneten Fallen die Operation
von Kehlkopfpolypen mit Hilfe des Speculum auch ohne besondwe
Hebung sich ausführen lässt, speciell bei Kindern aber, durch das
Kehlkopfspeculum die Möglichkeit gegeben ist, die Geschwülste
ohne Kehlkopfspaltung ju «nt^ner^ und ^.® 80 jJ^ e t ™ ode achon jetzt
Spiegel unzugänglichen kindlichen Alter en Zuhilfe-
als “"entbehrliches Hilfsmittel wc^erwiesen_^M^(^^ p Hof-
nahme kurzer Narkose). A g t . on durch Auskochen und
meister über ? atg Methode (Einlegen des schonend aber
präcisirt das Nähere seiner !v o—4proc. Formalinlösung für
straff auf gespulten Roh ^“ t • flj e88e ndem Wasser 24 Stunden,
•24-48 Stunden , Au8 ^ schen . j j ® u wen j g Wasser, Nachhärtung
5-10 Minuten langes Kochen nnicht^we 8 ^ ^ & proc Q ^
bezw. Aufbewahrung in Alcoho b ^ b Verwendung der
event. eines Antisepticums ) - Wendei un Pistolen-
Röntgen'sehen in di. Vota bei
kugel a . U u Aufnahme der Hand mit antiseptiscliein Verband,
16 jähr. Arbeiter Aufnahme * jn der Basis des 5. Metacarpus
Sat»" SÄ-s XS Ä“
K übe,
die
eekrsübten «“tomliöh. Stndi«. in der er spec.
von König abweichenden Standpunkt präcisirt.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 11.
-i?äägSH^E«S
mit t'^dylT/rXÄe Bemerkung z„ den nenen Me-
thoden der Splenopexis. Vorzmr vor dem Barden-
heben lassen, vielmehr nur eine und klares Vorgehen
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 14.
1) R. Koss mann-Berlin: Zur Chinosolfirage.■ . ii
und Va^h^e'mit'd^ni^WiinoB^^ls^^ti^e^cinii^ gemacht^hab^en
(cf. diese Wochensclir. No. 10• %äöiung ^teüten Bericht des
Fabrikanten des Mittels zur Vt g g g B1 kWar8 London >,
gewesen, worauf spontane Geburt bald einge J; fü r die
C °"THe” “n'S: Ein Fall von ExaUrpatmn^s^ch.
schwangeren Uterus nebst ßemer ungcii zu r ' scheu
Fa„ dÄbi^ S
genommen werden sollen. Ragef \ e “ \ Mutter (z. B. Fieber) und
äugen blicku” her "d y stok ie^eine Totalex ^
sein kann. En berichtet über einen solchen *ali,, wo uer
8? machte ÄdiÄ^ S& nach
18 "TS- Erdheim-Wien: Sectio caesarea in mortua. Leben-
dCS Die Operation wurde 4
blutung der Art. anonyma bedingt , .«n stunden nach
Das 7 Monate alte Kind, 1400 g schwer, 8tarb ”{\£ Hamburg,
der Geburt an Lebensschwaclie.
Oteourt »11 JJCUOJinovr...- VVTir
Zieglcr’s Beiträge zur pathologischen Anatomie.
Heft 2.
Die V grosse' % SS?
Digitized by
GooqIc
14. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
347
v. K. steht heute Folgendes fest: Zwischen den typischen Fällen
von Porencephalie (trichterförmiger, mit Arachnoidea überzogener
Pefect in der Gegend der Centralwindungen mit häufiger Betheiligung
der Insel) und jenen ebenfalls nicht auf traumatischem Boden ent¬
standenen Porencephalien, welche ihrer Lage nach von diesem Typus
abweichen, gibt es so zahlreiche Uebergangsformen, dass es sich in
der Mehrzahl der Fälle um eine einheitliche Erkrankung handeln
dürfte. Meistens wurde eine Communication des Defectes mit dem
Ventrikel gefunden, welche durch Durchbruch der trennenden Schicht
sich anch secundär einstellen kann. Die Angaben jener Autoren,
welche die Arachnoidea Uber den Defect haben hinwegziehen ge¬
sehen, konnte v. K. in seinen sämmtlichen Fällen bestätigen.
Kundrat's Angabe, dass die Ric' tung der um den Trichter
gelegenen Windungen congenitale und später erworbene Poren¬
cephalien von einander trennen lasse, ist unrichtig. Aller¬
dings hat man Radiärstellung bisher hauptsächlich bei ange¬
borenen Porencephalien gefunden, wohl aber nur desshalb, weil
überhaupt die angeborene Porencephalie die Regel ist, und
in den erworbenen Fällen die Defectbildung so gross zu sein pflegt,
dass keine deutliche Radiürstellung mehr eintreten kann. Letztere
ist übrigens nur bei einem Theil der angeborenen Porencephalien
gefunden worden. Sehr häufig findet sich Mikrogyrie «und zwar die
partielle Mikrogyrie, d. h. das Auftreten abnorm schmaler und abnorm
zahlreicher Windungszüge an der Gehirnoberfläche». Solche Win¬
dungen lassen mikroskopisch nicht mehr die bekannte Schichtung
und Lagerung der einzelnen Elemente. wie sie die normale Hirn¬
rinde besitzt, erkennen; doch lassen sich der Form, Lage und Zahl
nach stark veränderte Ganglienzellen noch nach weisen; Pigment¬
bildung ist selten. Ungefähr 8 /s aller Porencephalien Bind doppel¬
seitig; aber auch von den einseitigen zeigt ein grosser Theil an der
dem Defect entsprechenden Stelle der anderen Gehirnscite Windungs¬
anomalien. oder geringe Missbildungen, welche vielleicht vielfach über¬
sehen worden sind. Häufig findet sich eine Umwandlung der Defect-
wand in ein Convolut von Cysten, als deren Ausgangsort v. Kahlden
in 3 Fällen erweiterte perivasculäre Räume hat nachweisen können.
Am Rückenmark haben sich die verschiedensten Missbildungen ge¬
funden; besonders häufig ist eine theil weise oder vollständige Agenesie
der Pyramidenbahnen, welche sich von dcgenerativen Processen ganz
wesentlich unterscheidet, und eine Verschmälerung von Fasern,
welche mit dem defecten Rindenbezirk in keiner directen Be¬
ziehungstehen; auf diese Weise entsteht das Bild der Mikromyelie.
Ein vollständiges Verschwinden oder eine hochgradige Zerstörung
der basalen Ganglien ist selten und erweckt immer den Verdacht,
dass es sich nicht um eine Porencephalie im engeren Sinne des
Wortes handelt. Abweichungen vom normalen Schädelbau sind als
Defectbildungen, Mikrocephalie und Asymmetrien beobachtet worden;
doch kann das Verhalten des Schädels zur Entscheidung der Frage,
ob angeborene oder erworbene Porencephalie vorliegt, nicht ver¬
wertet werden Die Mehrzahl der Porencephalien entsteht wohl, wie
Otto schon angibt, in der ersten Hälfte der zweiten Fötalperiode. Ein 1
fötaler Hydrops, eine congenitale Gefässerkrankung im Sinne j
Heschl's, Kundrat's ischämische Nekrose und Richter's Annahme
von primärem Balkenmangel sind verunglückte Erklärungsversuche für
das Zustandekommen der Porencephalien. Abgesehen von den seltenen
Fällen, wo sich Porencephalie in Folge von Trauma, Gefässembolie
und vielleicht auch von entzündlichen Processen extrauterin ent¬
wickelt hat, ist die Porencephalie wohl meist auf eine Entwicklungs-
Störung zurückzuführen. Hiefür spricht der ziemlich constante Sitz
der Defecte, welcher mit dem Verbreitungsgebiete der Arteria fossae
Sylii nichts zu thun hat, die Symmetrie und Gleichmässigkeit bei
doppelseitigen, das Vorkommen von entsprechend gelegenen Miss¬
bildungen bei einseitigen Defecten und die Missbildungen im Rücken¬
mark. Die Marksubstanz scheint der am stärksten von der Ent¬
wicklungshemmung betroffene Theil des Gehirnes zu sein. Wenn
auch der Hydrops ventriculi nicht die Ursache der Porencephalie
ist, so begünstigt er doch das Eintreten einer Communication zwischen
Befect und Ventrikel und beeinflusst die weitere Gestaltung des
Defectes. von Notthafft-München.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 14.
1) Bussenius - Berlin: Fibrinöse Pneumonie als Com-
pücation des Diabetes mellitus.
Aus dem klinischen Verlaufe der letal endigenden Complication
ist hervorzuheben, dass während des Pneumonie-Fiebers der Zucker
keineswegs aus dem Urin verschwand, sondern 3,5—5 Proc. aus¬
geschieden wurden; ferner, dass die Schwankungen im Zucker-Proc - -
Gehalt des Urins fast umgekehrt proportional dem Steigen und
Fallen der Fiebercurve sich verhielten. Im pneumonischen Sputum
der betreffeuden Kranken wurde i l* Proc. Zucker polarimetrisch
bestimmt. B. weist darauf hin, dass Mundflüssigkeit und Speisereste
von massgebendem Einfluss auf den bei Nichtdiabetes-Kranken nach¬
weisbaren Zuckergehalt des Sputums sind.
2) D. Hansemann-Berlin: Ein seltener Fall von Morbus
Addissonii.
Verfasser zieht die Erkrankungen der Nebennieren bei Morbus
Addissonii in Parallele zu den Pankreas-Erkrankungen bei Diabetes.
In dem beschriebenen Falle fehlte jede Spur von gelber Rinden¬
substanz der Nebennieren, worin H die Ursache des Morbus Ad¬
dissonii wenigstens für didseu Fall zu erblicken glaubt.
3) E. Pfister-Kairo: Ein Fall von Vergiftung durch
Injection von Cocain-Lösung in die Urethra.
In dem letal verlaufenen Falle wurde dem Kranken, der an
Blasensteinen litt, zum Zwecke des Katheterismus eine Spritze (un¬
bekannter Grösse) voll 20 Proc. C.-Lösung in die Urethra injicirt.
Der Tod erfolgte fast momentan, so dass die Wiederbelebungsver¬
suche des hiezu gerufenen Verfassers ganz vergebliche waren.
4) Th. Rosenh eim-Berlin: Ueber Gastroskopie. (Schluss
folgt.)
f») A. D tf h r s s e n - Berlin: Ueber Geburtsstörungen nach
Vaginofixation, ihre Bedeutung, Behandlung und Verhütung.
Der Artikel bringt eine sehr ausführliche, nicht kurz referirbare
Darstellung der Operationstechnik der vom Verfasser angegebenen
Vaginc fixation, kritisirt besonders die von Mackenrodt dagegen
erhobenen AngrifFe, sowie die von letzterem angewandten Modi-
ficationen obiger Operation. Bei 148 nach seiner Methode operirten
Fällen sah D. nur 1 Recidiv bei kolossaler Vergrösserung des
Uterus. Das Facit der Ausführungen ist folgendes: Die bekannt
gewordenen Geburtsstörungen (Publicationen von Strassmann)
nach Vaginofixation lassen sich vermeiden durch Vaginofixation
ohne Eröffnung des Peritoneums oder durch des Verfassers intra-
periton. Vaginofixation mit alleiniger Annähung des Fundus und
isolirtem Schluss der Plica (operative Einzelnheiten siehe im Original);
oder die Geburtsstörungen werden überwunden durch frühzeitige
künstliche Erweiterung des Muttermunds. Es liegt also kein sach¬
licher Grund voj, die Vaginofixation bei Retroflexio Uteri fallen
zu lassen. Grass mann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 15.
1) E. Salkowski: Ueber die Anwendung eines neuen
Caselnpräparates „Eucasin“ zu Ernährungszwecken. (Aus
dem chemischen Laboratorium des pathologischen Instituts in
Berlin).
Die Fütterungsversuche ergaben eine beinahe völlige Ausnutzung
des neuen Präparates im Näbrechlauch, während gleichzeitig au¬
gestellte Versuche mit Somatose die von Hildebrandt in der
Zeitschrift für physiologische Chemie, Bd. XVIII, behauptete schlechte
Ausnutzung derselben im Darme bestätigen. Das Präparat eignet
sich am Besten zum Einrühren in amylumhaltige Suppen und Fleisch¬
brühe oder Mischung mit Cacao. Alkoholica beeinträchtigen seine
Resorbirbarkeit. Ein weiterer Vortheil des Präparates ist sein
Mangel an Nuclein, wodurch die Harnsäurebildung beschränkt wird.
2) M. Litten: Ueber Cylinder im Blute.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin in Berlin.
Referat siehe d. W. No. 6, pag. 136.
3) R. Pfeiffer - Berlin: Kritische Bemerkungen zu
Gruber’s Theorie der activen und passiven Immunität gegen
Cholera, Typhus und verwandte Krankheitsprocesse und
4) Max Gruber-Wien: Prioritätsanspruch bezüglich der
Wirkungsweise der Immunsera gegen Cholera und Typhus
und ihrer diagnostischen Verwerthung.
Streit um die Priorität der betreffenden Entdeckungen, auf
deren Details hier nicht näher eingegangen werden kann. Auch
bezüglich der 11 Hauptsätze, in denen Pfeiffer das Resultat seiner
bisherigen Forschungen zusammenfasst, muss auf das Original ver¬
wiesen werden.
5) R. Gottlieb: Ueber die Wirkung von Schilddrüsen¬
präparaten an thyreoidektomirten Hunden. (Aus dem pharma¬
kologischen Institut der Universität Heidelberg.)
Das Thyrojodin allein ist nicht im Stande thyreoidektornirte
Thiere am Leben zu erhalten, wohl aber gelingt dies durch Schild-
drüsenextracte (Thyraden). Die Versuche bestätigen ferner die von
Drechsel im Centralblatt für Physiologie veröffentlichten Unter¬
suchungen, wonach in der Schilddrüse mehr als eine physiologisch
wirksame Substanz enthalten ist.
6) W. Röttger: Zur Behandlung Malariakranker mit
Methylenblau. (Aus der medicinischen Universitätsklinik in Kiel).
Das Methylenblau erweist sich nach den gemachten Versuchen
in der Tbat als das nach dem Chinin vielleicht wirksamste Mittel
gegen die Malaria, doch ist seine Anwendung, besonders bei längerer
Darreichung, nicht ohne Einfluss auf das Allgemeinbefinden.
7) M. Verworn-Jena: Medicinische Reiseerinnernngen
aus der Sinaiwüste. Schluss folgt.
8) B. Schäfer-Charlottenburg: Zur directen Betrachtung
innerer Körpertbeile mittels Röntgen'scher Strahlen.
Ein bemerkenswerther Fortschritt in der Technik dieser
neuen Methode scheint von Prof. Dr. Buka in Charlottenburg ge¬
macht worden zu sein, indem es ihm gelungen ist, durch Beleuchtnng
mit den Röntge n’schen Strahlen auf flnorescirenden Platten (Barium-
platincyanür) absolnt deutliche, dem Auge sofort sichtbare Moment¬
bilder zu erzeugen, wodurch das etwas umständliche Verfahren der
Photographie für viele, besondere chirurgische Zwecke vermieden
werden kann. F. L.
Orthopädisches aus dem ersten Quartal 1896.
(Schluss.)
Die Behandlung der angeborenen Hüftverrenkung bietet
noch immer Ueberraschungen.
Die blutige Einrenkung ist längst keine Rarität mehr, immerhin
sind Erfolge wie die von Gluck mitgetheilten (Sitzungsbericht der
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No. 15-
mebicmsche wocmnschrift
*" recht beac "‘ h '
9 cm auf 2V* cm r educ ^’ f ,l“ behielt von 15 cm Verkürzung nur
lieh Ein 15 jähriges Mädchen beh Muskeldurchschneidung.
Sem. Die Reposition gelang 'ohne Mus ^ Loren z, der un-
Einigermassen befremdend i kt - on der Luxatao coxae
streitig die gröeste Ertahjmng m der Reposition hervor
besitzt, jetzt mit ein« unbl t g Gegell8chaft der Aerzte in Wien
s* äät v «,w ■ «-„a. Äe
dieser functioneilen Belastungsm blutige Reposition
St bis zum 6,I^ben8jahr, von da an g tn t ^ ^ ^
fn ihr Recht. Die unblutig instrumenteiles Herabholen
zusammen: l.ReducUon, manuelles ^ maximaler Beugung und
des luxirten Kopfes, 2. Rep ... Antrieb des Schenkelkopfes.
Abduction bei medialwärts gen btete^ ^ dump { e r Trommelschlag »
Im Moment des Einschnappen unmittelbare und mittelbare
vernehmbar; 4. Ptannenbilduii lg d “ res mittels Dehnung der vorderen
Erweiterung des ^JebeStreckung des Gelenks, ^tzteres
SSTÄE? |£ , !SSÄS ä
Die Behandlung .■*•* etwa
‘/2 Jahr. ft , T die CO nservative Therapie tuberculöser
Der beste Prüfstein für d ^co ^ be8chäfti gt sich eine sorg-
Gelenkleiden ist d ‘® J s ° e X ( Archiv für klin. Chirurgie, 51. Bd. 4.Heft),
fällige Arbeit von J A chirurg i 8 chen Universitätsklinik seit 1891
der 110 Fälle der Berlin« «uro g wurde , n der Weise
verfolgt hat. Die cons . b ' arkose Gypsgehverbände angelegt
durchgeführt, dass meist in * J Bfci n, den Fuss einbegriffen,
wurden, welche Rumpf ist, wird das Gehen
umfassten. So lange das Gelenk Aufenthalt im Freien an-
nicht erlaubt, wohl iaber im g g er Verban d gewechselt, der
geordnet. Alle 8 Wochen den p u ss freilässt. Nach der
nach 2-4 Monaten versuchsw^e gcb d tzhülge getragen, während der
Ausheilung wird noch ' a & det Jodoforminjectionen kamen nur
Nacht Extension augewende ht Die i nd ication zur Resec-
bei bestehenden AtBcessen ebnte Nekrose, gefährliche Eiterung,
tion schien gegeben durch 8ie kam bei einem Viertel der
Pfannenerkrankung mit Pe«orat > zur Ausführung. Die Durch-
Patienten im ^ auf „. de . r . welche bei der Häffte der Kranken poli-
schnittadauer der Fixation, welche D i ^ Von 82 Fällen, die zu
klinisch durchgeführt wurde g hatten, bekamen auch weiter-
Beginn der Beh»ndlun|ke,=e^Abscess b» « 8 . Ab8C888e8 d „ ch Jede-
hin keinen 45 = 54,9 Proc. Drittel der Fälle,
forminjection £ la ”S ““1^® wur de von 75 Patienten ein genauer
Bei den Nachforschungen "?ra Nachuntersuchung.
Befund erhalten, dann** W“ al e ?" er Mililrtuberculose. Die »e-
Von 21 Gestorbenen er Jagen,15 gich nach jeder Richtung
sultate conservativer Behandln g rw^ durch R^gctjon erzielten.
die conservative Methode eben-
fS'ÄÄ°SSS
und ankylotisch ausgeheilten H ing b dene Verkürzung des
häufig. Um mit ib.: hl l eC S|rd und Hennequin (De l'ostep-
Beines zu bessern, schlagt Re a hauc h e , Revue d'orthop4die
r%1Äl“e 8 öfÄ« “r. die vom groe.en Eoilhügei „ach
«-*•■ B Ä“Ä„°K?c\enni
epiphyse ist Veranlassung zu Chirur{ rj e 42. Bd. 4 und 5. Heft)
Müller (Deutsche ZeitechnftfürC fb > d Beobachtung,
geworden. Der Streit dreht um die Sympto¬
me die Nomenklatur und was hier Krank heiten mit ähnlichen
matologie. Kocher sucht bedingt durch
Symptomen zu trennen, a) }P nach unten und hinten,
Verschiebung des Kopfes gegen de die Verbiegung zwischen
sich localisirend in der, Ep>physe"bmeW etc.
Schaft und Schenkelhals, entstehend bei dmuse ’ agke (Cen .
Für die Praxis wichtiger f ^ J^T Behandlung der sta-
Selet t entnimmt dem
£S “ÄS gewinnt er dnreh eine» vorderen
So. 1) Bebildern die orthopsdi.che Behänd lang m Verblnae ».
ggf ^ÄTet^r ’ - -
Verband mit einbezogen werden.
tt . 1 .1 VlnmnflUS. I
IVylLU ” --- TJ.(t
Aufgabe «de. £
Z sSSuS*■ Fusses beim Geh« und Stobr a ^ t
die passive* und ac ^”i ^vTrhalten^der ” Musculatur etc. Mit der
des Fussskeletes, das Qnrunggelenkes, resp. des Klnmp
Arthrodese des paralytischen Spru gg Lauengtein empfiehlt
fusses beschäftigen sich einige Autor Läng8S chmtt vor dem
SÄ «• CUr. 5) “‘STacbt Sd1 dem Hneter-
Malleolus, der das Gelenk g , g d JLhalb vorzuziehen ist, "eil er
sehen vorderen Querschnitt ^ e ^ hercaloBe) erforderlich werdende
die eventuell s Püt«r e nd ; m ; r off-Mikulicz gestattet.
““fiSÄ N O if , verwirft ««ft
toptt dü
rjssÄü»*-—
Methode bewährt. Chirurgie No. 12) endlich hat bei der
Isnardi (Centralbl. f ; Gh d “ rg araly tischen Klumpfusses Miss¬
einfachen Arthrodesenoperation d P ^ beim Redressement sich
erfolge erlebt. Er Ja* fremdes Talusstück implantirt und
bildende Sprunggelenkslücke ein irem
so Consolidation erzielt. Plattfusses von EichenwalQ
Eine neue Monographie b eine 80 rgfältige Compi-
(Wien 1896) bietet zwar wen,g ^ues {ür den Mi , itÄr arzt von
Lion ade 9 »“SSÄS de. Smmenbang. zwi.cben Schwe.es.
Interesse sind die llesprecnu 8 FugBbekleidung .. .
und Plattfuss und duCagtej uDe gQhle lftngt . Unabsichtlich
So wären wir vom Kopf &» waB in entlegenen Zeit-
fehlt in de “ ^“ ind y-abUdntronerr
Schriften sich versteckt me dicinischen Journalen,
orthopädischen InhaUes in n Publicum wenden und
Solche Artikel, die sich an aas dienen _ auch das
meist mit oder ohne Intentio d^^ ^ ekanntestea Familienblättei
letzte Vierteljahr hat * n Jl mcht _ sollte kein Arzt veröffentlichen
einen derartigen Aufsatz K« schwer bedrängten Standes am
lernen a Uegt' 0 ' i er8e l ien p ”j” a ® d Qg ea t Oscar V u 1 p i u s - Heidelberg.
Vereins- und Congressberichte.
XIV. Congress für innere Wedicin
< 1 1 T.T.1
in Wiesbaden vom 8. bis 11. April.
(Oriirinalbericbt von Dr. Albu-Berlin).
^ Von hervorragenden inneren
Der Congress war reich besucht. Jaksch, Käst,
Klinikern wurden Bäumler, ver a , . j Senator,
,. l.ettbc, T. l..yde», S.«»»«. OcBtc-
Ä d°f—
Versammlung mit einem Ucbcrbhck ü ^ . Errungenschaft
therapeutischen Bestrebungen Die ^ dic
aus der Reihe derselben ist . du, ^ durcllgefü l n -tcn
nun seit l «/* Jahren in gan ' P ^ Thatsac he sicher¬
umfangreichen Prüfungen (cs ,. eine ungemein wirksame
gestellt, dass wir in der Serumbehandhing emo u
Methode zur Heilung der Diphtherie Nachtheile zu
der nötliigeii Vorsiehtsmassrege n 1 i t in don sicheren
befürchten sind. Das worden. Wir
Besitzstand unseres Ileilmittelschatzes . ( , egchichte der Me-
haben mit demselben Axm ^ cin neues Princip der
dicin auf rein wissenschaftlichem ° , cin p r i nc ip, das
Behandlung einer Infectionskrank ici t eStc ht darin, dass
sich in der Praxis bereits bewährt hat. ^ ? dass
wir dem kranken Organismus dadurch . der Körper in
wir von Aussen in" ihn das bincm ,nn ^ ’ p allc aber nicht
günstigem Falle seihst sich m überwunden. Es
in ausreichender Menge, um d , ( ’ rU iidlagc von Wirkung und
sind also rein chemische Einflüsse a ' J W ir haben einen
Gegenwirkung im inficirten vorper einzelne lnfeotions-
Einblick in die Art und Weise J—^ ^
krankheiten zur Heilung kommen. irbt ,, beruht wahr-
^
14. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
849
chemische Schutzkörper dauernd in dem Organismus sich an häufen.
Die Bildung derselben erfolgt aber nicht in den Säften des Kör¬
pers, sondern in den Zellen, und es ist desshalb der Oedanke an
ein Wiederaufleben der Huworalpathologic nicht ernst zu fassen,
vielmehr haben wir durch die neueren Forschungen auf dem Ge¬
biete der Heilung und Immunität gegen Infeetionskrankheiten eine
neue Thätigkeit der Zellen entdeckt: Die Bildung von Abwehr¬
und Sehutzkörpcrn. Die Annahme von der Entstehung anti-
toxischer Substanzen im Blute ist nicht einmal bei der bekannten
Immunität der Schlangen gegen ihr eigenes Gift erwiesen, denn
es ist festgestellt, dass die Thicre das in der Giftdrüse erzeugte
Gift verschlucken. Auch hier nehmen die Zellen das Gift auf.
Die modernen Bestrebungen zur Heilung von Infeetionskrankheiten
bewähren sich mit den« schon von .Jenner bei der Empfehlung
der Schutzpockenimpfung beschrittenen Wege, dem Organismus
einen dauernden Schutz gegen eine solche Krankheit zu verschaffen,
in dem Principe, den Körper die Krankheit in abgeschwächter
Form überstehen zu lassen: in dem einen Falle handelt es sich
um eine momentane, im anderen Falle um eine dauernde Immu-
nisirung des Körpers. Auch die in der ersten Entwickelung
begriffene Organ safttherapie hat nur scheinbar einen Zusammen¬
hang mit den alten humoralpathologischen Anschauungen, denn in
Wirklichkeit sind ja auch hier wieder die Zellen die Bildungs¬
stätten der Organsubstanzen. Ueber die Wirkungsweise derselben
sind bisher nur wenig sichere Thatsachen festgestellt worden, z.
B. die entgegengesetzte Einwirkung des Schilddrüsen- und Neben-
niereusaftes auf den Blutdruck. Ein neues Gebiet der Physiologie
und Pathologie wird in Zukunft durch die experimentelle Be¬
gründung der Organsafttherapie angebaut werden.
v. Leyden (Berlin): Gedächtnissrede zur hundert¬
jährigen Gedenkfeier der Schutzpockenimpfung durch
Edward Jenner.
Am 1-J. Mai dieses Jahres ist der hundertste Geburtstag
der Vaccination, d. h. die hundertjährige Wiederkehr desjenigen
Tages, an welchem Dr. Edward Jenner in zielbewusster Weise
einen Knaben mit dem von einer Kuhmagd entnommenen Inhalt
einer Kuhpockenpustel mit dem Erfolge impfte, dass die spätere
Impfung mit Blattcrnmatcrie die Pockenkrankheit nicht zum Aus- i
brach kommen liess.
Die Impfung bei dem Knaben verlief mit gutem Erfolg,
unter geringen Krankheitserscheinungen.
Diese denkwürdige Impfung wird als der Geburtstag der
Vaccination bezeichnet und bedeutet die Vollendung eines grossen
Werkes, welches die Menschheit von der furchtbaren Plage der
Pockenkrankheit erlöste. Das Werk ist nicht wie Athene aus
dem Haupte des Zeus, fertig aus dem Haupte Jenner's hervor¬
gegangen , sondern ist das Resultat jahrelangen Denkens und
Arbeitens.
Die gebräuchlichsten und einfachsten Mittel zur Verhütung
der Ansteckung von Krankheiten , die Absperrung vom Verkehr
u. A. waren ohne sichtlichen Einfluss auf die allgemeine Kr-
krankungsziffer der Pocken geblieben.
Die Erfahrung hatte gelehrt, dass in jener Zeit fast jeder
zweite Mensch von den Pocken ergriffen wurde, dass aber die
Genesenen nur sehr selten im späteren Leben nochmals an den .
Pocken erkrankten. Sie blieben geschützt. Man war daher |
bemüht, in den günstigen leichten Pockenepidcmieen die Kinder
absichtlich zu inficiren, indem man sie mit Pockenkranken oder
Pockenstoffen in Berührung brachte, man nannte dies die «Pocken¬
taufe». Im Anfang des 18- Jahrhunderts fand zunächst in
England, später auch in den übrigen Culturstaaten die Impfung
niit Men8chenblafctern, die Variolation, Eingang. Man legte kleine
Stiche oder Schnitte an und brachte in diese etwas vom Inhalt
einer Menschenblatter. Dabei hatte man die Beobachtung ge¬
macht, dass die so erzeugten Blattern milder verliefen als die
auf natürlichem Wege übertragenen. Auch unter den Völkern
des Kaukasus hatte sich dies Verfahren erhalten, um die schönen
Georginischen Frauen vor Entstellung zu bewahren. Eine solche
geimpfte Circassierin kam nach Konstantinopel und erregte die
Aufmerksamkeit der Lady Montague, Gemahlin des englischen
Gesandten; dieselbe liess nach derselben Methode ihren Sohn im
Jahre 1718 in Konstantinopel und ihre Tochter im Jahre 1720
in London impfen. Die solcher Weise nach England verpflanzte
Variolation verbreitete sich nun schnell: die Wirkung war für
die Geimpften eine fast zweifellose, aber doch konnte sie sieh
auf die Dauer nicht halten. Nicht immer verliefen die künst¬
lichen Blattern milde*, es fehlte nicht an Todesfällen. Im
Ganzen sollen in England allein bis zum Jahre 1758 200,000
Impfungen mit Menschenblattcrn vollzogen worden sein. Mit der
zunehmenden Häufigkeit dieser Inoculationen vermehrten sich aber
auch die ungünstigen Fälle.
Edward Jenner (geb. am 17. Mai 1749 zu Berkeley als
Sohn eines Pfarrers, gestorben am 26. Januar 1823, 74 J. alt,
in seinem Geburtsorte Berkeley) erhielt, wie er selbst erzählt, die
Anregung zu seiner späteren Entdeckung bereits in den ersten
Jahren seiner ärztlichen Thätigkeit durch eine Bäuerin, welche
seinen ärztlichen Rath aufsuchto und bei dieser Gelegenheit er¬
zählte, dass sie niemals die Pocken gehabt habe und dies
Glück einem Ansschlage verdanke, den sie beim Kuhmelken be¬
kommen habe.
Seine Experimente bestanden im Wesentlichen darin, dass er
die damals übliche Variola-Inoculation als praktischer Arzt häufig
unternahm und bei Individuen, welche früher von den Kühen mit
Kuhpocken angesteckt waren, negative Resultate sah, welche er
mit grosser Genauigkeit prüfte und verzeichnete.
Nach Jahre langem Studium, durch sorgfältige Sammlung
von Beobachtungen und durch eigene Versuche kam Jenner zu
dem Schluss, dass die echte Kuhi>ookc und auch diese nur im
frischen Zustande die Eigenschaft besässe, vor den echten Blattern
zu schützen.
Jenner ist übrigens nicht der erste, welcher Kuhpocken
zum Schutze gegen Men sehen blättern impfte. Als die erste
absichtliche Impfung mit Kuhpockenlymphe wird die von dem
englischen Pächter Jesty bereits 1774 unternommene ange-
sproehen. Derselbe impfte sciue Frau und seine Söhne mit
effectivem Erfolge. Allein dies sein Experiment blieb lange
unbekannt und ohne alle Bedeutung für die spätere Entwickelung
der Pocken impfung. — Die nächste Stelle kommt dem Hol¬
steinischen Schulmeister Peter Plett zu, welcher 1791 eine
Impfung mit Kuhpockenlymphe ausführte. Er war Lehrer in
einer Familie in Schönwaide in Holstein ; hier hörte er, es sei
eine allgemein bekannte Thatsache, dass die Milchmädchen, welche
sich vorher mit Kuhpocken inficirt hatten, niemals die Menschen¬
pocken bekämen. Als nun Plett zufällig einen Arzt die Variola-
Inoculation ausführen sah, kam er auf die Idee, dass man
Kuhpockenlymphe benutzen sollte, um gegen Menschenpocken
geschützt zu sein. 1791, als eine Kuhpocken-Epidemie ausbrach,
liess er die Kinder ihre Hände mit Materie aus den Kuhpocken¬
pusteln reiben; als aber der Erfolg ausblieb, inoculirte er drei
dieser Kinder ohne Kenntniss oder Zustimmung der Eltern. Er
benutzte ein Taschenmesser und machte Schnitte auf dem Rücken
der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Operation
hatte insofern den erwünschten Erfolg, als die 3 geimpften
Kinder, im Jahre 1794, während alle anderen Kinder an den
Pocken erkrankten, ganz gesund blieben. Aber der Krankheits¬
verlauf der Impfung selbst war durch die ungeeignete Wahl der
Finger als Impfstelle so couiplicirt und schwer, dass weitere Impf¬
versuche nicht angestellt wurden.
Jenner benutzte den Fall des Knaben James Phipps, so¬
wie seine Erfahrungen von der Immunität durch zufällige An¬
steckung von Kuhpocken als Substrat einer Abhandlung über
die merkwürdigen Eigenschaften der Kuhpocken,
welche er der Royal Society zur Aufnahme in die Trans¬
actions Anfang 1797 zusandte; die Society aber wies diese Ab¬
handlung mit dem wenig schmeichelhaften Bemerken zurück, er
möchte damit seinen durch frühere Arbeiten erlangten Ruhm
nicht leichtsinnig auf's Spiel setzen. Jenner entschloss sich,
dieselbe Abhandlung im folgenden Jahre 1798 als eigene Schrift
herauszugeben : dies ist die so berühmt gewordene « I n q u i r y
into the Causcs and Effects of the Variolae Vac-
einae or the Cowpox 1798.»
Auf die experimentellen Ergebnisse und die Erfahrungen
von der zufällig erworbenen Kuhpockenkrankheit fussend pro-
clamirte er dreist den Satz: dass die Vaccination für alle Zeit
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350
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
gegen Variolae schützt und dass hierzu eine Punctur und eine
Impfungspustel genügt. In genialer Weise erklärt er theo¬
retisch die wunderbare Wirkung der Kulipocken dadurch, dass
dieselben wirkliche, bei den Kühen modificirtc Variolae sind, was
er durch die Benennung Variolae Vaeeinae ausdrückt. Als
Urpocke betrachtete er die Pferdepocken, welche auf die Kuh¬
euter übertragen werden muss, um ein kräftigeres Virus zu er¬
zeugen. Er hat also die in der Neuzeit durch Pasteur er¬
wiesene Verstärkung resp. Abschwächung eines Krankheits-Virus
durch llebcrpflanzung auf verschiedene Thierspecics schon richtig
verstanden. Experimentell hat er aber seiue Hypothese nicht zu
erweisen unternommen, nicht einmal den naheliegenden Versuch
gemacht, die Variola von Menschen auf Kühe zu übertragen.
Diese Schrift, die Inquiry, erregte die Aufmerksamkeit im
höchsten Grade und fand besonders bei den Aerzten, unter denen
die schon verinuthetc schützende Wirkung der Kuhpocken bereits
viele Anhänger fand, den grössten Beifall. Aber auch an Gegnern
fehlte cs nicht und die immerhin noch anzweifelbaren Beweise
Jenner’s boten der Kritik genügende Angriffspunkte dar.
In allen Kämpfen blieb Jenner unerschütterlich bis zu
seinem Tode in dem Glauben an die Stichhaltigkeit aller seiner
Schlüsse und erklärte den oft versagenden Schutz der Vaccine
durch seine Theorie der spurious Cowpox und der decomponirten
Lymphe.
Und er hat Recht behalten! Er hat sein Werk mit be¬
geistertem Enthusiasmus und mit unermüdlicher Arbeitslust zu
einem hohen Grade von Vollendung gebracht und damit der
Menschheit eine der grössten Wohlthaten erwiesen.
Um die beispiellosen Erfolge der Jenner'sehen Entdeckung
richtig zu verstehen, muss man sich in die furchtbare Noth und
Furcht, welche die Pocken in jener Zeit überall hin verbreiteten,
zurückversetzen. Im 16- und 17- Jahrhundert verheerten mörde¬
rische Pockenepidemien ganz Europa, es scheint, dass England
besonders heftig ergriffen war. Wie furchtbar die Seuche
wüthete, ergaben die wahrhaft erschreckenden Zahlen über die
Pockcn8tcrblichkeit. Sie betrug in England ’/io der Gesammt-
stcrblichkeit, in Frankreich rund 30 000 Menschen jährlich. Dr.
Junker in seinem Bericht schätzt die Zahl der Pockentodesfälle
am Ende des vorigen Jahrhunderts auf 400 000.
Es ist begreiflich, mit welchem Enthusiasmus die frohe Bot¬
schaft der Jenner'sehen .Schutzimpfung allseitig begrüsst wurde.
Der Erfolg war glänzender, als man zu hoffen gewagt hatte.
Was man nicht für möglich gehalten hatte, trat ein; innerhalb
weniger Jahre war die Pockenkrankheit in Europa fast ver¬
schwunden.
In London hatte die Zahl der Pocken todesfällc vor der
Impfung 2000, im Jahre 1800 sogar 2400 betragen; seit der
Impfung fiel sie unter 1000 und betrug im Jahre 1804 sogar
nur 622.
Analog sind die Zahlen der anderen Länder, in welchen die
Impfung sorgfältig betrieben wurde.
Eine so schnelle allgemeine Abnahme der Pockcnsterblieh-
keit war in der Geschichte der Keuche unbekauut und konnte
nur mit der Durchführung der Kchutzpockenimpfung begriffen
werden.
Allein ganz vollendet war das Werk Jenner’s doch noch
nicht, und die Folgezeit hat einige wichtige Verbesserungen ge¬
bracht. Der wichtigste Fortschritt war die R e v a c c i n a t i o n.
Eine Revaccination schien erforderlich und erwies sich
durchaus wirksam. In Deutschland wurde die Revaccination im
Jahre 1819 eingeführt, in der Armee seit 1874 regelmässig geübt
und seit 1874 besteht auch für die Civilbevölkerung Revaccina-
tionszwang.
Der zweite Fortschritt ist die Einführung der a n i m a 1 e n
Lymphe. Diesen Fortschritt verdanken wir hauptsächlich den
Impfgegnern.
Der Macht der Thatsachen unterliegend war die Opposition
für längere Zeit verstummt, aber von Zeit zu Zeit erhoben die
Impfgegner immer wieder ihr Haupt. Besonders in Deutsch¬
land haben sie sich Gehör und Einfluss zu verschaffen gewusst.
Die Opposition betraf theils das Impfverfahren überhaupt, theils
nur den Impfzwang. Die Einwäude bestanden in dem Hinweis
auf den persönlichen (unberechtigten) Zwang, theils auf die
Schädlichkeiten für Gesundheit und Leben, welche nicht ver¬
mieden werden könnten. Insbesondere wurde auf die IJebertragung
von Tubcrculosc und Syphilis, von Erysipel und andern Aus¬
schlägen und Wundkrankheiten hinge wiesen, welche sich nicht mit
Sicherheit verhüten Hessen, daher der Impfzwang unberechtigt
sei und aufgehoben werden müsse. Im 7. Decennium war die
Agitation der Impfgegner besonders lebhaft, sic hat aber seither
noch wesentlich zugenommen. Im Jahr 1877 betrug die Zahl
der von den Impfgegnern eingercichtcn Petitionen nur 21, im
Jahre 18!» 1 dagegen 2951 mit 90,661 Unterschriften. Bemerkens¬
werth ist, dass die Unterschriften grüsstentheils aus den Kreisen
ungebildeter oder halbgebildeter Laien stammten, dass dagegen
Aerzte nur sehr spärlich darunter vertreten wafen. Auch in der
gegenwärtigen .Sitzungsperiode des Reichstages war die Agitation
der Impfgegner sehr lebhaft ; sie wurde aber kurzer Hand zurück¬
gewiesen , wozu der ebenso klare wie vollständige Bericht des
K a i s e r 1. Reichs -Gesundheitsamtes vom Jalire 189G
wesentlich beigetragen hat. Wer ohne Vorurthcil und mit klarem
Blick die Auseinandersetzungen und Zahlen durchliest, wird keinen
Zweifel darüber haben, welche Segnungen uns die Kuhpocken¬
impfung gebracht hat.
Wie nicht selten hat die nur wenig begründete 0]>[>osition
ihr Gutes gehabt. Sie hat dazu geführt, die Mängel der Jenner¬
sehen Impfung nicht zu übersehen, sondern sie zu vermeiden.
Die Folge davon war die Einführung der R etro v accine, d. h.
der Rüekimpfung der menschlichen Kchutzpoeken auf das Rind
und die Impfung mit dieser humanisirten Knhpockenlymphe. In
Deutschland ist der Gebrauch der humanisirten Lymphe fast ganz
verdrängt und durch die animale- Impfung ersetzt. Keit 1884
besteht eine Commission im Reichs-Gesundheitsamt und staatliche
Impfinstitute zur Herstellung (am Kalbe), Conservirung und (kosten¬
freien) Versendung von Lymphe.
Durch dieses Impfverfahren, welches als ein wesentlicher
Fortschritt anzusehen ist, wird der Impfschüdigung durch
IJebertragung von Krankheitsstoffen mit der Lymphe vorgebeugt,
um so sicherer als das Thier, von welchem die Lymphe ent¬
nommen wird, bevor es zur Anwendung derselben kommt, ge¬
schlachtet und gesundheitlich untersucht werden kann.
Unstreitig hat Deutschland seit Durchführung dieser Impf-
mcthodc und der zwangsweisen Revaccination die besten Impf
rcsultatc unter allen Staaten aufzuführen. Auch die letzte kleine
Pockenepidemie, welche im vergangenen Winter sich durch Ein¬
schleppung von Polen aus in Berlin entwickelte und nur 15 Fälle
umfasste, hat, wie die sorgfältige Analyse der Einzelfälle erwies,
den überlegenen Nutzcffeet der Schutzimpfung dargethan, denn
säuimtlichc Opfer dieser kleinen Epidemie, 3 an der Zahl, waren
ungeimpft, bei den Geimpften, welche ergriffen wurden, war der
Verlauf ein leichter.
Der Vortragende gab zum Schluss eine kurze Uebersicht über
das grosse Gebiet von Arbeiten und Entdeckungen deutscher und
französischer Forscher über die Bactcricntoxine und Antitoxine,
über Giftfestigung und Immunität, welches sich an die Jen n er¬
sehe Schutzpockenimpfung angeschlossen hat und bereits jetzt mit
reichen Früchten bestellt ist. Wir stehen heute inmitten einer
grossen Bewegung auf diesem Forschungsgebiete und können mit
Zuversicht von der nächsten Zukunft weitere wichtige Resultate
erhoffen zum Ruhme der Wissenschaft und zum Heile
der Menschheit.
Ueber den Werth der arzneilichen Antipyretica.
Käst-Breslau (Referent): Die Wiederaufnahme der Discussion
Uber Antipyrese, deren Gewinn a priori zweifelhaft erscheinen
könnte, rechtfertigt sich dadurch, dass die arzneiliche Antipyrese
unter den Praktikern immer noch viele Anhänger zählt, und anderer¬
seits durch die fortschreitenden Kenntnisse über die Pathologie der
Infectionskrankheiten, deren Verwcrthung für die Beurtheilung der
Antipyrese am Platze erscheint. Für die Beurtheilung der Grund¬
frage, ob die Herabsetzung der Körpertemperatur ein nützliches Ding
sei, stehen zwei Wege offen : 1. Die Verwcrthung der statistischen
klinischen Ergebnisse der Therapie, 2- das Thierexperiment. In
letzterer Beziehung erwähnt der Vortragende die Versuche von
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14. April 1896-
351
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Walther, Iiovighi, Fi lehne, Löwy und Richter, sowie
die von Hildebrand mit hydrolytischen Fermenten; in Allen
zeigte sich die Erhitzung inficirtor Thicre für den Verlauf, be¬
ziehungsweise die Heilung des Infoctionsproeesscs von günstiger
Wirkung. — Es erschien angemessen, nach Kenntnis» der ein¬
zelnen Coruponenten des Iufcctionsverlaufs und seiner Heilung
den Einfluss der erhöhten Körpertemperatur auf diese einzelnen
Factoren zu studiren. Max Müller constatirte für den Typhus¬
bacillus, dass seine Wachsthumsenergie durch Temperaturen von
40° und 41° jedenfalls nicht geschädigt wurde und dass auch
seine Virulenz durch dieselbe nicht Noth litt, lieber die Schutz¬
kräfte des Blutserums stellte der Vortragende eigene Untersuchungen
an, und zwar im Anschluss an die Forschungen von Pfeiffer
und Kollo, über die spccifisohc Immunitätsroaetion der Typhus¬
bacillen. Mit dem von Prof. Pfeiffer gütigst zur Verfügung
gestellten Serum wurde in der Art vorgegangen, dass das Meer¬
schweinchen gegen virulente Typhusdosen mit der Hälfte bis dem
Viertel des «Titres» geimpft wurde. In einer grossen Anzahl
von Versuchen verendeten die bei 36° Körpertemperatur
gehaltenen Thicre ausnahmslos, während die bei
40° bis 41° gehaltenen gerettet wurden und lohen.
Riese Ergebnisse scheinen dem Vortragenden ein wichtiger Beitrag
zu sein für eine gewisse schützende Kraft der fieberhaften Körper¬
temperatur im Verlaufe dos Heilungsvorganges der Infection. Nach
einigen Bemerkungen über die vorläufig wenig studirten Beziehungen
der erhöhten Körpertemperatur zur Bildung der Antitoxine und
der Phagocytose berührt derselbe den Einfluss der Ueberhitzung
auf den Stoffwechsel und die Bildung saurer Stoffwechselproduete,
welche die Blutalealescenz vermindern und von denen K lern per er
nachgewiesen hat, dass sie beim septischen Fieber auch nach
Herabdrückung der Körpertemperatur vorhanden sind. Die sta¬
tistisch-klinischen Ergebnisse, soweit sie bei ihrer Vieldeutigkeit
Beweiskraft haben, sprechen nicht zu Gunsten der arzneilichen
Antipyrese. Der Vortragende erinnert an die Ergebnisse von
Riess, der 1882 über 377 ausschliesslich mit Salicylsäure be¬
handelte Typhen berichtete und eine Mortalität von 20,7 Pn*c.
erzielte. Vortragender gelangt daun zu dem Schluss: Bei den
fieberhaften Infcctionskrankhcitcn liegen die wesentlichen Gefahren
nicht in der erhöhten Körpertemperatur; wo functionclle Störungen,
besonders von Seiten des Nervensystems, vorhanden, sind sie erforder¬
lichen Falls zweckmässiger durch die abkühlende Badebehandlung
zu beseitigen. Bei Individuen, deren Nervensystem gegen hohe
Temperaturen besonders empfindlich ist, kann cs am Platze sein,
zeitweilig kühler zu baden und den Effect des Bades durch eine
Gabe Chinin zu verstärken. Während dieses Medicamcnt eine
Sonder Stellung einnimmt, besitzen die übrigen arzneilichen Anti-
pyrctica lediglich den Werth symptomatischer Nervine, welche
von Zeit zu Zeit in massigen Dosen zu verabreichen sind —
mit der Einschränkung, welche die Eingangs erwähnten Versuche
nothwendig machen.
Binz-Bonn (Corrcfcrent); Der Werth der arzneilichen
Antipyrctica wird um io besser abzuschätzen und zu umgrenzen
sein, je besser wir unterrichtet sind über das Wesen ihrer Wirkung.
Es handelt sich um Chinin, Salicyl, Antipyrin, Antifebrin,
Phenacetin, Thallin und Weingeist.
Chinin galt überall bis zum Jahre 1867 als vom Nerven¬
system aus seine Wirkung entfaltend. Der Vortragende erwies
dann seine Eigenschaft als eines starken Giftes für niedere
Protopla8men, besonders für die, welche heim Verwesen von
Pflanzen entstehen; er erwies ferner die Unabhängigkeit der
fieberwidrigen Wirkung im Allgemeinen von den Nervencentren
und vom Kreislauf und sagte voraus, dass ein niederster Organis¬
mus die Ursache der Malariafieber sein müsse, deren rasche
Heilung durch Chinin auf der Lähmung jenes Parasiten beruhe.
Bic Entdeckung von La voran und die Arbeiten seiner Nach- i
folger haben diese Voraussage als richtig dargethan. Die Herab- J
Setzung der Fieberwärme bei sonstigen Erkrankungen und die j
Erniedrigung der Temperatur des gesunden Warmblüters kommt
zustande durch directc Dämpfung der Thütigkeit stoffumsetzonder
Hellen. Ras erhellt aus folgenden experimentellen Thatsaehcn:
1} Einschränken der Zahl und Vitalität der Leukocyten durch
Chinin. 2) Herabsetzen des Stickstoffs .und des Schwefels im
Harn beim gesunden und beim fiebernden Warmblüter. 3) Ilcrab-
setzen der Innen wärme des Körpers im heissen Rampfbad durch
Chinin. 4) Herabsetzen der Wärmeprodnetion des gesunden und
des fiebernden Warmblüters in Kühner’s Calorimeter. — Das
Chinin ist ein Antipyretieum durch seine Wirkung auf Zellen,
sowohl auf die krankmachenden der Malariafieber als die normalen
des Organismus. Seine fieberwidrige Wirkung hat demnach einen
besonderen und einen allgemeinen Charakter. Ob es auch auf
andere innere Krankheiten direct lähmend wirkt, bedarf weiterer
Untersuchung.
Salicyl säure. Sie hat ähnliche Eigenschaften wie das
Chinin: Stark fätilniss- und gührungswidrig, ungiftig und un-
zerstört im Organismus des Menschen. Ihr Feld ist das noch
unbekannte Irritament des acuten Rheumatismus. Die geringe
chemische Kraft des N’atriumsalzcs, als welches sie im Organismus
kreist, ist kein Hinderniss; denn der Vortragende hat gezeigt,
dass die wirksame Säure schon durch die Kohlensäure entzündeter
Gewebe gelockert wird. Im Uebrigcn ist die Salicylsäure von
dem Chinin sehr verschieden in Bezug auf andere Thätigkeiteu.
Sie erhöht die Innenwärme im heissen Dampfbade, sie erzeugt
eine Zunahme des Stickstoffs im Harn, sie bewirkt eine Ver¬
mehrung der Leukocyten im Blute. Sie stimmt also mit dem
Chinin darin überein, dass sie ein gewisses Fieberirritament be¬
seitigt, dagegen ist sie von ihm darin verschieden, dass sie auf
die Zellen des Organismus anders wirkt und sich darin der
folgenden Gruppe ähnlich zeigt.
Antipyrin. Ungleich den beiden vorigen wenig fäulniss-
und gührungswidrig. Verbreitet ein deutliches Gefühl von Wärme
über den ganzen Körper, wenn im Anfänge eines Katarrhaltiel>ers
aufgenommen. Zuntz und seine Schüler lehrten, dass durch
Verletzung des Corpus striatum im Gehirn echtes Fieber erzeugt
werden kann. Dieses Fieber reagirt nicht auf Chinin, wenig anf
Salicylsäure, sehr gut auf Antipyrin. Ferner erhöbt Antipyrin
die Inncnwürme im heissen Dampfbad. Es verändert nicht die
Menge des Harnstoffs im Harn , es vermehrt die der Harnsäure.
Es steigert, im Calorimeter geprüft, die Abgabe der Wärme von
der Haut und steigert gleichzeitig die Production der Wärme im
Innern. Aus Allem folgt, dass es seine antipyretische Wirkung
vom Central-Nervcnsystcm aus bethätigt, also wohl von den Organen
der Regulirung, die im Gehirn liegen. Es ist nur ein symp¬
tomatisches Antipyretieum, aber ein solches von rascher Leistung
in den meisten Fie)>ern. Herabsetzen eines centralen, durch die
tiebererregende Ursache veranlassteu Nervenreizes ist das Weson
seiner antipyretischen Wirkung.
Antifebrin, Phenacetin und Thallin verhalten sieh
wahrscheinlich ebenso oder doch ähnlich. Nur vom Thallin lässt
sich ausserdem eine gewisse di recte keimlähmende Wirkung in
lnfectionsfiebern unterstellen.
Weingeist. Bis zum Jahre 1869 galt der Weingeist fast
allgemein als erhitzend in Fiebern. Der Vortragende und seine
Schüler zeigten an gesunden und au fiebernden Thiercn, dass das
unrichtig war. Wo der Weingeist erkennbar auf die Körj*erwärme
wirkt, timt er das immer nur im Sinne eines Abfalles. Das ist am
Deutlichsten in den sog. septischen oder putriden Fiebern. Zwei
Curven, an fiebernden Hunden gewonnen, werden von B. vorgelegt.
Septisches Fieber ist auch das Puerperalfieber. Hier ist die rasche
Entfieberung durch grosse Gaben Weingeist am besten bewiesen.
(Breisky, Ahlfeld. Runge). Die Ursachen der Kntficl>crung
können mehrfach sein. Die Nothwendigkeit von Nervensystem und
Kreislauf als deren Angriffspunkte hat der Vortragende durch Ver¬
suche aus dem Jahre 1870 ausgeschlossen. Eine Herzerregung kann
insofern in Betracht kommen, als dadurch der Kreislauf in der
Haut aufgebessert und die Abgabe der Wärme vergrössert wird.
Ferner kann die starke Gabe Weingeist im Organismus antiseptisch
wirken, also die Lebenskraft der Baetcrien herabsetzen. Dass
eine solche von anderen Factoren losgelöste rein chemische Thütigkeit
der Weingeiste möglich ist, bewies dem Vortragenden das Aus¬
bleiben der postmortalen Wärmesteigerung, die er in der Behand¬
lung starker Fieber mit grossen Gaben Weingeist bei Thieren
sah. Endlich ist es erwiesen, dass der Weingeist die Harnaus¬
scheidung mächtig anregt und daher die rasche Ausscheidung der
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Münche ner medicinische w ocgENgcmg^
No. 15-
da. Fieber voran— un*
bringen kann. Wa rsc rein “ Entfieberung und Heilung.
S^ÄTSTot^d noch weiterer eaperiment«Her
Bearbeitung.
Unverricht (Magdeburg): Ueber das Fieber.
Vortragender iuacht der
Sn^rS^bUebt, wa«' «ran unter Fieber zu verstehen
habC- Von den vorhandenen Theorien verdienen die meiste Be¬
achtung: . . , nan unter Fieber einen
« ’clpTcx W-. te*
• die Temperatursteigerung bedingt sind um zwar u
" Temperatursteigerung, auf wnkl.c der tank.
Zorn sb eingestellt ist, wie der gesunde auf die Normal
,) Sk Anlauung, das» Fieber ein Couiptat von
2) toi unter denen die Teni.mratursUiigerung eine ^osse Rolle
spielt, aber niebt die andern Symptome bedingt..
Unverricht weist nach, dass die meidm, d er,
S.Ü w«e bei den infeetitlsen Fiebern im Körper
krCiSC tlr bemnt ferner, dass auch * einbeitliete Meehanismns
für das Zustandekommen des Fiebers nicht zu ’ Kbdc se j
r tz
ls siig^r Äsv-t«:
St“ SS JSÄ Slcist^'sehe Anschauung
" nha Ata auch die zweite Theorie trifft.nicht zu, «»^so¬
genannte fieberhafte Symptomoncomploii durch kc h ^ c3
"'mit (pusser* Wahrscheinlichkeit nicht.
Auch wird das Fieber nicht, wie einzelne Ä .
das Freiwerden von Fibrinferment ,m B lute er gt D
Z ist” die Einheit hinfällig und die ganze Theorie
Es bleibt desshalb nach Unverricht nichts anderes «tag
als den Begriff Fieber, der rieh nicht de«,,,reu ltet,
zu lassen oder in soweit zu verflüchtigen, ass i , n ‘ , (Uj .p
die Temperatursteigerung schlechtweg versteht,
jede Temperatursteigerung, auch die des Mensche
und die des marschirenden Soldaten. , Svmntoin
Das Fieber ist dann nichts weiter, wie jedes andere *.yi«l to ,
• wie die Vermehrung der Pulsfrequenz, der Kopfschmerz, du. >
dauungsstörungen u. s. w. o . , - apVl „
vorwiegend durch ihre Eigenschaft ungeme die ar0 ma-
und Additions-Producte zu geben. “^JjjJoducte gebunden,
tischen Verbindungen häufig an ”Jg° unKe „ dir Autoin-
deren Fortschaffung aus dem Ö^nismus Erscheinung
toxicationen beseitigen. Sehr häufig s.ni es «P
welche zum Theil die Gewebsathmung herabsetzen,
«ycuronsaure, ferner solche Verbiudungen me ^mld»*
"’tSäSÄ wie sich im
artas 1 äM ggfärxk
. i Koi den Autointoxicationen eine sehr grosse
und Tyrosin 8 Pi ele . n „ b u ar |. “jeht nur bei der Phosphormtoxication
Rolle und werden im Harnin> M 801lder n auch bei verechiedeneu
und der acuten gelben EebertropJ • Ro tz, Lyssa (Frenchs
Infectionskrankbmten - Pock ^ XP Pouch et, Robin etc.),
Stadeier. Lehman», bei Herzkrankheiten
bei Leukämie, bei 1>' > lent i ne r) etc., gefunden.
(Anderson), bei Epileps e { Stoffwecbselproducten belastet
Die Gewebe, welche ' OI V 8 ® t?;,, führumr der Antipyretica von
sind, werden d “ rc J..£^ I J“ 1 lAddiSon8- und^ubstitutionsproducten
denselben durch Bildung von AO nach Einführung von
AnUpyretiS 1ÄS der* intermediären Stoffwechselproducte
Anfa Ton te pmktischer
Antipyretica stets gle«h«itig,mit gen g ^ die Bddung VO u
saurer Salze gegeben werden sollten, 0rgani8mus erle i c htert wird,
blimfassTreli der Nieren dieselben weniger reizen, als die
derAntipyrese
Herz (">en) meint, d . , bcben Erwärmung beurtheilen
nicht nach dem bBse entscheiden. Redner habe an ein¬
dürfe. Die Praxis allein “““^JJeregulirung, Hyperthermie nach
zeitigen Organismen die gleicdie W ß Menthol nac hgewiesen wie
Infection und auch En“« 06 ™ 1aS An nahme eines Wärmercgu irungs-
beim Thiere, hält darum d rC^nmeterversuche seien im Pnnope
mechanismusfüruniiöth g.D\ e ^ übersehe man allgemein die nicht
verwerflich. Bei der Wärmen , die Wasserbindung für
chemischen Wfimequdl«»,dass bei jedem Temperatur-
die ergiebigste liält- Er g Wärmemengen frei würden,
ÄttS Ä * - * Dteet,cum “ ch
el “ A v nti JÄ m ( Pr»p): Neben der
noch ein zweites wichtiges )mp Q neiwe j B8 zerfällt und lässt
änderung des Stoffwechse . ■ A _ ce f eB8igsil , ir e. Den Alkohol will
Säuren frei werden wie . ■ , j Antipyreticum, sondern als
J in der Fieberbehandlung nul „: RSPn 1 Vor grossen Mengen
herzkräftigendes Mittel!angeweiu l ^ Q ein0 Reizung der Nieren
ist zu warnen, schon kleine Mc g . bi3 zum Lactophenm
hervor. Die Antipyretica jd8 Antipyretica im eigentlichen
haben alle ihren Wmth, desshalb unentbehrlich.
Sinne, sondern als Nervma in "o jähriger Praxis noch me ein
- Schill (Wiesbaden) hat gJO^“ i( J ltBpunkt in der Fieber-
ÄÄ^renftao S, <ler Erbrilung der HerzkraR. Er S ,b.
Alkohol, z«l b “*iSÄjS b SS!^rifektaeme Befriedigung darüber
Unverricht C Ma k acüur P^ , Standpunkt in so scharfer
aus, dass io dem ^ den e“eR den, Jahre lt82 in
Form zum A o sdrl J ck ^^prtrPtpn hat Er hat immer betont:
der Fieberbehandlui "IchaS'diferhöhten Temperatur nicht be-
2 ' rÄtUre von der Nützlichkeit des Fiebers viel Wahr-
scheinlichkeit für sich bat Au8 f ü hrungen des Herrn
In beiden Punkten ergänzt er die Auslünru^^ ^
S?!Är-sl B^JX'dk VemSe, bei weleh.n der
ist, weil lncr die natürlichen B prll « htp g Teinneratur gleichzeitig mit
sind, weil hier insbesondere • , ® US P zur Bewältigung der
den übrigen Schutzkräften des » 8 soicl.e Schutzkräfte
Bncterien zusammenwirkt. Ua8S K • Zweifellos. Unverricht
ausser ^ er r ainTeukMvtoso^drare^klHistlirfieErzeugung «ach
erinnert z. B. an die Leuk y • Richter den experimentell
den Untersuchungen von Löwy m Er inac ht ferner
erzeugten Krankheitsverlauf gänsti beem j bei höheren
SÄ! X- Ä Genesung haben, wenn
Si0,, ts".ei auch klinisch .» hoobacliton
Greise verlaufe um so günstiger, je kräft.ger d e neue
Sl 'n,es in Allein U«.=
Debatte die Lehre von der AnU\>) ^l r den Angelpunkt der Therapie
e?ne «eise Einnch-
-- fc?Ä.r. r. sksstkä*
Bekämpfung des Fiebers bei Phth.sAern. J 8.^ Appet it ( Ruhe
ÄÄÄ- Ndtor anr Wirkung, «en» zuvor
di ° ^ÄiBÄ“»SUerz =? » £ das» etatwede»
an der Betheiligung des OentraUierveMy tem Wärmeregulation
des Fiebers noch festzuhalten sei. Die cenira
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14. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
358
bildet eine vitale Function. Der Werth der Antipyretica sei nicht
in leugnen.
Käst (Breslau) bemerkt im Schlusswort, dass er trotz der
grundsätzlichen Negation der Antipyrese mittelst Arzneimittel eine
Individualisirung durchaus für geboten erachte.
(Fortsetzung folgt.)
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 7. April 1896.
Vorsitzender: Herr K Um mell.
I. Demonstrationen.
1. Herr Lauenstein stellt eine 43 jährige Patientin vor, bei
der er wegen Sanduhrmagens die Gas t roanastom ose aus-
geföhrt hat, eine Operation, um die Wölfflor vor einem Jahre die
Maeenchiiurgie bereichert hat. Die Kranke hatte Jahre lang an Car-
dialgien, Haematemcsis, saurem Erbrechen etc. gelitten und drängte
znra operativen Eingriff. L. beabsichtigte, eine Verbindung zwischen
Magen und Dünndarm herzustellen, um dem vermutheten Ulcus
{.•ünstigere Heilbedingungen zu verschaffen, fand einen durch eine
stricturirende Narbe bedingten Zwerchsackmagen und stellte
in typischer Weise eine Anastomose zwischen Cardin- und Pylorus-
theil her. (Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.)
2. Herr Kumpel zeigt einen 30jährigen Patienten mit mul¬
tiplen Narbenkeloiden über der Brust und beiden Schulter¬
blättern. Interessant ist die symmetrische Anordnung der
aus derbem Bindegewebe bestehenden, rosa gefärbten, bobnen- bis
taubeneigrossen Tumoren sowie ihre Entstehung aus aus¬
gedrückten Acnepusteln (Comedonen).
3. Herr Gusmann stellt einen Kranken vor, an dem von Herrn
Wiesinger eine osteoplastische Oberkieferresection
wegen Fibroms der Schädelbasis vorgenommen ist, welches
trotz fortgesetzter Behandlung weiter wuchs und zur Zeit der
Operation den ganzen Nasen Rachenraum ausfüllte mit Vorwölbung
des weichen Gaumens. Ausserdem war ein Fortsatz bis dicht an
das rechte Nasenloch gewuchert und die ganze rechte High mors¬
höhle von einem zweiten eingenommen und bildete eine Vortreibung
der rechten Wangengegend. Mikroskopisch gutartige Geschwulst.
II. Vortrag des Herrn PI uder: Ueber Rhinitis
fibrinosa diphtherica.
Vortragender gibt eine eingehende Schilderung des von
Schüller 1882 zuerst beschriebenen, von Hartmann 1887
als Krankheit sui gencris anfgefassten Krankheitsbildes und kommt
auf Grund seiner an 6 Fällen in 4 Monaten gemachten Be¬
obachtungen zu dein Resultat: die Affeetion ist das beste Bei¬
spiel der localen Einwirkung der Diptherie; er weist auf die
Analogie mit der croujiösen Conjunctivitis hin; sie ist bedingt
durch den Löffler'sehen Bacillus, dem oberflächliche Kpi-
tbelläsionen (in 2 Fällen Trauma, in einem Fremdkörper) Ge¬
legenheit zur Ansiedlung geben; damit ist die Möglichkeit gegeben,
dass nur eine Nasenhälfte befallen wird. Trotz der im All¬
gemeinen bei subacutem bis chronischem Verlaufe günstige n
Prognose ist auf die rasche Beseitigung zu sehen, da Com-
bination mit Rachendiphtheric hei den Kranken selbst, sowie
Vergesellschaftung mit schweren Anginen und Schlunddiphtherien
bei Familienangehörigen Vorkommen kann. Die Krankheit ist
nicht selten, wird sicher oft übersehen, befallt vorwiegend Kinder
und nicht häufig Erwachsene und selten Säuglinge. Ob Folge¬
erscheinungen, wie Lähmungen etc. nach den localen diphtherischen
Processen in der Nasenschleiinhaut Vorkommen, ist noch nicht
sicher.
Diacußsion. Herr Franke: Bei der Conjunctivitis unter¬
scheidet man eine croupöse und eine diphtherische Form. Bei der
orsteren bestreitet F. das Vorkommen von Diphtheriebacillen im
Conjnnctivalsack, wenn auch Uthoff und Fränkel und später
•Schirmer ihn gefunden haben wollen; ihre Auffassung des von
F Fränkel und ihm beifibrinöserConjunctivitis gefundenen
Verosebacillus als avirulenten Diphtheriebacillus kann er nicht
billigen.
Herr SimmondB bestreitet das seltene Vorkommen von
fibrinöser Rhinitis bei Säuglingen, glaubt im Gegentheil auf Grund
seiner Erfahrungen bei Sectionen atrophischer Kinder, dass diese
eher zu der Affeetion incliniren. Auch in solchen Fällen wurden
Löffler’sehe Bacillen nachgewiesen.
Herr Fränkel: Bei den fibrinös exsudativen Processen der
yonjunctiva, die er während einer solchen Epidemie bei Kindern
IV K £ PP endorf e r Krankenhause beobachtete, wurde stets ein dem
"iphtheriebacillus morphologisch ähnlicher Bacillus gefunden und
teme anderen. Derselbe erwies sich fürThierenichtpathogen
und machte Nährbouillon nicht sauer, unterscheidet sich also
hierdurch biologisch wesentlich vom Löffler’schen. Er ist kein
Saprophyt, weil durch die histologische Untersuchung das Ein¬
dringen ins Gewebe nachgewiesen wurde, spielt vielmehr bei der
fibrinösen Syndesmitis eine wesentliche Rolle. Die durch
ihn erzeugten Auflagerungen Hessen sich in dünnen Membranen,
ohöe Substanzverlust zu hinterlassen, abziehen.
III. Vortrag des Herrn Jessen: Ueber die functio-
nelien Erkrankungen des Nervensystems nach Unfällen.
J. gibt zunächst eine Uebersicht über die verschiedenen An¬
sichten über das Wesen dieser Erkrankungen, die von den Einen
als traumatische Hysterie (Chareot), von Anderen als Neu¬
rasthenie, als Krankheit sui genoris (Oppenheim) oder als
besondere Art der Hysterie (Grashey) aufgefasst werden. J.
hat unter 500 Füllen, in denen er Unfallsgutachten abzogeben
hatte, 13 «traumatische Neurosen» beobachtet. 2mal handelte
es sich um Epilepsie, 3mal um Herzneurosen, 1 mal um trau¬
matische spastische Zitterneurose, 7 mal um Psychoneurosen. In
keinem der letzteren Fälle konnte er das M a n n k o p f ’ sehe
Symptom ((«csichtsfeldeinschränkung) oder die von Schüller be¬
obachtete DifFercnz der Temjieratur der beiden Köri>erhälften nach-
weisen. Er glaubt, dass es sich in allen diesen und ähnlichen
Fällen sicher um anatomische Veränderungen im Centralnerven¬
system handle. Redner gibt eine Reihe interessanter Kranken¬
geschichten : In einem Falle entwickelten sich längere Zeit nach
dem Trauma epileptiformc Anfälle, typische Absencen; in einem
zweiten bestand kurze Zeit nach dem Unfall nur eine schmerz¬
hafte Steifigkeit im Rücken; ein Jahr später SehUttelzittern;
wieder ein Jahr später Muskelrigidität, also das typische Bild einer
Pa rk i n son'.sehen agitirenden Paralyse; in einem dritten sah er
Schüttelzittern, keine Rigidität der Musculatnr, gesteigerte Reflex¬
erregbarkeit. In der Mehrzahl handelte es sich um allgemeine
nervöse Beschwerden ohne objective Störungen meist nach Fall
auf den Rücken. Dynamonietrisch liess sich oft eine Abnahme
der Muskelkraft fcststelleu, wie denn überhaupt die Herabsetzung
des Muskel tun us neben den Störungen in der psychischen Motilität
im Vordergründe stand. Eingehende Untersuchungen Uber der¬
artige Störungen und ihre Beziehungen zum Trauma enthalten
StrümpeH’s und Bernstein’« jüngste Veröffentlichungen.
J. plaidirt für den Vorschlag von Immelmann eines Arbeits¬
nachweises für theilweise Erwerbsfähige und regt
an, in Einzelfällen, in denen sich der Grad der Erwerbsfähigkeit
nicht präciaircn lasse und die Beurthcilung des Krankheitszustandes
(SimulationV) schwierig sei, vorerst kleine Renten zu geben, die
den Empfänger zwängen, sich einen Verdienst zu schaffen. Während
er im Falle der Arlieitsfühigkcit im Stande sein dürfte sieh zu
ernähren und die Rente nur als angenehme Neben ei rinahme be¬
trachten würde, müsste entgegengesetzten Falles eine entsprechende
Erhöhung der Rente baldmöglichst eintreten.
Discussion wird vertagt. Werner.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 4. Februar 1896.
Nach einer kurzen geschäftlichen Debatte hält Herr Reiche
seinen angekündigten Vortrag: Zur Pathologie der Diphtherie.
Herr Reiche demonstrirt eine Reihe von mikroskopischen
Präparaten, welche von den inneren Organen an Diphtherie ver¬
storbener Patienten stammen, und spricht über die Formen und
die Häufigkeit der in denselben hervortretenden Veränderungen.
Es wurden 88 vor Einführung der Bell ri n g'sehen Therapie ver¬
storbene Fälle untersucht, die überwiegend in kindlichem und
jugendlichem Alter standen; 54 zählten unter 5 Jahren. Der
frühzeitigste Todestermin ist der 2. Krankheitstag; etwas über
die Hälfte dieser Kranken war bereits vor dem 8- Tage der
Infeetion erlegen, die spätesten schleppten sich bis in die 3. nnd
4. Woche hinein. Mehrere Wochen nach abgclaufener Rachen¬
diphtherie starben 3, — 2 an Bronchopneumonie, 1 an Land ry ’scher
Paralyse. Bei 60 Patienten war die Tracheotomie ausgeführt
worden, die klinischen Besonderheiten dieser Fälle, der Fieber-
verlauf, das Verhalten des Harns, werden kurz berührt, ebenso
die bei der Seotion aufgedeckten Alterationen und Uomplicationen:
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354
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien waren häufig ergriffen,
häufig auch fanden sich bronchopneuiuonisclie Verdichtungen von
wechselnder Zahl und Umfang in den Lungen; 8 mal zeigten
Abschnitte des Oesophagus, 14mal Thcile der Magenschleim¬
haut diphtherische Oberflächennekrosen, einmal war eine längere
Strecke des lleum in gleicher Weise erkrankt. Unter 37 daraufhin
untersuchten Fällen wurden in 65 Proc. Streptococcen und Staphylo-
coccen, in fast 50 Proc. Streptococcen allein, 2 mal Löffler'sehe
Bacillen mittelst Culturverfahreus in den inneren Organen nach¬
gewiesen. Der Sectionsbefund stützte und bestätigte nicht immer
die klinischen Abgrenzungen, denen zufolge bald das Bild des
descendirenden diphtherischen Processes, bald das der septischen
Allgemeininfection vorzuliegen schien.
Mikroskopische Veränderungen in den Nieren fehlten nie;
Charakter und Ausbreitung variirten erheblich. Immer trat das
vorwiegende oder alleinige Befallensein der Nierenrinde im Vergleich
zur Markschicht hervor. Man begegnet zweien Hauptformen von
Alterationen an den Nieren, in rund der Hälfte der Fülle ent¬
zündlichen Vorgängen am Zwischengewebe, welche unter sich nach
Lage, Anzahl und Grösse grosse Differenzen bieten, in allen
Parenchym Veränderungen, zumeist trüber Schwellung und fettiger
Degeneration der Epithelien, sehr viel seltener daneben coagulations-
nekrotischer Epithelabtüdtung. Die Malpighischen Glomeruli sind
ausnahmslos verändert von sehr vereinzelten und spärlich.n Depo¬
sitionen im Kapselraum bis zu massigen zellreichen Exsudaten und
pathologischen Alterationen an Gcfüssschlingen und Wandepithelicn.
Cylinder wurden selten vermisst, recht oft waren sie in reichlicher
Menge vorhanden. In 13 Proc. unserer Fälle sind rote Blutzellen
im Lumen einzelner Kanälchen gesehen; 5 sind darunter, in denen
gleichzeitig vollgeblutete Bowman’sche Kapseln constatirt wurden ;
interstitielle Blutaustritte im Labyrinth waren 3 mal vorhanden;
häufiger noch stiess man auf einzelne Erythrocyten in den in die
Glomcruluskapscln abgesetzten Ablagerungen. Wir nehmen an,
dass alle diese Blutextravasate excessivcr Stauung ihre Entstehung
verdanken. — Auf Art, Form und Ausdehnung der geschilderten
\ eränderungen übt die Verlaufsdaucr der Krankheit nur einen
beschränkten Einfluss aus, auch sonst sind dafür weder in den
klinischen Symptomenbildem noch in den bei der Sectio» an’s
Licht gezogenen Complicationen bestimmende Faetoren zu ent¬
decken. Eine toxische Nephritis liegt vor. Die Quantität der
resorbirten Toxine, welche für das Zustandekommen der mannig-
artigen Nierenveränderungen in erster Linie anzuschuldigen sind,
muss der Localisation der Krankheit entsprechend grossen
Schwankungen unterworfen sein; eine zweite Rolle spielt die ver¬
schiedene Giftfcstigkeit verschiedener Individuen.
Durch obige Befunde werden die Ergebnisse früherer Unter
suclier bestätigt und erweitert; vor allem Brandt, Fürbringer.
1* i s c h 1, fl e r t e 1, v. Iv a h 1 d e n , Bernhard und F eisen
thal, Goodall, haben über die diphtherischen Nierenläsionen
gearbeitet. Das Vorkommen coagulationsnekrotisolier, karyolytischer
Processe bei denselben ist 1883 noch abgestritten worden ; sicher
ist, dass sie nicht gerade häufig sind, selbst in ausgeprägten Fällen
nie an Extensität die gleichzeitigen plasmolytischen Vorgänge über¬
treffen und nie in dem weiten Umfang sich ctabliren, wie 4 . B.
bei der Cholera, der Pneumonie und manchen Vergiftungen.
Die Leber war in unserer Untersuchungsreihe der Sitz
mannigfacher Veränderungen. Sehr häufig bestand eine diffuse
strotzende Füllung der Capillaren, die oft. zu hochgradiger Ver¬
schmälerung und zu Schwund der benachbarten Zellbalken geführt
hatte. Ilämorrhagieen in’s Parenchym wurden 11 mal auf gedeckt,
an frühen wie an späten Krankheitstagen. Sie sind, wie die ana¬
logen Vorgänge an den Nieren, ein Product hochgradiger Blut¬
stauung; auch der in acuter Respirationslähmung an La n dry 'scher
Paralyse verstorbene Knabe zeigte sie. Bei Pneumonikcrn sind
sic gleichfalls nicht selten (Frankei und Reiche, Zeitschr. f.
klm. Mcdicin, XXV., 1894).
Nekrosen einzelner Gruppen von Parenchymzellen wurden
1 es Oeftern constatirt. 8 mal in umfangreicheren Herden, analog
den sog. Lymphomen oder Lcukocytomcn der Leber, welche von
1 icdreich und V agner zuerst beim Typhus beschrieben wurden
und ebenfalls coagulationsnekro tisch untergegangene Parenchyra-
iczirke darstellen, lleed erwähnt in einer jüngst erschienenen
Arbeit, dass er sie auch bei Thieren experimentell hervorrufen
konnte, und Welch und FIcxner sie so in der Leber von
Meerschweinchen durch Injiciren von Toxalbuminen der Diph¬
therie erzeugten. — ln etwas mehr als der Hälfte dieser IJnter-
suchungsrcihe, doch nur in einem Bruchthcil in grösserer Ausbildung
oder reichlicherer Zahl wurden dichte umschriebene Rundzellcn-
anhäufungen in den die kleinen Gallengänge und Gefässe begleitenden
Verzweigungen der Gl i sso n ’ schon Kapsel nachgewiesen, mehrere
Male auch intraacinärc Zellinfiltrationen.
Das P a n k r e a s war meist unverändert, 8 mal wurden Hämor-
rhagiecn, etwas häufiger coagulationsnekrotische Epithclbczirke, nur
einmal eine grössere dichte Rundzellenanhäufuug im sccernircnden
Parenchym gesehen.
Discussion: Herr Simmonds fragt, ob die bei Diphtherie
vorkommenden Blutungen und Rugillationen im Unterhautzellgewebe
in den Bereich der Untersuchungen hineingezogen wären.
Herr Reiche bat diese Befunde vielfach klinisch beobachtet,
aber nicht zum Gegenstand mikroskopischer oder bacteriologischer
Untersuchungen gemacht.
Herr Fränkel bemerkt, dass man zweierlei Arten von Haut¬
blutungen bei der Diphtherie beobachte: einmal kleine flohstich¬
ähnliche cutane Hämorrhagieen, die man nur inter vitam sehen
könne, zweitens ausgedehntere Blutungen in's Unterhautzellengewebe,
die man auch bei der Autopsie nicht übersehen könne. Letztere
localisirten sich mit Vorliebe im Gesicht, im Bereich der beiden
Stirnhöcker. Bacillen in diesen Hämorrhagien zu finden, sei nicht
gelungen. F. hält die Blutungen für toxischer Natur, ebenso wie
er sich das Zustandekommen der Typhus-Roseolen durch toxische
Einflüsse bedingt vorstellt, trotz der bisweilen erhobenen positiven
Befunde an Typhusbacillen
Herr Lenhartz macht darauf aufmerksam, dass, während
Herr Reiche vielfach freie Hiiinorrhagien in den Nieren gefunden
habe, man klinisch nur ausnahmsweise Blut im Urin nachweiseu
könne und nur Leukocytcn, Cylinder etc. fände.
Herr Reiche erwidert, dass eine excessive Blutüberfüllung
in der Diphtherieniere ein sehr häutiger Befund sei, dass dagegen
Blutungen verhältnissmüssig seltener seien. Er hält die Blutungen
für agonal, entstanden durch die Stauung. Auch R. ist der Unter¬
schied zwischen dem klinischen und anatomischen Bild aufgefallen;
dieselbe Differenz beobachte man übrigens bei der Pneumonie
und hei dieser halte auch v. Kahl den die Blutungen im Nieren¬
parenchym für terminaler Natur.
Herr Lenhartz fragt, in wieviel Procent sich die Nieren¬
blutungen gefunden hätten
Herr Reiche hat dieselben in 10 von 88 Fällen gefunden.
Herr Fränkel hält die Nierenhämorrhagien nicht für agonal,
da er reactive Veränderungen an denselben beobachtet habe, die
für ein längeres Bestehen sprächen. Uebrigens könnten die meist
in den kleinen Kapselraum erfolgenden Blutungen sich sehr leicht
der klinischen Beobachtung bei der Harnuntersuchung entziehen.
Er halte die Blutungen nicht für agonal, glaube allerdings auch,
dass sie erst in den letzten Lebenstagen entstünden.
Herr Unna bestätigt das negative Resultat bei den histologischen
Untersuchungen der Hautblutungen, selbst in Bezug auf das mecha¬
nische Zustandekommen derselben. Er fragt, ob die Hautblutungen
ebenfalls agonal wären. Herr Reiche habe bei der Besprechung der
von ihm gefundenen Nekrosen in der Leber bei Diphtherie auf die
sog. Leberlymphome bei anderen Infectionskrankheiten, insbesondere
beim Typhus, hingewiesen; er möchte wissen, ob man heutzutage
alle diese Leberlymphome für nekrotische Herde halte.
Herr Reiche kann nur für die bei der Diphtherie gefundenen
Leberherde mit Sicherheit behaupten, dass es sich da um Nekrosen
handele. Obgleich ihm speciell in Bezug auf die Typhuslymphome
keine eigenen Untersuchungen zu Gebote stünden, so glaube er
doch an nehmen zu dürfen, dass es sich auch dort im Wesentlichen
um nekrotische Processe und nicht um Lymphome handele. Ein
gewisser Kernreichthum dieser Herde sei zum Theil scheinbar.
Was die Hautblutungen anbeträfe, so habe er dieselben in den
letzten zwei Lebenstagen beobachtet. Herrn Fränkel gegenüber
betont er, dass er in den Nierenhämorrhagien die Blutkörperchen
stets frisch und unverändert gefunden habe.
Herr Göbel fragt, ob die Blutungen in der Haut mit denen
in den Nieren in Herrn Reich e s Fällen coincidirten. Wenn dem
so wäre, so würde er mehr der Ansicht zuneigen, dass dieselben
toxischer Natur seien.
Herr Reiche kann diese Frage momentan nicht beantworten,
doch Hesse sich dies leicht aus seinen Krankengeschichten und
Protokollen erweisen.
Herr Deycke hat seinerzeit als Assistent von Herrn Fränkel
auf dessen Veranlassung etwa 30 Lebern von Typhussectionen auf
das Verhalten der sog. von Wagner zuerst beschriebenen Typhus¬
lymphome hin untersucht. Er ist zu dem Resultat gekommen, dass
es sich im Wesentlichen um nekrobiotisc.be Processe am Leber-
parencbym handele und sicher nicht um primäre Leukocyten-
anhäufung. In gewissen Stadien könnten freilich diese Herde sehr
kornreich erscheinen. An Präparaten, die nach Unna's Protoplasma¬
methode gefärbt seien, erkenne man aber leicht, dass es sich im
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14. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
355
Wesentlichen um Trümmer von Leberkemen und durch den elastischen
Druck der Leber zusammengesinterte Kerne des interstitiellen
Gewebes, Kupferer's Stemzellen, etc. handele. Er habe diese
Herde auch experimentell zu erzeugen versucht, und es sei ihm
an einem Kaninchen, das nicht ganz 14 Tage nach der Impfung
der Typhusinfection erlag, geglückt, die ersten Anfänge dieser sog
Lymphome neben schon etwas vorgeschritteneren Stadien zu studiren,
und diese Bilder hätten gleichfalls gelehrt, dass es sich um primäre
Parenchymnekrosen in der Leber handele.
Herr Michael bestätigt, dass es sich nicht um echte Lymphom¬
bildungen handele, sondern um primäre Gewebsnekrosen. Secundär
träte dann allerdings eine reactive Leukocytenanhüufung um die
Herde herum auf.
Herr Fränkel theilt mit, dass er und Simmonds in ihrer
gemeinschaftlichen Arbeit über den Typhus zuerst es ausgesprochen
hätten, dass es sich bei den Lymphomen um primären Untergang
von Gewebe handele. Sie hätten die Lymphome gleichfalls an
inficirtcn Kaninchen beobachtet. F. erwähnt dann noch einen
interessanten Fall von eigenartigem, pockenähnlichen Exanthem bei
einem Fall von Diphtherie. Intra vitam habe die Diagnose zwischen
Variola und Rotz geschwankt, bei der Autopsie sei dann festgestellt,
dass es sich um eine Diphtherie gehandelt habe.
Herr Unna bestätigt, dass in diesem ihm gleichfalls bekannten
Falle ein durchaus variolaähnliches Exanthem bestanden habe.
Herr Ho dar a hält den angekündigten Vortrag: Beitrag
zur Histologie der Erfrierung. (An anderer Stelle dieser
Nummer abgedruckt.)
Discussion: Herr Simmonds macht darauf aufmerksam,
dass es sich bei Erfrierungen auch um toxische Einflüsse handele.
Er habe einen in Friedrichsruh als Leiche aufgefundenen erfrorenen
Mann secirt, der gar keine localen Hauterfrierungen hatte, bei dem
sich aber umfangreiche Epithelnekrosen in den Nieren fanden, ähnlich
wie bei Verbrennungen.
Herr Wiesinger möchte von den Histologen Auskunft haben,
wodurch sich der praktisch sehr fühlbare Unterschied zwischen Ver¬
brennungen und Erfrierungen histologisch documentire. Bei beiden
handele es sich um Gewebsnekrosen, dagegen seien die Erfrierungen
fttr den Chirurgen sehr viel schwerer anzufassen als die Verbren¬
nungen.
Herr Fränkel bemerkt, dass in Nierenpräparaten von Ver¬
brennungen und Erfrierungen ein bemerkenswerther Unterschied
bestände, das sei die colossale Verstopfung der Kanälchen mit hyalinen
und anderen Cylindem bei Erfrierungen und aus diesem Grunde in-
teressirte ihn speciell die von Herrn Hodar a gefundenen Thrombosen
in der Haut. Es sei schwer, praktische Vorschläge aus histologischen
Verhältnissen abzuleiten. Theoretisch halte er es jedenfalls für
berechtigt, möglichst viel von dem geschädigten Gewebe chirurgisch
zu entfernen: wenigstens glaube er in Bezug auf die Verbrennungen,
dass da das schädigende Element die abgestorbenen Gewebs-
partieen s : ien.
Herr Unna nimmt das Wort, weil die Arbeit des Herrn Hodara
unter seiner Leitung gemacht sei Im Wesentlichen habe die Arbeit
eine Bestätigung der bereits von v. Recklinghausen und Kriege
erhobenen Befunde ergeben. Was ihm an den demonstrirten Prä¬
paraten am meißten imponire, das sei die ausgedehnte Fibrinöse,
wie es die Alten nannten: überall fände sich Fibrin in körniger
oder fädiger Form und schliesslich sei das Hyalin ja auch als ein
Derivat aus geronnenen Eiweissstoffen anfznfassen. Sehr auffallend
bei Erfrierungen sei der Unterschied zwischen der Intensität und
Dauer der Frostwirkung und den daraus resultirenden Folgezuständen;
wenn man ein Kaninchenohr auch nur eine Minute lang mit Aether
vereist, so entstehen daraus in der Folge die umfangreichsten
Schädigungen des Organs. Das Bindeglied eben sei, dass im Momente
der Erfrierung etwas mit den Eiweissstoffen vor sich gehe, was die
späteren Folgeerscheinungen auslöste, und das seien eben die Gerin¬
nungen und Thrombosen. In diesen Verhältnissen läge auch die
Antwort auf die Frage des Herrn Wiesinger. Auch bei anderen
Hautprocessen, beim Erysipel z. B., beobachte man Thromben¬
bildung, aber nicht annähernd in der Ausdehnung und Tiefe, wie
bei den Erfrierungen. Desshalb heilen die Erfrierungen so langsam,
und desshalb scheuen sich die Chirurgen, erfrorene Glieder primär t
abzusetzen, weil die Ausdehnung der Thrombenbildung unberechenbar
ist. Die Erfrierungen verhalten sich eben anders als die Verbren¬
nungen, bei denen die Throrabenbildung keine wesentliche Rolle
spielt und bei denen — und er stimmt darin mit Herrn Fränkel
überein — mit der Abstossung der nekrotischen Gewebspartieen das
schädigende Element beseitigt ist.
Herr Em bd e n erinnert an Gefrierversuche, die Hopp e -S e y 1 e r
freilich nur an gefrorenen Pflanzenzellen, gemacht habe. Wenn man
gefrorene Pflanzenzellen wieder aufthauen lasse, so stelle sich nicht
sofort das normale Protoplasma wieder her, sondern es träte destil-
brtes Wasser aus, das eines der grössten Protoplasmagifte sei. Dass
dasselbe auch thierischem Zellprotoplasma gegenüber giftig sei,
beweise, dass man das Lackfarbenmachen des Blutes auch mit destil-
urtem Wasser erreichen könne. Vielleicht könne man sich manche
>orgünge bei Erfrierungen auch dadurch erklären, dass das beim
Aufthauen auftretende Wasser giftig auf die Gewebe einwirke.
Möglicherweise fände dadurch auch der alte und bewährte Volks¬
glaube seine Erklärung, dass man erfrorene Glieder nicht einer
schnellen Erwärmung aussetzen soll, sondern sie ganz allmählich
durch Reiben mit Schnee aufthauen lassen soll
Herr Wiesinger: Was Herr Unna histologisch ausgedrückt
habe, lasse sich praktisch in die Worte fassen: Die Erfrierungen
gehen tiefer als die Verbrennungen, sie machen das Gewebe nicht
ganz todt, sondern setzen überall Thrombosen mit ihren Folgen; bei
Verbrennungen dagegen bildet sich gleich ein nekrotischer Schorf
und damit ist der locale Process beendet
Zum Schluss der Sitzung demonstrirt Herr Simmon ds ein
von ihm geübtes Verfahren der Behandlung von Kartoffeln zu
culturcllen Zwecken. Er taucht die an einem Bindfaden auf¬
gehängte, in gewöhnlicher Weiso sterilisirte Kartoffel mehrere
Tage hintereinander in gewöhnlichen Bernstein lack. Auf die
Weise vermeidet er völlig die bei anderen Methoden nie aus-
bleibende Eintrocknung der Kartoffel. 8. deinonstrirt derartig
behandelte, 3 Monate alte Kartoffeln, die auf dem Durchschnitt
die natürliche frische Feuchtigkeit behalten haben.
Aerztlicher Verein zu Hildesheim.
Sitzung vom 26. Mürz 1896.
Dr. Otto Sn eil berichtet über den in der Sitzung vom
30. Januar vorgestellten Patienten Friedrich R. (vergl. Münch.
Med. Wochenschr. No. 10 Seite 236), der an schwerer Chorea
progressiva litt.
Der Kranke ist am 19. Februar d. J. gestorben, ohne dass eine
andere Krankheit neben der Chorea als Todesursache herangezogen
werden könnte. Der Kranke wurde allmählich schwächer, die
Nahrungsaufnahme wurde mangelhaft, die choreatischen Bewegungen
blieben jedocli fast in derselben Stärke bestehen.
Die Obduction ergab, dass die Aortenklappen verdickt, die beiden
lateralen zumTheil untereinander verwachsen, dabei stark geschrumpft
und hart anzufühlen waren. Intima der Aorta ascendens fleckig und
mit harten Einlagerungen. Die übrigen Klappen zart. Myocard
braunroth, derb; die Wand des linken Ventrikels bis über 2 cm dick.
Coronalgefässe geschlängelt. Das ganze Herz grösser als die Faust
des Mannes. Im Uebrigen fanden sich an den Lungen alte, derbe
pleuritißcho Schwarten und Oedem der Unterlappen. Das Schädel¬
dach war schwer, mit tief eingegrabenen Gefässfurchen. Bei Eröff¬
nung des Durasackes lief klare Flüssigkeit ab. Dura sehr dick, be¬
sonders an der Basis. Pia fleckweis milchig getrübt, dick, leicht
abziehbar. Gewicht des Gehirnes mit Pia und Ventrikelflüssigkeit
1385 g. Die Seitenventrikel waren weit und enthielten gegen 100 g
schwach getrübter Flüssigkeit. Ependym der Seitenventrikel ganz
leicht granulirt, das des 4. Ventrikels glatt. Hirnsubstanz weich,
von massigem Blutgehalt. Die übrigen Organe zeigten nichts Be-
merkenswerthes.
Die Section hat in diesem Falle »acligewiosen, dass der Kranke
früher an Endoearditis gelitten hatte und es liegt nahe, diese That-
sachc mit der Chorea in ursächlichen Zusammenhang zu bringen.
Der acute Gelenkrheumatismus ist ja anerkanntenuassen eine häufige
Ursache der Chorea adultorum.
Die beiden am 30. Januar d. J. vorgestcllten Fälle von
schwerer progressiver Chorea haben also wohl das Gemeinsame,
dass sic ohne erbliche Belastung durch schwere, infectiösc Krank¬
heiten verursacht wurden.
Dr. Otto Sn eil demonstrirt Präparate, welche von einem
Falle traumatischer Epilepsie mit tödtlichem Ausgange herrühren.
Der Müllerlehrling Heinrich Sehr, aus Uenzen, geboren am
29. August 1871, stammte aus einer Familie, in der Geistes- oder
Nervenkrankheiten nicht vorgekommen waren. Er entwickelte sich
körperlich und geistig normal, bis er am 13. Mai 1887 eine schwere
Kopfverletzung durch einen Windmühlenflügel erlitt. Die rechte
Seite des Stirnbeines wurde eingedrückt, so dass der Knochen «in
der Ausdehnung einer halben Hand zu kleinen Stücken zertrüm¬
mert» war.
Nach langem Krankenlager schloss sich die Wunde, es stellten
sich aber von Zeit zu Zeit Krampfanfälle ein, welche den Sehr,
zwangen, die wieder aufgenommene Beschäftigung als Müller ganz
nufzugeben. Er suchte nun' als Knecht in landwirtschaftlichen
Betrieben sein Brod zu verdienen, es konnte ihn aber Niemand
recht brauchen, so dass er oft den Dienst wechselte und schliesslich
gar keine Stellung mehr fand. Zeitweise stellten sich Erregungen
ein, Sehr, verliess z. B. Nachts Bein Bett und gab auf Befragen an,
er habe eine Musikbande vor der Thüre spielen hören. Durch dieses
Verhalten machte sich der Kranke sehr missbeliebt, auch bei seinen
Verwandten, und nach mehreren vergeblichen Versuchen, ihn ander¬
weitig uuterzubringen, kam Sehr, am 7. Januar 1895 in die Provinzial¬
irrenanstalt zu Hildesheim.
Er war ein kleiner, gut genährter, sehr jugendlich aussehender
Mensch von 61,5 kg Körpergewicht bei 166 cm Körperlftnge. Die
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Körpertemperatur, welche vor der Verbringung in die Anstalt zu¬
weilen bis 33 betragen haben soll, bewegte sich zwischen 36,/ und
37,1. Schädel gross. Rechts an der Stirn eine tiefe Einsenkung
mit festem Grunde, von unregelmässig höckerigem Knochenrande
umgeben, der über der rechten Augenbraue eine starke Hervor-
ragung bildete. Die Haut über dieser Knochennarbe zeigte nur eine
unbedeutende, alte, weisse Narbe. Die Pupillen waren sehr weit,
unter einander gleich, gut reagirend. Die Zunge wich beim Vor¬
strecken nach rechts ab. Sonst keine motorischen Störungen. Patient
war sehr gleichgültig und stumpf, gab aber über seine persönlichen
Verhältnisse ziemlich richtige Auskunft. Er klagte, er leide viel an
Kopfschmerzen und bekomme ungefähr jede Woche einmal Krampf¬
anfälle.
Der Kranke blieb während seines Aufenthaltes in der Anstalt
ziemlich unverändert. Zuweilen war er sehr mürrisch und abweisend,
was er durch Kopfschmerzen erklärte, die gleichmilssig im ganzen
Kopfe bestünden. In Zwischenräumen von mehreren Wochen traten,
gewöhnlich bei Nacht, Reihen von schweren epileptischen Anfällen
mit sehr heftigen Zuckungen der Extremitäten auf, oft mit einem
lauten Schrei beginnend. Der Kranke beschäftigte sich fleissig mit
Strohflechten. Das Körpergewicht stieg bis auf 63,5 kg im Juli und
sank dann wieder zu seiner ursprünglichen Höhe von 61,5 im No¬
vember herab. In der Nacht vom 10. zum 11. Dezember 1895 trat
wieder eine Reihe von schweren Anfällen auf, in denen der Kranke
um 4 Uhr Morgens starb.
Die Obduction wurde an demselben Tage, Nachmittags 2 l /a Uhr
vorgenommen. Das Blut war flüssig. Beide Lungen in grosser Aus¬
dehnung mit der Brustwand verwachsen; subpleurale Ekchymosen.
In der Schleimhaut der Trachea zahlreiche punktförmige Blutergüsse.
Das präparirte Schädeldach (Demonstration) zeigt rechts im Stirn¬
bein unmittelbar über der Orbita ein kreisrundes Loch, durch welches
sich ein Daumen hindurchführen lässt. Am frischen Präparate war
diese Oeffnung durch festes, straffes Bindegewebe verschlossen.
Quer durch das ganze Stirnbein verläuft, ungefähr der Haargrenze
entsprechend, ein horizontaler Sprung. Von ihm geben, 55 mm von
einander entfernt, zwei andere Sprünge convergirend derart aus, dass
sie sich spitzwinklig kaum 1cm rechts von der Medianlinie, 3cm
vor der Kranznaht treffen, und auf diese Weise ein gleich¬
schenkliges Dreieck mit 5,5 cm langer Basis und 6 cm Höhe bilden.
Andere Sprünge gehen von der erwähnten Durchbrechung des
Stirnbeines in lateraler Richtung aus, andere durchsetzen das Dach
der Orbita. Alle sind durch Callusbildungen verheilt, welche stellen¬
weise, besonders von der Decke der Augenhöhlen, in das Innere
-der Hknhöhle bis zu 5 mm vorspringen.
Gewicht des Gehirnes mit Pia 1530 g. Rechts an der Stirne,
der Knochenverletzung entsprechend, waren Knochen, Dura und
Pia fest unter einander verwachsen. Von Hirnwindungen war hier
nichts erkennbar, sondern die vordere Spitze des Stimlappens wurde
von einer wallnussgrossen Höhle eingenommen, deren Wandung
von einem gallertartigen, rothen, zarten Gewebe gebildet wurde.
Diese Höhle stand mit dem rechten Seitenventrikel in Verbindung.
Die vordere Spitze des linken Stirnhirns wurde ebenfalls von gallert¬
artigen, lockeren Gewebsmassen gebildet. An dem mit Chromsäure
gehärteten Gehirne (Demonstration) lassen sich diese Verhältnisse
zum Theil nur mangelhaft erkennen.
In diesem Falle war also der Tod erst nach 8'/«jähriger
Krankheitsdauer, aber doch zweifellos als Folge der erlittenen
Kopfverletzung, eingetreten.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 11. April 1896.
Kranken-Verein der Aerzte Wiens. — Der Fasten¬
künstler Succi. — Vom Heilserum gegen Diphtheritis.
— Caisson-Arbeiter. — Stimmzettel für die Aerztekammer-
wählen.
Der Kranken -Verein der Aerzte Wiens hielt heute seine
ordentliche General-Versammlung ab. Im Deccmber 1892 gegründet,
bedeutete dies, wie im Jahresberichte betont wird, die erste Regung
social - reforiuatorischer Thätigkeit im ärztlichen Stande unserer
Metropole. «Erhebend ist das Gefühl eollcgialer Fürsorge für
Kranke und Sieche, doch noch erhebender ist die moralische Con-
sequenz, welche die Fürsorge in Form eines Rechtes kleidend, ein
wolilthuendes, köstliches Gefühl bei den Kranken erzeugt, dass in
diesem schweren Momente Coli egen seiner gedenken!».
Die Zahl der Mitglieder ist während des Triennimns von
296 auf 359 augestiegen, der Vermögensstand auf rund 15,000 fl.
angewachsen. Im letzten Jahre (1895) wurden an 71 Mitglieder
Für 1669 Kränken tage 6828 fl. ausbezahlt und an Leichenkosten-
Beiträgen 300 fl., an Venvaltungssposcn blos 783 fl. verausgabt.
Der Kranken -Vorein gedeiht somit auf das Schönste und der
Obmann freut sich am Schlüsse seiner 3 jährigen, höchst verdienst¬
vollen ThUtigkeit constatircn zu können, dass der Verein gehalten,
was er seinerzeit versprochen. Reichlich flössen die Krankengelder
aus der Cassc an die durch Krankheit ihren Berufspflichten ent¬
zogenen Collcgen. Niemand, der durch Krankheit in die Lago
kam, sciue Ansprüche geltend zu machen, mag er noch so hoch
stehen, brauchte es zu scheuen, die Hilfe des Vereines in Anspruch
zu nehmen. Ein erfreuliches Zeichen wahrer Gleichheit und
Brüderlichkeit, das diesem Vereine erst recht den Stempel wirk¬
licher Collegialität aufdrüekt.
Ich bringe hier in Erinnerung, dass der Jahresbeitrag der
Mitglieder 30 fl- beträgt, dagegen die Entschädigung bei Berufs¬
unfähigkeit in Folge Erkrankung 4 fl. täglich.
Seit fast zwei Wochen produeirt sich in einem Hotel unserer
Stadt der bekannte Fastenkünstler Succi. Er will cs versuchen,
30 Tage lang ohne jegliche Nahrung zuzubringen und ein lieber-
wachungscomite, welches Tag und Nacht über in Action ist, sorgt
angeblich dafür, dass Succi thatsüchlich ausser einem Säuerling
nichts Substanziöses cinniuimt. Die täglichen Bulletins über die
Athinung, Körperwärme, Gewichtsabnahme, Dynamoiuetric und all¬
gemeinen Zustand werden von Aerztcn gezeichnet, was der
ganzen Fastentour des Rcclamchclden, der täglich zahlreiche Be¬
sucher empfängt, ein wissenschaftliches Ansehen geben soll. Ein
Privatdoccnt für innere Mediein leitet angeblich persönlich die
wissenschaftlichen Untersuchungen.
Dass dabei für die Wissenschaft absolut nichts hcrausschauen
kann, ist aber schon jetzt klar und es ist darum höchst bedauerlich,
dass sieh immer wieder Aerzte finden, die sich, blos um in den
politischen Zeitungen einige Male genannt zu werden, zu solchen
sinn- und zwecklosen Schaustellungen hergeben. Wie viele Thierc
liess man schon in den Laboratorien verhungern und wie viele
Menschen sterben alljährlich an Inanition in Folge inoperabler Oeso¬
phagus- oder Darmgeschwülste; da gäbe es also genug Materiale
zur wissenschaftlichen Beobachtung, wenn es sieb hier blos um
diese und um die Bereicherung der Wissenschaft handeln würde.
Dem Fastenkünstler selbst ist es natürlich blos um das Geschäft
zu tluin, und wie man sagt, macht er es auch, indem er eine
von ihm verfassto Broschüre an die Besucher verkauft; die Aerzte
bilden also blos die Staffage zu einer Production, welche Niemanden
zur Belehrung dienen kann, noch ihnen selbst Ansehen verschafft.
Was ich hier rüge, ist der Mangel an Takt bei der heran wachsenden
Acrzte-Gcneration.
Vom Heilserum gegen die Diphtheritis werden in der jüngsten
offici eilen Publication, die sich auf die 4 letzten Wochen
des December 1895 bezieht, recht günstige Erfolge verzeichnet.
Von den in ganz Oesterreich in Behandlung gestandenen 4997 Kranken
sind im Laufe der Berichtsperiode 1196 = 23,9 Proc. gestorben
und mit Endo derselben 1002 in Behandlung geblieben. Die
Behandlung mit Heilserum gewinnt immer weiteren Boden. In
Niederösterreich wurden in den Landbezirken 101 Kranke mit
Serum behandelt, davon sind 10 gestorben und 17 verblieben.
In Obcrösterreieh starben von 36 Behandelten 2 — und 3 ver¬
blieben. Von 239 Geuosenen in Steiermark sind 71 und unter
96 Gestorbenen 7 mit Heilserum behandelt worden. Von 12
präventiv Geimpften erkrankten nachträglich 3, davon 2 in sehr
milder Form. Von 142 in der Stadt Triest mit Serum Be¬
handelten sind 127 genesen (47 im Krankenlmuse und 80 in
Privatpflege) und 15 gestorben (13 im Krankenhause und 2 in
Privatpflege). Im Görzischen sind von den Behandelten 49 genesen
und 11 gestorben. In Istrien sind von den mit Serum Behandelten
299 genesen und 36 gestorben. Tirol verzeichnet bei 7 mit
Serum Behandelten einen Todesfall. Von den 86 in Böhmen
mit Serum behandelten Kranken sind 66 genesen, 19 gestorbeu.
5 Präventivimpfungen hatten Erfolg. In Mähren wurde die
Serumtherapie in 58 Fällen in Anwendung gezogen, davon endeten
43 günstig, 14 letal. In Schlesien wurden mehrfach sehr günstige
Erfolge erzielt; nähere Angaben fehlen. In der Bukowina starben
von 72 behandelten Kranken 8 = 11 Proc. Von 77 präventiv
geimpften Kindern soll in der Berichtsperiode keines erkrankt sein.
Aus Krain, Galizien und Dalmatien fehlen Berichte.
Von den aus der Serumbeliaudlung getretenen Kranken sind
in Niederösterreich 11,9, in Uberösterreich 6,1, in Steiermark
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14 . April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
357
8,9, in Triest 10,6, in Görz IS,3, in Istrien 10,7, in Böhmen
22,3, in Mähren 24,6 Proc. gestorben. Im ganzen Jahre 1895
schwankte das Letalitätsprocent an Croup und Piphtheritis für
Oesterreich zwischen 46,7 (Bukowina) und 14,0 (Triest - ) und
wurde in den beiden letzten Jahren ein Sinken der Letalitäts¬
ziffer (von 40,2 auf 37,G und 1895 auf 31.G Proc.) constatirt.
Dieses Sinken fällt aber mit der Einführung der Heilserumtherapie
und der Einbürgerung derselben in weiten Kreisen zusammen, und
kommt der Erfolg dieser Therapie schon in den Suiumarergebnissen
der Epidemiestatistik unzweifelhaft zum Ausdrucke.
Vor einigen Tagen ist in Wien wieder ein Caissouarbeiter
plötzlich gestorben und ergab die Soction als Todesursache: Luft¬
embolie, d. h. freies Gas in Bläschen oder Blasenform im Herzen
und in den grossen und kleinen Blutgefässen etc. •< Das öster¬
reichische Sanitätswesen > bringt nun in der jüngsten No. 15,
9. April 1896, eine umfangreiche Arbeit aus der Feder des
Professor Dr. Dräsche, welche betitelt ist: «lieber die Er¬
krankungen der Ballonfahrer, Bergsteiger, Caissouarbeiter und
die hygienischen Maassnahmen gegen dieselben. > Es genüge diese
Andeutung füs jene Aerzte, welche sich für dieses Thema mehr
interessiren.
Unser Ministerium des Innern hat jüngst einen Erlass, be¬
treffend die Unterfertigung der Stimmzettel für die Aerztekammer-
wahlen, publieirt. In dem Erlasse wird die Einführung solcher
Stimmzettel gestattet, welche durch Umbiegung und Verkleben
der Ränder des oberen, die Namen der zu Wählenden tragenden
Theiles des Stimmzettels nach Art eines Kartenbriefes verschlossen
werdeu können, wahrend die Unterschrift des Wählers auf einem
abtrennbaren Theilc des Stimmzettels frei sichtlich bleibt. Diese
Stimmzettel werden also beim Scrutininm erst dann eröffnet, wenn
die den Namen des Wählers tragenden Thcile von der Commission
abgetrennt wurden , so dass die Person des Wählers nicht offen¬
kundig wird. Die unbefugte Wahl durch hiezu nicht berechtigte
Personen wird in dieser Weise hintangehalten und zugleich ist
die Wahl — und das wird ja angestrebt — eine geheime.
Eine Freiheit ist also deu Aerzteu staatlich gewährleistet worden,
nämlich die absolute Wahlfreiheit in ihren Kammern.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Academie de M£decine.
Sitzung vom 24. Marz 1896.
lieber die Appendicitis und ihre Behandlung.
Die Akademie hatte schon in mehreren Sitzungen diese Frage
behandelt, wobei von Seite der Internisten wie Chirurgen ein be¬
sonderes Gewicht auf den richtigen Zeitpunkt eines chirurgischen
Eingriffes gelegt wurde. Le Dentu (Chirurg) zieht in einer ein¬
gehenden Besprechung dieses Themas vor Allem in Erwägung, dass
gewiss eine Anzahl von Entzündungen des Wurmforstsatzes durch
rein medicamentöse Behandlung heilen kann; das sind diejenigen
Formen, welche zu keiner Zeit ihrer Entwicklung Zeichen von all¬
gemeiner oder gar septischer Peritonitis darbieten. Bei einer
zweiten Form geht die Eiterbildung um den Wurmfortsatz nur
langsam vor sich und man muss hier ab warten, bis ein circumscripter,
deutlich fluetnirender Abscess sich gebildet hat: eino zu frühe
Incision brächte nur die Gefahr, die anfangs auf einen Punkt be¬
schränkten Infectionserreger weiter zu verbreiten. Ausser den er¬
wähnten localen Zeichen geben die Allgemeinsymptome (erhöhtes
Fieber, grössere Unruhe mit nachfolgender Erschöpfung) den Zeit¬
punkt des nöthigen Eingriffes an. Derselbe beschränkt sich auf eine
Idoeee Incision, wenn der Eiterherd unmittelbar hinter der Bauch wand
sitzt, mit nachheriger Tamponade und theilweiser Naht. Schwieriger
und gefährlicher wird die Operation., wenn der Herd in der Tiefe
liegt; um ihn zu erreichen, muss man zuvor einige, wenn nicht alle
Verwachsungen lösen und sich dabei hüten, Nachbartheile mit Eiter
zu besudeln, wodurch allgemeine Peritonitis und der Tod eintreten
könnte. Trotz der mit diesen tiefliegenden Abscessen verbundenen
Gefahren ist eine vorzeitige Operation nicht angezeigt, wenn drohende
Symptome absolut fehlen. In allen folgenden Fallen muss schleunigst
operirt werden: 1) wenn die Krankheit von Anfang an die Zeichen
einer allgemeinen Peritonitis annimmt oder im Laufe der Krank¬
heit dieser Uebergang droht; man darf aber diese Fälle nicht mit
| en .® n verwechseln, wo eine gewisse Schmerzempfindlichkeit des
Leibes in Folge von Tympanltes vorhanden ist. 2) Wenn die
Depression sich in anderen Symptomen zeigt, wie kleinem, fre¬
quentem Puls bei geringem Fieber, eintretender Harnretention,
nicht aufgetriebenem, sondern eher eingezogenem Leib, brauner
Gesichtsfarbe, bläulicher Verfärbung der Finger- und Zehen-Nügel.
schwacher Stimme, etwas beschleunigter Athuiung ohne eigentliche
Atbemnoth. Eine weitere Anzeige zur Operation ist in Kecidiven
der Krankheit gegeben; 5—6 Wochen nach derselben ist das Ex¬
sudat, welches die Verklebungen bildet, verschwunden und dann,
wird die Operation zu einer ausserordentlich einfachen.
Ueber die Resorption von Substanzen durch die ge¬
sunde Haut, speciell bei der Salicyltberapie.
Linossier und Lannois haben schon früher bezüglich des
Guajacols bewiesen, dass dasselbe bei Aufpinselung auf die Haut
resorbirt werde, und über 3 g dieser Substanz im 24stündigen Harne
des auf diese Weise Behandelten gefunden. Ihre neueren Unter¬
suchungen betreffen das Methylsalicylat, welches für die Behand¬
lung des Gelenkrheumatismus alle Eigenschaften des salicylsauren
Natrons besitzt und sich im Blute in letzteres umwandelt (innerlich
gegeben). Die Application auf die Haut hat den Vortheil, den Ver¬
dauungscanal nicht zu schädigen und zugleich als locales Mittel an
der afficirten Stelle zu dienen; das Methylsalicylat wird mittelst
eines Pinsels in flüssigem Zustande (Zusatz von Fett oder Vaseline
vermindert die Resorption), gewöhnlich in der täglichen Dosis von
4 g, gleichmässig auf die Haut des Oberschenkels verstrichen, dann
mit einem undurchgängigen Stoffe bedeckt und schliesslich noch
Watte amgewickelt, um eine zur Verdampfung günstige Temperatur
zu erhalten. Nach einer derartigen Application von 4 g Methyl¬
salicylat kann man im 24 ständigen Harn bis 1,3 g Salicylsäure
und ebenso im Koth eine beträchtliche Menge derselben linden.
Linossier und Lannois glauben, dass ausser Guajacol und
Methylsalicylat noch andere Substanzen auf dem cutanen Wege ein¬
verleibt werden können und zwar besonders jene, welche einen
hohen Siedepunkt und trotzdem bei gewöhnlicher Temperatur einen
gewissen Grad von Flüchtigkeit besitzen, wie das Eucalyptol. In
Anbetracht der grossen Sorgfalt, mit welcher die Verdauungsorgane
der Phthisiker zu behandeln sind, der Schwierigkeit der subcutanen
Therapie und der Nothwendigkeit relativ grosser Dosen sollte das
Eucalyptol ebenso wie das Guajacol auf dem Wege der «Haut
pinselung > zur Anwendung kommen.
Behandlung der diffusen Bronchitis der Kinder mit
heissen Bädern.
Nachdem bei jedem Kinde, welches mit einer fieberhaften
(Temperatur über 39° per rectum) Bronchitis behaftet ist, die Gefahr
einer Bronchopneumonie vorhanden ist, muss mit den besten Mitteln
erstere bekämpft und letzterer vorgebeugt werden. In dieser
doppelten Beziehung bewährte sich J. Ren aut (Lyon) in über
10Ö Fällen die systematische Anwendung von heissen Bädern. Alle
3 Stunden, bei Tag und Nacht, messe man die Temperatur des
Kindes und, sobald dieselbe 39° erreicht oder überschreitet, gebe
man ein Bad von 38°, lasse den Patienten 7—8 Minuten darin,
den Kopf mit einem Tuch bedeckt und übergiesse von Zeit zu Zeit
den Rücken mit Wasser von der Zimmertemperatur. Kindern von
2—3 Jahren verabreiche mau während des Bades etwas Champagneroder
spanischen Wein oder Cognak mit Wasser. Nach dem Bade trockne
man das Kind rasch mit heissen Tüchern ab und bringe es sodann
wieder ins Bett; nach dem dritten oder vierten Bad, zuweilen später,
fällt das Fieber und steigt nicht mehr, das feuchte Rasseln wird
weniger zahlreich und die diffuse Bronchitis wird zu einer Lichten
oder 8uperficiellen. Manchmal muss man die Bäderbehandlung
während einer Reihe von Tagen fortsetzen, in solchen Fällen wird
der Uebergang der schweren Bronchitis in eine leichtere Form nicht
erzielt, jedoch ihr Uebergang in die capilläre Form und Lungen¬
entzündung verhütet. Neben dieser t localen > Behandlung hält
Renaut eine allgemeine, roborirende für angezeigt und verwendet
dazu bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen das Chinin und
zwar möglichst ohne Ausnahme in Form von Suppositorien, so dass
der Magen geschont wird. Bei Kindern unter 2 Jahren werden
0,15g schwefelsaueren oder noch besser bromsaueron Chinins, bei
Erwachsenen 0,25 g je Morgens und Abends in das Rectum einge¬
führt und man muss damit noch einige Tage nach dem Nachlass
des Fiebers, des Rasselns und der Benommenheit fortfahren. In
manchen Fällen, wo die Erkrankung sehr ausgedehnt ist und sclion
einige Tage besteht, kann ein Brechmittel momentan von Nutzen
sein und da gebe man von 10 zu 10 Minuten einen Kaffeelöffel
Ipecacuanasirups. Nicht genug kann R. vor den Antipyreticis
bei diffuser Bronchitis warnen und er ist der Ueberzeugung, dass
das Antipyrin bei den letzten Infinenzaepidemien für mehr Kranke
die Todesursache war (durch Herzschwäche) wie die Erkrankung an sich.
Handelt es sich um eine bereits ausgebrochene Lungen¬
entzündung, so ist auch hier eine systematische Bäderbehandlung
angezeigt, jedoch dürfen hier bloss warme Bäder von 32° bis
höchstens 35° gegeben werden und zwar stets am Beginne einer
thermometrisch eruirten Temperatursteigerung. Steigt I Stunde nach
dem ersten Bad von 35° die Temperatur noch, so gibt man ein
zweites, steht sie 2 Stunden nach diesem noch immer über 39?, so
gibt man ein Bad von 34°; zeigt sich auch dann noch kein Fieber¬
nachlass, so darf man nicht länger alB 3 Stunden mit je dem nächsten
Bade warten. Es gelingt so meist nach einigen Togen, die capilläre
Entzündung in eine diffuse Bronchitis umzuwandeln, und diese wird
dann, wie oben besprochen, weiter behandelt. Bei schweren Fällen
mit drohender Herzschwäche gibt man ausser sofortigen Aether-
iujectionen alle 2 Tage einen Kaffoelöffel einer Strophanthus-Lösung
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MfrwCTTENER MEDICINISCHE WOCnENSOHETTT.
No. 15-
358 __
(i mg
handelt. Das Bad wirkt ® am sich einschleichende Asphyxie.
auch gegen die , * U whkuni der Bilder erklärt R. mit ihrem Ein-
Die physiologische Wirkung d b ^ Keime , welche ständig die
flusse auf die Nervencentren und * ®" nd bei p ne umonie mit voller
Broncliialschleimhaut be ® c i ^ lg ^i erb ehandlung nicht gewährleistet
Sidherheit die da ” ifc *J5
werden kann, will ».jeden * ^ ihm Beit Jahren m über 100
sicheren Genesung bringen, der Arzt die ersten Bäder
S5 ifÄ'äie der kleine* Patienten mhtig .n
unterweisen versteht.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Clinical Society London.
Sitzung vom 27. März 1306.
Ueber Enterectomie.
ÄSSsg
K q Vällen 55 5 Proc. Mortalität, die unter Anwendung des
D ‘f IndDarmreeection bei intestinaler Occlusion als bei
£ ÖÄÄ s^ar'obliteration'verursacht^ia^.
surechen gegen seine verallgemeinerte Anwendung. Auch sin
gSST Ä SSÄ’ÄSS Ä
die absolute Resorptionsfähigkeit des eingelegten Knochenstückes
die geringe Anzahl der gesetzten Stichöffnungen und dadurch ver
minderte Infectionsgefahr, sowie die directe Vereinigung v on Schleim
haüt mit Schltdmhaut, wodurch .pltere Strictur.n und N.rben-
bi,d ”KrIÄ".TttcW die Angaben über die Nachth^
des Murphy'sehen Knopfes und empfiehlt für die Fälle von
Volvulus die Anlegung der Mau ns eil'sehen Later ®'^ a8 ^G° (ick
w G Spencer macht auf die in Deutschland mit wuck
versuchte Anwendung von aus Kartoffeln und Rüben geschlitzten
Hohlcvlindern aufmerksam, die im Nothfalle ebenso gute Dienst
leisten können wie der entkalkte Knochen oder der Murphy sehe
Metallknopf. _ n g h a m ^ Bowlby machen für das Geangen £
Oneration vor Allem den Zustand des Darmes verantwortlich. Bei
Krosser Ausdehnung desselben, bei Darmlähmung ist die Dr°8"°®
stete schlecht. Dies gilt vor Allem für die Maunsell’sche Methode
der Invagination, deren Ausführung bei verschiedener Ausdehnung
der in Betracht kommenden Darmabschnitte sehr erschwert w -
Auch eine Verschiedenheit des Mesenterialansatzes kann, wie Burg
hard bemerkt, in dieser Beziehung Schwierigkeiten bereiten.
Von Clutton wird für manche Fälle die Lateralannstomose
wie sie von Maunsell und früher schon von Mc. Gill angewandt
und angegeben wurde, empfohlen, besonders für die Fälle
Intassu8ce^aon^ wort bemerkte Robgon> dass die von Czerny
mit Vorliebe und Erfolg angewandte Methode der einfachen Na
zwar im Allgemeinen stete die Gefahr der Stenosenbildung «Bich
schliesse, für die Operationen im Colon descendens jedoch weitaus
die grössten Chancen biete.
gelehnt. In den (Ihrigen Krei.cn werden nnn .eiche bestimmt und
zwar für: W eiss Oberfranken Dr. He erd,
Oberbayern Dr weiss > Milte i frankeu Dr. Stark,
Niederbayern Dr. Erhard, Unterfranken Dr. Dehler,
Oberpfalz Dr.4°^ Dr . Curtius. .
Mehrere Anträge lagen ^
die Unterstützung auch von bedürftig ^ Auftrag dieser
übertragen woUtem Di V näher » zu treten nnd eventuell einer
liochdringlichen Versammlung zu unterbreiten. Der
ad hoc zu berufenden D Fucbs lehnt jede Wiederwahl
langjährige Cassier 80 lass nur übrig bleibt, die Kraft des hoch¬
in den Vorstand ab, Auf siebter atlie nutzbar zu machen. Der
verdienten Collegen im u f8^ dinann Fürth hat wege n hohen
seitherige II. Vorstand Dr. Versammlung beseliliesst, den-
ÄSS JSSuSStÄÄer d - VereiDeB zum lebenslänglichen
Ehre, SÄw.hlen ergaben".!. Kesultat:
Vorstandschaft:
Dr. Heller \ Dr. Mayer 1 Fü rth.
Dr F Merkel | Nürnberg, Dr. Wollner J
Dr. Aub, München, Merkel, Nürnberg,
Dr . Curtius, Augburg, Dr. W. Me
Sr DTetz^Nürnberg, g ’ Dr Stepp, Nürnberg,
u ■ Dr. Weiss, München.
Ersatzmänner:
Dr. Beckh, Nürnberg, Dr. George Freinsheim,
D- Erhard, Pas r , stump{> Dr^g
Die Geschäfte des
Merkel, Schriftführer: Dr.
Mayer, Dr. Heller.
Y erschiedenes.
Verein zur Unterstützung invalider hilfsbedürftiger
Aerzte in Bayern.
Summarischer Bericht über die Generalversammlung,
abgelialten in München am 30. Januar 1896.
augciittucu *** -
Die statutengemäss alle 5 Jahre f£
Sammlung war von 5 Aerztekammem und von 5 Mitgl jeden, u
seitherigen Verwaltung beschickt, zahlreiche Gäste wohnten
Medicinalrath Merkel führte den Vorsitz. . fl890 .
Dip Miteliederzahl des Vereins ist auf 1800 gestiegen po u
15841 die fährSen Beiträge auf über 10 000 M. 1895 wurden
21 Colleeen^mit 13 750 M. unterstützt. Das Stammvermögen beträgt
160 176 M. Die Revision der Casse geschieht durch eine
Die Aufstellung von Kreiscassieren resp. Vertrauens
männern tJurde 2en.it nur von der Pfälzer Aerztekammer ab-
(Errichtung eines b > Q ^-^^^/esdVn) Wie de"
Lesern 3iese e s C BlaUes seinerzeit mitgetheilt ^Aenjst,^ u»
Jahre 1894 die sächsische ^ eg ‘!^ n ^ es d J orli l n hygienischen In-
Universität Halle a/S. und Director des die darch
stitutes Dr. Friedrich Renk nach Dresden Der , ^ der
den Rücktritt des Ho rathes Dr Fleck ene g^ Profe3Bur für
chemischen Centralstelle , g mitte i cbein ie, Gewerbe- und
Hygiene, insbesondere Nahrungsmix technischen Hochschule
Wohnungshygiene und Bactenologm chemische Centralstelle, um
zu übernehmen. Musste einerseits die cnem.» Hygiene
auf eine dem for^eschri^
entsprechende Leistungsfähigkeit g durch die Errichtung
schiedenen Richtungen h !°-.^^b^atoriums erweitert werden -
eines eigenen bactenologischen L ggf __ B0 ware n
womit die Bezeichnung « chemische » Centratetehe^ n der technigchen
andererseits für die Bethätigung de ^ f g hlte an Laboratorien,
Hochschule neue Bedürfnisse entsta d l ’ trationSKe genständen;
Bibliothek und einet Sammlung "alJSSi Dr »Tt h angelegte
die kleine von dem verstorbenen G Theile veraltet.
Sammlung er™ .ich ata unmangl“ ^ Hygiene an
Prof. Renk sah sich genöthigt, i je i?® V ° {ür g organische Chemie,
der technischen Hochschule im Görs d er etwa 30 Minuten
seine Curse für Nahrungsmittelchemiker an de abzuha Uen,
von der Hochschule entfernt g 8 b vou den Studirenden
was sowohl von Seit«LfSniStaTwOTde Um diesen Missständen
als höchst störend empfunden jurae deg CulfcuB und
abzuhelfen, entschloss sich . , ; cben Hochschule einen Anbau
öffentlichen Unterrichts, bei der techni der hygienischen
für die Zwecke des hygienischen.Unter' » dem k .Ministerium
Forschung auff ühren lass ® n ’, u t Ue {ür öffentliche Gesundheitspflege
des Innern, welchem die Centralstelle lur 7U k i e i n erwiesen
untersteht, dass auch diese, deren R u i Landes-Medidnal-
und für die Bedürfnisse der grossen Biblio ek de ^ ^ Neubau
Collegiums schon lange in sAug g d en Grössenverhältnisse
Anbau I« andere Unterricbta-
zwecke bedingt sind, vrird•J>lg?“^LSS^aSStorium, Thierställe,
A. Kellergeschoss: Physikahsches Laboratorium ^
die Ileizungs- und Ventilationsemnchtungen welcl , Vorraül8 .
ausgestaltet, als Demonstrat.onsobjecte dienen werae ,
räume und Closets. . - T „ v ,„ Q(Arinm für den Unterricht,
B. Erdgeschoss: Chemisches Laboratorium Sammlung,
Dunkelraum für optische IhiterRUcliungen yg ° h immer , das
Hörsaal, Privatlaborator,um des Dnectors, dessen AB9istenten .
Secretariat der kgl. Central stelle, ein Zimmer lur
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14. April 189G.
WaagenzimnX, optSchS’zTmme^ Zimmer'^für Gtim* , Centralstelle .
thek bacteriologisches Laboratorium, R^um für*™?"“ ysen, l Biblio '
fiST für “•WK Äl'ta;' Sr
auf 203,Huo Mit, für die innere^fnriehtum?"!^ 1 ! 6 ? berechnen eich
derkgl. Centralstelle schon vorhanden «n> 7 k . TheiIe in
also auf 240,000 Mk.. welche auch von ' b ’i° ’ Mk > '» Summa
tage» unbeanstandet und ohne jegliche Debatte" h H,U .V?? rn <les L »nd-
Es ist dies ein wichtiger «Tritt SfS** 6 bew,ll,gt wurden.
Wicklung des hygienischen Unterricht« h /° rWilrt 5' in der Ent-
Weise, wie nicht nur die sächsische Unterricht S!e ' gt ,' n erf renlieher
auch die weitesten Volkskreise von der grossenR^T“ tUI J g ’ 80ndern
für d.e öffentliche Wohlfahrt durchdrungen sind d . er ”- v ß iene
einigen deutschen Universitäten, von denen doch dl iS * Mt ^ an
Ausgang genommen hat, an hygienischen Ie H yp ene ,hren
lehen wir, dass eine technische'Hochschule mitdrF " n ' ( . 8, ' t,on e >"
«'genen hygienischen Institutes vorgeht und rwf Achtung emes
von einer Grösse und Dotirung, wfe sie wli?~ l e, “ e8 . I,,8t,tutes
versitäts-Institnte aufweisen dürften wenige hygienische Uni-
R t*r" C ”'<*• nur rar
nchtsverwaltung und nicht minder Sn , d sächsischen Unter¬
schule grösste Anerkennung^ fü^ durch dl' Wr*« 1 Hoch '
hygienischen Institutes bewiesene Verständnis t - E J7 Icbtung e 'nes
der allgemeinen Wohlfahrt. ständniss für die Forderungen
Therapeutische Notizen.
dt ‘n letzten Jahren" die Imvendung ®h “" ‘i, 1 u n g - Während in
Strychnins immer mehr eingeschränkt wurdet 'TTo“ und des
'ersuch, diese Mittel wieder zu Fhror, d<? i ™ acbt Comby den
erzeugend, hält er sie vor Allem H w, r“ t b 7" ge £ Als kram Pf-
und LahmungBMatftTden de? W« 1C,rt 061 Depre88i on s-
Lähmungen auf organischer Grundlageltr/ 6 " Sy ? t e ? 8 aber b ei
ziemlich lange nach dem TWinn ge , rf Inan daa Strychnin erst
keineMyelitif, EniphaiiUsÄ, r enden ’- J re,,n ,nan «**er ist,
unter den Neurosen bei Cho rea Ir' Z'Z° T haben - Während
geradezu contraindicirt bei den Krfmnl^'darf, ist es
und in all 1 den Fällen wo i P „t bel , der infantilen Eklampsie
Systems vorhanden ist Erregbarkeit des Nerven-
Insufficienz nachTnfeciionskrant-hil“ " , k ‘ 6 'Y bwä0 °dere acuter
Stimulans, nervöses «;tii r t„ n „ Q , tei V dlent es als vorübergehendes
der nach Typhus Masere Uinhthf ge der Pneumonie oder
Bronchitis sein, ebenso sollte il Keuchhusten auftretenden
emphysem und Asthma ml ? tr ' bei Br onchiektasi, en, Lungen-
Indication ist die cKlnislh« nl' S) an . gewandt "'erden. Eine fernere
dilatation ausser «Ä, P. ySp ?P s,e mit At0 »ie und Magen-
starke nervöse Fmnfa ^ r. ftlge Ma genschmerzen und gleichzeitig
«»«SSÄfiÄ r h ,"" d , en sin<l1 S*
durch 8ubcutane 9trvll g des Kindesalters, Mastdarm Vorfall
Magen, “ÄS,“ d "
Pulv. Nuc. vom. 0,01
Natr. bicarb.
Magnes. calc. ua 0,2
4L 1 Pulver zu nehmen
as r - S2"Cts
Str ychni in entsnreoh ä r/ dCn am besten Pil len von Extr
dieTinctura StrUhnW™ ^ 8a ” me ''Setzung gegeben oder auch
uml Chinae). 10-5ü Tragen A f ,e, ^ hen Th ? ,len mit Ta. rhur. aromat.
gebräuchlichsten PrtpaS lmll 8 v . or . <,em Bettgehen. Von dem
gebe man 1-9 Tn , parate ’ de m Strychnin, sulfur. (ll.Ol:lO.OAqn 1
jedoch sachte die EmlTnvh'c'hke>1 bei . Pr °, lapS " s ani; man P rbfe
mcht über die Dosis vol fJ^ u- deS Kln,les und gehe bei Chorea
?° A 1 U - und 10 Syrup simnmst'H^v A u Cb ü n Lösun g ( 0 > 0 '» auf
beginne mit 1 Katfe e |öffl?n2t , d ‘ e ' erabre,chung geeignet; man
Vorhaltung). Als Salbe (fo - aon xT^r n' '~ 6 tä »-’ lich ( bei Harn
b<a Tympanites. peripherer Tai, 0 L no i r ") kann das Strychnin, sulfur.
«bstrucüon local zur^erw e nSnTi g Aniauroae >- Dann-
kommen. Schliesslich hebt p 8 tA f l "i h ^maligen Einreibungen
zuwemg bei der i m KindellV' uoch [ nala hervor, dass das Str. viel-
^erde, ebenso wie es leider tu 8 ° häUhgen Dar matonie gebraucht
S ffein in letzter Zeit verdrHn' 8 . nerve . nstä ( ko, ' de 8 Mittel durch das
könnten bei vorsichtigem w . urd f ; Verglf tungserscheinungen
" lr klich einmal solche 8 sich G ^ mUCh ^. kaum auftret en, und wenn
&«!“*?» andelrSJS SÄ " im Curare neben
Mödecine Moderne, 1896 ' be8te Antidot gegeben. _ (La
-359
jfÄ SWT.KSJ.A"?
verdankt. Bei einer Tages-Dosis von 1 lgltabs lbre Eigenschaften
wie 2-4 Tage fortsetzfn darf hält HU w l' 6 ma " nich ‘ länger
arteriellen Spannung und Verlanesamnmr H Wl p k } ln g Zunahme der
Schläge) 21 Taze ein«r Mi„i g u P K des p "lses resp. der Herr-
schön nach 12 Stunden ein- Gaben"von ^lO^ in an und tritt
angsame und erst nach Wn sich e‘ 7^? Cg haben nur eine
könnten ohne Nachtheil 14 l bis 4 Wochet T irküng und
so dass sie meist nach anfänglich hnh^ n verordnet werden,
dringenden Fällen nöthig sind wederznnih D ° S - en J * wie 8ie in
PJ a881g . 81nd dazu die je 10 cg Dizitalis enrh^f 0 j‘ nd ' Sebr 7 - wep k-
Mddecine Moderne, 1896 , Na 27? enthaltenden granula (La
empfiehltSch*efc^Beriin^Thtm^Mo"^ h® r V i“ 0 ndb ehandlung
dazu die For.nalinge ati„ e Er verwendet
Wonnen, dass 50 ) g gelöster nnH»« • - l b ' 6 ' v,rd ln der Weise ge-
der reinen ScheHn^S?«Ö"i? ter Gel&tine mit » Tropfen
Masse wird über FormalindämXi U Ste!Sk5et e, S?* t | W ® rden - D ^ e8e
trock1n g Ä,r U t" d
^, inflU8 f der «ewebsLne“d ^ unter
zugleich wird <las Formalin-Molecül um Moielnt f Ge . latine , £jelös t» und
“ “ eilu '
wunden wie bei Eiterungsproclsser venleSdet^I^ 6 " . 0perations *
allerdings, d« „ekra&ohe Gewebaietren SitlÄT F, "°
.o„.Älv„: g be diri!, e eÄV;; b a r
2, 96). Dasselbe wird leichter in du f. 6(Therap ' Monatshifte,
cinelle Salbe so «lass z„ dtm „1 V 1 , d <e Haut verrieben als die offi-
MM?-
Kr.
zafäh 60 ’ Uigitalia ’ b d ei i i das A k lkai n -H heitei a Gegenüber dem Be-
znführen, hebt^ Cante?r«f k 1 d * ^ des Katurproductes ein-
Beatandtheil der Pfl a n g dir fT 0 "’ d L Ä88 Ersteres nur einen
* ndere Substanzen voviahdln sfnd ’ in der8elben noch
naen sind, welche snra guten Theile das
Tagesgeschichtliche Notizen.
unaufgeklärter ’ DngÄ.lf''leider
Diphtherieaernm, hlt “ h il, r A «S d " n? „ ^ B'liviue'eeh.n
ÄSST.'BSS;«;
gebniss der weiteren Untersuchung des Falles. “
T P ebe f den Geschäftskreis der, wie schon gemeldet in der
preussischen Armee zu errichtenden 16 Stehen für Divisionsärzte.
hä b Ä b TT U DieSe L ben lei8ten den Sanitätsdienst inner
halb des ihnen übertragenen Bezirks nach den Weisungen de«
a.efS '°,Zr eürS U r d d^ Corps-Generalarztes. Sie aind zugleth'
röchf h d , Garmsonslazareths im Divisions-Stabsquartier soweh
nicht besondere Chefärzte etatsmüssig sind. Die Divisionsärzte sind
die Vorgesetzten aller Mitglieder des' Sanitätscorps in Smn Dienst
nfchf * ikI« ?- ben bb er dieselben die Disciplinar-Strafgewalt eines
, ‘ 7 e bs tändige 1 i ß ataiIlonscommandeurs aus. Sie sind die ärztlteh
dSf Fwfe* Ratbgeber der Divisionscommandeure und in entsprechen-
kZ SSf ,1 aU8,,ben den Organe. Der Schwerpunkt ihrer Thätig-
keit liegt (abgesehen von dem Dienst als Chefarzt) hauptsächlich
fällt ihr S / h i P 7 tli k Chera Gebiet ‘ Nach dieser Richtung hi£
fällt ihnen (neben den bisher zu den divisionsärztlichen Functionen
gehörigen Dienstgeschäften) besondere zu: a) die Erziehung und die
theoretische sowie praktische Ausbildung des Sanitätsncrsono 6
(Assistenzärzte Unterärzte, einjährig-freiwillige Amte, Lazareth-
Hinhivl’ Mlll f tärkra “ k ? nwärt . er ' 1 Lazaretb ge b ilfenschule) in besonderem
Hinblick auf die Knegsaufgaben (Krankenträgerübungen. Sanitäts
d« ’rfp b ®‘ m . Man0ver . et .c ); b) die Ueberwachung und Handhabung
der Gesundheitspflege in ihrem Dienstbereich, beides nach zu e *
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360
^„„ukn kk MKMCIUISCHE W OCHKNgCHKI^
No. 15.;
Tn dem ihnen unterstellten Gamisons-
theilendernah^Anw^nng. In ^jn Ge8Uudheit9dien steR eine
lazaretli wird ihnen zur Handha g n _ Auc h in Bajern
hygienische Untereuchungsstehe Divigio n6ttrzte mit dem
rn^u V nd m den a Gmdabzeichen der Oberstiieutenants und dem
halte von 540U Mk emsunt wer en. estimmt , dass das Blut
StÄ™ Nahrungs- und Genuss-
mltteln nicht mehr verwendet werden^ c a . wekhe {ür ärztliche
- Die Gemeindekrankeneass® Jy, tnigg zu r Grösse der
Behandlung bei freier Arztwahl 3 7259 M ausgibt, laborirt an einem
Casse bescheidene Summe vo einfache Meist»,
Deficit Diesem Uebelstande soll »» ^n, indem in Er-
nämlich auf Kosten der Aerz e, a ^ ^ C assenärzte einzuführen,
wägung gezogen wird, d«i •y ^ 4( ;ZwangBiUzteii‘24ül)M.auf-
.W'ürden», so lesen wir im hr -G ^ M erzielt, womit das
gestellt, so würde eine .*'«1*™'“ e völlig verschwinden wurde».
— -- e —
"ÄH*. «»*■ &&
technischen Hochschule zu 1 * e * dir ’ den Mitgliede ernannt.
äüa X« i- p*^ k “ u “ h “* then,a '
tischen Classe gewählt. Edward Jenner viele
- in Gloucester, einer Stadt, m der jaw^ Woche
Jahre seines Lebens , ^^“lesfä le kn Pocken vorgekommen; von
172 Erkrankungs- und llö ic.uesi.mc nmreimpft. Verant-
90 im Krankenhause Verstorbenen würdigen Vftier der Stadt, die
wörtlich für dieses Dnlieil sindI die IS dann aber, nachdem
bis vor Kurzem str f“ m f ® WStainen und Desinfection vergeblich
tausende von Pfunden für i „ der Ereignisse sich zum Impf¬
ausgegeben waren, unter . . j ür ^.re eigene Person Heil
zwang bekehrten und m er jE e L, E j ngicht kommt freilich zu spät,
bei der Impfung suchten. . e Opfer gefordert. W ir em-
>» Gl»““«« d “ Mh " in,pf ^ gnern
zum A< ' a ^™' e jj^^)(W^Frcs n * U r V ”* , ®**ügung^ l ge8W™f,
Audiffret die Summe von «00WO P im Betrage von
mit der Bestimmung, ‘ . oder ausländischen Gelehrten,
Ä «—>- “ tJeckt -
Leibrente zufallen sollen. Vorbereitungen zu der
In Frankfurt ^«g^Smber! d aS e lb 8 t stattfindenden Natur-
im Herbst, vom 2 kenbergische Naturforschende Ge
forscher-Versammlung Die >Se k Lturhistorischen Museums
Seilschaft wird den Besucnern dun . h dasselbe widmen.
einen künstlerisch ausgestatte!Gesellschaft wird die Ergebnisse
Die Frankfurter P liy8 >^ l '^ b ® Beobachtungen über die meteoro-
dreissigjähnger wissenschaftlicher Beobacn. F g gtschri{t , Da8 Klima
logischen Verhältnisse der Oberärzte der städtischen
von Frankfurt» veröffentlichen. Die hafüicher Arbeiten
Krankenanstalten werden Rft v.(>rden haben zur Pierstellung der
sasa. - «• *—
von 1 ^^.^Qp b ^ a ^^ 0 gis C he Ü Vorträge"S
August\eiTd,Kath Dr. W. Hess in Mainz anzu-
r;5^S«s KS£ ' ,,s
der 13. Jahres woche, vom . Sterblichkeit Offenbach mit 7,6
Krankheit gezwungen war£•“* curtnüic^ ^ h
. , ... TVohipm geplanten Kreiskrankenhause
Prof. Dr. Koch) mit dein *ür l)a em^g ^p betrachten ist) bemüht
zu verbinden, Ms definitiv anfg ge'“«J 1 itut an das neue städtische
sich das Ministerium zur Ae t, a dringend wünschens-
Krankenhaus in Berlin Johanne,
werth ist, der Stadt Berlinzu l. \t un8ere r Hochschule ist
Orth, der bekannte,.P*2®iui ernannt worden. Das physikalisch*
zum Geheimen Mediunalrat .na diese3 Monats eröffnet
chemische Institut wir no^ Privatdoc ent und Oberarzt der
werden. - Halle. Der Wi ik Dr . Robert Wollenberg,
kgl. psychiatrischen «nd Nervenä me j. cinischen Fakultät hiesiger
ist zum a. o. Professor >»
Universität ernannt worrten Finkelnburg sind
Brüssel. Die p ^ es8 ° re " k ^° e ^ e erim nnt worden. - Paris,
zu Ehrenmitgliedern der ktl. A . unterstehende Matermtü,
Die der Leitung p ™ e * 8 °F. dem Unterrichte für Hebammen
welche bisher » u8 5® hl ‘®" l,c *'jj dem Unterrichte für Studirende
gedient hatte, wurde nun «1 a , tj Materiale von 4000 Ge-
und Aerzte erschlossen. Be ‘JJ^rnite verfügt, ist diese Erweiterung
bürten pro Jahr, worüber di ‘ ® Wichtigkeit für die zahlreichen
des Zweckes der Anstalt von grösster^ i^ ^ weitere Augbi l du ng
in- und aushlmhsclien Aerz, h den Hofrathstitel verliehen: dem
suchen. - Wien. Der‘Kaiser h G t u88en b au er, dem Professor der
Professor der Chirurgie Dr. . Professor der Gynäkologie
Ophthalmologie Dr. E. tue ns,
I Dr. R. Chrobak. _ An?il Mariano Semmola,
(Todesfall.) ZuNeapeUtart^ undTbe rapie an der dortigen
Professor der experimentelle atho g^^ ItR iien, im Alter von
Universität und &«“***S u dien auf dem Gebiete der allgemeinen
65 Jahren. Seine zahlreichen Studien Nephritis und Albuminurie
Pathologie, sowie wme Artete« über^ der auf ver .
begründeten den Ruf omrreS8e n als Vertreter Italiens auf trat
sebiedenen medicnusch Gong , de Beredsamkeit und durch
kid, auBkeichnete.
Personalnachrichten.
Bayern.
18M ■i'süssf Dr- as-s.v.V'wSJTSs!»»
stadt. , . r» r wiUi Bestelmeyer, k. Ober-
Zur Praxis angeineldet. Dr. vvmi.
Btabsarat I. CI, appr. IST !, in M0”= D Medicinalrath Dr.
Enthebung: Der k I«ndgoit>^ t »»“ 8uche i v0 „ der Fnnctinn
K. Landgraf ™Med'cina au«BChU8»e8 für Oberfranken
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Gestorben: Med.cmalrath Dr. ATOMt pp bezlrk8ll „ t .
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Wasserburg. __
Morbiditätsstatistik w96. Chen
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36 (37), Erysipelas 21 (36), lntermRten . Morbilli 20 (30),
Kindbettfieber 3 (2), Menmgi is P p titis epidemica 7 ('•>),
Ophthalmo-Blennorrhoea neonat^^W^P«^^^ _ (1)> Rheuma-
SmTarC S°% »nhr )»fvSellenl4(l|,
(SrSÄ-’Sl. dt« OSS). Medicinalrath Dr. Anb.
Uebersicht der Sterbefälle in München ^
während der 14. Jahreswoche vom 29. MUreb»
Bevölkerungszalil: 40b OW ninhlherie
Todesursachen : Masern 2 ^^’.^ßeber - (—), Blutver-
hall zu unterbrechen, ist letzt seine Praxis in Reichenhall culose a) der Lungen 22 ^b), ) üb tragbare Krankheiten 3 (2),
wieder hergestellt und wml mi bommer seine Gelenkrheumatismus - (-), an lere uoei {remde Hand _ (-)
wieder aufnehmen. ... ^ _nohoimraih r Unglücksfälle 2 (4), Selbstmord - ( ), (190b Verhältnisszahl
Die Gesammtzahl der Sterbefälle llt. (243) , für
'iSÄÄÄÄ A ^ -
| die über dem 5. Lebensjahr stehende 12,4 (14, ).
^ingeklammertenZah^emen^l^lf^
"'S-aääS
SÄelS Dr ei S e e n il, e r älteste Beamte des Gesund¬
heitsamts. nicht unbedenklich erkrankt jjaohdem die Absicht
der * da» & Instit ut ; 1 ^ttr "pifecUonskrankheit^(Geheiin r^h
_ ii ii ui — liruc.lt ilttt
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Die Münchener Mcdlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich ln Nummern von mindestens 2»/*—3 Bogen,
l'rels vierteljährlich 6 M., pracnumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adreasiren: Für die Kedactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Fromenadeplntz lfl
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Heinehe, 6. Merkel, J.». Michel, H.». Ranke, F. t. Wlnckel, H. f. Zlemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
Nürnberg. Würzburg.
M 16. 21. April 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: .1. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik in Giessen.
Ueber 2 Fälle von operativ behandelter Rindenepilepsie.
Von Dr. K. Weissgerber, Assistenzarzt der Klinik.
Ich möchte mir erlauben, über zwei Fälle traumatischer Rinden¬
epilepsie zu berichten, die vor einigen Jahren von Herrn Professor
Dr. Pop pert operativ behandelt worden sind und mit Rücksicht
auf den Heilungserfolg wohl ein gewisses Interesse beanspruchen.
Seit dem Aufschwünge, den die Hirnchirurgie auf Grund
der Fortschritte der Hirnlocalisationslehre im Verein mit den Er¬
folgen der modernen Wundbehandlung genommen, hat die oj>erativc
EpilepsiebehandluDg eine wesentlich bessere Begründung erfahren.
Man hat die Krankheitsbilder besser beobachtet und schärfer
gesichtet und nur in bestimmt charakterisirten Fällen einen Eingriff
vorgenommen und ist vielleicht jetzt iu der Lage, die Resultate
za überschauen.
Man glaubte bekanntlich vordem, in der traumatischen Ent¬
stehung der Epilepsie eine genügende Indieation zum Eingriff zu
erblicken, besonders, wenn eine äusserlich nachweisbare Schädel¬
veränderung darauf schliessen Hess, dass der Krankheit möglicher¬
weise eine locale Hirnläsion zu Grunde läge, ohne jedoch eine
klare Vorstellung Uber den Zusammenhang beider hiermit zu ver¬
binden. Man trepanirte in solchen Fällen, man beseitigte eine
vorhandene Depression, entfernte vielleicht einen Knochensplitter,
löste allenfalls noch Verwachsungen der Dura mit dem Knochen
— im Grossen und Ganzen ohne von all’ diesen Maassnahmen
rechte Erfolge zu sehen.
Das Verständniss für den Zusammenhang zwischen Kopf¬
verletzung und Epilepsie ist wesentlich gefördert worden durch die
Ergebnisse der Versuche am Thiere, die uns zeigten, dass schon
geringe Reize an bestimmten Stellen der Hirnoberfläche epilepti-
forme Krämpfe veranlassen. Wir wissen aus dem Thierversuch,
dass wir durch schwache elektrische Reizung eines motorischen
Rindencentrums genau dieselben epileptischen Erscheinungen er¬
zeugen können, wie wir sie in einer Gruppe von Fällen traumatisch
entstandener Rindenepilepsie am Menschen sehen. Der Versuch
lehrt uns, dass der Krampf stets in derjenigen Muskelgruppc
beginnt, die dem gereizten Centrum entspricht, z. B. im Facialis-
gebiet der einen Seite oder einer Extremität, und entweder auf
dieselbe beschränkt bleibt, oder der Reibe nach auf andere Muskel¬
gruppen übergreift, genau der anatomischen Anordnung der Rinden-
centra entsprechend. Entwicklung und Ablauf der Krämpfe ist
stets derselbe und unterscheidet sich nur in der Ausdehnung, in
der der Körper ergriffen wird.
Es ist nun vor allem das Verdienst von Horslcy und
v. Bergmann gewesen, zuerst in zielbewusster Weise als Vor-
bedingung für den chirurgischen Eingriff die Forderung aufgestellt
zu haben, nur solche Fälle auszuwählen, die den eben beschriebenen
I.vpus zeigen, Fälle, die man bekanntlich auch als Jackson’.sehe
Epilepsie bezeichnet, nachdem Jackson bereits längere Zeit vor
jenen Thierversuchen auf Grund der klinischen Beobachtung die
No. k;.
Abhängigkeit der hierher gehörigen Krankheitsformen von bestimmten
Veränderungen der Hirnrinde erkannt hatte.
Wir müssen annehmen, wo wir nach Kopfverletzungen das
Bild der Ja ck s on ’ sehen Epilepsie sich entwickeln sehen, dass
an einer umschriebenen Stelle der Hirnrinde sich auf Grund der
vorausgegangenen traumatischen Veränderungen ein Reiz geltend
macht — analog dem elektrischen Reiz im Thiercxperiment —
der dieselbe in den epileptischen Erregungszustand versetzt und
zur Ursprungsstätte des Anfalles macht.
Mit dieser Krkenntniss ward dem chirurgischen Eingriff eine
weitere Aufgabe gestellt, er darf sich nicht mehr auf die blosse
Trepanation oder einige rein äusserliche Maassnahinen beschränken,
sondern er muss einen Sehritt weiter gehen und jedesmal den
Duralsack eröffnen und die Beseitigung palpabeler Veränderungen
der Hirnrinde selbst anstreben, an derjenigen Stelle, die wir nach
dem im Anfall zuerst zuckenden Extrcmitäteuabschnitt als Ursache
und Sitz der Krankheit ansehen müssen.
Nach dem eben entwickelten Gesichtspunkte sind in den
letzten Jahren eine grössere Zahl von Fällen operirt worden, die
durch unsere beiden insofern eine interessante Bereicherung er¬
fahren, als besonders in dem einen ein ausnahmsweise günstiges
Resultat erzielt wurde, ein Resultat, das fast als vollständige
Heilung bezeichnet werden kann.
Die Anamnese dieses Falles anlangend, so handelte es sich um
einen lOjäbrigen Patienten, der als 1 2 jähriges Kind in Folge eines
Schlages auf den Kopf eine complicirte Schädelfractur erlitten hatte.
Die Wunde eiterte und kam erst nach einem Vierteljahre zur Heilung,
nachdem einige Knochensplitter ausgestossen worden waren.
Im Juni 1891 stellte sich der erste epileptische Anfall ein, ein
zweiter im August desselben Jahres mit Zuckungen in der linken
Hand, im linken Arm und linken Bein, nachdem Schmerzen in
diesen Körpertheilen vorausgegangen waren. Seitdem folgten die
Anfälle öfter, etwa alle 8—10 Tage und 2—3 Minuten dauernd,
einmal an einem Tage 4 Anfälle.
Bei der am 20. November 1891 erfolgten Aufnahme in die
Klinik fand sich bei dem Kuaben, der normal entwickelt ist und
im Uebrigen keine Krankheitserscheinungen darbietet, eine kleine
strahlige Narbe, ungefähr in der Mitte zwischen Sagittalnaht und.
rechtem Tuber parietale; in der Mitte fühlt man eine kleine Ver¬
tiefung, resp. Lücke im Schädeldach. Pulsation fehlt; Druck ist
nicht nennenswerth empfindlich und löst keinen Anfall aus.
Hier wurden nach einer anfallsfreien Zeit von einigen Wochen
vier Anfälle beobachtet in Pausen von 6—7 Tagen. Sämintliche
Anfälle wurden durch eine sensible Aura eingeleitet, durch heftige
Schmerzen in der linken Hand, im Vorderarm und an der Narbe.
Alsbald folgten tonische Zuckungen im linken Vorderarm, in der
Hand und den Fingern, die in äusserste Beugung gezogen wurden;
alsdann gingen die Krämpfe regelmässig auf die linke untere
Extremität über, die in tetanische Streckung gerieth. Die Krämpfe
dauerten 1—3 Minuten, das Bewusstsein war anscheinend kurze
Zeit getrübt, die Pupillen dabei weit, ohne Reaction auf Lichteinfall,
das Gesicht cyanotisch geröthet. Nach dem Erwachen klagte Patient
stets über heftige Schmerzen im Kopf und in den von Krämpfen
befallen gewesenen Muskeln. Der linke Arm war nachträglich, auf
1—2 Minuten völlig gelähmt, dann paretisch, nach 1 Stunde konnte
er wieder frei bewegt werden.
Bei der am 31. December 1891 vorgenommenen Operation
zeigt sich das Periost in der Umgebung der Impression mit dem
Knochen verwachsen, in diesem wird ein kleiner viereckiger Defect
sichtbar, mit Narbenmasse ausgefüllt, die nicht pulsirt. Dieselbe
1
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362
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
wird bis auf die fest damit verwachsene Dura abgetragen und von.
dem Knochen ringsherum noch so viel entfernt, bis normale, nicht
mehr adbärente Dura überall freiliegt. Der so gesetzte Knochen-
defect iBt markstückgross, ip dem die narbig veränderte Dura (von
etwa 10-Pfetjnigstückgrösse) jetzt in ganzer -Ausdehnung sichtbar-
ist und ptalsirt. Dieser letztere Theil. der Dpra, der mit der den
ursprünglichen Knochendefect ausfüllenden Narbenpartie zusammen-,
hing, wird vorsichtig von der Gehirnoberfläche abgetragen; hierauf
ergibt sieb, dass in der Mitte eine Narbenmasse, die auffällig sulzig,
ödematös durchtränkt und aus schmalen Strängen zu bestehen scheint,
in die Hirnrinde eindringt. Diese Partie wird gleichfalls excidirt,
sie erstreckt sich etwa 1 cm tief. Es folgt Naht der Haut, deren
narbige Stelle vorher excidirt wird, über dem freiliegenden Gehirn;
die beiden Wundwinkel bleiben offen. Trockener Mullverband.
Nach dem Erwachen aus der Narkose ist die linke Hand nicht
gelähmt, .nur besteht Anfangs taubes Gefühl in derselben.
Der Wundverlauf War vollständig glatt; Pulsation des Gehirns
später nur an eng umschriebener Stelle wahrnehmbar. Die Anfälle
kehrten nicht wieder und Patient wurde nach 7 Wochen entlassen
(am 18. Februar 1892).
Der Vater theilte später mit, dass dem Knaben das Lernen
in der Schule viel leichter falle und die geistige Entwicklung gute
Fortschritte mache. Er blieb anfallfrei über 2 Jahre lang, bis zum
22. April 1894. An diesem Tage hatte er wieder einen Anfall
Aber nur diesen einen, und seitdem ist, wie uns der Vater vor
einigen Tagen mittheilte, kein Anfall mehr wiedergekehrt
In dem soeben geschilderten Falle ist durch die Operation
zweifellos ein äusserst günstiges Resultat herbeigeführt worden.
Der Umstand, dass Pat. über 2 Jahre von Anfällen vollständig ,
verschont wurde und nach der einmaligen Wiederkehr auch weiter¬
hin bis jetzt vollständig verschont geblieben ist, drängt uns zu
der Annahme, dass es sich nicht um ein zufälliges vorübergehen¬
des Pausiren der Anfälle, sondern um eine direete Heilwirkung
unseres Eingriffes handelt.
Die Bedingungen, an die ein rationelles Vorgehen geknüpft
ist, waren in unserem Falle auch erfüllt. Er zeigte alle Charaktere
der Jac k so n 'sehen Rindenepilepsie; der Beginn in einem Cen¬
trum und das schrittweise Uebcrgrcifcn auf benachbarte; die nach
dem Krampfe zu erwartenden Paresen. Die Anfälle begannen
ferner stets in derselben Muskelgruppe und verliefen alle gleich-
massig; sie bestanden ausserdem noch nicht sehr lange Zeit, der
Fall war also in dieser Beziehung noch relativ frisch, und endlich,
er war entstanden durch ein Trauma, das greifbare Veränderungen
am Gehirn hinterlassen hatte.
In dem II. Falle, über den ich hier berichten will, handelt es
sich um einen 28jährigen Mann, der in seinem 10. Lebensjahre
einen Schlag gegen den Kopf erhalten hatte Die Wunde eiterte
fast ein ganzes Jahr. Mehrere Wochen nach der Verletzung hatte
Pät. Krämpfe im rechten Arm, die mehrere Stunden dauerten.
Danach hinterblieb in diesem eine Lähmung, der rechte Arm konnte
fast ein halbes Jahr gar nicht bewegt werden, das rechte Bein war
geschwächt. Auch sehr starke Kopfschmerzen bestanden während
dieser Zeit. Die Lähmungserscheinungen und die Kopfschmerzen
Hessen allmählich im Verlauf eines Jahres nach und verschwanden
schliesslich ganz. Seitdem fühlte sich Pat. gesund. Im 17. Lebens¬
jahre traten Anfälle von Rindenepilepsie auf. Dieselben beginnen
mit Zuckungen im rechten Arm, dann tritt Bewusstlosigkeit ein,
und die Krämpfe gehen auf die anderen Extremitäten über. Die
Anfälle dauerten gewöhnlich 2—3 Minuten und verliefen alle gleich¬
mäßig. Sie hinterliessen meist heftige Kopfschmerzen während
zweier Tage, und Zittern und Schwäche des rechten Armes. Die
Narbe am Kopf war während dieser Zeit auf Druck sehr empfind¬
lich. Die Anfälle traten in der ersten Zeit alle 5—7—10 Wochen auf,
später häufiger, in den letzten 2 Jahren oft 3—4 mal an einem Tag.
Pat. zeigt sich bei der Aufnahme in die Klinik normal ent¬
wickelt. Am linken Scheitelbein findet sich eine kleine, trichter¬
förmige Einsenkung des Knochens, etwa */s cm an der Basis breit,
/*.cm neben der Pfeiluaht und 1—1*/* cm hinter der Verbindungs¬
inne beider Meat. auditor. Eine kleine schmale Narbe geht von
diesem Trichter aus nach hinten. Pulsation an der Narbe ist nicht
sichtbar, Druck für gewöhnlich nicht empfindlich. Die Untersuchung
ergibt keine Störungen der Sensibilität und Motilität, nur wird ein
schweres Gewicht mit dem rechten Arm leichter geschätzt als mit
dem linken, das Muskelgefühl ist also nicht normal.
Bei der am 8. Oktober 1890 vorgenommenen Operation
ergiesst sich während der Freilegung des Knochens beim Ablösen
, ,, na ™8 e ? HiUlt aus der Tiefe des Trichters etwa 1 Esslöffel voll
heHer Flnssigkeit. Nach Erweiterung der Oeffnung und Völlendunk
der Ablösung zeigt sich, dass an dieser Stelle, entsprechend dem
Trichter, ein linsengrosser Defect in der Schädeldecke ist, durch
Höhle gelangt ^ 3 ° m ^ 6 ’ ne ß eräumi 8 e - etwa walnussgrosse
• mP 8 , w j r<I , nun ’ z,,nächst nach aussen von dem Knochendefect,
ein Theil des knöchernen Daches entfernt, die Dura, rings an die
Knochenlucke angewachseri, wird freigelegt, sie erscheint weisslich,
nicht' verändert und nicht gespannt. Auf diese Weise wird ein
etwa 10-Pfennigstückgrosser Defect des Knochens rings um die
Oeffnung der Cyste gebildet Dieselbe erstreckte sich noch etwas
nach vorne und medianwärts bis über die MittelUnie. Ander Wand
der Cyste und durch dieselbe hindurch'ist ein Weitmaschiges Balken¬
netz ausgebreitet, stellenweise mit feinen sandkornartigen Kalk-
hiederschlügen besetzt; ein etwa abgelöster Knochensplitter war
nicht zu entdecken. Nunmehr wird die Dura, soweit sichtbar, rings
um die Cystenöffnung losgelöst, es kam hierbei die von der blut¬
überfüllten Arachnoidea überzogene Hirnoberfläche zum Vorschein,
die Arachnoidea schien am Rande direct in die Cystenwand über¬
zugehen. Diese wird sammt einem 1 2 mm dicken Hirnmantel,
soweit das Gehirn gelblich verfärbt war, exstirpirt.
Die Wundhöhle wird zunächst mit Jodoformgaze tamponirt. Nach
dem Erwachen zeigen sich keine Lähmungserscheinungen. Durch
den Verband sickert zunächst ziemlich reichlich Cerebrpspinal-
flüssigkeit aus. Der Wundverlauf war im Uebrigen ein guter, nach
3 Tagen erfolgte die Entfernung des Tampons und die Naht.
Die Anfälle setzten in diesem Falle nur 4 Wochen aus, am
5. November 1890 zeigte sich wieder ein Anfall, und es folgten neue
alle 5 Wochen, aber nicht so stark wie die früheren; seit l 1 /* Jahren
sind sie ganz weggeblieben bis auf einen Anfall im November 1895.
Dieser letzte Fall weist kein so günstiges Ergehniss auf, wie
der erste, aber immerhin doch eine wesentliche Besserung. Die
Anfälle, die vor der Operation während der letzten 2 Jahre mit¬
unter 3—4 mal täglich aufgetreten waren, kamen nach der <)peration
nur alle 4—5 Woehen und hatten an Intensität abgenommen, und
sie sind jetzt seit 1 *js Jahren bis auf 1 Mal ganz weggeblieben.
Die Krankheit hot hier auch das typische Bild der Jack¬
son sehen Epilepsie, nur bestand gegenüber dem ersten Falle klinisch
insofern ein wesentlicher Unterschied, als die Krämpfe schon viel
längere Zeit, über 10 Jahre, aufgetreten waren. Die Beobachtung
hat ergeben, dass die Erfolge in solchen veralteten Fällen sehr viel
unsicherer sieh gestalten, vielleicht weil secundärc Veränderungen auch
an den ursprünglich nicht betroffenen Rindencentren eiugetreten sind.
Wenn wir die Ergebnisse der letzten Jahre überschauen, so
müssen wir sagen, dass leider nur in der Minderzahl der Fälle sc
günstige Erfolge, wie die beiden unserigen zu verzeichnen sind.
In der weitaus grössten Mehrzahl handelt es sich nur um vorüber¬
gehendes Aussetzen der Anfälle, oder um mehr oder weniger lang
anhalteude Besserung.
Diese Unsicherheit des Erfolges hat bekanntlich dazu geführt,
noch einen Schritt weiter zu gehen, nicht nur die degenerirte
Hirnpartie, die Narbe, die Cyste zu exstirpiren, sondern gleich das
ganze Centrum zu entfernen, selbst auf die Gefahr, eine dauernde
Lähmung in dem betreffenden Muskclgebiet zu erhalten. Bessere
Resultate hat man jedoch auch hierdurch nicht erzielt. Es hat
sich zwar gezeigt, dass der Eintritt einer dauernden Lähmung so
leicht nicht zu befürchten ist; in den nach der Operation gelähmten
Muskeln stellt sich meist nach einiger Zeit die frühere Motilität
wieder her, vielleicht weil andere Hirutheile als Ersatz eintreteu.
Allein auch die Anfälle blieben in den meisten Fällen nicht aus,
und zwar sehen wir sie entweder von den bereits exstirpirten oder
benachbarten Rindenbezirken ihren Ausgang nehmen.
ln der Beurtheiluug des Heilwerthes unserer operativen Be¬
strebungen werden wir ferner zu einer gewissen Vorsicht gemahnt
durch die Tliatsache, dass nach chirurgischen Eingriffen am Kör¬
per beliebiger Art eine Besserung resp. Unterdrückung epilepti-
forrner Anfälle für kürzere oder längere Zeit beobachtet wird.
Vor solchen Irrthümern, denen wir bei voreiligem Urtheil
nach dem eben Gehörten leicht ausgesetzt sind, müssen wir uns
vor Allem durch eine genügend lange Beobachtung unserer Ope-
rirten zu schützen suchen, und sie hat in der That dazu geführt,
dass die Zahl der vollständigen Heilungen immer kleiner geworden
ist, ja dass wirkliche dauernde Heilungen von mancher Seite über¬
haupt in Frago gezogen werden.
Ein abschliessendes Urtheil ist auch jetzt noch nicht möglich.
Die besten Aussichten scheinen diejenigen nicht allzu seltenen
Fälle zu bieten, wo durch das Trauma das Gehirn selbst direct
nicht gelitten hat, sondern wo mehr indirect an diesem ein Reiz
unterhalten wird, z. B. durch die Anwesenheit einer Cyste, die
aus einem intrameningealen Bluterguss über oder zwischen den
motorischen Centren entstanden ist, und wo mit der Beseitigung
dieser Krankheitsursache am Gehirn gewissermassen eine Restitutio
ad integrum geschaffen wird.
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21. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
363
Ein Fall von Meningitis serosa durch Operation
geheilt. 1 )
Von Dr. Kretschmarin in Magdeburg.
Die iutracraniellen Complicationen, welche durch Eiterungen
iin Felsenbein, acute wie chronische, hervorgerufen werden
können, haben Dank den Errungenschaften der letzten Jahre von
ihrer früher fast absolut hoffnungslosen Prognose viel verloren.
Die Zahl der operativ geheilten Sinusthrombosen, extraduralen und
Hirn-Abscesse, hat sich in den letzten 2 Jahren ganz erheblich
vermehrt *). Als eine weitere Coinplication von Felsenbeincaries
hat sich die Meningitis serosa erwiesen, eine Krankheit, deren
Bild von Quincke*) an der Hand einer grösseren Reihe von
Fällen vortrefflich charakterisirt worden ist.
Dass die Meningitis serosa auch zu den Erkrankungen gehört,
welche erfolgreich operativ angegriffen werden können, dafür mag
folgender Fall als Beleg dienen.
Heinrich W., 13 Jahre alt, kam in meine Behandlung am
13. Mai 1895. Er stammt von gesunden Eltern, welche noch am
Leben sind. Ebenso erfreuen sich 7 Geschwister einer guten Ge¬
sundheit. Irgend welche schwerere Krankheiten hat er bisher nicht
gehabt. Eine rechtsseitige fötide Ohreiterung besteht seit den
ersten Lebensjahren. Seit 14 Tagen ist der sonst muntere Knabe
einsilbig, verschlossen, unlustig zu Spielen mit seinen Kameraden.
Er sucht die Einsamkeit und wird häufig in der warmen Sonne
liegend gefunden, da ihn, seiner Angabe nach, fröstle. In den letzten
Tagen konnte er sich nicht mehr aufrecht erhalten, musste vielmehr
das Bett hüten. Es traten heftige Schmerzen im Hinterkopf auf,
häufiges Erbrechen, Abmagerung und Unruhe, besonders während
der Nacht. Fieber, Trübungen des Sensorium sind nicht vorhanden,
dagegen Schwindel.
Ötatus praesens: Der sehr herunter gekommene Knabe macht
einen schwerkranken Eindruck. Der Gesichtsausdruck ist schmerz¬
haft, massige Nackensteifigkeit. Pupillen beiderseits gleich, reagiren
ziemlich träge. Zunge zittert, Fieber fehlt, Puls 54 Schläge. Mo¬
torische und sensible Störungen sind nicht vorhanden. Reflexe
beiderseits gleich und normal. Die Untersuchung der inneren Organe
ergibt normale Verhältnisse. Der Kopfschmerz wird in die rechte
Hinterhauptsgegend localisirt. Percussion dieser Stelle wie der
übrigen Schädelkapsel ruft keine Steigerung hervor.
Der r. Gehörgang, erfüllt mit dünnflüssigem, stinkenden Eiter.
Trommelfell fehlend. Paukenhöhle voller Granulationen. Dazwischen
Cholesteatommassen.
Weichtheile der Warzenfortsatzgegend normal. Geringe Druck¬
empfindlichkeit. Urin ist frei von Eiweiss und Zucker.
Der Augenhintergrund zeigt beiderseits die Conturen der
Papilla opt. verwaschen, die Venen geschlängelt. Sehschärfe und
Gesichtsfeld annähernd normal.
Die Diagnose stellten wir auf Cholesteatom des r. Felsenbeins
mit intracranieller Complication, deren Sitz mit Wahrscheinlichkeit
in der hinteren Schädelgrube zu suchen ist.
In den nächsten 3 Tagen trat eine Wendung zum Besseren
nicht ein, ein {weiteres Zu warten war bei dem desolaten Zustand
des Patienten unrathsam. Deshalb Operation am 16. Mai. Der
Warzenfortsatz wurde durch einen die Wurzel der Ohrmuschel um¬
greifenden, bis zur Spitze des proc. reichenden Bogenschnitt frei¬
gelegt Wenige Meisselschläge fördern ein ausgedehntes in Zerfall
begriffenes Cholesteatom zu Tage. Fortnahme der hinteren knöchernen
Gehörgangswand und der pars, ossea der lateralen Paukenwand.
Ein nach dem Sinus transv. führender Durchbruch wird erweitert.
Sinuswand stark verdickt, nicht pulsirend. Eine Incision in den
8inu8 legt einen rothen gutartigen Thrombus frei, der, wie die bei
tieferem Einschneiden auftretende Blutung erweist, nicht obturirt.
Durch eine senkrecht auf die Mitte des ersten Bogenschnittes ge¬
führte Incision wird die Hinterhauptgegend freigelegt und eine
Knochenöffnung von Dreimarkstückgrösse geschaffen.
Die Dura des Kleinhirns drängt sich in den Defect. Sie fühlt
sich prall gespannt an. Beim Einschneiden derselben spritzt eine Menge
seröser Flüssigkeit mit grosser Gewalt heraus. Kreuzscbnitt in die
Dura im Umfang des Knochendefectes. Das Gehirn stürzt in die
Lücke und bildet einen Prolaps in der Grösse eines halben Hühner-
Die Gefässe der Pia sind stark gefüllt. Eine Anzahl Einstiche
m Hirnsubstanz nach verschiedenen Richtungen führt zu keinem
positiven Resultat.
Nunmehr wird vom vordem Winkel des Bogenschnittes senk¬
recht nach oben eine Spaltung der Weichtheile vorgenommen, die¬
selben zurückgescboben. Mittelst Vergrösserung der Knochenhöhle
*) Vortrag, gehalten in der medicinischen Gesellschaft zu
„. *) Vergl. darüber »die otitischen Erkrankungen des Hirns, der
nirnhäute und der Blntleiter von Prof. Dr. Otto Körner», II. Auf¬
lage 1896.
*) Volkmann’s Sammlung klinischer Vorträge, neue Folge
ffo. 16.
des Warzenfortsatzes durch Abmeisslung des Tegmen antri et tympani,
sowie eines Theiles der Schläfenechuppe, wird der 8chläfenlappen
in Markstückgrösse freigelegt. Dura liier weniger gespannt. Incision,
ebenfalls Erguss von Flüssigkeit, aber geringer. Die wiederholte
Punction des Schläfenlappens fördert keinen Eiter zu Tage. Hirn
prolaps von Wallnussgrösse. Die Knochenhöble wird mit Jodoform-
gaze ausgefüllt, die ausgedehnte übrige Wunde mit demselben
Material bedeckt, darüber Verband. 2 8tunden nach der Operation
zählt der Puls 7b, Temp. 36,8.
17. Mai' Früh: Sehr günstiges Befinden. Kopfschmerzen gänzlich
verschwunden; der Knabe sitzt in seinem Bett und singt, ißst mit
gutem Appetit. Puls 88. Der Verband ist völlig durchnässt, wird
Morgens und Abends gewechselt
19. Mai: Befinden gut, Puls und Temperatur normal. Die
Stauungspapillen gehen zurück, die starke Absonderung von Liquor
cerebrospinalis hält an, so dass Morgens nicht nur der grosse Moos¬
kissenverband, sondern auch Kopfkissen und Hemd durchnässt sind.
21. Mai: Abendtemperatur 38°, ebenso an den 3 folgenden Tagen.
27. Mai: Puls wieder langsamer, 56. Erbrechen, welches sich
in den den nächsten 3 Tagen wiederholt.
29. Mai: Die 8ecretion lässt plötzlich nach, Verband alle
2 Tage. Die Wunde granulirt gut. Hirnprolaps an Grösse nicht
vermindert.
1. Juni: Stauungspapillen wieder stärker, Puls 66.
3. Juni: Nystagmus bei Blickrichtung nach oben und in der
Horizontale, aber nicht nach unten.
8. Juni: Doppelsehen. Parese des r. Rectus extemus. Seh¬
schärfe und Gesichtsfeld normal. Papillen, wie bei der letzten
Untersuchung am 1. Juni.
11. Juni: Patient gebraucht beim Essen die linke Hand. Die
rechte Extremität verfehlt beim Greifen das Ziel; sie kann nur un-
coordinirte Bewegungen ausführen. Das Gehen ist nicht möglich,
da auch die r. untere Extremität uncoordinirte Bewegungen aus¬
führt und beim Versuch, das Bein vorwärts zu setzen, die linke
Extremität kreuzt. Die rohe Kraft ist rechts herabgesetzt. Sensibilität
ist nicht gestört, Reflexe normal.
21. Juni: Leichte Temperatursteigerung, Abends 37,8. Puls
bewegte sich in der letzten Zeit in normalen Grenzen.
22. Juni: Nystagmus und Doppelsehen verschwunden. Die
atactischen Erscheinungen der r. Extremitäten lassen nach.
2. Juli: Die Absonderung von Liquor cerebr. ist seit einigen
Tagen wieder sehr reichlich, so dass täglich wieder zweimaliger
Verband nothwendig wird. Rückgang der Stauungspapillen. Der
Schläfenpiolaps ist überhäutet. Der Kleinhirnprolaps, etwas ver¬
kleinert, beginnt von seiner Basis her sich mit Epithel zu bekleiden.
In den folgenden 14 Tagen nimmt die Secretion allmählich ab, die
Motilitätsstörungen werden geringer, das Körpergewicht nimmt zu.
17. Juli: Patient wird aus der Anstalt entlassen und ambulant
weiter behandelt. Verbandwechsel aller 3 Tage, keine Absonderung
von Liquor cerebr. mehr.
15. Aug.: Die Eiterung aus dem Ohr bat aufgehört, Warzen¬
fortsatzhöhle epidermisirt.
28. Aug.: Neuritis descendens beiderseits. Conturen der Papillen
wieder deutlich. Normales Gesichtsfeld und Sehschärfe. Der Klein¬
hirnprolaps wallnussgross bis auf Zehnpfennigstückgrösse überhäutet.
Von den motorischen Störungen macht sich beim Geben nur noch
eine geringe 8chleuderbewegung des r. Beines bemerklich.
28. Febr. 96: Die Heilung der Kleinhirnwunde ist vollendet.
Es besteht noch eine geringe Verwölbung der Hinterhauptsgegend.
Die Knocbendefecte sind deutlich zu fühlen. Bewegungsstörungen
der rechten Extremitäten sind völlig geschwunden. Die Opticus¬
papillen sind ein wenig suspect verfärbt. Die Conturen nicht so
scharf wie unter normalen Verhältnissen. Die Sehschärfe normal
bei normalem Gesichsfeld und normaler Motilität der Augen.
Wir hatten die Diagnose auf Cholesteatom des Warzen¬
fortsatzes gestellt mit intracranieller Complication in der hinteren
Schädelgrube. An Cholesteatom war dem otoscopischen Befund
zu Folge kein Zweifel. Auf Krkrankungsvorgänge im Innern
deuteten die Symptome von Hirnreizung, Erbrechen, Kopfschmerz,
Nackensteifigkeit und die Druckerscheinugen, Pulsverlangsamung
und doppelseitige Stauungspapille. Der Schwindel durfte nicht
als reines Hirn Symptom gelten, da er auch durch die Ohraffection
allein hervorgebracht sein konnte. Der Sitz der Complication
wurde in die hintere Schädelgrube verlegt, weil der dort localisirte
fixe Kopfschmerz auf diese Region hinführen musste. Welcher
Art diese Veränderung sein würde, ob extraduraler, ob Hirn-
abacess, ob Sinusphlebitis, oder Combinationen aus mehreren
dieser, musste unentschieden bleiben. Sinusphlebitis war am un¬
wahrscheinlichsten, da Fieberbewegungen sowohl anamnestisch wie
objeetiv nicht nachweisbar waren. Die Operation ergab, wie
angenommen war, ein Cholesteatom von grosser Ausdehnung und
im Zerfall begriffen. Ferner fand sich ein nicht infectiöser wand¬
ständiger Thrombus im Sinus transversus, der als Ursache für
die Hirnerscheinungen nicht in Anspruch genommen werden konnte.
Eine subdurale Eiterung fand sich nicht; ebensowenig konnte ein
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu 16.
Abscess in de* Kleinhirnhemisphäre nacbgewiesen werden. Dagegen
fiel auf die reichliche Menge von Flüssigkeit, welche bei Eröffnung
der Dura mit erheblicher Gewalt herausspritzte, und das starke
Hervorquellen der Gehirnsubstanz aus dein Duralschlitz. Da in
deT hinteren Schfidelgrube sich der vermuthete Eiterherd nicht
gefunden hatte, so wurde in der mittleren nach ihm gefahndet,
aber gleichfalls ohne Erfolg. Die Prognose schien recht trübe.
Ein Hirnabscess war trotz der negativen Functionen keineswegs
ausznschliessen. Es ist ja zur Genüge bekannt, wie häufig solche
Abscesse bei einem Operationsversuche verfehlt werden. Immerhin
blieb die Hoffnuug, dass, wenn es sich um einen solchen handelte,
derselbe durch die Operationsöffnung leichter einen Ausweg finden
könnte. Handelte es sieh aber um keinen Hirnabscess, so war
die Anwesenheit eines Tumors wahrscheinlich und die Prognose
dadurch noch trüber. Um so erfreulicher war der Krankheits¬
verlauf in den ersten Tagen. Die Beschwerden, Kopfschmerz,
Erbrechen, Schwindel waren mit einem Schlage verschwunden.
Die Apathie Wich einer gesunden Gemüthsstimmung, der Puls
hob sich, die Stauungspapillen nahmen ab. Dieser plötzliche
Wechsel in den Erscheinungen und die enorme Absonderung von
Liquor cerebrospinalis während der ersten Wochen brachten uns jetzt
auf den Gedanken, ob nicht eine Hypersecretion von Liquor e.
allein die Ursache der Hirnerscheinungen gewesen sei, mit anderen
Worten, ob wir es nicht mit der Krankheit zu thun hätten,
welche Quincke (1. c.) als Meningitis serosa beschrieben hat.
Es waltet bei dieser Erkrankung der Hirndruck vor und die
mannigfachen Symptome sind mehr oder weniger alle ein Aus¬
druck des Hirndruckes.
In dieser Annahme wurden wir durch den günstigen weiteren
Heilungsverlauf immer mehr bestärkt. Nun traten aber gegen
Ende der zweiten Woche neuerliche Cerebruleracheinungen auf,
Pulsverlangsamung, Erbrechen, Zunahme der vorher deutlich rück¬
gängigen Stauungspapillen. Gleichzeitig mit dem Einsetzen dieser
Erscheinungen trat eine sehr erhebliche Verminderung der bisher
überreichen Absonderung von Liquor cerebr. ein. Wir nahmen
eine Retention der Flüssigkeit an, welche eine erneute Druck¬
steigerung im Schädelinnern hervorgerufen hatte. Der weiterhin
auftretende Nystagmus und die Parese des rechten Abducens
konnten ebenfalls auf Rechnung der Druckvermehrung gesetzt
werden. Mehr Bedenken verursachten die Coordinationsstörungen
der rechten Extremitäten. Sie konnten sehr wohl hervorgerufen
sein durch die Heilungsvorgänge an der prolabirten Kleinhirn¬
hemisphäre , sie konnten aber ebensogut Veränderungen iu der
Kleinhirnsubstanz selbst ihr Dasein verdanken.
Glücklicherweise begannen nach weiteren 3 Wochen alle
diese Erscheinungen wieder zu schwinden und überhoben uns der
Sorge, dass schwere organische Veränderungen Vorlagen. Das
wieder eintretende reichliche Ausfliessen von Linquor c. machte es
nahezu zur Gewissheit, dass lediglich die Retention dieser Flüssig¬
keit den ganzen letzten Symptomencomplex hervorgerufen hatte.
Tin weiteren Veriauf traten keine Störungen mehr auf.
Der Knabe genas vollständig. Nachdem jetzt mehr als 10 Monate
seit der Operation vergangen sind, kann wohl kein Zweifel be¬
stehen , dass es sich in dem vorliegenden Falle um Meningitis
serosa gehandelt hat. Alle die Eingangs berührten anderen Mög-
möglichkeiten dürfen in Anbetracht der Länge des verstrichenen
Zeitraums ausgeschlossen werden.
Von Ursachen, welche Meningitis serosa bedingen können,
finden wir bei Quincke (1. c.) angeführt: Traumen des Kopfes,
anhaltende geistige Anstreugung, acute und chronische Alkohol¬
wirkung, acute fieberhafte Krankheiten. Von allen diesen Momenten
dürfte für unseren Fall uiehts heranzuziehen sein. Dagegen würde
die langjährige Eiterung im Felsenbein verantwortlich gemacht
werden können für die Entstehung der Meningitis serosa bei
unserem Patienten. Lewi 4 ) hat vor Kurzem über 2 Fälle
berichtet, welche an langjähriger Caries des Felsenbeins leidend,
unter den Symptomen, die für chronische Meningitis serosa be¬
zeichnend sind, zu Grunde gingen und bei welchen die Obduction
die Diagnose bestätigte. Hieher müssen wir auch rechnen einen
Fall von Jo öl 5 ), in welchem ein an chronischer Eiterung
4 ) Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Bd. 26, S. 116.
6 ) Deutsche medic. Wochenschrift. 1805, No. 8.
leidender 11 l/s jähriger Knabe unter Hirnerscheinungen erkrankte,
die zur Annahme eines Abscesses im Schläfenlappen führten.
Die Trepanation und mehrfache Incision jenes Gehirntheiles
förderten keinen Eiter zu Tage, führten aber zur Heilung. Eine
ganze Reihe von Krankengeschichten, die klinisch als Meningitis
serosa bei Ohreiterung angesprochen werden müssen, können hier
übergangen werden, da sie wegen Mangels der Autopsie oder in
Heilung übergegangen, nicht streng beweisend sind.
Das Zustandekommen einer serösen Meningitis im Anschluss
an einen eariösen Process im Schläfenbein, kann an und für sich
gar nicht wunderbar erscheinen. Finden sich doch, wie Lcwi
(1. c.) sehr richtig bemerkt, in der Pathologie genug Analogieen.
Es sei hier erinnert an das Auftreten einer serösen Pleuritis
in Folge einer Rippencaries, oder an das Entstehen eines Gelenk-
ergusses bei Vorhandensein eines Krankheitsherdes in der Epiphyse
eines Knochens. Ich zweifle nicht, dass das Vorkommen seröser
Meningitiden bei Ohreiterungen, jetzt, wo wir darauf zu achten
gelernt haben, häufiger beobachtet werden wird. 6 )
Bei der Behandlung der vorliegenden Erkrankungaforni wird
unter anderen die breite Eröffnung des Schädels und Intradural¬
raumes in Frage kommen müssen. Durch diese werden die Ge¬
fahren der Druckstcigerung am sichersten vermieden , und durch
den Abschluss der Entzündungsproducte wird das Heilbestreben
der Hirnhäute am besten unterstützt. Der Eingriff wird um so
eher in Betracht zu ziehen sein, als man in den meisten Fällen
nicht mit Sicherheit die Diagnose wird. präcisiren können. Man
muss eben bei dem Symptomcnbild, wie es die seröse Meningitis,
besonders die chronische Form bietet , auch an andere den Kaum
des Schädelinneren beengende Processc denken, und bei Ohr¬
eitorungen kommen da in erster Linie in Betracht Abscesse in
der Hirnsubstanz oder zwischen Dura und Schädelkapsel. Diese
letzteren Com plicationen erheischen unbedingt operatives Vorgehen.
Ein Fehler wird es also kaum sein, — das zeigt unser, sowie der
von Joel beschriebene Fall —wenn man bei Symptomen, die auf
intracranielle Veränderungen im Anschluss an eitrige Processe
des Felsenbeins deuten und nicht gerade als diffuse eitrige
Meningitis aufzufassen sind, wenn man dann Schädel und Dura
eröffnet. Auch wenn man keinen Eiter findet, kann der Eingriff
doch von gutem Erfolg gekrönt sein.
Aus der Privatklinik für Augenkranke von Dr. Neuburger
in Nürnberg.
Verbesserung der Sehschärfe durch Schwarzfärbung
halbdurchsichtiger Hornhautflecke ’).
Von Dr. Sigmund Neuburger
Ilornhautnarben wurden, wie uns H i r s e h b c r g*’) berichtet.
schon von den alten Griechen gefärbt, ähnlich wie die Schuster
Naturledor schwärzen. Getrocknetes Pulver von lange aufbewahrten
Galläpfeln wurde mit heisser Sonde auf den Fleck eingerieben
und danach in Wasser gehlster Chalkanthos, d. i. schwefelsaures
Kupfer, welches schwefelsaures Eisen enthält. Das Kupfer ist
die Beize, das Eisensalz dringt, ein und bildet im Gewebe selber
den unlöslichen Niederschlag von gerb- (und gallus-) saurem Eisen¬
oxyd, also von Tinte. Erst wieder in neuerer Zeit wurde von
de Wecker 3 ), den eine Frage des bei ihm studirenden Abadie
dazu anregte, ein brauchbares Verfahren zur Schwarzfärbung von
Hornhautnarben angegeben mittelst Nadel und chinesischer Tusche,
das später von Taylor und Bader vervollkommt wurde, indem
ein Bündel von 4 Nadeln zur Stichelung und ein Spatel zum
Einreiben der Tusche benutzt wurde. In der allerneuesten Zeit
G ) Anmerkung während der Correctur: Im 2b. Band der Zeit¬
schrift für Ohrenheilkunde, S. 135, findet sich ein ähnlicher Fall
von Schmiegelow mitgetheilt
*) Vortrag, gehalten im ärztlichen Verein zu Nürnberg am
6. Februar 1896.
2 ) Hirschberg, Homhautfärbung gegen Pupillenbildung.
Deutsche med. Wochenschr. 1891, Nr 30 — S. dort auch die ge
sammte Literatur.
3 ) de Wecker, Tatouage de la cornde, Union mddicale, 1870,
No. 27.
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21. April 18U6.
sind von Baiardi 4 ) und Licbrechfih .
metlioden veröffentlicht worden. B. unteL^t härb ^
nadcl oberflächlich die Schichten i.,dm • L C,ner Star ‘
' welche sich „ach tussen ILT “1°
gebildete Loch öffnet und injicirt in diese T ^’ X, NadeI
chinesischer'Tusche mittelst Spritze. L füllt ein! lTn
sterihsirter chinesischer Tusche sticht rite n ”?» Hohlnadel mit
ein, führt sie bis gegen 7c ^ ** Nari>0
fluche entlang und* W nun dieTusX 1°’ de :. Über '
Die Verwendbarkeit der einzelnen Verfnt ^7 . C,nflle - ssen -
unten besprechen. erfahren werde ich weiter
Ursprünglich wurden die Hornhautnarben in erster Linie „e
färbt zur Verbesserung des durch sie entstellen » , Lime «c-
hat schon de Wecker gelehrt den Sff ^
Sehkraft zu verwerthen. Es war nä ,li!h ' f “f Heb ? n « der
^ zentral gelegenen halbdurobsichtigenVlecken X Pupill" 1 ’
de c h k r ■ r dno
durchsclieuicnden Hornhautnarbe rinThoirV" 1 .” , 1> “ nl ‘ t0 der
worfen ; diese wird dadurch so erhellt a. T V>V, , fc ffe-
trachteten Gegenstandes sich nicht genügend auf h r abl hf
Knie recht sinnliche Anschauung dieser * rt von SVb J X'
zwei in der allerletzten Zeit von Hirsch her ‘ 7 st f, g geb °"
»»tÄ Tf” „ST ^
de«! u„d dl dir : d,t8 Ä ch , cr ’ abcr dafor «*■* 3
der von Hirsch bei-erT r C f rClt ? S übertrieI)Cn iat > lehrt
Fluge traf und - g beobachtete Mann, der den Vogel ini
fdi.gen u p UPl r r P t ugc bc r 11151 einer
bogenhaut in £ Ho, 7 T Einheilu, 'S Regen-
Verfahrens sind auch rwr ar r- ^ VorZÜge des ”****"
äffentlichten guten FrfoWT durch , dlc von diesem Autor ver-
Fall, i n welchem er 8 ’ ar ' 1,lt<!r befindet sich der interessante
hältnisse i£ZnZ n Z 7 ^ " V « k «“"»W d " Ve,
einer ccntraleu ‘ Hornhautfleck in
einer 3 mm breite" 'Zon« A ' a ° Wohl des ***** als ^
hnfs Verengerung def weit t^k Henpherie des Iris-Spaltes be-
Sehvermögen verschaffte- 7" ''^fenstere ein erheblich besseres
von LandauTet S 1 Z '7*™ ™ dc in der Ietztcn Zeit
•nifgetheilt. e r für diese Operation sprechender Fall
™d AnTttLnlglSri” 0 ! " icht allgemeine Verbreitung
In einem Theil der „„ * u haben. Wenigstens sah ich sic
"äbnt oderkein '7T. ***'*? gar nicht er-
erlaube ich mir Ihnen fnl^Z Verfahren an «egebcn. Desshalb
V ° n D,iF "* bCStem Erf0 ' ge
SprechstendeXt'der kT“ 1 der pi^ige Polirer J. R. in meine
nögend, namentlich sei dafsehvJSJ* bei . der Arbeit nicht mehr ge-
-- das Sehvermögen des rechten Auges, welches
MÜMJHENER i^KlWHNlSCHp; \VOCHENSCHKLFT.
36f
Nach
der Färbung.
• —. 13
Centralbl.
_ °-^u S e B , »
Italien. ophthaX.’ Congr falSZ? 010 ? 8 -f Ür Hornhaa “ecke
*)L i b 893, Su PPb H S 480 mo - p 1892; Ref im Cen _*
med - dGr T ^wirung am Auge. Münch.
S er R B ? ric bt U Sr die d AuIeni e eT Chr ; S ‘ a ‘ Fünfundzwanzig-
%^ rbn 1895 Au g e nheilan8talt von Prof. Dr. Hirsch-
000 LiD ^MÄK Von Dr.
gegen wird' r" dien,“ 3 mm wSS*' 8 Verhältnisse. 0:n u ££
v weite Pup He m ihrem äusseren unteren
4 bmlv-oneincräusserst zarten Horn¬
hauttrübung eingenommen, die sich
noch ein gutes Stück über die Regen-
bogenbaut hinzieht (siehe Skizze).
R D ' e Jub^bärfe J 8t auch dement-
«P - bend herabgesetzt auf '’/ TO u.
Sa« °k : cm mit + U 5 D ; eyi
Gläser bewirken keine Besserung;
durch Vorhalten einer Blende wel.ÄT" ÄS? 4 S . 8ofort au f 17 /«o, als
runde Oeffnung hat die lirlififr»! ln , de L^f lt t e ein e nur I mm breite
schaltet wurde Letztere MetS emnfiL^'^^ der Trflb ung ausge-
stein, ob in einem einschlä^een 81 u h , überh "“Pt als Prüf-
Flecks eine Sehbesserung zu^rtarten l„f dUr 7 7, ,waraf ärbung des
Cocain die Trübung, sowlit sie Z pnnm S, A f" ,0 ‘ XIL wird unter
" ach t dem Verfahren das kh aT, der Fite - kt - tiefschwarz gefärbt
Chefs, des Herrn Geh. Med -Rlth Hi r J^T 1 " 68 verehrten früheren
auch von ihm i ra Centra hl f t., H, . r8 chherg, gesehen nnd das
licht wurde. Nach guter CoLniSnl, S 69 0 8chon veröffent-
der Augapfel durch Fassen der Biiteii W1 J d u Cr S P errer eingelegt,
Gummipmectt® (um Einlagerung v^n Farbatoff 611 • mit t ungezäl ‘uS r
hautwunde zu verhüten «L , % arbs toff m eine etwa ge Binde¬
vielfach mit Sflchem wie die übS^r f e Trübun « 8cb *>g und
kochtem Nadelbündel gestiche t hte™ ? I n8trunjente vorher ansge
Wasser bereitete ziemlich Sicke^^Löt nv von 6 7“ ^ ab K el «>chtem
mit dem Spatel gehörig eingerifben^ *Z “hter chinesischer Tusche
mit abgekochtem Wasser und «teriiiV 1 Ueberschuss abwechselnd
gespült, wieder gestlchelt und eteL • k 2 /2proc - Cocafnlösung ab-
tiefschwarz ersehet n^h r.« g ?7 ben .' V‘ W ' bis der Fleck
sodann das Auge verbunden Fs b^b 81 « 08 erreicht ist,
zustand und am nächsteoXpe 7 f n ®7 1 Schmerz °der ßeiz-
wiederhergestellt; nach 3 Tagen kann dp v^i! 10 !, dft8 Hornh autepithel
Der Fleck sieht tief 8 7w7f a 7 ' V , erband weggelassen werden,
knapp iy 40 ' ai h TT„ n „L Q vf. aus > abe r die Sehschärfe beträgt nur
dass der Rand der äusaerst'7arten U T g ? ringen . ® e88erune zeigt sich,
war; derselbe hat sich be? de^Fno-J 7“?? "n ht g enü g en d gefärbt
Cocain nur ganz wenig erweiterte g n tete Pup !7’ die 8idl auch
wirkt jetzt noch lichtzfrstrpnpnd ’ tv \ genü g end abgehoben und
namentlich auch den «17 ^' es bew eist, wie wichtig es ist
mit den oben erwähnt^ ai von V Bafar C d^ a 7i 7 r U - ^ rben - Da dies
Verfahren schwer erreichen ?afsen dlfrfte" 7 6 b 7° H1 an g e g ebene n
wohl nicht zu empfehlen ’ nd P,e f " r uns eren Zweck
Färbung keine vS ge zu SteeS 'Krh 6 mir kosme tische
als auch die Intensität der Fitrhnn ' da s ch sowohl die Ausdehnung
lässt als mit der StSelun/ Bef ^ 7 ,bnen ." icht 8 « beherrschen
fürchten musste vie Seht fn 2S P,,pilIe - *■’«" nicht bc--
Falle ganz gut ineiner Sitenn! ? ärben ’ wäre es auch in unserem
der Eingriff wiederhol > wird nach 8 Tagen
zeit zu kurz wSr wSend 7,n7' 7 ’ y iell , eicbt w eil die Zwischen-
5Ä fslfJtcZTÄ
f S u apih frC1 ’ 80 wird bessere Schärfe erzielt durch
unfachc Färbung o 1, n e Iridectouiie. v Er beweist ferner, dass die
Färbung von Hornhautflecken schlechthin nicht, wie so viele immer
noch meinen, e.ne Luxusoperation ist, ganz abgesehen davon, dass
• ur einen Arbeitsuchenden doch gewiss von grösster Bedeutung
ist, dass durch Schwarzfärbung eines entstellenden Weissfleckes
sein Gebrechen nicht schon von aller Weite erkannt und dadurch
seine Concurrenzfähigkeit nicht vermindert wird.
Zum Schluss noch einige Worte über den weiteren Verbleib
der Tusche. Nach Browicz (Arch. f. 0. XXHI. 3) und
Hirschberg (Arcli. f. 0. XVIH, 1), die je einen gefärbten
Augapfel anatomisch untersuchen konnten, ist das Epithel frei
vom Farbstoff; das gibt den schönen Glanz des Flecks. Die
Tusche sitzt m den vorderen Schichten der narbigen Hornhaut
bis zu V* ihrer Dicke theils in Zellen, theils in den Spalträumen,
theils m den Wandungen neugebildeter Blutgefässe in Form grös¬
serer Schollen und feinerer Körner. Nach Fick (Lehrbuch der
Augenh. 1894, S. 256) wird ein Theil auch durch den Lymph-
strom verschleppt.
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366
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
Ueber Citrophen.
Von Dr. Benario in Frankfurt a. M.
In No. 26 der Deutsch. Med. Wochenschr. 1895 habe ich
in einer vorläufigen Mittheilung über einige therapeutische Resultate,
die ich mit dem von Dr. J. Roos dargestellten -< Citrophen >■
gemacht habe, berichtet. In einer folgenden Publication in No. 39
derselben Zeitschrift habe ich dann unter Verweisung auf baldige
ausführliche Krankengeschichten verschiedene Kinwände, die in¬
zwischen gegen das Citrophen erhoben worden sind, richtig gestellt.
Ich habe indessen gerne noch einige Zeit verstreichen lassen, um
die Beobachtungen an einer möglichst grossen Zahl von Fällen
fortsetzen zu können. Dabei hat sich mir das Citrophen als ein
äusserst wirksames, und wie ich gleich von vornehcrein bemerken
will, auch als vollkommen unschädliches Antipyretieum und Anti-
neuralgieum erwiesen. Zur Hervorrufung einer Antipyrese wurde
Citrophen angewandt bei:
10 Fällen von Typhus.
3 ,, ,, fieberhafter Phthise.
1 „ „ Angina.
9 ,, ,, Influenza.
Zur Entfaltung einer antineuralgischen Wirkung wurde es
benützt bei:
3 Fällen von Ischias.
6 ,, ,, verschiedenen Neuralgien.
42 ,, ,, Kopfschmerzen.
3 ,, ,, Gelenkrheumatismus.
2 „ ,, Menstruationsbeschwerden.
Eine im Sommer 1895 in Tauberbischofsheim in Baden
herrschende Typhusepidemie gab mir die erste Gelegenheit, das
Citrophen in G Fällen zur Anwendung zu bringen. Ich möchte
nicht verfehlen, den dortigen Herren Collegen für das liebens¬
würdige Entgegenkommen auch an dieser Stelle meinen Dank
abzustatten. In den 6 Füllen, die mir dort zur Verfügung standen
— 3 Erwachsene und 3 Kinder — wurde die Temperatur nach Dosen
von 0,5 g — 1,0 g um 1,2°—2,6° heruntergesetzt ; dabei befanden
sich die Patienten mit Ausnahme von Schweissausbruch sehr wohl,
hatten sonst keinerlei Nebenerscheinungen und gaben an, dass
sie sehr gut geschlafen hätten, wenn sie Abends 0,5 g Citrophen
genommen. Ich habe dann hier in Frankfurt noch 4 Fälle von
Typhus mit Citrophen zu behandeln Gelegenheit gehabt. Bei
dreien, von denen einer besonders schwer war, begann ich die
Citrophendarrcicbung erst in der zweiten Woche; ein Fall wurde
von Anfang mit Citrophen behandelt. Ich lasse die Kranken¬
geschichte folgen :
C. F. f 14 J. alt, erkrankte am 18. VIII. 1895 mit starken
Kopfschmerzen, Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Die Temperatur
um 7 Uhr Abends war 39,7°. Da ein Bruder kurz vorher an Typhus
erkrankt war und in demselben Hause noch zwei andere Typhus-
fftlle waren, lag die Vermuthung, dass es sich hier ebenfalls um
Typhus handle, sehr nahe. Es wurde sofort 0,5 g Citrophen gegeben,
worauf die Temperatur um 9 Uhr auf 38,0° zurückgegangen war.
Im weiteren Verlauf trat Milztumor, Roseola auf, die Diazoreaction
war positiv, so dass an der Diagnose kein Zweifel mehr war. Die
Anwesenheit einer Krankenschwester ermöglichte ein zweistündliches
Messen der Temperatur.
19. VIII. 8 Uhr 37,7°
12 „ 39,5°
2 „ 38,8°
4 „ 38,8«
6 „ 89,7° — 0,5 g Citrophen.
8 „ 37,8°
9 „ 37,3°.
Die Temperatur ging also zur Zeit des physiologischen Anstiegs
um 2,4° znrück, bei vollkommener Euphorie deB Patienten. Die
Mutter gab an, dass man dem Kinde gar nicht anmerke, dass es
krank sei.
20. VIII. 7 Uhr
38,7«
21. VIH.
8 Uhr 89,2«
9 „
38,3®
10 *
39,3«
11 „
38,8«
12 „
39,3«
1 -
89,7« —
0,5
g
2 „
39,6« —
0,5 g
8 „
88,8«
4 „
88,9«
5 „
89,8« -
0,5
g
6 „
39,8« -
0,5 g
7 .
38,8°.
8 „
39,1«.
22. vm.
7 Uhr 89,4°
9
11
1
3
5
— Bad
38,9°
39,8°
89,7°
89,1°
38,7°
89,8° —0,5 g
38,6°.
23. vm. 24. vm
7 Uhr 88,8° 8 Uhr 39,0«
9 „ 39,4« 10 „ 88,8«
11 „ 38,5® 12 „ 89,5«
1 „ 39,2« 2 „ 39,9«
3 „ 39,8« —Bad 4 „ 89,6« - 0,5 g
5 „ 39,9«-0,5g 6 „ 87,8«
7 „ 89,8« -0,5g 7 „ 89,1« 9 „ 88,6«.
9 „ 38,6«. 9 „ 89,1«.
Am 25. VIII. war die Temperatur .39,6°; nach 0,5 g Citrophen
um 6 Uhr 37,7°; am 26. VIII. um 4 Uhr 89,2° — 0,5 g, um 6 Uhr
37,4«; am 27. VIII. um 4 Uhr 39,3° — 0,5 g Citrophen; um 6 Uhr
37,1°; am 28. VIII. um 4 Uhr 38,9°; nach 0,5 g Citrophen war die
Temperatur um 6 Uhr 37,1°.
Am 29. VIH. 4 Uhr 38,6«-0,5g. 6 Uhr 37,1«; am 30. Vm
4 Uhr 39,3° — 0,5 g, um 6 Uhr 36,5°; trotz des starken Temperatur¬
abfalles fühlte sich Patient ausserordentlich wohl, er schlief auch
die Nacht sehr gut; am 81. VIII. wurde kein Pulver gegeben, um
zu sehen, ob keine spontanen Remissionen erfolgten, um 4 Uhr
39,3°, um 6 Uhr 38.4°; am 1. IX. ging dann die Temperatur auf
0,5 g Citrophen von 38,5« auf 36,5° zurück; ebenso am 2. IX.; am
3. u. 4. IX. wurde kein Pulver gereicht, doch stieg die Temperatur
zwischen 4 und 6 Uhr von 37,1° resp. 37,9« auf 38,0« resp. 38,4«.
Am 5. IX., 6. IX, 7. IX. und 8. IX. wurden auf 0,5 g Abfälle von
1,2° —1,9° erzielt bei normalen Morgentemperaturen, die übrigens
schon seit dem 31. VHL bestanden. Wahrscheinlich durch einen
Diätfehier entwickelte sich am 11. IX. ein kleines Recidiv, welches
jedoch nach 5 Tagen abgelaufen war. Am 11. IX war die Temperatur
um 4 Uhr 39,5°, nach 0,5 g um 6 Uhr 37,8°; am 12. IX. um 2 Uhr
39?6« um 4 Uhr 87,7« (um 2 Uhr 0,5 g); am 13. IX. um 2 Uhr
39,0, um 4 Uhr 37,2° (um 2 Uhr 0,5 g); am 14. IX. um 4 Uhr 38,6°,
um 6 Uhr 36,3° (um 4 Uhr 0,5 g); am 15. IX um 4 Uhr 38,2«, um
6 Uhr 36,5° (um 4 Uhr 0,5 g). Von dieser Zeit an normale Morgen-
und Abendtemperatur und eine rasche Reconvalescenz.
Das Befinden des Patienten war während der ganzen Zeit ein
überaus gutes; die Mutter wiederholte mir öftere, dass er einen viel
weniger schweren Eindruck machte als der vorher erkrankte Bruder.
Der Puls war stets kräftig und voll. Erbrechen oder sonstige Magen¬
störungen traten nicht auf. Der Appetit war ein sehr guter; die
Stühle nahmen bald eine festere Consistenz an. Der Urin wurde in
Intervallen von 3 Tagen untersucht und erwies sich stets als eiweiss¬
frei; ebenso fehlten bei der mikroskopischen Untersuchung patho¬
logische Bestandtheile; das Gleiche war der Fall bei den übrigen
von mir genauer beobachteten 3 Fällen von Ueotyphus Ich muss
wegen Raummangel auf die ausführliche Beschreibung dieser Fälle
verzichten, jedoch möchte ich hervorheben, dass auch bei diesen
nie unangenehme Nebenerscheinungen aufgetreten sind, dass im
Gegentheil die Umgebung versicherte, dass man den Patienten kaum
ihr Kranksein anmerke, wie diese selbst auch das objective Bild
vollkommener Euphorie darboten. Die nächtlichen Delirien, welche
bei einem der Fälle vor der Citrophenbehandlung häufig aufgetreten
waren, blieben aus; der Schlaf war ein guter und ruhiger. Die
gleichen Angaben machte mir ein College, der ebenfalls mehrere
Typhusfälle mit Citrophen behandelt hat.
Neben dem Typhus boten mir einige Influenzafälle Gelegenheit,
die antipyretische Wirkung des Citrophens zu studiren, gleichzeitig
mit der Entfaltung seiner antineuralgischen Wirkung.
Frau B. H-, 35 Jahre alt, erkrankte am 3.1. 1896 plötzlich unter
den typischen Symptomen von Influenza, Kopfschmerzen, Rücken¬
schmerzen, allgemeine Müdigkeit. Die Temperatur betrug 39,9°
Abends f> '/* Uhr. Es wurde sofort 0,5g Citrophen gegeben, mit
der Weisung, eine Stunde später die gleiche Dosis zu wiederholen.
Abends 8 1 /* Uhr war die Temperatur auf 37,2° zurttckgegangen,
unter starkem Schweissausbruch. Patientin gibt aber an, dass sie
sich viel leichter fühle, Kopf- und Rückenschmerzen haben bedeutend
nachgelassen. Es wird für die Nacht noch 0,5 g Citrophen gegeben.
Am andern Morgen nach sehr gutem Schlaf vorzügliches subjectives
Wohlbefinden; Temperatur 37,5°. Im Laufe deB Tages werden noch¬
mals zwei Pulver ä 0,5 g gegeben; Temperatur Abends 6 Uhr 37,6°.
Am folgenden Tag fühlt sich Patientin so wohl, dass sie das
Bett verlflgsen möchte; normale Temperatur und Puls. Kein Albumen
im Urin. In gleicher Weise wurden die übrigen Fälle von Influenza
günstig durch Citrophen beeinflusst; die Patienten fühlten sich nach
Gaben von 0,5 g sehr wohl, gaben mit Ausnahme eines einzigen Falles
an, dass die quälenden Kopfschmerzen prompt nachgelassen und
fühlten nach einem mehr oder minder starken Schweissausbrach ein
Nachlassen der allgemeinen Prostration. Collapserscheinungen oder
sonstige Erscheinungen von Seiten des Circulationsapparates habe
ich auch in diesen Fällen nicht beobachtet. — Um zu sehen, wie
kleine Kinder auf Citrophen reagiren, bekam ein Kind von 15 Monaten,
das an einer Angina follicularis litt, Abends 0,2 g Citrophen. Die
Temperatur war vorher 40,5«; im Verlaufe der nächsten 2 Stunden
sank die Temperatur auf 38,8«; im Ganzen erhielt das Kind 1,0g.
Es vertrug dasselbe sehr gut, zeigte immer trotz der starken Angina
vollkommene Euphorie; nach 2 Tagen war Fieber und Angina ver¬
schwunden.
Ebenso wie auf andere Antipyretica reagirten Phthisiker auf
Citrophen sehr prompt und intensiv. Auf Dosen von 0,5 g
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21. April 1896.
- jyij^ xJHJUS I
fielen die Abondtemperaturen um 2 •» o « c o l • _
Wohlbefinden von Seiten der Patient» . 1 vollständigem M. Sch 17 T tv , ~ ' ' --
College beobachtete, blieb das bisher bestehende pT“ den ein am " 12 - XIL zu^UntersSShunT^ 6 “£• wegen hochgradiger
-ts Z-Zi Äir,v -n G Ärrwf?
hernnritt, ist der, keinesweg. J „fe,' p^”"“ £-™d„„g loh gab ä„S Z SSSlIT"
Schweissausbruch. Es ist mir aufgefallen " ' be ° bachte te ? e /‘ m 't Natr. bic. zu gldchen ThSren N?,S gD,lgen 1 8eit ‘“ger
Organismen mit Schwciss reagirten g wl DUr fiebernde Jfl“? ^erscheinungen von Seiten d?n? Ur ’*- daas ^ Citro Phen
des fiebernden Organismus vorzuliegen und ich fS“ th , ümllchkeit ™ dles Y™ ««derer Seit” behiS^ w«7 ,Ch " ng nie - eintre ^«.
die Eruption von Schweiss »1« i’i 1 mbcb te keineswegs eiche au ^ »Ile anderen AntmaiirnlJn. _w°rden ist. Eine Dame
vielmehr glaube 1b Z bl «1 b^f “T ^ b »*~b„e®, C ' tr ° ph ” ° h “ al,e ." to * &bre ' h ” **"». ™“«g
durch der. Schweiss ein Theil von Jfr J n l ectlonafcran hlieiten r . , Gew,ssc Beachtung verdient das Citrobhen an . ...
Vielleicht auch im Blute tre „„de ^»»«taelprnductcn, L '” d »«n« bei MenstruatiensbcscbwcrdeZ Ich b 1 z ”
«ir« werden. Jeden ,2 ist 7er <l ' ,r ' h di “ »aut elirni- “8™"^ bei den, einen war der Brfo'ig et Z d “ 2
d.. ba ‘ «ob mir und vielen äSLÄ! 8l “” d ?” ÄÄK ÜÄ
gutes war. .. WJ1
das CtÄTbif L d
noch später erwähnen werde im \f da3S es> wie ich
Bestandtheile zerlegt wird kann es i !i ' ,eiCht in seine
Wirkung entfalten, die mir allseitig 8 llZ'/* prompte
gegeben worden ist. g ’ ders 1)01 Migräne, an-
- «££ “sv dc ri„rrr h r r -*
em paar Worten folgen lassen möchte: Krankcn ^eh,eilte in
Aber sehr star^^chmerMr . 16 we^h«?’™^^ 18 t 5- Dieselbe klagte
dv ^ ec . ht ®. B ® io ausstrahlten’. De^ Druck auf I ( 5 i reu ,? beil 'g e g end in
S J* 18 ch '«dic. war überaus schmerzhaft pL d 1 . Du , rchtmtsste,le
auf der rechten Seite liegen noch ri£2S »• , Pat ' entl11 konnte weder
3 mal 10 g Citrophen. Am folgende^ 5n ^ o 81ch , a ' ,fnchten . Ordination
schon bedeutend nachgelassen obwohl pT b - tten die Schmerzen
nÄT n Schmerzen empfand lnie„ T* n ° ch bei ««ringen
«ahm Patientin 8 mal tägl 1 0 „ n;!" , Tagen vom 17 .- 20 . VIII
*• Schmer*«, soweit verfingen g dSs 5 h P p“,- 3- Tage hatten «Ich
die Schmerzen im^Sn sTnd ^ tm i m Bett bewegen
konnte Patientin ohne besrmöorf o „ ° C l vor banden ; am 5 . Tage
2 1 “ .!»«» B.d'"'S 1
JLP hei,t ; entlassen werden, ns^hil»™ ^aL konnte Patientin
^o« nach 2 g Citrophen!
SSStt 1 Male »wurde SS» &
8ege ich
dem ich glaube dass durch «r " 8 V -° n Kranke ngeschichten, nach-
die Brauchbarkeit des Citrophen^ als*'Antf ^T"' 6 binreichend
ist. Dm jirompte Wirkung di« ; i, • "^"euralgicum dargetban
ich auf die leichte Smlthf t ! ,D . alle “ FttIlen gesehen, führe
Magensaft zurück 20 Minuten ^ ^ ltroi),iens im sauren
* -hon im Uriri d2uä, d> /?^’» Citrophen
zuweisen. Dcr P'Phenetidin nach-
EcCln-Lösung eine bunrun,lerr,tl tZ V0 " Cm,gen Tro Pfen
fbe der to p"Äy"' dio s |ub nach Mm».
Bärbung steigert. Die Vermuthung H i 1 ^ k” tiaf , dunkelrotben
nach Abspaltung der CitronenQS,, g j ’ d ® bran d s, dass sich
Phenetidin toxische Erscheinungen 6 geltend TO ” f ,Z8aurem
ich nach meiner klinischen 8 ^ 1 ma e»en würden, kann
weisen. Wie ich schon öfter« h t ^ • ‘1 8 unberechti gt zurück-
gesehweige denn gefährliche Neben, ’ f ? Icb kciner,ei unangenehme,
Citrophendarreichung^^ nach ,äDgerer
Würzburg, sowie inf S»
Citrophen in grösserem mZ! 86 ^ b BreS,au > wo ^
ebenfalls nieht^bachte; worien"^“^ WUrdG ’ ^ dieSe,bcn
süpss;
spsmä £, ä-ä=-ä &i„zl£
In zwei ander w , „ ehenfcli- ° fT Maasse ««gewandt wurde, sind d.Wlhen
■ «kT B,Td n em eh”, V ° n ^ ^ * eben
«euralgicis ohne besondere WirkunT ” ^ von
f l3e gab ich dann 2 Mal tliv h aDgewandfc wordc n; versnehs-
*«* den Erfolg das in“ 8 m °’ 5 gr ' Citr0pbcn UI ' d b «tte
50jähriger Portier' frend' ge ^ age s P ütcr der Patient, ein
Beschwerden verschwunden ^den 7’ 0388 “T Schmerzen und
bis jetzt noch keine Geloffenl >’ /?. meinom Bedauern hatte ich
Citrophen zu behände^ T Gicht
h ' er «eine schmerzstillende w " '" Cht ’ dass dassclbc ««eh
aber besonders zur Anwendun lrkung entfa,ten wird; was mich
>st die Anwesenheit der Ti § ^ Cltropbcns veranlassen würde,
in leZ Zeit M ^ <3tr ° P,,C ''- & 1* bo^
arra empfohlen wurde A gCgen g^cb tische Zustände
'f h Citrophen bei BellT ^ *** Erfolge hatte
•Wbital- und Trigemintsne ?• Ko Pf«chmerzcn und
* a,Ic ganz besonders dermT 810 ®,"’ S ° dass ich « ^r diese
’ n 1 b's 2 Fällen haf es m k ‘ 8 t C ° ,,e « cn e “ p ^'c- Nur
J° nst immer seine prompte Tn? m gelassen , während es
h Tt 1 "" WirkMS cnthtel ^
wÄ’Ä/i'Äwiia »■ 18» mir mit her
8c bmeXr g r der achten SuSrbitiwenH em Ko P fsc b" a crz leide.
Am 27 yt , Ich verordnete CitmnV.Z g nf d ^ ar «neserordentlich
theilte Pa tient Behr ZZ l ^^“' tfl « L 1 Pul ™r.
seien und ^ dass 8eine Kopfschmerff ü"? S P. rec bstunde und
VOr ber nicht r l* »S5 wSS?\!? ,, ‘ atftndig verschwunden
No iß Stande war. arbeiten könnte, während er dazu
Feuilleton.
h . _ ,Entwurf eines Gesetzes,
Von Dr. Brauser.
den preussischen 6 Aeratekammera 6 df 8 '' ^ reu6si8ch<? Staatsregierung
Berathung und Begutachtunp En , t ^ urf eines . Gesetzes zur
Bedeutung für die 8 gesaminfe cbes . von einschneidender
Standes in Preusse,/ Tat ^£.!?? ,IC ^i e u 0 5 ga,U8at^o,, des etlichen
Disciplinarbefugnisse der Apr^t , durc i bedeutende Erweiterung der
derGesamSSTe der ierfÄ““^ Ä“ Y er bältniss diesfr zu
für die materielle Existenz de/stend«™^' 0 * bee ' nflu88t und «uch
eines gesetzlichen UmlnoP.opi,t Standesvertretung durch Verleihung
vortheilhaft wirken wird Hof 8 an dle T Aerzte kammem entschieden
jeher den VoSngenaS dem rITi nte T' welches wir von
Stafdesierfreten^n T ’ ^ 8S die 0rg « ni6 « ,io n der ärztlichen
g n Preussen msoferne eine ganz wesentlich ver-
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368
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
schiedene von der unserigen tet, als die Aerztekammern in Preussen
die Gesammtheit aller approbirtcn Aerzte Preussens reprüsentiren,
als sämmtliche preussische Aerzte das Wahlrecht zur Standesvertretung
besitzen und auch grösstentheils ansüben, während unsere bayerische
Organisation einzig und allein auf den Bezirksvereinen beruht, deren
Mitglieder ausschliesslich das Wahlrecht zu den Aerztekammern
besitzen, während alle, den ärztlichen Bezirksvereinen fernstehende
Collegen ganz ausserhalb des Rahmens der Standes Vertretung stehen,
nicht mitwählen, aber desshalb auch absolut keiner Disciplin Seitens
der Vereine unterworfen werden können. Oer dadurch ausser allem
Contact mit uns stehende Theil unserer Collegen ist immerhin noch
ein ziemlich bedeutender, 21 Procent, welche zwar kein Wahlrecht
zu den Aerztekammern besitzen, aber auch in keiner Weise disei-
plinarisch überwacht oder zur Rechenschaft gezogen werden können.
Es lässt sich nicht leugnen, dass in Bezug auf Strammheit
und Verallgemeinerung der Organisation die preussische» Ein¬
richtungen, besonders durch die im vorliegenden Entwürfe so
■wesentlich gesteigerten Disciplinarbefugnisso der Aerztekammern,
entschieden den Vorzug verdienen. Wir können in Bayern niemals
einen corrigirenden Einfluss auf die Gesammtheit unserer Collegen
gewinnen, niemals irgend welche mahnende oder strafende Disciplin
auf dieselbe ausüben, solange unsere Organisation auf die Vereine
basirt bleibt und alle ausserhalb derselben bleibenden Aerzte sich
jeder Competenz entziehen. Wir haben mit unserer bisherigen Or¬
ganisation nunmehr schon 25 Jahre gearbeitet, manches Gute erreicht
und nicht nur für den ärztlichen Stand selbst, sondern vielmehr
noch zu Gunsten des Volks- und Staatswohles Manches geleistet,
worauf wir stolz sein können; wir haben innerhalb der Vereine
strenge Disciplin aufrecht erhalten können und werden dies durch
unsere nenesten Bestimmungen noch intensiver zu tlmn im Stande
sein; aber— nur innerhalb der Vereine. Und gerade die bedeutenden
Umwälzungen im ärztlichen .Standesleben, welche uns die neueste
Zeit mit ihrem Confluxus bominum, mit ihrem verstärkten Kampf
um’s Dasein gebracht hat, lässt es immer dringender nothwendig
empfinden, dass die Gesammtheit der Aerzte auch Einfluss gewinne
und Ueberwachung und Zucht ausüben könne auf alle, auch dem
Vcreinslebcn fernestehende College». Diese Gedanken begleiteten
das Studium der preussischen Vorlage, welche jetzt noch etwas
näher beleuchtet werden soll
Der Gesetzentwurf zerfällt zunächst in 2 Haupttheile. Der
erste handelt von der Schaffung der Ehrengerichte, ihrer Competenz
und Wirksamkeit mit ausführlicher Festsetzung der rechtlichen Basis,
auf welcher die strafrichterliche Thätigkeit dieser Ehrengerichte sich
aufbauen wird. Der zweite Theil behandelt die Art und Weise der
Aufbringung der für die Thätigkeit der .StandesVertretung noth-
wendigen Mittel.
Was zunächst die neu zu schaffenden Ehrengerichte betrifft,
so muss vor deren Besprechung ein Blick auf die bisher bestandenen
Verhältnisse und Bestimmungen betreffs der Disciplin unter den
Aerzten geworfen werden. Die königliche Verordnung vom 25 Mai
1887, welche die ärztliche Standesvertretung in Preussen schuf, er-
theilt in § 5 den Aerztekammern die Befugnies, Aerzten, welche
die Pflichten ihres Berufes in erheblicher Weise oder wiederholt ver¬
letzt, oder sich durch ihr Verhalten der Achtung, welche ihr Beruf
erfordert, unwürdig gezeigt haben, das Wahlrecht und die Wählbar¬
keit dauernd oder auf Zeit zu entziehen. Zu den Verhandlungen
über die Wahlrechtsentziehung war ein vom Oberpräsidenten zu
ernennender Commissär beizuziehen. Gegen den Beschluss war eine
Berufung an den Minister der Medicinalangelegenheiten möglich.
Es war demnach die Entziehung des activen und passiven
Wahlrechtes in die Aerztekammern die einzige Disoiplinarbefugniss,
welche den Aerztekammern gegenüber den .Standesgenossen ein
geräumt war, und welche schon desshalb vollkommen ungenügend
erschien, weil für die Ausübung der Disciplinargcwalt alle unteren
Stufen des corrigirenden Einschreitens gegen sich verfehlende Collegen
fehlten. Dieses Bedürfnis war allgemein anerkannt und die Be¬
wegung nach Erweiterung der Disciplinnrbefugnisse lässt sich bereits
mehrere Jahre hindurch bei den Verhandlungen der preussischen
Aerztekammern verfolgen. Ueber die Endziele dieser Bewegung war
noch keine vollständige Uebereinstimmung erzielt, und namentlich
war es ein Punkt, welcher von den einzelnen Aerztekammern sehr
verschieden aufgefasst wurde, die Ausdehnung dieser Disziplinar¬
gewalt auf alle, auch die amtlichen und im activen Militärverbande
stehenden Aerzte. Die Ausnahme dieser Kategorien von den Dis-
ciplinarbefugnissen der Aerztekammern war bereits in den bisherigen
Bestimmungen ausgesprochen; einige Kammern wollten darin ein
Scheitern der ganzen Bewegung erblicken. Es scheint Seitens der
k. Staatsregierung an dieser Exemtion festgehalten werden zu wollen,
denn auch der neue Entwurf erstreckt die Zuständigkeit des für
jeden Bezirk einer Aerztekammer zu errichtenden Ehrengerichtes
auf «die approbirtcn Aerzte mit Ausnahme: der be¬
amteten Aerzte, der Sanitiitso ffieiere und der Sanitäts-
officiere des Beurlaubtenstandes während ihrer Ein¬
ziehung zur Dienstleistung.» Diese Ehrengerichte nun haben
die Aufrechthaltung der ärztlichen .Standesehre und insbesondere die
Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten zu überwachen. Kommen
dem Ehrengerichte Verfehlungen gegen diese Pflichten Seitens der,
von der Discipliuargewalt ausgenommenen Kategorien von Aerzten
zd* Kenntniss, so haben dieselben hievon der Vorgesetzten Dienst¬
behörde jener Aerzte Mittheilung zu machen. Hiedurch ist einiger¬
maßen die durch jene Bestimmungen geschaffene Ausnahmestellung
einer grossen Zahl von Aerzten abgeschwächt, und den ßtaatlicher-
Bcits aufgestellten Ehrengerichten der Aerztekammern wenigstens
eine überwachende Competenz auch diesen Standesmitgliedern gegen¬
über eingeräumt. Ueber dem Ehrengerichte "Bteht als Berufungs¬
instanz der Ehrengerichtshof, welcher zugleich über die Zu¬
ständigkeit der Ehrengerichte und über deren etwaigen Wechsel zu
entscheiden hat.
Das Ehrengericht, besteht aus 5 Mitgliedern, nämlich aus
4 Mitgliedern aus dem Vorstand der zuständigen Aerztekammer,
worunter deren Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender, und
einem vom Vorstande zu wählenden richterlichen Mitgliede eines
ordentlichen Gerichtes. Dadurch ist diesem Ehrengerichte die Eigen¬
schaft eines Richtercollegiums aus Standesgenossen genommen und
wird dasselbe schon mehr zu einem förmlichen Gerichtshöfe ge¬
stempelt, dessen Entscheidungen vollständig juristische Giltigkeit
besitzen.
Ob dies nicht als der erste Schritt zur Verstaatlichung des
ganzen ärztlichen Standes angesehen werden muss, ob sich diese
Einrichtungen mit der bisherigen Qualilication des ärztlichen Berufes
als eines freien Gewerbes vertragen, ob nicht an diesen ersten
Schritt sieh weitere bedeutungsvolle Schritte anschliessen werden,
welche die Aerzte wieder enger an den Organismus der staatlichen
Verwaltung heranziehen werden, — solche Fragen tauchen bei der
Prüfung dieser Einrichtung auf, ohne jetzt und hier schon gelöst
werden zu können.
Die Mitglieder des Ehrengerichtes aus dem ärztlichen Stande
erhalten nur ihre Baarauslagcn ersetzt, während das juristische Mit¬
glied eine Vergütung aus der Casse der Aerztekammer, Tagegelder
und Reisekosten erhält.
Die innere Organisation des Ehrengerichtes, seine Competenz
gegenüber den Aerzten des Bezirkes, gegen welche Beschwerde an
den Ehrengerichtshof offen stellt, bildet den Gegenstand der weiteren
Sätze des Entwurfes. Auch die Gerichts- und Verwaltungsbehörden
müssen den Ehrengerichten dienstlich die gewünschten Auskünfte
ertheilen, ebenso können die Ortspolizeibehörden um Auskunft oder
protokollarische Vernehmung von Personen ersucht werden. Der
Geschäftsbetrieb des Ehrengerichtes wird staatlich von dein Ober-
Präsidenten überwacht, welcher sich beim Strafverfahren durch einen
von ihm dauernd oder für den einzelnen Fall B-.auftragten vertreten
lassen kann.
Im Anschlüsse an diese Bestimmungen finden wir eine genaue
Festsetzung des ehrengerichtlichen Strafverfahrens und werden
in § 14 die Forderungen gestellt, welchen jeder Arzt pflichtgetreu
nachzukommen hat., nämlich: «gewissenhafte Ausübung der Berufs¬
tätigkeit, würdiges Verhalten in Ausübung des Berufes, sowie
ausserhalb desselben» und werden im $ 15 die Strafen festgesetzt,
welche über denjenigen Arzt verhängt werden können, der diesen
Anforderungen nicht entspricht oder zuwiderhandelt. Die Strafeu
sind; Warnung, Verweis, Geldstrafe bis] 3000 M., zeitweise oder
dauernde Entziehung des activen und passiven Wahlrechtes zur
Aerztekammer. Diese Strafen können noch durch Veröffentlichung
verschärft werden.
Hier sehen wir also den gewählten Veriretern des ärztlichen
Standes eine ziemlich weitgehende Disciplinargcwalt gegenüber ihren
Collegen eingeräumt, welche nach correcter Durchführung des ganzen
Untersuchungs- und Strafverfahrens, vollkommen rechtliche und
richterliche Giltigkeit besitzt. Wenn in § 14 mit allgemeinen Zügen
die Anforderungen an die Aerzte gezeichnet sind, deren Nichterfüllung
mit Strafe bedroht wird und belegt werden kann, so hat man die
Empfindung, dass diese Anforderungen viel genauer präcisirt und
für die verschiedenen einzelnen Fälle und Vorkommnisse im ärzt¬
lichen Standeslehen eingehend erörtert und paraphirt werden müssen,
dass diese allgemeinen Sätze nicht ansreichen, sondern dass dem
richterlichen Verfahren eine ganz genaue Grundlage gegeben werden
muss durch eine alle einzelnen Verhältnisse genau erörternde und
klaliegende ärztliche Standesordnung. Nur auf Grund eines
solchen, möglichst umfassend und vors» htig ausgearbeiteten Sitten¬
codex kann gegen die sich dagegen verfehlenden Aerzte mit festem
Fug und Recht eingeschritten und Strafe erkannt werden. Die un¬
bedingt nächste Folge des Erlasses der Verordnung über die Ehren¬
gerichte wird also die Aufstellung einer Standesordnung sein müssen,
welche zwar viele Einzelvereine sich bereits auf Grund der Ver¬
handlungen früherer Aerztetuge gegeben haben, welche aber für die
preussischen Aerzte künftig nothwendigerweise den ganz gleichen
Wortlaut haben muss, wenn die preussischen Ehrengerichte auf
Grund derselben ihre neue richterliche Gewalt ausüben wollen.
Die weitere Ausführung über das Gerichtsverfahren vor dem
Ehrengerichte, über die Folgen der Freisprechung, der Einstellung
des Verfahrens, der Verurtheilung, der Beziehung zur Approbations-
aberkennung wird in den weiterem Paragraphen eingehend fest¬
gestellt. Die kleineren Strafen; Warnung, Verweis und Geldslrafe
bis 300 Mk. können auch ohne ehrengerichtliches Verfahren durch
Beschluss des Ehrengerichtes nach Anhörung des Beauftragten des
Oberpräsidenten verhängt werden, wenn nicht der Angeklagte selbst
das förmliche ehrengerichtliche Verfahren beantragt, Beschlüsse des
Ehrengerichts sind dem Angeklagten schriftlich und mit Gründen
versehen mitzutheilen. Gegen den Beschluss steht sowohl dem An¬
geschuldigten als dem Beauftragten des Oberprrtsidenten die Bfr
schwerde an den Ehrengerichtshof zu. Zeugen und Sachverständige
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21. April 1896.
das Ehrengericht“ d^^fdlSh^Vern^hiung 81 ? 1 't' erd - en ’ und kM »
Amtsgericht beantragen, wenn die a „ I g d rcb e,n ^ständiges
Ule Vor,,nte s „A,Tn™eU« dä s "S
Ehrengerichtes und übergibt nach Abschl, S‘ l,ch ° Ml, gbed des
dem Ehrengericht, bei dessen Veriiind „ derF . e,ben ,lic Acten
Protokollführer zuzuziehen ist. Soviel in knrzü 8 ®/« 01,1 ver P fl iohteter
des ehrengerichtlichen Verfahrens Ü f Ügen iibcr de » Ga "g
schuldigte durch einen Bechteanwiüt vc. r iijl? < 2 , ^ ,0,l i‘ ,er A ° 8e
jederzeit auf Verlangen des Ehrender,Ylölc ,. n kann > aber
muss. Wird nun von irgend einer Sei J ™ ptrS / JnI,ch erscheinen
Ehrengerichtes Berufung ergriffen, was inncSb'd w , IJeschIl: f des
muss, so tritt der Ehrengerichtshöf in ^ scheh ^
steht aus 7 Mitgliedern und /!war a s dem n!W®“; Dies * r b e-
abtheilung des Ministeriums der Medici ,-,l .'"' ' f Medicina l‘
dessen Stellvertreter als Vorsitzenden u, fi ’ a a, '^8 eid 'eiten oder
der wissenschaftlichen Deputation fi r das £['•"? Mi,gliedern
sprechend unserem OberniedicinaIausschus ,0 Ö «««'wesen (ent-
ernannt werden und aus drei Mitehedern i B,cho voin König
Schusses. Diese Körperschaft ‘hat 5 -dWdim Amte kammer-Aus-
kratiscbe Färbung und ist in ihr die absolute m“! f tark burea »-
der vom Staate ernannten Mitglieder w in™l .*» Mehrheit auf Seite
Aerzte selbst nur durch drei Mitglieder , < le 9® sa,n,n theit der
staltete Ehrengerichtshof ist einzige löstaiS fn? | Sk ' J>er so ge *
reich, hat demnach alle Berufungen z » „Üii r fur das P ;uiz e König-
12 Bezirken der Aerztekamiuenf den 12 < Fh <,D ’ "• C ! che aus don
•ie be'"VifSd« rc S ri S'‘ 1,of di0 * ,ek ' he
einen Stellvertreter ersetzt werden worau“ durch j
zu nehmen ist. ’ " oraut bei der Wahl Rücksicht I
durch^Ge^rich t s besch 1 uss* Z dem* ölligeschu 1 dj» ten 6 '' In f S,1 , lnzen könn ^
stitution eine hoehbedeutemle «hivSSSS .“'V diest ‘ r ne,,en fr-
Standesorganisation , welche bestimmt 0 , 80nd ® Neuerung in ihrer
Mehrheit der Aerzte und die Smmnn? f*". d °'' 8r<isatei ‘
finden wird. Zustimmung aller Aerztekammern
Richters an den Verhandlung™^ ,£ue eines staatlich angestellten
Garantie erhalten, dass die fiS m Du * n ? on ®? 1tes die sichere
keinerlei Nebenrücksichten beeintiISt S ,,er l /' :bre,1 ßerichte von
aber auch wenigstens bei der erstef w kön ! ,en » *ic haben
wusstsein, nur von Ihresgleichen Öi In f, ta ”, a daa beruhigende Be-
d,es b fi der zweitenInstanztleufSö* 1 ■ ft ,"7 <Ien - «ährend
der Fall ist, weil dessen Mehrte ,18er,tbtsl,of ‘-‘. nicht mehr
ßbeder bilden. Die Aerzte wenlm ' . V01 i‘ Staate erna »"tc Mit-
“?uen Rechtspflege unterwerfen xö,!i ‘ ’ üit Fre,,de dieser
wird, nicht nur bessernd und erziel ö i'® best . lnllrit geeignet sein
selbst zu wirken, sondern auch ,u ' l d r a ". f dcn «rztlichen Stand
bedenklich gesunkene AnLlöniö^^Öi'"' 80 , des Ht 'iIgewerhos
'vieder zu heben und die A^r^wi i gegeuaber dein Publicum
schafthehen, künstleiischen Körner« zu einer f,t ‘ien, wissen¬
de ganze Einrichtung noch fif “ stempeln. Freilich muss
durchführbar gemacht werdön ö • 1 rgä ' 1Zt und erst dadurch
*'“ e gleichlautende, genau auszmirhe ? ‘ dle P re ''ssischen Aerzte
geben welche die ÜmSd äg 0 fnt ? v u®, ,Stau des ord n u ng
einander „ n d gegenühör rW p , , das Ve , rhaltc » der Aerzte unter
“«ch die einzig'riS Gn,nH, n Pubilden wird, welche aber
derEhrengeriifhtsbarkeiUn beide! £ f® rech ‘ , . ichen Entscheidungen
•beses isolirte VoZ „ P 6 f “ Inst f ze ‘ l bilden muss. Ob durch
an s Allen schon l^i CT t um i R ii,ö!r 8 f S f C ‘ en Sta atsregierung die von
deutschen Aerzt^nröö sehnhcl ‘ 8t gewünschte Schöpfung einer
Bie nicht vielmehr ln we toro F" 8 geförd r k werd ^ wird, oder ob
in j et7,t noch nicht mö'dich er " Ckt w ' rd > das zu entscheiden
‘Ä d ?hä ßet,,ciliefcn immcr
die Cassei^der Aerf?ofe daS Um ' a gerccht
Worte der Erörterung Wüh emt K'"i er ", " nd bedarf nur weniger
ur Deckung ihrer Kosten nS hS, rlnf r ,** Aerz lckamrner„ den
sonnten, aber deren pf'i' öth gen , Ge| dbcdarf zwar selbst festsetzen
erlassen mussten S ri ? 8Un8 , dem fie ''en Willen der MUellfler
“ I ?25™_™^O^WOCHENSCHEIFT.
—____869
Zur Seewärtigen Lage des Irrenwesens in Bayern.
V °" I)r ‘ Kwter in München.
. ein vielbesöwchenes Thema? <fa einzelne Bm S , b ( i . l<,et auch in Bayern
Zeitungsnotizen und die Verhandlrnmer^ f 8 ®^ !l fwiederkehrende
cm allseitiges Interesse für diese Frafe Ab ; eor <' ne fcnkammer
Bekanntlich nimmt die Gesetz,„u?, " ac bgcnifen haben
fachen Richtung der Zurechrmflooh ^? ? vornehmlich in der drei-
der Verwahrung auf die Geisteai J 11 . 8ke, *> de r Entmündigung und
Kcichs-IrrengesetJ w . lohcs ul e .f-m T“ BCZUg ' Ei “ cinbeitlic-öes
Stimmungen enthalten soll bestand hislnT"^®??“ bet ' e, fenden Be-
v.elmehr in den einzelnen es ware “ dieselben
Diese gerade auf die Geisteskr-Ö.t u ul ,. I ' andes gesetzen zerstreut,
dem Rahmen der maassgebeöden Straf^nnS'p®". Para g ra P hen aus
nehmen, kann keineswegs zweckenLstweM ö Cl . vi 'gesetze herauszn-
den bereits über die Zurecl.nungsfäbS^ Im Uebri gcn wur-
Entmiimligungsverfahren gleich JässfgeÜr ? ei8teskranken und das
Ivetcl, erlassen und and, dio ö vilrecl,t löi dnai ‘ 8en fflr das ganze
digung werden voraussichtlich iö dtm F ,° gCn dor Kntmün-
buclte ihre einheitliche Regehin-. lÄo rt®" bürg e, r . li f h ? n Gese t z '
zur ^ J0rlasmmg^d , fpsb ( ^1JJ r |jÖhpr 13 v? n ’ , Zusti ‘udigkeit des Reic..,,
immer der Lamlesgesetz-cbune fvS if .ß e ß ebe ", doch sollte dies
mit der Durchführung dieser FüröÖöm ' Ö'" b eiben - da auch die
die einzelnen Bundesstaaten gedeckt^ W er,llT de ? en K ° Sten durch
Erlass solcher Vorschriften i .müssen, und da der
neTme“; iU mösr rhandei ‘ en ^"‘-bümgen “nd^ÄteS'BSSS
der Geis tos kra nk c if Xl s,V ItL ngsfilh ig!-
deren Fini, • 8eu ^eiUOedarf zwar selbst festsetzen
S- en mu8ste “. ^rd r Es n e1ben“ ff“ Wi J! ün «>« MitglÄ
gestanden, die nöthicen IT® J tzt S esetzI >ch das Reclit zu-
«enn die flöhe des ßlitra^dilr V °h ® ® U Aerzten zu erheben,
SjSf. haf - Die Einziehung dir p®f^ mignn8 des Oberpräsidenten
Verwsh 8 geschiel 't. nach Slaltssgah^ ö« 8 v erfo . 1 ß t - so «’eit sie nicht
Die? P ‘?f ZWan « 8ve r fuiiren wflm ,1!". Ve f° rdnun8 betreffend das
nicht für die Folgen seines kranknften\V"i^ er wirkIich Geisteskranke
wird als auch dass iöwaiÄ verantwortlich gemacht
Erlangung von Straffreiheit keinen f i d ? r Gei8tesstö rung behufs
brauch liehen Auslegung iÖdeÖw,isc° 8 kan V' Ei,,er »‘i^-
vom durchschnittlichen psychischen V„ d ‘u 8 u! eho , n ]ode8 Abweichen
straflos mache, begegnet .bis (iJlVtl V den Angeschuldigten
nicht schon in dem NachSeit dadu ^ h - dasa die Straffreiheit
gründet ist, sondern dass die letzt'ÖÖ ® ® ,8 . tesstör “ n g überhaupt be-
der Handlung vorhanden und dn^h S, T ^ der ^^ohung
hpstinimung ausgeschlossen „ on . d “ c diese, be die freie Willens-
nach oberstgerichtlichen P’rL-e t - en 8 °!v muss - Gu d zwar muss
für jeden einzelnen Fall poskiv SSebt'l 9 nzu f ech “' ,n g 8fäb igkeit
scheinlichkeit. oder ein ä 4>1 g t f 1 se “ J « ine blosse «Wahr-
Freisprechung nicht M8ei,8e,n .’ c erselben kann zur
fühigkeit. kennt das Gesetz nicht ‘ v< ? rm ' 1 i de , rte Zurechnungs-
solchen nur für die Höhe des das Vorhandensein einer
Kino Umänderung dieser Rpfilsin mila8Se8 V Betracht kommen,
wendig noch als wO,^he M w«ftl5^^ als n0th ‘
f«h dÄ d £i*Ä>5 ,v « , ' , > l 'r e "> erhob sich mehr-
radicalston Vorschläge w.m en K t, . ,l,g d ° r Jelz, ß en Vorschriften; die
siitzen» <zur BeseSng des E
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der Zuständigkeit an die LandgerichteSeTte.f Ueberweisu '*ß
den An!tsgerichten li \vegen tie^Vt'refT der erstinstanzielle Beschluss
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gehen Die c .f- 6 " ]uc, ‘tern wichtige Anhaltspunkte an die Hand
Eeelilspüege! Miaetrauens gegen die’denlsehe
Aerzte fn d fLtSf g ^ h - en Gelstesz usfände befähigt sindf also nur
" =e d “ WS. - lÄS^C
fahren» dre Beibringung eine» .amtlichen. Zeugni.aee anordn.n
3*
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370
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
kann. Die Heranziehung von Laien als Sachverständige kann über¬
haupt nur wünschen, wer die Schwierigkeiten dieser Begutachtungen
nicht kennt und wer selbst Anzeigen der Geistesstörung nur in dem
Sinnlosen des Vorgebrachten und in auffälligen Excitations- oder
Depressionszuständen zu erblicken gewohnt ist.
Dass, wie der Vorwurf erhoben wird, das Gutachten in Psych¬
iatrie wenig erfahrener Aerzte für den zu Entmündigenden bedenk¬
liche Folgen haben müsse, kann keineswegs zugegeben werden, da
einerseits der Richter an das Gutachten des Sachverständigen nicht
gebunden ist und eine neue Begutachtung durch andere Sachver¬
ständige anordnen kann, wenn er das erste Gutachten für ungenügend
erachtet, und andererseits der zu Entmündigende berechtigt ist,
auch seinerseits Sachverständige in Vorschlag zu bringen und
eventuell den Entmündigungsbeschluss durch Klage anzufechten.
Der zu Entmündigende ist persönlich unter Zuziehung eines
oder mehrerer Sachverständiger zu vernehmen (C.-P.-O. § 598), und
die Entmündigung, dementsprechend auch die Wiederaufhebung der
Entmündigung, darf nicht ausgesprochen werden, bevor das Gericht
einen oder mehrere Sachverständige über den Geisteszustand des
zu Entmündigenden gehört hat (C.-P.-O. §§ 599 und 617 Abs 3). Ich
halte eine Ergänzung dieser Bestimmungen in der Richtung für
wünschenswerth, dass immer das Gutachten von wenigstens 2 Sach¬
verständigen erforderlich sei, und dass bei Nichtübereinstimmung
dieser sowie bei Anfechtung des Entmündigungsbeschlusses der zu¬
ständige Amtsarzt einvernommen werden soll. Wenn auch bei den
amtlichen Aerzten nicht gerade immer speciali-tische Kenntnisse
der Psychiatrie vorausgesetzt werden können, so haben sie sich
doch in der Regel mehr damit beschäftigt als die praktischen Aerzte,
auch eingehendere Studien genossen und eine besondere Prüfung
hierüber abgelegt. An ihrer Stelle könnte auch der Director einer
öffentlichen Irrenanstalt berufen werden.
Wenn der zu Entmündigende sich der Vernehmung vor Gericht
und der Beobachtung durch Sachverständige entzieht, kann unter
Umständen das Entmündigungsverfahren undurchführbar sein, da
das Gesetz eine polizeiliche Vorführung oder eine zwangsweise Ver¬
bringung in eine Irrenanstalt zum Zwecke der Beobachtung nicht
vorgesehen hat; meines Erachtens mit vollem Recht, da die Er¬
gänzung dieser Lücke erhebliche praktische Schwierigkeiten hervor-
rufen und dem Zustande des Kranken schaden würde. Eine Schädi¬
gung der betheiligten privaten Interessen kann jedoch dadurch ver¬
hütet werden, dass das Gericht, sobald eB die Anordnung einer
Fürsorge für die Person oder das Vermögen des zu Entmündigenden
für erforderlich hält, zum Zwecke dieser Anordnungen der Vormund¬
schaftsbehörde Mittheilung zu machen hat (C.-P.-O. § 600).
Aus Vorstehendem ergibt sich, dass auch das gegenwärtig
geltende Entmündigungsverfahren in der Hauptsache vollkommen
zweckmässig ist.
Einen dritten und zwar den praktisch wichtigsten Gesichtspunkt
für die Irrengesetzgebung bildet die Fürsorge für die Geisteskranken
hinsichtlich ihrer Heilung, Verpflegung und Verwahrung.
Das erste Princip ist immer die Heilung, welche mit allen Mitteln
und so lange als möglich anzustreben ist, doch lässt sie sich von
den beiden andern Indicationen nicht trennen, da die Kranken in
gewissen Stadien so hilflos werden, dass sie eine aufmerksame Ver¬
pflegung benöthigen, und da bei der Mehrzahl der Geistesgestörten
früher oder später ein Zustand eintritt, der sie gegen sich oder
andere Personen, fremdes Eigenthum und die öffentliche Sittlichkeit
gefährlich erscheinen lässt und ihre Verwahrung dringend erscheint.
Die praktische Durchführung hat somit diesen drei Anforderungen
meist gleichzeitig zu genügen, doch ist es wichtig, sie theoretisch, um
die Befugnisse der Betheiligten abzugreuzen, auseinander zu halten.
Die Irrenfürsorge gliedert sich in eine private und eine öffent¬
liche. Letztere hat da einzutreten, wo erstere nicht ausreicht oder
das allgemeine Wohl es erfordert. Bei manchen Kranken kann die
Privatpflege dauernd und bei einzelnen wenigstens eine gewisse Zeit
lang allen Anforderungen nachkommen und es sind daher in erster
Linie die Angehörigen des Kranken bei Vermeidung der Strafe ver¬
pflichtet, dem Kranken den erforderlichen Schutz, Aufsicht, Ver¬
pflegung und ärztlichen Beistand zu gewähien (Polizeistrafgesetz¬
buch Art. 81) und gefährliche Kranke zu verwahren (Art. 80 Abs. 1).
Bald aber erweist sich in den meisten Fällen' die Privatpflege nicht
als ausreichend, zu schwierig und auch zu kostspielig, so dass die
öffentliche Fürsorge für eigene Anstalten zur Aufnahme dieser
Kranken Sorge zu tragen hat. Bayern besitzt gegenwärtig 9 öffent¬
liche Irrenanstalten, 2 in Oberbayern, in den andern Regierungs¬
bezirken je 1. Die Unterhaltung derselben bildet nach Art. 1 des
Gesetzes vom 23. Mai 1846 eine Kreislast und es betragen die Zu¬
schüsse der einzelnen Kreise alljährlich eine ganz respectable Summe.
Sollen die Irrenanstalten ihren Zweck ganz erfüllen, so ist es
Pflicht der einzelnen Regierungsbezirke, jede Erleichterung dahin zu
treffen, dass möglichst viele Kranke und zwar möglichst früh auf¬
genommen werden können. Denn es lässt sich statistisch nach-
weisen, dass die Genesungsziffer mit der steigenden Krankheits¬
dauer sinkt und die besten Heilungsresultate bei denjenigen zu con-
statiren sind, deren Krankheitsdauer vor der Aufnahme eine kurze
war. Um daher nicht die Kranken oder ihre Angehörigen aus
Besorgniss vor einem Makel von der Benützung der Anstalt zurück¬
zuhalten, muss diesen nach ihrer ganzen Einrichtung und der Art
ihres Betriebes der Charakter einer Heilanstalt zukommen; Bie
müssen als solche von der Bevölkerung betrachtet und von der
Behörde als solche behandelt werden. Weiter kann dies erreicht
werden durch niedrige Verpflegungssätze und durch Gewährung von
Freiplätzen an arme Gemeinden. Auch jeder Ueberfüllung der
Anstalten ist durch Erweiterung der bestehenden bezw. Gründung
neuer Anstalten entgegenzuwirken; denn dieselbe erschwert den
Dienst der Aerzte und des Pflegepersonals, bringt für den Kranken
grosse Unzukömmlichkeiten und hat die Abweisung vieler nicht
dringlicher Aufnahmsgesuche zur Folge.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die psychiatrische Aus¬
bildung der Aerzte. Denn deren Thätigkeit besteht hier nicht, wie
beim strafrechtlichen oder Entmündigungsverfahren in der von
Sachverständigen, die zum Zweck des weiteren juristischen Ver¬
fahrens ein Gutachten über den Geisteszustand erstatten, sondern
sie haben in dauernden, persönlichen Verkehr mit den Kranken zu
treten. Sollen die Aerzte befähigt sein, alle Momente, welche die
Entstehung und den Verlauf der Geistesstörungen beeinflussen, mit
Verständniss zu berücksichtigen, auch schon die ersten Spuren der
Erkrankung zu erkennen und die erforderlichen therapeutischen und
sonstigen Maassnahmen anzuwenden, so müssen Bie eine gründliche
theoretische und praktische psychiatrische Ausbildung erlangen;
insbesondere muss eine solche bei denjenigen Aerzten vorausgesetzt
werden können, die an einer Irrenanstalt thätig sind oder denen
als Amtsärzten die officielle Fürsorge für die Geisteskranken und
die Erstattung psychiatrischer Gutachten vor Gericht obliegt. Bei
der Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst in Bayern sind zwar
jetzt schon eine schriftliche Arbeit aus dem Gebiete der Psychiatrie,
sowie eine praktische und mündliche Prüfung durch einen Examinator
der Psychiatrie vorgeschrieben; nur sollte auch für die Zulassung
zur Prüfung noch der weitere Nachweis erforderlich sein, dass der
Betreffende ein Semester lang an einer psychiatrischen Klinik als
Praktikant theilgenommen hat. Bei der Approbationsprüfung hat
der Candidat bei dem medicinischen Prüfungsabschnitt € seine
Fähigkeit in der Erkenntniss und Beurtheilung der inneren Er¬
krankungen, namentlich mit Einschluss der Geisteskrankheiten»
nachzuweisen. Diese Bestimmung kann vorerst genügen, wenn nur
wirklich jeder Candidat auch darüber geprüft wird; bei Verlängerung
der medicinischen Studienzeit auf 10 Semester wäre analog dem
Impfwesen auch der Psychiatrie eine grössere Bedeutung in der
Prüfung beizulegen.
Auch die Hilfsorgane der Aerzte, die Wärter, verdienen eine
besondere Berücksichtigung; es sollte ein Minimalverhältniss zur
Zahl der Kranken festgesetzt werden und, um tüchtige Kräfte zu
gewinnen und einen raschen Wechsel derselben zu vermeiden,
bedarf es einer ausreichenden und allmählich steigenden Bezahlung,
Gewährung von Pensionsberechtigung, Verwendung im Civilstaats-
dienst nach längerer Dienstzeit u. dergl. Vergünstigungen.
Als sehr günstig denke ich mir auch die Fürsorge für ent¬
lassene Geisteskranke durch AVohlthätigkeitsvereine, welche sich
derselben annehmen, ihnen Gelegenheit zur Arbeit vermitteln und
ihnen mit Rath und That an die Hand gehen; sie verhindern dadurch
einen baldigen Rückfall der Erkrankung und wirken vortbeilhaft
auf die Dauer der Genesung ein.
Alle dem Heilungszwecke dienenden Maassnahmen tragen für
den Kranken und seine Angehörigen den Charakter des Freiwilligen,
und durch öffentliche Behörden in dieser Richtung einen Zwang
auszuüben, ist weder gesetzlich vorgesehen noch auch rathsam.
Dagegen entspricht es nur den Pflichten der Humanität, dass bei
Verwahrlosung dieser Kranken die Polizeibehörden ermächtigt werden
können, für deren Unterbringung auf Kosten des Pflichtigen zu
sorgen (Polizeistrafgesetzbuch Art. 81 Abs. 2). Bei gefährlichen
Geisteskranken ist die Mitwirkung der Behörden und die Ausübung
von Zwangsmaassregeln nicht nur zulässig, sondern direct notb-
wendig; denn die wenigsten Kranken haben Krankheitseinsicht
genug, um freiwillig und rechtzeitig eine Anstalt aufzusuchen, und
sehr oft widersetzen sich die Angehörigen, wenn sie auch das
Bedenkliche des Zustandes erkennen, gleichwohl aus mancherlei
Rücksichten der Verbringung in eine Irrenanstalt. Gegen den
Willen der zunächst Betheiligten muss desshalb die Behörde das
Recht haben, die Verwahrung der gemeingefährlichen Kranken
anzuordnen, da dies lediglich im öffentlichen Interesse erfolgt, ebenso
wie bei ansteckenden Krankheiten die zwangsweise Verbringung
in ein Krankenhaus Platz greift, sobald hiedurch die Allgemeinheit
gefährdet ist. Diese Maassregel benimmt dem Kranken seine Freiheit,
legt ihm die in der Anstalt erwachsenden Kosten auf und bringt
sein persönliches Recht in Widerstreit mit dem öffentlichen Interesse.
Während ersteres ein weitläufigeres und länger dauerndes Verfahren
erheischt, fordert letzteres die rasche und sichere Verwahrung des
Kranken. Die Abwägung dieser Verhältnisse birgt für die zur
Mitwirkung berufenen Behörden grosse Schwierigkeiten, die dadurch
verstärkt werden, dass die Belassung des Kranken in Freiheit mit
Gefahr verknüpft und andererseits eine widerrechtliche Freiheits¬
beraubung mit Strafe bedroht ist. Die Gesetzgebung hat desshalb
die Befugnisse und Verpflichtungen der zur Einlieferung und zur
Verwahrung zuständigen Behörden in einer Weise festzusetzen, dass
im Allgemeinen zwar bindende Directiven gegeben sind, im Einzel-
fallc aber auch ein abgekürztes Verfahren möglich ist.
Die Befugnisse der einliefernden Behörden stützen sich auf
Art. 80 Abs. 2 des Polizeistrafgesetzbuches:
«Hat eine solche Person einen Angriff gegen Personen
oder fremdes Eigenthum verübt oder die öffentliche Sittlich-
21 . April 1896 .
keit verletzt und ist we-’on TTn.,,^ i
schuldigten entweder ein^trafveS5en U !! gSfiiI -'? keit des Be ‘
worden oder ein das Strafverfahren eTstem? ?‘ C 'J,emgeleitet
erfolgt, oder ist die Gemeingefuhd^hkeff J- d0S , 1 ' >kenntnis s
in sonstiger Weise festgestellt so w ] e,, A e, ;. 8olcI ' ei > Person
rechtigt, auf den Grund bezirksflJfi- i dlG *!° ,lz eibehördo he-
Unterbringung in einerI*SiÄ3 tI S' e r n <l Q,,ü,c, '‘e»» defrn
nügende Verwahrung anzuordnen.» d dcren sonBti 8« ge-
kommt diese Befugniss derW^rfcUpdtenjfh/T i 4 ' Januar I8 <2
betr. Person bezw. in München der P<£ dlr^ ® de , r ” einiatl > der
^LaI S '. n „ C ^ 0ll . 2eibel,örde des AufenthalSIrt'r’ bei Audilndern
^gHgNKBJWD iCINISCIIE Wocn^m,™
l>iese j"rheb!!ng 0 ,f‘vS ^ unl «>ge,nuthet werden
ssä— «» d " säe? as
(Schluss folgt.)
T iv,". ,n Mü nchen der Polizei HrZ • , “ e,mat " der
der Dislnctspohzeibehörde des Aufenthalt Alli l«ndern
Ausfülirungsbestimmungen gibt die Mini^fi^ ? 10 detaillirlen
1 . Januar 1893 , durch welche den t.,£ fcEnalen tschliessung vom
the ligten möglichste SicherungzufteU Sh?"?- fr »»*** S
nach erschöpfender Sachinstruction taFormfr 6 Lnts ^ lci dung hat
sehenen Beschlusses zu erfolgen- sowln ? s nilt Gründen ver
ist der Geisteskranke selbst, grundsätzTSh auch"*“ 8 * 1 u,,d “'»"lieh,
treter und ferner der behandelnde A™r • Sei " S CR etzlicher Vcr-
ttrxtliche Gutachten ist ausnahmslos'2,f : <>as amts-
Buchung zu erstatten; erforderlichen Falls!*? ! »»««^"'»cher Unter-
Frage kommenden Interessen der zur Stell ?, /T fr l,ri,n 8 der in
antrages zuständige Staatsanwalt ni verSnl * 3 ^ntmündigungs-
hchen Vertreter des Kranken steht d e £ f" ? n . d dem «eseiz-
Befindct sich der Wohnsitz LV ?hwer ‘ ,efül ' ran g offen,
vom Bczirksamtssilze entfernt, so sollte TS" 1 “fr®"* Stunden
näher wohnenden bezirksürztlichen StellvertreL ? 118 1 Gutac,ltcn des
flehtet werden und bei besonders rasch m? ? fr * e,,fl «® n «l cr-
Geistesstör,ingen sollte selbst auf Grum) LT d ' icftl>r «»tretenden
msses die Km Weisung verfügt werden könne? pnv " tll,ztlic, ien Zeug-
Es steht nichts im Weire die Tr„t„ i -
dTh' PriV p tirronanstalt anzuordnen? wÄ'dS-T. dCS K ™ nken in
doch am Besten nur mit Zustimmung T * ], ' ,l,oren Kosten je¬
der Kranke auch in häuslicher I'fleipo hLifr A "? ell, 'Hgen; es kann
genügende Verwahrung gewährleistet isfr Dtafrfr «ofeme cine
Falle i,n Einvernehmen mit dem Bezirke rfr CS Wilro lm einzelnen
erforderheh wäre die andauernde auch Te7 NnH f ? ; min dcstens
Überwachung des Kranken durci. ?wei ?, „^ , ' t n ' C ,t "'«setzende
STsT 50 “ "" d an die
los auch dTe™S erfüllen zweifel-
gememgefahrlichc Handhingen jeder^it Crf:lIi rung Sg emäss
« wäre zu gewagt, abzuwarten J bissnUn? t , werdon k ünnen;
worden sin(i . Auel, ausgesprochene ° der versucht
fertigt „„ allgemeinen und FainiHeninfor,« ZU '? Selbstmord recht
1 ohzeibehörden zur Erhaltung des Kran£ d ‘' S E,n S reife » der
ein dringli?he?GTmdTurFinw 1 ^ arZte die Begutachtung dann, wenn
‘ be^ orbUcltTSiast' *Es^'trTTe»
tr en ’, den Geisteskranken i,„ A ?r,fr i“ , d,e ““«"genehme Lage
»im 1 erIrrCM " Shlt ""terbr nt,r?i mnL VenV r' ren oder dam,
Kra’
*ur Beobachtung aufnohme^müsste " 176 *** etwa bis “ 8 Tagen
Untf»r TTtnniU. »
Referate und Bücheranzeigen
J rofessor Dr. O V.*„____ °
enlens eines Eir.
um zun, Ziele zu
Irrenanstalt, werdefrwfr'kfr Vor « uss otzungen c.
komm ngSbOSClllu89e8 «bSse? f ,md a " geIS , ° der Feh| ens”ein?s“Eim
F Ä rÄ£ S 5 "Letztere ^müsste
beiden 'T? 0 , för die Privitranaitelte ' 3tr, , ct8 P° f lizeibeh ö rden an-
WisteBg^^^sgesuche,, angeordTit "«Sn erf ° rderIicher Beleg
der niof • rten Zustandes , 1 er „ or(1ll ct «eine Gonstatirung des
hebnnrr^'ge, von dem ^'[enthaltsortes, gegründet
bebuS^Ä' von dem TJlthen ~" fent . haltsorte8 , gegründel
ein Bnterbeam? eUrk " ndenden Beamten / nie'?» V" abhan gige Er
grösseren auf den, Lande dpr P? Ser - 'l* ,n der Re gel
°bachtuL„ , dten ei " Commissär ?,o d Gemeindevorsteher, in
abgebt - Auf Grund fi T"l 10 l vcJ X I^ biatrische ß e-
ein
icht,
«bachtuT ", dten ein Commissär l der P 8 ™"deVorsteher, h
OsteoinalaMBief'kit* ,V —
I atliologie und Therapie» VIT it _( N °t hna gels »Specielle
w ■ > ***• J.) Wien, I8y6
"über veitraut 1 isfu^id^'^rwe 1 -'^
Versuche sind, Ursache und WeJ’de^K u"? fr bisLeri «en
wie vielfach divergirende Ansichten in 4 , Krar| kheit festzustellen,
complexes und mancher anderer Punkte bczC ? Äli ® h des ^"'Ptomcn-
»'•ag auch die Schwierigkeiten ^ "° eh best ebcn, der ver¬
schon Bearbeitung des Gegenstandes 0886,1 " ner 8ysteu,afi -
durcli eine so eindringliche und sei t™ . übc i' WInde " si "d- Nur
Vierordt an dem Kri J ik > 8 * 8 Prof.
möglich, zu jener Klarheit der DarsteLngTfff hat ’ Z™ 63
in dem vorliegenden Werke entgegentritt ? geIjn * en > die ""s
1. aSÄ:*-» <■ Agende AbschnUt,:
«ehe K-eeh ., 7Z’„1‘ w"f 8, .“ h ' An “°™'’ 3- HW-
hülung und Behandlung, 7 . Litera‘t„ r 5 Dla e" ose - »• Vor-
Sogleich im ersten Abschnitte galt es „„ j
strittenen Frage von der Fvi-i .7 zu der " oc b vielum-
genitalen R ,a ,ite s Ste^ ^ der con-
K a u f m n n n u. A theilt vlS ZU " chm l cn -. Mit Virchow,
Weiten, überwiegende Mehrzahl allll'als fötalT Rh’ h’T fr ^
äv- itr^^
Kn JLT M^tgt n A t*‘ ,U « "*• He das
«**. t erSrtert (Bbna,
liclikcit, hereditäre S,pbS „ t w , TO,ri,te «*«*•
Bas Capitel über die klinischen .
zahlreichen, den Text erläuternden AHn "»Ptome — mit
Lgewill Tf^ 1 gründliche '“Klbu^tr "dl TnZh^
aflocoi, coniplicircndcn Störungen dos Vcrdauun« L S
apparates, sowie der im N«>r,™ * ng8 ‘ und Kespirations-
SS= t£= STÄ
■Ä'SiEi'irT*
»r Rbaehlü, «.kommt Welcher Natur dicL Be^iZnf™ d“as
Zd z
dass Letztere oft genug mit Untwicklungsfchlern (HasTnL,”“»
Spina bifida, KrypterchLsmus etc.) eombinirt ist, so wird auch dÜ
V oi kommen des Sehichtstaars nicht so unerklärlich erscheinen zu
mal nachdem durch Hcsse's neueste Untersuchungen dargclcgt
AhfrnV, dass dic ( r afcaracta zonularis durch eine Störung in dir
Abschnürung des L,„senSäckchens, mitlun durch eine Entwicklung
• terung bedingt ist. Auch die namentlich von Horner hervor
gehobene häufige Vererbung des Sehichtstaars spricht viel mehr
iür dessen Zusammenhang mit fötaler, als mit echter Rhachitis
In dem Abschnitte: .Wesen und Actiologie» konnte
cs sich unter den gegebenen Verhältnissen hauptsächlich nur darum
handeln irr,ge Theonen zu widerlegen, wenn auch noch keine
besser begründeten an deren Stelle zu setzen sind. Nach kritischer
1 rüfung der hier m Betracht kommenden Hypothesen, zum Theil
auch auf Grund von Untersuchungen, die auf Veranlassung des
Verfassers von dessen ehemaligem Assistenten J)r. Rudel vor-
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372
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N'o. 16.
genommen worden, gelangt l'rof. Vierordt zu allgemeinen
Schlüssen, aus denen wir nur einige Hauptpunkte liervorheben
wollen: «Mangelhafte Kalkcirculation als Wesen und unmittelbare
Ursache der Krankheit ist unmöglich; Circulation einer Säure,
beziehungsweise verminderte Blutalkalesccnz ist als Ursache nicht
denkbar. Gleichwohl handelt cs sich um eine allgemeine Krankheit.
Dieselbe muss in einer Stoffwechselverfinderung (eventuell in der
Circulation einer Substanz) bestehen, in deren Gefolge an
den Stellen des Knochenwachsthums örtliche Störungen des Gewebs-
stoffwechsels erzeugt werden, die zu verminderter Anlagerung von
Kalk (vielleicht auch gesteigerter Resorption oder Auslaugung V)
führen». Die Art der constitutioncllcn Allgemeinerkrankung ent¬
zieht sich vorläufig noch ganz unserer Einsicht. Naheliegend ist
der Gedanke an eine intermediäre Störung des Stoffwechsels (ähnlich
den Beziehungen der Osteomalacie zum weiblichen Genitalapparat).
Der Anstoss zur Entwicklung des complicirten Leidens muss in
Mängeln der Ernährung und Lebenshaltung unter Mitwirkung
einer örtlich und nach Racc verschiedenen Disposition gesucht
werden. Die Möglichkeit der Entstehung der Krankheit aus
infectiöser Ursache ist, wenn auch noch völlig unerwiesen, nicht
auszuschlicssen. (Die Annahme eines infeetiüscn Agens — ähnlich
etwa wie beim Cretinismus — tritt in neuester Zeit mehr und
mehr in den Vordergrund, lief.)
Der letzte Abschnitt beschäftigt sich in ausführlichster Weise
mit der Verhütung und Behandlung der Bhachitis. Voller
Beachtung werth sind neben den therapeutischen auch die prophy¬
laktischen Anweisungen des Verfassers. ln therapeutischer Be¬
ziehung empfiehlt Vierordt für leichtere Fälle Beschränkung
auf hygienische Massnahmen, bei grösseren Kindern ') auch Salz¬
bäder und Lebcrthran; für die schwereren Fälle, namentlich
Craniotabes mit Spasmus glottidis oder sonstigen nervösen Erschei¬
nungen : Phosphor-Lcberthran. Dass der Leberthran häufig nicht
vertragen wird und Diarrhöe hervorruft, wird vom Verf. ausdrücklich
betont und stimmt mit der allgemeinen Erfahrung überein ; anderer¬
seits aber ist zu berücksichtigen, dass man bei rhachitiscben
Kindern gar nicht selten auch chronischer Obstipation begegnet,
wobei die Stühle trockene, fast farblose Knollen oder lehmartige
Massen bilden, was zu mancherlei Beschwerden Anlass gibt ; für
Fälle dieser Art nun bietet sich uns im Lebcrthran — selbst in
kleinsten Mengen gereicht — das in jeder Hinsicht geeignetste
•regulirende Mittel, das an Sicherheit der Wirkung von keinem
anderen übertroffen wird.
Am Schlüsse unserer Besprechung der verdienstvollen Arbeit
möchten wir nur noch für eine Neuauflage derselben ein etwas
strafferes Zusammenfassen des Stoffes empfehlen, so dass Wieder¬
holungen vermieden würden.
Ein näheres Eingehen auf die höchst interessante Abhandlung
über Osteomalacie müssen wir uns des beschränkten Baumes
halber versagen. Die gleichen Vorzüge, die der vorher besprochenen
Arbeit eigen sind, wird der Leser auch in diesem Theilc des
Werkes wiederfinden. Werth ei inber.
MuxVerworn: Allgemeine Physiologie. EinGruinl-
l*iss der Lehre vom Leben. Jena, G. Fischer, 1895.
Die gegenwärtig existirenden Lehrbücher der Physiologie, so
gross ihre Vorzüge in der einen oder anderen Richtung sind,
leiden doch alle mehr oder weniger an dem Nachtheil, dass sie
zu ausschliesslich für den zunftmässigen Gebrauch, sei es des
Studirenden, sei es des Forschers, bestimmt sind. Es wird eben
vorausgesetzt, dass der Leser medicinisch gebildet ist, oder sich
neben der Lectüre durch den Besuch von Vorlesungen für den
Gegenstand vorbereitet. Das vorliegende Werk ist im besten Sinne
des Wortes ein populäres. Das einzige Buch, mit dem es in
dieser Hinsicht verglichen werden könnte, sind Huxley-Rosen-
thal s Grundzüge der Physiologie. Verworn's Buch ist indessen
nicht nur klar und verständlich, es ist auch schwungvoll geschrieben.
Es will nicht nur belehren, sondern auch Propaganda machen
für eine neue Auffassung der Aufgaben der Physiologie. Verfasser
setzt auseinander, dass die allem organischen Leben zu Grunde
') Es ist wohl nur als ein Lapsus calami zu betrachten, wenn
es auf S. 109 heisst: «Alles in Allem rathen wir, leichtere Fälle mit
hygienischen Massnahmen, wenn Bie (?) grösser sind
liegende morphologische Einheit die Zelle sei und dass daher die
Physiologie niemals auf einen grünen Zweig kommen könne, wenn
sie sich immer nur mit den aus einer Vielheit von Zellen auf¬
gebauten höheren Lebewesen, vor Allem mit dem Menschen, be¬
fasse; sie müsse mit den einfachsten, womöglich einzelligen Ge¬
bilden beginnen ; sie müsse eine Cellularphysiologie sein.
Das Buch gliedert sich in G Stücke oder (’apitel, von welchen
das erste eine kritische Geschichte der Ziele, Leistungen und
Methoden der « bisherigen » Physiologie bringt. Das zweite Capitol
bespricht die morphologischen, physikalischen und chemischen Kenn¬
zeichen der lebendigen Substanz, das dritte die elementaren Lebens-
erseheinungen, das vierte die allgemeinen Lebensbedingungen, das
fünfte die Wirkung von Beizen verschiedenster Art auf lebende
Gebilde, das sechste die «Mechanik» des Lebens von den ein¬
fachsten bis zu den hochcomplicirten Formen der Lebewesen.
Es ist dem Verfasser, welcher sich schon früher durch
werthvolle Beiträge zur Physiologie niederer Lebewesen bekannt
gemacht hat, zweifellos gelungen, den Gegenstand in vielseitiger,
übersichtlicher und anziehender Weise zu behandeln. Ob aber
die Auffassung, welcher Verfasser zur Anerkennung verhelfen
will, von der bisher üblichen wirklich so sehr verschieden, ist,
darf billig bezweifelt werden. Die bcwundcrnswcrthc Entwicklung,
welche die Physiologie um die Mitte dieses Jahrhunderts genommen
hat, beruht im Wesentlichen darauf, dass der rein mcdicinische
Standpunkt verlassen und die Erforschung des Lebens im weitesten
Sinne angestrebt wurde. Ueberall in der physiologischen Literatur
findet sich das Bestreben, die zu untersuchende Lebensäusscrung
an möglichst verschiedenen organischen Gebilden, Thieren wie
Pflanzen, zu studiren und nach Lebewesen zu suchen, bei welchen
sie besonders deutlich zu Tage tritt. Dies sind aber durchaus
nicht immer die sog. einfachen Lebewesen. Gerade bei den boch-
organisirten Individuen finden sich Zellverbände, Gewebe, Organe,
oft ansehnlicher Ausdehnung, welche eine gegebene Function so
typisch repräsentiren, in so bevorzugter Weise für dieselbe ein¬
gerichtet sind, dass sie sich hier besser und genauer beobachten
lässt wie dort, wo die betreffende Function nur in ihren ersten
Anfängen und an mikroskopisch kleinen Structuren zum Ausdruck
kommt. Wenn dabei die menschliche Physiologie vielleicht eine
gewisse Bevorzugung erfährt, so ist dies weder Willkür, noch Vor¬
eingenommenheit. Nur die Geschehnisse im menschlichen Körper
sind, zum Theil wenigstens, der Beobachtung von 2 Seiten aus
zugänglich. Von welch' ausserordentlichem Vortheil dies für die
wissenschaftliche Analyse ist, davon legt die hohe Entwicklung
der Sinncsphysiologic und der Ncrvcnphysiologic überhaupt ein
beachtenswertes Zeugniss ab. Wold verführt dieser Wechsel dos
.Standpunktes leicht dazu, psychische Erklärungen bewusst oder
unbewusst auch dort in die physiologische Betrachtung cinzu-
flechton, wo der Nachweis psychischer Vorgänge ausgeschlossen
ist (man vergl. darüber C. Hauptmann, die Metaphysik in
der modernen Physiologie). Wenn für einen nachsichtigen Be-
nrthciler der Fehler verzeihlich erscheint, solange cs sich um
hochstehende, dem Menschen mehr oder weniger verwandte Thier¬
formen handelt, so ist der Fall bei der Cellularphysiologie viel
ernsthafter. Nichts anderes wie ein Ausfluss der anthropomorphen
Betrachtungsweise ist es aber, wenn für das Auftreten von Lebcns-
erscheinungen das Vorhandensein einer Person, eines Elementar¬
organismus gefordert wird, welcher den Bedingungen « der Einheit,
der Individualität, der Selbsterhaltung » zu genügen hat. Mit einer
solchen Auffassung isolirt sich die Physiologie völlig von den
übrigen Naturwissenschaften und schafft eine unüberbrückbare Kluft
zwischen der organischen und unorganischen, der belebten und
unbelebten Welt. Wollte man streng nach diesem Grundsätze
verfahren, so müsste man Versuche an isolirten Organen, z. B.
an Froschmuskeln und Nerven, als den obigen Forderungen nicht
entsprechend zurückweisen. Solange von den Lebenserscheinungen
nur relativ gröbliche Aeusscrungeu bekannt sind, solange nament¬
lich von chemischer Seite her ein Eindringen in den Lebansproeess
nur in sehr beschränktem Maasse möglich ist, dürfte cs kaum
förderlich sein, zu stipuliren, was unter Leben zu verstehen ist
und an welche morphologische Gestaltungen cs geknüpft ist. Im
Grunde ist es also nicht die Verschiedenheit des Standpunktes,
| sondern die grössere Mannigfaltigkeit der Versuchsobjecte, dureth
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21. April 1896.
nützliches und verheissungsvolles ist dafür i; A c * . “ tle ^ )en 0,1
B„,h zahlreiche Beiepiete. U„ ^ ™'7« n *
handen, Erscheinungen, die ausschliesslich oder v V ° r '
höheren Formen von Lebewesen zu beobachten sind *“
schafthchen Werthe nach geringer anzuschlagen. ’ Wlbsen -
M. von Frey.
Mggg ™ MKDICINISCmi W 001iras,.|,„„.,ni
Psychosen. (Zeilachr. für Psychiatrie ctc. Bi ““ ' "
In einer grösseren Abhandlung bespricht der Verfasser die
für das Verständnis der Geisteskrankheit... , , . e * die
* *r Erblichkeit „er
de, sch, umfangreichen Literatur, y.rbuuden 2 ,t “ hr ’C
Form der Darstellung machen die Arbeit auch für seiet,.;.,
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gestattet sein, eine kurze Wicdcr^be des Inhalt htf , ^
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Deutschen besonders Mcynert Protest eingelegt Int v,
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erb„ n f h • ! ChC . Aut0rCn habcn versucht, die bei der Vor-
Iwnulircl" BuTfo^'^B 80 , a,S wirkIiebe «Hereditätsgesetze» zu
Mutter die Hauntll } U ' A ' ™ dici ™ z - B. der
chiatcr beide K ' 01 ? C . r . Verc ' bun S- ehrend andere Psy-
wollen. L ßlcicbcr Wcisc verantwortlich machen
Fall ft‘ l dic C KL AS “ ,ldCntCn PSy0 ' ,iSd ‘ erkranl1 ' d “" der
Vererbung ll d ! r P»t=nzirte „der cumulativc
schädlicher zu a," , l"™ Sch ™ t im
Falle die Töchter M w ^ ^ VaterS ’ specidl sind ini erstcren
eine grö sscrc nLT ’ überbaupt das weibliche Geschlecht
als daT Gliche " ß ZU PSyChiSCh ° n Erkrankungen haben dürfte
den Ümstand^TciTc erl^ htr* dlCSC Beobachtun S cn durch
Geisteskrankheit woni. T •? Zeußunß d cs Kindes auftretende
schon bei der Conronf- bccinflusscnd lsfc > als wenn die Eltern
Was , to neeption krank waren.
auf die andere iTinttlX^^SSV ^ IIorcditllt VOn cincr Generation
wird £“'«“.-iSiCiio:: b ' ,bOT
Mohr ,a eine Hy^c % d^ZuZe SS g^c *'
trr? sj“ äs
«nerv^eT (Tetbte ^Ztehe),
dJiTYrr?»--•* A .r.“
Hcredita^ d ' C charakt f istisch c n Fingerzeige, dass er cs mit cTncm
etzeten Infal. ä ^ * luoad sanationem 2
v - f ednstig, im Allgemeinen aller eher infaust.
ist die X I ir W,cht ! SC ’ auch «nthroixilogisch interessante Frage
ist die, ob der einmal ausgesütc Keim einer geistigen Erkrankung
sich immer weiter auswächst bis zur endlichen psychischen De
goneration dos betreffenden Geschlechtes, oder ob aLählieh wir
ein Ansteigen zum Niveau des geistig normalen stattfindet mITcT
röstltb °a ff 81 ‘ V T rCtCn ’ WährCnd anderc IVhiatcr einer
tröstlicheren Auffassung der Dinge das Wort reden. Der Verfasser
Sr af *“ ,et2tCrCH mit BariJglr
Der IV. und letzte Abschnitt enthält eine sorgfältig ah-
HeroS’ rrr Krit,k Über die Statistis<:hc Behandlung der
iriedetZhe" Z ‘ *«» ««
Arbd * sci ™ ^
Die Geisteskrankheit muss nicht immer auf erblicher Grund¬
lage entstehen, die psychopathisch« Constitution kann auch er¬
worben werden. 1
Die sogenannten Veranlagungszeiclien können nicht die Be-
dcutung pathologischer Symptome beanspruchen.
Die Lehre Morels von den Dcgenerescenzen ist als zu weit
gebend nachgewiesen, indem die Bedingungen für das Gesunden
durchseuchter Generationen weit häufiger cintrctcn, als Morel
an u ahm.
Ad. Schüle-Freiburg i. B.
Neueste Journalliteratur.
6 Heft CntSChCS Archiv für klinische Medicin. 56. Band, 5. und
bei atro|ihischea °Saugiingen. U1 ” ü ' b ' r Ni —irunderen gen
, „ f n . de . r H f nd , von 60 Sectionsbefunden weist Verfasser nach,
dass bei atrophischen Säuglingen ausserordentlich häufig Niercn-
dorTSr 8 !"; zu ,V 01is ^ lre “ .«‘»d. In der überwiegenden Mehrzahl
ftit 8 . d ‘ e n ^ ere , n!a CMon auf eine Mittelohrenlzündung
n?» ’ m f • D t T ? rad der iNier enerkrankung ist von der Art
hängig 86 dCr Im Pi,ukeuhöhlenexsu dat befindlichen Mikroben ab-
T vm^horrW af . erkorn: Ein Fall von Lymphangiektasie und
Lymphorrhagie. (Aus dem Studtkrankenhause zu Friedrichstadt-
üresden)
Nach der Beschreibung einer Kranken mit Lymphstauung in
der rechten Scliamlippe und der rechten unteren Extremität stellt
H aus der Literatur eine Reihe von ähnlichen Fällen zusammen
und kommt zu dem Schlüsse, dass die Aetiologie der Lymph-
angiebtnsien auf einer congenitalen fehlerhaften Anlage (abnorme
4*
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874
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
Weite der Lymphspalten und Schlaffheit der Lymphgefftsswandungen)
zurückzuführen sei.
XXI. v. Maximowitsch-Warschau: Zur Innervation der
Gefässe in den unteren Extremitäten.
Auf Grund von Thierexperimenten bestätigt M., dass in
gemischten Nerven sich sowohl gefässcontrahirende als gefäss-
dilatirende Fasern finden. Durchschneidung des nerv, ischiadicus
ruft eine Erweiterung der Gefässe hervor. Cliloralhydrat in kleinen
Dosen wirkt vorzüglich auf die gefässdilatirenden Nerven, in grösseren
Dosen lähmt es das Nervengewebe. Nicotin ist ein energisches
Reizmittel der gefässcontrahirenden Nervenfasern.
XXII. 8okolowski-Warschau: Ueber die idiopathische
fibrinöse Bronchitis. ....
Verfasser hält die acute fibrinöse Bronchitis für eine reine
Infectionskrankheit: leichtere Fälle werden meist übersehen oder
mit dem Bronchialasthma verwechselt. Die chronische fibrinöse
Bronchitis hat eine vollständig dunkle, vom acuten Proccss ganz
verschiedene Aetiologie.
XXIII Gumbrecht: Ueber Herzpercussion in vornüber¬
gebeugter Körperhaltung. (Aus der medicinischen Klinik in Jena.)
Die Vortheile des in der Ueberschrift angedeuteten Kunst¬
griffes werden in folgenden .Sätzen zusammengefasst:
«Die absolute Herzdämpfung gewinnt in vornübergebeugter
Körperhaltung an Umfang, Intensität und Resistenz. Während die
absolute Herzdämpfung in Rückenlage öfters in Folge von Lungen-
emphysem oder Magen-Darm-Tympanie verschwindet, wird sie in vorn-
ttbergebeugter Körperhaltung stets nachweisbar. Vermöge der Per¬
cussion in vornübergebeugter Haltung wird eine Reihe von bisher
nicht erkennbaren Herzhypertrophien der Diagnose zugänglich, in
erster Linie die linksseitigen, durch Emphysen maskirten Alters¬
hypertrophien (Arteriosklerose, Schrumpfniere), weniger regelmässig
die rechtsseitigen Hypertrophien».
XXIV. Marschner: Casuistisebe Beiträge zur Lehre von
der chronischen, recidivirenden Tetanie. (Aus der Prager
medicin. Klinik)
Es werden hier 5 Fälle von chron. recid. Tetanie beschrieben,
die manche recht interessante Einzelheiten bieten. In keinem der
Fälle konnte mit Schilddrüsenpräparaten ein Einfluss auf den Ver¬
lauf der Tetanie ausgeübt werden.
XXV. Ebstein: Zur Lehre von der haemorrhagischen
Pericarditis.
Im Anschluss an 2 Mittheilungen über haemorrhag. Pericarditis
bespricht Ebstein die Schwierigkeiten in der Diagnosenstellung,
ferner die Aetiologie dieser Krankheit und die zweifelhaften Erfolge
der pericardialen Punction.
XXVI. Hilbert: Ueber Diphtherie, ihre bacteriologische
Diagnose und die Erfolge der Heilserumbehandlung. (Aus der
med. Poliklinik in Königsberg.)
Diese ausführliche Arbeit erregt vorzüglich desshalb Interesse,
weil sie ein Bild der Anwendung des Heilserums in der poliklin.
Armenpraxis gibt. Die Diagnose Diphtherie wurde nur auf Grund
des Cultnrverfahrens gestellt.
Von 40 diphtheriekranken, mit Serum behandelten Kindern
ist nur eines gestorben.
Die Schutzimpf ung hat die Anzahl der Secundärinfectionen
gegen früher auf den 16. Theil herabgedrückt, doch sind nach
Hilbert ’s Erfahrungen 300 Antitoxineinheiten nöthig, um den
diphtheriebedrohten Kindern genügenden Impfschutz zu verleihen.
Irgendwelche üble Nebenwirkungen des Heilserums sind in
keinem Falle beobachtet worden.
XXVII. Lanz: Ueber den Stickstoff- bezw. Eiweissgehalt
der Sputa bei verschiedenen Lungenerkrankungen und den
dadurch bedingten Stickstoffverlust für den Organismus. (Aus
der Prager med. Klinik.)
Aub den mitgetheilten Analysen ist zu ersehen, dass bei Er¬
krankungen der Lungen dem Körper durch die Expectoration im
Verlaufe einer Erkrankung (vorzüglich bei der Lungentnberculo.se)
eine ansehnliche Menge Stickstoff und damit Eiweiss verloren geht.
Interessant ist, dass der N-Gehalt des Sputums bei Pneumonie
viel bedeutender ist, als wie bei Bronchitis und Tuberculo.se.
L. R. Müller- Erlangen.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 15.
H. Wolf e r m a n n - Strassburg: Leistenbruchband.
In Rücksicht auf den häufigen Bruchaustritt trotz angewandter
Rctentionsmittel und den grösstentheils auf schlechte Form und
Richtung der Federn zurückführenden Misserfolg der Bruchbänder
(meist gibt das hauptsächlich übliche C a m p e r' sehe Bruchband nur
einen Druck auf den äusseren Leistenring ab, sodass sich über der
betr. Pelotte die Finger einlegen lassen) hat Wolf ermann ein
dem Hack'schen Bruchband nachgebildetes Band beschrieben, das
den ganzen Leistencanal comprimirt und eine Pelotte mit selbst-
thätiger von der Spiralfeder unabhängiger Kraft in fester Verbindung
mit der das Becken umfassenden Feder trägt, die sich so in jeder
befiebigen Körperstellung anpasst, dass es auch bei stärkster Thätig-
keit der Bauchpresse nicht gelockert wird. Beschreibung und Ab¬
bildung sind im Original nachzusehen. Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 15.
1) F. A. Kehrer-Heidelberg: Gazetamponade des Mutter¬
halses zur Stillung der Hyperemesis gravidarum.
In einem Falle von unstillbarem Erbrechen bei einer Schwangeren
wollte K. den künstlichen Abort einlciten und legte zu diesem Zwccko
Jodoformgaze in den Cervicalcanal. Hierbei kam es nicht zum Abort,
das Erbrechen hörte aber auf. Als dasselbe später wieder¬
kehrte, machte K. noch ein zweites und drittes Mal die Cervix-
tampouade mit demselben Erfolg. In der 33. Schwangerscbaftswocho
wurde dann die künstliche Frühgeburt eingeleitet; das Kind blieb
am Leben. — K. glaubt in diesem Falle das unstillbare Erbrechen
auf Rigidität der Portio vaginalis zurückführen zu sollen und empfiehlt,
die Cervixtamponade in solchen Fällen zu versuchen, in denen keine
andere Ursache des Erbrechens nachzuweisen, die Cervix eng und
derb ist, wo ferner die gebräuchlichen symptomatischen Mittel erfolg¬
los versucht und Körpergewicht und Kräfte derart gesunken sind,
dass man zur Aborteinleitung überzugehen im Begriffe steht.
2) F. K ief er-Berlin: Ueber vaginale Antefixations-
methoden.
Die von Guenther empfohlene vaginale Ventrofixation des
Uterus (cf. diese Wochenschr. Ib9f>, S. 208), d. h. die Fixation der
verkürzten Ligamenta rotunda an die vordere Bauch wand per vaginam,
ist von K. an der Leiche studirt und als gut ausführbar gefunden
worden. Diese Operation vermeidet den ßauchschnitt und behindert,
im Gegensatz zu den Vaginifixationen, eine spätere Geburt nicht,
da der Fundus Uteri nicht fixirt ist.
3) R. Dohm: Ist Zangenapplication und nachfolgender
Kaiserschnitt bei 6 — 7 monatlicher macerirter Frucht ohne
zwingende Indication seitens der Mutter zulässig? Eine scharfe
Kritik des auch von Ahlfeld und Fritsch verurtheilten Esser'-
schen Falles, den D. als Auswuchs der geburtshilflichen Praxis be¬
zeichnet, welcher von gewissenhafter Kritik entschieden zu ver-
urtheilcn sei (cf. diese Wochenschr. 1896, No. 13, S. 298).
4) Friedrich Schwarz-Fünfkirchen: Porro beirhachitischem
Becken mit 4 cm Conj. vera.
Es handelte sich um eine 19 jährige I. para von rhachitischer
Zwerggestalt, die am Ende der Schwangerschaft zur Operation kam.
Es bestand bereits septisches Fieber mit 40° T. Trotzdem verlief
die Heilung glatt; das Kind, ein reifes Mädchen, blieb am Leben.
J a f f 6 - Hamburg.
Zieglcr’s Beiträge zur pathologischen Anatomie. Bd. XVIII,
Heft 3.
1) Ströbc: Ueber Entstehung und Bau der Gehirngliome.
(Aus dem pathologischen Institut zu Freiburg i. B.)
Aeusserst umständliche Beschreibung von 6 beobachteten Gehirn¬
gliomen. Die Arbeit bietet im Grossen und Ganzen wenig Neues.
Hervorzuheben ist, dass der Verfasser den Begriff «Gliom» enger
fasst, als dies bis heute geschehen, und als Gliome nur jene Ge¬
schwülste angesprochen haben will, deren Elemente durch weit¬
gehende, oft vollständige Uebereinstimmung mit denjenigen der
normalen Glia ihre Abstammung von der letzteren oder den Mutter¬
zellen derselben (Ependymzellen) in unleugbarer Weise beweisen.
Die Anwesenheit eines Fasernetzes zwischen den Zellen genügt
nicht zur Feststellung der Diagnose « Gliom», sondern es ist der
Nachweis zu liefern, dass diese Fasern von den charakteristischen
vielstrahligen Gliomzellen ausgehen. Die Beachtung dieser mikro¬
skopischen Zellverhältnisse, ferner die Thatsache, dass die Gliome
in der Regel ein infiltratives, dio Sarkome meist ein expansives
Wachsthum zeigen, letztere leicht myxoematös entarten, während die
hiefür angesprochene Erscheinung bei den Gliomen nur eine ödematöse
Erweichung zu sein scheint, die Nichtbetheiligung der Pia mater
am Krankheit8process in der Mehrzahl der Gliomfälle, ihre Be¬
theiligung bei Sarkomen, der fast regelmässige Befund von restirenden
Nervenfasern im Innern von Gliomen, ihr Fehlen bei Sarkomen,
endlich das bunte Bild, welches die von Blutungen, Erweichungen
und Cystenbildungen durchsetzten Gliome bilden, sichert die Dif¬
ferenzialdiagnose zwischen Gliom und Sarkom.
Der Nervenfaserbefund in Gliomen spricht nicht für eine Neu¬
bildung von Nervenfasern, sondern nur für ein Erhaltensein von
Resten des alten Fasernetzes. Die sich häufig findenden Ganglien¬
zellen sind zum Theil ebenfalls restirende Ganglienzellen, grössten-
thcils sind es jedoch richtige Gliomzellen, welche die Form der
Ganglienzellen nur nachahmen, was ja bei der gemeinsamen Ab¬
stammung der Glio- und Ganglienzellen von den Zellen des Medullar-
rohres nichts Wunderliches hat.
Das Gliom nimmt seinen Ausgang vom Gliagewebe, in ein¬
zelnen Fällen wohl auch von bei der Bildung des Neuralrohres ver¬
sprengten oder missbildeten Theilen desselben. Da die Gliome in
mancher Beziehung die Eigenschaften echter Geschwülste nicht
besitzen, welche zur Infectionstheorie nicht gut stimmen wollen, so
wäre bei denselben die Annahme eines parasitären Ursprungs
weniger unwahrscheinlich als bei anderen Geschw'ülsten. Leider
hat Strobe gerade von den parasitenähnlichen Gebilden, welche
er in zwei Gliomen gesehen haben will, keine Abbildung gegeben.
Die für das Vorkommen von Metastasen bei echten Gliomen an¬
lässlich einer Beobachtung herbeigebracliten Beweisversuche können
kaum als überzeugend betrachtet werden. Auch dürfte die Eingangs
der Arbeit sich findende Behauptung, dass gegenüber dem Suchen
21. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
375
nach parasitären Erregern der Geschwülste die Hypothese Cohn-
heim's von der Entstehung der Tumoren aus versprengten embryo¬
nalen Zellgruppen in den Hintergrund getreten sei, in Anbetracht
der Neuentwicklung dieser Theorie durch die verschiedenen Arbeiten
Ribbert's nicht haltbar sein.
2) N. Rogowitsch: Zur Frage über die Käse- und Butter-
Cysten der Brustdrüse. (Aus der chirurgischen Facultätsklinik der
Universität Tomsk)
Rogowitsch glaubt, dass die im vorliegenden Falle in den
Drüsenacinis und im interstitiellen Gewebe angehänften Kettmassen
nicht das Product einer Ausscheidung des normalen Drüsengewelxs
vorstellen, sondern vielmehr das Erzeugniss von in den Drüsen¬
acinis angesammelten Geschwulstzellen seien. Ausser der fettigen
Substanz sei offenbar auch noch eine zu Cystenbildung führende
fettarme Substanz ausgeschioden worden.
3) Ch. Thorei: Die Cirrhosis hepatis carcinomatosa. (Aus
dem städtischen Krankenhause in Nürnberg)
Aus der mikroskopischen Untersuchung eines Falles von mit
starker Cirrhose einhergehendem primärem Lebercarcinom glaubt Th.
soviel Ergebnisse gewonnen zu haben, um das Wesen und die Ent¬
stehung der carcinomatösen Cirrhose in folgender Weise erklären zu
können: Intensive Gallenstauung erzeuge im ganzen Lebergcbict
heftigste Reizung, auf welche das Bindegewebe mit mächtiger
Wucherung, die Gallengänge mit lebhaften Proliferationsvorgängen,
und die Leberzellen der portalen Zone mit Hypertrophie, Verände¬
rung des Zellcharakters, schliesslich directer carcinomatöser Um¬
wandlung antworten. So entstünden an den verschiedensten Stellen
der Leber Carcinomherde.
4) Karl Vierth: Ueber rückläufige Metastase in den
Lymphbahnen. (Aus dem pathologischen Institut zu Kiel.)
Nach Aufzählung der bisher in der Literatur veröffentlichten
Fälle von retrograder Metastasirung bei Carcinoiuen und Besprechung
der verschiedenen Erklärungsversuche dieser Erscheinung folgt die
Beschreibung einer eigenen Beobachtung eines Magencarcinomes, bei
welchem nicht nur Leber und retropei itoneale Drüsen, sondern auch
Netz, Mesenterium und Dünndarm wand krebsig infiltrirt waren.
Bezüglich der Entstehung der retrograden Metastase ist Verfasser
der Ansicht, dass vielleicht amöboide Bewegungen der Tumorzellen,
Bicher ein directes Stromaufwärtswachsen der Krebselemente anzu¬
nehmen sei. Für die Erklärung derjenigen Fälle, in welchen die
Metastase in bedeutenderer Entfernung gesetzt wird, müsse man
, eine Stromumkehr in den Lymphbahnen heranziehen, speciell viel-
‘ leicht hervorgerufen durch die nach Verlegung des centralen Ab¬
flussweges (durch Geschwulstmassen) nun in umgekehrter Richtung
erfolgenden rhythmischen Contractionen der zwischen je 2 Klappen
befindlichen Lyraphgefässabschnitte. (Heller.)
5) Alfred W elker: Ueber die phagocytäre Rolle der Riesen¬
zellen bei Tuberculose. (Aus dem hygienischen Institut der
Universität Jena.)
Es wurden an einer Reihe von Zieselmäusen Impfungen mit
Hühner- oder Säugethiertuberculose vorgenommen. Wir entnehmen
den Schlusssätzen der Arbeit Folgendes: Das Erste bei der Ent¬
stehung der Tuberkelknötchen ist eine kleine Ansammlung von
Leukocyten; ihr folgt eine Wucherung der fixen Gewebszellen. Die
Epitheloidzellen entstehen theilweise aus den grösseren Leukocyten,
theilweise aus den proliferirenden fixen Zellen. Die Riesenzellen
bilden sich aus den Epitheloidzellen durch Fragmcntirung der Kerne
unter gleichzeitigem Wachsthum des Protoplasmas. Eine Ent¬
stehung durch Vereinigui.g mehrerer Epitheloidzellen kann in ein¬
zelnen Fällen nicht ausgeschlossen werden. Die Riesenzellen, an
welchen keine activen Bewegungen beobachtet werden konnten,
enthalten vielfach abgestorbene oder absterbeude Tuberkelbacillen;
es ist jedoch nicht bewiesen, dass letztere, wie Metschnikoff
' will, durch directe Thätigkeit der Zellen und nicht aus irgend einem
anderen Grunde der Vernichtung anheimfallen.
6) Alfred Ulrich: Anatomische Untersuchungen über ganz
und partiell verlagerte und accessorische Nebennieren, über die
sogenannten echten Lipome der Nieren und über die Frage
der von den Nebennieren abgeleiteten Nierengeschwülste.
(Unter Leitung H a n a u ’ s ausgeführte Arbeit.)
Die sogenannten « echten Lipome > der Niere verdienen diesen
Namen durchaus nicht, sondern sind nichts anderes als gross-
tropfige fettige Nekrobioseu des Epithels der Tubuli contorti. Die
grossen Fetttropfen haben sich in den Maschen des Bindegewebes
und der Gefässe angesammelt, auf diese Weise Fettzellen vor¬
täuschend.
Zwei genau beschriebene Fälle von Nierengeschwülsten folgen,
bei welchen die Entstehungsstelle in noch nachweisbarer Neben¬
nierensubstanz erkennbar war. v. Notthafft-München.
Berliner klinische Wochenschrift. 189G, No. 1».
. ü A. Johann essen Christiania: Ein Fall von tödtlich ver-
(Schluss f [ > ®!j ro * eum '' rer Stf tun S be * einem 2jährigen Mädchen.
;r die Auscheidungen im
lies, mit besonderer Be-
Pf., dass bei Gichtkranken
höher ist als bei den Urinen
&) £,. Pfeiffer-Wiesbaden: Uebi
rnT-^ rend des acuten Gichtanfa
uckuchtigung der Harnsäure,
j- n En *pgen anderen Annahmen fand
<ue Durchschnitts-Urinmenge ca. 23 Proc.
der Gesunden, während das specifische Gewicht und die Säure auf
nahezu die Hälfte vermindert sind. Der mangelhafte N.-Wechsel
der Gichtkranken drückt sich weiter darin aus, dass die Mengen
der 24stündigen Harnsäure- und Harnstoff-Ausscheidung gegenüber
dem Gesunden stark vermindert sind. Die frühere Angabe Pf.'B,
dass der Gichturin in der unfallfreien Zeit nicht einen Ueberechnss an
Harnsäure berge, sondern sich durch die leichte Ausclieidbarkeit
der letzteren auszeichne, also durch reichliche «freie» Harnsäure,
fand sich neuerdings bestätigt. Während des Gichtanfnlles besteht
eine Harnsäure-«Flut» im ganzen Körper, keineswegs nach der
Theorie Garrod's eine Stauung. Spontan entstehende Gichtanfälle
beruhen auf einer vermehrten Alkalescenz der Körpersäfte.
3) Rode-Norderney: Bericht über die Winterkuren ln dem
Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney etc.
Verfasser berichtet über die günstigen Erfolge, welche an
575 Kindern bei einer Pflegedauer von 5'/* Monaten (in den Jahren
18ö9—95) erzielt werden konnten.
4) Th. Rosen heim: Ueber Gastroskopie.
Für alle Interessenten des durch R. ausgebildeten Verfahrens,
das im Allgemeinen nur unter den günstigen Bedingungen, wie sie
eine Klinik bietet, mit Erfolg verwerthet werden kann, ist die umfäng¬
liche Detailschilderung der umständlichen und schwierigen Methode
(cfr. auch No. 10 und 13 d. Wochenschr.) im Original einzusehen.
Contra-Indicationcn für die Gastroskopie bilden: Herzfehler, Arterio¬
sklerose , hochgradiges Emphysem, vorgeschrittene Lebercirrhose,
Ulcera, namentlich an der Cardia und deren Nähe. Ausschlaggebend
erklärt H. das gastroskopische Verfahren bei den meisten Fällen,
wo es sich um die Früh-Diaguose des Magencarcinoms handelt.
5) L. Blumreich und M. Jacoby: Experimentelle
Untersuchungen über die Bedeutung der Schilddrüse und Ihrer
Nebendrüsen für den Organismus.
Die Untersuchungen der Verfasser fanden ausschliesslich an
Kaninchen statt. Aus der «vorläufigen» Mittheilnng ist anzufahren,
dass die Verfasser den Nebendrüsen des Kaninchens eine directe
physiologische Beziehung zur Schilddrüse absprecl.en. Die 11. ihrer
20 Thesen lautet dahin, dass die Tetanie nicht nur keine regel¬
mässige, sondern nicht einmal eine häufige Folge der totalen Thyreoid-
ectomie ist; eine weitere besagt, dass Anhaltspunkte dafür fehlen,
dass Schilddrüse und Thymus Organe gleicher oder ähnlicher Natur
sind oder dass die Thymus für die Schilddrüse vicariren könne.
Dr. Grassmann -München.
Deutsche inedicinische Wochenschrift 1896, No 16.
1) V. Czerny: Ueber Castration bei Prostatahypertropbie.
(Aus der chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg.)
« Audiatur et altera pars». Die Erfolge dieser Operation sind
keineswegs so ermuthigend, dass man jedem Prostatiker dazu rathen
könnte. Czerny theilt 3 Fälle mit, die alle schlecht verliefen und
keine wesentliche, auch nur vorübergehende Besserung der Urin¬
entleerung brachten. Bemerkenswerth war der einige Zeit nach der
Operation eintretende allgemeine Kräfteverfall, von dem sich die
Operirten nur schwer oder gar nicht erholten. Fällo mit vorge¬
schrittener Cystopyelitis, ebenso mit Zeichen von Nierenerkrankungen,
hochgradigen Altersveränderungen des Körpers überhaupt (Atliero-
matose der Gefässe, Schrumpfniere) dürften von der Castration aus-
zuschliessen sein.
2) W. Winternitz: Die Hydrotherapie der Lungenphthise.
Die Kaltwasserbehandlung leistet bei der Lungenschwindsucht
mehr als jede andere Methode; Bie erzielt zu 32 Proc. der Fälle
(unter 299) günstigen Erfolg. Die grösste Bedeutung hat sie in
prophylactischer Beziehung und bei beginnender Tuberculose.
Bei schon entwickelter Phthise bringt sie bedeutende subjective
Erleichterung, Erweckung neuer Genesungshoffnung in desperaten
Fällen, bei weniger desperaten Füllen sichere Beseitigung des Fiebers,
Zunahme des Körpergewichtes, Beseitigung der NachtschweUse,
Verminderung des Hustens, Verschwinden der Bacillen im Answurf.
Die einfachste Behandlungsweise ist die Methode Ernst Aberg's
(1890): Ganz kalte Abwaschungen (von 0° bis 10°), hernach trockene
Abreibungen. . ,
3) E. Rehfisch: Neuere Untersuchungen über die Physio¬
logie der Samenblasen. (Aus dem ersten anatomischen Institut
Durch Exstirpationsversuche der Samenblasen und künstliche
Befruchtung durch Secret aus den Samentaschen und Nebenhoden
bei Thieren ist festgestellt, dass das reine Hodensecret keineswegs
zur Befruchtung ausreicht, es gehört dazu noch das Secret der
Prostata und der Cowper'sehen Drüsen.
4) Hahn: Ein Beitrag zur Chirurgie des Gehirns. (Aus
der chirurgischen Abtheilung des städtischen allgemeinen Kranken¬
hauses am Friedrichshain in Berlin.) (Schluss aus No. 4.)
6 Fälle von traumatischen Laesionen der Gehirnrinde, Blut¬
ergüssen unter und über der Dura mater wurden durch Trepanation
geheilt die Lähmungen sofort gehoben oder gebessert. Die Gehirn¬
wunde wurde gereinigt, Knochensplitter entfernt, mit Jodoform-
gazo austamponirt. In einem Falle konnte eine in das Gehirn e n-
gedrungene Revolverkugel nicht gefunden werden; sie heilte
reactionslps Berlin . R ese ctionen am Thorax. (Schluss folgt.)
Digitized by
°°g
3^6
MQNCnENEK »lEDICINISCnE WOCHKNSCHMFT
No. 16.
VeremsTund Congressberichte.
XIV. Gongress für innere Medicin
in Wiesbaden vorn 8. bis 11. April.
(Originalbericht von Dr. Albu-Berlin).
■ (Fortsetzung)
Uefcer therapeutische Anwendung der Schilddrüsen-
Präparate.
Ewald-Berlin .(Referent): Der Genfer ft*»*«
ci “ s “ dcrcnTto8
aufzqhcben. Myxocdcm, sporadischer
Aber erst als man erkannt hatte, dass C:ichcxia s tru-
Cretinisinus, der endemische retims^^^ ^ gchi iJdrüse bezw.
miprirfi öder thyreopriva au wir auch dem therapeutischen
ihrer Function zurückzuführen seien, \ . •
Handeln beim Menschen seine Bahn P^icsm. tisclicn
... Pie Ersten, welche ziemlich gleichzeitig cl p j in
Folgerungen ans den Erfahrungen zogen, waren
England und Birohcr in der Sehweu. prüfi0 bczw . ihre
1 ■ Man hat zunäclist die Gljccrinex f r ;«.hp Drüse
durch Alkohol gewonnenen Niederschlage, so ann ic d
und schliesslich die getrocknete Drüsen ubstanz
'Form und Provenienz verwendet, von tlncrischcn Drusen
^derselben sozusagen in eine neue Form J®*“® 8 ®"’, licgen bis jetzt
.Ueberdas Thyxeoantitox.n Frjlnkel 8 ' ,c f" J Ucrs
ÄSSSä’Ä--.*«
—ÄTt Thvrojodiu ist die langst gesuchte Eta«Mt der
Dosirung und die durchaus nnthwendige Kcinhcit der mühsame
Substanz in höherem Maassc wie bisher e»rthrfcu*ot. R
Nach den Untersuchungen von ltoos, Trcui d
enthält das Thyrojodin den spccifiscl.cn B ^ ta "J tl ‘ c,l d ‘ j
drüse oder die specifiscl.cn Bcsta.idthc.le derselben 111 l « tü
kann deshalb der frischen Drüse und den
Präparaten derselben snbstituirt werden. 1 g Thyrojodin m n
Jod entspricht ungefähr. 1 g Hamme.sehilddrüse, = “ J d
snecifischc Wirksamkeit derselben nach ihrem Gehalte an Juü
St Bin von Nothin gefundener Körper
der Exstirpation der Drüse im Körper aubliucn und dnJLac
thyreopriva bewirken soll, ferner zwei von Prunk el
der Schilddrüse dargestelltc Körper, welche übrigens nur bei Tlueren
angewendet wurden und auch da nicht die volle HaM»-«; h bei¬
führten, sind sicher nicht identisch mit dem Baumann
^tSchUicl, der Wirkung der SchilddrUaeupr.parate haben
w ir 2 -Componcnt c n zu unterscheiden : Eine, w eiche die
jeetiv nachweisbaren Stoffwcchscländcrungcn umfasst eine ander ,
welche gewisse subjcctivc Symptome betrifft, die sieh von luchter
Unbehaglichkeit bin zu ausgesprochenen KraukheitsersAeumn^u
steigern können. Die letzteren hat man als Thyreo,dismus be-
zcichnet^r naet Tbyrcoidcapräparatcn kann unter
Umständen erheblich gesteigert sein. Diese Steigerung kann
nicht ohne Rückwirkung auf das Allgemeinbefinden sein, welche
Sich zunächst als Schwächezustände äussern . A n o r e x i e , e e -
keit, Durst, Schlaflosigkeit, Hinfälligkeit Schwin¬
del Rücken- und Lendenschmerzen, gesteigerte
Pulsfrequenz, Herzpalpitatioi.cn, Oppressions-
cefühlc und stcnocardischc Anfälle.
Diese Erscheinungen finden sich mehr oder weniger ausgeprägt
bei allen plötzlichen Alterationen des Stoffwechsels, welche nn
• cm schnellen Abschmelzen eiweisshaltiger Substanz und cin,r
gesteigerten Fettverbrennung se lbst bis zu
Vorübergehende Anwendu g d J yj^^ auf den
4 g pro die, haben ke,nc dj Rcde geb, weil die Menge von
Von Jodintoxication kann n^t die ^ ^ ^ ^ , (1 g
Jod in dcr ® r f C ^’ d 0 'log Jod) dagegen werden Intoxicationdn
Hammelschilddrüse —- °’ ? 03 gtci ng der Rcspiratiousfrequcnx,
überhaupt beschrieben, . 'Sneielielfluss, Urticaria, Herzklopfen,
Kopf. n„d :“r«u a—*«.
Zittern u. s. w üt P J p ranarate überhaupt keine Reaötion
rtrtr,—
Cylindcr und Zucke, im Ham
, u t ifzn'ltTDe Ichiand aufmerksam gemacht, .nachdem
lang Xvlhcr von Dale Jamcs „beobachtet war, ^
0m Später sind mehreve derartige
^d- — = m dem h VO„ F,
beobachteten ging sie nach an ng die Patientin noch
in einen dauernden leidet, oder
jetzt, 4 Jahre nach dun ers jer Glykosuric keine
vielmehr nicht leidet, denn . • , T); a bctcs. In den zahl-
subj cctivcn oder object.vciy ymptom * Jdhrcn Schilddrüsen-
reichen 1-allen, in denen - . dcn Hurn au f Zucker
Präparate gegeben, hat er a bei Fettlcibigon nicht, Glykosuric
— ÄÄ1J3-Ä
IS dem Anssctzcn des Mittel. ** auA
gchaltc. de. Dritparatc dies el b e Krschcin Ji ^ ^ Jio ^
CS dann mit einer spcc.fischu. \ 8 Glykosuricn
Drüse als solcher inhärent ist oder ob ta
SSSSHbssmä
Bedeutung : s u„,. rot erzeuet, welches
:.r; ssäBTä -—
tu bis W,nah 10"/« ** (9,3»/o) betragen.
Dieses Sccret wird fortwährend in kleinsten Mengen in d«
Kreislauf geworfen und dient zur Zerstörung
unbekannter Natur, der Schilddrüse rosp.
scheinungcn crscl.licssui, die _ au f t retcn. Dass
SHäSässSS
Theil durchaus den Charakter de» aefve, Jm. W.
ala au« den Erscheinungen, ivclchc die Hypevthyreoidi»-
Becrctsresp. die künstliche Steigerung desselben^ H l *
mus - zur Folge haben. Vielmehr .1.1 d-e
absunderung wie ein Antitoxin s ,o T« e
Tr »
Sitzen den Steifiveelisel herab. Wird .1 im
gesondert, oder in den Organismus im Körper
tralisationspuiikt überschritten wird und zunel T y i
kreis,, »o treten die »peeiüseben Wirkungen
Dass die Drüse überhaupt m Beziehung ^ xll)T0 .
geht, zweifellos daraus hervor, dass, s • mthologisch in
jodins überschritten ist, welche physiologisch ode P* ffv f echse l s>
den Kreislauf übergeht, eine Beschleunigung . des WB*» ^
bis zu krankhafter Steigerung desselben «nt^ ginkcn8
gekehrt eine Herabsetzung die Folge des 1 ■
der Drüsenfunction ist, welche durch Zufuhr von Aussen
, werden kann.
n\■ ^ ^
r rvrvrrli
Jäl. April 1896 .
s *■ tra '‘ k, “ K ™
rr- in 5r ~ ^v^ , sr7crrs t
des Magens. Wie wir hier die normale Absonderung die herab
gesetzte und gesteigerte Seeration mit ihrer, bekannten t'i
haben, so auch bei der Thyreoidea nur * . ttn 1 ül|cn
Störungen auf breiterer Basis wie dort aufbaue,n"
In Bezug auf die Dosirung der Präna l \ •,
die Regel herausgestellt, das Thyrcoidin mit kleine, if * T '
ginnend in allmühliger Steigerung dem Körner zuzufl ° SeM f
die Dosen nicht allzu hoch zu steigerT kX sS~[7
dieJerabfolgung sehr grosser Quantitäten, etwa bis
tl> eile "in Bezug" anTdfc^dlwfrkmJg^wobr /fT" ke '. ni ' Vor ‘
*“* ^ Ausbrechc^Ss^
Man darf jetzt eine T::gesmengc von in niaximo 10 Tablett,>„
™ t! pr Mhe „d 3 n * Jod, nk die tata
Sässäs
2 ‘ P ach ? n ,a8sen - 1,Hrcha « 8 bewahrheitet hat sich' aber
die schon von den ersten Beobachtern angegebene Frf ihrm , i
't'iarS
a:T2 \ ff b ? ' ?en ' S f Mrore ,n den Gliedern sind die Mahnboten
die sie auffordern, zu den Tabletten zu greifen Wenfeo Tnl W
genügen dann auf längere Zeit, auf Wochen, selbst auf Morot/
die Erscheinungen wieder zum Schwinden zu bringen Aber
St ” 7" w Tabl “ tk -" " W “ '»«'"• K denen Z
SS ' *• "” rt ° S Ldb vemduiS
di.chet'c'rt de “ lis *“> di ° Di-eo bei dom B p„„.
Äp?T “ Ätt
verl„ltn,T?° rbar T ”° Cl ‘ * Vorä " d “™<5 d » Gmmmt-
SttLttrt ‘ rctinis ”'“ s >'" d eerwandter Zustande
e. bd di K i ? n ” S 80 darf doc b »iebt Klauben, dass
wie beim M b J C " deU , IllV,didue " zu cincr vollständigen Heilung
reichen 3 ? h ’ S ° WClt unscre bisherigen Erfahrungen
bei einem Punktc 8tiü 1511 *tohen und das ist
greifenden f f n ""f. ?** in das Fiitil,lcbo » ««rück
rocess schliesslich auch nicht zu verwundern.
^rfelg e U jtri m q^ n ' 1CI "'f’ hen Crctinismus gegenüber werden günstige
noch sparsa" und gemc,dct - die Vilich zunächst
parsam ünd ansicheren Gepräges sind.
beitetcwwif 11 "? der TIl >’ rc °ideapräparatc bei Hautkran k-
Die starkf Abschilfen aufdiüPeobacb taugen bei Myxoedematösen.
besserung der Frml Ung der ® au . t und die augenscheinliche Auf-
das ThyLf r ngSVerhältniS9C derse| ben gab Veranlassung,
vulgaris ferner hl* *? autkrank,,eiten > >n erster Linie bei Psoriasis
u. a!*zu verwenden* Tl’, Xerodc ™ a > Sklerodermie
vor, obgleich siel A- i® rüber llcst 8011011 ein stattliches Material
wie mir scheint * n "i D f rn,a . t ® ,0 S e " > wenigstens in Deutschland,
verhalten haben’ vL ZIeujl ' ch 8 P rode dies °r Therapie gegenüber
offenbar Pinnen D \ grosste Matenal in dieser Beziehung hat
schliessen sich 1/ Abrah f m UI > tc r Händen gehabt. Ihm
*«. Indessen «*„/*?• engll8cllc and amerikanische Dermatologen
dle Erfolge, wenn sif " Uc J* ternen Beobachter darin einig, dass
grössten Vorsicht 1 ,u l T rbaupt vorhanden waren, nur mit der
süohlich von der Ps . U ^ hc '. t . wcrtl en dürfen. Dies gilt haupt-
“ erw “** te Rookbiidtt thttttSier' 11 “ 0 ,md ea " 1
MjjggHgj ^AIEDICimsCHB' W ÖCflB^nrrnYw»
S7>
mmmm
«■frr K b C, h n l U " d bdU1 Laie " pabliouin Geltung
vtr.se narrt, auch die nnbeabsichtigten Nebenwirkung A« ü-
Thtzt “Zf- r*
dieser Zeit bei täglicher Darreichung'’vf 3-f Tabfetten dürft^
die Durchschnittsergebnisse sein, wobei zu bemerken ist dass dfe
eine Abschmelzung von Kiweiss und Fett selbst dann stattfinden
wenn eine besondere Aenderung der Diät nicht vorgenommen wird’
• man kann, wie die Stoffwechsel versuche von Richter gezeigt
l aben, den Eiwe.ssvcrlust durch eine entsprechende Steigerung
d r Wsszufuhr auf ein sehr geringes Maass reduciren ZZ
dem Ideal einer Entfettungscur, das Fett abz u sc h m elzen
l n flÄ: s8bcstand deaK — » —Ä
Zwei Fragen kommen aber noch in Betracht:
1. \ ober kommt es, dass manche Fettleibige siel, dem Thyreoi-
din gegenüber vollkommen refractiir verhalten V
Vfekuf y r 0a :' titüXin üder das Thyrojodin dieselbe
irkung wie die Gcsummtdrüse V
8 rosscn Gruppen der Pottlcibigon, „Umlioh die,
dfnL lo, ge unzweckmässiger Ernährung fett werden, und
fett S welebc tr0tz cine8 strengen diätetischen Regimens
?, ”7 d ’ untorsc,iei den sich in ihrer etwaigen Ileaction gegen die
Sei ilddrüsenpraparate nicht von einander. In beiden (’ategorien
fanden siel, günstige und ungünstige Objecte der Behandlung
reJn-r 10 " T, ? m ° ln . en ’ dass die ersto Gruppe ausnahmslos
reagirtn müsste, die zweite dann, wenn die Steigerung der Ver¬
brenn ungsproecssc dein in solchen Fällen wahrscheinlich vorhandenen
Manco gleichkomint, bezw. dasselbe übertrifft. Dass dem nicht so
ist, zeigt «iJ,, dass der Fettansatz unter solchen Umständen
jenseits der Grenze liegt, welche von den Verbrennungsprocessen
bc errseht wird, u„ d der Organismus mit „grösster Zähigkeit seinen
I ettbcstand festhalt. Dasselbe sicht man mit grosser Prägnanz
bei der pennciöscn Anämie. Der auffallende Fettreichthum der
an diesem Leiden Verstorbenen zeigt, wie liartnäckig der Organis¬
mus, trotz einer auf's Acusscrstc beschränkten Nahrungszufuhr,
seinen Fettbestand conserviren kann, trotzdem, wie die heueren
Untersuchungen mit Sicherheit nachgewiesen haben, die Oxydations-
processe oder, sagen wir genauer, 0-Einnabme und COz-Aus¬
scheidung dabei nicht herabgesetzt sind. Den 2- Punkt kann ich
bejahend beantworten. Das Thyrojodin setzt in eben dem Maasse
das Körpergewicht herunter wie die Tabletten. Ein kräftiger Mann
von 34 Jahren verlor nach 10 tägigem Gebrauch von täglich 1,2 g
Thyrojodin 2 Kilo Körpergewicht bei gleichbleibcnder Nahrung;
ein anderer von 9G Kilo nach 24 Thyrojodintabletten in 8 Tagen
2 Kilo, wobei der Puls von 88 auf 108 heraufeing. Eihe fett¬
leibige Dame von 87,2 Kilo verlor innerhalb 14 Tagen 1,7 Kilo.
Mit wesentlichem Nutzen ist die Schilddrüsentherapic auch
bei der Tetanie in Anwendung gebracht worden. Indessen kann
doch Gottstein, welcher sorgfältigst Uber deu Versuch berichtet,
eine idiopathische Tetanie, bei der ciue Schilddrüse durch Palpation
nicht zu entdecken war, durch Implantation und später durch
Schilddrüsenextract zu heilen,, nur eine bedeutende Besserung,
aber keine vollständige Heilung erzielen, während Breisach b<u
zwei ausgesprochenen Tctaniefällcn ein vollständiges Schwinden der
Anfälle nach mehrwöchentlicher Darreichung von Thyreoid-Tabletten
Digitized by v^,ooQLe
1
378
Münchener m^thintrche Wochenschrift.
&>. ifc.
sab Freilieb kehrten die Anfälle naeh dem Aussetzen der Fütterung
Wieder zurück, so dass es siel, also nu, - eme symplomatrsehe
CuBussung handeln konnte und wir also h.er anna hst noch
weitere Erfahrungen abwarton müssen. Sehr unsichere und
schwankende Ergebnisse hat die Sehilddrüsentherap» bis jetzt
auch bTeincr Anzahl anderer Krankheiten ergeben: Bp.Lp..e
»nd Pivehm., Acromogalie, Ehachit.s und endlich
Zn Basedow E. selbst hat 3 Fülle von typischem Basedow
fange Zeit hindurch mit vollkommen negativem Resultat behandelt.
Alles in Allem genommen, muss anerkannt werden, dass
wir t! der Sehilddrüsenbehandlung ein ebenso
,, v t . es wie seiner Wirkungsweise vielfach
räthseHiaftes therapeutisches Agens in Händen
haben Es war der praktische Blick unserer angelsächsischen
Nachbarn, welcher sie zuerst die Schilddrüsentherap.e, ich müchte
«Ten mehr empirisch, in ausgedehntem Maasse anwenden l.ess.
Wir dürfen stolz sein, dass cs die deutsche Wissc^
schaft gewesen ist, welche zuerst die experimentelle
Grundlage dafür gegeben und in hochwichtigen
Entdeckung Baumann's eine erste Ei n sieht in
in der Drüse vorhandenen wirksamen Stoffe
schafft hat.
Bruns- Tübingen (Corrcfcrent): Die Veranlassung zu der
Anwendung der Schilddrüsentherapie in der Chirurgie sind die
traurigen Folgeerscheinungen gewesen, welche die Chirurgen in de
80 er Jahren im Anschluss an die unter dem Schutze der An*,-
sepsis kühn gewagte Totalexstirpation der Kropfe auf treten sahen.
Diese Entkropfungscachcxic (operatives Myxoedcm) wurde daher
auch der erste Gegenstand der Schilddrüscnthcrapic, nachdem
Schiff gezeigt hatte, dass Tliicre den Schilddrüsen Verlust ertragen
wenn ihnen vorher eine Schilddrüse in die Bauchhöhle cm^pflanzt
wurde Beim Menschen freilich erwies sich diese l*onn der Therapie
unzulänglich. Erst die Injcction des Schilddrüscnsaftcs und die
Verabreichung der Seliilddrüsensubstanz ergaben hei spontanem
wie operativem Myxoedcm dauernde Erfolge.
Viel ausgedehnter ist das Gebiet der Schilddrüsentherap.e bc,
der häufigsten Erkrankung der Schilddrüse, dem Kropf.
Der Gedanke, das beim Verlust der Schilddrüse wirksame
Secrct der Drüse auch bei der kropfigen Verbesserung derselben
zu verwenden, erscheint ja von vornchcrcin paradox. Die Anregung
hiezu gab B. die Beobachtung an einem Kinde mit sporadischem
Cretinismus, bei dem durch die SchilddrUsenfüttcrung auch die
vorhandene Struma günstig beeinflusst wurde und auffallend rasch
sich verkleinerte. Diese Beobachtung vcranlasstc B. zu systema¬
tischen Versuchen, welche seit beinahe 2 Jahren mit Erfolg fort¬
gesetzt worden sind. Wie befriedigt die Kranken selbst von dem
neuen Mittel sind, erhellt aus der Thatsache, dass B. jetzt schon
über 350 Fälle behandelt hat. Ausgeschlossen sind nur die 1* alle
von reinem Cystenkropf, welche nicht beeinflusst werden, und die
Strumen bei Bascdow’schcr Krankheit, welche sich nach B. s
Erfahrung zur Schilddrüsenbchandlung nicht eignen. Denn die
Strumen selbst werden nur ausnahmsweise verkleinert, die Herz-
und nervösen Erscheinungen meist verschlimmert.
Die Behandlung bestand nur anfänglich in Fütterung mit,
frischer Seliilddrüsensubstanz, dann ausschliesslich in Darreichung
von englischen Schilddrüsentablettcn, von denen bei Erwachsenen
niemals mehr als täglich 2, bei Kindern ‘/a bis 1 Stück gegeben
wurden. Bei diesen kleinen Gaben kamen die bekannten Neben¬
erscheinungen fast gar nicht zur Beobachtung; nur 3 Kropfkranke
waren bezüglich der Wirkung aufs Herz so empfindlich, dass die
Behandlung ganz aufgegeben wurde. f
Das neue Schilddrüsenpräparat, das Bau mann sehe Lhyro-
jodin, ist bisher in 24 Fällen zur Anwendung gekommen. Soweit
diese kleine Zahl von Beobachtungen ein Urtheil gestattet, steht
das Thyrojodin den englischen Schilddrüsentabletten an Wirksam¬
keit bei Kropf nicht nach. Die Controle wurde in allen Fällen
in der Art geübt, dass die ersten 2—3 Wochen hindurch Thyro¬
jodin und dann die Tabletten gereicht wurden: Fast niemals haben
die letzteren noch eine weitere Verkleinerung zu bewirken vermocht.
Nur die Angabe von Baumann, dass die Wirkung des Thyro¬
jodin früher erfolgt, als die der Tabletten, kann B. nicht bestätigen.
.i tr,i rra.'iwi .*'~
weniger zurückgehen. Nur acr *.
beeinflusst v0 \i s tändige R ü c k b i 1 d u n g der Strumen wird
nur ganz ausnahmsweise (8 Proc. der Fälle) erzielt, wohl aber m einem
Drtttheil der Fälle eine bedeutende Abnahme der Ge
Dr.ttthe.i a feinere Reste mit vollständiger Be¬
seitigung "der Beschwerde... Bei einem weiteren Drittthei! der
Kropfkranken kommt nur eine massige er' einer
zu Stande. „ , T .
3 Von entschiedener Bedeutung ist der Einfluss des Lebens¬
alters indem der Erfolg im Kindesalter weitaus am
günstigsten ist und mitjeden, Jahrzehnt siel, immer
” “ " Wie r Krk.a™n/l-ferfar" liegt' wohl »lieh. in dg, vermiedene»
Natur des Kropfes, für welche wiederum die Zeitdauer seines
Bestehens von Bedentung ist, «eil mit der Ze,t mimer mehr
Degeneration und regressive Processe Hau gretfen. Je küraere
Z.o also die Struma besteht, um so cbor erfolgt
ihre Rückbildung.
4 Schon nach den ersten Gaben von Sch.lddrüsensecret be¬
ginnt der Erfolg sich cinzustellen, nach 4—G Tagen ist berei s
Tr Halsumfang messbar verkleinert und die Athmung freier
Ebenso pflegt auch die Dauer der Rückbildung in kurzer Ze t
abzulaufen; unter 300 Fällen ist die Verkleinerung .n^GO Prüe.
der Fälle nach 2 Wochen, in 40 Proc. naeh 3-4 Wochen
reicht worden. .
r. Von den verschiedenen Formen von Kröpfen ist nur eine
einzige die einfache hyperplastiscl.e btrumj, der
Schilddrüsenbcliandlung zugänglich ; hier ist aber auch die lr u
eine unbedingt sichere und prompte. ,
Der Rückgang betrifft also ... sch hcsshch
das die Knoten einl.üllendc und verbindende l.jper-
p i a s t i s c 1. c S c h i 1 d d r U s e.. g c w c b e, während die e.i.gelagertcn
Knoten Zurückbleiben und sich nicht verkleinern
Bleib nur kleine Reste zurück, so kommt der Erfolg dem
einer vollständigen Heilung nahe; aber auch «ne mässigc.Ver¬
kleinerung der Kropfgeschwulst ist für den Kr - kcn ° ft ™
ausserordentlichem Nutzen, wenn sie ausreicht, um die Dru
ersclieinungcn zu lindern oder ganz zu lieben.
Eine grössere Reibe von Nachuntersuchungen an solchen
Kranken, die mit günstigem Erfolg behandelt worden waren ha
ergeben, dass in mehr als »/* der Fälle der Kropf nad
dem Aussetzen der Sehilddrttsonbei.and 1 ung w icdc
nach wächst. Das Rccidiv pflegt schon 1—2, zuweilen eist
3—4 Monate nach dein Abschluss der Behandlung siel, cinzuste len.
Es genügt jedoch bei diesen Kranken, in bestimmten Zwischen¬
räumen die Darreichung kleiner Gaben fortzusetzen um den
Rccidivcn vorzubeugen —, Grund genug, um die Bedeutung d
Recidivc nicht allzu hoch anzusclilagcii. .
Wie wirkt nun das SeliilddrUscnsccrct? B. hat \crsuc ,
auf experimentellem Wege zu ermitteln, welche Veränder¬
ungen in dem Kropfgewebe vor sieh gehen das s c
unter dem Einfluss der Schilddrüsenbchandlung
ZUrU Dic b Versuche wurden an 14 Hunden angestcllt, welche
sämmtlich mit grösseren, zum Theil recht grossen Kröpfen bclia ta
waren. Zuerst wurden die beiden Strumahälften fre.gelegt, genau
gemessen und dann aus denselben kleinere Stücke zur nu
skopischen Untersuchung ausgeschnitten. Nun wurden ic
mit Schilddrüsentablettcn täglich verschieden lange Zeit, 4
bis G Wochen lang, gefüttert und schliesslich die Kropfe enth .
um wieder zur mikroskopischen Untersuchung verwendet zu weraem
Schon für das blosse Auge ist die Wirkung der Fütterung
sehr auffällig. Die Geschwülste sind nach allen D.mci.s.one
bedeutend verkleinert, nach dem Gewichtsverlust bemessen un
40—80 Proc., durchschnittlich um 62 Proc. Die Drusen habe,
eine derbere Beschaffenheit angenommen, sind viel weniger succu ei
und blutreich.
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21. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
379
Der absolute Blutgehalt der Struma wurde bei einem Ver-
Buchsthiere an der einen Seitenhälfte vor der Behandlung, an der
anderen nach dreiwöchentlicher Fütterung auf spectroskopischcin
Wege bestimmt: er betrug vorher 20, nachher 13 Proc. des
Gewichts der Drüse.
In der Hundestruma zeigen sich folgende Veränderungen:
Nach 14 tägiger Fütterung statt der dichten Schnittfläche ein von
zahlreichen groben Lücken durchbrochenes, weitmaschiges Gewebe.
Man sieht lauter grosse, ziemlich dünnwandige Follikel, welche
sämmtlieh mit grossen Colloidballcn erfüllt sind. Das Epithel
der Drüsenbläschen ist entsprechend der stärkeren Ausdehnung
derselben etwas verschmälert und abgeflacht, sonst aber au Kernen
und Protoplasma völlig normal.
Es hat also das abnorme colloidarme K r opf gc webe
das Gepräge einer in voller Leistung befindlichen
normalen Schilddrüse angenommen, also mit einem
Wort, Rückkehr zur Norm!
Diese Umwandlung ist schon 4 Tage nach Beginn der Be¬
handlung deutlich zu erkennen und erreicht nach 14 Tagen ihren i
Höhepunkt. Sie vollzieht sich durch zweierlei Vorgänge: Der |
auffälligere ist die gewaltige Zunahme des Colloids, offen bar
das Product einer gesteigerten Secretion, welche die Erweiterung
zahlreicher Follikel zur Folge hat. Daneben geht einher der
Schwund und Untergang zahlreicher Follikel und
zwar so zahlreicher, dass er für die Verkleinerung des ganzen
Organs auf die Hälfte oder ein Drittel seines früheren Umfanges
verantwortlich zu machen ist.
Der Follikelschwund erfolgt nicht auf dem Wege irgend einer
Form von Zell- oder Kerndegeneration, sondern auf dein der ein¬
fachen Atrophie. Allenthalben kennzeichnet sich der Untergang
der Drüsenbläschen durch eine Verdickung des bindegewebigen*
Stromas, in welches Follikel in allen Stadien atrophischer Ver¬
kleinerung bis zu immer kleineren epithelialen Zell- und Kern-
häufehen eingestreut sind.
Offenbar wird der Follikelschwund durch die speci fischen
Drüsennerven vermittelt, die ja neuerdings bis in die Nähe des
Follikelcpithcls verfolgt worden sind.
B.'s Schlusssätze lauten: Von den verschiedenen
Kropfsorten wird nur die folliculärc Hyperplasie
durch die Schilddrüscnbehandlung günstig beein¬
flusst, aber diese in sicherer und prompter Weise.
Herr Magnus-Levy (Berlin): Gas Wechsel und Fett¬
umsatz bei Myxoedem und Thyreoideazufuhr.
Vortragender berichtet über seine Respirationsversuche bei
Myxoedem und Thyreoideazufuhr; sie waren zur ■ Entscheidung
der Frage angestellt, ob bei der Entfettung durch die Schild¬
drüsentablettentherapie wirklich ein erhöhter Fettverbrauch, ein
vermehrter Energieansatz im Körper statthabe. In der That
konnte ein solcher in einzelnen Fällen deutlich nachgewiesen
werden, daran, dass früher oder später der Sauerstoffverbrauch
der wirksamen Versuchsjierson sich auf Werthe einstellte, die um
10, 15 und 25 Proc. über den Ausgangswerthcn lagen. Der
absolute Werth des Fettverbrauches, der sich aus diesem Versuche
berechnen lässt, ist nicht sehr erheblich; Vortr. berechnet ihn zu
etwa 50 g Fett pro die für einen 90 kg schweren Mann. Diese
«Entfettung» ist verhältnissmässig so gering, dass M. diesen
Vortheil gegenüber den sonstigen Schädigungen der Therapie als
ganz zu vernachlässigen ansieht, um so mehr als nach M.-L. eine
derartige Entfettung durch Erhöhung des Ruheumsatzes nur dann ,
zu Stande kommt, wenn Eiweiss vom Körper abgegeben wird, '
d. h. also wenn anscheinend eine «Vergiftung» stattfindet. —
Eine ganz enorme Vermehrung des Sauerstoffverbrauchs von
2,8 ccm bis auf 5,5 ccm O« pro Körperkilo und Minute trat
bei einem ein, als derselbe 20 Tage mit je 3 engl. Tabletten
gefüttert wurde. — Während der Raheumsatz des unbeeinflussten
Myxoedcmfallcs mit 2,8 ccm unter dem Mittel normaler Menschen
(3,5—4,5 ccm) steht, ist der von Basedowkranken häufig sehr
weit über diesen Werthen (5,0 — 6,5 ccm). Der Gegensatz
zwischen beiden Krankheiten, der seit langer Zeit von ver¬
schiedenen Seiten betont wird, erfährt durch diese Untersuchung
eine neue Beleuchtung und Bestätigung; — Vortr. sieht in der
That den erhöhten Umsatz der Basedowkranken als eine Folge
des Hyperthyrooidismus, den geringem des Myxoedems als Hypo¬
thyreoidismus an, ohne die nervöse Seite des M. Basedow ganz
zu läugnen. M.-L, legt besonderen Werth auf die prineipiellc
biologische Bedeutung der Frage. Zum ersten Mal sei hier fest-
gestellt, dass es Substanzen gibt, die den ruhenden Körper zu
einem Mehrumsatz veranlassen, er hält cs für besonders interessant,
dass solche »Substanzen im Körper selbst entstehen, dass der
Körper also auf rein chemischem Wege seinen Verbrauch zu
regeln resp. zu stimuliren vermag.
Discussion: Herr Blaehstein (Petersburg) macht auf das
Vorkommen von Schilddrüsenerkrankungen, besonders Kröpfen bei
Diabetes mellitus aufmerksam. Seine Erfahrungen darüber sind
allerdings nur spärlich, indessen sichere. Bei der Behandlung des
Diabetes mit Sehilddrüsenprüparaten hat er nichts günstiges gesehen.
Das Zustandekommen der mehrfachen Glykosurie nach Schilddrüsen¬
fütterung erklärt B. durch das Freiwerden von nicht assimilirtem
Glykogen in der Leber.
Ilerr Ilansemann (Berlin) hat bei Diabetikern niemals eine
Struma beobachtet; die Form der Struma bei Morbus Basedowii ist
eine hyperplastische
Herr J. Schmidt (Frankfurt a. M.) berichtet über erfolgreiche
Anwendung der Schilddrüsenpräparate bei einfachem Zwergwuchs;
er hat bei einem Kinde iu einem Jahre eine Wachsthumzunahine
von 5 cm beobachtet.
Ilerr Minkowski (Strassburg) berichtet über Versuche in
Bezug auf die Erzeugung des experimentellen Diabetes bei thyreoi-
dectomirten Thieren. Es wurde I lunden gleichzeitig oder kurze Zeit
nach der Thyreoidectomie das Pankreas exstirpirt, sie wurden aber
ebenso diabetisch, wie alle anderen Versuchsthiere. Auch der
Phloridzindiabetes ist bei solchen Thieren in der gewöhnlichen Weise
zu erzeugen. Daraus geht hervor, dass der Schilddrüse kein be¬
stimmter Einfluss in Bezug auf Glykosurie zukommt.
Herr IF e u b ner (Berlin) berichtet über erfolgreiche Anwendung
der Schilddrüsenpräparate hei lthachitis, und zwar solchen Fonneu
dieser Erkrankung, welche mit schwerer Anämie einhergehen, wie
das in Berlin fast regelmässig ist. Zwar treten keine Veränderungen
an den Knochen auf, aber das Allgemeinbefinden bessert sich er¬
heblich, es tritt eine Gewichtszunahme ein.
Ilerr Schultze (Bonn) berichtet zunächst über die Behand¬
lung eines Falles von Tetanie mit Sehilddrüsenprüparaten. Während
unter der Jodkali-Behandlung die Kranke an Gewicht zunahm, die
Krämpfe freilich nicht beeinflusst wurden und ein gleicher Erfolg
bei Fütterung mit Thyreoidin-Tabletten zu verzeichnen war, trat
nach Verabreichung des B a u m a n n' sehen Thyrojodins eine er¬
hebliche Verschlechterung ein. Die Kranke nahm an Körpergewicht
ab und bekam allgemeine epileptische Krämpfe, während auffallender
Weise das Phänomen der erhöhten Reflexerregbarkeit vollkommen
verschwand. Bei der Acroinegalie hat Sch. keine Erfolge von den
Tabletten gesehen. Nach Verabreichung von Hypophysis trat sogar
eine Verschlechterung ein, nämlich eine Unregelmässigkeit der Herz¬
action, die tödtlich endete.
Herr SchnBter berichtet im Aufträge von Kobert (Dorpat),
dass dieser bei Thierversuchen nach Eingabe von Thyrojodin selbst
in einer auf das 10- und 20 fache der für Menschen giltigen höchsten
Maximaldose und selbst bei intravenöser Injection niemals die ge¬
ringste Störung weder von Seiten des Blutdrucks noch des Pulses
bemerkt hat.
Herr Gottlieb (Heidelberg) führt Thierversuche an, welche
darthun sollen, dass neben dem Thyrojodin in der Schilddrüse noch
andere Substanzen physiologisch wirksam sein müssen. Er selbst hat
denselben Körper aus der Schilddrüse isolirt, wie D rech sei und
Kocher, einen Körper, welcher sicher vollkommen jodfrei ist, der
aus einer enteiweissten Flüssigkeit dargestellt und zudem gut kry-
stallisirend, keine Eiweissverbindung ist.
Herr Kehn (Frankfurt a. M.) zeigt die Photographie zweier
Kinder vor, die seit 3 Jahren wegen Cachexia thyreopriva mit
Schilddrüsenpräparaten behandelt worden sind, erst mit Glycerin-
extract, später mit Tabletten. Der cretinistische Charakter der
Kinder ist vo'lkommen geschwunden, das ältere Kind ist um 31 cm,
das andere um 28 cm gewachsen. Von dem blöden Gesichtsaus¬
druck und der myxoedematösen Degeneration ist nichts mehr zu
bemerken, das ältere 10 jährige Kind besucht seit 2 Jahren eine
öffentliche Schule und das jüngste ist in eine höhere Classe ver¬
setzt worden. Das jüngere Kind, welches vollständig idiotisch war,
ist munter geworden Redner macht darauf aufmerksam, dass die
Behandlung nicht länger als 3—4 Wochen ausgesetzt werden darf.
Herr v. Jak sei» (Prag): Die Traubenzuckerreaction im Harn,
welche zuweilen nach Schilddrüsen-Fütterung nachweisbar ist, ist
noch kein sicherer Beweis dafür, dass es sich wirklich um Trauben¬
zucker handelt. Mit Sicherheit kann man nur das Auftreten von
Kohlehydraten nach weisen. Was nun den Nachweis deB Jods im
Harn bei Kranken, die Schilddrüsenpräparate genommen haben,
anlangt, 60 ist derselbe bisher nie gelungen, selbst bei Darreichung
von 15 g Schilddrüsen in kurzer Zeit, die übrigens schadlos ver¬
tragen wurden. Entweder wird das Jod gar nicht ausgeschieden
oder in einer uns noch unbekannten Yerbindungsform. Die Jod-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
880
behandlung der Kröpfe gibt selbst bei langer Fortdauer nicht so
gute Resultate, wie die Thyreoidea-Therapie. Vortragender theilt
noch mit, dass er 4 Fälle von Tetanie, ebenso 6 Fälle von Morbus
Basedowii ohne Erfolg behandelt hat, die Schilddrüsentherapie den
letzteren aber nicht geschadet hat.
Herr v. Noorden (Frankfurt a. M.) theilt das Resultat von
Stoffwechseluntersuchungen mit, welche in seinem Krankenhausc
bei Fütterung mit Schilddrüsenpräparaten gemacht worden sind.
Es hat sich eine Steigerung des Sauerstoffverbrauclis und des Oxy-
dationsprocesses um 21 Proc. ergeben, die sich übrigens noch
14 Tage lang über den letzten Tag der Schilddrüsenbehandlung
hinaus fortgesetzt hat. Eine ebenso hohe Steigerung des Gas¬
wechsels liess sich bei einer Kranken mit Morbus Basedowii con-
statiren, die nicht unter der Einwirkung der Schilddrüsenpriiparate
stand. In Bezug auf die von ihm beobachtete Glykosurie nach der
Thyreoidea-Therapie hebt Redner hervor, dass die betreffenden
Patienten allerdings mit Diabetes belastet waren; dass es sich um
echten Traubenzucker gehandelt hat, ist durch die Gährungsprobe
festgestellt. Schilddrüsenerkrankungen bei Diabetes mellitus hat er
nicht beobachtet.
HerrThoraas (Freiburg) berichtet über die Anwendung von
Thyreoidea-Tabletten bei Säuglingen mit angeborenen Kröpfen und
hat überraschende Resultate gesehen.
Herr Rosenfeld iBreslau) hat im pathologischen Institut
in Breslau keine Combination des Diabetes mit Schilddrüsen-Er-
krankungen beobachtet. Die Thyreoidea-Therapie bekommt den
Zuckerkranken nicht gut.
Herr Müller (Marburg) hat günstige Erfolge von der Schild¬
drüsenbehandlung nur bei den formes frustes des Morbus Basedowii
gesehen. Die Symptome f-teigern sich anfangs, es tritt Abmagerung
ein, aber einige Zeit nach Aussetzung der Therapie macht sich eine
Besserung bemerkbar.
Herr Roos (Freiburg) führt den mangelnden Beweis des Jods
im Harn auf die Aufspeicherung dieser Substanz in der Schild¬
drüse zurück.
Herr Käst (Breslau) macht darauf aufmerksam, dass die Miss¬
erfolge der Schilddriisenbehandlung bei der Tetanie wohl darauf
zurückzuführen sind, dass es aetiologisch sehr verschiedene Formen
von Tetanie gibt. Im Uebrigen hält Käst eine Warnung für die
praktischen Aerzte sehr nothwemlig, da es sich herausgestellt hat,
dass Fettleibige oft sogar hinter dem Rücken ihrer Aerzte sich
die Thyreoidea-Tabletten selbst verschaffen und damit Heilversuche
an sich machen. Ohne genaue Beobachtung der Kranken erscheint
die Thyreoidea-Therapie doch nicht ungefährlich.
Herr Senator (Berlin) tritt den Ausführungen Kast's hei.
Herr Gerhardt-Berlin: Ueber Rheumatoid-Erkran-
kungen.
Das Wesen des acuten Gelenkrheumatismus ist zur Zeit
noch unbekannt. Es hat sich keine einheitliche Auffassung des
Infeetionserregers bisher ermitteln lassen. Man beobachtet nun
unächtc Formen eines Gelenkrheumatismus bei einer Reihe ganz 1
verschiedenartiger Erkrankungen als Coniplicationon, z. B. hoi den
acuten Exanthemen, bei Typhus, Dysenterie, Gonorrhoe, Searla-
tina, Pneumonie, Bronchcctasie, Hacmophilie, Purpura, Scorbut,
bei verschiedenen Hautkrankheiten, bei Erythema jxdyformis, Psori¬
asis, Urticaria und Syphilis. Diese Geienkerkrankungen verlaufen
bald fieberfrei, bald mit leichterem oder höherem Fieber. Drei
Hauptformen sind zu unterscheiden: Gclcnkschuierzen, Gelenk-
schwellung • und Entzündung und Gelenkeiterung, dazu kommen
gelegentlich Ansammlungen grösserer seröser Ergüsse in den Ge¬
lenken, Knochenciterung und Periostitis. Verschiedentlich hat man
die kranktnachcndcn Spaltpilze der Grundkrankheit auch in den
erkrankten Gelenken nach gewiesen, wie z. B. bei der Gonorrhoe
und der Pneumonie, lx:i der Diphtherie und dem Erysipel.
Wahrscheinlich lassen sich auch die Typhusbacillen in den nach
Typhus auftretenden Gclcnkcrkrankungen nachweiscn. Diese
metastatischen Gelcnkaffcctionen zeigen unter sieh wenig Ueber-
cinstimmung, mehr schon aber immer bei einer und derselben
Krankheit, so die Tripperrheumatisracn und die Scliarlachrhcu-
matoide, welche jede für sich ziemlich charakteristisch sind. Als
Kennzeichen für diese unüchten Gelenkrheumatismen hat man
hervorgehoben, dass sie das Herz nicht schädigen. Für ein¬
zelne dieser Erkrankungen ist das auch aufrecht zu erhalten,
für die Trippergicht aber gerade das Gegentheil mit Sicherheit
nachgewiesen und auch das Scharlaehrheumatoid verbindet sich
sehr häufig mit Herzaffection. Es ist auch unrichtig, dass die
Kheumatoiderkrankungen durch Salicvl, Antip.vrin und die übrigen
Antipyretica nicht beeinflusst werden sollen. Zunächst erweist
sich das Salicvl in 1 /g der Fälle von äehtein acutem Gelenk¬
rheumatismus als unwirksam uud in einem weiteren Drittel der
Fälle als nicht ausreichend. Diese Mittel entfalten aber gerade
bei manchen der unächten Gelenkrheumatismen eine günstige,
bei andern sogar durchgehends eine gute Wirkung. Die Charak-
terisirung einer Krankheit nach der Wirkung eines Mittels auf
dieselbe ist überhaupt ein anfechtbares Beweismittel. Bei den
einzelnen Erkrankungen sind die Gelenke in verschiedener Weise
betheiligt. Bei der Trippergieht hauptsächlich die Kniee, beim
Typhus hauptsächlich die Hüfte. Der Vortragende spricht nun
im einzelnen diese Erkrankungen durch, zunächst die Gelenks-
erkrankuiigen bei der Dysenterie; sie tritt meistens beim Ab-
hoilen der Krankheit auf, Kniee und Füssc werden namentlich
betroffen. Die Dauer beträgt etwa 6 Wochen, sie sind häufiger
bei leichten Fällen als bei schweren Fällen von Dysenterie, ln
unserer Zeit sind sie im Allgemeinen seltener geworden, offenbar
auch mit der Veränderung des Charakters der Buhr. Der Tripper-
rheumatismus ist oft und energisch bestritten worden. Es ist
aber festgcstellt, dass manche Kranke bei jeder Gonorrhoe von
neuem einen Gelenkrheumatismus erwerbeu. Dieser ist beim
Manne nur anscheinend häufiger als bei der Frau, bei welcher
sieh die Gonorrhoe oft der Entdeckung entzieht. In Gerhardt’s
Klinik hatten 7,3 Proc. aller Kranken mit Gelenkrheumatismus einen
Tripper gehabt. Der Tripperrheumatismus tritt bekanntlich erst im
späteren Verlauf der Gonorrhoe auf. Der Vortragende schildert noch
einige Modifieationen in seiner Form und seinem Verlauf. Das
searlatinüse Rheumatoid tritt gleich im Anfang der Erkrankung auf.
Es wird in 3,8 Proc. aller Hcharlachfällc beobachtet, ist am häufigsten
am Handgelenk und verbindet sich in 3,2 Proc. der Fälle mit einer
Herzkrankheit. Der Vortragende erwähnt weiterhin die Gelenk¬
erkrankungen nach Recurrens, Pneumonie, Meningitis cerebro spinalis
epidemica, Typhus und Syphilis, bei welch’ letzterer nur Queck-
* silber und Jod wirksam sind. Der Vortragende kommt dann
auf das Vorkommen von Angina bei acuten Gelenkrheumatismen
zu sprechen, welches er in seiner eigenen Klinik in 21 Proc. der
Fälle hat fcststcllen können. Es handelt sich meist um eine
leichte Form der Angina, welche in kurzer Zeit spontan abläuft.
Wir wissen, dass Tonsillen mit Vorliebe Sitz von Bacterien sind,
welche in die Mundhöhle gelangen. Es kommen dort dieselben
Bacterien vor, welche man bei acuten Gelenkrheumatismen in
den Gelenken nachgewiesen hat. Es ist aber fraglich, ob es sich
um rein baeteriello Metastasen von den Tonsillen aus handelt,
denn es könnten auch toxische Gelenkerkranklingen sein, wie
wir sie gelegentlich nach Injectionen mit Diphthcrieheilserum auf-
treten sehen. Es gibt Rheumatoiderkrankungen, die nichts mit
Bacterienwirkung zu thun haben. Gerhardt ist der Meinung,
dass die Gelenkrheumatismen bei Angina als echte Gelenkrheu¬
matismen und nicht als metastatische zu betrachten sind.
Herr Quincke (Kiel) schlägt vor, das Wort »Rheuma» bei
der Bezeichnung dieser sogen. Rheumatoiderkrankungen, um Ver
Wechslungen zu verhüten, überhaupt zu streichen.
Herr Kossel (Marburg): Ueber Nucleine.
Neben den Eiweisskörpern finden sich in den Zellen andere
Bestandtheile, die zum Theil mit derselben Regelmässigkeit wie
die Ei weisskörper überall wiederkehren und denen man eine gleich¬
hohe Bedeutung zuerkennen muss. Zu diesen gehören auch die
NucleinsUuren, welche z. Th. in freiem Zustand, z. Th. als Eiscn-
verbi.idungen erscheinen. Der Vortragende hat seit längerer Zeit
versucht, die Spaltungsproducte dieser Stoffe zu untersuchen und
hat schon vor längerer Zeit gefunden, dass aus denselben gewisse
Basen hervorgehen, die sogenannten « Nuclcinbasen». Diese sind
dreierlei Art: 1) die «Xanthinbasen» oder « Xanthinkürpcr »,
Xanthin und Guanin, 2) die «Sarkinbasen», Hypoxanthin und
Adenin, 3) das «Cytosin». Die Entstehung dieser Basen aus
Nucleinstoffcn führte den Vortragenden zu mehreren Schluss¬
folgerungen von allgemeinerem Interesse.
1. Wurde durch diesen Befund das bisher räthselhafte Vor¬
kommen dieser Stoffe aufgeklärt, z. B. die Entstehung
derselben im leukämischen Blut, wo sie aus den kern¬
haltigen Elementen, den Leukoeyten, hervorgehen.
2. Ergaben sich aus den Versuchen Kossel’s Beziehungen
der Nuclei'»8toffc zur Harnsäurebildung. Dieser Ideen¬
gang ist später von Sta.dthagen, Horbac zewsky,
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2t. April 1896.
dIl°FW„L" a u a "f* r? ,8t , ' ord “- 80*41
man die Bildung der Hi * ütterun « svc rsucLe hat
obachtet. g HarnSäUrC aus Nuclernstoffcn be-
3. Zeigte sich, dass ein Theil der i x- .
zeichneten Stoffe keine Nuctvnhsl r t * ^ uclcin 11 be '
Nä r “<&“ 1
Ueibl die sogenannte P.™„ucta n »E°“b5° “’ r “ Mnsilure
«ach Versuchen von Büppel z„ d™ ”'1 " nd k ™“ t
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ba«, Pr„d„0t, welches dic Formel <r 2 r
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»•ton. zuweilen als NnclcLtarc d S?“' “ C,st
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schlefmhaift denn tZ ° ge, fi !T’ d “ Prüduct dcr Da ™-
wo noch gar L oinp ™ 6aden . »'? ™ ^rm auch zu einer Zeit,
im Mcconfum 2 vT* ^ Darm ge,angt ist - » z. B.
Nahrung. D.ass sic^nT’ i*™? T’* bei sfi <*stufFfreier I
» n „i , 8 “ SS s,e aucb kein Product der Leber sind gellt n A
finden. ^Wen^m^r n° sich . “ chin don gaHcnfreien Faeces
erwachsenen MonTh de " Darm ' nhaIt dcs Neugeborenen und des
aus Letzterem nrn'^ " ntersucht > so gewinnt man
nnr Harnsäure Das hünlfoff LrS ^ rcm cbcnso regelmässig
zusammen welche in rf ffcnbar mit den chemischen Processen
geborenen ' sind das ' () Z'T W ** geben - Beiiu Neu-
ductionsvorgängc f TT^" 20 ’ bcim K rwachsenen Rc-
bacterien £Z L Zt ^ Vegetation dcr J)a ™-
Memschcn Calomol m . J^ <en '„ Glbt nian einem erwachsenen
Auch das Hydrobi’limbr ir - ® arn f a “J e . aus seinc n Faeces gewonnen,
welche i m Darmcanal ” IS ein ^ eicllcn der Reduetionsvorgänge,
Meconiurns lut VoZj°\ "'t, g ? eD ’ Aus 100 * getrockneten
den täglichen Entlee ß * , b ' S 1 g Harnsänre dargestellt, aus
*P»u nd lwaTZnTV n 1- ErWaChsenen °»l-0.6« Xanthin-
eine feststehende Th t Xantbm nnd Hypoxanthin. Es kann als
Harnsäure i,„ Harne . 10 “"f Schcn werden > da ««> wo vermehrte
-»ecc, “ :“ r iat -
ggSgMg JEDICMISOHE W OCHENSCHRIFT,
381
und ÄS:“lz d "' Ch S “ iKCr ” g d “ °« d »«»-„c ffi ci„„ to
I»mmar^rc b hX“i : d?Ä ente Z ” r Frage der
positiven oT’S d“ Sr l0P “°" 0bj “ t “ “" d nn Dia-
entdeckte und gcean Z£ZT?‘,- ° .T, ita U " d
scra gegen Cholera U n 1 tv l aggb ^ ,rCndc Wirkung der Immun-
Verwerthbarkeit und Bedeutung für drSlL^^ 0- ^
| mitgeSei!te^ f Tliatsachen'sdion 1 *an<»e^ekann^ 68 • ^ v ° n Gruber
aber aufgestellte neue Theorie sefschwer ™ *? en- - Die von ihm
Bactenen sich in einem Quellungszuainfl hal eFwe,8en • dass die
mikroskopischen Präparaten nicht zu etehen S^ ““u aus den
Agglutination sei nur ein Schlaewort Pf i fl t h ^ 6 . Ann ahme einer
seine Theorie alle bekannten Thateachen ^W T Ansicb ‘> dass durch
Besten gestützt werden. in awaclien der Immunitätslehre am
, Herr R. Stern (Breslau) Die^ofn K Im ®“ ni tätalehre.
Buchungen über den Nachweis einer sjedfi^hen'v^ 1 ^ Unter ‘
ßerums bei Menschen die «!„« t r n , ien ” Ir kung des Blut¬
haben, sind schon seit mehreren Jahrendurchgemacht
bat bereits vor 3 Jahreraurdem rontzr 868161 . 11 W L ° rden ' S ^m
immunisirende und heilende Wirkung dis BIi.p. 1186 ^ 6 l ' dass die
Reconvalescenten nicht auf einer SinfetJ* , U3e f u ? 8 von T yphus-
beruhen könne, sondern d„i aJI d ™ C £ n . ba ctenciden Wirkung
aus
4c Sf“ 1 Mittheilu ” gen übdr
die Anhäufung IS ton C n Momcnt aller Autointoxicationen
im Organismus DieT^i “ g 0xydirte " Stoffwechselproducten
i>lC Entfernung dieser schädlichcu Produete aus
beruhen könne, sondern dass durch d««^"» bactericiden Wirkung
ÄaÄ
^aSirs?.£r
Immunität mit Veränderung der Gewebsathmun/r R Inf . e f ion und
lez
sis ÄrÄK»srs;
seits behauptet, dass er niemals die Serii™r ten .- erStreck ?’ and erer-
als den zugehörigen Bacterienarten erhnlfon^T 011 mit an deren
Behauptungen verweist G. auf die soeben v5°‘ G ? g . enüber diesen
und überlässt es der Versammlung obS “pCT“ e,gl * n Prä P a rate
oder der Bebaupton-
Bactenen sei das Frsie Pf a ;ff ■ * r tten 18 t. Die Verklebung der
allerdinge in beechrankfen.S LuKtrß . 'S. * U °
Ä fSÄSÄ SSSÄÄ* rS 1 ?
üÄispss-
ZbtdeÄrÄÄÄ
de» Blutserums „„trennbar «rfcllltoÄ ■l’uatiou.w.rkuug
Die von Stern festgestellte Thatsache, dass Serum von
Typhusreconvalescenten einen guten Nährboden für Typlmsbacterien
abgibt und gleichzeitig im Tbierkörper zur Abtödtung P der Typhus
bactenen führt ist m vollster Uebereinstimmung mit den Angaben
des Redners Im Thierkörper addirt sich eben zu der Wirkung der
Agglutinine diejenige der Alexine. g üer
fälle GrTb P er°s! ffer(Berlin) protestirt gegen die persönlichen Aus-
„. Pässl ® r und E - Romberg (Leipzig): Weitere
Mittheilungen über das Verhalten von Herz und Vaso¬
motoren bei Infectionskrankheiten.
Auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzto
m Lübeck hat R. über gemeinsam mit Brüh ns und P. ange-
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Münchener m edicinische wo cHENSCHgg^
No. 16-
-- - -
382---- . _ , .. r Versuche und theoretischen Ueberlegungen zu der
— hl—t sä-, ™ r L;r —22 £ 2 : 2 z
SKSSgBSggS
ein Urtheil darüber, ob d» oder der das Diphtherie^ ihren Folgen von
Va^omotoi'en'^de^behiei^Coniponenten deid^TSInfs der 'weiteren Einwirkung dieses Giftes unabhängig ist.
war. - Es war auf diese Weise das W aalte . lB ^ ntion Quincke (Kiel): Ueber Resorption und Ausscheidung
r'deTPncumococeen- und der Pyocyaneus-Inf eetion V u —-
£de^rrt£K
Hess sieh feststellen, dass eine Lähmung des Option und Ausseheidung des Eisern.mittelst■
~äESä ssää
tSÄEsÄt ÄKS srs ;,r~r =ss —=~=
:»£**£st -
zurück. . Ta; „l, ali ori ehaeillcn
r
■5K «tnsehnebenc Mose M- “
tabc „P. apd R. Versuche mit D ip«l.„..b«i,... ^ eia The«
wmmmm
der arterielle Druck sehr rasch oder allmählich auf Wertlw herab, bekannt bin ^ 0 ’ hejlt Würdcn sind. Auch bei M. s
die eine Fortdauer des Lebens unmöglich niadimu A«ch hx. dau „de .^^ „1,10 eingreifende Wirkung erwiesen, indem
der arterielle Druck sehr rasch oder allmählich auf Werthcbekannt sind ^ worden sind. Audi bei M.’s
SÄ":“: SSi
i » «*■* . *■ " - 7 -
derselben. H„ Heb».,(«
fässmuskebi" und -Nerven, der Goltz'sclmn Centrenin^ Rückern der Praxis und die Resultate meiner
mark konnte direct erwiesen werden. Auch n Diphtheriebehandlungsmethode
Herzkraft nicht nachweisbar geschädigt und also an F Hen . bcr i c htet, dass er im Ganzen 63 1<dl ' c gen T
Ln Erscheinungen der sogen. Herzschwäche >ui \ erlaufe der - ^ und klinisch au f das Vorkommen von LbffU^-
fection selbst unbetlieiligt. Störung des scheu Bacillen untersucht hat. Derselbe wurde nur >
Dagegen zeigte sich regelmässig eine auffällige btorung des in Fällen echter klinischer Diphtherie, w
hingegen g ...„ w , n das Ende der Krank- gefunden unü zuar. . ..j.« m u nd m einem
Herzrythmus. Die Herzaction wurde gegen das Lude der Kran - ^ ^ ^ fo]liculiiren und lacunärcn Anginen (!) und in eine
heit stets beträchtlich verlangsamt, bisweilen auch mcgiila D Pharyngitis aphthosa Heryng; ferner theilte er mit da
Ursachen der Erscheinungen suchen P. und R. nach Ausschluss i • Fällen (9) vermisst wurde, m denen später
u rsacm.il lWinflnssiine des Herzens er in einer «wm. v / dipsor Untersuchungen
heit stets betruenuicn ver,- - - A„««.liluas Falle von Pharyngitis apnwiosa nw;u 6 , — - .
Ursachen der Erscheinungen suchen P. und R. nach Ausschluss i ■ ^ ^ yon Fähen (9) vermisst wurde, in denen *später
aller anderen Möglichkeiten in einer Beeinflussung des lte« Lähmungen auftraten. Auf Grund dieser üntersuchung
durch das Diphtheriegift. Sie werfe,n. die^ Frage auf ob die t,p^ Hcnnig zu d em Ergebnisse, dass der Lbffler^hc
Schädigung vielleicht hauptsächlich die V orliöfe betriff , Bac illus durchaus nicht in allen Fällen der specifisch
im Vergleich zur *. Breton“ (fL “ Lt nieb,
Schädigung vieyeielit naupisacmic . „nl«iro Fnt- Bacillus durchaus nicht m allen rancu m. ,
im Vergleich zur Ventrikclmusculatur hochgradige vacuoUrc Lnt Brctonn cau’schen Diphtherie sein kann, und dass ein
artnng ^der Vorhotansenlatur z» sprechen sebetut. Barben - der Therapie in Folge d«e. Job
.ertb war der JSfT«1- der als eine specibsehe aufgefasst ^en arf A »dann erU
artnng der Vornoimusemaou. anf dieses Bacterium autgeßauie cr
werth war der überraschend geringe Einfluss der starken V spcci fische aufgefasst werden darf. Alsdann crI ^ fc
fettung des Myoeards auf Leistungsfähigkeit und Rythmus de. dcm Heilserum nicht so glanzend
Herzens. Es wurde auch festgestel.t, dass die Verfettung sich ^ .^ e tbcinon'und In keiner Beziehung zu weiteren^
erst in der letzten Zeit des Lebens entwickelte. sueh ’ cn aufmuntern, und dass schon vor der feerumpenode mehre
Die Ergebnisse der Thierversuche sind auf die mcnschlic ßchandlungsmcthoden mit weit günstigerem Erfolge <ing
Pathologie wohl übertragbar. Das schädliche Agens * as von < durchschnittlich nur 3—4 Proc. aller Dip i i
Bacillen producirte Gift ist das gleiche Die klinischen Er- ^ einschliesslich der gangränösen und Scharlach¬
scheinungen sind sehr ähnliche. Auch die Verlangsamung der ^rankung
Herzthätigkeit, die beim Menschen naturgemäss durch die i . g Schlüsse empfiehlt Hcnnig seine nun schon
fachen Complicationcn der Diphtherie leicht verdeckt wird, w d {n U)2? Fällen mit nur 3,06 Yroc. Mor ^ h ^ “
in einzelnen Fällen sehr ausgesprochen, in nicht | inz sclt ^ n Z äher Consequcnz durchgeführte Behandlungsmethode (Kalkwas
Fällen wenigstens in geringem Grade gefunden, bo sind wo - nc ‘ nte Eiskrav atte etc.). f - nos
auch beim Menschen die klinisch als Herzscbwäche bezeichncteii und per, . demonstrirt 1. Blutpräparatc eines
Erscheinungen im Verlaufe der Diphthcrieinfection auf die Schwache, 1 vcr l au fenen Falles von Phenacetinvergiftung, des erst ,
re5 p. Läbnmng io, V—ren zorüctzuM,,» ^“jtotaebtet worden i 8 t. »er Kranke batte !***-“*■
daran unbetlieiligt, falb « mobt bo, anBgrfebnter fcrl., nknng ^ ^ * nnter *. ErBchernungen
auch beim Menscben nie Kiiniscn w uu™-7,. ä , ,vi„. Herr Krönig (Berlin) demonstrm. i- “‘-r“'"-
Erscheinungen im Verlaufe der Diplitherieinfeetion auf die . «jbwäcl c ” verlaufenen Falles von Phenacetinvergiftung, des erst ,
resp. Llibmung do, Vnaornotoren znraok.ufbbren D-Bj- ^ “Jr totaebtet worden int. Der Kranke batte 1 «
daran unbetlieiligt, falls es nicht bei ausgedehnter Eikr.inkung _ gich Äenoinmon und ist unter den Erscheinungen schwerer bep
des Respirationstractus direct durch Ueberdchnung es 1 crkr ankt 2. Eine von ihm construirte neue Centnfuge,
Ventrikels geschädigt wird. in, Bereiche Fortschritt darin besteht, dass das Zahnrad durch einen »
Von der Störung des Kreis aufs im Bcrei wird , wodurch die Handhabung eine be, we.U.
der 1 nf eetion sind die pos td 1 pli t li c r l ti sc h e n nei
erscheinungen streng zu trennen. P. und R. kommen | Muemere ist.
C iOoo 11
Dioitized bv
21. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
383
Herr Hoppe-Seylcr (Kiel) demonstrirt einen Apparat zur
klinischen Untersuchung der Magengase, dessen Princip darin be¬
ruht, dass die Magengase über der ausgeheberten Magenflüssigkeit
aufgefangen werden und einigermassen genau analysirt werden
können. Es wird dadurch ein Unterschied zwischen der Gas-
gährung im Magen und dem Luftsehlucken ermöglicht.
Hr. Schlagint weit (München) demonstrirt ausgezeichnete
photographische Abbildungen des Ceutralnervcnsystems.
Hr. Laqueur (Wiesbaden) stellt eine Kranke mit einer
rheumatischen Schwiele vor, welche seit mehreren Jahren anfalls-
weisc Beschwerden macht.
Herr Lenhartz (Hamburg): Ueber den diagnostischen
und therapeutischen Werth der Lumbalpunction.
L. spricht über seine Beobachtungen bei Lumbalpunction,
die er jetzt an 126 Kranken 230 mal ausgeführt hat. Seine
wesentlichsten Resultate hat er bereits in No. 8 und 9 d. Jahr¬
gangs der Münch, med. Wochensehr, mitgetheilt. Hervorzuheben
ist, dass L. in den letzten Fällen von tuberculöser Meningitis
stets Tuberkelbacillen gefunden hat. Er empfiehlt zum leichteren
Nachweis derselben eine kleine Flocke der sterilen Watte, mit der
das Gläschen geschlossen wird, in dom Exsudat untersinken zu lassen.
Die Watte, worin die Bacillen sich gefangcu haben, kann man
dann mit der Platinöse herausheben und auf dem Deckglas
zerzupfen. Dies Verfahren hat vor der umständlicheren (und
trügerischen) Oentrifugirung gewisse Vortheile.
Herr Krönig (Berlin) bestätigt, dass die Spinalpunction die
Diagnose der tuberculösen Meningitis sicherer stellt. Mit Ausnahme
eines einzigen Falles hat er stets die Tuberkelbacillen in der Exsudat
flüssigkeit nachweisen können, aber man muss für diesen Zweck
nicht das G abb et'sehe Verfahren, sondern die alte Ehrlich‘sehe
Methode anwenden und die Präparate sorgfältig durchsuchen. K.
kann auch das Vorkommen einer Meningitis serosa simplex be¬
stätigen, welche er durch Spinalpunction erfolgreich behandelt hat.
Bei einem sterbenden Patienten, welcher Trachealrasseln hatte, hat
er durch die Spinalpunction, offenbar in Folge der Entlastung der
Medulla oblongata, die Wiederkehr normaler Athmung beobachten
können. Einmal hat er 3 Minuten nach der Function von 75 ccm
Serum in einem Falle, in dem eine Hirnblutung in den Ventrikel
durchgebrochen war, den Tod plötzlich eintreten sehen. Auch Kopf-
Schmerzen bei Chlorose hat K. günstig beeinflusst gesehen.
Herr Goldscheider (Berlin) hat niemals unangenehme Folgen
der Spinalpunction beobachtet. Man darf dieselbe allerdings nicht
im Sitzen ausführen, die Flüssigkeit nicht aspiriren und nicht im
Strahl auslaufen lassen. Der Nachweis der Tuberkelbncillen gelingt \
nicht in allen Fällen von tuberculöser Meningitis. Dadurch wird |
die diagnostische Bedeutung der Punction etwas herabgedrückt, i
ferner auch durch den Umstand, dass man bei eitriger Meningitis
fast niemals Eiter punctirt. Das wichtigste diagnostische Moment
ist die Vermehrung der Flüssigkeit Die Diagnose der Meningitis
serosa ist nur mit grösster Vorsicht zu stellen. Man muss dabei
stete an einen latenten Gehirntumor denken, welcher solche vor¬
übergehende Attacken gelegentlich macht. Bei Gehirntumor sieht
man nach der Spinalpunction öfters eine Besserung der subjectiven
Beschwerden, die Kopfschmerzen werden geringer, das Sensorium
klarer. Redner vermisst einen Beweis für die unmittelbar heilende
Wirkung der Spinalpunction. gesteht aber ihre unterstützende Wir¬
kung zu. Von einzelnen Thatsachen ist noch besonders zu er¬
wähnen: der auffallende Reichthum von Leukocyten in der Spinal- 1
flüssigkeit in solchen Fällen, wo anscheinend keine Entzündung vor¬
liegt. Mehrfach hat Redner bei Uraemie punctirt und bald mehr
bald weniger Flüssigkeit gefunden, wie das ja auch bei der tuber¬
culösen Meningitis der Fall ist.
Herr Schultze (Bonn) zweifelt das Vorkommen einer serösen
Meningitis an und gibt zu bedenken, ob der Heilerfolg der Spinal¬
punction in solchen Fällen nicht vielleicht auf Suggestion beruhe.
Herr Ewald (Berlin) fragt, ob plötzliche Todesfälle nach Spinal¬
punction, wie sie von Fürbringer beobachtet sind, auch von
anderen beobachtet wurden und ob es sich hier um einen ätiologischen
Zusammenhang oder um blosse Zufälligkeiten handle.
Herr Hansemann (Berlin) hat zweimal eine Meningitisserosa
auf dem Sectionstische beobachtet.
Herr Lenhartz (Hamburg): Bei 9 Hirntumoren, von denen
~i gestorben sind, hat er 26 Functionen vorgenommen, bei einem
Kranken 8 mal, freilich niemals mehr als HO ccm Flüssigkeit auf
einmal abgelassen. Er hat ein einziges Mal 6 Stunden nach der
Punction einen Todesfall beobachtet, sonst war danach nur stets
eine wohlthuende Wirkung zu constatiren: fast sofortige Beseitigung
des Kopfschmerzes, Schwindels und Erbrechens.
Küster (Marburg); Ueber die Indicationen zur Ne-
phrectomie.
Nach einem* statistischen Vergleich der Ergebnisse der Ne-
phreetomie mit der Nephrotomie, welcher zu Ungunsten der
| ersteren ausfällt, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass das
Vergleichsmaterial ein sehr ungleiches für beide Operationen ist,
bespricht Vortragender in eingehender Weise 9 Indicationen für
Ncphrectouiie. Das sind erstens die Nierentumoren, zweitens die
Tuberculose der Niere. Ueber diese macht Vortragender folgende
Mittheilungen: Erst die Nierenchirurgie hat zu einer genaueren
Erkenntniss dieser Erkrankung geführt. Ls hat sich ergeben,
dass die Nieren tuberculose häufig primär und einseitig auftritt,
dsss sie viel häufiger die Genitalien und die unteren Harnwege
inticirt, als es umgekehrt stattfindet, dass ferner als das erste
Zeichen der Nierentuberculosc ein hartnäckiger Blascnkatarrh
auftritt, bei dem man vergeblich nach Tuberkelbacillen sucht.
Bei dieser Erkrankung ist die Ncphrectouiie ein ausgezeichnetes
Heilmittel, welches oft dauernde Heilung bringt. Drittens:
Niereneiterung infolge von Metastasen, Frcmdkörj»crn, besonders
Steinen. Viertens: Sack-Niere. Fünftens: Stein-Niere.
Sechstens: Nieren-Verlctzung. Siebentens: Harnlciterbauch-
tisteln. Achtens: Renale Hämophilie. Neuntens: Die
Wanderniere.
Von allen diesen Indicationen ist nur die einseitige Tuber¬
culose der Niere als eine unbestrittene Jndication der Ncphrec-
tomic an anerkennen. In allen anderen Fällen ist sie entweder zu
verwerfen, oder erheblich cinzuschränkcn.
(Schluss folgt.)
Stuttgarter chirurgisch - gynäkologische Vereinigung.
(Officieller Bericht.)
Sitzung vom 14. November 1895.
Vorsitzender: Herr A. Länderer.
I. A. Zeller: Ueber Patellafracturen.
19jähr. Buchbinder fiel, mit Pappe beladen, in ein aufrecht
stehendes Buchbindermesser und zog sich eine breite Querwunde am
r. Knie zu. Die Patella war völlig glatt durchschnitten in 2 nahezu
gleiche Hälften, vom Cond ext. fern, eine 10- Pfennigstückgrosse
Knorpelscheibe abgetrennt, im Cond. int. ein klaffender durch den
Knorpel in den Knochen gehender Schnitt Letzterer durch 4 den
Knorpel fassende Catgutnähte geschlossen, die beiden Fragmente
der Patella durch 2 versenkte Drahtnähte vereinigt. Hautnaht,
2 Drains, Schiene. — Glatter, fieberloser Verlauf, Drains und Nähte
am 2. Tage entfernt, am 11. Tage Gypsverband, mit dem Patient
am folgenden Tage ohne Stock umhergeht. Nach weiteren 11 Tagen
Gypsverband entfernt, Bäder, Massage. Patella vollkommen fest,
Drahtnähte eingeheilt. — Jetzt, 5 1 /* Monate nach der Verletzung,
vollkommen normale Beweglichkeit und Configuration des Gelenkes,
nur noch leichtes Reiben fühlbar. Patient hat besonders durch
Radfahren rasch die Beweglichkeit gesteigert.
Z. hat dann seine früheren Patienten mit geschlossenen Patella¬
brüchen wieder aufgesucht und .stellt einige vor, darunter einen
52 jähr. Buchbinder, dessen Bruch vor 4 V* Jahren genäht worden
war und der jetzt eWnfalls völlig normale Verhältnisse darbietet
und einige andere, die mit Heftpflasterstreifen und Massage behandelt
und mit bindegewebiger Zwischensubstanz geheilt waren. — Nach
einer Schilderung der zur Zeit üblichen Behandlungsmethoden tritt
Z. für eine häufigere Anwendung der Naht ein, die fast allgemein
wieder verlassen ist. Patienten mit ligamentös vereinigter Patella
klagen doch noch über Unsicherheit Wim Gehen, besonders beim
Treppensteigen, raschere Ermüdung bei der Arbeit u. A. und cs
scheint Vortragendem auch, als ob dabei häufiger Rcfracturen vor¬
kämen als bei genähten Brüchen. Seiner Meinung nach ist für
die spätere Function doch in erster Linie das Zustandekommen
oder Ausbleiben der knöchernen Vereinigung maassgebend und
wenn man die Patienten frühzeitig mit Gehverbänden versieht,
kann man der Muskelatrophie Vorbeugen, die der Hauptgrund zur
Einführung der Massagebehandlung und zum Verzicht auf die
knöcherne Vereinigung war und die auch bei Massagebohandlung
nicht immer zu vermeiden ist, wie an einem von anderer Seite
behandelten Patienten gezeigt wird. Unglücksfälle, wie Vereiterung
und Ankylose des Gelenkes, die früher in einzelnen Fällen vor¬
kamen, dürften heutzutage zu vermeiden sein. Er will daher mit
der Naht behandelt wissen diejenigen Fälle, in denen ausser der
Patella auch die seitlichen Theilc der Kapsel zerrissen sind, kenntlich
daran , dass der Bluterguss sich weit in die Musculatur hinein
erstreckt und diejenigen, bei denen der Kapselriss zwar nicht so
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.M ÜNUU KN Klt M ED1CINISCHE WOÜII ENSCH RIFT.
No. 16.
384
weit geht, bei denen aber eine starke Diastase der Fragmente
besteht, indem das obere stark in die Höhe gezogen ist, während
die Fälle mit geringer Diastase und geringem Bluterguss der
unblutigen Behandlung Vorbehalten blieben.
II. Vorstellung eines Patienten mit Gritti’schem
Amputationsstumpf.
Dem 19jähr. Arbeiter war durch einen herabfallenden Aufzug
der r. Unterschenkel dicht unter dem Knie vollständig abgeschlagen
worden. Unbedeutende Blutung, kein Shock, daher sofort nach der
Aufnahme Amputation nach Gritti. Annageln der Patella an den
Oberschenkel mit gewöhnlichem Drahtstift. Heilung p. prim. iDtent.
Auch der Kopf des Nagels, der im Niveau der Haut sich befand,
um später entfernt zu werden, war eines Tages nicht mehr zu sehen,
die Haut darüber geschlossen und der Nagel eingeheilt. Der Stumpf
zeigt jetzt, 22 Monate nach der Operation, eine gute Form und ist
bei starkem Druck schmerzlos. Die Muskeln, die ihren Ansatz am
Unterschenkel verloren haben, haben sich allerdings in die Höhe
gezogen und sind etwas atrophisch, Patient wäre aber im Stande,
sich direct mit dem Stumpf auf die Prothese zu stützen, so dass
der an ihr angebrachte Sitzring überflüssig ist.
III. Ueber Osteotomia subtrochanterica.
26jähr. Mädchen hatte als Kind Drüsen, die vereiterten. Im
Mai 1894 erkrankt mit Schmerzen in beiden Füssen, dann in linker
Hüfte. Kein Fieber. Streck- und Gypsverbände. Linker Oberschenkel
steht in Flexionscontractur unter einem Winkel von 13-'>°, adducirt und
nach innen rotirt. Hüftgelenk absolut unbeweglich. Scheinbare Ver
ktlrzung 7 cm. Ob tuberculöse oder rheumatische Gelenkentzündung
vorlag zweifelhaft, wahrscheinlicher letztere 11. Juni 1895. nachdem
Brisement forcö vergeblich, Osteotomia subtrochanterica in gewöhn¬
licher Weise, Extensionsverband. Glatte Heilung. Nach 3’/e Wochen
Gypsverband, der nach 4 Wochen entfernt wird. Definitives Resultat
sehr gut, Gang normal, Verkürzung so gering, dass keine erhöhte
Sohle uöthig. Eine Spur von Beweglichkeit hat sich nachträglich
im Hüftgelenk wieder eingestellt.
Z. empfiehlt, bei .dieser Gelegenheit zum Messen der Ver¬
kürzungen an den unteren Extremitäten das Bandmaass zu ver¬
lassen , weil die als Anhaltspunkte benützten Knochenvorsprünge
zu viel Spielraum lassen und sieh die Haut beim Anziehen des
Maasses leicht mitverschiebt. Die Acten der Berufsgenossen¬
schaften beweisen am besten , wie grosse Differenzen sich bei
diesem Verfahren bei den verschiedenen Gutachtern ergeben. '/.
hat sieh daher verschiedene Bretter von '/*• U 2, 3 ein machen
lassen, die man unter die Sohle legt. Dabei muss man nur darauf
achten, dass das Becken nicht nach oben verschoben wird.
IV. Ueber Ruptur des M. biceps brachii mit Kranken¬
vorstellung. (Wird an anderer Stelle veröffentlicht werdeh.)
V. Ein Fall von Pyloroplastik.
56jährige Bauernfrau leidet seit 3 Jahren an Schmerzen im
Magen einige Stunden nach dem Essen und Erbrechen, das meist
Abends auftritt. Seit 5 Wochen Schmerzen intensiver und häufiger,
haben einen krampfartigen Charakter und strahlen zwischen die
Schulterblätter aus. Fast alle Nahrung wird erbrochen. Untersuchung
ergibt starke Ektasie, keinen fühlbaren Tumor. Freie H CI vorhanden.
Körpergewicht 82 Pfund. Bei der Operation am 19. X. 91 fand sich
ausser einer strangartigen Adhäsion nach der Leber zu, die nach
doppelter Unterbindung getrennt wurde, keine Verwachsung des
verengten Pylorus. Pyloroplastik in typischer Weise. Vereinigung
der Wunde in Längsrichtung in 2 Etagen mit 11 feinen Seidenähten.
Narbengewebe sehr brüchig, so dass manche Fäden durchschneiden.
Reactionslose Heilung. Vom 3. Tage an flüssige Nahrung per os,
niemals Aufstossen oder Erbrechen. Nach 18 Tagen entlassen. Pat.
wird 1 Jahr nach der Operation vorgestellt, sie hat 20 Pfund zuge¬
nommen, kann alle Speisen vertragen und hat nur bisweilen Auf-
stossen.
Das Gebiet für die beiden bei der Narbenstrictur des Pylorus
in Betracht kommenden Operationen dürfte dahin abzugrenzen sein,
dass bei geringen, leicht lösbaren Verwachsungen dos Pylorus die
1 vloroplastik, bei massigen \ erwachsungen, die schon bei äusserer
Untersuchung als Tumor imponiren, aus denen man den Pylorus
oft gar nicht mehr isoliren kann, die Gastroenterostomie zu
machen ist.
Sitzung vom 13. December 1895.
Vorsitzender: Herr Zeller.
, Steinthal zeigt einen 90g schweren Nierenstein vor,
der hei einer 34 jährigen Kranken mittelst des sogenannten Sagittal-
schmttes aus der rechten Niere entfernt wurde. Derselbe stellt eineh
vollständigen Abguss des Nierenbeckens und der Nierenkelche dar.
Die Aetiologie dieser Pyelitis calculosa ist vielleicht in einem vor
10 Jahren überstandenen TyphuB zu suchen, denn seit jener Zeit
ist die Kranke nierenleidend und bat auch im Anschluss an den
Typhus eine Coxitis durchgemacht. Wie derartige Infectionskrank-
heiten zu schweren Veränderungen in den Nieren führen können,
hat Vortragender vor nicht zu langer Zeit bei einer anderen Patientin
gesehen, die im unmittelbaren Anschluss eines Influenzaanfalles
eine jauchige Pyonephrose bekam. Vor der Operation des Nieren¬
steines wurde versucht, sich über die Beschaffenheit der linken Niere
zu orientiren. Die Cystoscopie als solche allein erscheint dabei nicht
hinreichend, denn es kann aus einem Ureter scheinbar ein klarer
Urin herauskommen und doch eine ernsthafte Erkrankung vorlicgen.
Einen in dieser Beziehung sehr instructiven Fall erlebte Vortragender
vor etwa 2 Jahren: Ein junges Mädchen fand wegen eines rechts¬
seitigen Nierentuniors Aufnahme; da zweifelsohne Nierentuberculose
vorlag, wurde mit Hilfe von Herrn Dr. Stein die Blase cystuscopirt.
Dieselbe zeigte geringfügige Veränderungen, aus dem reellen Ureter
kam ein trüber Flüssigkeitswirbel heraus, derjenige aus dem linken
Ureter erschien klar. Nun wurde die rechte Niere exstirpirt und am
nächsten Tage starb die Patientin im Collaps. Die rechte Niere war
von mehreren grösseren tuherculösen Herden durchsetzt, an Stelle
der linken Niere fand sich bei der Autopsie ein kleiner schlaffer
8ack mit etwas klarer Flüssigkeit gefüllt. Um also über die Be¬
schaffenheit einer Niere etwas Bestimmtes aussagen zu können, muss
man die Ureteren cathetrisiren und die erhaltene Flüssigkeit chemisch
und morphologisch genau untersuchen. Der Versuch mit dem neuen
Nitze'schen Apparat die Ureteren zu cathetrisiren gelang nicht
(Dr. Stein), weil die Glühlämpchen schlecht gedichtet waren und
verlöschten. Da bei der Trägerin dieser Nierensteine über den Zu¬
stand der linken Niere ein sicherer Anhaltspunkt nicht gewonnen
werden konnte, wurde von Anfang an beschlossen, bei der Operation
die rechte Niere zu erhalten. Die Operation ist dann auch gut ver¬
laufen, aber die Kranke hat bis zum heutigen Tage (17.11.96) noch
eine lumbale Nierenfistel, die klaren Urin secernirt.
Herr Stein spricht sich in der Discussion in ähnlichem Sinne
über den Werth des Ureterencathetrisirens aus und verspricht den¬
selben gelegentlich zu demonstriren.
Herr Steinthal stellt folgende 3 Patienten vor:
1. Einen 20 jährigen, jungen Mann, der nach einer abgelaufenen
Osteomyelitis der rechten Tibia in der Haut über der Tibiakante
fast in ihrer ganzen Länge ein chronisches Ekzem und speciell
über der Tuberositas tibiae ein ausgedehntes Ulcus zeigte. Nach
Exstirpation der ekzematösen Haut und Ablösung der Wundränder
von der Unterlage Hess sich in den unteren zwei Dritteln der Defect
linear vereinigen, zur Deckung des Defectes im obeien Drittel über
der Tuberositas tibiae war eine zweimalige plastische Lappenver¬
schiebung nöthig. Interessant ist, dass einer dieser Lappen bei
der Operation in eine tiefe Knochenhöhle des Tihiakopfes hinein¬
geschlagen werden musste, aber im Verlauf der Wundheilnng all¬
mählich herausgehoben wurde und jetzt auf neugebildetem Knochen
mehr im Niveau liegt.
2. Einen 38 jährigen Zimmermann, der nach einer subentanen
Fractur der VI. rechten Rippe ein schweres Empyem bekam. Die
Lunge war augenscheinlich verletzt worden (blutiger Auswurf).
Nach 2 ausgedehnten Rippenresectionen, wobei ein Eiterherd in der
Lunge eröffuet werden musste, ist die Ausheilung eingetreten.
3. Eine 51 jährige Patientin, die schon anderweitig wegen eines
Pleuraempyemes operirt worden ist, aber seit Jahren an einer stark
secernirenden Fistel in der Operationsnarbe leidet. Dieselbe wurde
wieder aufgetrennt und von den benachbarten Rippen grössere
Stücke resecirt. Da aber die Lunge an dieser Stelle mit einer
derben, dicken Schwarte bedeckt war, welche jede Annäherung der
darunter liegenden Lunge an die Thoraxwand auszuschliessen schien,
wurde auch diese Schwarte weggenommen. Es ist dann auch Heilung
eingetreten.
Herr Steinthal berichtet über die 0 ]>erative Behandlung
der Rückwärtslagerung der Gebärmutter in ihren verschiedenen
Methoden und aus welchen Gründen er die von Kocher auf's
Neue inaugnrirtc Alqnie -Alexander’sehe Operation auf-
genomuien hat. Zur Beurthcilung des Werthes dieser Operation
liegen ihm 15 eigene Beobachtungen vor. Tn 12 Fällen wurde
wegen reiner Kotroflcxio utcri mobilis operirt, in 3 Fällen diente
die Operation als Hilfsoperation bei schweren Prolapsen. Von
den 12 ersten Fällen sind 3 zu jungen Datums, um zur Beur-
theilung der Erfolge herangezogen zu werden, obgleich 2 einen
sicheren Erfolg versprechen. Von den 9 übrig bleibenden sind
zwei reoidivirt, bei einem Fall — es war der dritte in der
Reihe — wurden die Ligamente nicht gefunden, desshalb wurde
nach Dührssen operirt, aber auch ohne Erfolg, somit sind von
9 + 3 Fällen 6-f 2 als gelungen zu bezeichnen. Von den 3
Prolapsfällen sind 2 gelungen, bei dem einen wurde ausser der
Amputation der Vaginalportion nur die vordere Kolporrhaphie
gemacht; ein Fall ist im Regriff zu recidiviren, bei ihm wurden
sehr ausgedehnte Kolporrhaphion vorgenommen, aber der schwere
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■
21. April 1896.
in toto vergrösserto Uterus liegt wieder im q,.i 1Q ; i •
Verkürzung der tig. mtundf i" w„“ “hte o"®",®' Di °
gelingt oft überraschend schnell, das Band zu hnden 7 i“
muss man länger suchen und nndeu. dann wieder
Patientin. Vorbedingung für ein rns 4 > manc ^ Uil1 an derselben
ausgebildete äussere Oeffnung des Lettenti“ CU Uh t* T
kann auch der N. ileoinguinalis gewähren V v Anhaltsp «‘> l <t
zioL vorläufig au, be.too Catgut bjfirt/ zu ve,werS"1? S Sf
worm, das mellt einheilt. Tadellose p r ;, nn wi rttn 1 f t 8l| k-
sehr selten beobachtet, es stösst sich sehr oft etwa" "T' 0 " ? Ur
Gewebe ab (wahrscheinlich von den eingenähten T i«m nckrot,sc ' lea
berrührend). tu, AWinen Z ZTJZ IToTt“
für ZTSZJTJfl ÄS
oder mit kleiucn gyplUologM™ Kto^''ertlteT l''Tf‘
empfehlen die Operation. Jedenfalls foX„ Ä, "t' 1 '
fahrungen zu weiteren Versuchen auf. bisherigen Er-
He" WrttlStfT ‘ 6Chni8Chen Einz elheiten der Operation.
sie für unphysiologisch hält; 6 ntehTd?e rund), "w 1 ge “ acht ' weil er
den Uterus in seiner normalen Laged“"^ rb ? lnder halten
mit elastischen Fasern ausgestattfte PeÄ d ' e Va S lna un d das
seine Habilitationsschrift (sInkunf und VorfalT'd^r^K rt dabei
und bezeichnet 0 1 s h a u s e n ’s Operation J' d ? ?® bilrmu «er)
weil nach Verlöthung des Fundus utlrf roo d . phy8lolo « 18ch e8te,
Ueberzuges mit dem Peritoneum der vorderen Bauchw« pe , nto T n I ealen
je nach dem Füllungsgrade der Blasft mU ^ Ba . ucbwand der Uterus
Peritoneum der vorderen Bauchwa^d reso de^ Tr angaheft <**n
auf der Blase auf- und absteigen kann P ' n! T Umschlagsstelle
aus den Uterus auf dto hintere Blasendnd aSgfnlht. ** Schdde
des Uterus durch ^ieVagina'^und^das'p^-i <la8S di ° normale Lago
•her diese taufficiSt’S tta“»Ä.“"' 1 H ‘°
«eo Beweist UicbeuevperimÄ dt
‘ÜTIrt A Pta " di ^
Sarkome o^nrt, 8 *«*• O-
M^(^gRME DICmi 8CHE ffQC HKHamntwp
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien.
18. April 1896.
--» ju. iipui 1030.
durch Ta^Hei^om 110 Genesun g s ‘ Anzei gen. — Der Tod
bak-Jubiläum. Eine Zeitun gspoIemik. — Chro-
Wien ° r Ma6istote "”*» «• prak-
zeigepfliohtigen T„E T >> > ' ,unmehr in J^cm Falle einer an-
-ndern aX al, h" lf ^ nUr die Erkrankung,
eine Uebersiedhum l t , d,e G e n e 8 u " « (resp. das Ableben,
sich hiebei der bei der ;, P,ta ! sabgabe ) «»vorzüglich anzuzcigen und
amt) zu behebenden ^ Fn Anzcigeste e («tadtphysikat oder Bezirks-
-ularien enthalten a au bedie "<^ J) ie neuen For-
Krankheits-Anzeiee^ den blshen « en Rubriken für die
zweiten Theile — die R^h ‘L- atrf e,n e ni leicbt abtrennbaren
u nd wird bei der T)inl »K • en - Ör dl ° Krankheits-Abincldüng
< 0 b -H fiSTur ? 1 ' lüch dic A " gab * gefordert!
Anzeigen^, , BeZUgS(ple,le desselben V,
Cholera asiatica Ch no t fr®",, folgendo Infectionskrankheiten:
lach, Masern Än V ’ ^T. jeder Art > »btton, Schar-
Rothlauf jeder Art ’p f«’,. Dipthcne lnci - Group, Ruhr,
Meningitis, Lyssa MiUr lfiel ^! r .' Influe "za, Cerebrospinal
Morbus miliaris f’soW • « ^ ^ otz ' Tnchinosis , Parotitis epidemica
ge ^dert, Z E er) Tn, UUd alIe ™^ns wird auch
kra “kter Thiere herrtihrL Schweineseuche (Schweinepest) er-
fort der Behörde z„r 7 ^“ kle, f cL e zurückzuführen sind, so-
° ffen ; dass ich in Vcrle^bT k-f ^ Werden * ‘ Ich gestel ‘e
erwähnter Art unterkäme 1 ^ e ’ W ° nn mir ei " Fall letzt¬
weiche mich stricte veranl d 1Ch die Symptome nicht kenne,
“aeb Genuss von Schweinefle^T i' VÜrden ’ Cluen Erkrankungsfall
genossene Fleisch von einet 1 7 , z «^ckzuführen, dass das
von einem derart erkrankten Thiere herrühre.
neuesten Auftrag unseres durch den obigen
heb unentgeltlichen Schreibgeschäften ^ Z?^ ren ’ «elbstvcrständ-
lediglieh ein öffentliches Intern ^U'd'chtet werden, welche
Anzeige der Genesung resp des Abi Durch die Artige
werden die städtischen SanitätsorJ t ®' neS S0,chen Franken
»'« tSr;; *» s “» 8 »«zt,
emzuleiten, wodurch allein •* Y° Ln “ n g und Utensilien
heitskeimc verhütet wird Der JZ 7 ' f breitung der Krank-
mit an der Wahrung der öffentlich ArZt afbeitet demnach
besoldet und, was noch „f r t G “ Undheit8p flege - „ n .
Schaden. Gibt cs „ooli einen zweiten Stand eigenen
m.t vollster Erkenntnis der Sachlage dt w’ ^ ^ 8C ' bst Qnd
untergräbt? Ich glaube nicht 10 Wur zeln semer Existenz
wohl von der ganzen menschlichen Geseliehaft ^
en entepreehend gewürdigt zuterdt' ^
veröffentlicht in der -< Wiener klin tvod ^ , Wie " er Heilß erums,
Aufsatz: «Bemerkungen zu dem Fall lens f br | s emo " längeren
Kindes nach einer präventiven r /°“ plötzIi « hc »> Tode eines
serum.» Er . V °" Bcb ”»g ' 8 Heil-
Presse» erschienenen, anonymen Artikel 6 " 16 " m , der * M °rgen-
medicinischen Fachmannes», in wdchen dcT R h , ervorragcnde ".
» * «erümtkerzpie t ^'1*"
‘Schleier, , n welchen sich der .hervor,—f Ct . dabc i den
mann » gehüllt Int i i v-g^de modicinisohe Facli-
Behring“ Hi± L -t Wischen Gegner des
Wochenschrift ** ** Leser dcr
d ü^n. Er meint also"danait ^
Pal tauf bespricht den Fall Langerhans unH SC t C ’
traurig das Ereigniss ist. m„l i j g rllJns und sagt: So
80 beklagenswerth erscheint es ‘ da^rS? l''’ 6 ^
«eher üeberlegung eine kritiklose, öffentl ch” SlhSr*
wird, welche nur Ueberoihmr „„ i '“ c Mittheilung gemacht
»Wdigzn kzm,. Der iklLr. lz “ b “' !er Sch ” CT2 c "‘-
dem wissenschaftlich Denkenden fremd ^Fs^Jh, Pr0pter . boe ” ist
Tlmtsache, die von der < Gif St , ^ an ? b n,cht eine
Serums in diesem Sinne zeugte Fin 1 *r antl ; d,p btheritisehen
“„f — ÄS
v ollkoininen * i 1 ^ ^ selten.
rsot ss sss
ipSsSSs
regung, eines abnormen Reizes etc stellt das Ufr» •
dividuen plötzlich seine ThätigkeU ein L "
TodeÄtii iS i es fü y jeden EaH, ohne Obduction den
Jodesfall auf das ' Seru,l ‘ als directe Todesursache zu. beziehen-
denn eine solche acut einsetzende, letale Wirkung des Serums
gibt cs nicht; es ist überhaupt nicht ein Fall constatirt in
hättet “ Che Ab ' auf dcr Erkrankung auf das Serum
hatte bezogen werden können; diese That.sache wurde vergangenes
geändert. Intern,8tent ‘ 0,,grc8s «onstatirt und hat sich seitdem nicht
der vm, a 6 t ins Uf 1>0hmi * irt Soda ' ,n S e gcn den Anonymus hinsichtlich
A földi a TT n, ° U U ° V0, ‘ Moizard ' Guinon und
b^Ii!ht vorliel K Tr kei,1Cn ' dfcwr FäUe «». Seetions-
wXl!. aT’ noc l h . sclei ‘ Untersuchungen vorgenommen worden,
hätten 6 AbWCSenhe,t e,1,er andera > Erkrankung ausgeschlossen
In den Pal tauf zugekommenen Zählkarten finden sich unter
248 Immumsirungen 17 Erkrankungen oder 6,85 Proe. und zwar
4 Anginen, 9 leichtere Diphtherien, 4 mittelschwere — summt-
liehe sind genesen; 8 erkrankten innerhalb der ersten zwei Tage
post injectioncm, 9 zwischen dem ] 0. und 53. Tage.- Dauernde schüd
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No. 16.
386
MÜNCHENER MEDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
liehe Folgen oder der Tod als Folge dieser Impfungen wurden nicht
beobachtet. Hingegen sei die Sterblichkeit von 30 — 40 Proc.
durch die Anwendung des Serums auf ca. 14 Proc. und bei
frühzeitiger Anwendung noch weiter herabgedrückt worden.
Indem Pal tauf diese günstigen Erfolge des Heilserums durch
weitere Ziffern belegt, schliesst er mit folgenden Worten: '«An¬
gesichts dieser Ziffern, welche von einer doch hervorragend günstigen
Beeinflussung der Diphtherie durch das antitoxische Serum Zeugniss
geben, erscheint es unverantwortlich, wenn ohne jegliche Begründung
nur durch oberflächliche Deutung eines aller Wahrscheinlichkeit nach
mit der Serumtherapie gar nicht in Beziehung stehenden Todesfalles
das Wirken des Arztes unmöglich gemacht, durch eine umnotivirte
Beängstigung des Publicums erschwert, vielleicht sogar gehemmt
wird, zum Schaden des Patienten, zum Schmerze der Angehörigen. >■
Und nun zu etwas Erfreulicherem. Hofrath Prof. Uhrobak,
der Vorstand der II. geburtshilflich - gynäkologischen Universitäts¬
klinik, feierte Anfangs dieser Woche das .Jubiläum seiner 25jährigen
Thätigkeit als akademischer Lehrer an unserer Universität. Leo¬
pold in Dresden, Martin in Berlin, Mars in Krakau, Post¬
horn in Prag u. m. A. waren aus der Ferne herbeigeeilt , um
in Verbindung mit Chrobak’s Schülern und Freunden in Wien
dessen Verdienste um die Wissenschaft und erfolgreiche Thätigkeit
als Lehrer durch Ansprachen, Uebcrreichung eines Albums etc.
zu würdigen. Chrobak ist jetzt 50 Jahre alt und es ist wohl
erwähnenswerth, dass er, wenn dieser Ausdruck gestattet ist,
eigentlich Autodidakt ist. Kr war nämlich niemals Assistent an
einer geburtshilflich-gynäkologischen Klinik, sondern bloss 2 -Jahre
lang, wie in seiner Biographie zu lesen ist, Hospitant bei
Oppolzer, einem Internisten. Man sieht demnach, dass man
es bei hoher Begabung und grossem Fleisse auch in der alten
Welt als Self-made man sehr weit bringen kann.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadömie de Mädecine.
Sitzung vom 31. März 1890.
Ueber die Ursprungsquellen der Lungenphthise in der
Armee.
Obwohl die Tuberculösen beim ersten Verdachte ihrer Erkrankung
aus dem Heere entfernt, ihre Kleidungs- und Bettstücke der Des-
infection mit gespanntem Dampf unterzogen, die Kasernen methodisch
und zeitweise desinficirt, die Spnta unschädlich gemacht werden, wie
überhaupt nichts unterlassen wird, um die Ausbreitung der Endemie
zu verhindern, so fordert sie doch von Jahr zu Jahr mehr Opfer in
der französischen ebenso wie in den anderen Armeen. Durch die
ausschliessliche Verbreitung der Bacterien mit dem Staub lässt sich
dies nicht erklären; Kelsch hat daher die Ueberzeugung, dass
man in die Armee eben bo oft schon mit tuberculöser Erkrankung
eintritt als man sie dort acquirirt. In ersterem Falle handelt es
sich um die Träger der latenten Tuberculose, welche in Drüsen¬
oder verborgenen Knochenherden, in zerstreuten Einzelknötchen der
Lunge oder eines anderen Organes besteht. Selbst vereinbar mit
einer kräftigen ConBtitution und blühender Gesundheit, können eines
Tages diese Herde bei irgend welcher Störung des Allgemeinbefindens
durch Autoinfection eine Pleuritis, chronische Bronchitis, Phthisis
und Miliartuberculose erzeugen. Der Umstand, dass diese verborgenen
Schäden in 33 Proc. aller nicht an Tuberculose Verstorbenen bei
der Section gefunden werden, führt zu der Annahme, dass diese
Herde in der Pathogenese der Tuberculose ebenso zu fürchten sind,
wie die Einathmung oder directe Ingestion des Giftes. Die oft be¬
trächtliche Ausdehnung, wie sie diese Neoplasmen der latenten Tuber¬
culose zeigen, und ihre fibrös-käsige oder kalkartige Structur deuten
auf einen frühzeitigen Ursprung, wahrscheinlich der ersten Lebens¬
jahre, hin. Ebenso wie bei den Erwachsenen, und an den gleichen
ßtellen, findet man an den Leichen von an den verschiedensten
Krankheiten gestorbenen Kindern tuberculöse Herde, zuweilen noch
in der Periode frischen Wachsthums, meist aber schon eingekapselt.
Wie bei der Syphilis oft nach sehr heftigen Primärerscheinungen
viele Jahre vergehen, bis das Virus wieder erwacht, so muss man
auch für das tuberculöse Gift annehmen, dass es in den genannten
scheinbar ausgelöschten Herden schlummert, um nach 20 und 25
Jahren eine Autoinfection wieder zu bewirken. K. steht nicht an,
der directen Uebertragung von Mutter oder Vater auf das Kind, also
der Heredität der Krankheit selbst, eine Hauptrolle zuzu-
sebreiben und will dies besonders mit den Praedilectionsstellen der
congenitalen Tuberculose, den Lymphdrüsen und den Knochen be¬
gründen, welche Organe so häufig bei den Kindern erkrankt sind,
während diese Localisationen mit der Hypothese einer extra-uterinen
Infection schwer zu vereinbaren wären. Wie dem auch sei, der
Moment, wo die Tuberculose bei dem inficirten Kinde ausbricht,
hängt von der Menge und Stärke des Giftes und der Widerstands¬
kraft der Gewebe ab und so kann es nur zu einer in der Tiefe des
Organismus verborgenen Tuberculose kommen. Das Wiederauf¬
flackern dieser Herde und die Ausbreitung der Keime, welche sie
einschliessen, werden verursacht oder begünstigt durch fieberhafte
oder Eiter bildende Krankheiten und durch hygienisch ungünstige
Verhältnisse. Besonders in der Armee bängt die Häufigkeit der
Tuberculose vielmehr von dem Wechsel der pathologischen oder
professionellen Verhältnisse ab als von der Ansteckungsmöglichkeit.
Während die Phthise die Hauptkrankheit der Kriegsgefangenen ist,
stellen die Lazarethgehilfen, entgegen der Contagionstheorie, die
geringste Zahl unter den Tuberculösen der französischen Armee,
mehr als zweimal so wenig als z. B. die Genietruppen. Solche
Thatsachen sind geeignet, noch mehr die durch tägliche Beobach¬
tung gewonnene Ansicht zu befestigen, dass der Mensch sehr oft
selbst den Krankheitskeim liefert und nicht die Kaserne oder das
Krankenhaus.
Medicamentöse Prophylaxe der Malaria.
Nachdem La borde schon früher empfohlen hatte, die Truppen
u. s. w. in den Malariagegenden in propbylactischer Weise täglich
Chinin nehmen zu lassen, hält esLaveran für unbestreitbar, dass
die Präventivtherapie zwar nicht immer den Ausbruch des Wechsel¬
fiebers verhindere, aber jedenfalls pernieiöse Fälle ganz unterdrückt
und die Zahl der leichten beträchtlich vermindert. Gibt man das
Chinin während der Mahlzeit, so ist keine Gefahr für den Ver¬
dauungscanal vorhanden, wie tägliche Dosen von 10 cg 3 Monat lang
ohne irgend welche Störung zahlreichen Soldaten von C6sari und
Cornebois gegeben wurden. Auch eine Gewöhnung an das Mittel
ist nicht möglich, da dasselbe nicht auf den Organismus, sondern
direct auf den Parasiten einwirkt, dem Blute bacterientödtende
Eigenschaft verleiht. Die Kosten wäre der einzige Einwurf, wenn
sie nicht durch die verminderte Zahl der Kranken mehr als reich¬
ausgeglichen würden. Wichtig ist für die Präventivtherapie die
richtige Dosis: täglich 15—20 cg in Ländern, wo die Malaria gut¬
artig, und 20—30 cg in jenen, wo pernieiöse Fälle Vorkommen, oder
man kann auch alle 2 Tage 40—60cg geben, da das Chinin in
36 Stunden circa ausgeschieden wird.
Vallin weist auf die Gefahr hin, weisse Truppen in Tropen-
ländem Erdarbeiten machen zu lassen und hält für die nothwendige
Dosis 30—40 cg des schwefelsaueren Salzes. Während des Feldzugs
in Dahomey im Jahre lc93 wurden folgende Thatsachen festgestellt,
welche nahezu die Beweiskraft eines Experimentes haben. Die
Truppe bestand aus 2 Compagnieen, von welchen die eine 8 Monate
in der allerungesundesten Gegend verblieb; im ersten Monate war
die mitgeführte Chininmenge ungenügend und man gab das Mittel
blos iin Falle wirklicher Erkrankung; man erlebte dia eine Anzahl
pernieiöser Fälle und Folgeerkrankungen. Während der 7 übrigen
Monate vertheilte man das Chinin an alle Leute in prophylactischer
Weise und man beobachtete keinen bösartigen Fall mehr. Die andere
Compagnie, welche eine weit gesündere Gegend besetzt hielt, nahm
kein Chinin zur Prophylaxe uud wurde durch pernieiöse Fälle stark
decimirt.
Colin findet keinen Unterschied in der Wirkungsweise der
verschiedenen Chininsalze, wie La borde meinte, und hält das
Sulfat für das beständigste; er hebt die Schwierigkeiten hervor,
welche für die Präventivtherapie in der Ueberwachung eines grossen
Expeditionscorps (20—2ö,00l> Mann, welche in Madagascar eine Aus¬
dehnung von 300 km annahmen) von Seite der Aerzte liegen. Durch
die Gruppirung in kleinere Truppenkörper waren die Einzelnen fast
völlig sich selbst überlassen und es war schwierig, die Einnahme
oder Wirkung des Mittels zu schätzen, zumal auch die einzelnen
Aerzte je nach den sehr wechselnden Beobachtungsbedingungen ein
verschiedenes Urtheil fällen dürften.
Sitzung vom 7. April 1896.
Behandlung des Gebärmutterkrebses mit Calciumcarbid.
Guinard macht eine vorläufige Mittheilung über die Anwen¬
dung dieses Mittels, mit welchem er seit 3 Monaten bei Carcinom
der Scheide und des Mutterhalses sehr gute Resultate erzielte, ohne
dieselben definitive nennen zu wollen. Er führt ein Stück des Kalk¬
salzes von der Grösse einer kleinen Nuss ca. direct in die Vagina ein,
um das Mittel mit der Neubildung in unmittelbare Berührung zu
bringen. Die Scheide wird sodann mit Jodoformgaze ausgestopft,
um das Acetylen, welches neben Calciumoxyd aus dem Calcium¬
carbid entsteht, in ständigem Contact mit der Geschwulst zu halten;
die 3—4 folgenden Stunden spürt die Kranke noch ein leichtes
Brennen, welches dann von selbst vergeht. Nach 4 Tagen werden
der Tampon und die übrigen, nicht zersetzten Theilchen des Mittels
möglichst entfernt und eine Ausspülung mit 0,1 Proc. Sublimat ge¬
macht. Die schwersten Symptome des Gebärmutterscheidenkrebses
werden auf diesem Wege erfolgreich bekämpft: Blutungen, Aus¬
fluss und Schmerzen; erstere hören nach der ersten Anwendung des
Mittels auf, die Neubildungen trocknen ein und fallen ah, eine glatte,
gleichmiis8ig graue Oberfläche zurücklassend. Den blutstillenden Ein¬
fluss hat das Acetylengas, während die caustische Wirkung des
Calciums durch die Vaginalabsonderungen bald verringert wird.
Das Wechselfieber auf Madagascar.
Nach der Arbeit von Vincent und Burot ist das Charakte¬
ristische der Malaria auf Madagascar, dass die ersten Symptome sich
21- April 1896-
sehr rasch einstellen, die Kranken
deliriren und so zuweilen wahre Selbstmnld ca . c|lektiscb werden,
oft.combm.rt sich Dysenterie mit dem W^S3?l ,nieeB auftre ^n;
sonst bezüglich Ursache und Verlauf wie I^ 8 ^ eber , welches sich
hält Während im Innern ond a^d?SüdS i“ Tro P® n ver
gewohnten Beschäftigung nachgeh en^kann“*** der Eur ?Päer seiner
übrigen Küstenstrichen völlig des Tnndi«’ 8 ,® p s,ch an den
Handel und Beaufsichtigung der Eingebd«2S , ShSftC d 8^ ,,,
Aus italienischen medicinischen Gesellschaften
Accademia medica di Roma.
Sitzung vom 22. März 189«.
Präsident: Toscani.
schen^KnopS P in k einÄue von^tm^ctiom? Murphy ”
gangränöse Darmsch fingeTesecir^nd^TX** Hernie operirt,*^
Murphy sehen Knopf vereinigt. Glatter Heil» armstüm P fe durch den
gmg der Murph/sche Knöpftper1^u£ .t ^T Wlant Am 19 Tage
förmigen Mucosa-Fragmenten. die zwShX T T? kleinea ri 4
Knopfes abgefallen waren. PostZni“ d.e beiden Theile des
Fällen den Murphy sehen Knopf als eine' ! n ähnlichen
-führende gute Vereinigung dg ^ZenD^s^ **** aU8 ‘
Societä Lancisiana degli Ospedali di Roma.
Sitzung vom 21. März 1896.
Präsident: Marchiafava.
Dystokie i^Folge^on^elauSr^oT 1 b ? obachtete Fälle von
Nabelschnur (bis 40 cm) be ?ZZ ° der ? bsoluter Kürze der
erörtert, wie schwer dieses nach seinerX“ " Verhältn issen und
- wenig beachtete aetiologische Moment VOn , den Autoren
mechamsmus zu behindern geeignet ist 1 d ge milssigen Geburts-
Leyden'schen ^sthmmKrysSle'“aSt IX X Bedeutun g der
die Entstehung derselben vondem asfhm »• T* behau P tet . dass
mi fi g -£ 8ei) wohl aber ihre Form uJd' che “ A ^ a » ganz un-
modificirt werden. Die KWcfoin. • j U ? d . Grösee durch den Anfall
wfh hma . 8t f te ^^ K 7CtCL b inT H chr T 8cben Bronchial¬
während des Asthma-Anfalls findltXpi d ® chwer aufzufinden;
«l De a rt y’ erreibun g des katarrhalischen £° g6 f d f ? ronchi aIstenose
also durch Contact setzen «;M, m ? , S ? crets statt und hierdurch
D-eser Vorgang lässt si hnachVon, 'S* 0 **.**J*M» zusammen:
fsen. Wenn man nämlich Snjfum ZT ex P erimen tell nach-
Anfall entnommen wurde, längere V ° r e ! nem Asthma-
£ e,b ' so erhält man Präparate fischen zwei Gläsern ver-
Sputums ganz ähnlich sind ’ h ® deuen des asthmatischen
WOCHENSCHRI FT
“ &»&’***■ W
Genf, l. Septemberwoche 1896.
Gynäkologie. Progl ' a,n,H -
2.’ DDr - Bouniy -
Heferenten: DD, KüXfn
gegen 1 Aby(^ r ggg dl £ 8 e d ®^ B ^ acbb dhle fcüetet die meiste Garantie
^^Ge l^ BaD1 ° ° k ' L °a d °n?^^ t To > rre - Ron^ Grenten ’ '
F^n llgerU ^ J R r ^ d ^ lb, äudern^1ind* l Gegendeif 0r R e f d ° r Becken -
£.ir„ K,ew ' ^l**>o G Si;" r s en k ,f^)' u t:
M Ä ,. s , ,, ,.M.i,„ d .p a 4'‘ P r r :Äj s
Verschiedenes.
^lii 0 b^ a< ohlu ss**an^efife n' 8 yon ^ rankbe ^ (Palmar-
V. F e ing?r and i S Ä nn; 1887 war ’ d S RinX^flSirt 86 ^ 8 1 er
der Elektrotherapie. gönstige Beeinflussung des Leidens von
Füssen^PX 8 ^ 8 * 1 Krankheit* 8 die^oft'hp'H^^ 11 ^ 6 Vorkomme n der
hi dem beobacht et werde Nicht LX , beiders | lt, g und auch an den
“?£Ss~5taSs ss
*saa«säg8@£Hä
G e r o n z i beriobw am Zeigefinger an.
*■ • e “ en FaU von Hemiatrophia
Herzleiden » Grunde
kopiach n^!”. 8 der selben 8eite JLeirt n-X 18 on8 > der uvula und
eine nnfF«u_l V- Die mikroskowS'war makros
Verderben zu behüten und s2 We JahX G “ mD V 8 achen vor dem
ist das Einlegen derselben in 8 e ine zu erha| ten,
Gummischläuche, Drainageröhren kurz^nH f n V, ge Carb oHösung.
Gumm, in eine solche Lösung’eint''X gUt a11 ® 8 ’ w as man von
zehnjährigem Einliegen in einer dS, *?•’ s,nd nach “ehr als
eine schwächere oder stärkere cJhZP tlß * n Cirb ollösung -
thun - vollständig gut^ Jebrauchifc Ä es 8 ewi88 a uch
die Sachen n cht braucht nimm. “ . ? geblieben. Wenn man
- .le i^Ä™ b JSr n S e,leld !‘^'«Z«I>»äÄ
-ind hi„™ .» besten geeigu^'^^XTSX“
Therapeutische Notizen.
^brauchlj^^
. & frsrÄr*
V>uueiu u.l— v T,v ITjiii« ~ l j ^ */2—I er mit
sagten, hat t/ mit Erfolg von de°r Herhaf ?J ltte, ri b ®* Migräne vfc
Er gibt dieselbe in Form des Vinum^v " ; % G ® bra “ ch gemacht.
im eh,Sch» n "Äe3l e h h,t ^, i“““uteu Stadiu», ™
S«jä ssaSlfÄts auf
terung der subjectiven Beschwerden. ** ^ lmmer ba ldige Erleich-
.ntie^lS.eT.'f'^'r^rf.“, ff •■•Pti.eh.. und
Hüls -Berlin in No 11 und 12 I8q^ 6 ^ La u d P ra xis entwickelt
Nuf der Merkwürdigkeit halber’ se^hier ein 11 !^^ 1 '- . M j nat8hefte '
wiedergegeben: «Die 5 nroo Forhnioa^ em Abscbn,tt der Arbeit
Stande, eine Wundeiterunz und X, n UrC Wa L r also in der Tb »t im
sah ich denn in der Folg 8 so häufig daf 81 ^ ber zu beseitigen. Das
stehen konnte. Dennoch lalte iS mir k ZT kein Zweifel b e-
i anwenden, um LifectionsstoSb von der Wunde fern“ zu^haltn 6 MüHe
ich sie dort sicher vernichten kann? Die dneb h u T*' Wenn
beugenden Massnahmen, Desinfection der »SS beibehaIte uen vor-
•ÄÄtar do ' h *'■ - o-o.
* Kr.
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Tagesgeschichtliche Notizen.
■neben 21 Aprü. Die Discussion über den Gesetzentwurf
Vereinen fn 8 ^ 6 et f’ be ^ nnt ^ auch 'lh' den
vereinen jn FIobs zu kommen. Dabei Var voraim-
•uuui/UCU) 41
also namentlich emige Berliner -Vereine, auf dii StandpuSte
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388
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
verharren würden; so haben denn auch die Standesvereine der
Königstadt und der Friedrichstadt beschlossen, den Gesetzentwurf
abzulehnen; der Standesverein der Rosenthaler und Schönhauser
Vorstadt haben sich im Princip gegen die staatliche Ehren¬
gerichtsbarkeit erklärt. Der Vorstand der Aerztekammer für Berlin-
Brandenburg verlangt, dass in dem Gesetzentwurf unzweideutig
ausgesprochen werden soll, dass der Arzt nur in Hinsicht auf
sein Verhalten in der Ausübung des Berufes den Ehren¬
gerichten unterstehen soll, nicht aber, wie der Regierungsentwurf
will, auch in Hinsicht auf sein Verhalten ausserhalb der Berufs¬
übung. Dieser letztere Punkt des Entwurfs ruft überhaupt am
meisten Widerspruch hervor. Auf ihn gründen sich die Besorgnisse,
die Ehrengerichte könnten auch an der politischen Bethätigung
eines Arztes Anstoss nehmen. Das unglückliche Wort vom « Gift
der Socialdemokratie» muss dabei stets zur Begründung dieser Be¬
fürchtungen herhalten. Wir meinen, dass es nicht schwer sein
könnte eine Fassung zu finden, welche solche Befürchtungen mit
Sicherheit ausschliessen würde, während sie doch die Möglichkeit
zuliesse, ehrenrühriges Verhalten auch ausserhalb des Berufes zu
ahnden. Eine ebenfalls und mit Recht mehrfach beanstandete Bestim¬
mung ist die des § 40 des Entwurfs, wonach nicht nur dem Ange¬
schuldigten, sondern auch dem Vertreter der Anklage, d. i. also dem
Beauftragten des Oberpräsidenten, gegen die Entscheidung des
Ehrengerichtes die Berufung an die höhere Instanz des Ehrengerichts¬
hofes freistehen soll. Da in letzterem die von der Regierung be¬
stimmten Mitglieder bekanntlich die Mehrheit haben, so wäre die
Regierung in der Lage, die ehrengerichtlichen Entscheidungen jeder¬
zeit nach ihrem Wunsche zu gestalten. Das entpricht nicht dem
ärztlichen Interesse
In unserer vorliegenden Nummer bespricht den Entwurf vom
bayerischen Standpunkte aus Herr Hofrath Brauser; seine Aus¬
führungen werden als die eines begeisterten und unentwegten
Kämpfers für die Wohlfahrt des ärztlichen Standes auch ausserhalb
Bayerns mit Interesse gelesen werden.
— Der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standes¬
vereine richtet an die Vereine das Ersuchen, folgendes Formular
drucken zu lassen und allen ihren Mitgliedern in genügender Zahl
zugänglich zu machen: «Da der Geschäftsausschuss der Berliner
ärztlichen Standesvereine das Honorar für die Ausstellung eines
hausärztlichen Attestes vom 1. Januar 1896 ab auf mindestens 10 Mk.
normirt hat, so bedaure ich dem Ersuchen der verehrlicheu Direction
ohne Erfüllung obiger Voraussetzung nicht entsprechen zu können.»
— Für die Zulassung von Frauen zu den Vorlesungen
der Berliner Universität sind folgende Bestimmungen ge¬
troffen worden: Frauen, die an den Universitätsvorlesungen als
Gastzuhörerinnen theilnehmen wollen, haben zunächst die Er¬
laubnis des Unterrichtsministers nachzusuchen. In der
Eingabe sind die wissenschaftlichen Fächer zu bezeichnen, über
welche Vorlesungen zu hören beabsichtigt wird, auch sind über die
Vorbildung und die persönlichen Verhältnisse Mittheiluugen zu
machen. Nach Prüfung der Zeugnisse und Ausstellung des Er¬
laubnissscheines durch den Rector ist die Einwilligung der
Professoren und Docenten, deren Vorlesungen zu "hören
gewünscht werden, ein zu holen. Anmeldungsbücher werden
nur den Frauen ausg eh ändigt, die sic häuf ei ne Prüfung
vorbereiten und zu dieser einen Nachweis über die gehörten
Vorlesungen zu führen haben. Die Ausstellung eines Rectorats-
erlaubnissscheins ist in jedem Halbjahre nachzusuchen. Ohne
weiteres steht Niemandem der Zutritt zu den Universitätsvor¬
lesungen — auch nicht den öffentlichen — frei. Da von Zeit zu
Zeit eine Controle über die Berechtigung der Hörer erforderlich
ist, wird empfohlen, den Rectoratserlaubnissschein beim Besuch der
Vorlesungen stets bei sich zu führen.
— Die Vorbereitungen für die Sitzungen der Abtheilung 13:
Innere Medicin und Pharmakologie bei der 68. Naturforscher-Ver¬
sammlung in Frankfurt a. M. haben die Herren Dr. V. Cnyrim
(Guiollettstr. 6) und Dr. Günzburg (Gärtnerweg 6) übernommen.
Vorträge und Demonstrationen wollen bis Ende Mai bei dem Erst¬
genannten angemeldet werden.
— In der Sitzung der Hufeland'schen Gesellschaft zu Berlin
am 16. d. Mts. entwickelte Herr Vinci an chemischen Formeln
den Zusammenhang eines neuen localen Anästheticums, des Eucain,
mit dem Cocain, und theilte Untersuchungen aus der Schweigger-
schen Klinik mit, nach welchen der neue Körper weniger giftig ist
als dieses; iu der Discussion sprachen die Herren Liebreich
Mendelsohn, Langgaard. Sodann hielt Herr Saalfeld einen
Vortrag über Arsenmelanosen und stellte diesbezügliche Kranke vor.
Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
. er u K ahres 5 oche -. vo ” 29- März bis 4. April 1896, die grösste
Sterblichkeit Gera mit 35,5, die geringste Sterblichkeit Osnabrück
mit 5,7 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Bremen und Darmstadt
an Diphtherie und Croup in Dortmund.
“ Pharmaceutische Gesellschaft in Prag veranstaltet an-
k-Vr o 2 -’j ähri f? en Jubiläums ihrer Thätigkeit vom 15. August
bis 15. September d. J. eine internationale pharmaceutische Atis-
stellung im Hauptausstellungspalast im Baumgarten zu Prag. Die
Ausstellung umfasst 8 Gruppen, deren letzte «Hygiene und Kranken¬
pflege > betrifft und unter der Aegide der medicinischen Facultäten
beider Universitäten in Prag stehen wird. Die Platzmiethe beträgt
pro Quadratmeter 20 Gulden.
— An Stelle des nach Leipzig auf den Lehrstuhl für Derma¬
tologie berufenen Prof. Dr. Riehl hat Docent Dr. A. Fraenkel
die Redaction der Wiener klinischen Wochenschrift über¬
nommen.
— In Bad Reichenhall wird dem Begründer des Curorts,
Ernst Rink, im Curgarten ein Denkmal errichtet.
— Das bekannte und in der medicinischen Litteratur wegen
seiner Heilkraft vielfach gerühmte (Gerhardt, Rinecker,
Schröder-Hofmeier, Kümmell u. A.) jod- und bromhaltige
Soolbad Sodenthal b. Aschaffenburg ist in den Besitz des Privat-
docenten Dr. Hoffa in Würzburg übergegangen. Nach vollständiger
Renovation wird das Bad am 1. Mai d. Jrs. neu eröffnet werden.
Die ärztliche Leitung wird Dr. A Schanz, langjähriger Assistent
an Dr Hoffa's Privatklinik und anderen Kliniken übernehmen.
Besondere Sorgfalt wird auf gute Verpflegung der Kurgäste gelegt
werden.
(Universitätsnachrichten.) Leipzig. Professor Adolf
Winter feierte am 20. April seinen 80. Geburtstag.
Krakau. Dr. C. Kl eck i hat sich als Priv.-Doc. für allgemeine
und experimentelle Pathologie habilitirt. — St. Petersburg. Dr. N.
Shukow und Dr. A. Hamensky haben sich als Privatdocenten
für Neurologie und Psychiatrie, bezw. Pharmakologie, an der militär-
medicinischen Academie in St. Petersburg habilitirt.
(Todesfälle) In Danzig starb der Chefarzt der dortigen städti¬
schen Krankenanstalten, Dr. Wilhelm Baum, im Alter von 60 Jahren.
Er war ein Sohn des berühmten Göttinger Chirurgen und selbst ein
angesehener, auch literarisch vielfach thätiger Chirurg.
In Dresden starb der frühere Director der k. sächsischen Central-
steile für öffentliche Gesundheitspflege, Prof. Hugo Fleck.
In Paris starb der Professor der inneren Medicin, Constantin
Paul. Sein Hauptwerk war ein Lehrbuch der Diagnostik und Be¬
handlung der Herzkrankheiten.
Personalnachrichten.
Bayern.
Befördert: im activen Heere: der Unterarzt Hermann
Sy mens des 8. Inf.-Reg. zum Assistenzarzt II. Classe in diesem
Truppentheil; im Beurlaubtenstande: die Unterärzte der Reserve
Dr. Friedrich Krukenberg, Dr. Karl Buder und Dr. Georg Müller
(I. München), Dr. Leo Danzer (Amberg), Dr. Josef Schick (Nürn¬
berg), Dr. Oskar Herbert (Landshut) und Dr. Wilhelm Fahlen¬
bock (Wiirzburg) zu Assistenzärzten 2. Classe der Reserve.
Gestorben: Dr. Max Müller, prakt. Arzt in Unterammergau;
Dr. Michael Schwappach, Bezirksarzt a. D. aus Bamberg, in
Bayreuth, 85 Jahre alt; Dr. Karl Küffner, prakt. Arzt in Burg-
kundstadt Bez.-Amts Lichtenfels, 65 Jahre alt; Dr. Martin Jaster
(Aschaffenburg), Assistenzarzt 1. Classe der Landwehr 1. Aufgebots,
zu Gräfenhausen, Kreisamts Darmstadt.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 15. Jahreswoche vom 5. bis 11. April 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 13 (22*), Diphtherie, Croup
54 (36), Erysipelas 26 (21), Intermittens, Neuralgia interm. — (5),
Kindbettfieber 5 (3), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 8 (20),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 8 (4), Parotitis epidemica 15 (7),
Pneumonia crouposa 25(19), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 27 (33), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 33 (30),
Tussis convulsiva 34 (26), Typhus abdominalis 1(—), Varicellen 10(14),
Variola, Variolois — (—). Summa 259 (240). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 15. Jahreswoche vom 5. bis 11. April 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (2*), Scharlach 1 (1). Diphtherie
und Croup 7 (4), Rothlauf — (2), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (1), Brechdurchfall 6 (1), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten — (—), Croupöse Lungenentzündung 4 (2), Tuber
culose a) der Lungen 25 (22), b) der übrigen Organe 6 (1), Acuter
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 4 (3).
Unglücksfälle — (2), Selbstmord — (2), Tod durch fremde Hand — (—)•
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 177 (176), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 22,7 (22,5), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 13,7 (13,5), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 12,2 (12,4).
*j Die eingeklannnerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
VerliiR von J K. Lohmnnn in München. — Druck der K. M üh I th a ler'sehen k. Hof
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-^licVidnicker^J^
Iile Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich ln Nummern von mIndesten82V,—3 Bogen,
preis vierteljährlich 6 M ., prnenumerando zahlbar.
. Einzelne Nummer 60 -J.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adremtren: Für die Eedactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann. Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Kudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDKMISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Biumler, 0. Botllnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. t. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. v. Wlnckel, H. i. Zlemssea,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 17. 28. April 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der Universitäts-Frauenklinik zu München
Aetiologische Untersuchungen über einige sehr seltene
fötale Missbildungen 1 ).
Von F. V. WincUcl in München.
M. H.! Je eingehender man sich mit den Ursachen an¬
geborener Missbildungen beschäftigt, um so mehr gewinnt man die
Ucberzeugung, dass denselben nicht innere, sondern äussere Ver¬
anlassungen am allerhäufigsten zu Grunde liegen, dass speeicll
mechanische Momente bei ihnen eine der allerwichtigsten Rollen
spielen. Obwohl diese Auffassung schon in' den ältesten Zeiten
der Mediein wiederholt ausgesprochen wurde, hat man sie, vielleicht
als eine zu nahe liegende, oder auch als eine zu plumpe, in neuerer
Zeit mehr ignorirt und es bedurfte erst verschiedener Schriften
so hervorragender Chirurgen wie R. Volkmann und Lücke,
um zu beweisen, dass dieselben Ursachen, welche noch an dem
geborenen Rinde, ja selbst in späterer Zeit im Stande seien, Form-
veninderungen des Skeletts zu bewirken, auch während seines Ver-
weilens in der Gebärmutter denselben EfFect haben könnten, was
bekanntlich von Ambroisc Par6 gegen Ende des XVI. Jahr¬
hunderts bereits mit Abbildung eines solchen Kindes gezeigt worden
war. Die Umgebung, die Lage, die Gestalt, die Wandung der
Gebärmutter, das Verhalten des Amnions, die Quantität des Frucht¬
wassers, das Vorhandensein mehrerer Früchte im Uterus beein¬
flussen also die Gestalt des wachsenden Fötus in sehr energischer
und sehr nachhaltiger Weise und je genauer man diesen Ein¬
wirkungen nachgeht, um so sicherer erkennt man, dass manche
Monstra per defectum keineswegs auf ursprünglich mangelnder
Anlage, sondern auf Veränderung resp. Verstümmelung der vor¬
handenen Anlage beruhen, die den vorhin erwähnten Momenten
ihre Entstehung verdanken ; man findet dann, dass viele Bildungs¬
hemmungen unter eine Kategorie gehören, die auf den ersten
Blick nicht das Mindeste gemeinsam zu haben scheinen. Ihnen
für diese Thesen neue schlagende Beweise zu liefern, will ich heute
an verschiedenen Präparaten versuchen. — Als unser Herr Vor¬
sitzender vor einigen Wochen mich um einen Vortrag anging, war
ich mit der Bearbeitung der beiden in No. I und II beschriebenen
bälle beschäftigt. Wenige Tage später wurde mir das Präparat
No. HI eines sogenannten Agnathus vorgelegt, welches unserer
Sammlung bereits während der Ferien zugegangen war und bei
dem Aufsuchen des früher von C. Hecker beschriebenen und
abgebildeten Agnathus waren wir so glücklich noch ein drittes dieser
so seltenen Präparate in unserer Sammlung zu entdecken. Die
genauere Untersuchung derselben hat mir nun von den bisherigen
Anschauungen abweichende überraschende Resultate ergeben, auf
die ich Ihre Aufmerksamkeit heute hinlenken möchte.
Zuvor aber gestatten Sie noch einige Mittheilungen über das
orkommen von Missbildungen beim Menschen nach eigener Er-
pk -'l ^ ortra g gehalten in der Gesellschaft für Morphologie und
“uyiuologie in München, 7. Januar 18%.
No. 17.
falirung. In 11 Jahren fand ich unter 10 056 Neugeborenen in
Dresden 156, also 1,3 Proc. derselben mit Bildungsariomalien, in
den letzten 10 Jahren in der M U nchen e r Frauenklinik dagegen
unter 8141) Kindern J32 mit solchen, also 2,8 Proc., d. h. mehr
als doppelt so viel wie in Dresden. Natürlich sind diese Zahlen
zu klein, als dass nicht Zufälligkeiten dabei eine grosse Rolle
spielen und einige weitere Jahre die Differenzen mehr und mehr
ausgleichen könnten.
Zu den weitaus häufigsten Missbildungen des Kindes, die
angeboren sind, gehören nun bekanntlich Fussvcrbild ungen.
Nach einer englischen Statistik fanden sich unter 10,217 Fällen
von Deformitäten aller Art 703 mal angeborener pes varus, d. h.
fast 7 Proc., und zwar beider Füsse 363 mal, also 3,5 Proc.
und Pes varus des einen und Pes valgus des andern 15 mal!
So häufig habe ich dieselben nun nicht beobachtet, weder hier
(10:8149) noch in Dresden (16:10,05G) und zwar auch nur
alle 3 Fussdeformitäten, den Pes varus, valgus und equinus zu¬
sammengerechnet, also bei weitem seltener; möglich aber ist doch,
dass wir die leichteren Grade nicht immer notirt haben und sich
so der bedeutende Unterschied in der Frequenz erklärt.
Nun hat wie erwähnt schon Ambroisc Pard (Oeuvres complbtes
p. Malgaigne III, 26) ein Kind abgebildet, welches in Folge zu
starken Druckes im Mutterleibe Klumpfüsse und Klumphände
hatte und Lücke sagt in seinem trefflichen Aufsatze über den
angeborenen Klumpfuss*): Es biete keine besonderen
Schwierigkeiten, die anatomischen und physiologischen Verhältnisse
des congenitalen Klumpfusses auf eine Raumbeschränkung des
Foetus in der Gebärmutter zurückzuführen. Er hat sich
besonders auf die von ihm und R. Volkmann beschriebenen
zwei Fälle bezogen, in welchen die Kinder auf ihrem Klump-
fuss, entsprechend der höchsten Hervorragung des Os cuboideum,
ein angeborenes Hühnerauge besassen, eine starke
Epidermoidalvcrdickung, die im Unterleibe zu Stande gekommen
sein musste. Lücke nimmt an, dass dej theils constatirtc,
theils supponirte Mangel an Fruchtwasser und die
dadurch bedingte engere Umschliessung des Foetus am besten
und zwanglosesten die Verhältnisse des congenitalen Klumpfusses
erklärten. In der That sind auch in neuester Zeit Fälle dieser
Art von Missbildungen beschrieben worden, bei welchen das Frucht¬
wasser vollständig fehlte, z. B. von Krukenberg, (Archiv f.
Gynäk. 25), ferner 2 Fälle von P. Strass mann s ), in welch’
einem bei doppeltem Klumpfuss beide Nieren des Foetus fehlten,
im anderen beide cystisch degenerirt waren und sich sehr wenig
Fruchtwasser vorfand.
Lücke äusserte bereits die Ansicht, dass auch noch
andere Ursachen, welche eine Raumveränderung der Gebär¬
mutter bewirkten, im Stande seien, dieselbe Wirkung auszuüben
und dachte dabei offenbar an die Uterusmyome. Ich glaube nun
durch einen genau beobachteten Fall Ihnen die Richtigkeit dieser
Anschauung, aber nicht für Myome, sondern für den Lterus
bicornis beweisen zu können.
2 » Sltr klin Vorträge v. Volkmann. No. 16, 8.8,9.
•j Ztschrf. GebKu. Gynäk. XXVIII., 181, 1894.
Digitized by
°°g
390
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
I.
Uterus bieornis bicollis, vagina septa, linkes
Horn geschwängert, spontane Geburt des Foetus
mit doppeltem Pes varus, Placenta lange zurück-
gehalten, vergebliche Expressionsversuche; die ge¬
löste wird schliesslich manuell aus der linken Cer¬
vix entfernt.
Am 13. November 1894 wurde in die Münchener Frauenklinik
die 23jäbr. Köchin Therese S.. eine grosse, kräftige, gesunde
Person Abends b 1 /* Uhr als Parturiens aufgenommen; ’/ 2 Stunde vor
ihrer Ankunft war das Fruchtwasser bereits abgefiossen.
Als Kind hatte sie mit 1 Jahr laufen gelernt und ausser falschen
Blattern keme Kinderkrankheiten gehabt. Im 18. Jahre war ihre
erste Periode eingetreten, 4 Tage dauernd, nicht stark und seitdem
alle 4 Wochen wiedergekehrt. — Ihre letzte Menstruation hatte sie
Mitte Februar gehabt, als Tag der Conception gab sie den 9. Mürz
1894 an; die Kindesbewegung behauptete sie zuerst Mitte Juli
gefühlt zu haben und in der Schwangerschaft frei von Beschwerden
geblieben zu sein. Der Arzt du jour stellte fest, dass an den massig
grossen, breit aufsitzenden Brüsten keine Unregelmässigkeit war,
dass der Leib längsovoid erschien, der Nabel eingezogeu, die Bauch-
decken straff, die Lage des Rückens links, der kleinen Theilc rechts
und der Kopf fest in's Becken eingetreten war. .Sehr spärliche
Streifen waren in der Haut sichtbar. Der Leibesumfang und die
Beckenmaasse die mittleren. Die Herztöne waren links 12 12 ■ 12
hörbar, auch wurden Kindesbewegungen gefühlt. Es wurde ferner das
Vorhandensein einer doppelten Scheide erkannt, in deren linker ein
tbalergrosser Muttermund sich abtasten liess, während in der rechten
Scheide von dem Assistenten keine Port, vaginalis erreicht wurde.
Der Kopf stand in Berkenweite, die Pfeilnaht im ersten schrägen
Durchmesser. Die Wehen begannen Abends 9 Uhr. Die erste
Geburtsperiode dauerte K 1 / 2 Stunden, dann stand mit starker Ver¬
schiebung der Kopfknochen die kleine Fontanelle schon nach vorn.
Nach 3 /* ständiger Dauer der zweiten Geburtspcriode wurde der
Kopf in der Vulva sichtbar, nun lies.sen die Wehen etwas nach, die
Herztöne waren frequenter als bisher (15 -16 16). Durch heisse
Umschläge auf den Leib wurde die Wehcnthütigkeit wieder verstärkt
und in weiteren 20 Minuten — also in 1 Stunde 5 Minuten, nach
völliger Erweiterung des Muttermundes — wurde ein im ersten
Grade asphyclisches Mädchen geboren, welches bald wieder belebt
wurde. Sein Kopf war ziemlich contigurabel, beide Scheitelbeine
über Stirn- und Hinterhauptsbeine geschoben. Dem Kinde folgte
noch eine ziemlich grosse Menge durch Meconium ver¬
unreinigtes Fruchtwasser Das Kind war nicht ganz aus¬
getragen, 47,5 cm lang, 2740 g schwer, die Kopfdurchmesser 0,5 : 8,5 :
10: 11,75:9, die Per. ßuboccipito-frontalis 31 cm.
Als nach V 2 Stunde die Placenta noch nicht geboren, wurde,
obwohl gar keine Indication dazu vorlag, der Versuch gemacht, sie
zu exprimiren; allein verschiedene Versuche führten nicht zum Ziele,
weil es nicht gelang, den auf dem linken Darmbein betindliehen
Uteruskörper zu umgreifen. Trotzdem keine Blutung vorhanden war.
wurde eine halbe Spritze '>,075 Ergotin subcutan injieirt. Erst nach fast
Ostündiger Dauer der III. Periode wurde mir der Fall gemeldet,
nachdem vorher noch ein Riss links unter der Clitoris durch 5 Catgut¬
nähte vereinigt worden war. Als ich den links hin gelagerten Uterus¬
körper zu umfassen versuchte, erkannte ich sofort an seiner fast
spindelförmigen Gestalt, dass es sich um ein linkes Uterushorn
handle und fühlte dann auch das rechte ebenfalls hypertrophische,
vom linken unter einem stumpfen Winkel abgehend. Ein von mir
wiederholter Versuch, die Placenta von aussen zu exprimiren, miss¬
lang ebenfalls und ich überzeugte mich dabei, dass es kaum möglich
war, die Richtung des Druckes auf den Beckeneingang zu dirigiren,
dass dieselbe vielmehr immer mehr nach rechts unten ging. Da
äusserst wenig Blut abtloss, der Puls und die Temperatur normal
waren, so beschloss ich, zunächst noch abzuwarten, ob nicht der
Uterus doch die Expulsion der Placenta selbst bewirken könne.
Nach ll'/ 2 stündiger Dauer der III. Periode war Abends 6 Uhr die
Temperatur 37,6° C. bei 72 Pulsen, übrigens keine Veränderung.
Nun wartete ich noch bis zu der Grenze, welche ich als längste
Dauer der Nachgeburtsperiode nach rechtzeitigen normalen Geburten
beobachtet hatte, nämlich 13 Stunden, und entfernte dann am
14 Novcmher Abends 8 Uhr ln Min. die Placenta - die im linken
Mutterhals und etwas in die Scheide herabragend ganz gelöst lag —
nach der älteren Weise aus der Vagina. Ihrer Extraction folgte auch
kein Blut; nachher war der Puls ü8, die Temperatur 37,4° C.
Der Kuchen war längsoval 15:13 cm, das Gewicht 540 g, die
Dicke 3cm, das Gewebe grosslappig, keine Apoplexien, Kalk oder
Cysten, der Riss der Eihäute marginal und zwar entgegengesetzt
der marginal-velamentösen Insertion der 47 cm langen, dünnen
Nabelschnur; die Eihäute waren vollständig. Die Nabelschnur war
nicht umschlungen gewesen und zeigte auch nur spärliche Windungen.
Die Asphyxie des Kindes rührte also offenbar nicht von einem auf
die Nabelschnur geübten Drucke her, sondern von der starken Ver¬
schiebung, welche die Kopfknochen im kleinen Becken, namentlich aber
auch im Introitus vaginae erfahren hatten.
Der Verlauf des Wochenbetts war im Ganzen ungestört und
am 20. November konnte ich bei Vorstellung der Patientin in der
Klinik folgenden Befund erheben: Die Schamspalte geschlossen,
das linke Lab. minus etwas prominent, an seiner Innenfläche vom
Rande, parallel der Clitoris, bis in die Scheide ein schmaler Riss.
Die Harnröhrenmündung etwas seitlich. Der Hymen links mit Ein¬
kerbungen, ebenso rechts mit kleinen Einkerbungen; die linke
Scheide viel weiter alB die rechte. Der linke Muttermund, welchen
das Kind passirt hatte, mit zwei tiefen Einrissen an der linken
Commissur; die rechte Commissur desselben gut erhalten. Der
linke Uteruskörper geht stumpfwinklig vom Collum sinistrum an
die linke Beckenwand und ist balbmannsfaustgross; blutig schleimiges
Secret fliesst ans dem Muttermund. Der rechte Muttermund, eine
l cm breite Querspalte, steht ein wenig mehr nach hinten als der
linke und auch der rechte Uteruskörper ist etwas nach hinten
gerichtet, so dass das obere spitze Ende fast vor der Articulatio
Racro-iliaca liegt. Es war die Missbildung also ein Uterus bieornis
bicollis mit Vagina septa.
Das Kind wurde mit Erfolg von der Mutter gestillt.
Der H a u p t b e f u n d an demselben war nun eine Verun¬
staltung seiner beiden F ü s s e, welche in ursächlichen
Zusammenhang mit der nicht genügend geräumigen Uterushöhle,
resp. mit der fehlerhaften Gestalt des Uterus zu bringen ist. (vcrgl.
Abbildung Figur 1\ Es zeigten sieh an beiden Füssen 2 fast
Fig. 1.
genau symmetrische Anomalien darin bestehend, dass zunächst der
ganze Kuss um seine Lüngsaxe mit der tihialcn Kante nach oben,
der filuilaren nach unten gedreht war und dass zweitens der Vorder-
fuss gegen den metatarsalen Theil noch mehr abgeknickt und
plantarwiirts mehr gedreht war — in der Zeichnung tritt die Grenze
zwischen beiden Theilen hei n b recht deutlich hervor. Ausserdem
zeigte der linke Kuss bei c eine Ueberschiebung der ganzen kleinen
Zehe nach dem Fussrücken auf die 4. Zehe.
Die .Menge des Fruchtwassers bei der Patientin konnte, da
es bereits kurz vbr ihrer Ankunft abgefiossen war, nicht genau
festgestellt werden ; der Expulsion des ganzen Kindes folgte aber
noch eine gewisse Menge mcconiumhaltigen Wassers, so dass sicher
nicht von einer auffallend geringen Menge desselben die Rede sein
durfte. Der Umstand, dass Bewegungen des Kindes von dem
untersuchenden Arzt sub partu notirt wurden, könnte scheinbar
gegen eine zu enge Einschnürung der Extremitäten sprechen; aber
die so ausgesprochen spindelförmige Gestalt des linken Hornes,
dessen Raum in der Gegend des Fundus offenbar sehr gering war,
macht es sehr wahrscheinlich, dass die nach rechts gelegenen Füsse
durch die dünne Wand des Uterus prominirten und dass bei noch
etwas vorhandenem Fruchtwasser ihre Verschiebung mehr eine
passive als active war.
Es liegt auf der Hand, dass nicht jeder Uterus bieornis zu
einer solchen Missbildung führen muss, denn es gibt Fälle, bei
denen jede Hälfte so stark entwickelt ist und (vergl. meinen
Atlas Tafel XVIII, Figur I) einen so stark gewölbten Fundus
hat, dass siehcr genug Raum für normale Entwickelung einer Frucht
bis zum Ende der .Schwangerschaft vorhanden sein kann.
Hier :iber lag der Fall dadurch besonders ungünstig für die
Frucht, dass ein eigentlicher Fundus fehlte, die Höhle nach oben¬
hin an Breite und Dicke abnahm und ausserdem noch so seitlich
verschoben war, dass auch dadurch noch eine Baumbeengung für
die Frucht entstehen musste. War es doch trotz aller Versuche
bei der Expression der Placenta nicht möglich, das eine Horn des
Uterus soweit zu erheben, dass ein Druck auf sein oberes Ende
bis in die Heckenachse sich fortpflanzte.
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28. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
391
Demnach kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass
der beiderseitige pes varus der spindelförmigen
Beschaffenheit des stark nach links gerichteten
linken Cterushorncs seine Entstehung verdankte.
Als Bestätigung dieser Ansicht möchte ich noch die Thatsache
anftlliren, dass ich unter jenen 156 missbildeten Kindern in
Dresden 7 Mal, und zwar'immer rechts, einen pes valgus fand.
Fig 2.
darunter 1 Mal bei Uterus bicornis der Mutter. Man
könnte bei dem von R. V' ulk man n -l ) besprochenen Fall, wobei
an der Leiche eines Neugeborenen ein rechtsseitiger pes varus und
linksseitiger pes valgus sich ganz zwanglos in einander legen Hessen
— auch an die Möglichkeit einer derartigen Entstehung in einem
Uternshorne denken und erst vor einigen Tagen ist uns ein dem
Volk man n ’ sehen ganz gleiches Präparat, welches ich Ihnen
hier vorlege (siebe Figur 2), aus der Poliklinik zugegangen.
II.
Ein amnio-amniotisches Band, als 8förmige Schlinge
nm eine Extremität geschlungen, hat diese fast
amputir t.
Eine weitere Raumverengerung, welche sehr oft zu Miss¬
bildungen der Frucht und zwar auf verschiedene Weise führt,
wird bekanntlich durch die sogenannten S i m o n a r t ’ sehen Bänder
herbeigeführt. Hier wirken Druck, Zerrung und Drehung zu¬
sammen , um die allcrmannigfaltigsten Verunstaltungen bis zu
Amputationen von Gliedmassen herbeizuführen. Das sind Ihnen
längst bekannte Thatsachcn. Wenn ich also einen solchen Fall
*) Deutsche Klinik, Aug. 1863
No. 17.
hier vorlege, so muss er etwas Neues zeigen, um sein Mit¬
bringen zu rechtfertigen. Und dies ist in der That der Fall.
Das hier völlig erhaltene Band hat nämlich seinen Ursprung und
sein Ende im Amnion, ist mithin ein amnio-amniotisches,
zum Unterschied von den in den bekannten Lehrbüchern überall
nur erwähnten amnio-fötalen und föto - fötalen Bändern dieser
Art. Es entspringt (siehe Figur 3) mit sehr breiter Basis
fast die ganze Länge der fötalen Plaeentarfläehe nicht weit von
der Nabelschnur überziehend, als eine Membran, bildet feine
8 förmige Schlinge, in deren einer Oeffnung der linke Ober¬
arm fest eingeschnürt ist, in deren anderer die Nabelschnur
verläuft und geht dann, sich wieder verbreiternd in das Amnion
jenseits des Bandes der Placcnta über. Ausser ihm befindet
sich an der Spitze des linken Zeigefingers ein 3 bis 4 cm langer,
1 cm breiter abgerissener amniotischer Faden. Das Interessante
an diesem Falle ist nun, dass er uns klar zeigt, auf welche
Weise eine intrauterine Amputation zu Stande kommen kann. Bei
u wirkt nämlich der gedrehte straffe Theil der (Schlinge gradezu
als Kettensäge! Ausserdem zeigt die aussergewöhnliche Umschlin¬
gung der Extremität und der Nabelschnur, dass der Fötus durch
die Schlinge geschlüpft, also diese recht gross gewesen sein muss.
Offenbar muss auch eine nicht unbeträchtliche Quantität Frucht¬
wasser vorhanden gewesen sein, sonst würde die Passage dieses
eaudiniseheu Joches für den Fötus wohl schwer möglich gewesen
sein. Und endlich, was mir atu meisten bomerkenswerth erscheint 5 ),
ist, dass es sich offenbar um eine Hyperplasie des Amnions
handelt, welche dein Fötus eine Schlinge legte und ausser der
drohenden Amputation seines linken Oberarms seine Nabel-chnur
comprimirtc und dadurch seinen Tod herbeiführto.. Bisher sind
wir imnn-r gewohnt gewesen, die Entwickelung solcher amniotischen
Bänder auf die pari alle Zusammenpressung des embryonalen Kör-
pevs durch das in se i er Entwiekelung gehemmte Amnion zurüek-
zuführen. Diese E.id.inmg pa--t aber für den liier vorliegenden
Fall gar nicht, insofern es sich um kein mehr oder minder straffes
Band, sondern um eine anfangs offenbar frei im Fruchtwasser
flottirende »Schlinge der Schafhaut handelte.
Wie deren Entstehung möglich war, ist freilich schwer zu
sagen. Die grosse Schwellung der Weichtheile der jieripher von
Oesterr. Zeitschrift f. prakt. Heilkunde, 9. Oct. 1865.
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MEDICINISCHE VTOCHENgCgggZ:
No. 17.
der Schlinge gelegenen Partie des buken An.-^
obem Armstück glei.ehe Länge bew »cKindea be-
des Anne »och nicht *.^11 „ietTunwahracheinlieb, das»
standen haben kann. *■ , . j:„ Schlinge lange nach
die Durchschlüpfung des Arms d«J ' B ^ ^
der Passage des Foetus durch dieselbe zuletzt
8 förmige Umschnürung des i . Dass der Zug
erst durch Drehung des Foetus zu tode kam^»«htlichcr
™* der amniotischen Se w g(tao , ttmg d ,. r Weich-
theiledes Vordtuarms, auch durdi die starke Herabziebung und Drehung
£
fester wie die Nabelschnur. Ks kann daher ancl hc t. k
Anhäufung von Blut und «J-jM ^ f ulrtiLn
Chorion trotz bedeutender Abi ehung^ uach de»
bleiben. Denkt man "£* intacten Amnion,
Ammons wie £d«« * * r Nabclschnur rücken; fände
so kann eine halte desselben Amnionhöhlc statt,
rzr:, B e ;r kf “
nahe der Nabelschnur gelogene rt-d dr- brel«um „ ur
“s?sSr isÄ
r.saxi: —
iStJSsSÄ
~i-“ “T
gewesen sein muss, «ie cs uu »
Bändern doch nicht der Fall ist. . • ns im
Und endlich eine einfache Absprengung des Ammons ,
Sinne G. Braun'.*) kann es nicht sein da tan loser, seil-
ähnlicher Strang, sondern eine Schlinge vorhanden ist.
Unsere Kenntnisse über Wesen und Bedeutung amniotischer
Fäden sind noch lange nicht abgeschlossen. ijr-
Vor kurzer Zeit erst hat Ahlfcld?) als eine neue U
sache granulirender Hautwunden an der Oberfläche des 1 oetus
das Abreissen amniotischer Hohlstränge erwiesen, “” d . ""“= r ^
lehrt, das» nicht bloss bei Bändern vorn Foetus zum Ammonin dvom
Foetus zum Foetus, sondern auch von Auimon zu
Schlingen sich zu bilden vermögen, die dem Kinde
Glieder zu amputiren und seinen Tod durch
herbeizuführen vermögen. Sehr selten a b 1 , f
der Lage, so genau wie hier den ganzen Verlaut
und die Wirkungsart der Schlinge f estzustcllcn,
da dieselben ja meistens sub partu zcrrcissen.
(Schluss folgt.)
Aus der k. k. Universitäts-Kinderklinik zu Graz.
Notiz zur Technik der Intubation.
Von Dr. J. Trumpp.
Es herrscht bisher unter den Autoren noch keine Einigkeit
darüber, in welcher Weise die Extubation geübt werden soll, ob
mittels des um die Tube geschlungenen Fadens, der nach vo -
zogener Intubation nicht abgenoinmen, sondern an der Wange cs
Kindes befestigt wird, oder mittels des Extubators.
Bei beiden Methoden ist man üblen Zufälligkeiten ausgesetzt.
Lässt man den Faden liegen, so ist man gezwungen, die Kinder,
») Oester. Zeitsch. f. prakt. Heilkunde, 9. 10. 1865
i) Festschrift f. die Berliner geb. Gesellschaft, Wier
Wien 1894 p. 1.
,* _ n fesseln, da sie sich dos im Anfang
besonders die widerspens g ^ a i lcr Gewalt zu entledigen
unangenehm reizenden brundkorp^^ ^ ^ „ „ am
suchen, ^erdc und vielleicht der am meisten ins
Mundwinkel. Em wc icn , dnbei _ W ie schon
Gewicht füllende Naehthml i d . Gesellschuft deutscher
“ - " u t a ä ä: - i- - «cn
rsÄiÄhrÄers
T CgteTube durch Membranen in unmittelbarer Ubcnzgefabr
:Ä„ U„d kann ****££'. k— !’i « *
der Landpraxis, kaum zur ^ uiehr g wie die Intubation grosse
ein Eingriff der vie und Sicherheit erfordert und, wenn
Sw*::« *• ff« “ des *“
-TJ-Sr Z STÄ dieser Art der
,,„d alsdann au. die wahren bt.mmbäuder' » ^
lSÄT«£* * Gefahr de» Hinein»— der Tube
™ to ÄL™Ädle verdankt auch uuscre neue Methode
d " “rilnptir/die»«» Jahres vergenommeuen *-
“~s“£5"iä
• m : ch c i n er gelegentlichen Aeusserung meines Chefs, •
f rti,r dass er die Extubation mittels einfachen Druckes
SilllP
CeTu *
im der Wärterin gehalten wird (NB 1 die
lingt schwerer, wenn man sich hinter das Km Dr(1 [, k au8 übt!),
hinten her mit den übrigen Fingern der Hand de D )
und setzt einen oder beide Daumen auf toTi**~** ^
halb des Ringknorpels, während die übrigen iug der
Stützpunkt finden. Dabei gelingt es mcht *• ^ in
Tube durchzufühlen. Nun wird ein mässig kräftig
der Richtung nach hinten und schräg aufwärts ansg be{örder n
dadurch ausgelöatcn Würgbewegungcn und H “ ““ teckt e Kind
die Tube sefort in die Mundhöhle, wo sm das«.chreck
mit der Zuege oder den Zähnen J 1 , M dem
besonder» kräftiger, so wird die Tube m weitem Bogen
Munde herausgeschleudert. Wxnresaion erfahren,
Wir haben noch keine Nachtheile von der E p ^
können uns auch nicht denken, worin dieselben be e «
vernünftiger und schonender Ausübung M*«n solUen^ ^
theile gegenüber anderen Methoden hegen a N ^ babm ung
| stehen desshalb nicht an, sie unseren Gollegen zur
zu empfehlen. ___
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28- April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
393
Zur Phosphor-Behandlung.
Von Dr. Fr. Hartcop, Kreis-Wundarzt in Bannen.
Als Kassowitz im Jahre 1883 ini Anschluss an eine
Reihe werthvollcr Veröffentlichungen über die Veränderungen der
Epiphysen rhachitischcr Knochen zürn ersten Male Mittheilung von
der Behandlung der Rhachitis mittelst einer innerlichen Darreichung
von Phosphor machte, waren es »eben den überraschenden Resul¬
taten namentlich der in wissenschaftlichen Schriften sonst un¬
gewöhnliche warme Ton, in welchem jene Behandlung empfohlen,
und die von ihm nachfolgenden Entgegnungen gegenüber aus¬
gesprochene Bestimmtheit über die sicheren Erfolge einer solchen
Behandlung, welche den Verfasser veranlassten, den ersten sich
darbietenden Fall einer Phosphor-Behandlung zu unterziehen. Der¬
selbe licss auch nicht lange auf sich warten und war — zum
Glück — ein schwerer, von Aerzten und Angehörigen schon fast
aufgegebener. Als ich nun durch die Darreichung von Phosphor
aus einem unförmlichen Klumpen, welcher ein armes Menschenkind
von fast 4 Jahren bildete, das weder gehen, noch sitzen konnte
und in seiner Intelligenz ungemein zurück war, sich ein Kind
entwickeln sah, das den Gebrauch seiner Gliedmassen erlangte und
sich allmählich zu einem körperlich und geistig normalen Kinde
ausbildetc, war ich für die Phosphor-Behandlung der Rhachitis
gewonnen. Bei der Beobachtung dieses schweren Falles war mir
der rasche Fortschritt der geistigen Entwickelung des Kindes
aufgefallen ; da ich denselben im Weiteren bestätigt fand, so habe
ich dieser Seite der Phosphor - Behandlung eine besondere Auf¬
merksamkeit gewidmet, deren Ergebnisse ich glaubte, einmal
weiteren Kreisen zur Bcurtheilung bezw. Nachahmung uiittheilen
zu sollen.
Was nun zunächst die Rhachitis betrifft, so sind ihre Er¬
scheinungsformen so bekannt, dass es unnöthig ist, darüber
Worte zu verlieren, und pathologisch-anatomisch sind die durch
die Krankheit betroffenen Organe, namentlich die Knochen, so
gründlich durchforscht, (Virchow etc.) dass ein weiteres Ergehniss
zunächst wohl kaum noch erzielt werden wird. Ausserdem sind
eine Reihe werthvoller chemischer Untersuchungen über die Zu¬
sammensetzung der Knochen und die Bestandteile der Exeretioncn,
namentlich des Urins rhachitischcr Kinder gemacht worden (F ri ed¬
le ben u. a.), aber trotz aller Mühe und Sorgfalt wurde durch
diese Forschungen die Pathogenese nur wenig gefördert. Auch
heute wissen wir nur, wie cs Glisson, der erste Beschreiber
der Krankheit, bereits vor fast 2 ’/s Jahrhundert berichtet hat,
dass die Rhachitis wohl ausschliesslich bei Kindern im 1.—4.
Lebensjahre vorkommt, dass fehlerhafte Ernährung in
Menge und Beschaffenheit der dargereichten Nahrung, m a n g e 1 -
hafte Pflege in feuchten und schlecht gelüfteten Wohnungen,
fernerschwere fieberhafte und chronische, mit grossen Säfte-
Verlusten einhergehende Krankheiten (Pneumonie, chro¬
nischer Darmkatarrh etc.) das Auftreten der Krankheit begünstigen,
und dass letztere, wenigstens in den schwereren Formen, haupt¬
sächlich in den ärmeren Bevölkerungsclasscn augetroffon
wird. Sodann werden von Seiten der Eltern hohes Alter,
mangelhafte Ernährung und namentlich Syphilis als disponirende
Momente angegeben ; freilich wird der Einfluss jener letzten Krank¬
heit bestritten und behauptet, dass von ihr immer nur eine andere,
ihr eigentümliche Knochenerkrankung erzeugt werde. Durch die
!ntersuchungen von Hirsch über die geographische Ver¬
breitung der Krankheit ist festgestellt worden, dass dieselbe
vorwiegend in den mittleren Breitegraden vorkommt, und
dass der kalte Norden, ebenso wie die tropischen Gegenden
nnd eine gewisse Höhenlage fast frei von ihr sind, dass in
der Verbreitungszone das flache Land ebenso schwere und zahl¬
reiche Erkrankungen aufweist, wie die grossen Städte, dass
aber von letzteren einige besonders dazu disponirt erscheinen (früher
Lärmen).
Feber die Pathogenese, den eigentlichen Krankheits¬
erreger, ist, wie erwähnt, trotz der eifrigsten Forschungen der
berufensten Männer bisher noch nichts Bestimmtes bekannt geworden.
Auch ist man nicht ganz gewiss, ob die Veränderungen der Knochen
den eigentlichen Krankheits-Charakter bilden, und die begleitenden
Erscheinungen d. i. die Affcctionen der Respiration,s- und Diges¬
tions-Organe, sowie des Central-Nencnsystems nur Complicationcn
derselben sind, oder ob letztere mit der Knochen-Veränderung
gemeinsam nur der Ausdruck der Einwirkung eines unbekannten
Agens auf den Gesammt-Organismus sind, die z. B. vom Nerven¬
system ausginge (Pommer). Sodann sei noch hervorgehoben,
dass die Rhachitis im Allgemeinen nur als eine chronische
Krankheit bis zu einer Zeitdauer von 2 Jahren verläuft, dass
aber in neuester Zeit unter dem Namen Barl ow sehe Krankheit
ein Symptomen-Complex beschrieben wurde, der nicht mit Unrecht
als acute Rhachitis bezeichnet werden kann (Rehn). Auch wird
behauptet, dass die Rhachitis in Folge eines kümmerlichen Er¬
nährungs-Zustandes der Mutter intrauterin auftreten und ablaufen
könne (fötale Rh.), oder sieh nach der Geburt noch weiter ent¬
wickele (congenitale Rh.). Aber Nichts spricht dafür, dass die
Krankheit als solche sieh direct von Eltern, die in der Jugend
an Rhachitis gelitten, auf die Kinder übertrage, d. h. erblich sei.
Die Bedeutung der Rhachitis in sanitärer Beziehung ist
gross, weil durch ihre schweren ('omplicationen auf der Höhe der
»Krankheit das Leben häutig gefährdet und oft vernichtet wird,
und auch nach Ablauf derselben noch solche Veränderungen des
Skelets und der inneren Organe Zurückbleiben, dass das Individuum
zeitlebens in seiner Leistungsfähigkeit beschränkt bleibt, einem
vorzeitigen Tode verfällt und als Weib seine Fortpflanzungs-Thätig-
keit entweder gar nicht oder nur unter erschwerenden Umständen
vollführen kann. Es war daher natürlich, dass der Vorbeugung
der Rhachitis schon lange grosse Aufmerksamkeit geschenkt wurde,
und Dank der Berücksichtigung der ätiologischen Momente ist es
auch gelungen, das Vorkommen der Krankheit in Zahl und Hart¬
näckigkeit einzuschränken. Während Verfasser z. B. noch vor
18 Jahren hei seiner Niederlassung in Barmen auf den Strassen
im Gegensatz zu anderen Grossstädten von dem Anblick einer
ungewöhnlichen Anzahl von Personen betroffen wurde, die in
hochgradigen Verkrümmungen der Wirbelsäule oder der unteren
Extremitäten die untrüglichen Zeichen in der Jugend überstandener
schwerer Rhachitis an sich trugen, sind solche Persönlichkeiten
selbst für das aufmerksame Auge allmählich immer seltener ge¬
worden. Audi bei Gelegenheit der öffentlichen Impfungen und
Wieder - Impfungen beträgt unter der Menge der vorgeführten
Kinder die Anzahl der an Rhachitis Leidenden oder der Geheilten,
aber dii Folgen der früheren Erkrankung Aufweisenden, nur 1
bis 2 Procent. Trifft man aber ein rhachitisches Kind an, so
ergibt die Nachfrage über die eventuelle Behandlung fast immer,
dass wenig oder gar Nichts geschieht. Es sollten die Acrzte daher
hei Gelegenheit der Impfungen nicht versäumen, die Mütter zu
belehren, sie auf die Gefahren der Krankheit aufmerksam machen,
eine naturgemässc Behandlung dringend empfehlen und von ihr
eine sichere Heilung in Aussicht stellen. Auch dürfte es nicht
unzweekmüssig und unpassend sein, in öffentlichen Vorträgen oder
durch Mittheilungen in populären Zeitschriften auf die Bedeutung
der Krankheit für das Wohl der Kinder-Welt aufmerksam zu
machen.
Was nun die Behandlung der Rhachitis betrifft, so be¬
schränkte sieh dieselbe bis vor Kurzem auf die Beobachtung der
ätiologischen Momente und auf die Darreichung von Eisen und
Leherthran; es gab aber kein speeielles Heilmittel derselben.
Daher musste es grosses Aufsehen erregen, als Kassowitz im
Jahre 1S< S 3 den Phosphor zur Behandlung der Rhachitis empfahl
und ihn als ein unfehlbares Heilmittel, fast als Speeificum, bin-
stellte. Von vielen Aerzten wurde das Mittel ohne Verzug an¬
gewandt, aber die damit erzielten Resultate fielen wunderbarer
Weise ganz verschieden aus; denn während eine Reihe tüchtiger
Männer bedeutende Erfolge von jener Behandlung sah und sich
zu unbedingten Anhängern derselben erklärte, berichteten Andere,
in Ansehen und Stellung nicht weniger hervorragend, über geringe,
zweifelhafte oder gar von Misserfolgen. Auffallend war dabei,
dass namentlich die Berliner Schule sich ablehnend verhielt
(Henocli etc.), und dass die Gegner sich vorwiegend unter den
innern Klinikern befanden, während die Chirurgen sich meist
für die Methode aussprachen. Der heftige Kampf, welcher
um letztere entbrannte, ist vorüber und hat einer ruhigeren
Ueberlegung Platz gemacht. Heute wird die Phosphor-Behandlung
zwar noch nicht allseitig angewandt, aber sie hat doch merklich
2 *
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894
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
an Boden gewonnen und würde sich noch rascher und vollständig
cinbürgcrn, wenn manche Collegen nicht so leicht die Geduld
verlören und schon nach einigen Wochen einer nicht auffallenden
Besserung den verordneten Phosphor wieder aussetzten. Ain
Schlüsse dieser Arbeit wird ausführlicher über die Art und Menge
der Darreichung, sowie über die Ursachen der vermeintlichen
Misserfolge berichtet werden. Zunächst sei hier nur erklärt, dass
Verfasser, je mehr er sich mit der Phosphor-Behandlung befasst hat,
ein um so grösserer Anhänger derselben geworden ist, denn niemals
trat ein Misserfolg ein, wenn das Mittel rationell und lange genug
angewandt wurde; anderseits wurde selbst in den hart¬
näckigsten Fällen schliesslich immer noch Heilung
erzielt. Es wird aber den Angehörigen beim Beginn einer Cur
sofort eine für die Schwere des Falles nach Monaten sich be¬
ziffernde Dauer derselben in Aussicht gestellt, ihnen jedoch auch eine
sichere Heilung versprochen, wenn die Cur nicht willkürlich unter¬
brochen, oder zu kurz nach Beginn derselben durch eine plötzliche Ver¬
schlimmerung einer Complication das Leben des Kindes vernichtet
wird. Dabei ist zu bemerken, dass die Phosphorbehandlung nicht
nur die Erkrankung der Knochen beseitigt, sondern sämmtliche
Complicationen der Rhachitis in der günstigsten Weise beeinflusst.
Doch würde es dem Rahmen dieser Arbeit nicht entsprechen, wenn
sich hier in Einzelheiten ergangen würde; nur sei hervorgehoben, dass
man selbst bei den so gefährlichen Darmkatarrhen von
der D ar reich ung des Phospli ors n ich t z u rück zu sch recken
braucht, da Verfasser dieselben durch Phosphor unter Zusatz kleiner
Mengen Opium bald zum Stillstand kommen sah, wenn die Schwäche
des Kindes nicht bereits zu gross geworden war. Daher hält derselbe
den Phosphor für ein ungemein werthvolles Mittel in der Behand¬
lung der Rhachitis und ist der Ucbcrzeugung, dass derselbe, mit der
nöthigen Vorsicht angewandt, a u c h nie m a 1 s S c h a dc u a n r i c h te t.
Bei der Beobachtung einer grossen Menge rhachitischcr Kinder
im Laufe der Jahre in der Privatpraxis und als Arzt in der
«Anstalt für verlassene Kinder» hicrsclbst, worin, wie nach dem
Namen zu erwarten, vielfach schwer rhachitisehc Kinder unter¬
gebracht werden, fand Verfasser die schon oben erwähnte Ansicht
bestätigt, dass unter der Behandlung mit Phosphor häufig eine
auffällige, sozusagen seelische Veränderung der Kinder vor sich
geht. Dieselbe äussert sich einerseits in dem Nachlassen und
allmählichen Aufhören der nervösen Reizerscheinungen : die Kinder
werden ruhiger, schlafen besser, das Schwitzen wird geringer, der
Stimmritzenkrampf verliert sich langsam etc.; dabei ist erwähnens-
werth, dass die Besserung nach dieser Seite manchmal schon nach
einer verhältnissmässig kurzen Darreichung des Mittels eintritt.
Noch wichtiger aber ist die Beobachtung, dass sich durch die
Cur ein Einfluss auf die Intelligenz geltend macht, denn bei
den Kindern, welche geistig zurückgeblieben waren, ja schon An¬
zeichen der Verblödung aufwiesen, besserten sich unter der Phos¬
phorbehandlung die geistigen Functionen zuweilen in so auffälliger
Weise, dass mir einmal eine arme Arbeiterfrau, die schon bejahrt
noch ein Kind geboren hatte, welches in der Folge alle Zeichen
schwerer Rhachitis mit beginnendem Cretinismus aufwies, aus sich
selbst erklärte: «Es ist mir so, als ob das Kind klüger geworden
wäre», und thatsächlich war aus einem theilnahmslosen, stumpfen
Kinde ein munteres, leidlich intelligentes geworden. Solche Be¬
obachtungen sind nicht vereinzelt geblieben ; sie sollen aber nicht
etwa beweisen, dass man durch Phosphor die Kinder klüger machen
könnte. Sic waren aber die Veranlassung zu der IJcberlegung
und zu den \ ersuchen, den Phosphor auch bei älteren, nieht-
rhachitischcn Kindern anzuwenden und zwar einerseits wieder bei
solchen, welche sich im Zustande einer erhöhten Hirnreizbar¬
keit befinden. Es sind jene lebhaften, frühreifen Kinder ge¬
meint, die wegen ihres guten Gedächtnisses und ihrer Geschick¬
lichkeit den Stolz der Eltern bilden, sie, die Tags über liebens¬
würdig und später erregt sind, aber Abends gar ungezogen werden,
schlecht eiuschlafen, im Schlaf aufschreicn, mit den Zähnen
knirschen etc. etc., kurzum Kinder, deren Körper und Gehirn
ursprünglich gesund sind, letzteres aber überangestrengt ist und
sieh anhaltend in dem Zustande der Ueberreizung befindet. Eine
entgegengesetzte Gruppe bilden die Kinder mit den Zeichen mehr
oder weniger ausgesprochener Gehirnschwäche, die entweder
angeboren ist, oder aus Blutarmuth nach schweren Erkrankungen
(Masern, Scharlach, Keuchhusten, Influenza etc.) zurückblieb oder
durch chronische Organerkrankungen (multiple Caries etc.) unter¬
halten wird, jene Kinder mit blassen Häuten, geringem Fett¬
polster, schlaffer Musculatur, spärlichem trockenem Kopfhaar, jene
Aermsten, die für gewöhnlich körperlich matt und geistig träge,
vielfach weicher Stimmung, aber leicht vcrdriesslich sind, denen
keine rechte Lebensfreude blüht; wenn sie aber mit Ueberan-
strengung von Körper und Geist sich gleich ihren Altersgenossen
einmal hcrumgctummelt haben, mit heftigen Kopfschmerzen für
die kurze Freude büssen müssen. Frerichs sagte einmal in
seinen Vorlesungen, dass ein Arzt für diejenigen Krankheiten das
beste Verstündniss besässe, welche er selbst durchgemacht habe,
und auch, kann man hinzufügen, am meisten für die Heilung
derselben bedacht ist.
Kopfschmerzen — jene unbestimmte, aus den ver¬
schiedensten Ursachen entstehende Krankheits-Erscheinung, welche
dem einen lediglich vom Hörensagen, dem anderen nur als erklär¬
liche Strafe für vorausgegangene reichliche Genüsse in Baccho
bekannt sind, die aber auch der Ausdruck einer schweren Er¬
krankung des Gehirns oder seiner Umhüllungen bis zum knöchernen
Schädeldach oder gar ein Anzeichen der Krankheit eines weit ab¬
liegenden Organs, der Niere, sein können etc. etc. —, diese
Kopfschmerzen kommen hier nicht in Betracht. Es sind viel¬
mehr jene periodisch oder unregelmässig, von selbst oder auf leichte
Veranlassungen hin auftretenden Kopfschmerzen gemeint, welche
auf einer mangelhaften Ernährung des Gehirns beruhen und von
dem einfachen Schmerze sich bis zum Auftreten von Erbrechen,
ja selbst bis zu Krämpfen und Bewusstlosigkeit steigern können.
Bringen diese Kopfschmerzen schon an sich für die kleinen
Träger grosse Belästigungen , ja Gefahren mit sich, so werden
letztere noch gesteigert, wenn der Organismus von einer tuber-
culösen Infcction betroffen wird. Die Gelegenheit dazu ist ja tag¬
täglich und überall gegeben, aber ein gesunder, widerstandsfähiger
Körper überwindet die gefährlichen Krankheitskeime und scheidet
sie aus, während dieselben von einem schwachen, blutarmen
Organismus nur allmählich unschädlich gemacht werden können.
Mittlerweile haben dieselben aber Zeit gefunden, sich an ihren
Licblingssitzen, an den Stellen vermehrter oder verminderter An¬
sammlung von Blut oder Gewebsflüssigkeiten in grösserer Menge
festzusetzen und in der Stille ihre verderbliche Thätigkeit zu ent¬
falten. Da bedarf es nur eines geringen Anlasses, z. B. einer
einfachen Erkältung, welche aus einem gewöhnlichen Husten eine
acute Lungen-Tuberculose hervorruft, oder eines Falles, Stesses
oder gar eines unglücklichen Schlages dös Lehrers gegen den
Kopf des Kindes, um eine Tuberculosc der weichen Hirnhaut zu
erzeugen, der das Kind in einigen Tagen erliegt. Bei der Ob-
duction suchen wir dann häufig vergeblich nach groben Erschei¬
nungsformen, welche für gewöhnlich Tuberculosc hervorrufen:
verkäste Drüsen, eingedickte Abseessc etc. und finden nur die
Zeichen einer mangelhaften Entwickelung der Organe und eine
krankhafte Beschaffenheit des Blutes nebst einer unglcichmässigen
Vcrthcilung des letzteren in ihnen, namentlich in dem Gehirn
und seinen Häuten ; dazu dann die mehr oder weniger aus¬
gesprochenen tuberculösen Veränderungen der weichen Hirnhaut.
Fis erwächst uns daher die Pflicht, Kinder, wie sic oben be¬
schrieben wurden, mit besonderer Sorgfalt, namentlich in solchen
Familieu zu überwachen, in denen Tuberculosc vorgekoinmen,
oder ein Kind einmal an Krämpfen oder an einer acuten Hirn-
Krankheit zu Grunde gegangen ist.
Wir hatten oben zwei Gruppen von Kindern gegen übergestellt,
von denen die einen an Körper und Gehirn ursprünglich gesund
sind, aber letzteres durch fehlerhafte Gewohnheit und Erziehung
in einen Rcizzustand versetzt worden war, und die andere, bei
denen die Kinder von Geburt an oder in Folge von Krankheiten
an Körper und Geist in der Leistungsfähigkeit eingebüsst hatten.
Werden die Kinder der ersten Gruppe nicht geschützt, so^gehen
sic unaufhaltsam in die zweite Catcgoric Uber, so dass wir in
F'olgendem uns auch nur mit dieser zu beschäftigen brauchen.
Beobachten wir diese Kinder nun während des Schulbesuches.
Schon kurze Zeit nach dem Eintritt in dieselbe offenbaren sich
dem Kundigen die Zeichen der Gehirn-Anämie: die Kinder, heisst
es, können die Schule nicht vertragen, obgleich sie weder durch
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r
28- April 1896.
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
895
die Anzahl der Unterrichtsstunden, noch durch die Menge des
verarbeiteten Lehr-Materials überbürdet werden, aber schon der
Aufenthalt in dein geschlossenen Raume, der Zwang, auf einem
Platz sitzen zu müssen, die Anforderung, sich mit einein einzigen
Gegenstände anhaltend zu beschäftigen und die Zuiuuthung, den
Anordnungen des Lehrers unbedingt Folge zu leisten, sind für
das Kind schlimme Aufgaben und werden von ihm um so schwerer
empfunden, je freier und ungebundener es sich bisher bewegen
durfte. Dann wird das Kind matt, reizbar, es will nicht mehr
in die Schule gehen, nach der es sich vor wenigen Wochen noch
so sehr gesehnt hat. Die meisten Kinder überwinden diese Ab¬
neigung, und die Macht der Gewohnheit macht sie allmählich zu
ruhigen, aufmerksamen und fleissigen Schülern, deren von Haus
aus kräftig veranlagter Körper die ihm gebotenen Schwierigkeiten
überwindet und sich in schönem Ebenmaass zu der geistigen Aus¬
bildung entwickelt. Aber leider ist es nicht allen Kindern so
beschieden. Wir meinen hier natürlich nicht diejenigen, welche
wegen mangelnder Fähigkeiten oder aus Trägheit nicht vorwärts
kommen, sondern die Aermsten, welche wohl möchten, aber nicht
können, die hinter den anderen Zurückbleiben müssen, weil sie
wegen Blutarmutli, allgemeiner Schwäche und Kopfschmerzen an
dem Unterricht nicht regelmässig oder nur mit halber Aufmerk¬
samkeit Theil nehmen können. Da diese Kinder ursprünglich
vielleicht gut begabt sind, die erzielten Erfolge aber hinter den
Erwartungen Zurückbleiben, so werden erstere aus Unkenntniss von
Lehrern und Eltern manchmal noch besonders angespornt, zu ihrem
Leid und häufig zu ihrem Verderben. Zwar mag es bei einzelnen
gelingen, durch Anregung der geistigen Spannkraft die Gesammt-
Leistungsfähigkeit von Körper und Geist aufzumuntern und so zu
befestigen, dass das Kind den Anforderungen hinreichend gewachsen
wird. Würde aber mit Strenge oder gar mit Züchtigung vor¬
gegangen, so thut man dem Kinde Unrecht und verleidet ihm
Jugend, Schule — und Elternhaus.
Wenn Jemand, wie Verfasser, in seiner Jugend an heftigen
Kopfschmerzen gelitten hat, welche ihm die Freuden der Kind¬
heit häufig getrübt haben, der gedenkt in Dankbarkeit sein Leben
lang seiner Eltern und Lehrer für das Verständniss, welches von
ihnen seinem Leiden entgegen gebracht wurde, und für die schonende
Beurtheilung seiner Leistungen. Darin liegt auch der Grund,
warum er als Arzt stets den an Kopfschmerz Leidenden ein be¬
sonderes Interesse entgegenbrachte, und auf Mittel sann, wie dem
Grundübel des Leidens, der noch aus der Kindheit herrührenden
Gehirn-Anämie am Besten beizukonunen sei. Dieses Mittel
glaube ich in dem Phosphor gefunden zu haben, und gestatte
ich mir jetzt, meine Erfahrungen über die Erfolge weiteren Kreisen
mitzutheilen, da ich überzeugt bin, dass im Laufe von ungefähr
10 Jahren eine grosse Anzahl von Kindern lediglich durch den Gebrauch
von Phosphor an K ö r p e r und Geist wesentlich ge k r ä f.ti g t
worden ist. Diese Methode hat eine Analogie in der mir später
bekannt gewordenen Behandlungsweise nervöser Reiz- und Schwäche-
znstände, sowie schwerer Anämien Erwachsener mit Phosphor,
wie sie namentlich von den Engländern und Franzosen (Broad-
bent etc.) ausgeübt wird, aber über eine Anwendung bei Kindern
habe ich bisher keine Mittheilung gefunden.
Die Anwendung des Phosphors geschieht noch immer in
derselben Form, wie Kassowitz vorgeschrieben, und zwar sowohl
für die Behandlung der Rhachitis, als auch der nervösen Krank¬
heitszustände, in Emulsion oder in einer Auflösung in Lebertkran;
letzteres mehr für die kälteren Monate, doch ist, wenn möglich
die Behandlung in der heissen Jahreszeit überhaupt auszusetzen;
ist sie aber nicht zu umgehen, so empfiehlt es sich, die Emulsion
dunkel und kühl, am Besten unter Wasser zu halten. Die an¬
gewandte Menge besteht in der täglich zweimaligen Darreichung
von 0,0005 P. für Kinder von 1—5 Jahren; dabei muss man
bedacht sein, das Medicament in den vollen 31agen zu reichen,
etwa l Stunde nach den Mahlzeiten. Bei Kindern von 5—12
Jahren wurde die Dosis auf 0,0006 gesteigert, für gewöhnlich in
täglich zweimaliger Gabe; wenn die Kinder aber das Mittel eine
Zeit lang genommen, so wurde, namentlich bei den älteren, ver¬
sucht, durch eine täglich abwechselnde Darreichung von je 2 oder
3 Portionen zu 0,0006 P. die Menge zn steigern, um die Heilung
211 beschleunigen; dieses Verfahren erscheint besser, als die Er-
No. 17.
hökung der Einzeldosis. Während der Dauer der Phosphorbehand¬
lung ist der Zustand des Magens unter genauer Beobachtung zu
halten, und die Cur überhaupt nicht eh e r z u beginnen, als bis
etwa vorhandene Magenerscheinungen beseitigt sind, und
sie zu unterbrechen, wenn solche zu Tage treten. Es ist nicht notb-
wendig, die Kinder immer unter Augen zu haben, d. h. sie jedes¬
mal nach verbrauchter Arznei wieder zn sehen, aber cs ist doch
geboten, sie unter steter Controle zu halten und erst dann das
Reeept mit der Erlaubniss zu mehrmaliger Wiederholung abzugeben,
wenn man sich überzeugt bat, dass die Kinder das Mittel gut
vertragen, und die Eltern unsere Anordnungen richtig befolgen.
Da ferner die Dauer der Behandlung eine lange, unter Umständen
eine recht lange ist, so empfiehlt es sich, die Angehörigen hierauf
aufmerksam zu machen und ihnen je nach der Schwere des Falles
eine kleine Cur (10 Flaschen von 100 g Flüssigkeit) oder eine
mittlere zu 15 resp. eine grosse zu 20 Flaschen in Aussicht zu
stellen; dabei ist es rathsam für die Dauer des Gebrauchs der
ersten 5 Flaschen keinen oder nur einen sehr geringen Erfolg zu
versprechen. Dadurch gewöhnt sich das Publicum zur Geduld
und Ausdauer; schon aus diesem Grunde ist es gut, sich das
Kind nur Anfangs von Flasche zu Flasche vorführen zu lassen,
später aber die Nachschau nach je 3—4 Flaschen zu beschränken,
da dadurch die Angehörigen sich nur einen ganz allmählichen
Fortschritt versprechen und am ehesten zur Ausdauer veranlasst
werden. Ueber die Darreichung von 20 Flaschen wird nicht hinaus¬
gegangen, weil durch diese Anzahl zum Mindesten eine wesent¬
liche Besserung sowohl der Rhachitis, als auch der ner¬
vösen Störungen erzielt sein muss; dagegen wird eine Nach-
cur nach etwa 1—2 Jahren iu einer Stärke von 10 Flaschen in
Aussicht genommen, worauf die Eltern stets bereitwillig eingehen.
Zur Unterstützung der Cur dienen eine zweckmässige Kost, viel
Aufenthalt in frischer Luft und laue Bäder von 26—24° K. ab¬
gekühlt, von 8 Minuten Dauer, jeden oder ein über den andern
Tag gereicht. Dass Eisen und Leberthran ebenfalls die besprochenen
Krankheitszustände in günstiger Weise beeinflussen, braucht kaum
erwähnt zu werden, aber es ist sicher, dass der Phosphor noch
in den Fällen heilsam wirkt, wo jene beiden Mittel im Stiche
lassen. Dazu kommt, dass das Eisen von den kleinen Kindern
häufig nicht vertragen wird, und der Leberthran manchen un¬
erträglich zu nehmen ist und Erbrechen hervorruft, während die
versüsste P.-Emulsion stets gerne genommen wird. Dass ferner
Sool-, Stahl-, Seebäder, Landaufenthalt etc. die Nervosität der
Kinder beseitigen können, ist gewiss, aber dieselben sind doch nur
in einer bestimmten Jahreszeit und für Kinder wohlhabender Eltern
möglich, während die Phosphorbehandlung an keine Jahreszeit ge¬
knüpft ist, und ihre Kosten auch für kleine Leute nicht un¬
erschwinglich sind, was bei der Dauer der Cur auch in Betracht
zu ziehen ist.
Die Art der Behandlung mit Phosphor wurde absichtlich
etwas ausführlich geschildert, da die Misserfolge, welche damit
wirklich oder nur scheinbar erzielt wurden, entweder auf die V e r -
nachlässigung der Beobachtung des Zustandes des
Magens oder auf die Darreichung einer zu geringen
Tages -Menge des Mittels zurückzuführen sind. Durch letzteren
Umstand wurde die Geduld des Arztes und der Angehörigen des Kindes
manchmal schon erschöpft, bevor auch nur ein geringer Erfolg erwartet
werden konnte. Wie lange soll aber eine Cur dauern bei der Darreichung
einer Tagesmenge von 0,0005 P., wenn eine kleine Cur von
10 Flaschen zu 100 g, d. i. bei täglichem Verschleiss von 0,001 P.
schon 100 Tage, eine mittlere Cur von 15 Flaschen 150 Tage
dauert, und eine grosse Cur von 20 Flaschen sich gar 200 Tage
hinzieht V Das würden 200, 300, ja 400 Tage ausmachen!
Hiergegen wird zur Entschuldigung angeführt, dass der Zustand
des Magens oder ein bestehender Durchfall einer häufigen Anwen¬
dung entgegenstehe. Im ersteren Falle ist der Phosphor vorerst
überhaupt nicht anzuwenden, und ist so lange zu warten, bis der
Magen gesund ist; das Bestehen eines Durchfalles contra-
indicirt aber die Darreichun g desMittels durchaus
nicht; im Gegentheil, der Durchfall hört allmählich auf, wenn
man den Phosphor mit kleinen Mengen Opium verbindet (etwa T. opii
simpl. 0,05 pro die). Nun könnte man noch fragen, ob man überhaupt
bei der langen Dauer einer P. Cur noch von der Wirksamkeit des Mittels
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396
Münchener medi cinische Woch enschrift.
No. 17.
sprechen dürfte und^
SÄT
SiC 'ee™ n <ies b Skelcts VC un^ n dauernder Beeinträchtigung der Organe,
mungen des üuacu während unter einer rationellen
--
rrn irc^v» <«.“£
wie die eigeothümliche Einwirkung das Ph-pho- s
rl:. ,s
de - Ph ZiJt rSluÄeh L dem ihm deutenden
ZeLtoS ofydirt «nd allmählich immer höhere (hydationeprodacie
j, () v ' d er Vorgang der Oxydation selbst oder eine der
^ ^pZU Hciiwirkung haben^r -
früher eine besonders heilkräftigende Wirkung auf das ««nen
Zmmt T^ftTeinT^^^^
:Ä- -
falls ist die Annahme einer localen Einwirkung, z. B- aut die
üht KuotLu, wenig wahrscheinlich, denn wie w»rc dann
die Besserung der sug. Complioationcn der Rhaeh.Ms au erkläre ,
die häufig ausgeprägter sind, als die Erkrankung der Knochen
selbst V Wir stehen hier also noch vor einer offenen 1 rage d e
Z u beantworten ein ebenso schönes wie schwieriges
für den physiologischen Chemiker abgeben würd .
Zr im Interesse der nothleidcnden Kleinen nicht warten bis
wir die wissenschaftliche Begründung der Wirkung des Phosphors
in Händen haben, wenn eine auf ruhige Bcobachtung gestUtzte
Erfahrung bereits den Beweis einer sichern und unschä^ichen Ei
Wirkung desselben auf den kindlichen Organismus bei Rhaclntis
und beiden oben geschilderten nervösen Störungen erbracht
hat Vielleicht dürfte es Verfasser aber möglich sein, in einer
späteren Arbeit der Beantwortung der Frage über die Art der
Einwirkung des Phosphors etwas näher zu treten.
Ueber die Wirkung der Carbolätzung auf die
gesunde Haut. 1 )
Von Dr. Adalbert Frickenhaus.
Meine Herren ! Der Zweck dieses Vortrages ist, Sie mit den
Resultaten einer im Unnaschen Laboratorium angeführten
Arbeit über «die Wirkung der Carbolätzung auf die
gesunde Haut» bekannt zu machen. Ich möchte Sic nicht mit
der Beschreibung einzelner Versuche ermüden, sondern will Ihnen
nur die verschiedenen Phasen der Actzung an der Hand von 1 rä-
paraten vor Augen führen, und ich erlaube nur Diejenigen unter
Ihnen, welche sich für das Thema speciell intercssircn, auf meine
demnächst in den Unna’schen Monatsheften erscheinende Arbeit
liiiizuw eisen •
Es wurden etliche 20 Versuche am Menscheu, Kaninchen
und Meerschweinchen vorgenommen, wobei stets das Acidum
carbolieum liqucfactuin als Aetzmittel benutzt wurde.
Die Aetzungen wurden theils fläclienförmig, theils
namentlich punktförmig nur einmal oder mehrere-
male in verschiedenen Zwischenräumen wiederholt
und nach verschieden langer Zeit excidirt.
Somit konnten die reine Carbol Wirkung, die Reactions-
erscheinungen des Organismus, die Regeneration,
sowie der Mechanismus der Abstossung des Schorfes
beobachtet werden. Ausserdem wurden zur Controle auch etliche
^Vortrag, gehalten am 18. Februar 1896 in der biologischen
Abtheilung des ärztlichen Vereins in Hamburg.
postmortale Actaungen auf der Fläche uud am Querschnitt ea-
Cidirte ; s "eSe™t r ^ t die S en Versacken, dass das Carbol als
. , ; tt fi auf menschliche Haut angewandt keine be-
Aetzmit^ „„Wirkung besitzt und dass das direct be-
^ c “ enC , , , unter dem Bilde des trockenen Brandes der Mumi-
troftene ewe directe Oarbolschorf noch vollständig
fication anlieimfällt, wobcl ^ e U wic J v , N e u m a n n schon im
die Gewcbsstructur erkennen lasst wie d. v. x e
, , irA 1R fi 7 ebenfalls experimentell festgestellt hat.
Letztere ist gemeinhin nicht erheblicher als dem
Anliaften von Serum an die austretenden Leukocytcn entspricht
Dm Actecarbol bewirk, auf de. Haut «ne altaähhch sunehmendo
skopLÄ Äe zlnfab^w^ter'Wirkung' u“d leuk'ocytärer Ein¬
wanderung ^ VerMtniäse wurde vorzugsweise
""“'e“ Me“ gesunde menschliebe Hau. ^ach«,
Aetzungen hat das Resultat ergeben, dass es nicht möglich ,
eine wesentlich t i ef er c Ab tö d tu „ g de ‘ ® ” “ ’* ‘
zielen, sowohl bei der punktförmigen, ah bei der fläche
tetemng, als eben durch die Dicke des Bpithels. hin-
durch Dieser Effect wird im günstigsten Fall schon bei^
maliger mit Sicherheit aber bei einer dreimaligen Aetzung
3 Tagen je eine — erzielt. Von da ab wird die Actzung nur
an der Peripherie im Bezirke der abgeschwächten Wirkung
tieft im Centrum nicht mehr, und die Zunahme des Schorfe
geschieht im. Wesentlichen auf Rechnung der ]ede Aetzung
gleitenden secundären Leukoeytese. Kaum bcssere ResulUte
zielt man mit einer öfters am Tage wiederholten Aetzung.
habe beispielsweise auf gesunde jugendliche Haut 7 mal inn
2 Tagen geätzt. Im Wesentlichen mit demselben Kfto*»
Bei der punktförmigen Aetzung erklärt sich diese JV h
liehe Befund dadurch, dass der Hof auf Kosten des Herdes nach
innen zunimmt. Das heisst, es folgt auf jede Aetzu g ,
Leukocytenachub in de,, Hof. Dabei wölbt siela Letzterer »sehende
mehr in den Herd herein, bis er schliesslich, wie ich dies
7 maligen Carbolätzung besonders schön constatircn . on " ’
Actzherd halbkugelförmig überlagert. Die
Einlagerungen bildet im extremen lall eine schützende P'
über dem Herd. Und es ist klar was man dann ätzt • nur
Hornschich. und achon verschorf.es Gewebe mit den Ej*“»
Einschlüssen. Auch flächenhafte Verschorfungen haben
“ Endreauhate. Man wird dafttr die
dass der Schorf bei einer nicht gerade bestimmt anzug
Anzahl von Aetzungen die Fähigkeit verliert, J-ter«^^
zulaasen. Andreraeita wird möglicherweise
Aetzung direct die Mitosenbildung angeregt so da8S ?' c
neues Epithel nachschiebt. Thatakchlieb begegnen w^t-
Bildungen vielfach in der basalen Stachelschic . . , erholtj
2 maligen Aetzung z. B., welche nach 24 schien nicht
48 Stunden nach der zweiten Aetzung excidirt w , . e „
einmal das Epithel in seiner ganzen Dicke durchbrochen, ^
noch circa 3 Lagen übereinander erhalten. Das -P
sich eben in der Zwischenzeit wieder soweit re^nenrt. ^
Beim Kaninchen dagegen liess sich einmal ein u „
die ganze Dicke des Ohres erzielen, eine richtige
ebenso wie diese nicht durch directen Carbolcontact In
es fanden sich die tieferen Arterien und \ enen tbromb • ^
einem andern Falle hatte sich ebenfalls am Kanincbeno , ^
täglicher durch 21 Tage fortgesetzter Carbolteuchirung: , ^
dem Schorf eine ausgedehnte Epithelunterwachsung 0
kümmert um weitere Aetzungen entwickelt.
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28. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
397
Es ist auffällig, dass die Tiefenwirkung des Carbois in
der menschlichen Cutis keine nachhaltige ist, zumal
wir auch hier eine Reihe typisch wiederkehrender Zell- und auch
Collageriveränderungen vortinden.
Die Verschorfung, welche bei der punktförmigen Aetzung
entsteht, tritt stets in einer bestimmten Aetzfigur auf.
Denkt man sich, das durch die Aetzung nekrotische Stück fiele
thatsächlich aus, so würde ein Defect entstehen, welcher ein
flaches Hohlkugelsegment darstellt, dessen tiefster Punkt dem
Centrum der Aetzung entspricht, ein Defect, wie wir ihn eeteris
paribus auch mit einem kleinen scharfen Löffel, der aber einen
grossen Radius besässe, ebenfalls hervorbringen könnten; mit anderen
Worten, die Carbolsüure diffundirt beim Aufätzen nach der Peri¬
pherie zu und erzeugt hier die abgoschwüchte, im Centrum die
iutensive Tiefenwirkung. Die Verschorfung dringt, wie Unna
in seiner Histopathologie erwähnt, sch ich ton weise in die Tiefe,
ln den Schnitten steigt demnach das intacte Epithel beiderseits
schräg von innen und unten nach aussen und oben an der Nekrose
in die Höhe. Diese typische Aetzfigur ist sofort nach der Aetzung
noch nicht ausgesprochen, sondern erst 24 Stunden nach derselben
zu constatiren und wird mit der Complctirung der Nekrose immer
deutlicher.
Die Veränderungen, welche wir im Einzelnen zu
erwarten haben, werden uns leicht verständlich, wenn wir uns
die für das Gewebe in Betracht zu ziehenden Eigenschaften
des Actzcarbols vergegenwärtigen: Das Carbol liesitzt von
5 Prot*. Lösung ab aufwärts die Fähigkeit, Eiweiss zu
coaguliren, ist hygroskopisch und befördert durch die
Zerstörung der Hornschicht, die ja auch ciwcisshaltiges Material
darstellt, die Wa^serverdunstung aus dem geschädigten
Bezirk. Ausserdem besitzt sie reducirende Eigen sc haften;
nach Husemann oxydirt sie sich an der Luft freilich sehr
langsam. Untersuchungen darüber, wie sich die Kcductiunswirkung
im Contaet mit der normalen Haut verhält, scheinen nicht vor¬
zuliegen.
Jo nach dem Excisionsintervall sind die Veränderungen ver¬
schieden, nicht priucipiell, nur dem Grade nach. Lässt man der
Aetzung gleich die Exeision folgen, so findet sich wenig mehr, als
eine Abplattung der älteren Epithellagen, wobei, als stereotyper
Befund, das Protoplasma mehr durch die Aetzung gelitten hat,
als die Kerne; die Bindegewebskerne der Form nach mehr, als
die Kpithclkeriie. Als weiterer eonstanter Befund kommt dazu :
gemischte Stasc der intcrpapillärcu Capillaren, Thrombose erheblich
seltener. Noch ist kein Unterschied von Herd und Hof mikro¬
skopisch ersichtlich. Erst nach 24 Stunden markirt sich
dieser. Damit tritt ein neues Element hinzu: die Leukocytose.
Sie ist nicht als eine directc durch das Carbol verursachte cliemo-
tactisclvc Anlockung, sondern als durch den örtlichen Eiweisstod
bedingt, aufzufassen, somit ein secundürer Vorgang. Das Carljol
wirkt schon in sehr verdünnten Lösungen hemmend auf die Aus-’
Wanderung von Leukocyten und somit in dieser Hinsicht, ganz
abgesehen von seiner antiseptischen, bactericiden Wirkung, direct
eiterungahemmend.
Die /ellvcränderungen des Herdes sind nach 24 Stund
beinahe schon die endgültigen, nur ist der Wasser Verlust no
nicht so ausgesprochen. Der Befund bestellt in Ausfall c
rotoplasinafärbung, sowohl im Epithel als im anstossenden l’apill;
ör|K'r. Epithclkcrne färben sich noch, aber nicht mehr intern
J>n mit zunehmender Mumification immer weniger. Das Chromat
<gt sich, zu feinen Kügelchen zerstäubt, an das Innere d
c r a tenen Kernhülle. Die Bindegewebskerne in dem mattglaa
vÄ 1- " Co,,a * cn erscheinen nackt und unter den wech»
Bilde 1 / r •^ CS ^ ernzt ‘ r ^ :, Bs- Ein Kernseh wund, wie er zu
statt °a < ' i £ er t ’ sc hen Coagulationsnekrose gehört, findet nie
niorhlf.,, n , Binde « ew «l>skerncn konnte namentlich bei jxif
wnstante^T? er f Ch, ! lfc !‘ Sat r UngCn ei “ zel,tIieor etisch sehr interessant
ri B ? Und beobachtet werden :. Wie sie , m. H., sehe
Ke rngerüstes f ros8narb, « e > vacolenartige Auftreibung d<
^h re v 0m ^J e T er ^ gen ’ We,che mit der B ü t s e h 1 i'schc
sind, wenn'm an n ? fc, v n deS Profco l ,1 asma8 sehr wohl vereint);
und von der Fh/' 6 Ve . rh ? tDIS8C V ° n Proto P Iaa “en auf den Ker
der Ebene auf den Kaum überträgt.
Zerstörenden Einfluss auf Pigment besitzt das Carbol in keiner
Weise, sondern es lässt dasselbe durch die Schädigung und Auf¬
hellung des Protoplasmas scharf hervortreten.
Stasenbildungen fehlen nie, Thrombosen sind bei den Aetzungen
an menschlicher Haut selten. Ausgeprägter und folgenreicher sind
letztere am Kaninehenohr, welches durch die eingeschobene Knorpel¬
platte ungünstigere Circulationsverhältnisse bietet, die das Auf¬
treten der Carboigangrän begünstigen.
An der menschlichen Haut habe ich bei 12 Versuchen nie
eine Wirkung des Carbois gesehen, die sieh nicht durch die
directc Aetzwirkung erklären Hesse; ja es blieb der EfFeet eher
hinter den Erwartungen zurück.
Von Aetzung zu Aetzung fällt der centrale Bezirk als ganzes
in der Farbe mehr und mehr aus und nimmt Hornfürbung an.
Ueberhaupt macht Carbol in seiner Wirkung auf das Epithel
durchaus den Eindruck einer abnorm schnellen Verhornung, wobei
sieh die unversehrten Schichten unter Ausbildung einer neuen Horn¬
schicht und einer keratohyalinreiehen Uebergangsschickt vom
nekrotischen abheben. Diese Abhebung kann auch ganz ohne
Leukocytose schon theilweise nach 24 Stunden vor sich gehen,
einfach als Folge der Austrocknungsretraction des Schorfes.
Die Regeneration findet in typischer Weise statt. Zu
bemerken ist, dass der Herd in der Cutis nicht ausfällt. Er
wird organisirt, Auftreten des spongioplastisehon Typus, doppelte
Conturirung der Gefässo mit üppigem Perithel, netzartig anasto-
mosirende Gefässsprosscnbildung kennzeichnen diese in den ersten
Anfängen schon nach 2 Tagen constatirbaren Veränderungen als
regeneratorische. Ehe es zur Ausbildung des spongioplastischen
Typus kommt, sieht man die Chroinatintrümmer aus der Leder¬
haut mehr und mehr verschwinden. In der Umgebung eines
Herdes in der Cutis, wo solche Zellzertrümmcrungen stattgefunden
hatten, fand ich stark tingiblc grössere Körner an den Knoten¬
punkten des Wabenwerkes von Korbzellen abgelagert. Es war
aber nicht zu entscheiden, ob diese Chromatingranula aus der
Umgebung aufgenommen waren, oder ob sie autochthone Kern-
fragmonte darstellten. Nach den herrschenden Ansichten wird
man sieh letzterer Auffassung anschlicssen, wiewohl der Befund
sieh auch im Sinne der Metschnikoff’sehen Phagocytenlehre
deuten Hesse, die freilich keineswegs allgemeine Anerkennung
gefunden hat. Im eigentlichen S]K>ngioplasma, welches die Spindel¬
form beibehält, finden sich solche grössere Einschlüsse nicht.
Hand in Hand mit der Regeneration in der Cutis
gellt die den Schorf keilförmig von beiden Seiten unter¬
schieb t ende Epithel proliferation. Sie nimmt ihren
Ausgang an behaarten Gegenden, namentlich vom
Staehe 1 epithel der Haarbälge, das sich untereinander
zu gemeinsamer Wucherung verbindet und zapfenförmige Aus¬
läufer in die Tiefe schickt. Das mag dem Praktiker einen
Fingerzeig geben , dass man Aetzungen mit Aussicht auf
schönen und prompten Erfolg, insbesondere auch in beharrton
Th eilen vornehmen kann. — Den negativen Beweis dafür, dass
die Epithelproliferation namentlich von dem Stachelepithel der
Haarbälge ausgeht, lieferte der ebenfalls am Kaninchenohr aus¬
geführte Parallel versuch, bei welchem die nur einmal geätzte Stelle
gleichfalls nach 21 Tagen excidirt wurde. Es war in diesem
Versuch eine annähernd haarlose Stelle an der Innenseite des
Ohres zur Aetzung gewählt worden. Bei der Untersuchung nach
3 Wochen bestand hier im Centrum noch ein ungedeckter
Epitheldefcct.
Gestatten Sie mir, meine Herren, noch etliche Bemerkungen
zum Mechanismus der Abstossung des Schorfes an
zuknüpfen.
uie Aostossung der Schorfe geschieht nach den cdltieen
Anschauungen wohl durch folgende Momente:
1. Durch die Austrocknung des Schorfes.
2. Durch peptisch demarkirende Wirkung der
Leukocyten. * r
3. Uurch keilartige U n ter schi ch t u n g proli-
fcrirendon Kp.thels von den Seiten und
Z *“ ,lcu ®°kOdeteni Kpitlicl
3*
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398
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
Bei diesen Auffassungen ist der etwaige mechanische
Effect der Leukocytose vollständig ausser Acht ge¬
lassen. Es ist mir nicht recht verständlich, warum auf einen
Körper, wenn er auch so klein ist wie ein Lcukocyt, physikalische
Gesetze keine Anwendung finden und wcsshalb ein solcher Körper
keine mechanische Wirkung erzielen soll, wenn die Bedingungen
hiezu gegeben sind.
Eine mechanische Wirkung der Leukocytose ist aber gegenüber
einem so harten und spröden Gewebe wie es der Carbolschorf ist,
in zweifacher Weise möglich und scheint thatsächlich auch statt¬
zufinden, wenn anders es erlaubt ist, die aus einer mikroskopischen
Autopsie gewonnenen Schlüsse auf Lebensvorgänge zu übertragen.
Die Wirkung des einzelnen Leukocyten stellt sich
mir in folgender Weise dar; Eben wenn der Leukocyt aus dem
gesunden Epithel ausgeschlüpft und seine Fortsätze an sich zieht
geht er aus der langausgezogenen Wanderform mehr und mehr in
Kugelform über. (Ich habe Ihnen hiefür ein Präparat eingestellt.)
Der Leukocyt nimmt somit eine Gestalt an, die ihn als contrac-
tilen Körper befähigt, durch zunehmende Oberflächen¬
spannung eine Sprengwirkung auszuüben, vorausgesetzt
dass das nekrotisirte Gewebe so fest und spröde ist, dass es nach¬
geben oder abspringen kann. Dies scheint beim Carbolschorf der
Fall zu sein. Die Leukocyten vermögen in den Carbolschorf nicht,
oder nur in seine allerunterste, wasserreichere basale Lage einzu¬
dringen. In letzterem Fall gelingt die Dehn- oder Sprengwirkung
des einzelnen Leukocyten natürlich nicht direct. Die Leukocyten
dringen nur in grosser Masse in die theilweise noch permigrablc
basale Lage des Carboischorfes ein und können dort durch Steige¬
rung des Druckes in Folge ihrer massenhaften An¬
sammlung eine Sprengwirkung cnmasse bewirken. Für
eine solche sprechen die Localisationen der Rissfiguren der
Schorfe: Klaffende Spalten namentlich an der convexen Aussen-
seitc des Schorfes, sowie horizontale Abrisse insbesondere nach der
Peripherie, weniger häufig nach dem Centrum der Aetzung zu,
sprechen dafür, dass eine Kraft von Innen gewirkt hat.
So kann auch einmal beispielsweise der Herd lediglich durch
eine Sprengwirkung der seitlich im Hofe sich ansammclnden
Leukocyten indirect ausgerissen werden. Als Beweis für die Rich¬
tigkeit dieser Anschauungen findet man dann an der Peripherie,
den Schorf nicht abgesprengt, sondern noch in festem Contact mit
der Unterlage. Dass Drucksteigerungen thatsächlich Vorkommen,
beweist die oft beobachtete Abflachung des Epithels, sowie die
Einbuchtungen desselben nach der Cutis zu. Diese mechanische
Wirkung der Leukocytose wird zeitlich der chemischen,
histologischen Wirkung voraus gehen. Zeitlich in
letzter Linie wird dann die vermehrte Oberflächen¬
spannung des nachrückenden Epithels, die in ent¬
gegengesetzter Richtung, — nämlich centrifugal vom Aetz-
ccntrum aus, — zu der durch Austrocknung bedingten Retraction
des Schorfes wirkt, die letzten Adhäsionen, welche den Schorf
mit dem Gesunden noch verbinden, zum Losrcissen bringen. Die
Adhäsionen bestehen, wenn die Verschorfung wie beim Kaninchen¬
ohr in die Cutis eindringt hauptsächlich aus Elastin. Carbol
besitzt nicht die Eigenschaft das Elastin in Klarin umzuwandeln.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dass die Dcmarcation des
Schorfes nicht früher vor sich geht, als bis die Unterlage
vollständig den Cbaracter des Deckcpithcls angenommen hat.
Ueber die Jodverbindungen der Schilddrüse.
Von E. Baumann.
Das Thyrojodin, die wirksame Substanz der Schilddrüse, ist,
wie ich in Gemeinschaft mit E. lloos gezeigt habe, in der Drüse
zum kleinsten Theil in freiem Zustande enthalten, zum grösseren
I heil ist es an zwei Eiweisskörper gebunden, welche leicht von
einander getrennt werden können 1 ). Durch Behandlung mit S iäuren,
Alkalien oder durch künstliche Verdauung wird aus den eiwoiss-
haltigen Substanzen das Thyrojodin abgespalten.
Durch Behandlung mit verdünnter Salzlösung wird den Schild¬
drüsen die jodhaltige Substanz allmählich völlig entzogen. In dem
. ^® umann un< I Roos, Hoppe-Seyler’s Zeitschr. für
physiol. Chemie. 21, S. 481 ff.
Maasse als letztere in Lösung geht*), nimmt die Wirksamkeit der
Drüsensubstanz ab. Aus der Lösung wird nach Ansäuern mit
Essigsäure beim Kochen ein reichliches Eiweisscoagulum abgeschieden,
welches alles Jod und die ganze wirksame Substanz der Schild¬
drüse enthält. Als z. B. 51 g präparirte Hammelschilddrüsen in
der genannten Weise behandelt wurden, lieferte das gesammte
Filtrat nach dem Verdunsten (nach Zusatz von Aetznatron)
und Veraschen keine sichtbare Jodreaction. Dr. Roos
fand, dass die jod- bezw. thyrojodinhaltigcn Eiweissniederschläge
bei Kröpfen ebenso wirksam sind als die frischen Drüsen oder
eine äquivalente Menge von Thyrojodin, während die eingedampften
Filtrate sich als durchaus wirkungslos erwiesen.
Die aus der Salzlösung abgeschiedenen Kiweissköri>er sind
von den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. mit Vortheil
zur Gewinnung des Thyrojodins — nach dem denselben patentirten
Verfahren — verwendet werden.
Im scharfen Gegensatz zu den eben genannten Beobachtungen
stehen Angaben, welche S. Fraenkel (Wiener med. Bl. 1896
No. 18—15") kürzlich gemacht hat. Nach Fraenkel sollen
die oben bezcichneten Eiweissniederschläge sowohl bei Menschen
als bei Thieren unwirksam sein. Wenn diese Angabe richtig
wäre, so müsste auch dem Thyrojodin, das bei der Verdauung
aus jenen Eiweisskörpern abgespalten wird, jede Wirksamkeit
abgesprochen werden. Da diese aber nach den übereinstimmenden
Beobachtungen von Roos 9 ), L ei eh t e n s t e r n 4 ), Ewald 5 ),
Bruns 5 ), Treupel 6 ), Grawitz 7 ) und Hennig 7 ) feststeht,
so ergibt sich der klare Schluss, dass die Angabe Fraenkel’s
unrichtig ist.
Fraenkel glaubt ferner sich überzeugt zu haben, dass die
Filtrate der Eiweissfällung die wirksame Substanz der Scbildrüse
enthalten, welche er Thyreoantitoxin benannt hat. Auch dieses
Resultat Fracnkcl's steht im unmittelbarsten Widerspruch mit
den Untersuchungen von E. Roos und mir. Nur wenn die Ab¬
scheidung der Eiweisskörper unvollständig bewirkt wird, enthalten
diese Filtrate einen Theil des Thyrojodins und zeigen dann eine
dementsprechende geringe Wirksamkeit. Verfährt man so, wie wir
diese Abscheidung beschrieben haben, so ist das Filtrat jodfrei
und unwirksam.
Das von Fraenkel aus den jodfreien Filtraten dargestcllte
Thyreoantitoxin kann nach dem Gesagten unmöglich die im Sinne
der Schilddrüscnthcrapie wirksame Substanz sein. Beweise, welche
für die Wirksamkeit dieser Substanz sprechen können, sind von
Fraenkel nicht erbracht worden und der einzige Versuch, bei
welchem Fraenkel eine Gewichtsabnahme an sich beobachtet
hat, beweist nicht, dass er die therapeutisch wirksame Substanz
der Schilddrüse in Händen gehabt hat.
Bei der Verarbeitung der Eiweissniedcrschlägc sowohl als
der Drüsen selbst (zur Gewinnung des Thyrojodins) bemerkt man,
.dass ein Theil des Thyrojodins in Lösung bleibt. Da die Löslich¬
keitsverhältnisse des Thyrojodins durch die Gegenwart anderer
Substanzen stark beeinflusst werden, ist nicht ohne Weiteres zu
sagen, ob hier unverändertes Thyrojodin oder ein Derivat desselben
oder eine andere jodhaltige Verbindung vorliegt. Jedenfalls ist
auch dieses «lösliche Thyrojodin», wie dieser Körper vorläufig be¬
zeichnet werden mag, nach den Beobachtungen von Dr. Roos
bei Kröpfen, seinem Jodgehalte entsprechend, ebenso wirksam als
das im Wasser fast unlösliche Thyrojodin.
Am Schlüsse seiner Mittheilung sagt Fraenkel, dass er
nunmehr auch mit einer jodhaltigen Verbindung der Schilddrüse
sich beschäftigen werde. Es scheint mir dafür weder eine Be¬
rechtigung noch überhaupt eine Veranlassung für ihn vorzuliegen,
und ich möchte jeden Versuch Fraenkel’s, auf das soeben
-) Bei der Extraction mit Wasser gelingt es nicht, der Drüse
die jodhaltigen Verbindungen, die zum grösseren Theil dabei in
Lösung gehen, völlig zu entziehen.
s ) Die ausführliche Publication von E. Roos, welche dem¬
nächst erscheint, ist dadurch verzögert worden, dass Herr Dr. Roos
sie als Habilitationsschrift im Februar der med. Facultät hier vor¬
gelegt hat.
4 ) S. meine Publication in dieser Wochenschrift 1896, No. 14.
6 ) Verhandlungen des Aerzte-CongresBes in Wiesbaden 1896.
°) Diese Wochenschr. 1896, No. 6.
7 ) Ebend. 1896, No. 14.
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_
28. April 189Ö.
Münchener medtcinische wocitensciühpt.
erst von mir eröffnetc Arbeitsgebiet sich zu begeben, entschieden
zurück weisen.
Eine klarere Trennung als die der Arbeitsgebiete von F ra en kel
und von mir kann cs gar nicht geben. Die von Fraenkel bis¬
her erzielten Prodncte stehen, wie er selbst zugibt, in gar keinem
Zusammenhang mit. den von mir und von Hoos untersuchten
Jodvcrbindnngen. Er dürfte ausserdem mehr als genug damit zu
thun haben, wenn er Beweise für die von ihm schon gemachten
Angaben erbringen will.
Ein Eingreifen Fraenkel's in die von mir begonnenen
Arbeiten kann dadurch nicht begründet werden, dass er sagt, dass
er jodhaltige Verbindungen auf anderem Wege als ich ans der
Schilddrüse isolirt habe. Wenn er meine Beobachtungen zu er¬
gänzen oder zu eorrigiren sich berufen fühlt, so muss er doch
mindestens so lange sich gedulden, bis sie abgeschlossen sind und
ihm vorliegen.
Feuilleton.
Zur gegenwärtigen Lage des Irrenwesens in Bayern.
Von Dr. C. Becker in München.
(Schluss.)
Bezüglich der Aufnahme und Verwahrung der Kranken in
Irrenanstalten wurden durch Ministerialcntschüessung vom 3. De¬
zember 1*55 die Directiven für die Privatirrenanstalten angegeben;
es wurde auch für die Kreisirrennnstalteu eine Abänderung der
bestellenden Statuten ins Auge gefasst, und so viel darüber bekannt
wurde, sollen die für die ersteren erlassenen Vorschriften in ent¬
sprechender IVei.se auf die öffentlichen Irrenanstalten ausgedehnt
werden. Die Wichtigkeit des Gegenstandes rechtfertigt es, auf ein¬
zelne Gesichtspunkte näher einzugehen.
Bis jetzt halte jede Kreisanstalt ihre eigenen Statuten, die in
den Hauptpunkten zwar überein c timmen, aber auch — sei es wegen
der Auffassung der einzelnen Krcisorgano oder sei cs wegen des
Alters ihres Bestehens — manche Verschiedenheiten erkennen
lassen. Es wäre desshall) zunächst wünschcnswerth, dass für säirimt-
üchc bayerische Kreisirrenanstalten eine gemeinschaftliche Norm
Über die Aufnahme, Verwahrung und Entlassung der Kranken
getroffen würde. Die Abänderung der Statuten sollte daher mit
Ausnahme der eigentlichen Venvaltungsangelegenheiten nicht den
einzelnen Kreisen überlassen bleiben, sondern durch Ministerial•
cntschliessung einheitlich geregelt werden, nach vorheriger Einver¬
nahme der compelenten Vcrwaltungs- und Sachverständigen-Organe,
d i. der Landräthe und der Kreisregierungen, sowie der Aerztc-
kammern und des erweiterten Obermedicinalausschusses.
Die Entscheidung über die Aufnahme der Kranken sollte aus¬
schliesslich dom Director zustehen, der nach Prüfung der bei-
gebrachten Belege und persönlicher Untersuchung sofort seine Ver¬
fügung treffen kann. Müsste er jedoch hiezu in jedem Falle die
vorherige Genehmigung der Regierung erholen, so hätte dies viele
Unannehmlichkeiten für den Kranken und Zeitversänmniss im
Gefolge und liesse sich in der Praxis nie grundsätzlich durchführen,
da für dringliche Fälle stets eine provisorische Aufnahme gestattet
sein müsste. Ausserdem sind die Kreisregierungen hezw. der Kreis
mcdicinalrath nicht in der Lage, auf Grund persönlicher Information
sich für oder gegen die Aufnahme auszusprechen, sondern sind
hiebei auf die schriftlichen Gutachten der praktischen, amtlichen
und Anstaltsärzte angewiesen, die für die Richtigkeit und Gewissen¬
haftigkeit ihrer ConstatiruDgen persönlich einzustehen haben und
sieh gewissermassen selbst gegenseitig controliren. Bei der
langjährigen praktischen Erfahrung der Irrenanstaltsdirectoren und
ihrer Berufstreue als Beamte wäre es unbillig, ihnen mit Miss¬
trauen entgegen zu kommen.
Die Aufsiclitsberechtigung der Kreisregierung würde dadurch
keineswegs angetastet, im Gegentheil, für die Irrenärzte kann eine
wirksame Staatsaufsicht in ihrem eigenen Interesse wie in dem
ihrer Schutzbefohlenen nur erwünscht sein. Dieselbe erreicht jedoch
v ircn ^ wec k besser, wenn sie weniger die Einlieferung als das
Verbleiben in der Anstalt controlirt, und liesse sich praktisch in
folgender Weise durchführen:
I. Ueber alle Aufnahmen haben die Directoren in kurzen
Zwischenräumen an die Regierung Bericl.t zu erstatten mit der
besonderen Ai.gahe, ob der Betreffende freiwillig eintrat oder durch
Angeliöiige oder Behörden eingeliefert wurde, ob dereelbe ent¬
mündigt ist oder nicht, und welche amtsärztliche oder privatärztliche
Zeugnisse Vorlagen. Ebenso ist von sämmtlichen Entlassungen und
Beurlaubungen unter Bezugnahme auf das 'Heilungsresultat der
Regierung regelmässig Mittbeilung zu machen;
.. 2.^ Zu Anfang jeden Jahres haben die Directoren ein nament¬
liches Verzeichniss der Pfleglinge, chronologisch nach der Aufnahme-
*eit geordnet nebst Angabe der Krankheitsform und der erfolgten
atmündigung an die Regierung einzusenden;
No. 17.
3. Die Kremregiernng nimmt gemeinsam mit dem Kreis-
medicinalrathe periodische unvermuthete Visitationen der Anstalten
vor, welche sich auch auf die Einsichtnahme der Acten, Prüfung
der ärztlichen Atteste, Einvernahme einzelner Kranken und Berück¬
sichtigung eingelaufener Beschwerden erstrecken;
4. Der Landrath bezw. Landrathsausschuss hat als zuständige
Laiencommission die Berechtigung, periodische Visitationen der
Anstalt in Bezug auf Verwaltungsangelegenheiten und allgemeine
Behandlungs- und Verpflegungsweise vorzunehmen;
5. Dem mit der Oberaufsicht betrauten Staatsministerinin des
Innern bleiben nach Bedürfnis Oberrevisionen unter Zuziehung
seines Medicinalreferenten und eines Professors der Psychiatrie oder
des Directors einer anderen öffentlichen Irrenanstalt Vorbehalten.
Da die Anstalten zunächst nur für Kreisangehörige bestimmt
sind und hauptsächlich ans Kreisinitteln unterhalten werden, ist
füglich eine gewisse Rangordnung berechtigt, dass die Kreisangehörigen
den Niclitkreisangehörigen und Bayern den Ausländem Vorgehen
und die Aufnahme der letzteren von dem verfügbaren Raume und
der Dringlichkeit des Falles abhängt.
Bezüglich der weiteren Frage, ob der statutengemässe Aus¬
schluss gewisser Kranken von der Aufnahme zulässig ist, kann bei
Idioten, Cretins, Epileptikern undunheilbaren, aber ruhigen Geistes¬
kranken die Aufnahme verweigert werden, soferne für deren Ver¬
pflegung in dem betreffenden Kreise anderweitige öffentliche Am
stalten zur Verfügung stehen.
Auch erscheint es mit Rücksicht auf die anderen Pfleglinge
zulässig, ungefährliche Kranke mit hochgradig entstellenden, Ab¬
scheu erregenden oder ansteckenden Uebeln bis zur Beseitigung
dieser von der Aufnahme auszuschliessen.
Nach den bestehenden Statuten werden ferner in Bayreuth
geisteskranke Verbrecher und in Gabersee sicherheitsgefährliche
Strafgefangene nicht aufgenommen. Es wurde mehrfach darüber
geklagt, dass die Anwesenheit geisteskranker Verbrecher, nament¬
lich bei grösserer Anzahl, die freie Behandlung erschwere, die
übrigen Kranken gefährde und beeinträchtige, und dass die Anstalt
ohne Verzicht auf den Charakter einer Krankenanstalt die nöthige
Sicherheit gegen Entweichung solcher Kranken nicht bieten könne.
Missstände mögen dadurch wohl in einzelnen Fällen bedingt sein,
doch ist die Zahl dieser Insassen eine sehr geringe; so ergab eine
Umfrage in den schlesischen Irrenanstalten (Centralbl. f. Nerven¬
heilkunde u. Psycli. lb'.it», S. 25) hei einer Gcsammtzahl von etwa
4000 Kranken 21(5, d. i. 5,4 I’roc. geisteskranke Verbrecher und
darunter wirklich störende Elemente nur Gü. Auch in den bayerischen
Kreisirrenanstalten waren nur wenige Pfleglinge vor oder nach ihrer
Erkrankung mit dem Strafgesetz in Confhkt gekommen. Ein Bedürf¬
nis zur Errichtung besonderer Anstalten besteht somit nicht, zumal
gleich schlimme Eigenschaften mich den anderen Kranken, oft in
noch höherem Maasse innewohnen. Man muss desshalb zu ihrer Ver¬
wahrung immer nuf die Kreisirrenanstalten zurückgreifen, in welchen,
wenn sie nicht gerade überfüllt sind, die störenden Elemente von
den ruhigen Kranken abgesondert werden können. Der Ausschluss
geisteskranker Verbrecher kann daher nur bei solchen Anstalten zu-
gelassen werden, welche den Charakter einer offenen Anstalt haben
und sicherheitsgefährliche Kranke überhaupt nicht auf nehmen können.
Was die einzelnen Bedingungen des Aufnahmeverfahrens an-
langt, so muss dieselbe durch den Director obligatorisch erfolgen
bei Untersuchungsgefangenen, die zum Zwecke der Beobachtung
ilirc.s Geisteszustandes durch Gerichtsbeschluss eingeliefert werden,
und darf auch nicht verweigert werden hei districtspolizeilich ein-
gewiesonen gemeingefährlichen Kranken. In den übrigen Fällen wäre
die Entscheidung über die Atifimlimsgcsuehe dem Director anheirn-
zustellen, der unter Berücksichtigung der Heilbarkeit und Dringlich¬
keit des Falles, des verfügbaren Raumes und der sonst erforderlichen
Voraussetzungen seine Entschliessungen trifft.
Es steht ihm zu, die Aufnahme von der vorherigen Sicher¬
stellung der Zahlung der Verpflegungskosten abhängig zu machen,
sei es, »lass dies durch protokollarische Erklärung des Kranken und
seiner Angehöligen, oder durch schriftliche Mittheilung der Armen¬
pflegen, Krnnkenversichcrungscasscn, Berufsgenossen.scliaften oder
sonstiger öffentlicher Cassen et folgt.
Weiter hat viel darauf anzukommc», ob die Aufzunehmenden
freiwillig oder unfreiwillig zur Anstalt kommen. Im ersteren Falle
— der Betreffende mag sich krank fühlen oder im Verlaufe des
Entmündigungsverfahrens oder einer sonstigen Processangelegcnheit
sich freiwillig einer Beobachtung unterstellen — sowie bei den
Kranken, die mit ihrer Zustimmung durch Angehörige oder andere
hiezu befugte Personen eingebracht werden, kann die Legitimation
durch einen Heimathschein und der Nachweis der bürgerlichen
Selbständigkeit als genügend erachtet werden.
Bei unfreiwillig Eintretenden müsste in jedem Falle ausser der
Legitimation mindestens eine privatärztliche, die Geistesstörung con-
statiremle Krankengeschichte vorgelegt werden, und für minderjährige
Kranke, deren Aufnahme von den Eltern oder gesetzlichen Vormündern
beantragt wird, wäre ein weiterer Beleg nicht erforderlich.
Dagegen sollten Volljährige, auch wenn sie entmündigt sind,
lediglich auf das Verlangen von Angehörigen oder Vormündern nicht
aufgenommen werden. Denn der Antrag stellende Theil kann da¬
bei von Nebenabsichten geleitet sein, welche den Interessen der
Krankeu zuwiderlaufen und welche dieAnstaltsdiroction zu beurtheilen
nicht in der Lage ist. Ausserdem erstrecken sich die civilrechüichea
4
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'lob
WWCHENBR MB PICINISCHB W OCHBN3CHR1OT.
No. 1’
Mg.nderEntmündi^^^
des Kranken; eben so wenig , e _ Unzureehnungrfäbigkeit bei straf-
den Strafrichter zur Annah solcher für sich allein dazu
»erfSÄsa«
SJS5 RÄ- —-Ä’. U5JK\S
des Aufnahmeverfahrens ist dadaren nici^g^g^_^^ .^. 1 . che Ein .
liehen Ge ‘ 8 ^!f e Ö t r 7e?d n en k für den Rechtsschutz des Kranken wäre
«XMi.' ISfS wüto £
s^sgsässis
vVÄtaTn.ok«. in de, Anstalt «»langt, «
Isüs^lSsi
Vormundschaftsbehörde zu entlassen, üntersuchuijgge^
nach Abschluss der Beobachtung an das zustandligeU • w
zuliefern und distriktspolizeihch eingewiesene Kr.u ke s id “ 8
andere öffentliche oder private Irrenanstalt 0 ler . J,!, a P ‘ Anstahs-
eesorgt ist. Nimmt der Krankheitszustand erst während des Anstalts
aufenthaltes einen gemeingefährlichen Charakter an, .
der zuständigen Districtspolizeibehörde Mittheilung zu mache ,
«S Ä«» gegnnüber dom Kranke» und «men
Angehörigen die Entlassung verweigern zu können, bollern wegei
Gemeingefährlichkeit eingewiesener Kranke nach Wegfall « .
aber noch nicht eingetretener Heilung, noch länger in der Anstalt
behalten werden, so ist hiezu die Zustimmung des Kranken oder
Ser Angehörigen und der Vormundschaftsbehörde erforderlich
In jedem Falle hat der Director nach erfolgter Genesung die
Entlassung anzuordnen; er kann dieselbe auch ^«StoSter aÄ
gemeingefährlichen Kranken verfügen, wenn trotz wiederholter Auf
forderung von den dazu Verpflichteten die Verpflegskosten nicht
berichtigt werden oder wenn der als unheilbar erachtete ruhig
Kranke in eine sonstige Pflegeanstalt überführt werden kann.
Es frägt sich nur noch, ob die Entlassung der heilbaren
Kranken von einer bestimmten Dauer des Anstaltsaufenthaltes
abhängig gemacht werden kann. Bestimmungen hierüber sind jeUt
schon in den Anstaltsstatuten von Deggendorf, Khngenrnunsterund
Erlangen vorgesehen. In der Praxis macht man nämlich häufig d e
unliebsame Erfahrung, dass die Angehörigen, wenn sie kaum die
Aufnahme des Kranken erreicht haben, bald wieder in lolgc ander¬
weitiger Einflüsterungen seine Entlassung betreiben, und wenn dieses
Verlangen erfüllt ist, nach der ersten unausbleiblichen Collision von
Neuem seine Einschaffung in die Irrenanstalt verlangen Ein solches
hin und her verträgt sich aber nicht mit einem ruhigen Anstalt¬
betriebe und ist für den Kranken direct nachtheilig. Es'wäre
desshalb ganz zweckmässig, in den neuen Statuten allgemein für
heilbare Kranke eine Minimaldauer der Belassung in der Anstalt
von etwa 6 Monaten, vorbehaltlich früheren Austrittes bei Genesung,
als Aufnahmsbedingung festzusetzen oder doch wenigstens bei Ein¬
gang dieser Verpflichtung das betreffende Aufnahmsgesuch vor den
übrigen zu bevorzugen.
Gegenüber dem definitiven Ausscheiden der geheilten Kranken
haben für genesene, gebesserte und unschädlich gewordene Kranke
die bayerischen Kreisirrenanstalten — mit Ausnahme der pfälzischen
welche jedoch bei Rückfall innerhalb eines Jahres nach der Ent¬
lassung leichtere Aufnahmsbedingungen stellt — bisher eine probe¬
weise Entlassung in Form eines Urlaubs mit verschieden langer
Frist vorgesehen. Diese Einrichtung verdient auch weiter beibehalten
zu werden, da an die Ertheilung des Urlaubs für die betheiligten
Angehörigen oder Gemeinden gewisse Bedingungen bezüglich der
Aufsicht und Verpflegung geknüpft werden können und bei \Y leder-
aufnahme innerhalb der Urlaubszeit die neuerliche Instruction des
Aufnahmegesuches in Wegfall kommt. Die Dauer des Urlaubes sei
nicht zu lange, nicht über 6 Monate zu bemessen; mit Ablauf dieser
Zeit gelten die Kranken als definitiv entlassen.
Wenn ich noch kurz auf die besonderen Verhältnisse der
Privatirrenanstalten eingehen will, so ist zuzugeben, dass die Vor¬
schriften für dieselben im Allgemeinen strenger sein dürfen, als bei
den Kreisirrenanstalten, da deren Leitung nicht in den Händen von
staatlich berufenen Aerzten mit amtlichem Charakter liegt, und da
die Befürchtung eintreten könnte, als würden behufs Steigerung der
Rentabilität die Kranken ohne weiteres Bedenken in die Anstalt
aufgenommen und länger als nothwendig zurückgehalten. Jedoch
ist die Zahl der in 1 «^nsjaltc P[J ß nicht einmal der zehnte
geringere, als in den öffentliche , trelen in Jeu erste ren bei
Theil des Bestandes der letztem , einfachen Seelenstörungen
der Statistik der Kjankheitsformen i entual 8tärker hervor.
und die transitorischen Erreg'IdüussFolgerung, dass eine über-
Hieraus ergibt sich als praktische. durc hzufübren ist
sichtliche Control® über ® kter von Heilanstalten zukommt,
und ihnen vornehmlich der -haraU« oder Verwahrung der
Denn lediglich zum ZweC ^ lt ^g Smit3 5ig thenreren Anstalten nur von
Kranken würden diese veihftttniM 8 bieten sie gerade für tran-
wenigen Familien aulgesuchtwerde ^ en ß n g Frgatz f .. r (1 , e Kreisirre n an .
sitorische Störungen einen w ermöglicht eine eingehendere
stallen und die geringe ZahlIder^ l flegimg * er8chafft dem letzteren
Beschäftigung des Arztes .^^XStigung specieller Wünsche zu.
mehr Comfort und lä«st die Be"*®“ 1 ' für einzelne Gesellschaftskreise
Die Privatirrenanstalten bilden dal iedoch an einer discreten
ein wirkliches Bedürfnis; eben d esen lst J ed0C ^^ n dann aber bei
Behandlung der Sache überaus vi g ^ nRch de r Ministerialent-
deren Aufnahme m die Ans • ’ 9 j d ie Verhältnisse der Privat¬
schliessung vom ^Dezember ^ ein comp Ucirter
irrenanstalten betreffend, die 8 amtlicher Nachweis über
amtlicher Apparat aufgeboten we sm ■ Geisteszustandes
die Personalien, amtsärztliche^ Constatirung r gleichen
die Personalien, C’-onstatirun« gleichen
auf Grund persönlicher Untersucnung eventuel , lienach-
Inhaltes von Seite der DlB J" ct ®P ‘ jigungsantrages zuständigen
richtigung des zur Stellung de ; ß dass die betreffenden
Staatsanwaltes - so <mrd die Fol^ ^ ausUln dische Anstalten
Familien dem aus dem W cg g einheimischen Institute,
aufsuchen zum Schaden unse ^ . enn die Bestimmungen über
F.s kann daher vollkommen ge üg Kreisirrcnanstalten entsprechend
die Privatanstalten den Statuten d * voraussichtlich d ; e Inter-
angepasst werden, da deren Neureg 8 , ar( j ss te Garantie
essen aller Betheiligten meto CchtenB darin,
für das private und> bffenth.che \V 1 M ^ inisterialentschl ie8sung ap
£^nÄ* Ä» *-—*■
wie bei den Kreisirrenanstalten. , Fnctoren
Erfahrung und Gewissenhaftigkeit a ?. r ."“d^Vürsorge für die
bilden überhaupt die Grundlage, auf < • der der Erfolg
Geisteskranken weitergeführt werden kann unü \on
jedweder Reform des Irrenwesens abhängt.
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. B. Ge 1 ge 1, Docent an der VnivcmtUt Würzburg und
Dr. F. Voit, Docent an der Universität München . Leh
der klinischen XJntersuchungsinetlioden. Stuttgar.,
lag von Ferdinand Enke. 1895- . .. ,
Die Bearbeitung des gewaltigen Gebietes der khmscien n i
suchungsmethoden haben die beiden Autoren derart nute ch
geteilt, dass Geigel den physicalischen, Voit den dmun^cn
und mikroskopischen Theil übernommen hat, Rament ch d-
Autor hat cs verstanden, in durchaus eigenartiger M eise
Aufgabe zu entledigen und tritt uns als ein in 1J ° Bcmer-
logie bewanderter Kliniker und in manchen e.„gestreuten
kungen als ein selbständig urteilender human ^
sympathisch entgegen. Gerade im Hinblick auf die
des Buches für Studirende und Anfänger schätzen wir letzter
besonders hoch. Freilich, für Studirende ist
fangreich, vielleicht in mancher Beziehung zu ein ® , ^ dor
der Bearbeitung der historischen Entwicklung von ' ^ ^
Auscultation und Percussion, dem Theil, den wir a ■ _ findet
gelungensten des ganzen Buches bezeichnen moc 1 ■ citrenart igcr
der Leser in eingehender Darstellung und thei weise eigejarti*
Auffassung die physicalische Grundlage der Lehre 4.^ unJ
wissenhafte Anleitung zur Erklärung der dui c . -
Percussion gefundenen Beobachtung. Dass der Autor e
Verdienste seines verstorbenen Vaters hervorzubeben und^s^
Prioritätsrecht in manchen Forschungsresultaten in d e gen
kann nur wohlthuend berühren; um so verwunderlicher
ist die schroffe Form seiner Kritik über manche Ein/.dhcitc .
Knapp, aber übersichtlich ist die Untersuchung des Nerven¬
systems dargestellt, und durch gute aus bekannten^ -e einc
entnommene Zeichnungen illustrirt. Der Klektro h
sehr ausführliche und lesenswerte Darstellung der
und physiologischen Verhältnisse vorausgesclnc , ' die
klinische Beschreibung der einzelnen Lrkrankungs y I
i
Diqil
i v.
28. April 1896.
Gegenstand der Untersuchung sind, unserem Dafürhalten nach
emo etwas eingehendere Beschreibung hätte erfahren dürfen.
Die Laryngoskopie und Rhinoskopio ist eine selbständige
Disciphn geworden von so grossem Umfang, dass sie in den
Rahmen eines Buches, wie das vorliegende, nicht mehr hineinpasst
wenn sic aber in kurzem Ueberblick doch behandelt wird im
kT n C, i 1 I u d,gkeit deS Werke8 ’ 80 mu88 eigentlich wohl
^r P1 ° J? a “ Cnthalten ■*>'. deren Kenntnis«
zur Diagnostik innerer Krankheiten (Gehirntumoren, Nieren-
erkrankungen etc.) bekanntlich unerlässlich ist. Auch die in den
KSn“ r :* n r o,ko, "“ n,K Gaätn " “ d
Die Bearbeitung der chemischen und mikroskopischen Unter¬
suchungsmethoden gibt vermöge ihres Stoffes weniger Gelegenheit
zu origineller Auffassung und Besehreibung. Wer aber eine klare
durchaus verständliche Anleitung zu den vielen am Krankenbett
nothwendigen chemischen und mikroskopischen Untersuchungen zu
haben wünscht, wird das Buch als einen znverlüssigen Führer
schätzen lernen und sich nach allen Seiten hin aus ihm Raths
erholen können Besonders hervorgehoben sei die reichliche Menge
f K rr es aIs Cin MangcI dehnet werden,
dass keine fähige Tafel diejenigen Untersuchungsrcsultate demon-
stnrt, die eben nur wegen und gerade durch die Färbung ge-
undei, werden. Be, der voraussichtlich bald nothwendig werdenden
neuen Auflage wird demselben abzuhelfen sein.
Die Ausstattung ist im Ucbrigen eine vortreffliche.
S c h m i d - Reichenhall.
Münchener medicinische wornF M S nr n?T?T
401
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Mcdicin. 1896 No 17
“ FA ll e v ° n Rcnt ™ Gelenkrheumatismus wurden mit Serum-
Ganzen 2z) bclmndelt; das Serum wurde durch Venae-
Kmat-mmn, ”t n e | r,tnomr T en ; (lie kurz vorher einen acuten Gelenk-
rl euinatismus « urchgeinacht hatten. Die Reaction gestaltete sich
verschiedenartig ei Vn^ nl '' e ’ 80nder ;‘ a " ch nach jeder Einspritzung
Serum heran2 g i, n I -"n?“ 1 8pecifiach heilbringenden Wesen diese?
S a 7“f. ,e kann n, °ht gesprochen werden. Die vorhandenen
Naiht der°r e o? P ?'" r , den , 9 mal * ün8li g beeinflusst; 5 mal trat ein
spritzuTg Z G tÄ? nk,ln ? . eret - zweitenTa * e "«ch derEin-
1 6 . FlllIen 7 - ei 8 te 81ch g« r keine Wirkung auf den
Senke TnT^’ ,U 3 r Fi , 1,len , ein F °^^reiten auf bisher frei
dieTernnpia, mehrer ® n Eil > en d er ersten und zweiten Kategorie fiel
floss aÄ Filp 1 n 1 - V, i’ in d f n Übripen zeipte 8ich kein Ein-
im Durchschnitt von 6 ^ 10,0 ? ini ‘ Cirten S ° rUm8 8cl,Wanktc
eine ^ecifisrh^ njha " d ? lte ^ sich . nacb W somit nicht um
vielen anderen%,nW n • T e,n , e alIfr , fcmeine Wirkung, wie sie von
kannt ist Stoffen « insbesondere den Albumosenpräparaten, be-
W. Zinn-Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 16.
vrm! n -| k: Em Fal1 V ° n Verticalluxat 'on der Kniescheibe.
hefti^ em 9 hl g p r Cin / S T*!!" 8 !°"i Verticalluxation der Patella unter
der KnieTcheil,T /; dUrCh d,recte E, nwirkung entstanden (Anschlägen
in Narkos^ «'"• Bett^estell) - leichte Reposition
10 Tagen vnllL-r.° mflssi J?cn Ergusses im Kniegelenk schon nach
la 8 en vollkommene restitutio ad integrum. Sehr.
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 34. Bd. 1 . H.
von Cardnora a u nd e i B l rl ’ n: Ue ?f r 8 leichzeiti ges Vorkommen
v-aremom und Sarkom im Uteruskörper.
Oes Uterusl'örncrs 011 y, 1 rc . h0w , u ncl Klebs von MischgeschWülsten
doch recht Garcmosarkomen — reden, scheiiien dieselben
wandsfreie Fal? “ m-"’ i E ’ frtnd in der Literatur nur 2 ein-
selbst^beschre hf p ° n ?*ebergall und Rabl-Rückhardt. Er
Es handelte sie b h *' ae V'S e " en Ja", den Veit vor 3 Jahren operirte.
des Uterus ppmnrH 6 " 16 FraU| welcher die Totalexstirpation
' R '>Hondgrocs g er Tu b n r W Q l,,Vle , V" üteru8 fand sich z,,nilcliat ein
schleimlm,,; , vnr r T° r an ‘I er 1 unteren. Wand; die übrige Uterus-
riie am inneren MühT* ”*a za J! ten Zotten und Papillen bedeckt,
der Tumor a n!n i n nd aufhörten. Mikroskopisch erwies sich
der übrigen ITfPr, ,|zelIon .sarkom, während die Wucherungen
E ntartfn„ n^ rr 0311 T* diffuse «dono-carci nomatösc
keit bei der 8 mikrnHt7' T Z ^'. n Sdllus8 »eist E. auf die Schwierig-
besonders mif ; * Diagnose der Uterussarkome hin, die
Endometriums viel^A7i' 6 i T r . 4 Endoraetrit ' 8 ®nd Tuberculose des
tnums viel Aebnhchkejtep haben. Für Letztere ist besonder/.
dCT Eotfe ™“° 5 ™-
Technik in erster Linie zu achten l k 8t bei tlor
also die Frau, 80 ist die zweizeilig zersetzt, fiebert
am meisten zu empfehlen T n *_ a |: ^ Eröffnung des Fruchtsackes
wickelungsformen des FruchtsapÜ P P m f nt j äre ,md 8,1 bseröse Ent-
aSää ÄaasSwS cpsä
fcorsurTf a s ssstüse
Brtori»“„. E 'i? S Tlf e ;, Eon D n 1 i Ä *” Physiologie des Neu-
des^Neugebo^enen! 0 *"* dl"ü?f n r
Stoff d * bei “”*'ra«e” Perb
£ e a 1 7 # vie ^ er zu sinken und constant zu werden* R hfllf a ; n u
aUe mit C dem’n • eSeS ^ Met bylenblauausschridung auf
äkSäS
bc. Beginn des extrauterinen Lebens gefunden zu K“
Geburt mit CollumiJebs. C ° mpIication der Gravidität und
7 beschraibt z unachst einen Fall, wo der Uteruskrebs in der
7. Schwangerschaftswoche zur Beobachtung kam. B. machte die
agmale Totalexstnpation mit günstigem Erfolge. Auf Grund von
n zn ^iem' Ä 3 d gÜnS ' ig y erlaufenen Eällen der Literatur, gelangt
die ToSxSÄn d 9 m de V 8ten 4 Schwangerschaftsmouaten
Ün-Jou lt 1 rp ation des graviden carcmomatösen Uterus als das
no. male therapeutische Verfahren angesehen werden kann
zur Be?h«e n hi? zwei i en , Falle kni ? die Frau er8 t während der Geburt
der TTfprn d 8 !, Er °‘ er ? w “ rde spontan beendet, 15 Tage später
dur ^ h vflglnale Exstirpation entfernt. Heilung. Von
1 2 _ oo S| ^ Gre \r S f ,^"g« r8chaf tsmonaten operirten Frauen starben
GeTnri^ ■ M . ortabtU • d a g e g e n fand B. für die spontan beendeten
Geburten nur eine Mortalität von 11 Proc. für die Mütter. Dagegen
Fälle MrS 1 ’ d £?, 8 d H® 0pe . rir ' en mei8t vorgeschrittenere, schwerere
lälle betrafen. Für die Kinder sieht sich die Prognose in den
operirten Fällen besser als in den spontan beendeten. B<?i inoperablen
S :r cn f 13 ^ 'r IU , IIen ; wo überhaupt eine operative Ent-
b idun 0 erforderlich ist, der Laparotomie der Vorzug zu geben.
J af fü- Hamburg.
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 16.
haftetBecken hfn: Ueber zweckinässi ge Eintheilung fehler-
L. empfiehlt, für die Lebrbüchr-r eine Deue, zweckinässigrre Ein-
theilung der fehlerhaften Becken vorzunehmen. Die bisherige ist
unwissenschaftlich und nach keinem einheitlichen Gesichtspunkt
gestaltet. D. schlägt vor, die Ilauplgruppen nach der Form, die
Unterabtheilungen nach der Entstehung zu nennen. So entsteht
ein Schema, in das sich alle bekannten Formen der fehlerhaften
Becken einreihen und übersichtlich gruppiren lassen. Die Details
siehe nn Original.
2) Sigmund Gottschalk- Berlin: Die vaginale Verkürzung
der Lig. sacro-uterina zur Heilung der Retroflexio uteri.
Die in der Ueberschrift genannte Operation, deren Technik G.
ausführlich beschreibt, ist von ihm bisher zweimal mit Erfolg ge¬
macht worden, wobei der Uterus eine ganz «ideale Lage» bei voll¬
kommen freier Beweglichkeit erhielt. Beide Fälle betrafen jüngere
Frauen, die Jahre lang erfolglos mit Pessaren behandelt worden
waren.
3) Rech-Köln: Ein Fall von Tubargravidität bei Portio-
carcinom.
Diesen, wie es scheint, einzig dastehenden Fall beobachtete
R. in der Bonner Frauenklinik bei einer 43 jährigen Frau die 11 mal
normal geboren und 1 mal aboytirt hatte. Sie kam im dritten Monat
der Gravidität, die vor der Operation nicht erkannt wurde in die
Klinik, wo ein operables Portiocarcinom gefunden wurde. Bei der
Operation (vaginale Hysterektomie) kam es zu einer profusen Blutung
aus dem rechten Parametrium; nach der Exsiirpation der Adnexe
fand sich eine Gravidität in der rechten Tube, während im Uterus
nur Decidua vorhanden war. Heilung. .... . . Jaf fö-Hamburg.
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402
rarff.NF/R MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT^
No. 17.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 16.
torischen Gasw ,® c n h ^J; fftSSeni ailß estellte Versuche, wozu sie sich
Zehn von den angegebenen Rcspirationsappara es
des von Geppert Zjj auPge übte Massage des
bedienten, ergaben, dass d ^ c “ r 1 " 8 ! 8 ,,, ,• Proc die COe-I’roduction
1. Oberschenkels der O 2 -Verbrauch für die Bauch-
um 12,9 Proc. stieg. resp. 15,2 Proc.,
niassage sind: a) imntuhtern ( n ,p oc resp 11 9 Proc. Zunahme.
b) >»I d “ B " he ^I e c r wTafti,^ÄerSende B.mlt.t, du.
Der letzte ihrer Versuche lia d h eine8 umfangreichen
bei d * r “XaGlwwSS^e^GlswechBel nicht höher steigt, als
^JdÄTlSfdSli^ active Contractionen der l.ngerbeuger
2aS‘£S
lichste Folge der Atresie darst ’ b 8 ene n j c ht angeborene Ver¬
einfachem Genitalschlauch fii beantworten, warum nach
SiS-gs«
äääSSsä
nKSSn^ üeber « ^
nungen bei der Ausbreitung einiger endemischer Krankheiten.
(Schluss ^atzenstein-Berlin: Das Orthoskop, ein neuer
“’BSÄ“ teSSÄn Archiv für L.rjngo-
SHSJriSSSslaB
Untren 8 CÄ,1": S Efn FaU von tddmch
Petroleums iber dZ Eigenschaften sich Verfasser näher ver¬
breitet getrunken und starb nach einigen Stunden unter den Er
scheinungen erschwerter Respiration und schliesslichen Herzcollapses
im Koma g Die Section ergab ausser dem Nachweis des ’ncorporirten
Petroleums, nichts Charakteristisches, im besonderen keine Pu
monie, keine nachweisbare Herz- oder Nierenveränderung. Aus der
I itpmtur sah der Verfasser, dass sein Fall der einzige ist, wo der
ÜÖK3Ä - “ A “%° g
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 17.
1) L. Lewin: Die Toxicologie vor Gericht.
Leider kommt es immer noch vor, dass vor Gericht der
Chemiker ein Gutachten über die Art und Wirkung eines Giftes
im menschlichen Körper abzugeben hat Die
solchen Frage steht aber eigentlich nur dem Mediciner * u - JJns
derzeitigen Physikatsärzte können aber unmöglich alle Gebiete der
Hygiene, Geburtshilfe, Chirurgie, Arzneimittellehre, Toxicologie etc
so beherrschen, dass sie aus eigener Erkenntnis derartige Gutachten
abgeben können. Speciell mangeln uns tüchtig gebildete und^ ge¬
schulte Toxicologen vor Gericht. Zwei Wege gibt es zur J3 esse r g
der Verhältnisse: Der beste ist, dass jeder wirklich gebildete Arzt
toxicologisch durchgebildet ist, besonders vor dem Physikatsexamen
oder man sollte sich gerichtsseitig entschlossen, für toxicologiscbe
Fragen nur den Toxicologen zu hören.
2) M. Mendelsohn: Exstirpation einer Niere.
Siehe Referat dieser Wochenschrift vom 7. Apnl 1896, b.
3) Grödel-Bad Nauheim: Ueber acuten Gelenkrheuma¬
tismus im Anschluss an Angina.
10 Fälle von rheumathoiden Erkrankungen mit und ohne
Endocarditis Hessen eine lacunäre Angina im Beginn erkennen
Verfasser neigt sich der Ansicht zu, dass in solchen Mllcn
der Angina die Bedeutung einer prodromalen Loealaffection zukomme,
von welcher aus die zur Erregung einer Rheumarthritis geeigneten
Coccen oder Streptococcen den Weg in den Körper nehmen.
Therapeutisch dürfte sich demnach namentlich für solche 1er-
sonen, welche zu acutem Gelenkrheumatismus disponiren, eine
tägliche Spülung des Rachens mit leichten Antisepticis, überhaupt
eine gewissenhafte Hygiene der Mund- und Nasenhöhlen empfehlen.
4) H ö 1 z 1 - Radeberg: Darmverschluss durch Gallensteine.
Verfasser beschreibt zwei Fülle, in denen über taubeneigrosse
Gallensteine das Darmrohr ohne Schaden passirten, allerdings unter
zeitweisen sehr heftigen Erscheinungen der vollkommenen Darm-
occlusion. Im einem Falle wurde der Stein spontan mit dem btuhl-
gang entleert, im andern wurde er vom Sphincter ani aufgenalten
und musste mit einer Steinzange geholt werden.
« A Lanz: Zur Therapie des Ulcus molle.
Verfasser sah Ulcera mollia, die bei niemals> ^
krankten einen torpiden Charakter annalimen, oder bei früher
mphüittoch InflcirtoNeigong um serpiginösen Portal,rc.trn hatton,
rasch heilen bei innerlicher Darreichung von Jodkali.
6) Crohn-Halberstadt: Erfahrungen über das Diphtherie-
heilS VeXsser sah unter 300 Fällen von Immunisirungen mit
Behring s Heilserum niemals bösartige Folgen.
Keines der immunisirten Individuen erkrankte in den ersten
4 Wochen nach der Injection an Diphtherie. \on 150 mit Heilserum
belmndelten Diphtheriekranken (im Alter von 10 Monaten bis tu
26 Jahren) sind 5 (4 Kinder und ein Erwachsener) gestorben. Bei
1 nur von diesen 150 war die Tracheotomie nothwend.g und d.ese
hatten bereits zu Beginn der Behandlung Larynxstenose.
7 “ Oppenheim-Bad Sachsa: Hirnhaemorrhagie als Com-
Fall von Keuchhusten, in welchem
äSTÄÄ 'der rechten Körper,,»Ute ein. Koch
dem ".Tage blieb noch für 4 Tage eine Lähmung der rechten
Körperseite 8 mit vorübergehender Aphasie. Wasser srhlieMtans
diesen Symptomen auf eine Blutung im motorischen und Sprach-
centrum. die sich wieder aufgesogen bat.
8) Barth-Köslin: Plötzlicher Tod durch Verstopfung der
rechten Kranzarterie^^, ^ ^ lu „ cm lek ,, tc „ Unwohl-
sein ohne frühere Krankheit, plötzlich todt um . n „
Section. Nirgends Veränderungen, auch keine Atheromatose
der Intima, erbsengrosses Blutgerinnsel in der rechten Kranz¬
schlagader von höckeriger Oberfläche, graubrauner Farbe
9) Fr. Röhrle: Chorda tendinea congenita in aorta. r.
Vereins- und Congressberichte.
XIV. Congress für innere Medicin
in Wiesbaden vom 8. bis 11. April.
(Originalbericht von Dr. A1 b u - Berlin).
(Schluss.)
v. Noorden (Frankfurt a. M.): Zur Behandlung der
harnsauren Nierenconcremente.
I)ic interne Behandlung der Concrementablagerungen in den
Harnwegen bei harnsaurer Diathese hat sich an folgende Grund¬
regeln zu halten:
1 . Zufuhr von reichlicher Flüssigkeit.
2. Verordnung einer Nahrung, welche die Harnsüurcbildung
beschränkt. _ ,
3. Verordnung von Substanzen, welche in den Harn udc -
tretend diesem ein grösseres Lösungsvermögen für Harn¬
säure verleihen. ,
4 . Vermeidung von Substanzen, welche in den Harn über¬
tretend dessen Lüsungsvermögcn für Harnsäure ahscliwachen.
Der erste Weg ist klar vorgezcichnct -und bedarf keiner
weiteren Rechtfertigung. .
Der zweite Weg ist noch recht unsicher, weil es sieh num
mehr herausstellt, dass die Harnsäure-Ausscheidung (von Bildung
gar nicht zu reden) nur in sehr beschränktem Maasse willkür¬
lichen Acnderungen der Kostordnung folgt. Nur extreme, pra -
tisch gar nicht durchführbare Verschiebungen der Kostordnung
beeinflussen die Harnsäure-Ausscheidung deutlich.
Der dritte Weg ist wiederum klar vorgezcichnct. Natrium-,
Lithiumsalzc, Piperazin, Lysidin, Uriccdin, Harnstoff und andere
kommen in Betracht. , .
Der vierte Weg ist bis jetzt noch wenig ausgebaut , aber
vielleicht besonders lohnend. Dahin sind zu rechnen die Ver¬
meidung starker (Mineral-) Säuren, die Vermeidung nuclcinrwcncr
Kost und z. Th. auch die Therapie. . . ,
Die Alkali-Therapie, so rationell sic im Pnncip ist, bogegn
in praxi manchen Schwierigkeiten. Den Harn bis zur alkalischen
lleactiou zu bringen, liegt kein Grund vor; es wäre s°«f r
denklich. Es* genügt, so viel Alkali zuzuführen, dass eine schw.i
saure licaction aufrecht erhalten wird. Damit erreicht man 1 an ,
dass das’ für Harnsäurelösung sehr ungünstige Mononatriumphospliar
aus dem Harn verdrängt wird und nur das für Ilarnsäurclosunt
sehr günstige Dinatriumphosphat übrig bleibt.
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28. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
403
Wie zahlreiche Untersuchungen, welche N. mit seinem
Assistenten J. Strauss ausführte, gezeigt haben, erreicht man
eine für Harnsäurelosung Üusscrst günstige Zusammensetzung des
Harns, wenn man sieh der kohlensauren oder pflanzensauren Kalk¬
salze anstatt der Natrium- und Lithiumsalze bedient. Bei Kalk¬
zufuhr verarmt der Harn an Phosphorsäure; diese verlässt den
Körper zum grössten Theile mit dem Kalk durch den Darm. Es
resultirt ciu Harn, welcher folgende Eigenschaften hat:
1 . Die absoluten Mengen des schädlichen Mononatriumphosphats
sind verringert.
2 . Das relative Verhältniss zwischen Mononatriumphosphat und
Dinatriuni phosphat ist zu Gunsten des letzteren verschoben.
3. Die saure Reaction bleibt selbst bei grossen Dosen von
Kalk gewahrt. Hiermit ist Alles erreicht, was man von
der Alkalitherapie hei harnsaurer Diathese irgend erwarten
kann.
Die praktischen Erfolge entsprechen den Voraussetzungen.
Von 21 Patienten mit harnsaurer Diathese, welche fortdauernd
mit kohlensaurem oder pflanzensaurein Kalk behandelt wurden, und
über welche fortlaufende Nachrichten vorliegen, hatten hinnen der
Bcobachtnngszeit von s /* Jahren nur zwei ein Kocidiv von Nieren¬
kolik oder Steinabgang. Es waren darunter Patienten, welche sonst
mit grosser Regelmässigkeit alle paar Wochen Kolikanfälle hatten.
Die Resultate scheinen so günstig, dass die Kalktherapie zur
weiteren Prüfung empfohlen werden kann. In manchen Fällen
kommt man mit 2 — 4 g Calciumcarbonat am Tage aus, bei
anderen muss man mehr als 10g darrcichen, um das Mono-
natriumphosphat aus dem Harn zu verdrängen. Von den löslichen
pflanzensauren Kalksalzen bedarf man weniger, als von dem kohlon-
sauren Kalk. Bezüglich der Menge sollte man jedesmal tastend
und streng individualisircnd vorgelien ; gelegentliche Bestimmungen
des Mononatriumphosphats und des Dinatriumphosphats unterrichten
darüber, ob man das richtige Maass getroffen hat.
Gum p recht (Jena): Leukocytendegeneration im leu¬
kämischen Blute.
Im engen Anschluss an den Vortrag Kossel’s wird von
G. Uber den morphologischen Ausdruck des vermehrten Leukocyten-
zcrfalls im leukämischen Blute gehandelt. Der chemische Ausdruck
für diesen Leukocytenzerfall ist durch das vermehrte Auftreten
der Harnsäure oder von Alloxurkörpern iui Urin des Lcukämikers
gegeben.
Die Morphologie absterbender Zellen ist eine mannigfaltige;
eigene Untersuchungen von Lymphocytenaufschwemmungcn, die
durch höhere Temperaturen degencrirt wurden, ergaben als Re¬
sultat, dass hei dieser Degeneration eine langsame Auslaugung des
Kern-Chromatins neben einem Undeutlichwerden der Kernstruetur
und Unregclmässigwcrden des Kcrnconturs einhergehen.
Dieselben Zelländerungen existiren nun im leukämischen Blute
und berechtigen, hier eine ausgedehnte Zelldegeneration anzunehmen
iDemonstr.). Zunächst an den Lymphocyten: Hier findet sich eine deut¬
liche allmählich fortschreitende Auslaugung der Chromatinsubstanz und
Inregelmässigkeiten des Kcrnconturs, Vernichtung der Kernstruetur
und Lücken im Kerne (Demonstration). Jn erster Linie kommen diese
Leukocytcn hei acuten lymphatischen Lcukämiecn vor. wo sie mehr
als 10 Proe. aller Leukocytcn betroffen; sie werden aber auch
bei den chronischen Können an den sog. Markzellen gefunden
und fehlen auch schweren Anämicon nicht.
Rosenfeld (Breslau): Zur Behandlung der Urat-
diathese.
Für die Stcinbidung kommt die im Harn nicht gelöste Harn¬
säure in Betracht. Sie wird bestimmt, indem der Patient jede
1 rinportion auf je ein schnell filtrirendes Falteufilter entleert,
wudurch die ungelöste Harnsäure retinirt wird, die dann in KHO
gelöst, durch HCl nach dem Eindampfen gefällt und gewogen werden
|u<nn. Diese Hamsäuremenge — die primäre Fällung genannt —
ist der Steiubildungscoeffk-ient der Harnsäure.
Aorist wird noch die Gesammtharnsäure nach Salkowski’.scher
Methode bestimmt. Mit dieser Methode lässt sich feststellcn, dass ,
Harnstoff und Urotropin gute Lösungsmittel für Harnsäure sind
und zwar Harnstoff das bessere. Der Harnstoff 5—20 g pro die ,
wird gut vertrageu, hat keinerlei Nachwirkung über die Vorab- J
reiebungsperiode. Auch bewirken sie eine Verminderung der
Gesammtharnsäure. Zur möglichst besten Harnsäurelösung aber
muss noch die Diät geregelt werden. Jede stärkere Erhöhung
der Fleischkost führt zu stärkerer Harnsäurebildung, ebenso sehr
starke Fettzufuhr und Zuckerverabreichung. Darum muss das
Eiweiss des Fleisches durch andere Eiweisskörper ersetzt werden,
StofFweebselvcrsuehc mit I)r. Bornstein und Anderen, in denen
bestimmte Floischmcngen durch Caseinnatriuui, durch Pepton,
durch Aleuronat ersetzt wurden, zeigten, dass diese Ficisehsurrogate
die Harnsäurebildung um 24—70 Froc. herabsetzen. Die Curvcn
der Alloxurbascnaussclieidung verhalten sich durchaus nicht immer
parallel zur Harusäureausscheidung. Die Resultate sind je nach
dem Individuum erheblichen Schwankungen unterworfen.
Hess (Strassburg): Beziehungen des Eiweisses und
Paranuclelns der Nahrung zur Alloxurkörperausscheidung.
Verfasser suchte der Lösung der Frage, ob aus obigen Sub¬
stanzen Harnsäure (etwa durch Synthese aus NH 3 und Milchsäure)
hervorgehen könne, durch Selbstversuchc näherzukommen. H. und
Schmoll setzten sich auf eine Nahrung von bestimmtem N.-gchalt
und legten dieser in bestimmten Tagen, nachdem die N.-ausschei-
dung im Harn constant geworden war, in der einen Versuchsweise
Eiweiss idas Weisse von 24 Eiern), in der anderen Paranuclein
(das Gelbe von 24 Eiern) zu. Es zeigte sich, dass z. B.
bei einer Resorption von 5 —6 N (auf Eiweiss bezogen) weder
eine Steigerung in der 24stündigen Harnsäure, noch in der Ge-
sanimtalloxurkürporausschcidung auf tritt, während bei Zugaben von
selbst geringen Mengen von Kalbsthymus (100 g = 3,0 N) eine
prompte Vermehrung sowohl der Alloxurkörper, als aueh speeiell
der Harusäureausscheidung stattfindet.
Der Umstand, dass bei einem Paranuelei'nversuch die 24 stän¬
dige Menge der Harnsäure auf 75 Proe. der normalen sank, hätte
eine falsche Vorstellung über den Umfang der Nucleinzcrsetzung
bei Paranuclein Zulagen aufkomuien lassen können, wenn nicht die
gleichzeitige AHoxurkörperbestimniuiig gezeigt hätte, dass die
Gesammtsummc der Alloxurkörper unverändert geblieben waren,
d. h. dass die Harnsilureverminderung zu Gunsten einer Bascu-
mehrung stattgefunden hätte.
Es ergibt sieh hieraus die Nothwendigkeit, die Alloxurkörper
regelmässig neben der Harnsäure zu bestimmen. Für die Theorie
einer synthetischen Bildung letzterer beim Menschen haben sich
aus obigen Versuchen keine Anhaltspunkte gefunden.
Laquer (Wiesbaden): Ueber Alloxur-Körper im Harn
von Gesunden und Kranken.
Anknüpfend an die Untersuchungen Kosscls, Ilorbae-
cewsky’s und Weintraud’s betont Vortragender, dass bei
den zukünftigen Forschungen über physiol. und pathol. Bildung
der Harnsäure ihr Parallel-Product, die Xanthinköri>er oder Alloxur-
basen, stets quantitativ mit in Rechnung gestellt werden müsste;
U-f-R a sen fasse man nach Kossel’s Vorgang als Alloxurkörper,
entstehend aus dem Zerfall des Kerneiweisses, zusammen. V. hat
Stoffwechsel-Versuche über die Beeinflussung dieser Alloxurkörper
durch Flüssigkeitszufuhr (Wasser, Alkal. Wässer, Milch) an Ge¬
sunden und Kranken (Gicht, Nephritis) angestcllt und gefunden,
dass dieselben — in erster Linie die Milch — die Harnsäure-
Ausscheidung herabsetzen, die Basen erhöhen, wie auch Umber
bestätigt. Die Ausscheidung der Alloxurkörper (U-}-Basen), nach
Krüger-Wulff bestimmt, gehe quantitativ dem Gcsammt-Ki-
weisszerfall parallel. Alkohol wirkt noch stärker U. herabsetzend,
wahrscheinlich durch passagerc toxische Einwirkung auf die Nieren.
Auch Körperbewegung steigert nicht die U.-Bildung. V. fand
im Allgemeinen höhere physiol. Zahlen für die Alloxurkörper als
seine Vorgänger auf diesem Gebiete.
V. wendet sieh sodann gegen Ko lisch’s Arbeiten, die nicht
genügend durch exakte Versuche gestützt wären ; besonders hält
L. die K.’s. Theorie, die Gicht sei eine Alloxurdiathese, für falsch
und unbewiesen, ebenso die Annahme, dass die U. sieh in der
Niere bilde. Der K.'sehen Behauptung, dass bei Nephritis die
V. - Ausscheidung herabgesetzt sei, stimmt L., wenn auch mit
grosser Einschränkung zu. Vogel s Ansicht, dass bei Gicht
N.-Retention statttinde, bestätigt L. In therapeutischer Beziehung
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No. 17.
- -— --- , . . .
404 ----—-. „.., anirecebeneo Methode ausgeführt,
empfiehlt L. M «*. ^-c^de Kost,«.«—. I
Alkoholabstinenz, müssigc Körperbewegung, ____ nfU . h | Es ergab sich 1 dass rrvfVmnflpn waren, welche in
spW 3i‘ *Ä‘iSKü , ~ £»”*** dos 1,arastoSea
bei der Ilarnsäurediathese. M , macht darauf a ifmerk-
Herr von Noorden ( Fran f fu jf -ackstoffarmo Kost die nor-
sam, dass sowohl im Han, zur Ausscheidung kommen,
malen HarnsUurewerthe die »m Ha K 0 1 i s c h aufgestellte
nicht erheblich■. herabd.ücken . Die ^ weil
Theorie, dass die Harns&urebiMu^ g 1 HarnsUurewerthe sich
bei Nephritis regelmässig abnorm n ^ * unridlt ig. Er hat bei
nachweisen liessen, bezeichn : w , lie g gefunden und nur bei
chronischer Nephritis ste s normale , J y von der Norm.
„ote, -»• eitvetoemhe,
n grössere Reibe
Herr Albu (Berlin! berichtet kurz über <en 1 W ulff-
von Untersuchungen auf Zeit noch nicht sicher
sehen Methode, deren khni&cher pr nur c - m mal abnorm
festgestellt erscheint. Be ‘ 1 Bc - G cgun den schwanken die
AHoi'urkörperwcrthrin ziemlich erheblichen Grenzen, sie gehen fast
-“'“"r .,™,i -* «loicMslU gegen die
Koliseh’sehe Theorie der Harns»«“™^”JJ n au B t h noch Botkin
An der weiteren (Frankfurt a. M),
fo.rÄ^uT^M iLlioJ'CWi«.
heitsform^und ^Eiweissgehalt nicht vorhanden > welche in
diagnostischer ein gewisser Parajd-
2) Dass Eiwciss bestehe, derselbe aber
lismus zwischen spez. „■osotzmilssig angesehen werden kann,
durchaus nicht als verlüsslic ® dic Unhaltbarkcit einer
da vielfache und bedeutende Differenzen, die unn
solchen Auffassung begründen. Littcratur nieder-
3) Die Z»B«tellu» g ” n Vc r ta8i bestätigen
gelegten '“Cb.uungen derselben. Di.
srx.v rÄ*:
SfSSX»
werden kann. , der prognostischen
Die vielfach angenommene Ansicht von‘ V f , lb , cibcn od cr
Bedeutung des Eiweissbefundes inso ^> ^ 3 «^„gekehrte Ver-
A 11 steigen des EiweissgeliMtes *nc -Ute, glaubt
inüLn, nachdem seine Beobachtungen an
4 Füllen das Gcgcntlicil erwiesen haben.
R Stern (Breslau): Ueber Cheyne-Stokes’sches Ath*
ne „ und andere periodische Aendernngen der Athmun«.
Vortragender beobachtet seit einiger Zeit bei 3 1 aticntc 1
vorirdgciiu«. K.Ulf Verletzungen aufgctrctcncn
Bei einem dieser Falle - bei dem die periodische ^Setzung
der cerebralen Functionen am hochgradigsten war ,
Chey nc-Stokcs’ sclics Athmen auf, und zwar hol der Athmungs
Stillstand mit den Perioden der Functions-Herabsetzung, die Ath-
mung mit den dazwischen liegenden Zeiten zusammen. Diese |
Beobachtung wies darauf hin, dass das theync-. 0 0b b
Ythinen als ein specicller Fall des vom Vortr. beschriebenen all¬
gemeineren Phänomens aufzufassen ist. Schon von einigen früheren
Beobachtern wurden in einzelnen Fällen von (1 \ c - v nt ' S
schein Athmen gleichzeitig mit den am meiste.» m s Auge fa e d
Sonderungen der Atl.mung auch solche auf anderen Gebieten
(Circulationsapparat, Motilität, Sprache, Bewusstsein) constaU t
Auch Vortr. konnte dies in mehreren Fällen eonstat,ren, wahrend
allerdings in manchen anderen bei vergleichender l „tersuchung
beiden Respirationspliasen keine Unterschiede zu hmlon waren.
Bei den beiden anderen der erwähnten 3 Patienten zeigten
sich ebenfalls periodische Aendcvungen der Athmung; bc. dem
einen traten nach 1-3, bei den, anderen »ach S
liehen Atliemzügcn eine abnorm tiefe Respiration auf Diese letztere
erfolgt bei den. einen Patienten während, bei dem andern un¬
mittelbar nach den erwähnten Perioden herabgesetzter 1-unetion
Im (Morphin-) Schlafe blieb der Athmungstypus ,m W esent¬
lichen unverändert, woraus sich ergibt, dass die periodischen
Schwankungen auch bei aufgehobenem Bewusstsein fortbcstchen.
Vortr. muss für seine Fülle — mit Rücksicht auf die E
gebnissc der Untersuchung der psychologischen Tbätigkeit wahren
der «Schwankungen>■ — annehmen, dass die H 1 rn rin de hierbei
wesentlich betheiligt ist. Auch die Betheiligung der All,mung an
den Schwankungen spricht, wie Vortr. näher ausführt, nicht gegen
die corticale Loealisation dieses Symptomen-Uomplexcs. Die liier
neu mitgetliciltcn periodischen Acnderungcn der Athmung kommen
durch eine weniger hochgradige Schädigung der centralen Ath-
mungs-Regulation zu Stande, als das Chey ne-Stokes sehe
Athmen. Dass auch letzteres corticalcn Ursprungs sein kann,
ist bereits von einigen früheren Beobachtern behauptet worden;
die liier mitgetheilten Thatsachen sprechen für die Richtigkeit
dieser Anschauung.
Ott (Prag): Ueber den Eiweissgehalt pathologischer
Flüssigkeiten. . , . . , .
Vortragender hat 43 pathologische Flüssigkeiten untersucht,
rr , .. .1 _ ,i,„. vnn Kiel dalil für die Be-
Gans (Karlsbad): Ueber den Ei ”?X i tTs Qy'-
lösungen auf die Umbildungsgeschwind gkeit d y
Arbeiten dm übe* den Muss
der Alkalien auf das Eeberglycogcn mit Bezug^ ^ ^ ob
krankhcit gemacht worden sin , ■ d ] jC ber vermehrt
durch Alkalien die glycogonbildende »t ^ zu
oder vermindert wird, wobu nun ; n diese für
ganz entgegengesetzten B^Uutc^ a 80 wicht igc
die ganze Frage der Alkali Wirkung oc ncucn
Angelegenheit Klarheit zu bringen ist eines aus
Wege vorgegangen : es wurden fei« 8 A, , 3 m \ t Diastasc
Kaninehcnlchcrn aschenfrc arges 1U untcr Zusatz
invcrtircn gelassen, und z.ln. andern Ver-
verschieden concentrirter K ^ ,zl ^^ rter Glaubersalzlösungcn,
suchsreihe unter Zusatz verschieden contc t verschieden
und endlich in einer dritten Versuchsreihen^
concentrirter Lösungen vom at -" ‘‘“ r . d c die Invertirung
Nach einer für alle Versuche gleichen Zeit wurde«,«
durch Ausfüllung des „och nicht «u,gewandelte^ Gly«>g ^
Alkohol unterbrochen und auf polanmctns^ ^ e Verauc hsreihc
gebildete Zucker quantitativ best,mint. rür jede als
diente eine G lyeogon - Diastasc - Lösung ohne sonstigen *
Contrulflüssigkcit. d dic Umwandlung
Bei diesen Versuchen fand Gans, dass: aic
” 4
grosse Bedeutung, dass ihm dadurch mehr Zeit blicDe,
Zucker zu verbrennen.
Haussmann (Kissingen): Die Aciditaetsbestimmung
des Harns und ihre klinische Bedeutung. thode
Vortr. empfiehlt als einzige, zuverlässige Bestand g ^
der Acidität des Harns die Freund sehe Methode, d» ^
Bestimmung des zweifachsauren 1 osp ia s hingewiesen
dieser Untersuchung, auf den bereits von Ande™ t ^ ^
wurde, liegt darin, dass wir aus der Zusamm ■ b(jr dic Au6 .
über die chemischen Veränderungen des Körpers re p.
fuhr saurer Substanzen wegen der “'«“T JL_ e Auskunft er-
F 1 ÜS V?S^er bat 43 ^Imlogiscbe Flüssigkidten mit^t. bessere Auskunft er-
Oie Untersuchung wurde mit der von Kjeldahl für die Bc- | abgescliieacnen, fe
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28. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
halten, als durch die Blutalkalescenzbestimmung, die nur einen
kurzen Moment berücksichtigt und mit sehr geringen Quantitäten
arbeitet. Ferner sprechen für die Unzuverlässigkeit der heutigen
Blutalkalescenzbestimnmngen deutlich 2 Punkte. Man kann nämlich
in einem Gemisch sehr schwacher Säuren, starker Basen und
indifferenter neutraler Körper, wie es das Blut darstcllt, weder
durch Berechnung aus der Zahl der vorhandenen basischen und
sauren Gruppen, noch auch durch die empirische Bestimmung mit
Hilfe von Indicatoren zuverlässige Resultate erhalten. Zweitens
weiss man ja heutzutage überhaupt noch nicht, ob man die »Salze
des Blutes allein, oder auch die an Eiweiss gebundenen mineralischen
Bestandtheile berücksichtigen soll. Vortr. weist die Unrichtigkeit
der letzteren Ansicht nach und entschliesst sich besonders unter
Zugrundelegung einer neueren Arbeit von Guerber für die Be¬
stimmung der Salze des Blutes allein, rosp. deren Zusatz durch
die Freund’sche Harnaciditaetsbestimuiung. Mit llilfe der
letzteren Methode, deren Anwendungswei.se genauer besprochen wird,
kam derselbe zu folgenden Resultaten : ] ) Die absoluten Säurewertho
während des Tages sind am Vormittag am grössten, am Nach¬
mittag gewöhnlich niedrig, in der Nacht halten sie gewöhnlich eine
mittlere Höhe inne. 2) Die Mittags mahl zeit, unbeeinflusst von der
Flüssigkeitsaufnahme, setzt die Säurewertho im Harn in den nächsten
4—6 Stunden herab. Bemerkenswerthe Unterschiede einer ge¬
mischten, vegetabilischen oder vorwiegenden Fleischnahrung Hessen
sich nicht constatiren. 3) Die Diurese setzt die relativen Säure-
werthe im Harn herab, vermehrt aber durch die grossen Harnmengen
gleichzeitig die absoluten Säurenwerthe in ganz bedeutendem Maasse.
4) Warme Bäder von 30—32° R. scheinen die Säureausfuhr zu
verringern. 5) Muskelarbeit scheint die Harnmengen und die
Säureausfuhr zu erhöhen. — Zum Schluss empfiehlt Vortr. die
Anwendung dieser Untersuchung zur Prüfung der Wirkungsweise
vieler bekannter Blutgifte, die auch, wie z. B. das Antii'ebrin,
Phenacetin, Sulfonal, eine therapeutische Verwendung finden. Der
Hauptnutzen von dieser Methode dürfte jedoch bei dem Studium
der verschiedensten chronischen Erkrankungen zu erzielen sein.
Der klinisch bekannte Begriff der Säureintoxication scheint durch
das vom Vortr. gefundene Vorhalten der Säurcausfuhr unter dem
Einfluss der Diurese, besonders bei uracmischcn Zuständen eine
grosse Stütze erfahren zu haben.
Matthes (Jena): lieber Eiweisskörper im Urin bei
Osteomalacie.
Krebl und Matthes hatten bei Untersuchung der febrilen
Albumosuric stets nur Deuteroalbumosen gefunden. Die einzigen
Befunde von primären Albumoscn sind dagegen in 4 aus der
Littcratur bekannten Fällen bei Osteomalacie beziehentlich bei unter
dem Bilde der Osteomalacie verlaufendem multiplem Myelom ge¬
funden worden.
M. untersuchte einen neuen Fall, der eine auffällige Ueber-
einstiinmung der Symptome mit diesen 4 Fällen zeigte. (Sämrnt-
liche Fälle betrafen Männer und bei allen ist vorzugsweise Brustkorb
und Wirbelsäule befallen.)
Der im Harn allein ohne Beimischung anderer Eiweissarten
auftretende Körper gibt neben den bekannten Albuinosenreactione»
eine scheinbare Coagulation bei 53°, die bei weiterem Erhitzen
löslich ist, und stimmt auch sonst mit den früheren Befunden
überein, fällt z. B. als klcinkugeliges Sediment spontan aus dem
Hnn. Trotzdem handelt es sieh nicht um eine Albumose, wie
die älteren Untersucher annahmen, denn eine lang fortgesetzte
Pepsinverordnung führt zur Abspaltung eines eisenhaltigen Nueleins.
Dasselbe enthält 1 Proc. Phosphor, cs ist dadurch merkwürdig,
cs in absolutem Alkohol ziemlich löslich ist. Es enthielt
jedoch kein Lecithin, wie die ihm in vielen Beziehungen ähnlichen,
gleichfalls eisenhaltigen Dotterplättchen und des Icbthulin.
Der Körper ist also ein Nuclcoalbumin, dessen Albumin-
bestandtheil hydrolytisch gespalten ist und wird als Nuclcoalbumose
richtig bezeichnet.
Die Herkunft desselben ist mit Wahrscheinlichkeit im eisen¬
haltigen Nuclcoalbumin des Knochenmarkes zu suchen.
Vielleicht kommt dem Körper differentialdiagnostische Be¬
deutung zu, in dem Sinne, dass er sieh bei multiplem Myelom
nicht bei Osteomalacie findet.
Bei subeutaner Einverleibung erweist er sieh als nicht direct
assimilirbar.
Discussion: Adamkiewicz (Wien).
Schott (Nauheim': Ueber gichtige Herzaffectionen.
S. weist zuerst auf die Schwierigkeiten hin, welche sich der
Feststellung der Diagnose hei Gicht entgogcnstellon. Die gichtigen
Herzaffectionen haben die ärztliche Aufmerksamkeit erst in den
beiden letzten Deecnnien insbesondere durch die Arbeiten von
Fothergill auf sich gelenkt. Viele lätigneten jedoch noch zur
Zeit das or banden sein solcher gichtiger Herzleiden. Hier könne
mir die klinische Erfahrung in Verbindung mit pathologisch-ana¬
tomische» Forschungen Klarheit schaffen. Redner hat desshalh
aus seiner Praxis nur solche Fälle ausgewählt, hei denen die Ent¬
stehung der Herzleiden nur auf gichtige Processe zurückzuführen
war. Aehnlich wie Coupland vermochte er 2 Fälle von Aorten-
stenose, ferner luyooardisehe Prozesse, motorische und sensible Neu¬
rosen, bei den letzteren besonders Angina pectoris, zu beobachten.
Zahlreich seien auch die Fälle, hei denen durch gichtige Processe
das Herz seeuudär in Mitleidenschaft gezogen werde, so z. B. durch
gichtige Magenaffectione», durch Nierenleiden, neuritische Processe,
Gehirn- und Rückenuiarksaffectionen etc. PYrner eombinire sieh
die Gicht gerne mit anderen Krankheiten wie chronische Blei-
intoxicationen, Diabetes, Anämie und Chlorose etc. und wirken im
Verein mit dieser schädigend auf das Herz und dessen Functionen.
Zum Schlüsse weist dann Schott noch darauf hin, dass hierein
weites Gebiet für zukünftige F’orsehungen offen sei.
Leubuscher (.Jena): Ueber den Zusammenhang
von Erkrankungen cks Circulationsapparates mit Er¬
krankungen des Nervensystems bei Kindern.
In Folge von HerderKränkungen und diffusen Erkrankungen
des Gehirns können sich bei schwachsinnigen Kindern Ilerzver-
grösserungen ausbilden.
Die Ursachen für die Herzvergrösserung sind zu finden:
1) Iu vasomotorischen Krampfzuständen der kleinen G(‘fasse,
die ein Hinderniss für den Blutumlauf mit rückwirkenden Störungen
für das Herz abgeben. Ferner in frühzeitig auftretender Arterio¬
sklerose.
2) In abnormen Nahrungs-, besonders aber Flüssigkeitsauf¬
nahmen, wie sie bei schwachsinnigen Kindern sich nicht selten
findet.
3) In excessiv geübter Masturbation. Schwachsinnige Kinder
masturbiren oft sehr stark. Die Ansicht Krehl’s, über das Zu¬
standekommen der Herzvergrösserung bei Onanisten erscheint als
die richtige. Wenn die Onanie nicht allzuhäufig als Ursache
einer Herzvergrösserung anzusehen ist, so liegt das nur daran,
dass bei den betreffenden Kindern an Stadien erhöhter Erregung,
in denen sie masturbiren, sich oft lange dauernde Pausen aiischlicsscu,
in denen sie ruhiger sind, und sexuelle Erregungen weniger zur
Onanie Anlass geben.
Max Herz (Wien), i. Klinische Untersuchungen über
den Zustand der kleinsten Gefässe.
Herz sehliesst auf den Zustand der kleinsten Gefässe aus
den Curvcn, die er mit einem Onycbographen erhält. Dies ist
ein Apparat, welcher aus einem auf einem Gestelle befestigten
Sphygmographen besteht, so dass dessen Pelottc auf den Finger¬
nagel gesenkt werden kann. Die Nagelpulse sind oft grösser als
die sphygmographischen. Bei nervösen Individuen schwanken die
Gefässe rasch. Durch Wärme werden sic weit, durch Kälte eng.
Sie verengen sieh bei angestrengtem Denken. Während des
Schüttelfrostes werden die kleinsten Gefässe sehr eng, erweitern
sich nach demselben. Sehr weit sind die kleinsten Gefässe bei
Icterus. Bei Mitralfehlern schwinden die Nagelpulse, sie werden
gross bei der Aortcninsuffieicnz. Häufig findet man Anzeichen,
welche auf eine Trieuspidaliusufficienz hindeuten, wo man sie sonst
nicht vermuthen würde.
Bei Arteriosklerose findet man im Beginne weite dehnbare
kleinste Gefässe, später scheinen sic starr zu werden.
2. Demonstration eines Manometer-Sphygmographen von
v. Basch.
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406
Münchener me mctmsche wo chenschriA
tio. 17.
Der Apparat besteht aus einer Bour don- F ick'sehen
mau schreibt.
Unverricht (Magdeburg): Zur Behandlung des tuber-
SS allen Dingen tu — *
«*»
jtÄSÄtÄÄ "“i t
ss,:; st"‘ fv» r .
l! 1 n! erricht nach diesen Grundsätzen nn letzten Jahre
behandelte, zeigt er, dass diese Operation nicht nur ld,ensret(end
ÄI, sondern unter Umständen auch zu einer olU
, \ imlioilunc des Pneumothorax «übten
k :r'ln dem einen M.*« nämlich ,1er Pnoumothom* nach
14 Tagen ael.on vollkommen geheilt, Ȋhrend nn andern 1 alle hm
'1 Tode wenigstens eine erhebliche Verkleineren,, des „nenn,.,-
thoracischen Ilohlraumcs erzielt wurde.
Für die Erreichung des günstigeren Resultates ist cs nach
Unverricht vor allen Dingen erforderlich dass die Operation
u „d die Nachbehandlung so eingerichtet werden dass be, de .
Tthcmbewegungen die Lungenfistel nicht mein
gelüftet wird. Es ist dies nur dadurch zu erreichen dass
man die Thoraxfistel möglichst gross macht und so entrichtet, *>
sic dauernd mit der atmosphärischen Luft ... \ erbindung . •
Es ist also vor allen Dingen nicht zulässig, einen fest scl.licsscn-
den Verband darüber anzubringen, weil dann bei den Inspiru mii.s-
bewegungen Luft durch die Lungenfistel cingesaugt werden wurde.
„ . . ■, i> S!V h einen Fall von Neuralgie,
Diagnose : (.allons eme ^ ^ rankhcitsbUd des Lebcfneuralgic-
der openrt Word ■ ' jn Nicbts vou de „i einer Gallen-
AnlaUes unterscheid • ^ ^ ^ dcr Lebcr ncun»lgic localisire
sU'inkolik. 1' u' '• r Schmerzes scharf auf die Leber
ttfÄ Ä« die Ausstrahlungen nicht selten
peinlicher empfunden warf«.
* z v ä dr A sr k r r d^Uc * *
der'' G allonstei nkolik durch Erbrechen
AnfäUe überhaupt und bei weiblichen
P tienten vor allem der Zusammenhang mit der Menstruation.
D t e I ebcrncuralgie gehört zu den visceralen Neurosen auf bysterisc .cr
}>. C i n cn Abriss der Geschichte der Lcberncuralgie.
Blum (Frankfurt a. M.): Zur Behandlung der Chole-
lithiasis mit Oelklystieren. , . n ,.
Vortragender gibt an, dass nach seinen Versuchen las Olivenöl
als ein Cholagogen anzusehen ist, da es Glycerin und heilen bei
der Darmverdauung abspaltet, von denen orstcres gallentre.bend
wirke durch Anregung der Musculatur der Gallen woge wahr¬
scheinlich, währnd letztere, weil auch m die Galle ubergehend,
wohl die Lcberzellen anregen. Das genuine ücl wirkt eher gallen-
vermiudernd. , , ... ,. , .
Eine Wanderung des Ocles im G r ü t z n c r sehen Sinne erfolgt
nicht. Es gelangt nur höchstens 20 Ccntimctcr über die lleo-
«oecalklappc hinauf, wird aber trotzdem m Glycerin und Seilen
gespalten. Die klinischen Erfolge der lange fortgesetzten Ocl-
klysmen zeigen, dass hier zwar nicht eine spezifische aber gute
Methode der Behandlung der Cholelithiasis vorliegt.
Ageron(Hamburg): Anaemische Zustände und Gastro-
enteroptosen. , , v
Ausgesprochene Gastrocntcroptoscn können bedeutende Er-
nährungsstörungen unter dem Bilde der Anaemic oder Chlorose
zur Folge haben. Die Ursache liegt darin, dass der gesenkte
Magen hochgradige motorische Störung auf weist, insofern als
z. B. ein einfaches Probefrühstück aus Milch und Brod bestehend
noch nach 5—6 Stunden im Magen gefunden werden kann.
Die bisherige Methode, solche allgemeine anaemische Zustände
mit Eisen-Präparaten zu behandeln, muss als fruchtlos bezeichnet
werden, solange nicht die gestörte motorische Function beseitigt ist.
Pariser (Berlin): Ueber nervöse Leberkolik.
P. hat in den letzten 3 Jahren 7 Fälle von Leberneuralgie
gesehen. Die Lebcrneuralgie sei gar keine so sehr seltene Af-
icction als vielmehr eine wenig bekannte und daher vielfach ver¬
kannte. Die Verkennung geschieht fast stets nach beiten der
Rumpf (Hamburg): Ueber das Verhalten einiger
Amn r" * ^
welche R. bei Infeetionskrankl.oitcn nicht allem im heberbafte
Stadium, sondern auch postfcb.il fand, vcranlassten ihn » ™dir,
experimentellen Versuchen bei 'I liieren und Menschen. Im Gcg
satz. zu den früheren Anschauungen, dass die beim Stoffwuh. d
gebildeten anorganischen Säuren das Nils an sich reissen um •
fr Ausscheidung bringen, glaubt R. aus
Säure- und Ammoniakausscheidung be, Krankheiten Mm»* *
müssen, dass die Verhältnisse viel comphertor lug Lr
desshalb nach Einfuhr verschiedener Ammon.aksa . dm Auaf
des Ammonium- und Säurecomponenten durch Har « u d
verfolgt. Bei diesen Untersuchungen zeigte sich allen!. ^ _
das an schwächere Säuren gebundene Ammoniak lochLr i J '
verschwindet, als dasjenige festerer Bindung. So cr^ruan
kohlensaures Ammoniak völlig im Körper und von amu- •««-
und essigsauren, wurden nur ein minimaler 1 be 1 Ml« »
geschieden. Von Schwefelsäuren, und salzsaurem Ammonium ^
schienen beträchtliche Mengen des Ammoniaks in. Han.
Von Interesse ist dabei weiter, dass be, einer beträchtlichen l
schwemmung des Körpers mit .schwefelsaurem Ammon,«.« oO 1 •
des Amnionium-Gomponciiten mehr „„ Harn erscheinen als c
geführt wurden, während die Ausscheidung des gesamm >
Stoffs eine Verminderung zeigte; eine Beobachtung, d.o «^
Schlüsse führen muss, dass in dem botrcfto.»d.en 1
die harnstoffbildende Function der Lcb V r S * * die
hat. Die Ausfuhr des Säurc-OomponcnUm ergab abu,
\nsseheidung einmal viel schneller vor sich geht, als diejenige
Ammoniaksf dass in dem einen Falle weit weniger vom A—u •
Uomponenteu zur Ausscheidung kommt, als von, Saure-(mmp mc«G
während in anderen Fällen eine grössere Menge Ammoniaks als
der Säure ausgeschieden wurde. So überstieg nach .
obenerwähnten grösseren Menge Schwefelsäuren Aminunmmj 1„
Ausfuhr die Einfuhr um 50 Proe., während von dem c
Schwefelsäure-Componcnteil nur 30,3 1 roc. wieder
wurden- ^ ^ Vcrsucbcn unter Bezugnahme auf
Arbeiten von Schröder, dass die AnunomumsMze
zu einem mehr oder weniger grossen 1 heile
mangelhafte Umbildung von Ammonmmsatan ka „„.
seinen Krankheiten toxische Erscheinungen im t.etol 0 e
Sommer (Giessen): Eine Methode zur Untersuchung
feinerer Ausdrucksbewegungen. Apparates
Die Motive zur Construction des demonstrirten
sind folgende:
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28. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
407
In der neueren Zeit ist im Gebiete der Nervenpathologie ein
Begriff immer mehr hervorgetreten, der im Grunde einen Verzicht
auf die wissenschaftliche Erkenntniss einer Gruppe von Zuständen
enthält, nämlich der des -<Functionellen». Da cs sich natürlich
bei den anatomisch nachweisbaren Erkrankungen der Nerven-
snbstanz auch immer klinisch nur um Functionsstörungen handelt,
so ist der wesentliche Inhalt des Begriffes «functioneil» ein rein
negativer. Er besagt im Grunde, dass man anatomisch nichts weiss.
In Folge dieses Mangels an anatomischen Kennpunkten ist
dann die Pathologie der functionellen Nervenstörungen zu einem
Chaos von symptomatischen Constructionen geworden, in welchem
häufig, besonders der bequeme Begriff Schwäche, der Asthenie»
wie in «Neurasthenie», «Cerebrasthenie», «Myasthenie» etc. eine
grosse Rolle spielt und in dem der eine kaum mehr die Sprache
versteht, welche der andere erfunden hat.
Bei der Untersuchung der functionellen Zustände käme es
also nicht darauf an, post mortem sichtbare Endresultate von Be¬
wegungen zu finden, sondern diese Bewegungen selbst bei lebendigem
Leibe durch geeignete Apparate zur Anschauung zu bringen. Nun
wäre das aussichtslos, wenn man dazu die Bewegungsvorgänge an
der betreffenden Nervenzelle sichtbar machen wollte. Die Natur
hat aber schon selbst dafür gesorgt, dass die motorischen Vorgänge
der Nervensubstanz sich vergrössert ausdrücken. dadurch, dass
die Muskelzuständc, wie man sich in vielen klinischen Beobachtungen
überzeugen kann, den Zustand der Nervensubstanz verratheu. Aber
auch bei dieser natürlichen Potenzirung sind wir mit unserem
äusseren Wahrnehmungsvermögen kaum im Stande, auch nur die
gröbsten dieser Muskeln oder Nervcnausdruckserschcinungen wahr¬
zunehmen. Diese ganze Betrachtung gewinnt eine noch erhöhte
Bedeutung in Bezug auf das Verhältnis« des physischen Lebens zu
den Gehirn Vorgängen. Es kam dem Vortragenden darauf an,
diejenigen feineren Ausdrucksbewegungen, welche die geistigen
Vorgänge begleiten, experimentell in vorgrössertem Maassstabe dar-
znstellen und differcntialdiagnostiseh zu vergleichen. Es hat sich
herausgestellt, dass schon im Rahmen des Physiologischen un¬
willkürliche Ausdrucksbewegungeu, abgesehen von den willkürlichen
Bewegungen vorhanden siud und von einigen, feiner organisirten
oder geübten Menschen schon jetzt wahrgenommen werden können.
Die Art des Gedankenlesens, bei welcher man unter der Berührung
mit der Hand eines Menschen, der die Lage eines versteckten
Gegenstandes kennt, diesen findet, beruht darauf, dass man die
feineren Bewegungen des Zurückziehens und des Greifens, welches
die Versuchsperson in Bezug auf den versteckten Gegenstand macht,
fühlt und dementsprechend seine eigenen Tastbewegungen einriehtet.
Die Voraussetzung zu dieser Art des Gedankenlesens ist das \ or-
bandensein von feineren Ausdrucksbewegungen im obigen Sinne.
Es handelt sich darum, die cerebral bedingten Bewegungen dar¬
zustellen.
S. hat nun auf doppelte Weise bisher versucht in diesem
Gebiete vorwärts zu kommen. Bei einer Methode, welche er früher
beschrieben hatte, handelt es sich darum, den Einfluss des Gehirns
auf den Ablauf von Reflexen, speeiell auf das Kniephänomen,
welches die wenigsten mechanischen Fehlerquellen hat, zu unter¬
suchen. Die Methode lief darauf hinaus, Kniophünomen durch
Kqnilibrirung des Beins in eine Reihe von Pendelschwingungen
zu verwandeln und die Variation der so auf einer rotirenden
Trommel erzielten Curven unter gewissen physischen Bedingungen
zu studiren.
Diese Methode muss man als eine indirectc bezeichnen, da
ein Reflex sozusagen die Signalscheibe ist, aus deren verschiedener
Normirung der Schluss auf die Bedeutung gemacht wird.
Nun hat S. seit längerer Zeit versucht, diese indirecte Me¬
thode durch eine directe zu ergänzen, bei welcher die unwillkürlichen
Ausdrucksbewegungen unmittelbar aufgezeichnet werden. Als
Untersuchungsobject kommt hier vor allem die Hand in Betracht.
Es ist ihm nun endlich im vorigen Semester gelungen, das Problem
zu einer einigermassen befriedigenden Lösung zu bringen. Die
Hauptschwierigkeit bestand darin: 1) die einzelnen Bewegungen
der Hand so zu zerlegen, dass die Excursionen in den .‘J Dimen¬
sionen gesondert zur Anschauung gebracht werden.
2) Die Reibung so zu vermindern, dass die allerfeinsten Be¬
wegungen eingetragen würden.
Die Multiplication dieser, auf den Apparat übertragenen
Bewegungen konnte dann nach der üblicheu physiologischen Methode
durch zweiarmige Hebel her vor gebracht werden.
Damit ist ein ausserordentlich feines Reagens für die Unter¬
suchung von Bewegungsvorgängen an Lebendigen gegeben.
Sommer demonstrirt nun den von ihm construirten Apparat
und zeigt eine grössere Anzahl von Curven, die sich auf Zitter¬
phänomen bei Nervenkrankheiten, ferner auf Zitter- und Er¬
müdungsphänomen bei Gesunden beziehen. Es sind auf den
Curven eine Anzahl von Erscheinungen sichtbar, die sonst nicht
erkannt werden konnten. S. hofft, dass der Apparat besonders
für die Erseheinangen der functionellen Nervenkrankheiten Auf¬
klärung bringen wird.
Herr Moritz (München): Ueber den Einschluss von
organischer Substanz in den krystallinischen Sedimenten
des Harnes.
Man kann in allen Harnsäurekrystalleu, ebenso auch in den
Tripelphosphat- , den tertiären Calciumphosphat-, den Calcium¬
oxalat- und den Caleiumcarbonatkrystallen des Harnes den Ein¬
schluss einer hyalinen, farblosen Substanz nachweisen, welche den
ganzen Krvstall gleichmässig durchsetzt. Am einfachsten gestaltet
sich die Darstellung dieses Krystallskelettcs bei der Harnsäure,
wenn man die Krystallc vorsichtig längere Zeit mit 50 0 warmem
Wasser behandelt. Es schmilzt alsdann die Harnsäure langsam vom
Rande her ab. während die eingeschlossen gewesene Substanz ge¬
treu in der Form des ursprünglichen Krvstalls als zusammen¬
hängende Masse zurüekbleibt. Viel rascher jedoch lässt sich der
Nachweis dos Harnsäureeinschlusses führen, wenn man die aus¬
gewaschenen Krvstalle mit folgender Mischung behandelt: 1 proc.
Lysidiulösung (2 cur 1 der käuflichen 50proc. Lösung : 98 Wasser),
8 Theile und 10 proc. Lösung von Acidum tannicum 2 Thcile. Die
Krystallskelettc erscheinen in dieser Lösung sehr rasch, in¬
dem die Harnsäure sich in der Lysidiulösung auflöst, während die
Gerbsäure die eingeschlossene Substanz fixirt. Ohne den Zusatz
der Gerbsäure löst sich der Einschluss mit auf. Fügt man zu
der Lösungsflüssigkeit einige Tropfen concentrirter wässeriger
Methylenblaulösung, so färben sich die Krystallskelctte schön blau.
Die Skelette der Oxalat-, Phosphat- und Carbonatkrystalle stellt
man dar, indem man 8 Theile von 2 proc. Lösungen von Salz¬
säure, resp. Essigsäure -f~ 2 Theile 10 proc. Gerbsäurelösung ver¬
wendet. Löst man auf dem Filter eine grössere Menge von Harn-
säurekrystallen durch tagelanges Auswaschen mit kaltem W r asser
auf, so bleibt die eingesehlossen gewesene Substanz wenigstens
zum Theile auf dem Filter zurück. Ihren Reactioncn nach muss
sie als eiweissartige Substanz bezeichnet werden.
Der Nachweis einer derartigen Substanz in den Harnsäure-
krystallen des völlig normalen Harnes spricht gegen die von
Ebstein vertretene Auffassung, dass der schon länger bekannte
Gehalt der Harnsteine an eiweissartiger Substanz eine diesen Ge¬
bilden cigenthümliehc und für ihre Entstehung ätiologisch wichtige
Erscheinung sei.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 23. April 1896.
Herr Oppenheim demonstrirt einen Mann mit einem Aneu¬
rysma einer Gehirnarterie. Derselbe leidet seit 15 Jahren
an Kopfschmerzen, die anfallsweise gesteigert wurden und haupt¬
sächlich über dem linken Auge sitzen, ftn Jahre 1888 wurde eine
Neuritis optica constatirt und im Jahre 1894 eine Hemianopsia
bilateralis dextra Im Hinblick auf den langsamen Verlauf liegt
der Gedanke an eine langsam wachsende Neubildung an der Schädel¬
basis nahe, besonders dachte Vortragender an ein Aneurysma. In
der That hört man am Schädel und am lautesten an der linken
Schläfengegend ein lautes Gefässgeräusch.
Herr Karewsky stellt einen Mann mit sehr grossem Varix
aneurysmaticus am Arm vor. Erhebt man den Arm des Patienten,
so verschwindet der dem Venensystem angehörige Theil des Gefüss-
netzes und comprimirt man nun die Arteria axillaris, so fällt auch
der materielle Theil zusammen.
Herr Wolff bespricht hierauf seine neuen Methoden zur
operativen Hebung des oberen Augenlides und
Herr Steinhoff über die Bedeutung «ler mechanischen Be
bandlung chronischer Erkrankungen der Athmungsorgane.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENS CHRIFT^
No. 17.
Verein für innere Medicin in Berlin.
Sitzung vom 20. April 1896- (
(Originalbericht.) ^ j
Die erste Sitzung nach den Ferien diente zumeist der Er- ,
lcdigung geschäftlicher Angelegenheiten, u a. der Wahl der V ,
Standschaft; als erster Vorsitzender wurde, wie bisher, Herr v.
L Cy Dann hielt Herr Cassel seinen angekündigten Vortrag über
Tet3 Diese mit Muskelkrämpfen, Erhöhung der mechanischen und
elektrischen Erregbarkeit einhergehende Krankheit hat Vortr. m
seiner Poliklinik GO mal zu beobachten Gelegenheit gehabt,
waren sämmtlich kranke Kinder in den frühesten Lebcnspenodcn.
Ein Einfluss der Ernährungsweise Hess sich insofcrne feststellcn,
als die meisten Pat. schlecht, grösstentheils künstlich genährt
waren. Von den 60 Fällen sind nachweislich 17 geheilt worden,
bei 86 blieb das Resultat unbekannt. «Larvnxospasmus»
sah Vortr. dabei nur in 2 Fällen, so dass er dieses Symptom nicht,
wie andere Autoren, als wesentlich zur Diagnose betrachtet. Einen
Zusammenhang mit Rhachitis nimmt Vortr. nach einer Zusammen¬
stellung der Häufigkeit beider Affectionen nicht an. Die Tetanie
hält er weder für eine Complication der Rhachitis, noch für einen
durch Verdauungsstörung bedingten Symptomencomplex, sondern
für eine idiopathische Erkrankung, welche eine folge der un¬
günstigen Ernährung ist.
Discussion: Herr Kalischer konnte in der Netmann'-
sehen Poliklinik unter 9000 Fällen nur 5 mal Tetanie sehen ; er halt
es für möglich, dass diese Differenz in der Beobachtung an den
regionären Verhältnissen gelegen sei; doch konne auch ^ ß r-
sebiedenheit in der Auffassung daran Schuld sein. Den Lajynxo-
spasmus hält er für eine sichere Thei erscheinung der Tetanie
Herr Albu lullt es für fraglich, ob es eine idiopathische l.
eibt er hält dieselbe vielmehr für eine Folge gestörten Stoffwechsels.
’ Herr Heubner: Die Behauptung, dass der Laryngospasmus
ein sicheres Zeichen der Tetanie sei, schwebe völlig m der Luft;
derselbe sei ein Symptom, das bei den verschiedensten Affectionen
Vorkommen könne. . , T . «
Herr Hauser hält an einer Tetanie ohne Krämpfe fest.
xi. K.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins IHamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 18- Februar 1896.
Vorsitzender: Herr Unna. Schriftführer: Herr Reiche.
Herr Frickenhaus: Ueber die Wirkung der Carbol-
ätzung auf die gesunde Haut. (Vortrag an anderer Stelle
dieser Wochenschrift.)
Discussion: Herr Sick erwähnt, dass er in letzter Zeit
2 Fälle gesehen, in denen eine dünne Carbollösung in Form von
feuchten Verbänden an den Fingern applicirt zu schwerer Aetz-
wirknng und Nekrose führte; er fragt den Vortragenden, ob seine
histologischen Untersuchungen hiefür eine Erklärung geben.
Herr Frickenhaus betont, dass zwischen den Wirkungen
concentrirter und verdünnter Carbollösungen scharf zu trennen sei,
bei jenen handelt es sich um Oberflächenützungen, bei diesen treten
nach Franken haus Untersuchungen Thrombosen der tiefen
Arterien ein.
Herr Voigt glaubt, dass auch ungenügende Carbolsfture-
solutionen, bei denen die ungelöste Säure in Tropfen am Gefäss-
boden liegt, zur Erklärung solcher nekrotisirender Effecte heranzu¬
ziehen seien
Herr Goebel fragt, ob auch das Carbolekzem von dem Vor¬
tragenden in den Kreis der Untersuchungen aufgenommen sei.
Herr W i e s i n g e r bestreitet hier eine specifische CarbolWirkung
und macht die chronische Irritation der Haut für diese Ekzeme
caler Dermatitiden verantwortlich; sie entstehen in gleicher Weise
bei dazu Disponirten durch Wasser, Alkohol, Sublimat und andere
Desinficientien.
Herr Jaffd erinnert an die Neisser’sclie Behandlung des
Ulcus molle mit concentrirter Carbolsäure.
Herr Unna: Der Werth der von Herrn Frickenhaus vor¬
getragenen Untersuchungsergebnisse besteht in der Erklärung der
relativen Unschädlichkeit concentrirter Lösungen der Carbolsäure;
der entstehende Schorf schwächt weitere Wirkungen ab, die Carbol¬
säure setzt sich selbst die Grenze ihrer Wirkung; theoretisch
wichtig erscheint, dass hier ein der natürlichen Verhornung ähnlicher
Vorgang auf gedeckt ist.
Herr L. Goebel hält seinen angekttmügten Vortrag
M H 1 Nachdem die hacteriologische forschung mit Hilfe
der neuen Untersuchungsmethoden Robert Koch’s einen cinwand-
freien Nachweis der Pathogenität gewisser Mikroorganismen ge¬
liefert hatte, war es ein berechtigtes htreben diese selben,K anL
heitserreger auch in ihrem Vorkommen ausserhalb des menschlichen
Körpers zu studiren, ihre Invasionspforten festzustellen und auf
diesem Wege zu einer vernünftigen Prophylaxe der Intentionen
zu kommen. Ich erinnere nur an die berühmten Untersuchungen
(’ornet’s an den Nachweis der gewöhnlichen Eitererreger auf
der Haut des gesunden Menschen etc. Auch nur gelang es einen
selteneren pathogenen Mikroorganismus, den B ac, l lus phl ®*'
uiones emph vsematosae (Fraenkcl) ausserhalb des lebenden
Körpers nachzuweisen nnd seine Identität mit einem schon von
anderen Forschern gefundenen Mikroorganismus festzustellen, mit
dem Bacillus aerogcncs capsulatus, den W eich und
Nuttall aus der Leiche eines tubcrculosen, nebenbei au Aneu-
rvsma aortae leidenden Mannes isoliren und als Erreger einer
eigcnthüuilichen Art von Gasblascnbildung m den Leichenorgauen
festlegen konnten. Auch mein Bacillus stammt aus der Leiche
und zwar konnte- ich ihn in drei Fällen in Rcineultur züchten,
während in einem vierten Fall der Züchtungsversuch misslang.
ln .lern ersten meiner lalle handelte es sich um einen an
Blasonpapillom und consecutiver Pyelonephritis zu Grunde gegangenen
iunsren Mann im zweiten um einen 6b jährigen Prostatiker, der an
Pneumonie und Lungenarterienembolie verstarb, im dritten um eine
von einer eiterigen Phlebitis pedis ausgehende Pyaemie. Im ersten
Kall fanden sich Leber, Herzfleisch, Milz, Nebennieren, Magen von
GasMasen durchsetzt, die meist von miliarer Grösse waren im
zweiten Fall fanden sich dieselben Gasblasen in reB P der
Schleimhaut der Harnblase, im dritten im Magen und Duodenum.
Die mikroskopische Untersuchung, um dies «'eicn vorauszuschickem
wies in allen Fällen eine Begrenzung der Gasblasen durch eine
Masse von plumpen, circa 5 ^ äugen, sich nach Gram intensn
färbenden Bacillen nach. Sie sehen m dem dritten Ä ^ kr °® k °P f’"
Präparat von der Leber des Falles I aufgestol.t Eine Gasblase von
miliarer Grösse zeigt sich begrenzt von abgeplatteten, dicht an¬
einandergedrängten, diffus tingirten (d. h. kernlosen) Leberzellen, die
allmählich nach der Peripherie des Gesichtsfeldes zu gut tingirten,
anscheinend normalen Leberzellcn Platz machen. Zw’sclien denals
nekrobiotisch zu bezeichnenden, den Rand der Gasblase b'ldenden
Zellen liegen überall die erwähnten Bacillen. Ausser der Leber
fanden sich nur im Herzen von Fall 1 und im Darm von Fafl Ul
nekrotisirende Processe an den die Gasblasen begrenzenden Geweb*
theilen. Die Blasen waren nicht immer von präformirten (Blut und
Lvmphgefässe) Wänden begrenzt. In der Leber sitzen die ® j“"“
meist in der intermediären Zone der Acira, in Darm und Harnblase
dicht unter der Schleimhaut
Die hacteriologische Untersuchung ergab den im mikroskopischen
Gewebsschnitt dargestclltcn Bacillus neben andern (Streptococcen,
Bacterium coli); nicht allein aus den Gasblasen führenden Organen,
sondern auch aus dem Blute der Femoralis (wenigstens in Fal I
und III). Der Bacillus ist obligat anaerob, wächst aber auf allen
Nährböden, massig schnell, am besten bei 37° C. Er verflüssigt
die Gelatine einmal mehr, einmal weniger. Ich reiche hier eine
Gelatinestiehcultur herum, in der Sic längs des Impfstichs eine
Reihe gelbweisscr, eckiger, kaum l mm im Durchmesser haltender
Colonien, etwa 1 cm unter der Oberfläche beginnend, erblicken,
ln Agar, dem ameisensaures Natron zugesetzt ist, findet eine
üppige Gasentwicklung statt; Sic sehen in diesem Reagensrohr
(Demonstration) den Agarcylindcr durch "zahlreiche Gasblasen zer¬
sprengt, so dass derselbe an einer Stelle ganz in zwei über l cm
von einander entfernte Bruchstücke zertheilt ist. In Bouillon findet
unter Ansäuerung bei 37° C., selten bei 22® C. eine üppige Gas¬
entwicklung statt, Milch gerinnt ebenfalls unter Sauerwerden, wohl¬
gemerkt geschieht dies alles nur unter Wasserstoffatmosphäre. Allzu
empfindlich gegen Sauerstoff scheint der Bacillus allerdings nie
! zu sein, denn in dem Reagensröhrchen mit schräg erstarrtem
1 Glycerinagar, das ich hier horumgebe, sehen Sie einen starken
Bodensatz in dem kaum s / 4 cm Höhe betragenden Condeuswasser.
Der Bodensatz bestellt aus einer Bcincultur des Bacillus emphysematos.
Die morphologischen Verhältnisse können Sie an dcii ei tn
ersten aufgestellten Mikroskopen studiren. Sie sehen, meine Herren,
dass der Bacillus an den Ecken leicht abgerundet ist, viel als
Doppelstäbchen, auch als Faden oder in einer Kette von mehreren
‘ Gliedern erscheint. Sporen bildet er so gut wie nie, nur einmal
konnte icli solche in einer Agarcultur nach weise».
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‘28. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Die interessantesten Phänomene zeigen sich bei Einverleibung
des Mikroorganismus in den Thierkörper. Ich kann Ihnen hier
eine Kaninchenleber demonstriren, die von äusserst zahlreichen
(Jasblasen durchsetzt ist, und auf dem Durchschnitt fast nur noch
aus einem Balkenwerke von HohlrUumen durchsetzten Lebergewebes
besteht. Dies Kaninchen ist mit einer Bouillonaufschwemmung
des Bacillus emphysematis in die Ohrvene geimpft, nach 5 Minuten
durch Schlag hinter den Kopf getüdtet und nach 24 Stunden
secirt. Ausser in der Leber fauden sich (Jasblasen in Herz,
Milz, Niere, Blutgefässen. Aehnliche Versuche konnte ich in zahl¬
reicher Menge anstellen und fand dabei, dass der lebende Organis¬
mus bei intravenöser Infection den Bacillus in weniger als 48 Stunden
abtödtet. Subcutan applieirt, vermag der Bacillus bei Kaninchen
nur eine rasch verschwindende Infiltration, bei Meerschweinchen
dagegen typische Gasabscessc hervorzurufen, wie sic Fraenkel
durch seinen Bacillus phlegmones einphysematosae erzeugen konnte.
Das Meerschweinchen, das Sie hier sehen — das Präparat ver¬
danke ich der Güte des Herrn Dr. Fraenkel — zeigt die ganze
Bauchhaut durch eine subcutane Blase abgehoben. Die Blase ist
nach dem Abdomen zu von zerfallener Musculatur begrenzt. Es
ist ein Thier, das der Infection mit dem Bacillus phlegmones
cmphvsematosae erlegen ist. Genau dieselben Veränderungen, aller¬
dings in geringerer Intensität konnte ich mit meinen Bacillen bei
den Meerschweinchen hervorrufen.
Ich glaube, dass ich auf Grund der morphologischen und
biologischen Eigenschaften des Bacillus emphysematis, wie ich sie
bisher kurz geschildert, zu einer ldentificirung unseres Bacillus
mit dem der Gasphlegmone berechtigt war. Aber auch der um¬
gekehrte Beweis gelang mir. Das Präparat, das ich Ihnen nun
zeigen darf, stammt aus der Leber eines Thieres, das mit dem
HI. der von Fränkel bei Gasphlegmonen isolirten Bacillen intra¬
venös geimpft, nach einigen Minuten getödtet und nach 48 Stunden
secirt ist. Sie sehen, dass sich iu der Leber eine Gasblasenbildung
vorfindet, die sich in Nichts (weder makro- noch mikroskopisch)
von der durch unseren Bacillus bei Kaninchen bedingten Zerklüf¬
tung der Lebersubstanz unterscheidet.
Von andern beschriebenen Mikroorganismen ist wohl der von
Ernst (Virchow’s Archiv Bd. 13, 3) bei Schaumleber beschriebene
Anaerobe mit dem unserigen identisch. Ernst identificirt seinen
Bacillus ohne Weiteres mit dem von Welch und Nuttall be¬
schriebenen ; meine früher (Centralblatt für allgem. Pathologie etc.
Bd. VI.) geäusserten Bedenken gegen diese ldentificirung muss
ich allerdings aufrecht erhalten, doch scheint auch die Patho-
geneität des Bacillus zu variabel zu sein, um auf Grund derselben
einen Unterschied zu statuiren. Ernst fand nämlich eine aus¬
gesprochene Pathogenität seines Bacillus für weisse Mäuse, während
sich diese Thiere gegen unsere Bacillen absolut refraetär verhielten.
Identisch mit dem Bacillus emphysematis ist wohl sicher
der von E. Levy bei einem gashaltigen Sehenkelabscess und bei
einem «Pneumothorax ohne Perforation » nachgewiesene Mikrobe,
dagegen muss ich einige Angaben Heim’s berichtigen, die er in
seinem sonst so vortrefflichen Lehrbuch der Bacteriologie macht.
Er spricht da, pag. 415, von dem Welch-Nuttall 'sehen Bacillus
acrogenes capsulatus als einem facultativen Anaeroben, der
sich bei Gram’scher Behandlung entfärbte. Es ist zu betonen,
dass der Bacillus sowohl nach den Angaben der Americancr, als
nach unseren Untersuchungen obligat auaerob ist, dass er also
nie auf schrägem Agar gezüchtet werden konnte und dass er sich
sehr gut bei Gram’scher Behandlung färbt. Dann schreibt
Heim (pag. 413) von einer Aehnliehkeit des Bacillus mit einem
von v. Düngern bei haemorrhagischer Sepsis eines Neugebornen
gefundenen und als Erreger dieser Krankheit angenommenen
Aeroben,'sich nach Gram entfärbenden, für Kaninchen pathogenen,
niemals Gas bildenden, viel kleineren Bacillus! Alle diese Eigen¬
schaften schliessen nach meinen Ausführungen die ldentificirung
des v. Düngern'sehen und unseres Bacillus absolut aus.
M. H.! Ich erwähnte oben, dass in der Leber von Fall I
sich nekrobiotische Vorgänge abgespielt haben, Vorgänge, die ihrer
ganzen Natur nach vitale sein müssen. Es ist demnach die
Invasion unserer Bacillen als schon in vivo, allerdings, da z. B.
in der Milz keine nekrotischen Processe nachweisbar waren , wohl
erst in agone erfolgt, anzunehmeu. Eine Vergrösserung der Leber
war bei dem betreffenden Kranken wenige Tage vor dem Tode zu
constatiren. Auch in unserem dritten Fall müssen die Zellen
noch lebend dem Einfluss der Mikroben ausgesetzt gewesen sein,
während in Fall II kein vitaler Einfluss auf die die Blasen um¬
gebenden Gewebszellen sichtbar war. Welch und Nuttall
sind sogar geneigt, der Invasion des Bacillus bei ihrem Fall einen
letalen Einfluss einzuräumen. Das kann ich jedoch bei unseren
Fällen nicht zugeben, da erstens genügend andere Todesursachen
vorhanden waren und zweitens die einzelnen Zellen sehr wohl nach
dem Tode des ganzen Körpers, d. h. des Gehirns noch vitale
Vorgänge dieser Art aufweisen können. Ein interessantes Streif¬
licht werfen die vitalen Gewebsveränderungen nnr auf die Be¬
antwortung der Frage nach der Invasionspforte der Bacillen. Dass
der Invasionsweg das Blutgefässsystem ist, beweisen die Befunde
an den Leichen und den Versuchstieren. Die Invasionspforte
kann sehr wohl bei Fall l und II» wegen multipler Cathetrisation
die Urethra sein, während wir vorläufig bei Fall III den Darm
als Invasionspforte ansehen müssen.
Dem Befund anderer Bacterien bei den Fällen ist kaum
Bedeutung beizulegen. Nur einige Worte gestatten Sie mir noch
über die Züchtung des Baeteriuin coli commune aus Gasblasen und
Blutgefässen meiner Fälle neben der des Bacillus emphysematis.
Wie Sie wissen, ist als Erreger der Gasphlegmonen verschiedentlich
das vielverleumdete und vielumstrittene Bacterium coli angeschuldigt,
auch vor Kurzem als Gasbildner in den erweiterten Gallengängen einer
Steinleber bezeichnet worden. (Hintze, Müuch. med. Woch. 1895
No. 10). Nun ist allerdings in diesen Fällen auf unseren Organismus
vergebens gefahndet, aber der stets negative Verlauf von Thier-
experimenten gibt doch zu denken. Wie leicht auch die An¬
wesenheit des Bacillus emphysematis übersehen werden könnte,
zeigt eine Beobachtung, die ich Anfangs dieses Jahres machte.
Bei der Section eines Arbeiters, der an Pustula maligna des
Halses, Milzbrandherden des Darmes und Magens und multiplen
Milzbrandembolien des Gehirns rapide ad exitum gekommen war,
fand sich ausgedehntes Emphysem des Halses, des Unterbautzell-
gewebcs der Brust, multiple Gasblasenbildung in der Lel>er, im
Herzen und besonders schön in der Wand der Gallenblase. Die
Section fand 21 Stunden post mortem statt.
In vivo hatte ich — der Kranke lag auf meinem Pavillon —
bei genauer Beobachtung keine Spor von Emphysem bemerkt.
Ausstrichpräparate aus der Leber und dem Unterhautzellgewebe
der Brust, ergaben das typische Bild des Bacillus emphysematis,
daneben Anthraxbacillen, die durch etwas schlankere Bauart und
weniger abgerundete Ecken genügend charakterisirt waren. Ange¬
legte Agarstrichcultnren ergaben im Brutschrank aus dem Herzen
Milzbrand- and Streptoeoccencolonien, aus dem Unterhautzellgewebe
und der Leber Coccen und Bacterium coli commune. Ueber-
schichtete Mischcultureu in ameisensaurem Agar ergaben aus der
Leber nur Bacterium coli commune, d. h. eine Art dieses poly¬
morphen Mikroorganismus. Nur in einer Gelatinesticbcultur zeigten
zwei Üolonien makroskopisch das typische Bild der Colonie des
Bacillus emphysematis. Leider überwucherten auch in einer anaerob
augesetzten Cultur von diesen Üolonien die Coli-Arten. Kurzum,
es gelang mir nicht, den Bacillus emphysematis aus diesem Falle
von Milzbrand in einwandsfreier Reincultur zu erhalten. Und nun
hiess es die mikroskopische Diagnose stellen bei der tinetoricllcn
und morphologischen Aehnliehkeit des Bacillus emphysematis mit
dem Anthrax-Bacillus! Ich bin überzeugt, dass, wäre uns nicht
die Erfahrung der früher beobachteten Fälle zu gute gekommen,
wir dem Bacterium coli commune die Schuld an der Gasblasea-
bildung gegeben hätten. Denn auch im mikroskopischen mit
Unna’schem j>olychromem Methylenblau gefärbten Präparate
sehen Sic neben langen plumpen Stäbchen zahlreiche feinere, als
Coli-Art anzusehende, Kurzstäbchen. Die grossen Stäbchen, werden
Ihnen ohne Weiteres als Anthrax-Bacillen erscheinen. Vergleichen
Sie jedoch diese beiden Mikroskope: im einen ist ein mit Anthrax -
bacillen vollgepfropftes Hirngefäss, im andern das Septum einer
Lebcrgasblase mit einer aus plumpen Bacillen bestehenden Kette
eingestellt, so werden Sie mir zugeben, dass die letztere sieh durch
die plumpere Gestalt, die abgerundeten Ecken der Stäbchen deut¬
lich als ein vom Bacillus anthracis verschiedenes Gebilde kenn¬
zeichnet, ein Gebilde, das wir nach unseren früheren Erfahrungen
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410
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
sehr wohl als Bacillus emphysematis ansprechen dürfeD, zumal
wir dasselbe wesentlich in der Umgebung der Gasblasen der Leber,
des Herzens, der Gallenblase, allerdings auch in den Capillaren
der Leber, entfernter von Gasblasen, finden. ')
Discussion: Herr Michael hat 2 einschlägige Fälle vor
Jahren secirt. 1. Ein kräftiger Arbeiter ging nach einem compli-
cirten Unterechenkelbruch an raschester Sepsis zu Grunde. Die
bald nach dem Tode gemachte Autopsie ergab Leber, Nieren und
Herz von feinsten Gasblasen in ausgedehntester Weise durchsetzt,
daneben eine weitreichende Parenchymnekrose. Mikroskopisch fanden
sich in jenen Organen zahlreiche Bacterien, den Rand der Gas¬
blasen säumend; anaärobe Culturen wurden nicht angelegt. 2. Von
dem zweiten Fall kamen nur Magen, Leber, Duodenum und Pankreas
zur Untersuchung. Hier war die Leber in gleicher Weise alterirt,
und schwerer Ikterus bestand, dessen Ursache in einem in der Pa¬
pilla duodenalis festsitzenden halbmacerirten Spulwurm gefunden
wurde.
Herr Fraenkel: Zwischen dem Gasphlegmonenbscillus und
dem Bacillus des malignen Oedeins bestehen verwandte Züge, aber
daneben trennende Unterschiede. Der Ausdruck Gasphlegmone
ist wenig prägnant, da phlegmonöse Veränderungen, Eiterbildung
gerade nicht von jenen Bacterien hervorgerufen werden, es handelt
sich um einen zunderartigen Zerfall der Gewebe mit Ausschwitzungen
trübwässeriger Flüssigkeit.
Herr Wie sing er sah einen Fall von Gasabscess bei einem
Arbeiter, dem eine schwere Stahlplatte 8 Tage vor der Aufnahme
ins Krankenhaus auf den Oberschenkel gefallen war; bemerkens-
werther Weise fehlte jegliche Continuitätstrennung der Haut, der
Eiterherd lag unter den tiefen Fascien. Die Operation brachte glatte
Heilung, im Eiter wurden nur Staphylococcen gefunden.
Herr Oberg fragt, ob die Zusammensetzung der von den
Bacillen gebildeten Gase bekannt sei.
Herr Goebel erwidert, dass das Gas mit violetter Flamme
brenne und sicher Ammoniak, Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und
Wasserstoff enthalte. Hoppe-Sey ler, der das Gas in dem von
Levy publicirten Fall (in dem ein Pneumothorax ohne Perforation
vorlag) analysirte, fand eine andere Zusammensetzung
Herr Fraenkel hat das in den Culturen gebildete Gas im
Staatslaboratorium untersuchen lassen, wobei sich ergab, dass Wasser¬
stoff zum bei weitem grössten Theil darin enthalten.
Herr Michael erwähnt noch, dass bei der Section des von
ihm citirten Falles ein stark aromatischer, an Essigäther erinnernder
Geruch aufgefallen sei.
Herr Goebel bemerkte an auf Agar angelegten Culturen oft
einen süsslichen Geruch.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Nachtrag zur Sitzung vom 7. April 1896.
Herr Rumpel stellte einen 28jähr. Seemann mit multiplem
ächten (spontanen) Keloid vor, nicht wie irrthümlich referirt wurde,
mit Na rbenkeloiden. Das Bemerkenswerthe des Falles war die ausge¬
sprochene symmetrische Anordnung der circa 70 Tumoren, die haupt¬
sächlich am oberen Theil des Rückens längs der Intercostalräume
ihren Sitz hatten und von den Hauptgefässen auszugehen schienen.
Mikroskopisch bestanden die Geschwülste, wie an einem excidirten
Tumor demonstrirt wurde, aus einem zarten fibrösen, in der Längs¬
richtung der Geschwulst verlaufenden Gewebe mit relativ vielen
kernhaltigen Bindegewebszellen. An der Peripherie befand sich eine
kleinzellige Infiltration mit sehr zahlreichen Mastzellen. Der Papillar¬
körper zog unverletzt über dem Tumor hin und zeigte nur auf der
Höhe des letzteren eine unbedeutende Atrophie der Zapfen. — An
der Excisionsstelle der Geschwulst, die per primam heilte, scheinen
sich neue Keloide zu entwickeln.
Die Tumoren sollen sich ohne bekannte Ursache seit 7 Jahreü
entwickelt haben; bei einigen meint Patient, dass sie sich aus Acne-
pusteln, die er regelmässig ausgedrückt habe, entwickelt hätten.
Bemerkungen des Herrn Franke in der Discussion zu
Pluder: Ueber Rhinitis fibrinosa diphtherica.
Klinisch hätte man früher croupöse und diphtherische Conjunc-
tivitiai unterselneden. Bacteriologisch sei indessen durch C. Fränkel
und Uhthoff sowie durch Schirmer nachgewiesen, dass auch
die croupöse Conjunctivitis durch Diphtheriebacillen hervorgerufen
werden könne Andererseits aber gäbe es noch andere Bacterien-
arten, so den Pseudodiphtheriebacillus von E. Fränkel und Moritz
sowie den Streptococcus, welche gleichfalls croupöse Conjunctivitis
hervorrufen könnten.
Die klinische Form der Conjunctivit. diphtherit. beruhe bacte-
riologisch nicht m allen Fällen auf Diphtheriebacillen, sondern auch
in einzeln en — F. führte zwei von ihm in dieser Hinsicht genauer
,, J) näherer Angaben verweise ich auf meine ausführliche
kranteianstalt ^ der Jahrbücher der HamburgiBchen Staats¬
untersuchte Fälle an — auf Streptococceninvasion. Auch die ver¬
schiedenen Erfolge der Serumtherapie wären hierfür mit beweisend.
Was schliesslich ditf neuerdings aufgestellte Behauptung be¬
treffe, dass der seiner Zeit von Herrn E. Fränkel und ihm genauer
untersuchte Xerosebacillus ein avirulenter Diphtheriebacillus sei, so
sei diese Behauptung einstweilen mit grosser Vorsicht aufzunehmen.
Sitzung vom 21. April 1896.
Vorsitzender: Herr Kümmel).
I. Demonstrationen.
1) Herr Wiesinger stellt folgende von ihm in letzter Zeit
operirte Magenkranke vor:
1. 37 jähr. Mann. Am 17. März 1894 Resectio pylori, Gastro-
duodenostoinie wegen Magencarcinom. Gewichtszunahme in den
ersten 6 Wochen p. o. 34 Pfund. Völlig arbeitsfähig bis vor '/«Jahr,
wo Stenosenerscheinungen eintraten und Recidiv constatirt wurde.
Gastroenterostomie am 19. Februar 1896. Rasche Besserung des
Allgemeinbefindens. Arbeitet wieder. — 2. 67 jähr. Mann mit beweg¬
lichem Pyloruscarcinom und Dilatatio ventriculi bis zur Symphyse.
Bedeutender Kräfteverfall Erscheinungen von Inanition; daher
keine Resectio, sondern Gastroenterostomie mit möglichster Be¬
schleunigung der Operation (vom ersten Schnitt in die Bauchdecken
bis nach Verschluss des Peritoneums in 14 Minuten). Vom 2. Tage
an consistente Nahrung. Rasche Besserung der localen und all¬
gemeinen Krankheitssymptome. — 3. Frische Chlorzink-Verätzung
des Magens bei 26 jähr. Pat. Stenosenerscheinungen des Pylorus.
Haematemesis. Gastroenterostomie. Heilung, keine Pyloroplastik,
da der Pylorustheil fest an der unteren Fläche der Leber ver¬
wachsen. — 4. Eine gut functionirende Witzel’sche Magenfistel
bei einem 72 jährigen Manne wegen Oesophaguscarcinom. —
5. 37 jähr. Frau, seit 15 Jahren magenleidend. Bei der Aufnahme
Erscheinungen von vernarbtem Ulcus ventr. mit flächenhafter Ver¬
wachsung des Magens am linken Hypochondrium und Sanduhr¬
magen. Aeusserst abgemagert und heruntergekommen; bricht fort
während; heftigste Schmerzen im 1. Hypochondrium und Magen.
Lösung der Verwachsungen am 1. Hypochondrium und piner breiten
Adhaesion nach der Unterfiäche der Leber von der grossen Curvatur
des Magens ausgehend, welche die Sanduhrform bedingte, erzielen
ein gutes Resultat. Gewichtszunahme seit der Operation 26 Pfund.
Verschwinden der Beschwerden.
2) Herr Tietzen zeigt ein 8 Wochen altes Kind mit Poly¬
daktylie; Doppelbildung des Daumens an beiden Händen.
3) Herr Franke stellt einen Kranken vor, der Anfang Februar
mit einem einseitigen Exophthalmus, Klagen über Doppelsehen,
allmählich zunehmender Abnahme der Sehschärfe, Gesichtsfelddefect
nach unten, massigen Entzündungserscheinungen am Sehnerven etc.
in seine Behandlung kam und bei dem er die Diagnose auf eine
Raumbeengung in der 1..Orbita durch Neubildung ge¬
stellt hatte. Ende März osteoplastische temporäre Resec-
tion der äusseren Orbitalwand nach Alfred Graefe und
Braunschweig. Es fand sich eine ziemlich grosse Cyste, die
geronnenes Blut enthielt. Derartige Blutcysten in der Sehnerven¬
scheide sind sehr selten, (ein Fall von Berlin, ein zweiter von
Mittelwalsky beschrieben). Die Aetiologie ist nicht ganz sicher;
vielleicht spielt Trauma eine Rolle. Mittels der erwähnten Operations¬
methode entfernte Kroenlein 1887 zuerst ein Dermoid der Orbita.
4) Herr Lochte demonstrirt Präparate eines i-alles von Em¬
bolie der Art. mesenterica sup. Ein 51 jähriger Mann, 'der
wegen Emphysem, Arteriosklerose und Herzhypertrophie im alten
allgemeinen Krankenhause Aufnahme gefunden hatte, erkrankte
plötzlich Mittags mit heftigen Schmerzen in der Unterbauchgegend
rechts. Eine eingehende Untersuchung liess einen genügenden
Grund für diese Schmerzen und den gleichzeitig eingetretnen Collaps
nicht erkennen; da Pat. Träger einer rechtsseitigen, faustgrossen
Leistenhernie war, deren Reposition durchaus leicht gelang, wurde
an die Möglichkeit einer inneren Einklemmung, vielleicht durch
Netzstränge verursacht, die nach der Bruchpforte zu verliefen, ge¬
dacht. Der Kranke ging nach ca. 16 ständiger Krankheitsdauer
im Collaps zu Grunde. Die Autopsie ergab das Vorhandensein
einer beginnenden Nekrose und Gangrän des Dünndarmes, bedingt
durch einen 5 cm langen Embolus in der Art. mesaraica sup. Der¬
selbe entstammte wandständigen Thrombenmassen des linken Vorhofs.
II. Vortrag der Herrn Sänger: Ueber die functio*
nellen Erkrankungen des Nervensystems nach Unfällen.
S. thcilt seine seit 5 Jahren gewonnenen Beobachtungen mit
und bespricht zuerst die Objectivität der Symptome der traumatischen
functioneilen Nervenerkrankungen. Die Gesichtsfeldeinschränkungen
sind als objectiv zu betrachten bei Berücksichtigung verschiedener
Cautelen und Controlmassregcln; als solche seien 1) die verschiedene
Grösse des Untersuchungsquadrates, 2) das Verhalten der Farben-
Gesichtsfelder untereinander, 3) die Projection des Gesichtsfeldes auf
grössere Entfernung, endlich 4) die neue vonWilbraudt ange¬
gebene Untersuchung im Dunkelraume mit selbst leuchtenden Ob¬
jecten zu betrachten. S. betont, dass letztere die feinste und
sicherste Controlirung der gewöhnlichen Gesichtsfeldaufnahme dar-
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28. April 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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stellt und allgemeinster Kenntnissnahme werth sei. Durcli Ver¬
gleich derartiger Methoden ist Simulation des Gesichtsfeldes ausge¬
schlossen. Als weitere, objeetive, nicht sinmlirbare Zeichen be¬
trachtet er vasomotorische Störungen, Oedeme, Steigerung der
Sehnenreflexe, vermehrte Herzaction, das Mann köpf'sehe und
die Rumpf'sehen Symptome. Erberichtet über seine seit Jahren
angestelltcn Untersuchungen an Arbeitern, die niemals einen Un¬
fall erlitten hatten und eonstatirtc in 1 19 Fällen 11 1 mal normales
Gesichtsfeld ; in 8 Fällen fanden sich Gesichtsfeldeinschriinkungcn,
Anacsthesieen, Reflexsteigerung und vermehrte Pulsfrequenz. Den¬
selben Befund erhob er in einer Reihe von Fällen, die sich in
der Frühperiode der Lues befanden. S. betont, wie kritisch mau
sich auch daher den objcctiven Zeichen gegenüber verhalten muss,
wie sehr die Factoren des Alkoholismus, des Tabaksmissbrauchs,
der hereditären Belastung, der Lues und der früheren Erkrankungen
des Arbeiters zu berücksichtigen seien. Kein Zweifel bestehe Uber
das Causalitötsverhältnißs der nach schweren Kopfverletzungen
(eommotio ecrebri) beobachteten schweren Störungen, zumal da
dieselben häufig eine organische Grundlage haben. Jedoch haben
sich in letzter Zeit die leichteren Formen der nervösen Unfall¬
erkrankungen so gehäuft , dass nach S.’s Ansicht das oft so un¬
bedeutende Trauma nicht allein das ursächliche Moment sein
kann. Der steigende Industriebetrieb wird die» nicht verschuldet
haben, zumal da die Schutzvorrichtungen im Gewerbebetriebe bessere
geworden sind. Die grössere Aufmerksamkeit von Seiten der
Aerztc auf Unfallsfolgen, die von Wich mann betonte Zunahme
der Nervosität des Menschen erkläre auch nicht dies Factum,
sondern dasselbe sei zum Theil verschuldet durch die Unfallsgesetz¬
gebung, und sehlicsst sich S. darin Strümpell’s Ausführungen
an, dass neben hypochondrischen sich Begehrungs-Vorstcllurigeri
inj Bewusstsein des Vorletzten festsetzen, die durch Ideenassociation
im Stande seien, hysterische und neurasthenische Zustände hervor¬
zurufen. Als indirectcn Beweis für diese Ansicht berichtet S.
über 34 Fälle von schweren Verletzungen mit sichtbaren, nach¬
weisbaren Folgen (Verstümmelungen!, die von vornherein eine. Ent¬
schädigung bei dem Verletzten als gesetzlich gesichert erscheinen
liesseu, und hebt hervor, dass trotz heftiger Erschütterung, trotz
psychischer Traumen keiner eine '(traumatische Neurose« acquirirte.
Er bespricht die »Schwierigkeit der Entscheidung über angeblich
arbeitsunfähige Leute mit gesunden Gliedern und wendet sieh
entschieden gegen Strümpei l's Ansicht, die Betreffenden nicht
einer Untersuchung auf objeetive Symptome zu unterwerfen, da
eventuell den betreffenden Arbeitern durch Ueborsehon von schweren
Erkrankungen wie Diabetes, ferner einer etwa vorhandenen Lucs,
Alkoholismus etc. in der Bourthoilung schweres Unrecht zugefügt
werden kann, und weist auf 3 Fälle hin, die, weil sie als Simu¬
lanten abgewiesen waren, Selbstmord begingen. Man habe nicht
da« Recht, Leute für ganz gesund zu erklären, bei denen man
functioneile Störungen nachweisen könne. Jedoch seien so Erkrankte
durchaus nicht immer als arbeitsunfähig zu betrachten: das be¬
weisen 5 Fälle in denen er bei einer ganz gelegentlichen Unter¬
suchung ausgedehnte »Sensibilitätsstörungen, Gesichtsfeldeinschrän
kung, Steigerung der Sehnenreflexe eonstatirtc. alles Leute, die
direct von der Arbeit kamen, ohne subjcctive Beschwerden zu
haben. Erst die Erhebung der Anamnese ergab, dass sie säinmt-
lich einen mehr oder weniger schweren Unfall, an den sie gar
nicht mehr dachten, erlitten hatten. S. legt diesen Fällen prinei-
pielle Bedeutung bei, da sie die Objektivität der functionellen
Störungen nach Trauma sowie die eventuelle Arbeitsfähigkeit un¬
zweifelhaft machen. S. hebt hervor, dass die Prognose nicht
so ernst sei, wie man früher annahm und sehlicsst sich darin
Strümpell an, dass man die Betroffenen möglichst frühzeitig
veranlassen müsse, zu arbeiten; jedoch halte es sehr schwer, für
dieselben in der C'oneurrcnz mit Gesunden Arbeit zu finden.
Es sei daher sehr nothwendig, dass der »8taat sich der Sache
annehme und die von Brandenburg, Immclmann , Strümpell
und Jessen vorgeschlagenen Arbeitsnachweisstellen für theilweise
Erwerbsfähige einrichte. Er weist darauf hin, dass auch in anderen
»Ständen Personen mit den schwersten functionellen Störungen ihrem
oft schwierigen, aufregenden Berufe nachgingen ; diesen gegenüber
habe der Arbeiter den Vorzug, in freier Luft und nach Accord
arbeiten zu können. Schliesslich resumirt S. seine Ansichten und
betont in Uebereinstiinmung mit Jesson, dass der Name «trau¬
matische Neurose« zu vermeiden sei und statt dessen die vor¬
liegende Erkrankung nach ihren neurologischen Merkmalen be¬
zeichnet und beurtheilt werden müsse.
III. Diseussion über die Vorträge der Herren Jessen
und Sa enger.
Herr Rumpf verwirft den Namen »traumatische Neurose»
als ungeeignet und falsche Vorstellungen erregend, man solle, jo
nach der Natur des vorliegenden Krankheitsbildes, von Hysterie,
Neurasthenie, Hypochondrie, Psychose etc. nach voraufgegangenem
Trauma sprechen. Er betont gegenüber Strümpell das Vorhanden¬
sein objectiver Symptome. Zu diesen gehören vornehmlich; 1. Puls¬
veränderung (Mannkopf’s Symptom), sowohl -was die Zahl als
was die Regelmässigkeit angelit, bei Druck auf die schmerzhafte
Stelle. Dabei sei zu bedenken, dass es Menschen gäbe, die will¬
kürlich ihre Pulsfrequenz erhöhen könnten, worauf namentlich von
russischer Seite aufmerksam gemacht ist. 2. Fibrilläre Zuckungen.
3. Früh auftretende Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit.
Mit der Diagnose Simulation könne man nicht vorsichtig genug sein.
Sicher seien weitaus häufiger Leute für Simulanten erklärt, als
Simulanten die Wohlthaten der Unfallgesetze genossen hätten.
Herr Nonne macht auf zwei Punkte aufmerksam. In den
letzten 7 Jahren hat er (»mal eine Affection beobachtet, die er als
spastisches Zittern nach Trauma bezeichnet. In diesen
Fällen (cf. Jessen's spastische Zitterneurose) handelt es sich um
einen mehr oder minder starken Clonus der gesammten Musculatur.
Es gibt leichte, mittelschwere und schwere Formen. Die Er¬
scheinungen beginnen sehr bald nach dem Unfall; werden nicht
wieder zum Verschwinden gebracht; dabei ist objectiv bei ge¬
nauester Untersuchung nichts nachweisbar. Den schwersten
seiner Fälle stellt N. vor. Vor 4 Jahren kam Patient zwischen zwei
Eisenbahnwaggons und erlitt eine Quetschung; am nächsten Tage
entwickelte sich ein colossaler Tremor, clonische Krämpfe sämmt-
liclier Körpermuskeln, die nur in tiefem Schlafe schwinden. Total
arbeitsunfähig; volle Rente. Sämmtliche Kranke werden lange Zeit
als der Simulation verdächtig behandelt. Einer, der schliesslich
dafür erklärt wuirde und keine Rente bezog, endete durch Selbst¬
mord. Des weiteren hat N. über das Schicksal solcher Kranker
Erhebungen angestellt, die nach Verletzungen des Schädels lediglich
über Schwindel und Kopfschmerzen klagten, ohne dass auch bei
ihnen objeetive Symptome nachweisbar waren, bei denen also die
Beurtheilung bis zu einem gewissen Grade dom subjectiven Gefühl
des Gutachters überlassen bleibt. Von diesen ist ein Theil so ge¬
bessert, dass der Rentenbezug in Wegfall kommen konnte; bei
anderen haben sich die »Symptome entschieden verschlimmert Die
Berufsgenossenschaften sollten ihre Uufallsrenten beziehenden Mit¬
glieder alljährlich nachuntersuchen lassen.
Herr Lenhartz hält den von N. vorgestellten Fall für eine
schwere Hysterie und weist darauf hin, wie gefährlich es sei, in
Gegenwart eines solchen Kranken von seinem Leiden und der un¬
günstigen Prognose zu sprechen. Dadurch würden krankhafte Vor¬
stellungen solcher Patienten fast unausrottbar. Ganz besonders sei
im Anfänge der Behandlung die grösste Vorsicht am Platz, der Arzt
möge alle Ausdrücke, die in dem Voretellungsleben der Kranken
von Unheil werden können, sorgfältig vermeiden und möglichst
frühzeitig die Vorstellung wecken und unterstützen, dass der Sturz,
Schlag u s. w\ keine edlen Theile beschädigt habe und keine Folgen
hinterlassen würde. Auf diesen Cardinalpunkt hat L vor 5 Jahren
schon in der Leipziger biologischen Gesellschaft hingewiesen. Das
Unfallgesetz hat die Zahl der Unfalluervenkranken in ganz uner¬
hörter Weise vermehrt, daher ist die Prophylaxe nicht scharf genug
zu betonen. Das beste Heilmittel ist die Arbeit; diese den vom
Unfall Betroffenen verschaffen, wird gemeinsamem Vorgehen der
Berufsgenossenschaften und der Aerzte gelingen.
Herr Nonne vertheidigt seine Diagnose und bezweifelt, dass
die fragliche Affection sich auf hysterischer Basis entwickelt habe.
In den Symptomencomplex der Hysterie passe das Ende eines ana¬
logen Falles durch Suicidium nicht.
Herr Wiesinger glaubt, dass bei den für die Beurtheilung
ausserordentlich schwierigen Fällen von Unfallverletzten, welche
schliesslich, nachdem sie verschiedene Instanzen durchlaufen und
meist eine ganz differente Beurtheilung gefunden haben, den Kranken¬
häusern zur Beobachtung und Beurtheilung überwiesen werden, zu¬
nächst alle Hilfsmittel der modernen Diagnostik angewandt werden
müssen, um eventuell objeetive Symptome zu eruiren. Finden sich
dieselben nicht, um die subjectiven Beschwerden zu erklären und
zu unterstützen, so ist es unter allen Umständen aus praktischen
Gründen zweckmässig, diesen Kranken vorläufig eine Rente zu¬
billigen zu lassen, dieselbe aber möglichst niedrig zu normiren, um
diese Kranken gleichzeitig zur Arbeit zu veranlassen, soweit ihre
Kräfte es gestatten. Nach etwa einem halben oder einem Jahre
kommt man dann oft durch daB Verhalten dieser Kranken und
durch Beobachtung derselben zu positiven und objectiven Schlüssen
über ihre Arbeitsfähigkeit.
Herr Kümmell wendet sich gegen Herrn Lenhartz und
bemerkt, dass gerade ein erstes schroffes Gutachten die Beurtheilung
später sehr schwierig mache. Es kommen oft Leute, die Anfangs
als Simulanten brüsk zurückgewiesen sind, und bei denen später
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412
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
somatisch der Beweis geliefert werden kann, dass sie schwer krank
sind. Die Gefahr liegt nahe, dass ein Gutachten zu hart ausfällt.
HerrBöttiger hält den von Nonne vorgestellten Fall gleich¬
falls für Hysterie.
Herr Lenhartz glaubt, von Kümmoll missverstanden zu
sein: Auf die erste Behandlung kommt es vornehmlich an; hier,
ebenso wie später, muss jedes unbedachte Wort seitens des Arztes
vermieden werden. Da es meist leichte Verletzungen sind, die zu
der schweren nervösen Folgekrankheit führen, kann der Arzt in den
meisten Fällen schon mit Bestimmtheit voraussehen, dass keine
schweren Folgen eintreten und dieser Anschauung muss er solchen
Aus Iruck geben, dass der Patient in einer für ihn doch gewiss nur
glücklichen Weise psychisch beeinflusst wird und so bald als möglich
wieder arbeitet.
Herr Liebrecht bestätigt die Wichtigkeit der Gesichtsfeld¬
untersuchung und pflichtet hierin Saenger'B Ausführungen bei.
Herr Rumpel betont die NothWendigkeit der Erhebungen
über den früheren Gesundheitszustand der Kranken, ehe der Unfall
sie betraf. Die Beurtheilung des Causalitätsverhältnisses zwischen
Krankheit und Trauma sei desshalb so schwierig, weil kein Symptom
existirt, das der traumatischen Form der Erkrankung ausschliesslich
zukommt. Es soll daher ein Zusammenhang mit dem Unfall nicht
gesucht werden, sondern der jeweilige Zustand als Morbus sui
generis betrachtet werden
Herr Wilmanns bespricht den Standpunkt des praktischen
Arztes und Begutai hters. Wenn sich unter den 500 von einem
Unfall Betroffenen Jessens 7 functioneil Nervenkranke fanden, so
erscheint ihm diese Zahl erschreckend hoch; er fand unter 2000
Verletzten nur 12 mit «traumatischen Neurosen >. also nur etwa
0,5 Proc. Er warnt vor zu vielen eingehenden Untersuchungen
desselben Individuums von Gutachtern, Obergutachtern, Specialisten,
Vertrauensärzten u. s. w., durch die dem Betreffendem allmählich
eine Neurose künstlich angezüchtet würde. Wichtiger sei es, mög¬
lichst früh die Arbeit wieder aufnehmen zu lassen. Er belegt dies
durch einige drastische Beispiele aus seiner Praxis in Wilhelmsburg.
Gegen die Errichtung von Arbeitsnachweisstellen würden sich die
BerufsgenosBenscliaften aus Mangel an Geld energisch wehren.
Herr Jessen resumirt in seinem Schlusswort: das Trauma ist
als psychisch auslösendes Moment bei der Entstehung functioneller
Erkrankungen zu betrachten. Das wichtigste therapeutische Mittel
sowohl in psychischer wie in somatischer Hinsicht ist die Arbeit.
Die Frage, ob functioneil Nervenkranke ohne objectiven Befund
arbeiten können, ist nur durch eingehende statistische Erhebungen
zu entscheiden. Jeder Verletzte soll vom Vertrauensarzt so früh
wie möglich, nicht erst nach Ablauf der 13wöchigen Carenzzeit,
untersucht werden und in einem Status der derzeitige Zustand acten-
mü8sig festgelegt werden. Trotz der theilweise berechtigten Ein¬
wände gegen die Brandenburg-Immelmann’schen Vorschläge
(Geldmangel, grosses Angebot von gesunden Arbeitern) müssen von
ärztlicher Seite mit den maassgebenden Kreisen Verhandlungen
angebahnt werden, die baldmöglichst in den zur Zeit bestehenden
unhaltbaren Verhältnissen Wandel schaffen. Werner.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 9. Januar 1896.
Herr Heinlein legt das Leichenpräparat jenes Falles von
krebsiger Oesophagusstenose vor, bei welchem er vor 14 Monaten
die Gastros tomie nach Witzei ausgeführt hatte (s. Sitzungs¬
berichte vom Vorjahre). Die Fistel hatte bis zum Tode tadellos
fuuetionirt. Nachdem wenige Wochen vorher anderwärts wegen
einer Krebsmetastase des rechten unteren Radiusendes der Arm bis
zum unteren Ende des Humerus abgesetzt worden war, hatte der
Patient durch Suicidium geendet Der tödliche Ausgang war
übrigens durch eine Pneumonie des rechten Unterlappens, welche
sich in Folge eines Durchbruches der Geschwulst in den rechten
Hauptbronchus entwickelt hatte, nahe gerückt gewesen.
Die krebsige Stenose nahm den oberen Theil der unteren
Oesophagushälfte ein und hatte eine Längsausdehnung von etwa
10 cm, das Lumen des Oesophagus in gleichmässig hohem Grade
verengend. Die Geschwulst stellte sich als eine gleichmässig derbe
bis etwa 1 cm mächtige Verdickung der Speiseröhrenwandung dar ohne
besondere Ulcerationen, von der feinen Perforationsöffnung nach
dem rechten Hauptbronchus abgesehen. Die Gegend des unteren
Endes der Neubildung wies mehrere kleine Divertikel auf, von denen
manche kleine wandständige, in den Hohlraum des Divertikels vor-
springende, zarte bindegewebige Septa trugen, wohl die Folge der
bei den Sondirungsversuchen ausgeübten Insulte An der Innen¬
fläche des Aortenbogens finden sich mehrere rundliche, blassgelbe
Über linsengrosse, flache, beetartige Erhebungen der Intima, welche
Krebsmetastasen darstellen. Ausserdem finden sich in der Aorta
thoracica einige bis 2 cm lange Querwülste der inneren Gefflss-
wandung, welche von tiefen Einziehungen der Intima gegen die
äussere Gefässwand eingefasst sind. Letztere steht dort in directem
Oontact mit der Geschwulst selbst. Das Gesammtbild entspricht
einer bindegewebigen Schrumpfung des Tumors. Dabei verdient
berücksicht'gt zu weiden, dass in dem geschilderten Fall mehrere
Wochen hindurch vor und nach der Anlegung der Fistel Injectionen
mit Gancrom methodisch ausgeführt worden waren.
Die Magenfistel selbst zeigt noch die gleichen Verhältnisse,
wie sie sich bei der vor mehreren Monaten stattgefundenen Kranken¬
vorstellung ergeben hatten. Der Magen ist mittelmässig stark aus¬
gedehnt und zeigt keine auffällige Verdickung der Wandung, im
Innern beherbergt er noch zwei Kautschukröhren, welche dem
Patienten vor längerer Zeit in Folge ungeschickten Manipulirens bei
der Nahrungszufuhr in den Magen geschlüpft und dort ohne die
geringsten subjectiven Beschwerden zu erregen von demselben ge¬
duldet worden waren.
Der Verlauf des Falles berechtigt dazu, die Witzcl’schc
Methode der Gastrostomie zur ausschliesslich geübten Methode zu
erheben. Der einzige Nachtheil, der ihr anhaftet, ist der, dass
von der so angelegten Magenfistel aus die retrograde Dilatation
der Speiseröhre nicht möglich ist, deren Resultate übrigens nach
Darlegungen in der Literatur grösstcnthcils fragwürdig erscheinen.
Sitzung vom 6. Februar 1896.
Herr Flatau berichtet über einen Full von Vagitus uterinus,
beobachtet während einer Wendung nach ßraxton Hicks wegen
Placenta prävia bei einer IV. Para. (Erschien in extenso im Central¬
blatt für Gynäkologie)
Ferner berichtet er über eine Geburt bei totaler Atresie des
Uterus bei einer im 7. Schwnngerschaftsmonate stehenden Primi¬
para. die nur durch operative Eröffnung von der Scheide aus be¬
endet werden konnte.
Herr Görl demonstrirt zwei Partien eines Zottenfibroms,
deren Basis ca. 19 resp. 6 und 13 resp. 12 mm im Durchmesser be¬
trägt. Dieselben waren mit dem Nitze'schen Opera tions-
cystoskop entfernt worden.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 25- April 1896.
Wien ist eine gesunde Stadt. — Freiwillige Rettungs¬
gesellschaft. — Der Lehrerhaus-Verein revocirt Alles. —
Resection des Vas deferens bei Prostatahypertrophie
und Insufficienz der Blase. — Kunstwein aus Tamarinden-
Extract. — Zur Statistik der Serumtherapie bei Diph-
theritis.
Wien ist eine überaus gesunde Stadt! Der Stadtphysikus
hat es letzthin gesagt gelegentlich der Erstattung seines Sanitäts-
Hauptrapportes für den Monat März 1. J. Dieser Monat wies
eine seit Jahren nicht beobachtete geringe Sterblichkeit auf,
cs sind nämlich bloss 3212 Civilpersonen gestorben, während im
Mürz des Vorjahres 3894 gestorben sind. Mit der geringen
Mortalität- ging naturgemäss auch eine geringere Morbidität einher;
das haben die praktischen Aerzte Wiens gesagt, welche im Vor¬
monate gar sehr über geringe Beschäftigung klagten. Das haben
schliesslich auch die Apotheker gesagt, deren Einkommen sich
ebenfalls verringert, wenn die Aerzte weniger Recepte schreiben.
Von drei Faetorcn wurde uns also bestätigt, dass Wien eine
gesunde Stadt sei und wir wollen es auch glauben.
Im Gegensätze hiezu entfaltete die Wiener freiwillige Rcttungs-
gcscllsehaft, wie in ihrem vor einigen Tagen erschienenen Jahres¬
berichte für 1895 zu lesen ist, eine grossartige Thätigkeit. Die
Aerzte der Rettungsgesellschaft haben iui Vorjahre in 12 123 Fällen
intervenirt — eine ganz respoctablc Leistung —, sie sind täglich
mehr als 33 mal zu Hilfe gerufen worden. Diese Hilfeleistungen
durch fix angestellte Aerzte bezogen sich auf plötzliche Erkrankungen,
Vergiftungen etc. (1944 mal), Verletzungen (3357, worunter 566
Knochenbrüche), Selbstmorde (309), Krankentransporte (circa
5000) etc. Die Einnahmen der Gesellschaft betrugen mehr als
123 000 fl-, die Ausgaben beliefen sich auf mehr als 07 000 fl-,
es rcsultirt ein Vermögensstand von 148 0"0 fl- Dass diese
«grossartige Thätigkeit >> des jetzt musterhaft geleiteten und für
die Bevölkerung Wiens nunmehr geradezu unentbehrlich gewordenen
Institutes der stillen Thätigkeit des praktischen Arztes, der jetzt
gar nicht mehr in die Lage kommt, irgendwo die «erste Hilfe»
leisten zu können, ebenfalls Abbruch thut, das ist für den Ein¬
sichtigen klar. Die Ausweise ergeben, dass die Hälfte der
Fälle, in welchen die Rettungsgesellschaft intervenirte, sich in der
Nacht ereignete', zu einer Zeit also, wo es gewiss auch andere
Aerzte gegeben hätte, welche unter Umständen sogar gerne inter-
veuirt hätten. Fälle von Selbstmordversuchen oder Irrsiun ereignen
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28. April 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
413
sich erfahrungsgemäss auch bei zahlungsfähigen Personen; diese
sind also sümmtlich den praktischen Aerzten entzogen worden.
Selbstverständlich nehmen die Aorzte Wiens diesen Vcrdicnst-
Entgang auch stillschweigend hin, da ja die Bevölkerung als
ganze dabei gut fährt. Die Rettungsgesellschaft arbeitet rasch
und erfolgreich und darauf kommt cs in erster Linie an.
Die ärztliche Organisation hat wieder einen kleinen Triumph
zu verzeichnen. In No. 12 dieser Wochenschrift theiltc ich den
Wortlaut einer «Resolution» mit, welche die Wiener Aerztekammcr
gegen den Lehrerhaus-Verein beschlossen und allen Aerzten Wiens
zur Darnachrichtung zugesandt hat. Der Lehrerhaus-Verein hat
nun in einem an die Aerztekammcr gerichteten Schreiben Alles
revocirt. Nur auf Grund von Informationen ärztlicher Vertrauens¬
männer , deren Rath sich, wie sich bald zeigte, als unheilvoll
erwiesen, habe der Lehrerhaus-Verein seine Schritte getban. Als
Männern von Ehre bliebe ihnen nichts übrig, als alle Anbote mit
dem Ausdrucke des Bedauerns zurückzuziehen, da ihnen nichts ferner
gelegen sei, als dem hochachtbaren ärztlichen Stande irgendwie
nahezutreten etc. etc. Der Vorstand der Wiener Aerztekammcr
hat dieses Schreiben mit Befriedigung zur Kenntniss genommen,
will die erwähnte Resolution zurückziehen und die Aerzte Wiens
auf dem Wege der Fachpresse hievon verständigen. Der Lehrer¬
haus-Verein wird demnach, und das ist die Hauptsache, sich
seine Aerzte auf dem Wege der freien Vereinbarung engagiren, und
an diesen ist cs, solche I’ebereinkommcn zu treffen, welche ein
befriedigendes Verhältniss zwischen Aerzten und Vereinsmitglicdern
von vorneherein gestatten. Mögen die Aerzte in dieser freien
Concurrenz nicht wieder unterliegen !
In der Gesellschaft der Aerzte stellte jüngst Prof. v. Frisch
einen 68 Jahre alten Mann vor, bei welchem er wegen Prostata-
hypertro'phic mit Insufficienz und colossaler Ausdehnung der Blase
die beiderseitige Resection des Vas deferens mit überraschend
günstigem Erfolge ausgeführt hat. Seit vielen Jahren bestand
vermehrter Harndrang, in letzterer Zeit sogar Harn träufeln. Die
Blase reicht zwei Finger breit über den Nabel hinauf, die Prostata
ist fast orangengross, der Harn klar, eiweisshaltig. Der Kranke
ist sehr herabgekommen, seine Zunge ist trocken, starkes Durst-
gefühl.
Operation am 18. März unter Oocainanästhcsie. Beiderseits
wird ein 4 cm langes Stück des Vas deferens resecirt; reactions-
loser Wundverlauf. Nach einigen Tagen wird eine Anschwellung
des linken Hodens constatirt, welche noch nicht völlig geschwunden
ist. Die Prostata verkleinert sich rasch, wahrscheinlich
in Folge Schwund des collatcralen Oedems, cs stellt sich Polyurie
ein, der Blasenschcitel sinkt bis zur Symphyse herab, die Pausen
zwischen den einzelnen Harnentleerungen wachsen von Tag zu Tag;
schliesslich hört das Harnträufeln auf, der Harn wird wieder eiweiss¬
frei, das Allgemeinbefinden des Mannes ist ein befriedigendes. Jetzt
— 4 Wochen nach der Operation — ist der Blasenschcitel einige
Finger breit oberhalb der .Symphyse.
Prof. v. Frisch erwähnt nbch, dass mau glauben sollte,
die ad inaxiraum ausgedehnte Blase habe in der langen Zeit ihre
Contractionsfähigkcit völlig eingebtisst; das sei aber nicht der Fall,
wie dies die vielen günstigen Resultate bei Castration oder Resection
des Vas deferens erweisen. Kr glaubt daher, dass die Insufficienz
der Blase nicht so sehr in einer Schwäche des Detrusors, als
vielmehr in einem Widerstand des Spbinctcrs zu suchen sei.
Das Ministerium des Innern fordert in einem Erlasse die
politischen Landesbehörden auf, sie mögen erheben, wie viele
Betriebe zur. Erzeugung und zum Verkaufe von Kunst- und
Halbweinen bestehen und speciell zu erforschen, von welchen
Fabrikanten hiebei Tamarindencxtrat oder andere Tamarinden-
I’räparate benützt werden. Der Oberste Sanitätsrath hat sich
nämlich in einem von Hofrath Professor Ludwig erstatteten
Putschten dahin ausgesprochen, dass ein derartiges Weinfabrikat
an und für sich gesundheitsbedenklich, durch den meist unreinen
Zustand der sonstigen Zusätze (Alkohol, Glycerin etc.) aber
geradezu gesundheitsschädlich sei und dass daher die Erzeugung
und der Verkauf dieser Fabrikate zu verbieten wäre.
Die gewissenlosen Herren gehen sehr einfach vor: Sie nehmen
eine kleine Menge Naturwein, mischen sie mit einer grossen Menge
wässerigen Tamarindcn-Extractes, schütten Spiritus und Glycerin
dazu und verkaufen das Ganze als — Naturwein, zum kleinsten
Theile auch als Kunstwein. Das ist aber, wie Professor Ludwig
sagt, ein betrügerisches Vorgehen, durch welches sowohl die C’on-
sumenten als die soliden Weinproducenten auf das Empfindlichste
geschädigt werden. Die freien Pflanzensäuren, welche in solchen
Weinen dem Organismus zugeführt werden, afficircn bei habituellem
Genüsse, wie die Erfahrung lehrt, insbesondere den Vcrdauungs-
tract, führen Magenkatarrhe etc. herbei, und die schädlichen
Folgen werden nur noch vermehrt, wenn — wie es wohl zumeist
geschieht — noch nicht genügend gereinigter Alkohol und unreines
Glyccriu hinzugesetzt werden. Es ist nur recht und billig, dass
gegen derlei Nahrungs- und Gcnussmittel-Fälscher strenge vor¬
gegangen wird.
In der Wiener klin. Wochenschr. bekämpft Professor M a x
Kassowitz, der bekannte Gegner der Serumtherapie bei Diph-
theritis, die Richtigkeit einzelner von Professor Pal tauf jüngst
zu Gunsten des Heilserums angeführten Daten und Folgerungen.
Er zeigt z. B., dass in der Stadt Triest im Jahre 1895 nicht
ein Sinken, sondern eine bedeutende Steigerung der Mortalität
gegenüber den serumfreien Jahren zu constatircn ist. Im 'Priester
Stadtgebiete gelangen bei allen Diphtheriekranken Seruininjectionen
zur Anwendung und trotzdem ist hier die absolute Mortalität
nicht nur höher als früher, sondern diese Stadt hat überhaupt
die grösste Diphtheritismortalität unter allen Städtern Europas. Es
starben nämlich auf 10,000 Einwohner im Jahre 1895 in Berlin
5-3, Leipzig 4 5, München 5-0, Wien 4-4, Budapest 4-2, Paris
1.7, London 5.6, Triest 16,9. Also gerade in Triest, wo
die Serumbehandlung am rigorosesten durchgeführt wird, fordert
die verderbliche Krankheit die allermeisten Opfer. Die Herab¬
minderung der perce n tueil en Mortalität (auf 4-8 Proc.) beruht
auf anderen Gründen, z. B. auf der Einbeziehung der leichten
Fälle in die Diphtheriestatistik, es ist überhaupt nicht gestattet,
von dieser Herabsetzung auf eine ebenso grosse lebensrettende
Wirkung des Heilserums zu schliesscn, weil hier (Triest) die
niederste pcrcentuelle Mortalität mit der grössten absoluten Diph¬
therie-Sterblichkeit zusammen fällt.
In einzelnen Städten wurde übrigens die absolute Sterblichkeit
seit Einführung des Serums herabgesetzt, (z. B. in Paris und
Budapest, in geringerem Maasse auch in Wien und in Berlin),
in anderen Städten ist sie seither nicht herabgegangen (z. B.
Leipzig, Mailand, London), und wiederum in anderen ist die absolute
Diphtherie-Sterblichkeit seit der Einführung des Serums sogar
höher als früher, (Triest, Moskau und Petersburg). Die Diph¬
therie-Sterblichkeit hat aber zu allen Zeilen eolossalc Schwankungen
gezeigt und derlei Schlüsse haben derzeit noch keine Berechtigung.
— Wir sind überzeugt, dass Professor Pal tauf nicht, lange auf
die Antwort wird warten lassen.
Verschiedenes.
Disciplinarbefugnisse der ärztlichen Standesver¬
tretungen in den deutschen Staaten. In einem am 8. April
1. Js. im Standesvei ein der Friedrichstadt zu Berlin erstatteten
Referate gab Dr. H. Joachim über die Bestimmungen, durch
welche in den grösseren Einzelstaaten die Organisation des ärzt¬
lichen Standes geregelt ist, speciell über die bestehenden ehren
gerichtlichen Einrichtungen, einen Ueberblick. Wir entnehmen dem
gründlichen, im Hinblick auf die in Preussen geplante Errichtung
von Ehrengerichten besonders interessirenden Referat nach No. 32
der Deutsch. Med. Zeitung Folgendes:
Bayern. Die bayerischen Verhältnisse können hier als bekannt
vorausgesetzt werden. Es bestehen Ehrengerichte bei den staatlich
organisirten Bezirksvereinen. Die Disciplinarbefugniss dieser er¬
streckt sich nur auf Vereinsmitglieder. Der Eintritt in einen \ erein
oder das Verbleiben in demselben kann nur solchen Aerzten ver¬
sagt werden, welche die bürgerliche Ehre verloren haben 1 ), welche
sich im Concurs befinden und endlich, welche sich des ärztlichen
Standes unwürdig gezeigt haben und ein gedeihliches Zusammen¬
wirken im Verein nicht erwarten lassen. Berufung zur Aerzte-
kammer zulässig.
Sachsen. Hier ist eine Neuregelung der staatlich anerkannten
Standesvertretung unmittelbar bevorstehend, nachdem beide Kammern
i) Da die bürgerliche Ehre sehr häufig durch Missverhalten
ausserhalb des Berufes verloren wird, so kann letzteres also
auch in Bayern Veranlassung zu ehrengerichtlichem Einschreiten
geben.
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Cöogle
414
r.ttym^NKR UKMCINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
den von der Regie™.« . S.ÄÄt
entwurf, die ärztlichen Bezi Mjlrz d j m ,t geringen Ab¬
in ihren Sitzungen vom h l . die kön j g ij cbe
änderungen angenommen haben »”™™ warte n ist .
Sanction des Gesetzes, die mdejB g J Bezirk8V ereine fortan
Danach werden dm Urztl ^ betreffenden Medicinal-
durch sämmtliche approbirten Ae. - Re cht einer juristischen
bezirkes gebildet Jederin welche auch appro-
Persönlichkeit. Die Aufgaben d ese betreffenden Bezirksvereins
birte Zahnitrzte durch Beschluss Förderung der öffentlichen
aufgenommen werden können,.»"d * Je ^rdurung ^ der
Gesundheitspflege, der ärztlichen Pflege des Gemeingeistes
wirtschaftlichen unter den
und die Aufrechterhaltung collegialen Ver-
Standesgenossen die rördemng e B Schlichtnn g der unter ihnen
SÄrSStÄ“ ^iS^ Auss g erd°em haten
sie tZ die g Walii en von r De^^irteii' ^'^gg^Q^J^b^n^j^ede^lierirks-
iStot SSZZl' üb S er C Festsetzung einer ^Stan^es - ^nd
Ehrengerichts ordn u n g d ' B ezirksvereine, bez w.
das Ministerium des Innern nach Geh ei L\i e dieinnl-Colleg'mnis,
der Kreisvereins-Ausschüsse, sowie '\ s L f R 7 t chc ßizirks-
einheitliche Vorschriften dieser Art für .ft Zusamnien .
vereine aufstellt. — Die Stande J? den Mitgliedern des
Stellung derjenigen Pfl'chten zu1 ’ d und zur Wahrung der
Bezirksvereines in Landes in wie ausserhalb ihrer
Berufstätigkeit obliegen. - Die Ehr e n g e r i c h t s o r d n u n g ^ ^
Untersuchung und Aburtheilu > g » J Beschwerden
geordneten Disciplinarbehörde unterstehendir i p ‘« ben , ist er
e^Sa^ititteofflcier'des^Fr^densstmides^ so ^s^^ie Beschwerde^^sui
des gegen den Beschuldigten wegen einer strafbaren Handlung
geleiteten gerichtlichen Strafverfahrens,
3 auf SÄ 1 » einer
™Ab“Ll^ V °“
Behörde b^estiminten^Zeitachrift^ erkannt^ wer ^en.^ . derselbe
besteht in jedem Regierungsbezirk aus einem vom Ministerium de
Innern zu einennenden höheren Verwaltungsbeamten als Vorsitzenden
und vier von den Mitgliedern des Kreiswreins-Ausschusses gewäWten
Beisitzern Von diesen haben mindestens zwei denjenigen Aer/ten
anzugehören, welche dem Verfahren vor dem Ehrenrath unterstehen.
?5e Entscheidungen des Ehrengerichtshofes sind end-
giltig. Die Vollstreckung der Urteile des E^enraths und de
Ehrengerichtshofes liegt dem betreffenden Vorsitzenden ob
Württemberg. Nach §41 der Verfügung vom 30. December bih
können die approbirten Aerzte des Landes zur ^ ertretung ihrer
gemeinsamen Interessen einen Verein bilden, der von der ^g'emng
als das Organ des Standes anerkannt wird, solange er gewissen “i
der genannten Verfügung aufgestellten Bestimmungen entsprich t.
Der frztlTcfe Landest rein, gliedert sich ir,8
welche die einzelnen Ortsvereine 111 sich nutzunehmen haben. D
Bezirks*eV e i n e sollen neben wissenschaftlichen Bestrebungen
auch die Berufsinteressen wahren; sie wählen aus ihrer Mitte
die Dauer von 3 Jahren je einen Delegirten und je'einen Stell
Vertreter und diese Delegirten oder deren Stellvertreter bilden den
Ausschuss des ärztlichen Landesvereins. Eine Disci
plinarbefugniss hat derselbe bis jetzt nicht Dagegen beschloss
er in seiner Sitzung vom 16. November 1395 bei dein Ministerium
um die Gewährung des Di sciplinarrechts der Vereine vor
s tell ' g Baden. er Nach der landesherrlichen Verordnung vom 7. October
1864 sind die Aerzte des Grossherzogthums befugt, zur Mit¬
wirkung bei Handhabung der Disciplin und zur Wahrung
ihrer Interessen einen Ausschuss aus lhrer Mitte za
wählen. Derselbe besteht nach einer Verordnung vom 28 October
1380, entsprechend den 8 Wahlbezirken, aus 8 Mitgliedern nebst
der gleichen Zahl von Ersatzmännern, und zwar sollen alle in einem
Wahlbezirk wohnenden Aerzte je ein Mitglied und je einen Ersatz¬
mann wählen. Der Ausschuss kann ebenfalls nach einer landes¬
herrlichen Verordnung vom 6. December 1883 unter dem Vorsitz
eines von dem Ministerium des Innern hierzu besti
Verwaltungsbeamten als Disciplinarkammer der Aerzte in Indien ries
8 r,3 der Gewerbeordnung * .*dS$Hi2ßS
bation l.escl.hessen, sowie gg r . Verhalten der
ihres Berufs verletze<>JJJ d “> r sich unwürdig zeigen,
Achtung, die ihr Beruf ert■ fe bis zu 200 Ent-
zTeh^iig 'dVs' 1 Wahlrecht® 8 bei den Ausschusswahlen e,
kenn Der Becnrs geht J^^^eine 1 weitgehende Disciplinar-
befugniss^ misgel^ von dem von der Gesammtheit der badischen
Aerzte^^wäldtenLand^a^^us^ ^ d jg ^e-
gehört, welche medl ? ml ® H f di e Thätigkeit und die Interessen
öffentlichen Gesundheitspflege oder die auch die Festr
den Standes der % J e» T Sachen der »H»nt-
s ““ k -
Der
abtheilunj^für «"SS.TW.1« der Landes-
“"■“ir des »rstbcben Stand™
M1WEÄ ^-,CS?Ä
SJÄ'ÄÄSSÄ
über solche Angelegenheiten zu stellen. Ehrengerichte
In dieser Verordnung « nd ^F.* 1 Zweifel, dass dieselben
nicht direct vorgesehen; doch gelangen werden,
über kurz oder lang auch dort zur Einfül rung f '“feinsblatt
itt-.ssÄ'fSss
der Zahnärzte und Apotheker durch die K» J unmittelbaren
Ordnung Disciplinarverfügungen zu erlasse “» * * n
ES? £S
erkennen: 1 . Warnungen, 2. Geldstrafen bis 1 zu J» luBt des
Verweise, 4. Verweise vor versammelter Kammer, 5^ ve^ dem
Stimmrechts und der Wählbarkeit auf ein Ja - Fs wft hlen
Ermessen der Kammer überlassen, unter ^esen Strafen ^u ^
und mehrere derselben zugleich anzuwenden. Weitere b , der
« die Beschränkung der Wirksamkeit » reap- ‘ d _ * Jahio 1889
Concession > sind nach der Reichsgewerbeordnung vom Ja
nicht mehr möglich. Kummer
Der Regierungscommissär, der alle en ke in Ein¬
beanstanden kann, hat gegen Disciplinarverfügungen
^Ämmtlichen Aerzte -d Apotheker haben £»***&
X™-enÄ
LÄt X£jXXo7S£ «Ä5
einem von der herzogl. Landesregierung zu e ™ e X- K am mer der
des herzogl. Obersanitäts-Collegn und einem von der F» d
Aerzte und Apotheker auf 5 Jahre zu erwählenden Mitglied,
nicht zugleich Mitglied der Kammer sein kann. . t die
Gegen die Strafverfügungen des Disciplinarhoies
Berufung an das herzogl. Staatsministerium g e3t f^ n bi in8 ein-
Hier findet sich also schon seit 30 Jahren eine b
zelne genau geregelte Disciplinarbefugmss der Kammer.
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28. April 1896.
e>»e TS ’ 8 - 92
Die Aerztekammer besteht aus einem Vorehzend^ ’ • gewÄ *}! t Wlrd -
desselben, einem Schriftführer, zwei Beisitzern nnd eine “ Vertreter
derselben; der Vorsitzende, dessen Vertreter und V W o 7®!‘ t . retern
bilden den Vorstand der Aerztekammer d d Sch nftführer
•n« „ di * rr“”*
das Interesse der öffentlichen Gesundheltsüfleee hit Ber ^ f oder
gi e H“d“" ng md
x-SrJttir "”* über die *• ***. «b. di,
Aersjfeopünnng^ to
Berufsthätigkeit gewissenhaft am.uüben Lj tadTffi’vLiT'“
m Ausübung des Berufs, sowie ausserhalb «i«. ik v ?™ aIten
Achtung würdig zu zeigen, die sein desselben sich der
gesammte Hamburgische Staatsgebiet winT^n^T 161 * T Für das
gebildet, die aus 15 Mitgliedern beSehJ und ™ ® r z V* k a m m 8 r
ihrer Mitte gewählt wird — Den Fnte«h vi von , don -Geraten aus
Warnung zu ertheilen odernnoi “, ac ^f. n " der 1 ^ in eine
z» einer jeden dem BeschnldS» nachtheSin F ? t“ ™»M"™ten.
ÄS™ 86 bewe ' i8t ei ”
...enden kLZS,'°d > En, d “ V »b.ndl»„g al
ä'it Ä T rsAitaH s r iÄ - *«'
zutreten. Auf Ersuchen beider P«rf Q ; UfS v, b *® ZI ® b ® D ’ verm,tt elnd ein-
organisirte Stfndesvertretlmg. Undesstaaten besitzen kerne amtlich
in den 0 ?m'SÄsrähe\eSettnfV« Om 22 , Dezember ^91 wurden
Zweck der Vertretung ,2 S\ K T 1 ?“ und Ländern zum
errichtet Derc!mne^^ H- Standes Aerztekammern
der ärztlichen ftSdT Si " d alle zur Ausübung
activen Dienste stehenden mm vf« f erzte mlt Ausnahme der im
fürstlichen politische^ RehS‘ ^» 8 ,? W1 ® der bei den landes '
Jede Aerztekammer besfehf fr a ? gest ? llten Aerzte unterworfen,
von den durch dieselben verireil mindesten8 9 Mitgliedern, welche
dem Wahlrecht und der WählbaS tfnd ^ gewäblt werden : von
1 Alle ltTitoiia^n. r i,' ,Darlkeit Slnd ausgeschlossen:
der Ausübung des activen und 6 de ° besteh enden Gesetzen von
ausgeschlossen sbd; pa8S,Ven Wahlrechts in der Gemeinde
passive/ Wahlrechta^verTust^ d ®f A erztek ammer des activen oder
«ehe Untersuchung gezogen^fin? 0 ' 1 VOn ihr in ® hren S ericb t-
seinem Stellvertreter^ ° d ’ Wel ? beraus dem Kammerpräsidenten,
8tandsmitgl ed?rn SIstehf *“ 8 m . ,nde8ten , 8 ? «nd höchstens 7 Vor
Fällen von persönlich zugleich a >* Ehrenrath in
»nd Anklagen der /n der K g eiteu ’ Be «chwerden
Unter- oder gegeneinand M Gr vertrete nen Aerzte
*ustündige 8 n 8 Behörd t *" , allen der Competenz der
Gelegenheiten n? en 1 ", lcht unterliegenden An-
»ittelnde Einschreiten*^ °- bl T ,egt als solchera auch das ver-
zwischen Aerzten des 8nr I 0 i ri ‘ U i ng - en « nd Streitigkeiten
Ausübung ihres Beruf en J?. e 8 . >n Beziehung auf die
Betretung des Beschwo-d nfs ' Bie Aerzte sind verbunden, vor
anzurufen. Zur LachEriS? 88 , dl ®, Vernii ttelung der Kammer
von mindestens drei S h! a |« Ehrenrath ist die Anwesenheit
und eine Majorität - I ^ tg !' ede 1 r des Kammervorstandes
erforderlich. zwei Dritteln der Anwesenden
MPgCggNgg_ MEDIClNlBOHK WQCggNsom gT.
___ 415
theilung einer Rüge, Geldstrafe oder die F^ h beD d gC ? en die Er¬
der Recurs an d e pTlitischf f 1.5 lte, f hu t n * des Wahlrechts
gütigen Entscheidung zu Land esbehörde zur end-
der Ami"n,m G .f b ““ e ° d ” g8hend “ »««g, flie.een i» die Qu»e
Therapeutische Notizen.
Angesichts der viele*/ Angriffe “welche die P Ung ® ntu bercu l° se
in letzter Zeit erfahren, fühlt sich Lacroi / des Creosots
fahrungen gemäss dasselbe «io d c . r ?‘. x gedrungen, seinen Er-
kämpfung dieser S LungenerkranküM SS!? 8 * 6 Hi ' fsmi « el Be-
zu bezeichnen. Es wirkt 1 ) gegen di’« rJ!u^ aber . als Specifium
Schutzmittel und 3) als Mairen DarmfnF Qch, ‘ 18 ’ 2 ) a| s hygienisches
welche der Creosottherapif 3“ ZmITTT ° 1, V ° rwürfe -
allzu hohen Dosen begründetf Äe SÄ» be• , V ° r d" em in den
Injectionen üblich sind. Dieser Uebelstandp/ byp °dermatischen
Einverleibung (0,5 Creosot 1320ccmiSfJS” die rectale
werden; per os lasse man Creosot “ur S Vermieden
0,05 Creosot (aus Buchenholz und mit Tcdubalgam “,^ , ft che
emulsiomrt enthalten (gouttes LivoniennpRl • T. d t Tbeer
Ä-firÄÄ ssis
Verschiedenheit ^n^der ÄL» ^
daLng/sSu/gl b o e d 9t Te. m^uRrTte“ 60 ’ ° hn6 da “
Tagesgeschichtliche Notizen.
Aerzte, welche sic^eine^d^^är' tr g& h in Q der Kammer vertretene
y«haltens schuldig „pmI*t!i Ch S n S ‘ and « a unwürdigen
Angehörige der A«r^o? acht oder lbre Pflichten als
Stellung des Thatb^tendes dn^ch Gr ^ erletzt haben - nach Sicher-
Brinnerungen Ve^wo, d h or dnungsmä6sige Erhebung mit
““RügenfÄd beTJrllVv^ im rr Wied erholungsfalle
nach Maassgabe der G^«hi , f C f hen J Unzukönimlichkeit en
strafen in Form von 8 °^ DUng mit Ordnungs-
fntziehung de8 p °° £®i db " 88en bis 20011 ., endlich mit der
dle Kammer auf Zeit oZ H der a ® tlven Wahlrechts in
1 .eit oder dauernd vorzngehen.
st.j;Ä4 8 »^ L G.s^
gerichte liegen jetzt weitere Mittheilungen vor So erklärten sich
™ !f f f. r de n Entwurf die schlesifche Aerztekammer die ösf-
preussische, die rheinische, die schleswig-holstein’flrhe A
sowie die Aerztekammer von WeSen 1 elh« ililn n"'
BerUn Ver De n r e Ges' e hftff ndeSV h reill !i Lni8enstad t, Süd-West undVwt-
SS^'flr Z ® eacbllft8aU88ch uss der Berliner Standesvereine sprach
sich für die Erweiterung der Disciplinargewalt der Aerztekammem
di/’ Fhreneeri/hl^b 8ei " e Zusti mmung zu dem Gesetzentwurf über
stbefglKlmem d ® 8 ‘
Zuständigkeit der Ehrengerichte auf sämmtliche practiscbe n .Aertte
t d ®, r . beamt ®ten und Sanitätsoffieiere , soweit
sie civilärzthche Thätigkeit ausüben, obwohl von Seiten der Regier¬
ung mit Bestimmtheit die Unmöglichkeit dieses 7 n<raaf«,..ir,' gl
erklärt wurde Mehrere der genannten Aerztekammem wünschende
Beseitigung der Worte «sowie ausserhalb desselben “ in dem
sSeso'dnung’ m “ f ° rdern ^ SchaffUDg ® iner ärztlicl >en
■ b .T bundertjfthrige Jubiläum der Schutzpockenimpfung wird
Celf R in r dU K h G J« e Fe i ei i lm B ath bau8e begangen werden. 8 Herr
Geh. R. Gerhardt wird den Festvortrag halten. Mit der Feier ist
bZu! Ä” Gegensülnden, welche auf die Impfung Beäug
— Nachdem sich die obersten Sanitätsbehörden in Italien über
das von Professor Maragliano in Genua hergestellte Antituber-
culose-Serum günstig ausgesprochen haben, ist die Abgabe desselben
m den Apotheken durch ministerielles Decret gestattet worden.
, “ De A r St Paul-Preis in Höhe von 25 000 Francs ist Seitens
der Pariser Acaddmie de mödeeme zu gleichen Theilen Behring und
Roux für Entdeckung des Diphtherieheilserums zuerkannt worden.
, lr - T V ,° n deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
de 5 u lb ; Jabreswoche, vom 5. bis 11. April 1896, die grösste Sterb-
lichkeit Königshütte mit 35,3, die geringste Sterblichkeit Bielefeld
mit 5,4 Todesfllllen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in M.-Gladbach.
— Von Meyers Conversationslexikon, V. Auflage, liegt uns
jetzt Band XI vor. Derselbe beginnt mit «Langenbeck», unter welchem
Titel uns kurze Biographien der 3 hervorragenden Aerzte dieses
Namens gegeben werden, und schliesst ab mit «Mauri». An Artikeln
medicini8chen Inhalts ist dieser Band besonders reich, da Gegen¬
stände wie Lungen-, Magenkrankheiten, Leichenschau, Leichen¬
verbrennung (beide letztere mit sehr instructiven Tafeln) in ihm ab¬
gehandelt werden.
— Von Arnold's «Repetitorium der Chemie« (Verlag von
L. Voss in Hamburg) ist jetzt die VII verbesserte und eigänzte
Auflage erschienen. Das hier wiederholt angezeigte Buch ist bekannt¬
lich speciell zum Gebrauch für Mediciner und Pharinnceuten be-
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41.6.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17..:
stimmt; dementsprechend berücksichtigt es besondere die für die
Medicin wichtigen Verbindungen sowie das Arzneibuch für das
deutsche Reich. Unter den Kreisen, für die es bestimmt ist, erfreut
sich das Buch grosser Beliebtheit. Der Preis betrügt gebunden G Mk.
— Zwei ursprünglich in der Münch, med. Wochenschrift, Jahr¬
gang 1895, publicirte Arbeiten: v. Strümpell, Ueber die Unter¬
suchung, Beurtheilung und Behandlung von Unfall kranken, und
Dörfler, Die Asepsis in der Landpraxis, sind nunmehr in erweiterter
Form als selbständige Brochüren im Verlage von J. F. Lehmann in
München erschienen.
— Die Leitung des Bades und der Curanstalt Schweizermühle
bei Königstein in Sachsen hat Dr. J. Kran er, bisher dirigirender
Badearzt des Ostseebades Misdroy, übernommen.
(Universittttsnachrichten) Amsterdam. Der Professor
der klinischen Medicin an der Universität, Dr Heinrich Hertz,
tritt in den Ruhestand. — Wien Dr. A. Haberda wurde als
Privatdocent für gerichtliche Medicin zugelassen.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Georg Staub, appr. 1894, in München.
Auszeichnung: Dem Dr. med. Bernhard Hagen in Homburg
i. d. Pfalz der Titel eines grossherz, badischen Hofrathes.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat März 18%.
1) Bestand am 29. Februar 1896 bei einer Kopfstärke des
Heeres von 64620 Mann, 206 Kadetten, 19 Invaliden, 146 U.-V. 1 ):
2782 Mann, 9 Kadetten, 3 Invaliden, 9 U.-V.
2) Zugang: im Lazareth 1526 Mann, 3 Kadetten, — Invaliden,
17 U.-V.; im Revier 4530 Mann, 17 Kadetten, 1 Invaliden, 3 U.-V.
Summe 6056 Mann, zO Kadetten, 1 Invaliden, 20 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 8838 Mann, 29 Kadetten,
4 Invaliden, 29 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 136,76 Mann
140,77 Kadetten, 210,52 Invaliden, 198,63 U.-V.
3) Abgang: geheilt 6658 Mann, 29 Kadetten, 1 Invaliden, 28
U.-V ; gestorben 5 Mann, — Kadetten, 1 Invaliden, — U.-V.;
invalide 63 Mann; dienstunbrauchbar 111 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 224 Mann, — Kadett, — Invaliden, — U.-V.; Summa: <061
ManD, 29 Kadetten 2 Invaliden, 28 U.-V.
,^« 4) J Hiernach8indKeheilt753 - 33 von 1000 der Kranken der Armee,
1000*0 der erkrankten Kadetten, 250,0 der erkrankten Invaliden und
9b5,50 der erkrankten U.-V.; gestorben 0,56 von 1000 der Kranken
der Armee, 0,00 Kadetten, 250,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
5) Mithin Bestand am 81. Mjlrz 1896: 1777 Mann, •—, Ka¬
detten, 2 Invaliden, 1 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 27,49 Mann,
— Kadetten, . 106,26 Invaliden, 6,84 U.-V. Von diesem Kranken¬
stände befanden sich im Lazareth 1238 Mann, —Kadetten, —Inva¬
liden, 1 U.-V.; im Revier 539 Mann, — Kadetten, 2 Invaliden, - U.-V.
Von den im Lazareth bezw. Revier Gestorbenen haben
gelitten an: Hirnhautentzündung 1, Lungentuberculose 2, Stich¬
verletzung der grossen HalsgefäsBe bei Raufexzess 1, Verletzung des.
Gehirns (Selbstmord) 1, Ältereschwflche 1 ; ausserdem verlor die
Armee noch 5 Mann; hievon 1 durch Lungentuberculose während
seiner Probedienstleistung als Mil itäranwärter, l durch Scbädelbruch
in Folge eines Sturzes, 1 durch Verblutung in Folge einer Herzstich¬
wunde, 2 durch Selbstmord (1 Erhängen, 1 Erschiessen); der Ge-
8ammtabgang durch Tod beträgt somit im Monat März 11 Mann.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 16. Jahreswoche vom 12. bis 18. April 18%.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 14 (13*), Diphtherie, Croup
48.(54), Erysipelas 28 (26), Intermittens. Neuralgia interm. 2 (—',
Kindbettfieber 4 (5), Meningitis cerebrospin. 3 (—), Morbilli 26 (8),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 3 (8), Parotitis epidemica 9 (15),
Pneumonia crouposa 22 (25), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma,
tismus art. ac. 39 (27), Ruhr (dysenteria) 1 (—), Scarlatina 33 (33),
Tussis convulsiva 24 (34), Typhus abdominalis 5(1), Varicellen 16 (10),
Variola, Variolois — (—). Summa 277 (259). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 16. Jahreswoche vom 12. bis 18. April 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern 1 (—*), Scharlach — (1), Diphtherie
und Croup 8 (7), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyümie) — (—), Brechdurchfall 1 (6), Unterleibstyphus —
(—)» Keuchhusten 5 (—), Croupöse Lungenentzündung — (4), Tuber-
culose a) der Lungen 33 (25), b) der übrigen Organe 2 (6), Acuter
Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krankheiten 5 (4).
Unglücksfälle — (—), Selbstmord — (—), Tod durch fremde Hand—(-).
Die Gesammtzahl der SterbefäUe 192 (177), Verhftltnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,6 (22,7). für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 16,6 (13,7), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 15,3 (12,2).
*) U.-V. = Abkürzung für Unteroffiziere-Vorechüler.
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: Februar 1 ) und März 1896.
Regierungs¬
bezirke
bezw.
Städte über
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J ,6 . 5,914 ; ,91?f r P f ral * 546,664, Oberfranken 685.688. Mittelfranken 736,943, Unterfrpnken 632,45
.-r> ,DJ_ ’ Kalsers| autern 40,7<6, Ludwigshafen 39,811, München 407,174, Nürnberg 162,380, Regensburg 41,47
Ochsenfu ^ IUu iuf nren!* NördUngen" Oberdorf Sonthofen"' ÜinsolfillB ' ^ ri csbnch, Kötzting, Kegen 6 / Rottenburg, Neunburg v. W„ Hof, Neustadt a. A„ Obercburt
Erlangen31?Bayrctuh k 27?Mle h -VntermlUen^'^Ne^alKU^ntcfn^tte^a"» f tlf bezw - 0r,en: Diphtherie, Croup: Städte und Bez.-Acmte
Pirmasens nur mehr in 2 Gemeinden des gleichnamigen AmteSerlehta.“«« i “ rzUI ®, her Bezirk Penzberg (Weilhelm) 15 Fälle. — Morbilli: Herrschen im Bez.-ä
27 Fälle. - Pneumonia crouposa: Städte uSd Bez-AeSSJfDlSkÄhÄi ^"chtwaugeniW Fälle. - Parotitis epidemica: Bez.-A. und Stadt Pa*s
Scarlatina: Epidemisches Auftreten fn l 3^etteIndM'Sf^ r *5^ärt flh ReT Ö, * Soh Va# IM !iH n nd Schwe'infurt je“ 53/' Erlangen' 'a 2,‘“Bezi'-A.^ Eggen feldcn S 48 d Falle,
in Thüngcn (Karlstadtl Bez.-Aemter Kronach 5 Vilsbiburg Zweibriieknn stai ^ t B“ 8 ® 011 Bälle. — Typhus abdominalis: Locale Epidemie (8 Fäll
Ueber das Auftreten von Infi ucnzaliegennachstehende^ k ®“ U n Je \ F, S le A ~ Variolois : 1 Fall in Runding Bez.-A. Cham
Kindern, zahlreiche respiratorische Erkrankungen vereinzelt «shws» nMvÄ»Siil 0 {« Bez.-A. Nalla: sehr heftig Im Anfänge des Monats, besonders unter klein«
ebenso im Bez.-A. Herbbruck. Stadt und Bez.^A. Schuabach überall hifnflo? o. 86 »?• Bea.-A-Slaffelstein: noch häufig, besonders mit Pneumonie compllcii
Form, otädte Nürnberg 64«. Augsburg 231 (lm Vormonate '841 Falle- '„Ä” SterbefäUe in Roth, sonst im Allgemeinen milde, vorherrschend catarrhslltcl
“•th°e Ulfe"*dÄTe r z tfifn tf^StauShS ' rhalMm ' welChe SiCh ‘
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl der sieh betheii|enden Ärzte »n dMK^t h h » erren k - Bezirksärzte zu erhalten, welche sich H
__ 1111 Interesse der vorliegenden Statistik wird um reehtr.®“iV. r A “J 1 . a8 ,?' Statistische Bureau wenden wollen.
-- v| ^ rechtzeitige (womöglich bis längstens 20.) nnd,regal massige Einsendung dringends t e rsuch i
ähilhalai
uigm;
Verlag von J. K. Lehmann in München, — Druck der It. M nhLth a] er'sch
Oie Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Summern von mindestens! 1 /,—3 Botren.
Preis yierteljiilirlich 6 praenumerando zahlbar
Einzelne Nummer 60 *).
MÜNCHENER
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Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redactlon
OttostrasAo 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehr«tr. 70. — Für Inserat« und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplarz IR.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
SL 8 Ä °™Sf r ' ”■ “ a ""' c ' 6 ' r l ardt ' w ''■ He '" eke ' S. Merkel, J, i. Michel, H. i. Ranke, F. t. Wlnckel, ». i. Zlemsti,
Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München.
München.
M 18. 5. Mai 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus dem pathologischen Institut in Heidelberg.
Zur Biologie der rothen Blutkörper.
Von Prof. J Arnold.
In einem Gemenge 1 ) frisch gelassenen Blotes mit 10 proc.
Jodkalilösung zeigt eine grosse Zahl der rothen Blutkürper die
bekannten Maulbeer- und Stechapfelformen, andere sind mit ganz
feinen cilienartigen Fortsätzen ausgestattet. Manche rothe Blut¬
körper weisen nur einzelne theils feinere theils dickere Ausläufer
auf, welche bald mehr bald weniger durch Hämoglobin tingirt
und homogen erscheinen, während die feineren farblos sind und
eine mehr feinkörnige Beschaffenheit darbieten. Diese ist be¬
sonders deutlich, wenn die Fortsätze zu feinen Fäden sich aus-
liehen, an deren Enden grössere und kleinere körnige Gebilde
hängen.
An den rothen Blutkörpern selbst nimmt man zitternde und
tanzende, zuweilen rotirende Bewegungen wahr; wegen derselben
ist es unmöglich, zu entscheiden, ob die Bewegungen der cilien¬
artigen Fortsätze mitgetheilte oder selbständige sind. Dagegen
zeigen die dickeren und die fadenförmigen Ausläufer oft sehr
lebhafte geisselartige Formveränderungen. Die Fäden verkürzen
sich und werden wieder länger, so dass die an ihnen hängenden
körperlichen Gebilde dem rothen Blutkörperchen, an welchem sie
haften, bald genähert werden, bald von ihm sieh entfernen. Diese
selbst, mögen sie noch an den rothen Blutkörperchen fixirt oder
von ihnen abgeschnürt sein, führen gleichfalls zitternde, tanzende
und bohrende Bewegungen, sowie ausgiebigere Ortsveränderungen
aus. Die frei sich bewegenden Gebilde zeigen innerhalb gewisser
Grenzen einen Wechsel bezüglich ihrer Grösse, Gestalt, Farbe
und btructur. Die einen sind grösser, homogen und mehr oder
weniger durch Hämoglobin tingirt, die kleineren farblos und ge¬
körnt; ja manche scheinen nur aus einem glänzenden Korn zu
bestehen, das eine sehr verschiedene Lage zum rothen Blut¬
körperchen darbietet, indem es bald die helle Mitte oder eine
mehr periphere Stelle einnimmt, bald über dessen Rand vortritt.
Beobachtet man ein solches Object längere Zeit, so kann
man an den rothen Blutkörpern alle Phasen des Ausscndens von
ortsätzen und der Abschnürung dieser unmittelbar wahrnehmen.
Waren die abgeschnürten Gebilde grösser, so erfolgt, so lange sie
noch durch Fäden mit den rothen Blutkörpern Zusammenhängen
oder nach ihrer Trennung von diesen, eine weitere Zerklüftung,
indem gleichzeitig das Hämoglobin, wenn solches noch vorhanden
war, verschwindet und ihre Substanz mehr körnig wird. Die
sehr l? a8 u Verf ^ ren bei der Herstellung solcher Präparate ist ein
Blnt . ch ® 8 - . Aq 8 einem angeschnittenen Blutgefäss lässt man
JodJir klei ?® 8 Reagensglas, welches zur Hälfte mit 10 proc.
eintränfAi^ 10 ? 18t > unter schüttelnden Bewegungen des letzteren
zu 10 t!Ü; v, habe gewöhnlich ein Volumenverhältniss von 1 Blut
in einfiÄnO v 8n ,° g gew * blt Ein Tropfen dieses Gemisches wird
das jftdJirki ^ e ,n ver8chlo88ene Glaskammer eingedeckt. Sowohl
sich viele T^e 86m6Ilfi;e ’ *** &UCh di ® einzelnen Präparate halten
No. 18 '
abgeschnürten Gebilde führen zunächst lebhafte zitternde, tanzende,
bohrende und geisselartige Bewegungen aus; später sintern sie zu¬
sammen und bilden aus feinkörniger Substanz bestehende Klumpen
und Kugeln. Die in die Gebilde eingeschlossenen glänzenden Körner
werden bei ihrem Zerfall frei oder in die Körnerhaufen mit ein¬
geschlossen.
Ausser der Abschnürung einzelner Fortsätze kommt aber
auch ein Zerfall der rothen Blutkörper gleichzeitig in mehrere
plättchenförmige Gebilde vor. Es sind insbesondere die maulbeer-
fönnigen Blutkörperchen, welche dieser Umwandlung unterliegen.
Die buckelförmigen Erhebungen werden dunkler, die zwischen ihnen
gelegenen Partien heller und körnig; schliesslich zerfallen die
rothen Blutkörperchen in ebensovicle Theile, als kugelige Auf¬
treibungen vorhanden waren. Nach erfolgter Trennung verlieren
diese ihre homogene Beschaffenheit und ihr Hämoglobin, sie werden
blass und körnig und gleichen ganz den anderen abgeschnürten
Gebilden. Bei manchen rothen Blutkörpern nimmt man zuerst
eine Trennung in zwei Abschnitte wahr, welche dann dieselben
Metamorphosen durchmachen. Es haben diese interessanten Vor¬
kommnisse in einer demnächst erscheinenden Arbeit eine ausführ¬
liche Darstellung erfahren, so dass ich mich mit den obigen
Andeutungen begnügen darf.
Dass derartige Abschnürungsprocesse und Zerfallserscheinungen
an den rothen Blutkörpern auch unter anderen Verhältnissen, z. B.
in anderen Salzlösungen und unter pathologischen Bedingungen
sieh abspielen, geht aus zahlreichen Beobachtungen hervor. Es
schien mir aber bedeutungsvoll, die lebenden und überlebenden
extra- und intravasculär gelegenen rothen Blutkürper daraufhin
zu prüfen. Als das geeignetste Object kann ich das Mesenterium
junger weisser Mäuse empfehlen; das Mesenterium ausgewachsener
Thiere ist wegen seines Reichthums an Fettgewebe nicht zu ge¬
brauchen. Nachdem man die Thiere mit Morphium-Aether narkotisirt
hat, wird die Bauchhöhle auf der rechten Seite eröffnet und eine
Darm schlinge vorgelagert. Ich bediente mich zu diesen Versuchen
der von Thoma beschriebenen mit Irrigationsvorrichtung ver¬
sehenen Objectentrüger. Das Mesenterium wird mit warmer Koch¬
salzlösung (0,6 Proc.) abgespült und dann mit einem Deckglas
so bedeckt, dass die Mündung der Irrigationscanüle die untere
Häclie des letzteren berührt. Der Irrigationsstrom darf nur ganz
schwach sein; ja es ist zweckmässig, denselben zeitweise zu unter-
breehen. An einem solchen Object kann die Circulation durch¬
schnittlich vier Stunden lang beobachtet werden; allerdings bleiben
die verschiedenartigsten Störungen nicht aus. Dessenungeachtet ist
das beschriebene Verfahren zu empfehlen, weil die Abschnürung
Vorgänge unter solchen Verhältnissen deutlicher wahrzunehmeu sind
und häufiger werden, überdies nach erfolgtem Stillstand des Kreis¬
laufes noch fortdauern.
Am leichtesten sind diese an cxtravasculär gelegenen rothen
Blutkorpern wie sie nach derartigen Eingriffen nie fehlen zu
sehen. Auch hier findet man Stechapfel- und maulbeerfönLige
sowie mit feinen cihenartigen oder vereinzelten dickeren Fortsätzen
versehene Blutkörper, welche zitternde, tanzende und rotirende
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Münche ner medicinische Wo chenschrift.
No. 18.
Fortsätze zuweilen
geisselartige " "n den ab g »chn«r,en Ge-
den Jodkalipräparaten r y«gL^e nnd beaüglich de.
STae^r ÄÄi konnte ich nicht
le “ tS Bta 'sebr geeignete. Bcobachtungrfeld geben die mit rothe»
Blntkl«“ geMto Lympbgett.se ab, weil die Bewegung de,
Blutkörper, wenn eine *he\" B luÄ £
k T, d “ S “fln im Sun e “tben B.ntkörpereben und B.ut-
S Sn—' S IÄ5
nach erlog Anfang der Versuche m den befassen,
auTwcnn der Strom verlangsamt war und die einzelnen corpus-
culären Gebilde ganz deutlich sich erkennen hessen, nur ganz ver
ehizelte Blutplättchen sich fanden, wurden sie mit der Ze,t immer
zahlreicher, ja zuweilen so massenhaft, dass sie die rothen ßlut-
körpereben verdeckten. Besonder, bemerken.wertb dünkt m,r d*
Thatsache, dass Blutplättchen in Gefässen auftreten und an Zah
”n in weleben der Blut.trom stockt.
beobachtet, dass in Blutgefässen mit ruhender Blutsäule wenn
diese stellenweise unterbrochen war, gerade in diesen nach allen
Richtungen durch rotlie Blutkörper abgeschlossenen Zwischenräumen
Blutplättchen tun, Vor.ehein kamen. Liegen die rothe» BMMp«
innerhalb der Gefässe mehr isolirt, wie dies ja bei derartigen
Kreislaufstörungen häufig genug verkommt so kann mari »
ihnen dieselben Veränderungen der Form, das Ausseudcn von For
Sätzen und die Abschnürung dieser wahrnehmeu, wie an den ausser¬
halb der Gefässe befindlichen.
Einigemale habe ich rothe Blutkörperchen gesehen, welche
Blutplättchen an Fäden hinter sich herschleppten. Selbstverständ¬
lich darf auf eine Zusammengehörigkeit beider nur geschlossen
werden, wenn man den Vorgang der Abschnürung in se.nen einzelnen
Phasen verfolgt hat, was unter günstigen Bedingungen ohne zu
tcrosse Schwierigkeit ausführbar ist. Die Blutplättchen zeigen auch
innerhalb der Gefässe, wenn die Circulation still 8teht d *
Strömung eine sehr langsame ist, tanzende, zitternde und bohrende
Bewegungen, sowie Ortsveränderungen, welche in dem letzteren
Falle der Stromesrichtung entgegengesetzt sein können. Hervor^
beben will ich noch, dass der Wechsel, w^Gesta t Grösse Farbe
und Lichtbrechung der intravasculären Blutplättchen anbelangt,
ein viel grösserer ist, als man im Allgemeinen anzunehmen scheint.
Nicht selten sind die grösseren Gebilde mehr rund, homogen und
deutlich hämoglobinhaltig, während die kleinen Plättchen eine lichte
und körnige Beschaffenheit darbieten. Endlich muss ich noch der
Möglichkeit, dass diese die Gefässwände passiren und in das Gewebe
übertreten, Erwähnung thun.
Die tinctoriellen Eigenschaften der von den rothen Blut¬
körperchen sich abschnürenden Gebilde habe ich an Schnitt- und
Trockenpräparaten von Blut geprüft. Färbt man die letzteren
mit Methylenblau-Bonn, so nehmen viele derselben, wie die Blut¬
plättchen, einen blauen Farbenton an. Werden die Präparate in
eine Mischung von Gentianaviolett-Anihnöl gelegt und dann kurze
Zeit mit Xylol-Anilinöl differencirt, so sind sie bald heller, bald
dunkler, sehr häufig aber in derselben Weise tängirt, wie die
Blutplättchen. Im Wesentlichen dieselben Befunde ergeben sich
an Schnittpräparaten»), wenn man sie mit Methylenblau-Eosin,
~^Mtadiungen von frischgelassenem Blut mit Müller-Sublimat
Chromsäure (0,2 Proc.) oder Osmiumsäure ( /* -1 Proc.) lässt ma
absitzen. behandelt das Sediment mit 50 Proc., dann. 75 Proc und
schliesslich absolut Alkohol, dem die gleiche M e°ße ^ether zu
gesetzt wird. 'Zu diesem Gemenge fügt man so lange Heme Stückchen
Celloidin, bis es dickflüssig wird, dann giesst man es auf ein H
klötzcheu aus und härtet in 80 Proc. Alkohol nacn.
, * ... -l _j or Tri-leid färbt; immer stimmt bei
Genti Thet t d^Fortsätze und der sich abschnürenden Körper
einem Theil der r R 1 ntnlätichen ü herein, während andere
der Farbenton gewi.see itatufeegen anf-
denjemgen der wtl ^ ^ wcllB6ln(Jcn Hämoglobin-
weisen. Es hängt ai ftter an ihnen eintretenden
gehalt der ersteren, so p. ^ p ar benreactionen erhält man
Umwandlungen deren Fortsätzen und Ab-
an den rot Blutplättchen, wenn man con-
schnürungsprodacten, sowie a Meer8ch weinchen, deren
r ir tehl M rTl 2 °St^r vorgelagert waren, untersucht.
A^^chen Objecten und an Schnittpräparaten von Blut kommen
An solchen O j t 'sehen Fibrinmethode blaue Körnchen
‘;‘S: Teil S - baid mehr peripher gelahrt
Ld oder über den Rand der Blutkörperchen wegtreten. Zuweilen
Blutkörper Cd“Tu tut^tttheu kommen «.lohe blaue Körper vor.
K. TTrf wohl kaum eine, besonderen Hinweises auf dre grosse
Bede»“ Tn den rothen Blutkörperchen »eh renden
Thatstl jETSiÄ K—
^ÄwÄrp^srbeid.Fi^
niÄÄÄÄi
Stellung, ihre Bedeutung unter Berücksichtigung dcr Literatur
die Aufmerkamkeit weiterer Kreise auf sie zu lenken.
Ueber traumatische Luxationen der unteren Extremität )
Von Dr. Göschei,
Oberarzt der Chirurg. Abtheilung des städtischen Krankenhauses
in Nürnberg.
Meine Herren! Einige seltenere ^km^rmen der
Extremität, die ich in den letzten Jahren beobachtete und be
handelte, veranlasst«« mich, unsere das8
letzten 20 Jahre durchzusehen Zuerst überras ^ ^ auf
unter der grossen Zahl von chirurgischen Kranken, die
30,000 schätze, und unter denen sich eine überwieg
von Verletzungen befinden, doch nur 148 Lnxnfonen
Ich verglich desshalb diese Zahlen mit anderen Statistikern
ergab sfeh dabei, dass unsere Zahlen
sehr gut übereinstimmen. Krönlein hat m «xationen
Luxationen eine Statistik von 400 frischen traumatmehen Luxati^
aufgestellt, die er aus 6 Jahren der-Langenbeck™
und Poliklinik sammelte. DJ.400 n ^
unter einer Anzahl von beiläufig 80 yu,u u , T . lxa tionen
Kranken. Das entspricht einem Verhältnis von & geben
auf 1000 chirurgische Kranke unsere L48I«- „ e f otcnl
4,9 auf 1000. Es interessirte mich auch, zu erfahr , ^
Zahlenverhältniss unsere Luxationen zu den brac «ren
berger Spitals stünden. Ich fand in den MM
ca. 1750 Fracturen verzeichnet, wobei die gross
und Zermalmungen von Gliedmassen, Finger und Zene
i) Vortrag, gehalten im Aerztüchen Verein zu Nürnberg
20. Februar 1896.
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5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
419
geschlossen sind. Wie nun auch in anderen Statistiken bestimmte
Gelenke bei den Luxationen, und bestimmte Knochen bei den
Fracturen die Zahlen der Statistik beherrschen, so ist das auch
bei uns. Bei den Luxationen ist es das Schultergelenk, bei den
Fracturen der Unterschenkel und die Knöchel. In unserer Statistik
kommt über der Luxationen auf das Schultergelenk, nämlich
79 Schulterluxationen, d. i. 58,3 Proc., bei Krön lein 51,7 Proc.
An 2. Stelle kommen die Ellbogenluxationen mit der Zahl 14,
d. i. 9,4 Proc. Krön lein zählt für das Ellbogengelenk 23 Proc.,
weil zu seinen Kranken auch Kinder gehören, die häufiger als
Erwachsene Ellbogcnluxationen erleiden. An 3. Stelle folgt bei
uns das Hüftgelenk mit 11 Fällen oder 4 Proc., Krönlein
hat nur 2 Proc., nämlich nur 8 unter 400 Luxationen. Alle
anderen Luxationen sind nur vereinzelt. Ich habe dann wie
Krön lein die Zahlen für obere und untere Extremität und für
den Stamm gesondert und erhielt 118 für die obere Extremität,
d. i. 80 Proc., 24 für die untere Extremität, d. i. 16 Proc.,
für den Stamm 6, d. i. 4 Proc. Diese Zahlen verhalten sich
bei den Fracturen erheblich anders. Die Fracturen der unteren
Extremitäten üherwiegen weit die der oberen.
Ich möchte mich aber heute nur darauf beschränken, die
Luxationen der unteren Extremität an der Hand meiner Erfah¬
rungen kurz zu besprechen.
Zuerst die Luxationen des Hüftgelenks.
Wie schon erwähnt, befinden sich unter den 400 frischen
traumatischen Luxationen, die Krön lein sammelte, nur 8 Hüft¬
gelenksluxationen. Wir zählen unter unseren 148 Luxationen
11 Hüftluxationen, im Jahre 1895 allein 3- Davon gehören
7 zu den Luxationen nach hinten, 4 zu denen nach vorn. Von
den Luxationes posticae sind 4 Luxationes ischiadicae, 3 iliacae.
Unter den Luxat. anticae finden sich 2 Luxat. pubicae, eine
obturatoria und eine perinealis. Die Luxationen nach hinten ent- ,
stehen indirect durch übermässige Adduction, Einwärtsrollung
und Flexion des Oberschenkels bei Sturz aus bedeutender Höhe,
Ueberfahrenwerden, Verschüttung und dergl. Die Flexion wird
dabei meist durch das Becken beim Zusammenknicken des Körpers
besorgt. Auch unsere Patienten sind vom Gerüst gefallen, zum
Fenster herausgesprungen, vom Bock herabgeschleudert worden,
nur einer wurde durch einen stürzenden Aufzug zu Boden ge¬
worfen. Die Diagnose war nur in einem Falle schwierig, es handelte
sich um eine atypische, mit Pfannenbruch complicirte Luxation.
Die Stellung des Beines in Flexion, Adduction und Innen¬
rotation, die deutliche Palpation des abgewichenen Femurkopfes
nach hinten oben oder hinten unten von der Pfanne Hess bei den
übrigen Fällen keinen Zweifel. — Die Einrichtung wurde 5 mal
nach der jetzt allgemein gütigen Methode der Manipulation, die
von Roser, Busch, Bigelow, Kocher ausgebildet worden
ist, leicht vollzogen. Dieselbe besteht bekanntlich darin, dass
zuerst durch Beugung des Schenkels bis zum rechten Winkel das
Ligam. ileofemorale erschlafFt wird, durch Vermehrung der Ad¬
duction bringt man den Kapselriss zum Klaffen, die Rotation nach
aussen endlich dreht unter gleichzeitigem Zug in der Richtung
des gebeugten Schenkels den Kopf in die Pfanne. Die einzige
erheblichere Abweichung von dieser Methode besteht nach Middcl-
dorpf darin, dass die Aussenrotation in Abductionsstellung vor¬
genommen wird. Hiedurch stemmt sich der Schenkelhals an den
Pfannenrand und wird in die Pfanne hineingehebelt, immerhin
eine etwas gewaltsame Art, die zum Bruch des Schenkelhalses
schon öfter geführt hat.
Einmal gelang die Reposition durch einfachen Zug in der
Richtung des luxirten Beines d. h. schräg über das gesunde Bein
hinweg. Hier hatte offenbar der Kopf sich dicht neben der
Pfanne befunden und konnte leioht durch den Kapselschlitz
hineinschlüpfen.
Der letzte Fall, der mit Pfannenbruch complicirt war, machte
• auch der Reposition Schwierigkeiten. Sie gelang naoh mehrfachen
Versuchen durch Zug in halbgebeugter Stellung mit nachfolgender
geringer Aussenrotation. Die Luxation stellte sich wieder her,
»bald man das Bein nur etwas einwärts rotirte und adducirte.
Nach wiederholter Reposition wurde das Bein in starker Aussen-
rotation und Spreizung durch Gypsverband fixirt. Die Heilung
^folgte in guter Stellung aber mit vollständiger Ankylose.
Die 4 Luxationen nach vorn waren 2 Fälle von Luxatio
suprapubica und 2 Fälle von Luxatio infrapubica.
Die Luxatio suprapubica entsteht meist durch gewaltsame
Rückwärtsbewegung des Rumpfes, also durch Hyperextension mit
Abduction und Auswärtsrotation. Unsere beiden Fülle lassen sich
nicht darauf untersuchen. Der eine Patient wurde überfahren,
der andere stürzte 2 Stockwerk hoch auf die Strasse. Dagegen
stimmen die Symptome: das luxirte Bein stund in Streckung,
! Abduction und Aussenrotation, Schenkelkopf am Schambein.
Die beiden Fälle von Luxatio infrapubica waren eine Luxatio
obturatoria und eine Luxatio perinealis.
Die Obturatoria entstund dadurch, dass dem Patienten ein
Baum auf’s Kreuz fiel, während er mit gespreizten aussenrotirten
Beinen gebückt stund, also genau, wie es in den Lehrbüchern
beschrieben ist. Symptome: Bein in Hüfte leicht flectirt, abducirt
und aus8enrotirt. Oberschcnkclkopf handbreit unter dem Ligam.
Poupart.
Die Luxatio perinealis ereignete sich ganz ähnlich dadurch,
dass der Patient von hinten her von einem fallenden Baumstamme
getroffen und zu Boden geworfen wurde. Oberschenkel und Knie
stark gebeugt, das Bein stark abducirt und nach auswärts rotirt.
Der Femurkopf am stark gespannten, dunkelblau sugillirten, bereits
oberflächlich eingerissenen Perineum zu fühlen.
Für die Einrichtung der Luxation nach vorn besteht noch
nicht die Uebereinstimmung, wie für die Einrichtung der Luxation
nach hinten. Doch sind es zwei Acte, die ziemlich allgemein für
nöthig gehalten werden. Erstlich die Flexion, um dadurch das
Lig. ileofem. zu entspannen, zweitens die Innenrotation, wodurch
der Schenkelkopf in die Pfanne zurückgeführt wird. Bei der
Suprapubica wird von Roser, Kocher, Busch, Middel-
dorpf eine Hyperextension der Flexion vorausgeschickt, um damit
den Schenkelkopf vom Schambein abzuhebeln. Für die Rotation
empfiehlt allein Kocher die Richtung nach auswärts und zwar
in seiner Methode für Einrichtung der Infrapubica.
Bei unseren Fällen ist ein Fall von Suprapubica auszuscheiden,
da bei ihm die Art der Reposition nioht notirt ist. Die Ein¬
richtung mittels Flexion, der eine Hyperextension vorausgeschickt
wurde, und mit nachfolgender Innenrotation, geschah nur bei einer
Luxatio obturatoria. Dagegen führte diese Methode bei einer
Suprapubica und einer Perinealis nicht zum Ziel. Für beide
wurde dann ein von Busch und Pitha angegebenes Verfahren
mit Erfolg angewendet. Die Patienten wurden mit der kranken
Beckenseite etwas über den seitlichen Tischrand herausgezogen,
das Bein in Abductionsstellung kräftig hyperextendirt, dann ein¬
wärts gerollt und adducirt.
Ueber den endlichen Erfolg für die Wiederherstellung der
Function kann ich berichten, dass die meisten Patienten nach
mehreren Monaten ohne besonderes Hinderniss ihr Bein gebrauchen
konnten, nur im letzten Jahr fanden wir Schwierigkeiten, viel¬
leicht wegen der Lockung einer Unfallrente. Der Patient, dessen
Gelenk in Folge der Pfannenfractur ankylosirt war, konnte gleich¬
wohl gut gehen, da er in der Dr. Kiefcr’schen Anstalt gelernt
hatte, den Bewegungsausfall durch das Becken zu compensiren.
Ueber das Geschlecht unserer Patienten, die eine Luxation
des Hüftgelenks erlitten hatten, ist nur zu sagen, dass sie durchweg
dem männlichen Geschlecht angehörten, wie ja auch andere
Statistiker für diese Verletzung Aehnliches angeben. In Beziehung
auf das Alter sind unserem Krankenhaus Grenzen gezogen, doch
stimmen die Berichte auch darin mit uns überein, dass Hüft¬
gelenksluxationen weitaus vorwiegend das eigentlich arbeitsfähige
Alter betreffen.
Ich komme nun zu den Luxationen des Kniegelenks,
die schon wegen ihrer relativen Seltenheit besonderes Interesse
verdienen. Sie erhalten aber auch für den Betroffenen vielfach
eine ernste Bedeutung durch ausgedehnte Bänder- und Kapsel-
zerreissungen und durch häufige Läsionen der grossen Gefässe
und Nerven der Kniekehle, die durch den Druck der gegen sie
andrängenden Gelenkenden oder durch die luxirende Gewalt gefährdet
sind. Ich möchte Urnen zuerst die zwei Fälle mittheilen, die ich
beobachtet habe.
Der erste ist aus dem Jahre 1882. Am 16. April wurde der
Metzger Adam Köhnlein in das Krankenhaus gebracht. Der 23 jährige
1*
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Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 18-
. . ,, , Uf onf nVianar Erde im Schlachthaus aus, fiel zu
femoris internus steht ^ ^ n inV umgriffen“werden kann.
Druck 8 gegen die Tibia in Richtung nach vorne und einwärts. Em
35 Jahre alt - ^ _ D - hel gegen den rechten Unterschenkel,
™de e b« ”d ÄÄ. gebracht. E. «eigt »ich die
Techte Tibia Sach innen und vorne luxirt. Der mediale Condylus
tibiae mit seiner Gelenkfläche ist sichtbar »jWtaf
nach einwärts und vorne abgewichen, der Condyl. ext. lemor. enr
SDr«jhend nach aussen und hinten. Der Unterschenkel steht gerade,
wenig gebeugt, Patella nach einwärts geschoben. Die Em " c ^ lt . u ^
wird^in der Narkose durch Extension und directen n D ™ ck J 8 jj2
Seit. Pappschienenverband. Bei Abnahme desselben am 30^Mai
eute Stellung des Gelenks, geringe Schwellung, aber E&hmung des
Nerv peroneus: Taubsein der Haut am Fussrücken, fehlende Dorsal-
flexiön und Abduction des Fusses und der Zehen Am August
wurde Patient entlassen. Das r. Knie war noch ftw“ ges^vroUen
Maassdifferenz gegen 1. 1,5 cm. Das Knie kann mcht dur< hgedrückt
werden Flexion wenig beschränkt. Peroneuslähmung nicht gebesser ,
Schwund der°Mu8Culatur des r. Unterschenkels. Die Lähmung wird
durch eine Bandage mit Gummizügen gut comgirt, der Gang ziemlich
rasch und gewandt,
Die Casuistik der traumatischen Luxationen des Kniegelenks, (
so weit diese veröffentlicht sind, liegt uns in sehr vollständiger ]
Weise vor. Malgaigne hat in seiner grundlegenden Arbeit
80 Fälle gesammelt. Noch in den neueren Lehrbüchern fandet
man, dass sich die Zahl der mitgetheilten Fälle von Kmcluxation '
nicht viel über 100 belaufe. Im Jahr 1895 erschien eine Disser¬
tation von Justus Cr am er, Würzburg, jetzt prakt. Arzt in
München, über diesen Gegenstand. Mit erstaunlichem Fleiss
revidirte derselbe die ganze bisherige Casuistik und fügte noch
190 Fälle zu den 80 Fällen von Malgaigne, so dass jetzt
270 veröffentlichte Fälle existiren. Es lässt diese Zahl aber doch
erkennen, dass die Knieluxationen zu den seltenen Ereignissen
gehören. Es kommen von den 190 Cr am ersehen Fällen z. B.
auf Berlin 9, Wien 1, München 3, auf ganz England 39,
Frankreich 32- ,
Die häufigste Form dieser Luxation ist die Luxation der
Tibia nach vorne, nämlich 40 Proc. der ganzen Casuistik. Sie
ist die häufigste, aber auch die schlimmste. Cramcr theilt unter
seinen 73 Fällen 12 mit, bei denen wegen Gcfässzerreissung oder
-Verstopfung die Amputation gemacht werden musste, ausserdem
starben mehrere ohne Amputation an Sepsis, oder es musste
wegen Complication mit Zerreissung der Weichtheile die primäre
Amputation gemacht werden, zweimal kamen die Einrichtungs¬
versuche erst nach breiter Gelenkseröffnung zum Ziel. Es ist
nicht zu verwundern, dass in 6 Fällen Lähmungen meist des
N. peron. zurückblieben und dass die Gelcnksfunction durch |
Steifigkeit oder Schlottern häufig beeinträchtigt, blieb. Trotzdem
finde ich in der Casuistik 26 Fälle von Heilung mit guter Geh¬
fähigkeit. —
Nur mit 19 Proc. ist die Luxation noch hinten vertreten.
An Gefährlichkeit ist sie der Luxation nach vorne ganz gleich.
Erheblich seltener sind die seitlichen Luxationen und zwar die
Luxation nach innen seltener als die nach aussen. Mit ganz
kleinen Zahlen sind die Unterarten der Luxation in diagonaler
Richtung und die Rotationsluxationen vertreten.
Im Hinblick auf unsere eigenen Fälle interessiren uns wohl
am meisten die seitlichen Luxationen. Sie entstehen entweder
durch directe Gewalt, die den Oberschenkel oder Unterschenkel
aus dem Gelenk verschiebt, oder durch übermässige, gewaltsame
Abduction oder Adduction, d. h. Einknickung des Kniegelenks
nach aussen oder innen. Die Fernurcondylen stemmen sich aussen
oder innen auf den Tibiarand, sprengen gegenüber die Kapsel und
treten aus dem Gelenk, die Tibia rutscht dann auf die entgegen-
geSetZ ^ ie Diagnose ist fast immer leicht durch die charakteristischen
Formen der Knochen. Die Prognose der seitlichen Luxationen
ist besser als die der Luxation nach vorn oder hinten, aber am*
bei ihnen kommen die beschriebenen schlimmen Folgen vcr. ho
ist der einzige Patient, der mit Luxation nach innen und vorn
von Cr am er erwähnt wird, wegen Gangrän amputirt worden.
Unser Patient, der diese Art der Luxation erlitt, trug eine 1 eroneus-
lähmung, wohl durch Zerrung des Nerven über den Condyl. fern
ext. hinweg, davon. Der andere Patient mit LuxaL tibiae nach
aussen und hinten genas vollständig und mit guter Gehfahigkeit.
Auch in der Cramer'schen Casuistik, die 8 Fälle von Luxatio
tibiae nach aussen und hinten aufführt, erhielten 6 gute Gebrauchs¬
fähigkeit, darunter auch einer von Brunner in München bei
dem die Reposition erst nach Incision des Gelenks gelang. Einer
starb an Delirium tremens, ein französischer Weinhändler; ein
I tient von Hamilton behielt eine Subluxation zurück.
Die Einrichtung der Kniegelenksluxationen gelingt meist
iht, so dass eine Anzahl der aufgeführten Fälledurch Laien
lonirt werden konnten. Hie und da treten aber doch Verhält-
isc ein, die grosse Schwierigkeiten bereiten wie Interposition
n Kapseltheilcn oder Muskelpartien, oder durch die Gefahr einer
intzerrcissung oder weiterer Schädigung des Bandapparates werden
; Einrichtungsmanipulationen beschränkt.
In unseren Fällen gelang die Einrichtung durch Extension
,d directen Druck ohne jede Schwierigkeit. Die Zerreissung
:r Kreuzbänder, die immer erfolgt, hat offenbar für die spatere
unction eine viel geringere Bedeutung, als die Zerreissung er
itlichen Bänder. Genu valgum oder Schlottergelcnk sind bei
«genügender Verheilung oder allzu ausgedehnter Beschädigung
iclit selten die Folge gewesen.
Eine sehr seltene Art der Luxation des Talocrural-
elenkes ist mir vor einigen Wochen in der Privatpraxis zu-
egangen, nämlich eine Luxation des Fusses nach hinten.
Ein 59jähriger Herr L. ging im Dunkeln eine Wendeltreppe
erunter, er glitt aus, fiel nach rückwärts und rutschtedann mit
en Füssen voraus etwa 6 Stufen herab, bis er mit_ den Füs^n
egen einen Latteuverschlag anstiess. Er konnte nicht mehr auf
tehen Ein Anderer hatte ihn aufgehoben, seinen nach aussen
tehenden Fuss hereingedreht und ihn dann nach Hause gesclmfft
ch fand folgendes Bild: Der linke Fuss gering plantarflectirt, m
Mittelstellung, die Ferse weit nach hinten gedingt. Vorn am
jprunggelenk springt die Tibia weit hervor, bo dass ihre untere
SwSeund ein Theil der Gelenkfläche abzutasten ist. Eine Knöchel-
Tactur kann nicht nachgewiesen werden. Die Reposition_ wurde
ler Narkose gemacht und zwar durch kräftige Plantarflexion, Dru
ruf das untere Tibiaende nach hinten, Druck auf die Ferse m der
Richtung nach vorne. Unter lautem Geräusch verschwand die
Deformität. Ich legte dann 8 Tage die Extremität in Gyps verband
and behandle sie jetzt wegen der erheblichen SugillaUon und
Schwellung mit Massage. Patient hegt noch zu Bettu “ dder l™ h
wird durch Pappschienen gestützt. Die Luxation des Fueses naci
hinten kommt zu Stande durch übermässige Plantarflexion wobei
sich der hintere Rand der Tibia gegen dashintere Ende der 'Talus
rolle ansteramt. Es reissen vorne die Kapsel und an der Smte
zum Theil die Bänder ein und durch fortwirkende Gewalt wiri
die Tibia über die Talusrolle hinweg nach vorne getrieben.
Im vorliegenden Falle wurde der Fuss gewiss stark plantar¬
flectirt gehalten, erstlich durch das Anstreichen der Ferse an den
Stufen, dann durch die unwillkürliche Haltung, die man bei einem
solchen Falle den vorausgleitenden Füssen gibt. Dann stiess er
mit, der Zehenspitze an den Verschlag, die fortwirkende Gewalt
des Sturzes vermehrte die Plantarflexion des an den Zehen nxir n
Fusses und trieb die Tibia nach vorne aus dem Gelenk.
Die Diagnose war nach dem angegebenen Bild nicht zu \ei-
kennen, obwohl ich zum erstenmal demselben gegenüberstand, wab
immerhin zunächst die Orientirung und Deutung erschwert. Kecn
ohl merkwürdig war es mir, nachträglich die Differentialdiagnose
der studiren gegenüber einem Fall von Fractur des unters n
,kel der Tibia, die durch Sturz aus bedeutender Hohe und Anse g
ime des Fusses unterwegs entstanden war. Hier fühlte man a " c
nks ähnlicher Weise das untere Tibiaende mit seiner Kante ' vel
;scn stehen, dagegen war die Ferse nach vorne, nicht nach
und geschoben und es war oberhalb des Bruchstückes im
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5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
421
Dorsalflexion eine widernatürliche Beweglichkeit za spüren, neben
der natürlichen Beugung und Streckung im Taloeruralgelenk.
Die Luxationen des Talocruralgelenkes betragen nach Krön¬
lein nur ‘/j Proc. der Luxationen. Weitaus die meisten derselben
sind seitliche Luxationen mit Knöchelbruch, sogen. Verrenkungs¬
brüche nach Stromeier. Ich habe dieselben mit und ohne
Zcrreissung der äusseren Bedeckung nicht allzu selten gesehen,
behandle eben wieder im Krankenhaus einen solchen Fall. Die
Dislocationen nach vorne und hinten gehören aber zu den sehr
ungewöhnlichen Ereignissen. Die Luxation des Fasses nach vorne
kommt durch übermässige Dorsalflexion zu Stande und kennzeichnet
sich durch das Vorstehen der Tibia nach hinten und die Dislocation
der Ferse nach vorne. Der Fuss erscheint länger.
Von den isolirten Luxationen des Talus sah ich zwei irische
Fälle, der eine mit Zcrreissung der Weiehtheile eomplicirt nach
aussen, der andere subentan nach innen. Vollständige Umdrehung
um die Längsachse und Fractur des Talushalses, der Taluskopf
war in Verbindung mit dem Kahnbein geblieben. Beide wurden
mit Exstirpation des Talus behandelt. Der dritte Fall war bereits
iu Eiterung, als ich ihn sab. Er wurde geheilt durch Entfernung
des total nekrotischen Talus. Um nicht zu weitläufig zu werden,,
will ich diese Luxationsform nicht eingehender besprechen. Endlich
möchte ich Ihnen zum Schlüsse noch einen Fall erzählen, der mir
vor zwei Jahren im Krankenhaus zur Beobachtung kam und dessen
Deutung mir grosse Schwierigkeiten bereitete.
Am 29. Januar 1894 Morgens wurde der 25 jährige Taglöhner
einer Brauerei K. R. gebracht. Er hatte am Aufzug der Brauerei
zu thun. Während er sich vorbeugte, um hinunter zu sehen, glitt
er plötzlich aus und stürzte zwei Stockwerke hinab auf's Pflaster,
er sei auf die Füsse aufgefallen. — Der Befund, kurze Zeit nach
dem Unfall, war folgender: Kräftiger Mann mit starkem Fettpolster;
klagt über Schmerz im Kreuz, rechten Fuss, linken Oberschenkel.
Kreuz und Oberschenkel leicht aufgeschürft, dagegen der rechte
Fuss schwerer verletzt. Der r. Fuss im Ganzen ist in geringem
Grad supinirt, der äussere Fussrand gesenkt, um etwa 1 cm tiefer
stehend. Umfang um die Knöchel gleich links, ebenso um den
Rist des Fusses. Bei Palpation fühlt man am Fussrücken, 2 cm
zehenwärts von einer Linie, die von einer Knöchelspitze zur andern
gezogen wird, dem vorderen Ende des Sinus tarei entsprechend,
eine Knochenhervorragung. Dieselbe hat auf der Höhe, die etwa
1,5 cm die Umgebung überragt, eine quergestellte Kante von reichlich
1 cm Länge. Diese Kante fällt nach dem Fuesgelenk zu steil, nach
dem Fussrücken zu sanft und allmählich ab. Die Plantar- und
Dorsalflexion des Fusses nicht wesentlich behindert, dagegen ist
die Supinationsstellung starr. Patient kann nicht auftreten. Es
wurde eine Luxation im Tarsus angenommen und der Patient
behufs der Reposition chloroformirt. In der Narkose gelang die
Einrichtung nach einigen Versuchen durch kräftige Plantarflexion
und directen Druck gegen den prominirenden Knochen. Mit lautem
Geräusch schnappte das Gelenk ein und alle Bewegungen waren
sofort frei und der Fuss hatte seine normale Gestalt wieder.
Was für eine Luxation war es nun ? Ich verglich an der
Leiche die anatomische Lage des abnormen Knochen Vorsprungs.
Die Maasse stimmen mit der Gelenkslinie zwischen Kahnbein und
8- Keilbein. Welchem dieser beiden Knochen gehörte der Knochen¬
vorsprung an? Ich glaube dem Keilbein. Denn die proximale
Seite fiel steil ab, die distale ganz allmälilig. Eine isolirte Sub¬
luxation des Kahnbeins war es gewiss nicht: denn damit stimmte
weder die Form, noch die Lage. Das Kahnbein liegt dem Fuss-
gelcnk näher. Ich glaube, es war das 3- Keilbein, welches sich
aus seiner Verbindung mit dem Kahnbein gelöst und mittelst einer
Drehung um die Qucraxe mit seinem proximalen Ende auf gebäumt
hatte. Ich habe mich in der Littcratur nach den vorkommenden
Luxationen im Tarsus umgesehen, aber dabei die Erfahrung gemacht,
dass Mangels eigener Beobachtung dieser seltenen Verletzungen
die Angaben der Autoren sehr kurz sind und theilweise im Wort- ,
laute merkwürdig übereinstimmend lauten.
Es können hier nur in Frage stehen : 1. Die Luxatio sub
toh), wobei das Kahnbein mit dem Talus in Verbindung geblieben
wiire > 2. Luxation der Keilbeine, 3. Luxation eines Metatarsal¬
knochens. Die Luxatio sub talo besteht darin, dass sieh die Fuss-
wurzel vom Talus gelöst hat und nach einwärts oder auswärts
getreten ist. Für eine Luxatio sub talo nach einwärts, uni die
68 »ich allein handeln könnte, war aber die Supinationsstcllung
viel zu gering, der innere Fussrand war nicht verkürzt. Die
Lage des Knochenvorsprungs stimmt auch nicht mit der Luxation
No. 18.
des Metatarsus, die Gelenkslinie Metatarsus — Keilbein liegt von
unserer queren Knüchellinic nicht 2. sondern über 4 ein entfernt.
Bedenken gegen die Annahme der isolirten Luxation des
3. Keilbeins erregt nur der Umstand, dass bisher nur die isolirte
Luxation des 1 . Keilbeins und die gleichzeitige Luxation der 3
Keilbeine beobachtet wurden. Die Möglichkeit aber, dass auch
einmal nur das 3. Keilbein luxirt wird, ist wohl zuzugeben. Wenn
man am Skelett den Fuss seitlich zusammendrückt, klaffen die
seitlichen Gelenksvcrbindungen des 3. Keilbeins auf, ein Stuss
von unten dürfte dasselbe dann heraushebcln. Bei dem Sturz
aus der Höhe von 2 Stockwerken vielleicht auf den äusseren Fuss¬
rand kann wohl eine solche in der Queraxe des Fusses wirkende
Compression stattfinden, und da Patient auf unebenen Boden fiel,
ist die Annahme eines auf das 3. Keilbein vorwiegend wirkenden
Stosses von unten nicht allzu weit hergeholt. Zum Glück für
den Patienten konnte die Diagnose nicht durch Autopsie coutrollirt
werden und muss im vorliegenden Fall immerhin etwas zweifelhaft
bleiben. Der Patient erhielt nach der Einrichtung der Luxation
einen Gypsverband in massiger Pronation dos Fusses. Derselbe
wurde nach einer Woche wieder abgenommen und dabei fand sich
der Fuss in richtiger Stellung. Patient erhielt dann eine gut
gepolsterte Holzsohle und konnte schon 25 Tage nach dem Unfall
geheilt und ohne Beschwerden entlassen werden.
Nachträglich fand ich noch einen Fall von Luxation des
3. Keilbeins in den Uhariteannalen 1894 erwähnt. Leider ist
aber dort keine Beschreibung des Befundes gegeben, der Bericht¬
erstatter Ti 1 mann geht nur mit wenigen Worten überden Fall
hinweg. Ich konnte denselben desshalb nicht zu einem Vergleich
mit meinem Fall benützen.
Aus der kgl. Univ.-Kinderklinik des Herrn Prof. H v. Ran ke
in München.
Zur Therapie der Sommerdiarrhöen im Säuglingsalter.
Von Dr. O. Rcinach, Assistenzarzt der Klinik.
Die Therapie der schweren acuten Magendarmerkrankungen
im Säuglingsalter hat im Wesentlichen 2 Indicatione» zu erfüllen.
Erstens der Bluteindiekurig entgegenzuwirken und zweitens dem
erkrankten Magendarmtractus für einige Tage Ruhe zu gönnen.
Als dritte Imlication könnte man noch aufstellen, etwas Nähr¬
material auf anderem Wege als durch Magen und Darm zuzuführen,
damit die Ernährung nicht ganz unterbrochen wird.
Die erste Imlication erfüllt man gewöhnlich durch Anregung
der Herztbätigkeit, durch Hautreize, wie Senfbüder etc. und event.
Darreichung von Thce oder Alkoholicis. Häufig lassen aber diese
Mittel im Stich.
Monti und Epstein haben zuerst bei den schweren Ver¬
dauungsstörungen, spcciell bei der Cholera infantum, subeutanc
Kochsalzinfusionen angewandt. Epstein hat mit verhältniss-
mässig geringen Mengen — 1—3 mal täglich 10 ccm — günstige
Einwirkung auf das Allgemeinbefinden gesehen. Letztere wird
von ihm als durch eine Verdünnung des Blutes hervorgerufen
erklärt, die «bei der geringen Flüssigkeitsmenge nicht proi>ortional
zur Blutmenge hervorgerufen wird, sondern durch eine durch das
Kochsalz bewirkte starke Diffusion von Wasser aus den Geweben
nach dem Blute. >-
Grawitz hat bei Versuchen mit Injection von Quantitäten
Serum, wie sic in den Diphtherieheilserum -Fläschchen geliefert
werden, eine Verdünnung des Blutes nachgewiesen, die durch
Lymphansaugung aus den Geweben in’s Blut stattfindet.
Nachdem die Versuche von M y a in Florenz und die In-
jeetionen mit Roux’schem Heilserum — 20 ccm pro dosi für
Kinder — dargothan, dass man verhältnissmässig grosse Mengen
Serum jungen Kindern ohne Bedenken injiciren kann, war der
Versuch berechtigt, die blutverdünnende Eigenschaft des Serums
dazu zu benützen, der Bluteindickung bei den schweren acuten
Gastro-Enteritiden entgegenzuwirken.
Wir haben nun im vorigen Sommer bei 15 Fällen Versuche
an gestellt und zwar mit sterilem Serum thierärztlich beim Schlachten
gesund befundener Kühe. Die weiteren Versuche, die bereits
begonnen sind, werden mit sterilem Pferdeserum gemacht werden,
2
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Münc hener mediomische W ochenschrift.
No. 18.
422 ___
i I „ n ,1 o i s' Untersuchungen sich gegenüber
nw ä
Sttuglingsabthcilung aufgenommen- ^ crdauungsstörungcn , die am
ernährte Kinder nnt ganz • Behandlung kamen. Das
2. oder 3- Tag der Erkrankung dcr Mütter
reducirtc Gewicht gerade dCT in^ » ^ waron? beweist die
Si^reT Fälle. Zur Illustration dieses Punktes seien folgende
Gewichte angegeben.
Kind A. U.
„ F. G.
, M. L.
„ E. K.
, K. Th.
!. V. R.
J. 0.
14 Tage alt 2600 g
3 Wochen „ 2180 „
6 ,, » 3330 •’
5 Monate „ 4550 „
q „ 3540 „
9 „ 5240 „
fi ” .. 4090 ..
Die Kinder” machten den Eindruck, als hatten sie wahrend
« o Tagen rapid an Gewicht verloren.
-—«-
culäreu Dickdarmproccsscn. ^.liehen
:r„" nixith™ i
d “ r “ Sri—"sehen ,4 ragen und 0
Monatem ^ Injection* Wirkung auf das Allgemeinbefinden
war ein entschieden günstiger.
Das Aussehen der schwer collabirten Kinder wurde ein
frischeres der Blick klarer, die Cyanose wich vielfach einer mehr
rosigen Farbe, die arteriellen Hautgefässc zeigten wieder In}«.tu. ,
die Extremitäten wurden wärmer, die l'ontancllc mehr gt P- >
der Puls, der häufig schon verschwunden war, wurde wie er
Einige Kinder, die nicht mehr zu saugen im Stande waren,
nahmen die Flasche wieder. Die Collapstempcratur ging zur Nom
Zurück der theils nachweisbare Temperaturunterschied zwischen
Körpcrinnern und Haut wurde mehr ausgeglichen.
Zweimal wurde nach der Injection Ficbertemperatur, einmal
bis 38.5" beobachtet. .
Die Injection erfolgte gewöhnlich am Abend, nach der > P
stunde Nach 3—4 Stunden war gewöhnlich noch keine Aendcrung
rtntu, tu bemerken. Am
meist ein bedeutend gebessertes, wie oben beschrieben. Bcie.mgen
Kindern hielt die Besserung an, während be, anderen die Wirkung
am Nachmittag des zweiten Tages verschwand, um nach eine,
erneuten Injection wieder zu Tage zu treten.
Ueber die Wirkung bei schweren chronische n \ erdauungs.-
beschwerden mit acuten heftigen Rückfällen haben wir erst einzelne
Beobachtungen angestellt. Wir werden darüber später berichten.
Um uns ein möglichst ungetrübtes Unheil zu bilden, leiteten
wir keine Localbehandlung ein. Die Nahrung bestand wahrem
der ersten 24—48 Stunden nur in Darreichung von dünnem
Reisswasser.
Die in den meisten Fällen sich rasch einstellende Besserung
der Verdauungsthätigkeit und der Stühle ist wohl neben er
Nahrungseinschränkung auch theilweise durch die Einwirkung dci
übrigen Bestandteile des Serum hervorgerufen, die den .tott-
wechscl beleben. Specicll regte das Kochsalz die Drusenthat gkcit
an; für die Speicheldrüsen ist dies von Colin heim und iür die
Labdrüsen von Grützner nachgewiesen.
Bei der, bei den schweren acuten gastro-enteritischen Störungen
unbedingt notwendigen, Sistirung der Nahrungseinfuhr durch den
• ♦ nun von Wichtigkeit, dass wir zugleich
Magcndarmtractus, ist . bcutan injicircu. Die Frage der
mit dem Serum Eiweiss o » b j Tliicren und Menschen
- h-*. -a *—•
~ ** - “
Bi " 1
subcutan zur Ernährung zu Schlüsse, dass Nahrungs-
SmS “ “ ” d0r “
Nahrungsstoffen; sie betrug meist 22-24 Stunden
t Zeit hat Leube die Frage der subcutanen Er-
-JÜ "Sr auf genommen^ *
braucht werden. Mbumosen und Peptone
be, ”*■ sio a,s
irr—...
. T ... Versuchen wird durch subcutan injicirtes
Serum der Stoffwechsel
gelangt zur Umsetzung inner la Forscher subcutanc
-2*5«
Freilich ist ^ci InjecMon^on -0 < '““ walirgohcinlicll| dass man
eine recht geringe, aber _ llcldit in 2 Portionen pro die
SS
erhöhen kann, andererseits mus. während einiger Tage
scheinen dürften
Nach Hoppe- Scyler enthalten 100 ccm Serum
Pferd Feste Stoffe 8.597 Kind 8.965
Gcsammteiweiss 7-257 » <-49y
’ n Fette und Salze 1.340 „ 1-466
Man würde also bei Injection von 20 ccm Serum ca. 1,5 g
Eiweiss injieiren.
Es entspräche dies ungefähr dem Eiwe.ssgehalt von „
unverdünnter Kuhmilch oder 150 g Mutternde In .
Die fehlende Fettmcngo könnte man y ersuchc
jection von Lebertliran, oder, a s ic ' ß utt f e tt einiger-
siel, auf den Menschen übertragen lassen, durch Buttertet
massen ersetzen. Uniben.
Immer wird dies natürlich eine ^"Titanen
Ernährung dcsshalb mit Recht m Brwlgong beiin
man absolut mit viel geringeren Mengen auskommt,
Specicll bei den schweren Formen der ^
man, da die völlige Nahrungsentzichung per os »^n^ ^
Tage zu dauern hat, selbst mit geringen i S bringen,
gebrachten assimilirbaren Nährstoffen dem Sauging - _ an .
Weitere Versuche über subcutanc Ernährung m ^
gedeuteter Weise werden an hiesiger Klinik angeste! ,
ausführlicher darüber berichtet werden.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Prof. v. a n ' c >
ich für die Uebcrlassung der Fälle und das fordern 1
an den Versuchen meinen verbindlichsten Dank au..
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5. Mai 189G.
MÜNHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
423
Alis der Universitäts-Frauenklinik zu München.
Aetiologische Untersuchungen über einige sehr seltene
fötale Missbildungen 1 ).
Von F. v. Win ekel in München.
(Schluss.)
III.
Die sogenannte A g n a t h i e ist keine A g n a t li i e, son¬
dern eine D r u e k a t r o p h i e des Unterkiefers, der Kau-
und S c li 1 i n g w e r k z e u g e.
Bei weitem interessanter ist nun eine Missbildung, die meines
Erachtens bisher nicht richtig erkannt worden ist, ich meine die
sogenannte Agnathie, den angeborenen Mangel des Unter¬
kiefers, auch wohl Synotie, Mikrostoma genannt. Wir be¬
kamen im Lauf des vergangenen Novembers eine solche Miss¬
geburt aus unserer Poliklinik. Ich erinnerte mich dabei der Be¬
schreibung und Abbildung eines ähnlichen Falles aus Hecker’s
Klinik (Band II s. u. Hg. 8, 17, 18) und gab meinem Assistenten.
Herrn Dr. h raenkcl den Auftrag, diese in der Sammlung aufzu-
suclien. Bei dieser Gelegenheit fand derselbe noch eine zweite gleiche,
bisher nicht beschriebene, in unserer Sammlung (s. Fig. 9). Während
Herr Dr. F raenkcl die anatomische Präparation derselben begann,
suchte ich nach den bisher publicirten Fällen in der Literatur
und licss mir die von Herrn Dr. Fraenkel präparirten Organe
zeigen. Wir gelangten dabei zu der IÜberzeugung, dass unsere
beiden, noch nicht beschriebenen Fälle den bisher publicirten fast
in jeder Beziehung glichen und in den Notizen, welche inir Herr
Dr. Fraenkel nach unseren Befunden aufzcichnctc, befand sich
denn auch die Bemerkung bei allen beiden «Unterkiefer
fehlt)-, was ich, da diese Bemerkung auch für den Hock er¬
sehen l 1 all gemacht worden war, nicht als richtig zugeben konnte,
denn Hecker hatte ein von Dr. Poppel gefundenes Knochen-
Fig. 4. Würzburger Präparat.
Erklärung: m 5 Oberkiefer, o Orbita, ch Choanen. j Joch¬
bogen. b Unterkieferrudiment, a t Annulus tympan. j>h Pharynx,
c Zunge, d Zungenbein, e Kehlkopf, f Schilddrüse.
rudiment als einen Rest des Unterkiefers bezeichnet. Bei der
nun folgenden Zusammenstellung der in der Literatur zu findenden
sonstigen Fälle und der Betrachtung der von diesen gemachten
Abbildungen gewann ich immer mehr die Uebcrzeugung, dass
Dl a n auch diese Missbildung mit grosser Wahr*
8c heinlichkeit nur auf einen abnormen Druck von
a nssen zurückführen müsse, ja dass vielleicht amnio-
Dsche Bänder bei Entstehung derselben betheiligt sein
bnnteu. Wenn dies der Fall war, dann musste der Befund der Ver¬
änderungen am Halse etwa denjenigen gleichen, wie sic durch solche
Bänder an den Extremitäten bewirkt werden ; die cingcsehnürtcn
Knochen und Weichtheile mussten alle nachzuweisen, also kein
Kiefermangel vorhanden, sondern nur der Knochen verkleinert, ver¬
schoben. atrophisch sein. Nunmehr liess ich Herrn Dr. Fraenkel
mit der Angabe, der Kiefer müsse da sein, in unseren beiden
Präparaten an der Basis cranii nochmals nach demselben forschen
und siehe da, in kürzester Zeit war derselbe bei beiden gefunden.
Alsdann schrieb ich an Geheimrath v. Rindfleisch nach Würz¬
burg, ob er uns nicht das in der dortigen Sammlung befindliche,
von Hesselbacher beschriebene Präparat zur genaueren Bc-
Fig. 5.
Erklär nng:
n Crista galli.
b Limbus sphenoidalis.
i, c Türkensattel.
d Bogengang der rechten Seite.
e Hammer u. Ambos links.
Vf
siebtigung eventuell Präparation senden könne. Ich hatte nämlich
die Uebcrzeugung gewonnen, dass die in demselben als Ver¬
wachsung der Hämmer beschriebene Kiioehenleiste der Unterkiefer
sein müsse. Das Präparat ging am 4. Januar liier ein*), ich lege
Ihnen dasselbe mit vor und bemerke gleich, dass meine Voraus¬
setzung sich vollkommen bestätigt hat — jene Leiste i s t der
Unterkiefer (siche Figur 4). Der Beweis, dass sie nicht aus den
verwachsenen Hämmern entstanden ist, wurde, abgesehen von ihrer
Grösse, auch durch die Thatsaeho geführt, dass wir links am
knöchernen Ohr dieses Präparates noch Hammer und Aiubos fanden
(Figur 5). Nun, m. II., wenn eine Hypothese ohne weiteres zu
Schlüssen führt., welche sofort durch anatomische Untersuchungen
bestätigt werden, dann werden Sie eine gewisse Berechtigung der¬
selben schon zugeben müssen. Wenn ich nun weiter mit Be¬
stimmtheit behaupten zu können glaube, dass auch in dem Falle
von G. Braun der Befund: Gehürgang von beiden Seiten zu-
sam mengedrückt und zu einer halbmondförmigen Knochen brücke
verschmolzen — nämlich diese Knochenbrücke nur als Unter¬
kiefer zu deuten ist und zwar sowohl ihrem Sitz nach, als weil
hinter ihr ein Canal zum Oesophagus führt, obwohl das aus der
Abbildung nur dann erkenntlich wird, wenn man unsere Falle
mit derselben genau vergleicht, so sind von bisher im Ganzen
beschriebenen 12 Fällen schon 7, d. h. mehr als die Hälfte, er¬
wiesen, in denen bestimmt keine Agnathie vorhanden
war. Es besteht also die grösste Wahrscheinlichkeit, dass auch
in den übrigen 5 der Kiefer nicht gefehlt hat und demnach sein
angeblicher Defect auch nicht die Ursache der
ganzen Missbildung sein konnte.
Doch gehen wir nun zu den früher bereits publicirten
Fällen über :
Der erste Autor, welcher uns mit dieser Anomalie bekannt
machte, war Hesse 1 bach , 8 ) Prosector in Würzburg, welcher das
betr. Kind in der Würzburger anatomischen Sammlung fand (siehe
Figur 4, 5).
Nach ihm — oder fast zu gleicher Zeit — beschrieb
A. W. Otto 9 ) zwei Fälle dieser Art, von denen er den ersten
auch genau abbildete (s. Fig. 11 u. 13). Otto bemerkte ausserdem,
dass er eine dritte Missgeburt dieser Art im Berliner anatomischen
*) Wofür ich hierdurch meinen verbindlichsten Dank abstatte.
8 ) Beschreibung der pathol. Präpar. in Würzburg. Giessen 1824!
p. 254—271, No. 643.
9 ) Neue seltene Beobachtungen zur Anat., Phys. und Pathol
Berlin 1824, p. 168—173
2 *
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424___
, , p ,, r, von Faesebcck und Fall 6
dw Mcnsci “"' '' cip '' is
1880, S. 164—166). Dann kam ^ 7 . Fall von G.
Fig 6. Braun-") (.. Kg. 14) .»■ ä™
MONCBKNBB MKU1P1N1SCHE WOCHKNKCllWl'T.
No. 18.
f\.Wt einisre Minuten lebte (Guerdan,
das Kind nach seiner Geburt einige
Win ekel). höhere und höchste Grade der Mikro -
Man kann gering , . rechnen wir den Fall von
H:ÄM von Hocker und unseren dritten, »
'tungvon a!. Guerdan”) äußern
Jahre 1856, weiter eine 9- Fubh
cation von A. Paul >*), eine 10.
von C. von Hecker' 3 ). Diesen
schliesscn sich als 11. und 12._ die
beiden Präparate an, welche ich Ihnen
heute vorzulegen die Ehre ha e.
Die erstgenannten Autoren waren
der Ansicht, dass der angeblich allen
Fällen gemeinsame völlige Mangel
des Unterkiefers zur Deutung der
anderweiten Veränderungen völlig
ausreichc. So behauptet z. B. G.
Braun: «Die muthmassliche Ursaclie
könne nur (V!) in der Entwicklungs¬
weise des Unterkiefers gesucht werden
und da derselbe aus dem untern lheil
des ersten Kiemenbogens und zwar
aus einem Blastem entstehe, das sich
an der äusseren Seite des Meckel-
schen Fortsatzes des Hammers ab-
lagcre, so könne entweder der Hammer
und sein Fortsatz sich nicht ent¬
wickelt haben, oder jene Blastem¬
ablagerung. Welche von beiden Ur¬
sachen vorhanden gewesen, sei sehr
schwer zu bestimmen. Andere Autoren
wie Hecker, Otto, Förster
und selbst Ahlfcld haben über¬
haupt keinen Erklärungsversuch
gemacht.
Ehe ich nun zu einem solchen
übergehe, möchte ich bezüglich des
letzten uns zugegangenen Kindes
noch erwähnen, dass dasselbe von
einer 40 jährigen drittgebärenden
Sehncidersfrau stammt und nach etwa 25 stündiger Geburtsdauer
ausgestossen wurde. Die Wehen sollen schwach und «clirj ,el
Fruchtwasser vorhanden gc-
Fi 7 wesen sein. Die früheren Ent-
, bindungen waren regelmässig
PräparatHI der Münchener Sammlung. dic beiden Kinder
leben und sind wohlgebildet.
Das dritte, liier vorliegende
(Figur 6 und 7), ist ein
Mädchen von 38 cm und
1195 g, die Entwicklung
desselben entspricht ungefähr
einem Alter von 7 ‘/a Monds¬
monaten.
Was die übrigen 11 Kinder
betrifft, so waren von 10,
deren Geschlecht notirt wurde,
6 weiblich, 4 männlich; die
meisten derselben erreichten
ein intrauterines Alter von
7—9 Monaten, nur die von
Arnold und G uerdan be¬
schriebenen Früchte waren
erst im Anfang des 6. Monats.
2 mal ist notirt worden, dass
,0 ) Zeitschrift .d. Ges. d. Aerzte zu Wien XI, Oktober 1855,
p. 615 mit Abbildung
1J ) Monatsschrift z. Geburtsk. X. 176, Tafel.
M ) Bull, de la sociötö de Gand 1857 Fevrier.
l8 ) Klinik der Geburtskunde, II. 224, Tafel VI s. Figur 8.
Fig. 3. Präparat I beschrieben von C. Hecker.
Erklärung; « Mundöfinung. b‘ Knochenleisten am Pbarynxemgang.
glenoidahs.
»clcl,c„ Fällen dic Ohren vcrttal und weit, von ein,..,der ■Mb».
I» Ocn höheren Graden rochen * Ota- “
Stellung und nähern sich bis auf 2 /s 2 Ohrmuscheln
und Braun, ln den höchsten Graden hegen die Ohrmuscheln
Fig. 9. Präparat II der Münchener Sammlung.
Sonde
f»e^^
k p c Proc. coronoides. p g Proc. glenoidahs,
horizontal unter dem Oberkiefer und die äusseren Gehörf»^
treten miteinander in Berührung - wirkliche E h ,notie , ^
Braun, Guerdan und der später beschriebene aus
ebener pathologisch-anatom. Institut. dem Vcr-
Diesc verschiedenen Grade zeigen sich nun auch
halten der M u n d h ö h 1 e; hei den geringeren Graden ist
riinitivoH h\/
5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
425
nach hinten nicht abgeschlossen, sondern ein feiner Canal führt
aus ihr in den Pharynx (Fälle von Otto, Braun, v. Hecker);
wiederholt wurde eine'vollständige Atrcsic des Cavum buccalc und
Fig. 10.
Präparat III der Münchener Sammlung.
Erklärung, o Mundöffnung, b Unterkieferrudiment, r Zunge.
d Zungenbein, e Kehlkopf, f Schilddrüse, g Luftröhre, h Speiseröhre.
ao Aorta, pc Proc. coron. p gl Proc. glen.
des Pharynx erwähnt, dieselbe ist mir aber zweifelhaft. (Hessel¬
bach, Otto Fall 2). Beide Fälle von Otto habe ich inzwischen
durch gütige Zusendung Seitens des Herrn Geh. Raths Hasse- Breslau
zur Untersuchung erhalten und stimmen dieselben in allen Punkten
mit den übrigen überein, bei beiden sind TTnterkieferrudimentc ganz
gleich den im Präparat Hecker vorhandenen (siche Figur 11).
Sehr bemerkenswerth ist das Verhalten des Zahnrandes und
des Oberkiefers: Bei mehreren Kindern dieser Art ragte der Zahn¬
rand etwas aus der kleinen Mundöffnung hervor (Beobachtungen
von Hesselbach und W i n cke 1 und besonders auch die Ab¬
bildungen von Braun, wo eine Art von P ü r z e 1 in den Mund
ragt (s. u. Figur 14). Weiter sind in zwei Fällen (Braun
und Gucrdan) angeblich Durchlöcherungen des harten
Gaumens constatirt worden; ich habe jedoch den Eindruck,
dass beide Autoren die Oeffnung der Choanen für eine Spalte
angesehen haben. Dagegen sind 2 mal in der harten Gaumen¬
naht zwei Wülste gefunden worden, zwischen denen eine Furche
auf den ersten Blick den Eindruck eines Wolfsrachens machte
(Hcs8elbach,Winckel).
Die Zunge soll in den Fällen von Gucrdan und Paul
ganz gefehlt haben (?), was mir höchst unwahrscheinlich ist. In
allen übrigen wurde sie tief im Halse, im Pharynx fast vertical
stehend, wesentlich verkleinert gefunden (s. Figuren 8, 9, 10)-
Endlich eine sehr wichtige Thatsache: In dem Falle von
Hesselbach, im zweiten von Otto, in dem von Faesebeck
und in unserm letzten Fall hat sich Dextrocardie mit
mehr oder minder vollständigem Situs inversus viscerum
gefunden, d. h. unter 12 Fällen 3 mal. 2 mal ist keine Notiz von
den übrigen Organen genommen worden (Otto und Gucrdan).
Wie schon eben erwähnt, konnten wir in unseren 3 Fällen und
in dem von Hesselbach beschriebenen Würzburger Fall, ferner in
den beiden Breslauer Fällen (s. Fig. 11) die Existenz des Unter¬
kiefers feststcllen und es handelt sich nunmehr um den Beweis,
dass der von uns präparirte Knochen wirklich der rudimentäre Unter
kiefer ist. Dieser aber ist leicht zu führen : erstlich ist er hinter
dem Arcus zygomaticus, da wo die Fovea glcnoidalis des Schläfen -
ms ist, mit der Basis cranii durch Bandmassen beweglich verbunden;
erner entspricht seine bogenförmige Gestalt, die an einzelnen
'Xemplarcn, z. B. bei unserem letzten, in der Mitte ein wenig
^gespitzt ist, der Gestalt jenes Knochens, um so mehr, als an
No. 18.
einem Präparat sogar noch der Processus condyloidcus und
coronoidcus (Figur 12) zu sehen ist; ausserdem geht der von
der Mundhöhle in den Pharynx führende Canal stets hinter
diesem Knochen herab und endlich kann man sowohl das Zungen¬
bein als die Knochen der Schädelbasis exact von ihm abgrenzen.
Die Veränderungen in der Umgebung des Unterkiefers erstrecken
sich aber auch auf die Basis cranii, besonders das Keil- und
Schläfenbein und die zwischen diesen und dem Unterkicfen liegenden
Wcichtheilc. Wir sehen daher, wenn wir eine solche Missbildung
von der Seite und von unten her betrachten, besonders tiefe
Furchen, ja geradezu Einschnürungen mit Faltenbildung
nach dem hintern Ende des Oberkiefers. Man vergleiche nur
die Abbildungen von Otto (Fig. 13), Braun (Fig. 14), Guerdan
(Fig. 15) und namentlich das Präparat aus dem hiesigen pathol.
Institut (Fig. 16); gerade diese sind cs, die uns unwiderstehlich auf
die Annahme einer von aussen einwirkenden schmalen band¬
artigen Einschnürung als Ursache dieser Veränderungen hin¬
drängen. In dieser Auffassung bestärkt uns die Thatsache, dass die
Weichtheile am untern Theil des Halses: die Thyreoidea, Haut,
Thymus öfter geschwollen gefunden wurdcn(Hcsselbach, v. Hecker
u. A.), dann aber namentlich die constantc bedeutende Verengerung
oder gar Atrcsie (?) des hintcru Theils der Mundhöhle und die Klein¬
heit, Verdrängung und vertieale Stellung der Zunge im Pharynx.
Wenn wir nun in Betracht ziehen, dass dor Kopftheil dos
Embryo am frühzeitigsten von der Amnionscheibe umgeben wird
und dass es bei seinen zahlreichen Vertiefungen und Vorsprüngen
durch die Kiemenbögen, die Mundspalte und ihre Begrenzungs¬
fortsätze erklärlich ist, dass sich gerade an diesen Stellen so
häufig amniotische Verwachsungen finden, so muss es
wohl am nächsten liegen, diese auch für das in
Rede stehende Leiden als Ursachen zu beschuldigen.
Wir betrachten dann die Atrophie des Unterkiefers, die Atresie
des Pharynx, die Verlagerung der Zunge und die Coinpression der
Basis cranii nicht als Folge einer ursprünglich dcfcctcn Anlage,
sondern als Analogon zu den durch Umschnürungen der Extremi-
Fig. 11. (Otto-Breslau).
Erklärung.
« Mundöffnung, b Unterkiefer, e Annulus tymp. d Pharynx, e Zunge.
f Zungenbein, g Kehlkopf, h Thyreoidea, p e Proc. coron.
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°°8
426
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
täten von straffen amniotischen Bändern entstandenen Ver¬
kümmerungen der peripheren Theile. Und für diese Deutung
linden wir in den Veränderungen jener 12 Missbildungen noch
eine sehr wichtige Unterstützung, nämlich: die Häufigkeit
des Situs in versus bei denselben.
Was die in 4 von 12 Fällen
Fig. 12.
Fig. 13. Fall von Otto.
eonstatirtc Dcxtrocardie und
den Situs inversus betrifft,
so wird die Inversio visccrum —
nach den Beobachtungen bei
Zwillingen, wo regelmässig das
an der rechten Seite der Nabel¬
blase liegende Individuum dieselbe
acquirirt, — dann anftreten, wenn
der Embryo sich
nicht zur rechten
Zeit von rechts
nach links hinüber
wendet, um an die
linke Seite der Keim¬
blase zu gelangen. /
Nehmen wir also an,
dass zu grosse Enge
der amniotischen
Scheide, resp. schon
beginnende Bänder
ihn an dieser Be¬
wegung hinderten,
so würde der Situs
inversus, dessen
Häufigkeit unter
dieser geringen Zahl j
von Fällen doch eine
so frappante ist,
dass man sic nicht '
für zufällig halten /
kann, für eine
schon sehr früh¬
zeitig aufge-
tretenc Fixa-
tion des Embryo Erk i ärUn g a Rechtes Ohr. b Tiefe Furche,
sprechen. Es
Unterkiefer
isolirt von Präparat 10.
n von vorne
b von hinten.
Fig. 14. Fall von G. Braun.
würde also dieser
Befund auch eine
mechanische Er¬
klärung jener Miss¬
bildungen unter¬
stützen. Selbstver¬
ständlich fehlt die
Dcxtrocardie, wenn
die Einschnürung
erst begonnen hat,
nachdem jene
Drehung desEmbryo
auf die linke Seite
der Keimblasc be¬
endet. war. Schliess¬
lich möchte ich
darauf aufmerksam
machen, dass man
bereits B a n d e i n -
Schnürungen
circulärer Art
am obern Thcil des
Kopfes, verbunden
mit Hasenscharten,
Wolfsrachen,Fehlen
des linken Auges und des knöchernen Schädeldaches, noch in
Verbindung mit dem den Schädel schnürenden Bande
— also von oben quasi im Grossen das, was wir von unten in
kleinerem Maassstabe in unseren Fällen annehmen — direct
gesehen hat. Dieser so sehr interessante Fall mit Abbildung
ist in der J. D. von J. Baacke, Königsberg i. Pr. 1889, aus
der Dohrn’schcn Klinik publicirt.
Die Bezeichnung Agnathie muss nach diesen Darlegungen
bestimmt auf gegeben werden, sie entspricht weder den thatsäch-
liclien Verhältnissen, noch gibt sie einen Namen für die Ver¬
änderungen der Knochen- und
Weich theile, die bei dieser Miss¬
bildung stets vorhanden sind.
Missbildet resp. rudimentär sind
der Ober- und Unterkiefer nebst
dem Keilbein, der Mund, die
Mund- und Schlundhöhle nebst
der Zunge, und wenn wir eine
möglichst kurze und zugleich
ätiologische Bezeich¬
nung der sämmt-
lichen Veränderun¬
gen, welche hier vor¬
liegen, geben sollten,
so würde diese etwa
lauten: foetale
Compressions-
atrophie der
Kau- u. Schling¬
werkzeuge oder
Atrophia am -
ni otica maxillae,
man dibulae,
cavi buccaliset
phary ngis.
Jedenfalls be¬
stätigen auch diese
Beobachtungen
wieder die Richtig¬
keit des Satzes, dass
die Erkeuntniss der
amniotischen Ver¬
wachsungen und
deren Folgezustündc
schon manches
Dunkel gelichtet und
Aufklärung über
Vorgänge gebracht
hat, die ohne diese
Erkenntniss uns für
immer räthselhaft
geblieben wären.
Nachtrag. Erst
nachdem ich diesen
Vortrag im morpho¬
logisch-physiologi¬
schen Verein Mün¬
chens am 7. Januar
18y6 gehalten, kam
ich auf den Gedan¬
ken, Herrn Ober-
mcdicinalrath B o 1 -
linger zu fragen,
ob nicht etwa in
der Sammlung dos
hiesigen patholo¬
gisch - anatomischen
Institutes auch ein
sogenannter Agna-
thus vorhanden sei
und zu meiner
grossen Uebcrrasch-
ung bekam^ieh durch seine Güte auch sehr bald ein neues Exemplar
übersandt, welches fast den allerhöchsten Grad dieser Comprcssions-
atrophic darstellt. Nicht bloss dass Synotie bei demselben vorhanden ist
(Figur 16 b), sondern auch die Tiefe der Schnürfurchc ist (Figur 16 a)
so ausgesprochen, wie in keinem einzigen bisher beobachteten.
Fig. 15. Fall von Guejrdan.
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5 . Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
427
Eine bemcrkenswcrthc Asymmetrie der Ohrstellung stimmt
ebenfalls zu meiner Theorie recht gut (Figur 10 h linkes Ohr¬
läppchen tiefer stehend).
Der starken Schnürung entsprechend zeigen sich nicht
bloss die beiden Uuterkieferhälfton dd noch getrennt, sondern
zwischen denselben
Fig. 16a. Fath.-anat. Institut München. auch noch ein kleines
os intermaxillare
mandibulae, wie es
sieh sonst nur noch
in dem Hecke r’-
scheii Falle (siehe
Figur 17 und 1 8)
nachwciscn liess.
Die Frucht aus
dem pathologischen
Institut hierselbst
zeigt eine Länge von
42,5 cm, einen
Kopfumfang von
28 cm, ein (Jewicht
(a IsSpi ri tuspräparat)
von 1285 g, ent¬
spricht also offen¬
bar auch einem
Alter von 8Monaten.
Situs in versus ist
Erklärung, a Mund, b linkes Ohr. n i c h t bei derselben
vorhanden und wei¬
teres über die Eltern derselben nicht bekannt. Denken wir uns
auch in diesem Falle eine amniotische Schlinge — etwa gleich der¬
jenigen wie wir sie in No. II Figur 3 abgebildet haben — von
der Placcnta zur einen Seite des kindlichen Kopfes gespannt und
durch eine Längsdrehung des Embryo die untere Gegend des
Gesichtes über die
Fig. 16 b. Schlinge geschoben
Präparat des Münchener path.-anat. Instituts, und letztere mit zu¬
nehmender Drehung
des Kindes stärker
gespannt und ein¬
schneidend , so
kommt durch ihr
1 lerahgleiten die Ab¬
plattung der Nase,
des Oberkiefers, die
Kleinheit des Mun¬
des, die Couipression
der Ohren, die tiefe
Rinne, wie sie Figur
16b und a so gut er¬
kennen lassen, dann
die Atrophie der
Mandibula, die Ste¬
nose des Pharynx,
die Verschiebung u.
Verticalstellung der
Zunge und die Pro¬
minenz der untern
Weiebtheile des
Halses in leicht er¬
klärlicher Wei.sc zu
Stande.
Der Güte des
Herrn Prof, liü-
d i n g e r verdanke
ich endlich als letzten
und besten Beweis
für die Richtigkeit meiner Auffassung die Kenntnis» eines Knaben
v °n 16 Jahren, der neben den Missbildungen beider Hände und
büsse, welche zweifellos durch amniotische Fäden entstanden sind
,s. Hgur 19 und 20) [einen abnorm kleinen Mund und eine Atrophie
des Alveolarrandcs des Unterkiefers zeigt. Letztere, in Form einer
seichten, dem Zahnrande parallelen Kinne, ist verbunden mit
einer Einschnürung der Zunge (in Fig. 20 herausgestreekt) und
lässt uns so die allerersten Anfänge, die geringstem Folgen einer
solchen Schnürung erkennen, deren Entstehung durch ein amnio¬
tisches Band in diesem Falle um so wahrscheinlicher ist, als
dieselben ja sehr oft in der Mehrzahl
Vorkommen und die hier vorliegende Fig. 17. Fall von Hecker.
Finger- und Fussvcrstümmelung beider¬
seits gewiss keine andere Deutung
zulüsst. Wenn wir jetzt also dem
Grade der Verunstaltung nach die
bisher bekannt gewordenen Fälle von
den geringsten bis zu den schwersten
übergehend gruppiren sollten, so würde
der geringste Grad dieser letzte
sein — wo nur eine Furche am
Kiefer ist ; dann käme der Fall von
M i k r o g n a t h i e von Kohl a n e k
(Ztsclir. für Gebh. und Gynäkol.,
XXXHL. Heft 3), in welchem der
Knabe über 16 Tage alt wurde; dann
folgten die Fälle von Würzburg \ Hessel¬
bach), München (II. und III), dem¬
nächst die Fälle von Hecker und
endlich die allerschwersten wären die
Fälle von G. Braun, Otto,
(Juerdan, lleeker und derjenige
der pathologiseh-anatom. Sammlung
Münchens.
Bekanntlich kommt die sogenannte
Aguathie auch im Thierreich und
namentlich beim Lamm vor. Ein be¬
sonders glücklicher Zufall fügte es
nun, dass Herr Prof. Dr. KÜckert
uns eine kleine Katze mit einer solchen Missbildung über¬
senden konnte, bei welcher sieh — ebenso wie in dem von
Arnold (Vichow’s Archiv Band XXXVill, S. 145) veröffent¬
lichten Fall — auch unterhalb der Obren ein schwappender Sack
(Figur 21) fand, der eine grosse Menge Flüssigkeit enthielt und
Fig. 18.
Fall von Hecker, Os intermax. mandibulae.
dem atretischcn Pharynx entsprach (s. Figur 22). Wie letztere
Figur zeigt, ist das Unterkieferrudiment, welches synostotisch mit
der Basis cranii verbunden ist, dem bei menschlichen Missbildungen
dieser Art sehr ähnlich, also auch hier keine Aguathie, sondern
Atrophie der Mandibula vorhanden. Herrn Prof. Dr. Rückert
aber sage ich bei dieser Gelegenheit den besten Dank für seine
Unterstützung durch ein so seltenes Präparat.
3*
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
B1 a 8 e ist glatt, der Mastdarm mündet* nicht in dieselbe, die
Uretcrcnmündungcn sind beide durchgängig, ebenso kann man die
Harnröhre mit einer feinen Sonde von der Blase aus in ihrer
ganzen Länge passiren.
Die Urctoren sind blcistiftdick und sehr'stark geschlängelt,
besonders der linke.
Eine angeborene Einschnürung dcB Penis und
Atresia ani.
Die letzte Ihnen vorzulegendo Missbildung eines Neugeborenen
ist die allerseltenste. Dieses Kind ist von einer 39 jährigen
Arbeitorsfrau als .13. am 4. Juni 1895 zur Welt gebracht
Fig. 21. worden (s. Figur 23). Es
ist 43,5 cm lang, 2300 g
t f , schwer, alsoctwa8 1 /* Monds¬
monate alt und zeigt auf
den fersten* Blick eine sehr
bedeutende Vergrös-
scrung des Peuis,
dessen Länge mit dem
Scrotum 5,4, ohne dasselbe
3,5 cm misst. Diej^Pcri-
01 ans mit . r dcm Präputium
leer, zeigt eine tiefe Furche.
Die Eichel liegt zurj.Hälfte
frei, das Präputium und die
Haut der Ruthe ist auf eine
Strecke von etwa 2 cm stark
verdiekt und gerunzelt. Die
Harnröhre befindet sieh an
der gewöhnlichen Stelle und
mit einer dünnen Sonde
kann man bis zur Pars
membranaeea eindriugen.
Hinter dem Scrotum ist
nirgendwo eine Vertiefung
ani vorhanden. Bei der
Eröffnung des Abdomens
zeigten sich die Hoden
beide noch in der Bauch¬
höhle. Ilectumflexur und
Colon descendens waren sehr
stark durch Meconium aus-
Ein'neugebornes Kätzchen mit gedehnt. Das Rectum
Mikrostoma mserirt, in einen dünnen
Strang verwandelt, an der
linken Seite des Blasengrundes, nahe dem Lie taud’schen Dreieck
und zwar unterhalb der beiden Uretcren. Die Innenfläche der
Dio N i e'r'e n^sind^ungewöhnlich klein, nur uussgross.
Während ein vollständiger Mangel des Penis schon beobachtet
wurde (Nelaton, Gaz. des höpitaux 1854, 28- Janvier, p. 45),
ist ein vielleicht dem unscrigen ähnlicher Fall bekannt und von Joh.
Er k 1 ä r u n g:
k Kehlkopf.
in Mund, u Unterkiefer, z Zungenbein .*sp Speiseröhre
l Trachea, at Atresia phar. h Herz. L Leber.
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5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
429
Friedr. B1 a u n ,4 ) pnblicirt worden. Hiernach soll ein Soldat der mit
einem ausserge wohnlich grossen Penis behaftet war, « a matre sua
iutelexisse quod eum cole majore dotatum genuerit».
Von seinem Gliede heisst es: «penis quippe ad genna nsque pro-
pendebat tantae longitudinis et rotundae latitndinis ut major existeret,
quam veretrum equi turgidum! subjacebant duo testiculi scroto
inclusi duplicis pugni magnitudinem aequantes!» u. s. w. In diesem
Falle läge es nahe, eine angeborene Hypertrophie des Penis au-
zunehmen; sicher bewiesen aber ist sie nicht; dagegen scheint dies
in den beiden von Ahlfcld (Missbildungen 1. c. S. 144) citirtcn
Fällen wirklich zutreffend zu sein.
Man könnte nun zunächst der Ansicht sein, dass hier eine
durch Elephantiasis bewirkte Vcrgrösserung des Gliedes vorläge.
Indessen diese Ansicht lasst sich bestimmt widerlegen, dadurch,
dass weder Präputium und Frenulum, noch die Glans penis Papillar-
hypertropbien, oder Knoten, oder Oedeme erkennen lassen, sondern
allseitig gleiclmiaasig vergrüssert, weich und verschieblich sind, und
dass diese Vcrgrösserung auch die Corj>ora cavernosa urethrae
ganz gleichmässig betroffen hat. Man könnte ferner, wegen der
Atresia ani - und Verwachsung von Rectum und Blase an entzünd¬
liche Veränderungen der Beckenorgane als Ursache für diese so
äusserst seltene Hypertrophie des Penis denken; dann wäre
dieselbe eine analoge Hypertrophie zu jener in unserer Klinik 15 )
beobachteten intermediären Hypertrophie der Cervix mit an¬
geborenem Prolapsus uteri, welche mit einer Spina bifida
sacralis vereint vorkam. Man müsste sich dann vors tollen, dass
durch permanente Reizung der Nerven des sogenannten Erections-
und Ejaculationscentrums, das sich im Lumbalmark befindet und
dem Abschnitte des 2-—4- Sacral nerven an gehört, in Folge der
nn kleinen Becken des Fötus vorhandenen Entzündungszustände,
ebenso wie bei entzündlichen Localaffcctioncu der Urethra, bei
gleichzeitig rcflectorisch ausgelösten Contractionen der Musculi
ischio- und bulbocavcrnosi und des Transversus perinaei, welche
die Venen des Gliedes comprimiren und in dem fluxionür an¬
gefüllten Gliede eine venöse »Stauung bewirken — mit andern
Worten, durch längerdauernde Zustände, wie sie sich heim Pria¬
pismus Erwachsener finden, vielleicht diese intrauterine Hyper¬
trophie des Penis entstehen könne. Mit dieser Auffassung Hessen
sich aber mehrere Befunde an unserm Präparat nicht gut in
,4 ) Acad. nat. curios. ephemer. Frankfurti et Lipsiae 1712.
J-R, p. 387.
to ) s. 8chaeffer, Archiv f Gynäk. Bd. 37, Tafel VII, Fig. 14a
Einklang bringen, namentlich eine ringförmige seichte Furche IC )
nahe der Wurzel des Penis und auch die so starke Vcrgrösserung
und »Schwellung des Präputium« 17 ). Beide sprechen bei weitem
mehr dafür, dass auch hier nicht innere, im Becken gelegene
Ursachen, sondern äussere, den Penis direct treffende,
wohl für die Hypertrophie verantwortlich gemacht
werden müssen, Wobei man sich die einschnürende, den Rück¬
fluss des Blutes hindernde Kraft natürlich als eine, wenn auch
langdauernde, doch vcrhältnissuiässig geringe denken muss.
Wenn man aber einen in neuester Zeit von Zcdel 18 ) ver¬
öffentlichten Fall von penisartiger Verlängerung der Vulva
neben Atresia ani, Persistenz der Cloake und Uterus
bicornis unicollis mit dem unseren vergleicht, so muss
man auf Grund des ZcdeU sehen Falles, der entschieden an eine
Entstehung durch amniotische Bänder denken lässt, die letztere
auch in unserem Falle wiederum als Uebelthäter für nicht un¬
möglich erachten. Jene oben erwähnte Furche und die fast
ödematöse »Schwellung der Vorhaut und der auffällige Unterschied
zwischen den von der Furche peripher und central gelegenen
Thcilen des Penis fände bei dieser Annahme eine ungezwungene
Erklärung. .Sehr ähnlich der unsorigen ist auch die Beobachtung
von P. »Strassmann lu ), der in einem Fall von völligem Mangel
des Fruchtwassers eine beträchtliche Verunstaltung des Penis fand,
insofern, als die Glans freilag und bläulichschwarz verfärbt war;
das Präputium war ödematös geschwollen, so dass das Organ
das Bild der Paraphimose gewährte. An der Insertion des
Scrotum am Penis befand sich — ganz wie hei unserm Fall —
eine Furche, mit der das Oedem abschloss. Aber — in Strass-
manu’s Fall erklärte sich das Verhalten des Penis dadurch,
dass der rechte Klumpfuss unter dem »‘■'crotuni gelegen batte, so
zwar, dass der Penis zwischen der grossen, übermässig abdueirten
Zehe und der zweiten Zehe comprimirt wurde, während der linke
Klumpfuss über dem Gliede gelegen hatte. Und die »Stauung im Penis
war offenbar erst während der Geburt entstanden. Solche Ur¬
sachen Hessen sich aber in unserem Falle durchaus nicht nach-
weisen, üb also hier etwa durch die Nabelschnur oder durch
Druck der mütterlichen Wciclitheile oder durch Coinpression mittelst
der zusamiuengeklemmten Schenkel oder durch ein amniotisches
Band die Veränderung entstanden ist, kann auch nicht mehr mit
Wahrscheinlichkeit eruirt werden.
Feuilleton.
August Tuppert. f
Am 8. April d. Js. verschied in Wunsiedel der k. Medieinalrath
und Bezirksamt a. D., Dr. August T upper t. Er war geboren
am 28- Juni 1819- Sein Vater war der auf der landärztlichen
Schule in Bamberg vortrefflich geschulte und durch weiteres
Studium auf der Höhe eines gründlich gebildeten Arztes stehende
Landarzt Christian Tuppert daselbst. Schon dieser entwickelte
eine hervorragende Thätigkeit auf dem Gebiete der Heilkunde,
insbesondere in der Chirurgie, Augenheilkunde und Orthopädie.
Bereits im Jahre 1837 führte er die Resection und Exarticulation
einer Unterkieferhälfte aus und nach den Veröffentlich ungen
Stromeyer’s über die subcutane Tenotomie machte er diese
Operation in unzähligen Fällen mit dem besten Erfolge.
Die Vorzüge des Vaters, die körjHjrliehe Rüstigkeit, die
geistige Begabung, die Energie und die Arbeitslust gingen auch
auf den Sohn über. Derselbe bezog im Herbst 1839 dio Uni¬
versität Erlangen, Ostern 1841 die Universität München. Nach
bestandener theoretischer Prüfung brachte er das vorgeschriebene
Bicnniuin practieum zur Hälfte in Wien und Prag, zur Hälfte
in München zu. Im Jahre 1845 bestand er das Staatsexamen
daselbst vorzüglich gut und ein Jahr später erhielt er die Stelle
eines praktischen Arztes in Wunsiedel. Hier entwickelte er im
Verein mit seinem Vater eine ausgezeichnete ärztliche Thätigkeit.
,e ) a in Figur 23.
,7 ) b in Figur 23.
18 ) Zeitschr. f. Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. 32, Heft 2.
Zeitschr. f. Geburtshilfe XXVIII, 181.
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Münche ner medicxnische wo ggggggggl
No. 18.
, • b e ; n grosses Vertrauen | Die
Schon nach wenigen Monaten ha bcdcutcn den Arbeitskraft
beim Publicum erworben, und nur suncr ^ bcwä , tigcn .
gelang cs, das • an jcdeni Vormittage die grossen
Man muss gesehen haben, Hilfesuchenden besetzt waren,
Vorrilumc seines Arbeitszimmers welcher Gewandtheit f£ 06 j
- —, - cutledigtc. SS
Die -d zu», g« Tbcilc die Nächte I»- Anz
« zu auswärtigen Kreekenberachen; ^ .„ Wsn *W l«a
I ? J nd auedf ln der amtsärztlichen Eigenschaft entwickelte Geg
ernannt, und auch . i . Seiuc Gutachten über hygienische gew
er eine vortreffliche TI. 0 • scbr geschätzt, ebenso Fan
§
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r cr mtst si." s. j— m» -*« 5
düngen, c ic j c anderc Augenoperationen ausführtc. 1 Q .
"ndX in 40 Jahren nahezu 600 Fälle von K.umpfuss p ,
Und Neben dieser lÄndcl'Thatigkeit studirte er eifrig die g
FoJtscSe in der Wissenschaft und mit wunderbarer ß
Auffassungsgabe und "in^vS^en I
Itu Jahre 1867 schneD Herniotomieen, 1884 über
"TÄrOenl^uigut 188 7 «b» in—nd„
KnTegelenksentzündung, 1889 über Extrauterinschwangerschaft und
“ d,i tuLÄ ÄtSÄ. -« auch n— ,
rÄÄÄ" öS= ;
p r „ . W 0 es sich um die Verbesserung der städtischen I
^ “ irJjÄ ÄÄ
suente e 8 , . d; Anregung zu wissenschaftlichen
* Ä.'ss— ■* toh t'iir'"
schönste Befriedigung der Aufenthalt m K™*“
Seinigen; er fühlte sich bis zu seinem Ende glücklich durc
sic Familie. Jedoch ein dauerndes und vollkommenes Glück
soll es nicht geben: Krankheit fesselte ihn in den letzten Jahren
häufig an das Bett, und seit 5 Monaten liesscn in l'ogc von
Gallensteinkoliken und Appetitstörungen die früheren^Kräfte nach
und eine nur 8 tägige Influenza führte am 8. April das Ende
herbei kurz vor vollendetem 77- Lebensjahre.
Die Theilnahme an seinem Leichenbegängnisse war so recht
ein Zeichen für die Beliebtheit und Verehrung, deren sich der
Verstorbene stets erfreut hatte. Von Nah und lern waren seine
Freunde und Collegcn gekommen, um ihm die letzte Ehre z
erweisen. Im Namen des ärztlichen Bezirksvere.ns Hof legte
Herr Bahnarzt Dr. Franck (Hof) mit herzlichen Worten der
Anerkennung und des Dankes einen prächtigen Lorbeerkranz am
Grube nieder. — Der ärztliche Bezirksvcrein Hof verliert in dein
Dahingeschiedenen sein ältestes und wohl auch tüchtigstes Mit¬
glied, dessen Andenken stets bei allen College« unvergesslich sein
wird.
Die „Vereinigung zur Fürsorge fUr k ^ nk ( * rbeitcr “
zu Leipzig und die Lungenheilstätten.
Von Dr. Georg Liebe in Gcithain (Sachsen).
_RosotzA. BO
Von ur. ucuiy ^
ln dem Kewusstse^ ohne
grossartig sie m Anbetracht dwe nannt werden können
Vorbild sind, doch noch. keines t hat sich in Leipzig eine
und noch inancherle Harten * einer Vereinigung obigen
Anzahl hervorragender Vo ksfreund ^ welche nicht nur
Namens zusammen getban, eine \ 8 ^ Vorbild für andere
locales städtisches Inler ^ 88 ® '^ e ’Weiterausbildung der betreffenden
Städte und als Fingerzeig für d e s Krankengel(i , u
Gesetze angesehen werden ^rf. S tülzung aufhört, b) die
gewähren, wenn die statuta " 8< Vrnäbr er zur Heilung auswärts
Familie zu unterstützen wenn dm M ge ben bei Auf-
Aufenthalt nehmen muss. Krankenhäuser, d) Wöchnerinnen
nähme von Famihenangehor g gesetzlichen Anspruch haben,
■zu unterstützen, wenn diese { , Hn nstige Unterstützungen», dazu
e) ebenso Sterbegeld zu g e ^en. ) ■ ■ |>. Fragen zu bieten
ferner Belehrung der Arbeiter in ■einschlägig a23ß7 Mk .
Zu diesem Zwecke hgmn i l Mk jährUcbe Beiträge gezahlt.
einmalige Gaben undi Vereinigung den Heilstätten für unbe-
I Mit Recht wendet diese vereinig g hat diege Fnige ein-
.leite Lungenkranke ihr Augenm^k ^ Nut/jbarmac hung
icnd behandelt in c »i.orBversicherungsgesetzes«. Kommt
i § 12 des Invalidität«- und ^rs^.cherun^sg^^^^ ^ ^
n doch bei dem spärlichen L g K« J alg empfehlenswerte,
ulstätten, welche wir heute 1 ' • bezeichnen müssen, immer
adern einfach als dr i?.ff" d . * ^..fiiAitätsversiclierungß-Ansttften
eder auf die colossalen Mittel.der Invahd WUsven Zeit e ine
rück. Wenn bei diesen Anstodten i-mht Rm Anfange des
srabsetzung der Beiträge eint ^ Mittel verfügen, dass die
chsten Jahrhunderts über so e Gewicbt fallen. Um so
mr Lungenheilstätten gar nicht mehr ^begeisterten und be-
eniger sollten diese toütuterfg j d lan8eati g 8che n Apstalt, des
listernden Vorgehen des Ulrectors Zeit erst
errn Gebhardt, nachzue,ton (vergl.
nt reent gind genug gewechselt _
Lasst mich auch endlich rhaten solin.
Euch ist bekannt, was wir bedürfen -
Und keinen Tag soll man verpassen,
Bas Mögliche soll der Entschluss
Beherzt sogleich bei “^^n/hTdteser Frage arbeitet
Ausser diesem‘Schieben und Scherg den Volksheil-
iber die Vereinigung noch m weiteren fujakten ^ ßie
itättenleuten Schulter an 1 |® U ^ te 8i( ^ W bei den Untersuchungen der
len Arbeiter berathen. «Es hat siw oex u«’ da88 die
ans zukommenden ® , {J g ® 8 " cb !. d Bescheid darüber wissen, welche
Arbeiter bei weitem nicht K e ° ü ? e ° G t e b un g verbreitet werden;
Segnungen durch die socialpohtische Gesetzgebung w Alter8 .Ver-
Sbesondere sind die Wohlthatent des> Invalid^ Arzt
Sicherungsgesetzes noch «emheh unbe Pankte dieser
unterschreiben. Man muss_ öfter d in Volksunterhaltunga-
Gesetze gemeinveratäudlich 8C hil d ern, um dem in
abenden) und Schrift (in d«^Tag - P ^ Bewus8 tsein zu bringen,
solchen Sachen sehr schwerfiUhgen Volke zum ce berechfcigt ist Die
was es eigentlich für seine Beiträg*e nka | ge de8 Ortes ist nicht
naturgemässe Berathungsstelle, ' Verkehr mit den
S».tl“e d ih,»Ä zur Abfasauög von Ge.uche»
u. s w. zur Seite steht. 2 ) _ . > r jir Belehrung der
Zweitens sorgt die Vereinigung sow ^ lin2 enschwin d s UC ht
Arbeiter über die ersten Anzeichen b ® gl J a ®Je* tis chen Versicherungs-
(Flugblatt, zusammengestellt von der ha t ^ durcb Ver¬
anstalt, herausgegeben von der N ; r ®'“!h. (ebe nso) dafür, dass
t und dazu u.tdriich d.a «h-
rine -i^iine Übersicht über den diesjährigen Stand der Frage ist
zu in Arbeit. v^tranmRar/tem bei einem derartigen
tc 2 ) Die Anstellung von »Vertrauensärzte D d _ e ander0n Aentte ,
^ weitgreifenden Unternehmen, ein Unrecht g g { bt j bnen
Ä den Arbeitern »to bitter TÄ^zt 13 wS.u
am nicht leicht, nachdem sie lhr K “S hen Frage „ berathen hat,
dem handelt und wohl in nmndien techmsc ^ fre mden,
Mb plötzlich zur Ausstellung des Zeugnisses zu , * „ eben . Es
Ml . t ' mit dem Gange der Krankheit nicht bekann en f^ te K ^ Jenkassen-
sein sollte, das wäre naturgemäß undge ^ t Kosten der Anstalt) aus-
e. 'I a rzte freistelian, derartige Zeugnisse (auf Kost
I zustellen.
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5 . Mai 1896 .
- »
A nstoltsbehandlung^ncL^ 168 Grun dbedingungen für erspriessliche
der Sympathie^der 8 Vereinigung Trf^eut^Se^ " Punkt ’ der
hörigen, wahrend der Kranke in der AnJoi/- ?° rgUng der Ange-
schön jetzt immer der Vorschlag des ArS Th Dar ? n heitert
haus zu begeben, dass dann das die hw/L Ch - ln eiu Kinken- Wpiv , nT1 "
ich mit unterhaltende Krankengeld wcoftinf wenigstens kümmer- , Ie • ^o^.cucuea ivrankheitsersrlmin - 0- ~
ss
£' dcs AreWeen “’
^e'ntTTr’JtZ
thun dm Anstalten nicht alle das, wm 8ie g «krtnn» aber einmal
«dürfen»), und zweitens würde, selbst wenn ( 6o11 w °hl heissen
sind, dadurch eine, die Unwissenheit und d^ lTn' 6 T-T thun bereit
hierin ausgleichende Thätigkeit clerVw^ Un geschick <ier Arbeiter
flüssig. Für solche Fälle aber ; der , VereiI \ 1 8 ung noch nicht über-
gewtthrt die Vereinigung d! ’ unumSi oh An8ta J t nicht «"tritt,
Die Leipziger gab 1895 dafür (sSToben hi ,f, eben Nötige,
eine noch recht mUssi?« Snmmo * $, en Mk. aus, gewiss
Man hat das auch allenthalben anerkann?^?? P Z “ m Bedürfni 8se.
Sanatorien, Sociale Praxis No. 34 iwUu 8 n- Fr « und (Arbeiter-
Familienunterstützung ist eine sehr’,,,- k.- , c r Die Gewährung der
wirksame Durchführung der SanatorisnS^ 6 Voraussetzung für die
«üeber Volksheilstatten für LuiSenkrankV' R Vei ? 1- meine
Hierher gehört auch das Offenhflten ^C’ Bre / lau 1895, S. 55).
tonum aufsuchenden Arbeiter (8 F r ^, n?l „ n für , den da8 Sana-
Lungenheilstätten der Invabditäts-Ve^inhl ' ° - " nd Ascher, Die
med. Wochenschrift No. 19, 1895) reicherun 8 8an8 talten. Deutsche
Fortschritt auf ^em Gei^fder* TinST*’ ^hT we8entlicb en
genug um sowohl bei den Aer/ten bedeutet, wichtig
behörden Beachtung zU verdienen ft i w bei den Ver waltungs
die alte Sache, dass die jetzige EiWhf^ u ? s aber auch wieder
Sicherungswesens ausser mancher HarS 8 , deS ^ esamm ten Ver-
Mangel den des CentralpuSs hat 7 nd mR ? chem äderen
Socialpolitiker sein muss, den ganzen »,, T das Streben der
zusammengeschweissten B^u darchTW,,»» mebreren Theilen nur
za “ a chen. (Vergl. dazu Ascher z^ v Z . u f eil ? em einheitlichen
Versicherungswesens.^ Zeitschr. f. MedanfÄ"!, Hrff
431
^ ----- *
so^Tt^- dC i Pneumati8cbe n Schule. Der Ab
J^ehre von der Zeugung undFnJ f . “r“^; ferner die
werden die verschiedenen Wh"? " der Patbol «gm
ft“. - ssr*-
Referate und Bücheranzeigen.
auf Archiv»™ “rhiu I,ie pneumatische Schule Ms
h. Heft. BcH in : e w”L l a; n ,^ , 9 r;;:i 3 " oe,,e ” do ' ff -
IMÄ? zwci T " d, T
das Leben « nd Wfcten ^ dargestellfc > und
dorus, Magnus Herodot (mot At,ieuai °s, Agatliinos, Theo-
Philosophen gldcht 1 £JZZ$ Z T 'a u 8keptische "
Heliodor und Archigene« ho ’ \ nida8 ’ A PoIlomus von Pergamon,
umfasst die Quetf X dTs T- ^ ^ d * 8
In dem Capitel Aretain! d System der pneumatischen Schule.
PneuuuUikcr enthnho Schriften die Theorien d er
‘««eile in aS "tf.’. "?* 7 da88 die Haupt-
(Leontiasis, Satyriasis KnnkT Pberapie der Elephantiasis
schlingungen der Plourif °i • j CS Herakles), der Darmver-
der Hungenentzündnlnz 0 ^ 18 ’ ™ r ° chcd ™ r Arten von Kopfschmerz,
Sätze für die Polgeteifm tZ ^ T®® ^ reh,ge , n . cs isfc . dessen Grund-
'm ersten Thei^dcs Pnrh^ J"* 1 ^ r ? en - Ein weiterer Abschnitt
*■ « a >en ££££* ^ , dcr Schlich
eine reichliche Ausbeute filr di n ■ °Q° l tc ^9«un» in welcher
m Bezug au f die Pnkli* ^ T Pncumatiker . namentlich
Chirurgie, das Wesen der f'i°i ^ Areb,gcnes > die pneumatische
Der Verfaß des Tetanus ^ «* Anden ist.
welche, obgleich dieser A I da "" e,gene Schriften des Galen,
er ^gen sie polelisirt zur Sr , QudIcn “ ur angibt, wenn
manschen Lehren n «i™ n- Pcf " rderung der Kenntniss der pneu-
J* Anatomie u„d PW ' ^ *0”"' Äscher Leiden,
Entstehung der GesehtfT ?^ d f. Ge8chlccb Csorganc und der
J» Hon Schluss
de8 0riba 8 iu8 UndA eün d ^ Lrörterung d «r Schriften
ans den verlnmn ’ d 81ch die umfangreichsten Exccrnte
befinden. ^SVSS^TV*Z A ^
Uten Theile des Buches beschäftigt sich der
—— u ., s uur ^ UJS
aes Archigenes, geschildert T„ a t,- - - > "'«oesonaerc
gezeigt, dass hierin das Han J , Und Th orapie wird
pneumatischen Schule liegt 1 Int ' enSt UDd der 8chwer l'unkt der
Ansichten des Athen!. flL n 18t dic Stellung der
Vorschriften, .T“ ^ Art ’ »ie
Ziehung der Jugend gibt enthalte k . Örperllc ! ie und geistige Er-
heutige Schulhygiene und’ man Ankna P fun g s Punkte für die
daraus profitiren Der ZL^TaL "T" Scb ^ördo könnte
und Schulvorsteher
lingen das richtige M« d 7 TT’, . damit sie ib ren Zög-
körperlichen Uebung, der BiUlT r “ hte Zeit der Nahrung, der
schreiben können». deS ***** ». s. w . vor-
Beitrag zur G^ehiÜXf 1 SLf 18 ? 0110 /''!' 1 e ' Den wichtigen
geliefert. Die klare und gefSrL 17 ^ Pnls,ehre
des Buches zu einer sehr anregenden^ 0^^
Schalen. N2!rin!^l 1 ht n /° r i f era r g f - a “ ,änd «che
nisse der ländlichen Schulen aus 4 Kreist' 0 , lygl 1 C . ni8chen Vcrhält-
Liegnitz. Von Dr. Solbritr kfin.V T■ d ° 9 He^ungsbezirks
Frankfurt a. M. Verlag " Lieg " itZ -
d.e di: ,,i t e der f^ s r d t tspflege istwohi
wachsenden Generationen z,, » 7,° rge fü . r das Wohl der heran¬
geistigen AusbUdung eine RXe schwe'r!° F °J ge der , nothwend 'g en
flüsse den in der Entwiddunt helff * 6 “^,. 8c,lUdlic be r Ein¬
bedrohen, deren Abwehr oder mVT 1°"^ jage " dlieb en Organismus
schwersten aber .fncJthnenta* Artt ", BeSC , Lränkung der
Her beste Beweis für die hob deS Hygienikers ist.
aller Sprachen, in jeder v , . n der Literatur
Arbeit würdig allen bisherigen Schliffe 0 ’nh^ 1 ^'“ cl1 voriie g ende
Pflege an. In richtiger Word; Über dle Scbu lgesundheits-
schiede zwischen Stadt und LatTtu/dem! Unter '
5
derungen der Theorie an S «sl,, m aIIen neuestcn A ^or-
Zugleich hat Verfasser ater ^T 10 " VoIlkom,lien gerecht geworden.
Schulen in den ländlichen 21. d hyg1 « nlachen Zustände der
SrSpSSfgS
iSSSÄH-S
ZcuT'Z ,8 J- d3SS 0 177 Schulgebäude m J 7 ^std
we!' 2 ^b 7 ScbU,8 f, äUde i8t erforscht worden, von
W - i f 1 , US de,n 13- Jabr bundert stammen. Untergrund
Warnle, Lehrerwohnungen, Turnplätze, Aborte, Wasserverso™’
nnrfo 'Tv,! ^ ^ Schalzi “mor, Vertheilung der Feister
Schulbänke II P Bd ? t r i g ’ dic Heizanlagen, die Ventilation, dio
fe teilt t d Vcrhältn,88e findcn 8I ' c h tabellarisch zusammen¬
gestellt und verglichen, eine Bienenarbeit, welche gerade durch
ihre erschöpfende Genauigkeit einen wahrheitsgetreuen Einblick
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432
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
in die Verhältnisse ländlicher Schulen gewährt. Die Beseitigung
der hervorgehobenen Missstände ist dadurch jedenfalls wesentlich
erleichtert, wenn auch die Rücksicht auf die Finanzen der (Je-
meinden für die Durchführung von Verbesserungen nur ein schritt¬
weises Vorgehen gestattet. Jedenfalls verdient die Arbeit die
Beachtung aller Schulfreunde.
Dr. Brauser-Regensburg.
Da8 Gesichtsfeld. Ein Handbuch für Augenärzte, Neuro¬
logen, praktische Acrztc und Studirende von Dr. med. Karl Haas,
Privatdocent und 1. Assistent an der Universitäts-Augenklinik zu
Freiburg i. B. Mit 100 Figuren im Texte. Stuttgart, Ferdinand
Enke, 1896-
In der Einleitung zu seinem einem praktischen Bedürfnisse
entsprechenden Buche gibt Verfasser zuerst eine (Jeschichte der
Gesichtsfelduntersuchung und der dazu verwendeten Instrumente
und bespricht nach den durch drei gut ausgewählte schematische
Zeichnungen übersichtlich gemachten anatomischen und physio¬
logischen Vorbemerkungen das normale Gesichtsfeld und die blinden
Flecke desselben nebst den gebräuchlichen Uutcrsuchungsmcthodcn.
Für das pathologische Gesichtsfeld macht er die pathologisch-
anatomische Grundlage zum Einthcilungsprincip und erörtert an
der Hand dieses das klinische Bild mit seinen einzelnen Er¬
scheinungen. Die vielen beigegebenen Gesichtsfeldzeichnungen ge¬
hören sämmtlioh zu eigenen Beobachtungen des Verfassers und
sind rein schematischen Darstellungen gewiss vorzuzichen, um so
mehr, als sie ziemlich erschöpfend sämmtliche Alterationen des
Gesichtsfeldes zur Anschauung bringen. Wenn auch daneben
nicht die ganze Casuistik mitgetheilt wird, so sind doch von bis
jetzt noch seltenen Gesichtsfeldanomalien alle Einzelbcfundc auf¬
geführt und die wichtigste einschlägige Literatur am Schlüsse
jedes Abschnittes angefügt.
Eigene neue Beobachtungen und scharfsinnige Erklärungen
machen zudem das gut ausgestattete Buch zu einer anregenden
und belehrenden Lectüre für alle die Kreise, für welche Verfasser
es berechnet hat. Seggcl.
Neueste Journalliteratur.
Archiv für klinische Chirurgie. 52. Band, 2. Heft.
1) Vollbrecht: Ueber Hydrocele bilocularis intraabdo-
minalis. (Chirurg. Klinik Breslau \
V. berichtet über einen von Mikulicz operirten Fall dieser
seltenen Affection, bei der es bekanntlich sich um 2 mit einander
communicirende Säcke handelt, von denen der eine im Abdomen,
der andere im Scrotum oder in der Leiste liegt
Die Ursache für diese torm, wie für viele Hydrocelen über¬
haupt, sucht V. auf Grund seiner Studien in dem Persistiren der
Schläuche des Giraldes'schen Organes, des Restes vom Wolf f sehen
Körper.
Bei der Operation empfiehlt V. die von Mikulicz geübte
Ausschälung der inneren serösen Auskleidung.
2) Graff: Der Murphy’sche Knopf und seine Anwendung.
(Neues allgem. Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.)
Das von Murphy ersonnene einfache Instrument ermög¬
licht bekanntlich in ausserordentlich kurzer Zeit die Herstellung
einer Anastomose zwischen zwei Hohlorganen. In Deutschland
waren die Anhänger des Knopfes bisher nur sehr wenige, man be¬
vorzugt die alten bewährten Nahtmethoden.
Die vorliegende Arbeit berichtet über 25 Fälle, in denen der
Knopf angewendet wurde (14 Gastro-Enterostomien, 11 Enteroana-
stomosen bei Daran esectionen).
Verfasser empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen den Murphy-
Knopf als ein ausgezeichnetes Ersatzmittel der Darmnaht, das sich
leicht und schnell, bei richtiger Technik auch gefahrlos anwenden
lässt. Unangenehme Zufälle werden selten beobachtet. Zur Sicherung
des Verfahrens empfiehlt es sich, über den Knopf eine Seidennaht
anzulegen.
ln einem Nachtrag berichtet G. über Uebelstände, die sich
bei den weiteren Operationen nun doch herausgestellt haben. In
einem Falle wurde der Knopf am 14. Tage bei der Autopsie im
Magen gefunden — dasselbe war auch früher schon beobachtet
worden —- und in einem weiteren Falle hatte ein scharfer Rand
des Knopfes den gespannten Darm gangraenescirt und eine Per¬
foration verursacht. Ganz gefahrlos kann darnach das Verfahren
nicht genannt werden.
3) Fischer: Beitrüge zur Pathologie der Thymusdrüse.
(Bergmann’sche Klinik Berlin.)
Bel einem 5jährigen, unter dem Krankheitsbilde des Lympho¬
sarkoms (Hodgkinsche Krankheit, malignes Lymphom) gestorbenen
Knaben fand Bich auch eine hochgradige sarkomatöse Erkrankung
der Thymusdrüse. F. hält es für nicht unwahrscheinlich, dass die
Thymus als Ausgangspunkt der Erkrankung anzusehen sei.
4) W er c km ei ster: Zwei Vorschläge für die unblutige
Behandlung der Strictura recti.
Auf Grund einer eigenen Beobachtung empfiehlt W. bei der
Behandlung der Strictura recti nur mit Lumen versehene Bougies
zu benutzen, durch die man zweimal im Tage etwa 100 ccm 5 proc.
Borlösung in den oberen Theil des Rectum eingiessen kann. Die
injicirte Flüssigkeit wirkt in für den Kranken sehr wohlthuender
Weise verdünnend auf die Faeces und auf die ischorösen Secrete.
Ausserdem empfiehlt Verfasser, eine permanente Drainage des
Rectum einzuleiten, dadurch, dass inan ein Gummirohr in den unteren
Theil des Rectum einfiihrt, dasselbe liegen lässt und mit einer
T-Binde befestigt. Durch die fortdauernde Ableitung des Secretes
wird der Organismus vor der Resorption putriden Materials bewahrt,
andererseits wird die Geschwürsfläche den örtlichen Einflüssen der
Secrete entzogen. In des Verfassers Falle wurden auf diese Weise
die Beschwerden des Kranken sehr wesentlich gemildert.
5) Narath-Wien: Die operative Behandlung der Dünn¬
darmgenitalfisteln mit besonderer Berücksichtigung der Darm¬
ausschaltung.
Bei einer 32 jährigen Bauernfrau war im Anschluss an einen
Abort eine Darmscheidenfistel aufgetreten, so dass aller Koth bald
nach der Nahrungsaufnahme durch die Vagina abfloss, und die
Patientin in einen über alle Maassen elenden Zustand versetzt war.
N. eröffnete die Bauchhöhle und fand zwei Dünndarmschlingen,
eine vom Iejunum und eine vom Ileum, an das Scheidenrohr fest
angewachsen. Von beiden Scheiden wurden die zu- und abführenden
Schenkel abgetrennt und unter sich vereinigt Die an der Fistel
bleibenden Schenkel konnten wegen der ausserordentlich festen Ver¬
wachsungen nicht exBtirpirt werden und wurden daher in die Bauch¬
wunden eingenäht. Die Patientin erholte sich nach der erfolgreichen
Operation in vortrefflicher Weise. Versuche, die in die Bauchwand
eingenähten Schlingen zur Verödung bezw. zum Verschluss zu
bringen, gelangen nicht vollständig.
An die Darstellung dieses höchst lehrreichen Falles schliesst
Verfasser zunächst eine Besprechung der Darmgenitalanastomosen
und ihrer Behandlung. Die zur Heilung der Darmscheideufisteln
in Betracht kommenden Operationen theilen sich in vaginale und
abdominale. Die ersteren kommen nur bei gut zugängiger Fistel
in Betracht. Bei dem abdominalen Vorgehen ist das idealste Ver¬
fahren die Darmresection Kann diese nicht ausgeführt werden,
so schreitet man zur Darmanastomose und zwar am besten, zur
sicheren Vermeidung von weiterem Kothdurclitritt durch die Fistel,
unter Zuhilfenahme der totalen Darmausschaltung.
Die letztere vor. Salzer und Hochenegg eingeführte Opera¬
tion wird vom Verfasser ausführlich besprochen. Den primären
totalen Verschluss des ausgeschalteten kranken Darmtheiles verwirft
Verfasser als ein gefährliches Verfahren.
h) Pou 1 sen-Kopenhagen: Ueber cerebrale Erkrankungen
bei der Otitis media. (Fortsetzung im nächsten Heft)
Krecke.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 17.
Brohl-Köln: Ein Beitrag zur Unterbindung der Vena
femoralis und der Vena anonyma. Mittheilung von 2 Fällen
von Unterbindung grosser Venenstämme gelegentlich Geschwulst¬
exstirpationen.
1) Fall einer faustgrossen Leistengeschwulst (Rundzellensarkoui)
bei 56jähr. Dame, bei deren Exstirpation ein Stück der Vena
femoralis mit entfernt werden musste.
2) Exstirpation eines mit der Vena jugul. com. nnd anonyma
verwachsenen Melanosarkoms bei 52 jähr. Frau, Unterbindung von
V. jugularis com., V. subclavia und Vena anonyma nach Durch-
sägung der Clavicula. In beiden Fällen keine secundären Störungen.
Brohl: Eine Nephrectomie bei Hydronephrose mit gleich¬
zeitiger Splenectomie bei Splenolithiasis.
Mittheilung eines wegen Blutverlust durch die Harnröhre zu
operativer Behandlung gekommenen Falles — Thürflügelschnitt —
Loslösung der Niere und theilweise der Milz, (die wegen mehrerer
Steine für die Niere gehalten wurde) Exstirpation des Nierensackes
und der Milz (wegen bedrohlicher Blutung aus deren abgelö3ter
Stelle), ungestörte Heilung. Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 17.
1) J. Hofbauer-Wien: Zur Verwerthung einer künstlichen
Leukocytose bei der Behandlung septischer Puerperalprocesse.
Ausgehend von der Lehre Brieger’s, dass die entzündliche
Leukocytose durch Freimachung antitoxischer Stoffe bei der Ver¬
nichtung von Bacteriengiften eine Rolle spielt, und im Anschluss
an die Versuche v. Jaksch’s, der schwere Pneumonien mit deuko-
taktischen» Mitteln, insbesondere Pilocarpin, erfolgreich behandelte,
versuchte H. in 7 Fällen bei Wöchnerinnen mit schweren Puerperal¬
processen dasselbe Princip, sc. eine künstliche Leukocytose zu er¬
zeugen, zur Behandlung. Als Leukotakticum kam nur das von
Horbaczewsky angegebene Nuc 1 ein zur Verwendung,in welchen
Dosen, wird leider nicht gesagt. Von den damit behandelten 7 Kranken
sind 2 gestorben und 5 genesen. Unter den dabei beobachteten klini¬
schen Erscheinungen seien hervorgehoben: Besserung des Allgemein-
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5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
433
befindens, rasche Reinigung der Puerperalgeschwüre, hohe Tempera¬
turen in den ersten 12-24 Stunden nach der Darreichung, die aber
in den nächsten Tagen wieder abfielen, auffallende Empfindlichkeit
der grossen Knochen, besonders der Tibien, Oberschenkel und
Beckenknochen, endlich vermehrte Ausfuhr von Harnsäure.
2) S. Pa teil ani-Parma: Noch ein Fall von einer super-
numerären Brustwarze beim menschlichen Weibe.
P. beschreibt einen Fall einer überzähligen Brustwarze unter
der rechten normalen Brust bei einer 29 jährigen III. Para, die zu¬
gleich an Osteomalacie und Nephritis litt. Diese Anomalie ist ent¬
wickelungsgeschichtlich interessant; früher glaubte man auch, dass
Frauen mit Polymastie leichter Zwillinge gebären. Letztere Hypo¬
these ist längst widerlegt. Die Frage, ob überzählige Brustwarzen
eine atavistische Erscheinung seien, wie Darwin und seine Nach¬
folger meinen, ist noch unerledigt, wenn man annimmt, dass die
Brustdrüse einfach und nur die Brustwarzen mehrfach vorhanden
sind, ln P.'s Fall scheint letztere Eventualität Vorgelegen zu haben
J af fd - Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 17.
1) E. Ponfick-Breslau: Zur Pathogenese der abdominalen
Fettnekrose.
Unter der so bezeichneten Affection versteht P. nekro¬
tische Veränderungen im Pankreas und dessen Nachbarschaft, wo¬
durch das klinische Bild eines heftigen, manchmal tödtlichen Ileus
hervorgerufen werde. Aus dem Pankreas eines früher gesunden,
43jähr. Mannes, der an obiger Krankheit nach kurzem Leiden starb,
konnte P. einen in gewisser Weise dem Typhuserreger ähnlichen,
mehr aber dem Bact. coli comm. nahestehenden, aber mit ihm nicht
identischen Bacillus züchten, dessen biologische und morphologische
Eigenschaften der Verfasser an Thieren studirte. Ob dieser Bacillus
die Ursache genannter Erkrankung thatsächlich ist, lässt P. noch offen.
2) L. Casper-Berlin: Die frühe und exacte Diagnostik
der Tuberculose des Harntractus.
An der Hand eines Falles, bei welchem mittelst des Ureter-
cystoskops die r. Niere als die tuberculös erkrankte mit Bestimmt¬
heit nachgewiesen werden konnte (im r. Ureter leicht trüber, eitriger,
albumenhaltiger Harn, in welchem auch Tuberkelbacillen nach¬
weisbar waren), während die Palpation für die Diagnose im Stich
liesB, weist G. auf die Wichtigkeit und Exactheit der cystosk. Methode
hin. Der Fall endete nach rechtsseitiger Nierenexstirpation in Heilung.
3) W. Fried rieh-Budapest: Ueber die diuretische Wir¬
kung des Harnstoffs.
Verfasser hat bereits vor Mering und Riedel Versuche über
die diuretische Wirkung des Harnstoffes angestellt und seine Resul¬
tate schon vor der Veröffentlichung Klemperer's klinisch ver-
werthet. Bei Tagesgaben von 12—14 g Ureum hat Verfasser bei
3 an Lebercirrhose Leidenden günstige diuretische Erfolge erzielt.
4) A. Gottstein-Berlin: Ueber gesetzmässige Erschei¬
nungen bei der Ausbreitung einiger endemischer Krankheiten.
G. führt in Kurzem aus: Für die Ausbreitung einer Seuche ist
nicht in erster Linie die Eigenschaft des Contagiums, sondern
die biefür bestehende Empfänglichkeit des Organismus massgebend.
Die Grösse der letzteren, welche mit der Natur des Contagiums an
sich nichts zu thun hat, lässt sich zahlenmässig berechnen (Contagions-
Index). Für Masern beträgt er 0,95, für Scharlach 0,40, für Diph¬
therie 0,10 (d. h. von 100 Menschen erkrankten an Masern 95, an
Scharlach 40, an Diphtherie 10, wenn sie der Ansteckung ausgesetzt
werden). Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, hat G. das An¬
steigen und Absinken von Epidemien obiger Krankheiten innerhalb
längerer Zeiträume (10 resp. 50 Jahre) statistisch berechnet und
durch zahlreiche Tabellen illustrirt, wodurch er zu dem Schlüsse
kommt, dass für Masern in Folge ihres hohen Contagionsindex die
Curve einer Epidemie rasch ansteigt und wieder rasch sinkt; weniger
steil ist sie für Scharlach, während sich die Curve für Diphtherie
erst innerhalb mehrerer (ca. 5) Jahrzehnte erhebt und wieder
senkt. Zur Zeit befinden wir uns bei der Diphtheriecurve im kata-
kroten Theil. Dies muss für die Beurtheilung des ßehringschen
Serums beachtet werden. . Dr. Grassmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 18.
1) 8. Samuel-Königsberg: Ueber Gewebssafttherapie und
innere Secretion. (Schluss folgt.)
2) M. Mendelsohn-Berlin: Ist das Radfahren als eine
gesundheitsgeraässe Uebung anzusehen und aus ärztlichen
Gesichtspunkten zu empfehlen? (Bereits ref. in d. W. 1895,
No. 52 und 1896, No. 3.
3) A. Dräer: Die bacteriologische und klinische Diagnose
«Diphtherie». (Aus dem hygienischen Institut der Universität Königs¬
berg i. p r .)
Verfasser untersuchte bacteriologisch Proben von Rachensecret, '
das 400 Anginakranken durch 35 verschiedene Aerzte Ost- und
J^estpreussens entnommen war; davon waren klinische Diphtherie:
193 Fälle, welche sich bacteriologisch zu 115 Fällen als Diphtherie,
Nichtdiphtherie erwiesen; ferner klinische Nichtdiphtherie:
av u ^ < ? a . von bacteriologische Diphtherie 16, Nichtdiphtherie 90;
ik ui krisch zweifelhafte Fälle 101, davon bacteriologische
^ 1-9 er * e Nichtdiphtherie 70. Unter 400 Fällen konnten also
“W2 Fällen ächte Diphtheriebacillen naebgewiesen werden Nach
asscheidung der zweifelhaften Fälle ergibt sich, dass der klinische
Begriff Diphtherie durch die bacteriologische Diagnose um 23,1 Proc.
eingeengt wird.
4) H. Kionka: Ueber angeblich „ungiftiges“ Bleiweiss.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau.)
Thierexperimente mit der von «The white lead Company» in
Glasgow als < new English nonpoisonous white lead » in den Handel
gebrachten Bleifarbe, welche aus Bleisulfat zum grössten Theil be¬
steht, haben ergeben, dass dieselbe vom Magen und Darm resorbirt
wird und sowohl local ätzend als auch allgemein intensiv giftig wirkt.
5) W. Be eher-Berlin: Ueber Herzempfindungen.
Verfassers 3 jährige Beobachtungen an der Poliklinik von Pro¬
fessor Litten lehren, dass von den einfachen Herzempfindungen zwei
deutlich 6ubjectiv wahrnehmbar sind: a) das Aussetzen des Herz¬
schlages, b) die Verstärkung des Herzschlages bei Hypertrophie des
linken Ventrikels in Folge von Aorteninsufficienz.
6) S. Gottschalk-Berlin: Die Retroflexio uteri, ein Folge¬
zustand der Amputation der Vaginalportion.
Ein Rückblick auf die Literatur der letzten Jahre zeigt, dass
die Amputatio portion. vaginal, von operationslustigen Frauenärzten
noch viel zu oft bei Endometritis, Metritis, Anteversionen, Ante-
flexionen gemacht wird, um den Uterus «umzustimmen ». Hier
können andere Mittel auch helfen.
Selbst nach der Kolporraphie beobachtete Verfasser, dass eine
früher etark elongirte und hypertrophirte Vaginalportion lediglich
in Folge der nach der Kolporrhaphie erforderlichen mehrwöchent¬
lichen Bettruhe sich von selbst zurückbildete.
Verfasser theilt ferner 5 Fälle mit, in denen sich nach Amputat.
port vaginal. Retroflexionen entwickelten, gegen die keine Pessar¬
behandlung mehr angewendet worden konnte, weil eben die Portio
fehlte. Verfasser räth daher zur partiellen Amputation nur so weit,
als es nöthig ist, der Portio normale Form und Länge zu geben
Otiatrie.
1) Boris Werhovsky-Petersburg: Prüfungen der Hördauer
im Verlaufe der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren
und inneren Ohres. (Aus dem otiatr. Ambul. des nied.-klin. Inst.
München). Zeitschr. f. Olirenh. 28. Bd., 1. Heft.
Die treffliche, klare Arbeit ist eine Erweiterung der Unter¬
suchungen Hartmann's und Gradenigo's, deren Methoden
etwas verbessert wurden. Der Verfasser stellte die Perceptions-
dauer verschiedener Töne sowohl in Luftleitung als auch in Knochen¬
leitung fest und verwendete für die Luftleitung die Stimmgabeln
Az, Ai, A, a, a', a“, f'" und fis"", für die Knochenleitung A, a und
a‘. Die erhaltenen Zahlen wurden in Procenten der normalen Hör¬
dauer nmgerechnet und in Tabellen übersichtlich graphisch dar¬
gestellt. Im Ganzen sind die Resultate dieselben wie die der
beiden oben genannten Forscher. Bei Sklerose sind die Diagramme
für Luftleitung ausserordentlich gleichmüssig. Es findet sich immer
ein Ausfall einer grösseren oder geringeren Anzahl der tiefsten
Töne und eine entsprechende, nach unten hin zunehmende Herab¬
setzung der Hörschärfe für den zurückgebliebenen Theil der Ton¬
leiter. In allen, mit Ausnahme von 2 Fällen, wurde jeder höhere
Ton besser resp. länger, wie alle übrigen tieferen gehört. Bei diesen
beiden Ausnahmen, bei welchen a" um etwas schlechter als a' ge¬
hört wurde, vermuthet W. einen Beobachtungsfehler. Ref. hat
in 2 Fällen von Sklerose mittelst der Schnittmethode Veränderungen
auch im Nervus acnst. in der Schnecke nachweisen können und
möchte auf die Möglichkeit hinweisen, dass bei diesen Ausnahmen
die nicht selten Lei Sklerose eintretende secundäre Atrophie des
Sch neckennerven zum Ausdruck kommt.
Viel mannigfaltiger in ihrer Gestaltung sind die Diagramme
der nervösen Schwerhörigkeit. Die Erklärung ist eine sehr einfache.
Bei der Sklerose ist die Schallleitungskette auch dann im ganzen
alterirt, wenn nur ein einzelner ihrer Tlieile afficirt ist, bei den
Erkrankungen des percipirenden Gehörapparates dagegen hat nach
Helmholtz jeder seiner Theile seine specifische Bestimmung, und
die Alteration eines Theiles braucht nicht auf die Function der
übrigen Theile einzuwirken.
Die Untersuchung der Knocbenleitung ergab folgendes Resultat:
In sämmtlichen Fällen von Sklerose wurde ohne Ausnahme eine
Verlängerung der Knochenleitung, wenigstens fiir die tiefe Stimm¬
gabel A, beobachtet; in allen Fällen von Erkrankung des percipiren¬
den Apparates dagegen fand sich für sämmtliche Stimmgabeln eine
Verkürzung der Perception durch Knocbenleitung. W. hebt mit Recht
unter anderem hervor, dass die Methode insbesondere bei beginnender
Sklerose einen grossen diagnostischen Werth besitzt. Für die Be¬
hauptung, dass mit Hilfe derselben auch die Diagnose auf Erkran¬
kung der Schnecke gestellt und die Erkrankung auf bestimmte
Stellen der Scbneckenscala localisirt werden könne, vermisst Ref.
die genauere Begründung.
2) H. Zwaardemaker: Acustische Eisenbahnsignale und
Gehörschärfe. (Vortrag auf der internat. Confer, der Eisenbahn-
und Schiff8ärzte in Amsterdam) Ibidem.
Der Verfasser hat in seiner interessanten Studie die Tonhöhe
der verschiedenen in Holland gebräuchlichen Eisenbahnsignale fest¬
gestellt. Die Mundpfeife bringt Töne aus der fünf bis sieben
gestrichenen Octave hervor. Die im Innern derselben befindliche
Kugel hat den Zweck / die Tonhöhe wechseln zu machen und die
Erschöpfung des Corti’schen Organs zu verhindern. Diese Pfeife
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MÜNCHKNElt ME DICINISCHE WOCHE NSCHRIFT.
No. 18.
434 __
wird von alteren L ° k omotivführern fahrendem Zug
horn ist auf das <ad orchlestre g vollkommen
und bei Gegenwind ™rd «heses H °$ e Damp'fpf eif e ist auf a" ge-
normales Ohr wahrnehmbar ^ P deg Grundtone8
stimmt, die Obertöne aber deren Intensim den obcren
bei starkem Anblasen übertnfft, h ® a8 Kna n 8 ignal wird
Grenzton der menBchliche ‘ de Patrone hervorgebracht,
durch eine auf die Schienen R ganze Reihe unuiitlel-
Durch dasselbe ge raUl “ Fas emder Membrana basilaris in
bar neben einander gelegen . letzteren Signale gehört,
Erschütterung. Am besten
von Normalen sowohl als auch von denhmr ^ percipire nden
Schwerhörigen, welche m ®>® Grade auch an Krankheiten des
Apparates, * e,te V n ^ rthe d über die Dienstfähigkeit des
sws «SisS'ÄSS»
einigen wenigen Punkten n ’ ... h dj p rü f ul)g der Knochen-
KJ O-Tw v—
wollen ’ Z. kommt zu folgenden Schlüssen :
1. «Beim Indiensttreten soll für oSSr
‘Ä AfS^SS Z S.’SSS Herabsetzung »ge,aasen
:ä
abgewandte) heruntergehen.»
sllüpilSÜI
SrnmeXr' Zi
Mmmmm
für die Signale das Hören auf einem Ohre in der Kegel genügt.
ner Verf berücksichtigt in der besprochenen Arbeit in der
rrsr k
Telephoniren erforderliche Hörschftrfe weiter unten.
qi Walter Hanel-Dresden: Ein Fall von beginnendem
Durchbruch der beiden Labyrinüifenster bei
des Mittelohres, mit mikroskopischer U°t e rs«chun g . (Aus dem
otiatr. Ambul. des med. klm. Inst. München.) Ibidem
4) Wilh. Mayer: Adenoide Vegetationen, ihre Verbreitung
und ihr Alter. (Nach einem Vortrag»in der: med Gesellscb.
K ° Pe "schon ) jetÄmit worden, dass
die adenoiden Vegetationen in drei Erdtheilen auf treten, ausserdem
besHzen wir eine g an die Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit
dafür dass sie durch den grössten Theil der historischen Zeit hin¬
durch esistirt haben.» Die Kenntniss von den adenoiden Vegetationen
X dumb Jahrtausende verborgen der Auffindung tjnd Bearbeitung
habend. Die Bearbeitung ist schon angefangen und wird durch
die vereinigten Kräfte Vieler fortgesetzt werden in
Maasse. Denn die Kenntniss von den adenoiden Vegetat onen,
ihrer Pathologie und Behandlung gehört nicht nur den Specialisten,
sondern ist Gemeinbesitz aller Aerzte geworden »
Die interessante Studie dürfte die letzte des kürzheh verator
benen Verfassers sein, der sich durch die Entdeckung der ^eno.den
Vegetationen ein hervorragendes Verdienst erworben hat. Da.
mal, welches ihm gegenwärtig von Acrzten und Patienten aller Länder
errichtet werden soll, wird dazu beitragen dass sein Name und
sein Verdienst auch von kommenden Geschlechtern nicht vergessei
werden wird.
b) A. Politzer-Wien: Nekrolog. Prof. S. Moos, geboren
1831, gestorben 1895. Ibidem.
6) Gruber: Spätnaht nach künstlicher Eröffnung des
Warzenfortsatzes. (Sitzungsber. d. österr. otolog Gesellscb., Monats¬
schrift f. Ohrenh. 1896 No 1) , , . . r
Neuerliche Empfehlung der Spätnaht bei acuter Mittelohr¬
eiterung zur Abkürzung der Behandlungsdauer, natürlich nur in
ganz normal verlaufenden I'ällen.
L
i «Vor- TIeher die zum Telephoniren mit den
7 ) Zwaardemaker. Ueb ^örschärfe. (Bericht über die
Reichs-Apparaten erforderlic^ ^ 0hrenkrankhe iten.) Ibidem
Siederl. Gesellscb. f H , . der Untersuchung der Post- und
Zwaardemaker tan Hörweite für Flüstersprache
-Zwaardemaker
SaUnicht füralleOhrenknmkheiten^zutrifft,dass jc^B.^^ei^^erose
selbst bei hochgradiger Fo iL Verbesserung der
ä b -
allerdings Z
- *■—-
Auch die neuerdings sehr m Gründen vermuthet
was die Heilungsdauer anbetrifft. Nachweis, dass in ein-
ze,„c„ N rÄ
noch abzuwarten.
Vereins- und Congressberichte.
XIV. Congress für innere Medicin in Wiesbaden
vom 8. bis 11. April 1896.
(Nachtrag.)
Her, Jacoby (Germer*™,) deu.enslri« w.*m
porson einen thermo-therapeutischen Apparat zu eha
lung der Lungentuberculose (im ImtmlsUdm«, auf Grundlage
der bactericidcn Wirkung dos Blutes (Büchner).
Nach ltokitanskv kommt es fast nie zur Entwic' ung
von Lungentuberculose bei Individuen mit
durch letztere eine Rückstauung des Blutes ...di den
somit eine reiebliebere Versorgung derselben mit dem •
feindlichen Blut statthat. r /em:teii
Bei Gelonktubomiiose hat Bier m.t seiner kluist uh d
SUuiuiigshyperämie vortreffliche Erfolge
tuhcrculose wurde sehon oft durch dw ln*
ein vermehrter Blutzufluss zu den, inheirtcn Bautl tc
dessen Desinfektion erreicht, so dass es ohne jeghehe
therapeutische Massnahmen zur Heilung des Leidens ka .
Die Lungentuberculose beginnt fast ausnahmslos in de
Spitzen, was seinen Grund offenbar dann hat dass ^ vo^
Thcilcn der Lungen mit dem natürlichsten . i B , ut ver .
mit Blut, am wenigsten versorgt sind, indem s enkew ls
möge seiner eigenen Schwerkraft von < Cr j ’ herabsenkt,
beim aufrecht gehenden Menschen zur J "^
an welch' letzterer wir denn auch m der Hiat
Tuhcrculose finden. , •
Gelingt «. anal.« den obigen Beispielen, f
Hyperämie der oberen I.nngenpartb een .« crm,ge °,’T
diesem Wege die Phtbisis in ihren
fern es sich nicht gerade um eine Miscliinfection (
handelt^ ^ ^ soll dicse Hyperämie der oberen Lungcnparthu.cn
herbeiführen: Rndebett
1. durch Autotransfusion, indem m einem
die oberen, die unteren Extremsten. sowie £» ^
des Patienten hochgelagert werden, so dass die
spitzen am tiefsten liegen, . Mn 2 /, des
2. durch ein partielles Heisswasserbad der obere, /
Thorax und _ ... , n thcrniisch
3. durch Massage der Lungenspitzen mittels 8 ^ ^
rogulirbarer Heisswasserstrahlen, welche unt
sprechend hohen Druck gegen die B-gcnHl«, s n
so zwar, dass 4 Strahlen vorne und 4 hinten
Lungenspitzenregion auftreffeu.
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GooqL
5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
435
Der Apparat wird auf Veranlassung Dettweiler's in der
Lungenheilanstalt Ruppertshain (bei Falken.stei» im Taunus) an
grossem Krankenuiaterial in Versuch genommen, (l)irigirender Arzt
Dr. Nahm.)
Versuche, die J. selbst an Gesunden und Kranken vornahm,
waren insofern sehr zufriedenstellend, als die Procedur ohne jegliche
unangenehme Nebenerscheinungen sehr gut vertragen wurde.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 29. April 1896.
Herr Blaschko: Ueber die Lepra im Kreise Memel.
l)ic, wie man jetzt wohl schon sagen darf, bekannte That-
saehe, dass im Kreise Memel seit Anfang der 70 er Jahre die
Lepra endemisch vorkonnnt, veranlasste Vortr. an Ort und Stelle
Erhebungen darüber anzustellen, wie diese Krankheit dorthin ge¬
kommen ist.
Die Lepra kommt dort ausschliesslich unter der Litthauisehen
Bevölkerung vor, welche in den allerdürftigstcn Verhältnissen lebt,
von Reinlichkeit ebensowenig weiss, wie von der Ansteckungsgefahr
mancher Krankheiten und ärztlichen Rath einzuholen nur in den
seltensten Fällen sieh veranlasst sicht. Die Ernährung ist kümmer¬
lich und nur der Alkohol wird reichlich consumirt, von den Frauen
in Form der HofFmann’s Tropfen. Beispiele für die Sorglosigkeit
der Leute gegenüber der Ansteckungsgefahr konnte Vortragender
mehrfach beobachten ; die Leprösen leben nicht bloss mitten unter
den Gesunden, sondern schlafen auch mit Gesunden in einem
Bette.
Auf die klinische Seite der Frage geht Vortragender nicht
naher ein und erwähnt nur, dass er alle Formen der Lepra, auch
die Lepra nervosa, zu sehen Gelegenheit hatte. Letztere Be¬
obachtung ist besonders interessant, da bis jetzt die Ansicht
herrschte, dass im Kreise Memel nur die tuberöse Form verkomme.
Es sind nun in jener Gegend in toto 22 Lepröse bekannt,
wenn man nur die sicheren Fälle rechnet; zu den sicheren
rechnet- übrigens Bl. auch den seinerzeit (im vergangenen Herbste)
vorgestellten, bei welchem Herr von Bergmann die Diagnose
anzweifelte.
Was nun den Weg anlangt, den die Lepra von Russland,
woher sie wohl zweifellos kommt, nach Deutschland genommen
hat, so ist nach Bl. der Grenz vor kehr, der in jener Gegend
in erlaubter und unerlaubter Weise sehr rege ist, für die Ein¬
schleppung der Krankheit verantwortlich zu machen.
Die Massregeln zur Bekämpfung der Beuche sind nach B.'s
Meinung verlmltnissmässig einfach. Da die T’ebcrtragungsgcfahr
verhältnissmässig gering ist, so dürfte es genügen, in der Nähe
Memels eine Kolonie anzulegen, wo die noch arbeitefähigen Leprösen
sich mit Landwirtschaft u. dgl. beschäftigen können und die
Bettlägerigen die geeignete Pflege finden. Die Behandlung der
localen Processc an den Leprösen bestehe in Reinlichkeit und
schützenden Verbänden.
Zum Schlüsse demonstrirt dann Bl. ein junges Mädchen
mit der nervösen Form der Lepra. Man sieht an den Händen
Atrophie der kleinen Muskeln , beginnende . Klaucnhandstellung ;
ferner besteht Anästhesie und Analgesie an den peripheren Theilen.
An den Unterschenkeln findet sieh ein knotiges Exanthem.
H. K.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 27. April 1896.
Herr Hans K o h n demonstrirt den Ductus thoracicus und die
übrigen Organe eines Falles von ausgebreiteter Miliartuberculose
Q nd Meningitis tuberculosa, in welchen nur durch die Lumbal-
punction und den N achweis von Tuberkelbacillen in der
Cerebrospinalflüssigkeit die Diagnose gestellt werden konnte,
da alle übrigen für die Krankheit charakteristischen Symptome ge¬
fehlt hatten. Insbesondere ist hervorzuheben, dass der Patient bis
zum Schlnssstadium, wo aber die Diagnose bereits gesichert war,
uur an Kopfschmerzen, Uebelkeit, Darmstörungen und leichtem
Fieber gelitten hatte. Neben der Verkäsung im Duct. thorac., welche
jedenfalls den Ausgang für die Allgemeininfection gebildet hatte,
fand sich noch ein älterer Käseherd in einer mesenterialen Lymph-
drüse und im untersten Ileurn ein vernarbtes, pigmentirtes Geschwür.
Möglich, dass letztere Stelle die Eingangspforte für das tuberculöse
Virus bildete, ähnlich wie in den beiden Fällen, die vor einiger Zeit
aus dem Nürnberger Krankenhaus veröffentlicht worden waren.
Discussion: Herr A. Fraenkel weist auf die Bedeutung der
Lumbalpunction in solchen unklaren Fällen hin und erwähnt eines
von ihm im Krankenhause am Urban beobachteten Falles, in wel¬
chem ein an Meningitis leidender Mann bis einige Stunden
vor seinem Tode spazieren ging, ohne dass ein Symptom auf
das Bestehen eines solch schweren Himleidens hingewiesen hätte.
Herr Stadelmann kann hiezu ebenfalls einen Beitrag liefern.
Bei einem Patienten seiner Abtheilung, der eine Pneumonie durch¬
gemacht und bei dem lediglich eine leichte Benommenheit be
standen hatte, wurde durch Vornahme der Lumbalpunction und
durch den Nachweis von Fränkel’schen Pneumococcen in der aspi-
rirten Flüssigkeit eine letal verlaufende Meningitis aufgedeckt.
Herr Fürb ringer drückt seine Befriedigung über die Aus¬
führungen der Vorredner aus und weist noch auf einen Fall hin,
wo bei einer Patientin, welche nur an geringem Fieber, Aufgeregt¬
heit und leichter Verwirrtheit litt, lediglich durch die Lumbalpunction
die Diagnose einer Meningitis tuberculosa gestellt werden
konnte.
Herr Benda demonstrirt einen Fall von Fettnekrose des
Pankreas und umgebenden Fettgewebes. Im Pankreas finden sich
mehrere hämorrhagische und anämische Infarkte.
Herr Stadel mann macht hiezu einige klinische Bemerkungen.
Die Präparate stammen von einer Patientin seiner Abtheilung. Eine
23jährige, angeblich völlig gesunde Person, die zwei normale
(letzte vor 8 Wochen) Geburten durchgemacht, erkrankte in der
Nacht vom 19. auf 20. unter heftigen Leibschmerzen und sucht
nach einigen Tagen das Krankenhaus auf. Hier findet sieh leichte
Benommenheit, tiefe forcirte Athmung, etwas Eiweiss
und 3,4—5 Proc. Zucker im Urin bei einer Menge von 3—4 Liter.
Die Acetes8igsäurereaction ausserordentlich intensiv und deutlicher
Acetongeruch. Also das Bild des Koma diabeticum. Nach einigen
Tagen erfolgt der Tod. Es handelt sich nach St.'s Auffassung also
unzweifelhaft um einen Fall von Diabetes acutissimus und St.
stellt sich vor, dass die Fettnekrosc das Primäre und der Diabetes
das Secundäre gewesen sei. Ueber die wissenschaftlichen Ergebnisse
dieses interessanten Falles behielt sich St. weitere Mittheilungen
vor und möchte nur andeuten, dass er die Krankheit auf eine
Infection zuriiekführen möchte.
Discussion: Herr Jastrowitz fragt, in wie weit es raög
lieh ist, einen früheren Diabetes bei der Patientin auszuschliessen?
Herr Stadelmann: Die Frau hatte gar keine Angaben über
früheres Kranksein gemacht, obwohl sie darauf examinirt worden war.
Herr Litten: Ueber eine physiologische und patho¬
logische Erscheinung an den grösseren Arterien, zugleich
ein Beitrag zur Diagnose der circumscripten Arterio¬
sklerose (mit Demonstrationen).
Wenn man auf eine grössere Arterie das Stethoskop auf setzt,
so hört man bckannteruiassen einen sys toi. Ton, der bei grösserem
Druck in ein Geräusch übergeht. Vortragender legte sieh nun
die Frage vor, welches das palpatorische Aequivalent dieses aus-
cultatorisehcn Phänomens ist. Für den Ton ist es natürlich der
Puls, und Litten fand nun, dass dem Geräusch ein fühl¬
bares Schwirren oder Spritzen entspricht. Dasselbe lässt
sicli bei allen Gesunden an den Arterien, welche nicht kleiner
als die Radialis sind, auffinden , und es ist um so deutlicher, je
geradliniger die Arterie verläuft und je besser sie gegen die
Unterlage angedrückt werden kann. Man muss die Arterie mit
mässiger Stärke andrüeken und zwar am besten so, dass man mit
der einen Hand comprimirt, mit der andern fühlt. Am Halse
untersucht man dopi>el.seitig. Dieses physiologische Phänomen hat
nuu aber auch ein pathologisches Interesse, indem es bei
gewissen Krankheiten verstärkt und schon bei leichtem Drucke
zu fühlen ist und auch schon an ganz kleinen Arterien wahr¬
genommen werden kann; dies ist der Fall beiAorteninsufficienz,
Pseudoaorteninsufficienz, Morbus Basedowii, Amyl-
nitritvergiftung, Arteriosklerose.
Das praktische Interesse erhellt z. B. aus einem
vom Vortragenden beobachteten Falle, wo die Differentialdiagnose
zwischen nervösen Palpitationen der Bauehaorta und Sklerose
dieses Gefässes zu stellen war, was mit Hilfe der Palpation gelang.
Der Einfluss dieser Unterscheidung für das Heilverfahren liegt
auf der Hand. Es folgen Demonstrationen dieses Phänomens an
mehreren Patienten.
Herr Goldscheider und Herr Flatau: Experimen¬
telles über Haematomyelie.
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436
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
So häufig die spontanen Blutungen im Gehirn sind, so selten
werden sie im Rückenmark beobachtet; hier sind es meist solche,
welche sich an Traumen anschliessen. Es treten plötzlich Lähmungen
auf, verbunden mit Parästhcsien.
Wegen der Seltenheit dieser Fälle ist das klinische Interesse
ein verhältnissmässig geringes, dagegen forderten die pathologisch-
anatomischen Verhältnisse zu einer genaueren Untersuchung heraus.
Es war längst aufgefallen, dass die Blutung mit Vorliebe die
graue Substanz befällt. Die Vortragenden machten es sieh
zur Aufgabe, die Ursache dieser Erscheinung auf experimentellem
Wege aufzuklären. Mittelst Einspritzung von Berliner Blau an
verschiedenen Stellen des herausgeschnittenen Markes gelang es
in der That, an einer grossen Reihe äusserst instructivor Präparate
eine gewisse Gesetzmässigkeit aufzufinden, über deren Details wir
auf die Originalmittheilung verweisen. H. K.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 18. März 1896-
Vorsitzender: Herr Unna. Schriftführer: Herr Reiche.
Herr Deycke: Ueber Gonococcenculturen.
D. gibt zunächst eine ausführliche Uehersicht über die seit¬
her geübten Culturmethoden zur Reinzüchtung des Gonococeus.
Kr bespricht dann des Näheren den 1895 von F. Kiefer
(Jubiläumsschrift für Martin) veröffentlichten Nährboden, den
1 ). für den besten jetzt existirenden und den relativ am bequemsten
zu beschaffenden hält. In der Herstellung hat sich D. durchaus
an die Vorschriften Kiefer’« gehalten, nur glaubt er, dass man
sich die umständliche fraetionirte Sterilisirung der Aseitesflüssigkeit
ersparen kann, wenn man dieselbe von vornherein steril auffängt,
ein Verfahren, das durchaus keine Schwierigkeiten bietet. D. hat
den Nährboden auf der Abtheilung für Haut- und Syphilis im
Alten allgom. Krankenhaus (Oberarzt Dr. Engel-Reimers) erprobt
und bewährt gefunden. Kr demoustrirt Platten von Urethral¬
und Opthaliuoblcnnorrhöen, die das Wachst hum der Gonococcen in
verschiedenen Altersstadien zeigen, ferner Rcinculturen auf schräg
erstarrten Kiefer'sehen Nährboden, die sich in Bezug auf die
Ueppigkeit des Gedeihens etwa mit Stroptoeoeceneulturen auf
Glycerinagar vergleichen lassen, und schliesslich mikroskopische
Präparate von Rcinculturen.
. Discussion. Herr Prochownik: Eine rasch anwendbare,
praktisch nnd forensisch zuverlässige Methode des Gonococcen-
nachweises ist noch nicht gefunden. Besonders die Seerete, die
wenig Gonococcen enthalten, sind schwer zu untersuchen. Auch
der Kiefer'sehe Nährboden erreicht noch nicht alle an ihn zu
stellenden Anforderungen. So soll man bei dem Mangel geeigneter
cultureller Methoden mehr nach positiven Beweisen der Impfung
suchen, ein Thier zu finden suchen, das sich nicht refraetär verhält;
die neuerdings mehr und mehr betonte Empfindlichkeit des Rectums
gegen gonorrhoische Infectionen gibt einen Fingerzeig, die verschie¬
denen Thierspecies noch einmal nach dieser Richtung hin zu unter¬
suchen.
Herr Deycke hat bei vielen Thieren, den Affen eingeschlossen,
Impfversuche sowohl in die Urethra, wie auf die Bindehäute und
in die Kniegelenke, immer aber mit negativem Erfolg, vorgenommen.
— Auch bei älteren Gonorrhoeen züchtete er Gonococcen aus dem
Ausfluss neben vielen anderen Keimen. In Pyosalpingitiden constatirte
er fast ausschliesslich Gonococcen.
Herr Simmonds bestätigt das letztgenannte Ergebnisse auch
er verwandte das von Kiefer angegebene Nährsubstrat.
Herr W erner benützte mit guten Erfolgen ei weissreichen Urin
mit Glycerinagar. Er macht auf das antagonistische Verhalten
anderer Bacillen zu den Gonococcen aufmerksam.
Herr N e e b e vermisste im Vortrag einen Hinweis auf die
Kräth'sche Arbeit, in der ein Rinderblntserum, dessen Eiweiss¬
eehalt durch Kochen entfernt ist, mit Agar gemischt empfohlen wird.
Herr Deycke hält diese Arbeit der Nachprüfung für noch
sehr bedürftig, er sieht gerade in dem Eiweissgehalt und «war dem
nicht durch hohe Temperaturen veränderten Eiweiss das Wesent¬
liche solcher Nährböden.
Herr Prochownick schätzt, die Zahl der in seiner Klinik
bacteriologisch untersuchten Fälle von Pyosalpinx auf über 100; er
fand häufig darin Mikroorganismen; -/s ungefähr waren für die
üblichen Nährböden keimfrei.
Herr Fraenkel fand meist in den von ihm untersuchten
Pyosalpingitiden sog. < sterilen > Eiter, nur sehr vereinzelt Strepto¬
coccen. Bei einer Epidemie von Vulvovaginitis auf der Kinderstation
dos Krankenhauses constatirte er als wahrscheinlicher Erregen einen
nach Gram sich entfärbenden Diplococcus.
Herr Unna fragt, ob es für diese Nährböden ein Maximum
des Alkalizusatzes gebe und ob der Glycerinzusatz als Nährmittel
nothwendig oder nur aus mechanischen Gründen zugefügt sei.
Herr Deycke erwidert, dass die neutrale oder schwach
alkalische Reaction am vortheilhaftesten sei, und dass der Glycerin¬
zusatz das Substrat nur succulent erhalten soll.
Herr Küstermann: Zur Pathologie der Beri*Beri.
Die vorgelegten Präparate über Beri Beri stammen von einem
Chinesen, der auf einem nach Hamburg fahrenden Dampfer be¬
schäftigt war. Nach einer Krankheitsdaucr von noch nicht drei
Wochen erfolgte in Hamburg unter den Erscheinungen der acuten
llerzparalysc und einer acut entstehenden Paraplegic der Beine
der Exitus. Dar Fall ist somit der cardialen oder acut i>erniciöseii
Form nach Scheube’s Einthcilung zuzuzählen. Diese Form ist
im Ganzen selten ; Sectionsbefunde liegen nur sehr wenige vor.
Section 4 Stunden nach dem Tode. Härtung aller Organe in
M U11 e r*.scher Flüssigkeit.
Muskeln und Nerven der Arme ganz normal. An den Beinen
ist hauptsächlich der Muse, tibialis anticus entartet. Auf Quer¬
schnitten sind in einzelnen Muskclfascrbiindcln zahlreiche Fasern
gequollen, blasser mit Carmin oder Eosin gefärbt, z. T. mit
Vacuole» versehen. Vermehrung der Kerne, häufig centrale Kerne.
Andere Faserbündel sind wenig oder gar nicht erkrankt. Auf
Längsschnitten ist die Qucr.streifung der erkrankten Muskelfasern
verloren gegangen. Zahlreich findet mau aber auch Muskelfasern,
die hochgradig degenerirt sind. Die Fasern sind stark gequollen
und das Sarkoplasma gitterförmig zerfallen. Die einzelnen Trabckeln
dieses Gitters hängen alle unter einander zusammen, ihre Dicke
schwankt etwa zwischen 1 /4 bis ‘/s einer normalen Muskelfaser.
Nur an einzelnen Stellen ist dieses Gitterwerk unterbrochen und
bleibt hier nur noch der leere Sarkolemmsehlauch zurück. An
Zupfpräparaten lässt sieh diese Degeneration durch die ganze
Länge der Fasern verfolgen. Auch auf dem Längsschnitt massige
Kernvermehrung. Aus dem Gebiet des N. tibialis und am Ober¬
schenkel sind die Muskeln weniger stark erkrankt.
An den peripheren Nerven ist die Degeneration weitaus am
stärksten an den kleinen Muskolästcn, geringer im Tibialis und
Peroneus, sehr gering im Ischiadicus. Im Peroneus fallen grosse
hyaline Gebilde auf von eoneentriseher Anordnung; diese haben
die Nervenfasern in einzelnen Bündeln zum grössten Theilc ver¬
drängt. Beim Beri - Beri ist dieser Befund schon von Pckel¬
itär ing und Winkler gemacht, aber auch Oppenheim und
Sicmcrliug beschreiben ihn bei Tabes dorsalis in peripheren
Nerven, nnd Rosen beim bei einem Fall von acuter Neuritis.
Alle halten diese Gebilde für pathologisch veränderte Gefasse.
Auch im vorliegenden Falle muss man sich nach Färbungen nach
v. Gicson für diese Ansicht entscheiden.
ln den Intervertebralganglien besteht eine Vermehrung der
Neurilemm kerne.
Das ganze Rückenmark erweist sich normal mit Ausnahme
von einzelnen vacuolisirten Ganglienzellen in den Vorderhörnern
des Lenden marks.
Der Herzmuskel zeigt nur eine ganz geringe herdweise an¬
geordnete Verfettung. »Sehr hochgradig ist dagegen der Vagus in
seinem ganzen Verlauf bis zu seinem Eintritt in das verlängerte
Mark degenerirt. Hier ist cs in seinem Kern am Boden des
4. Ventrikels zu einer starken, acuten Entzündung gekommen.
Das Gewebe um die strotzend gefüllten Gefässe ist oedematös und
von zahlreichen capillärcn Blutungen durchsetzt, die Ganglienzellen
sind geschrumpft, an Zahl vermindert. Die übrigen Nervenkerne
des verlängerten Markes, insbesondere die des Vagus, verhaltco
sich normal.
Discussion: Herr Simmonds hat in den letzten Jahren
G Fälle von Beri-Beri secirt: ihm fielen neben den Veränderungen
an den peripheren Nerven vor Allem die schweren parenchymatösen
Degenerationen an den Nieren auf, das Herz war mikroskopisch nur
wenig alterirt. Die Analogie der Nierenläsionen mit den gleichen
Befunden bei Infectionskrankheiten weisen auf die infectiöse Natur
der Beri-Beri hin.
Herr Gold zieh er, der in Hinterindien und Japan viele
Kranke mit Beri-Beri gesehen, macht auf die Häufigkeit des Herz¬
todes bei dieser Affection aufmerksam. Es zeigt sich die Krankheit
in 2 Haupttypen, als hydropische Form und als ohne Oedeme ein-
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5. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
437
hergehende. Die Oedeme liegen zumeist an den Unterschenkeln,
Aber den Tibien.
Herr Goebel bringt die Glogner'sche Behauptung in Er¬
innerung, dass Malariainfeetionen beim Beri-Beri eine Rolle spieien
und fragt, ob die Untersuchung in dem vorliegenden Falle darauf
gerichtet gewesen ist.
Herr Küstermann]: Malaria war in dem vorliegendem Fall
au8zuschlie8sen. Die von Herrn Goldzieher erwähnten Unter¬
schiede sind nur klinische, aetiologisch besteht Einheit; bei circum-
scripten Schiffs- oder Hausepidemien trifft man beide Typen neben¬
einander an.
Herr Goldzieher hält die Glogner’sche Ansicht schon
desshalb für zu weit gegangen, weil im allgemeinen Malaria und Beri-
Beri örtlich getrennt seien.
Herr Fraenkel: Unter den von Herrn Küstermann de-
monstrirten Präparaten fallen besonders zweierlei Veränderungen
auf, die ganz aussergewöhnliche Form der Muskeldegeneration und
jene eigentümlichen concentrischen Gebilde in peripheren Nerven-
stämmen, deren Deutung als obliterirte Gefässe nicht ohne weiteres
einleuchtend sei; der sichere Nachweis einer Elastica mit einer
Färbung auf elastische Fasern kann hier nur massgebend sein.
Bezüglich der von Herrn Siromonds erwähnten Parenchymver
Änderungen bemerke er, dass dieselben gleicherweise die Deutung
einerjrein toxischen Entstehungsweise zulassen; in manchen früheren
Arbeiten sei diese Aetiologie für Beri-Beri angegeben, speciell Fisch
gifte angeschuldigt.
Herr Reiche: Die Veränderungen in den peripheren Nerven
weisen darauf hin, dass es sich hier nicht um eine acute Verlaufsart
der Beri-Beri, sondern um eine Exacerbation eines alten Leidens
gehandelt habe. — Gegen eine toxische Entstehungsweise der Krank¬
heit sprechen die Beobachtungen Hagen’s aus Neukaledonien,
denen zufolge Beri-Beri 1891 mit Gefangenen in die zuvor davon
freie Colonie importirt wurde und nun sich daselbst ausbreitete.
Die von Herrn 8 i m m o n d s beschriebenen Befunde an den Nieren
sind auch von Scheube und Nepveu erhoben und in gleichem
MaasBe an der Leber und ira Herzen gesehen.
Herr Küstermann: Gegen die Zurückführung der Beri-Beri
auf Fischgifte, die bis vor einigen Jahren eine grosse Rolle spielte,
sprechen ebenfalls die Beobachtungen von Beri-Beri in fischarmen
Binnenländern. — Auch seiner Ansicht nach handelte es sich bei
seinem Patienten um eine vorher latente Form der Krankheit; eine
Anamnese war nicht zu erheben.
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 8. Januar 1896.
Herr von Stubenrauch: Demonstration eines
Kranken mit ausgedehnter mykotischer Affection des
rechten Oberkiefers.
Der Kranke, 65 Jahre alt, soll früher nie ernstlich krank ge¬
wesen sein. Vor 2 Jahren verspürte derselbe heltige Schmerzen in
einem Mahlzahne des rechten Oberkiefers. Ein Arzt auf dem Lande ent¬
fernte den betreffenden Zahn und bemerkte in der Umgebung der
Zahnlücke einen weisslichen Belag, welcher der Schleimhaut an einer i
kleinen umschriebenen Stelle aufsass. Der Kranke beachtete diese
Affection nicht, da dieselbe ihm keine Beschwerden verursachte, be¬
merkte aber, dass in den folgenden Monaten der Process sich auf
die äussere Seite des Oberkiefers ausbreitete. Im October vorigen
Jahres kam er wieder zum Arzte. Die Wucherungen hatten zu
starker Lockerung des noch stehenden rechten oberen Eckzahnes
und zu periostitischen Schmerzen an demselben geführt. Der Zahn
wurde extrahirt und zugleich mit der Scheere Einiges von den
Wucherungen abgetragen. Doch heilte die Extractionswunde nicht
*u; auch wuchsen die Wucherungen nach, so dass der behandelnde
Arzt dem Kranken Rath ertheilte, die Universitäts-Poliklinik auf-
msuchen. Der Befund ist folgender:
Die ganze äussere Wand des rechten Oberkiefers ist besetzt
mit einer weisslich aussehenden Masse, deren oberste Schichte sich
abechaben lässt, deren untere dagegen in Form von langen, pallieaden-
förmig stehenden Fäden tief in's Gewebe reicht. Im Bereiche der
rechten Hälfte des harten Gaumens ist die Schleimhaut stark ge¬
lockert, das submucöse Gewebe entschieden xnfiltrirt. Ziemlich scharf
iat der Process am Alveolarrande des zahnlosen Oberkiefers ab-
geaetzt; nur an einer kleinen Stelle sieht man vom Alveolarrande
noch eine kleine Strasse pilzförmiger Wucherungen in den Ueber-
*ug des harten Gaumens übergeben. Die Extractionswunde stellt ein
für einen Bleistift durchgängiges Loch dar, welches zur stark jauchig
eiternden Oberkieferhöhle führt.
Der Vortragende hält die Affection vorläufig für eine mykotische,
bemerkt aber, dass erst nach genauer bacteriologischer und histo¬
logischer Untersuchung ein bestimmteres Urtheil über die Natur
d° 8 vorliegenden interessanten Falles zu geben ist.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung von 5. März 1896-
Herr He in lein erörtert eingehend die Geschichte, patho¬
logische Anatomie und Symptome der tuberculösen Wirbel*
entzündung im Allgemeinen und der tuberculösen Erkrankung
der oberen Halswirbel im besonderen und theilt anschliessend
vier Krankheitsgeschichten der letzteren Krankheitsspecies mit.
Im ersten Fall handelt es sich um einen 19 jährigen Pinsel¬
macher. Die charakteristischen Erscheinungen gingen nach Anlegen
eines vom Scheitel bis zu den Schultern reichenden Gypsverbandee
nach Stellungscorrection völlig zurück und endigten in Genesung,
welche nunmehr 4 Jahre besteht.
Bei dem Zweiten handelte es sich um einen 34 jährigen Packer.
Dort kam es zur Bildung eines grösseren retropharyngealen Abscesses
mit starker Athemnoth Derselbe wurde nach Burkhard's Methode
von der AuBsenseite des Halses vor den grossen Gefässen eröffnet.
Nach Anfangs günstigem Verlauf kam es in der 4 Woche nach dem
Eingriff unter gleichzeitiger starker Alteration des Allgemeinbefindens
zu Granulationszerfall und in der Folge zur Ausbildung eines etwa
hirsekorngrossen Aneurysma herniosum der Carotis communis mit
drohendem Durchbruch nach Aussen, dem durch doppelte Unter¬
bindung dieses Gefäases und Durchschneidung — auf Wunsch des
Patienten ohne Chloroform — vorgebeugt wurde. Am dritten Tag
nach der Unterbindung stellten sich diffuse Himerscbeinungen ein,
welche wohl unabhängig von letzterem Eingriff waren und auf die
Entwicklung einer Meningealtuberculose bezogen werden mussten.
Nach weiteren 8 Tagen trat der Tod ein Die Section musste auf
Wunsch der Angehörigen unterbleiben.
Auch im dritten und vierten Fall war es zur Bildung eines Retro-
pharyngealabscesses gekommen und zwar waren, was für die all¬
gemeine Aetiologie vielleicht wichtig ist, beide Patienten zuvor an
schwerem Favus der Kopfhaut leidend gewesen, welcher zu völliger
Alopecie geführt hatte. Der dritte Fall hatte eine 43 jährige Lakirers-
frau betroffen. Operation wie in Fall 2, Heilung der Operations¬
wunde in 8 Tagen. Nachdem in der Folge die Schmerzhaftigkeit
bei Drehbewegung des Kopfes nicht verschwunden war, entwickelten
sich nach etwa 4 Monaten Lungenerscheinungen, denen Patientin
nach wenigen Wochen erlag. Leider musste auch hier von der Section
Abstand genommen werden.
Im vierten Fall, bei einem 28 jährigen Schreiner, entwickelten
sich die Erscheinungen sehr acut, dessgleichen der etwa pflaumen¬
grosse Retropharyngealabscess innerhalb 14 Tagen. Derselbe wurde
ebenfalls von der seitlichen äusseren Halseegend aus eröffnet, jedoch
wurde hinter den grossen Halsgefässen in die Tiefe gedrungen. Dabei
fand sich der erreichbare freiliegende Wirbelsäulenabschnitt intact,
soda8B möglicherweise der Ausbildung des Abscesses lediglich eine
Erkrankung der retrovisceralen Lymphdrüsen zu Grunde lag. Es
erfolgte nach 5 Wochen völlige Heilung mit tadelloser Wieder¬
herstellung der Wirbelsäulenfunction.
Herr Barabo stellt einen 12 jährigen Knaben vor, welchem durch
einen aus der Höhe herabgefallenen eisernen Aufzugshaken der
Schädel in einer Länge von 8 cm und einer Breite von 2 cm am
Hinterhaupt eingeschlagen worden war, wobei Hirnsubstanz abfloss.
Nach Entfernung der eingedrückten und untereinander geschobenen
Knochenstücke sowie Glättung der Ränder — die Operation wurde
von Herrn Dr. Hein lein vorgenommen — gingen die bestehenden
schweren Erscheinungen, u A. mit hühnereigrossem Hirnvorfall
complicirt allmählich zurück und ist der Verletzte jetzt völlig geheilt.
Hierauf berichtet Herr Barabo über einen seltenen Fall von
isolirter Lähmung des Nerv, musculocutaneus am linken Arm,
welche sich ein öojähriger Steindrucker durch einen Fall mit der
vorgeslreckten Hand auf eine steinerne Treppe zugezogen hatte
Heilung wurde nach 8 Wochen unter Anwendung des faradischen
Stromes und Massage erzielt.
Sitzung vom 19- März 1896-
Herr Helbing stellt 2 Patienten mit Lues hereditaria
tarda vor.
Bei dem einen, 14 Jahre alt, befinden sich 2 Geschwüre am
harten Gaumen. Aus dem einen derselben, das gegen den weichen
Gaumen zu liegt, stossen sich kleine Kuochenpartikelchen ab.
Der zweite Patient von 19 Jahren weist 3 markstückgrosse
Ulcera an der Rachenwand auf. Letzterer P. hatte vor 5 Jahren
eine Chorioiditis, die auf Jodkali heilte. Bei letzterem Falle war
nachweisbar, dass der Vater an Gehirnlues starb.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 2- Mai 1896.
Neue Serumstatistik. — Der «Fall Langerhans.» —
Der Fastenkünstler Succi. — Riesenwachsthum oder
Akromegalie. — Mykosis fungoides.
Das Leopoldstädter Kinderspital in Wien versendet eben seinen
23- Jahresbericht. Es bat iin Vorjahre mehr als tausend kranke
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I
438
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18-
Kinder verpflegt und über 11 000 Kindern ärztliche Hilfe geboten.
Mir iat es heute um die Serumstatistik, zu thun und ich ent¬
nehme dem Berichte daher bloss die diesbezüglichen Angaben. Die
Sterblichkeit nach Diphtheritis fiel auf 19,8 Proc., gegen 34,9 Proc.
im Vorjahre (1894) und 44,5 Proc. im Jahre 1893- Von den
217 an primärer Diphtheritis erkrankten Kindern wurden 12
ohne Serum und 205 mit Serum behandelt. Von ersteren genasen
9 (leichtere Fälle) und starben 3 (davon 1 sterbend übcrbracht
und intubirt, 1 trachcotomirt). An secundärer Diphtheritis
mit Larynxstenose wurden 12 Kinder durch Intubation behandelt
und 2 davon geheilt. Von den 205 mit Heilserum Behandelten
starben 40 (worunter 9 sterbend Ueberbraehte) = 19,8 Proc.
Wegen Larynxstenose wurden 43 nur intubirt und davon genasen
24 = 55,8 Proc (gegen 38,3 Proc. im Vorjahre und 31,9 Proc.
im Jahre 1893) und 7 wurden zuerst iutubirt und nachträglich
tracheotomirt, wovon 1 genas.
Da von den 43 Gestorbenen 10 sterbend übcrbracht wurden,
schliesst der Berichterstatter, Primarius Pr. Unter hol zu er, mit
folgenden Worten: «Ein Rückblick auf die oben angeführten
Behandlungsresultate bei Diphtheritis zeigt die erfreuliche That-
saehe, dass die Sterblichkeit nach Diphtheritis sehr herabgesunken
ist (um 15,1 Proc. gegen das Vorjahr und um 24,7 Proc. gegen
1893). Sie war in diesem Jahre die weit niedrigste seit dem
Bestände des Spitales. Es ist wohl nicht zweifelhaft, dass daran
die Serumtherapie eine wesentlichen Antheil hat. Die Sterblichkeit
dürfte sieh wohl noch vermindern lassen j wenn nicht so viele
Kinder erst in sehr vorgeschrittenen Stadien der Krankheit zur
Behandlung gebracht würden.»
Der « Fall Langerhans » in Berlin hat, wie ich schon einmal
berichtete, auch hier einen tiefen Eindruck gemacht. Hofrath
v. Widerhofer sah sich darum ebenfalls veranlasst, bei Wieder¬
eröffnung seiner klinischen Vorlesungen darauf hinzuweisen, dass
er zwar über die Todesursache jenes Kindes nichts sagen könne,
dass er aber die Thatsachc feststellen wolle, dass ihm unter den
Hunderten von Schutzimpfungen mit Heilserum bis nun nicht nur
kein einziger Todesfall durch Heilserum untergekommen sei, sondern
überhaupt keine schädlichen Nebenwirkungen zu ver¬
zeichnen waren.
Aus Kalafindesti in der Bukowina schreibt man der « Neuen
freien Presse» : ... Heute, bei Anwendung des Heilserums,
kommt diese erschreckend hohe Sterblichkeit nicht mehr vor. Es
wurde die Beobachtung gemacht, dass kranke Kinder ganz willig
die Injeetion an sich vornehmen lassen, gesunde aber bei der
Schutzimpfung sehr aufgeregt und leichenblass werden. Ein acht¬
jähriger Knabe, welcher sich sehr muthig zeigte, wurde während
der Immunisirung vor Schrecken ohnmächtig. Ein anderer sechs¬
jähriger Knabe verfiel, als er die Spritze mit der Nadel erblickte,
in einen Weinkrampf und der Arzt unterlicss die Injeetion. Man
• kann nun vielleicht die Frage aufw'erfen, ob es nicht möglich ist,
dass das Kind des Professors Langhans vor Schreck gestorben
ist. — Ich muss offen gestehen, der Shock als Todesursache
in einem solchen Falle gefiele mir besser, als die nebulöse
« rhachitisch-lymphatische Constitution », welche jüngst Professor
Pal tauf als Erklärungsgrund für plötzliche Todesfälle bei Kindern
hcranzog.
Bei diesem Anlasse möchte ich noch erwähnen, dass Herr
Professor Pal tauf in einem «Eingesandt» erklärt, dass er
betreffs der Urheberschaft jenes Artikels in der «Presse», gegen
welchen er in der Vorwoche polemisirte, im Irrthum war, dass
er die auf dieselbe hinzielenden Bemerkungen bedaure und voll
und ganz zurücknehme. Der Autor jenes Artikels war also nicht
Hofrath Dräsche, sondern ein anderer «hervorragender medi-
cinischer Fachmann». Warum dieser Fachmann anonym blieb
und warum er eine rein medicinische Sache, über welche wohl
keinem einzigen Laien ein Urtheil zusteht, in einem politischen
Blatte erörterte, das wollen wir nicht weiter untersuchen. Er
mochte wohl auch seine Gründe dafür haben.
Der Fastenkünstler Giovanni Succi hat seine 30tägige
Fasten tour beendet. An Körpergewicht hat er während dieser
Hungerperiode 13,9 kg abgenommen und auch an Körperlänge (!)
hat er, was ein Arzt durch tägliche Messungen constatirt haben
Grösse nicht Abbruch gethan, denn als er sich sofort nach Ein¬
nahme seines ersten Mahles, das aus einer Tasse Bouillon und
einem Beefsteak bestand, in einem grossen Etablissement zur Schau
stellte, rief die tausendstimmige Menge begeistert: « Ewiva Succi!»
— Succi nahm sodann (3 Stunden nach dem ersten Beefsteak) mit
einem den Umständen angemessenen Appetit sein Diner, bestehend
aus zehn Gängen, ein. So berichtet ein ernstes politisches Blatt.
ln Uebereinstimmung mit meinen früheren Bemerkungen über
dieses Fasten-Experiment sprach sich jüngst Professor Stricker
vor seinen Hörern dahin aus, dass die wissenschaftliche Bedeutung
desselben nicht hoch anzuschlagen sei. Die Gewichtsabnahme sei
ja selbstverständlich und die nicht unwesentliche, von einem Arzte
mit dem Sphygmographen gemessene Blutdrucksteigerung weise auf
Anämie der Bauchgcfässe hin, welche eintreten müsse, wenn die
Darmwand keinerlei Nahrungsstoffe resorbire. Im Uebrigen, sagte
Professor Stricker, sei diese Art von forcirten Fasten-Experi¬
menten schon alt, denn die indischen Priester hätten schon vor
langer Zeit selbst viele Wochen hindurch, in der Erde vergraben
und vorher in hypnotischen Schlaf versetzt, gefastet. Was die
humanitäre Seite betreffe, so müsse ein derartiges Schauspiel eben
nur als Spiel, und zwar als ein grausames bezeichnet werden.
Schliesslich muss ich noch berichten, dass Herr Succi, wie
er selbst zugab, nur 25 Tage lang fastete, dass er an diesem
Tage schon ein Beefsteak, Eier, Chocolade und Bouillon zu sich
nahm, was das sog. «Ueberwachungs-Comite» aber nicht wusste.
Ich muss gestehen, dass dieser Umstand, der in politischen Blättern
in ellenlangen Artikeln besprochen wurde, auf das besagte Comit4
selbst ein sonderbares Licht wirft. Die Herren hatten auch allen
Grund, hierüber «entrüstet» zu sein. Dann versteht man es auch,
dass er 5 Tage später schon «10 Gänge» wacker mitmachen konnte.
Der grosse Fastenkünstler hatte sich eben zum Essen trainirt.
Die Mitglieder der Gesellschaft der Aerzte bekamen in ihrer
jüngsten Versammlung etwas Grossartiges zu sehen, ein Riese,
Mr. Wilkins, ein 22jähriger Mann, 245 cm hoch, wurde ihnen
von einem Arzte vorgestellt. Das grösste Riesenskelett im Wiener
anatomischen Museum ist um 20 cm niedriger als Mr. Wilkins.
Leider ist er nicht gut gewachsen, er besitzt eine Skoliose der
Wirbelsäule, ein asymmetrisches Becken, einen knochenharten Tumor
des linken Oberkiefers, eine bedeutende Auftreibung der linken
Stirnhälfte.
Gegen die Behauptung, dass es sich hier um Akromegalie handle,
polemisirtcn sofort die Docenten Sternberg und Schlesinger,
welche diese Diagnose nicht für zulässig erachteten. Man habe
es hier mit wirklichem Riesenwachstlium zu thun. In Dublin
gäbe es ein Skelett, das 259 cm hoch sei, in Petersburg und
London je eines von 254 resp. 249 cm Höhe. Die Akromegalie
gehe mit einer ganzen Reihe von Erscheinungen einher (Grössen¬
zunahme der Weichtheile, Vorragen des Unterkiefers, veränderte
Zahnstellung, Deformitäten von Mund und Nase etc.), welche
sämmtlich im demonstrirten Falle fehlen. Hyperostosen und
Exostosen der Gesichts- und Schädelknochen seien übrigens beim
Riesenwachsthum nichts Seltenes und derlei Veränderungen können
unter Umständen sogar das frühzeitige Ende solcher Riesen herbei¬
führen.
In derselben Sitzung stellte Assistent Dr. Spiegler einen
seltenen Fall von Mycosis fungoides aus der Klinik Professor
Kaposi’s vor. Auf Grundlage eines seit Jahren bestandenen
Ekzema squamosum hatten sich bei dem 77jährigen Mann inner¬
halb einiger Wochen am Körper zahlreiche, bis flachhandgrosse,
erhabene Infiltrate von blasslivider Farbe und teigigem Anfühlen
gebildet. Am rechten Oberarm sitzt eine taubeneigrosso Geschwulst,
einem Paradiesapfel ähnlich, die sich derb-elastisch anfühlt, stellen¬
weise exulcerirt ist. Sonst zahlreiche Kratzeffecte und Ekzem.
Das ist nach Spiegler ein typischer Fall von Mycosis fungoides,
welche Affection von der ihr so ähnlichen Sarkomatosis cutis schwer
zu unterscheiden ist. Es gibt auch zahlreiche Uebergänge der
einen Form in die andere. Die Tumoren und Infiltrate dieser
Mycosis fungoides können wieder innerhalb weniger Tage spontan
oder während eines Fieberanfalls schwinden, wesshalb jeder Ein¬
griff unterlassen wird.
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5. Mai 1896.
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439
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Sociätä de Chirurgie.
Sitzung vom 15. April 1896.
Behandlung der angeborenen Hilftgelenksluzation.
KirmisBon beschreibt die beiden, bekanntlich von Hoffa und
Lorenz eingeführten, blutigen Operationsverfahren und anderer¬
seits die orthopädischen Behandlungsmethoden und kommt bei dem
Vergleiche der Resultate, wobei er die Statistik sowohl der deutschen
wie amerikanischen Chirurgen heranzieht, zu dem Schlüsse, dass bei
sorgsamer Behandlung das orthopädische dem blutigen Verfahren
in den meisten Fällen vorzuziehen sei. Alle Operateure ohne Aus¬
nahme erlebten bei letzterem Todesfälle, welche direct dem chirur¬
gischen Eingriffe zuzuschreiben waren, ferner sehr viele Recidive
und wirklich zufriedenstellende Resultate (Herabsetzung der Ver¬
kürzung auf 1—2 cm, völlige Reduction und Beweglichkeit) nur bei
ca. 20—30 Proc. der Fälle; K. erlebte bei seinen 8 bis 1894 Operirten
2 Todesfälle, 1 Ankylose, 2 Recidive und nur 3 zufriedenstellende
Resultate, seit 1894 operirte er 9 weitere Hüftgelenksluxationen,
will aber wegen der Kürze der Beobachtung bezüglich dieser noch
kein definitives Resultat angeben. Wenn auch in zwei derselben
der Erfolg schliesslich ein sehr guter war (Verkürzung von 1 cn»
und völlige Reduction), so sollte immer erst das mechanische Ver¬
fahren angewendet werden; dasselbe besteht in Immobilisirung und
gleichzeitiger Extension auf die Dauer von 6—8 Monaten, wozu K.
eine spedelle, federnde Hohlschiene construiren liess. Nach dieser
Zeit, wenn eine solide Nearthrose Bich gebildet hat, kann der Patient
in einem Becken und Schenkel, ähnlich wie bei Coxitis, immobili-
sirenden Verband, wozu K. die Körpertheile eng umschliessendes
Leder verwendet, umhergehen. Hat der Schenkelkopf immer wieder
das Beetreben, in die fossa iliaca hinauf zu steigen, so muss die
blutige Methode in Anwendung kommen, bleibt jedoch die Ver¬
kürzung auf 2 cm und hat sich eine feste Nearthrose gebildet, so
kann man mit dem Erfolg zufrieden sein; es besteht also kein
Gegensatz zwischen beiden Methoden, sondern sie ergänzen sich
gegenseitig Bei Kindern bis zu 2 Jahren ist, wenn überhaupt ein
Erfolg möglich, derselbe nur durch das orthopädische Verfahren zu
erzielen, wie K. aus der Statistik der gesammelten Fälle und seinen
Erfahrungen (über 100 orthopädisch, 16 durch blutige Operationen
behandelte Fälle) zu scbliessen sich für berechtigt hält; ebenso ist
die Reduction durch das Operationsverfahren nach dem 14. Lebens¬
jahre nicht mehr möglich. In diesen Fällen, wo eine so ausgeprägte
Flexion und Adduction vorhanden war, dass die Kniee während
des Ganges sich kreuzten, wandte Kirmisson die Osteotomia sub-
trochanterica an und es gelang ihm einmal, die fehlerhafte Stellung
mit sehr gutem Erfolg zu corrigiren.
Guinard zeigt einen Fremdkörper (Nadel von 3 mm Länge),
welchen er nach Anwendung der Photographie mit Röntgen-
Strahlen glücklich aus einem Finger entfernen konnte. St.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Die Lehre vom 8permin erörtert Bubis in einer zusammen¬
fassenden Arbeit (Therapeut. Monatshefte 96, 1 und 2). Dieselbe
lässt sich mit kurzen Worten folgendermassen wiedergeben: Das
Spennin ist ein im normalen Organismus kreisendes Element, das
denselben vor dem Ausbruch der ihn fortwährend bedrohenden
Autointoxicationen schützt und mithin einen Tbeil der vis medicatrix
natorae bildet. Zugleich ist das 8permin ein beachtenswerther thera¬
peutischer Factor, der den Organismus in seinem Kampfe gegen
die schon bestehenden Autointoxicationen unterstützen kann.
Bei mehr als 250 Fällen von verschiedenen Krankheiten hat
es sich fast immer als ein gutes Tonicum bewährt Am auffälligsten
ist Beine Wirkung bei Nervenkrankheiten, sehr gut auch bei Con-
atitutionskrankheiten, Cachexien und Chloroformintoxicationen. Ueber-
haupt wirkt es bei allen Krankheiten, die sich durch herabgesetzte
Oxydationsenergie und verminderte Blutalkalescenz auszeichuen. Die
letztere muss gleichzeitig künstlich durch Verabreichung alkalischer
Mineralwässer gehoben werden.
Man giebt das Spermin entweder per os oder subcutan. Zum
innerlichen Gebrauch empfiehlt Poehl die Essentia spermini Poehl
(4 proc. alkoholische Lösung von dem Doppelsalz des salzsauren
8permin mit Na CI.), täglich 2—3 mal 20—30 Tropfen. Für die sub-
cutane Injection ist das 8perminum Poehl in 2 proc. sterilisirter
Lösung in Glasampullen eingeechmolzen. Im Anfänge wird täglich
eine Injection gemacht, später, je nach dem Verlauf, in grösseren
»der geringeren Intervallen. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 6. Mai. Das b. Staatsministerium des Innern für
Kirchen- und Schulangelegenheiten hat bezüglich des Prakticirens
von Medicinstudirenden an den Universitäts-Kliniken nach¬
stehende verschärfte Bestimmungen erlassen: 1. das Prakticiren an
den Kliniken und Polikliniken ist erst nach vollständiger A b -
«olvirung der ärztlichen Vorprüfung gestattet. Studirende,
welche diese Voraussetzung nicht erfüllen, können von dem Klinik-
vorstand zurückgewiesen werden; auch kann denselben der Prak-
ucantenscheln versagt werden. 2. Die Anmeldung zum Prakti¬
ciren hat jeder Candidat durch eigenhändige Eintragung seines
Namens in die Prakticantenliste, und zwar innerhalb der ersten vier
Wochen des Semesters, zu bethätigen. 8pätere Anmeldungen können
eine Berücksichtigung nur in dringenden Fällen finden. 3. Prakti-
canten, welche wiederholt beim Aufruf zum Prakticiren in der
Klinik, ohne entschuldigt zu sein, fehlen, können auf Er-
theilung eines Prakticantenscheins nicht rechnen. 4. Stu¬
dirende, welche ihre Nan.en von den Prakticantenlisten der Kliniken,
Polikliniken und Cureen wieder zurückzuziehen veranlasst sind, haben
um diese Aenderung innerhalb der ersten 4 Wochen des Semesters
bei dem betreffenden Lehrer nachzusuchen. Spätere Anträge können
nicht berücksichtigt werden. 5. Die Uebernahme der Function eines
Coassistenten an den Kliniken und Polikliniken vor dem
7. Semester ist in der Regel nicht zulässig.
— Am 27. und 29 April fand die Berathung der Aerzte-
kammer für Berl i n-B randen b u rg. über den Gesetzentwurf, be¬
treffend die Einsetzung von staatlichen Ehrengerichten für Aerzte,
statt. Das Ergebnisa der Berathung war, dass die Kammer mit :<2
gegen 12 Stimmen sich für die Einführung staatlicher Ehrengerichte
aussprach, mit dem Vorbehalt, dass die vou der Kammer vorge¬
schlagenen Aenderungen des Entwurfs von der Regierung ange¬
nommen werden. Auf Antrag von Dr. Mugdan wurde ferner die
Einsetzung einer Commission zur Bearbeitung einer Denkschrift
Uber die zeitige Lage des ärztlichen Standes in Preussen
beschlossen. Von sonstigen preussischen Aerztekammern haben
ausser den schon in voriger Nummer genannten dem Entwurf im
Princip zugestimmt die Kammern von Pommern Hessen-Nassau,
Provinz Sachsen. Ein principiell ablehnendes Votum ist bisher von
keiner Kammer bekannt geworden. Die von allen Kammern in
grosser Zahl gestellien Abänderungsvorschläge bieten ein buntes
Bild und beweisen de., Mangel einer vorherigen Verständigung,
welche z. B. den bayerischen Aerztekammern die wirkungsvolle
Geschlossenheit ihres Auftretens verleiht. Häutiger wiederkehrende
Wünsche betreffen; Einbeziehung der beamteten Aerzte und Sanitäts
Offiziere in die Zuständigkeit der Ehrengerichte; Streichung der
Worte «und ausserhalb desselben» im § 14; Ertbeilung einer lediglich
berathenden Stimme an das richterliche Mitglied des Ehrengerichts, j
— Auf die Tagesordnung der gegenwärtigen Kammersession
hat die italienische Regierung einen Gesetzvorschlag zur Berathung
gestellt, demzufolge der Handverkauf der Chininsalze von
der kgl Regie übernommen und dadurch der Pieis des Chinins,
welcher jetzt in den Apotheken 60—100 cts. betrügt, auf etwa '/io
ermässigt werden soll. Von welcher sanitären Bedeutung dies
Gesetz sein würde, zeigt ein Hinweis auf die Statistik, laut welcher
Malaria in 63 Provinzen Italiens vorkoimnt, 16 000 Menschen all¬
jährlich an der Krankheit zu Grunde gehen und über eine Million
daran leiden. Dabei sind über 3000 Gemeinden ohne Apotheke.
Alle von ärztlicher und privater Seite gemachten Versuche Chinin
durch Masseneinkäufe aus den Fabriken der armen Bevölkerung
durch billigere Abgabe oder geschenkweise zugänglich zu machen,
wurden bisher jedesmal von den Apotheker-Vereinen mit allen mög¬
lichen gesetzlichen und agitatorischen Repressalien bekämpft. Kommt
das neue Gesetz zur Annahme, wie es wohl zweifellos und in
humanitärer wie sanitärer Hinsicht im höchsten Grade wünschens-
werth ist, so wird man künftig in jeder kgl. Regie-Niederlage, wie
sie zum Zwecke des Verkaufs von Tabak, Salz, Postmarken u. s. w.
auch in den kleinsten und abgelegensten Orten sich finden, Chinin
in genau dosirt**r Tabletten- oder Pastillenform jederzeit ohne weiteres
billig erhalten können.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 16. Jahreswoche, vom 12. bis 18. April ln96, die grösste Sterb¬
lichkeit Bonn mit 32,3, die geringste Sterblichkeit Offeubach mit
5.1 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Melir als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Darmstadt und Königsberg; an
Diphtherie und Croup in Bromberg, Dessau, Gera, Harburg, Spandau.
— Das Organisationscomitä des XII. internationalen medicin.
Congresses in Moskau hat, einem mehrfach geäusserten Wunsche
der medicinischen Fachpresse entsprechend, beschlossen, die englische
Sprache unter die officiellen Congresssprachen aufzunehmen. Eben¬
so wurden für eine, glücklicherweise beschränkte, Zahl von Special¬
fächern besondere Sectionen errichtet.
(Universitätsnachrichten) Berlin. Professor Aug Lucae
feierte am 4. ds. sein 25 jähriges Professoren-Jubiläum. — Freibarg. An
Stelle von Professor Wiedersheim, dessen Gesundheit der Schonung
bedarf, wird im laufenden Semester der ausserord. Professor K e i b e 1
die Vorlesungen über Anatomie abhalten. — Halle a. 8. Der bisherige
ausserordentliche Professor in der medicinischen Facultät der Uni¬
versität Halle a. 8. und Director der Ohrenklinik und Poliklinik dort.
Geheime Medicinalrath Dr. Schwartze, ist zum ordentlichen Honorar¬
professor in derselben Facultät ernannt worden; zum Rector der
Universität für das Studienjahr 1896/97 ist Professor der Histologie
und pathologischen Anatomie Dr. Eberth gewählt — Marburg. Zur
Vertretung des beurlaubten Professors Behring wurde für das
Sommersemester Stabsarzt Dr. Wer nicke, Lehrer an der Kaiser-
Wilhelm-Academie in Berlin, berufen.
Budapest. Den Professoren Arpäd und Johann Bökay wurde
der ungarische Adel verliehen. — Toulouse. Zu Professoren wurden
ernannt: Dr. Pdnifcres für Allgemeine Chirurgie, Dr. Rdmond
für Psychiatrie, Dr. 8aint Ange für Therapie, Dr. Broemer fOr
Arzneimittellehre.
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Münchener me picinische Woch enschrift.
No. 18-
Amtlicher Erlass. -
i Jahresberichte der öffentlichen Untersuchungs
Bekannt r. C .Üe„ fd/thi- Genussmittel bet,.
Kgl. Staatsministerium des. Innern. Z
-Ä- e "u,Äet .
tgtSg' d?°' twiti tler Unteraiicbiings.nBt.lten .ich ge-
sichert haben. , . wünschen dass dieser Anschluss
thnniÄS :*DÄÄ - eine Ver.ni.asung
dazu wohl überall gegeben ist.
V ° rge 3) e ^Giftfg??';rtat&hrMt°Bicb m itSchw.Mur»C-.^
iS=«sss=
ßedacht zu^nehmem der commis8 ionellen Lebensmittel-
controle und namentlich Beanstandungen Seitens der Untersuchungs.
o.I hL an die einschlägigen Districtspohzeibehörden zur Kenntniss
SÄ trat it »S. Mittbeilungen geeignete Be.chtung an-
zusichern. n u ün8tigen Einflüssen, die nach gemachter Erfahrung
da und dort^us Anlass von Beanstandungen gegen die Untersuchungs-
amSlten zu Tage treten sollten, ist in gemessenerWe.se entgegen-
zuwirken^ach . gt da8 Weitere zu verfügen.
München, den 25. April 1896.
(gez.) Frhr. v. FeiÜtzsch
Der Generalseeretär:
von Koppletätter, Ministemlrath.
Die Geschäfte der öffentlichen Unterauel.ui.gs-An¬
stalten für Nahrungs- und Genussmittel für das Jahr ib9o.
Uebersicht 1.
Uebersicht II.
Untersuchungsgegenstände 1g g
(Proben) _f “ _
___ Ol U'C
Zahl Bezeichnung_ N - _
A. Nahrungs- und
Genussmittel und
Gebrauchsgegen¬
stände.
1-297 Bier . . . . • • • ■
186 Branntwein und Likör -w
812 Brod . . ■ ■ • •
340 Cacao, Chocolade . .
325 Conserven.‘■01
1218 Essig.• ■ - U1
625 Fabrikate aus Mehl
und Zucker ... I
1095 Farben J"
1901 Fette(Bntt.,Scbmalzetc.) 3U9
100 Fruchtsäfte u Limon. 38
1087 Gebrauchsgegenstände 2.0
6931 Gewürze. 408
8 Hefe .... • ■
lu4 Honig. ”
163 Käse.. - ’
U ntersuchungsgegenstäm le
(Proben)
Zahl Bezeichnung
2lKft Kaffee,Kaffeesurrogate, 679
1622! Kochgeschirre .
1083 Mehl.
1071 Metallgerätlie
2106 Milch und Kahm
26 Mineralwasser
211 Obstwein. 4
641 Petroleum. 19
34 Speiseöl. 6
92 Tliee. 4
1394 Wasser .625
971 Wein, Most .... 166
3324 Wurst- und Fleisch-
waaren.492
205 Zucker und Syrup . 13
1008 Sonstige Gege nstände 127
81431 Summa A 5213
B. Technische
Analysen.
30 Laktodensimeter . . -
361 Leuchtgas ■•••,- ~
273 Sonstige Gege nstände o4
ÖpT Summe B | 54
008 Zusammenstellung.
2S5 31434i Summe A j 5213
173 664 Su mme BI 54
— düüäsl Gcsammtsuraine | o267
Untersuchungs-1
gegenstände
(Proben).
| llezeichnung des Aul
iraggebei8
Zahl der
Bean¬
standungen
1. Königliche Untersochnngsaustalten.
a) Erlangen.
0869 | 9815 |2070 = 19,0°/o| 30 | 10622 | 217 | 77 | — |
b) München.
4663 | 1433812336 = 15,9°/o| 29 | 14132 | 502 | 112 116 |
c) Würzburg.
2957 | 1632 1483= 16,3°/o | 6 | 2744 | 207 | 21 | — |
II. Gemeindliche Untersuchungsanstalten.
d) Nürnberg.
1608 | 1329 | 150 = 9,3°/o| 27 | 1412 | 169 | 57 ! — |
e) Fürth.
734 | 703 | 69= 9,4°/o | 14 | 675 | 45 J 6 | —|
III. Kreis-Untersucliungsanstalt
f) Speyer.
1267 | 1129 1159 = 12,5°/o 39 1 315 j 713 | 26 | 1
32098 12914615267= 16,4 u /o 145 30100 1853 299 17
Im Vorjahre: (19,7°/o) (193)
(69) (1389)
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. W. Sebastian zu Altenglan|Und DrKönig
“ ^udw^Ri^c^ "von^utteretodt Mch Kaders-
“ÄÄ ÄÄ ÄÄ
Stabsarzt Dr. Joseph Mulzer (Regensburg); - v0 > 1 II. III. J r L , a ^ i
II Aufgebots dem Stabsarzt Dr. Joseph Schlissleder Wasser,
bürg) und dem Assistenzarzt I. Classe Dr. Ferdman
(Nürnberg)^ rb en ^ ^ Ann ^ 83 Jahre alt, prakt Arzt^zu
Kleinrinderfeld; Assistenzarzt II. Classe der Reserve ne r,
(Hof) am 21. Dezember zu Danzig; Dr. Christian üerg
k. Oberstabs- und Regimentsarzt im k. 2. Chev.-Keg.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 17 Jahreswoche vom 19. bis 25. April 1896.
Betheil. Aerzte400 - Brechdurchfall 11(14*),Diphtherie, Croup
43 (48), Erysipelas 31 (28), Interm.ttens, Neurina ijg m.*
Kindbettfieber 3 (4), Meningitis cerebrospin. (o), MorD
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 3 >8), Parotitis epidemicaK) 9h
Pneumonia crouposa 21(22), Pyaemie, öepticaemie <, \ (33),
tismus art. ac. 50 (39), Ruhr (dysentena) - (D, ^“" a S en6 (16),
Tussis convulsiva 25(24), Typhus abdominalis - (5). Vancelgn t
Variola, Variolois - (-). Summa 250 (277). Medic.nalrath Dr. A
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 17. Jahreswoche vom 19. bis 25. April 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern 3 (1*), Scharlach — (—),
und Croup 7 (8), Rothlauf 2 (-), Kindbettfieber — (-). “ _
giftuug (Pyämie) 1 (—), Brechdurchfall 3 (1), ^Jo'^LÄuber-
(_), Keuchhusten 1 (5), Croupöse Lungenentzündung ö ( ),
culose a) der Lungen 31 (33), b) der übrigen Organe<(j), }
Gelenkrheumatismus 1(1), andere übertragbare Krankheite n
Unglücksfälle - (—), Selbstmord 3 (-), Tod durch fremde
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 190 (192), für
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,ü " fflr
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung lb,l n > >
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13,5 (15,3).
)) i) U.-V. = Abkürzung für Unteroffiziers -Vor schüle r.
| | | ' 1 | v—^ 1 v-' 1 ) °
Verlag von J F. Lehman» uTmumIi«. - Druck der & Mühl th.l.r'.chM k. Hof-Buchdruokerel ln München.
Diqitized bv LjOOQ IC
Die Münchener Medlcln. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens'2Vs—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 Jt , praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer GO „J.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresslren: Für die Eedactlon
Ottostrosse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promensdeplmz lfi
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Heraüsgegeben von
Ch. Biumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. t. Heineke, 6. Merkel, J.!. Michel, H. ?. Ranke, F. r. Wlnckel, H. t. ZIemssen,
Freiburg 1. B. München.
Leipzig.
Berlin.
Erlangen.
Nürnberg. Würzburg.
München.
München.
München.
M 19. 12. Mai 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Zum Andenken an Edward Jenner.
Von Dr. L. Stumpf , k. Centraliuipfarzt.
Wir stehen am Vorabend eines Gedächtnisstages, der für die
ganze menschliche Gesellschaft e|>ocheiuachend gewesen ist. Am
14. Mai 1896 sind 100 Jahre seit der ersten durch den engli¬
schen Arzt Edward Jenner vollzogenen Kuhpockenimpfung ver¬
flossen. Ueberall, wo der Sinn für die Geschichte vergangener
Zeiten noch nicht untergegangen ist in dem rastlosen Vorwärts¬
stürmen der Gegenwart, gedenkt man in diesen Tagen jener grossen,
erlösenden That. Insbesondere aber ziemt es sich an diesem denk¬
würdigen Tage für die Mitglieder des ärztlichen Standes, stille zu
stehen und einen Rückblick zu werfen auf das vergangene Jahr¬
hundert und seine schreckliche Pockennoth.
Wer die Seuchengeschichte des vergangenen Jahrhunderts be¬
trachtet, dem drängt sich vor allen anderen Seuchen die Blattern-
seuche auf. Sie nahm in Bezug auf Verderblichkeit allüberall
auf der bewohnten Erde die erste Stelle ein. Im Durchschnitt
tödteten die Blattern — hierin stimmen alle Rechner überein —
mindestens 10 von 100 Erkrankten. Dabei war das Morbiditäts-
verhältniss ein ganz Erschreckendes. Das damals gebräuchliche
Wort:.«Von Pocken und Liebe bleiben nur Wenige frei», gibt
der Unwahrscheinlichkeit, der Blatternkrankheit zu entgehen, den
prägnantesten Ausdruck. Bei der flüchtigen Natur des Blattern-
contagiums und bei dem constantcn gleichzeitigen Vorhandensein
einer Anzahl von Blatternkranken muss die grosse Verbreitung
der Krankheit ja selbstverständlich erscheinen. Ihr Einbruch in
Europa ist verhältnissmässig spät erfolgt; denn weiter zurück als
bis in’s 6. Jahrhundert, also bis in den Anfang des Mittelalters,
lässt sich ihre Existenz in unserem Erdtheile durch unanfechtbare
Beweise nicht stützen. Nach einem nicht zu hoch gegriffenen
Durchschnitt fielen den Pocken in Deutschland alljährlich 72 000,
in Europa etwa 400 000 Menschen zum Opfer, und seit jener
Zeit, da sie in Europa heimisch geworden sind, ist der Menschen¬
verlust durch die Blatternseuche sicherlich auf nicht weniger als
150 Millionen zu bezifFern. Diese furchtbare Thatsache voraus¬
geschickt, muss es begreiflich erscheinen, dass die Menschheit die
verzweifeltsten Anstrengungen machte, der allgemeinen Gefahr
wirksam zu begegnen. So verfiel man auf die künstliche Inoeula-
tion der genuinen Menscbenblattern. Man inficirte sich künstlich
mit Blatterneiter, um damit eine leichtere Erkrankung an den
Blattern zu erzielen, oder sucht« sieh bei leicht Erkrankten an¬
zustecken, in der nicht selten trügerischen Hoffnung, dann selbst
nur unbedeutend zu erkranken, und für die Erlaubniss, sich von
einem Blatternkranken anstecken zu lassen, wurde thatsächlich viel¬
fach Geld bezahlt. Die erste Kenntniss von der Inoculation der
Blattern ist im Anfänge des vorigen Jahrhunderts durch einen
griechischen Arzt nach England gekommen. Einige Jahre nach¬
her langte dortselbst der bekannte Reisebrief der Gattin des
englischen Gesandten bei der Pforte, Lady Montague, an, welche
in Con8tantinopel die Methode der prophylaktischen Inoculation
der Blattern kennen gelernt hatte. 7 zum Tode verurtheilte Ver¬
brecher waren in England die ersten Vcrsuchsobjectc für die Ein-
No. 19.
impfung der Blattern, und als dieselben die künstlich übertragene
Krankheit leicht und ohne bleibenden Schaden überstanden und
sich daun im Verkehre mit Blatternkranken immun zeigten, war
der Boden für die neue Methode geebnet. Die englische Königs¬
familie ging muthig voran mit der Einimpfung der Blattern und
ihrem Beispiele folgten Tausende, darunter auch die Kaiserin
Catharina von Russland und der Grossfürstthronfolger. Wenn nun
auch eine Anzahl von Aerzten, wie die beiden Saitton, Dims-
dale, Gatti, Hufeland, Hofmann und Andere, sich mit
ihren glücklichen Inoculationseuren, welche sich zu einer förmlichen
gewinnbringenden Spocialität ausbildcten, einen grossen Ruf grün¬
deten, so konnte doch die Methode, sieh durch die Inoculation
von Blatterneiter immun gegen die Blattern zu machen, nur als
ein Mittel gelten, das Notli und Verzweiflung aufzwang, denn es
kostete noch immer 1—2 Proc. Verlust. Als jedoch die in-
oculirten Blattern nicht selten zu Ansteckungsherden für die
genuinen Blattern wurden, als sich ferner mehr und mehr auch
die Regierungen gegen die zweischneidige Massregel der Blattern-
inoculation wandten — an einzelnen Gegnern hatte es der Vario-
lation von ihren ersten Anfängen an nicht gefehlt — wurde der
Zudrang zum «Blatternkaufen» und «Blatternbeizen» immer ge¬
ringer. Die Menschheit schien rettungslos wieder den Blattern
preisgegeben zu sein, welche, unbeirrt durch die noch da und dort
geübte Variolation, ihren mörderischen, opferreichen Weg durch
die Länder Europas ging.
In dieser Noth erstand endlich der geängstigten und ge¬
fährdeten menschlichen Gesellschaft der Retter in der Person des
englischen Wundarztes Edward Jenner. Als Lieblingsschüler
John H u n t e r ' s an naturwissenschaftliches Beobachten und Denken
gewöhnt, war Jenner der rechte Mann, den in jener Zeit viel¬
fach geübten Schutzimpfungen gegen Rinderpest, Schafpocken,
Druse der Pferde, Staupe der Hunde, die wichtigste und folgen¬
reichste Impfung, jene der Menschen mit Kuhi>ockenstoff zum
Schutze gegen das Variolagift anzureihen und dem traditionellen
Glauben, welcher schon lange vorher im Volke fortgelebt hatte,
dass derjenige, welcher sich mit Kuhpockenstoff ansteckte, gegen
die wahren Blattern gefeit sei, auf experimentellem Wege zum
Siege zu verhelfen. Nicht blindlings und von ungefähr also wurde
die neue Errungenschaft ertappt, sondern vorbedacht und ziel¬
bewusst nahm Jenner die erste Impfung mit Vaccine vor und
erhärtete den dadurch erzielten Schutz des geimpften Menschen
durch die nachträglich erfolgte Inoculation der echten Blattern.
Es war am 14- Mai des Jahres 1796, als Jenner zu
Berkeley in Glouccstershire, wo er seit dem Jahre 1772 als
Wundarzt niedergelassen war, einen kräftigen, blühenden 8 jährigen
Knaben, Namens James Phipps, durch zwei feine, halbzolllange
Einschnitte in die Haut mit dem von der Viehmagd Sarah Nel-
mes entnommenen Inhalte einer Kuhpockenpustel impfte, welche
dieses Mädchen an einer durch einen Dorn zugezogenen Verletzung
der Hand erworben hatte. Die Controlimpfung des geimpften
l
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442
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
Knaben James Pbipps zur Bekräftigung seiner durch die Kuh¬
pockenimpfung erlangten Immunität gegen Blatternerkrankung
wurde am 21. Juli 1796 mit Blatterneiter vorgenommen. Der
nächste Schritt war der durch eine Reihe von Impfexperimenten,
welche jener ersten Impfung folgten, von Jenner geführte Be¬
weis, dass es möglich sei, die Vaccine durch verschiedene Genera¬
tionen von Kindern unter Erhaltung der dem Kuhpockenstoffe
zukommenden biologischen Eigenart fortzupflanzen. Damit war
der Grund gelegt zur Einführung der humanisirtcu Vaccine als
Schutzmittel gegen die Blatternansteckung.
Seit Jahren hatte sich Jenner mit der Frage beschäftigt,
wie das Blatternübel wirksam zu bekämpfen wäre. Bei jedem
Anlässe kam er immer wieder auf diese Frage zurück; bei allen
Zusammenkünften mit seinen Standesgenossen brachte er seine
Gedanken und Beobachtungen zur Sprache, so dass jene, der
immerwährenden Wiederholung des Gegenstandes müde, ihm scherz¬
weise drohten, ihn aus ihrem Vereine auszusch Hessen, wenn er
fortfahren würde, sie mit einer so aussichtslosen Sache zu be¬
helligen. 2 Jahre nach der obenerwähnten ersten Impfung, und
nachdem noch eine Reihe von Impfexperimenten vorausgegangen
war, erschien dann — am 21- Juni 1798 — die erste Schrift
J e n n e r ’ s 1 ). Kr führte darin aus, dass der Ursprung der Kuh-
pocken mit Wahrscheinlichkeit in der Pferdemauke — grease —
zu suchen sei, einer eiterigen Entzündung und Geschwulst an den
Beinen der Pferde, woraus eine Materie von ganz besonderen Eigen¬
schaften entstellt.
'-.Wenn nun ein Knecht uni die Füssc der Pferde,
die an der Mauke leiden, Umschläge legt und nachher
nicht sorgfältig seine Hände reinigt, so theilt er den
Kühen beim Melken die Partikeln der ansteckenden Materie,
die an seinen Fingern kleben bleiben, mit. Ist dieses
der Fall, so theilt sich meistentheils den Kühen eine
Krankheit mit und von den Kühen wieder den Milch¬
mädchen, welche sich dann über die ganze Meierei ver¬
breitet, bis endlich das meiste Vieh und die meisten
Dienstlcute ihre unangenehmen Folgen empfinden. Diese
Krankheit hat den Namen Kuhpocken>..
Der ersten »Schrift Jenner’s, aus welcher wir den wich¬
tigsten Satz nach der Uebersctzung von C. F. Ballhorn wort¬
getreu wiedergeben zu sollen glaubten, waren 4 Abbildungen von
auf einer Iland und drei Oberarmen sitzenden Pocken beigegeben.
So war denn nun der Grund gelegt zur Umzüchtung der
verderblichen Variola vera zur unschädlichen Varietät Vaccine.
Es konnte nicht ausbleiben, dass die Jenner’ sehen Schlüsse
mancherlei Widerspruch hervorriefen. Wir wollen nicht sprechen
von dem einfältigen Einwande, dass durch die Uebertragung einer
Krankheit auf den Menschen dieser zum Vieh herabgewürdigt
würde und seine Natur die Natur des Viehes annehmen könnte.
Es gab ja zu Jenner’s Zeit und gibt auch heute noch keine
Gegenrede, die zu einfältig und haltlos ist, um nicht als Waffe
gegen die Schutzpockenimpfung gegen Blattern Verwendung zu
finden. Jene Einwände, welche einer Erwägung und Wider¬
legung wirklich werth waren, hat sich Jenner im Laufe seiner
Thätigkeit mit grösster Unbefangenheit und Klarheit selbst vor¬
gelegt, so insbesondere die im Verlaufe der Schutzpockenimpfung
manchmal auftretenden Gesundheitsstörungen, welche er in richtiger
Weise als nicht von der ersten Wirkung des Kuhpockengiftes
herrührend, sondern als secundäre, aceidenteile Krankheit erklärte.
Allen Einwänden gegenüber hat jedoch die Je n n er ’sehe Schutz¬
impfung siegreich standgehalten. Am Eindringlichsten und Iüber¬
zeugendsten wirkte jedocli unter den Zeitgenossen der an ein
Wunder grenzende Erfolg der neuen Impfmethode. Die Kunde
von der Jenner' schon Schutzimpfung flog schnell durch alle
Länder, den Anbruch besserer Tage verkündend, und die Re¬
gierungenbeeilten sich mit wenigen Ausnahmen, die Jenner'sehe
Erfindung innerhalb der Landesgrenzen zu verbreiten und geeigneten
Bestimmungen über die Durchimpfung der Bevölkerung Gesetzes¬
kraft zu geben. Im deutschen Reiche gewann die Vaccination
zuerst in dem mit England eng verbundenen Hannover Boden.
Unter den ersten Staaten, welche die Impfung gesetzlich regelten,
*) An Inquiry into tbe causes and effecta of the variolae
vaccinae etc. by Edw. Jenner. London 1798.
befand sich unser engeres Vaterland Bayern, in welchem am
26- August 1807 ein strenges und vorzügliches Impfgesetz
erlassen wurde. Der segensreiche Erfolg von allen diesen Maass-
rcgeln Hess nicht lange auf sich warten. Es geschah das Un¬
glaubliche, dass die Pockenseuche innerhalb weniger Jahre aus
Europa verschwand, und dieses plötzliche Erlöschen der furcht¬
baren Seuche fiel in eine Zeit, in welcher durch Jahre hindurch
beständiger Krieg mit allen seinen Schrecken die Länder Europa’s
durchtobte, überallhin Arrnuth, Noth und Elend brachte.
Um der geschichtlichen Darstellung der Schutzpockenimpfung
gerecht zu werden , müssen wir noch der Thatsaehe Erwähnung
thun, dass Jenner nicht der Erste war, welcher Impfungen mit
Kuhpockeustoff vorgenommen hat. Im Jahre 1744 impfte der
Farmer B. Jesty seine Frau und 2 Kinder von einer an Pocken
erkrankten Frau. In Deutschland impfte der Schullehrer Plett
in Schönweide (Holstein) im Jahre 1791 3 Kinder des Pächters
Martini mit Kuhpockengift. Diese 3 Kinder blieben von den
Blattern verschont, als ihre Geschwister 3 Jahre später schwer
daran erkrankten. Von weiteren Impfungen Plctt’s ist Nichts
bekannt geworden. Vielleicht bat er weitere Versuche desshalb
unterlassen, weil eines der von ihm an den Fingern geimpften
Kinder eine heftige Entzündung am Arme bekam. Auch in Frank¬
reich ist nach dem Berichte von Husson schon vor Jenner
mit Kuhpockenstoff geimpft worden. Alle diese den Jenner¬
sehen Impfungen vorausgegangenen sporadischen Schutzimpfungen
können übrigens Jcnner's unsterbliches Verdienst nicht schmälern.
Zielbewusst und mit Vorbedacht und gerüstet gegen alle Ein¬
wände der Gegner, trat er mit seiner Impfuug in die Oeffent-
lichkeit, und mit der von ihm zuerst in richtiger Deutung
bewiesenen Absehwächung der Variola hurnana zur Vaccine und
dem die Immunität nachträglich haarklar beweisenden Experimente
der Controlimpfung ist er ein würdiger Vorgänger eines Pasteur,
Koch und Anderer geworden, die unser Jahrhundert mit Stolz
die Seinen nennt. Jenner’s Verdienst wird nicht verkleinert
durch den Umstand, dass manche Frage in der Lehre der Kuh-
pockenimpfung, so vor Allem jene von der Dauer der durch die
Schutzimpfung erworbenen Immunität, noch der Lösung harrte.
Es erübrigt uns noch zu eonstatiren, dass die Anerkennung,
welche der einfache und bescheidene Wundarzt von Berkeley im
Laufe seines Lebens fand, am Besten den Enthusiasmus kenn¬
zeichnet, denn seine Schutzpoekenimpfung allüberall erregte. Eine
Marmorstatuc in der Kathedrale zu Gloucester, eine sitzende
Statue in Bronee in Trafalgar Square in London und eine Statue
in Boulogne s/iu., ferner 28 Portraits, mehrere Statuetten und
8 Personalmedaillen Jenner’s, eine grosse Anzahl von Ehren
Diplomen, Bürgerbriefen, Dankadressen, kostbare Geschenke, 2 durch
Parlamentsbeseblüsse votirte Nationaldotatioueu von 10 000 und
20 000 Pfund sind der äussere Ausdruck der Dankbarkeit seiner
von Blatternnoth und Blatterngefahr befreiten Zeitgenossen gewesen.
Was seinen äusseren Lebensgang betrifft, so ist Edward
J e n n e r als der dritte Sohn des Predigers Stephan Jenner am
17. Mai 1749 zu Berkeley in Gloucestorshire geboren. Nachdem
er vom 8- Lebensjahre an in Wotton-under-Edge und in Oiren-
cester zur Schule gegangen war, kam er 1768 zu einem Apo¬
theker-Chirurgen in Sudbury in die Lehre. 1770 wurde Jenner
Schüler von John Hunter in London, der ihm zeitlebens freund¬
schaftlich zugethan blieb und bestimmend für seine Ausbildung
geworden ist. Das Anerbieten, den Welt um Segler J. Cook auf
seiner zweiten Reise zu begleiten, lehnte er zwar ab, entledigte
sich jedoch des Auftrages, die von Cook’s Reisen stammenden
wissenschaftlichen Sammlungen zu ordnen, in gewissenhaftester und
zufriedenstellendster Weise. 1772 Hess sich Jenner in seiner
Heimath Berkeley, einem Marktflecken von etwa 800 Einwohnern,
als Wundarzt dauernd nieder. Im Jahre 1788 verheirathete er
sich mit Cath. Kingcote und wurde ein Jahr später Vater eines
Sohnes, der den Namen Edward erhielt. 1792 erwarb Jenner
die medicinische Doctorwürdc des St. Andrews-College in Schott¬
land. In die Jahre 1798—1801 fielen 6 Reisen nach London,
wobei er — auf seiner vierten Reise — dem König und der
Königin vorgestellt wurde. 1800 inoculirte Jenner seinen jüngsten,
bereits erfolglos vaccinirten Sohn wegen drohender Blatterngefabr,
und weil er Vaccine nicht beschaffen konnte, mit Variola. Im
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12. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
443
Jahre 1823 starb Jenner, 74 Jahre alt, in seiner Heimat!) zu
Berkeley, ohne grosse Glücksgüter zu Unterlassen, an Apoplexie.
Es dürfte von Interesse sein, zum Schlüsse noch kurz die
chronologische Reihenfolge von J c n n e r’s grundlegenden Experi¬
menten wiederzugeben. Wir folgen hier im Wesentlichen der Dar¬
stellung unseres verdienten Forschers L. Pfeiffer*) in Weimar.
Im Jahre 1708 wurde Jenner, als er in Sudbury in der Lehre
stand, zum ersten Male durch eine Bäuerin auf die Schutzkraft
der Vaccine gegen Variola aufmerksam gemacht. Mit seiner dauern¬
den Niederlassung in Berkeley im Jahre 1772 nahm das Studium
der Immunität der Melker jenes an Nutzvieh reichen Bezirkes
gegen Variola seinen Anfang. 1788 behauptete Jenner die Ab¬
kunft der Kuhpocken von der Mauke der Pferde, die grössere In-
fectio8itüt des flüssigen Inhaltes der Pockenpusteln gegenüber den
trockenen Krusten. Am 14. Mai 1796 erfolgte dann, wie be¬
schrieben, die erste erfolgreiche Kuhpockenimpfung und am 1. Juli
desselben Jahres die Controlinoculation des geimpften Knaben mit
Variola, welche, wie die 2 Monate später wiederholte Controlimpfung,
erfolglos blieb. Im Jahre 1798 gab das Wiederauftreten von Kuh¬
pocken, welche unterdessen in Berkeley erloschen waren, die
Möglichkeit zur Fortsetzung der Impfexperimente durch Jenner.
Vom Jahre 1798 an datiren Jenners Versuche, die Kandrüthe
der Pusteln bei Vaccine-Impfung zu mildern. In demselben Jahre
wurden 2 mit Equine geimpfte Knaben einer nachfolgenden Control-
impfung mit Variolagift unterworfen. Fürwahr ein an Thätigkeit
und Erfolgen reiches Leben, das uns auch noch eine Reihe der
werthvollsten Publicationen geschenkt hat!
Es ist unmöglich, in den engen liahmeu einer kurzen bio¬
graphischen Skizze alle jene Momente einzufügen, welche die Be¬
deutung Edward Jenner’s erschöpfend darstellen und ihrem
Werthe völlig gerecht werden. Mit der grössten Wohlthat, welche
der menschlichen Gesellschaft vor nunmehr 100 Jahren durch
diesen Mann geschenkt worden ist, mit der Befreiung der be¬
drängten Menschheit aus der Pockennoth, wird der Name > Jenner»
bis an’s Ende der Tage untrennbar verbunden sein. Möchten sich
die Epigonen dieser Wohlthat und ihres Spenders niemals unwerth
zeigen !
Verzeichn iss der Schriften Jenner's.
— An inquiry into the causes and effects of the Variolae Vaccinae
a Disease discovered in some of the Western counties of England, parti-
cularly Gloucestershire, and known by the name of the Cow-Pox (1798).
— Further observatious on the Variolae-Vaccinae (1801)
— A continuation of facts and observations relative to the Variolae-
Vaccinae or, Cow-Pox (IhOl).
— On the origin of the Vaccine Inoculation (ISOl).
— On the varieties and modifications of the Vaccine Pustule
occasioned by an herpetic state of the skin (1801).
— Facts, for the niost part unobserved, or not duly noticed, re-
specting Variolous contagion (1808).
— Letter addressed to the Medical Profession gcnerally, relative
to Vaccination, London Med and Phys. Jour», vol. 45. (1821).
— A Letter to C. H. Parry on the influence of Artificial Erup-
tions in certain diseases (1822).
Originalien.
Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Leipzig.
Ueber foetale Syphilis.
Von Dr. //. Albers-ScJiuaberg in Hamburg,
früherem Assistenten.
Die Schwierigkeiten, welche sich der Beurtheilung von Ur¬
sache und "Veranlassung des intrauterinen Fruehttodes ungeachtet
der Arbeiten namhafter Autoren immer wieder darbieten, bat die
Veranlassung gegeben, das klinische und poliklinische Material
fanltodt oder todtgeborener Früchte der Leipziger Universitäts-
Frauenklinik während einer Reihe von Monaten zu sammeln und
besonders vom Standpunkt der Aetiologie und Diagnose aus näher
zu betrachten.
Trotz eingehender Arbeiten von Rüge, Leopold, Fournier
und anderen besteht bezüglich der Frage, ob es, abgesehen von
Fällen, bei denen mechanische Ursachen eine Rolle spielen, einen
habituellen Abort oder einen habituellen intrauterinen Fruchttod
in der 2. Hälfte der Schwangerschaft auf anderer als syphilitischer
Basis gebe, noch immer die grösste Meinungsverschiedenheit. Diese
Differenz der Ansichten erklärt sich durch die Schwierigkeit, ab¬
solut sichere Anamnesen von Seiten beider Eltern zu erhalten.
Von welcher Bedeutung aber die richtige Beurtheilung dieser
ursächlichen Verhältnisse ist, wird Jeder empfinden, der in einem
zweifelhaften und unklaren Fall entscheiden soll, ob eine anti-
luetische Behandlung erforderlich oder nnnöthig sei. Gerade für
diese Fälle ist die sichere Diagnose von allergrösster Tragweite,
a mit ihr die Therapie und unter Umständen auch die Heilung
gegeben sind.
Nicht selten wird man bei anscheinend vollständig gesunden
' terT1 sc hon bei der ersten Entbindung durch die Geburt eines
fflacerirtcn, fast ausgetragenen Kindes überrascht. Ist cs
erechtigt, jetzt sofort die Diagnose «Syphilis» zu stellen, die
e andlnng einzuleiten und die Frau vor einem zweiten derartigen
»glück zu bewahren ? Oder soll man im Vertrauen auf die
i aubwürdigkeit der Anamnese abwarten, ob auch die zweite
1 <- wangerschaft dieses Ende nehmen, und somit der V erdacht
Urc “ Habituellwerden der Frühgeburt bestätigt wird.
Noch schwieriger gestaltet sich die Situation , wenn der be¬
handelnde Arzt, vor die bekannte Frage gestellt ist, ob diejenige
fau, welche ein inaeerirt-syphilitisches Kind geboren hat, nun
86 st a * s Kranke anzusehen und demgemäss zu behandeln sei.
L. Pf ei ff er-Weimar: Zur Jennerfeier des 14. Mai 1896.
lühingen 1896.
No. 19.
Wenden wir uns zunächst zur Stellung der Diagnose. W an n
wir ein maccrirtes, frühgeborncs Kind pathologisch-anatomisch
als syphilitisch anzusehen haben, ist von verschiedenen Forschern
Nägele, Dem man, d ’ Outrepont, Hohl, Scanzoni,
Dubois, E. Martin u. A. bereits zum Theil beantwortet,
durch die elassisehcn Arbeiten von Weg »er und Rüge definitiv
festgestell t worden.
Die fälschlich «faultodton », richtiger - macerirt » oder
: sanguinolent» genannten Früchte, die sieh so ausserordentlich
gleichen und einen überaus charakteristischen Typus zeigen, theile
Rüge nach dem pathologischen Befunde ihrer inneren Organe
in 2 grosse Gruppen , die s a n gu i n o 1 en fc - sy p h i 1 i t i s e h c n
und die sa n gu i n o 1 c n t-n i ch tsy ph i liti sc he n ein. Durch
Wägungen der Leber und Milz gesund-sanguinolenter und gesund-
nichtsanguinolenter Früchte und durch den Vergleich dieser Zahlen
untereinander fand er, dass der Vorgang der Maceration für die
Hoher und Milz einen Gewichtsverlust von fast der Hälfte bewirke.
Durch den V orgleieh der Gewichte gesund-sanguinolenter und
syphilitisch-sanguinolenter Früchte stellte sich heraus, dass die
Milz stimmt lieber syphilitischer Kinder trotz des Gewichtsverlustes
in Folge der Maccratiou bei weitem grösser und schwerer als die
gesunder Kinder, dass ferner die Leber unter Berechnung des
durch die Maceration entstandenen Gewichtsverlustes fast doppelt
so schwer wie die Leber gesunder Kinder sei. Rüge stellt
den Satz auf s dass man bei einem Milzgewiehtsvcrhältniss wie
1:170 an eine syphilitische Infection zu denken habe:. Zu
ähnlichen Resultaten kam Bi i ch -IIirsch f el d. Er fand für
todtfaulc Früchte das durchschnittliche Körpergewicht 1825 g und
das Milzmittel 13 g, also nahezu 0,8 Proc. des Gesammtgewichtos.
Rüge hält cs für wahrscheinlich, dass sich ähnliche Verhältnisse
auch für andere Organe finden lassen würden. Dieser Frage habe
ich zunächst näher zu treten versucht. Um einen Maassstab für
die Beurtheilung der Organgewichte, welche stets in ihrem Pro-
centverhältniss zum Gesummt gewichte ausgedrückt sind, zu haben
war es nöthig, aus einer grösseren Anzahl von Seetionen sicher
»ioht syphilitischer und nicht macerirter Früchte der verschiedenen
Schwangersehaftsmonate Zahlen für die normalen Gewichte der
einzelnen Organe zu finden. Um dem Wechsel des Kör|x*r- und
Organgewichtes in den verschiedenen Sehwangerschaftsmonaten
gerecht zu werden, theilte ich nach dem Vorbilde von Rüge
die Fruchte in 3 Gewichtsclasso» ein: ]. solche unter 100<> g,
2- unter 2500 g,’3- über 2500- Hie folgende Taltelle zeigt das
Procentverhiiltniss der einzelnen Organe n ich tsyphilitischer und
n i e h t macerirter Früchte zum Gesammt-Körpcrgcwieht.
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Tabelle I.
Procente
des
Gesammt-
Körpergewichtes
Herz ...
Rechte Lunge
Linke Lunge
Leber....
Milz . . • •
Niere . - - •
Nebenniere .
Pankreas . .
Thymus. . .
MÜNCHENER MEDICIMS(^W<^??55E?1-- “
Unter 3 9 ,icb» oUM. " c “
__ in der 1. Classe 8 , » der 3- Uasse 11,
“^oT^ÄJh Mittler möglichst sicher 1 zu gehen, wurden nur solche Fälle
und mehr Vierordt Werth die folgenden Zahlenverhlütn.sse «berechnt,.
---—- Prncen te des Gesammtgewichtes.
0,6 0,89 0,77 - j- r I , T . Neben-1 p __i. r Thvmus
0,8 1,08 1,27 Herz Lungen Leber Milz , Niere niere ,
0 7 1,08 _ 11 1 |
Jede über
1,0
' Betrachtet man die Zahlen dieser Tabelle, so wird ohne I
“TUTd^eÄnl eü tf^ogen „erden knn.h
„cllcr das Jjcbcrgewicljt gesunder Früchte m folgendem 1 erhalt-
niss zum Körpergewicht fand.
Unter 1000 g = 1 : 1»
„ ‘2000 g = 1 : 21
„ 2500 g = 1 : 23
über 2500 g = 1 : 20
Es handelt sieh nunmehr darum, fesUustcllen ob durch den
Vorgang der Maccration, «eiche die Folge des sicher n.cht auf
Sy „hiU» beruhende, Frucht,ödes ist, J, 2 «
Das Ergehniss erläutert die folgende Tabelle III.
Tabelle III_
_ Dle _ nömalen _ GewichuverliiUtnisse wurden überschritten:
von
Früchten
unter 2000
unter 2500
über 2500
Pankr. Thym.
Omni
|
lmal 1
4 mal
6mal' 3mal|
- J - !
-
2 „ |
5 „ j
to „ |
CO
co
— : —
1 „
4 „
6 ,,
8 , 6 . 1
1 — ! —
1 „
1 ,,
2 „
5 „ 2 „
i ~ : '
—
4mal! 11 mal 22mal |32mal 19mal Omal
Proc. 10,25 j 28,2 56,4 J 82,05 48,7 0 Proc.
Aus der Zusammenstellung dieser Zahlen ergibt sieh . dass
in erster Linie die Milz, dann die Leber »«o, d» U g
ist, ein O.wiel— der eim ^s ^ ^iehtsv.mohrung in Folge
zclnen Organe wirklich stattfindet. Für die Loher und Milz »t und «•« VrfXWgm „fahren. Die Vermehrung des Leber
dieses, wie bereits gesagt, durch lluge emwandsfre. ^Z^ov- und Milzgewiehto fand Hugo hei seinen Fällen eonsta,.t, »»«■«*
worden. Die Schwierigkeit, obige trage zu losen, liegt in derüussei j pld dagogell nur eon staut für die Milz, nicht für die
ordentlichen Seltenheit der maeerirten „ „eh't syplnhü«-hon lr> ^ Unt0P den erwähnten 39 Fällen finden sich 7 > J dc "
Unter den wehten 47 n.aeenrt-sanpnnolente . 1 rücl.ten bc )lliUtist . he Erkrankung nachzuweisen, das MilzgeuKlit aber
fanden sieh 5, welche mit grösster Wahrscheinlichkeit mellt de war . K s sind dieses die Fälle No. 24, 26, 4,
syphilitisch waren = 10,6 l’roc. _
Bei 3 Fällen war die Entscheidung nicht möglich — b,ät • Positiver Befund der ftiuwer. x ■•••••—
SLZÄÄ«‘.<^«sä-
srrr = * «. *■>■ *.*.4,
28 ' No. 24.' Poeitiver Befund der Mutier:
Die Urgangcwiciusx erimu iiioo». -.- . .
körpergcwiclites dieser 5 maccrirt-iiielitsypliilitischcii l'vuclite sind
in folgender Tabelle zusammen gestellt.
Tabelle II. _
Sill i s!1111
s " 3 .s 35 i«*J ’- , * J ^
i I C3
dl Co Q>
i-, | 4) U* \ V,
0) \X3 ^
v? E c
^ |’x; l c;
No. 3. S. 2600 48 15,4 0,5 0,7 0,6 0,2
No. K. 3800 58 — | 0.6 1,0 0,9 2,7 0,8 0,4
No. 11. N. 2700 14,8 0,5 l,0o 0,9 I 1.8 0,3 0,4
S®’,, v‘ V700 14 8 0 6 1,05 0,9 1.8 0,3 0,4 0,3 zu bet rach teil, wie sie s
No. 13. N. 800 34 - o’,5 0,5 0,4 2,0 0,1 0,4 0,1 0,06 0,115 macerirtor Früchte rcsult
No. 7. H. 3520 48 14,2 0,6 Q.(> 0,5 2,8 0,2 0,3 0,1 10,1 0 ; g_ Unter &9 todtgcbori
Mittlerer Werth: 0,5 j 0,7 j 0,6 2,3 0,2 | 0,3 0,1 10,08 ,3 Früchten waren 12 nie!
Vergleicht man die gewonnenen Mittclwcrthc für die Organe 1, 7, 14, 19, 23, 27,
macerirtor nicht, syphilitischer Früchte (Tab. No. I) mit den- n 1 2 ‘.
jenigeu gesunder, nicht macerirtor Kinder (Tab. No. II), so ergibt * ’’ 3.
sich, dass ein eclatanter Gewichtsverlust nur für die Leber beste lt, „ ,, 4.
und zwar annähernd um die Hälfte, genau dem entsprechend, Eine Vermehrung c
was Rüge gefunden hat. Eine wesentliche Abnahme des : 1 z- f 0 lg C ndermaasscn statt:
gewichtes kann ich in meinen Fällen nicht constatiren. Die des Herz
Gewichtsunterschiede, welche sieh für die übrigen Organe ergeben, der Lung
halte ich für viel zu gering, um aus ihnen ein gesetzmässiges der Lebi
Abnehmen des Gewichtes in Folge der Maceration ablciten zu der Müz
können. Dass eine solche dennoch eventuell unter Heranziehung des Pank
einer sehr grossen Zahl marccrirtcr, sicher nicht syphilitischer Fs schlicsst sich hi
Früchte nachweisbar wäre, scheint nicht ausgeschlossen. ' ‘ ,
1 , : . ■>.- ,i„,. ßnwiol11Bveräinderuu een der I der 1 lacentcn sypnilitis
■äSsräsass
AnaC No. 3a ^Sivcr Befund der Mutter Placentarsyph.l.s,
Osteochondriln £ rkrankung der Nabelarter.e.
Es handelt, sich also um sicher luetische Früchte mit
normalem Milzgewicht. n , hierzu die Zahlen
Von gewissem Interesse ist. cs, im Gcgtns nicht
I beraubt™, «io sie aus der Orgauwaguue »yplubt.ucl.
| macerirtor Früchte resultiren. ivlptllI1 . vcrs torbeneii
Unter 59 todtgehorenen oder bald post pa
Früchten waren 12 nicht macerirL Es «nd dieses
1, 7, 14, 19, 23, 27, 33, 35, 39, 43, 48, 51-
In die 1. Geburtsclasse fallen 2 Fälle
•;! ■ ; i : ,
Eine Vermehrung des preccntualcn Gewichtsrcrhaltnk«, fand
aeriiuuiaauii •
des Herzens in 50,0 Proc. der Fälle
der Lungen „ 60,0 „ » "
der Leber „ 72 f 2 „ n »
der Milz „ 66,7 „ • ”
der Nieren „ 27,3 „ » >•
des Pankreas „ 41,6 „ » ”
Es schlicsst sich hier die Frage nach den ^ t8 '**J|i« gwl de
einer senr grossen ..-7 “ «ebUe^t sich hier die Frage nacn ueu ob»...
Früchte nachweisbar wäre, scheint nicht ausgeschlossen. p/ ent™ svnhilitischer Früchte an. Durch die grundlegt
“ 1 untCT u- s— - — Das
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12. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
445
charakteristische der luetischen Placcntcn fasst Frankel in Folgendem
zusammen:
1. Die Volumen-, Gewichts- und Consistenzzunahme.
Die dichte, plumpe Form der foetalen Villusitätcn.
3. Die Erfüllung des Zottenraunies durch eine von den be¬
fassen ausgehende Wucherung zalilreicher mittelgrosser Zellen.
4. Proliferation des die Zotten überziehenden Epithelmantels.
5. Gefassoblitteration und völlige Verödung der Zotten als
Endresultat.
Der ganze Proeess wird als defonnirendc Granulationszellen-
wucherung der Placentarzotten aufgefasst.
Von jeder der von mir untersuchten Placcntcn wurde ein
Präparat frisch und von einer grossen Anzahl auch gehärtet und
gefärbt untersucht. Als Haupteharakteristieuni der luetischen Plaeenta
erschien die Obliteration der Gefässe bis zum völligen Verschluss
und die dadurch bedingte hochgradige Anaemie. Intimawucherung
und Anhäufung von Kernen in der Adventitia. Im Gegensatz
zur normalen Plaeenta, in welcher die Gefässe nahe dem Epithel
liegen, finden sie sich in den luetischen durch gequollenes Zwischen¬
gewebe von demselben getrennt. Dieses zwischen die Kerne sich
einschiebende fibröse Gewebe macht oft in Folge von OeJem einen
gequollenen myxomatüsen Eindruck, hierdurch sowie in Folge der
stattfindenden Zellvermehrung erhalten die Zotten eine plumpe
und gequollene Gestalt, was auch wohl unter Keulenform im
Fracnkel’schcn Sinne zu verstehen ist.
Dieser Proeess scheint eine erhebliche Zunahme des Placentar-
gewichtcs zu bedingen und zwar ist diese Gewichtsvermehrung eine
fast constantc; unter 42 daraufhin untersuchten Fällen Hess sich
35 Mal Gewichtsvermchrung eonstatiron. Bei Beurtheilung dieser
Verhältnisse kommt es sehr wesentlich darauf an, die einzelnen
fälle nach Gewichtsclassen streng zu scheiden und genau festzu-
stellen, wie das Plaeentargcwicht, resp. das Vcrbültniss des Plaecntar-
gewichtcs zum Gesamm tkörpergewicht sich in den einzelnen Monaten
des intrauterinen Lebens bei gesunder Frucht verhält. Erst nach
Berücksichtigung dieser V erhältnisse kann man von pathologischer
Gewichtsvermehrung reden.
Um die physiologischen Schwankungen des Placcntargewiehtes
festzustellen, habe ich die Mittelwerthe aus einer grösseren Anzahl
von Gewichten normaler Placcnten bestimmt und in der folgenden
Tabelle IV zusaumicngostellt.
Tabelle IV.
Placenten
von
Früchten:
Procent des
Gesammt-
gewichtes:
Berechnet
aus
J Einzelwägungen
unter 1000
31,15
15
unter 2000
24
22
unter 2500 '
ih,ö ;
23
über 2500
IG,9
29
Ls nimmt also das Gewiehtsverhältniss der Placcntcn mit zu¬
nehmendem Wachsthum der Frucht ungefähr wie 17 : 12 : 9 : 8 ab.
Betrachtet man jetzt die syphilitischen Placcntcn, so stellt
sich Folgendes heraus:
1. Inter 8 Fällen von Placcntcn, welche zu Früchten
unter 1000 g gehören, wird das normale Durclischnittsverhältniss
(34,15 Proe.) 6 mal überschritten = 75 Proc.
Höchstes Gewicht 01 Proe. des Gesauimtgewichtes No. 1 .
( No - L 24, 20, 31, 37, 46, 47, 48.)
2. Von IG Placcntcn, welche zu Früchten unter 2000 g
gehören, wird das normale DurclischnittsverhUltniss (24,0 Proc.)
11 mal überschritten = 68,7 Proc.
Höchstes Gewicht 46,6 Proc. des Gesammtgcwiehtcs No. 8.
( No - 5, 8, 9, 11, 25, 28, 30, 33, 40, 41, 45.)
3. Von 12 Placenten, welche zu Früchten unter 2500 g
gehören, wird das normale Durchsehnittsverhaltniss (18,5 Proc.)
12 mal überschritten = 100 Proc.
Höchstes Gewicht 40 Proc. des Gesammtgcwiehtcs No. 49.
(No ‘ 1 -> 13, 14, 15, 16, 18, 32, 38, 39, 42, 49, 50.)
4. Von 6 Placenten, welche zu Früchten über 2500 g
gehören, wird das normale Durchsehnittsverhaltniss (16,8 Proc.)
6mal überschritten = 100 Proc.
(Höchstes Gewicht 33 Proc. des Gesauimtgewichtes No. 44.
(No. 21, 22, 29, 35, 43- 44.)
Also im Ganzen unter 42 Fällen 35 mal — 83 Proc.
V on ebenso grossem Interesse wie Wichtigkeit ist die Frage,
wie sich die Mütter maeerirter Früchte bezüglich der syphilitischen
Infeetion verhalten. liier muss von vornherein bemerkt werden,
dass an die Beantwortung nur unter Heranziehung eines einheit¬
lich, womöglich unter sjK'eiali.stischer Controle beobachteten klinischen
Materials gedacht werden kann. Es ist absolut unzureichend, nach
Goburts.uoseliiclitcn, in welche» nicht ganz speciell die Frage der
Syphilis ins Auge gefasst ist, eine Statistik aufbauen zu wollen.
Nicht allein die Kcnntniss florider luetischer Productc genügt,
sundern vor Allem ist eine genaue Untersuchung auf Stigmata
latenter oder alter Syphilis erforderlich. Auf eine Arbeit von
Palmer 1 ), welche dem reichen Material der Abtheilung für
Syphilis von Engel-Reimers in Hamburg entstammt, verdient
hier hingewiesen zu werden. P. beschäftigt sieh eingehend mit
den persistirenden Zeichen überstamlencr oder latenter Syphilis.
Es würde hier zu weit führen, die ganze Arbeit ausführlich zu
referiren, hinweise» möchte ich nur auf ein hier besonders in
Betracht kommemies und sehr wichtig erscheinendes Symptom.
Ls sind dieses die pigmentlosen oder pigmentarmen Flecke an den
grossen und kleinen Labien, um den Anus herum, in der Gcnito-
crural- Falte, eventuell am Mons votieris. Bisweilen sind sie leicht
erhöht, bisweilen liegen sie etwas unter dem Niveau der Haut.
Ls sind dieses die Besiduen abgeheilter Papeln resp. Uondylome,
eventuell auch PrimäraftVcte. Sie sind äusserst dauerhaft und
noch nach vielen Jahren für eine retrospoctive Diagnose von
grossem Werth.
Ls muss hervorgehohen werden, dass diese Flecke in den
allermeisten Fällen durch die Schamhaare vollständig der Be¬
obachtung entzogen sind. Ein Rasiren der Haare ist in vielen
Fällen unerlässlich.
Differentialdiagnostisch kommt Vitiligo an den Genitalien in
Betracht. Dieselbe unterscheidet sieh indes« durch ihre viel
hellere weisse Farbe von den pigmentarmen Flecken. Bei den
von mir unter.su dt ton Frauen wurde in Fällen, wo keine florideu
Symptome mehr vorhanden waren, gerade auf diese Stigmata be¬
sonders geachtet. In jedem irgendwie unklaren Falle wurden die
Pubos rasirt. In zweifelhaften Fällen stellte mir Herr l)r. Fried-
h ei nt mit dankenswert her Bereitwilligkeit seine speeialistisehe
Hilfe zur Verfügung. Im Ganzen wurden 32 Mütter faultodter
Früchte auf Syphilis untersucht und von diesen 24 als unzweifel¬
haft syphilitisch inlicirt befunden = 75 Proe.
2 Fälle blieben zweifelhaft und 6 boten keine Zeichen be¬
stellender oder alter Syphilis.
Vergleichen wir hieuiit einige andere Resultate, ln einer
der jüngsten Arbeiten aus der Keh rer ’ scheu Klinik über die
Ursachen der Früh- und Fehlgeburten (1895» berechnet Köiu-
h ei dt für Fälle, welche der Privatpraxis entstammen, 8.2 Proe.
syphilitischer Erkrankung der Eltern als Ursache der habituell
vorzeitigen Unterbrechung der Schwangerschaft. Aus der klinischen
Praxi* fand er unter 22 Frauen G sicher syphilitisch, erhalt also
ein Procentvorhältniss von 27,2 Proc. R. spricht sich indes.«
dahin aus, dass diese Zahlen wohl erheblich hinter der Wirklich¬
keit Zurückbleiben dürften. Nach Fraenkel zeigten unter
12 Müttern maeerirter Früchte mit Knoeliensyphilis 5 Zeichen
früher erworbener Syphilis 41,6 Proe. 7 waren anscheinend
ganz gesund. Dit^e Zahlen bleiben hinter den oben genannten
75 Proc. wesentlich zurück. Es handelt sich jetzt um die Frage:
sind die 6 Mütter, bei welchen der Befund negativ war, als
sicher nicht syphilitisch anzuschen V
No 28. HI. Para.
Jede Entbindung endete mit Geburt eines todten Kindes im
5., 4’/2 resp. G. Monat, desswegen nahm der Ehemann ärztliche Hilfe
für seine Frau in Anspruch.
No. 36. II. Para.
Beide Entbindungen endeten mit Geburt eines faultodten
Kindes im G resp. 7. Monat. Schwellung einer Cubitaldrüse.
No. 42. II. Para.
Erste Entbindung 9 Monatskind, das i. p. Btarb, zweites faultodt
No. 44. II. Para.
l ) Deutsche med. Wochenschrift. 1895. No. 5.
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446
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
Erstes Kind ausgetragen, von einem anderen Manne wie das
derzeitige faultodte.
No. 45. II. Para.
Erste Entbindung ein früh geborenes Kind im 6. Monat,
welches an Lues congen. (diffuse miliar Gummata-Epiphysensyph.)
stirbt. Zweite Entbindung z. Z. faultodt.
No. 47. III. Para.
Erste Entbindung abgestorbene Frucht irn 8. Monat, zweite
Entbindung abgestorbene Frucht im G. Monat, dritte Entbindung
z. Z. im 5. Monat.
Vor 4 Jahren im Wiener Krankenhaus an ; Gelenkentzündung»
behandelt.
Ob diese 6 Frauen syphilitisch sind oder nicht, lässt sich
selbstverständlich nicht entscheiden. Immerhin besteht nach den
St. Jacob behandelt und am 6. VI. 95 geheilt entlassen. Sie kommt
am 1 VII. 95 Ende des 9. Monats mit einem frischtodten Kinde
(k eine Macerationserscheinungen) nieder. Osteochondritis. Milz¬
tumor.
Sch. No. 38 kommt ca 3 — 4 Monate, bevor sie concipirte,
wegen Primära ff ectes an dem Lab. maj. sin, Hals- und Rachen-
affectionen, Heiserkeit und Condylomata lata in Behandlung. Sie
hat im Ganzen 100,0 ungt. einer., 4,0 pro die geschmiert, allerdings
nicht regelmässig und gleichmüssig. Nachbehandlung während einiger
Monate mit Hydrarg. tannic. innerlich. Kommt Anfang des 9.Schwanger¬
schaftsmonats mit einem macerirt-sanguinolenten Kinde nieder
Placentarsyphilis. Knochensyphilis.
I. Sypliilitisch-macerirte Früchte und Befund der
Mütter.
Krankengeschichten eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür.
Werfen wir noch einen Blick auf die beiden zweifelhaften
Fälle.
No. 10. I. Para.
Fraglicher Fleck auf der rechten Hinterbacke ohne Abklatsch
auf der linken etwas erhaben mit leicht pigmentirtem Saum,
No. 41. I. Para.
Epitheltrübung und Verdickung der inneren Wangenschleim¬
haut rechts. Abblassendes Exanthem. Epitheltrübuugen am Zungen¬
rand. Inguinal- und CubitaMriisenschwellung links Papel (sehr
wahrscheinlich) am rechten lab. maj.
Man wird nicht allzusehr irren, wenn man eine grosse Wahr¬
scheinlichkeit für die syphilitische Erkrankung der letztgenannten
beiden Frauen anninnnt.
Um indessen nicht in das Gebiet der Hypothese zu gerathcn,
resumiro ich das Resultat meiner Untersuchung auf Grund der
sicheren Fälle dahin, dass 75 l’roc. der von mir untersuchten
Mütter faultodter oder frühgeborener Früchte selbst syphilitisch
sind. Die Bedeutung dieser Zahl für die Therapie liegt auf der Hand.
Bei den sicher syphilitischen Frauen handelte es sich um
floride resp. im secundürcn und spät sccundürcn Stadium stellende
Erkrankungen.
Von den 32 Frauen hatten 8 bereits früher abortirt resp.
frühgeborene, faultodte Früchte zur Welt gebracht, die übrigen
waren l’rimiparen.
Einer ausreichenden Behandlung ante partum waren 5 Frauen
unterzogen worden.
Nach Geburtseiassen geordnet vcrthcilen sich die 39 sanguino-
1 eiltsyphilitischen Früchte folgcndermassen :
unter 1000 g. 8
„ 2000 ....... 15
„ 2500 . 11
über 2500 . 5.
Wenn es berechtigt ist, wegen Aufhören der Kindsbewegungen
auf den eiugctretenen Fruchttod zu schliesscn, so lässt sich das
Verweilen des todten Foetus in utero durchschnittlich auf 24 Tage
berechnen. Im Maximum 70, im Minimum 1 Tag.
Was die behandelten Fälle angeht, so ist hier nur kurz zu
registriren, dass 5 Frauen trotz antisyphilitischer Behandlung
mit luetischen, maccrirten Früchten niederkamen. Die Frauen
waren im 4-, 5-, 6. Schwangerschaftsmonat, eine 3—4 Monate
vor der Conccption in Behandlung genommen. Irgend welche
Schlüsse lassen sich aus dieser kleinen Anzahl natürlich nicht
zielten, jedoch beanspruchen sie ein gewisses casuistischcs In¬
teresse.
P. No. 9 wird im ca. 5. Schwangerschaftsmonat wegen Con¬
dylomata lata, Roseola, Laryngitis mit einer Injectionscur (Hydrarg.
asparaginic.) im städtischen Krankenhause St. Jacob behandelt und
am 25. I. 95 geheilt entlassen. Sie kommt am 19. # III. 95 im 8. Monat
mit einem macerirt-sanguinolenten Kinde nieder. Knochensyphilis.
Milzschwellung.
Sch. No. 30 wird im 4. Schwangerschaftsmonat wegen breiter
Condylome, Roseola, Tonsillitis und allgemeiner Drüsenschwellung
mit einer Injectionscur (Hydrarg. asparag.) im Krankenhause St. Jacob
behandelt und am 20. IV. 95 geheilt entlassen. Sie kommt am
5. VI. 95 mit einem macerirt-sanguinolenten Kinde ca. im 7. Monat
nieder. Knochensyphilis. Milzschwellung
Sch. No. 32 wird im ca. G. Schwangerschaftsmonat wegen
Roseola, Condylom, Tonsillitis und Drüsenschwcllung mit einer
Injectionscur (Hydrarg. asparag.) im Krankenhause St. Jacob be¬
handelt und am 25. IV. 95 geheilt entlassen. Sie kommt am
20. VI. 95 im 9. Schwangerschaftsmonat mit einem macerirt-sangui¬
nolenten Kinde nieder. Knochensyphilis. Milzschwellung.
K. No. 35 wird Ende des 6., Anfang des 7. Schwangerschafts¬
monats wegen Exunthema pustulos. Condylom, lat. vulv. und Ton¬
sillitis mit einer Injectionscur (Hydrarg. asparag.) im Krankenhause
No. 2. R.-) Macerirtes Kind. Keine sanguinolenten Ergüsse
in den grossen Körperhöhlen. Knochensyphilis. Gesammtgewicht 595.
Placenta fehlt. Herz 0,7, r. Lunge 1,3, 1. Lunge 1,2, Leber 6,1,
Milz 0,9, Niere 0,7, Nebenniere 0,2, Pankreas 0,2, Thymus 0,2.
Mutter IV Para. Zwischen 3. und 4. Schwangerschaft, etwa
3 Monate vor der letzten Conception, vom Ehemann sypli. inficirt.
Roseola Condylome am Anus und Vulva. Behandelt mit Hydrarg.
oxydul. tannic. und Jodkali. In den ersten Monaten der Gravidität
Plaques am Gaumen. Zunge und Wangenschleimhaut. Therapie:
dieselbe. Wegen Nachlässigkeit der Patientin wurde die Behandlung
oft unterbrochen. Befund z. Z.: Leucoderma, sonst o. B. G Wodien
ante partum letzte Kindsbewegung.
No. 3. H. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1800. Placenta 400
(22 Proc.) Herz 0,7, r. Lunge 1,0, 1. Lunge 1,0, Leber 5,7, Milz 0,9,
Niere 0,6, Nebenniere 0,2, Pankreas 0,1, Thymus 0,2.
Mutter V. Para. 1) Faultodt im 8. Monat, 2) ausgetragen lebt,
3) ausgetragen ,todt geboren, 4) ausgetragen, lebt, 5) z. Z. macerirtes
Kind. 14 Tage ante partum letzte Kindsbewegungeil.
Befund z. Z : An der grossen linken Labie 2 übereinander
liegende 10 Pfennigstück grosse, pigmentarme, leicht über die Ober¬
fläche prominirende Flecke, auf der rechten Labie an gleicher Stelle
ein pigmentloser Fleck. An der Innenfläche der Nates breite, er¬
habene, flächenhafte Partieen (Residuen beetaitiger, breiter Condy¬
lome). Analfalten etwas verdickt. Epitholverdickung an der rechten
Wnngenschleimhaut.
No. 4. C. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1100. Placenta 250.
(22,7 Proc.) Herz 1,0, r. Lunge 1.2, 1 Lunge O,' 1 , Leber 2,7, Milz 0,4,
Niere 0,5, Pankreas 0,2.
Mutter I. Para Inlicirte sich zur Zeit der Conception, Befund
z. Z.: Leucoderma an Hals und Nacken, ausstrahlend in die Clavicular-
gegend und in die Achselhöhle. Die weissen Flecke confluiren
tlicils streitig, die Interstitien dunkler pigmentrirt Bohnengrosser
Plaque auf dem Zungenrücken, geringe- Abschuppung der Epidermis
an Mund und Kinn, vereinzelte grössere, bräunlich roth pigmentrirte
Flecken am Bauch und Inguinalgegend, sowie unter und neben den
mainmae., recht. Iah maj. oedematös, kleine Labien beiderseits
oedematös. Auf der linken grossen Labie vereinzelte kleine nässende
Papillen. Breite Condylome um den Anus herum, ferner diffus zer¬
streut in grosser Anzahl in der Genito-Cruralfalte. Bisher nicht in
Behandlung gewesen.
No. 5. G. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1120. Pla¬
centa 320. (28,G Proc.) Herz 0,5, r. Lunge 1,1, 1. Lunge 0,7,
Leber 4,8, Milz 1,1, Niere 0,4, Pankreas 0,2. Knochencpiphysen-
grenze o. B.
Mutter III. Para. 1) Laut klin. Journal mac. Foet, 8 Monate,
2) 7 Monate alte Frucht tod, 3) Zur Zeit. Befund z. Z.: Auf der
linken grossen Labie ein ca. 20—10 Pfennigstück grosser pigment¬
armer Fleck, sonst o. B.
No. 6. H. Macerirtes Kind, sanguinolente Ergüsse etc. Ge-
saramtgewicht 1700. Placenta 200 (11,8 Proc.), HerzO,*, r. Lunge 1,5,
1. Lunge 1,5, Leber 3,6, Milz 0,6, Niere 0,6, Pankreas 0,2, Thymus 0,3,
Nebenniere 0,2.
Mutter nicht untersucht.
No. 8. M Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1500. Pla¬
centa 700 (46,G I’roc.), Herz 0,8, r. Lunge 1,6, 1. Lunge 1,3, Leber 8,8,
Milz 1.6, Niere 0,6, Nebenniere 0,2, Pankreas 0,3, Thymus 0,2,
Osteochondritis syphilit.
Mutter I. Para. Deutlich ausgeprägtes Leucoderma. Papel am
1. gr. Labium. War bisher nicht in Behandlung. Letzte Kinds¬
bewegung 3'/2 Tage ante partum.
No. 9. P. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1700. Placenta 500
(29,4 Proc.), Herz 0.7, r. Lunge 1,7, 1. Lunge 1,4, Leber 6,5, Milz 1,0,
Niere 0,6, Nebenniere 0,2, Pankreas 0,2, Thymus 0,2.
Mutter I. Para. Am grossen Labium rechts 5 Pfennigstück
grosse, nässende Excoriation. Roseola am Rumpf, namentlich
an den seitlichen Partieen auf der hinteren Hälfte des Zungenrückens
2 Plaques. Geringe Inguinaldrüscnschwellung. War vom 17. De¬
zember bis 25. Januar wegen Condylom lat., Roseola, Laryngitis
lnetica im städtischen Krankenhause zu St. Jakob einer Injections¬
cur mit Hydrarg. aspar. unterzogen und nach Abheilung der entzünd¬
lichen Erscheinungen entlassen worden. 14 Tage ante partum letzte
Kindshewegungen.
2 ) Die hinter den einzelnen Organen angegebenen Zahlen
deuten Procent des Gesammtkörpergewiclites.
be-
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12- Mai 1896-
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
447
No. 10. G. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1520. Placenta 350
(23 Proc.), Herz 0,6, r. Lunge 0,9, L Lunge 0,7, Leber 5,3, Milz 0,6,
Niere 0,6, Nebenniere 0,3, Pankreas 0,3, Thymus 0,3. Osteochondritis
fraglich.
Mutter I. Para. Auf der rechten Hinterbacke ein etwas er¬
habener, von leicht pigmentirtem Saume umgebener Fleck von
zweifelhafter Provenienz. Letzte Bewegung ca 10 Wochen ante
partum.
No. 11. G. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1900. Placenta 650
(34,2 Proc.), Herz 0,5, r. Lunge 0,9, 1. Lunge 0,8, Leber 6,0, Milz 1,1,
Niere 0,5, Nebenniere 0,1, Pankreas 0,2, Thymus 0,2. Osteochondritis
syphilitica
Mutter I. Para. Im Abblassen begriffenes Exanthem. Plaques
auf den Tonsillen. Defluv. capillitii, Adenopathien, Leucoderma
syphiliticum, mächtige breite Condylome an der Vulva. Schuppende
Excrescenzen an den unteren Extremitäten. Noch nicht in Behand¬
lung gewesen. Letzte Kindsbewegung 4 Tage ante partum.
No. 12. E. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2170. Placenta
650 (30 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 1,7, 1. Lunge 1,4, Leber 6,1,
Milz 0,8, Niere 0,7. Zweifelhafte Osteochondritis.
Mutter I. Para. Breite Condylome und Rhagaden am Anus.
Opaline Tonsille links. Gouorrh. Noch nicht in Behandlung. Letzte
Bewegung?
No. 13. H. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2500. Placenta
700 (28 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 1,6, 1. Lunge 1,2, Leber 5,0, Milz 0,5,
Niere 0,8, Nebenniere 0,2, Thymus 0,4, Osteochondritis syphilitica.
Mutter I. Para. Auf der linken grossen Labie zwei über¬
einander liegende pigmentarme Flecke. Am Frenulum und seitlich
eine zehnpfenniggrosse pigmentarme Narbe. Vereinzelte erbsen¬
grosse, braun pigmentirte Flecke auf der Bauclibaut. (Residuen
eines Spttthexanthems.) Noch nicht in Behandlung gewesen. Letzte
Kindsbewegung 5 Wochen ante partum.
No. 15. B Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2100. Placenta
700 (33,3 Proc.). Grosser Milztumor 0,9. Osteochondritis syphilitica.
Mutter III. Para. 1. Entbindung, Kind ausgetragen, gesund.
2. Entbindung, im 7. Monat todt geboren. 3. Entbindung z. Zt. In
der Analfalte an der rechten Hinterbacke ein circa fünfpfennig-
stückgrosser, über die Hautoberflüche nicht proininirender, dunkler
als die Umgebung pigmentirter Fleck. In der Genitocrural-Falte
links, einige confluirende, etwas weniger als die Umgebung pigmentirte
Narben. Occipital und Cervicaldrüsenschwellnng, zweifelhaftes Leuco¬
derma. Niemals in Behandlung. Letzte Bewegungen vor 4 Wochen.
No. 16. M. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2390. Placenta
950 (39,8 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 0,8, l. Lunge 0,8, Leber 3,7,
Milz 0,5, Niere 0,7, Nebenniere 0,1, Thymus 0,2. Osteochondritis
syphilitica. Die Milz ist erheblich vergrössert, dabei aber auf¬
fallend leicht.
Mutter II. Para. 1. Entbindung, ausgetragenes lebendes Kind.
2. Entbindung z Zt. Die Frau gibt an, vor circa 4 Monaten am
rechten Lab. maj. eine «Stelle» gehabt zu haben, ferner sei die
8chamlippe geschwollen gewesen, beides sei spontan ohne ärztliche
Hilfe wieder verschwunden. Nach Rasiren der Labien findet sich
rechts auf der grossen Labie ein circa erbsengrosser pigmentarmer
Fleck, von welchem die Frau aussagt, dass er an derselben Stelle
sitzt wie oben angegeben. Anaemie mittleren Grades. Letzte Be¬
wegungen 3 Wochen a. p.
No. 18. L. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2150. Placenta
500 (23,2 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 0,9, 1. Lunge 0,7, Leber 4,7,
Milz 0,5, Niere 0,3, Nebenniere 0,2, Pankreas 0,09, Thymus 0,2,
Osteochondritis Byphilitica.
Matter I. Para. Vom behandelnden Arzt einige Wochen nach
der Entbindung in antisyphilitische Behandlung genommen. Vor
der Entbindung suspecte Angina.
No. 20. K. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2720. Placenta
fehlt. Herz 1,1, r. Lunge 1,6, 1. Lunge 1,2, Leber 7,0, Milz 0,7,
Niere 0,7, Nebenniere 0,2, Pankreas 0,1, Thymus 0,3, Osteochondritis
syphilitica.
Mutter HI. Para. 1. Entbindung, 672 Monate, abgestorbenes
Kind. 2. Entbindung, 7 Monate, abgestorbenes Kind. 3. Entbindung,
9 Monate, z. Zt. An der linken Hinterbacke in der Analfalte eine
zehnpfennigstückgrosse, etwas über die Oberfläche prominirende,
weissliche Stelle. Chloraemie.
N°- 21. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 3200. Placenta 710
Proc-) Herz 0,6, r. Lunge 0,8, 1. Lunge 0,7, Leber 6,8, Milz 0,8,
*•106 0,3.
Mutter nicht untersucht.
coa Jü 0 ' ^ Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2700. Placenta
wO (22,2 Proc.). Herz 0,8, r. Lunge 0,9, 1. Lunge 0,7, Leber 3,5,
I* L5, Niere 0,6, Nebenniere 0,4, Pankreas 0,3, Thymus 0,2.
uweochondritis syphilitica.
Mutter nicht untersucht. Anamnese unter 10 Entbindungen
2ma * faultodte Kinder.
m 9 .^ 0 -24. F. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 770. Placenta 250
Ni * ftj') - ^ erz 0,5, r. Lunge 1,1, 1. Lunge 0,8, Leber 3,1, Milz 0,3,
„1 te , *r» Nebenniere 0,1, Pankreas 0,09, Thymus 0,1. Osteo-
chondnbs syphilitica.
To -n Utt t r I- Para. Grosses breites Condylom in der Analfalte.
rieht reC ^ We ^ QDg ' ^* e Gehandelt Bewegungen hat sie überhaupt
verspürt.
No. 19.
No. 25. A. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1 i 00. Placenta 400
(36,9 Proc.). Herz 0,9, r. Lunge 1,6, 1. Lunge 2,2, Leber 6,2, Milz 1,2,
Niere 1,1, Nebenniere 0,3, PankreaB 0,1, Thymus 0,2. Osteo¬
chondritis syphilitica.
Mutter I. Para. Während der Schwangerschaft andauernd
Schmerzen im Hmterkopf. Haarausfall. Blutende Rhagade in Folge
Zerfalls einer Papel am Anus. Papel am rechten Lab. majus. Eine
peripher etwas schuppende, schinkenfarbene Efflorescenz an der
linken Schulter und in der linken Achselhöhle opaline Trübung der
Zunge.
No. 26. J. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 750. Placenta 280
(37,3 Proc.). Herz 0,8, r. Lunge 1,1, 1. Lunge 0,9, lieber 3,1, Milz 0,5,
Niere 0,5, Nebenniere 0,1, Pankreas 0,2, Thymus 0,2. Osteo¬
chondritis syphilitica.
Mutter V. Para. 2 Mal Abort. 2 Mal auegetragene Kinder.
Syphilitische Infection zwischen dem 4. und 5. PartUB. Heiserkeit,
Stimmlosigkeit, Schnupfen, Defluvium capillitii. L. Labium maj.
dicht besetzt mit Papeln. Inguinaldrüsenschwellung. Coryza. Bisher
noch nicht antiluetisch behandelt. Letzte Bewegung 12 Tage a. p.
No. 28. L Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1050. Placente 400
(38,1 Proc). Herz 0,5, r. Lunge 1,0, 1. Lunge 0,8, Leber 5,5, Milz 0,4,
Niere 0,4, Nebenniere 0,1, Thymus 0,2. Gu4rin’sche Schicht an den
Epiphysen verbreitert.
Mutter III. Para. 1. Entbindung, 5 Monate, todtes Kind; 2. Ent¬
bindung, 472 Monate, todtes Kind; 3. Entbindung, 6 Monate, todtes
Kind. Der objective Befund ergibt keinen Anhalt für Annahme
einer syphilitischen Infection. Der Ehemann, welcher wegen dieser
Frühgeburten seinen Arzt consultirte, stellt luetische Infection in
Abrede.
No 29. B. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 3200. Placenta 650
(20,6 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 0,6, 1. Lunge 0,5, Leber 2,8, Milz 0,6,
Niere 0,2, Nebenniere 0,3, Thymus 0,2. Verbreiterung der Gu4iin'-
schen Schicht an den Epiphysen.
Mutter X. Para. Nur das erste Kind lebt. Die letzten 3 Ent¬
bindungen endeten mit Frühgeburten todter Kinder. Auf der Bauch¬
haut kupferfarbenes, leicht schuppendes Exanthem. Niemals be¬
handelt.
No. 30. Sch. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1100. Placenta 400
(36,3 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 0,9, 1. Lunge 1,2, Leber 3,9, Milz 0,9,
Niere 0,4, Nebenniere 0,2, Thymus 0,3. Osteochondritis syphilitica.
Mutter, I. Para, wurde im 4. Schwangerschaftsmonat wegen
breiter Condylome. Roseola, Tonsillitis und allgemeiner Drüsen¬
schwellung im städtischen Krankenhause zu St Jacob einer Injections-
cur mit Hydrarg. asparag. unterzogen und geheilt entlassen. Letzte
Bewegung 11 Tage a. p.
No. 31. K. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 720. Placenta 300
(41,7 Proc ). Herz 0,7, r. Lunge 0,1, 1. Lunge 1,0, Leber 4,9, Milz 0,6,
Niere 0,6, Nebenniere 0,2, Thymus 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Mutter, III. Para, nicht untersucht. 1. Entbindung, Kind im
7. Monat a. p. abgestorben; 2. Entbindung, Abort, 2 Monat; 3. Ent¬
bindung. zur Zeit. Letzte Bewegung ?
Nr. 32. Sch. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2500. Placenta 700
(28 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 0,7, 1. Lunge 0,9, Leber 6,9, Milz 1,7,
Niere 0,3, Nebenniere 0.008, Thymus 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Pseudomembranöse Adhäsionen zwichen Leber, Milz und Zwerchfell.
Mutter II. Para 1. Kind, von anderem Manne, ausgetragen.
Wurde im b. und 7. Schwangerechaftsmonat wegen Roseola, Con¬
dylomen, Tonsillitis und Drüsenschwellung einer Injectionscur mit
Hydrarg. asparag. im städtischen Krankenhause zu St. Jacob be¬
handelt und nach Zurückgehen aller entzündlichen Erscheinungen
entlassen. Letzte Bewegung 5—6 Wochen a. p.
No. 34. J. Macerirtes Kind Gesammtgewicht 800. Placenta fehlt
Herz 0,6, r. Lunge 0,8, 1. Lunge 0,7, Leber 4,1, Milz 0,6, Niere 0,5,
Nebenniere 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Mutter nicht untersucht.
No. 36. M. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1650. Pla¬
centa fehlt. Herz 0,3, r. Lunge 0,9, 1. Lunge 0,7, Leber 2,8, Milz 0,4,
Niere 0,4, Nebenniere 0,009, Pankreas 0,1. Osteochondritis syph.
Mutter II. Para. 1. Entbindung faultodt im 6. Monat, 2. Ent¬
bindung z. Z. Beide Schwangerschaften von verschiedenen Männern.
Ausser Cubitaldrüsenschwellung rechts nichts Positives nach¬
weisbar. Letzte Bewegung 3 Wochen a. p.
No. 37. H. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 500. Placenta
300 (60 Proc ). Herz 0,7, r. Lunge 1,3,1. Lunge 1,0, Leber 5,1, Milz 1,4,
Niere 0,7, Nebenniere 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Mutter II. Para. 1. Entbindung, Kind ausgetragen, lebend.
2. Entbindung z. Z., von einem anderen Manne. Wegen Laryngitis
luetica seit ca. 4 Monaten in specialistischer Behandlung; z. Z.
grosse Labien dicht mit Papeln besetzt. Laryngitis, maculöses
Exanthem. Leucoderma. Defluvium capillitii. Ueberhaupt keine
Bewegungen.
No. 38 Sch. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2100. Pla¬
centa 700 (33,2 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 1,2, 1. Lunge 0,8, Leber 8,5,
Milz 0,4, Niere 0,4, Thymus 0,4. Vollständige Epiphysenlösung.
Mutter I. Para. 3 bis 4 Monate vor der Conception wegeu
Primäraffectes an dem Lab. maj. sin., Hais und Rachenafiectionen,
Heiserkeit und Coudylomata lata mittels Schmierern- behandelt.
Dieselbe fand allerdings unregelmässig und ungleichmässig statt.
Nachbehandlung mit Hydrarg. tannic. innerlich; z. Z. kleine Papel
am Lab. maj. dextr. Letzte Bewegung 5 Tage ante pari,.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
No. 40. D. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1850. Pla-
centa 820 (44,3 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 1,2, 1. Lunge 1,0, Leber 5,9,
Milz 1,05, Niere 0,6, Nebenniere 0,2, Pankreas 0.2. Osteochondritis
syphilitica. Pancreas gross und derb, mikroskop.: Bindegewebs¬
vermehrung.
Mutter II. Para. 1. Entbindung, ausgetragenes Kind, welches
nach 4 Wochen starb. 2. Entbindung z. Z. Grosse, beetförmige
Plaques am Anus. Hypertrophie beider Tonsillen, Plaques opalines.
Im r. Mundwinkel eine zweifelhafte Papel. Glossitis anterior. Leuco-
derma. Niemals behandelt.
No. 41. M. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1600. Pla-
centa 470 (29,4 Proc.). Herz 0,4, r. Lunge 1,1, 1. Lunge 0,8, Leber
4,2, Milz 0,6, Niere 0,6, Nebenniere 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Mutter I. Para. Epitheltrübung und Verdickung an der inneren
Wangen8chleimhaut,r. Epitheltrübung am Zungenrande. Abblassendes
Exanthem. Inguinaldrüsenschwellung. Cubitaldriisenschwellung 1.
Zweifelhafte Papel am r. Lab. maj. Letzte Bewegung: zweifelhaft.
Niemals behandelt.
No. 42. L. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2180. Placenta570
(26,15 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 1,0, 1. Lunge 1,2, Leber 4,7, Milz 0,9,
Niere 0,6, Nebenniere 0,1, Thymus 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Mutter II. Para. 1. Entbindung, 9 Monatskind i. p gestorben,
2. Entbindung z. Z., von anderem Manne gravida. Befund absolut
negativ. Letzte Bewegungen 8 Wochen a. p.
No. 44. B. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 3000 PlacentalOOO
(33 Proc). Herz 0,4, r. Lunge 0,7, 1. Lunge 0,5, Leber 3,8, Milz 0,6,
Niere 0.3, Nebenniere 0,1, Thymus 0,5. Osteochondritis syphilitica.
Mutter II. Para. 1. Entbindung, im hies. Institut ausgetrageues
Kind, 2. Entbindung z. Z., von einem anderen Manne gravida.
Befund absolut negativ. Letzte Bewegungen 14 Tage bis 3 Wochen a p.
No. 45. S. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 1600. Placenta600
(37,5 Proc.) Herz 0,5, r. Lunge 1,4, 1. Lunge 1,1, Leber 4,9, Milz 0,8,
Niere 0,7, Nebenniere 0,1, Pankreas 0,2, Thymus 0,2. Epiphysenlösung.
Pankreastumor. Pankreatitis interstitialis.
Mutter II. Para. 1. Entbindung, 6 Monatskind, wurde 13 Tage
alt und starb im Kinderkrankenhaus. Die Section ergab < Lues
congen. >. Diffuse miliare Gummata in der Leber. Epiphysen-
Syphilis; z. Z. der ersten Schwangerschaft Hautausschlag, sonst
stets gesund. Befund absolut negativ. Letzte Bewegungen 8 Wochen
ante partum.
No. 46. W. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 501. Placenta
300 (60 Proc.). Herz 0,7, r. Lunge 1,6, 1. Lunge 1,2, Leber 5,4, Milz
0,9, Niere 0,4. Milztumor.
Mutter II. Para. 1. Entbindung 7 Monatskind. 2. Entbindung
z Z. Beiderseits opaline Plaques auf den Tonsillen. Niemals seit¬
her behandelt. Letzte Bewegung 4 Wochen a p.
No. 47. Z. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 700. Placenta 400
(57 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 1,2, 1. Lunge 0,9, Leber 4,3, Milz 0,6,
Niere 0,4, Nebenniere 0,2. Osteochondritis syphilitica.
Mutter III. Para. 1. Entbindung 8. Monat, vorher abgestorben,
2. Entbindung 6. Monat, vorher abgestorben, 3. Entbindung z. Z.
Letzte Bewegung 1 Tag a. part. Befund absolut negativ. Allgemeine
hochgradige Anämie.
No. 49. Sch. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2500. Placenta
1000 (40 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 0,9, 1. Lunge 0,8, Leber 4,5, Milz
0,9, Niere 0,6, Nebenniere 0,1,'Pankreas 0,1, Thymus 0,1. Sehr grosser
Milztumor. Osteochondritis syphilitica.
Mutter I. Para. Am Mons veneris, gleich oberhalb der r.
grossen Labie, findet sich ein fast zehnpfennigstückgrosser, leicht
über die Oberfläche erhabener, pigmentloser Fleck mit pigmentirtem
Rande. (Residuum eines Primäraffectes oder breiten Condyloms.) In-
guinaldriisen und Drüsen im 8chenkeldreieck beträchtlich geschwollen.
Drüsenschwellung am Hals und Mentalwinkel. Letztere beiden
eventuell auf Scrophulose zu beziehen. Letzte Bewegung zweifel¬
haft. Nie in specieller Behandlung.
No. 50. F. Gesammtgewicht 2200. Placenta 600 (27 Proc.). Herz
0,5, r. Lunge 1,1, 1. Lunge 1,1, Leber 3,1, Milz 0,4, Niere 0,5, Neben¬
niere 0,1, Thymus 0,2. Verbreiterung der Guörin'schen Schicht.
Nabelvene. Mutter nicht untersucht.
II. Macerirt-nichtsyphilitische Früchte
No. 3. S. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2600. Placenta
400 (15,4 Proc). Herz 0,5, r. Lunge 0,7, 1. Lunge 0,6, Niere 0,2,
Thymus 0,4. Die Milz ist klein, äusseret zerfliesslich; desgleichen
die Leber. Beide Organe werden beim Präpariren so sehr lüdirt,
dass ein genaues Wiegen nicht möglich ist. Epiphysen von den
Diapliysen durch Macerationsprocesse gelöst. Placenta theilweise
etwas anaemisch, sonst makroskop. und mikroskopisch normal
Mutter I. Para. Früher und während der Schwangerschaft
stets vollkommen gesund, z. Z. durchaus gesunde Frau. Keine
Zeichen einer Syphilis. ü'/j Wochen a. p. letzte Bewegung. Der
Mann stellt auf genaues Examen hin luetische Infection entschieden
in Abrede.
No. 7. H. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 3520. Placenta 500
(14,2 Proc.). Herz 0,6, r. Lunge 0,6, 1. Lunge 0,5, Leber 2,8, Milz 0,2,
Niere 0,3, Nebenniere 0,1, Pankreas 0,1, Thvmus 0,3. Osteochon¬
dritis (?) Verbreiterung der Guörin'schen Schicht (?). Placenta makro¬
skopisch und mikroskopisch normal.
Mutter VII. Para. Unter den 6 ersten Entbindungen war keine
rrühgeburt, 1 Kind lebt und ist gesund, die anderen 5 sind im Alter
von 8 Wochen bis l'/z Jahr gestorben. Der Mann concedirt gonorr¬
hoische Infection, bestreitet aber Lues auf das bestimmteste. Unter¬
suchung der Frau nicht möglich. Letzte Bewegungen 8 Tage a. p.
No. 11. N. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 2700. Pla¬
centa 400 (14,8 Proc). Herz 0,5, r. Lunge 1,05, 1. Lunge 0,9,
Leber 1,8, Milz 0,3, Niere 0,4, Thymus 0,3. Epiphyse gelöst. Pla¬
centa anaemisch, aber sonst makroskopisch und mikroskopisch o. B.
Mutter V. p. 1 mal Abort. 3 '/j Mt. 3 Kinder ausgetragen, davon
sind später 2 im Alter von 3 Wochen resp. 2'/« Jahren gestorben.
3 Wochen a. p. letzte Bewegungen. Die Frau macht einen gesunden
und kräftigen Eindruck. Objectiv nichts für Syphilis sprechendes
nachzuweisen.
No. 11a. K. Macerirtes Kind. Gesammtgewicht 3800. Pla¬
centa absolut unverdächtig, nicht gewogen. Herz 0,6, r. Lunge 1,0,
1. Lunge 0,9, Leber 2,7, Milz, 0,3, Niere 0,4, Thymus 0,3. Knochen-
Knorpelgrenze unverdächtig.
Mutter: 8 Tage bevor die Frau in die Klinik aufgenoramen
wurde, hatte dieselbe Wehen bekommen. Nachdem ausserhalb
wiederholt bei lebendem Kinde vergebliche Entbindungsversuche
gemacht worden waren, wurde Patientin der Klinik überwiesen
Kind abgestorben, Fruchtwasser stinkend. In der Klinik schwere
Entbindung nach Perforation. Untersuchung der Mutter ergibt voll¬
ständig normalen Befund. Tod des Kindes in Folge anhaltend
erfolgloser Geburtsthätigkeit.
No. 13. N. Macerirtes Zwillingskind. Das andere Kind, 1500 g,
hat wenige Minuten gelebt Die Section desselben gab nicht den
geringsten Anlass, auf Lues zu schliessen. Gewichte des letzteren
nicht macerirten: Herz 1,0, r. Lunge 0,6, 1. Lunge 0,8, Leber 5,1,
Milz 0,4, Niere 0,5, Nebenniere 0,1, Pankreas 0,1, Thymus 0,2.
Keine sanguinolente Flüssigkeit in Pleura oder Peritonealhöhle.
Gewichte des macerirten Kindes: Gesammt 800, Herz 0,5,
r. Lunge 0,5, 1. Lunge 0,4, Leber 2.0, Milz 0,1, Niere 0,4, Neben¬
niere 0,1, Pankreas 0,06, Thymus 0,15. Gu4rin'sche Schicht scharf
gezeichnet, aber nicht zackig, glatter Bruch.
Mutter I Para vollständig gesunde Frau. Nicht untersucht.
III. Syphilitisch nicht macerirte Früchte, todtgeboren
oder bald nach der Geburt abgestorben.
No. I. H. Aeu8serlich normal. Osteochondrit. Byph., oedematöse
Quellung des sulzig verdickten Peritoneums, seröser bernsteinfarbiger
Erguss in die Bauchhöhle. Gesammtgewicht 988. Placenta 673
(61,1 Proc.), r. Lunge 1,3, 1. Lunge 0,7, Leber 6,5, Milz 0,9, Niere 0,3,
Nebenniere 0,1, Pankreas 0,1, Thymus 0,2.
Mutter nicht untersucht.
No. 7. R. Aeusserlich normales Kind, ’/a Std. p. p. gestorben.
Eine Schälblase am Fusse, sonst äusserlich vollständig normal.
Osteochondritis syphilitica. Milz- und Pankreastumor. Leberschwel¬
lung. Gesammtgewicht 1900. Placenta 400 (21 Proc.). Leber 7,8,
Milz 0,8.
An der Mutter nichts nachweisbar.
No. 14. W. Aeusserlich vollständig normales Kind. Osteo¬
chondritis syphilitica, grosser harter Milztumor. Gesammtgewicht 2350.
Placenta 750 (31,9 Proc ). Herz 0,6, r. Lunge 1,2, 1. Lunge 0,9,
Leber 5,7, Milz 1,6, Niere 0,5, Pankreas 0,1.
Mutter nicht untersucht.
Nc. 19 K. Aeusserlich durchaus normales Kind. Osteochondritis.
Milztumor. Sero-sanguinolente Ergüsse in Pleura, Peritonealraum
und Pericardialraum. Gesammtgewicht 2200- Herz 0,9, r. Lunge 1,8,
1. Lunge 1,4, Leber 5,3, Milz 1,4, Niere 0,6, Nebenniere 0,1, Pankreas
0,09, Thymus 0,4.
Mutter nicht untersucht.
No. 23. L. I. Todtgeborenes nicht macerirtes Kind. Aeusser¬
lich keine Anzeichen von Lues. Gesammtgewicht 2240. Placenta
fehlt Herz 1,0, r. Lunge 1,8, 1. Lunge 1,5, Leber 6,5, Milz 0,9,
Niere 0,7, Nebenniere 0,3, Pankreas 0,3, Thymus 0,3, Osteochondritis
syphilitica, Pankreatitis syphilitica, Pneumonia syphilitica.
No. 27. Sch. Kleines wohlgebildetes Kind. Schälblasen am
Bauch und Rücken. Sanguinolente Ergüsse im Pleura- und Peritoneal
raum. Milz klein. Osteochondritis syphilitica. Gesammtgewicht 2100.
Herz 0,7, r. Lunge 1,2, 1. Lunge 0,8, Leber 3,4, Milz 0,2, Niere 0,2,
Nebenniere 0,08, Pankreas 0,05, Thymus 0,8.
No. 33 E. Aeusserlich normales Kind. Osteochondritis syphilitica,
sanguinolente Ergüsse in den grossen Körperhöhlen. Gesammtgewicht
1670. Placenta 500 (29,9 Proc.). Herz 0,5, r. Lunge 1,1, 1. Lunge
0,9, Leber 3,6, Milz 0,4, Niere 0,5, Nebenniere 0,1, Pankreas 0,1,
Thymus 0,1.
Mutter nicht untersucht.
No. 35. K. Aeusserlich durchaus normales Kind. Gu^rin'sche
Schicht etwas verbreitert. Pankreas hart. Bindegewebsvermehrung.
Keine sanguinolente Ergüsse. Milz vergrössert. Gesammtgewicht
2700. Placenta 548 (20,3 Proc.) Herz 0,7, r. Lunge 1,5, 1. Lunge 1,2,
Leber 5,3, Milz 0,6. Niere 0,5, Thymus 0,4.
Mutter syphilitisch
No. 39. Schm. Frühgeborenes, äusserlich normales Kind. Ge¬
sammtgewicht 2150. Placenta 500 (23,2 Proc.) Herz 0,9, r. Lunge 1,6,
1. Lunge 2,04, Leber 6,09, Milz 0,4, Niere 0,5, Pankreas 0,2, Thymus
0,25. Osteochondritis syphilitica. Pankreatitis interstitialis.
Mutter nichts nachweisbar.
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... . . _ _ __
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12. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
449
No. 43. Sch. Nicht raacerirtes Kind. Schälblasen. Sanguinolenter
Erguss in der Peritonealhöhle. Osteochondritis syphilitica. Pankrea¬
titis syph. Gesaramtgewicht 3220. Placenta 900 (28 Proc.) Herz 0.7,
r. Lunge 1,2, 1. Lunge 1,01, Milz 0,6, Niere 0,», Nebenniere 0,2.
Thymus 0,2.
Muiter nichts nachweisbar.
No. 48. R Aeusserlich normale Beschaffenheit. Gesammt-
gewicht 520 Placenta 120 (23,1 Proc.). Herz 1,0, r. Lunge 1,7,
1 Lunge 1,4, Leber 2.3, Milz 0,2, Niere 0,7, Thymus 0,3.
Mutter syphilitisch.
No. 51. K. Aeusserlich normales Kind, welches einige Tage
gelebt hat. Milztumor. Gnörin’sche Schicht verbreitert. Pankreatit.
luet Herz 0,9, Leber 5,6, Milz 1,5, Niere 1,1, Pankreas 0,8.
Mutter Inguinaldrüsenschwellung, sonst negativer Befund.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrath Dr. Zweifel,
erlaube ich mir für die gütige UeberJassung des Materials meinen
ergebenen Dank zu sagen.
Aus der medicinischen Klinik zu Jena.
Nachprüfung des Grützner’schen Versuchs Uber die
Wirkung der Kochsalzelysmata.
Von E. Wendt. cand. mcd.
In jüngster Zeit sind von Grütznerl) eine Reibe Versuche
veröffentlicht worden, die ihrer Eigentümlichkeit halber geeignet
waren, allgemeines Interesse zu erwecken. Grützner beobachtete
nämlich, dass Clysmata geringer Menge (1,5—5 cm 3 ), die aus
erwärmter physiologischer Kochsalzlösung bestanden, in welcher
Kohlepulver, Stärkekörner, Sägemehl u. s. w. suspendirt waren, bei
Katzen, Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen bis in den Dünn¬
darm und selbst in den Magen wanderten. Auch bei einem Menschcn-
versuche fand er die cing'eführtc» Stärkekörner in dem einige
Stunden später ausgeheberten Mageninhalte vor.
Sollte sieh dieses Ergebnis» der G. r ü t z n c r ’ sehen Versuche
sowie die Erklärung derselben, von der unten die Rede sein wird,
bestätigen, so liegt die Wichtigkeit dieser Entdeckungen für die
innere Medicin klar auf der Hand. Ich meine damit die Be-
urthcilung des Werthes der Nährclysmata, die ja gerade in neuerer
Zeit in Folge der Forschungen über die Rcsorptionsvcrhältnissc
des Diekdarmes von Voitund Bauer,*) Ei eh borst, 8 ) Ewald,4)
Huber 5 ) u. A. und der in der letzten Zeit von vielen Seiten
gerühmten therapeutischen Erfolge derselben bei Magenkrankheiten,
immer mehr an Verbreitung gewonnen haben. Denn während von
einem Nährclysma im Dickdarme nur die schon resorptionsfähigen
Substanzen aufgenommen werden,*’) könnten im Dünndarme Clysmcn
in den Bereich der Verdauung gebracht und in weit höherem
Maasse so dem Organismus zugänglich gemacht werden. So sehr
nun auch eine solche Ausnützung im Dünndarme wünschcnswcrth
wäre, so wenig halten die Ergebnisse der darüber angestcllten
Versuche die Kritik aus.
Zur Erklärung seiner Resultate nahm Grützner nämlich
an, dass durch die physiologische Kochsalzlösung eine Antipcristaltik
durch Reizung der Muscularis mucosae entstände, die sieh in einem
Kandstrome äusserte, der kleine Körper in den Dünndarm und
Magen gelangen Hesse, während die Kotliballen durch die Mitte
des Darmrohres vermittelst der gewöhnlichen Peristaltik abwärts
getrieben würden. Grützner stützt sich dabei auf die schon
vor einer Reihe von Jahren gemachten Versuche Nothnagel s, 7 )
der durch Berührung der Darmserosa mit Natriumchloridcrystallen
antiperistaltische Bewegungen des Darmes beobachtete, aber aller-
*) Grützner, Zur Physiologie der Darmbewegung. Deutsche
medic. Wochenschr. 1894. No. 48.
-) Voit und Bauer, Zeitschr. f. Biologie. Bd. 5. 1869.
3 ) Eichhorst, Pflügers Archiv. Bd. 4. 1871.
4 ) Ewald, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 12. 1887.
b ) Huber, Deutsch Arch. f. klin. Med. Bd. 47.
6 ) Nach den von mir angestellten Bestimmungen gelangen von
den Boas’schen Nährclysmen nur einige 50 Proc. zur Aufnahme.
') Nothnagel, Experimentelle Untersuchungen über die Darm¬
bewegung. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 4. 1882.
~ Erkrankungen des Darms und Peritoneums. Spec. Path. u.
Joempie. 1895. Bd. XVIII. I Th. 1. Abth.
Zur chemischen Reizung der platten Muskelfasern. Virch.
Arc h Bd 88, i_ii.
— Beiträge zur Anatomie u. Physiol. d. Darms. Berlin 1884
dings Olvsmata geringer Menge, welche aus conccntrirter Kochsalz¬
lösung bestanden, wohl aufwärts wandern, jedoch nie die Valvula
Bauhini nach oben überschreiten sah.
C hristomanos ,<t ) prüfte die Grützner’schen Versuche
zuerst nach, sah aber, wenn er den Thiercu entweder durch Unter¬
bindung und Durchschneidung des Oesophagus, oder durch Auf-
biuden auf den Vivisectionstiscb, oder endlich durch Anwendung
der Czcrmak’schcn Mundklemme die Möglichkeit, ihre Faeces zu
leckcu, nahm, die injicirten Substanzen nur eine kurze »Strecke
aufwärts wandern, ein Ergebniss, das seine 20 Menschen versuche
bestätigen konnten.
S w i e e z y n s k i 9 ) konnte durch seine Versuche die Beobach¬
tungen G r ü tz n er ’ s bestätigen, während Da ub e r, I0 ) der eben¬
falls eine Nachprüfung derselben vornahm, es für unmöglich hält,
dass, falls nicht ganz abnorme Verhältnisse mitspiclen, Klystierc
und darin suspendirte Körperchen die Valvula Bauhini nach oben
überschreiten.
Da diese Frage nunmehr noch nicht als abgeschlossen zu
betrachten ist, war es mir bei Abfassung ciucr grösseren Arbeit
über Reetalernährung interessant, selbst eine Reihe von Versuchen
unter verschiedenen Vorsichtsiuassrogeln zur Ausschaltung der
Fehlerquellen anzustellen. Ein Verzeichniss der Versuche lasse
ich unten folgen.
Was die Art der in den Clysmcn suspemlirten Stoffe be¬
trifft, so wurde in einer Anzahl von Versuchen mit Gentianaviolett
gefärbtes Lycopodium benutzt, das mikroskopisch nachgewiesen
wurde. Bei den meisten Versuchen wurde jedoch Bismuthum
subnitricum angewandt, um dem zeitraubenden Mikroskopiren
aus dem Wege zu gehen. Den Nachweis des Wismuth kann
man leicht führen durch ein scharfes, und wie sich auch Matthcs 11 )
überzeugt hat, mikrochemisch gut brauchbares Reagens, das
Leger 1 *) zum Nachweis von Wismuth in Schminken und Salben
angegeben hat. Mit frisch dargestelltcm Cinchoninnitrat, das in
jodkalihaltigem Wasser gelöst ist, (Cinchon. nitric. 1,0 Kal. jodat.
2,0 Aqua dest. 100,0) geben Wismuthsalze bis zu einer Ver¬
dünnung von 1 : 500,000 einen lebhaft orangefarbenen Nieder¬
schlag, der sich in Alkohol leicht löst. Man hat nun nur nöthig,
die zu untersuchende Substanz mit etwas »Salpetersäure zu ver¬
setzen, um das Bismuth. subnitrie. zu lösen, oder falls dann die
lleaetion in Folge von im Darme gebildetem Wismuthsulfid noch
nicht erscheint, das Letztere mit Kalilauge zu zersetzen. Es
gelang mit diesem Reagens prompt, auch die geringsten Spuren
auf der Schleimhaut deutlich naebzuweisen.
Versuchsobjecte waren erstens 3 Patienten, die frei von
Darmstörungen waren. Diese Menschen versuche wurden in der
von Grützner angegebenen Weise angestellt. Ferner wurden
16 Thierversuche unternommen. Da ein Kaninchen nach
48 stündigew Hungern noch einen sehr stark gefüllten Darm
zeigte, musste von diesen Versuchstieren künftig Abstand ge¬
nommen werden. Aus demselben Grunde wurden Meerschweinchen
von vornherein von den Versuchen ausgeschlossen. Dagegen
schienen mir Hunde, bei denen verhältnissmässig leicht die
nötigen Vorkehrungen gegen das Fressen der Faeces oder Lecken
des Körpers getroffen werden konnten, zu den Versuchen recht
geeignet. Bei Mäusen, die öfters angewandt wurdeu, waren diese
Vorkehrungen schwerer zu treffen.
Die Versuche dauerten meist 5 Stunden, nach welcher Zeit
die Thicrc mit wenig Chloroform schnell getödtet wurden.
Als Vorsichtsmassregel gegen das Fressen und Lecken der
Faeces wurde bei den Hunden meist der mit Gaze umnähte
Maulkorb angewandt, der fast ausnahmslos gut vertragen wurde,
wesshalb wohl kaum ein durch denselben bewirkter modificirender
Einfluss auf die Peristaltik anzunehmen ist.
8 j Christomanos, Zur Frage der Antiperistaltik. Wiener
klin. Rundschau 1895. No. 12 u. 13.
ö ) Swieczynski, Nachprüfung der Grützner'schen Versuche
über das »Schicksal der Rectalinjectionen an Menschen und Thieren.
Deutsche med. Wochenschr. 1895. No. 32.
,0 ) Dauber, Ueber die Wirkung der Kochsalzklystiere auf den
Darm. Deutsche med. Wochenschr. 1895. No. 34.
11) Centralblatt für innere Medicin 1894, No. 1.
12 ) Bulletin de la soci4t6 chimique de Paris 1891, 50. (Ztschr.
für analyt Chemie. Bd. XXVIH, pag. 347).
3*
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450
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
No.
Thier
Art und Menge
der Clysmata
Versuchs¬
dauer |
Vorsichts-
massregeln
Befund
Bemerkungen
i
1.
Negativ
(im
Grützner-
sehen
Sinne).
Hund
(48 Stunden
hungernd).
40 cm 3 einer 0,6
proc. Kochsalz¬
lösung, in der 15,0
Bismuth. subnitric.
suspendirt sind.
36° 0.
5
Std.
Doppelte Unterbin¬
dung mit Durch¬
schneidung des
Oesophagus in
Chloroformnarkose.
Im ganzen Dickdarm bis zur Valvula
Bauhini in und zwischen Kothballen
Wismuth nachweisbar. Dünndnrm
25 cm von der Klappe aufwärts völlig
leer. Im ganzen Dünndarme und im
Magen keine Spur Wismuth nach¬
weisbar.
Der Hund schien durch die
Operation nicht sonderlich an
gegriffen zu sein.
2.
Positiv.
Maus
(nicht
hungernd).
0,5 cm 3 der Suspen -1
sion No. 1.
1 ,;>l / 2
Std.
Das Thier wird
nach Abwischen
des Anus nach der
Injection in einen
22 cm seitl. hohen
nach oben 25 cm
weiten Glastrichter ;
gesetzt. i
| In den untereu Parthien des 7'/* cm
i langen Dickdarmes Wismuth theils in,
theils zwischen Kothballen nachweis-
1 bar. In dem obersten Theile des
28 1 / 2 cm langen Dünndarmes ebenfalls
geringe Mengen Bi. Im übrigen Dünn¬
därme und im Magen keine Spur
Wismuth.
Das Thier verlor während des
Versuches einigen Koth und
ist es daher möglich, dass es
durch Auflecken verlorener
Versuchsflüssigkeit sich Bi in
den Dünndarm brachte.
3.
Negativ
Kaninchen
(4 Tage
hungernd)
I
5 cm 3 einer 0,6 proc.
Kochsalzlösung, in ,
der in 100 cm 3 30,0
Bismuth. subnitric.
suspendirt sind
5
Std.
J
5
Std
i 1
|
5
Std.
Doppelte Unterbin-1
düng und Durch- j
schneidung des j
Oesophagus. (Vor- i
her subcutan eine
Aetherspritze.)
Der 283 cm lange Dünndarm, ebenso wie
der 122 cm lange Dickdarm von einer
ziemlich grossen Kothmenge erfüllt.
Mit Ausnahme der untersten 8 cm des
Dickdarmes, wo allenthalben Bi nach¬
gewiesen werden kann, ist der ganze
Darm und Magen frei von Bi.
! Das Kaninchen verlor während
, desVereucheseinen ziemlichen
Theil des (’lysmas wieder,
j Durch die Operation schien
es nicht sonderlich angegriffen.
4.
Positiv.
Maus
(nicht
hungernd),
1
0,5 cm 3 der Suspen- ]
sion No. 3.
Nach Abwischen
des Anus wird das
Thier in den Trich¬
ter No. 2 gesetzt.
Im Magen eine geringe Menge Bi nach¬
weisbar. In den ersten 15*/, cm des
44‘/2 cm langen Dünndarmes wenig Bi.
Die folgenden 12 1 /2 cm frei von Wis¬
muth In den darauf folgenden 6 cm
viel Bi, während das letzte 10*/a cm
lange Dünndarmstück völlig frei von
Wismuth ist. In dem 9 cm langen
Dickdarme ist wenig Wismuth nach¬
weisbar.
Das Thier verlor während
des Versuches eine ziemliche
| Menge Kotb.
|
1
5.
Negativ.
Hund
(3 Tage
hungernd).
25 cm 3 der Suspen¬
sion No. 3.
j Das Thier erhält
i einen Maulkorb, der
mit Gaze völlig um¬
wickelt ist, die
ausserdem noch
mit Draht befestigt
ist.
Im Magen und dem 140'/2 cm langen
Dünndarme keine Spur Bi. Im Dick¬
darme bis zur Klappe überall Bi nach¬
weisbar.
Der Hund verlor bald nach
der Injection einen grossen
Theil des Clysmas. Er war
anfangs ziemlich aufgeregt und
versuchte sich den Maulkorb
abzureissen, was ihm nicht
gelang. Bald beruhigte er sich
aber.
6.
Negativ.
Maus
(einen Tag |
hungernd).
0,5 cm 3 der Suspen -1
sion No. 3.
6
Std.
Trichter cfr. No. 2.
Darm ist 38 cm lang. Weder im Magen,
noch im Dünndarme, sondern nur im ,
untersten Theile des Dickdarmes eine i
Spur Bi nachweisbar.
Die Maus entleerte am Hunger¬
tage reichlich Koth, weniger
während des Versuches.
7.
Negativ.
Hund
(4 Tage
hungernd). ,
20 cm 3 der Suspen- 1
sion No. 3.
Std.
Maulkorb wie No. 5.
Im Magen und dem 127 cm langen'
Dünndarme kein Bi. In den letzten
9 cm des 15 cm langen Dickdarmes
reichlich Wismuth.
Der Hund verlor während des
Versuches weder Koth, noch
etwas vom Clysma, auch ver¬
hielt er sich nach Anlegen des
Maulkorbes gegen vorher nicht
verändert.
8.
Negativ. |
i Maus
(einen Tag
hungernd).
0,5 cm 3 der Suspen¬
sion No. 3.
4‘/2
Std.
Cfr No. 2.
i '
i
Im Dickdarme, jedoch nicht ganz bis
zur Ueocoecalklappe, Bi nachweisbar.
Im Magen und Dünndarme keine Spur.
9.
Positiv.
Maus
(nicht
hungernd).
0,5 cm 3 einer Sus¬
pension von mit
Gentianaviolett ge¬
färbtem Lycopo-
dium in 0,6 proc.
Kochsalzlösung
von 36° C.
6
Std.
|
Wie No. 2.
Im Magen ziemlich reichliche Mengen [
Lycopodiumkörner, ebenso an vielen
Stellen des 34 1 /» cm langen Dünn- j
darmes. Im ganzen 7 ’/a cm langen 1
Dickdarme reichlich Lycopodium. !
|
Die Maus entleerte während
des Versuches mittlere Mengen
Koth. Auffallend war, dass
sich im Dünndärme das Lyco¬
podium nur an Kothballen
gebunden zeigte, an kothfreien
Stellen aber auch kein Lyco¬
podium gefunden werden
konnte; ein Befund, der dar¬
auf schliessen lässt, dass das
Thier sich durch Fressen der
Faeces Lycopodium in Magen
und Dünndarm brachte
10.
Negativ
Hund
(2 Tage
hungernd).
30 cm 3 der Suspen¬
sion No. 9.
5*/a
Std.
Grosser Maulkorb,
der erst mit einem
feinen Drahtnetz,
dann mit Gaze um¬
näht ist.
Der leere Magen und der ebenfalls
fast leere, 139 cm lange Dünndarm
enthält keine Spur Lycopodium. Im
24 cm langen Dickdarme ist mit Aus
nähme der der Klappe zunächst liegen¬
den 7 cm reichlich Lycopodium zu
finden.
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12. Mai lö9G.
MÜNCHENEU MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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kr
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No.
Thier
1 aa
Art und Menge ('S S
der Clyamata j § .§
\>
Vorsichts-
massregeln
Befund
Bemerkungen
11.
Negativ.
Hund
(2 Tage
hungernd).
30 + 25 cm 3 einer
Suspension von Bis-
muthum subnitrie.
in einer 30 proc.
Kochsalzlösung
von 36° C.
472
Std
Maulkorb, ^
cfr. No. 10.
Im Magen und dem 177 cm langen
Dünndarme kein Bi nnchzuweisen. Im
Inhalte des 26 cm langen Dickdarmes
Spuren von Bi. Auf der katarrhalisch
afficirten Schleimhaut des Dickdarmes
allenthalben Wismuth nachweisbar.
Der Hund presste das ClyBma
von 30 cm 8 sofort fast gänz¬
lich wieder aus. Von einem
zweiten darauf injicirten Clys¬
ma von 25 cm 3 wurde eben¬
falls ein grosser Theil verloren.
12.
Negativ.
Hund
(einen Tag
hungernd).
20 cm 3 der Sus¬
pension No. 9.
5 1 /*
Std.
Maulkorb,
cfr. No. 10.
Im Magen und dem i38 cm langen
Dünndarm* kein Licopodium, dagegen
reichlich an allen Stellen des Dick¬
darmes nachtuweisen.
Der Hund verlor nichts von
dem Clysma.
13.
Positiv.
Hund
(3 Tage
hungernd).
do.
5
8td
do.
Im Magen finden sich einige Lyco-
podiumkörner. Im ganzen 179 cm
langen Dünndärme ist trotz vieler Prä¬
parate kein Lycopodium zu finden,
dagegen ist es überall im 15 cm langen
Dickdarme vorzufinden.
Der Hund hatte sich den
Maulkorb abgerissen und
wurde, sich den Körper be¬
leckend angetroffen, so dasB,
zumal nur im Magen und
nicht auch im Dünndärme
Lycopodium gefunden wurde,
die Vermuthung nahe liegt,
dass sich der Hund das Lyco¬
podium von oben in den Magen
brachte.
14.
Negativ.
Hund
(2 Tage
hungernd).
20 cm 3 einer Sus¬
pension von mit
Gentianaviolett ge¬
färbtem Lycopo-
dium in einer 0,6
proc. K CI - Lösung
von 36° C.
5
Std.
Maulkorb
wie No. 10.
Im Magen und dem fast völlig leeren
132 cm langen Dünndarme kein Lyco¬
podium , welches aber reichlich an
allen 8tellen des 15*/a cm langen Dick-
darmes bis genau zur Klappe gefunden
wird.
15.
Negativ.
Hund
(3 Tage
hungernd).
20 cm 3 einer Sus¬
pension von 15,0
Bismuth. subnitrie.
in einer 0,6 proc.
K CI - Lösung von
36° C.
do.
do.
Im Magen und dem 117 cm langen
Dünndarme keine Spur Bi. Im 17*/* cm
langen Dickdarme bis genau zur Klappe
Bi nachweisbar.
16.
Negativ.
Grosser
Hund
(2 Tage
hungernd).
| 70 cm 3 einer Sus-
1 pension von 30,0
' Bismuth. subnitrie.
in 90,0 einer 0,6
proc. Na CI-Lösung
von 36° C.
5‘/s
Std.
Kurzes Anbinden
mit Kette und Maul¬
korb wie No. 10.
Der Magen und der fast völlig leere
219 cm lange Dünndarm enthalten kein
Wismuth. In den mittleren und unteren
Abschnitten des 25*/* cm langen Dick¬
darmes reichlich, in dem obersten
Theile Spuren von Bi nachweisbar.
Der sehr kräftige Hund hatte
sich bald die Gaze vom Maul¬
korb gerissen, verhielt sich
dann aber ruhig und wäre es
ihm auch nicht möglich ge¬
wesen, etwa entleerte geringe
Mengen Darminhalt aufzu¬
lecken, da er kurz gefesselt war.
17.
Negativ.
Patientin
L. L.
(frei von Darm¬
störungen).
250 cm 3 einer Sus¬
pension von mit
Gentianaviolett ge¬
färbtem Lycopo-
dium in 0,6 proc
NaCl-Lösnng von
36° C.
4‘/a
Std.
Patientin erhielt
nach dem Mittag¬
essen nur noch am
Abend etwas Suppe.
Am andern Morgen
erhielt sie per os
nichts. 7 2 b Uhr
wurde das Clysma
mit dem Irrigator
eingeführt. Nach
12 Uhr Mittags der
Magen ausgehebert.
Die ausgeheberte, ca. 6 cm 3 betragende
Flüssigkeit enthält freie HCl u. scheint
bis auf geringe Schleimbeimengungen
klar. Mikroskopisch konnte trotz vieler
Präparate kein Lycopodium nachge¬
wiesen werden.
Patientin entleerte während
der Dauer des Versuches nichts
vom Clysma.
18.
Negativ.
Patient H.
(frei von Darm-
störungen).
13 Jahre alt.
250 cm 3 einer Sus¬
pension von 40,0
Bismuth. subnitrie.
in 250,0 0,6 proc.
Na CI-Lösung von
36° C.
do.
do.
Die aus dem Magen ausgeheberte, ca.
20 cm 3 betragende, schwach sauer rea-
girende Flüssigkeit ist frei von HCl
und Milchsäure. Weder durch Cincho¬
nin. nitric. noch auf mikroskopischem
Wege ist die geringste Spur Wismuth
nachzaweisen.
do.
19.
Negativ.
1
Patient
W. L.
(frei von Darm-
störungen).
250 cm 3 einer Sus¬
pension von 50,0
Bismuth. subnitrie.
in 0,6 proc. Na Cl-
Lösung von 36° 0.
1
do.
do.
Die aus dem Magen ausgeheberte, ca.
7 cm* betragende, schwach sauer rea-
girende Flüssigkeit ist frei von HCl
und Milchsäure. Bi kann nicht darin
nachgewiesen werden.
do.
No. 13 4
Digitized by
Google
No. 19-
__ ,
Mo mit». ta ■^S’örSoWmgzr^hUtMn, in
welcher, um dielh.crc v»■» "'“^hielten sic h meist (uut
die N«he des Olens «^Ut »urd« konnte abcr , „o
Ausnahme der ersten nicM immer das Auf-
die Tabellen so,gen, durch den wclden .
lecken der Faeces mit Smherh , Versuch 1 und 8 die
„ui"SÄSU llesophagns und die Chlcre-
forinnarkose resp. snbcutanc Artta™«*». Notll „ ago l ■») bei
Die subcutane Aethcrinjecti Po hl 14 ) bebt Aether
allerdin^dle 0 1)armtewe^ung^.ttf> j^ClAw^nDnar^e
"ÄtnÄ-anf die Darmperistaltik au beobachten
gewesen. AUiMir-bkeit nicht ausgeschlossen sein,
Allerdings mag die Moghchk dung dcs Oesophagus
dass die Unterbindung und flQssen könntc . Demgegen-
reflectorisch die Darmbeweg g häufigsten Indication
aber möchte ich aber »«; ” m „t der 6esophagussteno.se, wob.
zur Anwendung der Na i dic fiäbrklystierc, die
der gleiche Heiz ^ “le Erfolg wie bei ihrer Anwendung
Kochsalz enthalten, der glcic J dic 0l)Cra tion an
aus anderen Gründen **^'Z unblutig vollendet wurde,
& *■ der
Oesophagusstenosc, sieh "° f , das Bwmuth. subnitric.
Vielleicht könnte man nocl von Grützner
wäre specifisch zu schwer , ab ^ (Jcwicht de s Zinnobers
mit einer Zinnobersuspension (d . b itric nnr 2,7 beträgt)
s ä- - --
" is'i v-—*»-
(siehe S. 450 und 451). ersichtlich ist, die in früher
Da nun, wie aus den labciien u> prnucllcn auf die
g,aubc icb)
Menschenversuchen ß gc troffeu worden.
injicirten Substanzen - 5 aller der
Ebensowenig im ilag „ oder Lecken etwa
Versucbsthiere, denen ■ , gemacht worden
wieder entleerter^Cl^siiiat bei dcneu der Versuch
war
• • eh oben überschreiten
di e V a 1 vu 1 a Bauh i n i na , b gemachte Entdeckung
können und »mit auch dm.«Kochsalz™»*, durch
“ “r
bei den Versuchen nurJ ß ^ g ei den Nährklystieren der
keit unter niedrigem Mocaenklvstiere bis hoch hinauf in den
Fall ist, handelt. . D T, M * S “Äugten, aus dem sie auch
Darm und selbst in den •g 8 ( jn(J T1 ,atsacho, die ton
gelegentlich ausgebrochen «urta , . ^knftigt ist. Und selbst
einer Anzahl namhafter ) konn{c das Vordringen in
bei Anwendung von Massen 1 Fällen beobachtet werden.
höhere Darmabschmttc nicht eincm Patienten mit
Wie denn auch CIhr.ist»». > > £^ eiM 3 _ 4 Ute,
Kothfistel am oberen lkum nach 1P fliessen sah und cs
betragenden an Leieben erst durch
einen° Einlauf ^von 3 Liter Menge gelang, den Widerstand der
1 l.woecalklappe zu überwinden.
Zum Schluss ist es ^ «n^angenehnae Pflicht,
ehrten l.chrer, Herrn Prof.® r ' , Hmn p ri vatdocent llr. «um-
£.Xr£ 3. Anregung datu und dic Unterstützung bei An¬
fertigung derselben, meinen Dank auszusprechen.
Zwei Fälle von Syringomyelie nach Eindringen eines
Z Zinksplitters in den rechten Daumen.
Von Dr. Joseph , Mies, Nervenarzt in Köln a/Rh.
Da wir bis jetzt noch ^ Ä
rnyelie wissen, so verdienen ” b iM „ vielleicht einige Bc-
Ursache dieses Leidens hinzndeaMn h Oktober 1895
Ie^getm" zunächst die* ausführliche Vorgeschichte und dic Haupt-
paukte des Befanden diese, beiden ^ ^ „„ e - m
I. Th. Kuhlemann, z. Z. 39 M , hdem er vorher
Vater, der mit 72 .Jahren P'^p.'^ h^n Folge eines Nierenleidens)
geschwollene Beine (wahrscheinlich * 8 nicht blutsverwandten
gehabt hatte, und von einer mt ,hr «“ W * inem Schlaganfall (rechts-
Mutter, die im Alter von ri)ipinistlosigkeit, Sprachverlust) nach
seifige Lähmung, dreitägige BewusstiosigK en . oder Geistes-
K Tauen erlag. Sonst sind angebl wurde rechtzeitig
krankheiten in de, Familie von einem
und ohne besondere war er nie erheblich krank
chsthiore , denen das Fressen oder -eae„c.... Unfarleibst^hn. ist
, entieerfar Clysma.heile «nmöglieh gemach, werden Ehensiiwenig^ , k ^ Tarnen. Ein
Andererseits war den vier Thieren, bei den Trichter- hat er zwei gesunde Kinder, die g 8 g Monat gebor en und
__ 1 anlipn Sinne ausfiel, durch Lecken an der Trichter ^ Kind de am 22. Juli « vprmut hlich an angeborener
war. Andererseits war den vief - der Trichter-
'"rltÄ^rs nach Ahrcisscn
(V- 1.8) f ^tStS^n 8 ^^
Substanzen von oben in den n Wenn nun ferner in
ES?n?u unris ^b^worden ist,
die aus 0 ’ 6 prO °- .f a , s d “ physiologische Kochsalzlösung im
r;tfa,arn (ms 7 ——
für Z ' Em'irwandern der pbysiclogi^en^salz;
SsSSSS:«^
sehen Beobachtungen sprechen, so glaubt Vc ’
es nicht möglfeb ist, dass Clysmata ger.nger Menge
i „ O
und auch nie gesehlechts^ Tarnen. Ein
bat er zwei gesunde Kinder, die g 8 Monat gebo ren und
SÄÄe^'Äve—ich an angeborener
““tÄ geschickter Klempner (=f“"Ä
und Metalldrucker war, verbrannte sich am l. mH einem
Daumen, arbeitete aber weiter,’aaebde'm er a & März drang
r/TlVÄrne^ebteter Zink.pahn
T^ter, über den »hrwerth der Eiklystiere. Deutsche.
Mosler, Einführung von grossen Mengen rlüss gk ^ Woch en-
Deutsches Arch. f. klin. Med. XV. p. 2dd.
schrift. Bd. X.
iVv^Heuserich, Ausspülung des Jerdauungseanales
Cholerakranken. Deutsche Site auch Hr. Dr Graf
i) In der Sitzung vom 27. A P nl f 18 fp icbtenst ern stehenden
von der unter Leitung des Hm. E fof ■ n an Syringomyelie
Abtheilung des hiesigen Bur ^ ,09pi ^ 1 anke b ei dem die ersten
viel mH E.nk
zu thun gehabt.
Digitized by
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12. Mai 1896.
MÜNCHENKK MEMCINISCUE WOCHENSCHRIFT.
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durch den Verband in den verbrannten Daumen und
konnte trotz mehrfacher Versuche nicht entfernt werden Am
folgenden Tage wurde K. Vormittags mehrmals von TJebelkeit
und Abends von einer i jt — t /2 ständigen Bewusstlosigkeit be¬
fallen. Er wurde nach Hause gebracht, hat sich aber selbst nie
erinnern können, wie dies geschehen ist. Ueber den damaligen
Befund und den Anfang der bis zum 10. Sept. 1886 fortgesetzten
Behandlung hat sein Arzt, Hr. Sanitätsrath No6, später «auf
Wunsch des p. Knhlemann der Wahrheit gemäss » Folgendes be¬
scheinigt : «Der Klempner Th. Kuhlemann hatte im Jahre 1886
ein Panaritium am rechten Daumen, welches ich circa dreimal
unter grossen Schmerzen für den p. Kuhlemann auf-
gesclinitten habe. Die Entzündung hatte einen solchen Umfang
angenommen, dass ich nahe dabei war, den Daumen zu exarticuliren.>
Hr. Sanitfttsrath No 6 erklärte mir ferner auf das Bestimmteste, dass
er keinen Fremdkörper aus dem Daumen entfernt habe.
Bevor K. 6ich den Daumen verbrannte und durch Eindringen
eines mit Salzsäure befeuchteten Zinkspalins in denselben eine
mechanische und chemische Verletzung mit folgender Zellgewebs¬
entzündung erlitt, war er stets vollständig arbeitsfähig.
Erst nach diesem Unfall, also seit März 1886, klagte K. über zu¬
nehmende Schwäche des rechten Armes. Am 17. April 1*87 be¬
scheinigte Hr. Dr. Overhamm, dass ein deutlicher Muskel¬
schwund der rechten Hand bestehe, der die Angabe des
Verletzten, sein rechter Arm sei von einer grossen Schwäche
befallen, durchaus glaubwürdig mache. Hochgradig war dieser
Muskelschwund damals wohl noch nicht, da 5 Monate bevor, und
ein halbes Jahr nachdem Hr. College Overhamm den Kranken
sah, zwei erfahrene Aerzte keinen Anhaltspunkt für die Klagen des
K. finden konnten. Einer von ihnen, ein sehr gesuchter Chirurg,
schrieb am 2. Oktober 1887, dass « der Befund nicht für die be¬
hauptete Schwäche des Armes» spreche. Am 2. April 1889 gab
Hr. Dr. G. Sticker dem Kranken ein Zeugniss mit folgendem Wort¬
laut: «Th. K., 32 Jahre alt, leidet an einer progressiven Muskcl-
atrophie, welche ihn des Gebrauchs seiner Arme beraubt und
damit durchaus arbeitsunfähig macht» Hr. Prof. Steiner stellte
dann am 13 Januar 1890 K. als einen Fall von progressiver spinaler
Muskelatrophie nach dem Typus Aran-Duchenne im Allgemeinen
ärztlichen Verein zu Köln vor. Damals war von einer Herabsetzung
oder Lähmung des Schmer/.- und Wilrmesinns noch keine Rede.
Diese Störung ist also wohl erst in den letzten Jahren hinzu-
gekommen, wie dies bei der Syringomylie zuweilen beobachtet wird.
Aus dem Befunde, den ich im zweiten Vierteljahr lo'.).'* auf-
nihm, hebe ich nur Folgendes hervor: Auf dem rechten Handrücken
hat der Kranke zwischen dem ersten und zweiten Mittelhandknochen
eine ungefähr 3 '/ 2 cm lange Narbe und an der Reugeseite deB Grund¬
gliedes vom rechten Daumen eine solche von etwa 2Vs cm Länge.
Die Muskeln der Hände (mit Affenhandstellung und Andeutung
von Klauenhand), beider Arme und des Schultergiirtels sind in mehr
oder weniger hohem Grade geschwunden. Die Bewegungen dieser
Körpertheile ebenso wie die des Kopfes 2 ) sind geschwächt oder
aufgehoben. An den bis zu einem gewissen Grade erkrankten
Muskeln der Oberarme und Schultern beobachtet man zuweilen
fibrilläre Zuckungen. Die faradische und galvanische Erregbarkeit
der betroffenen Muskeln ist herabgesetzt bezw. erloschen. Complete
Entartungsreaction habe ich damals nicht feststellen können.
Wenn man das Gesiebt, den Hals, die Arme und den Brustr
korb des Kranken mit einem warmen Gegenstände berührt, so
nimmt derselbe Kälte wahr. Unterhalb der Rippen findet sich < in
Streifen, wo er unsichere Angaben über kalt und warm macht.
Darunter, auf dem Bauche und den Beinen, ist der Wärmesinn
nicht gestört. — Auf den Armen, dem Rumpfe und den Ober¬
schenkeln ist die Sehmerzempfindung herabgesetzt oder erloschen,
auf den Unterschenkeln und Füssen dagegen etwas gesteigert. —
Die Spitze und den Kopf einer Nadel kann der Kranke auf dem
Oberkörper gar nicht, auf dem Bauche und der Aussenseite der
Oberschenkel schlecht, an der Innenseite derselben etwas besser,
auf den Unterschenkeln und Füssen ziemlich gut unterscheiden.
Im zweiten Vierteljahr 1895 empfand K. noch die zartesten Be¬
rührungen. Als ich ihn am 21. Oktober 1895 vorstellte, musste ich
aber schon einen massigen Druck ausüben, damit er die Berührungen
mit meinem Finger fühlte. Ob ein Gewicht von 1 oder 2 kg auf
einen seiner Arme drückt, kann der Kranke nicht unterscheiden. —
An den Armen ist die Bewegungsempfindung deutlich herab¬
gesetzt, die Lagewahrnehmung fast ganz aufgehoben. — Hinzufügen
will ich noch, dass K. ungefähr seit dem vorigen Sommer über
unangenehmes, zeitweise sogar schmerzhaftes Frostge'ühl in beiden
Armen, besonders im rechten, klagt, und dass er in den letzten
Wochen eine gewisse Müdigkeit im Rückgrat empfindet.
Es besteht eine Ivypho-Skoliose der unteren Hals- und oberen
Brustwirbelsäule in mittlerem Grade. In der linken Achselhöhle
ist die Schweissabsonderung eine stärkere als in der rechten.
Erwähnung verdient ferner eine deutliche Verengerung der
rechten Lidspalte und Pupille.
Der Sohlenreflex ist hochgradig gesteigert; der Cremaster-Reflex
rechts deutlich, links träge; umgekehrt verhält sich der Bauchdecken¬
reflex. _ Lid-, Bindehaut- und Gaumenreflex sind vorhanden. — Das
2 ) Doch hat der Umfang des Halses keineswegs abgenommen,
da der Kranke in den letzten Jahren weitere Kragen braucht.
nur durch Kunstgriffe auslösbare Kniephänomen ist träge. Beim
Beklopfen der Achillessehne bewegt diese sich etwas, jedoch nicht
der Fu8s. Handgelenk- und Bicepssehnen - Reflex sind nicht vor¬
handen, dagegen lässt der Tricepssehnen-Reflex sich auslösen. —
Die Papillen reagiren auf Lichtwechsel und bei der Accommodation.
II. Rud Günther, 33 Jahre alt, gehört einer Familie an, in
der weder Nerven- noch Geisteskrankheiten, auch kein Selbstmord
oder Trunksucht sich gezeigt haben sollen. Ohne Kunsthilfe kam
G. gesund und ausgetragen zur Welt. Als er 18 Jahre alt war,
wurde er überfallen und am Kopfe leicht verletzt. Eis rühren hiervon
zwei schmale, bewegliche Narben über dem rechten Scheitelbein.
Hirnsymptome waren nicht vorhanden Auch legt der Kranke dieser
Sache keinerlei Bedeutung bei. Von einer schwereren Krankheit
wurde G. nicht heimgesucht, war nie geschlechtskrank und auch
kein Trinker. Er ist verlieirathet, hatte ein Kind, das an Masern
mit Lungenentzündung starb; eine Fehl- oder Frühgeburt ist nicht
vorgekommen. — Seit seinem 14. Lebensjahre beschäftigt er sich
mit Klemp nerarbeiten.
Ende Mai 1837 drang ihm beim Schneiden von Zinktafeln
eine Zinlc.spitze in die Kuppe des rechten Daumens.
Der Verletzte entfernte durch Zug an dem vorstehenden Ende den
Zinksplitter nur theilweise; denn einige Tage später drückte ihm
ein Bekannter ein zweites Stückchen Zink aus dem geschwollenen
und bläulich verfärbten Daumen. Hierbei that er solche
Schmerzäusserungen, dass die Personen, welche vorher noch
im Zimmer waren, sich entfernten. Da Daumen und Hand immer
mehr anschwollen und schmerzten, so liess er sich am 7. Juni löfs7
ins hiesige Bürgerhospital aufnehmen. In der dort niedergeschrie¬
benen Krankengeschichte steht: «Daumen müssig geschwollen, sehr
schmerzhaft. Auf der äusseren Seite desselben eine Fistel, die
auf rauhen Knochen führt. Therapie: Resection der I. Phalange.
Reactionsloscr Wundverlauf. ». VII.: Es besteht noch eine genüge
Granulationswunde. Patient wird als gebessert zur Ambulanz ent¬
lassen.» Vor der Operation legte ein Assistenzarzt dein Kranken
die Möglichkeit dar, dass man vielleicht den ganzen Daumen weg-
nehmen müsse Hierzu verweigerte G. aber entschieden seine Ein¬
willigung. Er wurde dann in Chloroform-Narkose operirt Die Nach¬
behandlung dauerte nach der Entlassung aus dem Hospital noch
ungefähr */ 4 Jahr. Inzwischen machte sich eine verminderte Ge¬
brauehsfähigkeit des für die Ausübung seines Handwerks wichtigen
rechten Daumens bemerkbar. Er erhob Rentenansprüche, die aber
von der. Berufsgcnossensehaft mit der Begründung zurückgewiesen
wurden, dass «der p. Günther sich die angebliche Verletzung nicht
in dessen (seines damaligen Arbeitgebers) Betriebe zugezogen habe».
Nach den früheren und jetzigen Versicherungen des Kranken ist
dies aber doch der Fall gewesen. Von Ende 1887 an fühlte G. eine
allmählich zunehmende Schwäche der rechten Hand. Erst seit un¬
gefähr 3 /* Jahren sei auch die linke Hand unbeholfen und bemerke
er die Klauenstelluug seiner Hände. Ferner sind vielleicht vier
Monate verflossen, dass er fortwährend einen schmerzhaften Druck
in der Gegend der Lendenwirbelsäule empfindet, der von dort nach
links bis zur mittleren, nach rechts bis zur vorderen Axillarlinie
ausstrahlt, und dass er auf den unteren zwei Dritteln des Brust¬
beins ebenfalls ein Gefühl des Druckes wahrnimmt. — Was die
leichten Erkrankungen des G. in den letzten Jahren betrifft, so hatte
er 1890 und 1891 zwei oder drei Mal die Influenza, schlug sich 1892
bei der Arbeit mit dem Hammer auf den linken Zeigefinger und
war 1894 einige Wochen erkältet. — Am 9. März 1896 kam er in
die Behandlung seines Kassenarztes, der ihn an «Paresis nervi
ulnaris duplex — Dupuytren’s Fingercontractur — Tabes dorsalis»
behandelte. Am 11. April d. J. sah ich den Kranken zum ersten
Male, schöpfte wegen des Muskelschwundes und der eigenartigen
Stellung der Hände, namentlich aber wegen dreier etwas in die
Tiefe greifender, theilweise mit Schorf bedeckter Brandwunden auf
der Streckseite des linken Mittelfingers sofort Verdacht auf bestehende
Syringomyelie, die ich dann auch schnell erkannte.
Dem Befunde entnehme ich nur die Hauptpunkte. Auf der
Aussenseite des rechten Daumens, der schmäler und kürzer ist als
der linke, eine l'/zcm, an der Innen-(Ulnar-)Seite eine 3'/* cm lange
Narbe; darunter, ebenfalls auf der Innenseite des Daumens, aber
auf den ersten Zwischenknoehenraum übergehend, eine Narbe von
4 cm Länge. Ausser den schon erwähnten Brandwunden bemerkt
man am rechten Ellbogen und auf dem linken Vorderarm mehrere
Narben, die von Verbrennungen in den letzten Jahren herrühren.
Auf dem Rücken der bei jedem Streckversuch eine Klauen¬
stellung einnehmenden Hände sieht mau tiefe Gruben in den
Zwischenknochenräumen. Die Kleintinger- und Daumenballen sind
abgeflacht. An den Muskeln des Schultergürtels erkennt man einen
geringen bezw. mittleren Grad von Schwund. Mehrere Handbe¬
wegungen kann der Kranke entweder gar nicht oder nur in unvoll¬
kommener Weise ausführen. Die Arme und den Kopf kann er
noch nach allen Richtungen bewegen, jedoch mit mehr oder weniger
verminderter Kraft. Verhältnissmässig am schwächsten sind Beugung
und Streckung des rechten Vorderarms. Auch in der Beugung der
Oberschenkel macht sich schon eine Kraftabnahme bemerkbar.
Fibrilläre Zuckungen habe ich im vorderen Theile des rechten
Deltoideus, sowie im unteren und mittleren Theile des Cucullarie,
besonders rechts, beobachtet. Die faradische Erregbarkeit der
Muskeln und Nerven ist mehr oder weniger herabgesetzt, aber nirgends
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MOMOHEN EB MEDICnnSOHE W OCMNSCHllg^
No. 19.
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erloschen. Hierbei namentlich
beiderseits träge Auch d £ gaJvam»ab« nirgends erloschen; eine
auf der rechten Seite, l'^geaet ane ^ ^ a)lerdings mcht auf
ausgesprochen träge Zuckung ko Untersuchung nicht
SlIeMiakelu »ich »*"*“**“.äj dass zuweilen blits-
de. linken, und
d6r “StoeSSSt'Sr^STMt ^flSer EmS
durch das linke, schiesse hauptsächlich der linken Fusssohle.
lichkeit beider Sohlen, auch hier P« a d rec hten Seite des
Kalt und warm kann der Kranke a ^ ^
Halses, den ArmenaufBrostBauch^^^^.^^ ^ wahrn mmt
der Kreuzbeingegend auf der ese Thermanttslhesie erstreckt eich auf
nicht auseinander halten. IJiese rechten Oberschenkels,
den ganzen linken und den grössten inen ^ Berührung
sowie fast auf den ganz ®”, ' it inem Leisses Wasser enthaltenden
des rechten Unterschenkels wenig, nach einiger Zeit
Probirgläschen empfindet er im ^"L x f )ew u g nften . Die Schmerz-
mehr Wärme und hat zuweil und^em grössten Theil des Rumpfes,
empfindung ist auf ^“-^“ o^erscheTüfels stark herabgesetzt oder
des Halses und des rechter^ CK erschenkeis Unterschenkeln
aufgehoben, in der ^sofort an" wenn ich ihn irgendwo
aber gesteigert. Der Kranke gaD Empfindung auf dem
ganz sanft berührte, erklär d Beugeseite beider Arme,
ganzen Brustkorb, der S,' „ J der Innenseite des
der Aussenseite des rec< ta “ Obe^ stumpfer sei, als an den übrigen
linken Unterschenkels für ihn eUas t I h mehmung der Arme
Stellen. Bewegungsempfindung und R ® berg Bche Zeichen vor¬
sind nicht gestört. Dageg bemerkbar wenn der Kranke bei
SUVÄt e «oVSl '»»« n k “”> "tb“ Shen°eWaB nach
BindTart- Zi
Bauchdeckenreflex Bind ™ht . He beiden letzteren sind jedoch
ÄSnSSÄS ^säB&Si' dÄÄ
»
Der Achillessehnen- Reflex ist hnks J^\\, , zuw eilen recht
und bei der Accommodation. d Sprache und An
Es besteht eine gewisse Schwerfälligkeit aer oprac.
deutung von Silbenstolpern.
So verlockend es auch sein mag, die beiden Befunde, welche
meines Erachtens die klinische Diagnose
fertigen, zu vergleichen, so muss ich, um diese Arbeit mdR zu
weit auszudehneu, dies leider den Lesern überlassen und mich
darauf beschränken, nur die Punkte zu erörtern die beiden 'Ur¬
geschichten gemeinsam sind. Wir haben es also hier mit zwei
Klempnern (oder Flaschnern, Spenglern) zu thun. Dem Linen
drang*vor 10, dem Andern vor 9 Jahren ein Zinksph tcr in den
rechten Daumen und verursachte eine schmerzhafte und so heftige
Zellgewcbs- (und Knochenhaut- hoi Fall II) Entzündung, dass
man Anfangs daran dachte, beiden Kranken den rechten
Daumen entfernen zu müssen. Nach ausgiebigen Einschnitten
(und Knochenresection bei Günther) geht die Entzündung
jedoch zurück. Die Kranken bleiben wegen der (chirurgischen)
Folgen der durch die Verletzung mit einem Zinksphttcr liervoi-
gerufenen Panaritien noch ’/s bezw - 7» Jldir 1,1 ÄrzUiclier 1Be¬
handlung. Dann stellen sich allmählich die Zeichen der Syringo¬
myelie ein, von welchen vorher keines bei einem dieser Kranken
bemerkt wurde. . _
Die genannten Vorgänge glaube ich nun m diesen Falle
für den Ausbruch des Rückenmarksleidens verantwortlich machen
zu dürfen, wenn ich auch zugeben will, dass man namentlich bei
Kuhlemann, auf dessen hoher Stirne die grösste Erhebung des
über den Scheitelbeinen sich schnell senkenden seitlichen Kopi-
umrisses liegt, eine gewisse Anlage zur Syringomyelie annehnien
kann. Die von mir näher ins Auge zu fassenden Momente kann
man trennen in eine periphere Verletzung, eine periphere Ent¬
zündung durch eine auch beim Gesunden genügende äussere
Ursache und das Eindringen von Zink in das l nterhautzell-
gewebe. Es fragt sich, ob schon eines dieser Momente genügt,
um die Syringomyelie hervorzurufen, bezw. den Keim zu dieser
Krankheit aus seinem J hierzu tthweifdig
sainmcnwirkcn z Umstäin de (hier vielleicht Uebcranstrcngung
de, von den Klen.pu.ra
der rechten Hand, g \ zu jenen drei Punkten hin-
viel gebrauchten Salzsaure u. s. w.j zu je
zukommen müssen^ ^ ^ Syrin lie geschrieben
auch A. Bau in i c r, ^ ^ r . Meist ist aber nur
Hoffmann, „„einen oder von einem heftigen Fall oder
z” :£ “
So »eit ich mich bi» jetzt in der Literatur Umsehen kenn e,
sind 1" wenige Beobaehtnngen v— t
= - äsäs
f; Grunde, Es ist die» zunächst (LWWhHj. f ^
33. Bd! Stf? W8 1
mann . . • . cont , a 8 ‘J eiSer sich mehr und mehr ausbildenden
und beginnt von da ab an einer sicn ^ leiden . Das rechte
Funktionsunfähigkeit des reell orden 8e in; öfteres Fallen
Lähmung des Fu 88 J a und d Z h Zu8a mmenstellung unter
No Ä »Ä* Tch Blatt einer Beobachtung von
ui “5*, 0 ir.‘d'.Srr^Ä4? ÄÄr Lepra mutib
Erlangen 18«. Beobachtung I: ‘ f i“^ kr S, "“or 2 J«h™’
Ganzen gutes Allgemeinbefinden b Lebensjahr durch
Verlust des Daumens ^* r damals bestand,
konnte^icht Testgestellt werden. Motilitätsstörungen fehlten durch-
aUS ’ Wahrscheinlich wurde durch einen Druckfehler I, 21 für I, 19
gesetzt Unter ‘äteo-Chirurg. Transact. 1W7,
p . 489 Äeaer M ^
ziehen zu dürfen. ‘JL 1 :?Schwäche der rechten oberen Extreme
^?Ä .rÄ »I» Unl». Muakelatrophie
" CT 'Ä^lrfeirhÄ'X'FÜ^vou Syringomyelie, die
A - E ",! e ^ U FrIc[°ur g 'der«ehte» Oberarmknochens, Berliner kli».
W ° C \TÄrie»%SüSiu, Beninch. med. WoConachrii.
l895 ’ Aus Brut tan Ein Beitrag zur Casuistik der centralen Gliose
des Rückenmarks (Syringomyelie) Inaugural-Dissert., orpa ,
SäAsaSK ÄKSa äM . reber die
g g , Vielleicht kommt hier »ach d er wn E
Ge'enkerkrankmjgen B“ u S / d "" 6 8™>^ derabdr U» sngeführte Fall
"Rrl
“o
tL l )er k ™ef^ g am b Ä n MSniT dTn -Wurm, gehabt
hat. 1882 fing er an schtechter zu, gehen « 8. Beobac b-
h) Ferner erwähne ich die 2. von Grats egen die
tungen. Der Kranke fiel 4 ,^Ellhoge J ^ worauf Verdickung
Tübinger Klinik auf den rechten El f , ’ Allerdings machte
des Oberarms und des Ellbogengel enks fo gte. All dem
die Zunahme der Verdickung die K^ken keine Beschwerden,
Fall am Ellbogengelenk einstellte, dem Kranken Keine
weshalb diese Beobachtung vielleicht nicht hierhin gehört,
selbe gilt
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MÜNCHENElt MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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i) von Grafs 3. Beobachtung. Der 17jährige Kranke fiel mit
6 Jahren auf dem Eise aufs linke Knie. <doch waren die Schmerzen,
die er gleich nachher empfand, nicht so stark, wie er bei
der Schwere des Falles erwartet hatte». Das Knie schwoll bald
stark an u. s. w.
k) Beachtung verdient ausserdem ein von Minor, Uebe» cen¬
trale Haematomyelie, Arch. f. Psych. u. Nervenkr., Ib93, Bd. 24,
S. 706—712, beschriebener Fall, in welchem sich das Krankheitsbild
schnell entwickelte, als Patient sich heftig gegen die rechte Hand
stiess, die er sich aber schon einen Monat vorher blutig
gefallen hatte.
l) Von J. B. Charcot, Arthropathie ßyringomy&ique et dis-
sociation de la sensibilitö, Revue neurolugiqoe, lh9i, ziehe ich einen
Fall heran, den vorher schon Critzmann, Essai sur la Syringo¬
myelie, Obs. 111, beschrieben hat. Die Erscheinungen, welche J B.
Charcot in der Ueberechrift erwähnt, hatten sich im linken
Schultergelenk und auf der dasselbe bedeckenden Haut nach einem
leichten Trauma entwickelt
m) Endlich verweise ich noch auf einen Fall von Syringomyelie,
den Hofstätter auf der Naturforscher-Versammlung zu Lübeck
(Verhandl. II, 2, 1896, S 73) vorstellte. Die ersten Anzeichen des
seit 8 Jahren bestehenden Leidens führt der Kranke auf eine Ver¬
letzung des linken Ellbogengelenks zurück.
Aus diesen 12 Literaturangaben, die bei einer Nachlese
sicherlich noch vermehrt werden, geht also hervor, dass mit mehr
oder weniger Berechtigung in 11 Fällen ein Zusammenhang der
Syringomyelie mit einer peripheren Verletzung angenommen
werden kann, und zwar mit Contusiou des Fusses (a), Fall auf
die Hand und Stoss gegen dieselbe (k), Fall auf den Ellbogen (. h),
Fall aufs Knie (i), Trauma der rechten Hand und des rechten
Daumens (c), Verletzung des Ellbogengelenks an), leichtes Trauma
des Schultergelenks (1), Schnittverletzung dos kleinen Fingers (f),
Bruch des 4. und 5. Fingers (g), Bruch des Radius (c), Bruch
des Oberarmknochens (d).
Es bleibt dann noch Fall b, bei welchem wir allerdings nicht
wissen, ob das Panaritium, das den Verlust des Daumens nach
sich zog, durch eine auch beim Gesunden ausreichende äussere
Veranlassung entstanden ist, und ob es mit Schmerzen einherging.
Vielleicht hat man aber doch schon beobachtet, dass auf ein
solches Panaritium Syringomyelie folgte.
Mehr Anhaltspunkte sprechen wieder für einen Zusammen¬
hang der Syringomyelie mit dem Eindringen von Zink in
das Unterhautzellgcwcbe. So weist Schloekow, «Ueber ein
eigenartiges Rüekeumarkslciden der Zinkhüttenarbeiter», Deutsch.
Med. Wochensehr. 1879, S. 208—210, 221 und 222, darauf
hin, dass Meyhuzzen als Wirkung des unter die Haut eingeführten
cssigsauren Zinkoxyds in Dosen von 8 mg bis zu 1 cg schnelle
— in 30 Minuten vollständige — Vernichtung der Reflexerreg¬
barkeit beschrieben hat. Ferner berichtet er a. a. 0. ausführlich
über die in Rust's Magazin XXI. Bd., S. 503 angegebenen
Erscheinungen der acuten Vergiftung eines Apothekerlehrlings
mit Zinkoxyddämpfen. Ausser respiratorischen und gastrischen
zeigten sich namentlich nervöse Erscheinungen. Am ersten Tage
Schwindel, Kopfschmerzen, nach schlafloser Nacht Steifigkeit in
allen Gliedern; am dritten Tage so starker Schwindel, dass Pat.
nicht auf bleiben konnte.
Was nun die chronische Vergiftung mit Zinkoxyddämpfen
betrifft, so hat zuerst Popoff, Berl. Med. Wochensehr. 1873,
S. 49—52, eine solche beschrieben. Es handelt sich um einen
36 jährigen Mann, der seit 12 Jahren in einer Bronzegiesserci in
dichter Atmosphäre von Zinkoxyddämpfen arbeitete, wobei er
Mund und Nase mit einem nassen Schwamm verdeckte, aber doch
zu Hause stets einen weissen Anflug von Zinkoxyd an den Lippen
und Nasenlöchern bemerkte. Bei anderen dort beschäftigten Ar-
Leitern traten unter Erscheinungen nervöser Art (was
für welchenV Mies) die Symptome der Respirationsorgar.e in den
Vordergrund. Der betreffende Kranke, der nicht selten Diät-
fehler beging, hatte Magenerweiterung und in Folge dessen 3—4
Stunden nach der Mahlzeit Erbrechen. Aufstossen, Sodbrennen.
Ausserdem heisst es von ihm: (Die Muskeln am ganzen Skelet
sind bedeutend atrophirt; dabei ist die Muskclatrophic der
rechten Gesichtshälfte und der rechten Extremitäten stärker aus-
gedrückt als auf der linken Seite. Auch ist auf der rechten
Seite die Hand und der Fuss schwächer. Die Tast¬
empfindung, mit dem W eher’ sehen Zirkel untersucht, ist
auf der rechten Seite des Körpers geschwächt.
Dagegen ist die Empfindung für den Kitzel auf
dieser Seite gesteigert.» Im I rin wurde noch 2 l /t Mo¬
nate, nachdem der Kranke die Werkstätte zum letzten Mal besucht
hatte, Zink nachgewiesen.
Erinnert dieses Krankheitsbild schon sehr an die damals
klinisch noch nicht bekannte Syringomyelie, so finden wir in dem
Symptumencomplex, den Schloekow a. a. O. auf Grund von 40
bis 50 Beobachtungen an 10—12 Jahre thätigen Oberschlesischen
Zinkhüttenarbeitern in vortrefflicher Weise beschreibt, wohl noch
mehr Aelinliehkeiten mit dieser Krankheit und gewissermassen
eine Ergänzung der Pop of f ’ sehen Schilderung. «Die Patienten
klagen darüber, dass ihre Fusssohlen gegen jede Unebenheit des
Fussbudens besonders empfindlich seien, . . . über heftiges Brennen
in den Füssen, über das Gefühl, als ob ihnen die Haut an den
Beinen zu kurz wäre, . . . über Kribbeln und Ameisen kriechen in
den unteren Extremitäten ; Ein /. e Ine geben an, d a s s e s
sie in den Schienbeinen friere und in der Haut
brenne, b e i in E m p o r h e b e n einer II autfalte daselbst
haben sie die Empfindung, als ob sie mit einem
Messer geschnitten würden. Später Einschlafen, Taub,
Pelzigsein der Beine. Das Temperaturgefühl in den¬
selben ist pervers, derart, dass die Kranken wegen Frost¬
gefühls in den Füssen diese mit Tüchern bedeckt halten, während
objectiv daselbst keine Herabsetzung der Hautwärme zu constatircn
ist. Das Tastgefühl in den unteren Extremitäten nimmt im All¬
gemeinen ah, so dass beim Auftreten der Boden nicht deutlich
gefühlt wird. Die Untersuchung mittelst Nadeln ergibt, dass
in einzelnen Hautbezirken der unteren Kör perhälfte
Stiche nicht deutlich empfunden w c r d e» , während
sic in anderen sehr schmerzhaft sind; jedoch nimmt
die Schmerzempfindlichkeit nicht etwa von der Peripherie nach
dem Rumpfe hin stufenweise ab, vielmehr sind häufig Fassrücken
und vordere Schienbeinfläche noch überempfindlich, während an
den Bauchdecken und Genitalien das Gefühl abgestumpft ist.
Aohnlich stellt sich das Resultat der Untersuchung mit zwei
Zirkelspitzen. . . . Die H ef lexer regbarkeit ist von dem grössten
Theile der Haut der unteren Extremitäten aus gesteigert.
Die sogenannten Sehnenrcflexe gehen von der Knie¬
scheibe und Achillessehne aus in grosser Ausgiebigkeit
vor sich, ja es werden durch Anschlägen an jenen Stellen
mitunter reflectorische Zusamiiicnziehungcn fast der gesammten
Körpermusculatur hervorgerufen. In Bezug auf die Functionen
der Blase und des Mastdarms werden Störungen nicht beobachtet.
Dagegen tritt schon zeitig eine Vertu i n d er u n g des Muskel-
gef ii bis ein, so dass die Controle über die eigenen Muskel-
bewegungen verloren geht. Die Kranken gehen gebückt, um
die Bewegungen ihrer Beine mit den Augen verfolgen zu können»
(nur dosshalb V Micsi; « beim Schliessen der Augen gerathon sie
sehr bald in’s Schwanken und würden ohne Unterstützung hin¬
fallen. Im Finstern sind sie nicht im Stande, sich zu helfen,
weil sie alsdann ihrer Muskeln nicht Herr sind. Hierbei kann »
(! Mies) «jedoch die Leistlings- und Widerstandskraft der Muskeln
noch erhalten sein. . . . Der Gang wird später breit, steif, . . .
das Auftreten geschieht mit voller Sohle. . . . Bei jeder Bewegung
der Beine stellt sich ein Muskelzittcrn besonders an den Ober¬
schenkeln und dem Gesüss ein, welches auch durch die geringsten
mechanischen Erschütterungen hervorgerufen wird und lange an¬
hält. . . . Die Ernährung und der Umfang der Muskeln dagegen
leiden nicht» (vgl. den Popoff'sehen FalP, «ihre Erregbarkeit
durch den Inductionsstroni erscheint gesteigert. Im weiteren Ver¬
laufe stellt sieh eine lähm u ngsarti gc Schwäche der
Muskel n der unteren und hei Einzelnen zuletzt auch der
oberen Extremitäten ein», was man an den activen Bewegungen
und dem schwachen Widerstand der Muskeln gegen passive Be¬
wegungen erkennt.
Dieses Krankheitsbild, welches so schön gezeichnet ist, dass
ich geglaubt habe, cs möglichst vollständig und wortgetreu hier
wiedergeben zu müssen, unterscheidet sich, wie Schloekow aus-
führt, von der Tabes und der Seitenstrangsklerose, und deckt sich
überhaupt mit keiner der damals klinisch bekannten Rückenmarks¬
krankheiten. Dagegen hat der Schloekow'sehe Symptomen-
complex grosse Aehnlichkcit mit der Syringomyelie, wodurch
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
wir uns sogar veranlasst fühlen könnten, eine neue Behandlungs-
weise dieser trostlosen Krankheit in eiuem möglichst frühen Studium
zu versuchen.
Schlock ow vermuthet ; chronisch entzündliche Herde im
Rückenmark und vielleicht Ablagerungen von Zink in der Muskel¬
substanz» und glaubt ein eigenartiges Rückcnmarksleiden der Zink¬
hüttenarbeiter vor sich zu haben, das auf 2 Werken 3 v. H. der
Belegschaft (20 und 12 Arbeiter) befallen hatte! Dass die Er¬
scheinungen durch gleichzeitig cinwirkcndes Blei hervorgerufen
werden, was auch später T raei u s k i 3 ) ihm gegenüber behauptete,
bestreitet Sch lock ow mittelst anerkennenswerther Gründe.
Da man also der Syringomyelie angehörende Krankheitszeichen
sowohl nach peripheren Verletzungen als auch nach Zinkvergiftungen
hat anftreten sehen, so halte ich es für begründet, mit dem Ein¬
dringen eines Zinksplitters in den rechten Daumen bei den von
mir oben beschriebenen Fällen das Auftreten der Syringomyelie in
einen ursächlichen Zusammenhang zu bringen.
Wie man sich aber die Entstehungsweisc dieses Leidens nach
einer peripheren Entzündung, dem Eindringen von Zink in den
Körper denken oder erklären könne, dies zu erörtern, überlasse ich
einer berufeneren Feder.
Aus der äusseren Abtheilung des Bürger-Hospitals zu Coblenz,
Oberarzt Dr. Heigl.
Zur Casuistik der Serumtherapie der Diphtherie.
Von Dr. Virnciscl, Sceundärarzt.
hast alle bisherigen Veröffentlichungen über das Diphtherie-
Heilserum berichten, dass letzterem ohne Zweifel die Eigenschaft
in ne wohne, einen gegen früher nicht gekannten Procentsatz von
Diphthcriefällcn zu heilen, und dass wirkliche Schädigungen durch
die Injection nicht nachzuweisen waren.
Umso befremdender musste es nicht nur auf Acrztc, sondern
besonders auf das Publicum wirken, als vor Kurzem die Kunde
von einem Todesfall die Runde durch sämmtlichc Tagesblätter
machte, der, weil in directem Anschluss an eine Seruminjection
erfolgt, öffentlich dieser zur Last gelegt wurde.
Wenn auch der Beweis dafür nicht erbracht wurde, so dürfte
doch das traurige Ercigniss als solches schon eine erneute Auf¬
forderung für die weiteren ärztlichen Kreise sein, ihre Beobachtungen
pro et contra mitzutheilen, um das statistische Material zu einem
möglichst umfänglichen und beweiskräftigen zu gestalten.
Einen kleinen Beitrag dazu sollen nachstehende Beobachtungen
liefern :
Seit Beginn der Serumtherapie, Ende Oetobcr 1*94 bis
Ende April 1896, gelangten 158 Fälle von Diphtherie zur Auf¬
nahme, von welchen 150 mit Heilserum (Behring und Schering)
behandelt wurden ; nicht injicirt wurden 8, davon 3 leichtere Fälle
zu einem Controlversuche, 5 weil bereits in beginnender Agone;
die letzteren starben denn auch innerhalb weniger Stunden nach
Aufnahme in das Krankenhaus, 3 nachdem sic zuvor tracheotomirt
worden waren.
Der Anfang der Serumtherapie konnte die gehegten Hoff¬
nungen leicht niederstimmen. Das erstinjieirte Kind, Gretchcn W.,
4 Jahre alt, seit 2 Tagen an Heiserkeit und stetig zunehmender
Athemnoth erkrankt, starb trotz Tracheotomie und Injection von
Bl und II, binnen 3 mal 24 Stunden an desccndirendcm Croup;
die Autopsie wies diphthcritischc Membranen bis in die kleinsten
Bronchien nach.
Umso erfreulicher waren die Resultate im weiteren Verfolge
der Injectionsbehandlung, denn von den 150 Tnjicirten wurden
131 = 87,3 Proc. geheilt und nur 19= 12,7 Proc. starben; ge¬
ringere Mortalität wird allerdings berichtet aus der Klinik ’ von
Greifswald 8 Proc., von Bagin sky und He ubn er -Berlin
9,3< Proc. und 10,2 Proc., Wesener - Aachen 11,3 Proc.
Dabei ist zu bemerken, dass unter den 150 Injicirten 64
schwere Kehl köpfdiphtherieen sich befinden, von denen 5 fast
Moribunde nur tracheotomirt und injicirt wurden, um ihnen die
') Tracinski, Die obersclilesiche Zinkindustrie und ihr Ein
(« 88 -ff Uf .r e L Gesundheit der Arbeiter, Deutsche Vierteljahrsschrif
für öffentliche Gesundheitspflege, 1888, S. 59—86.
Chancen der Rettung nicht zu benehmen : nach Abzug dieser
würde die Mortalität nur 9,3 Proc. betragen.
Was das Lebensalter der Injicirten anlangt, so hatten 7 das
erste Lebensjahr noch nicht vollendet; 2 = 28,6 Proc. starben;
ein' Knabe, 8 Monate alt, mit. Nasen- und Rachondiphthcric, konnte
nicht genügend ernährt werden, ein 10 Monate altes Mädchen
starb 10 Tage nach der Tracheotomie an Pneumonie; von den
verbliebenen 5 Fällen mussten 3 im Alter von 8, 9 und 10
Monaten, tracheotomirt werden, sic wurden nach II, 12 und 18
Tagen geheilt entlassen ; die beiden anderen, 7 und 9 Monate alt,
Überstunden glücklich eine heftige Bronchitis und beginnende
Larynxsteno.se. — Die injieirte Heilscrumdosis war bei den Ver¬
storbenen 2XB.I, 1 X B.II, bei den Geheilten 2X^1 2XSch.n,
1 X B. I -)- Sch. I (B. I war vor der Aufnahme in's Krankenhaus
injicirt worden).
Im Alter von 1 bis 5 Jahren befanden sich 98, davon starben
14 = 14,3 Proc., von 6 bis 10 Jahren: 25 mit 3 Todesfällen =
12 Proc., und über 10 Jahren 20 mit 0 Mortalität.
Die Heilerfolge waren um so grösser, je früher die Serum¬
therapie eingeleitet wurde, denn
von 22 aui 1. Krankheitstage injicirten wurden geheilt 22, starben : 0
50
0
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45,
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Die
Sterblichkeit war =: 0 für die am 1.
Krankheitstage
injicirten; sic betrug 31,0 Proc*. wenn bis zum 3- Tage die In¬
jection geschah, sie betrug mehr als das Doppelte, 68,4 Proc.,
wenn nach dem 3- Tage injicirt wurde.
Bei den Injicirten war der diphtherische Proccss auf die
Mandeln, Uvula etc. 60 mal loealisirt, 6 mal auf Nase und Rachen,
8 mal mit gleichzeitiger Betheiligung des Kehlkopfes, 76 mal war
hauptsächlich der Kehlkopf befallen: von letzteren wurden 64
tracheotomirt (Tracheotomia inferior), mit 15 Todesfällen = 23,4 Proc.
Sterblichkeit. Bessere Resultate erzielten die Greifswalder Klinik
mit 18,75 Proc. Mortalität, die Giesscner mit einer solchen von
nur 15 Proc.
Die Wirkung des Heilserums zeigt sieh am Augenfälligsten
bei der Tonsillardiphtherie: heute noch dicke Beläge auf beiden
Mandeln, morgen vielleicht nur geringe, vielleicht keine Spuren
mehr von denselben: das sind nicht gerade seltene Fälle. Das
ist es aber weniger, was den Therapeuten an der Wirkung des
Serums interessirt: viel auffälliger und erfreulicher ist die That-
sachc, dass das Serum eine drohende Fortpflanzung des diph¬
therischen Proccsses auf den Kehlkopf zu verhindern und der
bereits bestehenden Kehlkopfdiphtherie einen milderen und rascheren
Verlauf zu geben vermag: von den oben erwähnten 8 Fällen von
Nasen-Kachen-Diphtherie mit Betheiligung des Kehlkopfes gelangte
keiner zur Tracheotomie; von den 76 Kehlkopfdiphtheriecn, die
zur Vornahme der Tracheotomie dem Hospitale überwiesen waren,
brauchten 12 nicht tracheotomirt zu werden: die bedrohlichen
Symptome gingen nach den Injcctioncn (meist B.II oder 2 X Sch. I)
im Laufe von 1 bis 2, selten 3 Tagen zurück.
Von den 64 Trncheotomirten aber, die meist im Zustande
äussrrster Dyspnoe zur Aufnahme gelangten und direct oder nur
wenige Stunden nach der Aufnahme operirt werden mussten —
nur 4 mal konnte unter Zuhilfenahme kleinerer Morphiumdosen
bis zu 12 Stunden gewartet werden — wurden 49 geheilt, starben
nur 15=23,4 Proc., ein in früheren Jahren nie dagewesener
Erfolg. Man vergleiche:
Jahr-
Traeheo-
Heilungen
Mortalitftts-
gang
toraie
fülle
Procent
1891/92
17
6
11
64,7
1892/93
22
8
14
63,6
1893/94
40
17
23
56,0
1894/96
64
49
15
23,4
therapie j
Ob die Serumtherapie den Ficljervcrlauf zu beeinflussen ver¬
mag? Man sollte wohl erwarten, dass ein Mittel, welches auf
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/
12. Mai 1896 .
einen Krankheitaprocoss günstitr emziiwlrl-o.,
Stando sei, auf die begleitenden Si ' crma &> au ch im
e» »üsste so„ st ISf'S ^"°, K,, ' SUS>S " 0b “'
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Gelenkschmerzen (Kniegelenk) wurden ] mal geklagt
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mit
RaeCnV U J r • unu e eüeiIt - vom 24. VII b
Rachendiphtherie. Injection Sch. II. Heilung
^th^^VinS^,Äi, t ,& J L h V\ u- 1895 Rachen -
Rachendiphtherie, Injection Sch I, Heihin“ 18 ‘ L wicder
flpbttafe &cheo a tomif X - 1895 Kehlkopf-
ä-T.
des 80. IV? 1806 nach f «wie °1 ; T ™ tzdem Heilun g Am Abend
gommen, tracheotomirt, mi? WtÄ W. Ä
aus, welche er n^ Ct K raCh . tUng d f Todcsursa ^en scheiden 6 Fälle
oder folgenden Ta *"* Auf " abuie golangten und am selben
S >arbe7“ „ dcn C , r TZ" Bi ' dC d ' r “*»««» 1'«»
1 «m 1. 7 J 2 2 , 7 5 a ° todiro ” d ““ Croup,
jeotiou und>7 u 8 » “" d 1 “* «• »•«« »ach der In-
am 5 Ta»e • , b ® 0tou T’ ö an Pneumonie, 1 an Herzlähmung
■st beachLsJerthT"^ ^ U ,“? C , V0U Co,1J P |i( -'ationon : auch dieser Fall
sirung • die b,US,t J t ,cl * der Frage nach der Dauer der Immuni-
KchlL£ no l J • ^ ® l,8abet i F - war «• 25. I. 1806 wegen
worden • auf den *M f®“ Zustande *ur Tracheotomie geschickt
wurde Sch TM ' f t ^ Belä « C uicbt « constatiren; es
Linderung der Athln^ Bekäl,,pfung dcr Hustenanfälle und
waren säLtlhoÄ/ bin "® n 3
sich wohl Fiel B Sc,lwerden verschwunden ; das Mädchen befand
Am Abend de S S f 1 ^“ , . ,nun ? bis i etzt nicht dagewesen,
für welche erst ,' V? te . n pofczllcl1 Allgemeinerscheinungen ein,
objcctiver Befund* 11 ^7^’ kIe,nen Be,ä « en der Mandeln ein
Beläge Lse a d d ^ Am 2 ‘ IL die
therieerSanknmr d ‘ C !' -11 injicirt - Zu der neuen Diph-
Kind am 11 . H ^riag 6 ” *”* Maaern ’ deren Gomplicationen das
anderen" Iünde h auf^ Tw, d « r Erstorbenen wurden bei einem
diesem die I'eberfn ,. ei a f s Masern beobachtet; dass von
trotzdem die übrigf “k*“? ** P ’ gescbab - ist wahrscheinlich,
i-i «siTr wLSr Mascr ° °" h ei ” mai ’ desgieic,ie “
becterioWt Sk?“ E i F '- b “‘ de “ n “ 11 ’ » enn “»eh, was ja
gisch nicht zu beweisen war, die Kehlkopfstenose nicht
___ 457
“. -Äl ZT TtT N ““” s i ”-
Diph t ZehZrZ'Loi r 150 ! 7 rt “ m ‘° <- d »"
ZT“ s“ Ucih ' iue ‘ n ” b ««-»CÄ
Bf
genommenen Kinde, das bereits über 3 Tage k^T StCrb ® nd auf ‘
.im erstenmale eine Vi
wuide, wenn eine Mutter, deren Kind (*Antonie Tr s ,»l, ,
schon einmal wegen Kehlkopfdiphtherie tracheotomirt worden war
vergehen" 1 Z "®* ,ma Iger Erkrankung an Diphtherie wiederum 3 Tage
ergehen lasst, ohne ärztliche Hilfe in AnsDrneb 8 i
.s a t n, cstich? Ki dm TüdC in ’ S Kra,,kcnbaus bringt^"dann
Ä“ das von -
unendlichen Vortheikdcr frlhei^BeSdlm^d^ fu
legen, wenn es den Eltern bewusst geworden^, dassetw" Süssere
ih ( Ii r fr C,t das köi-perhchc Befinden der Kinder es vermag
bre Lieblinge vor dem Schreckgespcnste der Diphtherie zu retten’
ein s 7T UV-" 11 njeeti ° ,,en 1Uit ScrH “ die vollen Segnungen
eines idealen Heilmittels zeigen. g “feen
Referate und Bücheranzeigen.
Prof. Dr. C. Gerhardt: Kehlkopfffeschwülste und
Beweguugsstorangen der Stimmbänder. Aus dem Hand-
Prof e Notl PCC w h ° ,0giC U0d Tbcra,,ic ' gegeben von
Irof. JNothnagel. Wien 1896. Alfred H öl der
('nnitel ' Be f prc ? bung der iu ‘ T 'tel erwähnten äusserst wichtigen
c^ner L n “T AItU,e * st f r dcr Laryngologie darf wohl als
Werkes h G a T P T ? Cf t Cr CrSehienenen THe.Ie des grossen
Werkes bezeichnet werden. Der geehrte Herr Verfasser hat es
verstanden, gestützt auf seine eigene riesige Erfahrung, in über-
sichthchcr^ erschöpfender und klarer Weise ein Bild von unserem
jetzigen Wissen und Können zu gehen, und muss Eefcreut be-
können’ ^ ^ rCIChen InhaIt b ' Cr " icbt uiebr mitt beilcn zu
Wiederholte Katarrhe scheinen vorbereitend, Ueberanstrengung
der Stimme Gelegcnheitsursaehe zur Entstehung von Kchlkopf-
neubildungen zu sein, freilich wirken Erkältung, Trinken und
vieles lautes Beden und Singen oft zusammen, was Verfasser
durch mehrere Beispiele erläutert. Auch scheinen Tubcrculosc
und Syphilis in der Entstehungsgeschichte von gutartigen Kchl-
kopfgeschwülstcn eine nicht ganz untergeordnete Bolle zu spielen
Die Entfernung der Sängerknötchen hält der Verfasser für sehr
schwierig und ist lange Vorübung zum genauen Treffen der sehr
kleinen Geschwulst nöthig. Die Bezeichnung selbst hält G. nicht
für richtig, doch meint er, man solle mit dem Umtaufen warten
bis noch mehr anatomische Untersuchungen vorliegen. Gichtknoten
sah \erfasser mehrmals am Kehldeckelrand und den Aryknorpeln.
Kehlkopfkrebs soll bei Wohlhabenden häufiger Vorkommen als bei
den schwer arbeitenden Classen. Die Hauptsache bei der Behand¬
lung desselben ist eine möglichst frühzeitige Erkennung, weii
dadurch die durch die Operation nöthige Verstümmelung auf das
geringste Maass beschränkt werden kann.
Die hysterische Aphonie ist die einzige von den Rindencentren
ausgehende Form von Stimmstörung. Charakteristisch ist für sie,
dass alle Theile des Kehlkopfes unversehrt, namentlich die gelähmten
Muskeln jahrelang frei von Ernährungsstörungen bleiben, dass die
bei der Stimmbildung betheiligten Muskeln nur für Leistungen
zu bestimmten Zwecken unbrauchbar werden, für andere niederere
unverändert brauchbar bleiben, und dass die Störungen ebenso
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MfTMnHKNEK ME DICINISCHE WQ CHENSCHM^
No. 19
plötzlich wieder versehwinden Bulbärlähmung durch I ftu
Die verschiedenen _' or “ Sklerose, Bulbiirkernlilhmung, Vagus-, vo
Tabes, Syringomyelie, nrahu> gowie die peripheren b«
Reeurrens-, Laryngeus augfübrlicher Weise *»
Nerven- und Muskeühmungerwerden ^ «
besprochen. Den Schluss , f de3 Kchlkopfschwindels ü ’
der coordinatorischen St.mmr.Uenkrämpfe, des « ^ ^
und der Zitterbcwcgunge» der S “““ ’ Dellieni n anm . H
“letatfnT MitbetheUigung dieeee Nerven an der ■„
schliesscn, Kehlkopfes annehmen. Wer sich j,
tStÄl«»tcriante» Bewegnngsa^ngcn des 1
gründlich über die no kaum eine bessere
Kehlkopfes mfomircn will, ür dtn ^ gtebende Schrift. '
Gelegenheit zur Belehrung, als die in Rede gchecb ,
1
Neueste Journalliteratur. j
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 18
HeilS ]Eüner
schweren Rachend.phthene 100J1 der Hnken
der Quantität von 2 ccm a 500 eigentliche diphtheritische
Clavicula subcutan rnjicrt Norton Beseitigung des¬
locale Process wurde n ^Vwa" 7 ur Anwendung kam. Am 4. Tage
selben Liquor fern ^“«hlonitt exsudativum auf,
nach der Einspritzung trat JW me f 8 ten Gelenke eine grosse
welches unter starker BeOunligang der «ernten^ Ja3
ärrr
ÄrbÄÄ. ^"geringe A.bunfinmie »heb
SikksäHT
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 18.
Dumstrey-Leipzig: Beitrag Behandlung der Prostata-
hvpertrophie durch Resection des Vas deferens.
yP Mittheilung eines Falles bei
gänzlich) erholte.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 1896.
Band III, Heft 4 (April).
nanu i-n» ücii. -x . I
11 G. Heinricius-Helsingfors: Ein Fall von Symphysio-
tomie nebst Bemerkungen über diese Operation.
Verfasser bekennt sich zu der Anschauung, dass wo irgend
„ >• v i-„ künstliche Frühgeburt in allen Fällen vorzunehmen ist,
wo Im Ende der Schwangerschaft die Symphysiotomie> indm.rt wäre.
Er selbst hat aus diesem Grunde nur einmal Gelegenheit gehabt,
die Operation mit glücklichem Erfolge für das Kind aus/uführen.
Das Wochenbett verlief ungestört, doch stellten sich nach dem
Aufstehen der Mutter wiederholt schwere Störungen ein, durch
Fistelbildung, langwierige Eiterungen, ausgehend von den "? krot ‘ 8ck ®"
Enden des Schambeines. Auch war eine -deutliche D.astase der
Svmühvse sowie geringe Dislocation der Schambeinenden beim Er
BÄdeines zu constatiren. Nach einem halben Jahre
konnte eine feste bindegewebige Vereinigung der Schambeme fest-
pestellt werden Nach einer kurzen Besprechung der möglichen I
Complicationen bei der Operation führt der Verfasser die ver¬
schiedenen in der Literatur berichteten unglücklichen Ausgänge
an und präcisirt schliesslich seinen Standpunkt dahin dass die
Oneration die im Allgemeinen der geburtshilflichen Klinik vor-
behalten werden muss, berechtigt ist, wenn die MJÄ Wa Jf]£b“
Kind wünscht bei Beckenenge (Conj vera 7 bis 8 cm), be Mehr
gebärenden mit hinreichend nachgiebigen Weichtheden, bei leben
der, lebenskräftiger Frucht und infectionsfreier Butter. D‘e Operation
wird nicht im Stande sein, die Perforation des lebenden Kindes
ganz zu verdrängen, ebensowenig wie den Kaiserschnitt aus relatner
Indication Zange am hochstehenden Kopfe oder prophylaktische
Wendung ’zu ersetzen oder die Indication der künstlichen 1 rühgeburt
einzuschränken.
2 )w.«.{'-««ÜSSSÄSti ä-
Nachdem Breisky auf J ‘ 8 aufme rksam gemacht, sind
äusseren Genitalien bei g beschrieben worden, ms-
von verschiedenen fg“ Klinik 8 Fälle, die jedoch.oie-
besondere aus der A. Martin sc ^ reiht Verfa88er einen
mals Schwangere J? etraf ®“- R Ans ta lt an. In allen bisherigen
neunten Fall aus der genannte 1 ikroakopisc he Untersuchungen
Veröffentlichungen finden sichvorliegenden Falle gelang
über das Endete*»».der“ h erenltadium w ertalton.
es zum ersten Male, Material au t ich die Krauro81B vulvae m
Nach den Untersuchungen dies^chronisch entzündliche Hyperplasie
ihrem Frühstadium dar .. . 6 nai . b i g er Schrumpfung, entzünd-
£Ät oberen^oriumschichten und der Epide™» .ow,e
Ein Fall von Kranroais
I TSk bisher in
asser einen weiteren hm*“. d inuBtr j rt insbesondere war die
gebe Bild der Eifcranku b « b ’ Der Fall wurde operativ
srrsÄ
„Sagen d»vo™tommene Schwund der elastische» Fasern i»
tT^VeurebauI-W^chau: Sieben seltenere Fälle
vo^Smbe^^öge^iier^ur w^rden^ dass V^erfaMer^be^der^^euing
Hamgenital fisteln die Kolpokiei3, s bevorzugt, weü
se Operation vielmehr in JhSst. Verfasser bat
S?! S.SSÄ und den Stein durch
hotripsie entfernt. „ Francisco: Zur Behandlung, der
öl H Kreutzmann-oan rranciacu. n .
jrgeworfenen Naelitheile ( «lerselben, Möglichkeit einer
uftindung der Ligamente, , c i 88 ® f Ansicht geringer als die
jäteren Herme) sind nach des • fi ; rten Uterus, keine
ortheile (absolut normale Lage des nicht fixir äteren G e-
erdrängung der ^«chbarorgaiae kei mSton ängen £ Verfasßer
ein Pessar eingeiegt
'“ d » L "ac c o,'°c“Gem,»‘^Hundert vaginale Hysterectomien
' h ° e ih°er e d f m'Fallen finden sich 23 wegen raalignen NeubiMungc«,
VU ^E M st““»» Berlin: Zur Caanistih der Dermoidcysten
e s d«c:a
verwachsen. Auf der rechten Seite fand sieb emeg ^ Von
vielfach verwachsene Pyosalpinx die beiji “ 8 ~®“ h 8 e und Endo-
Letzterer nimmt V erfasser an, d “® 8 f ie klä Bei dass durch das
metritis auszuschliessen war — B ° *“ * ... Verwachsungen der
wachsende Dermoid es zu localer Peritonitis mit V^waebsu ^
Tube mit dem Darm gekommen sei, vo Mikroorganismen ent-
fection der Tube durch Einwanderung ^ Dermoid
standen sei. Neben den gewöhnlichen BestandUieiien lockere8
fand sich in dem vom Verfw«J^^^ÄhundGoB-
Bindegewebe eingebettetes Gebilde, das na k pisch Hessen
sistenz einer Glandula parot.s e ^ r ^:
sich die Bestandtheile einer echten Elweis8Becre gg 8Bner .Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 18.
1) E. Wertheim und L. Mandl-Wien: Di e Verkürzung
der Ligam. rotunda und der Ligam. sacro-ute
Coeliotomia vaginalis anterior. „ mT1 f^hlene Verkürzung
Die von den Verfassern vor Kurzem e “P f °; !® dftr n e tro-
der Ligam. rotunda von der Scheide her zur B^ei gu g ährend
deviationen des Uterus wirkt hauptsächlich a ^ f d ®“ ^^Vh hinten
die Portio nicht dadurch beeinflusst wird. Hm au b die
I zu fixiren, haben die Verfasser neuerdmgs mJ Fällen ^
I Lig. sacro-uterina auf vaginalem Wege verkürzt
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12. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
459
den Erfolgen sehr zufrieden. Diese zweite Operation ist besonders
dann indicirt, wenn es sich neben der Retrodeviation auch um
Erschlaffung der Scheide handelt. Wegen der Technik verweisen
wir auf das Original. Eine Behinderung von Schwangerschaft und
Geburt ist hier für später nicht zu besorgen.
2) E. Bode-Dresden: Weiteres über die intraperitoneale
Verkürzung der Lig rotunda zur Heilung der Retroflexio
uteri mittels Laparotomia vaginalis anterior.
Bericht über einen Fall, der in der von Bode kürzlich ge¬
schilderten und dem W e r t li e i m 'sehen Verfahren analogen Methode
operirt worden ist. Es handelte sich um eine 36 jährige Frau mit
totalem Dammdefect und adbaerenter entzündlicher Retroflexio
uteri. Vollkommene Heilung.
3) H. Abegg-Danzig: Ein Fall von Schwangerschaft ausser¬
halb der Gebärmutter.
40 jährige Frau, seit 6 Jahren verheirathet, Nullipara, kommt
mit grossem Tumor abdominis, der für eine Cyste gehalten wurde,
in A.’s Behandlung. Bei der Laparotomie fand sich ein grosser
Sack, der breitgestielt auf dem Fundus uteri nufsass, und eine
faultodte, reife Frucht enthielt. Placenta und Fruchtsack, letzterer
soweit nicht verwachsen, wurden entfernt. Wundverlauf, durch
Eiterung protrahirt, schliesslich günstig.
Um welche Art ektopischer Schwangerschaft es sich gehandelt
bat. lässt A. unentschieden
4) J Lönnberg und C. Mannheimer-Stockholm: Zur
Casuistik der bösartigen „serotinalen“ Uterusgeschwülste.
Bericht über 2 Fülle der früher als «Deciduome» und < Sar-
coma deciduo-cellulare», von Kossmann als «Carcinoma syncytialc
uteri», und vonMarchand als bösartige «serotinale Geschwülste»
bezeiebneten Neubildungen. Beide Fälle entstanden im Anschluss
an Blasenmolen. Der erste ging cachectiscli zu Grunde; im zweiten
wurde Pat. durch die abdominale Uterusexstirpation und Exstir¬
pation der Scheidenmetastasen geheilt Diese Geschwülste entstehen
aus dem Chorionepithel der Decidua serotina, das maligner Weise
proliferirt; sie können aber auch aus dem uterinen Epithel 6icli
entwickeln. Ja ff ( 5 - Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 18.
1) H. Strauss - Berlin: Ueber die Entstehung von Schwefel¬
wasserstoff und Indol im menschlichen Magen durch bacterielle
Eiweisszersetzung.
Unter Wiedergabe einer genauen Krankheitsgeschichte berichtet
St. über den Befund des Mageninhaltes bei Darmstenose, in welchem
SH 2 , sowie ein schwacher Indolgebalt nachweisbar war. Durch
eingehende bacteriologische Untersuchung wurde festgestellt, dass
das in jenem Mageninhalt vorhandene Bact. coli eomrn. wahrschein¬
lich die SH 2 -Bildung veranlasste. Verfasser neigt zur Annahme,
dass die SH:-Gührung im Magen besonders dann zu Stande
kommt, wenn wenig oder gar kein sacchariticirtes Kohlehydrat in
ihm vorhanden ist. Indol-Bildung im Magen wurde bisher nicht
beobachtet.
2) A. Magnus-Le v y-Berlin: Beiträge zum Stoffwechsel
bei Gicht. (Schluss folgt.)
3) P. Rüge-Berlin: Zur Behandlung des Pruritus vulvae.
Nach Anführung der über dieses Leiden geltenden Anschau¬
ungen erklärt R. dasselbe als Folgo von örtlichen Irritationszuständen
(in Folge eines chemischen oder bacteriologischen Reizes) und
empfiehlt dagegen, die Vulva, Vagina mit Sublimat «so stark zu
waschen, bis man den Eindruck hat, es können sich hier keine
pathogenen Stoffe mehr befinden». Dasselbe Verfahren will Ver¬
fasser mit Erfolg bei frischer Gonorrhoe der weiblichen Genitalien
anwenden.
4) Dü ms-Berlin: Ueber Spontanfracturen.
Verfasser berichtet über 13 in den Sanitätsberichten der Armee
angeführte Fälle von sogenannten Spontanfracturen. denen er vier
aus eigener Beobachtung beifügt. Alle heilten, zum Theil unter einer
Verkürzung von 2—2,5 cm. Nach einer Excureion über die Aetiologie
der abnormen Knochenbrüchigkeit zieht Verfasser für seine Fälle
als Ursache besonders tuberculöse und gummöse Processe in Betracht
und führt für letztere die auffallend geringe Schmerzhaftigkeit bei
passiven Bewegungen als pathognostisch an.
Dr. Grassmann*München.
Deutsche medicinisehc Wochenschrift 1896, No 19.
1) J. Gaule: Ueber den Modus der Resorption des Eisens
und das Schicksal einiger Eisenverbindungen im Verdauungs¬
canal. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.)
Durch Thierversuche wird festgestellt, dass
1. nicht bloss organische Eisenverbindungen, sondern auch
anorganische, wie Eisenchlorid, resorbirt werden.
2. Die Resorption des Eisenchlorids geschieht, nachdem sich
dasselbe mit den organischen Substanzen des Mageninhalts in eine
organische Eisenverbindung umgewandelt hat.
3. Die Resorption geschieht im Duodenum und zwar aus¬
schliesslich in diesem. Weder im Magen noch im Dünndarm ist
eine Resorption nachzuweisen.
4. Die Aufnahme geschieht durch die Darmepithelien und
durch die centralen Lymphgefässe der Zotten, alo in ähnlicher
Weise wie beim Fett.
5. Der Vorgang der Eisenresorption ist ein vollkommen nor¬
maler und nicht aus einer Störung der normalen Thätigkeit zu
erklären.
2) L. Lew in-Berlin: Ueber den Entwurf einer Bekannt¬
machung und den Betrieb der Buchdruckereien und Schrift-
giessereien.
Die jetzt an den Bundesrath gelaugte Vorlage, welche sich
gegen die durch Blei im Gewerbe möglichen Vergiftungen richtet,
ist allgemein freudig zu begrüssen; doch erheischen 3 Punkte des
Gesetzentwurfes, der die Uebclstände in Druckereien beseitigen soll,
eine Modification:
Zum Abschnitt 4 ist zu bemerken, dass die Setzerpulte am
besten immer mit hohen Füssen zu versehen seien, um die Maga-
zinirung von Bleistaub im Arbeitsraum unter den Pulten durch Auf¬
waschen gründlich beseitigen zu können. Im Abschnitt 8 wäre es
besser, zu verlangen, dass das Ansblasen der Letterkästen mittelst
eines automatisch (ohne directe Beihilfe von Menschenhänden)
thätigen Blasbalges unter einem verschlossenen Abzug und Kamin
stattiinde, damit Niemand den aufgewirbelten Bleistaub ein-
athmen muss.
Endlich wäre in Abschnitt 10 und 11 gleichwie der Wasch¬
zwang und Kleiderschutz auch der Schutz der Nahrungsmittel aus¬
drücklich zu betonen. Es sollte verboten sein, dass die Arbeiter in
die Setzerräume Esswaaren und Getränke zum Frühstück mitnehmen
und dort in ihren Schubläden aufbewahren; jeder Arbeiter sollte
vor jeder Mahlzeit den Mund spülen müssen. Es sollte wo möglich
für einen gesonderten Frühstückraum mit Behältern für die mit¬
gebrachten Esswaaren gesorgt sein.
3) Professor Biedert- Hagenau: Ueber das natürliche Rahm¬
gemenge und neue Unternehmungen zu seiner Herstellung im
Grossen, sowie über einige verwandte Präparate.
Verfasser weist nach, dass die Gärtner'sehe Fettmilch
ungefähr seiner 1880 schon empfohlenen Rahmmischung (No. IV)
zur Kinderernährung entspricht. Er hat auch bereits ohne eigenen
Nutzen und ohne Patentirung mehrere Molkereien (in Mainz und
Strassburg) zur Herstellung derselben bestimmt und empfiehlt es,
an verschiedenen Orten im Grossen Bolche Stationen zu errichten.
4) Professor Leclöre-Düddingen: Ein Fall von compli-
cirter Schädelfractur mit Knochendepression und consecutiver,
vollständiger Paraplegie der unteren Extremitäten.
Trepanation nach vier Tagen. Heilung der Lähmung nach
2'/a Monaten. F.
Ophthalmologie.
1) „Ueber eine neue Arbeitsbrille für hochgradige Myopen“
berichtet Dr. Franz Heilbor n, Augenarzt in Breslau, im Central¬
blatt für Augenheilkunde, Märzheft p. 77.
Die Unannehmlichkeiten, welche hochgradige Myopen beim
Gebrauch starker Concavgläser für die Nähe empfinden, veranlassen
dieselben oft, lieber ganz auf Gläsercorrection zu verzichten. Starke
Concavgläser haben bekanntlich die unangenehme Eigenschaft, dass
sie die Gegenstände verkleinern und verzerren, die Projection stören
und durch ihre Schwere belästigen. Ausserdem können solche Gläser
auch noch eine directe Schädigung des Auges herbeiführen. Sehr
viele Augenärzte gehen daher bei der Verordnung von Concavgläsem
nicht über 6D hinaus. Die von Heilborn construirte Brifle soll
nun sowohl als Arbeitsbrille bei den höheren und höchsten Graden
der Myopie in Anwendung kommen, als auch zu Untereuchungs-
zweckon dienen bei Beurtlieilung der hochgradigen Myopie.
Die hier in Frage kommende Myopie bewegt sich in den
Grenzen von mindestens 10 D bis 20 D (4, 3 a /s, 8‘/3, 3, 2 b /t, 2-’/s,
2 1 /*, 2'/*, 2 u. s. w. nach der alten Benennung). Diese neue Brille
besteht aus einer Combination von einem schwachen Concavglas
von 5 oder 6 D (u. z. kommt bei einer Myopie von 10 bis 15 D die
No. 5, von 15 - 20 D die No. 6 in Frage) und einer neusilbernen
Platte, die in den meisten Fällen hinter das Glas zu liegen kommt
und die in einer besonderen Weise mit kleinen Löchern durchbohrt
ist. Die Anordnung der Löcher ist etwa so, dass um einen Central¬
punkt ein Kreis von Löchern gestellt ist, von dem aus dann in
radienartige Linien gestellte Löcher bis zum Rande auslaufen. Die
Anordnung der Löcher der Platte, ihre Entfernung von einander,
ihro Grösse und Anzahl sind nach Angabe des Autors das Resultat
mehrjähriger Versuche. Derselbe schreibt seiner Brille in Bezug
auf die Sehschärfe den höchsten Effect zu gegenüber den bisher
bekannten stenopischen Apparaten. Zur Erläuterung der Wirksamkeit
der radienförmigen Anordnung der Löcher bemerkt H. folgendes:
«Der Raumwinkel, von welchem das centrale Sehfeld begrenzt
wird, ist ein sehr kleiner (noch nicht */j Grad)». (Unsere Test¬
typen zur Bestimmung der centralen Sehschärfe umfassen einen
Winkel von 5 Minuten in der betreffenden Normalentfernung.)
Dessbalb wird bei Gebrauch der Lochbrille, die ja dicht vor dem
Auge steht, nur durch ein Loch gesehen. Es würde daher auch
ein einziges Loch genügen, wenn das Auge unbeweglich hinter
demselben fixirt wäre. Das Auge bewegt sich aber fortwährend
zum Zwecke der Fixation, sodass die Sehlinie sehr leicht neben
das Loch der Brille trifft. Daher müssen seitlich vom centralen
Loche ebenfalls Löcher vorhanden sein, um der seitlich fallenden
Sehlinie wieder Durchgang zu lassen. Die Bewegungen des Auges
erfolgen nun in Kreisbewegungen um einen Drehpunkt, resp. es ne-
schreibt die mathematische Blicklinie bei den einzelnen Bewegungen
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460
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
von der Ruhelage ausgehende Radien eines Kreises, dessen Mittel¬
punkt der bei der Ruhelage fixirte Punkt ist. Stehen nun die Löcher
der Scheibe ebenfalls in Radien, deren Schnittpunkt ein centrales
lx)ch ist, so wird am leichtesten bei den Seitenbewegungen des
Auges ein rorrespondirendes Loch gefunden.» —* Aus der oben
erwähnten Thatsache, der Kleinheit des centralen Sehwinkels geht
auch der Grund hervor, wesshalb der Abstand der Löcher von ein¬
ander ein (empirisch gefundener) ganz bestimmter ist Die Löcher
müssen soweit von einander stehen, dass die Sehfelder, welche durch
sie gesehen werden (die ja in Folge der Beugung des Lichtes am
Rande der Löcher grösser sind, als sie nach der Grösse des Seh¬
winkels sein sollten) sich gerade berühren. Stehen die Löcher zu
weit, so wird das Gesichtsfeld unterbrochen; stehen sie zu eng, so
wird durch zwei Löcher zugleich hindurchgesehen und die Gesichts¬
felder überdecken sich zum Theil, so dass lästige Zerstreuungskreise
entstehen.
Bei Anwendung der Brille ist gute Beleuchtung nothwondig
— Auch als Untersuchungsbrille für die verschiedenen Grade
der Myopie, speciell für die hohe Myopie ist die Radienbrille ge¬
eignet. Die Untersuchungsbrille besteht aus einem einfachen Gestell
mit zwei nach der oben angegebenen Methode durchbohrten Platten.
Vor und hinter die Platten können Concavgläser gesetzt werden.
Es ist zweckmiissig. die Myopen erst mit Concavglasern zu unter
suchen und dann mit der Untersuchungsbrille, indem man bis zur
Erzielung der höchsten .Sehschärfe entsprechende Concavgläser vor
die Platten setzt. II hat gefunden, dass vereinzelte Fülle von hoch¬
gradiger Myopie durch diese Art der Correclion nicht beeinllusst
werden. Bei der überwiegenden Mehrzahl von Myopen wurde die
höchste Sehschärfe mit Platte und einem relativ viel schwächeren
Concavglas erzielt. Verfasser glaubt, dass dieser Umstand dafür
spreche, dass mit hohen Graden von Myopie meist Astigmatismus
irregularis verbunden sei, der mit dem Längenwachsthum des Bulbus
zu erklären wäre. «Jedenfalls ist es für den untersuchenden Arzt
von Interesse, bei jedem Falle von hoher Myopie constatiren zu
können, ob überhaupt und um wie viele Dioptrien bei der ange¬
gebenen Untersuchungsmethode sich jedesmal die hohe Myopie
herabmindern liesse».
2) Dr. Harry Frieden wald-Baltimore: Ueber jugendliche
Netzhaut- und Glaskörperblutungen, durch sichtbare Netzhaut¬
venenerkrankungen bedingt. (Centralbl. für prakt. Augenheilk.
Februarheft, p. 33 u ff.)
Verfasser leitet seinen Bericht über zwei sehr genau beobachtete
Fälle folgendermassen ein: « Netzhautblutungen und Blutungen in
den Glaskörper hängen von Veränderungen der Blutgefässe, von
geschwächter Widerstandsfähigkeit derselben, von Veränderungen
im Blute selbst oder von Störungen im Blutkreislauf ab; oder sie
sind bedingt durch das Zusammenwirken genannter Ursachen.» —
Bis jetzt besteht über das Wesen der den «jugendlichen Glaskörper¬
blutungen > zu Grunde liegenden Veränderungen keine einheitliche
Anschauung. Erkrankungen der Netzhautgefüsse sind nie beschrieben
worden. Viele haben die Quelle der Erkrankung in die Chorioidea
verlegt. F. nun hat in seinen Fällen bedeutende Veränderungen
der Netzhautvenen gefunden. — Interessant ist in der einen Kranken¬
geschichte die Beobachtung einer Blutung zwischen Netzhaut und
Glaskörper; dieselbe wanderte von einer höheren Stelle zu einer
tiefer gelegenen und umkreiste die Macula in solcher Weise, dass
daraus auf die festere Verbindung zwischen Retina und Membrana
liyaloidea an der Macula zu schliessen ist Eine weitere interessante
Beobachtung ist die Entstehung feiner Blutgefässe im Glaskörper,
die sich zu grösseren Bindegewebsmassen entwickelten. — Der eine
Fall, bei dem die Glaskörperblutungen recidivirten, hatte früher an
Malaria gelitten und nochmals während der Augenaffection. Bei
Untersuchung des Allgemeinzustandes wurden alle Organe normal
befunden, Lungen, Herz, Nieren. Der Harn wurde bei öfterer
Untersuchung immer normal befunden. Die Blutuntersuchung ergab
einen verringerten Procentgehalt des Hämoglobins, doch waren die
Zahl und l'ormen der rothen und weissen Blutkörperchen normal.
Der Zustand war demnach ähnlich der Chlorose beim Weibe. —
Der zweite Fall, bei dem die Glaskörperblutung sich nicht wieder¬
holte, hatte 3 Jahre vorher Typhus durchgemacht und litt an
chronischer Verstopfung. Die Netzhautvenen wiesen an mehreren
Stellen Ektasien auf. — Eine Angabe über Untersuchung der Milz,
die in beiden Fällen von höchstem Interesse wäre, fehlt.
3) Marczel Falta-Szegedin: Die Hornhauttrübungen und
Controlmassage. (Ibidem, p. 45.)
Verfasser berichtet über grosse Erfolge, die er bei narbigen
Hornhauttrübungen durch Massage erzielt habe Da nun die zweck¬
mässige Ausübung derselben bedingt, die zu behandelnde Stelle der
Cornea zum Centrum der Massage zu machen, so ist eine fort¬
währende Beobachtung der Bewegungen des Auges hei der Behand¬
lung wünschenswerth. F. hat sich hiezu folgende Methode ausge-
bildet: Mit einer Hand wird das zu behandelnde Auge durch das
obere Lid hindurch massirt, mit der anderen das andere Auge ge¬
öffnet gehalten, indem die Lider mit Daumen und Zeigefinger aus¬
einandergezogen werden; bei Blepharospasmus wird für das obere
Lid der Lidhalter benützt. Auf solche Weise ist es dem Massirenden
nun leicht, die Bewegungen des offenen Auges beobachtend, von
der Stellung des niassirten Auges Kenntniss zu nehmen — uusge-
nommen bei Parese und Paralyse. Je nachdem die vordere Partie
des offenen Auges sich bewegt, kann man mit der Massage des ge¬
schlossenen folgen und so die gewünschte Stelle zum Mittelpunkte
der Massage machen. Diese Controlmassage wird beim rechten
Auge durch die linke Hand, beim linken Auge durch die rechte
ausgeführt; bei im Schoosse liegenden Kindern durch die dem Auge
entsprechende Hand; die andere Hand hält das andere Auge offen.
F. massirt selten mit den Fingern, meist mit einem kleinen Watte-
bäuschchen.
4) Peltesohn -Hamburg. Eine Horahautnadel aus Platina-
Iridium. (Ibidem, pag. 51).
Da sich die aus Platina-Iridium hergestellten Canülen bei den
subconjunctivalcn Injectionen so trefflich bewährt haben, kam Ver¬
fasser auf den Gedanken, ein Instrument aus der gleichen Legirung
zur Entfernung von Fremdkörpern aus der Hornhaut zu benutzen
und ist von demselben Behr befriedigt. Er sagt hiezu: «Wer nicht
viel Zeit hat, die Hornhautlanze nach jeder Manipulation zu säubern,
abzuspülen, abzutrocknen und beim Wiedergebrauch erst eine Weile
in eine antiseptische Flüssigkeit zu legen, wer überdies zu seinem
Aerger erfahren hat. wie schnell das stählerne Instrument rostet
und rauhe Flächen und Kanten zeigt, wird das neue aus Platina-
Iridium angefertigte wegen seiner überaus einfachen Handhabung
willkommen heissen.» Es bedarf keinerlei Säuberung in Flüssig¬
keiten, sondern wird einfach vor und nach dem Gebrauch durch
die Flamme gezogen oder über dem Augenspiegelbrenner nusgeglüht,
um die A- und Antisepsis zugleich zu garantiren. Denn, während
es selber keimfrei geworden ist, zerstört es durch die Glühhitze
etwaige, dem Fremdkörper anhaftende oder an seinem Sitze
bereits in die Hornhaut eingedrungene Infectionsstoffe. Dabei be¬
hält das Instrument stets sein spiegelblankes Aussehen.
Bei gleichzeitiger Arbeit mit dem Magneten gewährt es den
Vortheil, dass es nicht wie Stahl von demselben beeinflusst werden
kann Bei der Anfertigung des Instruments ist zu beachten, dass
die übrigens von dem üblichen Modell in keiner Weise ab¬
weichende Lanzenspitze nicht zu dünn ausgewalzt wird, weil sie
sonst leicht umhiegt. Gehärtet wie der Stahl kann sie nicht werden.
Dr. Rh ein-München.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 6. Mai 1896.
Herr Herzfeld demonstrirt einen an Lungen- und Kehl-
kopftuberculo.se leidenden Mann, welcher im Stande ist, unter lautem
Geräusch Luft in das subfasciale Gewebe an der rechten Seite des
Halses zu pressen. H. lässt die Luft aus einer Lungenfistel austreten
(Perichondritis laryngea? Ref.)
Herr Sternberg stellt einen jungen Mann vor, der seit
früher Jugend an geschwollenen Halslymphdrüsen leidet und, an¬
geregt durch die Zeitungsberichte über die Schilddrüsenmedication,
auf eigene Faust sich vom Metzger frische Schilddrüse verschaffte,
um irn Laufe mehrerer Wochen circa 30 Stück Schilddrüsen zu ver¬
zehren. Er verspürte gegen das Ende seiner «Cur > Ziehen und
Heissen in den Drüsen und dieselben wurden zusehends grösser.
Jetzt stellen sie recht grosse Packete zu beiden Seiten des Halses vor.
Herr Herzberg hält hierauf seinen angekündigten Vor¬
trag über Prothesen in der Mundhöhle, deren verschiedene
Verwendbarkeit er an vortrefflichen Wachsabgüssen demonstrirt.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 4. Mai lö!>6.
Herr G. Lewin: In den letzten Jahren wurde mehrfach
über schwere Erkrankung im Gefolge einer überreichen Aufnahme
von an sich unschädlichen Speisen berichtet und die Erklärung in
einer acuten Magenectasie gesucht (Boas, A. Fränkel). Lewin
hatte damals schon die Möglichkeit einer anderen Erklärung im
Auge und suchte die Frage experimentell zu lösen. Von der Er¬
fahrung ausgehend, dass die verschiedenen Gifte für die einzelnen
Thiorspecies ganz verschiedene Grade von Giftwirkung besitzen, gab
er Hühnern Strychnin, gegen welches sie relativ immun sind, in
einer für diese Thiere unschädlichen Dosis und verfütterte nun das
Fleisch dieser Hühner bei Hunden. Er erzielte damit in der That
bei letzteren schwere, sogar letale Vergiftungen. Auch das Extract
aus dem Muskelfleisch dieser Hühner erzielte bei Hunden,
welchen man dasselbe injicirte, das Bild der Strychninvergiftung.
L folgert daraus, dass möglicherweise die eingangs erwähnten
Beobachtungen auf ähnliche Ursachen zurückgeführt werden könnten.
Endlich weist er auf die forensische Bedeutung des neuen Nach¬
weises von Strychnin durch Verftitterung des Muskelfleisches hin.
Herr G. Meyer demonstrirt das Modell eines von ihm con-
struirten Tragbodens für einen Krankenwagen. Dasselbe ist in der
Gewerbeansstellung zu sehen.
Herr Dr. Fr„-nkel-Heyden berichtet über die mechanische
Behandlung der tabischen Ataxie, indem er in Kürze einige Kranken-
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12. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
4G1
geschichten gibt. Die Behandlung besteht in methodischer Ein¬
übung von coordinirten Bewegungen und die Resultate scheinen in
der That vorzügliche zu sein.
Herr Rosin: Ueber den Bau normaler und patho¬
logischer Ganglienzellen.
An der Hand zahlreicher aufgestellter mikroskopischer Prä¬
parate berichtet Vortragender über ausgedehnte rntersuebungen
über das «Pigment» der Ganglienzellen. Abgesehen von dem
seit Langem bekannten helleren und dunkleren Pigment dieser
Zellen findet sieh noch ein gröberer Farbstoff, der durch sein
Verhalten zu Osmium, Aethcr, Alkohol als eine Fettverbindung
nachzuweisen ist. Dieses «Lipoehrom » findet sich in den Ganglien¬
zellen des Gehirns und Rückenmarks Erwachsener, aber nicht in
den Kleinhirnzellen. Bei Kindern ist es spärlicher bezw. gar nicht
vorhanden und ebenso bei Thieren.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 5. Mai 1896-
Unter Director Rumpfs Vorsitz fand die Gedenkfeier
der am 14. Mai 1796 erfolgten Entdeckung der Kuh-
pocken-Impfung durch Eduard Jenner im Sitzungssaalc der
Bürgerschaft statt. Die Sitzung war mit einer sehr reichhaltigen
und interessanten Ausstellung auf die Impfung . bezüglicher
Bilder, Medaillen, Bekanntmachungen, Instrumente, Abbildungen
verschiedener Vaccinen und lmpfstreitsehriften verbunden. Vor¬
träge hielten
Oberimpfarzt L. Voigt: Die Pocken vor und nach
Jenner.
Redner gibt eine interessante Schilderung des entsetzlichen
Verlaufes der Seuche vor Jcnner’s Entdeckung, deren Mortalitäts¬
ziffer in Europa etwa der der Tubcrculosc in der Jetztzeit gleicli-
kam. Die Bedeutung der Entdeckung veranschaulichen folgende
Zahlen: Der jährliche Mensehenverlust an den Pocken betrug in
Proccnten der Bevölkerung: in Genf von 1580—1760 = 0,24;
in Stockholm von 1774—1800 = 0,20; in Braunschweig im
Epidemiejahre 1787 = 1,4; in den 3 preussischen Städten
Ravitseh, Bojauovo, Sarnovo im Epidemiejahre 1790 = 1,49-
Nach der vollständig durchgeführten obligatorischen Impfung und
Wiederimpfung beträgt die Mortalität von 1875 — 94 in Preusscn
0,0013 Proc., in Sachsen 0,0<*1G Proc., in Bayern, wo schon
1807 die Impfung durch Gesetz eingeführt wurde, <',0000 Proc.,
in Württemberg 0,0001 Proc. Oesterreich — kein Impfzwang —
1875—1893 = 0,0511 Proc., Belgien — kein Impfzwang —
1875—1894 = 0,0339 Proc. Deutschland ist demnach pocken¬
frei, während in allen Nachbarländern fortwährend kleinere und
grössere Epidemiecn herrschen. — A’ortragender berichtet über
die mannigfachen Blatternsehutzmassregeln, wie sie in früheren
Zeiten üblich waren und setzt diesen historischen Ueberblick mit
einigen Daten über die gesetzliche Einführung der Schutzimpfung
in allen civilisirtcn Staaten der Erde bis in die Gegenwart fort,
streift sodann die von den Impfgegnern erhobenen Kinwürfc.
Syphilis und Lepra sind unter den bekannten Cautelen nicht
übertragbar. Gegen die Infection mit Tubcrculosc schützt man
sich, indem jedes Impfthier geschlachtet und thierärztlich unter¬
sucht wird, bevor die Lymphe zur Verwendung kommt. Schliess¬
lich referirt V. kurz über die an circa 100 000 Impflingen in
den Jahren 1889—1894 beobachteten besonderen Vorkommnisse.
In 35 Fällen sah er die Entwicklung einer allgemeinen Vaccine,
18 mal war das Exanthem papulös, 1 7 mal pustulös. Bei 69 Impf¬
lingen kamen «Impfschäden» vor, die zumeist der ungenügenden
Sauberkeit der Angehörigen ihre Entstehung verdankten und in
leichten Hautaffcctioncn, seltener in ernsteren accidenteilen Wund¬
erkrankungen bestanden (2 7 Ekzeme, 11 Urticariae, 8 Impotiginesetc.,
nur | Bubo axillaris purulentus). Nur ein Impfling starb an
einer Verschwärung der Impfpustel. «Die Jennor’sehc Entdeckung
ist die grösste Leistung, welche das Heilverfahren aller Länder
aufzuweisen hat» (Liebermcister).
Herr Piza: Jenner und seine Entdeckung.
Redner gab eine formvollendete Darstellung des äusseren und
inneren Lebensganges J.’s und der Geschichte seiner Entdeckung.
Herr Paschen: Humanisirte und animale Vaccine.
P. referirte über die verschiedenen Methoden der Gewinnung
und Anwendung der humanisirten und animalen Lymphe, besprach
die Ergebnisse der baeteriologisehen Forschung nach dem Erreger
der Variola, streifte die Misserfolge der serotherapeutisehen Unter¬
suchungen und schloss mit einem Ueberblick über die Einrichtungen
der zur Zeit in Deutschland bestehenden 25 Staatsinstitute, speciell
der Hamburger Centralimpfanstalt. Werner.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 9. Mai 1896.
Eine neue Klinik. — Ferialcurse für Aerzte. — Be¬
rufskrankheiten der Arbeiter. — Zahlreiches Vorkommen
von Bleivergiftungen in Wien. — Das «grüne» Kreuz.
In akademischen Kreisen erzählt man sich, dass seitens
unseres Unterrichtsministeriums die Creirung einer vierten medi-
cinisehen Lehrkanzel für die Wiener medicinisclxe Faeultät geplant
werde. Wir haben derzeit 3 interne Kliniken, deren Vorstände
Nothnagel, Schröttcr und Neusser sind. Die Zahl der
Mcdicincr in den letzten Semestern hat keineswegs erheblich
zugenommeu, man glaubt daher, dass hier gewisse persönliche
Verhältnisse olnvaltcn, welche den Vnterriehtsminister bestimmen,
eine neue Klinik zu errichten. Man nennt auch schon die interne
Abtheilung im k. k. allgemeinen Krankenhause, welche nach Pen-
sionirung ihres derzeitigen Primararztes in die besagte Klinik
umgcwandelt werden wird.
Der Deean der mcdicinischcn Faeultät hat an alle Doeenten
ein Schreiben gerichtet, in welchem diese befragt werden, ob sic
geneigt wären, an Ferialcursen für bereits in der Praxis stehende
Aerzte theilzunehmeu. Es wird beabsichtigt, zwei Uyklcn von
Cursen in der Dauer von je circa 4 Wochen abzuhalten. Der
erste Uyklus beginnt am 3. August, der zweite (’yklus den 1.
September 1890. Jeder Ours soll 24 Lehrstunden umfassen, mit
Ausnahme jener Onrse (z. B. Oj>eration9eurse), hei denen wegen
Schwierigkeit der Beschaffung des Materials (Leichenmaterial) ein
solcher Umfang des Ourscs nicht garantirt werden kann. Als
Maximalhonorar für einen Ours soll der Betrag von 20 fl. gelten.
Wie ich höre, sind die Anmeldungen seitens der Doeenten
so zahlreich eingelaufen, dass die Abhaltung dieser Ferialcurse
schon jetzt gesichert erscheint. Ich will seinerzeit noch einmal
auf diesen Gegenstand zurüekkoumien.
Es liegt mir der «Bericht der k. k. Gewerbe-Inspectoren über
ihre Amtstätigkeit im Jahre 1895» zur Besprechung vor. Der
stattliche Band mit 450 .Seiten Grossquart ist im Verlage der
k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien erschienen und enthält
neben dem allgemeinen Berichte auch die Spccialberichtc über die
IG Aufsichtsbezirke in ganz Oesterreich, sowie die Berichte des
k. k. Schifffahrt»- und des Gewerbeinspectors für die öffentlichen
Verkehrsanlagen. Eine lehrreiche Loetüre für alle beamteten Aerzte,
zumal für die Fabrik»- und Geuicindeärzte, deren Obsorge die
gewerblichen Arbeiter aller Art anvertraut sind.
Den Inhalt dieses Werkes, soweit es uns Aerzte intcressirt,
an dieser Stelle auch nur andeutungsweise zu skizziren, ist wohl
unmöglich; es sei mir aber gestattet, aus dem Berichte des
Gcwerhe-Inspectors über den ersten Aufsiehtsbezirk (Polizei¬
rayon Wien) Einiges zu citiren.
Die Zahl der Erkrankungen (Gewerbekrankheiten) war 1894
geringer als 1893, einen besonderen Rückgang zeigen die Er¬
krankungen der Athmungsorgane und die Infcetionskrankhciten.
Was die Mortalität»Verhältnisse betrifft, so ergibt sieh, dass bei
Zuckerbäckern 100 Proc., bei den Tapezirern 94 Proc. und bei
den Drechslern 82 Proc. der Todesfälle im Jahre 1894 durch
Tubcrculose herbeigeführt wurden, während der Durchschnitt
für alle Gewerbe nur (!) 64,7 Proc. beträgt. Es wäre aber
unrichtig, aus diesen Zahlen auf eine besondere .Schädlichkeit der
genannten Gewerbe zu sch Hessen, da die Zahlen in den einzelnen
Jahren bedeutend schwanken. Nur einzelne Gewerta, wie z. B.
Tischler und Drechsler zeigen alljährlich einen hohen Procentsatz
von Todesfällen durch Erkrankungen der Athmungsorgane.
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462
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19
lui Durchschnitte werden von je tausend Arbeitern 133 von
einem Unfälle betroffen, es kommen somit auf je 1 5 Arbeiter
2 Unfiille. Die grösste Unfallsgel’ahr besteht bei der Urproduction
aus dem Mineralreiche, da nahezu jeder vierte Arbeiter einen
Unfall erlitt, während die graphischen (Jewerbe am günstigsten
erscheinen, indem ein Unfall nur auf je 28 Arbeiter entfällt.
Von den (Jesammtausgabon der Krankenkassen entfielen im
Jahre 1894 für Aerzte und Medicamente: Bei den dem
Verbände der genossenschaftlichen Krankenkassen zugehörigen (45)
Kassen im Mittel 19,3 Droc., bei den Bezirkskrankenkassen
19,4 Urne., bei der Allgcm. Arbeiterkrankenkas.se 14,1 Pme.
Die finanzielle Lage der Krankenkassen ist im Allgemeinen eine
zunehmend günstige, der Reservefond wächst bei den meisten
derselben.
Die effective Arbeitszeit beträgt im grossen Durchschnitte
in den Fabriken 10 und im Klcingewerln* 11 Stunden. Ucber
Drängen der Arbeiter tritt jedoch nahezu alljährlich und so auch
im abgelaufcncn Jahre bei einer Reihe von (Jewerbeeategorien eine
Kürzung der Arbeitszeit ein.
Bei diesem Anlasse möchte ich eines eben erschienenen Be¬
richtes des Wiener Stadtphvsikatcs über ein zahlreicheres Vorkommen
von Bleivergiftungen im Winter 1895/96 Erwähnung thun. Unter
den Arbeitern eines Wiener Anstreicheriiieistors kamen zahlreiche
Fälle von Bleikolik in ärztliche Behandlung. Das vom Stadtphysikate
erstattete ausführliche Gutachten weist bin auf die Verarbeitung
ungewöhnlich grosser Mengen einer Bleifarbe, auf die eine Zeit
hindurch bestandene ungenügende Vorsorge für die Reinigung der
Arbeiter und auf die ungenügende Beachtung der erforderlichen
Vorsichtsmassregeln seitens der Letzteren, und beantragt dies¬
bezüglich die Aufnahme einer Belehrung in die Arbeitsordnung,
das Verbot von Essen und Rauchen in den Arbeitsräumen, die
Beistellung genügender Mengen von Waschwasser, so dass es jedem
Arbeiter möglich wird, im Laufe eines Arbeitstages sich mindestens
viermal gründlich die Hände zu reinigen, die Beistellung eigener
< «arderoberäumc resp. (larderobekästen, sodann von Respiratoren
bei stäubenden Arbeiten, die entsprechende Lüftung und Beheizung
der Arbeitsräumc, schliesslich die öftere Inspoetion der Arbeiter
durch Aerzte. Wöchentlich mindestens einmal soll jeder Arbeiter
vom Casscnarzt untersucht, belehrt und ermahnt werden etc. etc.
Wir besitzen bekanntlich eine (Jesellsehaft vom rothen
Kreuze >- und eine »(Jesellsehaft vom weissen Kreuze, . Erstere
widmet ihre Sorge der Verpflegung und dem Transporte von Ver¬
wundeten im Kriegsfälle, letztere errichtet Militärspitäler in Uur-
orten. Nun sollen wir ein drittes Kreuz bekommen, nämlich ein
grünes. Die alpinen und touristischen Vereine wollen gemeinsam
eine Art von Rettungsgesellschaft für die Berge errichten. Der
< Oesterreichische Touristen-CIub > hat die Idee letzthin in seinem
Ausschüsse berathen und beschlossen, in dieser Angelegenheit die
Initiative zu ergreifen. Hauptsache wäre wohl die Beistellung der
nöthigen Rettungsmannschaft. Der «Oesterreichische Alpen-Club
hat die Sache schon im Vorjahre probeweise inscenirt und nun¬
mehr beschlossen, eine auf das Rax-, Schneeberg- und Ennsthalcr-
(Jebiet beschränkte derartige Rettungsgesellschaft in’s Leben zu
rufen. In den Schutzhütten werden Rettungskästen und Transport¬
mittel für die «erste Hilfe» dejtonirt und Jedermann leicht zu¬
gänglich gemacht. Die Führer werden im (Jebrauche der Schienen,
des Verbandmaterials etc. von Acrzten unterrichtet und auch sonst
wird Alles vorgekehrt, damit der Transport, von Abgestürzten glatt
vor sich gehe. Nun mag s also losgehen ! Die höchsten Gipfel
der Berge, die abschüssigsten Halden, die tiefsten Schluchten sind
bald frei, mag Jeder nach Lust klettern oder steigen, fallen oder
stürzen: es wacht die neue •< Gesellschaft vom grünen Kreuze»
und wird die «Opfer der Berge» fürsorglich in Schutz nehmen.
Möge das Feld ihrer Thätigkeit auch fürderhin ein kleines bleiben !
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Association francaise ponr 1’avancement des Sciences.
25. Versammlung zu Karthago (Tunis)
vom 1. bis 7. April 1896.
Die Section für Medicin tagte unter dem Vorsitz von Hanot-
'’aris. Jouin-Paris spricht über die Behandlung der Uterus¬
fibrome mit der Schilddrüsentherapie und kommt zu
folgenden Schlüssen. Die Versuche, sowie die klinischen und thera¬
peutischen Erfahrungen, lehren, dass zwischen Schilddrüse und Ge¬
schlechtsorganen , besonders den weiblichen, physiologische Be¬
ziehungen von grösster Wichtigkeit bestehen. Nachdem die Schild¬
drüsendarreichung schon unverhoffte Resultate bei der Behandlung
des Myxoedems, des Cretinismus, des Kropfes, gewisser Haut- und
vieler anderer Krankheiten gegebeu hat, gelang es Jouin, meist
eine bedeutende Besserung, zuweilen sogar Heilung der fibrösen
Tumoren des Uterus und der allen anderen Mitteln trotzenden Ge-
bärmutterblutungen mit dieser Therapie zu erzielen. In Anbetracht
der Erfolge, welche auch bei Keloiden, bei Prostatahypertrophie
u. s. w. nicht ausblieben, hält es J. nicht unmöglich, dass auch
Sarkome und andere bösartige Geschwülste durch die Scbilddrüsen-
therapie mit Erfolg behandelt werden könnten, zumal dieselbe absolut
unschädlich (') und leicht zu handhaben sei.
Mossö-Toulouse behandelte 2 Fälle von Psoriasis mit roher
Hammelsschilddrüse, erzielte aber wenig günstige Resultate, da nach
vorübergehender Besserung die Eruptionen sich stets von Neuem
wieder einstellten. M. studirte bei dieser Gelegenheit die tägliche
Ausscheidung von Harnstoff, Harnsäure, Phosphorsäure u. s. w. und
notirte gleichzeitig die Gewichtsveränderungen; es zeigte sich, dass
selbst kleine Dosen von Sehilddrüsensubstanz die Ernährung hoch¬
gradig beeinflussen, auch überzeugte sich M. von der Nothwendigkeit,
die Schilddrüse in Natur und zwar dem Gewichte nach zu verordnen
und nach einigen Tagen der Behandlung dieselbe zu unterbrechen.
Le Grix-Paris bespricht die Behandlung der Seekrank¬
heit. Als Präventiv mittel empfiehlt er, eine Stunde vor der
Abfahrt 5—10 Granuli Strychnins (schwefelsaueren, arsenik¬
saueren oder unterphosphorsauren), jedes ä J / 2 ra ß und zwar in
viertelstündlichen Pnusen 1—2 Stück zu nehmen und sich dann
ruhig hinzulegen. Die eigentliche Behandlung besteht darin,
beim geringsten Uebligkeitsgefüld viertelstündlich bis zur Beruhigung
folgende 3 Medicamente zusammen geben zu lassen: */2 mg Strych¬
nins von einem der oben genannten Salze, */ 2 nl S Extract Hyos-
eyamini und 1 mg jodsauren oder bromsauren Morphiums, alle drei
in Form der Granuli; es können so ohne Nachtheil 20 Dosen hinter¬
einander gegeben werden. In hygienischer Hinsicht ist es gut,
immer auf Verdeck zu bleiben, möglichst horizontale Lage zu be¬
halten, stark Gesalzenes zu essen, aber Süssigkeiten und Getränke
im Allgemeinen zu meiden. Bei Kindern von 4—7 Jahren ersetzt
die Stelle des Strychnins das Brucin, halbstündlich eine Dosis davon
zu geben, das Hyoscyamin wird 3—4 mal in 24 Stunden verabreicht,
Morphium gunz beiseite gelassen. Le Gr. hält diese Behandlungs¬
art nach 20 jährigen Erfahrungen in Hunderten von Fällen für die
beste und würdig, allgemeiner bekannt zu werden.
Auguste Voisin-Paris theilt seine Heilerfolge mit der Hyp¬
nose mit; ausser in Fällen von Aphasie, Worttaubheit, Agraphie
und lieiniopie in Folge schwerer Lungenentzündung ist es ihm
geglückt, eine Patientin, welche mehrere Monate an schrecklichen
Gesichtshallucinationen und Verfolgungswahn (Melancholie) litt, in
einigen Sitzungen zu heilen. Nach dieser Genesung machte dieselbe
Patientin ejjie Entbindung unter Hypnose durch, ohne sich des
Verlaufs derselben bewusst zu sein.
Hanot-Paris und Bard-Lyon berichten beide über eine noch
ziemlich unbekannte Art des Pankreascarcinoms (13 Fälle
beobachtet), welche im Gegensatz zu der häufigeren Art (am Kopfe
des Organs) an der Uebergangsstelle des Ausführungsganges und
des Ductus choledochus in das Duodenum (Vater'sehe Ampulle)
ihren meist ganz umschriebenen Sitz hat und dadurch bei genauer,
rechtzeitiger Diagnose leicht einer Operation zugänglich wäre. Das
Krankheitsbild besteht in Vergrösserung der Leber, der Gallenblase
und Milz, chronischem Ikterus und Entfärbung der Faeces ohne
Colikanfälle, ferner stets Leukocytose und Abwesenheit von Urobilin.
Der Ikterus hat allmählich in dem Falle Hanot's abgenommen
in Folge Veränderung in der Gallenabsonderung, da nach der Autopsie
das Hinderniss für den Abfluss der Galle weiter bestanden hat;
ferner war einige Zeit hindurch ein-(rechts)seitiges Oedero bestanden,
wie es mehrere Male bei Lebererkrankungen beobachtet wurde.
Die Schwierigkeit der Diagnose liegt in der Unterscheidung von
dem eigentlichen Pankreascarcinom einerseits und dem Duodenal¬
krebs andererseits; bei ersterein tritt der Ikterus erst nach längerer
Dauer der Krankeit (ca. 6—8 Monaten) auf, wenn die Neubildung
eben den Ausführungsgang erreicht hat; sodann zeigt die Erkrankung
bei primärem Krebs der Ampulle eine viel längere Dauer (bis zu
2 Jahre) wie bei dem eigentlichen Pankreaskrebs (höchstens 1 Jahr).
Bei Krebs des Zwölffingerdarms bestehen vor Allem die Symptome
des Pylorus- oder Darmcarcinoms (Einschnürungaerecbeinungen). Die
histologische Untersuchung ergab in den Fällen von H. und B. stets
einen Cylinderepithelkrebs, welcher durch eine ganz eng umschriebene
Localisation ausgezeichnet ist.
Berger-Coutras empfiehlt die Anwendung des Picrotoxins
gegen gewisse Formen von Zittern; so hatte er damit in
2 Fällen von Paralysis agitans Erfolg, während das Hyoscyamin
vergebens gegeben worden war; ferner wurde ein Fall hysterischen
Zitterns günstig beeinflusst.
C a t o i s - Caen will die Ekzeme der verschiedenen
Schleimhäute genauer präcisirt wissen, da sie zu Verwechslungen
mit Angina, Stomatitis, Cystitis, Urethritis u. s. w. führen können.
Die Schleimhautausschläge charakterisiren sich durch die Plötzlich-
4
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12. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
468
keit des Auftretens und die Schnelligkeit der Ausbreitung, sind viel
häufiger beim männlichen (Schleimhaut des Mastdarms, der Blase
und Harnröhre, der Nasenhöhlen) wie beim weiblichen Geschlechts,
im höheren Alter selten und besonders zwischen 35 und 60 Jahren
auftretend und viel häufiger eine Folge der chronischen wie der
acuten Ekzeme der äusseren Haut.
Cartaz berichtet über Fälle von Facialisparalyse, welche
im Gefolge von Otitis nach Influenza auftraten und als wahre
CompresBionslähmungen im Gegensätze zu den weit häufigeren
durch secundäre Neuritis entstehenden betrachtet werden können.
Im ereteren Falle waren die Erscheinungen der Lähmung schon
einige Tage nach der künstlichen Perforation des Trommelfells
verschwunden, während bei anderen Fällen, welche auf secundäre
Infection zurückzuführen waren, eine sehr lange elektrische Be¬
handlung nothwendig wurde.
Paul Raug6-Challes macht den Vorschlag, für die patho¬
logischen Veränderungen des Gehörvermögens ein be¬
stimmtes Maasssystem einzuführen, ebenso wie es bei der
Sehschärfe der Fall sei. Das Gehörvermögen des Gesunden sei
eine Constante und durch Vergleich der Entfernungen, in welcher
das kranke Ohr ein Geräusch eben nicht mehr vernimmt, mit dieser
ergibt sich die Berechnung, so dass die gesuchte Grösse (x) — dem
Verhältnisse der Quadrate der Entfernungen = (jj) 2 ist. Durch
eine derartige genaue Zahl lässt sich also mit grossem Vortheil stets
die functionelle Wirkung des Gehörorgans feststellen.
Prioleau-Brive führt als eine der Ursachen für Volvulus
einfaches Verhalten des Stuhles, wenn der Drang sehr gross ist,
an; umschriebenes Schmerzgefühl tritt plötzlich und lebhaft auf,
während Erbrechen gar nicht oder nur sehr spät sich einstellt.
Zur Behandlung erwiesen sich forcirto Lavements von 2,3
und 5 Litern und mit 10 Proc. Glycerinlösung, verbunden mit
capillären Punctionen der stark ausgedehnten Darmschlingen und
Bauchmassage, als sehr vorthoilhaft.
Bergonid-Bordeaux berichtet über neue Wärmemessungen
am Menschen; sie wurden mit dem Anemo-Calorimeter von
d’Arsonval ausgeführt, welcher möglichst schnelle Angaben ge¬
stattet.
Vitrac-Bordeaux führte wegen Cystenniere in 2 Fällen
die Nephrectomie aus und bei beiden trat Genesung ein. Nur
dann hält er die Operation wegen dieses Leidens für nicht angezeigt,
wenn die Natur des Tumors nicht sicher ist und die Symptome
einer Nierenentzündung (Bright'scher Krankheit) vorwiegen.
Weitere Vorträge in grosser Anzahl waren verscliie dentlichen
casuistischen Inhalts. St.
Verschiedenes.
Zum «Fall Langerhans» schreibt uns Herr Mcdicinalrath
Dr. Pürkhauer in Bayreuth: Noch immer harrt der «Fall Langer¬
hans > der Aufklärung. Auf der einen Seite genügt der Hinweis
anf einen Shok dem Bedürfniss, den plötzlichen Tod eines voll¬
kommen gesunden Kindes unmittelbar nach der Einspritzung zu
erklären, keineswegs und ich glaube auch nicht, dass derselbe
geeignet ist, den schwergebeugten Vater seines im ersten Moment
ausgesprochenen Verdachts gänzlich zu entledigen, andererseits er¬
scheint der letztere in Anbetracht, dass eine Verunreinigung des
in Anwendung gebrachten Heilserums nicht nachgewiesen wurde,
dasselbe bei anderen Kindern ohne Nachtheil injicirt worden war,
die Section des Kindes die Verletzung einer Vene durch die Spritze
nicht nachgewiesen hatte und ein Gift nicht bekannt ist, das den
ohne alle Nebenerscheinungen plötzlich nach der Einspritzung des
Serums eingetretenen Tod des Kindes hätte herbcifiihren können,
völlig unbegründet. '
So viel Möglichkeiten auch von der oder jener Seite zur Auf¬
klärung des räthselhaften Vorkommnisses in Betracht gezogen worden
sind, so ist doch von keiner auf die Möglichkeit hingewiesen worden,
dass das Kind vielleicht einige Zeit vor seinem Tode an einer
leichten Diphtheritis erkrankt war, welche bei nicht oder wenig
gestörtem Allgemeinbefinden und weil das erst 1 ’/ 2 Jahre alte Kind
noch nicht in der Lage war, auf etwa bestehende Halsbeschwerden
aufmerksam zu machen, von seiner Umgebung leicht übersehen
worden sein konnte, und der Tod in Folge einer postdiphteritischen
Herzlähmung erfolgt ist. Die Erinnerung an einige von mir be¬
obachtete ähnliche Fälle hat mich auf diesen Gedanken gebracht.
Ira Jahre 18‘JO bin ich zu einem 1 */2 Jahre alten Knaben mit
so exquisiter Schlundlähmung gerufen worden, dass es nothwendig
war, um ihn vor einer Schluckpneumonie, dem Tod durch Erstickung,
oder Verhungern zu retten, ihn nun mittelst eines Schlundrohres,
das ich durch die Nase einführte, zu ernähren. Diese Behandlung
musste 3 Wochen fortgesetzt werden, bis die Lähmung zurückging
und das Kind in Folge dessen wieder Getränke und Speisen selbst
IU sich nehmen konnte. Belege im Halse etc. etc waren niemals
wahrnehmbar. Es war kein Zweifel, dass die Lähmung post-
diphtheritischer Natur war, dass das Kind also vor dem Beginn der
Behandlung Diphtherie gehabt haben musste, obgleich seine Eltern
versicherten, von einer Erkrankung desselben nichts wahrgenommen
*u haben.
Im Jahre 1868, zur Zeit einer schweren Diphtheritisepidemie,
die in der Gegend, in der ich damals prakticirte, geherrscht hatte,
wurde ich in ein Haus gerufen, in welchem 2 Kinder krank dar¬
niederlagen, das eine an einer septischen Form, der es bald erlag,
das andere an Diphtheritis des Rachens und des Larynx, ebenfalls
schwer krank. Ein drittes Kind von ca. 2 Jahren war und blieb
munter, lief umher, spielte; die Eltern hielten es für gesund, ich
fand aber auch bei ihm kleine Belege an den Mandeln, die nach
etwa 8 Tagen verseilwamlen. Es blieb auch noch weitere 14 Tage
munter, hatte guten Appetit und Schlaf, wurde überhaupt als voll¬
kommen genesen betrachtet. Plötzlich fiel es, während es mitten
im Spielen war, todt um. Ich bin überzeugt, dass, wenn ich nicht
aus Anlass der schweren Erkrankung der beiden Geschwister das
Kind untersucht hätte, die Eltern die Krankheit desselben voll¬
ständig übersehen haben würden, sein plötzlicher Tod ihnen ein
Räthsel geblieben wäre.
Es wäre demnach denkbar, dass das Langerhans'sche Kind
an einer ähnlichen leichten Form der Halsdiphtheritis erkrankt war,
wie die beiden obengenannten Kinder, das Dienstmädchen, welches
später wegen Erkrankung an Diphtheritis in das Krankenhaus
geschafft worden ist, angesteckt hat und, wie es eben der Zufall
wollte, zu der Zeit, in welcher es die E nspritzung erhielt, in Folge
der postdiphtheritischen Herzlähmung eines plötzlichen Todes ver¬
starb. Zu einem geringen Theil mag ja dann die mit der Einspritzung
verbundene Irritation des Herzens zu seiner Lähmung beigetragen
haben, dieselbe würde aber höchst wahrscheinlich ohnedies über
kurz oder lang eingetreten sein.
Wenn diese Annahme auch gerade keine grosse Wahrschein¬
lichkeit für sich beanspruchen kann, da der Vater des Kindes selbst
Arzt ist und selbst ein leichtes Unwohlsein desselben kaum über¬
sehen haben wird, so schliesst meiner Meinung und Erfahrung nach
die Unwahrscheinlichkeit doch die Möglichkeit nicht aus, wesshalb
ich es mir, lediglich dem Drange den merkwürdigen Fall zu erklären
folgend, nicht versagen konnte, hierauf In diesen Blättern hinzuweisen.
(Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.)
Der heutigen Nummer Hegt, anlässlich der ROjährigen Jubelfeier
der Entdeckung der Schutzpockenimpfung, als 58. Blatt der Galerie,
das Portrait Edward Jenners bei.
Therapeutische Notizen.
Die Anwendung der Vosicantien bei den Kindern.
Gegen den, wie es scheint, unter den französischen Aerzten stark
verbreiteten Missbrauch der Blasenpflaster, welcher oft schon
Hautentzündungen diphtheroider Art bis zu Hautgangrän und in
Folge von 10-lOstündiger Anwendung auch allgemeine Sepsis
und den Tod veranlassten, erhebt Comby energischen Protest.
Bei Kindern unter 2 Jahren wende man dieselben überhaupt nicht
an, ebenso wenig je bei Diphtherie, Masern,. Albuminurie und
cachectischen Kindern, wie im Allgemeinen hei jeder Art fieber¬
hafter Krankheit. Nützlich kann ein Vesicans bei über 2 Jahre
alten Kindern sein in Fällen von Pleuritis, Pericarditis, Synovitis,
Arthritis und chronischer Ostitis. Bevor man das Blasenpflaster
auflegt, reinige man die betreffende Hautstelle mit Seife, Alkohol
und 0,1 Proc. Sublimatlösuug; die Dauer der Anwendung betrage
bei 2 jährigen höchstens 2, bei 4jährigen höchstens 3 Stunden
u. s. f. Die danach oft stark entzündete Haut bedecke man einfach
mit einer Schicht von hydrophiler Watte, aber nie mit einer Salbe
oder Vaselin; im Nothfalle könnte man gegen wirkliche Wunden
Aetzungen mit Höllenstein, ferner Jodtinctur, Jodoform-, Salol- oder
Borsäurepulver anwenden. (La Mödecine Moderne No. 32, 1 1896.) St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 12. Mai. Neben den Festen, durch welche in diesen
Pagen allüberall in Deutschland der 25 jährige Gedenktag des
Friedensschlusses zwischen Deutschland und Frankreich feierlich
begangen wird, scheint die Erinnerung an ein anderes Ereigniss,
das der Menschheit Sieg und Frieden brachte im Kampfe gegen
ihren mörderischsten Feind und desshalb von den Völkern mit
Jubel gefeiert zu werden verdiente, ungebührlich in den Hintergrund
zu treten : das 100 jährige Jubiläum der Schutzpockenimpfung. Schuld
daran trägt hauptsächlich der Umstand, dass gerade in Folge der
segensreichen Wirkung der Schutzpockenimpfung das Bewusstsein
von der Schwere der Plage, die durch die Impfung von uns genommen
wurde, abhanden gekommen ist. Nur so erklärt es sich auch, dass es
noch immer Leute geben kann, die sich einer so offenkundigen und
durch vieltausendfältige Erfahrung erhärteten Thatsache, wie die
Wirksamkeit des Impfschutzes, verschliessen. Eine wie geringe Be¬
deutung allerdings der sonderbaren Secte der Impfgegner wenigstens
in Deutschland zukommt, bewies die Sitzung des Deutschen Reichs¬
tages, in welcher in voriger Woche über einen Antrag auf Auf¬
hebung des Impfzwanges vor fast leerem Hause verhandelt wurde,
sowie die zur Ablehnung des Antrages führende Abstimmung in
welcher gerade die geistigen Führer der Partei, aus we ' cher der
Antrag hervorgegangen war (Socialdemokraten), gegen denselben
stimmten. Mit Recht wies der Regicrungsvertreter bei der Be¬
sprechung des Antrages auf die zur Zeit m Gloucester herrschende^
auch in diesen Blättern schon erwähnte Blatternepidemie hin, 'die
durch ein schreckliches Exempel die Gemeingefährhchkmt der impf-
gegnerischen Bestrebungen und die Schwere der ^an^ortung der
jenigen, die gegen die Durchführung des Impfschutzes wühlen,
Digitized by^ jööole
MEDTCINlSCHE JWOCHENgCHBgT.
No. 19.
404---
statuirt. Während.dg
re^rWoohe, eine enorme Zahl dos I p f.
b Ä ^ MÄ
und Sch selbst der Impfung “.“^^f^gcn^Dio Lächerlichkeit, der
dagegen vor sich heimlich ^ lassen. ^ mUJc gtrftf f? , das
diese Männer preisgegeben sin , »t e nur> Ja8H die BP»«*®*" 1 ®
Unheil, das sie angerichtet. Zu e * rfre|lliche Wirkung haben
in Gloucester wenigstens J n »* tr "* jhe Stu< ite in England rechtzeitig
SÄJÄS S& *» ”" J<!re u,nder 5Cl, °'’ sc,t
erfreuen. . AWordnctenhause fand am 4. ds. die Be¬
rathang
»recuuwivo --
Im preussischen Abgeordnetenhause und
JUW ' * ~ _____
- „n Fr ist nach amtlichen Quellen heraus-
wohnliaften SaniUltspersonem Br i * |f|cher und im Verlag von W.
gegeben und rcdigirt i en Der Preis betragt M. 5 —
Braumüller in Wien erschienen } Geheimra tU Professor
(UniversitUtsnaclir e von ihm geleiteten
OtaÄ-it ProI.M« E " r< = ^'L CeSiachcn Facalttt De.
ausserordentlichen rrofc * 9SO , Ge h. Medicinalrath verliehen
Krabbler ist der „ 0h ^ ^ C [, ri , a tdocenten in der medicinischen
worden. - Halle a S. De Anatomischen Institut und Zootomischen
Pucultilt und Proscctor am Anatonns sor , beige lejst worden.
Museum Dr. Eisler '»t das latent ^ Univ ,Augenklinik feierte
— He delberg. I I r , of , L , 1 b r ^:' t)i u lm n — Königsberg. Der Direetor
sein 25 jähriges Professoren]ubiiaum^^ Jen Titel ala Geheimer
der Univ. Augcnklmik Prof. A. Pr i V atdocent an unserer
Medicinalrath. —; Le !?*!® wurde zum a. o. Professor der medr
Universität, Dr.Oitolisch München _ D er ungarische Verein. für
Medicin a l r eform ^«^,1 unter Bcschräm eorre
niss der Kreisphysiker dahin regelt> der Erhöhung ihres als
kung ihrer Privatpraxis und entei , Maasse als bisher l- ab
pensionsffthig festzusetzenden Gehalts in n ^ Jcr öffentlichen Oe- J2 J
den Aufgaben der gerichtliche - . . . wurde von Dr. K ruse
sundheitspflege sich widmen konncmD A 1 fr einselben Ministenal- in >
begründet. Von Kegierungsseitcs rachen Cultusmimsters, «die
direc.or v. Bartsch, dieser an Ste le ^«*“ hrungMl dieser Herren frei
und Finanzminister M l .^ U C ; l 8 . lc i,liehe Schwierigkeiten, welche
sind es nicht financielle, sondern s ,, en bisher verursacht
dte Verzögerung der “ \£hta Zukunft die Hoff-
haben, und man dieser wichtigen Fragei nicht
nungen auf eine raschere ‘ , 8form se \ im Gange. Dil Lr
zu hoch zu spannen “ e,1 ‘5„ Amtekammerausschuasc», von
richtung von Aerztekamme , ‘. »rheil« einer solchen. Be- K r<
ärztlichen Ehrengerichten mna *‘chU . Beien Gruiulzüge bereits
züglich der Medicinalreformim engeren ^ mU ,-etl.eilt worden. .
11« — «- I. .
"'““-l buchen I^STÄS Xr 5 £ “
gelegentlich der Berathung d f! C . nten der Realgymnasien zum n
Frage der Zulassung von‘Absehen hen einige Abgeordnete R(
Studium der Medicm. 1 ür ,i:‘ 18I> ii, e neben Rednern der Hechten q (
der äussersten Linken gegen ‘^sclbe^eben ^ ft , die
besonders Medicinalrath Dr. hcit der deutschen Aerzte, dass h(
Meinung der überwiegende Medicinstudirende festzuhalten
an der humanistischen Vorbildung > die Berec hu g ung der
sei. Sollte man sich jedoch entschhe. ’ echen H0 müsse
Realgymnasien zum Un JJJ®{J öl e £dtiR für die Medicin geschehen,
dies für alle Fächer, nicht seincn Standpunkt dahin,
Cultusminister v F^ndmann p^c t dafttr gehabt habe, die
dass er zwar persönlich ein gewisses , ne dicinisclien Studien zu-
Absolventen der Realgymnasien zi d medicinischen Fach- *
zulassen, dass er 'wTdenprSh rechnen und dem ftrzfr 1
»erde, — « d»Kh.„.
" Cht lt Sach..n hat da» GeaeU, *«•>-Sdft I
vereine, nunmehr die königliche fJu er - Gesetz, das eine ein-
1. October d. J. m Kraft in Sachsen
schneidende ^ eränderung dei yon grösstem Interesse ist,
Ä r heutigen Kummet «uaetet
Wochensdintt^ur ^her Pmatdecent^ml Aeemtent am
SÄÄ sissSFSSiSS^n iu
- Von deutschen grtMto Stetb-
StSSSa tÄT" Darmstadt; au Diphtherie und
Croup in M.-Gladbach und Kasse • . . , Krankenhäusern
- Im Jahre 1881 starben » n ‘ die Zahl der Malaria-
der Stadt Rom 650 Patienten. Seinem 'gegangen und betrug
Todesfälle von Jahr zu Jahr stand g ■• ■ o S von )a Jahren
lb94 nur noch 140, während in dem ■ r): e -\ialariakranken
die Einwohnerzahl um 150 000 zum gr^Si Theile
der römischen Spitaler sind *“ de “ Land- und
keine eigentlichen Bewohner der ewigen . ,
^^AmTe^aFTdet'ln Bad Nauheim eine Versammlung
r “SÄÄclnscher
1896 enthältlsämmtliclie vert?lt“nra Königreiche und
und Apotheker der im Reichsrathcvertretenen^o S Wien
Länder, Bowie das neueste alphabetische ’Verzeicnni
SÄ™*-“ 0 v ' K01>n6r
■6-2 Jahre alt. ... (le8 Herrn Dr. Baclius m Jena
licriclitigung. ln d V r A ’ c ^ 24i öp . i, Z, 26 v. u. zu lesen.
in .No. U d. Wochensdit- iststatt «die Gerbsäure
«die adstringirende Wirkung
frei zu geben. » _
Personalnachrichten.
Bayern. .
N <1< " > e^rnr/’.t 1 ''sewe^ ^an der
KreisHreminstalt ^'{ Ü Class'e"ün'j“B. Gründ 1er
in NeSrirÄnS’tgleicher Eigenschaft nach Neumarkt
d Die Bezirksarztesst eile I. Classe in Neustadt a. Wald-
naab ^tewcMbungstcrmin zum 1. Juni «- .• Oberstabsarzt
Amwicl., un.g: h» 1. Schweren Reiter-
II, Classe Dr. N e. dhardt Rc. un d zum Tragen des
H. Classe Dr. Neidhardt, ’»nlSme und zum Tragen des
lteg. wurde die d ' Kr „,igiich Italienischen Krone erthe'lt.
Oflizierskreuzes des Oi Jens früher prakt. Arzt in Leip
bei Utcruscarcinom. __.
ISorhiditätsstatistik d München
, ÄSJüffl
'ssSKSSfi 4ta*a
l , ^ a S7li n £)l E0 Ä'“Brechd^ihw" > (»). Dnterleihrtyp^-
li ö Keichinisten l (l), Croupöse Lungenentzündung^ d.
e culose a) der LungenJJÜI (3D, Krankheiten 4 (2).
d Gelenkrheumatismus (f)> ‘ j ,, q« od durch fremde Hand - (
UnglüeksfftUe 4 (-), Selbstmord 2 3) rod durch q Verhältnia9t ah
jr Die Gesammtzahl der Sterberalle V • , - (24,‘J), H' r
-
te die über dem 5. Lebensjahr stehende 14,1 (W )■
ln \ 1) U.-v! = Abkürzung für Unteroffiziers-Vorschäler.
Beilage zu No. 19 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
G ese tz,
betreffend
die ärztlichen Bezirksvereine; vom 23. März 1896.
(Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 0. Stück vom Jahre 18%, Nr. 39.)
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ir, Albert, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc. etc.
haben eine Ergänzung der die ärztlichen Bezirksvereine betreffenden 1
Bestimmungen für nöthig befunden und verordnen daher mit Zu- j
Stimmung Unserer getreuen Stände wie folgt: j
§ 1. Die ärztlichen Bezirksvereine werden fortan durch sürnrnt-
liche innerhalb des betreffenden Medicinalbezirks wohnende und j
ihre Praxis ausübende, mit Approbation versehene Aerzte und die- |
jenigen Aerzte und Wundärzte gebildet, welche bereits vor Ver- j
kündigung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom
21. Juli 1869 zur Praxis berechtigt waren und als approbirt im I
Sinne des § 29 Absatz 5 der Gewerbeordnung zu gelten haben, j
Die Bildung mehrerer Bezirksvereine innerhalb eines und desselben ;
Medicinalbezirks bedarf der Genehmigung des Ministeriums des
Innern. Approbirte Aerzte und Wundärzte, welche ihre Praxis nicht ;
oder nicht mehr ausüben, sind zum Beitritt nicht verpflichtet, aber j
berechtigt. Dasselbe gilt von Sanitätsofücieren des Friedensstandes, !
gleichviel ob sie Civilpraxis ausüben oder nicht.
Jedem Bezirksvereine steht das liecht der juristischen Persön¬
lichkeit zu.
§ 2. Mit Genehmigung der betheiligten Bezirks vereine kann einer
der im § 1 bezeichnetcn Aerzte aus dem Vereine, dem er angehört, 1
ausscheideu, wenn er den Nachweis erbringt, dass er die Mitglied- j
schaft eines benachbarten Bezirksvereins erlangt hat oder doch
erlangen wird.
§ 3. Approbirte Zahnärzte können auf ihren Antrag durch Be¬
schluss des betreffenden Bezirksvereins als Mitglieder aufgenommen
werden.
§ 4. Die Aufgaben der Bezirksvereine sind die Förderung der
öffentlichen Gesundheitspflege, der ärztlichen Wissenschaft und
Kunst und der wirtschaftlichen Interessen der Aerzte, die Pflege
des Gemeingeistes und die Aufrechterhaltung und Stärkung der
Standesehre unter den Standesgenossen, die Förderung des gedeih¬
lichen coliegialen Verhältnisses zwischen denselben und die Schlich¬
tung der unter ihnen entstandenen Streitigkeiten, endlich die Her¬
stellung von Einrichtungen, welche die Unterstützung nothleidender
und hilfsbedürftiger Mitglieder beziehentlich deren Familien be¬
zwecken. . .
Ausserdem kaben sic die Wahl von Delcgirten zu dem m
jedem Regierungsbezirke bestehenden Kreisveieinsausschusse vor¬
zunehmen und können Anträge an die Unterbehörden des Landes
bringen, sowie auf Veranlassung der letzteren sachverständige Gut¬
achten innerhalb ihres Wirkungskreises abgeben.
§ 5. Jeder Bezirksverein hat ein der Genehmigung des Mini¬
steriums des Innern bedürfendes »Statut aufzustellen. In demselben
sind insbesondere über die Wahl des Vorstandes, über die Auf¬
bringung und Umlage der erforderlichen Mittel, sowie über Fest¬
setzung einer Standes- und Ehrengerichtsordnung Bestimmungen zu
treffen, soweit nicht das Ministerium des Innern nach Gehör der
Bezirksvereine, beziehentlich der Kreisvereinsausschüsse sowie des
Landes-Medicinalcollegiums, einheitliche Vorschriften dieser Art für
sämmtliche Bezirksvereine aufstellt.
§ 6. Die Standesordnung hat eine Zusammenstellung derjenigen
Pflichten zu enthalten, die den Mitgliedern des Bezirks Vereins in
Ausübung ihres Berufes und zur Wahrung der Ehre und des An¬
sehens ihres Standes in wie ausserhalb ihrer Berufsthütigkeit obliegen.
§ 7. Die Ehrengerichtsordnung hat über Untersuchung und
Aburtheilung von Uebertretungen der Standesordnung Bestimmung
zu treffen.
Beschwerden über ein Mitglied oder Anträge auf Einleitung
des ehrengerichtlichen Verfahrens gegen dasselbe sind bei dem
Vorstande des Bezirksvereins schriftlich anzubringen. Ist der Be¬
schuldigte ein einer staatlich geordneten Disciplinarbehörde unter¬
stehender Arzt, so ist die Angelegenheit ohne weiteres an diese
Behörde abzugeben. Beschwerden über einen Civilpraxis betrei¬
benden Sanitütsofiicier des Friedensstandes, gleichviel ob derselbe
einem Bezirksvereine als Mitglied ang<-bört oder nicht, sind an die
Sanitätsdirection zu richten, beziehentlich abzugeben. Andernfalls
ist die Beschwerde nach Massgabe der in der Ehrengerichtsordnung
über das Verfahren zu treffenden Bestimmungen zu erörtern und
von einem aus mindestens drei Mitgliedern des Vereins bestehenden
Ehrenrathe zu entscheiden.
Die Entscheidung kann lauten:
a) auf vorläufige Einstellung des Verfahrens während der
Dauer des gegen den Beschuldigten wegen einer strafbaren
Handlung eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahrens,
b) auf Freisprechung,
c) auf Vertutheilung zu einer ehrengerichtlichen Strafe.
Die ehrengerichtlichen Strafen sind:
a) Warnung,
h) Verweis,
e) Geldstrafe von 20 bis 1600 Mk ,
d) Aberkennung des Wahlrechts und der Wahlfähigkeit zu
den vom Vereine zu bewirkenden Wahlen bis zur Dauer
von f> Jahren.
e) wenn die Untersuchung gegen einen durch Vereinsbeschluss
aufgenommenen Zahnarzt sich gerichtet hat, Ausschluss aus
dem Vereine mit oder ohne Aberkennung der Fähigkeit,
später wieder einem Bezirksvereine beitreten zu können.
Die unter c und d bezeichneten Strafen können auch gleich¬
zeitig, nicht minder kann im einzelnen Falle auf Veröffentlichung
der verurteilenden Entscheidung in einer von der entscheidenden
Behörde bestimmten Zeitschrift erkannt werden.
Gegen die dem Beschuldigten schriftlich zu eröffnende Ent¬
scheidung des Ehrenraths steht demselben innerhalb 14 Tagen die
Berufung an den Ehrengerichtshof zu.
Derselbe wird für jeden Regierungsbezirk gebildet aus einein
vom Ministerium des Innern zu ernennenden höheren Verwaltungs¬
beamten als Vorsitzenden und vier von den Mitgliedern des Kreis-
vereinsausschusses gewählten Beisitzern. Von diesen haben min¬
destens zwei denjenigen Aerzten anzugehören, welche nach Absatz 2
dieses Paragraphen dem Verfahren vor dem Ehrenrathe unterstehen.
Die Entscheidungen des Ehrengerichtshofes sind endgültig.
Die Vollstreckung der Urtheile des Ehrenraths und des Ehren¬
gerichtshofes liegt dem betreffenden Vorsitzenden ob. Erkannte
Geldstrafen, welche in die Kasse desjenigen Bezirksvereins fliessen,
dem der Verurtheilte angehört, sind auf Antrag des Vorsitzenden
von der Verwaltungsbehörde des Wohnortes des Verurtheilten nach
Massgabe der Bestimmungen über Zwangsvollstreckung wegen Geld¬
leistungen in Verwaltungssachen beizutreiben.
§ 3. Mit Ausführung dieses Gesetzes insbesondere Festsetzung
der durch solches sich erforderlich machenden Abänderungen des
Regulativs, die ärztlichen und pbarmaceutischcn Kreisvereine be¬
treffend, vom 29. Mai 1872, sowie Bestimmung des Zeitpunktes,
mit welchem das Gesetz in Wirksamkeit treten soll, ist Unser
Ministerium des Innern beauftragt
Urkundlich haben Wir dieses Gesetz eigenhändig vollzogen
und Unser Königliches Siegel beidrucken lassen.
Dresden, am 23. März 1896.
äs) Albert.
Georg von Metzsch.
I
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466
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
No. 19.
V erordnung
zu
Ausführung des Gesetzes vom 23. März 189G, betreffend die ärztlichen Bezirksvereine; vom 23. März 189G.
(Gesetz- und Verordnungsblatt 1896, Nr. 40.)
Zu § 1 des Gesetzes.
§ 1. Abgrenzung der ärztlichen Bezirksvercinc.
Innerhalb eines jeden der städtischen Medicinalbezirke von
Dresden und Leipzig und innerhalb eines jeden Königlichen Medicinal-
bezirks einschliesslich der in demselben gelegenen Anstaltsmediciual-
bezirke und des städtischen Medicinalbezirks von Hainichen hat ein
ärztlicher Bezirksverein zu bestehen.
§ 2. Aerztliclic Kreisvereine.
Sämmtliche in einem Regierungsbezirke bestehenden Bezirks¬
vereine bilden zusammen einen ärztlichen Kreisverein Diese
Kreisvereine sind die Wahlkammern für die Wahl der nach § 3
der Allerhöchsten Verordnung vom 12. April 1805 (G.- u. V.-Bl.
S. 115) aus der Mitte der praktischen Aerzte dem Landes-Medicinal-
collegium zuzuordnenden ausserordentlichen Mitglieder.
§ 3. Delegirte der Bezirksvereine zu dem Kreisvereiiis-
Ausschusse.
Jeder Bezirksverein hat auf eine statutarisch (zu vergl. § 5
des Gesetzes) festzusetzende Zeitdauer einen oder mehrere Delegirte,
und zwar
Bezirksvereine bis zu 25 Mitgliedern einen,
Bezirksvereine bis zu 50 Mitgliedern zwei, und
Bezirksvereine von Uber 50 Mitgliedern drei
Delegirte zu wählen, welche unter Zutritt der Abgeordneten des
Kreisvereins zum Landes-Medicinalcollegium beziehentlich der Stell¬
vertreter derselben (siehe § 8) regierungsbezirksweise den Ausschuss
des betreffenden Kreisvereins bilden. Die einmal gewählten Dele-
girten in derjenigen Zahl, in der sie hiernach zu wählen gewesen
und gewählt worden sind, haben bis zur nächsten Delegirtenwahl
des betreffenden Bezirksvereins als Delegirte auch dann fortzugelten
und weiter zu fungiren, wenn inzwischen in der Mitgliederzahl des
Vereins eine Veränderung derart eintritt, dass sie, wenn sie schon
zur Zeit der letzten Delegirtenwahl Vorgelegen hätte, diese Bezirks¬
vereine zur Wahl einer grösseren oder geringeren Zahl von Delegirten
verpflichtet haben würde.
§ 4. Kreisvereinsausscliiisse.
Die Kreisvereinsausschüsse sind berathendc beziehentlich bc-
schliessende Körperschaften zu Wahrung und Vertretung der gemein¬
samen Interessen des ärztlichen Berufsstandes überhaupt, sowie
?'ß* - Interessen und Angelegenheiten des betreffenden Kreisvereins
insbesondere. Sie sind in der gedachten Eigenschaft dazu berufen,
sich mit allen solchen Fragen und Angelegenheiten zu befassen und
darüber in Berathung zu treten, welche entweder die ärztliche
Wissenschaft und Kunst als solche, oder das Interesse der öffent¬
lichen Gesundheitspflege betreffen, oder auf die Wahrung und Ver¬
tretung der bürgerlichen und Standesinteressen der Aerzte sieh
beziehen.
Die Kreisvereinsausschüsse sind berechtigt, zu gemeinschaft¬
lichen Berathungen und Beschlüssen sich zu vereinigen.
§ 5. Vorstand des Kreisvereinsansschusses.
Vorstand des Kreisvereinsausschusses ist auf die Dauer seiner
. Periode im Regierungsbezirke Bautzen der Abgeordnete des
ärztlichen Kreisvereins zum Landes-Medicinalcollegium, in den
egierungsbezirken aber, in denen mehrere Abgeordnete zum Landes-
Medicinalcollegiura als ausserordentliche Mitglieder desselben zu
wählen sind, derjenige von ihnen, welcher zur Zeit des Inkrafttretens
aes Gesetzes (§ 43) das Amt des Vorstandes verwaltet beziehentlich
Deim turnusmässigen Ausscheiden desselben auf dem SS 9 flg. be-
zeichneten Wege besonders gewählt wird.
Der Vorstand des Kreisvereinsausschusses ist zugleich Vor¬
stand des betreffenden Kreisvereins. Thm ist für die Leitung des
reisvereinsausschusses ein Stellvertreter beizuordnen.
§ 6. Leitung der Geschäfte im Krcisvereinsausschnsse.
Der Vorstand des Kreisvereinsausschusses oder dessen Ste
verreter leitet die Geschäfte. Bei zeitweiliger Behinderung d
z eren ist der Vorstand in den Aussehussversammlungen dur<
den an Jahren Aeltesten der Delegirten zu vertreten.
§ 7. Entschädigung der Delegirten und Abgeordneten.
nn,i P Gn ® e ^ e 8jrten der Bezirksvereine zum Kreisvereinsausschus
I. . 8 eordn ®ten zum Landes-Medicinalcollegium sowie d.
eventuell eintretenden Stellvertretern der Abgeordneten zum Lande
Medicinalcollegium sind für diejenigen Tage, an welchen sie ausser¬
halb ihres Wohnortes zu Versammlungen des Kreisvereinsausschusses
zusammentreten, Entschädigungen für Fortkommen und entsprechende
Auslösungen zu gewähren, über deren Höhe im Statute der Bezirks-
Vereine (§ 5 des Gesetzes) nähere Bestimmung zu treffen ist.
§ 8. Wahl der Abgeordneten zum Landes-Medicinalcollegium.
Zu ausserordentlichen Mitgliedern des Landes-Medicinalcol-
legiums haben die Kreisvereine der Regierungsbezirke Dresden,
Leipzig und Zwickau je 3 Mitglieder und der Kreisverein des
Regierungsbezirks Bautzen 1 Mitglied sowie die gleiche Zahl von
Stellvertretern zu wählen.
Beim turnusmässigen oder ausserordentlichen Ausscheiden des¬
jenigen ausserordentlichen Mitgliedes des Landes-Medicinalcollegiums
aus den Regierungsbezirken Dresden, Leipzig und Zwickau, welches
bis dahin zugleich die Stelle des Vorstandes des betreffenden Kreis-
vereinsausschusses (§ 3) versehen hat, ist die erforderliche Neuwahl
zugleich auf den künftigen Vorstand des betreffenden Kreisvereins-
ausschusses mit zu richten.
Zum Vorstande ist diesfalls seiten der Wahlberechtigten ent¬
weder derjenige, der an die Stelle des Ausscheidenden gewählt
wird, oder, dafern neben dem bisherigen Vorstande des Kreisvereins-
ausschusses noch ein zweites von den bisherigen ausserordentlichen
Mitgliedern des Landes-Medicinalcollegiums ausgeschieden und durch
Neuwahl zu ersetzen war, einer der beiden Neugewählten beziehent¬
lich der in dem Kreisvereinsausschusse als drittes ausserordentliches
Mitglied des Landes-Medicinalcollegiums Verbliebene ausdrücklich
zu bestimmen.
§ 9. Wählbarkeit.
Die Wählbarkeit als ausserordentliches Mitglied des Landes-
Medicinalcollegiums ist von der Mitgliedschaft bei einem Bezirks-
Vereine des betreffenden Regierungsbezirks abhängig und setzt den
Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte beziehentlich der Wahlfähigkeit
zu den von den Bezirksvereinen zu bewirkenden Wahlen (§ 7 Ab¬
satz 3 unter d des Gesetzes) voraus.
§ 10. Leitung der Wahl.
Die Wahl geschieht unter der Leitung des ärztlichen Beisitzers
der betreffenden Kreishauptmannschaft.
Für Behinderungsfälle ist diesem ein anderer, am Sitz der Re¬
gierungsbehörde wohnhafter, in einer öffentlichen Function stehender
Arzt von der betreffenden Kreishauptmannschaft zu substituiren.
§ 11. Abstimmung.
Die Wahl erfolgt durch schriftliche Abstimmung der Mitglieder
der einzelnen Bezirksvereiue im betreffenden Regierungsbezirke.
§ 12. Wahlverfahren.
Behufs dieser Wahl erlässt der nach § 10 zur Leitung des
Wahlgeschäfts Berufene eine, die einzelnen Mitglieder der Bezirks¬
vereine zur Betheiligung an der Wahl auffordernde, eintretenden
Falls ausdrücklich auch auf die Wahl eines neuen Vorstands des
Kreisvereinsausschusses (§ 8) mit zu richtende Bekanntmachung in
der Leipziger Zeitung und gleichzeitig eine entsprechende schriftliche
Eröffnung an die einzelnen Bezirksvereinsmitglieder.
In der gedachten Bekanntmachung beziehentlich Eröffnung an
die Bezirksvereinsmitglieder ist der für die Auszählung der Stimmen
und Feststellung des Wahlergebnisses bestimmte Tag genau und
unter der Eröffnung zu bezeichnen, dass alle erst nach Ablauf dieses
Termins eingehende Stimmzettel unberücksichtigt bleiben und ver¬
nichtet werden würden.
8 13. Stimmzettel.
Die Stimmzettel sind von dem Abstimmenden eigenhändig zu
schreiben und entweder mit Vor- und Zunamen zu unterschreiben,
oder auf der Adresse mit der Angabe:
«Wahlzettel des N. N. zu N. N.»
zu versehen, hierauf aber an die im § 10 bestimmte Stelle verschlossen
entweder portofrei einzusenden, oder persönlich abzugeben.
Die eingehenden Stimmzettel werden nach der Zeitfolge des
Eingangs auf der Aussenseite mit einer fortlaufenden Nummer be¬
zeichnet und sodann in die mit dem Amtssiegel der Kreishauptmann¬
schaft verschlossene Wahlurne gelegt.
§ 14. Auszählung der Stimmen.
Zu der in der Bekanntmachung bezeichneten Zeit findet die
Eröffnung der Wahlurne und der darin verwahrten Stimmzettel, die
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12. Mai 1896.
Beilage zur Münchener medicini8chen Wochenschrift.
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Prüfung der letzteren auf die Eigenschaft ihrer Aussteller als Bezirks-
Vereinsmitglieder, sowie die Auszählung der abgegebenen Wahl¬
stimmen statt.
Für diesen Act hat der die Wahl Leitende sich der Unter¬
stützung von zwei, in seinem Wohnorte wohnhaften, Vereinsmit¬
gliedern als Wahlgehilfen zu erbitten, welche dem Wahlakte von
Anfang bis Ende beizuwohnen haben.
§ 15. Protokoll über die Stimmenauszählung.
Ueber den Verlauf und das Ergebniss des Wahlgeschäfts ist
ein, von den Wahlgehilfen mit zu unterschreibendes, Protokoll auf¬
zunehmen.
In diesem Protokolle ist auf Grund der Mitgliederliste, welche
der Wahlleiter nach den ihm von den Vorständen der Bezirksvereine
über die Personen der Mitglieder der letzteren gemachten Anzeigen
zu führen hat, jedesmal festzustellen, dass sämmtliche Abstimmende
stimmberechtigte Mitglieder der einzelnen Bezirksvereine im Re¬
gierungsbezirke sind.
§ 16. Bedingungen für die Gültigkeit der Wahl.
Zur Gültigkeit der Wahl ist erforderlich, dass sich mindestens
der dritte Theil der abgegebenen gültigen Stimmen auf ein und die¬
selbe Person vereinigt habe.
Es entscheidet die relative Stimmenmehrheit und, im Falle
mehrere eine gleiche Stimmenzahl erhalten haben, unter diesen das
Loos, welches letztere eintretenden Falls auch über die künftige
Vorstandscbaft in dem betreffenden Kreisvereinsausschusse dann
entscheidet, wenn zum Vorstande nicht eine andere Persönlichkeit
bestimrÄt gewählt worden sein sollte.
In Ermangelung der im ersten Absätze bezeichneten Voraus¬
setzung ist die Wahl zu wiederholen.
§ 17. Verfahren nach erfolgter Feststellung der Wahl.
Der mit der Leitung des Wahlgeschäfts Beauftragte hat die
nach § 16 für gewühlt zu Erachtenden von der auf sie gefallenen
Wahl in Kenntniss zu setzen und zur Erklärung über die Annahme
derselben aufzufordern.
Im Falle der Ablehnung tritt — unter Berücksichtigung der
Bestimmung im § 16 — dasjenige Mitglied an die Stelle, auf welches
die nächsthöchste Stimmenzahl gefallen ist, beziehentlich, dafern
auf mehrere eine gleiche Stimmenzahl gefallen sein sollte, derjenige
von diesen, für welchen die diesfalls vorzunehmende Loosziehung
entschieden hat.
§ 18. Anzeige beziehentlich Mittheilung der Wahlergebnisse.
Ueber den Ausfall der Wahl ist unter Beifügung des Wahl¬
protokolls und der erfolgten Annahme-Erklärung Anzeige an die
betreffende Kreishauptmannschaft zu erstatten, auch sind die Wahl¬
ergebnisse den Vorständen der ärztlichen Kreisvereinsausschüsse
beziehentlich der pharmaceutischen Kreisvereine (§ 25) mitzutheilen.
Von der Kreisbauptmannschaft wird das Ergebniss an das
Ministerium des Innern einberichtet, auch gleichzeitig durch die
Leipziger Zeitung und das Kreisverordnungsblatt bekannt gemacht.
§ 19. Aufbewahrung der Stimmzettel.
Die Stimmzettel sind mit den dazu gehörigen Umschlägen ein
halbes Jahr lang versiegelt aufzubewahren und sodann zu ver¬
nichten, waß nachträglich zu dem Wahlprotokolle zu bemerken i6t.
§ 20. Dauer der Wahlperiode.
Jede Wahl zum ausserordentlichen Mitgliede des Landes-
Medicinalcollegiums und zu dessen Stellvertreter bleibt regelmässig
auf die Dauer von 5 Jahren gültig.
§ 21. Turnus des Ausscheidens.
Alljährlich scheiden von den 10 ausserordentlichen Mitgliedern
des Laniles-Medicinalcollegiums 2 aus und sind durch Neuwahlen
zu ersetzen, was auch rücksichtlich der Stellvertreter derselben (§ 8)
xu geschehen hat.
Die Reihenfolge des Ausscheidens bestimmt sich nach der Zeit
des Eintritts in die Function.
Die Ausscheidenden können wieder gewählt werden.
Neuwahlen sind auch bei zufälliger Erledigung von Stellen
ausserhalb des regelmässigen Turnus vorzunehmen.
§ 22 .
Die im § 21 bezeichnet« Reihenfolge des Ausscheidens gilt auch
für diejenigen ausserordentlichen Mitglieder des Landes-Medizinal-
kollegiums, welche in Folge der zufälligen Erledigung einer Stelle
ausserhalb des regelmässigen Turnus eingetreten sind. Ihr Mandat
erlischt zu dem nämlichen Zeitpunkte, zu welchem ihre Vorgänger,
deren Stelle sie zu ersetzen hatten, auszuscheiden gehabt haben würden.
§ 23. Pharmaceutische Kreisvereine.
Geschäftliche Aufgabe.
Neben dem ärztlichen Kreisvereine besteht in jedem Regierungs-
hexirke ein pharmaceutischer Kreisverein. Dieselben sind
a) Wahlkammern für die Wahl der nach § 3 der Allerhöchsten
Verordnung vom 12. April 1865 (G. u. V.-Bl. S. 116) aus
der Mitte der Apotheker dem Landes-Medicinalkollegium
zuzuordnenden ausserordentlichen Mitglieder,
b) berathende beziehentlich beschüessende Körperschaften zu
Wahrung und Vertretung der gemeinsamen Interessen des
pharmaceutischen Berufsstandes Überhaupt, sowie der In¬
teressen und Angelegenheiten des betreffenden Kreis¬
vereins insbesondere.
In der unter b bezeichneten Eigenschaft sind die pharma¬
ceutischen Kreisvereine dazu berufen, sich mit allen solchen Fragen
und Angelegenheiten zu befassen und darüber in Berathung zu
treten, welche entweder die pharmaceutische Wissenschaft und
Kunst als solche oder das Interesse der öffentlichen Gesundheits¬
pflege betreffen oder auf die Wahrung und Vertretung der bürger¬
lichen und .Standes-Interessen der Apotheker sich beziehen.
§ 24. Mitgliedschaft.
Jeder zur Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte in der Ge¬
meinde seines Wohnortes befähigte, gesetzlich legitimirte selbständige
Verwalter einer pharmaceutischen Officin ist berechtigt, dem
pharmaceutischen Kreisvereine des Regierungsbezirks, in welchem
er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, als Mitglied beizutreten.
Mehrere Besitzer einer und derselben Apotheke sind zur
Mitgliedschaft gleichberechtigt.
Die bisherigen Mitglieder der pharmaceutischen Kreisvereine
verbleiben Mitglieder der letzteren so lange, als sie selbständige
Verwalter einer Apotheke sind, oder ihre Mitgliedschaft erlischt.
Neu eintretende Mitglieder haben ihren Beitritt zum Kreis¬
vereine dem Vorstande desselben mündlich oder schriftlich anzuzeigen.
Der Beitritt zum Kreisvereine gewährt den Anspruch auf Theil-
nahme an den mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechten und
verpflichtet auf die Dauer des ganzen Kalenderjahres, in welchem
ein Mitglied dem Kreisvereine — wenn auch nur während eines
Theiles des Jahres — angehört, zur Erfüllung der an die Mitglied¬
schaft geknüpften Obliegenheiten. Zu den letzteren gehört insonder¬
heit die antheilige Uebertragung der Vereinskosten.
Die Mitgliedschaft erlischt
a) durch den Tod,
b) durch ausdrücklich erklärten freiwilligen Austritt aus dem
pharmaceutischen Kreisvereine,
c) durch Ausschluss aus demselben wegen unterlassener Ab¬
führung der Vereinsbeiträge bei zwei aufeinander folgenden
Jahresterminen nach vorausgegangener zweimaliger erfolglos
gebliebener Aufforderung zur Zahlung,
d) durch den Verlust der Befähigung zur Ausübung der bür¬
gerlichen Ehrenrechte.
In den Fällen unter b bis d bleibt da9 ausscheidende Mitglied
zur Abentrichtung der auf das laufende Jahr fälligen oder der im
Rückstände verbliebenen Vereinsbeiträge verpflichtet.
§ 25. Vorstand des pharmaceutischen Kreisvereins.
Vorstand des Kreisvereins und dessen Stellvertreter sind der
nach § 26 flg zum ausserordentlichen Mitgliede des Landes-Medicinal-
collegiums Gewählte und dessen Stellvertreter. Wenn im Vereine
zwei ausserordentliche Mitglieder zu wählen sind, so hat der be¬
treffende Kreisverein zu entscheiden, welcher von beiden Gewählten
der Vorsitzende sein soll.
Für Behinderungsfälle des Vorstands und des für denselben
gewählten Stellvertreters hat den letzteren das an Jahren älteste
Mitglied des Kreisvereins zu vertreten.
Der Vorstand hat die Namen der neu eintretenden sowie der
austretenden Mitglieder dem ärztlichen Beisitzer der betreffenden
Kreishauptmannschaft sofort anzuzeigen.
§ 26. Wahl der ausserordentlichen Mitglieder des Landes-
Medicinalcollegiums.
Zu den Stellen der 5 ausserordentlichen Mitglieder des Landes-
Medicinalcollegiums aus der Classe der praktischen Apotheker ent¬
senden die pharmaceutischen Kreisvereine Bautzen, Dresden und
Leipzig je 1 Mitglied, der Kreisverein Zwickau 2 Mitglieder.
Für jedes dieser 5 Mitglieder ist zu ßeiner Vertretung bei
Behinderung desselben im Landes-Medicinalcollegium, beziehentlich
innerhalb des Kreisvereins, ein Stellvertreter zu wählen.
§ 27. Wählbarkeit«
Die Wählbarkeit als ausserordentliches Mitglied des Landes-
Medicinalcollegiums und als dessen Stellvertreter ist von der Mit¬
gliedschaft bei dem betreffenden pharmaceutischen Kreisvereine
abhängig.
§ 28. Wahl verfahren.
Für die Wahlen der ausserordentlichen Mitglieder des Landes-
Medicinalcollegiums aus der Mitte der Apotheker gelten die Bestim¬
mungen in §§ 10 bis mit 19 mit der Erläuterung, dass die in § 12
vorgeschriebene schriftliche Eröffnung von Seiten des WahUeiters
an die einzelnen Mitglieder des Kreisvereins zu richten ist.
§ 29. Dauer der Wahlperiode.
Jede Wahl ist auf die Dauer von 5 Jahren giltig.
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S 30. Turnus des Ausscheidens. I y er
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gehabt haben würden. I be
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ein Zeitraum von 4 Wochen mitten inne hegt. j ^
§ 33. I v
In jeder solchen Versammlung sind zunächst und vorzu ^?®* e (
diejenigen Gestände zur Berathung zu bringen und zu erled ^en <
über welche das Landes-Medicinalcollegium oder eine andere öffentliche
Behörde eine gutachtliche Auslassung zu vernehmen gewünscht hat. I ^
§34. I
Jedes an der Versammlung theilnehmende Mitglied des be¬
treffenden ärztlichen Kreisvereinsausschusses beziehenttxch phama-
ceuüschen Kreisvereins bat das Recht, nach vorgängiger Anmeldung
bei dem Vorstande, selbständig Anträge über Gegenständederm
§§ 4 und 23 bezeichnenden Art zur Berathung zu stellen und durch
“ tod S5Ä2uagÄSt, Ob üb«, aerobe.
sofort in die Berathung eingetreten, oder ob die letztere bis zu de I
nächsten ordentlichen oder einer nach Befinden einzuberufenden
ausserordentlichen Versammlung ausgesetzt bleiben soll. I
§ 35- e .
Alle Beschlüsse werden nach absoluter Mehrheit der Stimmen I
der an der Versammlung Theilnehmenden gefasst.
Bei Gleichheit der Stimmen giebt diejenige des Vorstandes den
Ausschlag. I
§ 36.
Die gefassten Beschlüsse dienen in den dazu geeigneten I
Fällen zugleich als Instruction für den oder die Abgeordneten des 1
Kreisvereins zum Landes-Mediciualcollegium hinsichtlich der dort,
namens der ersteren, zu stellenden Anträge und zu vertretenden j
Ansichten.^ Darlegung ihrer> von dem Majoritätsbeschlüsse etwa
abweichenden persönlichen Ansicht und Auffassung bei “er Be¬
rathung und Abstimmung im Landes-Medicinalcollegium sind jedoch |
die Abgeordneten der Kreisvereine in ihrer Eigenschaft als ausser¬
ordentliche Mitglieder des letzteren durch die empfangene Instruction
nicht behindert.
g 37. Feststellung de« Budget«.
Zu den in der Jahresversammlung zu verhandelnden Gegen-
ständen gehört jedesmal die Feststellung der zur Bestreitung der
Vereinsausgaben , , _ .
a) wegen der ärztlichen Kreisvereine und Kreisvereinsaus¬
schüsse auf die einzelnen Mitglieder der Bezirksvereine,
b) wegen der pharmaceutisclien Kreisvereine auf die Mit¬
glieder dieser
für das nächste Jahr auszuschreibenden Anlagen.
Dieselben sind so zu bemessen, dass, nächst Deckung der
vom Vorstande etwa bereits verlagsweise bestrittenen Ausgaben, ein
angemessener Ueberschuss für das annähernd zu überschlagende
laufende Bedürfnis übrig bleibt.
No 19
Bella« zur Münchener „edidniaehenJfochenaArift.---—
—-der ordentlichen wie ausserordentlichen
i • I anderem die Einberufung Leitung sowie die Aufsicht über
sclicidens. 1 Vereinsversammlungen un Correspondenz mit Behörden
!t er der pharmaceut,sehen ^ ProtokoHfübrung s die F^usschüssen beziehentlich pharma-
die Kreisvereinsausschüssen beziehentlich pharma-
und den übrigen K BO wio die Einhebung der Beiträge der
ceutischen Kreis vereinen, Jt der Vereinsausgaben, soweit
\cht ein anderes Mitglied bestellt worden sein
80llte ' Einziehung der Vereinsbeiträge.
„ , 4 , «wiohpne Vereinsbeitrftge sind auf schriftlichen
!m Rückstand geb et je ffen den Ausschusses beziehentlich
über Zwangsvollatrcckung wegea Geld-
teiatu?gen in Verwaltungssachen, beizutreiben.
Zu §2 des Gesetzes.
s 39 Mitgliedschaft in einem anderen Bezirksvereine.
§ L MitgHed, -«“fSÄ'SlÄ
I beabsichtigt, um m e “J“ jJjtSied des ersteren Bezirksvereins,
ÄÄlJSJ'Sy!.!. hatte, bedarf - gleich-
k d D %ScÄ g äiÄ°eio» Ara,CB I« mehreren Be-
ksvereinen ist unzulässig. #
Zu § 5.
S 40. Aufstellung der Statuten.
Das von den Bezirksvereinen
erwaltungsbehörde des Ortes, ® der Kreishauptmannschaft
tt achtUch *einzuber i chten. der vom MiMsS
als erforderlich .de,
•wünscht beweisen sollten.
Zu § 6.
41. Die Anwendung der Standesordnung auf die Aerzte in
den sogenannten Grenzbezuken.
Die Bestimmungen der Standesordnung einzuhalten sind aucn
dir ab-
.flichtet, welche nach Art. ^ q eDtem ber 1882, betreffend
;e8chlossenen Ueberemkunft vom ,^° r ^ n P Jl e “ohnhaften Medicinal-
lie gegenseitige Zulassung der an de d je ärzt-
»ersonen zur Ausübung der Praxis (R--GvBl IW» b»»J, Znwider .
iche Praxis in den diesseitigen Grenzbe* rken in den
landlungen gegen die Standesordnung . der Verwaltungs-
der Kreish^uptmanr^schaft dem S Ministerium des Innern zur weiteren
Verfügung anzuzeigen.
S 42. Aufwand des ehrengerichtlichen Verfahrens.
Der durch das ehrengerichtliche Verfahren “ ^übertragen,
entstehende Aufwand ist von den Bez ‘ rk ^® r ~ h “ Shhtsordnung
soweit die Kosten des Verfahrens 1 Shrengen.durch
nicht dem Verurteilten zur Last gelegt werden Wnnen. d
das Verfaahren vor dem Ehrengerichtshofe «gehende die Staats-
mit Ausnahme der Reisekosten. d d l V vTreinsausgaben der ärztlichen
casse übernommen werden, ist den Vereinsau g aber vor .
Kreisvereinsausschüsse (§ 37) zuzurechnen. Ä iVM* z u
behalten, angemessene Zuschüsse aus der Staatscasse n
gewähren.
Zusammensetzung des Ehrengerichts o es. ..j
Die Zusammensetzung des für i^^^f.f.'f^'des^nnern im
denden Ehrencerichtshofes ist vom Ministerium d
Januar jedes Jahres öffentlich bekannt r.n ?eben.
ler Zu § 8.
U8 . S 43. Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes und der - »-
* führungsverordnung. lg
dit- Das Gesetz vom 23 März 1896 tritt zugleich mit der'vors^ ^
dazu erlassenen Ausführungsverordnung am 1. OctoDer i 29 Ma j
Von diesem Zeitpunkte ab wird das Kegula betre ffend
der 1S72, die ärztlichen und pharmaceutisclien Ereifere
ein I (G.- u. V.-Bl. S 308), aufgehoben,
nde I Dresden, am 23. März 1896.
§ 38. Obliegenheiten der Vereinsvorstände.
Zu den Obliegenheiten der Vorstände der ärztlichen Kreisvereins-
ausschüsse uud der pharmaceutischen Kreisverein e gehört unter
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck der E. Muhlthnlcr
Ministerium des Innern.
von Metzsch.
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Die Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich ln Kümmern von mindestens2 1 /,—3 Bogen,
preis vierteljährlich 6 JC, praenumerand'o zahlbar.
Einzelne Nummer 60 A-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaction
Ottostrasse I. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Messe, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Banke, F. y. Wlnckel, H. r. Zierassen,
Freiburg 1. B. München.
Leipzig.
Berlin.
Erlangen.
Nürnberg. . Würzburg.
München.
München.
München.
M 20. 19. Mai 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehretr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der med. Universitäts- Klinik zu Greifswald.
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Mos ler.)
Ein Beitrag zur Casuistik der Bromoformvergiftungen.
Von Dr. Börger , Assistenzarzt der Klinik.
Seitdem das Bromoform durch Stepp 1 ) im Jahre 1889 in
den Schatz der inneren Therapie eingeführt worden ist, ist auch
die Toxikologie durch eine neue Speeies von Vergiftungen be¬
reichert worden.
Das Bromoform ist im Jahre 1832 entdeckt, alsdann zuerst
von Nunnely (1858). später von Schuchardt, Rabuteau
und Richardson als örtliches und allgemeines Anästheticum
empfohlen worden. Rabuteau 2 ) (1876) kommt auf Grund seiner
an Thieren angestellten Narkosen zu dem Resuiuö: il semble, que
cet agent doit etre egal ou meine superieur au chloroforme.
Horroch hat ebenfalls mit demselben ausgedehnte Versuche
gemacht und an drei Menschen die Bromoformnarkose eingeleitet.
Die Narkose verlief ruhig, das Excitationsstadium viel milder als
bei der Chloroformnarkose; nach dem Erwachen traten hei den
Narkotisirten keine unangenehmen Nebenerscheinungen, insbesondere
kein Erbrechen auf. Bei einem dritten Falle musste nach etwa
20 Minuten wegen einer hochgradigen, beängstigenden Cyanose
die Narkose ausgesetzt werden.
Albert, an dessen Klinik Horroch 3 ) die Versuche anstellte,
bestätigt die günstigen Angaben und stimmt Letzterem besonders
darin bei, dass die deletäre Einwirkung auf die Circulationsorgane
beim Bromoform entschieden geringer sei als bei dein Chloroform;
desgleichen sei das Excitationsstadium milder und die Wirkung
auf den Magen günstiger.
Bonome und Mazza 4 ) stellen über das Bromoform eine
Reihe von Thesen auf, von denen die wichtigsten hier angeführt
sein mögen : 1. Bromoform ist ein allgemeines Anästheticum.
Inhalirt hat es bei Hunden und Kaninchen wie bei Menschen
fast immer Anästhesie und Muskelerschlaffung erzeugt. 5 Ver¬
suche am Menschen gaben 3mal gute Narkose, selbst auf die
Dauer einer Stunde. Zweimal erzeugte ein mangelhaftes Präparat
keine Narkose, dagegen Reizung der Conjunctiva, Thränenfluss
und Brennen in den Augen, vielleicht durch Brom verursacht.
Die narkotische Wirkung ist etwas langsamer eintretend als bei
Chloroform und Aether; Erfolg ist derselbe. 2. Kein Aufregungs¬
stadium wie bei Chloroform, daher bei Epilepsie und Alkoholikern
zu empfehlen. 3- Bromoform stört nicht die Athmungsfunction;
‘) Stepp, Bromoform, ein Mittel gegen Keuchhusten (Münch,
med. Wochenschr. 1889 No. 46; Deutsche med. Wochenschr. 1889
No. 31 u. No. 44).
*) Rabuteau, Comptes rendus ect. de la soci4t6 de Biologie
1876 p. 10 ff.
3 ) Horroch, Ueber Bromoformnarkose. Wiener med. Blätter
1884 p. 76.
4 ) Bonome und Mazza, Ueber die physiolog. Wirkung des
Bromoform, Bromäthyl und Bromftthylen. Centralbl. f. Chir. 1884
No. 20.
Blutdruck sinkt etwas, je nach Verlängerung der Narkose; ? Puls
ist kräftig. 4. Bei Hunden während der Narkose starke Mydriasis,
beim Menschen geringe Pupillarveränderungen ; nach der Narkose
besteht keine Uebelkeit und kein Erbrechen. 5- Zur Ausführung
einer Narkose bedarf man einer geringeren Menge Bromoform als
Chloroform. 6. Auch durch den Mund genommen wirkt es als
Hypnoticum und Anästheticum. 7. Subcutan gegeben wirkt es
letal bei 0,15 g pro 100 g Körpergewicht. — Trotz dieser Em¬
pfehlungen konnte sieh das Bromoform niemals bei den Chirurgen
einbürgern, geschweige denn eine ebenbürtige Stellung neben dem
Aether und dem Chloroform erwerben. Es kann uns desshalb
nicht Wunder nehmen, dass über die Vergiftungserscheinungen
des Bromoforms ausser durch einige Thierversuche so gut wie
nichts bekannt war.
Erst durch die überaus günstige Verwendung des Bromoforms
als Mittels gegen den Keuchhusten, wie es zuerst von Stepp 5 )
geschah, dem sieh bald Löwcnthal 6 ), Neumann 7 ), Schippers 8 )
u. A. anschlossen, gelangte das Medicament in die Hände des grossen
Publicums, und seit jener Zeit datiren auch die Mittheilungen
über die Bromoformintoxicationcn. Im Folgenden führe ich die
von mir in der Literatur aufgefundenen diesbezüglichen Publi-
cationen der Reihe nach an.
1. Löwenthal 9 ) sali unter 100 an Keuchhusten behandelten
Kindern, von denen einzelne nach jedesmaligem Einnehmen Müdig¬
keit und Schläfrigkeit zeigten, einen typischen Vergiftungsfall.
Es handelte sich um ein 1 ’/* jähr. Kind weiblichen Geschlechts.
Dasselbe hatte innerhalb 3 Tagen 5 g verbraucht und zum letzten
Male etwa 2 g auf einmal verschluckt.
Das Kind schläft fest, Gesichtsfarbe ist blass, Athmung nicht
sichtbar, nicht hörbar, der Puls kaum fühlbar, starre stecknadelkopf¬
enge Pupillen, die sich bei Beschattung nicht erweitern; die Cornea
ist bei Berührung vollständig reactionslos. Die Extremitäten hängen
schlaff herab, fallen beim Emporheben sofort kraftlos zurück; der
Kopf muss gestützt werden. Geruch aus dem Munde nicht wahr¬
nehmbar. Beim Auscultiren der Lungen vorne sind lange, tiefe
Inspirationen zu hören, kaum eine Expiration, die Herztöne sind
fast unhörbar. Nach zwei halben Spritzen Aether erwacht das Kind;
die Pupillen werden weit, es trinkt. Bei genauer Untersuchung des
ganzen Thorax findet sich im rechten Unterlappen eine beginnende
Pneumonie, die aber bei zweckentsprechender Behandlung nach
5 Tagen vorüber ist.
2. Eine weitere Beobachtung machte Bachs 10 ). Ein 4 Jahre
altes, an Keuchhusten leidendes Kind, trank ca. U/s g Bromoform
aus. Kurz darauf befand es sich noch ganz wohl und verlangte
sogar zu essen. Plötzlich bemerkte die Mutter, wie das Gesicht
des Kindes erblasste und dieses taumelte, worauf sie es ins Bett
brachte. Als Sachs gerufen wurde, fand er das Kind wie leblos
daliegend, das Gesicht war leichenblass, die Pupillen ad maximum
erweitert und starr, die Lippen cyanotisch, der Puls nicht zu fühlen,
die Extremitäten kühl. Durch Aetherinjectionen, lauwarmes Bad und
kalte Uebergiessungen besserte sich der Zustand sehr bald. Am
nächsten Tage war das Kind wieder hergestellt.
6 ) Stepp a. a. O.
6 ) Löwenthal, Berlin, klin. Wochenschr. 1890 p. 508.
7 ) Neumann, Therap. Monatshefte 1890 p. 321.
8 ) Schippers, ref. i. Therap. Monatah. 1891 p. 545.
9 ) Löwenthal, Kurze Mittheilungen über die Wirkung des
Bromoforms bei Keuchhusten. Berl. klin. Wochenschr. 1890, No. 23.
,0 ) Dr. E. Sachs, Ein Fall von Bromoformvergiftung. Therap.
Monatsh. 1890, p. 641.
1
L
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470
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
3. Nauwelaers 11 ) berichtet über einen tödtlich verlaufenden
Fall, wo Bromoform, in Alkohol gelöst, genommen wurde.
Bei dem Kinde zeigten sich tiefer Stupor, Blässe des Gesichts,
Kälte, vollständige Muskelerschlaffung, trachealeß Rasseln, Schwäche
der Athmung und der Circulation, Contraction und Unbeweglichkeit
der Pupille und Insensibilität der Cornea. Es trat darauf der Tod
ein. Bei der Section 12 ) fand sich ausser Gehimcongestion, Injection
der Magen- und Duodenalschleimhaut und Ansammlung von wässrigem
Schleim in den Bronchien keine andere auffallende Erscheinung.
4. Pannwitz 13 ) beschreibt eine diesbezügliche Beobachtung.
Ein 4 1 /ajähriger Knabe, der wie Fannwitz berechnet, höchstens
20—30 Tropfen Bromoform, das er wegen Keuchhustens bekam,
auf einmal getrunken hatte, fing an zu taumeln, fiel um und sank,
nachdem er sich noch eine Weile wie ein Trunkener geberdet hatte,
in einen tiefen Schlaf. Tiefer Collaps, die Haut blass, Lippen und
Ohren cyanotisch; Extremitäten kühl; Athmung kaum wahrnehmbar,
aussetzend; Radialpuls nicht vorhanden; Herzschlag beim Aus-
cultiren schwach hörbar, unregelmässig, schnell; Musculatur am
ganzen Körper völlig erschlafft; Sensibilität vollkommen erloschen;
Cornealreflexe nicht vorhanden; Pupillen beiderseits gleich, weit,
wenn auch nicht auffallend, starr; aus dem Munde Bromoformgeruch.
Erst nach länger fortgesetzter künstlicher Athmung gelang es,
die Respiration wieder herzustellen. Als bemerkenswerth findet es
Pannwitz, dass das Kind, nachdem es zwei Stunden in tiefster
Narkose gelegen, plötzlich erwachte und sich sofort wohlbefand,
was bei anderen Narkosen wohl kaum stattfand
5. und 6. Zwei Krankengeschichten von Broraoformvergiftung
giebt Nolden 14 ). |
a) Ein 2 1 /sjähriger, an Keuchhusten leidender Knabe trank
4g Bromoform auf einmal aus; unmittelbar hierauf gerieth er ins
Schwanken, um dann sofort bewusstlos hinzustürzen.
Etwa l l /s Stunden nach dem Unfall war folgender Status
präsens: Das Kind ist völlig bewusstlos; Schmerzempfindung auf¬
gehoben. Kopf hängt schlaff herab, Extremitäten schlaff; Masseteren
stark contrahirt. Gesicht cyanotisch, Bulbi unbeweglich, in Conver-
genzstellung, Pupillen in starrer Myosis. Cornealretlex aufgehoben.
Athem des Kindes hat den exquisiten Bromoformgeruch. Respira¬
tion oberflächlich und frequent, Trachelrasseln; Puls klein, frequent,
zuweilen aussetzend. Behandlung: Excitantien subcutan; Zufuhr
von Luft nach Entfernung der schleimigen Massen aus Mundhöhle
und Rachen.
Nach etwa 12 Stunden ist Patient wieder bei Bewusstsein, sub-
jeetives und objectives Befinden gut. Im Urin Blut nachweisbar.
Nach 24 Stunden Urin normal, indessen Bromreaetion noch vor¬
handen. Aus dem Munde noch deutlicher Bromoformgeruch.
b. 3 jähriges Mädchen nach einmaligem Einnehmen im unbe¬
wachten Augenblick von circa 6 g Bromoform. Völlige Bewusst¬
losigkeit, höchster Grad von Cyanose, totale Asphyxie; Erschlaffung
der Extremitäten. Puls- und Respirationslosigkeit; die Pupillen aufs
engste contrahirt, Zahnreihen fest aufeinandergepresst. Aus dem
Munde starker Bromoformgeruch. Trotz künstlicher Respiration
verschlimmert sich in der nächsten halben Stunde der Zustand,
Traehealrasseln, alle Anzeichen des Lungenödems.
Bad mit kalten Uebergiessungen, subcutane Aetherinjectionen
und fortgesetzte künstliche Athmungsversuche bringen nach einigen
Stunden das Bewusstsein wieder. Völlige Euphorie.
7. Platt 15 ; berichtet einen Fall von Bromoformvergiftung.
Ein 3 Monate altes Brustkind hatte wegen Pertussis 2 Wochen
lang 3 mal täglich je 2 Tropfen Bromoform auf 10 g Wasser ge¬
nommen. Eine halbe Stunde nach Verabreichung der letzten Dosis
war das Kind bewusstlos geworden; Athmung oberflächlich, nicht
beschleunigt; Pupillen punktförmig contrahirt, kein Strabismus;
Muskelerscblaftüng, kein Zähneknirschen, Haut kühl und blass,
keine Cyanose, sehr unvollkommenes Schlucken, Ausathmungsluft
riecht nach Bromoform. Magenspülung, Darreichung von Spir.
animon. aromat. und Hautreize lassen nach 1 */a ständigen Be¬
mühungen das Bewusstsein wieder ganz zurückkehren Keine Nach¬
krankbeiten. Menge des Bromoforms nicht festzustellen; vielleicht
cumulative Wirkung oder Bromoform hatte sich in der Mixtur durch
Unterlassen des Umschüttelns aupgeschieden und war dem Kinde
zuletzt in sehr grosser Dosis gereicht worden.
8. C. W. Dean 16 ) führt einen Fall von Bromoformvergiftung an.
Ein 4 jähriges, an Keuchhusten leidendes Mädchen, hatte etwa
15—20 Tropfen Bromoform auf einmal zu sich genommen. Das
Kind war, als Dean dazu gerufen wurde, cyanotisch, bewusstlos,
mit stecknadelkopfkleinen Pupillen und röchelnder Athmung.
u ) Nauwelaers, Revue mens, des maladies de l‘enfancel891,
citirt nach L. Lew in, Nebenwirkungen der Arzneimittel. 2. Aufl.
1893, p. 103.
u ) Citirt nach O. Fiertz, Ueber die Behandlung des Keuch¬
hustens mit Bromoform. Inaug.-Dissertat. Zürich 1894, p. 91 ff.
,3 ) Dr. Pannwitz, Ein Fall von Bromoformvergiftung. Therap.
Monatsh. 1891, p. 59.
14 ) Nolden, Zwei Fälle von Bromoformvergiftung etc. Therap.
Monatshefte 1892, p. 263.
16 ) Platt, The Times a. Reg. 18. Juni 1892 ref. nach Deutsch.
Med. Zeitung 1893 p. 254.
,e ) C. W. Dean, a case of poisoning by bromoform. The
Lancet 1893 vol. I, p. 1062.
Angewandt wird Magenpumpe und ein heisses Senfbad. Das
Spülwasser des Magens roch nach Bromoform. Durch fernere An¬
wendung von Apomorphin, subcutan applicirt, und durch elektrische
Hautreizung wird «las Kind vollständig wiederhergestellt.
9. und 10. Fiertz 17 ) hat in seiner eingehenden Arbeit «Ueber
die Behandlung des Keuchhustens mit Bromoform * 2 Fälle leichterer
Art zur Beobachtung bekommen.
2 Geschwister, Mädchen im Alter von 2 resp. 4 Jahren hatten
innerhalb 24 Stunden durch Unvorsichtigkeit der Mutter zusammen
10 g Bromoform erhalten. Symptome nicht besonders bedrohlich.
Mittelweite Pupillen, Sensorium frei, schläfrig, Zuckungen in den
Fingern, etwas unregelmässige Athmung. Sensibilität gut. Reflexe
nicht gesteigert. Temperatur normal. Puls beschleunigt. Geruch
nach Bromoform aus dem Munde. Therapeutisch werden nur nass¬
kalte Einschlagungen gemacht. Im Urin am nächsten Morgen nichts
nachzuweisen. Vollständige Wiederherstellung.
11. Schlieper' 6 ) liefert durch Mittheilung eines Falles einen
Beitrag zur Casuistik der Bromoformvergiftungen.
Ein 5'/2 jähriger, an Keuchhusten kranker Knabe, der höchstens
20 Tropfen Bromoform auf einmal getrunken hatte, stürzte, nach¬
dem er zunächst noch auf die Strasse gelaufen war, um zu spielen,
plötzlich wie todt zusammen. Lippen cyanotisch; Respiration be¬
schleunigt, krampfhaft, HOgenanntes «Flankenschlagen». An den
Kleidern befanden sich Reste von erbrochenen Speisen. Ueber der
Lunge Pfeifen und Giemen. Aus dem Munde Geruch nach Bromo¬
form. Die Pupillen ad inaximum erweitert, Cornealretiex fehlte,
Puls sehr beschleunigt. Allmählich wurde die Athmung ruhiger,
der Puls zählbar und die Pupillen verengerten sich wieder; jedoch
bei jedem Hautreiz, wie Zwicken, Klatschen erweiterten sieb die
Pupillen ad inaximum, um nach kurzer Zeit sich wieder zu ver¬
engern.
Nach etwa V/a Stunden bessert sich Puls und Respiration;
in der weiteren Zeit ist der Knabe noch sehr matt und schläfrig,
am anderen Morgen (etwa nach 12 Stunden) bis auf etwas Kopf¬
schmerz anscheinend wohl.
Schlieper betont die krampfartige Respiration in seinem
Falle und erklärt diese durch eine in Folge der Bromoformeinwirkung
hervorgerufene starke Schwellung der Schleimhäute in den feinsten
Luftwegen.
12. Der jüngste, in der Literatur mitgetheilte Fall ist von
van Bömmel. 19 )
Ein Knabe, etwa Vj* J. alt, der vor einigen Monaten wegen
Keuchhustens Bromoform erhalten, hatte ca. 50—60 gtts des Medi-
caments auf einmal getrunken. Zunächst war das Kind noch ganz
wohlauf, darauf Bewusstlosigkeit; Gesicht cyanotisch, Pupillen hoch¬
gradig verengt, beginnende Paralyse des Herzens und der Lunge.
Auf energische Hautreize hin war das Verhalten abwechselnd, den
Reizen folgend, verengt, erweitert. Die Zunge gebräunt, der Athem
mit dem Geruch des Bromoforms stark gemischt.
Nach energischer Behandlung durch Hautreize, Bäder mit
kühlen Uebergiessungen, künstliche Athmung und Aetherinjectionen
kehrte allmählich das Bewusstsein, kräftige Herzthätigkeit und
ruhige Athmung zurück. Im Anfang hatten die Herzcontraetionen 32,
die Athemfrequenz 42 in der Minute betragen! Erwähnenswerth
ist noch, dass auch zwischendurch Trismus und heftige Krämpfe
in den Extremitäten auftraten.
Am folgenden Tage war der kleine Patient nach einer langen,
sehr starke Schweisse absetzenden Nachtruhe wieder vollkommen
hergestellt.
Ich seihst hatte im Januar <1. J. Gelegenheit, 2 Fälle von
acuter Bromoformvergiftung zu sollen und zu behandeln.
1. E« handelt sich um «len 5jährigen Knaben B. A. Er leidet
seit einigen Wochen an intensivem Keuchhusten und es wurde ihm
dagegen Bromoform, dreimal täglich :> Tropfen, verschrieben. Am
21. Januar 1896 hatten die Eltern Nachmittags auf einen Augenblick
daR Zimmer verlassen; als sie in dasselbe zurückkehrten, fanden
eie den Jungen bewusstlos auf dem Boden liegend, neben ihm das
Medicintläscbchen. Ein in d«-mselben Hause wohnender Student der
Medicin wurde hinzugernfen; er constatirte kleine Pupillen, schlechten
kleinen Puls, aufgehobene Reflexe und rieth «len Eltern, den Knaben
sofort in die Klinik zu schaffen. Als derselbe hier ankam, waren
die Pupillen noch klein, die Extremitäten hingen schlaff herab; der
kleine Patient schien fest zu schlafen. Auf einige Hautreize indessen
fing er an sofort zu reagiren, öffnete die Augen; die Pupillen
wurden gross und reagirten auf Lichteinfall. Als Excitans erhielt
der Patient subcutan eine halbe Spritze Campheröl Da etwas
Nausea bestand und ein intensiver Bromoformgeruch aus dem
Munde kam, so führte ich den Magenschlauch ein, und nahm eine
Magenspülung vor. Die ausgespülten Speisereste rochen intensiv
nach Bromoform. — Die relativ leichten Intoxicationserscheinungen
lassen sich aus der geringen Menge deB ausg--trunkenen Naikoticums
(nach Angabe der Eltern höchstens 15—20 Tropfen), andererseits
17 ) Fiertz, Ueber die Behandlung des Keuchhustens mit
Bromoform. Inaugural-Dissert 1894, Zürich p. 22 ff.
1S ) Dr. Schl ie per, Beitrag zur Oasuistik der Bromoformver¬
giftungen. cf. Therap. Monatshefte 1894 p. 642.
19 ) Dr. van Bömmel, Ein Fall von Bromoformvergiftung-
Deutsche med. Wochenschr. 1896 No. 3 p. 46.
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19. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
471
aus dem langen Transpoit erklären, den der Knabe in einem
leichten Kinderwagen durch die frische, kalte Luft vom Hause bis
zur Klinik durchmachen musste. Irgend eineu Schaden hat der
Knabe von seiner Vergiftung nicht gehabt.
2) Am 30. Januar Nachmittags gegen 3 Uhr wurde ich
in den poliklinischen Raum gerufen mit der Begründung von
Seiten des Portiers, dass wiederum ein Kind da sei, das Gift ge¬
trunken hätte. Di« kleine Patientin war die 3 jährige Arbeiters-
tochter B. B. Sie leidet seit Weihnachten an Keuchhusten und
wurde ihr das Bromoform in üblicher Weise verschrieben. Da sich
das Medicinflikschchen in demselben Schubfach befand, in dem
auch das Brod lag, das allen Kindern zugänglich war, so war es
für die Kleine ein Leichtes, unbemerkt etwas von dem Bromoform
zu trinken. Der Mutter fiel auf, dass das Kind, das eben noch ein
Stück Brot ass, zu taumeln anfing, um dann bewusstlos hinzufallen
Der hinzugezogene Arzt rieth, das Kind schleunigst in die Klinik
zu bringen.
Status praesens: Das Kind ist völlig benommen, Pupillen
etecknadelkopfgross, Lippen cyanotisch, Kiefer fest aneinander
gepresst, Kopf hängt schlaff herab; Extremitäten kühl und schlaff.
Vor dem Munde steht etwas Schaum, die Respiration sehr ober¬
flächlich, manchmal aussetzend; der Puls ist unregelmässig, schwach
fühlbar, Herztöne schwach hörbar. Deutliches Trachealrasseln, der
Geruch aus dem Munde verräth intensiv das Bromoform Nach¬
dem das Kind l ‘/2 Spritzen Kampheröl subcutan erhalten hatte,
ging ich sofort daran, die Respiration frei zu machen. Das Kind
wurde auf ein Sopha so gelagert, dass der Kopf nach hinten über¬
hing; die Kiefer wurden durch eine Mundsperre weit auseinander-
gebalten, die Zunge mit einer Zungenzange stark hervorgezogen und
einem Gehilfen zum Fixiren übergeben. Alsdann wurde der mit
einem Gazelappen umwickelte Finger in Zwischenräumen von etwa
einer Minute tief in den Larynx eingeführt, um Schleimmassen und
Speichel herauszuholen. Nachdem diese Manipulation etwa 30 Mi¬
nuten fortgesetzt und zwischendurch auch künstliche Athem-
bewegungen gemacht waren, hörte das Trachealrasseln auf und die
Respiration wurde freier. Dann wurden nochmals l*/a Spritzen
Kampheröl injicirt und die Körperhaut durch energisches Reiben
mit Massageinstrumenten gereizt. Etwa 10 Minuten darauf schlug
das Kind die Augen auf, die Pupillen wurden gross, reagirten auf
Lichteinfall, die Herzthätigkeit wurde kräftiger, der Radialpuls gut
fühlbar. Ein warmes Bad mit kalten Uebergiessungen auf Kopf,
Brust und Rücken genügten vollends, um das jetzt nur noch etwas
schläfrige Kind den Eltern so gut wie wiederhergestellt nach Hause
mitzugeben. Nach unseren Erkundigungen ist das Kind ohne jeden
Schaden geblieben, obwohl die genommene Menge Bromoform
mindestens 5 g betragen haben soll.
Die angeführten ] 4 Fälle umfassen meines Wissens wohl
ungefähr die gesammte Casuistik über Bromofonuintoxicationen;
es wäre indessen immerhin möglich, dass mir vielleicht der eine
oder andere Fall entgangen ist.
Autor
Alter
der Patienten
Zuletzt ge¬
nommene Dosis
Ausgang
1
Löwentbal . .
l‘/4j. Mädchen
ca. 2 g
genesen
2
Sachs ....
4jähr. Kind
ca. I 1 / 2 g
genesen
3
Nauwelaere
?
?
gestorben
4
Pannwitz . .
4 1 /» jähr. Knabe
ca. 30 Tropfen
genesen
5
ijNolden . . |
2’/2jähr. Knabe
ca. 4 g
genesen
6
3jähr. Mädchen
ca. 6 g
genesen
7
Platt ....
3 Monate altes
Brustkind
?
genesen
8
C. W. Dean .
4 jähr. Mädchen
15—20 Tropfen ,
genesen
9
| Fiertz . . . |
2jähr. Mädchen
1 Zusamm lnnerb. /
genesen
10
4 jähr. Mädchen
j 21 Stunden 10 g |
genesen
11
Schlieper . .
ö'/sjähr. Knabe
20 Tropfen
genesen
12
van Bömmel .
l*/4 jähr. Knabe
50—60 Tropfen
genesen
13
J Verfasser . j
5 jähr. Knabe
15—20 Tropfen
genesen
14
3jähr. Mädchen
5 g
genesen
Vorstehende Tabelle gibt eine übersichtliche Zusammenstellung
der im einzelnen Falle genommenen Bromofonnmengen, die dann
die Vergiftungssymptome auslösten ; zweitens habe ich in einer
anderen Rubrik das Alter der betroffenen Patienten vermerkt,
um so etwa eine Beziehung zwischen Alter und Minimaldosis
herauszufinden. Ein Zusammenhang lässt sich aber, wie ich gleich
im Voraus bemerke, leider durch diese vergleichende Nebeneinander-
Stellung aus der Tabelle nicht in wünschenswerthem Maasse eruiren.
Denn während das Alter der Patienten zwischen 3 Monaten
und 5 J /j Jahren sich bewegt, ist die Menge des genommenen
Giftes zwischen ca. 15— 20 Tropfen bis 6 g, wobei aber keines¬
wegs die grösseren Mengen dem höheren Alter entsprechen. Nun
bähen ausserdem die meisten das Bromoform schon längere Zeit
No. 20.
genommen, sodass sich auch nicht in jedem Fall sagen lässt,
wieviel etwa schon einer cumulirenden Wirkung des vorher ge¬
nommenen Bromoforms zuzuschreiben ist. Die Minimaldosis kann
nach unserer Tabelle praeter propter 20—30 Tropfen — ungefähr
lg — sein; man müsste diese Menge also gewissermassen als
Schwellenwerth festlcgcn.
Es ist vielleicht zweckmässig, die typischen, mehr oder weniger
in allen Fällen wiederkehrenden Symptome noch einmal zu präcisiren:
Wenige Minuten nach dem Genuss des Mittels, das in allen Fällen
per os genommen war, tritt plötzliche Bewusstlosigkeit ein; die
Gesichtsfarbe wird blass, die Lippen cyanotisch. Die Papillen
werden stccknadelkopfklein und erweitern sich nicht bei Beschattung,
— in einigen wenigen Fällen sind allerdings weite, starre Pupillen
beobachtet worden. Die Musculatur erschlafft vollkommen, nur
die Massetcren sind in der Regel stark contrahirt, der Kopf sinkt
nach vorn herab, die Extremitäten hängen kraftlos herunter. Die
Körperhaut fühlt sich meist kühl an, die Cornealreflexe sowie die
übrigen Reflexe sind verschwunden, die Sensibilität ist erloschen.
Herztöne schwach, unregelmässig, beschleunigt; der Radialpuls
kaum fühlbar; Athmung oberflächlich, aussetzend; in mehreren
Fällen war Rasseln über der Lunge und weithin vernehmliches
Trachealrasseln; aus dem Munde dringt meist ein intensiver Bromo-
formgeruch. Der Urin gibt Bromreaction. Jedenfalls ist No Iden 14 )
der einzige, der in seinem Fall darauf gefahndet hat. Da aber
Binz* 0 ) an Thieren gezeigt hat, dass nach wiederholten leichten
Narkosen durch Bromoform im Harn Bromide auftreten, so lässt
sieh annehmen, dass auch im Harn vergifteter Menschen bei darauf
gerichteter Untersuchung die Bromreaction vorhanden sein würde.
Pharmakologisch ist das Bromoform noch nicht ausgiebig genug
untersucht; die diesbezüglichen Literaturangaben sind spärlich.
Man wird indessen eine ganze Reihe seiner Wirkungen durch seine
Abstammung vom Brom verstehen können. Nach Kobert**)
entstehen nach Resorption des Broms, gleichgiltig von welcher
Stelle aus, nervöse Depressionserscheinungen, ja geradezu Benommen¬
heit und Narkose. Beim Einathmcn von Bromdämpfen kommt es
zu Conjunctivitis, Thräuenfluss, Schnupfen, Salivation, metallischem
Geschmack, Spasmus glottidis, furchtbaren, quälenden Husten¬
anfällen, Suffocationsgefühl, Pseudoaathma, Bronchitis und lobulärer
Pneumonie. Von Allgemeinerscheinungen sind Schwindel, Kopf¬
schmerz und Benommenheit am häufigsten. Gerhardi**) hat unter
Ungar’s Leitung mit Bromoform selbst experimentirt. Er hat
hierbei festgestellt, dass bei einige Zeit fortgesetzter Darreichung
von Bromoform, insbesondere bei Hunden und Katzen, welliger
bei Kaninchen, am wenigsten bei Meerschweinchen, fettige De¬
generation der Organe sieh bildet, deren letzte Ursache nach
Ungar die Einwirkung des im Organismus sich abspaltenden
freien Broms auf die Gewebe ist.
Wie wirkt nun das Bromoform auf die Centralorgane und
in welcher Reihenfolge werden diese ergriffen ?
Nach meiner Ansicht sind die Hauptangriffspunktc des Bromo¬
form das Groashiru, dann das verlängerte Mark.
N o 1 d e n 1 4 ) sagt: « Der allererste und wichtigste toxische
Angriff findet auf das Sensorium und das Respirationseentrum statt:
Bewusstlosigkeit und Asphyxie. In höchst nachtheiliger, ja gefahr¬
drohender Weise wird aber auch die Herzthätigkeit beeinflusst.»
Es mag hier in gewisser Beziehung die Bromoform Wirkung
sich ähnlich verhalten wie die Chloroformwirkung, die Flourens* 3 )
in folgender Weise erklärt: Zuerst wird das Grosshirn von dem
Chloroform betroffen, dann das Kleinhirn, dann das Rückenmark
und zuletzt das verlängerte Mark. Die Wirkung ist erst reizend,
dann lähmend. Entsprechend der Lähmung des Gehirns sinkt
schliesslich der Blutdruck, das Herz arbeitet schwächer und lang¬
samer. Die Respiration wird vor dem Herzen gelähmt.
Zum Schluss noch einige Worte zur Behandlung der Bromo-
formvergiftungen: Die vollste Aufmerksamkeit muss in erster
Linie auf das Herz und die Lungen gerichtet sein.
*>) Binz, Arch. f. experim. Pathol. u. Pbarmak. 1891. Bd.
28 p. 201.
* l ) Kobert, Lehrb. d. Intoxicationen. 1898. p. 370.
Gerhardi, Ueber fettige Degenerat. nach Bromoform.
Inaug.-Dissert. Bonn. Citirt nach Fiertz cf. Anm. 17.
**) Kobert, Lehrb. d. Intoxicationen. 1898 p. 541.
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472
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Das Herz wird excitirt durch Injectionen von Aether,
Campher u. ä.; bei der Respiration haben wir auf zwei Dinge zu
achten: 1) Freihalten der Respiration und 2) Unterstützung der
Respiration.
Die erste Indication wird erfüllt durch Lagerung mit hängendem
Kopf, durch gewaltsames Offenhalten der Kiefer mit einer Mund¬
sperre, durch energisches Hcrvorzichen der Zunge und durch
mechanische Entfernung des Schleimes etc. aus dem Larynx. Unter¬
stützt wird die Respiration durch künstliche Athembewegungen,
Faradisation der Phrenici u. ä.
Alle übrigen therapeutischen Eingriffe werden sich in der
Regel aus den Symptomen je nach Bedürfniss ergeben.
Ein specifisches Antidot besitzen wir meines Wissens nicht;
vielleicht lässt sich durch Injection kleiner Mengen Morphium oder
durch Inhalation von Amylnitrit, ähnlich wie beim Chloroform,
nach dieser Richtung hin etwas erreichen.
Jedenfalls soll dies nur ein Vorschlag bleiben; Sache der
Laboratoriumsarbeit mag cs sein , experimentelle Versuche anzu¬
stellen , wie denn überhaupt das Bromoform in seinem Wesen
noch lange nicht so durchforscht ist, wie sein berühmter Verwandter
— das Chloroform.
Ueber die Ursachen der multiplen Gehirnnerven¬
lähmung. 1 )
Von Dr. Rudolf v. Hoesslin, dirig. Arzt der Kuranstalt
Ncuwittelsbach bei München.
Unter multipler Gehirnnervenlähmung verstehen wir die
Lähmung mehrerer anatomisch getrennt verlaufender Gehirnnerven.
Die multiple Gehirnuervenlähmung beansprucht deswegen das
Interesse des Arztes, weil sie für viele Erkrankungen des Gehirns
und des übrigen Nervensystems von grosser diagnostischer, sogar
von patbognomonischer Bedeutung ist, weil sie die Localisation ver¬
schiedener Gehirn- und Nervenkrankheiten ermöglicht und uns
manchmal auch ganz bestimmte therapeutische Anhaltspunkte
gewährt. Daher darf ich Ihnen vielleicht eine kurze Ucbersicht
darüber geben, unter welchen Bedingungen eine multiple Gehirn¬
nervenlähmung zur Entstehung kommen kann, auch wenn ich
nicht imstande bin, Ihnen) Neues über dieses Thema vorzutragen.
Wenn wir uns nach den anatomischen Ursachen der multiplen
Gehirnnervenlähmung umsehen, so müssen wir dieselben in 2 Haupt¬
gruppen trennen. Zu der ersten Gruppe werden wir alle diejenigen
Fälle rechnen, in welchen die multiple Gehirnnervenlähmung durch
pathologische Processe innerhalb des Gehirns ent¬
steht, während wir der zweiten Gruppe diejenigen Erkrankungen
einreihen, in welchen die multiple Gehirnnervenlähmung Folge
einer Läsion der Gehirnnerven nach ihrem Austritt
aus dem Gehirn ist; wir werden also zwischen cerebralen
und basalen resp. peripheren Lähmungen unterscheiden.
Von den Ursachen der ersten Kategorie interessiren uns zu¬
nächst die Tumoren des Gehirns. Die Gehirngeschwülste können
bei ihrem Sitz in der Gegend der corticalen Centren, in den
Leitungsbahnen, besonders aber bei einer Localisation in der Gegend
der Gehirn nervenkerne zur Lähmung gleichzeitig verschiedener
Gehirnnerven führen, entweder durch Compressiou oder durch
Zerstörung dieser Theile. Seltener sind multiple Gehirnnerven¬
lähmungen zurückzuführen auf Er kr an ku n gen der Gefässe
des Gehirns, doch können auch Hämorrhagieen, Embolieen,
Gefässthrombosen mit nachfolgender Erweichung, besonders aber
Aneurysmen eine Zerstörung oder Compression derjenigen Gehirn-
partieen zur Folge haben, deren Intactsein für die Functionirung
der Gehirnnerven nothwendig ist. Die durch Blutungen im Gehirn ]
entstandenen Gehirnnervenlähmuugen unterscheiden sich von den
durch Tumoren verursachten gewöhnlich durch das acute Einsetzen
der Lähmungen und durch das Fehlen anderer Geschwolstsymptome.
Eine häufige Ursache der Gehirnnervenlähmung ist die acute
und chronische Encephalitis. Die acute, meist hämorrhagische
Encephalitis führt, wenn sie die Gegend der medulla oblongata
und der Brücke betrifft, als Poliencephalitis inferior zu
i) Vortrag, gehalten im ärzti. Verein München am 22. April 1896.
dem Bilde der acuten Bulbärparalyse, einer meist rasch todtlich
endenden, manchmal aber auch in Genesung ausgehenden Krank-
i heit, während sic als acute Ophthalmoplcgia extcriorverläuft
wenn sie als Poliencephalitis acuta superior sich in der
Gegend des Aquaeductus Sylvii und des dritten Ventrikels ent¬
wickelt. Auch diese mit Lähmung mehrerer oder sämiutlicher
äusseren Augenmuskeln einhergehende Erkrankung kann in Ge¬
nesung ausgehen, verläuft aber viel häufiger rasch letal. Sie
entsteht hauptsächlich als Folge des chronischen Alkoholmiss¬
brauchs oder anderer toxischer Einwirkungen, ferner nach acuten
Infeetionskrankheiten, besonders der Influenza. Die sogenannte
Schlafkrankheit der Neger, die Nona, die mit einer
Ptosis beginnt, dürfte auf eine solche aeute Poliencephalitis sup.
zurückzuführeu sein.
Von grösserer praktischer Bedeutung als die acute Ence¬
phalitis ist für die Entstehung der multiplen Gehirnnervenlähmung
die chronische Encephalitis. Die chronisch entzündlichen,
degenerativen Processe in der Gegend der Gehirnncrvcnkernc sind
mit die häufigsten Ursachen der multiplen Gehirnnervenlähmung.
Betrifft der Krankheitsprocess die Brücke und die Medulla oblou-
gata, so entsteht das Bild der progressiven Bulbärkernlähmung,
während die Ophthalmoplegia exterior zustande kommt,
wenn sich der Degenerationsprocess im Aquaeductus Sylvii und
am Boden des dritten Ventrikels abspielt. Diese chronische Oph¬
thalmoplegie kommt wohl mit und ohne vorausgegangene Syphilis
als selbständige Krankheit vor, viel häufiger aber bildet sie nur
eine Begleiterscheinung oder einen ominösen Vorboten anderer
Krankheiten des Centralnervensystcms. Es ist für die Diagnose
von grösster Wichtigkeit, zu wissen, dass die Lähmung mehrerer
Augenmuskeln mit und ohne Betheiligung der Sehnerven der
Tabes dorsalis, der multiplen Sklerose und anderen Gehirn-
und Rückenmarkskrankheiten um Jahre vorausgehen kann. Auch
andere Gehirnnerven, der Vagus, der Trigeminus und der Facialis
können im Verlauf dieser Krankheitsformen ergriffen werden.
Nicht unerwähnt möchte ich die Thatsaclie lassen, dass sich
sowohl die Bulbärkernlähmung, als auch die Ophthalmoplegie aus¬
bilden kann, ohne dass anatomisch nach weisbare Ver¬
änderungen sich ergeben, so dass wir auch von functionelleu
Gehirnnervenlähmungen reden können.
Wir kommen nun zur II. Gruppe, zu den multiplen Gehirn¬
nervenlähmungen, welche durch Schädigung der Gehirnnerven nach
ihrem Austritt aus dem Gehirn entstehen.
Auch hier spielen die verschiedenartigen Tumoren eine
I grosse Rolle. Sowohl die Tumoren des Gehirns selbst können
durch Compression oder Uebergreifen auf die basalen Nerven zu
multiplen Gehirnnervenlähmungen führen, als auch Tumoren der
Dura rnater, der Schädelbasis und der basalen Gefässe können durch
Zerstörung oder Druck auf mehrere Gehirnnerven eine multiple
Gehirnnervenlähmung hervorrufen. Interessant ist ein Fall von
Unverricht, in welchem ein flaches, unter der Dura entstandenes
Sarkom durch Umwachsen der Gehirn nerven bei ihrem Durchtritt
durch die Schädelbasis fast sämintliche Gehirnnerven gelähmt hatte,
ohne das wesentliche Gehirnsymptome aufgetreten waren. Auch
bei der Seetion war die Geschwulstbildung erst bemerkbar, nachdem
die Dura von der Basis cranii abgezogen war. Sehr schwer zu
unterscheiden vom Gehirntumor, der die basalen Nerven com-
primirt, ist der idiopathische chronische Hydrocephalus
internus, der durch Ausstülpung der Wand des 3- Ventrikels
eine Läsion des Chiasmas und anderer basaler Nerven herbei¬
führen kann. Gefässerkrankungen der Gehirnbasis führen
nicht nur durch Aneurysmenbildung und Blutungen zu multiplen
Gehirnnervenlähmungen, auch die Sinusthrombose und die Arterio¬
sklerose der basilaren Gefässe kann eine multiple Gebirnnerven-
lähmung im Gefolge haben, letztere dadurch, dass die verkalkten
und geschlängelten basalen Gefässe einen Druck auf die Gehirn -
nerven ausüben. Basale Lähmungen multipler Gehirnnerven
kommen auch zu Stande durch Basisfracturen, durch Zer-
reissungen oder Zerrungen der Gehirnnerven, durch
die dem Trauma folgende Narbenbildung, speciell auch durch die
Callusbildung. Auch die Caries der Schädelbasis, der basale
Gehirnabscess, vor Allem aber die entzündlichen
Affectionen der Meningen sind nicht selten von mul -
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19. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
473
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tiplen Gehirnnervenlähmungen begleitet. Sov7ohl die epidemi¬
sche Meningitis cerebrospinalis, als die acute i n -
fectiö8e und die tuberculöse Basilarmeningitis führen
zur Lähmung multipler Gehirnnerven entweder durch Druck des
Exsudates auf die Nerven.Stämme oder durch Fortpflanzung der
Entzündung auf die Nervcnsclieidcn. In allen bisher erwähnten
Formen der multiplen Gehirnnervenlähmungen der II. Gruppe
stellt die multiple Gehirnnervenlähmung kein selbständiges Krank¬
heitsbild dar, sondern bildet nur eine wichtige Begleiterscheinung
einer anderen Krankheit. Je nach der Prognose der Grund¬
krankheit wird sifh auch diejenige der durch sic bedingten mul¬
tiplen Gehirnnervenlähmung gestalten. Als selbständige Erkrankung
begegnet uns die basale multiple Gehirnnervenlähmung nur in
zwei Formen, als syphilitische multiple Gehirnnerven-
1 ühinun g und als neuritischc multiple Gehirnnerven-
1 ii h m u n g.
Die Syphilis führt entweder in Form der Pachymeningitis
syphilitica, eines die basalen Nerven ein sch Hessen den und in-
filtrircndcn gummösen l’rocesses, oder in Form der Neuritis
gummosa zur Lähmung multipler Gehirnnerven. Diese multiple
Gehirnnervenlähmung in Folge von Syphilis zeichnet sich in
manchen Fällen von anderen Gehirnnervenlähmungen durch die
Unbeständigkeit der Symptome, durch ein förmliches Os eil li re n
der Störungen (Oppenheim) aus. Bedingt wird dieser rasche
Wechsel der Erscheinungen durch die Wachsthumsverhältnisse des
syphilitischen Granulationsgewcbis, das leicht wuchert und ebenso
leicht zerfällt.
Bei rechtzeitiger Erkenntnis« der Krankheit bietet die syphi¬
litische Basilarmeningitis und die Neuritis gummosa eine leidliche
Prognose, während natürlich keine Heilung zu erwarten ist, wenn
die Ncrvcnwurzeln durch längeres Bestehen der Infiltration atro-
n.pbire ltecidive sind stets zu befürchten.
Während diese Form der mul tipein Gchirnnervcnlälimung
längst bekannt war, stammt die Kenntnis.« der ncuritischen Gehirn-
nervenliihmung erst aus der Zeit, in welcher man überhaupt an¬
fing, die multiple Neuritis zu erkennen. Seitdem das Studium
der Polyneuritis, deren Verwechslung mit Tabes, aufsteigender
Paralyse und Poliomyelitis bis in die neuere Zeit häufig vorkam,
uns dieses Krankbcitsbild im richtigen Licht erscheinen lässt,
wurde auch bekannt, dass Geliirnncrvcnlähmungcn auf ncuri-
tischcr Basis entstehen. Während Scbcube mittheilt, dass bei
der Bcri-Bcri Erkrankung oder der Kake der Tropen, die mit
der infeetiösen Form der Polyneuritis eng verwandt ist, Ilirn-
nerven mit Ausnahme der Nervi vagi sclteu erkranken, machen wir
die Erfahrung, dass alle bei uns verkommenden Fälle von
multipler Neuritis sich auch mit multipler Gehirnnervenneuritis ver¬
binden können.
Fälle von allgemeiner Polyneuritis mit Betheiligung
der Gehirnnerven wurden von Leyden, Charcot, Oppen¬
heim und Anderen beschrieben. Meist ist der Verlauf der, dass
während einer schon bestehenden Polyneuritis spinalis Lähmungs¬
oder Reizerscheinungen von Seiten des einen oder anderen Gehirn¬
nerven hinzutreten. Am häufigsten wird der Nervus facialis be¬
fallen und zwar sehr oft doppelseitig; auch der Nervus opticus
und einzelne Augenmuskeln sind öfters neuritiseb miterkrankt, die
Ketheiligung des Nervus vagus bildet eine der ernsthaftesten aller
Complieationen der Polyncuritis; immerhin beschränkt sich diese
multiple Gehirnnervenlähmung in fast allen Fällen nur auf wenige
Gehirnnerven. Eine Ausnahme hievon macht ein Fall von Roth,
in welchem 6 verschiedene Nerven neuritisch afficirt waren, was
sich bei der Autopsie bestätigte.
Aber nicht nur in Verbindung mit der Neuritis der Spinal¬
nerven, sehen wir die multiple Gehirnnervcnneuritis auftreten,
sondern auch als selbstständige Affection der Gehirn-
“erven. Die gleichen Ursachen, welche zu einer allgemeinen
Polyneuritis führen, können auch eine isolirte multiple Gehirn-
nervenneuritis zur Folge haben. Von der nach Diphtheritis
^kommenden Polyueuritis ist Ihnen Allen bekannt, dass sie sehr
gerne zur Lähmung einzelner Augenmuskeln, zur Lähmung des
Gaumensegels nnd Störungen der Vagusfunctionen führt, dass sich
die postdiphtheritischen Lähmungen sogar recht häufig auf die
Gehirnnerven beschränken. Auch die Alkoholneuritis, die Neuritis
der Diabetiker und die nach Influenza beobachtete Neuritis ergreift
oft ausschliesslich einige GehirDnervcn. Auch bei den sogenannten
rheumatischen und den toxischen Neuritiden, wie sie nach Wurst-
und Fleischvergiftungen Vorkommen, sind mitunter gerade die
Gehirnnerven bevorzugt. Eine acute multiple Neuritis der Bulbär-
nerven beschreibt Eisenlohr im Verlauf der Leukämie. Mit
Ausnahme der zuletzt erwähnten Neuritis handelt es sich aber bei
der multipeln Gehirnnervenlähmung auf ncuritischcr Basis gewöhn¬
lich nur um Betheiligung weniger Gehirnnerven, während eine
Ausdehnung auf sehr viele Gehirnnerven zu den seltenen Krank-
hcitshildern gehört. Einen besonders schönen Fall letzter Kategorie
verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. Jochncr jun.,
der mir Gelegenheit gab, mit ihm im Josephinum einen solchen
Kall zu untersuchen. Ich darf ihn wohl der Seltenheit Halber an-
führen.
Bei einer 62jährigen, früher st ts gesunden Dame entwickelte
sich einige M mate nach einem Infiuenzaanfall eine rasch zunehmende
Sehstörung des linken Auges, die von Hm. Privatdocenten Dr. Sachs in
Innsbruck auf eine Neuriiis retrobulbaris zurückgeführt wurde. Es trat
bald völlige Erblindung des Auges ein. Kurz darauf Lähmuog des linken
Nervus abducens, Schmerzen un i Anacsthesieen im Gebiete desStirn-
astes, des rechten Trigeminus, Schmerzen im Ramus auriculo-temporalis
des 3. Astes des rechten Trigeminus, einige Monate später Lähmung
des rechten Nervus abducens. Als wir die Kranke untersuchten,
bestand noch ausserdem Lähmung des Unken Nervus bypoglossus,
Anaesthesie des 2. und 3. sensibeln rechten Trigeminusastes, recht8-
seitige Gnumensegellähniung, Parese des linken Facialis und der
rechten Ch»nla tympani, während gleichzeitig Reizerscheinungen
von Seiten des Nervus vagus bestanden.
Im Verlaufe der nächsten Monate nahmen die Beschwerden
von Seiten der Zungen- und Sehlundmuskulatur noch weiter zu;
Patientin konnte weder die Speisen mit der Zunge weiter bewegen,
noch schlucken, so dass Herr Dr. Jochner genöthigt war. die
Kranke .Monate lang mit der Sonde zu ernähren. Von Seiten der
Spinalnerven war eino Betheiligung nie nachzuweisen, nur gegen
Ende der Krankheit wurde der Gang der Kranken etwas unsicher
nnd schwankend.
In der gleichen Reihenfolge ungefähr, wie die Lähmungen
eingetreten waren, bildeten s : ch dieselben auch wieder zurück, nur
die Erblindung des linken Auges blieb eine dauernde. Alle anderen
Symptome verschwanden wieder vollständig, so dass Patientin jetzt
nach ca. 2jähriger Krankheitsdauer völlig gesund ist.
Dass es sich hier um eine einfache Neuritis vieler Hirnnerven
und nicht um eine luetische Affection der Hirnhäute
oder um eine gummöse Neuritis gehandelt haben kann, geht
aus dem ganzen Verlauf hervor. Bei der syphilitischen Gehirn¬
nervenlähmung haben wir auf andere Gehirnerscheinungen mit
Sicherheit zu rechnen: Kopfweh, Schwindel, Erbrechen, auch
Benommenheit des Sensoriums, bleiben selten aus. Die Symptome
der syphilitischen Gehirnnervenlähmung sind zwar sehr wechselnd,
verschwinden vorübergehend ganz, aber ohne antiluetische Behand¬
lung pflegt doch eine Heilung nicht einzutreten. Hier aber gingen
die Lähmungen ohne Quecksilber dauernd zurück ; auch ergab die
Anamnese in unserem Falle gar keinen Anhaltspunkt für voraus¬
gegangene Syphilis. Von anderen Krankheiten, die eine so aus¬
gedehnte Gehirnnervenlähmung erzeugen können, kamen nur
noch flächenartig ausgebreitete Basistumoren in
Betracht, gegen welche Diagnose ja von vornherein der Ausgang
in Heilung spricht.
Für die E ntstehung dieser multipeln Gehirnnervcnneuritis
besitzen wir noch keine sichere Erklärung. Wahrscheinlich handelt
cs sich darum, dass toxische resp. infcctiöse StofFc sich in den
Gchirnnerven ablagcrn und so zu einer Entzündung der Nerven
führen; bemerkenswerth sind die Untersuchungen von Turner,
der fand, dass die Neuritis durch eine ^bestehende Pia-araclmitis
eingcleitet wird, dass die Entzündung dann auf die Wurzeln über¬
greift und als Perineuritis im Nerven weiterschreitend die De¬
generation desselben veranlasst.
Die Kenntniss der neuritischen Form der multipeln Gehirn¬
nervenlähmung ist desswegen nicht ohne praktische Bedeutung, weil
dieselbe eine viel günstigere Prognose gibt, als die syphilitischo
Gehirnnervenlähmung und vor Allem gegenüber den schweren basalen
Erkrankungen, die mit Gehirnncrvenlähmung einhergehen, eine
verhältnissmässig leichte Erkrankung darstellt. Lebensgefahr bringt
sie am ehesten durch intensive Mitbetheiligung beider Nervi vagi.
Die Therapie der multipeln Gehirnnervenlähmung ist im
Ganzen eine mehr symptomatische, nur in Fällen von syphilitischer
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Gehirnnervenerkrankung eine causale. Hier ist sofort energische
antiluetische Behandlung einzuleiten. Gegen die Schmerzen erweist
sich das Phenacetin in Dosen von 3—4 g im Tag als sehr
nützlich, gegen die Lähmung empfiehlt sich in manchen Fällen
die consequente Anwendung des galvanischen Stromes.
Bei der rheumatischen Form der multipeln Gehirnncrvcnneuritis
kann ebenso wie bei der syphilitischen Gehirnnervenlähmung der
energische Gebrauch von Schwitzbädern gute Dienste leisten.
Spontane Lungentuberculose einer Ziege.
Von Dr. A. Bulling in München-Rcichenhall.
Die Section einer am 18. Februar 1806 gekauften, Tags darauf
im hiesigen pathologischen Institute in Aethernaikose getödteten
Ziege zeigte beide Lungen an ihren oberen Theilen stark mit der
Pleura costalis verwachsen; in beiden Lungen, namentlich in der
linken, und zwar besonders in ihren centralen Theilen finden sich
kleinere und grössere käsige Herde Die kleineren davon meist
bis Hanfkorngrösse, in Gruppen stehend, ihrer Anordnung nach
dem Bronchialbaume folgend, das Gewebe dazwischen etwas infiltrirt,
ödematös aber lufthaltig; die grösseren Knoten bis Kirscbengrösse
— zum Theil ist in ihnen die Käsemasse erweicht, jedoch finden
sich nirgends mit flüssigem Inhalt gefüllte Cuvemen In der Um¬
gebung einzelner grösserer Knoten das Gewebe etwas verdichtet
und die Knoten von Bindegewebe eingekapselt. Solche grössere
Knoten finden sich namentlich im Unterlappen, sind aber mehr
zerstreut und zeigen zwischen sich vollkommen lufthaltiges Gewebe
Die in der nächsten Umgehung der grösseren Herde gelegenen
Bronchen haben etwas geschwellte Schleimhaut, auf derselben ge¬
ringe Mengen zähen Secrets. _
Bronchialdrüsen theilweise verkäst, theilweiße verkreidet.
Alle übrigen Organe einschliesslich der Mesen¬
terialdrüsen ohne pathologischen Befund.
Anamnestisch konnte ich feststellen, dass die Ziege sechs¬
jährig, in einem Stalle mit acht anderen Ziegen zusammen war,
vor einem Jahre noch ein gesundes Kitz zur Welt gebracht hatte,
selbst für gesund galt, in letzterer Zeit wenig Milch produeirte und
desshalb für trächtig gehalten wurde; im Stalle hustete das Thier
nie wohl aber manchmal, schon seit zwei Jahren, wenn es ins
Innere der Stadt getrieben wurde, um seine Milch direct und warm
an den Käufer abzugeben.
Da die Ziegenmilch meist in rohem Zustande genossen wird
_ und zwar hauptsächlich von sogenannten «schwächlichen»,
anämischen Kindern und Erwachsenen — also Individuen, welche
erfahrungsgemäss ohnehin eine gesteigerte Disposition zu tuberculöscn
Erkrankungen zeigen ; da möglicherweise die bisherige traditionelle
Annahme von der Immunität der Ziegen gegen Tubereuiose nur
eine scheinbare ist, insofernc diese Tliiere der Unbeliebtheit und
daher Werthlosigkeit ihres Fleisches halber meist vom Besitzer
geschlachtet und verzehrt werden und so der thierärztlichen Controlc
des Schlachthauses entgehen, so dürfte es sich wohl empfehlen,
auch auf die Ziegen als mögliche Verbrcitungsquellc der Tubereuiose
sein Augenmerk zu richten und eventuell auch ihre Milch nur
in gekochtem Zustande geniessen zu lassen, falls nicht durch den
negativen Ausfall einer probatorisehen Tuberculininjcetion die Ge¬
sundheit des resp. Thicres, richtiger das Freisein desselben von
Tubereuiose, festgestcllt ist.
Angenehme Pflicht ist mir's am Schlüsse dieser Mittheilung,
Herrn Obermedicinalrath Prof. Dr. Bol li n ger und seinen Assi¬
stenten, den Herren Privatdoccnt Dr. Schmaus und Dr. Dürck,
für die mir den Winter hindurch so reichlich bewiesene Liebens¬
würdigkeit und Förderung meinen ergebensten Dank auszusprechen.
Ein Fall von „Blähkropf“.
Von Dr. Karl Frank, prakt. Arzt in Kirchheim u. Teck.
In No. 43 des Jahrganges 1895 dieser Zeitschrift veröffent¬
lichte Herr Professor Dr. Klaussner eine Abhandlung über
«Tracheocele und Blähkropf» aus Anlass eines von ihm beobachteten
Falles, den er als «Blähkropf» zu deuten geneigt ist. In letzter
Zeit nun bekam ich einen Patienten in Behandlung, der ganz die
nämlichen Erscheinungen zeigt, so dass ich, als ich ihn zum ersten
Male sah, sofort an die Abhandlung von Herrn Professor Klaussner
und das dabei veröffentlichte Bild seines Patienten denken musste.
Der Fall ist folgender :
J. K., 53 Jahre alt, Kriegsinvalide, in Schl., will als junger
Mann immer gesund und kräftig gewesen sein, speciell nie an dickem
Hals gelitten haben. In seiner Familie seien Kröpfe nicht vorge¬
kommen. Als Soldat wurde Patient 1870 bei Wörth durch einen
Streifschuss am Kopf verwundet; er machte dann die Belagerung
von Paris mit In dieser Zeit will er beim Springen über einen
Graben plötzlich einen «kleinen Kroch» au der rechten Hnlsseite
gefühlt haben, gerade als oh dort etwas «geplatzt» sei. Er habe
nicht weiter darauf geachtet und habe dann auch zunächst nichts
mehr an seinem Hals bemerkt. Einige Jahre Bpäter, etwa 1874 —
genau weiss Patient die Zeit nicht anzugehen — Bei ihm aufgefallen,
dass beim starken Pressen und besonders beim Husten sein Hals
dicker werde, dass plötzlich eine Geschwulst dabei hervortrete, die
eben so schnell wieder verschwinde. Mit der Zeit sei diese Ge¬
schwulst, da er vielfach Husten gehabt habe, grösser geworden.
Reit vielen Jahren müsse er heim Gehen und besonders heim 8teigen
stark schnaufen. Heiserkeit hat nie bestanden. Patient nimmt als
Ursache seines Leidens bestimmt den oben erwähnten Sprung über
den Graben vor Paris an, wobei er den genannten «kleinen Krach»
im Hals gespürt habe.
Bei der Untersuchung fand sich nun Folgendes:
Elend aussehender, sehr magerer Mann mit leicht cynnotisch
gefärbten Lippen. Die Athmung ist von einem leichten Stridor
begleitet und zwar sowohl Inspiration als Exspiration. Am Hals
sind die subcutanen Venen stark durchscheinend. Die tieferliegenden
Theile des Halses — Kehlkopf und Musculatur — sind deutlich zu
übersehen. Direct über der incisura Storni wölbt sich ein etwa
kleinapfelgrosser nach rechts oval zulaufender Tumor vor, der sich
weich und flaumig anfühlt und offenbar der vergrösserten Schild¬
drüse angehört. Es handelt sich hier jedenfalls um eine sogenannte
substernalc Struma. Wenn nun Patient hustet, so wölbt sich mit
einem Kuck rechts und links von der Mittellinie ein Tumor hervor,
der rechts fast mannsfaustgross, links gut kinderfaustgross ist. Bei
genauerem Zusehen sieht man deutlich, dass der Tumor aus der
oben erwähnten suhsternalen Struma entsteht resp. dass letztere
sich beim Husten mit einem Ruck um das 4—5 fache ihres gewöhn¬
lichen Volumens «aufbläht». Der Tumor fühlt sich prall-elastisch
an, im Gegensatz zu der ira gewöhnlichen Zustande sich flaumig
anfühlenden Struma, von der jetzt nichts mehr zu finden ist. Bei
der Pereusion ergibt der Tumor ganz leeren, gedämpften Schall;
hei der Auscultation ist gar kein Geräusch über demselben zu
hören. Der Umfang des Halses beträgt in der Höhe des Dornfort¬
satzes des 7. Halswirbels gemessen normal 37‘/scm, im aufgeblähten
Zustande cm. Uebt man nun einen Druck auf den Tumor aus
oder hört Patient auf zu pressen, so verschwindet die Geschwulst
ebenfalls wieder mit einein Kuck ebenso schnell, wie sie entstanden ist.
Wir haben es in unserem Falle wohl sicher mit einem ächten
«Blähkropf» zu tlinn und nicht mit einer «Tracheocele». Gegen
letztere spricht der gedämpfte Pcreussionssehall, die starke Schwel¬
lung der subcutanen Halsvencn, sowie vor allem der Umstand,
dass im aufgeblähten Zustande des Halses die normaler Meise
sichtbare und fühlbare substernalc Struma nicht mehr naclizu-
weisen ist, was doch bei einer Tracheocele der Fall sein müsste.
Diese substernaie Struma, deren cavernöses Gewebe sich beim
Husten offenbar momentan prall mit Blut anfüllt, comprimirt, wie
es scheint, auch im gewöhnlichen Zustande etwas die Trachea und
verursacht dadurch den bestehenden Stridor trachealis — ebenso wie
in dem von Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Burckhardt operirten
Falle (efr. württ. Correspond.-Blatt 18 S8 No. 13)- Die laryngo-
skopischc Untersuchung, die bei sehr mangelhafter Beleuchtung
im Hause des Patienten vorgenommen werden musste, misslang
mir leider, da Patient wegen der bestehenden heftigen Bronchitis
äusserst reizbar im Hals ist und sofort beim Einführen des Kehl¬
kopfspiegels Würgen bekommt und da er sich diese Untersuchung
überhaupt sehr ungern gefallen Hess.
Ob das Entstehen des Blähkropfes wirklich, wie Patient an¬
nimmt, auf das bei jenem Sprung über den Graben gefühlte
Krachen zurückzuführen ist, dürfte wohl schwerlich anzunehnien
sein, da Patient nachher mehrere Jahre nichts mehr gefühlt hat
und erst von etwa 1874 an, die Geschwulst sich gezeigt hat.
Von einer Operation will Patient durchaus nichts wissen,
auch wäre dieselbe in Anbetracht einer zugleich bestehenden
lnsufficientia cordis, sowie des ganzen herabgekommenen Zustandes
des Mannes wohl recht bedenklich.
In Anbetracht der Seltenheit dieser Erkrankungsform schien
mir die Veröffentlichung eines einzelnen Falles sich zu rechtfertigen.
Seltener Fall einer starken Blutung In Folge syphi¬
litischen Geschwürs der Portio.
Von Dr. mcd. Wolter in Gr.-Winnigstedt.
Soweit mir die einschlägige Literatur bekannt ist, sind tertiär
syphilitische Erscheinungen des Urogenitalschlauches sehr selten,
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19. Mai 1896.
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
475
noch seltener dürften stärkere Blutungen aus syphilitischen Ge¬
schwüren des Uterus sein. Vor Kurzem kam mir ein derartiger
Fall zur Behandlung, dessen Verlauf interessant genug ist, um
die Veröffentlichung zu rechtfertigen.
Die Vorgeschichte dieses Falles ißt nach den Angaben der
Patientin folgende:
Gelegentlich einer Militäreinquartirung vor 15 Jahren wurde
eine DienBtmagd von einem Soldaten syphilitisch inficirt. Der
Bräutigam der Pat., P., der sich mit seiner Braut entzweit hatte,
verkehrte mit der kranken Magd geschlechtlich und wurde von der¬
selben angesteckt. Er soll sich von einem Arzte längere Zeit be¬
handeln lassen haben. Später versöhnte er sich wieder mit seiner
früheren Braut. Pat. erzählte, dass sie nach geschlechtlichem Um¬
gänge mit P. Weissfluss bekommen habe und wund geworden sei.
Ein Geschwür und Ausschlag habe sie nicht gehabt. Mittlerweile
sei durch weitere Ansteckungen von Seiten der genannten Magd,
die desshalb von der betreffenden Gemeinde einem Krankenhause
überwiesen warde, die Natur der Krankheit offenbar geworden.
Auf Drängen ihrer Angehörigen sei Pat. in das Krankenhaus zu B.
gegangen und habe dort eine Schmiercur durchgemacht, obwohl der
Krankenhausarzt sie für ganz gesund gehalten hätte. Sie ist dann
• gesund geblieben. Nach 2 Jahren verheiratbete sie sich mit P.
In dieser Ehe hat sie neunmal geboren, alle Kinder wurden todt
1 geboren, einige waren nach Angabe der Hebamme lodtfaul, die
meisten wurden zu früh geboren. Das letzte Kind starb unter der
‘ Geburt, beim Wasserabfluss hatte Pat. noch Kindsbewegungen
gefühlt. Durch die Schuld der Hebamme, die die Querlage zu
spät erkannt hatte, wurde ich erst längere Zeit nach dem Beginne
der Geburt gerufen. Ich beendete möglichst rasch die Geburt und
machte ausgiebige Wiederbelebungsversuche bei dem Kinde, die
:s jedoch erfolglos blieben. Das Kind war dieses Mal nicht zu früh
geboren, völlig ausgewachsen und bot keine Zeichen von congenitaler
Lues. Diese letzte Entbindung fand im Februar 189.'» statt. Von
der Zeit an war Pat. regelmässig menstruirt bis Ende September,
"i wo sich dauernde Blutungen einstellten, die zeitweise so stark
:>i : waren, dass ihr das Blut «in die Schuhe floss».
Trotzdem ging sie ihrer schweren Arbeit (Rübenroden) nach,
bis sie mich am 13. November v. J wegen ihres fortwährenden
H ; ‘ Blutverlustes aufsuchte.
Status. Patientin ist von starkem Knochenbau, ziemlich
ii' gross, in mässig gutem Ernährungszustände. Die sichtbaren Schleira-
hänte sind deutlich anaemisch, die Gesichtsfarbe entspricht nicht
jsirU der einer Person, die ihr ganzes Leben aut dem Lande verbracht
m hat, sie ist blass, aschgrau. (Dieses krankhafte Aussehen ist nicht
die Folge von der erwähnten Blutung, wie man annehmen könnte,
■ ’’ es ist mir bei der Patientin schon vor einigen Jahren aufgefallen,
v v - : als ich in der Familie zu thun hatte.) Das Kopfhaar ist auffallend
fa-: dünn. Sonstige Zeichen von Lues sind nicht aufzufinden: keine
; r \i. Narben, keine Hautdecken, keine Knochenveränderungen, keine
Drüßenschwellungen.
ir Im Scheideneingang befindet sich blutiger Schleim. Bei der
in Specularuntersuchung sieht man an Stelle der rechten Hälfte der
.],( Portio eine wunde, leicht blutende Geschwürsfläche, die sich in das
Uteruscavum fortzusetzen scheint, die linke Hälfte der Portio ist
ziemlich erhalten Der Uterus ist nicht vergrössert. Da kein übler
rJ,;L Geruch des Ausflusses bestand und die Ränder der Wunde weder
t'ö-' knollig noch gewulstet waren, da wegen des grossen Gewebs-
i defectes eine entzündliche Affection des Endometrium auszuschliessen
j jr war, konnte ich zu keiner sicheren Diagnose kommen; ich musste
jedoch trotz des Fehlens der charakteristischen Symptome die Wahr¬
scheinlichkeitsdiagnose: Carcinom stellen, an Lues dachte ich durchaus
nicht, da mir noch nie eine derartige luetische Affection zu Gesicht
gekommen war. Um die Blutung zu stillen, legte ich einen Jodo-
■ ^ formgazetampon ein und verordnete, mehr ut aliquid fieret, Aus¬
spülungen mit Salicyllösung.
Am Abend desselben Tages wurde ich eilig zu der Patientin
gerufen wegen starker Blutung. Ich fand dieselbe in einem recht
ip desolaten Zustande vor. Sie klagte über Frost, Kopfschmerz,
Schwindelgefübl and unerträgliches Ohrenklingen. Der Puls war
klein, fadenförmig und sehr frequent, die Haut war mit kaltem
Schweins bedeckt, die Gesichtszüge ängstlich. Es stellten sich dann
noeb Erbrechen und Durchfälle ein, und Patientin jammerte über
,•!; unerträgliche Leibschmerzen. Der Tampon war gegen Abend durch
r . Blut herausgedrängt, und seitdem hatte sich eine starke Blutung
eingestellt, so dass Patientin in einer grossen Blutlache lag; ausserdem
war aus dem geschilderten Zustand der Blutleere zu ersehen, dass
l‘ : ' e ' n bedeutender Blutverlust stattgefunden haben musste. Als ich
untersuchen wollte, stürzte aus der Scheide ein etwa zweifaustgrosser
Klumpen geronnenen Blutes, gefolgt von ziemlich hellrothein, flüssigem
Blut. Unter diesen Umständen tamponirte ich die Scheide fest mit
Jodoformgaze aus, worauf die Blutung stand. Ausserdem machte
ich die den Umständen entsprechenden Anordnungen: Einwicklung
< Qn d Hochlagerung der Beine, Excitantien, wodurch der Allgemein-
j Sp zustand und der Puls sich besserten. Nach 24 Stunden entfernte
ich den Tampon, die Blutung stand. Als ich nochmals die geschilderte
Anamnese der Patientin aufnahm, kam mir der Gedanke, dass das
Ulcus vielleicht ein zerfallenes Gumma sein könnte Ich gab ver¬
suchsweise Jodkali, und siehe da, es trat sogleich Besserung ein,
die Geechwürafläche verkleinerte sich zusehends von Tag zu Tag,
«' No. 20.
und nach 3 Wochen war eine vollständige Vernarbung eingetreten
Es war damit ex juvantibus der Beweis erbracht, dass die in Frage
stehende Erkrankung luetischer Natur gewesen war. Damit ich
völlig sicher war, nur die Jodkaliwirkung allein zu haben, hatte
ich die Spülungen aussetzen lassen.
Wenn ich mir das Entstehen der stärkeren Blutung zu
erklären suche, so kann ich keinen andern Grund dafür finden,
als dass die vorangegangene Digitaluntersuchung, das Abtupfen
und der zuerst eingelegte kleinere Tampon dieselbe veranlasst haben.
Ganz unverhofft kam mir bei einer derartigen Affection solche
eopiöse Blutung, so dass ich nach der am nächsten liegenden Ent-
stehungsursache, einem Abort, suchte; es liess sich jedoch nicht
der geringste Anhaltspunkt dafür auffinden.
Zum Schluss möchte ich auf Grund dieses Falles wieder an
die alte Regel erinnern, dass man in zweifelhaften Fällen, sobald
nur der leiseste Verdacht auf Lues besteht, den Versuch einer
antiluetischen Behandlung machen soll.
Zwei Fälle puerperaler Eklampsie bei Zwillings -
Schwestern.
Von Dr. Fritz Ilancntann in Maxhütte.
In kurzer Aufeinanderfolge hatte ich Gelegenheit, zwei Fälle
puerperaler Eklampsie zu beobachten, deren Mittheilung vielleicht
von Interesse sein dürfte.
Die Fälle betrafen die Zwillingsschwestern Therese und
Katharine B. von hier; dieselben sind 25 Jahre alt, sehen sich
zum Verwechseln ähnlich, sind von gracilcm Körperbau, sehr
anämisch und haben von Kindheit auf Kinderkrankheiten (Masern,
Scharlach, Halsentzündungen! dann Chlorose stets zu gleicher Zeit
durchzumachen gehabt.
Therese B. kam am 26. August v. J. Abends 7 Uhr zum
ersten Male mit einem ausgetragenen Mädchen nieder. Geburt
verlief nach Aussage der Hebamme ohne Störung; Dauer; 10
Stunden. 5 Stunden nach der Geburt wurde ich gerufen, da die
Puerpcra schon während, und namentlich nach der Geburt, heftige
Kopfschmerzen, Uehelkeit und eigentliümliebes krampfartiges Zu-
sannnenziehen am ganzen Körper geklagt hatte. Bei meiner Ankunft
zeigte sie grosse Unruhe, warf sieh stöhnend im Bette herum,
erbrach mehrmals und klagte über vollkommene Blindheit und
rasende Kopfschmerzen. Temperatur warwegen der grossen Unruhe
nicht festzustellen, schien erhöht, Puls: I2<>, gespannt. Fundus
uteri etwas unterhalb des Nabels, Uterus hart, keine stärkere
Blutung, keine schwerere Verletzung. Sehr bald nach meiner
Ankunft trat (also 5 Stunden i>ost. part.) der erste cklamptische
Anfall ein: Dauer der Krämpfe fast 2 Minuten, Coma über 5
Minuten, nach dem Anfalle fortdauernde Unruhe, Erbrechen,
Amaurose, Kopfschmerzen. In 2 1 /s ständigen Intervallen traten
dann noch 5 Anfälle von gleicher Dauer auf, dann wurde P.
(unter fortgesetzter Morphinbehandlung) ruhig und schlief fast
12 Stunden. Der nach dem letzten Anfall mit Catheter entleerte
Urin war ziemlich reichlich und enthielt geringe Mengen Eiwciss.
Am nächsten Tage sah P. wieder deutlich, die Kopfschmerzen
traten, wie an den darauffolgenden Tagen noch sehr heftig auf,
doch blieb sie anfallfrei und genas rasch ohne weiteren Zwischenfall.
Während der Gravidität will P. keinerlei Beschwerden gehabt
haben: keine Oedeme, keine Kopfschmerzen, kein Erbrechen.
Die Zwillingsschwester Katharine, welche im Vorjahre eine
Frühgeburt (VI. Mon.) durchgemaeht hat, kam am 2. Oetober
7 Uhr Morgens mit einem ausgetragenen Knaben nieder; Geburts-
dauer: 7 Stunden. Die Hebamme will keine Unregelmässigkeit
bemerkt haben. Auch hei dieser Puerpcra während und nach
der Geburt immer mehr sieh steigernde Kopfschmerzen, Unruhe,
Erbrechen, Amaurose und 5 Stunden nach der Geburt erster
eklamptiseher Anfall. Die Anfälle traten hier etwas rascher nach
einander auf (in 1, später */* ständigen Pausen) sonst aber, wie
im ersten Falle, von gleicher Dauer, ebenfalls 6 an Zahl, Temp.
etwas über 39,0 (ungenau wegen der grossen Unruhe der P.\
Puls: gespannt 120; Urin, wie im ersten Falle, geringe Mengen
Eiwciss enthaltend. Auch der weitere Verlauf zeigte, mit Aus¬
nahme einer einmaligen Teui|>eratursteigerung am S. Tage, keine
Abweichung von dem des ersten Falles. Auch diese Puerpera will
3
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Münchener mb dicinische w ocHENgcgRggv
No. 20.
... , , r ßravididät keine nennenswerte Störung gehabt haben.
w « ihrC "Sandelte ich mit Morphium in grossen Dosen,
jede L beiden l'uerp. hat eine Gcsammtdosis von 0,07 anbentan
^" S ":^b»c S te™, weiche von Geburt
vollkommen gleich beaulagt sind ohne »*W Jf ige n
der Schwangerschaft, gleich nach dcr Entb ndung ■ m
Kopfschmerzen und Amaurose, c°«£“ “ „achfolgen und
S Ä — —“ -
gewandten ^«d. Wochenschrift 189,
No 5) aufgestellte Ansicht aber Entstehung der Eklampsie s ehe^
-srüSftÄV
P " jSilhSn Fallen eine acut behinderte Function
der Nk“n 1 sie von Olshausen (Volke,annsche Vertrage
No 89) als Ursache der Krankheit angenommen wird, zun. Zu
standekommen de, Eklampsie mitgewirkt hat, ist aus der he, betd™
Fällen coustatirten, wenn auch bald vorübergehenden Albunnnum,
zu schliessen.
• oViraiA-f «Damit soll nicht gesagt sein, dass
^SrcTLsLzcn, welche aus der Schilddrüse dargestellt
werden künnen, Zu^u''sehen
II--*™ it^tr einzige speciüsch wirksame
ä nd Tiut Z thyreoidcctomirten Thicre.
S sistiren, sowie den tüdtiiehen Abianf verzögern eder
’ eAi t“rfe k “n’die Wirkung auf th.vreoidcetomirte Thiere als
d “ Tl rt:Vf m mtr «***», -*«■*.
sei.
Ueber die wirksamen Substanzen der Schilddrüse.
Von Dr. Sigmund Frankel in Wien.
Baumann hat in No. 17 dieser Wochenschrift eine^Dar¬
stellung, sowie eine Kritik meiner Untersuchungen
veröffentlicht, welche ich beide für nicht richtig halte. Die Gründe
dafür ergeben sich aus Folgendem : u.,„„,-.nn ver¬
leb habe bei meinen unabhängig und vor Baumann ver^
öffcntlichtcn Untersuchungen gefunden, dass die ™\2lrüsen
abgeschiedenen Eiweisskörper aus dem D e c o c t e von bchUddrüscn
unwirksam, das eiweissfreie Filtrat hingegen wirksam ist Die
Wirksamkeit ergab sich damals daraus, dass ich m der Lage war
bei zwei Versuchspersonen und einem Hunde Cxew'chtsverlustc zu
erzielen. Nun führt Baumann aus, dass man durch Lxtrac on
mit Wasser oder Salzlösung den jodhaltigen Antheilr Schild-
drüse in Lösung bekomme und beim Kochen nach dem Ansäuern
mit Essigsäure das Eiweisscoagulum alles Jod und 80 ’ , " t ^ C ^
wirksame Substanz der Schilddrüse enthält Das jodfreie 1 ltrat
erweise sich als total wirkungslos. Zwischen diesen Bauma
sehen Untersuchungen, sowie den meimgen besteht aber keine
Vergleichsmöglicbkeit, da er bei der Extraction ganz anders verfährt
indem er mit kaltem Wasser oder Salzlösung, ich aber mit siedend
heissem Wasser extrahirte. Die von mir untersuchten, im Decoct
anwesenden Eiweisssubstanzen sind aber auch nach dem Bau-
mann’sehen Kriterium unwirksam, da sie jodfrei sind.
Für die Wirksamkeit meines Filtrates aber habe ich meinen
Selbstversuch nur als Beispiel angeführt und in meiner 1 ab-
lication angegeben, dass dieser Versuch an zwei Menschen und
einem Hunde gemacht wurde. Deshalb ist die Baumann sehe
Behauptung, dass ich nur über einen Versuch verfüge, unrichtig.
Aus den Bau mann'sehen Untersuchungen lasst sich weder
ein Schluss auf die Richtigkeit noch auf die Unrichtigkeit der
meinigen ziehen, da Baumann 1. ganz andere Darstellungs-
mothoden, 2. ganz andere Prüfungsmethoden für die Wirksamke
der dargestellten Substanzen verwendet. Doch ist selbstverstnndlic i
der eine Umstand, dass das Thyrojodin auf Kröpfe wirkt, nicht
für die Behauptung beweisend, dass es der einzige wirksame
Bestandthcil der Schilddrüse sei. . ...
Baumann sagt wörtlich: «Aus diesen Ermittelungen ergibt
sich, dass in der Schilddrüse nur eine speeifisch wirksame Sub¬
stanz. das Thyrojodin, enthalten ist. Franke s «Thyreo-
antitoxin» steht in keinerlei Beziehung zum Thyrojodin, und kann
bei dessen Wirkung so wenig als bei derjenigen der Schilddrüse
betheiligt sein.» Ferner: «Wir haben uns überzeugt . . ■ • dass
cs nur einen speciüsch wirksamen Stoff in der Schilddrüse gibt,
das Thyrojodin,» wenn er auch in der Anmerkung diese Be-
r w-
Untersuchuiigeu & ausgefübp'^sclbständig Schild-
Entgegen den Angaben Baumann s enthalt also me
issiiüi
ln welcher Richtung das lhyrojodm und Klinikern
„«toxin therapeutisch verwerthbar ist, muss -cl,
“ b " 1; “Tmciuen Untersuchungen bin ich, «I die ^
-ÄWTÄÄiV-
in'dirlctcm' "
fst e“ Hoch unvermeidlich, dass, —
arbeitet, man leicht auf Körper stosst, dte ,n d.c Bete, toi
Verbindungen gehören, deren Kcnntmss mr Ba u ru » » ™ ‘
Wie unvermeidlich ein solches Ine,„andergrafen der « “““
ist, zeigt ja selbst B»uman,Us “^t'n omm . und
kürper der Schilddrüse, welche Notkin m Angriff geno
deren Resultate noch nicht abgeschlossen sind. „ hungen
Ich bin hingegen im weiteren Verlaufe meiner -
zur Ueberzcugung gekommen, dass ein genetischcr^ usamm
zwischen diesen beiden Jodkörpern besteht und b^bsmh IS»
auch nicht, wogegen Bau mann sich ganz unnötlugcr u
flüssiger Weise ereifert, in sein Arbeitsgeb,et emzugurf •
ziehungsweise vor Ablauf seiner Untersuchungen mene Brfahru
über die jodhaltigen Substanzen zu veröffentlichen.
Ueber die Wirksamkeit des Thyrojodins.
Von E. Baumann.
(Entgegnung au S. Fränkel.)
Auf die vorstehenden Bemerkungen Fränkcl’s möchte ich,
um Missverständnissen vorzubeugen, Folgendes CTWtderu-
1. Die Eiweissniederschläge, welche durch Fa en nn j,
säure aus dem kalten oder heissen Wasserauszug
Schilddrüsen erhalten werden, sind, wie ich gefurn ,
jodhaltig und nach den Versuchen des Herrn »t. Roos^
im Sinne der Schilddrüsentherapie. Es schien n ^
früheren Discussion mit Herrn Fränkel ganz überflüssig
selbstverständlich - diese Bemerkung ausdrücklich auf die
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19. Mai 1896-
MÜNCH KN Eil MKMC1NISÜIIH WOCHENSCHRIFT.
477
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kochendem Wasser bereiteten Auszüge der Schilddrüse auszudehnen.
Da diese Angabe von Frankel jetzt bestritten wird, muss ich
näher darauf eingehen und führe zum Beweise derselben aus meinen
Versuchen folgenden an:
22 g frische präparirtc Hamuielschilddrüsen wurden gut zer¬
kleinert und mit ca. 200 ccm Wasser ausgekocht. Aus der
schwach alkalisch reagirenden Lösung, welche ich nach 5 Minuten
langem Kochen vom Ungelösten trennte, wurden die in ihr ent¬
haltenen Kiwcissköri>er mit Essigsäure abgeschieden, abfiltrirt und
ausgewaschen. Pie so abgeschiedenen Eiweisskörper erklärte
Fränkel für jodfrei. Bei meinem Versuche lieferte etwa der
4. Theil des Eiweisscoagulums eine Jodrcaction, welche ca. 2 mg
Jod entsprach. Der ganze nach F rä n k c l’s Angaben gewonnene
Niederschlag enthielt somit ca. 8 mg Jod.
Durch diesen Nachweis wird die Behauptung Frankels,
dass ich. um die Unrichtigkeit seiner Angaben zu beweisen, auf
einem ganz anderen Wege als er, wodurch jede Vcrgleichsmöglich-
keit ausgeschlossen werde, vorgegangen sei, auch für den ferner
Stehenden in ein genügend klares Licht gesetzt, so dass ich auf
eine nähere Würdigung der Beschuldigung, welche Fränkel
gegen mich erhoben hat, nicht einzugehen brauche.
2. Für die Frage nach der Natur der wirksamen Substanz
der Schilddrüse ist es naturgeuiüss in erster Linie von Bedeutung,
zu ermitteln, ob es sich dabei um einen oder um mehrere Stoffe
handelt. Auf Grund der bis jetzt mit dem Thyrojodin gemachten
Erfahrungen haben Roos und ich dieses als die allein wirksame
Substanz der Schilddrüse erklärt. Diese Schlussfolgerung stützt
sich auf den Nachweis, dass alle bekannten therapeutischen Wir¬
kungen der Schilddrüse dem Thyrojodin zukommen und dass alle
jod- bezw. thyrojodinfreien Präparate keine dieser Wirkungen be¬
sitzen. Die Unrichtigkeit dieses Schlusses bin ich gerne bereit
anzuerkcimen, wenn irgend eine der Beobachtungen, auf welche
er sich stützt, als irrthümlieh nachgewiesen wird. Von einem
solchen Nachweise ist mir indessen bis jetzt nichts bekannt ge¬
worden. Den Weg aber, auf welchem Fränkel jene Schluss¬
folgerung zu Gunsten der von ihm aufgestelltcn Behauptungen
zu bekämpfen versucht, muss ich nicht bloss als unrichtig, sondern
als unzulässig bezeichnen. Die Unzulässigkeit seines Vorgehens
ergibt sieh aus Folgendem :
Die von Roos und mir aufgestellte und vertretene Ansicht,
dass das Thyrojodin der allein wirksame Stoff der Schilddrüse sei,
ist durch folgende Erfahrungen begründet worden :
a) durch die Wirksamkeit des Thyrojodins bei parenchy¬
matösen Strumen (Roos, Ewald, Bruns),
b) durch seine Wirksamkeit bei Myxoedem (Leichteustern,
Ewald),
c) durch seine Wirkung auf den Stoffwechsel bei Menschen
und Thieren (Roos, Treupel, Grawitz, Hennig).
Die Punkte b und c sind in der Thyrojodinliteratur so oft
erwähnt und auch in meiner Entgegnung an Fränkel (in No. 17
dieser Wochenschrift) citirt worden, dass sie Fränkel nicht un¬
bekannt sein können. Es ist daher kaum als loyal zu bezeichnen,
wenn Fränkel jetzt behauptet, die Wirksamkeit des Thyrojodins
bei Kröpfen beweise nicht, dass es der einzig wirksame Stoff der
Schilddrüse sei, da er weiss, dass auf diesem alleinigen Nach¬
weis die von ihm bekämpfte Schlussfolgerung gar nicht beruht.
3. Wer behauptet, die wirksame Substanz der Schilddrüsen
in Händen zu haben, muss auch den Nachweis führen können,
dass diese Substanz die Function der Schilddrüsen bei Thieren,
welche dieses Organs beraubt sind, völlig zu ersetzen vermag.
Nachdem die Wirksamkeit des Thyrojodins durch Leichtcn-
stern und durch Ewald bestimmt erkannt war, schien es recht
wahrscheinlich, dass das Thyrojodin aucli bei Thieren den Ausfall
der Schilddrüsenfunction würde decken können.
Herr Prof. E. Gold mann hat mich bald nach Entdeckung
es Thyrojodins auf die Wichtigkeit der an thyreoideetomirten
kieren damit anzustellenden Versuche aufmerksam gemacht und
iat mir seine Unterstützung dabei, d. h. die Uebernahme der
- usführung der betreffenden Operationen in liebenswürdigster
eise zugesagt. Nichts konnte mir erwünschter sein, als für
e Ausführung dieser Versuche einen so ausgezeichneten Mit¬
arbeiter wie Herrn Prof. Goldman n, der schon seit Jahren
Beobachtungen und Erfahrungen Uber die Schilddrüse gesammelt
hatte, zu gewinnen.
Herr Prof. Goldman n und ich werden nach Abschluss
unserer Versuche, die über den ursprünglich in’s Auge gefassten
Plan hinaus sich ausgedehnt haben, in dieser Wochenschrift be¬
richten. Für heute möchte ich in Ucbcreinstimmung mit Herrn
Prof. Golduann nur erwähnen , dass das Experiment die Er¬
wartung in vollkommenster Weise bestätigt bat, dass das Thyro¬
jodin die Function der fehlenden Schilddrüse bei Hunden durchaus
zu ersetzen vermag.
Wir besitzen beispielsweise gegenwärtig 2 Hunde, welchen
die Schilddrüsen vor 31 bezw. 32 Tagen entfernt worden sind.
Beide Thiere sind heute völlig normal, sehr munter und bei guter
Fresslust. Sie erhalten rohes Fleisch und Milch, ausserdem täglich
6 g Thyrojodin (entsprechend 6 g frischer Schilddrüse).
Wir haben uns überzeugt, dass auch die tägliche Darreichung
von nur 2 g Thyrojodin alle Erscheinungen der sogenannten
thyreopriven Cachexie ausschlicsst.
Bei einem der beiden Thiere, bei welchem 8 Tage nach der
Operation die Thyrojodinzufuhr stark reducirt wurde, traten die
sehr charakteristischen Erscheinungen, welche nach der Schild-
drüsenextirpation in der Hegel nach 2—3 Tagen — wenn keine
Meditation eintritt — sich zeigen, Tetanus etc. am 12. Tage
mit vollendeter Deutlichkeit auf. Seitdem befindet sieh der
Hund, welcher in den letzten 20 Tagen je 6 g Thyrojodin erhielt,
völlig wie ein normales Thier. Ausdrücklich zu bemerken ist
dabei noch, dass es sich keineswegs um ausgesuchte oder ganz
ausnahmsweise Fälle handelt. Durch diese Beobachtungen, die noch
weitergeführt werden, ist schon j etz t rni t unum stössl ich e r
Sicherheit auch der letzte Beweis dafür geliefert,
dass die regelmässige Zufuhr des Thyrojodins
bei Hunden die fehlende Function der Schilddrüse
völlig zu ersetzen im Stande ist.
Da andere Wirkungen der Schilddrüse bis jetzt nicht bekannt
sind, als diejenigen, welche auch das Thyrojodin hervorruft, so ist
der Schluss, dass das Thyrojodin der im Sinne der Schilddrüsen¬
therapie wirksame Stoff der Drüse ist, durchaus begründet, und
bis jetzt liegt keine Thatsachc vor, welche die Annahme, dass
andere jodfreic Bestandteile der Schilddrüse an dieser Wirkung
betheiligt seien, unterstützen könnte. Wenn in der Schilddrüse
in Zukunft noch andere Stoffe aufgefunden werden, welche
physiologisch wirksam sind, so kann man nach dem Obigen nur
sagen, dass ihre Wirksamkeit mit der Schilddrüsenthcrapie nichts
zu thun hat.
G o 111 i e b hat vor Kurzem in einer Vertrauen erweckenden
Publication mitgetheilt,') dass cs ihm nicht gelungen sei, tliyreoi-
dectomirtc Hunde mit einem Thyrojodinpräparate, welches er aus
Schweineschilddrüsen dargestellt habe, am Leben zu erhalten. Das
Misslingen der Versuche Gottliebs scheint mir darauf zu be¬
ruhen, dass Gottlieb, trotzdem er nachträglich den Jodgehalt
seiner Substanz mittheilte, ein wirksames Präparat bei seinen Thier-
versuchen doch nicht gehabt hat. Ich habe an anderer Stelle
darauf hingewiesen, *) wie schwer es ist, aus Schweineschilddrüsen
das Thyrojodin zu gewinnen. Mir ist es bei Verarbeitung mehrerer
100 g Schweineschilddrüsen nicht geglückt, eine dem Jodgehalte
der Drüsen entsprechende Menge an Thyrojodin zu isoliren. In¬
dessen wird es schwer zu sagen sein, aus welchen Gründen die
Versuche Gottlicb’s, der an seine Aufgabe offenbar ganz un¬
befangen herangetreten ist, misslungen sind. Immerhin wäre cs
vielleicht vorsichtiger gewesen, wenn er zunächst Versuche mit
demjenigen Thyroj odinpräparate gemacht hätte, für dessen Zuver¬
lässigkeit der Darstellung er gar keine eigene Verantwortlichkeit
zu übernehmen hatte.
Durch den Nachweis, dass Hunde ohne Schilddrüsen über
einen Monat hindurch, ohne jede Störung, normal und gesund
bleiben, wenn ihnen regelmässig Thyrojodin zugeführt wird,
schwindet auch die letzte Stütze Frankels, welche er zu Gunsten
seiner Behauptungen sehr eifrig zu verwenden sich bemüht.
*) Deutsch, med. Wocheuschr. 1896. April.
2 ) Hoppe-Seylers Zeitschr. physiol. Chem. Bd. 22. Heft 1.
3*
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478
MOMCHKNBB. _Mj8 DlcnHBOHI8 WOCHgNSCHBgT
No. 20.
,, i „i'q dm« er vor mir mit der
Referate und Bücheranzeigen.
Gese.a, ft««- M”T»
reich Sachsen betreffend, >0 " ,. cseUes V0IU 23- Ma«
Anhang : < Ausführungsverort '' u . Sanitätsrath l>r. med.
1896-» In seiner ^twtckkng da^H vo^ ^ ^ ^ ^
Oscar Heinze, \°rsUind des aMUicht ^ ^ y Mitglied
jMSS-sfeiss&'ff ~
Standeslebens, namentlich in Beeng auf,f“ b “u„d 0 rn Gerade
licl ,e„ Otgani^o^in den mn*» “ Ncnemng,
die letzten Jahre haben aut aiesei dicieninen Staaten,
SS .Srs=v5Ä
Gesetzesbestimmungen einer Kension jta
Forderungen der Neuzeit anzupassen, »“ d " ^
Organisation des ärztlichen Standes neu autgcl. u ■ nur
Staaten entbehren solcher Finnel.tnngcn noch »„rfghrum
Bucht interessant nnd ichrre.ch ist es, aus der eben anfc
H=iSiH,S^Ä
Staaten Bayern in. Jahre 1872 anschloss, dann Wü^tonlH^
Hessen naehfolgtc, und endlich auch Prcusscn „n Ja m 188 da
Verordnung über die Bildung von Aerztekammeru rluss. l _
kam Oldenburg, in neuester Zeit hat Hamburg eine wohlausgoarbutctc
Verordnung erlassen. Auch die Errichtung von Aerztekamme
' Oesterreich im Jahre 1891 wird mit angeführt.
Die innere Organisation dieser ärztlichen Stirn ^ '
ist wesentlich verschieden namentlich mit KUeks.eht auf dm
dehnung auf alle approbirten Acrzte, odci nui • ^
einen angchörigen, dann n.it Rücksicht auf die der ^desv^ctung
eingeräumten Disciplinarbefugnisse, worüber uns die Emlutung
ganz interessante Mittheilungen macht.
g Der Hauptzweck dos Buches war, den (unterdeßcn .»
Gesetz erhobenen und in voriger Nummer d.eser Moehen e
abgedruckten') Gesetzentwurf der Köm glich sächsmehcn »
rierung näher zu beleuchten, welcher das bislu-r gilt,ge Begula
vorn 29- Mai 1872 einer gründlichen Umänderung unterzog
sowohl die internen Verhältnisse der ärztlichen *£
Competenz nnd Disciplinargewalt, als ihre Stellung den > taa
Organen gegenüber einer gründlichen Umarbeitung imterzogen hat.
Hierüber pflog zunächst das Landes-Medicinal-Co legitim aus-
führlichc Verhandlungen, welche uns in. Auszug mitgothodt wer. .m
Die Plenarversammlung erklärte cs in Rücksicht auf d ^
Lage des ärztlichen Standes und die aus derselben letzt , uml Ju
Zukunft in erhöhtem Maasse drohenden Gefahren für das öffentliche
Wohl für dringend geboten, dass die ärztliche Stau, esvertretung
mit gesetzlichen Berechtigungen ausgestattet werde, die ihr mehr
als bisher eine Disciplinargewalt über sämmthehe Aerzte ein¬
zuräumen im Stande wäre. Im Anschluss hieran wurden die
Kreisvereinsausschüsse beauftragt, mit thunlichster Beschleunigung
bestimmte Vorlagen in der oben bezeichnten Richtung zu machen,
dazu auch die Mitwirkung der medicinischen Facultät ™ ^bitten
und die gewonnenen Unterlagen sodann dem k. Landes-Medicma
Collegium zur Begutachtung zu unterbreiten.
Heinze tbeilt uns hierauf den Entwurf einer Disciphmir-
ordnung mit, ebenso den einer Standesordnung, wie sie von dem
leipziger Kreisvercinsausschuss in Verbindung mit dem Zwickauer
Wortlaut« beider Verorfnunge« worden^ ^ ^ ^ ^
rsüÄt« -—de D,
ciplinargewalt handelte. , 0 „twurf < Die ärztlichen Be-
Schliesslich gelangte ein’ ' betreffend» an beide Kammern
zirksverciuc un Konigreie i>- Verhandlungen
3S msss
kein« l’raxis ausüben «der An«
Ve r r«” C '!n «i* ander,, unterliegt der Genehmigung
lCT Wirten /.ahuürs.eu kann dnreb Vereiusbeschlus, de,
Beitritt gestattet werden. . j cn gC nau präcisirt,
** Miittanriw®*
Ä WrlSÄ« - Strafe
. .
„altnngatomte,. als Verstau,den ”" d . V " VSnt« QdJ .
“;:™".aStetr Ctbnmungcn über
vo, ' 8t Ciii“ ,, rtr Ä £
gegeben, ebenso die Verhandlungen der beiden Kamme
Berichten ihrer Gcsctzgebungsausschussc. fcstg estellten
Anknüpfend an die Mitteilung des deh.ut v testg^ ^
Gesetzes vergleicht Heinze dasselbe mit dem, ierung
den preußischen Aerztekammern Sc. cn- der ctc .,
vorgelegten Entwürfe eines (, esetz.es über die > f z tekarainern
welcher vorerst noch der Begutachtung .» den ■ A«** ^
unterliegen wird. Eine Besprechung dieses Kntwurfes^ ^
diesen Blättern bereits erfolgt. Ein wesentliche ^ der _
dem sächsischen Gesetze, den auch c,n ' wehenden ärzt-
dass in Preusscn auf jede Verbindung , VcrsueH, dieselben
liehen Stai.desvereincn, beziehungsweise au „ichtct worden
in die ärztliche Standesvertretung e.nzugl ^ Z ^ wesentlichen
ist. Es scheint dicss kein Vo^ug und b det en
Unterschied zu unserer bayerischen Organisation,
ich auf den Vereinen basirt. Workehen welch' grosse,
1 Wir sehen aus dem Ho n zc sehen ’ i3ationen der
sogar prineipicllc Unterschiede r.wi^c »cn n daraus die
einzelnen deutschen Staaten noch bestehen nnd . al) , dieser
ho trübende Consequcnz ziehen, dass die er guj ^
Gegensätze in einer deutschen Standesordnung, eine. ^
nung, nicht nur eine schwierige Aufgabe ist, son
in weiter Ferne zu liegen scheint. * , dankbar sein,
Den, Verfasser dieser Schrift aber muss ^ \ M „rer
welcher Interesse an der fortschreitenden Kn ^ ick ^ u gcr .
Standesverhältnisse in Deutschland hat.
General-Bericht über die Sanitäte-T; rw»ltn ng^
Königreiche Bayern. Herausgegeben vom L S Ta .
des Innern, 25. Band, das Jahr 1893 umfassend. Mit
niniti7aH h\/
r^nnnli
19. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
479
bellen, 6 Kartogrammen und 5 Diagrammen. Mit einem Anhang,
München 1895.
Für jeden bayerischen Arzt, welcher sich um öffentliche
Gesundheitspflege kümmert, ist es längst bekannt, welchen Reich-
thum an Thatsaehen jeder Rand des General-Berichtes bringt.
Es wird desshalb nicht nöthig sein, immer wieder auf den hüben
Werth dieser mit jedem Jahre v ervoll komm net en Berichte hinzu¬
weisen. Dass dieses Streben nach Vervollkommnung ununter¬
brochen fortdauert, sehen wir auch an» neuesten Rande, welcher
z. B. sehr lehrreiche graphische Darstellungen der Morbidität der
Infectionskrankheiten in» Rerichtsjahre nach ihrem jahreszeitlichen
Auftreten enthält. Auch dem sich vor Zahlen fürchtenden Arzte
bleiben diese Curven im (Jedächtniss mit den grossen monatlichen
Schwankungen der Pneumonie mit dem Maximum im April und
Mai und des Typhus mit den zwei Maxima im Juni und September
gegenüber der fast gerade verlaufenden (’urve des Kindbett Hebers.
Wie alljährlich beschränkt sich Referent auf Anführung
einiger Hauptergebnisse.
Die Sterblichkeit betrug im Berichtsjahre ' 21,3 pro niille und
war ein wenig höher, als im Vorjahre. Aber trotzdem scheint die
Sterblichkeit in Bayern successive zu fallen, denn sie betrug noch
im Durchschnitt der Jahre 1878 — 1890 29,2 pro mille. Sie hat jetzt
nahezu den gleichen Stand wie in Oesterreich (1893: 27,7), wo aber
die Abnahme der Sterblichkeit in den letzten 10 Jahren beinahe
doppelt so gross war, wie in Bayern. Sie erreicht jedoch noch
lange nicht den günstigen Stand, wie in Preussen (18:»3: 24,2 pro mille).
Es wirkt darauf bekanntlich die hohe Kindersterblichkeit in Bayern
ungünstig ein, welche ja auch die Unterschiede in der Gesammt-
sterblichkeit der einzelnen Kreise wesentlich herbeiführt. Im Berichts¬
jahre hatten die Kreise Oberfranken, Unterfranken und Pfalz in
Folge ihrer geringen Kindersterblichkeit auf 10' 0 Lebende nur eine
Sterblichkeit von 23,6, also eine noch niedrigere als die preußische,
die 5 anderen Kreise dagegen eine solche von 29,3. Zum Glücke
zeigt die Säuglingsinortalität eine fortschreitende Abnahme; sie
betrug nur noch 26,9 auf 100 Geborene gegenüber 32,7 vor 30 Jahren.
Ebenso erfreulich ist die Zunahme des Gebrauchs ärztlicher Hilfe;
von den Gestorbehen waren 61 Proc. ärztlich behandelt gegenüber
56 vor 6 Jahren.
Bezüglich einzelner Krankheiten sei besonders auf die ausser¬
ordentlich eingehenden Forschungen über die Influenza-Epidemieen
seit ihrem neuerlichen Auftreten hingewiesen. Eine colorirte Tafel
gibt eine sehr anschauliche Darstellung der Häufigkeit der Sterbe¬
fälle an Influenza in den einzelnen Monaten vom Dezember 18s9 bis
Mai 1894. Nach Jahren zusammengestellt betrug diese Sterb¬
lichkeit 1889 0,9, in den folgenden 4 Jahren aber 44, 7'/2, 87 und
42 auf 100,000 Lebende.
«Eine überraschend hohe Sterblichkeit, mehr als die doppelte
der vorauegehenden Jahre, finden wir im Berichtsjahre für die Ge¬
hirn- und Gehirnhauterkrankungen, während die Sterblichkeit an
Gehirn8chlagfiu8s nahezu die gleiche geblieben ist».
Die Zahl der an Tuberculose Gestorbenen betrug auf 100,000
Lebende 314V2; sie ist wieder etwas höher geworden als im Vor¬
jahre. An der Steigerung ist jedoch nur das männliche Geschlecht
(340) betheiligt (das weibliche hat nur 290) und zwar vorzugsweise
der rechtsrheinischen städtischen Bevölkerung. Das nordöstliche
und südliche Bayern haben geringe Sterblichkeit an Tuberculose.
Von den Städten haben die höchsten Ziffern Forchheitn (603),
Donauwörth und Straubing, von den Bezirksämtern Nürnberg (537)
und Kronach, die geringsten Ebern (42). Beachtenswert!) sind
Mittheilungen über den Einfluss vorausgegangener Influenza-Epi¬
demieen auf die Häufigkeit der Tuberculose-Sterbefälle (in Lands¬
berg, Pfaffenhofen, Schwarzach), das Zurückgehen der Erscheinungen
beginnender Tuberculose bei Entfernung aus der Fabrik (Dr. Kühn),
die Verbreitung durch Ansteckung (in Dachau, in Neustadt a. W.-N.),
über auffallenden Wechsel in der Höhe der Sterblichkeit. Bezüglich
letzteren noch viel zu wenig beachteten Punktes ist z. B. anzuführen,
dass im Amte Waldmünchen die Sterblichkeit auf 100,000 Lebende
8eit 1890 von 428 auf 135 gefallen, im nicht sehr entfernten Amte
Kemnath in der gleichen Zeit von 30 auf 263 gestiegen ist. Ebenso
auffallend ist gegenüber dem Vorjahre der Unterschied in dem
unterfränkischen Bezirk Ebern und der Stadt Würzburg. Während
dort ein Rückgang von 254 auf 42 zu verzeichnen ist, findet sich
in der Stadt Würzburg eine Steigerung von 416 auf 532.
Dass selbst in einem sanitätspolizeilich gewissenhaft verwalteten
Staate grobe Unterlassungen Vorkommen, beweist die Mittheilung,
dass in Unterfranken 36 Sterbefälle an Meningitis cerebro spinalis
angezeigt, aber nur 26 Erkrankungen gemeldet wurden.
Ueberhaupt decken die Berichte unnacnsichtlich sanitäre
Mängel auf. Gegen Lebensmittelverfälschungen wird mit Ent
8chiedenheit anhaltend vorgegangen; wie nöthig dies sei, zeigen
z. B. Butterverfälschungen mit ausserordentlich hohem Wassergehalt
bis zu 41,7 Proc. Gegen die Verunreinigungen-des Bodens[möchte man
dagegen vielfach ein weniger rücksichtsvolles Vorgehen wünschen.
ie Gonsequenz dürfte verlangen, dass, wenn grossartige Summen
in unseren Städten für Canäle ausgegeben werden, es dann hin¬
wieder nicht Einzelnen erlaubt bleibe, nicht nur durch durchlässige
Abtritte, sondern auch in Ställen, selbst in Ställen in Kellern,
durch die Abgänge von Säugethieren und Geflügel den Bodep un¬
gestört weiter zu verunreinigen. Es ist darum schon als Fortschritt
zu begrüssen, dass in der Stadt Regensburg wenigstens «das gewerbs¬
mässige Halten von Geflügel in den Kellern, das zur Bodenver¬
unreinigung und Verschlechterung der Luft in den betreffenden
Häusern Veranlassung gab», nunmehr auf amtsärztliche Anregung
nach ortspolizeilicher Vorschrift von besonderer magistratischer Ge¬
nehmigung abhängig ist. Dagegen ist es wahrlich kein Ruhm, dass
in der Stadt Schweinfurt die bereits vom Magistrat als dringend
nothwendig erkannte Verbesserung der notorisch schlechten Trink-
und Nutzwasserverhältni8se noch immer an dem Widerstand der
Gemeinde-Collegien scheitert, welcher damit raotivirt wird, dass bis¬
her durch den Genuss und Gebrauch des Wassers noch keine üblen
Folgen entstanden seien; auch nioht, dass die Stadt Schongau es
abgelehnt hat, die Beseitigung undichter Dunggruben vorzunehmen.
Am Schlüsse ist dem diesjährigen Bande eine ausführliche
Darstellung der Influenza-Epidemie von 1893/94 und eine Zusammen¬
stellung der Milzbranderkrankungen in Bayern beigefügt, soweit
diese in den letzten 40 Jahren bekannt geworden sind
Möge es dem Referenten erlaubt sein, einige Bemerkungen bei¬
zufügen. Ueberzeugt von dem grossen Nutzen der medicinischen
Statistik, möchte er doch darauf aufmerksam machen, dass auch
auf ihrem Gebiete das Bessere bisweilen der Feind des Guten ist
und er möchte sich der ßezirksärzte annehmen, umsomehr, als er
nicht pro domo spricht. Könnte diesen nicht manche Arbeit erlassen
werden, welche theils, wie die Zusammenstellung der Geburten, der
Haltekinder, auch von Nichtärzten besorgt, theils überhaupt ohne
nennenswerthen Schaden erlassen werden könnte, wie die Jahr für
Jahr verlangte Berechnung der verschiedenen Arten geburtshilflicher
Operationen oder der Zahlen der verschiedenen ausgeführten Amts¬
geschäfte? Die genaueren Angaben über Selbstmorde und Unglücks¬
fälle könnten von den Gemeinden direct an das Bezirksamt oder
das statistische Bureau eingesandt werden, ohne dass die Bezirks¬
ärzte besondere Listen für diese anfertigen müssten. Unter den
jetzigen Verhältnissen, da der Amtsarzt seine zahlreichen statistischen
Arbeiten neben den vielen sonstigen, gerade nach Neujahr sich
häufenden Geschäften in der Zeit bis etwa Mitte März erledigen
muss, wird auch der gewissenhafteste unzweifelhaft dazu kommen,
weniger auf gute, als auf schnelle Erledigung hinzuarbeiten
Es ist erfreulich, dass vor Kurzem den Bezirksärzten die jähr¬
lichen Berichte über die Pfuscher erlassen worden sind; möchte man
auf diesem Wege fortschreiten und neben den neu sich aufdrungen-
den Fragen und neben den neuen Hilfsmitteln, wie den Mittheilungen
der Krankenkassen, auf die fortgesetzte Bearbeitung weniger dringen¬
der Fragen verzichten. Dann würde den Amtsärzten grössere Ruhe
und Befriedigung bei ihren Arbeiten zu Theil, dann würde bei ihnen
und den anderen Aerzten der Sinn und die Freude für statistische
Arbeiten geweckt und wenn endlich einmal auch die bayerische
Post sich herbeilassen würde, alle ärztlichen Krankheitsmeldungen
umsonst zu befördern (in der Schweiz erhält der Arzt für eine aus¬
gestellte Diphtherie-Zählkarte noch 1 Franken Honorar!), dann
würde die so wichtige Morbiditätsstatistik viel mehr Mitarbeiter
finden und werthvollere Resultate liefern.
Das statistische Bureau selbst dürfte vielleicht auf die zeit¬
raubende Bearbeitung vieler Details ohne Schaden verzichten, so
auf die über die Zwillingsschwangerschaften, die Selbstmorde, z. B.
bezüglich des Ortes der Verübung derselben, auf viele Details der
Irrenhausstatistik.
Dagegen möchte Referent noch darauf hinweisen, dass viele
Weitläufigkeiten und Ungenauigkeiten bei Ausführung der ge¬
fürchteten Tabellen lila und b vermieden würden, wenn für jeden
Selbstmord, jeden Unglücksfall und Mord ein besonderer Leichen¬
schauschein, auch nach Eilaubniss der Beerdigung durch die zu¬
ständige Gerichtsbehörde, wie für jeden anderen Todesfall obligatorisch
ausgestellt werden müsste, während der Bearbeiter der Sterblich-
keitstabellen diesen jetzt oft, und zwar meist zu spät, vermisst.
Die Leichenschauscheine sollen doch in erster Linie nicht der Justiz,
zur Verhütung von Verbrechen, sondern, was viel wichtiger ist,
der öffentlichen Gesundheitspflege zur Erkennung der sanitären
Verhältnisse dienen. Kolb-Kaiserslautern.
Sanitätsbericht über die kgl. bayerische Armee
für die Zeit vom 1. April 1891 bis Bl. März 1893,
bearbeitet von der Medicinalabtheiluug des kgl. bayer. Kriegs-
ministeriuius. Mit 3 Abbildungen und 5 graphischen Darstellungen.
München 1896.
Die beiden Berichtjahre weisen 1 17 792 Neuer krank ungen
auf, um 101,5 °/oo weniger als die RapjKirtjahre 1889/90 und
1890/91- Der durchschnittliche tägliche Krankenstand beträgt
4 1‘roc. der Garnisonsstärke, die Rehandlungsdauer des Dureh-
schnittskranken 12 Tage. Die Erkrankungsformen sind nach dem
bekannten Schema in 14 Gruppen getheilt. Wir entnehmen ein¬
zelnen Gruppen Folgendes:
Allgemeine Erkrankungen. Echte oder modificirte Pocken
wurden nicht beobachtet, ebenso kamen weder Epidemien von
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480
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Scharlach noch von Typhus oder Genickstarre vor. An Gelenk¬
rheumatismus erkrankten 1682 Mann. 30 Proc. des Zugangs hatten
Gelenkrheumatismus bereits vor dem Diensteintritte. Es bildet
dieser Umstand eine dringende Aufforderung, bei der Musterung
der Rekruten kurz vor ihrem Eintritte bei ihren Truppentbeilen die¬
jenigen vom Dienste in der Front auszuscbliesseu, welche erwiesener-
massen im Civilleben einen acuten schweren Gelenkrheumatismus
schon durchgemacht haben. Vergleichende Zusammenstellungen mit
den übrigen Corps der deutschen Armee ergeben, dass insbesondere
die westlichen und südwestlichen Corps darunter zu leiden haben.
Interessante Abhandlungen und Vorträge von Generalstabsarzt
Dr. Vogl cUeber die Körperwärme und die Therapie in den ver¬
schiedenen Stadien der Cholera», sowie «Ueber den Hitzschlag bei
den Truppentheilen» sind der Gruppe beigegeben.
Krankheiten des Nervensystems. Die Frequenz der
Geisteskrankheiten in der bayerischen Armee ist in den letzten
20 Jahren in stetem Ansteigen. Die ungünstigste Krankheitsziffer
hat das Jahr 1801/92, dieselbe ist fünfmal so gross als die des
günstigsten Jahrganges 1876/76 (0,82 gegen 0,16 u /oo)
Krankheiten der Athmungsorgane. Während die Mor¬
biditätsziffer der Pneumonie ganz bedeutend gesunken ist, ist die
Mortalität annähernd die gleiche geblieben, wie in den Vorjahren.
Operationen am Thorax wegen Ergüsse wurden 79 vorgenommen
und zwar 36 Punctionen, 19 Schnitte, 24 Rippenresectionen mit einer
Gesammtmortalität von 20 Proc. Die Morbiditätsziffer der Lungon-
Schwindsucht ist gegen die Vorjahre um l°/oo zurückgegangen.
Krankheiten der Ernilhrungsorgane. Dieser Gruppe
ist eine interessante Abhandlung über Ernährungsverhältnisse der
Mannschaften beigegeben. Die Nübrwerthbestimmungen und Wochen¬
speisezettel lassen erkennen, dass sowohl von Seiten der obersten
Militärbehörde, als auch Seitens der Truppentheile der wichtigen
Frage der Ernährung des Soldaten grösstmöglichstc Aufmerksamkeit
zugewendet wird. In Folge zweckmässiger Abwechslung des Speise¬
zettels wurde die Menage mit Appetit genossen, um so mehr, als
die Küchenzettel den nationalen Eigentluimlichkeiten möglichst
Rechnung tragen
Jm August 1892 rief eine plötzlich auftretende Epidemie von
Brechdurchfall Massenerkrankungen in der Garnison Dieuze hervor.
In allen Fällen (210) trat meist nach wenigen Tagen Genesung auf.
Augenkrankheiten. Wegen contagiöser Erkrankung traten
112 Mann in Behandlung und zwar 102 wegen granulirender, 10
wegen blennorrhoischer Bindehautentzündung. Diese äusserst hohe
Zugangsziffer ist in Epidemien begründet, welche in Garnisonen der
Pfalz und von Eisass-Lothringen vorkamen. Ueber einen sehr seltenen
Fall einer atypischen, angebornen Regenbogenhautspalte (Coloboma
iridis) berichtet Oberstabsarzt Dr. 8eggel in eingehender Weise.
Augenoperationen verschiedenster Art wurden 57, fast sämmtliche
von Oberstabsarzt Dr. Seggel vorgenommen
Ohrenkrankheiten. Die Zahl der Ohrenkranken ist auch
in diesen Berichtjahren gewachsen. Der Wilde'sche Schnitt musste
9 mal, die Eröffnung der Zellen des Warzenfortsatzes durch Auf-
meisseln des Knochenmantels 6mal (Oberstabsarzt Dr. Hummel)
vorgenommen werden.
Mechanische Verletzungen. Die Moibidität auch dieser
Gruppe weist ein Anwachsen des Zuganges auf In der Operations¬
tabelle sind 17 grössere operative Eingriffe, zumeist aus der chirur¬
gischen Abtheilung des Garnisonslazarethes München, darunter eine
Resection nach Mikulicz-Wladimiroff und 6 Trepanationen aufgeführt.
Sc hu 88 Verletzungen überhaupt in und aueser militärärzt¬
licher Behandlung — einschliesslich der Selbstmorde und Unglücks¬
fälle — kamen 155 vor. Interessant ist, dass auch dieser Bericht
(gleich dem preussischen und österreichischen Berichten) einen Fall
von Tetanus verzeichnet, nach einer Schutzverletzung mit einer
Platzpatrone.
Die Mortalitätsziffer für die gesammte Berichtsperiode
(2,17°/oo der Behandelten und 2,37 °/oo der Iststärke) sowie für die
einzelnen Jahre sind fast die gleichen wie in den Vorjahren. Der
anderweitige Abgang (57,44°/oo der Behandelten, 62,74°/oo der
Iststärke) hat im Vergleiche mit dem letzten Berichtszeiträume
(z. B. 1889/91 42,36°/oo der Behandelten, 51,42°/oo der Armee-Iststärke),
in welchem durch besondere Umstände (Grippe-Epidemien, Tubercu-
lin-Frage) eine unverhältnissmässige Zunahme zu constatiren war,
noch weiter zugenommen. Die Erklärung für diese Thatsache dürfte
in dem Umstande zu suchen sein, dass die Grippe-Pandemie von
1889/90 auch in der Berichtsperiode 1891/93 noch eine Menge Ab¬
gänge bewirkte, während ausserdem 1891/92 eine neue Grippe-
Epidemie herrschte.
Der Raum, welcher diesem Referate gegeben ist, erlaubt es
leider nicht, auf die vielen interessanten Einzelheiten des Berichtes
einzugehen, ich verweise diesbezüglich auf das Original, insbe¬
sondere aber auf die werthvollen, fast jeder Krankheitsgruppe
beigegebenen, vergleichenden Tabellen der preussischen, öster¬
reichischen, italienischen . französischen , englischen, belgischen,
holländischen und spanischen Armee.
Der vorliegende Bericht sehliesst sich in Bezug auf Beich-
haltigkcit des Materiales und Sorgfältigkeit der Bearbeitung eben¬
bürtig den Vorausgegangenen an. S.
36. Jahresbericht des Landes-Medicinal-Collegiuois
über das Medicinalwcsen im Königreiche Sachsen anf
das Jahr 1804. L< ‘ipzig 1895.
Wie im vorigen Jahre möchten wir auch in diesem Jahre
die Aufmerksamkeit auf diese sehr eingehenden Berichte lenken,
wenn dieselben auch weniger ausführlich den Zustand der Gesutid-
heitsverhältnisso des Landes, als die Sanitäts-Verwaltung behandeln.
Die Darstellung der einzelnen Maassnahmen zur Beseitigung von
Missständen und zur Pflege der öffentlichen Gesundheit ist um
so lehrreicher, als cs sich um ein hervorragend dicht bevölkertes
und gewerbreiches Land handelt, welches dadurch entsprechende
Eigentümlichkeiten bietet. Es sei hier auf die- Abschnitte ü!>cr
Reinhaltung von Boden, Wasser und Luft, darin namentlich auf
die Mittheilungen über den Betrieb der grossen Leipziger Dünger-
Export-Gesellschaft, Fäcalienverdauipfung, Kläranlagen für die
Leipziger Schleussonwasser und Abwasser von Fabriken hingewiesen.
Sehr lesenswert sind ferner die Untersuchungen über Heizung
und Lüftung iu den Dresdener Schulen, den nach Zeit und Ort
wechselnden Kohlensäure-Gehalt der Luft in den Dresdener Strassen,
die Mitteilungen über Bleivergiftung im Schulhause zu Wald und
über die Zahl der epileptischen Schulkinder. Die letzteren sind
in den Städten häufiger, als auf dem Lande; ihre Zahl hat aber
im Ganzen in den letzten 5 Jahren abgeuommeu.
Eine bemerkenswerte Angabe findet sich S. 76, nämlich
dass die Sterbeziffer der Invalidenrentncr in den letzten 3—4
Jahren 29,0 I'roc., die der Altersrentner nur 16,1 Proc. betragen
hat. Obwohl die Art der Berechnung nicht ganz klar und zweck¬
mässig erscheint, dürfte doch daraus hervorgehen, dass man bei Er¬
teilung der Invalidenrente im Ganzen strenge Anforderungen stellt.
Zum Schlüsse sei nur noch kurz über die Sterblichkeit im
Jahre 1894 berichtet. Sie war mit 23,5 pro mille die geringste
bisher beobachtete und dieses günstige Verhältnis« bleibt auch,
wenn man nur die über ein Jahr alte Bevölkerung berücksichtigt,
ln den grösseren Städten mit über 8000 Einwohnern betrug die Sterb¬
lichkeit gar nur 21,8 pro mille; sic ist hier bedeutend kleiner,
als in den kleineren Städten und auf dem Lande, ein Verhältnis«,
welches theilwcisc von der verschiedenen Verthcilung der Alters¬
klassen herrühren mag, zu einem Theile aber gewiss der öffent¬
lichen Gesundheitspflege zuzusehreibeti sein wird. Kolb.
Ueber Hemeralopie, speciell acute idiopathische
Hemeralopie von Dr. Hans Krienes, Stabsarzt. Mit
7 Tafeln und 17 Textabbildungen. Wiesbaden, J. F. Bergmann.
Im vorliegenden Buch hat Verfasser auf Grund genau
beobachteter und eingehend dargestellter Krankheitsfälle seine
Anschauungen über das Wesen und die Ursachen der Hemeralopie
entwickelt und kommt zu folgenden wob (begründeten Schlüssen :
Die nähere Ursache der acuten Hemeralopie ist zu suchen
in einer Gleichgewichtsstörung zwischen Dissimilirung und Assiini-
lirung der Schstoffc, und da man unter der Befähigung, sich in
diesem Gleichgewichtszustand zu erhalten bezw. sich in ihn zu
versetzen, nach Hering die Adaption versteht, so liegt das Wesen
der Hemeralopie in einer Störung der Adaption. Fasst man diese
als einen Vorgang auf, welcher das Auge befähigt, seine Functionen
dem herrschenden Hclligkcitsgrade anzupassen, so deckt sie sich
mit dem Begriff der Assimilirung, d. h. der Restitution des durch
den Vorgang der Dissimulirung angegriffenen Sehstoffvorrathcs.
Im hemcralopischen Auge ist also die Seil wer thproduction ver¬
langsamt.
Die II. ist nun entweder ein angeborener Zustand und
dann genügen schon geringe Blcndungsursacbcn beziehungsweise
geringe Helligkeitsgrade, um den Gleichgewichtszustand zwischen
Assimilirung und Dissimulirung zu stören, oder ein erworbener,
im Gefolge allgemeiner Ernährungsstörung, einer Organerkrankung
etc. etc. Blendung und Ernährungsstörung sind also die Ursachen
der II., indem sie derartig mit einander Hand in Hand gehen,
dass man nur, wenn eine der beiden ganz excessiv ausgesprochen
und daneben die andere zurücktritt oder ganz ausgeschlossen ist,
von einer reinen Blendungshcmcralopic oder in einzelnen hüllen
von einer Hemeralopie durch Ernährungsstörung wird sprechen
können.
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19. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Id diesem Sinne ist als Blendungshemeralopie die durch
Sonnen- und Schnceblendung, ferner l>ei Feuerarbeitern beziehungs¬
weise bei Bergleuten auftretende aufzufassen, während zur zweiten
Kategorie die nach längerem Fasten, ungeeigneter und mangel¬
hafter Ernährung in Arbeits-, Waisenhäusern und Gefängnissen,
bei mangelnder Nachtruhe, nach schwächenden Krankheiten, bei
eonstitutioncllen und dyskrasisehen Leiden — wobei wohl den
Lebererkraukungen etwas grössere Beachtung zu schenken gewesen
wäre — beobachtete H. gehört.
Eine besondere Erklärung gibt Verf. für die bei Soldaten
nicht selten auftretende acute H., ohne dass schlechte Ernährung
oder außergewöhnliche Blendung als Ursachen anzuschuldigen
wären. Er sieht nämlich hier mit Recht als Ursache die straffe
Haltung an, bei welcher dem künstlich festgehaltenen Auge die
gewöhnlichen Erholungsmomente fehlen , indem weder durch
Blinzeln, noch durch Bewegung des Auges den exponirten Netz¬
hautstellen eine Erholung gewährt wird. Als weitere Ursache
zieht Verfasser auch die enge Halsbckleidung an, welche durch
Blutstauung gleich einem auf das Auge ausgeübten und die Er¬
nährung der äusseren Netzhautschichten störenden Druck wirkt.
Das grösste Interesse an der K.'sehen Arbeit bietet nun die
Mittheilung des ophthalmoskopischen Befundes, durch welchen in
25 von 29 Fällen idiopathischer II. ein mehr oder weniger ausge¬
sprochener Mangel des retinalen Pigmentes und damit eine anato¬
mische Disposition zu II. nachgewiesen wird. Diese Piguient-
ariuuth kann angeboren sein, sie kann in Folge localer resp. all¬
gemeiner Erkrankungen erworben worden. Als Repräsentant des
angeborenen Pigmentmangcls gilt der Albinismus, als erworbener
in Folge localer Erkrankung ist die im Gefolge von Senesceuz,
progressiver Myopie, dann bei Chorioiditis disseminata und Retinitis
pigmentosa auftreteude II. anzusehen.
Noch einen weiteren interessanten ophthalmoskopischen Befund
berichtet uns Verfasser, nämlich ein nach vorausgegangener intensiver
Blendung aufgetretenes circumpapilläres Nctzhautödeui, welches
besonders auf der temporalen Seite ausgesprochen war und sieh
bis in die macula lutea erstreckte. Die Netzhauttrübung begleitete
die grossen Gefässc auch noch in Form weisser Streifen, die Venen
erschienen entschieden stärker gefüllt, als dies bei einer späteren
Untersuchung der Fall war. Verfasser ist geneigt, diesen in
4 Fällen beobachteten Befund als directe Folge der Blendung
anzusehen und meint, dass derselbe viel häutiger eonstatirt werden
würde, wenn er nicht ein so rasch vorübergehender wäre.
Die höchst bcachtensw'crthc Schrift von Kricnes stimmt
in den Grundansehauungen viefach mit der in No. 6 dieser
Wochenschrift besprochenen und im gleichen Verlage erschienenen
Arbeit von Wilbrand: «Die Erholungsausdehnung des Ge¬
sichtsfeldes unter normalen und pathologischen Bedingungen >■ über¬
ein, so zwar, dass beide Arbeiten sich zu einer ziemlich er¬
schöpfenden und klärenden Darstellung ergänzen. Während W.
mehr das nervöse Auge berücksichtigt und die Hemeralopie nur
anhangsweise bespricht, kommt K. auf erster« nur gelegentlich zu
sprechen, hebt aber ganz bedeutsam hervor, dass die Störungen,
welche der Hemeralopie zukommen, nämlich: die Herabsetzung der
centralen Sehschärfe, die flüchtigen paracentralen Skotome, das
Verschwinden des Fixationsobjectes, der Verschiebungstypus und
die Einengung des Gesichtsfeldes, besonders der Blaugrenzen, Er-
uiüdungssymptome sind, welche wir in gleicher Weise bei der
Anaesthesia retinae vorfinden. K. hätte noch hinzufügen können,
dass auch die Herabsetzung der Lichtempfindlichkeit und die —
allerdings nicht so eonstante — paradoxe Erscheinung der an¬
scheinenden Ucberempfindlichkeit gegen Licht (Nvctalopie) zu diesen
gemeinsamen Symptomen gehören.
Bei dieser Gemeinsamkeit der Symptome und nachdem Wil¬
brand mit guter Begründung den Symptomencomplex der nervösen
Asthenopie, soweit er sich auf die gestörte Lichtempfindlichkeit
bezw. Adaption bezieht, zunächst in die äussere Netzhautscliicht
verlegt, gewinnen die ophthalmoskopischen Befunde K.’s grosse
Bedeutung für die Hemeralopie. Es wäre also bei letzterer die
Störung in den äusseren Retinalschichten selbst, bei der nervösen
Asthenopie in den centrifugalen optischen Nervenbahnen, welche
die Stoffwechsel Vorgänge in eben dieser äusseren Netzhautschicht
analog den Drüsennerven beeinflussen, zu suchen.
Die Krienes’sche Arbeit ist ebenso wie die Wilbrand sche
von der rühmlichst bekannten Verlagsbuchhandlung vorzüglich, ins¬
besondere auch in Bezug auf die Anforderungen der Augen hygienc
an einen guten grossen Druck und gutes Papier ausgestattet worden.
Seg gel.
Prof. Dr. L. Holländer: Das Füllen der Zähne.
III. neu bearbeitete Auflage. 200 Seiten. Leipzig, bei Arthur
Felix 1896.
Eine kurze und gute Anleitung im Füllen cariüser Zähne.
Sie macht uns bekannt mit dem hauptsächlichsten Instrumentarium
und seiner Handhabung, der Vorbereitung cariöser Höhlen zur
Aufnahme der Füllung, mit den gebräuchlichsten Küllungsinaterialien
und deren Anwendung bei den verschiedenartigsten Defecten. Das
Capitol über die Behandlung erkrankter oder verletzter Pulpen
dürfte nicht allgemein Anklang finden. Die Darstellung des ganzen
Gebietes ist klar und deutlich, so dass der Anfänger reiche Unter¬
stützung und der. welcher nur wenig praktische Erfahrung im
Plombiren hat, leicht Rath und Hilfe finden kann; dosshalb sei
das Buch, bei dem mit Recht sich steigernden Bedürfnisse nach
Conservirung der Zähne, auch dem praktischen Arzte angelegent¬
lichst zum Studium empfohlen. B r u ha e her - München.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. 30. Band, 1. und 2. Heft.
1) Strübing-Greifswald: Ueber Neurosen der Athmung
(Spanopnoe und Thachypnoe).
Verfasser bespricht 2 Neurosen der Athmung und theilt hiezu
4 selbstbeobachtete Fälle mit. In den beiden ersten von diesen
handelte es sich um die «Spanopnoe» (von f, onavis, die Seltenheit),
eine anfallsweiae auftretende Verlangsam ung und Vertief ung
der Athmung, welche wie bei dem ersten Falle sich bis zur Orthopnoe
steigern kann und mit dem Gefühl der Dyspnoe und Angst ver¬
bunden ist. Die Spanopnoe ist nach Verfasser als eine Hemmungs¬
neurose zu betrachten, welche bei Fall I durch Reizung der ath-
mungshemmenden Fasern des N. laryng. super, in Folge
des Schluckactes, bei Fall II als Pseudoasthma durch die Reizung
der Trigeminusendigungen in der Nase in Folge eines chronischen
Nasenleidens ausgelöst wurde. Die zweite Form, die Tachypnoe,
durch Zunahme der Frequenz und Abnahme der Tiefe
der Atbemzüge gekennzeichnet und ebenfalls anfallsweise auf¬
tretend, war bei Fall III und IV zu beobachten. Sie wurde bei
Fall III durch ein Uterinleiden hervorgerufen, nach dessen Beseitigung
die Anfälle sistirten, und bei Fall IV war sie auf dem Boden all¬
gemeiner Nervosität entstanden. Zum Schlüsse erwähnt Verfasser
noch andere Neurosen der Athmung, die Krämpfe der Inspirations¬
und Exspirationsmuskeln und den Spasmus glottidis und geht auf
die in der Literatur beschriebenen Fälle ein, welche den beiden
ersten ähnliche Bilder zeigen.
2) R. Sievers: Balantidium coli, Megastoma entericum
und Bothriocephalus latus bei derselben Person. (Aus dem
städtischen Krankenhaus in Helsingfors.)
Verfasser theilt die Krankengeschichte eines 19jähr. Gärtners
mit, der gleichzeitig an den oben genannten 3 Darmparasiten litt.
Durch die Abtreibung zweier Bothriocephalen durch Extr. filic. und
durch Arsenik wurde die starke Anämie beseitigt, hierauf durch
Chininklystiere (15,0 Chinin sulfnr. auf 1500,0 Wasser) nach vor¬
hergehender Vorbereitung des Darmes durch Wasser- und Emser-
salzklystiere (15,0 auf 1500,0 Wasser) die Balantidien auszurotten
versucht, was nicht vollkommen gelang, da der Patient nach drei¬
wöchentlicher Cur das Krankenhaus verliess; die Megastomen wurden
durch die CliininbehandluDg nicht vermindert.
3) D. Gerhardt: Ueber inspiratorische Einziehungen am
Thorax. (Aus der med. Klinik zu Strassburg.)
Inspiratorische Einziehung in den unteren Theilen der Brust¬
wand kommt durch die Contraction des Zwerchfells nach Duchenne
bei sonst normaler Beschaffenheit der Athemwege zu Stande, wenn
die Bauchorgane, speciell die Leber, dem Zwerchfell nicht mehr
dicht anliegen oder wenn ein Heben der unteren Rippen nicht
möglich ist. Verfasser beobachtete nun bei Frauen mit Enteroptose
Auftreten von inspiratorischen Einziehungen durch Phrenicusreizung.
Ferner sind inspiratorische Einziehungen häufig zu beobachten bei
Emphysem, Skoliose und wenn durch Volumszunahme des Unter¬
leibs die unteren Rippen nach oben und auseinander gedräDgt
werden, und ist sie dann durch die Unmöglichkeit, die unteren
Rippen zu heben, zu erklären.
4) O. T h i e 1 e und O. N e h r i n g: Untersuchungen des respira¬
torischen Gaswechsels unter dem Einflüsse von Thyreoidea-
Präparaten und bei anämischen Zuständen des Menschen. (Aus
der I. med. Klinik Leyden's in Berlin.)
Die Verfasser, welche die älteren diesbezüglichen Untersuchungen
nicht berücksichtigen, suchten mit dem Zuntz Geppert'schen Apparate
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Googfe
Münchener me picinische W ochenschrift.
No. 20.
einen Einblick in den T sfe re Ä a ei? 1 Steigerung der
anämischen Zuständen zi g während die COj-Aus-
O-Aufnahme nach T '^hwank mcen zeigte, und schliessen dem-
scheidung beträchtliche Schwankt_§ tionB | roces8e . Bei Chlorosen
nach auf eine Steigerung 0 ‘J.Aufnahme, bei schweren secun-
fanden sie normale Grös B e der u A hoidalblutunge n und
dären Anämien in Folge von Abon n 0 Aufnahme
Blutungen durch Ulcus ventne e^ne ^e'gerung rigch
— <>“ -■
- c„ r
raeduUaHsfnebst jiifferenüald^agnostiact^en
mit, bei welchem in , tol f® e ' ibili tllt ; n allen Qualitäten sym-
Kreuz Herabsetzung der dev Regfo glutaea und der
metrisch über dem Kreuzbein der Keg.o g (les
inneren Hälfte der Hinterseite der Ubers ^ Je8
^sssssss
Sacralnervenwurzeln und des St “ Zur Differ entialdiug.iose
iifeflliiiil
dcr die Wichtigkeit der centri-
' c .
8) J. Epstein: Blutbefunde bei metastatischer Carcinose
068 ^Ye^asse^bes^irfcht^n 8 Blutbefünd einer Patientin, bei welcher
rothe Blutkörperchen, zahlreiche Megaloblasteni m.1. den
lichsten Kernformen, durch Zerfall der Kerne bedingt, starke loiy
cSomatophiheder Erytlirocyten; die Leukocyten sJ*
namentlich viele grosse mononucleäre Formen mit iieutropnuer
Granulation, Markzellen, und äusserst wenige eosinophile Leukocyten.
Diese Leuköcytose ist nach dem Verfasser nicht alten aus dem Be¬
stehen eines Carcinoma an sich, sondern aus der Betheiligung des
Knochenmarkes zu erklären, in welchem es, wie Fälle der Litera ur
fe^en zu ehSr atypischen’Wucherung des blutbildenden Gewebes
kommen^anm^n; Acute MyeUtig und Syphilis. (Aus der HL
mediciniscben Klinik und Poliklinik Senators in Berlin.I
Im Anschluss an den klinischen und anatomischen Befund bei
einem 41 jährigen Tischler, welcher an einer Myelitis auf syphilitischer
Basis zu Grunde ging, bespricht Verfasser die bisher veröffentlichten
einschlägigen Fälle, und geht auf die klinischen und anatomischen
Besonderheiten der syphilitischen Myelitis °f. her .® m w , , ,
Hiernach ist der syphilitischen Myelitis ein Wechsel der
Symptome, ein remitlirender Verlauf eigentümlich, ferner ist her¬
vorzuheben die starke Incongruenz zwischen den Motilitäts-
und Sensibilitätsstörungen und das regelmässige Vorhandensem emes
Prodromalstadiums, das sich von dem bei acuter nicht luetischer
Myelitis durch Folgendes unterscheidet: Es dauert in der Kegel
längere Zeit, mehrere Monate, sogar Jahre. Die Symptome sind
sehr wechselnd, kommen und verschwinden wieder und haben an
Stellen ihren anatomischen Sitz, an denen späterhin der eigentliche
myelitische Herd sich nicht entwickelt. Die Blasen- und Mastdarm¬
störungen treten häufig schon im Prodromalstadium auf, die Pate Ihm
reflexe zeigen ein schwankendes Verhalten, sind bald erhöht, bald
abgeschwächt oder fehlen, kehren plötzlich wieder oder verschwinden
plötzlich. Das Prodromalstadium entspricht dem von Oppenheim
beschriebenen Bilde der Syphilis des Centralnervensystems oder der
von Erb beschriebenen syphilitischen Spinalparalyse. . . (
Histologisch ist die Myelitis auf luetischer Basis charaktensirt
durch die Veränderungen der Gefässe, namentlich der Menmgeal-
gefässe Letztere sind in grosser Ausdehnung durch Wucherung der
Intima hochgradig verengt und stellenweise ganz, verschlossen,
während innerhalb des Rückenmarkes auch prall gefüllte Gefasse
zu sehen sind. Diese Veränderungen sind innerhalb des ganzen
Rückenmarkes vorhanden und an der Stelle des eigentlichen mye-
, TT am stärksten- sie bedingen eine Ernährungsstörung
litischen Herdes am ist J®“.' h und klinisch als acute Myelitis zu
welche banii z-u dem b t » W as die Zeit zwischen dem Auf-
bezeiehnenden Proces fü ^ ^ def lueti8 chen Secuudär-
treten der Pr0 ^°“ al ® rs schwa nkt dieselbe von einigen Tagen bis
erschemungen anlangt Jahren Die Prognose ist nicht
zu mehreren (in einem Falle 11) Janren. s
absoteUnfaust^u^teHen. Beri^: ^ klinische Anwendung
der jodsauren Ve*M“dungenj Erfolge mit der Anwendung des
Verfasser berichtet über semei zinks> Quecksilber-
jodsauren hat.rmms, L th. ^ Chi ’ nin8( Strychnins Codeins, Hyos-
oxyds und oxyduls, aesj Bronchitis, bei Asthma und bei
«ns und Atropins. Bei ch nwendun g des jodsauren Natriums
Emphysem war die ™ e h jA h bei Rheumatischen Affectionen
SSrferrsÄS
astbmaticum und Anthidroticum in l die < > . > _ « «nc Bub .
Lösung als Mydriaticum brauchbar.
der Alloxurkörper, besonders der *»djm München.
Schrumpfniere.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 19.
E. Freund und S. Grosz: Ueber d/e Beziehung« von
Albumosen zur passiven Immumsirung. (Aus
anstalt «Rudolfstiftung» in Wien ) da8B die
Aus den Versuchen der Verfasser geht hervor, aas
Albumosen bereits in relativ geringen Mengen «jj“
Antitoxinen analoge Wirkungen zu entfalten verm g • jJ ilgerum
stehen sie bezüglich ihrer Concentration noch we.t vom n
ab. Damit stehen die jüngst veröffentlichten Re , 8 *" ta ^ nb ° tberie8 erum
und Boas in Einklang, welche ander aus dem
isolirten wirksamen Substanz keinerlei Eiweiss- u ^ Z j nn -Berlin,
nachweisen konnten.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 19.
Dr. A. Henle: Ein Fall von ischämischer Contracturer
Handbeugemuskeln geheilt durch Verkürzung der Vordera
^iKheilung eine. Falle. (9 jäh,
bei dem im Gefolge einer im ?ypsverband behandelten U)na
fractur Beugecontractur eintrat und das Vorhandenae 0 tion
u«S Radius" verbindenden Callus d e Vornahme einer Operation
sowieso erforderte. H. resecirte je IV* cm der Knochen 1*^
naht riss am Radius aus), normaler Heilungsverlauf.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 19.
1) Howard A. Kelly-Baltimore: Meine Arbeit über^d.e
Krankheiten der weiblichen Harnwege. Antwort
theilungen des Herrn Professor W. Rubeska. Angr iffe
Ruhig und sachlich gehaltene Erwiderung d l e 06 f D f urch
Rubeika's (siehe diese Wochenschrift 189b, No. 5,
die K. mit Heranziehung schriftlicher Zeugnisse amer “ den
Aerzte den Nachweis führt, dass die unter seinem £ a °j® n g V sein
Ureterenkatheter und seine Methode der Cystoskopie
geistiges Eigenthum sind. p _
2) G. K i r c h g ä s s e r - Bonn: Oophorectomia dexfra g^.
dysmenorrhoischer Beschwerden bei rudimentäre Adnexe,
cornis solidus und vollständigem Fehlen der hnke be .
I Der in der Ueberschrift hinreichend gekennzeichnet
| traf eine 35 jährige, in steriler Ehe lebende Frau. Die U
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19. Mai 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
488
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riß
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ergab eine blind endende Vagina. Bei der von Fritsch gemachten
Laparotomie fand sich als Ursache der dysmenorrhoischen Be¬
schwerden rechtsseitige Oophoritis und Perioophoritis. Heilung ohne
Störungen.
3) W. Rühl-Eibach: Casuistischer Beitrag zur reflec-
torlschen Wirkung des Operationstraumas auf Herz- und
Athmungsttaätigkeit (Shock).
Zwei Fälle schweren nervösen Shocks mit Asphyxie und Dys¬
pnoe, beide im Anschluss an Bauchoperationen, 1—2 Stunden nach
Erwachen aus der Narkose entstanden und durch eine Dosis Mor¬
phium sofort gehoben. R. deutet diesen Shock als Reflex des
Operationstraumas auf den Vagus, wodurch alle Symptome erklärt
seien. Jaf fd-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 19.
1) Maragliano-Genua: Latente und larvirte Tuberculose.
(Schluss folgt.)
2) Baumgärtner - Baden - Baden: Blasenfisteloperation,
7 Monate nach Durchbruch eines im ligam. latum liegenden
Abscesses in die Blase.
Verfasser beschreibt einen Fall, wo während eines typischen
Anfalles von Perityphlitis eine Perforation in die Blase (18»7) statt¬
fand. Seitdem mehrfache fieberhafte Recidive, 1890 Eiterabgang
per anum, aber nur vorübergehend. Im Mai 1894 Excision des
Wurmfortsatzes; dabei wurde ein intraligamentärer Tumor gefunden
und daraus Eiter mittelst Punction von der Vagina aus entleert
Trotz Drainirung des Abscessraumes erfolgt efortdauernd Eiterabgang
durch die Blase. Daher im October lb91 Operation der Blasen-
Abscessfistel, Ausgang in Heilung.
3) H. Gutzmann-Berlin: Die Photographie der Sprache
und ihre praktische Verwerthung. Cfr. das Referat über die
Sitzung der Berliner med. Gesellschaft am 18. Dezember 1S95 in
No. 52 dieser Wochenschrift vorigen Jahres.
4) A. Magnus-Levy-Berlin: Beiträge zum Stoffwechsel
bei Gicht
In ö ausführlichen Tabellen gibt Verfasser die Resultate seiner
Untersuchungen an, die sich zu kurzem Referate nicht eignen. In
seinen weiteren Ausführungen wendet sich M.-L. besonders geiren
die neuesten Angaben von Kolisch und stellt diesem gegenüber
folgende Sätze auf: 1) Die Zahlen, die Kolisch als Normalwe^the
für den Gesunden anführt, 260 mg Alloxnrkörper N, 210 Harnsäure-N
und 50 Alloxurbasen-N sind nicht allgemein gütig. In einer sehr
grossen Anzahl von Fällen liegen die entsprechenden Werthe weit
darüber, so hoch und noch höher wio bei Kolisch's Gichtkranken.
2) Die Alloxurkörper sind nicht ausnahmslos im Harn des Uratikers
stark vermehrt. 3) Im kachektischen Stadium der Gicht erreicht
die Alloxurbasen-N-Ausscheidung durchaus nicht stets im Verhältniss
zur Harnsäure auffallend hohe Werthe.
Dr. Grassmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 20.
Diese Nummer erscheint als Festnummer zur 100 jährigen
Gedenkfeier der ersten Ausführung der Schutzpockenimpfung durch
Edward Jenner am 14. Mai 1796
1) Pagel-Berlin: Edward Jenner, eine biographische Skizze.
2) G. Behren d-Berlin: Ueber Variolation, ein historischer
Rückblick aus der Vorgeschichte der Vaccination.
3) Werner: Die Schutzpockenimpfung in der preussischen
Armee.
4) Kühler-Berlin: Impfgegnerische Beweismittel. Kritik
und Widerlegung der von den Reichstagsabgeordneten Förster und
Reisshaus in der Sitzung vom 12. März 1. J. im Reichstag vor-
gebrachten Gründe zur Aufhebung des Impfzwanges.
5) G. Heimann-Berlin: Die Pockensterblichkeit inPreussen 1
wahrend der Jahre 1873—1894.
6; Witte-Barth: Zur Frage der Schutzpockenimpfung mit I
sterilen Instrumenten. 1
Nach Weichardt's Vorgang wird auch zu grösseren Impf¬
terminen die Anwendung bereits im Voraus sterilisirter Impfmesser
in entsprechend grosser Anzahl eindringlichst empfohlen.
7) K. Feusteil: Kurze Mittheilung aus der Praxis über
Eucasin. .
Die von Salkowski in No. 15 d. Wochenschr. gerühmten Vor¬
züge des Praeparates werden durch praktische Versuche bestätigt.
8) Gocht: Secundenaufnahmen mit Röntgenstrahlen. (Aus
der chirurgischen Abtheilung des Neuen allgemeinen Krankenhauses
in Hamburg-Eppendorf, Direotor: Kümmel.)
Die Herstellung guter Bilder hängt von der Güte der Röhren
ab. Die Expositionsdauer kann bis zu 3 Secunden abgekürzt werden,
wodurch die Schärfe der Bilder nur gewinnt, so dass nicht nur
Knochen, sondern auch Kapseln und Sehnen, sowie die Knochen-
structur genau unterschieden werden können. F. L.
Pädiatrie.
1) Firbas: Zur Klinik und Therapie der Schilddrüsen-
T^ un * en im Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik
- Escherich in Graz) Jahrbuch für Kinderheilkunde.
Bd. XLI. Heft 3 und 4.
Verfasser beschreibt 5 leichtere Fälle von Cretinismus und
Myxödem; bei zweien hievon konnte keine Schilddrüse palpirt
werden; namentlich diese beiden Fälle, aber anch die anderen drei,
wurden durch Schilddrüsenbehandlung gebessert. Weniger Erfolg
zeigte diese Therapie bei den in Steiermark ungemein häufigen
parenchymatösen Kropfformen. — Drei relativ seltene Fälle von
congenitalen Strumen, die bei 1 Tag, 6 Tage und 5 Monate alten
Kindern Respirationsstörungen gemacht hatten, wurden durch Jod¬
kalibehandlung, local und innerlich, auf's Günstigste beeinflusst.
2) Prof. A. Johannessen: Bemerkungen über die Be¬
handlung atrophischer Kinder in der Couveuse. (Aus der
pädiatrischen Universitätsklinik in Christiania.) — Ibid.
Nach ausführlicher Darstellung der Entwickelung der Wärme¬
apparate berichtet J. über die Erfahrungen an 10 Kindern, die von
2—110 Tagen in der Couveuse, deren Temperatur durchschnittlich
auf 30° C. eingestellt wurde, verbrachten; davon waren 6 zu früh
geboren, 7 luetisch, alle atrophisch. Meist stieg die Temperatur
nach der Einlegung, ebenso das Gewicht der Kinder; doch traten
meist später wieder Gewichtsverluste ein, wie überhaupt die Couveuse-
behandlung den gehegten Erwartungen nur mässig entspricht, zumal
es sich bei den der Couveuse bedürftigen oft um luetische Kinder
handelt.
3) S. Schön: Eine Beobachtung über familiäre cyklische
Albuminurie. — Ibid.
Dem einzigen von Heubner beschriebenem Fall von familiärer
cyklischer Albuminurie bei 3 Geschwistern fügt S. einen zweiten
bei. Er fand diese Anomalie bei einem 15jährigen Mädchen, welches
an Chlorose litt. Der Morgenharn war eiweissfrei, Vormittag und
Mittag trat Eiweiss auf um gegen Abend wieder aus dem Harn zu
verschwinden. Nach 10 tägiger Bettruhe und antichlorotischer Be¬
handlung blieb das Eiweiss 3 Tage aus, um nachher wieder in der
eben beschriebenen Weise zu erscheinen; Formelemente, Epithelien
und Cylinder, sowie sonstige Zeichen einer Nierenerkrankung fehlten
immer. Dasselbe Verhalten, tägliches periodisches Auftreten von
Eiweiss, zeigte der Harn der 13jährigen anämischen Schwester,
während 2 weitere Geschwister ganz eiweissfrei waren. — Der
spätere Verlauf konnte nicht weiter verfolgt werden.
4) F. Epstein: Die Anwendung der Gastrodiaphanie beim
Säugling. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Breslau. — Ibid.
E. nahm als erster die Durchleuchtung des Säuglingsmagens
vor. Ueber die Technik, Construction des Beleuchtungskörpers,
Aufzeichnung der Magengrenzen u. s. w. ist das Original nach Zu¬
sehen , welches auch eine Tafel enthält mit den sehr deutlichen
Bildern der Magengrösse und -Grenzen. Hervorgehoben sei nur,
dass die Einführung der Beleuchtungssonde keine Schwierigkeiten
macht, die Durchleuchtung durch die Bauch wand deutlich wahrzu¬
nehmen ist und am besten in halb sitzender Stellung geschieht;
durch die Section konnte auch öfters erwiesen werden, dass sie den
Magen in keiner Weise schädigt; ebenso konnten auch die in vivo
gefundenen Magengrenzen post mortem controlirt und als richtig
befunden werden Die 14 untersuchten Fälle waren im Alter von
4 Wochen bis l0'/2 Monaten: der Hauptwerth der Methode liegt
darin, beim Säugling eine Gastroectasie, bezw. eine Gastroptose
nachzuweisen. Denn die Clapotage und die Succussio sind diagnostisch
unsicher, ebenso die Magenpercussion, auch nach Aufblähen mit
mit Luft; die Aufblähung mit CO2 ist als schädlich für den Säug¬
ling zu widerrathen Für die Stellung der Diagnose auf Gastrectasie
ist die Lage des Nabels sowie des Processus ensiformis allein zu
schwankend, um verwerthet werden zu können; dagegen ist eine
Magenerweiterung sicher anzunehmen, wenn die grosse Curvatur
in Nabelhöhe steht und die linke seitliche Grenze des Magens die
linke mittlere Axillarlinie überschreitet. Aus E.'s Beobachtungen
geht hervor, «dass man bei solchen Säuglingen, die au einer ausge¬
sprochenen Dilatatio ventriculi leiden, eine ständige Körpergewichts¬
zunahme, zum Mindesten für die nüchsteu Wochen nicht erwarten
kann, vielmehr einer mehr oder minder raschen Körpergewichts-
abnahmc, eventuell sogar bis zum Exitus gewärtig sein muss. Sollten
weitere Versuche diesen Zusammenhang als constant erweisen, so
hätten wir an der Gastrodiaphanie ein nicht zu unterschätzendes
Hilfsmittel für die Stellung einer Prognose, welches auch bei der
Beurtheilung des Werthes der einzelnen für das gesunde und kranke
Kind empfohlenen Nährmittel beachtet werden müsste.
5) Prof. Ad. Czerny-Breslau: Zur Kenntniss des physio¬
logischen Schlafes. — Ibid.
Ein 1 Jahr 8 Monate altes Kind batte früher durch einen Fall
einen Schädelbruch erlitten und davon einen grossen Knochendefect
in der rechten Scheitelgegend behalten; derselbe ist leicht vorgewölbt,
fühlt sich prall-elastisch an und pulsirt; über dieser Stelle wurde
eine Kapsel befestigt und durch Luftübertragung die Gebirn-
pulsationen auf der röhrenden Trommel verzeichnet. Cz. fand im
wachen Zustand die Gehirnpulsationen abhängig von Körperbewegung
und geistiger Thätigkcit. Die weiteren Beobachtungen aber wider¬
legen die früheren Angaben Mosso's, denn mit Beginn des Ein¬
schlafens nahm die Höhe der Gehirnpulsationen sofort rapid zu;
das Maximum hiefür wird in der ersten halben Stunde des Schlafs,
also zur Zeit der grössten Schlaftiefe erreicht; mit abnehmender
Schlaftiefe nimmt auch die Höhe der Gehirnpulsation ab, bleibt
aber noch immer grösser als während absoluter Ruhe im wachen
Zustand. Ein Absinken findet auch bei spontanem oder absichtlich
herbeigeführtem Erwachen statt. Mit dem Steigen der Gehirn-
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No. 20.
484
Münchener medicinische Wochenschrift:
pulsationen, welche festgestelltem^^^n^i arteriellen UrapniD^^si_nd,
konnte auch gJ a P h ’ s ^ , \ U3 P Allem folgt, dass während des
Volumens constatirt werden, Aus Alliem ß ( ,| g ’ Gehirn8 besteht -
Dieselbe 61 spricht auch für die Schlaf-Theorie von Preyer, An-
i» .sÄga-ssu-s
Die hisheruren, wenigen Arbeiten uuci ohum 1 “«? ... TT , t i,„:i
Gärtner'scher Fettmilch waren niclitgeeignetoindeun. M /u
über diese Ernährungsart zu gestatten thed ■ J; verwerthet,
klein, theils waren gesunde und \ rau ^ ^ ' r ‘^ u r Zll Uurz e tc. Den
sä ÄSSiSs t
sr'ÄSÄHÄ
Verfasser beipflichten: Die Fcttmileli hat uns bei kranken Jauern
den ^ weif elha^tei? Sichereres geleSetafsdi^Ku^imilch^^ünnnngen^
eie S aber nicht weniger zur Säuglingsernährung zu empfehlen
als diese. . ,
7) W. Steffen: Diphtheritis faucium. Stenosis laryngis.
Tracheotomie. Entfernung eines Spulwurms aus der Canu .
_ Ib Zur Casuistik berichtet St. von einem 3 3 /i jährigen Knaben,
der mit Rachendiphtherie und Larynxstenose , a " f S l " (1 "nn
traclieoto l itt wurde; bis zum nächsten rag ruhige Athm * ' 1-
Vormittags plötzlich Athemnoth und Cyanose , ' es ^ cnl ®."' dl J
Pfleceschwester geht mit einem Catheter m die C.inule ein una
sieht beim Zurückziehen aus derselben einen Gegenstand kurz >
vorragen; mit der Pincette hervorgezogen e>-we,st er siü. als ein
Hi cm langer Spulwurm, hierauf sofort wieder freie Atmung. \\ eitere
Spulwürmer gingen, auch nach Santonindarreichung, nullt . b.
S) Anticliievich: Zwei Fälle von Glycerinintoxication.
(Aus dem «Erzherzogin Maria-Theres.a-Seehospiz. m S Pel. Ido¬
latrien). Archiv für Kinderheilkunde, XX Bd., 1. und - Heft.
Einem jährigen Kind mit tuberculöser Knochenerkrankung
und kaltem Abscess wurde in diesen 15 ccm einer 10 procentigen
Jodoformglyccrinemulsion injicirt. Im Anschluss 'leran trat .
selben Tage eine acute Nephritis mit Fieber Eiweiss Cyhndern
Epithelien. rothen Blutkftrpern und grossen Mengen braunrotber
Pigmcntscbollen im Urin auf. Nach 3 Wochen waren die Erschei¬
nungen abgelaufen; ähnlich traten diese, nur in geringerem Grade
und ohne Epithelien, bei einem 11 jährigen tuberculosen Kranken
auf, welchem 18 ccm der lOproc. Jodoformglvcerinemulsion in einen
kalten Abscess injicirt wurden. Später wurden in das Kniegelen-
15 ccm einer 10 proc. Jodoformoliveuölemulsion eingcspntzt und ohne
jede Reaction vertragen A, bezeichnet nach dem Vorgang von
Schellenberg (8 Fälle) beide Fälle als Glycerinintoxication und
rüth, zu ihrer Vermeidung entweder das Glycerin durch hveno
zu ersetzen, oder nur geringe Quantitäten Glycerinemulsion, 5 bis
höchstens 10 ccm, in 4 bis G wöchentlichen Zwischenräumen zu
injiciren. Lichtcnstei n-München.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 12- Mai 1S90.
Herr B lasch ko berichtet nochmals über jenen Patienten,
den er im vergangenen Herbste als Leprösen vurgestcllt und
bei welchem Herr v. Bergmann die Diagnose angczweifclt hatte.
Die Bestimmtheit, mit welcher ein Kenner der Lepra, wie Herr
v. Bergmann, die Diagnose bestritten hatte, machte V ortragenden
damals selbst stutzig, obwohl er per exclusionem die Diagnose für
eine fast sichere gehalten hatte. Es blieb ja nur ein sicheres
Beweismittel übrig, der Nachweis von Leprabacillen, doch
der war, da es sieh um die nervöse Form der Lepra handelte,
nur schwer zu erbringen. Eine vorhandene Anschwellung des
Nervus ulnaris zu excidiren, konnte sich Vortragender aus be¬
greiflichen Gründen nicht entsehliesscn; in der letzten Zeit nun
bildete sieh an einem Aste des N. supraorbitalis eine Anschwellung
aus welche Vortragender excidirte und es gelang ihm in der-
, ’ , T hat Leprabacillen nachzuweisen. (Demonstration
£ J Die‘ßaeillon „ind „er in »pärlich»■ Z.U -
f W aber’ in wohl ungebildeten Formen und färben sich m
der bekannten Weise mit Carbolfuehsin. Das Gewebe, in welchem
die Bacillen liegen, zeigt starke hyaline Degeneration und der Nerv
ist an dieser Stelle völlig degenenrt.
Herr Hirschfeld: Ueber Ernährung der Herz-
kranken. einigcr Beobachtungen kommt der Redner
zu der Ansicht, dass bei Herzkranken im Stadium der
pensationsstörung zeitweise eine Mi nderernährun g angtoh
sei Für die Richtigkeit dieses Verfahrens spricht, dass Kar eil
und nach ihm einige andere Autoren von der Anwendung
der ausschliesslichen Milchdiät entschiedene Vortheilc sahen. Bei
dieser* 1 'let hode werden dem betreffenden Kranken täglich etwa
6—800 ccm Milch ohne jede andere Nahrung gestattet und nur
allmählich etwas mehr Milch, sowie andere Kost verabreicht. Karcl
warnt ausdrücklich vor zu rascher Steigerung der Nahrung, we
dadurch der Erfolg beeinträchtigt würde. H. stellte ebenfalls
suche an und sah Diurese in der Regel nur dann entreten J e n n
v o o 1 n s t bisher eine rege gewesen war. Dass aie
Milch keinen specitiscl.cn Einfluss austlbt, geht daraus hervor, dass
Schabefleisch und Eier in gleicher Weise angewandt werden konnem
I„ den meisten Fällen von Compensationsstorung ist allerd.ng.
Folge irgendwelcher Magenbeschwerden die Ernährung emc
genügende. Der Redner sieht hierin gewissermassen den Ve such
einer" Sclbstregulation von Seiten des Organismus^ Bei solchen
Kranken nützte nun eine weitere Verminderung
mehr, schädlich hingegen erwies sieh immer emo Steigerung de
Ernährung nach Beseitigung der Magenbeschwerden. H. uarnt
desshalh aufs Entschiedenste vor der Anwendung der ^nannten
gemischten Milchdiät, weil hierbei durch Zusatz von Milch zu der
übrigen Kost am leichtesten eine üeberernährung erreicht würde.
Schliesslich wird noch darauf hingewiesen, dass Verminderung der
Flüssigkeitszufuhr allein (Ocrtel) keinen Vorteil bietet, WCl1 J*
Kranken mit Compensationsstörung eine Einschränkung sich oh
gleichzeitige Verringerung der Ernährung nicht erreichen tose.
^ Discussion HerrSenator kann die MittheiUuigün das Vor-
Unterernährung hl»weisen ' l (ll M " ^ Ko3t darstellt,
von Extractivstoffcn für das Herz die reizloseste . fQr
Diese Ernährungsweise eigne sich darum auch ^ Ko hn.
Nierenkranke.
Wiener Briefe.
(Or igi nal bericht.)
Wien, 16. Mai 1896-
Die Aufhebung der chirurgischen Gremien in Oester¬
reich. — Ein Conflict zwischen zwei Professoren
Molluscum contagiosum giganteum. Die diagnos i
Bedeutung der Nagelpulse. . ' . nn ter-
Dcm Abgeordnetenhause wurde eine Regierungsvor g
breitet, betreffend die Aufhebung der ^ hirurg,S . C ! 1Cn
die Ueherwcisung des Vermögens derselben an die A
Die chirurgischen Gremien waren Zwangsgenossenschaften
Wundärzte und bestanden seit April 17 < 3- 100 . P auf .
(1873) wurden die chirurgischen Lehranstalten in Oes
gehoben und 1876 wurde die Ausstellung von wund^
Diplomen untersagt, zugleich den Wundärzten auch dtc Msübung
innerlicher Curen gestattet, so dass sie den Doctorcn der .
vollkommen gleichgestellt waren. Den letzten Schein Creirang
rechtigung verloren die chirurgischen Gremien durch dl
der Aerztekammern, da diesen die ausschliessliche au ri
präsentanz in allen gemeinsamen Standesinteressen der^ zur
Übung der Praxis berechtigten Aerzte, einschlicss i
Wundärzte, übertragen wurde.
Es gibt nun viele chirurgische Gremien, die sei
| 40 Jahren keine ordentliche gremialo Thätigkeit entfalte >
[ nur einzelne derselben besitzen ein nennenswertes Vermog
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19. Mai 1896.
485
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Die Zahl der noch lebendcu Mitglieder beträgt 386, deren Ge-
sammtvennögen beziffert sich auf 40,016 fl. Die mit dem Ver-
, mögen der chirurgischen Gremien verbundenen Rechte und die auf
demselben haftenden Verpflichtungen sollen durch dieses neue
Gesetz nicht berührt werden, und es bleiben den zur Zeit der
Aufhebung dieser Gremien noch lebenden Mitgliedern derselben
' jene Vortheile gewahrt, auf welche sie bei dem Fortbestände des
betreffenden Gremiums Anspruch gehabt hätten.
Grosses Aufsehen erregte in dieser Woche ein «Offenes
Schreiben», welches Professor Dr. Josef Englisch, Primararzt
an der k. k. Krankenanstalt «Rudolfstiftung», «an Sr. Hochwohl-
geboren Herrn Dr. Eduard Albert, o. ö. Professor der Chirurgie
an der Wienor Universität, k. k. Hofrath, Obersanitätsrath, Mit¬
glied des österr. Herrenhauses, der böhmischen Aeadeuiic der
Wissenschaften etc. etc.» richtete. Die 8 Seiten starke Rroschüre
wurde zahlreichen, vielleicht sogar allen Aerzten Wiens zugeschickt.
*Tm Vorjahre trat bekanntlich Hofrath v. Dittcl von seiner
Stelle als leitender Primararzt einer chirurgischen Abtheilung im
k. k. allg. Krankenhause zurück. Unter den Aspiranten auf diesen
Posten befand sich auch Professor Englisch, d. h. er strebte
seine Transfcrirung als rangältester Primararzt aus einem Spitalc
in ein anderes an, und zwar gerade in das allg. Krankenhaus,
woselbst alle Kliniken untergebracht sind, weil er hier mehr Material
und eine grössere .Sehülerzahl zu gewinnen hoffte. Er stellte sich
auch dem Professor Albert, dem Referenten des Obersten Sani-
tätsrathes, vor und dieser sagte ihm kurz und bündig, dass er
gegen ihn sein werde, weil E. die Kliniken durch Entziehung
des Krankenmateriales schädigen werde, dass er ein Vermächtnis«
Billroth’s 1 ) übernommen habe, einem • »Specialisten» künftighin
eine Spitalsabtheilung im allg. Krankenhause nicht zu übergeben,
man fürchte ihn, weil er so viel gearbeitet habe, es gäbe genug
Concurrentcn im allg. Krankenhause etc. etc. Thatsüchlich wurde
späterhin nicht Professor Englisch sondern Professor Hofmokl
auf diese Stelle transferirt.
ln der besagten Flugschrift führt nun Professor Englisch
an, dass ihm nichts ferner gelegen sei, als die Kliniken zu schädigen,
zumal diese zu viel ambulantes und operatives Material hätten,
welches sie für ihre Schüler gar nicht fruchtbringend aufarbeiten
könnten. Er selbst sei kein reiner «Specialist >, wiewohl es richtig
sei, dass ihn die Erkrankungen der Harn- und Gesell)echt,sorgane
.... seit vielen Jahren lebhaft interessiren und dass er sie mit Vorliebe
•ri bearbeitet habe, l’eberdies habe er diesem Theile der Chirurgie 38,
’’}■ allen anderen Partien (Hernien, Knochen, Verbände etc.) 46 Ar¬
beiten gewidmet. «Wäre es vielleicht ein Schaden», sagt Professor
Englisch, «wenn jährlich 20 — 30 Studenten das, was sie mit
dem Opernglas nicht lernen (katheterisiren u. dgl.), bei steter
Anleitung des Abtheilungsvorstandes durch genaue Untersuchung
am Kranken lernen könnten? Wäre es ein Schaden, wenn im
Verlaufe der Jahre bei einer Anzahl praktischer Aerzte eine etwas
<• genauere Kenntnis« der Harn- und Geschlechtsorgane Platz greifen
, tr würde, und die Zahl derjenigen , welche alljährlich gerade durch
die Unkenntniss darin zu Grunde gerichtet würden, vermindert
würde? Ich glaube nicht, dass Herr Hofrath eine gegentheilige
Erfahrung gemacht haben.» In seinen eigenen Assistenten, welche
später Docenten oder Primarärzte würden, erziehe sich Hofrath
Albert selbst genug Concurrentcn und dennoch habe er natur-
gemä8s das Restreben, aus seiner Klinik soviel als möglich berühmte
Schüler hervorgehen zu lassen. Die Hintanhaltung solcher Con*
currenz sei also unzulässig.
Angelegenheit bedarf in diesem Stadium noch keines
> Kommentars, mag sich darum der geehrte Leser selbst seine An-
sicht bilden.
1° der Gescllchaft der Aerzte stellte Professor Kaposi
> letzthin ein Kind vor, das — 6 1 /* Monate alt — mit einer
seltenen Affeetion behaftet ist. Die ganze linke und zum Theile
} auc h die rechte Wange zeigt auf geschwellter Area eolossale
!;• schwarzbraune Krusten, desgleichen sind die Arme mit pfennig-
kis thalergrossen, zu Geschwülsten confluirenden Knoten besetzt,
welche gleichfalls riesige, schwarztraune Krusten tragen. An
*) Albert und Billroth waren einander niemals befreundet
ünd verkehrten bloss dienstlich, wenn es absolut nothwendig war.
beiden Unterschenkeln kleinere, länglich gestaltete Efflorescenzen.
Zwischendurch an der Stirne, Nase etc. sehr kleine, miliumartige,
weisse Knötchen mit wässerigem Schimmer. Solche kleine Bläschen
ohne flüssigen Inhalt finden sieh noch randständig bei den grösseren
Knoten, deren einzelne im Centrum deutlich eine Delle aufweisen.
Auf den ersten Anblick imponirt das Krankheitsbild als
Bromakne, doch haben weder Mutter noch Amme jemals Brom
genommen. Bei genauerem Studium erkennt man die Natur des
Leidens aus den kleiustcu Knötchen und aus den mit einer Delle
versehenen Herden. Man drückte aus letzteren eine breiartige
Masse heraus. In dem Inhalte einer kleinen Efflorcsecnz fand
man die bekannten Molluscumkörperehen, grosse weckenähnliche
Gebilde, einzeln kugelig oder in Zellen eingeschlossen. Kein
Zweifel, man hat es hier mit Molluscum contagiosum zu thun
und möchte Kaposi vorschlagen, dieser Form die Bezeichnung
« giganteum » beizufügen.
Noch einige Worte zur Therapie. Die herkömmliche Art, derlei
Knötchen einfach auszudrücken, ist hier nicht anwendbar; auch
wäre Substanzverlust, Eiterung und hässliche Narbenbildung im
Gesichte des Kindes zu befürchten. Kaposi lässt also das Ganze
im Bade erweichen und partienweise den Inhalt der Knötchen
mechanisch entfernen. Von der Anwendung des scharfen Löffels
zur Entfernung des Inhaltes der Knoten wird aus obenerwähnten
Gründen ebenfalls abgesehen.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Societö Medicale des Höpitaux.
Sitzung vom 24. April 189G.
Ein Todesfall durch Seruminjetion.
Var io t injicirte einem 1 */« jährigen Kinde, welches mit
leichter diphtheritischer Pharyngitis, nachfolgendem Croup und
Spasmus glottidis behaftet war und intubirt wurde, auf 2 mal 25 ccm
des Diphtherieheilserums; nach 48 Stunden trat mit beträchtlicher
Tempera!ursteigerung 140,5°) der Tod ein, dessen Ursache durch die
Section nicht aufgeklärt wurde. Ohne zu weitgehende Schlüsse zu
ziehen, muss V. doch darauf hinweisen, dass diejenigen Serum-
proben, deren Injection schwere Zufälle (unmittelbar oder später)
verursacht, nicht von den unschädlichen unterschieden werden
können. Dieses schätzbare Mittel gegen die Diphtherie darf daher
nur mit Vorsicht und sollte niemals zur Vorbeugung (Immunisiruug)
der Krankheit angewandt werden.
Sevestre hat bei seinen 2000—2500 Seruminjectiom*n nie
einen Todesfall erlebt, welchen man direct dem Serum zuschreiben
könnte; es handle sich also hier um einen ausserordentlich seltenen
Fall, der Nichts gegen die Serumtherapie beweise, zumal auch kein
Anzeichen dafür vorhanden ist, dass den Tod das Serum selbst
verursacht habe.
Academie des Sciences.
Sitzung vom 20. April 18%.
Eine seltene Parasiteninvasion.
Perrier hat eine Epidemie, welche vor Kurzem in zwei
Häusern von Earfleur, einem kleinen Städtchen der nordfranzösischen
Küste herrschte, zum Gegenstand genaueren Studiums gemacht.
Es handelte sich um einen Acarus (glyeiphag is domesticus), welcher
sich besonders an Orten vermehrt, wo organische Abfälle aufgehäuTt
sind (Specereiwaaren, Fabriken von Bürsten, Hornknöpfen, Fleisch¬
pulver); ein identischer Parasit, Glyciphagus prunorum, findet sich
häufig auf getrockneten Früchten, wie Pflaumen und Feigen. Die
Einschleppung geschah in jene Häuser durch ein aus Cherbourg
gekommenes Mädchen, welches dort 1 , /a Jahre lang in einem Char¬
cutiergeschäft angestellt war und deren Kopf mit einer solchen
Menge von Glycophagen bedeckt war, dass dieselben beim Schütteln
der Haare wie eine grosse Menge weissen Pulvers herabfielen. Bei
dieser, sowie bei den übrigen ergriffenen Personen bestand übrigens
weder besonderes Jucken noch andere Hautaffection; die Betreffenden
konnten von dem Uebel erst befreit werden, als sie ihre Wohnungen
verliessen und dieselben mit Schwefelsäure, nach Verschluss aller
Ausgänge, desinficirt worden waren. Nach den Nachforschungen,
welche P. angestellt, hatte sich der Parasit ans den Kämmen des
jungen Mädchens auf die Haare übertragen, dort in ungewöhnlicher
Weise vermehrt und die weiteren Infectionen verursacht. Das
Interessante für den Forscher liegt in dem Umstande, dass diese
Acarusart, welche Bonst frei lebt, plötzlich und zufällig parasitär
geworden ist. g t
t
Digitized by VjOoq Le
486
„.wrHRNKR ME T.ICINtSCHF, W OCHENSCHEgt
No. 20.
Aus italienischen medicinischen Gesellschaften.
R. Accaderaia di Medicina di Tor.no.
Sitzung vom 27. März 1896.
Präsident: Lombroso.
!. Ueber die Ajyologi^der OjKJr'ic^rum. ^ ^
Belfanti und Del w .X° a usgelührtenUntersuchungen die
serumtherap. Institut Mailand ^ anismus zurück, welcher
Entstehung der Oaaena auf e dem Loef tierischen Bacillus
in Bezug auf Gestalt und Cult g ^ geringeren Grad seiner
völlig gleich ist, nur durch de 6 d^ im Secret, wie auf
Virulenz von ihm verschiede und b erkrftnkten Mucosa findet, Er
der Oberfläche und in der Tiefe tie r deg Secre ts und fuhrt
bewirkt die specifische chemische Zers t g Diesem aetiologtschen
zu Atrophie der Mucosa und des »"fffnti und Deila Vedova
Ergebniss ihrer Fore f hu "^ p h n ab a " 3 o Ozaena-Kranken therapeutische
nun die Indication entnomme:"intidiohtherieseruin zu machen, welche
SÄÄ
schwankte je nach demA kt der 8e hr verschieden schnell
der Erkrankung, sowie dem Charak 0 n ei nen Reaction \on
und intensiv eintretenden localen und ^i^g ^ bisher i 6 geheilt
den 32 Patienten der ersteni Vers 1 weit gebessert, die
oder nahezu geheilt, 5 b . ldeuten "’ Belfanti glaubt aber in all
andern sind »w*.. 1 “ erreichen, Dta vorkommenden
diesen Fällen schliesslich Heilung z Dipht beriebehandlung be-
Complicationen gletchenganzdenb jl ffthrlich angesehen
die Injecdonen
auf Ozaena. Er hat 2 ^ iniection schwand der Foetor. ln dem
der 4. beziehungsweise 5. I^ection scr Auftretenß eine8 Erythems
einen Falle wurde die Therapie wege niect ion ausgesetzt, wo-
an den unteren Extremsten ^ F ^ Ä e ^tell?e der aber
rauf sidi nach einigen T J Neue verschwand,
dann nach weiteren 3 versuchen beschäftigt, aber noch
Gradenigoistebenfahsmit vewtwne M FäUen> ^ er zur
zu keinem definitiven Urtheil geUngt^ V Wirkung erkennen.
Zeit in Behandlung hat, lassen o noc s un(1 des Foetor wurde
Eine Besserung bezüglich der it9 g conBtat irt, eine absolute
in den meisten Fällen auch v0 “* b “ Menge bisher bc-
mit Steigerung der Dosis bessere Erfolge.
serums zur Folge haben kann, 1 daraufhin Versuche
Serum per rectum zu applicirem Er Zweck e Hunde
mit der Anwendung per os be ?Hereteilung des Heilserums
mit den Blutüberresten gefüttert, die be, Hentern g auf
abfallen. Perini will gefundenhohen Grad von
diesem Wege in kurzer Zeit d antitoxische Eigenschaften zu
passiver ImmunitM und „“hl möglich sei,
verleihen. Er regt desshalb bleibende an seröser Substanz
Richtung will Perini auf das Thema zurückkommen.
Sitzung vom 11. April 1896.
Präsident Sciamanna.
Dioniei beschreibt einen Fall von Oeeophagitie pbleg-
” 0 °°p’.‘bc. berichtet einen Fall von Venennaht d,, Jngnl.jti.
Ä MuBkelarterien die starke Blntang mAt-Un-lj™
9 i nn „ pr Schlitz der Jugul. mt. entdeckt, welcher nacn vergeu
Vmuot eTn. .eitliSe Ligatur »nanlegen, durch Veuennah
geschlossen wurde. Nach 20 Tagen erfolgte Heilung ohne dass
SsssEarsr ä r ■=
hyoid. und seiner Aponeurose in Bezug auf die venöse Circulation
im Halse undl führt
3 ««
dl . KÄ - S aufl 6 *dem
experimenteller Rabies verendete^K ^ ftn ^bies gestorbenen
Hirn eines am lb. Mir* ' Rlas Et c eten in Reincultur lsohrt Die
4 jährigen Knaben einen Blasto y Die au8 d en Agarculturen
beiden Blastomyceten waren idwu Symptomen zu Grunde.
geimpften Tbiere ging«» ”“v ei Juchsthiere wurde wiederum derselbe
Au, dem Hirn eines dieser Versuchs weitereo Dnter8uchun g en
Blastomycet lsolirt. «er. ist • •
beschäftigt. _ m : fc einer typischen Art von
Luzzatto stellt ® ine ° infossatus >) vor; sie besteht in
Thorax- Deformität 0^ zu 3 cm welche im Niveau
einer Einbuchtung des Brustkastens ^ obe rrand der vorderen
der fünften Rippen beginnt u.id b <je3 Thorax , welche Luzzatto
Abdominalwand reicht. D esc *0 berculösen oder z u Tuberculose
nicht selten und zwar meistens we der Verbreiterung des
disponirten Individuen g Verkürzung des Sternums, ist also
transversalen Dmyhmess^ unterscheiden; auch
Det “ mi “ t ist B,e m
•erwandt, vielmehr stets congenital.
III. Versammlung süddeutscher Laryngologen.
Für die III. Versammlung s ^d^ tsc ^® r E^rngcdogen.
welche am 2. Pfingstfe.ertage, den -Jo. Mai, m
findet, ist folgende
Tagesordnung
festgesetzt: . , „ T1 , Zusammenkunft und
(mit Damen). . . . 9 Uhr; Wissenschaftliche
"• »ÄbS Kh„ ik * h* -*
Nasenkranke (academ. Krankenhaus).
Vorträge.
1. Heir K i r s t e i n (Berlin): Die Autoskopie tot ^öhlwempyem
R u^oTf 1 M e yer 1 (Zürich):
HedTer.'ch (Heidelberg! - 'Klinische Erfahrungen übe,
sSäSSs
Ausflug nach dein Kümmelbacher-Hof
Wetter Zusammenkunft in einern no Fegtma hle theilzunelimon
Diejenigen Herren Collegen, welche am restman die
wünschen, werden dringend gebeten, bis längsten« i Jara8I
Anzahl der gewünschten Couverts Herrn Professor u
(Heidelberg) mitzutbeilen. .
Frankfurt a. M, im Mai I89b. j A
Dr. Eulenstein, H. Schriftführer.
8 .
9.
10 .
11 .
Verschiedenes.
Die Bedeutung des M . olec “ f l J5 \ JJi^WirkVngswertb
gelösten Desinfectionsmittel für■ ih n w uabilitations
hat Stabsarzt Dr. Scheurlen Beobachtung aus,
schrift in StrasBburg gemacht. Er ging von r entra tionegrad
dass erwärmte Desinfectionsmittel von gering ^ ConC entraüonen
so ziemlich denselben Effect ergeben wie ^ verhalten
in der Kälte, und das legte die Parall ®i® nab ® ilrmt oder bei ZusaU
von relativ schwachen Salzlösungen, welc pn t,j e henden Snb-
von Na CI, Ca CI 2, Zn CI 2 und ähnlichen w “« er s e “" D z . B . die
stanzen dieselben Eigenschaften annehmen, wie stark^^ ^ bel
gewöhnlich blau aussehende .10 proc. Kupfern Jjncentrirte,
75° oder bei Zusatz von Na CI ebenso grün ,w ^ Zusatz von
und eine violette 25 proc. Kobaltchlondlösung offenbar darin,
Na CI tiefblau wie eine 75 proc. Die Ursache hegt ottennar
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19. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
487
«dass die Salze in concentrirter wässeriger Lösung wenig oder kein
Hydratwasser enthalten, dass sie aber in verdünnter Lösung reich¬
lich damit verbunden sind. Dieses Hydratwasser verlieren sie sowohl
durch Erwärmen, als durch Zusatz stärker wasserziehender Sub¬
stanzen, so dass sie schliesslich in demselben Molecularzustand in
der Lösung sich befinden, den sie in ihrer concentrirtesten, also
wohl auch wirksamsten Form einnehmen«. Scheurlen stellte ent¬
sprechende Versuche zunächst mit Phenolen und Kresolen an und
fand als überraschendes Resultat, dass das 1 proc und 3 proc Carbol,
das 0,5 proc. und 1 proc. o-Kresol mit dem entsprechenden Kochsalz¬
zusatz versehen Milzbrandsporen in spätestens 3 Tagen vernichtet
hatte, während ohne Kochsalz kaum eine Einwirkung auf dieselben
zu erkennen war, und damit übereinstimmend erwies sich auch die
desinficirende Wirkung anderer Körper bei Na CI-Zusatz, namentlich
des Tannins, merklich verstärkt. Noch eclatanter erscheint die
Wirkung auf den Staphvlococcus aureus, der von einer 1 proc. Carbol¬
und 24 proc. Na CI-Lösung schon nach 'ja Minute vernichtet war,
während eine lproc. Carbollösung ohne Na CI sogar nach 5 Minuten
tausende von Keimen noch nicht vernichtet hatte.
Buttersack - Hanau.
Therapeutische Notizen.
Puerperalfieber und Scrumtherapie. Am 4. Congresse
der französischen Gesellschaft für Geburtshilfe (vom 9.—11. April
in Paris abgehalten) berichtet Charpentier über 40 Fülle von
Puerperalfieber, welche er mit Antistreptococcenserum behandelte;
er erlebte 27 Todesfälle, der weitere Berichterstatter Bau unter 25
so behandelten Frauen 14 Todesfälle, also wenig günstige Resultate.
Nach der Ansicht von beinahe allen Rednern habe das Serum beim
Puerperalfieber nicht gehalten, was es versprochen, sogar einigemale
eher schädlich gewirkt und nach wie vor sei es bei dieser Erkrankung
das Beste, möglichst bald die intra-uterine Behandlung einzuleiten.
Andererseits bespricht Ledrain im Progrfcs Mödical (No. 15, 1896)
einen Fall schwersten Puerperalfiebers (Temperatur 40,4°, Puls 150,
klein und unterdrückbar, fötide Diarhoeen, Delirien), dessen Heilung
er direct der Serumtherapie zuschreibt. Am 16. Februar wurden
zum erstenmale 5 ccm des aus dem Institut Pasteur bezogenen
Serums injicirt, am 22. die sechste und letzte Injection derselben
Dosis gemacht; bis dahin war die Temperatur auf 37° gesunken und
hat, ohne dass der geringste locale Eingriff gemacht wurde, seitdem
sich der Zustand so rasch gebessert, dass Patientin am 1. März
bereits völlig genesen war. St.
Behandlung des chronischen Alkoholismus mit
Strychnin. Vor Allen waren es russische Autoren, welche zuerst,
auf den therapeutischen Antagonismus zwischen Alkohol und Strychnin
hissend, den günstigen Einfluss des letzteren auf das Delirium
tremens und den chronischen Alkoholismus ohne acute Anfälle zur
Therapie benützten. Combeinalle (Lille) glaubt nun, dass das
Delirium tremens wohl mit den bis jetzt üblichen Mitteln bekämpft,
d. h. Schlaf mit Bromsalzen, Opium, Chloral, Paraldehyd herbei¬
geführt werden kann, der Zustand jedoch nach dem Anfalle die
Strycbmnbehandlung erheischt, um welche Zeit auch der Willens¬
schwäche Patient leicht in dieselbe einwilligt Man injicirt von der
Lösung (0,1 Strychnin, sulfur: 2O.0 Aqu. dest.) am 1. Tag 1 /*tel Spritze
unter die Hauchhaut, am 2. Tage 'ja, am 3. Tage 3 /*tel und die fol¬
genden Tage eine ganze Spritze und zwar womöglich Morgens und
ohne letztere Dosis je zu überschreiten, welche 5 mg Strychnin ent¬
hält Nach 14 Tagen bis 3 Wochen, wann als Zeichen beginnender
Strvchninintoxication Ameisenkriechen auftritt, wird die Behandlung
aasgesetzt, um sie nach 8 Tagen ein zweites und nach entsprechender
Zwischenpause ein drittes und letztes Mal wieder aufzunehmen. Die
unmittelbaren Folgen dieser Behandlung siud Verminderung des
Zitterns, so dass der Gang wieder sicher und die Schrift wieder
besser wird; gleichzeitig kehrt der Appetit zurück und der Kranke
bekommt, was wohl am wichtigsten ist, einen Abscheu vor dem
Alkohol. Die Verbringung in eine Anstalt erscheint Combemalle
nur bei denjenigen Alkoholikern nöthig, welche völlig des Eigen¬
willens entbehren und strenger Aufsicht bedürfen; aber auch in ge¬
schlossener Anstalt sollte die Strychninbehandlung an erster Stelle
eintreton und gibt, wie die russischen Autoren versichern, ebenfalls
vortreffliche Resultate. (Vortrag, gehalten auf dem in der Pariser
Sorbonne zusammengetretenen Congress der französischen gelehrten
Gesellschaften nach Bullet. M6dic. No. 30, 1896). St.
Das Stypticin ist identisch mit dem Cotarnin, das unter
der Einwirkung oxydirender Mittel aus dem Opiumalkaloid Narkotin
gewonnen wird. Wegen seiner guten blutstillenden Wirkung erhielt
das Mittel von Freund den Namen Stypticin. Chemisch steht es
dem Hydrastinin sehr nahe, indem ein Wasserstoffatom durch
OCH 3 ersetzt ist (C 11 Hta NOa [OOHs]).
Nach den Versuchen von Gottschalk (Therap. Monatshefte,
12, 95) ist das Stypticin ein sehr sicheres blutstillendes Mittel in
der gynäkologischen Praxis, das vor Secale und Hydrastis noch
den Vorzug hat, dass es schmerzstillende und leicht betäubende
Wirkung besitzt (Opium). Am sichersten wirkt das Mittel, wenn
man es schon 4—5 Tage vor der zu erwartenden Regel nehmen
Itest in Dosen von 0,025, 4 mal täglich. Sobald sich das Blut zeigt,
“ Q “ die Dosis verdoppelt werden, 4 mal täglich 0,05. Auf der
der menstruellen Blutung thut man am besten, gleich 0,2
subcutan in die Glutealmuskeln zu injiciren.
Zu ähnlichen günstigen Schlussfolgerungen kommt in No. 2, 96
der Therap. Monatshefte Gaertig-Breslau. Die besten Erfolge sah
derselbe bei den uncomplicirten Menorrhagien und den Blutungen
der Wechseljahre, die geringsten bei den Blutungen in Folge von
Endometritis. B Kr.
In der dermatologischen Klinik zu Palermo wendet Gomez
bei verschiedenen Arten des Ekzems ein Ichthyolvasogen an, be¬
stehend aus Vasogen mit 10—20 Proc. Ichthyol und 5 Proc. Ol.
araygd. In schwächerer Composition als exsiccans, stärker als
emolliens wirkend, wurde es mit Erfolg auch in Fällen angewandt,
wo die Lassar'sehen Salben indifferent gewesen waren. Fl.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 19. Mai. Das hundertjährige Jubiläum der Schutz¬
pockenimpfung wurde in Berlin durch einen würdigen Act im Fest¬
saale des Ratbhauses gefeiert. Neben dem Cultusminister Dr. Bosse
wohnten demselben die hervorragendsten Mitglieder des ärztlichen
Standes in Berlin bei. Die Feier wurde durch eine Ansprache
Rudolf Virchow's eröffnet; die Festrede hielt Geheimrath Ger¬
hardt über Leben und Schaffen Jenners und die Bedeutung der
von ihm entdeckten Schutzpockenimpfung. Nach diesem sprach
Dr. Kruse, Mitglied des Reichstages, welcher schilderte, was das
deutsche Reich, die Reichsbehörden und der Reichstag für die
Schutzpockenimpfung gethan haben, und endlich Stadtrath, Sanitäts-
rath Dr. Strassmann, der einen Ueberblick über die Entwicklung
des Berliner Impfwesens gab. Hierauf schloss Geheimrath Vircbow
die Feier.
— Die grossartige Sammlung des pathologischen Instituts in
Berlin, die in ihrer Art wohl einzige Schöpfung Rudolf Vi rch o w ' s,
soll endlich, nachdem sie Jahrzehnte lang auf den Speichern und
in den Kellern des Instituts nothdürftig aufgestapelt war, ein
würdiges Heim erhalten, in welchem sie durch geeignete Aufstellung
ihrem Zwecke nutzbar gemacht werden kann. Dem preussischen
Abgeordnetenhause ist als Nachtrag zum Staatshaushaltsetats für
1896/97 eine Forderung von 200 000 Mk. als 1. Rate zum Bau eines
Sammlungsgebäudes für das pathologische Institut
des Charitäkrankenhauses in Berlin zugegangen. Motivirt
wird diese Forderung wie folgt:
«Bei der Staatsregierung bestand die Absicht, dem Landtage
der Monarchie noch in dieser Session eine umfassende Vorlage über
den Um- und Neubau des Königlichen CharittSkrankenhauses in
Berlin und die Verlegung des Königlichen Botanischen Gartens da¬
selbst nach der Domäne Dahlem bei Steglitz zu machen. Die Aus¬
führung dieser Absicht ist aber auf unerwartete Schwierigkeiten
gestossen und hat daher einstweilen vertagt werden müssen.
Um so notbwendiger erscheint es, in dem Charitökranken¬
hause einem bedrohlichen Missstande abzuhelfen, der sich unab¬
hängig vor der Feststellung jenes Gesammtplanes beheben lässt.
Es handelt sich dabei um die Unterbringung der pathologisch-ana¬
tomischen Sammlung.
Für diese grosse und einzigartige Sammlung fehlt es an Auf-
stellungsräumen. In Folge dessen ist sie in dem für die Zwecke
des pathologischen Instituts bestimmten Gebäude, wie es gerade
gehen wollte, untergebracht. Die Saminlungsgegenstände haben dort
nur zum geringsten Theil ordnungsmüssig aufgestellt werden können;
die meisten sind noch in Kisten verpackt, lagern in dunklen Keller¬
und Bodenräumen, stehen in drei- bis vierfachen Reihen auf¬
geschichtet und werden kurzum so aufbewahrt, dass ihre Benutzung
für Unterrichtszwecke ebenso wie ihre wissenschaftliche Ordnung,
Bestimmung und Venverthung nahezu ausgeschlossen ist. Zugleich
ist dadurch das Institutsgebäude in solchem Maasse in Anspruch
genommen, dass die nächsten Aufgaben desselben wesentlich beein¬
trächtigt werden.
Ueberdies aber und vor allem kommt in Betracht, dass das
Institutsgebäude weder nach seiner Tragfähigkeit noch nach seiner
sonstigen Beschaffenheit zur Aufnahme einer so grossen und wegen
der vielen Spirituspräparate feuergefährlichen Sammlung geeignet
ist. Schon vor einigen Jahren hat das Institutsgebäude, weil es dem
Einsturz drohte, durch starke hölzerne Pfosten im Innern gestützt
werden müssen, und eine neuerdings vorgenommene technische
Untersuchung hat ergeben, dass die Belastung des Instituts die
äusserste zulässige Grenze erreicht hat und weitere Sicherheits¬
maassnahmen unerlässlich sind. Zugleich hat sich dabei heraus¬
gestellt, dass dasselbe wegen seiner engen hölzernen Wendeltreppen
und Holzbalkendecken, sowie mit Rücksicht darauf, dass sich darin
auch ein chemisch-pathologisches Laboratorium befindet, eine be¬
ständige und grosse Feuersgefahr bildet.
Zur Beseitigung dieser Missstände ist die schleunige Herstellung
eines besonderen Sammlungsgebäudes geboten. Es wird beabsichtigt,
dasselbe am Alexanderufer in der Nähe des pathologischen Institutes
zwischen der neuen Charit6 und dem Kinderhospital zu errichten.
Das Gebäude soll 5 Magazingeschosse haben und feuersicher aus¬
gebaut werden. Es wird ausgiebige Räume für die Sammlung auch
noch bei ansehnlicher Vermehrung derselben bieten und ausserdem
den grossen Hörsaal enthalten, der für die Benutzung der Samm¬
lung unentbehrlich ist Nach den im Ministerium der öffentlichen
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488
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Arbeiten ausgearbeiteten ausführlichen Entwürfen und Kosten¬
anschlägen werden sich die Baukosten auf 492000 Mark belaufen.
Für das erste Baujahr sind 200000 Mark erforderlich.» Im Abge¬
ordnetenhause trat Finanzminister Miquel mit grosser Wärme für
die Vorlage ein, die darauf der Budgetcommission überwiesen wurde.
— Durch Beschluss des k. Patentamtes wurde das den Farben¬
fabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. geschützte Waarenzeichen
«Phenacetin» in der Rolle wieder gelöscht. Einer der für diese
Entscheidung maassgebenden Gründe war, dass «Phenacetin» in
das Arzneibuch aufgenommen wurde, «denn nunmehr musste jeder
Arzt, jeder Grossdrogist, jeder Apotheker sich des Wortes «Phena¬
cetin » zur Bezeichnung des bestimmten chemischen Körpers, unter
Umständen sogar bei Strafe, bedienen. Darum war es praktisch
ausgeschlossen, dass die Fabrikanten beim Vertriebe ihres Erzeug¬
nisses ein anderes Wort verwendeten >. Es ist gut, dass hiermit
festgestellt ist, dass wenigstens diejenigen Arzneimittel, welche in
die Pharmakopoe aufgenommen werden, den Wortschutz nicht ge¬
messen können. Das neue Gesetz über den Schutz von Wortzeichen
richtet in der Medicin ohnehin genug Verwirrung an. Ist doch
jüngst der Firma Fahlberg, List & Co. das Wort «Saccharin» ge¬
schützt worden, so dass andere, seit Jahren Saccharin producirende
Firmen genöthigt sind, denselben Körper unter einer anderen Be¬
zeichnung (z. B. Zuckerin) in den Handel zu bringen.
— Der preuss. Staatsanzeiger veröffentlicht unter No. 9824 das
Gesetz, betr. die Aufhebung der im Gebiete der Monarchie be¬
stehenden Taxordnungen für approbirte Aerzte und
Zahnärzte, vom 27. April 1896.
— In Godesberg bei Bonn starb der bekannte Hygieniker und
Psychiater Geb. Rath Professor Dr. Finkelnburg.
— In Paris starb am 13. ds. Professor Germain S6e, einer
der ersten Kliniker Frankreichs, nach langem Leiden im 78. Lebens¬
jahre. Germain Söe, 1818 zu Ribeauvillö (Haut-Rhin) geboren, er¬
hielt seine Schulbildung in Metz. Seine medicinischen Studien machte
er in Paris, wo er 1846 promovirte. 1852 wurde er Hospitalarzt
und 1866, als Nachfolger Trousseau's, Professor der Therapie an
der medicinischen Facultät. 1869 erhielt er den Lehrstuhl der klini¬
schen Medicin an der Charitö als Nachfolger Monneret's. Zugleich
wurde er zum Mitgliede der medicinischen Academie gewählt. 1876
trat er als klinischer Lehrer zum Hötel-Dieu über. S4e war einer
der ersten in Frankreich, welche die zuerst in Deutschland und vor¬
nehmlich in der Schönlein'schen Klinik geübten Methoden, Chemie
und Mikroskopie mit für die Diagnose zu verwerthen suchten. Sein
literarisches Schaffen ist sehr umfangreich. Man verdankt ihm eine
ganze Reihe von Handbüchern, über Herzkrankheiten, Krankheiten
der Lunge, Magenleiden, die krankhaften Veränderungen des Rlutes
und des Blutkreislaufes, über Stoffwechsel und Ernährung. Einzelne
davon hat im letzten Jahrzehnt Max Salomon in Berlin ins Deutsche
übertragen. Im Einzelnen nennen wir von seinen Arbeiten: Wirkung
des Ergotin auf Herz und Circulation; Vorlesungen über allgemeine
Pathologie; über Asthma; Diagnostik und Behandlung der Herz¬
krankheiten; Behandlung des Rheumatismus mit Natrium salicvl. -
Herzhypertrophie im Wachsthumsalter; Uber infectiöse und parasitäre
Pneumonien; über Convallaria majalis etc. Er war ferner Begründer
der Wochenschrift: La Mödecine moderne.
— Auf Grund einer besonderen Geschäftsanweisung ist jetzt
bei der Medicinalabtheilung des preussischen Cultusministeriums
durch Cabinetsordre der Apothekerrath errichtet worden. Nach
dieser Anweisung ist der Apothekerrath eine berathende Behörde.
Er hat die Aufgabe, der Medicinalverwaltung in Organisations- und
Verwaltungsfragen, die das Apothekenwesen betreffen, als Beirath
zu dienen und Gutachten abzustatten. Demgemäss hat der Apotheker¬
rath einmal über alle ihm vom Cultusminister vorgelegten Verhand¬
lungen, Vorschläge oder Fragen sich gutachtlich zu äussern, sodann
aus eigenem Antriebe dem Minister Vorschläge zur Abstellung von
Mängeln in Bezug auf das Apothekerweseu zu machen, auch neue
Massnahmen in Anregung zu bringen, die ihm geeignet erscheinen,
das Apothekerwesen zu fördern. Der Apothekerrath besteht aus
dem Director der Medicinalabtheilung des Cultusministeriums, aus
den technischen Vortragenden Rüthen der Medicinalabtheilung, aus
vier Apothekenbesitzern und vier approbirten, nicht besitzenden
Apothekern. Der Director wird vom König, die Mitglieder werden
vom Minister ernannt, und zwar die aus dem Apothekerstande auf
die Dauer von fünf Jahren. Die auswärtigen Mitglieder erhalten
Tagegelder und Reisekosten. Der Apothekerrath wird vom Minister
in der Regel alljährlich einmal berufen. Er setzt sich vorläufig
folgendermassen zusammen: Director: Der Director der Medicinal
abtheilung, Wirkl Geheimer Ober-Regierungsrath Dr. v. Bartsch
D r\ t n C K hD1SCt ! en Y ortra « enden Räthe d er Medicinal-
abtheilung: Geh. Obermedicinalrath Dr. Skrzeczka, Geh. Ober-
r! dl Ä Cm ^L ra i th ? r '-F I8t0 ^’ Gel * RR *dicinalrathDr. Schmidtmann,
die Apothekenbesitzer Contzen zu Cöln, Froehlich zu Berlin
. D h r ,“ a . rtma P. n zu Magdeburg, Dr. Schacht zu Berlin, die Apo¬
theker Annato zu Magdeburg, Engelbrecht zu Berlin, Tychsen
zu Bremervörde, Wolff zu Glogau. J
fnrt rM Di t Pr f eS80r c'!- igert und Moritz Schmidt in Frank¬
furt a. M. wurden zu Geheimen Sanitätsrütben ernannt.
. “ 7° K n deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
StIrhiE.'hv? t re ^u° Che ’ April bis 2 - Mai 189b > die grösste
mft 9 7 TidMfttllp' ng “rS 31,4 i ,l' e ? erin g ste Sterblichkeit Bielefeld
mit 9,7 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Bromberg und Köln
* pJ^J? 08 u College of Physicans of Philadelphia schreibt die
Jon «Kl Donar“! Um n den * Willia “ F ' Jenks Memorial Prize?
. Doll ar aus. Das Thema der Preisaufgabe lautet- Die
A f‘°, 1 ?e ie uud Pathologie der Erkrankungen des Endometriums
Ä 86 S^ r - 8ept,8 ? e e En c tzünd ungen im Puerperium. Die
müssen in englischer Sprache abgefasst oder doch von
a .c- 5 U » niVe ^ sit . iit8nachricbten ) Lsipzig. Dr. Krackmann
ItunÄ
Privatdocent für Chirurgie. ' dinger habilitirte sich als
Dr. W T v° d Henke e 'L Ä der Ana tomie in Tübingen,
Nekrolog^ Vorbehalten^ ”• *■ S^torgen!
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Joh. Barth. Limpert, appr. 1893, in
Alfeld, Bez.-A. Sulzbach; Dr. Otto Greither, appr. 1892 in Donn-
dorf, B--A. Bayreuth.
\ erzogen: Dr. Athrempl von Alfeld, wohin unbekannt.
Versetzt: im activen Heere: der Assistenzarzt 2. Classe
Karl St ei dl vom 2. Pionier-Bataillon zur Reserve des Sanitätscorps;
im Beurlaubtenstande: der Second-Lieutenant Ralf Dürig
von der Reserve des 2. Chevaulegers-Regiments Taxis als Assistenz¬
arzt 1. Classe mit einem Patente vom 31. März 1895 zu den Sanitäts-
officieren der Reserve (I. München).
Auszeichnung: Dem k. Centralirapfarzt Dr. Ludwig Stumpf
in München der Titel und Rang eines k. Medicinalrathes verliehen;
dem k. Hofrathe Dr. Alois Schoener, Bahn- und Stiftsarzt in
München, der Verdienstorden vom hl. Michael IV. Classe.
Befördert: im activen Heere: zuin Assistenzarzt 2. Classe
der Unterarzt Dr. Bruno Krug des 12. Infanterie-Regiments in
diesem Regiment; im Beurlaubtenstande: zu Assistenzärzten
2. Classe: in der Reserve die Unterärzte Di. Wilhelm Kattwinkel
(I. München); Gottfried Arm brüste r (Nürnberg); LudwigBerton
und Heinrich Weitkamp genannt Steinmann (I. München);
Georg Kissner untj Dr. Gustav Zimmermann (Würzburg);
Dr. Friedrich Döhne (Nürnberg); Dr. Otto Geithner (Erlangen);
Joseph Drissler (Ludwigshafen); Werner We ver (Würzburg) und
Dr. Karl Bauer (Augsburg); in der Landwehr 1. Aufgebots der
Unterarzt Wilhelm Axt (Würzburg).
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten für München
in der 19. Jahreswoche vom 3. bis 9. Mai 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 17 (13*), Diphtherie, Croup
39 (27), Erysipelas 17 (19), Intermittens, Neuralgia interm. 3 (4),
Kindbettfieber 1 (3), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 21 (9),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 8 (6), Parotitis epidemica 14 (8),
Pneumonia crouposa 22 (2b), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 45 (47), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 32 (30),
TussiB convulsiva 52 (56), Typhus abdominalis 1 (2), Varicellen 8(13),
Variola, Variolois — (—-). Summa 280 (263). Medicinalrath Dr. Aub.
Verlag von J. F. Lehman» in Möschen. - Druck der E. Mühlthalcr'.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 19. Jahreswoche vom 3. bis 9. Mai 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern 1 (3*), Scharlach — (2), Diphtherie
und Croup 5 (1), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) — ( 1 ), Brechdurchfall 2 ( 1 ), Unterleibstyphus —
( )> Keuchhusten 3 (1), Croupöse Lungenentzündung — (4), Tuber-
culose a) der Lungen 32 (30), b) der übrigen Organe 14 (5), Acuter
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 3 (4).
Unglücksfälle 1 (4), Selbstmord — (2), Tod durch fremde Hand—(-)•
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 198 (1851, Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 25,4 (23,7), für
die über dem 1 . Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,7 (15,2), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 12,4 (14,1).
’) U.-\. = Abkürzung für Unteroffiziers-Vorschüler.
Mühl thalcr’schen k. £of-Bua
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^ä^ucietct in jffl^&en.
Die Münchener Mc.lioin Wochenschrift cr««-helnt
wöchentlich in Nummern von mindestens2V-.-— 3B««en.
preis vierteljährlich 6 M, praemimerandb zahlbar.
Einzelne Nummer 60 .4.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu ndressiren: Für die Redaction
Ottostrus.se 1. — Für Abonnement na J. F. Leh¬
mann, Landwchrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplntz 16.
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curscfimann, C. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Banke, F. r. Winckel, H. f. Zfemssen,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würaburg. München. München. München.
M 21. 26. Mai 1896
Redacteur: I)r. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Land weh retr. 70.
43. Jahrgang.
Zur Jubiläumsfeier der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Von Professor Dr. 0. Anger er.
In nationaler Begeisterung wurden in den letztver¬
gangen eil Monaten vielo Feste gefeiert in der Erinnerung
an die Heldenthaten der siegreichen deutschen Armee, die
auf den blutgetränkten Feldern Frankreichs die Einigung
der deutschen Stämme, das Deutsche Reicli erkämpfte. Neben
diesen rauschenden Festen rüstet sich in der Stille die
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie zur Feier ihres 25 jährigen
Bestehens. Ihre Gründung hängt, wenn auch ein Werk des
Friedens, doch innig mit jenem glorreichen Kriege zusammen;
denn die Beobachtungen und Erfahrungen, welche die Chi¬
rurgen auf den Schlachtfeldern und in den Feldlazarethen
gemacht haben, haben den kräftigsten Anstoss gegeben, in
■dem nun geeinten Vaterlande auch die chirurgischen Kräfte
zu sammeln und zu einigen und die Hauptstadt des neuen
deutschen Reiches als Versammlungsort zu wählen. Und
wenn dieses Jubiläum auch nicht durch prunkende Feste
die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit erregt, so stellt doch
das Eine fest, dass die Bedoutung dieser Feier weit hinaus
über die betheiligten Kreise und weit hinaus über die
deutschen Grenzen verstanden und gewürdigt werden wird.
Denn die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie hat den her¬
vorragendsten Antheil an den Fortschritten der Chirurgie
und schaffte uns eine nationale deutsche Chirurgie, deren
Errungenschaften auch das Ausland neidlos anerkennt.
Die Congresse brachten frisch pulsirendos Leben in den
Austausch der Ideen und gaben andererseits sichere Gewähr
dafür, dass die gereifte Erfahrung der Alton Ausschreitungen
jugendlicher Begeisterung verhüten wird. So blieben der
deutschen Chirurgie Missgriffe erspart, wie sie bei der rela¬
tiven Ungefährlichkeit der blutigen Eingriffe, Dank der
modernen Wundbehandlung, nahe lagen.
Als B. v. Langenbeck, Gustav Simon und Richard
v. Volkmann im März 1872 ein Rundschreiben an die
deutschen Chirurgen erliessen, mit der Aufforderung, eine
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie zu gründen und in
Verbindung damit alljährlich einen Congress abzuhalten, da
fand durch diese auf Gustav Simon’s Betreiben erfolgte
Anregung ein Wunsch vieler Fachgenossen Ausdruck und
Erfüllung. Denn lebhaft wurde das Bedürfnis empfunden,
«bei dem stets wachsenden Umfang der chirurgischen Wissen-
No. 21.
schaft die Arbeitskräfte zu einigen, durch persönlichen Ver¬
kehr den Austausch der Ideen zu erleichtern und gemein¬
same Arbeit zu fördern».
Am 10. April 1S72 eröffnete B. v. Langen bock im
Auditorium der chirurgischen Universitätsklinik den ersten
Congress, dessen erfolgreicher Verlauf die Lebensfähigkeit
des jungen Unternehmens bewies. Und wenn wir jetzt nach
25 Jahren auf die Gesammtthätigkoit der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie zurückblicken, so müssen wir gestehen,
dass deren Gründung zcitgemäss war lind die erhoffte
Wirkung auf die Fortschritte und Erstarkung der deutschen
Chirurgie in vollem Maasse eingetreten ist
Welch’ grossartige Wandlungen hat die Chirurgie in
den letzten 25 Jahren erfahren und in welch’ zielbewusster
Weise haben die deutschen Chirurgen die epochemachenden
Erfindungen zum Nutzen unserer Wissenschaft verwerthet!
Alle wichtigen chirurgischen Fragen wurden im Sehoosse
der Gesellschaft besprochen und zum Abschluss gebracht.
Die ersten Congresse standen noch unter der Nachwirkung
kriegschirurgischer Erlebnisse: Vo 1 k m a n n’s vergleichende
Mortalitätsstatistik analoger Kriegs- und Friedonsverlctzungen,
W. Busch’s Mittheilungen über Sehussfraeturen, welche
das Chassepotg wehr bei Schüssen aus grosser Nähe hervor¬
bringt und B. v. Langenbeck’s conservative Behandlung
der Gelenkschüsse seien besonders erwähnt. Dann
folgten F. v. Esmarch’s hochbedeutsame Mittheilungen über
künstliche Blutleere und die Discussionen über Blut¬
transfusion. Hier zeigte sich bereits der wohlthätigo
Einfluss der Gesellschaft. Bei der lebhaften Begeisterung
Einzelner für die Transfusion, deren eifrigster Verfechter
der hochbegabte C. Hüter war, geschah es öfters, dass die
Geister erregt aufeinanderplatzten und schliesslich siegte
doch der massvolle Einfluss der Gesellschaft und verhinderte
eine extreme Anwendung der Bluttransfusion.
Die moderneWundbehandlung bildete ein stehen¬
des Thema auf fast allen Congressen und wer kann bezweifeln,
dass gerade die diesbezüglichen Verhandlungen der deutschen
Chirurgen für die Verbreitung der antiseptischen Principien
von grösster Bedeutung waren? In keinem andern Cultur-
lande sind die Segnungen der Antisepsis rascher Gemeingut
1
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MÜNCHENER M EDICINISOHE W OCHENSCHRIFT.
No. 21.
490 _
,,1» Aerzte geworden, als in Deutschland und vielfache
Verbesserungen und Vereinfachungen des \ erfahrene gingen
gerade von deutschen Chirurgen aus.
S Die Förderungen in der Erkenntmss der Leine von
der Tubcrculose der Knochen und Gelenke «'-danto w.r
dem Forschungsgeiste R. v. Volkmanns “ d l ' K °" lg ’
wahrend auf dem Gehiote der Hirnelnrurgte K. v. Borg
mann bahnbrechend verging. Wenn ich wert« b«*
erwähne die Discussion über Geschwülste, uberTuber
culinbehandlung, die operative Behandlung der Per -
t y p h 1 i t i s und der Ga 11 e n s t e i n e, die manmgfachen
voUkommnungen der Technik bei den Magen-Darm¬
operationen, die Durchführung der ^ a ^ 0tlSir “"? S
Statistik, so wähle ich aus der reichen Fundgrube der \er
handlungen, die Dank der unermüdlichen und unverdrossenen
“| Gurlt’s ein treues Bild der Fortsclmtte der
deutschen Chirurgie geben, nur die wichtigsten Themata aus^
Wie unendlich viel Bausteine wurden von den E.nzelhen
beigetragen, mit denen das Gesammtgeb.et unser Wissen¬
schaft ausgebaut wurde. Rüstige, thatkräftige und schaffens¬
freudige Arbeiter führten die deutsche Chirurgie zur Un¬
abhängigkeit und Selbständigkeit und es uberkommt uns
ein Gefühl der Trauer, dass so vielo vou den «Alten», die
den Ruf der deutschen Chirurgie begründeten und stutzten,
nicht mehr unter den Lebenden weilen. Ihren Namen em
dankbares Gedenken! _
Bei solch’ regem und redlichem Streben konnte e*
nicht ausbleiben, dass die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
eine immer grössere Anziehungskraft ausübte und die Zahl
ihrer Mitglieder alljährlich eine erfreuliche Steigerung erfuhr.
Aber auch das Ansehen der Gesellschaft wuchs von Jahr
zu Jahr im In- und Ausland und es wird unter den Ge¬
lehrten der ganzen Welt als eine ganz besondere Auszeich¬
nung empfunden, zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie erwählt zu werden Seit dem Bestehen
der Gesellschaft wurden B. v. Langenbeck, James Paget,
Josef Lister, Th. Billrotli, Spencer Wells Ollier
und C. Thiersch dieser Ehre für würdig befunden: eine
kleine, aber auserlesene Zahl hervorragender Chirurgen.
Das Aufblühen der deutschen Chirurgie ist dem har¬
monischen Zusammenwirken aller Fachgenossen zu verdanken
und besonders auch der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie,
welche die Chirurgen sammelte und einigte und durch ihr
stets wachsendes Ansehen einen regulirenden Einfluss auf
die Bedeutung der Anschauungen Einzelner ausiibte.
Nicht in letzter Linie gebührt unser Dank der sicheren
Führung der jeweiligen Vorsitzenden der Gesellschaft. Da
erinnern wir zuerst an die vornehme Erschemung B. v.
Langenbeck’s, der 14 Jahre lang die Gesellschaft leitete.
Hochangesehen und hochverehrt von Allen, beseelt von dem
wärmsten Interesse für die von ihm mitgegründete Gesell¬
schaft, in seiner Wissenschaft eine Autorität von Weltruf
hat er sich hervorragende Verdienste um die Deutsche Ge¬
sellschaft für Chirurgie und um die deutsche Chirurgie selbst
erworben. Für seine treuen, erspriesslichen Dienste wurde
v. Langenbeck, als ihn körperliches Leiden an der persön¬
lichen Theilnahme an den Congressen verhinderte, einstimmig
zum Ehrenpräsidenten der Gesellschaft erwählt. Und auch
nach seinem Tode lebt sein Andenken für ewige Zeiten fort
in dem Denkmal, das die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
für sich als Vereinshaus gebaut hat und das seinem Namen
S6Wel , ht Lang e enbeok’s Einfluss und Ansehen iät es zu
, .1 JL sich die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
von ihrer Gründung an stets der allerhöchsten Protection
zu e freuen hatte. Die hochselige Kaisenn Auguste setzte
T.b» 1879 einen Preis von 2000 Mark aus für .ex-
”i— Untersuchungen über die Ursachent dt* Diph¬
therie und die aus diesen sich ergebenden praktischen Fol¬
gerungen»; der Preis wurde 0. Heubnor zuerkannt. D e
erste deutsche Kaiserin war es, welche die Anregung zur
Gründung des Langenbeckhauses gab und in ihrem leb-
haften Interesse für dessen Bau der Gesellschaft ein Capitol
von ,0 000 Mark vermacht hat. Das Andenken an die hohe
Gönnerin der Gesellschaft wird durch ein Geschenk Kaiser
Wilhelm II. für alle Zeiten geehrt, indem er mit ihrer
Marmorbüste den Haupteingang zum Sitzungssaal des Langen¬
beckhauses schmücken liess. Und Kaiser Wilhelm II. hat
durch eine seiner ersten Regierungshandlungen der deutschen
chirurgischen Wissenschaft zur wohlverdienten Anerkennung
verhelfen indem er Licht und Klarheit in jene dunklen
Vorgänge brachte, die Mackenzie am Krankenbett Kaser
Friedrichs getrieben hat. Uebordies gab Kaiser Wilhelm L
seiner allerhöchsten Huld dadurch Ausdruck, dass er im
Jahre 1890 der Gesellschaft 100 000 Mark für den Bau des
Langenbeckhauses schenkte und damit die Ausführung des
eedanten Unternehmens sicher stellte.
g P Mö-e sich die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie auch
in der Zukunft des allerhöchsten Schutzes zu erfreuen haben .
Als Nachfolger B. v. Langenbeck’s wurde B. v. Volk-
Bann für die Jahre 1886 und 1887 zum FlWtatanp-
„ähit Volkmann hat durch seine geniale Begabung
auf die Entwicklung der deutschen Chirurgie den grössten
Einfluss ausgeübt und seine Theilnahme an den Tei¬
lungen hat stets durch seine Schlagfertrgke.t, seine^packen¬
den Vergleiche das lebhafteste Interesse erregt Auch sein
Name gfhört der Geschichte an und ist auf dem Rulimes-
blatte der deutschen Chirurgie eingegraben!
Nachdem für die nächsten 3 Jahre, welche u. A. >»
schwierigsten Vorbereitungen für den Bau de. Langenbeck;
Hauses umfassten, die Leitung der Geschäfte E. v Berg
mann anvertraut war, wurde für das Jahre 891 Carl
Thiersch als Vorsitzender gewählt, unter dessen luhrung
am 4 April 1891 die feierliche Grundsteinlegung des Langen¬
beckhauses erfolgte. Und schon im nächsten Jahre war ^
dem zum Vorsitzenden erwählten Bardeleben eg »
am 8. Juni die Einweihung des Langenbeckhauses vor ¬
nehmen und zum ersten Mal den Congress in dessen schon n
Räumen abzuhalten. Nach dreimal tagte bis jetzt der -L -
rurgencongress in seinem eigenen Hause unter dem
von König, Esmarch und Gussenbauer. Und zum
fünften Male ziehen in der kommenden Püngstwoche
deutschen Chirurgen in die Prachträume des W»**
hauses, das inzwischen in seinem Innern wert vo e
lerischen Schmuck erhalten hat Zahlreich und mit besonderer
Freude werden die Fachgenossen kommen, gi t es oc
der Erinnerung an das bisher Errungene festzuhalten ^
dem gedeihlichen Zusammenwirken aller Kräfte,, >
die deutsche Chirurgie zu so hoher Blüthe und o 'om
heit gebracht wurde.
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26. Mai 189G-
MÜNCHENER MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
491
Der Jubiläums-Congress steht uuter dem Präsidium
E. v. Bergmann’s, der in seiner Erwählung zu diesem
Ehrenamt den Dank der Mitglieder der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie sehen möge für seine rastlose Energie,
durch die allein die glückliche Gründung des Langenbeck-
hauses möglich wurde.
Ernst v. Bergman n wurde im Jahre 1836 in Livland
geboren und habilitirte sich 1864 an der Universität Dorpat,
woselbst er als Nachfolger A de 1 mann’s 1371 die Leitung
der chirurgischen Klinik übernahm. Im Jahre 1878 nach
AVürzburg berufen, folgte er nacu vierjähriger segensreicher
Wirksamkeit in der alten Frankenstadt am Main dem ehren¬
vollen Kufe an die Universität Berlin als Nachfolger
v. Langen beck’s. An allen Kriegen der Neuzeit nahm
E. v. Bergmann hervorragenden Antheil: 1866 in Böhmen,
1870/71 in den Lazarethen zu Mannheim und Karlsruhe,
1877 als consultirender Chirurg der russischen Donauarmee.
Reiche Erfahrungen hat er sich auf den Schlachtfeldern und
in den Kriegslazarethen erworben und darf als der be¬
deutendste Kriegschirurg unserer Zeit gelten. E. v. Berg¬
mann steht seit seiner Uebersiedelung nach der Reichs¬
hauptstadt an der Spitze der deutschen Chirurgen. Indem
wir dankbar seiner vielen Verdienste um die Chirurgie ge¬
denken, wollen wir ihm auch aufrichtig Dank sagen, dass
er in wichtigen und schweren Zeiten mit der ganzen Macht
seiner Persönlichkeit für die Wahrheit der deutschon Chi¬
rurgie eingetreten ist.
Möge es ihm vergönnt sein, noch viele, viele Jahre in
gleicher Rüstigkeit und Begeisterung und mit gleichem
Erfolge zum Ruhme der deutschen Chirurgie zu schaffen!
Originalien.
Ein Fall von Sanduhrmagen, operativ behandelt nach
Wölfler.
Von Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg.
Wir verdanken Wölfl er : ) neuerdings wieder eine werth¬
volle Opcrationsmctbodc, bestimmt, die Beschwerden des Sanduhr-
magens zu beseitigen. Diese Magenabnormität, die sowohl angeboren
als erworben sein kann, bietet, falls sie Besehwerden verursacht,
der internen Therapie um so grössere Schwierigkeiten, als es sieh
dabei wesentlich um mechanische Störungen handelt.
Der Magen ist, sei es nun durch congenitale Einflüsse oder
durch ein Ulcus, das seinen Sitz an der grossen wie an der
kleinen Curvatur haben kann, in einen richtigen Zwerchsack ver¬
wandelt; er zerfällt in einen Cardia- und einen Pylorusthcil.
Diese beiden Magenabtheilungen können annähernd gleich,
aber auch an Grösse verschieden sein, je nach dem Sitze der
Verengerung. In dem Wölf ler'schen Falle übertraf der Pylorus-
theil den Cardiamagen an Umfang, in anderen Präparaten war
der Cardiatheil geräumiger.
Können nun auch die Magcnbeschwcrdcn im Allgemeinen bei
Sanduhrmagen recht erheblich sein, so liegt doch die spccielle
Diagnostik der Affection sehr schwierig, zum Thcil schon wegen
der grossen Seltenheit des Leidens.
Charakteristisch 6ind nur wenige Punkte, so z. B. vor Allem
die durch die Aufblähung nachweisbare Form, wie sie von Schmidt-
Monnard*) und Eich borst am Lebenden einmal constatirt
worden ist. Die Aufblähung wird aber gewiss nicht in allen
Fällen das gewünschte Ergebniss liefern und wird vermutlich nur
dann gelingen, wenn die Verengerung noch nicht zu hochgradig ist.
In gewisser Weise charakteristisch sollen die Beschwerden
sein, an denen die Kranken nach der Nahrungsaufnahme leiden,
auch wenn sie nur wenig genossen haben. Wahrscheinlich sind
diese von der Verkleinerung des Organes durch die Zweitheilung
abhängig.
Ein anderer Anhaltspunkt kann darin liegen, dass sich im
nüchternen Zustande des Kranken Plätschcrgeräuschc in der Magen-
gegend erzeugen lassen, ohne dass es gelingt, durch die Aus¬
spülung Mageninhalt zu entleeren. In diesem Falle beherbergt
der Pylorustheil den die Succussion hervorbringenden Inhalt.
Bei der Ausspülung soll es ferner Vorkommen, dass plötzlich,
nachdem eine Zeit lang nur klares Wasser abgeflossen war, wieder
aus dem zweiten Sack stammende — Speisereste mit abfliessen.
Auch hat man beobachtet, dass bei der Ausspülung erheblich
weniger Wasser abfloss, als hineingelaufen war, — ebenfalls
^bngt durch Aufnahme resp. Verhaltung der Flüssigkeit seitens
des Pylorusmagens.
*) Ueber die Gastroanastomose beim Sanduhrmagen. Beiträge
zur klinischen Chirurgie 1895, p. 221 ff.
) Siehe diese Wochenschrift 1892 No. 19.
In dem ersten von Wölfler selbst mit Erfolg ojierirtcn
Falle wurde die exacte Diagnose erst nach Eröffnung des Leibes
gestellt. Uns erging cs nicht anders, obwohl wir die Kranke
längere Zeit zu beobachten Gelegenheit hatten.
Aber es steht zu hoffen , dass die Magenchirurgie, wie sie
bisher der inneren Mcdicin manchen wichtigen Aufschluss geliefert
hat, auch die Diagnose des Sanduhrmagens in Zukunft noch
wesentlich fördern wird.
Zunächst mögen hier die wichtigsten Daten der Kranken¬
geschichte unseres Falles folgen :
Frau C. F., 43 Jahre alt, aufgenommen in Bethcsda 7. XII. 9f>,
war schon im Sommer und Herbst 1892 von mir längere Zeit in
Bethcsda wegen eines schweren Magenleidens behandelt worden,
ohne dass ich damals die Indication zu einem operativen Eingriff,
um dessentwillen die Patientin das Hospital aufgesucht hatte, hätte
begründen können. Sie lag vom 4. November bis IG. December 1892
auf meiner Abtlieilung. Leider ist — offenbar wegen der Unruhen
der Cholera — eine genaue Krankengeschichte nicht geführt worden.
Ich kann aber aus der Erinnerung und nach den Anhaltspunkten,
die die mit Notizen versehene vorhandene Temperaturtabelle eigibt,
anführen, dass sie äusserst heftige Cardialgien, tägliches Erbrechen
sauerer Massen (einmal eine sehr copiöse Haematemesis), retardirten
Stuhl hatte und sehr abgemagert war. Die über mittelgrosse Frau
wog 78 Pfund und hatte einen grossen Decubitus. Eine consequent
durchgeführte mehrwöchentliche Rectalernährung schaffte so weit
Besserung der Magenbeschwerden, dass sie am 16. Dezember 1892
unter leidlichem Wohlbefinden entlassen werden konnte.
Die bei der letzten Aufnahme geführte Krankengeschichte er¬
gibt, dass Patientin 1882 aus unbekannter Ursache mit Magen¬
schmerzen erkrankte, die zeitweise auftraten und sehr heftig waren.
Zugleich bestand Erbrechen, dem Blut beigemengt war.
In Intervallen kehrten die Beschwerden immer wieder, gelegent¬
lich mit Bluterbrechen verbunden. Die Magenschmerzen strahlten
vom Epigastrium nach dem Rücken zu aus. Dem häufig eintreten¬
den Erbrechen waren gelegentlich Speisereste beigemengt. Seit dem
Jahre 1892 ist Patientin eigentlich nie wieder ganz wohl gewesen.
Seit einigen Wochen ist sie jetzt bettlägerig. Sie fühlt sich sehr
elend, ist appetitlos, hat täglich Erbrechen und heftige Schmerz¬
anfälle von 1—2 ständiger Dauer. Den Sitz der Magenschmerzen
verlegt sie in das Epigastrium, aber sie strahlen von da aus in den
Leib, in die Brust und nach dem Rücken zu. Das Erbrechen ist
besonders häufig am Abend und des Nachts, nur selten tritt es am
Morgen ein. Das Erbrochene soll meist nur ans sauerem Schleim
bestanden haben, nur selten sei Blut in Streifen beigemischt gewesen.
Zu den Zeiten der Menses seien die Sehmerzanfälle schlimmer ge¬
wesen; während der Attacken sei sie zuweilen gelblich gewesen,
zuweilen auch kurzathmig. In den ganzen letzten Jahren hart¬
näckige Verstopfung. Stuhl erfolgte nur auf Einlauf. Patientin ist
in der letzten Zeit wieder allmählich abgemagert.
Bei der Aufnahme bot Patientin 100 Pulse, 40 Respirationen
(hatte heftige Schmerzen während der Untersuchung) und eine Tem¬
peratur von 37,0°.
Sie war mager, von normaler Hautfarbe, mit blassen Schleim¬
häuten, ohne Oedeme. Zunge weisslieh belegt. Leib weich, gibt
überall tympanitischen Schall, ist oben im Epigastrium druck¬
empfindlich. Ein Tumor nirgends zu fühlen, Leber- und Milz¬
dämpfung normal, Beckenorgane ohne Störung. Brustorgane normal.
Urin sauer und ei weissfrei. Bei der Magenspülung tritt bereits Er¬
brechen ein, wenn erst */» Liter Flüssigkeit eingelaufen ist. Im
Magensaft freie Salzsäure nachweisbar. Behandlung; Morgens
nüchtern 7,5 Bismuth. subnitr. mit 200,0 Wasser gemischt tu nehmen,
heisse Umschläge, flüssige Diät.
1 *
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«ftWMIWEB MEDICINTSCnEJWOCHESSCHMFT.
No. 21.
492 ___
9. XII. 95. Die al J m v ^Tee f r rÜ Nvied e e? 0! iiTdJ^pSwM^
3ST&ÄÄ Äö g chenVnacbde m Kan. * Liter hinein-
“äS 11 sf SSt:'ss
Sc*—-. j >° im "
kleinen Curvatur oder c ln< iication des Eingriffes wurde in das
kleinerung des Magens. As fi t , imc j, Wölfler, möglichst
len Mageninhalt, hevoe
er das Ulcus passirte, abzuleitem . ls9r im Beisein und
unJ
“ Bge Su in tler Mitteilinic. ppt *££ SÄ
Eröffnung des Peritoneums a & vor/iehen Bei genauer Unter-
ihm der Magen. Er liess s^ “S^Sirmagi vorlag. Der
Buchung zeigte sich, dass e - [ fest , m j er unteren Flüche
Magen war mit seiner kleinen Canaturte^ * n war an der Ver¬
des linken Leberlappens \ erw« .^J T ’ umor Zll fahlen. Der Stelle
dieses'Tumors 6 entsprach die Einschnürung, die den Pylorustheil
fast ganz von dem übrigen Magen abtrennte.
Fig. 1-
Linker Leberlapptn.
Ulcus der kleinen Cur
vatur und \ erwachsung
des Magens mit der
unteren Leberllächc.
Ich stellte nun ganz nach
dem Vorgänge W ö 1 f 1 e r s
und unter Einhaltung der
Technik, wie ich sie selbst
bisher in 37 Fällen von Gastro¬
enterostomie geübt habe, die
Verbindung zwischen den
beiden Magensäcken unter¬
halb des Isthmus her.
Der scharfe Leberrand
wurde in die Höhe geschlagen
und nach Möglichkeit der
Magen ir. die Bauchwunde
gezogen. Erst wurde im Be¬
reiche der geplanten Ver¬
bindung die Serosa beider
Säcke durch eine fortlaufende
Seidennaht vereinigt, dann
nach Durchtrennung der
Serosa-muscularis — unter
Schonung der Schleimhaut --
der Itand derelben ebenfalls
fortlaufend genäht, zuletzt
die durchtrennte Schleim¬
umgekehrter Reihenfolge wurden dann vorne
chluss der Bauchwunde mit versenkten
Anlegung der Gastro-
anastomose nachWölfler.
haut hinten. In
3 Nahtreihen angelegt.
Seitennähten ^n _ m Wegentlichen ungestörte Recon-
valescenz an der bemerkenswerth war, dass der recht frequente
Puls erst -anz allmählich zur Norm zurückkehrte. Die Magen-
beschwerdeu kehrten nicht wieder, bald reinigte sich die Zunge,
und es besserte sich der Appetit zusehends. Die Entlassung der
Patientin verzögerte sich und konnte erst im Februar d. J. erfolge ,
da sich, nach ursprünglicher Prima intentio, später die versenkten
Seidennähte ausstiesBen. 7lin _. ist
Jetzt, Anfang April, wiegt Patientin 114 Pfd .ihre Zunge ist
rein die alten Magenbeschwerden, derentwegen die Operation unter
nommen wurde, sind nicht wieder zurückgekehrt.
So viel ich aus der Literatur ersehe, ist dies der erste hall,
der nach Wölf ler’s Vorgänge operirt worden ist. Sein Ver¬
lauf zeigt, wie Wölfler's eigener Fall, dass die Gastroana-
stomose eine rationell erdachte und coustruirtc Operation ist. Sie
stellt die Verbindung zwischen den beiden getrennten Magensäcken
wieder her und beseitigt so die Fassagebehinderung des Mageninhaltes
durch den Isthmus, von der sicherlich wohl in erster Linie die quälenden
Magenstörungen abhängig sind. Wenigstens glaube ich, dass bei
Äi Ec
fatZb« 2; toi, die r"jlfz
Curvatur unter untcrßn Leb crflUche gelegene Ulcus, gegen
über demselben a p. lss ; rcn des Isthmus unmittelbar an-
dus der Magenm ^ ^ ^ wahrßchein lich gelten, dass das
drängte. ('„rvatur das vielleicht erst mit d'r Leber
' nvuehs' allmählich durch Narbeucontraction den ganzen Bezirk
venMchs, aümanu Bcrc[( . h(s sci ncs Sitzes herangezogen und
SZnüLg gebildet bet, die, jo hochgradiger S ic rrurde,
“ÄZiÄ Fa« vielieieht eia»
Ä * ZmutMch ~hl dc 7„Z
“ c r d^trrZdZz— .* ~ *
im Birtic . , . i Malens an seinen rasch ein-
rZ iZrZfdZLtnZZn Fixation. Da eine
Äisrzirs
gegentritt.
Aus der chirurgischen Klinik zu Heidelberg
(Geh.-Rath Czerny).
Ein Fall von acuter Strumitis durch Diplococcus
Frankel -Weichselbaum mit secundarer metastat.
Pneumonie.
Von ]>r. Hedilacus, Assistenzarzt der Klinik.
\„i IG. Januar 1896 kam in hiesiger Klinik ein'Fall von
Strumitis zur Behandlung, der durch
cationon beim Heiluugsverlauf so rnteressante V f U.«*»dmrb“
dass er uns einer Mittheilung an weitere mcdicimschc Kreise
erschien. Die Krankengeschichte des Falles ist fol ^ ,ldc .
Anamneso: Der aus gesunder ^unihe stammende, früher
ernstlich krank gewesene Fatient, Kar ß d Sßh ' v ‘ llu „ g d cr rechten
aus Ispringen, bemerkte seit - Jahren • jgröS8e begann
Halsseite, die seitdem langsam zunohm Mit 1 "kne^ Allini ildieli
sie dem Patienten Beschwerden zu machen bem A» men. ^
stellte sich auch Schwellung der l>njen Hai«. »*® cm ; einem
schliesslich die ganze vordere C.rc.im erenz des L“^VachstHum.
starren Gürtel umgeben war. fee t '/ Jahr rasel.eres ^ (Ue
Zunahme der Geschwulst um mehr als das ^ ge Jiwert
F.xpcctoration des in der Trachea sitzende CS Wo 'ben bis zu
is . Die Athemnolh steigerte sich in den letzten kurzer Zeit
Ersticknngsanfällcn. Aerztlicbcrseits wurden blieben Vor
Salboneinreibungen verordnet die aber jj 1 "® J'jJ,,-^„“ion der Ge-
8 Tagen machte der behandelnde Arz.t e . . , p angenommen,
schwulst Seitdem haben die Beschweren angeblich w * ^ ^
dass Patient beute aus Furcht, zu ersticken, dm hi«» den
suchte. Auch soll seitdem die Geschwulst senmerzmu b
und Fieber eingetreten sein. „„„«brter Mann mit stark
Status praesens: Kräftiger, .^‘^KJ^hlcuni^
i geröthetem Gesicht. Athmung angestrengt und et« as Allgemein-
deutlich hörbares Stenosengeräuscli Keine pichen «“ * 0JI0rcn
erkrankung. Untersuchung der I ,u n gen ergibt « Schalles;
Lungenschall, nirgends Dämpfung oder Abschwächung Trachen
auscultatorisch hört man über beiden Lungen das wd ,, ysi .
weitergeleitete Stenosengeräuscli, sonst ist kein . Leber
kalischer Befund nachweisbar. - Herzbefund nana*, ebenso
und Milz. - Im Urin der dunke und tru , aber isch
ist, ziemlich starker Albumingehalt, reichlich Urate - . ithe lien,
zahlreiche Leukocyten und Blasenepithehen, keine h 1
keinC Lo y caf e findet sich in der vorderen und
der Lage der Schilddrüse entsprechend, rechts das obere » n . it eiaer
ziemlich ausfüllend, eine faustgrosse Geschwutat, die M * ot de8
schmalen mittleren Brücke m einen zweiten kiemere i ühnere i-
linken oberen Halsdreieckes fortsetzt und hier mi \- einer etw Pie
grossen Schwellung am hinteren Rande des Kopf nicke iutenS ' lV
Haut über der genannten rechtsseitigen 8chw ®H' ir ^ ir( f von stark
geröthet und gespannt und fühlt sich heiss an. >-ie schmerz-
ektatischen geschlängelten Venen durchzogen. Betastung it
haft. Ueber dem ganzen Tumor besteht praUeSpaaonw^mMt
Fluctuation, während der links von der Mittellinie gelegen
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26. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
493
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festere Consistenz aufweist und nicht schmerzhaft ist. Die Geschwulst
lasst sich nach allen Seiten abgrenzen und ist unschwer als der
veränderten Schilddrüse angehörig zu erkennen. Der Kehlkopf ist
um 4 cm nach links von der Mittellinie verdrängt, die Carotiden-
pulsation am hinteren Rand des Kopfniekers zu fühlen. Stimme
heiser, soll früher vollkommen klar gewesen sein. Von einer
laryngoskopischen Untersuchung wurde wegen der starken Dyspnoe
Abstand genommen. Letztere steigert sich in liegender Position,
so dass Patient meist aufrecht im Bett sitzt.
Eine Probepunction der fluctuirenden rechtsseitigen Geschwulst
ergibt trübe hämorrhagische Flüssigkeit ohne mikroskopisch sicht¬
bare Formelemente. Temperatur Abends 40°.
Klinische Diagnose: Struma cystica inflamm ata
dextra, Struma parenchymatös« sinistra, Recurrens¬
parese. Angesichts des drohenden Zustandes des Patienten wird
für die Nacht Tracheotomie vorbereitet und für den folgenden Tag
Incision resp. Enucleation der cyst. Struma beschlossen. 17. I. Nacbt
ohne Erstickungsanfall überstanden. Patient klagt heute Morgen
über Zunahme der Schmerzen und ist vollkommen aphonisch. Tem¬
peratur 38°.
Operation mit Schleich'scher Localanaesthesie
(G. R. Czerny): Schrägschnitt über der Höhe der rechtsseitigen Ge¬
schwulst 10 cm lang legt die stark verdickte entzündete Wandung
der Strumacyste frei. Letztere lässt sich theils scharf, theils stumpf
enucleiren, wobei eine Anzahl grosser Kapselgefässe unterbunden
werden müssen Noch vor vollendeter Enucleation wird die Cyste
angeschnitten und entleert eine grosse Menge dünnflüssigen haemor-
rhagischen Inhaltes, von dem zum Zwecke bacteriologischer Unter¬
suchung einige Cubikcentimeter im sterilisirten Röhrchen aufgefangeu
werden. Nach vollständiger Enucleation der Cyste und Stillung der
ziemlich starken Blutung wird die grosse Wundhöhle mit Jodoform¬
gaze tamponirt, die Hautwunde mit Seidennähten geschlossen;
leichter Compressionsverband.
Anatomischer Befund: Die aufgeschnittene Cyste zeigt
sehr stark verdickte sulzig inliltrirte Wandung, Innenseite glatt;
Inhalt besteht aus dünner hämorrhagischer Flüssigkeit und nekro¬
tischen weichen colloiden Gewebsmassen.
Verlauf: Sofort nach der Operation trat wesentliche Er¬
leichterung der Athemnoth ein. Am Abend desselben Tages musste
der oberflächliche Verband erneut werden, da er durchblutet war,
Tamponade blieb liegen; subjectives Befinden wesentlich besser,
Temperatur noch 39,6°.
18.1. Verband bleibt liegen, hat nicht mehr durchgeschlagen;
subjeciives Wohlbefinden, Stimme heller.
19. I. Tamponade entfernt und durch Drainrohr ersetzt; neben
letzterem noch leichte Tamponade mit Jodoformgaze. Stimme heute
deutlich klarer.
Temperatur steigt nach vorübergehendem Abfall heute plötz
lieh wieder auf 39,5°. Patient klagt über starken Husten und
Schleimab8onderuug mit erschwerter Expectoration. Es besteht spär¬
licher zäher schleimig eitriger Auswurf. Daraufhin vorgenommene
Untersuchung der Lungen ergibt über dem rechten Mittellappen
hinten Dämpfung von circa 3 fingerbreite, nach unten hellt sich der
Schall wieder auf; man hört über der gedämpften Partie aus¬
gesprochenes Broncbialatmen; im übrigen auf den Lungen ausser
vereinzelten bronchitischen giemenden Geräuschen kein abnormer
Befund.
Klinische Diagnose: Pneumonie des rechten Mittel¬
lappens. 20. I. Bei der Inspection der mit dem Cysteninhalt
beschickten Agarröhre erkennt man heute einen äusserst feinen
Rasen kleinster punktförmiger Auflagerungen. Die genauere mikro¬
skopische Untersuchung von nach Gram gefärbten Deckglastrocken¬
präparaten ergibt typische Fränkel-Weichselbaum'sche
Diplococcen, dem jugendlichen Stadium entsprechend zum grössten
Theil noch ohne deutliche Kapselbildung.
Da ein Zusammenhang dieses Befundes mit der acut auf¬
getretenen Pneumonie nicht unwahrscheinlich erschien, wurde
auch das Sputum einer mikroskopischen Untersuchung unterzogen.
Es liessen sich massenhaft typische Fränkel-Weichsel-
baum’sche Diplococcen in schöner Lanzettform nach weisen,
meist mit sehr deutlich ausgeprägter Kapselbildung; an vielen Stellen
förmliche Reinculturen, so dass an dem infectiösen Charakter der
Pneumonie nicht mehr zu zweifeln war.
In den nächsten Tagen blieb die Temperatur noch hoch, stieg
sogar am 22. I. wieder auf 40,1° unter reichlicher werdender Ex¬
pectoration ohne sonstige wesentliche subjective oder objcctive Ver¬
änderungen. Die Wunde zeigte mässige Secretion, die entzündliche
Infiltration der Umgebung nahm zusehends ab. Stimme nahm wieder
Klang an. Am 24.1. ziemlich rascher kritischer Temperaturabfall, am
26. I. Temperatur wieder normal. Auswurf dünner, Expectoration
leichter. Dämpfung RH nicht mehr deutlich, ein weiteres Fort¬
schreiten nach oben oder unten nicht eingetreten, kein Bronchial¬
atmen mehr, noch deutliche bronchitische Geräusche Subjectives
Befinden sehr gut. Stimme noch leicht heiser. — Wunde reactions-
los, Drain gekürzt.
28. I. Drainrohr ganz entfernt, Wunde reactionslos, Schwellung
der Umgebung vollständig zurückgebildet; der Kehlkopf steht wieder
genau in der Mittellinie.
Lungenbefund normal, noch leichte Bronchialsecretion, deren
Expectoration nicht ganz frei ist; Patient hat das Gefühl einer Ver-
No. 21.
engerung der Luftröhre unter dem Kehlkopf. Stimme heute auf¬
fallender Weise wieder heiserer.
3. II. Wunde fast geschlossen. Allgemeinbefinden sehr gut.
Stimme aber vollkommen aphonisch! Laryngoskopische
Untersuchung ergibt vollständige rechtsseitige Recurrens-
lähmung, das rechte Stimmband steht bei der Phonation in un¬
unbeweglicher Cadaverstellung, Aryknorpel sind leicht geröthet und
ödematös geschwollen. Ordination: Inhalationen mit Ol. Terebinth.
7. II. Ueber den Lungen bei tiefer Athmung noch das fort¬
geleitete leichte Stenosengeräusch hörbar, sonst normaler Befand.
Stimme immer noch in totaler Aphonie. Auf seinen Wunsch wird
Patient heute nach Hause entlassen. Am
15. II. stellt sich Patient wieder vor. Aphonie kaum verändert.
Es scheint also nach anfänglicher Besserung der Recurrensparese
durch Aufhören der durch die Struma verursachten Corapression
nunmehr wohl durch narbigen Zug ein Druck ausgeübt zu werden,
der über kurz oder lang voraussichtlich unheilbare Paralyse des
Nerven zur Folge haben wird. In der diesbezüglichen Literatur fand
ich eine Zusammenstellung von Jankowski, der bei 62U Fällen
von Kropfexstirpationen 87 mal (= 14 Proc) Störungen der Kehl¬
kopffunctionen constatirte, worunter 24 mal völlige Aphonie, 51 mal
Störungen der Stimme in anderer Art.
Die Ursachen der Stimmstörungen sind meist Läsionen der
Kehlkopfnerven bei der Operation, doch sind auch dem unsrigen
analoge Fälle verzeichnet (Juillard und Martin, Revue de
Chirurgie 1*83). Ueber die Häufigkeit der narbigen Lähmungen
fehlt eine genauere Angabe bei Jankowski.
Selien wir uns das vorliegende Krankheitsbild des Genaueren
an, so ist es zuniiehst die Aetiologie der Strumitis, die
unser Interesse erweckt. Ich möchte an dieser Stelle kurz dar¬
auf eingclien, was Kocher, der in diesem Punkt wohl zweifellos
erfahrenste Autor, berichtet hinsichtlich der Entstehung der
Strumitis. Er nimmt auf Grund einer grossen Beobachtungsreihe
an, dass eine acute Entzündung der Schilddrüse nur hei Vor¬
handensein einer localen Disposition geschehen könne, die in anato¬
mischen Veränderungen des Gewebes bestehe. Der gelindeste und
häufigste Grad dieser Disposition soll hei Struma hyporplastica
vorhanden sein, sobald in dieser Thrombosen, Blutergüsse oder
regressive* Metamorphosen (Verfettung u. dergl.) stattfinden. Der¬
artige Zustände ereignen sich bei Traumen, sei es ohne Wunde
(Stoss etc.), sei cs mit solcher (Punctionen etc.), weil sie schnelle
Circulationsstörungen bewirken. Hierher sind denn auch die
parenchymatösen Injeetionen (Jod!) zu rechnen, nach denen zu¬
meist zwar erst nach längerer Zeit, wenn sich Gewebszerfall und
Nekrose gebildet, durch besondere Gelegenheitsursachen Entzündung
cintritt. Diese <lelegenheitsursaehe bestellt zumeist im Eindringen
von Entzündungserregern, wie denn überhaupt ohne solche eine
Strumitis nie entstehen soll, in das Blut und Verschleppung nach
dem genannten Locus minoris resistentiae, alias disponirten Boden
von anderweitigen Krankheitsherden aus, so bei Typhus, Pyaemie,
Polyarthritis acuta, Puerperalfieber, einfachen Magenkatarrh. Tavel
berichtet im gleichen Sinne in seiner bekannten Monographie über
die Aetiologie der Strumitis über 18 Fälle von Strumitis, die er
alle, genau hacteriologiseh untersucht hat, wo er nur in einem
Falle keine Batterien fand. In 15 Fällen waren primäre ander¬
weitige Krankheiten der Ausgangspunkt. Er fügt zu den oben¬
genannten primären Krankheiten noch hinzu Darmkatarrh, Proctitis,
Pneumonie, Pyaemie, Angina, Coryza, Erkältung. Die von ihm nach¬
gewiesenen Mikroorganismen waren Streptococcus lanceolatus, Bac-
terium coli commune, Typhusbacillus, Pneumoniebacillus, Staphylo-
coccen und Streptococcen. Wegen der erforderlichen localen
Disposition bringt er die Strumitis mit der aouten Osteomyelitis in
Analogie.
Mehrere anderweitige kurze casuistischc Mittheilungen seien
aus der Literatur der Vollständigkeit halber hier noch erwähnt.
Kicklin berichtet über 5 Fälle acuter Entzündung der unver¬
änderten Schilddrüse (also eigentlich nicht Strumitis, sondern
Thyreoiditis) hei Gelenkrheumatismus und 2 hei Malaria.
Golzi wies ebenfalls in einer nach Typhus vereiterten Cyste
den Typhusbacillus nach, der noch lange nachher, solange die
Eiterung anhielt., stets rein zu erhalten war. Brunner fand
bei einer acuten eitrigen Strumitis das Bactcrium coli commune
in Reincultur. Die während 4 Wochen fortgesetzte Untersuchung
des aus der Absccsshöhle abgesonderten Secretes ergab, dass während
dieser Zeit die Bactericn sich im Eiter entwicklungsfähig hielten.
Bei der Impfung auf Meerschweinchen zeigten sie sich immer
hochgradig pathogen. Erst ganz allmählich trat Abschwächung
2
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494
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 21.
Nach 14 Tagen
lasst sich nach dem hier
der Virulenz und der Wachsthumsenergie ein
fanden sich auch Streptococcen.
Jeanselme theilt ebenfalls einen Fall von Strum.tis nach
TvphM X ta Anschluss an die sich fülliger Schwund der
Struma «»teilte, wie »weilen nach "“X's» Bae
keiten. In dem durch Incision entleerten Eiter liess sich Ba
Ebcrth nachweisen.
Zum Schlüsse erwähne ich einen von Meyer mitge hedten
Fall der eine gewisse Aehnlichkcit mit unserem lall hat. Bei
einem 62 jährigen Manne trat nach der 2- Function, die ohne
Ergebnis war Verjauchung des Inhaltes der zweifaustgrossen
starrwandigen Cyste ein, Spaltung, Tod an 1 neumomc
Damit komme ich auf unseren Fall zurück. Wir hören,
dass ca. 8 Tage vor dem Eintritt in die h.es,ge Klinik ein Prok
punction vom behandelnden Arzte vorgenommen wurde. Ich^ stehe
nicht an, der letzteren die Schuld an der Strömt» zuzuschrcibe«,
da sich im Anschluss an dieselbe zunehmende Entzündungs¬
erscheinungen einstelltcn. Ob es freilich die Punction an sich
war, die eine directc Infection bewirkte, oder ob durch
eine Disposition zur Einwauderung von Entzündungserregern ge-
schaffen wurde, ist eine Frage, die einer genaueren ^orterung
bedarf. Man könnte das erstcrc für unwahrscheinlich halten,
weil bei nicht genügender Dcsinfcction der Spritze wohl eher eine
Infection mit Streptococcen oder Staphylococccn zu erwarten gewesen
wäre und man deswegen zu der etwas gezwungenen, wenn aiu i
nicht unmöglichen Annahme greifen müsste, dass zuvor mit der¬
selben Spritze ein metapneumonisehes Exudat oder Empyem punctirt
worden sei. Dieser Punkt ist natürlich nicht zu eruircn.
Was aber die letztgenannte Frage betrifft, dass die Punction
nur eine Disposition für die Einwanderung von Entzündungserregern
geschaffen haben könnte von einem primären anderweitigen Krank¬
heitsherde aus, so ist ihre Erörterung doppelt interessant wegen
des später gefundenen bacteriologischen Ergebnisses und weil bisher
die Pneumonie immer als primäre, nie als seeundäre Erkrankung
vermerkt ist. Wir müssten also annehn.on, dass irgendwo im
Körper der später in der Strumaflüssigkeit nachgewiesene
Fränkcl-Weichselbaum’sche Diploeoccus bereits vegctirt
hätte. Dass er vom Munde aus, wo er sich bekanntlich auch unter
normalen Verhältnissen zuweilen findet, in die Struma eingewandert
wäre, ist nicht wohl anzunchmcn, da ein dircctcs Eindringen des
Coccus in das normale Gewebe und Verschleppung auf dem Wege der
Lymph- oder Blutbalin nicht nachgewiesen und die vom Munde
aus erfolgende Infection der Lungen damit nicht in Analogie zu
setzen ist. Dagegen wäre zu erwägen, ob nicht bereits vor dem
Eintritt der Strumitis eine Infection der Lungen stattgehabt und
somit die Strumitis analog den in der Literatur vermerkten An¬
gaben als eine seeundäre metastatische nach primärer Pneumonie
aufzufassen wäre. Dagegen spricht aber vollständig der oben mit-
gctlieilte klinische Befund: Bei der Aufnahme bestand bereits
eine floridc starke Strumitis, dagegen waren die Lungen noch
vollkommen intact, nirgends Dämpfung, nirgends Knisterrasscln
oder Bronchialathmcn, kein Auswurf. Erst 2 läge nach der
Operation setzt plötzlich mit starkem Temperaturanstieg eine
bactcriologisch bestätigte typische Pneumonie ein, die entsprechend
ihrer geringen Ausdehnung einen schnellen und leichten Verlauf
nahm. Auch dass die Pneumonie diesen circumscriptcn nicht
progressiven Charakter beibehielt, sich auf den rechten Mittellappen
beschränkte, scheint mir eine Bestätigung der Auffassung einer
metastatischen Infection der Lunge zu sein.
Die Annahme einer primären sogenannten centralen Pneu¬
monie, die mau bei extremer Skepsis vielleicht in’s leid führen
könnte, da sic zuweilen physikalisch in frühen Stadien überhaupt
nicht nachweisbar ist und erst später sich der äusseren Unter¬
suchung zugänglich macht, glaube ich angesichts des acuten An¬
steigen des Fiebers, des plötzlichen Auftretens von stärkerem
Husten etc. ausser Acht lassen zu dürfen. Gegen diese Auf¬
fassung Hesse sich z. T. auch verwerthen, was Lebert und
Kocher bemerken, dass nämlich erfahrungsgemäss die Strumitis
auffallenderweise meist erst nach Ablauf der allgemeinen Krank¬
heitserseheinungen eintrete, so dass also in unserem l'alle die
l’ueumonie bereits ca. 10 Tage vor Eintritt in die Klinik hätte
bestanden haben müssen. Und dies
constatirtem Befunde ausschliessen. . ,
Die Frage einer durch die Narkose bewirkten I neumomc
(Aspirationspneumonie) ist ebenfalls in unserem Falle irrelevant,
da nicht narkotisirt, sondern locale Anaesthesie angewandt wurde.
Wir nehmen also auf Grund des übereinstimmenden bacteno-
logisehen Befundes, des acuten Einsetzens der pneumonischen Er¬
scheinungen, des vorherigen negativen Lungenbefundes die I neu-
monie in unserem Falle als eine von der primären Strumitis
ausgehende seeundäre Infection an. Der V og auf dem
die Entzündungserreger in die Lunge gelangt sind, wird wohl
englischer angenommen werden dürfen und müssen. Das klm,sehe
Bild des circumscriptcn, pneumonischen Herdes spricht wohl auch
dafür. Somit bleibt für die Erklärung der Entstehung der pri¬
mären Strumitis nur die directc Infection durch die 1 unct.ons-
spritze übrig, die wir zwar nicht mit Sicherheit beweisen, aber per
exclusionem wohl als sehr wahrscheinlich bezeichnen ko „nen.
Literatur.
Jankowski, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, XXII, S. 104.
Kocher, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, X, S. 1.1.
Tavel, Monographie, Basel 1892, Aetiologie der Strumitis etc.
llicklin, Gazette medic. de Pans.
4cr8eh "" , *~
Brunner, Schweizer Correspondenz bo. 10,
Zur Heilung des angeborenen Klumpfusses.’)
Von Dr. Oskar Vnlpiiis,
Privatdoeent der Chirurgie an der Universität Heidelberg, Special-
arzt für Orthopädie. Chirurgie, Heilgymnastik und Massage.
M. 11.! Die Behandlung des angeborenen Klumpfusses bat
im Lauf der Zeiten merkwürdige Wandlungen durchgcmueht.
Auf eine lange Periode, die sich mit mechanischer Therapie
begnügte und trotz hoher Anforderungen an die Geduld des Arztes
wie des Kranken resp. seiner Angehörigen mittels Schienen und
Verbänden oft nur miissig befriedigende Resultate erzielte, folgte
eine Zeit immer kühner und rücksichtsloser werdender Operationen.
Die knöchernen Widerstünde, welche sich der Corrcctur der e-
forinität entgegcnstcllten, wurden durch Entfernung der besonders
defonnirten Knochen zu beseitigen gesucht. Da die pathologisc
Anatomie uns lehrt, dass alle Knochen des Fussskelotcs mehr
weniger an der Verbildung thcilnehmen, so kann die Exstirpation
einzelner Knochen, insbesondere des Talus, natürlich eine vo -
kominenc Heilung nicht erzielen. Die Rescction eines Keiles aus
der Convexitüt des Klumpfusses, welche mit der Talusexstirpation
in Coneurrenz trat, leidet an dem gleichen Fehler und beding
eine um so hochgradigere Verstümmelung des Fusses, je st ^, cr
der Pos varus ausgcbildct ist. Die somit vorauszusehenden Miss¬
erfolge eingreifender Knochonoperationen mussten zur consemttven
Behandlung zurückfuhren. Es ist das Verdienst W ol ff s, durcü
sein forcirtes Red r es se m en t in E ta p p c n verbänden gezeig
zu haben, dass die defonnirten Knochen des Fusses unter dem
Einfluss der ihnen wicdcrgcgcboncn normalen gegenseitigen Lagerung
Und Function allmählich auch wieder normale Form annehmen
können. Allein seine Methode ist langwierig und schützt den
vermöge seiner Federkraft in die fehlerhafte Stellung zurück-
drängenden Fuss nicht sicher vor dem für die Fortsetzung c
Cur verhängnisvollen Decubitus. Diese Fehler vermeidet aas
von Lorenz als modellircndcs Red ressemen t kürzlich dc-
schriebcne Verfahren, das ich vor 4 Jahren kennen zn lernen
Gelegenheit hatte. Bereits im letzten Semester habe ich m
erlaubt, Ihnen über diese neue Methode zu berichten und glau
Ihnen dieselbe nach etwa 150 maliger Anwendung empfehlen tn
dürfen. Es genügt darum heute wohl eine kurze Skizzirung
Verfahrens. Dasselbe sucht nicht durch forcirte Kraftanwendung
in mehreren Sitzungen, sondern durch stetig wiederholte *mp“
lationen in einer einzigen Narkose den Fuss in normale oder cs*
') Nach einem Vortrag, gehalten Im Naturhistor.-roed. Verein,
Mai 1896.
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26. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
etwas über cor rxgirte Stellung zu bringen. Der Fuas wird, als sei
er aus Thon oder Wachs gebildet, zurecht modellirt, — daher die
Bezeichnung — und zwar werden die einzelnen Coinponenten, die in
ihrer Summe den Klumpfuss darstellen, getrennt und iu bestimmter
Reihenfolge in Angriff genommen. — Die gabelförmig vom inneren
Fussrand aus Sohle und
Fussrücken umgreifende
Hand drängt den ad-
d u c i r t c n Fuss mehr
und mehr in möglichst
extreme A Ixluctionsstel-
lung hinein, während die
andere Hand die Knöchel
umfasst und vor eiuein
Bruche schützt (Fig. \).
Bei starrem Klumpfuss
wird diese Correetur
dadurch rascher erzwun¬
gen, dass wir ihn mit
der Couvexität seines
Aussenraudes auf die
Höhe eines gepolsterten
Keiles legen und Ferse
wie V orderfuss mit beiden Händen belasten und abwärts gegen die
Seitenflächen des Keiles drängen (Fig. 2). Dieses Manöver ist
als beendigt anznsehen, wenn der äussere Fussrand eine aus¬
gesprochene Coneavität aufweist, während der innere urspünglieh
eoncave convex geworden ist. Der zweite Handgriff gilt dem
II o h 1 f u s s , der bekanntlich
in sehr verschiedenem Grad,
beiälteren Individuen meist aus¬
geprägter vorhanden ist. Die
verkürzten Stränge der Plan-
taraponeuro.se werden allmählich
gedehnt, indem die eine Hand die
Fusswurzel fixirt, die andere den
A orderfuss in die Höhe drängt.
Fs leuchtet ein, dass die
Correetur des Hohlfusscs kaum
möglich wäre, wenn nicht die I
Ferse durch die Achillessehne
festgehalten würde. Fs darf
also die Achillotenotomie, die
zumeist sich zur Beseiti¬
gung des Spitzfusses als nöthig erweist, erst als dritter
Act folgen.
Nach subeutaner Durehschncidung der Sehne muss der
Calcaneus nach abwärts gezogen werden, indem man die Finger
zu beiden Seiten des Processus posterior desselben einhakt. Es
erübrigt jetzt nur noch
die Beseitigung der
Supination» Stellung,
die in eine Pronation der
Fusswurzel wie des Vor-
derfusses umgewandelt
werden muss.
Sind wir auch damit
zu Ende, so gelingt es
uns ohne weiteres d. h.
mit leichtem Zug an
einer Zehe, den Fuss
aus der Equinovarus-
position in einen Pes
calcaneo - valgus über¬
zuführen (Fig. 3). Der
Fuss muss seiner E las ti-
cität völlig beraubt sein,
ehe wir ihn in corri-
girter Stellung mit
einem starren Verband
üfflgebon. Die zum Redressement erforderliche Zeit ist recht ver- I
schieden, und zwar lässt sich weder nach der äusseren Form
495
noch nach dem Alter des Klunipfusscs mit Sicherheit Voraussagen,
ob der Eingriff leicht oder schwierig auszuführen sein wird.
Schwerer gestaltet sich die Correetur dann, wenn man
einen primär angeborenen Klumpfuss vor sieh hat, so bei
ererbter Missbildung, bei gleichzeitigem Bestehen einer Affection
im Centralnervensystem. Jedenfalls gelingt es ausnahmslos in einer
Sitzung, die Entformung des Kusses zu erreichen. Bei Erwachsenen
freilich jenseits des 12. bis 14. Lebensjahres genügt die Hände¬
kraft nur unvollkommen zur I Überwindung der knöchernen Wider¬
stände, hier unterstützt uns der schon früher von Lorenz ange¬
gebene Sehraubenapparat, der eigentlich zum intraartikulären Redres¬
sement des (lenu valgum, von Knieeontracturcn etc. bestimmt ist,
auf das Wirksamste.
Ist das modellircndo Redressement fertig, so wird der Fuss
bis zum Knie in einen Gipsverbaud gelegt. Auf gute, gleich-
massige Polsterung, auf falteuloses Auflegen der Bindcu muss
sorgfältig Obacht gegolten werden. Der vordere Rand des Ver¬
bandes muss die Grosszehe etwas überragen, die kleine Zelte da¬
gegen muss Platz zur Entfaltung nach aussen haben, die Suhle
endlich wird zweckmässig mit Selmsterspünen verstärkt und haltbar
gemacht. Auch empfiehlt es sich, namentlich wenn das Redressement
schwierig war, den Verband vorne in seiner ganzen Länge alsbald
zu spalten.
Tritt dann während der nächsten Tage eine reaetive Schwellung
ein, so kann jede Gefahr durch Auseinanderbiegen der Ränder
verhütet werden.
Sind die ersten Tage nach der Operation vorüber, so kann
das Gehen in dem mit einem Lederschuh geschützten Verbaud
versucht werdeu.
Letzterer wird übrigens bei Erwachsenen zweckmässig erst
einige Tage nach dem Redressement angelegt, um nicht eine Nekrose
der überdehnten Woichtheile zu erleben, die mir einmal passirte,
ehe ich die erwähnte Vorsichtsuiassregel anwendete.
Nach 3—4 Monaten, während welcher der Verband nöthigen-
falls ausgebessert oder erneuert wird, kann das Resultat als go-
I sichert betrachtet werden, falls eine geeignete und consequente
Nachbehandlung folgt. Dieselbe erstrebt die Kräftigung der Unter-
schenkelumsculatur, insbesondere der Pronatoren des Fusses durch
Massage und Gymnastik. Eines orthopädischen Apparates bedarf
der Patient nicht, höchstens eines abnehmbaren Hülsen Verbundes
aus Gips, Cellulose. Leder oder dgl. für die Nacht, um den schäd¬
lichen Einfluss der Bettdecke auszusehalten.
Im Cebrigen genügt ein kräftiger »Schnürstiefel, dessen »Sohle
etwas nach aussen geschweift ist und ebenso wie der Absatz an
der Innenseite etwas niedriger ist als aussen.
Soviel über die Methode. Gestatten Sie mir nunmehr die
Lücke auszufüllen, welche mein früherer Bericht über dieselbe
hatte, indem ich Ihnen einige Erfolge an der Hand von Photo¬
graphien, Moulagen u. dgl. vorführe, welch’ letztere ich zu diesem
Zwecke während der ersten Monate dieses Jahres sammelte, so
weit es Zeit und Gelegenheit erlaubte.
1. Emma H., 1 Jahr, hochgradiger doppelseitiger Klumpfuss.
Das Redr« ssement erwies sich alß ausserordentlich schwierig, 60
dass zunächst nur ein Fuss modellirt. werden konnte. Nach circa
3 Monaten hatte der Fuss, wie sich am Russabdruck der Sohle
erkennen liess, den Charakter eines kindlichen Plattfusses.
2. Carl ß., 2'/a Jahre, rechtsseitiger mittelschwerer Klumpfuss.
Die Correetur war nicht besondere mühsam, das Resultat ein voll¬
kommenes, wie Photographie und Sohlenabdruck zeigt.
3. Adolf V., 3'/2 Jahre, doppelseitiger schwerer Klumpfuss.
Die Mutter und ein Bruder waren klumpfüssig. Das Modelliren
kostete entsprechend dem oben Gesagten viel Mühe, namentlich,
weil der Talus sehr stark deformirt war. Auch die starke Excavation
der Sohle war schwer zu beseitigen. Nach Ablauf eines Viertel¬
jahres war die Form der Ftisse durchaus die erwünschte. (Fig. 4).
Der Russabdruck der völlig platten Sohle mit dem concaven Aussen-
rand und den energisch' nach aussen tendirenden Zehen beweist
zur Genüge, dass die Heilung gelungen und gewiss auch dauernd
ist. (Fig. 5) Die Belastung des Fusses, die jetzt eine normale ist,
wird ein Recidiv verhüten.
4. Anna N., 4 Jahre, doppelseitiger schwerer Klumpfuss, im
1. Lebensjahre wiederholt ohne jeden Erfolg mit Gipsverbänden
behandelt. Das Redressement war nicht besonders schwierig, nach
3 Monaten präsentirten sich die Fasse in einer Uebercorrectur, die
ein Recidiv ausschloss und nicht einmal einen schiefgesohlten Stiefel
angezeigt erscheinen liess. (Fig. 6). Der Vorwurf, dass nun das
Kind mit Plattfüssen behaftet sei, ist nicht anzuerkennen. Es zeigt
2 *
Fig. 1.
Beginn des Modellirens eines Klumplusses.
(Erzwingung der Abduction.)
Fig. 2
Modelliren des Klumpfusses auf
dem Keil.
Fig. 3.
Modellirter Klumpfuss vor Anlegung des
Gipsverbandes.
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496
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
sich bei längerer Beobachtung, dass eine normale Fussform all¬
mählich entsteht, indem der Fuss vermöge des Restes seiner
Elasticität sich nach Abnahme des Gipsverbandes wieder etwas
zusanunenzieht und einkrümmt. Gerade aus diesem Grund ist ja
eine Uebercorrectur zunächst zu erstreben.
5. Rosa L., 6 Jahre, sehr hochgradiger doppelseitiger Klump-
fuss. In 2, durch einige Tage getrennten Sitzungen wurden beide
Füsse nach einander corrigirt, ohne allzu grosse Schwierigkeiten.
Die Verbände lagen 14 Wochen, das Resultat war das gewünschte,
wie die beigegebenen Bilder zeigen. (Fig.;7, Fig. 8).
Fig. 4.
Fig. 6.
Pes varus congenitus, durch Modelliren
in einer Sitzung geheilt.
Geheilte Klumpfüsse nach Eutfernung
des Gipsverbandes. (Modell. Redressem )
Fig 9.
Pes varns congenitus.
Fig. 7.
Kongenitale Klumpfüsse.
Fig. 8.
Kongenitale Klumpfüsse durch modellirendes
Redressement. 8 Tage nach Abnahme des
Gipsverbandes (14 Wochen).
Auch der Sohlenabdruck bot das Bild des Plattfusses wie Fig. 5.
6. Ida S., 7 Jahre, rechtsseitiger Klumpfuss mittleren Grades.
Die Correctur erwies sich als recht mühsam, gelang aber doch in
einer Sitzung und lieferte nach Ablauf des üblichen Vierteljahres
den Befund eines leichten Plattfusses. (Fig. 9, Fig. 10).
7. Friedrich M, 7 Jahre, linksseitiger hochgradiger Klumpfuss.
Die Correctur gelang trotz der schweren Deformirung ohne
sehr erhebliche Anstrengung, das Resultat war durchaus befriedigend,
wie die Vergleichung von Fig. 11 und 12 beweist.
8. Johann W., 8 Jahre, linksseitiger, nicht hochgradiger
Klumpfuss.
Das Redressement war überraschend schwierig, da der Fuss
sich als überaus starr erwies. Gerade dieser Fall beweist die
Incongruenz zwischen Grad der Deformität und Zugänglichkeit für
die Therapie.
Die schliessliche Gestaltung des Fusses war indessen völlig
befriedigend, als nach lü Wochen der Verband abgenommen wurde.
(Fig. 13, Fig. 14.)
9. Josef W., 14 Jahre, hochgradigster doppelseitiger Klumpfuss
mit hühnereigrossen Gehschwielen auf dem Fussrücken. (Fig. l-’v
Die Prognose erschien auch desshalb ungünstig, weil gleich¬
zeitig eine eigentümliche, ebenfalls angeborene Parese und Atrophie
Diqitized b’
Goo<
26. Mai 1896-
MÜNHENKR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
497
der Vorderarme und Hände bestand. Das Redressement gelang
unter Zuhilfenahme des Lorenz'schen Apparates verhältnissmässig
sehr leicht und wurde alsbald im Gipsverband festgehalten — ein
Fehler, der sich durch das leider ganz schmerzlose und darum spät
bemerkte Entstehen eines starken Decubitus rächte.
Obwohl de8swegen der Gipsverband nur kurze Zeit liegen konnte,
war der Erfolg doch ein recht bemerkenswerther (Fig. 16). Inzwischen
wurde er gelegentlich der Correctur des anderen Fusses vervollständigt.
10) Sebastian Sch., 15 1 /* Jahre, rechtsseitiger mittelschwerer
Klumpfuss. (Fig. 17.)
Fig. 13.
Fig. 11.
Fig. 12.
)
J
Kongenitaler Klumpfuss.
Geheilter Klumpfuss nach Abnahme
des 1. Gipsverb. (Modell. Redressem.)
kongenitaler Klumpfuss vor d. Redressem.
Fig. 14.
Fig. 16.
Fig. 17'J
Fig. 15.
Kongenitaler Klumpfuss.
Kongenitaler Klumpfuss durch Redressem.
(geheilt.
Das Redressement verlief ohne allzugrosse Schwierig-
neit. Der Verband wurde in Folge der beim vorher¬
gehenden Patienten gewonnenen Belehrung erst 6 Tage
später angelegt. Schon nach 3 Tagen sass der Schneider¬
lehrling mit vorschriftsmässig untergeschlagenen Beinen
wieder auf der Pritsche bei der Arbeit. Wieder nach
einigen Tagen wurde der Verband geöffnet und von
nun an nur als zweischalige Hülse umgelegt. Es wurde
nämlich der Versuch gemacht, den Fuss zu durch¬
leuchten und zu erkennen, in welchen Gelenken die Cor¬
rectur hauptsächlich vor sich gegangen war. Leider
gelang es nicht, ein genügend deutliches Schattenbild
der Fusswurzelknochen zu erhalten.
" Sehr bald konnte mit Massage und Gymnastik
begonnen werden, so dass nach 3 Monaten Patient
ohne besonders gebauten k Stiefel gut zu gehen und
kräftige active Pronationsbewegungen auszuführen ver¬
mochte. Es besteht zunächst ein leichter I’lattfuss.
No. 21
Kongenitaler Klumpfuss nach
Entfernung d. Gipsverbandes.
(Modell. Redressement.)
Fig. 18.
Kongenitaler Klumpfuss nach Ent¬
fernung des Gipsverbandes.
(Modell. Redressement.)
3
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498
MONCHENB^WOfflKCHBWOCHBireCH^
No. 21.
Die Illustrationen dürften "’^^^^y^^j^^verlässiges,
dass das niodellirende Redresse^c^^^^ darstc llt, den. gegen-
JTTSJJ S5ÄI künftighin wohl nur sehr ausnahn.,
weise den Vorzug verdienen wird.
Aus der clm-urgiscVen AMioilung des neuen allgen.einen
Aus der ^ rankeilhauses zu Hamburg. _
schaft des Typhusbacillus, j
Von Dr. P. Siuteck, Assistenzarzt.
Im Jato 1893 berichtet Werth
Schrift, 1893, No. 21 ) über 01,,t | °j cre „ l nh alt 8 Monate nach
"^Werth bezeichnet diesen Wer
Fall als ein Novum in Kiersteckscyste., bis
da das Vorkommen von Tjphusbauucn
dahin nicht beschrieben war. .. „_ t ., . lU B,. W eis für
. ... i-Kt opit 1885 in steriler Ehe. Sie
Die 32nterleibsschmerzen, Harnbeschwerden,
leidet seit einigen Jahren an um.e
und Stuhlverstopfung. in das Eppendorfer Krankenhaus
7 Wochen vor der Aufna Hausarztes an Typhus ab¬
erkrankte Patientin ““Jot Je? Aufnahme hat Patientin bemerkt,
SÄl, Bie hatte über J.eibschmerzen und Harn-
d “ n Ve“r sE'bei der Aufnahme, «eiche am 5. November 189:,
erfolgte, war fönender; Ueber den Lungen hört
Anämische, sehr e^nde jung 6 und mz sind nicht ver -
man diffuse g.cmende GcrftuBd L urfn , &t eiweiss . und ZU cker-
grössert, die Zunge ist ’ Tc mperatur 38,5 Nachmittags,
frei, sauer. Puls 1 r Ü p - t ei|1 8 \ c h stark vorwölbender Tumor zu
Im Hypogastrium 1 ist ßecken au f B teigend bis wenig über
;n, welcher aus dein k r?Inzen die e Ge8talt einer übermässig ge-
ALU r-o— . hlpinpn BCCKen auiHiciBci*“ --=
fühlen, welcher aus dem !* die Ge8ta i t einer übermassig ge-
den Nabel reicht und im Tumors ist undeutlich. Der
füllten Blase hat ^"f^eflectirt^etwas nach links verlagert,
Uterus ist virgmal, l J®8 m it. Die Uterushöhle ist 7 cm
macht Bewegungen des luinors y uchung nic hts zu eruiren.
lang. Sonst ist durch b'^anue . welche der Operation vor-
“ In der 6 tägigen , Leib, hectisches Fieber,
aufging, hatfe PaUentin starke^Sd ^ ^ m £s wur(len keine
weiteren Befunde von SKSTwreiterte'Ovarialcyste gestellt.
Die Diagnose wurde auf Dr sick d i e Ovariotomie aus.
SS des Kopfes eines ca. Köngen
Kindes, Er ersetzte das rechte Ovanu ^ dem p eri toueum
Nach Lösung der Verwachsung^^, peritoneum in der Gegend
des Uterus rechts ““M^JS^tSden, wurde der cystische Tumor
dpr rechten Linea innomin . Hg war an einer Stelle
Sa den Adnexen “ Wehem .ich
ein kleiner Riss in de Cy te wurde Verunre inigung der Pentoned-
11 TT..“T* Word, diesen Befund als Beweis
noch eine unentBchiedcne tWom emc g
noch eine nncnuwmw»»«., -
sich mit der Lösung derselben beschäftigt liervor gel.obcn
Die alteren MiUhcilungcn Wen w, B ho of er h
wurde, an dem Fehler, da.. d,e hAonn™* Euerer Zeit weaent-
nicht genügend sicher mög IC war,^,^ a!in t geworden sind,
liehe differencial-diagnoBtiBclie Coliarten untorsehoiden laBson.
welche den Typhnstaeilta von den Co harten »to ^ ^ ^
Was die neueren Arbeiten anlangt , pyogene
selben, welche sich auf Beziehung keine
Fähigkeit zu sprechen, jedoch ul , glc iel.mässig ausfallcn
Uebereinstimmung, da die k^nmc g mcntcllcn Er
und cs mehreren Forschern nicht gelang, die exper
gehnissc zu bestätigen. i elic Befunde stützen,
die hbeim * Menschen gemacht worden,
von den bekannten Eitererregern unter gleichzeitiger
tr.gliel.er Entwickelung von ..rnJichen
Z 5 “."AVl‘Ä M-, 7 * a ""
kanntoro im^erdi^mit den^TypliuBbacillcn anerkannte Eitercrre^r
äää* i
Fraenkel ihre Erklärung einmal ... den. Umstande, dass
angewandten Culturverfahrcn nicht ausreichend waren um d
Anwesenheit anderer Mikroben auszuschhessen, dann aber auc
darin,' dass die Eitererreger zur Zeit der Untersuchung abgestorben
““ dTT: Folgenden r.u Bebildernde Fall ist au. zwei Gründen
der Mittheilung wcrÖi. Einmal reiht er sich dem von Werth
2 ZZ in meiner Art u.itgcthcilten Fab ah ein awe.ter m. dann
zeigt er sehr schön, dass die erwähnte Acusserung von D t knkel
und Baumgarten zu Recht besteht, welche besagt, dass man
sich hei Bcurtheilung der Aetiologie einer Eiterung nicht lediglich
auf das Ergebniss der Plattencultivirung verlassen kann.
Der Fall, mn den es sieb handelt, ist folgender.
') Nach einem Vortrage, gehalten am 14. April 18% in der
biologischen Abtheilung des ärztlichen Vereines in Hamburg.
" Der herausgenommene Tumor ^ innere Wand
einkammerige Cyste mit cm® 1 und Fibrin bedeckt. Der
der Cyste war mit «fl» SB1 £ n ® t choco ladefarbener Flüssigkeit
Inhalt derselben bestand a der p lüBS j g keit schwammen Streifen
von sehr Übeln Geruch. In der jmss g^ ^ nur DetntufJ
dicken Eiters. Unter dem ß M‘kr 8 1^ fline Kernfär bung nicht
stark zerfallenen Eitcrkörperc , tdec kt werden.
-Ä ^"».100 5
Flüssigkeit auf Sg^^WMMrBtoffataiosphäre) gezüchtet Auf
und ohne Luftzutritt (unt , Rpimeiieung anderer Mikroben
allen 3 Platten ent^ckelten^
in sehr reichlicher e r unter Controle von Hemi
Dieselben wurden von Hem ü Untersuchung unterzogen und als
Dr. Fraenkel einer gen J ze igten Eigenbewegung, wuchsen
7 g eÄ V : “e zeigten ch.mktenBtisch ..ge-
ord „ete Gemse,n. ^
SibSVei Meerschweinchen,
dri^e* intmper^Mal|gcü^^tM^MeerschT^^ g b e u^gi^^u^e^Nac^
zähflüssiges 11 gelbUcl.eT Exsudat mit massenhaften Stäbchen.
H ^?eÄSeÄ
Cystenwand ergab Folgendes. Die weniger Zellreich-
Seil, derberem g! eto Ä Membran “welche zum
thum. Die Innenseite ze ' gt e ' ne d - Py Kernfärbung nicht mehr an-
Theil aus völlig abgestorbenen Je Kemiar g ^ chen LeukoC yten,
nehmenden Leukocyten ^ gelappten Kerne zeigen
welche die zerfallenen, krümehgen, 8 g. gempp ^e erwe itert.
In der Mitte der Cystenwand findet.man « der Gefässe
Das Blut ist stellenweise geronnen und die V g AufBC hlus8
zeict kleinzellige Infiltration. Einen seiir we gefärbten
geben die mit dem U n n a'schen vereinzelte
Schnitte. Man findet bei Anwendung dies ® r “ et en theils hier,
BaciUen auf der Oberfläche der Innenwand da g egen in r Menge
zum grossem Theil aber im ««w' bb “ el ^ D T p Ära» S eord M t
Häufchen von Coccen, welche i ^ P cht näher bestimmen
erscheinen. Wenn man auch d'ese Bactermn n Cnlturver£a hiens
kann, da es nicht gelungen ist, sie im g sagen, nämlich
zu erhalten, so lässt sich doch eines ®' ch !Jeise handelt es sich
dass es keine Typhusbacillen s.nd Möglich Cocce n bei An-
um den Diplococcus lanceolatus Fr An kcsl, ^ { bt werden. Rh
Wendung der Gram sehen Methode ncht ent zu abe r-
habe ein Präparat aufgestellt und bitte Sie, ^
'^Einige Tage nach der Operation entwickelte sichln dem un^«
Winkel der Bauchwunde eine ganz g enn gfü£Pg Zellgewebes. In
ohne phlegmonöse Infiltration des benachbarten /-enge
r rvrvaL
26 . Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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dem Eiter der Wunde fanden sich weisse Staphylococcen und
Typhusbacillen in ungefähr gleich reichlicher Menge.
Im TJebrigen verlief die Heilung zwar langsam, aber ohne
Störung, so dass Patientin am 24. Dezember in ihrem Allgemein¬
befinden, und Kräftezustand so weit wieder hergestellt war, dass sie
geheilt entlassen werden konnte.
Ueberblicken wir den vorliegenden Fall, so sehen wir, dass
derselbe eine völlige Analogie zu dem von Werth mitgetheilten
Fall zeigt.
Wir haben eine vereiterte E ier stock scyste vor uns, aus deren
Inhalt durch Culturverfahren eine Reincultur von Typhusbacillen
gezüchtet wurde. Trotzdem können wir diese Bacillen kaum als
ätiologisches Moment für die Eiterung in Betracht ziehen, sondern
können es im Gegentheil wohl fast als erwiesen erachten, dass
die Eiterung durch andere Mikroorganismen hervorgerufen ist, da
sich in der pyogenen Membran der Cyste und besonders in dem
Gewebe derselben fast ausschliesslich und zwar in grosser Menge
Diplococcen fanden. Vielleicht ist es diesem Umstande zuzuschreiben,
dass in der dem Inhalte entnommenen Probe keine Diplococcen
culturell gewonnen wurden, vielleicht war der Nährboden ungeeignet,
vielleicht aber waren auch die Diplococcen des Cysteninhaltes von
den Typhusbacillen überwuchert.
Wenn auch dieser Fall natürlich nicht geeignet ist, in der
strittigen Frage die eiterbildcnde Fähigkeit des Typhusbacillus
betreffend eine allgemeine Bedeutung zu beanspruchen, so kann er
doch als eine Illustration dafür gelten, wie wenig solche und ähn¬
liche Fälle, in welchen nur durch Culturverfahren in dem frag¬
lichen Eiter der Typhusbacillus nachgewiesen ist, für die ätiologische
Bedeutung desselben beweisen.
Zur Behandlung mit ätzenden Säuren.
Von Frauenarzt Dr. Lnuhcnburg in Remscheid.
Der Zufall spielt manchmal bei therapeutischen Maassnahmen
eine gewisse Rolle. Bei Versuchen, die ich bei einem Falle von
ausgedehnten, zu beiden »Seiten des Introitus vaginae breit auf¬
sitzenden gonorrhoischen Condylomen mit einer Reihe von Aetz-
initteln machte, gelangte ich zu folgenden Beobachtungen.
Da die Exeision sowie die energische Actzbehandluug mit
dem Thermocauter etc: verweigert wurde, war ich zur ambulanten
Behandlung genöthigt. Nach der Reihe wurde Jodoform, Sublimat,
Acid. acet., Argent. nitr., Ungt. Sabinae etc. ohne besonderen
Erfolg versucht. Acid. earbol. pur. liquof. wirkte dann einseitig
etwas besser; jedoch versuchte ich bald, um dem Drängen der
Patientin zu genügen, die stärkste der ätzenden Säuren Acid.
nitr. fumans. Der dirccte oberflächliche Aetzaffeet war indessen
schwächer als der von Acid. carb. erzeugte, wesshalb ich sogleich
nachher die mit Acid. nitr. behandelten Stellen mit einem in
Acid. earbol. p. 1. getauchten Wattestübchen betupfte. Sofort
entstand unter deutlichem Knistern und verhältnissmässig starker
Rauchentwickelung ein brauner Aetzsehorf, der, wie sich später
ergab, eine stärkere Wirkung in die Tiefe zeigte, als der von
nur einer Säure erzeugte. Der Schlusseffect war auch ein ganz
anderer. Die Condylome verschwanden unter dieser fortgesetzten
Behandlung endlich schnell.
Seitdem habe ich diese Methode auch bei Erosionen am Mutter¬
mund, bei Muttermälern und Angiomen der Neugeborncn u. a. F.
mit ausgezeichnetem Erfolge angewandt. Sie dürft«' jedoch auch
in anderen Fällen , die eines kräftigen Aetzmittels bedürfen, am
Platze sein, z. B. bei allen flächenartigen, papillomatüsen Wuche¬
rungen , Warzen, zur Aetzung von leicht zugänglichen, hyper¬
trophischen Schleimhäuten, bei hartnäckigen Geschwüren, bei
jauchenden Careinomen etc. Bei letzteren ist sie besonders zu
empfehlen, da der frei werdende Sauerstoff ein vorzügliches Dis-
infectans und Desodorans bildet.
Die Technik ist eine sehr einfache. Die Erosionen, Angiome etc.
werden zunächst am Besten mit einer warmen 1 jt proc. Lysol¬
lösung von anhaftendem Schleim, Epithel etc. befreit, dann mit
einem mit Acid. nitr. fumans reichlich angefeuchteten Playfair¬
wattestäbchen ausgiebig bestrichen, darauf schnell, ehe noch die
Salpetersäure ihre Wirkung voll entfalten kann, mit einem zweiten,
bereitgehaltenem, in Acid. carb. liqu. pur. getauchten Stäbchen
betupft, worauf sofort unter bekannten Erscheinungen der Aetz-
schorf sich entwickelt. Die Anwendung der mit Watte um¬
wickelten Playfairstäbchen ist «lie sicherste. Grössere compacte
Mengen von Acid. nitr. und Acid. carb. dürfen wegen der
Explosionsgefahr nicht zusammengebracht werden. Ein zusammen¬
hängender Tropfen von Acid. n. fuui. mit einem Tropfen von
Acid. carb. zusammengebracht, erzeugt schon eine sehr deutlich
hörbare Explosion. Keinesfalls darf man beide Säuren in
einer Flasche mischen wollen. Durch folgenden Versuch kann
sich Jeder von der Actzwirkung überzeugen: Hält man zwei
Wattestäbchen, je eines mit Acid. nitr. fum. und mit Acid. carb.
liq. pur. ordentlich befeuchtet, dicht aneinander, so tritt an der
Berübruiigsstelle unter Knistern, Knacken und Rauclientwickelung
sofort die chemische Reaction «'in, zugleich eine Braunfärbung der
Watte. Die chemische Reaction erklärt sich wohl daraus, dass
durch die Carbolsäure die Salpetersäure stark zersetzt wird und
freien Sauerstoff abscheidet, welcher auf die organischen Gewebe
zerstörend, einwirkt. Die dankbarste Anwendung des Aetzverfahrens
findet statt hei den Angiomen der Ncugebomen. Eine oder zwei
Actzungen genügen für die flächen artigen Formen jeder Grösse.
Die Nachbehandlung geschieht am Besten durch Aufstreuen eines
antiseptischen, adstringirendon Pulvers, z. B. Jodoformtannin,
Dermatoltannin, Bortannin etc. und Binden watteverband. Wo keiu
Verband möglich, Befestigung der Watte mit Heftpflaster oder
Bestreichen mit Collodium. Eine genaue Beschreibung meiner
Behandlungsweise bei A»giouu*n werde ich demnächst in einer
Casuistik über 100 Angiomfälle verschicd«*ner Art und Grösse geben.
Zunächst empfehle ich das oben erwähnte Aetzverfahren bei
einschlägigen Fällen «1er ärztlichen Nachprüfung.
Ueber die Fortschritte in der Erkenntniss und An¬
wendung der Röntgen schen Strahlen.
Von Prof. Dr. L Gnirti.
Seit dem Beginn dieses Jahres — erst kurz vorher ist die
Entdeckung Röntgen’s überhaupt bekannt geworden — ist wohl
in keinem experimentellen Gebiet so vielseitig gearbeitet worden,
wie in dem durch Röntgen zuerst eröffnet«*» der X-Strahlen:
Nicht bloss in den physikalischen und in den medicinischen
Instituten der Universitäten und technischen Hochschulen, sondern
in allen C'abineten der höheren Unterriehtsanstalten, in einer
grossen Reihe von photographisch«*» Anstalten und ferner von
einer grossen Zahl von Privaten wurden die Versuche Röntgen’s
wied«*rholt und suchte man die Bedingungen zu erforschen, unter
denen sie am besten gelängen. Und dieses nicht bloss in Deutsch¬
land, sondern mit demselben oder noch grösserem Eifer in Frank¬
reich, Oesterreich, England, Italien, Russland, Amerika. In Folge
dessen ist auch eine überaus grosse Zahl von Veröffentlichungen
— werthvollen und werthlosen — Uber dieses Thema seit tiem
Januar 1S96 erschienen, worunter ich hier aber nur Veröffent¬
lichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften verstehe, nicht in den
Tagesblättern, die der Neugierde ja monatelang mit sensationellen
und häufig uncontrolirbaren Mittheilungen entgegengekommen sind.
In Bezug auf diese wissenschaftlichen Publicationen steht nun
allerdings Deutschland hinter den anderen Ländern, namentlich
hinter Frankreich, weit zurück. Der Grund liegt daran, dass wir
in Deutschland keiu wissenschaftliches Publicationsorgan haben,
welches die Arbeiten unmittelbar nach ihrer Einsendung druckt
und hevausgibt. Die Comptes rendus der französischen Akademie,
die alle 8 Tage erscheinen, deren Umfang nicht beschränkt ist,
sondern die Alles bringen, was der Akademie durch ihre Mitglieder
vorgelegt wird, erweisen sich ger:ide in diesem Falle als eine
höchst schätzenswerthe Einrichtung. Aehnlichc, wenn auch nicht
ganz so vollkommene Einrichtungen besitzen die Engländer in
ihrer >; Nature», die Italiener in den Publicationen ihrer massen¬
haften Akademieen. Thatsächlieh sind die meisten derjenigen
Erscheinungen, die im Folgenden bespnx'hen werden — nicht
alle — im physikalischen Institut der Universität München schon
lange beobachtet worden, ehe die fremdländischen Publicationen
erschienen, und ebenso wird es auch an einer Reihe von anderen
deutschen Instituten gegaugen sein. Der Mangel an Veröffentlichungs-
3*
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Münchener memcmbc^wocmnsctoift.
No. 21.
OUW ____——---
Organen aber und die dato,, —e
Ä—"«“wie ^ «tAJ-p-*«* msscr '
deutsche Autoren und Quellen zu L ^' ren ® i(dl na turgemUss
Das Studium der Strahlen
zuerst auf die Frage, unter^ und da das Hauptinteresse
möglichst intensiv zu «hüte ^ ^ die durch sic erzeugten
derselben in praktischer Be g Umständen man möglichst
Photographieen erstreckte, unterflehen Unistän^ ^ ^ w . |
scharfe, brauchbare Photographieen ^ dk zur Zeit der
halten könne. ® ic ^ r ® 0 u . e8 .. : den Sammlungen vorhanden
ersten Röntge n'sehen “ ic f Gebrauch wenig wirksam oder
waren, waren meistens durch 1 g Wochen des Januar
ganz unwirksam g cw °L den . dk dc gute Röhren zur Vcr-
gelang es ' \ Q ’ 8chcn Versuche nachzumachen. Erst
fügung hatten, die Röntge ^ _ so weit man sie sich
nlhfin^rgTrichteten Instituten selbst hcrstellcn konnte - von
den Fabriken gedeckt.
! Heber di.St.rl. der Evacaation ,n brauchbare
Röhren.
,, •_ Hezug auf die Röhren in Betracht I gehe
k „J:Td- AU-*« s
“ dir
in Geissler’schen Röhren ein massiger is ’ 6 Bruch- also
sä* silTators di:
- ■
die Luftverdünnung in einer Cr ookes sehen non g , ei
muss, damit die Röhre möglichst jrb» ^ der di.
on dl Ströme erzeugt, einerseits mit den Elektroden der b
Crookes'sehen Röhre, andererseits, parallel dazu, mit einem I ^
sogenatnr Funkenmikrometer. Dasselbe besteht cinfach
aus zwei Metallkugeln von etwa L cm Durchmesser, welche aut Glas ^
füssen aufsitzen und von denen jede mit einer Klc “ mschra “^ ‘
zur Einführung eines Leitungsdrahtes metallisch verbunden.s^
Die eine Kugel mit ihrem Fuss ist fest, die andere kann sei es i
mit der Hand oder besser durch eine mikrometrische Schraube,
bewegt 1 werden, so dass die beiden Kugeln in beliebige messbare
Abstände von einander gebracht werden können. ktiiun d
Inductionsapparat in Thätigkeit, so gehen seine Strome durch^den
enigen der beiden Apparate, Crookes'sche Röhre resp. Funkern
strecke, der ihnen den geringsten Widerstand bietet. Hat die
Crookes’sche Röhre den grösseren Widerstand, 80 ,******
Funken zwischen den Kugeln des Mikrometers über und man kann
nun die Kugeln so lauge von einander entfernen, bis der Widci
Bund der Luft zwischen ihnen grösser wird, als der Widerstand
der C r o o k e s’sclien Röhre. Dann hören die l unken auf und die
Ströme gehen durch die Röhre. Die Entfernung der Kugeln des
Mikrometers im Moment, wo die Crookes’sche Röhre gerade zu
functioniren anfängt, ist also ein Maass für die Grosse des Wider- |
Standes in der Röhre oder auch ein Maass für die Spannung de.
Stromes, der gerade durch sie hindurch geht.
Hat man eine Röhre, bei der die Luft zunächst bis aut
einige Millimeter Luft angepumpt ist, eine G eissler’schc Rehre, so
bietet diese immer weit geringeren Widerstand, als eine '™ 'eie
strecke, auch wenn deren Kugeln einen kaum messbaren Abstand
haben Evacuirt man die Röhre weiter, so wächst ihr W lderstand,
man muss die Kugeln auseinander schieben, um den Strom über¬
haupt durch die Röhre zu leiten. Bald fängt auch das Glas der
Röhre in der bekan,lt J“ 1 Jj r^o^eXlien Versuche beruhen,
Phosphorescenz, auf wclc ke von 2 —8 mm, und bei
beginnt schon bei emer noc h keine Spur von Röntgen-
diesem Grade der Kvacu Photographie, noch durch
strahleü au finden, weder darf, to ^ wejtf
einen fluorescirenden Widerstand erst unwesentlich,
treiben. Geschieh,.den, » Moment, wo der
Aber es kommt dann meml mh ln P “„ t J das , die Funkenstrecke,
I nstand der Bohret» o^ssa! 1 ^ ^ bi8 aQ{ 20> 30 , 50 mm
ich früher auf 2 4 g um die Ströme durch die
>u«hr «ergrössert werden^ mn> ^ ^
re gehen au lassen. Der Hcbcrgang ron dem
ngt, Mntgenstrahlen g Bühren gleich
ie „ aurn grossen Widerstand ist nmht^ei dje
.lieh. Au, schärfsten ist ,In “ 8Ch ” ^ Versuchen
.ren schon frfihcr cracuirt war™,und ™ Das
ient haben. Bei neuen Glases beim Gebrauch
r —“ seim »da. bei ^ "
ition (natürlich oberhalb der erwähnten J' oq Wird die
cht durchstrahlt wird, wie ei o Mntgenstrahlen,
yacuation sehr hoch gctric en, durchsetzen, so dass
o die Knochen auch verhält«,ssmäss.g. leicht ^
so bei diesen der Unterschied zwmchen^FM. « ^
iederum in anderem Sinn undeuth ^ denen die
erdünnung zwischen diesen „ Med in der Transparenz
tralilen einen möglichst gr s ^ photographische
lie Ströme hindurchzusenden, aber es g
Röntgenstrahlcn. nur dann für längere
Uebrigens sind die wirksamen ™ “J, aUrk „ kiBt
Zeit brauchbar, wenn sie beim 1 J ™ U haften&n Luftschichten sich
werden, so dass die an en Qft wc rden lange Zeit
loslösen und fortgepumpt werden könnem^ Oft werö^ ^ ^
gebrauchte gute Rohren p otz ic ^ eine bläulicher
brauchbar. Es zeigt sich dann ir*ncn wiea w gc .
Schimmer von phosphoresc.rendcr Luft herrühr , ^
tsr r: i ct - - -
gezeichnet.
o Die wirksamen Stellen in den Crookes’ sehen
Röhren.
Die erste Mittheilung von Röntgen ^“SS^^Bjjhre
die wirksamsten Röntgenstrahlcn von werden
ausgehen, welche von den Kathodenstrahlen d ge phos .
und dadurch am intensivsten grÜn . zu ^ Erzeugung der
phoresconz ist aber durchaus nicht g R hodcngtra hlen
Strahlen. Auch ein Aluminiumblech von den Angabcn
getroffen, gibt nach Röntgen ie , Beobachter ganz
haben sich vollständig bestätigt, (°bwohl manche t .
andere Resultate erhalten zu haben glaubten), aber sie
lieh erweitert worden. , . „ d ; e Kathoden-
Es hat sich gezeigt, dass alle Körper, auf we ^ ^ ^
strahlen treffen, seien sie nun an der Wand der
sic innerhalb der Röhre, Ausgangsflächen für die _
sind. In den Crookes’sehen Röhren wie
waren, waren häutig Mineralien cingcschlossen, um
phorcscenz durch die Kathodenstrahlen zu zeigen.
>) S Thompson, Compte rendu de l’Academie frant;’
^ della R. Acc. dei Lincei (Serie 5) * *
| pag. 156, 1896.
Digitized by
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
501
fct 26. Mai 1896.
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im Innern der Rohre befindlichen phosphorescirendcn Substanzen,
gehen in diesem Falle die Röntgenstrahlen aus und zwar nach
allen Seiten. s ) Ja es ist gar nicht einmal nothwendig, dass die
Körper, welche von den Kathoden strahlen getroffen werden, sicht¬
bar phosphoresciren. Auch Metallbleche in die Röhre so hinein¬
gestellt, dass sie den Kathodenstrahlen direct ausgesetzt sind,
senden die Röntgenstrahlen aus. S. Thompson 4 ) hat passend
den der Kathode gegenüberstehenden Körper die Antikathode
genannt. Diese also ist es, welche die wirksamen Strahlen nach
allen Richtungen ausschickt. Dabei kann nun die Antikathode,
wenn sie etwa die Form eines dünnen Bleches oder einer dünnen
Platte hat, sowohl von der Vorderseite (der von den Kathoden -
strahlen Getroffenen), wie von der Rückseite die Strahlen aus¬
senden. Die beiden Seiten verhalten sich aber verschieden. Denn
erzeugt scheinen die Röntgenstrahlen unter allen Umständen
an der Vorderfläche zu werden, wo die Flüche direct getroffen
wird. Ist aber das Blech oder die Platte der Antikathode aus
einer leicht für die X-Strahlen durchgängigen Substanz verfertigt,
(z. B. Aluminium oder Glas), so gehen sie von der Vorderfläche
durch die Substanz hindurch zur Hinterfläche und strahlen von dort
ebenfalls nach allen Seiten aus. 5 ) Daraus ersieht man, warum eine
Röhre von der gewöhnlich gebrauchten Birnform überall Röntgen¬
strahlen ergibt, nicht bloss am unteren Ende. Erstens phos-
phorescirt sie überall grün, zum Beweis, dass die Kathodenstrahlen
auch seitlich fortgehen (von den Rändern der Kathode u. s. w.),
zweitens aber sendet der wirksamste Fleck auf der unteren Seite
auch durch das Vacuum der Röhre hindurch die Strahlen nach
allen Seiten, die das Glas durchsetzen und daher dort wirksam
sein können.
Ist die Antikathode eine in der Röhre angebrachte Metall¬
platte, so kann diese zugleich als Anode dienen, ohne die Wirkung
irgendwie zu beeinträchtigen. Dann gehen also die Röntgenstrahlen
von der Anode aus, aber nur desswegen, weil diese zugleich die
Antikathode ist. Darauf beruht ein wesentlicher Irrthum, der
von einigen Experimentatoren als wichtige Entdeckung ausgegeben
wurde 0 ). In den C rookes'sehen Röhren älterer Form befinden
sich häufig die beiden Elektroden einander gerade gegenüber. In
diesem Fall ist die Anode zugleich die Antikathode und daher
fanden die erwähnten Forscher zu ihrer Ueberraschung, dass die
Röntgenstrahlen von der Anode ausgehen, was für ihre Röhren
zwar richtig war, was sie aber unzulässig als allgemein giltig hin¬
stellten.
Bei den von G c i s s 1 e r gewöhnlich hergestellten bimförmigen
Röhren ist die Kathode (eine Metallscheibe) unzweckmässiger Weise
nicht an ihren Stil angelöthet, sondern sie ist mit dem Stil in
der Weise verniethet oder verschraubt, dass auf der wirksamen
Seite der Scheibe in der Mitte sich eine kleine halbkugelige Er¬
höhung zeigt. Diese hat nun zur Folge, wenigstens bei gewissen
Dimensionen der Röhre, dass auf der gegenüberliegenden Glas¬
wand, der Antikathode, die im Uebrigen kräftig phosphorescirt,
sich ein dunkler Fleck befindet, da die Kathoden strahlen, die von
der Halbkugel normal ausgehen, diese Stelle der Antikathode nicht
treffen. Dieser dunkle Fleck ist in Folge dessen unwirksam, was
um so unangenehmer ist, als er sich gewöhnlich gerade an der am
bequemsten zu brauchenden Stelle der Glaswand befindet.
3. Zweckmässigste Form der Röhren, der Kathode,
Anode und Antikathode.
Da die Röntgen strahlen von allen Punkten der Antikathode,
die von den Kathodenstrahlen getroffen werden, nach allen Seiten
diffus ausgehen, so wirkt die getroffene Antikathode wie ein aus¬
gedehnter leuchtender Körper auf die durchstrahlten Substanzen
und auf die photographische Platte. Man erhält daher ein um
so ausgedehnteres und weniger scharfes Bild, mit Schlagschatten,
jo ausgedehnter die getroffene Stelle der Antikathode ist, falls
man nicht durch ein Loch hindurch photographirt, wodurch die
meisten Strahlen unbenutzt bleiben. Am zweckmässigsten wäre
*) Battelli und Garbasso Nuovo Cimento (Serie 4) Bd. III,
Januar 1891.
*) S. Thompson, 1. c.
0 Röntgen, II. Mittheilung, pag. 8, (9. März 18%).
•) De Heen, 0. R. 1896, p. 383, Rowl and Phil. mag. April 18%.
es, einen Punkt der Antikathode allein anzuregen. Die von
diesem ausgehenden Strahlen würden stets und in allen Abständen
scharfe Bilder ohne Schlagschatten erzeugen. Es gibt zwei Mittel,
um dies mit grosser Annäherung zu erreichen. Das erste besteht
darin, dass man die Kathode als Hohlspiegel formt und die
Antikathode so anbringt, dass eine Stelle von ihr sich im Brenn¬
punkt dieses Hohlspiegels befindet. Die Kathodcnstrahlen gehen
ja bekanntlich (im Wesentlichen) überall senkrecht zu dem Flächen-
stUck der Kathode aus, an dem sie entstehen, daher müssen sie
bei einer halbkugelförmigen Kathode sich alle im Mittelpunkt der
Halbkugel, dem Brennpunkt, schneiden. Man concentrirt dadurch
zunächst alle Kathodenstrahlen — mit Ausnahme derjenigen, die
von der Hinterfläche und von der Breitseite der Kathode aus¬
gehen — in den Brennpunkt und wenn man in diesen die Anti¬
kathode bringt, so hat man die beiden Ziele im Wesentlichen er¬
reicht, einen wirksamen Punkt zu besitzen und diesen möglichst
intensiv anzuregen. In der Ausführung könnte man also zunächst,
und hat es gethan, die hohlspiegelförmige Kathode so anbringen,
dass ihr Mittelpunkt in der gegenüberliegenden Glaswand liegt
und diese Glaswand als Antikathode benützen. Man hat dann
einen intensiv leuchtenden Punkt der Glaswand, von dem die
Röntgcnstrahlen im Wesentlichen ausgehen. Aber die Concen-
tration der Kathoden strahlen bewirkt eine starke Erhitzung der
Glaswand, die so weit geht, wenn man keine Gegenmaassregcln
trifft, dass das Glas an dieser Stelle weich wird und dem Druck
der äusseren Luft nicht mehr Stand hält. Ein Zischen, die Luft
dringt ein und die Röhre ist unbrauchbar. Sehr viele gute
C rookes ’ sehe Röhren sind im Anfänge der Versuche auf diese
Weise ruinirt worden. Ich selbst habe die beste dadurch ver¬
loren. Ein Hilfsmittel dagegen, welches in München wohl zuerst von
Herrn Dr. Fomm angewendet wurde, das aber später auch von
d’Arsonval 7 ) publicirt wurde, besteht darin, dass man die
Glaswand der Röhre durch Wasser kühlt. Die Röhre wird mit
ihrer Antikathode in eine Ebonitschale mit dünnem Boden mit
Wasser so gestellt, dass die Wassersehicht zwischen Schale und
Glaswand etwa 1 mm beträgt. Dadurch verliert man nur wenig
von den Röntgcnstrahlen durch Absorption und hat ausreichende
Kühlung.
Radicaler wird dieser Uebclstand beseitigt durch die zweite
Methode, bei welcher die Antikathode innerhalb der Röhre sich
befindet. Dies ist die Form, welche Röntgen in seiner zweiten
Mittheilung empfiehlt 8 ). Innerhalb des Glasrohres befindet sich
eine Kathode in Form eines Hohlspiegels und im Brennpunkte
ein Platinblech, welches unter 45° gegen die Axe des Spiegels
geneigt ist. Das Platinblech kann zugleich als Anode dienen.
Was zunächst die Anwendung des Platins als Antikathode betrifft,
so hat Röntgen gefunden, dass nicht alle Substanzen bei der
gleichen Bestrahlung durch Kathoden strahlen auch gleich intensive
Röntgcnstrahlen ergeben, sondern dass Platin am besten wirkt.
Genauere quantitative Angaben darüber liegen nicht vor, auch ist
diese Frage, ausser von Röntgen selbst, noch nicht weiter in
Angriff genommen worden.
Einen Uebelstand scheint diese Anordnung, die ich noch nicht
probirt habe, insofern zu besitzen, als das Platinblech gerade auf
der Vorderseite allein strahlt, also auf der bestrahlten, so dass
das Gebiet, das von den Röntgcnstrahlen erleuchtet ist, durch die
Kathode selbst zum Theil verdeckt ist. Vielleicht wäre eine durch¬
lässige Antikathode, Glimmer oder dergl. praktischer.
Ist so durch Anwendung einer hohlspiegelförmigen Kathode
die Erzeugung eines strahlenden Punktes im Wesentlichen ermög¬
licht — im Wesentlichen nur; denn da die Hinterseite der Kathode
auch strahlt, so phosphorescirt die Glaswand der Röhre noch sonst
in gewissen Gebieten und diese Gebiete senden auch X-Strahlen
aus — so gibt cs doch noch ein anderes, weniger naheliegendes
Mittel, um einen möglichst kleinen strahlenden Bezirk zu erlangen.
Auf dieses Mittel hat Boas 9 ), zuerst aufmerksam gemacht. Benutzt
man nämlich als Kathode, nicht wie gewöhnlich eine Scheibe oder
einen Hohlspiegel, sondern einen Hohlcylindcr (eine Röhre), so zeigt
’) d'Arsonval, C. R. 18%, p. 607 (9. März).
8 ) Röntgen, II. Mittheilung, p. 8.
®) Boas, Zeitschrift für Instrumentenkunde, 16, p. 117. 18%
April).
i
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502
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
. No. 21.
sich, dass die Kathodcnstrahlen aus dieser Röhre in einem dünnen
Strahl austreten, der die Richtung der (’ylinderaxc hat. Ver-
muthlich kommt dieses Verhalten, das dem Gesetz der Pcrpen-
dicularität der Kathodenstrahlen auf der Kathodenfläehe durchaus
zu widersprechen scheint, daher, dass die Kathodenatrahlen sich,
wie schon Crookes beobachtet hat, gegenseitig abstossen. Durch
das Zusammenwirken aller Abstossungen können die Strahlen in
die Axe der Röhre gedrängt werden, wie es thatsächlich der Fall
ist. Boas construirt dessbalb Röhren, die er als V-Röhren
bezeichnet. Sie bestehen aus einem v förmig gebogenen Glasrohr,
in dessen beiden Schenkeln je ein Metallrohr so befestigt ist, dass
es mit seiner äusseren Wand direct an der Iunenwand des Glasrohres
anliegt. Man kann dann jede von beiden Elektroden als Kathode
benützen. Der phosphoreseirende Fleck erscheint dann im Knie
der V-Röhre und hat dort einen Durchmesser von 12 mm. Wenn
man das Glasrohr dicht unterhalb der Kathode einengt, so kann
man den Fleck sogar auf einen Kreis von 4 — 5 mm Durchmesser
verengen.
4 • Feber die zweck »lässigsten Stromquellen für die
Rön tgen ’ sehen Versuch-e.
Als Mittel zur Erzeugung der Kathodenstrahlen ist am besten
geeignet ein Induktionsapparat. Die Stärke der Kathodenstrahlen
hängt wesentlich ab von der Quantität der gelieferten Elcktricität,
sie ist um so grösser, je grösser die letztere ist. Darauf beruht
die IÜberlegenheit der Funkeninductoren über den Elcktrisir-
maschincn für diese Versuche. Sobald übrigens die Röhren in
gutem Zustande sind, d. h. das genügende Vacuum haben, lassen
sich die Versuche mit Influenzmaschinen und mit Indnctionsapparaten
jeder Grösse anstellcn. Aber die photographische Wirkung erfordert
um so längere Zeit, je geringer die Elcktricitätsmengen sind, die
der Röhre pro Zeiteinheit zugeführt werden. Die Versuche mit
dem fluorcscircnden Schirm (Bariumplatineyanür oder dergl.) gelingen
dagegen mit schwachen Eektrioitätsqncllen nicht.. Denn während bei
der photographischen Platte die Wirkung einer, schwachen Strahlung
durch längere Exposition snmmirt wird, wird die Fluorescenz des
Schirmes überhaupt nur sichtbar, wenn er genügend stark angeregt
wird. Eine Summation findet dabei nicht statt. Induetionsapparate
(die bekanntlich nach der Länge der Funken (Schlagweite) classi-
ficirt werden, welche sie zwischen den Polen ergeben), von 10—15 cm
Schlagwcitc geben sehr vortreffliche Resultate, stärkere natürlich
noch bessere. Dabei können sie mit gewöhnlichem federnden
Hammer, oder auch mit dem schnell wirkenden D e p r e z ’ sehen
Unterbrecher versehen sein. Da die Induetionsapparate Wechsel¬
ströme geben, von denen aber die Oeffnungsströme viel stärkere
Spannung haben, als die Schliessungsströme, so ist der Strom,
der durch die Röhre geht, im Wesentlichen immer gleichgerichtet.
Aber das ist doch nicht vollständig der Fall. Vielmehr sieht man,
wenn man eine Elektrode zur Kathode gemacht hat, auch der
anderen Elektrode, der Anode, gegenüber, das Glas der Röhre
heller phosphoreseiren und auch von dieser Stelle gehen Röntgen¬
strahlen aus. Es besagt das natürlich nicht, dass die Anode auch
Kathodenstrahlen aussendet, sondern dass die Schlicssungsströmc,
obwohl sie schwächer sind, sich auch bemerkbar machen und daher
bei jeder Schliessung des primären Stromes die sonst als Anode
wirkende Elektrode momentan zur Kathode wird. Wesentlich ist,
dass die Induetionsapparate nicht mit einer stärkeren Batterie
betrieben werden, als ihrer Coristruction entspricht. (Bei 15 cm
Inductoren wende ich 8 Accumulatoren, also IG Volt, an). Zu
starke primäre Ströme geben starke Ocffnungsfunken am Unter¬
brecher und dadurch eine Verlängerung des primären Stromes,
also eine minder rapide Unterbrechung und daher schwächere In-
ductionsströme, schwächere Kathodcnstrahlen, schwächere Röntgen¬
strahlen.
Ob mit continuirlichen Gleichströmen, wie sie etwa von
einer sehr grossen Batterie geliefert werden, Röntgenstrahlcn zu
erzeugen sind, ist noch nicht festgostellt. Dagegen hat es sich
als vorteilhaft erwiesen, sogenannte Teslaströme anzuwenden,
was auch von Röntgen 10 ) in seiner zweiten Mittheilung empfohlen
wird. Dieselben werden bekanntlich in der Weise erzeugt, dass
10 ) Röntgen, 2. Mittheilung p. 7.
man in den Inductionsstrom, der von den sccuödären Spulen des
Inductionsaj»parates ausgeht, eine Funkenstrecke, einen Condensator
und eine Drahtrolle einschaltet, und um diese Drahtrolle, die als
neuer primärer Stromkreis wirkt, eine zweite secundäre Rolle legt,
deren Pole nun mit den Elektroden der Crookes’sehen Röhre ver
bunden werdeu. Das System der zweiten primären und secundären
Drahtrolle heisst Transformator. .Man erhält auf diese Weise,
durch die doppelte Transformation, selbst mit kleineren Inductions-
apparaten schon sehr gute Wirkungen, natürlich gute Röhren
vorausgesetzt.
5. Ueber die photographischen Platten für die
Röntgenaufnahmen und über die Expositionszeit.
Die gewöhnlichen Bromsilbergelatineplatten lassen sich für die
Aufnahmen mit Röntgenstrahlcn alle verwenden. Die Empfindlich¬
keit von photographischen Platten für gewöhnliches Lieht variirt
im Verhältniss von etwa 1:16. In demselben Verhältnis» variirt
sie auch für die Röntgenstrahlcn, so dass die empfindlichsten
Platten für gewöhnliche Zwecke auch hier die empfindlichsten
sind, d. h. die geringste Expositionszeit brauchen. Chromatische
Sensibilisirung der Platten hat keinen Einfluss auf die Aufnahmen
mit Röntgenstrahlen. Es ist von verschiedenen Seiten versucht
worden, auf künstliche Weise raschere Aufnahmen fertig zu bringen.
Man schlug vor, auf die Platte einen fluoreseirenden Carton zn
legen, der von den Röntgenstrahlen angeregt selbst leuchtet und
so die darunter liegende Platte erregt. Naturgemäss erhält man
alter dabei unscharfe Bilder. Es ist von Winkelmann und
S t r a u b c 1 1 *) auf die starke Fluorescenz des Flussspathes durch
Röntgenstrahlcn aufmerksam gemacht worden (die von ihnen aber
nicht als sosclie erkannt wurde), und sie wollen Flussspath auf
die Gelatine legen oder ihn mit ihr vermischen. Vermuthlich
ebenfalls zum Nachtbeil der Schärfe. Diese Hilfsmittel erscheinen
unnöthig, wenn man gute Röhren und gute Inductions apparate
hat. Schon jetzt lassen sieh dadurch Knoehcnaufnahinen der
Hand in 1 Sccumle czielen.
Die sogenannten Films und die photographischen Rainere
sind nicht besonders zu Röntgenversuchen geeignet. Die wirk¬
same Schicht ist auf ihnen, wie es scheint, zu dünn.
In der That wird nämlich nur ein sehr geringer Theil der
auffallenden Strahlen von der photographischen Schicht absorbirt —
und es ist ja gerade die absorbirte Energie, welche wirksam wird.
So haben die Herren A. und L. L um ihre 1 *) einen Versuch be¬
schrieben — den ich schon Mitte Januar in kleinerem Maass¬
stab ebenfalls gemacht habe —, bei dem sie ein Packet von
250 Bromsilbergelatinepapieren 10 Minuten lang den Röntgeu-
strahlen aussetzten. Es zeigte sich auf allen Platten bis zur
150ten noch ein Bild, während Sonnenlicht, Bogcnlicht, Auer’schcs
Glühlicht höchstens bis zur 6ton Platte wirkt. Ein besonderer
Versuch zeigte, dass das blosse Papier ohne die photographische
Schicht in 800 Lagen erst, so stark schwächt, wie die 150 photo¬
graphischen Papiere. Damit ist erwiesen, dass die photographische
Schicht — von der Dicke wie sie auf dem Papiere ist — ungefähr
ebenso leicht durchlässig ist, wie das Papier selbst.
(Schluss folgt.)
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. C. Toldt, o. ö. Prof. d. Anat. a. d. Univ. Wien:
Anatomischer Atlas für Studirende nnd Aerzte, unter
Mitwirkung von Prof. Alois Dalla-Rosa. Wien und
Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1896-
Das Werk erscheint in Lieferungen und soll etwa 1000 theil-
weise mehrfarbige Holzschnitte bringen; erschienen sind bis jetzt
3 Lieferungen, enthaltend die Regioncs eorjxiris humani, sowie die
Knochen- und Bänderlehre. Innerhalb zweier Jahre soll das Werk
coinplet vorliegen ; die Lieferungen haben ungleichen Umfang und
kosten jede etwa 5—6 Mk. Durchgehende ist die neue, von der
Anatomischen Gesellschaft vereinbarte, Nomenklatur in Anwendung
gebracht.
") Winkelmann und Straubei, Jenaische Zeitachr. für
Naturwissenschaft, 30. Bd. p. 13. 1891.
,2 ) A. u. L. Lumiöre, G. R. 1896 p. 382 (17. Febr.). '
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26- Mai 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Dem Publicum wird in diesem neuen Werke Toldt’s etwas
ganz Vorzügliches geboten und der Name des Herausgebers bürgt
dafür, dass die folgenden Lieferungen auch das halten werden,
was das bisher Erschienene bereits verspricht. Die Durcharbeitung
des Stoffes ist eine ausgezeichnete und die in wissenschaftlichen
Werken neuerdings so stark in den Hintergrund getretene Holz¬
schneidekunst feiert hier ihre verdienten Triumphe. Besonders
hervorzulieben wäre auch, dass bei diesem Atlas die Güte des
Gebotenen sich nicht beschränkt auf eine Reihe vereinzelter Glanz¬
leistungen in der Zeichnung und technischen Wiedergabe, sondern
dass Seite für Seite an fast jeder einzelnen Figur die grossen
Bein Übungen aller derer, die zum Gelingen des Werkes beigetragen
haben, wieder zum Vorschein kommen. Ein eigentlich so zu
nennender «Text» fehlt dem Atlas, doch ist für eine sehr aus¬
reichende Bezeichnung der Abbildungen, und, wo es noth tliut,
für eine kurze Erläuterung betreffend die Art und Weise der
Präparation, Sorge getragen. Die Figuren wurden glücklicher Weise
nicht wie die Landkarten mit Dutzenden von Namen bedruckt,
sondern die anatomischen Namen sind fast durchgängig daneben
gesetzt worden. Besonders überrascht der Reichthum und die
Mannigfaltigkeit des Gebotenen. Gleich zu Anfang werden wir
durch eine grössere Reihe sehr schöner Abbildungen, betreffend die
Spongiosastructur erfreut, ferner ist in der speciellen Knochenlehre
auch die Entwicklung der einzelnen Skelett.stücke eingehend berück¬
sichtigt worden. Auch darauf ist Bedacht genommen, solche Skelett-
theile, bei denen das Vcrständniss der räumlichen Anordnung der
Thcilc besonders erschwert ist, auch besonders reichlich zu illu-
striren; so finden wir bei dem berüchtigten Schläfenbein mehr
als 20 Abbildungen. Die Illustrationen zur Bänderlehre dürfen
als wohlgelungen bezeichnet werden, obgleich die Abbildungen mit
einem Schlage um Vieles deutlicher geworden wären, wenn man
den Bandmassen durchgehend» einen bestimmten Farben ton ge¬
geben hätte. Der Atlas wird sich mit Leichtigkeit cinführen und
wird sowohl Anfängern wie Fortgeschrittenen gute Dienste leisten.
Denjenigen, die bereits das Toi dt'sehe Lehrbuch der Anatomie
besitzen, wird er eine sehr willkommene Ergänzung sein.
Dr. Martin Heiden huin.
Dr. F. A. Hoff mann, Professor und Dircetor der
medicinisehen Poliklinik an der Universität zu Leipzig: Vor¬
lesungen über allgemeine Therapie mit besonderer
Berücksichtigung der inneren Krankheiten. Vierte um-
gearbeitetc Auflage. Leipzig. Verlag von F. C. W. Vogel.
Wer Hoffman n’s hochbedeutendes Buch kennt, wird das¬
selbe zu denjenigen zählen, die in der Hochfluth literarischer
Erzeugnisse unserer Zeit als ein Markstein zu betrachten sind,
der zusammenfassend, kritisch sichtend das Erwiesene von dem
Hypothetischen scheidet, vor Sanguinismus in den therapeutischen
Bestrebungen behütet und auf das werdende wirklich Gute hin
weist. Referent hat gelegentlich der Besprechung der ersten
Auflage eingehend über das Werk referirt und begrüsst jede
neue Auflage wie einen alten Freund, dessen Rath und Urthcil
ihm über die Errungenschaften der jüngsten Zeit von hohem
Interesse ist.
Die vierte Auflage ist vermehrt durch diejenigen Neuerungen,
welche seit 1892 das Interesse der ärztlichen Welt erregt haben.
Natürlich ist das in erster Linie Behring’s Serumtherapic, von
der der Verfasser sagt: «Wir stehen vor einer Entdeckung, welche
uns über Impfwesen, Immunität, Immunisiren und Heilen der
Infcctionskrankheiten klarere Vorstellungen geben und deren Segen
für die Menschheit unberechenbar sein wird. » Mit der zurück¬
haltenden Vorsicht, welche Verfasser allen nicht sicher erwiesenen
Erforschungen gegenüber übt, steht er der Gewebes aft-
therapic gegenüber, ohne jedoch dieselbe zu verwerfen. So
erkennt er die Wirkung der Schilddrüsenextractc gegen Myxoedem
und gegen Fettsucht an, Errungenschaften, welche ja seit dem
Erscheinen des Buches namentlich durch Baumann sichergestcllt
und verständlich gemacht worden sind. — Erwähnt sind ferner
die interessanten Beobachtungen Egger’s u. A., dass mit dem
Aufenthalt in höheren Regionen das Blut an rothen Blutkörperchen
und Hämoglobin rasch zunimmt, um nach gewisser Zeit auf gleicher
Höhe zu bleiben und mit dem Abstieg in die Tiefe wieder abzu-
503
I nehmen. Hoff mann will diese Erfahrungstatsache bei Anämischen
therapeutisch « zur Hebung der blutbildenden Thätigkeit» benützt
wissen. — Beherzigenswerth ist ferner, wie sich Verfasser bei
Besprechung der allgemeinen Therapie des Nervensystems über
die Erziehung ausspricht. Man wird ihm bestimmen müssen,
dass nicht die Menge des «auswendig Gelernten » das Ziel des
Lernens sein darf, sondern def Bestand des in den geistigen Besitz
Uebergegangenen, und dass die Erziehung in der Zucht des Willens,
des Empfindens und Denkens bestehen muss. Die aus diesen Er¬
wägungen abgeleiteten Grundsätze für die ärztliche Beeinflussung
und Erziehung der Kranken seien besonders her vorgehoben. So
bringt die neue Auflage eine bemerkenswerthe Bereicherung und
wird sicherlich zu den alten Verehrern neue sich gewinnen.
S c h ui i d - Reichenhall.
Pari Wegele: Zur Therapie der Verdauungskrank
hei teil. II.Theil: Die physikalische und medicamentöse
Behandlung der Magen- und Darmerkrankungen. Jena.
Fischer 1895.
Dem mit verdientem Beifall von der Kritik wie von den
Aerztcn aufgenommenen I. Theil der diätetischen Behandlung der
Magendarmerkrankungen (vgl. d. Woehenschr. 1893. 48) ist bald
der vorliegende II. gefolgt. Wir dürfen dem Verfasser für diese
Erweiterung seiner ursprünglich auf die Diätetik beschränkten Arbeit
zu einer Therapie der Magen- und Darmkrankbeiten nur dankbar
sein. Der allgemeine Theil umfasst die physikalischen Be¬
handlungsmethoden (Magen- und Darmspülung, Massage, Elektro-
und Hydrotherapie und ürthopaedie), die medieamontöse Behand¬
lung (Alkalien, Säuren, secrctionserregendc Medicamcnte, Fermente,
Abführmittel, Kmctica, Sedativa, Schlaf-, adstringironde und des-
inficirendc Mittel), einige unterstützende Curinethoden (Klimato-
therapie, psychische Behandlung, Suggestion), sowie die Indicationen
für chirurgische Eingriffe. Im speciellen Theil werden in der
üblichen Weise die eigentlichen Magen- und Darmerkrankungen in
therapeutischer Hinsicht besprochen. Dass der ohnehin weite Kreis
derselben durch die im Darm localisirten Infcctionskrankheiten
(Typhus, Ruhr, Cholera) erweitert worden ist, war wohl nicht
unbedingt notbwendig. Dagegen sind die kurzen pathogenetischen
und diagnostischen Einleitungen, ohne welche eine Darstellung der
Therapie selbstverständlich in der Luft schweben würde, rühmend
hervorzuheben. Uebcrhaupt hat Verfasser sein Ziel, .< diejenigen
therapeutischen Maassnahmen, welche neben der Diät in Betracht
kommen, zu erörtern und auf ihren Werth zu prüfen», voll¬
ständig erreicht. Mit ausgiebiger Benutzung und Sichtung der
umfassenden neueren Literatur, welche zu einem grossen Theil
citirt wird, und mit der kurzen, einfachen und klaren Darstellung
hat er dem Praktiker einen guten Dienst geleistet. Einige ein¬
gestreute, der persönlichen Erfahrung entnommene Bemerkungen
erhöhen den Werth der Arbeit. Hoffentlich geben die Collegen
dem Autor bald Gelegenheit, in einer neuen Auflage seine seitdem
gewonnenen praktischen Erfahrungen noch in grösserem Maass¬
stabe einzufügen. Vielleicht verschwinden dann auch die nicht
allzu seltenen Druckfehler. Zwar vermindern dieselben den Werth
des Buches natürlich nicht. Auch will es Reeensent nicht übcl-
neluncn, dass gerade sein Name consequcnt falsch gedruckt ist.
Aber zur Zierde gereichen sic einem Werke nicht, welches wegen
seiner inneren A'orzüge die weiteste A'erbreitung verdient.
P c n z o 1 d t.
M. Bresgen. Krankheits- nud Beliandlnngslehre
der Nasen-, Mund- and Rachenhöhle, sowie des Kehl¬
kopfes und der Luftröhre. Dritte, unbearbeitete und erweiterte
Auflage, 2 Bände, AVien und Leipzig. Bei Urban & Schwarzen¬
berg 1896.
Die neue Auflage zeichnet sieb wieder durch nicht unbe¬
trächtliche Vermehrung des Stoffes und ein sehr sorgfältiges
6000 Nummern enthaltendes Litteraturverzcichniss aus. Die An¬
ordnung des Stoffes in «Aufbau, Verrichtungen, Ursachen, Unter¬
suchung und Behandlung» im ersten Theile ist dieselbe geblieben,
wie in den früheren Auflagen. Aus dem zweiten speciellen Theile
kann bei der ausserordentlichen Fülle des Materials nur das AVich-
tigere hervorgehoben werden. So glaubt z. B. der A'crfasser, dass
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504
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
bei Solchen, die an trägem Stuhlgang leiden, durch das Pressen
Stauungen und Schwellungszustände in der Nase entstehen können.
Den üblen Geruch bei Stinknase führt 13. auf eine Erschöpfungs¬
erscheinung zurück, derselbe wird durch den Gewebsschwund be¬
günstigt und vermehrt, während das Secrct bei noch geschwollener
Schleimhaut rascher und besser entfernt wird; gewöhnlich geht
die Stinknase aus einem vernachlässigten Schnupfen hervor.
Das Nasenbluten hält Verfasser nicht für eine selbständige
Erkrankung, es liegen demselben vielmehr fast ausnahmslos solche
der Schleimhaut bezw. der Blutgefässe zu Grunde. Hinsichtlich
der Lcukoplakia oris schliesst sich Verfasser der Ansicht des
Referenten an, dass die Syphilis zwar keine unmittelbare Ursache
derselben sei, dass aber die Syphilis eine grosse Neigung zu der
Lcukoplakia verleihe. Die hypertrophische Rachenmandel entfernt
B. mit dem T ra u tm a n n’sehen Löffel. Die Laryngitis hämorrhagica
hält B. wie Jurasz nicht für eine für sich bestehende Form
der Kehlkopfentzündung. Bei sehr zäher Absonderung im Kehl¬
kopf injicirt B. ’/jo—*/ j o mg Cantharidin. Bei Lungen —
Larynxtubcrculosc empfiehlt Verfasser den Arsenik innerlich
und zwar in Pillcnform mit Natr. salicyl. und Extr. Tarax.
und neben der localen Application der Milchsäure auch jene des
Galvanocauters, letzteres namentlich bei begrenzter Erkrankung.
Sehr ausführlich und übersichtlich sind auch die nervösen
Störungen behandelt. Hat man sich ein wenig an die zahlreichen
Verdeutschungen anatomischer und klinischer Bezeichnungen ge¬
wöhnt, so liest sich das Buch äusserst glatt und ist wegen der !
Fülle des Stoffes trotz der Knappheit der Form bestens zu empfehlen. I
Prof. Sehe eh.
Oskar Bricger, Primärarzt am Allerheiligen-Hospital:
Klinische Beiträge zur Ohrenheilkunde. Mittheilungen
aus der Abtheilung für Ohrenkranke im Allerheiligen-Hospital zu
Breslau. Bergmann, Wiesbaden 1896-
Kein Gebiet der Mcdicin hat innerhalb der letzten Jahre
sowohl in praktischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht so
grosse Fortschritte aufzuweisen, wie die Ohrenheilkunde. Dem
entspricht aber durchaus nicht ihre Stellung nach aussen. So
besitzt Deutschland, welchem diese Fortschritte in der Hauptsache
zu verdanken sind, jetzt zwar an allen Universitäten Lehrstühle
für Ohrenheilkunde, aber mit den wenigsten ist zugleich eine
selbständige Klinik verbunden. Von den grösseren Universitäts¬
städten, welche einer Ohrenklinik entbehren, nenne ich nur
München und Leipzig. Auch in Breslau ist der Lehrstuhl nur
mit einer Poliklinik verbunden. Iin Interesse der Patienten und
der Forschung ist cs dcsshalb mit Freuden zu begrüssen, dass die
letztere Stadt durch die Hochherzigkeit eines Privaten, des ver¬
storbenen Dr. Jacoby, vor 2 Jahren eine stationäre Abtheilung
für Ohrenkranke erhalten hat, deren Leitung B r i e g c r über¬
tragen worden ist. Das vorliegende, an Umfang, nicht weniger
aber auch an Inhalt reiche Buch ist dem Andenken des Stifters
gewidmet. Es zeigt, dass an der Abtheilung ein reges, wissen¬
schaftliches Leben herrscht und dass ein enger Conncx mit den
anderen Fächern der Mcdicin gewahrt wird. Der Verfasser be¬
spricht auf Grund der Beobachtungen und Untersuchungen während
der beiden ersten Jahre des Bestehens der Abtheilung eine Reihe
ausgewählter Capitol aus der Lehre von den Krankheiten des
äusseren, mittleren und inneren Ohres in klarer und übersicht¬
licher Weise, indem er Bekanntes kritisch beleuchtet und eine
ganze Reihe neuer Beobachtungen hinzufügt. In Nachstehendem
soll nur einiges angeführt werden.
Brieger spricht sich, wie bis vor Kurzem alle Autoren,
gegen die Operation der congenitalen Gehörgangsatrcsie aus, er¬
wähnt aber nicht die neueste Operationsmethode (Eröffnung des
Antrum mast, und dauernde Offcnhaltung durch Transplantation).
Zur Anaesthesirung des Gehörgangs und Trommelfells empfiehlt
er Chloräthyl, von dem er nie nachtheilige Folgen gesehen hat.
Doch kann es wegen intensiven Brennens in manchen Fällen nicht
angewandt werden. Als Hilfsmittel zur Diagnose des Hacmato-
tympanum hat sich ihm der Nachweis von Urobilin im Urin be¬
währt. Auf Grund eines interessanten Falles betont er, dass das
Hacmatotyinpannm nach Traumen auch letal enden kann (in Folge
Fraetur des Tcgrnen tympani). Zur Frage nach dem Keimgehalt
der normalen Paukenhöhle hat B. werthvolle Untersuchungen an-
gestellt, indem er in 9 Fällen durch Trommclfellperforationen hin¬
durch, welche er aus anderen Gründen angelegt hatte, die Ober¬
fläche der medialen Paukenwand bacteriologisch untersuchte und
keimfrei fand. Der Nachweis des Referenten, dass das Trans¬
sudat im Mittelohr bei Tubenabschluss keimfrei ist, wird im
Gegensatz zu Kanthack bestätigt. Von den Resultaten der
bactcriologischen Untersuchungen ist weiter von Interesse, dass die
gebräuchlichen Methoden zur Dcsinfection des Gehörgangs nicht
genügen, denselben keimfrei zu machen. B. hat dcsshalb in der
letzten Zeit bei der ParacenLese des Trommelfells auf die Des-
infcction des Geliörgangs ganz verzichtet und nicht ungünstigere •
Resultate aufzuweisen wie früher. Referent kann diese Erfahrung
bestätigen. Von Wichtigkeit ist der vom Verfasser zuerst ge¬
lieferte Nachweis, dass bei der acuten Mittelohreiterung nicht
selten Milzschwellung zu constatiren ist. B. betont an dieser
Stelle mit Hecht die Wichtigkeit stationärer Behandlung für der¬
artige Beobachtungen. Auf Grund der überraschend grossen Zahl
von 8 Fällen wird das Vorkommen isolirtor acuter Kuppelraum-
entzündung als bewiesen angenommen. Referent kann dieser Be¬
hauptung nicht beistimmen und ist der Ansicht, dass der Beweis
nur durch die Section geliefert werden kann, da selbst bei an¬
scheinend normalem Trommelfell das Vorhandensein von Eiter in
der Paukenhöhle nicht auszuschlicssen ist.
Die Nascndouche oder Spritze ist in den letzten Jahren von
manchen Autoren wegen der Gefahren für das Ohr ganz ver¬
worfen worden. B. will auf dieselben — nach Ansicht des Re¬
ferenten mit Recht — nicht ganz verzichten, obgleich es vereinzelte
Fälle gibt, bei welchen das Eindringen der Spülflüssigkeit in die
Tuba nicht mit voller Sicherheit zu verhüten ist. Es gibt eben
keinen ganz ungefährlichen Ersatz für die Nascndouche. Auch
beim Aufziehen von Flüssigkeit in die Nase und bei Mund-,
Nasengurgelungen kann Flüssigkeit in die Tuba gelangen. Der
Verfasser hat sogar bei Bcpinsclung des Nasenrachenraumes Jod,
und nach Abtragung von adenoiden Vegetationen Blut im Ohr
nachwciscn können. Wenn von anderer Seite nach galvanocaosti-
schcn Eingriffen in der Nase Bettruhe und stationäre Behandlung
empfohlen wird, so erklärt B. dies für eine überflüssige Quälerei.
Die schon bekannte Thatsache, dass bei syphilitischen und tuber-
culösen Geschwüren des Rachens Mittelohrentzündungen Vorkommen
können, welche mit dem Grundleidcn nichts zu tlmn haben, wird
bestätigt. Dasselbe wird von Lupus, Rhinosklerom und Lepra
angegeben. Die Behauptung, dass in einem Falle von Typhus
die Ostitis des Warzenthcils eine primäre gewesen sei, dürfte
bei dem Vorhandensein starker Hyperämie am Trommelfell wohl
manchen Zweifler finden.
Am wenigsten ist Referent mit dem Capitcl über die Behand¬
lung der acuten Mittelohreiterung einverstanden. Mit Recht geht
der Verfasser zunächst von der Frage aus, ob spontane Heilungen
Vorkommen und beantwortet dieselbe auf Grund einer kleinen
llcihc von Füllen in bejahendem Sinne. Referent glaubt sogar,
dass in den meisten unbehandelten Fällen spontane Heilung
eintritt. Wie aber Spontanheilungen, so gibt es auch plötzlich
und überraschend cintretendc spontane Verschlimmerungen. Ls
ist dcsshalb bei der Beurtheilung der Erfolge einer Behandlungs¬
methode nicht erlaubt, aus einzelnen Fällen Schlüsse zu ziehen.
Bei dieser, hauptsächlich in Folge der Verschiedenheit der anato¬
mischen Verhältnisse ganz ausserordentlich variabel verlaufenden
Krankheit kann man im Gegentheil zu einer richtigen Beurtheilung
nur durch Betrachtung einer sehr grossen Reihe von Erkrankungs-
fällen kommen, bei der sich die Ungleichheiten wieder ausgleichcn.
Mit dieser Forderung aber hat B. ebensowenig, wie in der
letzten Zeit andere Forscher, gerechnet, bei der Beurtheilung des
Einflusses der Borsäurebehandlung, der Luftdouche und der Art
der Reinigung, ob antiseptisch oder trocken. Auch verwickelte
der Verfasser sich in einen Widerspruch, indem er bei der Be¬
sprechung der Borsäurebehandlung aus einzelnen Fällen weitgehende
Schlüsse zieht, hei der Besprechung der Luftdouche aber, mit der
er « zufällig » gute Resultate erhalten hat, es selbst für unzulässig
erklärt, aus vereinzelten Fällen weitgehende Schlüsse zu ziehen.
Uebrigcns erklärt er sich wenigstens nicht ganz gegen 1C
Luftdouche und verzichtet auch nicht ganz auf die Auwendung
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26. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
505
antiseptischer Mittel; er geht also nicht so weit, wie andere
Autoren, welche allein aus theoretischen Erwägungen diese Be¬
handlungsmethoden ganz verwerfen, aber den zahlenmiissigen
Beweis für die Richtigkeit ihrer Ansicht durch einen Vergleich
grosser Beobachtungsreihen erst noch liefern müssen.
Bei der Besprechung der Neuralgia tymp. führt B. einen
Fall bei einer hysterischen Patientin au, bei welcher von anderer
Seite schon die Aufmcisselung in Betracht gezogen war. Heini-
anaesthesie und Gesichtsfeldeinengung führten zur richtigen Diagnose.
Referent verfügt Uber mehrere ähnliche Fälle und mochte dcsshalb
bei Hysterischen, die manchmal geradezu zur Operation drängen,
zu grosser Vorsicht in der Beurtheilung der Symptome rathon.
Interessant ist eine Beobachtung, welche dafür spricht, dass die
Wiedervereinigung der Sehnenenden nach der Tenotomie des Tensor
tymp. nach 16 Tagen erfolgt, also annähernd in derselben Zeit,
wie bei anderen Sehnen. Die Frage, ob durch die Aufmcisselung
bei Tubcrculose des Mittelolirs acute Miliartuberculo.se entstehen
kann, beantwortet B. dahin, dass diese Gefahr sehr gering ist.
Die Capitol über das Doppelthörcti, die mitotischen Geräusche und
Gehörgangsfracturen, welche viel Interessantes enthalten, müssen
im Original gelesen werden.
Von den Krankheiten des inneren Ohres werden die trau¬
matischen Läsionen des Labyrinths und die functioneilen Störungen
nach Traumen besprochen. Der Verfasser glaubt, dass reine
Commotionen des Labyrinths, ohne anatomische Läsionen, Vor¬
kommen. Die Diagnosticirung der Erkrankung des Hörnerven-
stammes hält er wohl mit Recht noch nicht für sicher möglich.
In ausführlicher Weise sucht er ein Bild der traumatischen
Neurose des Ohres zu entwerfen und will besonders das Vor¬
handensein erheblicherer Sensibilitütsstürungen im Bereiche des
äusseren und mittleren Ohres neben den bekannten Allgemein-
Symptomen zur Diagnose verwerthen. Die Vielgestaltigkeit des
Krankheitsbildes, welche der Verfasser besonders liorvorhcbt, haben
wir sehr oft auf rebertreibung oder Täuschung von Seite des
Patienten zurückführen können. Im Seldusscapitel, welches über
Taubheit nach epidemischer Parotitis handelt, theilt er einen Fall
mit, dessen Verlauf es wahrscheinlich macht, dass die Taubheit
durch eine Meningitis vermittelt worden ist. Mit liecht betont
hier B. vor Allem , dass die Taubheit immer ein Ausdruck der
Allgemeiniufection ist, dass sic dagegen nicht in Zusammenhang
steht mit dem localen Proccss.
Die Ausstattung von Seiten der Verlagsbuchhandlung ist
eine gute. »Schei bc - München.
Chirurgische Beiträge. Festschrift zum 70. Geburts¬
tage von Benuo S C h lll i d t. Leipzig 1896. Besold.
1) Bardenheuer und O. Wolff-Köln: Die Resection des
tuberculösen Schultergelenks.
Wenn eine Gelenktuberculose operativ behandelt werden muss,
so muss man ihr wie einem bösartigen Tumor gegenüber treten,
d. h. sie gründlich im Gesunden ausschälen. Dazu ist in erster
Linie eine gute Freilegung erforderlich, die bei allen Gelenken zweck¬
mässig durch einen Querschnitt bewerkstelligt wird. Bei tuber¬
culösen Gelenken mit infectiüsem Eiter empfiehlt sich, um eine In-
fection der Wunde zu verhüten, die extracapsuläre Ausschälung
des Gelenks. Um eine ungestörte Heilung herbeizuführen, muss
eine möglichst vollständige Ausschaltung der Wundhöhle durch An¬
einanderbringen der Knochen und Vernagelung der letzteren her¬
beigeführt werden.
Bei der Caries des »Schultergelenks leistet die conservative Be¬
handlung im Allgemeinen wenig, die chirurgische viel. Auch hier
bat Bardenlieuer in letzter Zeit einen Querschnitt verwendet,
der eine recht gute Uebersiclit gibt und vor allen Dingen die Re¬
section des Acromion ermöglicht. Der Schnitt verläuft vom Proc.
coracoideus senkrecht nach oben über die Schulterhühc hinüber zum
hinteren Rande des Acromion.
Sehr wichtig ist die Nachbehandlung. Der Arm bekommt eine
Abductionsstellung von einem rechten Winkel und wird mit der i
Meisseifläche des Collum scapulae vernagelt. Dadurch wird mit
»Sicherheit dem Entstehen eines Schlottergelenkes vorgebeugt. Unter
8 Fällen wurde 5 mal fibröse Verbindung erzielt, 3 mal knöcherne
Ankylose.
2) Braun-Leipzig: Ueber die Radicaloperation der Leisten-
und Schenkelbrüche.
Bei der Operation der Leistenbrüche kommen die Bassin i'-
sche Operation und die Canalnaht in Betracht. Die Wahl der Me¬
thode richtet sich darnach, ob die hintere Wand des Leistencanals
erhalten ist, mithin ob noch ein Schrägcanal besteht oder nicht: bei
vorhandener hinterer Wand Canalnaht, sonst Bassini.
Bei der Rr.dicaloperation der Schenkelbrüche nähe man das
Lig. Poupartii möglichst weit nach hinten an die Fascia pectinea,
unter starker Verziehung der Scheukelgefässe nach aussen
Die vom Verfasser mit diesen Methoden erzielten Erfolge sind
ausserordentlich befriedigende. Er steht auf dem Standpunkte
Kocher’8, einen Lernten- oder Schenkelbruch zu operiren, sobald
die Operation gewünscht wird.
3) Buchbinder: Ein Beitrag zur Casuistik des congeni¬
talen Radiusdefectes.
5 Fälle dieser seltenen, mit Klumphandstellung verbundenen
missbildung.
4) E i g e n b r o d t - Leipzig: Ueber Geschwulstbildung im
Bauchhoden.
Den 5 bisher bekannt gewordenen Beobachtungen von Ge¬
schwulstbildung im Bauchhoden reiht E. eine sechste an. Es
handelte sich um einen Herrn im Anfang der dreissiger Jahre, der
seit U/s Monaten an peritonitisehen Erscheinungen erkrankt war.
Bei der Untersuchung fand sich ein grosser Tumor im unteren
Theile «los Abdomen, der Hoden auf der linken Seite fehlte. Der
Tumor wurde exstirpirt, die anatomische Untersuchung ergab, dass
es sich zweifellos um einen sarkomatös degenerirten Testikel
handelte. Der schon sehr elend gewordene Patient tiberstand die
Operation glücklich uud war nach 38 Monaten noch recidivfrei.
5) Frau ko-Braunschweig: Zur operativen Behandlung der
chronischen Gelenkentzündungen.
Bei chronischen Gelenkentzündungen kann man den Kranken
durch einen operativen Eingriff häufig erheblichen Nutzen schaffen.
K. hat in 3 Fällen, die verschiedene Formen von Arthritis deformans
darstellen, durch mehr oder minder grosse Excisionen der erkrankten
Theile den Kranken erheblichen Nutzen gebracht, sie besonders
von den heftigen Schmerzen befreit.
6) v. Frey-Leipzig: Eine einfache Methode, den Blutdruck
am Menschen zu messen.
Taucht man die Hand in ein Gefäss mit Quecksilber, so wird
man bei einer gewissen Tiefe seinen eigenen Puls in den Finger¬
kuppen spüren. Je tiefer man den Arm eintaucht, um so mehr
rückt die Stelle, wo man den Puls spürt, nach aufwärts Die Ent
fermmg zwischen der »Stelle, wo der Puls gefühlt wird, und der¬
jenigen, bis zu der der Arm eingetuueht ist, gibt die Höhe der
Quecksilbersäule an, die dein Blutdruck an der unteren Stelle das
Gleichgewicht hält
7) Friedheim-Leipzig: Casuistische Beiträge zur Kennt-
niss der Nebenwirkungen des Thyreoidin, unter besonderer
Berücksichtigung der Glykosurie.
Bei einem seiner Constitution nach zu Diabetes veranlagten
Patienten, der zum Zwecke einer Entfettungscur reichliche Dosen
Thyreoidin nahm, traten unregelmässig Spuren von Zucker im
Harn auf, die aber immer schnell wieder verschwanden.
Bei 5 an Diabetes leitlenden Kranken wurde die Rechtsdrehung
des Harns durch die Thyreoidinverabreichung nicht wesentlich
beeinflusst. Mit Thyreoidin behandelte Strumakranke zeigten kein
Auftreten von Meliiturie. Auch sonst liess sich keine deutliche
Zuckerausscheidung nach Thyreoidingebrauch beobachten.
8) L. Friedrich: Zur Diagnostik des Eiters. (Chirurg.
Klinik Leipzig.)
Kugelige Körnchen findet man im Eiter bekanntlich dann,
wenn es sich um Actinomyces-, Kladothrix- und Streptothrixeiterungen
handelt. F. hat bei einem Patienten mit schwerer septischer Gas-
pblegmoue, als deren Ursache ein Stäbchenbacillus erkannt wurde,
in einem der Abscesse eine grosse Menge feinster bis hirsekorn-
grosser Kügelchen gefunden, die bei der mikroskopischen Unter¬
suchung sich als aus einem Gewirr feinster Spirillen bestehend
erwiesen. Die Rcincultur dieser Spirillen gelang nicht, das Thier¬
experiment fiel stets negativ aus.
9) Goepel-Leipzig: Ein Beitrag zur Kenntniss der Tuben¬
hernien.
Eine 62 jährige, seit 12 Jahren an einem Bruch leidende Patientin
erkrankt plötzlich an Erscheinungen, welche auf eine Entzündung
des Bruchsackes mit beginnender allgemeiner Peritonitis schliessen
Lassen, Boi der Herniotomie fand sich in dem Bruchsacke die mit
eitrigem Inhalt gefüllte, cystisch entartete Tube. Exstirpation der¬
selben. Heilung.
In der Litt ratur sind bisher 11 derartige Fälle mitgetheilt worden.
G. nimmt an. dass in seinem Falle die hydropisch erkrankte Tube
schon lange Zeit im Bruchsacke gelegen und erst in allerletzter Zeit
acut entzündliche Veränderungen erlitten hat.
10) Grae fe- Leipzig: Ein Beitrag zur Erleichterung der
Narkose, besonders für die Praxis.
Verschiedene Autoren haben in neuerer Zeit darauf aufmerksam
gemacht, dass für den Verlauf der Chloroformnarkose die Reizbar¬
keit der Nasenschleimhaut eine wichtige Rolle spiele. Rosenberg
hat daher die Bepinselung der Nasenschleimhaut mit Cocain, de
Sanctis und Plergili den Verschluss der Nase mit den Fingern
empfohlen. Graefe hat sich zum Verschluss der Nase eine federnde
Klammer anfertigen lassen, und dieselbe bei einer Reihe von Chloro¬
formnarkosen mit recht befriedigendem Erfolg benützt.
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506
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
11) Helferich-Greifswald: Weitere Mittheilungen über die
Resection der Samenleiter als ein Heilmittel der Prostata¬
hypertrophie.
Die genannte Operation ist von H. nunmehr in 10 Füllen vor-
genommen worden. 7 Fülle sind für die Beurtlieilung des Erfolges
verwertlibar. Bei allen Kranken wurde die Harnentleerung gebessert,
mehrmals in sehr auffälliger Weise. In einem Falle trat die Besse¬
rung schon am Tage nach der Operation ein, bei der Mehrzahl der
Kranken am 5. und G. Tage. Auch sonst zeigte die Operation günstige
Einwirkungen: Beseitigung von Tenesmus im After, Verschwinden
der melancholischen Stimmung, Erleichterung des Katheterismus.
Eine deutliche Verkleinerung der Prostata Iiess sich nur in einzelnen
Fällen naehweisen. Unangenehme Folgeerscheinungen wurden nicht
beobachtet.
H. nimmt die Operation jetzt immer ohne Narkose vor: Fixi-
rung des Vas deferens, l'/a cm langer Schnitt, Isolirung des Samen¬
leiters, Resection des peripheren Endes. Der Kranke kann nach
der Operation sofort aufstehen.
Zur Erklärung der Erfolge glaubt II. eine frühzeitige und eine
späte Wirkung der Operation unterscheiden zu müssen. Die Früh¬
wirkung erklärt sich durch eine reflektorische Genussverengerung,
die Spätwirkung durch Atrophie der Prostata. K recke.
(Schluss folgt.)
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Mediciii. 1896, No. 20.
1) C. G erhardt: Ueber Verkleisterung der Luftröhrenaste.
Bei mehreren Bäckern, welche au Bronchialkatarrh litten, konnte
G. in dem Auswurfe Stärke naehweisen, in einem Falle noch 2 1 /*
Wochen nach dem Aussetzen der Arbeit. An dem Auswurfe fiel
auf: milchweisse Farbe, breites Zerfiiessen der einzelnen Sputa, ohne
eigentliche Bildung von Ballen, kleisterähnliches Aussehen. Der
Nachweis der Stärke geschah, nachdem sich der Kranke die Mund¬
höhle nach den Mahlzeiten häufig mit Wasser ausgespült hatte,
durch Zusatz von verdünnter Jodjodkaliumlösung. Für das so häufige
Asthma der Bäcker und Müller dürfte diese Beobachtung von Be¬
deutung sein.
2) Friedeberg: Verschlucken von Stecknadeln mit tödt-
lichem Ausgange bei Hysterie. (Aus dem städt. Krankenhnuse
Magdeburg-Altstadt).
In dem mitgetheilten Falle handelt cs sich um eine aus¬
gesprochene Hysterie, die lange Zeit von einem schweren Magen¬
leiden begleitet war. Als causales Moment für d : e Entstehung der
Hysterie ist wahrscheinlich eine RetroHexio uteri und Endometritis
baemorrhagica anzuschen. Der tödtliche Ausgang trat ein in Folge
einer Peritonitis. Bei der Section wurden in dem Wurmfortsätze,
dessen Wand stark injicirt war, zwei Stecknadeln, mit dem Kopfe
nach dem Ende desselben gerichtet, aufgefunden. Diese Fremdkörper
waren zweifellos die direkte Ursache der Magen- und Darmerschei¬
nungen sowie des Exitus letalis. W. Zinn-Berlin.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 43. Band, 1. und 2. Heft.
Leipzig, Vogel. (Ausgegeben am 26. April 1896).
1) Wuhrmann-Zürich: Die Struma intrathoracica.
Die ausführliche und fleissige Arbeit bespricht die Struma
intrathoracica auf Grund von im Ganzen 90 Fällen, 75 gutartiger
und 15 bösartiger Natur. Von den ersteren entstammen 4 der
Privatpraxis des Docenten Kaufmann. W. spricht von einer
intrathoracischen Struma dann, sobald eine Struma in die obere
Brustapertur hineinragt, gleichviel, ob eine Struma am Halse besteht
oder nicht, und ob der intrathoracische Theil die unmittelbare Fort¬
setzung der letzteren bildet oder eine mehr oder wenig isolirte Ge¬
schwulst darstellt. Das klinische Bild wird in allen Fällen beherrscht
durch die Athembescbwerdet}. Wölfl er hat bekanntlich ausserdem
noch folgende Erscheinungen hervorgehoben: Druckgeftihl in der
oberen Brustapertur, Dämpfung daselbst, linksseitige Recurrens-
lähmung, einseitiger Exophthalmus oder träge Pupillenreaction, fixirte
Lage des Kehlkopfes, Verengerung des Tracheallumens in der Höhe
des 4.—7. Ringes, undeutlicherer Puls in der entsprechenden Carotis
oder Radialis, auffallende Ektasie der Halsvenen, manchmal Pulsation
des Kropfes. W. hat ausserdem noch Schlingbeschwerden und De¬
formation des die Brusthöhle umgebenden Knochengerüstes be¬
obachtet. Die Therapie ist keine andere wie bei der gewöhnlichen
Struma. Schreitet man zur intraglandulären Ausschälung, so muss
dieselbe sehr langsam vorgenommen werden, damit jedes blutende
Gefäss sofort gesichert werden kann.
Die maligne intrathoracische Struma bietet der Diagnose oft
erhebliche Schwierigkeiten. Charakteristische Symptome bleiben oft
lange aus; verdächtig sind Schlingbeschwerden und spontane und
ausstrahlende Schmerzen. Für die Therapie kommt natürlich auch
nur die Exstirpation in Betracht.
2) Budberg-Boeninghausen und W. Koch: Grössere
Darmresectionen wegen eingeklemmter Hernie, Dünndarm-
volvulus und Invagination. (Chirurg. Klinik Dorpat).
Bei 10 Kranken der Dorpater Klinik wurden Resectionen von
über metergrossen Darmstücken gemacht. Von ihnen sind 3 ge¬
storben. Wenn auch dem Menschen 2 m Darm entfernt werden können,
so soll man doch bei derartigen grossen Resectionen genau prüfen,
wie weit die Erkrankung geht, um dem Kranken möglichst viel
Darm zu erhalten.
3) Reich: Ein Beitrag zur Lehre über die multiplen Exo¬
stosen. (Chirurg. Klinik Göttingen.)
Verfasser beschreibt einen neuen Fall von multiplen Exostosen,
bei dem zugleich eine bedeutende Störung im LUngemvachsthuni
der einzelnen Knochen bestand. Die Grösse der 31 jährigen Pa¬
tientin betrug 138 cm. Ein Zusammenhang zwischen Wachsthums-
henmiung und Exostosenbilduug, wie ihn Bessel-Hageu als charak¬
teristisch hinstellt, war in diesem Falle nicht vorhanden. Verfasser
glaubt, dass man beide Erscheinungen als gleichzeitig entstehend
au Sassen und beide als den Ausdruck einer eigenen Erkrankuug
des intermediären Knorpels anseben muss.
’ 4) Illawncek: Ueber einige Extremitätenmissbildungen.
(Albert 1 sehe Klinik.)
1. 2 Fälle von Klumphand mit partiellem bezw. totalem Radins-
defect, verbunden mit partiellem Carpaldefect nnd Fehlen der
Daumen und der zugehörigen Mctacarpcn und Phalangen.
2. Angeborene Hypoplasie des rechten Oberschenkelknochens.
3. Angeborene Wachsthumshcmmung der Hand in Folge Um¬
schnürung am Vorderarm.
fi) Kronacher-München: Zur operativen Behandlung der
männlichen Hypospadie I. Grades. (S. «1. W. IM>6, S. 301.)
6) Bohl: Vorschlag, die Patella nach der Gritti’schen
Amputation in richtiger Lage zu erhalten. (Chirurgische Klinik
Dorpat.)
Das Lig. patellare w'ird erhalten und nach der Durchsägung
mit den Resten der Gelenkkapsel an der Rückseite des Femur ver¬
näht. In 2 so operirten Füllen gelang es, ein Abgleiten der Patella
zu verhindern. .
7) Enderlen: Klinische und experimentelle Studien zur
Frage der Torsion des Hodens. (Chirurg. Klinik Greifswald.)
Ein 49 jähriger Arbeiter war unter Erscheinungen erkrankt,
die eine Einklemmung eines rechtsseitigen Scrotalhruches vermuthen
Hessen. Bei der Operation fand sich eine Torsion des Hodens und
Samenstranges um 2 70 ’. Da eine Beseitigung der Torsion nicht
möglich erschien, so wurde der Hoden exstirpirt. Hoden und
Samenstrang lagen völlig frei ohne jede Anheftung in der Tunica
vaginalis. Die mikroskopische Untersuchung des exstirpirten Hodens
ergab die bcmerkenswortlie Thatsache, dass es sich um ein Carci¬
noma sarcomatodes handelte.
Verfasser stellt die einschlägige Literatur zusammen. Er selbst
hat an Thieren Versuche angestellt, um zu ermitteln, wie lange die
Samens!ranggefüsse unterbunden sein können, ohne dass eine Schädi¬
gung der Hodensuhstanz eintritt. lGstündige Abschnürung hatte
keinerlei Einfluss. Bei 22 ständiger Dauer stellte sich nach Ablauf
der Schwellung deutliche Grössenabnahme der operirten Seite neben
derberer Consistenz ein. Mikroskopisch fand sich bedeutende Zu¬
nahme des Bindegewebes, Erweiterung der Hodencanälchen, Ab¬
flachung und Abstossung des Epithels.
8) Kehr-Halberstadt: Ueber einen operativ behandelten
Fall von Knochencyste des Oberschenkels.
Der Fall gleicht genau den seiner Zeit von Schlange mitge-
theilten und wurde durch die Auskratzung der Cystenwand völlig
geheilt.
9) F. B ähr -Hannover: Beiträge zur Casuistik interner
Knochenverletzungen.
a) Fissur des unteren Femurrandes, b) 2 Rippenknorpelbrücbe
durch Muskelzug. c) Fractura femoris durch Muskelzug.
Kracke.
Centralblatt für Gynäkologie. 1896, No. 20.
1) R. Chrob ak-Wien: Ueber Einverleibung von Eier-
stocksgewt-.be.
Der anticipirte Klimax, besonders bei Fortnabme der Ovarien,
macht bekanntlich schwere nervöse Symptome, wie Schwindel,
Kopfschmerzen, Schweisse, Herzklopfen u. dgl. Um dies zu ver¬
hindern, hatChr. seit Jahren bei Myomotomien ein oder beide Ovarien
zurückgelassen und günstige Erfolge erzielt. Neuerdings hat er,
ähnlich wie Mainzer (d. W. S. 280) und Mond id. W. No. 14) ver¬
sucht, durch Darreichung von thierischem Ovarialgcwebe
per os die Wechselerscheinungen zu bekämpfen. Er liess Pastillen von
je 0,2 0varialsub8tanz anfertigen und gab hiervon täglich 2—4 Stück¬
ln 3 Fällen, die ovariotomirte Frauen betrafen, war der Erfolg günstig.
Nachtheile wurden nicht beobachtet.
2) E. Knauor-Wien: Einige Versuche über Ovarien¬
transplantation bei Kaninchen.
Auf Anregung von Chrobak exstirpirte K. bei Kaninchen
die Ovarien und implantirte sie an anderen Stellen desselben Tbierea
Als Implantationsstellen wählte K. das gekrösartige Peritonealblait
einea Uterushornes und den Raum zwischen Fascie und Muskeln
der Bauchdecken. In allen Fällen (4) heilten die Ovarien nicht
nur ein und blieben ernährt, sondern sie fuhren auch fort, * u
functioniren, d. h. Eichen zu entwickeln, zur Reifung und unter
Umständen auch zur Ausstossung zu bringen. Diese Versuche wlaen
ein interessantes Analogon zu den bekannten Transplantationen
von Hodensuhstanz von John Hunter, R. Wagner u. A-
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26. Mai 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
507
t. r .
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(fr
3) A. Schücking-Pyrmont: Röntgen-Strahlen in der Gynä¬
kologie.
Allgemeine Bemerkungen, keine eigenen Untersuchungen.
4) H. A. v G u 6 r a r d - Düsseldorf: Köliotomie bei Geburts¬
störung nach Ventrifixur.
32jährige Frau, der vor 4 Jahren die Ventrifixur des
Uterus gemacht worden war. Bei der 3. Geburt (der ersten nach
der Operation) trat nach 20ständigen Wehen Fieber auf, das zur
Zangengeburt Veranlassung gab. Nach Entwickelung des übrigens
reifen, lebenden Kindes sehr heftige atonische Nachblutung,
die weder durch Reibung, noch heisse Scheidenirrigationen zu stillen
war. Dies veranlassfce G., die Laparotomie zu machen und die
narbige Verwachsung des Uterus selbst zu excidiren. Hierbei fand
sich neben dem Narbenrande ein subperitoneales Haematom und
daneben eine iocomplete Uterusruptur. Naht derselben. Ausser
grosser Anaemie normales Wochenbett.
G. halt die feste Fixirung des Uterus ap der Bnuchw.ind für
directe Ursache der Atonie. Der Fall illustrirt eine neue, bisher
unbekannte Gefahr der Uterusfixation für die Geburt.
Jaf f d -Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 20.
1) R. Stüve-Frankfurt a. M.: Klinische und experimentelle
Untersuchungen über einige neuere Nährpräparate.
Die durch Stoff Wechsel versuche gestützten Untersuchungen be¬
ziehen sich auf Nutrose (das Casein der Milch, an Natrium gebunden)
und Hygiama (ein an Cacao erinnerndes Pulver, hergestellt aus
condensirter Milch unter Zusatz gewisser Cerealien und theilweise
entfettetem Cacao). Das Casel’n-Nalrium, mit einem N-Gehalt von
13,8 Proc., erweist sich als ein dem Gesclimacke zusagendes, den
Darmtractus nicht reizendes Präparat von vortrefflicher Resorptions¬
fähigkeit. Das 2. Präparat (von Gehr. Theinhardt in Stuttgart
hergestellt) ist ebenfalls gut assimilirbar und wird besonders als
Milchzusatz empfohlen.
2) A. Blaschko-Berlin: Die Lepra im Kreise Memel.
Cfr. das Referat über die Sitzung der Berliner medicin. Gesell¬
schaft am 29. April 1896 in No. 18 dieser Wochenschrift.
3) J. Zabludowski-Berlin: Massage bei chronischen Herz¬
krankheiten.
Für die allgemeine Massage reservirt Z. besonders jene Fälle
von Herzkrankheiten, wo körperliche Ruhe angezeigt ist, und ver¬
landet dieselbe mit eingeschalteten Widerstandsbewegungen. Die
Massage selbst, deren Vornahme Verfasser eingehend beschreibt,
nimmt Z. täglich ca. 10—15 Minuten lang vor und bezeichnet als
jene Fälle, wo er gute Resultate davon erhielt, in erster Linie die
Neorosen, dann Sklerose der Kranzarterien, Hypertrophieen nach
Lüxnsconsum, Herzschwäche nach Infektionskrankheiten. Die Cur
soll 4—6 Wochen dauern.
4) E. Maragliano-Genua: Latente und larvirte Tuber-
culose.
Für erstere Form nennt M. als charakteristisches Attribut das
Fehlen jeglichen Krankheitssymptoms und weist in längeren Aus¬
führungen besonders auf die recurrenten bronchitischen Affectionen
hin; für letztere unterscheidet er eine dystrophische, hauptsächlich
durch progressive Ernährungsstörung cbarakterisirte Form, sowie
eine typhöse mit Fieber und Innervationsstörungen. Der larvirten
Tuberculose gehören meist die sog. «Wachsthumsfieber» an. Für
die Diagnose solcher Fälle redet M. der Anwendung des Tuberculins
das Wort, über dessen Wirkungsweise Verfasser eine Hypothese
aufstellt.
5) Die staatliche Controle des Diphtherieserums. Amt¬
liche Erklärung von Prof. P. Ehrlich über das hiebei geübte Ver¬
fahren nnd Mittheilung, dass die Untersuchungen des Serums im
«Falle Langerhans» ganz resultatlos verliefen.
Dr. Grassmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 21.
1) M. L i 11 e n : Ueber eine physiologische und pathologische
Erscheinung an den grösseren Arterien, zugleich ein Beitrag
zar Diagnose der circumscripten Sklerose der Bauchaorta.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin in Berlin.
Referat siehe diese Wochenschrift No. 18, pag. 435. .
K. Greeff: Der Bau und das Wesen des Glioma retinae.
(Aus der Universitäts-Augenklinik in Berlin, Dir.: Prof. Schweigger.
. Nach den Untersuchungen G.’s ist das Retinagliora eine Ge¬
schwulst, welche aus einer Gewebsmissbildnng in der Retina, aus
versprengten embryonalen Zellen hervorgeht. Es besteht im Wesent¬
lichen aus hyperplastisch gewucherten Gliazellen und einem aus
deren Fortsätzen gebildeten Fasergewirr, sowie aus ausgebildeten und
in der Entwicklung begriffenen Ganglienzellen und Nervenfasern,
dieser Bildung entsprechend wäre die Bezeichnung: Neuroglioma
ganglionare vorzuziehen.
_ 3) A. Albu: Ueber ein vermuthliches Aneurysma der Ar-
tena pulmonalis. (Aus der inneren Abtheilung des städtischen
Krankenhauses Moabit in Berlin, DIrector: Professor Renvers.)
Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin in
öer ™- Referat siehe diese Wochenschrift No. 14, pag. 327.
4) Hallervorden-Königsberg i. Pr.: Zur Pathogenese der
puerperalen Nervenkrankheiten und zur Behandlung toxischer
Fieberpsychosen und Neurosen, speciell im Puerperium, werden
auf toxische Einflüsse zurückgeführt. Dieselben stammen aus den
chemischen Producten des normalen und pathologischen Stoffwechsels,
des organischen Ze.T..lis etc. Bezüglich der Therapie wird der heil¬
same Einfluss der subcutanen Kochsalz-Infusionen in der physio¬
logischen Concentration hervorgehoben und speciell dem Gl Na eine
hervorragende Wirkung zugeschrieben.
5) M. Mendelsohn: Ist das Radfahren als eine gesund-
heitsgemässe Uebung anzusehen und aus ärztlichen Gesichts¬
punkten zu empfehlen? Fortsetzung aus No. 19.
6) E. B e 1 o w - Berlin: Gelbfieber und Malaria im Lichte des
Acclimatisationsgesetzes (Artenbildung durch Zonenwechsel).
B. verlangt, dass das Studium der Tropenkrankheiten nicht
vom einseitig bacteriologischen Standpunkt aus betrieben werde.
Mindestens gleich grosse Bedeutung habe der Einfluss der Local¬
disposition, der individuellen und der Rassenresistenzfähigkeit. Zum
Zwecke ausgedehnter und gründlicher Forschungen auf diesem Ge¬
biete bedarf es der Anlegung tropenhygienischer Laboratorien und
Höhenstationen. Ein diesbezüglicher Antrag liegt dem Reichs¬
tage vor.
Zu dem Referat über die Arbeit von Professor Biedert:
« Ueber das natürliche Rahmgemenge » etc. in No. 19 schreibt uns
der Herr Verfasser: «Ich gestatte mir, gegen eine nicht unwesentlich
irrthümliche Bemerkung Einspruch zu erheben. Ich habe nicht
«mehrere Molkereien zur Herstellung meines Präparates bestimmt»,
sondern dieselben haben mich dringend um Anleitung zur Herstellung
desselben, das sie anderweitig kennen gelernt hatten, ersucht. Ich
hatte nicht beabsichtigt, mea sponte mich mit Geschäftsleuten in
Verbindung zu setzen, um der Gärtnerischen Milch Concurrenz’zu
machen, sondern habe stets meine Anschauung nur objectiv ver¬
treten. » F. L.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 18. Mai 1896.
Herr Eulenburg stellt einen Mann vor, welcher an
Syringomyelie leidet.; die Krankheit entwickelte sich nach E.’s
Ansicht im Anschluss an ein vor 10 Jahren erlittenes Trauma:
Verbrennung an dem Daumen, Einstossen eines Zinkspahns in
die Wunde, Phlegmone. Jetzt Sensibilitätsstörungen, Muskcl-
athrophic, Pupillardifferenz. (Es bandelt sich um einen der in
No. 19 d. W. von Mies-Köln beschriebenen Fälle. Red.)
Herr Jolly berichtet über ein neues Schlafmittel, das
Pellotin. Dasselbe wurde vor 2 Jahren von Hefter empfohlen
und ist ein Pflanzenalkaloid. Es war bekannt, dass in Mexico
gewisse Cacteenarten von den Eingeborenen als Betäubungsmittel
gebraucht werden; L. Lcwin gelang es dann, aus der Anlialonie
Lewinii das wirksame Prineip, Anhalonin darzustcllcn, welches
bei Thicren strychninartige Wirkung (tetanischc Krämpfe) erzeugt.
Aus einer andern Anlialonie stellt dann Hefter das Pellotin dar,
welches in Form des Pellotinum muriatieum in Dosen von 0,01
beim Erwachsenen erst Ermüdung, dann Schlaf erzeugt. Ala
Nebenwirkung wird Pulsverlangsamung gesehen. Andere unan¬
genehme Nebenwirkungen hat Jolly bis jetzt nicht gesehen. Es
kann innerlich sowohl wie subcutan applicirt werden und es ent¬
sprechen 0,04 Pellotin in der Wirkung etwa 1 g Trional oder
1,5 Chloralhydrat. Auch in einem Falle von Delir, trem. bewährte
sich das Mittel; doch bat es auch bei einzelnen Kranken im
Stiche gelassen.
Herr H. Rüge demonstrirt Präparate von actinomyccs-
ähnlichcn Drusen, welche er in menschlichen Tonsillen und zwar
in den Crypten gefunden hat. Sie sehen den echten Act.
täuschend ähnlich, sind jedoch gegen Entfärbung beim Grauri-
schcn Verfahren weniger resistent und ihre Fäden sind nicht so
zart; in 25 untersuchten Fällen fand Vortragender diese Gebilde
viermal. Vortragender glaubt nicht, dass es sich um die echten
Actinoinyces handelt.
Herr Klemperer: Ueber regulatorische Glycosurie
und renalen Diabetes. Vor längeren Jahren hatte Vortragender
schon einmal über diese Frage referirt, die damals gerade von
englischen Autoren mehrfach erörtert worden war. Damals war
die Kcnntniss des Diabetes noch nicht so weit gediehen, wie heute,
und es verlohnt sich, die Frage vom heutigen Standpunkt aus
nochmals zu betrachten.
Wir nehmen jetzt an , dass der Diabetes keine einheitliche
Erkrankung ist, sondern dass eine Reihe von Organen bezw. deren
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508
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Erkrankung au dem Entstehen eines DiabetoB schuld sein kann, Aerztlichör Verein in Hamburg,
und so lässt Bich auch die Frage auf werfen, ob cs vielleicht einen (Eigenbericht.)
renalen Diabetes gibt, ln England wurden schon vor Jahren Sitzung vom 16. Mai 1896.
Beobachtungen bekannt, wonach eine Glyeosurie die mit Nephritis Vorsitzender: Herr Rumpf,
combinirt war, aufhörte, wenn die Nephritis in das Stadium der j Demonstrationen.
Granularatrophie überging. Vortragender konnte unterdessen eben- 1) Herr Alsberg stellt einen 45jährigen, seit 10 Jahren magen-
falls einen solchen Fall beobachten: Ein Mann der im Krankenhaus leidenden Patienten vor, bei dem er Mitte Februar eine PylorusreseetioD
am Friedrichshain vor längerer Zeit als Diabetiker behandelt
worden war, kam in die Charite unter dem Bilde der Schrumpf¬
niere ohne Zuckerausscheidung und ging uraemisch zu Grunde.
Wenn, so lässt sich weiter schliessen, die Erkrankung der
Niere einen Diabetes verschwinden macht, so muss es eine Function
der gesunden (relativ gesunden) Niere sein, den Zucker auszuscheiden.
wegen Carcinom mit nachfolgender Gastroduodenostomie nach
Kocher vorgenommen hat. Gewichtszunahme 35 Pfund. Auch in
einem zweiten kürzlich operirten Falle bewährte sich das Verfahren.
2) Herr Sachs demonstrirt 2 Kranke mit Tumoren im
Nasenrachenraum. Es handelt sich um fibromucöBe Choanen
wandpolypen. Guter Erfolg von elektrolytischer Behandlung.
3) Herr l’rochownick zeigt 1. einen Uterus myomatosus.
in der ü. Woche der, Schwangerschaft durch Totalexstirpation ge-
Ein Beweis dafür, dass die gesunde Niere dies kann, besteht I wonnen mit itn Tubenwinkel sitzendem Ovulum: Mikroskopisch er-
in dem Phloridzin-Diahetes. v. Mering hat bekamiter-
weist sich die Myomendometritis einem malignen Adenom sehr
ähnlich; 2. ein von einem 14jährigen Mädchen stammendes Sarkom
. . . i m i .. im ähnlich; z. ein von einem niunn™i wuuuicu »uumneuuen ö&mom
massen gezeigt, dass Thiere und Menschen auf grossere 1hl,.- am Hebergang von Cervix zmn Uteruskörper; 3. einen nach seiner
ridzingaben Zucker ausscheiden und zwar ohne dass der Blutzucker Angabe mit Benutzung eines 1880 angegebenen Marburger
vorher ansteigt. Es geht, wie bekannt, hei jedem anderen Diabetes
mit der Zuckerausscheidung eine Erhöhung des im Blute vor¬
handenen Zuckers einher (oder richtiger, der ersteren voraus).
Modells hergestellten, gut schüessemlen uud desinficirbaren Irri-
gationshnhn.
4) Herr Kümmell berichtet über seine Erfahrungen bei
Anwendung des Murphy'sehen Knopfes, den er bei
Anders beim l’bloridzin-Diabetes, bei welchem also aus dem mit y Magenreseetionen und 8 Gastroenterostomien benutzte. 5 Kranke
normal viel Zucker versehenem Blute von den Nieren Zucker ent- starben: 4 an Lungenembolie, im Collaps, an einer Aetkerpneumonie
nommen und ausgeschieden wird. Dass that.sächlich die Nieren am 9. Tage, an einer Perforativperitonitis. weil K. keine Tabaka-
' • ■ , n . -i • • v , , : beutelnath gelegt hatte, was ihm vorher m mehreren Fällen ge-
dics thun, erwies noch Zuntz, indem er m eine Nierenarteilc Jungen war. Demonstration der Lage des Knopfes an den durch
das Phloridzin injicirte und nun thatsächlieh für die nächste Zeit Section gewonnenen Präparaten, ln allen Fällen, wo möglich schnell
nur diese eine Niere zuckerhaltigen I rin seccrnirte. Vor- operirt werden muss, was bei durch Krebscachexie herantergekom-
tratender konnte noch constatiren, dass beim Menschen die Nahrung menen Kranken meist der Fall sein wird empfiehlt sich wegen der
, n > ...... , Vereinfachung dev Methode der Darmnath die Benutzung des Knopfes.
ohne wesentlichen Einfluss auf (len 1 hloridzm-1 labetes ist. Ist Herr Lenhartz demonstrirt ein primäres Lungen-
es demnach sicher, dass wir im Phloridzin-Diabetes eine renale sarkom mit Metastase in der linken motorischen
tragender konnte noch constatiren, dass beim Menschen die Nahrung menen Kranken meist der Fall sein wird e.npfiehlt sich wegen der
‘ .... „ , n . . ... Vereinfachung dev Methode der Darmnath die Benutzung des Knopfes,
ohne wesentlichen Einfluss auf (len 1 hloriuziii-l labetes ist. Ist Herr Lenhartz demonstrirt ein primäres Lungen-
es demnach sicher, dass wir im Phloridzin-Diabetes eine renale sarkom mit Metastase in der linken motorischen
Form des Diabetes haben, so blieb nun weiter die Frage, «.1. diese Rin denregion, durch Section einer 46 jährigen Kranken gewonnen.
Leuten Phloridzin und nur in 3 Fällen gelang es, Zucker im
Urin nachzuweisen,
Die sich daran anreihende Frage, ob auch andere Mittel im
Stande sind, die Nieren zur Zuckersecrction anzuregen, glaubt
Jakobv für das Coffein bejahen zu dürfen, doch zeigt sich, dass
das Coffein nur dann Zuckerausscheidung zur Folge hat, wenn gleich¬
zeitig kohlehydratreiche Nahrung gegeben und eine reichliche Diurese
erzielt wird. Es wird eben dann viel Zucker in s Blut gel rächt
und mit der reichlichen Diurese durch die Nieren ausgeschwemmt.
Man kann den gleichen Effect auch mit anderen Diureticis gelegentlich
erzielen (Oalomel, Digitalis, lauwarmes Wasserklystier mit gleich¬
zeitigem Kaffeegenuss). Diese Letzteren sind also keine eigent-
punction: hämorrhagisches berum. Kein charakteristisches bpututn,
6) Herr Bonne stellt einen Kranken vor, dem er einen
billigen Ersatz einer künstlichen Hand in einfacher Weise
hat hersteilen lassen. Die Prothese besteht aus einer gewöhnlichen,
federnden Journalklammer, die mittels Lederschnalle am Amputations¬
stumpf befestigt ist; am beweglichen Blatte der Klammer findet sich
ein dünner Lederriemen, der am unteren Ende einen Steigbügel
trägt. Tritt der Träger in diesen Bügel oder zieht er an dem Riemen,
so öffnet sich die Klammer und kann zum Greifen und Festhalten
von Gabeln, Untertassen, Büchern etc. benutzt werden.
II. Vortrag des Herrn C. Lauenstein: Zur Frage
der hohen Castration nach v. B ii n g n e r.
L. hat die von v. B. 1893 angegebene Methode 13mal an¬
gewandt. In 4 Fällen handelte es sich um Tuherculosc, in 2 mn
I Sarkom, in 7 um Vereiterung des Hodens. Die Länge des ab
liehen renalen Glycosurien , sondern es ist eine rein mechanische I gerissenen Samen Stranges variirte. zwischen 9 und 36 cm, betrug
Ausschwemmung des reichlich zugeführten Zuckers.
im Mittel 21 cm ; in einem Falle gelang die Evulsion nicht. Ab-
Die Unterscheidung eines renalen Diabetes wäre natürlich reissen des vas. dcf. an der erkrankten Stelle bat Redner
von grösster praktischer Bedeutung, da in einem solchen Falle nicht beobachtet. (Beckenbruch mit Harnröhrenzerreissung. \cr¬
eme Kohlchydratcntziehung völlig überflüssig und nur eine Scho- citerung des Hodens wahrscheinlich in Folge des Bougirens.) In¬
nung der Nieren anzustreben wäre. gegen erlebte er mehrfach Blutung in das Lager des eut-
Trotz vielfachen Suchens hat Vortragender doch nur einen fernten \ as def. In einem Falle war die Blutuug so “
solchen Fall gesehen; in demselben hatte Zucker Verabreichung gradlg ’ dass daa Coagulum als faustgrosser Tumor
keine Vermehrung des im Urin ausgeschiedenen Zuckers zur Folge. a ^hung per rectum neben der Prostata zu fühlen war,^
4 entleerten sich aus dem m der Wunde hegenden Dramronr ne
Discussion. Herr A. Fraenkel: Dass beim Diabetes, wenn ^ C.aeula Pat starb 4 Wochen post. op. an Miliartuber-
eine NeDhritis eintritt, der Zuckergehalt zuweilen sinkt, hat schon ”f uia - rat. starb 4 »oenen post P , ,
FreTichB beobachtet. Der Kardinalpunkt, ob es möglich ist, eine erlöse. Section bestätigte den Befund. Aehnhchc Befunde
renale Form des Diabetes beim Menschen aufzustellen, dürfte doch L. noch 2 mal. Er erklärt sich diese Blutungen durch ein a
nicht so leicht sein, denn die-Wechselbeziehungen der einzelnen reisscn des Stammes oder eines Astes der Arteria deferentialw »
Organe unter einander sind so complicirte und noch so wenig w h unzu .,, n „b,.b or «teile Auch llelfcricb bat bei
bekannt dass es ear nicht möglich ist zu sagen, welchen Einfluss , ° unzugänglicher stelle. auch ii v u
7 , B die Beschränkung der Nierenfunction auf die Thätigkeit irgend Evulsion nach v. Büngncr eine ähnliche Beobachtung g
eines anderen Organes z. B. des Pankreas austibt. Diese Erfahrungen, sowie der Umstand, dass es nicht m -
Herr Senator glaubt, dass man den Ansichten Klemperer’s Fällen gelingt, so lange Stücke des Samenleiters, vde aus tr
im Grossen und Ganzen wohl beistimmen kann. Leiche lierauszureissen — zuweilen reisst das Vas def. P| Dl
Herr Gerhardt; Dass bei Eintritt einer anderen Erkrankung kurz ab) was von j n(lividuellcn örtlichen und anatomischen, vorher
<“* «ÄÄ SÄÄÄh unljcstiinmbawm VeA.Uni»™' abh ä n gt - b—
-Woher die Nieren, wenn der Zuckergehalt des Blutes dadurch -'--umumaren Verhältnissen aonangt — msm.u.u-
nicht alterirt wird, beim Phloridzin-Diabetes ihren Zucker nehmen, Methode auf zu geben und zu empfehlen, das von
ist ihm nicht recht verständlich. Uomponenten des Samenstrangs gut isolirtc Vas del
Fortsetzung der Discussion vertagt. H. Kohn. Scheerc zu entfernen.
Methode aufzugeben und zu empfehlen, das von den ' ^
Uomponenten des Samenstrangs gut isolirtc Vas def. urc
Scheerc zu entfernen. ..
Discussion; Herr Kümmell verwirft die Methode 8*^
falls. Die Nachtheile bestehen ausser in dem auch von gr
obaebteten Auftreten einer Blutung in dem Abreissen &
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26. Mai 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
509
krankten Stelle, wodurch unter Umständen Abscessbildung ein-
treten kann und in besonders nach Castration wegen Prostatahyper¬
trophie beobachteten, lange dauernden, sehr lebhaften Schmerzen.
Herr Alsberg glaubt, dass vornehmlich bei Hodentuberculose
der Samenleiter mit dem Peritoneum unter Umständen verwachsen
ist und beim Abreissen desselben dadurch peritoneale Ver¬
letzungen entstehen können.
Herr Simmonds hält vom pathologisch-anatomischen Stand¬
punkte aus die Operation für unberechtigt, da bei Abscedirung der
Hoden die Entfernung des Vas def. überflüssig sei, bei hochgreifender
Tuberculose des Samenleiters die Samenblasen regelmässig mit er¬
krankt sind und bei bösartigen Tumoren der Hoden nicht das Vas,
sondern die Gefässe des Samenstranges den Weg für die Ver¬
breitung bilden.
Herr Wiesinger und Herr Gleiss sprechen sich gleichfalls
gegen die Methode aus. Werner.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
Medicinische Section.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 25. Februar 1896-
Professor Czerny: Eine Wandermilz mit Stieltorsion,
einen malignen Tumor vortäuschend, durch die Exstir¬
pation geheilt.
Frau M. W., 56 Jahre alt, hat 10 mal geboren, zuletzt vor
17 Jahren. Vor 8 Jahren Hess sie sich ein Lipom von der rechten
Hüftgegend exstirpiren. Im Oktober 1895 stellten sich ohne Ursache
heftige Schmerzen im Leib und Kreuz ein und Patientin bemerkte
eine Zunahme des Leibumfangs. Pa sich Kurzathmigkeit einstellte,
suchte sie auf Rath des Herrn Dr. Würzburger in Rappenau
unsere Kflnik auf.
Status 28. Januar 1896. Etwas angeschwemmte blasse Frau
mit kleinem Puls, Lungen-Emphysem; der Aortenton unrein. Das
Abdomen stellt einen mit Ascites gefüllten Hängebauch dar, welcher
bis zur Mitte der Oberschenkel herabreicht Unterhalb des vor¬
getriebenen Nabels fühlt man eine quergelagerte, nicht schmerzhafte
höckerige Geschwulst, welche sich zwischen den Mammillarlinien
hin- und herbewegen lässt. Keine Drüsenschwellungen. Der Uterus
scheint etwas nach rechts gezogen. Das rechte Ovarium fühlbar,
nicht aber das linke. Die klinische Diagnose lautete auf einen be¬
weglichen Bauchtumor, welcher wegen des rasch entstandenen Ascites
mit Wahrscheinlichkeit auf ein Carcinom des linken Ovariums be¬
zogen wurde. Die Blutuntersuchung ergab normalen Hämoglobin¬
gehalt und geringe Leukocytose.
Operation am 31. Januar. Durch den Medianschnitt unterhalb
des Nabels entleerte sich der Ascites. Der mit gelben Fibrin¬
membranen besetzte Tumor schimmerte bläulich durch und wurde
alsbald als eine hypertrophische Wandermilz mit Stieldrehung er¬
kannt. Breite Adhäsionen der cftinnen Därme und am Netz Hessen
sich leicht lösen oder abbinden. Das Ligament gastrolienale war
2*/*—3 mal in der Richtung des Uhrzeigers um seine Achse gedreht,
liess sich aufdrehen und erstreckte sich in der Richtung nach links
und oben. Oberhalb der durch die Drehung bedingten knotigen
Verdickungen war es noch fingerdick und wurde mit kräftiger Seide
doppelt unterbunden und der Tumor entfernt. Die weit klaffende
Arterie und Vena lienalis wurden noch isolirt unterbunden. Spencer
Wells'sehe Bauchnaht Der exstirpirte Tumor wiegt 800 g, ist
eine derbe hypertrophische Milz mit hämorrhagischer Marmorirung
auf der Schnittfläche. Die Arterie und Vene sind an Stelle der
Drehungswinkel mehrfach sackförmig erweitert.
Heilung ohne Störung Am 21. Februar verliess ßie zuerst das
Bett und am 26. Februar mit Bandage die Klinik. Der Ascites war
nicht wiedergekehrt, das Gesicht hat eine gesunde Farbe.
Es ist wohl anzunehmen, dass die Patientin von den häufigen
Schwangerschaften eine Wandermilz behalten hatte, welche aber
mit Beginn der Stieldrchung durch venöse Stauung hypertrophirte
und endlich, als die Stase drohte, entzündliche Reizung und As¬
cites verursachte. Dass die Exstirpation der Wandermilz wenig
gefährlich ist, zeigte schon die Statistik von Ledderhose,
welcher 14 Fälle sammelte, von denen bloss 2 nach der Operation
gestorben sind.
ür. v. Hippel: Ueber das Zusammentreffen von
Keratitis parenchymatosa mit Gelenk-Erkrankungen.
Bezüglich des Inhalts des Vortrags wird auf eine in dem
nächsten Hefte des Archivs für Ophthalmologie erscheinende aus¬
führliche Arbeit über Keratitis parenchymatosa verwiesen.
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 29. Januar 1896.
Herr Krecke: Chirurgische Demonstrationen.
1. Hochstand der Scapula.
15 jähriges Mädchen. Die linke Scapula steht etwa eine Hand
breit höher wie die rechte, auch steht die linke der Wirbelsäule
etwas näher. Die Wirbelsäule zeigt eine leichte Skoliose nach rechts,
die beim Erheben des Armes etwas zunimmt. Der linke Arm kann
nur wenig über die Horizontale gehoben werden. Auffällig ist. dass
beim Heben des Armes die linke Scapula nicht die normaler Weise
sich zeigende Aussenbewegung macht, sie rückt im Gegentheil näher
an die Wirbelsäule heran. Kopf und Hals der Patientin zeigen keine
Abnormitäten.
K. berichtet kurz über die bisher in der Literatur mitge-
theilten Fälle dieser Missbildung. Das Wesen derselben ist zu
suchen entweder in der Anpassung an eine fehlerhafte Haltung
des Armes im Uterus (Sprengel) oder in einer intrauterinen
Entwickelungsstörung in Folge von amniotischen Verwachsungen
(Schlange). Etwas Bestimmtes lässt sich in dem vorgcstelltcn
Falle nicht ermitteln.
Die zur Behandlung des Leidens vorgcschlagcnc Rescction des
oberen Schulterblattrandes kann K. nicht billigen.
2. Ausgedehnter Lupus der linken (lesichtshälftc, be¬
handelt durch E xstirpatiou und Epider mistransplantation.
In dem vorgestellten Falle handelte es sich um ein 23jähriges
Mädchen mit ausgedehntem Lupus, der nahezu die ganze linke Ge-
Bichtshälfte und die linke Halsseito von der Mittellinie bis zum
Cucullaris, herunter bis zur Clavicula betraf. Die ganze erkrankte
Haut wurde in 4 Sitzungen exstirpirt, der Substauzverlust sofort mit
Epidermis gedeckt. Im Gesicht heilto die Letztere vollständig, am
Hals nur zutn Theil an, die zurückbleibenden unbedeutenden Wunden
heilten per granulationem. Patientin ist von ihrem schweren Lupus
nunmehr vollständig geheilt.
K. weist wiederholt auf die grossen Vortheile des von ihm
auch in einer ganzen Reihe von Fällen geübten Verfahrens der
Exstirpation und Epidermistransplantation hin. Die Exstirpation der
lupüsen Ilauttheile lasst sich unter Schleich'scher Anaesthesie
schmerzlos ausführen.
3- Nephrectomic wegen Nierencarcinom; llacma-
tuvie durch Ohloroformrcizung.
K. demonstrirt das von einer 51 jährigen Patientin am 2. XI. 95
durch die Exstirpation gewonnene Präparat der linken carcinomatüscn
Niere. Das Bemcrkenswerthc an dem Falle bestand darin, dass
nach der Operation eine sehr bedeutende Hacmaturic auftrat, die
5 Tage dauerte; an dieselbe schloss sich noch eine 4 Wochen lang
andauernde Albuminurie. K. kann auf Grund ähnlicher Beobach¬
tungen diese Hacmaturic und Albuminurie nur auffassen als ent¬
standen in Folge Schädigung des Epithels der gesunden Niere
durch das Chloroform. Israel beobachtete bei 19 Nephrcctomion
14 mal Albuminurie. E'nc Beobachtung von nach der Ncpbrcctomic
auftretender Hacmaturic hat K. in der Literatur nicht auffinden
können.
4. Knochennaht bei acromialcr Luxation der
Clavicula.
Eine vollständige Heilung der acromialen Clavieularluxation
verbürgt allein die Naht der Knochcncndon. Es sind ja auch
Fälle bekannt, wo trotz Diastase der Knocbcncnden die Bewegungs¬
fälligkeit des Schultergelenks wieder eine völlig gute geworden war.
In anderen Fallen bedingte jedoch die Luxation eine erhebliche
Steifigkeit und Erwerbsunfähigkeit.
K. hat 2 mal die Naht der Knochenenden mit Silberdraht
ausgeführt und eine ungestörte Heilung erzielt. Der eine der
operirten Patienten wird vorgestellt. Die Bewegungen im ent¬
sprechenden Schultcrgolenk sind völlig frei.
5. Mastdarmexstirpation mit temporärer K reuz-
beinreseetion.
Bei den saeralen Operationen erscheint die Erhaltung der
Knochenthcile des Kreuz- und Steissbeines das einzig richtige
Verfahren. Am empfehlenswerthcstcn sind diejenigen Methoden,
welche den gesammten Kreuz - Stcissbein - Haut - Lappen nach oben,
nach unten, oder nach der Seite umklappen (Levi, Schlange,
Ryd.vgicr). K. ist in einem Falle von Mastdarmcarcinom
der Rydy gier'sehen Vorschrift gefolgt und hat den Haut-
Knochen lappen nach der rechten Seite umgelegt. Der Wundverlauf
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510
MÜNCIIKNKR MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
war eia sehr günstiger, bei dem vorgcstellten Patienten zeigten sich
die Knochentlieilc wieder solide mit einander vereinigt.
Discussion.' Herr v. Ranke: Nur zur Deutung der nach
Exstirpation der einen Niere aufgetretenen Haematurie und Albu¬
minurie möchte ich eine Bemerkung machen.
Herr College Iv recke verniulhct, dass das angewandte Chloro¬
form an dem Auftreten dieses Symptoms die Schuld trage Mir
scheint es jedoch viel näher zu liegen, anzunehmen, dass die ver¬
änderten Drnckverhiiltnis.se in der übrig gebliebenen Niere, die
grössere Belastung dieses Organs, das nun die Function der Harn¬
ausscheidung allein zu übernehmen hatte, die llacmatuiie veran¬
lasst«:. Das Symptom dauerte dann so lange, bis sieh die restirendo
Niere ihrer neuen, grösseren Aufgabe arcommodirt hatte.
Wenn das Chloroform an der Erscheinung die Schuld trüge, so
müssten wir bei den so zahlreichen und oft lange dauernden Chloro¬
formnarkosen. die täglich gemacht werden, Haematurie doch ent¬
schieden häutiger auftreten sehe», als dies der Fall ist. Es scheint
mir eben hier etwas ganz Spezifisches vorzuliegen
Herr Schmitt hat in letzter Zeit eine Reihe Fälle von vor'
alteter Luxatio clavic. acroin. gesehen, bei denen die Function des
Armes im Sehultergclcnk vollkommen erhalten war und keinerlei
Arbeitsbeschränkung bestand. Die Fälle bezogen keine Unfall-
entschädigung. Von Verletzten, die eine Unfallentschädigung zu
beanspruchen haben, wird dagegen die Funet onsstorung meist als
eine zie i lieh bedeutende bezeichnet — aus begreiflichen Gründen.
Es scheint, als ob in letzter Zeit eine gewisse Vorliebe für die
blutige Naht bei dieser Luxation^form bestehe, doch ist die allzu¬
häufige Ausführung nicht anzuratben. Im Falle des Hrn. K recke
lagen offenbar stärkere Störungen vor, so dass die Imlication zur
Naht vorlag.
Herr Ziegler hat in einem Falle von beteits zur Flcxnr hin¬
aufreichendem Recturncareinom zuerst den ursprünglichen Kranke’-
sehen Hantsehnitt angelegt, dann von innen aus im Bogen einen
grossen Thcil des Kreuzbeins, in Verbindung mit dem Steissbein
durch meissei t und nach aussen umgeschlagen, wodurch sehr guter
Einblick und Raum zur Operation geschaffen wurde zur Exstir¬
pation des Carcinoms, nach der sich der Lappen sehr gut wieder in
den Defect einfügen liess.
Nach der Erfahrung mit diesem Falle ist die Methode der
temporären Rescction entschieden empfehlenswerth.
Herr Bezold: Ergebnisse der pathologisch-ana- |
tomischen Untersuchung des Ohres bei Masern. (Der
Vortrag ist in No. 10 und 11 1. «Ts. d. Wochenselir. in extenso
veröffentlicht.)
Discussion: Herr v. Ranke: Die Ohrenuntersuchungen,
welche Herr College Bezold durch seinen leider zu früh verstor.
benen Assistenten’ Dr. Rudolph, auf meiner Masernabtheilung
anstellen liess, haben mich anfangs in ihren Resultaten ausser¬
ordentlich überrascht. Bei allen unseren Masernpatienten konnte
Rudolph während des Lebens Erscheinungen einer katarrhalischen
oder katarrhalisch eitrigen Affection des Mittelohres nach weisen,
und bei den letal endigenden Fällen wurde dann ausnahmslos
Otitis media wirklich in der Leiche gefunden. Ich neigte mich
anfangs der Meinung hin, dass vielleicht durch das Zusammen¬
häufen vieler Masernfüllo in der Abtheilung eine schädliche Ein¬
wirkung auf die Obren gesetzt würde, mit anderen Worten, ich
hielt es für möglich, dass die Ohrenaffection hei Masern nur im
Hospital so häufig auftrete. In der Privatpraxis hatte icli doch
früher seihst viele Hunderte von Masernkranken behandelt und
niemals von einer specitischcn Ohrenerkrankung etwas bemerkt.
Nachdem aber jetzt von verschiedenen Beobachtern und aus ver¬
schiedenen Orten über das regelmässige Auftreten von Mittelohr¬
erkrankung bei Masern übereinstimmend berichtet wird, muss ich
annehmen, dass wir früher dieses Symptom übersehen haben, weil
wir nicht spcciell darauf hin untersuchten. Da wir j< fzt hören, dass
die die Masern begleitende Otitis media auch ohne jede ärztliche
Behandlung zurückzugehen und spurlos zu verschwinden pflegt, so
wird dieses Uebersehen um so erklärlicher
Es scher t mir nun eine entschiedene Bereicherung unserer
Kenntnisse über den Masernproccss dutch diese otiatrischen Unter- I
Buchungen gegeben zu sein
Gerade wie wir bei fast allen Masernfällen schon vor dem
Erscheinen des Exanthems auf der äusseren Ilaut eine fleckige
Röthe auf der Schleimhaut des Gaumens wahrnehmen können, so
scheint es jetzt bewiesen, dass auch auf der Scbleimhautauskleidung
des inneren Ohres ein Exanthem sich ausbildet, das eben die
charakteristischen Erscheinungen der Masernotitis bedingt Jener
Fall, bei welchem schon 1 Tag nach dem Erscheinen des Exanthems
in der Leiche Otitis nachgewiesen werden konnte, ist besonders
beachtenswert!), weil er darauf hin zu deuten scheint, dass das
Exanthem des Mittelohrs schon zu den frühesten Symptomen des
Masernaushruches gehört.
Physicalisch-medicinische Gesellschaft zu Würzburg.
(Originalbericht.)
8. Sitzung vom 7- Mai 1896.
Herr D e n i g: Experimentelle Beobachtungen über ein
bisher unbekanntes Verhalten von Fremdkörpern in der
vordem Kammer.
Denig brachte einen Messingsplitter, der ein menschliches
Auge im Verlaufe von 4 ’/z «Tahrcn durchwandert hatte — Glas¬
körper. Iris, Hornhaut — iu die vordere Kammer eines Kaninchens
und konnte nun, übereinstimmend mit noch anderen Versuchen,
Folgendes feststellen: Die Fremdkörper wandern, in irgend einen
Kammerwinkel, etwas von ihm entfernt, auf die Hinterfläche der
Hornhaut gebracht, von einem kleinen Loukocytcnmantel umgeben,
zuui Pupillargobiet hin, in einem Zeitraum von etwa 3—4 Mo¬
naten, wo sie unbestimmte Zeit liegen bleiben können. Bei 2
Fremdkörpern erfolgte dann ein stumpfwinkliges Abbrechen von
der bisherigen Rahn zum Ilornliautrande hin. Bei dem einen
von diesen beiden konnte ein Verschwinden in der Iris in der
Nähe des Hornhautramles eonstatirt werden. Derselbe befindet
sich z. Zt. am hinteren Linscnrandc. Zeitdauer dieses letzteren
Versuches 7 Monate. Als das primäre Agens dieser merkwürdigen
Wanderung von Fremdkörpern in der vordem Kammer nimmt D.
eine Eigenbewegung der Leukocyten an, die auf chemotactischcm
Wege von Seiten des Fremdkörpers veranlasst wird. Sccundär
könnte man an eine Beeinflussung durch den Lymphstrom denken.
Für die Annahme eines solchen in der vordem Kammer sprechen
verschiedene Momente, in Bezug auf welche auf eine spätere aus¬
führliche Arbeit verweisen wird. Hoffa.
Wiener Briefe.
(Origi nalbericht.)
Wien, 23- Mai 1896.
Die Syphilis in Europa vor der Entdeckung Amerika’s.
— Habituelle Luxation der Peroneussehnen.
ln den letzten 2 Sitzungen unserer Gesellschaft der Acrztc
sprach Prof. Dr. Th. Puschmann Uber die Syphilis in Europa
vor der Entdeckung Amerika’s, nachdem er in einem Vortrage
des Vorjahres schon den Beweis erbracht hatte, dass diese Krank¬
heit in Europa schon lange vorher bekannt war, sowie dass sic
unter den Eingeborenen Amerikas vor der Aukunft der Europäer
daselbst verbreitet war. Aus der reichen Fülle von Daten und
Namen kann ich nur Einzelnes aus diesem Vortrage hervorheben.
Gewisse Mittheilungen aus nichtärztlichen Kreisen, so von
Volksdichtern, Chronisten, hochstehenden Persönlichkeiten ctc.
lassen die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass man schon
in der ersten Hälfte des 15- »Jahrhunderts syphilitische Krank¬
heitserscheinungen beobachtet und ihren Ursprung aus der An¬
steckung durch den geschlechtlichen Verkehr erkannt habe. Frei¬
lich sind es zumeist blosse Andeutungen und dürftige Nachrichten,
| die einen exaeten Schluss auf die Art des Leidens nicht gestatten.
Die Aerzte der damaligen Zeit waren gelehrte Scholastiker,
welche mehr speeulirten als beobachteten, während die Chirurgen
sich schon weniger um die überkommene Gelehrsamkeit als niu
die Erseheinungen der Krankheiten kümmerten. Die Schriften
der Letzteren gehen uns daher mehr Auskünfte über die syphi¬
litischen Erkrankungen. Die Schwierigkeit ist aber auch dadurch
eine grosse, dass man den Dccursus morbi damals nicht kannte,
vielmehr einzelne Stadien und Erscheinungsformen der Lucs für
selbständige Erkrankungen ansah. Immerhin wusste mau schon
im Mittelalter, dass der Coitus impurus krank machen könne und
dass durch diese Ansteckung der ganze Körper verändert werde.
(Gerard de Berry, Magninus u. A.)
Zu constutircn ist ferner, dass die damaligen Aerzte die
Erscheinungen der Syphilis vielfach mit dem Aussatze (Lepra) in
Verbindung brachten, so dass sic die auffallende Contagiosität des
Aussatzes betonen , dessen Ae<iuirirung durch den Beischlaf mit
Frauen, welche an Ausflüssen der Gesclilecbtsthcile leiden etc.
Es wird auch berichtet, dass die sog. Sarazenen salbe den Aussatz
und das Malurn mortuum zu heilen vermöge. Diese Salbe entbiet
aber Quecksilber, welches bekanntlich bei Lepra unwirksam, hm-
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26. Mai 189G-
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
511
fc
l Affif-'i
1 >.
jf. *
li< ■
\i
gegen bei Syphilis überaus heilsam ist, woraus zu sehliessen ist,
dass es oft vorkain, dass inan etwas als Lepra ansah und beschrieb,
was eigentlich Syphilis war. Damit hängt schliesslich auch der
Umstand zusammen, dass der Aussatz, der im Mittelalter bei uns
so ausserordentlich verbreitet war, derzeit auf einige wenige Orte
Europa’s beschränkt ist; Vieles von dem, was früher Lepra war,
wird eben jetzt als Syphilis angesehen.
Um zu eruiren, ob die Syphilis schon vor den Kreuzzügen
in Europa vorhanden war, oder ob sie damals zum ersten Male
unter der Flagge des Aussatzes zu uns kam, untersucht der Vor¬
tragende die diesbezügliche Literatur des Altcrthums (Cedrcnus,
Celsus, Palladius, Martial u. A.) und zeigt, dass die
uleerösen Proccsse, welche zu tiefen, bis auf die Knochen reichenden
Substanz Verlusten führen, ferner Beulen, Ausschläge etc. bei Griechen
und Römern sehr gut als Folgen der Unzucht, Küsse etc. bekannt
waren. Auch Heiserkeit und der krächzende oder näselnde Ton
der Stimme, Kahlköpfigkeit, Podagra, Geschwüre im Munde und
Rachen, die Ozaena u. m. A. werden von Aretaeus, Celsus,
Plutarch, als Folgen einer geschlechtlichen Erkrankung, aber
auch ohne solchen Connex beschrieben.
Die Alten kannten also die einzelnen Erscheinungen der Sy¬
philis, sic erkannten jedoch nicht die gegenseitigen Beziehungen
derselben, da sie in das Wesen der Krankheit keinen richtigen
Einblick hatten. Gewiss ist, dass die Syphilis als solche schon
damals existirt habe.
Zum Schlüsse bespricht der Vortragende die ältesten Documente
der Syphilis, welche in den fossilen Knochen niedergclogt sind.
Es sind in dieser Richtung nur drei Befunde vorhanden und haben
sich angesehene Forscher (soBroca, Rollet, Virchow) dahin
ausgesprochen, dass die untersuchten Knochen, Schienbeine ruit
Exostosen und Eburneation, höchst wahrscheinlich von Syphilitischen
herrühren. Ob die Syphilis in prähistorischer Zeit bestanden hat-,
kann weder bejaht, noch verneint werden, da bisher, nach Virchow,
an einem prähistorischen menschlichen Knochen noch nicht in
unzweifelhafter Weise die durch Syphilis gesetzten Veränderungen
constatirt worden sind.
Einen interessanten Fall von habitueller Luxation der Peroneus-
sehnen hat jüngst Dr. Porgcs vorgcstellt. Durch ein Trauma
(Verschüttung) entstanden , manixestirte sich das Leiden darin,
dass die Peroneussehnen, sowie der Mann den Fuss in Supination
und Plantarflexion brachte, mit einem hörbaren, knackenden Ge¬
räusche über den Malleolus externus nach vorne sprangen und
nun als zwei Stränge deutlich abzutasten waren. Nach Albert
und May dl ist bei solchen Leuten die Rinne in der Fibula, in
welcher die Sehnen gleiten, eine so seichte, dass die Sehnen
leicht hcrausschlüpfen. Albert schlug darum auch vor, diese
Knochenfurche durch Ausmeissclung zu vertiefen, da — wie sich
auch in diesem Falle zeigte — die blose Anlegung eines Gyps-
verbandes keinen Erfolg aufweise. Dr. Porges will hier das
von König und Ivraske vorgeschlagene Verfahren einschlaget),
nämlich einen Knoehen-Periostlappen aus dem Malleolus extern,
bilden und ihn über den Sehnen am Periost fixiren. Das Resultat
soll darnach ein zufriedenstellendes sein.
Oie XXI. Wanderversammlung der südwestdeutschen
Neurologen und Irrenärzte
wird am 0. und 7. Juni in Baden-Baden im Blumensaale des
Conversationshauses abgehalten werden.
Die erste Sitzung beginnt Samstag, den 6. Juni, Nachmittags
2'/ 4 Uhr, die zweite am Soi.ntag, den 7. Juni, Vormittags 9 Uhr.
Aof die erste Sitzung folgt ein gemeinsames Essen im Restaurant
des Conversationshauses.
Die Unterzeichneten Geschäftsführer laden hiermit zum Besuche
der Versammlung ergebenst ein und bitten diejenigen Herren, welche
an dem gemeinsamen Essen theilzunehmen beabsichtigen, um eine
betreffende baldgefilllige Mittheilung.
Bis jetzt sind folgende Vorträge angemeldet:
1. Prof. Naunyn (Strassburg): Diabetes mit Dementia paralytica.
2. Prof. Siemerling (Tübingen): Beitrüge zur chronischen fort-
schreitenden Augenmuskelläbmung.
3. Privatdocent Hoche (Strassburg;: lieber die centralen Bahnen
. . zu den Kernen der motorischen Hirnnerven.
Privatdocent Tliomsen (Bonn): Ueber periodische und cyclische
Irreseinsformen.
Dr. Kausch (Strassburg): Ueber Icterus mit Polyneuritis.
6. Prof. v. Lenhossek (Tübingen): Ueber den Bau der Spinal-
ganglienzellen.
7. Privatdocent Dr. Gerhardt (Strassburg): Zur Symptomatologie
der Paralysis agitans.
8. Dr. Bruns (Hannover): Ueber Tetanie, spec. ihr Vorkommen
in der Provinz Hannover.
9. Dr. Nissl (Heidelberg): Mittheilungen zur pathol. Anatomie
der Dementia paralytica.
10. Dr. Gudden (Tübingen): Ueber Doppelbildung des Rücken¬
marks.
11. Prof. Kraepelin (Heidelberg): Ueber Delirium tremens artige
Zustände bei der Paralyse.
12. Dr. Aschaffenburg (Heidelberg): Die klinische Stellung der
Manie.
13. Dr. Beyer (Strassburg): Das Verhalten der secundären Degene¬
ration nach früh erworbenen Gehirnheerden.
14. Prof. Hoff mann (Heidelberg): Ueber das Zusammenvorkommen
von Sehnerven- und Rückenmarks-Entzündung.
15. Dr. Fried mann (Mannheim): Zur pathologischen Anatomie
der Myelitis.
IG. Dr. Brauer (Bonn): Polyneuritis bei einem mit Quecksilber
behandelten Syphilitischen.
Eine Zeitdauer für die einzelnen Vorträge ist in den Statuten
nicht festgesetzt. Doch erscheint es auf Grund der bisherigen
Erfahrungen und mit Rücksicht auf den Zweck unserer Versammlung
gerechtfertigt, wenn wir an die Herren Vortragenden die Bitte
richten, die Datier des Vortrags über ein Thema, soweit thunlich,
auf 15, höchstens 20 Minuten bemessen zu wollen.
Die Geschäftsführer:
Prof. Dr. Siemerling (Tübingen). Dr. Fr. Fi sch e r .Pforzheim).
Verschiedenes.
(Galerie h er vorrage nd er A er zte und Naturforscher.)
Der heutigen Nummer liegt bei, anlässlich des 25 jährigen Jubiläums
der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, das Porträt des derzeitigen
Vorsitzenden der Gesellschaft, Geheimrath von Bergmann.
f>9. Blatt der Galerie.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 2G. Mai. Die Forderung von 200000 Mk , als 1 Rate
zum Bail eines Sammlungsgebütitles für das pathologische
Institut in Berlin, wurde von beiden Kammern des preussisclien
Landtages genehmigt.
— Bezüglich der in Aussicht stehenden Verständigung der
preussisclien Regierung mit der Stadt Berlin wegen der Verbindung
des Instituts für Infectionskrankheiten mit dem neu zu erbauenden
vierten städtischen Krankenhaus schreibt die Allg. Wr. raed. Ztg.:
Die Basis dieser Verständigung bildet die Vereinbarung, dass
die Stadt Berlin von dem ihr gehörigen, an das neue Krankenhaus
anstossemlen Gebäude das erforderliche Areal zu einem angemessenen
Preise der Regierung verkauft und dass diese darauf auf ihre
Kosten das Institut erbaut. Die Stadt Berlin willigt darein, dass
aus dem Krankenhause geeignete Patienten dem Institut für In-
fectionskranklieiten zur wissenschaftlichen Beobachtung und Be¬
handlung überlassen werden, wobei jedoch in erster Reihe die
Wünsche der Patienten berücksichtigt und diese ohne ihre Ein¬
willigung nicht dem Institut überwiesen werden sollen. Die ärzt¬
liche Behandlung dieser Kranken wird von einem Oberarzt uüd
mehreren Assistenzärzten aus dem Koch'sehen Institut erfolgen,
doch besoldet diese der Staat und es steht den städtischen Be¬
hörden frei, ihr zur Wahl vorgeschlagene Aerzte, die ihr nicht ge¬
nehm sein sollten, abzulehnen. Eine finanzielle Belastung erwächst
der Stadt Berlin aus dieser Verbindung in keiner Weise, wohl aber
der Vortbeil, dass sie bei dem neuen Krankenhause das jetzt in
jedem ihrer Hospitäler vorhandene bacteriologische Laboratorium
ersparen kann und in Epidemiezeiten an dem Koch'sehen Institut
eine bewährte Stütze finden wird. Da ausserdem der Stadt Berlin
das freie Verfügungsrecht über ihr Krankenhaus in jeder Weise
gewahrt bleibt und bei allen maassgebenden Factoren der Wunsch
besteht, das einzig in seiner Art bestehende Institut für Infections-
krankheite.i Berlin zu erhalten, so wird voraussichtlich die An¬
gliederung des Koch'sehen Instituts an das neue städtische Kranken¬
haus auf der geschilderten Grundlage zu Stande kommen und ihm
damit die nothwendige Lebensbedingung des fortwährenden Zuflusses
neuen Krankenmaterials erhalten bleiben.
— Im preussisclien Abgeordnetenhause gelangte in voriger
Woche der Bericht der Budgetcommission über den Antrag der
Abgeordneten Dr. Kruse und Dr. Martens auf Vorlegung eines
Gesetzentwurfs über die Medici na Ire form zur Berathung. Die
Commission empfiehlt unter Ablehnung des Antrages die Regierung
zu ersuchen, dem Landtage möglichst bald einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der eine den jetzigen Ansprüchen der Gesundheitspflege
entsprechende Reorganisation der Medicinalbebörden in allen In¬
stanzen herbeiführt. Der Minister Bosse stellte dem Hause anheim,
dem Antrag der Budgetcommission 6tattzugeben, da die in ihm
gegebenen Fingerzeige sich durchaus mit dem in Ausarbeitung
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No. 21.
512___
befindlichen Entwurf begegneten. Der ^“^gfder Commfseion I
K 7t e und g SraaÄSoÄf einstimmig gemäss dem I
Anträge KÖ
Weiterungen 'brer AnsUUen G lichen Genossenschaften, denen
von den Irrenanstalten d,e r g jstebkranken überwiesen werden
hisher ein grosser Tlieii ae [ üb i en v om Process Mella^e
musste und mit denen man unabhängig zu machen. 3u
her bekannten Erfahrungen !!'» y e ’ rl i n derungcn vorbereitet: 1) Die
Sfesem Zwecke »;“t en J™d Mer'ig «den - je 200 Platze durch
Anstalten zu Grafenberg und wer/g Anstalten zu Bonn,
Erbauung von je 5 Villen‘ erweitert , 2) a « n VerpflfgIinf classen
Düren, Grafenberg Raum wird zur Unterbringung
aufgehoben; der hierdurch B Einrichtung einer klinischen
weiterer Communalkranker und ^ Untcrbringung irrer \er-
Abtheilung in Bonn'« t’ en ' wird bei einer der Anstalten
brecher und verbrechensc e l r Kervenkranke bestimmter
Dr. Berdiunud Ooetr.,
bM - Am 24. de feierte «mm. ™bekennt und hoch
und eei. «» Vor—
Dcu«he„ d T = , y^OOOO Emwohecr beiten»
der 11». Jahreswocho. vom 3. ■ j' ^ Sterblichkeit Bielefeld mit »,«»
keit Königshütte mit 37,0, Ä f 2Ä iner . Mehr als ein Zehntel aller
Todesfällen pro Jahr und W00E Brom b erp undK öln; an Scharlach
fnCchum; an a pi P htherie und Gj»P Dr . Veit, Privat-
doceÄÄ
Karl Schröders ist als orduitli ncr wordcn . _ Frei-
Universitäts-Frauenklinik n - urcle zu ,„ correspondirendcn
barg i. B. Herr Geh Hof ^ Z' e g le w ^ Wion vUblt .
Mitglied g^^^sLScm-Somostom hat Prof. Graw.tz
MIT3Ä
ÄeTe„ S “SSe» K eÄlo B i.c,;en In.tdut, Dr. H. DOrck,
übertragen. Professor der klinischen Medioin an der
All Bterdam. 3am J oi« Nachfolger des Prof. Heinrich Her tz
profcs ' or an der univcrsitat 1 trei ’
"Ä Am .0- de stark, b, Beider R«ernn^und
Medicinalrath Dr Ap»t‘° ten W preuS Mschen Mcdicinalbeamten. Ur-
W. war einer der tüchtigsten p Docent an der Universität
pprünglich Gynäkologe, u ^ • Geburtshilfe und innere Medi-
Berlin, wurde er 1874 als V.*** do , ,o- 0 7 . U rückgekehit, nahm er
ein nach Tokio berufen. J,on dort 18 0 zun g ^ Ep ..
seine Lehrtätigkeit in Bcrhn ^ Jabre 1B8 l trat W. in
demiologie "'.^^faitsdienst Die Zalii seiner literarischen Arbeiten
den preitsBi^hen Staatsdienst d das Gebiet der Hygiene
ist gross. Dieselben betre \ V ir nennen von denselben
und öffentlichen G , c8U ^:3vL e tzzebunß und Medicinalpolizci,
seine Handbücher der Medicina g g g Leiclienbestattung
seine Bearbeitung dw in Weyl’s Hand-
und über Wohnungsaufseber ud W^l Na( .8 folgcr Eu ienberg's die
buch der Hygiene. • „„nchtliclie Medicin», ferner in den letzten
Personalnachrichten.
Bayern.
arztes verliehen tzt; D er k. Bezirksarzt Dr. Benedikt
de “ BgiBÄÄto I. Cta» in Kosenbeim Be-
P1 x io suite acs o»ui»w>A»r» ->
Oberstabsärzte 2. Classe Dr Klaussner und Dr. ltosen
Dr. Gra8 V*^ ü wülHg die Oberstabsärzte 2. Clmsseund Reg.-
berger; ferner überzanng Inf-Keg., unter Enthebung von
uientsärzte Dr \ H 5*ri“ JJLjlst und unter Belassung im Commando
der Function als K g II e c k e n b e r g e r im 11. Inf.-Reg.,
zum Kriegsministenum, Dr. Hecke^ erm B ann im 3. ChevvReg.,
Dr. Kölsch im 1J. ^ nnd den Oberstabsarzt 2. Classe
Dr. Rotter im 1. * oöSSonscurs für Militärärzte; zu Ober-
Dr. Seydel, Docent am P_ Dr Tutscbe k bei derInspection
stabUrzten 2 Classe den St d t überzübbg die Stabs- und Bataillons-
derMilitärbildungsanstalten, dann UDerai b Henle vom
ftrzte Dr. Reh als Hegimentsarzt ,m T^lnf. Keg,^ Dr ßürger
II. Inf.-Reg. als Regimentear m 2. Assistenzärzte I. Classe
dos 2 . »■ d In _ p r , WismüUer
Dr. Ni essen vom 3. Teld . M■. 8 - 5 . Inf.-Reg. im 17. Iuf.-Rt*.,
im 11. Inf.-Reg. und Dr Da"| Assistenzärzten 1. Classo die
sümmtliche als Batafilonsärzty anen8child beim Sanitätsamt
Assistenzärzte 2. GlaB !?. , . 1Q i n f..Reg. und Dr. Zenetti
11. Armee-Corps Dr. f »«^^S^atande: zu Oberstabs
im 4. tekl-Art.-Rcg. • o pi aß ce Dr. Ferdinand v. Heuss
irztenl. Classe; die 8 . Owse Ehren8
und Dr. Friedrich Schäfer I. MOncnen^ pr K * rl Ehrhftrdt
berger (Amberg), Dr. n j Aufgebots, und Dr. Anton
(Zweibrücken), diese in der Lan 2 Aufgebots; zum Obfir-
Hüttingcr (Vilsliofcn) m « - a Aufgebots der Stabsant
Stabsarzt 2. Classe m ^ Lajrdweh ^ ^ der Und br
Dr. Karl Sandner (l. München) ziirn^ ^ Ednar d Wirsing
2 Aufgebots der Assistenzarzt - * in d er Reserve die
| (Äschaffenburg); »u ^ e ger (1. München), Dr. Wilhelm
I Assistenzärzte 2. C asse Jlbiit KefceM D r. Georg Wirth
Stntzl 'Kempten), Gr ‘ P v n !l 8 i 'en) Dr Heinrich Ostern.ann
(Ansbach). Dr. Er ' 18t 0l . Ü , L , vr (\Ve!!kn' Dr. Ludwig Schloss und
(Asch aff enburg), f ra |‘ z f ^ U X l T l 0 ophil Trnmpp l Kaiserslautern),
Dr. Ludwig Raab (Hof), Dr.. 1 Dr . '. lose ph Weiss und
Dr. Alexander Goscliel lL« ' 1 B 1 £ Land wehr l. Aufgebots
l)r. Ludwig Rammler tLandau), ^ 1Ieinletb (i. München,
Dr. Bernlmid ' Gört* WoHn'e^iNürobä' SS-
Äf %
Dr. PauT*Regimentsarzt vom ^ ^"^^b’rnefnnun^er^
zum l Cbev - Heg. u ''Kr Beauftragung m ^ Oberstabsärzte 2 . Classe
ärztlichen Function bei • Feld-Art -Reg zum 10. Inf.-Reg-
arzt vom 2. Inf.-Reg. zur Leibgarde zum 7 . W-*
Dr. Lutz vom 8. Inf-Reg. >»
5 ' ^ Gestorben: I)r. Gustav Bergmann, prakt. Arzt in Bayreuüi,
32 Jahre alt.
Morbiditätsstatistik d.InfectionskrankheitenfürMünchen
in der 20. Jahrcswocbe vom 10 bm 10 ^ 1 ^up
Betheil. Aerzte 400. - Brechdurchfall 19[O ‘ )j D‘ p 2
22(30), Erysipelas 21 (17), Intennittens. _ . Morbilli 13 (21),
Kindbettfieber - (l) Meningiüs f r ? br< ? 3p, '' aroli i8 Epidemica 6 (Hl.
Ophthal.no. Blennorrl.oea. neona^b (8(_), Rheuma-
Dr ' 4 '
Uebersicht der Sterbefälle i" f Un ^ h i e 1 " #96 .
während der 20. Jahreswoclie vom 1°-^® 16<
Bevölkerungszahl: 400000 Diphtheri e
Todesursachen: Masern 1(1 )' ? c J,^' ^ ber 1 (1), Blutver-
und Croup 3 (5), BothUnl J^uSerle&W ;
fl), Kevmhhusten 2(3), Croupöse Lungenentzündung ^ AcUt er
culose a) der Lungen 27 (32), b) der übngen g Kranklie j te n 2 (3 •
Gelenkrheumatismus — (-), andere u durch fremde Hand -H.
Unglücksfälle 4 (1 , Selbstmord 1 ' Verhältnisse 1
g Die Gesammtzahl der Sterbefälle 200 (108), ) ^ ur
auf das Jahr und 1000 Einwohner im
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung
, die über dem 5. Lebensjahr stehende lo,U (1^,^).
■TpiTeingekla mmerten Zahlen bed eutendieFftll^^^
i’iainnsiirzt der ö. uivimuu, -= ■ ■' - ~—
V^Tnry. Ub m .. ^ r- t)rnc>c dcT^^^ättüät^cächea^iritof-Biichdrnckerul lu Müncben-
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Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern vou mindcstens2Vc—3 Bogen,
(»reis vierteljährlich 6 Jt , praenumerando znhlhur.
Einzelne Nummer HO A.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zn adreaairen: Für die Redactlori
OuosirRsse l. — Für Abonnement an J. F. Leb-
mann, Lnndwehmr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Moese, Promcnadep'.ar« Ifi.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegcben von
Clt. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. v, Ranke, F. v. Winckel, H. r. Ziemssen,
Freiburg 1. B. München. Leipzig Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 22. 2. Juni 1896
Redacteur: I)r. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der medicinischen Klinik (Prof. Erb) und dem hygie¬
nischen Institut (Prof. Kn au ff) der Universität Heidelberg.
Ueber den Stoffwechsel bei innerlichem Gebrauche
getrockneter SchilddrUsensubstanz.
Von Dr. M. Dinlcler , ausserord. Professor und Assistent der
medic. Klinik.
Das Interesse, welches der therapeutischen Verwendung thier-
ischer Schilddrüse bei bestimmten Krankheiten jetzt allerseits
entgegengebracht wird, hat eine Reihe von Stoffwechseluntersuchungen
angeregt, welche das Verhalten der Stickstoff-, Phosphor- und Chlor¬
ausscheidung während des Thyreoideagebrauches klarzulegen ver¬
suchen. Aehnlich wie über den therapeutischen Erfolg gehen auch
über die Aenderung des Stoffwechsels die Ansichten der verschiedenen
Autoren noch auseinander und wird eine befriedigende Ueber -
einstimmung erst in der Zukunft auf Grund eines grösseren und
exact durchgearbeiteten Materiales zu erwarten sein.
Im Frühjahr vorigen Jahres habe ich die Stickstoff-, Phos¬
phor- und Chlorabgabe im Harn und Koth (nur N) von 3 weiblichen
Personen mittleren Alters, welche wegen parenchymatöser Struma
mit thierischer Schilddrüse behandelt wurden, in der medicinischen
Klinik und dem hygienischen Institut untersucht. Während der
ganzen Versuchsdauer lagen die Kranken zur Erleichterung der
Beobachtung zu Bett; die Speisen, (leicht verdauliche gemischte
Kost), wurden ihnen in beliebiger Menge, jedoch genau gewogen,
verabreicht, der Stickstoffgehalt derselben, (theils nach eigenen
Bestimmungen, z. B. Suppe, Brei, Milch, theils nach den Tabellen
von König z. B. Fleisch, Weissbrod) für jeden einzelnen Tag
berechnet. Während Phosphor und Chlor (vermittelst Titration
mit Uran- bez. Arg. nitric-Lösung) nur im Harn bestimmt wurden,
erschien die Berechnung der N-Abgabe auch in den Fäees von
Bedeutung; sie wurde in der Weise angestellt, dass der Koth von
den 3 Vorversuchs- und den 4 Versuchstagen in 2 Portionen
gesammelt und mit Wasser verdünnt wurde ; nach längerem Durch¬
schütteln (bis zu möglichst gleichmässiger Mischung und Vertheilung
der festen Bestandtheile und unter stetigem Auffüllen bis zu einer
Menge von 3000 ccm erhielt man eine dünne Flüssigkeit, deren
N-Gehalt nach Kjeldahl bestimmt wurde; 2 Proben von
50 ccm wurden entnommen und die N-Bestimmung so oft wieder¬
holt, bis die Werthe beider Proben überein stimmten — was übrigens
in 2 Fällen bei der ersten Untersuchung eintrat.
Die einzelnen Fälle sind folgende:
1. H. Kr., 30 jährige Arbeitersfrau aus K., aufgenommen den
lb. III. 1895.
Anamnese: Vater an eingeklemmter Hernie gestorben, Mutter
gesund, desgleichen 4 Geschwister, 1 Bruder an Zehrung gestorben.
Patientin selbst war stets gesund, Menses im 16. Jahre, regel¬
mässig; im 25. Jahre verheirathet; 4 Geburten; 2 Kinder leben,
Bind gesund, 2 an Darmkatarrh gestorben; seit dem 18. Jahre An¬
schwellung des Halses bemerkt, welche in den letzten Jahren,
besonders aber seit 1894 während der 4. Gravidität derartig zunabm,
dass Athembeschwerden eintraten, sonst keine Klagen.
No. 22.
Stat. praes: kleine gut genährte Frau, Fettpol ster reich*
lieh, keine Lymphdrüsenschwellung, keine Oedeme; die Schild¬
drüse in allen 3 Lappen vergrössert, von gleichmässig fleisch*
artigerConsistenz, grösster Halsumfang über der Struma 36,5 cm ;
heim Auscultiren im Stehen deutliches Stenosengeräusch über der
Trachea; in horizontaler Lage der Patientin ist das Keuchen in
der Entfernung zu hören; bei leichtem Druck auf die Struma tritt
Athemnoth ein; innere Organe gesund, Puls 72, Haemo-
globingehalt 85 Proc. (v. Fleischl); Urin zucker- und al-
b u m i n f r ei.
Patientin erhielt vom 16.—18. IIL (an den 3 Vorversuchstagen)
2 mal täglich 0,40 Saechar. alb. (ut aliquid fiat); 19. u. 20. III. je
1 X 0,10 Tbyreoid. siecat. Merck, am 21. u. 22. III. je 2 X 0,10
Thyreoid. innerlich verabreicht; 0,10 dieser, getrockneten und pul-
verisirten prüsensubstanz entspricht 'einem Viertel des Gesammt-
gewichte8 der frischen Thyreoidea. Der Stoffwechsel mit Bezug auf
N-Ausscheidung im Ham und Koth sowie die Phosphor- und Clilor-
abgabe im Ham gestaltete sich folgendermassen:
N-
N-Abgabe im
Abgabe im Harn
Harn-
Medicamente
März
Ein¬
nahme
Harn
Koth
von
P 2 O 6
von
Na CI
Mtnge
spec.
Gew.
Saccliar. 0,8
16.
9,819
11,150
1,7852
2,1139
■800
1030) S
1027*1
„ 0,8
17.
12,596
9,824
1,7852
1,7957
—
700
„ 0,8
18.
11,600
14,525
1,7852
2,9209
—
12» -0
1024JJ
Thyreoid. 0,2
19.
10,326
11,514
8,429
1,3718
1,9594
—
1230
1020)
. 0,2
20.
10,456
1,3716
2,2200
—
1230
102H s
„ 0,4
21.
10,572
14,032
1,3716
2,7210
—
1275
1022 J
„ 0,4
22.
11,526
14,803
1,3718
2,6780
—
133«)
1020J
Miild d'T Torfersachslage
11,005
11,856
1,785<
2,2772
—
900
1027
„ „ hriucbitag*
10,720
12,196
1,3718
2,3961
—
1266
1021
Während der ganzen Versuchsdauer befand sich Patientin voll¬
kommen wohl, kein Herzklopfen, keine anderweitigen nervösen
Störungen. Eiweiss und Zucker waren im Urin nicht vor¬
handen und sind auch später (letzte Untersuchung im Februar 1896)
nicht aufgetreten. DerHaemoglobingebajt erfuhr keine Ver¬
änderung, ebensowenig das Körpergewicht (65 k) Hing-gen
nahm der grösste Umfang des Halses über der Struma um
2cm ab, ist aber (Februar 1896) wieder auf die Höhe von 35,5 cm
(gegenüber 36,5 cm vor Tliyr.-Cur) gestiegen. (Tliyreoideabehand-
lung wurde seit März 1S95 nicht wieder eingeleitet.)
2. K. St., 42 jährige Arbeitersfrau a. Sch., aufgenommen den
18. III. 1895.
Anamnese: Vater der Patientin gesund, Mutter an Magen¬
leiden im Alter vou 57 Jahren f, 3 Geschwister gesund, 2 Brüder
(an Bluterbrechen und Zehrung) f; Patientin als Kind stets gesund,
litt vom 15. Jahre öfters an Bleichsucht, im 20. Jahre Lungenent¬
zündung; im 25. Jahre verheirathet, hat sie 3 mal geboren, 2 Kinder
leben, sind gesund, 1 Kind starb an einer Operation; Menses seit
dem letzten Partus (vor 13 Jahren) regelmässig; Patientin hat ausser
einer mässigen Stuhlträgheit nur über eine seit der letzten Gravidi¬
tät entstandene Kropfbildung and zeitweiliges Herzklopfen zu
klagen.
Status praes.: mittelgrosse, kräftig gebaute Frau, Fett¬
polster reichlich; keine Lymphdrüsenschwellung, keine Oedeme;
beide Schilddrüsenlappen sind in ziemlich gleichmässiger
Weise vergrössert, von fleischiger Consistenz; grösster
Halsumfang über der Struma 39,5 cm; leichtes Stenosen¬
geräusch über der Trachea; innere Organe frei von nach¬
weisbaren Veränderungen; Urin frei von Albumin und
Zucker, Haemoglobingehalt 80 Proc., Körpergewicht
72,1 k. Die N-, P- und CI-Ausscheidung während der siebentägigen
Untersuchung war folgende:
1
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514
MÜNCHENER M KDICINISOMK WOCH KNSCII Hl FT.
No. 22.
Mrdicamente
März
N-
Ein-
nahme
N-At-g
Harn
ibe im
Koth
Abgabe im Harn
von 1 von
P 2 O 5 | Na CI
Ham-
H JE
Sacchar. 0,8
19.
13,466
17,116
1,4049
2,5268 1 15,3507
1350
10251 1
„ 0,8
20.
13,80t*
14,596
1,4019
3,7362 13,3291
1320 1024 fe
« 0,8
21.
16,095
15,779
1,4049
3,4341
9,6110
1350 1024] »
Tbyreoid. 0,2
22.
16,334
18,504
1,9012
3,183
12,897
1380 10221
„ 0,2
23.
15,031
17,630
1,9012
2,106
9,846
1300
1012 4
„ 0,4
24.
14,802
17,784
1,9012
2,916
12,622
1900
1017 t
„ 0,4
25.
15,644
13,564
1,9012
2,354
12,152
1350
1018
MiUtl dr 3 fiineriDchstoga
14,456
15,830
1,4049
3,2324
12,7636
1340
1024
„ „ 1 Verxucfaitag-e
15,453
16,870
1,9012
2,639
11,879
1482
1017
Wahrend der ganzen Versuchszeit volles Wohlbefinden; Haemo-
globingehalt am 26. II. 80 Proc., Harn stets zucker- und
eiweissfrei. Der Halsumfang hat um 3 cm ab genommen
und hat auch bei der letzten Messung (Mürz 1896) noch die
gleiche Zahl 36,5 cm ergeben, obwohl kein weiterer Thyreoidea¬
gebrauch erfolgte. Das Körpergewicht stieg von 72,1 auf 73,5 k
im Laufe der 7 Beobachtungstage.
3. E. 0., 33 jafirige ledige Arbeiterin a N. aufgenommen den
8. April 189.').
Anamnese: Vater der Patientin an Nierenleiden, Mutter an
Zehrung gestorben, 2 Geschwister der Patieulin leben, sind gesund;
Patientin leidet seit ihrer Kindheit an KropfbiUlung, im 14. Jahre
unbekannte acute Krankheit, später häufige Anfülle von Bleichsucht,
im 21. Jahre Lungenentzündung, im 23. Jahre Gelenkrheumatismus;
der Kropf wuchs allmählich so, dass Athembesehwerden eintraten,
im 28. Jahre Exstirpation des linken Schilddrüsenlappens in der
chirurgischen Klinik; im 31. Jahre Influenza; Patientin behauptet
ausserdem, von jeher magenleidend gewesen zu sein, klagt jetzt in
lamentablem Tone über Schmerzen im Magen, Aufstossen, Appetit¬
losigkeit, .Stuhlträgheit, Stechen ira ganzen Körper, Herzklopfen;
kein Hasten.
Status praes.: magere, blasse Frau, Ernährungszu¬
stand schlecht, zweifellose Inanition, Patientin macht
entschieden den Eindruck, als ob sie imbecill wäre; keine Oe¬
deme, Haut schlaff, trocken; starke Anschwellung des
rechten und mittleren Schilddrüsenlappens, in der
Gegend des linken eine grosse, leicht verschiebbare Narbe (von der
partiellen Strumectomie 1890); grösster Halsumfang über der
Struma 34,5 cm; keine sonstige Drüsenschwellung, keine erhebliche
Stenose der Luftröhre; innere Organe gesund, Urin zucker¬
und ei weissfrei, Haemoglobingehalt 65 Proc.
i Jnti
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N-Abgabe im
Abgabe
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Harn-
Medicamet te
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Eir-
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Harn
Kotli
von
Pz Ob
von
Na CI
Menge
spec.
Gew.
Saccliar. 0,8
9.
14,458
8,2754
1,1051
0,9584
6,5072
1000
1012
0,8
10.
15,877
13,5808
1,1051
1,771
11,869
1800
1012
„ 0,8
11.
17,243
16,4991
1,1051
1,652
13,288
2400
1011
Tbyreoid. 0,2
12.
15,468
15,7284
1,1429
1,944
14,417
2150
1012
„ 0,2
13.
16,467
15,651
1,1429
2,008
13,710
2250
1013
„ 0,4
14.
14,557
17,578
11,1429
2,300
13,712
2700
1010
0,4
15.
14,992
17,8872
1,1429
2,418
11,736
2200
1012
Mittel der VonerMnlisliz«
15,859
12,785211,1051
1,4605
10,5547
1734
1012
„ . Versucht
15,371
16,7111
1,1429
1,667
113,394
2325
1012
Während der ganzen BeobachtuDgszeit traten weder von Seiten
des Herzens, noch von anderen Organen Störungen hervor. Haemo¬
globingehalt am Ende des Versuches 70 Proc.; im Urin weder
Eiweias noch Zucker. Grösster Halsumfang unverändert (auch
im März 1896 ist weder eine Zu- noch eine Abnahme zu constatiren).
In dem Fehlen schädlicher Nebenwirkungen reihen sich die
vorstehenden 3 Beobachtungen der Mehrzahl der bisher veröffent¬
lichten Erfahrungen über die Folgen des innerlichen Gebrauches
von Thyreoidea an. Die Symptomcnreihc vorwiegend nervöser
Erscheinungen, welche man unter dem Namen des Thyreoidismus
zusammengefasst hat, scheint nach den neueren Anschauungen
besonders häutig bei der Darreichung grosser Dosen oder bei lange
Zeit fortgesetztem Gebrauch von Thyreoidea (resp. deren wirksamen
Bcstandtheile), aufzutreten.
Im Vergleich zu irgend einer medicamentösen Therapie wird
die Wirkung der Schilddrüsenbehandlung auf das Allgemeinbefinden
der Kranken schon desshalb um so grösser und um so ausgesprochener
sein, als das Stoffwechselgleichgewicht gestört und die Eiweiss¬
zerlegung gesteigert wird. Trifft das consecutive N-Deficit einen
Organismus, welcher, wie es im Verlaufe des Morbus Basedowii
z. B. der Fall ist, eine erhebliche Consumption erlitten hat, so
ist es ganz natürlich, dass schon nach geringen Dosen der Drüsen-
substanz stürmische Erscheinungen auf treten. Aus diesen und
anderen Gründen verwerfen die meisten Autoren den Gebrauch
von Thyreoidea bei Basedow'scher Krankheit; Scholz (l),
Noorden (2) u. a. halten ihn direct für falsch, weil die dieser
Krankheit zu Grunde liegende Störung auf eine gesteigerte Thätig-
keit der Schilddrüse zu beziehen und demzufolge nur durch eine
partielle Exstirpation des Drüsenparemchyms günstig zu beeinfluhsen
i.-t. Es können jedoch, sobald zur Entfettung eine Thyreoidcacur
verordnet wird, auch trotz der günstigen Ernährungsbedingungen
und des grossen Reserve-materiales von zerlegbaren Verbindungen
schwere Erscheinungen auftreten, und zwar scheint dies ziemlich
regelmässig dann der Fall zu sein, wenn der beabsichtigte Gewichts¬
verlust zu rapid erfolgt und der Organismus da» gestörte Balan¬
cement des Stoffwechsels nicht wieder auf eine Höhe, welche eine
gewisse Ausgleichung ermöglicht, zu erheben vermag. Die Thyreoidea
wirkt bei solchen präcipitirten Entfettungscuren ganz analog den
rigoros durch geführten und nicht ausreichend individualisirten
diätetischen Entfettungscuren, welche bekanntlich zu schweren
nervösen Störungen: Aufregungszustände, Herzschwäche, Schlaf¬
losigkeit u. s. w. Veranlassung geben.
Von Personen, welche ausser einer Struma keine krankhafte
Organ Veränderung auf weisen, wird die Schilddrüse in mittlerer und
steigender Dosis (wenn langsam und vorsichtig!) ohne irgendwelche
Nebenwirkung assimilirt. (Tagesmenge von l /i —’/* einer ganzen
Schafsdrüse). Hiervon legt das Verhalten der Gesammternährung
des Organismus, sowie die Beobachtung Zeugniss ab, dass ein¬
zelne Organapparate, welche erfahrungsgemäss bei allgemeinen
Ernährungsstörungen ernsterer Art eine Aenderung ihrer Zusammen¬
setzung erleiden, eine grosse Gleichmässigkeit während des ganzen
Versuches bewahren. So zeigt sich der Hämoglobingehalt während
der Thyreoideaperiode am Ende der 4 letzten Tage auf der gleichen
Höhe wie im Beginne und am Schluss des Vorversuchs. Da eine
Abnahme des Blutfarbstoffes durch die Untersuchung mit dem
F1 e i s ch 1’ schon Hämometer nicht zu constatiren ist, (cf. S cholz),
so liegt die weitere Folgerung nahe, dass auch die Dichte und
andere Eigenschaften des Blutes keino erhebliche Aenderung er¬
fahren, denn wir wissen, dass sowohl das specifische Gewicht wie
die Zahl der rothen Blutkörper in den meisten Krankheiten mit
der Menge des Hämoglobins steigt und fällt.
Mit Rücksicht auf eine früher von Mendel (3) gemachte
Beobachtung, wonach die Thyrcoidcadarreichung ein Sinken der
Eigenwärme auf subnormale Wcrthc zur Folge hat, kann hier kurz
erwähnt werden, dass in den 3 neuen Versuchen die Morgen- und
Abendtemperaturen nur Schwankungen im Rahmen der physio¬
logischen Breite erfahren haben. Das einzige auffällige thermo-
metrische Resultat ist zweifellos nicht mit der Thyreoidea, sondern
mit der dauernden Bettruhe in Verbindung zu setzen. Dies geringe
Ansteigen der Abendtemperatur von nur etwa 3—4 Zehntel statt i
6—7 Zehntel am ersten und zweiten Vorversuchstag ist mit dem i
relativ plötzlichen Uebergang von regelmässiger Thätigkeit(angestrengte l
Feld- und Hausarbeit) zu längerer Bettruhe und der hierdurch 1
bedingten Abnahme der Wärmebildung (in Folge fehlender Muskel-
thätigkeit etc.) ohne Schwierigkeit in Einklang zu bringen. Hängt
doch die Stoffwechselenergie auf das engste mit der Arbeitsleistung
des Organismus zusammen.
Von besonderem Interesse ist in den meisten mit Thyreoidea
behandelten Füllen das Körpergewicht. Die bisherigen Erfahrungen
hierüber divergircu zwar noch vielfach, gravitiren jedoch zu der
Annahme, dass die Darreichung der Drüse im Allgemeinen das
Körpergewicht unter einer gesteigerten N-Abgabe herabsetzt, wie¬
wohl schon Leichtenstern (4), der als Erster die «entfettende*
Wirkung studirt hat, sich dahin äussert, dass in einzelnen Fällen
die Reduction des Körpergewichtes bei Tbyreoideagebranch nur
unter gleichzeitiger Anwendung diätetischer Curen erreicht wird.
Richter (5), welcher auf Grund einer sehr genauen und exactcn
Stoffwcchseluntersuchung diese Frage eingehend erwägt, kommt
zu der gegenteiligen Anschauung, dass bei Ueberernäbrung diese
Gewichtsabnahme auch unter geringem N-Deficit oder sogar
unter positiver N-Bilanz erfolgen kann. Zweifellos spiele"
in dieser Frage — eine ausreichende Calorienzufuhr vorausgesetzt
— individuelle Verhältnisse, Ernäbrungsbedingungen, Thätigkeit
vor der Versuchsperiode etc. eine wichtige Rolle. Dies zeigen die
3 neuen Beobachtungen, welche der Calorienzufuhr nach im Zustanc
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2. Juni I 80G.
MÜNCH KNICK M KD 1 CIN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
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leichter Ueberernährung (2100—2500 Cal. pro die) im Verhalten
des Körpergewichtes sich erheblich von einander unterscheiden.
Im Fall I (H. Kr.) ist weder eine Zunahme noch eine Abnahme
im Verlaufe der Verauchsperiode nachweisbar, wiewohl die N-Ab¬
gabe um ca. 3 g während jeden Tages der Thyreoideabehandlung
gesteigert ist. Schon dieser Fall macht die Annahme wahrscheinlich,
dass es bei massiger Ueberernährung gelingt, eine Zunahme des
Körpergewichtes unter dem Einfluss des Thyreoideagebrauches auch
bei einer täglichen Mehraasscheidung von N herbeizuführen. Noch
deutlicher tritt dieses Verhalten des Körpergewichtes im Fall II
(H. St.) hervor, wo eine Zunahme von 1,4 kg während der Versuchs¬
zeit nachweisbar wird. Es steht diese Beobachtung mit der oben
erwähnten Rieh ter’sehen Anschauung, dass die Thyreoidea sowohl
ohne Zuhilfenahme einer Unterernährung, wie auch bei leichter
Ueberernährung eine Abnahme des Körpergewichtes zur Folge habe,
im Widerspruch (cf. »S cho 1 z); zur Erklärung dieser differenten
Resultate glaube ich in erster Linie die individuellen Verhältnisse
der einzelnen Versuchspersonen heranziehen zu müssen, zumal auch
schon von anderer Seite (v. Noordcn, Reinhold (0) ähnliche
Beobachtungen von Zunahme des Körpergewichtes bei mehr oder
weniger ausgesprochener Ueberernährung mitgetheilt worden sind.
Im III. Fall hingegen findet sich die anscheinend häufigste Wirkung
der Schilddrüsenbehandlung trotz einer Calorienzufuhr von 30—32
Cal. pro kg Körpergewicht ausgeprägt; die Kranke E. O. erfährt
eine müssige Gewichtsabnahme (200 gr). Es scheint nach den
hier mitgetheiltcn Beobachtungen sowie nach den früheren Angaben
die Einwirkung der Thyreoidea auf das Körpergewicht verschieden
auszufallen : es kann bei Ueberernährung entweder Gewichtsabnahme
oder Gewichtszunahme auftreten, bei Unterernährung ist die Ge¬
wichtsabnahme stets eine rapidere als ohne Thyreoideagebrauch;
wie häufig die eine oder die andere Wirkung, unter welchen
Verhältnissen ein Plus oder Minus im Körperhaushalt auftritt,
ist vorläufig noch nicht sicher zu entscheiden.
Grössere Ucbereinstimmung herrscht wieder in der Frage über
die Wirksamkeit der Thyreoidea auf die Struma. Nach den über¬
einstimmenden Ergebnissen aller Beobachter ist der von Bruns
empfohlene Gebrauch von Schilddrüscnsubstanz für die Beseitigung
oder wenigstens die Verringerung der Struma parenchymatös»
ziemlich regelmässig von Erfolg begleitet (siehe Bruns (7). Dass
erhebliche Schwankungen in der Grösse des Erfolges der Thyreoidea¬
behandlung Vorkommen, ist wohl mehr dem anatomischen Bau der
Strumen als der individuell wechselnden Empfänglichkeit gegenüber
der Thyreoidea zuzuschreiben ; cs ist eine bekannte pathologisch-
anatomische Thatsachc, dass rein parenchymatöse Strumen ziemlich
selten sind und dass bei einer etwa erheblicheren Grösse cystische
Degenerationen, welche einer Rückbildung durch das Mittel nicht
fähig sind, in den meisten einfach hyperplastischcn Strumen Vor¬
kommen.
Sowohl in zwei von den hier mitgetheiltcn, sowie auch in
etwa einem Dutzend ambulatorisch behandelter Fälle ist der Erfolg
em befriedigender bis guter gewesen. Die Wirkung tritt nach
aller Erfahrung ziemlich rasch, oft schon nach wenigen Tagen,
ein und dauert entweder unverändert an oder erfährt einen Rück¬
schlag. Letzterer tritt besonders dann ein, wenn die Thyreoidea¬
behandlung nicht periodisch wiederholt wird; möglicherweise ist
jedoch die abermalige Zunahme des Kropfes nach einer erfolg¬
reichen Cur auch dadurch ;'.u erklären, dass es sich um eine noch
Progrediehtc, zur Zeit der Thyreoideabehandlung noch nicht ab¬
gelaufene Strumcnbildung handelte, während die Dauererfolge bei
sogenannten stationären Strumen zu Tage treten.
^ on hervorragendem Interesse für das Verständnis» der Schild-
rUsenwirkung sind schliesslich die Plrfahrungen, welche man bei
‘-toffwcchseluntersuchungen gewonnen hat. Die Zahl dieser Vcr-
snehe ist, wie aus der letzten Arbeit von Treupel (8), auf
weche ich bezüglich der Literatur verweise, heryorgelit, eine
ree 11 erhebliche, wenn schon die «Wcrthigkeit» der einiblnen
eo Achtungen als eine sehr variable bezeichnet werden muss.
°n der Aenderung des Chemismus gibt zunächst mehr « makro-
8 opisch» das Verhalten des Harnes hinsichtlich seiner Menge
QD 8e ' Des specifischen Gewichtes Kunde. Die Harn menge
nimmt anscheinend in sümmtlichen Fällen mehr oder weniger zu,
en vorliegenden sind Zunahmen um 140, 366 und 600 ccm
im Mittel pro die bei stabilem oder gering redueirtem specifischen
Gewieht und glciehbleibendcr Wassersufnähme constatirt worden.
Diese diuretische Wirkung der Schilddrüsenpräparate scheint eine
der constantesten Folgeerscheinungen zu sein; ob die Polyurie
von der Mehrausscheidung von N. resp. von Harnstoff direct ab¬
hängig ist, lässt sich nicht sicher entscheiden ; die Wahrscheinlich¬
keit eines derartigen Zusammenhanges ist jedenfalls nicht ganz
von der Hand zu weisen.
Das Auftreten von Albumin und Zucker im Harn wird noch
lebhaft discutirt. Während nach den anfänglichen Erfahrungen
eine derartig schädliche Wirkung der Thyreoidea häufig aufzutreten
schien, machen es die neueren Beobachtungen wahrscheinlich, dass
Albuminurie und Glykosurie zu den Ausnahmen zählen und nur
bei solchen Personen eintreten, welche vermöge der Grundkrankheit
(Fettsucht, Myxocdem etc.) eine abnorme Disposition zur Zucker¬
oder Eiweissausschoidung besitzen (cf. v. Noorden) und z. B. schon
durch gesteigerte Zuekereinfuhr eine alimentäre Glykosurie acquiriren.
Wichtiger als diese mehr ausnahmsweise auftretenden Bei¬
mengungen von Albumin und Zucker zum Harn ist die Aus¬
scheidung der Stickstoff-, Phosphor- und Chlorverbindungen
während des Gebrauches von Thyreoidea. I eher das Verhalten
der N-Ausfuhr herrscht bei den Autoren insofern eine voll¬
kommene Ucbereinstimmung , als eine A'crmehrung, d. h.
eine Unterbilanz im N-»Stoffwechsel allgemein angenommen wird.
Wenn auch nur wenige in jeder Beziehung einwand¬
freie »Stoffwechselversuche vorlicgcn, so kann doch diese von
fast allen »Seiten constatirte Zunahme der Harnstoff- bezw. N-
Aussehcidung als eine feststehende 'I hat suche bezeichnet worden.
Zu einem beweiskräftigen Versuch gehört erstens, dass die N-
Einnahme der N-Abgabe im Harn und Koth gegenübergeht eilt
wird, zweitens, dass die Zahl der gebotenen Caloricn pro Tag
lind Kilo Körpergewicht ausreicht, um das Stoffwechsclgleich-
gewiclit zu erhalten. Unter Betonung dieser Postulatc bestreitet
Richter(5) mit Recht den Werth der sonst so exacten Versuche
von Bleib treu und Wendel st ad t (9), weil im Beginn ihres
Versuches zweifellos mehrere Tage lang die Nahrungszufuhr aus¬
reichend war und veröffentlicht einen in jeder Hinsicht genau
untersuchten Fall, der die Steigerung der N-Ausfuhr zwar auch
nachweist, sie jedoch nicht als absolut nothwendige Folgeer¬
scheinung anerkennt. In unseren 3 Fällen sind pro Kilo Körper¬
gewicht im Durchschnitt zwischen 29 und 31 Cal. gereicht und
die N-Einnahmcn ebenso wie die N-Abgabcn genau bestimmt
worden (n. Kjcldahl-Argutinski). Zunächst fällt in den 3 Vor-
versuehstagen der beiden ersten Fälle (2 kräftige Bauersfrauen,
die bis zu ihrem Eintritt in die Klinik tüchtig im Feld und auf
dem Hof gearbeitet haben) die Mchrgabc von N auf und es hat
zunächst den Anschein, als ob irgend welche Factoren, welche
diesen N-Verlust bedingen, in störender Weise den Gesammtstoff-
wechscl beeinflussen. Doch liegt die Erklärung ziemlich nahe;
der plötzliche Wechsel in der Lebensweise (von anstrengender
Arbeit zur dauernden Bettruhe) bei annähernd gleicher Nahrung
(wenigstens bezüglich der gebotenen Calorienzabl) ist offenbar als
die Ursache dieser scheinbaren N-Unterbilanz anzusprechen ; offenbar
bleibt in den ersten Tagen der Bettruhe die N-Abgabe durch
Zerlegung circulirenden Eiweisses (neben dem der täglich zu¬
geführten N-haltigen Bestandteile der Nahrung) auf der Höhe,
welche während der vorausgehenden Arbeitsperiode behauptet
worden ist.
Allmählich erfolgt die Adaption an die veränderte Lebens¬
weise (Bettruhe) und der Stoffwechsel schwingt nach der Gleich¬
gewichtslage zurück. Da es sieh bei der Mehrabgabe von N
während des Vorversuches nur um einen scheinbaren (insofern als
kein Organ eiweiss zerlegt wird) N-Verlust handelt, so ist die
Wirkung der sich anschliessenden Thyreoidcaperiode auch weniger
auffallend; an und für sich ist ja die Menge des N-Deficits (circa
0,2 pro die) im Fall I keine grosse zu nennen. Ausgesprochener
ist die Vermehrung der N-Ausscheidung in Fall II; während in
den 3 Vorvcrsuchstagcn eine allmähliche Abnahme des N-Deficits
von 2,7 auf 0,3 g zu constatiren ist, tritt vom 4. Tage (mit dem
Beginne der Thyreoideadarrcichung) eine Steigerung der N-Aus¬
scheidung von 2,3 g, die am 3. Tage mit 2,9 g ihren Höhepunkt
erreicht, ein. Vergleicht man die N-Bilanz in den beiden Fälleu,
1 *
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516
mUkctteNER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
M »eigen sie, abgesehen von graduellen Differenzen eine voll-
ZZZ Uebereinstimmung: Die N-Abgabe übers^gt Anfangs b.
Zerlegung von circulirendem Eiweiss die N-Emnahme, der N-Yer
fast wird jedoch von Tag zu Tag kieiner (siehe Fall ^ und lass
das Bestreben des Organismus, seinen VHaushalt auf ™
änderten Stoffwechselbedingungen emzustellen, immer merkbarer
werden ; mit dem Beginn der Verordnung des Schilddrüscnpräparatcs
erfolgt abermals eine Steigerung der N-Ausfuhr die während der
4 Versuchstage andauert. Anders gestaltet sich das V erhalten der
N-Ausscheidung in Fall IU. Die Patientin E. 0., welche die
Spuren einer zweifellosen Unterernährung: Magerkeit Anaemm un
Schwäche trägt, wird aus dem Armenhaus eines kleinen Dorfes
in die für ihre Verhältnisse mehr als opulenten ErnährungsA er-
hältnisse der Klinik versetzt und erfährt damit nicht nur eine
relative, sondern auch eine absolute Ueberernährung. Was Wunder
dass sic in den ersten 3 Tagen des Vorversuchos weniger N aus¬
scheidet als sie mit der Nahrung einnimmt und zur Deckung des
bestellenden N-Hungers Stickstoff zurückhält. Auch « nt ^ diesen
Verhältnissen tritt in der von Tag zu Tage grosseren Abnahme
der N-Ketention das Bestreben des Organismus, das N-Gleichgewicht
Z u erreichen, deutlich hervor. Mit der Verordnung von Thyreoidea
tritt jedoch, ganz analog wie in dem I. und II. Fa11, eine N-i lehr-
ausfuhr sofort ein, die bis zu einer maximalen Höhe von 3,2 pro
die ansteigt; nur am 2- Tage der Thyreoidea findet auffallender
Weise eine mässige N-Retention statt, wie sie u. A. auch in den
Versuchen von Dennig, Treupel constatirt ist. Indern in
diesem Falle die N-Bilanz durch die Darreichung von Schilddrüsen¬
substanz vom N-Ansatz unvermittelt in den N-Verlust übergeführt
wird so ist doch die Beweiskraft für eine die N-Ausscheidung
steigernde Wirkung der Thyreoideapräparate keine grössere a s- m
den ersten beiden Fällen; denn er zeigt nur, dass die Wirkung
auf die N-Ausscheidung stets eintritt, gleichviel ob die N-Bilanz
vorher positiv oder negativ gewesen ist. XT , .
Weit schwieriger als die Beurtheilung des N-Stoffwechsels
ist die der Ausscheidung von Phosphor und Chlor. Beide Körper
sollen in ihren Verbindungen nach der Angabe einzelner Autoren
(Richter, Scholz) vermehrt ausgeschieden werden. Die vor¬
liegenden 3 Beobachtungen führen zu keinem eindeutigen Resultat,
denn es fehlt sowohl die Berechnung der mit der Nahrung ein¬
geführten P- und Cl-haltigen Verbindungen wie auch die der Aus_
fuhr im Koth. Ganz besonders wird in weiteren Versuchen darauf
zu achten sein, ob die P, Os-Abgabe mit den Faeces in dem von
Scholz gefundenen Maasse gesteigert ist.
Bezüglich des günstigen Erfolges bei parenchymatösen Strumen,
des constanten Auftretens der Polyurie ebenso wie des regelmässigen
Fehlens von Albuminurie und Glykosurie stimmen die vorstehenden
Beobachtungen über die Wirkung der Thyreoideapräparate mit der
Mehrzahl der bisherigen Veröffentlichungen überein ; sie zeigen ferner:
1. dass, wie schon Leichtenstern, v. Noorden u. A.
betont haben, die Gewichtsabnahme bei Ueberernäh¬
rung nicht nur ausblciben, sondern in eine Gewichts¬
zunahme verkehrt werden kann;
2. dass die N-Ausscheidung anscheinend stets
vermehrt ist, gleichviel ob ein Plus oder Minus im
N -Haushalt des Organismus vorausgegangen ist.
Literaturangabe.
1. Scholz, Ueber den Einfluss der Schilddrüsenbehandlung aut den
Stoffwechsel des Menschen, insbesondere bei Morbus Base
dowii. Centralbl. f. innere Medic. 189.'), No. 43 und 44.
2. v. Noordon, Beiträge zur Theorie und Praxis der Schilddrüsen¬
therapie bei Fettleibigkeit und Morbus Basedowii. Zeitschr.
f. prakt. Aerzte 1896, S. 3.
3. Mendel, Thyreoideabehandlung. Berl klm. Wochenschr. 1891,
S 789
4. Leichtenstern und Wendelstadt. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1894, No. 50.
5. Richter, Zur Frage des EiweisszerFalles nach Schuddrüsen-
fütterung. Centralbl. f. innere Medic. 18 G, No. 3.
6. G. Reinhold, Schilddrüsentherapie bei kropfleklenden Geistes¬
kranken. Münch, med. Wochenschrift 1894, 31 und 1895, 52.
7. P. Bruns, Ueber die Kropfbehandlung mit Schilddrüsenfütterung
Deutsche medic. Wochenschr. 1894, 1. .
8. Treupel, Stoffwechseluntersuchung bei einem mit Thyrojodin
behandelten Falle. Münch, med. Wochenschr. 1896, 6.
10. Dennig, Münch, med. Wochenschr. 189o, 17 und
Aus dem Laboratorium der Heidelberger Unirersitätsaugen-
klinik (Prof. Dr. Th. Leber).
Ueber den Werth des Eucain in der Augenheilkunde.
Von Dr. Richard Vollcrt.
Unter dem Namen Eneain bringt die ohemische Fabrik iani
Aotien (vorm. Schering) in Berlin ein neues Anaestbet cnm
den Handel, das billiger als Cocain ,st, s.ch w»,g«r
und verschiedene andere störende Eigenschaften des Letzteren nicht
besitzen soll. Der Name Eucain wurde für die >-ge -d c '
eirte chemische Formel 1) eingeführt. Die Base gleich de*
in Wasser sehr schwer löslich, bildet mit H CI ein lacht lösliches
Salz, das dieselbe Wirkung wie die Base aufweist. D J ^ lz ^
Eucain crystallisirt aus Wasser in glänzenden luftbeständigen Platt
eben, aus Methylalkohol in glänzenden Prismen.
Die das neue Mittel producirende Firma stellte der hiesigen
Augenklinik eine Quantität ihres Eucaimun bydrocdüoncum zur
Verfügung, und die damit angestellteu Versuche forderten das
nachstehende Ergcbniss zu Tage: . , hohält
Eucainum hydrochloricum löst sich m Wasser und behält
seine anaesthesirende Wirkung auch nach dem Kochen bei, «
löst sich bei gewöhnlicher Temperatur nur zum Thal m /» P J-
Sublimatlösung; der Rückstand löst sich zwar beim Kochbe¬
ständig auf, um sich aber beim Erkalten wieder auszuschudui.
Wir hätten demnach die Stcrilisirung der Lösungen immer durch
Kochen zu bewirken, während dieselbe bei Cocain auch durch Zm
satz von Sublimat erzielt werden kann, da eine solche Lösung
bei sehr niederen Temperaturgraden Cocain ausfallen läss .
Da in der hiesigen Klinik zur Anaesthesirung bei Operationen
ausschliesslich 5 proc. Cocainlösung zur Anwendung kommt, so
wurde auch das Eucain in gleicher Quantität gegeben. Vom Cocain
ist bekannt, dass die Einträufelung der 5 proc. Losung zuweilen
ein etwa V* Minute anhaltendes Brennen hervorruft; " be
übrigens in den meisten Fällen sehr gering oder wird überhaupt
nicht empfunden; nur ausnahmsweise wird Seitens der 1 atiente
darüber wirklich geklagt. _
Das Eucain besitzt nach meinen Versuchen diese unangenehme
Nebenwirkung in bedeutend höherem Grade und von längerer Dauer
die sich auf 1—2 Minuten erstreckt. Der Schmerz ist ähnlich
dem, den wir beim Eindringen eines Fremdkörpers m Hornhaut
oder den Bindehautsack empfinden und ist auch mit den gewöhn
liehen Begleiterscheinungen dieser Störung: Thränenträufeln, Ble¬
pharospasmus, stärkerer Füllung der Conjunctival- und Cihargetäss
verbunden. Ja in einigen Fällen bemerkten wir eine Nüancirung
der Farbe der blauen Iris, wie wir sie bei Reizung derselben an¬
zutreffen gewohnt sind. . .
Man könnte diese wenig erfreulichen Erscheinungen in An¬
betracht der thatsächlich dem Cocain gleiclikommcnden Anaesthcsie
mit in Kauf nehmen, wenn sie durch andere Vorzüge aufgewogen
würden und wenn nicht jede neue Instillation erneute Reizung
und Schmerzen hervorbräehten, so dass bei Operationen, die eine
Eröffnung des Bulbus erheischen, das Pressen und Drücken seitens
der Patienten Gefahren mancherlei Art mit sich bringen muss,
und wenn nicht ganz auffallender Weise auch das andere Auge,
obgleich in geringerem Maasse und nicht in allen Fällen an
Reizung Thcil nähme. Selbst bei 1 proc. Lösung ist der
gleich heftig und individuell nicht allzuverschieden; es belästigte
einige sonst gutwillige Versuchspersonen so sehr, dass sie zu einer
wiederholten Einträuflung nicht zu bewegen waren.
Die Anaesthesic selbst tritt nach 2—3 Minuten meist prompt
an dei%Hornhaut und Bindehaut ein, so dass operative mgr '
ermöglicht werden, ohne Schmerzempfindung horvorzuruien.
Hypotouie des Auges, durch Aufdrücken mit einem on en
an der Hornhaut und Beobachtung der entstehenden UepreS ®
geprüft, ist die gleiche, wie beim Cocain. Verlängern wir ni
‘iSEucain ist, wie Cocain, der Methylester
y Oxypiperidincarbonsäure. Seine Formel ist O 10 Ha7
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2. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
517
willkürlich durch wiederholte Gaben die Anaesthesie, so klingt
dieselbe nach 8—12 Minuten ab, um nach beiläufig 15 Minuten
gänzlich verschwunden zu sein.
Das Circular der Firma und ein Vortrag des Herrn Gaotana
Vinci*) besagten, dass weder eine Dilatation der Pupille noch
eine Accommodationsparese die Folge der Eucainwirkung seien.
Beides traf bei unseren Versuchen nicht in dem Maasse zu, wie
behauptet worden war. Kann in der Thafc nach einmaliger Gabe
die Mydriasis auch dem genauen Beobachter entgehen, da sie zu
minimal ist, so wird dieser Fall niemals eintreten, wenn ungefähr
das Quantum in das Auge gebracht wird, das beispielsweise eine
Iridcctomie oder eine Kataraktoporation erfordert. Hierbei ist die
Pupille ganz entschieden erweitert und zwar wurden mit dem
Pupillomcter Werthe der Differenz von 2—3 mm gemessen, die
nach 20—30 Minuten deutlich und noch nach 7 Stunden ersicht¬
lich waren. Die Reaction der Pupille war nie beeinträchtigt.
Die Prüfung der Accommodation ergab auch bei einmaliger
Dosis ein geringes Hinausrücken des Nahepunktes. Snellen 0,3
wurde wiederholt in der Entfernung des Nahepunktes zwar noch
gelesen, aber nicht mit gleicher Deutlichkeit wie vorher gesehen.
Bei einem Versuch, den Verfasser an sich selbst anstellte (B.
E. S. 5/5 N. P. 12 cm), waren -j- 4,0 D erforderlich, um im
Nahepunkt mit gleicher Schärfe, wie vorher, lesen zu können.
Dieses Verhalten der Accommodation trat zu gleicher Zeit mit der
stärksten Mydriasis, die vielleicht beim Eucain zu erwarten ist,
auf und wurde als sehr unangenehm empfunden , wenn auch im
\ erlauf von 1 */* Stunden die Norm wieder erreicht war. Posi¬
tive Ergebnisse auch anderer Versuche bestätigten unsere Er¬
fahrung. Die Aenderung in der Accommodation trat nach ein¬
maliger Einträuflung von 4—6 Tropfen Eucainlösung in 15 Mi¬
nuten ein. Nach einer nochmaligen Dosis von 4—6 Tropfen
ergab sich nach gleicher Pause eine Accommodationsparese von
-\- 1,25 D, die nach einer weiteren Stunde auf -j- 0,25 I)
zurückging, um noch längere Zeit eine subjeetiv wahrnehmbare
■Störung zu Unterlassen. Auch hier war wiederum in gleichen
Zeiten entsprechend der Accommodationslähmung die Iris dilatirt
(Pupillometrische Messungen wiesen 2 mm DifFerenz auf.) Erst
nach 4—5 Stunden hatte das Phänomen sein Ende erreicht.
Manometrische Messungen wiesen dem Eucain ähnliche Wir¬
kung auf. s ) Eucain setzt den intraocularen Druck um 3—5 mm
herab, welcher Verringerung der Augenspannung eine kleine Er¬
höhung von 1—1 1 fs mm vorausgeht.
Beim Cocain war man schon lange gewarnt, dass es durch
Verminderung des Lidschlages eine Austrocknung des Hornhaut¬
epithels herbeiführen kann. Auch Eucain beraubt die C'oruca
und namentlich die Conjunctiva seiner schützenden Decke, so dass
bei länger andauernden Thierversuchen das Epithel beinahe in
toto von seiner Unterlage abgehoben werden kann. Wir hielten
cs für ganz besonders nothwendig, auf diesen Punkt einzugehen,
da diese Gefahr der Epithelverändcrung dem Eucain in ausser¬
ordentlich hohem Maasse zuzukommen scheint. Tkieren, denen
nach Einträuflung des Mittels die Lider vernäht wurden, um ein
Austrocknen der obersten Epitkclscliickt unmöglich zu machen,
zeigten die gefürchtete Complication in gleicher Weise, wie solche,
deren Corneae ohne diese Massnahme sich selbst überlassen blieben.
Das macerirte Epithel, das in grossen Fetzen von der Oberfläche
des Bulbus weggenommen werden konnte, zeigte bei mikroskopischer
Untersuchung seine Elemente deutlich in Quellung und im Aus¬
einanderweichen begriffen. Dieser Zerstörungsproccss war in
30 40 Minuten vor sich gegangen. Allerdings wurden die
Hornhäute eine kurze Zeit mit Eucain förmlich überschwemmt.
m ganz sicher zu sein, dass die Maceration ausschliesslich Eucain¬
wirkung war, wiederholten wir die Experimente in erheblicher
. nzahl mit Aq. destill., Sublimatlösung 1 : 5000 und fanden nach
em Versuch stets eine intacte Cornea vor. Bei gleicher Behand¬
lung mit Cocain war diese Epithelverändcrung nur in ganz geringem
Grade nachweisbar.
rin, * Hufeland’sche Gesellschaft zu Berlin, Sitzung 16. April 1896.
deutscher Medicinalanzeiger 1896, No. 36.
«. .. ) Dr. Fr. Stöcker: Ueber den Einfluss der Mydriatica und
YYVTT? nter Physiologischen Verhältnissen, v. Gräfe’s Archiv,
*XX. m. A. pag. 131.
No. 22.
Nach dem Gesagten können wir kaum annehmen, dass das
neue Product eine Indication zur Anwendung in der Augenheil¬
kunde finden werde.
Die Vortheile der geringeren Papillendilatation und Accom¬
modationslähmung würden vielleicht reine Anwendung des Anacstheti-
cum für gewisse Fälle empfehlen, bei denen das Auge nur unter einer
kurzen einmaligen Unempfindlichkeit zu halten ist. Der Sehinerz
aber, den es hervorruft, die dem Operateur, im Vergleich zu der
so wohlthucndcn Isehaemie des vorderen Bulbusabschnittes bei der
Coeainwirkung, unangenehm auffällige Röthung, sowie die grosse
Gefahr der destruirenden Einwirkung auf das Epithel der Horn¬
haut und Bindehaut, die, der Cocainwirkung gegenüber betrachtet,
eine enorme ist, werden verhindern, dass der erprobte und lieb¬
gewonnene Freund der Ophthalmologen, das Cocain, verdrängt wird.
Zum Schlüsse erlaube ich mir, Herrn Prof. Leber für die
freundliche Anregung zu der Arbeit meinen besten Dank aus¬
zusprechen.
Welche Symptome machen die Flexionen und Ver¬
sionen des Uterus? 1 )
Von Dr. Theilhaber.
Schon den Aerzten des klassischen Alterthums war es bekannt,
dass der rctroflectirte Uterus, wenn er geschwängert und eingeklemmt
wird, sehr heftige Beschwerden zu machen im Stande ist. Jahr¬
tausende lang scheint man sich um die vielfachen Variationen der
Lage und Form des nicht schwangeren Uterus gar nicht gekümmert
zu haben. Erst als im vorigen Jahrhundert bei Sectionen fest-
gestellt wurde, dass der Uterus bei verschiedenen Frauen verschiedene
Lagen hatte, begann man diese Verschiedenheiten der Lage in
Verbindung zu bringen mit den verschiedenartigsten Unterleibs¬
beschwerden der Frauen. Es wurde sehr bald der Lehrsatz auf¬
gestellt: «der Uterus der Frau hat normaliter eine ganz bestimmte
lorm und Lage; jode Abweichung hievon muss nothwondigerweise
zu ernsten Störungen der Gesundheit führen». Als Beweis für
diesen Satz galt der Umstand, dass künstlich herbeigeführte; Ver¬
änderung der angeblich falschen Lage des Uterus in dem Befinden
kranker Frauen einen günstigen Umschwung herbeizuführen im
Stande war. — Welche Form und welche Lage des Uterus als die
normale, welche als die abnorme anzusehen sei, darüber wechselten
die Ansichten der Aerzte in kurzen Zeiträumen ganz ausserordentlich.
Treffend schildert dies Ban dl in einem Vortrage, den er vor 13
Jahren in der gynäkologischen Section der Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Aerzte in Freiburg gehalten. (Arch. f. Gyn.
Bd. 22, Heft 3): «Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurde fast
jede Lage des Uterus, mit Ausnahme des Prolaps, als normal an¬
genommen. Es wurde
1. Die Retroversio und eine starke Retroi>ositio als normale
Lage hingestellt, so von Blandin 1838, von Pirogoff 1859,
von Claudius 1865; *
2. wurde die Anteversio und Anteflexio als normale Lage
aufgestellt, zuerst von den französischen Autoren Boulard und
Cusco 1853 für den kindlichen Uterus, später vor allem von
B. S. Schultze;
8. wurde die Lage des Uterus nahezu in der Achse des kleinen
Beckens als normale Lage aufgestellt, vor Allem fand die Zeichnung
von Kohlrausch (Anatomie und Physiologie der Beckenorgane,
Leipzig 1854), in welcher der Uterus nahezu in der Beckenachse
liegt, seiner Zeit fast allgemeinen Beifall und ging in die meisten
Lehrbücher über ».
Bandl hat bei dieser Aufzählung nicht erwähnt, dass sehr
lange die absolut gerade Lage des Uterus für normal galt. So
finden Sie z. B. in Sommers Diss. (Giessen 1850) die «Knickung»
definirt als jenen krankhaften Zustand der Gebärmutter, in welchem
die Achse keine gerade Linie mehr darstellt, sondern die Achse
des oberen Tlieils mit der des unteren einen mehr oder weniger
grossen Winkel bildet.
Die Behauptung von Claudius (Ueber die Lage des Uterus,
Zeitschr. f. rat. Med., 23-, 1865, S. 249,) lautete: normaliter
*) Vortrag, gehalten im ärztlichen Verein in München am
22. April 1896.
2
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Münchener MEDionnaoHE woo HENgcmgr
No. 22.
(Holstein, Ueber die Lage und Beweglichkeit des nicht schwänge Th
Uterus. Inaug. Diss. Zürich 1874). I „
Von deT Aerzten, die glaubte, du. ta der puh j» ^
ä r» -
"ttta Anschauungeu war natürlich, d r auch <Ue per
Uteri, deren Lage heute al. normal güt, von zahtachc»Amrt. £
als lageveränderungsbedürftig angesehen wurden dass man abo
tausenden von Fällen die «nomale» Anteversio m eine ^ bta
logische» Retroversio umwandelte. Wenn wir den Senehten der
Autoren Glauben schenken dürfen, waren die Ergebnisse der vo,
srsr »
ss-sä *
SÄ SetÄtjrTÄ «
sondern in der Erkrankung seiner Textur oder m anderweitigen se
Affectionen der übrigen Unterleibsorgane Ohne Analoge w^
eine solche Annahme nicht: sehen wir ja doch auch an «hkchen
anderen äusseren und inneren Theilen des menschlichen Körpers
ausserordentlich verschiedenartige Variationen der Form Um stellung
ohne dass hieraus ernstliche Störungen für die Gesundhe^ resd t
tiren. Unser wichtigstes Organ, das Herz, erfährt z. B. nach .
abgeheilten Pleuracxudaten mächtige Dislocat.onen, ohne dass in
der Begel hiedurch irgend welche krankhafte Symptome herbei- C
8efÜh Herte r wCTderr g ewöhnlich unter dem Capitel Lageveränderungen t
der Gebärmutter aufgeführt: die Anteversio imd Antoflex» patho- j
logica, die Lateroflexio und Lateroversio, die Retroflexio und ^
^ Welche Symptome machen nun die Anteflexioucn und Ante- I
VerS1 °ffier ? über schwankten die Ansichten im Laufe dieses Jahr¬
hunderts ausserordentlich. Die tonangebenden Autoren der Mitte
dieses Jahrhunderts glaubten, sie seien die Veranlassung von Kreuz-
schmerzen, Lcibschmerzen, Blutungen, Fluor albus, Blasenbeschwer¬
den, Kopfschmerzen, nervösen Störungen der verschiedensten Art,
Dysmenorrhoe und Sterilität. . ,1
Damals wurde die Diagnose Anteflexio und Anteversio noch
sehr häufig gestellt: sie war gegeben, sobald man den Uteruskörper
im vorderen Scheidengewölbe fühlte. Alle möglichen Symptome,
über die die Frau klagte, hatten nun ihre Erklärung gefunden.
Man legte den Uterus nach hinten und bemühte sich, ihn m dieser
Stellung durch verschiedenartige Apparate zu fixiren : Die Patien¬
tinnen waren dann nach kurzer Zeit genesen So lesen wir
wenigstens in den gynäkologischen Büchern, die in jener Zei
diesen Gegenstand behandelten.
Den unablässigen Bemühungen von B. S. Schultze ist es
nun zu danken, dass die grosse Mehrzahl der Acrztc sich zu der |
Ansicht bekehrt hat, dass die Anteflexio resp. Anteversio die
häufigste Lage des Uterus seien und einer orthopädischen Behand¬
lung nicht bedürfen, was als «Normallage» bezeichnet zu werden
pflegt. Nun wäre es meiner Ansicht nach consequent gewesen,
die Anteflexio und Anteversio aus dem Capitel der Lageverände¬
rungen gänzlich zu eliminiren. Zu einem solchen radikalen Vor¬
gehen konnte sich jedoch auch Schultze nicht entschliessen. Er
stellte neben die normale Anteflexio noch eine pathologische. Letztere
figurirt als Lageveränderung des Uterus. _
Wenn der normalliegende Uterus aus irgend einem Grunde
in seiner Beweglichkeit gehindert ist, dann sollen wir dies eine
pathologische Anteflexio resp. Anteversio nennen.
Schultze legt dieser Verringerung der Beweglichkeit für
die meisten, wenn nicht für alle Fälle, keine Bedeutung bei, denn
er empfiehlt in der Regel, nur die Complicationen der sogenannten
Lageveränderung, die Endometritis, Paramctritis etc. etc. z» be-
, TTtonis iedoch nicht zu verändern. Seine
handeln, die Lage T .-zehnte langen Controversen von der
Vorschläge wurden nach *ng^ ^ ^ ^
Mehrzahl der ^ 8tärtoe Beugung de Uten*
Ttal daran fezt, Krankheit anzuseheu ist. Biese
„her seine 6 ®' 1C “ ch ^ Cminderang .einer Beweglich-
stärkere Beugung d ^ Uraache einze lncr krankhafter Symptome
keit wird von ^ Dysmm orrhoe, Sterilität und manche
Blaaenbe.ehwerden durch diene Form der .Antefleiuo Pathologie.
sintf “gerade in den letzten Jahren Tanzende von Ex-
JNun sina 8 Menschen gemacht worden, die beweisen,
toaTX die stärkere Knickung am inneren Muttermund noch
dass weaer um t - t dc3 Uterus Dysmenorrhoe und
StermU Bekanntlich haben eine grosse Zahl
! VOrZUr ferzten Kd dem Beispiele der Herren Macken-
. tnd Dührssen den Fundus des beweglichen Uterus, wenn
t und Dührssen aen . und ihn ^er mög-
ach hinten d v ’ e rnäht. Dadurch wurde zweierlei er-
11 fr LmW 4- Beweglichkeit de. Utcru»,
no*r"'geLmmt aU die. hei de, .»genannten An«.
erwart .ollen, da.» die de, pathologi.chcn
pfehfen. Das ärztliche Publicum hatte zu dieser Operation (Es
teste Vertrauen, die Patientinnen waren “ ,r 8 ^ r dallk ^ e ^
ihnlieh äusserten sich D ü h r s s c n (Arch. f. Gyn. BL 47 Hft. 2
r diese Operation 194 mal, Rtthl (C. f. G. 189b «o. bl
' tuende - Ver»e = ,
, sie anlässlich der Vaginaefixation und durch die hiedurch her
gtTtntrlieh ^krümmte Form de Uten» crlahre^ m
K u i ioAo Stjirunit. Wenn Beschwerden nach dieser
peration bei den nicht schwangeren Frauen dauernd .nitraten,
; ware „ sie gewöhnlich die Folge einer wahrend der Operation
Itstandenen Iufeetion- Die ablehnende Haltung,
ynäkologen heute gegenüber der Vag.naeSxat.on einnehm^, »
Lgt durch da. Bekanntwerden von btörungen der Gebmd, *»
n Gefoke der ausgedehnten Adhäsionsbildungen eintraten. Da nu
Jet Erttrunt de» Gehäraete» bei der An^exio pa^og,»
on artificialis nicht beobachtet werden so ist der endgi tige Beweis
«liefert, dass «die pathologische Anteflexio und Antversioi. . Um»*
bsolut belanglos sind. Meines Erachtens würde man deshalb den
kerzten sowohl, wie den Studirenden das Vers^dnis- derGynä
tologie entschieden erleichtern, wenn man das Capitel von
pathologischen Anteflexio völlig streichen würde.
Der Name Anteflexio stammt aus der ersten Half
Jahrhunderts. Damals nahm die Mehrzahl der Amte an , ^
normale Uterus stände gerade und mit seiner Längsachse in der
Längsachse des Körpers. Fand man eine Krümmung «ach ^n,
so wurde diese Retroflexio genannt; eine Krümmung nac
musste dementsprechend als Anteflexio bezeichnet werden Heu
glaubt man, dass ein Aufrechtstehen des Uterus as pathologisch
anzusehen ist. Der normale Uterus ist auteflectirt. j
eigentlich gar nicht richtig, unter den Lageveränderung
Uterus eine Anteflexio aufzuzählen. _
Uebrigens habe ich mich bei einer Enquete unter eine gr
Anzahl hiesiger Aerzte überzeugt, dass nur sehr wenige '
was die Specialisten für Gynäkologie eigentlich unter das P
Anteflexio pathologica rubriciren wollen. Annuitäten
Ausserdem werden ja in der Pathologie derartige
an anderen Organen niemals als Lageveränderungen bezei h ^
Wenn der Magen oder Darm in Folge von.AW
Beweglichkeit gehemmt sind, so nennt dies Nieman
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2. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
519
Lage des Magens oder Darms; wenn eine Kniescheibe im Knie¬
gelenk theilweise verwachsen ist, so wird dies doch nicht eino
Lageveränderung der Patella genannt.
Aber auch die Aerzte, die noch unter Anteflexio pathologica
diejenigen Uteri subsumiren, bei denen der Knickungswinkel
gleich einem rechten oder darunter ist, handeln nicht recht, wenn
sie diese Fälle unter die Lageveränderungen des Uterus rechnen.
Die Lage der Gebärmutter ist doch dieselbe, wie im normalen
Zustand, nur ihre Form ist etwas verändert; ihre Krümmung hat
einen schärferen Winkel; man könnte dies wohl als eine Ver¬
änderung der Form der Gebärmutter, nicht aber ihrer Lage
bezeichnen. —
Eine Zeit lang wurden auch die Beugungen des Uterus nach
der Seite, die Lateroflexionen und -Versionen, von
Einzelnen orthopädisch behandelt. Man unterscheidet eine Dextro-
versio und -flexio und Sinistroversio und -flexio. Lag der Uterus
nach rechts, so wurde er von manchen Aerzten mittelst Intrauterin¬
pessars nach links gedrängt und umgekehrt. Heute ist diese
Behandlung vollständig aus der Mode gekommen; die seitlichen
Beugungen werden von nahezu allen Aerzten als bedeutungslos
angesehen. Da dies fast der einzige Punkt in der Pathologie der
Uterusdeviationen ist, in dem beinahe allgemeine Uebereinstimmung
herrscht, so halte ich es für überflüssig, Ihnen die Gründe des
näheren auseinanderzusetzen, wegen deren auch ich die Behand¬
lung dieser Lagen für unnöthig erachte. —
Eine grosse Rolle dagegen spielen noch bei der Deutung
der Unterleibsbeschwerden vieler Frauen die Rückwärtslager¬
ungen der Gebärmutter. Retroflexio und Retroversio werden
bezüglich ihrer Pathologie und Therapie von den meisten Gynäko¬
logen als gleichwerthig angesehen. Es ist also wohl erlaubt,
die Symptome, die sie verursachen sollen, zusammenzufassen. Als
die oonstantesten Störungen, die durch die Rückwärtslagerung des
Uterus verursacht werden, werden gewöhnlich angeführt: Metror¬
rhagien, Leibschmerzen, Kreuzschmerzen, Stuhlverstopfung und
weisser Ausfluss ; als seltener vorkommende Symptome werden
angegeben: Harnbeschwerden, Erweiterung der Harnleiter und des
Nierenbeckens, Hydronephrose, Schwäche der Unterextremitäten,
Lähmungen derselben ; daneben noch eine Reihe von sogenannten
hysterischen Symptomen, Respirationsneurosen, intensive Kopf¬
schmerzen , Migräne, Intcrcostal- und Lumboabdominalneuralgie,
Krampfanfälle, selbst Epilepsie, psychische Verstimmung, ja sogar
Melancholie und andere Psychosen. — Ich bin nun schon seit
geraumer Zeit der Ansicht, dass diese Symptome nicht durch die
Rctrodeviationen veranlasst sind; sie sind die Folge einer Endo¬
metritis oder Metritis, die den retroflectirten Uterus nicht häufiger
befallen als den normal liegenden. oder sie entstehen in Folge
von Erkrankungen, die mit den Genitalien in gar keinem Zu¬
sammenhang stehen, häufig durch Erkrankungen des Nerven¬
systems, Hysterie, Darmatonic etc. Wäre die Retrodeviation die
Ursache dieser Störungen, so müssten diese Klagen bei Frauen
mit Retrodeviationen sich häufiger finden, als bei solchen mit
antcflectirtem Uterus. Dies wird auch vielfach behauptet, obwohl
meines Wissens für diese Behauptung statistische Nachweise
nicht erbracht wurden. Namentlich die Metrorrhagien gelten
bei vielen Autoren als geradezu pathognomonisch für Retroflexio.
Ich habe nun zunächst zu meiner eigenen Orientirung eine Zu¬
sammenstellung gemacht über die Beschwerden, welche von den
Frauen geklagt wurden, die in den Jahren 1894 und 1895 zum
ersten Mal in meine Sprechstunde kamen. Nicht aufgenommen in
diese Statistik wurden natürlich Patientinnen mit Tumoren aller
Art, die Pat. mit Erkrankungen der Tuben und Ovarien, des
Peritoneums, des Parametriums, der Vagina und der äusseren
Genitalien.
Igi Jahre 1894 wurden 91 Frauen mit absolut normal liegen¬
dem Uterus in meiner Privatsprechstunde zum ersten Mal unter¬
sucht. Unter diesen klagten 47 über Leib- und Kreuzschmerzen,
das macht etwa 51,8 Proc. Unter 49 Frauen mit Retroversio
und Retroflexio desselben Jahres klagten 31 über diese Schmerzen,
das sind also etwa 63,8 Proc. Im Jahre 1895 hatten unter 89
Frauen mit absolut normaler Lage des Uterus 70 Leib- und Kreuz¬
schmerzen, also etwa 78,8 Proc. Von 28 Frauen mit Retro¬
deviationen hatten 19 diese Schmerzen, das sind 67,8 Proz. Also
im Jahre 1894 waren die Leib- und Kreuzsclimerzen bei den
Retroflexionen etwas häufiger angegeben worden, 1895 war dies
öfter bei dem normalliegcndcn Uterus der Fall; ein grosser Unter¬
schied ist jedoch in beiden Jahrgängen nicht hervorgetreten und
wenn man die beiden Jahre addirt, findet man, dass die Schmerzen
ungefähr ebenso häufig bei normalliegendem, wie bei dem rctro-
flectirten Uterus geklagt wurden.
Was die Blutungen betrifft, so hatten 1894 unter
91 Frauen mit nonnalliegendem Uterus normale Menses, unter
6 Tagen dauernd, 56 = etwa 61,6 Proc.; starke Blutungen von
6—8 Tagen 23 = etwa 26,8 Proc.; starke Blutungen über 8 Tage
und atypische Blutungen 10 = etwa 9,1 Proc.; sehr geringe
Blutungen 2 = etwa 2,3 Proc.
1894 unter 49 Retroflexionen normale Menses unter 6 Tagen
81 = etwa 61,2 Proc.; starke Blutungen (6—8 Tage) 13 = etwa
28.4 Proc.; starke Blutungen Uber 8 Tage und atypische Blutungen
2 = etwa 4 Proc.; sehr geringe Blutungen 3 = etwa 6 Proc.
1895 Frauen mit normalliegendem Uterus 89 ; normale Menses
unter 6 Tagen 64 = etwa 71,9 Proc.; starke Blutungen (6—8
Tage) 14 = etwa 15,7 Proc.; starke Blutungen über 8 Tage und
atypische Blutungen 9 = etwa 10,1 Proc.; sehr geringe Blutungen
2 = etwa 2,4 Proc.
1895 unter 28 Retroflexionen normale Menses unter 6 Tagen
18 = etwa 64,2 Proc.; starke Blutungen (6—8 Tage) 6 = etwa
21.5 Proc.; starke Blutungen über 8 Tage und atypische Blutungen
3 == etwa 10,7 Proc.; sehr geringe Blutungen 1 = etwa 3,5 Proc.
Also auch bezüglich der Blutungen ist ein wesentlicher Unterschied
zwischen retroflectirtem und normalliegendem Uterus nicht zu eon-
statiren. Ebenso fand sich bei meinen Patientinnen die Atonia
coli bei Retroflexio nicht häufiger als bei Anteflexio. (Siehe
Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gyn., Bd. 3, Heft 2, pag. 116.)
Ein ähnliches Verhältniss wie in den Jahren 1894 und 1895
finde ich bezüglich des Auftretens dieser Symptome auch in meinen
Journalen in den Jahrgängen 1877 bis 1893-
Auch diese Zusammenstellung hat mich in dem Glauben be¬
stärkt, dass die Retroflexio die ihr gewöhnlich zugeschriebenen
Symptome nicht macht. Auf Grund meiner Beobachtungen glaube
ich ebensowenig, dass Migräne, Blascnbcschwerden, Hydronephrose,
Psychosen etc. in irgend einem Abhängigkeitsverhiiltniss zu den
Retrodeviationen stehen.
Man hat mir nun eingewendet, diese Beobachtungen seien
richtig; die Retroflexio mache keine charakteristische Symptome,
allein sie verursache eine Stauung im Uterus, die Stauung führe
zur Metritis und die Metritis mache die Frau krank; folglich sei
doch die Retroflexio die indirecte Ursache der Beschwerden.
Dieser Satz widerspricht Allem, was wir aus der allgemeinen
Pathologie wissen: Bei Veränderung der Lage anderer Organe
treten keine Stauungen auf. Die Gefässe accommodiren sich ausser¬
ordentlich rasch an die veränderten Verhältnisse. Weitgehende Ver¬
schiebungen des Herzens nach Pleuraexsudaten z. B. pflegen auf
die Circulation im Thorax keinerlei Einfluss auszuüben.
Nun liegt der Uterus zwischen Organen, die stündlich den
Inhalt wechseln; er ist desshalb fortwährenden Verschiebungen
unterworfen. Es müssen also gerade beim Uterus die Verhältnisse
für die Ausgleichung von Circulationsstörungen in Folge der
häufigen Veränderung seiner Form und Lage sehr günstig liegen.
— Wenn übrigens Blutgefässe stenosiren oder undurchgängig
werden, so pflegt sehr bald ein Collateralkreislauf einzutreten, der
Stauungen verhindert.
Noch andere gewichtige Gründe sprechen gegen die Annahme
einer Stauung bei der Retroflexio uteri. In den letzten Jahren hat
man oft Gelegenheit gehabt, die hierauf bezüglichen anatomischen
Verhältnisse bei Ventrifixationen und ähnlichen Operationen zu
studiren. Wären bei alten Retroflexionen jahrelang bestehende
Stauungen vorhanden , so hätte man häufig hochgradig ectatischc
Venen in den Lig. latis und in dem Lig. infundibulo-pelvicum
beobachten müssen.
Wir wissen ferner, wie die Vaginalportion bei stark gefülltem
Venensystem aussieht, wir wissen dies z. B. aus Beobachtungen
am schwangeren Uterus, wo die Portio bläulich cyanotisch ist.
Wäre bei retroflectirtem Uterus eine venöse Stauung vorhanden,
so müsste mindestens bei hochgradigen Retroflexionen eine Cyanose
2 *
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520
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
der Portio bemerkbar sein, die bläuliche Färbung müsste nach
der Reposition schwinden, um nach Zurückfallen in die alte Lage
wieder aufzntrotcn. Nirgends sind derartige Beobachtungen gemacht
und publicirt worden.
Noch viele andere Momente sprechen gegen die herrschende
Theorie: ich habe 15 Jahre lang die Retroflexio nach den Lehren
der Schule behandelt und häufig beobachtet, dass die snbjectiven
Symptome von Seiten der Patientinnen doch recht oft nach
wenigen Tagen geschwunden waren und hoi der Untersuchung
zeigte sich der Uterus über dem Pessar wieder retroflectirt. Ander¬
seits gaben in einem recht erklecklichen Procentsatz der Fälle die
Patientinnen an, dass die Symptome von Seiten des Nervensystems
sowohl wie von Seiten des Unterleibs sich gar nicht gebessert
hätten und bei der Untersuchung zeigte sich der s. Z. von mir
re|H»nirte Uterus iu schönster Anteflexion.
Schultze gibt in seiner Polemik gegen mich (Monatssehr,
f. Geb. u. Gyn. Bd. 3 H. 1) die Richtigkeit dieser Beobachtungen
zu, hält sie jedoch nicht für beweisend für meine Behauptungen.
Für noch wichtiger halte ich folgende Erfahrungen: Sehr
häufig kamen Frauen zur Untersuchung wegen ausserordentlich
geringfügiger Symptome, wegen Sterilität oder wegen eines ganz
unbedeutenden Ausflusses und es fand sich bei der l ntersuchung
hochgradige spitzwinklige Retroflexio mit Fixirung des Organes,
massenhafter Adhäsionenbildung am Corpus uteri, Descensus und
Vcrgrössorung der Ovarien — andererseits kamen Frauen mit
ganz geringfügiger Rückwärtsknickung des Uterus, beweglichem
Organe, Fehlen jeglicher Schwellung desselben und dabei waren
die sogenannten pathognomonischen Symptome der Retroflexio, die
örtlichen sowohl wie die consensucllen, ausserordentlich prägnant
vorhanden. Mit der Verschiedenheit der Reactionsfahigkeit der
einzelnen Individuen Hess sich die Differenz der Erscheinungen
dabei durchaus nicht immer erklären ; denn nicht selten fand sieh
der nahezu vollständige Mangel aller Beschwerden bei zarten,
schwächlichen, nenropathisch belasteten Individuen, während die
ganze Symptomen reihe manchmal ausgeprägt war hei robusten In¬
dividuen mit von Haus aus sehr widerstandsfähigem Nervensystem.
Auch diese meine Beobachtungen werden von Schnitze (I. c.)
als richtig anerkannt, jedoch ebenfalls nicht für beweisend erachtet.
Die Einwände Schnitzes habe ich bereits in der Monats¬
schrift f. Geburtsh. und Gynäk. Bd. 3 Heft 2 eingehend wider¬
legt. Es würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten , wollte
ich auf alle dort ausführlich behandelten Punkte nochmals ein-
gehen. Nur noch eine Thatsache möchte ich nicht unerwähnt
lassen; auch bezüglich der Frage der Dignität der RetroVersionen
liegen viele Tausende von Experimenten am lebenden Menschen
vor, durch die naehgewiesen ist, dass die Retroversio pathologische
Symptome nicht macht; als man die Anteflexio noch für eine
pathologische Lage hielt, wurde der Fundus des antefleetirten
Uterus von den Aerzton nach hinten gelegt und in Retrovcrsions-
stcllung durch Intrauterinpessarien befestigt. Könnte die Retro¬
versio Störungen verursachen, so hätte doch dieser Eingriff die
Beschwerden der Patientinnen steigern müssen. Nun behaupten
aber die gynäkologischen Autoren aus jener Zeit, dass die kranken
Frauen gewöhnlich nach dieser Manipulation vollständig genesen
seien! (Schluss folgt.)
Ueber die Fortschritte in der Erkenntniss und
Anwendung der Röntgen’schen Strahlen.
Von Prof. Dr. L. Oractx.
(Schluss).
6. Ueber das gewöhnliche und stereoskopische
Photographiren mit Röntgenstrahlen.
Die Bilder, welche man mit den Rüntgen’schen Strahlen
erhält, sind bekanntlich im Wesentlichen nur Silhouetten, Umriss-
bilder. Nicht die von dem zu photographirenden Körper ausgehenden
Strahlen erzeugen das Bild, wie bei der gewöhnlichen Photographie,
sondern die von der Crookes’schen Röhre durch den Körper
hindurchgegangenen Strahlen. Da die Strahlen sich ferner nicht
brechen lassen, so ist eine Concentration derselben durch Linsen
unmöglich und daraus folgt, dass das photographische Bild immer
dieselbe Grösse haben muss, wie das photographirte Object (in
Wirklichkeit sogar w r egcn der Schiefe der durchgehenden Strahlen
noch etwas grössere). Um scharfe Bilder ohne Schlagschatten zn
erhalten, muss man entweder eine Röhre mit einem einzigen
strahlendon Punkt anwenden (oben No. 3), oder wenn man eine
solche nicht zur Verfügung hat, muss man die Röhre weit weg
von dem Object halten. Entfernungen von 25 cm bis 70 cm
zwischen Röhre (Antikathode) und Object kann man ohne zu
grosse Verlängerung der Exposition ruhig anwenden und damit
auch schon recht grosse Körper photographiren. Wichtig für die
Schärfe der Bilder ist es, dass das Object möglichst nahe an der
photographischen Platte sich befindet, womöglich direct auf ihr
(abgesehen von ihrer Umhüllung mit schwarzem Papier) liegt.
Die Silhouette, die man so erhält, gibt nun natürlich keine Tiefen¬
ausdehnung des Objects. Wird also zu chirurgischen Zwecken
etwa eine Nadel in der Hand photographirt, so sieht man wohl
im Bilde die Lage der Nadel in der Flächenausdehnung, aber
nicht ihre Höhenlage in der Hand. Und da man ferner blos die
Projection der Nadel auf die Ebene der photographischen Platte
sieht, so gibt die Photographie allein keinen sicheren Aufschluss
über die Lage und Grösse des Objectes, z. B. ob es oberhalb oder
unterhalb eines Knochens etc. sitzt, ob es horizontal oder schief liegt.
Postwegen scheinen für mcdicinische Zwecke stereoskopische
Aufnahmen besonders wichtig, d. h. zwei Aufnahmen von etwas
verschiedenem Standpunkte aus, die man im Stereoskop als körper¬
liches Bild sieht. Solche Aufnahmen wurden schon im Februar
von Herrn Dr. Fomm gemacht und vorgezeigt. Seine Methode
ist dieselbe, wie die, welche später Imbert und Bertin Sans 13 )
publicirt haben. Man stellt die photographische Platte mit dem
Object, z. B. der Hand, einmal etwas nach rechts geneigt, einmal
etwas nach links geneigt unter die Crookes’sehe Röhre und
erhält dadurch zwei photographische Aufnahmen, die man in
passender Entfernung von einander zusammen aufklebt und im
Stereoskop betrachtet. Es ist häufig überraschend, zu sehen, wie
sehr eine einfache Röntgcn-Pliotographie in Bezug auf die gegen¬
seitige Lage von Objecten irrefübren kann.
7. Die Durchlässigkeit verschiedener Substanzen
und der Grund der Unsichtbarkeit der Röntgen¬
strahlen.
Dass die meisten nicht metallischen Substanzen für die
Röntgenstrahlen leicht durchlässig, dass aber auch Metalle in
dünnen Schichten für dieselben durchgängig sind, hat Röntgen
gleich in seiner ersten Mittheilung publicirt. Es sind seit dieser
Zeit vielfache Versuche in dieser Richtung, zum Zweck einer
genaueren Classification der Substanzen, angestcllt worden, von
denen jedoch nur folgende grösseres Interesse besitzen. Herr
Mcslans 14 ) fand, dass Kohlenstoff in allen Formen sehr durch¬
sichtig ist, als Diamant, Graphit (!), Kohle und dass ebenso die
Verbindungen des Kohlenstoffs mit Wasserstoff, Stickstoff, Sauer¬
stoff allein, mögen sie nun fest oder flüssig, gefärbt oder farblos
sein, sehr durchsichtig sind. Sobald aber iu eine solche Verbindung
Chlor, Brom, Jod, Fluor, Schwefel, Phosphor oder andere an¬
organische Substanzen eingehen, werden sie ziemlich undurchlässig-
Die Muskeln bestehen wesentlich aus C, 0, Ü, N, sind da er
durchlässig, die Knochen enthalten Kalk, und das ist der Grün
für ihre relative Undurchlässigkeit.
Versuche Uber die Purchstrahlung des Auges (specicll des
Sehweinsauges) haben Darieu und Rocbas 15 ) angestellt un
gefunden, dass dieselben viel undurchlässiger wie Muskeln, a r
weniger opak wie die Knochen sind. Insbesondere ist es i®
Crystalllinse, welche die Röntgenstrahlen verschlackt. Daraus wir
geschlossen, dass das die Ursache dafür sei, dass man die Röntgen
strahlen nicht mit dom Auge sehe. Diese Ansicht ist offen r
falsch. Denn bei lange genug fortgesetzter Bestrahlung gehen <e
Strahlen auch durch die Linse hindurch und müssten dann sicit
») Imbert und Bertin Sans, C. R. 1896 p. 786 (30. März.)
u ) Mes 1 an b C. R. 1896, p. 309 (10. Februar).
»>) Darieu und Rocbas C. R. 1896 p. 458 (25. Februar;.
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2. Juni 1896-
MÜNHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
521
w.
I.'
. 1 .
ja:
bar sein. Vielmehr ist vermuthüch das Auge aus demselben
Grunde für diese wahrscheinlich sehr kurzwelligen Schwingungen
unempfindlich, wie das Ohr für sehr kurzwellige Schallschwingungen.
8. Ueber das vermuthliche Wesen der Rfjntgcn-
s trab len.
Die Röntgcn8trahlen zeigen, das ist eine ihrer merkwürdigsten
Eigenschaften, keine regelmässige Reflexion und keine erkennbare
Brechung in verschiedenen Substanzen. Dass sie aber doch reflectirt
werden, hat Röntgen schon in seiner ersten Mittheilung bewiesen
und ist unterdess auch von anderen Beobachtern festgestellt worden.
Ba11e 11 i und Garbasso 16 ) haben sogar mit den reflectirten
Strahlen photographische Aufnahmen erzeugt, wobei allerdings der
Zweifel bleiben kann, ob wirklich die Strahlen von dem Spiegel
reflectirt wurden, oder ob neue Strahlen an dem Spiegel erzeugt
worden. Die Brechung der X-Strahlen ist zwar sehr gering, indess
ist sie bei Metallprismen von Winkel mann und Straubcl, 17 )
wie es scheint, zweifellos nachgewiesen und es ergab sich der
Brechungaexponent der Metalle zu 1—0,0038, also etwas kleiner
wie ]. Da alle anderen »Substanzen, wenn überhaupt, so höchst
unbedeutende Brechung zeigen, so muss man sagen, für diese
Strahlen haben alle Körper einen Brechungsexponentcn gleich 1,
oder wenig von 1 abweichend. Es ist nun aus den stichhaltigsten
Dispersionstheoricen, sowohl nach der elastischen als nach der
elektromagnetischen Auffassung der optischen Erscheinungen, allge¬
mein der Schluss zu ziehen, dass für Wellen von sehr kleiner
Wellenlänge sich der Brechungsexi>onent aller Substanzen auf 1
rcducirt. Aus der Thatsache der Nichtbrechbarkeit — von der
übrigens der Mangel an regulärer Reflexion eine blosse Folge ist
— würde man also scldiessen dürfen, dass die X-Strahlen —
wenn sie überhaupt Wellennatur haben — Wellen von sehr klein
er Länge besitzen. Die Thatsache der leichten Durchstrahlbarkeit
aller Körper lässt sich dann eben plausibel so auffassen, dass die
kleinen Wellen durch das Gefüge der Moleküle leicht hindureh¬
schlupfen, während grössere Wellen an die Moleküle anprallen und
absorbirt werden. Schon in meinem ersten Vortrag in der anthro¬
pologischen Gesellschaft in München, im Januar 1896, habe
ich es aus diesem Grunde als wahrscheinlich hingestellt, dass die
Röntgenstrahlen Strahlen von sehr geringer Wellenlänge, also
ultraviolette Strahlen von sehr kleiner Periode sind. Diese Auf-
assung hat sich nacher noch aus dem Grunde als wahrscheinlich
herausgestellt, als von verschiedenen Seiten, von Righi, Benoit
und Hurmuzescu Dufour, Röntgen selbst gezeigt wurde,
dass die Röntgcnstrahlcn die Eigenschaft haben, wenn sic elektrisch
geladene Körjter treffen, diese zu entladen , eine Eigenschaft, die
das ultraviolette Licht, wie man lange weiss, ebenfalls besitzt.
Direct zu beweisen ist die Wellennatur der Strahlen nur
durch Interferenzversuche. Diese sind Röntgen nicht gelungen,
und auch andere haben keinen positiven Beweis für Interferenzen,
etwa durch Beugung, erhalten. Aus der Annahme, dass die
Strahlen Wellennatur besitzen, konnte Sagnac ,# ) schliessen, dass
er bei seiner Versuehsanordnung noch deutlicher Interferenzerschei-
nungeü erhalten hätte, wenn die Länge der Wellen nur 0,04 //
(ji = Mikron = 1 Jj ooo mm) gewesen wäre. Die Röntgcnstrahlcn
müssen also danach noch kleinere Wellen besitzen. Es ist dabei
zum Vergleich anzuführen, dass gelbes Licht die Wellenlänge von
0,59//, sichtbares violettes Licht die Wellenlänge von 0,38// und
unsichtbares ultraviolettes Licht, so weit man es bisher verfolgen
konnte, noch Wellenlängen bis etwa 0,20 // hat, so dass also die
Röntgenstrahlen mindestens nur den fünften Theil der Wellen¬
längen der bisher bekannten »Strahlen hätten, vielleicht aber noch
viel weniger.
Es ist nun in allerletzter Zeit im physikalischen Institut der
Universität München gelungen, ganz unzweifelhaft Interferenzen
hervorzubringen und photographisch zu fixiren, die also die Wellen¬
natur der Röntgenstrahlen ausser Zweifel setzen. Die sichere
Berechnung der Wellenlänge aus diesen Versuchen ist aber keine
1# ) Battel li und Garbasso Nuovo Cuvento (4) III, 1891. p. 16.
i7 ) Winkelmann und Straubei, JenaiBche Zeitschrift für
Naturissenscbaft, 80. Band, p. 5.
1B ) Sagnac, Compte rendu 1896, p. 183, (30. März.)
No. 22
leichte Sache und ist im Moment, wo ich diesen Aufsatz schreibe,
noch nicht erledigt. 19 )
Um nachzuweisen, dass die Röntgenstrahlen sich nur durch
ihre kleine Wellenlänge von den Lichtstrahlen unterscheiden, gehört
endlich auch der Nachweis, dass sie transversale Wellen seien.
Röntgen hatte bekanntlich die Hypothese aufgestellt, dass sie, da
sie doch wesentliche Unterschiede gegen die Lichtwellen zeigen,
vielleicht longitudinale Wellen seien. Diese Hypothese hat weuig
Anklang bei den Physikern gefunden, vielmehr sucht man zunächst
Beweise für die Transversalität zu finden. Diese würden unzwei¬
deutig geliefert werden, wenn cs gelänge, die X-Strahlen zu polari-
siren. Doch da man bisher nur durch Reflexion oder Brechung
resp. Doppelbrechung Polarisation erzeugen kann und die X Strahlen
kaum reflectirt und gebrochen werden, so ist eine Polarisation
schwer zu erzielen. Fürst Galitzin 20 ) glaubt in einer jüngst
erschienenen Arbeit deutlich bemerkt zu haben, dass die X-Strahlen
zwei gekreuzte Turmaline weniger leicht durchsetzen, als zwei
parallele, was die Polarisation beweisen würde. Indess sind die
von ihm veröffentlichten Photographieen meiner Ansicht nach nicht
beweiskräftig. leb selbst erhielt im Januar auf dieselbe Weise
ein durchaus zweifelhaftes Resultat. Trotzdem wird vorläufig an
der Transversalität der Röntgcnstrahlcn festzuhalten sein, bis zum
sicheren Beweis des Gegentheils.
Wenn so also auch die X-Strahlen vermuthlich ihres mystischen
Charakters insofern entkleidet sind, dass sie als Lichtstrahlen von
sehr kleiner Wellenlänge anzusehen sind, wodurch ihre Eigenthüm-
lichkeiten plausibel und verständlich werden, so bleibt die andere
Frage bestehen, wie hängen sic mit den Kathodenstrahlen zu¬
sammen. Röntgen selbst hat gleich in der ersten Arbeit die
Ansicht ausgesprochen, dass die Kathodcnstrahlen nur die Erreger
der X-»Strahlen sind, dass aber die X-Strahlen ganz anderer Art
sind, als die Kathodcnstrahlen. Der Beweis dafür war der, dass
die Kathodcnstrahlen durch den Magneten ablenkbar sind, die
X-Stiahlen nicht. Obwohl die Ausführung dieses Versuches —
der vielen Einwänden unterworfen zu sein scheint — von Röntgen
noch nicht ausführlich publieirt wurde, und obwohl von Anderen* 1 )
darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es auch Kathodenstrahlen
gibt, die nicht ablenkbar sind — ein wenig logisches Argument
übrigens für die Identität von Röntgenstrahlen und Kathoden-
strahlcn, da die Röntgen strahlen, wie unzweifelhaft nachgewiesen,
bei abgelcnkten Kathodcnstrahlen von der »Stelle ausgehen, an der
die abgelcnkten Strahlen die Antikathode treffen — obwohl also
diese Beweise für die Verschiedenheit der beiden Strahlenarten
vielleicht noch nicht streng sind, so ist es doch Becquerel
gelungen, zu zeigen, dass es Strahlen gibt, die einige Haupt¬
eigenschaften mit den Röntgcnstrahlcn gemein haben und die
nicht durch Kathodenstrahlen erregt werden.
B e eq u e r c 1 2 *) hat nämlich gefunden, dass gewisse phosphores-
cirendc »Substanzen unsichtbare Strahlen aussenden, welche ebenso
wie die Röntgenstrahlen die Fähigkeit besitzen, Körper zu durch¬
dringen, die für das gewöhnliche Licht undurchlässig sind. Es
sind das hauptsächlich Uransalze und insbesondere das Doppelsulfat
von Uranoxid und Kali (SO* UOK -f- HjO), welche diese Eigen¬
schaft in hervorragendem Maassc haben, aber auch andere Substanzen.
(Die Baimain'sehe Leuchtfarbe, welche die gebräuchlichste
phophore8cirendc »Substanz ist, bat diese Eigenschaft aber wohl
nicht). Belichtet man das Uransalz, so phosphoreseirt es nachher
im Dunkeln, aber nur sehr kurze Zeit, etwa */i oo Secunde. Nachher
erscheint das vorher belichtete Salz im Dunkeln ganz dunkel. Wenn
man nun auf eine in schwarzes Papier eingehülltc photographische
Platte diese Substanz legt, so findet man nach einiger Zeit die
Platte durch das Papier hindurch belichtet. Ebenso aber auch,
wenn man dazwischen Platten aus Aluminium, dünnem Kupfer und
Messing legt. Auch durch diese gehen die unsichtbaren, vom
* 9 ) Die Berechnung hat sich unterdess als möglich erwiesen
und sie ergab nach den Versuchen des Herrn Dr. Fomm. dass
die angewandten Röntgenstrahlen eine Wellenlänge von rnnd 0,014 fi
haben, also 15 mal kleiner sind, als die kleinsten bisher bekannten
ultravioletten Wellen.
“l Galitzin, M^moires d. St. Petersbourg. April 1896.
2I ) Goldstein, Battelli.
**) Becquerel, Compte rendu, 1896, p. 501, (2. Märs) und
die folgenden Hefte.
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522
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
Uransalz ausgesondeton Strahlen hindurch. Was die Dauer der
Exposition betrifft, so sind darüber die Angaben von Becquerel
ziemlich schwankend. Zuerst spricht er nur von mehreren Stunden,
einmal bestimmt von 5 Stunden Exposition, aber in den folgenden
Aufsätzen sind immer Expositionszeiten von 40—60 Stunden an¬
gegeben. Diese phosphoreseirenden Strahlen entladen ebenso, wie
ultraviolette und Röntgenstrahlen, geladene Körjier, aber sie lassen
sich, entgegen den Röntgenstrahlen, leicht rcflectiren , brechen,
polarisiren. Sie scheinen daher grössere Wellenlängen zu besitzen,
als die Röntgenstrahlen, wie man sie gewöhnlich erhält. Diese
wichtigen Versuche von Becquerel scheinen es nahe zu legen,
dass es allein die sichtbare Phosphoreseenz des Glases, oder die
unsichtbare Phosphoreseenz (Ualorescenz) einer metallischen Anti¬
kathode ist, welche die Röntgenstrahlen aussendet. Die Kathoden¬
strahlen haben dann nur die Aufgabe, starke Phosphoreseenz
anzuregen. Mit den Röntgcnstrahlen an sich haben sie nichts zu
thun. Ob diese Auffassung, die sich jetzt als die wahrscheinlichste
ergibt, stichhaltig ist, müssen weitere Erfahrungen lehren.
Es ist von le Bon* 5 ) in mehreren Arbeiten in den ('. R.
angegeben worden, dass man auch mit gewöhnlichem Lieht,
mit einer Petroleumlampe sogar, durch Metalle hindurch photo-
graphiren kann und er hat Proben solcher Photographieen, die er
als durch schwarzes Licht erzeugt betrachtet, der französischen
Akademie vorgelegt. Indess sind die Bedingungen, unter denen
diese Photographieen erhalten wurden, ziemlich eomplieirtc, und
obwohl es einigen Forschern gelang, die Versuche von le Bon
nachzumachen, fanden andere, unter Berücksichtigung aller Fehler¬
quellen nur negative Resultate. Es ist dabei im Auge zu behalten,
dass photographische Platten nicht blos für Lichteinwirkungen,
sondern auch für mechanische Einwirkungen, wie Druck, für
Wärmeeinwirkungen, für elektrische und für sehr unbedeutende
chemische Einwirkungen sehr empfindlich sind, so dass die Be¬
dingungen der Versuche mit photographischen Platten nicht einfach
genug sein können, wenn man Fehlerquellen entgehen will.
Ausser den C r o o k e s ’ sehen Röhren und den Becquerel-
schen Phospboren hat sich danach bisher noch keine sichere Quelle
für unsichtbare Strahlen der Rö n tge n ' sehen Art ergeben.
Dies sind im Wesentlichen die Resultate der vielen Unter¬
suchungen, welche in den letzten 4 Monaten über die Röntgen¬
strahlen, soweit die physikalischen Bedingungen ihrer Erzeugung
und ihre physikalische Erklärung in Betracht kommen, angestellt
sind. Auf eine Zusammenstellung und Würdigung der Erfolge,
welche für medicinische, speciell diagnostische Zwecke mittelst der
neuen Methode erzielt wurden, kann ich aus Mangel an genügender
mediciniseher Fachkenntniss nicht eingehen.
München, 10- Mai 1896.
Feuilleton.
Die angebliche Operationswuth in der Gynäkologie.
Ein Wort der Abwehr von R. Kossmann, Berlin.
Bei der Versammlung der British Medical Association
im Juli und August des vorigen Jahres hat einer der namhaftesten
englischen Gynäkologen, 8ir William Priestley, die Sitzungen
der gynäkologischen Section mit einer Rede «Ueber das übertriebene
Operiren in der Gynäkologie« eröffnet. ’) Nachdem diese Rede von
A. Berthold 3 ) (übrigens sehr fehlerhaft) ins Deutsche übersetzt
worden ist, erscheinen Auszüge daraus Woche für Woche in einem
deutschen Fachblatte nach dem andern nnd es ist vorauszusehen,
dass sich in Bälde auch die nichtmedicinische Tagespresse des
picanten Gegenstandes bemächtigen wird.
Es sind in der That eigenthümliche Ermahnungen, die Sir
William seinen Collegen zu hören gibt. «Nicht für einen Augen¬
blick», sagt er, «sollten wir ausser Acht lassen, dass unser Beruf
znm Heile des Publicums, nicht das Publicum für unsern Beruf
existirt» . . . «Ich bestreite, dass es moralisch zulässig sei, eine
M ) Le Bon, Compte rendu, 1896, p. 188, (27. Jan.) u. folg. Hfte.
*) Priestley, Sir William, On over-operating in gyne-
cology. An address delivered at the opening of the section of
obstetric medecine and gynecology, at the ann. meet. of the Brit.
Med. Assoc. at London, July-August 1895.
a ) Berthold. Dr. A., Ueber die Operationswuth in der Gynä¬
kologie, von Sir William Priestley, autorisirte Uebereetzung Berlin,
8. Karger, 1896.
Operation, die den Verlust des Lebens oder bleibende Verstümmelung
nach sich zieht, lediglich der Zeitersparnis halber oder aus Bequem¬
lichkeit auszuführen.»
Wenn sich unter den Zuhörern Sir William's eine irgend
nennenswerthe Zahl von Gynäkologen befunden hätte, denen diese
und die zahlreichen ähnlichen Sentenzen, von denen die Rede
wimmelt, vorzuhalten nöthig oder auch nur schicklich war, so stünde
es wahrlich schlimm um die Ethik des englischen Aerztestandes.
Zu seiner Ehre aber finden wir, dass Sir William die Nothwen-
digkeit seiner Vorhaltungen durchaus ungenügend dargethan hat.
Noch weniger aber können sie die deutsche Gynäkologie treffen.
Prüfen wir nämlich die factischen Angaben, auf die er seine
Vorwürfe begründet, so finden wir nichts als das Folgende:
Zunächst erzählt uns Priestley, man habe von einigen Fana¬
tikern behauptet, sie wären im Stande, alle weiblichen Mitglieder
eines Hausstandes wegen Entzündung des Muttermundes und der
Cervix local zu behandeln — offenbar eine Spötterei, die die Erzähler
selbst nicht als buchstäblich wahr haben ausgeben wollen, von der
aber sicherlich Niemand, als ein Böswilliger, wird behaupten wollen,
dass sie auf irgend einen deutschen Gynäkologen zutreffen könnte.
Sodann erinnert der Redner daran, dass man die Exstirpation
der Clitoris als Heilmittel für alle Leiden hingestellt habe, muss
aber selbst hinzufügen, dass die Operation nur in ganz beschränktem
Umfange ausgeübt und sofort wieder aufgegeben wurde. Dass sie
in Deutschland jemals anders, als etwa wegen bösartiger Degeneration
des Organs, ausgeführt worden sei, wird Niemand behaupten können.
Dann sei eine Periode gekommen, behauptet Priestley, in
der jeder Rückenschmerz, jedes Unbehagen, jede Neurose auf eine
Uterus-Dislocation zurückgeführt und mit Pessarien behandelt worden
sei. Die colossale Uebertreibung liegt auf der Hand. Wahr ist nur,
dass man lange Zeit die Proflexion (Anteflexion) des Uterus un¬
nötigerweise zu corrigiren bestrebt war, aber es ist bekannt, dass
es die Vertreter der normalen Anatomie gewesen sind, die
diesen Irrthum verschuldet hatten, und dass die Gynäkologie und
zwar die deutsche Gynäkologie dem Widerspruche und Spotte
Jener "zum Trotz, den normalen Situs der Gebärmutter festgestellt
und damit den überflüssigen Repositions-Versuchen Halt ge¬
boten hat.
Weiter erinnert S i r W i 11 i a tn an die Castration wegen nervöser
Störungen. Jedenfalls sind die Fälle, in denen, wie er augibt, gesunde
Ovarien exstirpirt wurden, lediglich um Neurosen zu beseitigen,
extrem selten, und es ist doch kaum jemals zu diesem Versuch
gegriffen worden, wenn nicht die übrige Therapie zuvor erschöpft
war, und das Leiden der Patientin sie ohnedies der Fähigkeit zur
Arbeit und zum Genuss beraubte. Solche allgemeine Neurosen,
deren Ursache in tiefstes Dunkel gehüllt ist und die jeder Behand¬
lung zu spotten scheinen, haben von jeher die Aerzte aller Rich¬
tungen beschäftigt und zu den mannigfaltigsten tastenden und fehl¬
greifenden Versuchen geführt; die gänzliche Machtlosigkeit der ärzt¬
lichen Kunst ihnen gegenüber treibt noch heute zahlreiche Opfer
dieser Krankheit in die Hände der gewissenlosen Charlatanerie. Wie
kann es Wunder nehmen, dass sich der eine und der andere Gynä¬
kologe ein oder das andere Mal entschlossen hat, bei einem solchen
unglücklichen Geschöpf die Castration auszuführen, in der Hoffnung,
damit vielleicht den traurigen Zustand der Patientin zu verbessern,
und in dem vollen Bewusstsein, dass eine nennenswerthe Verschlim¬
merung des Zustandes durch die Operation kaum herbeigeführt
werden könne? Ich bin gewiss weit entfernt, dieses Raisonnement
als richtig anzuerkennen, aber ich behaupte auf das Bestimmteste,
dass es keineswegs charakteristisch für die Leichtfertigkeit der gynä¬
kologischen Schule Englands oder Deutschlands ist, sondern dass es
einer allgemein menschlichen und auf allen Gebieten der Medicin
immer wiederkehrenden Denkungsweise entspricht.
Weiter kommt Sir William auf die Naht der Cervixrisse zu
sprechen. Man habe behauptet, meint er, dass solche Risse in
vielen Fällen bösartige Erkrankungen nach sich zögen und habe
daraus die Berechtigung der Operation hergeleitet. Ich weiss nicht,
ob der Redner unter < bösartiger Erkrankung» hier das versteht,
was wir als «bösartige Neubildung» zu bezeichnen pflegen, also
insbesondere den Krebs. Sollte das der Fall sein, so erscheint
seine Behauptung höchst wunderbar, denn man hat wohl noch nie
gehört oder gelesen, dass Cervixrisse aus diesem Grunde genäht
werden. In der That aber wird doch kaum Jemand bestreiten
können, dass einerseits einigermassen beträchtliche Cervixrisse fast
immer chronische Endometritis bedingen, andererseits ihre Schliessung
ein absolut ungefährlicher Eingriff ist, so dass nicht einzusehen ist,
warum man ihn der Patientin nicht vorschlagen sollte. Und wenn
wirklich ein englischer Gynäkologe dem Redner gegenüber, wie
dieser sagt, behauptet hat, dass er unter 900 Frauen, die er unter¬
sucht, 400 mal einen Cervixriss nicht etwa nur gefunden, sondern
auch operirt habe, dann hat er dem würdigen Herrn doch offen¬
bar — einen Bären aufgebunden.
Sir William schliesst das Sündenregister, das er seinen Col¬
legen vorhält, mit einem kleinen Hiebe gegen die allzu häufigen
Operationen an den Adnexen, denen man nach des Redners Meinung
doch lieber «eine Chance, ihre wichtige Function zu erfüllen, lassen
sollte». Wo aber die Gynäkologen sind, welche Adnexorgane ent¬
fernen, deren Functionen wieder herstellbar wären, gibt Sir Willi»? 1
nicht an. Es sei uns gestattet, auf diesen Punkt noch ein wenig
näher einzugehen. Eine Peritonitis im Bereich der Uterusadnexe
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5
2. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
523
bedingt in der Regel erhebliche Gesundheitsstörungen. Man kann
sich leicht überzeugen, dass die Verklebungen zwischen dem Eileiter,
dem Ovarium und ihren Nachbarorganen ebensowohl, wie die Zu-
sammenlötbung des Ovariurr.s und der Tubenwindungen ganz be¬
trächtliche Circulationsstauungen im Genitalapparat und darüber
hinaus, und in deren Folge quälende Schmerzen, schwere Obstipation,
Ernährungsrückgang, Arbeitsunfähigkeit verursachen. Nun ist
sicherlich nicht zu bestreiten, dass die Gynäkologen die verschieden¬
artigsten Versuche gemacht haben, und noch fortwährend machen,
durch ein conservatives Verfahren den normalen Zustand in
solchen Adnexen wiederherzustellen. Man hat sich aber überzeugen
müssen, dass alle Einspritzungen, Spülungen, Application von Tam¬
pons, Massage u. s. w. diesem Leiden gegenüber machtlos sind.
Dabei braucht nicht weiter auseinandergesetzt zu werden, dass die
Adnexe in diesem Krankheitszustande auch ihren natürlichen Func¬
tionen nicht gerecht werden. Es gibt daher dieser Erkrankung
gegenüber zur Zeit kein anderes Heilmittel, als den directen opera¬
tiven Eingriff. Erst nachdem man die Organe dem Auge oder dem
Finger zugänglich gemacht und die Verwachsungen gelöst hat, wird
man im Stande sein, zu entscheiden, oh eine Wiederherstellung der
Functionen möglich ist, oder ob uns ein Organ vorliegt, dessen
Zurücklassung der Patientin lediglich Gefahr, aber keinen Nutzen
bringen würde. Dass irgend ein Gynäkologe Englands oder Deutsch¬
lands im ersten Falle das Organ exstirpirt, ist wohl sicher ausge¬
schlossen; höchstens kann je nach der Erfahrung oder dem Tem¬
perament der Eine den Befund optimistischer, der Andere ihn pessi¬
mistischer beurtheilcn und danach sich für oder gegen die Exstir¬
pation entscheiden.
So steht Sir William Priestley also gegenüber dieser letzt¬
erwähnten Frage auf dem Standpunkte eines vorurtheilsvollen und
feindseligen Kritikers, indem er den Männern, die er angreift, ganz
unberechtigter Weise die Gesinnung unterstellt, als vermöchten sie
auch da, wo sie eine Chance sehen, die normale Function der
Adnexe wiederherzustellen, bewussterweise diese Chance unberück¬
sichtigt zu lassen.
Was bleibt also von diesen Anschuldigungen übrig, das den
Redner berechtigen könnte, mit Verneuil von einem «d61ire
operatoire » zu sprechen, oder mit einem amerikanischen Autor den
Operationseifer der Gynäkologen mit den Aufregungen einer Fuchs¬
jagd zu vergleichen? Solche Anschuldigungen sind durch das, was
der Redner hat Vorbringen können, wahrlich nicht gerechtfertigt und
können daher nur als eine unerwiesene Verdächtigung des eigenen
Standes bezeichnet werden, den ein Mann in so hervorragender
Stellung vor Allem in Ehren halten sollte.
Fragen wir uns, welche thatsächlichen Uebelstände den Anlass
zu einer derartigen Rede gegeben und ihr einen gewissen zustim¬
menden Widerhall aus dem Kreise der Collegen verschafft haben
können, so wollen wir zunächst zugeben, dass wir auch in der
Gynäkologie unlautere Elemente, auf welche solche Vorwürfe mehr
oder weniger passen, haben mögen. Es ging das Gerücht, dass
Sir William Priestley's Kritik sich wesentlich gegen einen
englischen Gynäkologen gerichtet hätte, der als Operateur sich einen
Weltruf erworben, in den letzten Zeiten aber auch durch einen
schweren Vorwurf, der wegen seines sittlichen Verhaltens gegen ihn
gerichtet wurde, ein weit reichendes Aufsehen erregt hat. Sollte
jenes Gerücht die Wahrheit getroffen haben, so ist es jedenfalls
seht zu bedauern, dass nichts in den Worten Sir Williams die
Absicht, vornehmlich ein bestimmtes Individuum zu geisseln,
verräth. Wie in jedem Stande, so gibt es auch in dem ärztlichen,
und wie in dem ärztlichen Stande, so auch in jedem seiner speci-
elleren Berufskreise sittlich anfechtbare Individuen, denen wohl
auch ein operativer Eingriff aus moralisch verwerflichen Gründen
zuzutrauen sein mag. Wenn jedoch in dieser Hinsicht Unterschiede
zwischen den einzelnen Specialfächern existiren sollten, — was ich
nicht behaupten will — so dürfte mau wohl eher noch solche zu
Gunsten, als solche zu Ungunsten der Gynäkologen vermuthen;
es liegt ja auf der Hand, dass die Frau, die sich hilflos in die
Hände eines Arztes gibt, dass der Vater, der seine Tochter, der
Ehemann, der seine Gattin einem anderen Manne anvertraut, dies
in der Regel nur thun wird, wenn die Charakterstärke und Sitten¬
reinheit des betreffenden Arztes bei seinen Mitbürgern ausser Zweifel
steht. Selten wird es einem frivolen und unzuverlässigen Arzte
gelingen, sich gerade auf diesem Gebiete seiner Kunst eine an¬
sehnliche Stellung zu verschaffen und zu erhalten. Einen Rück¬
schluss von der Immoralität einiger weniger Individuen auf den
ganzen Stand zu ziehen, ist daher gänzlich unberechtigt und muss
zu völlig irrigen Ergebnissen führen. Unsere Erachtens hätte Sir
William diesem Gedanken, den wir in seiner Rede gänzlich ver¬
missen, unbedingt Ausdruck geben müssen.
Eine weitere bedauerliche aber unleugbare Thatsache ist die,
daBB selbstverständlich auch in der Gynäkologie Operationen auf
Grund von irrigen Diagnosen Vorkommen. Irren ist menschlich, und
so kann es selbst dem erfahrensten und scharfsichtigsten Fachmanne
einmal Vorkommen, dass er eine Erkrankung zu finden glaubt, wo
keine solche vorhanden ist, und dass er daher eine Operation aus¬
führt, von der er nachträelich selbst wird eingestehen müssen, dass
sie verfehlt war. Auch kann es natürlich nicht ausbleiben, dass
gelegentlich ein Gynäkologe seine diagnostische Fähigkeit über¬
schätzt und sich eine Indicationsstellung zutraut, für die seine
Fähigkeiten nicht ausreicben, Und selbst, wenn die Diagnose richtig
gestellt und der Zweck des operativen Eingriffs richtig bestimmt ist,
so gehört immer noch eine gewisse logische Begabung dazu, sofort
richtig zu erkennen, wie dieser Zweck am ungefährlichsten zu
erreichen ist. Haben wir doch vor wenigen Tagen erst in der
Berliner medicinischen Gesellschaft erlebt, dass ein Gynäkologe, der
selbst unter Bezugnahme auf Sir Priestley’s Rede die Operations-
wuth anderer Gynäkologen heftig tadelte, in eben demselben Vor¬
trage bekannte, dass er einer Kreissenden gelegentlich des Kaiser¬
schnitts den Uterus nach Porro (also sammt den Adnexen)
amputirt habe, um — sie vor späteren Schwangerschaften zu bewahren.
Dass das sog. Climacterium praecox meist grosse Beschwerden ver¬
ursacht, dass der Uterus ausser der Aufnahme der sich entwickelnden
Frucht auch noch andere Functionen zu erfüllen hat, wusste jener
College sicherlich; aber er ist offenbar nicht auf den Gedanken
gekommen, dass er die künftige Sterilität seiner Patientin auch
durch Verschluss der Tuben sichern konnte. Sollen und dürfen
wir ihn desshalb, wie er seine Collegen, der «Operationswuth»
zeihen? Ich meinerseits bin weit entfernt von solcher Ungerechtigkeit.
Iin Grossen und Ganzen übrigens werden Fehler dieser Art
weit seltener von dem eigentlichen Gynäkologen von Fach begangen,
nls von solchen Aerzten, die im Vertrauen auf ihre technische Ge¬
schicklichkeit mit den Gynäkologen zu concurriren wünschen und dabei
ganz vergessen, dass gerade die exacte Indicationsstellung die
Hauptsache, die Ausführung der Operation aber die Nebensache
ist, und dass die Indication weit sicherer von einem mässig be¬
schäftigten Gynäkologen gestellt werden kann, nls von dem renom-
mirtesten Chirurgen, dem es doch immerhin an der intensiven Ver¬
tiefung in dieses Specialgebiet fehlt. Wir tragen kein Bedenken,
die unseres Erachtens wissenschaftlich nicht zu rechtfertigende
Indicationsstellung. auf Grund deren die führenden Chirurgen der
französischen Schule heute Radical-Exstirpationen des gesammten
inneren weiblichen Genitalapparates massenhaft vornehmen, auf
diese Unterschätzung der speciellen gynäkologischen Schulung zurück¬
zuführen, und wenn es jenen Männern gelungen ist, auch eine An¬
zahl französischer Gynäkologen auf ihren Irrpfaden nach sich
zu ziehen, so bleibt auch hier die schwerste Last der Verantwortung
nicht auf den Schultern der Gynäkologie, sondern auf denen der¬
jenigen Collegen, die ihr ins Handwerk pfuschen.
Noch eines dritten Missstandes müssen wir gedenken, der
nicht wegzuleugnen ist; es ist der, dass auch die wirklich Sach¬
verständigen und unzweifelhaft gewissenhaften Männer nicht im
Stande sind, für jede neue Operation von vornherein die Indicationen
genau festzustellen. Der Nutzen, die Gefahr einer Operation können
erst in dem Maasse, wie sich die Erfahrungen mehren, mit Sicher¬
heit erkannt werden, und so ist es allerdings möglich, dass solche
Operationen bald in zu grossem Umfange, bald in zu ängstlicher
Beschränkung ausgeführt werden; dass man vielleicht auch eine
Anfangs enthusiastisch begrüsste Operationsweise völlig wieder ver¬
lassen muss, weil sich Gefahren, an die man nicht gedacht hatte
und nach dem Stande der Wissenschaft nicht hat denken können,
nachträglich gezeigt haben. Das ist aber nichts, als das gemeine
Loos menschlicher Unvollkommenheit und trifft für jeden andern
Zweig der Medicin zu; höchstens die Homöopathie, Sympathie,
und ähnliche Richtungen, hei welchen an die Stelle eines wirklichen
Eingriffs nur die Vorspiegelung eines solchen tritt, sind von diesem
Nachtheil frei. Muss ich daran erinnern, wie man vor Jenner
die echte Variola, später die Syphilis inoculirte? Welcher Schaden
mit dem Tuberculin angerichtet worden ist? Wie man von der
totalen Strumectomie hat zurückkommen müssen? u. 8. f.
Endlich wollen wir noch eines Fehlers gedenken, dessen sich
in der Tbat eine nicht unerhebliche Anzahl von Gynäkologen schuldig
macht; es ist dies die Veröffentlichung von Statistiken mit grossen
Operationsziffern, bei denen zwar der Anschein gewahrt wird, als
ob sie wissenschaftliche Thatsachen beweisen sollen, die aber doch
immerhin auf Viele den Eindruck machen, als sollten sie einer
gewissen Reclame dienen. Wenn auch der Kundige nicht im Zweitel
darüber ist, dass die grosse Frequenz mancher poliklinischen Institute
oder der Weltruf ihrer Leiter wirklich ein so colossales Material
zusammenbringen, dass selbst bei strictester Indicationsstellung jene
ungeheuren Operationsziffem zu Stande kommen, 8 ° 18 * e ®
natürlich unmöglich, dass der Gelehrte, der sie veröffentlicht, für
jeden einzelnen Fall den Nach weis der stricten Indication wirklich
liefere, und so wird bei minder wohlwollenden Lesern gar zu leicht,
namentlich wenn die Ziffer an und für sich nichts zur Sache tbut,
der Verdacht erregt, als komme es dem betreffenden Operateur in
erster Linie darauf an, die Welt durch die Zahl seiner Operationen
zu verblüffen, und als sei ihm bei solchem Bestreben eine Ver¬
nachlässigung der Indication wohl zuzutrauen. Ziehen wir daraus
die Lehre, Operationsstatistiken nur dann zu pubhciren, wenn sie
wirklich etwas beweisen, und das Publicum vor allen Dingen nicht
mit Mortalitätsstatistiken zu überschwemmen, die in der lliat gar
nichts besagen, weil die Schwierigkeit des einzelnen Falles, cue
Geschicklichkeit des Operateurs, die Tüchtigkeit seiner Assistenz,
die Gewissenhaftigkeit der Antisepsis, also eine Reihe , de ^ 8l1 ^'
wichtigsten Factoren, dabei gamicht zahlenmässig in Rechnung ge¬
bracht werden können!
Nachdem wir versucht haben, die Vorwürfe des enghschen
Gynäkologen auf ihr richtiges Maass zurückzuführen, sei es uns
gestattet, auch die Kehrseite der Sache zu betrachten. ^
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MÜNCHEN KU mk dicintscuk wocnK NSüim^
No. 22.
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Zeitpunkt für-die^P^J^^iS’hin^ihleppen, weil man {*«
und moralisch gebroden eini sieche eH hfttf Btatt sie dem Sch
sie mit Morphium und dergleic g die Za hl der letzteren
Gynäkologen und noch mehr. Man
jene erste zweifellos um das £ gelingt, die Gewissen¬
kann daher wohl 8ag ?“’ . der Gynäkologen vor ihren andern I
haftigkeit und Zuverläss gkeit der ^ ";* 0 v | rtrauen zu ihnen in
Berufsgenossen zu verdächtigen un me hr Menschenleben f,I>
weiten ärztlichen Kreisen zu ersdiüt ern, mew ^ durch
dadurch dem Untergange w«ht ; ^ Pn
Operationen mit irriger In ^ a hter Absicht und ohne irgend I
Mag Sir W11 vnrn r t-heil* gegen^eine Berufsgenossen gehalten bei
welches gehässig« icher lich durch ihre unglückliche , K
von Begründung: gegeben.De.bertreib^ enzutre ten, ist I fin
Therap e mit. B *® h 0 1 iS* r v f JiVeo.tliSf Handlung; sie 1 l,y
Ä;:än t 8« Ä;; ch ffi und U,
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ehrenwerthen Standes verallgemeinern. K
Referate und Bücheranzeigen. -ü
W Snalteliolz, ausserordentlicher Professor an der Uni- I ("
ver,i«'wK Handatlas der Anatomie des Menschen,
in 750 theils farbigen Abbildungen mit Text. Mit Pntcrstützung d
von W. HiS, Professor an der Universität Leipzig. Leipzig, ^
Vi'rlatr von S. Hirzel. 1895- . .1
Der Atlas von Spalteholz soll die desenptive Anatomie c
umfassen mit möglichstem Einschluss aller Verhältnisse, di ttwa
noch unter Lupenvergrösserung zu erkennen sind. Das Werk ir
scheint in 3 Abtheilungen, jede zum Preise von etwa 10 Mk.,
von denen die ernte, die Knochen- und Banderlehre, hwito vor-
liegt. Der Atlas legt die «neue» anatomische Nomenclatur zu
Grunde; die Abbildungen sind zum geringeren Theilc durch Zinko¬
graphie, grösstentheils im Autotypieverfahren hergestellt.
Auch dieser Atlas der Anatomie ist, wie der bereits früher
besprochene Toldt’sche ein durchaus sorgfältiges, charaktervolles
Werk, das gewiss, und mit Recht, eine weite Verbreitung fanden
wird Die Zahl der Abbildungen ist nicht übermässig gross, aber
durchaus genügend und die Einzeldarstellungen sind mit Umsicht
ausgewählt. Die Knochencntwicklung wird, wie es scheint, gar
nicht berührt werden; Abbildungen, betreffend die Knochen -
structur folgen später nach, desgleichen würden einige Illustrationen
zur allgemeinen Gclenklel.ro recht erwünscht sein. Der Text ist
kurz und gut, aber wie dem Referenten scheint, ungloichiuassig
an Ausdehnung bei den verschiedenen Gegenständen. Was die
Abbildungen selber anlangt, so hat man heutzutage gegenüber den
vielen modernen autotypischen Vor fahr ungsweisen ein berechtigtes
Vorurthcil. Dass jedoch ausgezeichnete Erfolge erzielt werden
können, zeigt das vorliegende Werk. Wirschen da Abbildungen
vom Hüftbein, von. Schulterblatte, vom Rippenkorb, der Wirbel¬
säule etc., wie sie schöner gar nicht gedacht werden können : da
haben wir eine plastische Gegenständlichkeit vom allerersten
Range. Es kommt hinzu, dass vom Korn der Clieliees mit
blossem Auge kaum etwas gesehen werden kann und da auf sehr
schönem, ganz glattem, rein weissem Papier abgedruckt worden ist, |
so sind auch sehr feine Einzelheiten der Zeichnung zum \ er¬
schein gekommen. Leider hat das benutzte Verviolfältigungsvcr-
falircn offenbar auch seine Naclithcile, denn manche Details der
Zeichnung, die etwas mehr im Schatten liegen, sind von tiefer
Schwärze bedeckt. Eine Orbita z. B. sieht aus, als ob sie mit
Röntgen's Strahlen photographirt wäre. Doch das sind in An¬
sehung der sonstigen Vorzüge der bildlichen Wiedergabe unwesent¬
liche Dinge und es wird wohl Geschmackssache bleiben, ob man
an einem guten Holzschnittwerk, wie dem Toi dt’sehen Atlas,
oder an diesen Bildern mehr G fallen findet. Eine offenbare
Glanzleistung versprechen die Illustrationen zur Bäiiderlehre zu
werden. Die wenigen hierher gehörigen, am Schlüsse der ersten
Lieferung bereits vortindliclien Abbildungen zeigen die freiliegende
Knoehensubstanz gelblich getönt und die Bandmassen heben sich
. . : n r( >inlicher Schärfe und überaus plastisch
* in der That ei—
V i/hP Bleiben die nächstfolgenden Lieferungen auf der
Dr. Jos. Breoor »'»1 Dr Signi. Fleid: Studien
ul,er Hysterie. Uii-w 269 S '
Prl ' iS ,w“ li u,it einem »Urten Atfeot verbundene Erlcbni»» be«irkt
I einen,
en » KCOnvertirt» »f £^«nmh.indt dann al» et«»»
gen Zustande ein (Anteile, WH " —
ÄÄ «jjt
;jt inäLtsz
“Tden’ÄÄn, die vielleicht auch an de, M
drängen, der Affcct denselben bleibt aber und eonverürt »mb
asc.i, so schwindet das hysterische. Symptom.
Die Convcrsion des Affectos geschieht gewöhnlich m der
lass iiire Liebe überhaupt aussichtslos sein müsse, veran as ,
len Gedanken an diese ganz zu verbannen. Von d.cser Zci^
vird sie beständig von der Geruchswahrnchmung dcsCigarrenrou
,erfolgt. Die Präposition gerade für Geruchshallucinationen wa
durch Caries des Siebbeines gegeben.
Wie liier, wirken beim Zustandekommen der Convemog
abgesehen von der nervösen Disposition meistens »'«brere Momente
zusammen und in der Regel folgt nach dem
gerade wie bei den traumatischen Neurosen noch ein g
Incubationsstadium, während dessen das Symptom gei ^
arbeitet wird, bis neue Anlässe die Krankheit zu manifestem
Ausbruch bringen. , • t n ; c ht
Zur Behandlung »olcber Kranker benutz Freud mrnt meb
die Hypnose, sondern einen Zustand der .^„oemtrat»^ ’mtanden
mit Druck auf den Kopf, wodurch er d» Kette derm.t
Choc zusammenhängenden Ereignisse irgendwo aufgrerfen k
um dieselbe in sehr complicirter Weise, oft während v.dcrWoch^,
bis zu jenem massgebenden Ereignis« zu verfolgt • , . , j
Ziel erreicht, so war auch der mit dom kritischen hrlebmss
sammenhäiigendc Symptomencomplcx verschwunden.
Die Verfasser geben zur Dlustration der HauptHmn.«
fünf, aber sehr ausführliche Krankengeschichten. Mj> k
sic desshalb nicht publiciren, weil wie f^t immer m ^hällen
sexuelle Vorkommnisse aufgedeckt wurden. S.cknapfen ^
ihre Entdeckung sehr interessante theoretische Betrachtung ,
ich indessen dem Referate entziehen. . Pji r
Vieles müssen sic späteren Aufklärungen überlassen,
manche ihrer Behauptungen fehlt auch der stricte systculH
Zeit ist die Auffassung, dass jede Erregung -de«
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2. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
525
durch irgend eine Reaction verbraucht werden müsse, eine allerdings
oft geäusserte, aber durchaus nicht bewiesene. Auch sind wir von
einer Definition der Hypnose noch so weit, dass wir nicht sicher
annehmen dürfen, dass jener Zustand der Concentration nicht eine
etwas anders als gewöhnlich geartete Hypnose war, sowie gar nicht
ausgeschlossen wird, dass die therapeutischen Erfolge der «kathar-
tischen Methode» nicht in der Abreagirung eines unterdrückten
Affectes, sondern einfach in der Suggestion begründet seien.
Sei dem aber wie ihm wolle, das Thatsächliehe, was das
Buch bringt, eröffnet einen ganz neuen Einblick in den psychischen
Mechanismus und macht es zu einer der wichtigsten Erscheinungen
der letzten Jahre auf dem (iebiet der normalen oder pathologischen
Psychologie. Bleuler.
Pathogenie et traitement de l’^pilepsie par les Drs.
Arthur Claus et Omer van der Stricht, Bruxelles,
Henri Lamartin, 1896. (Memoire couronne par 1’acadcmic
royale de medecine de Belgiiptc). 268 Seiten. 8 Tafeln.
Nach den Untersuchungen der Verfasser wäre die Ursache
der Epilepsie eine (unbekannte) Anomalie des Stoffwechsels, welche
toxische Substanzen in die Circulation bringt. Dadurch entsteht
eine allgemeine Arteritis, die wiederum eine entzündliche Sklerose
nicht nur im Centraluervensystem, sondern auch in fast allen
andern Organen erzeugt. Die Entzündung mit den secundärcn
Veränderungen der eigentlichen nervösen Gewebsbestandtheile be¬
dingt dann die epileptischen Anfälle. Die erste Ursache der Er¬
krankung ist irgend eine Infection oder eine Vergiftung. Nach
einem Typhus abd. z. B. entstehen Epilepsie, Chorea, Paralysis
agitans, Dementia paralytica, Tabes oder andere Nervenkrankheiten
je nach der Disposition des Individuums. Anatomisch sind diese
Krankheiten nicht principiell verschieden; das gleiche anatomische
Bild geben auch «die Infectionskrankhciton und die Intoxicationcn».
Ein Beweis für diese Auffassung fehlt. 4 Autopsien
von hochgradig heruntergekommenen Kranken beweisen trotz der
sorgfältigen und eingehenden Untersuchung nichts. Der von den
Verfassern beschriebene Hirnbefund kommt auch bei Nichtepilcp-
tischen vor. In Betreff der Anomalien der Körperorganc fehlt
der Beweis des directen Zusammenhangs mit der Epilepsie; die¬
selben sind wohl zum grossen Theil vom Marasmus abhängig.
Auch in den Details finden sich viele unbegründete Behaup¬
tungen. Ein hübsch regelmässig gezeiehnetes Oval auf pag. 1 HS,
welches die Form eines hochgradig asymmetrischen Schädels wieder¬
geben soll, bildet eine ganz unerlaubte Zumuthung an die Gläubig¬
keit des Lesers. Etwas komisch wirkt .cs, wenn die Verfasser
einen «Typus epilepticus» aufstcllen, wobei sic die Methode
Lombroso’s im Kleinen bis auf die falsch berechneten Durch¬
schnittszahlen genau copiren und dazu bemerken, sic möchten ihre
Arbeit nicht identificircn mit den «unglücklichen, 18S9 begrabenen»
Aufstellungen Lombroso’s, ihr Object sei ein reales, durchaus
gleichartiges, während der Verbrechertypus auf der von den Sitten
abhängigen, variablen Idee des Verbrechens basire. Dabei ver¬
gessen sie, dass cs wohl so viel Arten von Epilepsien als von
Verbrechern gibt und dass Lonibroso aus den letztem nur eine
bestimmte Gruppe herausgreifen und charakterisiren will.
Bleuler.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 21.
v. Jak sch: Beitrag zur Kenntniss der Uricacidämie der
Nephritiker.
Verfasser hat in 8 Fällen in dem Blute von Nephritikern mit
schweren nephritischen Symptomen Harnsäure nachweisen können ;
m einer früher mitgetheilten Versuchsreihe fand er unter 10 Fällen
8 mal Harnsäure im Blute. Danach wurde also in 88,88 Proc. der
Fälle der Nachweis von Harnsäure im Blute der Nephritiker erbracht.
Ein Kranker hatte während des Bestehens urämischer Anfälle sehr
grosse Mengen Harnsäure; zur Zeit jedoch, als keine Urämie be¬
stand, nur Spuren dieses Körpers. Es deutet dies mit Bestimmtheit
darauf hin, dass während der urämischen Anfälle Harnsäure im Blute
retmirt wird. W. Zinn- Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 20 und 21.
No. 20. Hoffa: Zur Bruchbandfrage. 1) Bruchband für
leisten- und Schenkelbrüche.
Von der Ansicht ausgehend, dass ein richtiges Bruchband
seinen Angriffspunkt oberhalb des Schambeinastes haben müsse
und dass der Druck bei gewöhnlichem, indirectem Bruch von unten
innen nach oben aussen wirken müsse, empfiehlt H. ein Band,
dessen Pelotte (nur für kleine Brüche von bimförmiger Gestalt)
nicht in die Verlängerung der Feder gesetzt, sondern rechtwinklig
zum Ende dieser letzteren und mit diesem durch ein Charnier-
gelenk drehbar verbunden ist, so dass der Druck beliebig regulirt
werden kann, während zur Fixirung der jeweiligen Stellung ein
zwischen den Gewinden des Charniers angebrachtes Zahnrad dient
(in das eine an der Pelotte befestigte Stahlfeder einschnappt).
Näheres und Abbildungen siehe im Original.
2) Bandage für Bauchbrüche, Nabelhernien, HAngebäuche,
Wandernieren.
Um die Verschieblichkeit der gewöhnlichen Bauchbandagen zu
vermeiden, empfiehlt H eine neue Bandage, ein gewissermassen
bis zur Taille reichendes Skoliosencorsett, das auch in den schwersten
Fällen mit vollem Erfolg getragen wurde, das mit Schenkelriemen
versehen getragen wird und dessen den Darmbeinkämmen ent¬
sprechenden Metallbügel für jeden Fall besonders augepasst werden
müssen. Siehe Abbildungen.
No. 21. 1) Dr. W. Kram er-Gr. Glogau: Zur Lehre von
der Pneumatocele cranii occipitalis und deren Behandlung.
K. theilt einen von den gewöhnlichen Fällen dieser Affection
(bei denen die zwischen Schädelknochen und Pericranium aufgetretene
Luftansammlung in der Gegend des Warzenfortsatzes ihren Anfang
nahm) abweichenden Fall mit, bei einem 2öjäbr. Arbeiter, der mit
dem Hinterkopf sich gegen einen stumpfen Haken gestossen hatte,
abgesehen von Schmerz und leichtem Bluterguss unter der Kopf¬
schwarte keine Störungen darbot und bei dem nach 4 Wochen dicht
neben der Mittellinie des Hinterkopfes eine zunehmende Geschwulst
mit tymp. Schall auftrat (die schliesslich nach abwärts bis zur Protub.
occip. interna, median bis an die Mittellinie, seitlich bis 3,5 cm von
der hinteren Grenze des 1. Warzenfortsatzes reichte). Die Incision
bestätigte die Diagnose, es fand sich eine 10pfennigstückgrosse
Stelle der Lam. interna eingedrückt, im Centrum der Bruchstelle
war eine streichholzkopfgrosse Lücke, durch die die Sonde 2 cm
nach vorn aussen gelangte; bei starkem Pressen konnte Luftaustritt
aus dieser Stelle nicht beobachtet werden. Kr. nimmt an, dass die
lufthaltigen Zellen des Warzenfortsatzes hier über die Sutura mastoidea
hinaus in das Os occipitale fortgesetzt waren. Der Operation folgte
2 mal Recidiv trotz Jodpinselung etc. und trat die def. Heilung erst
nach einer Lappenüberpflanzung (mit dünner Knochenschichte) auf
die betr. Stelle ein.
2) Borelius-Karlocrona: Zur Castration gegen Prostata¬
hypertrophie. (Mittheilung eines Falles von auffallend verändertem
Allgemeinbefinden, Stupidität 9—10 Tage nach der Operation bei
reactionaloser Heilung.) Sehr.
Archiv für Gynäkologie, 51. Bd. 2. Heft.
1) Jungm ann-Hamburg: Beitrag zur Behandlung der Ge-
sichtslagen durch manuelle Umwandlung in Hinterbauptslagen.
(Univ.-Frauenklinik München.)
Steht bei Gesichtslagen das Kinn nach hinten, so ist eine
Geburt meist unmöglich; man kann die pathologische Stellung in
eine Schädellage umzuwandein versuchen, und zwar nach Baude-
locque durch manuelle Drehung des Kopfes, nach Schatz durch
äussere Handgriffe, welche die falsche Krümmung des Rumpfes
verbessern; Thorn hat beide Methoden erfolgreich combinirt, indem
er von innen das Gesicht nach oben und das Hinterhaupt von innen
oder aussen nach unten drängt, während gleichzeitig ein Assistent
die vordere Schulter nach der Rückenseite und oben, den Steiss
nach der Bauchseite und unten drängt. Jungmann beschreibt
3 auf diese Weise mit (zum Theil überraschend schnellem) Erfolg
behandelte Fälle und empfiehlt die Methode für mento-posteriore
Gesichtslagen, wenn der Muttermund für 2—3 Finger durchgängig,
das Becken normal oder mässig verengt, das Kind noch genügend
beweglich ist.
2) Saft: Beitrag zur Lehre von der Albuminurie in der
Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett und von ihrem
Verhältniss zur Eklampsie. (Prov-Heb.-Lehranst. Breslau.)
Auf Grund der Ham-Untersuchungen bei 314 Schwangeren,
306 Kreissenden und 87 Wöchnerinnen kommt S. zu dem Ergebniss,
dass Albuminurie in der Schwangerschaft prognostisch nicht so
ungünstig sei, als es früher von andern Untersachern angegeben
wurde. S. fand bei 5,4 Proc. der Schwangeren Albuminurie, bei
Erstgeschwängerten häufiger (5,9 Proc.) als bei Mehrgeschwängerten
(4,1 Proc.); bei der Geburt Erstgebärender ist Albuminurie häufiger
(32 Proc.) und stärker als bei Mehrgebärenden (22,6 Proc.). — Die
Schwangerschaftsniere entsteht durch Aotointoxication des Organismus
in Folge des Stoffwechsels; diese degenerativen Processe in der
Niere haben nichts mit Nephritis zu thun. Theoretisch kommt S.
zur Bestätigung der zuletzt von Chrobak, Ludwig und Savor
gestützten Anschauung, dass Eklampsie durch Störung des Stoff¬
wechsels und Bildung toxischer Substanzen entstehe; die Ver¬
änderungen der Nieren, Leber u. s. w. hält S. für secundär.
3) Hergenhahn-Frankfurt a/M.: Ueber die Perforation
des nachfolgenden Kopfes. (Kgl. Frauenklinik Dresden.)
In letzter Zeit wurde für die Perforation des nachfolgenden
Kopfes theils der Weg vom Damme aus durch den Mundboden
(Strassmann), theils unter dem Schambogen in die Schädel-
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526
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 22.
kapsel (v. Herff) empfohlen. H. berichtet über 46 Perforationen,
bei welchen sich der letztere Weg als der bessere erwies; es wurde
25 mal vom Foramen magnuro, 2 mal seitlich am Hinterhaupte,
9 mal am Os occipitis, 3 mal an der kleinen Fontanelle, 4 mal an der
Seitenfontanelle, lmal am Os parietale und nur 2 mal an der Basis
cranii mit dem scheerenförmigen Perforatorium von Siebold ein¬
gegangen. Die Operation wird bei abgestorbener Frucht sofort
ausgeführt, wenn andere Methoden der Entbindung nicht zum
Ziele führen.
4) Sokoloff: Ueber den Einfluss der Ovarien-Exstirpation
auf Structurveränderungen des Uterus. (Pathol. Institut Moskau.)
Nach Castration bleibt der Uterus in der Entwicklung still
stehen oder er verfällt einer gänzlichen Atrophie. Die histologischen
Veränderungen, welche dabei stattlinden, hat S. an 16 neugeborenen
und erwachsenen Hündinen von 20 Tagen bis zu 1 Jahr und 2 Monaten
nach der Castration untersucht. Es fand sich eine Atrophie der
Muscularis und zwar zuerst der Circularmuskelschicht, welche im
4. Monat nach der Operation den höchsten Grad der Atrophie
erreicht; die Längsmuskelschicht wird später und zwar zunehmend
atrophisch. Die Mucosa blieb unverändert Für die Atrophie der
Muscularis macht S. die Entfernung nervöser Centren in und mit
den Ovarien verantwortlich. Es handelt sich nur um quantitative
Atrophie durch fehlende Function.
5) Gsell: Ueber ein intraligamentär entwickeltes Teratom
des weiblichen Genitalapparates. (Frauenklinik Zürich.)
Intraligamentärer Tumor neben dem Uterus, welcher sympto¬
matisch einer exsudativen I’arametritis glich, mikroskopisch aus
bindegewebigen (Bindegewebe, Knorpel) und epithelialen (Drüsen¬
schläuche, solide Epithelstränge) Bestandtheilen aufgebaut war, und
nach der Operation durch Recidiv (neben Leber-Metastasen) zum
Tode führte.
6) Savor: Ueber Beckenneigung (Universitäts Frauenkli’ik
Wien, Chrobak.)
Mit Hilfe eines von Chrobak angegebenen Apparates bestimmte
5. die Beckenneigung bei 8 getrocknet* n und 30 frischen weiblichen
Becken. Er fand die Neigung der Conjugata externa bezw. vera an
trockenen Becken 45° bezw. 51,4°, bei frischen Becken 46,6° bezw.
51,8° gross. Die Neigung der Conj. vera gegen die Horizontalebene
ist am normalen Becken durchschnittlich 5° grösser, als die der
externa; diese Differenz ist bei grossen Becken grösser (8,8°), bei
einfach-platten Becken noch grösser (12,9°), bei rhachitisch-platten
dagegen kleiner (V* 0 ), ja sie kann sogar umgekehrt sein. Dieser
Unterschied ist diagnostisch für einfach- oder rhachitisch-platte Becken
verwerthbar.
7) Schreiber: Ein Beitrag zur Statistik der Eklampsie.
(Universitäts Frauenklinik Wien, Chrobak)
Eine überaus sorgfältige statistische Arbeit auf Grund des in der
Literatur enthaltenen und 1880—95 an der II Wiener Gebärklinik
beobachteten Materials. In diesen 15 Jahren entfielen auf 42607
Geburten 137 Eklampsiefälle — 3,21 °/oo. Von den reichhaltigen Er¬
gebnissen der Arbeit S.'s sei Folgendes erwähnt: 79,5 Proc. der
Mütter waren I. parae; in 8,7 Proc. bestand Zwillinesschwangerschaft ;
die abnorm lange Dauer des Status eklampticus muss nicht un¬
günstigen Ausgang bedingen; ein ungünstiger Einfluss des Frucht¬
todes auf den Verlauf der E. ist nicht festzustellen. In 64,7 Proc.
wirkt die Entleerung des Uterus günstig. Die Mortalität beträgt
durchschnittlich 19,7 Proc. (in einzelnen Jahren von 0 — 37,5 Proc.
schwankend). Nur die schonende Entleerung des Uterus wirkt aber
günstig; forcirte Entbindung wirkt ungünstig, also ist conservative
Behandlung vorzuziehen.
8) MaaB: Ueber die Tuberculose der weiblichen Genitalien
im Kindesalter. (Pathol. Institut Bonn.)
1 eigener Fall, 7 aus der Literatur. In dem von M. unter¬
suchten Falle bestund Tuberculose des Uterus und der Tuben bei
einem 5jährigen Mädchen. Eingangspforte der Bacillen vermutlich
der Nabel.
9) v. Herff: Giebt es ein sympathisches Ganglion im
menschlichen Ovarium? (Universitäts-Frauenklinik Halle a/8.)
v. H., dem wir bekanntlich eine werthvolle Arbeit über die
Nerven des Ovarium verdanken, kommt zu dem Ergebniss, dass die
von Winterhalter (Arch. f. Gyn., 51. Bd ) beschriebene Beobach¬
tung eines Ganglion im Ovarium einem Irrthum entspringt; W.
hatte ein solches Ganglion mit der Auslösung der menstrualen
Blutung in Beziehung gebracht. Dass Ganglienzellen im Ovarium
vorhanden sind, hält v. H. für wahrscheinlich, aber für ungenügend
klargelegt. Gustav K1 e i n - München.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 21.
1) R. Chrobak-Wien; Bemerkungen zum Aufsatz von
Ahlfeld in No. 14 dieses Blattes.
C. vertheidigt den von Ahlfeld (s. d. Wot^ienschr. No. 15,
S. 346) anlässlich des Esser’schen Geburtsfalles angegriffenen Fall
von H. Ludwig aus C.'s Klinik (s. d. Wochenschr. No. 4, S. 85),
der eine Sectio caesarea bei einem todtfaulen Riesenkind aus¬
geführt. Erschöpfung und Fieber der Mutter, todtfauler Foetus
und Tympania Uteri bildeten die Indication, die nach C. in solchen
Fällen allgemein anerkannt sei.
2) A. Mackenrodt-Berlin: Ueber den künstlichen Ersatz
der Scheide.
Die Behandlung der Scheidenatresie kommt in Frage, wenn
der Uterus menstruirt und ferner bei erworbenen narbigen Atresien.
Die bisherigen Versuche, die künstlich gebildete Scheide durch
Tamponade offen zu halten, glückten nur selten und meistens nicht
dauernd. Als Ersatz für die fehlende Scheidenwand hat M. in
2 mit Glück behandelten Fällen die -Transplantation von
Sc h eiden wandlappen gemacht, welche bei Prolaps¬
operationen sonst gesunder Frauen gewonnen waren
Zunächst wird der neue Scheidencanal gebildet und mit Jodoform-
gaze tamponirt. Sind überall gesunde Granulationen gebildet, so
findet die Transplantation statt. Man pflanzt entweder nur einzelne
Lappen ein, die mit Tampons fixirt werden und 10 Tage ruhig
liegen bleiben; oder man näht auf einem Cusko'sehen Speculum
ein neues Scheidenrohr zusammen und schiebt es mit der wunden
Fläche nach aussen in den granulirenden Canal hinein, woselost
es durch Tampons fixirt wird. Letztere werden nach 8—10 Tagen
entfernt.
3) Siegfried Stöcker - Luzern: Ueber den Einfluss der
Alexanderoperation auf die Geburt einerseits und die Wirkung
von Schwangerschaft und Geburt auf die Alexanderoperation
andererseits.
Von 21 nach Alexander operirten Frauen sind nach der
Operation 10, wovon 3 je 2 mal, schwanger geworden. Hiervon hat
eine abortirt, die anderen 9 rechtzeitig geboren. Von den 9 Ge¬
burten verliefen 7 spontan, 2 mit Zange. St. schliesst aus seinen
Erfahrungen, dass nach Al exander Operationen keinerlei Störungen
im Geburtsverlaufe, welche auf den Eingriff selbst Bezug hätten,
zu befürchten sind. Ebenso zeigte die Untersuchung jener Frauen
nach der Geburt, dass der Uterus seine gute Lage beibebalten hatte,
was für den Dauererfolg der Operation ein günstiges Zeugniss ablegt.
4) C. N. van de Poll Amsterdam: Drei glückliche Kaiser¬
schnitte bei ein und derselben Frau. Der Fall betraf eine
36 jährige Frau mit allgemein verengtem, rachitischem Becken;
Conj. vera = 6,2—6,5 cm. Bei der 3. Operation wurde der Porro
gemacht. Die Frau hat alle 3 Eingriffe gut überstanden.
Jaff 6-Hamburg.
Yirchow’s Archiv. Band 144, Heft 1.
1) Arnold: Ueber die feinere Structur der haemoglobin-
losen und haemoglobinhaltigen Knochenmarkzellen.
Die Arbeit behandelt namentlich das Vorkommen von Granu-
1 i s im Innern der Zellen und Zellkerne des Knochenmarks. Durch
eine Färbungsmethode, welche im Wesentlichen eine Combination
der Alt mann’sehen Färbung mit Haematoxylinfärbung, resp. der
Heidenhain'sehen Kisenlackfärbung darstellt, konnte Arnold
in den Kernen von haemoglobinfreien Knochenmarkszellen
rundliche bis fädige oder auch verzweigte Gebilde dar stellen, die
vom Kernchromatin verschieden waren. Manche von ihnen bildeten
ein förmliches Netzwerk ira Innern des Kerns-, auch die Kernwand-
schicht scheint in vielen Fällen aus feineren Körnern oder Fäden
zu bestehen, oder doch von solchen durchsetzt zu werden, während
sie in anderen Fällen allerdings sich wie ein zusammenhängendes,
membranartiges Gebilde darstellt. Um manche Kerne findet siel)
ein heller Hof, der von Fäden durchsetzt ist, die einerseits mit der
Kernwandschicht Zusammenhängen, andererseits in das Protoplasma
der Zellen übergehen. Auch im Zellkörper finden sich ähnliche
Gebilde wie im Kern, jedoch sind dieselben wahrscheinlich etwas
von den gewöhnlichen Granulis Verschiedenes.
Die im Kern gefundenen Substanzen reihen sich den von
Altmann, Reinke und anderen Autoren gefundenen und unter
verschiedenen Namen beschriebenen, nicht chromatischen Kern-
bestandtheilen an: Oxychromatin (Heidenhain), cyanophile
Körnung (Altmann), Oedematin (Reinke). Arnold lässtes
dahin gestellt, ob alle diese Stoffe verschiedenen Arten von Körnern
entsprechen oder ob sie vielleicht ineinander übergehen können.
Doch weisen seine Untersuchungen darauf hin, dass solche Körner
unter verschiedenen Verhältnissen sich gegen Farbstoffe ungleich
verhalten.
Auch durch Isoliren der Knochenmarkselemente (Maceration
in 10 Proc. Jodkali-Lösung) konnte Arnold die fraglichen Gebilde
darstellen und zwar sowohl im Kern, wie im Zellkörper; dieselben
treten sogar aus den beiden letztgenannten aus und zeigen sich
dann als Fäden, welche Körner eingelagert enthalten, manchmal
sogar als förmliches System von Fadennetzen.
Ob Granula auch freiliegend, d. h. in den Maschenräumen
dieser Fäden Vorkommen, lässt Arnold unentschieden; jedenfalls
aber geht aus dem Zusammenhang der Fäden und Körner soviel
hervor, dass die letzteren nicht etwas von aussen her Aufgenommenes
sind, sondern dem Zellkörper selbst angebören, und vielleicht durch
Umwandlung eines seiner Bestandtheile entstanden sind. Dass die
Körner auch eine Bedeutung für den Stoffwechsel haben, darau
deutet die schon vor längerer Zeit von Arnold gefundene Ligen-^
Schaft solcher Körner hin, innerhalb von Knorpelzellen sich bei m-
jection von Indigo-Cannin blau zu färben, und in ähnlichem Sinne
sind auch die Befunde Nissls zu erklären. ,
Für die Untersuchung der haemoglobinhaltigen Knochen
markzellen verwendete Arnold eine combinirte Färbung n"
Eos in und Methylenblau; dabei zeigen sich Zellen mit rot e
Granulis und blau gefärbten Kernen, Zellen mit blauen Granulis,
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2. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
527
in welchen die blau oder blauroth gefärbten Kerne rothe Granula
enthielten, endlich solche Zellen, welche blau und roth tingirte
Granula nebeneinander aufwiesen.
Dass es sich nicht etwa bloa um Zufälligkeiten bei der Färbung
gehandelt hat, beweist das Vorkommen von Zellen, wo die grossen
Granula sämmtlich roth und die feinen Granula sämmtlich blau
gefärbt sind. Wahrscheinlich handelt es sich also um verschiedene
Arten von Körnern
Es finden sich endlich ähnliche Granula in den Zellkörpern
kernhaltiger rother Blutkörper, ein Befund, welcher für die An¬
nahme spricht, dass die rothen Blutzellen aus Leukocyten hervor¬
gehen und nicht, wie viele Autoren (Loewit u A.) annehmen,
dass weisse und rothe Blutzellen getrennte Vorstufen (Leukob)asten
und Erythroblasten) besitzen.
2) Kiesel: Ueber die pathologisch • anatomischen Ver¬
änderungen in den Knochen wachsender Thiere unter dem
Einfluss minimaler Phosphordosen.
Kissel konnte den günstigen Einfluss, welchen nach Wegner
u. A. kleine Dosen von Phosphor auf das Wachsthum der Knochen
besitzen sollen, nicht bestätigen. Schon viel kleinere Dosen als
man gewöhnlich annimmt (Dosen von je 10 cmg Phosphor auf
1 k Körpergewicht, bei jungen Hunden) rufen eine ausgeprägte
chronische Vergiftung hervor.
Die von Wegner und Kassowitz sogenannte «Phosphor-
schicht», d. h. die an den Enden der Diaphysen auftretende,
besondere Schicht, welche nach Wegner bei Phosphorgaben viel
compakter sein soll als unter normalen Verhältnissen, während es
sich nach Kassowitz an dieser Stelle um eine verlangsamte
Resorption des jungen, unter der Epiphyse liegenden Knorpels
handeln soll, konnte Kissel nicht bestätigen.
Bei noch stärkerer Verminderung der gegebenen Phosphormenge
endlich erwies der Phosphor sich als vollständig indifferent und übte
auch auf das Gesammtbefinden der Thiere keinen Einfluss aus
(3,3 cmg auf 1 k Körpergewicht). Die Knochen der mit Phoephor
gefütterten Thiere unterschieden sich in nichts von denen der
Controlthiere. Bei chronischer Vergiftung mit Phosphor bekam
Kissel eine ausgesprochene Verkleinerung der Leber mit offenbar
gesteigerter Bindegewebswucherung.
Es besteht also nach Kissel keinerlei Indication zur Dar¬
reichung von Phosphor bei Knochenerkrankungen, vielmehr können
durch minimale Verdauungsstörungen, welche im Verlauf von Phos-
pborgaben sich einstellen, schlimme Complicationen entstehen.
Der Abhandlung ist von Virchow eine Nachschrift beigefügt,
in welcher er die Resultate der unter seiner Leitung ausgeführten
Versuche Wegner’s (welchem Kissel Ungenauigkeiten und vor
Allem ungenügende Bestätigung der Resultate durch Controlversuche
vorwirft) vorläufig aufrecht erhält und zu neuen Untersuchungen
über diesen wichtigen Punkt auffordert
3) Mark wald: Das multiple Adenom der Leber.
. 1 Mark wald beschreibt 11 neue Fälle der genannten, im
Ganzen seltenen Erkrankung und fasst seinen Befund im Wesent¬
lichen folgendermassen zusammen:
Es finden sich in der im Ganzen meist verkleinerten, sonst
aber glatten Leber eine Anzahl von Geschwulstknoten, die ver¬
schieden grosse Prominenzen der Oberfläche hervorrufen und auf
der Schnittfläche sich als schar abgesetzte, stark ikterisch gefärbte
Stellen aasnehmen. Zerfall der Tumoren und Durchbruch solcher
* in die Lebergefässe sind relativ häufig. Dem makroskopischen Bilde
- _ nach konnte im Uebrigen blo6 die Lebercirrhose für die Differential-
1 diagnose in Betracht kommen. Die Geschwülste entstehen durch
j' Wucherung von Leberzellen, welchen die Geschwulstzellen auch im
Allgemeinen ziemlich ähnlich sind, doch sind sie bedeutend grösser
und eigenthümlich angeordnet. Sie bilden innerhalb des Tumors
vielfach gewundene Zellschläuche, welche ein Lumen zwischen sich
lassen, das meistens vom galligem Inhalt erfüllt ist. Die von anderen
- " Autoren behauptete Umwandlung der Leberzellen in cylindrische
Gebilde konnte Mark wald nicht bestätigen; die Zellen werden
)l-' blos entsprechend ihrer Zusammenlagerung und gegenseitigen An¬
passung mehr kugelförmig. Besonders auffallend ist, dass in solchen,
offenbar malignen Neubildungen die Geschwulstelemente die Function
des Muttergewebes erhalten haben. Der bei Leberadenomen vor-
> handene Ikterus beruht nach Mark wald auf einer Polycholie,
welche ihren Grund nur in einer Hypersecretion von Seite der
Geschwulßtzellen haben kann. Die einzelnen Geschwulstknoten zeigen
«ich von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, welche theils aus
dem präformirten, theil3 aus neugebildetem interstitiellen Bindege¬
webe des umgebenden Lebergewebes gebildet wird.
Diese interstitielle Bindegewebswucherung ist in manchen Fällen
> so stark, dass sie bis zum Auftreten einer förmlichen Cirrhose
führen kann; Markwald fasst sie als durch das Zugrundegehen
vieler normaler Leberpartbieen hervorgerufene Erscheinung auf.
4) Yamagiwa: Ein Fall von versteinertem Uterusmyom.
Fast kopfgro88er, zum grossen Theil verkalkter Tumor, der sich
- nach den noch nicht incrustrirten Parthieen als Fibromyom erwies.
Die Geschwulst war in der Asche einer in einer Leichenver-
breimungsanstalt verbrannten Leiche einer 70 jährigen Frau gefunden
worden. 8c hm aus-München.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 21.
1) P. Fr. Richter-Berlin; Stoffwechseluntersucbungen bei
acuter gelber Leberatrophie.
Die Erkrankung betraf eine 28 jährige Frau und entwickelte
sich auf Grundlage recenter Lues. Die während 2 Wochen vor
dem Exitus letalis gemachten Untersuchungen ergaben — bei Be¬
stimmung des Harnstoffes mit Kjeldahl s-Verfahren —, dass die Aus¬
scheidung des Harnstoffes nicht erheblich gegenüber der Norm ver¬
ändert war. auch nicht beträchtlich während des 2tägigen Coma
sub fine; dass die Ammoniakausscheidung constant ziemlich be¬
deutend gesteigert war; ebenso lag die Ansfuhr von Harnsäure und
der Alloxur-Körper meist weit über der Norm. In einem 2. Falle
von acuter gelber Leberatrophje ergaben die Versuche ganz analoge
Resultate. R. schliesst daraus, dass hochgradigster Schwund des
Lebergewebes keinen nachweisbaren Einfluss auf die Harnstoff¬
ausfuhr zu üben braucht und bespricht die über die Function der
Leber bestehenden Ansichten.
2) Th. Schott-Nauheim: Ueber gichtische Herzaffectionen
und deren Behandlung. (Schluss folgt).
• 3) S. Gottschalk-Berlin: Ueber eine mit vorzeitiger
Contraction des inneren Muttermundes vergesellschaftete be¬
sondere Form der Nachgeburtsverhaltung bei rechtzeitigen
Geburten.
Verf. beschreibt 2 Fälle, wo nach spontaner Geburt des
Kindes die Ausstossung der Nachgeburt sich verzögerte und erst
nach digitaler Erweiterung des ßtark Contrahirten Muttermundes eine
abnorm kleine Placenta geboren wurde. In beiden Fällen sass
dieselbe am Fundus uteri und der vordem, resp. hintern Wand.
Diese beiden Umstände; die Kleinheit und den Sitz der Placenta
macht G. für die erfolgte Geburtsstorung verantwortlich.
4) A. Blaschko: Die Lepra ira Kreise Memel. (Schluss.)
cfr. No. 20 d. Wochenschr. Grassman n - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 22.
1) Helferich: Zum 35 . Chirurgencongress. Ein Rückblick.
2) v. EiBelsberg: Zur Resection und Naht der Trachea.
(Aus der chirurgischen Universitätsklinik in Königsberg 5. Pr.)
In einem Falle von totaler Obliteration und Narbenstenose der
Trachea wurde durch theilweise Resection und Anlegung einer der
Wöl f ler'sclien Darmnaht analogen Naht eine vollständige Heilung
erzielt. Das Verfahren ist vor allem angezeigt bei den nach Selbst¬
mordversuchen sehr oft eintretenden Dislocationen des untern
Trachealendes, aber wegen der Gefahr der Blutung, der Schluck¬
pneumonie, des Schleimhautödems, erst 1—2 Wochen nach der Ver¬
letzung, ferner bei aus irgend welchen Ursachen entstandenen
Defecten der vordem Trachealwand, nach diphtheritischen Processen,
hartnäckigen Trachealfisteln etc.
3) J. Israel: Ueber einige neue Erfahrungen auf dem Ge¬
biete der Nierenchirurgie. (Aus dem jüdischen Krankenhause in
Berlin.)
Casuistische Beiträge zum Capitel der Nierenexstirpation und
Nierenamputation. 10 zum Theil sehr interessante und lehrreiche
Fälle. Ausführliche MittheiJungen hierüber werden in den < Mit¬
theilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie» er¬
scheinen.
4) Unverricht: Zur operativen Behandlung des tubercu-
lösen Pneumothorax. (Aus dem städtischen Krankenhause in
Magdeburg-Sudenburg).
In den auch im Anfangsstadiurn der Tnberculose nicht seltenen
Fällen von rasch auftretendem Pneumothorax ist die Schnittoperation,
beziehungsweise die Einlegung einer weiten Daoercanüle nicht nur
von momentanem Erfolg begleitet, sondern führt auch meist zu voll¬
kommener Heilung desselben. Die Heilung wird begünstigt durch
möglichste Ruhigstellung der Lungenfistel und freie Commonication
der Brustfistel mit der athmosphärischen Luft.
V on differentialdiagnostisch er Bedeutung ist der von Unverricht
erwähnte Umstand, dass bei Pneumothorax die Punctionsnadel im
Brustraum überall hin frei beweglich ist, sowie der Vorschlag, bei
zweifelhafter Diagnose die Canüle mit einem unter Wasser endigen¬
den Gummischlauch zu versehen.
5) Tilmann: Ein Fall von Extraction einer Nadel ans
dem Grosshirn. (Aus der chirurgischen Klinik des Geh. Ober-
medicinalraths Dr. v. Bardeleben.)
Durch Trepanation wurde eine 7,2 cm lange im Grosshirn
steckende Nadel entfernt, welche die hysterische Patientin durch
eine früher angelegte Trepanationswunde wahrscheinlich selbst ein¬
geführt hatte. Die begleitenden Lähmungssymptome sind wahr¬
scheinlich nur hysterischer Natur.
6) H. Kossel: Zur Statistik der Serumtherapie gegen
Diphtherie. (Aus dem Institute für Infectionskrankheiten in Berlin.)
Die Mortalitätsziffer der Diphtherie hat seit Einführung der
Serumtherapie nicht nur relativ, sondern auch absolut um beinahe
die Hälfte abgenommen, wie die Statistiken von Berlin, Paris und
den grösseren deutschen Städten beweisen.
7) F. Hofmeister: Zur Frage nach den Folgezuständen
der Schilddrüsenexstirpation. (Aus der chirurgischen Universitäts¬
klinik in Tübingen. Dir.: Prof. Bruns.)
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No. 22.
528
MÜNCHENER MED1CIN1SCUE WOCHENSCHRIFT.
Durch subcutane Injection schwach alkalischer Lösung von
Thyrojodin konnte im Gegensatz zu Gottlieb's Resultaten (siehe
Deutsche med. Wochenschr. 1896, No. 15) die bei Kaninchen nach
totaler Thyreoidectomie aufgetretene Tetanie beseitigt werden. Ver¬
suche mit Jodnatrium allein ergaben völlig negative Resultate.
Die Untersuchung der Nieren bei der acuten Tetania thyreo-
priva ergab eine wesentlich in den Tubulis contortis localisirte
Nephritis; bei sämmtlichen Versuchsthieren bestand mehr oder
minder starke Albuminurie, bis zu 3°/oo.
8) Finke-Halberstadt: Schuss in das Gehirn. Einheilung
der Kugel ohne Störung der Gehirnfunction.
Seitenstück zu dem von Hahn in No. 14 u. 16 der D. med. W.
mitgetheilten Falle. Symptomloser Verlauf seit 1882. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
XXV.Congress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Originalbericht von Dr. Albert H o f f a- Würzburg.
Der Etnpfangsabcnd des Jubiiäumscongresses erhielt eine be¬
sondere Weihe dadurch, dass durch die Liebenswürdigkeit des
Reichstags}»rüsidenten das Reichstagsgebäude den Chirurgen zur
Verfügung gestellt worden war. Bei einem in dein prächtigen
Bau statt findenden Promenadceonecrt hatte sich eine zahlreiche
Versammlung zur gegenseitigen Begrüssung eingefunden.
Eröffnet wurde der Congress Mittwoch, den 27 - Mai durch eine
Festsitzung. Der Saal des Langenbockhauses war reich ge¬
schmückt und eine stattliche Anzahl von Ehrengästen war erschienen :
Cultusministcr Dr. Bosse als Vertreter der Staatsregicrung,
Frhr. von dein Knesebeck im Namen der Kaiserin. Von aus¬
wärts waren als Dcputirtc erschienen Ollier, Guyon und Pieque
aus Frankreich, .Spencer Wells, Harrison und Langton aus
England, D’Antona und Bottini aus Italien, Sklif fossowski
und Eber in a n n aus Russland.
Der Vorsitzende, (Jeheimrath von Bergmann, eröffnet«
den Congress Punkt 12 l’hr. Es traten zunächst die noch lebenden
Stifter in feierlichem Zuge in den Saal. Tn glänzender Rede gab
daun von Bergmann ein Bild von der Gründung und der Ent¬
wicklung des deutschen Chinirgeneongresses.
Im Anschlüsse an den Aufschwung des nationalen Gedankens
nach dem 70er Kriege traten Simon und von Langenbeek,
von Volkmann und Billroth zur Gründung einer deutschen
Gesellschaft für Chirurgie zusammen. Von 130 Chirurgen, welche
den ersten Chirurgencongress bildeten, leben noch 49. "\ on
den Dahingegangenen starb seit Schluss des vorigen Congresscs
T h i er sch , durch seine Arbeiten über Transplantation, den Epithel¬
krebs, die Trigeminusneuralgie für immer eine Leuchte der Chirurgie.
Im September -1895 starb von Barde leben, der stets unver¬
gesslich bleiben wird durch sein Lehrbuch für Chirurgie. Es
starb weiterhin Graf, ebenfalls ein Stifter, der langjährige Ver¬
treter der socialen Bestrebungen der Aerzteseliaft, K. Starck und
Wilhelm Baum in Danzig, als Opfer ihrer wissenschaftlichen
Arbeiten zwei verdiente jüngere Chirurgen Finkeistein und.
8 c li i ui in c 1 b u s c h.
v. Bergmann erwähnt dann die segensreiche Unterstützung
von Seite der Staatsregierungen, der Coinmunen und von Privaten,
die in weite Kreise gewirkt hat, jene modernen Krankenpaläste
zu ermöglichen, die heute allenthalben den Chirurgen zur Ver¬
fügung stehen. Kr geht dann über zu den Verdiensten, die zwei
Mitglieder in den 25 Jahren des Bestehens der Gesellschaft uui
dieselbe erworben haben, v. Esmarch und Gurlt und proelamirt
deren Ernennung zu Ehrenmitgliedern. Es schliesat sich an die
Begrüssung der Ehrengäste.
Der Kultusminister I)r. Bosse begrüsst den Congress seitens
der Staatsregierung, welche allen Grund habe, der deutschen Ge¬
sellschaft für Chirurgie dankbar zu sein, er begrüsst die zahlreich
erschienenen Ehrengäste als den Ausdruck der internationalen
Solidarität der Wissenschaft.
Die Reihe der Festvorträge eröffnet«
v. Esmarch: Ueber künstliche Blutleere.
Da v. K. schon viel darüber gesprochen und nicht viel Neues
zu sagen woiss, behandelt er den Gegenstand geschichtlich. Drei
Uebelstünde haben von jeher dem Chirurgen den Beruf erschwert,
1. die Schmerzen, 2. die Lebensgefahr der Operation (Infection),
3. die Menge Blut, welche man ohne Noth entzieht. Die Schmerzen
sind schon 1846 durch die Entdeckung der Narkose beseitigt
worden, der Kampf gegen die Wundinfection ist durch die Anti-
und dann durch die Aseptik für den Chirurgen glücklich beendet
worden, den 3- Uebelstand zu beseitigen ist v. Esmarch’g
Streben von Anfang seiner chirurgischen Thätigkeit gewesen.
Als Langenbeck's Assistent lernte er mit Schieberpin-
cettcn das Blut durch rasches Fassen der Gefässe sparen, an¬
fangs waren es 12 — ein grosses, 50 Pfund schweres Lipom
am Rücken, welches er 1852 operirte, veranlasst« ihn, die Zahl
der Schieber auf 40 zu vermehren. Ein Fall von Sarkom des
Knices gab E. 1854 in anderer Weise zu denken. Bei guter
Comprcssion der Femoralis war bei der Operation nicht viel Blut
geflossen, die Untersuchung des amputirten Beines ergab eine
solche Menge Blut in dem entfernten Theil, dass v. E. höchst
erstaunt von nun an vor jeder Amputation das abzuschneidendc
Glied vorher mit leinenen Binden einwickelte. Aber nicht nur
bei Amputationen suchte v. FL Blut zu sparen, auch bei anderen
Operationen hat er dies, zum Theil dem Beispiel anderer Chirurgen
folgend, ausgeübt, mittels der D i e f f e n b ac h ’ sehen Lanze, mittels
der Pesmarres’ sehen Lanze für Lidoperationen, mittels Ringen
von Horn oder Metall, die er bei harter Grundlage rings um die
Geschwulst anlegte. 1865 exstirpirtc v. E. eine grosse Telean-
giectasie am Daumen ganz blutlos mit Hilfe des Gräfe'sehen
Schlingenschnürers und 1868 vollführte er die blutlose Exstir¬
pation eines Zungenkrebses, nachdem er eine Silberdrahtsehlinge
um die Zungenwurzcl geführt hatte. Endlich exstirpirtc er 1868
eine grosse lappige Hautgeschwulst des Oberschenkels, indem er
den Stiel zwischen zwei schmale Holzschienon einklemmtc und in
Abständen von 2 cm starke Silberdrähte quer durchzog. 1873
wurde er zu einer Dame gerufen, um den Trauring von dem SD-
geschwollenen Finger zu entfernen. FIr umwickelte mit einem
Kaden in dichten Gängen den F'ingcr von der Spitze zum Ring
und zog dann in bekannter Weise den Ring leicht ab. Die wiss¬
begierige Dame wollte den Vorgang erklärt wissen und bei der
weiteren Ueberlegung dieses Gedankens kam v. FL die Ueber-
zeiigung, von nun an vor jeder Operation das Blut herauszu-
drängen und nicht wieder ins Glied ein treten zu lassen. Gleich
am nächsten Tage machte v. FL auf diese Weise eine Nekrotomie
mit glücklichem Erfolge, der nun mehrere, auf diese Weise an¬
geführt«, folgten. Noch in demselben Jahre machte er seine
Methode bekannt, die zuerst nicht beachtet, dann in ihrer Priori¬
tät bestritten, endlich aber anerkannt wurde.
v. E s m a r c h s Verfahren bezweckt nun bekanntlich zweierlei.
1. Das Blut aus den Gefässen berauszudrängen und 2- die Rück¬
kehr des verdrängten Blutes zu verhindern. Für den ersten Zweck
verwendet er noch immer dünne elastische Kautschukbinden, wo
dies gefährlich ist (entzündliche Herde, Thromben etc.) senkrechte
FJlevation; zum zweiten statt des anfänglichen Schlauches einen
aus gewebtem Kautsehukstoff bestehenden Gurt. Derselbe wird
erst abgenommen, wenn ein guter Druckverband angelegt ist.
Den Druck verband betrachtet Vortragender als einen wesentlichen
Bestandteil des blutlosen Verfahrens. v. FL schliesst mit der
Hoffnung, dass die Blutsparung ihren Nutzen für die Chirurgie
dauernd behalten wird.
Bruns: Die Entwicklung der modernen Behand¬
lungen des Kropfes.
Unter den Errungenschaften der modernen Chirurgie stehen
mit in erster Reihe die Fortschritte auf dem Gebiete dor Kropf¬
behandlung. Fis bedurfte dazu eingehender Studien, die nach
manchen Irrfahrten zum Ziele geführt haben. Vor 2 Jahrzehnten
suchte Alles Heil in der unsicheren Wirkung des Jod; damals
war die Kropfexstirpation sehr gefürchtet und beschränkte sich
auf die Entfernung beweglicher und gestielter Kröpfe. 1887 voll¬
zog sieh der Umschwung, indem Rose auf die Gefährlichkeit des
Kropfes für das Leben hinwies; die Antisepsis gab dann diesem
Appell den Boden für grössere Flingriffe. Damals behandelte
man den Kropf wie eine gewöhnliche Geschwulst, eine mühselige
und langwierige Arbeit. Ans diesem unsicheren Verfahren einer
atypischen Geschwulstexstirpation ist eine typische Orga n ‘
exstirpation geworden. Ein wesentlicher Fortschritt war es,
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2. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
529
dass mau die vorgängige Tracheotomie vermeiden lernte und die
typische Aufsuchung und Unterbindung der zuführenden Gefüsse
lernte. Dann kamen 1882 die Berichte über schwere Nachkrank¬
heiten nach der totalen Entfernung des Kropfes, die Erkenntnis»)
der Cachexia strumipura. Es kostete schmerzliche Opfer, bis die
so lange vernachlässigte Drüse als lebenswichtiges Organ erkannt
wurde. Nun feierte die conservative Chirurgie wieder ihre Er¬
folge, indem Wolfler die Unterbindung der zufuhrenden Gefässe
behufs künstlicher Erzeugung der Atrophie wieder auf leben liess,
aber bald erkannte man die Unsicherheit dieser 0]>cration; sie ist
nur etwa 50 mal ausgeführt wdldcn. Grössere Bedeutung erlangte
das Enucleationsverfahren, das namentlich Socio ausge¬
bildet hat. Jetzt weiss man, dass sie nur bei Cystenkröpfen be¬
rechtigt ist, bei locker eingebetteten Kropfknoten, während man
abstehen soll, wo Verwachsungen vorhanden oder keine sicheren
Grenzen zu unterscheiden sind. Hier gestattet die Besection eine
sicherere Beherrschung der Blutung.
Die Erfolge gestalten sich nun in der Neuzeit so, dass bei
der Operation gutartiger Kröpfe von einer Lebensgefahr keine
Rede mehr ist, bei 400 Fällen Bruns’ beträgt die Mortalität
nur 1 1 /s Proc. Die Dauererfolge haben sich durch die Partial¬
operationen allerdings verschlechtert, allein gleichwohl gehören die
Kropfoperationen zu den dankbarsten der Chirurgie.
Nun hat in der Neuzeit die Schilddrüsenbehandlung ein
neues Mittel gegeben, welches den hyperplastischen Kropf, aber
nur diesen allein, zum Schwinden bringt, sie hat für den Chirurgen
den Vortheil einer werthvollen Vorbereitung auch in den Fällen,
wo sic keine Heilung bringen kann, dass sie den Blutgehalt ent¬
schieden herabsetzt.
lieber die feineren Vorgänge bei der Schilddrüsenfütterung
im Kropf hat Bruns in Gemeinschaft mit Baum garten
gefunden, dass sich der Kropfschwund in. der Art vollzieht, dass
die vielen neugebildeten Follikel zum grössten Thcil als über¬
schüssig auf dem Wege einfacher Atrophie verschwinden, zum
kleineren Theil dagegen auf der Höhe voller Entwicklung und
secretoriseher Leistung erhoben werden: Rückbildung einer byper-
plastischen Drüse durch Einverleibung ihres Secrets, ein neuer
Vorgang der allgemeinen Pathologie.
König: Die Entstehung der Lehre von den Local*
tuberculosen in den letzten 25 Jahren.
Es hat zu der Erkenntniss des miliaren Knotens am Ende
des vorigen Jahrhunderts lange gedauert, bis man zur Einsicht
kam, dass die Tuberculose eine speeifiache Krankheit ist, speciell
zur Erkenntniss der sogenannten Localtuberculosen.
Allerdings hatte schon Bon net eine genaue »Schilderung der
« S c h w a m in gesehwülstc der Gelenke» gegeben und hat schon
vieles geahnt, was wir heute wissen. So z. B. den Zusammen¬
hang mit der Scrophiilose und Tuberculose, allein damals war
Tuberculose gleichbedeutend mit Tod und doch sah man Heilungen
des Gelcukschwanimes! »So entstand zunächst der Begriff der
tulK-rkclähnlichen Erkrankungen und Localtuberculose. Indessen
häuften sich die Beweise, dass die Localtuberculose eine wirkliche
Tuberculose im Sinne der alten sei. Die Arbeiten von Volk¬
mann, Hueter, »Schüller, König und Krause führten
den Nachweis schon vor der Entdeckung des Bacillus und man
stellte nach und nach fest: 1. Es erkrankt ein Gelenk durch
einmalige Invasion von inficirenden Material. 2. Die Erkrankung
des Gelenks entsteht vor einem bereits bestehenden tuberculösen
Herd. 3. Es erkrankt e i n Gelenk als Theilerscheinung acuter
miliarer Tuberculose. So wurde dann weiterhin von den Chirurgen
erwiesen: Der Gliedschwamm ist eine Tuberculose des Gelenks;
diese Krankheit entsteht selten als einzige Aeusserung der In-
feetion, weit häufiger ist sie nur eine Theilerscheinung und Folge¬
erscheinung anderer Herde. 4. Die Gelenktuberculose kann aus¬
heilen oder sequestrirt werden.
Was die Behandlung der Tuberculose der Gelenke anlangt,
so beherrschte zuerst die Frühreseetion das Feld. Mit der Erkenut-
mss, dass die Gelenktuberculose nicht das primäre sei und mit
der Erfahrung, dass auch auf anderem Wege nicht selten Heilung
erfolgte, wurde sie wieder verlassen. Dann lernten wir neben der
orthopädischen Behandlung und eingreifenden Operationen Mittel
kctincn, um die Tuberculose anderweitig zu beeinflussen, die Carbol-
•
säure und das Jodoform. Es sind die Anschauungen über die
Behandlung noch nicht einheitlich und abgeschlossen; König
hofft, dass die nächsten 25 Jahre auch diesem Gebiete Wahrheit
und Klarheit bringen werden.
W ö 1 f 1 e r. Die Operationen am Magen* und Dann¬
kanal.
Vor 25 Jahren gab es in der Magen- und Parmchirurgie
nur die Kolostoinic, die Resection des Darmes war nur in 2 Fällen
von Verletzungen bis dahin mit Erfolg ausgeführt worden. Es
begründeten dann die Dannehirurgie die experimentellen Unter¬
suchungen Gussenbauer’s und Weiraiter’s am Thiere, die
erfolgreichen Operationen am Oesophagus und Rectum beim Menschen.
Zuerst war es die Beseitigung des Anus präter naturalis 1876 am
Darme, dann 1876 gleichzeitig die Gastroraphie durch B i 11 roth ,
ihr folgte 1878 die erste mit Erfolg ausgefübrte Darmreseetion
durch »Schede. 1879 hatten v. Esmarch und Schönborn
die ersten Heilerfolge mit der Gastrostomie, als erste Grossthat
kam 1879 Bi 11 roth’s Pylorusresection. Erbrachte dann auch
den neuen Gedanken der Gastroenterostomie und der Entcro-
anastomose. War die Gastroenterostomie auch zuerst nur Hilfs¬
operation bei unheilbaren Krankheiten, so wurde sie doch bald zur
dauernden Hilfeleistung. Ihr folgte endlich die Jejunostomie.
Es dauerte lange, bis der anfänglichen circularen Naht, die
laterale Opposition sich anschloss und bis endlich Murphy mit
dem Anastonosenknopf das Verfahren für viele Fälle vereinfachte.
Bedeutend haben sich die objectivcn Resultate im Laufe der Zeit
gebessert: Die Darmreseetion fiel von 48 Proc. Mortalität im
Jahre 1888 auf 32 Proc. im Jahre 1896; es sind Daucrresultate
erzielt worden, bis zu 17 Jahren. Ebenso ist bei der Pylorus¬
resection die Mortalität von 56 auf 31 Proc. gesunken. Namentlich
einzelne Operateure haben ganz hervorragend gute Erfolge. Die
Gastroenterostomie sank von 56 auf 36 Proc. Mortalität, die
Pyloroplastik auf 2G Proc. und die Kolostomie auf 29 Proc.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 30. Mai 1896.
Die Gerichte und die Aerztekammern. — Unser
Ehrenrath. — Der freie Ausgang der Irrenanstalts-
Pfleglinge.
Vor Monaten hatten mehrere Aerztekammern Oesterreichs an
das k. k. Justizministerium eine gleichlautende Petition des In¬
halts gerichtet, dass im Interesse der Wirksamkeit des Ehrenrathcs
der Aerztekammern den Gerichten die Weisung erthcilt werde,
von der Einleitung und dem Ergebnisse aller strafgerichtlichen
Untersuchungen gegen Aerzte den betreffenden Aerztekammern
in gleicher Weise Mittheilung zu machen, wie dies hinsicht¬
lich der Notare und Advocaten den betreffenden
Kammern gegenüber vorgeschriehen ist. Das Justiz¬
ministerium hat aber erklärt, nicht in der Lage zu sein, den
Gerichten eine derartige Verständigung aufzutragen, hiebei jedoch
hingewiesen, dass den politischen Behörden die Auskunftstabellen
über gerichtlich Vorurtheilte seitens der Gerichte zukommen,
und dass sohin die politischen Behörden auf Grund dieser Tabellen
die Aerztekammern von der allfälligen strafgerichtlichen Vcrnr-
theilung kammerpflichtiger Aerzte und Wundärzte in Kennt-
niss setzen können. Das k. k. Ministerium hat nun mittelst
jüngsten Erlasses die politischen Landesbehörden aufgefordert, die
unterstehenden Behörden anzuweisen, im Falle sic aus den ge¬
nannten Auskunftstabellen von der straf gerichtlichen^ Verurtheilung
eines Arztes Kenntniss erlangen, hievon die betreffende Aerzte-
kammer zu verständigen, zugleich aber auch an die Vorgesetzte
Landesbehörde zu berichten. Den Aerztekammern wird os über¬
lassen bleiben, jeweilig in Bezug auf die Vornahme von Wahlen
Erkundigungen einzuziehen, ob und welche Mitglieder von der
Ausübung des Wahlrechtes auszuschliessen seien.
Vir erfahren aus all' dem, dass die Werthschätzung der
Advocaten- und Notariatskammern seitens unseres Justizministeriums
eine viel grössere ist, als die der Aerztekammern, da diese die
Verurtheilung eines Arztes erst aus zweiter Hand, nicht durch das
Gericht sondern durch die Bezirkshauptmannschaft, und das erst
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530
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
nach stattgehabter Anfrage, erfahren können. Warum gegen die
Aerztekauimern eine geringere Coulanz geübt wird als gegenüber
anderen Kammern, wollen wir nicht weiter untersuchen. Merk¬
würdig ist auch der Sehlusspassus, dass die Acrztekammern erst
vor den Wahlen Erkundigungen cinziehcn können etc. Der Ent¬
ziehung des activen und passiven Wahlrechtes müssten ja erst
andere Ordnungsstrafen (das Aerztekammer-Gcsetz nennt Erinnerung,
Verwarnung, Rüge, Geldbusse bis 200 fl. und als letzte und schärfste
Strafe die Entziehung des Wahlrechtes) vorausgegangen sein
und schliesslich und endlich hatten die Aerztekammern gar nicht
zu dem Zwecke petitionirt, um einzelnen Acrzten auf Grund einer
erfolgten Abstrafung das Wahlrecht zu entziehen. Auch wenn
eine strafgerichtliche Untersuchung gegen einen Arzt eingeleitet
und bald darnach wieder ein gestellt wird, hat die Aerztekauimer
ein Interesse daran, hievon verständigt zu werden ; es kann sich
ja um ein unhonoriges Vorgehen eines Arztes gegen eine Parthei,
um eine Schmutzerei handeln, welche straf gerichtlich nicht
belangt werden kann, die aber gleichwohl vor den ärztlichen Ehren -
rath gehört! Derlei erleben wir auch bei den Advocatenkammern,
dass sie sich nämlich mit einer «Affairc» beschäftigt, welche für
die ordentlichen Gerichte schon abgethan ist. Unsere Standcs-
chre ist doch hoffentlich eine ebenso hochstehende als die der
Rechtsanwälte und Notare !
Bei diesem Anlasse möchte ich mich einmal mit unserem
Ehrenrath, als welcher dem Gesetze nach der Aerztekammer-
vorstand fungirt, etwas mehr befassen. Im Vorjahre z. B. trat
der Ehrenrath anlässlich verschiedener Beschwerden und Anzeigen
zwanzigmal zusammen. Er hat jedesmal, wie mit besonderer
Genugthung constatirt wird, «in friedlichem, conciliantcm
Sinne» zu wirken gesucht. Ich bin wahrlich keine Streitnatur,
ich lebe im Gegcntheilc mit Jedermann gerne im Frieden ; 'gleich¬
wohl muss ich sagen, dass dieses «Wirken» des Ehrenrathes mich
und zahlreiche Acrzte Wiens nicht immer befriedigt hat. Der
Ehrenrath ist meiner Ansicht nach ein Gericht, vor weichem
es kein Ansehen der Person gibt. Hier soll es also blos Kammer-
Mitglieder geben. Wie kommt es aber, dass beispielshalber
ein angeklagtcr Professor erst jüngst vom Referenten behufs
Orientirung in dessen Wohnung besucht wurde, während man
den klägcrischen praktischen Arzt, vor die Aerztekammer
citirte? Muss das «Wirken» des Ehrenrathes ferner that-
sächlich immer blos darauf gerichtet werden, dass selbst in soge¬
nannten crassen Fällen, in welchen es evident ist, dass ein Arzt
durch einen anderen in seiner Ehre und seinem Ansehen und
auch materiell geschädigt wurde, immer blos ein «Ausgleich»
erzielt wird?! Nein und zweimal nein ! Es kann und darf
nicht jede solche Affaire «ausgeglichen» werden, zumal wenn ein
schreiendes Unrecht vorliegt. Der böse Nachbar muss, auch wenn
er Professor oder emerit. klinischer Assistent ist, eine Verwarnung
oder eine Rüge erhalten, damit er sein Benehmen in der Privat¬
praxis anders gestalte, als er es im Spitaldienstc den Sccundar-
ärzten gegenüber zu thun gewohnt war. Man wähle auch nicht,
wenn es sich um einen Professor der Chirurgie handelt, als
Referenten des Ehrenrathes — einen Professor der Chirurgie!
Das Alles verstimmt gegen die Aerztekammer, gegen ihren Vor¬
stand und Ehrenrath.
Man komme uns schliesslich nicht mit der erziehlichen
Wirkung, welche in der blossen Thätigkeit dieses Ehrenrathes
liege. Ein Gericht kann nicht immer erziehlich wirken, cs
muss zuweilen auch strafen. Unter den obenerwähnten 20 Fällen,
welche 1895 vor den Ehrenrath der Wiener Aerztekammer ge¬
bracht wurden, waren gewiss zwei, welche etwas derber hätten
angefa8St werden sollen. Es handelt sich nicht immer um einen
Tratsch oder um unberechtigte Kritik u. dcrgl., iu welchen Fällen
es gewiss das Beste ist, wenn sich die geehrten Gegner aus-
gleichen, einander Ehrenerklärungen geben, um Verzeihung bitten
und mit einander versöhnt die Stube verlassen. Es gibt leider
auch in unserem Stande Leute, dio andere Acrzte grundsätzlich
herabsetzen und verläumden und diesen — Herren gegenüber ist
selbst einmalige Milde deplacirt. Sie sollten vielmehr, wenn eine
berechtigte Klage gegen sie vorliegt, sofort und gleich das
«rate .Mal scharf genommen werden.
No. 22.
Ein jüngst erstattetes Gutachten des niederöstcrreichiscben
Landessanitätsrathes ist von allgemeinem Interesse. In der Ge¬
meinde Ybbs in Niederösterreich befindet sich eine Landesirr^i-
anstalt, deren einzelnen Insassen der freie Ausgang ohne Be¬
gleitung eines Wärters gestattet wurde. Ein solcher Geisteskranker
verübte nun an mehreren Knaben Unznchtsaote, sodann cxcedirten
einmal drei Alkoholiker im Trünke, als ihnen ebenfalls der freie
Ausgang ohne Wärter gestattet wurde. Die Gemeindevorstehung
der Stadt Ybbs, hierüber sehr beunruhigt, verbot den Irren das
Betreten der Stadt und ihrer Vorstädte and wandte sich an die
Bezirkshauptmaunschaft mit der Üitte, eine bezügliche Anordnung
zu erlassen. Durch diese kam die Sache vor die Statthalterei und
ihren ärztlichen Beirath.
Der Landessauitätsrath beschäftigte sich lediglich mit der
principiellen Frage, ob den Irrenanstalts-Pfleglingen in Ybbs aus¬
nahmslos der freie Ausgang verboten werden kann und soll.
Der Referent, der k. k. Polizeichefarzt Dr. Witlacil in Wien,
gelangte in seinem Gutachten zur Ansicht, dass ein solches Ver¬
bot des freien Ausganges der Irrenanstalts-Pfleglinge ohne Be¬
gleitung einer Wartperson weder in Ybbs, noch Überhaupt zulässig
sei, weil es mit den Grundsätzen einer rationellen und humanen
Irrenbehandlung im Widersprucho stehe; wohl aber sind aus Rück¬
sichten für die öffentliche Sicherheit die Anstaltsorgane verpflichtet,
nur jenen Pfleglingen den freien Ausgang zn gestatten, von
welchen sio nach ihren Antecedentien und nach ihrem Zustande
die Ueberzcugung haben, dass keine Gefahr für sie selbst oder
für ihre Umgebung zu besorgen ist.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadämie de Mddecine.
Sitzung vom 12. Mai 1896.
Serumbehandlung bei malignen Geschwülsten.
Arloing und Courmont versuchten die Behandlung bös¬
artiger Neubildungen mit 2 Arten von Serum und zwar erstens in
14 verschiedenen Krebsgeschwülsten mit 8erum immnnisirter
Thiere (Eseln, welchen Krebssaft eingeimpft worden war). Die all¬
gemeine wie locale Reaction war damit eine sehr heftige (ausgedehnte
Schwellung und beinahe erysipelartige Röthung um die Injections-
stelle); der durch das Leiden bedingte Schmerz wird zwar unter¬
drückt, dieser Erfolg ist jedoch nur ein vorübergehender und hört
nach 5—15 Injectionen auf. Die weiteren schweren Zufälle, welche
sich dann einstellen können, verbieten die Fortsetzung dieser Ein¬
spritzungen. Mit dem zweiten Serum, von normalen Thieren
(Eseln) stammend, entsteht keine so schwere Reaction, es hat ebenso
wie das erste die Eigenschaft, die Grenzen der Geschwulst deutlicher
hervortreten zu lassen; der einzige Vortheil dieser 8eruminjectionen
besteht also darin, zuweilen eine vorher scheinbar inoperable Ge¬
schwulst dem chirurgischen Eingriffe besser zugänglich zu machen.
Sociäte Mädicale des Höpitaux.
Sitzung vom 8. Mai 1896.
Zur Scharlachstatistik.
Nach dem Eerichte von Apert wurden im Jahre 1895 in der
Scharlachabtheilung des Pariser Kinderspitals (Höp. des Enfants-
Malades) 237 scharlachkranke Kinder behandelt. Die Mortalität be¬
trug 5,85 Proc., hielt sich also unter der Durchschnittsziffer der
früheren Jahre. 43 Proc. der Kinder, welch' relativ hohe Zahl Apert
mit den schlechten hygienischen Verhältnissen des Spitals in Ver¬
bindung bringt, hatten Complicationen; unter diesen stehen an erster
Stelle (32 Proc.) verschiedene Formen von Angina, wobei jedoch,
obwohl sie oft pseudomembranösen Charakters war, nie der Löffler'scbe
Bacillus, sondern meist nur Streptococcen gefunden wurden. Häufig
war auch Otitis (20 Proc.), welche gewöhnlich nach dem Aufhören
der Halsaffection sich einstellte. Albuminurie war in 20 Proc. der
hälle vorhanden, jedoch davon nur in 6 Proc. die wirkliche Schar^
Lachnephritis mit Oedem und zuweilen Haematurie und Aourie; nur
bei 5 Proc. folgte Bronchopneumonie und zwar stets schwerer
Natur, bei 2 Proc. Arthralgien. Drei Viertel der Fälle betraf Kinder
von 3 9 Jahren, die Mortalität war über 9 Jahre gleich Null, da¬
gegen im 1. und 2. Lebensjahre 50 resp. 11 Proc. Die Krankheits¬
frequenz war am grössten im Frühjahr und Sommer, die Compk-
cationen am häufigsten im Herbst, die Sterblichkeit am grössten im
Winter (22 Proc.) und beinahe gleich Null im Sommer und Herbst
Die Behandlung beschränkte sich auf Milchdiät, innerliche Dar¬
reichung von Ammon, acetic. (1—2 g täglich während des Eruptions-
Stadiums), Mundspülungen mit heissen aromatischen Wässern und
Injectionen von Mentholöl in die Nasenhöhlen, um Asepsis derselben
zu erzielen Zwei Versuche mit Marmorek's Serum gaben keine
ermuthigenden Resultate.
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2. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
531
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Societe de Therapentiqne.
Sitzung vom 1. Mai 1896.
Ueber Scharlach und das Antistreptococcenserum
(Marmorek's).
Josias rühmt die Vortheile, welche aus der Isolirung der mit
AnBteckungskrankheiten Behafteten in den Kinderspitälem ent¬
springen; 1896 wurden im Scharlachpavillon des Spitals Trousseau
577 Kranke aufgenommen, welche 7,61 Proc. Sterblichkeit lieferten.
Der Durchschnitt betrug in demselben Jahre für die Stadt Paris
4,69 Proc., für die Vororte 6,03 Proc. Mortalität. Die Behandlung
bei Trousseau war besonders gegen die Angina gerichtet, bei welcher
in 11,76 Proc. der Fälle der Löffler'scbe Bacillus, in 84,17 Proc. der
Streptococcus allein oder mit anderen Coccen gemischt gefunden
wurde. Ausser Milchdiät, Gurgeln mit 3 proc. Borwasser und Pinse¬
lungen mit 5 und 10 proc. Resorcinglycerin kam als neu die Serum¬
therapie hinzu: 1. wurden 49 Kindern je 6 ccm Schafsserum injicirt,
ohne locale Folgen; 2 erhielt eine Anzahl Kinder beim Eintritt
10 ccm von Marmorek’s Serum injicirt und späterhin ebensoviel
nach Bedarf, so dass 96 Kinder im Ganzen 2132 ccm von letzterem
erhielten. Der Verlauf der Angina sowie der Scarlatina wurden
durch das Serum wenig beeinflusst; es scheint somit die Ansicht be¬
gründet, dass die Complicationen des Scharlachs auf der Invasion
eines speciellen Streptococcus beruhen, gegen welchen Marmoreks
Serum machtlos ist. St.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Royal Academy of Medicine in Ireland.
Sitzung vom 20. März 1896.
Radicaloperation der Inguinalhernien.
Heus ton hebt als wichtigsten Factor, sowohl für das Entstehen
der Hernie als wie für die radicale Heilung derselben, das Verhalten
des innem Leistenringes und der hintern Wand des Inguinalcanals,
besondere aber der Fascia transversalis, hervor. Indem
ein Erschlaffen der letzteren das Auftreten einer Hernie begünstigt
und andererseits eine bereits bestehende Hernie diese Fascie zum
Erschlaffen bringt, ergibt sich für die Radicaloperation die Regel,
derselben ein besonderes Augenmerk zu widmen. Der Vernach¬
lässigung dieses Punktes schreibt H. den Misserfolg so vieler Radical-
operationen zu. Im Allgemeinen zieht er diejenigen Operations
methoden vor, welche den Inguinalcanal eröffnen, da sie einen
freien Ueberblick und eine Beurtheiluug des Falles gestatten; ein
Hauptnachtheil derselben sei jedoch, dass das Schwinden des
Narbengewebes mit der Zeit das Eintreten eines Recidives be¬
günstige.
Er beschreibt alsdann seine an 32 Fällen mit vollständigem
und bleibendem Erfolge ausgeführte Operationsmethode (die Patienten
standen im Alter von l'/a— 52 Jahren). Dieselbe besteht kurz in
Folgendem: Freilegung des Inguinalcanals, Loslösung des Bruch-
eackes vom Samenstrang in der ganzen Ausdehnung, Fixirung und
Abschnürung des mehrfach gedrehten Hals-Endes desselben durch
einen Staffordshire’schen Knoten an der Austrittstelle aus dem
äus8ern Abdominalring und Vernähung an die hintere und obere
Wand des Leistencanals. Dadurch werden diese einander genähert
und die Fascia transversalis durch die entzündlichen Adhäsionen
verstärkt. Als Nahtmaterial dient Catgut.
In der Discussion machen Croly und Fitzgibbon auf die
Gefahren aufmerksam, welche durch die Umdrehung und Ab-
Bchnürung des Bruchsackes entstehen können, dass derselbe nekrotisch
wird oder ein Theil des Darmes mitgefasst werden kann. Ersterer
empfiehlt die Operation nach Kocher, der ja auch von der Ab¬
schnürung des Bruchsackes zurückgekommen ist.
Die grosse Rolle, welche die Erregung einer plastischen Ent¬
zündung behufs Schaffung eines genügenden Schutzwalles bei der
Radicaloperation spielt, wird auch von Thornley Stöcker,
Lentaigne und Andern betont
M’Ardle befürwortet die Excision des Bruchsackes und Ver¬
kürzung der Fascia transversalis. Wheeler will jeden Druck auf
die operirte Hernie vermieden wissen, da dadurch die Resorption
der zum Heilaffect nöthigen plastischen Entzündungsproducte be¬
fördert werde.
An Stelle des Catgut empfiehlt Gordon als Nahtmaterial die
Känguruhsehne, da dieselbe vor der Seide den Vorzug derResorbirbar-
keit und vor dem Catgut die längere Resistenzfähigkeit voraus habe.
Bennett und Lentaigne erklären die Operation für Kinder
bis zu einem Jahre als unnöthig, da bei diesen durch das Bruch¬
band bis zu 70 Proc. der Fälle dauernd geheilt werden können.
Royal medical and chirargical Society.
Sitzung vom 28. April 1896.
Deckung der Hautdefecte nach Mammaamputationen.
Die bisher meist geübten Methoden zur Deckung der besonders
bei Mammaamputation entstehenden grossen Hautdefecte haben
grosse Nachtheile. Das forcirte Zusammenziehen der weit klaffenden
Wundränder verursacht grosse Spannung und Schmerzen, die
Thiersch'sche Transplantationamethode ist von unsicherem Er¬
folge. Mayo Robson empfiehlt nun die Anlegung von ein bis
zwei verticalen durch das ganze subcutane Gewebe gehenden In-
cisionen, welche die seitliche Verschiebung der Hautlappen und die
Annäherung der Wundränder ermöglichen. Unter strenger Beobachtung
der Antiseptik lässt sich eine Abstossung der Hautlappen sicher
vermeiden.
H. T. Butlin und B. Adams hatten in 15 Fällen mit Erfolg
die Transplantation von breitstieligen gedrehten Lappen bis zu
9—10 cm Länge versucht. Dieselben werden am besten dem untern
Wundrande Entnommen. Die Stärke der Drehung oder Dehnung
der Lappen ist nicht von wesentlichem Einfluss auf die Anheilungs¬
fähigkeit.
Auch Bowlby empfiehlt diese Methode, da sie ziemlich
schmerzlos sei und nach erfolgter Heilung freie Beweglichkeit ge¬
statte. Besonders empfiehlt er dieselbe bei grosser Ausdehnung
des Tumors nach der Clavicula oder dem Sternum hin.
W. G. Spencer zieht die ausgedehnte Loslösung der Haut-
ränder von dem unterliegenden Zellgewebe, besonders im Bereich
des untern Wundlappens vor, selbst in einer Ausdehnung bis zum
8capularwinkel. Auch Watson Cheyne empfiehlt diese Methode,
zur Naht verwendet er Silberdraht; da derselbe aber ziemlich ein¬
schneidet, sticht er 1 — 2 cm vom Wundrand ein. In ungefähr
10 Proc. der Fälle jedoch ist eine momentane Schliessung der Wunde
nicht möglich; da wendet er dann die Thiersch'sche Trans-
plantationsmethode mit Erfolg an.
Zn der Bntlin'schen Methode bemerkt F. C. Wallis, dass
die nach der Drehung oft eintretende Congestion der Lappen durch
Stichelung mit einer Nadel leicht beseitigt werden könne.
Barwell endlich glaubt die Nachtheile der directen Wundnaht
durch Anlegung von Entspannungsincisionen und Unterlegen der
Nähte mit Bleiplatten bekämpfen zu können.
Obstetrical Society London.
Sitzung vom 1. April und 6. Mai 1896.
Deciduoma malignum.
Im Anschluss an zwei von Rutherford Morison und
Herbert Spencer vorgetragene Fälle von Deciduoma malignum
hielt Eden eine kritische Besprechung dieses Themas.
Entgegen der Anschauung Sängers, der den Ursprung des
Tumors in der Decidua selbst sucht, behauptet er, dass sich die
sogenannten « decidualen Zellen» im Uterus unter den verschiedensten
Umständen finden und keineswegs für den decidualen Ursprung der
Geschwulst beweisend sind. Die von Williams und Marchand
als « syncytial > ’ beschriebenen Massen finden sich in ganz ähnlicher
Form in den sarkomatösen Geschwülsten anderer Organe; der Be¬
weis ihres Ursprungs aus Placentarresten ist nicht erbracht.
Kanthack hält das Deciduom für ein typisches Sarkom. Die
für die plasmodialen, syncytialen Massen als charakteristisch an¬
geführten Merkmale, der Mangel einer deutlichen Zellgrenze, starke
Kernfärbung, Vacuolation, finden sich durch Zellfusion auch bei
vielen rasch wachsenden Sarkomen. Um ein grosszeiliges Uterus-
Sarkom wirklich als Deciduom ansprechen zu könuen, muss einmal
der Nachweis der vorausgegangenen Schwangerschaft erbracht sein
und dann muss dieselbe bestanden haben, bevor sich der Tumor
entwickelt hat.
Clarence Webster verbreitet sich weiter über die ver¬
schiedenen Ansichten über den Ursprung des Deciduoma. Wenn
das in diesen Tumoren gefundene Syncytium mit dem der Schwanger¬
schaft identisch ist und auch in den Metastasen nachgewiesen werden
kann, so ist die Entstehung durch maligne Degeneration des fötalen
Epiblast's erwiesen.
W. E. Fothergill weist in dieser Beziehung auf die von
Gottschalk behauptete Entwicklung aus den Chorionzotten hin.
Bland Sutton definirt das Deciduoma malignum einfach als
ein aus der Decidua entwickeltes Sarkom, die Entstehung aus dem
Chorion wird von ihm angez weif eit.
H. Spencer hält die Möglichkeit der Entstehung einer malignen
Geschwulst aus den Producten der Conception, von Seite der Mutter
oder des Foetus, aufrecht.
Zum Schlüsse bestreiten Eden, Fothergill, Kanthack
und Alban Doran die Zweckmässigkeit der Bezeichnung «Deci¬
duoma malignum». F. L.
Aus italienischen medicinischen Gesellschaften.
SocietA Medio-Chirurgica di Bologna.
Sitzung vom 24. April 1896.
Obici beschreibt 2 Fälle von Anomalie der Ureteren.
De Marsi hat experimentell nachgewiesen, dass die Aponeu-
rosen-Nath, wie sie Prof. Ruggi bei der Radicaloperation
der Hernien empfiehlt, weit solidere Resultate liefert, als die
gewöhnliche Vernähung nach der Methode B a s s i n i ’ s. Bei mensch¬
lichen Leichen gehörte ein Gewicht von 4,700 kg dazu, um den
Ruggi sehen Verschluss zu zerreissen, während der gewöhnliche
schon einem Zuge von 8,500 kg nachgab. Bei operirten Hunden
gab die völlig vernarbte Ruggi’sehe Aponeuroaennath erst bei
2,100 kg, die gewöhnliche bei 1,800 kg nach.
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532 _
De Marsi .WU tan«
Cocain -Anal ge sie die £ t . Der Operirte gibt an,
des 1. und 2. Astes des Y p „ Operation nur in den Momenten des
j5*S2f d" CS- ff— heftigere, b B U»rtige Scherer,
weisen Heterotopie des Bildung der Med. spin. und
mit weiteren Anomahen in e ne n Kinde, welches 15 Tage gelebt
keiee «eif.lleedee klie.schee
Symptome gezeigt hat. _
Münchene r m edicmische woc HENgcragT.
No. 22.
V erschiedenes.
Eine, neu e The orie üb « JenM al veröffeS
Lawrie, ein englischer höherer mn medical Journal eine
licht in einer J“ l0 J?^Entetehung der bisher als die Parasiten der
neue Theorie über die Ente « K der Malariaplasmodien.
Malaria betrachteten Lay er an scnen p ^ rperche n in ver-
Er erklärt dverändert
schiedenen Stadien der . f„ en tlichen Krankheitskeim der
durch den noch unentdeckten e.gentUcnen ^ eigenartige
Malaria. Diese seine Ansicht stützt; s»«-“ rr)erchen Er glaubt
SSAÄS2Ä1% djr
Vorgang de» nta.K ot» un^ »e.ner ^
Leukocyten spiele sich vorzüg n^ der Störung dieses
Organ in Folge des Malanagiftea erkranke, haUi rothen> üde r
ssSwsssftfi:*
und Entwicklung der rothen u andslente des Autors
einem Veröffentlichungen von
Seite Lawrie's stehen in Aussicht.
Therapeutische Notizen.
SÄiSÄrHsÄ
sSs-ää;
KÄSfSÄÄ
Vorthelle bieten" 1 es genügen schon viel schwächere Lösungen,
ÄgeÄSchen, uVauf Io-55<> erhitzt, eine
zu erzeueen- 2 die locale Anaesthesie tritt nach Injection erlut “®
aHbr
'ÄÄÄ rfon|«r
Annarat auf dem die Lösungen nur bis zur Höhe von 50 50 er
tatet und auf dieser für die Dauer einer Operation erhalten werden,
“devonCosUaM dem kürzlich in San Remo abgehaltenen
Congress ligurischer Aerzte demonstrirt.
Behandlung der Tachycardie mit intravenöser
Seruminjection. Die sogenannte essentielle !
mit oder ohne nachweisbaren Herzfehler verbunden, P“*?? 8 ““
weise in mehr oder weniger grossen Zwischenraumen Coft 1 Jahr
und länger) auf und pflegt Tage, zuweilen auch unter tozen Pausen
Wochen hindurch anzuhalten; je länger die Öwer,
die Prognose. Das Krankheitsbild besteht in plötzlich auRretendem
Angstgefühl, Athemnoth und heftigem Herzklopfen bis zu 220>, ja
300 Schlägen in der Minute; in schwereren Fällen stellen sich Cyanose,
hochgradige Aufregung, sehr schmerzhafte Wadenkrämpfe em.währen
der Puls im Gegensatz zur heftigen Arbeit des Herzens fadenförm g
und leicht unterdrückbar ist (arteneUe Hypotension). In emem der
beiden Fälle, welche Chauffard behandelte, Bchien der Zustand
sehr gefährlich und der Tod bereits nabe ^nachdem bereits Injec^nen
von Coffein, Spartein, Ergotin und Alkohol in jeder Form der
nach vergebens angewandt waren, wurde eine intravenöse Injection
. , s 0250 ccm) gemacht. Nach einer Stunde war
künstlichen Serams "U , )S k en, die arterielle Spannung
die Zahl der Pulsschläge auf c jWgesU m 8eit Be ginn de8
gestiegen und der Fat Reaction der Einspritzung folgten
Anfalls die H ga r T e aB eT anK Polyurie wihrend die Besserung anhielt.
STS*— Sen de? W
SS * T
zu betrachten. Bullet. Medic. No. 33,
Tagesgeschichtliche Notizen.
r .« , o T„ni Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie,
deren^J ubnäumscöngr^ss^überM8^gtanzvofl_ verlaufe jsL_wählte^zum
LTgSS chaft' beträgt jetzt^730. Das‘
580610 Mk , die Passiven 21b 000 Mk. Das Jabrscn ^
Einnahmen und 18560 Mk- Ausgaben a .. V b mit 23 530 Mk.
aufgestellte Voranschlag stellt Einnahmen wie Ausg ^
ein. Die Bibliothek der nahezu 2000 Bände vermehrt,
hauptsächlich durch Gesehen , . . onaler Chirurgencongresse
Unternehmen erklären soll. Die g p n . n i ir( ,; c i 1 U nd Amerika
gresse werden in England, «* d
abgehalten der erste 1000 zu London. «*
Deutsch, Französisch und E g: • Geaell8ch aften jener vier
internationalen Congresses werden . elullten wird. Die Ver-
ss.w Äsaxassr... —
r.3a»~!S=»S“
ZU m
stitut errichtet, zu dessen t hy 'j en ische Ueberwachung der
Die III Versammlung süddeutscher Laryngologen, weicne
'“'ÄSÄÄ «■ 1“^nen dien» ,«
in Krankenanstalten, an denen approbirte A«rtie*ni\ n t-
SÄp^
Änto i° jTsSssrt. k d». um ^ m a-«ass.ss
innerung an den 50 jährigen Bestand des Bades Krankenhei
CftÄS etrss «-**»
Werde !: von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten^
der 20. Jahreswoche, vom 10 bis 16. Mai 18%, S\terWichkeit Rein¬
heit Bromberg und Fürth mit 34,3, die/^Äinwotoef^Mehr als
scheid mit 9,7 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwoi«“«. an
ein Zehntel aller Gestorbenen starb an R S ? h ^ la u n erleibstyphus in
Diphtherie und Croup in Freiburg l. B., an UnterleiD yp
Mannh^m.v er8itätBnachrichten) Jena. Die^Mitteta
linische deutsche Academie der Naturforscher i Mark dem
der Carus-Stiftung zum ersten Male den Betrag von 1000 Mark
Prof. Max Verworn (Physiologe) zuerkannt. , gyp hilis,
Prag. Der a. o. Professor für Hautkrankheiten vnd ayp ^
Dr. Philipp J. Pick wurde zum o. Professor dieser F
deutschen Universität ernannt. . T R a88 ell
(Todesfall.) Der bekannte englische Kliniker, Su- J.
Reynolds, ist in London gestorben.
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Beilage zu No. 22 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
3L
£ /-'•
li '
t<r .
Königreich Preussen.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angejegenheiten.
Bekan nt ni ach u n g,
betreffend
den Erlats einer Gebührenordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
Auf Grund des § 80 der Gewerbeordnung fflr das Deutsche
Reich (Reichsgesetzblatt 1883, Seite 177 ff.) setze ich hierdurch
Folgendes fest:
I. Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Den approbirten Aerzten und Zahnärzten (§ 29 Absatz 1
der Gewerbeordnung) stehen für ihre berufsmässigen Leistungen
in streitigen Fällen mangels einer Vereinbarung Gebühren nach
Maassgabe der nachstehenden Bestimmungen zu.
§ 2. Die niedrigsten Sätze gelangen zur Anwendung, wenn
nachweisbar Unbemittelte oder Armenverbände die Verpflichteten
sind. Sie finden ferner Anwendung, wenn die Zahlung aus Staats¬
fonds, aus den Mitteln einer milden Stiftung, einer Knappschafts¬
oder einer Arbeiterkrankenkasse zu leisten ist, soweit nicht be¬
sondere Schwierigkeiten der ärztlichen Leistung oder das Maass des
Zeitaufwandes einen höheren Satz rechtfertigen.
§ 3. Im Uebrigen ist die Höbe der Gebühr innerhalb der
festgesetzten Grenzen nach den besonderen Umstünden des einzelnen
Falles, insbesondere nach der Beschaffenheit und Schwierigkeit der
Leistung, der Vermögenslage des Zahlungspflichtigen, den örtlichen
Verhältnissen etc. zu bemessen.
§ 4. Verrichtungen, für welche diese Taxe Gebühren nicht
auswirft, sind nach Maassgabe derjenigen Sätze, welche für ähnliche
Leistungen gewährt werden, zu vergüten.
§ 5. Die gegenwärtige Gebührenordnung tritt am 1. Januar
1897 m Kraft.
II. Gebühren für approbirte Aerzte.
A. Allgemeine Verrichtungen
Die in den folgenden Nummern bezeichneten Leistungen unter¬
liegen nachstehenden Gebührensätzen:
1. der erste Besuch des Arztes bei dem Kranken . . . 2—20 X
2. jeder folgende im Verlaufe derselben Krankheit . . . 1—10 X
3. die erste Berathung eines Kranken in der Wohnung des
Arztes.1—10.*1
4. jede folgende Berathung in derselben Krankheit . . 1— bX
5. die Gebühr für den Besuch bezw. die Berathung schliesst die
Untersuchung des Kranken und die Verordnung mit ein.
Findet jedoch eine besonders eingehende Untersuchung unter
Anwendung des Augen-, Kehlkopf-, Ohren-, Scheidenspiegels
oder des Mikroskops statt, so können hiefür 2—5 X besonders
berechnet werden.
6. Für Besuche oder Berathungen bei Tage (vergl. No. 10), bei
denen eine derjenigen Verrichtungen vorgenommen wiul, für
welche nach dieser Gebührenordnung eine Gebühr von mehr
als 10 X zu entrichten ist, darf eine besondere Vergütung nicht
berechnet werden.
7. Muss der Arzt nach der Beschaffenheit des Falles oder auf
Verlangen des Kranken oder seiner Angehörigen länger als eine
halbe Stunde verweilen, so stehen ihm für jede weitere an¬
gefangene halbe Stund« 1,50—3 X zu. Diese Gebühr fällt fort,
wenn bei dem Besuch eine Entschädigung für die durch den¬
selben veranlasste Zeitversäumniss berechnet wird.
8. Mehr als zwei Besuche an einem Tage können nur dann be¬
rechnet werden, wenn dieselben im Einverstündniss mit dem
Kranken oder dessen Angehörigen erstattet werden oder nach
der Beschaffenheit des Falles geboten sind.
9. Sind mehrere zu einer Familie gehörende und in derselben
Wohnung befindliche Kranke gleichzeitig zu behandeln, so er-
mässigt sich der Gebührensatz für die zweite und jede folgende
Person auf die Hälfte der Sätze zu No. 1 und 2.
Es stehen ferner zu:
10. Für Besuche oder Berathungen in der Zeit zwischen 9 Uhr
Abends und 7 Uhr Morgens das Zwei- bis Dreifache der Gebühr
zu No. 1—4 und zu No. 7.
Die Gebühr unter No. 2 ist jedoch nicht unter 3 JL zu be¬
messen.
11. Für Besuche, welche am Tage auf Verlangen des Kranken oder
seiner Angehörigen sofort oder zu einer bestimmten Stunde ge¬
macht werden, das Doppelte der Sätze zu No. 1 und 2.
12
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20 .
21 .
22 .
23.
24.
25.
26.
27.
23.
29.
30
31.
32.
33.
34.
Für die mündliche Berathschlagung zweier oder mehrerer Aerzte,
jedem derselben (einschliesslich des Besuchs) .... 5—30 X
Für fortgesetzte Berathschlagungon in demselben Krankheits¬
fälle, für die zweite und folgende.5— 20.#
Für jeden als Beistand bei einer anderweitigen ärztlichen Ver¬
richtung (Operation etc.) hinzugezogenen anderen Arzt 5—20 X
Für die Verrichtungen zu No. 12, 13, 14 bei Nacht (vgl. No. 10)
das Doppelte.
Für Fuhrkosten und für die durch den Weg zum Kranken be¬
dingte Zeitversäumniss steht dem Arzt bei Krankenbesuchen
in seinem Wohnorte in der Regel eine besondere Entschädigung
nicht zu; doch können die vorbenannten Umstände bei der
Bemessung der Forderung für den Besuch innerhalb der zu
No. 1 und 2 ausgeworfenen Sätze in Betracht gezogen werden.
In den Fällen zu No. 10, 11, 12, 13, 14, 15 dagegen kann auch
innerhalb des Wohnorts des Arztes, wenn die Wohnung des
Kranken nicht unter 2 km von der des Arztes entfernt
ist, neben der Gebühr für den Besuch eine Entschädigung für
Fuhrkosten, sowie für Zeitversäumniss, und zwar für jede an-
gefangene halbe Stunde in Höhe von 1,50 -3 X berechnet werden.
Befindet sich der Kranke ausserhalb des Wohnortes des Arztes,
und zwar nicht unter 1 km von der Grenze desselben und
nicht unter 2 km von der Wohnung des Arztes entfernt,
so hat der Arzt ausser der Gebühr für den Besuch den
Ersatz der für die Reise erwachsenen Fuhrkosten zu bean¬
spruchen. Bei Benutzung eigenen Fuhrwerkes ist die Ent¬
schädigung nach den ortsüblichen Fuhrlohnpreisen zu berechnen.
Letzteres darf auch geschehen, wenn der Arzt ein Fuhrwerk
zu seiner Beförderung nicht benutzt.
Bei Fahrten mit der Eisenbahn sind die Kosten der zweiten
Wagenclasse, bei Fahrten mit dem Dampfschiff die. der ersten
Cajüte und ausserdem für Ab- und Zugang 1.50 X zu vergüten.
Ausserdem hat der Arzt in den Fällen der No. IS Anspruch
auf Entschädigung für die durch die Zurückleg.ing des Weges
bedingte Zeitversäumniss, und zwar 1,50—3..#. für jede ange¬
fangene halbe Stunde der für die Fahrt erforderlichen Zeit.
Bei Reisen, welche mehr als 10 Stunden in Anspruch nehmen,
findet ausser der Erstattung der Reisekosten eine Vergütung
von 30—150 X für den Tag statt, welche die Entschädigung
für Zeitversäumniss einschliesst. Die ärztliche Verrichtung ist
besonders zu vergüten.
Besucht der Arzt mehrere ausserhalb seines Wohnorts bi find-
liche Kranke (No 1*) auf einer Rundfahrt, so sind die ge-
sammten Fuhrkosten und die Entschädigung für Zeitversäumniss
in angemessener Weise auf die einzelnen Verpflichteten zu ver¬
theilen.
Wird der Arzt bei Gelegenheit der Besuche gemäss No. 18, 19,
2C, 21, 22 noch von anderen Kranken in Anspruch genommen,
so stehen ihm die Sätze unter No. 1 und 3 zu.
a) Eine kurze Bescheinigung über Gesundheit oder Krankheit
eines Menschen.2—5.#
b) Kin ausführlicher Krankheitsberich:.3 — 10.#.
c) Ein begründetes Gutachten.9—30 X
Ein im Interesse der Heilung des Kranken zu schreitender
Brief.2-10.#
Die Besichtigung einer Leiche, auch mit Ausstellung einer kurzen
Bescheinigung, ausser der Gebühr für den Besuch . 3-6.#
Die Section einer Leiche in Folge Privatauflrags . . 10—30.#
Ein schriftlicher Sectionsbericht.3—10 X
Bemühungen zur Wiederbelebung eines Scheintodten (ohne die
etwaige Nachbehandlung).4—20.#
Impfung der Schutzpocken (einschliesslich der Nachschau und
der Ausstellung des Impfscheins). 3—6 X
Werden mehrere zu demselben Hausstände gehörige Personen
in demselben Raume gemeinschaftlich geimpft, für jede Person
1—2 .#
Die Leitung eines Bades.2—10.#
Ausführung der Narkose. ... 5—15.#
Erfolgt dieselbe behufs Ausführung einer Operation, für
welche der Arzt nicht unter 10.# zu beanspruchen hat, so ist
für die Narkose keine besondere Gebühr zu berechnen.
Massage. 2—5 X
Digitized by
Google
534
Beilage zur Münchener nn
edicinischen W ochenschrift.
No. 22.
für letztere); Einspritzungen j‘^“Vohres mit oder ohne
. »-äs
ielr^sSr de, Speiseröhre oder mit Auespöh.ng
des Magens . • V«rV,«m 1 mittel welche entweder nur einen
41. Die Instrumente und Verband - besonderer
einmaligen Gebrauch erlaub. en oder^eicne s ^ der
«r Bich behält, sind dem Arzte
zu liefern oder Ihrem'Berthe ” ach 3 ^ fingere Zeit hindurch
zuzubilligen, jedoch nicht unter I *■ o_ G M
Ein Aderlass.
30.
40.
42.
73.
74.
Resection eines Knochens der tziieamas 30-150 JL
des Ober- und Unterkiefers
30 — 300 JL
. 20—150 X
.. 30-200.«.
‘ * . 5—30 X
Gliedes oder
75. Gclenkresection oder Resection
43.
B. Besondere Verrichtungen.
Wundärztliche Verrichtungen.
41 Eröffnung eines oberflächlichen Abscesses oder brweaeru v.
einer Wunde • X b8cesse9 ' *. ! . 10-50.«
45 .
4G.
47.
48.
40.
Eröffnung eines tiefliegenden^Abscesßes.2— 0.«
Anwendung des scharfen Löffels . ,, Wuml'.. ' ’ 1—10.«
• 2 - 10 .«
10-30.«
50.
51.
52.
53.
51.
55.
56.
57.
58.
einer
5—lü.«
Anwendung des scharren l,uuci* .
Der erste einfache Verband einer ^emen Wumie .
Naht und erster Verband einer kleinen Wnn«lc . -
Naht und erster Verband einer grösseren undc
Eine Sehnendurchschneidung..
Eine Nerven-Isofiriing und Durchscheidung oder - Dehnung oder
Naht. • • • ..
Entfernung fremder Körper: 2 —10 «
aj aus den natürlichen Oeffnungen . . . •.6—50.«
b aus dem Kehlkopf oder der Speiseröhre . . . 6 MM
Entfernung fremder Körper oder Knochensplitter aus
Entleerung von Flüssigkeit mittels Einstichs & _ l() K
l\ Ts £f Ä der Bauchhöhle , der Blake’ ödendem
Entfernung kleiner, leicht'zu operirender Geschwülste an äusseren
59 fÄun^sW compiieirter" Geschwülste • f r 200X
60. Kathetrismus der Eustachischen Trompete mit Lufteinbl.isen
oder Einspritzung. 2—5 «
ft Ä5Ä von The,len der innemnNask modern
63. Klei'neOperat ion am Trommel feliund in «
64. Schwierige Operation am Mittelohr vom Gehorgange aug la 30 JL
65. Anbohrung oder Auf meissei ung des Warzenfortsatzes 15 100 .
66 Entfernung 3 15 «
a) einer Mandel ... <• • • .in an \
b eines Nasen- oder Rachenpolypen. W
c) von Drüsenwucherungen im Rachenramne . - • ™ *> <£
67. Kleine Operationen im Kehlkopf, Einbringung von Medicainenten
68. Andere 6 grosse Kehlkopf - Operationen und Entfernung rin er
Geschwulst aus dem Kehlkopf ........
69. Einrichtung und Verband gebrochener Knochen, und zwar.
a) eines oder mehrerer Finger oder Zehen . . • • •
b) eines gebrochenen Gesichtsknochens oder ScliultcrblatU» ^
cl eines gebrochenen Bcckenknochens, der Knochen der Hand-
öder Fusswurzel, der Mittelhand ode^des Mittclfusses^^H m
«
10-25.«
15—30 X
20—50 JL
15 -30 JL
20-100.«
86 .
87.
88.
89 .
90.
91.
92 .
76. Resection einer Rippe . .._
77. Eröffnung der Schädelhöhle . • • •
78 Eröffnung der Oberkieferhöh e . verk ' rüminte n Gliedes oder
79. Gewaltsames Gradestrecken e s „ Knoc benbruches
Wiederzerbrechen eines fehiernau gc 10—f.O JL
80 -Eröffnung eines Gelenkes zur Drainage oder zur Entfer^^
eines Fremdkörpers. 20—100.«
81 .. ' 15-100.«
82 Osteotomie • • • .. 30 -200.«
83. Dieselbe an der Hüfte . .30-100.«
84. Operation des Klumpfusses - . G i ie( i e r, und zwar:
85 Einrichtung und erster Verband xerrenaw 10-20.«
a) des Unterkiefers . 10—30.«
b) des Oberarms. 30—60.«
c) des Oberschenkels . • • • • • • ' ' ‘ od ' Handgelenks
dj des Vorderarms, Unterschenkels, Fass- oder JL
, _ , . . 2 10.«
£ jSÄi - Ji »
doppelten Gebühren zu gewähren Lippen-,
Grössere plastische Operationen 20 -200*«
Gaumenbildung. Operation der compl. Hasenscha ) 10 _ JOO x
Operation der einfachen oder ‘der' ganzen Zunge
Ausrottung eines riieiles der Zunge o - s 20 - 200.«
Eröffnung des Kehlkopfes oder der |q-50oI«
Theilweiso oder gänzliche Ausrottung de ehlk p g 0 _2 00 ,.«
.. Eröffnung des Schlundes oder dei Spe scro . 20 _ 1RÜ X
93. Operation des Empycma dun-h K- d c8 Afters, der Harn-
m. Eröffnung des oberflächlichen Verschlusses dt » & __ 2(KÄ
röhre, der Schamspalte . . . • • • • • • ; ' * le * r Harnröhre,
Eröffnung tieferer Verschlüsse des Mastda , lf) _io0.«
der Scheide, des Gebärmuttermundes . . •- • &0 _ ft00 x
Operationen an inneren Organen R ruc bes odefeines Mastdarm-
Zurückbringung eines beweglichen Bruches oü . X
Zurückbringung ^'“^^'"R^If^e^r^^Kadu.äloperation
Operation eines eingeklemmten Bruc After8 0 der
eines Bruches oder Anlegung eines künstne a0 _ 200.«
Operation eines widematürhehen Aftern • ' da ; mvorfall8 ode r
Operation der Mastdarmfistel oüer ucs na kj —100«.
von Hämorrhoidalknoten.50 - 300*«
Ausrottung des Mastdarms . . . ^ ...
Kathetrismus der Harnblase beim Manu. 1(50 _b.«
Derselben bei der Frau. . . • ■ • • ■ ' : > qj lungere Zeit
Werden die Operationen . z f U f .f'' leTeretenMale der volle
wiederholt ausgeführt, so >st für die J re l _ jedoch nic ht
Satz, für die folgenden die Hälfte zu berernnen j
Operation 1 der Phimose oder der Paraphimose . ■ • ®2i0Jt
Zurückbringung der .. 10 -100.«
iu,. Harnrölirenschnitt •••••;. . 20-100.«
103 Operation einer Harnröhrennstel. !5_bu.«
IS Spiegelung *der Blaso als »elbstitirdige Operation i 5
Ht SSÄÄät^' (W einer' öderen
Sitzungen) ■•••••*, . .10-30«!
113 Operation des Blutaderbruchs . . j—5 ^
114. Heftpflaster-Einwickelung des Hodens . . . • • • 2 q _ 10O«.
115 Scbnittoperation des Wasserbruchs . .. 30—100.«
116. Ausrottung eines oder beider Hoden.• 30-60.«
117. Transfusion.
91.
95.
96.
97.
93.
99.
100 .
101.
102 .
103.
101.
105.
106.
107.
d) des Schlüsselbeines, einer oder mehrerer Rippen, desJOber-
e) des Unterarms, des Unterschenkels
f) des Oberschenkels.
g) des Obcrschenkelhalses.
h) der Kniescheibe.
Naht der Kniescheibe
1) Aalit der ..• ■ • • t - . .
70. Für Einrichtung und Verband gebrochener Knochen bei Durch¬
bohrung der Haut erhöhen sich die Sätze zu No. 6.1 um 10-50.«
Absetzung oder Auslösung von Gliedern, und zwar:
a) eines Ober- und Unterarms, eines Ober- oder Unterschenkels
118.
Augenärztliehe Verrichtungen.
Untersuchung der Sehkraft (einschliesslich Farbonbhndhe^
np.sichtsfeldbescbräiikung u. s. w.) . • • • ; n ,i cr
119.
12ü.
b) des Fusses oder der Hand
c) eines Fingers oder einer Zehe oder einzelner Glieder der¬
selben...«in m
Ausrottung eines Finger- oder Zehennagels.o uu*
Gesichtsfeldbescbränkung u. s. w.) . • • • • ’ Ue 0 ,lcr
Operation der verengten oder erweiterten A g 1 f _ 30
der Verwachsung der Lidspalte . . . ■ ■ • • ; - dem Anp .
Operation der Verwachsung der Augenlider m 20 _ 100 ^
121. Operation des auswärts gewandten Lidrandes . - - 10
122. Ausschneiden der Uebergangsfalte des Augenlides
haut-Entzündung . ••••••• * ; ’ ’ipB herabhängenden
Operation des einwärtsgewandten oder des h J 10Q ^
Augenlides in einer oder mehreren Sitzungen . . 2 _ 2 0 .«
drei Male 'der S.U, bei
30-500.* | i26 »der Verödung dee Thräne.
sackes oder Operation der Thräncndnisenfistel . . - je
126. Ausrottung der Thränendrü6e .10—50 J(-
127. Entfernung des Flügelfelles.
123.
124.
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2. Juni 1896-
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
i
128. Entfernung von Fremdkörpern, und zwar:
a) aus der Bindehaut.2 —10.*
b) aus der Hornhaut.3— 20.*
c) aus der Augenhöhle.5—60 JC
d) aus dem Innern des Augapfels. 20—150 .*
129. Scbiel-Operation.15 —150 JC.
130 Galvanocaustische Aetzung der Bindehaut oder Hornhaut
3—20 JC
131 Tätowirung der Hornhaut in einer oder mehreren Sitzungen
20 —50 JL
132. Eröffnung der vorderen Augenkamraer durch Schnitt 10—50.*
133. Iridectomie, Pupillenbildung. 20—150.*
134. Operation des grauen Staars oder des Glaucoms . 50—300 JL
135. Nachstaar-DisciHion in einer oder mehreren Sitzungen 30—150 JL
136. Entfernung des Augapfels. 30—150 .*
137. Auswahl und Einsetzen eines künstlichen Auges . . 2—5 JL
138. Ansetzen künstlicher Blutegel. 2—3 JL
Geburtshilfliche und gynäkologische Verrichtungen.
139. Untersuchung auf Schwangerschaft, erfolgte Geburt oder Krank¬
heit der Geschlechtsorgane.2— 10 JL
140. Beistand bei einer natürlichen Entbindung.10-40.*
141. Bei einer Zwillingsgeburt um die Hälfte mehr.
142. Bei einer Geburt von mehr als zwei Stunden Dauer für jede
angefangene halbe Stunde mehr.1,50—3 JC
143. Künstliche Entbindung:
a) durch Manual-Extraction.15-:'0.*
b) durch Wendung mittels innerer Handgriffe oder durch
Zange . •.15 - 100 .*
c) durch Wendung, Extraction und Zange zugleich oder durch
Perforation mit oder ohne Kepbalotripsie oder Zerstückelung
oder mit Symphyseotomie. 30—150 JL
d) bei vorliegendem Mutterkuchen ausserdem . . . 10-50.*
144. Beistand bei einer Fehlgeburt.6—50 JL
145. Einleitung der künstl Frühgeburt oder des Abortus . 10—50.*
J46. Kaiserschnitt bei einer Lebenden. 50—500.*
147. Desgleichen bei einer Verstorbenen. 20—50 JL
148. Entfernung der Nachgeburt ohne Entbindung . . . 10—20 JL
149. Behandlung einer Blutung nach der Geburt ohne Entbindung
10 -100 .*
150. Operation eines frischen Dammrisses.5—20 JL
151. Operation eines veralteten Dammrisses .... 20 - 200.*
152. Sofern derselbe ein bis in den Darm durchgehender ist 30—300 .*
153. Operation der Mastdarm Scheidenfistel, der Blasen- oder Ham-
leiter-Scbeidenfistel oder Aelmlicbes. 30—500.*
154. Einlegung von Arzneistiften in die Gebärmutter oder Aus¬
spülung derselben oder Aetzung des Gebärnmtterhalses oder
der Gebärmutterhöhle oder Ansetzen von Blutegeln mittels des
Mutterspiegels.3—0.*
155. Einlegung eines Mutterkranzes mit Lageverbesserung der Gebär¬
mutter .2—20 .*
156. Reposition der umgestülpten Gebärmutter .... 10 100 ..*
157. Unblutige Erweiterung des Muttermundes und Mutterhalses
3 20.*
158. Blutige Erweiterung des Muttermundes.5—50 JL
159. Naht alter Muttcrhalsrisse .. 20-50.*
PO. Ausschabung der Gebärmulterhöhle.10-100.*
161. Theilweise Entfernung der Gebärmutter. 20-100.*
162. Gänzliche Entfernung der Gebärmutter. 50—.00.*
163. Untersuchung einer Amme.3—10.*
III. Gebühren für approbirte Zahnärzte.
1. Für die Beratbung eines Zahnkranken, einschliesslich der Unter¬
suchung des Mundes und etwaiger schriftlicher Verordnung
a) in der Wohnung des Zahnarztes. 1—5 .*
Nachts.2—10 JL
b) in der Wohnung des Zahukrankcn. 2—6.*
Nachts.4—15«*
2. Sehliesst sich an die Berathung und Untersuchung in derselben
Sitzung eine der Verrichtungen, für welche irn Nachstehenden
eine besondere Gebühr ausgeworfen ist, so darf eine solche nach
No. 1 nicht gefordert werden.
3. Reinigung aller Zähne.5—10 JL
4. Ausziehen eines Zahnes oder einer Wurzel . . . . 1—5.*
Beim Ausziehen mehrerer Zähne oder Wurzeln in derselben
Sitzung für den zweiten und die folgenden je die Hälfte, jedoch
nicht unter 1 .*
5. Für die Füllung einer Zahnhöhle
a) mit plastischem Material.3—10.*
b) mit Gold je nach der Grösse •.10—MO .*
c) mit Zinn und Gold.5 —lbJL
6. Für die Ueberkappung einer freiliegenden Zahnpulpa oder Ex¬
traction oder Abtödtung einer Zahnpulpa.2—4 JL
Bei Abtödtung mehrerer Zähne in derselben Sitzung für
jeden folgenden Zahn die Hälfte
7. Für jede antiseptische Behandlung einer Zahnhöhle oder eines
Wurzelkanals.1—2uK
8. Für Eröffnung eines Abscesses in der Mundhöhle und ähnliche
einfache blutigo Operationen im Munde.2—5.*
9. Für grössere blutige Opirationen im Munde .... 5— 30 JL
10. Für das Abfeilen störender Ränder an einem Zahn . . 1—3.*
Für dieselbe Operation an mehreren Zähnen in derselben
Sitzung für jeden folgenden die Hälfte
11. Für die örtliche Betäubung bei einer Zahnoperation . 2—5.*
12. Für die allgemeine Betäubung bei einer Zahnoperation 5-10.*
13. Für die Stillung einer übermässigen Blutung nach der Zahn¬
operation . 2_4 ^
14. Findet eine der unter No. 4 — 10 aufgefühlten Operationen *in
der Wohnung des Zahnkranken statt, so erhöht sich die für
dieselbe ausgeworfene Gebühr um.3 — 10.*
Nachts um. 5-15 I*
15. Für die Anfertigung einer Platte aus Kautschuk für künstlichen
Zahnersatz. 8—10 .*
16. Für Reparatur einer solchen Platte die Hälfte.
17. Für jeden an derselben Platte befestigten Zahn . . . 5—10.*
Für Blockzuhne mehr um je. 2_5 *
1^. Für Klammern oder Einlagen ans Edelmetall zur Befestigung
oder Verstärkung einer Kautschukplatte.5—10.*
19. Für Anfertigung einer Zahnersatzplatte aus Edelmetall wird
ausser dem Metallwerth berechnet.. 20—30 .*
20. Für jeden an einer solchen Platte (No. 19) befestigten Zahn
„ 10—15 .*
21. Für Ansetzung einer Stiftzahnes.10—20.*
22. Für Federn nebst Federträgern aus Gold an einem ganzen
Gebiss . 20—30 .*
Der Preis für die Anfertigung von Obturatoren, von Schienen-
Verbänden bei Kieferbrüchen, von Apparaten zum Zweck der Recht¬
stellung schief stehender Zähne oder anderen zahntechnischen Ap¬
paraten, sowie für Kronen- oder Brücken-Arbeiten bleibt der freien
Vereinbarung überlassen.
Berlin, den 15. Mai 1896.
Der Minister
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
Bosse.
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Beilage zur Münchener medicipisch en_Wo^cnBdm^
No. 22-
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: D, *i T * * > ,‘?5ide “ÄÄ“ ’•
Dr - ^gr: er B“ ä v D ia H Ha«se von München nach Burg-
hSUS Ernannt: Seiten, des
einjährig-freiwillige Arzt Jrgdrich nannt ^ ^ der Wahrne hmung
SÄ? eines Proseetors am
SÄnÄSÄ&Ä.DÜrehühertrngen.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat Apnl lo9b.
« ML.1t «SÄ»*«,.
STlMann, - ^^^aSreÄbÄnn ^Kadetten, - Invaliden,
2) Zugang: im Lazareth 13oJ Mann _ Invaliden> _ U.-V.
10 U.-V.: im Revier 39bl Mann, 7 ^ d ® “j iden l0 u.-V. Mithin
Summe 5313 Mann, 10 Paletten 1 ^ Mann io Kadetten,
rsas. ä ~ m “"'
U-V.; gestorben 11 Mann, — ,* a q,.’», ann __ TJ.-V.; ander-
u ' v "' 4915
700,00 der erkrankten Kadetten d VQn 100ü der Kranken
909 09 der erkrankten U.-V., gesioruc » _y
der Armee, 0,00 Kadetten, 0, 0 nwi en ^ Mann, 3 Ka-
5> Mithin ITv V V vom Tausend der Iststärke 32,83 Mann,
SSÄÄ65 invaliden, 6,99 U.-V. Von diesem Kranken-
i)~ü/v! = Abkürzung für Unteroffiziers-Vorschüler.
... t n i*n.atG i9R3Mann. 2 Kadetten, — Inva-
stande befanden sich imD ^ Kadett , 2 Invaliden, - U.-V.
liden, 1 U.-V., im Rev bezw . Revier Gestorbenen haben
Von den im Lazar . dun „ 3 Lungentuberculose 2,
gelitten an: Scbarlac . “ 8 Purpura liaeinorrhagica 1, Herz-
ironische LungenschwindBUcht^l^iru^p^^^ ^ Buc h-
beutelentzündung nach1 G1 * £ ® j. fernere verlor die Armee
fellontzündung bei Darmtuber I } und l durc h Unglücks-
noch 3 Mann durch Selbstmord ^ g Schädelbruclies. Der Ge-
« ü£.:~.“ .sa.—»-- »■ * —
w-ÄSST*'
Betheh. Aenste«
SäÄ ist
Uebersicht der Sterbefälle in München
wahrend der 21. Jahreswoch. vom IT. b» 23. M». •
Bevölkerungszahl: 40b 000.
Todesursachen^ Masern ( t (1) 'ßlutver-
und Croup 2 (3), Rothlaut ^ U, Unterleibstyphus -
si b, r m&i. jgj&jfzsir*
die über dem 5. Lebensjahr stehende 16,- (lo.U,.
■"^„geklammerten Zahlen bedeuten die Falle de, Vorwoche.
Mnrhiriitätsstatistik der Infectionskrankheite n in Bayern: Mgrzj) und April 1 89 6,
i ;N-J.a i 11 - ij “1 \ii\z\ sl il 51 tl» a a=äSUr
Augsburg
Bamberg
Fürth
Kaiserslaut.
mÄ¥'| ä 73 167 |20S|102
e b Ä i 2 i | |_.
—gv.w„ —. — a.A
Aschaffenburg. Bez.-Aemter AloUarh 26 Ch 31. Pneumonie stehen noch im Zusammenhänge dmult. k Bezirksärzte zu erhalten, welch
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C^ooqI
Die Münchener Mcdlcln. Wochenschrift erscheint
wöchentlich ln Nummern von mlndesten82V 5 —3 Bogen.
PrelB vierteljährlich 6 M ., praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 *).
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwohrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cd. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Helneke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. v. Winckel, H. y. Zlemssen,
'Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. Münehen.
M 23. 9. Juni 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. P. Lehmann, Landwehretr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Freiburg i. B.
Ueber Endometritis decidua polyposa et tuberosa. 1 )
Von Privatdocent Dr. Gustäv Bulius, I. Assistent der Klinik.
M. H.! Ich möchte mir erlauben, Ihnen ein sehr interessantes
Präparat von Decidua polyposa et tuberosa zu demonstriren. Es
handelt sich hier um eine hyperplastischc Bildung der Decidua
vera, welche als ein ca. 6 cm breiter und 11 cm langer fast vier¬
eckiger Lappen ausgestossen wurde. Auf der inneren, dem Fötus
»agekehrten Fläche finden sich Verdickungen in Form von Buckeln
und von Polypen, mit mehr oder weniger dünnem Stiel. Die
letzteren überwiegen an einer Stelle ganz bedeutend, an anderer
findet man sie einzeln oder in Gruppen in der Regel grösseren
buckelförmigen Verdickuhgen aufsitzend (siehe Fig. I).
Fig. I.
Lappen der Decidua vera in natürlicher Grösse.
') Vortrag, gehalten im Verein Freiburger Aerzte.
No. 23.
Die Decidua reflexa ist vollkommen glatt und auch in toto
nicht verdickt. Die Chorionzotten zeigen makroskopisch keine Ver¬
änderungen.
Histologisch bestehen die Wucherungen der Decidua vera
aus bläschenförmigen Zellen mit hellem Zcllleib und rundem Kern,
vollkommen gleich den Deciduazellen, nur in der Grösse etwas
nachstehend. An vielen Stellen sind diese Zellen in regressiven
Stadien, zum Theil sind die Contouren noch mehr oder weniger
deutlich erhalten, das Protoplasma aber in eine krümmelige Masse
umgewandelt; zum Theil liegt zwischen wohlerhaltenen Zellen eine
krümmelige Masse, in der Zellgrenzen nicht mehr zu unter¬
scheiden sind. Nirgends fand sich spindeliges oder faseriges
Bindegewebe.
Bemerkenswerth ist dann weiter der recht beträchtliche
Gefässreichthum, sowohl in den breitbasig aufsitzenden Buckeln,
wie in den gestielten polypösen Wucherungen. Nur selten findet
man in den letzteren ein einzelnes centrales Gefäss, weit häufiger
mehrere. Die arteriellen Gefässe haben verdickte Wandungen und
zeigen starke Zellproliferation an den Intimazcllen (siehe Fig. II).
Fig. II.
N 1 ..
V '- ; U
ZfZi&s&r
Schnitt aus einer buckelförmigen Wucherung.
a Deciduazellen. b Gefässe. c Drüsenlumina.
Endlich muss noch das Verhalten der Drüsen erwähnt werden.
Makroskopisch sieht man eigentlich kaum Drüsenöffnungen, mikros¬
kopisch findet man dagegen an den mehr flächenhaft verdickten
Stellen in weiten Entfernungen von einander Einsenkungen, die
in der Tiefe sich etwas erweitern und hier mit Epithel aus¬
gekleidet sind. Auf der Oberfläche der Decidua selbst ist nirgends
Epithel. .
Während nun in der Hauptsache die Verdickungen ent¬
sprechend ihrem Ausgangspunkte, der compacten Zellschicht der
Decidua aus Deciduazellen bestehen, zwischen welchen nur ganz
vereinzelt Drüsen liegen, sieht man nach der äusseren, utennen
Fläche zu noch Theile der ampullären Schicht, ziemlich zahlreiche
DigilLZ&iÜÄ
jG
588
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
mit Epithel ausgekleidete Drüsenräume, von einander durch mehr
oder weniger schmale Brücken von Deciduazellen getrennt.
Sehr auffallend ist der Befund an den kurze Zeit nach Aus-
stossung des Lappens mit der Curctte entfernten tiefen Decidua-
schichten. Hier sind die Drüsen äusserst unregelmässig gestaltet,
die Epithelien sitzen dicht gedrängt, der Kern liegt tief, der Theil
des Protoplasma nach dem Lumen ist gequollen. Deciduazellen
sind nicht vorhanden, vielmehr trennen nur ganz schmale Streifen
von spindeligem Bindegewebe die einzelnen Drüsen von einander
(siehe Fig. HI).
Fig. III.
b
(i
Schnitt aus der mit der Curette entfernten tiefen Schicht der Decidua.
a Drüsen mit erhaltenem Epithel.
b Das zwischenliegende spindelige Bindegewebe.
Die Chorionzotten zeigen auch mikroskopisch keinerlei Ver¬
änderungen.
Ich habe Ihnen diese anatomischen Verhältnisse etwas näher
auseinander gesetzt, weil ich bei der Durchsicht der Literatur
seit den Veröffentlichungen von Ahlfeld 8 ) und von Lewy 3 ) aus
den Jahren 1876 resp. 1877 keine diesbezügliche Publication fand.
Der erste Fall von excessiver Wucherung der Decidua wurde
von Virchow 4 ) mitgetheilt, von dem auch der Name Decidua
tuberosa stammt. Es fanden sich aber hier, wie auch in den
von Strass mann 4 ) und Gusserow 6 ) beschriebenen Fällen
nur buckelförmige Verdickungen, welche von Virchow mit
grossen breiten Condylomen verglichen wurden, die noch nicht
exulcerirt sind.
Mikroskopisch fanden sich nach Virchow in einer schwach
faserigen Grundsubstanz grosse, stellenweise geradezu mächtige
Zellen von linsenförmiger Gestalt, welche auf senkrechten Durch¬
schnitten meist als dicke Spindeln sich darstellen. Nach Behand¬
lung mit Essigsäure heben sie sich mit ihrem dunkleren Inhalt
und grossen Kernen als umfangreiche Körper aus der helleren
Grundsubstanz hervor und das ganze Gewebe erinnert dann an
faserknorpelige oder sklerosirtc Bindegewebsbildungen, am meisten
an die Structur der dicken Platten der Arteriosklerose.
Fettige oder andere Degeneration wurde nicht beobachtet.
Dagegen zeigen sich schon in den oberen Lagen zahlreiche Durch¬
schnitte grösserer Gefüsse, namentlich dickwandige Arterien mit
concentrischcn Höfen eines dichten Scheiden ge webes. »
Gusserow 7 ) beschreibt die histologischen Verhältnisse unter
besonderer Erwähnung grosser Mengen dichtgedrängter grosser
Deciduazellen, die besonders nach der inneren Oberfläche zu in
einem Wucherungsstadium zu sein scheinen, indem sie oft mehrere
deutliche Kerne enthalten. Freie Kerne waren nur sehr wenig
zu bemerken. Besonders deutlich waren diese Wucherungen neben
*) Archiv für Gynäkologie, X.
*’ Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, 1
Archiv^ Bd n 2? 8Chnft fÜr Geburtskunde - Bd. 17 und Virchow’s
b ) Monatsschrift für Geburtskunde, Bd 19
«) Monatsschrift für Geburtskunde Bd 27’
7 t 1 c.
concentrischer Schichtung des Grundgewebes in der Umgebung
der Gefässe.
Die polypösen Wucherungen wurden zum ersten Mal von
Dohm 8 ) beschrieben, der sie an der Decidua reflexa beobachtete.
Sic waren sehr gefässreich, ihr Gewebe stellenweise mit kleinen
Blutextravasaten durchsetzt, die Deciduazellen grösser als ge¬
wöhnlich, übrigens wechselnd in ihrer Mächtigkeit je nach der an
den verschiedenen Stellen des Präparates verschieden starken
Gewebswucherung.
Weiterhin theiltcn Heyerdahl 9 ) und Vedeler 9 ) je einen,
vom Hofe' 0 ) 8, Ahlfeld 11 ) 2, Lewy 1 *) einen Fall mit.
Endlich führt Ahlfeld in dem Lehrbuch der Geburtshilfe
noch an, dass er seit jener Veröffentlichung die polypösen
Wucherungen an der Decidua ausgestossener Eier sehr häufig
beobachtet habe. Um so auffallender ist die so spärliche Mit-
thcilung in der Literatur. Auch nach den Beobachtungen an
der hiesigen Klinik kann ich Ahlfeld nicht beistimmen, wenn
er diese excessiven Wucherungen an der Decidua mit Bildung von
Buckeln und Polypen für eine sehr häufige Erscheinung erklärt.
Die erhobenen mikroskopischen Befunde decken sich im
Wesentlichen mit dem unsrigen. Hervorheben möchte ich nur
noch, dass die Wucherung ausgeht von den Deciduazellen der com¬
pacten oder Zellschicht, und dass .nur in den tiefsten Schichten
eine Wucherung der Drüsen stattfand.
Bezüglich der Aetiologic nur noch wenige Worte.
In unserm Falle stammt das Präparat von einer 21jährigen
kräftig gebauten, gesunden Frau. Sie hat im Februar 95 zum ersten
Male geboren. Das Kind war abgestorben, wie die Hebamme an¬
gibt, sei die Nabelschnur dünn gewesen, Abschilferungen der Haut
nur in den Ellbeugen. Nach der Geburt dauerte der Blutabgang fast
6 Wochen lang fort, hörte dann auf Extr. hydrast. canad. auf.
4 Wochen später regelmässige Periode bis zum Anfang September.
Dann Amenorrhoe. Anfang December etwas Blutabgang, am 7. Decem-
ber Morgens unter wehenartigen Schmerzen Ausstossung von Klumpen
und Fetzen, darunter der Deciduafetzen, und das von der Reflexa
umgebene Ei. Die Blutung dauerte danach immer noch etwas an.
weshalb ich gegen Mittag gerufen wurde. Beim Curettement wurden
noch ziemlich viel Deciduafetzen und Blutklumpen entfernt. Die
Blutung hörte vollständig auf. Nach 4 Wochen trat die Periode
wieder ein, 8 Tage dauernd, mässig stark, ohne irgend welche Be¬
schwerden Eine nach dieser Zeit vorgenommene Untersuchung er¬
gab keinerlei Veränderungen in den Geschlechtsorganen.
Auch in den übrigen Fällen handelte cs sich grossenthcils
um gesunde junge Frauen, wiederholt wurden die Zeichen einer
Endometritis constatirt und in 2 Fällen ergab die Anamnese Lues.
Virchow hatte diese Wucherungen für syphilitischen Ur¬
sprungs erklärt, doch spricht die Abwesenheit von Lues in den
meisten Fällen nicht gerade dafür. Hier musste die Geburt eines
todten Kindes verdächtig erscheinen. An der Frau waren nirgends
/eichen von Lues zu finden. Den Mann habe ich genau exami¬
niert, er läugnet vollständig, je gcschlechtskrank gewesen zu sein
oder Ausschlag gehabt zu haben. Es spricht wohl auch das nor¬
male A erhalten der Chorionzotten gegen Lues, während die cx-
cessive V ucherung der Decidua vera sich gut vereinigen lässt mit
den Erscheinungen der mangelhaften Rückbildung des Uterus
post partum.
Ueber die Prognose der Extrauteringravidität und
die Bedeutung des Sectionsmaterials für dieselbe.
Von Dr. F. Chotxen.
Der enorme Aufschwung, den die Gynäkologie in den letzten
Jahrzehnten den h ortschritten der Chirurgie zu danken hat,
musste natürlich bei den Gynäkologen ein grosses Zutrauen zum
Messer und eine wachsende Operationslust zur Folge haben. Wie
leicht man sich, im Vertrauen auf die durch eine vervollkommuetc
lechnik und die Anti- resp. Asepsis bedingte relative Gefahr¬
losigkeit, heutzutage zu Operationen cntschlicsst, beweist der Um¬
stand, dass selbst eine so eingreifende Operation, wie die Laparotomie,
8 ) Monatsschrift für Geburtskunde, Bd. 31
P Norck. Mag. f. Lügerid, Bd. 24.
,0 ) Inaug Diss., Marburg, 1869.
“) und ‘2) 1. c.
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9. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
539
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zu Explorationszwecken empfohlen und ihre Unterlassung in zweifel¬
haften Fällen von mancher Seite als Kunstfehler angesehen wird.
Unter solchen Umständen ist es wohl selbstverständlich, dass man
keinen Augenblick zögerte, ein Leiden, dessen Heilung auf andere
Weise nur unsicher oder mit grossen Schwierigkeiten oder grossen
Leiden für den Patienten verbunden war, durch eine Operation
radical zu beseitigen, sobald die Möglichkeit dazu geboten war.
War nun mit diesen Eingriffen eine Verstümmelung des
Kranken verbunden, so erhoben sich natürlich öfters Stimmen,
welohe ein solches Vorgehen nicht für berechtigt hielten, so lange
nicht sicher nachgewiesen war, dass auf conservativere Weise die
Heilung nicht erzielt werden könnte, oder wenigstens, dass der
Verlust des entfernten Theiles den Gefahren und Leiden eines
natürlicheren Verlaufs vorzuziehen oder doch gleich zu setzen sei.
Eine solche «Reaction» muss man als berechtigt anerkennen,
wenn man nicht auf dem Standpunkt steht: je weniger Organe
ein Mensch hat, desto weniger Erkrankungen ist er ausgesetzt;
auch im Interesse einer genaueren Kenntniss eines Krankheits¬
bildes ist sie beachtenswerth, denn erst eine Reihe in ihrem
ganzen Verlauf ohne künstliche Störung belassene, genau beob¬
achtete Fälle können eine richtige Beurtheilung der Pathologie
und eine strictere Indicationsstellung für die Therapie ergeben.
So lange diese nicht gegeben sind, kann man gegen ein zu actives
Vorgehen Einwendungen machen, ohne deswegen dessen Erfolge
herabsetzen zu wollen. Ja, in manchen Fällen wird man sogar
ein tbätiges Eingreifen mit Dank begrüssen müssen, da durch
dasselbe erst die Kenntniss einer Krankheit so weit gefördert
wurde, um die Frage der Therapie wieder spruchreif werden zu
lassen. So ist es z. B. mit der vorliegenden Erkrankung, der
Extrauteringravidität der Fall, deren überaus häufiges Vorkommen,
wie unten noch erwiesen werden wird, erst durch das öftere
Operiren bekannt geworden ist. Durch diese Kenntniss aber erst
konnten wieder Bedenken entstehen, dahingehend, dass heutzutage
von den Gynäkologen bei ektopischer Schwangerschaft auf Grund
einer zu ungünstigen Stellung der Prognose, zu viel operirt würde.
Diese Bedenken wurden von einem namhaften Gynäkologen zu
München geäussert und zugleich wurde angeregt, das Scctions-
material dieser Erkrankung in dem hiesigen pathologischen In¬
stitut einmal daraufhin anzuschen, ob sich etwa daraus eine Stütze
für die angegebene Ansicht entnehmen Hesse.
Dieser Anregung nun verdankt die vorliegende Arbeit ihr
Entstehen, die sich dieser Aufgabe unterziehen soll. Bevor wir
aber auf das Sectionsmaterial und seine Bedeutung eingehen
können, müssen wir erst untersuchen, ob denn der heutige Stand
der Frage der Extrauterinschwangerschaft Bedenken der angegebenen
Art rechtfertigt und wodurch sie gestützt werden.
Sehen wir uns zuerst einmal die Statistiken älterer
Autoren an, so finden wir bei Kiwisch*) 100 Fälle mit
82 Todesfällen, beiPuech 1 ) unter 100 Eileiterschwangerschaften
100 Todesfälle, 98 mal Ruptur. Bei Hcnnig* unter 150 Ei¬
leiterschwangersthaften 88 Todesfälle, 81 mal Ruptur. Cauwen-
berghe 1 ) hat unter 300 Fällen 170 Todesfälle, darunter 65
grossesses ancienncs, (d. h. Schwangerschaften, welche die normale
Dauer überschritten hatten) und 130 Heilungen (115 gr. anc.).
Hecker 1 ) zählt unter 64 Eileiterschw. 63 Todesfälle, von
132 Abdominalschw. sind 76 genesen (42 Proc. Mortalität).
Nach solchen Zusammenstellungen wurde natürlich in der
chirurgischen Behandlung ein willkommenes Mittel gesehen, diese
mörderische Erkrankung wirksam zu bekämpfen, und als nach
einigen glücklich operirten Fällen Werth*) die consequente Ent¬
fernung extrauteriner Früchte empfahl, zu welcher Zeit man
ihnen auch begegnen mochte, fand sein Vorschlag sehr wilKge
Ohren. Und wenn man nun die Statistiken aus neuerer Zeit
gegen die alten hält und findet, dass nach einer Zusammenstellung
Martin’s 3 ) von 515 Operirten 67,7 Proc., von 265 eonservativ
Behandelten 36,9 Proc. geheilt wurden, oder dass von 183 aus
l ) 8andner, Ueber Eileiterschwangerschaften und deren Be¬
handlung in den ersten Monaten etc. Münchener Med. Wochen¬
schrift 1887, No. 17.
*) Werth, Beiträge zur Anatomie'und op. Beh der EV. Gr. 1887.
*) Martin, Vortrag in der gynükol. Gesellschaft Berlin, cf.
Centralbl für Gynäk. 1892.
den Jahren 1893 und 1894 von uns zusammengestellten Fällen
unter 158 Operirten 138 = 87,3 Proc., unter 25 eonservativ Be¬
handelten 19 = 76,0 Proc. heilten, nach v. Schrenk 4 ) unter
436 Laparotomien 16,5 Proc. Todesfälle, bei spontan verlaufenen
57,7 Proc., so scheint dieses Ergebniss die Richtigkeit der An¬
sichten Werth’s zu bestätigen. Damit wäre auch die Berechti¬
gung für die Zunahme der chirurgischen Behandlung, wie sie
sich in den angegebenen Zahlen ausspricht, gefunden. So ein¬
fach liegt indessen die Sache nicht. Ob nun die zahlreichen
Operationen in den letzten Jahren ihre eigene Nothwendigkeit
ergeben haben oder nicht, jedenfalls haben sie unsere Kenntnisse
dieser eigenartigen Erkrankung in vielen Punkten gefördert. So
haben z. B. die neuesten Forschungen über die Anatomie der¬
selben sicher erwiesen 6 ), dass die Extrauteringraviditäten
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ursprüng¬
lich tubare sind, und dass erst secundär aus diesen durch
tubaren Abort oder Ruptur die abdominellen, ovariellen oder
gemischten entstehen. (Da die Frage über die relative Häufigkeit
von Ruptur und tubarem Abort noch im Stadium der Discussion
ist, da ferner die diagnostische Unterscheidung beider vor ana¬
tomischer Untersuchung nicht möglich ist, und ein prognostischer
Unterschied zwischen beiden nicht, nachgewiesen werden kann, so
wollen wir diese Frage als für unsere Zwecke nebensächlich ausser
Acht lassen und uns immer der früheren Bezeichnung «Ruptur»
für beide bedienen.)
Das primäre Entstehen der letzteren ist aber nur in so ver¬
einzelten Exemplaren mit Sicherheit nachgewiesen 6 ), dass sie im
Vergleich zu der grossen Anzahl ektopischer Schwangerschaften über¬
haupt verschwinden, so dass auch wir sie hier vernachlässigen und
also die verschiedenen Formen als tubare mit ihren Ausgängen be¬
handeln können. Wir finden demnach in einem Theil der oben
angeführten älteren Statistiken nur Fälle mit einem Ausgang von
den verschiedenen Möglichkeiten verzeichnet, mit Tod, und wir
dürfen somit den Verdacht äussern, der uns bei Betrachtung der
Diagnostik zur Gewissheit werden wird, dass den Verfassern nur
die Fälle mit ungünstigem Ausgange bekannt wurden, d. h. dass
die Diagnose damals am Secirtisch gestellt wurde. Wo noch
andere Ausgänge bekannt werden, da bessert sich auch die Prog¬
nose , wie bei Canwenberghe und Hecker. Letztere Zu¬
sammenstellung ist besonders interessant durch die Trennung der
beiden Ausgänge. Von diesen waren also schon bekannt: Tod
durch Verblutung, Peritonitis, Sepsis, Marasmus und Operation
(12 bei Hecker) und Heilung durch Lithopädionbildung, Aus-
stossung der Frucht, oder künstliche Hilfe (11 Laparatomien,
3 Scheidenschnitte bei Hecker, beiHenuigll Fälle, bestehend
in Function, Morphiuminjection und Unterstützung natürlicher
Heilung).
Die Ausbildung der gynäkologischen Diagnostik durch die
bimanuelle Untersuchung und die chirurgische Technik lehrten
nun mit neuen Fällen noch weitere Ausgänge kennen. Man hatte
beobachtet, dass Haematocelen durch Platzen extrauteriner Frucht¬
säcke entstehen können und genaue Anamnese und sorgfältige
Untersuchung ergaben, dass dieser Vorgang nicht selten sei.
Veit 7 ) glaubte 28 Proc. der Haematocelen als auf diesem Wege
entstanden, annehmen zu müssen, indessen die noch spätere Häufung
der Fälle ektopischer Gravidität, und genaue anatomische und
mikroskopische Untersuchung nach der Operation von Haematocelen
zeigten , dass diese Entstehungsursaehe so häufig ist, dass heute
einige Autoren überhaupt alle Beckenblutgeschwülste auf diesen
Ursprung zurückführen wollen (Lawson Tait, Fritsch, Wert¬
heim, Dünn). Da aber doch noch andere Ursachen davon
denkbar und auch anatomisch nachgewiesen sind (s. v. Win ekel 8 ),
so müssen sie mit in Rechnung gezogen werden; doch ist ihr
Vorkommen durch so wenige Fälle wirklich bewiesen (s. v. Win ekel),
dass sic wohl kaum mit mehr als 20 Proc. veranschlagt werden
4 ) v. Schrenck, Ueber ektop. Gravid. Inaug.-Diss. Jurjew 1893.
6 ) siehe Schröder, Lehrbuch der Geburtshilfe 1893 und
Werth 1. c.
®) siehe v. Winckel, Lehrbuch der Geburtshilfe 1893, deegl
Schroeder.
D Veit, Eileiterschwangerschaft 1884.
8 ) v. Winkel, Lehrbuch der Frauenkrankh. 90.
1*
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540
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Na. 28.
können. Es bleiben also immer noch 80 Proc., und dass mau
für diese die Ursache annimmt, die für die überwiegende Mehr¬
zahl aller Fülle erkannt ist, scheint uns durchaus berechtigt und
es bedarf des Nachweises des Foetus oder der Chorionzotten nicht,
wie Zweifel 9 ) das verlangt, der den Deciduazellen keine Beweis¬
kraft zuerkennen will. Denn, wenn nach Wyder 10 ll * ) das Vor¬
kommen von Deciduazellen ohne Schwangerschaft nicht bewiesen
ist, ja, wenn sogar nach C. v. Tusscn brock") und Ayers 1 *)
das Deeiduagewebe sich wiederum in gewöhnliches Stroma zurück¬
verwandelt, so dass nur positiver Befund entscheidet, negativer
aber die Diagnose zweifelhaft lässt, so ergibt sich, dass selbst das
Fehlen von Deciduazellen unserer Annahme ihre Berechtigung
nicht schmälern kann. Damit ist nunmehr der Nachweis geliefert,
dass eine sehr grosse Anzahl von Extrauteringraviditäten sich der
Beobachtung überhaupt entzieht und nur in ihren Folge-
zuständen wieder zum Vorschein kommt. Als solche sind
weiterhin in demselben Maassc erkannt worden Tubenhaematome,
Beckcnhaematome, Beckenabscesse, ja sogar in einer
Eierstockscyste fand Mann 13 ) ein Gewebsstück, das die
mikroskopische Untersuchung als Sehwangcrschaftsproduct erkennen
liess, eine Beobachtung, die es interessant erscheinen lasst, kleinere
Eierstockscysten häufiger daraufhin zu mustern.
Noch ein Ausgang bleibt uns jetzt zu besprechen übrig,
der uns zugleich zeigen wird, dass eine sehr grosse Anzahl ekto¬
pischer Schwangerschaften gänzlich unbekannt bleibt, nämlich der
Ausgang in Resorption des Eies und Heilung. Dass
eine solche Naturheilung vorkommt, ist ja durch einzelne gut
beobachtete Fälle bewiesen. In der neuesten Auflage des Sch röd er¬
sehen Lehrbuches heisst es darüber: «Doch sieht man günstig
verlaufende Fälle von Tuben Schwangerschaft in denen die Diagnose
richtig ist, so häufig, dass wir den Ausgang in Genesung fast
für den regelmässigen halten.» Durch die Operationen sind diese
Beobachtungen auch bestätigt worden, denn von 41 Fällen, über
die Martin 14 * ) in der Gynäkologischen Gesellschaft in Berlin im
Jahre 18y3 berichten konnte, waren 14 auf dem Wege der Rück¬
bildung und wären auch ohne Operation geheilt. Sie waren alle
ungefähr dem 3. Monat entsprechend. Nun wissen wir, dass ein
Theil der Tubarschwangersehafton ohne Symptome verläuft, das
beweisen ja schon die Fülle, von denen erst die Ausgänge bekannt
werden, dann die nicht seltenen, die zufällig selbst in vorgeschrittenen
Monaten bei der Section gefunden werden, dann die Lithopädien
und schliesslich auch einzelne Fälle, in denen erst am normalen
Ende der Schwangerschaft bei der erwarteten Entbindung dio
Unregelmässigkeit entdeckt wird. Sind ja doch auch alle Fälle
secundärer, andersartiger Schwangerschaft anfangs unbemerkt ge¬
bliebene, wo also erst nach Ruptur der Tube und Weiterentwickelung
des Fötus ausser ihr die Gravidität offenbar wird.
Da nun in den ersten Monaten, wie wir noch sehen werden,
die Erkennung von ektopischer Schwangerschaft sehr schwer ist,
so werden erst recht in der Rückbildung begriffene meist über¬
sehen werden, wenn sie nicht Symptome machen sollten, die aus
irgend einer Diagnose einen Eingriff erfordern. Je jünger die
Gravidität aber ist, desto geringere Beschwerden macht sie für
gewöhnlich.
Wenn also schon die oben angegebenen 14 Fälle aus dem
3. Monat nur bei der Operation bekannt wurden, um wie viel
mehr werden in noch früheren Monaten zu Grunde gehende, die
ihrer Kleinheit wegen ja nicht den Verdacht eines andersartigen
Tumors erwecken können, verborgen bleiben ; und diese Heilung
dürfte wohl je früher, desto öfter Vorkommen, denn cs liegt nahe,
anzunehmen, dass bei dem ungewöhnlichen, und in vielen Fällen
wohl auch noch krankhaft veränderten Ort ihres Aufenthaltes,
wenn es überhaupt zur Einbettung kommt, Wachsthum und Weiter¬
entwickelung je länger, je schwieriger wird. Dass dem so ist,
beweist ja schon der Umstand, dass lebende Föten zu den Selten¬
9 ) Zweifel, Archiv für Gynäkologie XLI., 1.
w) Wyder, Archiv für Gynäkologie XLI., 2.
ll ) C. v. Tussenbroek, Virchow-Arcliiv CXXXIII, 12. cf.
Centralbl. für Gynfik. 1894, S. 1233.
m Ayers, s. Centralbl. für Gynäk. 1893, 8. 104.
* 3 ) Mann, s. Centralbl. für Gynäk. 1889, 8.355.
»*) S. Centralbl. f. Gynäk. 1893. S. 513.
heiten gehören, d. h. dass wenige das Alter erreichen, in dem sie
erkannt werden können. Es ist darum wohl kaum übertrieben,
anzunehmen, dass in den ersten 3 Monaten mindestens ebensoviel
Graviditäten zur Ausheilung kommen, als sich wetterentwickeln,
da ja schon im 3- Monat allein '/s der beobachteten Fälle auf
dem .Heilungswege war.
Aus dem Gesagten scheint nun eine grosse Häufigkeit
der Extrauteringraviditäten hervorzugehen, und that-
sächlich hat auch die Vermehrung der Operationen in den letzten
Jahren eine solche Steigerung der Fälle ergeben, dass Gräfe
im Frommel’scheo Jahresbericht 15 ) über das Jahr 1892 sagen
konnte: «Noch vor 10 Jahren galt die ektopische Schwangerschaft
als ein seltenes Vorkommen. Heute kann davon nicht mehr die
Rede sein.» Dabei verweist er auf das angegebene Literatur-
verzeiehniss, das, obgleich es den Anspruch auf Vollständigkeit
nicht erhebt, in 182 Publicationen aus den Jahren 1891 und
1892 über 228 Fälle von Extrauteringravidität berichtet. Dem¬
entsprechend ändern sich auch die Häufigkeitsstatistiken; während
nach der ältesten (Löw IC ) 1 solche Erkrankung auf 4—500 000
Geburten kam, in den späteren 1 auf mehrere Tausend, nimmt
eine in den letzten Jahren von Chiari 17 ) aufgestellte nur noch
1:313 Geburten an. Dabei können natürlich nur die constatirten
Fälle in Rechnung gezogen worden sein, in welchem Verhältnis«
sie aber nach dem oben Auseinandergesotzten in Wirklichkeit Vor¬
kommen mögen, lässt sieh kaum annähernd schätzen. Jedenfalls
darf man aber behaupten, dass ihr Vorkommen ein sehr häufiges
ist, und wenn wir uns nun über die Gründe Rechenschaft geben
wollen, aus denen eine so rapide Steigerung der Zahl der Er¬
krank ungsfälle gerade in den letzten Jahren beobachtet wurde,
so wird uns dabei zugleich die Frage der Diagnostik der ektopischen
Schwangerschaften noch weitere Bekräftigungen unserer früheren
Erörterungen ergeben.
Wäre es nicht denkbar, dass die erwähnte Zunahme der
Frequenz der Ausdruck einer thatsächlich häufigeren Erkrankung
wäre? Gewiss könnte man daran denken, wenn man sich erinnert,
dass die infectiösen Entzündungen der Geburtswege, die ja für
die meisten Fälle als ätiologisch angegeben werden, heuto «im
Zeitalter des Verkehrs» eine gewaltige Verbreitung angenommen
haben. Die gleiche Ansicht fanden wir auch von Mandel¬
stamm' 8 ) geäussert, der ausser der Gonorrhoe noch 'die kleine
Gebärmutterchirurgie und die Manipulationen zur facaltativen
Sterilität (nach Freund) anschuldigt. Die vorausgegangenc lang¬
jährige Sterilität, die in vielen Anamnesen angegeben ist (nach
v. Schrenck 19 ) von 178, bei 70 weniger als 3 Jahre> bei 44
4—6 Jahre, bei 64 mehr als 6 Jahre), liesse wohl an letztere
Aetiologie auch denken und es wäre interessant, in vorkommenden
Fällen danach zu forschen. Die Wirkung der kleinen Gebär¬
mutterchirurgie ist schwer in diesem Sinne zu erklären, sollte
nicht die sie veranlassende Erkrankung mit ihren Residueü weit
schuldiger sein? Die beiden anderen Ursachen sind aber keine
Errungenschaften der Neuzeit und wenn sie auch vielleicht das
ihrige zur Vermehrung der Abnormität beigetragen haben mögen,
so können sie doch nicht eine so colossale und auch rapide Zu¬
nahme erklären, deren Wirkung hauptsächlich in die letzten 6 bis
8 Jahre fällt. Zutreffender hingegen sind folgende Ansichten,
die wir mit den Worten Re in’s* 0 ) wiedergeben wollen: «Die
gesteigerte Frequenz der Fälle von Extrauterinschwangerschaft be¬
ruht, wie es scheint, auf einer besseren Diagnose derselben, sowie
auch auf dem grösseren Zutrauen des Publicums und der Amte
zur operativen Behandlung, besonders der Bauchchirurgie».
Die bessere Diagnose scheint, wenn man ältere und neuere
Lehrbücher durchsieht, eine nicht unbedeutende Schuld an der
Vermehrung zu tragen. Für Spiegclberg* 1 ) noch war die
Diagnose in den ersten 4 Monaten unmöglich und selbst nach
’ 5 ) Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete der
Gynäk. u. Geburtsb. 1893.
‘®) S. Sandner, 1. c.
'■) 8. Wiesel, Die Extr. Ut. Grav. und ihre oper. Behandl.
Inaug.-Dissert. Jena 1891.
,8 1 s. b. Fromme! 1. c.
1# ) v. Schrenck, Ueber ekt. Gravid. Inaug-Diss. Jurjew 93.
“) b. Centralbl. f. Gynäkologie 92.
a ) Spiegelberg, Lehrbuch der Geburtshilfe 82.
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9. Juni I89G.
MÜNCIlKNKlt MKDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Ruptur würde Sicherheit erst auf dem SectionstiseH erlangt. Nach
v. Win ekel aber ist in den ersten Monaten die Diagnose nicht
allzu schwer, in den .späteren aber mit Sicherheit zu stellen
möglich. Das S ehr öder ’ sehe Lehrbuch vom selben Jahre ver¬
langt wieder einige Beobachtungszeit für die ersten Monate, auch
nach der Ruptur ist die Diagnose nur mit einer an Gewissheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit zu stellen.
Wie steht es nun in der Praxis damit? Es wird hier all¬
gemein ein Unterschied gemacht zwischen den ersten 3 und den
späteren Monaten. In Bezug auf die enteren büren wir noch
das Urtheil zweier erfahrener Autoren. Martin**) meint, man
sei in den ersten 3 Monaten immer auf eine Wahraeheinlichkcits-
diagnose angewiesen und Lawson Tait 23 ) «betrachtet es mit
Misstrauen, wenn eine Tubenschwangerschaft auf Grund von
Symptomen oder der Digitaluntersuchung diagnosticirt wird».
Nach dem Urtheil solcher Männer wird es uns nicht wundern, in
einer Zusammenstellung von 123 Fällen, die wir aus den Jahren
93 und 94 gemacht haben, bei denen in 71 die Dauer der
Schwangerschaft angegeben war, unter 33 Fällen der ersten Monate
nur 7 erkannt zu sehen, wobei wir auch die mitgerechnet haben,
bei denen es aus der Beschreibung des Falles anzunehmen war,
dass die Diagnose gestellt wurde, während 4 nicht diagnosticirte
Fälle, die jedenfalls auch den ersten Monaten angehören, nicht
mit aufgenommen wurden, weil ihr Alter nicht ausdrücklich an¬
gegeben war. Von 12 Fällen aus dem 4. und 5. Monat wurden
5 diagnosticirt, von 26 aus dem 6. Monat bis zu mehreren
Jahren 18 und von den Fällen ohne Altersangabe noch 5.
Anatomisch zerfallen die 33 Fälle der ersten 3 Monate in:
18 tubare, davon 3 diagnosticirt,
4 andere, «3 „
11 ohne Angabe, „1 „
die 12 vom 4. und 5. Monat in:
4 tubare, davon 2 diagnosticirt,
andere, ,1 n
53 ohne Angabe, „2 „
die späteren in:
2 tubare, davon 1 diagnosticirt,
14 andere, »3 „
10 ohne Angabe, „4 „
Von sämmtlichen 24 tubaren wurden danach erkannt 6, von
23 anderen 12, von 24 ohne Angabe 7.
Leider sind die Zahlen etwas klein, v. Schrenck* 4 ) hat
610 Fälle aus den Jahren 88—92 zusammengestellt, aber nicht
nach der Schwangerschaftsdauer geordnet. Davon wurden 221
richtig diagnosticirt = 36,23 Proc., von unseren 71 — 25 ==
35.21 Proc., bei unseren 123 Fällen wären es mit 30 Diagnosen
nur 24,39 Proc., doch wollen wir annehmen, dass da öfters bei
Schwangerschaften älterer Monate die Angabe über die gestellte
Diagnose nicht nöthig erschien.
Nach unseren obigen Zahlen wurden in den ersten 3 Monaten
21.21 Proc., im 4. und 5. 41,60 Proc. und in späteren 50 Proc.
erkannt. Nun sind aber auch die anatomischen Unterschiede bei
der Diagnose wesentlich: In den ersten Monaten wird wohl immer
Diagnose gestellt nach Ruptur, wenn ausgesprochene Erscheinungen
davon aufgetreten sind. Da das nicht der Fall zu sein braucht,
so sind nachher die Verhältnisse allerdings schwieriger und es
wüd je nach der Anamnese und dem Grade der Blutung, ektopische
Schwangerschaft, Haematocelc oder eine andersartige Erkrankung
angenommen werden. In den späteren Monaten wird bei lebendem
Kinde die Diagnose wohl meist gestellt, nur dass in den letzten
Monaten die Unterscheidung von intrauteriner Gravidität wieder
sehr schwer ist, doch sind das sehr seltene Fälle, bei unseren 123
war nur 6 mal das Leben des Foetus erwähnt. Bei dessen Tode
werden die tubaren zumeist unerkannt bleiben, da sic wenig
Charakteristisches bieten werden, die abdominellen und ovariellen
aber entgehen der Erkennung dann, wenn keine Theile gefühlt
werden können und wenn in der Anamnese charakteristische Merk¬
male für vorausgegangene Ruptur fehlen, was, wie wir wissen,
öfter der Fall ist,
**) Martin a. Centralbl f. Gynäkologie 92.
**) Centralbl. f. Gynäkologie 92, S. 813.
“) v. 8chrenck 1. c.
Ko. 28.
Es ergibt sich also, dass die grösste Mehrzahl, fast
*/s der bekannt gewordenen Fälle vonExtrauterin-
gravidität nicht vor der Operation erkannt worden
isfc. Der 2. Punkt in der Rein’schen Erklärung ist also in
Wirklichkeit der erste, und die verbesserte Diagnostik kommt erst
in 2. Linie. Verbessert ist sie aber immerhin, denn wir sehen in
1 s aller Fälle die Diagnose bestimmt gestellt, während man ans
den früheren Statistiken direct herausleaen kann, dass die Diagnose
der Tubarscbwangerschaften am Secirtisch gestellt wurde, und
ausser diesen waren den Autoren noch die älter gewordenen ab¬
dominellen und ovariellen (nach damaliger Anschauung) bekannt.
Sehr interessant in diagnostischer Beziehung ist uns die Zusammen¬
stellung von Cauwenberghe, die den älteren Autoren un¬
bedingt Zweifel an der Richtigkeit ihrer Prognose hätte erwecken
müssen, wenn sie nicht einen strengen Unterschied zwischen den
einzelnen Formen gemacht hätten. C. bat unter 170 Gestorbenen
29 tubare, 17 interstitielle, 26 ovarielle und 33 abdominale und
65 «grossessos anciennes». Solcher sind unter den 180 Geheilten
115, dann noch 4 tubare, 1 ovarielle und 10 abdominale. Hier
sehen wir die Bestätigung eines Gedankens, der uns bei der Be¬
trachtung der Häufigkeit der Extrauteringravidität schon aufgestiegen
ist, nämlich ein wie seltenes Ereigniss der Verblutungs¬
tod ist. Wenn wirklich dieser ein so häufiger Ausgang der
Krankheit wäre, wo bleiben denn dann in dieser Zusammenstellung
die Todesfälle, da wir doch an anderen Statistiken aus noch
späteren Jahren sehen, dass fast nur die tödtlich geendeten Tabar¬
sch wangersebaften bekannt wurden. Bei C. finden wir 29 tubare
und 17 interstitielle; nehmen wir an, diese 46 wären an Ver¬
blutung nach Ruptur verstorben, so stehen diesen schon 250
gegenüber, in denen die Schwangerschaft nach Ruptur (nach unseren
heutigen Anschauungen — die tubaren sind unter den «grosseSBes
anciennes» ja selten) weiter gedauert hat, ganz ungerechnet jene
Unzahl der Fälle, die damals übersehen wurden, denn wir wissen
ja, dass ein so langes Tragen extrautcriner Gravidität ein seltenes
Ereigniss ist, gegenüber den übrigen Möglichkeiten. Allerdings ist
auch zu berücksichtigen, dass solche Fälle, wo sie vorgekommen,
sicher viel eher veröffentlicht wurden, als plötzliche Todesfälle,
deren Ursache unerkannt blieb. Seetionen waren in jener Zeit
doch noch verhältnissmässig selten. Ferner ist zu beachten, dass
damals die älter gewordenen Schwangerschaften eben nicht so selten
waren als heute, wo wir ein beschnittenes Material haben, d. h.
ein Material, in dem seit mehreren Jahren in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle die Entwickelung vorgerückter Schwangerschaften
verhindert worden ist. Dieser Umstand verbietet uns leider auch
die zahlenmässige Verwerthung obiger Statistik. Wenn wir näm¬
lich auf obige «grossesses ancieunes» einen bestimmten Procent¬
satz (z. B. den heutigen, unter unseren 123 Fällen 11, d. h.
8,94 Proc.) anwenden könnten, so würden wir die dementsprechende
Zahl der Erkrankungsfälle (201 3) und damit auch die Mortalitäts-
Verhältnisse erfahren. Dagegen könnte vielleicht wieder eingewendet
werden, dass das wegen der mangelhaften Publicistik damals nicht
zulässig wäre, doch gilt dieser Factor ja für alle Fälle gleich-
mässig, und Unterschiede in der geographischen Verbreitung der
einzelnen Ausgänge werden wohl, wenn überhaupt, in nicht zu
rechnender Weise nur existieren. Mit Berücksichtigung der Publi¬
cistik hätte man auch die damalige Häufigkeit der Erkrankungen
aus den erhaltenen Zahlen ersehen, und damit ein Urtheil über
die Wirksamkeit der oben erwähnten mehrenden Einflüsse erhalten
können. Doch begnügen wir uns mit dem, was wir finden können,
das ist, dass der Verblutungstod durch Ruptur ziemlich selten ist.
In der Publicistik haben wir übrigeus ein weiteres, auch
öfters erwähntes Moment flir die Häufung bekannt werdender Fälle
von ektopischer Gravidität. Doch ist deren Wirkung wohl auch
eine mehr allmähliche und hat also für die plötzliche Vermehrung
in d n letzten Jahren nur untergeordnete Bedeutung.
Es bleibt also die Hauptursachc immer noch «das grössere
Zutrauen des Publicums und der Aerzte zur operativen
Behandlung, speeiell der Bauchchirurgie». Wenn wir
sahen, dass */a aller Fälle erst durch die Operation bekannt wurden,
ohne vorher diagnosticirt worden zu sein, so ist es klar, dass wir
die Kenntniss dieser Fälle nur der verbesserten chirurgischen Teohnik
8
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542
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
zu danken haben, die es gestattete, nicht nur zur Entfernung von
Tumoren, die wohl in den meisten Fällen angenommen worden
waren, sondern auch bei zweifelhafter Diagnose die Eröffnung der
Bauchhöhle als verhältnissmiissig ungefährlichen Eingriff zu machen,
zu dem sich auch die Frauen nach den bekannten Erfolgen leichter
entschlossen. Die Verbreitung der ärztlichen Kunst half diesen
Factor wirksamer machen, zugleich auch dadurch, dass die Frauen
sich überhaupt mehr daran gewöhnten, mit ihren Beschwerden zum
Arzte zu gehen. Aber hier können wir schon wieder einen ein¬
seitigen Einfluss auf die ärztliche Beobachtung erkennen; während
die mit grossen Beschwerden einhergeheuden Fälle wohl nur in
geringer Anzahl unbeobachtet bleiben dürften, werden leichtere
Beschwerden, die Frauen auf dem Lande fast gar nicht, und in
den grossen Städten nur die solcher Volkskreise zum Arzte führen,
denen ein vorurtheilsloseres Fühlen anerzogen wurde. So sehen
wir also wieder die leichteren Fälle verborgen bleiben und die
schweren durch ihr häufiges Bekaimtwcrden die Statistik un¬
günstig beeinflussen. Dass das aber noch viel weiter geht, als
eben auseinander gesetzt wurde, wird uns folgende einfache üeber-
legung lehren. Bedenken wir, dass es die Operation war, die die
überwiegende Mehrzahl der Erkrankungen bekannt machte, so ent¬
nehmen wir daraus schon, wo diese Fälle zur Beobachtung ge¬
langten , nämlich an den grossen und kleinen Kliniken und bei
wenigen operativ gut ausgebildeten Specialisten. Beachten wir
nun, dass selbst hier, wo sich doch die meiste Erfahrung mit der
guten diagnostischen Fähigkeit zusammenfindet, nur in */ 3 d° r
Fälle die Diagnose gestellt wurde, .so können wir uns ein Bild
machen, wie es mit der Beobachtung jj oser Erkrankung auf dem
Lande stehen wird, d. h. dort, wo die Bedingungen zu einem
operativen Eingreifen in so beschränkter Weise gegeben sind.
Wenn dort zweifelhafte Fälle (und die werden hier einen noch
viel höheren Procentsatz ausmachen) unter abwartender oder irgend
einer andersartigen Therapie ausheilen, so sind sic für die Be¬
obachtung gänzlich verloren; nicht so die Erkrankungen, in denen
ernstere Symptome entweder die Cunsultation mit einem erfahrenen
Arzte veranlassen, oder die Frau bewegen, dem Rathc des Arztes
folgend eine grössere Klinik aufzusuchen. Allerdings wird der
Fehler wieder einigerinasseu ausgeglichen dadurch, dass gewiss
auch Fälle, in denen in kurzer Zeit Verblutung oiutritt, unbekannt
bleiben, doch wird das dabei in viel geringerem Maasse der Fall
sein, als bei den unausgesprochenen Erkrankungen. Es wird also
durch die mangelhafte Diagnostik eine Auswahl unter den Er¬
krankungen getroffen und ein Zusammenströmen gerade der schweren
Fälle an den Orten bewirkt, wo sic zur Beachtung und Veröffent¬
lichung kommen. Dass aber auch die Statistiken dieser Anstalten
mit Vorsicht aufzunehmen sind, scheint desswegen berechtigt, weil
sicher diejenigen Fälle bei denen die Operation unglücklich ausfiel,
weniger veröffentlicht werden, als die glücklichen, besonders dann,
wenn wegen anderer Diagnose operirt worden ist. Andererseits
wird wohl öfter der Fall vorliegen, dass wegen zu schlechten All¬
gemeinbefindens der Patientin ein künstlicher Eingriff unterlassen
wird, womit die conscrvativc Methode «sine unberechtigte Ungunst
erfährt, eine Vermuthung, die sich sofort aufdrängen muss, wenn
von 123 Fällen nur 5 (davon 3 todt) conservativ behandelt wurden,
in einem davon war das überdies zur Begründung ausdrücklich
angegeben. Durch alle diese Momente sind die Statistiken über
die therapeutischen Erfolge bei ektopischer Gravidität sowie über
die Prognose der Erkrankung so einseitig beeinflusst, dass Schlüsse
daraus keine unbedingte Berechtigung verlangen können.
Dass aber auch in der anatomischen Form der Erkrankung
eine Auslese getroffen wird, ist schon oben gezeigt worden und
wir werden so finden, dass die Formen mit den ausgesprochensten
Symptomen, also die Schwangerschaften später Monate, immer bei
lebendem Kinde, und in früheren Monaten die Rupturen mit
ausgesprochenen Erscheinungen in der überwiegenden Mehrheit
zur Beobachtung gelangen werden, während die anderen mehr oder
weniger verborgen bleiben. Was für Fälle von den frühzeitigen,
aber sonst noch bald zu Tage treten werden, zeigt ein Blick auf
die Aetiologie. In der grössten Mehrzahl der Fälle werden pen
metritische (nach v. Schrenck in 7 0 Proc.) oder salpingitische
Proceese angegeben, und auch wo die Anamnese keinen Anhalt
dafür gibt, kann man Spuren dieser Erkrankungen finden, wie
Fälle von Schneider und Gräfe* 6 ) beweisen. Wo also solche
Processe starke Adhäsionen gemacht haben, oder vielleicht noch
spielen, da werden natürlich die heftigeu Beschwerden die Patien¬
tinnen schon früh zum Arzte führen, und je nach den Ver¬
wachsungen und der Virulenz des Entzündungsprocesscs werden
sie zu Ruptur und Hümatocclenbildung, oder Peritonitis neigen.
Wir finden dafür eine Bestätigung bei Veit* 6 ). Um zn berechnen,
wie viel Hämatocelen als durch Extrauteringravidität entstanden
zu betrachten seien, stellte er natürlich die Fälle mit den charakteris¬
tischesten Erscheinungen zusammen und berechnet die Sterblichkeit
derselben auf 25 Proc., während die der Hämatocelen überhaupt,
mit Einschluss der Extrauteringraviditäten also, damals nach
Zweifel l*< Proc. war. (Trotzdem gibt er übrigens nachher an,
dass die Prognose der Hüruatocele durch diese Kntstehungsart nicht
verschlechtert würde). Weiter sagt er dann, dass die Mehrzahl
davon nicht an Verblutung, sondern an Peritonitis gestorben ist.
Es war also hier noch infectiöses Material in der Tube vorhanden.
Denn dass die Infection nach Ruptur durch Communication mit
dem Uterus und somit von aussen entstehen sollte, wie so häufig
angegeben wird, scheint uns nicht recht wahrscheinlich, denn das
trifft doch für alle Fälle von Ruptur zu, und doch tritt Peritonitis
so selten auf, und meist dürfte das Tubenlumen gegen den Uterus
hin auch durch Kitheileben oder Blutcoagula abgeschlossen sein.
Viel wahrscheinlicher scheint es uns, dass Tubeninhalt mit dem
Blut auf dem Peritoneum ausgesät wurde. Man könnte also hier
vielleicht aus der Anamnese, je nachdem anzunehmen ist, dass
der Process abgelaufen oder noch virulent ist, eine Richtschnur
für das therapeutische Handeln in dem betreffenden Falle entnehmen.
Nachdem wir also die verschiedenen, durch die Operationen
aufgedeckten Auagängo der Extrauteringravidität kennen gelernt
und zugleich die Auslese bemerkt haben, die eine mangelhafte
Diagnostik zu Ungunsten der Prognose bewirkt, stellt sich jetzt
für unö die Verlaufsmöglichkeit der Erkrankung so:
Ein grosser Theil heilt frühzeitig aus, wovon einige
aus den späteren Monaten zur Beobachtung kommen
können; sehr wenige entwickeln sich in den Tuben
weiter, in den seltensten Fällen bis zur Reife, die
übrigen kommen in verschiedenen Ausgängen von
günstiger Prognose zur Kenntniss. In einer grös¬
seren Anzahl rupturirt die Tubenschwangerschaft,
und bildet in der überwiegendsten Mehrzahl Häma-
tocele mit Resorption; der grösste Theil entdeckt
sieh erst in diesem Ausgang; ein kleinerer Theil
bildet freie Blutung mit schlechter Prognose und
ein anderer kleiner Theil kommt zum WeiterwachBen;
s bilden sieb die secundären Schwangerschaften
mit all’ ihren möglichen Ausgängen zweifelhafter
Prognose, auch hier kann es zum Austragen des
Kindes kommen in seltenen Fällen. Die schwereren
Formen der Erkrankung pflegen in der Mehrzahl
bekannt zu werden, während die leichteren ver¬
borgen bleiben, ein Missverhältnis, das seinen
Ausdruck in ungünstigen Statistiken findet.
(Schluss folgt.)
Beiträge zur Aetiologie und Klinik der Zuckerkrankheit.
Von Dr. Karl Grube in Neuenahr.
Im Folgenden sollen mehrere Fälle von Diabetes mellitus
mitgctheilt werden, welche aetiologisch oder klinisch einiges Interesse
beanspruchen. Bei diesem Leiden ist noch so Vieles unklar,
jeder Beitrag, der auf einen umstrittenen oder dunklen Punkt etwa*
Licht zu werfen vermag, willkommen sein muss. An einem
wie Neuenahr, der gerade für Diabetiker eine gewisse B erü “
heit erlangt hat, hat man reichlich Gelegenheit, die verschi “
artigsten Fälle einige Wochen lang klinisch zu studiren.
folgenden Fälle sind auf diese Weise zu meiner Kenntniss ge
und sorgfältig beobachtet worden.
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9. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRI FT^
543
1 plötzliches Auftreten von Zucker im Harn bei
jüngeren Individuen. Heilung beiw. Besserung.
Beobachtung I. Der 21 jähr. Kranke, Israelit, erkrankte im
Frühiahr 91 an allgemeiner Schwäche, Abmagerung und Verdauungs¬
störungen ; er wurde desshalb zur Erholung in die Schweiz geschickt
Vier Wochen später traten ohne nachweisbare \ eranlassun;£
nlötzlich Schwellungen an den Gelenken auf, ohne dass dabei Fieber
vorhanden war. Der nunmehr untersuchte Harn ergab einen Zucker¬
gehalt von etwas über 1 Proc., eine Menge, die bei strenger Diät
wohl ab-, aber bei laxer Diät (Brod- und Biergenuss) niemals zunahm
Dieser Zustand hielt an bis zum Mai 95. dann wurde der Kranke
zuckerfrei und blieb es auch bei gemischter Diät. Ende Juni wurde
er durch den plötzlichen Tod eines Bekannten erschreckt, und
sofort stellte sich wieder Zucker im Ham ein, und da derselbe auch
bei massig strenger Diät nicht dauernd verschwinden wollte, wurde
der Kranke nach Neuenahr geschickt. Von Weihnachten 94 bis
Mai 95 nahm der Kranke 10 Pfund an Gewicht ab.
Befund: Der Kranke ist ein mageres.mittelgrosses Individuum
von puerilem Aussehen. Die Gesichtsfarbe ist gesund, die Zähne
sind sehr cariös und schwarz, jedoch nicht locker. Herz und Lungen
sind gesund. Die Patellarreflexe deutlich Es wird über Abnahme
des Sehvermögens geklagt, ohne dass ausser einer leichten Con¬
junctivitis simples an den Augen etwas nachzuweisen wäre. Pupillen
weit, sehr labil. In der Familie sollen verwandte Krankheiten
nicht vertreten, sein. .
Aetiologisch ist bemerkenswerth, dass der Kranke bis in die
letzte Zeit stark onanirt hat.
4. VH. Harn bei gemischter, ins Belieben gestellter Diät
apec. Gew. 1032, Zucker 0,12 Proc., enorm viele Phosphate.
6. VII. Bei strenger Diät spec. Gew. 1028, kein Zucker, sehr
viele Phosphate.
8. VII. Dieselbe Diät und GO g Brod, spec. Geyr. 1026, kein
Zucker, weniger Phosphute.
Als der Zucker auch bei immer grösseren Brodmengen fort¬
blieb , erhielt der Kranke gemischte Diät zunächst ohne Zucker,
nach einigen Tagen wurde auch dieser erlaubt. Es trat kein Zucker
mehr auf.
18. VII. ln jeder Beziehung normaler Harn. Allgemeinbefinden
besser. Gewichtszunahme 1 kg.
Der Kranke giDg dann zur weiteren Kräftigung in die Schweiz.
Obgleich er fortdauernd die gewöhnliche Diät befolgt hat, ist bis
zum heutigen Tage nie mehr Zucker aufgetreten. Das Onaniren
hat der Kranke angeblich ganz eingestellt.
19. VI. Diät nach Belieben, auch Obst und Zucker im Kaffee.
Hara D,Te C 'Wär vrirf 8 ’fortg 1 <2eW C ’bTe rum 22. VI. Harn: spec.
^ eW Darauf^ri^er’bMchränlEte Diät; an 100 * Br0t
H VL spec.
Gew. 1018, kein Zucker.
26. Vf. 60 g Brod, kein Zucker.
27! VI. 80 ' „
Patient ‘aS dan“ wi « tor “'' e8 > " Ur k< ' i ” en ZUCk6r U “ d
Harn j b g | u *f^< j ch dlirch einen Brief von dem Kranken, dass
er vollkommen »ohl eei. Er hätte noch einmal ‘ m JX FoW
geringe Spuren Zucker im Harn gehabt, und zwar wohl m log
von Excess bei der zuvor gefeierten Kirmes. » .
Im Dezember wurde wieder untersucht und kein Zucker ge¬
funden. Der Kranke isst alles.
In diesem Falle war ein aetiologisehcs Moment nicht auf¬
zufinden. Bemerkenswerth ist, dass der Kranke im Anfang ganz
das Bild eines schweren Diabetes darbot, der sich aber nachher
als ein ganz gutartiger erwies. Solche Fälle sind selten, besonders
bei der verbaltnissuiässigen Jugend des Kranken.
Man muss den Fall als ein Beispiel von vernachlässigtem
Diabetes ansehen. Kr ist geeignet, die von v. Noorden auf-
gestelltc Behauptung zu bestätigen, dass Acetonurie und Diacetunc
dann auftreten, wenn es aus irgend einem Grunde nicht gelinge,
dem Diabetiker soviel Nahrung einzuverleiben, wie er bedürfe. 5 )
Der Kranke hatte zweifellos schon Zucker ausgeschieden, ehe er
sich in ärztliche Behandlung gab. Da die Diät nicht verändert
wurde und bei den unteren Ständen die Kohlehydrate in der
Nahrung bei weitem überwiegen, diese aber nicht genügend von
dem Kranken verwerthet wurden, trat Unterernährung und damit
Zerfall von Körpereiweiss ein, bis die Behandlung durch Darreichung
genügender N-haltiger Nahrung diesem Mangel steuerte. Nach
Hirschfeld 4 ) müsste es sich um einen sog. schweren Fall von
Diabetes gehandelt haben. Derselbe behauptet nämlich, dass in
_ T?*.U . _
1 1 .• 1_
Das Interesse des Falles liegt einmal in der Jugend des
Kranken und dann in der Aetiologie. Im Allgemeinen kann man
sagen, dass das Auftreten von Zucker bei Individuen unter 30
Jahren prognostisch ungünstig ist, und dass die Fälle dieses Alters,
bei denen der Diabetes einen günstigen Verlauf nimmt, sehr
selten sind.
Aetiologisch scheint mir in diesem Falle die zugestandener-
massen exccssivc Onanie eine Rolle zu spielen. Der Kranke war
eutscliiedeu dadurch neurasthenisch geworden, uud «lass Neurasthenie
mit Zuckerausschcidung häufig einhergoht, ist bekannt, auch dass
diese Fälle meist gutartig sind, nur bandelt es sich in der Regel
am ältere Individuen. Es handelt sich also um einen Fall von
sexueller Neurasthenie (Bouveret 1 ) mit Zuekerausschei-
dung bei einem jugendlichen Individuum.
Beobachtung II. 2 ) 35jähriger Herr, Amtssehreiber. Seit
Anfang Mai 95 klagte der Kranke über Durst, Polyurie und Waden-
schmerzen, während er vorher angeblich stets gesund war und nur
im letzten Halbjahr zuweilen das Gefühl bestand, als ob vor den
Augen, besonders dem linken, ein Schleier wäre, dabei Thränenträufeln.
Im 19. Lebensjahre soll Tripper mit Hodenanschwellung be¬
standen haben, und seit der Militärzeit will der Kranke zuweilen
an einem Ausschlag an der Brust, leiden.
Syphilitische Ansteckung wird geläugnet, auch ergibt die Unter¬
suchung keine Anhaltspunkte für dieselbe. Als der Kranke im
Mai 95 Herrn Professor V i e r o r d t consultirte, bot er das Bild eines
sehr schweren Diabetes: 5 1 Harn pro die, 5—8 Proc. Zucker, Aceton
und Acetessigsäure, rapide Abmagerung. Der Zucker verschwand
bei Diät innerhalb von 14 Tagen bis auf Spuren, Aceton und Acet-
essigsäure waren schon nach den ersten Tagen verschwunden.
Am 16. Juni kam der Kranke in meine Behandlung. Die
Untersuchung ergab sehr wenig. Lippen etwas trocken, Zunge belegt.
Innere Organe normal. Auf der Brust einige kleine furunkel-
artige Beulen. Augen normal. Patellarreflexe deutlich.
Ham bei strenger Diät: spec. Gew. 1020, kein Zucker.
Allgemeiner Ernährungszustand gut. Gewicht 77 kg 750 g.
18. VI. Diät: Fleisch, grüne Gemüse, 100 g Brot, V* 1 Mllch
und 10 Kartoffeln: Harn: sp. Gew. 1018, kein Zucker
‘) Die Neurasthenie, deutsch von O. Dornblüth. 1893. S. 19.
*) Die Beobachtung und Behandlung dieses Falles verdanke
ich Herrn Professor Vierordt in Heidelberg, der auch mit der
Veröffentlichung einverstanden war.
genügender Mengen von Kohlehydraten zum Verschwinden gebracht
würde, während die Acetonurie in den schweren Fällen trotz des
Genusses von Kohlehydraten fortbcstche. Dass der vorliegende
Fall aber ein schwerer gewesen sei, ist nach dem weiteren Verlauf
zu verneinen. Der Fall widerspricht also den Behauptungen
Hirsch fcld ’s und ich will gleich bemerken, dass ich eine Reihe
von Fällen gesehen habe, auf welche die Behauptungen desselben
nicht passen, dass ich aber wieder andererseits auch Fälle beobachtet
habe, für welche dieselben sehr gut zutreffen. 5 ) Andererseits muss
ich hervorheben, dass, so gut die Annahme von Noordcn s über
Acetonurie etc. diesen Fall zu erklären vermag, ich andere Fälle
gesehen habe, welche sich durch die Annahme, dass die Acetonurie
allein auf Zersetzung von Körpereiweiss zurückzuführen sei, nicht
erklären lassen, z. B. der folgende:
Beobachtung HI. Herr R., 18 Jahre alt, vor einem Jahre
wurde der Zucker nachgewiesen. Eltern und 5 Geschwister leben
und sind gesund. Patient war bis vor einem Jahre ebenfalls gesund.
.Sommer 1894 traten plötzlich starker Durst, Polyurie, Wadenkrämpfe,
allgemeine Mattigkeit nnd Abmagerung auf. Die 1. Untersuchung
ergab 8,6 Proc. Zucker. Subjective Beschwerden fehlen zur Zeit
vollkommen.
Befund. Sehr pueriler Mensch. Lungen gesund, Herzthätig-
keit aufgeregt, Spitzenstoss nach links verbreitert; keine Geräusche.
Zunge trocken. Acetongeruch. Stuhl regelmässig. Patellarreflexe
beiderseits deutlich. Körpergewicht 41,0 kg. Verordnung: massige
Mengen Neuenahrer Wasser. An Kohlenhydraten 40 g Grahambrod,
50 g Kartoffeln, »/* 1 Milch. Täglich ein Theelöffel eines Gemisches
von kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk.
Der Zuckergehalt blieb während der Behandlung sehr hoch,
die Acetonausscheidung war zuweilen beträchtlich, zuweilen geringer,
dabei war das Allgemeinbefinden vorzüglich und das Körpergewicht
stieg von 41 auf 50,1 kg, also um 9,1 kg.
Wir haben also hier andauernde, zuweilen recht bedeutende,
zuweilen weniger starke Acetonausscheidung und dabei eine stetige
und bedeutende Gewichtszunahme. Ob an dem günstigen Resultat
3 ) Die Zuckerkrankheit. Berlin 1895. S. 85.
*) Die Bedeutung der Acetonurie für die Prognose des Diabetes.
Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 38.
5) jch muss wegen der näheren Angaben von Hirschfeld
auf dessen citirte Arbeit verweisen.
2 *
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MEDICINISCHE WOCH EN SCHEUT.
No. 23
445__
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registrirendeo Waage und in derselben Kleidung Morgens nach den,
Frühstück vorgenoinmen wurden. Selbst wenn man kleinen.
"n Zog bring«, tat die G—unähnn, ™o,er noch
^rr^SÜSSäS
SirO. S gSönd“ Ä
"" d SÜfSSBÄ^ 6 " d bS u Mim« e». igg-g
SÄÄ“.-««.»-
Kran^heiten-d Wa8fler und mageretr Mensch. Zunge
sebmutejg telegt^eucbtr ghne zum e, ean s^ h ft rft e8
Athmen, sonst überall normaler Befund, desgleichen am Herz .
Aceton:
WÄ “ 8
A "'
gemeinbefinden gut. ^ ^ ^ ^ Gewicht l039f z k f,.4
12. IX. Dieselbe Diät. Harn: spec. Gew. 1039, Zucker o,o rroc.,
Aceton reichlich. Gewicht 140 Pfund. Znrker 6 8 Proc ,
17 IX. Dieselbe Diät. Ham: spec. Gey. 1() 38 , Zucker b.o rroi.,
Aceton: reichlich Gewicht 143 Pfund. Allgemeinbefinden gut. )
Also auch hier dieselbe Erscheinung wie im vorhergehenden
Falle. Ich kann mich auf Grund dieser Fälle, die ich noch um
(wenigstens 2 eindeutige) vermehren könnte, der Erklärung v.
Noorden’s nicht für alle Fälle anschliesscn. Ich habe vielmehr
aus meinen Beobachtungen den Eindruck gewonnen, dass es sich
bei der Acetonurie etc. nicht immer um denselben Zustand handelt,
sondern dass sich zwei verschiedene Gruppen von Fällen gegen¬
über stehen. Bei der einen Gruppe, die meiner Erfahrung nach
prognostisch sehr schlecht ist, stammt das Aceton vielleicht aus¬
schliesslich aus dem Körpcrciweiss. Bei diesen tritt daher schm Ile
und unaufhaltsame Abmagerung ein und der Tod erfolgt im Goina
nach vorausgegangener allgemeiner Cachexie.
Die andere Gruppe umfasst diejenigen Fälle, bei denen das
Aceton vorwiegend aus dem Nahrnngseiweiss stammt, das Körper -
eiweiss aber nicht angegriffen wird, ja sogar noch eine beträcht
liehe Gewichtszunahme möglich ist. Diese letzteren Fälle sind
prognostisch, was die Dauer anlangt, nicht so ungünstig. Ich
habe z. B. einen Patienten, der jetzt schon seit August 1894,
d. i. mindestens seit 1 '/* Jahren, stets Aceton ausscheidet und
der während dieser Zeit verschiedentlich an Gewicht zugenommen
hat, einmal sogar innerhalb von 2 Monaten 18 englische Pfund
(— circa 8,0 kg). Jetzt ist aber auch bei diesem Kranken
das Stadium eingetreten, wo das Körpcrciweiss angegriffen wird
und progressive Abmagerung eintritt. In dieses Stadium gelangen
nach meiner Erfahrung schliesslich alle Fälle, so dass aus den
Fällen der ersten Gruppe nach einiger, oft recht langer Zeit,
solche der zweiten Gruppe werden.
Die Frage nach der Bedeutung der Acetonausscheidung bei
Diabetes ist eine sehr wichtige, was sich auch schon aus der
«) Anmerkung während der Correctur. Der Kranke theilte mir
vor wenigen Tagen mit, dass er sich seit der Cur stets wohl gefühlt
habe und dass das Gewicht 144 Pfund betrage. Der gleichzeitig
übersandte Ham enthielt 7,2 Proc. Zucker und viel Aceton.
grossen Anzahl der darüber angestellten Arbeiten ergibt. Bis
als feststehend, dass die Eiweisskörper die Quelle dieser
ald-S hie daher i«n Vorhergehenden di, wider-
SSnm,llen Erscheinungen, welche einen, Jeden anSallen mOssen,
reie,, derartige Kranke ÄS:
S£2S ST desh, wahrscheinlicher wwd für mich die Meg-
hchS dass noch andere Vorgänge als d,e EmmsrerseUnng be,
ihnen für die Acetonurie eine Rolle spielen.
Was die Behandlung dieser Kranken angeht so ist es ,et.t
wohl allgemein anerkannt, wenigstens in DcutscUand, dass man
Ine Kohlehydrate schadet. Nach metnen Erfahrungen des
Jahres verdient in diesen Fällen die von mir im vorigen
Jahre empfohlene Kalkbehandlung 7 ) versucht zu werden.
(Schluss folgt..)
Zur Pathologie der Halsrippen.
Von Dr. Stifter in Bad Stehen.
Die vorderen Wurzeln der Querfortsätze der unteren, besonders
des 7. Halswirbels haben ihre in der Entwicklungsgeschichte be-
gründeten Rechte, sich als Halsrippen geltend zu machen Hyrtl
fnd Luschka haben diese anatomische Variation mehrfach
berichtett ^ die Chirurgie (Schnitzler, de Quer¬
vain 1 ) Tilmann, Fischer»), dieser Abnormität nahe ge¬
treten bei den bisher bekannten Fällen handelte es sich nur um
einseitige Halsrippen vom 7- Halswirbel ausgehend; ich bringe
h!emit einen Fall von doppelseitiger Halsrippe, als bestimmtes
Krankheitsbild, zur Kenntniss. WrUhiahr 1895
Frl N inNaila, 23 Jahre alt, consultirte mich im Frühjahr loa
geschildert, —’tra h le^ gegen *■
finke Ohr gegen die ganze linke Schulter- und Seitengegend bis zur
Hüfte • Taubsein und Ameisenkriechen im ganzen linken jK ’ Qe .
draciler Hals (38 cm); halber Halsumfang Unks 'über derGe,
M 2 C °Ä fÄSfÄ 5g-»jj Jt
nur schwach pulsirende Bewegung; linker Arm in tarbe un
““"Tafp^ender-Finger fühlt links eine knöcherne Grundlage^r
Geschwulst, schwaches Schwirren über derS^nTbCT der ClJric.)
subclavia, die von der Höhe der Geschwulst (6 cm fiarauf
entlang nach unten und aueaen läuft; beim leisest«,, Druc d J»
fn der Richtung von oben nach unten, v«d>«mdrt*h
dersdbem . BC heinbar aus dem Querfortsatze des 6-^8
Wirbels sich bildend, verläuft in normaler Rippenstörke ge«
unten auf die Mitte der Clav.cula zu und setzt ^^/Srustrippe
Artic. stern. clavic. mit 4 cm breiter Platte an die «rste^^
an. Rechts, nicht ganz 3 cm über der Clavic. und £“ wickelteg>
Mittellinie entfernt, ebenfalls em, aber viel " £ trüberkaufender
Tuberculum einer schwächeren Halsnppe mit quer ^ 8ich
Art. subcl., diese rechte Halsrippe, glemhen Ursprangs C lavicula
mit 2 cm breiter Basis ungefähr am äussem Dntttheil de
“ die erste Brustrippe an; das Schwirren über der Art subcl.
ist deutlicher fühlbar als links. mehr rec hts
Bei der Auscultation sind beiderseits, aber Wied T^^puls
als links, intensive, gefässdiastolische Geräusche hörb [ 40;
(78), links schwächer, desgleichen Blutdruck herabgesetzt;
cutane Sensibilität des linken Armes gleichmässig etwas hera g
’fEinige Beobachtungen über die Bedeutung des Kalkes b«
Diabetes mellitus. Münch, med.Wochenscbr1895, *°^ el utuB.,
«Weitere Beobachtungen über Kalkbehandlung bei Diabete
Therapeut. Monatshefte, Mai 1896.
1) Centralblatt f. Chirurgie. Bd. XXII.
2) Deutsche Zeitschrift f. Chir. 1895.
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9 . Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Motilität ohne Unterschied; die oberen Lungengrenzen links weiter
nach oben und hinten. , , n
Störungen der Motilität und Sensibilität, ausgehend von Kom¬
pression, Reizung oder Zerrung des betr. Plcx. brach., besonders
Circolationsstörungen durch Alteration des Lumens, des Gewebes
der Art. subcl., der veränderten Gefässverzweigung, der Blutzufuhr
zu den von ihr versorgten Gebieten wurden eigentlich in allen
bisher bekannten Fällen beobachtet und gewöhnlich dadurch Indieation
zur operativen Behandlung, zur Resection der Halsrippe, gegeben.
In unserem Falle haben wir auch Neuralgien im Bereiche
des linken Armnervengeflechtes, der ganzen linken Schulter und
Achselgegend, der Reg. hypoeh. und lumb. bis zur Reg. iliaca,
ausserdem auch Reizungen der nach dem Hinterhaupte gehenden
Nerven aus dem Plex. cerv.; die Parästhesien des linken Armes
scheinen nur durch den wechselnden und so ganz abnorm ver¬
änderlichen Blutgehalt bedingt zu sein.
Die oben berichtete plötzliche Entstehung der pulsirenden
Geschwulst bei forcirter Armhebung unter sofortigem Schmerz¬
nachlass erklärt sich durch Luxation der Art. subcl. aus ihrer
Gefä8sfurche am Tubereul.; dieses Tuberculum eost. cerv.,
als Stützpunkt des verstärkten Muse. scal. ant., hat sich in natür¬
licher und functioneller Anpassung, durch Wachsthum und die
hier bestehende Linkshändigkeit immer mehr entwickelt.
Die Therapie kann einstweilen nur symptomatisch sein; cs
ist sehr wahrscheinlich, dass die ungefähr 4 cm unter der Fascie
ziemlich frei verlaufende Art. subcl. s. sich mechanisch erweitert
und bestimmtere Compressionserscheinungen sich einstellen, die
über kurz oder lang zur operativen Behandlung drängen. Die
Resection der Halsrippe allein verhindert nicht die Entstehung
eines A’neurysmas der Art. subcl., wie der von Eh rieh 3 ) be¬
schriebene Fall beweist.
Ein jodhaltiges Product der menschlichen Schilddrüse.
Von Dr. med. et phil. A. Oürber,
Assistent für medic. Chemie am physiologischen Institut Würzburg.
Bei der Präparation einer menschlichen Schilddrüse zur Be¬
stimmung ihres Jodgehaltes, eine Untersuchung, die durch die
neueste Veröffentlichung B a u m a n n ’ s gegenstandslos geworden
ist, fand ich im Hylus der beiden Seitenlappen, in weitmaschigem
Bindegewebe ein geschlossen, ein gallertiges Product, das offenbar
von der Drüse ausgeschieden worden war. Die wenigen Tropfen
der zähen, schwach gelblich gefärbten Flüssigkeit wurden bei
kleiner Flamme vorsichtig im Platintiegel mit Kali geschmolzen
und dann mit etwas Salpeter vollständig verbrannt. Die ganz
farblose Schmelze in Wasser aufgenommen, unter stetem Abkühlen
mit Schwefelsäure angesäuert, ergab beim Ausschütteln mit Chloro¬
form eine Menge von Jod, die in Anbetracht der geringen Menge
von Substanz als sehr gross bezeichnet werden muss. Selbstver¬
ständlich waren die angewandten Reagentie» vorher sorgfältigst
auf Jod untersucht und als absolut rein befunden worden. Es
darf übrigens die Prüfung der zu verwendenden Reagentien auf
Jod niemals versäumt werden, da ich selbst in sogenanntem ana¬
lysenreinem Kali und Salpeter Spuren von Jod habe naehweisen
können. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, dass das unter¬
suchte Product der Schilddrüse jodhallig war. Leider ist es mir
jetzt nicht möglich, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen und
ich gebe desshalb diesen vereinzelten Befund zur Kenntuiss mit
dem Wunsehe, dass vielleicht von anderer Seite diese doch nicht
ganz unwichtige Beobachtung nachgeprüft werden möchte.
Würzburg, den 5- Juni 1896-
Welche Symptome machen die Flexionen und Ver¬
sionen des Uterus?
Von Dr. Theilhaber. (Schluss).
Ein kurzer Ueberblick über die Proceduren, mit denen die
Heilung der Frauen mit sogenannten Uterusflexionen angestrebt
wurde, dürfte für Sie nicht ganz uninteressant sein. Natürlich
ist es mir nicht möglich, Ihnen alle Behandlungsmethoden vor-
zufilhren, die jemals gegen die Flexionen empfohlen wurden. Die
3 ) Beiträge zur klin. Chir. Bd. XIV.
No. 23.
Zahl der gegen dieses Leiden angewandten Mittel ist eine so grosse,
dass ich Ihre Zeit ungebührlich lange in Anspruch nehmen müsste,
wenn ich sie alle Ihnen aufzählen wollte. Namentlich das letzte
Jahrzehnt, in dem die operative Behandlung der Retroflexionen im
Vordergrund stand, war ungewöhnlich reich an Erfindungen neuer
Methoden, die mittelst Operation die Heilung dieser Anomalie an-
strebten. Der Frommei 'sehe Jahresbericht zählt aus dem Jahre
1894 82 Abhandlungen über die operative Therapie der Retro-
flexio uteri und ein nicht kleiner Theil dieser Publicatiouen bringt
neuerfundene Operationsmethoden. Interessiren wird Hie vor Allem,
dass die Idee, gegen die Lageveränderungen vorzugehen, schon sehr
alt ist. Dies ersehe ich aus eiuer Abhandlung von Möller (Diss.
de pronatione Ut. post partum Marburg 1803): er schlägt zur
Heilung der Pronation (so nannte man damals die Anteflexio) vor,
den Uterus mittelst elastischem Katheter aufzurichten. Wenn dies
Verfahren nicht hilft, soll die Kranke an den Füssen
aufgehängt werden und in verzweifelten Fällen soll sogar
die Bauchhöhle eröffnet werden. Möller’s Rath, die Patientin
an den Füssen aufzuhängen, ist offenbar eine Imitation der Prolaps-
euren des Euryphon. Dieser liess die armen Prolapskranken
24 Stunden hindurch mit den Füssen an einer Leiter aufhängen.
Eine grosse Rolle spielte später lange Zeit bei der Therapie
der Ante- und lletroflexion das Tragen eines Leibgürtels,
(’einture hypogastrique. Er sollte die Baucheingeweide unter¬
stützen und den Druck auf den Uterus mässigen. In Wirklichkeit
waren die durch ihn herbeigeführten Erfolge nur durch Suggestion
erzielt. Ueber gute Resultate, vermittelst Leibgürtel erzielt, be¬
richten Velpeau (der Erfinder), Trier, Chassaignac,
A r n e t li u. A. — Lange Zeit wurden jedoch am meisten gerühmt
die Erfolge der Behandlung mittelst Pessarien. Jahrzehnte lang
tobte der Kampf zwischen den Lobrednern der Intrauterin — und
denen der Vaginalpessarien. Die ersteren waren entschieden gefähr¬
liche Instrumente. Sie haben vielen Frauen Siechthum und Tod
gebracht. In den letzten beiden Jahrzehnten neigte sich immer
mehr der Sieg auf die Seite der harmloseren Scheidenpessarien.
Als die intrauterine Pessartherapie im Zenith ihres Ruhmes sich
befand, wurden auch die Lateralflexionen mittelst dieser Methode
behandelt (Arch. f. Gyn. Bd. XII. S. 328). Auch der sehr
bewegliche Uterus war eine Zeit lang Gegenstand der Behand¬
lung (Schröder, Lehrb. d. Frauenkrh. pp). Man imobilisirte
ihn durch Scheidenpessarien. Bald darauf ging man daran, die
Uteri mit verminderter Beweglichkeit mobiler zu
machen, vor allem durch Massage.
Die operative Therapie wurde schon in der vorantiseptischen
Aera von sehr renommirteu Aerzten angelegentlichst empfohlen.
Es war damals vor allem der anteflectirte (i. e. nach heutigen
Begriffen der normalliegende) Uterus das Object des furor opera -
tivus gynäkologicus. Grenet (Gaz. des Höp., 1865, No. 53—68)
folgte dem Vorschläge von Amussat und behandelte die Flexionen
durch Hysterocautomie. Er «heilte» auf diese Weise u. A. eine
Anteflexio und 8 Anteversionen (durch Aetzung der vorderen
Muttermundslippe und der vorderen Scheidenwand). — Sims
(Gebärmutterchirurgie, übersetzt von Beigel, p. 197) und Simon
(v. S cb u 11 z e , Lageveränderungen der Gebärmutter, p. 108),
nähten die Vaginalportion des anteflectirten (also normalHegenden)
Uterus im vorderen Scheidengewölbe an. Ein Autor lobt diese
Operation im Arch. f. Gyn., Bd. 18, Heft 3, mit den Worten :
«sowie man mit der Muzeux'sehen Zange die Vaginalportion
nach vorne und dadurch den schweren Uteruskörper von der Blase
weg mehr nach hinten führt, hört man sofort von der Patientin,
sie fühle sich erleichtert, sie wäre ganz schmerzfrei». Er nähte
desshalb in 2 Fällen die Vaginalportion im vorderen Scheiden¬
gewölbe an. Beidemale verschwanden alle Beschwerden nach der
Operation. Er hat in Wirklichkeit erst eine «pathologische Ante¬
flexio» hergestellt. Nachdem es Schultze nach Jahrzehnte
langen Kämpfen gelungen war, den Aerzten klar zu machen, dass
der anteflectirte Uterus einer orthopädischen Behandlung nicht
bedürfe, machten die Operateure die mit dem Fundus nach hinten
gerichtete Gebärmutter zum Gegenstand der Experimente: dem
Vorbilde Köberle’s folgend, wurde zunächst die Ventrifixation
ansgebildet, d. h. um die Lage des Uterus zu verbessern, zog man
ihn aus dem Becken heraus und nähte ihn oben an den Baoch-
8
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Münchener me dicinische woc ^NscggT.
No. 23.
decke, ««. j ^
der Vaginaetixatiun . am "8f Beckeneiugang hinauf, sondern fech
Becken heraus, aber nicht über den Beckenem^ g m berc
ihoden, die durch Cervix an die hintere Beckenwand heb
posterior eine. Annanerung ^ . weJ ,
^*£'— wunderbaren Lageanonra.ien die »J- *
SlÄÄ? «- Kranben e^, U
lang der «Antefloxionen» (v. E. Martin 1. c. l' 1 ^ 1
Der Umstand, dass damals so häuhg normale Lagen des
Allgemeinbehandlung. Die Aerzte pflegten ja A b ^ hr ° aren > ^ f ; \
Veränderung, reichlichere Bewegung, Gebrauch von Badern, Mineral
wassern etc zu verordnen. Bei den operativen Behandlungsmethoden
Tar oft wirksam die Mg mit der Fiktion rusammen £
Excochleatio die bekanntlich die Endometritis sehr günstig be
einflusst ferner die energische örtliche Blutentziehung : wir wissen I
' wl vortbeilhaft r.B ScariSeatioaen die Metritis beemtosem l
Günstig wirkte ferner häufig der mehrwöchentliche Aufenthalt im .
Krtmkenha^ und einen sehr bedeutenden Einfluss hatte gewiss .1
in zahlreichen Fällen , der Glaube an die Kunst des tüchtigen
Snccialisten. Diese Factbren führten zur temporären Beseitigung
dir Beschwerden, nicht die meist geradezu zweckwidrige locale
Behandlungjn^tand, dasg der nicbfc schwangere Uterus alle diese
von den Aerzten herbeigeführten wunderbaren Veränderungen seine
Form und Lage verträgt, ohne dass hiedurch Storungen entstehen,
zeigt, wie tolerant dieses Organ gegenüber pathologischen Lage
Veränderungen ist. Auch sonst lässt sich der Uterus sehr viel
gefallen: wir können an der Vaginalportion brennen, stechen,
schneiden, nähen, ohne die geringste Schmerzempfindnng zu «r-
regen Der Uterus: ist eben während des grosseren Thals des
Lebens der meisten Frauen ohne wichtigere Function, er ist meist
nur der Ausführungsgang der Drüse, des Ovarmms. Zo weise
hat er noch die Function, das Product dieser Drüse, das Ei, zur
Reife und Ausstossung zu bringen. Zu dieser Zeit verliert er
nun allerdings manchmal seine Toleranz gegenüber den patho¬
logischen Lageveränderungen: Störungen der Schwangerschaft und
der Geburt können dann die Folge sein. Aber auch hier ist
wieder bemerkenswert*, dass die nicht vom Arzte herbeigeführten
Lageanomalien selten zu solchen Störungen führen Bedenkt man |
Z! B., dass in Deutschland meiner Schätzung nach mehrere Millionen
Frauen mit retroflectirtem Uterus leben, so ist es doch auffällig,
eine wie geringe Zahl von Frauen mit Incarceratio uten retroflexi
gravidi zur Beobachtung kommt. Unterbrechungen der Schwanger¬
schaft bei Retroflexio sind wohl immer auf zufällige Comphcaüonen,
Endometritis, Metritis etc. zurückzufUhren. Bei der Geburt macht
die Retroflexio. fast niemals Störung.
Ganz anders die von den Aerzten geschaffenen Veränderungen
der Lage des Uterus. Die Zahl der Fälle, in denen bei diesen
Geburtsstörungen entstanden, ist verhältnissmässig eine sehr grosse.
Bei der künstlichen Fixirung des Uterus bilden sich eben ausser¬
ordentlich häufig sehr umfangreiche und derbe Verwachsungen, so
dass nahezu die Hälfte der Organwandungen verhindert wird, an
der physiologischen Ausdehnung während der Schwangerschaft tlieil
zu nehmen, —r-
. d W
— i ÄÄ
Fachgenossen so wesentlich üivergireu
l ? , us Fritsch, Deutsche Chirurgie Lief. „6, P-4/.
> «* H bst a,.‘—
^“"rSlmbL de» Specialisten, glaubt „ wenig - * ^
I STÄ ÄÄ* ÄÄ;
erd etc. inculirt, und Jeder — hat «eine gau
"ch'bin also^nur dem Rathe einer der erst jetzt lebenden
oritäten' U gefolgt, als ich mir erlaubte, mir in dieser Frage
icheu im Deccmber 1895 den Einwand gemacht, dass er 1 k
tionen von Frauen mit Retroflexio regelmassig eine 'N erdickung
hinteren Uteruswand gefunden habe. Er meint, dw» wi
eben der Stauung, die durch die Retroflexio bedingt sei.
Nun wird von einer Reihe von Autoren ^ougjiet, dass be,
Retroflexio die Hypertrophie der hinteren Wand häufig vor-
nuie Aber selbst zugegeben, dass die Angabe \.
, alle Fälle stimmt, so ist doch damit für die Annahme einer
absolut nichts bewiesen. Wenn man ein Gumm,rohr übe
ne hintere Flüche biegt, werden eben die Fasern an Jer vorderen
lebe mehr ausgezogen und verdünnt, die an ^ r in * j;
■rden auf einen kleineren Raum zusammengedrängt, w dassi d e
Zo Wand dann dicker erscheint. Aehnlich scheint auch
Winckel früher die Verdickung der hinteren Wand gedeutet
II d« er sagt selbst in seinem Lehrbuch der Frauem
wnklieite», I. Auflage, p. 344: „Bei den
e Ausziebung »ud Verdünnung der vorderen ^“ d
ärker das Verstreichen der vorderen Lippe wird so
dass sie gar keine,, Vorsprung in der Vagina n,ehr bdd«,
ährend die hintere Lippe um so dicker und langer erscheint ^
(ach allem, was ich überhaupt an der Leiche
eschen habe, ist immer die vordere Uteruswand die mehr aus
“ Z0E W^; wSTdle Verdickung der hinteren Wand und der
linteren Muttermundslippc eine Folge von Stauung sem, so müsste
üeh bei Rotroflcxionen die hintere Lippe constant ein bläuhcheies
’olorit zeigen, als die vordere. • Die blaue Färbung müsste nach
ler Rcpositien verschwinden; wenn der
■urücksinkt, müsste sie wicderkebrcn — Ich habe v,
/on Retroflexioncn daraufhin- untersucht und habe ein demtig^
Verhalten auch nicht in einem einzigen Falle bcobachtet. I ^
die angeblich constant vorkommende Verdickung der hmte W
nur eine scheinbare, hervorgerufen durch den Contrast m
auf mechanischem Wege entstandenen Verdünnung der ^
Wand, so hat sie gewiss keine klinische Bedeutung,
z. B. die Elongation, die man bei Uterusprolapsen findet «
gewöhnlich keine Symptome und wie viele weit stärkere V
dickungen, ja selbst Tumorenbildungen sehen wir am Uterus,
durch das ganze Leben symptemlos getragen werden ,iehenn
nur an die Myome, von denen zweifellos ein recht erbe
Procentsatz niemals die geringste Störung macht.
Saengcr, Centralbl. f. Gyn., 1896, P- 250,
besonders seit P. S. Schnitze’s diesbezüglichen Arteten'
;und anerkannt ist, dass die schwebende Antcversio-flexio di ^
; läge des beweglichen Uterus sei, so ist die, Ret f° ver ? 10 ' „ , gcb i ag c.
wendig und immer, auch wo sie congenital besteht, ein ^
.Ob und welche Symptome und Beschwerden die Retroverm
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9. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
547
verursacht, sind Fragen, welche bei dieser priucipiellen und logischen
Auffassung erst in zweiter Linie in Betracht kommen. Die hier
vorwaltende subjective Anschauung des Untersuchers ist jedenfalls
nicht geeignet, die Grundlage der Therapie abzugeben, welche
schliesslich nur in der Herstellung der Normallage gipfeln kann./
Ich halte den Standpunkt Sa enger’s für principiell unrichtig:
der Arzt hat nicht die Aufgabe, jede pathologische Veränderung
im menschlichen Körper zur Norm zurückzuführen, er soll nur
die Veränderungen beseitigen, die Beschwerden hervorrufen, voraus¬
gesetzt, dass die Mittel zur Entfernung dieser Abnormitäten nicht
gefährlicher sind und nicht mehr Beschwerden herbeiführen, als
die Abnormitäten selbst. Der Arzt hat durchaus nicht die Auf¬
gabe, bei Vorhandensein einer Darmatonio eine gleichzeitig Vor¬
hände: e Ei.teroptose operativ zu corrigiren; er wird, wenn er wegen
Dyspepsie consultirt wird, nicht eine etwa gleichzeitig vorhandene
Querstellung oder einen Tiefstand des Magens redressiren ; er wird
ebensowenig versuchen, jede Dislocation des Herzens, der Nieren,
etc. zu beseitigen. Wollten wir jede Abnormität eines Eingeweides
zum Gegenstand der Behandlung machen, so würde bald ein grosser
Tlieil aller erwachsenen Menschen mit einem Bauch- oder Brust¬
schnitt beglückt werden; finden wir ja doch bei einem grossen
Procentsatz der »Sectionen eine Menge von Abnormitäten an den
inneren Organen, die niemals während des Lebens Beschwerden
gemacht haben. —
Es wurde mir ferner der Ein wand gemacht: «es gibt zweifellos
Fälle, wo die Patientinnen sofort nach Reposition erklären, dass
jetzt ihre Beschwerden verschwunden seien; umgekehrt treten die
Beschwerden sofort wieder auf, wenn der Uterus in seine alte
Lage sinkt.»
Meines Erachtens lassen sich nun diese Fälle nicht in Einklang
bringen mit der Lehre, dass die Retroflexio die Metritis und die
Metritis alle Störungen verursacht. Denn ist die letztere Theorie
richtig, so können nicht sofort nach der Reposition die Beschwerden
verschwinden, um sofort nach Umsinken des Uterus wieder auf¬
zutreten. Es ist doch nicht glaubwürdig, dass schon einige Minuten
nach einer gelungenen Re|>osition wirklich eine chronische Metritis
geheilt ist, ebensowenig glaube ich, dass in dem Moment, wo der
Uterus wieder umsinkt, auch schon wieder die Metritis mit allen
ihren Folgeerscheinungen sich eingestellt hat. Chronisch ent¬
zündliche Processe heilen nicht innerhalb weniger Minuten und
bilden sieh nicht innerhalb einer so kurzen Zeit. Nach meiner
Meinung lassen sich die gleichen Heilungen bei solchen Patientinnen
erzielen durch manche andere Formen der Psychotherapie, voraus¬
gesetzt, dass die Patientin ein grosses Vertrauen zu dem Arzt hat.
Zu mir kamen öfter solche Kranke, die von anderer Seite früher
mit Erfolg orthopädisch behandelt worden waren. Sie gaben an,
ihre Gebärmutter müsse wieder umgesunken sein, da sich die Kreuz-
schinerzen etc. wieder eingestellt hätten. Meine Untersuchung
bestätigte die Richtigkeit der Angabe der Patientinnen. Ich ver¬
sicherte ihnen jedoch, die Gebärmutter liege ganz normal, gab
irgend eine sonstige Verordnung, ohne die Lage des Uterus zu
ändern, und siehe da, die angegebenen Beschwerden verschwanden. —
Von Schultze u. A. wird ein grosses Gewicht darauf gelegt,
dass nach Reposition des vergrösserteu retroflectirten Uterus sich
das Volumen desselben manchmal vermindere: mit der Sonde ge¬
messen, lasse sich ab und zu eine Reduction von 1 cm und mehr
in wenigen Tagen nach weisen. — Mir ist ein solcher Nachweis
uicht gelungen. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass die
Schultze’sclie Beobachtung zuweilen zutrifft: der Uterus
ist ja ein Hohlmuskel. Sobald der Muskel sich contrahirt, wird
er natürlich kürzer. Ein schlaffes Herz ist auch grösser, seine
Kammern sind weiter als die des' contrahirten. Hat man den
Uterus genügend. bearbeitet, durch Ropositionsvcrsuehc mittelst
Sonde und Finger, so zieht er sich häufig zusammen. Noch ein
anderes Moment kommt wahrscheinlich in Betracht: Lindblom
(Ccntralbl. f. Gyn., 1891, No. 3), der sich mit Unterleibsmassage
viel abgibt, hat während der Sitzungen fast immer Veränderungen
der Bockeuorgane, besonders der Gebärmutter, beobachtet. Diese
Veränderungen, die Verfasser An- und Absehwellung benannt,
treten nicht immer mit derselben Stärke auf. Lindblom nimmt
an, daas dieselbe hauptsächlich auf Veränderungen in der Blutfülle
des Organs beruhen, vergleicht sie mit der Krection. Die Frau
hat aber von diesen Veränderungen kein Gefühl, sie verspürt
dabei nichts.
Was übrigens die Sondenmessungen betrifft, so beweisen die¬
selben gerade nicht sehr viel; führt man eine Sonde schief ein
mit der Spitze gegen eine Tubenmündwig, so erscheint der Uterus
natürlich länger, als wenn man sie genau in der Mitte der Uterus-
hohle vorschiebt.
Nach sorgfältiger Prüfung aller von den Anhängern der
Orthopädie vorgebrachten Beweismittel und nach meinen eigenen
Erfahrungen muss ich also die in der Aufschrift gestellte Frage
dahin beantworten: «Die Flexionen und Versionen des Uterus
machen im nichtschwangcren Zustand keinerlei Störungen; die
Beschwerden, die durch sie angeblich hervorgerufen Bein sollen,
sind meist bedingt durch Erkrankungen, die von don Deviationen
unabhängig sind, durch Metritis und Endometritis, durch Darm-
atonie, primäre Neurasthenie etc.; im schwangeren Zustand da¬
gegen führen die Deviationen in sehr seltenen Fällen zu Störungen,
weitaus am häufigsten werden solche Störungen beobachtet bei den
artificiell herbeigeführten Verwachsungen und Lageanomalien des
Uterus. Die nicht vom Arzte herbei geführten l’terusdeviationen
werden auch in der Schwangerschaft meist recht gut ertragen:
ein weiterer Beweis gegen die Schultze'sehen Lehren. Wären
die letzteren richtig, so müsste man erwarten, dass bei der ge¬
steigerten Empfindlichkeit des Nervensystems in der Schwanger¬
schaft und bei der rapid zunehmenden Volumzunahme des UteruB
eine bedeutende Steigerung der Symptome im 2. und 3- Schwanger¬
schaftsmonate sich einstellen würde.
Als »ich im Juni 1895 auf dem deutschen Gynäkologen -
Congrosso in Wien in einem Vortrage Protest einlcgto gegen die
colossale Ueberschätzung der Rückwärtslagerung der Gebärmutter
und vor allem gegen deren operative Behandlung, da glaubte ich
der einzige Repräsentant dieser Anschauung unter den heute
lebenden Gynäkologen zu sein. Scanzoni hatte allerdings vor
40 Jahren ebenfalls eine ziemlich geringschätzige Meinung von
der pathologischen Bedeutung der Flexionen, doch hielt er noch
an der Zweckmässigkeit der Application von Vaginalpessarien fest.
Im October 1895 hatte ich nun das Vergnügen in der da¬
mals erschienenen Nummer der Monatsschrift für Geburtshilfe
und Gynäkologie aus einem Referat von Docent Dr. Josephson
zu ersehen, dass Professor Salin in Stockholm ganz die gleichen
Anschauungen, wie ich hegt und sie in einem in schwedischer
Sprache in der Hygiea erschienenen Aufsätze publicirt hat. In
den letzten Monaten hat sich die Zahl der Gynäkologen, die
meine Ansichten zum grösseren Theile acceptirteo, rasch gemehrt:
Wendeier berichtet aus der Klinik des Professor A. Martin
in Berlin (Berl. klm. Wochenschr. 1896 No. 1):
«In zahlreichen Fällen wurde an vielen Orten die Vaginifixura
ausgeführt. Viele Frauen waren glücklich, von der ihre ästhetischen
Gefühle verletzenden Ringbehandlung erlöst zu sein. Andere aber
fanden die erhoffte Heilung von ihren Beschwerden nicht, obwohl
die Gebärmutter unverändert in der ihr durch den Eingriff ge¬
gebenen Anteflexionsstcllung verharrte; in noch anderen Fällen
fand man den Uterus nach einiger Zeit wieder ebenso retroflectirt,
als er vor der Operation gelegen hatte. Zur Uebcrraschung
ihrer Acrzte gab auch aus der letzteren Categorie eine Anzahl
von Frauen an, dass sie sich nach der Operation vollkommen
gesund fühlten.
»So wurde denn auf’s Neue die von vielen Gynäkologen schon
lange zuvor anerkannte Thatsache, dass die Rückwärtsbcugang
der Gebärmutter an sich meist nicht als ein krankmachendes
Uebel angesehen werden darf, durch den Prüfstein der neuen
Operation bewahrheitet.
Angesichts solcher Erkenntnis» war es bei sorgfältiger Unter¬
suchung nicht schwer, die mannigfaltigen Beschwerden, wegen
deren viele Frauen, die mit Retroflexio Uteri behaftet waren, ärzt¬
liche Hilfe in Anspruch nahmen, auf gleichzeitig vorhandene ander¬
weitige Veränderungen der Beckenorgane zurückzuführen. Eine
nicht geringe Rolle spielen hierbei Entzündungen der Gebärmutter
und ihrer »■'chleimhaut, Erschlaffung des Beckenbodens und der
Bandapparate der Beckeneingeweide nach zahlreichen Geburten oder
schlecht abgewarteten Wochenbetten, die ebenso wie alte Damm¬
risse Senkungen der Gebärmutter und der »Scheido im Gefolge haben,
3*
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548
Münchener me dicinischk Woche nschrift.
No. 23.
d * r *£*2
hat auch Prof. Landau in der Berliner med.c Gesellscb. ata
März geäußert: Er glaubt, das« die Pessanen bowoU -c
die anderen Fixationen des Uterus vorwiegend nur e.nen hjpnoti-
“^"ntk hat in de, Sitzung de, hrÄhcn Ve^
eu Hamburg am 24. März 1896 (Münch. -’
No 14) sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen. Er «klärt in
Zukunft wegen Retroflexio mobilis nicht mehr openren zu wollen.
Kreutzmann (Monataschr. für Geburtshilfe und Gynäko-
logie April 1896) meint, die Zahl der Aerzte, die ^ Ansicht
von T h e i 1 h a b e r und Sa 1 i n hegen, sei im Zunehmen begriffen
es stehe sicher zu erwarten, dass deren Anschauungen acceptirt
^Meine Herren 1 Die aus den eben entwickelten Anschauungen
hervorgegangenen Aenderungen meines therapeutischen Vorgebens
haben wesentlich dazu beigetragen, mich in memen Ansichten zu
bLurken. Ich habe in den letzten Jahren nicht mehr ortho-
pädisch behandelt; vorher hatte ich 15 Jahre lang.fast ausschhess-
Hch den Lehren Schultze’s gefolgt. Ich besitze sehr genaue
Notizen über alle meine gynäkologischen Fälle und nach wieder-
holter sorgfältiger Vergleichung muss ich eine entschiedene Besser
ung in den Resultaten bei der neueren Behandlungsweise con-
statiren. Natürlich gelingt es auch mit letzterer nicht, alle
Patientinnen dauernd zu heilen; ein für das ganze Leben wirken¬
des Universalmittel ist eben gegen die Hysterie noch nicht g
funden; ein solches ist aber auch das Scheidenpessar nicht ebenso¬
wenig wie die Fixirung des Uterus. Dabe. will .eh durchaus
nicht leugnen, dass das Pessar manchmal ein recht geeignetes
Mittel zur Erzielung eines suggestiven Effectes ist, der gute
Erfolg, den die Ringbehandlung bei manchen Prolapsen erzielt,
hat eben bei vielen Frauen ein Vorurtheil für diese Art der
Therapie hervorgerufen. Für contraindicirt halte ich jedoch die
Ringbehandlung bei Virgines. Vor Allem aber muss Front gemacht
werden gegen jede Form der operativen Therapie ^r Betroflexio.
Noch vor einem halben Jahre hat eine Anzahl namhafter Gynäko¬
logen proclamirt, dass sie jede Frau mit Retroflexio und Unter¬
leibsbeschwerden mittelst eingreifender und gefahrvoller Operationen
behandeln. Welche Blüthen diese Lehre gezeitigt hat zeigt ein
Aufsatz von Dr. Rühl in Eibach-Dillenburg (Ccntralblatt für
Gynäkologie 1896, No. 6); er hat in wenigen Jahren die operative
F’ixation des Uterus 235 mal ausgeführt!
An und für sich halte ich es für berechtigt, wenn einzelne
Aerzte bei schweren Formen der Hysterie, um eine suggestive
Wirkung zu erzielen, Soheinopcrationen vornehmen (Schramm,
Centralbl. für Gynäkologie 1896, pag. 303). Es unterliegt für
mich keinem Zweifel, dass die mächtige Gemütsbewegung, sich
einer lebensgefährlichen Opeiation unterziehen zu müssen und das
glückliche Ueberstehen der Operation eine günstige Wirkung aut
manche nervöse Störungen haben kann. Allein ein solcher Ein¬
griff darf natürlich nur ein absolut harmloser sein. Das sind
jedoch die gegen die Retroflexio empfohlenen Methoden nicht.
Die Ventrifixation ist bekanntlich ein sehr ernster Eingriff. In
ihrem Gefolge bekommt fast '/* der Frauen Bauchbrüche, die
ausserordentlich lästige Beschwerden herbeizuführen im Stande
sind. Bei der Vaginaefixation sind schon oft Verletzungen der
Blase und der Ureteren passirt, eine ganze Reihe schwerer In-
fectionen, zum Theil mit tödtlichem Ausgange, haben sich ange¬
schlossen. Kamen die Operirten zur Entbindung, so waren manch¬
mal schwierige Operationen, ja sogar der Kaiserschnitt nothwendig.
Einzelne von diesen Frauen starben in Folge der während der
Geburt ausgeführten Operation. Die AlcquiiL Alexander ’sche
Operation (Verkürzung der runden Mutterbänder) hatte ebenfalls
nicht selten Hernien im Gefolge. Was die F'ixation der Cervix
im hinteren Beckenraum betrifft, so sind auch die Anhänger der
Sch ul tze ’ sehen Lehren mit deren Resultaten nicht zufrieden.
Als ich mein abfälliges Urtheil über alle Fixirungsmethoden
des retroflectirten Uterus in der hiesigen Gynäkologischen Gesell-
Schaft aussprach, entgegnete mir v. Winckel, ich hätte zu wenig
, .. fWrationen gemacht, um zu einer Verwerfung derselben
t u sein. Nun ist es richtig, ich habe niemals wegen
Retroflexio uteri operirt, doch habe ich die zur Zeit Bir die
Fixirung des Uterus beliebtesten Operationen eimgema! ausgrführC.
• oi haho ich die Ventrifixation gemacht, als ich behufs Ent-
rig "otarien den Bnnch „öffnet **-*-*£
wo ich noch überzeugter «Orthopäde* war; zweimal habe ich
allerdings nicht wegen der Retroflexio, sondern
iCÄ natürlich ^wurde in .etrteren Mcndic
Kolporrbaphie und Perineoplastik an geschlossen. Mehr derartige
Operationen zu machen, verbot mir mein diesbezüglich schon lange
ablehnender Standpunkt. ... ,.
Ich bin nun der Meinung, dass durchaus nicht immer die
Aerzte das beste Urtheil über bestimmte Operationen oder Behänd-
lungsmethoden haben, die dieselben am häufigsten ,n Anwendung
gebracht haben. Meines Erachtens kann man sogar mit Recht
Operationen verwerfen, die man nie ausgeführt hat wenn man
zur Einsicht gelangt ist, dass die Gründe, mittelst deren sie cm-
pfohlcn werden, absolut falsche sind. Uebrigens ist ,mr auch aus
SSn Mittheilungen deutscher Kliniker bekannt geworden, dass
ein grosser Theil der Frauen nach der Vaginaefixation trotz richtig
liegendem Uterus ihre alten Beschwerden unverändert haben.
Meine Herren ! Kaum ein anderes Kapitel der Medicin hat
in den letzten Jahrzehnten so gewaltige Fortschritte ^macht wie
die Chirurgie der weiblichen Geschlechtsorgane. Noch vor in
halben Jahrhundert wurde es von berühmten Aerzten für ein
Verbrechen erklärt, eine Eierstocksgeschwulst zu ent feinen.
™ die Mortalität „ach der At.aführung dteser
Operation. Fast allgemein zog man vor, die an solchen vc-
schwülsten leidenden Frauen langsam zu Grunde gehen zu Hssen
heute retten wir etwa 90 Proe. dieser Patientinnen mittelst Oper^
ti 0 n — Gross sind auch die Fortschritte, die wir bezüglich der
radicalen Entfernung und Heilung des Gebärmutte^^
haben , erstaunlich auch die Einfachheit und Gefahrlos,gheit_ der
Methoden für die Heilung mancher Gebärmutter- und Seitdem
Vorfälle, für die Beseitigung der so lästigen Harnfistcln für dm
Entfernung der gutartigen Wucherungen der Geharmuttcrschleim-
hi ‘ Ut Es 'ist"nicht zu verwundern, wenn manche Aerzte ^bhmdet
von den auf operativem Wege errungenen Erfolgen, sich bemühen,
die Indicationen für die Anwendung des Messers zu enre •
Allein bei Anomalien, bei denen anderen Aerzten jegliche rationelle
Basis für chirurgisches Eingreifen zu fehlen scheint da ist cs
das Recht der letzteren, zum Einhalten auf diesem K
mahnen. Penn durch die Ausbreitung von nuf T^n'ur ls
cationsBtellung beruhenden Operationen,ethoden w.rd nicht nur d»
Wohl vieler Kranker geschädigt, es leidet darunter auch das
Ansehen der Chirurgen und des ganzen ärztlichen .Standes.
Nachtrag. Während der Drucklegung dieser Arbeit erschien
ein sehr lesenswerther Aufsatz von Windsehcid: «Die « *
Ziehungen zwischen Gynäkologie und Neuro ogie» (Centr t txy
1896 No. 22; ref. an anderer Stelle d. Nr.) («egen d ■ ß 1
Theil seiner Ausführungen wird wohl ein Einwand mcht er
werden. Dagegen kann ich die auf die Retroflexio uter sich bc
ziehenden Stellen nicht unwidersprochen lassen. W inds « lie J h .
daselbst: «Wenn eine lletroflexion des Uterus, ein Exsudat m
Parametrium a. A. m. eine Ischias hervorruft, so ist d« eme w
mechanische Ursache, an der Niemand zweifeln wird». ~
der Retroflexio ist Herr Windscheitf >m Ab
an einem derartigen causalen Zusammenhang sind sehr zahlrci^ ^
Beleg dafür citire ich einet, hierauf sich beziehende 1
Winckel, Pathol. d. weibl. Sexualorganc (Lief. V. p.
Beschwerden in den Beinen.sind entschieden nicht im ^
ja vielleicht niemals durch directen Druck des Uteru __
Nerven zu erklären, da diese ja sehr geschützt hegen ... •
Windscheid sagt ferner: «Fis gibt sicher Neura ,^ e “’
welche mit einer Retroflexion des Uterus Zusammenhängen,
„ach Beseitigung der Lageanomalic verschwinden.» daJJ
Ich meine, gerade bei der Heilung von Neuralgien
post hoc durchaus nicht immer mit dem propter hoc zu l ,
| Wir alle wissen, dass gerade bei Neuralgien zuweilen die
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9. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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barsten Curmethoden ungebildeter Pfuscher oft die glänzendsten
Erfolge erzielen. Ich bin desshalb der Ansicht, dass wir uns,
um mit Wind.scheid zu reden, nicht allzu sehr auf die noch
recht dunklen refleetorischen Vorgänge verlassen sollen.
Referate und Bücheranzeigen.
Lehmann u. Neu mann: Atlas und Grundriss
der Bacteriologie nnd Lehrbuch der speciellen bac-
teriologischen Diagnostik. München, Verlag von J. F.
Lehmann. 2 Bände. Preis gob. M. 15.
Der in der Form der bekannten Leh man n ’ sehen Hand¬
atlanten erschienene Atlas umfasst auf 63 farbigen Tafeln gegen
80 Bacterienarten, von welchen die charakteristische Colonionbildung
auf den verschiedenen gebräuchlichen Nährböden und die mikros¬
kopischen Formen der Kinzelindividuen in sehr ausführlicher Weise
dargcstellt sind. Fast säuuntliche Abbildungen sind von R. Neu¬
mann, Assistenten am Hygienischen Institut zu Würzburg, nach
der Natur aufgenominene Originalzoiehnu»gen, nur sehr wenige
C'opien aus bekannten Werken. »Säuuntliche Tafeln sind mit ausser¬
ordentlicher »‘“'orgfalt und so naturgetreu ausgeführt, dass sie ein
glänzendes Zengniss von der feinen .Beobachtungsgabe sowohl als
auch von der künstlerisch geschulten Hand des Autors ablegen.
Auch die mikroskopischen Darstellungen der Kinzolforincn bringen,
V'- obwohl keine Photogramme, in durchaus gelungener Weise den
r Charakter der verschiedenen Arten zur Anschauung.
Bei der Vorzüglichkeit der Ausführung und der Reichhaltig-
keit der abgebildeten Arten ist der Atlas ein werthvolles Hilfs
- mittel für die Diagnostik, namentlich für das Arbeiten im baeterio-
nlogischen Laboratorium, indem es auch dem Anfänger leicht gelingen
wird, naeh demselben die verschiedenen Arten zu bestimmen.
Der Text zerfällt in 2 Theile. deren 1. die allgemeine
'r-Bacteriologie umfasst, während der 2- die speeiclle Bacteriologie,
-• •i.l-i' die Beschreibung der einzelnen Arten enthält. Von besonderem
il Interesse sind in dem l. Thcil die Capitol über die Systematik
][ und die Abgrenzung der Arten der Spaltpilze. Die vom Verfasser
- hier entwickelten Anschauungen über die Variabilität und den
Artbegriff der »Spaltpilze mögen freilich bei solchen, welche an
ein starres, schablonenhaftes »System sieh weniger auf Grund
eigener objeetiver Forschung, als vielmehr durch eine auf der
i Zeitströmung und unersehütterliehein Autoritätsglauben begründete
ii, •• Voreingenommenlieit gewöhnt haben, schweres Bedenken erregen.
ij • Allein die Lehmann 'schon Anschauungen entsprechen voll kommen
,« . der Wirklichkeit und es werden dieselben gewiss die Anerkennung
hi.-: aller vorurteilslosen Forscher finden.
■Lirr- Die von Lehmann aufgestellte »Systematik sehliesst sieh
j! im Wesentlichen an das bekannte Cohn'sehe »System der Spalt-
i.i- pilze an und bedeutet gegenüber anderen modernen »Systemen eine
wesentliche, zum Theil wohl begründete Vereinfachung. Ob die
, . Gattungen Bacterium und Bacillus nicht noch eine weitere Glie¬
derung in Arten mit engerem und weiterem Formenkreis zu
erfahren haben, muss durch weitere Forschungen entschieden werden.
Sehr anerkennenswerth ist das Bestreben des Verfassers, die
Arten und Gattungen mit denjenigen Namen zu bezeichnen, unter
welchen sie zuerst von den Autoren beschrieben worden sind.
j Die »Schilderung der einzelnen Arten ist unter übersichtlicher
Hervorhebung ihrer charakteristischen Eigenschaften eine sehr
sorgfältige und klare und wird die piattische Handhabung des
Werkes beim Bestimmen durch beigefügte analytische Tabellen
sehr erleichtert.
»So bildet der Leh m a n n ' sehe Atlas nicht allein ein vor¬
zügliches Hilfsmittel für die bacteriologische Diagnostik, sondern
zugleich einen bedeutsamen Fortschritt in der »Systematik und in
der Erkenntniss des Artbegriffes bei den Bacterien.
H a u s e r.
Chirurgische Beiträge. Festschrift zum 70. Geburtstage
Von Benno Schmidt. (Schluss.) Leipzig 1896. Besold.
12) Hentschel: Beitrag zur Lehre von der Pyaemie
und Sepsis. (Kreiskrankenstift Zwickau).
1. Tendovaginitis des rechten Zeigefingers, Vereiterung des
Schultergelenks, Pyaemie, Tod. Als Erreger der localen Eiterung
und der Pyaemie fand sich der Diplococcug lanceolatus Frftnkel-
Weichselbaum.
2. Furunkel der Oberlippe, Pyaemie, Tod. Thromben der
Vena facialis anterior, zum Theil erweicht, multiple Abscesse in
Lungen, Leber und Nieren. Als Ursache der Erkrankung fand sieb
der Staphylococcua pyogenes citreus.
3. 2 Fälle von typischer Sepsis, d. h Toxinaemie. Der erste,
entstanden im Anschluss an eine schwere Fractnr des rechten Unter¬
schenkels, wird durch die Amputation geheilt, das Blut fand sich
keimfrei. Bei dem zweiten Falle war im Anschluss an einen peri-
proktitischen Abscess eine Intoxication des Organismus entstanden,
der die Patientin erlag. Weitgehende Nekrose alles Organe.
13) Karg: Pylorusresection und Ovariotoraie bei einer
Kranken.
Eine sehr heruntergekommene 32jilhrige Patientin mit Pylorus-
carcinom wird durch die Pylorusresection geheilt. Nach 9 Monaten
wird die Entfernung zweier grosser Ovarialcystome durch die
Laparotomie nothwendig, die die Patientin ebenfalls gut übersteht.
14) Kockel-Leipzig: Beitrag zur Kenntniss der Hoden¬
teratome.
Sorgfältige Untersuchung eines Hodenteratoms, das einem
3‘/2jährigen Knaben exstirpirt war. Der Haupttheil der Geschwulst
besteht aus Hirnsubstanz, daneben finden sich periphere Nerven,
Ganglienknoten, Cysten epidermischer Natur, Darraanlagen, Kehl¬
kopf- oder Bronchialanlagen, fibrilläres Bindegewebe, Knorpelstücke,
Knochengewebe, Fett, glatte Musculatur, wahrscheinlich auch quer¬
gestreifte. Es überwiegen deutsch die Gebilde des äusseren Keim¬
blattes: gut entwickelt sind auch die Abkömmlinge des mittleren
Keimblattes, am wenigsten ausgebildet ist das Entoderm. In ihrem
Aufbau erinnern die Organanlagen in gewissem Grade an den Auf¬
bau eines normalen Foetus.
Verfasser sehliesst auf Grund seiner Untersuchungen, dass die
Embryonalcystome des Hodens denen der Ovarien völlig analog
sind. Er glaubt, dass auch eine grosse Anzahl der complicirten
Cystengeschwülste des Hodens wahrscheinlich zu den Teratomen
gehören. Die Hodenteratome sind nicht auf foetale Inclusion,
sondern wahrscheinlich auf einen partiellen einseitigen Hermaphro-
ditismus zurückzu führen; der Eieretocksvheil des Hodens ist die
Ursprungsstätte der Geschwulst.
15) Kölliker-Leipzig: Beitrag zur Chirurgie der peri¬
pherischen Nerven.
1. 9 Fälle von Nervenlösung und Nervendehnung. Die Lösung
der Nerven aus ihren Verwachsungen (Narben, Fracturen) ergab
recht günstige Erfolge
2. 5 Fälle von Nervennaht. 2 primäre Nervenntthte heilten
vollständig, von 3 secundären 2.
3. 10 Fälle von Nervenextraction nach Thier sch. Voll¬
ständige Heilung in 4 Fällen.
16) Kollmann-Leipzig: Ueber einige Hindernisse beim
Katheterismus der männlichen Harnröhre.
Beim Sondiren der normalen männlichen Harnröhre findet der
Ungeübte ein Hinderniss am häufigsten im Sinus bulbi. Sonstige
Falten und Taschen finden sich sehr selten. In Betracht kommt
eine Tasche an der oberen Wand der Fossa navicularis und die
kleinen Schleimhautsäumchen am Rande der Morgagni'schen
Crypten der Pars cavernosa. Eine erhebliche Grösse erreichen diese
Gebilde selten, ebensowenig wie die bei Gonorrhoe manchmal vor¬
kommenden Grübchen, Ausführungsgänge der acinösen Schleimdrüsen.
Zwei besonders seltene Fälle von Taschenbildung werden von
K. mitgetheilt.
17) Lande rer-Stuttgart: Beitrag zur differentiellen Dia¬
gnose der Hernia obturatoria.
Bei einer 32 jährigen Patientin traten Erscheinungen auf, wie
sie bei Einklemmung einer Hernia obturatoria beobachtet werden:
Darmverschluss, hohes Fieber, schweres Allgemeinbefinden, Schmerz¬
haftigkeit bei Druck auf das Foramen ovale, Schmerz längs des
Nervus obturatorius. Die weitere Beobachtung ergab, dass es sich
um eine acute Osteomyelitis des Schambeines handelte, die zur
Sequesterbildung führte und nach der Entfernung des letzteren
völlig ausheilte.
1h) Lange- Leipzig: Ueber Exostoaenbildung, bedingt durch
ossificirende Myositis nach Knochenbrücben.
Bei der Section eines 59 jährigen Mannes fanden sich um den
linken Oberschenkel und um den rechten Schenkelhals herum sehr
bedeutende Anhäufungen von Knochenmassen. Die näheren Ver¬
hältnisse machten es unzweifelhaft, dass an den genannten Knochen
seiner Zeit Fracturen vorhanden gewesen waren. Die Knochen¬
massen selbst waren durch Verknöcherung des parostealen Gewebes,
speciell des Seimen- und Muskelgewebes bedingt. Die einzelnen
Sehnen- bezw. Muskelansätze Hessen sich in Form von Spangen,
Fortsätzen, Leisten noch ganz deutlich erkennen. Die Exostosen
müssen als der Ausgang einer im Anschluss an mehrfache Knochen¬
brüche entstandenen Muskelverknöcherung, einer chronischen pro¬
ductiven Muskelentzündung angesehen werden.
19) Par r e id t-Leipzig: Die pathologischen Beziehungen
der Zahne zum Gesammtorganismus.
P. behandelt in übersichtlicher Weise die gesammten Er¬
krankungen, die sich an pathologische Veränderungen der Zähne
anschliessen können.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
20) Riedel-Jena: Die Entzündungen der vom Kniegelenke
getrennt gebliebenen Bursa subcruralis.
Es ist auffallend, dass Erkrankungen der selbständig ge¬
bliebenen Bursa Bubcruralis so selten Vorkommen. Nach Gruber
ist diese Bursa bei jedem 6. bis 7. Individuum vom Kniegelenk
getrennt.
Riedel berichtet in vorliegender Arbeit über mehrere ein¬
schlägige Fälle. Eine zottige Entartung der Bursa bei einem
Cavallerieoffizier wurde durch Exstirpation geheilt. Zu einer Syno-
vitis serofibrino8a hatte ein durch Trauma entstandener Fremdkörper
(hyaliner Knorpel mit Knochenkern) Veranlassung gegeben. Die
isolirte Tuberculose der Bursa subcruralis wurde 2 mal beobachtet,
im ereteren Falle durch Exstirpation radical geheilt, im zweiten war
leider die Tuberculose zur Zeit der Operation schon in's Kniegelenk
durchgebrochen.
21) S o n n e n b u r g- Berlin: Der Katheterismus retro-urethralis
bei der Behandlung impermeabler (gonorrhoischer) Stricturen.
DaBS bei traumatischen Stricturen unter .Umständen die Er¬
öffnung der Blase und der retro-uretherale Katheterismus nothwendig
werden können, ist allgemein anerkannt. Bei der gonorrhoischen
Strictur wird man seltener in die Lage kommen, den Katbeterismus
posterior auszuführen. Verfasser hält ihn bei gonorrhoischen
Stricturen für indicirt, erstens, wenn ein mit Fisteln durchsetztes i
Narbengewebe den ganzen Damm einnimmt und das Aufsuchen
der Pars membrauaeea zur Unmöglichkeit macht. Weiter ist der |
retrograde Katheterismus dann angezeigt, wenn nach Ausführung ,
der Blasenpunction sich um die Punctionsöffnung herum im prävesi-
calen Gewebe Entzündung einstellt.
S. hat aus diesen Indicationen je einmal mit recht befriedigen
dem Erfolg operirt.
22) Till man ns-Leipzig: Ueber die Heilung grösserer
Continuitätsdefecte an den langen Röhrenknochen.
T. empfiehlt bei Continuitätsdefecten der langen Röhren¬
knochen (nach Totalnekrose) vor Allem die Implantation möglichst
frischer menschlicher, markhaltiger Knochenstückeben von ‘/ 2 — lern
Länge und */*—’/a cm Breite resp. Dicke (z. B. die bei der Sequestro-
tomie gewonnenen gesunden Knochenstückchen). In einem derartig
operirten Falle von Defect der Tibia sind alle Knochenstückchen
glatt eingeheilt. i
Bei einem anderen Defect der Tibia wurden Knochensplitter
vom Kaninchen implantirt, im Ganzen etwa 100 Stück. Von diesen '
heilten etwa 2 /s ein, die übrigen wurden nekrotisch ausgestossen.
Einfacher wird es sein, in Fällen, wo menschliches Material
nicht zu haben ist, totes, zerkleinertes, kalkhaltiges Knochenmaterial
zu benutzen, z. B. die von Barth empfohlene poröse Knochenkohle.
23) Paul Wagner-Leipzig: Die Grenzen der Nierenex¬
stirpation.
Eine in ihren Functionen gesunde Niere soll überhaupt nicht,
eine kranke Niere nur dann geopfert werden, wenn die Art der Er¬
krankung die Fortnahme des ganzen Organs dringend erfordert.
Nierenerkrankungen, die sicher durch schonendere Eingriffe geheilt
werden können, geben keine lndication zur Nephrectomie. Die
Nephrectomie kann als primärer und secundärer Eingriff vorgenommen
werden. Die eretere ist angezeigt bei den von der Niere oder der
Nierenkapsel ausgehenden malignen Geschwulstbildungen und bei
der Nierentuberculose, ferner bei Niereneiterung, wenn das ganze
Organ von grösseren und kleineren Abscesshöhlen durchsetzt ist,
und schliesslich bei den Fällen schwerster Nierenzerreissung mit
starker anhaltender Blutung.
Als secundäre Operation kommt die Nierenentfernung in Be¬
tracht bei Pyonephrose und Hydronepbrose, falls nach der Nephro¬
tomie eine den Kranken sehr belästigende urinöse oder eine eiternde
Fistel zurückgeblieben ist. Kr ecke.
Neueste Journalliteratnr.
Centralblatt Tür innere Medicin. 1896, No. 22
O. Schaumann und E. Rosenqvist in Helsingfors: Zur
Frage über die Einwirkung des Höhenklimas auf die Blut¬
beschaffenheit. (Vorläufige Mittheilung.)
Wie die Untersuchungen mehrerer Forscher übereinstimmend
ergeben haben, führt schon ein verhältnissmiissig kurzer Aufenthalt
an hochgelegenen Orten bei den betreffenden Individuen eine Ver¬
mehrung der Zahl der rothen Blutkörperchen in der Cubikeinheit
gegen die Norm herbei. Diese Thatsache hat eine sehr verschiedene
Dentung erfahren. Die meisten Beobachter neigen zn der Ansicht
hin, dass es sich um eine wirkliche Neubildung von Blutkörperchen
handelt; andere (Sahli, v. Limbeck, Grawitz) sind der Meinung,
dasB die Blutkörperchenvermehrung im Höhenklima auf eine Blut¬
eindickung in Folge der Lufttrockenheit zurückzuführen sei. Die
Verfasser stellten daher zur Klärung dieser Frage neue experimentelle
Untersuchungen (an Kaninchen und Hunden) an. Von den be¬
kannten Charakteristica des Höhenklimas (Luftverdünnung, Reinheit,
lebhafte Bewegung und austrocknende Eigenschaft der Luft,
niedrige Temperatur, Insolation) war in den Versuchen der Verfasser
nur das eine — die Luftverdünnung — gegeben. Trotz
alledem haben sie bei ihren Versuchen dieselbe Ver¬
mehrung der roten Blutkörperchen in der Cubikeinheit
constatiren können, wie sie von allen anderen Forschern, die
Nö. 23.
dem Studium der Blutbeschaffenheit im Höhenklima ihre Aufmerk¬
samkeit gewidmet, festgestellt worden ist.
Auf Grund ihrer Versuche glauben die Verfasser es wahr
scheinlich gemacht zn haben, dass bei der Vermehrung der
rothen Blutkörperchen im Höhenklima der Lufttrocken
heit eine hervorragende Rolle nicht zukommt; sie stellen
sich auf die Seite derjenigen Forscher, welche die Hauptursache
dieser Erscheinung in der Sauerstoff - Rarefication der Höhenluft
erblicken, ohne einstweilen in eine Discussion über die nähere Art
und Weise, in welcher die Körperchenvermehrung zu Stande kommt,
einzugehen. W. Zinn-Berlin.
Beiträge zur klinischen Chirurgie. Bund XVI, Heft 1.
Tübingen 1»96. Laupp’scher Verlag.
Das 1 Heft des XVI. Bandes beginnt mit einer Arbeit von
Fr. Lange aus der Strassburger Klinik über den Gallertkrebs der
Brustdrüse, in der die bisherigen Anschauungen über diese relativ
gutartige seltene Affection an der Hand von 75 zusammengestellten
Fällen Besprechung finden und speciell die Entstehung des Schleimes
durch Degeneration des Bindegewebes mit einem Untergang der
vom Schleim umgebenen Krebszellen und Schwinden der Krebs¬
stränge (durch Toluidinblaufärbung) nachgewiesen wird, während
betreffs des klinischen Verlaufes eine Durchschnittsdauer von
9,2 Jahren, also eine doppelt so lange als bei gewöhnlichem Mamma
carcinom, sich ergibt, auch die Ulceration und Verwachsung mit
der Pectoralisfascie, Infection der Axillardrüsen 2—4 mal später Vor¬
kommen, als bei gewöhnlichem Mammacarcinom, und betr. Recidive
über */s erst 3—10 Jahre nach der Operation auftreten (gegenüber
den fast stets innerhalb der ersten 3 Jahre erfolgenden Recidiven
bei gewöhnlichem Mammacarcinom); eine kurze Darstellung der
75 Fälle umfassenden Casuistik und ein sorgfältiges Literatur-
verzeichniss sind der Arbeit beigegeben.
Aus der Heidelberger Klinik liefert H. Starck eine Arbeit
über den Zusammenhang von einfachen chronischen und
tuberculösen Halsdrüsenschwellungen mit cariösen Zähnen,
in der das häufige Vorkommen (bei 87—99,2 Proc.) von Zahncaries
bei Kindern und das Auftreten von Halsdrüsenschwellung hiebei
betont wird (bei 41 Proc. allein als ätiologisches Moment anzusehen,
während nur bei 20 Proc. der mit Halsdrüsenschwellung behafteten
Kindern Zahncaries fehlte). Die Zahncaries kann auch als Eingangs
pforte für das tuberculose Virus gelten, resp. zu tuberculösen Hals¬
drüsen führen, woraus ebenfalls die grosse Bedeutung der Zahn¬
hygiene betont werden muss.
Aus der Baseler Klinik gibt S. Hägler eine Mittheilung über
Sehnenverletzungen an Hand und Vorderarm, worin im Anschluss
an betr. Beobachtungen speciell die Abreissung der Flexorensehne
(Flex. profundim) mit Abrissfractur eines kleinen Stückes der Nagel¬
phalanxbasis (durch Hyperextension entstanden) besprochen wird
und u A. auch ein seltener Fall von Querabreissung der Streck¬
sehne oberhalb des Ansatzes an der Kapsel (der operativ behandelt
und geheilt wurde) mitgetheilt wird.
Aus der gleichen Klinik gibt E. Markees einen Beitrag zur
operativen Behandlung gebrochener Knochen, worin die ver¬
schiedenen operativen Verfahren, speciell die Birchersehe Methode,
an der Hand von 14 bei frischen Fällen, 10 hei PBeudarthrosen
ausgeführten Operationen berücksichtigt wird. Nach M. sollen Elfen¬
beinstifte in genügender Auswahl von verschiedener Dicke und
Länge vorhanden sein (mittleres Maass 6—8 cm Länge, 6 — 10 mm
Dicke). Nach Freilegung der Bruchstelle durch 1—2 Schnitte (am
besten Längsschnitte), Entfernung etwaiger loser Splitter unter
möglichster Erhaltung des Periosts wird durch Zug und winklige
Knickung die Fracturetelle zum Klaffen gebracht und in das obere
Fragment ein passender Stift einige Centimeter weit mit dem Hammer
in die Markhöhle eingetrieben, alsdann das untere Fragment an das
obere gelegt und der Stift auch in dieses getrieben und so möglichst
genaue Reposition erzielt, eventuell, wenn nöthig, noch Knocheu-
naht oder Drahtumschlingung zugefügt und mit Gypsverband fixirt.
Abgesehen von 1 Todesfall wurden in der Baseler Klinik mit der
Methode durchwegs günstige Resultate erzielt; von 10 Pseudarthrosen
(4 der oberen, 6 der unteren Extremität) wurden 8 vollkommen
geheilt und hält M. den Elfenbeinstift besser als alle anderen Mittel
geeignet, in die Markhöhle der Röhrenknochen einzuheilen; käme
es zu Eiterung und Fistelbildung, so ist die Entfernung des Stifts
indicirt. (Von den frischen Fällen ist der Stift in 64,3 Proc. em-
geheilt, in 35,7 Proc. wegen Fistelbildung nachträglich entfernt
worden. Jedenfalls erlaubt das Verfahren exacte Reposition und
sicherste Retention, während nach den Erfahrungen der Baseler
Klinik die Knochennaht, als Fixationsmittel meist ungenügend ist.
deren Technik nicht leichter, betreffs der Einheilung die Verhältnisse
ungünstiger sind (von 10 in der So ein’sehen Klinik mit Knochen¬
naht behandelten frischen Fällen ist die Naht nur lmal eingeheilt).
Ebenfalls aus der Baseler Klinik gibt C. Lübeck einen Bei¬
trag zur Behandlung offener Schädeldachfracturen an der Hand
von 56 Fällen (15 Fissuren, 4 Splitterfracturen, 9 Impressionen,
16 Schussfracturen) und zeigt darin, wie und wo sich die ärztliche
Kunst dabei zuerst zu bethfttigen hat, resp. dass eine offene
Schädelfractur nicht anders zu behandeln ist, als eine beliebige andere
complicirte Fractur. Betreffs der Fissuren sind 2 Todesfälle zn ver
zeichnen, die zeigen, wie wichtig es ist, bei Wunden des Kopfes,
die durch einen grossen Insult entstanden, bei denen nicht erklär-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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bare schwere Himerscheinungen auftreten und progressiv werden,
das Schädeldach in und neben der Wunde blosszulegen und sorgsam
zu inspiciren. Blutungen sind hier häufiger, als angenommen wird;
bei Einwirkung sehr intensiven Traumas, bei erheblicher Blutung
aus der Fissur ist durch Resection der Knochenränder der Spalt zu
erweitern (um eine Ansammlung von Blut zu verhüten) und eventuell
Splitter der Lam. interna, die an Ort und Stelle bleibend einen
Reiz ausüben könnten, zu entfernen. Eine Drainirung des Cav.
cranii ist dann geboten. — Bei Impressionen muss Elevation oder
radicale Entfernung des imprimirten Theiles vorgenommen werden,
eventuell Egalisirung zackiger Knochenränder. — So gut die Prognose
nicht inficirter Fälle, wenn primäre Desinfection richtig statthat,
80 ungünstig ist die Prognose inficirter Fracturen; schonungslose
Entfernung inficirter oder inficirt erscheinender Gewebstheile, Tam¬
ponade der gründlichst ausgefegten Wunde kann hier allein Erfolg
bringen. Betreffs der Schussfracturen sind 81,3 Proc. Mortalität zu
verzeichnen; auf Entfernung des Projectils wird meist verzichtet
(bei allen zur Obduction gekommenen Fällen lag das Projectil an der
der Ein8chussötelle gegenüberliegenden Knochenwand). L. erklärt
u. A. die Untersuchung einer Kopfwunde erst dann beendigt, wenn
durch Dilatation der darunter liegende Knochen einer Inspection
unterworfen ist.
Aus der Tübinger Klinik behandelt H. Küttner die Ge¬
schwülste der Submaxillarspeicheldrüse und gibt in der auf
97 Fälle (6 neue Beobachtungen) sich stützenden Arbeit eine ein¬
gehende Schilderung zunächst der grössten Gruppe (64 Fälle) von
den relativ gutartigen typisch endothelialen Geschwülsten (von denen
die nicht knorpelhaltigen einen ungleich höheren Procentsatz an
Malignität aufweisen, als die Knorpelbestandtheile enthaltenden);
dieselben sind stets scharf umschrieben und gut abgrenzbar, doch
sind Fälle bekannt (11 Proc.), in denen ganz benigne Fälle plötzlich
bösartig wurden. Auch die Sarkome (6), Adenome (3), Carcinome (3)
werden nach Vorkommen, Symptomen etc. besprochen. Die Therapie
besteht stets in Exstirpation.
H. Stieda berichtet aus der gleichen Klinik im Anschluss
an einen typischen Fall über das Lipoma arborescens des Knie¬
gelenks und seine Beziehungen zu chronischen Gelenkaffectionen
und kommt an der Hand der verschiedenartigen Ansichten hierüber
(König etc.', das Vorkommen bei Tuberculose, ausgeheilter Tuber-
culose, Arthritis deformans etc. dazu, in demselben einen nicht
specifischen chronischen Entzündungsprocess mit Fettzellenbilduug
zu sehen, der nicht für eine bestimmte Erkrankung des Gelenks
(wie Tuberculose) charakteristisch ist.
O. Rahm aus der Züricher Klinik berichtet über die opera¬
tive Behandlung der Meningocele spuria traumatica, d. h. die
im Ganzen seltene Affection, wo nach Schädelbrüchen kleiner Kinder
die Continuitätstrennung im Schädeldach fortbesteht, Liq. cerebrospin.
durch dieselbe aus und unter die Kopfhaut tritt. Unter 45 Fällen
wurde 30 mal operirt (25 Punctionen, 3 mal Punction und Injection,
2mal Exstirpation des Sacks, respective Drainage; Methode von
Müller und König lmal), und kommt R. zu dem Schluss, dass
eine Meningocele spuria träum, leichten Grades durch Compression
(eventuell mit Punction) zur Heilung resp. zur Umwandlung in eine
einfache subcutane Schädellücke gebracht werden kann, resp. diese
in leichten Fällen zu empfehlen, dass aber in schweren Fällen, wo
eine grössere Operation nöthig, vor Allem die Exstirpation des
Meningocelensackes und eventuell Drainage der porencephalischen
Himcyste in Betracht zu ziehen ist. Sehr.
Ccntralblatt für Gynäkologie, 18%, No. 22.
1) F. Windscheid-Leipzig. Die Beziehungen zwischen
Gynaekologie und Neurologie.
Eingehende Besprechung der Beeinflussung und Abhängigkeit
der weiblichen Psyche und des Nervensystems der Frau von Ge¬
schlechtsleben, Menstruation, Klimakterium, Gravidität, Puerperium
und Lactation, sowie der Wechselbeziehungen zwischen Erkrankungen
des Genitalapparates und denen des Nervensystems.
2) A. Dührssen-Berlin. Ueber vaginale Antefixatio uteri.
Bei der intraperitonealen Vaginofixation verschliesst D. die
peritoneale Plica isolirt und glaubt dadurch Geburtsstörungen Vor¬
beugen zu können. Er hat damit eine Modification der Technik
der Leopold-Czerny ’ sehen Ventrofixation auf die intraperitoneale
Vaginofixation übertragen. Ferner berichtet er über ein 3‘/2 Mt.
beobachtetes, gutes Resultat einer Vesicofixation (Werth) nach
vorausgeschickter vaginaler Coeliotomie, eine Methode die er in
mehreren anderen Fällen, in denen gleichzeitig Adnexerkrankungen
bestanden, angewandt hat. D. glaubt, dass die von ihm «zur Heil¬
ung der mobilen und fixirten Retroflexio angegebene vaginale
Koeliotomie in dieser oder jener Modifieation der verschiedenen
ventralen OperationBmethoden ihren Platz in der operativen Gynä¬
kologie behaupten wird.» Werner- Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 22.
Die vorliegende Nummer enthält 5 beim 25 jährigen Stiftungs¬
feste der deutschen Gesellschaft für Chirurgie gehaltene Vorträge,
deren Inhalt in dem Originalbericht der Münch, med. Wochenschr.
(Beginn desselben in No. 22) wiedergegeben ist.
1) Eröffnungsworte des Vorsitzenden (E. v. Bergmann).
2) F. v. Esmarch: Ueber künstliche Blutleere.
3) Fr. König: Die Entwicklung der Tuberculosenlehre
mit besonderer Berücksichtigung der äusseren (LocaD-Tubercu-
lose und der Tuberculose der Gelenke.
4) P. Bruns: Die Entwicklung der modernen Behand¬
lungen des Kropfes.
5) E. Sonnenburg: Ueber Operationen am Processus
vermiformis.
6) C. Langenbuch: Ein Rückblick auf die Entwicklung
der Chirurgie des Gallensystems.
Dr. Grassmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 23.
1) Renvers: Zur Pathologie des Icterus.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin zu Berlin.
Referat, siehe diese Wochenschrift No. 8, pag. 187, No. 10, pag. 235
und No. 11, pag. 259.
2) Charles Leedham-Green - Birmingham: Versuche über
Spiritusdesinfection der Hände. (Vorläufige Mittheilung).
3) F. A li 1 f e 1 d: Einige Bemerkungen zu der vorstehenden
Arbeit des Hei; n Dr. Leedham-Green.
Die von A h 1 f e 1 d in einer frühem Nummer der D. med. Wochen¬
schrift gerühmte Desinfectionskraft des Alkohols scheint durch Leed¬
ham-Green's Versuche etwas in Frage gestellt zu werden, während
ersterer seine Behauptungen in vollem Umfange aufrecht erhält.
4) H. Herz: Ueber Duodenalstenosen. (Aus der medicini-
schen Abtheilung des Primärarztes Prof. Dr. Buchwald im Aller¬
heiligenhospital in Breslau). (Schluss folgt.)
5) G. Köster: Ueber Aetiologie und Behandlung der
Enuresis. (Aus der Poliklinik für Nervenkranke von Prof. Dr.
Seeligmüller in Halle.)
Die von Seeligmüller angegebene Methode der Behandlung
der Enuresis hat sich an 20 mitgetheilten Fällen vorzüglich bewährt.
Die Methode besteht in der Einführung des nicht armirten Draht¬
endes der Kathodenleitungsschnur in die Oeffnung der Urethra,
l — l‘/a cm tief, Aufsetzen der Anodenelektrode auf die Symphysen¬
gegend, und zwei- bis dreimal wiederholte Anwendung eines an-
und abschwellenden faradischen Stromes je 2—3 Minuten lang.
Meist genügten 2 Sitzungen, um dauernden Erfolg zu erzielen.
6) M. Mendelsohn: Ist das Radfahren als eine gesund-
heitsgemässe Uebung anzusehen und aus ärztlichen Gesichts¬
punkten zu empfehlen. (Fortsetzung aus No. 21.)
7) E. Fei bes-Aachen: Zur Behandlung des Lupus vulgaris.
Das auch vonPhineas Abraham im Black Friars Hospital
in London mit Erfolg angewandte Verfahren ist sehr einfach. Ein
zugespitztes Holzstäbchen wird in eine Lösung von Quecksilber iu
rauchender Salpetersäure, im Verhältniss von 1: 2, eingetaucht und
in die einzelnen Lupusknoten eingebohrt Die wenig oder gar nicht
blutenden Stellen werden zunächst mit Watte bedeckt, vom zweiten
Tage ab wird täglich zweimal Quecksilberpflaster aufgelegt. Nach
12 Tagen ist durchschnittlich Heilung eingetreten. Wichtig ist, dass
jedes neu auf tretende Knötchen möglichst bald in dieser Weise
geätzt wird. Bei sehr ausgedehnten Fällen wird zuerst in der
Narkose ausgekratzt. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
XXV. Congress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Originalbericht von Dr. Albert Ho ff a- Würzburg.
2. Sitzungstag.
Eduard Sonnenburg: Ueber Operationen am Pro¬
cessus vermiformis.
Vor der Einführung der Antiseptik war die Perityphlitis
fast ausschliesslich Object der inneren Medicin. Internisten, wie
Puchelt, Volk, Bambcrger förderten zu jener Zeit wohl
die Kenntniss der pathologischen Anatomie dieser Erkrankung,
wie auch das klinische Verständnis» für sie. Nur wenige Fälle
wurden Object chirurgischer Behandlung und diese richtete sich
fast ausschliesslich gegen die Complicationen der Krankheit, vor¬
zugsweise die Eiterung, ohne eine radicale Behandlung des I^eidena
zu wagen.
Den grössten Fortschritt machte aber die Lehre von der
Perityphlitis, seitdem unter dem Schutz der Antiseptik die Autopsie
am Lebenden in ihre Rechte treten konnte. Vor Allem wurde
der Wurmfortsatz als fast einziger Ausgangspunkt der Erkrankung
erkannt und der Begriff der Typblitis stereoraüa fallen gelassen.
Nunmehr wandte sich das Hauptinteresse den Fällen iu,
die den Beginn der Erkrankung kennen lehren. Die Frage, wann
ein Processus vermiformis als pathologisch anzusehen ist uud
welche Veränderungen als Folgen einer Erkrankung oder als Eut-
wicklungsanomalie anzusehen seien, konnte nur durch den Erfolg
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I
No. 23.
ganz geringe pathologisc ervorrufcn, da der Processus
schwere klinische Erscheinung b ^ erfuhr, während
vermiformis, wie Vortragender . hen zeigt. Pas eine
des Anfalls ein völlig ver n ten Anfalls gewonnen,
( “s
Klinische SymP tome "‘gchmlleu, druckempfindlichen
sebwerdefrei, z ” rtu *“?^ IJbhihen des Darmes mit Luft, nach-
Resistenz, b^nders* ££ oft „^gesprochene Dämpfung und
Ä Ü Tumors. Vorkommen echter seröser, stcnle,
Exsudalm ^ Chl0nisch entzündete und verdickte Wurm-
Urujl ,_ Tnmrrn
Störungen, namentlich am oec • .* ■ „dein die Sccrct-
kommt er wohl zu vollkounnener Hulun, wird und die
Stauung durch Entleerung " K ^MdT M togoreu, Bestand
entzündliche Schwellung Kämorrhagien, Nekrose und
des Katarrhs aber kommt es tu H deI Wurm-
des Katarrhs aber komm gtricture|1 zurücU) der Wurm
Geschwulsthildungen, it treten Verwachsungen mit
fortsatz wird ton- und «nhe»^mh, es Jrewn ^
dor Umgebung cm, so <kt^ J „»eiterten Abschnitten Kotl,
schwerer wird und sich allcn Stadien kann eine
steine oder auch Kmpyemc obnc Perforation und
acute Tnfection Eiterung jer aber Nekrose des ganzen
eSSSl Sepsis Hervorrufen (Appendicitis
rt t'- rsrs’ ss?°:;nd"..*- --
in der Ileocoecalgegend, 10 * n Bildung einer schmerz-
mit hohem Fieber auftreten können 4. Büdu^t ^
geändert. „«rfomtiva purulenta ver-
steht Verfasserin "viel'schwereres acutes Kccidiv, das_sich innuer
“7 *rSo°s Wun»^
anlasst wird d«^ da< ^ ^ Em ,, yem0 porfonrt »,rd
rrnnfdt eiÄianchigen Massen in ;
üüsi'=ss|
ä * rrt tr
twHS t’Jl Fällen bleibt das AUgomcinMndjm
thtobt ”as Erbrechen steigert sich zum Dens oder mederMto
Schüttelfröste »eisen auf Compltcationeu, Senkungen, mul p
Abscesse, bächstens durch Perforation nach dem
Dann oder Entleerung durch den perforirten Appendm he,len
kann ist ihr Eintritt Indication zu sofortiger Operation.
Die Combination von Appendicitis perforativa mit Appendicitis
gangrSL »ird auf Grund der stete» Zunahme der “ e 7
Ws zum Bild schwerer allgemeiner Scpsts dmgnostmrt werden^
Verfasser führt nun in Gruppen, die durch Krankheit«
gesuchten erläutert werden, Verlauf und Entwicklung der Er-
krankungen des Wurmfortsatzes vor.
Gruppe I. Der Wurmfortsatz selber wenig verändert, aus
gedehnte «safte Verwachsungen. Im Innern desselben
Schleim, keine Geschwüre oder Kothsteine.
Klinische Symptome: Häufige Anfälle, meist kurz
, ilu-r hrftie geringes oder kein Fieber, wenig ge-
dauernd und wenig nettig, geringe» . in . in \ n f,, n
störtes Allgemeinbefinden. Schmerzen meist gering, untern Anf»U
meist mässige Resistenz in der Ileocoecalgegend
Stauung durch den ringförmig verwachsenen Wurmfortsatz. 1«
der anfallsfreien Zeit meist keine Beschwerden und negative. Bef -
it TT,,.v.™,ri:.i.i Voriimlpriintren des Wurmfortsätze-
fwtriae Exsudate nm den nicht perforirten chronisch
i •* ,w 1 «-hereegend, pentonitische Heizung.
3 SngS; “ndix, meint mit Peritonitis versehtedenen
• Grades S ,drangen.
KwTv" Appendicitis perforativa „nruienta mit eirenrn-
scripter Peritonit^ pcrfora tiva mit Complicationen:
Multiple' Abscesse, fibrinös eitrige ^mtis ^
“tTl“ rto: C ei„f«:;dna,ilndc sein V
wendet sich gegen den
geltend macht, dass ‘ ^ustellen sind. Ein
Indicationen zum operati - frühzeitiger auf-
und derselbe Eingriff kann im 6«wo ausge führt er-
»
“r vorhanden und die Schmerzen
längerer Dauer des Anfalles * , * bir sub j ect j ven Wünschen
Dosen Opium ausko,innen und je nach den ^jcctiv
des Kranken Kälte oder Wärme appheren. ’S - «amt
entziehungen. wird man in der Regel nicht o^b
, .„.och bei häutigerer Wiederholung, Zunahme der
vorgehen Jedoch b £ ^ Infccti onsersche.«ungen,
STlf dentis mit einem Schlag von seinen Beschwerde,
befreien. Die einfache Operation besteht dann ln em ^
Ziehung der Haut durch diese und dte Muskeln ha ^
rgctolt, oder au, fächerartigen Adhäsionen cd« =
des kleinen Beckens herausgelöst werden. Der nac ^
Wurmfortsatz wird nach Bildung einer Ma Fa u
Stumpf übernäht oder in’s Coecum eingestttlp ■ Thei l
wird der Stumpf am Peritoneum fixirt, die Won Wun(Je
vernäht oder tamponirt, bei sicherer Asepsis d ' e f J k
vernäht. Die Heilung erfolgt in 3-4 Woohen, der Entotehung
einer Hernie wird durch Tragen einer Banda f J^teist in
Bei häufig rccidivireuden Erkrankungen 0 P« r die
der freien Zwischenzeit, bei laugdauernden Anfiülen
deutliche Resisteuz zurücklassen, auch während des Ani
die Störungen dann schnell zurückgehen. Ein tig Uegt
zur Operation bei der einfachen katarrhalischen PP« h
in der Gefahr der Entstehung von Verwachsungen, der ma
rechtzeitiges Eingreifen vorbeugt. _ mnn 0l)er iren,
Bei der Appendicitis perforativa purulenta soll
sobald die Eiterung diagnosticirt ist, aber nicht nur ^
einfach eröffnen, sondern alle Ausbuchtungen nntachj^ ^
Gruppe n. Hochgradige Veränderungen des Vmn,f,»MS W« « Uei „ e Becken oder nach Letar *
(Hypertrophie, Starrwandigkeit, Knickungen). Geringe \ erwac 1 “ ^ ^ gefährlicher. Zur Nanhbehanäl
ungen mit der Umgebung, manchmal mit dem Netz. 1
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9 . Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
553
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ist die Tamponade anzuwenden, wobei Haut- und Muskelwunde
möglichst weit klaffend zu erhalten sind.
Die Diagnose der acuten, von einem gangränösen Wurm¬
fortsatz ausgegangenen Peritonitis ist unter Umständen schwierig,
ihre Prognose ungünstig. Weisen aber irgend welche Symptome
auf einen Ausgang vom Wurmfortsatz hin, so kann ein schleuniger
operativer Eingriff zuweilen noch das Leben retten.
Die in Gruppe I—V charakterisirten Fälle von Appendicitis
simples sowie die Appendicitis perforativa mit abgekapseltem Abscess
sind die für die Operation günstigsten. Von operirten 185 Fällen
des Verfassers waren 128 derartige, die alle zu völliger Heilung
kamen. Auch bei den complicirten Fällen haben sich die Resultate
der Operation gebessert. Von 11 dieser Art starben im letzten
Jahr nur 2, von 23 früheren 12. Bei ausgesprochener allgemeiner
septischer Peritonitis bleibt die Prognose schlecht. Alle 6 letzten
derartigen Fälle verliefen tödtlich.
Carl Langenbuch: Ein Rückblick auf die Ent¬
wickelung der Chirurgie des Gallensystems.
Die Kenntniss der Erkrankungen des Gallensystems ist eine
vcrhältnissmäs8ig junge. Gentile da Fol i gn o (gest. 1348) soll
zuerst Gallensteine in der Oeffnung des Ductus choledochus, Beni-
vieni (gest. 1502) solche in der Gallenblase gefunden haben,
in Deutschland waren die Ersten, die von Gallensteinen berichten,
Joh. Lange 1554, und Kentmann 1565. Ferncl, 1554,
erklärte die Entstehung der Steine aus einer Verdickung der Galle,
bei Verlegung der Gallenwege, wodurch auch Icterus entstehe.
Joh. b abricius soll 1618 Steine aus einer Gallenblase gezogen
haben, ob aber am Lebenden, ist ungewiss.
Im Beginn des 17. Jahrhunderts wurden zuerst an der Gallen¬
blase lebender Thicrc zu physiologischen Untersuchungszwecken
operative Eingriffe vorgenommen. Der erste solche Experimentator
war Zambeccari 1630. Teekop in Leiden exstirpirte 1667
die Gallenblase von Hunden.
Ettmüller in Leipzig versuchte die chemische Auflösung
der Concremente und überzeugte sich von der Wirkungslosigkeit
der Versuche. Weitere Thierversuche machten Ende des 17. und
Anfangs des 18. Jahrhunderts Malpighi, Taubrin, Bohn,
Verheye und Seger.
Jean Louis Petit hat zuerst planmässig am Gallen-
system operirt, doch verlangte er eine vorher durch natürliche
Entzündung mit der ßauchwand verwachsene Gallenblase. Die
eine uns überlieferte Operation verlief glücklich. H erlin empfahl
1767 die Exstirpation der Gallenblase bei Cholclithiasis.
Bloch in Berlin 1774 suchte zuerst die von Petit verlangte
Verwachsung der Gallenblase künstlich herbeizuführen. Richter
suchte die Verwachsung durch Liegenlassen eines Troicars in der
Gallenblase zu bewirken. Sebastian, Carre und Faucon-
ncau-Dufresne schlugen vor, nach Graves mit zuvoriger
Einlegung von Charpie auf’s freigelegte Bauchfell, oder nach
R^camier mit Aetzmitteln, zu operiren.
Thudichum empfahl 1859 zuerst die noch heute von
Riedel vertretene z weizei tige Cholccy stotom ie mit Ein¬
nähen der uneröffneten Blase in die Bauchwunde und nachfolgender
Incision. Bobbs, 1867, führte zuerst die ei n zeitige Chole-
cystotomie aus, indem er die durch Incision entleerte Gallen¬
blase in die Bauchwunde einnähte. Die erste erfolgreiche zwei¬
zeitige Cholecystotomie mit Einnähung der Blase hat König 1882
ausgeführt. Kocher, 1 878, cröffnete die Bauchhöhle, erzielte
durch Einlegen von Listergaze Verwachsung, entleerte nach 6 Tagen
die Blase mit Ausgang in Heilung.
1882 unternahm zuerst Langenbuch in 3 Fällen, und
nach ihm Courvoisier, Riedel, Thiriar (2 Fälle), mit
günstigem Erfolg die Cholecystectomie wegen Steinkrankheit.
Im selben Jahr führte v. Winiwarter zuerst die Chole-
cy8tenterostomie in 6 Sitzungen mit günstigem Erfolg nach
der Idee Nussbaum’s aus. Winiwarter stellte die Ver¬
bindung mit dem Colon, Colzi mit dem Duodeum her, da die
Verbindung mit dem Colon zur Infection der Gallen wege führte.
K a p p e 1 e r und S o c i n führten, nach einer unglücklich verlaufenen
Operation von Monastyrski, die einzeitige Oholecysten-
leroatomie erfolgreich aus. Roth schlug bei Verschluss des D.
choledochus und cysticus die Einnähung des D. oysticas in den
Darm vor, Murphy verwandte zur Cholecystenterostomio
1894 seinen Anastomosenknopf. W ic k h o f f und Angelsberger
führten 1893 eine Cholecystogastrostomie aus.
Langenbuch schlug 1884 die Choledocholithotripsie,
die Choledochotoraie, resp. Cholcdocholitheetoraie,
die Duodenocholcdochotomie, die Cholcodoehoentero-
stomic, die Hepatostomic und die Hepatoenterostomie
vor, die bis auf die letzte öfter ausgeführt worden sind. Die
Duodenocholedoehotomie wurde von Mac Burncy, Pozzi und
Kocher, die Choledoehoduodenostomie von Riedel und Sprengel,
die Choledochotomie von Kümmell (vor 1884) und Courvoisier,
die Choledoeholithothripsie von Langen buch, Courvoisier,
Cr cd 6, Kocher und Sonnen bürg gemacht. Re her führte
in einer Sitzung eine Cholecystectomie und Choledochotomie erfolg¬
reich aus. Die Berechtigung zu Probelaparotomicon zur Diagnose
von Gallenerkrankungen legte Langenbuch 1884 zuerst dar.
Choledochostomieen führten Helfer ich und Ahlfeld, Chole-
docholitheetomieen Knowslcy Thornton, Heusner und
Courvoisier aus.
Küster 1884, nach ihm Kocher, Körte und Miku 1 iez
laparotomirten wegen uleerativer Perforation der Gallenblase. Die
erste Hepatostomic wegen eitriger Cholangitis machte Körte.
Nach Misserfolgen von Meredith und Gross gelang
Courvoisier die von Spencer Wells vorgeschlagene Chole-
eystendyse (= ideale Cholecystotomie), später operirten Küster
und Heusner erfolgreich.
Die Cholecystopexie wurde nach Parker und Carmalt
von C zerny, Langenbach, Socin und Lücke mit Erfolg geübt.
Riedel operirte 1881 Fisteln zwischen den Gallenwegen,
dem Colon und der rechten Pleurahöhle, Krön lein eine solche
zwischen Gallen- und Harnwegen. v. Bergmann entleerte
Gallensteine aus einem offen geblichenen Urachus, in den die
Gallenblase perforirt war.
Länderer 1886 führte eine Cystolithectomie durch
die Leber hindurch und Lauen stein eine Hepatolitheetomie aus.
Zielewicz unterband 1888 den Cysticus und cröffnete die
Gallenblase. Höchen egg exstirpirte 1890 zuerst eine Gallen¬
blase wegen malignen Tumors, Terrier machte zur selben Zeit
die schon von Langen buch vorgeselilagene und ausgeführte
partielle Reseetion der Gallenblase.
Courvoisier, R o b s o n , L a u e n s t e i n und 8 c n d 1 e r
wandten die Netzplastik zur Isolirung eröffnetcr Gallenwegc von
der Bauchhöhle an. Riedel und Lauen stein fanden als
Ursache von Gallenbeschwerdcn Peritonealadhäsionen und beseitigten
sic mit Erfolg, ähnlich Löbker, A. Frankel, Len n an der.
Körte operirte oft wegen G alle ns t ei nileus.
Kocher führte l v '89 eine direete Hepaticotomie aus.
Die erste Cysticotomie mit Cholecystotomie machte
Küster, Lind n er exstirpirte zugleich die Gallenblase, Kehr
machte die Cysticolitbectomie mit gleichzeitiger Anlegung einer
äusseren Gallenblasenfistel. Ohne Verletzung der Gallenblase
operirte Greiffen (tagen.
L. empfiehlt schliesslich zur Nachprüfung die von ihm zum
Zweck einer localen Blutleere erdachte temi>orärc Ligatur der
Leberarterie, Pfortader, Ductus choledochus en bloe einerseits und
der A. mesaraiea sup. andererseits, letzteres um die Blutüber¬
füllung des Darms nach Compression der Pfortader zu vermeiden.
Herr Angerer - München: Die Endresultate von
Thiersch’s Neurexairesen.
Angerer hat die Nervcnextraetion nach Thier sch in
einer grossen Anzahl von Fällen gemacht und im Ganzen sehr
zufriedenstellende Resultate erhalten. Von 16 Kranken, bei
denen die Operation vor mehr als 4 Jahren ausgeführt worden
ist, sind 7 ganz rccidivfrei geblieben ; 3 haben Recidivc, 3 mussten
nochmals operirt werden. Bezüglich der Technik ist es wichtig,
die Extraction der Nerven recht langsam vorxunchmen; es
gelingt dann 30 cm lange Stücke der Nerven hcrauszureissen.
Da sich die Trigeminusneuralgie selten nur auf einen Ast
der Nerven beschränkt — unter 25 Fällen Angerer's war dies
nur 4mal der Fall, so empfiehlt Angerer unter Umständen
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No. 23.
München^
prophylaktisch gleich auchjoch ttr
nicht betroffenen este Schmerzen ein, so empfiehlt
uud treten d “ n ” ersehe Tntracranielle Operation.
Angerer die elferich -Greifswald bestätigt die guten
Dißcussion. Helieric Fr BUC ht den Nerven nicht an
Resultate der Nervenextraction. «ärts von derselben auf
seiner Austrittsstelle, sondern cent eines ganzen Tn-
Karewski-Berlin gewonnen hat
geminus, das er durch E Nervenextraction sehr häuft-
Krause-Altona ha ‘ n * c f tl . lie Exstirpation des Ganglion
Kecidive gesehen. Dann bleib , Nerven scheint ebenso
K efe «“*»-**g*^ Nach die.™
eÄn Re S l ’= SST ££»& ■ «* “'° 8 " Ch,t
wenig ausgeführt werden sollte.
Herr C r e d d ■ Drcaden ,
chirurgischer und bactenologi st . Uct , cn e Monographie
bezüglich dieses Vortrag» auf »"■>
saures Silbe, ein ärgere,ehuetes Auhsu,» ^ ^ ^
püehlt dasselbe als F“''Vor”«» kleineren Wunden der tilgliehen
dem Pulver luipragmrt. 1 ... , nbcr Auch das Naht-
material * mid^die Drainröhre,blassen sich durch Silber antiseptisch
^Weiterhin bat Credo das Silber subeu.au injicirt bei Brr
*-• , d
KJ^r.^
form das Jodoformm, das den \ or/.u n au
des weniger intensiven Geruches besitzt.
Herr Petenten • Heidelberg: ^Untoche Benta*»««*“
bei der Bacteriotheraple WMr^r Geschwi
multipem Rundzellensarkom durch das fcmniericn
Heilserum guten Erfolg gesehen aufmerksam, dass die durch
das Serum SohWu bednflSsfnden Sarkome möglicherweise P s e u d o -
leukämischer Natur sind.
_ , • -t qtrentococccn führt nur dann
4 . Die Blutinfcction m,t P wenn ma n es mit
zu spontanen Kitemugen an f ^„/ oM Cultur so tri», dass
der Virulenz und Menge de k Eg können ^ n .
die Thiere noch V' d „ ch den Staph. aur. entstehen,
liehe ostoomyelittschc llcrde» ^ clironisc hc Veränderungen,
bei länger lebenden r| nux Jcr Uortica i is , Sequestrationen
Knochcnabsccssc nut \e,die » 4 Knochen. Als es nach
hervo,-rufen, hm lhlCt fand sich neben der Schaftnekrosc
10 Wochen getödtet " ul ‘ lc ’ ‘ , ? Woche der Erkrankung
eines Femur mit Spontantrai J ^ eincr Markcitcrung
:;Ä^Äm.ali»iapb y se„se,uu 8 Urdar
linken Tibia. .„versuche scheiterten an der grossen
K^rr^^in hurzor Zeit der *>*—
I- ™ 2 ri ’ ,C l“ 8 durl Slrap^e»
mann ' »oben Klinik
verursachten ^ ^ an einer
von einem 8 wöchentlichen K d verstorbenen
Pneumococceninfection m . Herde an einem Femur
» r-^^'^bftr'wderirKitoruugeu der benachbarten
Cietenke C (K»ie und Kussgelonk) gcscblo* Urten.
am ibvhd* -
Herr Lexer- Berlin: Experimente über Osteomyelitis.
I beichtet unter Demonstration von K„oehen,.™para,
über eine Anzahl von Versuchen au jungen Kan,.Kien,
verschiedenen pyogenen Mtorgnmsn.ennrte» durch rntratcnO
Mengen abgeseh.vachter Culturcn wurde die sonst .eliwe
und tödtlichc Erkrankung vermieden; unter “'^vf^^am l.ebei.
von diesen, welche alle nach dieser schwachen
blieben, «krankten einige in den ersten Woche,. an Sehwdlun
einzelner Katr.mitä.en, an denen sieh nael. ZurOctgsd.en dor^
Schwellungen Knochenverdickungcn entwickelten In 2 l alkn Pc
schränkte sich bei anscheinend gesunden Thicren dcr ' , " tcul " >c ^ J,
Proecss auf einen einzigen Knochen (T.bia temur> D e i n
narate von den erst nach 40 Tagen resp. 3 Monaten getoltetu.
Thiercn zeigen durch Auftreibung des Knochens, ausgedehnte
Markeiterung, Bildung von Sequester und Sequesterlade grosse
Aehnliehkeit mit der Erkrankung des Menschen.
o. Ein schweres allgemeines Krankhcitsbild mit schmllci
Ausdehnung der Eiterung im befallenen Knochen mit Epiphysen¬
lösung etc. wurde erzielt durch Mi sch i n f ec tio ncn, bei welchmi
dor intravenösen Injection eines spontan beim Kaninchen
kommenden Eitererregers (Schimmelbusch) am 2 - " (ler ^
als secundäre Infection die einer Staphylococcencultur folgte^
3 Versuche mit dem Staph. albus ergaben bei genügender
Virulenz desselben die nämlichen Resultate wie mit dem Aureus,
wie verschiedene Präparate beweisen.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbencht.)
mt7iimr vom 3- Juni 1896-
Herr Schäffer demonstrir^Apparat^^^ 011 ^«« von
Sterilisation des Catgut, we darstellt. Die Sterilisation
Saul vor einigen Monaten angeg ^ W as ihn zur Aen-
„ach Saul hält Vortr. nicht für "catgut wird in der Des-
derung de» Verfahren» U Froc. Aq. de»,.,
infectionsflüssigkeit (85 ■ gekocht.
0 Proc. Sublimat) 15 Minuten lang gekoc SaurBche Ver-
Discussion: Herr v. B ®^suSe "nachprüfen lassen und voU
fahren und die Saul sehen Versuche ^ der Verwe nd,mg des
zu sehen bekommen. VoIIm von Lepra.
Herr Joseph: Ein 41 jähriger
Vortr. demonstrirt einen Fall vo M P teyide0 aU8 gewandert und
Deutscher war vor 18 Jahren na nutef Krankheit Zuerst
erkrankte vor 5 Jahren dor ^?® lb . k |j au f der jetzt noch sichtbar
trat ein Fleck am rechten Oberscnenk« - d eine erfolglose
£ dte Diagnose wurde auf ^ ‘ ien und Queck-
Arsencur eingeleitet; später wurde Lu ^ g dag ^ankheite-
silber angewendet; ebenfalls olme zweife ihaft. Im G^ht
bild voll ausgebildet und die Diag Verdickung des Augen-
finden sieb zahlreiche erbsengrosse Knötcne ge Verdicku ng
brauenbogens und Ausfallen der Augenb en g yerdickung am
Se? Epiglottis, Auftreibungen des‘ »“SSSXanthem sichtbar und
hLten Gaumen Am /SSS, eine schr eie
im Rectum, 3-4 cm oberhalb aer Lepra verursacht, ißt
K££ »icher 1 , doch tfS. » Lue» und Gonorrhoe nie »
ha ° d “*rH^;" «eher MagoetopeyaUon. »
Krankenvorstellung. Eloensplittcrn aus dem
Seitdem Vortr. die Extraction J 180 Fällen
Auge mittelst des Magneten angegeben, hat «r Zeit
dieses Verfahren angewendet und ( wenn man 80
in der genannten Weise behandelten A g die8 e segens¬
ist wohl zu sagen, dass einige tausend Augen au
reiche Operation gerettet worden sind. andercr Seite Ricsen-
In den letzten Jahren wurden nun v Magneten
magneten angegeben und die V°rt ei e e8e ^ In den aUer-
vor den kleinen, bisher üblichen, recht^^ertneb t
meisten Fällen wird man mit dem kleinen M P vor einem
ja in vielen Fällen ist dem UM*** sogar d ^J°^eten eine
grösseren Apparat zu geben, da mit Auges verursacht
zu grosse Gewalt ausgeübt und Verletzung deajtog*^ Ver .
werden kann. Eine »ehr LTa-*'
fahrens mit dem kleineren Magneten h Ut er Patienten.
| angegebene Sideroskop. Demonstration mehrerer, gebeü
9. Juni 1896-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Herr L. Landau: Zur Behandlung klimakterischer
Beschwerden.
Die vielfachen, in ihrer Bedeutung so verschiedenen Be¬
schwerden der Wechseljahre wurden bisher von den Acrzten recht
vernachlässigt; und man war ja auch gegen diese Leiden ziemlich
machtlos. Dass diese Beschwerden verursacht seien durch die
Atrophie der Ovarien, ist sehr wahrscheinlich und diese Annahme
findet eine Stütze in der Erfahrung, dass jüngere Individuen,
welchen man aus irgend welchen Ursachen die Ovarien entfernt,
ganz ähnliche Beschwerden bekommen, wie sie im Klimakterium
auf treten.
Die Prüfung eines neuen Mittels nun musste an solchen
Fällen vorgenommen werden, welche durch ein objectiv wahrnehm¬
bares Symptom ausgezeichnet waren; ein solches ist die <aufsteigende
Hitze», «die heissen Uebergiessungen» und wie sich sonst die
Patientinnen auszudrücken pflegen, daneben Schweissausbruch,
Schwindelgefühl, Congestionen nach dem Kopfe etc. etc.
Es lag nahe, Ovarienextract zu geben. liainmond hatte
dies schon versucht und auch von anderer Seite') liegt schon eine
Mittheilung vor. L. hatte diese Versuche auf Anregung seines
Bruders schon vor längerer Zeit aufgenommen und verfügt nun
über eine grössere Zahl von Patientinnen, denen durch genanntes
Verfahren geholfen wurde (Demonstration im Nebenraum).
Anfangs gab Vortragender die Ovarien von Kühen frisch
verarbeitet; wegen des widerlichen Geschmackes ging er jedoch
dazu über, dieselben von einem Apotheker zu Pastillen verarbeiten
zu lassen. Es werden bis gegen 100 Tabletten verabfolgt, dann
die Cur unterbrochen und dieselbe, wie sich bereits als nöthig
herausgestcllt hat, nach einigen Wochen wieder aufgenommen.
H. Kohn.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 1. Juni 1896.
Herr Heubner: Zur Aetiologie und Diagnose der
epidemischen Cerebrospinalmeningitis.
Bei den «gehäuften» Fällen von Oerebrospinalmeningitis,
welche bacteriologisch untersucht worden sind, hat man fast immer
den Fraen ke Ischen Pncumococcus gefunden, so dass einzelne
(Netter, E. Fraenkel) geneigt sind, dieses Bacterium als den
Erreger der epidemischen Oerebrospinalmeningitis zu betrachten.
Man muss aber sagen, dass das Oausalitätsbedürfniss dadurch nicht
recht befriedigt wird; es ist nicht recht verständlich, wie eine so
aparte, in bestimmten Zeiträumen auftretende Krankheit durch
einen so gewöhnlichen, bei jedem Menschen vorkommenden Parasiten
bewirkt werden soll, wie es der Pncumococcus von A. Fraenkel
ist. Man suchte daher nach anderen Erregern dieser Krankheit.
Der im Jahre 1887 von Weichselbaum gefundene Coccus
wurde nicht genügend beachtet. Im vorigen Jahre hatte Jäger
Gelegenheit, eine Epidemie von Cerebrospinalmeniugitis zu beobachten
und diese als ächte epidemische Nackenstarre charakterisirte Krankheit
auch bacteriologisch zu erforschen.
Diese Arbeit J.’s war Vortragendem noch nicht bekannt,
als er den unten folgenden Befund machte.
Weichselbaum und Jäger hatten ihre bacteriologischen
Befunde an Leichen erhoben. Heubner war also wohl der erste,
der dieselben am Lebenden wahrnahm. Im Jahre 1895 fand er
bei einem 1 ’/* Jahre alten Kinde, bei welchem schon auf die
klinischen Erscheinungen hin die Diagnose epidemische Cere¬
brospinalmeningitis gestellt worden war, durch Lumbalpunction
ein charakteristisches Bacterium. Die klinische Diagnose wurde
dann auch durch die Section bestätigt.
Damals war es Vortragendem noch nicht gelungen, eine
Züchtung zu Wege zu bringen, doch bestätigte damals schon
Jäger, dem er seine Präparate einschickte, die Identität
mit dem von ihm gefundenen Diplococcus der epi¬
demischen Meningitis. Erst im 3. Falle gelang H. die Cultur.
Vortragender bekam in der nächsten Zeit im Ganzen 7 Fälle
von epidemischer Cerebrospinalmeningitis zur Behandlung; diese
*) Mond, Münch, med. Wochenachr. 1896, No. 14.
grosse Zahl darf nicht Wunder nehmen, da ja bei den in der
Civilbevölkerung verlaufenden Epidemien dieser Krankheit das
Kindesalter mit Vorliebe befallen wird. Da ferner des Vor¬
tragenden Assistent, Herr Dr. Finkei stein, noch 2 weitere
Fälle zu untersuchen Gelegenheit hatte, so verfügt er im Ganzen
über 9 Beobachtungen.
Das Bacterium bildet Doppclformen, zuweilen Tetraden.
Die Doppclcocccn liegen mit ihrem längeren Durchmesser an¬
einander und zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit Vorliebe in
Zellen liegen, zwei Eigenschaften, welche sie sehr ähnlich den
Gonococeen machen. Doch unterscheiden sie sieh davon durch
das Wachsthum, welches sich auf allen Nährböden in vollen,
saftigen, grauweissen (staphyoloeoccenähnlicheu) Colonien vollzieht,
am besten dann, wenn man, wie Finkelstcin fand, erst das
Condenswasser beschickt und nach einem halben Tage aus diesem
ausstreicht. Auch eine Kapsel ist zuweilen zu sehen, wie beim
Pncumococcus, von dem er sich durch die Form, die Cultur und
dadurch unterscheidet, dass das Wachsthum von Generation zu
Generation immer üppiger wird. Der experimentelle Beweis für
die ätiologische Bedeutung des gefundenen Bacteriums wurdo nur
zum Theil von W ei ch sei ha u ui und Jäger erbracht. Es
zeigte sich, dass die Wirkung des Diplococcus (I). intracellularis
nennt ihn W.) eine ziemlich geringe ist und sich nicht bei sub-
cutaner, sondern bloss bei Injection in die serösen Höhlen geltend
macht. Heubner injieirte in den Duralsack, was auch bei
ganz kleinen Thicren gut gelang; doch konnte er weder bei
Mäusen, noch den sonstigen gewöhnlichen Versuchsthieren eine
Meningitis erzeugen. Erst als er zu Thicren überging, welche
auch spontan an epidemischer Genickstarre erkranken , vermochte
er durch Injection von Uulturen sowohl, wie von dem Menschen
entnommener Cercbrospinalflüssigkcit das klinische Bild der ge¬
nannten Krankheit zu erzeugen und die klinische Diagnose auch
anatomisch sicher zu stellen. Der Sectionsbefund ergab bei diesen
Thicren theils eine eiterige, theils eine hämorrhagische Meningitis
und Myelitis. Aus dem Rückenmark der erkrankten Thiere konnte
man dann wiederum den Diplococcus züchten und so ist die Kette
der Beweisführung für die ätiologische Bedeutung des genannten
Diplococcus geschlossen.
Auch theoretische Erwägungen sprechen für seine ätiologische
Bedeutung; nämlich gerade seine geringe Virulenz zeigt eine ge¬
wisse Beziehung zu dem epidemischen Verlaufe der Cerebrospinal-
meningitis, welche im Gegensätze zu der sccundären, nicht so
foudroyant und mit vcrhältnissmässig günstigerer Prognose ver¬
läuft. Man darf nur nicht hei jeder Anhäufung von Menin¬
gitiserkrankungen von einer epidemischen Meningitis sprechen ;
jene wird vom Fraenkel'sehen Pncumococcus erzeugt und ist
aus der epidemischen Uerebrospinalmeningitis auszuscheiden.
Discussion vertagt. H. Kohn.
Verein Freiburger Aerzte.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 31- Januar 1896.
Geh.-Rath Bäumler hält einen Vortrag: Ueber die
Typhusfrequenz im klinischen Hospital und in der Stadt
Freiburg i. B. in den letzten 25 Jahren.
Der Vortragende hobt zunächst hervor, dass die Zahl der
Aufnahmen von Typhuskranken aus der Stadt in das klinische
Hospital einen ziemlich sicheren Maassstab abgebe für die
Frequenz des Typhus in der Stadt selbst, da das
klinische Hospital die einzige Anstalt sei, in welche Typhuskranke
aufgenommen werden, und da nicht bloss Dienstboten und unver-
heirathete Arbeiter, sondern überhaupt der weitaus grösste Theil
der in den ärmeren ('lassen vorkommenden Typhuskranken dem
Hospital zugewiesen würde. Ausserdem würden Studierende,
Schüler, Pcnsionszöglinge und u. A., selbst einzelne den besseren
Ständen angehörige Fälle, im Hospital verpflegt. Das Procent-
vcrhältniss der Hospitalaufnahmen an Typhus zu der Gesammt-
zahl der aus der Stadt zur bezirksamtlichen Anmeldung gekommenen
Fälle hätte in den Jahren 1883—96 zwischen 42 und 76 Proc.
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München er medicinische Wochen schrift.
No. 23.
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556 __
«rÄ-STS tSSSSE!
im Hospital mit der in der Stadt ^ *. daher durohau8 ge -
- - • - rechtfertigt, die Typhusfrequenz
des Hospitals zur Beurtheilung
der Morbiditätsverhältnisse der
ganzen Stadt hinsichtlich des
Typhus zu verwerthcn. Im Jahre
1883 habe der Vortragende in der
«Festschrift zur 56- Naturfor¬
scherversammlung» bereits eine
Uebersicht über Vorkommen und
Vertheilung des Typhus in Frei¬
burg nach den im klinischen
Hospital gemachten Aufzeich¬
nungen gegeben. Eine Fort-
• sctzung dieser Zusammenstellung
habe das nicht unerwartete, aber
~ bemetken,-the ^Äs^hm^'
V.“i.V „i«h. bedeate.dea Typhua-
- *». a„ Vieun
s=iiÄ t r ä
neue Wasserleitung, mit welchen 1873
ln r remurg nao welcher Zeit der Anschluss
SX =£ ZuÜLT^Zr vollendet wen, Ihne Winhun,
auf die Gesundlieitsverhältnisse entfalten können; und die im
jlre 1877 stückweise begonnene Sekwemmcanalisation sei dur
den Beschluss des Bürgerausschuss^ vom 19- September 1889
ihrer planmässigen Ausdehnung auf die ganze Stadt und durch
& Anlage von Kieselfe.denn ihnen Vollendung entge^ngeMhrt
worden. Während 1885 circa 250 Hauser (von 271 o) mit Wasser
Zete und 150 ohne solche angeschlossen
Zahlen im Jahre 1890 auf 820, W. 457 (bei 3227 Häusern)
und 1895 auf 2327, bezw. 643 (bei 3569 Hausern).
««n InBetnaeht. Denn.wiebeneitnindenfnahenenUntensuohung,
so habe sich auch seither
gezeigt, dass an einzelnen W*- /gg3 4 s G 78 990 < 23 * s
Häusern der Typhus beson- tfM so i
ders fest hafte, so dass nicht
nur in einer beschränkten
Zeit von einigen Wochen oder
Monaten, sondern auch im
Laufe verschiedener Jahre ein
und dasselbe Haus oft eine
ganze Anzahl von Typhus-
kranken liefere.
Die Zahl der von Jahr
zu Jahr notirten Typhus-
häuscr, welche in der fol
genden Curve wiedergegeben
ist, zeige nun ganz besondert-
deutlich die ausser
ordentliche Abnahm.-
der Typhusfrequenz in
hiesiger Stadt.
( Aufnahmen
ans
der Stadt
M. 1 W.
Im
Hospital
entstanden
Summe
M. | W.
Von auswärts
aufgenommene
Kranke
M. | W. |Samma
|Gesammt-
Summe
der Be¬
handelten
1870
1871
1872
1873
1874
1875
1876
1877
1878
1879
1880
1881
1882
1883
1884
1885
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
Die Ausscheidung der Zahlen hinsichtlich der
Herkunft der Fälle aus den Büchern nicht so
sicher möglich, als vom Jahre 1876 an.
Summe
1876-95
30 |
13
_ I
—
43
20
4
2 1
2
28
8
12
l
—
21
27
13
—
—
40
15
7
1
2
25
19
18
—
—
37
22
23
2
6
53
22
18
—
4
44
24
29
—
3
56
16
24
4
2
46
19
6
—
—
25
28
21 1
—
1
50
29
20
1
—
50
35
15
1
1
52
21
17
2
—
40
12
0
1
1
23
12
15
1
2
30
10
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1
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22
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1 48
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18
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1
24
36
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2
5
4
4
10
7
8
10
7
5
7
8
10
9
3
12
12
7
4
2
136
49
2
5
4
5
12
9
9
15
12
13
8
12
13
10
6
13
17
8
8
4
185
75
64
67
88
49
52
45
33
25
45
37
46
62
59
68
59
33
62
63
62
46
36
47
30
56
22
1331
uie Manien öi u vi vicä* ——c- -
Mittheilungen aus Baden» entnommen.
‘1 Davon 13 Fälle der Waisenhausepidemie. .
2 ) Davon 17 Fälle zu der Hospital-Epidemie im November 91
gehörig.
iger Stadt. wo ,in m an berücksichtige,
dass ^Einwoh"“- 'und Häuserzahl in diesem Zeitraum eine
sehr bedeutende Zunahme erfahren haben. Es betrug
Jahre 1871 die Einwohnerzahl 2460 , die Häuserzahl Ug
1875 30 595 2480
1880 |6 40i 2n5
1885 «310 3227
!890 51 778 3569
Würdef die Zahlen der mit Typhus inficirt gewesenen Häuser
„ach Quinquennien zusammengestellt, so ergebe sich:
lD ^881 —8T> en waren befallen 193 Häuser
1886-90 ,» ”
1890—95 . » 1UU " , ,.
Während »ho in diesen 15 Jahren die Einwohnerzahlum
42 Proe die Hänscrzahl » fast 44 Proc. angenommen habe
geige die Zahl der mit Typhus Meinen Häuser eine Abnahme
von Ober 90 Proe.; im leisten Quinqnenmum trotzeiner H*»
Zunahme um ober 10 Proe. eine Typhnsabn.hme »m 96 Pr«.
Ueberblicke man das *-£*-£**
Äinent Äk keineswegs gleichen Schritt gehalten
22MST Bevölkerung.- und Häu^unahme.
äussere sich schon darin der Einfluss der Mitte der 70
durchgefübrten Wassereinleitung in die Häuser
aurcngciuuiw;.! _ . dafl ziem i lC h
geben alter Pumpbrunnen. Von 1880 1890
tleichmässige Verhalten der Typhusfrequenz trotz Ver
grösserung der Stadt bemerkenswerth. Die starke vorüberge en
grossemng uer o mit meteorologischen
Verminderung im Jahre 188b nange _ w ,, i nasses
Verhältnissen zusammen. Jenes Jahr sei ein a
gewesen. ^ Quinquenniiun habe alsdann der Einfluss der
mehr und mehr durchgeführten Hauscanalisation, die sich
mitgetheilten Zahlen ergebe, zur Geltung kommen können.
Der Vortragende berührt sodann die Frage, ob etwa
•beobachtete Verminderung der Typhusfrequ^
erscheinung der in vielen Gegenden Süddentschlan^ und nament
lieh auch in Baden in den letzten 15 Jahren nachweisbaren AD
nähme, besonders der Typhus-Sterblichkeit und demgemäss n ^
als Folge besonderer örtlicher und für Freiburg
Betracht kommender Verbesserungen zu betrachtten ■
Er beantwortet diese Frage dahin, dass auch bei dieser gern
Abnahme vor Allem örtliche sanitäre Verbesserungen,
verminderten Sterblichkeit wohl auch Aenderung der
bebandlung im Vergleich zu früher von grossem Bwfo*
dass aber, wo die Gelegenheit mm Auftreten des Typ
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9. Juni 1896.
gegeben sei, wo der Typhusbaeillus hingelan** n A
er von früher her sich noch vorfinde di? £ ri W °
mit derselben Heftigkeit nnrf in „ < , ’ le Krankheit
mit derselben Gefahr der Weiterverbreit erbältnissen
wie vor Jahren. Dies hab" sich hei A -***> auftrete .
,ehnt an verschiedenen Orten des Landes (Tritrg,’Mü
vorgekommenen Epidemien gezci P t lu ,. ! m u - A.)
»11«. wo inmitJIT”
Typhws M**. ffluscr doch ere.Tjfh“ mfZ 2 L "7
m:* — » s äl:
Typhusfälle vorgekommen, im Februar 1894 trat die '
einer sehr rasch sich ausbreitenden Epidemie „nt Krankheit in
fpWmte Ä d“' SK Hoä™t.” Z ,dSruöf b t e8 1 M ° k “ ,ie
rÄ£ rr Ä?ÄfÄ im »-
Ä- D,öX b Ä d H«r°^ Ä -
S e Co“bÄ“ iS 18F “ leo “P 181 “ eiel.«S'h“ ZÄ
sei habe^ier inF^h 0 * 11 »? ^ d ° nen Typhus entstanden
örtlieh ^er in Freiburg abgenommen, und dies könne nur rein
san Urcn Ve he niSSeD dieSen in erster Linie d *n
sanitären Verbesserungen zugeschrieben werden
. v“ Schlusse berübrte Redner auch noch die Frage nach
Id den °Jahren Mt* J yphus,nfectionen auf ^n Rieselfeldern,
in den Jahren 1891 bis 1893 seien im Ganzen 15 Personen
Von diesen“p R ' eSelfeld b f chäftigt waren - an Typhus erkrankt!
welchen Personen wohnten jedoch 10 in Ortschaften, aus
T, "«1°* V ° r An ,e £ un g des Rieselgutes im
waren' 2 ^ H ° Spital aufgen ™ e " worden
in bis' dJnf r dCn Ü T b T 1Sen 5 Pcrsonen wohnten in Freiburg
m bis dahm typhusfreien Häusern. Von den Insassen der
iT Betrieb S UdC deS RieseIgute *> welches 1892
”-»?r ( r„r rf .r e ' sci Ni — d «>»*■■"
poiv^TT* ? r ' BuIius: Demonstration einer Decidua
POlyposa. (Erscheint an anderer Stelle dieser Nummer.)
Sitzung vom 28. Februar 1896.
in No Pr °/ä ? aUm w n L n: Ueber Th y»-ojodin. (Der Vortrag ist
iN °' 14 d,eser Wochenschrift abgedruckt.)
Sitzung vom 6. März 1896-
M^ggMLg MQPiiscm: wocHm ^,™^
557
Kehlkn ,!**U spricht über die Untersuchung des
und W dem 0 nstrirt d C (Kirstein's Autoskopie)
derselbe I n ff Unte ™c b ™gsmethode. Ferner demonstrirt
™*ti™hCe r „ Ch,eUChtUng d6S Kehlk °‘ >fS ’ - K**-
BpO
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 2. Juni 1896.
Vorsitzender: Herr Rumpf.
I- Demonstrationen.
itan^Ke^d^n H ne " ^* ifthr5gen Knabe " niultiplem
nen Kelo.d an den Fingern. Ist das spontane Keloid
nur^^majb'beo^ach'te^und vS® vJfkmJn“ bisher
ÄVÄ
Geburt bemerkte die Mutter des Kindes erst ? n Ta S e nac h der
am Endglied des 3 Fingern 10 MnnS? „f“ erbsen gro S8 en Tumor
sssfe Äfirsar ä r
beide Finger sind diffus verdickt rT- S8 j’ erbabene Geschwulst;
SSt" be, “ ht d,e - Süxi's«
grösseren Abaceal!?" ^rc^Se^Nifrl multipI ®P feineren und
«Surgical Kidnev» Cef Tsm-i r» * er . e vor ’ die er einer an
No. 22, Fall 10) leidenden 1 Fra?. 1 T d - Woche nschr. 1896
Forceps; ausgedehnte Blasenverletzung dfe nichf' V ° r - 11 Wochen
sI'-SSäS
y]nua In Hamburg und im Hamburger Gehiet ß 0 m,„itk.
2h R J jeut" aT gl t5 Cr Ste “ e geäU9Serten Ueberzeugung'erklärt
Wastr n der'vfb^ der L das
rolle snielc 7 . ? tUng deS Typhus dieHaupt-
°! . SPIC ' C - , Zu dieser Ansicht bestimmen ihn folgende That-
Stör D 1 Explosionsartiges Auftreten von Typhus in Altona bei
ungen im (Blankencser) Wasserbetriebe. 2. Nachweis von
Tjphusbacillen im Hamburger Hafen wasser. 3. Der 10 Theil
a'ler Typhuskranken rekrutirt sich aus Schiffern und Hafenarbeitern
4. Beobachtung einer Epidemie unter den Arbeitern einer wSt'
Che aus der Elbe stammendes, nach Bischoff’s Patent
der die® w aS s S e er gCt /“" ken hatten > b «i völligem Verschontbleiben
Werft A n,< ? bc ff Zenden Arb eiterschaft auf der gleichen
fIac’ benachbartcn Betrieben. 5. Beobachtung einer
Epidemie im Verlaufe des Flüsschens Ilmenau.
begriffen^ 1 p? l ? T d f r Ty P hu9 in Hamburg in stetem Abnehmen
griffen. Einzelne Epidemiejahre decken sich mit tiefen Grund
wasserstanden. Eine ganz erhebliche Abnahme der Morbiditäts
wie MortaJuätsziffer zeigen die letzten 3 Jahre nach der 1892er
Choleraepidemie mit der Fertigstellung der neuen Wasserleitung
Von anderen epidemiologischen Momenten erwähnt R die
Verbreitung durch Milch. Durch Erkrankungen in den
Taimlien und m der Kundschaft zweier Milchhändler aufmerksam
g macht, gelang ihm der Nachweis, dass zweifellos die Milch den
Infectionsträger abgab, und es stellte sich heraus, dass an dem
Platze von wo beide Händler ihre Milch bezogen hatten, Typhus
von fremden Arbeitern eingeschleppt war. Auch durch andere
Genussmittel, die vom Lande eingeführt werden, ist Uebertragung
möglich, so werden z. B. Gemüse, Salat u. s. w„ um sie fSch
zu erhalten, während des Transportes mit Elbwasser übergossen,
une weitere directe und mdirecte Infectionsquelle entsteht ans
den in die Stadt auf dem Seewege eingeschleppten, sowie aus den
am Orte selbst domicihrenden Kranken. Ausserdem spielt die
individuelle, örtliche und zeitliche Disposition die von Petten-
kofer betonte Rolle.
Mit der Abnahme der Typhusfrequenz ist seit der Einführung
guten Trinkwassers eine bemerkenswerthe Abnahme der Sterblichkeit
der Säuglinge an Brechdurchfall isochron. An der Hand
einer Tabelle der wöchentlichen Erkrankungen an Typhus, Cholera
und Brechdurchfall führt R. den Nachweis, dass das zeitliche
Auftreten dieser Krankheiten bei gleichzeitigem Vorkommen ihrer
Erreger im Elbwasser nur durch die Differenz der ver¬
schieden langen In cu ba tion sdauer relativ verschieden
sei. Zuerst kommen Brechdurchfälle zur Beachtung, einige Tage
später Cholera, 3—4 Wochen darauf Typhuserkrankungen.
Hauptaufgabe des praktischen Arztes ist es, zu verhindern,
dass von dem einzelnen Falle Weiterübertragung stattfindet und
sccundäre Herde ausgehen: eine weit schwerere Aufgabe als bei
anderen Infectionskrankheiten, sowohl wegen der langen Incubations-
und Krankheitsdauer, wie wegen der Schwierigkeit der Diagnose.
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558
MÜNCHENER medicimsche WOOHENgcmg^
No. 23.
Sä
der Fäcalien. WallichB bestätigt das seltene Vor-
Discussion: Herr w anie“ Jahren. Auch er glaubt
kommen von T in Akon Nahrungsmittel, speciell durch die Milch,
an die Verbreitung durch Nahrrngsm» * früheren Jahren erklärt
Das Auftreten schwerer Wmterepidemie Filterwerken
er mit durch den Froet vernichte SWrun^ mtar und
Tägbcbe genaue b a f t . e " 0 ' 0 t f“ h b e i hohem Keimgehalt des denselben
•>” “»"* t '' lcblige hy%
vorgelegt, ob ^e pr^omalen D.anh^en^ dahin> da8 a diese
wodurch sie bedingt • cbolerafftlle au fzufassen sind, weil
Darmaffectionen als leie , lir Weiterverbreitung der Cholera
einerseits dieselben Veranlassung Epi demie sehr wenig
gaben, andererseits vor Ausbnich der r ferner.
Brechdurchfälle beobachtet sind.
Wiener Briefe.
(Ori^b^ieo, 0. Jub! 1896.
7ur Reform des Krankenversicherungs-Gesetzes.
f "FS“ 0 ™/"“
L^Xgehc"udÄ
rathung zugehen^wrd, Aerzte geschaffenen
dürfte wird vielfache Einschrtlnkungen erfahren müssen, nicht
Ära« »erden sich damit einverstanden «kUren m manchen
“ müsste leidem
Krankenkasse einen meilenweit entfernten Arzt für ihn beza ,
und schliesslich wird es wieder dahin kommen, dass von den frei¬
willig verfügbaren Cassenärzten nur einzelne wenige mehr dem
ÄJIXrechen, dass diese bis zur Uomöglichkett überlaste
»erden, »uhrend andere in Misscredit. gelangen, ^enn <he ga
Summe der Einkünfte der Krankencassen sich auf alle oder
wenigstens die meisten Aerzte vertheilt, so werden die materiellen
Interessen des Einzelnen nicht sehr gefördert. Die Kranken in
Spitälern, beim Militär, in Anstalten etc. haben auch keme f ™e
Aerztewahl es liegt also nicht viel Inhumanität dann, zumal der
kranke Arbeiter sich noch immer einen zweiten Arzt als Gonsilianus
rU ^ eD Die"freie Aerztewahl ist demnach blos für einzelne Bezirke,
wie: grössere Städte nach Feststellung der Standesordnung und
des Honorartarifs.empfehlenswert; un Falle ihrer Un¬
durchführbarkeit müssten jedoch bei der künftigen Reform einige
Grundsätze zur Geltung kommen. So möge die Kammer bei Vcr-
gebung neuer Krankencassen-Stellen, nach öffentlicher Ausschrei-
bung derselben, um ihr Votum gefragt werden und sei der Caasen-
verstand an den Ternavorschlag der Kammer gebunden. Urnern
Cassenarzte seien .in einer oder in mehreren Caasen nich mehr
als 700—1000 Mitglieder zuzutheilcn. Verträge, Rechte und
„ , Disrinlinarwege, Honorarfordorungen etc.
Pflichten, Entlassung J> Einvernehmen mit den Cassen-
werden von derKam ^ Kammer festgesetzte Tarif unter-
vorständen geregelt, liti h n Landesstelle und sind Caasen-
lie n de S aff- Ä- Verl« ein
Vorstand und Aerzte beeibt sich in einen anderen,
Cassenmitglied seinen Spreng 3 T die Anzeige an
so muss der hier berufene ^/““" Nicht.audigeOa.».-
die betreffende Casee des K-ra» boaUen . In Streitfällen ist
»te sind direct durch ^ “»r«inzuholen und hat dieses
Cdt»eite«: Verhandlung al^rundUge - *-■ ^
die iÄtÄ ~ b s ft i“,rre
sollen diese Bestim “ U "f" Per80ne n, deren jährliches Einkommen
sonst versicherungspflichtigen Hinweis auf Fabriksdirectoren,
den B e t r a g von 800 t. überntetfa Hmwn» aut ^
ÄÄ den .ersten
wie grossen Städten, und dort, wo geschehen. Dem
ist, im Einverständnisse mit den Ae* J! ^ ^ ^
jeweiligen Cassenarzte Q j XJeberwachungs-
so dürfte wohl auch genügen, , ,. Mittel zu einer
fond auf 040 herabzusetzen, um J““ ^ Nadl .
besseren und würdigeren Hononrung der Aerzte, wcic
druck angestrebt werden muss, ^ «ewmn®«. ^ ^ der
Die Pauschaliruug der Cassenärzte s g der
jährlichen Anzahl der Mitglieder berechnet ^
Mitglieder bei einer jeden Kränkends t ^ Jahresdurchschnitte
Behörde I. Instanz der Aerztekammer jalirl
auszuweisen. . .,. p araK raph neu eingesetzt
Endlich soll noch ein wichtige Earagrap dem
werden. «Auch die in gerne,nschaf hc ^“ ^rauen und
versicherungspflichtigen Cassenmi g le e Kranken-
Kinder, sofern diese Personen nicht crhalten
kasse angehören, unterliegen der Vers.chcrungspflmht^ d
für einen geringen - den Zweck erreichlmen -J^nte etc.
ebenfalls die freie ärztliche Behandlung u gfleder
Derselbe ist percentuarisch nach Anzahl der Famil«, ^
(Frau und Kinder) des Versicherungspflichtigen z b
aber den Beitrag des Vers.cherungspflicht.gen n h
In die Pauschalbeträge der Aer:-.te sind au . ch “ Familie n-
glieder einzubeziehen und zwar so, ass 3 , » rzte za getheilten
mitgliedcr als Einheit bei der Berechnung e ^ gind auc h über
Mitgliederzahl anzusetzen ist. Aus ie d soWO hl
diese Familienglicder Summurverzetchnmne “„„ leg eu..
der politischen Behärdo I. lostauz »ls der Amtetom tu|]g8 .
Bisher wurden diese Faunhengheder des Arbeiters cr
falle einfach der Behandlung des Kassenarztes i a g muss
musste sie umsonst besorgen Das ist 8e i„, die
auch der öffentlichen Gesundheitspflege cbxian 8P ^ re gelmä8sig
Gesundheitsverhältnisse dieser breiteren die g0
und erfolgreich überwacht zu‘ ™ sen um von J** 3 *
häufig drohenden Gefahren für die Gesellschaft abzuna
einzudämmen. , . , . , _ ftr u, n fi e auf dieses
Raummangels halber beschränke ich mich vor äu g ^ ^
kurze Referat des Elaborates und behalte mir auc > scho „
zeit kritisch zu besprechen. Der geneigte «J® Aerztewahl» vor ‘
selbst erkannt haben, dass die gegen die «freie A
ffbochteD .
TSSS DU ^
cflsn der®
ns man aa
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9. Juni 1896.
gebrachten Motive auf recht schwachen k u
freie Aep.tewL in den V™lt„«
kreisen derzeit noch nicht genehm ist n „d P ? , erwaltungs-
Grdntag
K “ ms ta «™-u- Ä
ttz SJSZSL S ü‘*rV f »£
Maassgabe der vorhandenen Mittel — Anspruch'^ wetT^
mindestens 10 Jahre ununterbrochen wlen’ a7s nrakttf
Aerzte etabhrt waren. Der Unterstützungsfond besteht- a) aus
dem Gründungsfond (Geschenke, Sammlungen, Legate etc)' welcher
unantastbar ist, und b) aus dem disponiblen Fond (Zinsenertrügniss
nähmen? 8 V h ? er ^ A ^tekammer aus ihrelE
nahmen). Von diesem disponiblen Fond dienen 75 Proc zur
Auszahlung der Unterstützungsbeitrüge, 25 Proc. uÜd dl etwa
det Älunlfo d hU8 l e , WCrdCD nach Eectn ^gsabschlus‘s
seTeW w ! ugeschlagen - Der Kammervorstand ent¬
scheidet über die Würdigkeit des Gesuchstellers, er erstattet der
Kammer halbjährlich Bericht über den Stand und die Gebahrung
sofort nach B ie Err * ch tung des Unterstützungsfonds erfolgt
sofort nach Beschluss der Kammer, die Activirung, i e die
Auszahiung der ersten Unterstützung findet am 2. December 1898
hir diä b W UmS g a e UnS ,° reS KaiSCrS ’ 8tatt ' A,s Oründungsfond
hat die Wiener Aerztekammer sofort einen Betrag von 5000 fl
däl Ur r stm rmÖgen - eWidmet Und es istA ^icht vorhanden,'
dem Unterstützungsinstitute weitere 2000 fl. zuzuführen, welche
iwen u :r vrr der Besitzer
fe.peadeVhaT Bezirksvereitle zu gleiehem Zwecke
Hgggggg« MED1CINISCHE WOCHKNsnrrprp..,.
__ 559
sass; sJ:^:r e T iu , d “ Ni »».
aber intact Hessen «‘ndensubstanz beschränkten, die Gefässe
St.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Societe Medicale des Höpitanx.
Sitzung vom 22. Mai 1890.
Darmsteine und Enteritis membranacea.
pir , ao 3 ä '? r ® nd , d .' e Pathogenese der Steinbildung im Allgemeinen
e nm 0 ad i )e8ChnebeU 1St ’ findet 8ich daa Capitel «Darmsteine™nicht
H *“ d ® n neuesten Lehrbüchern der Pathologie. Seit der ersten
Da^Sl ChU - ng T V ? n Labvulbbne Über 6 Beobachtungen von
8te u neD ^ abre 1S73 wurde nur wenig über dieses Thema
fnä2r ebCD ’ me ‘ 8t aber 8 le 'chzeitig das Vorhandensein einer Enteritis
FäUen^^p^ph 0011 ^^ if 4 ' * EbenB ° verb ' e * t es sich in den beiden
weiteren W p Che n A ' Ma ^ hl . eu beobachtete und derselbe will es
wie^ 7 ,Ä ChUDg / n T überl f 8eD - ob die 8er Zusammenhang mehr
Die chem?S ger -/° der Ur8ache und Wirkung darin zu suchen seien
schieden^ FäHe? U e 8 ineT n8et u Ung Darmsteine bietet in ver-'
Kalk W J eine bemerkenswerthe Analogie: phosphorsaurer
Ka k verschied^« M^ d ’ E“ B ^ d DOCh enthalte “ kohlensaurer
Massen * Mineralien und zu etwa 33 Proc. organische
Steinen' ist S nofhw^d^T" V01 ? Concrementen oder wirklichen
Kalksalzen Jh i,? 0 » tb j n t‘ g ’i da8s eme abnorm grosse Menge von
nnd die däifpb "“d ab K e,a gert wird, was durch die Desquamation
sonde7unv 7 n h «rtm Ent . zdndu "K , der Darmschleimhaut erhöhte Ab-
fernun? nwl e p Iä ^ en lst . ,md eme wirkliche Stauung in der Ent-
üm«t#!,i d e8er Producte eintritt, welche sich in der unter diesen
für dS Vorhand hD *- h V ° rha “ denen Obstipation zeigt. Ein Beweis
gib“ ist i?! T 1 V ,ner Diathe8e . wie sie oft bei Harnsteinen
«ich bei diesen vorzüglich aus Kalksalzen, um welche
nicht erKtT“^® fassen inkrustiren, gebildeten Darmsteinen
ist, dass dfe /' dlff erentialdiagnostischer Bedeutung
Schm 8 „° ie Enteritis (colitis) membranacea manchmal anfallsweise
znwefien Lphp UrSaCb « U " d Leberkolik Vortäuschen kann, zumal auch
doch es bffitht Ä rUng mit diesem Darmleiden verbunden ist;
entleerten^ ( i® Pn L terU l Un ) d die Ana, y ße der du «h den Darm
kein oSSSÜto'LSfea “ e ke “" G *““»“‘»dth.ile
Vergiftung mit Pyrogallussäure.
Absicht m irgTu,S r tp 0n p 23 Ja u Ten nahm in selbstmörderischer
K® stellte sfch^wT Ure ln einem Glas Wasser,
«nbaltendea FrhÄ heftlges Brennen im Schlund, Uebelkeit und
mit ShwSs Ä» V ° n .®ehWarzen Massen ein, Urin schwarz
nach 3 TW f Und O^bämoglobin enthaltend;
Di« Autopsie JJSfDalTh? 8WU88Eo8, ' gke5t *»1 der Tod ein.
l e, welche DnlchcS vornahm, ergab ausser Milzver-
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
British Gynaecological Society.
Sitzung vom 12. März und 9. April 1896.
Mav7ßT nai0n Ventrifi * a tion des Uterus.
erfolgteri t^NVo '^’l^rft^f t b^?eitet
Gunsten der VentrifiLa^on ‘l? * Bprec . hea iu gieicher Weise zu
erleichtert Mitteilung einer Anzah? S
sei wi.K a "l a K r i. ( t n 7 po 2P - immt 8eine Me tbode in Schutz sie
werde Un£?fi h ti' C wo H 5? Eeritonealh öhle dabei nicht eröffnet
Hodge'ß p1SS ?J ütÄ em '°° d " Ch d‘ e -Anwendung von
und ElXr !ÄhWV“ uncomplicirten Fällen sind Bantock
una Eider (Nottingham), Pessarbehandlung oder Curettement und
die plastischen Operationen führen ebenso Sicher zum Ziel
F. L.
V erschiedenes.
Therapeutische Notizen.
a Ueher die Anwendung des Fleischpulvers Dank
mit ^l7hL °H mm T ng T,| lm Herstellungsverfahren und der Sorgfalt,
mit welcher die das Fleisch liefernden Thiere aasgewählt werden
P« n r n «t J h^ ni6 f e iw aS ^. Ie,SChpulver (und 8 P ecie11 das 8 von Trouette-
K?«nttn h n« I h te -£ r f parat ^ nicht genug als eine8 der wichtigsten
Krankennahrungsmittel preisen. Ausser speciell zur Ueberernährung
bei Tuberculose kann es in Fällen von Diarrhoe, Dyspepsie, Magern
v«™iv Ü £ Ana ® mie . “ nd Chlorose und in der Reconvalescenz von
th,fm h l e T Krankheiten, ferner bei den mit schnellem Wachs¬
thum der Kinder emhergehenden Ernährungsstörungen angewandt
werden. Ein grosser Vortheil des FleiBchpulvers liegt darin, dass
es in jeder Art von warmen oder kalten Getränken mit gleichem
Nutzen genommen werden darf. Der Nährwerth von 100 g des
Pulvers entspricht 500 g frischen Fleisches und, wie L. als noth-
wendig hervorhebt, soll das Fleischpulver ohne Geruch und von
angenehmem Geschmack sein, so dass es sehr gut vertragen, leicht
resorbirt wird und von unvergleichlichem Werthe für die Ernährung
ist. Bei 100° getrocknet, gibt es ca. 14-17 Proc. trockenen Ex
tractes es enthält ausserdem eine beträchtliche Menge Stickstoffs
tette, die Phosphate und aromatischen Stoffe, welche zur Ernährung
xto? Q , o!^ er guten Verdauun g unentbehrlich sind. Bullet. Medic.
r»o. 34, 1896. g t
Tacchetti (in den Annali di Medicina Navale UI. 96) bat
als beste Syphilis-Therapie bei jungen und kräftigen Individuen
die Injectionen von Sublimat, corrosiv. erprobt und zwar nach dem
Pnncip: hohe Dosen, längere Intervalle. Eine Dosis von je 0,05
Sublimat, in die Fossa iliaca ext. circa 4—5 cm von der crista il.
injicirt, ist nach seinen Erfahrungen absolut unschädlich, wenn man
bis zur nächsten Injection 4—5 Tage wartet und so dem Organismus
Zeit lässt, sich von dem circulirenden Hg zu befreien. Man hat bei
diesem Verfahren auch bei längerer Curdauer in den beiden Fossae
iliac. ext. eine genügend grosse Injectionsflüche und kann Bücken
und Nates, wo die Injectionen weniger gut ertragen werden, ganz
verschonen. Bei intacter Mund- und Rachenschleimhaut wendet T.
kein Kal. chlor, an. Jedenfalls hat das Verfahren den nicht zu
unterschätzenden Vorzug einer bedeutenden Zeitereparniss für Pa¬
tienten und Arzt. Fl
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xtfrMntTFi NEK MEDICINISCHE^W OCHKNSCHRIFT.
Tagesgeschichtliche Notizen.
® ....... _nreussische .
J. - , . Briet
Hi
•^ÄÄiSÄ Ä £
15. d. Mts. einberufen Wörden. ^ def Aera tekammer für , 0 d
- Das vorstehend env Ahntte ^ etlichen Ehrengerichte etc Engi
Tosen zu dem Gesetze^wurf • mer haltj unter Aufrechterhal-
hat folgenden Wortlaut: . 189 2 und 24. Januar 1894, den rath
tung ihrer Beschlüsse betreffend die ärztlichen Ehrengerichte um (
vorgelegten Gesetzentwurf betreffen ^ 5 der Kammerordnung _ (
für entbehrlich und d ' e ® e ‘ be . j g edo ch ist die Ergänzung des 92 z
vom 25. Mai lt-87 für Recht zur Veröffentlichung sowie Y
letzteren durch das bereit*Kecnt z^ Venfarnung und des ^
durch die jetzt d ^ r *^ b letzten Absatz des § 5 bitten wir fol- wah
Verweises erforde.lich V .«;! stiifmittel finden keine Anwendung He
gende Fassung zu geben . Die brengeri chten unterstehenden Heil
auf die beamteten strafwürdige Thatsachen zur Mjc
Aerzte. Kommen m Bezug aui b jhrer vorge setzten Dienst-
Kenntniss des Vorstandes, alsdann von derselben I p^ Q
Behörde Mittheilung zu macklen * 2. Sie begrüsst es ™
über das weiter ^. era “'“ ® t ®. „esetzlicbeB^Umlagerecht eingeräumt
dankbar, dass den Kamme 8 ejne Stärkung des Standes- Ge:
werden soll, und . erwar ^ J^ e Förderung des ärztlichen Unter- arz
bewusstseins und ® ,n ® 8 Minister ist von der grundsätzlichen wi<
eine An “ hl 5
Aenderungen unentbehrlich . . Reg -Medicinal - Raths be
- Zum Nachfolger des veretorbenen 8 der früher e c ir
Dr. Wer n ich in SVobzeipräsMi'um in Berlin und jetzige Reg.- e n
SSK we^er in Coblenz in Aussicht genommen. I
_ Ein antialkoholistisch gesinnter-Arzt wäre dieser Tage beinahe
ein Märtyrer seiner Ueb^eugung J^Tro.ess ver- »
kammer des k. ^^TrTchf eld in Charlottenburg, der. ein pnn-
handelt gegen Dr. Hira ® ,, den Tod eines Arbeiters, der 1
cipieller Alkoholgegner, > dann von ihm dem Kranken-
li/z Tage in seiner Behandlung ^ an Blutverg iftung
hause überwiesen wurde, wo er 8 ^ »P ha ben, dass er ihm 1
starb, dadurch beschleunigt oder v '“J e und kräftigsten
nicht die «alkoholre Staatsanwaltschaft sah I -y
Fleischbrühen , verordnet habe. ^ e te ‘'J eB gerichtlichen Sach-
sich zu dieser Anklage du veranlasst der angegeben hatte, I t
verständigen Medicinalrath B Milch, Schleimsuppen, I D
d... die
Limonaden, den Tod niüs b Profesfi oren, verwarfen c
sr’sass 4 ^:
ElfeassiHs.il
auferlegt. pct|Ü0MC0mn>iMi0 » preusai.chen Abgeordneten
— Geheimrath Virchow hat auf Wunsch des Organisation^
s t x R für den XII. internationalen medicinischen Congress in
Moskau die Bildung eines deutschen ReichscomiKis für diesen Con¬
gress in die Hand genommen.
- Der 3. Internationale Dermatologen-Congress findet vom
4. bis 8. August d. Js. in London unter dem Vorsitze von Jonathan
Hutchinson statt.
— In Aegypten, wo bereits seit längerer Zeit Cholerafälle vor-
fX m S ÄÄÄ id°Ä ÄÄÄt-it.
n" Kairo vom 13. bis 20. Mai 27 und 133.
_ Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 21 Jahreswoche, vom 17. bis z3. Mai 1896, die grösste Sterblich¬
keit Görlitz mit 32,9, die geringste Sterblichkeit Charlottenbmj
10,5 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Altona, Bromberg, Köln,
Diphtherie und Croup in Bonn.
_ Es wird vielleicht manche Leser interessiren, zu erfahren,
dass die jetzt so gefeierte Erfindung Jen ner’s in früheren Zeiten
- Verleg von J. E. Leb manu lu Münr.ben. — I>nmk der
mehrfach poetisch einen
ÄetbÄ
in welchem er ihr» beba d?e nähere Geschichte der Vaccination
dichtes um Auskunft über 16 ^^ pontR von Genua schrieb 1810
ersucht — Ein Ital1 ®“^ T1 Trionfo de la Vaccinia» und ein
ein Epos in 6 M T l8l6 e in Poem in 3 Gesängen:
französischer Arzt m 1 ; aru °- Endlich existirt noch eine
^de D ro 0 &;Veia on^he Vaccine Inoculation. von dem
Engländer Kev - J ' f^Äenl Breslau. Der Geh.Medicinal-
(ünivewi‘««.VeVtaJ mS'Büctaicht auf sein hohes Alter
rath Professor Dr.F ör Linen lehramtlicben Functionen nachgesucht,
um die Entbindung von8eineal ® l099 Davon 1007 Immatncuhrte,
i - Güttingen. UmversitAts42 Damen. Die medicinische
92 zum Hören Berechtigte, ui Studenten. Zum Decan für das
' Facultät Zählt 257 ^“f^^KÄeimrath L. Mayer ge-
nächste Jahr beginncnd a 1.^ J * cent der Ohrenheilkunde Dr.
wählt. - Halle , a ’®- D ausserordentlichen Professor ernannt -
H e s s 1 e r, wurde zum aussero g faat vom Orossherzoglichen
Heidelberg. Pnvatdooent D . orthopädische Chirurgie erhalten.
Ministerium <«f» “f 0 “ S sTolU. Irüber (bi. 1810)
Professor an^er Faeultö^ti/'nibOecine in Strasaburg, ist - Aiter
™° VÄSÄ.' 1 t“Ä *.
Gerhard Rohlfs Er war 1831 ^ e g J che d Dien8te , Von 1860 ab
arzt in Algier vorübergehend 1 < des dunk!en Erdtheils. Wenn
widmete er sich ganz der E _ . se j ne r Thätigkeit als Afnka-
auch seine " tun J J 0r ™ 8 f ch doc h auch um die Medicin durch
forscher beruht, so hat G P o£?raDhie verdient gemacht. Das
seine Pflege der medicinischen Geographm ve^ Roh
von ihm 18(8 S em ®' n . a für Geschichte der Medicin und medi-
begründete «Deutsche A Dank dem geringen diesen Fächern
cinische Geographie» hatte i kurze Lebensdauer,
entgegengebrachten Interess , Vierteljahr nachdem
B In Wildungen starb ^ '>. f uni y^he die glänzende Feier
, er in vollster körperlicher und geistiger F, ü^ ^ &QQt& Chirurg>
seines 70. ' Geburtstages begangen hatte, ^bensbild des Ver’-
; SÄnSä — N0 - 9 -
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Ka.par Wiutabeime,. appr, 1896, m
Weissach. . p „ „ r i «btenstande: von der
Abschied bewilligt. Jim Qtto Salecker (Hof)
Landwehr I. Aufgebots d ^ Stabsarzt.Dr. ^ emper
” d de.
Wahrnehmung einer
° ff %°rle5i“e Ä "e““'“‘ßausarate. am Zellengef.ngni...
“ "Gestorben: Medicinnl-Eath Dr. Eduard Doederlein, Hau.-
arzt am Zellengefängnisse zu Nürnberg.
Kindbettfieber 2 (5) Meninptis cerebrospin ( ), b ica 9 (2),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 14 (4), Paroutis^ P_ Rheuma .
Pneumonia crouposa 43 (30), y . , _% Scarlatina 35 (30),
__ ort «c 26 (391. Ruhr (dysentena) — ( , ofxm ..
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 22. Jahreswoche vom 24. bis 30. M
Bevölkerungszahl: 406 000. . ... rie
Todesursachen: Masern l , C 1 *)’ ® cb , a ^ d i (1), Blutvei-
und Croup 1 (2), Bothlwif - &), Unterleibstyphus -
Crmniöse 0 Lungenentzündung 3 (2), Tu^
Gelrnikrheumatismus —- (-),
Unglücksfälle 3 (1), Se bstmord 2 (1) Tod durch « erhaltni sszahl
Die Gesammtzahl der Sterbefftlle JW- 23 2 (2 6,2), für
auf das Jahr und 1000 Einwohner im { 5,2 (18,5), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung ,
die über dem 5. Lebensjahr ßtehende 13,1 (ib.zj.
»TlHe eingeklammerten Zahlen bedeuten die Falledw \ on^‘
E. Mühllhnler'RChe
1 /~i i + i -7 r> t-\\ 1
if-Boohilruckeriä In Häncheii.
Die Münchener Mcdicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von miudc8tens27 2 —3 Bogen.
Preis viertel jährlich 6 Jt , praenumerando zahlbar.
, Einzelne Nummer 60 -j.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adreasireu: Für die Redaction
Ottostrosse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Lnudwehretr. 70. — Für Inserate und Beilagen
nn Rudolph Mosse, Promcnadoplatz 16
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cli. Biiimler, 0. Bollinpr, H. Curschmann, C. Serhardt, W. ». Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Rinke, F.«. Wlnckel, H. t. Zieassei,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
M 24. 16. Juni 1896
Redactear: Dr. B. Spats, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
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Originalien.
Aus der medieinischen Klinik des Herrn Geheimrath
Professor Riegel in G iesxen.
Neue Beiträge zur Bedeutung der Mundverdauung.
Von Dr. Georg Sticker,
Privatdocent und Assistent der Poliklinik in Giessen.
I. Schwefel \v a sscr s t. o f f e n t s t. e h u n g d urcli S p e ichcl-
Wirkung.
Wenn man ein silbernes Löffclchen in Senf oder Mustert
(Mostrich) steckt, wenn man Stockfisch und Zwiebelsauce mit einer
•silbernen Gabel isst, wenn man zum Anrühren eines Senfbreies
im Nothfall einen silbernen Löffel gebraucht, so lauft das Geräthe
sehr häufig schwarz an.
Dasselbe geschieht, wenn ein faules Ei mit silbernem Löffel
geöffnet wird oder wenn unter einem Gericht Seemuscheln, welches
die vorsichtige Hausfrau zugleich mit einem silbernen Löffel kocht,
eine faulende Muschel sich befindet.
Es gibt also mindestens zwei Quellen für Schwefelwasserstoff¬
bildung in unseren Nahrungs- und Genussmitteln: faulendes Ei-
weiss und gährendes oder auf ähnliche Weise sieh zersetzendes
schwefelhaltiges Küchengewächs.
In einer Reihe von Mittheilungen über '<S c h we fei wasser¬
st o f f b i 1 d u n g im M a g e n » ist immer nur die crstcre Quelle
berücksichtigt worden. Höchstens hat man noch eine andere, sehr
fragliche angedeutet, die Möglichkeit der Reduction von schwefel-
sauren Salzen im Magen zu Sulfiden und die Bildung von Hydro-
sulfid daraus.
Und doch hätten alltägliche Beobachtungen zur häufigsten
Quelle des Schwefelwasserstoffs, der im Magen gefunden wird,
leiten können : Leute, welche Rettig oder Radieschen in grösserer
Menge gegessen haben und danach aufstossen, verbreiten einen
Geruch wie ein faulendes Ei. Und Menschen, welche gar den
Genuss von Zwiebeln oder Knoblauch lieben, pflegen den Gestank
der Abtritte zu beschämen. Man gebe ihnen ein silbernes Geld¬
stück in den Mund: cs wird schwarz.
Folgender Versuch gelingt stets und ist leicht auszuführen.
Man geniesse ein Stück schwarzen Rettig und hole nach wenigen
Secunden oder Minuten den Mageninhalt durch die Sonde oder
durch willkürliches Regurgitiren hervor. Der Geruch von Schwefel¬
wasserstoff ist immer deutlich. Sperrt man den Magenbrei in
eine Flasche, von deren Stöpsel ein Streifen angefeuchtetes Blei¬
papier oder Nitroprussidnatriumpapier hinabhängt, so färbt sich
letzterer in wenigen Secunden roth, erstorer nach einigen Minuten
braun bis schwarz. Ein an gefeuchtetes Stück von blauem Lacmus-
papier über die offene Flasche gelegt, wird soweit gerüthet, als
es die Flasche zudeckt.
Hat Jemand eine gewisse Virtuosität im Aufstossen (Rülpsen),
so kann er nach dem Rcttiggenuxs die lluctus durch ein gebogenes
Rohr in einen G’ylinder leiten , der mit einer conccntrirtcn Koch- |
Salzlösung gefüllt und in eine ebenfalls mit Salzwasser gefüllte j
No. 24.
Schale gestürzt ist. Hoher der Kochsalzlösung sammelt sich ein
Gasgemisch an, welches aus dem Knierohr zurückweichend die
genannten Reactioncn für den Geruch und für die verschiedenen
Reagenspapiere gibt. Einmal ist es mir sogar gelungen, das her¬
vorströmende Gas zu einem blauen Fläminehen zu entzünden.
01» man nun Rettig oder Radieschen oder Zwiebel isst, bleibt
für den Versuch ziemlich gleich, wenn man nur dafür sorgt, dass
diese Dinge frisch sind, scharf und saftig schmecken. Mit den
verholzten Wurzeln und den abgelagerten Zwiebeln misslingt der
Versuch häufig. Da ich in ungezählten Versuchen den Rettig
am zuverlässigsten fand, so empfehle ich diesen zur Nachprüfung.
Auch ist sein Geschmack am erträglichsten.
Mir lag daran, zu finden, wo und wie der .Schwefelwasserstoff
aus den genannten Küchenkräutern entbunden wird. Ein syste¬
matisches Vorgehen wurde sofort belohnt. Kaute ich ein Stück
Rettig, spie den Brei in eine Flasche und prüfte die aus ihm
entsteigenden Dünste in der erwähnten Weise, so machte sieh in
wenigen Secunden oder Minuten der Schwefelwasserstoff bemerkbar.
Entnahm ich den verschluckten Rettigbrei nach */a, 1, 2,
3, 4 Stunden aus dem Magen, so wurden die Reaetionen fort¬
schreitend schwächer und blieben zuletzt aus, selbst wenn im
Mageninhalt sich noch viele Rettigstückehen finden Hessen. Zwiebel
verhielt sich etwas anders; noch nach vielen (5 und 6) Stunden
stieg aus dem Magen, der sie beherbergte, das bleizuekcrsehwärzende
Gas herauf. Mit Knoblauch stellte ich nur zwei Versuche an
bei einer Person, welche ihn leidenschaftlich gern» ass. Anderen
wollte ich das Gericht nicht zumuthen. Der Gestank 1 ) dauerte
vom Mittag bis zum andere« Tage; die Bleireaction wurde zuletzt
am Abend geprüft und gefunden.
Versetzte ich fein zerriebenen Rettig mit Speichel und setzte
das Gemisch in ein Wasserbad von ungefähr 30° R-, so war die
Schwefelwasserstofffabricatiou nach wenigen Minuten im Gange.
Vermengte ich den Rettigbrei mit Magensaft, das heisst mit dem
Filtrat des Mageninhaltes auf der Höhe der Magenverdauung, so
war, wenn der Saft (’ongopapier stark bläute, also reichlich freie
Salzsäure enthielt, noch nach Stunden kein Schwefelwasserstoff
nachweisbar; in den meisten Fällen sogar nach zwei Tagen nicht.
Gewann ich den ^Magensaft» eine halbe oder eine Stunde naeli
dem Mittagessen, so blieb in gleichen Versuchen das Ergebniss
ein schwankendes.
Aus alledem geht hervor, dass nicht der Magen, sondern
der Mund es ist, welcher bei meinen Versuchen das Schwefel-
wasserstoffgas zur Entwicklung bringt, und dass der erstere nur
als Bottich dient, in welchem bis zu einer gewissen Frist und
unter gewissen Bedingungen die Gasbildung weitergedeiht.
Es entstand die weitere Frage, welche Faetoreu in der
Mundhöhle die Gasbildung bewirken.
leb sagte mir folgendes: Vielleicht ist die einfache Zer¬
kleinerung des Ilettigs durch die Zähne und seine Digestion im
warmen Spcichelwasser ausreichend, um die Schwefel Wasserstoff gasent •
*) Je ne puis nommer, ei ce n'est parson nom: J appelle un cliat
un chat. — (Boileau, discours au Roi Sat I).
... 1
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562
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
Wicklung ins Werk zu setzen , etwa in ähnlicher Weist*, wie das
Anrühren des zerquetschten Senfsamens mit warmem Wasser zur
Abspaltung des Senföles aus dem myronsauren Kalium neben
saurem, schwefelsaurem Kali und Glycose durch die Senfhefe,
das Myrosin, führt.
Der Versuch mit Rettigbrei, der durch Reiben des Rettigs
auf der Küchenreibe gewonnen wurde, und warmem Wasser er¬
wies diese Annahme als hinfällig oder wenigstens unzureichend.
In mehr als 20 Parallel versuchen, in welchen je ein Glas
mit Rettigbrei und Wasser und ein anderes mit Rettigbrei
und Mundspeichel vermischt der Blutwärme ausgesetzt wurde,
ergab sich, dass, wenn Schwefelwasserstoffbildung eintrat (sie
blieb, wie gesagt, bei alten und verholzten Rettigen ausnahms¬
weise aus), ausnahmslos das Gas zuerst oder allein aus
der Sjieichelmischung sich entwickelte. Ich sage zuerst; denn es
kommt vor, dass auch aus der wässrigen Digestion S Hs nach
einiger Zeit aufsteigt; aber die Entwicklung aus dieser nimmt
wenigstens viertel oder halbe oder ganze Stunden in Anspruch,
während sie jm Sj>eichelgemisch schon nach Secunden, höchstens
Minuten beginnt. In den meisten Parallelproben war das Blei¬
papier noch nach 24 Stunden weiss über dem Wassergemisch,
während es schwarz schon nach Minuten oder spätestens */» Stunde
über dem Speichelbrei war. Dies beweist, dass zwar häufig ein
S Hz abspaltcndes Agens im Rettig selbst enthalten ist oder
aus der Luft in das Gemisch hineingerüth, dass aber der Speichel
diese Wirkung regelmässiger und bedeutender hervorbringt.
Wenigstens ist mir kein Versuch vorgekommen, an welchem diese
Wirkung des Speichels ausblieb, wenn andere Agentien, von denen
ich nachher spreche, sie erzeugten. Das will ich hier noch gleich
erwähnen, dass alle Speichelproben, welche meinen Versuchen
dienten, stets Stärke verzuckert haben.
War so eine besondere Wirkung des Speichels gegenüber der
wässerigen Digerirung festgestellt., so fragte sich, ob diese Wirkung
dem Speichel eigentümlich sei oder ob er sie mit anderen Sub¬
stanzen theile. Dass der Magensaft ebensowenig wie das Wasser
diese Wirkung hat, ist sobon erwähnt-. Mischungen mit Milch,
Blut, Schleim, Urin, Del, Butter, Honig, Amygdalin, Kartoffel¬
saft, mit dem Inhalt einer Pankreascyste, der keine diastatisehe
Wirkung hatte, ergaben die gleichen Resultate, wie die einfachen
Wasserproben.
Es musste also angenommen werden, dass eine besondere
Spcichelsubstanz die SH« Bildung vollziehe. Zu prüfen waren
in dieser Beziehung das Stärkeferment des Speichels, das Rhodan-
kalium, die Kohlensäure, der Sauerstoff. Bacterien, an die mau
heutzutage zuerst zu denken gewohnt ist, kommen hier nicht in
Frage, da der Process der Gasbildung in unserem Falle viel zu
rapid ist.
An den Sauerstoff dachte ich, weil aus W right’s Versuchen
und aus Pf lüger ’ s Gasanalysen*) bekannt ist, dass der Speichel
einen ziemlich grossen Gehalt an freiem Sauerstoff, im Gegensatz
zur Milch, zum Harn, zur Galle u. s. w. hat und zudem ein
guter Sauerstoff über träger ist, und weil ich mich erinnerte, dass
Schwefelwasserstoff nur unter Zutritt von atmosphärischem Sauer¬
stoff Silber schwärzt.
Die Kohlensäure kam in Betracht, weil der Speichel durch
ihren Gehalt so ausgezeichnet ist, dass er selbst das Erstickungs¬
blut mit diesem Gas übertrifft.
An das Rhodankalium durfte ich denken, weil es als be¬
sonderer Bestandtheil regelmässig und reichlich im Speichel vor¬
kommt und selbst Schwefel enthält.
Der Gedanke an das Ptyalin lag natürlich am nächsten.
Die Versuche, in welchen ich, um die erst erwähnte Mög¬
lichkeit zu entscheiden, durch einen wässrigen Rettig-, Zwiebel¬
oder Senfsamenbrei Sauerstoff bis zu 20 Minuten lang durch-
leitcte, gaben kein übereinstimmendes Resultat. Dreimal sah ich
nach wenigen Minuten die Schwärzung des Bleipapiers eintreten ;
fünfmal wurde nicht die geringste Spur von S Hz in 24 Stunden
gebildet. Da ich vermuthete, das Chlorgas, welches bei der Er-
2 ) Die genaueren Literaturangaben findet man in meinem
Büchlein: <Die Bedeutung des Mundspeichels in physiologischen
und pathologischen Zuständen.» Berlin 1889.
hitzung des Chlorsäuren Kaliums, das den Sauerstoff lieferte, dein
Sauerstoffstrom beigemischt wird, möchte das schwankende Kr-
gebniss bewirkt haben, wusch ich in einer neuen Versuchsgruppe
den Sauerstoff durch eine W o u 1 f ' sehe Flaschenreihe mit Baryt¬
wasser sorgfältig rein. Aber auch jetzt gewann ich 4 positive
gegen 3 negative!
Aus den gleichen Substraten konnte ich durch einen Kohlen-
säurestrom, den ich durch Uebergiessen von kohlensaurem Calcium
mit verdünnter Salzsäure gewann, nie Schwefelwasserstoff entbinden;
die mit Kohlensäure gesättigten Breie haben auch nach viernndzwan-
zigstündigem Bebrüten keine Spur von SH 2 abgegeben.
Das Rhodatikalium in wässriger Lösung scheint wie die Kohlen¬
säure auf die Schwefelwasserstuffentwicklung eher hemmend als
fördernd zu wirken. Wurde gekochter Speichel, welcher das
Sulfocyankaliuiu unverändert enthält, während sein diastatisches
Ferment ganz oder grösstenthcils zu Grunde geht, dem Rettig-
oder Senfbrei beigemischt, so entstand nur sehr spät UDd aus¬
nahmsweise Schwefelwasserstoff, und zwar in I 2 Versuchen 3 mal,
gerade so häufig wie in den Controlproben mit Wasser.
Die Probe mit gekochtem Speichel wies schon auf das diastatisehe
Ferment als erregende Ursache der Schwefelwasserstoffgasentwieklung
hin. Aber es waren weitere Beweise für diesen Zusammenhang
zu erbringen.
Zunächst war wohl daran zu denken, dass die dem Ptyalin
feindlichen Substanzen auch die SH» bildung unterdrücken müssten,
wenn die Speichelhefe wirklich als Erreger der Schwefel Wasserstoff-
cntwicklung wirksam ist. Je 3 Versuche, in welchen ich dem
Speichel so viel Alkokol oder Salicylsäure zumisehtc, dass seine
diastatisehe Wirkung auf Stürkekleister bedeutend abgeschwilcht
erschien, zeigten, dass auch die SH»bildung durch derart ver¬
gifteten Speichel auf ein Minimum beschränkt wurde. Ich muss
aber bemerken, dass es mir, im Gegensatz zur Angabe mehrerer
Autoren, nicht gelang, durch jene Gifte den Speichel seiner dias-
tatischcn Fähigkeit ganz zu berauben, selbst dann nicht, wenn
ich meinen Speichel mit dem gleichen Volum absoluten Alkohols
mischte, oder in denselben ein gleiches Volum crystallisirter Salicyl-
säurc in Substanz ein trug und eine halbe Stunde stehen licss.
0 Versuche machte ich mit Kohlensäure, deren lähmende
Einwirkung auf die diastatischen Vorgänge durch Ebstein’s
Untersuchungen über die Zuckerharnnihr erwiesen sein soll, während
früher 0. Nasse eine beschleunigende Umsetzung der Stärke durch
Speichel unter der Hilfe jenes Gases behauptet hatte. In einem
mit Speichel versetzten Brei von schwarzem Senfsamen konnte ich
weder eine auffallende Verzögerung noch eine Beschleunigung der
SH» cntwicklung durch einen Kohlensäurestrom hervorrufen; aber
ich fand nach der Kohlcnsäuredurchleitung auch nicht die diastatisehe
Kraft des Filtrats jener Mischung für Stärkekleister qualitativ
verändert. Woraus ich folgere, dass Kohlensäure ein actives Ferment
nicht tödtet, aber die Entwicklung des werdenden Fermentes hemmt.
Während dergestalt die vorhergehenden Versuche den Verdacht
auf die Speichelliefe verstärkten oder wenigstens nicht abschwächten,
scheint mir in den Folgenden der Beweis, dass Wirklich das dias-
tatische Ferment des SiKjichcls aus Rettig, Radieschen, Zwiebel
u. s. w. den Schwefelwasserstoff entbindet, positiv erbracht zu
sein: Pepsin, Trypsin und Papayotin waren nicht im Stande,
aus den verschiedenen Wurzeln und Zwiebeln und gleich zu er¬
wähnenden Samen, nachdem der Brei gekocht war, SH* zu
entwickeln. Ein auf seine amylolytische Wirksamkeit geprüftes
Pankreatin und Ptyalin that es regelmässig in ebenso kurzer Zeit
wie der Speichel. Und die gleiche Wirkung hatte die Piastase,
welche aus Gerstenkeimen hergestcllt war. Durch diese Ergebnisse
wurde zugleich der Gedanke hinfällig, dem Speichel möchte neben
dem Ptyalin noch ein besonderes Ferment, welches die SH» bildung
besorgt, innewohnen.
Nehmen wir dazu die Analogie, dass die Senfhefe, das Myrosin,
auf Stärke saccharificirend wirkt, und die von mir gefundene That-
sache, dass die saeeharifieirende Kraft des Rettigsaftes u. *• w -
mit der Länge der Digerirzeit wächst, so verschwindet der letzte
Zweifel an der SH» entbindenden Thätigkeit des Ptyalin und es
wird klar, warum endlich, nach vielstündigem Stehen, fast jeter
wässrige Rettigbrei, Senfbrei u. s. w., Schwefelwasserstoff auc
ohne künstlichen Fermentzusatz absondert. Ja es scheint eine
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16. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
563
vorläufige Erklärung für die oben erwähnten, sieh widersprechenden
Versuche mit der Sauerstoffdurchlcitung erlaubt, wenn man sich
erinnert, dass viele thierische Fermente, welche noch in einem
inactiven Schlummerzustand verweilen, durch die Einwirkung von
Sauerstoff aufgeweckt, activirt werden. So wie das unwirksame
Zymögen der Bauchspeicheldrüse durch Sauerstoff in das wirksame
Trypsin verwandelt wird, mag auch in den Fällen, in welchen der
Rettig, die Zwiebel u. s. w. eine Vorstufe des Schwefelwasserstoff-
abs}>altendeu Fermentes enthalten, durch Sauerstoff die Reifung
dieses Fermentes beschleunigt werden. Diese Annahme gewinnt
an Wahrscheinlichkeit durch die Versuche, in welchen die Ver¬
treibung des atmosphärhsehen Sauerstoffs durch einen Kohlensäure¬
strom die Schwefelwasserstoffentbindung aus sonst fähigen Gemischen
vollständig aufgehoben hat.
Der Frage nach dem wirksamen Agens bei der Schwefel¬
wasserstoffbildung aus den in Rede stehenden Küchenkräutern
unter dem Einfluss der Mundverdauung musste sich die andere
anschlicsscn nach der Natur des Substrats, aus dem jene Gas¬
entbindung erfolgt. Dass die schwefelhaltigen Oele, welche jenen
Pflanzentheilen gemeinsam sind, das Substrat bilden, lag nahe
anzunehmen. Als ich aber hoffte, an diescu genauer die schwefel¬
wasserstoffbildende Speichelwirkung zu studiren, sah ich mich ent¬
täuscht.
Sowohl das Oleum sinapis rectificatum, als das Kuoblauchöl
(Schwefelallyl) und auch das Allylsenföl, welches wir von Merck
bezogen haben, geben so reichlich Schwefelwasserstoff bei der Ver¬
dunstung ab, dass der gedachte Versuch zunächst unmöglich erschien.
Licss ich nun das gereinigte Senföl von grosser Fläche ausdünsten,
2—6 Stunden lang, so verschwand der SH» endlich und es gelang
mir bei der gleich folgenden Versuchsanordnung in drei Proben
durch Speichelzusatz sie wieder hervorzurufen. Doch halte ich
diese Versuche an sich nicht für einwandfrei und auch für zu
gering an Zahl, als dass ich dem Ergebniss grossen Werth bei¬
legen möchte. Eine öftere Wiederholung verbot die Empfindlichkeit
meiner Augen und meiner Kehle für jene höchst reizenden und
dazu dem Geruchsinn so widerwärtigen Substanzen.
Die Versuchsanordnung also war diese, dass ich einen Probe-
bissen — so bezeichne ich kurz, ohne der Industrie auf dem
Gebiet der Probemahlzeiten vergreifen zu wollen, die zuckerfreien
Gerinaniacakes aus Wurzen in Sachsen, auf welche mich mein
Freund Dr. Hübner in Mannheim als ein sehr geeignetes Substrat
für das Studium der Speichelwirkung aufmerksam gemacht hat —
im Munde sorgfältig zerkaute und einspeichelte, dann ausspie und
mit einigen Tropfen des Senföls begoss. Bei diesen Versuchen
konnte ich mich wiederholt von der Richtigkeit der, ich weiss
nicht mehr von wem, gemachten Angabe überzeugen, dass das
Senföl die amylolytische Kraft des Speichels nicht beeinträchtigt.
Die einfache Vermischung von Senföl und Speichel hat sich
als ungeeignet zum Versuch erwiesen. Es trat nie SH» bildung
dabei ein; wie ich vermuthe desshalb, weil das Senföl durch seine
grosse Eigensehwere sich zu Boden setzt und damit dem Verkehr
mit dem Sauerstoff der Luft und der Berührung mit dem Ptyalin
entzieht. Wenn ich auch gezeigt habe, dass der Sauerstoff die
SHjabspaltung aus einem activen Gemisch nicht beschleunigt, so
glaube ich doch, dass er bei dem l’rocess nothwondig ist, aus
folgenden Gründen :
Zunächst habe ich nur sehr solten in den Gemischen selbst,
mit welchen ich exi>erimcntirte, Schwefelwasserstoff (durch Ein¬
tauchen des Reagenspapiers, durch Zugiessen von Bleizuckerlösung
oder Silberlösung oder Nitroprussidnatriumlösung) nachweisen können,
selbst wenn von ihrer Oberfläche eine grosse Menge des Gases
abdunstete. Sodann sind mir sehr viele Versuche in einfachen
Rcagensröhrehen misslungen, während ich bei der Anwendung
eines mässig grossen E rl c n m e yc r ’ sehen Kolbens oder einer
Arzneiflasche (von 100 und mehr ccm Rauminhalt) regelmässige
Resultate erhielt; endlich konnte ich eine stockende Schwefel-
wasscrstoffentwickelnng häufig wieder in Gang bringen, wenn ich
das Gemisch in der Flasche schüttelte oder vorübergehend den
Stöpsel lüftete.
Nachdem ich die Versuche mit den schwefelhaltigen Essenzen
aufgegeben hatte, wollte ich wenigstens ausser dem Rettig, der
mir anfangs zu den meisten Versuchen gedient hatte, und ausser
dem Radieschen, der Zwiebel und dem Knoblauch noch eine Reihe
anderer Pflanzentheile, in denen schwefelhaltige Oele verkommen,
prüfen und dachte vornehmlich dabei an den Senfsamen; sowohl
den schwarzen als den weissen kann ich für weitere Versuche
empfehlen. Ich wendete ihn derart an, dass ich ihn mit warmem
Wasser im Mörser zerquetschte und dann mit oder ohne den
Speichel der Blutwärme im Wasserbad aussetzte. Wie sieh ein
solcher Versuch gestaltet, mag beispielsweise die folgende Tabelle
zeigen. Ich bemerke, dass sie nur eine aus (5 gleichlautenden ist.
Die Reihe No. I blieb 24 Stunden im Brütofen und wurde dann
in die Reihe No. III verwandelt. Die Beobachtung der Reihe
No. II konnte nach der ersten halben Stunde abgebrochen werden.
Die Grade der SH» bildung gebe ich mit der Farbe des Bleizucker¬
papiers an.
Substrat
I.
mit Wasser
gemischt
II.
mit Speichel
versetzt
HI.
Di« Gläser der Reibe 1,
nachträglich mit
Speichel versetzt
weisser Senf.
braun
schwarz
schwarz
(zerquetscht)
nach 24 Stund
nach 7* Stunde
nach 6 Minuten
schwarz. Senf
Spur gelb
schwarz
brau n
(zerquetscht)
nach 24 Stund.
nach ’/» Stunde
nach 10 Minuten
Kressensamen
weiss
schwarz
braun
(zerquetscht)
nach 24 Stund.
nach 7* Stunde
nach 10 Minuten
Rettig ....
weiss
schwarz
schwarz
(zerrieben)
nach 24 Stund.
nach */* Stunde
nach 10 Minuten
Zwiebel . . .
weiss
braun
gelb
(zerschnitt, u
gequetscht)
nach 24 Stund.
nach 7» Stunde
nach 7* Stunde
Noch eine Reihe von Versuchen mit weissem Senf mag als
Beispiel sich anschliessen :
Brei von weissem Senf mit:
Wasser
frischem
»Speichel
gekocht-
Speichel
Rhodan¬
kalium
Pepsin ^
Trypsin
Pan¬
kreatin
Ptyalin
Diastase
Papayotin
nach 10 Minuten . . .
weiss
schwarz
weiss
1
weiss
weiss
weiss
schwarz |
schwarz
schwarz
weiss
n 30 . ...
„
n
n
ff
„
braun
n
n
n
n 24 Stunden . . .
grau
iy
braun
9
•
■
rt
ft
n
braun
nach Speichelzusatz in
weiteren 12 Stunden .
schwarz
—
schwarz
schwarz
grau
schwarz
—
schwarz
Auch der gekochte Brei des weissen Senfs gab nach
2 »Stunden langer Einwirkung von frischem Sjieichel reichlichen
Schwefelwasserstoff ab.
Die KüchengewUchse, welche ich überhaupt mit reichlichem
»Schwefelwasserstoffgewinn der »SpeichelWirkung, dem Ptyalin, der
Diastase, dem Pankreatin ausgesetzt habe, und von deren »Saft
ich umgekehrt wieder eine verzuckernde Wirkung auf die »Stärke
gesehen habe, sind die folgenden :
Wurzel von Raphanus raphanistrum (Ackerrettig oder echter He¬
derich),
Raphanus sativus (Gartenrettig, Radieschen),
Cocblearia armoracia (Meerrettig);
Zwiebel von Allium cepa (Küchenzwiebel),
Allium ascalonicum (Schalotte),
Allium porrum (Porree),
Allium sativum (Knoblauch);
Samen von Brassica nigra (schwarzer Senf),
8inapis alba (weisser Senf),
1 *
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Goögle
No. 24.
Allium sativum,
Ärtäm 8 oEnale (Brunnenkresse).
( weiÄ\at WS
Anwendung auf die meisten der ang da bei empfohlene
„es. übrigens da.
"we^ierre'iiiert^n MitMung bewohn.
Für Dieienigen, welche die .
Uber die —ent
wollen, stelle ich die folgenden Begd" ^ ^ „ ab-
Das «U prüfende Küchengewdel üw*J 0 el
Nach den verstehen,len Ml»« »nge , .^ - auWcllthonor Das „ prüfend. Ifüe^.engewae — - scl ,w.felh.ltige Oel
Anwendung auf die meisten der *»*«“ „mpfohlene gelagerum Wurzeln, Zwiebeln, bamu,
Schwefelwasserstoffbildung im * * , b t machen. Jedeu- oft entwichen. Schwefelwasserstoff entstehen
« Therapie > : Ausspülung, Dcsmficicntia eto. selb. ^ ta Gemisch, aus welchem to^behwelel wcrdc „.
falls ist in einigen der Mitteilung; » Gehalt soll, muss in ein weites (»las aut b _ mitunter aus.
verwechselt, wenn , die Schwefel- in einem -gen Heugenseyhndc. blmbt 3ü _ 40 «
des Mageninhaltes von 0, der Kiwe isskörper fortdauerte. Das Gemisch ui * « Jri Tc mpcraturgradc verzögern,
“tr—t'wirh«,, . odcr oiM ganse
st u„^rte“rf
s£^jrt ££'»f 2vS sä;:ä»*“ -“
Monate lang unter den güns igs ei aus einem Menge Schwefelwasserstoff. scheint mir das Blcizucker-
--
die diastatische Spaltung, einmal im 0a " gc ’ derselben an
wart der Salzsäure nur dann, wen« das Substrat dersc
die Oberfläche der salzsauren Flüssigkeit gelangJ - ,
man sich leicht durch folgenden Versu<di> denn ^
wiederholt habe, überzeugen. In 2 Gläsern n
wird ein Gemisch aus je 50 ecm zerstosseneu. Zwieback, o
Speichel und 50 ccm 0,15 Ts andere mit
wärme ausgesetzt; das eine Glas viindelöl üherschichtct.
etwas flüssiger neutraler Butter oder reinem Mandc ol übersemen
RS. bleibt bei Ml- ^hen *»£*%*£
welcher bei der Herstellung des Gemisches vor^ dem
zusatz entstanden war, nahezu constant J n j )er Grund
wächst er in den nächsten Stunden noch bedeutend. Der Um
dafür kann da beide Flüssigkeiten gleichmässig an Volum durch
dfveZ'.tu„g in der Wanne abnehmen, nur denn hegen, da»
die Zwiebackbröckel mit dem anhaftenden 1 tyalin i g
an die Oberfläche der Mi.chung geratben und «. der Sutaiure
Wirkung allmählich entfliehen, im anderen Glas aber unter
schützenden Fettdecke eingetaucht bleiben. Dasse be
mit der Fettdecke erreicht, kann man durch eine auf den Bic,
gelegte Glasplatte erzielen.
Ein Gemisch von 50 ccm zuckerfreiem
U
0)
-T3
ß
©
•s§
a S
•s« %
Zwieback-Pulver + 5 ccm Speichel
cs e
ßCO
+ 50 ccm 0,15 proc. H Cl.-Losung liefert
00
-
m
Proc.
Proc.
Proc.
Proc.
0,3
0,9
1,4
1,5
unter Fettschicht.
0,42
0,82
0,84
0,8
0,34
0,93
0,89
0,84
Die Abnahme des Zuckergehaltes in den 2 letzten Colonncn
trotz des verringerten Flüssigkeitsvolums erklärt sich wohl durch
Umwandlung eines geringen Theiles des Zuckers in Milchsäure.
Will Jemand die Schwcfelwasserstoffentwicklung aus dem
Mageninhalt im einzelnen Falle auf Emeissfüulnisu ™üok«h«ü,
.0 ist er verpflichtet, ausser dem SHi noch andere Producte der
Fäulniss naebzuweisen, also vor allem. “ “iho
,ÜBU " 6 ’ , ,, - er i n den meisten Fällen sah
desto empfindlicher ist das 1 apicr. schwarz
ich das Papier aus einer lOprem^ , proc ,
werden, in mehreren Fälta Ei,.hängen in das
^l^ÄÄn=a^Ä£
™ beweisen ‘scheint.. (Durch Sätügen
mit Schwefelwasserstoff entsteh .«»«hat d s^ ^ WjT .
hydrosulfid, welches sich an der l^ft unte Schwcfe i in
sulfidcn gelb färbt, dann unter Abschudung
unterschwefligsaures Ammonium übergeht). conccnt rirter
Das Nitroprussidnatriumpapier wird am besten .
Wässriger I*u„g bereit und vor dem
verdünnter Natronlauge angefcuchtet. Fs scheint m
gänglich, überhaupt unbeständig in der Iteaction. (} brauch
Stets prüfe man seine Iteagenspapicrc vor dem Jbj* ^
durch flüchtiges Ueberhaltcn über eine U)cbrnia i 8> bei
SH* gesättigtes Wasser enthalten ist. Jfl.h. am
negativen Erfolgen, gesehen, dass die Schuld des Misshng
Reagens lag. ,, . • _ m Kalle von
Dem praktischen Arzt, der sich schnell in einem ^
anscheinender Autointoxication Uber die Gegenwa blank
Magen unterrichten will, empfehle ich, ein mit . „..heberten
geputztes nasses Si.bcrstück auf die Oberfläche des ausgeheberten
Mageninhaltes zu legen.
Aus dem Ambulatorium der kgl. chirurgischen Klinik zu
München.
Chirurgische Mittheilungen für die Praxis. 1 )
Von Privatdoccnt Dr. Adolf Schmitt.
A. Alkoholverbändc.
Wer sich mit der sogenannten kleinen Chirurgie
..... ■ tp _ v.nt.fciinduneen, über uw»
Wer sich mit der sogenannten in.*»«« , dcren
der sieht recht oft gewisse Formen von Entzündunge,
„eiteren Verlauf und über deren zweckmäsB.gste Bchu ^
im Zweifel sein kann Es lässt sieh d
es' um'einen mit Salzsäure befeuchteten Glasstab bildet, den man Schwellung in der Umgegend eine* wird , ob aus
über die Nils haltige Flüssigkeit hält. Letzte muss hei gor,„gern ci^reehyuaugeuehui»,
Gehalt leicht erwärmt werden. . entzündlichen Schwellung des Vorderarmes eine schwere Phlegm
i) Mittheilung im ärztlichen Verein in München am 4. März
Gehalt leicht erwärmt werden. nr
Bei meinen Untersuchungen habe ich diese Nebelbildung
dann gesehen, wenn der Brei von Küchenkräutern mit Wasser
oder Speichel tagelang gestanden hatte.
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16. Juni 1896.
MÜNCHENKlt MKDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
566
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Praxis
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sich entwickelt, oder ob der Process ohne weiteren Schaden ab¬
laufen wird. Manche Entzündung will nicht recht vorwärts noch
zurück gehen, ^uan weiss nicht, soll man ein,schneiden oder nicht,
weil sich eine deutliche Eiteransammlung vielleicht nicht naehweisen
lässt. Und wie soll man solche verschiedenen Entzündungen be¬
handeln V Ein Fehler kann leicht üble Folgen haben, Bei vielen
Acrzten und auch Chirurgen ist der feuchte Verband sehr beliebt
— das war früher vielleicht noch mehr der Fall wie jetzt — ;
ein Stück Gaze wird mit einer antiseptiseheu Flüssigkeit getränkt,
auf die entzündete Region aufgelegt und mit einem undurchlässigen
Stoff, Guttapercha z. B., bedeckt. Sublimat-, Borsäure- und essig-
saure Thonerde-Lösungen werden oder wurden dazu verwendet;
der feuchte Carboiverband ist jetzt wohl allgemein ganz verlassen,
wegen der hohen Gefahr, die er für die Gewebe mit sich bringt.
Man hat doch gar zu oft gesehen, dass schon 24stündige An¬
wendung auch schwacher (2—3 proe.) Carbollösunge» in der Form
des feuchten Verbandes den Gcwebstodt, Gangrän eines oder mehrerer
Finger u. s. w. zur Folge hatte. Es ist jedoch von verschiedenen
Seiten schon darauf liingewiesen worden, von König u. A.,
dass die intensive feuchte Wärme die Ausbreitung der Eiterung
nicht nur dorthin befördert, wohin man sie wünscht, gegen die
Oberfläche, sondern auch in unerwünschter Weise nach tieferen,
nach nicht infieirten Regionen hin. Man hat geglaubt , dass die
antiseptischen Lösungen, mit denen die Verbandstoffe getränkt
sind, die Haut durchdringen und eine abtödtende Wirkung auf
die in der Tiefe liegenden Infectionserreger ausüben könnten ; dass
dies bei unversehrter Haut — und um solche handelt es sich
doch meist im Beginne einer Entzündung — nicht der Fall ist,
das ist durch eine grosse Reihe exaeter Versuche bewiesen. Die
stark macerirende Eigenschaft der typisch angelegten feuchten
Verbände ist ein weiterer Nachtheil. Es soll gar nicht geleugnet
werden, dass ein feuchtwarmer Verband zuweilen ganz wohlthuend
empfunden wird und dass unter ihm auch Entzündungen der
Lymphbahnen u. s. w. recht schön zurückgehen ; im Allgemeinen
aber hat sich, wie es scheint, die Zahl seiner Anhänger der
mancherlei Nachtheile wegen vermindert. Ich selbst mache fast
niemals Gebrauch davon , abgesehen von Verbänden mit 2 proc.
essigsaurer Thonerdelösung bei stark secernirende» Granulations¬
flächen und wenn es sich um Beseitigung des den bekannten,
grünlichen Farbstoff producirendeu Bacillus pyoeyaneus handelt.
Ich muss aber gestehen, dass auch die Resultate verschiedener
anderer Verbandmethoden nicht immer befriedigend waren. —
Seit etwa */.« Jahren nun wenden wir im Ambulatorium der
chirurgischen Klinik bei Entzündungen der verschiedensten Art,
Paronychien, beginnenden Panaritien und Phlegmonen, hei etwa
nach und trotz ausgiebiger Ineisiou wieder auftretender Entzündung,
bei Lymphangitis, Furunkeln , acuten Abscessen , in geeigneten
Fällen bei frischen Wunden, die als inficirt angesehen werden
müssen, und bei entzündeten, eiternden Wunden überhaupt, ab
und zu auch bei Erysipelen, besonders der Extremitäten, eine
X erbandmethode an, die neuerdings von Salzwedel*) dringend
empfohlen worden ist. Sie besteht darin ,* dass Gazestüeke
(Salzwedel verwendet Watte, deren Fasern jedoch manch¬
mal mit der Wunde verkleben) mit starkem Alkohol
getränkt und auf das entzündete Gebiet aufgelegt werden,
das sie weithin überdecken müssen. Die mit Alkohol voll¬
kommen durchnässten und leicht wieder ausgedrückten Gaze¬
stücke werden mit einem entsprechend grossen, mehrfach durch¬
löcherten Stück eines undurchlässigen Stoffes, z. B. Gutta¬
percha bedeckt und der Verband mit einer Gaze- oder Cambric-
binde fixirt. Die mehrfache Durchlöcherung des Guttapercha ist
nothwendig; die Verdunstung des Alkohols wird dadurch nicht
aufgehoben, sondern nur vermindert; versäumt man die Durch¬
lochung, so wirkt der Alkohol leicht ätzend oder macht die Haut
lederartig hart und weiss. Wie es scheint, ist die Wirkung des
Verbandes um so besser und sicherer, je stärker der Alkohol ist;
wir benützen fast nur 96 procentigen Alkohol und haben nie eine
unangenehme Nebenwirkung bemerkt, wohl aber ist die günstige
Wirkung oft wirklich überraschend. Wo es irgend geht, wird
2 ) Salzwedel: Die Behandlung phlegmonöser und ähnlicher
Entzündungen mit dauernden Alkoholverbänden. Deutsche militär-
fcztliche Zeitschrift. 1894. Heft 7.
No. 24.
nocli eine Schiene angelegt und dem Kranken gerathen , die Ex¬
tremität rocht hoch zu lagern. Der Verband bleibt im Allgemeinen
nur 24 Stunden liegen und wird dann meist iu derselben Art
erneuert, auch wenn die Entzündung zurückgegangen ist. Das
ist bei leichteren und mehr oberflächlichen Entzündungen in der
weitaus überwiegenden Anzahl der Fall, aber auch tiefergelegene
Entzündungen, oder solche, bei denen man nach dem Aussehen
fast mit Sicherheit auf ein Progredientwerden schliessen müsste,
machen Halt oder schwinden selbst in auffallend prompter Weise
ganz. Sind die Gewebe aber schon schwerer erkrankt gewesen
und der sicheren Nekrose verfallen, so ist sehr oft eine schneller
als gewöhnlich eintretende Erweichung und Verflüssigung, Eiter¬
bildung zu bemerken, die keinen Zweifel mehr lässt, dass
und wo nun eingc&chnitten werden muss. Denn das ist selbst¬
verständlich, dass durch den Alkoholverband bei Entzündungen,
die durcli ihre Intensität den Gcwebstodt herbeiführen, der Zerfall
des Gewebes nicht gehindert werden kann, wohl aber wird die
Eiterbildung beschleunigt und das Fortschreiten der Ent¬
zündung wesentlich verlangsamt oder ganz verhütet. Wir haben
den Alkoholverband in der beschriebenen Weise bis jetzt in
mehreren Hundert Fällen angewendet und möchten ihn nicht mehr
vermissen ; wenn er auch, was selbstverständlich ist, keine Panaceo
gegen die Entzündung ist, so hat er uns doch in den allermeisten
Fällen sehr gute Dienste gethan, nvir in verhältnissmässig wenigen
versagt (so z. B. in mehreren Fällen von jHiriostalem Panaritium,
bei tief in den Muskeliutcrstiticn fortkriechenden Phlegmonen)
und nirgends geschadet. Seine hauptsächliche Verwendung findet
der Alkoholverband bei beginnenden Entzündungen, bei denen
man sich vielleicht nur schwer entschliesst, einzuschreiten, bei
denen es zur Eiterbildung noch nicht gekommen ist. Es ist wohl
kaum nothwendig, zu betonen, dass überall dort, wo möglicherweise
oder sicher Eiter vorhanden ist, sofort ei n geseh n i 1 1en werden muss,
und zwar durch das ganze kranke Gebiet hindurch, vom Gesunden
in s Gesunde, ohne Rücksicht auf die <1 rosse des Schnittes. Ebenso
ist es selbstverständlich, dass bei allen schweren Phlegmonen —
und gerade hei den schlimmsten Formen kommt es ja oft erst
spät zur eigentlieheu Eiterbildung — der möglichst grosse Schnitt
das beste und r schonendste Heilverfahren ist. Aber auch wenn
der Einschnitt gemacht ist, kann der Alkoholverband zweckmässig
in den ersten Tagen noch angewendet werden. Die Wunden
werden wie gewöhnlich recht locker mit Jodoformgaze tam-
ponirt und darüber wird der Alkoholverband angelegt; in gleicher
Weise können acute Ahseesse, Furunkel u. s. w. nach der lucision
verbunden werden. Die Entzündung steht ja aueli meist voll¬
kommen, wenn der Schnitt nur genügend gross war, es liegt des¬
halb für uns kein Grund vor, bei der weiteren Nachbehandlung
von dem gewöhnlichen erprobten Verfahren, dein trockenen asep¬
tischen Verbände abzugehen. — Für eben beginnende Ent¬
zündungen also glaube ich den Alkoholvcrband empfehlen zu
können, mit dem ausdrücklichen Zusätze, dass der ergiebige Schnitt
niemals versäumt werden darf, sobald die ludieation dazu vorliegt.
Es scheint, dass sich mancher Einschnitt vermeiden lässt, eben
weil die Entzündung zurüekgoht und es nicht zur Eiterung
kommt. Wie der in dem Verbände angewendete Alkohol eigent¬
lich wirkt, kann ich nicht sagen. Vielfache und sehr exaete
Versuche scheinen zu beweisen, dass die int-acte menschliche
Haut undurchgängig ist, sowohl für Flüssigkeiten, wie für Gase
jeder Art. Ich verweise in dieser Beziehung auf die Unter¬
suchungen von Fleischer 3 ), Ritter 4 ), W i n tern i tz ,v ), du
Me sn i 1 i; ) u. A. Von diesen Autoren hat nur W i u t er n i tz
gefunden, dass Arzneistoffe aus ätherischen Lösungen auch durch
die intaete Haut hindureh aufgenommen werden können, aber
nur in sehr geringer Menge und nach verhältnissmässig sehr
langer Applicationszeit. Aus alkoholischen Lösungen wird so gut
wie gar nichts aufgenomuien.
3 ) Fleischer, Untersuchungen über das Resorptionsvermögen
der menschlichen Haut. Erlangen 1877.
4 ) Ritter, Ueber das Resorptionsverinögen der normalen
menschlichen Haut. Erlangen 1883.
6 ) Winternitz, Zur Lehre von der Hautresorption Archiv
f. experiment. Pathologie und Pharmakologie Bd. 28, p. 404 ff. 1891.
8 ) du Mesnil, Ueber das Resorptionsvermögen der mensch¬
lichen Haut. v. Ziemssen’s Archiv, Bd. 50, 61 u. 52, 1892 u. 1893.
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Münchener medicinische wochenschwft
No. 24
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5=j£Hsf5f1 2tf£& u £
SÄi Ä =
^rHSH-SHS
faU wedel’s erfüllen und die Nachprüfung dcs \ erfahrens, das
in richtiger Anwendung keinerlei Nächtliche zc.gte unter *»
erwähnten Voraussetzungen, besonders der rcehtze.tigcn, .
giebigen Incision, empfehlen.
B. Operationen unter Cocainanaesthesie.
Eine Reihe von kleineren Operationen wird trotz völlig ge-
nügender chirurgischer Technik von Video Acrzten „Ä ausgeführ ,
wegen der oft recht unangenehmen Beigaben zur Nar •
auch die zunehmende Verwendung des Aethers die Zalü der 1 ödes
falle in der Narkose um fast das Dreifache gegenüber den Chloro¬
formtodesfällen vermindert hat’), so machen doch die bei b^d
Narkosenarten häufig sieh ereignenden Zwischenfalle <toSJ«w
der allgemeinen Narkose bei Aerzten begreiflich, die ohne genügen
zahlreiche und geschulte Assistenz zu openren gezwungen sind.
Es ist desshalb besonders für die ambulante Bc handlungoperativer
Fälle sehr angenehm, im Cocain ein Mittel zu besitzen das .ehr
oft die Narkose . überflüssig macht, und das ermöglicht auch
Operationen, bei denen früher stets narkotisirt wurde, auszufttbren
ohne dem Kranken Schmerz zu bereiten. Wir besitzen ja neben
dem Cocain auch im Aetlier und im Chloräthyl recht brauchbare
Mittel zur localen Anaesthesie, allen, die WirkungJcr beiden
letzteren ist meist zu kurzdauernd und zu wenig m tiefere Schichten
wirkend, um auch grössere Operationen schmerzlos machen zu
können. So sehr ich aber die ausgezeichnete, anaesthesircnde
Wirkung des Cocains schätze, glaube ich doch nicht, dass sich
die Zahl der allgemeinen Narkosen so erheblich vermindern wird,
wie Schleich 8 ) es erwartet, der auch bei den grössten Operationen
(Laparotomiecn, Mammaamputationen u. s. w.) die allgemeine Nar¬
kose für entbehrlich und verwerflich erklärt. Um auch die bei
Anwendung stärkerer Cocainlösungen und grösserer Cocainmengen
(grösste erlaubte Einzeldosis ist 0,05) «weilen auftretenden Gift¬
wirkungen des Cocains zu vermeiden, wendet Schleich nur
äusserst verdünnte Cocainlösungen an. Die Schleich sehe «i or-
mallösung» enthält:
Cocain, hydrochloric.
Morphin, hydrochloric.
Natr. chlorat. sterilis.
Aq. dest. sterilis.
Acid. carb. (5proc.) gtt.
Mit dieser Lösung, (er hat übrigens 4 verschiedene angegeben,
deren Cocaingehalt schwankt zwischen 0,1 und 0,01), lnfiltnrt
Schleich das ganze Operationsgebiet, von einer durch die ln-
0,1
0,025
0,2
100,0
n.
■>) Die Statistik der «Deutschen Gesellschaft für Chirurgie» er¬
gibt pro lS94 (?b loro{orm 1 Todesfall auf 2286 Narkosen
Aethei 1 - - 15020
„„„ Quaddel ausgehend, allmählich voll-
jection intracutan er g ^ Q ^ Tbat überzcug en, dass mittels
ständig und man grössere Operationen ausreichende
dieser Methode mne J während der Operation
Schmerzlosigkeit sicherz 1 behaudclnde Gebiet sorgfältig in-
selbst immer auf s NcueJas^zu^ ^ ^ gchlei cb . 8cbe
filtnrt In de s(jhr GuteSi allein vielen in der allgemeinen
Verfahren zwi f c lilt eben die nothwendige Uebung.
Praxis stehen en cicb ' sc hen Infiltrationsanaesthesie ist
I rin zferb kon dass bli einzelnen kleineren Operationen die
dann zu erblicken, ausgeführt werden müssen,
f"' % in Folge der straffen Infiltration der Gewebe ein ge-
' vmvn des Fremdkörpers, der Tumorgrenzen etc. erheblich
erschwert wird. Wir hafcm ^vi^T“Ä
toOoTttrÄ^ bestehenden grösseren
Ausdehnung, gleichzeitige !.»—
CTe t'pro" 6 -^' cJSZ* * ™
ve^bencr Lösungen sind jedcnWl» die von
sä ts jUu
selbstverständlich. »in Monge des be, den vorgenannten °petet,on
an gewendeten Cocains ist meist gering, da wir nur selten
wie eine Pravazsche Sprite der 3 Procent,gen Lösung (0,08
Cocain) gebrauchen. Wir haben dabei, auch wenn ,n “n-
fällen die doppelte Menge angewendet wurde, nietnal»
angenehme Nebenerscheinungen, Zeichen von IntoMto«,^
a. w. gesehen. Allerdings suchen wir die Anwendung
des Cocains bei anämischen, schwachen Menschen »“dje.
Kindern an vermeiden; Kinder vertragen i» die Chloro&n»
„arkose, bei der sich in grösserer Ruhe wie an demwach^,
wenn auch schmerzfreien Kinde openren lasst, meist »ehr
gut. Ein sehr grosser Procentsatz aller Operatione ,
unter Coca.nanaestbesic ausgeführt werden, muss an den E-
tremitäten vorgenommen werden. Es lässt sic
Fällen eine werthvolle Vorsichten,assregel gegen die
gefahr anwenden: Hie Aufhebung der Blutc^culaUo;
durch die Esmarch 'sehe Binde, bevor mit der Cocafn mjectmn
begonnen wird. Hierdurch wird zunächst die Resorption de
Cocains verhindert; ein Theil der Lösung fhesst Widder
Operation aus dem eröffneten Gewebe aus und em weiterer Th
wird durch die nach Lösung den Constnct.on eintretende, ma»
recht lebhafte Blutung hinausbefördert, so dass gewiss nur' sen
wenig Cocain aufgenommen wird. Es macht übrigens ga
Eindruck, als wenn die Wirkung des injicirten Cocains m dm
blutleer gemachten Gewebe eine noch sicherere und prompte
wäre, als in dem blutdurchströmten Gewebe, eine Annah ,
mit den von Pernice«) gemachten Beobachtungen völlig übe ^
einstimmt. Wir haben jedoch auch m Gebieten, die nie
gemacht werden können, im Gesicht z. B., weder ein
der anaesthesirenden Wirkung, noch das Eintreten von In
erscheinungen beobachtet. - In entzündlich infiltnrten Geweben
bi.», »ich bei genügender Sorgfalt und wenn manJ“** ,
Chloroform 1 Todesfall aut 2^bb .Narkosen Ui8st sicb be i genügender Sorgfalt und wenn man *
8 ) SclilefcT^ 1 Die ^Infiltrationsanaesthesie (locale A.) und ihr subcutan, sondern anfangs nur intracutan (Quaddelbild
jssssr, jr jSränJKSEÄSÄ.: tas —..*__*<*-
Verhältnis» zur allgemeinen Narkose (lnuaiauons- a.j.
Conuress 1892 und: Zur Infiltrationsanaesthesie, Therapeutische
Monatshefte 1894, Bd. 8, Heft 9. Ferner: Schmerzlose Operationen
u s. w. Berlin bei Springer 1894.
Pernice, Ueber Cocalnanaesthesie; Deutsche med. Wochen
sebrift No. 14, 1890.
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16- Juui 1896.
MÜNCHENER. MEDICINISCUK WOCHENSCHRIFT.
567
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injicirt, auch Anaesthesie erreichen; hier scheint aber die Wir¬
kung weniger prompt zu sein und wir verwenden desshalb bei
Panaritien, Furunkeln u. s. w. meist den Aetherspray oder das
rasch wirkende Chloräthyl zur Erreichung der Anaesthesie.
Die Technik der Cocaininjectionen ist sehr einfach. Nehmen
wir als Beispiel die Adelmann’schc Operation, die Amputation
eines nach Sehnenschcidenpanaritium versteiften Fingers, mit dom
gleichzeitig das Köpfchen de» Mittelhandknochens, wegen des
besseren cosmetischcn Resultates, entfernt worden soll — ein von
den Patientin selbst sehr häufig verlangter Eingriff. Das Operations¬
gebiet wird gründlich gereinigt und die E sinur cli’sche Binde
am Arm wie gewöhnlich angelegt. Nun wird, um auch die Ein¬
stiche mit der Nadel schmerzlos zu machen, die Haut an den Ein¬
stichstellen mittelst des Aetherspray’s oberflächlich anaesthesirt und
die Canüle der Pravaz’schen Spritze tief, bis zu ihrem
Ansatztheile, in der Richtung von der Peripherie gegen das
Centrum. subcutan und parallel mit der Hautoberfläche eingestochen.
Erst beim Zurückzichen der Canüle wird ganz langsam
die 3proc. Cocainlösung eingespritzt, vielleicht 2 Theilstriche; so
wird die Injection beiderseits neben dem Mctacarpo-phalangcal-
gelenk auf der Dorsal- und Volarseite gemacht (im Ganzen 4 Ein¬
stiche, 8 Theilstriche). Dann wird die Spritze senkrecht gegen
den Knochen gerichtet eingestoeben, etwa entsprechend der Stelle,
wo die schräge Durchsägung des Mittelhandknochens stattfinden
Roll, und womöglich in das Periost der Dorsal- und Volarsoite der
Rest des Spritzeninhaltcs injicirt. Im Ganzen ist also eine
Pravaz’sche Spritze voll injicirt worden (0,03 Cocain), was voll¬
kommen genügt, um die Operation absolut schmerzlos machen zu
können ; auch die Durchsägung des Knochens wird nicht empfunden,
höchstens schmerzen die Nähte ein wenig, weil die Cocainwirkung
inzwischen nachgelassen hat. — Soll z. B. ein Lupus im Gesicht
cxcidirt worden, so wird ebenfalls die Nadel am Rande in ihrer
ganzen Länge eingestochen, im Zurückziehen langsam injicirt und
so das ganze erkrankte Gebiet umgangen ; auch für einen liand-
tellergrossen Lupus genügt eine Pravaz’sehc Spritze meist voll¬
kommen, die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen krankem
und gesundem Gewebe wird durch die geringe Infiltration in keiner
Weise gestört. »Sollte im Verlaufe der ja ziemlich rasch ausführ¬
baren Operation doch etwas »Schmerz auftreten, so genügt es meist,
die wunden Stellen mit etwas Coeai'nlösung zu benetzen.
Bei Zahnextractionen wird die Schleimhaut zu beiden »Seiten
des Zahnes mit Cocainlösung betupft und dann beiderseis wenige
(2—3) Tropfen der Lösung in das Zahnfleisch eingespritzt; sehr
viele Patienten geben an, überhaupt nichts von der Extraction ge¬
spürt zu haben.
Bei dieser Art der Anwendung des Cocains haben wir nie¬
mals üble Zwischenfälle erlebt und haben eine sehr grosse Zahl
von Operationen ausführen können, bei denen früher bestimmt
narkotisirt worden wäre. In der Verminderung der Zahl der Nar¬
kosen und in der dadurch gegebenen Möglichkeit, dass auch der
praktische Arzt mit wenig Assistenz die häufiger vorkommenden
operativen Eingriffe selbst ausführen kann, ohne Schmerz zu be¬
reiten, liegt der Werth des Cocains.
Ein Fall von Thorax-Gallenfistel mit Entleerung eines
Gallensteines per vias naturales und nicht tödtlichem
Ausgange.
Von Dr. Ed. I 'isseriny in Norderney.
In seiner 1892 erschienenen «Klinik der Cholelithiasis» führt
Naunyn eine Zusammenstellung der in der Literatur verzeich-
neten Fälle von Gallenfisteln an, nach welcher Thorax-Gallenfisteln
10 Mal beobachtet sind. Unter diesen wurde nur einmal von
Riedel Ausgang in Genesung gesehen. Naunyn führt ferner
an, dass zwar öfters Galle, aber niemals ein Gallenstein mit dem
Answurf entleert sei.
In einem von mir im Laufe des vorigen und dieses Jahres
behandelten Falle trat letzteres Ereigniss zugleich mit wesentlicher
Besserung des ganzen Krankheitsbildes ein. Der betr. Kranke
lebt und erfreut sich eines leidlichen Wohlbefindens.
Als einen weiteren Beitrag zu jener Zusammenstellung
Naunyn ’s gestatte ich mir, diesen Fall im Nachstehenden zu
veröffentlichen:
Am 19. Juli 1895 consultirte mich während der Sprechstunde
der Maschinist eines hier stationirten Dampfers, Bernhard Müller,
ein ziemlich kräftiger Mann von 63 Jahren.
Patient klagte über Druck in der Magengegend, Appetitlosigkeit
und Verstopfung seit etwa 2 Tagen
Ich verordnete neben leichter Diät zunächst ein Laxans und
nach dessen Wirkung eine Emulsio Cannabina nebst etwas Opium.
Am nächsten Abend gegen 10 Uhr wurde ich zu M. gerufen,
der sich auf dem im Hafen liegenden Dampfer befand.
Um 8 Uhr hatte sich intensiver Schüttelfrost, begleitet von un¬
erträglichen Schmerzen im Leibe, hauptsächlich in der rechten
Unterbauchgegend, und unstillbarem Erbrechen eingestellt.
Patient war in Schweiss gebadet, fühlte sich kalt an, Puls kaum
fühlbar, sehr frequent, kurz das ausgeprägte Bild drohenden Collapses.
Der Leib zeigte massigen Meteorismus.
Da Patient die Schmerzen bestimmt in die Gegend des Coecum
verlegte, selbst leichter Druck hier sehr schmerzhaft empfunden
wurde, so stellte ich zunächst die Diagnose auf Perityphlitis, ver¬
ordnete warme Breiumschläge und grosse Gaben Opium.
Unter dieser Behandlung hatten sich die bedrohlichsten Er¬
scheinungen ira Laufe der Nacht gelegt, sodass Patient am nächsten
Tage in ein Privathaus transportirt werden konnte.
Schon damals ergab die Untersuchung eine beträchtliche Schwel¬
lung der Leber. Der untere Leberrand überragte den Rippenbogen
um etwa 2 Querfinger. Daneben bestand leichter Meteorismus fort.
Im Laufe der nächsten Tage und Wochen localisirte sich nun
der Schmerz immer mehr in der Lebergegend. Letztere schwoll
mächtig an, sodass sie etwa handbreit den Rippenbogen nach ab¬
wärts überragte. Es trat Ikterus auf, der Stuhl wurde thonfarben.
Der Urin zeigte Gallenfarbstoffreaction. Ich will hier noch besonders
bemerken, dass diese Erscheinungen behinderten Gallenabflusses in
den ersten Tagen der Erkrankung nicht sichtbar waren.
Sicherten diese klinischen Symptome bereits die Diagnose
Cholelithiasis, so war dies noch mehr der Fall, als im weiteren Ver¬
laufe der palpatorische Nachweis der Gallenblase mit grösster Be¬
stimmtheit gelang. Dieselbe war sicher durch die Bauchdecken als
rundlicher, kleinapfelgrosser, mit der In- und Exspiration verschieblicher
Tumor durchzufühlen. Dieser Tumor trat dem Gefühle nach deutlich
unter dem Leberrande hervor und war seitlich verschieblich. Percu-
torisch bestand über demselben leichte Dämpfung. Die Geschwulst
fand sich in Nabelhöhe in der Verlängerung der Parastemallinie und
war auf Druck sehr empfindlich.
Das Allgemeinbefinden des Patienten war sehr schlecht, der
Appetit lag fast gänzlich darnieder, Stuhl war längere Zeit diarrhoisch.
Ueber den abhängigen Partieen beider Lungen kleinblasiges,
feuchtes Rasseln.
Die Temperatur schwankte zwischen 38,0 und 39,0. Puls
wechselnd in seiner Frequenz und Grösse. Athmung massig be¬
schleunigt.
Anfangs August traten wiederholte Schüttelfröste mit Tem¬
peraturen bis zu 41° auf und unter heftiger Dyspnoe bei ober¬
flächlichster Athmung zeigte sich das Bild einer rechtsseitigen Pleu¬
ritis. Der dabei bestehende schmerzhafte Husten fördert wenig
schleimiges Sputum zu Tage.
Handbreite Dämpfung in den seitlichen und hinteren rechten
Thoraxpartien bestimmten mich neben den hohen Temperaturen
zu einer am 10. August vorgenotnmenen Probepunction. Das er¬
wartete eitrige Exsudat wurde bei derselben jedoch nicht gefunden
und später verweigerte der Patient eine Wiederholung der Punction.
Mit Auftreten der Pleuritis und der rechtsseitigen Dämpfung
begann die Leber abzuschwellen und die Gallenblase war nicht
mehr durch die Bauchdecken hindurch zu fühlen. Ebenso schwand
allmählich der Schmerz bei Druck in der Lebergegend.
Im Laufe des Monats September verändert« sich das Krank¬
heitsbild insofern, als der Husten nunmehr grosse Mengen stinkenden
Auswurfs zu Tage förderte, der anfangs rein eiterig, im Laufe der
nächsten Tage aber zu wiederholten Malen ockergelb gefärbt und
dann von auffallend dünnflüssiger Consistenz war. Die Angabe des
Patienten, dass der Auswurf «gallenbitter» schmecke, bestätigte meine
Vermuthung, dass im Anschluss an eine Thorax-Gallenfistel Durch¬
bruch in einen grossen Bronchus stattgefunden habe
Auch jetzt wollte Patient von einer Operation nichts wissen
und es waren desshalb die Aussichten auf einen günstigen Verlauf
des Leidens äusserst geringe.
An einen Transport nach einem grösseren Krankenhause konnte
selbstredend nicht gedacht werden.
In mehr oder weniger grossen Zwischenräumen wiederholte
sich diese Gallenbeimischung zum Auswurf und jedesmal war die¬
selbe von einem Nachlass des immer noch bestehenden Ikterus und
von ausgesprochener Thonfarbe des Stuhles begleitet. Der Urin
zeigte alsdann keine Gallenfarbstoff-Reaction.
In meinem am 18. October 1895 an die Altersversicherungs-
anstalt Hannover abgegebenen Gutachten sprach ich die Vermuthung
aus, dass es sich um einen Abscess, herbeigeführt durch Durchbruch
eines Gallensteines durch das Zwerchfell handle.
2 *
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Münchener memcinisohe wocHESgCHRgr.
No. 24.
568 _
Am 27. December fand die».>
durch, dass Patient, einen etwa erbe 8 Oberfläche aushustete,
lieber Form, bräunlicher Farbe und g Aushustung dieses
Patient gab an, in den letzten vorhcr nie ge .
Steines unter dem > n ■ der That ergab eine sofort
spürten Druck gefühlt zu haue . it7en links e i ne mässige
mmpSg,'die Vo“S E b-.« n Jen hatte „nd bald darauf »Jeder
""TL Zeit trat ISi’ÄS'ita
des Patieeten eia D “ y c *t vlrilesa Ende Januar sum ersten Male
ÜfStÄSSfi* -eit einigen Wochen kleiner.
11?e„fS.lSnd de™“ »geiinten iS der theilweisen Ueber-
'‘‘‘ÄTU link, binübergezdgen. Sp i~
lässt Sich in der Parasternalhme im V I. C. R. fühlen,
dämpfnag ‘berscbreiW den Ster,i.lrand ^ , ne
die behergnptnng b.g^nt .„oberen Hinteren
schaffenheit Entleerung oft den Charakter der sogen.
maUl Nacl^SSi t0 Tagen lässt der Husten unter gleichzeitigem Ab¬
fall der Temperatur nach und nun hört man an einer, in der Höhe
der v —VI Rippe in der mittleren Axillarlmie ge *‘8 e " 1
schriebener.; etwa thalergrossen Stelle lautes Bronchialnthmen mit
exquisit amphorischem Beiklang.
E s handelt sich also um einen im Anschluss an den I uro i-
ganir des Gallensteines aufgetretenen Schrumpf ungsproccss m der
rechten Lunge, bei dem es secundiir zur Bildung einer vielleicht
bronchiectatischen Caverne gekommen ist.
Auf Grund dieses Befundes sind die Aussichten aut völlige
Wiederherstellung allerdings bei dem ziemlich hohen Alter des 1 a-
tienten geringe, höchst wahrscheinlich werden secundäre l rocessc,
als foetide Bronchitis resp. Lungengrangräne oder Sehwachc/ustände
des Herzens das schliesslielie letale Ende herbeiführen, aber der
Durchgang des Gallensteines durch Zwerchfell und Lunge wirkte
an sich nicht tödtlich. ,
Um kurz zu resumiren, denke ich mir m meinem 1‘alle den
Hergang so, dass an ein Empyem der Gallenblase, herbeige fuhrt
durch Einklemmung eines Gallensteines im Ductus cysticus eine
Verleihung des Fundus derselben mit der unteren Zwerehielltlache
und Perforation in den rechten Pleuraraum stattgefunden hat.
Daran anschliessend eitrige Pleuritis, Durchbruch in die Lunge
und Lungenabsccss, in dessen Gefolge die angesammelten Liter-
und Galleumongcn nebst dem Gallensteine in einen grosseren
Luftröhrenast gelangten und nunmehr durch llustenstüsse entleert
wurden. . .
Aber auch der Ductus clioledoelius muss wenigstens zeit¬
weise verlegt gewesen sein; denn mit Auftreten des gallig ge¬
färbten Sputums nahm der Stuhl sofort eine ausgesprochene Thon¬
farbe au, der Ikterus schwand, während keine Gallenfarbstoff-
reactiou des Urins eintrat. Mithin wurde sämmtlieho Galle mit
dem Auswurf entleert.
Besonders hervorheben möchte ich, dass der Patient anfäng¬
lich den grössten Schmerz mit voller Bestimmtheit in die rechte
untere Bauchgegend verlegte, wodurch die Angabe Riedel’s
von der öfters beobachteten Verlagerung des Schmerzes nach
unten auch in diesem Falle eine weitere Bestätigung findet.
jrm - --
BeiträqezurAethiologie und Klinik der Zuckerkrankheit.
Von Dr. Korl Grube in Neuenahr.
(Schluss)
2 Ueber Zuckerausscheidung bei Lebercirrhose.
' , Der 4tjjährige Kranke, Branntweinreisender
B e o b a c h t u n g V De .I... g vor 3 Monaten ohne Schmerzen
und sehr starker Raucher, ist g Eine directe Ursache ist
mit ziemlich starkem I _ , ance v>lich stets gesund. Lues wird
Ä-W. et... Bl»t
im Auswurf sein ; ziemlichen Panniculus
sSHrar “ d d “
k°;?‘SÄ »»mal, Puls beschleunigt, leicht unregel-
”“ 8i DFrerSmptmF ** “ie
twfj&Ä ÄL, von fester Consistent, her Band stumpf
El.SFtee.neht, da. in Spuren
;:s^ää-
wieder zu nur Die an diesem Traubenzucker im Harn,
ergab das Vorhandensein von • o 5 Proc Zucker und
Bei entsprechender Diät fand steh am Mucker 1 und Spuren Eiweiss.
0,02 Proc. Eiweiss, am /^^i 'h dereefbe Der Zucker ver-
angebracht hielt, auf geringen Mengen
Intermittirc.de Zu ck e ra u b scheid ung bei Leber-
cirrhosc.
“„irÄÄrrÄas
NaCh In' letzter Zeit häufig Herzklopfen, besonders Morgens beim
Aufstdiem nd Mässig Re nährter Herr; Lungen normal; Ben-
Ä ÄKIS SÄ resistent.
Die Milz deutlich zu pereutiren, nicht fühlbar. p 0 i ar i 8 ations-
Dcr llarn gibt mit Nylander Schwarzfärbung. der Polans
apparat zeigt Spuren Zucker an. Specifiscl.es Gewicht 1021. Kein
ElWe 'iTei dem Gesammtzustaud entsprechender, S eml8C f, r
findet sich am folgenden und an den nächsten 4 Tagen kein k ,
dagegen ist derselbe wieder m Spuren am 5 Tage vortenden
Diät war dabei andauernd dieselbe. De 3 ^Xrekennen mid
nominelle Untersuchung lässt wieder keinen Zucker eikc^
ebensowenig die nach Ablauf von 3 Wochen gemachte jj;
Das Resultat der Cur war Hebung des AlLememu ,
besonders der Verdauung. Der Leberbefund blieb unverände .
Das gleichzeitige Vorkommen von Lebercirrhose — ich »enm
wenigstens keinen Anstand, in den beiden angeführten Fällen un
solche zu diagnosticiren — und Zuckerausscheidung ist un
gleich zu der Häufigkeit der beiden Krankheiten recht selten
In den beiden mitgctheiltcn Fällen war anscheinend die Le
erkrankung das Primäre, wenn sich dies Verhältnis auci. mc
mit Sicherh.it foststellcn lässt. Di. stark. Z.A«M »Auto«
der ersten Beobachtung ist wohl auf den reichlichen Milchg
zurückzuführen. ., linl i
Ueber den Zusammenhang zwischen Zuckerausscheidung
Lcberlcidcn ist nichts Sicheres bekannt; was darüber vorgebracht w.ra,
beruht auf Vermutliung. Die Behauptung Glenard s, ) a
8 ) Des resultats objectifs de l'exploration du foie
Diabötiques. Lyon mdd. No. 16 u. ff. 1890. Referat
Hirsch Jahresber. 1390. II. 8.345.
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16. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
569
einen Alkohol-Diabetes gebe, der als Folge der durch die Alkohol¬
wirkung hervorgerufenen Leberentzündung anzusehen sei, schwebt
vollkommen in der Luft.
Die letzten Fälle von Zuckerausscheidung bei Lebercirrhose
hat, soviel ich sehe, Palma beschrieben. 0 ) Ein Fall von inter-
mittirender Zuckerausscheidung bei Lebercirrhose ist meines Wissens
noch nicht beschrieben worden.
Colasanti, der an Patienten mit Lebercirrhoso Versuche
über die Assimilation der Kohlenhydrate anstellte, 1 °) fand die
Assimilationsgrenzc bei diesem Leiden nicht niedriger als beim
Gesunden. Dasselbe Ergebniss hatten die Untersuchungen von
Bloch. 1 ') Ich selbst habe im Anschluss an die erste Beobachtung
in zwei Fällen von zweifelloser Cirrhose und in einem Falle von
Leberkrebs reichlich Kohlenhydrate nehmen lassen und keine Zucker¬
ausscheidung gefunden.
3. Ueber den Einfluss von öemüthserregungen
auf die Zuckerausscheidung.
Dieser Einfluss wird verschiedentlich geleugnet. Da Fälle, in
denen er beweisend zur Beobachtung kommt, nicht gerade häufig
sind, hat der folgende Fall Interesse.
Beobachtung VIL 47 jähriger Herr, der seit 2 Jahren
Zucker im Harn ausscheidet. Damals brachten das Auftreten neu¬
ralgischer Schmerzen und allgemeine Mattigkeit auf den Nachweis
des Zuckers.
Ein Onkel und der Grossvater mütterlicherseits sollen Diabe¬
tiker gewesen sein. Die Eltern sind gesund. Patient ist sehr
nervös und schon längere Zeit wegen neurasthenischer Erscheinungen
behandelt worden. Die inneren Organe liessen nichts Krankhaftes
erkennen.
Der Harn enthält 0,3 Proc. Zucker. Strenge Diät, welche genau
befolgt wird.
Am 2. Tage nach der Untersuchung enthält der Harn trotz
dieser Diät 1,6 Proc. Zucker. Patient war in der vorhergehenden
Nacht durch den Einsturz eines Theiles der Decke in seinem Schlaf¬
zimmer sehr erschreckt worden. Da er selbst eine Zunahme des
Zuckers daraufhin befürchtete, kam er gleich zu mir. Es stellte
sich dann auch die Richtigkeit dieser Vermuthung heraus. Der
weitere Verlauf bot nichts Besonderes.
4. Ueber latenten, durch Vererbung übertragbaren
Diabetes.
Ich habe in einer Arbeit über ,< die Aetiologie des sogen.
Diabetes mellitus» den mir von einem befreundeten, englischen
Arzte mitgetheilten Fall erwähnt, dass ein Mann diabetisch er¬
krankte mehrere Jahre, nachdem er eine Tochter an demselben
Leiden verloren hatte, und ich habe auf Grund dieses und einiger
ähnlicher, von mir beobachteter Fälle die Möglichkeit besprochen,
dass der Diabetes schon in Vater oder Mutter latent und auf die
Kinder vererbbar sein könnte, ohne dass er aber schon selbst
Erscheinungen mache. Merkwürdigerweise habe ich im Mai 1895
einen dem mitgetheilten ganz analogen Fall selbst zu beobachten
Gelegenheit gehabt.
Beobachtung VIII. Herr R. aus B., 47 Jahre alt, scheidet
seit April 1894 Zucker itn Harn aus. Damals traten Abmagerung
und Durst auf. Es fanden sich 3 Proc. Zucker. Der Kranke nahm
in kurzer Zeit sehr ab, von 198 Pfund ging er auf 169 2 /& Pfund
zurück. Big zum April 1894 war er vollkommen gesund gewesen.
Auch war früher schon bei ihm auf Zucker untersucht worden,
ohne dass aber solcher nachgewiesen werden konnte. Diese früheren
Untersuchungen waren vorgenomrnen worden, weil der Kranke 1889
ein 2jährige8 Töchterchen und im Jahre 1891 einen 13 jährigen
Sohn an Zuckerkrankheit verloren hatte.
Der Vater des Patienten ist angeblich an schwerer Furunkulosis
geßtorben. Sonstige Erkrankungen von Zuckerkrankheit sind in der
Familie nicht vorgekomraen. Die Frau ist ziemlich nervös, sonst
aber gesund. Patient selbst ist ein nervöses Individuum, leidet
häufig an Urticaria, Schwindel und «Zucken» im Kopf, sowie an
Paraesthesieen in den Extremitäten, Wadenkrämpfen und Ischias.
Diese Erscheinungen sind nach seiner Angabe erst in den beiden
letzten Jahren aufgetreten.
Man könnte daran denken, dass die Zuckerkrankheit erst in
Folge der Aufregung und Sorge um den Tod der beiden einzigen
*) Zwei Fälle von Diabetes und Lebercirrhose. Berliner klin.
Wocbenschr. 1893. No 34.
,0 ) Ueber die Glykosurie, die von der Nahrang abhängen soll
Mole sch ott’s Untersuchungen. XV. I. S. 12. 1893.
ll ) Ueber alimentäre Glykosurie. Zeitschrift für klin. Medicin.
XXH. 4 u. 5.
No. 24
Kinder aufgetreten sei, doch wäre es dann merkwürdig, dass das
nicht sofort, als die seelische Erregung am stärksten war, sondern
erst 3 Jahre später geschehen wäre.
5. Ueber Gicht und Diabetes.
Der häufige Zusammenhang zwischen den beiden Krankheiten
ist eine Thatsache, die allgemein zugegeben wird, ohne dass jedoch
bis jetzt eine Einsicht in den inneren Zusammenhang auch nur
andeutungsweise bestände.
In weitaus der Mehrzahl der Fälle ist die Gicht das primäre,
der Diabetes das secundäre, mag es sich nun um Gicht und
Diabetes bei demselben Individuum oder um Gicht bei den As-
ccndenten und Diabetes bei den Nachkommen handeln.
Prognostisch halte ich den Diabetes bei Personen, die vorher
Erscheinungen von Gicht dargeboten haben oder dieselben gleich¬
zeitig darbieten, für im Allgemeinen gutartig, während der Diabetes
bei den Nachkommen gichtiger Eltern häufiger die schwere Form
annimmt und bereits frühzeitig auftritt. Unter 22 Fällen von
Gicht und Diabetes bei demselben Individuum war kein einziger
von schwerem Diabetes, dagegen unter 31 Fällen von Diabetes
mit Gicht bei den Eltern 8 schwere.
Es scheint mir ferner, als ob die Personen, bei denen die
beiden Krankheiten combinirt Vorkommen, mehr zu nervösen Er¬
scheinungen, spcciell Ischias und Neuritis neigten als die gewöhn¬
lichen Diabetiker, wenigstens sind bei den angeführten 22 Fällen
Neuritis und Ischias im Verhältnis viel häufiger wie bei den
übrigen von mir beobachteten Diabeteskranken.
Was die Häufigkeit des von der Gicht beeinflussten oder
abhängigen Diabetes betrifft, so fanden Griesinger nicht ganz
1 Proc., Seegen 9,3 Proc., Schmitz 7,5 Proc., Ord 36,3 Proc. 13 ),
ich selbst 21,4 Proc.
6. Angina pectoris und Diabetes mellitus.
Diese beiden Zustände sind verschiedentlich neben einander
beobachtet worden. In letzter Zeit hat Ebstein zwei weitere
Fälle veröffentlicht. 14 ) Sic sind nicht gerade häufig; desshalb mag die
Mittheilung zweier von mir gemachter Beobachtungen gestattet sein.
Beobachtung IX. 62jähriger Herr; in Java geboren, bat er
die Hauptzeit seines Lebens in den Tropen zugebracht. Er hat
weder an Malaria noch an gelbem Fieber gelitten, auch Syphilis
wird in Abrede gestellt. Keine Gicht, auch in der Familie nicht.
Patient ist sehr starker Raucher, täglich 12 — 15 «Aechte» schon seit
langer Zeit. Seit Herbst 94 leidet er an Anfällen, die in Schmerzen
bestehen, welche von der Herzgegend ausgehen, sich rings um den
Thorax, in den linken Arm und nach oben bis zur linken Seite des
Unterkiefers erstrecken. Dabei besteht ein heftiges Oppressions-
und Angstgefühl. Die Anfälle sollen Anfangs etwa */ 4 Stunde ge¬
dauert haben, jetzt halten sie 1—l‘/a Stunden an. Sie stellen sich
besonders Morgens gleich nach dem Aufstehen ein, sind aber auch
tagsüber nicht selten vorhanden.
Im Jahre 1886 machte Patient eine starke phlegmonöse Ent¬
zündung am rechten Bein durch. Diese führte zur Untersuchung
des Harns, der auch stark zuckerhaltig gefunden wurde. Seitdem
hat die Zuckerausscheidung nie mehr ganz aufgehört; sie lässt sich
aber bei massigem Gennss von Kohlehydraten leicht unter 1 Proc.
halten.
Befund: Aelterer, gutgenährter Herr, mit ausgesprochenen
Venektasien am Oberkörper und an den unteren Extremitäten.
Herz; Dämpfung nach rechte normal, links circa l 1 /* cm über
die Mamillarlinie ragend. Die Herztöne sind dumpf, der zweite Ton
mehr accentuirt, keine Geräusche. Der Herzstoss ist kaum zu fühlen.
Der Puls ist leicht unregelmässig, zwischen 80 und 90, gespannt.
Temporalarterie stark geschlängelt und hart, desgleichen die Arteria
cubitalis. Arcus corneae senilis.
Die Lungen sind gesund.
An beiden Unterschenkeln ein von den Knöcheln bis zur Mitte
der Wade reichendes Oedem.
Patellarreflexe beiderseits erloschen.
Ich habe mehrere Anfälle beobachtet; dieselben entsprachen den¬
jenigen der ächten Angina pectoris.
In den Zwischenzeiten war das Befinden ziemlich gut. Der
Zucker war auch durch strenge Diät nicht wegzubringen; allerdings
glaube ich nicht, dass der Kranke dieselbe genau befolgte, wie er
sich auch in Bezug auf das Rauchen keine Einschränkung auferlegen
wollte.
ta ) Zeitschrift für klinische Medicin. XXVH. 1895.
13 ) Sir Dyce Duck worth «Die Gicht», deutsch von Di pp e 8.124.
M ) »Angina pectoris neben Arthritis uratica und Diabetes mel¬
litus.» Berlin, klin. Wochenscbr. 1895, No. 23, Separatabdruck.
3
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müncheneb MEPICWISCHE WOOMNSOmg^
No. 24.
„et, ;
Steht seit 6 Jahren. Ich habe die Kranke zuerst e sehen. d .
zusammen mit dem veret %^ p f “^‘geiten des Herzens: Zeit- *
Damals bestanden geringe Stör “°f®” L it der Herztbätigkeit. Die d
»eilige, He^lople» die* Mamillar- »
Töne waren rem, die uampiung ^ bestanden geringe
linie reichend, Puls zwischen 8 . en und „^chen Gehen.
dyspnoeische Erscheinungen be 1?P ^ Herzgegend und linken 3
■ SÄST 1 fijg*;«■£SASSE iSSS/SS. ;
i
der linken Seite haben zugenom . Sie»t> un d atrah i en
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IST ÄnÄ n Ä 'un'd Sef dTrl ist unregelmässig
klein A S n dem Knöchel meist etwas oedematöse Schwelg Die
SSHSHSS
:|sss;ssi£
Aufenthaltes nur insoweit, dass die dyspnoeischen Erscheinungen
etwS aSnaSmen und die Anfälle von Angina etwas weniger häufig
wurden e r liat auf Grund von 4 Beobachtungen eine be¬
sondere Angina pectoris diabetica aufgestellt, die er auf gleiche |
Stufe stellt mit den nervösen Symptomen, speciell den Ncuralgmcn
der Diabetiker. Neben dieser gutartigen Pseudoangina kommt
aber nach Huchard, 16 ) Vergely' 7 ) und Ebstein ) noch
häufiger eine wahre Angina pectoris vor, welche Huchard aut
eine Sklerose der Kranzarterien bezieht.
Die beiden mitgctheiltcn Fälle gehören zweifellos nicht zu
der neuralgischen Form; überhaupt scheint es zweifelhaft, ob sie
zu dem Diabetes direct in Beziehung stehen.
Was zunächst die erste Beobachtung (Fall IX) angeht, so
haben sich die Anfälle zwar erst im Verlauf des Diabetes einge¬
stellt, aber trotzdem möchte ich sic nicht als Folge desselben
auffassen. Dagegen kann man zweifelhaft sein, ob man sie als
eine durch das übermässige Tabakrauchen hervorgerufene Neurose
oder als eine ächte Angina, hervorgerufen durch Arteriosklerose
anseheil soll. Auftreten von Angina pectoris nach übermässigem
Tabakrauchen ist von Beau, Eulen bürg u. A. beschrieben
worden. , . ,
• M «n selten als man aus dem Schweigen darüber annehmen
Vch lX «tae gante Beil» ™„ *«>“’ W
££ «* gans tune Zeit «.* -
Wneben dagegen ausgesprochene Arteriosklerose bestand,
SfuÄ ZSTmtJZb* »ein tonn«. Es tad*
S dabei meist um schon ältere Individuen, an^mzeben Fällen
, v snbnn in Folge der Artenosklerose leichtere Schlag-
■*
Jahrl Au™ to h X° d 2. Beobachtung (Fall X) kann man die Angina
. • ,• dem Diabetes in Verbindung bringen.
r^”dLÄratt^..n t e desDinbetn. ent»ick.,t
hat so ist man vielleicht berechtigt, sie auf einen durch die
Constitutionsanomalie bedingten Zustand von «Herzschwäche» )
zurückzuführen.
woracn. ,
Zieht man aber die ausgesprochenen Erscheinungen der
Arteriosklerose und die bestehende Lcistungsinsufficienz des linken
Herzens (Oedeme) in Betracht, so scheint die Möglichkeit nicht aus¬
geschlossen, dass es sich um eine ächte Angina pectoris handelt.
Ich möchte dann, bei dem Fehlen einer jeden anderen mög¬
lichen Ursache für den Diabetes, diesen und die Angina nicht
als von einander abhängig, sondern als durch dieselbe Ursache,
nämlich die Arteriosklerose bedingt, ansehen.
Ich habe bereits früher auf die Häufigkeit der Arteriosklerose
beim Diabetes mell, aufmerksam gemacht. ,9 )
In den meisten Lehrbüchern und Arbeiten über Diabetes,
wird die Erscheinung des häufigen Vorkommens der Arteriosklerose
bei Diabetikern von dem Standpunkte aus betrachtet, dass man
die arterielle Erkrankung als Folge der Ernährungsstörung an sieht,
jene also ein Symptom oder eine Complication dieser sei. Ueber |
die ätiologische Bedeutung der ersteren für die Ernährungsstörung
findet sich nur wenig. Und doch halte ich dieses Verhältniss für
u>) De l'angine de poitrine dans ses rapports avec le Diabfcte.
Gazette hebdom. de mödec. et chir. 1893 No. 22.
’6) Traitd chinique de maladies du Coeur et des vaisseaux. Paris
1893 cit. bei Ebstein loc. cit.
17 ) Congres framjais de mdd. interne 1894. — Beiname medicale
1894. — cit bei Ebstein.
18 ) loc. cit.
>») Zeitschr. für kljn. Medicin XXVII. 4 und 5.
Aus dem pathologischen Institut, zu München.
Ueber die Prognose der ExtrauteringravidfBt und
die Bedeutung des Sectionsmaterials für dieselbe.
Von Dr. F. Chotzen.
(Schluss.)
Ueber die Häufigkeit der einzelnen Au8giing *
kann man kaum eine auch nur ungefähre Schätzung machen weil
ja der natürliche Verlauf bei den bekannt gewordenen F^en
zumeist durch die Operation unterbrochen wurde, und die üb g
überhaupt nicht zu schätzen sind. Dass ebensoviel in den rnten
Monaten ausheilen, wie gekannt werden, ist, wie w oben gesehen
haben, sehr wahrscheinlich, lässt sich aber nicht beweiaem W.
viele rupturiren, wie viele nicht, darüber kann die Statisch auch
keine Auskunft geben, da ja die nicht ruptunrten_ später *£
immer hätten zur Ruptur kommen können, wenn sie nicht cor
her exstirpirt worden wären. Die Zahlen werden aueli « ver¬
schiedenen Zusammenstellungen verschieden sein. Nach v. Sehren
sind von 333 Fällen 82,5 Proc. rupturirt, von unseren 123 32,5 •
Nicht einmal darin sind die Zahlen beweisend, wie oft m den
beobachteten Fällen nach Ruptur Hämatocele und wie oft frue
Blutung eintritt, da man häufig nicht abwartete
Bluterguss absacken will oder nicht. Nach v. Sch renk waren
unter 270 Rupturen 79 Hämatocelen und 150 innere Blutung •
Von 45 rupturirten Fällen unserer Zusammenstellung fanden m
18 mal Hämatocele, 12 mal freie Blutung angegeben, ausserdem 9,
in denen keine Angaben Uber die Art der Blutung gemacht waren,
jedenfalls, weil der Ausgang nicht abgewartet wurde. .Wenn wir
nun diese 9 unbestimmten Blutungen mit zu den 12 eien
und diesen 21 Fällen 18 Hämatocelen, 26 secundärc Schwanger¬
schaften und dann noch 6 Lithopädien aus der glelchen Ze ’
gegenüberstellen, so haben diese Zahlen nur einen ^führen
Schätzungswerth, das Verhältniss, dass 21 ungünshgeu Ausg^
der Ruptur 50 günstige gegenüberstehen, ist ein zafaihge«.
sicherer hingegen können wir uns die relative ünge ^ r “ u J n .
Ruptur klar machen, wenn wir berechnen, wie oft die Extrauten
graviditäten erst als Haematocelen erschemen ; und da könne
1 zahlenmässig vorgeben. „„i:.,,
’ Wir benützen dazu die Berichte, welche c le
Charite jährlich über ihr sehr gleichmässiges Material
öffentlicht. ia7K _93
Wir stellen daraus zusammen von 18 Jahren, von lo/o
*’ die Extrauteringraviditäten, die Hämatocelen, in 3- u
e mcinsam andere Blutergüsse im Becken als Hämatema bgßmj*
n Hämatocele peri- und ante uterina, zuletzt die Zahl sämm 1
fc ’ dem Jahre behandelten Frauen, (in Klammern die TodesMuej.
‘r _ ~ UoVi Frauen
Hämatoc. Sonst. Blut.
J«br" E U Gr. Hämatoc. Sonst Blut.
76 2 (1 ) 16 ‘ 616 q ( 456)
7 § 2 (2) o /i\ _ 8147 (556)
ll “ iq 1 _ 8079 (600)
79 1 Lithopäd. 14 * — glJJ >74?)
80 2 (1) 6 (!) _2 9281 (649)
82 - 6 - 9734 ( 718)
a») Fränkel, «Angina pectoriB» inEulenburg's Encyclopaedie.
3. Auf!, Bd. I, 8. 601.
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16. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
571
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Hämatoc.
Sonst. Blut.
Beb. Frauen
83
5
4
4
9423 (841)
84
2
14
2
9292 (803)
85
3(1)
18
6
9771 (766)
86
—
6
6
9712 (762)
87/8
8
18
—
12598 (1010)
88/9
12 (2)
10
8
11296 (848)
89/90
10 (6)
11
7
12228 (866)
90/91
9(1)
7
9
11700 (769)
91/92
15 (t)
15
—
11473 (916)
92/93
9(2)
8
1
12593 (949)
Wir sehen liier vor allem die starke Vermehrung der eeto-
pischen Schwangerschaft vom Jahre 1887 an. Wir wollen nun einmal
sehen, ob nicht die Hämatocelen in der gleichen Zeit abgenommen
haben, indem schon ein Theil zur ectopischen Schwangerschaft
gerechnet ist, und, da wir, wie oben dargelcgt, 80 Proc. dazu
zählen dürfen, wie viel noch daran fehlen. Dazu stellen wir das
Verhältnis für je 6 Jahre fest. Es kamen Hämatocelen auf
behandelte Frauen überhaupt:
1875—80 63 : 46281 = 0,136 Proc.
1881—86 62 : 57213 = 0,108 Proc.
1887—92/93 69:71888 = 0,096 Proc.
Der Durchschnitt der ersten beiden Perioden ist also 0,122 Proc.,
daher für die letztere eine Differenz von 0,026 Proc. Das von
71888 sind aber 18,69. Um so viel also sind in den letzten
6 Jahren Hämatocelen weniger, als nach früherer Diagnose gewesen
wären, das würden sein 87,69, davon sind 18,69—21,31 Proc.
Rechnen wir also, 21 Proc. der Hämatocelen sind schon zu den
Extrauteringraviditäten hinzu gekommen, wir dürfen also noch
59 Proc. == 52 (rund) dazunehmen. Nun gab es in den 6 Jahren
63 derselben, sie erhalten also einen Zuwachs von 82,54 Proc.
Zählen wir nun noch die anderen Blutgeschwülste und Tuben-
häinatome hinzu, für die ja alle das nämliche, wie für die Hümato-
eelen gilt, so dürfte, wir wollen die Rechnung nicht erst aus¬
führen, die Annahme der Wahrheit ziemlich nahe kommen, dass
eben so viel Extrauteringravitäten sieh in diesen Ausgängen ver¬
bergen, als offenkundig werden. Wenn wir nun auch kein genaues
Bild von dem Verlauf haben können, so können wir nach dieser
Schätzung das eine sicher behaupten, dass die ungünstigen
Ausgänge dieser Erkrankungen, bei weitem die
selteneren sind und daher diePrognose lange nicht
so übel zu stellen ist, wie das bisher geschah, ln
Rücksicht dessen finden wir auch in der neuesten Auflage des
Sehr öd er’sehen Lehrbuches gerade die entgegengesetzte Ansicht
von den älteren Autoren vertreten — und doch wird die Exstir¬
pation unter allen Umständen empfohlen.
Hier drängt sich uns nun die Frage auf, kann denn die
Rücksicht darauf, dass viele Fälle spontan heilen, oder einen
günstigen Ausgang nehmen, unser therapeutisches Handeln in den
erkannten Fällen beeinflussen? Wenn gerade die schweren Fälle
es sind, die zur Kenntniss kommen, ist da nicht der Arzt um so
mehr berechtigt, ja verpflichtet, in jedem Falle die Möglichkeit
eines ungünstigen Ausgangs thunlichst abzuwenden? Muss der
Chirurg nicht gerade das Fehlen einer gütigen Uebersicht über
die Ausgänge als Anlass nehmen, jeden Fall zu operiren, da man
ja dem einzelnen Falle nicht anschcn könne, zu welchem Aus¬
gange er neigt und es doch sicher ist, dass man die unglücklichen
Ereignisse vermeidet dadurch, dass man die Entwickelung stets
unterbricht, in welchem Stadium man sie auch findet ? Man
würde sonst vielleicht die Patientin in einer ständigen Gefahr be¬
lassen, um schliesslich einen Ausgang der Erkrankung doch noch
operiren zu müssen; ausserdem ist es ja noch nicht nachgewiesen,
dass die Naturheiluug wirklich eine Restitutio ad integrum
ermöglicht, so dass also doch vielleicht eine für ihre Function
verstümmelte Tube zurückbleibt.
Nun ist es ja selbstverständlich, dass eine Reihe von Operationen
stets nöthig sein wird, schon um die Frauen vor einer langen
Krankheitsdauer oder Siechthum durch Naturheilungen zu bewahren,
die ja die Frau noch spät in Lebensgefahr bringen können und
Zerstörungen hinterlassen, die schlimmer sind, als die durch
Operation gesetzten. In anderen Fällen wird der künstliche Ein¬
griff die einzige Möglichkeit sein, das Leben zu retten. Dass
aber die Operation auf diese nothwendigen Fälle beschränkt bleibt,
diesen Anspruch muss man doch an eine wissenschaftliche Therapie
stellen. Wohin der heutige empirische Standpunkt führt, das
zeigt-, dass keine Einheitlichkeit in den Anschauungen bezüglich
der Therapie herrscht; die Einen wollen unbedingt jeden Fall
operirt haben, Anderen genügt die Tödtung des Foets und nur
Wenige verhalten sich noch exspectativer. Warum sollten wir
aber nicht auch bei dieser Erkrankung zu dem Ziele gelangen,
das wir für andere Krankheiten als selbstverständlich betrachten,
das nämlich, welches Veit 87 ) in folgenden Worten angedeutet
hat: «Meines Erachtens wird die Zahl der Fälle, welche exstirpirt
werden müssen, mit zunehmender Erfahrung abnehmen und wird
die Indicationsstellung ähnlich wie bei anderen Tubenerkrankungen
zum Theil vom objectiven Befund, zum Theil von denjenigen
V erhältnissen abliüngen, unter denen die Patientin lebt. > Die
heute bestehende Unsicherheit kann nur eine genaue Uebersicht
Uber die relative Häufigkeit der einzelnen Ausgänge beseitigen und
diese ist erst durch eine gute Beobachtung möglichst vieler un¬
beeinflusster Fälle zu erreichen. Da aber gerade das Fehlen einer
solchen Statistik 'das Abwarten bedenklich macht, so kann uns
vielleicht das Seetionsmaterial diese Stelle vertreten, und uns lehren,
dass die Wahrscheinlichkeit eines ungünstigen Ausganges in dem
einzelnen Falle sehr gering ist. Schon aus dem Krankenmatcrial
konnten wir ja seliliessen, dass die schlimmen Endigungen der
Krankheit selten sind. Wenn dem also so ist und man «den
Ausgang in Genesung fast für den regelmässigen halten» kann
(Schröder), so scheint uns doch danach schon ein abwartendes
Beginnen dort, wo eine genaue Beobachtung der Fälle möglich ist,
zum mindesten ebenso berechtigt, als das überflüssige Operiren so
vieler Fälle wegen eines nöthigen. Ob wir aber an Stelle dieser
wahrscheinlichen Schlüsse, die uns das künstlich behandelte
Kranken material ja nur gewähren kann, sichere Anhaltspunkte
aus dem Seetionsmaterial gewinnen können, das soll uns ein näheres
Eiugehen auf dasselbe nun zeigen.
Im Ganzen wurden im Münchener pathologischen Institut
von 1854—1894 secirt 17,659 Erwachsene, darunter 7311 Frauen.
Diese Sectionen vertheilen sich auf die 4 Jahrzehnte wie folgt:
1854—1864 = 1398 Frauen
1864—1874 = 1495
1874—1884 — 2055 „
1884—1894 = 2363
Unter diesen Sectionen finden sich 6, welche Extrauterin¬
gravidität ergaben, nämlich:
No.
ft
ft
ft
1 und 2 im Jahre
1870 (Scctions-Journal
1872 ( „
1883 ( „
1885 (
1887 ( „
No. 61 u. 222)
„ 316)
„ 160 )
„ 420)
„ 267)
Ausserdem wurde uns ein 7. Fall aus dem Jahre 1869 be¬
kannt, der jedenfalls gerichtlich secirt wurde, t^die Frau ist vor
ihrer Erkrankung von ihrem Manne misshandelt worden). Da
wir über das sonstige gerichtliche Material keine Kenntniss haben,
so müssen wir diesen Fall bei unseren Berechnungen ausser Acht
lassen. Wir haben also auf 7311 Sectionen weib¬
licher erwachsener Leichen 6 von ektopischer
Schwangerschaft, das ist 1:1218,5. In derselben Zeit
wurden 2 Lithopaedien beobachtet.
Für sich genommen liesse sich aus diesem Material, wie von
vornherein anzunehmen ist, wenig schliessen. Es sind das eben
die ungünstig verlaufenen Erkrankungen, aus deren geringer Zahl
man eben nur entnehmen kann, dass Todesfälle daran selten sind.
Auch für die Frage der Therapie ergäbe sich daraus nichts; ja
auch dann nicht, wenn etwa alle behandelt oder alle nicht be¬
handelt worden wären. Denn das bewiese weder für noch gegen
eine Therapie, da ja gerade diese Fälle aus irgend einem Grunde
zu einem letalen Ende hätten geneigt haben können, und ihnen
eine unbekannte Anzahl geheilter aber ebenso behandelter gegen¬
überstehen könnte. Es wai aber die Therapie keine gleiche.
Ueber No. 1 ist leider nichts zu erfahren gewesen, 2 und 3,
auch 7 wurden nicht behandelt; 4, 5 und 6 genossen verschiedene
Behandlungsweisen.
* 7 ) Centralbl. für Gynäk. 1893, S. 587.
8*
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572 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT._No. 24.
Nun konnte inan daran denken, aus dem Unterschied
zwischen dem Sectionsmaterial der letzten und der früheren
.Jahrzehnte Schlüsse auf die Wirksamkeit der chirurgischen Be¬
handlungsart zu ziehen. Wir sahen ja in der Mitte der 80er
Jahre eine plötzliche Zunahme der Krkrankuugsfällc eintreten
und wissen auch, dass von da ab in der Therapie ein aetivercs
Vorgehen Platz griff. Die Häufung der Fälle, d. i. zum Theil
die verbesserte Diagnose und die andersartige Behandlung geben
nun 2 Merkmale ab, die das Material als ungleichwerthig er¬
scheinen lassen und eine verschiedene Beurtheilung der beiden
Theile fordern, so dass uns das Verhältnis der Todesfälle im
letzten Jahrzehnt und dem der früheren die gewünschte Uebersicht
geben könnte. Nun liegt aber im Material selbst der Grund,
wesshalb solche Schlüsse uuzulüssig sind. Da nämlich die Ruptur
der Fruchtsäcke in den ersten Monaten ohne Vorboten einzutreten
pflegt, welche die Frauen zum Arzt treiben, und nach der
Ruptur der Zustand der Patientin gewöhnlich einen Transport
absolut verbietet, so werden diese Erkrankungen nur sehr selten
in den Anstalten zur Beobachtung kommen, woher doch das
Sectionsmaterial stammt. Darum ist dieses also zu unvollkommen,
um in der angegebenen Weise benützt zu werden und dement¬
sprechend sind unsere Zahlen auch so kleine, dass sich Schlüsse
aus ihnen eigentlich von selbst verbieten. Von unseren 6 Fällen
sind die beiden letzten diagnosticirte und behandelte, deren un¬
glücklicher Ausgang Complicationen zuzuschreiben ist, es blieben
also nur zu berücksichtigen die ersten 4, und dass 4 Fälle von
den Erkrankungen voller 30 Jahre eben nur einen verschwindenden
Rruchtheil darstellcn, ist bei der Häufigkeit der eetopischen Gra¬
vidität gewiss.
Interessant ist, dass auch in unseren wenigen Fällen sich
die oben dargelegten allgemeinen Verhältnisse, was Diagnose und
Therapie anlangt, wiederspiegeln. Von den Fällen vor 1884 ist
beim 2. die Diagnose vielleicht vermuthet worden, der 3- und 7-
wurden nicht erkannt, und alle 3 blieben ohne entsprechende Be¬
handlung. Fall 1, über den nichts mehr zu erfahren war, wird
sich wohl denen aus der gleichen Zeit in beiden Beziehungen
anschlicssen. No. 4 ist wohl diagnosticirt. aber nur symptomatisch
behandelt worden. Die Fälle nach 1884 aber, No. 5 und 0,
kamen zur Diagnose und zur entsprechenden Therapie.
Unsere Seetionsfälle waren sainmtlich tubare und stammten
dem Alter nach aus den ersten 4 Monaten; ältere und seeundäre
Formen sind keine vorgekommen. Da diese mit dem allgemeinen
oj>erativen Material der Anstalten gleichen Schritt gehalten haben
müssen, so ist ihr Fehlen wohl damit zu erklären, dass erstens
diese Fälle überhaupt seltener sind, und dann können in den letzten
Jahren vorgekommene leicht durch Operation geheilt sein, während
früher bei der Seltenheit so eingreifender Operationen die Frauen
mit diesen Leiden auch nur ausnahmsweise in die Anstalten ge¬
kommen sein werden. Jedenfalls gibt uns das gänzliche Ausbleiben
dieser Formen in unseren Zahlen allein keine Berechtigung, auf
eine günstige Prognose derselben zu schliessen.
Was die Todesursache in unseren Fällen betrifft, so war sie
bei 1, 2 und 4 Verblutung, bei 3 war im Scctionsjournal keine
Angabe, aus dem Krankenbericht war aber zu entnehmen, dass
der Tod an Peritonitis eingetreten ist. Die letzten beiden Fälle 28 )
waren auch mit Peritonitis complicirt, beim erster»*« entstand Per¬
foration in den Darm und Pyämie, beim zweiten trat nach Ruptur
(,'ollaps ein.
Die Lithopädien mit den Sectionsfüllen in Beziehung zu
bringen, geht wohl nicht an, weil sie in dem Einlaufsjournal ver¬
zeichnet. waren, also einem ganz anderen Material angehören.
Wir sehen also, dass das Ergebniss ein rein
negatives ist, das Sectionsmaterial lässt uns im
Stich. Es ist des sh alb auf diesem Wege dieser
Frage nicht näher zu kommen als auf dem der kli¬
nischen Beobachtung. Um nun auf diese wieder zurück¬
zukommen, so haben wir hier eonservativo Heilverfahren zu be¬
sprechen, deren Erfolge eigentlich besser als alle Auseinandersetzungen
für unseren Standpunkt sprechen, d. i. die Elektricität und die
Morphiuminjection in den Fruchtsack. Wenn hierbei allein die
aa ) s. Lorenz 1. c.
Tödtung des Foets so zahlreiche Heilungen zur Folge hatte, «>
zeigt das doch schon, dass die Naturheilung in der That die Regel
ist, da ja in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle das Ei in
den ersten Monaten von selbst abstirbt. In diesen Injectionen
halxui wir alter für alle die Fälle, in denen eine lebende Frucht
mit Sicherheit nachzuweisen ist, durch deren Wachstum der
Patientin Gefahr droht, wo also eing«*griffen werden muss, ein
Verfahren, das nach den Beobachtungen v. Winckel’s vollkommen
das leistet, was von ihm gefordert werden kann. Neben seiner
sicheren Wirkung, ist seine Unschädlichkeit zweiffellos, wenn die
In jection, wie v. Winckel fordert, von den Bauchdecken aus
gemacht wird, während das bei Vornahme von der Scheide ans,
wegen der geringeren Sicherheit, sie aseptisch zu machen, immer¬
hin zweifelhaft ist. Wo aber der Tod des Foets von selbst schon
eingetreten ist, da thut man am besten, den Vorgang ganz sich
selbst zu überlassen, da hier ein Eingriff eher scliaden als nützen
kann, wofür wir die Worte Veit’s 29 ) als Zeuguiss anführen:
«Auch mir ist die Erfahrung nicht erspart geblieben, dass in
Folge eines von anderer Seite gcinchten Eingriffs in der Rück¬
bildung begriffene Tubenschwangerschaften erst recht bedrohliche
Erscheinungen machten». Nun ist cs allerdings schwer, zu ent-
scheitlon, ob der Process in der Rückbildung begriffen ist, oder
nicht, ja nach Martin 3 ") bleibt die Diagnose wahrscheinlich
immer dunkel/. Jedenfalls ist nicht der Abgang der
Decidua als entscheidendes Merkmal zu benützen,
wie Prochownik 81 ) erst jüngst wieder angegeben hat, denn cs
sind Fälle beobachtet, in denen nach Abgang der Decidua ein
weiteres Wachsthum des Fruehtxackes beobachtet, worden ist, so
z. B. der von Gossmann 32 ) veröffentlichte.
Dass nun diese Therapie trotz ihrer günstigen Erfolge so
wenig Eingang in die Praxis gefunden hat, ist wohl mit darauf
zurückzuführen, dass die Diagnose in so wenigen Fällen vorher
gestellt wird. Aber gerade da, wo dieses Verfahren in Betracht
kommt, ist die Diagnose sicher zu stellen möglich;
was ja schon dadurch bewiesen ist, dass dies von einzelnen
Beobachtern immer geschieht. Von anderen findet eben hierbei
das Zeichen zu wenig Beachtung, das v. Winckel wiederholt
hervorgehoben hat, dass man zwei Tumoren findet, die
miteinander in Verbindung stehen, U t e r u s und
Tuben sack, die beide an Grösse zunchmcn, und
dadurch die Diagnose Extrauteringravidität zur
Gewissheit mache n.
Dass aber doch die Diagnose in den meisten Fällen unbekannt
bleibt, daran ist nicht zum mindesten der therapeutische Grund¬
satz der unbedingten < fperation schuld. Man findet sehr oft in
der Literatur angegeben (s. z. B. v. Sch renk 38 ), dass eine
Verwechselung mit andersartigen Tumoren nicht schade, da ja
doch operirt werden müsse. Ja, wenn man auf dem .Standpunkt
steht, in jedem Falle zu operiren, dann braucht man freilich eine
Differentialdiagnose nicht erst zu stellen. Darum wäre es gerade
im Interesse einer besseren Diagnose wünschenswerth, mit diesem
Princip entgiltig zu brechen. Denn es klingt doch die Forderung,
in jeden» Falle ektopischer Schwangerschaft unbedingt zu operiren,
sehr eigentümlich der Thatsache gegenüber, dass die Operateure
in dt*n allermeisten Fällen «von der Uonstatirung der ektopischen
Schwangerschaft überrascht wurden». (Martin. 34 ) Wenn bei
falscher Diagnos»* operirt worden ist und nachher gefordert, wird,
in jedem der Fälle des gefundenen Leidens sei auch durchaus zu
operiren, so sieht das doch wie eine Kechtf»*rtigung vor sich seihst
aus. Man verringert ja den Fehler, indem man den Irrthum
unschädlich macht dadurch, dass man auch für die gefundene
Erkrankung die radicale Operation für unbedingt nötliig hält.
Wir sind durchaus der Meinung, die Tuszkai 85 ) auf der
60. Naturforsehervcrsamtnlung in Wien ausgesprochen hat: «Die
29 J Centralbl. f. Gynäk., 1893, S. 587.
«*) Centralbl. f. Gynäk., 1893, S. 596. .
81 ) Prochownick, D. Behandl. der ektop. 8chwanger8ch. mit
Morphiumeinspritzungen nach v. Winckel. Berlin. Klinik 1895.
82 ) Münchn. med. Wochenschr., 1888, No. 38.
w ) v. Schrenck 1. c.
3 ‘) Centralbl. für Gynäk. 1893, S. 596.
3b ) Centralbl. für^Gynäk. 1894, 8. 1060.
Digitized by
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16. Juni 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Diagnose sei in den ersten Monaten oft sehr schwierig. Man
müsse daher das Bestreben darauf richten, die Diagnose mög¬
lichst frühzeitig zu stellen, um ein actives Ver¬
fahren auch rechtfertigen zu können.»
Dass bei einer conservativen Behandlung zweifelhafte Fälle
durch Nichtstellen einer Diagnose für die Beobachtung verloren
gehen, ist wenig zu befürchten, es werden sich wohl sehr bald
Anhaltspunkte ergeben, auch diese zu erkennen. Ausserdem sollen
ja speciell anfangs nur Fälle unzweifelhafter Diagnose dieser
Behandlung unterzogen werden, weil sonst wieder diagnostische
Irrthümer hervorgerufen werden können. Darin liegt eine nicht
zu unterschätzende Schwierigkeit, denn es ist selbst Autoren wie
Zweifel 36 ), Mackenrodt 37 ), Pichevin 88 ), R. v. Braun 39 )
passirt, dass sie die Diagnose auf Tubenschwangerschaft stellten,
bei der Operation aber eine andersartige Erkrankung fanden.
f^Pas darf uns aber von dem Experiment ebensowenig ab-
schrecken, wie etwa der folgende Ein wand, der noch gemacht
werden kann: Wenn wirklich eine Heilung eintritt, so ist die Frau,
da ja anatomische Verhältnisse die Ursache für die Extrauterin¬
gravidität abgeben, einer Wiederholung der Erkrankung ausgesetzt,
wenn die Tube nicht entfernt worden ist. Demgegenüber ist aber
an Fälle zu erinnern, wo Frauen, die durch Morphiuminjectionen
von der ektopischen Schwangerschaft geheilt wurden, später wieder
normale Schwangerschaft und Geburt durchmachten. 40 ) Ucbrigens
weiss man ja bis jetzt noch nichts über die anatomischen Ver¬
hältnisse nach .Spontanheilungen, diese müssen erst die Sectionen
der Fälle in Zukunft lehren, die nach der ohne jegliche Beein¬
flussung erfolgten Heilung an einem anderen Leiden verstorben sind.
Nach unseren Ausführungen können wir nun, auch wenn
das Ergebniss des Sectiünsinaterials negativ war, aus theoretischen
Gründen und nach Ergebnissen der klinischen Beobachtung zu i t
gutem Gewissen für alle unzweifelhaften Fälle
von Tuben sch wangerschaft eine conserva tive Thera¬
pie empfehlen. Durch sie wird auch in das Dunkel der
übrigen Klarheit gebracht werden.
Hier möchten wir nun noch auf unseren Fall 4 aus dem
Jahre 1883 näher cingehen, weil er noch nicht veröffentlicht wurde.
Er reiht sich den typischen Fällen von Ruptur in den ersten
Monaten an, nur trägt er noch eine Besonderheit, wegen deren er
erwähnenswerth ist und hier kurz berichtet werden soll, nämlich
die äussere Ueberwanderung des Eies:
N., 25 jährige Frau, seit 6 Jahren verheirathet, hatte 3 normale
Geburten. Nach der dritten, September 1882, litt sie an chronischer
Metritis, wegen deren sie in Behandlung war. Anfangs Januar 1893
letzte Menstruation. Am 29. März Mittags trat während eines
Ganges durchs Zimmer plötzlich nach intensivem Schmerz im rechten
Hypochondrium sehr schwerer Collaps ein. Man fand Dämpfung in der
Ileocoecalgegend bis in’s rechte Hypochondrium. Der Radialpuls war
nicht mehr zu fühlen und kehrte unter Behandlung mit Excitantien
erst am anderen Tage wieder. Unter conservativer Behandlung
(Eisblase, Excitant., Ergotin) besserte er sich, Abends indess ver¬
schwand er wieder, die Dämpfung in der Ileocoecalgegend nahm zu
und morgens 5 Uhr erfolgte Exitus.
8ectionsbericht: Von Seiten der Organe ist nur hochgradige
Anaemie zu bemerken. In der Bauchhöhle 2'/2 1 dunkelschwärzlichen,
theils flüssigen, theils lockeren geronnenen Blutes, welches haupt¬
sächlich im kleinen Becken, in der Umgebung des rechten Eileiters
und von hier fortgesetzt, in klumpigen Massen, besonders in der
Umgebung des Blinddarmes und der rechten Niere angesammelt ist.
Der Ausgangspunkt der Blutung ist eine Zerreissung der rechten
Tube, die ungefähr in ihrer Mitte bis zum Umfang eines kleinen
Hühnereies sackförmig erweitert erscheint. Im Innern dieser Er¬
weiterung eine gut kirschengrosse Höhle mit glatter Innenfläche,
die ebenfalls eingerissen ist und durch die eine braunrothe,
schwammige Masse (Placenta) mit der enorm verdünnten und zunder¬
artig brüchigen, zerfetzten Eileiterwandung verbunden ist.
Die mikroskopische Untersuchung der Höhle und ihres In¬
halts ergibt, dass sie alle Bestandteile eines Fruchtsackes ein-
ßchliesst, aus dem das Ei in Folge einer Ruptur ausgetreten ist.
k aver 68 ’ < * 688en Alter nach dem Umfang des Fruchtsackes auf
b—8 Wochen zu schätzen ist, konnte trotz sorgfältiger mikroskopischer
Untersuchung verdächtigen Gerinnsels, das im Bluterguss gefunden
wurde, nicht aufgefunden werden.
3 ®) Archiv für Gynäk., XLI., 1, S. 43.
") Centralbl. für Gynäk. 1893, S. 511.
") Centralbl. für Gynäk. 1893, S. 1077.
“*) Centralbl. für Gynäk. 1894, S. 986.
°) S. Prochownik L c.
573
Die Ovarien sind beiderseits geschwellt, serös durchfeuchtet.
Im linken Ovarium ein über erbsengrosses corpus luteum, im rechten
Ovarium keine Andeutung eines solchen.
Der Uterus ist gut um das doppelte vergrössert, das Parenchym
schlaff, Höhle erweitert, die Schleimhaut locker geschwellt, mit
schleimigem Belag bedeckt. Vaginalportion verstrichen, sonst normal.
Aeltere Verwachsungen des Uterus und seiner Umgebung fehlen
vollständig.
Linker Eileiter durchgängig, rechter im abdominalen Theil
ebenfalls, im uterinen Theil verschlossen.
Peritonealüberzug des Uterus im kleinen Becken, besonders
im D o u g 1 a 8' sehen Raum getrübt, fibrinös beschlagen. Beginnende
Peritonitis.
Die Ruptur ist vielleicht nach einem Diätfehler erfolgt, im
Magen fanden sich Reste harter Eier.
Anatomische Diagnose: Rechtsseitige Tubarsch wanger¬
schaft von 6 — 8 Wochen. Ruptur des Eileiters und
Fruchtsackes. Verblutung in die Bauchhöhle. Hoch¬
gradige allgemeine Anaemie. Corpus luteum links.
Aeussere Ueberwanderung des Eies.
Der Fall bietet aetiologisch 2 Momente. Die entzündlichen Er¬
scheinungen nach der 3- Gehurt haben offenbar die Tuben mit afficirt,
daher wohl auch der Verschluss des uterinen rechten Tubentheils.
I)a Verwachsungen nicht vorhanden waren — die Entzündungen
am Peritoneum waren frisch — war der Eieintritt in die Tube
nicht erschwert, daher auch schon nach wenigen Monaten wieder
Conception eintrat, trotz des offenbar noch spielenden Entzündungs-
processes, den die frische Peritonitis anzeigt. Pass die Einbettung
dabei doch zu Stande kam, lag wohl an dem mechanischen Hinder¬
niss. Sonst scheint uns nämlich dafür hauptsächlich der Zustand
der Schleimhaut massgebend zu sein, sowie dafür, ob der Process
früh unterbrochen wird, oder zur Weiterentwicklung kommt, die
Beschaffenheit der Tubenwand, speciell deren Musculatur von
grosser Bedeutung zu sein scheint. Vielleicht ist nämlich die
Disposition Mchrgebärender auf eine mangelhafte Rückbildung zu
beziehen, wie man auch bei dem häufigeren Bcfallensein der linken
Tube daran denken könnte, dass bei der normalen Rechtslagerung
und -Drehung in der Schwangerschaft die linke Tube länger
werden muss als die rechte und auch bei der Rückbildung länger
bleibt und dass durch starke Spaunung während der Gravidität
die Elasticität der Wand geschädigt wird.
Die Infection des Peritoneum war hier wohl erst nach der
Ruptur entstanden, bei Verschluss des uterinen Tubentheils. Also
auch hier stammt das infectiöse Material aus der Tube (vergl.
unsere früheren Bemerkungen über die Infeetionsquelle). Die
äussere Ueberwanderung braucht in diesem Falle wohl für das
Entstehen der Extrauteringravidität nicht in Anspruch genommeu
zu werden, während sie häufig die einzige Ursache ist 4 *); viel¬
leicht ist sie übrigens auch nur eine Folge der entzündlichen
Vorgänge. Auf diese, nämlich die vorhandene Metritis, ist wohl
zum Theil auch die Vergrüsserung des Uterus zurüekzuführen.
Weitere Besonderheiten bietet der Fall nicht.
Wir haben im Verlauf unserer Auseinandersetzungen erfahren,
dass die Prognose der Extrauteringravidität früher
sehr schlecht gestellt wurde, weil man nur die ungünstigen
Ausgänge derselben kannte. Nachdem aber die zahlreichen Oi>era-
tionen in dem letzten Jahrzehnt eine grosse Vermehrung der
bekannten Fälle bewirkten, lernten wir die günstigen Ausgänge
kennen, so dass heute die Prognose durchaus nicht
mehr so schlecht gestellt werden kann. Ein
grosser Theil der Erkrankungen heilt aus, ohne
bekannt zu werden, ein anderer (fast ebensoviel
als bekannt werden) kommt erst in ihren gün¬
stigen Ausgängen zur Kenntnis», und von
den bekannt gewordenen wurde wieder ein Theil
(ungefähr */s) auf dem Heilungswege an getroffen.
Diese wurden, wie überhaupt */3 aller Fälle, erst durcli die
Operation entdeckt, nur */s wurde diagnosticirt. Durch diese
mangelhafte Diagnostik entsteht eine Anhäufung der schweren
Fälle in den Anstalten, wo sie zur Beobachtung kommen. Da¬
durch werden deren Statistiken über die eonser-
vative Behandlung ungünstig beeinflusst, ferner
auch noch dadurch, dass eine Reihe aussichtsloser Fülle, die nicht
mehr operirt werden, ihr zugereehnet werden. Auf Grund dieser
41 ) L. Schröder, Lehrbuch, auchLippel, b. Frömmel, 1. c.
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574
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
Statistiken aber geht es nicht an, jeden Fall individuell nach
strieten Indicationen zu behandeln, da die künstliche Beeinflussung
des Materials durch die Operationen eine allgemein gütige Ueber-
sicht über die einzelnen Ausgänge vermissen lässt, so dass in
jedem Fall das Schlimmste befürchtet werden kann. Dass aber
in derThat die Gefahr in dem einzelnen Falle nicht
sehr gross ist, lässt sich im Hinblick auf die zahl¬
reichen günstigen Ausgänge schon aus diesem
Kraukenmaterial sch Hessen. Um aber vielleicht noch
sichere Anhaltspunkte und genaue Zahlen zu erhalten, wird ver¬
sucht, das Sectionsmaterial für unsere Frage zu verwerthen.
Dieses kann uns aber desswegen keinerlei stichhaltige Schlüsse
gewähren, weil es dadurch, dass die Frauen mit Extrauteringravi¬
dität meist nicht in die Krankenhäuser kommen, aus denen doch
das Sectionsmaterial stammt, zu unvollkommen ist, und daher nur
ganz winzige Zahlen aufweist.
Das Sectionsmaterial ist also für unsere Zwecke
ungeeignet.
In unseren wenigen Fällen aber, die übrigens alle 6 tubare
waren und aus den ersten 4 Monaten stammen, spiegeln sich die
Anfangs auseinandergesetzten allgemeinen Verhältnisse, was
Diagnose und Therapie anlangt, wieder. In derselben Zeit d. h.
in 40 Jahren, wurden 2 Lithopaedien beobachtet, die aber mit
den Sectionsfällen nicht in Beziehung gebracht werden können,
weil sie einem anderen Material angehören.
Trotz des negativen Ergebnisses des Seetionsmaterials nun
sind wir doch zur Empfehlung einer exspectativen
Bchandlungsweise durchaus berechtigt, da ausser
unseren obigen Schlüssen noch vor Allem die Ergebnisse
der conscrvativen Therapie speciell der Morphium-
injeetion nach v. Winckel dafür sprechen, welch
letztere in denjenigen Fällen, in denen wegen
lebender Frucht operirt werden muss, in erster
Linie in Betracht kommt.
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. C. Heitzmann: Die descriptive und topo¬
graphische Anatomie des Menschen in 785 theilweisc
mehrfarbigen Abbildungen mit erklärendem Texte. Achte wesent¬
lich vermehrte und verbesserte Auflage. Wien und Leipzig. Wil¬
helm Braumüller 1896.
Der bekannte Atlas von Heitzmann erscheint abermals in
Lieferungen, von denen dem Ref. die 1. bis 5. Vorgelegen
haben. Mit dieser neuen Auflage soll eine Neubearbeitung ver¬
bunden werden, an welcher Prof. Dr. Zuckerkandl betheiligt
ist. Die Verlagsbuchhandlung verspricht 135 neue Figuren und
eine volle Berücksichtigung der •«neuen » Nomenclatur. Das
Werk besteht nunmehr seit 25 Jahren und hat während dieser
Zeit vielen Tausenden als ein Führer auf dem Gebiete der Ana¬
tomie, besonders im Präparirsaal bei Gelegenheit des praktischen
Studiums gedient. Somit sind die Verdienste des Buches rück¬
haltslos anzuerkennen und es ist als sicher anzunehmen, dass es
sich auch fernerhin immer neue Freunde erwerben wird. Allein
die Ansprüche an die bildliche Darstellung anatomischer Dinge sind
in den letzten Jahrzehnten so enorm gestiegen, — wovon sich
jeder leicht überzeugen kann, der einmal ältere und neuere Bände
anatomischer Fachzeitschriften zur Hand nimmt, — dass offenbar
eine Reihe von Anatomen mit der Art der bildlichen Darstellung
in dem bis jetzt den Büchermarktbeherrschenden Heitzmann’-
schcn Atlas nicht mehr einverstanden ist. Daher auch das Erscheinen
der neuen Handatlanten von Toldt und Spalteholz. Ob
das ältere Werk die neu entstandene Concurrenz für die Dauer
wird aushalten können, steht dahin. Die Verlagsbuchhandlung
wird jedesfalls auf eine energische Verjüngung des Buches bedacht
sein müssen. In dieser Hinsicht konnte es sich nicht bloss um
die Einfügung neuer Abbildungen handeln, sondern es mussten
auch eine Reihe älterer, wenig tauglicher Darstellungen heraus¬
geworfen werden ; dies letztere hätte in noch grösserem Umfange
stattfinden können. Von der versprochenen «vollen Berück¬
sichtigung » der neuen Nomenclatur hat der Ref. sich nicht
überzeugen können; in dieser Beziehung hätte ein vollkommener
Wandel stattfinden müssen. Geht man die Lieferungen im Ein¬
zelnen durch, so stösst man allenthalben auf Neuerungen, die
grossen Theils (nicht immer) auch Besserungen bedeuten. Um
Einiges zu erwähnen, so sind in der Knochenlehre Schnittbilder
durch die Nasen- und Stirnregion eingeschaltet worden; ebenso
ist die figürliche Darstellung der Wirbel, Rippen, des Hand- und
Fussskelets wesentlich bereichert worden. Wir finden ferner neu
aufgenommen eine Reihe von Abbildungen betreffend die Knochen-
entwickelung. Bei der Eingeweidelehre haben unter anderem einige
neue Abbildungen zur Topographie der Bauchorgane Platz gefunden;
dies ist besonders dankenswerth, wogegen ein Pey er'scher
Plaque leider vollkommen unkenntlich ist und eine Abbildung
der B r un n e r ’ sehen «Schleimdrüsen» (?) ebenso gut etwas
anderes bedeuten könnte. Im Ganzen ist anerkennenswerth, was
in dem Rahmen des alten Buches neu geleistet wurde und wün¬
schen wir dem Werke einen guten Fortgang.
Martin Heidenhain.
Nil Filatow, Professor der Kinderheilkunde an der
kaiserl. Universität zu Moskau und Director des Kinderspitals:
Vorlesungen über acute Infectionskrankheiten im Kindes¬
alter. Autorisirte, vom Verfasser ergänzte deutsche Ausgabe.
Uebersetzt von L. Polonsky, Kinderarzt in Schatomir.
Lieferung I. Wien und Leipzig, 1895.
F i 1 a t o w ’ s Schriften, obzwar sie meist auf vielbetreteDen
Bahnen sich bewegen, fesseln gleichwohl in hohem Grade das
Interesse durch die eminent praktischen Gesichtspunkte, von denen
aus der Verfasser seinen Stoff in's Auge fasst und bearbeitet.
Besonders bemerkbar macht sich, wie in früheren Veröffent¬
lichungen so auch in der vorliegenden, das Bestreben des Autors,
die Differentialdiagnose durch scharfes Erfassen und geschickte
Gruppirung der unterscheidenden, oft nur wenig beachteten Krank-
heitszüge in die hellste Beleuchtung zu rücken. Und dies, im
Verein mit der cingcstreuten, knapp gehaltenen Casuistik verleiht
der gesammten Darstellung eine Frische und Lebendigkeit, die von
dem trockenen Tone gewöhnlicher Lehrbücher aufs Vortheilhafteste
absticht.
Die bisher erschienene erste Lieferung des Werkes (welches
auf ungefähr 10 Lieferungen berechnet ist und sämmtliche In¬
fectionskrankheiten des Kindesalters umfassen soll) beschäftigt sich
mit der Diagnostik des Initials tad iums bei fieber¬
haften Erkrankungen im Kindesalter und zerfällt in
2 Hauptabschnitte: 1. Untersuchungsgang bei fieberhaften Er¬
krankungen im Allgemeinen; 2. über die Fehlerquellen bei der
Diagnose fieberhafter Krankheiten. Wir müssen es uns versagen,
auf den interessanten Inhalt des Heftes näher einzugehen. Ein¬
zelne Abschnitte — wie z. B. derjenige über die larvirt ver¬
laufenden Meningitiden (acute Meningitis der Brustkinder), über
die semiotische Bedeutung des Erbrechens und der Eklampsie
u. s. w. — sind kleine Cabinetstüoke klinischer Beobachtung.
Im Ganzen betrachtet bildet diese erste einleitende Lieferung eine
in sich geschlossene selbständige Abhandlung, die zu dem Ge
sammtwerke in ziemlich loser Beziehung steht.
W ertheimber.
Der Hypiiotismns, seine psyeho-physiologische, medicinische,
strafrechtliche Bedeutung und seine Handhabung. Von Dr. Ad£*
Forel, Prof, der Psychiatrie und Director der kantonalen Irren¬
anstalt in Zürich. Dritte verbesserte Auflage mit Adnotationen
von Dr. 0. Vogt, Assistent der psychiatrischen Klinik w
Leipzig. Stuttgart, Enke. 1895. 223 Seiten. Preis 5 Mk-
Die dritte Auflage dieses besten Lehrbuches des Hypnotismus
hat keine principielle Aenderung erfahren. Von Vogt ist u. A-
eine kleine Statistik der Hypnotisirbarkeit hinzugefügt, die ihren
Werth nicht in der Grösse der Zahlen, sondern in der Genauigkeit
der Angaben hat und sich über 15 Nervengesunde und 102 an
verschiedenen Krankheiten Leidende erstreckt. Ganz refraetär
war von den 117 Fällen keiner. Ein Versuch, die Suggestion«-
Wirkungen durch Associationen und Dissociationcn, Hemmung 11
und Bahnungen dem Verständniss zugänglich zu machen, W er
wähnenswerth. — Interessant ist auch die nach Grossniänn
empfohlene, die Hypnose einleitende «Suggestion der Suggestibili^ 1 *'
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
575
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16. Jnni 1896-
welche dadurch erreicht wird, dass der Hypnotiseur dem Skeptiker
sagt, er köune, was man kaum glauben würde, seinen Finger auf
des Patienten Conjunctiva bulbi drücken, ohne dass dieser den
Eingriff mit reflectorischem Lidschluss beantworte. Das Experiment
soll fast immer gelingen. — Im Uebrigen sind vom Verfasser
einige neue Beispiele angeführt, darunter ein hochinteressanter
Fall, wo im Vertrauen auf die Sicherheit der posthypnotischen
Wirkung der Suggestion einer schlafenden Wärterin unter schwierigen
Umständen das Leben eines Ncugeborncn mit Erfolg anvertraut
worden war. Als ein Beispiel der Psychotherapie wird die sug¬
gestive Behandlung der habituellen Stuhlverstopfung ausführlich
besprochen; ferner tinden einige neuere Arbeiten auf verwandtem
(Jebiete (Nägeli: Handgriffe; Sperling: Homöopathie) ihre
Würdigung. Bleuler.
Anleitung beim Studium des Baues der nervösen
Centralorgane im gesunden und kranken Zustande von
Dr. H. 0 b 6 r S16 i II er , K. K. a. o. Prof, an der Universität
zu Wien. Dritte, vermehrte und umgearbeitete Auflage. Mit 2<I5
Abbildungen. Leipzig und Wien. Dcu ticke. 189(>. 572 Seiten.
Preis 10 Mk.
Audi die dritte Auflage ist dem rapiden Fortsehreiten der
Hirnanatomie gefolgt. Man findet in ihr alle wichtigen Ergebnisse
der neueren Forschung; sogar die Weigert'sehe (JliafUrbung,
die bei Beginn der Drucklegung des Buches noch nicht publicirt
war, bat Aufnahme gefunden. Da wo es nöthig war, hat
der Verfasser auch eine gründliche Umarbeitung nicht gescheut,
so dass die Darstellung in allen Beziehungen eine einheitliche
geblieben ist. — Der Plan des Buches und die Behandlungsweise
des Stoffes sind nicht geändert worden. — Das treffliche Werk,
das in der deutsehen Literatur als Hilfsmittel beim praktischen
Studium der nervösen Centralorgano ohne Rivale ist, bedarf im
Uebrigen keiner Empfehlung mehr. B I e u I e r.
Münchener medicinische Abhandlungen. Verlag von
J. F. Lehmann in München.
A. Glöckner; Zur Casuistik der Anaemia splenica.
(Änaemia infantilis pseudo-leucaeroica). 63. Heft. (Aus der kgl. Uni¬
versitätskinderklinik zu München.)
Nach ausführlicher Besprechung der Literatur über diese Krank¬
heit theilt Verfasser 4 Fälle ans der Münchener Kinderklinik mit
und bespricht die Histologie der vergrösserten Milz und die Resultate
der Blutuntersuchung, kann aber dabei eine Uebereinstimmung
zwischen den einzelnen Befunden nicht constatiren.
L. Burkhardt; Beitrag zur pathologischen Anatomie der
hypertrophischen Lebercirrhose. 66. Heft. (Aus dem Münchener
pathologischen Institut.)
Es wird hier eine Reihe von im Münchener pathologischen
Institut secirten Fällen von Lebercirrhose makroskopisch und mikro¬
skopisch beschrieben; daran anschliessend geht B. auf die histo¬
logischen Verhältnisse in der hypertrophisch cirrhotischen lieber
ein, ohne zu wesentlich neuen Resultaten zu kommen.
CI. Schilling: Zur Lehre von der Poliomyelitis. 67. Heft.
(Aus dem Münchener pathologischen Institut)
Auf Grund der Beobachtung, dass bei der Poliomyelitis nur
einzelne Gruppen von Ganglienzellen in den grauen Vordersäulen
ergriffen sind, spricht Verfasser die Vermuthung aus, dass die
Krankheitsursache in den mit den Vorderhörnern verbundenen
peripherischen Nervenbahnen zu suchen sei. Die Aufforderung bei
einem bald nach der Erkrankung zur Section kommenden Falle (in
dem von Sch. untersuchten bestand die Lähmung schon seit 20 Jahren)
auch die peripherischen Nerven zu untersuchen, ist jedenfalls be-
herzigenswerth.
R. Eberle: Ueber einen Fall von combinirter Strang¬
degeneration des Rückenmarkes. 68. Heft. (Aus dem Münch,
path. Institut).
Bei einem Patienten waren neben den ausgesprochenen Er¬
scheinungen der spastischen 8pinalparalyse auch einige tabische
Symptome (Störung in der Koth- und Harnentleerung, verspätete
Leitung des Temperatursinnes) zu constatiren, dementsprechend fand
sich auch im Rückenmark neben intensiver Degeneration der Pyra-
midenseitenstrangbahnen eine weniger aasgesprochene, aber doch
deutlich erkennbare Degeneration in den Hinterstrftngen und in den
Kleinhirnseitenstrangbabnen.
Th.8truppler: Zur Kenntniss der reinen (nicht complicirten
^ckenmarkierschüttemng. 69. Heft. (Aus dem Münch, path.
Nach den klinischen Symptomen eines Kranken, der aus be¬
deutender Höhe stürzte, ohne sich dabei eine äussere Verletzung
oder eine Fractur zuzuziehen, konnte schon die Diagnose < Commotio
cerebri» gestellt werden.
Der Patient ging an einer von einem Decubitus ausgehenden
Sepsis zu Grunde. Im Rückenmark fand Str. einen Erweiehungs-
herd mit Körnchenzellen, den er auf die starke moleculare Er¬
schütterung zurückführt, diffuse fleckige Degeneration der grauen
und weissen Substanz and absteigende Degeneration im Bereich der
Pyramidenseitenstränge. L. R. Müll er-Erlangen.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 23.
R. Drews-Hamburg: Ueber den Einfluss der Somatose
auf die Secretion der Brustdrüsen bei stillenden Frauen.
Durch Darreichung von Somatose gelang es dem Verfasser,
entweder die Milchsecretion der Brustdrüsen bei stillenden Müttern
überhaupt erst in ausreichender Weise zu ermöglichen oder eine
ausreichende Secretion wieder zu erzielen und dadurch ein bedeutend
längeres Stillen des Kindes zu ermöglichen, wenn dieselbe durch
irgend welche Krankheiten, Gemüthserregungen oder andere Stör¬
ungen schon in einer frühen Zeit des Stillens zu versiegen drohte
und sich schon die für das Versiegen derselben charakteristischen
Zeichen, Kopfschmerzen, Rücken- und Brustschmerzen, Abmagerung
der Mutter und Schlaffwerden der Brüste, eingestellt hatten. Ver¬
fasser beobachtete im Ganzen 25 Fälle dieser Art, von denen ö in
Kürze mitgetheilt werden. Die Dosis der Somatose betrug 3—4 mal
täglich einen Theelöffel in einer Tasse warmer Milch oder Suppe
oder Cacao. Das Präparat wurde seiner fast vollständigen Geschmack¬
losigkeit wegen stets sehr gern, auch für lange Zeit, genommen. Die
Soma tose übt auf die Brustdrüsen von stillenden Frauen
eine specifische Wirkung aus, sie erzeugt eine reich¬
liche Secretion «1er Muttermilch und bringt die beim
Stillen auftretenden Beschwerden rasch zum Ver¬
schwinden.
Die Beobachtungen des Verfassers »bedeuten einen ausser¬
ordentlich wichtigen Erfolg für die Ernährung der Säuglinge, der
noch besonders hoch geschätzt werden muss bei früh geborenen
Kindern oder solchen, welche durch den Uebergang zur künstlichen
Ernährung erkrankt sind, für welche die Ernährung mit Muttermilch
sehr oft eine Indicatio vitalis ist». W. Zinn-Berlin.
Archiv fiir klinische Chirurgie. 52. Band, 3. Heft.
1) Pon Isen-Kopenhagen: Ueber cerebrale Erkrankungen
bei der Otitis media. (Schluss aus vor. Heft.)
Verfasser hat 14580 Sectionsprotokolle durchgesehen und da¬
bei 48 Fälle (0,3 Proc.) gefunden, wo der Tod durch eine sich an
eine Otitis meiiia anschliessende Cerebralaffection bedingt wurde.
Von 17 Hirnahscessen sassen 12 im SchläfenlRppen, 4 im Klein¬
hirn, 1 Mal fand sich gleichzeitig ein Abscess im Kleinhirn und im
Hinterhauptslappen. Von den Druck-Symptomen des Hiroabscesses
möchte P. dem langsamen Puls die grösste Bedeutung zumessen.
Von den Herd-Symptomen ist — allerdings nur bei linksseitigem
Sitz — charakteristisch die sensorische Aphasie. Der Hirnabscess
findet sich fast ausschliesslich bei der chronischen Otitis. Gesellen
sich zu einer solchen bei geringer Temperatursteigerung cerebrale
Symptome: Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Pulsverlangsamung,
plötzliche Verschlimmerung, womöglich noch mit Aphasie und
Lähmung, so haben wir das typische Bild des Temporalabscesses.
Bei 16 Fällen handelte es sich am Sinusthrora bösen.
Eine Sinusthrombose kann dann angenommen werden, wenn im
Verlauf eines chronischen Mittelohrleidens bei starkem Fieber wieder¬
holte Schüttelfröste, Kopfschmerzen, Schwindel, Somnolenz und
starke Prostration auftreten, wenn sich ferner Oedem des Processus
mastoid., der Regio temporalis, der Augenlider, der Conjuctiva,
Exophthalmus, Druckschmerz am Foramen mastoideum und con-
dyloideum einstellen.
Die in neuester Zeit gegen dieees Leiden empfohlene Unter¬
bindung der Vena jugularis ist nach P. keine absolute Garantie,
auch kann sie ab und zu schädliche Folgen haben. P. hält es
für nöthig, dem Eiter Luft zu machen, den Rest des Thrombus
aber in Ruhe zu lassen.
19 Krankengeschichten betreffen Fälle, bei denen sich an ein
Ohrenleiden eine Meningitis angeschlossen hatte.
2) Beck-New-York: Beitrag zur Literatur der subphreni¬
schen Abscesse.
Bericht über 5 neue Fälle der genannten so wichtigen Er¬
krankung. 4 mit Operation behandelte Kranke genasen, der 6.,
welcher die Operation verweigert hatte, ging zu Grunde.
3) Lehne-Oldenburg i. H.: Ueber seltenere Localisationen
des uniloculftren Echinococcus beim Menschen. (Pathologisches
Institut Rostock.)
Der erste ausführlich beschriebene Fall betrifft einen solitären
Echinococcus der Herzventrikel; der ganze übrige Körper erwies
sich frei von Echinococcen. Im zweiten Falle handelte es sich am
einen Echinococcus der Rückenmusculatur und des Mednllarrohres,
gleichfalls ohne dass sonstige Echinococcnsansiedlungen im Körper
gefunden wurden. Weiter beschreibt Verfasser noch einen der
seltenen Fälle von Mammaechinococcus.
Von grossem Interesse sind die von L. in der Umgebung der
Echinococcen erhobenen Befunde, welche die von Guillebeau für
den Echinococcus multilocularis gemachten Angaben bestätigen:
Ueber all dort, wo Echinococcusmembranen and Flüssigkeit hinge-
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576
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT^
No. 24.
langen, kommt es zur Ausbildung von Granulationsgewebe und
grossen Fremdkörperriesenzellen.
4) Schimmelbusch und Mühsam: Ueber eine spontane
eiterige Wundinfection der Kaninchen. (Bergmann' sehe Klinik.)
Bei den Kaninchen finden sich nicht selten Eiterungen, die ihre
Ursache haben entweder in Verletzungen, die die Kaninchen sich
gegenseitig zufügen oder in der sogen. « Krätze », die sich leicht von
Kaninchen auf Kaninchen überträgt. Die Verfasser haben in
solchen spontanen Eiterungeu mehrfach einen bisher noch nicht
beschriebenen Bacillus nachgewiesen, für den sie den Namen < Ba¬
cillus des Kanincheneiterß > (K. Ei. B.) vorschlagen. Derselbe er¬
weist sich unter dem Mikroskop als ein äusserst kurzes Stäbchen
mit abgerundeten Enden ohne Eigenbewegung. Neben den Bacillen
finden sich stets coccenähnliche Organismen, die wohl als Jugend-
formen aufzufassen Bind. Der K. Ei B. wächst auf Agar-Agar und
in Bouillon, die mit Hydrocelenflüssigkeit versetzt ist. Auf Gelatine
und Kartoffelschnitten wächst der Pilz nicht. Auf Kaninchen über¬
impft, ruft er wieder die gleichen Eiterungen hervor.
6) Le xer: Osteomyelitis und Experimente mit einem
spontan beim Kaninchen vorkommenden Eitererreger. (Berg
mann'sehe Klinik).
Mit dem in der vorbesprochenen Arbeit beschriebenen Bu
cillus des Kanincheneiters hat L. Versuche angestellt, um die
Wirkung dieses Eitererregers auf das Knochenmark zu studiren.
Mit der Einbringung der Bacillen in die Blutbahn allein gelang
es nicht, eine Knochenmarkeiterung zu erzeugen, obwohl sich die
Bacillen stets im Blut und im Knochenmark nachweisen Hessen.
Directe Injection der Culturen in das Knochenmark rief wohl
Eiterung hervor, jedoch blieben die Eiterherde meist ziemlich
beschränkt. .
Ein sehr entsprechendes Krankheitsbild erhielt Verfasser, als
er zu der Blutinfection das Trauma fügte (Fractur, Beklopfen, Ab¬
schnürung). Jetzt entstand eine Osteomyelitis mit fortschreitender
Eiterung in die benachbarten Muskelinterstitien, Zerstörung des
Periost, manchmal auch der Epiphysenknorpelscheibe, Nekrose des
Knochens und Neubildung einer Knochenschale.
Eine recht schwere Knocheneiterung wurde durch Hervorrufen
einer Mischinfection erzielt: intravenöse Injection des Bacillus des
Kanincheneiters, nach 2—3 Tagen Injection einer Staphylococcen-
cultur.
6) Thorn: Ueber die Entstehung der Ganglien. (Berg¬
mann 1 sehe Klinik).
Genaue Untersuchungen von 7 Ganglien führten den Verfasser
zu wesentlich denselben Anschauungen über deren Entstehung, wie J
sie Ledderhose vor einigen Jahren aufgestellt hat, und wonach die
Ganglien Cystome sind, welche in dem paraarticulären Gewebe, ,
durch gallertige Degeneration desselben, entstehen.
7) Dahlgren-Upsala: Drei mit Erfolg operirte Fälle von |
Thrombose im Sinus transversus nach Otitis media.
Verfasser vertritt die Auschauung, dass bei der Thrombose im i
Sinus transversus nicht nur der Sinus ausgeräumt, sondern auch !
die Vena jugularis unterbunden werden soll. Die letztere Operation 1
muss aber vor der Sinusausräumung vorgenommen werden. Drei in J
dieser Weise operirte Fälle wurden völlig geheilt.
8) Lipowsky-Berlin: Pathologie und Therapie der Harn- ,
abscesse. (Fortsetzung folgt.)
9) Gerota: Ueber einen seltenen Fall von Beckenfractur.
(1. anatomisches Institut Berlin.)
Ein Fall von verticaler Beckenfractur (Kreuzbein und Scham¬
bein), bei dem gleichzeitig eine Fractur des horizontalen Scharabein-
astes in einer nahezu horizontalen Ebene angenommen werden muss.
10) Herhold-Coblenz: Zur Frage des Lipoma genu.
In dem von H. operirten Fall fand sich ein etwa hühnerei¬
grosses Lipom, den Lig. cruciata aufsitzend. Der Fall gehört dem¬
nach zu den solitären Lipomen, im Gegensatz zu den disseminirten,
die zweifellos Beziehungen zur Tuberculose haben. Krecke.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 23.
1) R. K ose mann-Berlin: Für die Elytroperitonaeotomie.
K. vertheidigt die von ihm geübte Vaginifixatio Uteri nach Er¬
öffnung der Bauchhöhle in der Excavatio vesico-uterina gegen die
von Graefe in einer Besprechung einer Arbeit K.’s « Die Eröffnung
der Bauchhöhle zwischen Blase und Gebärmutter», Deutsche med.
Wochenschr. 1895 No. 48; Centralbl. 1896 No. 12 pag. 342 geäusserten
kritischen Bedenken. Die Elytroperitonaeotomie, wie K. die vaginale
Coeliotomie bezeichnet haben will, hält er für indicirt, wo das Ein¬
gehen in die Bauchhöhle behufs Trennung von Adhaesionen oder
Entfernung erkrankter Organtheile das einzige Mittel zur Wieder¬
herstellung der Gesundheit ist. Er übt die Vaginifixur, weil dieser
Abschluss 1. das sicherste Mittel ist, Nachblutungen zu vermeiden,
2. weil im Anschluss an die Operation etwa auftretende neue Ver¬
klebungen nicht mehr so viel Schaden anrichten können, 3. weil
die vermeintlichen Schädigungen, die man der Vaginifixur zur Last
legt, bei richtiger Technik vermeidbar sind.
2) Mensinga: Ueber die Wendung in der Bauchlage.
Die Vortheile der Bauchlage bei der Wendung sind: 1. Grösserer
Spielraum, 2. stete Pronationsstellung des Armes, wodurch ein
sichereres Musbeigefühl bedingt wird, 3. Erweiterung der Vagina
und Verkürzung des Uterus, 4. damit einhergehende Erweiterung
des Orificium: Fehlen des « Oontractionsringes », 5. sicherere Leitung
der operirenden Hand durch die fest© Wirbelsäule, 6. rascheres
Finden der foetalen Extremitäten, 7. bequeme Lage der Patientin
und Stellung des Arztes, 8. Vermeidung zweier, wenn auch seltener
Gefahren: Abreissen des Uterus von der Vagina und Luftembolie,
9. bedeutende Herabsetzung der Schmerzhaftigkeit, 10. genaue Con-
trole des Dammes.
3) W. Favr-Charkow: Das BohrperfOratorium.
Beschreibung eines neuen Instrumentes, das von den Fehlern
der scheerenförmigen Perforatorien und der Trepane frei, die Vor¬
züge derselben in sich vereinigen soll. Wern er-Hamburg.
Virchow’s Archiv. Band 144, Heft 2.
9) Neumann -Königsberg: Zur Kenntniss der fibrinoiden
Degeneration des Bindegewebes bei Entzündungen.
Der von G r a w i t z aufgestellten Lehre, dass das auf der Ober
fläche seröser Häute auftretende Fibrin umgewandelte fibrilläre Inter¬
cellularsubstanz sei, schliesst sich N., den Resultaten seiner Unter¬
suchungen zu Folge, an und nimmt an, dass das sogenannte «Fibrin¬
häutchen» einer «fibrinoiden» Degeneration des Bindegewebes seine
Entstehung verdanke. Die Frage, ob Exsudat oder Gewebsdegene-
ration, entscheidet N. also zu Gunsten der Letzteren. Zu diesem
Resultat gelangt Verfasser vor Allem durch den mikroskopischen
Befund, dem zu Folge das Serosaepitliel über der Pseudomembran
seine Lage habe, der freie Rand der Serosa an der Peripherie der
fibrinösen Pseudomembranen sich über dieselben hinüber erstrecke
und Gewebstheile papillenartig in die Fibrinschicht bineinragen. Bei
sehr massenhaften Fibrinformationen werden dieselben jedoch auch
aus flüssigem Exsudate gebildet. Auch die Wandung tubercolöser
Lungencavemen und die endocarditischen Efflorescenzen an den
Klappenrändern, sowie die sich bei Fibrinbildungen an serösen
Häuten findenden Corpuscula oryzoidea sind Producte fibrinoider
Degeneration des Bindegewebes.
10) Lion: Ein Fall von Lymphcyste des Ligamentum uteri
latum. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Heidelberg.)
Verfasser beschreibt einen Fall von Lymphcyste, ausgehend vom
Lig. uteri latum bei einem 3 '/* jährigen Mädchen, welche seit l 1 /*
Jahren bestand. Differentialdiagnostisch von Ovarialcysten ist vor
Allem der Inhalt zu verwerthen, der bei Lymphcysten kein Pseudo-
mucin enthält, aber viel Eiweiss und hohes specifisches Gewicht be¬
sitzt. Am häufigsten entstehen diese Lymphcysten aus den kleineren
Lymphgefässen und zwar durch primär active Betheiligung derselben,
indem durch chronische entzündliche Reizung das proliferirende
Endothel die Gefässe erweitere, die dann durch Desquamation des¬
selben verstopft werden. In diesem Falle w’ar die Cystenwand con-
tinuirlich mit Endothel ausgekleidet, was früheren Beobachtern in
Folge sonst nicht der Fall ist.
11) Bohm: Traumatische Epithelcyste und Fremdkörper-
riesenzellen in der Haut (Aus dem israelitischen Krankenhanse
zu Hamburg.)
Verfasser beobachtete eine der bisher noch wenig bekannten
traumatischen Epithelcysten von Taubenei-Grösse bei einem Knaben.
Ihre Entstehung ist zu denken, indem durch ein Trauma ein Stück¬
chen Oberhaut in die Subcutis verpflanzt wird, wo es weiter wächst
und dann mit seinen Enden sich bogenförmig schliesst. Bei der
mikroskopischen Untersuchung war auffallend die enorme Anzahl
von Riesenzellen. Dieselben sind als Fremdkörperriesenzellen auf¬
zufassen, die durch den Reiz der verhornten Epidermisschuppen ent¬
standen sind.
12) Bros ch-Wien: Zur Frage der Entstehung der Riesen¬
zellen aus Endothelien.
Auf Grund seiner an einem Endotheliom der Pleura gemachten
Studien kommt Verfasser zur Ansicht, dass die Riesenzellen in Folge
eigenartiger Erkrankung der Gefässwand und daran sich schliessender,
noch unbekannter regressiver Metamorphose auch aus neugebildeten
Gefässen grösseren Calibera hervorgehen können, wobei dann die
Obliteration der Gefässbahn durch Wucherung erkrankter Intima
zellen als begünstigendes Moment für die Riesenzellenbildung an¬
zusehen sei. Da Bindegewebe nachgewiesenermassen endothelartigen
Charakter annehmen kann, so stellt Verfasser die Hypothese auf,
dass vielleicht alle Riesenzellen Abkömmlinge des Endothels oder
endothelartiger Bindegewebszellen sind.
13) Hallervorden-Königsberg: Studien über biologische
Interferenz und Erblichkeit. . .
Eignet sich zu kurzer Besprechung nicht. Bemerkt sei, d
Verfasser die über dieses Thema aufgestellte Theorie, diehiermem
den Charakter einer Skizze trägt, demnächst in ausführlichere
Buche zu behandeln gedenkt.
14) Dr. Busse- Greifswald: Experimentelle Untersuchung
über Saccharomycosis. .
Saccharomycosis hominis ist eine Infectionskrankheit, deren
reger zur Gattung Saccharomyces gehört. Es handelt 8ic r , ,.. n
um entzündliche Verdickung der Lymphgefässe und Lymph
mit Vereiterung. Neuere Versuche des Verfassers an Mäusen n*
zur Folge, dass sämmtliche Mäuse am 17.—33. Tage nac
Impfung starben. An der Injectionsstelle zeigten sich weisse,
eiterähnliche Massen. In den inneren Organen Hessen sich ,i eD
skopisch allenthalben Einlagerungen von Gruppen V0Q .
constatiren. Auffallend war die fast ganz fehlende reactionäre *
Zündung von Seiten der Gewebe.
x:
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il*
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16. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
677
15) Dr. Biondi: Beitrage zur Lehre der fermentativen
Processe in den Organen. (Aus dem chem. Laboratorium des
pathol. Institutes zu Berlin.)
Die Versuche über Autodigestion, die Verfasser an Kalbslebern
unter Zusatz von Chloroformwasser (gesät igt) anstellte, hatten im
Wesentlichen das Resultat, dass die Xanthinkörper sich gelöst in
manifester Form vorlinden, dass ferner, entgegen der Ansicht Neu-
ineister's, die Wirkungen bei Autodigestion von einem von den
Leberzellen selbst bereiteten Ferment herrflhrten, nicht vom pan-
kreatischen Fermente Trypsin; bei der Autodigestion findet sich
Tryptophan nur dann, wenn die Fäulniss schon im Spiele ist. Chloro¬
formwasser als Zusatz eignet eich am besten zur Erkennung der
fermentativen ProcesBe.
16) Kleinere Mittheilungen.
Dr. Hanseman n-Berlin: Ueber die Entstehung falscher
Darmdivertikel.
H. glaubt, dass die Entstehung erworbener sogen, falscher
Darmdivertikel zunächst auf das Vorhandensein eines Locus minoris
resistentiae zurückzuführen sei, der sich an der Innenwand des
Darmes findet, an der Stelle, wo um die Venenstämmehen, die sich
zwischen Submucosa und innerer Muskelschicht sammeln, sich eine
Scheide von lockerem Bindegewebe bildet. Es handle sich nun um
Schleimhauthernien, die durch die Venenscheiden hindurch ge¬
treten sind.
Dr. Homeffer: Ein Fall von röhrenförmiger Abstossung
der Oesophagusschleimhaut nach Schwefelsäurevergiftung.
(Aus dem pathol. Institute zu Greifswald.)
Einige Tage nach einer Schwefelsäureätzung der Speiseröhrb
wurde von dem betreffenden Patienten ein 32 cm langer Schlauch
aus dem Oesophagus ausgestossen, an dessen Innenfläche deutlich
die Schleimhaut des Oesophagus zu erkennen ist. Diese Ablösung
denkt sich H. auf mechanische Weise entstanden, indem durch
starke Contractionen der Muskelbündel der nicht mehr contractions-
fähige Schorf abriss und in Form eines Schlauches ausgestossen
wurde. Burkhardt-München.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 23.
1) A. Wölfl er: Ueber Magen-Darm-Chirurgie.
2) R. Olshausen: Ueber die Principien der vaginalen
Exstirpation des carcinomatösen Uterus.
Bezüglich beider auf dem 25. Congress der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie gehaltenen Vorträge wird auf den Originalbericht
der Münch, med. Wochenschr. verwiesen.
3) Fr. Strassmann-Berlin: Tod durch Heilserum?
Wiedergabe des durch Str. erstatteten Gutachtens über den
«Fall Langerhans». Nach dem Ergebniss der gerichtlichen Section
vertritt Str. die Ansicht, dass der Tod des Kindes nicht durch den
geringen Carbolgehalt des Serums oder andere giftige Bestandteile
desselben bewirkt wurde, sondern in Folge Aspiration von Speise¬
theilen während des eingetretenen Erbrechens erfolgte.
4) Th. Schott-Nauheim: Ueber gichtische Herzaffectionen
und deren Behandlung.
Sch. bejaht die Frage nach der Existenz wirklich gichtischer
Herzkrankheiten auf das Bestimmteste. Er unterscheidet eine beim
acuten Gichtanfall auftretende Form mit Druck oder Schmerz in der
Herzgegend, Herzklopfen und Zeichen von Herzschwäche von einer
chronischen Herzaffection im Verlaufe der irregulären Gicht. Die
gichtische Diathese allein kann Klappenfehler hervorrufen; grösser
ist die Zahl derer, wo erst durch das Hinzutreten von bekannten
Schädlichkeiten ein Klappenfehler auf gichtischer Basis entsteht. Oft
führt die Gicht zu sensiblen und motorischen Herzneurosen, Tachy-
cartlie und Angina pectoris vera Therapeutisch empfiehlt Sch. Ver¬
meidung jeder längerdauernden Ueberanstrengung, ferner gemischte
Kost, kleinere Mahlzeiten; starke Gewürze, süsse Speisen sind zu
vermeiden. Unter den Medicamenten steht obenan die Digitalis,
dann Strophanthus, von den übrigen hat Verfasser recht wenig Erfolg
gesehen. Er widerräth den Gebrauch zu grosser Mineralwasser¬
mengen und vor allem concentrirter Lösungen derselben. Schliess¬
lich hebt er den günstigen Einfluss der Sool- und CO 2 -haltigen
Thermalsoolbäder hervor. G ras8 m an n- München.
Deutsche mediciniscbe Wochenschrift 1896, No 24.
1) J. Gaule: Der Nachweis des resorbirten Eisens in der
Lymphe des Ductus thoracicus. (Aus dem physiologischen Institut
der Universität Zürich).
Eine 0.06 proc. Lösung von Eisenchlorid in den Magen eines
Kaninchens eingebracht, ergab nach circa 3 /* Stunden eine deutliche
EiBenreaction in der Lymphe des Ductus thoracicus durch Schwefel-
ammonium. Die Aufnahme des Eisens erfolgt vom Duodenum aus,
wo die im Magen durch ein Kohlehydrat gebildete organische Ver¬
bindung desselben aufgelöst wird. Im Lymphstrom wird es wieder
organisch gebunden durch Eiweisskörper und geht von da in das
Blut über, um in der Milz wieder aus demselben herausgenommen
und in lockerer Verbindung aufgespeichert zu werden.
2) F. Jolly: Ueber Pellotin als Schlafmittel.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin in Berlin.
Referat siehe diese Wochenschrift No. 21 pag. 507.
3) Grüneberg: Zur Casuistik der Mesenterialgeschwülste.
(Aus dem Altonaer Kinderhospital).
Grosser, einen Tumor vortäuschender, primärer tuberculöser
Mesenterialdrüsenabscess bei einem 8jährigen Mädchen. Eingangs¬
pforte der Tuberculose wahrscheinlich ein im Anschluss an starken
Darmkatarrh entstandenes Darmgeschwür. Die übrigen Organe frei.
4) W. Hirschlaff: Zur Kenntniss der Pyonephrose in
bacteriologischer Beziehung. (Aus der ersten innern Abtheilung
des städtischen Krankenhauses am Friedrichshain in Berlin. Director:
Professor Fürbringer).
Als Erreger der Pyonephrose wird das von Escherich und
Heyse bei Pneumaturie gefundene mit dem Bacterium coli nahe
verwandte Bacterium lactis aerogenes nachgewiesen.
5) H. Herz: Ueber Duodenalstenosen. (Aus der medici-
nischen Abtheilung des Primärarztes Prof. Dr. Buchwald im Aller¬
heiligenhospital in Breslau.) Schluss aus No. 23 d. D. med. W.
Die Duodenalstenose ist je nach dem Sitze der Stenose ober-
oder unterhalb der Einmündungsstelle der Gallengänge eine supra¬
papilläre, die von Pylorusstenosen kaum zu unterscheiden ist, oder
eine intrapapilläre, die sich sowohl von der erstcren als von den
tiefer sitzenden Darmstenosen ziemlich scharf trennen lässt. Es
fehlen in diesem Falle die Gnllenbestandtheile im Stuhle, dagegen
findet sich sehr häufig Galle im Mageninhalte, ebenso Pankreassaft;
selbst nach wiederholter Magenspülung kann noch Erbrechen ein-
treten, endlich tritt die sogenannte «DuodenalVerdauung» im Magen
ein. Schwieriger wird die Differentialdiagnose, wenn im Verlaufe
Gastrectasie sich entwickelt. Vier ausführliche Krankengeschichten
dienen zur Illustration.
6) M. Mendelsohn: Ist das Radfahren als eine gesund-
heitsgemässe Uebung anzusehen und aus ärztlichen Gesichts¬
punkten zu empfehlen. Fortsetzung aus No. 23 d. D. med. W.
7) Wefers: Ein Fall von Antinervinvergiftung
Nach einer Gabe von 0,5 g Antinervin Radlauer trat bei
einem an Pneumonie erkrankten 68jährigen sonst kräftigen Manne
nach 20 Minuten Cyanose, Somnolenz, Collaps mit ausset/.endeui
Pulse, oberflächlicher Athmung etc. ein; unter Anwendung von
Excitantien erholte sich Patient nach etwa 3 Stunden. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
XXV. Congress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Originalbericht von Dr. Alhcit Hoffa-Würzburg.
Dritter Sitzungstag.
Herr K ü m m e 11 - Hamburg und Herr Geiss 1 e r - Berlin
denioustrireu eine ganze Reihe von Photographien aller möglichen
Körportheile, die durch die Röntgen’schen Strahlen erzielt
wurden. Das Wesentliche ist ein guter Apparat, damit die Hx
Position.szeit möglichst abgekürzt werden kann. Von pathologischen
Affeetionen zeigte lvü tu in eil unter Anderem einen mctastatischen
Typhusherd in einem Finger, während Goissler schöne Photo¬
graphien von verseilie«lenen Fracturon Iwihrachte.
In der Discussion empfiehlt Hanse mann-Berlin, bei ver¬
krümmten Gliedern auf Brorasilberpapier zu photographiren, um
Verzerrungen der Bilder zu vermeiden. K rause-Altona empfiehlt
namentlich die von der Firma Ernike in Berlin bezogenen Köhren.
Referent hat sehr gute Erfolge von den Röhren der Firma Reiniger,
Gebbert und Schall in Erlangen gehabt. Feilchenfeld-
Beriin hat nach V /2 ständiger Exposition ein Ekzema solare ent¬
stehen sehen.
Herr Barth* Marburg: Zur Lehre von den Gelenk¬
körpern.
Die ostalon um! o.steo«-liondralen freien Golenkkör|»er entstehen
nach der Ansicht des Vortragenden, welche sieh auf die histo¬
logische Untersuchung von 24 Präparaten stützt, entweder durch
traumatische Absprengung eines Theiles der (lelenkfläehe oder
durch Arthritis deformans. Alle anderen Erklärungsversuche sind
Hypothese, so die Lehre von der Osteochondritis dissecans (KönigX
welche pathologisch-anatomisch nicht erwiesen ist. Mehrere Fälle,
welche dem von König gezeichneten, klinischen Bilde entsprechen,
erwiesen sieh als traumatischen Ursprunges: normaler, lebender
(Jelenkknorpel mit zackiger Bruchflüclie, von Biudegewel>c und
Knorpel überzogen. Im Kniegelenk werden solche Knorpelstücke
am häufigsten durch die Bänder, namentlich die Lig. eruciata aus¬
gerissen, oft durch verhältnissmässig geringe Gewalten und oft
ohne schwere Erscheinungen von Seiten des Gelenkes. Manche
dieser Patienten haben sieh nach der Verletzung überhaupt nicht
gelegt, sondern sind der Arbeit, wenn auch mit einigen Beschwerden,
ununterbrochen nachgegangen.
Die Erscheinungen einer Gelenkmaus beginnen erst später,
meist erst nach Monaten oder sogar nach Jahren. Das erklärt
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MÜNUIlENKll MKDIOINISCHK WOCHENSCHRIFT.
Nu. 24.
sich daraus, dass die ausgesprengten Stücke nie frei iui Gelenk
bleiben, sondern Verwachsungen und weitere Veränderungen ein-
gehen, welche Vortragender an der Hand von Thierversuchen er¬
läutert. Ist mit dem Knorpel auch eine Knochen Schicht abge¬
brochen, so überzieht sich die Bruchfläche des letzteren ganz
regelmässig mit Knorpeln und Bindegewebe, welches von der Ver¬
wachsungsstelle aus gebildet wird. Später kann der bindegewebige
Stiel gedehnt und durchrisseil werden und dann erst treten die
Beschwerden der Gelenkmaus in die Erscheinung. Interessant
ist, dass der abgebrochene Gelenkknorpel am Leben bleibt, während
der knöcherne Antheil des abgesprengten Körpers regelmässig
abstirbt.
Histologisch sind die traumatischen von den arthritischen
Gclenkkörpern im Allgemeinen leicht zu unterscheiden, weil die
eigenartige Structur des normalen Gelenkknorpels, welcher in
ersteren gefunden wird, in pathologischen Knorpelbildungcn nicht
vorkommt.
Zur Discussion über diesen Vortrag berichtet
Adolf Schmitt (München), unter Verzicht auf den ange¬
kündigten Vortrag, über die Untersuchungsergebnisse bei experi¬
mentell erzeugten und bei traumatischen, menschlichen Gelenk-
mftusen. In den experimentellen Gelenkkörpern ist ein Theil des
Knochens schon sehr frühzeitig als abgestorben zu erkennen an der
Unfärbbarkeit seiner Kerne, Resorptionserscheinungen u. s. w. Neben
dem sicher todten Knochen findet sich in den dislocirten Gelenk¬
stücken aber auch sicher lebender Knochen, der aber als neuge¬
bildeter Knochen anzusehen ist. Zu seiner Entwicklung trägt das
Peiiost bezw. Perichondrium des Knorpel Knochenslückes bei, das
schnell die Tendenz zeigt zu proliferiren, das Object zu durchwachsen
in Form eines fibrillären Bindegewebes, aus dem sich der neue
Knochen entwickelt. Gleichzeitig wuchert die äussere, indifferente,
noch nicht geordnete Knorpel sch ich t und kann ebenfalls
Knochen bilden, bleibt also am Leben, während der geordnete,
grossblasige, dem Knochen zunächst liegende Knorpel ganz wie
der Knochen selbst meist abstirbt.
Durch die Befunde in menschlichen Gelenkkörpern wird diese
Ansicht bestätigt. So findet sich in einer 3 Jahre nach dem Trauma
entfernten Gelenkmaus der reichliche feste Knochen offenbar ganz
neugebildet aus dem Knochen (im Innern des Knochens liegen noch
grosse Knorpelschollen), während der ursprüngliche, mit abgesprengte
Knochen zu Grunde gegangen ist. — In einer anderen Gelenkmaus
finden sich nur noch Reste des ursprünglichen Knochens, der sicher
abgestorben ist; um diese, mitten im Knorpel gelegenen Knochen¬
reste herum findet sich lebhafte Zellproliferation am Knorpel und
hier ist auch allein der Anfang der Knochenneubildung zu erkennen,
so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass der alte, abgestorbene
Knochen das Material zum Aufbau des neuen abgibt.
Herr Riedel (Jena) betont, dass die langsam entstehenden
Ablösungen von Gelenkstücken nicht immer auf Arthritis deformans
beruhen. Durch einen Zufall beobachtete er Spaltbildung im Gelenk¬
ende eines Femur, die genau den Eindruck eines ersten Stadiums
der Osteochondritis dissecans machte
Herr Braatz (Königsberg): Die Behandlung der
typischen Radiusbrüche.
Der Vortragende empfiehlt seine bekannte Spiralschicnen,
deren Herstellung er erläutert.
In der Discussion empfiehlt Storp (Königsberg) eine Modi¬
fikation des Petersen’schen Verfahrens Er lässt dielland nicht
einfach nach Anlegung einer Mitella herunterhängen, sondern legt
über die Fracturetelle einen etwa 10 cm breiten Heftpflasterstreifen,
den er noch durch eine Gazebinde fixirt und hängt die Hand an
diesem Heftpflasterstreifen auf.
Herr Thiem (Cottbus) demonstrirt einen Fall mit schnel¬
lendem Knie, bei dem die Extension im linken Knie lieiui
Gehen in ihrem letzten Theil nur schnellend erfolgt. Streckt
Patient das Bein beim Sitzen, so fällt das Schnellen fort. Die
Ursache der Erscheinungen ist ein alter Spiralbruch mit Rotation
nach innen. Jedenfalls muss gleichzeitig das linke Kranzband
abgerissen sein.
Herr v. Zoege Manteuffel (Dorpat) demonstrirt ein
Skelett, bei welchem durch neugebildetc Knochen, die der Richtung
einzelner Muskeln entsprechen, also auf M y osi ti s o s s i f i ca n s
beruhen, die Wirbelsäule in Kyphoscoliose, die Oberschenkelknochen
in starker Flexionsstellung fixirt sind.
Vierter Sitzungstag.
Herr 01 s h a u s e n - Berlin : Die Principien der vag:
nalen Exstirpation des carcinomatösen Uterus.
Olshausen schränkt im Allgemeinen die Iudication zu
vaginalen Uterusexstirpation bedeutend ein. Er sehliosst von de
Operation alle Fälle aus, bei denen die Parametrien bereits er¬
griffen sind, da dann eine radicalc Heilung doch nicht mehr er¬
wartet werden kann. Es ist daher vor der Operation eine
richtige Untersuchung vorzunehmen und eine genaue Diagnose zu
stellen, damit man weiss, wie weit die maligne Erkrankung bereits
um sich gegriffen hat. Wenn Olshausen mit dieser Ansicht
eine Reihe von Fachgenosscn gegen sich hat, so hat er doch
25—40 Proe. der Frauen, die ihn consultirten, operirt. Es ist
dies im Gegensatz zu anderen Städten eine hohe Procentzahl, die
daher rührt, dass die Frauen in Berlin und noch mehr die Ber¬
liner Acrztc auf ein frühzeitiges Symptom, die Blutungen, achten.
Besonders eingehend behandelt der Vortragende sodann die
Technik der Operation. Es sei hiervon erwähnt, dass Olshausen
13 mal eine bereits begonnene Oi»eration unterbrechen musste, da
sich die Fälle im Verlauf der Operationen als inoperabel er¬
wies n. Ein Schaden ist den betreffenden Frauen durch die
begonnene Operation nicht geworden. Von 100 in den letzten
Jahren Operirtcn ist nur 1 Fall tödtlich geendet. Die ()i>eration
ist eine der grössten Errungenschaften der Neuzeit; es sind durch
dieselbe mehr Patienten vom sicheren Tode errettet worden, als
durch irgend eine andere Operation.
Herr D ührs8en-Berlin hat mit gutem Erfolg für Mutter und
Kind den Kaiserschnitt nicht auf die übliche Weise, sondern
von der Scheide aus ausgeführt.
Herr Sch uc har dt-Stettin hält Olshausen gegenüber die
Entfernung carcinomatöser Uteri auch noch in vorgerückterem
Stadium für möglich. Er empfiehlt dann sein bekanntes Operations-
Verfahren zu befolgen und zeigt eine grosse Reihe schöner patho¬
logischer Präparate, die er bei seinen Operationen gewonnen hat.
Herr Bau mgär t n er- Baden-Baden : Ueber die chirur¬
gische Behandlung der Hämorrhoiden.
Um möglichst wenig Gewebe zu verletzen, empfiehlt Baum¬
gärtner ül.er den einzelnen Hämorrhoidalknoten die Schleimhaut
eiuzusehiicideu, die Gefässknäuel herauszuschälen, sie hcrunter-
zuzieheu und dann oben anzubinden; die Schleimhaut wird
dann wieder genäht.
Herr König-Berlin hält dieser neuen Methode gegenüber
die alte Methode des Abbrennens der Knoten für einfacher und
ebenso zweckentsprechend.
Die folgenden Vorträge beschäftigen sich mit der unblutigen
Reposition der angeborenen Hüftverrenkung.
Zunächst spricht Herr Lorenz -Wien: Ueber seine
„neue“ functioneile Belastungsmethode.
Die Methode eharakterisirt sich folgen dermassen :
Die Hcrabholung des Schenkclkopfes in das Pfannenniveau
(Reduetion) erfolgt durch manuelle oder instrumeutelle Schrauben¬
extension in Narkose des Patienten. Die Eintreibung des Schenkel-
knpfes in die Pfannen tusche (Reposition), welche sich unter dem
akustischen Phänomen eines schnalzenden Geräusches und dem
palpatorischcn Phänomen einer ruekweisen Erschütterung des
Körpers vollzieht, wird bei starker Beugung der Extremität (behufs
Entspannung der Vorderkapsel und besserer Zugänglichkeit der
Pfanucntaschc) durch kräftigen, medial gerichteten Antrieb des
rechtwinklig abducirtcn Oberschenkels erzwungen, wobei der
Sehenkelkopf behufs Zuwendung seines Polos gegen den Eingang
der Pfannentasehc frontal einzustellen ist.
Um die Reposition stabil zu erhalten, ist es nötliig, wegen
des Grossenmissverhältnisses zwischen Kopf und Pfanne und wegen
der mangelhaften Entwicklung der Ränder der letzteren, zunächst
eine rechtwinklige oder dieser doch mehr weniger nahe stehende
Abduetion beizubeluilten.
Die Pfanncnhildung ist zum Theil eine unmittelbare und ge¬
schieht durch Ausweitung und Dehnung der vorderen fibrösen
Wand der Pfannentasehc auf dein Wege kräftiger Auswärtsrollung
und Uebvrstreekung der Extremität nach schon vollzogener Reposition
des Schenkclkopfes. Die mittelbare Pfannenbildung durch Aus¬
weitung dos knöchernen Pfaunonlagers geschieht ohne dircctcs
manuelles Zuthun zunächst auf dem Wege der Anpressung des
Schcnkelkopfes gegen das Pfannenlager durch die Anspannung der
verkürzten Weiclitheile, deren Elasticität durch die Herabholung
und Reposition des Schenkclkopfes geweckt würde; ferner durch
die functioneile Belastung des eingcrcnkten Schenkelkopfes, welcher
dadurch in seiner Lage gesichert wird und durch sein andauerndes
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16. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
Verharren in der Pfanne das Wachsthum derselben im Sinne
ihrer Ausgestaltung zu einem passenden knöchernen Gehäuse be¬
stimmt.
Nach Maassgabe der im Laufe der Zeit vermehrten Stabili¬
tät der Einrenkung wird dann die starke Abduction in mehreren
Etappen bis zu einer die Function bequem ermöglichenden Streck¬
haltung vermindert. Schon vor der völligen Erreichung der in¬
differenten Streckhaltung beginnt die Nachbehandlung mittelst
activer Abductionsgyinnastik und Massage bei voller Freiheit des
Patienten. Die Reibehaltung einer vorläufigen habituellen Abductions-
lage des eingcrenkten Beines wird durch eine entsprechende Sohlcn-
einlage unter dem gesunden Fussc erreicht.
Nach den Erfahrungen Loren z’s sind mittelst der chirur¬
gisch unblutigen Behandlung nur bei Kindern bis zu höchstens
5—6 Jahren Erfolge zu erzielen.
Zur Demonstration der Erfolge zeigt Lorenz 4 Kinder, die
allerdings recht gut gingen.
Den gleichen Erfolg zeigten aber auch 4 Kinder, die
Miculicz-Breslau vorstclltc und die nach der bekannten Lage¬
rungsmethode von Miculicz behandelt worden waren. Miculicz
hebt mit Recht hervor, dass das Verdienst, die unblutige Re}>osi-
tion zuerst nachdrücklichst empfohlen zu haben, Pa ei in Pisa
gebührt uud dass Lorenz mit Unrecht seine Methode als die
allein selig machende hinstellt.
Hof fa-Wür/.burg demonstrirt an einem anatomischen Präparat
die Möglichkeit der Reposition und empfiehlt auf Grund seiner
anatomischen und klinischen Erfahrungen zuerst die Reposition in
Narkose vorzunehmen, dann aber nach einigen Wochen den Mieu-
liczschen Apparat anzuwenden. Hoffa hat diesen Apparat so
modificirt, dass er die Beine nach gelungener Reposition einwärts
zu stellen vermag. So wird die Behandlungszeit wesentlich abgekürzt,
die Behandlung selbst ist aber, namentlich bei doppelseitiger Luxation,
für die Patienten viel bequemer, als das monatelauge Fixiren der¬
selben in Gypsverbänden. Hoffa's Resultate der unblutigen Be¬
handlung sind recht erfreuliche. Das älteste Kind, bei «lern ihm die
unblutige Reposition beiderseitig in einer Sitzung gelang, war 6 1 /»
Jahr alt. Allerdings war die unblutige Methode einmal schon bei
einem 3 jährigen Jungen unmöglich. Die allgeschlossene Operation
zeigte als Grund der missglückten Versuche ein ausserordentlich
stark entwickeltes Lig. teres, das sich bei jedem Repositionsversuch
ziriflehen Kopf und Pfanne einklemrnte Die unblutige und
blutige Repositionsmethode schliessen sich nicht aus,
sondern ergänzen sich vielmehr in erfreulicher Weise
Man wird in jedem Falle zuerst das unblutige Verfahren versuchen
und das blutige erst zur Anwendung bringen, wenn das unblutige
versagt hat.. Die starke Dehnung, welche die Weichtheile bei dem
missglückten Versuche der unblutigen Reposition erfahren, ist für
eine spätere Operation nur von Vortheil.
Herr 8chede-Bonn tritt Lorenz gegenüber warm für sein
Verfahren ein; es ist ihm auch bei älteren Patienten gelungen, mit
Zuhilfenahme subcutaner Tenotomieen den Kopf in das Niveau der
Pfanne herunterzuholen.
Schliesslich zeigt Herr D ol ega - Leipzig Schienenhülsen-
apparate nach Art der vom Referenten angegebenen, mittelst deren
es ihm gelungen ist, recht gute functioneile Resultate zu erzielen.
Die angeregte DiBcnssion hat jedenfalls viel zur Klärung des
beregten Gegenstandes beigetragen; ebenso war es wohl von Vor¬
theil, dass am nächsten Morgen Lorenz und Hoffa in der v.Berg-
mann’sehen Klinik ihre Methoden der unblutigen und der blutigen
Operation demon&trirten.
Herr Ziegler- München: Ueber di» Mechanik des
normalen und pathologischen Hirndruckes.
Da über den «Hirndruck» die Ansichten noch keineswegs
geklärt sind, unternahm Referent in Verbindung mit Herrn Privat-
docenten Dr. Frank, Assistenten am Münchener physiologischen
Institute, das Studium des normalen und pathologischen Hirndruckes
von Nettem mit verbesserten Hilfsmitteln unter gleichzeitiger Be¬
obachtung der Convexität und der Basis des Gehirns, der Sinus,
des peripheren Venensystems und der Arterien.
Bei den Versuchen zeigte sich nun, dass der Liqnordruck,
der unter normalen Verhältnissen mit dem Hirndruck identisch
ist, und sich im Mittel auf 6 mm Hg beläuft, im Allgemeinen
sich auf den mittleren Sinusdruck cinstellt. Der Sinusdruck, der
gleichzeitig an mehreren Stellen im Längssinus gemessen wurde,
•st in den vorderen Partieen höher, in den mehr rückwärts ge¬
legenen etwas niederer. Die Differenz ist durch das Druckgefälle
bödingt, da das Blut im Längssinos von vorn nach hinten fliesst.
(Curvendemonstration). Am Liquor und am Sinus lassen sich
579
pulsatorische Erscheinungen wahrnehmen, die gleichzeitig mit dem
Arterienpuls verlaufen und demselben sehr oft ähneln, doch findet
eine Beeinflussung von Seiten des venösen Systems statt, unter
normalen Verhältnissen nur in geringem Grade, bei schwachem
Herzen, bei Erstickung beträchtlich. Der Einfluss des Venen¬
systems auf die Pulse ist am deutlichsten bei Vagusreizung während
des Herzstillstandes an den respiratorischen Schwankungen der
Liquor- und Sinuxdruckcurven zu sehen, ferner bei Erstickung,
wo nach Auf hören der arteriellen Pulse noch lange die Vorhof-
pulse an der Liquorcurvc zu sehen sind. (Curve).
Setzt man im Sehädelinnern eine geringe Raumbeschränkung
durch Injection von einer kleinen Menge Flüssigkeit, so steigt der
Druck im Sinus sofort und continuirlieh, fällt in den peripheren,
das Ilirnblot abloitcnden Venen, ähnlich, wie wenn man an einem
Schlauch, durch den Flüssigkeit strömt, ein 1 linderniss setzt; der
Druck vor dem Hindcrniss steigt, hinter demselben sinkt. Es
geht daraus hervor, einmal, dass bei einer llaumbcschränkung der
Sinus sofort comprimirt wird, dass ferner die Sinuswandung im
Gegensatz zu den bisherigen Anschauungen nicht starrwandig ist,
was auch oft beobachtet werden konnte. Nur ein Theil der Sinus,
soweit sie im Knocheninnorn ein geschlossen sind, ist nicht com-
pressibcl.
Auf Veränderungen im Circulationssystem, wie sic durch die
Vagusreizung und Durehschneidung, Asphyxie u. s. w. erzeugt
werden, reagirt Hirn- und Sinusdruck momentan und steigen und
fallen dieselben mit dem Steigen und Fallen des arteriellen Druckes.
Eine arterielle Druckerhöhung wirkt genau so wie eine Flüssig-
keitscinspritzung, nur dass selbst bei bedeutender Blutdruckerhöhung
die Druckerhöhung im Liquor und Sinus stets verhältnissmässig
gering ist, z. B. bei 150 nun Tlg Blutdruckerhöhung nur 9 mm.
Die Hirndrucksteigerung findet auch da statt, wo die übrigen
gesummten Körperarterien sich verengern, z. B. bei Erstickung,
woraus hervorgeht, dass die Hirnartericen den vasomotorischen
Einflüssen nicht unterliegen. Gerade bei der Erstickung ist die
Steigerung durch Combination des gesteigerten arteriellen und
venösen Druckes besonders hoch, im Sinus bis über 80 mm Hg und hier
kann auch der Liquordruck wesentlich hinter dem Sinnsdruck Zurück¬
bleiben, weil die Sinuswandungen einer ein gewisses Maas» überschrei¬
tenden Ausdehnung genügend Widerstand setzen. Carotidcnunter-
bindung ist ohne wesentlichen Einfluss. Bei noch sehr hoher Blut¬
drucksteigerung findet nie ein völliger Verschluss des Sinus statt,
offenbar, weil diese nicht völlig compriinirbar sind und die Weite der
Venenlumina im Verhältnis« zu der der Arterien so bedeutend
grösser ist, dass die verhältnissmässig stets geringe Hirndruck¬
steigerung nicht im Stande ist, die weiten Venen zum völligen
Verschluss zu bringen. Da das Druckgefälle im Gefässsystom
durch Blutdrucksteigerung bedeutend zunimmt, z. B. bis 141 mm
Ilg, folgt mit Bestimmtheit, dass die Blutgeschwindigkeit bei
gesteigertem arteriellen Druck zurichmen muss.
Wahrend im Normalen das Gehirn völlig den hydrostatischen
Gesetzen unterliegt und daher der Druck überall gleich sein muss,
können im Sehädelinnern, wenn der Liquor verdrängt wird, wie
l>ci Druck durch feste Körper oder extradural eingespritzter freier
Flüssigkeit, Druckdifferenzen auftreten, ähnlich wie wenn man
einen festen Körper gegen eine Unterlage, z. B. mit einem Druck
von 50 mm Hg drückt, nun denselben mit einer starren Kapsel
umgibt und zwischen Kapsel und festen Körj>er Flüssigkeit ein¬
bringt unter einem Drucke von 100 min Hg, der Druck von
50 mm nur an den unmittelbar gedrückten Stellen besteht, an
den entfernteren Partieen aber der Druck von 100 plus einem
geringen Bruehtheile des je nach der Elasticität fortgepflanxten
Druckes von 500 mui Hg. Das Vorkommen bedeutender localer
Druckdifferenzen konnte direct nachgewiesen werden, indem einer¬
seits oben an der Convexität ein Druck ausgeübt und an der
memb. obtur. gemessen wurde, andererseits umgekehrt, ferner
indem bei Compression mit Ballon an der uncröffnoten Dura
manchmal kein Steigen des Sinusdruckes erhalten wurde, nach
Eröffnung der Dura und Compression mit freier Flüssigkeit ein
sofortiges Steigen des Sinusdruckes ointrat. Bei extradural an
der Convexität angewandtem Ballondruck wurden enorme Differenzen
beachtet in Folge des Widerstandes, den die adhaerente Dura
bietet, was praktisch von grosser Bedeutung bei Blutungen ist.
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580
Münchener me dicinische Woc henschrift.
No. 24.
Ru Allgemeinen
prcssion dor Sinus ^ ’ jL Ü in Folge localer Starrwandigkeit
differenten es verhindern öd«J ™ dcr Messung
der Sinus die Compression capillarwärte
8 “C d bd“r Compreäsioti nicht „nr den Sinuc -dem ^
« „ M h dcrComprcB«»» c«n l0o, « * 2 0omI>rsssiun die
5£S - c„ rt: jun r ::
in—25 ergo müssen sie sich verengern. Dasselbe . gi ,
® .. pm„ «lio Art^rion Setzt ffliin clli-
, i.«.
"xrs k 0 ™:: 8 ion - rr t 'xjzsz
sowohl bei cxtraduralcm wie intraduralcm l>r»ok «Al ^
Druck spontan ziemlich rasch (Curven). Aus du grosse
durch dil Compression erzielte.. Hirndruckcs und der Crosse des
d Ab -nkens wurde bei bekanntem Volum direct die Resorption
0,22
berechnet, z. B. aut g ec ■
Die Resorption des Liquor erfolgt nun nicht durch die
Lymphe, sondern direct durch das Blutgefässsystem. Wenn man
einem Hunde Ferrocyankaliumlüsung in den Schädel spntzt, ün
man das Ferrocyankali schon nach 10 Sec. m der beim Hunde
das Hirnvenenblut z. Th. abführenden Vena fac^ post '-
noch nach •/* Stunde keine Spur in den grossen Halslymph
gefässen Wahrscheinlich findet die Resorption direct durch die
febende* Capillanvand statt, ähnlich, wie neuestes für das P«-
toncum die Resorption durch die Oapillarwände, nicht durch das
Lymphsystem als in erster Linie in Betracht kommend nach¬
gewiesen wurde. (Schluss folgt..)
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 10. Juni 1896.
Herr Piorkowski a. 6 .; Ueber ein neues Differen-
zirungsverfahren zwischen Bacterium coli commune und
Bacillus typhi abdominalis.
Der Umstand, dass Bacterium coli häufig in den Harnwegen
gefunden wird, veranlasst« Vortragenden, zunächst das Wachsthum
dieses Bacteriums auf Harnagar zu studiren und dann zu
untersuchen, ob sich eventuelle Wachstbumsunterschiede zwischen
dem genannten und dem ihm morphologisch so nahestehenden
Bacillus des Abdominaltyphus ergeben würden. Es fand sich nun,
dass das B. coli sehr üppig in grauweissen Colomen gedeiht, der
Tvpliusbacillus im Wachsthum hinter den. B. coli zurückbleibt,
sich aber immerhin entwickelt in Gestalt feiner, glasheller Colomen,
welche eine Differenzirung beider Bacterien sicher zuzulassen
scheinen. Dieselben Wachsthumsverhältnisse finden sich auch in
Harnbouillon und Harngelatine. Die Typhuscolonien werden auf
Harnagar nach 3 Tagen erst sicher wahrgenommen, sind aber auch
nach 6 Tagen noch äusserst klein.
(Näheres im letzten Heft des Centralbl. f. Bact.)
Discussion: Herr Elsner weist darauf hin, dass man
Differenzpunkte zwischen den beiden genannten Bacterien schon
seit längerer Zeit kenne und auch ein sicheres Differenzirungs-
verfahren in der Pfeifferschen Methode besitze; dass es aber
darauf ankomme, den Typhusbacillus auch da, wo er nur spärlich
vorhanden (Wasser), oder wo er mit anderen Bacterien gemischt
vorkomme (Fäces), zu isoliren.
Herr Piorkowski bemerkt, dass es ihm mit seiner Methode
gelungen sei, den Typhusbacillus in einer Reihe von Fällen aus den
Fäces zu züchten.
r äces zu zuenten.
Herr Ewald bestätigt dies nach im Augustenhospitale au
gestellten Versuchen. Er rühmt, gleich den Herren M. Wolf und
Senator, die Vorzüge der Elsner’schen Methode (Jodkall- Ear-
toffelgelatine bezw. Agar) zur Differenzirung des Bacillus coli und
Typhusbacillus.
Morr Hauser berichtet über Untersuchungen auf
Tetanie und tetarMache Symptome, die er an «inen, Mater..,
T alr 900 Kindern im Alter von 10 Tagen bis zu 10 Jahren
von über 200 gnchtc f estzuste llen, welche dia-
Wert),»eit die einzelnen »gen tetanisclen S w te«
V, „oben dürfen und kommt zu dem Ergebmss.
Ala specifch totanisehe Symptome, die gerade» pattogno-
monisch sind, hat man anzusehen:
1 Das Erb'sche Phänomen, 2. das Trousscau sehe
Phänomen denn beide finden sich bei keinem anders gearteten
Kruikheitszustand und nie bei gesunden Kindern. 1- Das Lrb -
fchc S mptom ist constant bei der Kindertetan.c nachweisbar und
daher 'das wichtigste diagnostische Merkmal. Auf Grund seiner
Untersuchungen sowohl an 23 ganz gesunden Kindern der ersten
Lebensperiode sowie von tetanisehen Kindern und zahlreichen
Fällen von Spasmus glottidis, Rachitis, Dyspepsie Pertussis und
Ldcicn Affectionen meint H., dass elektrische Werthe von einige,,
wenigen Milli-Ampere bis zu 0,5 M.-A. und wenig darttbc.für
die KSZ, Werthe von einigen M.-A. bis zu höchstens 16 M,A.
für den KSTc im Säuglings- und frühen Kindesalter unbedingt
als Zeichen erhöhter galvanischer Nervenerregbarkeit angesehen
werden müssen. 2- Das Trousscau sehe lhanomcn kann bei
der Kindertetanie fehlen, wo es aber vorhanden, ist cs patlio
gnomoniscb^ ^ ^ das Chvo8t ok' sehe Phänomen noch
die Steigerung der mechanischen Muskelcrregbarkeit für*«: Kind«-
tetanie beweisend. Das Chvostck sehe Zeichen scheint
dtgl in seinen höchsten Graden nur bei der Tetanie vorzuko,innen,
vermag also die Diagnose zu stützen.
H verlangt, dass die Diagnose aut Tctamc auch heim Kinde
- LT-S. -erde, wem, die Felle die» .wetfei 0 -
der Tetanie darbicten. Er spricht Loos (Ls eher ich)
rcchtigung ab, auf die Befunde ihrer durchaus nicht cnwands-
freien Untersuchungsmethode,, hin, eine neue Definition der Km
tetanie zu geben, eine ganz neue Lehre über sie und ihre Be
Ziehungen zum Spasmus glottidis aufzustellen.
Auf der anderen Seite betont II das Verdienst Eschench
und Loos', daraufhingewiesen zu haben, dass unter dem Bilde
des Spasmus glottidis eine echte Tetanie verlaufen kann ******
längst bekannt, aber nicht in dieser Weise erkannt ^ar «ämhch
dass hinter den Stimmritzenkrämpfen dm s P ontan ™
Contracturen sehr wohl zurücktreten, selbst ganz telden konnen.
II. unterscheidet: 1) eine mit spontanen Contracturen cm
hergehende Tetanie des Kindesalters; sic verläuft geuau wie bei
älteren Individuen und bietet neben den Extrem,tätencontracture^
neben laryngospastischen und eklampt,sehen Krumpfen stete
eine oder andere, meist sämmtlichc Symptome der sog Inas,
2) eine echte, aber latente, d. h. bezüglich der mtenm mm*
Krämpfe latente Tetanie; ihre Diagnose stützt sich auf den Nach
weis des Erb’ sehen und des T r o u s s e a u ’ sehen , eventuell auch
des C h v o s t e k ’ sehen Phänomens. Diese latente T ^" ie „
häufig als auffälligste, zunächst wohl auch einzige kl ^ lsche J;
scheinung Spasmus glottidis. Alle Fälle von S P a8 ^
glottidis fordern desshalb zur Untersuchung
TCta Di 1 e e Axiologie der Kindertetanic ist noch nicht kjargestellt.
Eine Disposition gibt offenbar die Rachitis ab. In
scheinen bei Dyspepsieen im Magen -Darmcanal gebilda
Toxine den Reiz abzugeben, welcher die tetanisclien J
nuugen auslöst. In solchen Fällen ist eine gegen die Dyspeps
gerichtete Behandlung meist von eclatantem Erfolg. , - t
Die Mehrzahl aller Fälle von Spasmus glottidis hat abc
der Tetanie nichts zu thun. Der Lehrsatz der Gra ^r ^
(E scher ich-Loos): «kein Spasmus glottidis ohne Tetanie
scheint in dieser Allgemeinheit ganz unhaltbar. ~ RtnUS
Vielmehr ist daran festzuhalten, dass zwischen dem fepasm
glottidis und der Rachitis Beziehungen bestehen, welche
scheinlich mehr bedeuten, als ein blos zufälliges Zusammen ^ ^
Der Spasmus glottidis steht dagegen zu der Cra “ 10 f. •
keinem auch nur einigermassen gesicherten causalen^
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16. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
581
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 13. Juni 1896.
Die Lyssa - Schutzimpfungs • Anstalt in Wien. —
Operation abstehender Ohren. — Operative Behandlung
des Lupus vulgaris. — Die Aerzte und die Kaltwasser-
euren.
Einem eben erschienenen Berichte über die Thätigkeit der
Lyssa-Schutzimpfungs-Anstalt im k. k. Rudolf Spitale in Wien,
erstattet von Dr. v. Tannenhain, entnehme ich, dass daselbst
während der Jahre 1894 und 1895 im Ganzen 120 Menschen,
welche von wüthenden Thieren gebissen worden waren, der
Pasteur’sehen Behandlungsmethode unterzogen wurden. Es
wurden 1713 Injectionen gemacht, ohne dass je üble Folgen der¬
selben vorkamen. 73 Kranke waren im Spitalc aufgenommen,
47 wurden ambulant behandelt; eigentlich waren blos wenige der
Enteren wirklich spitalsbedürftig, doch konnte die Aufnahme nicht
verweigert werdeu, da es sich um sehr arme, in Wien ganz fremde,
meist der deutschen Sprache unkundige Leute handelte. Die
meisten Kranken stammten aus Böhmen (69), sodann aus Nieder¬
österreich (21) und Mähren (10). Die Behandlungsmethode war
die im Paste u r ’ sehen Institute in Paris gebräuchliche; bei den
leichten Verletzuugen wurden meist 14 Injectionen gemacht, wobei
als ältestes Mark i 4tägiges, als jüngstes 4tägiges verwendet und
die Iujection von 7—5 tägigem Mark wiederholt wurde. Iit allen
schweren Fällen wurde die Behandlung verlängert; es wurden bis
zu 20 Injectionen gemacht und bis zu 3 tägigem Mark herab-
gegangen. Ein eigentliches Traitement force gelangte nicht zur
Anwendung.
Ueber das weitere Schicksal der Behandelten (Mortalitäts-
Statistik) wird .nichts angegeben; trotz X ach fra gesell rei be n bei den
politischen Behörden, die von jedem einzelnen Falle verständigt
werden, ist der Anstalt, welche unter Leitung Professor Pal tauf s
steht, bisher kein tödtlicher Ausgang bekannt.
ln der jüngsten Sitzung unserer Gesellschaft der Aerzte
stellte Professor Wein lech »er einen 38 jährigen Sehlosser-
gehilfen vor, bei welchem er aus cosmetischcn Gründen einen
immerhin seltenen Eingriff vornahm. Der Mann hatte weit ab¬
stehende Ohren, die ihm angeblich sogar im Fortkommen be-
hinderlich waren, da seine Kameraden sich über ihn stets lustig
machten. Einmal hatte er sogar versucht, sich ein Stück Ohr¬
knorpel selbst zu entfernen, zu welchem Zwecke er sich ein recht
complicirtcs Instrument construirte. W e i u 1 e e li n e r legte den
stark vorgewölbten Ohrknorpel an der llinterfläehe des Ohres
bloss, cxcidirte sodann ein 8 mm breites, spindelförmiges Stück,
vereinigte den Knorpel sodann mit Catgut, die Hautwunde mit
Seidennaht und verband. Heilung per priuiam. Das Resultat ist
ein vollkommen befriedigendes.
Prof. E. Lang stellte sodann eine ganze Reihe von Indi¬
viduen vor, welche er operativ, 3 vor mehreren Jahren, daher
radical, von ihrem Lupus befreit hatte. Nach seinen bisherigen
reichlichen Erfahrungen sind hiebei einige Momente sehr zu be¬
achten. Vorerst, dass thatsäclilich alles Krankhafte entfernt
werde, um einer Recidive vorzubeugen. Da wo die Erkrankung
sich von der Haut auf die Schleimhäute fortzieht (Nase und
Lippe, Augenlider und Bindehaut, Genitale und Anus), sei es
oft recht schwer, die Grenze des Gesunden und Kranken abzu-
stecken, hier wird zuweilen ein zweiter und dritter Eingriff noth-
wendig sein. Es erschwert also einmal die Loealisatiou des Pro-
cesses, die Vornahme der Operation und lässt Recidive befürchten.
Anderseits wird es zuweileu wegen der grossen Ausdehnung der
lupös erkrankten Partie schwierig, die Operation — Entfernung
des Kranken und Deckung des Substanzverlustes nach Thiers eh —
auf einmal zu beenden. Stellt sich hier Recidive ein, so muss
eben nachoperirt werden, die Kranken müssen also Monate lang
unter ärztlicher Aufsicht stehen.
Man kann aber auch so Vorgehen, dass mau vorerst alles
lupös Erkrankte entfernt, eventuell einzelne Partieen mittelst
Naht vereinigt oder nach Tliicrsch deckt, andere Partieen
jedoch eine Zeit lang granuliren lässt, um sich die Sicherheit zu
verschaffen, dass man radical operirt hat und dass man erst
später (im demonstrirten Falle 1 Jahr darnach) eine Nasen-
oder Oberlipiwu-Bildung vernimmt, ln den meisten Fällen wird
es jedoch möglich sein , sofort auch an die Lappenpla.stik zu
gehen.
In 3 Fällen, welche Lang vorstollt, wurde der Eingriff vor
längerer Zeit (Mai 1893. Juni 1894) vorgenonimen, das ()|>erations-
gebiet selbst ist ganz reeidivfrei geblieben, überdies sind die frühen
dicken, strangförmigen oder wulstartig hcrvorstchenden Narben¬
stränge geschwunden, die N'arl»eii sind glatt und zart, stellen¬
weise der gesunden Oberhaut ähnlich im Aussehen und im
Anfühlen. Einmal war eine kleine Recidive ausserhalb des
Operationsgebietes zu constatircn. Der oj>erativeii Kntfernung des
Lupus, schlicsst Lang, gehört unter allen anderen Behandlungs¬
methoden dieses Leidens unstreitig die Palme; die Erfolge werden
aber noch bessere sein, wenn frühzeitig operirt wird. Jetzt kommt
es leider noch immer vor, dass Kranke der Operation unterzogen
werden, welche 30 — 40 Jahre lang dieses entstellende Leiden zur
Schau trugen , also Jahrzehnte lang Objecte fruchtloser Ileil-
bestrebungen, auch Seitens der Kliniken, waren.
1 nliebsames Aufsehen erregte jüngst ein in der «Neuen
freien Presse-' vom 7. Juni 1896 abgedruckter Artikel, der sieh:
< Die Aerzte und die Kalt wassere uren >: betitelte. Als Verfasser
zeichnete ein junger Arzt, Namens Dr. J. Sadger. Der Inhalt
des Aufsatzes war ein für uns praktische Aerzte direct beleidigender.
Der Mediciner lernt die Wirkungsweise aller möglichen Heilmittel
ein, welche der Arzt niemals am Krankenbette anwendet, erfährt
aber nichts oder sehr wenig von den physikalischen Heilmethoden,
welche bei inneren Krankheiten das Um und Auf aller Behand¬
lung sein sollen. Ililfs- und thatenlos steht der Arzt hier dem
Kranken gegenüber. Wir in Wien besitzen eben keine einzige
staatliche Lehrkanzel für diese Fächer (Elektrotherapie, Massage,
Kaltwasserbehandlung und Meehanotherapie), die Kliniken haben
keine Apparate für Hydro- und Mcelianotlierapie, alle privaten
Bestrebungen, derlei auf eigene Kosten im allgemeinen Kranken-
hause zu insceniren, wurden schon vor Jahren vom mcdicinischcn
Lehrkörper resp. von unserer obersten Unterriehtshehörde einfach
zurück gewiesen. Daran ist aber nur der «Sehuldünkel » schuld,
man verzeiht eben nicht, dass der Begründer der Hydrotherapie,
Vincenz .1* ricss n i tz , ein Bauer gewesen ist und vergisst darüber
ganz, dass jede Schul in cd i ein ursprünglich von
denkenden Laien aus g e s o n n e n w u r d e. (!) Unsere Fielier-
niittcl schaden mehr als sie nützen, das wurde erst jüngst in Wies¬
baden am medicinisohen (Kongress in überzeugender Weise dargethan;
für die einzig wissenschaftliche Methode der Hydrotherapie, deren
praktischer Werth in Millionen von Fällen bereits nacligewiesen
wurde, hat, mit vereinzelten Ausnahmen, noch keiner der Sclml-
gelehrten eine Lanze gebrochen. Wenn Aerzte trotz mangelhafter
Methodik, trotz hervorragendem Mangel an Sachkenntnis*, hydr-
iatrische Versuche anstellen und Erfolge erzielen, so werden letztere
als «Suggestion x bezeichnet und abgethau — mit jenem vor¬
nehmen Achselzucken, das eine Mischung von Hoehmuth und
Unwissenheit darstellt >.
Um also auch für den Acrmsten ■ diese Quelle der Hilfe
und des Segens fliessen zu lassen, gibt es nur ein Mittel: die
Errichtung eines Lehrstuhles für physikalische Heilmethoden und
einer damit verbundenen »Spitalsabtheilung. Daun werden vicl<?
tausende Kranke nicht mehr, wie leider bisher, «auf eine medicu-
mentösc Surrogatbehandlung» angewiesen sein.
Dies ein sehr gedrängter Auszug der vornehmen Auslassungen
eines Arztes in einer vielgeleseneu politischen Zeitung. Erinnert
nicht jede hochtrabende Phrase dieses Arztes an die nicht
minder überzeugungsvollen Redensarten der sogenannten < Natur¬
arzte , die sich ebenfalls gegen den «Schuldünkel- auflchnen, auf
die «»Schulärzte» verächtlich herab.sehen und die .»Sehuliuediein'
verspotten V Lehrt Herr Professor Winternitz, der bekannte
Hydrotherapcut, etwa keine Sch ul medicin und hat der Herr
Doctor «Sadger etwa nicht in der »Schule seine medieiuisehen
Kenntnisse erworben V! Ist das der Dank dafür, dass wir prak¬
tische Aerzte jahraus jahrein unsere Kranken den Wasserdoetoren
zuschioken, dass wir die Anstalten für Hydrotherapie in Kalten-
leutgeben oder sonstwo mit unseren Patienten aller Art füllen,
dass man uns seliliesslieh noch höhnt und verspottet, uns als bilf-
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582
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
und rathlos hinstcllt und unter Anderem der staunenden Laien¬
welt mit holdem Pathos erzählt, dass man nur in einer Wasser¬
anstalt einem Herzkranken einen II er/.schlauch auflegt und ihm
Wohlbefinden und längeres Leben. verschafft ?! Das und vieles
Andere wenden wir praktische Acrzte ja tagtäglich auch bei unseren
Kranken an, wir kennen ebenfalls die zweckmässige Anwendung
des Wassers und berathen uns schliesslich mit den Fachärzten,
wenn uns noch da und dort ein Zweifel aufstösst. Völlig ab¬
geschmackt ist die Phrase von der medicamentösen Surrogat
bohandlung, , das Wasser ist eben nichts anderes als ein Heil¬
mittel mehr, es lässt auch zuweilen im Stiche, ist zeitweilig gar
nicht imlicirt, während ein anderes Heilmittel zur selben Zeit
überaus angezeigt ist und dem Kranken nützt. Wir praktische
Acrztc und die Schule, aus der wir hervorgegangen sind und auf
welche wir noch immer stolz und vertrauensvoll zurück blicken, sie
mussten wahrlich beide nicht den Rücken herhalten, dass man
schliesslich mit überflüssiger l’eberhcbung die Ktablirung einer
staatlichen Lehrkanzel für Hydrotherapie beantragt. Das hätte
man wohl in anderer Weise Vorbringen können, ohne uns zu
höhnen und zu verletzen, ohne alle Reelame für einen Wasser -
doetor und dergleichen mehr. Zum Schlüsse noch ein weiteres
Moment. Die Besprechung derlei liiedicinischer Tagesfragen gehört
wohl nicht in eine politische Zeitung sondern in ein Fach bla tt ,
wenn auch der Verfasser hiebei die kleine Gefahr riskirt, dass
seine vielfach .unrichtigen Angaben sodann auch wissenschaft¬
lich widerlegt werden, was ich selbst an dieser Stelle naturgemäss
auch nicht versucht habe.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, lö. Juni. Im Anschluss an das vor Kurzem (vergl.
No. 19 d. Wochenschr.) publicirte «Gesetz, betr. die ärztlichen Bezirks¬
vereine» soll den sächsischen Aerzten auch eine Standes- und
Ehrengerichtsordnung gegeben werden. Zu den in der Plenar¬
versammlung des k. Landes-Medieinalcollegiums vom 23. November
1893 beschlossenen Entwürfen einer solchen hat nun das sächsische
Ministerium des Innern eine Reihe von Bemerkungen gemacht,
welche die Veranlassung zu einer nochmaligen Berathung im Landes-
Medicinalcollegium bildeten. Dieses bat nun die von uns in einer
Beilage zur heutigen Nummer abgedruckten «abgeänderten Ent¬
würfe einer Standesordnung und Khrengerichtsordnung für die
ärztlichen Bezirksvereine» anfgestellt, welche der nächsten Plenar¬
versammlung des Collegiums zur Berathung werden vorgelegt werden.
Die Entwürfe bilden die nothwendige Ergänzung zu dem oben¬
genannten Gesetz, betr. die ärztlichen Bezirksvereine.
— Die Frage der Unterbringung des Instituts für Infec-
tionskrankheiten in Berlin, die längere Zeit hindurch Schwierig¬
keiten bereitet hatte, geht nunmehr ihrer Lösung entgegen. Das
Institut wird dem neu zu erbauenden 4. städtischen Krankenhaus
angegliedert werden. Zu diesem Zwecke vereinbart die Stadt Berlin
mit dem preuss. Fiscus nachstehenden Vertrag: § 1. Das Institut für
Iufectionskrankheiten wird ausserhalb der Anlage des 4. städtischen
Krankenhauses, jedoch in unmittelbarer Nähe desselben Seitens des
Fiscus errichtet Die Stadt ist bereit, der Unterrichts verwaltung den Bau¬
platz eigentümlich zu überlassen und ausserdem im ersten Fall einen
besonderen Zugang zura Krankenhause unentgeltlich zu gewähren.
— § 2. In dem vierten städtischen KrankenhauBe wird eine Ab¬
teilung für Infectionskranke von 100 Betten eingerichtet. Die
Leitung dieser Abteilung untersteht einem städtischen dirigirenden
Arzte, der mit allen Rechten und Pflichten eines solchen zugleich
Mitglied des Instituts ist. Die Anstellung desselben erfolgt durch
•die Stadt, indessen steht dem anderen Theile die Befugniss zu,
die ihm nicht genehmen Candidaten abzulehnen. Scheidet er aus
seiner Stellung als dirigirender Arzt beim Krankenhause zufolge Kün¬
digung oder aus irgend einem anderen Grunde aus, so verliert er
damit zugleich seine Stellung am Institut, dasselbe gilt auch um¬
gekehrt. — § 3. Befinden sich mehr als 100 Infectionskranke im
Krankenhause, so Bind die Anträge des in Rede stehenden dirigirenden
Arztes bezüglich der Auswahl der seiner Abtheilung zuzuweisenden
Infectionskranken mit der Maaesgabe zu berücksichtigen, dass die
von den Kranken geäusserten Wünsche in erster Reihe beachtet
werden sollen. Der dirigirende Arzt ist befugt, unter seiner Ver¬
antwortlichkeit dem Director des Instituts vertretungsweise einen
Theil der Kranken zur eigenen Behandlung zu überlassen, sofern
sich die Kranken damit einverstanden erklären Zu klinischen und
sonstigen Unterrichtszwecken dürfen diese Kranken nicht verwendet
werden. Die dieser Abtheilung überwiesenen Kranken sind der ad¬
ministrativen Ordnung des Krankenhauses vollständig unterworfen.
*5 4. Dem Institut werden in der bezeichneten Abtheilung des
Krankenhauses jährlich 2000 Verpflegungstage zur freien Verfügung
gestellt gegen eine an die Stadtgemeinde zu zahlende Pauschalsumme
von 6000 Mk. jährlich und Vergütung der den auf Grund dieser
Bestimmung behandelten Kranken verordneten Extradiät. Es dürfen
jedoch gleichzeitig nicht mehr als fünfzehn Betten seitens des
Instituts in Anspruch genommen werden. § 5. Für alle Mehrkosten,
welche dem Krankenhause bei Behandlung der Kranken durch die
Berücksichtigung von besonderen Wünschen des Instituts erwachsen,
hat das letztere vollen Ersatz zu leisten. Der Berliner Magistrat hat
diesem Vertrage bereits zugestimmt. Die Stadtverordneten - Ver¬
sammlung hat denselben einem Ausschuss zur Vorberathung über¬
wiesen, doch steht seine Annahme auch in dieser Körperschaft ausser
Zweifel.
— Der Verein bayerischer Zahnärzte wird am 27., 28. and
29 ds. Mts. sein 10 jähriges Stiftungsfest in München im Festsaale
der k Akademie der Wissenschaften, Neuhauserstrasse 51, abhalten.
Das officielle Programm, das sehr reichhaltig zu werden verspricht,
wird am 24. ds. ausgegeben werden. U. a. sind Vorträge ange-
meldet von Prof. Klaus sner, Privatdocent Dr. Ziegler, Dr. Port,
Zahnarzt Meder. Die Mitglieder des ärztlichen Vereine München
sind zur Theilnahme an der Versammlung, mit welcher eine reich
beschickte Ausstellung verbunden sein wird, eingeladen.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 22. Jahreswoche, vom 24. bis 30. Mai 1896, die grösste Sterblich¬
keit Königshütte mit 38,7, die geringste Sterblichkeit Offenbach mit
7,6 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Bromberg, Köln, Krefeld,
Potsdam.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Die Academie der
Wissenschaften hat als Beihülfen für wissenschaftliche Arbeiten be¬
willigt: an Professor Wernicke in Breslau zur Herstellung eines
photographischen Atlas von Schnitten durch das Gehirn 20ü0 Mk.,
dem Privatdocenten Dr. Bethe in Heidelberg zu einer Reise nach
Neapel behufs Fortsetzung seiner physiologischen Untersuchungen
des Centralnervensystems von Carcinus inaenas 500 Mk. — Zum
Ersatz für Professor Georg Lewin, der von seiner Stelle bei der
Charitd zurückgetreten ist, ist an erster Stelle Professor Ftlrbringer,
Director am städtischen Krankenhause am Friedrichshain, vorge
schlagen worden. — Leipzig Privatdocent Dr. Friedrich Küster
ist als Ordinarius für Augen- und Ohrenheilkunde nach Leiden be¬
rufen worden. — Rostock. Die Gesammtfrequenz ist ira laufenden
Semester gestiegen auf 523 Studirende, darunter 23 Hörer. Die
medicinische Facultüt zählt 117 Studenten. — Tübingen. An der
hiesigen Hochschule beträgt im laufenden Semester s die Zahl der
Studirenden 1190, von diesen etudiren 214 Medicin.
Innsbruck. Privatdocent I)r. Karl Ipsen wurde zum ausser
ordentlichen Professor der gerichtlichen Medicin ernannt.
(Todesfälle.) In London starb Sir George Johnson, früher
Professor der Medicin an Kings College, 78 Jahre alt
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassungen: Dr. Alfred Schanz, approb. 1892, zu Bad
Sodenthal bei Aschaffenburg; Dr. Felix Sch lagintwei t, approb.
1894, in Bad Brückenau.
Erledigt: Die Bezirksarztesstelle I. Classe in Germereheim.
Bewerbung8terarin 25. Juni d. J.
Gestorben: Dr. Eduard Eppelsheim, k. Bezirksarzt I. Clasae
in Germersheim, 59 Jahre alt; Dr. Edmund Demarget, prakt.
und Bahnarzt in Donauwörth, 47 Jahre alt; Dr. Fr. Brebisius,
Bezirksarzt a. D. in Pappenheim, 84 Jahre alt.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 23. Jahrcswoche vom 31. Mai bis 6. Juni 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 25 (17*), Diphtherie, Croup
21 (26), Erysipelas 22 (19), Intermittens, Neuralgia interm. 1 (3),
Kindbettfieber — (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 23 (H),
Ophthalmo • Blennorrhoea neonat. 9 (14), Parotitis epidemica 7 (9),
Pneumonia crouposa 27 (43), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 34 (26), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 28 (35),
Tussis convulsiva 37 (28), Typhus abdominalis 3 (—), Varicellen 15 (12),
Variola, Variolois — (—). Summa 252 (243). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 23. Jahreswoche vom 31. Mai bis 6. Juni 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000 ...
Todesursachen: Masern — (1*), Scharlach — (1), Dipbtb erie
und Croup 1 ()), Rothlauf 1 (—), Kiudbettfieber 1 (1), Blutver¬
giftung (Pyämie) l (1), Brechdurchfall 4 (2), Unterleibstyphus
(—), Keuchhusten 5 (1), Croupöse Lungenentzündung 1 (3),
culose a) der Lungen 23 (27), b) der übrigen Organe 8 (9), Acute
Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krankheiten I { h
Unglückfcfälle 1 (3), Selbstmord l (2), Tod durch fremde Hand 1( 1-
Die Gesammtzahl der Stqrbefälle 167 (181), Verhältnisse^
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 21,4 (23,2). “
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 13,2 (15,2),
die über dem 5. Lebensjahr stehende 12,5 (13,1).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche- ,4
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Google^ 1
Beilage zu No. 24 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
Königreich Sachsen.
Abgeänderte Entwürfe einer Standesordnung und Ehrengerichtsordnung für die ärztlichen
Bezirksvereine.
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i-‘-'
I. Standesordnung.
§ 1. Jeder Arzt ist verpflichtet, seinen Bernf gewissenhaft aus-
znüben und durch sein Verhalten in der Berufstätigkeit wie ausser¬
halb derselben die Ehre und das Ansehen seines Standes zu wahren.
§ 2. Insbesondere hat jeder Arzt seine Pflichten gegenüber
seinen Patienten sorgfältig zu erfüllen, sowie auf gutes Einvernehmen
mit seinen Standesgenossen bedacht zu sein.
§ 3. Jede öffentliche Anpreisung (Reclame) in irgend welcher
Form ist dem Arzte, alB der Standeswürde nicht entsprechend,
untersagt.
Unter öffentlicher Anpreisung ist namentlich zu verstehen:
das dauernde Anbieten ärztlicher Hilfe in öffentlichen Blättern
und durch Plakate,
das auf Erlangen von Praxis oder Sonstiger Vortheile ab¬
zielende Anbieten unentgeltlicher ärztlicher Hilfe in öffent¬
lichen Blättern,
das Anzeigen privater Polikliniken mit unentgeltlichen Sprech¬
stunden, sofern dieselben nicht lediglich Unterrichtszwecken
dienen,
die Empfehlung besonderer eigener Heilmethoden in öffent¬
lichen Blättern oder durch öffentliche Vortrüge und Flug¬
schriften,
das Berichten über Krankengeschichten und Operationen in
nichtw issenschaftlichen Zeitu ngen,
die Veranlassung öffentlicher Danksagungen etc.
Ausnahmen sind mit Genehmigung des Bezirksvereins gestattet.
§ 4. Die Bezeichnung als Specialist kommt nur dem Arzte zu,
der Bich gründliche Ausbildung in dem betreffenden Specialfache
erworben hat und sich vorwiegend mit demselben beschäftigt. Die
missbräuchliche Bezeichnung als Specialist ist unstatthaft.
§ 5. Kranke ausschliesslich brieflich zu behandeln, ist un¬
zulässig.
§ 6. Es ist unstatthaft, über die Wirksamkeit sogenannter
Geheimmittel Zeugnisse ‘ auszustellen, mit Nichtärzten zusammen
Kranke zu behandeln, sich durch Nichtärzte — wie insbesondere
auch durch Mediciner, welche die Approbation noch nicht erlangt
haben — vertreten zu lassen und die Krankenbehandlung durch
Nichtärzte mit seinem Namen zu decken oder in irgend welcher Form
zu unterstützen.
§ 7. Die Uebernahme eines Kranken aus der Behandlung eines
anderen Arztes ist nur dann zulässig, wenn dafür Sorge getragen
ist, dass der Letztere davon rechtzeitig Kenntnis« erhalten hat.
Vorübergehende Vertretung in Nothfällen sowie die Berathungen im
Hause des Arztes sind in dieses Verbot nicht eingeschlossen. Von
Controlbesuchen, welche bei Kranken anderer Aerzte im Aufträge
von dritten Personen, Versicherungsanstalten oder Krankencassen
vorgenommen werden sollen, ist, soweit möglich, der behandelnde
Arzt vorher zu benachrichtigen.
Eine dauernde Controlthätigkeit im Interesse einer Kranken¬
versicherungsanstalt oder Krankencasse darf nur mit Genehmigung
des Vorstandes des Bezirksvereins übernommen werden.
§ 8. Die von einem Kranken oder dessen Angehörigen ge¬
wünschte Zuziehung eines zweiten Arztes als Consiliarius darf vom
behandelten Arzte nicht abgelehnt werden. Die Wahl des Consiliarius
kann aber nur in Uebereinstimmung mit dem behandelnden Arzte
erfolgen.
In der Regel hat der behandelnde Arzt den als Consiliarius
gewählten Arzt von der gewünschten Consultation zu benachrichtigen.
Der zur Theilnahme an einem Consilium aufgeforderte Arzt
wt zur Ablehnung berechtigt, zur Annahme jedoch nur dann, wenn
er sich vergewissert hat, dass der behandelnde Arzt damit einverstanden
und rechtzeitig benachrichtigt worden ist.
Bei Consilien ist der Curplan durch gemeinschaftliche Berathung
festxustellen, die weitere Behandlung aber dem behandelnden Arzte
zu überlassen.
Die Wiederholung der Zuziehung des Consiliarius ist nur nach
Uebereinkunft mit dem behandelnden Arzte zulässig. Das Gleiche
gilt für weitere Krankenbesuche seitens der Consiliarius.
§ 9. Es ist unzulässig, einen Standesgenossen durch Anbieten
billigerer oder unentgeltlicher Hilfeleistung oder durch sonstige un¬
lautere Mittel aus seiner Stellung zu verdrängen oder solches zu
versuchen.
§ 10. Es ist unzulässig, die Behandlungsweise eines anderen
Arztes dem Publicum gegenüber in gehässiger Weise abfällig zu
beurtheilen.
§11. Das Anbieten oder Gewähren von Vortheil irgend welcher
Art an dritte Personen, um sich dadurch Praxis zu verschaffen, ist
unstatthaft.
§ 12. Es steht dem Arzte zwar frei, unbemittelten Kranken
das Honorar ganz oder theilweise zu erlassen, dagegen ist es der
Stellung des Arztes nicht würdig, zahlungsfähigen Personen — von
Standesgenossen und deren Angehörigen und ihm nabe Befrenndeten
abgesehen — in der Aussicht oder zu dem Zwecke, sich damit
anderweite Vortheile zu verschaffen, das Honorar zu erlassen oder
die Honorarforderung unter die Minimalsätze der ärztlichen Gebühren¬
taxe für ärztliche und zahnärztliche Privatpraxis herabzusetzen.
§ 13 Verträge mit Gemeinden-, Kranken-, Unfall-, Invaliditäts¬
und sonstigen Cassen und mit Versicherungsgesellschaften und
-Anstalten sind dem Bezirksvereine vor ihrem endgiltigen Abschlüsse
zur Genehmigung vorzulegen, wenn die zu vereinbarende Honorirung
unter die Mindestansätze der ärztlichen Gebührentaxe hinabgeht.
II. Ehrengerichtsordnung.
§ 1. In jedem Bezirksvereine wird ein aus mindestens drei
Mitgliedern des Vereins bestehender Ehrenrath gebildet.
§ 2. Die Wahl der Mitglieder des Ehrenrathes und der Stell¬
vertreter derselben erfolgt in der Regel auf die Dauer eines Jahres.
Bei der Wahl ist zugleich der Vorsitzende des Ehrenrathes und
dessen Stellvertreter zu bestimmen, sowie auch festzusetzen, in welcher
Reihenfolge bei Behinderung von Mitgliedern die Stellvertreter zu
berufen sind.
Die Wiederwahl der ausscheidender. Mitglieder und der Stell¬
vertreter derselben ist zulässig.
§ 3. Der Ehrenrath hat die Aufgabe, die Beilegung von Streitig¬
keiten, welche aus dem ärztlichen Berufsverhältnisse zwischen Aerzten
oder zwischen einem Arzte und einer anderen Person entstehen, zu
vermitteln, sowie ihm ziigehende Beschwerden über Uebertretungen
der ärztlichen Standesordnung ehrengerichtlich zu untersuchen und
über dieselben zu entscheiden.
§ 4. Jedes Mitglied des Bezirks Vereins hat das Recht, eine
ehrengerichtliche Untersuchung über sein Verhalten vom Ehrenrathe
zu verlangen.
Beschwerden von Aerzten gegen einen Arzt wegen Uebertretung
der Standesordnung sind bei dem Vorstande des ärztlichen Bezirks¬
vereins, welchem der Angeschuldigte als Mitglied angehört, schrift-
lich einzureichen.
Beschwerden von Nichtärzten gegen einen Arzt wegen Ver¬
letzung der Standesordnung sind ebenfalls bei dem Vorstande des
Bezirksvereins, dessen Mitglied der Beschuldigte ist, schriftlich
anzubringen. In solchen Fällen ist der ebengenannte Vorstand be¬
rechtigt, den Beschwerdeführer zur Zurücknahme seiner Beschwerde
aufzufordern Bleibt diese Aufforderung ohne Erfolg, so ist mit der
Beschwerde den Bestimmungen des § 5 gemäss zu verfahren.
§ ö. Bei dem Vorstande des Bezirksvereins eingegangene Be¬
schwerden über ein Vereinsmitglied beziehentlich Anträge auf Ein¬
leitung des ehrengerichtlichen Verfahrens gegen dasselbe sind, so¬
fern der Beschuldigte ein einer staatlich geordneten Disciplinar-
behörde unterstehender Arzt ist, ohne Weiteres an diese Behörde
abzugeben, anderenfalls aber dem Vorsitzenden des Ehrenrathes zur
ehrengerichtlichen Erörterung und Entscheidung zuzustellen.
Beschwerden über einen Civilpraxis betreibenden Sanitätsofficier
des Friedensstandes, gleichviel ob derselbe einem Bezirksvereine als
Mitglied angehört oder nicht, sind an die Sanitätsdirection zu richten,
beziehentlich, wenn sie bei dem Vorstande des Bezirks Vereins, dessen.
Mitglied der Angeschuldigte ist, angebracht worden sind, an die
Sanitätsdirection abzugeben.
§ (5. Ist gegen einen Arzt wegen einer strafbaren Handlung
die öffentliche Klage erhoben, so ist während der Dauer des Straf¬
verfahrens wegen der nämlichen That das ehrengerichtliche Ver¬
fahren nicht zu eröffnen oder, wenn die Eröffnung stattgefunden
hat, auszusetzen.
Wird in dem Strafverfahren auf Freisprechung erkannt, so
findet wegen der gleichen That ein ehrengerichtliches Verfahren nur
insoweit statt, als dieselbe an sich und unabhängig von dem That-
bestande einer im Strafgesetze vorgesehenen Handlung die ehren¬
gerichtliche Bestrafung begründet.
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584
Beilage zur Müucheuer
No. 24-
JSÄtSÄ«®'“
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anderen Bezirksverein bei dem ® e in ehrengerichtliches Ver-
dereelbe bis dahin als ^‘lÄnen A«t zur zlit seines Ueber-
fahren im Gange oder *" d jf. ? tt ejnen an deren Bezirksverein
tritts oder nach dem Uebert Mitglied derselbe früher
hei dem Vorstande des Vereinsdesse g die SUnde8ord nung
war, eine Beschwerde wegen J.ergeben8 g g^ett durch Vermittelung
angebracht, so i8 ‘in welchen der Angeschuld.gte
des Vorstandes des Bez ‘ rk ^ e ^‘ rat ’ h dieses Vereins zur f ortsetzung
übergetreten ist, an den E 5^JJ e richtlichen Verfahrens abzugeben,
beziehentlich Eröffnung de ® e S^ erl8tzung der Standesordnung an-
§ 8. Wegen einer als eine Verletzung ^ ^ Erlanguug der
zusehenden Handlung, we: c: er r h aU pt schuldig gemacht hat,
Mitgliedschaft emeB Bezirksverems [J ann zulässig, wenn die
ist ein ehrengerichtliches Verfah^ nung ^ Wahlrei . ht8 und der
betreffende Handlung di . zu bewirkenden Wahlen (*, lh
Wahlftthigkeit zu den vom Verein
unter d) zu begrünen «eeignet,st. ehrengeric htUchen Strafen
§ Von den m § ‘«““„Ebenen ohne förmliches ehren¬
können die unter a und Vßes c hluss des Ehrenrathes verhängt
tZlrHL SÄÄM.» ehrengerichtlichen Verfahrene
ZU verlangen n QD ..i, tt prdefkllen welche nicht durch das in
S 10. In allen Beschwertem e , wurden können,
S 9 angegebene Verfahren zum A g g ^ nicht se )bst die Vor¬
hat der Vorsitzende des Ehrenrath , de 8 Ehrenrathes mit der Vor-
SÄÄ““” Voruntersuchung zu führen hat,
“"“Ä^echuwweu U. "ÄÄ“.
r«ÄÄÄ Z “« 8 e e rkton ; auch kann ihm .chrif.liche Ec
klürung auferlegt oder gei^^inTBeauftragte ist berechtigt, Zeugen
D er mit Ae '^° ra jX >U ^ 8 einem anderen Bezirksvereine als
zu vernehmen oder, falltJ • .. . . Bereiche eines anderen Be-
Mitglieder angehören, bezl ® k f pwnr™ho des Letzteren vernehmen
zirksvereins wohnen, von dem Untersuchung schriftlich fest-
zu lassen, und hat alle statt.
zustellen. Vereidigung de ' g «emflichtet auf Ersuchen eines
8 11. Jeder Ehrenrath ist verpmcniei., . h 7U unte r-
z!eh^n n «i«i ir dem t er8udtenden I Ehrenrathe das Ergebnis« der Ver-
Die Einladung der Mitglieder n „ a K e der Tagesordnung
hat in der Regel acht T^e vori Ladung des Angeschuldigten
zu erfolgen. Die gleiche Frist »t bei <ler Handlung einzuhalten.
beziehentlich des Be8ch ^® rd ® f t hes sind verpflichtet, auf ergangene
Die Mitglieder des Ht««“** “ hmen Ein Mitglied, welches
Einladung an den Sitzungen th besonderen Gründen von
an der Teilnahme behindert ^'^^^enden unter Angabe
ihr befreit zu sein wünscht, Ladung hiervon Mitteilung
ein Stellvertreter eiuh.rufe»
Mm Voreitzenden steht di. Entacheidung darüber zu, oh die
■TfJ« g SM S
der Verhandlung zu aberSmit Zustimmung
fee^TomiUei dTreh ee”uen Verteidiger oder durch einen Arzt
verteten lassen. . ... fiffpTlt iich doch iBt den Mit-
zur Verhandlung geladen ’
sein Ausbleiben bildet keinen Grund zur Vertagung. Der V orsitzen
kann ihm das Wort erteilen.
„ ,, „ Verhandlung habeu sich der angeschul-
§ 15. Nach Schluss de Vertreter und der Beschwerdeführer
digte Arzt beziehentlich de b th g und Beschlussfassung,
zu entfernen, und «ft 1 £ r tÄzun g durch einen zur Protokoll-
Der Ehrenrath hat db ® r Function vor der Verhandlung
führung zugezogenen und M dHan ds c hl ag B an EideBstat t besondere
von dem Vorsitzende Protokoll aufnehmen zu lassen. Letz-
zu verpflichtenden Arzt ein. ‘ und den Wortlaut sftmmtlicher
teres hat den Gang der Ver jUng^ ^ affi Schlüsse jeder
gS n zu”veÜee»S vom Voreitzendeu u.d miudeeteue noch
"”6“ “Ä f ä ^fi£S™gto°Ve,fnh,em 1 führend der
| “"» f . 5S55Ä - — ehrengerichtlichen Strafe.
Die ehrengerichtlichen Strafen sind:
a) Warnung,
c) GeldSen von 20 hi» !500 MArk, Wahlftthigkeit zu
d > zu? heuer
Behörde besümmten Ze.tac^ Beschluss des Ehrenrathes
di.«Ä v r«3S^
• Ko8ten de8Ver
fahrenSide.n^^Be^liwerdefü^rer^auferlegt^ wera^s^^ ^ahWoiHsteU-
-’/s Majorität. teilten schriftlich unter Angabe
der Gründe : ^£S£StoSffi
Ä£ 'an'den'^lht- enffer i*chtErlässen' ft
Ehrenrate, welcher die angegri «hrenrtthe ergangenen Acten
schriftlich einzulegen. Die bei dem Ehrenrttheerga ge ^
sind innerhalb einer achttägigen Frist nacn Anmeiuui *
an den Ehrengerichtshof emzureicliem Regierungsbezirk
8 19. Der Ehrengenchtahof wird tür jeaen » B ^ nenden
gebildet aus einem vom Ministerium de ern ^ VQn de n
höheren Verwaltungsbeamten als rSelmässig auf drei Jahre
Mitgliedern des Kreisv^nMU«h^«» «SaSS?.»« denjenige n
gewählten Beisitzern. Von diesen haben * Verfahren vor dem
Aerzten anzugehören, welche nach $5 5 dem veria
Eh ™7i‘t h deTÄitzetn sind zugleich ££££-£
tre ‘“me mÄdehden Mitglieder und Stellvertreter «iud «dort
wieder wälilbar. , u-v.rpnereriohtshofe gestaltet sich
8 20. Das Verfahren vor dem Ehrengencn ls ,io »
entsprechend demjenigen vor dem Ehrenrathe. Zur Veru
bedarf es einer Vs ^ a i or ‘ tat - , ahf . fpfl we l c hes bei der an*
Sache ausgeschlossen. vv^pnerprichtshofes sind endgilh?-
I & Die d68
Ehrongerichtshofes liegt dem betr 1 e ^ nd ®^ te ° de lt 'des Bezirksvereins,
8 23. Dem Beklagten und dem Vorstände Vorsitzenden
deB ™hei.e —eu hi ,„ s ehreugericht.^nj^«
sind 'die ergangenen Acten an d *" | .J® r y^^ rt ftite als Mitglied
welchem der Beschuldigte beziehenthch VerurUiem au f*u-
angehört, abzugeben und von diesem mit den Vereins
beW t%. Bie nach den Bestimmungen dieser
nung erforderlichen Zustellungen und Ladungen, hriel) enen
von Fristen bedingen, haben durch die Post mittels ^8 deni Ehren .
Briefes zu erfolgen, doch bleibt dem Ehre ß is der Zustellung
Gerichtshöfe ausdrücklich Vorbehalten, dass der Be
luch in anderer Weise geführt werden kann.
Verlag von .1 K. Loh mann in München. - Druck der
E. Mühlthal er 'sehen k. Hof-Buchdmckerel in München.
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Die Münchener Medlcln. Wochenschrift erscheint
■wöchentlich in Nummern von mindestena2V ? —3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 JC, praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60
MÜJNCHENER
Zusendungen sind zu adresalren: Für die Redaction
Ottostraaae 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cli. Biumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Helneke, 6. Merkel, J. i, Michel, H. ». Ranke, F. t. Wlnckel, H. t. Zienssei,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 25. 23. Juni 1896.
Redacteur: l)r. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der Universitäts-Frauenklinik des Prof. Runge zu
Göttingen.
Die Naht frischer Dammrisse.
Von Dr. Apfelstedt in Wiesbaden, ehemaligem Assistenten der Klinik.
Der Vorschlag L. Tait’s, frische Dammrisse überhaupt nicht
mehr zu nähen, sondern nach Verheilung durch Granulation mittelst
seiner Dammplastik zu operiren, steht mit dem fast allgemein an¬
erkannten Satze, jeder Dammriss muss sofort nach der Geburt
durch die Naht vereinigt werden >, in direetem Widerspruch. Da
der Rath von einem Meister in der operativen Technik ausgeht,
verdient er, wenn man ihn auch nicht billigen wird, besondere
Beachtung. Wie jeder Gynäkologe machte auch Tait die Be¬
obachtung, dass bei der Naht frischer Dammrisse im Vergleich
mit der Operation veralteter, besonders wenn es sich um totale
Dammrisse handelt, relativ selten Heilung per primarn eintritt.
Daher die grosse Zahl veralteter Dammrisse, wenn man nicht an¬
nehmen will, dass Tait’s Vorschlag bereits allgemein befolgt, oder
der grösste Theil der Dammrisse bei der Geburt übersehen wird.
Häutige Misserfolge mit einer Operationsmethode können aber
den Operateur nicht veranlassen, unchirurgisch zu verfahren und
eine glatte Wunde ohne Grund unvereinigt zu lassen.
Nicht Verwerfen sondern Verbessern der Methode!
An Versuchen in dieser Richtung hat cs allerdings nicht ge¬
fehlt. Ich erwähne hier besonders J. Veit *). der in seiner
Arbeit «Leber die Naht frischer Dammrisse;.- auf die Nachtheile
und Entbehrlichkeit der Scheidennähte aufmerksam macht. Er
schlägt vor, Scheidendainniris.su nur durch perineale Nähte zu
sehliessen. Dicht hinter dem Frenulum wird die Nadel auf dem
Damm eingestochen und parallel mit dem Riss der Scheide nur
ganz wenig unter der Oberfläche entlang geführt; erst in der
Spitze des Seheidenrisses tritt sie heraus, um dann analog auf
der entgegengesetzten Seite heruntergeführt zu werden. Die übrigen
Nadeln folgen in Abständen von 1—1 */* ein , der ersten analog
und parallel.
Bei totalen Dammrissen lässt Veit dieser Vereinigung eine
oberflächliche Schleimhautnaht des Mastdarms in gewöhnlicher Weise
vorausgehen.
Dieser bemerkenswerthe Vorschlag Veit’ s hat auffallender weise
nicht die gebührende Beachtung gefunden und die Vorschriften
für die Naht frischer, totaler Dammrisse (nur von diesen soll zu¬
nächst gesprochen werden) lauten mit untergeordneten Moditicationen
nach wie vor: Gesonderte Vereinigung der Mastdarm-, Scheiden-
und Dammwunde durch Knopfnähte.
Hat diese Methode Fehler und wird durch dieselben der
Heilungsprocess gestört V
Bei der Operation des veralteten, totalen Dammrisses
gilt heute als sehr verbreiteter Grundsatz : Keine Sutur nach dem
Mastdarm! Man fürchtet mit Recht das Eindringen von Mikro-
') J. Veit, Deutsche med. Wochenschrift 1881, No. 20.
No. 25.
Organismen aus dem durch Stichcanäle verletzten Darme in die
Wunde. Dass dieses Princip zu Recht besteht, beweisen zur
Genüge die vorzüglichen Resultate der so ausgeführten Damm¬
plastiken. Nun ist gar nicht einzusehen, warum ein Grundsatz,
der sich dort so gut bewährt hat. nicht auch auf die Operation
des frischen Dammrisses Anwendung finden soll?
Ich gehe weiter und beanstande mit J. Veit auch die von
der Scheide ausgehenden Nähte.
Der frische Dammriss ist eine Verletzung, die unter so eigen¬
artigen. erschwerenden Bedingungen heilen soll, dass man bei der
(Iperation derselben auf diese Eigenart Rücksicht nehmen muss.
Vom Beginn des Heilungsprocesses wird die Wunde ununter¬
brochen mit Flüssigkeiten, die dem l'tcrus entströmen, bespült,
zunächst mit Blut, bald aber mit einer bedenklicheren Flüssigkeit,
dem Lochialsecret. Gelingt es diesen in die Wunde oder deren
Umgebung einzudringen, so ist Heilung per primarn, so gut wie
ausgeschlossen. Aufgabe der Scheidenuühte wäre demnach, ausser
Vereinigung der Scheidenschleimhautwunde, das Eindringen jener
Flüssigkeiten zu verhüten. Dieser Anforderung entsprechen aber
die .Scheidennahte keineswegs, sie scheinen im Gegentheil das Ein¬
dringen sogar zu befördern.
Bedenkt man, dass die Stichcanäle ein Lumen besitzen, das
dem Umfang des Nadelendes plus dem des doppelten Fadens ent¬
spricht, während sie doch nur einen einfachen Faden beherbergen,
so bleibt neben letzterem, trotz der ausgleichenden Elastieität der
umgehenden Gewebe, Raum genug für eindringende Flüssigkeit. Es
kommt hinzu, dass jeder Faden, die metallenen ausgenommen, als Drain
wirkt, d. h. er drainirt jene Flüssigkeiten in die Wunde hinein.
Schliesslich ist die Vereinigung der Wundränder bei der recht¬
winklig zur Wunde verlaufenden Stellung der Nähte, mögen
letztere noch so eng liegen, niemals so vollständig, dass nicht
zwischen den Suturen Lochialsecret in die Wunde hinabdringen
könnte. Hierbei hat man weniger eine Infection, als vielmehr
den Umstand zu fürchten. dass das eingedrungene Medium den
innigen Contaet der Wundflächen aufhebt und so die Verheilung
unmöglich macht. Damit ist die Aufzählung der Nachtheile
keineswegs erschöpft.
Der Verlauf der Suturen von Mastdarm, Scheide und Du Hirn¬
haut ist im Allgemeinen radiär nach dem Mittelpunkt dos Dammes
hin gerichtet, wo die Nähte sämmtlich die Wundflächen kreuzen.
Der Damm verjüngt sich aber oberhalb des Introitus vaginac und
Spliineter ani zu einer schmalen Brücke. Nimmt man bei einem
grösseren, totalen Dammrisse die Zahl der Scheidennähte zu 7. die
der Mastdarm- und Dammhautnähte zu je 6 an und lässt hiervon
nur die Hälfte den ungefähren Mittelpunkt passiren, so kann man
sich vorstellen, dass diese 9—10 Stichcanäle von gewöhnlich
mittel grossen, kräftigen Nadeln jenen ohnehin schwachen Gewebs-
streifen arg zerfetzen müssen, ein Umstand, der für die Ernährung
und den Heilungsprocess nicht von günstigem Einfluss sein kann.
Zieht man die Nähte beim Knüpfen nach drei verschiedenen
Seiten gleichmüssig kräftig an, so liegt die Möglichkeit nahe, dass
in der Mitte zwischen den drei Nahtreihen ein Ilohlraum entsteht.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25.
Ich schliesse mich endlich J. Veits Befürchtungen an,
wonach die tiefen Scheidennähte eine «frühzeitige Erkenntniss des
Ortes einer etwa ausgebrochenen Infection» unmöglich machen,
ausserdem bei totalen Dammrissen, wenn sich Scheiden- und Mast¬
darmnähte berühren, «das perirectale Gewebe und damit die Mast¬
darmnaht an die Scheide heranziehen» und so die Heilung des
Dammrisses in ganzer Ausdehnung verhindern oder zur Bildung
von Mastdarmfisteln Veranlassung geben.
Sind in der That diese Ausstellungen die Ursache der häufi¬
gen .Misserfolge, so muss man für eine zweckmässige Dammnaht
folgende Forderungen aufstellen:
!. Keine Suturen nach Mastdarm und Scheide.
2. Die Nähte sind in der Weise anzulegen, dass sic die
Wundflächen in ganzer Ausdehnung umfassen und an¬
einanderbringen, ohne sie zu kreuzen.
Aufgabe der so angelegten Suturen ist, ausser genauer
Vereinigung der Wunde, das Eindringen fremder Massen aus
Mastdarm und Scheide zu verhindern.
Nach diesen Gesichtspunkten pflege ich die Operation des
frischen, totalen Dammrisses folgcndermassen auszuführen :
Narkose. Querbett, Steinschnittlage. Die Wundflächen werden
von Blut gereinigt, getrocknet, eventuell mit der Scheere geglättet.
Jetzt spreizen 2 Finger der linken Hand, die tief in die Wunde
eindringen, letztere so stark, dass der spitze Winkel, unter dem
die Wundflächen zusammenstossen, womöglich zu einem stumpfen
wird. Nur so wird cs möglich, die Vereinigungslinie beider Wund-
flächen bis zu ihren beiden Endpunkten vollständig zu übersehen
— eine unerlässliche Forderung zur richtigen Ausführung der Naht.
Die Fäden sind doppelt armirt mit ziemlich grossen Nadeln
von mehr als mittlerer Krümmung. Die Einstichsstollen für alle
Nadeln liegen in der Berührungslinie der beiden Wundflächen und
zwar müssen?die beiden Nadeln eines Fadens in demselben Punkte
cingestochen werden. Der Ausstich erfolgt jederseits nahe (2—3 mm)
dem Wunandrde der Dammhaut. Sümmtliche Suturen werden erst
am Schlüsse der Operation geknüpft.
2 min unterhalb des Vercinigungspunktes beider Scheiden¬
schleimhautwunden dringt die erste Nadel nach rechts und hinten
in die Tiefe, wendet sieh aber bald nach vorn, um nahe am rechten
Rande der Damm wunde wieder zu erscheinen (Fig. 1). .Sie hält
>'<-■--•. j>: „*
/ . - ' X
Dnmm/ianl \ß
■ i ' ' •
C. Dammiutut
sich immer dicht unter der Schleimhaut, während sie sich nach
aussen gern 2 cm und darüber von der rechten Wundflächc ent¬
fernen darf. Fühlt man die Spitze der Nadel unter der Haut des
Dammes, so empfiehlt es sich, die Oberhaut vor dem Durchstossen
ein wenig über der Nadelspitze nach hinten zu dislociren, sodass
sieh der Stichcanal etwa an der Grenze vou Scheidcnschleimhaut
und Dammoberhaut öffnet. Die andere Nadel des ersten Fadens
nimmt, von demselben Punkte ausgehend, den gleichen Weg nach
links, wobei nach Belieben die Functionen der Hände wechseln
können ; behält die Rechte die Führung der Nadel, . so muss sie
natürlich «über die Hand» geschehen.
Von gleicher Wichtigkeit wie die oberste Sutur ist die tiefst-
gclcgenc, welche beiderseits Mastdarmschleimhaut und Sphincter
zu vereinigen bestimmt ist. Sie beginnt 2 mm oberhalb des Treff¬
punktes beider Mastdarmschleimhautwunden, entfernt sich niemals
weit von der Schleimhaut, verläuft (mutatis mutandis) wie die eben
beschriebene und endet jederseits an der Grenze von Anus und
Damm. Diese Sutur muss den Sphincter, dessen durchrissene
Enden auf der Wundflächc deutlich sichtbar sind, nahe seinem
inneren Rande durchbohren. Die nächst höhere Naht wird der
letzteren möglichst nahe und annähernd parallel gelegt und fasst
ebenfalls vor ihrem Austritt den Sphincter, aber an seinem äusseren
Rande. Die übrigen Suturen folgen in grösseren Abständen, ihr
Verlauf ist dem der beschriebenen analog. Selbstverständlich muss
auf die keilförmig sich verjüngende Gestalt des Dammes Rücksicht
genommen werden, die Suturen können nicht parallel verlaufen,
sondern müssen nach der Dammhaut hin fächerförmig divergiren.
Die mittleren von ihnen sollen seitlich möglichst viel Gewebe fassen,
um so mehr, je länger der Riss ist. Nach der Höhe des Dammes
schwankt die Zahl der Nähte zwischen 6 und 8.
Spreizt man, nachdem alle
Fäden liegen, den Dammriss mit p. ^
beiden Händen stark auseinander,
indem man gleichzeitig die Fäden /”
nach aussen anspannt, so ist in / f\ \
der Wunde Nichts vom Naht- / V. \
material zu schon (Fig. 2). Noch- / \
maliges gründliches Trocknen der / \
Wunde und Knüpfen der Nähte * / V'G \
in Steissrückenlagc unter massigem i Z/' J \ 'K i
Zug; nur die mittleren können I // / ^ \_ \\ 1
kräftig angezogen werden. Keine f j
oberflächlichen! ! j
Zum Schutze der Scheiden- \ /
und Dammwuude, gleichsam als \ i,D V|lj;NG rl '2'
Verband, dürfte sich Jodoform- \ V-.' .y VlVjjV '\‘jj
collodium empfehlen; es genügt
aber auch Bepudern mit Jodoform ' V ''wAkt '-'v —
oder Dermatol.
Mit dieser Methode glaube
ich den oben ausgesprochenen
Forderungen gerecht zu werden.
Es münden keine Nähte nach dem Mastdarm und der Scheide.
Die Vereinigung der Wundflächen ist eine vollständige, da
die Wunde in ganzer Ausdehnung von den Nähten umspannt, von
ihnen aber nicht gekreuzt wird. Weder Drainage von Seiten der
Fäden noch Ernährungsstörung ist zu fürchten. Höhlenbildung
in der Mitte des Dammes ist unmöglich. Durch die oberste und
die unterste Sutur werden die Schleimhautwunden von Scheide
und Mastdarm glcichmässig fest ancinandergcpresst, wodurch ein
Eindringen fremder Massen, soweit überhaupt möglich, ver¬
hindert wird.
Eiue Erklärung, in welcher Weise die so angelegten Nähte
wirken, gibt Wal eher im Centralbl. f. Gynäk. 1896 No. 10-
Der herzförmig verlaufende Faden (Fig. 1) hat beim Anziehen
seiner Enden B und C das Bestreben, die Gestalt eines Kreises
anzunehmen. Hierbei muss sich der Punkt Ä, wenn zwischen
A und E l "• 2 genügend viel Gewebe gefasst ist, von B und C
nach D hin entfernen, d. h. die Wundflächen werden gestreckt
und dadurch in grösserer Ausdehnung, sowie fester aneinander
gepresst, als bei den gebräuchlichen Nahtmethoden. Diesen ge¬
wünschten, herzförmigen Verlauf des Fadens erzielt man aber
niemals bei Führung der Nadel von aussen nach innen; es macht
hierbei oft schon Mühe, den Ausstichspunkt genau in die A er-
bindungslinie der Wundfläche zu legen ; und gerade die exac teste
Vereinigung dieser hintersten Partie ist, um Mastdarmfisteln zu
verhüten, von besonderer Wichtigkeit.
Ein grosser Vorzug dieser Naht ist die Leichtigkeit ihrer
Ausführung; es bedarf (abgesehen von der Narkose, die im Noth-
fall auch unterlassen oder vom Operateur selbst geleitet werden
kann) keiner Assistenz. Haupterfordernisse sind Licht und Tupfer,
um sich die Vereinigungslinie der Wundflächen sichtbar zu machen.
Die zweite Nadel eines Fadens pflege ich, um sie vor Herabfallen
oilur unnöthigem Anstreichen an der Unterlage zu schützen,
während des Durchführens der ersten Nadel zwischen 2 Finger
der rechten oder linken Hand zu klemmen.
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Google
. iririih q.
23. Juni 189G.
MÜNCHENER MKDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
537
\. 's
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s.?.C
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Die Vereinigung des einfachen Scheidendammrisses erfordert
keine besondere Beschreibung, sie wird nach demselben Princip
ausgeführt. Die oberste Sutur wird ebenso wie bei totalen Damm¬
rissen gelegt, die übrigen Nähte folgen derselben in grösseren Ab¬
ständen (bis 1 */» cm) und sind ihr parallel. 5 Suturen genügen
für den grössten Scheidendammriss. Narkose ist hier nicht er¬
forderlich, denn diese Methode besitzt, wenn sie keine weiteren
Vorzüge haben sollte, wenigstens den einen, dass sie bedeutend
weniger schmerzhaft ist, als die üblichen. Der Hauptschmerz
entsteht bekanntlich während des Passirens der Nadel durch die
Haut und ist um so grösser, je weiter entfernt vom Wundrande
inan einsticht. Bei diesem Verfahren, wo die Nadel von innen
nach aussen geführt wird und sich mit grosser Schnelligkeit durch
die Haut stossen lässt, ist der Schmerz natürlich viel kürzer, als
bei umgekehrter Nadelführung.
Als Nahtmaterial habe ich nur Seide oder Silkwonn ver¬
wandt. Draht, der sich sonst bei Dammplastiken gut bewährt,
ist hier nicht brauchbar, da beim Nähen mit 2 Nadeln an der
Umbiegungsstelle fast stets eine Schlinge entsteht, welche den
Einstichspunkt zu einem unnöthig grossen Loch erweitert.
Ueber Catgut habe ich keine Erfahrung.
Die Nachbehandlung unterscheidet sich nicht von derjenigen
anderer Methoden. Das Entfernen der Nähte erfolgt am 6- Tage
und ist, da alle Fäden am Damm münden, so einfach, dass es
auch in Seitenlage geschehen kann.
Die Resultate haben alle theoretischen Bedenken, welche
gegen die Methode bei mir selbst aufgestiegen waren (ungenügende
Vereinigung der Schleimhautwunden, zu grosse Länge der Suturen,
Verschieblichkeit der Wundflächen gegeneinander), zum Schweigen
gebracht.
Sämmtliche frischen Dammrisse, die mir seit 1892 begegnet
sind, habe ich, vielleicht mit Ausnahme der ersten zwei, in der
beschriebenen Weise vereinigt; Herr Professor Runge, mein
hochverehrter Lehrer, hatte mir in dankenswerther Bereitwilligkeit
für die Versuche vollständig freie Hand gelassen. Die Scheiden¬
dammrisse sind alle glatt geheilt und von den 4 frischen totalen
Dammrissen habe ich 3 zur Heilung gebracht (darunter 1 Fall
aas meiner Wiesbadener Praxis). Der 4. Fall betraf eine eklamp-
tische Erstgebärende, bei welcher die Anfälle nach der Ent¬
bindung in verstärkter Intensität wiederkehrten. Ich glaube, diesen
ungünstigen Umständen und nicht der Methode den Misserfolg zur
Last legen zu müssen.
Von den 3 geheilten, totalen Dammrissen verdient der in der
Göttinger Poliklinik beobachtete desshalb Erwähnung, weil er nach
Angabe der Hebamme bei einer spontanen Geburt in Hinterhaupts¬
lage entstanden sein soll und weil ich in diesem Falle unter den
ungünstigsten äusseren Verhältnissen, ohne Assistenz, mit Erfolg
operirt habe. 3 resp. 5 Monate nach der Operation hatte ich
Gelegenheit, die beiden zuerst geheilten Frauen zu untersuchen
und mich von dem dauernden und vollständigen Erfolge zu über¬
zeugen. Das Resultat l>ei der zuletzt, vor wenigen Wochen,
operirten Frau muss ebenfalls als sehr gut bezeichnet werden.
Vorstehende kurze Mittheilung hat den Zweck, die Fach¬
genossen , insbesondere aber die Leiter von Kliniken und Gebär¬
anstalten zur Prüfung dieses Verfahrens zu veranlassen, auf das
ich übrigens keine Prioritätsansprüche erhebe.
Ueber die Behandlung des Ulcus ventr. mit grossen
Bismuthdosen.*)
Von Dr. Friedr. Crün/er.
M. H.! Vor drei Jahren hat Prof. Fleiner (1) auf dem
XII. medicinischen Congress 1893 in Wiesbaden in einem Vortrage
über die Behandlung einiger Reizerscheinungen und Blutungen des
Magens das Bismuthum subnitricum in grossen Dosen zur Heilung
des Magengeschwürs empfohlen. Die Anregung dazu hatte Kuss-
maul gegeben, der von dem Gedanken ausging, dieses Mittel
ebenso zur Behandlung des Magengeschwürs zu verwenden, wie
dasselbe 1880 von Kocher in Bern zur Heilung äusserer Wunden
empfohlen worden war. Es sollte das Mittel gewissermassen als
*) Vortrag, gehalten im ärztl. Verein zu München am 4. März 1896.
Schutzdecke für das Ulcus dienen, unter welcher dann die Geschwürs¬
fläche zur Heilung kommen könne.
Bevor ich zur Schilderung der Fleiner'sehen Methode über¬
gehe, möge es mir gestattet sein, einen kurzen historischen Rück¬
blick über die Anwendung des Bismuth. subn. beim Magengeschwür
zu werfen, da es sonst den Anschein gewinnen könnte, als sei
der Gebrauch dieses Mittels etwas ganz Neues. Dies ist keines¬
wegs der Fall, der grosse Unterschied liegt nur in der Methode,
weniger in den grossen Dosen, die besonders von französischer
Seite schon lange vorher und zwar von Trousseau verordnet
wurden.
Budd (2) empfiehlt in seinen Krankheiten des Magens bei
der Behandlung des Magengeschwürs 2—3 Mal täglich 5—10 Gran
Bismuth, das die Secretion der Schleimhaut vermindern soll.
Canstatt (3) erwähnt ebenfalls das Bismuth. subn. neben
Argent. nitr. und Plumb. acetic. ohne weitere Bemerkung und
ohne Angabe der Dosis, Baraberger (4) schreibt bei der Therapie
des Ulcus ventriculi: «Die vielfache Empfehlung, welche die Ver¬
bindung des Morphiums mit Bismuth. subn. gefunden hat. kann
ich aus eigner häufiger Erfahrung auf das vollständigste bestätigen,
weit weniger schien mir das Mag. bism. für sich allein zu leisten».
Zie mssen (5) hat günstige Wirkung gesehen, wenn das
Magist. bism. in nicht zu geringen Dosen gegeben wurde; er warnt,
und sehr mit Recht, vor der Combination mit Morphium, das
allerdings den Schmerz rascher beseitigt, aber die Selbstbeherrschung
und Vorsicht des Patienten in Bezug auf die Diät einschläfert
und häufig eine Quelle des Leichtsinns wird.
Leuhe (6) erwähnt bei der Therapie dos Magengeschwürs
ebenfalls das Bismuth. subn., glaubt aber den Haupttlieil der
Wirkung der Verbindung mit Morphium und der Diät zuschreiben
zu müssen. Da sowohl die minimalsten wie die grössten Dosen
gepriesen werden, so liegt der Versuch nahe, den ganzen Glauben
an dieses Metallsalz über Bord werfen zu sollen. Für Diejenigen,
schreibt er wörtlich, welche in dem Umstand, dass es sich trotz
aller Unbegreiflichkeit seiner Wirkung 100 Jahre lang in dem gegen
Magenkrankheiten und speciell gegen das Magengeschwür angewen¬
deten Arzneischatz gehalten hat, eine Garantie für seine Wirk¬
samkeit sehen, setze ich die Dosis bei 0,3—0,5 mit oder ohne
Morphium 3 Mal pro die.
Sie sehen, meine Herren, die Ansichten über die Wirksamkeit
des Bismuth. subn. beim Ulcus ventriculi gehen sehr auseinander
und besonders das Urtheil Leube's war keineswegs dazu angetlian,
das Mittel, das den Ruf einer Art Specificums genoss, weiter zu
empfehlen.
Allerdings hat Leuhe sein Buch vor 16 Jahren geschrieben
und wird vielleicht jetzt nicht mehr auf seinem ablehnenden Stand¬
punkt stehen.
1888 hat Gerhardt (7) in der Deutsch, med. Wochen sehr,
einen Aufsatz über Zeichen und Behandlung des einfachen eliron.
Magengeschwürs veröffentlicht, in welchem er bezüglich der An¬
wendung des Bismuth. bemerkt, dass das Bismuth besonders mit
Soda viel in Gebrauch ist, wobei die adstringirende und desinfleirende
Wirkung des WismuthPräparates mit in Betracht kommen mögen.
In einer Würzburger Dissertation, die unter der Aegide Gerhardt ’s
von Dan ziger(8) 1882 verfasst ist. heisst es bei der Empfehlung
des Argent. nitricum, dass auch das Bismuth bei starker Säure¬
bildung Erwähnung verdient, das dann als feinstes Pulver eine
Art von Decke bildet, die die Heilung begünstigt.
A on den neueren Autoren, die über die Wirksamkeit des
Bismuth sieh geäussert haben, möchte 1 ich noch Rosen heim (9)
erwähnen, der 5—10 g als Einzeldosis nach Art der Franzosen
empfiehlt, ohne auf die Theorie der Wirkung einzugehen.
Ewald (10) findet noch am rationellsten die Methode der
Franzosen, welche grosse Mengen, 10—15 g. in Wasser gelöst
nehmen lassen, hält aber wegen der Kostspieligkeit diese Behand¬
lung nicht für Jedermann zugänglich.
Boas (11) zieht das Bismuth. carbomcum vor, doch weiss
ich nicht, ob in den früher gebräuchlichen Dosen oder in den
grossen Dosen.
Weitaus am meisten Vertrauen und Ansehen genoss das
Bismuth. subn. früher in Frankreich, wo Trousseau eine be¬
sondere Cur empfohlen hatte, deren Einzelheiten manches In-
1 *
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^vn wTCNER MEDICINISCHE WOCH ENSCHRIFT.
No. 25.
,. Trousseau gibt abwechselnd Bismuth mit Arg.
teresse bieten. Tro«s P y] ossen Dosen bis 9 g pro «ügl
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der Behandlung nicht von der ^ ^
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r Abti.“ g “roü:i n s i'^w« *
^angenehme Nebenwirkungen wurde» von ihn. n.cht » da
beobachtet^ ^ ^ ^ dor Kliniker vergleicht, ei,
fi Am mm bezüglich der Wirksamkeit des Magist. Bismuth. wi
‘bei htgengeachwüren sehr auffallende Differen-punkte. einzelne li,
verwerfen dieses Mittel vollständig, andere sprechen nur so neben- Z
her von demselben und nur wenige erkennen die günstige Wirkung
an Stellt man daneben die Ansichten einiger Pharmakologen w
so beobachtet man den gleichen Mangel an ^beremsummung.
Nehmen Sie z. B. das Urthoil, das in Nothnagel und Boss «
b a e h' s Arzneimittellehre 1880 über das Bismuth subn. zu lesen g
“t, das kaum schärfer lauten kann. Den 1- Theil will ich Ihnen a
TÄ* Entschiedenheit dafür ***..£ 3
basisch-salpetersaure Wismuth vollständig aus der Zahl ^r thera¬
peutisch angewendeten Mittel zu streichen. Die Zustände, bei (
welchen man ehedem einen Nutzen von dem Präparat nach seiner ,
Resorption erwartete, die eben nicht stattfindet, bilden schon langst
keine Indication mehr für dasselbe (Epilepsie, Chorea etc). Dagegen
hat es sich seit etwa 100 Jahren in dem Rufe erhalten, bei ver¬
schiedenen Krankheiten des Verdauungsapparates nützlich zu sein.
Wir selbst haben seit mehreren Jahren weder bei Cardialgien
der verschiedensten aetiologischen Natur, noch bei Ukus etc. das
Mittel gegeben und wir glauben auch nicht 1 1 roc sch echtere
therapeutische Erfolge dabei gehabt zu haben. Die physiologische
Wirkung ist gleich Null. » , ,
Binz 16 ) spricht sich nicht so ablehnend aus, bemerkt aber, dass
zu kräftige Gaben Anätzen der Magenschleimhaut bedingen sollen.
Nachdem ich Ihnen nun, meine Herren, die Ansichten einer
Reihe von Autoren über die Wirksamkeit des «viel bewunderten
und viel gescholtenen» Magist. Bismuth. specicll beim Magen
geschwür geschildert habe, kehre ich zum Ausgangspunkt meiner Er¬
örterung zurück und werde Ihnen die von .Flet ii er ange¬
gebene Methode beschreiben, dann über die mit dieser Methode
erzielten Erfolge anderer Autoren berichten, denen sich meine
Beobachtungen anschliessen sollen und dann will ich noc i
einige Fragen erörtern, die zwar nur indirect. mit dem ganzen Ihema I
Zusammenhängen, die aber bei der Besprechung der Therapie des
Magengeschwüres nicht umgangen werden können.
Auf Kussmanl’s Rath schlug Flein er folgenden Weg ein :
Der Kranke wird Morgens nüchtern ausgespült, um eine
möglichst vollkommene Reinigung des Magens zu erzielen ; sowie
das letzte Spülwasser klar abgeflossen ist, wird Bismuth. subn.
10—20 gr in einem Glase mit 200 ccm lauwarmen Wasser gut
gerührt und sofort in den Trichter nachgegossen, mit 50 ccm
W r asser nachgespült. Unmittelbar nachher nimmt der Patient die
geeignete Lagerung ein, je nachdem man den Sitz des Geschwürs
vermuthen darf, bei zugequetschter Sonde. Schon nach 5—6 Minuten
hat sich das Bismuth SO vollständig niedergeschlagen, dass man
das Suspensionswasser wieder klar ablaufen lassen kann, dann
wird die Sonde entfernt. Eine halbe Stunde verharren die Patienten
in der vorgeschriebenen Stellung und erhalten dann ihr Frühstück.
F ,einer »e„»t
Gescbwürsfläohe mit einer Schutehge von
R ^nth tolerant gegen seinen Inhalt. Die vorherigen Schmerzen
feTo !»*, die JMrte werde» besser, die Kranken erholen s,ch
auffallend rasch und nehmen an Körpergewicht zu.
auffallend ist die Wirkung 1- eine mechanische und
l rn , a i a sich ein Wismuthbelag auf der erkrankten
Sehlcimhautstelle bildet, wobei anzunehmen ist, dass das Bismuth
ä der granulirenden, buchten Oberfläche eines Substanzveriust^
länger liegt und besser haftet als auf einer intacten Schleimhautfläche,
2 eine physiologische, indem die sensiblen Nervenendigungen
einen Schutz gegen die Aetzwirkung der Magensäfte erfahren. die
motorischen lleizerscheinungen gemildert werden, so dass die Würg-
bewegung und das Erbrechen aufhören, besonders aber erfährt die
S'iftsecretion eine erhebliche Verminderung,
Saftseeretio uoc h die antisepti.che und wundhe.lende
in Betracht kommen, wie sie von Kocher 1880 angegeben ward.
Nach der Ansicht Flein er's ist nicht sowohl das Mittel als
die Methode seiner Anwendung von Wichtigkeit. Wmhtig ist eben,
dass das Mittel an die Stelle gebracht wird, an welcher es die ge
wünschte Wirkung entfalten soll, dass die Lagerung des Patienten
einc^entsprechende ist, dass die Dosis nicht zu klein bem e ssen
wird Bei dieser Cur wird Anfangs die grosse B.smuthdosis täg¬
lich angewendet, dann alle zwei Tage, dann in immer grosseren
Z " 1S< Vel^ngserscheinungen wurden niemals beobachtet, selbst
wenn schliesslich 300 gr Bismuth verbraucht ™rcn.
Nothwcndig ist es, den Kranken zu sagen, dass der fetuül
schwarz wird, es kann sonst Vorkommen dass die Kranken 1
grosse Aufregung gerathen, die man denselben ersparen soll. Bei
ambulanter Behandlung lassen sieh die Ausspülungen kaum an¬
wenden, cs genügt dann 10-20 gr Bismuth m M asser suspendirt
i Morgens nüchtern trinken zu lassen etc.
Aus der medicinischen Klinik zu Jena erschien Anfang 1894
1 eine Dissertation über die Wismuthbchandlung der Magenkrankheiten
r nach F,einer von Oskar Fischer IG,, in -elcW über
1 12 Fälle berichtet wird, und zwar handelt es sich 11
1 um Ulcus ventriculi, in 1 um Carcinoma ventr.
Die Wirkung war in allen Fällen von Heus eine vortreffliche,
>• selbst bei dem Carcinom trat eine vorübergehende Besscmng cm
n Besonders interessant sind einige Fälle von sehr chromA“ Ver
lauf, die vor der Bismutl.eur mit Karlsbader etc ohne besonderen
-c Erfolg behandelt worden waren. Sofort nach Emleitu g
lc Flein ersehen Cur trat eine auffallende Besserung ein.
Die Angaben Fl ein er’s werden in dieser Dissertation vo
ss auf bestätigt. Vergiftungserscheinungen oder sonstige Un g
"• lichkeiten wurden nie beobachtet, eine Vereinfachung der 1 leiner
er sehen Methode empfohlen, da sowohl die Lagerung der Kranker,
811 als das Licgenlasseu der Sonde als überflüssig erkannt
en Mit dieser Dissertation steht die sehr bemerkenswerthe Arb
' r ‘ von Matt lies (17) in innigem Zusammenhang, che im entra
?e- DUrtt für innere Medieiu veröffentlicht worden ist.
,de Matt lies hat nämlich sehr interessante Thierversuche an-
n f gestellt und dabei folgende, für die vorliegende Frage sehr wiehuge
,ch Beobachtungen gemacht. Wenn man einem Miere Bisumth in
' na grosser Dosis in den Magen cinverleibt, so liegt je »»
ieS Lagerung des Thieres das Medicament auf der entsprechenden
£1 nur dann, wenn das Thier sehr bald getödtet u
Ui : untersucht wird, also nur für kurze Zeit. Nach «mgen Stund«
T schon ist dies nicht mehr der Fall, dann ist das BtsmuA übe
7 ,e die ganze Magenwand vertheilt. Wurden künstliche ***»
bn ' Verluste im Magen erzeugt, so fand sich nach längerem
gUt eine dicke, dem Defeetgrnnde sehr fest adhaerentc Kruste, d
ausschliesslich aus Bismuth bestand, unter derselben fanden sicu
„ ,C frische Granulationen. m „„|.
rürs Durch diese interessante Arbeit ist somit die von Kuss
lten Fl ei n er verinuthete Wirkung glänzend bestätigt. 1 )
man I
i) Nachtrag. In den therapeutischen Monatsheften 10, 94 hat
Savelieff aus der Senator'sehen Klinik über dl ® ^ ^ ‘ g ünst ig.
innerer Wismutbbehandlung berichtet; Resultate durc g
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1
v.v.
r.:
V-
t ’ 1
p?-
23. Jnni^189'6.
MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
589
D;«- letzte Vrfcheil , das wir (lbi*r die Bisnmthbchandlung
haben, stammt von Ponzoldt (18), der sieh nach einer kurzen
Kritik der bisherigen Erfahrungen dahin äussert, dass weitere
Versuche zumeist in der Mehrzahl der Fälle mit dem Einnehmen
von Bismuth, in geeigneten Fällen mit Ausspülungen und Ein¬
giessungen entschieden empfohlen werden dürfen.
Gestatten Sie nun, m. H., dass ich Ihnen in Kürze über
meine eigenen Beobachtungen referire. Sie werden mir erlassen.
Ihnen die Krankengeschichten vollständig vorzulesen, ich werde nur
die bemerkenswerthesten Daten daraus gelten, um Lhre Zeit nicht
zu lange in Anspruch zu nehmeu.
Die Methode, die ich dabei zur Anwendung brachte, stimmt
nicht genau mit der F1 ei n er ’ sehen überein. In der Privat¬
praxis hat es ja seine grossen Schwierigkeiten, eine Cur, wie sie
Flein er angegeben hat, durehzuführeu, ganz abgesehen davon,
dass die tägliche Ausspülung und das längere Liegen lassen der
.Sonde grosse Unbequemlichkeiten mit sich bringt und vielleicht
auch nicht immer ganz gefahrlos ist. Es würde ja auch schwierig
sein, die nüthige Zeit zu finden, die ein solcher Fall beansprucht,
denn es muss doch die ganze Proeedur genau überwacht werden.
Ganz anders liegen die Verhältnisse in einer Anstalt, und ich
würde auch gar keinen Anstand nehmen, bei einer klinischen
Behandlung genau die Kleiner'sehe Methode durchzuführen,
falls es sich heraussteilen sollte, dass diese Methode absolut noth-
wendig ist, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen.
Ich habe mich also darauf beschränkt, das Bismuth innerlich
in Wasser suspendirt nehmen zu lassen und zwar Morgens nüchtern
im Bett 1 Caffeeiöffel voll = 8—10 g, habe dann dem Patienten
diejenige Lage einhalten lassen, bei der man vermuthen durfte,
dass die grösste Masse des Bismuths auf die erkrankte Stelle
kommt.
1. W., 26jähr. Dienstmädchen, schon oft magenleidend; Aus¬
spülung des Magens 6 h p. c. ergibt sehr viel altes, dabei auch
frisches Blut; kein Tumor, keine Kesistenz nachweisbar, nur im
Epigastrium links lebhafter Druckschmerz Nach 21 tägigem Wis-
muthgebrauch Druckempfindlichkeit ganz verschwunden.
2. Frl. H., 24 Jahre alt; seit 13 Jahren Magenbeschwerden,
vor 3 Jahren Blutbrechen. Die Gegend des Fundus ventriculi bes.
an der grossen Curvatur lebhaft druckempfindlich (Boas 1 Algesimeter
2- 3 ko). Auf Wismuth rasch Nachlassen der Schmerzen nach dem
Essen; betrachtet sich laut brieflicher Mittheilung nach 4wöchent¬
lichem Wismuthgebrauch «als geheilt».
3. H.. 2ojähr. Köchin. Seit ca 8 Jahren Magenbeschwerden,
besonders beim Heben von schweren Gegenständen Schmerzen in
der Magengegend an umschriebener Stelle; einmal Blutbrechen und
schwarzer Stuhl. Wismuth wird in kaltem Wasser nicht, in warmem
gut vertragen. Die Empfindlichkeit nimmt rasch ab, obwohl Patientin
ihren Dienst versieht; nach 6 Wochen vollständig beschwerdefrei,
keine Druckempfindlichkeit mehr.
4. J., 25jähr. Köchin. Starke Schmerzen in der Magengegend,
die sich bis zum Erbrechen steigern, lebhafte Druckempfindlichkeit.
Nach 24 Tagen Wismuth absolut kein Druckschmerz, auch sonst
keine Empfindlichkeit.
5. B., 36jähr. Kfm. Wiederholt magenleidend, mit heftigem
Sodbrennen, auch einmal Blutbrechen. Nach 5tägigem Wismuth¬
gebrauch gar keine Schmerzen mehr, am Magen nichts Abnormes
zu fühlen. Sehr guter Erfolg der Wismuthcur, welche 8 Wochen
lang durchgeführt wurde.
6. Frl. St., 25 Jahre alt, Ulcus ventriculi mit Hypersecretion
and Dilatation; wiederholt Wismuth genommen. Das 1. Mal
3- 4 Monate lang, darnach bedeutende Besserung, aber nicht ganz
schmerzfrei. Das 2. Mal mit gutem Erfolg. Das 3. Mal rasch
Besserung, welche aber nicht lange anhielt; eine dann durchgefübrte
Milchcur ohne Erfolg; erst nach Wismuth wieder eine Wendung
zum Bessern.
7. Fr. P,, 48 Jahre alt Seit 1 Jahr Magenbeschwerden, auch
einmal Magenblutung (l 1 /? Liter Blut!); starke Druckempfindlichkeit
in Epigastrium nnd Mesogastrium. Auf Breicur sehr erhebliche
Besserung, dann kleine Rückfälle. Darauf 2 Monate lang Wismuth;
4 Monate Wohlbefinden, dann wieder Wismuth mit gleichem Erfolg,
der 1 Jahr lang anhielt. Erneute Beschwerden verschwanden nach
einer 8 wöchentlichen Wismuthcur wie vorher.
8. 8ch. Vor 1 Jahr colossaler Tumor nachgewiesen, sollte
operirt werden; früher grosse Blutungen. Seit 2 Monaten wieder
Magenbeschwerden; stechende und schneidende Schmerzen, auch
Doreal8chmerz. Die Mitte des Epigastriums ganz circurascript,
druckempfindlich, aber keine Resistenz, kein Tumor nachzuweisen.
Schon nach 6 Tagen Wismuth fast keine Magenschmerzen mehr,
nach 23 Tagen aber doch noch ziemliche Druckempfindlichkeit in
der Mitte des Epigastriums, die auch nach weiteren 12 Tagen noch
nicht ganz verschwunden war, dagegen bestanden keine subjectiven
Beschwerden mehr.
No. K
9. E. M. Vor 9 und vor 7 Jahren starke Magenblutung, des
gleichen vor 5 Monaten. Hauptbeschwerden: Magendruck p. c.,
dabei auch drückende Schmerzen, die ausstrahlen und bis in den
Rücken durchstechen. Die Mitte des Epigastriums ist gegen den
Fundus hin ziemlich empfindlich; Pylorusgegend frei. Nach 10 Tagen
Wismuth subjectiv keine Beschwerden, nur etwas Schlafsucht; ob¬
jektiv in der Magengegend absolut kein Druckschmerz, auch
in der Fundusgegend nicht.
10. M. M. Zweimal sehr heftige Magenblutungen, einmal so
stark, dass Pat. dem Tode nahe war. Bismuth wurde mehrmals
mit sehr gutem Erfolg angewendet, seit etwa 1 Jahr hat Pat. nur
unbedeutende und ganz vorübergehende Beschwerden.
11. Altes Ulcus mit chronisch entzündlichen Processen am
Pylorus, hochgradige Hypersecretion. Die Wismuthcur bringt nur
kurzdauernde Besserung.
12. Altes Ulcus mit Stenose des Pylorus; Besserung durch
Wismuth, besonders seit Ausspülungen des Magens regelmässig zur
Anwendung kommen.
Dass ich dabei der Diät meine volle Aufmerksamkeit zu¬
gewendet habe, beuierke ich nur nebenbei, denn ich glaube kaum,
dass man ohne die Verordnung eines entsprechenden Speisezettels
mit dem Bismuth allein viel erreichen wird.
Die Erfolge, welche ich mit der F1 eincr’schen Methode
erzielt habe, kann ich als sehr befriedigende erklären, ja in ein¬
zelnen Fällen trat die Besserung so rasch ein, wie ich dies bei
anderen Uleuseuren nicht geseheu habe.
Die Fälle 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9 und 10 wurden soweit
gebessert, dass alle Beschwerden verschwunden waren, iu Fall 6
wurde dreimal durch Bisuiuthbehandlung eine wesentliche Besserung
erzielt.
Ich kann also wiederholen, in 10 von 12 Fällen konnte der
Erfolg kaum besser sein, die beiden übrigen Fälle sind keine ein¬
fachen l’lcera gewesen, insofern als dieselbe mit Stenose des Pylorus
complicirt waren. Aber auch bei diesen kam es zu einer nenneus-
werthen Besserung, die aber nicht sehr lange anhielt.
Wie viel Bismuth in jedem einzelnen Fall verbraucht worden
ist, kann ich nicht genau augeben, wahrscheinlich wird die Ge-
sammtdosis zwischen 100 und 200 g schwanken. Irgendwelche
Vergiftungsersoheinuiigen habe ich nie beobachtet, auch sonst
keinerlei IJnzutrüglichkeiten gesehen, abgesehen vielleicht von der
oft lästigen Verstopfung.
So kann ich also nach meinen Erfahrungen die Bismuthcnr
nach Fl ein er auch in der von mir befolgten Modification an¬
gelegentlichst empfehlen, besonders für chronisch verlaufende Fälle,
und glaube annehmen zu dürfen, dass die Sondeneinführuug in den
uncomplicirten Fällen nicht nöthig ist, während ich bei Stenose
sehr dazu rathen würde, vor dem Einnehmenlassen des Bismuths
eine Ausspülung des Magens vorzunehmen, um eiue gründliche
Reinigung des Organs von den stagnironden »Speiseresten zu er¬
reichen.
Die Ungiftigkeit des Mittels scheint ja nach all diesen Er¬
fahrungen siehergestellt zu sein, ob sie aber über allen Zweifel
erhaben ist, müssen doch weitere Beobachtungen erst lehren. Ich
halte es für dringend nothwendig, dass man einen solchen Kranken
unter den Augen behält, sieh nach Stomatitis erkundigt, den I rin
ab und zu untersucht und vor allem ein absolut reines Präparat
verwendet. Sie haben vielleicht von demFall gehört, den Gaucher(l9)
in der Seinaine Medieale veröffentlicht hat. Ein Patient hat wegen
Hyperacidität Bismuth verordnet bekommen und in 80 Tagen
1600 g verbraucht, ohne beuierkonswerthe Vergiftungs¬
erseheinungen zu bekommen, nur eine leichte Stomatitis und eiue
Pigmentirung im Gesicht machte sieh geltend.
Es sind ja eine Reihe von Vergiftungen veröffentlicht worden,
nachdem Kocher im Jahre 1880 das Bismuth als Streupulver
empfohlen hatte, ebenso ist es bekannt, dass lebhafte Vergiftungs¬
erscheinungen bei subeutuner Anwendung sieh ereignet haben und
man nimmt an, dass bei äusserer und subcutaner Anwendung das
Bismuthsalz mit dein Körpereiweiss eine lösliche und daher resorp-
tionsfäbige Verbindung eingeht.
Eine Dissertation von Mayser (20) Freiburg beschäftigt
sich mit der Frage der Giftigkeit der Bismuthpräparate und be¬
richtet über eine Reihe von Vergiftungen in früherer Zeit bei
innerer Darreichung, die aber wohl alle auf verunreinigte Prä¬
parate zurückzuführeu sind. Bei äusserer Anwendung kam es
häufig tu schworen Vergiftungen, besonders schweren Nierener-
9
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MÜNCHENEK MEDICINISCHE WOCHENjCHBgr
No. 25.
^ w ä
glaubt, dass dcssm-gen bei ^ scWl ; saure Mageninhalt
erscbeiuuugen auitreten, J lüseu kann, während
nur eine geringe g Resorption erschwert und das
ta Darm di. alkata.Ee Bezctten Jf “f^z ,er»eilt. Da. tote
“toptoL Wirkung de. Btouth gto g.
-d über
Kun nocli wenige Worte dta d* daM die
die Heilung des Magengesc wur^- ^ schwierigsten und zu
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den unsichersten geh «»bwicriekeiten bezüglich des
dicm eine andere ASect.cn d-rt^ ^ ütt ventr. der Fall
richtigen Hrkennens gebe , Rcihe VüU fallen, die keinen
ist. Gewiss gibt es eine _ > • w aKengescb wür vorliegt, aber
Zweifel darüber lassen, dass ei — = uur , /u eiucr Wahr-
eben so viele mag es geben, m manchmal ist die
s ctainlicEke.ted.agn„ae komm h „an durch schwere
SÄ“ —»■ *" “ “*
"S.’SS SSÄ der sacitage 't
Mittheilung über den Erfolg n gen zu frieden geben, dass
Fehler gemacht werden und
gemacht werden müssen. Fälle er-
neun, zu denen auch ic g .^ , beobachtet, keine
tü
hie und da blitzartige M.tgcnschmerzen s-nur U.tata*.
riesige Hypersecretion * keimfrei be-
SeT Ke Diatt auf Ulcus buhe ich nicht steh» kennen.
■ t TIleus sr heilt? Man könnte vielleicht diese I rage als
angeführten Aufsatz, dass mau bei dem chron. Magengeschwür m
der Annahme de, Heilung ungemein vors,cht,g sem mnss. W
l-mn das voll und ganz unterschreiben und glaube kaum, das.
B as mit dem AlgLieter im Stande sein wird, eine grossere
Sicherheit bei der Frage der Heilung zu erreichen. Die Hrtah
r Ung cn die ich bisher mit diesem Instrument gemacht habt,
scheine’,, mir nicht dafür zu sprechen Würde aber sehr wtosclmü,
dass es gelingen möge, auf diesem oder einem anderen \\ ege An
tatapunkte *„ ge^nnen. die es dem **"%£•*;
An 1 1 al ts]piinkte zTgebTu, "die ein sicheres ürtheil über die vol¬
lendete Heilung eines Magengeschwürs zulabsen.
So darf man sieb also keineswegs damit zufrieden geben, wem
es gelungen ist, durch eine Bis.uutkcur alle Beschwerden beseitigt zu
haben Damit ist absolut keine Sicherheit geboten für die wirk¬
liche Heilung des Geschwürs. Man darf nur soviel annehmen,
dass der Reizzustand, in welchem sich das Geschwür vor der c-
haudlung befunden hat, aufgehört bat und deswegen muss man
auch nach einer solchen Cur bezüglich Diät und sonstigem W
halten dem Patienten strenge Vorschriften geben und besonders
bei der Frage der Prognose möglichste Vorsicht im Ausdruck
gebrauchen, damit man nicht in einigen Wochen schon ein> so¬
genanntes Recidiv er lebt oder gelegentlich durch eine plötzlich
, „ „..inibnt wird, dass unser ganzes
cintretende Perforation daran gemahnt wi
Thun doch nur Stückwerk ist.
Literatur.
1 Fleiner, Verhandl ^ Congr. f mnere g Medicin. 1893. S.309.
2. Budd, Die Krankb. d. Ma^ns^lßöb.^ ^ g 409
3. Canstatt, Spea Path. u. 1 P path u Therap . v . Virchow.
4. Bamberger, Hanao. u. f
l l Sih 15 u S The 7 rap. Bd.
I Da
geschwür». Speiseröhre u. d Magens. S. 194.
ia s - 52 -
I 2 . BouvereTTraitö d ® 8 “^enschl“S'. fÄ. 8. 1090.
ie! bischSein. 1894. No. 1. 8. 2 ff.
- 025.
Ein Fall von Ruptura uteri.
Von Dr. mcd. Fritz Burger in Giessen.
Heber die in den letzten Jahren
i„ verschiedener Weise beantwortete Jra^b ^ ^ ^ sich
Uterus-Ruptur die sofortige nat urales empfehle, wird
die Entfernung des Kindes 1 Rreebniss nach der
meines Erachtens die Di.cuss.on n.cmals e.n^E
einen oder anderen Seite hm erzie > Verhältnisse
ich glaube mit Recht, er wiru bessere Resultate er-
denen er zu operiren gezwungen ist, sicher bessere
zielen, als durch die Laparotomie. Thiuirkeit der nach
Einen Fall aus meiner laudärzthehen.T ^® 8i c ht8p unkten
dieser Richtung sowohl als auchnoch nach^ d 8cheint , bringe ich
bin immerhin Beiuertenswerthes mir weil au8 ser
desshalb erst jetzt nach < J“ 1 !®“ i tleren Ehemann verstorben ist.
der betreffenden Frau nunmehr auch deren ^ ßn> welche etwa
Ich wurde damals Nachts zu einer • in Folge schlechter
Ö km von meinem Domicil ent Fahrt etwas und als
Wege und Schneestürme verzögerte 8C J d f hocbgr adig collabirt,
ich bei der Parturiens ankam,.fand . dieselbe no^K ^ d
mit blassen, verfallenen GernJtszügen ^ or circa 20Min.
fast bewusstlos, und die Hebamme » fgehör t habe und
die vorher übermässig starke W^^SSeilen der jetzige Zu¬
unter starker Blutung aus den ^“fchteUia hfe vor banden
stand der l’rau eingetreten s«. Es 1 sei ei erha i b der Ge-
ÄÄrÄ-2‘5
Kindes liegt nach vorne, alBO öcnieiiage jj. p roon .
Was aber thun? Aeusserst ärmliche Verhältnisseh die
bund der nächste College etwa 4 Stunden en Regeln der
Hebamme ist alt und hat selbst von den einfachsten
Antisepsis keine Ahnung. Icl ^ entechloss «J«* Wendung oder
des Kindes per via naturales; die Frage, on hh u ne i g machend.
Embrvotomie, noch von der inneren Untersuchung abhängig
Unter Einleitung ganz leichter-Narkose, nachde ^ vorHegen den
Aether der Frau injicirt sind, dnnge ich neben besonders
Arm ein. wobei dicke Blutklumpen hefvorqu ' Menge rundlicher
auffallend fühle ich bei weiterem Vordringen eine m b gowob 1
Stränge, .Be ich zuersi für die Kmzeiche» «J
ihrer Ccmäguration nach wie nach deD “ der J i war für nuch
Dünndärme der Mutter ansprechen musste. D “ R tom ie ausser
wegen der Gefahr der Verletzung der Därme die Embryo
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23. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
591
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Betracht; ob die Wendung möglich, ohne dass die mütterlichen
Dünndärme mitfolgten, darüber wollte ich den Versuch entscheiden
lassen, zumal mir das Leben der Frau nunmehr doch als kaum er¬
haltbar erschien. Es gelingt mir, einen Fuss des Kindes zu er¬
greifen und an ihm die Wendung und Extraction relativ schnell
auszuführen; die Placenta und sehr viel Blutklumpen stürzen nach
und die sofort wieder eingehende Hand fühlt im Scheidengewölbe
und der Uterushöhle ein Convolut von Darmschlingen. Ohne die
Hand zu entfernen, lasse ich die Parturiens zurück aus der Quer¬
lage ins Bett längs lagern und es gelingt tuir, die Darmschlingen
durch den quer über die ganze hintere untere Uteruswand sich er¬
streckenden Hiss zurückzudrängen. Gewissermassen als Tampon
bleibt noch weiter meine Hand im Uterus, während der Frau ziem¬
lich grosse Mengen von Ergotin. dialysatum eingedösst werden. Nach
einiger Zeit fühle ich starke Uteruscontractionen und die reponirten
Därme drängen sich nicht mehr gegen die Uterushöhle vor und als
ich nach etwa einer Viertelstunde die Hand entferne, ist der Uterus
bretthart geworden und der Blutabgang nur ein ganz minimaler.
Die Frau erhält etwas Wein, dann ziemliche Dosen Tinctura opii
und eine Eisblase auf’s Abdomen, als Nahrung kräftige Bouillon mit
Ei und eisgekühlte Milch; dies, wie eine vierstündige Temperatur-
messung waren nieine Anordnungen, als ich die Frau, die sich
ziemlich erholt hatte, verliess
Das Thermometer zeigt für die nächsten 5 Tage niemals höher
als 38,6°, am vierten Tage post partum sehe ich die Frau wieder,
sie fühlt sich relativ wohl, der Leib ist schlaff, auf Druck nicht
empfindlich, der Blutabgang nicht gross, kurz, sie bietet von dem
Bilde einer normalen Puerpera, abgesehen von grosser Schwäche,
keinen Unterschied. Die mir in den nächsten 6 Tagen gesandten
Berichte und Temperaturnotizen sind gut; plötzlich am elften Tage
nach der Entbindung werde ich gerufen, weil die Frau über starke
Leibschmerzen klage, ziemlich viel Blut abgehe und das Thermo
meter 3 \8° Mittags um 11 Uhr zeige. Nach langem Fragen klagt
die Frau mir, dass ihr Mann am Abend vorher betrunken nach
Hause gekommen sei und sie zur Ausübung des Coitus gezwungen
habe Ich verordnete erneutes Auflegen der Eisblase und Ergotin;
die Schmerzen und die Temperatur fallen ab und nach weiteren
10 Tagen ist die Frau in der Lage, das Bett zu verlassen und er¬
holt sich in der Folge äusserst rasch.
Genau 0 Monate und 6 Tage später werde ich wieder zu der
Frau gerufen mit der Mittheilung, dass sie soeben einen Knaben
geboren habe, dass aber die Nachgeburt nicht folge und wahrschein¬
lich angewachsen sei. Dem war so; die Placenta geht auf den
Cred6’sehen Handgriff nicht ab: die eingeführte Hand findet die¬
selbe genau linear dem früheren Uterus-Risse entsprechend an der
hinteren unteren Wand angewachsen, so dass ein kräftiges Abstreifen
mit dem Finger genügt, um sie sofort, zu lösen und zu entfernen.
Das Wochenbett verläuft ganz normal; das Kind lebt und erscheint
als ein völlig ausgetragenes. Ein Jahr etwa später werde ich wieder
zu der Frau gerufen mit der gleichen Mehlung, dass das Kind ge¬
boren Bei, die Frau aber stark blute, weil die Hebamme die Placenta
nicht zu lösen vermöge; diesmal aber treffe ich die Frau nicht mehr
lebend an, sie batte sich verblutet, ehe ich das Dorf erreichen konnte.
Es dürfte nicht nöthig sein, die vielen Besonderheiten des
Falles einzeln noch zu besprechen; nur noch hin weisen möchte
ich darauf, dass die Möglichkeit einer Coneeption am H. Tage
post partum trotz so schwerer Uterus-Verletzung entschieden vor¬
liegt, da mir die Frau absolut versicherte, dass dann erst etwa
4 Wochen post partum der zweite Beischlaf stattgehabt habe;
allerdings ist ja bei der Unmöglichkeit, das Alter der Frucht ganz
genau zu bestimmen, auch denkbar, dass diese ihre Entstehung
nicht dem ersten Beischlafe verdankt.
Ich hatte auch die Absicht, durch die Seetion mich von der
früheren Uterus - Biss - Stelle genau zu überzeugen, allein die
Seetion wurde mir leider verweigert.
Zur Aseptik der Naht und Unterbindungsseide. 1 )
Von Dr. IJ. Melder, prakt. Arzt in Georgensgmönd.
Für diejenigen Aerzte, die kein grosses Personal zur Ver¬
fügung haben, das die zeitraubenden Vorbereitungen zu einer
aseptisch auszuführenden Operation übernimmt, ist es gewiss von
einigem Werth , wenn auch nur ein Thcil dieser unangenehmen
Arbeit abgekürzt wird. Ich möchte im Folgenden eine Methode
angeben, welche die Präparation der Naht und Unterbindungs-
fädeu, sowie das lästige Einfädeln der Nadeln so leicht macht,
dass diese Manipulation fast ohne Zeitaufwand ausgefülirt werden
kann. Die Methoden, welche zur Vorbereitung der Seide für die
Naht und Unterbindung jetzt gebraucht werden sind folgende:
*) Vortrag, gehalten im Aerzteverein für Südfranken im No¬
vember 1895.
Entweder es wird ein grösserer Vorrath von Seide gekocht und
in einer antiseptischen Flüssigkeit (Spiritus, Carbol-Sublimatlösung)
aufbewahrt und kurz vor oder während der Operation soviel vorher
in .Sodalösung gekochte Nadeln, als gebraucht werden, eingefädelt.
Die Seide ist meistens auf Glasrollen oder Rollen aus Metallstäben
aufgewickelt und jeder einzelne Faden wird abgeschnitten.
Das ist wohl die schlechteste Methode, denn die Sterilisirung
der Seide, die Uebertragung derselben in das ebenfalls vorher zu
sterilisirende Aufbewahrungsgefäss, die Entnahme der Fäden, das
Einfädeln der sterilen Nadeln erfordern so vielfache Manipulationen
und ein so scharfes logisches Hineindenken in die Regeln der
Asepsis, dass ich keine einzige von diesen Vorrichtungen dem «Per¬
sonal» anvertrauen möchte und desshalb, um sicher zu sein, ge¬
zwungen bin, Alles, vom Auf wickeln der Seide auf die Röllchen an
bis zum Einfädeln, selbst zu thun. Was aber das Einfädeln allein
schon z. B. bei einer Darm nabt oder grosseren Plastik für Mühe
und Arbeit macht, brauche ich nicht näher auseinander zu setzen.
Sehr gut sind die Fehler dieser Methode von Ihle (eine neue Methode
der Asepsis, pag. .‘>9 ff ) geschildert
Etwas besser ist es schon, wenn die Seide direct vor der
Operation entweder im Dampfapparat .sterilisirt oder in Wasser aus¬
gekocht wird. Das erstere ist angenehmer, weil sich leichter mit
irorkener Seide arbeitet, das letztere aber bei unaufschiebliohen
Operationen, z. B. bei plötzlich eintretenden Unglücksfällen, leichter
auszuführen und aseptisch einwandfrei.
Bei dieser Methode ist die Asepsis des Nahtmaterials sicherer
gewährleistet, das lästige Einfädeln bei der Operation bleibt bestehen.
Die dritte und bisher beste Methode ist die, dass man eine
grosse Anzahl eingefädelter Nadeln vorrätliig hält, und die für die
betreffende Operation nothwendigen mit den Instrumenten in der
Sodalösung kocht.
Diese Art der Sterilisation des Nahtmaterials überhebt uns
zwar der unangenehmen Nothwendigkeit, während der Operation
efnzufädeln, hat aber auch ihre Nachtheile.
Erstens verwickeln sich während des Kochens oft die Fäden
so, dass man seine liebe Noth mit dem Entwirren derselben hat,
und daun schliesslich doch oft einen Faden in die Hand bekommt,
der seine Nadel verloren hat. Zweitens wird die Seide durch Kochen
in Sodalösung doch etwas brüchig, so dass man zu Nähten und
Unterbindungen unverhältnissmässig dicke Fäden nehmen und den
Rest der einmal gekochten Seide nach der Operation wegwerfen
muss, wenn man nicht erleben will, dass bei einer zweiten Operation
die zweimal in Soda gekochte Seide hei jedem Knoten reisst. Dicke
Seide hat aber den Nachtheil, dass die Fäden mehr reizen und
nicht so gern einheilen wie dünne Endlich ist, was allerdings
nicht so wichtig ist, die Seide bei dieser Methode nass.
Dem Verwirren der Fäden kann allerdings dadurch vorgebeugt
werden, dass man die Fäden in grossen Stichen einen neben dem
andern durch eine Gazecompresse zieht, in der auch die Nadeln
stecken, oder dadurch, dasß man den von v. H e i n e k e construirten
und von Kleiuknecht in Erlangen fabricirten Nahthalter gebraucht.
Derselbe besteht aus einer circa 20 cm langen, 9 cm breiten
rechteckigen Neusilberblechrinne. Die 2 Seitenwände der flachen
Rinne sind 2 cm hoch winklig aufgebogen und tragen je eine Reihe
Löcher, die circa 1 cm weit von einander entfernt sind. Durch 2
gegenüberstehende Löcher wird ein Seidenfaden gezogen, die Nadel
eingefädelt und die beiden Enden des Fadens zusammengeknüpft.
Die Nadel ruht dann während des Kochens in der Rinne. Diese
Vorrichtung schützt zwar vor dem Verwirren der Fäden, hat aber
auch ihre Schattenseiten, weil das doppelte oder eigentlich dreifache
Einfädeln eines jeden Fadens, erst durch die beiden Löcher des
Nahthalters und dann durch das Nadelöhr, ferner das Knüpfen des
Fadens recht umständliche und langweilige Vorbereitungen sind.
Das Kochen der Seide in Soda wird auch nicht dadurch vermieden,
weil die Nadeln durch Kochen im einfachen Wasser oder durch
Sterilisiren im Dampfapparat stumpf resp. rostig werden würden.
Ausserdem sind die Fäden unangenehm kurz und es ist lästig, dass
man jedesmal, bevor man eine Nadel entnehmen kann, den Knoten
abschneiden muss.
Es ist also sicher nicht übertrieben, wenn ich behaupte, es ist
ein dringendes Bedürfnis nach einer allseitig befriedigenden Methode
vorhanden.
Dieselbe muss das Sterilisiren der Seide in Wasser und Dampf
gestatten, und muss das Einfädeln der Nadeln so leicht machen,
dass es auch durch Collegen mit weniger guten Augen rasch und
sicher geschehen kann.
Zu diesem Zwecke habe ich einen kleinen und sehr einfachen
Apparat fertigen lassen. Derselbe besteht aus einem 18 cm langen,
10 cm breiten Nickel blech, dessen kurze Seiten so abgebogen sind,
dass die eine nach oben, die andere nach unten sieht, so dass von
der langen Seite aus gesehen die Form eines /'"'•\/ entsteht Die
beiden abgebogenen Streifen sind an ihrem freien Rand wellen¬
förmig ausgezackt oder eingekerbt, etwa wie die nebenstehende
Figur: | Je die äusserste Einkerbung rechts und links
dient zur Aufnahme der Unterbindungsseide. Diese wird durch quer
verlaufende Fäden festgebnnden und zwischen diesen Querfäden
durchschnitten, damit man nach Belieben Fäden entnehmen kann.
Auf die 17 mittleren Einkerbungen wird in fortlaufenden Windungen
die Nähseide aufgewickelt und die beiden Enden in eigens dazu ein
gerichteten Füsschen eingeklemmt. Die Seide liegt in ihrem ganzen
2*
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Mmn ffENEB MEDICINISCHE WO CHENSCHRIFT.
No. 25.
592 ___
»oh , T “sÄSSirS
umspült werden kann, lei , • dung e j ne INadel mit federn-
«ich nun sehr leicht m jede Faden Schee g ren8chnitt kann man nun
dem Oehr einfädeln Durch «* n lange Stücke theilen, deren
den aufgewickelten Faden in ] ^ m | n das nicht, so kann
jedes in eine Nadel eingefädelt dem andern wegschneiden,
man auch einen Faden mit Nadd wtoMnj eine Nad el mit 1'/«
Für fortlaufende Nähte » “ ^ Die Vorrichtu ng
L°cr.t“ säVäää-. - wä«,
kochen, je nach Lust und Umständen.
»•ras
SH- äs.-äw £
wendet werden geschlossenem Oehr ist schon durch
w k mmirn A 2 — A f> (gerade Nadeln mit aufgebogener Spitze) oder
" tl ÄÄ Ä Ko. . -
Es gibt auch Nadeln mit federndem Oehr nach Hagedorn,
** I ?^Lre»rs£r»TSe.te„ - **«
sind wenn man sie in zur Syrupsdicke eingedampften Spir. saponis
“SäS« iSffÄ *- nrr iB t;
J. Bergler in Georgensgmtind und bei Katsch in München z
haben. längst beabsichtigte Veröffentlichung wurde
dl» i» Ko. 1-2 dieser Zeitschrift ersclnenene
At %rVortele^rih D ieSe» Verfahren» sind sU,örtlich euch
dte “einzelnen von Ihle ans-
geführten Punkte durch und erlaube mir, mich theilweise dessen
eigener Worte zu bedienen.
1. Die Seide wird absolut aseptisch. ,
2. Dieser Zweck wird innerhalb 5 bis 10 Minuten erreicht.
3 Man braucht nicht mehr Seide zu kochen, als man für die
betreffende^kanrfsäramtliche Fäden mit einem Scheeren-
8Ch,a 5 ^^Fäden" werden alle gleich lang (es ist auffallend, oder
spricht vielmehr für die Zweckmässigkeit der gewählten Länge, dass
Ihle und ich die Fäden gleichmässig 32 cm lang wählten).
6. Die Fäden kräuseln sich nicht.
7. Die Fäden kommen nur mit den Händen des Operateurs in
Berührung^ Anzahl der Fäden kann sofort controlirt werden.
9 Das Einfädeln ist spielend leicht zu bewerkstelligen, und
das ist der wesentliche Vorzug vor dem Ihle sehen
Fadenhalter. Endlich ist „ , , ... Q ..
10 der Operateur nicht gezwungen, die Nadeln und die beide
gesondert zu sterilisiren, sondern man kann, wie schon erwähnt,
entweder Nadeln und Seide zusammen in Sodalösung kochen, oder
letztere allein entweder im Dampfapparat, oder wie Ihle es bei
seiner recht brauchbaren Methode der Aseptik tliut, durch Kochen
in irgend einer antiseptischen Lösung keimfrei machen
medieinischen Klinik des Herrn Geheimrath
Professor Riegel in Giessen.
Neue Beiträge zur Bedeutung der Mundverdauung.
Von Pr. Georg Sticker
Privatdocent und Assistent der Poliklinik in Giesse»,
n Mundverdauuug und Magenverdaunng.
hh
Speiche, und SUej-ft jene Abhängigkeit
luiig vom Jahre ll87 Dem Mundspeichel kommtim mensch-
,rä0l, lfeiner «zeigen Arbeit hat Biernacki in der Sj
Klinik meine Angaben und meine Pe^rnn^u gepÄ m,d ^
ä “ ä" 5
Mulidverdariungeine'gana bedeutende Herabsetzung der secrewriBchen
-SÄäÄrSÄj.
war, eine Theorie für jene Thatsaehe zu finden, hatte
mit ’der erwähnten Formulirung begnügt.
Biernacki hoffte weiter zu kommen und stellt am Knie
höhle der durchzukauenden Nahrung schwach saure
^Vrl’in einigen ,Lehrbüchern,/der letzten dahre W
. . . • , Riornacki habe meino «Theorie» widerlegt, so
haben'die Autoren derselben unsere Abhandlungen schlecht o er
nicht gelesen. Denn ich habe keine Theene gemacht und Bier
nacki hat nur versucht, meine Angaben ^ erweitenn^^^
Neue Untersuchungen haben mir gezeigt, dass deuU!t
•mf welche Biernacki seine Erweiterung baut, irrig g
'sind und damit der zweite Tlicil seiner Abhandlung >«^
Kr fand hei der Prüfung der Reaction einer ira f fflit
gekauten Stärke,nasse oder einer Mischung von Eie
Stärke -dass die Alkaleseonz der Starkcflüssigkeit im Mund ^
ahnahm, noch häufiger, dass die Kcaction ganz neutral und soga
zwar selten — minimal sauer wurde». , eines
«Alle diese Schwankungen konnten nur beim x Ut
so empfindlichen Indicators, wie das Phenolphthalein, g
WCrdC Nun macht Biernacki eine Reihe von Versuchen, die
säuernde Wirkung des Speichels zu ergründen. welchea
Kr nimmt 20 ecu, ganz neutralen, dest,lhrten Waase■
mit 2-3 Tropfen Phenolphthalein versetzt und durch emo 1
■l 10 n. Natronlauge stark roth gefärbt wird und hält cs
Sccunden im sorgfältig ausgespültem Munde, indem er ^
keit mit den Wangen zwischen Zunge und Zahnenhü -
schiebt. Das ausgespuckte Wasser ist sanor, wie S ^ rerscbw i I1 det
liebes» Laemuspapier erkennen lässt Die Acid ^ n0C h
«weder beim Durchleiten von Luft durch die Flüssigkei ,
beim Auf kochen» derselben. Flüssigkeit i»
Dass in diesen Versuchen die Säuerung dt dic
Munde bewiesen ist, unterliegt keinem Z ^® lfe . 1 ? 8 bcrV or,
Alkalescenz derselben abgenommen habe, geht nicht .
wie ich zeigeii werde. , T „^v gemacht;
Die Versuche wurden mit Phenolphthalein als Index ? An .
Biernacki weiss sehr gut, er erwähnt es selbst_ m ^
merkung, dass dieser Index kein Reagenz sc tc ßeaction
Alkalien ist "dass cs mit doppeltkohlensanrem Natron kein
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tr-
23. Juni 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
593
gibt, während es eine Sodalösung mit nur 0,00025 Proc. Soda¬
gebalt deutlich rütliet. Die dünne, gefärbte Natronlauge, welche
er in den Mund nimmt, wird im Munde schnell entfärbt. Daran
können verschiedene Säureu schuld sein ; dass Kohlensäure vorerst
in Frage kommt, das bedenkt Bicrnacki wohl; sie zu verjagen,
kocht er auf; aber der Index bleibt verschwunden. Auch sonstige
flüchtige Säuren glaubt er freizusprechen, indem er vergeblich Luft
durch das entfärbte Wasser leitet.
Cnd doch hat er sieh getäuscht. Das Schwinden der Phenol-
phthalcinfärbung in seinen Versuchen ist nur durch Kohlen¬
säure bedingt. Nämlich:
Nimmt man seine Mischung und schüttelt sie, so entfärbt
sie sich; bläst man Luft hindurch, so entfärbt sie sich ; leitet
man 2, 3, 4 Blasen Kohlensäure durch, so entfärbt sie sich.
Eingeleitetcr Sauerstoff nimmt ihr die Farbe nicht.
Kocht man die entfärbte Flüssigkeit auf, so bleibt sie ent¬
färbt — bis sie wieder kalt geworden ist; in der erkalteten ist.
die Farbe wiedergekehrt ; das Letztere hat Biernack i nicht ab¬
gewartet, darum nicht gewusst, darum seinen falschen Schluss
gemacht.
Man braucht nun nicht einmal den Versuch so auf die
Spitze zu treiben, wie er es gethan bat. Mau darf statt Eines
Tropfens der ’/i o • n. Natronlauge 20, 50, 100 Tropfen und
mehr nehmen. Auch diese Lösungen werden durch genügend
langes Schütteln mit Luft oder Durchleiten von CO* entfärbt.
Auch diese Lö:-ungen werden im Munde in wenigen Seeundon
oder wenigen Minuten völlig farblos.
Woher in den Mund die Kohlensäure kommt, brauche ich
kaum zu sagen : die Ausathmungsluft führt sie zu um! der Speichel
bringt sic herbei; dieser enthält ja, wie ich schon erwähnt habe,
nach Pflüger bis zu 65 Proc. CO*.
Bicrnacki sagt weiter, dass eine saure Nahrung im Munde
weniger sauer werde durch Beimischung des alkalischen Speichels.
Das ist richtig. Denn nichts ist sicherer, als dass der frisch ab¬
gesonderte Speichel des (lesunden im Anfang der Mastieation einen
erheblichen Alkalesccnzgrad besitzt. Man muss seine Prüfung
nur unter den Bedingungen anstellcn, welche ich gefordert habe.
(Die Bedeutung des Mundspeichels u. s. w. S. 11 ff.)
Aber Bicrnacki irrt, wenn er auf Grund von Versuchen
mit. höchst verdünnten Salzsäurelösungen und dem Phenolphthalein
als Index angibt, dass Lösungen mit schwachem Aciditätsgrade
iui Munde an Säure gewinnen, während stärkere daran verlieren ;
wenigstens in so weit irrt er, als er dabei an fixe Säuren denkt.
Schwach saure Lösungen gewinnen einfach desshalb, weil sie die
Kohlensäure des Speichels nicht entbinden oder wenigstens nicht
vertreiben; stark saure Flüssigkeiten aber zersetzen die doppelt-
kohlensauren und einfachkohlensauren Alkalien des Speichels und
treiben zugleich die freie und befreite Kohlensäure aus ihm heraus,
da sie kein Dissociationsgleichgewicht dulden.
Ich würde den Irrthum Biernacki’s nicht so sehr betonen,
wenn nicht bereits der Irrthum über die indieatorisolie Bedeutung
des Phenolphthalein eine weitere Verbreitung hätte. Viele titriren
heute den Magensaft unter Anwendung des Phenolphthaleinindex;
bei hoch sauren Saft proben mag das erlaubt und richtig sein; bei
schwachsauren, aus denen die Kohlensäure nicht entfahren ist,
müssen bedeutende Fehler entstehen, dar den lirin mittels des
genannten Indieators zu titriren, beweist aber, dass die einfachsten
chemischen Vorkenntnis.se für seine Anwendung fehlen. Phenol¬
phthalein ist wohl unser empfindlichstes Beagenz für freie Natron¬
lauge: aber auch, wie aus den oben erwähnten Elementarversuchen
bervorgeht, für den Eintritt von Kohlensäure in dünne Natron-
lösungen. Durch diese Doppclschärfc verliert es an Brauchbarkeit
für die Titrirung von Lösungen, in denen Kohlensäure sich auf-
liält, so lange letztere nicht durch Entgasung unter Pflügers
Pumpe oder durch Kochen und Mineralsäuren vertrieben ist. Und
seine Empfindlichkeit gegen Wärme macht es nnthwendig, dass
man bei seiner Anwendung mit kalten Flüssigkeiten operirt. Mir
scheint es nach alledem rathsam, bei Magensafttitrirungcn die
Lacmustinctur nach wie vor zu verwenden; unumgänglich noth-
wendig aber, das Lacrnus bei Titrirnngen des Speichels und Harnes
dein Phenolphthalein gegenüber festzubalten. Und so kann ich
nicht umhin, zufrieden zu sein, dass mir das Phenolphthalein nicht
No 86
bekannt gewesen ist, als ich meine Untersuchungen über die
Reaction des Mundspeicliels vor 10 Jahren anstellte, <n ayant uso
<iuc de tointure de tournesol pour faire mes essais et m’etant prive
ainsi des prccieuses indications <|ue Bicrnacki a tirees de l’cmploi
de la phenolphtlialciu;:, wie U. (lautrand in seiner vorzüglichen
Abhandlung du chiiuisme salivairo (Lyon 1895) in zu gutem
Glauben an das gefährliche Reagenz bemerkt.
Ich komme auf Biernacki’s Hypothese zurück. Wollte
man menigstens einen Thcil von ihr retten, so müsste man auf
die Kohlensäure des Speichels als Tncitamcnt der Magenschleimhaut
hin weisen.
Dass auch diese Wendung derselben nicht zu halten ist,
davon geben die folgenden Versuche den Beweis, in denen ich
einem Eierstärkekleistergcmiseh | 00 ccm Sodawasser in den Magen
naclischicktc und gleichwohl die bedeutende Verzögerung der Magen¬
verdauung feststellte, wenn der Speicbelzufluss in der von mir
geforderten Weise ausgosclialtet worden war.
Eingeführte Mahlzeit
Versuch i
Menge des
Magen- |
inhaltes nach,
30 Minuten j
HCl-
Gehalt in
Proc.
Verdauungs¬
frist für ein
Eiweiss-
scheibchen
I gegessen: löO ccm
eines 2 proc. Stärke¬
kleisters und gehacktes
Eiweiss von drei ge-
1.
40 ccm
0,18
45 Minuten
sottenen Hühnereiern:
getrunken: 100 ccm
Sodawasser.
2.
18 „
0,24:>
60
II eingegossen; durch
die Sonde unter Aus¬
schaltung des Speichel-
3.
120 ccm
0,07
180 Minuten
Zuflusses zum Magen:
dasselbe Gericht und -
4.
70 „
0,12
nach 6 Stund,
unverdaut
100 ccm Sodawasser:
5.
85 „
0,0'.»f>
dsgl.
Hiernach ist es rathsam, bei der ursprünglichen, sachlichen
Fassung meines Satzes zu bleiben, bis neue Thatsaehen den Weg
zu einer theoretischen Forinulirung eröffnen. —
Der Erfahrung über die Abhängigkeit der Magen Verdauung
von der Spoichelwirkung füge ich nun eine andere, neue, bei,
welche aussagt, dass eine Störung der Magensaftabsondernng in
einer bestimmten Reihe von Fällen durch eine schwere Schädigung
der S|K'ichelwirkuug auf die Amylaceen im Magen complicirt ist.
Auch hier spreche ich nur die Thatsachc aus. Zu einer Er¬
klärung reichen meine Beobachtungen nicht.
In Büchern steht der Satz und er ist experimentell genügend
erhärtet , dass die Salzsäure des Magens in wachsendem Maasse
die Speichelwirkung verzögert und endlich, bei einem gewissen
Procentgehalt des Mageninhaltes an freier überschüssiger Salzsäure,
ganz hemmt; dass umgekehrt bei einer Versiegung oder Verlang¬
samung der Salzsäureproduetio» im Magen die Auiylolyse eine
fast unbegrenzte ist.
Es gibt vom zweiten Tlioil des Satzes eine Ausnahme: lm
krebskranken Magen mit herabgesetzter Saftsecretion
ist die A m y I o 1 v s e e b e n s o sehr b e h i n d e r t w i e die
P r o teo I y s c.
Betrachtet- man den am Ende der Magenthätigkcit ausge¬
heberten Speisebrei eines (lesunden im (»läse oder besser —
nach Kiegel’s Empfehlung — auf dem Filter, so sieht inan,
dass alle Bestandtheile desselben so fein und gleichmüssig ver-
tlicilt sind, dass, nur schwer hier und da ein erkennbares Theilchen
von Brod. Fleisch, Fett, Milchgerinnsel u. s. w. erkannt werden
kann. Dass hei Magenkrankheiten mit herabgesetzter oder auf¬
gehobener Salzsäureabsonderung die unverdauten Floisehbröekel
deutlich aus dem Speisebrci sieh abhoben und Ihm den mit
einem Vohorselmss von Säure einhergehenden Zuständen, Ulcus
ventricnli, Suporsocretion des Magensaftes, die Brodbröokcl unver¬
sehrt erscheinen, ist seit Riegel'« Mittheilungen allgemein bekannt.
Dass beim (lesunden die Umwandlung der Kohlehydrate bis
zum Auftreten der freien Salzsäure im Magen soweit beendet ist,
dass, während in der ersten Zeit der Verdauung der Mageninhalt,
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Münchener me dicinische Woche nschrift
s=S5Sä?k!=1h 5
farbung mehr erkennbar ist, wissen wir durch von den
und können es täglich bewahrheiten.
Auffallenderweise hat aber Niemand bisher betont dass bemi
Magenkrebs zugleich mit der Proteolyse auch de Amjloljse
gehemmt ist, so dass auf dem Filter von einer «rodmÄH^ die g,
gröbsten Brockel Zurückbleiben und von einem RufcJ^ clm dc
Probemahl nicht nur Fleisch, sondern auch Brod,
u dgl. unverändert erscheinen und kein lernnn der jj,
Verdauung» gefunden wird, in welchem die Jodstürkereact.
ausbleibt. . 4,0
Nachdem mir diese Thatsachcn in einigen ballen von ,j
Magencarcinom aufgefallen waren habe ich dm von Ra ege
geführten Tagebücher über die Magenkranken du Klinik ' < w
Jahre 1886 bis zum Jahre 1894 durchblättert, - sie enthalten c|
zahllose genaue Analysen von weit über tauend w
_ und habe bei der Beschreibung des b ilterrückstandcs aus a
krebskranken Mägen als eine beinahe regelmässige Notiz: -grolx ()
Brodbrückel», «unveränderte Amylacecnmasscn» «grobe b
Sueisereste» u. s. w. gefunden und so m höchst objcctivtr Muse s
meine Beobachtung durch den Befund an 30 und mehr .lagen- ,,
krebskranken sofort bestätigen können. c
Ob an dieser schlechten Amylumvcrdauung eine ungenügende ,
Speichelwirkung beim Magenkrebskranken Schuld ist oder eine 1
ungenügende Vermischung und Bewegung der Inges« »n Magc
in Folge starker Herabsetzung der motorischen Kraft dieses Organ.,
oder die schnelle Sättigung des Mageninhaltes mit Zucker und
Vorstufen desselben wegen mangelnder Resorption, muss durch ,
weitere Beobachtungen entschieden werde, i. Die =»,f nieineA-
regung hin gemachten Untersuchungen des Herr College', Burger
welche in dieser Wochenschrift (No. 10, 1896) veröffentlicht sind
haben die Lösung noch nicht gebracht Ich kann nur
mittheilen, dass ich von zwei Magenkrebskranken A und B, denn
Mundverdauung durch ein Mittagsmahl erschöpft worden war,
Probebissen erst in einer weit längeren Zeit verzuckert sah als
von einem Gesunden unter gleichen Versuchsbedingungen, wahrend
von einem dritten Carcinomkranken C der Bissen in der gleichen
Frist gerade so weit verzuckert wurde wie vom Gesunden:
Das Filtrat eines vom Gesunden während einer Minute durch¬
schauten und dann mit Wasser auf 100 ccm Volum gebrachten
Zwiebackstückes hatte ein specifisches Gewicht von 1006, die
gleiche Probe von den Magenkrebskranken A und B zeigte die
Werthe von 1002,5 und 1004.
Ein Probebissen, eine halbe Minute gekaut, mit 50 ccm Wasser
fein verschüttelt und bebrütet, lieferte, gemäss dem Polarisator,
vom Gesunden nach 1 Stunde 6,5 Proc. Zucker, vom Magenkrebs¬
kranken C nach 1 Stunde 6,1 Proc. Zucker. .
Dass aber die Speichelwirkung auf die Amylaccen durch eine
Bewegung der zu verdauenden Massen wesentlich unterstützt wird,
hat schon vor 20 Jahren O. Nasse gezeigt und wird durch meine
folgenden Versuche illustrirt:
I. Ein Probebissen, eine halbe Minute lang gekaut, mit
Wasser auf 50 ccm gebracht und bebrütet, liefert
nach 1 Minute 2,5 Proc. Zucker,
„ 30 Minuten 5,8 „ „ bei ruhigem Stehen;
_ _ _ 8,6 ,, ,, wenn er alle 10 Minuten
geschüttelt wurde.
II. Ein Probebissen, eine ganze Minute lang gekaut, mit
Wasser auf 50 ccm gebracht und bebrütet, liefert
nach 1 Minute 2-8 Proc. Zucker,
„ 10 Minuten 6,2 „ „ bei ruhigem Stehen;
_ _ _ 7 ( 8 ti s) bei zweimaligem Schütteln.
Viel auffallender sind die Unterschiede bei Stiirkeklcister-
lösungen, die mit Speichel versetzt und bebrütet wurden.
W, hoffe im Laufe dev /.eil durch eine grossere Reihe vo»
Untersuchungen an Mage, .krebskranken die Bedingungen für (he
; le hu. Ainvi0ly.se hei diesen Kranken genauer auf,.„decken.
1H. 50 ccm 2 proc. Stärkekleister versetzt mit 1 ccm Speichel
lieferten in der Ruhe nach 60 Minuten 2,4 Proc., 2,5 1 roe.,
1 ,9 Proc. Zucker; in derselben Zeit, alle 10 Minuten geschüttelt,
4,5 Proc., 6,8 Proc., 6,2 Proc. Zucker.
Referate und Bücheranzeigen.
v Metscluiikoff, E. Roux und Taurelli-
Salimbeni: Cholera ■ Toxin und -Antitoxin. Annales
de l'iiistitut. Pasteur 1896. No. 5, P- 257.
Die ausgezeichneten Forscher M e t sc h n i k off und lloux
diesmal in Gemeinschaft mit einem jüngeren Mitarbeiter sind
„,it einer neuen wichtigen Arbeit über Cholera- Toxin und Anti¬
toxin hervorgetreten, deren Ergebnisse sieli mit den von Behring-
Knnsom vor einiger Zeit pul,lichten nn Wesentlichen decken
Dem Wunsche, auch bei der Cholera zu einem ant,toxisch
wirkenden Heilserum zu gelangen, stellt sich die Schwierig e
entgegen, dass unsere Versuchstiere für die Choleravibrioncn nur
wniig empfänglich »iud. Man ox,»ri,„c„tirto f™»“
an Meerschweinchen mit in traper, tonen ler Einführung lebe, d
oder abgetüdtotcr Vibrionen. Allmählich entsteht auf diesem Megc
bis suecessivcr Steigerung der Dosen, Immunität be, «
schwcinchen gegen die Infcction mit sonst tätlichen Menge,
lebender Choleravibrionen. Verschiedene Experimentatoren zeigten
dass Bi», »ud Serum solcher Thiere hei aud.rcu ™
schützend gegen Choleraiufcctiol, wirkt, und „ameiithel K.M«««
1,„teilte das SpocHUche dieses Sehnt*» und
Wege schliesslich zu einem antituxisclien Serum auch für
Menschen zu gelangen.
M o t s c h „ i k o f f und Roux bestreiten , dass dieser V cg
der richtige sei. Zuerst müsse man das wahre Choleratoxin haben
und erst mit diesem könne man zu einer wirklichen Iminumsmu^
1 ,d damit zu einem wirksamen Schutzserum g^bu.gen. Das ual
holeratoxin aber sei nicht — wie R. Pfeiffer g au
2 ii Leibern der Choleravibrioncn vorgebildet, enthalten sonder
, entstehe, wie dies M. G ruber nach seinen Versuchen ^
ehanptet hat, nur während des Lcbensprocesses de ^nonc -
Diese These wird schlagend durch folgende geniale \ crsuchs
„Ordnung bewiesen. Anstatt, wie bisher, die Choleravtocn
infach in den Peritonealraum der Meerschweinchen zu ,n J c,rcD ’
icnützen die Verfasser Säckchen aus Collodium von 3-4 ccm
„halt, um in diesen erschlossen und so gegen dm Angr
ler Phagocvten geschützt, die Vibrionen ,n die Bauchhöhle ein
nführen. '.Man nimmt drei Säckchen, füllt das eine mit einer
i’eptonlösung, inficirt letztere mit einer Spur von Choleravibrioncn,
,’crschliesst dann die Oeffnung des Säckchens und versenkt da.
ctzterc in den Peritonealraum eines Thieres unter streng ^
tischen Cautelcn. Ein zweites Säckchen wird ebenso präpanr,
erhält aber als Inhalt eine grosse Menge abgetödteter Chole^
Vibrionen, ein drittes Säckchen enthält nur sterile Boudlom Das
Thier, bei welchem das letztere eingeführt wird, bleibt dauern ^
munter und dient zur Controle. Während aber das Thier
der abgetödteten Cultur nur leichtere vorübergehende Krank
hcitserscheinungen zeigt, so erliegt das Meerschweinchen mi
lebenden Vibrionen am 3.-5. Tag, bei allmählich absinkender
Innentemperatur unter den Anzeichen der Cholcratox.n^
obwohl die Vibrionen im Collodiumsäckchen, wo sie sich un ■
stark vermehrt haben , ei „geschlossen bleiben , so dass wede
Peritonealserum, noch in Milz, Blut u. s. w. Vibrionen anzutreff^
sind. Es können also nur die löslichen Producte,
durch Diffusion aus dem Säckchen herauskommon, für die
hier verantwortlich gemacht werden, und da das Gleic e
abgetödteten Vibrionen nicht beobachtet wird, so
sich um Stoffe handeln, die. während des Lebensprocesscs g
winden^ ^ ^ eingcseh i osse nen, bn Peritoneahaum lchcn-
,cr ’ der Thiere herangewachsenen Vibrionen zeigten zugleic 1
liehe Zunahme der Virulenz, ln Folge dessen gelangen,
hei ausserhalb des Körpers mit den virulent gewordenen '»
oc., äusserst wirksames Choleratoxin zu producircn, und es ’
eit, mittels dieses Choleratoxins Thiere zu immumsiren und , L ffer
serum zu erzielen, welches nicht nur, wie das von I •
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23. Juni 1896.
MÜNCHKNKR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
595
1
*r.-
n.
I
bisher hergcstelltc, gegen die leben den Choleravibrionen, sondern
auch gegen deren Toxine wiederum Schutz zu gewähren vermag.
Damit ist also erst das Analogon zum Diphtherie-Heilserum erreicht,
welches ja bekanntlich nicht nur antibacteriell, sondern vor allem
antitoxisch wirkt. Mctschnikoff und Roux glauben aber,
und wohl mit Recht, dass es sich bei der Cholera des Menschen
eben hauptsächlich um Vergiftung, nicht um Infeetion han¬
delt, weshalb denn nur ein a n t i to x i se h cs Choleraserum von
Werth sein könnte, nicht aber das von R. P f e i f f e r hergestellte
a n t i b a e t e r i e 11 e Serum, das auch in seiner wirksamsten Form
bei den Versuchen der Verfasser gegen das von ihnen gewonnene
Cholera - T ox i n sich als ganz ungenügend erwies. Hemcrkenswerth
ist, dass Reh ring vor einiger Zeit durch seinen Mitarbeiter
Ransorn Angaben veröffentlichen liess, wonach ihm ebenfalls die
Darstellung des wirksamen Cboleratoxins geglückt sei, dessen Eigen¬
schaften jenen des von Met sc hink off und Roux jetzt her-
gestellten Productos vollständig zu entsprechen scheinen. Zweifellos
müsste übrigens den letzteren Forschern die wissenschaftliche Priorität
in dieser Frage zuerkannt werden, trotz des zeitlichen Vorsprunges
von Re bring und Ransorn, weil letztere Autoren darauf ver¬
zichteten, ihr Verfahren mitzutheilen, und sieh auf Bekanntgabe
der Resultate beschränkten, eine ungewöhnliche Form der Puh-
lication, die Niemanden eine Nachprüfung der Angaben ermög¬
licht hätte.
Schliesslich haben die Verfasser für die Schutzkruft des neuen
Cholera-Antitoxins gegen die inte s t i n a 1 e Cholera-lntoxicatioii
einen ex|>erimentellen Beweis zu liefern versucht. M e ts c h n i k o f f
hatte schon früher gezeigt, dass neugeborene Kaninchen im Alter
von einigen Tagen bei blosser Zufuhr von Choleravibrionen per ns
au intestinaler Cholera erkranken und sterben, besonders wenn
man gleichzeitig gewisse andere Arten von Mikroorganismen ver¬
füttert. die eben dcsshalb als -begünstigende» bezeichnet wurden.
Aber auch ohne die letzteren erhält man mit gewissen Sorten von
Choleravibrionen ganz vorwiegend positive Resultate, d. h. die
Thierchen erliegen an intestinaler Cholera. Wurde nun solchen
per os mit Cholera inficirtcn Kaninchen gleichzeitig oder kurz
vorher das antitoxische Serum iiijicirt, das sie gut vertrugen, so
blieb eine grosse Zahl derselben am Leben, die gemäss den Control-
versuchen sonst erlegen wäre. Natürlich können diese letzteren
Experimente nicht als emlgiltiger Beweis für das Behauptete an¬
gesehen werden. Dazu sind die Versuche an so empfindlichen
Thierehen kaum geeignet. Immerhin aber besitzt die Herstellung
eines so wirksamen Cholcratoxins und eines dagegen Schutz ge¬
währenden Antitoxins an und für sich grosse Bedeutung.
11. Büchner.
Hank in: Die Mikrobien der indischen Flusse.')
Annalcs de l'institut Pasteur 1896, No. 3, p. 176.
Mr. Hankin, der als englischer Bacteriologc nach Indien
berufen wurde, berichtet merkwürdige Dinge über das Wasser der
grossen Flüsse Ganges und J um na (bei Agr*). Während man
vielfach die Ausbreitung der Cholera in den Thälern jener Flüsse
auf die Verunreinigung des Wassers durch hineingelangte Kxeremontc
und namentlich, iu Folge der in Indien herrschenden Sitte, die
Leicheu der Verstorbenen dem Fluss zu überantworten, auf directe
Infeetion des Wassers von den Choleraleichcn aus zurückgeführt
hatte, so zeigt Ilankin nun, dass dem Wasser jener Flüsse in
ganz unerwartetem Maasse bacterie n tödtende Eigenschaften zu¬
kommen, und zwar -wie cs scheint, in Folge eines Gehaltes an
flüchtigen Säuren. Daraus erkläre es sich denn allerdings, dass
die Cholera in Indien niemals dem Flusslauf abwärts folge, sondern
im Gegcntheil (wie so oftmals auch in Europa, Ref.) aufwärts
geht. Die indischen Aerzte hätten in Folge dessen und auch
darum, weil nie ein authentischer Fall von Infeetion durch das
Ilusswasser bekannt wurde, nie an den Wasserursprung der
Cholera glauben wollen.
H a n k i n fand nun , dass zwar im Brunnenwasser der
betreffenden Gegenden die Cliole ravibrionen sich reichlich ver¬
mehren, dass aber das Wasser der genannten Flüsse eine bedeu¬
tende selbstreinigende Kraft besitzt. 12 1 !s (engl.) Meilen
') Auszug aus einem Briefe des in Agra in Indien weilenden
Verfassers.
unterhalb der Stadt Agra (160 000 Einwohner), welche ihre
sämmtliehen oberflächlichen Canäle in den Juuinafluss entleert,
zeigt das Wasser des letzteren wieder den gleichen niederen Keim¬
gehalt wie oberhalb der Stadt. Besonders stark äussert sich diese
Wirkung aber auf Choleravibrionen, wie durch specivlie
Zahlenangaben erläutert wird, so dass selbst Wasser aus der Nähe
von Leichen entnommen, bei Anfangs beträchtlichem Gehalt an
zugesetzten Choleravibrionen in wenig Stunden davon sich gänzlich
frei erweist. Nach dem Kochen hat das Wasser diese feindliche
Wirkung auf die Vibrionen verloren. Ebenso scigt sich dieselbe,
wie erwähnt, nicht im Brunnenwasser. II. Büchner.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 24.
F. Hirschfeld-Berlin: Ueber die Acetonurie.
Aceton wird bei Gesunden in vermehrter Menge ausgeechieden,
sobald nur Eiweiss und Fett genossen wird; diese Steigerung der
Acetonauss'-heidung verschwindet sofort, sobald Kohlehydrate, wenn
auch nur in geringer Menge zur Kost hinzugesetzt werden. Die
Annahme, dass durch die Sparkraft der Kohlehydrate der Eiweiss¬
zerfall beschränkt und so die Gelegenheit zur Acetonbildung auf¬
gehoben werde, trifft nach H. nicht zu Schon bei geringen Mengen
von Kohlehydraten, welche den Eiweissumsatz nur wenig beeinflussen,
hört die Acetonausscheidung auf. Wenn hingegen bei ausschliess
licher Eiweisskost auch der Eiweisszerfall durch weitere Ver¬
abreichung von Fett beschränkt wird, dauert die Acetonausscheidung
doch fort. Die Bedingungen zum Entstehen einer reichlichen Aceton¬
ausscheidung sind nur dann im Körper gegeben, wenn die Kost frei
von Kohlehydraten ist. Die reichliche Acetonausfuhr ist also
als eine mit dem Kohlehydratestoffwechsel in engstem
Zusammenhang stehende Erscheinung aufzufassen.
Die an der leichten Form des Diabetes mellitus leidenden
Personen, welche noch den grössten Theil der genossenen Kohle¬
hydrate zersetzen, weisen in Bezug auf dieses Symptom keine
Verschiedenheit gegenüber den Gesunden auf. Anders ist dies
jedoch bei einer grossen Anzahl von schweren Fällen. Wenn die
grössere Menge der genossenen Kohlehydrate im Organismus
nicht mehr verbrannt, sondern als Zucker ausgeschieden wird,
findet man häufig auch einen über die Norm erhöhten Aceton¬
gehalt des Harns. Der Unterschied gegen die bei Gesunden
beobachteten Verhältnisse zeigt sich darin, dass trotz reichlicher
Kohlehydratzufubr eine beträchtliche Acetonausscheidung fortbeateht.
Nur bei Zuckerharnruhr ist die Annahme einer pathologischen Ace¬
tonurie gerechtfertigt. Diese Stoffwechselanomalie verdient desshalb
besonderes Interesse, weil Diabetiker, welche eine hohe Acetonurie
zeigen oder bei denen ein Ansteigen der Acetonurie zu beobachten
ist, am Coma diabeticum zu Grunde gehen. Die bei einigen anderen
Krankheiten beobachtete Acetonurie (Krebs, Magenleiden) lässt sich
auf einen Mangel an Kohlehydraten in der Nahrung zurückführen,
ist also nicht pathologisch im eigentlichen Sinne des Wortes.
Die Ausführungen des Verfassers sind im Wesentlichen gegen
einige neuere Anschauungen über das Wesen der Acetonausschei¬
dung (v. Wagner, Rosenfeld) gerichtet. W. Zinn-Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 28 und 24.
No. 23. A. Cappeler-Christiania: Resection der Urethra
mit plastischer Operation bei impermeabler Strictur.
Mittheilung eines Stricturfalles mit Harnretention und Absce-
dirung, in dem nach Incision, Eröffnung der Urethra vor und hinter
der Strictur zunächst Reinigung der Wunde abgewartet wurde, wo¬
nach die 2 cm lange völlig unpassirbar gewesene, wie ein fester
Strang sich anfühlende Strictur excidirt wurde und da sich an eine
Vereinigung nicht denken liess, nach 3 Tagen ein Thierseh'scher
Hautlappen auf die Dammwunde transplantirt wurde, welcher durch
den eingelegten Katheter gehalten wurde. Nach Anheilung der
Thiersch’sehen Transplantation wurde nach 13 Tagen durch An¬
frischung der Ränder der Wunde und Vereinigung derselben über
einen Verweilkatheter definitive Verkeilung erzielt.
No. 24. Roman von Baracz: Circulationsstörungen im
Gehirn nach Unterbindung der Art. vertebrales.
Mittheilung eines Falles von 2 zeitiger Resection der Art. verte¬
brales bei 28jährigem Epileptiker, in dem 2 Tage nach Resection
der rechten und 16 Tage nach Resection der linken Arterie Gehirn-
erscheinungen Myosis, Sopor auftraten, ähnlich den nach Ligatur
der Carotis communis beobachteten (Parese beider Extremitäten und
des rechten Facialis) die langsam zurück gingen und nach 2 Monaten
verschwanden. Die Resultate aller betreffenden Operationen waren
übrigens ungünstig, indem in allen Fällen, auch den vorübergehend
gebesserten, die Anfälle wieder auftraten. Sehr.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 18%.
Band HI, Heft 5 (Mai).
1) L. Knapp- Prag: Klinische Beobachtungen über
Eklampsie.
In 4 1 /* Jahren wurden unter 4480 Geburten 22 Fälle von
Eklampsie beobachtet, übereinstimmend mit den Berichten aus
3*
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!
Mnis.rTTF.NEB .ME DICINISCHE W OCgENSCHggT
and eren Kliniken überlegen Werbei^ die Eratge^rend^n ^bthch.
rn^be 'Schwangerschaft (vor Eintritt d.r Wehen) vertan roc ^
traten die Anfälle nur im*beobachtet. Ihre grösste, bei .
Anfälle wurde wahrend der ^ . bt lf > _ Eiweiss fand sich eint
einer Kranken beobachtete Zahl auch Cylinder. Pro-
bei allen Fällen im Un “ ’Harnhefunde über den Ausgang Beel
gnostische Schlüsse aus „^palle -ziehen zu wollen, ist nicht gerecht- eint
der Eklampsie im gegebenen Falle ziehen , Ek i a mpsie ge¬
fertigt. - Eine der Entbu. enen »t « 1 nUpge s) wurden 19 pro
storben. Von den 24 E'iHieri ^ Geburten wurden operativ Me
gesund aus der Anstalt entlassen• 5 Fällen trat die Eklampsie
beendigt, d. h alle denn ir den> übngen ^ ^ günstiger Einl i US s ein
erst im Wochenbett auf. I Verlauf der Eklampsie zu ver- kai
der operativen Entbindung auf G ru , u isntz für die Behänd- gev
zeichnen. Verfasser nweb aber schonend entbinden. Me
lung der Eklampsie: mögbei 1 ti8chen Mittel anzuwenden, der
ücr BilWkM» Mischung* -
''“““'l'rNeum.nn.Wien: Beitrag rar Lehre vom -malignen tü.
Deciduom». . ogiährigen Vpara eine Blasen-
Im ersten Falle war bei «ne : * f Jj gich im Uterus
in °le ausgeräumt worden. b ^^^.^.„etastase geführt hatte. de
die Neubildung, die schon zu eine lJterUB UIK 1 den cystisch
Letztere konnte zusammen mit >e den Die Patientin ß
degenerirten Ovarien per vaginam - zweiten Falle konnte
«tf »r h 'jÄ-aSffa lä i'»» d i e ä:
nach Ausräumung einer B °* Tdei so dass die supravaginale
Btarke Blutung nicntbeherrs l ^ otorn j ain „„genommen wurde. b ,
Amputation des Uterus p l Veränderungen die vom \er- m
Im exstirpirten uteru s fanden .1 e auS gebende maligne Neu-
fasser bereits als von Ausserdem finden sich in der Arbeit g t
bildung angesprochen werden. lti Elemente der Chorion- H
noch Studien über das Verbalten der zeU.geu r __ Verfasser «
zotten unter anderen patholopseben Ve ■ , Dec iduoma £
kommt tu dem hfi.SSX Zellschicht und
Musculatur meist entlang den Saftlücken uml Ectodermzellen >
SüSS 1
ää sä-üs*,«** ** -* der
Art ‘ a “ iäual ' ir
GeSC T)Te U patientin war im Anschluss an eine Entbindung an unstill¬
baren Blutungen u f* U, jjgj 1 dTr‘^crion ^and^sicli 1 hi^FunduJ Uteri
Wmiz^äm
nung die deutliche Zottenstructur verräth. Verfasser rechnet
(nur ungenau beschriebene!) Geschwulst zu den Sarkomem
V 4) C Jacobs- Brüssel: Eine neue Methode zur Beseitigung
des vollständigen Gebärmuttervorfalles. (Trachdlopexie liga
"'^Unbefriedigt mit den Erfolgen der bisherigen Methoden schlägt
der Verfasser vor, den Uterus per laparotomium supravaginal zu
amputiren, den trichterförmig ausgeschnittenen Cervix zu vernähen
und dann an die Stümpfe der Ligamenta infundibulo - pelvica fest¬
zunähen um den Uterusrest so möglichst hoch 1111 Becken zu üxiren.
Eventuell können mit dieser Operation noch plastische Operationen
an der Portio vaginalis und am Damm verbunden ^werdeu. g^^^
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 24
1) C. Arndt: Einzelbeobachtungen aus der Universitäts-
Frauenklinik zu Güttingen.
1. 2 Symphyseotomien, davon eine mit tödthehem Ausgang für
die Mutter.' Verblutung in das rechte Parametriuin.
H. Exstirpation eines Beckentumors in der Grsiyditat. Vom
Knochenmark ausgehendes Fibrosarkcan. Normaler Gebnrtsv erlauf
nach Beseitigung des Geburtshindernisses.
III. Nabelschnurbruch mit Herzhernie. Operation bei einem
7 Stunden alten Kinde durch Laparotomie. Exitus durch Herz-
compression. Fehlen des vorderen sternalen rheiles des Zwerch¬
felles. Die Ventrikel mit der Herzspitze Sind unter dem Sternum
umgeschlagen.
„ 00 l Wendung Porro-Operation mit glück-
IW Utemsmptur nimh Wendung em ^ w d u/zStunden
lichem Ausgang. ^^„Gknndiger Hand ohne Schwierigkeit aus
nach Blasensprung vonjeM« l de r Genitalien war Lactation möglich,
geführt wurde. Trotz Fehlens der e - ali alyse (Parese) bei
‘2) Geyl- Eine durchaus normalen Geburt,
einem Neugeborenen “* C D c k durante partu bei sehr, weitem
G. zieht, da directe Beste hen amniotischer Stränge heran,
Mdth ÄIie2rÄer
ein gutes Mittel gegen . ’ der Lage eine etwa vorhanden
kann, 2. »« “'tknn “ VentroSv.tion nach L.*,
gewesene Sterilität heben > „ , de8 Peritoneums wurde an
Methode - ein fingen»*Ign-osse^ Stuck des wegpräparirt
der vorderen Fläche, 1»/* cm unter dem™ ^ pberhalb der S ym-
und diese Stelle ““j^^Raumtoschrtlnkung und kein H.ndern.ss
ÄÄil'e Sdftät abgiebt. Werner-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 18%, No. 24.
1, Un ver rieht-Magdeburg: Ueber den^Mdliehe. Einfluss
des Atropins auf die Athmung' to matischer Drucksonden zur
"Ser 6 S" r«pr« 6 ng,ieheu Hau,
bert und Schall liergeste kurzen Hammerfortsatz auB-
mittelst dessen Vibrat.onen a d Abbildung eines 2. In-
Kranken entsteht, weniger unangenehm störend.
™ °ü !' iu de der V D erSral"
Insertion. Den genannten 5: er Conjunctiva bedeckt
obiger Muskel KmÄ,.»« «ber die vordere T.realB.cb.
verlaufenden Insertion sh nie mserirt. - (Schluss.)
äj-isttssasasr
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 25.
versitäts-Poliklimk in Heidelberg) erordt wer den die von
SotÄd ?„gM in Neu
: ÄÄ-Hä r* 1
> versitiitsklmik für Kinderkrankheiten in Berlin, Directo .
, “'“luTi ersten Ealle, der klinisch P^Är Ted «“
’ dem Bilde der Variola vera sehr nahe stand, erbo gt durch
' scheinlich durch septische Mikrococcemnfection, im zweiten
t bis dabin latente Miliartuberkulose. ame norrhoischer und
n 3) F. Mainzer: Zur .Behandlung a Professor
n klimakterischer Frauen mit Ovanalsubstanz. (Aus
t- L. Landau s Frauenklinik in Berhm) gemachten Ver-
i. Die an einer grösseren Anzäh 1 von fallen l^ ) iB 0 opho rin-
n suche ergaben, dass in der T J^J H ^ ie c ‘ diaapo tbeke) gereichte
tabletten (von Dr. Freund, Berlin, G P Appara t wie sie
Ovarialsubstanz die Störungen l m in ^Folge von Bx-
sowohl bei der künstlich herbe.geführten K hm« m ^
etirpation der Ovarien oder des Uterus, als - sgen Grade hrnt-
s . Klimakterium aufzutreten pflegen, bis zu einem g Au8Be tzen des
«halten kann. Allerdings treten dies eiben .m ^ wiede r
ür Mittels in einigen Fällen wenn auch ^ ^rmgere erigche ße-
auf, weichen aber sofort bei erneuter Modicataon- Jay^ Dogirung
, ra scliwerden werden durch dieselbe nicht beeinfluss,
uf ist dreimal täglich 2—3 Tabletten a 0,o g. Diphtherie-
4 ) Barth-Köslin: Die Nebenwirkungen l des J"P ntlichten
;m heilserums. Eine Zusammenstellung der bish
rz- Casuistik^ MendelBohn; Ut das Radfahren als^ein^esund
im heitsgemässe Uebung anzusehen und aus är 1 h Wocheu8cbr .
punkten zu empfehlen? (Schluss aus No. 24 der u. me
Diqitized by
GooqIi
23. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
597
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Referat siehe diese Wochenschrift 1845, No. 52, pag 1218 und 1-Silß,
No. 3, pag. 64.)
Der sehr ausführliche und eingehe nie Vortrag wurde im Auf¬
trag des Vereins für innere Medicin zu Berlin gehalten und em
pfiehlt es sich, diese jetzt sehr zeitjemüsse Frage, die dem Praktiker
oft mjnug vorgelegt wird, irn Original zu stndiren, in dem sieh ausser
dem eine grosse Anzahl Literaturangaben finden.
6) A. Jacobi: Das medicinische Frauenstudium in Amerika.
Der bekannte New-Yorker Arzt tritt lebhaft für die Gleich
berechtigung der Frauen auch auf dem Gebiete des Studiums ein
und schildert die jetzigen amerikanischen Verhältnisse und die Er¬
fahrungen, die bisher uiit den weiblichen Aerzten gemacht wurden
F. L
Vereins- und Congressberichte.
XXV. Congress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Originalbericht von Dr. Albert Hoffa-Wür/burg.
(Schluss.)
Herr Riedel- Jena: Ueber Phosphornekrose und die
Entfernung des erkrankten Oberkiefers vom Munde aus.
Riedel macht darauf aufmerkam, dass seit Einführung der
sogenannten Vulkan Zündhölzer die II ä u f i g k e i t d e r P h o s p h o r-
nek rose wieder erheblich zugenommen hat. Er hat in den
letzten 8 Jahren 24 solcher Patienten behandelt. Riedel ver¬
weist auf die bekannten Arbeiten Wegener’s, sowie darauf,
dass die Phosphornekrose nicht eine locale, sondern eine allge¬
meine Erkrankung des Knochensystems darstelle. Sie ist gewisscr-
inassen eine secundäre Erscheinung an einem schon früher durch
die Phosphorintoxication veränderten Knochen. Die Erkrankung
befällt nicht nur die Kiefer, sondern auch die Kxtremitütenknoehcn.
An letzteren üussert sie sich als abnorme Brüchigkeit; so be¬
handelte Ri cd el einen Patienten, der in späteren Jahren an einer
Nekrose litt und der vorher nicht weniger als 13 Fracturen ge¬
habt hatte. Bei einem anderen Patienten, der früher Posphurarbeiter
gewesen war, dann aber 19 Jahre nichts mit Phosphor zu thun
hatte, brach beim Ziehen eines Zahnes der Kiefer mitten durch.
Acht Wochen darnach exstirpirte Riedel den ganzen Kiefer.
Es zeigte sich, dass an der Bruchstelle durch vorausgegangeiie
Erkrankung ein grosses Loch entstanden war. Zur Nekrose kommt
es am erkrankten Knochen erst durch septische Infoctiou dieses
letzteren. Der Knochen ist soweit erkrankt als periostitische
Auflagerungen an ihm vorhanden sind und soweit muss er auch
exstirpirt werden. Riedel empfiehlt, die Exstirpation vom Munde
aus vorzunchmen und so frühzeitig als möglich zu operiren. Operirt
man frühzeitig so sind die Resultate gleich gute; die Kranken
werden aber früher geheilt, als wenn man mit der Operation
wartet, ltiedel hat seine 24 Patienten alle geheilt, während
früher 25 Proc. der Fälle zu Gruude gingen.
Herr B o g dan ik- Biala : Phosphornekrose und Bein¬
hautentzündung.
Ebenso wie Ilicdel spricht sich auch Bogdanik für die
Frühoperation aus. Ebenso empfiehlt er auch gleich den ganzen
Unterkiefer fortzunchmen. Nach subpeviostaler Resection regenerirt
sich der Knochen so. dass das Kauen sehr gut von Statten geht.
Die Verwendung gelben Phosphors sollte streng verboten sein.
Herr Küster -Marburg: Ueber Resection der Harn¬
blase und Verlagerung der Harnleiter.
Küster thcilt zwei Fälle von Blascngcschwülstcn in der
Umgebung der Ureterenmündungen mit, bei denen er die Resection
des betreffenden Blasenabselmittes und Einpflanzung der durch¬
schnittenen Ureteren in die gesunde Blasenschleimhaut mit gutem
Erfolge ausgeführt hat. In den bisher operirten Fällen (Israel)
wurde, um das Zurückfliessen des Urins in den Ureter zu ver¬
meiden, der Ureter so in die Blase cingepflanzt, dass er ein Stück
in dieselbe hineinragte. Um die bei diesem Vorgehen drohende
Gefahr der Ureterenstenose zu vermeiden, spaltete Küster den
Ureter und nähte ihn trichterförmig in die Blasenschlcimhaut ein.
Der erste Fall betraf eine ältere Frau mit einer hiiubeergrossen,
Hchnellwachsenden, papillären Geschwulst der Ureterenmündung.
Küster machte die Sectio alta, exstirpirte die Geschwulst und
pflanzte dann den Ureter, wie oben angegeben, ein. Völlige Heilung.
Der zweite Fall betraf einen Offizier mit einer faustgrossen Blasen¬
geschwulst, auf deren Höhe der Ureter mündete. Der Ureter
musste in einer Länge von 2 ’/» cm mit entfernt werden; dadurch
war er so kurz geworden, dass er nur mehr in den Scheitel der
Blase eingenäht werden konnte.
Herr Poppe rt -Giessen. Zur Behandlung des con¬
genitalen Blasenspaltes.
Puppert stellt ciuen etwa 10 jährigen Knaben vor, hei dem
er durch eine besondere 0|>eratiun einen grossen Blasenspalt mit
solchem Erfolge operirt hatte, dass der Junge vollständige Con-
tinenz besitzt. Er kann den Urin bis zu 3 Stunden zurückhalten.
Das Prineip der Poppert scheu Ojteration besteht darin, dass er
die innere Hariiröhrenmüuduug ein Stück weit in die Blase hincin-
verpfianzt, so dass sieh eine Art Klappe bildet und der Druck
der Bauch presse ausgeschlossen ist.
Zur Discussion bemerkt Trendelenburg-Leipzig, dass
auch zwei seiner Patienten vollkommene Continenz haben. Zur
Technik der Operation empfiehlt König-Berlin präliminar den
vorderen Beckenring zu durchtrennen, da dann weiterhin der Blasen-
verschluss leicht gelingt. Küster-Marburg empfiehlt den ganzen
Penis der Länge nach zu spalten, weil man dann nicht nur einen
Penis von normaler Form enthält, sondern auch die Sphinctercn-
gegend sehr entlastet. H e 1 fe r i c h - Greifswald empfiehlt die gleiche
Methode der Spaltung auch für Epispadien und Hypospadien, ebenso
empfiehlt auch Lange-New-York das Vorgehen Küster's.
Herr Nie oladon i- Graz : Ueber Fisteln des Ductus
Stenonianus.
Nicol adon i hat den Ductus Stenonianus mit erstarrenden
Massen injicirt und dabei einen Verlauf dieses Ausführungsganges
gefunden, der bisher nicht beschrieben resp. bekannt war. Der
Ductus verläuft nämlich nach seinem Eintritt in die Drüse nahezu
senkrecht nach abwärts, während von der Seite kleinere Gänge
in ihn einmünden. Man kann einen bueealen, massetcren und
glandulären Theil des Ganges unterscheiden und dementsprechend
auch die Fisteln in buccale, massutero und glanduläre
eintliei en. In einem Falle fand Nicoladoni den bueealen Theil
narbig verschlossen ; er legte daher den massetcren Theil frei und
pflanzte diesen in die Schleimhaut des Mundes ein. 2 Fälle, eine
massetcre und eine glanduläre Fistel konnte Nicoladoni opera¬
tiv zur Heilung bringen. Für die Fälle, in denen ein narbiger
Verschluss der massetcren oder glandulären Partie besteht, empfiehlt
er nach Leichen versuchen durch Bildung eines mucös-museulären
Lappens, der nach hinten umgeklappt und mit dem centralen Theil
vereinigt wird, den Verschluss der Fistel und die Wiederherstellung
eines Ganges zu bewirken.
Herr Ba r d e n h eue r - Köln demonstrirt eine Patientin,
die nach Osteomyelitis im Schultergelenk resecirt worden war,
wobei ein beträchtlicher Defeet des Oberarmknochens zu Stande
kam. Um diesen Defeet zu ersetzen hat Barden heuer in kunst¬
reicher Weise die Spina scapulae in das Humerusende trans-
plantirt und einen vollen Erfolg erreicht.
Herr Wolff-Köln: Ueber ausgedehnte Resectionen
am tuberculösen Fuss.
Wolff berichtet über ausgedehnte Resectionen am tuhcrcu-
lösen Fass, die an der Barden he uer sehen Klinik vorgenommen
wurden. Durch dieselben wurde die Zahl der Amputationen wegen
Tubereulosc ganz bedeutend herabgesetzt, so dass auf 43 in den
letzten Jahren in der Bardenlieuer’sehen Klinik ausgoführte
Resectionen im Fussgclcnk nur noch 3 Amputationen kommen.
Einige vorgestellte Fälle zeigen die Brauchbarkeit der Methode.
Zur ausgiebigen Resection des Handgelenkes empfiehlt
der Vortragende ein Vorgehen Barde nhcucr’s, das einen aus¬
giebigen (’ontaet der Knochen erstrebt, so dass Schlottergclenkc
ausgeschlossen sind. Das Verfahren bestellt darin, dass Barde n -
heuer den Radius keilförmig ausmeissclt und in den Defeet die
entsprechend hergerichteten Enden dos 2. bis 5. Metacarpus ein¬
pflanzt.
Herr P1 ücker - Köln: Vorschläge zur operativen Be¬
handlung bei frischen Verletzungen.
Die guten Resultate, die an der Bar den h C uer sehen Klinik
mit den ausgedehnten Resectionen bei Tubereulosc erzielt wurden,
haben P 1 ü e k e r veranlasst, dieselben auch hei ausgedehnten frischen
Verletzungen’ in der Uontinuität der Extremitäten in Anwendung
zu ziehen. So hat Vortragender den ganzen Humerus, Radius und
Ulna resecirt und ausgezeichnete Erfolge erzielt, da dureli die
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Münchener medicinische Wochenschrift
No. 25.
Operation den Patienten die Gebrauch,®^ der betreffenden
El “:“V: r g h e:: «": Expe^enteUe Untersuchen
grosser Tragweite; sie handen von Individuum auf andere,
durch üeherimpfung von ° b zunächst einen Fall
Jürgens benützte zu «eine»Im tf«*™ ^ w> Das
keine
%t: ä t rrtt
“ j;:: s
nahm Vortragender nun wieder Thulch , » ^ v|erten
und es gelang ihm so, sicll die auffällige Thal-
Generation fortzupflanzen. Dabei g , letzten
• „ürpn Tumor, als in den Metastasen, auch
Carcinom, sowohl im P r '“ a ™ , Tllin0r ei» erkennbaren Carcmomen
bei beginnenden, noch • ■ f nicht bekannt geworden ist,
Dass dieser regelmässige Befu , mUcher Färbung nicht zu er-
liegt wohl daran, dass er u» g,
kennen ist. Halberstadt bericht di. Erfolge bei 209 ,0»
Herr Kehr ausgeführten Gallensteinlaparo-
ihlü in den lete ist) so lange die Steine
tonnen. «>o £, Ductus cysticus liegen, fast 0.
uoch in .f r irte Cystieotomien verliefen ohne Todesfall.
23 von ihm ausgcf.hrtc y lctall . n Ausgang, bei 30
Bei 21 Cystectomicn havttejv ^ Krebsbildung in der Leber,
Choledocliolouucn 2 ■ Cholangitis vorliegt, ist die
5n den Vatienten starben 10
2TCÄ * Angriffs. Auch
““LfSÄ'fc« <*> Cboledoebotoiuie. 1» der I.iteratu,
Am scinsnrigsb Mortalität. Rechnet man
£= *£Ä "J%
fe^blichkcit. 0Pt Bei der Cl.oledoehotomie stellen sich viele
Generation fortzupflanzen. Dabei jjeigt—letzten
*» zzfSTL TSSw «wo. K.
ÄÄ -- - - toddt
r-s. rr --
zastx Ä.?Ssa-—
Stadium der Sehwärms^ren Tnfwt ion vor
Schwierigkeiten in den diescr Option hat. Aber
sehr viel bebung dcr Choledochotoime
-* Io i«on oolcr 30 Cbo,„Woto„ion ».I Steine
Cot'dt sUro durch die „iedor oufgobroebo.« 1—«*
’Ä« weist Kob r darauf bin, wie die Chirurgie
,. „ostik der Oholelithiasis gefördert und durch die
die specicllc Diagnostik u . . , Pathologie der
von kernähnlicher Gestalt; nie.au. ---- - s süU die specicllc Diagnostik uc. .. . u at , l0 logic der
* «— - Z »d betont Wiebtig-
■ W ‘ tZ kbnii.be Formen ünden sieb in der M« ^ ™ ££»nd Kü^eib Itabnrg
Mesenterium gelben, wie »oh MhmWffO Operation des Megenc—.
Weiterimpfung nicht Es « ausserdem * Brauo .Oottingcn bat »r Heilung des Anus pni»
morphose der Geschwülste cm. •' u rg Itnihe von Füllen die Schlingen weit abgelost und
auch auf das Epithelioma contagiosum des Kusses aus, das naturahs in ,™ elu pfohlencn Weise eine möglichst
Gregarineninvasion beruht, , nacli d J r ' • . , dl -n beiden Schenkeln angelegt und
Jürgens hat sieh selbst versehentlich damit inhc.rt und wc ,tc Anastomose zwisehu, dm _ _ ^ FäUcn
Jürgens nat sicu sc.uan »wo».«*«—- - . ,
auch in der Geschwulst, die an seinem Daumen entstand, fanden
sich dieselben Gregarinen. Durch Sublimatbehaudlung wurde
“Ä * b- Huhn durch», nieht barmios viel
mehr erfolgt oft der Tod. Die Gregarinen, gelangen in Kclilhoi t
und Oesophagus, ausserdem kommt Pcvicarditis un neumoiim
nt Stande! Mob bei dieser sehr sehwereu Erkrudtungjand
Abschwäebung und Vertosoben statt l e. ~ J f
weite Anastomose zwismen uu, ..„deren Fällen
den nach aussen führenden Gang exstirp.rt In Mdwm
rat er durch 2 in der Längsrichtung der ^en belmnkcl g££
Schnitte einen zungenförmige« Lappen licrgtrtc , ^
wurde, dass die Kntcroanastomose besonders weit und jede
vermieden wurde. „„„--j.
Herr Stelzner -Dresden demonstrirt eine etwa gänsee
grosse Haargeschwulst, die er durch Gastrostomie aus dem
Magen eines Mädchens mit vollem Krfolgc b * r n ■ sche n
Abschwächung und Verlöschen statt. Bei einem an Enteritis Magcn eines Mädchens mit volle«. S^^Xinborn'^
erkrankten und an Perityphlitis gestorbenen Knaben fanden sich F;|11 ist eill vollständiges Analogon des
cigcntbümliche Geschwüre. Es "^W*[** I M- - ---
cigcnthümhchc Gesenwurc. jjb na. . . . T
Ucbergreifen auf den Processus vermiformis mit Perforation, ln
der Geschwulst fand sieh colossalc Amöbenwucherung, von welcher
Vortragender Culturen angelegt hat, die er demonstrirt.
Herr Rehn-Frankfurt. Die Verletzung des Magens
durch stumpfe Gewalt. Murenwand sind
Die stumpf entstehenden Verletzungen d« M^mva
Culturen angelegt hat, aie er uemu.»»..«. Die stumpf entstenenaeu .. - lllccr:1
.cussion berichtet Herr Goldmann-Freiburg über Zcrreissungcn , Absprengung der Schleimhaut, Hamern ’
histologische Untersuchungen bezüglich der ^7'^S ctciuSme traumatica, perforirendc Wunden. ExpenmenfeU
norae. Während es bisher fast als Dogma gait, d»» Garrailome Tbicruiagen durch Schläge aut die Magengegend llama
“ÄlÄÄSSXÄ'Ä “ MuLrisse 8 bei stärkerer Fff.hu« «I
specifische Färbung der elastischen Elemente noch stärkerer l'ullung /erreissungen er - g Wochen
SSÄSff a ™
fin.mt ninn im Innern wecsamer, nirht thrombosirter \ enen charat- , Uc Sectionsbefui.de bestätigt w
noms auf die Venenwanü hnaei in ure.er.« ”“ b “ k
findet man im Innern wegsamer nicht thrombosirter \ enen charak
teristische Carcinomzellen, die demnach, wie die Endothehen,
Fähigkeit haben müssen, das Blut flüssig zu erhalten; zweitens wachs
die Tmnonnasse in der Venenwand intramural °der s|ibe.|dotheh.
endlich finden sieb thrombosirte\enen, bei denen der Ihrombus
typischem Carcinomgewebe durchsetzt ist. Die Verbreitung des
Carcinoms auf die Venen an Stellen, wo sich makioskopisch nicbte
von diesem üebergreifen erkennen lässt, fandet sich fast bei jedem
von »juiuvuSR..- — jp,,ji:,,]. i ö t eine
durch die Scctiousbefui.de bestätigt worden.. Lndhc
traumatisch entstandene Magenwandcyste besclim cn. - • Tota j e
hautrissen können auch Magemvandabscesae entstüien, ^
Magenrupturen sind fast stets unmittelbar tödl ich. ^
einen solchen Fall durch schnelle Operation gerette, - ^
sieh um ein Mädchen, das von einem Balkon mit dem
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23. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
599
einen eisernen Träger aufgofallon war. Das einzige Symptom war
anfangs heftigster Schmerz und kolossale Druckernpfindlichkeit.
In wenigen Stunden aber entstand Dämpfung über allen abhängigen
Thcilcn des Abdomens, so dass die Diagnose, Magenruptur, sicher
war. Bei der sofort vorgenommenen Operation fand sich reich¬
liches, trübes Exsudat in der Bauchhöhle, mehrere nicht per-
forirende Hisse der Magenwand und an der Hintcrwand ein
perforirender Hiss. Dieser, ebenso wie ein Hiss in der Milz wurden
durch Naht geschlossen, eine reichliche Kochsalzausspülung gemacht.
Die Patientin ist genesen.
Herr Büngner* Hanau : Zur Combination der Gastro¬
enterostomie und Enteroanastomose.
Tn manchen Fällen muss noch ausser der Gastroenterostomie
die Enteroanastomose ausgeführt werden. So führte Vortragender
die letztere bei einem Falle aus, wo bei einem nicht exstirpir-
baren Carcinom die Gastroenterostomie ohne Einfluss auf die sehr
heftigen Beschwerden geblieben war. Durch die Operation,
Anastomoscnbildung zwischen der auf- und absteigenden Schlinge,
wurden alle Beschwerden sofort behoben und das Befinden des
Kranken blieb bis zum Tode ein ausgezeichnetes. Büngner em¬
pfiehlt daher sein Verfahren für ähnliche Fälle.
Herr C r a m e r • Köln : Ueber osteoplastische Knochen¬
spaltung.
Oratuer bericlitot über eine derartige von Bardenhenor
an einem Knaben vorgenommene Operation. Es wurde zum Er¬
satz des exstirpirten Metatarsus I der eine Thcil des gespaltenen
II. Metatarsus mit der Phalanx der grossen Zehe vereinigt. Aehn-
liehc Operationen wurden auch wegen Osteomyelitis und Tubereulose,
an der Hand vorgenommen. In einem Falle von Tubereulose des
Radius war dieser entfernt und an seine Stelle die eine Seite der
der Länge nach gespaltenen Ulna gebracht worden.
Herr Riedel- Jena: Die chronische, zur Bildung !
eisenharter Tumoren führende Entzündung der Schild- 1
drüse.
Riedel beobachtete harte, auf chronische! Entzündung be¬
ruhende Tumoren der Schilddrüse, die den harten, sieh wieder
zurück bildenden Pankreastumoren entsprechen. Vortragender hatte
vor 12 Jahren in einem solchen Falle, den er damals für einen
bösartigen Tumor hielt, die Exstirpation der vergrüsserten Schild¬
drüse versucht, musste die Operation aber wegen ausgedehnter
Verwachsungen aufgeben. Nach der Operation wurde der Zustand
des Kranken bedeutend besser und lebte Pat. noch 1 ’/s Jahre
nach der Operation ; die Untersuchung eines exstirpirten Stückes
ergab nur entzündliches Gewebe. Einen ähnlichen Fall beob¬
achtete Riedel vor Kurzem bei einer 23 jährigen Frau; dieselbe
starb bald nach dem Operationsversucb plötzlich mitten im vollsten
Wohlbefinden.
Riedel berichtet ferner über einen Fall von grossem
Abdominaltumor , dessen Diagnose kaum möglich war. Nach
längerem Wohlbefinden drängten bedrohliche Erscheinungen zur
Operation, bei welcher sich ein grosses Convolut fest mit einander
verwachsener Därme fand, das durch Keilexeision entfernt wurde.
Drei Tage nach der Operation starb der Patient an Pneumonie.
Bei der Obduetion fand sich ein etwa apfelgrosses Carcinom des
Duodenum und ein kleiner aktinomykotischer Herd im Hoden. Es
ist anzunehmen, dass das Carcinom auf Grund der vorhandenen
Aktinomykose entstanden ist.
Weiterhin spricht der Vortragende über einen Fall von colos-
salcm Abdominal tu ui or, der ohne jede Krankheitserschei¬
nungen bei einem Mann, der an Harnretention litt, entstanden
war. Bei der durch später auf getretene grosse Beschwerden ver-
anlasstcn Operation erwies sich der Tumor als ein vorn retinirten
rechten Iloden ausgegangencs Sarkom. Die Operation der rechter-
seits fixirten Geschwulst wurde durch starke Gefässe erschwert,
ausserdem musste eine mit dem Tumor verwachsene Dannschlinge
resecirt werden. Vorläufig hat der Kranke noch kein llccidiv.
Herr S c h nit zl er - Wien : Zur Kenntniss des asepti¬
schen Fiebers.
Schnitzler und Ewald haben bei zwei sonst gesunden
Männern, die nach schweren subcutanen Verletzungen schweres
aseptisches Fieber batten, das Blut auf das Vorhandensein vou
Fibrinferment untersucht. Das Resultat war ein völlig negatives.
Sie fanden dagegen Vermehrung der Hunisäureausschcidung , was
auf einen verstärkten Zerfall von Nucleinsubstaiiz hindeutet, und
Albumosen in den Hämatomen.
Herr S t o r p - Königsberg : Zur operativen Behandlung
der Hydrocele testis.
Der Vortragende empfiehlt die Tunica vaginalis zu spalten
und daun durch mehrere Nähte tabaksbeutelartig zu falten, so
dass sie als Strang um den Hoden herumliegt.
Herr Braun -Leipzig: Ueber Verkrümmungen des
Femur bei Flexionscontracturen des Unterschenkels.
In 2 Fällen von Flexionscontractur nach Kuiegelenks-
tuberculose beobachtete Braun die gleiche Verkrümmung des
unteren Obersebenkolendes nach vorn, wie sie kürzlich von König
beschrieben worden ist. Er machte in beiden Fällen die Reseetion
und erzielte in beiden Fällen die Streckstellung. Die Knochen
erweisen sieh als ausserordentlich weich, der Process ist demnach
offenbar ein osteoiualaeiseher.
Herr H offa - Würzburg: .Ueber die mechanische Be¬
handlung der Kniegelenksverkrümmungen.
Der Vortragende demonstrirt Sehiencnhülsenapparate, mittelst
deren es gelingt, auch die schwierigsten Fälle von Kniegclenks-
verkrümmungen gerade zu strecken. An einem anatomischen
Präparate erläutert er, dass bei der typischen Verkrümmung des
Kniegelenkes in Floxionsstellung mit Subluxation der Tibia nach
hinten und aussen zuerst die Flexionsstellung und dann erst die
Subluxation eorrigirt werden muss.
Herr Hasse- Nordhausen: Ueber die Alkoholbehand¬
lung der Carcinome.
Wie schon öfters in früheren Jahren empfiehlt Hasse auch
diesmal wieder unter allgemeiner Heiterkeit der Versammlung
Alkoholinjectionen als sicheres Mittel gegen Carcinome.
Herr K ü 11 n e r - Tübingen : Ueber den Lupus an Finger
und Zehen.
Die lupösen Verstümmelungen der Finger und Zehen kommen
auf dreifache Weise zu »Stande. Es werden entweder von der
Peripherie aus die Glieder abschnittsweise zerstört oder eine ein¬
zelne Phalanx wird aus dem Zusammenhang ausgestossen, oder
durch ringförmige Geschwüre werden die Glieder gleichsam amputirt.
Von diesem verstümmelnden Lupus muss man den verkrüppelnden
wohl unterscheiden. Er ist oberflächlicher und daher gutartiger
als der inutilircndc Er führt zu Oontracturen, die je nach dem
Sitz des Lupus verschieden sind. So bewirkt er am Dorsum manus
Contractur in Hyperextension, an der Vola solche in Hyperflexion.
Dann kommen Subluxationen einzelner Finger vor. All dies
beruht aber nicht auf Vorgängen in den Gelenken selbst, sondern
auf dem Zuge der schrumpfenden Haut. Erst seeundär ver¬
ändern sich die Gelenke und die Knochen, deren Wachsthum
häutiger gehemmt, zuweilen aber auch pathologisch verstärkt ist.
Herr Hofmeister -Tübingen : Ueber Catgutsterili¬
sation durch Auskochen.
Der Vortragende gibt für die Sterilisation des Catgut folgende
Vorschriften. Das Rohcatgut wird ohne weitere Vorbehandlung
auf starke Glasplatten oder vernickelte Eisenrahmen gewickelt, so
dass Faden neben Faden in einer Schicht zu liegen kommt. Der
Faden muss sorgfältig und unter möglichst straffer »Spannung auf¬
gezogen werden. Anfang und Ende werden festgeknüpft. I)ic
Knoten zwischen den einzelnen Fadenstücken müssen sicher ge¬
schützt sein.
Das aufgewiekelte Catgut wird auf 12—48 Stunden in
2—4 proe. Formalinlösung gelegt, sodann zur Entfernung des
überschüssigen Formalins in fliessendem Wasser mindestens 12
Stunden lang ausgewaschen, 5—20 Minuten in Wasser gekocht,
dann nachgehärtet und in absolutem Alkohol aufltewahrt. Zum
Alkohol wird noch 5°/o Glycerin und 4°/o Ae. earh. oder l°/oo
Sublimat, zugesetzt, je nachdem man Metallrahmen oder Glasplatten
benützt. Für den Gebrauch werden die Fadenträger aufrecht in
einen länglichen Glastrog gestellt; so lässt sich der Faden bequem
abziehen, haftet aber doch so fest, dass er sieh nicht spontan
ablöst.
Während die Conecntration der angewandten Formalinboizc
und die Kochzeit das Resultat nicht wesentlich beeinflussen , ist
die exacte Aufwicklung und gründliche Auswässerung für die
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Münchener medicinische Wochenschrift
Erzielung ein«|
Anfangsspannung, welche , erhalten bleiben bis
-W “SÄTZ»— Ol» „indes«™»
mate WWto“"™, de, Kochen nicht Endlich »•
—- » - I
Sciiaden beliebig lange in Alkohol aufbewahrt werden : auch kann
“ «koohto. Catgut wiederholt auskochen, wenn man
rÄÄ jz *. - d “. sp ”"™ g
Die Vorzüge des Verfahrens bestehen 1 ■ ,n r/ dc * 77,
sicheren Keimtödtung, 2- der Erhaltung der voHcn
i i o ( ],.r Vermeidung der complicirtcn l roceuuren
ä : *££?*££ D™ einmal aufgewickelte Faden braucht
vom Beginn der Sterilisation bis zum Gebrauche nicht mehr m
den Fingern in Berührung zu kommen.
Berliner medicinische Gesellschaft
(Original bericht.)
Das Kranklieitsbild der chronischen Schwefelkohlenstoff-
• , demnach sehr mannigfaltig. Dasselbe ist m
Vergiftung '• t y empfänglichen Naturen zeigen
»eta "U wenigen Wochen. Die
s’tptmc sind im Wcso.tlScn au» den obigen Knmkcngeeehichten
Hinzuzufügen M "Och, *. d,c poychmehe De-
‘ -1, manchmal bis zu Oeietceetörnng stetgert und dem
Sun, de Depression »weilen ein solches der Reimmg voran.-
ld,t Der Urin und die Flecs riechen mwe.ien nach Schwefel-
äiens"* Die Anämie ist zuweilen sehr hochgrad.g- Sect.ons-
^tie'&Lkth r'iedenfaU, häufiger, als an» den wenigen
ttranldegen sein, die Sehiidernngen
cESrSHr
' t,t Di , .cu.8ion: Herren Mendel. Ewald, Bernhard, Kali-
IslsKsraS
und führt die Seh'törung m diesem Falle auf e.ne ^ R
retrobulbäre Pleuritis zurück
Herr PlaczetXonsTt ein ln "‘wefchts
vfpaJa^Swer' Ä ÄÄ « J
MlÄetähmung für eine cerebnd. « =
4 Geschwister gesund sind Die , ü die E * rb 'sehe
.0^ ;
’%ÄÄÄ'P« h « mt - ’
;
Erscheinungen Mf Hg snrOckgegangen; jetzt
Kind welches an sehr heftigem Keuchhusten gestorben ist, für die
*'“C nr ra “lch W e,e.Uo U en 8 to ff .
Vergiftung mit Krankenvorstellung.
Vortr. sucht die Aufmerksamkeit auf eine Erkrankung der
Gummiarbeitcr, welche mit dem Vulcanisiren des Kaut¬
sch ucks beschäftigt sind, zu lenken, und gibt zunächst d
Krankengeschichten von 3 vorgestellten Patienten.
1. 28 jähriger Mann, der von gesunden Eltern stimmt, kein
Potator ist, trat mit seinem 14. Lebensjahr m eine «ummifabnk
ein und wurde im Vulcanisirraum beschäftigt Schon n»«* ^ochen
traten Kopfschmerzen, Zittern auf, und er kam sich wie oe
rauscht vor wenn er den Arbeitsraum verliess. Einige Stunden
nach dem Verlassen des Arbeitsraumes vergingen die Symptome
wieder, doch bald kamen auch bleibende Stöningen hinzu, l
keit Appetitlosigkeit und Hartleibigkeit. Im 16. Lebens
iahr kam Gelbsehen und Abnahme des Sehvermögens
hinzu. Patient war dann mehrere Jahre Werkmeister und alsso cher
in einer anderen Weise beschäftigt und während dieser Zeit fühlte
er sich auch ziemlich wohl. Seit einem Jahre ist et- nun«wieder |
in der alten Weise thätig und seitdem haben sich auch weder die
alten Störungen eingestellt : er ist jetzt sehr mat^ sieht schlecht und
abgespannt aus; das Gehen fällt ihm schwer Sehkraft hat abgeno i
men ; Zittern in allen Muskeln, Schwindel; Libido sexnahs seit Jähren
geschwunden; Romberg’sches Symptom;' fibrilläre schmerzhafte
Zuckungen; mechanische Muskelerregbarkeit und Sehnenreflexe g e
steigert. An Händen und Beinen anästhetische Zonen.
2 50 jähriger Mann bietet ähnliche, aber noch schwerere Er¬
scheinungen; Patient kann ohne Unterstützung kaum gehen, dehnen
reflexe h e r a b g e s e t z t. Urin nur unter starkem Pressen zu entleeren
Die eine Hand bis vor Kurzem ganz gefühllos, jetzt nur noch am
4. und 5. Finger anästhetisch. Grosse Schwache. Tremor; fibrOmre
Zuckungen.^Iinpotenz;,; Störungen . Schwindel, Blässe,
Zittern, Steigerung der Sehnenreflexe, sehr profuse Menstruation
Verein Freiburger Aerzte.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 24. April 1896-
Privatdocent Dr. Ritschl: Demonstration seiner ortho
mit der chirurgischen Klinik in Zusammenhang stehenden ortho-
pädisch -heilgymnastischen Anstalt geführt, für welche ^ *
Verwaltungsratl.es des klinischen Hospitals Räumlichkeiten »
dankenswerther Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt wurden-
Sc.it den. September 1895 werden daselbst die einer n.cch n^he
Behandlung bedürftigen Patienten der chirurgischen und m^mim
sehen Klinik behandelt, sowie die Kranken aus der 1 nvatprax
dC8 'lrSnstrirt zunächst die zur Behandlung von Rückgrate-
verkrümmungen bestimmten Apparate. 1- Einehe Suspensions-
I Vorrichtungen: Wirhclsäulcnstrecker, schräge Leiter, Schwebe
reck und Schweberinge, letztere auch zu lurnübungon
sehiedenen Leiden zu verwenden ; 2- Redrcssionsvorrichtunge^.
Redresseur von Hübscher, Bccly'scher Rahmen, Zander «her
Lagcrungsapparat, Loren.-«her Wohn. Zum Ausruhen d«
Patienten während der Hebungen dienen eine Anzahl schiefe
Ebenen, auf denen der Körper gleichzeitig gestreckt wird
Messung Skeptischer wird mit dem Hüb scher schon Messapparat
Zur Gymnastik der Rückcnmuskcln dient in erster L
Skoliotische der Beoly’sehe Ruderapparat, welcher R.
bei vielen anderen Leiden (Corpulen., ehren,«eher Obsti^tion
Chlorose etc.) zur allgemeinen Gymnastik wegen der fei ^
der erforderlichen Kraftleistung sehr gute Dienste thu . •
zur Stärkung der oberen Extremitäten wird der von der
Kucke & Dressier-Dresden in den Handel gebrachte App
«Sanitas» verwendet, der sich übrigens für die vcr^hiedcnstc.
anderen Zwecke, z. B. Ruderübungen, Athmimgsübungen _ete
. in sehr zweckmässiger Weise verwenden lässt Für die se
■ Heilgymnastik stehen R. die Krukenberg sehen 1
in ihrer neusten Form zur Verfügung. Vortragender jven
, jeden einzelnen Apparat, indem er auf seine \ erwendung zu 1
Bewegungen, Förderungs- und Widerstandsbewegungen
eingeht. lt. ist im Stande, für sämmthehe Extremitati g 1 ^
1 die erforderlichen verschiedenartigen Bewegungen durch IP
1 zu bewirken. Um einem dringenden Bcdürfniss abzuhelfen,
i) Freiburg, Kaiserstrasse No. 4 parterre.
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28- Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
601
zur Behandlung von Schultergelenksankylosen einen Apparat con-
struirt, der unter Beibehaltung der K ruken berg'schen Prin-
cipien 2 ), sei es bei fixirter oder nicht fixirter Scapula eine rein
seitliche Erhebung des Armes gestattet. Je nach den individuellen
Verhältnissen lässt das zur Aufnahme des gestreckten Armes be¬
stimmte Lager sich in verschiedene Höhen stellen. Auch zur ge¬
waltsamen, allmählichen Dehnung der bei Schultergelenksankylosen
stets im Bereich der Achselhöhle verkürzten oder obliterirten Gelenk¬
kapsel kann der Apparat verwendet werden. Die Erhebung wird
bei fixirter Scapula bewirkt und bei einem Winkel von 90" durch
eine leicht einzuschaltende Arretirvorrichtung gehemmt. Endlich
kann der Apparat noch zu aetiveui oder passivem Armkreisen
verwandt werden. Vortragender hebt die Vortheile der Heilgym¬
nastik vermittelst Apparaten gegenüber der ursprünglich manuellen
Heilgymnastik hervor. Der ruhige, gleichmässige Gang der Maschine
ist bei Gelenksteifigkeiten in seinen Wirkungen schon desshalb den
subjectiven Eingriffen des Gymnasten überlegen, weil der Kranke
sich dem Apparat ruhig hingibt, ohne aus Furcht vor einer
schmerzhaften Bewegung seine Musculatur zur Abwehr zu contra-
hiren. Zur Mobilisirung versteifter Finger dient ausser dem ent¬
sprechenden Krukenberg’schen Apparat der Rothenbergschc
(Firma Knoke & Dressier).
Die .Massage bildet in R.’s Anstalt einen Hauptantheil der
mechanischen Behandlung und wird fast ausschliesslich von R.
selbst ausgeübt. Zur Erschütterungsmassage dient der Ewersehe
Concussor, für dessen Betrieb neuerdings noch ein Elektromotor
mit Accumulatorenbetrieb eingestellt wurde. Die vortrefflichen
Wirkungen einer rationell angewandten Massage im Allgemeinen,
der Erschütterungsmassage im Besonderen werden unter Beibringung
einiger casuistischer Belege vom Vortragenden besonders hervor¬
gehoben.
Auf die möglichst vollkommene Herstellung portativer ortho
pädischer Apparate wird von R. selbstverständlich besondere Sorgfalt
verwendet. Den Vervollkommnungen der Technik, soweit sie sich
aD den Namen Hessing knüpfen, ist vor allem Rechnung getragen
worden, wobei die Publieation Victor Fi scher's besonders werth¬
voll gewesen ist. Für jeden Apparat wird von R. selbst ein Modell
angefertigt, eventuell corrigirt (Corsetts), die Apparate aber, soweit
schwierige Stahl- und Lederarbeiten dabei in Anwendung kommen
müssen, unter R.’s Controle von Herrn Instrumentenmacher Fischer
angefertigt. Zur Anlegung von Gypscorsetts bedient sich R. des
von Nebel angegebenen Rahmens, worin der Patient auf einem
schräg gestellten Gurt sieh in Bauchlage befindet. Besonders bei
Erwachsenen hat dieser Apparat bedeutende Vorzüge vor der früher
geübten Suspension am Kopf.
Zum Schluss zeigt Vortr. noch einige theils fertige, theils
in der Entstehung begriffene Cellulosecorsetts (nach Hübscher),
die durch ihr gefälliges Aussehen und ihr geringes Gewicht sich
vor den bisher gebräuchlichen Gypscorsetts vorteilhaft auszeichnen.
Dieselben werden über einem Gypsmodell gearbeitet, welches durch
Ausgiessen eines Gypscorsetts gewonnen wird. Durch modellirenden
Druck kann man bei Skoliosen ein solches, noch feuchtes Gypscorsett
schon ehe man das Modell herstellt, in seiner Form corrigircn,
eventuell die normale Körperform an dem Modell durch Abschaben
and Auflegen von Gyps hier und dort herstellen. Da er es früher
mehrere Male erlebte, dass beim Auseinanderbiegen die Corsetts
in der Rückengegend einbrachen, theilt R. sie jetzt gewöhnlich bei
Skoliosen in 2 seitliche, bei Spondylitis in 3, eine hintere unpaarc
und 2 vordere durch Schnürvorrichtung verbundene Schaalen.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 2. Juni 1896.
Vorsitzender: Herr Kümmell.
I- Demonstrationen.
t i ü Herr Philippson zeigt einen 13jährigen Knaben mit
1 u ber cu 1 o sis verrucosa cutis. Die Affection hat ihren Sit/.
Krt *) D, ' e Firma Baumgartel, Halle a/S., hat die patentirten
e n he rg sehen Kugellager und ein Kammrad zur Befestigung
Hi«.« e A V1Chten mit dankenswerter Bereitwilligkeit dem Anfertiger
In ?v tP 411 ® 168 » Herrn Instrumentenmacher Fischer hieiselbst,
zur Verfügung gestellt.
an der Streckseite der Finger. Die Seiten sind derb infiltrirt, auf
dem Fingerrücken finden sich verrucöse Excrescenzen mit schuppigem
Belag, welche von einer circumscripten Röthe umgeben sind. Die
pustulöse mittlere Zone, die Riehl und Paltauf, die ersten Be¬
schreiber des Krankheitsbildes, als typisch beobachteten, fehlt in
diesem Falle. Ausserdem findet sich eine Lupus-Eruption an der
Backe. Therapeutisch wird Fluor natrium versucht
2i Herr Kümmell spricht über die neueren Bestrebungen in
der Behandlung der congenitalen Hüftgelenksluxationen,
erwähnt die Vorteile und t»efahren der blutigen Reposition (Hoffa)
und berichtet über die Versuche, unblutig zu reponiren, die er im
Anschluss an Lorenz's Demonstrationen auf dem diesjährigen
Chirurgen-Congress begonnen hat. Der Fenmrkopf lässt sich un¬
schwer auf die rudimentäre Pfanne bringen (charakteristisches Ge¬
räusch); das Bein wird, damit Knorpel auf Knorpel bleibt und so
die gering entwickelte Gelenkspfanne durch den Druck des Ober¬
schenkelkopfes iiusjehöhlt wird, in starker Abdnction und Flexion
fixirt K. hat das Verfahren bereits mehrfach geübt un i zeigt zwei
Kinder mit den fixirenden Verbänden
II. Herr Cohen-Kysper: Zur Therapie der Schwer¬
hörigkeit bei chronischem Katarrh und nach Eiterungen
der Paukenhöhle. Nach chronischem Katarrh der Paukenhöhle
und Mittelohreiterungen wird die entstehende .Schwerhörigkeit durch
Fixation der Hörknöchelclien durch bindegewebige, derbe* Stränge
und Narbengewebe bedingt. Von dem Gedanken ausgehend, dass
eiweissverdauendc Fermentlösungcn möglicherweise im Stande wären,
diese sonst irreparablen Bindegewebsneubildungen zu zerstören, hat
Vortragender seit 3 Jahren Versuche unternommen, in die starr-
wandige Pauke Papavotin-, später Pepsin lösungen zu bringen, die
bei richtigem Injectionsmudus an den Gelenken der Mittelohr-
knöchelchen in minimalster Dosis ihre Wirkung entfalten sollten.
Pepsin lösungen erwiesen sich wirksamer als Papayotinlösungen. Der
Magensaft der Fleischfresser (Hund) lieferte wirksameres Material
als der der Pflanzenfresser (Kuh) und Omnivoren (Schwein). Das
Optimum der Verdauung liegt bei einer Concentration von 1 : 10 000-
Die Menge des injicirten Quantums betragt 3—4 Decigramm;
grössere Dosen reizen. Eine einmalige In jection genügt. Nach Vs bis
1 Stunde ist das bestmögliche Resultat erreicht. Immer handelt
cs sich nur um Entfernung minimalster Gowcbseletuonte, verbunden
mit einer Auflockerung des Gewebes. Da bei chronischem Katarrh
dos Mittelohrs die Lösungen auf Schleimhaut treffen, so entsteht
eine reaetive Entzündung, die aber, ebenso wie di«* erwähnte seröse
Transsudation, schnell verschwindet. Das Verfahren fand in 130
Fällen (40 doppelseitige Affeetioneu) Anwendung; in */s etwa der
Fälle glaubt Vortragender eine Besserung des Hörvermögens
um das Doppelte bis Dreifache erzielt zu haben. Darunter
waren nur 20 Fälle, in denen Kathetcrisuius und ähnliche Maass¬
nahmen noch Besserung erzielten. Trotz reservirt zu stellender
Prognose, und obwohl das Verfahren nur als therapeutischer Ver¬
such zu betrachten ist, glaubt Vortragender an entschiedene Besse¬
rung der subjectiven und objectiven Beschwerden der Kranken,
sowie an die Dauer der erzielten Erfolge.
Discussion: Herr Thost erwähnt, dass ähnliche Versuche
mit Jodtinctur als lnjectionsflüssigkeit schon Vorjahren, in Wien
angestellt und als schädlich erkannt worden sind. Die vermeint¬
lichen Erfolge des Vortragenden erklärt er aus den schon bei dieser
Methode gewonnenen Erfahrungen, dass ein Theil der Schwer¬
hör i g ke i t sch windet, wenn zum chronischen Katarrh
eine acute Entzündung hinzutritt. Ist diese beseitigt, so
Hegen die Verhältnisse eher schlechter als besser, wie vorher. Er
warnt daher vor derartigen Versuchen, von denen praktisch kein
Erfolg sich versprechen Hesse
Herr Engel man n fragt, ob bei chronischen Eiterungen, durch
die Injectionen ausgelöst, oder später Rezidive eingetreten seien.
Herr P'.uder empfiehlt bei der Behandlung der chronischen
Eiterungen (Trommel feil Verlust) das einfachste « künstliche Trommel¬
fell»: den Wattebausch, den er mit Carbol- oder Mentholöl durch¬
tränkt, um das erstarrte Gewebe etwa« zu durchtrftnken und die
Rigidität zu vermindern. Auch Vaselineeinspritzungen und ver¬
schiedene Instrumente (federnde Drucksonde) schaffen günstigere
Verhältnisse.
Herr Zarniko vermisst die genaue Analyse der Fälle des
Vortragenden. Er hat Fülle des Vortragenden gesehen, bei denen
das Verfahren eine entschiedene Verschlimmerug hervorgerufen hat.
Herr Cohen-Ky sper antwortet, dass Jodeinspritzungen absolut
anders wirkten, als die von ihm verwandten Lösungen. Diese wirkten
so schnell, dass es sich unmöglich um eine Verwandlung einer
chronischen Entzündung in eine acute handeln könne. Die Besserung
träte sehr rasch, zuweilen schon innerhalb einiger Minuten ein.
Werner.
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«r,«n.amm MBDICIWSCHE wochenschmft.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg I !
(Officielles Piotokoll.) I .
Sitzung vom 31- Mürz 189G. !
Vorsitzender: Herr Lcnhnrt, Schriftführer: Herr Deycte. '
Herr Saenger: Ueber symmetrische Gangrin
Noch einer kurzen Mstorisol.on K.nle.tung tbellt er e.
Fall von Kayna» d' solier
tion siel, nur an den Ohren nbspielh. ^ Jor ralltc kleine,
cs sich um einen 49 jährigen Arbc ■ , Jie Stmlien der
granos wurde, ln einem 6 Ein 4. Kall von all-
£“ÄÄiÄw
l m 3. und 4. Falle um eine 55 jährige
r s=js=: —
K Ewd ein brandiger
rrÄÄ T j ^r f d™“
Ilüekcnuiarksabschnitt sich beschränkende fanden
zelte degenerirte Fasern.
Nachdem S. noch einen 7 jährigen Knaben mit Raynau -
symmetrische Gangrän aus peripherer und
scheiden müsse und dass es sich bei der an falls weise auttretu
Form der localen Synkope, localen Oyanose und
einen Gefässkrampf bandeln könne, der sieh 1» ^enoder
seitlichen Abschnitten der grauen Substanz dos R«
verschiedener Höhe abspielt. Der mitgetheilte ... 1 *11 >
tivcui anatomischen Befund ist geeignet, diese Annahme 1
sicht auf die Localisation des Leidens zu stützen.
. u . a\ p locale Synkope kann direct in Gangrän
Fällen für sich allein, d 1 y ABph P yxie . Zudem können alle
übergehen, wie_ die P” f S( . h weren Fälle sogenannten .Frostes.
Fälle ohne scharfe Grenze n Gelegenheitsursache.
übergehen, ^onRay n au 5'scher Krankheit ist verschieden von
Fast jeder Fall von W f beide Ohren beschränken hat U.
dem andern Fälle, die s hochgradigem Frost der Ohren nur
mehrere gesehen; sie 1 d b s J t0 m der localen Synkope.
schwer abzugrenzenund zeigtennie^clas^y Thema lUeber S ym-
Herr S a e n g e r habe d habe den Fehler zu schema-
metrische Gangrän» genannt. R y id wolle . Da bei Rücken
tischer Einthe,hing gemaeMden vorkomme> 80 läge der von
marksaffectionen 8 y | ’ imelr ' 9 r g da88 es sich um eine centrale
Raynaud ansg^procheue G d k ^ dea Frogtes anlange,
Vasoneurose handle, nahe nlftncben Fällen, aber nur als Hilfs-
so komme derselbe wohl b 1 besprochenen Fall der sym-
factor in Betracht; in dem \ 1 “ e . ei| P Einwirkung des Frostes
metrischen Erkrankung e nde Knabe im Sommer erkrankte,
völlig ausgeschlossen da Basis beruhende Erkrankung sich
Dass eine auf centraler nerve s _ sei für den nicht auffällig,
Ä“ Vergleich 1 £ «
vielen Füllen tone nndezen ^™»s“rn"|« libiBli . bei den Bit
3Ü Ä«”' Ähenden Fovmen local«, Sy»-
sä rÄÄ-"*
/um Verständnis» d^ Vorkommens § durch abgichtliche
führt S. an, dass he. der Hysterie ausse^^ entstandene Gangrän
SSK V Ferner
ÄrÄ wSl Frostes sei, - .1«
relativer Einfluss zugestanden werden. be iden Füssen,
Herr Dehn bemerkt, dass er selber an einiKrankheit leide, die
8ei durch den
symmetrischen Gangrän führen , he pneumonie an Gangränen
. Eine 30 jährige Frau erkrankte nm,he au8Be r 0 rdentlich kleiner
1 sämmtlicher 10 Fingerende. , ^besterntem em findlich und
; st*
[ Heilung der Affection. Weigert gefärbte
Herr Deutschmann zeigt nach W e g
" Präparate des nor»,nle» mc.«Wiebe» N. o,.t.e»s »ed der
i- 1 ,.sui.niMA von 2 verschiedenen
öiouti aui v*‘v —-
zumal bei Alkoholikern Analogon dazu sei derzoster g
graenosus, den man ebenfalls für ne.mtisd.ra «prungs » al “ .
b Plate berichtet über folgenden Fall: Em 60—iüjannger
Mann, Potator, erkrankt an Influenza und
deren Verlauf es zu heftigen dyspnoischen Anfällen £ n
diesen Antällen richtet sich Patient mit Hilfe einer den T
(»pfassten Leine gewaltsam im Bett auf. ln den folge ®
CTÄ?. de» de», Schnurdrueb der Itone »£»«,tzte»
Fingern schwarze Stellen. 3 Tage nachdem sieht
ennstatirt eine bis auf das erste Glied reichende Mumincation cur
entsprechenden Finger. Die mumificierten Theile stiessen *' ch
SuTe der 6 Z% ab Jnd Patient wurde geheilt. Id■ d = F*dl mndelt
es sich um eine symmetrische Gangrän, nicht centra e , .
sondern arteriellen Ursprungs. Nervöse Symptome ^Uen völhg,
und die beiden Daumen mit denen der Patient nicht angefasst hatte, |
* aren He?r U TJ d nna^Die neurologische Specialhehandhmg der sym¬
metrischen Gangrän ist sehr erwünscht um den Antheil des
tralen und peripheren Nervensystems dabei festzustellen. Aue
Heranziehung tabischer, traumatischer, d. h. also ^ u
Gangränen, kann vielleicht manchen Aufschluss geben ™ eD “ *“.£
die eigentliche Raynaud'sehe Krankheit meistens sonst «^unde
Personen betrifft und eine Krankheit nervöser Art sm 8*™*”
Allerdings gibt gerade der Hauptfall Saengers, die_traumatische
acute Gangrän beider Füsse, nicht viel Aufschluss über den .
der Störung bei der gewöhnlichen Raynaud sehen Krankheat, da
derselbe zu seiner Erklärung auch noch der Herheiziehimg de
Alkoholismns bedarf Die eigentliche Raynaud sehe Krankheit stellt
au und für sich schon eine ganze Gruppe von Erkrankungen dar,
die von Raynaud aufgestellten 3 Stadien der Erkrankung QmuM
Synkope, locale Asphyxie, symmetrische Gangran) existiren in vielen
Herr Unna demonatrirt Schnitte von 2 verschiedenen
Myxoedern fällen: die behende» ItaWlücto /Z
Herrn Norman Walker (.Edinburgh) gesandt 'vordem
eine»" dorüclbo» (». Unna'. Hialepa.b ^e P»g. WMOJJ“
bei der pol. .Methylenblau—Glyccrinäthcr-M.schung Me
lieh gefärbte, bei der pol. Methylenblau-Tanuin-Mcthode blau
gefärbte amorphe und crystallmde Bildungen auf, ^ {
scheinlieh Niederschläge oder (.ennnungen aUS L T -“ d gefiederte.
Inteveellularsuhstanz darstellen; besonders auffallend «d 1
fächerförmig ausgebreitete, verästigte ^ysUlldrüscn n *
des Fettgewebes. U n n a hat derartige Bildungen bisher
keiner anderen Hautkrankheit beobachtet. Aucl ‘ /V we lche
Präparate finden sich rosa gefärbte Grystallc von > an
der Form und Lage nach an Fctterystalle der 1 arbe
Muei,.Stoffe erinnern. Die mucinartige Nat "' auf treten,
welche sehr verbreitet innerhalb der großen Fettzcllen J
scheint Unna weniger sichergestellt, da d ^ ch ^
Chromate, in welchen das Präparat gehörte 8 tiugiren dc
scheint, auch normalerweise zuweilen sich me ij Sublimat
Fcttzellen auf treten. Es könnte sich wohl um d 1 ^ weig(
oder Chromate veränderte Fettkrystallc ha » de ''' h mU cin-
aber der erste Befund darauf hm, dass die Such ^ ^
artigen Körpern in der Myxoedemhaut ,ult ^ , ® fc dc ufeu dörft€ ,
cifischen Mucinfärbungen nicht mehr so resultaUos vc fQr
wie bisher. Unna empfiehlt als nothwend,ge Vor^ngu g &
eine auf Mucin hin gerichtete histologische Uiitersucl 8^
Hautstücke in mit Essigsäure an gesäuertem, a Fällung
zu härten, resp. in solchen Metallsalzen, wdche Muc.n zu ^
bringen, auf Eiwciss und Fett jedoch womöglich ohne Wir
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28. Jani 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
603
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 4. März 1890.
Herr A. Schmitt: Chirurgische Mittheilungen für
die Praxis. (Der Vortrag war in No. 24 d. Wochensehr, in
extenso abgedruckt.)
Discussion: Herr von Noorden N. hat die Alkohol¬
verbände in jüngster Zeit ebenfalls mit Vortheil bei Furunkel,
Carbunkel und Panaritium angewandt. Die Wände septischer Höhlen¬
wunden wurden günstig bezüglich der Reinigung beeinflusst. — In
einem Fall von schwerem septischen Erysipel liess diese Behandlung
vollkommen im Stich, obwohl tagelang mit sehr grossen Dosen —
literweise — vorgegangen wurde N. glaubt, wenn anderseits gute
Resultate bei Erysipel erzielt wurden, dass es sich hier um eine Misch-
infection gehandelt habe. — Der Eiweissausscheidung ist nach An¬
wendung der Verbände im grossen Stile Aufmerksamkeit zu schenken.
Herr K recke gibt der Vermuthung Ausdruck, dass ein Theil
der Wirkung des Alkohol Verbundes auf die feuchte Wärme zu be¬
ziehen sei. K. möchte den feuchten Verband in unserem thera¬
peutischen Armamentarium nicht missen und kann dessen Verwerfung
durch den Vortragenden nicht zustimmen. Der feuchte Verband
wirkt sowohl entztindungsbekämpfend wie trockenlegend. Selbst¬
verständlich darf derselbe nur mit ganz indifferenten Mitteln angelegt
werden, und darf unter demselben eine energische Therapie mit
dem Messer in keiner Weise leiden.
Herr Schmitt: Dass die feuchten Verbände oft subjectiv wohl-
thuend empfunden werden und dass bei ihrer Anwendung Ent
Zündungen oft zurückgehen, habe ich schon angeführt, ebenso aber
auch auf die Nachtheile hingewiesen. Die Beurtheilung einer Ver¬
bandsmethode ist meist Erfahrungssache, zuweilen Geschmackssache;
die Wirkungen des Alkoholverbandes scheinen sicherer und günstiger
zu sein als die des feuchten Verbandes und das Bessere ist der
Feind des Guten. Herrn v. Noorden erwidere ich, dass auch bei
uns die Erfolge des Alkoholverbandes hei Erysipel wechselnd waren.
Bei Anwendung so grosser Mengen (mehrere Liter) starken Alkohols,
wie es v. Noorden in seinem Falle that, müsste allerdings auf
eine etwaige Schädigung der Nieren geachtet werden; eine solche
ist bei den gewöhnlich ganz geringen Alkoholmengen aber doch kaum
zu erwarten.
Herr von Stubenrauch: Seit einer Reihe von Jahren wenden
wir in der chirurgischen Universitäts-Poliklinik hei kleinen localisirten
Entzündungsprocessen, wie beginnenden Paronychieen , Panaritien,
Furunkeln etc. den feuchten Verband mit essigsaurer Thonerde an
und haben gute Resultate sowohl in Bezug auf Besserung der sub-
jectiven Beschwerden als auch in Bezug auf die Rückbildang der
localen entzündlichen Erscheinungen. Dieser feuchte Verband wird
aber nur angelegt in jenen Fällen, in welchen keine nachweisbaren
Eiterherde vorhanden sind, in Fällen also, in welchen sich selbst
der Chirurg oftmals schwer entschliesst, sofort eine Incision aus¬
zuführen. Ich möchte auf Grund der Erfahrungen an hiesiger
Poliklinik in den besprochenen Fällen den feuchten Verband em¬
pfehlen, und zwar nicht — wie auch Herr College Krecke richtig
hervorgehoben hat — mit Sublimat oder Carbolsäure, sondern mit
essigsaurer Thonerde.
Herr Zi egen 8peck: Das, was ich sagen will, ist gewisser-
massen ein historischer Rückblick. Es sind in der vorantiseptischen
Zeit gewiss schon viele Alkoholverbände gemacht worden, wenn
auch unbewusst. In der Arnicatinetur, welche nur dann wirksam
war, wenn sie unverdünnt angewendet wurde, war jedenfalls
nur der Alkohol wirksam. In der Mixtura vulneraria, in dem alten
SchuB8wasser (auch Arquebusade genannt), waren freilich auch noch
andere Antiseptica, w'ie Schwefelsäure und Essigsäure, enthalten
Jetzt erfahren wir, dass auch der Alkohol ein wirksames Constituens,
nicht nur ein Vehikel gewesen ist. Dies bestätigt von Neuem, was
ich mir schon oft gesagt habe, dass auch in der vorantiseptischen
Zeit von den Aerzten unbewusst empirisch Antisepsis angewendet
worden ist. Freilich machten sie den Fehler, den wir Gynäkologen
auch noch heute begehen, dass sie Gemenge von Mitteln anwendeten,
wir verwenden z B. auch Jodtinktur, ohne zu wissen, welche Wir¬
kung dem Alkohol, welche dem Jod für sich zugeschrieben werden
muss.
Herr K recke hat mit der Schleich'schen Infiltrations-
anaesthesie sehr günstige Erfahrungen gemacht. Der Vorzug der
Schleich'schen Methode ist die ausserordentlich geringe Menge
des verbrauchten Cocains. Die Methode leistet auch in der Hand
des ungeübten Collegen Alles, was Schleich von ihr ausgesagt hat
und ist gewiss im Stande, die allgemeine Narkose in sehr vielen
Fällen entbehrlich zu machen. K. hat eine Reihe von Geschwulst¬
operationen, Uretherotomien, Tracheotomien, Laparotomien zur vollen
Zufriedenheit der Patienten mit Hilfe des Verfahrens ausgeführt.
Herr v. Noorden bedient sich der ursprünglich aus der
Volkmann’schen Poliklinik veröffentlichten Methode der Cocaln-
injectionen zu localen Anaesthesien. Neben dem Vortheilhaften sah
N. einigemale die Heilung durch Randzonen-Gangrän gestört, wofür
ihm die Erklärung noch aussteht.
Herr Scheibe hat seit einem Jahr bei einzelnen ausgesuchten
Fällen die Aufmeisselung des W&rzentheils, in einem Falle auch die
Eröffnung eines extraduralen Abscesses, unter localer Anaeetheeie
der Haut mit Chloraethyl vorgeuommen und war überrascht, dass
die Operation fast ganz schmerzlos war. Er empfiehlt desshalb die
Aufmeisselung des Warzentheils bei Erwachsenen und bei geringer
Druckempfindlichkeit der Haut in acuten Fällen allein unter localer
Auaesthe8ie vorznnehmen. Zugleich spricht er den Wunsch aus, dass
die locale Anaesthesie, sei es mit Chloraethyl, sei es mit Cocaln-
injectionen, unter den praktischen Aerzten eine grössere Verbreitung
finden möge als bisher.
Herr Schmitt: Dass man nach der für viele Fälle vorzüglichen
Schleich'schen Infiltration auch Fremdkörper findet, ist selbst¬
verständlich; aber das genauere Fühlen ist erheblich erschwert und
darin liegt ein Nachtheil, der durch den Vortheil, mit Pincette und
Schcere in dem anacsthetischen Gebiete ruhig herumsuchen zu
können, kaum aufgewogen wird. Randzonen-Gangrän, wie v. Noorden
sie erwähnt, habe ich nie gesehen, so dass mir die Erklärung dafür
fehlt (vielleicht unreine Lösungen?).
Herr Fr. Crämer: Ueber die Behandlung des Ulcus
ventr. mit grossen Bismuthdosen. (Der Vortrag ist an
anderer Stelle dieser Nummer abgedruckt.)
ln der sich anschliessenden IJiscussion hält Hr. Tappeiner
die Bemerkung Crämer's, bei der Behandlung des Magengeschwüres
mit Wismuth grosse Vorsicht walten zu lassen, obwohl bei inner¬
licher Darreichung dieses Mittels Vergiftungen bisher nicht mit
Sicherheit bekannt geworden sind, für berechtigt. Man hat das
Wismuth früher als gunz. harmloses Medicaraent betrachtet. In
Folge dessen war der Chirurg Kocher, welcher zuerst Wismuth
auf Wunden brachte, höchst überrascht, als er hochgradige Ver¬
giftungen, selbst solche mit tödtlichem Ausgang bekam. Man hätte
diese Unglücksfalle hei äusserlicher Anwendung des Wismuth ver¬
meiden können, wenn man die Erfahrungen der Toxikologen, welche
schon damals bekannt gegeben waren, berücksichtigt hätte. Denn
es war schon damals bekannt, dass Wismuth Bubcuian iojicirt, sehr
giftig ist und hierin keine Ausnahme von den Metallen macht.
Was die durch Wismuth hervorgerufenen Vergiftungserscheinungen
anbelangt, so besitzen sie eine überraschende Aehnliehkeit mit
Quecksilbervergiftung. Charakteristisch ist die Schwarzfärbung der
Mund- und Dickdarmschleimhaut durch Schwefelwisinuth, welches
sich innerhalb der Schleimhaut niederschlägt. Ausserdem können
nervöse Erscheinungen auftreten. Während man subcutan sehr
leicht Wismuthvergiftung erzielt, lassen sich intern bei Thieren auch
mit den grössten Dosen keine Vergiftungserscheinungen hervorrufen.
Es verhält sich auch hier Wismuth ähnlich wie die Metalle mit
Ausnahme von Quecksilber und Kupfer. Nur wenn man ätzende
Salze gibt, können auch bei innerlicher Darreichung des Wismuth
Vergiftungen veianlasst werden, weil dann Wunden gesetzt werden
und der Schutz des Epithels verloren geht. Nun ist allerdings die
Resorptionsfläche bei dem runden Magengeschwür eine sehr kleine,
da aber das W'ismuth sehr lange auf dem Geschwür haften bleibt,
so könnte doch unter Umständen eine solche Menge Wismuth resor-
birt werden, dass eine chronische Vergiftung verursacht wird. Es
ist daher die Empfehlung Crämer's, bei Wismuthbehandlung den
Urin zu untersuchen und auf etwaige Stomatitis zu achten, sehr
belierzigens werth.
Herr v. Ziemssen: Die Consequenz, mit welcher das Wis¬
muth in der Behandlung der Magenulcerationen angewendet werde,
spräche doch dafür, dass ihm eine Wirksamkeit beizumessen sei.
Er habe seit seiner Praktikantenzeit als älterer Mediciner immer
vom Wismuth nach den Traditionen der älteren Schule Anwendung
gemacht, freilich nicht in so grossen Dosen, wie sie jetzt empfohlen
werden, meist auch mit etwas Morphium verbunden, was allerdings
die Beurtheilung der Wirksamkeit des Wismuth erschwere. Allein
die Besserung der Schmerzen und des Erbrechens bei combinirter An¬
wendung dieser Mittel sei doch so auffällig, dass man den Erfolg
nicht ausschliesslich auf Rechnung des Morphiums setzen dürfe, son¬
dern einen grossen Theil der Wirkung auch dem Wismuth zuer¬
kennen müsse. Jedenfalls sei von allen medicamentösen Behand¬
lungsarten bei Magengeschwür die Wismuth-Therapie immer noch die
beste. Ob die grossen Dosen vorzuziehen sind, lasse er unent¬
schieden, weil man darüber noch keine ausreichende Erfahrung
besitze. Immerhin seien die Mittheilungen Crämer's belehrend
genug Er habe nur ein einziges Bedenken bezüglich der Lagerung
der Kranken. Da das Ulcus gewöhnlich an der kleinen Curvatur
des Magens sitze, müsste man den Kranken, soll sich das Wismuth
auf der Geschwürsfläche absetzen können, mit dem Becken hoch¬
lagern, um die Ablagerung des Wismutlis an der kleinen Curvatur
zu bewirken. Er glaube, dass man nicht zu viel Werth auf die
directe Anlagerung des Wismuth an das Geschwür legen soll.
Die Anwendung der Sonde beim Magengeschwür halte auch er
für recht bedenklich. Man sähe darnach doch zuweilen Blutungen.
Bei Gebrauch weicher Sunden seien Verletzungen der Magenschleim¬
haut zwar weniger zu helürchten, aber, wenn sich die Sonde um¬
gehen lasse, sei es zweifellos besser.
Was die Schwierigkeit der Diagnose des Magengeschwüres
betrifft, so stimme er vollständig den Ausführungen Crämer's zu.
Sehr leicht kämen Verwechslungen mit Gallensteinen, Adhäsionen
etc. vor. Besonders schwierig sei die Diagnose von Recidiven. Es
sei oft unmöglich, das Auftreten eines neuen Ulcus in alten Narben
sn diagnosticiren.
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Münchener me dicinische Woch enschrift
No. 25.
604___
„ÄS.«»««
KÄ ÄtÜSta« de» Wismuth hocl.gr.dige Schmer,
anfftlle hervorgerufen. Vortragenden die Anfrage,
'lg er keinen" Aufschluss zu geben. Was das AM Weiner
L- wi«;™v,on*etrtekrhen betrifft, so findet inan in der That in der
SgTebÄ <■>*» Bhitpunkte und ,»»
diese unter dem Mikroskop betrachtet, so erweisen sie sich als
kleine Stückchen Magenschleimhaut. Einen Schaden hat er j
hievon nie gesehen
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 20- Juni 1896-
Eine Ausschliessung — Behandlung der Hüftan-
kvlosen. — In eigener Sache.
I>ic k. k. Gesellschaft der Acrzte hielt am 19- d. >1. eine
administrative Sitzung ah, in welcher die «Verhandlung über den
Antrag auf Ausschließung eines corrcspondircnden Mitgliedes»
stattfand. Es handelte sich um Professor A d am k icw icz , welcher
in der jüngsten Zeit in einem Wiener Blatte «Neue Revue>. drei
Artikel voll Schmähungen und Invectiven gegen zahlreiche 1 ro
fessoren unserer Facultät losgelassen hat. Adamkiewiez hatte
im Wintersemester 1891 an der Klinik Hofrath Albcrts m
Wien seine Versuche mit Cancroin begonnen und über deren
Resultate einige Male in unserer Gesellschaft der Aerzte Bericht
erstattet. Die Professoren Bi 11roth , Dittel, Kaposi, Neu-
mann, Mosetig, Albert etc. constatirten jedesmal, dass sie:
1. keine Reaction nach der Injection dieses Gchcimmittcls ge¬
sehen hätten und 2. daß sie in keinem einzigen Falle auch nur
eine Spur von Besserung oder Heilung des Leidens hätten eon-
statiren können. In den damaligen Sitzungsprotokollcn stellt es,
dass man dem grossen Forscher Adamkiewiez eines lages
sagen musste, dass dasjenige, was er als Reaction bezeichnet hatte
_ Erysipel sei. Ein anderes Mal wies eine Epitheliom im Ge¬
sichte einen Eiterbelag auf — wieder Reaction ! Man zeigte ihm
in der Sitzung, dass der Kranke eine Conjunctivitis habe und dass
der Eiter auf das Epitheliom einfach herabfliesse. Smcginaartige
Pfropfe, aus einem Lippenepitheliom herausgedrückt, bezeichnet«
Adamkiewiez — als Reaction u. s. w.
Als Lohn für die Belehrung, welche ihm vor Jahren die
Meister der Wiener Schule hatten zu Theil werden lassen, griff
er sie nun als «Clique» an und bezeichnet« die ganze Gesell¬
schaft als von dieser Clique terrorisirt, so dass man lediglich be¬
zweckt habe, ihn und seine wissenschaftlichen Leistungen unmög¬
lich zu machen; ja er entblüdetc sich nicht, sogar das Andenken
Bill ro th ’ s zu schmähen, indem er schrieb, dieser habe seiner
Zeit gegen seine eigene bessere wissenschaftliche l'eberzeugung
zu seinen (Adamkiewiez’) Ungunsten entschieden.
Die Gesellschaft, der Aerzte nahm gestern Abends die Vor¬
schläge ihres Geschäftsrathes, welche dahin gingen, dass erstens
der «Neuen Revue» eine Berichtigung all der lügenhaften
Ir entstellten Angaben seitens des Vorstandes zugesendet, und
7 7Weitcns Herr A. aus der Reihe der corrospondirenden Mit-
gheder"g'cs'tricli c n werde - mit mehr als ’/s Majorität am
g Die heute erschienene Nummer der «Wiener medic.nischen
Wochenschrift» bringt eine Erklärung der Klinik Albert, von
Prof E Albert selbst, sodann von seinen zwei damaligen Assi¬
stenten, den jetzigen Primarärzten und Docenten Rudolf Frank
und Julius Schnitzler gezeichnet, auf welche ich Jene ver¬
weise, die siel, für dieses Thema noch weiter interessiren
In der am 12. Juni 1896 in der k. k. Gesellschaft der
Aerzte abgehaltcncn Sitzung sprach Professor Dr. A. Loren*
über die Behandlung der Hüftankylosen. «Schon vor 6 Jahren
hat Lorenz einige allgemeine Principicn aufgestellt, welche m
der chirurgischen Orthopädie vielseitige Anerkennung gefunden
haben. Als oberstes Princip gilt die absolute Schonung des Skelettes,
wenn es sieh um die Correctur von Deformitäten handelt Die
einfache lineare Osteotomie ermöglicht nach gründlicher Ausschaltung
der Weiclitheilwiderstände die Correctur jeder ossären Ankylose.
Das Skelett darf also nicht auf die verkürzten Weichtheile zu-
gcscliiiitten werden, sondern ist auf Kosten dieser zu schönem
\U ein zweites wichtiges Princip hat zu gelten, dass die Correctur
stets in. Scheitel des Deformitätswinkcls vorgenommeu werden
,uuss. Geschieht nämlich die Correctur in der Erstreckung eines
Schenkels des Deformitätswinkels, so bleibt die Deformität ah
solche bestehen und wird dadurch eine künstliche Knickung von
entgegengesetzter Richtung lediglich caehnt. Die Krümmung
wird gewissermaßen durch eine Gcgei.krüuimung compensirt Die
Correctur wird dann durch einen Verlust an funct.oneller Länge
des Knochens erkauft. Auf den speciollen Fal der ossären Hilft-
aukylose übertragen, ergibt sich aus diesen Pnocip.cn folgende
Directive: Jede Keilosteotomie und jede Resection ist überflüssig,
die lineare Osteotomie ermöglicht nach Ausschaltung der «c -
theilshemuiungen die Correctur auch der höchstgradigen Deformität.
Diese Correctur muss im Scheitel des Deformitätswinkels, also am
Schenkelhälse, vorgcnonimon werden. Fehlt derselbe, so wird »
knöcherne Verschmelzung zwischen der inneren Fläche des grossen
Troc anter und der äusseren Fläche des Darmbeines mit dem
Meissei gelöst. Lorenz bezeichnet diesen Eingriff, da derselbe
von der Persistenz eines Schenkelhalses vollkommen unabhängig
ist, als Osteotomia pelvitrochanteriea. Einige der neuesten or-
schlage in der Orthopädie der Hüftgelenks-Deformitäten verstoßen
nach Lorenz gegen diese Principien und werden von dem Vor¬
tragenden einer eingehenden Kritik unterzogen.
Im Gegensätze zu derselben (subtroebantere transversale und
subtrochantere oblique Osteotomie) hat die von L ore n z empfohlene
pelvitrochantere lineare Osteotomie folgende Vortheile: 1 •
vollkommen gefahrlose (subcutane) und einfache Ausführung, 2. die
vollständige Erhaltung der Femurlänge mangels einer Correctiona-
knickung, 3. die günstigen Correcturverhältnisse der Adduction
(durch leichtes Klaffen der Knochen trennungsflächen); der Flexion
(durch Dislocatio ad peripheriam), 4- ferner die ausserordentlich ein¬
fache Nachbehandlung. Patient kann mit einem exaetcu Ueh-
verbände (Perinealgurt und Trittbügel) versehen, schon nach wenigen
Tagen das Bett verlassen und ambulant die Heilung abwarten.
Die von der knöchernen Ankylose gebotenen Indicationen beste n
indessen nicht nur in der Stellungscorrectur, sondern auch in er
Wiederherstellung eines knöchernen Gelenkes, sowie in der Restitutio
der Geleuksmusculatur. Alle bisherigen Resectionsmethoden, welche
auf die Umwandlung der knöchernen Ankylose in ein beweg ic
Gelenk abzielten, sind in ihrem Effecte bis nun sehr unsic er
gewesen. War die Resection sehr ausgedehnt (Volkmann s
Meisselreseetion), so resultirte ein functionsuntüchtiges bchlot '
gelenk nebst enormer Verkürzung; beschränktere Resectionen a
nebst entsprechender Verkürzung häufig neuerdings zu knöc erne
Verwachsung geführt. Die Osteotomia pelvitrochanteriea schein
nach den nach Lorenz gemachten Erfahrungen das weitaus sic ® rs
Verfahren zu sein, die ossäre Ankylose durch eine Pseudoarthro
zu substituiren, welche von einem Schlottergelenke ebensowei en^
fernt ist, als von der ossären Wieder Verwachsung der oc e
trennungsflächen. Die nach pelvitrochanterer Osteotomie 1
sprechender, mobilisirender Nachbehandlung erzielbare N
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23- Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
605
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ist nämlich so straff, dass sie eine ausgezeichnete Widerstands¬
fähigkeit gegen die functionelle Belastung mit einer ausreichenden
Beweglichkeit vereinigt. Lorenz verweist auf die Analogie der
fast immer fibrösen Ausheilung der intracapsulären Schenkelhals-
fracturen. Vereinzelte Ausnahmen können an dieser Erfahrungs¬
tatsache wenig ändern.
Unter 6 Fällen von pelvitrochanterer Osteotomie, über welche
Lorenz referirt, ist 5 Mal pseudoarthrotische Ausheilung mit
ausgezeichneter Function erzielt worden; und nur einmal erfolgte
ossäre Verschmelzung der Knochentrennungsflächen. In diesem
Falle war der erhaltene luxirte Schenkelkopf mit dem Darmbein
breit verschmolzen und es wurde die Osteotomia colli femoris aus¬
geführt. Der Vortragende vermutet, dass eine ileocapitalc Osteo¬
tomie auch hier vielleicht zur Pseudarthrosenbildung geführt haben
würde. Lorenz empfiehlt auf Grund dieser Erfahrungen die
pelvitroehantere, resp. ileocapitale, lineare Osteotomie mit iuobili-
sirender Nachbehandlung zur Ueberführung sowohl der einseitigen,
als doppelseitigen Hüftankylosen in functionstüchtige centrale Amphi¬
arthrosen ; dieselben bleiben in Folge ihrer centralen Lage dem
Einflüsse der gesummten, restitutionsfähigen Musculatur unterworfen
und die volle Länge des Femur bleibt erhalten»."
Zum Schlüsse noch einige Worte in eigener Sache. Die
«New-Yorker Mcdicinische Monatsschrift» bringt in ihrer Nummer 5,
Mai 1896, einen «Leitartikel», in welchen» dem Wiener Cor¬
respondenten der «Münchener Med. Wochenschrift» — «wenig
Verständnis für Ethik und hohe Auffassung seines Standes»
vorgeworfen wird. Als Beweis hiefür citirt der Anonymus meinen
Brief vom 25- April 1896, in welchem ich die Thätigkcit der
Wiener Rettungsgcscllschaft besprach, sodann meinen Brief vom
18. April, in welchem ich bei Kritisirung des Auftrages betreffend
die Krankheits- und (Jene s u n g s an zeigen angeblich ; das Höchste »
geleistet hätte. Indem ich auf die einzig dastehende Opferwillig¬
keit des ärztlichen »Standes hinweise, «der sich selbst und mit
vollster Erkenntniss der Sachlage die Wurzeln seiner Existenz
untergräbt», wünsche ich bloss, dass « diese unsere Thätigkcit wohl
von der ganzen menschlichen Gesellschaft, zumal aber von den
zuständigen Behörden auch entsprechend gewürdigt werden solle».
Der New-Yorker Leitartikler dedueirt aber aus meinen Worten
Folgendes: «Er bedauert also, dass durch Desinfeetion etc. die
Ausbreituug einer Seuche verhindert werde, welche doch im In¬
teresse des Arztes liege.» Das habe ich wahrlich nicht gethan
und ich protestirc energisch gegen diese willkürliche Deutung
meiner Worte. Noch heute bin ich der Ansicht, dass wohl¬
habende Leute jede ärztliche Hilfeleistung zu bezahlen haben;
auch diejenige, welche ihnen die durch öffentliche Gelder er¬
haltene Wiener Rettungsgcscllschaft zukommen lässt. Auch heute
glaube ich noch im liechte zu sein, wenn ich wünsche, dass die
Verdienste, welche wir praktische Aerzte uns täglich um die
Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege erwerben, wenigstens
dadurch entlohnt werden mögen, dass uns der Staat gegen Ueber-
griffe Einzelner oder ganzer Mcnsehenclassen — sei es, dass
unser moralischer Einfluss herabgesetzt oder dass unsere wirt¬
schaftliche Stellung geschädigt werden soll — in Schutz nehme.
Den New-Yorker Anonymus verweise ich schliesslich — zu
»seiner Belehrung — auf die Verhandlungen der Section of
Etliics der 63. Versammlung der British Medical Association,
London 1895, und speeiell auf den Vortrag des Hm. W. Richard-
son Rice, M. D., betitelt: The public medical Service and its
relatioti to medical etliics etc., woselbst er lernen kann, dass die
noch so energische Wahrung wir thscha ft lieber Interessen sich mit
der Währung der ärztlichen Ethik recht gut verträgt.
Endlich noch eine Bitte: Gut lesen, geehrter Herr College,
und nichts unterschieben! Das ist deutsche Sitte, die
•Sie aucl» in Ihrer deutsch geschriebenen Monatsschrift wahren
sollten.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acad^mie de M4decine.
Sitzung vom 2. Juni 1896.
Uebertragbarkeit des Typhus durch Austern.
Chan temesse nimmt als sicher an, dass durch das Trink¬
wasser der Typhuß übertragen und durch entsprechende Maass¬
regeln dies verhindert werden kann; ebensolche verlangt er auch
bezüglich anderer Nahrungsmittel, besonders der Austern. Er kannte
mehrere Personen, welche, sehr vorsichtig mit dem Wassergenuss,
unbesorgt rohe Austern genossen und den Typhus sich zugezogen
haben. Folgende Beobachtungen dürften aber den Beweis eines
Laboratoriumexperimentes haben. In einer kleinen Stadt (Saint-
Andr6-de-Sangonis), wo der letzte Typhusfall ein Jahr vorher vor¬
kam, erkrankten 14 Personen, welche von demselben Händler ge¬
kaufte Austern roh gegessen hatten. In den 0 Häusern, wo dieses
Gericht genossen wurde, zeigten die Familienmitglieder und Dienst¬
boten, welche davon nichts erhielten, keine Spur von Unwohlsein.
Von den 14 erkrankten 8 nur leicht an 2—.‘J Tage anhaltendem
Erbrechen, Diarrhoen, Appetitlosigkeit und allgemeinem Uebelbe-
finden, 4 andere lagen 14 Tage bis 3 Wochen ai» mässigem Typhus¬
fieber darnieder, während 2 Personen einen ganz besonders schweren
Typhus bekamen, welchem die eine, ein 20 jähriges Mädchen erlag.
Um die Frage zu entscheiden, ob eine derartige Infectiosität speeiell
diesen von Cette bezogenen Austern oder auch anderen zukomme,
kaufte ChanteraesBe in Paris bei verschiedenen Händlern ganz
frische Austern und unterzog sie einer bacteriologischen Unter¬
suchung; alle enthielten zahlreiche Keime und eine grosse Anzahl
den Bacillus coli. Einige dieser lebenden Austern wurden nun in
Meerwasser gebracht, welches absichtlich mit Typhusdejecten und
-Bacillen verunreinigt worden war; nach 24 »Stunden wurden sie
aus diesem Wasser in wohl verschlossene Behälter gebracht und
hier ebenfalls 24 Stunden, der gewöhnlichen Zeit de» Transportes
vom Sammel- zum Consuinort, belassen. Nach dieser Zeit waren
die Austern noch lebend, ohne besonderen Geruch und enthielten
gemäss der bacteriologischen Untersuchung lebende Typhusbacillen.
Am häufigsten werden nun die Austern in den Parks verunreinigt,
welche meist am Meere, nahe der Einmündung von Flüssen oder
Canälen, die Abfälle aller Art enthalten, liegen. Ch verlangt daher
eine ebenso strenge .Sanitätspolizei über diese Austernbehälter wie
über »Schlachthäuser u. A. n»., nachdem in Paris allein jährlich
53 Millionen Austern verzehrt würden. » »St.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Laryngological Society London.
Sitzung vom 15. April 1896.
Fremdkörper in den oberen Luftwegen.
Ein sicheres diagnostisches Zeichen eines Fremdkörpers in der
Nase ist nach O. Synmnds einseitiger eitriger Ausfluss. Bei der
Untersuchung auf den Fremdkörper mit der Sunde mahnt »S. Spieer
daran, stets einen Finger im Naso-pharynx zu haben, damit derselbe
nicht in den Larynx oder Oesophagus gestossen werde. Die An¬
wendung der Wassereinläufe, Lufteinblasungen, Niessmittel etc.
sucht er durch Beugung des Kopfes auf das Brustbein, Aufstülpen
der Nasenspitze und Einführung des Nasentricbters in den ver¬
stopften Nasengang zu unterstützen. Bei metallischen Fremdkörpern
empfiehlt sich eventuell eine magnetische Sonde.
Grant empfiehlt zur Entfernung der Fremdkörper aus der
Nase zunächst Cocafnisirung, dann Oelspray und hierauf Luftein¬
blasung. Die Ohren sollen durch Andrücken des Tragus und Auf¬
blasen der Hacken vor Lufteintritt geschützt werden.
Vor fnreirter Anwendung der Wasserdouche bei Verstopfung
des einen Nasenganges wird von verschiedenen Seiten gewarnt.
Was die Fremdkörper im Pharynx betrifft, so wird von L.
Lack die Untersuchung mit dem Finger empfohlen, welche die
durch das Auge ergänzen soll. Fischgräten im Halse werden, wenn
nicht extrahirt, nach 2—3 Monaten wahrscheinlich resorbirt, in dieser
Zeit hören wenigstens die Symptome auf.
F. .Seinen macht auf die Gefahr aufmerksam, welche bei der
Entfernung der adenoiden Wucherungen in» Nasenrachenraum beim
Aufrechtsitzen des Patienten entstehen kann, indem »Stückchen in
die Trachea lallen Durch Vornahme der Operation b<-i hängendem
Kopfe wird diese Gefahr vermieden. Er macht des Weiteren auf¬
merksam auf die mangelnde Fähigkeit der Localisation in den oberen
Luftwegen, Sensationen im Nasenrachenraum werden sehr häufig
iu die Larvngo Trachealregion verlegt.
Bei plötzlicher Verlegung der »Stimmritze durch einen Fremd¬
körper empfiehlt Clifford Beale auf den Kopf stellen, tiefe In¬
spiration mit folgender forcirter Expiration. Ist der Fremdkörper in
der Trachea, so muss möglichst bald tracheotomirt werden.
Sherman macht darauf aufmerksam, dass bei Fremdkörpern
im Oesophagus bei Kindern sehr oft eine ängstliche Steifhaltung
des Nackens beobachtet werde. F. L.
British Gynaecological Society.
Sitzung vom 14. Mai 1896.
Opotherapie bei Uterusleiden.
Robert Beil-Glasgow sprach über die Behandlung des Gebär¬
mutterkrebses, gewisser Formen von Ovarialerkrankungen und Uterus-
fibroiden mit Drüsenextracten der Thyreoidea, Parotis und der
Brustdrüse. Diese Medication stützt sich auf die Beziehungen, die
zwischen Metrorrhagien und Erkrankungen der Thyreoidea einer¬
seits, zwischen Parotis und Ovarien, sowie Hyperplasien und Fibroiden
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606
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
des Uterus und der Brustdrüse andererseits schon mehrfach nach¬
gewiesen worden sind. Eine Anzahl so behandelter Fälle werden
beschrieben.
Bowreman Jessettist geneigt, den Erfolg mehr der in einzelnen
Fällen gleichzeitig angewandten localen Therapie zuzuschreiben.
Leith Napier erwähnt einen Fall von Obesitas, bei dem unter
der Anwendung von Thyreoidtabletten ein gleichzeitig bestehendes
Uterusfibroid auf die Hälfte des Volumens zurückging.
Heywood Smith glaubt, dass die mit dieser neuen Behand¬
lungsmethode in einzelnen Fällen erzielten überraschenden Resultate
entschieden zu einer Fortsetzung der Versuche berechtigen, wenn
auch gesagt werden muss, dass es der Methode noch sehr an ziel¬
bewusstem Vorgehen und physiologischer Grundlage fehle. F. L.
Verschiedenes.
(Bädernachrichten.) Im Höhencurort Magglingen (ob
Biel im Berner-Jura, 900 m) besteht seit diesem Frühjahr eine Unter¬
nehmung, welche in ihrer Art unseres Wissens noch einzig dasteht
und auf dem Gebiete der Fortbildung der Jugend eine Lücke aus-
zufüllen berufen ist: ein Sommer-Pensionat für erholungs¬
bedürftige jüngere Mädchen. Zwei Damen vertauschen ihre
Thätigkeit im Kaiser-Friedrich-Krankenhaus in San Remo im Winter
mit dem Sorameraufenthalte in Magglingen, wo sie in eigenem Hause
eine beschränkte Zahl weiblicher Zöglinge aufzunehmen gedenken,
um ihnen angemessene geistige und körperliche Pflege und die Cur-
mittel der Schweizerberge, nämlich frische Luft und Quellwasser,
Milch, Bewegung in Wald und Weide angesichts des strahlenden
Hochgebirges zu bieten. Schwerkranke, Phthisische etc. sind natür¬
lich ausgeschlossen; indessen erlaubt es die Eigenart der Anstalt,
mancher jungen Tochter einen kurzen Aufenthalt ausserhalb der
Familie zu ermöglichen, welche bisher aus gesundheitlichen Gründen
dessen entbehren musste, und bei Bedarf steht ärztliche Hilfe auR
Biel oder Magglingen selbst zur Verfügung. Die passende Lage und
Umgebung des Hauses, die berufliche Stellung der Vorsteherinnen
und der Ruf Magglingens als Curort der mittleren Berg- und Wald¬
region bürgen dafür, dass der ins Auge gefasste Zweck der vor¬
wiegenden Berücksichtigung körperlicher Entwicklung
und Pflege eingehalten werde. Das Unternehmen verdient in
hohem Grade das Interesse ärztlicher Kreise. Schweiz. Corr.-BI.
Therapentische Notizen.
S typ ticin (Cotaminum hydrochloricum) ist von vorzüglicher
blutstillender Wirkung bei Subinvolutio puerperalis in Folge Atonie,
bei fungöser Endometritis und Myomen; contraindicirt ist es bei
Schwangerschaftsblutungen, da es den Abortus beschleunigt. Ausser¬
dem besitzt es sedative Eigenschaften. Dosis: 0,025-0.2 g in
Wasser gelöst und subcutan in das Gesäss injicirt. F
Tagesgeschichtliche Notizen.
. München, 23. Juni. Dem preuss. Aerztekammerausschuss ist
m seiner Sitzung vom 15. d. Mts. die «Zusammenstellung der
Ergebnisse der commissarischen Berathungen über die
Revision dermedicinischen Prüfungen» übergeben worden.
•Tvach Beschluss des Ausschusses sollen die preuss. Aerztekammem
aufgefordert werden, bis 1. November ihre Entschlüsse darüber ein¬
zusenden.
Nachdem die preuss. Regierung die «Ergebnisse» den Aerzten
™ Begutachtung vorgelegt, darf angenommen werden, dass sie
selbst und wohl auch die übrigen Bundesregierungen zur Abänderung
der medicinischen Prüfungen auf dieser Grundlage bereit sind An
dem zustimmenden Votum der ärztlichen Standesvertretungen ist
nicht zu zweifeln; entsprechen die vorgeschlagenen Änderungen
doch in allen wichtigen Punkten (Verlängerung des Studiums auf
10 Semester, Einführung eines Annuum practicum u A.) den
schon von den Aerztetagen in München und Weimar 1890 und 1891
aufgestellten Forderungen. Es kann also die Durchführung dieser
? absehbarer Zeit erwartet werden. Alle Maassnahmen, die
tZt i Zeit ZUr ^Jebung des Ansehens des ärztlichen Standes
wm j den ’ wie Ehrengerichte und Standesordnungen, wird
die Reform der ärztlichen Studien- und Prüfungsordnung an Wirk-
a 61 T eitem . übertreffen - D enn nichts verleiht S dem Arzte
KenntniR«p n8 ? en ’- * 8 g K? , ? he Kennt nisse; eine Vertiefung der
WUrn d , J u ng ®, n Medlclner war aber bei den grossen An-
welche die moderne Wissenschaft an den Arzt stellt,
dringend geboten. Es ist daher die Inangriffnahme der Reform zu
,"&. eege ^ en . ZU hab ? n - ein Verdienst des deutschen
den'bave T"«" a - UCh die fischen AerztekamnmTunds^
Obermedicina]au8Schuas in ihrer nieste,
~ 5 er P r euss. Aerztekammerausschuss, der in seiner Sitzuni
Ktth a - tt P die teüich “ Ehrengerichtebei?
nerietri, hat, der Berl. Aerzte-Gorr. zufolge, diesen Entwurf mi
geringen Ausnahmen im Sinne einer liberaleren Auffassung amendirt
— Die mehrfach erwähnte Pockeuepidemie in Gloucester zeigt
bis 29. Mai statistisch folgendes Verhalten:
1
im
Ganzen
un-
geimpft
nur als
Kinder
geimpft
un¬
bestimmt
Erkrankt .
1822
639
1056
127
Gestorben.
396
265
90
41
Verhältnis der Todesfälle
21,7 0/o
41,40/o
8,50/0
32,2 °/o
— In Alexandria wurden vom 21.—29. Mai 247 Neuerkrankungen
und 221 Todesfälle an Cholera, in Kairo von 21.—28. Mai 331 und
280 festgestellt. Ausserdem kamen in einer grossen Zahl aegyptiBcher
Ortschaften gehäufte Cholerafälle vor.
— Von deutschen Städten über 40000 Einwohner hatten in
der 23. Jahreswoche, vom 31. Mai bis 6. Juni 189b, die grösste Sterb¬
lichkeit Beuthen mit 34,6, die geringste Sterblichkeit Kaiserslautern
mit 5,0 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Bromberg, Flens¬
burg, Köln; an Diphtherie und Croup in M.-Gladbach und Potsdam.
— Hofrath Dr. Stadelmann, dirigirender Arzt des Kranken¬
hauses am Urban in Berlin, übernimmt am 1. Juli d. J. die
Redaction der «Berliner Klinik».
(Universitätsnachrichten.) Bonn. Den Privatdocenten in
der medicinischen Facultät Dr. Karl Bo hl and (innere Medicin) und
Dr. Robert Thomson (Psychiatrie) wurde das Prädicat «Professor»
beigelegt. — Erlangen. Der Anatom Professor Josef vonGerlach,
der Senior der Erlanger medicinischen Facultät, ist in den Ruhe¬
stand getreten. — München. Am 20. Juni babilitirte sich für Zahn¬
heilkunde der Assistenzarzt 1. CI. Dr. Gottlieb Port mit einer
Probevorlesung: «Die Behandlung der Kieferfracturen. > Die Ha¬
bilitationsschrift führt den Titel: «Mechanische Veränderungen an
den Kiefern und der Zabnstellung in Folge von Erkrankungen der
benachbarten Organe. »
Genf. Dr. C. Poli babilitirte sich als Privatdocent für Otologie,
Rhinologie und Laryngologie. — Innsbruck. Zum Rector für das
Studienjahr 1896/97 wurde Prof, von Rokitansky gewählt. —
Wien. Prof. Dr. Max Gr über wurde zum Decan der medicinischen
Facultät für das Studienjahr 1896/97 gewählt.
(Todesfälle.) Sanitätsrath Dr. Oldendorff, der sich durch
seine Beiträge zur Medicinalstatistik wie um die socialen und Standes¬
interessen der Aerzte verdient gemacht hat, ist am 16. ds. in Karls¬
bad, wo er sich zum Kurgebrauch aufhielt, gestorben. Die von ihm
im vorigen Jahre begründete «Zeitschrift für sociale Medicin» ist
leider nach kurzem Bestehen wieder eingegangen.
In Wien starb der Privatdocent für Gynäkologie Dr. Wilhelm
Schlesinger, früher Herausgeber der «Wiener med. Blätter».
Personalnachrichten.
Bayern.
Verzogen: Hofarzt Dr. Lorenz Härtl von München nach
Laufen als k. Bezirksarzt dortselbst.
Gestorben: Dr. Friedrich Lutz, k. Medicinalrath und Bezirks¬
arzt I. CI., Hausarzt am Arbeitshause Rebdorf, 61 J. alt.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten für München
in der 24. Jahreswoche vom 7. bis 13. Juni 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 32 (25*), Diphtherie, Croup
23 (21), ErysipelaB 19 (22), Intermittens, Neuralgia interm. 2 (1/,
Kindbettfieber 3 (—), Meningitis cerebrospin. 1 (—), Morbilli 15 (23),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 12 (9), Parotitis epidemica 4(7),
Pneumonia crouposa 17 (27), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 31 (34), Ruhr (dysenteria) — (—). Scarlatina 20 (26),
Tussis convulsiva 39(37), Typhus abdominalis 2(3), Varicellen 5 (15),
Variola, Variolois — (—). Summa 225 (252). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 24. Jahreswoche vom 7. biB 13. Juni 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000 _ .
Todesursachen: Masern l (—*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 1 (1), Rothlauf 1 (L), Kindbettfieber 1 (1), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (l), Brechdurchfall 3 (4), Unterleibstyphus
(1), Keuchhusten 2 (5), Croupöse Lungenentzündung 3 (1), Tuber-
culose a) der Lungen 22 (23), b) der übrigen Organe 11 (8), Acuter
Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krankheiten 2 (*/»
Unglücksfälle 5 (1), Selbstmord — (l), Tod durch fremde Hand — (*)■
Die Gesammtzahl der Sterbefälle lö7 (167), Verhältnis*«» 1
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,0 (21,4), J ir
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,9 (13,2', » r
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13,5 (12,5).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
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£■ :J ..'i
Beilage zu No. 25 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
Zusammenstellung-
Ergebnisse der commissarischen Bera tbungen üb er die Revision der medicinische,, Prüfungen.
I. Allgemeine Gesichtspunkte
titonsch behandelt zu werden brauchen g pe '
, 2 - ®. ie . Studienzeit wird auf zehn Semester verlängert W oh«i
K vollständig bestandener ärztlicher Prüfung hat der
D“ z "'eite Halbjahr der militärischen Dienstzeit Tals EiniuhriV
SS S eSeS,« 1 «"<« i„ d J pm l
“äÄr h vo,,8 “" dis
. 5- Die Zulassung zur ärztlichen Vorprüfung sowohl wie zur
ärztlichen Prüfung kann zeitweise verweigert werden wenn der Can
didat nach den vorgelegten Zeugnissen sein Studium so wenL
SÄ ^ ein ordnun^ä^
bindeSe 8 KSft ÜCkWeiSUng ^ fÜr Sümmtliche Prüfungscommissionen
p?! 1 , allen . Prüfungen ist daran festzuhalten, dass die all-
gwneine Bildung keine wnentUchen Lücken aufweisen darf. Auch
di = «“>*“**•
d«rnnf e J„ ärztllcben . Prüfung ist ferner besondere Rücksicht
Berufe, ° b d l m Candidaten die Pflichten des ärztlichen
Berufes gebührend zum Bewusstsein gekommen sind.
nachtheilen er’n J /eignete Vorkehrungen (Festsetzung vön Rechts-
nachtheilen etc.) dahin zu treffen, dass die Prüfungen ohne Verzug
begonnen, fortgesetzt und erledigt werden g
Tn„J? 8beSOnd - er T e J St ZU * ordern - dass die Prüfung spätestens im
he,r! y on zv vei Jahren vollendet sein muss, widrigenfalls auch die
bestandenen Prüfungsgegenstände wiederholt werden müssen.
Prüfungsabschnitt auch bei £ d !S^^wSwSu5?ichtbeS!hS
nicht zugela8sen -
Can J- Ausländer können zu den medicinischen Prüfungen mit
rSSjmgung der im § 27 der ärztlichen Prüfungsordnung auf-
de^VA 11 B< : börde ? K aU °u dann zu 8 ela88en werden, wenn sie nur
schaft!frhf hnf v en K-i^ rer Ueimathsgesetze hinsichtlich ihrer wissen-
haben. Jedoch erlangen sie in
diesem Falle keine Aussicht auf Ertheilung der ärztlichen Approbation.
hPrtialM. a ® ^ u ng8gebt ! h , ren werden anderweit zu reguliren und
•S“ SÄ™“* nacb der “ etr h ™-
III. Aerztliche Prüfung,
a) Zu § 4 der Bekanntmachung vom Juni 1883
die ärztliche Prüfung.
2- Jiin i 1883 , 4 _ ,
25. April 1887 betreffend
II. Aerztliche Vorprüfung.
Vorprüfung !, 3 treft» B d" 1 “°° ,, ” aCiU “ g V0 " * ^ 1883 - **
lauten D hTt: AbSatZ 2 ^ ei “ e neUe Lit c anzufü gen, welche zu
c) Durch den Nachweis, dass der Candidat zwei Semester
an den Präpanrübungen und wenigstens ein Semester an
den mikroskopisch - anatomischen üebungen, sowie an
einem physiologisch-chemischen und einem physikalischen
Prakticum fleissig theilgenommen hat.
, ^. ac hweis zu c ist durch besondere Zeugnisse der
betreffenden Universitätslehrer zu erbringen,
b) Zu § 5 der Bekanntmachung:
verel ^, e nfp 8 r iC T h {ff Anaton i ie und Physiologie in der Vorprüfung
ln weÄrJ;^^iJgememe Qesichtepunkte Ziffer 1. Ueber die Art,
zugSSten i«! DaCb die P^fimg in den beiden Fächern etwa aus?
g In der Oh' 18 m d «r Anlage A eine vorläufige Skizze gegeben.
bisher 1 stattfiSfen“'® Pb / 81 . k 8o11 eine eingehendere Prüfung als
meine - d ’ der Zoologie ist die Prüfung auf die allge-
sowie auf d?| 1 p a Und f dle . Gri i? dzüge der vergleichenden Anatomie,
gemeine R^nfb- ^- d f? Menachen - in der Botanik auf die alb
schränkem ^ ^ U ” d d ' 6 Kenntni “ der officinellen Pflanzen zu be-
1. In Absatz 4 Ziffer 2 alinea 2 ist beizusetzen:
dann^lS, anderen Universitätsstudiums jedoch nur
dann, wenn dieses unter den Rahmen eines ordnune«
massigen medicinischen Stadiums fällt » 8
z,ffer 4 de s gleichen Absatzes hat zu lauten:
hP.i„ n l NaChwe » ie ' dass der Candidat nach vollständig
,e ‘le? H^bT.hf/ , i,‘ I g Ch r Vo rP«<"-8 »inde"tof
je zwei Halbjahre hindurch an der chirurgischen medi
c.mschen und g e b u r t s h i 1 f 1 i c h - g y n ä EIoÄ c h e n
v imk als Praktikant fleissig theilgenommen, mindestens
zwei Kreissende in Gegenwart des Lehrers oder Assistenz-
arates selbständig entbunden, ein Halbjahr als Praktikant
die Klinik für Äugenkrankheiten fleissig besucht u s f
nach der bisherigen Fassung g uesuent, u. s. f.
Neues Alinea 1:
a Mn^- 8S k rd ! m i 8terforderlich * daß8 der Candidat nach voll-
rl d m g b . es , tandener ärztlicher Vorprüfung je ein Semester
H?„«f?^ r S nik °u er Poliklinik, die medicinische Poli-
klmik und die psychiatrische Klinik als Praktikant sowie
5S“ r . ? ach seiner Wahl eine der Specialkliniken S
Pohkhmken (Ohren-, Hals- und Nasen-, Hautkrankheiten
Seht ff } a 8 Auscultant °d er Praktikant fleiesig be-
Hat der Candidat schon in anderen Kliniken prakticirt
welSi 88 « 61 “ de " ]enlgen Klinik en oder Polikliniken, für
welche nur ein einsemestnger Besuch vorgeschrieben ist
tt- so f ?’ob als Praktikant zugelassen werden. ’
Hierauf folgt nun bisheriges Alinea 2 in entsprechender Fassung
Zen'InisS^P n8 , b ( e . 80ndere zum Ausdruck zu kommen hat, dass die
eugnisse (Praktikanteuscheine) nach einem einheitlich festzu
setzenden Formular herznstellen sind. lestzu-
b) Zu § 5 der Bekanntmachung.
Abschnitt ft muss nunmehr heissen:
Prü^ün“ ediCini8Ch ' Pharmak0l0gi8Ch ’ p8ychiatri8che
Grundsätze UferT* ? dCr Bekanntmachun g vergl. I. Allgemeine
- J J ! bep . die . et waige Ausgestaltung, welche hiernach der Prüfung
Skizze i^Amlage ^ Z “ ^ wird - ^ Ä
d) Zu § 8 der Bekanntmachung:
fernJlcffi! 1 '! h^ d b * eid J en Worte <ein oder » z “ streichen:
ferner ist als Schlussabsatz dem § 8 neu hinzuzufügen-
Ausserdem ist der Candidat einer eingehenden münd¬
lichen Prüfung in der pathologischen Anatomie und all¬
gemeinen Pathologie zu unterziehen.
e) Zu § 10 der Bekanntmachung: *
Prnfn Prüfa °k im Abschnitt IV (cbirurgisch-ophthalmiatrische
Prüfung) ist auf sieben Tage zu beschränken.
2. Bei Lit. A Ziffer lb Alinea 3 ist am Schlüsse nach dem
Worte * nachzuweisen» fortzufahren: «sowie die für einen prak-
useben Arzt erforderlichen allgemeinen Kenntnisse in der Ohren¬
heilkunde darzuthun.»
3. Bei Lit. B Absatz 2 ist hinter den Worten « sowie den Heil¬
plan festzustellen» der Satz zu schliessen und sodann fortzufahren:
Sodann ist der Candidat einer mündlichen Prüfung über
dl ® Grundzüge der Augenheilkunde zu unterziehen.
f) Zu § 11 der Bekanntmachung sind folgende Aenderungen
beschlossen worden:
1. An Stelle der «medicinischen Prüfung» tritt dieemedi-
cinisch-pharmakologiBch-psychiatrische Prüfung».
2. Auf die medicinische Prüfung sollen drei bis vier Theile
treffen, auf Pharmakologie und Psychiatrie je ein Theil.
3. Die ganze medicinisch-pharmakologisch-psychiatrische Prüfung
ist m sieben Tagen zu erledigen.
4. Gelegentlich der Krankenbesuche (vergl § 11 , Absatz 2,
Ziffer 1 b, alinea 2) hat der Candidat noch an sonstigen Kranken
seine Fähigkeit in der Diagnose und Therapie der inneren Krank¬
heiten naebzuweisen.
5. An einem Tage ist der Candidat über Kinderkrankheiten,
Hals- und Nasenkrankheiten, Hautkrankheiten und Syphilis münd¬
lich zu prüfen.
6. Für den pharmakologischen Theil ist ein besonderer Exami¬
nator aufzustellen.
Das gleiche gilt von dem psychiatrischen Theil.
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Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
No. 25.
In der Psychiatrie ist die Prüfung ähnlich zu gestalten wie in
der Augenheilkunde (s. bei Lit. c, Ziffer 3).
g) Zu § 12 der Bekanntmachung:
1 . Die Benützung derselben Gebärenden zur Prüfung von zwei
oder mehr Candidaten ist unzulässig.
2. In § 12, Absatz 2, Ziffer 1 b, ist durchweg, wo es gegen¬
wärtig heisst: «sieben Tage», zu setzen: «drei Tage».
h) Zu § 13 der Bekanntmachung:
Bei der Prüfung in der Hygiene ist namentlich zu ermitteln,
ob der Candidat sich mit den wichtigeren hygienischen und insbe¬
sondere auch bacteriologischen Untersuchungsmethoden praktisch
vertraut gemacht hat.
i) Zu § 17 der Bekanntmachung:
In Absatz 2 ist der letzte Satz folgendermassen zu ändern:
Wer in einem der Abschnitte III bis VII nicht be¬
standen hat, muss sich trotzdem der Prüfung in den übrigen
Abschnitten ohne Aufschub unterziehen.
Ferner ist es dem Vorsitzenden zur besonderen Pflicht zu
machen, dafür Sorge zu tragen, dass die einzelnen Prüfungsab¬
schnitte in thunli' hst rascher Folge abgelegt werden.
IV. Praktisches Jahr.
1. Während des praktischen Jahres führt der Candidat den
Titel «Praktikant».
2. Das praktische Jahr kann bei einer deutschen Universitäts¬
klinik, UniverBitäts-Poliklinik (Districtsklinik, nicht in blossen Am¬
bulatorien oder sogenannten Privatkliniken) oder in einer von der
Landescentralbebörde autorisirten deutschen Krankenanstalt zurück¬
gelegt werden.
Es soll in der Regel die Ermächtigung zur Aufnähme von Prak¬
tikanten an Krankenanstalten nur ertheilt werden, wenn dieselben
a) öffentliche sind und
b) mindestens 50 Krankenbetten
haben.
3. Die Höchstzahl von Praktikanten, welche an jeder Universi¬
tätsklinik, Poliklinik oder autorisirten Krankenanstalt aufgenommen
werden darf, wird von der Landescentralbebörde dergestalt festge¬
setzt, dass auf jeden Praktikanten bei der erfahrungsmässigen nor¬
malen Belegungsziffer mindestens zwanzig Kranke treffen.
4. Von dem praktischen Jahr ist mindestens ein halbes Jahr
der Behandlung von inneren Kranken zu widmen.
5. Das zweite Halbjahr der militärischen Dienstzeit (als Ein¬
jährig-Freiwilliger Arzt) wird hierauf angerechnet.
tt. Der ärztliche Leiter der Anstalt hat die Verpflichtung, dem
Praktikanten bei seinem Ausscheiden ein Zeugniss zu ertheilen,
welches nach einem einheitlich aufzustellenden Formular auszu¬
fertigen ist.
7. Nach Ablauf des praktischen Jahres bat der Candidat be¬
hufs Erlangung der Approbation einen selbstverfassten Bericht und
die Atteste über seine Thätigkeit als Praktikant, bezw. als Einjährig
Freiwilliger Arzt, bei der Landescentralbebörde, in deren Bezirk er
die Prüfung abgelegt hat, einzureichen.
Diese wird nach Umständen die ausser den vorgelegten Papieren
noch sonst zur Vervollständigung ihrer Information erforderlichen
Auskünfte (Vorlage der Krankengeschichten, Tagebücher, eingehende
Aeusserung der Krankenhausdirigenten u. s. w) einziehen und die
Commission für Ertheilung der Approbation gutachtlich zur Sache
hören.
8. Diese Commission wird von der zuständigen Landescentral¬
behörde jedesmal auf drei Jahre aus drei Mitgliedern zusammengesetzt.
In die Commission ist ein ordentlicher Professor (Vertreter
eines klinischen Faches) zu berufen.
Die beiden anderen Mitglieder werden auf Präsentation der
ärztlichen Standesvertretungen, soweit solche vorhanden sind, ernannt.
9. Die Commission ist befugt, wenn sie dies für nöthig er¬
achtet, zur Vervollständigung ihrer Information ein Colloquium mit
dem Candidaten vorzunehmen.
10. Ihr motivirtes Gutachten hat entweder auf Ertheilung der
Approbation ^oder auf zeitweise oder dauernde Versagung derselben
zu lauten. (Zurückstellung auf ein Jahr, oder bei Geisteskranken
bis zur Heilung, bei in strafrechtlicher Untersuchung befindlichen
Candidaten bis zur Beendigung derselben.)
11. Den dauernden Ausschluss von der Approbation darf die
Landescentralbehörde nur dann aussprechen, wenn die Commission
es einstimmig beantragt bat.
12. Die zeitweise sowohl wie die dauernde Verweigerung der
Approbation ist für alle übrigen Landescentralbehörden maassgebend.
V. Schlussbemerktingen.
1. Es wird sich empfehlen, auf eine authentische Declaration
der Bestimmungen der Gewerbeordnung in §§ 29 und 147 Ziffer 3
in dem Sinne hinzuwirken, dass der Gebrauch der dortselbst an¬
geführten Bezeichnungen als Arzt, Zahnarzt pp. von Seiten einer
im Inlande nicht approbirten Person auch dann verboten und straf¬
bar ist, wenn dieser Bezeichnung eiu Zusatz beigefügt wird, aus
welchem ersichtlich ist. dass die Approbation im Auslande erworben
wurde (etwa durch Aenderung des § 147 Ziffer 3 dahin: «Wer
ohne hierzu nn Inlande approbirt zu sein, wenn auch unter Bei¬
fügung eines Zusatzes, welcher den Mangel der inländischen Appro¬
bation erkennbar macht, sich als Arzt etc. bezeichnet, der» u. s, w.
2. Es empfiehlt sich ferner, in der Gewerbeordnung festr
zusetzen, dass auch die Bezeichnung als «Specialarzt» oder ein
gleichbedeutender Titel nur auf Grund einer besonderen Approbation
geführt werden darf, deren Voraussetzungen der Bundesrath be¬
zeichnet (etwa durch Aenderung des §29 Absatz 1 in der Fassung:
«Einer Approbation .... bedürfen .... diejenigen Personen, welche
sich als Aerzte, Specialärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte, Thierärzte
oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen ....»).
Ergeht eine solche Ergänzung der Gewerbeordnung, so wird
für die Ertheilung dieser besonderen Approbation zu erfordern sein,
dass der Candidat nach Erlangung der ärztlichen Approbation noch
zwei Jahre an einer deutschen Universitätsspecialklinik oder Special¬
poliklinik oder in einem dazu autorisirten Specialkrankenhause sich
theoretisch und praktisch mit dem betreffenden Specialfache ein¬
gehend beschäftigt hat.
3 Es bedarf einer Anordnung, dass Reichsangehörige vor¬
behaltlich der von der Landescentralbehörde in ganz besonderen
Fällen zu ertheilenden Dispensation als Studirende der Medicin nur
dann eingeschrieben werden, wenn ihre schulwissenschaftliche Vor¬
bildung den reichsgesetzlichen Bestimmungen über die Zulassung
zu den ärztlichen Prüfungen entspricht.
4. Es ist dafür Sorge zu tragen, da-=8 nach Anhörung der medi¬
cinischen Facultäten ein Normalplan für das medicinische Studium
aufgestellt wird, welcher dem von jeder medicinißchen Facultät zu
erlassenden und den Studirenden bei ihrer Immatriculation ein¬
zuhändigenden Studienplane zu Grunde zu legen ist
(Berücksichtigung der systematisch klinischen Vorlesungen, der
praktischen Uebungen am Krankenbette etc.)
5. Zur Annahme und zum Besuch von praktisch-klinischen
Vorlesungen (Kliniken, Vorlesungen und Cursen mit Benutzung
klinischen Materials) darf ein Studirender in der Regel (vorbehalt¬
lich von Dispensen, welche namentlich für Ausländer erforderlich
werden können) erst dann zugelasBen werden, wenn er die ärztliche
Vorprüfung vollständig bestanden hat.
ü. Für die medicinische Doctorpromotion wird folgendes fest¬
zusetzen sein:
a) Sie darf in der Regel (Dispensation muss Vorbehalten bleiben
z. B. wegen der Ausländer, der Thierärzte, welche sich an einer
tbierärztlichen Hochschule habilitiren wollen, vielleicht auch der
Zahnärzte etc.) erst nach erlangter ärztlicher Approbation erfolgen.
b) Sie darf nur erfolgen auf Grund
a) einer gehaltreichen Dissertation, welche im Druck unter
Angabe der Referenten veröffentlicht ist,
,i) einer strengen mündlichen und öffentlichen Prüfung.
7. Dem Unfug mit der Führung ausländischer Doctortitel ist
durch landesgesetzliche Bestimmungen nachdrücklich entgegen¬
zutreten.
Anlage A.
Anatomie und Physiologie der Urztlichen Vorprüfung.
1. Die anatomische Prüfung. Sie umfasst folgende Theile:
a) Die Präparation und Erläuterung einer Körpergegend. Für
die Präparation sind nicht mehr als fünf Stunden zu gewähren.
b) Die Präparation und Demonstration einer Körperhöhle.
c) Eine Prüfung über mehrere Themata aus der beschreibenden
Anatomie, unter Zugrundelegung fertiger Präparate.
d) Eine Prüfung in der Histologie, bei welcher fertige Prä¬
parate zu erläutern und einige einfachere Präparate herzustellen sind.
2. Die physiologische Prüfung. Sie betrifft:
a) Themata aus der gesammten Physiologie. Dabei ist Kenntniss
der Construction und Anwendung der für die Medicin wichtigen
physikalischen und physiologischen Apparate nachzuweisen.
b) Themata aus der physiologischen Chemie. Der Candidat
hat Kenntniss der wichtigen chemischen Verbindungen des Organismus
und Fertigkeit in der Anstellung derjenigen chemischen Unter¬
suchungen darzuthun, welche für die ärztliche Diagnostik von Wichtig¬
keit sind.
Anlage B.
Anatomisch-physiologischer Abschnitt der ärztlichen Prüfung.
I. Die anatomische und physiologische Prüfung soll in cur-
sorischer Weise feststellen, dass der Candidat die in der Vorprüfunz
nachgewiesenen Kenntnisse und Fertigkeiten festgehalten und während
der klinischen Studien zu verwerthen gelernt hat.
II. Die anatomische Prüfung bezieht sich auf Themata ans der
descriptiven und topographischen Anatomie, welche unter Benutzung
vorgelegter entsprechender Präparate abzuhandeln sind.
III. Die physiologische Prüfung bezieht sich auf die gesammte
Physiologie und physiologische Chemie; dabei wird die Kenntniss
der medicinisch wichtigen Apparate und chemischen Reactionen
ermittelt.
IV. Beide Prüfungen sind an zwei aufeinanderfolgenden Tagen
durch je einen Examinator vorzunehmen.
V. Für jede Prüfung wird eine besondere Censur ausgestellt.
Verlag von J. F. Lehmann ln München. - Druck der E. Müh 1 thaler'sehen k. Hof-Bnchtlruckerei in München.
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j»e Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindesten82Vü—3 Bogen.
Preis vierteijiihrlicli 6 praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 4 -
MÜJN CHENER
Zusendungen sind zu adresslron: Für die Redactiou
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. «0. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplntz 16.
MEDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bolilnger, D. Curschmann, C. Gerhardt, W. r. Helneke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F, i. Wlnckel, H. t. Zlemssan,
Freiburg l. B. München.
Leipzig.
Berlin.
Erlangen.
Nürnberg. Würzburg.
München.
München.
München.
M 26. 30. Juni 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz. Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann. Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
I
riisit
!
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iV
Originalien.
Zur Casuistik der Röntgen’schen Schattenbilder. 1 )
Von Dr. Oscar Vulpias,
Privatdocenten der Chirurgie an der Universität Heidelberg, Special¬
arzt für orthopädische Chirurgie, Heilgymnastik und Massage.
M. H.! Mit der wunderbaren Entdeckung Röntgen’» geht
es schon einigerniassen ebenso wie mit den anderen grossen Er¬
findungen unseres Jahrhunderts: Kaum sind sie gekannt, so werden
sie alltäglich, selbstverständlich.
Man gibt sicii mit der vor Kurzem noch unglaublichen That-
sache, dass man durch die Weichtheile hindurch Knochen sichtbar
machen kann, nicht mehr zufrieden, man verlangt scharfe unzwei¬
deutige Bilder.
Ich möchte darum eigentlich Bedenken tragen, diese Auf¬
nahmen zu zeigen, welche Herr Dr. Pr echt, I. Assistent des
hiesigen physikalischen Institutes, in liebenswürdigem Entgegen¬
kommen mit mir lierzustellen die Güte hatte. Allein, wenn sie
auch keineswegs technisch vollkommen erscheinen, so lassen sie
doch wohl einzelne interessante Einzelheiten und Befunde erkennen.
Und unter Umständen hat auch die Thatsache, dass Manches
nicht gesehen werden kann, ihre Bedeutung, insofern wir dadurch
auf die Grenze aufmerksam werden, über die hinaus sich unsere
Erwartungen bezüglich der praktisch-medicinischen Verwerthbarkoit
der Durchleuchtung nicht ausdehnen dürfen.
Die Hand war immer das Lieblingsobject der Röntgen-
Skiographen und aus guten Gründen. Die verhältnissmässig dünnen
Weichtheile setzen den merkwürdigen Strahlen wenig M iderstand
entgegen und erlauben andererseits ein beinahe unmittelbares Auf¬
liegen der Knochen auf der lichtempfindlichen Platte, die desshalb
ein scharfes Schattenbild aufweist. Die in Längsreihen ange¬
ordneten Knochen machen durch ihre ausserordentlich einfache
Form und Gelenkverbindung das Bild übersichtlich und klar.
I. Dementsprechend lässt die erste Aufnahme, die ich Ihnen
zeigen möchte', an Deutlichkeit nicht viel zu wünschen übrig.
Es handelt sich um die linke Hand eines 21 Jahre alten ManneB
mit einem angeborenen Defect des 2., 3. und 4. Fingers und der
ganzen Mittelhand. Rudimente von Daumen und kleinem Finger
inseriren am Carpus. ,
Das nebenstehende Schattenbild (Fig. I) 1 ) wurde durch eine
2 Minuten dauernde Exposition bei einer Entfernung der Strahlen¬
quelle von 30 cm und lu Amp. Stromstärke erhalten.
Es scheint einer rechten Hand zu entsprechen, ein Irrthum,
der bekanntem)assen beim Copiren entsteht, weil auf der Platte
nicht wie bei gewöhnlichen Photographien ein umgekehrtes Bild
festgehalten ist.
Deutlich und gut begrenzt sehen wir Radius und Ulna, sowie
die beiden Reihen der Handwurzelknochen. Am Hamatum ist ein
dunkler Ring ausgeprägt, er entspricht unzweifelhaft dem Hamulus,
dessen Corticalis in ihrer ganzen Länge den Gang der Strahlen
hemmt, während die Spongiosa im Innern des Fortsatzes dieselben
*) Nach einer Demonstration im naturhistor. medic. Verein
im Mai 1896. _ , . .
>) Die Bilder sind in halber natürlicher Grösse reproducirt.
leichter durchlässt. An das Trapez schliesst sich ein kegelförmig
No. 26.
zugespitztes Metacarpale I an und zeigt proximal eine deutliche
concave Gelenkfläche. Spitzwinklig zu seinem distalen Ende steht
eine nicht gelenkig
verbundene dünne Fig. 1.
Phalanx. Auf der
Ulnarseite der Hand¬
wurzel liegt ein
kurzer, dicker b.
Mittelhandknochen.
Zwischen diesen bei¬
den Metacarpal ien
nun befinden sich
die 3 Basaltheile der
fehlenden Mittel¬
handknochen als ab¬
gerundete, in nor¬
maler Weise mit
dem Carpus articu-
lirende Gebilde. Die
Existenz derselben
war palpalorisch un¬
möglich.
Wir kommen
also durch Studium
der Bilder zu einer
wesentlich genau¬
eren anatomischen
Kenntnis» der Dc-
fectbildung als es
die Betastung ge¬
stattete. Dass derartige Beobachtungen für die Auffassung solcher
Oligodactvlien von Belang sein können, liegt auf der Hand. Es
wird sich empfehlen, die
relativ seltene Gelegenheit
zur Autopsie und anato¬
mischen Präparation durch
Skiagraphien möglichst zu
ersetzen.
II. Deshalb erschien
mir ein Parallelfall, ein
18 jähriges Mädchen, von
'Interesse, den mir ein
Zufall wenige Tage später
zuführte.
Es hatte den An¬
schein. als wären hier eher
noch Reste des Metacarpus
vorhanden als beim Fall I.
Denn alle 5 Finger waren
durch bürzelförmige Wülste
angedeutet, der dem Dau¬
men entsprechende war
besonders ausgebildet. Das
Schattenbild (Fig. 2) kam
hei 30 cm Distanz der luft¬
leeren Röhre und 10 Amp.
Stromstärke nach 5 Min.
I: \ I .ositionsdauer zustande.
Die Handwurzelknochen sind recht schmächtig, aber vollzählig,
das Erbsenbein schimmert durch das Ulnare hindurch oder richtiger
gesagt, es verstärkt den vom Ulnare geworfenen Schatten.
Fig. 2.
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610
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
Der Metacarpus fehlt vollständig, mit Ausnahme eines
kugeligen Restes des 1. Mittelbandknochens. Ein ganz kleiner
Knochenkern scheint inmitten des Daumenrudimentes versteckt zu
liegen
Dass die Durchleuchtung des Fusses ungleich schwieriger und
unvollkommener ist, zeigt schon die bisher entstandene Literatur,
in der neben vielen und vielerlei Ilünden die Füsse nur überaus
spärlich vertreten sind. Die Veröffentlichung der Medicinalabtheiluug
dos königl. preußischen Ivriegsininisteriums bringt wohl 3 derartige
Bilder, die aber hinter den Wiedergaben des Handskeletcs an
Klarheit weit zurückstehen. Der Grund für diese Schwierigkeiten
liegt auf der Hand: Die Knochen
der Fusswurzel sind massiger, com¬
pacter, ihre Gelenkverbindungen aber
sind, zum Theil wenigstens, recht
complicirt. Die
sich desshalb vielerorts und sind
ungleich massig, weil die Knochen
in ihren einzelnen Theilen sehr
verschieden weit von der Platte
entfernt sind. Es bedarf desshalb
eines gründlichen Studiums des
Bildes und am Besten einer Ver¬
gleichung mit dem Skelet, um die
übereinander liegenden Schatten zu
analysiren und zu verstehen.
III. Anlass zur Durchleuchtung
des Fusses gab ein 28 jähriger Mann,
der vor einem halben Jahr aus einer
Höhe von 5—6 m auf die Füsse ge¬
stürzt war. Die damalige Diagnose
lautete auf supramalleoläre Fractur
beider Unterschenkelknochen, Split¬
terung der Tibia, Verschiebung des Talus nach hinten. Die Luxation
wurde reponirt, dann ein Gipsverband angelegt. Als nach einigen
Wochen letzterer entfernt wurde, erschien bei im Uebrigen guter Stel¬
lung das Sprungbein vielleicht noch eine Spur nach hinten verschoben.
Einige Zeit darauf wurde mir der Mann von der Berufsgenossen-
sebaft wegen hochgradigen Spitzfusses zugewiesen, der sich all¬
mählich entwickelt
Pi„ 4 und wegen sehr
behinderten Gehens
völlige Erwerbsun¬
fähigkeit bedingt
hatte.
Die Ferse sprang
etwas weiter nach
hinten vor als am
gesunden Fuss, der
vordere Rand der
unteren Tibiagelenk-
fiäche war deutlich
abzutasten, beide
Malleolen stark ver¬
dickt. Der Verdacht,
dass der Talus sich
noch immer in Sub¬
luxationsstellung
nach hinten befinde,
konnte durch das
Schattenbild (Fig. 3)
bestätigt werden.
Der Fuss, dessen
Umfang an den
Knöcheln 31 cm.,
dessen Dicke da¬
selbst 9 cm betrug,
wurde während
15 Minuten aus einer
Entfernung von
25 cm und unter der
oben erwähnten
Stromstärke in querer Richtung durchleuchtet. — Die Fibula tritt
scharf hervor, da sie der Platte zunächst lag, sie zeigt an Stelle der
Fractur eine Spalte und ist verdickt. Hinter ihr liegt schwächer
schattirt die Tibia. Dass der Calcaneus nach hinten verlagert ist,
springt sofort in die Augen. Derselbe läsßt seine innere Structur
insoferne erkennen, als nur ein schmaler Saum von Rinden-
Compacta einen ausgesprochenen Schatten geworfen hat, während
die Spongiosa sich recht durchlässig erwies. Die Verdickung der
Corticalis an bestimmten Stellen erinnert an die Wolff'sehen
Fournierschnitte.
Sehr gut ausgeprägt ist ferner der Processus anterior calcanei,
darüber die doppelt geschwungene Gelenklinie für den Talus. Der
oberhalb gelegene helle Fleck entspricht dem Sinus tarsi. An den
vorderen Fortsatz der Fersenbeins echliesst sich das Cuboid, daran
die Tuberositas metatarsi V. Ueber dem Calcaneus, zum Theil
überlagert von der dicken Fibula liegt nun der Schatten des Talus¬
körpers. Deutlich ist die durch die Subluxation bedingte Stufe
zwischen vorderem Tibiarand und Sprungbein zu erkennen. Der
Talushals- und Kopf liegt verschwommener in der Feme, seine
Articulation mit dem Xaviculare ist eben noch zu unterscheiden.
Das Bild war also wohl geeignet , die Diagnose zu sichern,
einen besonderen praktischen Werth hatte es indessen nicht, da
die Verhältnisse durch die Palpation bereits hinreichend bekannt
waren. Auch auf die Therapie hatte das Schattenbild keinen
bestimmenden Einfluss. Von ciuew
Repositionsversuch wurde von vorn¬
herein Abstand genommen und mit
Massage, passiver Dehnung, Gym¬
nastik, schliesslich unter Zuhilfe¬
nahme der Achiilotenotomie der
Spitzfuss beseitigt.
IV. Noch erheblich schwieriger
lagen die Verhältnisse bei einem
Fuss, der sieh wiederum als Pen¬
dantfall zum vorhergehenden zufällig
gleichzeitig mit diesem präsentirte
und als nach vorne luxirt erwies.
Der 50 jährige Mann war vor
einem Jahre vom Wagen geschleu¬
dert und zwischen denselben und
einen Baumstamm eingeklemmt
worden. Es wurde eine complicirte
Fractur der Fibula diagnosticirt, der
Knochen reponirt. worauf die Wunde
glatt heilte. Doch blieb Patient
ausserordentlich behindert im Gehen.
Der Fuss fiel wogen seiner Fersenlosigkeit auf, an der Fibula
war von einer stattgehabten Fractur nichts zu erkennen, eine Narbe
entsprach dem distalen Ende des Knochens. Bei der ersten flüchtigen
Untersuchung, welche durch Oedem der Knöchelgegend erschwert
war, wurde angenommen, dass eine supramalleoläre Fractur vor¬
liege, die mit Dislocation des unteren Fragmentes und damit des
ganzen Fusses nach
vorne geheilt sei.
Das Schatten¬
bild bei transversaler
Durchleuchtung
zeigt andere Verhält¬
nisse, die dann durch
die Autopsie in vivo
bestätigt wurden.
Der Umfang der
Knöchelgegend be¬
trug 27 cm, der
Durchmesser 8 cm.
Es wurden zwei ver¬
schiedene Auf¬
nahmen gemacht,
indem einmal die
Fibula, das andere
Mal der Innenrand
des Fusses der Platte
zugewendet war. In
der ersterwähnten
Position dauerte die
Durchleuchtung
15 Minuten bei einer
Distanz von 25 cm
und einer Strom¬
stärke von 10 Am¬
pere (Fig. 4.)
Von dem ver¬
schwommenen
Schatten des zurück¬
liegenden Schien¬
beins bebt sich scharf der Schatten der Fibula ab. Unter dem
hinteren Ende der Tibiagelenkfläche besteht eine Lücke da,
normalerweise der Talus sich befinden sollte. Das Fersenbein ist
ähnlich scharf contourirt, wie es bei Fall III beschrieben wurde,
man sieht deutlich seine starke Verschiebung nach vorne, so dass
sein Processus posterior nur wenig die hintere Tibiakante überragt.
Ueber dem Processus anterior bezeichnet eine etwa dreieckig ge¬
formte helle Stelle den ebenfalls nach vorne verlagerten Sinus tarsr
Darüber ist ein starker und begrenzter Schatten, der unzweifelna
dem luxirten Talus angehört, welcher nach vorne und etwas naeö
oben verschoben ist. Innerhalb dieses Schattens sieht man eine
besonders dunkle viereckige Partie, die sich an den vorderen
Fibularand anschliesst, entsprechend — um dies gleich hier * u
rig. 5.
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30. Jom 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
611
erwtthnen — einem flachen, von der Aussenseite der Tibia ab¬
gerissenen Knochensplitter.
Das andere, dem inneren Fussrande xugehörende Bild (Fig. 5)
_ Expositionsdauer 12 Minuten, Distanz 22 cm — zeigt natürlich
die Tibia in kräftigen Tönen, während das Wadenbein in den
Hintergrund getreten ist. Die unterste Ausladung des Malleolus
internus fehlt, und da auch der Talus der Malleolargabel entschlüpft
ist, so bezeichnet ein dreieckiger heller Fleck die hier gelungene
Durchleuchtung. Zum Theil von der Tibia überlagert, zum Theil
dieselbe nach vorne überragend, liegt ein massiger viereckiger
Schatten, offenbar vom Talus geworfen. Ein abgerundetes 8tück
desselben vor der Tibia könnte dem fehlenden Stück des Malleolus
internus entsprechen. Der Processus anterior des Calcaneus ist
durch einen lang nach vorne ausgezogenen 8chatten angedeutet,
im Uebrigen ist das Fersenbein durch Loslösung der Gelatineschicht
beim Fertigstellen der Platte verschwommen.
Aus beiden Bildern geht also klar hervor, dass es sich um
eine Luxation des Fasses nach vorne mit Abreissung des unteren
Endes des inneren Knöchels handelt, obwohl ein deutliches, scharf
contourirtes Bild des Sprungbeines nicht erhalten wurde.
Interessant war nun die Controle des Bildes durch den bei
der blutigen Reposition erhobenen Befund.
Zum Zweck der Einrenkung wurde die Fibula nach Kocher
bogenförmig amschnitten, wobei sich die eine Peroneussehne als
durchrissen erwies, die andere angescblungen und durchtrennt wurde.
Man 8tiess zunächst auf einen flachen beweglichen Knochen, der
als Splitter der Talusaussenfläche angesehen und entfernt wurde.
Er gehörte indessen, wie sich nachher zeigte, der Aussenfläche des
Schienbeines an und war mit dem Talus nach vorne gerissen worden,
während die wunde Tibia mit der Fibula synostotisch verschmolz.
Dieser 8plitter hatte offenbar den beschriebenen viereckigen Schatten
in Figur 4 erzeugt. Die Orientirung war immer noch schwer, endlich
wurde die völlig nach vorne und oben luxirte Talusrolle aus schwie¬
liger Narbenmasse freigelegt. Die Umwälzung des Fasses nach innen
war recht mühsam. Nachdem sie gelungen, wurde mit dem Meissei
so viel von der Tibia in einer von vorne unten nach hinten oben
ansteigenden Ebene abgetragen, bis die Reposition des Talus mög¬
lich schien. Ein letzter, von einem grossen Knochensplitter an der
Innenseite des Talus herrührender Widerstand musste durch Ex¬
stirpation desselben von einem inneren Längsschnitt aus beseitigt
werden. Dieser Splitter gehörte dem Malleolus internus an und war
mit dem Talus nach vorne und oben dislocirt.
Nunmehr gelang die Reposition leicht, es bestand keine Neigung
zu Relaxation.
Der autoptische Befund entsprach also durchaus der Diagnose
und auch in Einzelheiten dom Schattenbild. Dass ein klares Bild
des Talus nicht hatte erhalten werden können, war nun begreiflich,
da die Knochen beiderseits von grossen flachen Splittern der Tibia
überlagert war.
Ueberblicken wir die beschriebenen Fälle nochmals, so müssen
wir sagen, dass an der Hand die Durchleuchtung in der That eine
werthvolle Ergänzung unserer, durch Palpation gewonnenen Er-
kenntniss gebildet hat und gewiss auch in vielen anderen Fällen
bilden kann und wird.
Am Fus8 aber haben wir kaum mehr als eine Bestätigung
unserer Diagnose erhalten. Sind schon normale Verhältnisse nicht
leicht im Bild wieder zu erkennen wegen der eomplicirten Zusammen¬
setzung des Fussskeletes, so wird die Deutung um so schwieriger,
je verwickelter der Zustand nach einer Verletzung, insbesondere
z. B. nach einem Splitterbruch sich darstellt; also gerade dann,
wenn die Palpation uns droht im Stiche zu lassen, wird auch die
Durchleuchtung mangelhaft und unzureichend.
Aber nicht nur der zu durchleuchtende Körpertheil macht
uns namentlich bei pathologischen Veränderungen beträchtliche
Schwierigkeiten, auch die zum Gelingen erforderlichen technischen
Einrichtungen setzen zunächst wenigstens unserem Können eine
Grenze. Insbesondere sind es die Röhren, auf die alles ankommt,
die aber in der nöthigen Güte schwer zu beschaffen sind. Die
käuflichen Röhren sind zumeist ungenügend, und den Minderwerth
einer Röhre durch verlängerte Expositionsdauer ersetzen zu wollen,
hat sich als vergebliches Bemühen herausgestellt. Aber auch die
in einem entsprechend eingerichteten physikalischen Institut her¬
gestellten Röhren sind wenig haltbar und werden durch den Gebrauch
sehr rasch abgenützt.
Diese technischen Hemmnisse zu überwinden, ist zunächst
wenigstens noch nicht sicher gelungen, und damit sind auch für s
erste der klinischen ausgedehnten Erprobung Schranken gesetzt.
Ob nach erreichter Vollendung des Verfahrens aber auch die vorhin
angedeuteten körperlichen Schwierigkeiten beseitigt werden können,
No. 96.
ob das Verfahren bei oomplicirten Fällen, also gerade da, wo es
angewendet werden sollte und grossen diagnostischen Werth besäase,
nicht versagt, muss die Zukunft lehren.
Zur Hygiene der Kleidung 1 ).
Von Prof. H. Büchner.
M. H. I Es ist Ihnen wohl bekannt, dass, nach einigen schon
früher vorausgegangenen physikalischen Versuchen an Kleider¬
stoffen von anderer Seite, Pettenkofer zuerst die Function der
Kleider vom hygienischen Gesichtspunkte aus klarlegte und zu¬
gleich die Richtung bezeichnetc, in welcher sich die experimentellen
Prüfungen zu bewegen hatten. Von ihm selbst und von seinen
Schülern und Mitarbeitern sind denn bereits eine Reihe von Unter¬
suchungen ausgeführt worden, deren Ergebnisse ich bei Ihnen als
bekannt voraussetzen darf. Dabei blieb aber noch Manches, so¬
wohl in Bezug auf das physikalische Verhalten der Kleiderstoffe,
als auf die physiologischen Verhältnisse unerledigt, und da ist es
denn ein grosses Verdienst von Professor Max Rubncr, der
zuerst in Marburg, dann in Berlin im Laufe der letzten Jahre,
zum Theil in Gemeinschaft mit tüchtigen Mitarbeitern, eine ganz
ausserordentliche und erfolgreiche Mühe auf die Erledigung dieser,
zum Theil strenge physikalische Methoden erfordernden Fragen
verwendet hat. Die Hygiene der Kleidung ist dadurch ganz un-
gemein vervollständigt worden und dies veranlasst mich dazu,
einiges von den Resultaten Kühner's und seiner Mitarbeiter,
sowie einiges weitere daran anschliessende, was für die praktische
Beurtheilung eben von besonderer Bedeutung erscheint, Ihnen hier
in Kurzem mitzutheilen.
Seltsamer Weise sind wir erst in neuerer Zeit uns darüber
klar geworden, ob denn gute, warmhaltende Kleidung überhaupt
einen objeetiven, nachweisbaren Nutzen gewährt oder nicht. Da
inan zur kalten Jahreszeit gar manche Personen, die eben dess-
halb als «abgehärtet)' bezeichnet werden, in verhältnissmässig
recht leichter Kleidung einhergehen sieht — namentlich unter den
Militärs sieht man im Winter gar nicht selten solche, denen der
Dienstmantel am Sonntag Nachmittag nicht flott genug vorkommt —
so möchte die Idee wohl annehmbar scheinen, dass es überhaupt
nur auf die Angewöhnung ankommt und dass gute, warm¬
haltende Kleidung eigentlich nichts ist als ein Luxus, den der
Abgehärtete sich ohne Weiteres zu ersparen vermag.
Wie nahe diese Idee von vorneherein lag, beweist der Um¬
stand , dass noch im 2. Band des Archivs für Hygiene eine
Arbeit thatsächlich diese Auffassung auf Grund von Versuchen
vertritt, indem sie zu dem Schlüsse gelangt, dass der bekleidete
und unbekleidete Mensch gleiche Wärmemengen abgeben und
dass nur im ersteren Falle die Haut reich von Blut durchströmt
und warm, in dem anderen dagegen durch Contraction der Haut-
gefässe blutleer und kalt sei. In diesem Falle wäre allerdings die
Kleidung ein purer Luxus, da, falls die Wärmeabgabe nach Weg¬
lassen derselben nicht grösser wird, der Mensch ohne besonderen
Nachtheil auch seine Kleidung wieder ablegen und sich im adami-
tiseben Zustand müsste begnügen können. Ich glaube, ein solcher
Versuch würde aber schlecht ausfallen und bald wieder aufgegebeu
werden müssen und zwar desshalb, weil die gemachten Voraus¬
setzungen thatsächlich irrig sind.
Das Verdienst, dies unwiderleglich nachgewiesen zu haben,
gebührt Rubner’s Schüler und Mitarbeiter Rumpel. Ich will
aus der Kette seiner Beweisführung nur zwei Punkte anführen.
Zunächst macht er darauf aufmerksam, dass, falls die Kleidung
des Menschen keinen Werth für die Wärmeökonomie hätte, dies
auch beim Haarkleid der T hie re, beim Pelz, welcher das natür¬
liche Analogon zur menschlichen Kleidung darstellt, nicht der Fall
sein könnte, d. h. mit anderen Worten, es müssten Thiere mit
gleicher Behaarung in kälteren und wärmeren Zonen gleich gut
existiren können. Nun sehen wir aber in Wirklichkeit, dass die
Natur, die nichts Unzweckmässiges thut, ganz anders verfährt und
dass sie vielmehr überall die Dichte der Haarbekleidung nicht nur
dem Klima des Landes, sondern sogar den wechselnden Jahres¬
>) Vortrag, gehalten im
13. Mai 1896.
ärztlichen Verein tn München am
9
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müncheneu mepioinische w ocggracgRgT :
No. 26
612 ___
leiten auf das genaueste anpasst XVhieren aus
künstlichen Klimaänderungen bei Verpflanz g bemüht,
heissen Ländern in kalte und «»fl*** “ wird berichtet,
das Haarkleid entsprechend deni Sudan und
dass Merinoschafe, die man an den « ’ ihre Wolle voll-
Tripolis einführte, in diesen hel8sen Fell erwarben,
nach dem
während umgekehrt Kameele una xj zot tiges Fell ge-
r “ he ° Si» a ” d DrJr ™n Ve dem mcehaniachen Znsammenhang
80 stehen wir beinahe aweJeM in der
Aber man kennt von ähn dasselbe überhaupt läugnen
Natur doch schon zu viele Beisp , ^ einem golchen Anlass
et ich —«
:t »srsit:
stimmten Temperatur z. B. 15 • , That in
gegebenen Wärmemengen verhalten, ob dieselben m de •
befden Fällen gleich sind, oder ob die Kleidung Warme sparend
tirkt Der Ausführung steht hauptsächlich der Kostenpunkt ent-
£gen, ausserdem allerdings auch die Schwierigkeit,
parate ohne wesentliche Fehler durch unbeabsichtigt WMnMo
functionstüchtig herzustellen. Aus diesen Gründen hat Rump
seine Versuche an einzelnen Körperthe,len angestellt, und in der
That erlaubt ja eine solche Versuchsanordnung einen ganz sicheren
Schluss, da nicht abzusehen ist, wcsshalb der
in Bezug auf seine Wärmeabgabe sich anders verhalten sollte, a
seine einzelnen Theile. Das von Rumpel für den Arm verwendete
LufVcalorimeter kann ich Ihnen hier vorzeigen. Dasselbe
gestattet, die Wärmestrahlung des Armes, der sich unter ga .
normalen physiologischen Bedingungen im
des Apparates befindet, im nackten und bekleideten >Swtajd «n
der eintretenden Luftexpansion direct zu messen. Die Strahlung
aber erlaubt, da Leitung und Verdunstung unmöglich mi geg
theiligen Sinne das Resultat beeinflussen können, einen Schlus*
auf die Gesammtwärmeabgabe des Armes und damit auf die G
sammtwärmeabgabe des Körpers. , ,
Da zeigt sich nun stets, dass die Gesammtwärmeabgabe des
nackten Armes viel grösser ist, als jene des bekleideten.
Rumpel hat das für verschiedene Lufttemperaturen untersucht
und gefunden, dass zwischen 7 und 21° C. die Minderung der
Wärmeabgabe beim bekleideten Arm im Mittel 25 33 Proc.
gegenüber dem nackten Arme beträgt. Die Wärmeabgabe vom
Körper bleibt also keineswegs die gleiche im bekleideten und un¬
bekleideten Zustand, sondern dem nackten Körper wird mehr
Wärme entzogen. Um diesen Verlust auszugleichen und die nor¬
male Bluttemperatur aufrecht zu erhalten, ist der Organismus aber
gezwungen, auf dem Wege der sogenannten chemischen W ärme-
regulation durch gesteigerte Zersetzung von vorrätigen INah-
rungsstoffen ein Plus an Wärme zu erzeugen. Die weitere, böige
ist vermehrtes Nahrungsbedürfniss, entsprechend dem Mehrverbrauch
an Calorien. . rr „k
Jene andere Art der Wärmeregulation, welche durch Herab¬
setzung des Blutgehalts und der Circulation der Hautgefltsse an
Wärmeregulation, vermag zu verhüten, wie man früher
VOn i d ubt l°.tL VWmeh“ toben wir da hm» ™ l,ort "
geglaubt hatte. Fällen in Wirksamkeit tntt, also nur
beMf . der n. - ■und der »clbst dann -
dann, wenn es u Abhilfe niemals aber einen normalen
sSFif!'!«
i *■ jS teigerung der Zersetzungsgrösse,
regulatmn demnach ganz bestimmt sagen Die Kleidung
,, . , „ ine den Wärmeverlust herabsetzende Wir-
f 8 Me " 8 e “leX« Id u—, die Wdnneregulatinn,**
kung, sie hlnss etwa ein Verweichlichungs-
W frÄr ££ " uns zweifellos spar«, sie
mittel der , . • hem Werth, namentlich dann,
wenn dieTahrngsmittel entweder aus finanziellen Gründen oder
-»-rrÄ “■ * -
Mer ^rTd:t.—• Werth und Netzen gr
Kleidung f ür ^ *-
dies ganz von selbst zu der l?rage. • « a bedarf
Xu«« «tAffit den Vorzug verdienen vor den dichten, wenig«
STrjÄ-s r^i=
Wärmeleiter, und in der That kann ja kein Zweifel sein, dass
- Tn ch rsfd™
2 S-ETS. ä «--*
von 1 Quadratdecimeter des Stoffes unter
Dicke und mit Vernachlässigung des Gewichts der dann enthalte m
Luft berechnet. Rubner bat in dieser Weise eneBÄ^
Bestimmungen ausgeführt, welche ergeben dem
Gewicht der verschiedenen Stoffe zwischen dem und
Wollflanell und den schwersten, den glattgewebten
Leinenstoffen um das 7fache, von 0,09 bis 0,6 Elementar-
Mau könnte denken, dass die verschiedene Natur der Bl ^ ^
bcstandtheile der Gewebe hiebei eine Rolle spiele, .
Tr in geringem Maasse der Fall, da Woll-, Baumwoll- und Lernen
r: - jsfs
lockerer Gewebe besitzt, während die gleiche ige
besondere der Leinenfaser vollständig abgeht. Technik
Selbst die lockersten Kleidungsstoffe, welche an
erzeugt, erreichen übrigens an Porosität und 8^ , ange
Leichtigkeit bei gleichzeitig grossem Wurnie8C p eU der
nicht dasjenige, was in diescr Beziehung * betrügt
Thiere leistet. Das specifische Gewicht der Pe ^ ^
nach Rubner im Mittel nur 0,05, also fast nu tt iger,
jene» zon Flanell. Her Wäraeachutz ,at W*-»
und dabei bleibt das Gesammtgewicht dieser natürhe B
ein verhältnissmässig ungemein geringes. Beim nur
weise beträgt das Gesammtgewicht der glatt abrafflr WinterkleidnDg
1,4 Proc. vom Körpergewicht, während unsere eut licli
reichlich 10 Proc. vom Körpergewicht ausmacht, oh
mehr zu leisten als der Pelz der Thiere. höheren
Die porösen Stoffe würden uns übrigens einen noen
Wärmeschutz gewähren, wenn die Luft, dieser sc ec
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30. Jam 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
618
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leiter, in den Poren des Gewebes sich in Stagnation befände.
Das tbut sie bekanntlich nicht, da vielmehr durch die Temperatur-
diffcrenzen sowie die Athembewegungen des Thorax veranlasst,
ein ständiger Luftwechsel stattfindet. Dadurch geht Wärme aus
dem Kleiderstoff heraus, auf der anderen Seite werden aber
wesentliche hygienische Vortheile für die Lüftung unserer Körper-
uberfläche auf diese Weise erzielt, so dass wir diese Eigenschaft
der guten Luftdurehgängigkoit keineswegs als einen Nachtheil der
porösen Gewebe zu betrachten gewohnt sind. Wie gross die
Unterschiede in dieser Beziehung zwischen den verschiedenen Ge¬
weben sind, darüber hat Kühner Ermittelungen angestellt. Er
fand bei einer gleichmässigen Luftströmung, die einem constanten
Wasserdruck von 0,34 mm entsprach, dass durch gleichdicke
Schichten von Tricot- oder Flanellstoff 5 bis 5 V* mal mehr Luft
hindurchtrat, als durch glatt gewebten Baumwollstoff.
Auf einen anderen Umstand, der die besondere Qualification
der Wollstoffe als Wärmeschutzmittel, abgesehen von ihrer
Eignung zur lockeren Verarbeitung, des weiteren bedingt, hat
ferner erst Rubner in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit gelenkt,
indem er das specifische Wärme leitungsvermögen der
Grundstoffe mittels des Stephan ’sehen Calorimeters genauer
prüfte, als dies bis dahin geschehen war. Dabei ergab sich dann,
dass die verschiedensten Wollsorten, Kameelwollc, Kuhhaare, Ross¬
haare, Menschenhaare, Eiderdaunen, kurz alle diese, aus Keratin
bestehenden, von Warmblütern stammenden Horngebilde, an sich
und abgesehen von ihrer Verarbeitung zu Geweben, ein fast ganz
gleichartige» Leituugsvermögen besitzen. Ebenso besteht
andererseits fast absolute Uebereinstimmung im spccifischcn Wärme¬
leitungsvermögen zwischen Baumwolle, Holzwolle und Flachs, kurzum
zwischen den verschiedenen Pf 1 a n ze n fas erga t tu n ge n. Da¬
gegen ist der Unterschied zwischen Säugethierhaaren einerseits und
Pflanzenfasern andererseits ziemlich beträchtlich, indem erstere nur
9 mal, letztere dagegen 27 mal so gut die Wärme leiten, wie Luft.
Seide leitet 17 mal so gut, steht also in der Mitte zwischen beiden.
Das erklärt also auch zum guten Theil, wesshalb die Woll¬
stoffe sich solcher Beliebtheit als Wärmeschutzmittel erfreuen, zum
Theil auch, wesshalb die Wollstoffe bei Berührung mit der blossen
Haut sofort das Gefühl der Wärme erzeugen, im Gegensatz zu
baumwollenen und namentlich leinenen glattgewebten Stoffen. Zum
andern Theil liegen diese Unterschiede aber noch in ganz anderen
Dingen begründet. Da hat nämlich Rubner auf eine sehr
wichtige Eigenschaft der verschiedenen Gewebe hingewiesen, welche
in ihrer Oberflächenbeschaffenheit gegeben ist, in der
Zahl der Berührungspunkte, welche ein Unterkleidungs¬
stoff mit der unterliegenden Hautfläche besitzt, weil hievon die
Grösse der Wärmeleitung abhängt. Je weniger Berührungspunkte,
um so geringer muss die Wärmeleitung ausfallen, da die zwischen¬
liegende Luftschichte wenigstens relativ als Isolator wirkt. Das
gilt namentlich, wenn der Stoff von Schweis» durchnässt ist, aber
es gilt auch schon im trockenen Zustand.
Die Oberflächenbeschaffenheit der verschiedenen
Kleiderstoffe kannte man bisher nur nach dem Ansehen und Be¬
tasten. Rubner hat neuesten» den sehr zeitgemässen Fortschritt
des Studiums mikroskopischer Durehschnittsbilder
durch die verschiedenen Kleiderstoffe angebahnt. Die Gewebe
werden in Celloidin eingebettet, dann in gewöhnlicher Weise in
mikroskopische Schnitte zerlegt, die letzteren endlich bei schwacher
Vergrösserung untersucht.
Es ist dies eine sehr wichtige Ergänzung unserer bisherigen
Kenntnisse über die Kleidungsstoffe. Bisher konnte man zwar die
Porosität eines Kleidungsstoffes im Ganzen bestimmen, also das¬
jenige feststellcn, was man beim Kleidungsstoff wie beim Boden
als «Porenvolum» bezeichnet. Aber bei gleichem Poreuvolum
kann doch die Art der Hohlräume eine sehr verschiedene sein.
Das nämliche Porenvolum kann in dem einen Falle durch lauter
gleichmässige m i t te 1 g rosse Hohlräume bedingt sein, im anderen
durch wenig zahlreiche, aber sehr grosse Hohlräume.
Im letzteren Falle werden die Fäden des Gewebes zu dichteren,
gröberen Fadenbündeln vereinigt sein, das Gewebe wird mehr den
Charakter eines einfachen Netzwerks aus straffen Fäden annehmen,
wie dies z. B. bei den meisten Leinentricots zutrifft, während
im anderen Falle lockere Fadenbündel vorherrschen, zwischen
deren Einzelfäden an und für sich schon zahlreiche Lücken vor¬
handen sind. Diese letztere Beschaffenheit weist immer auf eine
Grundsubstanz von grosser Elasticität hin, sowie es gute
Wolle ist, während ein bloss künstlich gelockerter Stoff, dessen
Elasticität wenig naebbaltend ist, sich stets durch stellenweise
dichte Lagerung in einzelnen Fäden ’ verräth. Diese Unterschiede
können für Luftdurchgängigkeit, Wärmeleitung, namentlich aber
für das Verhalten zum Schweisse, auf das wir noch zu sprechen
kommen, nicht ohne Belang sein.
Namentlich aber lässt sich aus den mikroskopischen Durch¬
schnitten unmittelbar die Oberflächenbeschaffenheit,
namentlich die Grösse des directen Contacts mit der
Haut abnehmen. Je mehr Contact aber, umso grösser ist der
Wänneverlust an den Berührungspunkten, was bei Stoffen, die
eine grosse Contactfläche darbieten, wie z. B. glattes Leinen, schon
beim Aufbringen auf die Haut durch die entstehende Kälte¬
empfindung sich kund gibt. Noch wichtiger ist die Contactgrösse
bei durchfeuchteten und durchnässten Stoffen. Die
elastischen und rauhen Kleidungsstoffe behalten hier die Contact-
flächcn bei, welche an sich klein sind und wenig Wörme leiten.
Die wenig elastischen Stoffe klatschen an der Haut fest, vermehren
den Contact und erhöhen in enormem Maasse den Wärmeverlust.
Man weiss, dass die aus Leinen hcrgestellten Gewebe
besonders in die Categorie dieser wenig elastischen Stoffe fallen,
weil es kaum möglich scheint, die Leinenfaser dauernd in einem
aufgelockerten Zustand festzuhalten und zu einem Gewebe zu
verarbeiten. Es gibt aber doch einen Leinenstoff, der den Be¬
dingungen einer geringen Contactgrösse entspricht. Schon die
grobe Leinwand, das sogen. Bauernleinen, verhält sich in dieser
Beziehung anders und günstiger, als das gewöhnliche glatte Leinen.
Besonders geringe Contactgrösse aber bieten die sogenannten
« Frotti r Stoffe », welche eigentlich dazu bestimmt sind, um
nach Bädern die Haut in energischer Weise nicht nur trocken
zu reiben, sondern durch den mechanischen Reiz zugleich zur
Reaction an zu regen. Diese Frottirstoffe bestehen aus einer, wohl
meist baumwollenen, einfach glattgewebten Grundlage, aus welcher
bürstenartig dichtgedrängte, starke Leinenfäden senkrecht hervor¬
ragen. Wenn man sich die letzteren mit ihren Endigungen an
der Hautfläche anstehend denkt, so haben wir einen Stoff, der
nur an verhältnissmässig wenig Punkten mit der Haut in Contact
tritt, während zwischen den bürstenarrigen Leinenfäden eine grosse
Menge von Luft eingelagert bleibt, welche die Ventilation an der
Hautoberfläche erleichtert.
Freilich wird man nur mit einem gewissen Schauder daran
denken, dass ein solcher Frottirstoff überhaupt als Unterkleidungs¬
stoff Verwendung finden könnte, und in der That kann es sich
ja nur um Ausnahmsfälle, nicht um ein normales Tragen handeln.
Aber eben für solche Ausnahmsfälle, nämlich für verschleppte
Fälle von katarrhalischen Zuständen der Bronchien, bei denen
grosse Empfindlichkeit gegen Erkältungen besteht, habe ich Unter
jäckchen aus derartigem, übrigens nur einseitig, nicht wie gewöhn¬
lich doppelseitig, hergestelltem Leinenfrottirstoff schon manchen
Personen mit Nutzen empfohlen und ich möchte Sie auffordern,
auch ihrerseits in geeigneten Fällen derartige Versuche anzustellen.
Es wäre denkbar, dass die Leinenfaser bei dieser eigenthümlichen
Anordnung, indem sie auf die Hautoberfläche zugleich eine etwas
stärkere mechanische Einwirkung austibt, als dies die Wollfaser
der Unterkleider gewöhnlich thut, eben desshalb einen Vortheil gegen¬
über der letzteren für gewisse besondere Fälle darbieten könnte.
Die an sich so wichtige Oberflächenbeschaffenheit der KleidungB-
stoffe gewinnt eine besondere Bedeutung dann, wenn die Stoffe
in Folge von Schweissbildung durchnässt sind. Ueberhaupt
legen wir unwillkürlich bei den Unterkleidungsstoffen ein ganz
besonderes Gewicht darauf, wie sich dieselben zur Schweissbildung
verhalten. Fast bei aller, nur etwas lebhafteren, körperliehen
Thätigkeit kommen wir dazu, wenigstens in geringen Mengen und
wenigstens an bestimmten Hautstellen, die dazu prädisponirt sind,
Sch weiss zu bilden. Da nun aber die wärmeschützende Function
eines Kleiderstoffes im durchnässten Zustand sich in ihr diametrales
Gegen theil verkehren kann, da ein durchnässter Stoff, anstatt uns
zu schützen, sogar die Wärmeabgabe gegenüber dem naektoo Zu-
a*
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«mmnBNKR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT:
sl a»d »och erhöht, » kostet cehr ™, toanf *», wie »ich ein j -*
M s-rÄ ä t l:
den anderen überlegen. *" b “" Ara durch Bu Das
.„ehe «» Calorimeter nachgew»en, da» tam Arm
-- s
SrÄÄ™ wen»* ihr ZWC.C rer
rJÄissr-* - ~ s
^^rÄ^'^rhei«, Oranrcr ha. «ta die | i»t
Gross e der Schweissbildung Ermittelungen angestellt, in- .
dem er im Schweisse ausgeschiedene K o c h s a 1 z als Maassstab bn
ISS«t5SöE£:
eines Baumwollsockens am anderen Fusse, unter g«cI ^
dingungen gleiche Schweissmengen producirt werden, •
S S sich denn nun die auffallende Thatsachc, dass wollene pi
BekSunStoff-gleichviel ob die Versuche bei Ruhe, mittlerer h,
oir tarker Arbeit, angestellt wurden - immer um etwa 30 l>roc. m
wen g e r Schweissbestandtheile enthielten, als baumwollene, seidene .
2r leinene. Das ergab sich am deutlichsten für die Socken, aber *
im Wesentlichen ebenso auch für die Unterhemden.
Diese merkwürdige Erscheinung, die man zunächst gar nicht
begreifen kann — da doch unmöglich unter einem wollenen bocken k
überhaupt weniger Schweiss gebildet werden kam.*
baumwollenen oder leinenen - klarte sich auf, als Crarncr_d
Versuche in der Weise modificirte, dass er a ” em e ' en I ^ ,
einen Wollsocken und darüber einen Baumwollsocken anzog am
anderen Fuss aber innen die Baumwolle und aussen die 1
^“^Bei^widcrbolten Versuchen «teil« »ich »un mit aller lävidenz ,
heraus, dass Baumwolle, wenn sie unmittelbar auf der Haut
getragen wird, fast den ganzen Schweiss auf saugt und
festhält, während Wolle im Gegensatz einen grossen Theil der
Schweissbestandtheile hindurch passircn lässt und an die
überliegende äussere Schicht abgibt. ,, I
Wir haben da also eine neue Eigenschaft der wollenen Enter- I
kleidung, die aber offenbar mit einer längst bekannten Eigentüm¬
lichkeit der Wollstoffe wesentlich zusammenhängt, mit der Eigenschaft,
sich im Wasser schwer zu benetzen. Jede Hausfrau weiss aus
Erfahrung, dass Flanell sich nur schwer mit dem Wasser befreundet,
und wenn wir ein Flanellstückchen und zugleich Stückchen von
Baumwoll- oder Leinenzeug auf Wasser werfen, so können wir
uns jederzeit davon überzeugen, dass das erstere bei weitem langer
an der Oberfläche schwimmend bleibt, als letztere.
Man könnte glauben, dass dies mit einem gewissen hett- 1
gebalt der Wollfasern, aus denen der Flanell besteht, Zusammen¬
hänge. Allein auch bei vollständigster Entfernung jeder Spur
von Fett im Soxhiet’sehen Extractionsapparat zeigt sich die
gleiche Erscheinung. Daun hat man gesagt, die Wollstoffe be¬
netzten sich desshalb so schwer mit Wasser, weil eben die Woll¬
fasern k c i n e A f f i n i t ä t zum Wasser besitzen. Da ist es aber
dann merkwürdig, dass zum hygroskopischen Wasser gerade |
die Wollstoffe grössere Affinität besitzen und unter gleichen
Bedingungen mehr davon einlagern, als leinene und baumwollene
Stoffe.
Desshalb halte ich diese Erklärung für verfehlt und bin im
Gegentheil davon überzeugt, dass der Wolle trotz alledem eine
beträchtliche Affinität für Wasser innewehut >und dass nur prak¬
tisch nichts davon zu verspüren ist, weil die Wollfaser gleichzeitig
eine noch grössere Affinität für atmosphärische Luft
besitzt und letztere an ihrer Oberfläche so energisch festhält, dass
cs dem Wasser schwer wird, diese Luftschichte zu verdrängen und
die Wollfaser wirklich zu benetzen.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ist nicht
schwer zu erbringen. Wir haben nur nöthig, die Luft von der
Oberfläche der Wollfaser auf irgend einem Wege zu entfernen
- dnnn eine»
I) “d°er m That e de“ f Ml. Allerdings wird eine »mliche Enerpc
ÄS “
»Ä: Sh “«»re«“ Benetzung durch W»»er zu
anhaftend, als0 eine „ Kunstgriff anwenden, wir
verhindern. d Oberfläche der Wollfaser durch
£“ tatet .1» Luft und der zugleich wieder leicht zu entfernen
I • F u- i Stoff ist der leicht verdunstende Schwefel-
1 ' 8t ' er'" Tauchen wir ein Flanelktück in Schwefcteth» und
! "• es dann unter die Glocke de, Lnftputepe, » vertatet
Aether und da nun keine Luft vorhanden r»t, tun B.ch von
on Hpr Oberfläche der Wollfasern anzusammeln , so lasst
em an der Oterfläche de ^ Flanellstück nun jeder-
tT*—b« -fort benetzt und
ald auch, seiner Schwere entsprechend, m demselben unter-
t Machen wir den gleichen Versuch nicht unter.dem Re¬
iten der Luftpumpe, sondern in der ^‘.en Atmo^häre, so g^
-t er auch, aber nur in einem gewissen Zeitmoment. Wmf
^ das äthergetränkte Flancllstück sofort auf Wasser, so bleibt
schwimmen Ebenso ist das der Fall, wenn man zu lange
/artet Wenn man aber genau den Augenblick erräth, wo der
ther fast vollständig aus dem Flanellstück verdunstet ist, ohne
s die Luft bereits Zeit gehabt hätte, von der frei gewordenen
erfläche der Wollfasern wieder Besitz zu ergreifen, dann benetzt
h der Flanell und sinkt im Wasser unter.
Man kann den Versuch auch in der Vleise modificiren, da^
anstatt de» Vacuntns die Verdunstung de» Arthcr» ,n ™
asser Stoff -Atmosphäre vor sich gehen lässE Auch i
.Ile sinken die Flanellstückchen sofort im un ’
weist, dass zwischen Wollfaser und W«nkju ^cnfalls
,r eine geringe Anziehung besteht. Dagegen gelingt der er
eh nicht in einer Leuchtgas-Atmosphäre, was-darauf sch ic
ä8 t dass die schwereren, kohlenstoffhaltigen Bestandteile d
Tuchtgls von der Wollfaser stärker als Wasser a^ezogen
erden. Ferner auch kann man be, den Versuch«, d e » des
ethers durch Xylol oder Benzin ersetzen also durch •
eiche an und für sich zum Wasser gar keine Verwandtst!
asitzen und dennoch die Wollfaser wasserliebend “>^en
Mir scheint dieser Zusammenhang der Dinge von Inter^ .
a er uns einen neuen Einblick in die
linrichtuugeu eröffnet. Offenbar ist die WasserfeindlichkeU der
•elzbekleidung der Thicre für deren Wärmeökonomie von grösster
ledeutung. Das Sprichwort von der «getauften Mau^ kennte
licht umsonst den Zustand, in welchen ein Thier bei vollständ^
)urchnässung seiner Haarbekleidung geräth, als ein J
laften. Die Wasserfeindlichkeit der Epidermoidalgebilde zu erhöh
st die Natur in vielen Fällen schon durch Fettabsonderung te
strebt. Nachdrücklicher und allgemeiner aber erreicht« d
Aufgabe nicht durch Schaffung an sich wasserfemdheher .toff ,
andern indem sie den Horngebilden eine aussertirHenthtihc A ff
tät für die atmosphärische Luft verlieh, womit
gleiche Zweck erfüllt werden konnte.
Kehren wir nach dieser Abschweifung nochmal zum Ver
halten der Kleiderstoffe bei der Schweissbildung ^ r ück
greifen wir jetzt auch die Anfangs so überraschende Erschei^o,?
der Weiterbeförderung der Schweissbestandtheile durc
Stoffe. Ein Gewebe, das Flüssigkeiten so ungerne, so rigWb
gleichsam nur gezwungen annimmt, weil es eben n
anhaftenden Luftschicht überzogen ist, wirkt nicht du
attraction in den engeren Poren auf Flüssigkeiten ansaugend. V*
Flüssigkeit vertheilt sich daher ziemlich gleichmässig
ganzen Stoff bis an dessen äussere Begrenzungsfläche,
er hier von einem anderen gut aufsaugenden Stoff, von . n
oder Leinen bedeckt und mit letzteren in Contact is , »
diese wasserliebenden Stoffe bestrebt sein, dem 0 s n
Theil seines Wassergehalts und damit auch der darin ge
Schweissbestandtheile zu entreiBsen.
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30. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
616
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rt ’- :
5
Damit hängt unn die Erscheinung zusammen, die aus der
Erfahrung längst bekannt ist, dass Leinenhemden verhältnissmässig
schnell beim Tragen verschmutzen, während die Wollhemden gerade
auch desshalb so grosser Beliebtheit sich erfreuen, weil bei ihnen
selbst durch eine wochenlange Tragezeit die sicht- und riechbare
Verschmutzung noch immer nicht zu einer unerträglichen Höhe
sieh anfsammelt. Leinen und Baumwolle saugen eben begierig
die ankonunende Feuchtigkeit auf und halten dieselbe in unmittel¬
barer Nähe der Hautflftche, gleich in den innersten Schichten des
Stoffes, fest, so dass es hier bald zu einer stärkeren Anhäufung
von organischen Schweissbestandtheilen und damit auch zur bacte-
riellen Zersetzung kommt. Bei der Wolle wird alles vertheilt und
ausgebreitet, und der Nährboden ist desshalb weniger concentrirt.
Man könnte im Zweifel sein, welcher Zustand hygienisch als der
vortheilhaftere sich darstellt, da Leinen-Unterwäsche von selbst zu
ihrer öfteren Reinigung drängt, während in der Wolle die Be¬
dingungen der Zersetzung sich langsamer und allmählicher ent¬
wickeln.
Jedenfalls, und damit kommen wir sohliesslich noch auf eine
Hauptsache, besitzt das geschilderte Verhalten der Wollstoffe noch
in anderer Richtung wesentliche Vortheile. Offenbar werden ja
nicht nur die gelösten Schweissbestandtheile im Wollstoff gleich-
mässig vertheilt und nach aussen abgeleitet werden müssen, sondern
es wird das vor Allem auch für das Wasser selbst gelten. Die
Folge davon wird aber sein, dass die innerste Schichte des Stoffes,
die unmittelbar an der Hautoberfläche anliegt, immer verhältniss-
mäsgig trockner und daher auch im durchfeuchteten Zustand
weniger wärmeentziehend bleibt als bei anderen Stoffen.
Ein solcher Kleiderstoff, der bei Durchfeuchtung an der
Körperoberfläche das Wasser rasch wieder nach aussen leitet, wo
es unmerklich verdunsten kann, muss aber für unser Wohlbehagen
ideal sein, und das erklärt denn, wie ich glaulie, vollständig die
allgemeine Werthschätzung, deren sich die wollenen Unterkleider
namentlich bei allen Jenen, die viel körperlichen Anstrengungen
ausgesetzt sind, allgemein erfreuen.
Was geht nun aus allen diesen theoretischen Erklärungen
für die Praxis schliesslich hervor? Ich glaube, wir können
in der That einen bestimmten Schluss ziehen, indem wir
sagen: gerade die besonders luftliebenden und desshalb
wasserfeindlichen Elementarstoffe müssen für die Unter¬
kleidung einen erhöhten Werth besitzen. Solche Stoffe, welche
den Schweiss in sich selbst gleichmässig vertheileu und nach
aussen ableiten, werden an der Hautflüche am ehesten ein behag¬
liches Gefühl aufrecht erhalten und gegen Erkältungen Schutz
bieten. Wir müssen also consequenter Weise die Affinität für
Luft bei den Kleiderstoffen noch erhöhen, die Wassorfeindlichkeit
noch steigern, und das können wir durch die bekannte wasser-
dichtelmprägnirung, denn diese beruht auf nichts Anderem,
als auf Herstellung besonders stark luftliebender Ucberzüge bezw.
Niederschläge auf den Gewebsfasern.
So seltsam der Vorschlag klingen mag, so empfiehlt sich den¬
noch der Versuch, nicht nur die Ueberkleider, bei denen man es
ja längst zum Schutz gegen Regen mit grossem Vortheil thut,
sondern auch die unmittelbar auf der Körperoberfläche zu tragenden
Unterkleider wasserdicht zu imprägniren. Ja die Empirie
scheint bereits ganz von selbst auf etwas derartiges gekommen zu
sein. Wenigstens wurde dem hygienischen Institut vor einiger
Zeit von einem Herrn Roman B a u t z in München *) Flanellstoff
zu Unterjäckchen zur Prüfung übergeben, mit der Angabe, dass
derselbe in besonderer Weise imprägnirt sei. Die Hauptabsicht
bei dieser Imprägnirung bezieht sich allerdings darauf, den Stoff
vor dem Einschrumpfen oder Einlaufen bei Behandlung mit
kochendem Wasser zu behüten, und diese Absicht wird in der
That, wie wir uns bei angestellten Versuchen überzeugten, voll¬
ständig erreicht. Der Flanellstoff des Herrn B au tz geht in der
Wäsche nicht ein und verliert demgemäss auch nicht an Luft¬
durchgängigkeit, eine Eigenschaft, die ohne Zweifel als sehr werth¬
voll zu bezeichnen ist. Ausserdem aber dürfte mit dieser Im¬
prägnirung wohl auch eine erhöhte Wasserfeindlichkeit gegeben
“in, und hierauf dürften dann vielleicht jene übrigen Vortheile
a ) Zweibrückenstrasse 9/0.
No. 86.
zu beziehen sein, welche Herr ßautz seinem Producte nach¬
rühmt, von dem er behauptet, dass es, als ausschliessliches Leib-
geträge, ihn seit Decennien vor Erkältungen, Rheumatismen u. s. w.
vollkommen bewahrt habe. Wie erwähnt, schiene es mir ganz
rationell, geradezu absichtlich waaserfeindlich imprägnirte Wollstoffe
zur Unterkleidung zu verwenden. Freilich würde erst die Er¬
fahrung in einer solchen praktischen Angelegenheit das letzte
Wort sprechen können, und so möchte ich denn zum Schluss die
verehrten Herren Collegen auffordem, sich gelegentlich einmal mit
praktischen Versuchen nach den angedeuteten Gesichtspunkten zu
beschäftigen.
Kurze Bemerkungen über Trichorrhexis nodosa.
Vorläufige Mittheiluug von Dr. Barlow, Privatdocent in München.
Während früher Uber die Ursache der Trichorrhexis nodosa
zumeist die Anschauung herrschte, dass es sich um Ernährungs¬
störungen in den Haaren handle, neigt heute die allgemeine An¬
sicht mehr dazu hin, der Krankheit einen parasitären, contagiösen
Ursprung zu vindiciren.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, den supponirten Krank¬
heitserreger zu züchten. Soweit mir die Literatur bekannt, hat
zuerst 1891 Raymond (Recherches sur la Trichorrhexis nodosa,
Ann. de Denn, et de Sypli. 1891 ,ß p. 568) bei Trichorrhexis
nodosa an den weiblichen Genitalien einen Diplococcus cultivirt,
den er für den Erreger der Krankheit hielt. Impfungsversuche
an Meerschweinchen blieben resultatlos.
1892 hat dann Blaschko, wie mir derselbe brieflich mit-
zutheilen die Güte hatte, gelegentlich eines Vortrags «Ueber die
Hygiene der Barbierstuben>; (Berl. klin. Wochensehr. 1893, p. 841)
Culturen eines Mikroorganismus aus Trichorrhexishaarcn des Bartes
demonstrirt. Im gedruckten Vortrag findet sich kein Hinweis auf
das Bacterium.
1894 gewann Menahem Hodara (Monatshefte für prakt.
Dorm., Bd. 39, p. 173) aus Trichorrhexis nodosa capillitii einer
Constantinoplcr Frau den «Bacillus multiformis trichorrhexidis»
und hatte mit demselben angeblich einen positiven Impferfolg auf
dem Kopfhaar eines 15 jährigen Mädchens.
Spie gl er, welcher die in Rede stehende Haarerkrankung
im Barte, angeregt durch Hodara, bacteriologisch untersuchte,
gibt an, das gleiche Bacterium wie Hodara gefunden zu haben
und ebenfalls positive Impferfolge aufweisen zu können (Wiener
med. Blätter 1895, p. 599).
Endlich hat Essen (Arch. f. Derm. u. Syph., Bd. 33, p. 514)
aus Trichorrhexis des Bartes ein Bacterium erhalten, welches
wesentlich vom Hodara' sehen Mikroorganismus verschieden
ist und mit dem er ebenfalls einen positiven Impferfolg gehabt
haben will. Nur waren merkwürdiger WeiBe in den erkrankten
Haaren des Geimpften die gelegentlich der Impfung häufig und
in grossen Mengen aufgestrichenen Pilze nicht mehr zu finden.
In 3 Fällen von Trichorrhexis capillitii fand E ssen den Bacillus nie.
Betrachten wir nun in Kürze die Art, wie die einzelnen
Autoren ihre Reinculturen gewannen. Raymond übertrug die
Haare direct in Agar und bekam auf diese Weise seine Culturen.
B 1 a s c h k o’s Methode ist nicht näher bekannt. Hodara legte
die Haare 5—6 Tage in absoluten Alkohol und überpflanzte die¬
selben dann direct in Agar. Er behauptete, dass bei dieser
Methode alle saprophytischen Coccen zu Grunde gingen und nur
der‘Trichorrhexisbacillus allein sich lebensfähig erhalte, so dass er
in der Lage gewesen sei, aus den Alkoholhaaren direct seine Rein-
cultur zu gewinnen. Spiegler verfolgte das gleiche Verfahren
wie Hodara. Daboi ging ihm gelegentlich neben dem eigentlichen
Erreger aber auch eine Species von Bacterien in den Culturen
auf, die nicht infectiös war. Essen wusch den Bart mit Alkohol
und brachte die Haare dann in Bouillon, von wo aus er nach
7 Tagen Verdünnungen anlegte. Späterhin spülte er die Haare
nur mit sterilem Wasser ab und übertrug dieselben dann auf das
Nährmedium, 1 Haar auf jedes Röhrchen. Zumeist machte er
Gelatineculturen. Wie es scheint, hat er dann späterhin, nachdem
in der Umgebung der Haare in den Röhrchen eine reiche Bactericn-
entwickelung eingetreten war, Plattenculturen angelegt.
8
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616
Münchener medicinische woeggNsegmT.
No. 26.
„ . •_ a „i, nn «eit ft Jahren erkrankter
• dfrTdürften wohl für den Bacteriologen selbe Trichorrh^is aufwiM, w>^ (a über die Hygiene der
Als durchaus einwandfrei dürf ^ lleincu i turen ange- Bart. BUschk ( eben8 olchcn Pinsel bei einem an
die oben beschriebenen, zur L Sf^Lfen Das Resultat sind Barbieretuben ») h C ollegen gesehen und aus demselben den
wandten Methoden kaum des Trichorrhe-s wie aus den Haaren
denn auch, wie aus dem obigen herv g g verBC hiedene Bac- gleichen Mikroorga aa lf e ld (in der Anmerkung des Yor-
Blaschko’schen ^rganmmuis 4 d ria che der Trichorrhexis «fin ähnlichen Fall erlebt. Dergleichen hat
terienarten, die von ihren yom Bla8C hko'- trag« «tot) hat « f Derm. 1895) erwähnt dass er
nodosa angesehen werden J n ™ _ worden ist) abj
nodosa angesehen werden. e e ^getrieben worden ist, ab,
sehen Bactenum, welch«Arten,
so bleiben immerhin noch 8 endefc worden , dass als be-
Nun wird mir allerdings g . . ang esehen werden
weisend doch wohl die ^ ; geschmolzenen Gclatinecultur
müssen. H o d a r a bestneh m,t einer ^ namont)ich an den
die Kopfhaare eines 15]lhnff» Mähens en T he ile n.
Spitzen, nur theilweise an den der Wurzel näher ge g
Nach 3 Tagen bereits traten angegeben.
nV^die Siegle rächen Inflationen habe ich nähere Angaben
Verlaufe reu 8 M—
men dass er g mit 2 malige r Unterbrechung von
Ta üSl? Tagen deu reieMeh gewachsenen Belag einer ganaen
LllI seines Bacteriums nicht mit der Sicherte« ausgedrhekt, wie
SPi t'LT d ,ieh°nTn r :ohl gewiss nicht ”***£
ÄT = ?
55? ä. r. Ä
££ ÄÄ- tdl^f h £
und dass er Fälle geheilt habe einfach durch Abschneiden der
gebrochenen Haare und Vermeidung künftiger mechanischer Insulte.
Wolfberg erklärt das häufige Befallenem der Barthaare im
Gegensatz zu den Kopfhaaren damit, dass entere Haare am dicksten
sind und die sprödeste Bindensubstanz aufweisen. , ,
Raymond, welcher der mechanischen Tbeone Wolf aber gs
nicht im Mindesten gedacht hat, gibt an, dass die Haare des Mons
Veneris bei Weibern in seinen Fällen fast durchweg frei gewesen seien
unddass sich die Erkrankung hauptsächlich an den
und in etwas geringerem Grade gegen die Genitd^heukelfalte
zu localisire. Besonders stark war das der Fall bei dicken, un-
reinlichen Freuen, voa denen über 60 Proc. Aff«t.un
wiesen Auch die Genitalhaare eines Mannes hat Raymond
untersucht und dort die Erkrankung vorzugsweise am berotum
und an den Genitalschenkelfalten gefunden. Der Mons Veneris
war hier ebenfalls frei. Es sind also nach Raymond stets die¬
jenigen Partieen befallen, an denen die Haare den meisten mecha¬
nischen Insulten ausgesetzt sind- Da, wo diese letzteren, wie am
Mons Veneris, weniger häufig und stark einwirken können, zeigt
sich auch die Erkrankung nicht. ,
Es dürfte nach diesen Beobachtungen von Raymond und
Wolfberg wohl nicht mit absoluter Sicherheit auszuschlicssen
sein dass die mechanischen Insulte bei der Impfung mit an dem
späteren Auftreten der Affection Schuld sein können, zumal wenn
man das Essen'sehen Experiment mit seinen häufagen Ein¬
reibungen betrachtet.
Eine sehr bedeutende Stütze scheint allerdings der parasitären
Theorie aus einer höchst eigenthümliclien Beobachtung zu erwachsen.
Ravencl in Charlestem (Med. News. 29. October 18»2, Cife. nach
Blaschko) hat eines Tages gesehen, dass sein Rasierpinsel die-
trags citirt) hat einen " f Derm 1895 ) erwähnt, dass er
Jadassohn (On*» Haarbürste einer Patientin gefunden habe,
Tnchoirhexis an de ^ Dieser letztere Autor hat meiner
deren Kopfhaare be Schlussfolgerungen an die mitgethcilte
Erinnerung J** h ke, J DJ 8 ^cten des Congresses sind leider noch
Thatsache geknüpft. ( d her au f mein Gedächtniss
nicht erschienen , mh m ^ ^ Grund ^ Beobacbt ung
ln di es sich um eine Uebertragung der Erkrankung
angenommen, da ? “ - nael geband elt habe und glaubt, dass
vom Barte auf den p , ,. i} ar hierstuben verbreitet werde,
die Trichorrhexis nodosa “Entlieh zweier Fälle von Trichorrhoxis
i flurf m^^innbart^^K^ötchenbildung und Auf-
nodosa des Schnurr- d betreffenden Patienten
faserung auch an den Ba ’^XrosZ Episch in nichts von dem
nachweisen können, welche , . , > • b babe mich in
Bilde der erlr ££ H^c -Wr.eh e TOhmen An-
är — «4” £ Ä
auf Trichorrhexis zu untersuchen. Zu me,1,em ^ wolche
fand ich an meiner schon stark verbrauchten Nagelbürste,
stets nur-mit meinen Nägeln in Berührung gekommen war, ^ ^
sehr starke Trichorrhexis nodosa, die nukroak°P»o ^
Affection bei Menschen ganz identisches Bild^ erg b.M*
ich in meinem Rasierpinsel, der ebenfalls sch
ist, reichlich Knötchen gefunden. Ausser ferner noch
kann ich noch eine ältere Zahnbürste eines r^hm
3 Bartbürsten von jungen Leuten mit lang , ‘ , aber der
Barte auf weisen, bei denen wohl die alte . b abe i c h überall
Bart Knötchenbildung aufweist. Selbstverständlich BQrgteCi
die befallenen Borsten mikroskopisch untersucht. A
deren ich eine grosse Zahl durchgesehen habe, fand ch y *
Knötehenbildung nie, so dass es mir durchaus sehe , ^
ob das Zustandekommen der Auffaserung an ^ ^
eine häufig wiederholte Knickung hCTbeigefübrt^rd ^ ^
zuerst die äusseren Schichten und bei wiederhol^ ^
die inneren auffasern. Man kann dies beim zu
grösseren Zahl von Borsten deutlich in einzelnen Uebcrgä
Gesicht bekommen. . ^möglich,
Auf Grund dieser meiner Beobachtungen is _ Menschen
an die Uebertragbarkeit der Trichorrhexis n bestärkt
auf Bürsten vorläufig zu glauben. In dieser n erwäbnU >n
mich noch eine weitere Erwägung. Keinem „ bee8C hnittene
Autoren ist es trotz verschiedener Versuche gelunge , Wenll
menschliche Haare mit den gewonnenen Culturen zu ^ j^tc
nun das Contagium derart ansteckend wäre, dass nur
Schweinsborste, welche vielleicht häufig, aber doch unm
ninitiypH h\/
rZooali
30. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
617
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sehr kurz mit den erkrankten Haaren in Bortlhrung kommt, in-
ficirt würde, so wäre cs gar nicht zu begreifen, warum nicht
das todte menschliche Haar, welches im Experiment doch mit
viel massenhafteren angeblichen Krankheitserregern in Berührung
kommt, auch angegriffen werden sollte.
Ich möchte daher meinen, dass auf Grund der oben er¬
wähnten Angaben von Wolfberg und Raymond das mecha¬
nische Moment beim Zustandekommen der Krankheit am Lebenden
vielleicht eine nicht kleine Rolle spielt und es leuchtet mir durch¬
aus ein, dass dabei irgendwelche primär nicht näher bekannte
Ernährungsstörungen die Haare durch eine besondere Brüchigkeit
und Trockenheit zu den Auffaserungen und Knötchenbildungen
disponiren. In dieser Ansicht bestärken mich Angaben von
Bärensprung (Charifce-Ann. 6. Heft II, 8. Heft HI, Haut¬
krankheiten, 1859, pag. 112) und Michelsohn (Sammlung
klinischer Vorträge von Volkmann, 1877), welche beide auch
bei Alopecia areata und Herpes tonsurans gelegentlich dieselben
Erscheinungen an den Haaren wie bei der Trichorrhexis fanden.
Denn dass bei diesen beiden Krankheiten Ernährungsstörungen
der Haare vorhanden sind, wird ja wohl füglich nicht bestritten
worden. Gelitten haben ja bei Trichophytie innerhalb der Plaques
nicht nur die durch den Pilz befallenen Haare. Dass eine nach¬
trägliche Einwirkung beliebiger Bacterien, wenn sich die Mikro¬
organismen in den aufgefaserten Stellen festsetzen, die Sache
vielleicht noch schlimmer machen mag, will ich gerne zugeben.
Nun ist freilich mit diesen Auseinandersetzungen lange nicht
alles erklärt und es wird sich einfach darum handeln, die Züch-
tungs- und Impfexperimente aus trichorrhexischen Haaren häufig
zu wiederholen. Mir selbst ist in 2 Fällen von. Trichorrhexis des
Kopfhaares (deren einen ich dem Collegen Pctersen verdanke,
der andere betrifft eine Südrussin aus der Krim) und 2 Fällen
von Barterkrankung niemals etwas gewachsen, obgleich ich nach
den ersten Misserfolgen die Alkoholwirkung auf die Haare nur
auf 24 Stunden ausdehnte. Aus unvorbereiteten Haaren wuchs
natürlich ein Gemisch der allerverschiedensten Coccen und Bacillen,
mit dem absolut nichts anzufangen war.
Negative Untersuchungen wie die meinigen sind ja freilich
nicht absolut beweisend und es ist jedenfalls noch auffällig, wenn
Hodara angibt, dass in Uonstantinopel die Trichorrhexis capillitii
der Frauen ein sehr häufiges Leiden darstelle, während sie im
Barte sehr selten sei. Wir wissen allerdings nicht, in welcher
Weise die Türkinnen ihre Haare behandeln; möglich, dass die
Haarpflege an der ganzen Sache schuld ist. Ich erinnere nur an
die Piedra, eine Affcction, die doch von Vielen auf die höchst
eigentümliche Haarpflege einiger südlicher Länder zurückge¬
führt wird.
Diejenigen Schlüsse, die icli vorläufig aus dem, was über die
Aetiologie der Trichorrhexis mitgetheilt worden ist, machen möchte,
sind etwa folgende:
1. Der parasitäre Ursprung der Trichorrhexis nodosa ist vor¬
läufig noch nicht zwingend bewiesen. Sicheres über die Aetiologie
wissen wir zur Zeit nicht.
2. Es ist sicher unrichtig, eine Uebertragbarkeit der Trichor¬
rhexis nodosa vom kranken Haar auf die todte Schweinsborste
ohne weiteres für die Fälle von Ravcnel, Blaschko, Saal¬
feld und Jadassohn anzunehmen, da sich ganz typische
Knötcheubildung und Auffaserung auch an Bürsteu findet, welche
niemals mit kranken Haaren in Berührung gekommen sind.
3. Das mechanische Moment bei der Entstehung der Trichor¬
rhexis nodosa ist, wie die Erfahrungen von Wolfberg und
Raymond und die Beobachtung lehren, dass nur viel gebrauchte,
nicht aber neue Bürsten die Affcction auf weisen, nicht ausser
Acht zu lassen.
4) Inwieweit Ernährungsstörungen der Haare primär zum
Zustandekommen der Krankheit eine Rolle spielen, ist vorläufig
nicht zu constatiren. Wahrscheinlich ist es jedoch, dass solche
vorhanden sind.
Anmerkung: In einem weiteren Falle von Trichorrhexis
capillitii bei einer Dame ist es mir ebenfalls nicht gelungen, aus
den Haaren etwas zu züchten; obwohl ich ausser der Alkoholmethode
auch das von Jadassohn bei Herpes tonsurans angegebene Ar¬
gentumverfahren angewandt habe.
Aus der medieinischen Klinik des Herrn Geheimrath
Professor Riegel in Giessen.
Neue Beiträge zur Bedeutung der Mundverdauung.
Von Dr. Georg Sticker
Privatdocent und Assistent der Poliklinik in Giessen.
(Schluss.)
ni. Mund verdauung und M ilohsäurebild ung.
Ueber die Beziehung der Mundhöhlenverdauung zum Auf¬
treten von Milchsäure im Magen sagen meine Untersuchungen
folgendes aus: Der Speichel als Secret bat mit der
Milchsäurebildung aus Amylaceen unmittelbar nichts
zu thun; mittelbar soviel, dass er aus Amylum die milchsäure-
fähigen Substanzen bereitet. Aber der Durchgang der
Amylaceen durch die Mundhöhle hat fast ausnahms¬
los die Bildung von grösseren oder geringeren Milch¬
säuremengen zur Folge.
Ein Probebissen, der keine Milchsäure enthält, gekaut und
eine Zeitlang der Brutwärme überlassen, wird stets nach einer
viertel, nach einer halben oder nach mehreren Stunden sauer
durch starke Milchsäurebildung. Ein Probebissen, im Mörser zer¬
stampft, mit Speichel vermischt und mit etwas Wasser angerührt
ist in wenigen Minuten ein Herd lebhafter Milchsäurebildung.
Je reiner der Mund ausgespült, je reiner der Speichel aufgefangen
worden ist, desto weniger Milchsäure entsteht in gleichen Zeit¬
spannen aus seiner Vermischung mit gebackenem oder zu Kleister
gekochtem Amylum. Isolirtes wirksames Ptyalin verzuckert Stärke
bei Abschluss des Gefässes durch Watte ohne Milcbsäurebildung.
Der Filterrückstand des Speichels wirkt schwächer saccbarificirend aber
deutlicher milchsäurebildend als der filtrirte Speichel. Ein Tropfen
des milchsauren Speichelst&rkegemischs genügt, um 50 ccm 1 oder
2 proc. Stärkekleister in wenigen (3—6) Stunden in Milohsäure-
gährung zu versetzen.
Salzsäurczusatz von 0,05 proc. und mehr verlangsamt oder
unterdrückt die Milchsäurebildung in jenem Gemisch noch kaum.
Nach alledem ist wohl nicht dem Speichel sondern den
Miller’ sehen Mundbacterien die Milchsäurebildnng znzuschreiben,
Da die meisten Zwiebacke und Brodsorten überhaupt Milch¬
säure enthalten, sind die Versuche, wenn es sich um feine Proben
mit geringen Speichelmengen und nicht um grobe quantitative
Unterschiede handelt, mit frischem Stärkekleister vorzunehmen.
Ausserdem müssen stets neben den Speichelproben Controlproben
mit Wasser angestellt werden.
Das einfachste und sicherste Verfahren, Milchsäure in Ver-
dauungsgemischen uachzuweisen, ist die Probe von Uffelmann
mit Eisenchlorid, besonders in der von K e 11 i n g angegebenen
Modification oder von Strauss getroffenen Verbesserung. Das
hat wieder Langguth in der hiesigen Klinik bestätigt. Aber
man thut gut, sich vor Täuschungen durch die Farbe des Eisen-
rhodanids dadurch zu sichern, dass man das Rhodankalium, welches
in allen Speichelgemischen nachweisbar ist, mit einigen Tropfen
Sublimatlösnug ausfällt.
Die Frage, ob es im Magen ein Milchsäurestadium gibt oder
nicht, hat namentlich seit van den Velden’s Mittheilung
vielen Streit verursacht.
Nichts ist leichter als in der ersten Stunde nach einer grossen
Brodmahlzeit Milchsäure im Magen nachzuweisen. Dawider ver¬
mögen auch die Angaben von Martins und Lüttke (Die Magen¬
säure des Menschen S. 1 6G ff.) nichts. Nichts ist schwerer als
nach kleinen Brodmah 1 Zeiten, und seien sie von vornherein noch
so sauer durch Milchsäure, die letztere im Magen des Gesunden
wiederzufinden. Menschen mit der leichtesten motorischen In-
sufficienz des Magens können keine 3 oder 4 Zwiebacke essen,
ohne dass ihnen die Milchsäure im Magen in wenigen Minuten
lästig wird, während ganz Gesunde eine grössere Anzahl vertragen
und V*—V« Stunde nach der Aufnahme nur Spuren von Milch¬
säure mehr beherbergen. Nichts ist angewöhnlicher als Milch¬
säure im Magen des Gesunden einige Stunden nach dem* Mittag¬
essen auf der Höhe der Verdauung za der Zeit wo freie Salz¬
säure in deutlicher Menge vorhanden ist, selbst wenn das Individuum
die Kartoffeln und die Fleischspeisen mit saurem Rahm zubereitet
8 *
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6 IS
Münchener medizi nische Woch enschrift.
No. 26
und Bnttermilchsupp« und den »»»erate» Moselwein hinan-
gen Tr PrTge, warum die mit der Nahrung eingofiihrte und in
der Mundhöhle gebildete und im Magen weitererzengte Milchsäure
t den meisten Fällen sofort oder wenigstens nach kürzer Z. *
Magen verschwunden ist. weichen die Autoren aus. Sie ist nicht
s^w”*■«- Zucker, Pepton, Alkohol kur, «.
ri£:rT»Tr“^
ZuckeTu s. w. auch die Milchsäure im Magen. Wenn Stagnation
gleichzeitig besteht, ist die Milchsäureanhäufung durch Weiter
£mng doppelt begünstigt und fast unbegrenzt ist sie wenn
endlich noch ein Minderndes der Salzsäuresecretion hinzukommt
und so die Gährungserreger freies Spiel haben.
Das Erbrochene enthält — selbst bei Ulcuskranhen tas
immer Milchsäure; wenn es nämlich, wie das ja meis ‘
ist — im ersten Stadium der Magenverdauung herausgeworfen
worden ist oder einem durch seine motorische und secretonsche
Insufficienz der übermässigen Milchsäurebildung günstigen un
der Resorption ungünstigen Magen entstammt
Mangelnde Resorption ist also die Bedingung,
welche das n or mal er W eise spärli che Auf treten und
flüchtige Verweilen der Milchsäure im Magen ins
pathologische Uebermaass steigert und motorische
und secretorische Insufficienz des Magens sind die
Factoren, welche die im Munde beginnende, durch
Bacterien bewirkte Milchsäurebildung im Magen
zu ausserordentlicher Höhe gedeihen lassen.
Referate und Bücheranzeigen.
Wilhelm Erb: Die Therapie der Tabes. Samm
lung klinischer Vorträge. No. 150.
Getreu seiner, mit Zahlen jetzt wohl unanfechtbar begrün¬
deten Auffassung, dass die Tabes fast ausnahmsos ■»ne P«rt-
syphilitische Erkrankung ist, hält Verfasser die antiluetische Therapie
(Schmiercur mit allgemein tonisirender Behandlung) als der Indica io
causalis genügend, für die wichtigste und erfolgreichste. Von
schädlichen Einwirkungen war nach seinen Erfahrungen so gu
wie niemals etwas zu bemerken, dagegen konnte in der Mehrzahl
der Fälle eine mehr oder weniger deutliche Besserung des Leidens
constatirt werden. , , T ,. ..
Die grosse Anzahl der im Laufe der Zeiten theils der Indicatio
morbi, theils der Indicatio symptomatica entsprechenden Arznei¬
mittel und Heilmethoden, wie z. B. Argentum mtricum, Sus¬
pension, Hydro- und Elektrotherapie, Behandlung mit Organsäften,
werden von Erb einer kritischen Besprechung unterzogen und
diejenigen, welche einer wissenschaftlichen Empirie .Stand halten
konnten, empfohlen.
Es ist dankbar zu begrüssen, dass aus so reichen Erfahrungen,
und von einer so berufenen Feder wie derjenigen Erb’s, dem
Arzte Rathschläge zu Theil werden, wie er gegen diese traurige
und langwierige Krankheit mit vielseitigen Hilfsmitteln lindernd,
ja in manchen Fällen bessernd ankämpfen kann.
L. R. Müller-Erlangen.
0. Bollinger: Atlas und Grundriss der patho¬
logischen Anatomie. In 120 farbigen Tafeln nach Originalen
von Maler A. S chm i t s o n. 2. Heft. München, Verlag von .1. b.
Lehmann 1896. .
Die 2. Lieferung des Bolli nger ’ sehen Atlas ist der Dar¬
stellung der Krankheiten der Respirationsorgane gewidmet und ent¬
hält 14 colorirte Tafeln und 54 Seiten Text.
Die meisten Tafeln auch dieser 2. Lieferung zeichnen sich
durch vorzügliche Ausführung und grosse Naturtreue aus; dabei
ist die Auswahl der Objecte eine derartige, dass die verschiedenen
Krankheitsprocesse fast stets in höchst prägnanter Weise zur Dar¬
stellung gelangen. Besonders gut gelungen sind die Tafeln von
Tuberculose des Kehlkopfes, Glottis-Oedem, croupöser Pneumonie,
chronischer Lungcntuberculose und krebsiger Pleuritis; die Dar-
Stellung der käsigen Pneumonie ist geradezu als meisterhaft zu
bezeichnen ^ ^ wüngchen8werth , wenn die acute Miliar-
. u Ti der Lungen durch eine bessere Abbildung ersetzt würde.
Auch ! Staubinhalationskrankheiten scheinen dem Mm«
etwa« au kur« gekommen au »in ; ror allem verdiente die Cha
f„r durch eine Volltefel darbte,1. au
die Knötchen der Pleura, als namentlich auch die oft so hoch
gradigen und höchst charakteristischen Veränderungen des Lungen-
mrenchyms in noch anschaulicherer Weise illusteren sollte. Dafür
Xen vielleicht, um die Anzahl der Tafeln nicht zu erhöhen die
Tafeln 23 und 26 über chronische Stauungshyperämie und congestive
Hyperämie der Lunge zu entbehren, zumal gerade diese tato
Obiccte so ausserordentliche Schwierigkeiten für naturgetreue W eder-
gabibieten, dass selbst dem geübtesten Künstler es schwer fallen
dürfte den bei der anatomischen Untersuchung allerdings recht
auffälligen Unterschieden bei der künstlerischen Ausführung ...
prägnanter Weise Ausdruck zu verleihen.
In dem kurzen Texte, welcher sich wiederum durch seine
CT osse Klarheit und Präcision der Schilderung auszeichnet, finden
f ucU nicht illustrirte Krankheiteprocesse kurze Berücksichtigung.
Demselben ist eine Anzahl höchst instructiver Zinkographieen von
KronfStenosen der Trachea beigegeben.
Endlich bringt die vorliegende Lieferung als N“hte»g zum
1 Heft 2 gute Tafeln über fettige Degeneration und L.pomatose
1 • " o Hauser,
des Herzens.
H Laneerhans, Prosector am Krankenhause Moabit-
Bcrlin: * Grundriss der pathölegischen Anatomie ! ür Sitm
dirende und Acrztc. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin
1896. Verlag von S. Karger.
Wen» von 2 Werke», die demselben Zweck dienen, »nd <b.
denselben Titel führe», wie der Grundriss der patholopteho. Am
temic von Längerhens »nd der von Schmaus,
Zeit neue Aullageu erscheinen, so müssen be.de
speciellen Bedürfnis» entsprechen. Be* haben d “ Th “ ““
ihre vollständig eigene Berechtigung. Während das Schmaus selie
Werk in der Hauptsache das Product vieljähriger selbständiger
Thätigkeit und Lchrerfahrung darstellt, macht Langer
I“» Grundriss, wie er selb», im Verwert beten., kernen Am
sprueh anf Originalität, sondern er gibt da wo es S1
überhaupt nm feststehende Dinge handelt, durchgängig .ä» ■An
»ebannegen Virchow's, seines Lehrers, weder (so a. B. 1» d
allgemeinen Geschwulstlehre, in der Frage der Trennung^
Scrophuloso von der Tubereulose n. s. f.). Da ein V^'reb
Lehrbuch nicht eaistirt und der Student nur selten Gelegen^,
findet sich in die «krankhaften Geschwülste», die «Oe lular
pättologief ete. an vertiefen, so ist ein Ext™. Vircbow scher
Lehren in dieser Form gewiss dankbarst zu begrüssen
Die zweite Auflage unterscheidet sich von der e
äusserlieb dadurch, dass sie das Taschenbuchformat desCtamP£
diums verlassen und grössere Form angenommen hat, ein
änderung, die dem Buch nur zum Vortheil gereicht _ He^^
solcher Taschenbücher, dem Studenten bei der Sectio
Präparatenteller eine schnelle Orientirung zu ermöghehen t
vielleicht bei solchen, deren Schwerpunkt in den “«ch die
liegt, ein vielfach illusorischer, da zum Nachlesen ge
Zeit mangelt und dieses auch besser vor- oder nachher gewta*
Die Anordnung des Stoffes ist im Ganzen ie g eic ^ g - e |] em
Ohne eine scharfe Grenze zwischen allgemeinem ^ und
Theil zu ziehen, bespricht Verfasser zuerst die K ^
Ernährungsstörungen , die Missbildungen, Gesc w
giftungen, um sodann - unter Umgehung eines rein bactenologisc ^
Abschnittes — die durch thierische und pflanzliche ^‘Wroo^
hervorgerufenen Veränderungen, einschliesslich der Infectl °“ , nen
heiten zu behandeln; dann folgt die Besprechung
Organsysteme. . , Verfasser
Mit dieser theilweise ätiologischen Einteilung weich
vou anderen Lehrbüchern ab; sicher bietet es gewisse ^
wenn alle durch Parasiten irgendwelcher Art Uert
krankungen zusammen abgehandelt werden; an erers
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30. Juni 1896.
iT r WdOT
sprachen findet, bo bei der Lun pp h;» l. * *\ Erkrankungen be-
Sät nz*Ä o "?, 'F
n- v „ ’ aber den Lrre « er gemeinsam haben.
--£«0225 y * «u-
äSSt-S
Sä»Ä«SÄiS5
7pJL gerügte und durchweg vortreffliche, anschauliche
Ä^Ä^ir v 5
P-thT^Tz^ndcZ dt oZhT’LZ t e “ n *
£ a< den gC L en 1 d bCr Hegt i ienn nicht wieder e ' ne gew^seTefaS
fü den Lernenden e,ne Ermunterung .um Schematismen ? Ve r
läuft denn je irgend ein Fall ganz so wie ein anderer? Fordert
das immer Wechselvolle der Erscheinungen des kranken Kör
pers eine möghchst ausgedehnte persönliche Anschauung von dem
der e in Urtheil Ober sie gewinnen will? Und sind als nothwendige
b V“K Ch8t " atUrgCtreUe Bilder »iebt zweckdien,
hcher als schematiche ? - Die neuen Bilder kommen u. A ganz
^l e r 8 TuLcT ,teIn d r G&SChwülste ’ der tierischen Parasiten,
luflat I 8 , C ZU ST Vie " eicht WCrden Sk> in “ ncuen
Kol ,! I r Buchc Vün Her ™> bald wünschen, auf
Kosten der Scheinen noch recht vermehrt.
zu dcs B ” h “ 1 h“ r m T'\ nkhta
g Hecker-München.
MÜNCHENE R MBDICINISCM W OCtTKWRnmmfu.
619
in rJ? aX R r n Pi Pr l 0ft ; SSOr dcr Geburtshilfe und Gynäkologie
mGottingen: tehrbnch (ler Gebnrtshilfe. 3. Auflage. Berlin,
J- Springer, 1896.
erlebt D lTn\^f Ze f nC ^ LchrbUch hat in 5 Jahre " 3 Auflagen
erlebt ein Erfolg, der sich durch die praktische Anlage, die klare
ZL T T geWählf€ Bi,der “"^stützte Darstellung, sowie
d,e / ch öne Ausstattung erklärt. Wie schon in der Be-
andereriif'b 1 '■ AUf l a u e (dk “ Woch enschr., 1892, No. 6) von
diese« R l, ervor gehoben wurde, ist einer der grössten Vorzüge
bZ T SC,n o * mifc Klarheit und Wissenschaftlichkeit ver-
bundene Kürze». Sowohl der Studirende wie der praktische Arzt
8 ; ch “ nter seiner Führung gleich leicht und sicher über
aErbrei?V * Unterrichten > ohne durch eine
amubreite Darstellung schweben der Streitfragen verwirrt zu werden.
M 1St . em zwe ifeUoser Vorzug für Studium und Praxis.
damna\ le 80rgf / tlg R ‘ die 3- Auflage vermehrt hat, geht z. B.
m 2 a T°\ da8S ? 80W0hl die Fettmilch als diu Backhaus’sche
möae SS? TS\r Um einige auderc Punkte hervorzuheben,
möge das verwerfende Urtheil über «Kindermehle» der allgemeinen
u ä n fohle v erden; in ^*• « üs
empfiehlt R *\ , 8chärfer gefaS8t ' Die Wiyseotomie
eZm B. t T? *T ni0ht für die allgwneine Hei
Korf dJi JrY° • dlG Za " ge “ Ur angewendet wer den, wenn der
machen D überWUndeU hat -’ «»* »t die Wendung zu
SDätero * « Axenzu gzange benützt R. anscheinend nicht. Für
St unw^T" n 8m ? Viel ‘ eicht fülgende Zusäfcze der Aufnahme
Ursache de V ^ Beckens im Ueosacral-Gelenk als
Wen (SIS 7 ier i? 1,keit der Conj ' vcra i FaI1 ™n Bieben-
mgen (Bartels m Floss «Das Weib», 4- Auflage, I 5581
en muss schliesslich noch besonders die Ausstattung erwähnt
2nZr ander^ Y betrifft ’ 80 k «»"*
andere \erlcger von dem vorliegenden Buche lernen.
Gustav Klein- München.
-—- -
Sü viclfach p,^' 0 . 86 ! Pach durch fleissi « e und ehrliche Arbeiten
zeugt ist dSfd d h f’ daH8 Jedermann von vornehercin über-
Das VWk wTrd/ at0r r.^ “ vollkom,u en beherrsche.
Snci Si t i WIrd dem praktischen Arzte sowohl als auch dem
z B 2“sinv"! U ” d vf ChrU,,g vcrsc baffen. Einzelne Capitel,
Won « « C , T Erkrankungen des Nervensystems, der
Augen sind von Schülern Neumann', resp. Specialisten (Dr
ib d / 10 ’ r ; S - KIein ’) bearbeitet. Zahlreiche
anatomischen'.. WOrunter Parate des Wiener pathologisch-
bno!T !if Museums, zieren das Werk, welchem auch die Verlags-
buchhandlung die sorgfältigste Ausstattung mit auf den Weg Jb.
Dr. E. F.
Neisser’s stereoskopischer medicinischer Atlas.
Neu erschienen sind die 8. und 9. Lieferung. Li der 8
welche die 2. Folge der Abtheilung für Gynäkologie darstellt’
'ide,, sich m fortlaufender Nummerirung die Abbildungen
DioM T exactc Beckenmessung an der Lebenden.
D t Messung der geraden Durchmesser. LXXXVI. Desgleichen.
!t ul "’TxYXVnT" V UrC, r C ' SS(T - LXXXVU Beeidua men-
... ‘ „ , XXX ' II1 ' krisch puerperaler Uterus. LXXXIX
Ilintere Hälfte des hochgraviden Uterus einer Primipara mit Pia-
enta und Eihäuten. XC. Oomplcte Uterusruptur. XCI. Rachitica
durch künstliche Frühgeburt entbunden. XCIL Schädeldach einer
Doppe rnissgeburt. XOIII. Haematom der Vagina. XCIV. Uterus
im Beginn der Nachgeburtsperiode (nach Sectio caesarea an der
, XC ' • Placenta an einem Abortivei. XCVI. Uterus mit
placenta duplex.
Die andere Lieferung, als 5. Folge der Abtheilung für
Dermatologie und Syphilidologic bringt: XCVH. Traumatisches
xeschwür der Zunge (Ulcus traumaticum linguae) von Professor
p ! a / t8ch ‘ IG u ° d C: Ealtcnzungc (Lingua plicata) von
ro . artsch. CI. und CII. Landkartenzungc (Lingua
geographica) von Prof. C. Partsch. CHI. I^lcus tuberculosu.u
linguae von Dr. A. Hcnle. CIV. Leukoplakie und Gumma der
^ U " gC , , V °“ A ' Nuissc r. CV. Exulcerirtes Gumma von
Ir. hch aff er. CVI. Glossitis interstitialis luetiea von Dr.
Brey sei. CVII. Carcinom der Zunge von Dr. A. Busch ke.
CVIII. Lupus linguae (et facici) von Dr. Münch heim er.
Dr. Barlow.
D Ja i- b,1Cl1 der P rakti8ch en Medicin, begründet von
Dr. p. Börner, herausgegeben von Dr. J. Schwalbe in Berlin.
Jahrgang 1896. Im Verlag von F. Enke, Stuttgart.
Der vorliegende Band des Jahrbuches erscheint in einer Stärke
von 7ü7 Seiten und bietet bei diesem bedeutenden Umfang eine
ausserordentliche Reichhaltigkeit des Inhaltes. Wie die dem Buche
beigegebene Vorrede hervorhebt, verfolgt das Werk seit nunmehr
2 Decennien den Zweck, «dem Praktiker die für seine Weiter¬
bildung nothwendige Bekanntschaft mit den bedeutungsvollen Fort¬
schritten unserer Wissenschaft zu vermitteln,» also eine Aufgabe,
der bei deui riesenhaften Vorwärtsschreiten der allgemeinen und
specialen Facharbeit sehr hohe Ziele gesteckt sind. Wer das Buch
zur Hand nimmt, wird es nur mit Befriedigung wieder weglegen ;
denn er wird sich überzeugen, dass es sowohl für die specialistischcn
I'ächer, als insbesondere für die grösseren Gebiete der inneren
Mcdicin, der pathologischen Anatomie, der Hygiene etc. eine Fülle
klar und gut geschriebener Referate bringt. Der reiche Inhalt
macht es unmöglich, hier bei Einzelheiten zu verweilen; nur in
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
kurzen Umrissen möchte ich den gewaltigen, hier übersichtlich zu¬
sammengedrängten Stoff dem Leser andeuten.
H. Ribbert in Zürich ist der Verfasser des 1. Abschnittes,
der die allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie, mit
Einschluss der Bactcriologie behandelt; cs folgt ein 250 Seiten
starker 2- Thcil über die Einzelngebiete der inneren Mediein, von
Dr. Scoligmüller in Halle ; dann folgen die Referate aus der
Chirurgie, Geburtshilfe mit Gynäkologie, der Augenheilkunde (diese
letztere von C. Hör s tm an n - Berlin); in weiteren 3 Abschnitten
werden die Fortschritte im Gebiete der Otologie, Rhinologie und
Laryngologie behandelt, sowie jene bei den Haut- und venerischen
Krankheiten ; Neumann -Berlin hat den Abschnitt über Kinder¬
krankheiten geschrieben, Beetz-München jenen über Klimatologie
und Balneologie. Der 11. von Arzneimittellehre und Toxikologie
handelnde Thcil bringt eine besonders für den Praktiker wichtige
Zusammenstellung der neuen und neuesten pharmaccutischen
Präparate; den Schluss des Bandes bilden 2 Abschnitte über
gerichtliche Mediein von Fr. S tra s s ui a n n • Berlin , sowie über
öffentliches Gesundheitswesen von Wer n ich - Berlin.
Ich unterlasse nicht, zu erwähnen, dass ein ausführliches
Autoren- und Sachregister den Gebrauch und Nutzen des Buches
sehr erleichtert. In der That verdient letzteres durch seine Vor¬
züge in der Bibliothek eines jeden Arztes zu stehen.
Dr. Grassmann -München.
I)r. phil. et rned. Kotelmaiin: SclialgesQiidheits-
pflege. Aus B a u ui e i s t c r ’ s Handbuch der Erziehungs- und
Unterrichtslehrc für höhere Schulen, II. Bd., 2. Abth., S. 260 bis
307. München 1895- C. H. Beck'sehe Verlagsbuchhandlung
(Oscar Beck).
Der verdienstvolle Gründer und Leiter der «Zeitschrift für
Sehulgesundheitspflege» hat in der knappen Form von 137 Seiten
eine lückenlose und kritisch gesichtete Darstellung zu bieten ge¬
wusst, in der alles Wesentliche klargelegt, das minder Wichtige
durch litterarische Hinweise zugängig gemacht ist. Welche Stoff¬
fülle sich hier verarbeitet findet, kann man besonders in der ein¬
leitenden Geschichte der Schulgesundheitspflege erkennen. Es
werden die Zusammentragungen aus selteneren, dem Arzt fern
liegenden Quellen unschwer ersehen lassen, dass der Verfasser
neben medicinischem Fachwissen über philologische Schulung ver¬
fügt, von der uns in seinem bekannten Werk «Gesundheitspflege
im Mittelalter» (Hamburg, Loop. Voss) ein so schöner Beleg
geboten ist.
Der Inhalt ist übersichtlich in Hygiene der Sehulräume und
Hygiene der Schüler geordnet.
Im ersten Abschnitt wird bauliche Anlage, natürliche und
künstliche Beleuchtung, Ventilation und Reinhaltung, Heizung und
innere Ausstattung, mit Einschluss der Schulbankfragc besprochen.
Im zweiten Abschnitt fesselt insbesondere die Hygiene des
Nervensystems durch die besonnen abwügeude Klarlegung des
unstreitig schwierigsten Problems der Schulgesundheitspflege, der
Unterrichtshygienc.
Gestützt auf die Arbeiten von Sikorsky, Burger stein,
Laser, Keller, Januschke u. Anderen, die auf dein Wege
des Versuchs die Ermüdungserscheinungen bei den Schülern zu
studiren versucht haben, gelangt Kotei mann zu folgenden be-
achtenswerthen Forderungen:
a) Der Stundenplan soll des Morgens mit den abstracten
I'hohern (alte und neue Sprachen, Mathematik) beginnen; an
zweiter Stelle mögen Relitrion. Geschichte und an
,en,
:en-
\n-
lern
B.
nk-
ind
das
zu
d) Ausschliesslicher Vormittagsunterricht verdient den Vorzug,
vor Allem durch Zeitgewinn für Körperpflege.
Die heikle Ucberbürdungsfrage weiss Verfasser gleich fern
von Uebertreibung und achsolzuckendem Ableugnen überzeugend
zu beantworten. Zudrang zum Einjährigen-Examen und dadurch
bewirkte Uebcrfüllung der Gymnasien, fachwissenschaftlicher Ueber-
eifer der Lehrer, fehlerhafte Unterrichtsmethoden, häusliche Zeit¬
verschwendung durch Nebenunterricht und gesellschaftliche Allotria
gelten ihm mit Recht als die Hauptquellen der für Mittel¬
schulen nicht zu leugnenden, an manchen Anstalten entschieden
gesuudheitstörenden Ueberbürdung. Wenn aber K. meint, es solle
insbesondere der Klavierunterricht nicht vor dem 12. Jahre be¬
ginnen und nur an musikalisch gut begabte Schüler ertheilt werden,
so lässt sich dem gegenüber wohl der Standpunkt rechtfertigen,
dass ein gewisses Maass musikalischer Vorbildung heute weniger
als je entbehrt werden kann, nicht sowohl um dereinst Anderen
einen «sogenannten Genuss» zu bieten, als vielmehr zur Anbahnung
des Verständnisses in der Genussfähigkeit für eine Kunst, die
in unserem Geistesleben eine führende Rolle übernommen hat.
Für die zeitraubenden Anfangsübungen erscheint sogar das 8. bis 10.
Lebensjahr als das bestgeeignete, weil in dieser Zeit von einer
Ueberbürdung der Schüler noch nicht wohl gesprochen werden kann ;
wenigstens glaube ich das von unsereu bayer. Anstalten sagen zu
dürfen.
In gesonderten Abschnitten bespricht K. die Hygiene der
Sinnesorgane, die Stimme und Sprache, die Wirbelsäulenverkrüm¬
mungen und Infectiouskrankbeiten der Schüler. Möge es erlaubt
sein, der Vcrlagshandluug den Wunsch auszusprecheu, diese Be¬
arbeitung auch im Sonderabdruck, losgelöst von dem Handbuch,
herauszugeben. Die ärztliche Welt wird das Buch nicht minder
gern zur Hand nehmen als die pädagogische, für die es zunächst
bestimmt war. Dr. Schubert-Nürnberg.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Mediein. 1896, No. 25.
1) J. Strauss: Ueber die Anwendung von Guajecetin bei
Lungentuberculose. (Aue dem städtischen Krankenhause in Frank¬
furt a M.)
Dsb Guajecetin ist durch Einführung der Carboxylgruppe in
die Methylgruppe des Guajacols gewonnen. Das Mittel, das bei
70 Phthysikern zur Anwendung kam, wurde in Dosen von 0,5 g
mehrere Male täglich gegeben. Nur bei 2 Kranken traten nnter
Guajecetingebrauch Magen- und Darmstörungen auf, welche mit
Sicherheit auf das Medicament zurückzuführen waren. Die Neben¬
wirkungen des Guajecetins scheinen geringer zu sein als die des
Kreosots und des Guajacolcarbonats. Ueber die Beinflussung des
eigentlichen tuberculösen Processes lässt sich ein sicheres Urtheil
naturgemäss nicht abgeben
2) F. Je88en-Hamburg: Bemerkungen zu der Arbeit von
Auerbach «Ueber einen bemerkenswerthen Fall von Diph¬
therie» etc. in No. 18 des C.-Blattes. (Referirt in No. 19 dieser
Wochenschrift, S. 458).
Auerbach beschrieb einen Fall, bei dem die Serum-Behand¬
lung schwere Erscheinungen (Erythema nodosum) zur Folge hatte.
J. bezweifelt, da eine Angabe über den Nachweis der Diphtherie¬
bacillen bei Auerbach fehlt, die Richtigkeit der Diagnose Diphtherie.
Er beschreibt einen der Auerbach’schen Beobachtung ähnlichen
Fall, bei welchem am 3. Tage einer Angina mit schmutziggrünem
Belage auf einer Mandel ein Erythema papulatum auftrat. Nach
8 Tagen schwanden diese Erscheinungen wieder. Die bacteriologische
Untersuchung des Rachenbelags ergab Staphylococcus aureus und
Streptococcen. Nach J. war die Allgemeinerkrankung zweifellos von
den Mandeln aus durch das Uebertreten bacterieller Elemente oder
toxischer Producte in die Blutbahn verursacht worden. Demnach
wäre der Fall in das Gebiet der septischen Processe zu rechnen.
J. glaubt, dass für den Au erb ach'schen Fall dieselbe Erklärung
zutreffen dürfte und dass somit das Diphtherieserum nicht die
Ursache des Erythema nodosum gewesen ist W. Zinn-Berlin.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. ID,
Heft 6 (Juni).
1) N. Altuchoff und W. 8negiroff-Moskau: Eine neue
Methode der Unterbindung der Arteriae uterinae per Laparo-
tomiam.
Gestützt auf zahlreiche Leichenversuche schlägt A. vor, die
Arteria uterina folgendermassen zu unterbinden: Nach ausgeführtem
Bauchschnitte werden Uterus und Adnexe in ihrer normalen Lage
fixirt und dann das Ligamentum rotundum durch einen Wundhaken
nach vorne gezogen, dadurch wird auch die Arterie etwas nach vorne
gebracht. Hierauf wird ein cm von der Linea innominata das vor-
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30. Juni 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
621
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dere Blatt des Lig. latum parallel zum Ligamentum rotundum durch
einen 3 cm langen Schnitt gespalten. Stumpf dringt man nun, sich
immer mehr an das vordere Blatt dee Lig. latum haltend, etwa
12 16 mm in die Tiefe in das intraligamentöse Bindegewebe. Es
gelingt dann, die Arterie dicht an ihrem Ursprünge aus der A. hypo-
gastrica isolirt zu unterbinden. Durch die Verschiebung der Theile
ist eine Verletzung des Ureters leicht zu vermeiden. — S. hat das
Verfahren in 8 Fällen praktisch erprobt: es gestaltet sieb bei un-
complicirten Fällen einfach und leicht, kann dagegen in complicirten
Fällen und beim Beetand von Neubildungen recht bedeutende
Schwierigkeiten bieten.
2) R. Bliesener-Köln: Die abdominale Radicaloperation
bei entzündlicher Adnexerkrankung. (Wird nach dem Erscheinen
des Schlussartikels besprochen werden).
3) L. Knapp-Prag: Klinische Beobachtungen über Eklamp¬
sie. (VergL das Referat Uber Heft 5).
4) E. Eckstein-Teplitz: Ueber einen Fall vorgeschrittener
Tubenschwangerschaft von 6 jähriger Dauer mit geschlossenem
Fruchthalter.
Eine im 7. Monat schwangere 36 jährige Frau verspürte beim
Bücken plötzlich heftige Schmerzen im Leibe, bald darauf Blutung
aus den Genitalien. Nach einem 6 monatlichen Krankenlager fand
sich im linken Hypochondrium ein derber, nicht empfindlicher Tumor
von der Grösse eines im 6. Monat schwangeren Uterus. Dieser
Tumor wurde 6 Jahre lang getragen und verursachte mannigfaltige
Beschwerden. Seine Exstirpation gelang nach Lösung zahlreicher
bindegewebiger Adhäsionen leicht. Die rechte Tube war der Sitz
des Eies gewesen, die linke erwies sich normal. Der dem 7. Lunar¬
monat entsprechende Fötus zeigte sich mumificirt und zum Theil
macerirt. Verfasser nimmt an, dass es durch das Bücken zur Ab¬
knickung der Tube kam, wodurch der Fruchtsack in seinem Wachs¬
thum gehemmt wurde und die Frucht abstarb.
5) W. Pooth-Köln: Die künstliche Erweiterung des engen
Beckens.
Verfasser berichtet über 3 Versuche aus der Kölner Hebammen-
Lehranstalt, mit der Symphysiotomie zugleich die dauernde Er¬
weiterung des engen Beckens zu erzielen. Zu diesem Zwecke wird
von einem suprasymhysären Querschnitte aus von der Symphyse
ein vorderer Weichtheil-Knochenlappen abgetrennt und hierauf hinter
demselben die Symphyse durchtrennt. Nach der Entwickelung des
Kindes wird der Weichtheil-Knochenlappen in den Symphysenspalt
eingefügt und mit mehreren Seidensuturen befestigt. Die dadurch
erreichte dauernde Vergrösserung der Conjugata vera betrug durch¬
schnittlich Vjz cm. Zwei der Kreissenden, bei welchen vor der
Operation Entbindungsversuche gemacht worden waren, machten
ein fieberhaftes, die dritte ein normales Wochenbett durch.
ü) W eichardt-Altenburg: 1331 Geburten in der Hebammen-
Praxis ohne Wöchnerinnen-Todesfall.
Verfasser schreibt dieses günstige Resultat wesentlich der
genauen Controle über den Carboisäureverbrauch der Hebammen,
sowie dem Umstande zu, dass die Hebammen in Sachsen-Altenburg
genöthigt sind, die untersuchenden Finger mit sicher aseptischer
in verschraubbaren Zinntuben aufbewahrter 2 proc. Carbolvaseline
zu bestreichen.
7) S. Wawelberg-Warschau: Zwei Fälle von Missbil¬
dungen der weiblichen Genitalien.
Im ersten Falle wurde bei einer 24 jährigen verheiratheten
Frau, die nie menstruirt war, ein vollkommener Mangel des Uterus
und der Ovarien durch die Untersuchung festgestellt. Die kurze,
blind endigende Scheide wurde als Product der Cohabitationsversuche
anfgefasst. Es bestanden keine Molimina menstrualia. Im zweiten
Falle fand sich eine Vagina septa bei einfachem Uterus. Das Septum
zeigte im Scheidengewölbe ein Fenster. Da der äussere Mutter¬
mund in der engeren, offenbar nicht zum Coitus benutzten Scheide
stand, so glaubt der Verfasser hieraus die bestehende Sterilität er¬
klären zu können.
8) R. Kossmann-Berlin-. Die pathologisch-anatomischen
Kunstausdrücke in der Gynäkologie.
Der auf dem fraglichen Gebiete beretts durch mehrere Arbeiten
bekannte Autor bestrebt sich in dieser neuen, änsserst tieisBigen
und dankenswerthen Arbeit, für alle im Gebiete der Geburtshilfe
und Gynäkologie vorkommenden Fachausdrücke correcte Formen
aus den Schriften der Alten festzuBtellen und vor Allem auch für
dort nicht vorkommende Ausdrücke wenigstens correcte Ansdrücke
zu bilden. Die mühsame Arbeit, die der Autor bescheiden als einen
Versuch hinstellt, dürfte für Alle, welche sich für diese Frage in-
teressiren, sehr willkommen sein. Freilich verhehlt es sich der
Autor auch nicht, dass es — wenigstens vorerst — vielfach ein
vergebliches Beginnen ist, gegen alt überlieferte falsche und oft
genug sinnlose Ausdrücke anzukämpfen. Gessner-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 25.
1) Rossa- Graz: Traubenzucker im Harn und Fruchtwasser.
R. theilt den zweiten Fall von positivem Traubenzuckerbefunde
im Fruchtwasser mit — den ersten beschrieb Ludwig. Centralbl.
f. Gynäkologie 1895, pag. 291. Der Harn der mit rhacbitischem
Becken behafteten I. Para enthielt 0,46 Proc. Trauben-, keinen Milch¬
zucker; Hydramnion, künstliche Frühgeburt. In den ersten ö Tagen
des Wochenbettes positive, dann dauernd negative Zuckerreaction.
In den 3 Liter Fruchtwasser 0,345 Proc. Traubenzucker. Kindlicher
Urin völlig zackeifrei. Es bandelte sich also um einen leichten Dia¬
betes mellitus bei einer Schwangeren. Der Zucker im Fruchtwasser
kann nur aus dem mütterlichen Blute stammen; der relativ hohe
Procentgehait ist bemerkenswerth. vorerst nicht zu erklären. Be-
achtcnswerth ist auch, dass häufig bei Diabetes Hydramnion besteht.
2) Bi er mer- Bonn: Ein neuer Nadelhalter für Hagedorn¬
nadeln.
Modification eines zangenförmigen Nadelhalters, mit dem man
jede Art von Hagedornnadeln gebrauchen kann; wird von Esch-
baum in Bonn angefertigt. Wern er-Hamburg.
Zeitschrift für Hygiene, XXI. Heft 1—3.
1) E Pfuhl, Oberstabsarzt: Untersuchungen über die
Verunreinigung der Grundwasserbrunnen von untenher.
Der Verfasser weist durch Laboratoriumsversuche nach, dass
man leicht eine Verunreinigung des reinen Grund wassers der tieferen
Bodenschichten erhalten kann, wenn der Abstand der mit einer
bestimmten Pilzart verunreinigten Erdoberfläche vom Grundwasser¬
spiegel ein geringer ist. Nur dadurch, dass bei hochstehendem
Grundwasser die undurchlässig hergestellten Brunnen sehr tief
in das Grundwasser hinabgeführt werden, ist die Gefahr einer
Wasserverunreinigung von unten her durch die Oberflächenbacterien
wirklich vermieden Die Versuche sind an sehr stark durchlässigem
Geröllboden und bisher nur im Laboratorium an kleinen Modellen
ausgeführt.
2) Zettnow: Beiträge zur Kenntniss des Bacillus der
Bubonenpest.
Der Verfasser gibt einige Photogramme und genauere Be¬
schreibung der Mikroorgauismenform nach aus China eingesandten
Trockenpräparaten, sowie Photogramme von 8tich- und Platten-
culturen. Der Organismus steht dem Bacterium coli, noch mehr aber
dem Bacterium hämorrbagicuns Kolb nabe.
3) Eyff: Der Verkehr mit Lumpen vom sanitäts-polizei-
lichen Standpunkt.
Die zum Theil Bekanntes enthaltenden Forderungen des Autors
mögen im Original nachgesehen werden, die auf eingehenden Studien
beruhende Arbeit wird all' denen erwünschtes Material bieten,
die sich in der Praxis mit vorliegendem Thema zu beschäftigen
haben. Interessant ist, dass eine Desinfection der Lumpen nur
unter Schädigung der Waare möglich sein soll und wesentliche
Kosten verursacht. Eine regelrechte nutzenbringende Desinfection
würde den Handel ruiniren, oberflächliche Maassnahmen sind ohne
jeden Nutzen. Der Lumpenhandel zu Epidemiezeiten wäre nur in
dem Sinne zu stören, dass die Einfuhr von Lampen aus den in-
ficirten Gegenden in gesunde untersagt ist.
4) Lydia Rabinowitsch: Untersuchungen über pathogene
Hefearten. (Institut für Infectionskrankheiten.)
Die Frage, ob sich Hefepilze im menschlichen Körper anzu¬
siedeln und daselbst vielleicht sogar pathologische Störungen her¬
vorzubringen vermöchten, ist bis in die neueste Zeit verneint worden.
Die letzten Jahre haben aber eine Anzahl solcher Angaben gebracht,
unter denen namentlich eine von Busse Aufsehen gemacht hat,
auch Colbe und Francesco Sanfelice, ebenso Maffucci und
Sirleo haben interessante Beobachtungen hierüber veröffentlicht
Lydia Rabinowitsch hat nun im Institut von Koch nicht
weniger als 50 verschiedene Hefearteu auf ihre pathogene Wirkung
untersucht und darunter 7 pathogene gefunden. Keine Culturhefe
erwies sich als pathogen. Unter den 7 pathogenen war Monilia
candida. Alle untersuchten Arten waren für Meerschweinchen un¬
schädlich, dagegen immer für Mäuse pathogen und bisweilen auch
für Kaninchen Sämmtliche 7 Arten vermehrten sich im Körper,
und Hessen sich meist reichlich im Blute, wie auch in den Organen
nachweisen. Der Tod scheint nicht durch eine Intoxication, sondern
durch wirkliche Infection hervorgerufen. Der Nachweis der Hefe¬
zellen geschieht am besten in frischem Zustand, auch durch Cultur
lassen sich die Hefezellen aus den Organen leicht gewinnen.
5) Francesco Sanfelice: Ueber die pathogene Wirkung der
Blastomyceten. Erste Abhandlung (Aus dem hyg. Institut CagTiari.)
Sanfelice theilt hier eingehend Resultate mit, über die er
zum Theil vorläufig bereits im Centralblatt für Bacteriologie berichtet
hat. Zwei schöne Tafeln lllustriren seine Befunde, die besonders
deswegen interessant sind, weil der von ihm in erster Linie studirte
Hefepilz Tumoren in den Thierorganen hervorbringt, die mit den
malignen Neubildungen des Menschen eine entschiedene Aehnlich-
keit besitzen. Er nennt seinen Organismus Saccharomyces neofor-
mans. Derselbe wächst üppig unter dem typischen Bild einer Hefe
auf den verschiedenen künstlichen Nährböden, erzeugt aber, wie es
scheint, keine Gährung auf zuckerhaltigem Substrat. Die Mehrzahl
der Versuche an Thieren sind an Meerschweinchen angestellt durch
Einverleibung des Organismus in die Bauchhöhle. Bei dem nach
20- 30 Tagen eingetretenen Tod findet sieb die ganze Oberfläche
des Peritoneums mit einer milchigen Flüssigkeit bedeckt; an ver¬
schiedenen Punkten des Peritoneum parietale und des grossen
Netzes zeigen sich zahlreiche, weissliche, über die Oberfläche stark
hervortretende Geschwülste von Hanfkom- bis Erbsengrösse. Die
Lymphdrüsen des Mesenteriums sind stark vergrössert, an der Milz,
den Nieren, der Leber, der Lunge finden sich dieselben Geschwülste
bald reichlicher, bald spärlicher. Impft man unter die Haut, so
entsteht eine teigige Geschwulst, die zuweilen aufbricht, immer aber
zu einer Schwellung der regionären Lymphdrüsen führt. Später
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHRIFT
No. 26.
treten die eben f geschilderten^
ÄÄÄÄÄÄStS
Jenen Colciditn? MikrSporidS? Psorospermien und die sonstige:n
bei Carcinomen und Sarkomen beobachteten Gebilde S"“® 8 ® 1 *
Fuch8.nk ö rjerchen) zu den Hefen gehören und die wkhchen Er-
regCT über electives Wachsthum der
kr ' nk vS«,“ b"Ä vieles P.obieen ein Mittel gefunden d^rch
das nach ihm endlich einmal die Differentialdiagnose fischen
Bacterium typhi und Bacterium coli leicht und sicher sein soll Er
setzt zu der Holz'schen Kartoffel-Gelatine die auf «ne schwach
saure Reaction gebracht wird, 1 Proc. Jodkalium und fert ^, . ,
an Bacterium coli wächst auch auf diesem ungünstigen Nährboden
noch ziemlich üppig und rasch, währenddem Bacterium typhi erst
nach 4» Stunden in Form kleiner hellglänzender,
äusserst feiner, granulirter Colonien erscheint. Nach dieser Methode
hat Elsner in Stühlen von Typhuskranken stete POSitive Resultate
erhalten Die Resultate wurden stets nach der Pf elfter scuen
Immunserummethode controlirt. f ... n Kindea
7) H Koseei: Ueber die Tuberculose im frühen Kinaes
a * ter- Nach Kossel's Untersuchungen müssen wir annehmen, dass
unter den Kindern von 1—10 Jahren, wie sie im Institut für Im
fectionskrankheiten vorwiegend wegen Diphtherie zur Behandlu g
kamen nicht weniger als 40 Proc. latent tubercnlös waren Die
Tuberculose äussert sich in etwa 2 /s dieser latent tuberculöBen Kinder
als tuberculöse Erkrankungen der Bronchial- und Mesenterialdräsen.
Kossel verlangt nach amerikanischem Muster umfassende prophy¬
laktische Maassnahmen gegen die Ausbreitung der Tuberculose.
8) Rudolf Abel: Die Aetiologie der Ozaena. (Aus dem
hygienischen Institut der Universität Greifswald) TT , „
Abel hat in dieser ausgedehnten Arbeit zum Th eil in Ueber
einstimmung mit Arbeiten früherer Forscher die Ozaena als In-
fectionskrankheit vollkommen feBtgestellt. Der Ozaena Erreger Bacillus
mucosus Ozaenae Abel ist dem Friedländersehen Pneumonie-
Bacterium nabe verwandt und morphologisch nur durch unbedeutende
Merkmale abweichend. Er erzeugt in der Nase einen Process, der
im Anfang in kleinen Herden beginnt. Dieselben bedecken sich mit
zähem eitrig-schleimigem Secret, das rasch eintrocknet. Die Herde
breiten sich aus und nun erst beginnen theils hypertrophische, theils,
namentlich später, atrophische Schleimhautveränderungen (Rhinitis
atrophicans), Gestank braucht dabei keiner vorhanden zu sein. Der¬
selbe wird nicht durch den Ozaena-Organismus, sondern durch noch
nicht näher bekannte Organismen bedingt. In einem Fall gelang die
Uebertragung der Ozaena auf den Gesunden.
9) Kutscher: Zur Rotzdiagnose.
Kutscher erhielt bei der Untersuchung eines rotzverdächtigen
Pferdes einen Pseudo-Rotzbacillus, der die Strauss’sche Rotzreaction
(Hodenentzündung bei einem Meerschweinchenbock nach mtrapen-
tonealer Injection) gibt, aber durch eine weiese und trockene Kar-
toffelcultur sicher von dem echten Rotzbacillus unterscheidbar ist.
10) R. Pfeiffer und W. Kolle: Ueber die specifische Im
munitätsreaction der Typhusbacülen. , , ~
In früheren Arbeiten hatte Pfeiffer bewiesen, dass das herum
von gegen Typhus immunisirten Thieren eine specifisch bactericide
Wirkung auf Typhusbacillen in der Bauchhöhle eines Meerschwein¬
chens entfalte. In dieser Arbeit wird gezeigt, dass auch das Blut¬
serum von Menschen, welche den Typhus überstanden haben, solche
specifisch bactericide Wirkung gegenüber Typhusbacillen besitzt.
Heilversuche mit Immunserum von Ziegen am typhuskranken
Menschen erscheinen den Autoren aussichtslos.
11) Walter Rindfleisch: Die Pathogenität der Cholera
Vibrionen für Tauben. _
Im Gegensatz zu einigen neueren Arbeiten, welche behaupteten,
dass der Vibrio Metschnikoff und der Vibrio cholerae in ihrer Wir¬
kung auf Tauben übereinstimmten, wenn nur der Letztere in hoch¬
gradig virulenter Form angewendet werde, kommt Rindfleisch
zu dem Resultate, dass die virulentesten Choleravibrionen Tauben
nur tödten, wenn sie mit grösseren Menge Bouillon intramusculär
injicirt werden, wogegen vom Vibrio Metschnikoff kleinste Mengen
bei der Einimpfung genügen.
12) Brieger und Bör: Ueber Antitoxine und Toxine.
Die Verfasser, die schon werthvolle Beiträge zur Reindaretellung
von Toxinen und Antitoxinen geliefert, haben namentlich mit
Diphtherieserum und Diphtlierieculturen gearbeitet. Die Antitoxine
lassen sich quantitativ genau bei 30—37° in 18—20 Stunden durch
Kochsalz -f Chlorkalium nebst den Eiweisskörpem ausfällen.
Eine vollständigere Trennung der Eiweisskörper "von den Anti-
ä as
Eiweisskörper und Antitoxinen befriedigend, aber
doppelverbindung, ump hosphat vom Zink befreien hess, der
gg&E&SSäSSSS
aUfZUg Swilke-Dresden: Die Hygiene der Schulen in Russland.
Wilke berichtet über die ärztlicheUeberwachung der Schulen
in Russland Nicht ohne Interesse sind die Angaben, nach wie
Kind srssSSÄÄ
rwS:Äi“i Ä bei Masern . Wo^en
r.£, B rV^
immer voraesgeeetet, da«« die Abschuppung beendet und BOMhge
Krankheitszeichen verschwunden sind.
14) Frey er: Die Uebertragung von Variola auf Kälber
^'"“FremSiiter'j Versuchen einmal mit ausgesprochenstem
Erfolg eine 6 Erzeugung von Vaccine beim Kalb durch Verimpfung
von ächten Pocken gelungen Das Thier war nachher volbtändig
immun gegen Ueberimpfung von Vaccine-Lymphe. Nachdem 4 Ge
nerationen von Kalb zu Kalb weiter geimpft waren, wurden Kinder
mit dem erhaltenen Impfstoff geimpft und tadellose'
erhalten. Es ist dieses Resultat ja schon öfter erzieh bei den
vielen Misserfolgen der Erzeugung von Vaccine . b *™ Jp* 1 “
Variola -Einimpfung hat aber jeder neue
Identität von Variola und Vaccine beweist, ein gewisses Interesse.
15) E. Gillert: Welchen wissenschaftlichen Wertti haben
die Resultate der Kohlensäuremessungen nach der Methode
V ° n Sie Methode wn° holpert wird von Gillert auf dürftige
Versuche hin nur als Approximativ-Methode gelten gelassen.
16) F. Jessen: Witterung und Krankheit.
Jessen hat versucht, die Hamburger Medicinalstatisük für
1876-1885 und für das Typhusjahr 188b und dieCboler^a
1891—1893 dazu zu verwenden, um zu ermitteln, in wel ?“ e * .
die Witterung auf die Morbidität von Masern, Croup Diphthene
Typhus, Cholerine von Einfluss sei und ausserdem die> Mortahttt
an Pneumonie, Phthise und Kinderdurchfall beeinflusse. Die in
2 grossen Tafeln niedergelegten Resultate sind vom Autor au
5 Seiten kurz zusammengestellt. Ein Auszug ist nicht möglich.
17) D u n b a r: Zur Differentialdiagnose zwischen den
Choleravibrionen und anderen denselben nahestehenden vi
brionen. au edehnte> au f e in gewaltiges Material gegründete Ar¬
beit von Dunbar kommt zu dem Resultate, da88 , e ' n ® P ho£ra
Scheidung der choleraähnlichen Wasservibrionen von echter Cholera
in vielen Fällen auf morphologische und biologische Merkmale hin
unmöglich sei, dass dagegen die P f e i f f e r' sehe lmmunserumreachon
ein sehr werthvolles Hilfsmittel darstellt. Als Hauptresultat lässt
sich D unbar's Satz anführen: «Man darf jetzt schon behaupten,
dass alle nicht auf Choleraserum reagirenden Arten keine cnoiera
Vibrionen sind und es besteht die Hoffnung, dass wir ernst aucn
erklären können, dass alle auf Choleraserum reagirenden Arten
echte Cholera sind.» ....
18) O. Neumann und E. Orth: Versuche zum Nachweis
choleraähnlicher Vibrionen in Flussläufen.
Die Verfasser berichten über methodische Untersuchunge ,
sie in den Flussläufen Hamburgs auf Choleravibrionen und ver¬
wandte Formen angestellt haben. Die ausserordentlich äahirfflcüen
Untersuchungen zeigten, dass fast nur in den Herbstmonaten
der Zeit, in die auch die Choleraepidemien fallen, choleraühniicn
Vibrionen gefunden werden, dann aber zum Theil ziemlich reic •
Echte Choleravibrionen, die nach der Pfeifferschen Immunserum-.
reaction als solche anerkannt werden konnten, fanden sich >
die Untersuchungen sollen regelmässig fortgesetzt werden.
19) Francesco Sanfelice: Ueber die pathogene Wirkung
der Blastomyceten. Zweite Abhandlung. - npm
8anfelice berichtet über Untersuchungen, die er an eine
von ihm Saccharomyces lithogenes genannten Organismus angeswi
hat. Derselbe stammte ursprünglich aus den Lymphdrüsen
Ochsen, der an primärem Lebercarcinom und Ausbreitung u
cesses auf das geBammte Lymphsystem gestorben war in du.
zeigte sich der Organismus als Sprosspilz ohne besonders cn
ristische Eigenschaften, ähnlich dem Saccharomyces neoforman.
schweinchen subcutan oder in die Bauchhöhle geimpft, starb
1 bis 2 Monaten unter Auftreten zahlreicher gelblich-weiBBer K .
und Knoten in den inneren Organen. Der Organismus ver
den Organen der Thiere häufig und stellt dann sehr eigenthümncu .
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30- Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
623
derbe Massen dar, die noch undeutlich die Hefenzellenstructur er¬
kennen lassen. Auf Schwefelsäurezusatz treten Gipsnadeln auf.
20) K. Walter: Zur Bedeutung des Formalins bezw. For¬
maldehyds als Desinfectionsmittel.
Die Versuche von Walter mit Formalin, das er theils als
Gas, theils als wässerige Lösung anwandte, haben recht günstige
Resultate ergeben. Namentlich bestätigt er die von dem Referenten
zuerst gemachten Angaben, dass es sich in der That zur Desinfection
von Kleidern vortrefflich eignet Zahlreiche Einzelheiten sind im
Original nachzusehen.
21) W. 8ilberschmidt: Rosshaarspinnerei und Milzbrand-
infection. Ein Beitrag zur Milzbrandaetiologie.
Die Silberschmidt'sche Arbeit erbringt den Nachweis, dass i
Rosshaar und 8taub des Staubganges einer Rosshaarspinnerei im
Kanton Zürich vollvirulente Milzbrandbacillensporen enthielt. Die
Untersuchungen wurden gemacht, weil in der Umgebung der be¬
treffenden Spinnerei gehäufte Fälle von Milzbranderkrankungen bei
Thieren vorgekommen waren. Eine obligatorische Desinfection des
Rosshaars an den Weltmärkten Leipzig, Hamburg etc. scheint dem
Verfasser die zweckmässigste Methode zur Bekämpfung der Milz¬
brandgefahr, da bisher keine Methoden vorhanden sind, nach denen
kleinere Fabriken selbst das von ihnen gekaufte Rosshaar sicher
und billig zu sterilisiren im Stande sind.
22) Melnikow-Raswedenkow: Zur Frage über die Be¬
deutung der Milz bei Infectionskrankheiten.
An eine Uebersicht der einschlägigen Literatur reiht der Ver¬
fasser eine Serie eigener Versuche, aus denen er schliesst, dass die
Splenektomie wie jede andere eingreifende Operation für die Thiere
nicht indifferent ist: sie erkranken und sterben leichter als normale
Thiere; aber ein specifischer Einfluss der Milz bei der Bekämpfung
der in den Körper eingedrungenen Mikroorganismen liess sich aus
den Versuchen nicht ableiten.
23) A. Pawlowsky und A. Maksutow: Methoden der
Immunisirung von Pferden zu Zwecken der Gewinnung des
Diphtherieheilserums.
Die kurze Arbeit muss von Interessenten im Original nach¬
gesehen werden, da sie sich, zu kurzem Auszug nicht eignet.
24) M. Kirchner. Studien zur Lungentuberculose.
Der Staub, der sich in Militärkleidern und auf den Schränken
und Fussböden der Montirungskammern ansammelt, enthielt bei
einer Untersuchung von Kirchner Tuberkelbacillen. Kirchner
knüpft daran einige beachtenswerte Warnungen in Betreff des Ge¬
brauchs getragener Kleider, besonders bei Militär. Die Ausstreuung
der Tuberculosekeime in der Montirungskammer liess sich nach¬
träglich nicht auf eine bestimmte Ursache zurückführen.
K. B. Lehmann-Würzburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 25.
1) Fr. König-Berlin: Ueber diabetischen Brand.
Der diabetische Brand entsteht wesentlich auf dem Boden der
Arteriosklerose. Die Forderung Ros er'B, dass derselbe mit anti¬
diabetischer Diät zu behandeln sei, wird von K. dahin erweitert, dass
die brandigen Entzündungen Diabetischer zu möglichst aseptischen
Zerstörungen nmgestaltet werden sollen. Ist der Brand feucht, so
suche man ihn trocken zu machen; man vermeide a 11 e feuchten
Verbände. Bei zunehmender Phlegmone mit consecutivem Fieber,
bei nicht heruntergehendem Zuckergehalt mit drohendem Koma ist
die aseptische Amputation nach K. ein letztes, oft noch zur Heilung
führendes Mittel.
2) J. Hirschberg-Berlin: Ueber Magnet-Operationen.
Cfr. das Referat in No. 23 dieser Wochenschrift.
3) L. Landau-Berlin: Zur Behandlung von Beschwerden
der natürlichen und antecipirten Klimax mit Eierstocks¬
substanz.
Cfr. das Referat hierüber in No. 23 dieser Wochenschrift.
4) Kühnau-Breslau: Zur Kenntniss der Meningitis typhosa.
K. beschreibt unter ausführlicher Wiedergabe der Kranken¬
geschichte einen Fall von Typhus abdom. mit Ulcerationen im
Ileum, Coecum und Colon asc., bei welchem die Section des Ge¬
hirnes eine eitrige Convexitäts- und Basalmeningitis ergab. Aus
den Mesenterialdrüsen, der Milz und dem Eiter von der Convexitas
wie dem trüben Exsudat der Gehimbasis wurden Typhusbacillen
in Reincultur isolirt. Es handelte sich also um einen Fall echter
typhöser Metastase in die Meningen.
5) Unverricht-Magdeburg: Ueber den schädlichen Ein¬
fluss des Atropins auf die Athmung.
Aus Versuchen an Hunden, welchen in Morphium-Narkose
Atropin subcutan beigebracht wurde, ergab sich, dass nach der
Injection die Athemgrösse zunächst heruntergeht, um dann später
in eine Vergrösserung des Athemvolumens überzugehen, eine Folge,
welche U. als «agonales Symptom > bezeichnet. Die Vermehrung
der Athemgrösse wird als Zeichen der schweren Schädigung des
Centralnervensystems durch das applicirte Atropin erklärt. An
3 Beobachtungen über Atropinvergiftung beim Menschen weist Ver¬
fasser nach, dass Atropin sicher nicht als Stimulans der Athmung
betrachtet werden könne und dass es daher nicht gerathen ist,
sich desselben bei einer Morphiumvergiftung zur Aufbesserung der
Athmung zu bedienen. Daran schliesst U. noch Darlegungen über
das Cheyne-Stokes'sehe Atlimen.
10) E. Grunmach-Berlin: Ueber Röntgen-Strahlen zur
Diagnose innerer Erkrankungen.
Durch ausserordentliche Vervollkommnung der betreffenden
Apparate ist es gelungen, mit Hilfe der R.-Strahlen die Schatten
innerer Organe, z. B. des Zungenbeins, Kehlkopfes, Herzens, der
Leber, des Zwerchfelles, zu sehen und die Bewegung dieser Theile
direct zu betrachten. Besonders deutlich lässt sich auch Arterio¬
sklerose an der Aorta nachweisen, ebenso auch verkalkte Herde in
tuberculösen Lungen. Die betreffenden Demonstrationen fanden in
der Sitzung der physiologischen Gesellschaft zu Berlin am 12. d. M.
statt und gelangen vortrefflich. Dr. G rass mann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 26.
1) P. Grawitz: Ueber Entzündung der Cornea. (Aus dem
pathologischen Institut der Universität Greifswald.)
An dem Beispiel der Keratitis sucht G. nachzuweisen, dass die
sogenannte kleinzellige Infiltration, wie sie in den Anfangsstadien
der Entzündung, Wundheilung und Atrophie anftritt, ein Product
der Gewebsumwandlung ist, nicht das Eindringen von Leukocyten
in einen mehr oder minder todten Gewebsbezirk, sondern die Reaction
lebender Gewebe, welche sich unter erhöhter Saftströmung voll¬
zieht. Ausführlichere Mittheilungen hierüber in Virchow's Archiv,
Bd 144, pag. 1.
2) M. Mühlmann-Odessa: Zur Physiologie der Nebenniere.
(Aus dem chemischen Laboratorium des pathologischen Instituts der
Universität Berlin.)
Als wirksamer Bestandtheil der Drüse wird das Brenzkatechin
nachgewiesen, das in derselben an eine noch unbekannte Substanz
(Säure?) gebunden ist und in der Marksubstanz der Nebenniere
gebildet wird. Der an der Grenze zwischen Mark und Rinde
liegende Theil der Epithelzelleu der Nebennierenrinde ist am stärksten
pigmentirt; es ist dies eine Wirkung des Brenzkatechins, welche wir
in ausgedehntem Maasse bei der Addison’sehen Krankheit be¬
obachten, bei welcher die übermässige Bildung oder mangelhafte
Umwandlung desselben vielleicht durch eine Erkrankung der sym¬
pathischen Ganglien, der Ganglia coeliaca bedingt ist. Auch
die schweren Symptome der Addison'schen Krankheit lassen sich
als Brenzkatechinvergiftung erklären.
3) P. Stange: Ueber einen Fall von fast vollständigem
Defect des rechten Musculus cucullaris und des rechten Musculus
sternocleidomastoideus. (Aus der medicinischen Universitäts¬
klinik in Göttingen) '
Der wahrscheinlich angeborene Muskeldefect bedingte merk¬
würdiger Weise fast gar keine Beeinträchtigung in der Function
und Leistungsfähigkeit des rechten Armes.
4) Fried län der- Wiesbaden: Experimentelle Untersuchung
über die Wirkung des constanten Stromes bei traumatischer
peripherischer Lähmung. , , _ ,
Die an einem Hunde gemachten Versuche sprechen dafür, dass
die Regeneration der Nerven bei traumatischer Lähmung unter
dem Einfluss der galvanischen Behandlung schneller als ohne die¬
selbe erfolgt, sowie dass der Eintritt von Atrophie in solchen Fällen
durch rechtzeitige elektrische Behandlung hintan gehalten werden kann.
5) M. Blumenau: Ueber primäre Gangrän des Rachens.
(Aus dem Militärhospital in Groduo-Russland)
Lethal verlaufender Fall im Anschluss an normal verlaufenen
Ikterus catarrhalis. In der Literatur sind bisher nur 11 Fälle von
primärer Rachengangrän bekannt.
6) Börner-Leer: Gastroenterostomie wegen gutartiger
Pylorusstenose (Heilung).
7) H. Günthner: Ein Fall von congenitalem Defect der
oberen Extremität . -
8) E. Sardern an n-Harburg: Diphtherieheilserum und Ge-
lenke^krMktmgem pan 1)eweigt auch, dass nach unbehandelter Diph¬
therie Gelenkaffectionen auftreten können, wie sie nach Anwendung
des Heilserums beobachtet und natürlich demselben in die Schuhe
geschoben wurden. ^ 0e y nhausen: Ueber instrumenteUe Bauch-
massage. be ein{acherif der Hauptsache nach aus einer^ö Pfd.
schweren, in einem Bügel beweglichen Kugel bestehenden Instru- ^
mentes zur Selbstmassage des Unterleibs. *• "•
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft
(Originalbericht.)
Sitzung vom 24. Juni 1S96-
Herr G. Klemperer: Zur Therapie der harnsauren
»renconcretionen. , -
Unsere Kenntnisse von den Bedingungen, unter weichendes
den ableitenden Harnwegen znr Ausscheidung von Concretionen
omt, wurden in den letzten Jahren wesentlich bereichert. Da
dazu heitraeenden Arbeiten das Leyden sehe Labora-
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No. 26
r“» 80 s t"„t z zJ'z
Interesse sein. in den Geweben soll
Die Behandlung der Ablagerung ,
den Erfahrungen wohl nicht mog 10 ., traten und einem
die i„ denselben vorbandene B.ndu «,1 --hen L8su „ g
«irrrÄ^r
w sieb snnaebs, wie «ntsteUen bann»,™
8tein Ä ä
noch vermieden werden, dass das Nasser auf also
J nrf .i. die Nieren zur Ausscheidung gelangt, , .
£££." — Schwitzen fahrende Anstrengung, wende kenn,
D, “‘ä ”»d U aber' , noeb andere Gesiebtspunkte von Bedeutung.
Seit wir wissen , das. die Harnsäure nicht ein
oxydirter Harnstoff ist, sondern direct von, pW^talt,gcn
Eiweiss, während Eleisch reich an Kerneiweiss wt. i
tielsten an Nneleinen ist die Thymusdrüse, dann folgt Leber,
N,0r 'in H de“r Verwerthung des Kerneiwcisses bestehen »bor yadiv.^
duelle Verschiedenheiten und es gilt nur der ^Jle
Menschen: Je weniger Kerneiweiss, “
_:„ht aber der Satz: Je mehr Kerneiweiss, desto mehr Harnsäure.
S kann ntlich die Harnsäure des Kerneiweiss von manchen
Menschen zu Harnstoff verbrannt werden- ^
Als harnsäurebildend kommen noch Coffein und
wandten Prodncte in Betracht und endlich dürfte
Anstrengung eine Erhöhung der Harnslturebildung zur Folge haben.
“ie Harnsünrelüsung hangt nun von besonderen harnsatme
lösenden Substanzen ab und von der Reuet,on. N“«ulc “der
alkalische Urin« lösen mehr Harnsäure. Es war jedoclLj“ ™
einigen Jahren nicht gut möglich, eine genaue Altateens
bcstimmung vorzunehmen. Jetzt benutzt man nezu
hältniss der Phosphorsäure zur zweifach-Phosphorsäure und nennt
dies Verhältuiss die relative Acidität. Je höher diese
letztere ist, desto weniger Harnsäure löst sich in
dem Urin, je geringer die relative Acidität, desto
m eh r Har n s ä ur e b 1 eib t in L ös un g. Dies VerlUdtm.ss kann
nun durch die Nahrung beeinflusst werden doch spielen da Mag
und Darmsäfte, eine zu grosse Holle und beeinflussen daher die
Keml Mchtcr zu beurtheilen sind sie nach Verabreichung gewisser
Medicamente. Die Pflanzensäuren (Citronensäure) wurden von
' jeher sehr geschätzt; doch wirken viel besser Natron bicarbomcum
oder citroncnsaures Natron. . , , ,
Auch Piperazin, Lysidin, Urotropin sind wirksam, doch be¬
steht kein Grund, diese theuren Mittel anzuwenden, da man mit
dem billigeren Natron und den alkalischen Mineralwässern noch
bessere Erfolge erzielt. Es empfiehlt sich mit Rücksicht auf die
Herkunft der Harnsäure aus dem Nahrungs-Ei weiss, diese Medica¬
mente einige Stunden vor und nach dem Essen zu geben.
Endlich gibt cs noch ein Mittel, welches, wie Rüdel u. A.
nachgewiesen, harnsäurelösend ist und die Diurese steigert, den
Harnstoff. Dieses billige, chemisch leicht darzustellende Pro¬
duct wird in Tagesdosen bis zu 20,0 : 200,0 Aq. gegeben und es
treten danach ganz ausgezeichnete Lösungsverhältnisse ein.
H. &■
Sitzung vom 15. Juni 1896.
Herr Eul.nburg
hereditärer progressiver Mu k ^ sind ^ derselben
der Gesichtsmusculatur. Die üb g Geschwister des Vaters.
Weise erkrankt, d er letzten Zeit vielfach
Her Schwalbe demonstnrt aas m ^ yon dieBem
angepriesene Phonend oBcoj^ wegentU g en VprtheU riehen
Instrument Schwerhö g Au8CU itation bei Kindern, ferner
dürften und dass es sicn iur Aberenzung innerer Organe wohl
d “dS,Te harsch “e““ch von de« andere« Vorzügen die.»
’Äilweie überzeuge« könne«.
lmenxee um -- -
Discussion über den Vortrag des Herrn Klemperer
^ EUff^K^e^Erw^mi^eu BC und
STÄnTur Aufstellung einer renalen Form des
Diabetes geführt haben. (8.Vortr.) eine8 renalen Diabetes;
Herr A. Fraenkel ist kein Gegner^ wenn trotz
doch hält er einen solchen era de8 Blutes nicht vermehrt,
Kohlehydratzufuhr der Zuckergehalt des B.utes phloridl5ll .
fondern gegen.die Norm: “g^^^J^^nicht bei einem
Diabetes, und wenn ein B0 ‘^ e , 8 er n bei einem solchen mit ge-
Ä er NäSÄ * biB heute noch
renalen Diabetes zu, hält den wahrscheinlicher gemacht, als
des Herrn Klemperer Gedanke Kl.'s
er es bisher schon war. Es sei zw dieser Frage heranzuziehen,
gewesen, das Phloridzin «ur.EntscheidungResultate,
indess ergaben Versuche, die M,L. angestellt, g UnterBchied zW i-
fehee^r^.n'e« Ge.««de, und S i.v.«kr.«k„
gege Sib d t a ^« b d 0 . r .'phlSdzi« per «-t^-Jl'ÄÄ
gethan und zwar 6,0—10 g p. d,e )* ®° , . h p r0C entsatz refraetär.
fanden wie von Nierenkranken der gleiche procen aUB .
und etwa
Verleibt man dagegen daß P“ 10 ”“ , kra nke Nieren be¬
ider Mensch, ob er « e un ,^ r V er iriurde von M.-L.
sitzt, Zucker im Ur , in » b J 0 Sünden gemacht.) Die grösste
an 14 Nephntikern und an 10 G d ^geschiedenen Zucker-
subcutan gegebene Doms betrug Vfi und d h & hBten Werthe sah
werthe in maximo J° g. Gerade re für welche Kl. die Wirkungs-
M.-L. bei Leuten mit Schmmpf ni«re, u Injection
losigkeit des Phloridzin besondere betont natte. «*» Fo)
von 0,2 Phi. hatte eine Zuckerausscheidun^ von ^ 0 *° nBchliche g J ier e
SÄ ÄÄ dÄ„“ü» F Ä'dl. Löher verlöre«,
ehe es zur Niere gelangt „„ die Kl em per ersehe
Herr W. Marcuse spricht sich gegen aie n-i« f
Annahme eines renalen Diabetes aus Entscheidende wäre, so
Wenn der Blutzuckergehalt das Entecnen ^ ^ 6hmg
müssten, da nach S e e genm f'^NahruiJgs-Kohlenhydrate nicht
desselben trotz Vermehrung der Naürunm Diabet es zum
statthat, alle leichten also die m ®‘ 8 g n d ™' Con sequenzen ziehen
renalen Diabetes zu rechnen sein. Ob disse Beobachtung, dass
will, muss dahingestellt bleiben. Auch is »e über die Norm
der Blutzuckergehalt bei gewissen Optikern i verän dert sei; die
steigt, nicht unbedingt so zu deuten, dMS«^ der oberen Grenze
gefmidenen Werthe sind immer Annahme gerechtfertigt
der physiologischen Breite und es ist die Jnnwun de8
und ungezwungener, idass gege e fa d Blutzuckergehaltes
Individuums immerhin e > ne ® r h öö " n f 8 - daaB j n diesen
statthat. Es würde daraus der öchluss zu zijhe ^ Erhöhung
leichten Fällen (mit gennger^ oder anscheinenü ^ . fen und es
des Blutzuckergehaltes) die . Nl ®’[®“ ® g laaBen - hingegen würde bei
zu keiner Hyperglykämie kom “®“ BluteiickeSalt (0,5 Proc.)
a ph w er em Diabetes mit einem hohen BlutzucK^u \ , yon
eine Verlangsamung der Nierenregulation _sprechen- A uch
einem reDalen Diabetes könnte Raiaonnements iflt nicht zu-
der 3. Punkt des Klemperer sehen Kaiflo?“ e “ iker mit der Ent¬
zugeben. Der Umstand, dass bei «‘^P^^eidung aufhört,
Wickelung einer Nephritis zuweilen Zuckeraasscheidung
braucht nicht so gedeutet zu werfen, dass zur kann auch,
Intactheit der Nierenepithehen.erforderlich. is, d aßB durch
wie A. Fraenkel schon erwähnte, so gedeutet w r yom
die Nierenerkrankung Stoffe im ®! ut ® z d r * 1C welche den Stoff-
Nierenherde aus ins Blut gebracht « den, je J z
Wechsel so umstimmen ( en ^ ed ® E c SeSng), dass die
Verbrennung oder Verminderung der Zuckerberen
Glykosurie zum Schwinden gebracht wira
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30. Juni 1896.
-ää & i 22 F
gleich einen renalen Diabetes anzunfhmen wenTtftÜnl
eines solchen auch nicht ablehnen wolle “ Existenz
dasselbe subcutan* andenTwirke Ä“" geb . rac . hte *»
skä v -^ sich ^diSÄbiareÄ
H, K.
Münchener medicinische wofimmarmmrT
625
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 27. Juni 1896.
Diphfh U eriH? ire AdamkieWiCZ - - V °“ Haüserum gegen
Die «Affaire Adamkiewicz» ist noch nicht zu Ruhe gelangt,
orerst hess der Herr Professor den politischen Blättern, welche
von seiner Ausschi,essung aus der Gesellschaft der Aerzte Notiz
genommen hatten eine «Berichtigung» zugehen, deren Inhalt auch
der am 25. ds. Mts. m der «Neuen Revue» enthaltenen «Er¬
klärung» wiedergegeben ist. Er habe gar nicht die Gesellschaft
Aerzte als solche angegriffen, sondern nur Herrn Hofrath
Albert und eine kleine Schaar ihm Gleichgesinnter; die lang-
athmige Erklärung der Herren DDr. Frank und Schn itz ler
Profil T/n T“'" gleich « iIti «’ Er keine officiellen
oderit t r S T rJ n ^ " icht ke " nt - * »» -wähnt
oder citirt habe.') Die Gesellschaft der Aerzte konnte ihn gar
mch «aussehhessen»^ da er ihr als Mitglied gar nicht angehören
olite, um deren Mitgliedschaft sich nie beworben habe; «nicht
niir sondern sich nimmt diese Gesellschaft die Ehre einer Titular-
ltghcdschaft wieder. Was kann das mich anfechten ? Dies eine
«Ausschliessung» zu nennen, ist anmasse nd, und es ist um
so verwerflicher, da cs keinen anderen Zweck hat, als mich persön-
ch zu verwunden und, womöglich, vor dem Publicum zu com-
promittiren.».
Vornehm heben sich dagegen die «thatsächlichen Berichti-
gungen» ab, welche das Secretariat der k. k. Gesellschaft der
Aerzte,n Vien officiell verlautbart. Wenn Adamkiewicz klagt:
«Wan wollte mich nicht verstehen und man ersetzte, was an
Argume nten fehlte, durch Invectiven» - so citire ich aus der
mit dln g w S , bS C T ? en Safcz ; «v. Mittel schloss die Discussion
t den Worten: Ich setze voraus, dass Herr Professor Adam-
D,Wn C * vt S 7J 8S “ icht übel nimmt - wenn ma " an solche«
‘ K "* Ub J’ dlG " Icht mifc seiner Persönlichkeit, sondern
eTnes t ^ beschäffci « t - Ich glaube, es ist Pflicht
ana „ n J , Fachmannes, unparteiisch und unverblümt sich darüber
sehaft ^bildet"' nT ““J An ° rkennun g von Seite unserer Gesell-
m gleichsam den Stempel für die Echtheit des Vor-
etwas r ICb fraß ° : Ist in dicser wohlwollenden Anrede
etwas von einer Invective zu entdecken?
«KreW a “ ki °T ic * erk,är t immer wieder, er habe bloss die
Inkctbn s n n ° DS ' rirCn W0llen ’ <“« an « eblich jedesmal nach
ab ehl d CaDCr0mS eingetreten 8ei - Wir wollen davon
absehen, dass er seinerzeit immer auch vom Schwunde eines so
d t L 8 rr n T r° r ! etC - also .™ wesentlichen Besserungen
mitbeobachtend^Vv ^ 8eIb8t d ' eSe <<Reaction>> wurde von den
beobachtenden Chirurgen niemals constatirt. So sagte der ietziee
Primararzt Docent Dr. Fran k welcher die t? b iu a , u ■ f
vemn v l, ran k, weitner die rälle Adamkiewicz s
nie iLnd^T l T, <<An den Epitheliomen konnte ich (Frank)
Was A d ' 1 ^ °u Za deaU ' ndc V -*°derung wahrnehmen ».
Adam kiewicz übrigens alles als «Reactiou» ansah und
allwöS;LÄ el Äc S ke Zang8pr0t0k ° ne dCT Geeel,8chaft «dbetoen
Lt h i n h Wi8 k 8en8Chaf f CheD Irrthümern * biebei sich hingab das
habe ich schon in der Vomummer erwähnt.
Dass hervorragende Männer bei Anwendung irgend eines
iS hatn T' chtbch , des therapeutischen Werthes desselben ge-
d7r iw ’ Zu 8Ch ° n Wlederholt vorgekommen; die Mediän
Selber h re WG f Zahlreiche Beis P ie,e solcher Missgriffe und
Selbsttäuschungen auf. Neu ist aber, dass man, wie A dam
k r° ZeS thUt ’ aUch nach Ja hren seinen Irrthum nicht
cinbekennt, sondern alle Jene verdächtigen will welche
le Verthlosigkeit dieser Bemühungen erkannten. Adamkiewi 7z
!! b . 81Cb n “ h . “gefangenen und gerechten Richtern; - nun
gut, die Zeit ist die gerechteste Richterin. Kein Mensch hätte
von dieser längst begrabenen Entdeckung Adamkiewicz’s mehr
gesprochen wenn er selbst es nicht provocirt hätte.
Personen 1896 ** 68 in ganz Oesterreich 4424
Personen, welche an Croup und Diphtheritis erkrankt waren. Von
diesen smd 982 = 22,1 Proc. gestorben und 895 in Behandlung
blieben. Von 1128 mit Heilserum behandelten Personen sind
149 gestorben _ 18,2 Proc. und schwankte in den einzelnen
Landern die Mortalität bei dieser Behandlung zwischen 4,3 Proc
S K “ d , (Dalmatien). Ohne Heilserum wurden
1849 Kranke behandelt; davon sind 704 gestorben, was 38 1 Proc
“»Ten 18 ' 2 38 ' 1 P ™'. —
diese 7ll fiCiCl ', e h 0rgan 0ber8ten Sanitätsrathes, welchem ich
diese Ziffern entlehne, macht hiezu folgende Bemerkungen: Als
Comphcationen wurden erwähnt Urticaria artige Ausschläge, öfter
Erytheme, einmal ein scarlatmaähnliches Exanthem über den ganzen
Körper eine Gelenksaffection, mehrmals Albuminurie, einmal Herz¬
schwäche am 5. Tage nach der Injection. Selbstverständlich können
aus den vorstehenden Angaben ohne besondere Beurtheilung jedes
einzelnen Falles allgemeine Schlüsse nicht gezogen werden.*) In
fwannJw 1 “* J°“. 15 ? präventiv Geimpften nachträglich
h f r,tlS erkrankt - In Oberösterreich erkrankte
und starb ein 4 Wochen vorher präventiv geimpftes Kind trotz
nochmaliger Serumtherapie.
XXIV. Deutscher Aerztetag
in Nürnberg, am 26. und 27. Juni 1896.
Originalbericht von Dr. August Weiss.
Zum dritten Male seit Bestehen des Aerztevercinsbundes hat
die alte gute Stadt Nürnberg den Aerztetag bei sich aufgenommen,
und waren auch die reichen Schönheiten einer längst vergangenen
und einer modernen Zeit, die in ihr so glücklich sich vereinigen,
durch finsteres Gewölk umdüstert, und peitschte auch der Regen
durch die Gassen als man sich in den Räumen der Museums-
Oeseilschaft zur Begrüssung zusammenfand, so fühlte sich doch
jeder alsbald heimisch, denn die liebenswürdige Gastfreundschaft
der Nürnberger Collegen, die mit ihrem allvcrehrten Meister,
Medicmalrath Gottlieb Merkel, zahlreich anwesend waren und in
deren Namen Hofrath Dr. Beckh die Gäste begrüsste, hatte
Alles auf's Beste vorbereitet.
Mit Interesse sah man den Verhandlungen des kommenden
Tages entgegeu. Als wichtigster Berathungsgcgenstand stund
wieder einmal eine Frage der inneren Entwickelung und Gestaltung
des Aerztevereinsbundes auf der Tagesordnung. Seit einer Reihe
von Jahren hatte sich die Thätigkeit desselben in den festen und
sicheren Formen einer — wie die Meisten wohl heute noch
meinen — durchaus gerecht und wohl gefügten Verfassung bewegt,
und nun, kaum »/« Jahre nachdem Graf, der langjährige, treue
Führer, sän an Arbeit, Opfern und Verdiensten um den Bund
so überreiches Leben beschlossen hatte, erhob sich zunächst in
der Vereinspresse der Ruf, die Fundamente des Aerztevereins¬
bundes drohten an Festigkeit zu verlieren, die Satzungen seien
schadhaft, ungenügend und revisionsbedürftig. Vermehrung der
Mitglieder des Geschäftsausschusses, directe Wahl des Vorsitzenden
durch das Plenum, überhaupt eine Stärkung der Macht des Aerzte-
tages gegenüber den Functionen des Ausschusses sei nothwendig.
*) Dies ist mir nicht so «selbstverständlich», da sonst eine jede
medicinische Statistik werthlos wäre.
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626
Münchener medicinische wochensctoot.
No. 26;
Schon iin Jahre 1885 hatten ähnliche Anträge den Aerztetag
beschäftigt; die gewichtigen
gespannt ^ l32 Detegirte, di. Vertat.,
von 162 Vereinen mit 12006 Stimmen erschienen waren wmd
am 26. Juni Morgens 8 Uhr vom Vomtsendcn M. K. Aub
“““nein Indenten des dahingeschiedenen Führers der wenn
auch krank, und an der Theilnahme an den letzten 2 Aerztetagui
körnerlich verhindert, doch wenigstens in geistigem Contact mit
sS Freunden und dem Verlaufe der Berathungen gestanden
hatte war der Beginn seiner Bede gewidmet. Sie gab einen
Rückblick auf Graf’s letzte leidensvolle Tage, seinen am
?J August 1895 erfolgten Hingang, auf das Gefühl des Schmerzes
und der Trauer bei seinen Freunden und Verehrern, aut die all¬
gemeine Teilnahme weiterer, auch officiellcr Kreise. Allen voran
Li die deutsche Aentesohatt durch deu Verlust ihres l»"gjaW“
Führers schwer getrofteu. Für ihn - Aub - den darna s
schmerzhaftes beiden ans Krankenbett fesselte und ihn,
seiner Pflicht und dem Drange seines Herzens zu folgen, se
Wallichs ein getreten, und habe am Grabe des Thou “«“
Verehrung uud Dankbarkeit des Aerztevereinsbundcs Ausdruck
ßegeb Gruf. der von dem Begründer unseres Bundes, Hermann
Eberhard Richter, mit glücklichem Scharfblick zum ersten
Präsidenten der neugeschaffenen Organisation ausersehen war, habe
an dieser Stelle durch sein ganzes Leben ausgeharrt. Sein
glühende Begeisterung für die Sache der deutschen Aerzte, sein
Energie, Ausdauer, Umsicht und kluge Berücksichtigung aller
Verhältnisse sei in Aller Gedächtnis«; mit allen Fasern seines
Seins sei Graf ein deutscher Mann, ein deutscher Arzt
gewesen, der für die Grösse und Einheit des Gesammtvaterlandes
jederzeit einzutreten bereit gewesen sei. . .
Seinem unablässigen Streben verdanke Preussen seine Aerzte-
kammer-Organisation ; leider sei cs ihm nicht mehr vergönnt ge¬
wesen, seine Bemühungen um Reform des preussischcn Mcdicinal-
wesens mit Erfolg gekrönt zu sehen. Zum Zeichen dankbarer
Anerkennung für den hochverdienten, langjährigen Führer und
zum Zeichen des Schmerzes und der Trauer um den viel zu früli
Dahingeschiedenen fordert Redner die Versammlung auf, sich von
den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) . . . ,
Die heutige Tagesordnung werde vielleicht Manchem nicht sehr
umfangreich und einschneidend erscheinen ; aber sie lasse erkennen,
dass wir der Tradition getreu bestrebt seien, früheren Aerztetags-
beschlüssen Geltung zu verschaffen, und auf den Wegen zu ver¬
harren, welche wir mit weit überwiegender Mehrheit beschritten
haben, um unseren Stand zu heben. Dabei sei es nur zu be-
grüssen, dass, nachdem wir seinerzeit mit unserem Verlangen
nach einer deutschen Aerzteordnung an die Bundesregierungen
verwiesen worden seien, in letzter Zeit in 2 Bundesstaaten m
bedeutsamer Weise vorgegangen worden sei. Sachsen habe eine
gesetzliche Organisation des ärztlichen Standes auf der Grundlage
des obligatorischen Beitrittes zu den Bezirksvereinen erhalten,
Preussen einen Entwurf über ärztliche Ehrengerichte, m Bayern
seien die Aerztekammern daran, eine Standesordnung auszuarbeiten
und einen gleichmäßigen und gerechten Vollzug der Verordnung,
welche es den Bezirksvereineil ermöglicht, unwürdige Mitglieder
auszuschliesseu, zu sichern.
All dies seien Ergebnisse der ausdauernden Arbeit derAerztetage.
Hocherfreulich sei die Thatsache, dass die Revision der uiedi-
cinischen Prüfungsordnung etwas deutlicher in die Erscheinung
trete. Dieser Entwurf trage volle Rechnung den Beschlüssen der
Aerztetage von Nürnberg und Weimar, die unter der hervorragenden
Mitwirkung von Kr ab ler-Greifswald und v. Z i eui sse n-München
zu Stande gekommen seien. Redner schliesst mit dem Appell an
die Versammelten, gemeinsam durch engen Zusammenschluss und
™ter Vermeidung unnöthiger Dissonanzen die Lücke auszufüllen,
die Graf's Hingang hinterlassen, den vorerst Keiner allein zu
ersetzen »“ des k Staatsministeriums d. J. begrüsst die
Versammlung Seine Exce.lene ££ £1
sä::; 1 s£ a— rr * *. s r
ehrende g , d en wärmsten Dank der Versammlung
IT™ . Vertreter der Stadt Nürnberg spricht Herr Bürgern,»*.,
Dr von Schub .ehr herrliche Worte der Begrünung welch,
der Vorsitzende mit dem Ausdrucke des lebhaften Dankes des
A “Ä der Vorsitzende in ehrenden Wort, d»
beiden früheren Delegirtcn Henrici-Leipzig und Gocpel-Frank-
furt a O die der Aerztcvereinsbund im abgelaufenen Jahre durch
den Tod verloren. Zu Schriftführern werden berufen Lindmann
und Heinzc. .
Zum Geschäftsbericht theilt der Vorsitzende mit :
1 ln den Aufsichtsrath der Central-Hilfseasse für die Aerzte
Deutschlands ist auf Ansuchen dieser Gasse ein Mitghed des
Geschäftsausschusses -Heinzc- abgeordnet worden. Derselbe
hat bisher 2 Sitzungen des Aufsichtsrathes angewohn .
2 Der Geschäftsführer hat im Vorjahre den Auftrag erhalten
im Einvernehmen mit dem Ausschüsse dem Uebelstande der Ja ¬
stimmen auf den Aerztetagen seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Dem ist, soweit möglich, entsprochen worden.
3 Zur Regelung aller streitigen Punkte zwischen Aerzten
und Leben. Versicherungsgesellschaften ist eine Cta«««
der von unser,., Seite die Herren Heute. P.Z., Wc.kcrl.ng,
von Seite der Gesellschaften die Herren Amelung, Gcrck-
ra th und Dr. Emmingh aus angehören. Von 41 deutschen
Gesellschaften sind 37 dieser Vereinigung helgetreten.
4 Seitens des deutschen Reichs-Count^ s für den Internat,
medic. Congress in Moskau ist an den Aeratevemnsbund etne Etm
ladung zur Beteiligung ergangen. Derselbe hat sich am Gönnte
bethei^ g ^ öegctäftgauaachugs hat s ieb dahin geeinigt, Ihnen den
Vorschlag zu machen, Sie möchten Ihr Einverständmss damit er¬
klären, dass bis zum nächsten, dem 25. Gedenktage der Gründung
des deutschen Aerztevereinsbundcs in Eisenach ein Denkmal für
Graf und Richter geschaffen, sowie eine Erinnerungsmedaille
hergcstellt werde. Zur Ausführung des Planes un Emzclnen soU
ein Comite eingesetzt werden, bestehend aus den Herren I feit >
Busch, Eulenburg, Heinzc, Aub, welche auch die Er¬
mächtigung haben sollen, Schritte zur Erfüllung der t»n«bD
Anforderungen, die das Unternehmen stellt, zu thun. Findet ein
müthige Centralhilfgcasse für die Aerzte Deutschlands
spricht Kali sc her für die Entsendung eines Delegirtcn in cn
Geschäftsausschuss dieser Gasse den Dank aus.
Zu Punkt Hl der Tagesordnung „Vereinsblatt sprich
Sachs-Breslau. _ r . ,, -„l,
Es beständen Klagen darüber, dass das Vereinsblatt nich
den Charakter eines unparteiischen Blattes wahre; nn er
Vereinsbunde seien Meinungen verschiedener Bichtung vor
und man müsse jede derselben zu Worte kommen lassen-•
Redacteur nehme dieselben zwar auf, begleite sie abei «J
nach seiner persönlichen Anschauung mit Randglossen un s
den Eindruck der Einsendungen dadurch ab. Es gehe nie >
das Vereinsblatt nur im Sinne einer Partei zu redigiren un
jective Kritik an deu Einsendungen zu üben.
Cohn-Frankfurt unterstützt diese Ausführungen von
und weist darauf hin, dass man sich auch anderswo, z. B.
in diesem Sinne beklagt habe. D j n g e
Redacteur Wallichs entgegnet es liege ihm ferne, J ie ctive
aus Parteigesichtspunkten zu beurtheilen, doch Recht,
Meinung als Redacteur könne er sich nicht neh ‘" e i ? r ?ufnahme von
Bie zu äussern, nicht verkürzen lassen. Er lasse in der erwft hnt,
Artikeln volle Unparteilichkeit walten Der Vorsitzen de erwaj,
dass eine Beschwerde des Regierungsbezirks-Vereins Stet n« ^
Sache an den Ausschuss gekommen sei, mit der Bitte, Ueber .
Ausschuss zu behandeln. Es sei geschehen und m „ pen
zeugung gekommen, dass eine irrthümliche Auffassung ®8®
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30. Juni 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
627
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Vorwurf, dass das Vereinsblatt ein Parteiblatt sei, müsse er auch von
seinem Standpunkte zurückweisen. Es gehe nicht an, die Majorität
des Aerztetages, die weit überwiegende, wie sie sich immer gezeigt
habe, als Partei zu erklären.
Zenker-Stettin erklärt die Klage von Stettin als auf missver¬
ständlicher Auffassung beruhend und anerkennt die Thätigkeit Wal-
liehs als Redacteur.
Aus Punkt IV der Tagesordnung „Cassenbericht“ geht
hervor, dass das Jahr 1895 mit einem Ueberschusse von 7400 31.
abscblie8st. Gegenwärtiges Vermögen 20,126 31. Die Kosten
für das Vereinsblatt belaufen sich zur Zeit auf 26,370 31. Auf
Antrag der Revisoren wird dem Cassier Entlastung ertheilt.
Punkt V der Tagesordnung: ..Abänderung der Satzungen
des Aerztevereinsbundes.“
Bericht hierüber wegen Raummangels in nächster Nummer.
(Red.)
Punkt VI der Tagesordnung, „die Wahl des Geschäfts¬
ausschusses“, vollzieht sich in gewohnter Weise.
Nunmehr erstattet Heinze (Punkt VII der Tagesordnung)
sehr eingehenden Bericht über „die neue Organisation des
ärztlichen Standes im Königreich Sachsen auf Grund des
‘ obligatorischen Beitrittes zu den Bezirksvereinen und
deren Bedeutung“.
Näheres Eingehen auf die ausführlichen Darlegungen des
Referenten würde hier zu weit führen; nur soviel sei bemerkt,
dass das, was die sächsischen Aerzte in ihrem Gesetze und in
der als Ergänzung hiezu ausgearbeiteten Standes- und Ehren¬
gerichtsordnung (die am 29. Juni 1896 der Beschlussfassung des
Landes - 31edicinalcolIegiums unterliegen wird) in Bälde besitzen
werden, so ziemlich allen billigen Wünschen entspricht. Nicht
allein die disciplinare Gewalt, die ja nie das allein Wünschens-
werthe sein kann, sondern auch ein mächtiger erziehlicher Ein¬
fluss ist durch diesen obligatorischen Beitritt zu den Vereinen
garantirt, ausserdem aber ein weitgehender Schutz des Einzelnen
gegen materielle Ausbeutung und moralischen Schaden. § 13 der
Standesordnung, nach welcher Verträge einzelner Aerzte mit Cassen
aller Art der Genehmigung des Bezirksvereines unterliegen, wenn
die zu vereinbarende IIonorirung unter dem 31 indest-
satze der ärztlichen G e b ü h r c n t a x e bleibt, bedeutet
einen kräftigen Schutz des Einzelnen durch die Gesainmtheit.
Im Anschlüsse an das Referat sprach 31 ü 11 e r-Waldheim
die Befriedigung der sächsischen Aerzte über ihre Errungenschaft
aus; cs sei keine Rede davon, dass sie sich dagegen gesträubt
hätten, sie seien im Gegeiltheil der Regierung aufrichtig dankbar.
Die Regierung sei den Aerzte» soweit als möglich entgegen¬
gekommen. Einiges, was am Gesetz noch auszusetzen sei. sei
nicht allzu schwerwiegend. In der Discussion wurden vielfach
3 erglcicbe zwischen dciu prenssisehe» Entwürfe der Ehrengerichte
gezogen; man mag die gesetzliche, rein juristische Basis des
preussisehen Entwurfes für einwandfreier halten als die Recht¬
sprechung der sächsischen Oberinstanz, immerhin muss man den
preussisehen Entwurf für unvollkommen ansehen, solange der Auf¬
bau auf der Basis der Vereine fehlt. In diesem Sinne äusserte»
sich auch die meisten Redner. Ein Antrag R e i eh - Breslau,
eine einheitliche deutsche .Standesordnung vom Aerztevercinsbunde
ausarbeiten zu lassen, wird als zur Zeit gänzlich inopportun be¬
zeichnet, aber doch nur mit Stimmengleichheit abgelehnt. Schliesslich
findet eine Resolution Löbkcr Annahme: <l)er 24. deutsche
Aerztetag begrüsst mit Genugthuung den Erlass des Gesetzes für
das Königreich Sachsen, die ärztlichen Bezirksvereine betreffend,
sowie die Vorlage des Gesetzentwurfes der kgl. preussisehen Staats¬
regierung über die Errichtung ärztlicher Ehrengerichte, unbe¬
schadet der Kritik im Einzelnen, da er hierin die Er¬
füllung eines Theiles derjenigen Wünsche und Beschlüsse erblickt,
welche in den Verhandlungen früherer Aerztetage wiederholt zum
Ausdruck gelangt sind.»
Damit waren die Arbeiten des ersten Tages zu Ende. Man
traf sich eine Stunde später im Prachtsaale der Hauptrestauration
der Landesausstellung bei fröhlichem Mahle, das die Anwesenheit
einer stattlichen Anzahl von Damen einheimischer und auswärtiger
Kollegen noch anmuthiger gestaltete. Unter heiteren Liedern und
Trinksprüchen verlief der sonnenhelle Abend; Aub toastirte auf
Kaiser und Priuzregentcn, Thier sch auf den Aerztevereinsbund
und Vorsitzenden, Löbker auf die Stadt Nürnberg, Herr Bürger¬
meister v. Schuh auf die Aerzte, Heinze auf das Loealcomite,
Dippc in gewohnt humorvoller Weise auf die Damen und Frau
Medicinalrath 31erkel unter allgemeinem Jubel in gemüthvoll
liebenswürdigen Worten auf die Damen der auswärtigen Collegen.
Als die Sonne gesunken, begann in dem herrlichen Parke das
Zauberspiel der Lichter und Flammen — Fontaines lumineuses,
elektrische Sonnen und Scheinwerfer, Musik und 31ensehengewühl
— so mancher aber zog es vor, von den grauen Zinnen der Burg
über das malerische Gewirre der Giebel hinweg in die dämmernde
Landschaft zu schauen und mit lieben Gesellen durch die nächt¬
lichen Gassen der alten Noris zu schlendern.
(Schluss folgt.)
III. internationaler Dermatologen-Congress.
Für den III. internationalen Dermatologen-Congress,
welcher in London vom 4 bis 8. August stattfindet, wurde folgendes
Programm ausgegeben:
Dienstag, 4. August, 11 Uhr Vorm.: Vorbereitende Ge¬
schäftssitzung. — 12 Uhr Vorm.: Eröffnungsrede des Präsidenten.
— 3 Uhr Nachm. Sitzung: «Ueber Prurigo.» 1. Dr. Besnier
(Paris). 2. Prof. Kaposi (Wien). 3 Dr. J. C. White (Boston).
4. Dr. Payne (London).
Mittwoch. 5. August, 9 Uhr Vorm.: Klinische Demonstra¬
tionen. — Dermatologie. 10'/2 Uhr Vorm.: Aetiologie und Formen
der Keratosen. — 1. Dr. Unna (Hamburg). 2. Dr. H. G. Brooke
(Manchester). 3. Prof. V. Mibelli (Parma), 4. Dr. W. Dubreuilh
(Bordeaux). — Syphilis. lO’/a Uhr Vorm. - Reinfectio syphilitica.
1. Prof. Fournier (Paris). 2. Prof. Lang (Wien). 3. Alfred
Cooper (London). 4. Dr. Fitzgibbon (Dublin). — 2 Uhr Nachm.:
Klinische Demonstrationen. — 3 Uhr Nachm.: Vorträge.
Donnerstag. <>. August, 9 Uhr Vorm.: Klinische Demon¬
strationen. Derrn. 10*/a Uhr Vorm.: Beziehungen der Tuberculose
zu Hauterkrankungen mit Anschluss des Lupus vulgaris. 1. Dr. J.
Nevins Hy de (Chicago). 2. Dr. Hallopeau (Paris. 3. Dr. Rad¬
el iffe Crocker (London). 4. Prof. G. Riehl (Leipzig). — Syph.
I0 l /s Uhr Vorm.: Dauer der Uebertragbarkeit der Syphilis. 1. Hut¬
chinson (London). 2 Prof Campana (Rom). 3 Prof. Lassnr
(Berlin). 4. Dr. Feulard (Paris. — 2 Uhr Nachm.: «Herpes ton-
suraris und Tricliophytonarten. 1. Dr Sabouraud (Paris). 2. Prof.
Rosenbach (Gotting, n). 3. Malcolm Morris (London). Zur De¬
batte vorgemerkt: Dr. Unna, Dr. Colcott Fox, Leslie Roberts u.A
Freitag, 7. August,!» Uhr Vorm.: Klinische Demonstrationen.
— Denn. lO'/a Uhr Vorm.: Natur und Beziehungen der ver¬
schiedenen Formen des Erythema multiforme. 1. Prof, de Amicis
(Neapel). 2. Dr. T. H. Veiel (Stuttgart). 3. Dr. Prince A. Morrow
(New-York). Stephen Mackenzie (London). — Syph. 10'/2 Uhr
Vorm.: Maligne Syphilis 1. Prof. Haslund (Kopenhagen). 2. Prof.
Neisser (Breslau). 3. Prof. Tarnovsky (St. Petersburg), — 2 Uhr
Nachm.: Klinische Demonstrationen. — 3 Uhr: Vorträge
Sa in s tag, 8. August, 3 Uhr: Klinische Demonstrationen und
Vorträge.
Alle Herren, welche Mitglieder des Congresses zü werden
wünschen, wollen sich möglichst bald entweder mit dem General-
secretär, Herrn Dr Pringle, oder mit dem Secretär für Deutsch¬
land, Herrn Dr O. Rosenthal, B rlin W, Potsdamerstrasse 23.
in Verbindung setzen, an welch' Letzteren auch der Mitgliedsbeitrag
von 1 Pf. Sterling entrichtet werden kann Auskünfte über Wohnungen
u. dgl ertheilt Herr Dr Pringle, 2 i Lower Seyraour Street, Port-
man Square, London W.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Das Antimon in der Kinderpraxis. Als Einleitung
eines längeren Artikels gibt Comby (La Mödecine Moderne No. 43)
einen historischen Ueberblick über die Geschichte des Antimons
und seiner Verbindungen, welche in früheren Zeiten (17. und 18.
Jahrhundert) eine grosse Rolle in der Medicin gespielt haben; C.
glaubt, dass die Missachtung, in welche dieses Mittel verfallen sei,
theilweise unverdient sei In der Kinderpraxis kann der Tartarus
stibiatus als Brechmittel recht gute Dienste leisten bei acuter Bron¬
chitis, Pleuritis, Pneumonie, Influenza, Keuchhusteu, ferner hat C.
damit gute Erfolge gesehen bei Pleuritis, Pericarditis im Gefolge
von acutem Gelenkrheumatismus und schliesslich bei Chorea; die
Dosis betrage circa ’/a cg pro Lebensjahr, entweder in Lösung oder
in Form von Pillen zu geben. Will man nur purgirende Wirkung
haben, so gibt man täglich ein halbes Glas folgender Lösung : Tartar,
stibiat. 0,02—0,05: Aqu. 500,0. Für den äusseren Gebrauch bedient
man sich besonders beim Keuchhusten des Unguent. tartar. stib.
(10,0:30,<> Axung.) als starken Hautreizes, womit man Pusteln er¬
zeugt, welche circa 5 Tage anhalten uud danu Narben zurücklassen;
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628
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
auch bei Meningitis, Krankheiten der Leber und des Bauchfells,
bei Naevi ist dieses Ableitungsmittel zu empfehlen. Kermes oder
Stib. sulfur. rubr. ist weniger wirksam, aber auch weniger giftig
wie der Brechweinstein; es wird in der Dosis von 1 cg in Form von
Pillen oder Lösung bei Affectionen der Athemwege angewandt. So
dürften das Antimon und seine Präparate, ohne irgend welche speci-
fische Wirkungen zu besitzen, vermöge ihrer hohen evacuirenden
und revulsirenden Eigenschaften in der Kinderpraxis gewisse Dienste
leisten. St.
Behandlung der Bleikolik mit dem constanten
Strom. Auf zweierlei Weise empfehlen Labadie-Lagrave und
L.-R. R e g n i e n, den constanten Strom in schweren Fällen von Bleikolik
anzuwenden. Durch die eine Art, sog. elektrische Lavements, tritt
sofort Entleerung und Aufhören der Schmerzen ein, wie sich in
4 Fällen zeigte. Die eine Elektrode des galvanischen Stromes von
10—40 M.-A. wird auf den Unterleib gelegt, die andere speciell von
Boudet construirte in den Mastdarm gebracht und unter ständigem
Eingieseen von Salzwasser, um Aetzungen zu vermeiden. 10 Minuten
liegen gelassen. Um auf eine zweite Art die Schmerzen der Blei¬
kolik zu lindern, legt man die negative Elektrode auf das Epigastrium,
die positive (beide von ca. 10 qcm) auf die 6 letzten Rückenwirbel
und nach 15—20 Minuten Anwendung des constanten Stromes von
5—10 M.-A. hört meist der Schmerz auf. Pathogenetisch ist diese
Heilwirkung insofern wichtig, dass der Schmerz resp. die Giftwirkung
durch Reizung des Sympathicus bedingt ist; auch bei den in Folge
Bleivergiftung auftretenden Wadenkrämpfen bringt der constante
Strom sehr schnell Beruhigung. Der Schmerz der Bleikolik ist
also ebenso wie jener der anderen Muskelkrämpfe eine Folge der
irritirenden Wirkung, welche das Blei auf das Nervensystem aus¬
übt. Von den medicamentösen Mitteln glauben die Berichterstatter
daher den galvanischen Strom gegen die Bleikolik empfehlen zu
müssen. Progrfcs Medical No. 21. St.
Trockenverband bei Augenaffectionen. Um einen
für Bacterienentwicklung ungünstigen Nährboden zu schaffen, muss
demselben Feuchtigkeit möglichst entzogen werden und nach Rog-
man soll daher das bei Augenleiden anzuwendende Pulver die
Secretion der Membranen, mit welchen es in Berührung kommt,
vermindern, wasseranziehend und gleichzeitig antiseptisch wirken.
Das Thioform schien diese Bedingungen zu erfüllen und wurde
von R. mit Erfolg bei Conjunctivitis, Keratitis phlyctaenulosa u. a. m.
angewandt, es zeigte sich in seiner Wirkung jedenfalls dem Jodo¬
form, den Quecksilberpräparaten u. s. w. überlegen. Bull. Med.
No. 43. St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 30. Juni. Der 24. Deutsche Aerztetag, der am 26. und
27. ds. in Nürnberg stattfand, ist glatt verlaufen, indem die Tages¬
ordnung durchweg nach den Anträgen des Ausschusses erledigt
wurde. Der am 2. Tage neugewählte Geschäftsausschuss wählte zum
1. Vorsitzenden Aub-München, zum stellvertretenden Vorsitzenden
Löbker-Bochum und zum Geschäftsführer Wal lieh s-Altona. An
anderer Stelle dieser Nummer finden unsere Leser den Bericht über
die Verhandlungen des 1. Tages mit Ausnahme des Punktes V der
Tagesordnung, Anträge auf Abänderung der Statuten, den wir für
die nächste Nummer zurückstellen mussten. Die Abänderungs-Anträge
wurden mit 7878 gegen 3745 Stimmen abgelehnt und ein Vermitt¬
lungsantrag angenommen, wonach eine gemischte, vom Geschäfts¬
ausschuss zu ernennende Commission von 7 Mitgliedern sich bis
zum nächsten Aerztetage mit der Frage beschäftigen soll.
— Die Berliner Stadtverordneten-Versammlung hat nunmehr
zum Abschluss des Vertrags mit dem Fiscus, betr. die Angliederung
des Instituts für Infectionskrankheiten an das IV. städtische
Krankenhaus, ihre Zustimmung ertheilt.
— Für das städtische allgemeine Krankenhaus zu Nürnberg
wurde die Stelle eines Prosectors geschaffen und dieselbe dem
approbirten Arzte Dr. Charles Thorei aus Hamburg übertragen.
— Der IV. internationale Congress für Hydrologie, Climatologie
und Geologie findet Ende September d. J. in Clermont-Ferrand stat.
— Die Cholera in Aegypten ist wieder in Abnahme begriffen.
In Alexandrien wurden vom 30. Mai bis 5. Juni noch 94 Neu¬
erkrankungen und 48 Todesfälle festgestellt, in Kairo vom 29. Mai
bis 3. Juni 185 und 167, in Gizeh vom 29. Mai bis 2. Juni 56 und
54, in Tourah in derselben Zeit 109 und 97.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 24. Jahreswoche, vom 7. bis 13. Juni 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Elbing mit 46,0, die geringste Sterblichkeit Brandenburg
mit 12,0 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller' Gestorbenen starb an Masern in Köln Lübeck
Osnabrück.
— Von der bekannten Londoner Firma Burroughs,
Wellcome & Co. ging uns ein kleines, für die Westentasche
passendes Etui zu, mit einer Auswahl der von der Firma in den
Handel gebrachten comprimirten Arzneimittel. Das Etui enthält
-A-- Tabletten von Schilddrüsensubstanz, Cascara sagrada. Aloin,
Chinin, sulf., Atropin, sulf., Morphium sulf., sowie getrocknetes
Diphtheneheilserum. Durch die äusserst compendiöse Form, in
Verlag von J. F. Lehman n in München. — Druck der E.
welche hier die Arzneimittel gebracht sind, ist der Arzt in der Lage
eine kleine Handapotheke Btets bei sich zu führen. Für deutsche
Aerzte störend ist nur die DoBirung nach Gran. Wenn die Firma
in Deutschland Geschäfte machen will, wird sie sich entschlossen
müssen die Arzneistoffe statt nach dem veralteten englischen, nach
metrischem System zu dosiren.
— Die neue preussische Gebührenordnung für appro-
birte Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896 ist von Dr. A. Förster,
Geheimen Ober-Regierungsrath im Ministerium der Medicinal-Ange-
legenheiten, mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister versehen,
herausgegeben worden, nebst einem Anhang: Der ärztliche Gebühren¬
anspruch und seine gerichtliche Geltendmachung (Verlag von R. Schoetz
in Berlin). Die Brochüre ist durch Circularerlass des Ministeriums
den Medicinalbeamten empfohlen worden. Der Preis beträgt Mk.1.50.
— In vollständiger Umarbeitung erscheint die IV. Auflage von
Liebreich's «Compendium der Arzneiverordnung» (Verlag von
Fischers med. Buchhandlung in Berlin). Sämmtliche seit 1891 neu
empfohlenen Arzneimittel, soweit sie auf diese Bezeichnung mit
Recht Anspruch erheben können, sind in derselben berücksichtigt.
Von jedem werden die Synonyme, die Darstellung resp. Abstammung,
Eigenschaften, Wirkung und Anwendung etc., sowie von den meisten
eine Auswahl empfehlenswerther Receptformeln angeführt. Das Com¬
pendium ist ein äusserst bequemes und zuverlässiges Nachschlage-
buch und kann für den ärztlichen Handgebrauch bestens empfohlen
werden.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Prof. Fürbringer
hat den an ihn ergangenen Ruf zur Uebernahme der bisher von
Professor Georg Lewin geleiteten Charitöabtbeilung und der
damit verbundenen Universitätsprofessur abgelehnt. Er verbleibt
in seiner Stellung als Director beim städtischen Krankenhause am
Friedrichshain. — Marburg. Prof. March and wurde zum Geh.
Medicinalrath ernannt.
Catania. Dr. Alonzo habilitirte sich als Privatdocent für all¬
gemeine Pathologie. — Bologna. Dr. G. Dagnini habilitirte sich
als Privatdocent für specielle Pathologie. — Padua. Dr. V. Cordara
habilitirte sich als Privatdocent für Geburtshilfe und Gynäkologie. —
Toronto. An Stelle des verstorbenen Mr. Farlane wurde Dr. G.
Peters zum Professor der chirurgischen Klinik ernannt.
(Todesfall.) Geh. Sanitätsrath Dr. Moritz Neisser, bekannt
durch seine langjährige badeärztliche Thätigkeit in Charlottenbrunn,
so wie auch als Uebersetzer des Board'sehen Werkes über Neur¬
asthenie, starb in Breslau am 19. Juni, 76 Jahre alt.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. K. Pauly zu St. Ingbert, Dr. Kirsch¬
stein Villa Donnersberg.
Erledigt: Die Landgerichtsarztensstelle in Kaiserslautern.
Bewerbungstermin 16. Juli d. J.
Befördert: im Beurlaubtenstande zu Assistenzärzten
2. Classe der Reserve die Unterärzte der Reserve Dr. Hermann
Harms, Dr. Karl Fröhlich, Dr. Eugen Benischek und Dr.
Gustav Wagner (I. München), Dr. Georg Burckhard und Richard
Seyberth (Würzburg), dann Julius Emsheimer (Landau).
Gestorben: Bezirksarzt Dr. Eppelsheim zu Germersheim;
Dr. Karl Chandon, Medicinalrath, Landgerichtsarzt und Bezirksarzt
I. CI aase, 64 Jahre alt.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten fürMünchen
in der 25. Jahreswoche vom 14. bis 20. Juni 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 23 (32*), Diphtherie, Croup
15 (23), Erysipelas 20 (19), Intermittens. Neuralgia interm. 2 (2),
Kindbettfieber 1 (3), Meningitis cerebrospin. — (1), Morbilli 8 (15),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 7 (12), Parotitis epidemica 5 (4),
Pneumonia crouposa 18(17), Pyaemie, Septicaemie— (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 31 (31), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 39(20),
Tussis convulsiva 32(39), Typhus abdominalis 2(2), Varicellen 19 (5),
Variola, Variolois — (—). Summa 222 (225). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 25. Jahreswoche vom 14. bis 20. Juni 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen: Maseru — (1*), Scharlach 2 (—), Diphtherie
und Croup — (1), Rothlauf 1 (1), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (-), Brechdurchfall 6 (3), Unterleibstyphus —
(—)> Keuchhusten — (2), Croupöse Lungenentzündung 1 (3), Tuber-
culose a) der Lungen 28 (22), b) der übrigen Organe 12 (11), Acuter
Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krankheiten 2 (2),
Unglücksfälle 4 (5), Selbstmord l (—), Tod durch fremde Hand 1 (—-)•
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 180 (187), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 23,1 (24,0), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 13,9 (14,9), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13,2 (13,5).
*i Die eineeklammer|en Zahlen bedeuten die Fälle der Vo rwoch e.
MühIthn)e,r'sehen k. I
Digitizea by
Pie Münchener Medtcln. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens 2'/»—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M, prnenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 «f.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaction
Ottostrassc 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehratr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promcnndeplutz 16.
M ED ICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W.». Heineke, G. Merkel, J. t. Michel, H. i. Ranke, F. t. Winckel, H. t. Ziemssen,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. * Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 27. 7. Juli 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Land weh rstr. 70.
43. Jahrgang
Originalien.
Die Hydrotherapie in der ärztlichen Praxis.
Von Generalstabsarzt Dr. von Vogl.
Aus Special-Forschungen und Erfahrungen über den Werth
der Kaltwasserbehandlung auf verschiedenen Krankheitsgebieten hat
sich ein Gcsammtwissen entwickelt, welches nun in der «Medicins'
einen Platz zu beanspruchen vollberechtigt ist. Die Hydrotherapie
steht weder an Heilkraft noch an Verständlichkeit ihrer Wirkungen
den wenigen aber altbewährten Arzneistoffen nach; dennoch ist
es ihr noch nicht gelungen, in gleichem Maasse und Umfange
gewürdigt und verwerthet zu werden.
Ihre wenig sympathische Aufnahme ist erklärlich; denn
manche unwissende oder unlautere Vertreter haben ihren Leumund
getrübt; aber dies ist doch sehr zu beklagen, denn es bedeutet
einen Verzicht auf ein mächtiges Heil-Agens, welcher den Arzt
einer Reihe von Krankheitsformen und Symptomen machtlos gegen¬
über stellt. Insbesondere ist es der junge Arzt, der dadurch
empfindlich berührt wird.
Es ist gewiss, dass der Studirende der Medicin bei natur¬
wissenschaftlicher Degabung und Liebe zum Beruf auch in der
kürzer als früher bemessenen Studienzeit sich eine l 1 ülle von
Kenntnissen aneignen kann; die heute verfügbaren Hilfsmittel des
Unterrichts fördern das Studium in fast beneidenswerthem Maasse,
sowie auch die Fortbildung auf der an positiven Errungenschaften
viel reicheren Grundlage wesentlich erleichtert ist.
Gleichwohl bringt der junge Arzt einige unverschuldete Lücken
des Wissens mit in die Praxis, die sich im beruflichen Verkehre
diesen Männern recht auffällig bemerkbar machen. Das wohl¬
meinende Interesse für die Sache möge deren Besprechung an
dieser Stelle rechtfertigen; sie soll nicht Tadel, sondern nur
Wunsch ausdrücken.
Eine solche Lücke ist die ungenügende Ausbildung in den
physikalischen Heilmethoden — speciell der Hydrotherapie;
es ist schwer, sie durch Selbststudium der Grundsätze der Hydro¬
therapie und durch Erlernung der Technik an irgend einer Anstalt
nachträglich auszufüllen.
Die Hydrotherapie muss als Ganzes gelehrt und
gelernt werden, wie cs Professor Winternitz in Wien
auf dem Boden der Physiologie in unermüdlichem Streben und
Schaffen zusammengefügt und aufgebaut hat. Durch vereinte
Arbeit hervorragender Forscher ist dann die physiologische Seite
der Hydrotherapie immer mehr der Erkenntniss zugängig geworden,
sowie auch die Physiologie dabei selbst um manche Thatsache
reicher geworden ist. —
Wir wissen, dass die sensiblen Hautnerven der Körperober¬
fläche den Angriffspunkt für den thermischen (und auch mecha¬
nischen) Reiz des kalten Wassers bilden und dass dieser über¬
wiegend reflectorisch physiologische Vorgänge vermittelt, welche
pathologische Störungen in ferner gelegenen Gebieten des Organismus
zu corrigiren vermögen: so kann je nach Intensität, Oertlichkeit,
und Dauer dieses Reizes die Erregbarkeit der nervösen Centren
No. 27.
gesteigert oder herabgesetzt, der Kreislauf beschleunigt oder ver¬
langsamt, der Blutstrom einem Gebiete entzogen, einem anderen
zugeführt, der Blutdruck gesteigert oder gemindert, die Athmung
vertieft werden etc. ete.; endlich kann die Wärraeregulirung in
gewünschtem Sinne beeinflusst werden . . .
Es sollte damit nur in kurzer Fassung angedeutet, werden,
auf welchen Wegen die Wirkungen der Hydrotherapie sich voll¬
ziehen und studiren lassen. Der junge Mediciner soll von leitender
Hand auf diesen Wegen geführt werden, um die Hydrotherapie
in ihrem Werth und Wesen kritisch heurtheilen und nach richtigen
Indicationen an wenden zu lernen.
Die Hydrotherapie muss ex cathedra vor getragen
und am Krankenbette demonstrirt werden. Nur so
wird sie, was sie wirklich sein soll, Gemeingut aller Aerzte; sie
soll nicht als Specialfach auf Anstalten beschränkt bleiben und
auch nicht Universaltherapie werden, welche andere Heilstoffe und
Factoren ausschliesst, wie sic uns die Pharmacologic bietet und
die moderne Forschung noch in Aussicht stellt. — Es kann nicht
genügen, dass Handbücher und Vorträge auf den Werth und die
Erfolge der Hydrotherapie in gewissen Krankheitsformen und
Symptomen hinweisen ; dieselbe sollte im Anschlüsse an die Klinik
wie jede andere Therapie theoretisch und praktisch vorgeführt
werden — als obligater Lehrstoff. Der junge Arzt ist
zaghaft in ihrer Anwendung, wenn er sie nicht beherrschen kann,
er schreckt meist gerade da zurück, wo die promptesten Wir¬
kungen zur Verfügung stehen; er meidet die Kälteanwendung in
katharrhalischen Affectionen der Athmungsorgane, des Darm¬
kanals etc. etc.; Kreislaufstörungen scheinen ihm unantastbar, weil
er Drucksteigerung befürchtet, wo er Herabsetzung wünscht und
auch erreicht bei richtigem Eingreifen; er verzichtet auf die
beruhigende Wirkung ganz milder Kälteprocedurcn, weil sie ihm
nicht geläufig sind etc. etc.; so erschöpft er lieber den ganzen
Schatz von inneren Medikamenten, deren Erfolglosigkeit ihm bald
die Morphiumspritze in die Hand drängt, — zum Unglücke des
Kranken !
Wer überlegt, was die erste Morphium-Injection bedeutet,
wie folgenschwer sie dem Menschen sein kann, der muss doch
mit Freude eine Therapie begrüssen, welche dieselbe ganz ferne
zu halten oder wenigstens möglichst lange hinauszuschicben ver¬
mag. Die Hydrotherapie kann dies durch die Vielfältigkeit ihrer
Kräfte und deren verständnisvolle Verwendung. So kann der
Satz nicht überraschen, dass der Morphinismus um so
sicherer abnehmen wird, je mehr die Aerzte die
Hydrotherapie kennen lernen werden. Zur Zeit sind
die meisten noch ferne davon.
Nicht weniger schlimm als diese ablehnende Haltung der
Aerzte gegen die Hydrotherapie ist deren Ausübung durch Laien;
sie ist eine unabwendbare Folge davon.
Der Kranke, unzufrieden mit den Erfolgen einer ärztlichen
Behandlung, ist geneigt, sich Laien anzuvertrauen und lässt auch
fachverständig geleitete Anstalten zur Seite liegen, obwohl diese
keinem erreichbaren Erfolge ferne bleiben.
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630
MflMfifTW NER MEDICINISCHE WOCH ENSCHRgT.
No. 27.
Die Wirkung des kalten Wassers ist nicht indifferent; sie
SSt
“^Uta-rrt tont aber die Krankheit ao wenig ; wie»die
^e ThÄt"t B r'“Je Cian,
Die Ges am m theit der AerUe muss sich der
Hydrotherapie bemächtigen. Diese soll nicht an Anstalten
XdLbieJ.
und 'auch nichfln hydriatischen Maassnahmen, mit welchen ihnen
oft eenügt werden kann, wo andere Medicationen versagen we
ia gewiss auch diesen ihre bestimmten Indicatione» ungeschmälert
zuerkannt werden müssen. Der Arzt mit der
erzielt durch einen richtig angelegten kalten hmscblag euie M ck
lumr, ein kaltes Fuss oder Sitzbad etc., bei Lungen- oder Nase
blutungen, bei Darm-Affectioneu , bei schweren Herz-Symptomen
bei Cerebral-Erscheinungen etc. Wirkungen, die M
Stoff oder eine unrichtig gewählte thermische Procedur nicht
gewährt. Mit bedauernder Theilnalimc muss man
Situation, namentlich der jüngeren Aerzte am Krankenbette beob¬
achten, die so nahe liegende, einfache und wirksame Hilfsmittel
sich nutzbar zu machen nicht gelernt haben.
\ber auch noch ein ganz bestimmtes Gebiet von unabseli
barer Ausdehnung eröffnet sich der Hydrotherapie in der
Bethciügung am Kampfe gegen die Tubcrculos .
.AVcttJcs richtig ist, dass sie durch Steigerung der Innervation
die Herzthätigkeit anregt, die Athmung vertieft die Ernährung
bessert etc., dann ist ihr vor Allem in der Prophylaxe der Tubcr-
culose eine active Rolle beschieden. Sie wird Prophylaxe betätigen
in grossem Maassstabc, wenn alle Aerzte cs sich zur Aufgabe
machen, in Familien — arm und reich —, m Waisenhäusern,
Seminarien, Fabriken, Bergwerken etc. Schwächlinge bezw durch
Vererbung oder durch erstandene Krankheiten (Keuchhusten,
Masern, Influenza etc.) zur Tubereulose disponirte, vom 1. Lebens¬
jahre an bis zur gefährlichen Pubertät und darüber hinaus, durch
eine individualisirende, methodische Kaltwasserbehandlung wider¬
standsfähig zu machen gegen die schädigenden Einflüsse des Be¬
rufes, der Witterung etc. oder mit andern Worten, wenn durch
rationelle Abhärtung die Disposition: zur Tuber-
culose ab geschwächt wird. Es mag die Ernährung, die
Wohnungs-, Schul- und Gewerbe-Hygiene in der Prophylaxe an
Bedeutung überwiegen, immer wird die Quote solcher, welchen
durch die systematische Abhärtung über die vielfachen Gefahren
hinweggeholfen wird, eine ziemlich grosse sein ; überdies wird der
ärztliche Einfluss, der mit dieser Methode Eintritt in das häus¬
liche Leben finden wird, auch in manch’ anderer Richtung
hygienisch verbessernd oder auch nur belehrend wirken und somit
die grosse Aufgabe der Prophylaxe fördern, von der bis nun die
arme Classe der Bevölkerung fast ausgeschlossen war, dies käme
aber auch den Reichen zu statten, denn diese haben gerade in
der Tubcrculose der Armen ihren grössten Feind. Doch auch
die ausgeprägte, beginnende oder selbst vorgerückte
Tubcrculose kann und soll noch Gegenstand einer individuali-
sirenden, methodischen Kaltwasserbehandlung sein ; solche Kranke
werden äusserst angenehm und günstig berührt von milden Prnee-
duren, welche Entfieberung, Esslust, Minderung des Hustenreizes
und der Nachtschweisse, sowie Schlaf zu Stande bringen, ohne
dies durch nachtheilige Nebenwirkungen erkaufen zu müssen.
Gewichtszunahme ist häufig der greifbare Erfolg dieser Behand¬
lungs-Methode, welche ja für die vielen Tausende von Disponirteu
und Kranken, denen Yolksheilstätten verschlossen bleiben müssen,
Einzige und Einfachste ist, was ihnen im Hause der Familie,
das Lmzige u „ eb oton werden kann gegen den
des Institutes e Volksheilstätten, welche bereits ins
tückischen Feind. Dass cn ^ Wohle der Menschheit
Leben gerufen wor L . jj Culturstaaten noch erstehen
berufen und befähigt sind ^
-r r d 5 r “ä
rffefs’tehm, 3 , sich'auch dem gleichwerthigen Hilfsfactor - dem
W-issor _ nicht verschliessen werden. ,
Die acuten I n f e c t i o n s k r a n k he . t e n (besonder
Typhus, Scharlach, Lungenentzündung) sind es,
physiologischen Wirkungen des Kältercizes als He.leffect einer
SÄeobachtung zugängig machen.
oSe,; Äfc
Nieren zur wirklichen Polyurie mit Ausscheidung der Giftstoffe
mit der Diurese schwankt das subjektive und objective Befinden
des Kranken auf- und abwärts. Alles dies
mittlung der erhöhten Innervation zu einem zeitlich begrenzten
Effect der nach 2-3 Stunden wieder abklingt und dem B,Id
weicht, welches als «Status typhosus» in einen Begnff „tfasst s
und die Anwendung eines erneuten Reizes der ^erven-Centren m
dicirt. Dass die periodische Wiederkehr solcher Kinzeleffeetc d e
mit der fortgesetzten Behandlung von immer anhaltenderem B
Stande werden, den ganzen Krankheitsverlauf günstig gestaltet, ist
eine theoretisch berechtigte Annahme und für uns eine durch L
fahrung festgestellte Thatsache. M„tl,ndoder
Darin liegt d a s W esen der Brand sehen Methode der
Typhusbehandlung; Brand in Stettin hat sie ^abhän^g
von den damals (in den 60 er Jahren) »och wenig
Sätzen der Hydrotherapie aufgebaut; sie ist ^s P oduet sdbst
ständiger Erwägungen, die sieh vollkommen mit der heutigen
Theorie der Kaltwasserbehandlung decken. Tvm hustlierapie
In allerjüngster Zeit hat sich der Stand der
etwas verrückt und zwar, wie es scheinen mag, zu Gunsten
Hydrotje Ant ipyresc hat den Erwartungen nicht
entsprochen; ihre ausschliessliche Anwendung zur constanten E
fieberung oder zur Schaffung möglichst tiefer Remissionen hat sieh
bei einer viele Wochen währenden Akme als bedenklich,
weise nicht vorteilhaft erwiesen; ihre Combtnation mit Bäder
behandlung aber entkleidet diese der «Methode, und damitd<*
Einflusses auf den Krankheitsverlauf. Sie bat mit der
therapie nichts gemein, als die ant,thermische
anderen Wirkungen arbeiten der methodischen B^erbehandiung
nur entgegen, deren Ende und Hauptziel die Fernhaltung der
doJ Entbehrlichkeit f«r »
durch 25 jährige Erfahrung dargethan und deren GefahHosigke
mindestens nicht sicher gestellt ist, hat keine Berechtigung; mehr
Zwei andere aussichtsvolle Wege, von der neuesten Forschung
betreten, können der ärztlichen Praxis noch nicht frc.gegebcn
werdende ection des Darmes stösst auf örtlmbe jmd
zeitliche Schwierigkeiten des Vordringens der an
zu den Krankheitserregern und bietet bei genügender lütensiU
ihrer Anwendung zur Zeit keine Garantie gegen Gefahr , ob
je zur Verwendbarkeit gelangen wird, soll die Zukunft lehr ■
Die Serum-Therapie ist in ihrer Wirkung noch nich
geklärt; cs ist noch fraglich, ob sie bactericidid, antitoxisehi od
schützend ist; sie ist, wie noch einige andere auf bnmuD» ung
der Zelle abziclende Vorschläge für die Einführung m die Praxis
Zunächst ist es uns nur beschieden, die weiteren For ^ ] U “® e “
auf diesem Gebiete beobachtend mit der Zuversicht zu eg ,
dass sic uns noch segensreiche Errungenschaften bringen •
Die heutige Typhus-Therapie von der
Kliniker und Aerzte angenommen, ist die diatetisch-byg
Behandlung, verbunden mit individualisirender Anwendung
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7. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
631
Käilteproceduren; besonders sich vordrängenden Symptomen wird
natürlich in gesonderter Behandlung entgegen getreten.
Man ist mit dieser Therapie zufrieden, denn sie hat die
Sterblichkeit von 20 Proc. auf 15—10 Proc. herabgesetzt; dies
ist unzweifelhaft für .Jeden, der den Typhus und seine ausschliess¬
lich exsjiectative (diätetisch - hygienische) Behandlung vor 3—4
Dezennien zu beobachten noch Gelegenheit hatte.
Die weitere Herabsetzung der Sterblichkeit auf 7 Proc. —
5 Proc. — 2 Proc. in grösseren Epidemien (kleinere können hier
nicht in Betracht kommen), wie sic Brand, Jürgen sen,
Ziemasen, Liebermeistcr, Tripier, Bouveret, Gie¬
nau d, Baruch, Siehlen u. a., endlich der Verfasser durch
lic strenge oder etwas modificirte Brand'sehe Methode erzielt
haben, ist zweifellos; je strenger man sich an diese hält, desto
sicherer und tiefer fällt die proc. Sterblichkeit!
Dieser Satz ist nicht unangefochten und will cs auch Jedem
unbenommen lassen, sich der Strenge der Bädcrbehandlung so weit
zu nähern, wie es Ueberzeugung und Erfahrung ihm anweist; es
kann aber keinem Arzte unbenommen bleiben, ob er streng oder
:r«.lde verfährt, die Wirkungen des kalten Bades in allen ihren
Einzelheiten genau kennen zu lernen, bevor er zu seiner Anwen¬
dung schreitet. Die Bäderbehandlung ist gefahrlos und wirksam
unter verständnissvoller Leitung und gewandten Händen, aber sie
kann Schaden stiften, wenn sie sich nicht dem Individuum anpasst
und kann versagen, wenn es ihr aus Mangel an Sicherheit des
Arztes an Energie gebricht; dadurch sind die häufigsten Miss¬
erfolge verschuldet. Das kalte Bad schützt durch Anregung des
Zclleulcbens die Gewebe vor der Einwirkung der Toxine und för¬
dert deren Ausscheidung; Verzögerung des Beginnes und zaghafte
Durchführung der Behandlungs-Methode muss die Aussicht auf
Erfolge mindern ; anderseits vermag die volle Strenge der Methode,
noch ausgedehnt auf die 2. bis 3. Woche oder selbst in die Ent¬
fieberung hinein den Kranken ernstlich zu gefährden.
Energie und Vorsicht zu verbinden ist in der
Hydrotherapie der acuten Krankheiten nicht weniger als der chro¬
nischen eine wichtige und schwierige Aufgabe; sie kann nur
gelöst werden an der Ilaud eines gediegenen theoretischen Wissens
und praktischer Erfahrungen.
Möge der Zeitpunkt als gegeben erachtet wer¬
den, dass die Kenntnis» der Hydrotherapie der
Gesam mtheit der Studirendcn in ihrem ganzen Um¬
fang auf allen Kliniken erschlossen werde; dann
erst werden die Heilwirkungen derselben der lei¬
denden Menschheit ungeschmälert und ungetrübt
zu Gute kommen.
Zur Therapie der Enteroptose.
Vorläufige Mittheilung von Dr. Alfred Günxburg, Frankfurt a. M.
Das vielgestaltige Leiden, welches mit Erschlaffung der ßaucli-
decken, resp. des Bockenbodens, mit Tiefstand und abnormer Be¬
weglichkeit der Baucheingeweide einhergeht und zu Functions¬
anomalien der Bauchorgane Veranlassung gibt, das endlich eine
ganze Fülle von unangenehmen Sensationen zur Folge hat, musste
naturgemäss die verschiedenartigsten therapeutischen Bestrebungen
hervorrufeu.
Die Erschlaffung der Bauchdecken versucht man für ge¬
wöhnlich durch Massage und elektrische Behandlung zu beseitigen,
ein rationelles Verfahren, dessen Erfolge nicht immer grosse sind.
Es ist eben die Veränderung der Bauchdecken, die nach einer
Keihe von Entbindungen auftritt, doch mehr als eine einfache
Muskelschwächc.
Während man den Anomalien des Beckenbodens durch operative
Eingriffe, Behandlung mit Pessaren etc. genügend entgegen wirken
kann, bleibt die erschlaffte Bauchwand doch zumeist functions¬
unfähig und hat eine relative Erweiterung des Bauchraumes zur
folge. Man versucht es, durch Bauchbinden die fehlende Stütze
emigermassen zu ersetzen und einen gleichmässigen Druck auf den
Bauchinhalt auszuüben, wodurch die abnorme Beweglichkeit der
Eingeweide eingeschränkt wird. Indessen weiss jeder Arzt, dass
diese Binden nicht immer genügen und dass sie bei der Schwierigkeit
No. 27.
der Frauenkleidung nach oben and nach unten gleiten, Beschwerden
machen und ihren Zweck verfehlen können. Man versucht weiter
durch übermässige Ernährung den Bauchinhalt zu vermehren ; oft
sieht man guten Erfolg durch eine reguläre Mastcar; indessen
muss bemerkt werden, dass die Bückfälle ausserordentlich leicht
und häufig ein treten. So lange die Patienten im Bett liegen,
sind ihre Beschwerden gering; sobald sie wieder umher gehen,
haben sie durch mancherlei Sensationen zu leiden und Patienten
wie Aerzte sind geneigt, diese Beschwerden durch Einschränkung
der Kost zu behandeln. Kein Wunder, dass wieder Fett einge¬
schmolzen wird und die Bauchorgane wieder abnorm beweglich
werden. Man kann derartige Patienten gar nicht genug ermahnen,
sich immerfort möglichst reichlich zu ernähren. Aber grosse
Flüssigkeitsmengen sollte man billig vermeiden, sie zerren den
Magen noch tiefer herab. Aus diesem Grunde sind auch Trink-
curcn, welche mit der Aufnahme von grossen Flüssigkeitsmengen
verbunden sind, bei der Behandlung der Enteroptose unzweck¬
mässig. Auch bei der, stets mit der Enteroptose verbundenen,
Verstopfung habe ich keinen Erfolg von Trinkeuren gesehen. Im
Uebrigen muss bemerkt werden, dass die Obstipation — gewöhnlich
als eine atonische aufgefasst — in den von mir genau beobachteten
7 0 Fällen fast ausnahmslos eine spastische gewesen ist. Mir
scheint da eine Verwechslung vorzuliegen: Pie Bauchdecken
sind atonisch, in Folge dessen fallen die Darmschlingen nach
vorne oder nach unten; aber dass die Därme selbst atonisch
seien, dafür scheint mir in den meisten Fällen kein Anhaltspunkt
vorzuliegen ; fehlt doch fast allen Enteroptoscfällen die Tympanitis,
welche zur Darmatonie ge>ört. Aber für die Annahme andauernder
Tenesmen sind Anhaltspunkte vorhanden, in dem engen Sphinc-
ter ani, in dem bleistiftförmigen oder bandförmigen Koth und in
der Colica inueosa, welche die Euteroptosckranken oft zeigen. Die
zweck massigste und am meisten geübte Behandlung der spastischen
Verstopfung sind regelmässige Üelklystiere. Sie beseitigen zwar
die Spasmen nicht, erleichtern aber die Passage so ausserordentlich,
dass die Beschwerden der Patienten wesentlich verringert werden.
Im Ganzen also sind die Erfolge der Enteroptosebehaudluug
bisher keine grossen, und die betreffenden Patienten gelten mit
ihren endlosen Klagen noch immer als eine Crux der Aerzte. Es
dürften also neue Beliandlungsversuche nicht unwillkommen sein.
Ich habe nun die Erfahrung gemacht, dass man das Gc-
samintbcfiriden und den Ernährungszustand der mit Enteroptose
behafteten Kranken günstig beeinflussen kann, indem man sie
regelmässig kleine Hefemengen nehmen lässt. Ich lasse diese
Patienten drei mal täglich ein erbsen- bis bohnengrosses Stückchen
täglich frisch geholter Presshefe einnehmen und habe über die
Veränderungen, welche die Verordnung hervorbringt, folgendes zu
berichten.
Objectiv nachweisbar entwickelt sieh allmählich ein massiger
Grad von Meteorismus, welcher meiner Auffassung nach nur
erwünscht sein kann, weil er zur Festlagerung der Organe
beiträgt und ihr Hin- und Hergleiten vermindert. Es ist mir
zuweilen vorgekommen, dass dieser Meteorismus ein Spannungs¬
gefühl vcranlasste, wcsshalb die Hefemengen vermindert werden
mussten. Meist aber war die massige Tympanitis, welche auftrat,
den Kranken ganz ausserordentlich angenehm. Viele Kranke
hatten, ehe sie Hefe nahmen, über andauernde Belästigung durch
Gase zu klagen. Die Hefemedieation beseitigte diese Beschwerden.
Man kann für diese auffallende Erscheinung vielerlei Gründe heran¬
ziehen und muss wohl berücksichtigen, dass die Kohlensäure,
welche durch Hefe im Darm gebildet wird, anders als die übrigen
Darmgase auf die Darmwand wirkt. Mit der entstehenden Tympanic
hängt es auch zusammen, dass die Pulsationen der Aorta im oberen
Bauehraum die Patienten weniger quälen ; es schieben sich nämlich
gasgefüllte Darmschlingen zwischen Aorta und sensible Bauchwand
ein. Und so wie diese unangenehme Empfindung fortfällt, so
entfallen noch eine Reihe anderer peinlicher Sensationen unter
Hefegebrauch, so dass man die Lebenslust und vor allem die
Esslust bei den Patienten wiederkehren sieht, auch wenn man sie
umhergehen und arbeiten lässt. In diesem Punkt scheint mir
ein wesentlicher Vortheil der Behandlungsmethode zu liegen, denn
ein grosser Theil der Enteroptosekranken (gerade die schwersten
Fälle) gehört dem arbeitenden Staude au, der nicht über Zeit und
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632
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
Geld verfügt, um sich monatelang ins Bett zu legen. Unter
Hefegebrauch ernähren sich die Patienten besser, sie nehmen an
Körperfülle zu und im Bauchraum entwickeln sich die nöthigen
Fettmassen zur Fixation der Bauchorgane. Dass die Patienten
während der Hefemedication zu möglichst reichlicher Ernährung
ermahnt werden sollen, bedarf kaum der Erwähnung. Ist die nöthige
Körperfülle erreicht, so kann die Hefe wegbleiben, wird aber im
Fall erneuter Beschwerden wieder für einige Wochen verordnet.
Schliesslich lernen es die Patienten selbst, die Hefe zeitweise zu
gebrauchen und wegzulassen.
Noch einen Nutzen dieser Medication muss ich erwähnen,
den Einfluss auf die spastische Verstopfung, welche ich in vielen,
wenn auch nicht in allen Fällen unter Hefegebrauch habe schwinden
sehen. Der Stuhlgang, der vorher als Bleistiftkoth abgesetzt
wurdo, nimmt normale Gestalt an, die Schleimmasscn, welche den
Stuhlgang umwickelten, verschwinden.
Es lassen sich nun gegen den Gebrauch von Hefe eine Reihe
von Einwendungen machen. Erstens könnte die Hefe im Magen
grosse Gasmassen entwickeln, welche Belästigung, sogar Kurz-
athmigkeit hervorzubringen vermöchten. Die Erfahrung hat mich
gelehrt, dass dieser Einwand nicht berechtigt ist. Die Hefezellen
werden rasch in den Dünndarm geschoben, so lange die Magen-
musculatur normal functionirt, oder wie bei Entcroptose häufig,
einen schwachen Grad von Atonie aufweist. Wo aber eine wirk¬
liche Dilatation vorhanden ist (bei Enteroptose durchaus nicht das
gewöhnliche) da ist die Hefe contraindicirt. Ein ähnlicher Ein¬
wand wird zweitens in Bezug auf den Darm erhoben werden;
indessen habe ich schon oben erwähnt, wie es sich mit der ver¬
meintlichen Atonie des Darms verhält und will nur noch hinzu¬
fügen, dass ich eine Schädigung der Darmmusculatur bei monate¬
langem Hefegebrauch nicht habe auf treten sehen. Man wird endlich
einwenden, dass die Enteroptose ein dauernder Zustand sei, und
dass man die Hefe nicht immerfort nehmen könne; indessen habe
ich schon angedeutet, dass ich die Medication nur als ein Hilfs¬
mittel angesehen wissen will, zur Einfuhr so grosser Nahrungs¬
mengen, dass die Patienten genügend fett werden.
Ich weiss, dass die Verordnung der Hefe nichts Neues ist,
aber die Indieation: Verwendung bei der spastischen Verstopfung
und der Enteroptose ist meines Wissens bisher nicht gestellt
worden.
Bei der vorstehenden kurzen Mittheilung habe ich jegliche
theoretische Erörterung in Bezug auf die Pathologie des Leidens
und in Bezug auf die Wirkung der Hefe vermieden und verweise
auf eine demnächst erscheinende ausführliche Publication. Einst¬
weilen empfehle ich das beschriebene Verfahren der Nachprüfung.
Aus dem Vereins-Hospital zu Hamburg. (Abtheilung von
Dr. Nonne).
Werden bei der Behandlung der Chlorose durch die
neuerdings empfohlenen Mittel: „Aderlass und Schwitz-
cur“ bessere Resultate erzielt, als durch Eisen?
Von Dr. Paul Schmidt, Assistenzarzt.
In den letzten Jahren haben mehrfach Veröffentlichungen
stattgefunden, welche den Vorzug der Anwendung von Aderlass
und Schwitzcur vor den Eisenpräparaten bei der Behandlung der
Chlorose betonten. Zwar ist diese Methode keine Erfindung neueren
Datums, denn wir finden sie schon in der Literatur des vorigen
Jahrhunderts (Boerhave, Hoffmann) erwähnt; aber wie über¬
haupt der früher vielfach angewandte Aderlass im Laufe der Zeit
in Misscredit gerieth, so kam er auch bei der Chlorose ausser
Gebrauch. Ebenso ist auch die früher ebenfalls schon geübte und
gerühmte Sclnvitzbehandlung dieser Krankheit später wieder in
Vergessenheit gerathen.
Erst im Jahre 1883 versuchte Dy es wieder für den Ader¬
lass Propaganda zu machen. Ein in der Allg. med. Centralzeitung
in Berlin erschienener Aufsatz fand jedoch keine Anerkennung
unter den Fachgenossen, und er wandte sich daher in Broschüren
an das grössere Publicum, um für seine Sache Interesse zu er¬
regen. 1 ) Seine Ansichten über das Wesen der Chlorose und die
Wirkungsart des Aderlasses sind den herrschenden wissenschaft¬
lichen Anschauungen so entgegengesetzt, dass es nicht zu ver¬
wundern ist, wenn er in ärztlichen Kreisen keinen Anklang fand.
Dagegen erschienen in der Folgezeit von verschiedener Seite Publi-
cationen, welche auf Grund wissenschaftlicher Beobachtung sich
für den Nutzen des Aderlasses in so überzeugender Weise aus-
sprachen, dass die Aufmerksamkeit der medicinischen Welt diesem
Gegenstand wieder zugelenkt werden musste.
So trat Scholz in Bremen für den Aderlass ein und erklärte
zugleich die Schwitzcur für ein gleichwertiges und gleichartig
wirkendes Mittel*), Wilhelmi in Güstrow theilte seine mit Ader¬
lässen erzielten Erfolge mit 8 ), und Andere folgten. Auf der
67. Versammlung der Naturforscher und Aerzte in Lübeck 1895
ist dann bekanntlich die Frage über den Nutzen des Aderlasses
bei verschiedenen Krankheiten zur Discussion gelangt. Während
Schubert, Fosionek und Wilhelmi sich in günstigem
Sinne über den Aderlass und seine Wirkung bei der Chlorose aus-
sprachen, erklärte LenhaTtz denselben wegen der Gefahr der
Thrombosenbildung für geradezu contraindicirt bei dieser Krankheit.
Durch die fast begeisterte Empfehlung der neuen Therapie
von Seiten der oben genannten Autoren angeregt, war mein da¬
maliger Chef, Herr Nonne, der Angelegenheit bereits früher
näher getreten und hatte von Ende des Jahres 1894 an auf der
inneren Abtheilung des Vereins-Hospitals zu Hamburg eine Reihe
von Chlorosen der Behandlung mit Aderlass und Schwitzcur
unterzogen.
lieber das Resultat habe ich ausführlicher in meiner Disser¬
tation berichtet.
Das Ergebniss war nicht gerade ermuthigend. Direct schäd¬
liche Folgen wurden in unseren Fällen allerdings nicht beobachtet;
indessen wurde mit der Schwitzcur so gut wie Nichts erreicht,
und die Wirkung des theils in Verbindung mit der Schwitzcur,
theils für sich allein angewendeten Aderlasses zeigte sich zum
Mindesten fraglich. Es schien zwar nach dem Ergebpise unserer
Beobachtungen, als wenn in der Combination von Aderlass mit
Eisen —- das Eisen wird freilich von den Verfechtern der Ader¬
lass- und Schwitzmcthodc als nebensächlich, theilweise sogar als
schädlich bezeichnet — ein geeignetes Mittel gegeben wäre; denn
fast alle auf diese Art behandelten Fälle zeigten eine rasche
Besserung. Eine ähnliche Wirkung sahen wir jedoch auch bei
reiner Eisenbehandlung. Es fragte sich nun, wieviel dabei dem
Aderlass, wieviel dem Eisen zuzuschreiben sei.
Das in meiner Dissertation bereits mitgetheilte Material er¬
schien uns noch zu klein, um zu einem Urtheil zu berechtigen;
daher haben wir nachher an einer weiteren Anzahl von Chlorosen,
die also theils mit Aderlass und Eisen zugleich, theils mit Eisen
allein behandelt wurden, unsere Versuche noch fortgesetzt.
Indem ich nun über die bei diesen Patientinnen erreichten
Heilerfolge berichte, gestatte ich mir, der besseren Uebersicht
halber aueb die sümmtlichen früheren Fälle noch einmal kurz an¬
zuführen.
Vorher mögen mir noch einige Bemerkungen über die Diagnose
und das Wesen der Chlorose erlaubt sein.
Während über den klinischen Symptomencomplcx wohl allgemeine
Uebereinstimmung herrscht, wird die Frage nach der anatomischen
Beschaffenheit des Blutes von verschiedenen Autoren auf das Ver¬
schiedenste beantwortet, wie ich in meiner Dissertation näher aus¬
geführt habe.
So wird von Manchen angenommen, dass sich aus dem Blut¬
befunde allein die Differentialdiagnose mit Sicherheit stellen lasse
(Gräber), während Andere (v. Ja k s cli) dies in Abrede stellen.
Was die rothen Blutkörperchen und den Hämoglobingehalt betrifft,
so wird auf der einen Seite normale Anzahl bei verringertem
*) Dy es, Die Bleichsucht und sogenannte Blutarmutb. Deren
Entstehung, Wesen und gründliche Heilung. Berlin 1887.
) Scholz, Die Behandlung der Bleichsucht mit Schwitzbädern
und Aderlässen. Eine therapeutische Studie. Leipzig 1890.
) Wilhelmi, Bleichsucht und Aderlass. Beobachtungen und
Erfahrungen. Güstrow 1890.
Gibt die Behandlung der Chlorose mit Aderlass und Schwitz¬
cur bessere Resultate als die Eisentherapie. Inaug.-Dissertat. Kiel 1896.
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7. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Hämoglobingchalt (Gräber), auf der andern Seite (Leichten-
stern) normaler Hämoglobingehalt des einzelnen Blutkörperchens
bei verringerter Anzahl angenommen. Andere Autoren haben
sowohl das Eine, wie das Andere bei der Chlorose beobachtet
(v. Jaksch), Laache, Hayom). Anomalien in Bezug auf
Grösse und Form finden sich nach einigen Angaben (Gräber)
stets, nach anderen (v. Jaksch u. A.) nicht constant. Eine
Vermehrung der Leukocyten wird von den meisten Autoren als
häufiges Vorkommniss bezeichnet; Gräber dagegen will in solchen
Fällen die Diagnose «Chlorose» nicht gelten lassen.
Uns dünkt, dass alle diese Erscheinungen unter den Begriff
der Chlorose fallen, und dass es sich dabei vielleicht nur um ver¬
schiedene Stadien handelt.
Für die Wirkung der Therapie ist nach unserer Erfahrung
die Art der pathologischen Veränderung des Blutes belanglos; wir
konnten einen Unterschied in der Reaction auf die Behandlung,
je nachdem das Blut das eine oder das andere Verhalten zeigte, I
nicht erkennen.
Ein anderer Umstand aber zeigte sich bei der Untersuchung
des Blutes von Bedeutung; es kamen wiederholt Patientinnen mit
der ärztlichen Diagnose «Chlorose» in’s Hospital, welche sowohl
nach dem Aussehen, als auch nach den Beschwerden entschieden
einen chlorotisohen Eindruck machten, deren Blut aber eine völlig
normale Zusammensetzung zeigte. Dass bei diesen Fällen eine
speciell auf Verbesserung des Blutes gerichtete Therapie nicht
indicirt ist, liegt auf der Hand; andererseits sahen wir auch Fälle,
welche bei chlorotischen Beschwerden ein völlig gesundes Aussehen
hatten und dabei Anomalien in der Blutbeschaffenheit boten, eine
Form der Chlorose, welche Leichten stern die « rothwangige»
nennt.
Aus all’ Diesem ergibt sich für den einzelnen Fall die Noth-
wendigkeit einer Untersuchung des Blutes, wenn man zu der
Diagnose «Chlorose» und einer darauf bezüglichen Therapie be¬
rechtigt sein und ferner eine sichere Controle über den Heil verlauf
haben will.
Dieser Punkt wird meist von dem praktischen Arzte noch
nicht gebührend berücksichtigt. Und doch erfordert die Blut- 1
Untersuchung mit einer für die Bedürfnisse des Praktikers ge- |
nügenden Genauigkeit keinen grossen Aufwand von Zeit und Kosten. ,
Bei einiger Uebung lässt sich schon unmittelbar aus der Farbe |
eines Tropfen Blutes, welcher durch Stich in die Fingerbeere oder i
das Ohrläppchen gewonnen wird, ein Aufschluss über dessen nor-
malen oder nicht normalen Zustand gewinnen. Genauere Auf- j
klärung gibt allerdings erst die Anwendung eines «Hämoglobino¬
meters», wie solche zu nicht hohem Preise in verschiedenen Formen
im Handel existiren. Unsere Untersuchungen haben mit dem für
unsere Zwecke völlig ausreichenden, dem praktischen Arzt sehr
zu empfehlenden, handlichen und nicht kostspieligen Hämoglobino¬
meter von Gowers stattgefunden. Wenn der Apparat geringe
Unterschiede, wie die physiologischen Tagesschwankungen auch nicht
erkennen lässt, so genügt er doch, um bei etwa wöchentlichen
Untersuchungen schon eine Differenz von 5 Proc. deutlich anzuzeigen.
Wir haben allerdings auch die Zählung der Blutkörperchen
bei unsern Fällen vorgenommen ; der diagnostische Werth dieser
Maassregel steht für den praktischen Arzt indessen weit
hinter der Hämoglobinbestimmung zurück. Einmal ist die ganze
Procedur viel umständlicher und zeitraubender, ferner ist das
Resultat schon in Folge der in der Technik liegenden Fehlerquellen
sehr unzuverlässig; sodann gibt aber in vielen Fällen eine ohne
gleichzeitige Hämoglobinbestimmung vorgenommene Zählung gar
keinen Aufschluss über das Bestehen einer Chlorose, insofern als
häufig genug die Anzahl normal gefunden wird, während durch das
Hämoglobinometer eine beträchtliche Herabsetzung des Hämoglobin¬
gehaltes erkannt wird.
Was nun das Körpergewicht anbelangt, so wird von
den Verfechtern der Aderlass- und Schwitzmethode auf eine starke
Zunahme desselben ein ausserordentliches, theilweise sogar das
Hauptgewicht gelegt. Bei unseren Untersuchungen ergab sich
nun, dass das Verhalten desselben allein durchaus nicht maass¬
gebend für die Beurtheilung des Erfolges ist; denn wenn auch
die Durchschnittewerthe für die wöchentliche Gewichtszunahme in
der am Schlüsse dieses Aufsatzes aufgestellten Uebersichtstabelle
einigermassen in gleichem Verhältniss zu der durchschnittlichen
wöchentlichen Hämoglobinvermehrung stehen, so constatirten wir
im Einzelnen mehrfach bei auffälliger Besserung der Blutbeschaffen¬
heit, des subjectiven Befindens und der sonstigen Symptome ein
Ausbleiben der Körpergewichtszunahme, manchmal sogar eine Ab¬
nahme desselben, und fanden andererseits wiederholt ein starkes
Ansteigen desselben, ohne dass das Blut — theilweise in Fällen
von starker Verminderung des Hämoglobins — eine Neigung zur
Besserung zeigte.
Der Punkt, welcher für die Beantwortung der Frage, ob
eine Besserung, resp. Heilung eingetreten ist, entscheidend ist,
bleibt doch immer das Verhalten des Blutes.
Es wurden nun bei unseren Fällen die Hämoglobin- und
Gewichtsbestimmungen wöchentlich einmal vorgenommen und zwar,
um möglichst gleiche Bedingungen zu haben, jedesmal zur selben
Tageszeit. Die Anzahl der rothen Blutkörperchen wurde meist
zu Anfang der Behandlung und am Schlüsse derselben festgestellt.
Ich will hier noch bemerken, dass wir durch eine Reihe von
Untersuchungen an gesunden weiblichen Personen dazu geführt
wurden, den unteren Grenzwerth des normalen Hämoglobingehaltes
bei 80 Proc. des Gowers’sehen Hämoglobinometers anzunehmen,
während von anderer Seite (v. Fleisch 1, Oppenheimer) ein Sinken
unter 90 Proc. schon als pathologisch angesehen wird; vielleicht
sind diese Unterschiede durch looale Verhältnisse bedingt.
Die Handhabung der Therapie gestaltete sich
folgendermassen: Die Patientinnen wurden die erste Zeit
im Bette gehalten, bis die subjectiven Beschwerden nachgelassen
hatten, die Beköstigung bestand, wo keine Verdauungsstörungen
Vorlagen, in der gewöhnlichen Verpflegung.
Die Aderlässe nahmen wir in der Ellenbeuge vor; dabei
wurden durchschnittlich zur Zeit 80 ccm Blut entfernt. Dann
wurden die Patientinnen im Bette warm zugedeckt, bekamen
heissen Thee und mussten 1 — 2 Stunden schwitzen. Wo der
Aderlass wiederholt wurde, geschah dies nach 2 — 4 Wochen.
Die Wiederholungen verhalten sich nach ihrer Häufigkeit folgender¬
massen :
in 10 Fällen 2 Aderlässe
. 5 „ 3 „
. 1 Fall 4 „
. 1 6 „
. 2 Fällen 6
Für die Schwitzcur wurde theils das Quincke’sche
Schwitzbett benutzt, in welchem die Patientin nach einem vorher¬
gehenden halbstündigen Bad von 30 0 R. noch eine Stunde ver¬
weilte, theils ein von der Firma Moosdorf & Hochhäusler
in Berlin bezogener Apparat, in welchem die Patientin entkleidet,
während der Kopf freiblieb, auf einem Stuhl sass, wobei von unten
Wasserdampf in den Apparat strömte. Diese Procedur, welche
jedesmal ea. i /t Stunde dauerte, wurde 3—4 mal in der Woche
ausgeführt.
Die Darreichung von Eisen geschah in der Form der
Pilul. Blaud. (3 mal 2, 3 mal 3, in manchen Fällen auch bis
3 mal 5 Pillen n^ch der Mahlzeit) oder von Ferr. oxydat. saccharat.
(3mal tägl. 1 Messerspitze voll). In 2 Fällen wurden Pfcuffer's
Hämoglobinzeltchen gegeben.
Die Patientinnen, bei welchen die reine Wirkung von Aderlass
oder Schwitzcur beobachtet werden sollte, bekamen während dieser
Zeit kein Eisen; dagegen wurde einigen von ihnen, als die Therapie
im Stich liess, später Eisen verordnet ; eine andere Anzahl jedoch
wurde von Anfang an gleichzeitig mit Aderlass, resp. Schwitzcur
und Eisen behandelt, während eine dritte Gruppe nur Eisen bekam.
Hierdurch wurde es möglich, die Wirksamkeit der verschiedenen
Heilfactoren miteinander zu vergleichen.
Es wurden behandelt mit Patientinnen
einem Aderlass. 4
n „ und gleichzeitig Eisen. 19
n „ und Schwitzcur. 8
mehreren Aderlässen. 5
n „ und Schwitzcur. 5
n „ „ „ und zugleich Eisen 2
Schwitzcur allein. 5
Eisen allein. *0
Summa 58.
(Schluss folgt.)
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634
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
,No. 27:
Aus der chirurgischen Klinik desHofrathes Prof. E. Albert
in Wien.
Zur Aetiologie der Strumitis.
Von Dr. Carl Ewald, Assistent.
In No. 21 dieser Zeitschrift berichtete Dr. Heddaens aus
der chirurgischen Klinik des Geh. Käthes Czerny über einen
Fall von Pneumonie nach Strumitis und schhesst seinen Bericht
mit der Annahme, dass die Infection der Lunge von der Strumitis
aus auf embolischem Wege erfolgt sei.
Es scheint dem Autor die Arbeit Schn itzler’s’) nie lt
bekannt geworden au sein, denn dort hätte er d,e Vermuthung
ausgesprochen gefunden, dass Strumitis nicht immer nur aut dem
Wege der Embolie durch die Blutbahn entstehe, wie dies Kocher
und Tavcl und Lanz behaupten, sondern auch auf dem ^ ege
directcr Fortleitung erfolge. Schnitzler schreibt dort, als er au
das häufige Zusammentreffen einer Strumitis mit vorausgehendei
Angina liir.weist: «Auch hier ist die nachbarliche Beziehung der
erkrankten Organe (analog der Otitis und Meningitis nach 1 haryn-
gitis und Rhinitis) ein Moment, das nicht übersehen werden kann,
wenn man ja auch andererseits keinerlei directen anatomischen
Verbindungsweg zwischen Pharynx, resp. Trachea und Schilddrüse,
kennt. » „ i i
Da dieser Weg bei meiner Untersuchung über 1 racheal-
compression durch Struma gefunden wurde, die diesbezüg¬
liche Publication aber in einem von Klinikern wenig gelesenen
Blatte 2 ) erschien, möchte ich darauf zurück kommen, dies umso¬
mehr als % diese Verhältnisse in jenem oben eitirten halle von
Heddacus Berücksichtigung erfordern dürften.
Bei meinen Untersuchungen über das Verhalten colloider
Strumen zur Trachea stellte sich heraus, dass mitunter colloidc
Strumen stark gegen das peritrachcale Gewebe Vordringen.
zwischen den einzelnen Faserbündeln desselben sich neue Follikel
bilden, rückt der Kropf bis gegen das Periehondrium der Tracheal-
knorpcl, in sehr seltenen Fällen 3 ) sogar zwischen diesen bis in
das Lumen der Trachea vor. Die Bedeutung dieses Vorganges
für die C'ompression der Luftröhre findet sich in der angeführten
Publication näher ausgeführt , für die Entstehung der Strumitis
wird diese engere Verbindung aber gleichfalls belangreich. Dies
umsomehr, als es mir gelang, unter solchen Verhältnissen die
Schleimhautgefässe der Trachea von den Arterien des Kropfes aus
zu füllen, womit der anatomische Zusammenhang noch um ein
Glied inniger wird. .
Es wird unter diesen Umständen die Analogie zwischen
Pharyngitis und Otitis, Rhinitis und Meningitis, Tracheitis und
Strumitis eine berechtigte, jedoch insofernc keine vollkommene, als
ich mir ganz wohl vorstellen kann, dass im letzteren Falle einmal
auch eine rückläufige Infection cintreten könnte, wenn die Strumitis
das primäre wäre.
Dass auch in dem von Heddaeus mitgethcilten Falle eine
innige Verlöthung der tieferen Kropftheilc mit der Trachea bestand,
möchte ich wegen der hochgradigen Athemnoth für wahrscheinlich
halten. Was den Nervus recurrens anlangt, so fand ich denselben
öfters in der Kapsel colloider Schilddrüsen, einmal sogar im Paren¬
chym eines grossen Kropfes eingclagcrt.
Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse erfordert, wie ich
glaube, der von Heddacus mitgetheilte Fall auch die Berück
siclitigung folgender zwei Möglichkeiten:
1. könnte die primäre Strumitis in der That durch die In
jection in den Kropf bedingt worden sein. Die Canüle der Spritze
hätte dann den F rae n k e 1 - Weich sei baum ’ sehen Diplo-
coccus hineingebracht. Hierauf könnte die Entzündung, vielleicht
sogar befördert durch den operativen Eingriff, geradenwegs auf
die Trachea und deren Schleimhaut übergegriffen haben, um dann
entweder unter Aspiration des infectiösen Sputums, oder aber
längs der Schleimhaut fortschreitend, zur Pneumonie zu führen.
o. könnte wohl auch mit Rücksicht auf die Unwahrschein-
lichkeit dass die Injectionsspritze gerade mit Fraenkel-
Weichse Iba um'sehen Diplococcen beschmutzt gewesen sei,
folgende Annahme berechtigt erscheinen: Der Diplococcus ist
schon vor Ausbruch der Strumitis in Pharynx und Trachea getragen
worden, nach der Injection in den Kropf aber auf kurzem Wege
von der Luftröhre her eingedrungen, um nach Exstirpation der
Cyste seinen Rückzug in die Trachea vielleicht in virulenterem
Zustande, jedenfalls unter Aeusserung seiner pathogenen Eigen¬
schaften zu vollziehen.
*) Internat, klin. Rundschau, Wien, 1S93, No. 16.
2 ) Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin 1894, III. Folge,
VIII. Band, Supplement-Heft.
3 ) R. Pal tauf, Ziegler’s Beiträge z. patholog. Anat. 1892
VI. Bd, pag. 71.
Referate und Bücheranzeigen.
Jahrbücher der Hamburgischen Staatskranken,
anstalteil. Herausgegeben von den Aerzten dieser Anstalten
unter Redaction von Prof. l>r. Th. Rumpf, j tv
neuen allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf. Band IV.
Hamburg und Leipzig, Verlag von Leopold V o8;s ,1896-
In einem über 1000 Seiten starken mit 57 Abbildungen im
Text und 9 Tafeln versehenen stattlichen Doppelband liegen die
Berichte über die Jahre 1893 und 1894 vor.
Der erste Thcil umfasst wie in den früheren Berichten die
Frcquenzzahlen in den 2 Berichtsjahren aus dem neuen und
alten allgemeinen Krankenhaus, aus dem S eeman n s -
krankenhaus und der Irrenanstalt Friedrichsberg
summt der zugehörigen Colonic für Geisteskranke zu Langenhorn,
nebst den Berichten über die zugehörigen Leichen hunser.
Die stets zunehmende Ausdehnung der beiden Krankenhäuser
charakterisirt am besten die Mittheilung m der Einleitung, dass
im Eppendorfcr Krankenhaus die Zahl der Betten durch Neu¬
aufstellung von 216 in 5 neuen Pavillons auf die grosse ZM
von 2 320 gebracht wurde. Nicht ohne Interesse ist die Nach¬
richt, dass die seither einheitlich geleitete chirurgische Abteilung
gcthcilt und ein weiterer chirurgischer Oberarzt angcstellt wur e,
und dass auch durch Aufstellung eines weiteren inneren Ober¬
arztes und zweier Gehilfsärzte das ärztliche Personal vennehrt wurde.
Die mit solchem Wachsthum immer schwienger werdende
einheitliche Direction hat es auch uothwendig gemacht, für das
alte allgemeine Krankenhaus einen eigenen ärztlichen Director an-
zustellen, als welcher im Herbst 1894 bekanntlich Professor
Lenhartz von Leipzig gewählt wurde. Dabei hat aber wie aus
dem Pcrsonalstand zu ersehen ist, die im alten Krankenhause be¬
stehende Einrichtung einer Doppelverwaltung (Verwaltungsdirector,
ärztlicher Director) keine Acnderung erlitten !
Was der Herr Redacteur über die Zweckmässigkeit der
Wäsche-Dcsinfcctionsanstalt, des Sielgrubenhauses und des neuen
Verbrennungsofens im Eppendorfcr Krankenhause berichtet, kann
Referent aus eigener Anschauung vollauf bestätigen.
Aus dem Verwaltungsbericht mag bemerkt werden, dass das
neue Krankenhaus 1893 bei 10 990 Kranken mit 465 085 Ver¬
pflegungstagen einen Kostenaufwand von 3,23 Mk. pro op un
Tag hatte, 1894 bei 9120 Kranken und 438 299 Vcrpflegungs-
tagen 3,26 Mk., während das alte Krankenhaus 1893 bei 11 24J
Kranken mit 425 020 Verpflegungstagen 2,51 Mk. und 1894 ei
11301 Kranken und 441 582 Verpflegungstagen 2,44 Mk. De-
rCCm i)as Seemannskrankeubaus hatte 1893 einen Tagesaufwaud
von 3,79 Mk., 1894 von 3,76 Mk.
Aus den Rechnungsmitthcilungcn ist zu entnehmen, dass m»
neuen allgemeinen Krankenhausc die Kosten für Beheizung a
mählich zurückgehen (20 Pfg- pro Kopf und Tag), was wohl der
Zusammenlegung mehrerer Heizstellen in eine zu danken is , un
im Interesse einer weiteren Verbreitung der sonst hygienisch so
trefflichen Fussbodenheizung nur zu begrüssen ist.
Die Aufzählung der beobachteten Krankheitsformen und ic
Berichte der Prosectoren füllen den ersten Band.
Der zweite Thcil wird cingelcitet durch eine Abhandlung von
Rumpf über «Die Gründung eines Schwcstern-Vereines für die
Hamburgischen Staatskrankenanstalten».
Jeder Krankenhausarzt, der sich einmal in seinem Leben mit
dem gemiethoten Laien-Pflegepersonal hat herumschlagen müssen,
weiss, was es heissen soll, wenn ihm die Mittel geboten wer en,.
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7. Juli 1896.
Zl |, 6,b8 ‘ Sein P“™ 01 “' »«Wen „nd .„„.„bilden, „„ * ie cs
8 r-
*10 weit die Hand der Bürger und der BargerschZ"deZs^Zi
-Ä Si£ srtät
ä iÄ ämä
12o0 Mk zur Verfügung! Die ganze Einrichtung ist organ sir
m de m . Sehweite«-Verein » , in dessen Curatorium der
Kranl h CS "iT" al ' gCmeinen Krankenhauses und Mitglieder des
K aukcnhauscollcgmn.s sitzen. Die Ausbildung geschieht im Kranken-
hausc und dauert ,n der Regel ein .Jahr. Mit vollendeter Aus
hat "dfc v Tt d,C S , chwester ’ we,che “ den Verein einzutreten
hat d.c Verpflichtung, dessen Zwecken mindestens 2 Jahre lang
vonflOMk d- ff? '"ü Crhäh im zweitcn Halbjahr einen Gehalt
JaL CStW 120 Mk ’ Schwester im ersten
350 Mk Na h lm rf" 325 ML ’ in jedcm Wenden Jahre
aCh ?" CndctCU1 35 ‘ Lebensjahre und nach einer
Dienstzeit von mindestens 10 Jahren haben die Schwestern An-
p uch auf lebenslängliche Versorgung im Falle der Invalidität im
££ 800 -1000 Mk. oder entsprechenden Unterhalt im
^ CS C re f Krankenhause. Um diesen Ansprüchen ge-
Srl we T T P U füHrt der Vercin j^rlich für je!le
°l7Z r str — 100 Mk - zu und d, ° s —
Der Verein trat am 16. Februar 1895 in’s Leben; es wird
vor' allem erSt lT ge M mÜ -T’ ^ Zn leiatCn im Stande ist und
nLn] yT ,CS ^ tCr,al Ibm zur Ausbildung und ob in ge -
ancefttte R i ZUI ' g ™ g steben wi «' d - Die der Abhandlung
2? T n Bcat 1 ,mmungen - »»tat« und Instructionen lassen hoffen,
dass das Bemühen schöne Früchte zeitigen wird
schaff Tvi t,iC i 0 lDhalt dcS n - Thci,es ta-At in wissen¬
schaftlichen Abhandlungen der Oberärzte und Gehilfsärzto säinmt-
’ er Hamburger Krankenanstalten, 30 an Zahl, die sich ihren
Vorgängern in den ersten 3 Bänden ebenbürtig anschiiesscn.
J brc Besprechung muss Einzelnerenten Vorbehalten bleiben und
geüort nicht in den Rahmen dieses Berichtes, der nur das Buch
anzeigen und auf dessen reichen Inhalt aufmerksam machen wollte.
Die äussere Ausstattung ist wie in den früheren Bänden eine
gleich vorzügliche und macht der Verlagsbuchhandlung ebenso Ehre
wie der Inhalt den Verfassern und das ganze Werk dem Ham-
burgischen Staate. Dr. Gottlieb Merkel- Nürnberg.
ffistpf e £ Ch a rif i? U u Fe t r des achtz igjährigen Stiftungs¬
testes des ärztlichen Vereins zn Hamburg. Verlag von
A- Bangkammer in Leipzig 1896-
des ärztli(J hen Vereins (Hamburg) und
seiner Mitglieder. Von Dr. J. Michael. Mit 36 Photo-
hthographien auf 21 Tafeln, ausgeführt von K. Griese. 1896.
.... "fi e b ael hat sich durch seine Darstellung der achtzig-
erl'tTr . GcSchlc l lfce des etlichen Vereins Hamburg allerdings in
wird an L d ', C Mitghed er des letzteren gewendet, aber sicher
M Bu ,'r b die Aufmerksamkeit auch der weiteren Kreise
XlTr C i geQ auf Sich ziehen - Und mit vollem Rechte.
Abgesehen davon, dass die deutschen Aerzte es sich nicht ent-
flussrei rr 7 T dCT Jubelfeier d er grössten und ein-
enttrc^ h D i dCUtSChen A erztevereine ihre freudige Antheilnahme
und g D n J^? nDgen ’ darf dM Werk auch durch seine Anlage
der sein,. p,^ ng . auf . das Interes8 e eines jeden Arztes zählen,
StandpcL Bh< f. emmal gorne von den brennenden Tages- und
auf abeeschloss “ E "‘-
sorrfidBp 011 ZUm i 2 ?’ UD i Stiftungsfeste des Vereines waren
erschienen, denen sich die
schreibt Ür<llg an , mht " Getreu seiner Ansicht: «Wer heute
c::Lrvr whc \^ zeitraum ein Bi,d **
auf dom d Gulturznstandcs vorauszuschicken, um mit dem Boden,
^uf d e ^ ^s Entstandone erwachsen, bekannt zu machen., , hat
No 27 1D SCine Vereinsgescbicbte die Entwicklung der medi-
ux mmsNm medicinische W ochenschrift
__ _ _ 635
Hi 8 otert.r 88e f n8 d Cha p in k . i ; ambnrg »* eingeflochten und den
Hauptwerth auf die Geschichte der wissenschaftlichen Versamm
nTlerllT n' nC d mi V ielCr Mühe znsam Angestellte Liste der
743 Aerzte welche dem Vereine seit seinem Gründungsjahre 1816
angehorten (z. Z zählt er 350 Mitglieder), eröffnet die historischen
tes Dr rU med T f““ T dawaligen Hauptes der 64 Stifter,
des Dr. mcd. et clnrurg. Johann Heinrich de Chaufepie
Portraits in^- lltelblatfc ’ dcm sicb Q °ch eine grössere Anzahl
1 ortia ts m wohlgdungener Reproduction anscldiessen. Es würde
sch-Iftlich" bp U WClt f br T’ aUS dCF bedGutcndcn Zabl wissen¬
schaftlich hervorragender Aerzte, welche Hamburg im Laufe dieses
Jahrhunderts hervorgebracht hat, Einzelne mit ihren Leistungen
undTssotof * 'T- ? mUSS hiCrUber auf diG böcbst “Pressanten
aü . en iTw T“ ^ ° r, ' ginaIs Verwcisen > daa
Werke der m T d V ,° llstiindlgcs Verzeichn,ss aller literarischen
Z TTM I ? ,Cder deS ärztllchen Vereines Hamburg bringt, das
iSaH il°U K aUSSe T den - Hchen Vie’seitigkeit und productiven
von 1 Hamburger Aerztcstandes entwirft und Zeugniss gibt
von der regen Beteiligung, welche Hamburg an dem Ausbau
aller Zweige der med.cn, sehen Wissenschaft von jeher nahm.
T Ian dar * W0h ' sagen ’ dass “ keiner Stadt Deutschlands die
Leistungsfähigst des ärztlichen Personals stärker geprüft worden
’* gCr . ad ° ,n Hamburg; denn cs sind im Laufe dieses Jal.r-
lz2 r, g r e von Epidmien (Cb ° icra - pockea e p-)
über die Stadt lnnwogegangen, deren jüngste, die Choicraepidemie
1892, noch Irisch in unserem Gedächtniss lebt. Auch über diese
fungen enthalt das M i c li a e l’sche Buch interessante Reminis-
cenzen daneben eine Unzahl culturhistorisch bedeutsamer Angaben.
Am Schlüsse versucht der Verfasser eine möglichst objective Dar¬
ung auch des heutigen Standes der wissenschaftlichen Fächer
zu geben, cm Unternehmen, welches durch die oben an erster
Stelle genannte «Festschrift» etc. eine höchst wirksame und treff¬
liche Unterstützung findet.
Es ist hier nicht meine Aufgabe, über die 30 wissenschaft¬
lichen Arbeiten , zu welchen 27 Verfasser aus dem Hamburger
Vereine das Ihrige beisteuerten, eingehender zu referiren. Ich
muss mich mit dem Hinweise auf einige derselben begnügen.
K; Hase brock bringt eine grössere Abhandlung über die
Behandlung der Herzkrankheiten durch Heilgymnastik und Massage
worin er für die Anwendung dieser Methoden stricterc Indicationen
aufzustellcn sucht; J. Michael berichtet über die Erfolge der
subcutanea und der intravenösen Kochsalz-Infusion bei Cholera (für
die erstere 86,64 Proc., für die letztere 23,16 Proc. Heilungen);
Krause schrieb über die Verwendung grosser ungestielter
Hautlappen zu plastischen Zwecken. Von besonderem Interesse
ist auch die Arbeit von F. Jessen, worin er die Resultate seiner
Luituntersuchungen in Hamburger Arbeiterwohnungen niedergelegt
hat; eine klinisch-experimentelle Studie zur Pathogenese der Blascn-
entzünduugen von duMesnil dcRochemont und Mölling,
eine Kritik der Operatiousmethoden der hyperplastischen Rachen¬
mandel von A. Thost schliessen sich au. Die Geschichte der
Medicin ist durch einen Rückblick auf das 1. Jahrhundert der
Schutzimpfung von L. Voigt vertreten. M. Simmonds ver¬
öffentlicht seine Studien über den Einfluss von Alter und Krank¬
heiten auf die Samenbildung; ferner bringen Nonne und Boselin
eine grössere Arbeit über Contractur- und Lähmungszuständc der
Augenmuskeln bei Hysterie; Rumpf die Resultate seiner Unter¬
suchungen über die Ausscheidung und Bildung von Ammoniak
bei Infectionskrankheiten; den Schluss der langen, leider hier nicht
vollständig aufgezählten Reihe macht H. Kümmell durch eine
Arbeit über Perityphlitis und eine Abhandlung über die Narkose
und locale Anästhesie. Diese Arbeiten werden durch weitere,
z. Th. casuistische Publicationen ergänzt, so dass nahezu jede
Sparte der Mcdicin durch eine Abhandlung in der Festschrift ver¬
treten ist. Letztere bildet demnach einen vortrefflichen Beweis
für die streng wissenschaftliche Thätigkcit innerhalb des Ham¬
burger Vereines und wird letzterem neue Ehre einbringen.
Es ist keine Frage, dass beide Festgaben in hohem Maassc
geeignet sind, der Zukunft des ärztlichen Vereines Hamburg eine
günstige Prognose zu stellen und in dieser Zuversicht bringen wir
ihm unsere Glückwünsche zu seiner Jubelfeier dar.
Dr. G rassm an n - München.
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Mü nchener ^DiCTN gc^jwocg^scgRgT.
No. 27.
636 _
Geburten und Sterbeftlle in München wührend des
Jahres 1895 mit ndUUk»££ 1Ä Stadt
SsäS^iE
(iTÄc.); Müttel hatten 621 das
^Ubensj^r «*
Itdet 9 TiXct = trC: —er GeWtee
in der Stadt. Personen- auch hier ist der Antheil
dcs m“ Geschlechtes grösser
der Sterbefälle trifft «I d-
Z ahl auf den Januar (7T 7) G« mittlere Leben sdauer
kommen im crs * nd wenn das erste Lebensjahr ausser
“eS! £ 44,07 Jahre. Unter ^"£5 ^
, j ip ucuten Magen- und Darmkrankheiten (1948), mneu
S die TuWlose (1488, »ovo,, in 1212 Men Tubcrouloee
der Lungen, in 27G Tuberculosc der übrigen Organe angegeben
L). Die Zahl der Selbstmorde beläuft ßich auf 67, die der tad -
liehen Unglücksfälle auf 100; Tod durch fremde Hand ist 11
“““ibidimsatatWk betheilige,, sich nunmehr 400
Aerzte nahezu sämmtliche Münchener Aerzte; für einzelne Krank¬
heitsformen seien noch die Hauptzahlen der gemeldeten Erkran¬
kungen und der Todesfälle angegeben:
Erkrankungen Todesfälle
Blattern. 1
Masern. 4774
Scharlach.^® 7
Diphtherie und Croup . . 1986
Keuchhusten. 7 39 b0
Typhus. 9 t
Kindbetttieber. 122
Croup. Lungenentzündung 1069 12'
Acut. Gelenkrheumatismus 1446 t 5
Carl Becker.
Pressen oder im Reich zu befassen haben; unentbehrlich wird
es sein für alle preussischen Amtsärzte.
M R?ege?sc“n UniversiUltsbuohhandlnng ü, München.
i , soeben erschiene neue Jahrgang des bayer,sehen Acrzte-
Sck— ist .i*™
*'"h‘Är “- VoUsaniigkei. und Zn-
zeichnet sich w eineefügt ist die Zusammen-
verlässigkcit der Angaben aus. »«» jnwMgt Por .
-T t "anTn—'Ä-. entnehmen »ir,
j° n ’ / 9104 Aerzte in Bayern prakticiren , gegenüber -3 lo
frVoritre dasf ail eine Mehrung der Aerzte um 89 statt-
/ln lvit’ \uf je 100 000 Einwohner des Königreichs treffen
gefunden hat. aui je iw wo Städten
fm Durchschnitte 4M. ■J^te t »net™ betrag.
K der Aerzte 456 (im Vorjahre 435
(101), in Würzburg 76 (79), m Augsburg 55 (o2), m mu g
38 (34).
Neueste Journalliteratur,
fentralblatt für innere Medicin. 1896, No. 26.
J. Müller: Schwefelwasserstoffbildnndm-
Erreger von Pneumoma crouposa. (
K nÄÄlb« mneu £ ,i - —“
förmige Bactenen. Im rostfarbenen Sp H arn gefundenen
reiche Mikroorganismen nach, welche mit den Stunde
morphologisch identisch erschienen, ebenso^im^Bln^,^^ warde . Die
nach dem Tode aus der Schenkeiv <rpfundene Bacterienart
sowohl im Harn wie im Sputum undi fort g und producirte dabei
STnStSiSrsrrscb»,—
Sf 5ÄT Ä
ÄtÄSJ! L
grosser Menge aus den Lungen in die Blutbahn ü ber ge t
und durch die Nieren zur Ausscheidung geiangten oh Verlauf
Organen Metastasen verursacht zu haben.. Der Abwei(jhende .
bot manches von den gewöhnlichen p “ e . „ Wochen) höchst
insbesondere war die lange Prodromaizeit (circa ^ Wocnen^^
auffällig.
M. Pistor: Das Gesundheitswesen in T Preussen
nach deutschem Reichs- und preußischem Landrecht.
Band I. Berlin 1896. Verlag von Richard bchoetz.
In dem vorliegenden, gross angelegten Werk unternimmt cs
P ein umfassendes Sammelwerk für die gesetzlichen und Ver¬
waltungsbestimmungen über das öffentliche Gesundheitswesen in
Preussen zu schaffen. Die gewaltige Aufgabe kann soweit der
1. Band in Frage kommt, als vorzüglich gelöst bezeichnet werden.
Das Werk zeichnet sich ausser durch seine Vollständigkeit, vor
Allem auch dadurch vortheilhaft aus, dass die einzelnen Verord¬
nungen und Gesetze nicht wie in den meisten ähnlichen Werken
zusammenhangslos nebeneinander gestellt werden, sondern dass
dieselben durch die Ausführungen des Verfassers erläutert und in
organischen Zusammenhang gebracht werden. Der 1. Band, 101b
Seiten stark, umfasst ausser einleitenden und geschichtlichen .Be¬
merkungen, 5 Abschnitte und zwar: 1. Die Behörden der Medicinal-
vcrwaltung im deutschen Reich und in Preussen. 2. Das Heilwesen
und dessen Beaufsichtigung (Medicinalpolizci). 3. Der Apotheker
uud das Apotheken wesen. 4. Das ärztliche Hilfspersonal. 5. Heil¬
anstalten und Armenkrankcnpflege. Im 2. Bande sollen die gesund¬
heitspolizeilichen Vorschriften zur Verbesserung der Lebensbeding¬
ungen, Maassregeln zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten,
Vorschriften über Bestattung etc. besprochen werden. Das Werk
verspricht ein höchst werthvolles Hilfsmittel zu werden für Alle,
welche sich literarisch oder praktisch mit dem Gesundheitswesen in
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 43. Band, 3. Heft,
gegeben am 21. Mai 1896. Leipzig, Vogel. _ orm ...
1) Heidemhain: Ueber Darmiahmung nach Darmein
klemmung. (Chirurg. Klinik Greifswal .) Verfasser
In einem Falle von Volvulus des S Romanum san ber
nach der Laparotomie und Detomon »»**>* g^re
Wiederkehr der Gasauftreibung emteet • Kranke genas.
Ricinusgaben brachten reichliche Entleeruiag, eX einer Hernie
Bei einem anderen war,
Lähmung und Volvulus einer Dünndarmschlmg. ö J g ® erabre ichen
liess Verfasser sofort nach der Laparotomie Riem
und sah ungestörte Heilung folgen. Lähmung nach
Verfasser glaubt, dass derartige Fälle ™j££S £ ? Beob-
Darmeinklemmung nicht selten sind und «tut geret tet
achtungen aus der Literatur Derartige Kranke könne^^g ^
werden, wenn es gelingt, irechtzeitig'den e rationen ißt *u
Opiumbehandlung nach Herniotomien “““^“g^opium mehr
verwerfen. In Greifswald wird seit 5 worden,
verabreicht, die Resultate sind dadurch etwas
Auch nach Laparotomien soll man kmn Opium, , b ld ein
Morphium geben und bei Verdacht auf Darmlähmung alsnam
Seifenklysma verabreichen bekanntlich von Eng
Die Verwerfung dCT Opmmbehandlung ist bek mehr
land auBgegangen, scheint aber auch in Deutscmana
“T,Ä Beitrag zur Casuietik der eiugeki.mn.teu
Brüche. (Chirurg. Klinik zu Königsberg.) dessen
Der vorliegende Bericht über 100 von Braun bez^ ^
Assistenten operirte eingeklemmte Brüche brmgt die ßehand-
Krankengeschichten wertbvolle Erörterungen u hier
lung der Brucheinklemmung betreffenden tragen. Es
nur das Wichtigste wiedergegeben werden Incarceration
Bei jedem eingeklemmten Bruch wurde, wenn die lncar^ ^
nicht zu laDge Zeit bestand, die Taxis in Narkis
diese Weise wurden 19 Einklemmungen behoben.
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Google
7. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
69 mal musste die Heraiotomie bei nicht gangränösen Brüchen
^.genommen werden. Bei der Incision des einsclmürenden Ringes
wird das Hemiötom selten mehr benutzt, es wird vielmehr die
Bruchpforte zwischen 2 Pincetten eingeschnitten. Bei der Beur
Wk&^ L K b nm S rIi hlgke,t de ,® Darm ? s isfc <*>e Palpation von grosser
Wichtigkeit. Kommt man nicht zu einem sicheren Urtheil, so wird
™ P ° mn " nd ei " bi. zu
6 uud D i e Är„ Ei ” klemmm8 " di “ en Ml8 "
Gestorben sind von diesen Patienten 5; ein Kind an Collaps
ein anderes an Bronchopneumonie. Einmal handelte es sich um
Peritonitis durch Perforation, einmal um einfache Peritonitis und
sXeTe,ÄSS! iS ”" d Ä
Besonders bemerkenswert!, ist der Abschnitt über die gan grä-
LhoM^n n ' en ’ l° n - en T 20 b ^°bachtet wurden. Zwei hierher
SS“ ■ ?°" He ™l a obturatoria machten der Diagnose sehr
grosse ^hwiengkmten Verfasser gibt den Rath, bei Hernia obtura-
Ve f r ^ acht auf Gangrän vorliegt, immer die Laparotomie
nnH Nohf ’ 3 dem engen Terra,n der Bruchpforte Darmresection
und Naht nicht gemacht werden können.
7 mal wurde ein Anus präternaturalis angelegt, 11 mal die
primäre Darmresection ausgeführt, 6 mal (6 Cruralhernien bei Frauen)
mit primärer circulärer Naht, 5 mal mit Enteroanastomose.
Die Resultate der primären Resection scheinen dem Verfasser
günstiger wie die des widernatürlichen Afters. Welches Verfahren
im einzelnen Falle gewählt werden soll, das hängt im Allgemeinen
davon ab wie lange der Körper unter dem Einfluss des zersetzten
Darminhaltes gestanden hat, und wie sein Kräftezustand unter
diesem Einfluss geblieben ist. Für das Halten der Naht ist weiter
Bedingung eine Resection im Gesunden. Bei richtiger Auswahl der
bä e und bei richtiger Technik ist die primäre Resection gefahrlos
und bringt den Kranken am schnellsten wieder in normale Ver-
oältnisse.
der Blasentub^rculose. 11 Z “ r «“'“**«*“ Behandlung
,,, . V . e . rfa !f e (i r „bat bei einem schweren Fall von Blasentuberculose
durch die Eröffnung der Harnröhre am Damm, Blasenausspülungen
und Jodoform,njectionen völlige Heilung erzielt. Er empfiehlt dies
Verfahren angelegentlichst zur Nachahmung.
4) Brentano: Die Ergebnisse bacteriologischer Bruch¬
wasseruntersuchungen. (Krankenhaus Urb an-Berlin.)
an Untersuchungen des Verfassers erstreckten sich auf
KU Fülle von eingeklemmten Brüchen. Bei den ersten 49 Fällen
verfuhr Verfasser nach dem Beispiel der früheren Autoren, indem
er das Bruchwasser mittelst ausgeglühter Platinöse entnahm und
auf schräg erstarrten Glycerinagar übertrug Auf diese Weise fanden
sich nur bei 9 Fällen Bacterien.
Bei den weiteren Untersuchungen ging Verfasser von der durch
lhierexpenmente gefundenen Thatsache aus, dass das Bruchwasser
in einer Anzahl von Fällen bactericide Eigenschaften besitzt, und
dass in Folge dessen wahrscheinlich der Gehalt des Bruchwassers
an , :«»Organismen häufig ein sehr geringer ist, und die Lebens-
länigkeit der in ihm enthaltenen Bacterien eine abgeschwächte. Aus
diesem Grunde ist es nothwendig, möglichst viel Bruchwasser zur
bactenologischen Untersuchung zu verwenden, und der eigentlichen
Untersuchung eine Anreicherung auf einem flüssigen Nährboden
voruu6zuschicken. Bei den 31 in dieser Weise untersuchten Fällen
landen sich 21 mal Bacterien im Bruch wasser.
Verfasser schliesst daraus, dass das Bruchwasser eingeklemmter
Hermen viel häufiger Bacterien enthält, als man nach den bisherigen
Untersuchungen annehmen konnte. Die Anwesenheit von Bacterien
im Bruchwasser steht in engem Zusammenhänge mit allen jenen
ractoren, die bei einer Brucheinklemmung die Lebensfähigkeit der
eingeklemmten Theile in besonderer Weise gefährden.
... , 5 ) Innere Einklemmung durch Meckel’s Diver¬
tikel. (Chirurgische Klinik Dorpat.)
6) Reguiski; Biegungsbruch des rechten Parietale. Hirn-
aoscess, Hemianopsie. Bemerkungen über das Wesen des Hirn¬
vorfalls. (Chirurgische Klinik Dorpat.)
Vom sogenannten Hirnvorfall glaubt Verfasser, dass es sich
aaoei in der Regel um Granulation im weitesten Sinne des Wortes
nanaeit; Für die Annahme, im Vorfall stecke wesentlich Hirn, sind
anatomische Beweise erst noch zu erbringen.
Klinik Greifswald!) = *** Beitrag Zur Ureterchirur ^ ie - (Chirurgische
, Helfer ich hat in einem Falle von linksseitiger Hydronephrose
aen Ureter gespalten und am tiefsten Punkte des Nierenbeckens im-
pianurt. Das technische Resultat war ein befriedigendes. Die
ratientin ging an uraemischer Enteritis zu Grunde. Bei der Section
vo ui auch eme rec htsseitige Hydronephrose in Folge von Ureteren-
verecüluss, ausserdem linksseitige Pyonephrose. E. glaubt, dass die
grenzen für die Implantation des Ureters an den tiefsten Punkt des
nyaronephrotischen Sackes weiter auszudehnen sind, als bisher.
Krecke.
637
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 25 und 26.
. U° - . 2 2' Hieronym. Hirsch-Charlottenburg: Zur Frage
aer Beeinflussung der Knochengestaltung durch Muskeldruck.
flnJL W ,f nd v 8iC u g r gen di® Einwände Müller 1 s, der eine Beein-
flussung der Knochenform durch Muskelwirkung annimmt und hält
Tr C Snr A T^ (J ' W u 0 l J f) fest ’ das9 nicht nur fürdie Innere
rioni £ de u n auch 016 u U88ere Form des Knochens die func-
Beanspruchung maassgebend sei, indem er es als physikalisch
und biologisch unmöglich bezeichnet, dass die vermeintliche Druck-
fluäen g sonte. anheger ‘ den We ichgebilde die Knochenform beein-
m Uenz-Sesswezen: Ein FaU von Pneumotomie.
Mittheilung eines Falles von Lungengangrän und grossem
?r^ h H d( s d „ 47 iähr '- M t” r ')'>» trs
c “ de 5 9 - Kippe mit Paquelin und stumpfem Vordringen er¬
öffnet wurde. Der Patient erlag nach 4 Tagen einer Aspirations-
h^ ,W°n e nn . d be8Gh J uld, ? t f L - die Lage (auf der gesunden Seite)
bei der Operation, wodurch fauliges Secret nicht genügend entleert
3 a8 p P,nr £ WUrde l T d die Narkose . d ic er deinem ähnl chen
Falle vermeiden würde.
. „ N °' 26 'it-P J ' Kedoroff: Ueber Nephrectomie mit An-
le Q ung von Klemmpincetten 4 demeure.
“ einem von Bobroff wegen mannskopfgrossen Nierensar¬
koms operirten Fall wurden mit sehr gutem Erfolg eine Klemm-
pmeette am Hilus angelegt und in 2 weiteren Fällen von Nephrec-
* e .8 en Sarkom ebenfalls (stark gekrümmte) Pincetten angelegt,
7 nr ^Frtia den D ,. 0y £u Bchen Klemmpincetten bei Uterusexstirpation).
Zur Erklärung der Thatsache, dass schon nach 48 Stunden die Pincette
gut entfernt werden kann, längeres Liegenlassen bis 48 und 60 Stunden
eher Gangrän des Stumpfes befürchten lässt, machte F. eine Reihe
von Thierexperimenten mit Dr. Swenzizky, die ergaben, dass
schon nach 17—24 Stunden die Verklebung so fest war, dass sie
meistens einem 2—3 mal so grossen Druck widerstand, wie der
der normalen Arterie und dass nicht Gerinnselbildung, sondern die
mechanische Einwirkung, das Einpressen der Arterienwände in
einander zur Erklärung dienen muss, wie denn auch geriefte Klemm¬
pincetten rascher feste Verklebung bewirkten, als glatte.
2) Poppert-Giessen: Zur Frage der Catguteiterung.
P. fand sorgfältig präparirtes Catgut stets frei von pathogenen
Bacterien und hält die Sublimatalkoholdesinfection für ausreichend
glaubt aber, dass gewisse Fälle gutartiger Eiterung auch bei keim¬
freiem Catgut durch chemische, dem Catgut - anhaftende Stoffe
(chemotactisch) wie z. B. durch Fäulnissvorgänge bei der Herstellung
des Rohcatguts entstehen könnten, so dass diese Punkte bei der
fabrikmäßigen Herstellung des Rohcatguts zu berücksichtigen resp.
Verarbeitung nicht ganz frischer Därme zu vermeiden sei. Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 26.
O. Piering-Prag: Ueber Bauchbinden.
Verfasser bespricht zunächst die Indicationen zum Tragen
einer Bauchbinde, als welche er folgende Momente gelten lässt:
Erschlaffung der Bauchdecken (wiederholte, rasch folgende Ge¬
burten etc.) — Hängebauch — Senkung der grösseren Abdominal¬
organe, Enteroptose — Wanderniere — grössere Hernien der
Bauchwand (linea alba) namentlich in Verbindung mit Hängebauch —
als Stütze der Bauchwandnarbe nach Koeliotomien — bei starker
Anteflexion des graviden Uterus — vor und während der Entbindung,
um bei starker Erschlaffung der Bauch- und Uteruswand den Kopf
zu fixiren — Wochenbett. Anschliessend an eine kurze Beschreibung
der bisher angegebenen Binden und der denselben Zweck erfüllenden
Instrumente empfiehlt P. als in praktischer Beziehung werthvollste
Binde die Schauta'sche, die er selbst durch einige Modificationen
vervollkommnet hat. Der Hauptvortheil der neuen, in Abbildung
beigefügton, von der Firma Waldek und Wagner in Prag zu
beziehenden Binde ist ihre Leichtigkeit (130 g gegenüber 240 g
Gewicht einer Teufel'schen Sommerbinde), die sie ihrer Con-
struction aus Rosshaargeflecht verdankt.
Werner-Hamburg.
Archiv für Psychiatrie nnd Nervenkrankheiten. 28. Bd.
2. Heft. Berlin, A. Hirschwald. (Auswahl.)
1) Alzheimer-Frankfurt: Ein «geborener Verbrecher».
Es handelt sich um eines der sittlich degenerirten Individuen
(sexuelle Perversität), welche der Psychiatrie schon oft das interessante
Problem zu lösen aufgaben, ob jeweils Zurechnungsfähigkeit vor
Gericht bestehe oder nicht. Im vorliegenden Falle hatte Kure 11a
einen Betrüger, Alzheimer einen mit «erblich degenerativer Seelen¬
störung» Behafteten angenommen.
2) H. Gutzmann-Berlin: Heilungsversuche bei centraler
motorischer und sensorischer Aphasie.
G. sucht durch gleichzeitige Schreibübungen mit der linken
Hand, durch genaue Beobachtung der Sprachbewegungen, durch eine
Art phonetischer Bilderschrift (Mundstellung bei den verschiedenen
Buchstaben) u. A. dem Aphatischen event. auf dem Wege über die
rechte Hemisphäre an Stelle der zerstörten neue Spracherinnerungs¬
bilder zu schaffen.
3) Lochte: Beitrag zur Kenntniss des Vorkommens und.
der Bedeutung der Spiegelschrift. (Nervenklinik der Charitd.)
Nur das Vorhandensein von zwangsweiser Spiegelschrift
ist als ein Degenerationszeichen aufzufassen. Bei Kindern u. A.
überwiegen öftere die Schreibbewegungsbilder über die Schrift¬
erinnerungsbilder und es kommt so zur Abductionsschrift mit der
linken Hand.
3*
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638
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
4) Zinn-Eberswalde: Beziehungen der Chorea zu Geistes¬
störung.
An der Hand der Literaturberichte weist Z. daraufhin, dass
bei den verschiedenen Arten derChoreaalle Formen der «functioneilen
Psychosen> Vorkommen können Eigenthümlich ist denselben die
Reizbarkeit und Labilität der Stimmung.
5) Massant: Experimentaluntersuchungen über den
Verlauf der den Pupillarreflex vermittelnden Fasern. (Mit
2 Tafeln.) (Psych. Klinik, Tübingen.)
Wurde bei Kaninchen die totale Iridektomie gemacht, so
degenerirten Fasern im Opticus, die sich im Chiasma kreuzten und
bis zum vorderen Vierhügel und auch in der hinteren Comtnissur
riachgewiesen werden konnten.
6) Weygandt: Ein Beitrag zur Histologie der Syphilis
des Centralnervensystems. (1 Tafel.) (Nervenklinik der CharitA)
In der Umgebung eines Gummas im rechten Stirnlappen
fanden sich alle Stadien der luetischen Arterienerkrankung; den Aus¬
gangspunkt bildet die Rundzelleninfiltration der Adventitia.
7) Näcke-IIubertusburg: Vergleichende Untersuchungen
über einige weniger beachtete Anomalien am Kopfe.
8) Fürstner-Strassburg: Zur Pathologie gewisser Krampf¬
anfälle (hysterische Anfälle bei Kindern, Spatepilepsie).
F. erörtert an der Hand der von ihm beobachteten Kinder-
hysteriefälle deren Differenzialdiagnose, betont die ungünstige
Wirkung der Bromprilparate, den viel besseren Erfolg einer psychi¬
schen (Anstalts-)Bebandlung. Von 5 Fällen von Spätepilepsie (im An¬
schluss an frühere Gehirnerkrankungen) wurden 2 (Traumen) operativ
behandelt und es war der Erfolg trotz des negativen Befundes ein
guter.
9) Ho che: Ueber secundäre Degeneration, speciell des
Gowers'schen Bündels, nebsi Bemerkungen überdas Verhalten
der Reflexe bei Compression des Rückenmarkes. (2 Tafeln.)
(Psych. Klinik, Strassburg).
H hat in 2 Fällen von Rückenmarkscompression (Caries des V.
und Luxation des VII. Brustwirbels) ipit der Marc hi'sehen Methode
sehr genau die Verlaufs- und Endigungsweise der verschiedenen auf-
und absteigenden degenerirten Bahnen verfolgen können. Näheres
s. Original.
10) Hallervordcn-Königsberg: Ueber anämische Sprach¬
störung.
Transitorische Dysphasie und Dysarthrie.
11) Westphal: Ueber einen Fall von traumatischer
Myelitis. (Psych. Klinik der CharitA) (2 Tafeln.)
In Folge eines im Fieberdelirium, erfolgten Sturzes entstand
eine totale, schlaffe Paraplegie der Beine. Exitus am 7. Tag.
Section: Fractur des 1. und 2. Lendenwirbels. Keine sichtbare
Compression. Mikroskopisch fand sich eine ausgesprochene hämor¬
rhagische Myelitis im Sacral- und Lendenmark.
12) Liepmann: Ueber Albuminurie, Albumosurie und
andere körperliche Störungen des Delirium tremens. (Psych.
Klinik der Charitö).
Bei 76 Proc. fand sich Albuminurie, bei 52 Proc. war dieselbe
transitorisch.
13) Dimi troff: Ueber Syringomyelie. (Med. Klinik, Zürich.)
(2 Tafeln) Schluss folgt. Chr. Jakob, Bamberg.
Yirchow’s Archiv. Band 144, Heft 3.
17) Plenge: Zur Technik der Gefrierschnitte bei Härtung
mit Formaldehydlösung. (Aus dem path. Institut Heidelberg.;
Verfasser empfiehlt zur möglichst schnellen mikroskopischen
Untersuchung frischer Gewebe folgendes Verfahren: Härtung eines
1 mm dicken, 1 cm langen Stückchens in 4 procentiger Formaldehyd¬
lösung. 1 Stunde genügt. Anfertigung der Gefrierschnitte, die in
Wasser oder 50 proc. Alkohol gelegt werden. Färben in wässerigen
Anilinfarben. Auf diese Weise lassen sich alle Gewebe behandeln,
ausser: normale Placenta, Fettgewebe, Knochen, Knochenmark und
kleinzottige Geschwülste. Im ungefärbten Zustande sehen Hie
Schnitte wie frische Gewebe aus. (Vergl. d. W. 1896, No. 4, S. 71)
18) Ruge-Berliu: Die Tuberculose der Tonsillen vom
klinischen Standpunkte.
Dass die Mandeltuberculose bisher so wenig beobachtet wurde,
hängt daran, dass mikroskopisch die Mandeltuberculose kaum von'
einfacher Hyperplasie zu unterscheiden ist. Verfasser berichtet
über zwei Fälle von primärer Mandeltuberculose mit secundärer
tuberculöser Myelitis eines Tbeiles der Halswirbelsäule bei Malum
Pott! 1 suboccipitale. Unter 18 von lt. untersuchten beliebig ge¬
wählten Fällen war in 6 Fällen Mandeltuberculose vorhanden, aller¬
dings meist secundär. Diese secundäre Infection erfolgt am häufigsten
durch das Sputum tuberculöser Lungen, sodann auch durch das
Blut und die Lymphe
19) Gatti: Ueber die von abgesprengten Nebennieren¬
keimen ausgehenden Nierengeschwülste. (Aus dem patliol.
.Laboratorium des Mauriziauo Hospitales zu Turin).
Zu den Nierengeschwülsten epithelialen Charakters gehören
ausser Oarcinom und Adenom die von abgesprengten Nebennieren-
kemien ausgehenden Geschwülste. Verfasser beschreibt einen von
ihm beobachteten Fall dieser Art, wobei die Geschwulst, 2'k mal
so gross als die Niere, letzterer gestielt aufsass. Verfasser discutirt
nun die noch immer bestehende Streitfrage, ob solche Geschwülste
wirklich, wie Grawitz lehrt, aus abgesprengten Nebennierenkeimen
entstehen oder, nach Sudeck, vom Harncanälchenepithel, oder
nach den Untersuchungen Hild ebrand's vom Gefässendotbel aus¬
gehen. Nach dem Resultate der histologischen und chemischen
Untersuchungen seines Falles entscheidet sich Verfasser für die
Grawitz sehe Theorie. Die Gründe hiefür setzt G. weiterhin aus¬
führlicher auseinander.
20) Eurckhard: Zur Genese der multiloculären Ovarial¬
kystome. (Aus dem pathol. Institute zu Zürich).
Verfasser erörtert zunächst die Frage, ob die multiloculären
Ovarialkystome aus dem Keimepithel oder dem Epithel der fertig
gebildeten Follikel ausgehen und theilt die bisher hierüber veröffent¬
lichten Untersuchungen mit. Sodann beschreibt B. einen von ihm
beobachteten Fall eines erst in den Anfangsstadien befindlichen
doppelseitigen Ovarialkystoms, nach dessen Untersuchungen er zu
dem Resultate kommt, dass die multiloculären Ovarialkystome alle
aus dem Keimepithel, resp. den Pf lüge r'sehen Schläuchen ent¬
stehen, ihre Anlage bereits im fötalen Leben gegeben sei; die Ab¬
schnürung der Cysten auf Wachsthumsvorgänge im Bindegewebe
und die Vergrösserung der Cysten auf activc Wuclierungsvorgängc
in der Wand, mit gleichzeitiger aber secundärer Vermehrung des
Epithels zurückzufuhren sei.
21) Aschoff-Göttingen: Ueber das Verhältnis der Leber
und des Zwerchfells zu den Nabelschnur- und Bauchbrüchen.
Verfasser untersucht an 18 Präparaten das Verhalten der Leber
und des Zwerchfells bei Nabelschnur- und Bauchbrüehen, gebt so¬
dann auf die diesbezügliche Literatur näher ein, und gelangt im
Wesentlichen zu folgenden Resultaten: Die Leber ist fast stets
Inhalt der Nabelschnur- und Bauchbrüche und dieser Befund ist
auf eine abnorme Anlage der Leber im Bruchsack zurückzuführen,
deren primäre Ursache in der Mehrzahl eine Störung in der Bauch¬
wandanlage bildet. Die Verbindung der Leber mit dem Bruchsack
ist durch zu geringe Abspaltung veranlasst. Tiefstand des Bodens
der Herzbeutelhöhle beruht auf einer anomalen Anlago des primären
Diaphragma.
22) Sultan-Göttingen: Beitrag zur Involution der Thymus
drüse.
Verfasser berichtet zunächst über die hier in Frage kommende
Literatur. Sodann beschreibt S. seine eigenen Untersuchungen, die
er an über 20 Leichen aller Altersstufen ausführte. Er fand dabei,
dass in dem an Stelle der Thymus liegenden Fettgewebe sich stets
Thymusreste mikroskopisch nachweisen lassen. Der Involutionsvor-
gang ist nun kurz der, dass in den Acini epitheloide Zellen, die
zum Theil aus Endothel entstehen, auftreten, die epitheloide Zell¬
gruppen bilden und sich gleichzeitig in Fettzellen umwandeln. Das
Thymusgewebe verliert seine ursprüngliche Structur völlig und wird
durch unregelmässige Gruppen von aus lymphoiden und Spindel-
zellen zusammengesetztem Gewebe ersetzt.
23) Rumpf-Hamburg: Ueber Ammoniakausscheidung.
Vorläufige Mittheilung und Erwiderung auf die Arbeit des
Herrn Hallervorden in Virchow’s Archiv, Band 143, Heft 3.
Burkhardt.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 26.
1) Th. Gluck- Berlin: Schädeltrepanation und Otochirurgi?.
(Fortsetzung folgt.)
2) H. Steinbrügge-Giessen: Ein Fall von Cholesteatom
des Schläfenbeins.
Eine 37 jährige Person erkrankte acut an rechtsseitiger Ohr¬
eiterung, mit Verlust des Gehörvermögens. In der Tiefe des Gehör¬
ganges Granulationen, der r. Warzenfortsatz schmerzhaft, die Haut
darüber teigig. Bei der Operation fand sich Eiter in einigen lateralen
Zellen des Proc. mastoid., ferner in der Tiefe des Antrums eine
ziemlich umfangreiche Cholesteatom-Masse. Heilung unter starker
Beschränkung des Hörvermögens. Verfasser gibt der Meinung Aus¬
druck, dass in diesem, wie in einem zweiten von ihm beobachteten
Falle die Bildung des Cholesteatoms primär im Schläfenbein statt¬
fand. Für eine zweckmässige Nachbehandlung empfiehlt St. von
einer Lappeubildung aus der hintern Gehörgangswand abzusehen,
vielmehr durch Excidirung zweier Dreiecke aus dem knorpligen Gehör¬
gang die Tiefe der Wunde übersichtlich zu gestalten.
3) B i ed e rt - Hagenau: Tod unter croupähnlichen Er¬
scheinungen.
Der Fall betraf einen 10 monatlichen Knaben, der suffokatorische
Symptome darbot. Zuerst wurde Croup vermulhet und daher die
Tracheotomie gemacht Dabei fand sich ein Hinderniss weiter ab¬
wärts in der Trachea. Die Section ergab eine Schwellung der
Thymusdrüse, an welche sich 2 Puckete geschwollener Bronchial¬
drüsen anschlossen, als Ursache des Erstickungstodes. Eine tuber-
eulöse Erkrankung dieser Drüsen konnte nicht constatirt werden.
Bezüglich des Zusammenhangs der Thymusschwellungen mit
Spasmus glottidis vermuthete B., dass die Glottiskrämpfo die Ver¬
grösserung der Thymus unterhalten könnten.
4) B. Oppler-Breslau und C. Külz-Marburg: Ueber da3
Vorkommen von Diabetes mellitus bei Ehegatten (Uebertrag-
barkeit des Diabetes mellitus). (Schluss folgt)
Grassmann -M ünchen.
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7. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
639
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iter.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 27.
1) O. Heubner: Zur Aetiologie und Diagnose der epi¬
demischen Cerebrospinalmeningitis. (Aus der Universitäts-Kinder¬
klinik in der königlichen Charitd in Berlin.)
Nach einem am 1. Juni 1896 im Verein für innere Medicin
in Berlin gehaltenen Vortrage. Referat siehe diese Wochenschrift
No. 23, pag. 555.
2) P. Fürbringer: Tödtliche Cerebrospinalmeningitis und
acute Gonorrhoe. (Aus dem städtischen Krankenhause am Fried
richshain in Berlin.)
In dem durch Lumbalpunction intra vitam sowohl als bei der
Section erhaltenen Eiter von Gehirn und Rückenmark fanden sich
gonococcenähnliche Gebilde in den Zellen, welche sich bei genauerer
bacteriologischer Untersuchung jedoch als der Weichs e 1 bau lö¬
sche Meningodiplococcus intracellularis herausstellten. Die bei den»
Falle gleichzeitig vorhandene acute Gonorrhoe darf also nicht als
Ausgangspunkt, sondern nur als zufällige Begleiterscheinung der
Cerebrospinalmeningitis aufgefasst werden.
3) H. Fehling: Ueber die Erkrankungsziffern der Ent¬
bindungshäuser. (Aus der geburtshilflich-gynäkologischen Uni¬
versitätsklinik in Halle.)
Im Gegensatz zu Ahlfeld glaubt Fehling, dass die prophy-
lactischen Scheidenspülungen nicht im Stande seien, die Gefahr einer
Infection von aussen zu verringern, da sie den normalen Chemismus
und dadurch die Fähigkeit des Secrets, pathogene Keime zu zer
stören, schädigen. Auch die innere Untersuchung muss auf ein
Minimum eingeschränkt werden, da, wie Ahlfeld selbst gezeigt
hat, trotz peinlichster Desinfection, nur in 90 Proc. Keimfreiheit der
untersuchenden Hand erzielt werden kann.
4) J. Hirschberg: Ueber die Heilung des Schmutzstars.
(Nach einem am 15. Februar 1896 in der ophthalmologischen Gesell¬
schaft zu Berlin gehaltenen Vortrage.)
H. bezeichnet die Fälle, in denen die frische Wunde bei Aus¬
ziehung des harten Altersstars durch stärkere Absonderung des
Thränenschlauchs oder auch der Bindehaut besudelt werden kann,
als Scbrnutzstar, und empfiehlt zur Verhütung jeglicher Verunreinigung
das Zubrennen der Thränenkanälchen, die galvanokaustische Ver¬
ödung derselben. Mittheilung von 3 Fällen.
5) F. G. Gade - Christiania: Falsche Geschwulstrecidive,
verursacht durch Einheilung von aseptischen Fremdkörpern
(Verbandstoffen).
An 2 Fällen wird gezeigt, dass ein Einheilcn aseptischer Ver-
bandbestandtheile (Baumwollfasern) durch Bildung von entzündlichen
Bindegewebswucherungen, in denen zahlreiche Leukocyten und
namentlich Riesenzellen sich finden, den Verdacht auf Neubildungen,
eventuell Recidive exstirpirter Tumoren, erregen könnte
6) C. Laue ns te in-Hamburg: ZurFrage der hohen Castra¬
tion nach v. Büngner. Vortrag, gehalten ira ärztlichen Verein
in Hamburg am 19. März 1896. (Referat siehe diese Wochenschrift
No. 21, png. 508.
7) Wolf Becher-Berlin: Zur Anwendung des Röntgen’-
schen Verfahrens in der Medicin.
Ebenso wie die Kalksalze den Knochen für die Röntgen-
strahlen undurchgängig machen, wirkt auch das Kalkwasser, mit
dem der Magen gefüllt wird. Die gleiche Wirkung ergibt merk¬
würdiger Weise auch die einfache. Auftreibung des Magens mit Luft.
8) F. K e m s i e s - Berlin: Zur Frage der Ueberbürdung unserer
Schuljugend.
Interessante Versuche über die Ermüdung bei geistiger und
körperlicher Anstrengung.
9) Bericht des Comitds für die Sammelforschung der
American Paediatric Society: Ueber die Behandlung der Diph¬
therie mit Heilserum in der Privatpraxis. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
XXIV. Deutscher Aerztetag
in Nürnberg, am 26. und 27. Juni 1896.
Originalbericht von Dr. August Weiss.
(Schluss.)
Zu Punkt V der Tagesordnung: Abänderung der Satzungen
des AerzteVereinsbundes, >' liegen Anträge des Ausschusses der
Berliner Standesvereine und des Aerztl. Vereines Frankfurta. M. vor:
Jetziger Wortlaut:
§ 3. Die Aufgaben und Zwecke der ärztlichen Vereine sind:
a) Förderung der ärztlichen Wissenschaft und Kunst, sowie
der Interessen des ärztlichen Standes (z. ß. insbesondere
durch Gründung gemeinnütziger Anstalten, durch Regelung
und Wahrung der Standesverhältnisse).
b) facultative Theilnalime an der Öffentlichen Gesundheits¬
pflege und Medicinal-Gesetzgebung: Beides sow'ohl in staat¬
licher als in localer (communaler und provinzialer) Hinsicht.
§ 4. Der .Aerzte Vereinsbund hält alljährlich mindestens eine
Haupt-Versammlung (Aerztetag), deren Ort und Zeit vom
Geschäfts-Ausschuss im Voraus festgestellt und rechtzeitig bekannt
gemacht wird. Die Themata für denselben sind vom Ausschuss
thunlichst vorzubereiten and die etwa in Vorschlag zu bringenden
Sätze iin Vereinsblatt möglichst frühzeitig zu veröffentlichen.
Zu dem Aerztetage senden die dem Verband angehörigen Vereine
ihre Abgeordneten mit einem auf die bezügliche Versammlung lauten¬
den schriftlichen Mandat.
Es können auch zwei und mehrere Vereine ihr Mandat auf
einen und denselben Abgeordneten übertragen.
§ 5. Auf dem jährlichen Aerztetage wird der Geschäfts¬
ausschuss (§6) neu gewählt, die Rechnung geprüft und genehmigt
und alle gemeinsamen Angelegenheiten, sowie die Anträge des Ge¬
schäftsausschusses, der Vereine oder ihrer Abgeordnete», soweit sie
vorher angemeldet und auf die Tagesordnung gesetzt sind, durch-
berathen beziehentlich durch Beschlussfassung erledigt.
§ 6. Das Centralorgan des Aerztevereinsbundes bildet ein
aus 15Mitgliedern bestehender Geschäf tsaussc huss. In denselben
werden 9 Mitglieder alljährlich vom Aerztetag neu gewählt (§ 3 der
Geschäftsordnung).
Diese cooptiren thunlichst aus den sonst nicht vertretenen
Theilen des Reiches 6 Mitglieder. Der Ausschuss wählt aus soiner
Mitte einen Vorsitzenden, Stellvertreter desselben, Geschäftsführer,
Redacteur und Cassirer. Die drei letztgenannten Functionen oder
zwei derselben können einem Mitgliede übertragen werden.
§ 9. Dem Redacteur allein steht die verantwortliche Leitung
des Vereinsorgans zu, doch wird vor der Ausgabe desselben jedem
Ausschussmitgliede Gelegenheit geboten, über den Inhalt sieh zu
äussern.
§ 10. Der Cassirer zieht die Beiträge ein, hält die Milglieder¬
verzeichnisse in Ordnung, verwahrt die Casse, regelt die Ausgaben
nach Anordnung des Ausschusses, legt in den Sitzungen des Letzteren
eine generelle Uebersicht des Cassenstandes und auf dem Aerzte¬
tage die Jahresrechnung mit den Belegen vor.
Antrag Berlin:
§ 3. Hinter b) »facultative» zu streichen.
§ 4. «thunlichst» zu streichen: hinter «möglichst» zu setzen
«so»; hinter «veröffentlichen» zu setzen: «dass die Vereine darüber
in Berathung treten können».
Hierzu beantragt Med.-Rath Fr. Re der-Rostock noch:
Die Hauptversammlung ist zeitlich und thunlichst auch Örtlich
der Jahresversammlung des deutschen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege anzuschliessen.
§ 5. An den Schluss zu setzen : «Dringliche Anträge über Gegen¬
stände, welche nicht auf der Tagesordnung stehen, müssen, wenn
sie von mindestens 30 Anwesenden unterstützt werden, zur Verhand¬
lung und Beschlussfassung gebracht werden.»
§ 6. Zu streichen und dafür zu setzen: «Den Vorstand des
Aerztevereinsbundes bildet ein aus 21 Mitgliedern bestehender Ge¬
schäftsausschuss. Von diesem wählt der Aerztetag alljährlich den
ersten Vorsitzenden, zweiten Vorsitzenden, Cassenführer, Geschäfts¬
führer in gesonderten Wahlgängen, sowie weitere acht Ausschuss¬
mitglieder in einem Wahlgange (vergl. § 11 der Geschäftsordnung).
Diese zwölf Ausschussmitglieder cooptiren alsdann neun weitere aus
den im Ausschüsse nicht vertretenen Theilen des Reiches. Die
übrigen Aemter (Redacteur etc.) vertheilt der Geschäftsausschuss
unter seinen Mitgliedern, wobei mehrere Functionen einem Mitgliede
übertragen werden können.»
§ 9. Von «doch» bis «äussern» zu streichen.
Die Berathung der Vorschläge auf Aendcrung der Satzungen
vor den Punkt der Neuwahl des Geschäftsausschusses auf die Tages¬
ordnung des nächsten Aerztetages zu setzen.
Die Neuwahl des Geschäftsausschusses auf Grund der geänder¬
ten Satzungen vorzunehmen.
Antrag Frankfurt a, M.
§ 5. 1. Der Geschäftsausschuss des Aerztevereinsbundes,bestehend
aus 15 Mitgliedern, wird durch Stimmzettel auf zwei Jahre gewählt.
2. Der Geschäftsausschuss wählt aus seiner Mitte auf die Dauer
eines Jahres den Vorstand, bestehend aus einem Vorsitzenden,
einem Schriftführer, einem Cassen- bezw. Geschäftsführer.
3 Von den Ausschussmitgliedern scheiden in einem Jahre acht
(das erste Mal durch das Loos), im anderen Jahre sieben aus. Die
ausscheidenden Mitglieder sind für das nächste Jahr nicht wieder
wählbar, mit Ausnahme der Vorstandsmitglieder.
4. Die Wahl der 15 Ausschussmitglieder erfolgt nach einer
öffentlich in der Versammlung aufgestellten Wahlliste; auLdieselbe
werden Namen in unbeschränkter, mindestens aber in doppelter
Zahl der zu Wählenden gesetzt, die einzeln eine Unterstützung von
*0 Mitgliedern haben müssen. Bei der Wahl des Ausschusses sollen
möglichst die verschiedenen Theile Deutschlands berücksichtigt werden.
Zu diesem Zwecke soll die vor der Wahl ausgegebene Präsenzliste
die Namen der Delegirten, nach den verschiedenen Theilen Deutsch¬
lands zusammengestellt, enthalten.
Namens der Antragsteller nimmt das Wort Becher, der
Vorsitzende der Brandenburgischen Aerztckammer und des preus-
sischen Acrztckammer-Ausschusses. Seine Begründung der Anträge
ist im Wesentlichen dieselbe, wie sie der Artikel Alexander’s
in No. 327 des Vcreinsblattes enthielt. Die Vertretung der Aerzte
aus den preussischen Gebietstheilen östlich der Elbe sei ungenügend,
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
man müsse den Ostelbiern die Möglichkeit einer stärkeren Ver¬
tretung gewähren und das sei nur durch Vermehrung der Zahl
der Ausschussmitglieder möglich. Was die Wahl des Vorsitzenden
und der übrigen wichtigeren Chargen anlange, so sei in allen anderen
ähnlichen (^Korporationen, Parlamenten, CommunalVertretungen etc.
die directc Wahl durch das Plenum üblich. Auch die übrigen
Anträge betreffend die Geschäftsbehandlung auf und vor dem Aerzte-
tage finden die aus dem Vereinsblatte bekannte Begründung.
Für die Anträge Frankfurt tritt Cohn ein. Sein Verein
wünscht nicht eine Vermehrung des Gcsehüftsausschusscs, ist auch
mit dem bisherigen Wahlmodus zufrieden, hält es aber für wünschens¬
wert^ dass die Ausschussmitglieder in 2 jährigem Turnus wechseln.
Namens des Geschäftsausschusses gibt Landsberger-Posen
die Erklärung ab, dass dem Ausschüsse manche der Anträge nicht
unsympathisch seien, dass derselbe aber ihre Nothwendigkeit im
gegenwärtigen Moment bestreite und dem Aerztetage empfehle,
dieselben en bloc abzulehnen.
In der sich nun entspinnenden Generaldiscussion erklärt zu
nächst Köppel-Berlin, dass die von ihm vertretene Berliner
Aerztegruppe, der Berliner Aerztevereinsbund gegen die Anträge
sich ablehnend verhalte. Sie hielten die jetzige Stärke des Geschäfts-
aosschusses für genügend und hätten zu dem jetzigen und auch zu
jedem künftigen Ausschüsse das Vertrauen, dass er im Stande sei,
die richtigen Männer an die richtige Stelle zu setzen.
Ira Sinne Becher's, doch in wesentlich schärferer Tonart
äussern sich Alexander und Sachs. Krsterer tadelt u. A. das
Vorgehen des Geschäfteausschusses, der als solcher gegen die Anträge
Stellung genommen habe, statt sich neutral und ausserhalb der
Debatte zu halten. Wallichs, als Geschäftsführer, ist der Meinung,
der Aerztetag könne doch billig verlangen, dass der Ausschuss auf
Grund seiner eingehenden Kenntniss der Verhältnisse über eine so
wichtige und einschneidende Frage eine selbständige Meinung habe
und dieselbe auch äussere. Er bestreitet ebenfalls des Eingehenderen
die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der Anträge. Gegen dieselben
äussern sich weiter May er-Fürth, der ausführt, es berühre ihn
sonderbar, zu hören, dass der Aerztetag sich democratischer organi-
siren solle, während doch alle diese democratischen Verbesserungen
schliesslich auf eine Erschwerung der Geschäftsführung hinausliefen,
und Franz-Schleiz, der u. A. betonte, man könne der Sache näher
treten, wenn einmal Klagen über die Organisation auch von anderen
und mehreren Seiten kämen, nicht bloss von einzelnen Gruppen,
deren Unzufriedenheit man schon öfters auch bei anderen Gelegen¬
heiten wahrgenommen habe Lindmann constatirt, dass von den
15 Ausschussmitgliedern 6 Ostelbier Bind, während man nach den
Reden Alexander’s u. A. annehmen müsse, dass dieselben über¬
haupt kaum vertreten seien. —
Während der Generaldiscussion ist ein Antrag Becher und
Genossen cingclaufen, für den Fall der Ablehnung der Berliner
Anträge dieselben einer Commission zu überweisen und im nächsten
Aerztetag abermals zu behandeln.
Ein Antrag auf Schluss der Debatte führte das Ende der
Discussion herbei und es wird der Antrag des Ausschusses (Lands¬
berger) auf Ablehnung en bloc zur Abstimmung gebracht, auf
Antrag Thierseh mit Auszählung der vertretenen Stimmen.
Resultat: 7878 Stimmen für, 3743 Stimmen gegen den Ausschuss¬
antrag.
Ucber den Antrag Becher auf Einsetzung einer Commission
findet lebhafte Discussion statt, an der sich Köppel, Piza,
Mayer, Pfalz, Bcckh, Löbkcr u. A. betheiligen. Schliess¬
lich wird, ebenfalls unter Auszählung nach vertretenen Stimmen,
ein Antrag Endemann- Cassel: « die Commission soll aus
7 Mitgliedern bestellen, ihre Zusammensetzung ist dem Ausschüsse
zu überlassenmit schwacher Majorität (3986 gegen 5127) an¬
genommen .
Am 27- Juni, Morgens */2 9 Uhr, eröffnet, der Vorsitzende
die Sitzung. Er gibt zunächst das Resultat der Wahl des Gesclmfts-
ausschusses bekannt. Wiedergewählt sind die Herren Aub,
Wallichs, Busch, Pfeiffer, Brauser, Löbker, Siegel,
Kr ab 1er. Ncugewäblt ist Lent, der Vorsitzende der rheinischen
Aerztckammer. Der Ausschuss hat sich sofort constituirt, Aub
zum 1., Löbker zum 2. Vorsitzenden gewählt, und die Herren
Heinze, Lindmann, Eulenburg, Hüll mann, Lands¬
berger, Housinger, cooptirt.
Als nächster Gegenstand befindet sich auf der Tagesordnung:
«Der Erlass des Kgl. preussischen Handclsministers, betr. den
Abschluss von Verträgen der Krankencassen mit ärztlichen Vereinen
in Bezug auf den Beschluss des 23. deutschen Aerztctages*. Der
Referent Eulenburg -Berlin hat folgenden Antrag gestellt:
No. 27 .
«Der XXIV. Aerztetag verharrt auf dem in den Eisenacher
Beschlüssen vom 28- Juni 1895 eingenommenen Standpunkte und
bedauert, dass durch den Erlass des preussischen Ministers für
Handel und Gewerbe vom 2G. November 1895 die auf Organi¬
sation der freien Arztwahl mittelst Vertragschlusses zwischen ärzt¬
lichen Vereinigungen und Cassenvorständcn abzielenden Bestrebungen
eine Erschwerung und zeitweise Lahmlegung erfahren haben.
Er erblickt für die Nothwendigkeit eines repressiven Ein¬
schreitens der Aufsichtsbehörden weder in den bestehenden gesetz¬
lichen Vorschriften, noch in den angezogenen statutarischen Be¬
stimmungen der Ortskrankencassen eine ausreichende Begründung
und gibt sich der Hoffnung hin, dass auch die prcussische Staats-
regierung den berechtigten Wünschen der Aerzte und den Bedürf¬
nissen der Krankencassen in gleicher Weise Rechnung tragen und
(wie neuerdings die württembcrgische Regierung) zu dem System
der freien Arztwahl in wohlwollender Weise Stellung nehmen werde-.
In Begründung seines Antrages gibt Referent einen Rückblick
auf die bekannte Entwickelung des (Konflietes zwischen dem Verein
der freigewählten Cassenärzte und dem Berliner Magistrat. Dem
vermittelnden und wohlwollend"» Verhalten des Obcrpräsideuten
der Provinz Brandenburg entgegengesetzt erging am 20. Dcccmber
1895 die Verfügung des Ministers, der sich der Auffassung des
Magistrats auschloss, dass ein mit einem Acrztovcrein als Vertreter
seiner Mitglieder abgeschlossener Vertrag nicht gleichwertig sei
den im Gesetze geforderten Verträgen mit bestimmten Cassenärztcn.
Daraufhin hob der Magistrat für 1890 sämmtliche Verträge der
fassen mit dem Verein freigewählter (Kassenärzte auf undunterm
28- Mai 1896 erging auf Beschwerde des Vereins eine Verfügung
des Obcrpräsideuten, welche diesen Magistratsheschluss anerkannte
mit Ausnahme der Krankcncasse der Lackirer, welche in ihre
Statuten einen Passus aufgenommen hatte, der besagte, dass die
Behandlung durch einen dem Verein der frcigcwählten
(Kassenärzte angehörenden Arzt erfolgen müsse.
Mit dieser (Koneession des Oberpräsidenten, die auch als eiue
Meinungsäusserung des Ministers in letzter Instanz anzusehen ist,
habe die oberste Behörde eine Art Rückzug angetreten; zunächst
werde allerdings nicht viel geändert, aber die Verhältnisse seien
dadurch doch präciser gekennzeichnet. Ob die Behörden sieh mehr
und mehr auf die Seite der Aerzte stellen werden sei fraglich,
doch biete zunächst der vom Obcrpräsideuten angedcutcte Ausweg
einen Modus vivendi.
In der Discussion befürwortet F r a n z - Schleiz die Weglassung
des ersten Satzes der al. 2, da derselbe eine ziemlich scharfe Kritik
der obersten Behörde enthalte. An der Discussion betheiligen sich
Windeis, der vorjährige Correferent und Gegner der freien Arzt¬
wahl, der mit Mugdan und Busch in scharfe Controveree geräth,
ferner Thiersch, Pfalz, Beckh, welcher in sehr beifällig an¬
genommener, eingehenderer Darlegung die Organisation und das
gute Functioniren der freien Arztwahl in Nürnberg bespricht. Im
Allgemeinen hat man den sicheren Eindruck, dass sich die Ueber-
zeugung von der Nothwendigkeit und Durchführbarkeit der freien
Arztwahl seit dem Vorjahre fast bei Allen noch mehr befestigt hat.
Auch das Princip der Abschliessung von Verträgen nur durch
Vereine, wie es im Vorjahre aufgestellt wurde, ist in Sachsen, wie
schon erwähnt, durch den Entwurf der Standesordnung jetzt an¬
erkannt. Die Resolution wird mit der von Franz beantragten
Aenderung angenommen.
Zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Antrag der Rheinischen Kammer, der Aerztetag wolle
besclilicssen, zu erklären:
«Die Abgabe ärztlicher Gutachten über Handelsartikel
(cosmetische, diätetische, pharmaceutischc Erzeugnisse etc.;
schädigt, soweit ,sie nicht fachwissenschaftlichen Zwecken,
sondern der gewinnsüchtigen Reelame dient, das Interesse
der Aerzte und des Publicums; dieselbe widerstrebt aber
namentlich der Ethik des ärztlichen Standes und ist des¬
halb unzulässig »
führt der Referent Busch aus, die Resolution sei im f obienzer
Verein entstanden, dem Acrztekammer-Ausschuss überwiesen und
von 12 Acrztekammorn angenommen worden. Sic habe als ^ ar
nungstafel im Rheinlande sehr gut gewirkt. Wird angenommen.
Zum Antrag Dresden-Stadt (Punkt 10), der Aerztetag uiöee
aussprechen: « Es widerspricht der Würde des ärztlichen Standes, wenn
in Krankenanstalten, in denen approbirtc Aerzte ihre Thätigkeit
ausüben, auch solchen Personen, welche nicht im Besitze der W
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
641
an:
. r'.'
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7. Juli 1896.
liehen Approbation sind, der Zutritt zu den Kranken oder Pfleg¬
lingen behufs Behandlung oder Beratliung derselben gestattet wird»,
gibt Heinze einige Aufklärungen. Ein Curpfuseber habe sich in
die Behandlung eines Kranken hinter dem Rücken des dirigirenden
Arztes eingemischt. Sobald man davon erfahren, hätten sieh die
Aerzte und das Pflegepersonal von dem Kranken, den man aus
zwingenden Gründen in der Anstalt weiterhin wohnen lassen musste,
zurückgezogen. Das Curatorium und die Oberin hätten sich mit
den Aerzten in voller Uebereinstimmung befunden , seien aber in
einer Zwangslage gewesen. Der Geschäftsausschuss beantragte
durch Löbker Uebergang zur Tagesordnung, weil die in dem
Anträge Dresden ausgesprochenen Anschauungen als selbstver¬
ständlich bindend für alle Standesangehörigen zu betrachten seien.
Wird in der Fassung Löbker angenommen.
Es folgt Punkt 11 : Antrag des Berliner Aerztevcroins-
bundes zum «Gesetz über die Invaliditäts- und Alters¬
versicherung».
1. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit ist allgemeinvcrständlich
zu gestalten.
Es liegen keine Bedenken vor, die zur Erwerbsunfähigkeit
vom Gesetz aufzustellende Minderung in Proeentcn auszudrüeken.
2. Auf Grund allgemeiner Erfahrung erscheint es wünsehens-
werth, dass Denen, die 55—60 Proc. Arbeitsfähigkeit verloren
haben, eine Invalidenrente gewährt wird.
3. Menschlich und in der ärztlichen Erfahrung begründet
erscheint es, die Grenze für den Bezug der Altersrente auf
68 Jahre herabzusetzen.
4. Es erscheint wünsehenswerth , dass die Versicherungs¬
anstalten gesetzlich verpflichtet werden, die Kosten für die die
Erwerbsunfähigkeit begründenden ärztlichen Gutachten zu dem für
sämmtliche Anstalten einheitlichen Satz von 10 M. zu tragen.
5. Nach ij 10 des Gesetzes erhalten Versicherte, auch wenn
sie nicht dauernd erwerbsunfähig sind, Rente, wenn sie während
eines Jahres ununterbrochen erwerbsunfähig waren. Es empfiehlt
sich, diese Zeit auf 6 Monate herabzusetzen.
6. Um die hierdurch entstehenden Mehrausgaben zu mindern,
empfiehlt sich, alle nach dem Invaliditätsgesetz Versicherten dem
Krankeneassengcsctz zu unterwerfen und ärztliche Behandlung
obligatorisch zu machen. Die durch ärztliche Fürsorge erzielten
Heilerfolge würden auf der einen Seite zu Rentenersparnissen
führen, auf der anderen frühere Rentengewährung gestatten.
7. Um eine gerechte Festsetzung der Renten den Ver¬
sicherungsanstalten zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass das
Gesetz bestimmt, dass Marken in die Karte nur zwischen dem
Ausstellungs- und Aufrechnungstage der Karte eingeklebt werden
dürfen, und dass jede Marke mit dem Beginn der Woche, in der
der Versicherte gearbeitet hat, nach dem genauen Datum ent-
werthet wird. Die im i; 137 vorgesehene Verjährungsfrist ist
auch zu Ilngunsten der Versicherten gesetzlich festzulcgen.
8. Es erscheint wünsehenswerth, dass bei jeder Versicherungs¬
anstalt ein Revisionsarzt mit Heamtcncharakter angcstellt wird.
Ebenso erscheint es auch wünsehenswerth, dass Aerzte zu Bei¬
sitzern des Schiedsgerichtes und dos Reichsvcrsiehcrungsamtes ge¬
wählt werden.
9. Wünsehenswerth erscheint es, den Vorständen grössere
Gewalt zu verleihen, um bei den Versicherten, bei denen Er¬
werbsunfähigkeit zu befürchten ist, ein Heilverfahren einzuleiten.
Oi>erationen, bei denen nach der feststehenden Eifahrung Lebens¬
gefahr ausgeschlossen erscheint, müssen sich* die Rentensucher !
unterziehen; desgleichen der Untersuchung und Beobachtung in ^
Krankenhäusern auf Erfordern der Versicherungsanstalt sich unter- ;
werfen. Für den Fall der Verweigerung tritt der in § 12 Ab¬
satz 4 vorgesehene Nachtheil ein.
10- Die von den Krankencassen zu den Invaliditätsacten ein¬
gereichten Bescheinigungen müssen die Bezeichnung der Krank¬
heiten bezw. Unfälle der Rentensucher enthalten.
Biesenthal (Berlin) vertritt dieselben mit den aus No. 327
des Vereinsblattes bekannten Gründen.
ln der Generaldiscussion äussert Busch, dass manche Punkte
der Berliner Thesen sich zur Besprechung auf dem Aerztetage nicht
eignen und dass im Uebrigen ein geeigneterer Zeitpunkt abgewartet
werden möge, da sich das Alters- und Invalidenversicherungsgesetz
dermalen in Revision befände und über die Resnltate der Berliner
(Konferenz von 1895, zu welcher auch Redner zugezogen war, noch
nichts bestimmtes bekannt sei. Er sei dafür, den Berliner Antrag
dem Geschäftsausschuss zu überweisen, der ihn im geeigneten Zeit¬
punkt zur Berathung bringen könne. Weiss-München hält es für
nützlich, wenn heute wenigstens über 2 Punkte und sei es auch nur
in der Discussion, die Meinung des Aerztetages zum Ausdruck komme.
Das eine sei das Eintreten der Invaliditätsversicherung in die Kranken¬
hilfe (nach § 12 des Gesetzes) in allen jenen Fällen, in denen nach
Aufhören der gesetzlichen Krankenunterstützung durch Fortdauer
der ärztlichen Behandlung Heilung und Wiederherstellung der Arbeits¬
fähigkeit mit gewisser Bestimmtheit zu erwarten sei. Das Vorgehen
der hanseatischen und oberbayerischen Versicherungsanstalt u. A.
in dieser Richtung sei dankbar zu begrüssen. Der zweite Punkt sei
die in den Berliner Thesen angedeutete Ausdehnung dea Kranken¬
versicherungszwanges auf Kreise, die demselben zur Zeit noch nicht
unterliegen. Die Aerzte hätten keine Ursache, ein weiteres Fort¬
schreiten auf diesem Wege zu wünschen. Nachdem noch Rupp-
Königsberg und Franz-Schleiz sich im Sinn Busch’s geäussert,
wird dessen Antrag angenommen.
Der Vorsitzende gibt bekannt, dass die nach Antrag Endo-
m a n n zur Berathung des Berliner Antrages auf Revision der
Satzungen cinzusctzendc Commission folgende Zusammensetzung bat:
Vom Geschäftsausschuss die Herren A u b, Löbker, Wal lieh»,
Hei n zc und Le ii t, ausserdem die Herren Coli n und Alexander.
Nunmehr wirft der Vorsitzende einen Rückblick auf die Be-
rathungen, in denen u. A. die erfreuliche Ueberzeugung geäussert
werden durfte, dass die in einzelnen Bundesstaaten geschaffene
oder begonnene ärztliche Standesgesetzgebung als Folge der Arbeit
der Aerztetage in Anspruch genommen werden könne.
Was die auf interne Verhältnisse bezüglichen Berathungs-
gegenstände betreffe, so sei es vielleicht recht gut, dass diese
Meinungsverschiedenheiten gleich jetzt, unmittelbar nach dem be¬
deutenden Abschnitte im Leben des Aerztcvcreinsbundes hervor-
getreten und in durchaus objcctiver und ruhiger Weise behandelt
worden seien. Im Namen des Aerztetages spricht Redner den
Dank aus der kgl. Staatsregierung und der Stadt Nürnberg für
den freundlichen Empfang und die liebenswürdige Aufnahme, dem
ärztlichen Bezirksvorein und Loealcomite Nürnberg für ihre grosse
Opferwilligkeit, ferner der Museumsgesellschaft und endlich dem
getreuen Geschäftsanssehuss. Lent-Cöln dankt im Namen der
Versammlung dein Vorsitzenden für die energische und umsichtige
Leitung der Verhandlungen und schliesst mit einem dreifachen
Hoch auf Aub. Der Vorsitzende dankt und erklärt den
XXIV. deutschen Aerztetag für geschlossen.
Der Nachmittag fand die Delegirten grösstentheils in der
Landesausstellung. Hier war auf Veranlassung des Localcomites
Gelegenheit gegeben, eine Vorführung der bekannten Experimente
mit den Röntgen'sehen Strahlen zu sehen. Die nähere Erklärung
eines von der Firma Reiniger, Gobbert und Schall in
Erlangen hergestellten einfacheren Apparates mit Preisangabe soll
den deutschen Aerzten noch zugesendet werden. Eine kleinere
Gruppe von Herren folgte am Sonntag den 28. Juni einer Ein¬
ladung zur Besichtigung des neuen Krankenhauses unter der
liebenswürdigen Führung des Herrn Medicinalrathes Merkel.
Der XXIV. Aerztetag hinterlässt, wie seine Vorgänger, wohl bei
allen Theilnehmern den günstigsten Eindruck. Er bewies auf's
Neue die alte Anhänglichkeit der deutschen Aerzte an ihren
Bund, er zeigte, dass Meinungsverschiedenheiten, selbst wenn
sic sich anscheinend bis zu Verstimmungen vertiefen sollten, einen
dauernden Boden in unserem Kreise nicht haben, er erweckte
aber auch einen Schimmer besserer Hoffnungen für die Zukunft
unseres Standes; denn in der That, wenn nicht alle Zeichen
trügen, so hat die absteigende Curve, welche die Geschicke des
deutschen Aerztcstandes in den letzten 27 Jahren gezeichnet
haben, ihren tiefsten Punkt überwunden.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 29. Juni 1896.
Von den Demonstrationen vor der Tagesordnung sei die
Sicherstellung der Diagnose in einem Falle von Magen ca rcinom
mit Metastase im Thorax (Stimmbandlähmung) mit Hilfe
der Röntgen-Strahlen erwähnt. Herr S t r a u s s , der den Patienten
und die nach dem Schattenbilde auf dem fluorescirenden Schinne
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
abgenommene Zeichnung verstellte, hatte die Diagnose klinisch
gestellt und durch das erwähnte Verfahren bestätigt gefunden.
Discussion zum Vortrag des Herrn Heubner: Ueber
den Erreger der epidemischen Meningitis.
Herr v Leyden: Schon vor einer Reihe von Jahren hatte
v L in einem Falle von Meningitis derartige Bactenen gefunden
und abgebildet (demonstrirt die Zeichnung). Es gelang ihm im
Laufe der Zeit in 3 Fällen den von Weichselbaum und Jäger
entdeckten Diplococcus intracellulans nachzuweisen Der eine ist
besonders erwähnenswerth: Es entwickelte sich bei einem Manne
nach einem Falle auf den Hinterkopf das Bild eines ^bw^ren ^ehirn
leidens: Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, l'ieber. Die Lumoa
punction brachte die Sicherung der Diagnose e 7 e ^ e p Q I ? i „ kei {
indem eine nicht unbeträchtliche Menge einer trüben Flüssi D keU
entleert wurde, in welcher sich Zellen mit eingeschossenen
Dinlococcen fanden. Nach einiger Zeit wurde die Punction
wiederholt und eine Abnahme der bacterienhaltigen Zellen gefunden
und bei einer 3. späteren Punction waren die C° Pcen ve ™ c '!"™ d JJ e
Gleichzeitig hatte sich das Befinden gebessert und Patient konnte
86h "V1.rWd» »deren Falle, wurde die Diagnose noch
d “%er DfpftataÄbt sieh etwa« schwerer nach Grau. .1.
der Gonococcus. Der wesentlichste Unterschied liegt in dem Wachs¬
thum des Dipl, intrac. auf allen Nährböden.
Herr Huber: Nebst einigen Bemerkungen über den klinischen
Verlauf der v Leyden erwähnten Fälle bringt H. die Angabe, dass
S“e Cocce» är reichlich in der Spinal- und Gehirnventrokel-
flüssigkeit, spärlich aber in der Meningealflüssigkeit fanden.
Als Unterscheidungsmerkmal gegen den Gonococcus fügt: e
noch die Kapselfärbung bei, welche mit Carboifuchsin und Ent¬
färbung mit Essigwasser sehr leicht gelinge. 1R q 9
Herr A. Fraenkel hat den Dipl, intrac. schon im Jahre 1892
in einem Falle von Meningitis und bald darauf in 2 weiteren Fällen
gesehen. Später konnte er dieses Bactenum nie wieder finden. In
einem Falle bestand gleichzeitig eine Pneumonie «nd liier fand sich
der Pneumococcus in der Lunge und der Dipl, intrac. im Gehir .
Bezüglich der Ansicht Heubner s, dass der Dipl, intrac. der
ausschliessliche Erreger der epidemischen Meningitis sei, dürfte doeb
noch eine gewisse Reserve zu empfehlen sein.
Herr Fürbringer hat 4 Fälle von Meningitis mit dem Dipl,
intrac gesehen. In einem Falle bestand gleichzeitig eine
acute Gonor rb oe; die beiden Diplococcenarten waren mit Sicher¬
heit zu trennen und demnach die Complication als eine rem zufällige
aufzufassen. F. ist der Ansicht, dass der mikroskopische Nachweis
von intracellularen Coccen in der Spinalflüssigkeit zur
Diagnose der epidemischen Meningitis genügt.
Herr Heubner möchte nicht ganz so weit gehen, wie r ür-
hringer; interessant sei, dass es Finkelstein letzthin gelang,
bei einem Kinde in der Nase den Diploc. intracellulans zu finden,
bei dem sich eine Meningitis entwickelt hatte.
Herr Krönig: Ueber Centrifugen.
Unter Demonstration einer grösseren Zahl von Centrifugen
erläutert K. die Vorzüge des von ihm eonstruirten Instrumentes,
welches von Lautenschläger zu beziehen ist. Näheres Hier¬
über im Sitzungsberichte des Congresses für innere Medicin.
H. K.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
MediciniBche Section.
Sitzung vom 5- Mai 1896.
Dr. Vulpius: Zur Heilung des Klumpfusses.
Vortragender berichtet Uber Erfolge, die von ihm mit dem
modellirenden Redressement erzielt wurden und belegt sein günstiges
Urtheil über die neue Methode mit einer Reihe von Photographien,
Sohlenabdrücken, Moulagen etc. geheilter Fälle. (Der Vortrag ist
in No. 21 d. Wochcnschr. in extenso veröffentlicht.)
Geh. Rath Arnold: Zur Biologie der rothen Blut
körperchen. (Der Vortrag ist in No. 18 dieser Wochenschrift
bereits veröffentlicht.)
Sitzung vom 19. Mai 1896-
Dr. Vulpius: Demonstration von Röntgenauf¬
nahmen. (Der Vortrag ist No. 26 dieser Wochenschrift ver¬
öffentlicht.)
Prof. Ernst: Ueber normale Verhornung.
Anknüpfend an die bekannte Erfahrung, dass nach der
Gr am'sehen Methode sich die Hornschicht der Haut färbt, wurde
methodisch die Leistungsfähigkeit dieses Färbungsverfahrens zum
Nachweis vou Horn Substanzen durchprohirt und zwar einerseits an
allen Klassen der Wirbeltliierreihe und andererseits an mensch¬
lichen und thicrischen Embryonen. Durch eine grössere Demon¬
stration wird das Resultat dieser Bemühungen illustnrt Durchweg
färben sich nach Gram jene Zellen, Zellgruppen und Schichten,
die am Anfang des V c r h orn u n g sp ro c es sc s stehen. Sehr
scharf heben sich auf diese Weise die Hornzühnc der Lyklo-
stornon hervor und zwar in der Tiefe der Epithclschieht in einem
so frühen Entwicklungsstadium, dass sie ohne jenes Hilfsmittel
noch kaum erkennbar wären. Die Per 1 organe der Kuochcn-
f ische allgemein als Productc gewucherter und verhornter Zellen
an Stelle ausgestossener und verödeter Sinnesknospen gedeutet
werden c'cctiv und scharf gefärbt. Etwas weniger befriedigend
waren Versuche mit A m p li i b i e n haut. Doch konnte beim Tnton
cristatus (Frühjahrscxcmplar) eine continuirlichc verhornende ober¬
flächliche Schicht und der IJcbcrgang des Vcrl.ornungsproccsses
auf den Ausführungsgang der Hautdrüsen nachgewiesen werden
Eine erwünschte Bestätigung des G e s c t z c s, d a s s s l c h n l c h t
das fertige, sondern das sich bildende Horn färbt,
brachte die Erfahrung an den mehrfachen Epidcrmisgencrationcn
der Reptilien haut, am schönsten bei der Ringelnatter, wo
die oberflächliche Generation, die zur Häutung bereit ist, sich
nicht färbt, wohl aber die darunter liegende Reservcgeneration.
Bei Vögeln interessirtc weniger die drüsenarme und wenig
complicirt gebaute Haut, als namentlich die Federn und der Hom¬
magen körnerfressender Thicre. Am ausgeschlüpften Hühnchen
färbt sich scharf die äussere Schicht der Federschcide, nach
aussen von der Federwurzelschcidc begrenzt. Innerhalb dieser
Hornscheide faltet sich dann die Oylinderzellcnschicht (innere
Schicht der Fcdcrscheidc) in Längsleisten, diese werden zu
Strahlen, deren jede sich mit einem Horusaum umgibt, was durch
die Färbung auf’s Schärfste hervorgehoben wird. Lehrreich sind
Vergleichungen der Hornmägen bei Vögeln und Echidna.
Bei ersteren handelt cs sich um eine homogene aus den Drüsen
auf die Schleimhautoberflächc ausgeschiedene »lasse, die feine Fort¬
sätze in die Drüscnlumina hineinsendet und dadurch ihre Ent¬
stehung verräth, während bei Echidna die ganze Magenschleimhaut
epidcrmidal gebaut ist, mächtige Polster von Plattenzcllen besitzt,
in denen die Verhornung discontinuirlich in Form von Schollen
auf tritt. Beim Säugethier, vor allem beim Menschen, dürfte man
auf die Resultate an Haaren und Nägeln gespannt sein. Am
Haar färbt sich in einem bestimmten Stadium die Ilenle sehe
Scheide und zwar trotz ihrer vielgcrühmtcn homogenen Beschaffenheit
in Form feinster Granula, wie denn überhaupt eine Körnchen-
structur an allen Hornsubstanzen durch diese Methode aufge¬
deckt wird, was an den Zähnen der Rundmäuler mit am deut¬
lichsten zu demonstriren ist. Wo noch keine Scheidung in Henle-
und Huxley’sche Schicht vollzogen ist, da färbt sich die innere
Wurzelscheidc als Ganzes in Form zerstreuter Kleckse. ^ In jugend¬
lichen Haaren konnte die Zusammensetzung der Cuticula aus
schalenförmigen Zellen an einer feinen Kittlcistcnzcichnung erkannt
werden, während die fertige Cuticula keine Reaction mehr eingeht
gemäss dem ausgesprochenen Gesetz. Auch in der Haarrin e
deckt die Färbung da, wo noch eine Zusammensetzung aus Zellen
ersichtlich ist, zwischen diesen Zellen feinste fibrilläre Elemente
auf, die alsWaldcyer’s Hornfibrillen angesprochen werden.
Noch immer sich erhebende Zweifel an der Existenz solcher
Fäserchen dürften im Angesicht solcher Bilder verstummen. Da
die erste Nagelaulagc im 3. Monat beginnt, so konnte man sich
von einem Embryo vom Anfang des 4. Monats wichtige Auf¬
schlüsse versprechen. Am Nagelsaum reagirt eine oberflächliche
Zone in feiner Granulirung, nach der Tiefe mehr streifig un
faserig. Aber auch vor dem Saum reagirt ein Zellenhügel. Es
ist das Sohlenhorn, morphologisch auf dem Rückgang
griffen, das durch die Reaction noch seine Bestimmung, an er
Nagelbildung Antheil zu nelimen, verräth. Es ist dies wohl eine
merkwürdige Bestätigung der Lehre von der Abstammung un
Bestimmung der volaren Nagelbestandtheilc.
Im Anfang des 6. Monats wird das alhnähligc Hineinrücken
des Nagels in den Falz, der lamelläre Bau und die dachziegel-
förmige Anordnung der Lamellen durch die Methode hervorgeho n-
First kurz vor dem 6. Monat, also viel später als die Nage-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
643
7. Juli 1896.
Substanz, beginnt die Verhornung der Oberhaut. In den
Hassan’sehen Körpern der Thymus halten einzelne schalen¬
förmige Zellen den Farbstoff fest. Möglich, dass darin eine Be¬
stätigung der Ansicht von Kastschenko erblickt werden darf,
dass nämlich die epidermoidalen Stücke der Schlundspalten wesent¬
lich am Aufbau der Thymus sich betheiligten. Die Voraussetzungen
für eine solche Schlussfolgerung wären freilich, dass Hornbildung
eine specifische Leistung der Abkömmlinge des Ektoderms wäre.
Ob die erwähnten Granula als Keratinkörnchen angesprochen
werden dürfen, welche Bewaudtniss es mit ihnen hat, ob und in
welchem Verwandtschaftsverhältniss sie stehen mit Keratohyalin-
körnern und den Protoplasmafasern, diese Fragen wurden durch
vergleichende Färbungsversuche nach Gram, Weigert, Kro-
maycr und Benekc zu beantworten gesucht, ohne dass indessen
völlige Klarheit erzielt worden wäre. Es leuchtet ein, dass damit
nur Andeutungen eines weit ausschauenden Planes gegeben sind,
der sich auch über das Gebiet pathologischer Verhornung erstreckt.
(Scltluss folgt.)
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 30- April 1896.
Vorsitzender: Herr P. Sendler.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr B ü h r i n g das Präparat
einer bei der Section eines Phthisikers gefundenen ausgedehnten
beiderseitigen Hydronephrose.
Sodann wird in die Tagesordnung eingetreten.
Herr Thorn demonstrirt eine amputirte Portio vaginalis.
Es handelt sich um eine Elongation ä la Col tapiroid. Das
Präparat zeigt zwei Ostien, das eine an normaler Stelle, das andere
in der hinteren Wand. Dieses, mit evertirter geschwellter Mucosa
besetzt, ist durch den Druck eines Pessars entstanden; keineswegs
handelt es sich um eine Missbildung. Die Elongation, combinirt mit
Retroversio cum Anteflexione corporis, war als Descensus uteri be¬
trachtet und demgemäss orthopädisch behandelt worden; der hintere
Bügel des Pessars hatte, ohne Schmerzen hervorzurufen, bei der
19jährigen, etwas torpiden Nullipara die Cervix langsam ulcerirt.
Es bestand profuser Cervixkatarrh.
Herr Thorn referirt über einen Fall von Vagitus uterinus,
den er vor Kurzem bei einer künstlichen Frühgeburt erlebte.
Es handelte sich um eine 38 jährige Ilpara mit einem allgemein
ungleichmässig verengten Becken (Conjugat. vera c. 7,8 cm), die er
2 Jahre vorher durch hohe Zange nach Cervixincis'on von einem
tief asphyktischen, aber wieder belebten und prächtig gediehenen
Knaben entbunden hatte. 4 Wochen ante terminum war von dem
Hausarzt ein Bougie applicirt worden, das bald gute Wehen hervor¬
rief, aber zu früh entfernt wurde. Das Wasser begann langsam
abzugehen, dabei geringe Wehenthfttigkeit. Am 5. Tage darauf
findet Th. folgenden Status: Wasserleerer, aber schlaffer Uterus,
I. Sch.-L., Kopf nach rechts abgewichen, Herztöne 140, beim Tou-
chiren gebt etwas meconiumgefärbtes Fruchtwasser ab, Cervix für
2 Finger eben durchgängig, sehr rigide. Kopf lässt sich in den
Beckeneingang bringen. In Anbetracht der Rigidität der Cervix und
des scheinbar gefährdeten Kindes, andererseits des relativ guten
Allgemeinzustandes der Mutter (normaler Puls, normale Temperatur)
erschien eine forcirte Entbindung keineswegs gerechtfertigt. Es
wurde dessbalb ein Barnes’scher Dilatator eingelegt und auf¬
geblasen (Ref. bedient sich sonst zur Aufblähung einer indifferenten
sterilen Flüssigkeit), der im Augenblick Wehenthätigkeit hervorrief,
aber fast im gleichen Augenblick barst unter erheblicher Detonation.
Im gleichen Moment schrie das Kind in 2 Absätzen, jedesmal
2 bis 3 mal. Die Töne erklangen wie aus der Versenkung, waren
aber von allen Anwesenden sofort gehört worden. Die Herztöne
behielten dabei ihre normale Frequenz. Athemgeräusche wurden
nicht vernommen. Ein neuer Barnes wird eingelegt, dabei entweicht
Luft aus der Vagina. Bald stellen sich gute Wehen ein, der Barnes
wird herausgetrieben und ca. 12 Stunden später wird spontan und
leicht ein sofort schreiender Knabe geboren, der keinerlei Anzeichen
der Asphyxie aufwies und so gediehen ist, dass von einer Beschädigung
der Pulmo durch Aspiration nicht die Rede sein kann. Das Wochen¬
bett verlief ganz normal.
An der Discussion betheiligen sich die Herren Brennecke
und Siedentopf.
Im Anschluss an diesen Fall bespricht Herr Thorn die
verschiedenen bekannten Hypothesen über die Ursache
des ersten Athemzuges. Für seinen Fall würde allein die
Pflüge r’sche Lehre, dass es sich dabei einzig und allein um
den Einfluss der atmosphärischen Luft handele, zutreffen. Trotz¬
dem bleibt cs räthselhaft, wie das Kind in dieser Weise schreien
und doch absolut frisch nach so langen Stunden geboren werden
konnte, wenn anders man nicht anuehmen will, dass man ohne
exquisite Lungenathmung, d. h. alvcolaere Athmung, lediglich
mittelst des durch die grossen Luftwege streichenden
L uftzuges schreien kann. Th. hält keine der bis jetzt auf-
gestellten Hypothesen für absolut richtig (die Schwartz’sche
hat neben der Preyer’s am meisten für sich) und glaubt Th., dass
sich zum Hervorbringen des ersten Athemzuges mehrere Ursachen
combiniren, er will aber selbst keine neue Hypothese hier an
diesen Fall knüpfen, der einzig dasteht.
Herr Thorn referirt über eine durch Castration geheilte
Osteomalacische.
Es ist die zweite Kranke hierorts, die er castrirte. Die erste
ist jetzt bald 5 Jahre absolut gesund. Die Operation dieser zweiten
fand vor 4 Monaten statt. Die Kranke hatte vorher von Herrn
Dr. Rudolph, der zuerst die Diagnose stellte, erfolglos Phosphor
erhalten. Die Reconvalescenz nach der Operation war keine sehr
rasche, obgleich die charakteristischen Knochenschmerzen fast un¬
mittelbar schwanden. Jetzt aber ist die Kranke eine blühende Frau,
die ihrem Haushalt wieder völlig vorsteht.
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 5. März 1896.
Herr Neuberger demonstrirt:
1) Einen Fall von maligner Lues.
Bei dem Patienten treten immer wieder gummöse Processe am
linken Unterschenkel auf, die nur sehr langsam unter Jodkali zur
Heilung gebracht werden können. Die Erkrankung tritt hartnäckig
nur an diesen Localisationsstellen auf, nur einmal zeigte sich ein
Gumma auf der rechten Wange in der Gegend des Jochfortsatzes,
von dem zur Zeit noch die Narbe und ein breiter pigmentirter Hof
sichtbar ist. Der linke Unterschenkel ist in seinen unteren zwei
Dritteln ganz und gar vorne und hinten von tieferen und seichteren
Narben, sowie bräunlichen Pigmentirungen eingenommen. Kurze
Zeit nach dem Aussetzen des Jodkali tritt sofort ein Recidiv auf.
2) Einen Fall von Urticaria factititia.
Der sonst gesunde Patient bekommt auf Druck oder Reiben
mit dem Fingernagel an sämmtlichen Körperstellen grosse Quaddeln,
so dass Buchstaben und Narnenszüge deutlich und lange Zeit Bichtbar
sind. Der Vortragende verbreitet sich ausführlicher über die Natur
dieser Affection.
3) Einen Fall von Lichen ruber planus mit deutlichen
Lichenknötchen und grösseren, zum Theil confluirten Lichen. —
Plaques am Hoden.
Der Patient hatte früher ein nässendes Ekzem am linken
Unterschenkel, das unter Pastabehandlung abgeheilt ist. ^Die ab¬
geheilten Stellen erinnern durch ihre bläulichviolette Färbung und
einige knötchenförmige Puncte auch an Lichen ruber. Sehr inter¬
essant ist der Fall, da er differentialdiagnostisch leicht mit Syphilis
(Papulae ad scrotum) verwechselt werden könnte. Der Patient hat
aber niemals irgend welche luetische Erscheinungen gehabt, die
Frau ist gesund, ebenso die Kinder; das jüngste Kind ist erst
ein halbes Jahr alt. Der Redner betont dann noch das ziemlich
häufige Auftreten von Lichen ruber in Mittelfranken.
Herr Sigmund Merkel referirt über II. K o s s e 1’ s Arbeit
«Ueber die Tuberculose im frühen Kindesalter». Im An¬
schluss daran berichtet er über 4 einschlägige Fälle aus seiner
eigenen Praxis.
Herr Stein berichtet über einen Fall von eitriger Basis-
Meningitis.
Herr Cnopf sen. über zwei Fälle von Cerebrospinal-
Meningitis.
Herr Simon über 3 von ihm operirte Fälle von Extra-
uterin-Schwangerschaft in der 8- bis 10- Woche. Er demon¬
strirt die betreffenden Präparate, darunter ein cystoid entartetes
Ovarium.
6. Sitzung vom 19. März 1896-
Hcrr Karl Koch hält einen Vortrag:
1. Ueber die Eröffnung perityphlitischer Exsudate
im kleinen Becken durch den parasacralen (pararectalen)
Schnitt.
2. Ueber Cysticotomie. (Erscheint an anderem Platze
in extenso).
Herr Friedrich Merkel gibt über den 3- von Karl Koch
mitgetheilten Fall von Cysticotomie einige anamnestische Details
und bespricht an der Hand von Ke Her’s Arbeit über «Die
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Münchener medizi nische Woch enschrift.
No. 27.
Wanderniere der Frauen» die D»cr.ntiahiingnose zwischen
“ttS.'S " Mittheilung von mehreren
logisches Moment konnte bis jetzt nicht festgesteUt werde .
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 4- Juli 1896-
I. Oesterreichischer Otologentag. - Radicaloperation
von Leistenbrüchen bei Soldaten.
Die Oesterreische otologiscke Gesellschaft in ien ■
o q und 29 Juni 1. J. einen Otologentag einberufen, " sicher
denn !uch unter Vorsitz Professor Josef Grube*
einen recht animirten Verlauf nahm. Aus den wissenschafthche
Verhandlungen beider Tage möchte ich Einiges hcraiul ■
Heller (Director eines Blinden.nstitutes) und Ohrenarzt
Professor Urban tschitsch demonstnrten je einen Fall vo
psychischer Taubheit. Derlei Individuen scheinen Uubstumm zu
sein, da sie bloss über einige Wortfragmente verfügen und auch
mit den Wörtern nicht die richtigen Begriffe verbmdcm Das
Leiden kann also sehr leicht mit Taubstummheit ^wech ft
werden, so dass die Gefahr vorliegt, dass es als unhefl»ange
sehen wird, wenn die Angriffspunkte für eine jcchtzertige und
sachgemäße Behandlung vernachlässigt werden. Abgabe der B
handlung ist, durch die sog. Concentrationsmethodc die Aufmerksam
keifc der Kränken auf das gesprochene Wort zu begehen und u
diesem Wege jene psychischen Vorgänge zu erwecken, welche zur
Erwerbung* der normalen Sprache führen. Das geschieht also
durch systematisch durchgeführte Hör- und
Professor Pollitzer sprach über den 51 enihreschen
Symptomencomplcx bei traumatischer Labynuthläsion, De¬
monstration des histologischen Befundes. Kr weist an der Hand
eines Falles (Bruch der Schädelbasis, Bluterguss m dic ‘ Sc " eckc
und Bogengänge) nach, dass die totale Ertaubung sowohl als der
Menifcre’sclie Symptomencomplex durch den anatonnschen Bef
genügend erklärt wurden. Im histologischen Befunde ist der Nacl
weis einer intensiven entzündlichen Bindegewebsbildung, o Wochen
nach stattgehabtem Insulte, von besonderem Interesse
Professor Josef Gruber hat 42000 Sectionsprotokolle durch-
studireu lassen, um die Beziehungen von Erkrankungen des Gehirns
und seiner Häute zu Ohrerkrankungen zu ermren. Die umfassende
Arbeit entzieht sich einer kurzen Berichterstattung.
Die operative Freilegung der Mittelohrräume, sogenannte
Radicaloperation, wurde von den Professoren Polhtz rer und
Urbantschitsch eingehend behandelt. Ersterer verfügt über
einigo 50 Fälle und übt diese Operation mit gewisser Emschrän
kung da wo die conservativcn Methoden kein Resultat erzielen
lassen. U r b a n t s c h i t s c h hat 72 Mal operirt und erzielte in
28 Fällen eine vollständig trockene Höhle, 19 weitere fälle zeigen
zeitweilig noch eine Sccretion, wenn auch geringen Grades , bei
4 KrankeD ist der cariöse Process noch nicht bleibend zum ..till-
stande gekommen, 8 im Mai und Juni operirtc Fälle gaben bisher
einen zufriedenstellenden Verlauf, 8 Patienten entzogen sich der
ferneren Behandlung, endlich 5 sind gestorben, unter Erscheinungen
der Meningitis. , i • ti
Assistent Dr. Alt sprach über apoplcctiforme Labyrinth-
erkrankungen bei Caissonarbeitcru, unter Anführung seiner be¬
züglichen experimentellen Studien.
Docent Dr. Josef Pollak berichtete über einen I-all von
Perichondritis septi narium scrosa. Er hält diese Benennung für
eine unrichtige, da nach seiner Ansicht die Veränderungen des
Ohrknorpels, wie sie von Gudden, Parrcidt, Pollak u. A.
beschrieben wurden, primär sind.
Dr V. Hammerschlag sprach über Athcm- und 1 ulsations-
bewegungen am Trommelfelle, Docent Dr. Gomperz über seine
Erfahrungen über die Verschliessbarkcit alter Trommelfelllücken.
Gomperz hat in mehreren Fällen — nach Oku n eff — durch
Bestreichung der Perforationsöffnung mit reiner Tnchloressigsaurc
völlige Benarbung erzielt.
SeUies.lieh erwähne ich noch des Bcsültates der W h » ,»
die Oesterr. „«logische Gesellschaft: zum Präerdenten Protar
PollHzcr, zum Vicc-Präaidcntcn Professor loset Gruber, zum
Oeconomcn Professor Urbantschitsch, zu Schnflfirhrcrn dre
Doccnte» Josef Pollak und Albert Bing. Pro W.cner Aerzu»
hatte den CongreBB der Ohrenärzte durch rhren Vorstand
feierlich ^^““"'der Ae „tc sprach jüngst Stabsarzt Docent
~ UnUrt über die günstigen Resultate bei Ausführung der
Radicaloperation (nach Bassini) von Leistenbrüchen bei Soldaten.
Selbstverständlich macht noch immer eine frere Lemtenherme den
Soldaten kriegBdien.tnntauglieh ; er kann aber wieder togheh werden
T. will wenn er sich operiren lässt, D.ea kommt nament-
Hc'h bei gewissen Personen des Militärdienstes in Betracht, «bet
Offizieren bei tüchtigen Unteroffizieren, Gendarmen ei*., .»dann
hkri Soldaten welche für den Austritt aus der Armee sich
- ■ «=H-S£
Habart die nach Bassim openrten Soldaten nicht sofort
wieder den Dienst antreten lassen, or wünscht vielmehr, dass sic
^ -n ihm Operirter demom
s trirt und dabei
einzelner HanMhtc, die Heilung später nach Anstttang
el ug Qfande kam betont er auch die Wichtig-
SÄ‘Ä^itnng bin, das. der MiUtäro»,
»ob Friede» sieb in de, Präzis der Ascptik einübe, - «
im Kriegsfälle vollkommen beherrschen zu können.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Sociätd Mödicale des Höpitaux.
Sitzung vom 5. Juni 189G.
Ueber S ch ar 1 ac h r eci d i v e.
Bei tTÄ
geschlagenheit, Diarrhoen be . Primärerkrankung
«jähriges Mädchen ebenfalls 14 Tage nach aet n fthnlich en
und im vollen AbschuppungsBladmm von
Erkrankung befallen, welche 6 Tage « . c erklärt das
S
Roger viel eher an eine neuelnfecfc de8 Scharlachs
coccus) glauben, welche im Desquamationssted'um 8chwer .
oft sehr verschiedenartige Exantheme verursacht, aber won
lieh als Recidive des Scharlachs aufzufasaen ist. b ina ler
Cazal berichtet über einen Fall von dea s P h ankere
Syphilis, welche schon 4Monate nach dem AR ^ Monate
sich einstellte, Balz er ® rie ^ to M e *“ e x tr : e J? fferebralerecheinungen
rlÄÄLaTÄ Schanker beobachtete.
Sitzung vom 12. Juni 1896.
Infectiöser Ikterus mit Recidiven.
Dalchd hatte von dieser (W ei EselNierenent-
durch Schwellung der Leber ^ ll: *’ Shen, welcher zweimal
Zündung ausgezeichnet ist, einen Fall gesellen we i c he m
recidivirte. Es handelte sich u “ dabei eine grosse Quanti-
die Seine gefallen war ohne zu ertrinken, da “ nter den er-
1 tftt Wassers geschluckt hatte und nach l4 T g ^ ^
1 wähnten Erscheinungen erkrankte; /Deutschland)überein,
Fall mit jenem von Haas (Prag) und Pf ahl ( % SSStehung jener
welche den Einfluss ungesunden \\ a-ssers auf die^Ents mit
Krankheit hervorhohen, die wie enie Combinahon M yP tthi eu,
Ikterus gastro-duodenalis erscheint. Im Gegensa Krank-
d„ sogar den TyphusbacUlus für den Erreger auch diW« ,
Seit hält, weist D. dies «1«
es sich auch hier um eine infecUQnBkrankheith del trotz zwei-
fallend war in seinem Falle, dass die MUzver^össeir g
maliger Remission der übrigen Symptome bestehen D
7. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
645
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Hanot beobachtete das Auftreten der Krankheit 14 Tage
nach dem Genüsse von Miesmuscheln; das Recidive zeigte in diesem
Falle die Symptome viel ausgesprochener, wie die primäre Er¬
krankung, besonders die nervösen Erscheinungen (Delirium, Abge-
schlagenheit) waren intensiv.
Renda erlebte einen Fall dieser Krankheit bei einem Schweine¬
metzger, welcher verdorbenes Fleisch genossen hatte und einen
anderen bei einem jungen Mann, welcher in einem stark verun¬
reinigten Weiher gebadet hatte und 10 Tage später unter den
schwersten Typhuserscheinungen, aber ohne Ikterus, erkrankte.
Netter gibt zwar zu, dass verdorbenes Fleisch, besonders
Wurstwaaren, diese Krankheit verursachen könnte, in den meisten
Fällen dürfte es aber der Genuss resp. das Verschlucken einer
grösseren Menge verdorbenen Wassers sein, welches eben ausser
den bekannten pathogenen (Typhus- und Cholerabacillus) auch noch
nicht näher specificirte Keime enthalte; deren schädliche Wirkung
zeige sich nach einer Incubation von 10—14 Tagen in einem etwas
vielseitigen Symptomencomplex: infectiösem Ikterus, recidivirendem
Ikterus oder W e i l'scher Krankheit, recidivirendem Fieber ohne Ikterus.
Mathi eu hatte die Krankheit, welche in seinem Falle nach dem
Genüsse einer grösseren Menge von Salzwaseer entstanden war, als
Lebertyphus bezeichnet, will es aber nun als eine Hypothese seiner¬
seits betrachtet wissen, dass die Symptome sich durch eine specielle
Localisation des Typhusgiftes auf die Leber erklären Hessen. St.
Sitzung vom 19. Juni 1896.
Zur Diphtheriestatistik.
Sevestre theilt die Statistik der Diphtheriefälle mit, welche
im Jahre 1895 im Kinderspitale (Höpital des Enfants-Malades), be¬
obachtet wurden. Es handelte sich um 878 Fälle bacteriologisch fest¬
gestellter Diphtherie, von welchen 392 reine und 486 Mischinfectionen
waren, erstere gaben 9,94 Proc. Todesfälle (6,11 Proc. in den ersten
24 Stunden), letztere 19,34 Proc. Todesfälle (12,11 Proc. in den ersten
24 Stunden). Alle Kinder erhielten je nach der Schwere des Falles
10—30 ccm Heilserums gleich nach dem Eintritt, meist genügte
diese einmalige Dosis; in den Fällen von Croup und schwerer
Angina ist es jedoch oft nöthig, eine zweite und dritte Injection in
Pausen von 12—24 Stunden zu machen; die Dosis von 40—50 ccm
wurde selten erreicht und noch seltener überschritten. Auch die
anderen therapeutischen Mittel wurden angewandt, so mit gutem
Erfolge Calomel als Purgans, bei Croup und Bronchitis Natr. benzoicum,
in Fällen von Bronchopneumonie kalte Bäder und schliesslich waren
mehrmals geradezu lebensrettend Injectionen von Coffein und noch
mehr von künstlichem Serum (Chlornatrium 7 :1000). Zum Vergleich
seien die Zahlen der früheren Jahre angegeben: 1890 betrug die
Sterblichkeit am Spitale 55,58 Proc., 1893 48,47 Proc., 1891 21,68 Proc.
und 1895 13,85 Proc. Wenn man von den 158 Todesfällen dieses
letzten Jahres 71 abzieht, welche sterbend in das Krankenhaus
gebracht wurden, oder in den ersten 24 Stunden starben, so würde
diese Zahl auf 8,13 Proc. herabsinken. Die Mischinfectionen, be¬
sonders die mit dem Streptococcus, verschlechtern nach der Erfahrung
von Sevestre die Prognose um ein Bedeutendes; es wurde in
zahlreichen Fällen Marmorek’s Serum dagegen angewend^t, aber
im Grossen und Ganzen damit nur geringer Erfolg erzielt. S. führt
das darauf zurtick, dass es wahrscheinlich eben verschiedene Arten
dieses pathogenen Coccus gibt. Die Ansicht, dass ein bereits lange
Zeit entnommenes Serum leichter zu Zufällen Veranlassung gäbe,
wird damit widerlegt, dass S. ein Monat hindurch über 1 Jahr altes
Serum, welches noch klar und durchsichtig geblieben war, anwandte,
sich dasselbe sehr wirksam erwies und auffallend wenig Eruptionen
verursachte. Bei den 408 Fällen von Croup wurde 229 mal intubirt
(Mortalität 27,07 Proc.), in 16 Fällen wurde nach der Tubage die
Tracheotomie nothwendig, 14 von diesen starben; wegen der Noth-
wendigkeit sorgfältigster Ueberwachung dürfte wohl die Intubation
hauptsächlich für die Spitalbehandlung geeignet sein. In Summa
spricht auch diese Statistik in deutlicher Weise für die Serum¬
therapie. St.
Acadeinie des Sciences.
Sitzung vom 15. Juni 1896.
Photographie einer Revolverkugel im Gehirne mittelst
Röntgenstrahlen.
Ein Herr erhielt einen Revolverschuss (7 mm-Caliber) am
linken Stirnhöcker; die Kugel durchdrang, wie sich aus den späteren
Symptomen ergab, den linken Frontallappen, dann das Corpus callosum
und die rechte Gehirnhälfte von vorn nach hinten und von innen
nach aussen und blieb im rechten Schläfenlappen stecken. Anfangs
bestand eine vollständige linksseitige Lähmung ohne Bewusstsein-
verlust, 14 Tage liess der Kranke Koth und Urin unter sich gehen,
dann erholte er sich allmählich (Schlingbeschwerden, hatten nie
bestanden), nach 4 Wochen war die Wunde völlig geheilt und es
blieb nur noch eine linksseitige motorische Lähmung der beiden
"ntemn Extremitäten und des Gesichtes, ohne Betheiligung des
oberen Facialis, Oculomotorius und der Kaumuskeln, zurück. Die
Diagnose wurde durch die Röntgenphotographie, welche Londe ira
optischen Institut vornabm, bestätigt. Man unterscheidet auf dem
Bude vollkommen die Schädelformen, den Stirnhöcker, die Sinus
frontal« und maxillaris, das Felsenbein, die Augenhöhle u. s. w.;
die Kugel sitzt in der hinteren Gehirnhälfte in Höhe der zweiten
Schlüfenwindung, wahrscheinlich über dem Tentorium cerebelli.
Um absolut sicher in der Diagnose zu sein, hätte man ausser der
Photographie im saggitalen eine solche im frontalen Durchmesser
machen müssen, wozu man aber den durch die 1 ®/4stündige Sitzung
schon ermüdeten Patienten nicht veranlassen wollte. Die prak¬
tische Folge der Feststellung der Kugellage war, dass nicht diese,
als ira Temporallappen befindlich, die anhaltende Hemiplegie ver¬
ursachen konnte, sondern die letztere auf die beim Durchgang des
Projectils durch das Gehirn verletzten Nervenfasern zurückzuführen
sei. Ein chirurgischer Eingriff hätte also keine Aenderung herbei¬
geführt. St.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Royal Medical and chirurgical Society.
Sitzung vom 26. Mai 1896.
Behandlung der gichtischen AffectionenmitGuajacum.
Sir A. B. Garrod, eine bekannte Autorität auf dem Gebiete
der gichtischen Affectionen, nimmt an, dass die Harnsäure direct
durch die Nieren aus dem Harnstoff und den anderen nitrogenen
Bestandtheilen des Blutes ausgefällt, und nicht bereits im Blutq
durch Umsetzung der nitrogenen Substanzen vorgebildet und dann
erst durch die Nieren ausgeschieden werde. Wenn sich wirklich
Harnsäure im Blute finde, so stamme diese von Ammoniumurat,
welches aus dem mangelhaft secernirenden Nierengewebe in das
Blut resorbirt worden sei. Das Guajakharz wirkt nun direct auf
das Nierengewebe als Stimulans, indem es die Auscheidung aus den
Harncanälchen befördert, desshalb finde man bei solchen Patienten,
die Guajacum nehmen, oft grosse Mengen von Harnsäure im Urin.
Die Vorzüge des Guajak sind: absolute Unschädlichkeit, es kann
beliebig lange genommen werden, ohne an Wirksamkeit einzubüssen,
oder dem Geschmacke zu widerstehen. Es besitzt eine sehr grosse
momentane Wirkung bei acuten gichtischen Anfällen sowohl, als
auch eine prophylactische, das Eintreten der Anfälle verhindernde,
wenn es in den Intervallen regelmässig genommen wird.
Haig glaubt, dass das Guajak sowohl die Ausscheidung der
Harnsäure, als die Menge der im Blute vorhandenen Harnsäure
durch die in dem Harze enthaltenen Säuren beeinflusst. Wenn
durch längere Darreichung von Guajak das Blut von Harnsäure
frei gehalten werde, so könne auch keine in den Gelenken abge¬
lagert werden, Er glaubt daher, dass das Guajak die Ausscheidung
der Harnsäure zwar unterdrücken, aber nicht dauernd beseitigen
könne, so dass die Gicht mit dem Aussetzen des Medicamentes stets
wieder auftrete.
R. A. Caldwell sah sehr gute Erfolge von dem Lithionsalz
des Gujakharzes bei chronischer Arthritis.
Murreil und W. Ewart erwähnen die abführende Wirkung
des Guajak, auch Exantheme wurden nach seiner Anwendung be¬
obachtet. Empfohlen wird die rombinirte Anwendung des Guajak mit
Jodkali, Hydrargyrum und Salicyl, besonders auch mit Jodtinctur.
W. H. Dicki nson und A. Garrod wollen das Guajak auch bei
chronischen Rheumatismen mit Erfolg in Anwendung gebracht haben.
Sitzung vom 9. Juni 1896.
Pseudoleukaemia splenica.
Samuel West beschreibt einen Fall von sogenannter Pseudo¬
leukaemia splenica (Splenic Anaemia oder Splenomegalie primitive)
bei einem 36jährigen Manne. Bemerkenswerth ist der rasche Ver¬
lauf, etwas über ein Jahr, die frühzeitig auftretende Haemophilie,
starke Blutung nach einer Zahnextraction, Epistaxis, Retinablatungen,
acutes Larynxoedem, das eine Tracheotomie nöthig machte, dauernd
hohe Temperaturen (39— 40° C.). Die Milz bedeutend vergrössert
und druckempfindlich (Gewicht 2280 g). Bei der Section zeigte sich
leichte Cirrhose und Schrumpfung der Malpighi’scheu Körperdien.
In der Leber Zunahme des interstitiellen Gewebes. Gewicht 2800 g.
Die Zahl der rothen Blutkörperchen war bedeutend vermindert,
ebenso das Hämoglobin, die weissen Blutkörperchen zwar vermehrt,
aber nicht mehr, als der erhöhten Temperatur entsprach. Parasiten
konnten nicht naebgewiesen werden.
West unterscheidet drei Stadien der Krankheit: zuerst allge¬
meine, zunehmende Schwäche mit gelegentlichen Schmerzen in derMila-
gegend, dann Vergrösserung der Milz mit deutlicher hervortretender
Anaemie und endlich Cachexie und Exitus in Folge der Asthenie.
A. Kanthack unterscheidet zwei verschiedene Formen. Bei
Kindern findet sich vorherrschend Leukocytose und eine grosse An¬
zahl eosinophiler Zellen; bei Erwachsenen dagegen nie, dafür aber
viscerale Haemorrhagien und Veränderungen im Knochenmark.
Pye-Smith macht auf die klinische Aebnlichkeit mit Malaria
aufmerksam, von welcher sie nur durch die Blntantersuchong unter¬
schieden werden kann.
Während S. West die Krankheit hauptsächlich auf die Er¬
wachsenen and das männliche Geschlecht beschränken will, fand
S. Coupland sie meist hei Weibern. Er erwähnt auch einen Fall,
in welchem ganz ähnliche Symptome durch Lues der Leber und
Milz verursacht wurden.
In einigen Fällen ergab die Arsenbehandlung günstige Re¬
sultate. Für andere wird von Coupland, Pearce Gould und
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
Anderen die Splenektomie, die in der That in einigen Fällen Heilung
erzielte, empfohlen.
A. Kanthack und S. West sprechen sich gegen dieselbe
aus, da sie ja nicht die directe Krankheitsursache treffe und die
Differentialdingnose eine sehr schwierige sei.
Edinburgh medico-chirurgical Society.
Sitzung vom 3. Juni 1896.
Ueber Kinderernährung.
Aitchinson Robertson bespricht die Rolle, welche die
Kohlehydrate bei der Säuglingsemührung, speciell in den verschiedenen
Kinderraehlen spielen. Die schwache amylolytische Wirkung des
Speichels und Pankreassaftes bei den Säuglingen verbietet die An¬
wendung von stärkcmchlhaltiger Nahrung in den ersten Monaten.
In der ersten Zeit darf Stärke nie als solche gereicht werden,
sondern nur nach völliger Umwandlung in Glukose und Maltose,
die leicht verdaut werden können. Späterhin kann die Auflösung
derselben etwas zurtickgehalten und die hohem Dextrine mitzugefübrt
werden, gegen Ende des ersten Jahres auch die niederen Dextrine
und unverändertes Stärkemehl.
Der Gebrauch von pankreatisirten Nährmitteln wird scharf ver-
urtheilt Durch den Gebrauch dieser bereits vorverdauten Nahrung
wird die Aufnahmefähigkeit des Magen und Darmcanals in un-
nöthiger Weise geschwächt. Dieselben sind nur am Platze bei
schweren gastrischen Störungen und in der Reconvalescenz von
acuten Krankheiten.
Als zuträglichstes Präparat erklärt er eine Mischung von
Milch mit Weizen- oder Hafermehl und gemahlenem Malz; durch
verschieden langes Kochen lassen sich die Stärkemehle in jede
gewünschte Form von Dextrinen überführen, der Malzzusatz ver¬
hindert dabei das Gerinnen der Milch. Der Zusatz unveränderten
Rohrzuckers ist zu verwerfen. F. L.
68. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
in Frankfurt adtf. 21.—26. September 1896.
Die vereinigten Sectioncn für Otologie, Laryngologie
und Rhinologie beabsichtigen in gleicherweise, wie eine Anzahl
anderer Sectionen, eine fach wissenschaftliche Ausstellung
während der Dauer der Naturforscherversammlung zu veranstalten.
Dieselbe soll neuere Instrumente, Apparate, Präparate
und elektrische Einrichtungen umfassen Diejenigen Herren
Collegen, welche beabsichtigen, diese Ausstellung zu beschicken,
werden gebeten, ihre Anmeldungen mit näherer Bezeichnung der Aus¬
stellungsgegenstände an Einen der Unterzeichneten bis spätestens
15. August gelangen zu lassen. Weitere Mittheilungen werden
den betreffenden Herren auf ihre Anmeldungen hin zugehen.
Frankfurt a/M. im Juni 1896.
Dr. H. Eulenstein, Dr. B. Lachmann,
Bleichstrasse 31. Neue Mainzerstrasse 76.
Verschiedenes.
(Frequenz der de utschen medic. Facultäten S.-S. 1896.) *)
! Somm er 1895 Winter 1895/96 Sommer 1896
_ jliinder! lttnder l Summn länder! Uinder! Summo lftnder! ltlml?r! Summa
Berlin
Bonn
Breslau
Erlangen
Freiburg
Giessen
Göttingen
Greifswald
Halle
Heidelberg
Jena
Kiel
Königsberg
Leipzig
Marburg
München
Rostock
Strassburg
Tübingen
Würzbnrg
Zusammen
782 298
305 19
323 15
160 172
83 360
74 63
182 38
366 40
236 5
67 208
55 140
294 105
218 28
332 285
196 49
497 712
48 63
142 158
101 114
140 067
(4601 |3429
1080 3 ) 883
324 249
338 310
332 187
443 85
137 80
220 180
406 316
241 209
275 60
195 54
399 218
246 196
617 347
245 185
1209 516
101 46
300 160
215 109
707 182
375 1258 811
21 270 292
6 316 307
187 374 172
240 325 —
62 142 84
45 225 204
35 351 348
33 242 189
141 201 55
135 189 62
46 264 263
27 223 210
320 667 350
41 226 201
677 1193 483
52 98 55
162 312 145
97 206 109
532 714 181
1224 7796 I -
307 1118
22 314
16 323
161 333
— 458
87 171
53 257
30 378
26 215
172 227
131 193
105 368
29 239
272 622
46 247
756 1239
60 115
150 295
105 214
486 667
') ^’aeh amtlichen Verzeichnissen. Vergl. d. W. No. 1 1 81
) Unter Ausländern sind hier Angehörige anderer deutsch
-Bundesstaaten verstanden.
3 ) Dazu die Studirenden der Pepini&re.
7505 bet?ägt anter 488 Nichtdeutsche > B0 dass die Zahl der Deutsch,
Die Gesammtzahl der Studirenden im laufenden
Sommerhalbjahr an den deutschen Universitäten be¬
trägt 29 747. Bei Ausscheidung nach Facultäten treffen 1782 auf
die katholischen und 2646 auf die evangelischen Theologen, 8073
auf die Juristen, 7993 auf die Mediciner, 3548 auf die Studirenden
der Philosophie, Philologie und Geschichte, 2989 auf die der Mathe¬
matik und Naturwissenschaften, 1096 auf die Pharmaceuten, 805
auf Studirende der Landwirthschaft und Geodäsie, 572 auf Studirende
der Cameral- und Forstwissenschaft, endlich 385 auf Studirende der
Zahnheilkunde.
Therapeutische Notizen.
Narkose durch Aethylchlorid. Nach dem Berichte von
Soulieru. Brian gibt Aethylchlorid in relativ hoher Dosis (5—6 ccm)
eine ziemlich lang dauernde Anaesthesie (von 5—10 Minuten), und
wenn man von Zeit zu Zeit ca. je 2 ccm weiter einathmen lässt,
so kann man die Narkose wie mit den gewöhnlichen Betäubungs¬
mitteln verlängern. Die Vortheile dieses Mittels sind schnelles Ein¬
treten des Schlafes und besonders der Mangel jeglichen Unbehagens
bei und nach dem Erwachen. Andererseits bestehen Nachtheile in
der Schwierigkeit, zuweilen eine völlige Muskelerschlaffung zu erzielen,
und in der Leichtigkeit des Erwachens, welche oft länger dauernde
Narkosen unmöglich macht; offenbar ist also das Chloraetbyl eher
zu sehr schmerzhaften Operationen von kurzer Dauer angezeigt und
ferner, wie die Erfahrung von 8417 in Lyon ausgeführten Narkosen
lehrt, in besonderem Maase bei Alkoholikern, welche so oft gegen
Aether resistent sind. Soulier ist überzeugt, dass Liebreich,
welcher schon lange die anaesthesirenden Eigenschaften des Aethyl-
chlorids constatirt hat, nur desshalb die deutschen Chirurgen nicht
zu dessen Allgemeinverwendung veranlassen konnte, weil die beim
Chloroform nun übliche Tropfmethode auch auf dieses Mittel über¬
tragen wurde; damit schien sich aber der Schlaf zu langsam ein¬
zustellen und der Aufregungszustand zu sehr zu verlängern. S. be¬
trachtet das Cliloraethyl wie ein weniger gefährliches Chloroform
und wie einen viel mehr wirksamen Aether, welcher zudem sich auf
Entfernung nicht entzündet. Bulletin Mddical No. 35, 1896. St.
Einen Vergiftungsfall mit Behring’schem Diph¬
therie-Heilserum hat an sich selbst der Sanitätsrath Krück-
maun in Neukloster i. M. beobachtet (Therap. Monatshefte 6, 1896).
K. ist 60 Jahre alt und erfreut sich vollkommener körperlicher
Rüstigkeit Da ihm ein Diphtheriekranker heftig ins Gesicht ge¬
spuckt hatte, injicirte er sich in den Vorderarm den sechsten
Theil eines Fläschchens Serum No. II. Nach einer halben Stande
wüthendes Jucken auf der Kopfhaut, weiter Angina cordis, Schwindel,
Ohrensausen, grösste Hinfälligkeit. Temperatur 39,0, Puls unftihl-
bar, Füsse eiskalt, Quaddelausschlag am ganzen Körper, lästige
Auftreibung des Leibes mit spärlichem Erbrechen. Nach mehreren
Stunden Nachlass der Erscheinungen, Ausbruch von Schweiss. Nach
24 Stunden erste Urinentleerung und Verschwinden des Fiebers.
Bei dem injicirten Diphtheriekranken waren keine Nebener¬
scheinungen aufgetreten. K r.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 7. Juli. Die Medicinische Gesellschaft zu
Magdeburg (Vorsitzender Dr. P. Sendler) hat durch Vereins¬
beschluss die Münchener medicinische Wochenschrift zum officiellen
Publicationsorgan bestimmt.
— § Am 10. Juli wird der praktische Abschnitt der Prüfung
für den ärztlichen Staatsdienst seinen Anfang nehmen, zu welchem
44 approbirte Aerzte sich gemeldet haben. Die Gesammtprüfung
wird in den letzten Tagen dieses Monats zu Ende geführt werden.
— In denselben Tagen, in denen der Aerztetag in Nürnberg
sein Bedauern darüber aussprach, dass durch den Erlass des preussi-
schen Ministers für Handel und Gewerbe vom 26. November 1895
die auf Organisation der freien Arztwahl abzielenden Be¬
strebungen eine Erschwerung und zeitweise Lahmlegung erfahren
haben, ist der Urheber dieses Erlasses, Handelsminister v. Berlepsch
von seinem Amte zurückgetreten. Mit ihm fällt das Haupthindemiss
für die weitere Entwicklung der freien Arztwahl in Deutschland.
Ueber die Stellung seines Nachfolgers Brefeld zu dieser Frage
ist noch nichts bekannt. Nachdem jedoch die preussische Regierung
in letzter Zeit in manchen anderen Punkten — Gebührenordnung,
Ehrengerichtsbarkeit, Prüfungsordnung — den ärztlichen Wünschen
entgegengekommen ist und man dort vielleicht doch die Ueber-
zeugung gewonnen hat, dass eine Hebung des ärztlichen Standes
im allgemeinsten Interesse gelegen und dringend nöthig sei, erscheint
es nicht ausgeschlossen, dass mit dem Wechsel der maassgebenden
Persönlichkeit auch in dieser Frage eine für den ärztlichen Stand
günstigere Auffassung Platz greifen werde Jedenfalls gewinnt die
vom Aerztetag Cs. o.) ausgesprochene Hoffnung, dass die preussische
Regierung in wohlwollender Weise zu dem System der freien Arzt¬
wahl Stellung nehmen werde, erheblich an Berechtigung.
— Der Sterbecassaverein der Aerzte Bayerns, a. V., zählt am
Schlüsse des ersten Semesters 1896 bei 39 Neuzugängen und bei
9 Todesfällen 752 Mitglieder. Beitritt kann jederzeit erfolgen.
— Eine Bekanntmachung des Berliner Polizeipräsidenten lautet:
Das Heilgeschäft des Rechtsanwaltes a. D. Glünecke, vor dessen
Thätigkeit bereits von auswärtigen Behörden gewarnt worden ist,
wird von dem prakt. Arzt Dr. med. Kahnt, Goutardstrasse 5,
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7. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
647
5 Sf-
ofeen
im Verein mit dem Apotbekenbesitzer Zittelmann, Invaliden¬
strasse 72 fortgesetzt. Nach dem Gest&ndniss des Apothekers
Zittelmann und dem Ergebniss einer Besichtigung seiner Apotheke
wird eine von einer Arbeiterfrau abgewogene willkürliche Kräuter¬
mischung von Arbeitern abgekocht und ein und derselbe Saft, in
Flaschen gefüllt, gegen alle vorkommenden Leiden, bald als Gurgel¬
wasser, bald als Darmeingiessung, bald als innerliches Medicament
verordnet und abgegeben. Ich warne das Publicum dringend, sich
in Krankheitsfällen an die genannten Medicinalpersonec za wenden.
— In Alexandrien wurden vom 6.—20. Juni 49 Erkrankungen
und 40 Todesfälle, in Kairo vom 4.—18. Juni 84 Erkrankungen und
239 Todesfälle an Cholera festgestellt. In ganz Aegypten wurden
bis zum 19. Juni einschl. insgesammt 5010 Erkrankungen und
4172 Todesfälle an Cholera gemeldet.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 25. Jahreswoche, vom 14. bis 20. Juni 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Stettin mit 48,2, die geringste Sterblichkeit Bielefeld mit
11,8 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Bromberg, Köln,
Krefeld, Osnabrück; an Diphtherie und Croup in Bromberg.
— Im Prager allgemeinen Krankenhause hat man, nachdem
vor einigen Wochen die Baucommission abgehalten worden, mit
dem Bau eines neuen Pavillons begonnen. Die Wr. allg. med. Ztg.
schreibt dazu: Das Gebäude ist ausschliesslich für deutsche Kliniken
bestimmt qnd zwar sollen darin die gynäkologische Klinik (Prof. v.
Rosthorn), die interne (Prof. v. Jak sch), die opbthalmologische
(Prof. Czermak), sowie die propädeutische Klinik (Prof. Kn oll)
untergebracht werden. Das Gebäude soll nebst 35 Krankensälen
mit 2‘20 Betten, Hör- und Operationssäle, Ordinationszimmer zur
Abhaltung der Ambulanz, Narkotisirräume und Laboratorien ent¬
halten; mit Sehnsucht wird diese Erweiterung des Krankenhauses
erwartet, die Kliniken sind überfüllt, zahlreiche Kranke liegen auf
der Erde, andere werden wegen Platzmangel von einer Abtheilung
zur anderen geschickt, bis sie endlich durch das Mitleid eines In-
spectionsarztes Aufnahme finden; der Platzmangel ist ein derartiger,
dass sogar Secundarärzte, die gesetzlich verpflichtet sind, im Kranken¬
hause zu wohnen, dieser Pflicht nicht nachkommen können, da kein
Wohnraum für sie im ganzen Krankenhause vorhanden ist,
— Eine Art Aerzteheim wurde vor Kurzem von den
Herausgebern des Pariser medicinisclien Journals «La Mddecine
Moderne* in ihrem am Boulevard St. Germain, also in der Nähe der
medicinischen Institute, gelegenem Hause eröffnet. Diese Einrichtung
soll dazu dienen, die Aerzte und Studierenden von Paris über
sämmtliche medicinischen Neuigkeiten baldigst zu informiren und
ihnen ferner eine Art Erholungs- und Rendez vousplatz zu gewähren.
Im ersten der Säle, dem sogen. Depeschensaal, sind alle medicinischen
Neuigkeiten der Welt und jeweils daB Tagesprogramm sämmtlicher
Vorlesungen und Operationen der Pariser Professoren affichirt.
Im zweiten Saale, dem von elektrischen Bogenlampen Abends
erleuchteten Lesezimmer, welches 2üO Personen aufnehmen kann,
liegen 700 der bedeutenderen Zeitschriften Frankreichs und der
ganzen Welt auf. Ein Anhang dieses Saales sind kleine Bibliothek¬
räume, welche nicht nur medicinische, sondern auch belletristische
Literatur enthalten; ein kleiner schattiger Garten steht den Besuchern
vom Lesezimmer aus ebenfalls zur Verfügung. Dem reiht sich
schliesslich noch das Röntgenzimmer an, wo sämmtliche Apparate
zur Röntgenphotographie unter Leitung eines bewährten Technikers
zur Aufnahme der von den Aerxten hieher gesandten Kranken zum
Gebrauch frei stehen. Nach gehöriger Legitimirung können alle
Aerzte und Studirenden ohne jegliche Vergütung all' diese Räume
nach Belieben frequentiren. Der durchschnittliche Tagesbesuch
betrug bis jetzt 1500, der Röntgensaal wurde täglich 5—6 mal benützt.
(Universitätsnachrichten.) Leipzig. Prof. Körner in
Rostock ist als Professor und Director an der neu begründeten
Universitätsklinik und Poliklinik für Ohren- und Halskrankheiten
berufen worden und wird mit Beginn des Wintersemesters seine
Stellung antreten. — Marburg. Prof. Arthur Barth, Oberarzt der
chirurgischen Klinik, ist als Nachfolger Wilhelm Baum s zum Ober¬
arzt der chirurgischen Abtheilung des Stadtkrankenhauses in Danzig
berufen worden. — Rostock. Prof. Körner hat einen Ruf nach
Leipzig, als Director der neu zu errichtenden Klinik für Ohren-,
Nasen- und Kehlkopfkranke erhalten und wird demselben Folge
leisten. — Würzburg. Die neubegründete ausserordentliche Professur
für Geschichte der Medicin wurde dem bisherigen Honorarprofessor
der Ophthalmologie Dr. F. Helfreich übertragen. Prof. Rind¬
fleisch wurde von dem Lehrauftrag für Geschichte der Medicin ent¬
bunden. — Als Privatdocent für Anatomie und Histologie etablirle
sich Dr. Johannes Sobotta.
Personalnachrichten.
Bayern.
,, Niederlassung: Dr. Rudolf v. Geuder, approb. 1884 in Neu-
sibenrenth, B.-A. Tirschenreuth.
Verzogen: Dr. Rudolf M ü 11 e r von München nach Mark¬
dorf in Baden.
Auszeichnung: Dem k. Hofrath Dr. Rapp in Reichenhall
wurde aus Anlass des 50 jährigen Jubiläums des Curortes Reichen¬
au der Orden vom hl. Michael IV. Classe verliehen.
Befördert: im activen Heere: zu Divisionsärzten die Ober¬
stabsärzte 1. Classe Dr. Solbrig, Chefarzt vom Garnisonslazareth
München, bei der 1. Division, Dr. Ban mann, Regimentsarzt vom
4. Chev.-Reg., bei der 2. Division und Dr. Paar, Regimentsarzt
vom 1. Chev.-Reg., bei der 3. Division, sämmtliche bisher beauftragt
mit Wahrnehmung der Geschäfte eines Divisionsarztes; zum Ober¬
stabsarzt 2. Classe der Stabsarzt Dr. Franz Maier, Bataillonsarzt
vom 5. Inf.-Reg., als Regimentsarzt im 6. Chev.-Reg., dieser über¬
zählig; zu Stabsärzten die Assistenzärzte 1. Classe Dr. Friedrich
vom 1. Train-Bataillon im 1. Inf.-Reg., Dr. Reuter im 5. Inf.-Reg.
und Dr. Rossbach vom 3.Inf.-Reg. im 2.Pionier-Bataillon, sämmt-
liche als Bataillonsärzte; zu Assistenzärzten 1. Classe die Assistenz¬
ärzte 2. Classe Dr. Schönwerth im lnf.-Leib-Reg., Dr. Salbey
im 14. Inf.-Reg. und Dr. Weinbuch im 2. Schweren Reiter-Reg.
Versetzt: die Oberstabsärzte 1. Classe und Regimentsärzte
Dr. Popp vom 17. Inf.-Reg. zum 14. Inf.-Reg. und Dr. Heimpel
vom 5. Chev.-Reg. zum 4. Chev.-Reg.; der Oberstabsarzt 2. Classe
und Regimentsarzt Dr. Fischer vom 14. Inf.-Reg. zum 1. Chev.-Reg.,
sämmtliche in gleicher Eigenschaft; der Oberstabsarzt 2. Classe
Dr. Bürger, Bataillonsarzt vom 2. JäRer-Bat., als Regimentsarzt
zum 17. Inf.-Reg., der Stabsarzt Dr. Heim, Bataillonsarzt vom
9. Inf.-Reg., zur Commandantur Würzburg; die Stabs- und Bataillons-
(Abtheilungs-) Aerzte Dr. Hoff mann vom 1. Fuss-Art.-Reg. zum
9. Inf.-Reg., Dr. Krampf vom 2. Feld-Art.-Reg. zum 2. Jäger-Bat.
und Dr. Seitz vom 2. Pionier-Bat. zum 1. Fuss-Art.-Reg., diese in
gleicher Eigenschaft; die Stabsärzte Dr. Zäch, Bataillonsarzt vom
1. Inf.-Reg., zum Bezirkscommando I München und Dr. Kolb von
der Commandantur Nürnberg als Abtheilungsarzt zum 2. Feld-Art.-
Reg.; die Assistenzärzte 1. Classe Dr. Ott vom 1(1. Inf.-Reg. zum
14. Inf.-Reg. und Dr. Götz vom 14. Inf.-Reg. zum 16. Inf.-Reg.; die
Assistenzärzte 2.Classe Dr. Haas vom 2. Fuss-Art.-Reg. zum 19. Inf.-
Reg. und Dr. Neuner vom 4 Chev.-Reg. zum 1. Train-Bat.
Ernannt: Der prakt. Arzt Dr. Karl Bredauer in München
zum k. Bezirksarzt I. Classe in Neustadt a. Waldnab.
Amtlicher Erlass.
Bayern.
Anlage 1 zum Kriegsministerlal-Erlass vom 26. Juai 1896 No. 10028.
Bestimmungen,
betreffend den Geschäftskreis der Divisionsärzte.
1. An die Stelle der bisher mit Wahrnehmung der divisions¬
ärztlichen Functionen beauftragten Oberstabsärzte 1. Classe treten
die Allerhöchst ernannten Divisionsärzte.
2. Dieselben leiten nach Maassgabe der Bestimmungen der
Kriegs- und Friedens-Sanitäts-Ordnung, der Verordnung über die
Organisation des Sanitätscorps vom 28. November 1892 und der
dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen, sowie auf Grund der
vorliegenden Bestimmungen den Sanitätsdienst innerhalb des ihnen
übertragenen Bezirks nach den Weisungen des Divisionscommandeurs
und des Corpsgeneralarztes. Sie sind zugleich Chefärzte des Garnisons-
lazareths im Divisionstabsquartier.
3. Die Divisionsärzte sind die Vorgesetzten aller Mitglieder des
Sanitätscorps in ihrem Dienstbereich und üben über dieselben die
Disciplinarstrafgewalt eines nicht selbständigen Bataillonscomman-
deurs aus.
Sie sind ermächtigt — abgesehen von der ihnen als Chefarzt
zustehenden Urlaubsbefugniss — an die ihnen unterstellten Ober¬
stabsärzte und selbständigen Stabsärzte Urlaub bis zu 7 Tagen zu
ertheilen, sobald der nächste militärische Vorgesetzte des zu Be¬
urlaubenden keine Bedenken erhoben hat.
4. Sie sind die ärztlich-technischen Rathgeber der Divisions-
commandeure und in entsprechenden Fällen ihre ausübenden Organe.
Wie oft sie dem Divisionscommandeur Vortrag zu halten haben, wird
von diesem bestimmt.
5. Die Divisionsärzte bilden eine Dienstesstelle zwischen den
Regiments- etc. Aerzten und dem Corpsgeneralarzt bezw. Sanitätsamt.
6. Der Schwerpunkt ihrer Thätigkeit liegt — abgesehen von
dem Dienst als Chefarzt — hauptsächlich auf wissenschaftlich-
praktischem Gebiete.
7. Nach dieser Richtung hin fällt ihnen — neben den bisher
zu den divisionsärztlichen Functionen gehörigen Dienstgeschäften —
besonders zu:
a) die Erziehung und die theoretische sowie praktische Aus¬
bildung des Sanitätspersonals (Assistenzärzte, Unterärzte,
einjährig-freiwillige Aerzte, Lazarethgehilfen, Krankenwärter,
Lazaretbgehilfenschule) in besonderem Hinblick auf die
Kriegsaufgaben (KrankentrttgerübuDgen, Sanitätsübungen beim
Manöver etc.;
b) die Ueberwachnng und Handhabung der Gesundheitspflege
in ihrem Dienstbereich — beides nach tu ertheilender
näherer Anweisung.
In dem ihnen unterstellten Garnisonslazaretbe wird ihnen zur
Handhabung des Gesundheitsdienstes eine hygienische Unter¬
suchungsstelle beigegeben.
8. Sind in ihren Garnisonen nicht mehr besondere Garnisons¬
ärzte vorhanden, so fällt den Divisionsärzten von der gamisons-
> v
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468
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
ärztlichen Thätigkeit die Ausübung des Garnisons-Gesundheitsdienstes
hinsichtlich der militärhygienischen und sanitätspolizeilichen Ver¬
hältnisse zu. Der in solchen Garnisonen von dem Gamisonsarzt
bisher versehene truppenärztliche Dienst, die ärztliche Behandlung
von nicht regimentirten oder commandirten Officieren und Mann¬
schaften, sowie von Beamten, ferner in Familien von Unterofficieren
und Beamten, wird dagegen auf andere militärärztliche Dienststellen
der Garnison übertragen.
Die Divisionsärzte regeln im Bedarfsfälle die Vertheilung des
Sanitätspersonals für den Sanitätsdienst bei den Truppen etc. in
ihrer Garnison.
9. Die Divisionsärzte haben das Sanitätsamt, wenn es sich in
ihrer Garnison befindet, nach dessen Weisungen fortlaufend über
die Gesundheits- und Krankheitsverhältnisse ihres Dienstbereichs
durch mündlichen Vortrag zu unterrichten. Befindet sich das
Sanitätsamt nicht in ihrer Garnison, so haben die Divisionsärzte
demselben von allen wichtigeren sanitären Vorkommnissen und
den getroffenen Anordnungen Meldung zu erstatten. Dem Divisions-
commandeur ist in beiden Fällen Vortrag zu halten.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat Mai 1896.
1) Bestand am 30. April 1896 bei einer Kopfstärke des
Heeres von 67115 Mann, 204 Kadetten, 17 Invaliden, 138 U.-V. 1 ):
2145 Mann, 3 Kadetten, 2 Invaliden, 1 U.-V.
2) Zugang: im Lazareth 1335 Mann, 3 Kadetten, — Invaliden,
20 U.-V.; im Revier 3905 Mann, 19 Kadetten, — Invaliden, 7 U.-V.
Summe 5240 Mann, 22 Kadetten, — Invaliden, 27 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 7385 Mann, 25 Kadetten,
2 Invaliden, 28 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 110,03 Mann,
122,05 Kadetten, 117,64 Invaliden, 202,89 U.-V.
3) Abgang: geheilt 5127 Mann, 22 Kadetten, — Invaliden, 26
U.-V.; gestorben 13 Mann, — Kadetten, — Invaliden, — U.-V.;
invalide 89 Mann; dienstunbrauchbar 87 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 208 Mann, 1 Kadett, — Invaliden, — U.-V.; Summa: 5524
Mann, 23 Kadetten, — Invaliden, 26 U.-V.
4) Hiernach sind geheilt 694,24 von 1000 der Kranken der Armee,
880,00 der erkrankten Kadetten, — der erkrankten Invaliden und
928,57 der erkrankten U.-V.; gestorben 1,76 von 1000 der Kranken
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
*) U.-V. = Abkürzung für Unteroffiziers-Vorschüler.
5) Mithin Bestand am 81. Mai 1896: 1861 Mann, 2 Ka¬
detten, 2 Invaliden, 2 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 27,27 Manu
9,80 Kadetten, 117,64 Invaliden, 14,49 U.-V. Von diesem Kranken
Stande befanden sich im Lazareth 1168 Mann, l Kadett, -- In\ a .
liden, 2 U.-V.; im Revier 693 Mann, 1 Kadett, 2 Invaliden, — U.-V
Von den im Lazarethe bezw. Revier Gestorbenen haben
gelitten an: Unterleibstyphus 1, Pyämie 1, eitriger Hirnhaut¬
entzündung 1. Lungenentzündung 3, Lungenschwindsucht nnd Tu
berculose 6, Stichverletzung der 1. Lunge 1; fernere verlor die Armee
noch 3 Mann: 1 durch Ertrinken, 1 durch Schädelbruch in Folge
Sturzes, 1 durch plötzlichen Tod (Herzschlag bedingt durch Embolie
der Lungenarterie). Der Gesammtverlust durch Tod in der Armee
im Monat Mai beträgt sonach 16 Mann.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten für München
in der 26. Jahreswoche vom 21. bis 27. Juni 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 40 (23*), Diphtherie, Croup
21 (15), Erysipelas 19 (20), Intermittens, Neuralgia interm. — (2,,
Kindbettfieber — (1), Meningitis cerebro9pin. — (—), Morbilli 13 (ö/,
Ophthalmo • Blennorrhoea neonat. 10 (7), ParotitiB epidemica 2(5]’,
Pneumonia crouposa 18 (18), Pyaemie, Septicaemie l (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 28 (31), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 39(39;,
Tussis convulsiva 40 (32), Typhus abdominalis 1 (2), Varicellen 14 (19;,
Variola, Variolois — (—). Summa 246 (222). Medidnalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 26. Jahreswoche vom 21. bis 27. Juni 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach 3 (2), Diphtherie
und Croup 5 (—), Rothlauf 2 (1), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 1 (6), Unterleibstyphus -
(—), Keuchhusten 2 (—), Croupöse Lungenentzündung 3 (1), Tuber
culose a) der Lungen 35 (28), b) der übrigen Organe 6 (12), Acuter
Gelenkrheumatismus 2(1), andere übertragbare Krankheiten 2 (2),
Unglücksfälle 1 (4), Selbstmord 3 (l), Tod durch fremde Hand — (1).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 176 (180), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 22,5 (23,1), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,3 (13,9 , für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13,1 (13,2).
•) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: April 1 ) und Mai 1896.
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44 - - 7 2S W
,0-lii 7'
20 - 251 106
21 —: S. U7
10 .- 1 - 174110 ;
20 -| -ij 2«: 1J2
1621 -i «pau f
Bevftlkerungszlffern: Oberbayem 1,185,930, Niederbayern 635,856, Pfalz 765,914, Oberpfals 546,664, Oberfranken 585,688, Mlttelfranken 736,943, Unterfranken
Schwaben 687.962. — Augsburg 80,798, Bamberg 33.949, Fürth 46,592, Kaiserslautern 40,776, Ludwlgshafeu 39,801, München 407,174, Nürnberg 162,380, KegeMbuiju,
Würzburg 68,714.
1) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 22) eingelaufener Nachträge.
2t Im Monat April einschliesslich der Nachträge 1516. 3) 14.—18. bezw. 19.—22. Jahreswoche. .
Einsendungen fehlen aus den Aemtem. Rosenbeim, Dingolflng, Uriesbach, Kötztlng, Landshut, Vilsbiburg, Neunburg v. W., Dinkelsbühl, Neustadt aa-,
Marktheldcnfeld, Mellrichstadt, Obernburg, Uünzbnrg, Kaufbeuren, Kempten, Sonthofen. pimaifM
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet aus folgenden Acmtcrn bezw. Orten: Diphtherie, Cronp: Bez.-Ami nw*-
23 Fälle. — Intermittens, Neuralgia intermittens: Aerztlicher Bezirk Penzberg (Wcilheim) 27 Fälle. — Morbilli: Fortdauer der Epidemie m
hausen, sowie lm A.-Ger. Dahn (Pirmasens), Epidemie in Koliweiler (Kusel), sowie im ganzen Bezirke Staffelstein; in 3 Oomclnden des ärztlichen
(Freising) simmtllche Kinder an Masern erkrankt; häufigem Auftreten ln Kollboch und Umgebung (Dachau), ferner ln Dorfen und Umgebung (Erding), -5.,* ^
Fälle mit Pneumonie compllcirt. 197 Fülle im Stadt- und Landbezirke Memmingen uDd zwar fast ausschliesslich in Memmingen selbst und Beningen: 55 #M -
Bez.-A. Feuchtwnngen. — Parotitis epidemica: In Gemeinde Angelberg, A.-Ger. Haag (Freising) die Mehrzahl der Kinder erkrankt. — Pne um oniacroi'
Bez.-Aemter Zweibrücken 81. Augsburg 58. Pirmasens 49, Gunzenhausen 47, ADsbach 46, Neumarkt 4j, llersbruck 43, Wunsledel 42, Schwelnturt 41 Fälle: eP 1 '“* , _
Auftreten in Bertoldsheim (Neu-Ulm), 35 Fälle; ärztlicher Bezirk Hausham (Miesbach) 20, ärztlicher Bezirk Velburg (Parsberg) 17 Fälle, meist KinderDens»»^
Scarlatina; Herrscht in Kaulbach (Kusel), ferner im A.-Ger. Dahn (Pirmasensi. — Tussis convulsiva: Epidemisch in 3 Gemeinden des Be*--*. ^
ärztlicher Bezirk Niederwern (Schweinfurt) 31 Fälle. — Typhus abdominalis; Hausepldomle von 6 Fällen ln Oberelsendorf (Kusel), Je 4 Fälle w ..j,;
(Miltenberg), sowie lm Bez.-A. Karlstadt; je 3 Fälle im ärztlichen Bezirk Zwiesel (Regen) und in Neuburg a. J. (Passau), Hausepidemie. — Varlols, **
Aerztliche Bezirke Mitterleich (Tirschenreuth) 2, Hemau (Parsberg) t Fall. k
Bedeutendere Zahlen von Infi uenza-Erkrankungsfiillen werden nicht mehr gemeldet; angezeigt sind u. A. aus dem Bez.-A. Cham 23 Fülle (nm“®* ^
sebiedensten Compllcationen), Stadt- und Landbezirk Ansbach 2o, Bez.-A. Erding 15 Fälle. — Aus dem Amte Garmisch, sowie aus Penzberg (Wellheim) wuu
zahlreiche Erkrankungen der Athmungsorgane bei Kindern bezw. jugendlichen Personen berichtet. ,
■flp* Portofreie Postkartenformulare für vorliegende 8tatlstik sind durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, W*M
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte an das K. Statistische Bureau wenden wollen. ■-!
Im lnteresee der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 20) und regelmässige Einsendung dringe*«
von J. F. Lehmann in München. — Druck der E. Müh lthaler' sehen k. Hof-Buchdruckerel in Münch
Digftized by
Die Münchener Mcdlein. Wochenschrift erscheint
wöchentlich ln Nummern von mindestens2V,—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M , praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60
MÜNCHENER
Zusendungen sind *u adrenlren: Für die Kedactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. K. Leh-
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
CH. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Serhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. t. Ranke, F. i, Winekel, H. i. Zlemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 28. 14. Juli 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. P. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der Königlichen Universitäts-Frauenklinik in Kiel.
Beitrag zur Polyneuritis in graviditate.
Von Dr. Äf. Johansen, Assistenzarzt.
Gerade in jüngster Zeit sind über die Polyneuritis puerperarum
et gravidarum mehrere ausführliche Arbeiten sowohl casuistischer
wie statistisch zusammen fassender Natur, besonders von Neurologen
veröffentlicht worden, die die Erkennung und Kcnntniss dieser
interessanten Erkrankung wesentlich gefördert haben. Es ist durch
sie nicht nur das ursprünglich von Möbius (18S7) angegebene
Krankheitsbild bedeutend erweitert worden — wir kennen jetzt
ausser einem Armtypus (Möbius) einen Beintypus (T ui 11 an t-
D^jerine), eine generalisirte Form — wir wissen auch, dass
diese Erkrankung nicht nur im Wochenbett, sondern auch bereits
während der Schwangerschaft auftreten kann. Auch über die
pathologisch - anatomischen Veränderungen sind wir durch einige
letal verlaufene und mikroskopisch untersuchte Fälle orientirt.
Iland in Hand mit der Erweiterung und Vervollständigung
der Krankheitsbilder sehen wir die Ansichten der Autoren in der
Frage der Pathogenese und Aetiologic, denen naturgemüss gerade
bei dieser Krankheit ein besonderes Interesse gezeigt wird, sieh
ändern. Während Möbius als Ursache puerperale, wenn auch
nur leichte Infection annahm und annehmen konnte, weil seine
7 Fälle alle Wöchnerinnen betrafen, bei denen in 4 Fällen sicher
puerperale Infection constatirt war, sehen sich die Autoren späterer
Arbeiten auf Grund weiterer nicht in den ursprünglichen engen
Rahmen passender Fälle genöthigt, eine ganze Reihe anderer
Momente, wie psychische Affecte, Aerger, Schreck, Schmerzen,
Blutungen und Eiterungen, unstillbares Erbrechen während der
Schwangerschaft, Autointoxication des Körpers in graviditate als
ätiologisch wichtig heranzuziehen.
In der meines Wissens jüngstem, von Madcr (August 1895)
über diese Krankheit veröffentlichten Arbeit kommt der Autor
auf Grundlage aller bisher in der Literatur bekannt gegebenen
und kritisch gesichteten Fälle, zu denen noch 3 von ihm selbst
beobachtete hinzukommen, in Betreff der Aetiologic zu folgendem
Ergebniss. «Zunächst liegt eine Schädigung des ganzen Organismus
der Schwangeren, somit auch ihres Nervensystems, durch eine Art
von Autointoxication des Blutes als vorbereitendes ätiologisches
Moment vor, zu diesem muss eine plötzliche oder langsame Steige¬
rung dieser Schädigung durch verschiedene Vorgänge, welche die
Nährfähigkeit des Blutes vermindern, hinzutreten, die damit den
dirccten Anlass zur Entwickelung des Dcgenerationsprocesses bildet.«
Als solche Anlässe gibt er an:
1. Die normal verlaufende Entbindung.
2. Stärkere Blutungen bei und nach der Entbindung.
3. Hyperemcsis in graviditate.
4. Puerperale Entzündungsprocesse.
Diese Annahme eines zwiefachen ätiologischen Momentes,
eines vorbereitenden und eines direct veranlassenden, glaubt er vor
Allem desswegen machen zu müssen, weil «bis jetzt kein Fall
No. 28.
von Gravidität publicirt ist, bei dem diese Krank¬
heit sozusagen spontan, ohne weitere Anlässe sich
entwickelt hätte-.
Dein gegenüber dürfte eine kurze Mittheilung eines vor
mehreren Monaten in der Kieler Frauenklinik beobachteten Falles
von unzweifelhafter Polyneuritis graviditatis, bei dem das zweite,
direct veranlassende ätiologische Moment nicht zu eruiren war,
von einigem Interesse sein, zumal die Zahl der bisher veröffent¬
lichten Fälle von Polyneuritis in der Schwangerschaft eine relativ
sehr kleine ist.
Anamnese: D. M., Dienstmädchen, 19 Jahre alt, II. Para.
Erste Geburt December 18^3 in hiesiger Klinik. Geburt und Wochen¬
bett normal. Kind gesund, lebt. Patientin ist in ihrer Jugend an¬
geblich nie krank gewesen. .Menses seit dem 13. Jahre regelmässig
vierwöchentlich 3—4 tägig. L. M. Mitte Februar. E. K. Anfang
Juli. Verlauf der Schwangerschaft zunächst durchaus normal ohne
jegliche Beschwerden.
Am Morgen des 18. Juli empfand Patientin heftige Schmerzen
in dem rechten Fussrücken, die tagsüber noch an Stärke Zunahmen.
Abends gesellten sieb Schmerzen in der rechten Hüfte hinzu. Einen
Grund hierfür weias sie nictit anzugeben. Bei Bettruhe Sistiren der
Schmerzen, die jedoch beim Liegen auf dem rechten Beine und
Anfassen desselben wieder auftreten. Am Morgen des dritten Tages
bemerkte Patientin, dass sie das rechte Bein mit Ausnahme der
Zehen nicht mehr bewegen kann, zugleich traten jetzt Schmerzen
bei Bewegungen und besonders beim Anfassen im linken Beine auf,
auch die Bewegungen waren erschwert Behandlung mit feucht-
warmen Umschlägen und Einreibungen von Franzbranntwein.
Anfang October spontanes Auftreten von Schmerzen in der
rechten Mamma, spontaner Durchbruch und Entleerung ziemlich
reichlichen, gelblich-grünlichen Eiters. In Folge dessen wurde Pa¬
tientin vom Armenhaus in die chirurgische Klinik verlegt, in der
sie mit Massage behandelt wurde. Am 21. October Aufnahme in
die geburtshilfliche Klinik.
Status: Mittelgross, mässig kräftig gebaut, von blasser Haut¬
farbe, an der linken Mamma in der Nähe der Brustwarze frische
Narbe.
Brustorgane normal. Kein Husten, kein Auswurf.
Abdomen kugelig aufgetrieben, alte und Irische Striae, Bauch¬
decken mässig straff. Fundus 4 Finger unter dem Proc. ensif. je
2 Finger unter den Rippenbögen. Steiss im Fundus, Kopf fest im
Beckeneingang. Rücken rechts. Herztöne rechts neben dem Nabel.
Innerlich Portio gut erhalten. Mm. gespalten für 2 Finger durch¬
gängig. Kopf wenig beweglich im Beckeneingang.
Rechtes Bein zeigt vollkommene Lähmung. Patientin kann
nicht die geringsten Bewegungen spontan ausführen; bei passiven
Bewegungen nicht der geringste Widerstand. Sämratliche Muskeln
fühlen sich sehr schlaff an und sind offenbar stark abgemagert
Austrittsstelle des n. ischiad., n. cruralis und popliteus druckem¬
pfindlich, desgleichen die Musculatur an der Innenseite ’ des Ober¬
schenkels und die Wadenmusculatur.
Sensibilität scheint intact. Patellar- und Kitzelreflex erloschen.
Localisationssinn gut erhalten.
Linkes Bein Die Bewegungen können zwar noch alle aus-
geführt werden, aber es genügt der geringste Widerstand, sie zu
hemmen. SämmtÜche Muskeln sind,schlaff und deutlich atrophisch,
wenn auch nicht so stark wie entsprechend rechts. Bei passiven
Bewegungen wird noch ein geringer Widerstand entwickelt. Die
austretenden Nervenstämme auf Druck nicht empfindlich, dagegen
deutlich die Wadenmusculatur.
Sensibilität intact. Kitzel- und Patellarreflex erloschen.
Keine Blasen- und Mastdarmstörungen, Bauch- und Rücken-
musculatur functionirt normal.
I
Digitized by UjOOQie
650
Münchener me dicinische Woch enschrift.
No. 27.
Elektrische Erregbarkeit.
Nerv, peronaeus.
. (ja lv.
„ ü» ra M7 KSZ bei lm Attip.
fcSTÄ“ niclit erregbar.
Muse, tibial. ant. .
„ A SZ > KSZ und langsamer bei
L: 80 mm RA M Z. 2*/2 m Amp.
, ASZ — KSZ, beide erfolgen
R.: nicht erregbar. A fängst.
Muse, quadriceps.
„ , M7 ASZ= KSZ bei 10m Amp
L.: 60 mm R A — Al a. K S Z > A S Z, beide träge und
R. : nicht deutlich erregbar. K f ai f g f am .
Keine Blasen- und Mastdarmstörungen TJnn klar, ewenatn».
Klinik am 23. XI. i« 9 e m it Elektricität, lau-
:ir ? £rs ir ^
®* tre EntUB 8 u'ng 38 tatas: Patientin sieht blähend and wohlgenährt
aas. Allgemeinbefinden sehr gut. gelähmt, der Tonus
b“ e^ and Mastdarmstörungen srnd
nicht vorhanden.
nlc Muse, peronaeus. r
gSÄ'ÄSÄK’°M m A EA ' JÄÄ—• *>
Muse, quadriceps.
L R '
Farad.: Minimalzuckung b. 70 mm keine Zuckung.
„*^07 hei 12 M A Ganz schwache KaSZ und ASZ
Galv.: K S Z bei 1 1 m a. bei 24 M A .
Nerv, peronaeus.
Farad.: deutliche Zuckung bei keine Zuckung.
yO mm RA. _
GdV Wir haben” cs liier also mit dem meines Wissens bisher
noch nicht veröffentlichten Fall einer Polyncunt.s in graviditate
ohne Complicationen zu thun; spcciell fehlt liier das schwere
Schwangerschaftserbreehen, das in allen b'shcr veroffent ichten
Fällen der Erkrankung vorausgegangen war. In dem 1 crLältniss
von Ursache und Wirkung, wie es die meisten der Autoren,
welche sich mit der Schwangerschaftsneuritis beschäftigt haben,
ansahen, können demnach die genannten beiden Erkrankungen
nicht zu einander stehen. Es scheint vielmehr naheliegend die
auch bereits von Lindemann (Centralbl. für allgem. Pathoh und
path. Anat., Bd. 3, No. 15 .) ausgesprochene Ansicht, dass beiden
Störungen als gemeinsame Ursache Giftwirkungen zu Grunde
liegen, welche unter Umständen aus der Beeinflussung des Stoff¬
wechsels durch die Schwangerschaft sich ergeben können, d. h.,
dass beide Erkrankungen, wo sie bei einer Schwangeren Zusammen¬
treffen, als Cocffeete einer Autointoxicatiou des Organismus aui-
zufassen sind. „
Während nun in fast allen bisher veröffentlichten «Ulen von
Schwangerschaftspolyneuritis eine Heilung resp. wesentliche Besse¬
rung cingetrctcn ist, scheint unser Fall eine sehr wenig günstige
Prognose zu bieten, da während einer über 3 Monate sich er¬
streckenden Beobachtung und Behandlung Anzeichen einer Besse¬
rung kaum wahrnehmbar waren. Der Grund dürfte wohl dann
liegen, dass hier mit der fortdauernden Schwangerschaft auch eine
Schädigung des befallenen Nervensystems fortbestanden und wohl
nicht mehr ausgleichsfähige Veränderungen zur Folge hatte,
während in den sonst beobachteten und günstig verlaufenen Fallen
aus Rücksicht auf die in dem unstillbaren Erbrechen gelegene
Lebensgefahr die Schwangerschaft , wenn nicht ihr Ablauf ganz
nahe bevorstand, künstlich unterbrochen wurde und damit schon
kurze Zeit nach dem Auftreten der Polyneuritis zu Ende kam.
i 81 » Ä. r
Unterbrechung der Schwangerschaft aufzunebmen. .
r "xf S ££ «Ä TLXZ
-rrÄÄS-£
gütige Ueberlassung der i „ Pr ivatdocent Dr. Hoch-
rifX d” '“Xaommeaea Nervenstütus den gebührend.»
Dank auszusprechen.
Literatur.
1. Moebius, Neuritis puerpentlis, Münch. Med. Wochenechr., 1887,
2 _ Beitrüge cur Lehre von der Neuritis puerper.lt», Münch. Med.
3 _ von^NeurlHs" pu.rperali», Müneh. Med. Wochen-
4. Lu^'UefpSyneuritto paerpernli», Deutsche Med. Wochen-
. _ f. h ri t ;r 1 f*'DebeJ 7 'puerper.le Neuritis und Polyneuritis,
6 * puepersrum,
u _ Polvndvrite consöcutive & la gro , . iuqi> v 0 12
Anat., Bd. 3, No. 15.
Aus der Poliklinik für Nervenkranke des Herrn Prof.
Dr. Seeligmüller m Halle a. ö.
lieber puerperale Neuritis.
Von Dr. Georg Köster, Assistenzarzt.
Moebius gebührt das Verdienst, die puerperale Neuritis im
Ti. 18g7 zuorst gcn au beschrieben zu haben als eine Fonn
der^ervencntz'ündung, .bei welcher mit nnuühcrnder »"g-
keit bestimmte Theile befallen werden » und zwar bezeichne^
die Endäste des N. ulnaris und N. medianus oder beider Nerven
MoShcu oder scnsibeln Fasern ul» die
Lo.alisationcn dieser Krankheit. Doch ergänzt er sdbst n, Jato
1890 seine früheren Beobachtungen durch 3 neue U
2 fremde) dahin, dass auch die grossen Nervenstämme der Bemc £
der puerperalen Neuritis befallen werden können, ja er betont die
thr^niger grosse Neigung dieser Neuritiden sich »
Durch Solowjeff, Kas«, Bor.h.rdt, Luns Bu c»
bürg und andere Autoren wurden die Ansichten M«
bestätigt und in mancher Beziehung erweitert. In einer gr -
Zahl von Fällen beschränkte sieh der ^ kbe f pr0C ^ re ^ n
Extremität oder auf beide obere resp beide untere »MUt«,
in den weniger häufigen Fällen jedoch handelte es sich
Entzündung fast aller Nervenstämme des Körpers. B
erkrankung eines oder beider Beine ist entweder der ganze x
Scus S oder nur der N. tibialis oder N. peroneus fallen,
während am Arme hauptsächlich die Endäste des N
medianus (allein oder zusammen) erkranken. Die hülle,
als die genannten Nerven bei Emzelerkrankungen Moeb ius
ergriffen wurden, sind ausserordentlich selten. Nw j
berichtet über eine 30 jährige Frau, bei welcher sich e V ^
nach der Entbindung Schmerzen in der rechten Sch .
Unmöglichkeit den Arm zu erheben cinstellten Es •
atrophische Lähmung mit E. A. R. im Bereiche waren
Supra- und Infraspinatus und eine Parese des Tnceps. ^
hier also vorwiegend der N. axillaris und N. suprasca]pulan
Ich verfüge über einen von mir 8 Monate hindurch he •
Fall von Neuritis puerperalis, wo der Krankheitsproce-sssi
den linken N. axillaris und N. musculocutaneus beschrän
trotzdem hei sorgfältigster Behandlung eine Heilung nie
wurde.
Die Krankengeschichte ist folgende:
G. Marie, 25 Jahre, Kesselschmiedsfrau , aua sSJangemchaft
Früher war Patientin stets gesund. W ölirend der Sei g
Digitized by
G °psk
14. Juli 1896.
_ Hyperaeatbe-
tische Zone vom
2t. X. 1895.
Hypnesthe-
tische Zone vom
27. XI. 1895.
ausgetragenenKinde ohne
ärztliche Hilfe entbunden.
Weder während der
Schwangerschaft, noch
während der Geburt oder
im Wochenbette bestand
Fieber. Die Glieder waren
während der ersten 14
Tage des Wochenbettes
frei beweglich und im
Vollbesitz ihrer Kraft.
Am 14. Tage nach der
Geburt Schmerzen im
linken Arm, zuerst in
der Gegend des Schulter,
gelenkes, welche inner¬
halb 3 Tagen bis zum
Handgelenk zogen und
jetzt den ganzen Arm
einnahmen. Am inten¬
sivsten sind die Schmer¬
zen Nachts im Bette oder
nach Anstrengungen des
linken Armes. Gleich¬
zeitig mit den Schmerzen
allmählich zunehmende
Schwäche im linken Arm,
so dass derselbe der
Kranken «wie gelähmt»
vorkommt. Seit 2 Wochen
taubes Gefühl im linken
Unterarm. Keine neuro-
path ische oderphthisische
Belastung.
Status vom 24. X.
189i: Blasse, gutgebaute,
massig genährte Frau.
Keine Anzeichen von
Lues. Innere Organe
ohne Befund. Pupillen
normal. Der linke Arm
zeigt gegenüber dem
rechten im Gebiete des
Deltoides eine deutliche
Die vergleichende Messung
Münchener medicinische w oorruMsommr^
651
1 Ä
TuTesett wur P d r e Ü nr g VCrWandten TeTKuppe
Strömtdeltoides
^ , vsä!^ss^ l w^^s e,,| ^ h Brac s iaii8 internusl “Sd
absolutem Galvanometer Strorn wurden mit
(Wo keine Angabe, normale Zuckungsformel.)
Hypaesthe-
- - tische Zone vom
24. X. 1895.
Hypaesthe-
tlache Zone vom
U. V. 1890.
Rechts.
Links. |
fJ- radialis an der
Umschlagstelle um
den Humerus
Ka SZ 1,5 M
Amp.
Ka SZ 2,5 M.i
Amp. |
Nur im linken Unter¬
arm kleine Zuckung.
N. musculocutaneus
i fis gelang beiderseits nicht,
| den Nerv isolirt zu reizen.
Musc. deltoides
Ka SZ 5
An SZ 6
1 Ka SZ 6 .
| An SZ 8
biceps
Ka SZ 2
An SZ 3 3 /*
1 Ka SZ 5
| An SZ 6
Z </3
triceps
Kn SZ 7
An SZ 8 |
Ka SZ 6 1
An SZ 6
| An SZ > Ka 8Z
1 Z prompt
Brachialis internus j
Ka SZ 3,5
An SZ 4,0
Ka SZ 3,0 1
An SZ 4,0 |.
Supinator longus |
Ka SZ 5
An SZ 6
Ka SZ 4
An SZ 6
Extensores
Ka SZ 4
An SZ 5
KaSZ”i 1
An SZ 5 |
Ka SZ > An SZ
[ Z prompt
Flexores
Ka SZ 4
An SZ 4
Ka SZ 4 I
An SZ 4,5 |
Abflachung, ebenso in dem des Biceps.
ergab m Centimetem:
---
| Links
Rechts
Oberarm am unteren Ansatz des Pec-
toralis maior . . .
1
25
25‘/»
Mitte des Oberarms .
23 */*
247 2
Grösster Umfang des Unterarms . . .
23
23
Hypaeathe-
- tische Zone vom
20. XII. 1895.
mit vollerXoff k !r , müh8am gehoben und auch nicht
WidemtanH^ Siu ge S- -* nd gestreckt - Bei Einschaltung eines
Widerstandes fällt die Seitwärtserhebung des gestreckten linken
Armes sehr gering aus
(knapp bis zu einem
Winkel von 50°), ebenso
die Beugung, weniger die
Streckung.
Die Mnsc. deltoides
und biceps sind schlaffe
dünne Stränge, während
sich Brachialis internus
und triceps fester an¬
fühlen.
Auf Druck sind
schmerzempfindlich:
der linke N. radialis (im
Plexus ganz aussen), am
Oberarm an der Um-
SiTTSÄ r a “ re '“‘“Ä—"S
Deltoides nnTL d M N ‘ ftx, “ a ™ “ 8 «>nen Endausstrahlungen im
iSSäj!! “usculocutaneus zwischen den Bicepsköpfen.
sprechenden RÄ !- T**® W T ela genannter Nerven ent-
8 i“ d nirg ?J?. d8 empfindlich. Die Sensibilität
normal Ws auf'efne T 1 ’ ^ del) auf dem linken
laufende Zone ohewfaih n Über d,e Au88 enkante des Radius
cutaneus (N b d y\ Daame . ns lm Bereiche des N. musculo-
Tastsiimes bMteht W ° eine deutlich e Herabsetzung des
HypeShesTe nnH de “ ga “ ze “ M. deltoides ist eine leichte
Erhöbung d "
Musc - deltoides und biceps zuckten also träge mit Ueber-
wiegen des Anodenschlusses, ohne dass jedoch die directe Muskel-
infprnn rkeit wäre ‘ A11 ® ande m Muskeln, besonders Brachialis
internus und Triceps reagirten normal. en is
stämme r< lpwni 0n v An ° d ® > 8tabU auf die ach merzhaften Nerven-
SX ““““'o™ 1 “«™. *• «Jili» je 5 Minuten).
^\ XI ' , 95 - Da die Patientin nicht regelmässig zur Behandlung
T?«eS äreRKinHp HaU l durC « Waschen ' Wirtschaftsführung und
,;? ge ° lhres Emdes sehr anstrengen musste, so wurde eine sicht-
ÄSrs’Ä'iS* mielt - ™ mehr noch " toke
der Rrenh?flr Bl w 8 1Bt n0ch eia dünnes Easerbündel, während
r! mternus einen compacten derben Muskel darstellt
Grobe Kraft noch schwächer als früher.
Die Druckpunkte vom 24. X. mit Ausnahme des Plexus supra-
TTeher Hp 8 r°£ h v ^f“1 en >. w ®? n auc h weniger ausgesprochen.
V eb ?J. de “ hnken Deltoides ist die Hyperaesthesie vermindert. In
der Mitte der Aussenseite des linken Oberarmes findet sich eine
hTtkT 6 « deS Del , t0 ' de ® nach auf wärts gehende Stelle von reich¬
lich Thalergrösse, welche deutlich hypaesthetäsch ist.
i- P inat ‘° n Wegfall der Anodenbehandlung. Von jetzt ab
täglich Massage und galvau. labile Kathodenbehandlung des linken
Armes, verbunden mit Volta'schen Alternativen.
20. XII. 95. Seit 5 Tagen ziemlich plötzliches Aufhören der
subjektiven Schmerzen. Druckempfindlichkeit = 0.
Die hypaesthetische Stelle am Unterarm ist unverändert die
am Oberarm gewachsen und erstreckt sich vom unteren Ansatz des
Deltoides in diagonaler Richtung nach hinten und oben in einer
Länge von 10 cm und einer Breite von 5 cm. Im Bereiche dieser
Stelle auch Herabsetzung der faradocutanen Sensibilität Die
Schmerzempfindung ist innerhalb der hypaesthetischen Zonen gegen¬
über der Haut des übrigen Armes deutlich erhöht.
Die vergleichende Messung beider Arme ergab:
Links
| Rechts
Unterhalb des Ansatzes des Pectoralis
maior.
24,3
1
25,2
Mitte des Oberarms.|
21,6 |
23,5
Grösster. Umfang des Unterarms . . |
23,0 |
23,5
ipfi
No. 28.
Für den faradischen Strom sind die Musc. deltoides und biceps
nicht erregbar, die Messung der galvanischen Erregbarkeit ergab
folgende Resultate:
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No. 28.
, • PAR im Deltoides und Biceps
Es besteht also noch immer E früher noch vermindert
und die Erregbarkeit der Makeln »t 8 J schwächer ala früher und
Der linke M. brachja'is infceimusmt noch ein leidlich starkes
:rlSSteteaa*
K-.t entwickelt. Ver-
gleichende Messung ergi bt: _-
- ~ 1 Links Rechts
Oberarm unterhalb des Ansatzes des
P ectoraüs mai or_
Mitte des Oberarms
UnTrarmgrösster Umfang . . • • . . ,
Die hypaestbetischen Zonen an, Ober- ond Unterarm »,nd un-
verändert. , , Qt _ nt _ reatriren der Deltoides und
Bicep??.r“»£,
Die galvanische Untersuchung ergab:
|' Rechts I Links
Deltoides
Biceps
AnSZ4 K 6 |
Ka SZ 2,ö
An SZ 3,5
Ka SZ *5
_AnSZ_30_
Ka SZ 7,5
An SZ 9,5
An SZ = K SZ
Z
TmSZ >'Ka SZ
Z
Brachialis internus
Triceps
Ka SZ 3,0
A n SZ 5,0
Ka SZ 5
An SZ G
unbestimmt
"KäszT/T
An SZ 7
Z prompt
*-‘ | nu ^ i - i
Die Erregbarkeit de» Biceps i»t
des Deltoides sehr znrückgegangen. Zuckung Der Brachialis
Kathodenschluss e,ne “ n< Jf utl1 ® J f eine galvanometrisch feenau
internus, welcher am 20. X1L 95 ^lim unbe8timmte und
messbare und prompte Reaction g ’ . b Ströme riefen keine
nicht genau zu bohrende Zuckung. Slr0 m die
Contraction dieses Muskels hervor, r ® fa , if n eine Streckung des
nach dem Triceps durchgehenden StromschleUen ^ die
ÄÄ Ä welche mein BefundJ."Är bisherig.
28. IV. Patientin wird nicht mehr «»«f ^ deQ Strychn f n .
SÄgSheUtegte Patientin
SÄÄi ÄÄTiJÄ beim Waschen eine Hi,,»-
'‘“'“r^emTurSadische und galvankche Untenmchnng ergab
F 0 ,ge Äi»eh reagiren der M_
internus gar nichit de * g in Bei ner Erregbarkeit stark
Mispil^S=
“frVerÄl““
der Kathode um ein Geringes beim Biceps,
die Anoden- gleich der Kathodenschliessungszuckung war ver
Brachialis internus liess eine isolirte Zusammenziehung!“**£«£
kennen. Schwache Ströme erregten ihn nicht und^starke g g
auf den Triceps resp. das Medianusgebiet des Unterarmes
fortgeschrittene Ab-
nähme des Umfanges aus. Tagen in der linken Schulter
Patientin klagt über seil eiw e sie den ünken
SÄ* SagTnT’ein» .»«/ obe » m e,
1B .t SÄ J3äSÄÄ in die man einen Finger
lege ” D k ie°hypaestheti»cbe Zo»<» U»1?^i»ÄVe‘o
dehnung, die de» Unterarm® r \v„kel de» Daumens erfahren Im
längerung nach unten bis . . t dJ Tastempfindung herab-
Bereiche der hypaesthet.sd^ (kalt
sr-« ssElSsfcÄ.,
,»t «
Die grobe Kraft un lmk ®" " o pitwä rtserheben des Armes.
aus der Behandlung entlassen.
Der Uebersicht halber will ich den Krankheitsverlauf noch
einmal in aller Kürze JlTSr»«. H Tage nach einer
no jr=„ d L 2 r;r f^^ssrz äs
S^nSf zu nehmen:
fanden »ich eine Abmagerung *=■ 1»^X c kcn,p 6 ndlich-
'"eit'M S deLde» und «»pm £*-*£*£
besonders der Brsmhiahs internus, ^ Scbmerzen und Druck-
an, ehe sie vcr f ^wobri der
mit VolU'schen Alternat,ven bb ' b d “ ^”“‘3, „„ Woche tu
gering Glitei'rig nahmen die hypaesthetischc» Haut-
bezirke langsam zu. Krankheit an, wurde die
~-“{S.Ssäs
3 Monate später wurde d.e bis dal,,., g Behandlung
undeutlich und träge, »nd trotzdem zn f'—JLg Strychnin-
„ach der Entwöhnung de» Kind® noch 4 1 g mWt.
einapritzungen traten, wurde ke.ne Zunahme der Kr . m
Der linke Oberarm — A ^" ^ oEchafUhigkei.
vicariircnd hypertrophischen re ’ ß; und Brachialis
lies» mehr »nd mehr nach, »” d B.cep» ^
internus sind schliesslich nacl 8 - _ t ast n i c bt mehr
Krankheit durch die stärksten galvanischen Strome fast
zu erregen, also so gut wie todt. . , di Kranke nicht
Das Resultat ist demnach leider schlecht, die ^ra
6eW Sehr interessant ist da» Verhalten der ***“*££
bei der ersten Untersuchung (4 Wochen nac . Be .
heit) »ich bereit» eine hypae»thet,sche Zo»»Eta
reich des N. cutaneus lateralis fand, bestand ÜM wciteren
zweigung des N. axillaris noch ^ er “ s ^ j te sich am unteren
5 Wochen war diese verschwunden und g k
Ansatz des Deltoides ein thalergrosser ^^^lich ve,
welcher sich im Veriaufe der nächste J " tfautstellen fällt
grüsserte. Mit der Ausbildung der gefühllosen
auch die Abnahme der spontanen Schm««> und „ der ^
empfindlichheit zusammen als Anziehen de bctreffende n
vollendeten Degeneration der Nerveustämme. • gew ölin-
hvpacsthetischen Zonen zugleich hypcralgisch sind, ist
lieh zu beobachtendes Verhalten. Erkrankung des M-
Bemerkenswerth ist die relativ spate Erkrankung
brachialis internus. ,, , n 0 „ onaatz zwischen dem
Am Auffallendsten aber hiebt der 6 egcn»»t» zw ^
Fehlen jeder Temperet,»-Steigerung ,m W^henh ^ ^ md
Schränkung der Erkrankung Moebiu«
der ausserordentlichen Schwere des \ k , am gemacht
Lunz haben bereits auf diesen Gegensatz auf
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14. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
unter Hinweis auf die diphtherischen Lähmungen, wo auch die
. oIS. ^U^0,, “ 8
Die sich hiernach von selbst aufwerfende Frage nach der
Natur der puerperalen Neuritiden vermag nur dann richtig beant¬
wortet zu werden, wenn man den Zeitpunkt des Eintrittes der
Nervenentzündung und das eventuelle Bestehen von Fieber in's
Auge fasst. In meinem Falle setzte die Krankheit 14 Tage nach
der Geburt des Kindes ein, ganz im Einklang mit Moebius,
welcher sagt: «Die Affection beginnt im Wochenbett oder um
Wochen später » Doch Moebius selbst und nach ihm Stern bo,
Eulenburg Sowolojeff u. A. haben Fälle beobachtet, wo
die Neuritis schon während der Schwangerschaft ein trat, so dass
E ul en b ürg sogar vorschlug, lieber die Bezeichnung «Schwanger¬
schaftspolyneuritis » statt der bisher üblichen «puerperalen Neu¬
ritis >» einzuführcn. Merkwürdiger Weise waren alle Fälle, wo die
Nervenentzündung schon während der Gravidität sich entwickelte
sehr schwere sogenannte « generalisirtc Formen ». Und was noch
wesentlicher ist: bei allen diesen Erkrankungen bestand über-
müss.ges Erbrochen. Trotzdem Moebius demselben eine ursäch-
liche Bedeutung nicht zuschreiben zu können glaubt, bleibt es
doch immerhin bemerkenswertb, dass nach Einleitung des Abortus
m einem von Moebius citirten Falle Heilung und ebenso in
einer Beobachtung Eulen bürg’s Besserung der xNeuritis er¬
zielt wurde.
Sowolojeff, welcher in seinem von Neuritis multiplex
begleiteten Falle von Hyperemesis gravidarum vor dem künstlichen
Abortus ausdrücklich warnt, musste den Tod seiner Kranken er¬
leben. Stcmbo beobachtete bei seiner Patientin trotz heftiger
Hyperemesis und schwerer Neuritis schon vor der Entbindung
eine Spontanbesserung und rechtzeitige Geburt des Kindes. In
meinem Falle bestand während der Schwangerschaft kein über¬
mässiges Erbrechen und — das ist noch ein wichtiges Moment —
auch kein Fieber während der Geburt oder im Wochenbett. Nur
selten findet man überhaupt die ausdrückliche Erwähnung einer
Temperatursteigerung, so «Fieber und Frost» bei Moebius in
2 Fällen, «blutiger Ausfluss und Fieber» bei Bernhardt in
einem Falle. Es wird im Gegentheil öfters hervorgehoben, dass
zu keiner Zeit Fieber aufgetreten sei.
Was kann man nun für die Aetiologie der puerperalen Neu¬
ritis aus den angeführten Thatsachen schliessen ?
Man kann sich dem Eindruck nicht entziehen, dass es sich
wohl um eine Giftwirkung handelt, dass aber verschiedene, zu
verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen Wegen dem Körper
ein verleibte Gifte die puerperale Neuritis hervorzurufen vermögen.
Wenn man auch die von Moebius anfangs aufgestellte strenge
Einheit des Typus (Arm- und Beintypus) nach den Beobachtungen
späterer Autoren nicht mehr aufrecht erhalten wird, so darf man
doch aus der Aehnlichkeit der Krankheitsbilder die Verwandt¬
schaft der Giftsorten folgern.
Die Deutung der Fälle, wo während der Entbindung oder
im Uochenbett Fieber bestand und die Nervenentzündung nach¬
folgte, ist am leichtesten, weil man die Eitererreger des Wochen¬
bettes kennt.
Wo die, Neuritis nach der Entbindung ohne vorhergehendes
leber eintrat (wie in meinem Falle) muss man im Wochenbette
bei der Rückbildung der Genitalien entstehende Toxine als die
Ursache der Neuritis ansehen. Und da, wo schon während der
Gravidität bei gleichzeitigem übermässigem Erbrechen die Nerven¬
erkrankungen begannen, wird man sich trotz Moebius der An¬
sicht nicht verschliessen können, dass das Erbrechen in ursäcli-
ic em, wenn auch indirectem Zusammenhang mit der Entzündung
i- ? rV6n ste ^ t- ® as beständige, jede Nahrungsaufnahme un¬
möglich machende Erbrechen führt durch die fortgesetzte Unter¬
ernährung des Körpers zu einer solchen Erniedrigung des Stoff¬
wechsels, dass die massenhaft angehäuften Stoffwechselproducte
eme Automtoxication mit Neuritis als weiterer Folge hervorrufen.
v .. Als ^°be für die Richtigkeit dieser Annahme dienen die
a o, wo die Neuritis nach Einleitung des Abortus geheilt wurde,
j der Einleitung der Frühgeburt hörte das Erbrechen auf und
er Sßstörte Stoffwechsel konnte sioh wieder reguliren.
653
x« r }ieute ’ 9 J ‘ ahre seifc der ersten diesbezüglichen Ver¬
öffentlichung, stehen wir auf dem Standpunkte von Moebius,
welcher d.e puerperale Neuritis als Intoxicationsneuritis auffasste.
Ub die Symptome wälirend oder nach der Schwangerschaft auf-
treten ist gleichgiltig, da die verwandten Gifte dieselben klinischen
Bilder hervorrufen. Von der Aufstellung einer traumatischen
rorm der puerperalen Neuritis (wie es Lamy thut) durch Druck
der Zangenloffcl oder des kindlichen Kopfes auf die M. ischiadici
wird man wohl füglich Abstand nehmen. Das sind dann eben rein
traumatische und nicht für die Schwangerschaft oder das Puer¬
perium specifisehe Nervenentzündungen.
Die Prognose ist nicht immer so schlecht, wie es nach dem
Verlaufe meines Falles scheinen könnte, wenngleich die Heilung
oder nur Besserung oft lange auf sich warten lässt und die Ge-
duld von Patienten und Arzt auf eine gründliche Probe stellt.
Hie Behandlung ist dieselbe wie bei jeder andern Form der Neu¬
ritis. Bei den durch Hyperemesis bedingten, während der Schwanger¬
schaft einsetzenden Neuritiden wird man künftig die Einleitung
der künstlichen Frühgeburt zu erwägen haben. Zum Schluss er¬
laube ich mir, meinem hochverehrten Chef, Herrn Professor Dr.
Sceli gm Uller, für freundliche Uebcrlassung des Falles meinen
Dank auszuspreclien.
Literaturverzeichnis s.
M ° No *!) 8 1887 ber NeUritis P aer P era lis. Münch, med. Wochenschr.
— Beitrag zur Lehre von der Neuritis puerperalis. Münch, med
Hochenschr. No. 14, 1890.
Käst: Deutsches Archiv f. klin. Medicin, pag. 40, 1886.
bo w o 1 o j e f f: Ueber einen Fall von Hyperemesis gravidarum, begleitet
von einer Neuritis multiplex, Centalbl. f. Gynäkologie No. 2671892
Lunz. Ueber Polyneuritis puerperalis. Deutsche med. Wochenschr.
Bernhardt: Ueber Neuritis puerperalis. Deutsche med. Wochen¬
schrift No. 50, 1894.
E u 1 e nb urg: Ueber puerperale Neuritisjind Polyneuritis. Deutsche
med. Wochenschr. No. 8 u. 9, 1895.
Stembo: Ein Fall von Schwangerschaftspolyneuritis nach unstill-
barem Erbrechen. Deutsche med. Wochenschr. No. 29, 1895 .
Lamy .Des nevrites puerpörales. Gaz. hebd. de möd., Paris, Bd XL
et Arcb. de Tocol. et de Gyn. Bd. XX, No. 11.
Referirt: Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Ge¬
biete der Geburtshilfe und Gynäkologie, pag. 652, 1894.
Aus der medicinisch-diagnostischen Klinik zu Warschau.
„Säureintoxication“ und Blutalkalescenz als therapeu¬
tische Indicationen.
Von Dr. E. Biernacki, Assistent der Klinik.
In der Lehre von der «Selbstvergiftung» des Organismus
(Autointoxication) gehört das Capitel von der «Säureintoxication»
zu den ältesten und anscheinend am besten begründeten. _Dieser
Zustand soll dann zu Stande kommen, «wenn saure Zwischcn-
stoffwechselproducte abnorm reichlich gebildet werden, bzw. wenn
allmählich zunehmend oder plötzlich die weitere oxydative Um¬
setzung bestimmter solcher saurer Verbindungen verlangsamt wird»
(Kraus). 1 ) Zahlreiche pathologische Fälle bringen nun eine Säure¬
intoxication mit sich, vor Allem febrile Zustände, schwere 'Anämien
und Cachexien, Carcinom, Diabetes, resp. Coma diabeticum. Es
kommen noch gewisse acute (kryptogenetische) Formen und acute
Psychosen hinzu.
Bei diesen Säureintoxicationen unterscheidet man den Grad
der Vergiftung und die Art der vergiftenden Säure. Ersteres ist
um so mehr nothwendig, als in manchen Fällen noch anderweitige
Schädlichkeiten erkannt wurden, welche sogar als die Wichtigsten
aufgefasst werden mussten. Dies betrifft vor allen Dingen die
febrilen Infectionskrankheiten, deren Wesen in der Vergiftung
mit bacteriellen Producten liegt: diese Krankheiten sind noch
«Nosotoxikosen» nach der v. Jaksch'schen Nomenclatur. Indem
man nun die Säuren des Fiebers mit den Toxinen nicht identificirt,
‘) Kraus, Pathologie der Autointoxication. Ergebnisse der
allgemeinen pathologischen Morphologie und Physiologie der Menschen
und derThiere. Herausgegeben von 0. Lubarsch und R. Oster¬
tag, Wiesbaden 1895. 8. 573 —638. 8ep, Abdr. Literatur.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE W OCHESSCHMgT;
No. 28.
| s
untergeordnete Erscheinung > diabcticum als eine
leichteren Grades. Dagegen wird das Coma Anhiiufun g alk
«essentielle» Säurevergiftung angesehen und Verbindungen von aus
der 0-Oxybuttersänre und der ^.verwandten Verbindu^^ ^
vielen Autoren (Stade m a n an(]eren Zuständen soll die Sä
liehen Zusammenhang gestellt. epileptischen pu
Vergiftung mit Milchsäure stattfinden, der Bl
aller Mittel in jedem einzelnen Falle ^ ^ Nacbweisc dcr K
Der directeste und sicherste Weg „ Unter den di
SsBIifSS:
gesteigerten Ammoniak- und Acctonausscbeidung im H * rncb ^
SSESSSlSp
i
duction darstellbar, die Aeetytasigsliare «rd durch «-»
Kohlensäure und Aceton gespalten u dgl. Somit «tot es s,c
von vornherein als sehr wahrscheinlich annchmen, dass alle' «a
Stoffe der gleichen Nutritionstörung ihr Entstehen verdanke >
(Kraus). Die Aeetonurie wird demnach von demselben Autor als 1
Ausdruck einer gelinderen Säurevergiftung aufgetasst. — Zur Test- i
ftZg cT BÜLevergiftung ist endlich nachzuweisen, dass dm ,
Symptome und der Chemismus des beobachteten Zustandes identisc
sind oder sehr nahe stehen denjenigen einer experimentellen Säurc-
"^tTrschöpfend, wie der obige Plan es verlangt, wurden nun
nur recht wenige Fälle erforscht. Ausserdem stunden *oh**fc-
nisse von zwei oder drei gleichzeitig angewendeten Methoden
manchmal mit einander gar nicht im Einklang. G^cntlbcr dcr
postulirten Säurevergiftung bei Leberkrankheiten oder ungenügender
Sauerstoffzufuhr (letzteres wurde von floppe-Seyler, Arak ,
verlangt) konnte z. B. E. Schütz im Harne von 30 diesbezüg¬
lichen Kranken keine Milchsäure auffinden. Unter sonstigen Saure-
vergiftungen scheint das Coma diabeticum noch um besten begründe.
Man hat vor Allem kennen gelernt, dass die Oxybuttersuure-
ausscheidung im Harn bei Diabetes auf das drohende Görna hin-
weist, weiter, dass die Blutalkalesccuz während dessclbcn^crheblich
herabgemindert ist (Minkowski, v. Jaksch, Kraus u. A->
Hugouneng (cf. nach Kraus) hat im D.abetikerblut de
Oxybuttersäure direct nachgewiesen, (4,27 /oo) ; Es werden cn
lieh die Comasymptome, wie Dyspnoe, beschleunigte Hcrzthatigkei ,
comatöse und Aufregungszustände, gastrische und intestinale
Störungen u. dgl. als dem Bilde der experimentellen Säurevcrgiftung
sehr ähnliche angesehen. . _
Sonst rührt die Auffassung vieler Zustände als einer Saure-
Vergiftung am häufigsten, zugleich mitunter auch ausschliesslich,
von den Ergebnissen der Blutalkalescenzbcstimmung her. Es
verdankt z. B. die Lehre von der febrilen Säurcmtoxication ihre
Anfänge dem Umstande, dass Gcppert, Minkowski in Tlncr-
versuchcn im experimentellen Fieber Abnahme der Alkalesecnz
(des Kohlen säuregeh altes) im arteriellen Blute beobachtet haben.
Minkowski suchte sogar nach den Säuren und konnte ein paar
Mal etwas Milchsäure aus dem Fieberblute darsteilen. Denselben
Befund machte er aber auch bei einem gesunden Hunde.
Als die einfachste Untersuchungsmethode wird die Bestim¬
mung der Blutnlkalescenz auch für die Diagnose der Säurein toxication
in der Klinik vorgeschlagen. So findet z. B. Kraus in einem
Falle von allgemeiner Lähmung und schwerem Coma bei stark
aceton- und zuckerhaltigem Harn normale Blutalkalescenz; die
: ) Bei Kraus
während de» Leben» zweifelhafte Hämerrhagi. cerebri werde nun
“ t Ä* “"betont,ich »eben »ehr to,reiche Bl»,
in acr Tal-Reh Peipcr, Kraus u. A.
‘"■fTTÄ Wen. Du» hierbei
ausgefüh , wird für die moderne Lehre von der
gewonnene Material w Sowohl vom letzteren Stand-
Saurevcrgif u g fe die evcntuello Anwendung der
punkte aus, wie m U 6 praktische (differential-
B'utatkalescenz estimmun^eist ^ ^ ^ nähere Besprechung
Äteung der je« gebräuchlichen Methode» der Blntultataee.,.
te nTL“°““»ngen an. Me»»ehen bedien, »tun ach
um häufigsten der titrimctrische» Methode welche von Zu»t.
herstammt und in der d °|m physiologische^ Experimente
A ka csc nz bezw. Herabsetzung des Kohlcnsäuregchaltes. wurde
fa Fieber, Diabetes mellitus, Urämie, Carcmom, Chlorose (bei
letzterer nicht von Allen) u. s. w. gefunden
Gegen die Zuverlässigkeit der titrhnetriseken Methode werden
aber in der neuesten Zeit von A. Locwy wiehüge Em-ände
erhoben. L o c w y macht darauf aufmerksam , ass ei
führune der Alkalcsccnzbestimmung nach der Landois- J axscn
Ln Methode keine Bede von constanten und sicheren &|*>~
sein kann. Hierbei wird das Blut mit unversehrten rothen Kör
perchen d. h. deckfarbenes Blut titnrt, wozu man auch
das Blut mit eoncentrirten Salzlösungen vorher versetot - Das
Alkali der Blutkörperchen diffundirt beim Zusatz der S
dem Blute nur langsam: man bekommt desswegen ^ höhere
• Alkalcscenzwerthe, -je langsamer die Titnrung uussefül t wd.
, Ganz anders verhält sich die Sache ^\ AnWeU ^rLLtroZV
• färben cn Blutes (durch Zusatz von einigen Glyccnntropfen).
; man bekommt dannLasch constonte und, was am wid, igsten
, hohe Werthe. Als Loewy auf Veranlassung j Koord«.
- diesbezügliche Untersuchungen am pathologischen Blute anstell ,
, Ld er in der That viel höhere Alkalescenzwerthe als seine Vor
, gängcr. Aus der Zusammenstellung seiner Daten kam er sogn
i- L ganz anderer Ueberzcugung über das Verhalten _ der Bb*-
alkalescenz in krankhaften Zuständen : dieselbe war ». vmlen »n
h von Diabetes, Nephritis, Sepsis, Anacmie, Pneumonie, <Ch!omte
). u. dgl. gegen die allgemein acceptirte Anschauung erlicht,
ie unter ganz beträchtlich. t und
1- Bezüglich des Fiebers sind vor Kurzem v. Limbcck un
t, Steindlcr 3 ) auf anderem Wege zu ähnlichen ^ sul ^ n « e f r
le die Abnahme der Blutalkalcscenz im Kleber sehen sic auch g
ig nicht als Begel, eher als eine Ausnahme an. ^ _ fal]s
Die seltsamen Thatsachen A. Locwy s bilden
e- sie zweifellos sind - entschieden ein sehr «ngünsUg^ Emgm^
h, in der Lehre von der Säurevergiftung in vielen kränksten Zu
[is ständen. - Ich muss aber auf Grund eigener Erf^ ung^
,re theilen, dass man unter Umständen auch mit der G * ^
er- zu ganz denselben Resultaten kommt. c m , artcr j.
nz einer grossen Reihe von CO,-Bestimmungen m ‘ kü “J^ d * ch
in. alisirten Adcrlassblutc (durch Schütteln mit Luft, seltene
iar Sättigung mit reinem Sauerstoffgas) kranker Menschen. ) Diese
3 ) R. v. Li ml)eck und L. Stcindlyr. für inn«e mSc»»,
abnah me .los Blir.es im Kleber. Gciitrulblutt fü
18U '^Ausführliche Mittheilmm «her
in der Arbeit: «Beiträge zur Pneumatologic ' % t!llkal ^ C enz-
Menschenbluti-s, zur Blutecrinnnn-.-sfrago um ' ft e daction
beotitniiiuiigen in krankhaften Zuständen,, w e c . . i an diesem
der «Zeitschrift für klinische Medieiu» übergel»en » ■ Literatur
Orte in Kurzem erscheinen wird. Darin die ges. „jiren will,
angaben, welche ich liier wegen Mangel an Platz m
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14. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
665
I
Bestimmungen wurden nebst den O-Bestiinniungen mittels der
Pflüger'schen Blutgaspumpe und Bunsen'schen Gasanalysen -
Methoden ausgeführt. In seht vielen Fällen untersuchte ich in
jedem einzelnen Falle das undefibrinirte (mit Natriumfluoratlösung
versetzte) und defibrinirte Blut parallel: crsteres 1—1 */* Stunden,
letzteres 6—7 Stunden nach dem Aderlässe. Das Blut wurde im
Eisschranke aufbewahrt. Auf den Zeitraum, in welchem das Blut
entgast wurde, mache ich desshalb aufmerksam, weil im Fluorat-
blute mit dessen zunehmendem Alter in der Regel immer weniger,
im defibriuirten dagegen gewöhnlich mehr CO» gefunden wird.
Dementsprechend würden die Differenzen zwischen beiden Blutarten
noch grösser (d. h. auch beweiskräftiger) ausfallcn, falls das
Fluorat- und defibrinirte Blut gleichzeitig untersucht werdeu könnten.
Von den erhaltenen Werthen sei z. B. folgende Reihe angeführt:
In 100 ccm reinen Gesammtblutes COa in ccm
bei Oo C und 7GU mm Bac.-Dr.
1. Normal
Nichtdefibrin. Bl.
34,59
Defibrin. Bl.
27,21
29,55
2. Normal
35,81
3. Sarkomatose
40,05
29,59
4. Leukaemie
44,22
36,60
—
5. Anaemie
18,56
6. Tubercul. pulm.
73,95
22,21
7. Senile Cachexie
34,87
19,87
8. Magenkrebs
35,71
33,08
18,05
9. Pneumonie
29,47
10. Nephritis ehr.
32,68
19,37
11. Chlorose
47,63
30,36
12. Pleuritis tuberc.
43,81
21,78
13. Uraemie
22,41
15,18
11,48
14. Uraemie
23,13
15. Pneumonie er.
31,86
22,14 u. s. w.
Bei Durchsicht der obigen Tabelle kommt man nun je nach
der Art der Blutproben zu ganz verschiedenen Schlüssen. Nach
den Ergebnissen der Fluoratblutuntcrsuchung blieb in unseren
Fällen die Blutal kalesccuz häufig unverändert und
noch häufiger erhöht. Letzteres fällt merkwürdigerweise
bei Sarkomatose, Leukacmie (!), Chlorose, tuberculöser Pleuritis
u. dergl. 'auf, während in den Fällen von Magenkrebs, croupüser
Pneumonie, chronischer Nephritis der CO 2 -Gehalt als normal sich
erwies. Dagegen ist nach den Daten des defibrinirten
Blutes die A lka 1 esce n zabuahm e in U ebe reins t im -
mang mit älteren Angaben kein seltenes Vor-
k 0 m ni n i s s — sie kam bei Anaemie, seniler Cachexic, in
einem Falle von Pneumonie vor. Wie die Resultate je nach
Versuchsbedingungen differiren können, beweist der Fall von
tuberculöser Pleuritis am deutlichsten : im nichtdefibrinirten Blute
wurde eine gesteigerte und im defibrinirten eine gegen die Norm
herabgesetzte Alkalescenz gefunden. Nur beide Fälle von
Uraemie haben das gleichlautende Ergebniss ge¬
liefert — ebenso im defibrinirten wie Flnoratblute — beträcht¬
liche Herabsetzung der Alkalescenz. Dieselbe Erscheinung habe
ich noch in einem Nephritisfalle, jedoch ohne uraemische Symptome
(auf der Tabelle nicht angeführt) beobachtet.
Es fragt sich nun, welche Ergebnisse für richtige angenommen
werden dürfen? Wenn das Verhalten des COa-Gehaltes durch
die Defibrinirung so stark beeinträchtigt wird, und wenn weiter
die Alkalescenz auch im nichtdefibrinirten Blute mit der Zeit
allmählich abnimmt (letzteres ist schon von Zuntz festgestellt
worden), so müssen nach logischen Gründen vor Allem diejenigen
Daten berücksichtigt werden, welche am möglichst unveränderten
und möglichst frischen Aderlassblute erhalten werden, d. h. die
COi-Werthe des frischen Fluoratblutes. Dadurch werden mehr
Chancen dafür geboten, dass die erhaltenen CO» -Werthe die
Alkalescenzverhältnisse des kreisenden Blutes richtig Vieder-
spiegeln.
Somit dürfte es vielleicht für sehr wahrscheinlich, wenn
nicht zweifellos gelten, dass dieBlutalkalescenz in patho¬
logischen Zuständen gegenüber früheren Angaben
nur ausnahmsweise eine Herabsetzung und im
Gegensatz sehr häufig eine nicht unbedeutende
Steigerung erfährt. Mit Hilfe dieser Thatsache allein möchte
man nun weitere Kritik an der Lehre von der Säureintoxication
in speciellen Fällen ausüben. So ohne Weiteres will ich es aber
nicht thun.' Das eine scheint mir vor Allem sicher, dass die
No. 28.
Methode der Blutalkalescenzbestimmung sich für die Untersuchung
dieser Zustände überhaupt nicht eignet, — und namentlich aus
folgenden Gründen.
Dank der neuesten Studien von N. Zuntz und seinen Schülern
(A. Loewy, Lehmann) hat der Begriff der Blutalkalcscenz
wichtige Ergänzungen und Erläuterungen erfahren. Bisher hat
man den «Alkali- »gehalt und die «Alkalescenz» des Blutes nicht
streng unterschieden: die Ergebnisse der Alkalescenzbestimmung
wurden dementsprechend mit dem Verhalten der Alkalimenge im
Blute — wohl häufig nur stillschweigend — identificirt. Besonders
galt dies für die CO»-Methode der Alkalescenzbestimmung: denn
kam auch diese Methode desshalb zum Gebrauch, weil die Kohlen¬
säure des Blutes gemäss den allgemein gütigen Anschauungen
grösstenthoils an das anorganische Alkali gebunden sein soll. Somit
weise die Herabsetzung des 00»-Gehaltes auf die Verminderung
des Alkaligchaltes direct hin: letztere wurde nun auf die Bindung
durch im Blute angehäufte organische oder anorganische Säuren
zurückgeführt.
Nach den Untersuchungen der Zuntz'sehen Schule ist die
gesammte Blutalkalcscenz nicht von einem Körper, sondern von
verschiedenen alkalisch reagirenden Affinitäten gebildet, welche
sich in chemischer Beziehung stark unterscheiden. Ausser dem
Natriumcarbouat und Bicarbonat, deren Existenz im Blute auch nach
den Untersuchungen von Gürber zweifellos erscheint, nehmen an
der Bildung von Blutalkalesccnz in hohem Grade auch organische
Körpertheil. Ich bin zu dem Schlüsse gekommen, dass unter diesen
organischen Basen die Fibrinogene den grössten Theil, wenn nicht
ausschliesslichen, ausmachen. Auch scheint das Vorhandensein
von Alkalialbuminaten im Blute (Zuntz und Lehmann) sicher
zu sein. Man hat ausserdem bemerkt, dass bei der titrimetrischen
Bestimmung die Summe der Blutalkalescenz auch durch diejenigen
alkalischen (organischen) Affinitäten erhöht wird, welche sich erst
beim Säurezusatz aus neutralen Körpern bilden. Letzteren Theil
der Blutalkalescenz möchte man mit dem Namen «potentielle»
betanfen, im Gegensatz zu der «präformirten» Blutalkalescenz,
welche also bisher aus auorganisohem Carbonat, Alkalialbuminat
und basischen organischen Körpern besteht.
Somit ist die gesammte Blutalkalescenz der
Gesammtacidität des Mageninhaltes analog: letztere
wird aus verschiedenen sauren Körpern gebildet, häufig von ganz
verschiedenem chemischen und physiologischen Charakter. An sich
kommt der Bestimmung der Gesammtacidität allein bekanntlich nur
sehr wenig Bedeutung zu: um sich irgend welches Urtheil von dem
Verhalten der Magenverdauung zu bilden, bedarf man ausserdem
wenigstens der qualitativen Bestimmung der freien Salzsäure.
Ganz ähnlich lassen sich die Bestimmungen der gesammten
Blutalkalescenz beurtheilen. Ueber die physiologische Bedeutung
einzelner Componenten derselben wissen wir zur Zeit viel weniger
Positives, als über die Componenten der Gesammtacidität des Magen¬
inhaltes : über einige können nur Vermuthungen ausgesprochen
werden. Was die Fibrinogene betrifft, so ist es mir sehr wahr¬
scheinlich geworden, dass dieselben in Oxydation begriffene Eiweiss¬
körper sind. Dagegen spielt das anorganische Alkali (Natrium¬
carbonat und Bicarbonat) nach Allem eine positive Rolle bei den
OxydationsVorgängen, wenn es auch zugleich für den Träger der
gebildeten Kohlensäure gilt. In der That ist es seit langem be¬
kannt, dass die organische (resp. thierische) Oxydation für ihren
Ablauf einer alkalischen Reaction, resp. Alkalianwesenheit bedarf.
Dementsprechend ist das Natriumcarbonat des Blutes der freien
Salzsäure des Mageninhaltes analog.
Man darf vermuthen, dass für normalen Ablauf der Oxydationen
die Componenten der Blutalkalescenz, beziehungsweise das anorganische
Alkali und die zu oxydirenden Körper in bestimmten quantitativen
Verhältnissen zu einander stehen müssen: demnach wäre es von
Wichtigkeit, die quantitativen Abweichungen dieser einzelnen Compo¬
nenten in pathologischen Zuständen kennen zu lernen. Dass man
aus den Daten der gesammten Blutalkalescenz in dieser Richtung
kaum etwas folgern darf, leuchtet vielleicht Jedermann ein: denn
es lässt sich nicht verneinen, dass bei Abnahme eines basischen
Körpers die (normale) Höhe der Blutalkalescenz durch die Zunahme
eines anderen ergänzt werden kann. Vielleicht weist nur eine
I starke Herabsetzung der gesammten Blutalkalescenz auf die Ver-
3
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656
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
minderung der Quantität des anorgauischen Alkali hin, ähnlich
wie dies bei starker Abnahme der Gesammtaciditüt des Magen¬
inhaltes in Bezug auf die Salzsäure der Fall ist. Sonst ist mit
solchen Bestimmungen nicht viel anzufangen : und überhaupt könnte
ich nicht angeben, wozu die jetzigen Daten für die gesammte Blut-
alkalescenz — mögen sie auch an sich ganz richtig sein — zu
verwerthen sind.
Dass dieselben für das Verhalten das anorganischen Alkali
im pathologischen Blute an sich, und weiter für die heutige Lehre
von der Säurevergiftung nicht sprechen können, glaube ich nicht
nur auf Grund obiger Ueberlegungcn, sondern auch auf Grund
folgenden eigenen Materials behaupten zu können. Eine Methode zur
quantitativen Bestimmung des Natriumbicarbonats im Blute gibt
es noch nicht. Durch die Bestimmung des Na*0 in der Blut¬
asche darf man aber sich eine Vorstellung vom «freien» Alkali
des Blutes desswegen bilden, weil ein Theil des Blutnatrons mit
Chlor verbunden ist und die Quantität des Chlornatriums im Blute
überhaupt nur sehr wenig schwankt (Biernacki). Wenn also
bedeutende Schwankungen des NajO-Gehaltes wahrgenommen
werden, so sind sie ziemlich sicher auf die Schwankungen des
Natriumcarbonats zurückzuführen.
Quantitative Alkalibestimmungcn habe ich®) vor einigen Jahren
fast in 60 Krankheitsfällen ausgeführt. In der Norm wurde im
Menschcublute 0,200 — 0,216 p.Cl. Na*0 (auf 0,630—0,680 Prot*.
K CI -j- Na CI) gefunden. Gegenüber diesen Ziffern war nun im
pathologischen Blute häufig mehr Na * O nachweisbar, absolut
weniger habe ich erst ein paar Mal beobachtet. Je wasserreicher,
beziehungsweise plasmareicher das Blut war, desto mehr enthielt
es Natrium — was übrigens a priori zu erwarten war, weil das
Natrium grösstcntheils im Plasma sich befindet. Eine echte Ver¬
armung an Natrium (0,150—0,180 Proc. NajO bei normalem
Chlorgehalt) fand in zwei Nephritisfällen, in einem Falle von Gastritis
atrophica etc. statt.
In 100 g Ge8ammtblut
Trockensubstanz Nas O KCl + Na CI
1. Gesundes Weib 23,22 g 0,200 g 0.633
2. Gesunder Mann 22,30 g
3. Tubercul. pnlm. chron. 17,63 g
4. Chlorosis 16,96 g
5. Carcin. ventriculi 13,77 g
6. Cirrhosis hepatis 11,67 g
7. Senile Cachexie 10,54 g
0,210
g
0,646
g
0,287
g
0.652
g
0,269
g
0.708
g
0,313
g
0,749
g
0,247
g
0,745
g
0,408
g
0,822
g U. 8. w.
Für die Existenz einer Säurevergiftung und nachfolgender
Verarmung an anorganischem Alkali z. B. bei Carcinom, Cachexie,
Chlorose, Leberkrankheiten sprechen die obigen Zahlen gar nicht.
Ich muss aber gestehen, dass nicht alle Fälle ähnliches
Verhalten, wie die obige Tabelle, zeigten. Nach einer näheren
Analyse des gesammelten Materials bin ich zu folgendem Schlüsse
gekommen: «wenn auch der Natriumgehalt im pathologischen Blute
sehr häufig zunimmt, so ist diese Zunahme so unregelmässig und
geht mit dem Grade der Blutverdünnung so selten parallel, dass
das Natrium im Blute als ein am meisten zu Schwan¬
kungen geneigter Körper angesehen werden darf.»
Dementsprechend ist eine relative Verarmung an Natrium kein
seltenes Vorkommniss im pathologischen Menschenblute.
Letztere Thatsachc könnte freilich als eine Stütze der Säure-
intoxication herangezogen werden. So ohne Weiteres darf aber
dies nicht geschehen, wenigstens nicht für alle Fälle. Ausser der
Neutralisirung durch Säuren kann die absolute oder relative Ver¬
armung an Alkalien noch auf andere Weise zu Stande kommen.
Z. B. das Cholerablut ist sehr arm an Natrium 6 ) (absolute Ver¬
armung), weil — dies ist die plausibelste Erklärung — sehr viel
alkalische natriumreiche Flüssigkeit aus dem Blute in die Därme
diffundirt. — Für viele andere Zustände wird cs noch viel Arbeit
kosten, die Genese der relativen oder absoluten Alkaliverarmung
zu verfolgen. Dass hiebei auch die Säuren mitwirken können,
will ich sofort für einige s]>ecielle Fälle besprechen.
Dass die relative oder absolute Verarmung des Blutes an
Natrium den Ablauf der thierischen Oxydation beeinflussen kann,
geht aus unserer Auffassung der Blutalkalescenzconiponcnten
hervor. So habe ich z. ß. in 2 Fällen von febrilen Erkrankungen
(Pneumonie und Abdominaltypus) trotz deutlicher Verwässerung
des Blutes nur normalen Natriumgehalt gefunden (0,203—0,205
Proc. Na 2 O). Dagegen ist der Fibrinogengehalt des pneumonischen
Blutes nach Allem stark erhöht (6—7 °/oo Fibrin statt der nor¬
malen 2°,oo). Unter solchen Umständen muss auch die gesammte
Blutalkalcseenz sich normal oder sogar gesteigert erweisen : ob aber
der Ablauf der thierischen Oxydation in solchem Blute und
Organismus normal bleibt, ist eine andere Frage. Es ist hier
eben das vermuthete Missverhältnis zwischen dem Vermittler der
< l.xvdation und den zu oxydirendon Körpern vorhanden : ich wage
es daraus zu folgern, dass die Oxydation eine Störung erleiden
kann und es gibt schon thatsäcldich Beweise einer solchen Störung,
wie die gesteigerte Ammoniakausscheidung, Acetonurie u. dcrgl.
im pneumonischen Harne. Als Folge des Missverhältnisses zwischen
einzelnen Blutalkalescenzcomixmenten kann es in sonstigen Fällen zur
Bildung von organischen Säuren (gesteigerte Spaltungen) kommen.
(Schluss folgt.)
Aus dem Vereins-Hospital zu Hamburg. (Abtheilung von
Dr. Nonn e.)
Werden bei der Behandlung der Chlorose durch die
neuerdings empfohlenen Mittel: „Aderlass undSchwitz-
cur“ bessere Resultate erzielt, als durch Eisen?
Von Dr. Paul Schmidt, Assistenzarzt.
(Schluss.)
Es mögen jetzt die Angaben Uber das Verhalten des Hämo¬
globins, der Anzahl der ruthen Blutkörperchen, des Körpergewichts
und des Allgemeinbefindens bei den verschiedenen Arten der Be¬
handlung folgen. Ich beschränke mich dabei auf eine kurze
Zusammenstellung, da der grössere Theil der Fülle in meiner
Dissertation eingehender besprochen ist.
Ein Aderlass.
Hb in
Proc. bei
der Auf¬
nahme
Beobach¬
tungs¬
dauer in
Wochen
Anzahl <
in Mi!
ai
Anfang
der r. Bl.
Ilionen
m
Schluss
Durchschnittliche
wöchentliche
Zunahme des
Hb in Proc.'Gew. in kg
Allgemeinbefinden
bei der Entlassung etc.
1. II. B., Dienstmädchen, 19 J.
35
1
5,6
_
7,5
0,75
Ohne Beschwerden entlassen.
2- B. H, „ 24 .
30-35
2
0
1,25
dto.; Hb hatte vorher ohne specielle
Therapie in 3 Wochen 17,5 Proc. zu¬
genommen.
3- E. R„ , 24 „
60
2
2,5
0,75
Wenig gebessert entlassen. Hb-Zunahme
vorher ohne spec. Therapie in 1 Woche
7,5 Proc.
1 A - T -> n 29 „
35
1
4,6
4,7
0
-
Ungebessert entlassen.
Mittel:
2,5
0,92
, , ,) « E 'u B -* e r nacki ' Untersuchungen über die chemische Blut
bcBchaffenheit bei pathologischen, insbesondere bei anämischen Zu
ständen. Zeitschr. f. klinische Medicin, Bd. XXIV, Heft 5 u. 6. 1891
Vergl. E. Biernacki: Blutbefunde bei der asiatischen Cholera.
Deutsche med. Wochenscbr., 1895, No. 48.
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14. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
667
Die kurze Beobachtungszeit dieser Fälle erklärt sich daraus,
dass die Patientinnen sich der weiteren Behandlung entzogen. Da
ein einmaliger Aderlass nach Angabe der Autoren meist noch
nicht zu einer Heilung führt — was auch wir bei unsern übrigen,
mit Aderlass behandelten Patientinnen bemerkt haben —, so würden
wir auch wohl bei diesen vier Fällen die Behandlung noch nicht
als abgeschlossen angesehen haben, wenn die Patientinnen länger
in Beobachtung gewesen wären.
Zwar ist der Gesaimntmittclwcrth der wöchentlichen Hämo¬
globinzunahme ziemlich hoch; doch ist daraus auf die factische
Wirksamkeit eines einzelnen Aderlasses kein sicherer Schluss zu
ziehen, indem bei der geringen Anzahl von Fällen den beiden
höheren Ziffern ebensoviele völlig minderwerthige gegen überstehen.
Hinsichtlich der beiden günstigen Resultate ist noch zu bedenken,
dass auch ohne besondere Therapie eine spontane Aufbesserung
des Hämoglobingehaltes zuweilen stattfinden kann (vgl. Bern, zu
Fall 2 und 3).
Das Körpergewicht zeigt in dieser Gruppe eine gute Zunahme;
das Allgemeinbefinden lässt bei der kurzen Behandlung natürlich
noch zu wünschen übrig.
Ein Aderlass und anschliessende Schwitzcur.
Hb in Beobach Anzahl der r. Bl.
Proc. bei tungs- in Millionen
der Auf- datier in am
nähme Wochen Anfang J Schluss H
5. A. B., Dienstmädchen, 16 J. 40
6. A. J, „ 21 „ 50-55
7. M. 8., „ 15 „ 35-40
8. B. B, „ 18 „ 50
9. M. T., „ 16 „ 35
10. H. R,
11. M. W.,
12. W. W.,
19 .. 25
Allgemeinbefinden
bei der Entlassung etc.
Noch nicht ganz frei von Beschwerden.
Keine Beschwerden.
Noch Beschwerden.
Noch geringe Beschwerden, später wieder
mehr; darauf Eisen ohne Erfolg.
Nur wenig gebessert; später Eisen; danach
Zunahme der Hb um 15 Proc. in
10 Wochen.
Keine wesentliche Besserung; später Eisen,
dabei nahm Hb in 7 Wochen 10 Proc. ab.
Wenig gebessert; nahm nachher ohne
Erfolg Eisen.
dito.
Bei dieser Therapie wurde sowohl das Hämoglobin, wie das später verabfolgten Eisens soll weiter unten noch näher eingc’
Allgemeinbefinden sehr wenig günstig beeinflusst — im Gegensatz gangen werden,
zum Gewicht. Auf die Wirkung des in fünf von diesen Fällen
Mehrere Aderlässe.
Hb in
Proc. bei
Beobach¬
tungs¬
dauer in
Wochen
Zahl
der
Ader
lässe
Anzahl der r. Bl.
in Millionen
am
Anfang j Schluss
Durchschnittliche
wöchentliche
Zunahme des
Hb in Proc. | Gew. in kg
Allgemeinbefinden
bei der Entlassung etc.
9
5
3,0
3,6
1,11
0,53
Keine Beschwerden.
2
2
4,0
—
2,50
1,50
dito.
8
4
4,2
4,1
-0,36
0,41
Völlig ungebessert.
8
6
3,7
4,2
-0,31
0,21
dito; später ohne Erfolg Eisen.
5
3
4,0
4,4
0
-0,10
Wenig gebessert; später ohne Er¬
folg Eisen.
Mittel:
0,59
0,51
13. L. T., Dienstmädchen, 17 J.
14. A. B., Kaufm.-Tochter, 22 .,
15. M. P., Dienstmädchen, 26 „
16. J. E , ., 17 „
17. J. S., . 21 .
Zwar stieg in der Mehrzahl dieser Fälle das Körpergewicht, bekamen, auch hierdurch keine Vermehrung des Hämoglobins erzielt
doch war in Bezug auf den Hämoglobingehalt nur bei 2 Fällen wurde. Das Allgemeinbefinden wurde durch die Wiederholung der
eine Zunahme zu constatiren. Bemerkenswerth ist auch hier wieder, Aderlässe nur wenig gebessert,
dass bei den Patientinnen 16 und 17, welche später noch Eisen
Mehrere Aderlässe und Schwitzcur.
Hb in
Proc. bei
18. E. ö., Dienstmädchen, 18 J.
19 - A - T., „ 17 „
20 - C. H., „ 22 „
21 - E - M, „ 26 „
22 - M. G, , 15 „
Beobach¬
tungs¬
dauer in
Wochen
Zahl
der
Ader¬
lässe
Anzahl der r. Bl.
in Millionen
am
Anfang | Schluss
Durchschnittliche
wöchentliche
Zunahme des
Hb in Proc.| Gew. in kg
Allgemeinbefinden
bei der Entlassung etc.
8
2
4,6
6,6
0
0,09
Keine Besserung.
14
3
5,2
5,8
—1,25
0,35
dito.
8
2
—
4,1
-0,62
0,89
Beschwerden gehoben.
8
2
—
5,7
-1,25
0,68
Ungebessert.
11
2
2,0
4,1
0,23
-1,04
Keine Beschwerden, später Eisen;
dabei in 3 Wochen Hb-Zunahme
um 7,5 Proc.
Mittel:
-5,6
0,19
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658
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
Während das Gewicht mit einer Ausnahme stieg, konnte Bei dem Fall 22 wurde durch spätere Eisenverordnung eine
dasselbe Resultat für den Hämoglobingehalt nur in einem Falle Vermehrung des Hämoglobins erzielt. Frei von subjectiven Be-
constatirt werden; dreimal fand sogar eine Abnahme statt. sehwerden waren bei der Entlassung nur zwei Patientinnen.
23. J. S., Dienstmädchen, 19 J.
24. L. J., Kaufmannsfrau, 27 „
Mehrere Aderlässe, Schwitzcur und gleichzeitig Eisen.
Hb in
Beobach-
Zahl
Anzahl der r. Bl.
Durchschnittliche
Proc. bei
tungs-
der
in Millionen
wöchentliche
der Auf-
dauer in
Ader-
am
Zunahme des
nähme
Wochen
lässe
Anfang
Schluss
Hb in Proc.
Gew. in kg
45
27
6
4,4
5,4
1,07
-0,08
45
9
2
5,0
—
—1,11
0
Mittel: -0,02 —0,04
Allgem einbefinden
bei der Entlassung etc.
Ungebesscrt.
In diesen Fällen nahm das Körpergewicht ab. Bezüglich des während der ersten 16 Wochen, wo die Hämoglobinzeltchen gc-
Hämoglobins machte sich eine interessante Erscheinung geltend: die geben wurden, um 5 Proe. (d. h. durchschnittlich um 0,31 Proc.
beiden Patientinnen bekamen das Eisen in Gestalt von Pfeuffer's pro Woche) sank, während unter Gebrauch von Ferr. saccharat.
Hämoglobinpastillen, im Fall 23 wurden dieselben jedoch durch oxydat. eine Zunahme von 27,5 Proc. in 11 Wochen (d. h. durch-
1‘err. oxydat. saccharat. ersetzt. Dabei zeigte es sich, dass, während schuittlich 2,5 Proc. pro Woche) eintrat,
das Hämoglobin im Fall 24 überhaupt abnahm, dasselbe im Fall 23
25. M. S., Dienstmädchen, 17 J.
26. E. B., . iß „
27. M. S, „ 23 „
28. A. S., . 23 „
29. M. S., , 22 ,
Schwitzcur.
Hb in
Proc. bei
der Auf¬
nahme
Beobach¬
tungs¬
dauer in
Wochen
Anzahl der r. Bl.
in Millionen
am
Anfang | Schluss
Durchschnittliche
wöchentliche
Zunahme des
Hb in Proc.j Gew. in kg
45
9
5,0
3,8
-1,11
0,57
30
7
4,7
4,0
0
0,90
60
9
4,0
4,6
0
0,56
30
7
6,1
5,7
1,79
-0,07
30
8
3,9
4,8
1,25
0,22
Allgemeinbefinden
bei der Entlassung etc.
Keine Beschwerden.
Beschwerden geringer, später Eisen, danach
in 8 Wochen Hb-Zunahme von 27,5 Proc.
Keine Beschwerden; später ohne Erfolg
Eisen.
Gebessert; später Eisen; dabei iu 2 Wochen
Hb-Zunahme von 7,5 Proc.
Ungebessert; später Eisen ohne Erfolg.
Hierbei fand mit Ausnahme eines Falles ein:: Zunahme des
Gewichtes statt, während eine Zunahme des Hämoglobins nur in
2 Fällen ein trat. Die spätere Vorordnung von Eisen hatte einen
ungleichmässigen Einfluss. Das subjective Befinden besserte sich
in der Mehrzahl der Fälle.
Ein Aderlass und Eisen.*)
= 1 £ Anzahl der r. 111,
5 > in Millionen
Anfang Schluss
Durchschuittl.
wöchentliche
Zunahmo
des
Hb in Gew.
I'roc. in kg
30. E. H., Dienstm..
31. A. H„
22 J. 23
25
erwähnt.' 016 Fälle 33 “ 48 Siad in meiner ^se^ion noch nicht
In dieser Keihe finden wir sowohl mit Rücksicht auf das
Körpergewicht, mit einer Ausnahme, günstige Werte, als auch —
und dies in hohem Grade — hinsichtlich des Hämoglobingehaltes.
Dem entsprechend ist in allen Fällen das Allgemeinbefinden am
Schluss der Behandlung ein gutes.
Eisen*).
|T'c]
2 s
2.c
c <
ej •-
£
£■§
b;
60
2
30
4
65-7C
4
45
2
15-20
4
20
4
35-40
6
35
4
25
4
35
5
Anzahl derr. Bl.
Durchschnittl. . _
wöchentliche
Zunahme fl-S
. ® J
des »«5
Anfang
Schluss
Hb in
Proc.
Gew.
in kg
2,50
-0.75
3,9
4,3
6,25
0,23
4,3
4,6
0
1,17
4,9
5,1
7,50
0,87
2,9
5,1
6,25
0,31
2,7
4,0
13,75
0,62
4,0
4,0
5,00
5,00
0,75
3,2
4,0
0,37
3,7
4,2
10,51*
0,87
4,5
4,5
5,00
0,35
Mittel:
6,18
0,48
Auch in dieser Kubrik fällt eine starke Vermehrung des
Hämoglobins auf; ein ähnliches Verhalten weist das Körpergewicht
aut. Dabei fand auch in dem subjectiven Befinden durchweg eine
deutliche Besserung statt.
Stellen wir zum Schluss noch einmal die gefundenen Mittel-
werthe l:ür die wöchentliche Zunahme des Hämoglobins und des
Körpergewichts bei den verschiedenen Arten der Behandlung zu-
*) Die Fälle 54—58 sind in meiner Dissertation noch nicht
erwähnt.
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14. Juli 1896.
sammcn, und zwar nach der Höhe de« , ,
so erhalten wir folgende Reihenfolge Hä,n0gIobin S ehaIt e« geordnet,
^^A E ±J^ommcmwooHEmGHBiFT.
G59
Ein Aderlass und Ei
Eisen.
Ein Aderlass . .
Mehrere Aderlässe
Schwitzcur ....
Ein Aderlass und'schwitzcur
Mehrere Aderlässe und Schwitzcur '
SitriÄ r hcn
bereits oben darauf hingewiesen worden 1 *1, ' 8t icdoch
nicht in jedem Falle eonstatirt w„ A ’ £*** dlese,be durchaus
die Beurtheilung des Heilerfd • r< ?°j b> ‘ IS Hanssgebende für
Hämoglobins. H ^ g es ist jedenfalls das Verhalten des
^ ™ *- Adcrfa,, ,,„d
neigt sein, die gemeinschaftliche’ \.,w mÖChte hlernach g0 ‘
** 1—*- Adtrkss " ud
die Hümo^obin^rinehrung ^rzklt'^ währ £ td"™* fÜr
Therapie: «Ein Aderlass! ZT ’ • , , . das Kcsultat der
ersten beiden Gruppen surtckhlmht Z^ hmter dem der
es, wie oben erwähnt sehr 7 t ih’t abge,sebon davon, dass
immerhin 'f * fW-bei erreichte
lass bedingt ist. g f ° ,g durch den deinen Ader-
hoiJÄ;" W ? hrte di « Behnndlnne mit wieder-
gemeinsehaftlich. 1 ZCUr ’ 0 er 11111 Aderlass und Schwitzeur
einer.“ td Adert” ^ ^
em anderes mit dem besten Erfolge angewandt wird V £
P | CU K ff0r ' SChen H^oglobÄn"
sich hJ 5 n d ? F 0Xydafc ' sacchar - ersetzt waren , Hess
constatiren Vemuttlich m“ d"" r®'“ ^ H *^ W)i "*eh.lt«.
Fällen 26 „nd IZ • “ , , daS Gesa mmtergebniss der in den
™ r ä
Behandlung w F,sen crh *eltcn, diese Eisen-
anaiung keinen Nutzen brachte.
Fällen 1ZU fi " de “> d ‘™ - diesen
bei anfänglicher Bettrnhf subjecfcivcn Beschwerden
strenger Bettrulm w h «f^en waren, von der Wiederaufnahme
abgesehen wurde 6 W * d " ««enbehandlung
mit Eisen wLT“" ““ d j e FaI,e > ***» ™ vornherein
- bei hochtdS PhT Und , dabei Anfa ' lgS ehlC ** i aD S
Bette gehalten w.frl Ch } 0T0S \ “® hrere Wochen hindurch — i„,
Bl u tauf besser unv d .® n ’ h,n8, J tIlcl1 der schnellen Fortschritte der
der Ansicht nicht °j ,8 * n vcrgleicht > 50 ka »>n man sich
lang wesentlich Bflttrahe ci " c ” die Behänd-
-ch STSSaT ZZf" FaCt ° r bildet ‘ Dafür ja
Hospital mit Eisen , f-t T*" der Hellen, welche im
wurden, vorher zu HaJ de,chzeifc | ger Bettruhe rasch gebessert
mussten, schon lange Eisen’ h° w- Tagewerk nachgehen
senon lange Eisen ohne Wirkung genommen hatten.
Beobachtung Aachen”k'önuen rnC d “ Mentiunen die
mit «taSÄS g , ZcT„det e Tf“ r “"°'
meht unbeträchtliches Austri^u d „ Htaol, K '“l f ””
Zufuhren. S «ämoglobingchaltes herbei-
Was die subjectiven Beschwerden betrifft «n
selben nach einigen im Bott k 1 . ,n ’ 80 ^" egfcen die-
unseren FlUcT^^h iffi ^ Tagen fast *» allen
handelten - rasch zu ve^. 1 - , de " audern Methode» be-
suchung des Blutes schon eilien"^ Fortschritt ^de “ ^ U ", ter '
überhaupt ausblieb, erkennen zu 1 «« i’ d » Ja nicbt selten
Verordnung lies, diese „bjeetive Besserung d« Btabefutd “iT
dtngs merst nicht lange auf sich .arten «Her¬
über d-rgZ tiZZriT, S ' ito » Angaben
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Referate und Bücheranzeigen
?aiS:‘SvS
fbid. Bd E kxiI°H: Ee p er i8 die ' Virt ""® des Th rrojodi„ S .
1) Die wirksame Substanz der Schilddrüse wird weder durch
Siedehitze, noch durch Einwirkung starker Mineralsäu en^^ zerstört
S wird gewonnen durch Kochen der Drüsen mit lOp^tSer
Schwefelsäure während längerer Zeit, wobei von der wirk«
». « Dl r TT T';^ “' 8 bräMlicher Niederschlag S *
m‘t AikoW J!'d P ^ ?® ’ rir 1 d T teM ° n0th d “ ret Behandlung
mit Alkohol und Petroleum-Aetber gereinigt. Aus der Lösung
von Tlu-rö- 1 Ur Cm geeig " CtCS Vorfa hren noch kleine Mengen
hr ?! gewinnen. Das gereinigte Tbyrojodin stellt ein
bräunliches Pulver dar, das in Wasser unlöslich, in heissem Wein-
St Iteff'cLTo ' n p ÖtZC, ; den ? ,ka,ien leicht W» ist, reichlich
An fl ?, °’ J 1 . P l r0C - Phos P hor und etwa 10 Proc. Jpd enthält
-Vuch durch künstliche Verdauung der Schilddrüsen mit Magen-
: dTtZo ^ W ‘ r f ame SubStanZ Sehr Vülks tändig erhalten.
Das Thyrojodm ist nur zum kleinen Theil frei in der Drüse
zum weitaus grössten Theil ist es an Eiweisskörper gebunden
Mit einem Enzym hat dasselbe nichts zu thun.
Im zweiten Theil wird die .Methode der quantitativen Jod¬
best, nirnung m den Schilddrüsen beschrieben, welche eine colori-
Daun S fM C Jn St d U 1 Im / n f P . V ° n Rabourdin angegeben wurde.
, , , g d,e bei der Bestimmung des Jodgehaltes der Hammel-
schilddrüsen gewonnenen Zahlen.
2) Dm dritte Mittheilung B a u m a n n ’ s über seine wichtige
Entdeckung enthalt zunächst noch einige Angaben über die colori-
TZZfr Methode 4 ’ wclcbe z,lr Bestimmung des Jodgehaltes der
Schilddrüsen zur Anwendung kam. Dann folgt die genaue An¬
gabe von Versuchen, deren Resultate B. zum Theil schon in
einem im ärztlichen Verein zu Freiburg gehaltenen Vortrage mit-
getheilt hat (s. d. Wochenschr. 1896, No. 14, pag. 309). Bei
der irntarännhmtir t re» _ _i i '
- 1 Ö» 0 , £io. 14, pag. 309). Bei
der Untersuchung von Schilddrüsen, welche aus Freiburg, Ham-
| bürg und Berlin stammten, erwies sich das Gewicht der Schild-
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660
No. 28.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
drüscn aus Freiburg, wo der Kropf endemisch ist, am höchsten,
ihr Jodgehalt am niedrigsten, umgekehrt wie in Berlin und Ham¬
burg, wo keine Kropfendemie besteht. Im jugendlichen Alter ist
der Jodgehalt sowohl absolut als auch relativ wesentlich niedriger
als bei Erwachsenen und in gleicher Weise geht im (Jreisenalter
derselbe häufig stark zurück. In Kröpfen fand B. immer nur
sehr geringe Mengen von Jod. Zwischen Jodgehalt der Schild¬
drüsen und dem Vorkommen von Kröpfen besteht nach diesen
Resultaten ein ganz bestimmter Zusammenhang.
Kurzdauernde Erkrankungen beeinflussen den Jodgehalt der
Schilddrüse nicht, dagegen scheinen chronische, den Ernährungs¬
zustand reducircndc Krankheiten zugleich mit dem Schwund des
•Schilddrüscngewcbes auch den Jodgehalt zu vermindern.
Diesen Versuchen am Menschen reihen sich weitere an ver¬
schiedenen Thioren an. Wichtig erscheint, dass beim Hunde
nach längerer Fleischfütterung der Jodgehalt der Thyreoidea stark
rcducirt ist, wonach entweder ein sehr geringer Jodgehalt des
Fleisches, oder ein starker Verbrauch von Thyrojodin bei reiner
Fleischkost anzunehmen ist. Werden die Hunde mit Hunde¬
kuchen, welcher jodhaltige Zuckerrüben cinschlicsst, gefüttert, so
steigt der Jodgchalt der Drüse merklich an.
Aus diesen und anderen Fütterungsversuchen am Hunde
wird ersichtlich, wie das in Spuren in den Nahrungsmitteln ent¬
haltene Jod in der Schilddrüse zur Ablagerung kommt, wogegen
das Wasser nicht als Jodspender für den Organismus angesehen
werden kann.
Am Schlüsse werden noch die Resultate der Untersuchung
von Schilddrüsen verschiedener Thiere angeführt. Die Schilddrüse
vom Schwein zeichnet sich durch einen sehr geringen Gehalt an
Jod aus, während diejenige vom Pferd und vom Rind jodreieh
sich erwies.
Immer den Fortschritten seiner Wissenschaft folgend hat der
Autor auch diese Auflage mit mannigfachen Zusätzen ausgestattet,
von welchen wir besonders das Capitol «Experimente und Theorien
über die Bedeutung der crstgebildeten Furchungszellcn und ein¬
zelner Abschnitte des Eies für die Organbilduug des Embryo»
mit Freuden begrüssen. Er führt uns hier mitten hinein in den
Streit der cntwicklungsmcchanischen Tagesfragen, in welchem er
ja selbst bekanntermassen eine führende Stelle einnimmt und prae-
cisiert seinen ablehnenden Standpunkt gegenüber dem His'schen
«l’rincip der organbildenden Keimbezirkc» und der Roux’schcn
• Mosaiktheorie» an der Hand einer Beschreibung der einschlägigen
Kxjwrimcutc und theoretischer Erwägungen.
Eine wesentliche Bereicherung hat ferner das Capitol von
der Ei- und Samenbildung erfahren durch Besprechung der Resul¬
tate Brauers und der trefflichen Untersuchungen von Rück er t
über die Eibildung bei den Copepodcn ; eine theilweise Umarbeitung
treffen wir bei der Beschreibung der Entwicklung der äusseren
Geschlcchtstheile und an vielen anderen Stellen.
Als ein Mangel des sonst so ausgezeichneten Buches wollte
uns immer der Umstand erscheinen, dass der Autor so wenig Ge¬
wicht auf die Darstellung der Histogenese legt; nun hat er uns
aber in dem Vorwort zu der vorliegenden Auflage versprochen,
diese histologische Seite seines Themas in dem zweiten Thcile
seines Grundriss der allgemeinen Anatomie und Physiologie, einer
eingehenden Bearbeitung zu unterziehen, dessen Erscheinen wir
also mit Spannung entgegen sehen dürfen.
Die Ausstattung des Werkes ist eine ausserordentlich schöne
und gediegene, wodurch sich ja bekanntlich alle Lehrbücher des
Fi s cher sehen Verlags so vortheilhaft auszeichnen.
R. Kr au sc-Berlin.
Neueste Journalliteratur.
3) Die Arbeit gibt ein Bild, wie schrittweise die einzelnen
aus der Schilddrüse gewonnenen Produete bis zum annähernd
reinen Thyrojodin in ihrer Wirksamkeit auf parenchymatöse Kröpfe
geprüft wurden. Es wird gezeigt, dass, wie auch schon Bau-
mann betonte, nicht das Jod an sich die beobachtete Wirkung
bedingt, sondern dass dieselbe durch den specifischen, von der
Schilddrüse gebildeten jodhaltigen Körper, das Thyrojodin, hervor¬
gerufen wird. Denn schon 0,4 mg Jod in Form von Thyrojodin
eingegeben, übten eine deutliche Wirkung auf den Kropf aus,
eine Menge, welche als Jod wohl kaum einen Erfolg erzielt hätte.
Das Thyrojodin verhält sich wie die frische Schilddrüse dem
Kropf gegenüber, nur wirkt sie rascher und intensiver. Es ver¬
mag aber natürlich den Kropf nicht ein- für allemal zu beseitigen;
beim Aussetzen des Mittels kommen immer wieder Reeidivc, da
es ja im Organismus verbraucht wird. Der nach der Extraction
des Thyrojodins verbleibende Theil der Drüsen übt, entsprechend
seinem sehr geringen Jodgehalt kaum mehr eine Wirkung aus.
Neben den kurzen Auszügen aus den Krankengeschichten von mit
Thyrojodin behandelten Kropfkranken, worden auch 2 Beobacht¬
ungen von günstiger Einwirkung des Mittels auf Psoriasis angeführt.
Bei .einem exacten .Stoff Wechsel versuche am Hunde zeigte
sich durch das Thyrojodin eine typische Beeinflussung auf die
Stickstoff-, Plmsphorsäure- und Chlornatriuinausseheidung, indem die
gleiche Steigerung auftrat, wie bei Fütterung mit frischer Drüse.
Aus allen vorhandenen Untersuchungen zeigt sich also die Gleichheit
der Wirkung des Thyrojodins und der Schilddrüscnsubstanz und
zwar in Beziehung auf den Kropf, auf die Allgemeinerscheinungen,
auf das Myxoedem ( Lei ch ten s ter n , Ewald) und auf den
Stoffwechsel. F . V oit.
Oscar Hertwig: Lehrbuch der Eiitwickelungs-
grescluchte des Menschen und der Wirbelthiere. V. Auf
läge. Jena. Gustav Fischer. 1896.
Wiederum liegt eine neue Auflage, die fünfte des Hcrtwig'-
schcn Lehrbuches uns vor. Es biesso Eulen nach Athen tragen
wollten wir hier die Vorzüge des bekannten Werkes auseinander¬
setzen welches durch seine einfache, klare und doch so fesselnde
Darstellung ein Liebhngsbuch des deutschen Mcdicincrs geworden
ist und auch m. Auslande, wie die verschiedenen Uebersctzungen
beweisen, verdienten Beifall gefunden hat.
Deutsches Archiv für klinische Medicin. 57. Band, 1. und
2. Heft.
1) P.Deucher: Ueber die Wirkung des Digitalinum verum
bei Circulationsstörungen. (Aus der med. Klinik in Bern.)
Der neuerliche Versuch, die wirksamen Bestandtheile der
Digitalis chemisch rein darzustellen und durch ein solches Präparat
die Nnchtheile der gebräuchlichen Digitalisverabreichung zu umgehen,
ist nach den Mittheilungen des Verfassers als gescheitert anzusehen.
Das Digitalinum verum wirkt weder bei innerlicher noch bei
subcutaner Anwendung so günstig wie das Digitalisinfus. Bei Ver¬
abreichung per os wird es augenscheinlich durch die Magenverdauung
zersetzt, subeutane Digitalininjectioncn dagegen haben starke locale
Reizung und Entzündung, meist auch Fieber zur Folge.
2) A. Chelmonski-Warschau: Klinische Untersuchungen
über den Einfluss des Fäulnissextractes auf den Verlauf
mancher Infectionskrankeiten.
Bei einer Reihe von Infectionskrankheiten, wie Abdominal¬
typhus und Flecktyphus, bei Erysipel und Pneumonie soll nach
der etwas optimistischen Auffassung des Verfassers der aus faulendem
Fleich gewonnene Extract den Krankheitsverlanf günstig beeinflussen;
es 8oll dieser der jedem Organismus eigentümlichen Fähigkeit,
die ansteckenden Keime zu bekämpfen, wirksam zur Seite stehen,
ausserdem noch einen günstigen Einfluss auf das Nervensystem
ausüben!?
3) A. Schmidt: Ueber die Schleimabsonderung im Magen.
(Aus der med. Klinik und Poliklinik in Bonn.)
Der allgemein verbreiteten Ansicht, dass der Schleim vom
Magensaft nicht angegriffen wird, tritt Verfasser entgegen, indem
er nach weist, dass auch der zäheste Schleim von HCl haltigem
Magensaft bald gelöst, d. h. verdaut wird; analog dieser Beobachtung
stellt Sch. den Satz auf, dass da, wo der vom Magen gelieferte
Schleim sehr reichlich ist und glasig gequollene Beschaffenheit zeigt,
die Säureabscheidnng eine ungenügende ist. Die grossen Schleim-
mengen, die man so häufig im Erbrochenen oder Ausgeheberteii
von Magencarcinomkranken antrifft, können theils durch Mangel
an Salzsäure, zum Theil aber auch durch die reichliche Wucherung
der Beclierzelleu erklärt werden.
4) W. G e r 1 a c h - Poltawa: Kritische Bemerkungen zur
gegenwärtigen Lehre von der Darmatrophie.
Auf Grund seiner Untersuchungen an Leichen und an Versuchs-
thieren kommt G. zu der Ueberzeugung, dass die Lehre von der
Darmatrophie, wie sie von Nothnagel begründet wurde, unrichtig
ist. Die bisher für die Darmatrophie als charakteristisch gehaltenen
Bilder (Dilnnerwerden der Darmwand, Seltenerwerden der Zotten
u. s. w. i können künstlich durch Blähung genügend faul gewordener
Därme hergestellt werden.
6 M. Askanazy: Der Peitschenwurm ein blutsaugender
Parasit. (Aus dem pathologischen Institut zu Königsberg.)
i.s wird in dieser Arbeit nachgewiesen, dass der Trichocephalus
dispar mit seinem Vorderkörper in die Darmschleimhaut einzudringen
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14. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
661
vermag. Die meist schon mit blossem Auge erkennbare braune
Pigmentirung des Darmes der Trichocephalen wird nach Behandlung
mit Ferrocyankalium und Salzssilure intensiv blau, ist also eisen¬
haltig. Es ist augenscheinlich, dass die Stammquelle dieses Pigmentes
nicht im eisenarmen Darminhalt, sondern im Haemoglobin des
Blutes zu suchen ist. Die alte Anschauung, dass der Trichocephalus
ein Kothschmarotzer ist, wird dadurch hinfällig.
6) G. Sticker: Atrophie und trockene Entzündung der
Häute des Respirationsapparates; ihre Beziehung zu Syphilis.
(Aus der med. Klinik in Giessen.)
Zu einem kurzen Referat nicht geeignet.
7) H. Köbner-Berlin: Nachtrag zu seiner Arbeit „Ueber
Pemphigus vegetans“.
K. theilt noch einige Fülle von Pemph. veg. mit, welche eine
weitere Stütze dafür sein sollen, dass diese seltene Krankheit auf
einer Intoxication beruht.
8) K. M. Mayer: Die Fehlerquellen der Haematometer¬
untersuchung (v. Fl ei sch 1). (Aus der Augenklinik in Greifswald.)
Diese Arbeit ist vorzüglich eine ophthalmologische Unter¬
suchung über die Farbenempfindlichkeit der Netzhaut. Am Schlüsse
der recht eingehenden Erörterung und der zahlreichen Versuche
gibt Verfasser den Rath, dass zur Gewinnung möglichst genauer
und übereinstimmender Resultate die Ablesung am Haematometer
durch wiederholte Einstellungen controlirt werden soll; es dürfen
diese aber nicht unmittelbar aufeinander folgen, es muss vielmehr
einer jeden eine längere Ruhezeit des Auges vorangehen.
L. R. Müller-Erlangen.
Zeitschrift für klinische Medicin. 30. Band, 3. und 4. Heft.
13) A. Gläser; Mittheilungen über 20 Jahre Diphtherie
im Hamburger allgemeinen Krankenhause.
Statistischer Bericht mit zahlreichen Curven und Tabellen, zu
einem kurzen Referate nicht geeignet.
14) W. Koenig: Ueber das Verhalten der Hirnnerven bei
den cerebralen Kinderlähmungen nebst einigen Bemerkungen
über die bei den letzteren zu beobachtenden Formen von
Pseudobulbärparalyse. (Aus der Irrenanstalt von Dalldorf.)
Die vom Verfasser an 72 Fällen der Idiotenanstalt beobachteten
Verhältnisse sind Folgende. DerFacialis war nur in 18 Fällen normal,
in 17 zweifelhaft, in den übrigen Fällen immer betheiligt, der Hy po-
glossus allein paretisch in 4 Fällen, zusammen mit dem Facialis
in 18 Fällen. Die Facialisparese war häufig nur bei genauer Unter¬
suchung zu entdecken, Augen- und Stirnfacialis selten in Mitleiden¬
schaft gezogen; die unwillkürlichen Bewegungen waren meistens
mit betheiligt; in wenigen lallen trat die Parese nur bei emotionellen
Bewegungen hervor. Der Sectionsbefund eines der 5 secirten Fälle
von mimischer Parese, in welchem der Thalam. optic. frei war,
spricht dafür, dass nicht nur bei Sehhügelaffectionen mimische
Paresen Vorkommen, sondern auch corticale Läsionen solche ver¬
ursachen können. Prüfungen des Geruchs, des Geschmacks
und des Gehörs konnten nicht gemacht werden. Von Seiten des
Trigeminus war nur bei 4 Fällen eine Betheiligung der motorischen
Portion vorhanden. Alleinige ßetheiligung der äusseren Oculo-
motoriusäste war lmal, Betheiligung der äusseren und
inneren Aeste desselben lmal, ausschliessliche Betheiligung der
inneren Aeste 6 mal vorhanden. Der Gehirnbefund bei den von diesen
zur Section gekommenen Fällen war makroskopisch sehr ähnlich dem
bei progressiver Paralyse; das mikroskopische Bild zeigte jedoch
völlige Intactheit der Fasern der Hirnrinde und des centralen Höhlen-
grau’s. Bei 3 dieser Fälle war hereditäre Lues wahrscheinlich,
Einseitige Abducensparese fand sich 3 mal, doppelseitige ft mal.
Nystagmus ft mal, 0 p t i c u s atrophie fand sich häufiger doppelseitig
als einseitig. Tachycardie ohne anderweitige Herz- oder Lungen-
affectionen wurde 9mal, darunter 2mal mit Struma und lmal als
Theilerscheinung eines typischen Morbus Basedow, beobachtet.
Die cerebrale Kinderlähmung kann endlich auch in Form der
Pseudobulbärparalyse auftreten, doch war dieser Symptomencomplex
in den Fällen des Verfassers insofern atypisch, als die Schluck¬
störungen häufig fehlten oder sehr gering waren. Da die Sprache
in allen Fällen nicht nur nasalen Beiklang, was auch durch Nasen-
rachenaffectionen allein bedingt sein kann, sondern auch sonst
Störungen centralen Ursprungs wie Scandiren, Monotonie, undeut¬
liche Articulation, Verlangsamung etc. zeigte, glaubt Verfasser diese
Fälle zu der Pseudobulbärparalyse rechnen zu dürfen.
15) Weisb eck er-Gedern in Oberhessen: Heilserum gegen
Masern.
Verfasser spritzte Serum, das er durch Venaesection bei Masern-
Reconvalescenten gewonnen hatte, bei einem Masernfall im Prodromal¬
stadium ein, und beobachtete verzögertes Auftreten des Exanthems,
welches im Gesicht zuletzt sieb entwickelte, ausserdem bei 4 Fällen
von schweren Masernpneumonien, welche alle zur Heilung kamen.
Bei 2 Fällen trat die Entfieberung nach 6 bezw. 24 Stunden ein. In
allen 4 Fällen trat bedeutende Besserung nach der Injection ein.
16) H. Strauss: Ueber das Verhalten der Blutalkalescenz
des Menschen unter einigen physiologischen und patho¬
logischen Bedingungen. (Aus der Klinik Senator’s in Berlin.)
Die vom Verfasser nach der Loewy'schen Methode aus¬
geführten Untersuchungen ergaben: der mittlere Alkalescenzwerth
nach Loewy bestimmt, beträgt für den gesunden Erwachsenen
300—350 mg Na OH auf 100 ccm Blut. Schwankungen von 75 mg
nach oben oder unten liegen in der physiologischen Breite. Werthe
über 400 sind abnorm hoch, solche unter 250 abnorm niedrig. Bei
ein und demselben Individuum kommen während der verschiedenen
Tiigeszeiten keine groben Schwankungen in der Blutalkalescenz vor;
auch 3 Stunden nach Aufnahme einer Riegel'schen Probemahlzeit
zeigt sich keine grobe Aenderung der Alkalescenz; ebenso ist der
Alkalescenzgrad an verschiedenen Tagen ziemlich constant, doch
kommen Ausnahmen vor. Die Alkalescenz bei Subaciditüt oder
Hyperacidität zeigt keinen durchgreifenden Unterschied. Bei künst¬
lich durch Tuberculininjection erzeugtem Fieber, wie bei Fieber in
Folge von Typhus, Pueumonie, Erysipel, Septicopyamie war das
Verhalten der Alkalescenz inconstant. Ebenso nach Einspritzung
von Spennin, desgleichen bei verschiedenen malignen Neubildungen.
D e bei Anaemien, Leukuomie, Diabetes, Nieren-, Leber- und Herz¬
krankheiten gemachten Untersuchungen sind zu gering, um daraus
Schlüsse ziehen zu können. Zum Schlüsse geht Verfasser noch auf
die Vorrichtungen, über welche der Organismus zur Regulirung der
Blutalkalescenz bei Zufuhr von Alkalt oder Säure verfügt, ein.
Alkalescenz-Erhühung oder -Erniedrigung ist nach Verfasser dann
als Ausdruck einer Störung dieser Regulationsapparate aufzufassen,
und zwar Alkalescenzerniedrigung als eine Insufficienzerscheinung
derselben, Alkalescenzerhöhung als das Bestreben des Organismus,
seine Resistenz gegen Infectionen und Intoxicationen, speciell Säure-
intoxicationen, zu erhöhen.
17) L. Caro: Ueber Leukocytose und Blutalkalescenz.
(Aus der Klinik von Leydens.)
Verfasser untersuchte den Einfluss von Injectionen von Tuber-
culin, Spennin und Pilocarpin auf den Alkalescenzgrad des Blutes
nach der Löwy'sehen Methode mit gleichzeitiger Bestimmung der
Leukocytenzahl und fand geringe vorübergehende Schwankungen,
meist eine kurzdauernde Erhöhung mit nachfolgender Verminderung
der Alkalescenz; doch sind diese Schwankungen zu kurzdauernd und
zu unsicher, um therapeutisch verwerthet werden zu können. Eine
feste Beziehung zwischen Blutalkalescenz und Leukocytenzahl, wie
sie Löwy und Richter für das Kaninchen behaupten, konnte
Verfasser beim Menschen nicht finden.
18) V. Hnussmann-Kissiugen: Ueber die Säureausfuhr
im menschlichen Harn unter physiologischen Bedingungen.
(Aus der I. med. Klinik und dem chemischen Laboratorium des
pathologischen Institutes in Berlin.)
Die vom Verfasser nach der von Lieblein modificirten
Freund’sehen Methode der Aciditätsbestimmung im Harn an nor¬
malen Menschen ausgeführten Untersuchungen ergaben Folgendes:
Die absoluten Säurewerthe sind am Vormittage am grössten, am
Nachmittag am niedrigsten, in der Nacht halten sie eine mittlere
Höhe innc. Die Mittagsmahlzcit, gleichgiltig, ob aus einer vege¬
tabilischen oder gemischten oder vorwiegenden Fleischnahrung be¬
stehend, unbeeinflusst von der Flüssigkeitsaufnahme, setzt die Säure¬
werthe in den nächsten 4-6 Stunden herab. Die Diurese setzt die
relativen Säurewerthe herab, vermehrt aber indirect die Säureaus¬
fuhr. Verminderte Flüssigkeitszufuhr führt zur Säureretention iin
Körper. Warme Bäder von 30 -32° R. verringern die Säurewerthe.
Muskelarbeit erhöht die Harnmenge und die Säureausfuhr. Citronen-
saft übt keinen bemerkenswerthen Einfluss auf die Acidität des
Harns aus.
19) C. Dapper: Ueber den Einfluss der Kochsalzquellen
(Kissingen, Homburg) auf den Stoffwechsel und über die so¬
genannte curgemässe Diät. (Aus dem städtischen Krankenhause
in Frankfurt.)
Verfasser kommt durch seine auf v. Noordens Anregung
ausgeführten Untersuchungen zu folgendem Resultat: In zahlreichen
Fällen von Magenerkrankungen, besonders beim Magenkatarrh, haben
die Kochsalzwässer eine starke, nachhaltige Vermehrung der Salz-
säureproduction zur Folge. Bei Magenstörungen durch Hyperacidität
wird durch milssigen Gebrauch der Kochsalzwässer die Salzsäure-
production und die Beschwerden vermindert. Der Gebrauch von
Kochsalzwässern erfordert keine bestimmte curgemässe D i ä t.
Grosse Mengen von Fett und rohes Obst können in geeigneten
Fällen nebenbei gegeben werden; denn die Resorption von Nahrungs¬
mitteln, insbesondere von Fett, leidet nicht unter dem Gebrauch
der Kochsalzwässcr. Der Eiweissumsatz wird durch letzteren nicht
gesteigert. Die Harnsäureausscheidung wird durch den Genuss von
dünnen Kochsalzwässern nicht verändert oder in geringem Grade
vermehrt.
20) W. E. Predtetschensky: Ueber einige Veränderungen
des Blutes unter dem Einfluss von Schlammbädern. (Aus der
Heilanstalt zu Ssaki in der Krim)
Verfasser bestimmte bei 10 Kranken mit chronischem Gelenk¬
rheumatismus und einem an Gicht Leidenden die Znhl der weissen
und rothen Blutkörperchen, den Hämoglobingehalt, das spezifische
Gewicht des Blutes nach Hammerschlag und die Blutalkalescenz
nach der von Stscherbakoff modificirten Landois sehen Me¬
thode vor, während und nach der Schlammbüdercur und fand, dass
fast immer das specifische Gewicht und der Hämoglobingehalt durch
die Schlammbäder vermehrt wurde (bei 5 Patienten dauernd), dass
die Zahl der rothen Blutkörperchen ebenfalls zunahm, die der
weissen dagegen nur unbedeutend vermehrt wurde, dass endlich
die beim chronischen Gelenkrheumatismus verminderte Alkalescenz
des Blutes zunahm, während bei dem Gichtiker nach einer anfäng¬
lichen Steigerung die Alkalescenz wieder abnahm. Letzteres Ver-
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662
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
halten erklärt Verfasser aus der durch die Bäder angeregten Re¬
sorption der im Körper abgelagerten harnsaueren Salze.
Lin de mann-München.
Centralblatt für innere Mcdicin. 1896, No. 27.
L v Nencki: Ueber die pharmakodynamische Wirkung
chemischer Verbindungen in ihrer Abhängigkeit von der
Constitution. , , . .
Die Erforschung der pharmakodynamischen Wirkungen vieler
neueren Heilmittel führte zur Aufstellung gewisser Verallgemeine¬
rungen oder Gesetze, die uns erlauben, aus der chemischen Consti¬
tution eines Körpers auf seine Wirkungsart im Organismus zu
schliessen. Einige dieser Gesetze werden von dem Verfasser nut-
getheilt. So gilt für anorganische Verbindungen der Satz, dass die
nicht vollständig oxydirten Verbindungen giftig auf lebendige Zellen
wirken. Die salpetrige, pliosphorige und arsenige Säure sind starke
Gifte, weil sie, in den Organismus eingeführt, Sauerstoff absorbiren,
dadurch den Lebensprocess der Zellen vernichten und selbst zu
Salpeter-, Phosphor- und Arsensäure oxydirt werden Die giftigen
Eigenschaften der Metallsalze schreibt Sch ulze der Leichtigkeit zu,
mit welcher sie sich im Organismus abwechselnd oxydiren und
reduciren. Die mit Sauerstoff vollständig gesättigten Verbindungen,
welche im Organismus nicht reducirt werden können, sind demnach
keine Gifte.
Für organische Verbindungen der aromatischen Reihe be¬
steht die Regel, dass durch die Einführung der Carbonsäuregruppe
COOH in die Molecüle vieler giftiger aromatischer Verbindungen die
giftigen Eigenschaften derselben stark gemindert und sogar voll¬
kommen aufgehoben werden können. Die Carbonsäuregruppe ist
die höchste Oxydationsstufe der Kohlenstoffverbindungen und im
Organismus nicht reducirbar. So wirkt z. B. Benzol Co He, innerlich
eingenommen, giftig, da es sich theilweise zu Phenol oxydirt; dagegen
ist die Benzoesäure (= Benzolcarbonsäure =) Co Ho. COOH unschäd¬
lich. Alle Hydroxylderivate des Benzols sind mehr oder weniger
giftig, wie z. B. Phenol CoH b . OH, Hydrochinon, Resorciu CoH*(OH):
etc., dagegen können die Carbonsäurederivate dieser giftigen Phenole
auch in grösseren Mengen innerlich eingenommen werden, ohne
schädliche Wirkungen hervorzurufen, wie z. B. Salicylsäure (Phenol-
carbonsäure) CoH«. OH . COOH.
In derselben Weise wie die Einführung der Carbonsäuregruppe
in die Molecüle giftiger aromatischer Verbindungen wirkt auch die
Einführung von Sulfonsäuregruppen. So sind das Benzol, Naphthalin,
Phenol, Naphthol viel stärkere Gifte als die entsprechenden Sulfon¬
säuren.
Von den Derivaten des Paramidophenols und Paracetami-
dophenols üben nur diejenigen eine antipyretische und analgetische
Wirkung aus, welche im Organismus wieder in Paramidophenol und
Paracetamidophenol zerfallen. (Beispiele: Phenacetin, Apolysin.)
Die Erforschung solcher pharmakodynamischer Gesetze bean¬
sprucht ein hohes Interesse, da sie der medicinischen und chemischen
Wissenschaft sichere Kriterien zur Beurtheilung neuer Arzneimittel
in die Hand liefert. W. Zinn-Berlin.
Archiv für klinische Chirurgie. 52. Band, 4. Heft. Berlin,
Hirschwald 1896.
1) Berndt-Stralsund: Zur chirurgischen Behandlung der
Basedow'schen Krankheit.
Zwei Fälle von operativ behandeltem Morbus Basedowii. Die
Operation hatte beide Mal einen ganz wunderbaren Erfolg, besonders
im zweiten Falle, in dem das Leiden etwa 30 Jahre bestand und
die schwersten Erscheinungen bis zu Selbstmordversuchen hervor¬
gerufen hatte.
Verfasser fasst den Basedow auf als eine Neurose, bedingt
durch die Volumsänderung der Schilddrüse bezw. durch die dadurch
bewirkte mechanische Zerrung, Dehnung oder Einklemmnng der
Nervenendigungen des Sympathicus.
2) Lotheissen-Innsbruck: Ein Beitrag zur Chirurgie der
Nieren.
Verfasser stellt die Nierenoperationen der Billroth'sehen
Klinik aus den Jahren 1867 —1895 zusammen, 55 Fälle mit 60 Opera
tionen, darunter 29 Nierenexstirpationen mit 14 Todesfällen und
10 Nephrotomien mit 6 Todesfällen.
Auf die Einzelheiten der Casuistik kann nicht eingegangen
werden. Erwähnt sei nur Folgendes: Die früher beliebten Carboisäure¬
ausspülungen der Nierenwunde forderten 1882 ihr Opfer: parenchy¬
matöse Nephritis der zurückgebliebenen Niere, Tod durch Uraemie.
Die von Israel warm empfohlene Tamponade nur mit sterilisirter
Gaze wurde nie geübt, da dieselbe eine Zersetzung der Secrete nicht
verhüten kann, und eine Secretzersetzung bei den Verhältnissen in
Billroth's Operationssaal stets zu gewärtigen war.
Als Naht- und Unterbindungsmaterial wurde nur Seide ver¬
wandt. Billroth hatte eine unüberwindliche Abneigung gegen das
Catgut.
Die Nephrorrhaphie hat Billroth selbst in seiner Klinik nie
ausgeführt.
3) Lipowski-Freiburg: Pathologie und Therapie der
Harnabscesse. (Fortsetzung folgt.)
4) Cesare Ghillini-Bologna: Experimentelle Knochen-De¬
formitäten.
Kommt es bei im Wachsthum begriffenen Individuen zur Ent-
Wicklung von Deformitäten, so hat man die grösste Bedeutung für
dieselben dem Wachsthumsknorpel zuzuschreiben: die ersten Form¬
veränderungen an den Knocbenenden entwickeln sich in unmittel¬
barer Beziehung zu demselben. Auf die Form Veränderungen der
Knochenenden folgen dann Verbildungen des Knochenkörpers, und
diese stehen im engsten Verhältniss mit den pathologisch veränderten
statischen Verhältnissen, ganz entsprechend den Gesetzen der Statik.
Die Deformitäten des Knochenkörpers hängen somit von einer
functionellen Anpassung an die Gelenkdeformitäten ab, nicht
umgekehrt. Die grösste Bedeutung ist bei den Deformitäten der
Röhrenknochen der Belastung zuzuschreiben, da durch sie die Um¬
gestaltungen der Knochendiaphyse auf Grund der an den Gelenken
veränderten statischen Verhältnisse bewirkt werden.
5) Fronhöfer: Die Entstehung der Lippen-, Kiefer-,
Gaumenspalte in Folge amniotischer Adhäsionen. (Berg¬
mannsehe Klinik Berlin.)
Verfasser beschreibt 4 Fälle von Lippen-, Kiefer-, Gaumen¬
spalte, bei denen sich ausserdem noch andere Missbildungen, Haut-
knöpfe an Augen und Ohren, Verstümmelung der Ohren, Abflachung
einer Gesichtshälfte, Abschnürungen an den Extremitäten, Haken¬
stellung der Füsse, nachweisen Hessen. Alle diese Missbildungen
müssen auf die Druck- bezw. Zugwirkung amniotischer Stränge
zurückgeführt werden. Die Compression der Theile durch den
Druck des Amnion weist auf eine zu geringe Menge Fruchtwasser
hin, und auf diese Weise erklärt sich die Erblichkeit der Missbildung.
Denn der Fruchtwassermangel kann von pathologischen Processen
abgeleitet werden. So erklärt sich das Vorkommen der Missbildung
bei Geschwistern und in der weiblichen Descendenz.
6) Ahlen stiel-Berlin: Die Lebergeschwülste und ihre
Behandlung. , ... .
Nach einigen allgemeinen Bemerkungen über Lebergeschwulste
berichtet Verfasser über einen auf der Abtheilung von R. Köhler
beobachteten Fall von Lebertumor. Derselbe hatte sich klinisch
als Carcinom präsentirt; bei der Probelaparotomie fand man, dass
es sich um Gummata handelte. Der Bauch wurde wieder geschlossen,
eine Jodkalicur eingeleitet und die Kranke geheilt.
Verfasser möchte für zweifelhafte Fälle von Lebertumor die
Probelaparotomie empfehlen. Referent glaubt, dass es doch immer
zweckmässiger ist, eine Jodkalicur vor der Laparotomie zu versuchen.
Zustimmen kann man jedenfalls dem Rath des Verfassers, falls man
bei der Laparotomie ein Gumma findet, von dessen Operation Ab¬
stand zu nehmen. Kr ecke.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 27.
1) Dr. Ludwig Knapp-Prag: Fall von Facialisparese bei
einem Neugeborenen nach spontaner Geburt.
So häufig Facialisllthmungen bei Neugeborenen nach Anwen¬
dung der Zange sind, so selten werden sie nach spontaner Geburt
beobachtet. K. konnte in der Literatur nur bei 8 Autoren derartige
Beobachtungen finden. Sein eigener Fall betraf einen 4000g schweren,
apnoisch geborenen Knaben; die Geburt betraf eine 28jährige
III para und dauerte 2« 1 /* Stunden. Bei der Mutter bestand mässig
allgemein verengtes Becken. Am Kinde fand sich eine tiefe Impres¬
sion des Stirnbeins über dem linken Auge, dessen Lidspalte voll¬
kommen geschlossen war. Die linke Nasolabialfalte fehlte, der Mund¬
winkel hing, auch beim Schreien, herab. Diese Lähmungserschei¬
nungen dauerten nur 14 Stunden und waren nach wenigen Tagen fast
völlig verschwunden.
Als Ursache der Lähmung nimmt K. das Oedem der Haut in
der Umgebung der Impressionsstelle an, welches Nervenfasern des
Facialis comprimirt haben dürfte.
2) Pawlik-Prag: Entgegnung an Prof. Kelly.
Erwiderung auf die Antwort Kelly's in No. 19 des Central¬
blattes (cf. diese Wochenschr. No. 20, S. 482).
Jaffd- Hamburg.
Archiv für Hygiene. XXVI. Band, Heft 2 und 3.
1) Untersuchungen über die Wohnungen des Arbeiter¬
standes in Christiania. Auf Veranlassung der städtischen Gesund¬
heitscommission in Christiania angestellt von Axel Holst, a. o. Prof,
der Hygiene an der Universität zu Christiania.
Die sehr ausführliche Arbeit lässt sich nur schwer im Auszug
mittheilen. Erwähnt sein mag, dass in Christiania ausserordentlich
traurige Wohnungsverhältnisse bei den ärmeren Classen herrschen,
dass zum Beispiel von den Wohnungen, welche nur ein Zimmer
ohne eigene Küche enthalten, 44 Procent, von den Wohnungen,
die ein Zimmer und eine eigene Küche besitzen, mindestens
12 Proc. übervölkert sind. Holst nennt eine Wohnung dann über¬
völkert, wenn auf den Kopf der erwachsenen Bevölkerung nicht
wenigstens 10 cbm und auf jedes Kind unter 5 Jahren ö cbm
kommen. Man darf mit Holst eine Wohnung, die diesen An¬
forderungen nicht genügt, geradezu als äusserst stark übervölkert
bezeichnen Am übervölkertsten sind die kinderreichen Wohnungen.
Von Miethern mit 1 Kind wohnten beispielsweise nur 10 Proc. in
übervölkerten Wohnungen, von Miethern mit 7 Kindern 52 Proc.
Auch die übrigen sanitären Verhältnisse der Wohnungen, die Holst
zu ermitteln und tabellarisch darzustellen versucht hat, waren viel¬
fach sehr traurig. In einigen Stadttheilen müssen bis zu 30 Proc.
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14. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
663
und mehr der Wohnungen direct als unbewohnbar bezeichnet werden.
Als Ursache dieser traurigen Zustände ist ein gewaltiger Mangel an
billigen Wohnungen zu bezeichnen. Jedes Zimmer, es mag noch
so schlecht sein, das mit oder ohne Kücbenantheil zum Preise von
8—10 Kronen monatlich vermiethet wird, ist wenige Stunden, nachdem
die Anzeige erlassen ist, wieder vermiethet. Wohnungen, die halb¬
wegs den modernen Anforderungen an eine Arbeiterwohnung genügen,
d. h. eine Stube nebst eigener Küche von richtigen Dimensionen,
sind unter 13 Kronen monatlich nicht zu bekommen. Eine solche
Miethe ist aber für viele norwegische Arbeiter nur schwer zu er¬
schwingen. Holst warnt die städtischen Behörden davor, über¬
völkerte Wohnungen beim gegenwärtigen Wohnungsmangel einfach
schliessen zu lassen, indem dadurch die Uebervölkerung anderer
Wohnungen nur umsomehr gesteigert würde. Es gibt kein anderes
Mittel gegen die gegenwärtigen Zustände, als wie den Neubau
billiger Arbeiterquartiere.
2) Bonhoff: Untersuchungen über Vibrionen und Spirillen.
(Hygienisches Institut Berlin.)
Bonhoff hat 4 bisher wenig, zum Theil unvollständig studirte
Vibrionen- und Spirillenarten näher untersucht: Vibrio rugula, Spi-
rillum tenue, Spirillum undula und die Spirillen aus Cholera nostras-
Stühlen. Nur die letzteren haben liier grösseres Interesse. Dieselben
sind von Escherich während der Choleraepidemie in Neapel zuerst
gesehen und später auch etwas weiter slndirt und gut beschrieben
worden. Eine Cultur ist bisher keinem Autor gelungen. Bonhoff
bringt nun die überraschende Mittheilung, dass dieser Organismus
auf Agarnährboden Colonien, etwa wie Bncterium coli, hervorbringe,
dasB in diesen Colonien im Anfang kurze Stäbchen oder kürzere,
schwachgekrümmte Fäden vorhanden sind und dass sich später in
diesen Culturen die zarten, dünnen Spirillen entwickeln, welche
seit Escherich so oft bei Fällen von Cholera nostras und andern
DarmafEectionen gesehen und beschrieben worden sind. Es
wären also diese Spirillen, die zum Theil eine fast unmessbare
Feinheit besitzen, Altersformen einer Art, die sonst in wenig auf¬
fallender Form wächst. Für Thiere erwies sich der Organismus als
pathogen, erzeugt per os applicirt Erscheinungen, die mit der Thier-
Cholera entschieden grosse Aehnlichkeit besitzen. Die Stäbchen
haben am einen Ende 2 Geiseln, wachsen nicht auf Kartoffeln,
geben die Nitrosoindolreaction.
3) Untersuchungen über die physiologische Wirkung der
Schlammbäder. I. MiXtheilung von Dr. A. Maggiora, Professor
der Hygiene und Dr. C. Levi, Docent für Physiologie an der kgl.
Universität zu Modena.
Auf 88 Seiten haben die beiden italienischen Forscher sehr
ausführlich die Resultate geschildert, die sie über die Veränderung
der Körpertemperatur, der Herzaction. der Pulscurve und der Arbeits¬
leistung der Muskeln unter dem Einflüsse heisser Schlammbäder be¬
obachteten. Die Arbeit ist mit sorgfältiger Benützung der modernen
Methoden angestellt, wie dies von Maggiora, dem wir bereits eine
Reihe sorgfältiger physiologischer Arbeiten über Ermüdung, Wirkung
von Bädern u. dergl. verdanken, nicht anders zu erwarten war.
Die Versuche wurden angestellt in Aqui in Oberitalien unter Ver¬
wendung des dortigen Badeschlammes (Temperatur von 51—52°)
theils zu Einpackungen einzelner Extremitäten, theils beider Beine oder
beider Arme, theils acuh des ganzen Körpers bis auf einen schmalen
Streifen in der Mittellinie der Brust und des Bauches. Die Versuche
sind theils Selbstversuche, theils Versuche an einzelnen gesunden
Personen. Während ein Wasser von 42° schon sehr unangenehm
empfunden wird, wird die Einpackung in den 52° warmen Schlamm,
in dem man etwa 30 Minuten verweilt, nicht allzu unangenehm
empfunden: Es tritt nur ein gewisses Brennen einzelner Hautstellen
ein. Diese überraschende Thatsache erklärt sich zum Theil daraus,
dass der Schlamm, wo er die Hautoberfläche berührt, sich alsbald
auf etwa 42° abkühlt; da keine Flüssigkeitsbewegung im Schlamme
stattfindet, so bleibt diese niedrige Temperatur der der Haut zu¬
gekehrten Schlammtheile annäherd constant. Auf die Temperatur
des Körpers, gemessen im Mastdarm, übte die Einpackung in Schlamm,
wie in zahlreichen ausführlich mitgetheilten Versuchen dargethan
wird, regelmässig eine steigende Wirkung und zwar um 0,2—1,5° aus.
Je ausgedehnter die Einpackung, um so stärker die Wirkung.
Die Temperatursteigerung fassen die Autoren auf als eine
Erwärmung des Bluts in den erhitzten Hautprovinzen. Die Temperatur¬
steigerung tritt nicht momentan auf, aber allerdings vorwiegend in
der ersten Hälfte des Versuchs und geht ziemlich rasch nach Be¬
endigung des Versuchs zurück. Diesem Badefieber schreiben die
Autoren eine heilsame Wirkung auf die Resorption krankhafter
Producte zu. Wie von verschiedenen Autoren nachgewiesen ist,
ist der Stickstoff - Stoffwechsel im heissen Bad entschieden ge¬
steigert. Die italienischen Forscher haben darüber keine Versuche
angestellt. Die mit vielen Curven (Cardiogrammen und Sphygmo-
grammen) belegten Untersuchungen über die Wirkung auf den Cir-
eulationsapparat lassen sich etwa dahin zusammenfassen, dass die Herz¬
action fast immer bedeutend beschleunigt ist (bis auf das Doppelte,
zuweilen von 60 auf 120 Schläge), dass die Pulse häufig verstärkt
sind, dass der Gefässtonus stark vermindert ist Für das zahlreiche
Detail muss auf das Original verwiesen werden. Auf die Functionen
des Muskelsystem8 wirken die Schlammbäder in einer unzweifelhaft
störenden Weise ein. Läset man den Muskel, z. B. die Beuger des
Mittelfingers ein Gewicht in Pausen von 2 Secunden solange heben,
bis keine Möglichkeit mehr besteht die Last zu bewältigen und
wiederholt man den gleichen Versuch nach einem länger dauernden
Schlammbad, so findet man, dass sowohl die Zahl wie die Höhe
der Contractionen im letzteren Fall bedeutend geringer sind. Nach
dem Bade wird nur etwas weniger wie die Hälfte der Arbeit ge¬
leistet als wie im normalen Zustand. Die Wirkung des Bades geht
in etwa 2'/» Stunden wieder vorüber.
Noch zwei andere Versuchsanordnungen zeigten die störende
Wirkung der Schlammbäder auf die Muskeifunctionen: In der ersten
Reihe wurde wieder mit dem Mittelfinger so lange mit 2 Secunden
langen Pausen die Last gehoben, bis Ermüdung eingetreten war,
dann eine Pause gemacht von 5 Minuten, der Versuch wiederholt
und so eine Anzahl von Contractionsgruppen erhalten bis zur voll¬
ständigen Erschöpfung des Muskels. Auch bei dieser Methodik
zeigte sich ein erheblicher schädigender Einfluss der Schlammbäder.
Und das gleiche Resultat wurde auch erhalten, als nicht willkür¬
liche Contractionen, sondern durch elektrische Reizung erzeugte Con¬
tractionen ausgelöst und aufgeschrieben wurden. Die Verfasser
stellen Fortsetzung ihrer Untersuchungen in Aussicht.
K. B. Lehmann.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 27.
G. S m i r n o w - Petersburg: Ueber das künstlich dargestellte
Diphtherie-Antitoxin.
Im Anschluss an frühere Mittheilungen berichtet Verf. über
eine von ihm ansgearbeitete Methode, ein Diphtherie-Antitoxin da¬
durch herzustellen, dass er eine Bouilloncultur von Diphtherie¬
bacillen elektrolytisch zersetzt. Der Gesammtprocess dieser Dar¬
stellung zerfällt in 2 Hälften, wobei Anfangs nur die Chlorirung
d. h. die Elektrolyse des 0,5 Proc. Kochsalz haltigen Toxins mit
Kohlenelektroden vor sich geht, dann aber die Kohlenelektrode am
pos. Pol zur Entfernung des CI durch mehrmals wechselnde Silber¬
elektroden ersetzt wird. Die Heilkraft dieses so gewonnenen Anti¬
toxins, an inficirten Meerschweinchen ausgeprobt, hängt ausschliess¬
lich von der Chlorirung ab. Die Herstellung dieses künstlichen
Antitoxins ist billig (l Heildosis: 55 — 80 Pf)
2) F. Bl um-Frankfurt a. M.: Protogen, eine neue Classe
von löslichen, ungerinnbaren Albuminsubstanzen.
Die Protogene sind Methylen-Verbindungen von Albuminen,
welche durch ihre Eiweissnatur geeignet sind, den Wärme- und
N-Bedarf des Körpers zu decken. Sie lösen sich in kochendem
Wasser, fallen beim Erkalten nicht aus, können ohne Veränderung
sterilisirt werden. B. glaubt, dass hiermit ein Eiweiss gefunden
sei, das sich zur subcutanen Ernährung eignet.
3) Langerhans-Berlin: Tod durch Heilserum.
L. weist die in dem Gutachten Dr. Strassmann's über den
«Fall Langerhans > gemachte Annahme, als sei das Kind durch
Aspiration erbrochener Massen erstickt, auB einer Reihe von Grün¬
den zurück und erklärt den Tod seines Knaben nach wie vor aus
einer Giftwirkung des «normalen » Serums.
4) G. Vinci-Messina-Berlin: Ueber Eucaln, ein neues
locales Anaestheticum.
Nach ausführlicher Darlegung der chemischen Constitution
des Körpers, führt V. aus: Oertlich bewirkt Eucaln in 2—5 proc.
Lösung im Auge vollkommene Anaesthesie, ähnlich bei Aufpinse¬
lungen auf Schleimhäute. Es verlangsamt bei subcutaner Injection
den Puls, steigert leicht den Blutdruck. Es ist weniger giftig als
Cocain, anaesthesirt aber so gut wie letzteres. Für die menschliche
Cornea und Conjunctiva bewirkt es in 2 proc. Lösung nach 2—5 Min.
eine 10—15 Min. währende Anaesthesie mit leichter Hyperaemie,
verändert die Pupille und die Accommodation im Gegensatz zu Cocain
aber nicht.
5) E. Rimini-Triest: Ueber einen Fall von Pyämie in
Folge acuter eitriger Mittelohrentzündung nach Diphtheritis.
In dem beschriebenen Falle trat 10 Tage nach der Injection
von Behring'schein Serum No. I ein Exanthem, 2 Tage später
doppelseitige Mittelohreiterung auf, dann pyämische Erscheinungen,
4 Tage später Exitus letalis.
6) Th. Gluck-Berlin: Schädeltrepanation und Otochirurgie.
(Fortsetzung folgt)
7) B. Opp ler-Breslau und C. Külz-Marburg: Ueber das
Vorkommen von Diabetes mellitus bei Ehegatten.
Die beiden Verfasser stellen die Literaturangaben über jene
Fälle, wo eine «Uebertragbarkeit des Diab. mell.» in Folge Auf¬
tretens bei Ehegatten in Frage kam, zusammen, erweitern sie durch die
Wiedergabe der Krankheitsgeschichte von 10 diabetischen Ehepaaren
aus der Beobachtung von E. Külz-Marburg (f) und kommen auf
Grund der 77 ausfindig gemachten Fälle zu dem Schlüsse, dass eine
derartige Uebertragung des Diab. mell, nicht im Entferntesten
glaublich ist. Grass mann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 23.
1) Arthur Irsai: Ueber den Einfluss der Schilddrüsen¬
fütterung auf den Stoffwechsel Kropfkranker. (Aus dem phar¬
makologischen Institut der Universität Budapest.)
Durch Untersuchungen des Stickstoff-, resp. Eiweissstoffwechsels,
sowie durch Bestimmungen des respiratorischen Gaswechsels, soll die
Rolle, welche das Körpereiweiss und die Fettsubstanz bei dem
durch SchilddrüsenfUtterung bewirkten Gewichtsverlust spielt, er¬
mittelt werden. Der vorliegende erste Theil der Untersuchungen
ergab folgende Resultate: Die Abnahme des Körpergewichts steht
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No. 28
in geradem VOThältaias mrt g“ b8 tan*, die Harnmenge nimmt
,1er Menge der emvcrleibten Drüsens ^ stickatoffaa8BC heidung
während der Thyreoideafütterang und Bcheint die Körper¬
erscheint besonders durchden . Tbeil durch Verlust an
gewichtsverminderung nur * um &*” * durch Einbusse an
stickstoffhaltigen verursacht.
N-freien Substanzen,der lettsuDSian besonders in den
- 01N “
“XHor^rioÄ auSretender Muskelschwiele und Zusammen¬
stellung de^ Betheiligung des Opticus
Nervensystem erstreckte und
aUCh ^^.^^re^alla'.hchlorosis^und Papilloneuritis. (Aus der
II. m^icinischen UmvemtÄtskhmk m ^ Cb , orose A
Der sehr seltene n eine *W E i n fl u8 s, den eine starke
durch den gemeinsamen ^ lo J. n JSS5TTOrh«idiie Menstruation
körperliche Anstrengung imd j^mchzeit g ana , den Vorgängen
auf dem prädispomrenden Boden der uni , nd aU8 übten,
S? Ähe^pT. buchte die
S “ t "SfS“coÄSir g , Die Beh.ndlung der Ln.gan-
SSnlm St-' Die „itgctheilten Ee.ult.te l».en eine
Ä XSS.1SÄf: m&tische LarynxStenose, durch
Behring* Heilserum ohne ^ er ^® n v «f 1 ? e “t werer Asphyxie.
? e,n^ÄÄÄ,ÄÄÄ
„itgetheiUenMb^^ Jena ^ Leis j.ngsfghigkeit und Ans-
die meist als Recreationsposten betrachtete, sehr M aber sc^
Schiffsärzte etc., von Fachmännern geschrieben, enthält.
9) Therapeutische Mitteilungen.
Knonf- Aether anaestheticus Koenig. . .
K zieht die locale Anwendung des Aethers in Sprayform, •
bei Transplantation grösserer Ulcera cruns,
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 8. Juli 1896-
Die ganze Sitzung ist ausgefüllt von Demonstrationen vor
der Tagesordnung; folgende seien her vor gehoben.
Herr Heller demonstrirt die Augen von neugeborenen
Kaninchen, welche er mit Gonococcen inficirte. Es entwickelte
sich eine Blennorrhoe. Die Gonococcen stammten von einer aut
Kicfer’schem Serum gezüchteten Reincultur und konnten aus
den blennorrhoischen Augen wieder gewonnen werden.
Discussion: Herr M. Wolff hält es nicht für sicher, dass
in diesen Fällen Gonococcen vorliegen.
Herr Kayserling demonstrirt eine grössere Reihe von
anatomischen Präparaten, welche er nach einer neuen Methode
conservirt. Die Präparate kommen zunächst m folgende l’lussig-
koit: Wasser 1000, Formaling Schering 250, Kal. nitne. 10, Kal.
acet. 20_3°. Darin verblieben sie 24 Stunden, werden hierau
für 24 Stunden in 95proc. Alkohol gebracht und kommen endlich
zur dauernden Aufbewahrung in Glycerin, Aqua aa 100,0, Kal.
acet. 30,0. Das Verfahren ist etwas umständlich, die Resultate
sind aber ganz vorzügliche. H. K.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 6- Juli 1896.
M r e rssx xäst s
A ” H y r KaT.- U Titirirt und dabei an* ei. nenn.
Co” bingewieee., („ —de. K»P-
be'Ä de, tel. med- G«clU vQn Blutprlpwaten.
Sandbad erwärmt wird. g V t möglich
ST, £Ä.r..uA«
,U “ demonstrirt Vortragender eine. k—
eine^Deckcl und" 1 Thermometer .ersehe, ist und einen
t0r ^Herr 1 E°ng"e 1:'"lieber hämatoiogische B.utuntersuch-
' ,nBe L b lHa. h d t efnes e 'grösseren TintersnotangsmaterialB stndirt.
„ d e A Ein«.“ de. Kra.kWoce.se. nnd er«».-
Sernminieetione. auf die verschiedenen «--*" “
Beobachtung, tos'“ leWSeTein
-
für wünschenswerth, dass diese Unte g g g
nachgeprüft werde.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 30- Juni 1896.
Vorsitzender: Herr Rumpf.
I. Demonstrationen.. , •»
1) Herr Wiesinger demonstrirt: V Ein jähriges Erklärung
angeborenem Hochstand der Scap . ^ B0 dürfte
durch amniotische Stränge kein| t(1 ^ d 5rch Mangel an Fruchtwasser
verkehrte Lage in der Gebärmutter, durch Mangm EineQ Pat)
bedingt, als Entstehungsursache anzusprechen se D mkürlich
der im Stande ist, auf einer Säte das Hüftge^en Traum a.
aus- und wieder einzurenken f^Jdas Trauma ein
Die Ursache ist dann zu suchen, dassam t vie ii e icht
pathologischer Process im Kapsel geführt
ein seröser Erguss, der zu e:ner Erechlal 1 { | des wäre zu
hat; auch an angeborene FUichheit des l h nter Osteo-
denken. 3. Einen 8]ähr.gen Knaben *".J g | piphyBe der Tibia,
m y e 1 i ti s d er Ti b i a. Lösung der obere.n Ep.pny ß erbeb , iche
Durch Dislocation derselben ^ A rt Bajonettstellung
Difformität des Beines entstanden, eine Diaphyae
mit starker Convexität des Unterschenkel ach Durc hmeisse-
und Epiphyse in rechtwinkliger Stellung cons 1 a yelit ishökle.
lung der hinteren Corticalis der T.b.a
Dislocation wird gehoben, indem derEnteis Stellung ß» rt
'“ThÄ, ..eilt 2 Ä-Ä
affectionen zur Diagnose vor. d ® e . Bd rücken eines Comedo
sich an der Oberlippe im Anschluss an A J-^össe gewachsener,
ein seit 2 •/* Jahren langsam durchsetzt. Der
orangegelber Tumor, mit feinen Teleangiektasie besitzt keine
selbe hat das Gewebe der Oberlippe d “^j der benachbarten
ausgesprochen derbe Constistenz. ® c . . A d as Gebilde vor-
Lymphdrüsen fehlt völlig, so dass A. Kene.gt ist, d« do .
behältlich der mikroskopischen Untersuchung D ‘ r 2 . Fall
sarkomartigen Granulationstumor die an 2 seltenen
betrifft eine sehr nervöse, abgearbeitete Diaconis , dm kleinB ter
Hautanomalien leidet. Unter intensiver yp ohne entzünd-
Hautbezirke entwickeln sich in Intervalle g^ppen,
liehe Betheiligung des Circulationsapparat Zweitens ent-
unter denen sich atrophische Stellen vorhnden.
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wickeln sich zu ihrer Entstehung längere Zeit gebrauchende, dann
aber auch lange sichtbare, (spontane) keloidartige, über das Niveau
wenig erhabene, weiss wachsartig glanzende Efflorescenzen, die von
einem hyperaesthetischen gerötheten Bezirk umgeben sind, wahrend
die centralen Partieen völlig gefühllos sind.
3) Herr Fraenkel berichtet unter Demonstration der betr.
Präparate über das Sectionsergebniss zweier Fälle, in denen eine
vorJahren verschluckte Nadel Veranlassung des Todes
geworden war. Bei dem einen fanden sich ausgedehnte Ver¬
klebungen der Darmschlingen in der rechten Darmbeingrube, da¬
zwischen Eiteransammlungen, in denen sich Pröpfe vorfanden, die
makroskopisch als ActinomyceBkörner imponirten, sich indess
mikroskopisch nicht als solche erwiesen; bei völliger Integrität
des Processus vermiformis hatten im Coecum eine Anzahl von
Perforationen stattgefunden, die die Ursache der Peritonitis
und des ileusartigen Krankheitsbildes abgaben. Im zweiten Falle —
in vivo Erscheinungen eines subphrenischen Abscesses — fand sich
die Nadel mit Koth umgeben in dem ampullenförmig auf¬
getriebenen Wurmfortsatz, in dem sich eine Perforation
etablirt hatte.
Sodann berichÄt F. über den durchaus seltenen Befund von
multiplen narbigen Dünndarmstricturen auf tubercu-
lüser Basis, den er bisher nur zweimal erhoben bat. Im 1. Falle
handelte es sich um Pat., der wegen Darmstenosenerecheinungen
operirt worden war. Als Ursache der Stenose fanden sich 12 ring¬
förmige Stricturen im Verlaufe des Jejunum mit geringer ampullärer
Erweiterung der Darmabschnitte zwischen den einzelnen Narben.
Am Grunde und an den Rändern der Narben, sowie auf der intacten
Schleimhaut erhoben sich gelbe, stecknadelkopfgrosse Knötchen.
Da die übrige Section keine auf Tuberculose bezügliche Veränderung
zeigte, konnte erst die mikroskopische Untersuchung als Ausgangs¬
punkt der Narben geheilte tuberculöse Ulcerationen nachweisen.
Im 2. Falle handelte es sich um 8 Stricturen im lleum einer
Phthisica als zufälligen Nebenbefund, die keine klinischen Er¬
scheinungen gemacht hatten. (Ausführliche Veröffentlichung in den
Annalen der Hamburger Staatskrankenhäuser )
4) Herr Opitz zeigt eine grosse Anzahl im Eppendorfer
Krankenhause mittels X-Strahlen gewonnener Actin ogr am me.
Er betont, dass es gelungen ist, Knochenherde bildlich darzustellen.
II. Fortsetzung der Discussion über den Vortrag des
Herrn Cohen-Kysper.
Herr Cohen-Kysper, Herr Thost und Herr Zarnikn er¬
klären, dass es sich herausgestellt hat, dass die von Th und Z in
der letzten Sitzung gegen das C.-K.’sche Verfahren angeführten Fälle
theils überhaupt nicht in der beschriebenen Weise behandelt, theils
nur als Vorversuchspersonen zu betrachten sind.
Herr Michael hat von C.-K. behandelte Kranke gesehen, bei
denen eine erhebliche subjective und objective Besserung des Hör¬
vermögens zu constatiren war.
Herr Ludewig vermisst in den Ausführungen des Vortragenden
strenge Jndicationen. Theoretisch verwirft er derartige Versuche,
weil nicht einzusehen sei, wesshalb die Magensaftlösungen nur patho¬
logisches, neugebildetes und nicht auch gesundes Gewebe verdauen
sollten. Zeitweilige Besserungen kämen bei jeder Sklerose vor.
Herr Cohen wiederholt, dass nur bei leichten Formen des
hypertrophischen Mittelobrkatarrhs, so lange noch Flüsterstimme in
etwa 10c*m Entfernung verstanden würde, sein Verfahren indicirt sei.
III. Vortrag des Herrn Rumpel: Ueber Cholera nostras
und Coma. (Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.)
Werner- Hamburg.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
Medicinische Section.
Sitzung vom 19- Mai 1896.
(Schluss.)
Dr. Marwedel: Zur Technik der Gastrostomie mit
Krankenvorstellung.
Von den vielerlei Methoden, die zur Ausführung der Gastrostomie
bei impermeablen Stenosen des Oesophagus in Vorschlag gebracht
worden sind, scheint die von W i t z e 1 in Bonn angegebene noch
die besten Resultate aufzuweisen. Das Verfahren ist allerdings
nicht ganz einfach, es setzt ferner zu seiner Anwendung voraus,
dass der Magen sich bequem in die Bauchwand vorziehen lässt,
damit man genügend Magen wand zur Bildung der bekannten zwei
Längsfalten zur Verfügung hat.
Für solche Fälle, in denen der Magen klein und geschrumpft
oder fixirt ist, hat daher Fischer in Strassburg empfohlen, in
anderer Weise vorzugehen. Er näht ein kleines Stück der vor¬
deren Magenwand in üblicher Weise in die Bauchwunde ein und
nimmt dann — ohne Eröffnung des Magens — die Fütterung
der Patienten vor mit einer kleinen Pravaznadel, die in schräger
Richtung durch die Magenwand durohgestochen wird. Die Nadel
wird nach der Injection der Speiseflüssigkeit wieder heraus gezogen
und dann za jeder Fütterung an genau derselben Stelle wieder in
der gleichen Richtung eingestochen ; dadurch bildet sich allmählich
in der Magenwand ein schräger Kanal, durch den mit der Zeit
auch dickere Hohlnadeln und Canülen sich einführen lassen.
So gut das in den 4 von F. operirten Fällen erzielte End¬
resultat auch ist, so bietet doch die Methode durch die häufigen
Punctionen, die nothwendig werden, manche Unannehmlichkeit dar.
Lässt man andererseits die schräg eingestochene Nadel als Dauer -
canüle in der Magen wand liegen, so kann sich die gebildete Ocff-
nung leicht erweitern, es flicsst neben der Nadel Mageninhalt aus,
der schliesslich zu Phlegmone und Perigastritis führen kann;
wenigstens war dies der Fall bei einem Kinde, bei dem wegen
Laugeverätzung der Speiseröhre durch Herrn Geh. Rath Czerny
eine Magenfistcl in der letztbeschriebenen Weise angelegt worden war.
Zur Vermeidung dieser Uebelstände empfiehlt M. eine Modi-
fication der Gastrostomie, die er bisher in 3 Fällen beim Menschen
mit gutem Erfolg erprobt hat und die sich an die Fi scher’sche
Idee der intramuralen Canafbildung anlehnt: Schrägschnitt unter¬
halb des linken Rippenbogens mit Eröffnung der Peritonealhöhle,
Umsäumen des Perit. parietale an die Haut mit Catgut, Vorziehen
eines Stückes der vorderen Magenwand und Einnähen desselben
mit Catgut in die Wundspalte. Nun wird entweder in der gleichen
Sitzung oder 1—2 Tage später die Fistelbildung in der Weise
vorgenommen, dass man in der Mitte der eingenähten Magenwand-
flächc einen ca. 4—5 ein langen Längsschnitt ausführt, der blos
Fig A.
die. Serosa und Muscularis durchtrennt bis auf die Mucosa, ohne
die letztere zu verletzen. Nach beiden Seiten vom Schnitt wird
dann die Serosa - Muscularis mit dem Messer von der .Mucosa
*/2 — 3 /4 ein weit allgelöst und gewissermassen unterminirt (s. Fig. A).
Fig- B.
Nun wird etwas oberhalb des unteren Wundwinkels durch einen
kleinen queren Einschnitt die Mucosa eröffnet, durch die Ocffnung
das Ende eines dünnen Drainrohres (entsprechend .1 a q u e s Patent-
Katheter No. 6—8) in den Magen eingeschoben (Fig. B) und an
k
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die Macosa durch eine Catgutknopfnaht fixirt. lieber dem Drain-
rohr werden die Serosa-Muscularislappen durch einige Knopfnähtc
wieder vereinigt (Fig. C). Die Fütterung erfolgt durch das Gunirn -
Fig. C.
Münchener medicinische woc^nschrift.
No. 28.
rohr das ca. 4 Tage liegen bleibt und von da ab zur Fütterung
jedes Mal frisch eingeführt und dann wieder herausgezogen wird
U Mal täglich). Es bildet sich ein schräger Canal in der Magen¬
wand zwischen Serosa-Muscularis einerseits und Mucosa andererseits,
durch den inan ohne Schwierigkeit später auch dickere Nummern
aus Metall einsehiebt. Die Bauchwundc vernarbt schliesslich bis
auf die äussere Fistelöffnung, ein Verschlussapparat oder eine
Bandage ist nicht nöthig, da der Canal vollständig abschliesst und
weder bei Bewegungen noch beim Husten auch nur einen Tropfen
Mageninhalt durchtreten lässt. .
Die Einnähung des Magens wurde m 2 Fällen in Chloroform
narkosc, ein 3- Fall unter Cocainanästhesie ausgeführt; zur eigent
liehen Fistelbildung ist eine Anüsthesirung nicht nothwendig.
Zum Schlüsse werden 2 Patienten vorgestcllt, bei denen der
Vortragende vor 8 bezw. 10 Wochen in der chirurgischen Klinik
des Herrn Geh. Rath Czerny wegen Carcinom des Oesophagus
in der beschriebenen Weise eine Magen fiste! angelegt hat, die bis
heute tadellos functionirt.
Eine ausführliche Mittheilung des Verfahrens und der ein¬
zelnen Fälle wird in den Beitrügen zur klin. Chirurgie veröffent¬
licht werden. ___
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 11. Juli 1896.
Gegen die Behandlung par distance. — Die Suche
nach Choleraärzten. — Deontologisches: Eine Schaden¬
ersatzklage und eine kleine Gefälligkeit.
Einen interessanten Erlass hat die k. k. schlesische Landes¬
regierung jüngst an die schlesische Aerztekammer gerichtet. Es
hat sich wiederholt gezeigt, dass Aerztc, ohne die ihre Hilfe in
Anspruch nehmenden Kranken gesehen zu haben, lediglich auf
Grund der durch deren Angehörige und oft nur durch Kinder
überbrachten Informationen ärztlichen Rath ertheilen und Medi-
camente verabfolgen. Dies geschieht etwa nicht bloss, wenn der
Arzt plötzlich verhindert ist, den Kranken aufzusuchen, oder wenn
der Krankheitszustand dem Arzte von früher her bekannt ist,
oder wenn beim Arzte kein Zweifel aufkommen kann, um was es
sich handle: dieser Abusus findet selbst die ganze Krankheitsdauer
über Anwendung, selbst wenn der Verdacht aufsteigen muss, dass
es sich um eine Infectionskrankheit handle, ja es hat sich der
Fall ereignet, dass ein Arzt über Verlangen eines Gemeinde¬
vorstehers demselben betätigte, dass die in Betracht kommende,
von diesem Arzte nie besuchte Kranke mit keiner ansteckenden
Krankheit behaftet sei, obwohl letztere an Typhus abdominalis
litt und erwiesenermassen Veranlassung zur Weiterverbreitung
dieser Krankheit bot.
Trotz aller Schwierigkeiten, sagt der Erlass, welche die Land¬
praxis bietet, kann diese rücksichtslose, bei manchem Arzte
„»de» principiclle Vcrflgen.einen.ng eine, nur nl» NothbAett
zulässigen Behandlungsart nicht länger mehr gedulde werden, ™1
Je einen groben Verstoss gegen die Lehren der Urzthchen W.ss.n-
schuft, eine Versündigung un den auf den Gesetzen der Menschen-
hebe gutgebauten Wichten des Arztes und eme Verletzung de,
'^m^ehl««'»'Aerztekanmer wird demgemäss aufgefordert,
au die ihr unterstehenden Aerzt« .eine diesen Gegenstand be-
reffende Erinnerung, zn riehten, sodann eventuell gegen znw.de,-
handelnde Acrzte das ehrengerichtliche Verfahren c.nznlc tc» und
die diesfälligen Acten der Landesbehörde vorznlcgen. N.cht genug
damit, tontet noch de, Schlusssatz: Soweit d,e oben geschilderte
Behandlung an und für sich oder die daraus steh ergebend .
Folgen unter die Bestimmungen dos Strafgesetzes oder der poe¬
tischen Vorschriften fallen, wird nach den bezüglichen Straf-
bestimmungen vorgegangen werden.
Nun denn, selbst auf die Gefahr hin, «n der «New \orker
Medic. Monatsschrift» abermals angcrempelt zu werden, möchte
ich mir zu diesem Erlasse zwei kurze Bemerkungen erlauben.
Indem ich vorerst bekenne, dass kein anständiger Arzt sich im
Allgemeinen zu einer solchen Behandlung par distance (unsere
Annonceure für Geschlechtskrankheiten und Mannesschwäche sagen:
«auch brieflich») herbeilassen werde, möchte ich doch glauben,
dass die Hauptschuld hier nicht die Aerztc trifft sondern die
hohen Obrigkeiten, die nicht dafür sorgen, dass allenthalben auf
dem Lande ärztliche Hilfe auch leicht und billig *u haben
sei Wäre dies der Fall, so würde sich auch der Bauer nicht
mit solchen mündlichen Vorschriften begnügen er würde den Arzt
bitten, den Kranken selbst zu besuchen. Wenn aber meilenweit
in der Runde kein Arzt seinen Wohnsitz hat, wenn man den Arzt
für seinen grossen Zeitverlust anständig hononren soll und zumeist
auch noch die Fuhre beistellen muss, die auch Geld kostet, dann
ist cs begreiflich, dass der Arzt, wenn absolut keine Aussicht
auf ein Honorar existirt, seine «auf den Gesetzen der Menschen¬
liebe aufgebauten Pflichten» — man merke sich diese schöne
Phrase! — zuweilen vernachlässigen und sich einfach damit be¬
gnügen wird, dem zahlungsunfähigen Clienten einen — Rath
zu ertheilen oder ihm gar ein Medicamcnt zu schenken. Das
Eine wäre also, dass die k. k. Landesbehörde ernstlich dafür sorge,
dass cs allenthalben im Lande genügend viele und entsprechend
besoldete Gemeindeärzte gäbe, welche die Armen unentgeltlich zu
behandeln verpflichtet sind. Dann werden die Fälle besagter Ar
gar nicht oder nur höchst selten Vorkommen.
Ein zweites Moment ist folgendes. Die k. k. Statthalterei
fordert die Aerztekammer auf, ihres Amtes zu walten. '* ird die
politische Behörde die Aerztekammer in dieser ihrer Amtswaltung
auch gehörig unterstützen? Die niederösterreichische Statthalterei
hat bislang nicht gezeigt, dass sic die Thätigkeit der ^iener
Aerztekammer ihrem vollem Umfange nach würdigt. Seit fest
2 Jahren ist der Becurs ausständig, den die ärztlichen Annonceure
gegen die ihnen seitens der Wiener Aerztekammer ertheilfe Rüge
eingebracht haben, der Recurs wird nicht erledigt, die Schani-
Inserate erscheinen noch immer in fast allen politischen Blätte
Wiens, kurzum, die Behörde unterstützt die Kammer nicht in
ihrer richterlichen Thätigkeit. Weht in Troppau ein anderer
Wind als in Wien? Vielleicht — denn die Wiener Kammerräthe
finden ihre Situation , nachdem seit 2 Jahren absolut nichts g ■
schieht, um ihre Autorität zu wahren, schon sehr gefährdet.
Für Dalmatien und das Küstenland worden, wiewohl jetzt in
ganz Oesterreich noch kein einziger Fall von asiatischer Cholera
beobachtet wurde, Cholera-Aerzte engagirt. Man will eben
von Kairo und Alexandrien ber drohenden Choleragefahr begegnen,
indem man sieb auch genügender ärztlicher Hilfe ver
sichert. In Zeiten der Gefahr wissen die Behörden schon,
sie vorzukehren haben, in Friedenszeiten erinnern sie aber ^
Aerzte au ihre Pflichten und an die Gesetze der Menschenliebe^
Die Aerzte, welche sich engagiren, müssen einem Rn*® ®
Folge leisten und sich in den ihnen zugewiesenen Choleradi^
begeben. Das hat, wie man weiss, auch seine persönlichen Ge a •
Nicht blos die Ansteckung ist es, welche der Arzt zu
hat, er muss auch desshalb um sein leibliches Wohl besorgt >
weil die ungebildete Bevölkerung in ihm ihren ärgsten ein
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Gß7
14. Juli 1896.
Quäler erblickt, da er die Desiofcction, Separation von Gesunden,
Vernichtung angesteckter Utensilien etc. anordnet und eventuell
auch mit polizeilicher Assistenz durchsetzt. Die Rache einer
fanatischen Bevölkerung verfolgt ihn bei Tag und bei Nacht, so
dass er niemals ohne Begleitung eines Gendarmen auszugehen
wagt, keine passende Wohnung findet u. dgl. in. Und trotzdem
werden sieh Aerzte finden, welche für 8 oder 10 fl. Diurnum
diesen schweren Dienst auf sich nehmen, znmal man ihnen auch
verspricht, dass sie nach ihrer Verwendung als Choleraärzte bei
eventueller Bewerbung um eine Staatsanstellung bei sonst gleicher
Qualification den Vorzug vor anderen Bewerbern haben werden.
Ich will hieran nicht länger kriteln, dagegen bloss den frommen
Wunsch äussern, es möge unserem theueren Vaterlande erspart
bleiben, solche besonders qualificirte Aerzte zu besitzen.
Was einem Arzte alles passiren kann ! Da bricht in einer
Familie die Diphtherie aus. Der Hausarzt impft sofort alle ge¬
sunden Individuen und überredet auch die Kindergärtnerin, sich
der Schutzimpfung mit Diphtherie - Heilserum zu unterwerfen.
Nach längerer Zeit erfährt er aus dem Briefe eines Advocaten,
dass die besagte Kindergärtnerin, welche inzwischen die Familie
verlassen hat, durch einige Wochen krank gewesen und jetzt eine
Schadenersatzklage gegen ihn anstrenge. Der Arzt wandte
sieh nun an die Wiener Aerztekaimner, sie möge ihm Verhaltungs¬
maassregeln ertheilcn. Man rieth ihm: 1. die Zahlung (der
grösseren Geldsumme) mit aller Entschiedenheit zu verweigern;
2. in seiner Antwort an den Advocaten ausdrücklich zu betonen,
dass die Kranke keinen gesetzlichen Anspruch auf ihre Forderung
habe und 3- dass der Arzt die Kammer von dem weiteren Ver¬
laufe der Angelegenheit in Kenntniss setze. Sollte es nämlich
zur Klage kommen, so will die Aerztekammor dem Arzte mit
einem Gutachten beispringen.
Uud schliesslich noch eine solche « Affaire >, welche die Lehre
involvirt, der Arzt möge stets hübsch bei der Wahrheit bleiben
und sich nicht um dieselbe hcrumdrücken. Ein Arzt behandelte
einen Mann, der sich eines Tages erhängte. Die Familie bat den
Arzt, die wahre und letzte Todesursache zu verschweigen. Er
that es auch und schrieb als Grundkrankheit (wahrheitegemäas)
«Degeneratio cordis et processus atheromatos. arter. coronar.»,
als Todesursache jedoch nicht « Erstickung in Folge Strangulirens »,
sondern — «Herzparalyse». Nachträglich theilte er dem Todten-
beBthauer brieflich den ganzen Sachverhalt mit und dieser er¬
stattete hievon die Anzeige. Vom ersten Richter freigesprochen,
musste er sich nochmals beim k. k. Landesgerichte in Klagenfurt
(II. Instanz) in Folge Berufung dos Staatsanwaltes wegen Ver¬
letzung des § 359 St. G. verantworten. Auch das Landes¬
gericht sprach den Arzt frei, es leitete aber den Act an die
Aerztekammer für Kärnten, damit diese erwäge, ob gegen diesen
Arzt nicht das Disciplinarverfahren einzuleiten wäre. Der Kammer-
vorstand fand jedoch ebenfalls keinen Grund, gegen den (.'ollegen
disciplinariter vorzugehen. Die kleine «Gefälligkeit» hat dem
Arzte genug Verdruss und Aerger bereitet.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Societe de Biologie.
Sitzung vom 20. Juni 1896.
Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung
starker Kochsalzlösungen bei intravenöser Injection.
Bose und Vedel (Montpellier) unternahmen in 3 Versuchs¬
reihen, die Wirkung des destillirten, dann des gewöhnlichen
Wassers und drittens der Kochsalzlösungen, deren Vehikel die
beiden ersten darstellen, in genauer Weise festzustellen. Es zeigte
eich, dass beim Hunde 170 ccm destillirten Wassers pro Kilo Körper¬
gewicht und beim Kaninchen 100 ccm, in die Venen injicirt, ge¬
nügten, um unmittelbar den Tod herbeizuführen, und schon bei
Bosen von 25 und 20 com pro Kilo in wenigen Tagen unter Störungen
der Respiration und Circulation, Hämaturien, Entkräftung und
schliesslicher Erschöpfung der Tod eintreten kann. Das destillirte
Wasser ist also keineswegs eine indifferente, sondern eine wirklich
toxische Flüssigkeit und sollte daher aus der Anwendung der intra¬
venösen Injectionen verschwinden. Von gewöhnlichem Wasser muss
um den Tod herbeizuführen, beim Kaninchen 90—100 ccm
pro Kilo Körpergewicht, beim Hunde 170 ccm injiciren, aber im
«egensatz zum destillirten wirkt das gewöhnliche Wasser schon
nicht mehr tödtlich bei Injection von 120 ccm für den Hund und
80 ccm für das Kaninehen; bei diesen Dosen und darunter bat es
keine toxischen Wirkungen mehr, was wahrscheinlich dem Gehalte
an Mineralsalzen, besonders Chlornatrium, zuzuschreiben ist. In
der dritten Versuchsreihe wurde constatirt. dass von der concentrirten
Kochsalzlösung (7 Proc.), intravenös injicirt, beim Kaninchen 4 —ög
und beim Hunde 3,4 g ca. pro Kilo Körpergewicht nöthig waren,
um das Thier sofort zu tödten: unter Verlangsamung der Athmung
und enormer Zunahme der Herzschläge tritt die Auflösung ohne
Veränderung der Temperatur ein; die Autopsie zeigt Blutüberfülle
in allen Organen, Hämorrhagien in der Dura und Pia mater. In
der Dosis von 3 g beim Kaninchen und von 2,2 g ca. beim Hunde
tritt der Tod erst nach 4—5 Stunden ein und zwar unter Temperatur¬
erhöhung um 1—2° und schliesslichen Muskelkrämpfen in ähnlicher
Stärke wie bei Strychnin Vergiftung. Unter 3 g beim Kaninchen
und 1,5 beim Hunde tritt nur eine Steigerung der Körperwärme
um 1—2° nach 2 Stunden ein, um nach einigen 8tunden wieder
zur Norm berabzusinken, und Zunahme der Pulsschläge; der Blut¬
druck ist nicht verändert. Die Wirkungen waren stets die gleichen,
ob die Lösung warm (39°) oder kalt (20°) injicirt wurde.
Das Eisen in Leber und Milz.
Das Eisen kann in den Organen in zweierlei Zuständen sich
finden: entweder innig mit dem Gewebe vermengt oder in Form
kleiner rostfarbener, unter dem Mikroskop sichtbarer Körnchen
(Eisenhydrat). Lapicque und Guillemonat untersuchten dies¬
bezüglich im klinischen Laboratorium des Spitals Hötel-Dieu Leber
und Milz von Leichen beiderlei Geschlechts und zwar von 53 an
den verschiedensten Krankheiten Verstorbenen. In 5 Fällen ent¬
hielten die Organe das Eisenhydrat (Rührigen von den Autoren
genannt), in der Leber 80 — 90 mg, in der Milz 80 — 329 mg
pro 100 g des Organs. In den anderen 48 Fällen schwankte die
Menge des Eisens zwischen einigen und 45 mg für die Leber und
zwischen einigen und 100 mg für die Milz; in ein paar Fällen
fanden sich in letzterer nur Spuren von Eisen, so dass die Milz
nicht, wie man annimmt, als reich an Eisen gelten kann. Be¬
merkenswerth ist besonders, dass die Leber beim weiblichen
Geschlechte meist nur Spuren von Eisen enthielt und die höchste
Ziffer 15 mg war, während beim männlichen die Durchschnittsziffer
25 mg auf 100 g Leber betrug; dieselben geschlechtlichen Unter¬
schiede fanden sich, wenn auch etwas weniger deutlich, bezüglich
der Milz.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Zur Behandlung der Ophthalmoblennorrhoe. Nachdem
in Hinsicht auf die Nachtheile, welche das Arg. nitric. bei der
Behandlung der Blennorrboea neonatorum mitsich gebracht hat, von
verschiedener Seite däs Kal. permangan. in ständigen warmen (30°)
Irrigationen mit Erfolg angewandt wurde, stellte Valude (La
Mödecine Moderne No. 36, 1896) bei einem ausgedehnten Materiale
vergleichende Versuche mit heissem Wasser (40°) an und es ergab
sich, dass die Heilung, resp. Besserung grossentheils dem mechani¬
schen Einflüsse der Irrigationen zuzuschreiben, das Kal. permangan.
(1,0:5000,0 oder 3000,0) immerhin auf sehr profuse Eiterungen und
veraltete Fälle von Blennorrhoe geradezu specifisch wirke. Jedoch
kann dieses Mittel allein eine völlige Heilung nicht herbeiführen,
da zur Vermeidung eines Recidivs noch Instillationen von Arg nitr.
(1,0: 100,0) nothwendig wurden; diese Irrigationen sind daher bloss
als, allerdings zuweilen sehr mächtiges, Hilfsmittel gegen dqs Symptom
der Eiterung anzusehen. Die Basis der Therapie sollte immer das
Argent. nitr. bilden, welches nie öfters wie zweimal täglich, anfangs
in 3 proc, dann je nach Abnahme der Erscheinungen in 2 proc. resp.
1 proc. Lösung anzuwenden ist; zeigt sich die Hornhaut irgendwie
ergriffen, so muss sofort mit diesem Aetzmittel ausgesetzt werden.
V. ist der Ueberzeugung, dass gerade zu lange fortgesetzte, zu stark
oder zu oft wiederholte Aetzungen mit Arg. nitr. von Seiten der
Aerzte oder auch Hebammen mehr Schaden stiften als es die
Unterlassung jeder Behandlung thun würde. Völlig zu verwerfen
sind bei der Behandlung der Blennorrhoe Sublimatlösungen jeglicher
Concentration. In der Aprilsitzung der Pariser ophthalmologischen
Gesellschaft (Bullet M4d. No. 33, 1896), in welcher auch die Therapie
der Ophthalmoblenorrhoe besprochen wurde, äusserten sich beinahe
alle Redner ebenso abfällig über das Sublimat. Bezüglich des
Credö’schen Verfahrens constatirte Abadie, dass durch dasselbe
eine grosse Anzahl von Hornhauttrübungen verursacht worden seien,
also nur mit grosser Vorsicht die prophylaktische Behandlung der
Blennorrhoe anzuwenden sei. Galezowski geht sogar so weit,
letztere völlig zu verwerfen und nur die wirklich ausgebrochene
Augenblennorrhoe mit 2,5 proc. Arg. nitr. u. s. w. zu behandeln. —
In derselben Sitzung der augenärztlichen Gesellschaft berichtete
Terson über die verschiedentlich beobachtete Heilwirkung des
Gesichtserysipels auf verschiedene Augenaffectionen
(chronische, sehr hartnäckige Conjunctivitis, Iridochorioiditi9, Tumoren
der Orbita und Trachome in ziemlicher Anzahl), so dass die bezüg¬
lichen Erfahrungen der Chirurgen und Dermatologen auch in der
Augenheilkunde ihre Bestätigung finden. 8t.
Zur Kritik der Serumbehandlung bei Diphtherie
weist Bern heim-Berlin darauf hin (Therap. Monatshefte 6, 1896),
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Münchener me dicinische Woche nschrift.
11 Tahren auf dem absteigenden Aste einer
dass wir uns seit H Jahren abges ehen von dem abso-
schweren Epidemie h die Intensität der einzelnen
luten Niedergang der Sterblichkeit,, a_ djexii geschwftc ht und
Erkrankungen sich in g»»* «rhebh«ihem ^msse herbei .
5Kf ST BJS
Ktae»1T.Ä S"™ tälüich. Abnah», de, Mortalität
::
lieh von w. M oor;Ne W York als Gegengift « *™* Luff hat P nun
und Morphiumvergiftung^ empfohlen,»jd at da8 M or-
experimentell Mangan-
phium im Magen oxydirt, wobei genommenen Morphiums
JSs^sJp“ 7L7 X"
Resorption JJJ« die Wirk * des übermangansauren
fortgesetzt werden bis die Lösu^ ^ drohend er Respirations-
f«5m e ung U is ß t ferner hypodermatische Darreichung von Strychnin und
und künstliche Respiration angezeigt.
^Die bisher bei An wen düng de. Di ph,Ih. rieb e,l» er»»,
AUt0 1S,t h LrdTG„ährlicl,lrei. des Sern», erwiesen. Der Ver-
während die Heilwirkung des Diphtherieserums trotz aller autori¬
tativen Behauptungen noch zweifelhaft ist.
Tagesgeschichtliche Notizen.
_ *tt * r\ i i. A : o n R n A prrf.p-
Die Jahresversammlung des Deutschen Vereins gegen den
MtablÄÄ Ge«'"" wurde vom 6. 8. ds. in K.el abgehalte».
Unser t
Ä«V«^t in Sb Andreasberg erbauten
Heilanstalt für (10J) Lungenkranke ernannt.
,, ,„„*„nhon Städten über 40 000 Einwohner hatten in
lÄÄrÄÄÄSÄ!
an Scharlach in Flensburg.
_ Am 9. ds. wurde im Arcadenhof der Wiener Universität-
das Arlt-Denkmal feierlich enthüllt.
7,i unserer Notiz über die comprimirten Arzneimittel der
iw. "x, !“!h ? Wellcome & Co. theilt uns der deutsche
Firma Burroughs, Herbst d. Js. ab sämmtliche
Sti d rüng V “ u, Einführung ko»»e» werden
” ° ° d £rfDr SlikUrTÄ an der med. Klinik ist als Oberartt
ririrr-foS.
rSSffiÄÄSs«=
um ÄÄ
hat seine Entlassung genommen seine S£SJS-
r* pÄ a ö - profes80r
der pathologischen Anatomie und Histologie ernannt.
(Todesfall.) In Gent starb plötzlich, 44 Jahre alt, der Prn-
fessor dermedkinisc hen Facultät, Charles De Visscher.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Erich Parschan, approb. 1896, in Alfeld,
B- A. Sulzback j mP ert von Alfeld, wohin unbekannt. .
: gebots.^dann L'Ä' ^Cia.a. der Keserve Dr. Jon»
Rei ^r h ne„ e nUg: V»s de, Og-W-Jl-
und mit Wahr-
nehmung 8 einer offenen Assistenzarztstelle beauftragt.
München, 14. Juli. Der XVII. Oberrheinische Aerzte-
tag findet am 16. Juli in Freiburg i. B. statt. Am Vormittage
werden die Herren Professoren: Geheimer Rath U ^
Geheimer Rath Hegar um 8 Uhr, Geheimer Rath Bäu ml er um
9 Uhr Kraske um 10 Uhr Demonstrationen m ihren Kliniken
abhalten Um 11'/* Uhr laden die Herren Professor Killian
Professor Jacobi und Dr. Bloch zum Besuche der la jyDgologischen
dermatologischen und ot.atntisehen Klinik ein. Um 12 /* Uh
findet im Hörsaale der Anatomie eine Sitzung statt, zu welcher
folgende Vorträge angemeldet sind: 1. Herr Dr. Fritschi: «Referat
über die Verhandlungen des diesjährigen deutschen Aerztetages^
2. Herr Geheimer Rath Hegar: «Ueber Brust und Stillen., 3..Ge
heimer Rath Manz: «Ueber Magnetoperationen am Auge.« U Herr
Professor Emminghaus: «Ueber die Behandlung der Seelen
Störungen im Beginn und über die Indicationen zur Irrenanstalts¬
aufnahme > 5. Herr Professor Schottelius: «UeberBackereibetneb
und die gesundheitliche Bedeutung des Brodes.»
— Die Kartenabgabe für den IH. internationalen Dermatologen-
Congress in London findet Montag, 3. August, von 12 -b Uhr und
Dienstag 4. August, von 9 Uhr Vormittag ab in der Examination Ha 1,
Victoria Embankment, statt Die Verhandlungen beginnen ebenda
um 11 Uhr mit einer Ansprache des Präsidenten Jonathan Hut
chinson. Nach ihm sprechen Prof. Kaposi (Wien) und Dr. Ernest
Besnier (Paris). Mittwoch, 5. August, zwischen 9 und 11 Uhr
Abends Empfang beim Lord Mayor nn Mansion House_ Freitag,
7 August, Bankett für die auswärtigen Mitglieder im Hotel Cecul.
Von auswärts kommende Gäste mögen es so einrichten, dass sie
am Sonntag, 2. August ankommen. Montag, 8. August ist, e
Nationalfeiertag. Weitere Auskünfte betreffs der Unterkunft ertheilt
Herr George Pernet, 77 Upper Gloucester Place ft. W._
Morbiditätsstatistik d. Infeclionskrankheitenfiir München
in der 27. Jahreswoche vom 28. Juni bis 4 Juli .
Betheil Aerzte 400. — Brechdurchfall 41 (40*), Diphthen ,
13 (21), Erysipelas 12 (19), Intermittens, Neuralgia^nterm 1 ( J,
Kindbettfieber 3 ( ), Meningitis cerebrospm ^—^
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 9 (10), raro P Rheuma-
Pneumonia crouposa 16 (18), Pjraeme, iSe(»),
tismus art. ac. 30 (28), Ruhr (dysentena) - ( ~}\ VarfceHen 3(14),
VSS^SSSä 'i ( (Vs»ÄTs*6). Medicinalrath Dr. Anb.
Uebersicht der Sterbefälle in J* Ü J C 5®" 896
während der 27. Jahr^woche vom 2k Jum bis 4. Juh 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000. Diphtherie
Todesursachen» Masern 1 (— ), ®jjf’jjg eber _ (l), Blutver-
und Croup 3 (5), Rothlauf ( )• . , Unterleibstyphus —
vif tune (Pyämie) 2 (—), Brechdurchfall 9 ( )» c . /» Tuber-
f-), Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündimg 2 (3), Acuter
culose a) der Lungen 21 (35), b) d « 1 (2)»
Gelenkrheumatismus 1 (2), a ° d „ er , e ox durch fremde Hand 1(4
Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord 3 (3), Tod durch n VerbftUnlBM ahl
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 161 (l-<b . (22,5), f flr
auf das Jahr und 1000 Einwohner im 1L3 (lJ)> für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung ,
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,4 (M,iJ.
-*7Die~eingekla mmerten Zahlen bedeuten die_Fälle derV^J:
1 1 uppci uioutwut* * ^ -. . =======■ -n r
y„, v J. F. .» - K. M.'.n-.»'.,..»
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Die Münchener Medlcln. Wochen Schrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindesten« 2 1 /,—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 JC , praenumerando sahlbar.
Einzelne Nummer 60 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressfren. Für die Redactfon
Ottos trag sc 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz lti.
MEDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cb. Blumler, 0. Bollittger, H. Curschmann, C. 6erfiardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, i. i. Michel, H. r. Ranke, F. r. Winckel, ff. y. Zlenssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 29. 21. Juli 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. P. Lehmann, Landwehratr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ueber weitere 150 mit Behring’schem Heilserum in
der medicinischen und chirurgischen Klinik zu Frei¬
burg i. B. behandelte Diphtheriefälle.
Von Dr. Karl Fürth, Assistent der medicinischen Klinik.
Seitdem wir im Juni vorigen Jahres über die in der hiesigen
medicinischen und chirurgischen Klinik mit Behring’ schein
Heilserum behandelten ersten 100 Fälle berichtet'), sind im Laufe
der letzten 12 Monate wiederum 150 Diphthcriekianke der Scrum-
behandlung unterzogen worden. Von diesen wurden bei 123 die
Löffler’sehen Bacillen durch Züchtung nachgewiesen, bei den
27 bacteriologisch nicht untersuchten war die Diagnose durch die
kurz nach der Aufnahme nothwendig gewordene Tracheotomie
(Aushusten von Membranen) gesichert. 13 dieser Fälle kamen
ausserdem zur Section.
Ferner wurde Serum injicirt in 12 Fällen, die klinisch
als Diphtherie imponirten, bei der bactcriologischen Untersuchung
aber die Löf f ler ’ sehen Bacillen vermissen Hessen und nur
Streptococcen und andere Mikrococccn aufwiesen. Wir haben
diese Fälle, von denen keiner tödtlich verlief, nicht in unsere
Statistik mit aufgenommen.
Zur Züchtung der Diphthcriebacillen wurde in allen Fällen
3 Proc. Glycerin-Kälberblutserum, daneben noch häufig Glycerin¬
agar, 30 mal auch noch der Deycke’sche Alkalialbuminat-Nähr-
boden benutzt. Letzterer besitzt nach unseren Erfahrungen gegen¬
über dem Blutserum keine Vortheile. In 34 von unseren 123
bacteriologisch untersuchten Fällen fanden sich neben dem Diph-
thcriebacillus noch Streptococcen. Diese verhältnissmässig geringe
Zahl von Streptococcenbefunden erklärt sich wohl daraus, dass im
Interesse einer möglichst raschen Diagnose die Culturen durchwegs
bereits nach etwa 20 Stunden untersucht wurden, in welcher
Zeit bekanntlich das Wachsthum der Diphthericbacillen das der
Cocccn auf Blutserum bedeutend überwiegt.
Boi 5 Kindern mit Larynxdiplithcrie, von denen 3 zur
Tracheotomie kamen und 2 starben, konnten wir die Dipbtherie-
bacillcn aus dem Rachen züchten, obwohl die Rachen¬
organe vollkommen frei von Belägen und weder
stärker geschwollen noch besonders intensiv ge-
röthet waren. Eines dieser Kinder hatte zugleich Masern,
und war namentlich hier der bacteriologischc Befund von ent¬
scheidender Wichtigkeit für die Therapie, da die Differentialdiag¬
nose zwischen Masernlaryngitis und Larynxdiphtherie klinisch zu¬
nächst nicht zu stellen war.
Unter unseren 150 Diphtheriefällen. befinden sich 122 reine
und 28 complicirte Diphtherien. Die Complicationcn bestanden
in Masern (16), Scharlach (5), Masern und Scharlach (2), Masern
und Typhus abdominalis (1), Tuberculose (4).
Von den 122 reinen Diphtherien starben 12 =
9,8 Proc., zur Tracheotomie kamen 26 = 21,3 Proc., davon
starben 9 = 34,6 Proc.
’) s. d. Wochenschrift 1895, No. 30.
No. 29.
Von den complicirten Diphtherien starben 11 = 39 Proc.,
zur Tracheotomie kamen 9 = 32 Proc., davon starben 6 =
66,6 Proc.
Betrachten wir unsere 150 Fälle zusammen, so haben wir
eine Mortalität von 23 = 15,3 Proc. Trotz der ungünstigen
Beeinflussung durch die in diesem Winter in Freiburg herrschende
Masern- und Seharlaehepidemie ist die Mortalität sowohl absolut
wie relativ in keinem der vorhergehenden Jahre so niedrig gewesen.
Diptherie-
Fälle
Gestorben
in Proc.
Juni 1889 bis
Juni 1890
69
37
53,6 Proc.
„ 90 „
91
103
35
34
„ 91 „
92
76
35
46
92 „
93
95
37
38,9 „
93 „
94
145
56
38,6 „
„ 94 „
95
144
28
19,4 „
(vonOctb. abSerumbehandlg.) 1
Juni 1895 bis
Juni 1896
150
23
15,3 „
In der Periode 1894/1S95 sind unsere ersten 100 mit
Heilserum behandelten Fälle enthalten, was in dem plötzlichen
Abfall der Mortalitätsziffern deutlich zur Geltung kommt.
Am auffallendsten aber tritt statistisch der günstige Einfluss
der Serumbehandlung zu Tage, wenn wir die Zahl der zur
Tracheotomie gekommenen Fälle mit den früheren vergleichen.
Tracheotomirt
Davon gestorben
Juni
1889
bis
Juni
1890
49,1
Proc.
82,3
Proc.
90
91
42,7
»> 1
70,4
n
91
92
48,6
81,0
92
93 ;
41,0
74,3
93
94 1
52,4
67,1
94
95
34J
50,0
(Ton Octbr- ab Serumbehandlg.)
Juni
1895
bis
Juni
1896
23,3
n
42,8
-
Abgesehen von den bereits oben erwähnten Complicationen
war der Charakter der Erkrankungen namentlich in den Monaten
Februar, März und April ein schwerer. Theilen wir unsere Fälle
nach den Grundsätzen, wie wir sie bereits in unserem ersten
Bericht auseinandergesetzt haben, in 3 Gruppen, so hätten wir
diesmal 37 leichte, 35 mittelschwere und 78 schwere Erkrankungs¬
formen zu verzeichnen.
Während in früheren Perioden die Sterblichkeit an Diphtherie
in den beiden ersten Lebensjahren 60—100 Proc. betrog, sind
diesmal von 19 Kindern unter 2 Jahren nur 3 gestorben, obwohl
8 tracheotomirt werden mussten.
i
0—2 Jahre
2—6 Jahre
6 —10 J ahre j
Ueber 10 J.
Fälle . . . . 1
19
75 1
81
25
Davon gestorben |
Tracheotomirt .
3
18 !
1
1
8
23
3
1
Davon gestorben
2
12
0
1
Im Durchschnitt haben wir im letzten Beobachtungsjahre
grössere Serummengen angewandt wie früher, so dass auf den ein¬
zelnen Fall 1690 Antitoxineinheiten kommen. Bei mehreren
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670
MÜNCHENEK MEDIC1MSCHE WOOHEN SOHMET.
No. 29
Kindern haben wir innerhalb 24 Standen bis au 4000 Antitoxin-
nirrheitan eingeapri«^ ^ ^ ^ ^ Erkra „ taB auf-
genommenen Kindern ist keines gestorben
Was die klinischen Erscheinungen betrifft, so Aminen
nur das bereits in unserer ersten Beobachtungsreihe Mitgetheilte
bestätigen Der günstige Einfluss des Heilserums auf dasAU-
gemeinbefinden, den Fieberverlauf sowie den rascheren Ablauf d
L ^r” :""’die Abstossung der Men,
, 7 Taue beendigt. Die auffallende Vermin-
sr..“ T^b».«i.. »t-1 b tr “
damit hängt zusammen die Thatsache, dass b
schwere Stenosenerscheinungen ohne Operation zurück
gingen Während früher bei Larynxdiphtherie mit stärkerer Stenose
Sn längeres Zuwarten meist aussichtslos war ist seit *■“**"“«
der Serumbehandlung die Indication zur Tracheotomie entschieden
hinausgeschoben worden. In solchen Fällen haben wir von den
auch schon von anderer Seite empfohlenen schweisstreibenden heissen
Einpackungen als unterstützendes Moment gute Erfolge gesehen
iS gaben wir des öfteren ein Brechmittel, wenn ™
Annahme hatten, dass die Auflagerungen im Kehlkopfe bereits
eUa8 A 8 i e bum^nu^e’ mehr oder minder starken Grades trat in
40 Proc. unserer reinen Diphtheriefälle auf; einen ungünstigen
Einfluss des Serums auf die Nieren haben wir auch diesmal nicht
beobaditct Nebenwirkungen ^ gerum3 aind in unseren 150
Fällen nur 6 Serumexantheme zu verzeichnen; seit Anwendung
des hochwertigen resp. concentrirteren Serums (Höchst) kamen
überhaupt keine Serumexantheme mehr vor.
Wenn wir nun noch kurz zur Besprechung unserer Todes^
fälle übergehen, so können wir diejenigen, m denen der Io
durch Complicationen mit anderen Krankheiten bedingt war, aus-
schliessen, da sie zur Beurtheilung des Heilwerthes des Serums
nicht in Betracht kommen.
Analysircn wir unsere Todesfälle von reiner Diphtherie, so
haben wir zunächst 2 septische Formen ohne Beteiligung des
Kehlkopfes. Beide, ein 8 und ein 5 jähriges Mädchen betreffend,
waren am 4. Tage ihrer Erkrankung aufgenommen und mit
9500 resp. 3500 A. E. injicirt. Das erste Kind starb bereits
nach 16, das zweite nach 68 Stunden. Hier war offenbar die
Intoxication durch die angewendete Heildosis nicht mehr zu ncutrali-
siren, trotzdem war bei dem zweiten Kinde eine günstige Ein¬
wirkung auf den Localprocess unverkennbar.
An descendirendem Croup starben 5 Kinder und 1 Erwachsener.
Letzterer, ein 27 jähriger kräftiger Landwirth, seit 8 Tagen erkrankt,
kam in einem höchst fatalen Zustande in die Klinik und starb
8 Stunden nach der sofort ausgeführten Tracheotomie. Auch die
5 Kinder waren wegen schwerer Stenosenerscheinungen kurz nach der
Aufnahme tracheotomirt. Die Scction zeigte die Membranen in den
absteigenden Luftwegen z. T. verflüssigt, z. T. noch fest adhärent.
2 Kinder, ebenfalls tracheotomirt, gingeu an diffusen Broncho¬
pneumonien zu Grunde, nachdem der Localprocess bereits zum
Ablauf gekommen war.
Endlich starben 2 Kinder an Hcrzlähmung am 6. resp.
41. Tage nach der Aufnahme. Das erste Kind, ein 3jähriges
Mädchen, am 8. Krankheitstage zur Behandlung gekommen, war
tracheotomirt, das zweite, ein 5 jähriges Mädchen, am 5. Krank¬
heitstage injicirt, hatte eine Bachendiphthcrie, welche bereits nach
5 Tagen abgelaufen war. Das Kind erholte sich aber nicht und
starb schliesslich unter den Erscheinungen des Krankhcitsbildes,
welches Heubner als «diphtherischen Marasmus» bezeichnet.
Wonn auch immer einzelne Fälle übrig bleiben werden, die
sich selbst bei frühzeitiger Serumanwendung als refraetär erweisen,
so wird die Mortalitätsziffer doch noch viel weiter her untergeben,
wenn cs erst durch Aufklärung des Publikums gelingt, die erkrankten
Kinder früher als bisher zur Behandlung zu bekommen.
Für die Ueberlassung der aus der chirurgischen Klinik stam¬
menden Fälle bin ich Herrn Professor Kraske zu grossem Danke
verpflichtet.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Prof. Käst in
Breslau.
Zur Blutalkalescenzbestimtaung am Krankenbett.
Von Dr. med. Karfunkel, Badearzt in Cudowa, Schlesien.
Eine genaue Kenntniss der Alkalcscenz des Blutes und der
Gewebsäftc in krankhaftem Zustande würde zweifellos zum \ er-
stäudniss pathologischer Vorgänge viel beitragen vielleicht auch
für therapeutische Maassnahmen manche neue Anhaltspunkte geben.
Wissen wir doch schon, dass gewisse chemische \ orgänge im
thierischen Stoffwechsel (z. B. die Oxydation) an das Vorhandenen
bestimmter Alkalescenzgrade geknüpft sind, und neuere Arbeite
lassen es auch als wahrscheinlich erscheinen, dass manche der
lebenswichtigen Eigenschaften des Blutes und der Gewebsäftc
( Z b B. die bactcricidc Kraft des Blutserums) von ihrer Reactam
"“teuft trotz dieaer Bedeute zu einer kUuiaeheu T,
werthung der Alkalescenzbestimmung bis jetzt noch nicht gekommen
ist so beruht dies im Wesentlichen darauf, dass auch auf physio¬
logischer Seite eine Einigung darüber noch nicht erz ' e '\
an welchen Factoren die Reaction des Blutes zu controhren ist,
mit anderen Worten, welche Methoden man zur Alkalescen*-
bestimmung 11 zu verwenden habe und was man dann mit diesen
W ' rkl 'ueber S dto^en Kliniker am meisten interessirenden Fragen,
ob und bei welchen krankhaften Zuständen eine abnorme Säure-
tdulu iur Körper ata« habe, ruuaa die von Wa te, ') zue»t
zur Alkalescenzbestimmung im Blute verwendete Methode, die Be¬
stimmung der Kohlensäure, die treffende Antwort geben.
Wenn bei sonst gleichbleibcnden Verhältnissen abnorme a
im Stoffwechsel auftreten, und an der Neutralisation des Blut¬
alkalis participiren, dann muss bei dem Bestreben des Organe
einen gewissen Alkalesccnzgrad im Blut festzuhalten, der Antho
mit dem die Kohlensäure normaler Weite sich an der B g
des Blutalkalis betheiligt, entsprechend kleiner werden. Ir.
That haben Walter’s Blutuntersuchungen bei experimenteller
Säurevergiftung ergeben, dass der Grad der Säuerung des Or^nus
an der Kohlensäure des Blutes gut zu messen ist. Diesc ”°
verlangt indessen eine grössere Blutmenge zu ihrer Ausführung,
so dass eine mehrfache Untersuchung am Krankenbett m kurto"
Intervallen ausgeschlossen ist. Ausserdem setzt ^ das Vorhanden,
sein kostspieliger Apparate und eine gewisse technische Tcrtigk
des Untersuchers voraus. h j„ nn
Den vermehrten Säurezufluss zum Blute hat Kraus )
in anderer Weise zu messen versucht. Da .m _ B1 J* “
neutralen und alkalisch reagirenden Salzen auch -m
Sinne — ungesättigte, saure enthalten sind (z. B. Na H Cüs
Na H» POi, so ist es im Stande, in einem gewissen.Grade
zur Sättigung dieser Salze mit Alkali - Basen zu binden.-Diese
«Basencapacität» muss um so grösser sein, je me r
im Stoffwechsel entstandenen Säuren ungesättigte saure ^
aus den mit Basen gesättigten gebildet worden sind. B “
also eine vermehrte Basencapacität mit Kohlensaurcverminderung
emhergehen^t ^ ^ Kr aus'sehen Untersuchungen auch J
grossen Ganzen der Fall gewesen; trotzdem hat auch ^e Methode
der Basencapacitätsbestimmung, wohl auch desshalb, * ,
Blutmengen dazu nothwendig sind, nicht häufig
gefunden. ^ zup Bluta i ka le S cenzbestimmung
gilt das, was Loewy») letzthin ganz richtig ausgesprochen hato
« Der Factor, der nach den einzelnen Methoden bestimmt ,
in jeder ein anderer, zum Theil uns unbekannter.»
Bei allen einfachen Titrationsverfahren zur Bestimmu g
Blutalkalescenz bestimmt man das Säurebindimgsvermögen
Eiweisskörper des Blutes (oder Serums) zusammen mit dem \ 6
der Salze. Dass beide biologisch in demselben Hm
interessiren brauchten, ist von v. Limb eck ) s -
1) Archiv f. exper. Path. und Pharm. Band 7.
2) Archiv f. exper. Path. und Pharm. Band 2b.
3 ) Pflüger's Archiv Bd. 58.
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21. JuK 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
671
worden und er hat sich in einer neueren von ihm angegebenen
Methode desshalb darauf beschränkt, die Alkalescenz nur in dem
Umfang, als sie durch säurebindende Salze bedingt ist, festzustellcn.
Bei der Durchsicht der Resultate, die v. Limbeck und Steindlcr 4 5 )
mit dieser Methode bei Alkalescenzbeatimmungen am Blute Kranker
erhalten haben, gewinnt man jedoch nicht den Eindruck, dass ein
biologisch wichtiger Factor dabei bestimmt und richtig hervor-
getroten sei. Das Ergebniss z. B., dass die Sera Gesunder,
nicht fiebernder und fiebernder Kranker in ihren Alkalescenzwerthen
annähernd innerhalb derselben Grenzen schwanken, dass auch die
Alkalescenz des Gesammtblutcs bei Gesunden und Kranken inner¬
halb weiter Grenzen schwankt, lässt befürchten, dass auch mit
dieser Methode keine erheblichen Aufschlüsse für die Pathologie
zu gewinnen sind.
- Die älteren Methoden von Zun tz-Lassar 6 ), von Landois 7 ),
modificirt von Jak sch 8 ), von Winternitz 9 * * ) und Anderen,
die alle in der Titration deckfarbenen Blutes nach Verdünnung
mit concentrirten, jedenfalls hypertonischen Lösungen neutraler
Salze bestanden, mussten desshalb einen Fehler mit sich bringen,
weil die in den Blutkörperchen enthaltene Alkalimenge wohl niemals
in ganzem Umfange der bei der Titration zugesetzten Säure zu¬
gänglich istf sondern ein wechselnder, wegen der zahlreich dabei
in Betracht kommenden Factoren gar nicht zu übersehender Theil
nicht als Alkali in Wirkung tritt. Sie zeigen somit nicht, wie
sie es sollen, die Säurebindungsfähigkeit des Gesa mm tblutes.
Diesen Uebelstand hat Loewy ,0 ) durch Verwendung von
lackfarbenem Blut zur Titration zu beseitigen gesucht. In der
That übertreffen die von ihm ermittelten Alkalescenzwerthe denn
auch die mit den früheren Methoden festgestellten um ein Be¬
trächtliches. Aber bei Alkalescenzbestimmungen am Krankenbette,
die Loewy n ) selbst mit seiner Methode ausführte, ergaben sich
so überraschende Werthe, dass man sie zur Erklärung der Stoff¬
wechselstörungen in den vorliegenden pathologischen Zuständen
heranzuziehen kaum im Stande ist. Was Alles beim Säurezusatz
zum lackfarbcncn Blut als alkalische Affinität, d. i. säurebindend,
in Betracht kommt, ist zunächst gar nicht abzusehen.
Trotzdem könnte man unter gewissen Umstünden die mit
solchen Methoden erhaltenen Zahlen zur Beurtheilung einzelner
Veränderungen im Stoffwechsel doch vielleicht verwerthen, wenn
bei Untersuchungen in kurzen Intervallen, in denen die Mehrzahl
der in Betracht kommenden Factoren sich kaum geändert haben
kann, erhebliche Schwankungen im Säurebindungsvermögen durch
die gewonnenen Zahlen an gezeigt würden.
Da die Loewy'sehe Methode eine nur durch Vcnenpunction
zu gewinnende Blutmenge verlangt, eine Wiederholung der Blut¬
entnahme innerhalb kurzer Zeiträume jedoch bei Kranken in den
meisten Fällen unzulässig ist, so wird sie kaum häufige Verwendung
am Krankenbette finden können.
Es war desshalb zu begrüssen, dass Schultz-Schultzen¬
ste in 12 ) unter Benutzung einer von F. Mylius und Förster 13 )
angegebenen ungemein genauen Methode zur titrimctrischen Be¬
stimmung kleinster Alkalimengen eine Methode der Blutalkalescenz-
bestimmung bekannt gab, die wegen der ausserordentlich kleinen
dazu erforderlichen Blutmengen und wegen der Raschheit der
Ausführung eine beliebig ofte Wiederholung der Untersuchung
in jedem Falle ermöglicht. — Mit der oben angedeuteten Ein¬
schränkung, dass es unbekannt bleibt, welchen Factor man mit
solchen Titrationsmethoden bestimmt, konnten verwerthbare rela¬
tive Zahlen mit dieser Methode, wenn sie überhaupt eine zu¬
verlässige Bestimmung erlaubt, vielleicht doch gewonnen werden.
4 ) Wiener med. Blätter 1895 No. 19.
b ) Centralblatt für innere Medicin 1895 No. 27.
®) Centralblatt f. medicin. Wissenschaften 1867 No. 51 — 1894
S. 228 — Archiv für Anatomie und Physiologie 1893 8. 556 —
Pflüger’s Archiv Bd. 9 8. 45.
7 ) Lehrbuch der Physiologie S. 17.
8 ) Zeitschrift für klinische Medicin Bd. XIIF, 8. 350.
9 ) Zeitschrift für physiologische Chemie Bd. XV, 8. 505.
,0 ) Pflüger’s Archiv Bd. 58, 8.462.
u ) Centralblatt f. medicin. Wissenschaften 1894 S. 785.
,2 ) Inaugural-Dissertation, Göttingen 1895 (Kaestner).
13 ) Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft Bd. XXIV
8. 1485.
Nach Schultz-Schultzenstein sollte der absolute Werth
der Blutalkalescenz, den seine Methode gewinnen lässt, nicht
wesentlich von den mit andern Methoden erhaltenen verschieden
sein und es entsprachen nach seinen Angaben auch die mit seiner
Methode festzustellenden Schwankungen der Blutalkalescenz den
in entsprechenden Fällen auch früher schon constatirten Alkales-
oenzveränderungen.
Bei Loewy’s Titrationsbestimmung der Alkalescenz bei
Kranken hatten sich im Gegensatz dazu nicht nur überhaupt
auffallend hohe absolute Werthe ergeben, sondern es waren
namentlich, wie schon erwähnt, auch in pathologischen Fällen
die Schwankungen der Blutalkalescenz gerade in nnigekehrtem
Sinne, als wie bisher in diesen Fällen angenommen war, zu Tage
getreten (vermehrte Alkalescenz bei Diabetes, Fieber etc.; ver¬
mindert im Gichtanfall eto.).
Es galt desshalb zu prüfen, ob die mit der Schultzen¬
stein'sehen Methode beim Gesunden gewonnenen absoluten
Werthe überhaupt ein Maassstab für die sauren Affinitäten des
Blutes sein konnten, oder ob es vielleicht nur auf einem Zu¬
fall beruhte, dass der erhaltene Alkaliwerth einigermassen den
durch andere Methoden erhaltenen Werthen entsprach; und
weiterhin schien es interessant, zu untersuchen, ob Schwankungen
der Alkalescenz von den beiden Titrirmethoden in demselben
Sinne angezeigt werden würden.
Die Handhabung der Schultzenstein’ sehen Methode sei
hier in Kurzem wiedergegeben:
Das Blut wird in ein Capillarröhrchen von bekanntem Inhalt
aufgesogen, mit ca. 12 ccm neutralen Wassers verdünnt und mit
1,5 ccm Ha SO* übersäuert. Diese Mischung wird mit 10 ccm
ätherischer Erythrosinlösung überschichtet und unter vorsichtigem
Schwenken mit Na OH zurücktitrirt, bis die Grenzschicht
zwischen Aether und wässeriger Blutflüssigkeit die erste deutlich
erkennbare Rothfärbung zeigt.
Zunächst ergaben sieh bei der Anstellung von Titrations¬
versuchen nach obiger Methode einige Schwierigkeiten. Wenn
man, wie Schultzenstein, das als Indicator fungirendc
Jodeosin in der von Mylius angegebenen Weise in neutralen
Aether löst, so scheidet sich aus dieser Lösung bei längerem
Stehen der grösste Theil des Farbstoffs an der Gefässwandung
wieder ab, so dass damit bei den späteren Untersuchungen ein
stets schwächerer Indicator in Anwendung kommt. Andererseits
war es nöthig, die zuerst entstandene ätherische Farbstofflösung
wegen ihres zu reichen FarbstofFgehaltes mit neutralem Aether
in geeignetem Maasse zu verdünnen. Bei der ausserordentlich
geringen Menge Farbstoffs, die nothwendig ist, um bei der
Titration der wässerigen alkalischen Lösung ausreichende Roth¬
färbung zu verleihen, scheint es unnöthig, eine genaue Zahlen-
angabe der Farbstoffconcentration in der ätherischen Indicator-
lösung zu machen.
Praktisch gestaltet sich die Sache folgendermassen: Man
braucht eine so schwache ätherische Lösung des Farbstoffs, dass
dieselbe fast farblos, höchstens eine Spur gelblich erscheint und
dass, wenn man im Reagensglas 10 ccm dieser Lösung mit 10 ccm
gewöhnlichem, nicht neutralisirtem und desshalb alkalischem destil-
lirtem W r asser vermischt, diesem gerade eine deutliche Rosafärbung
ertheilt wird.
Den Farbenumschlag in dem durch die geringe Blutmenge
nur wenig gefärbten Wasser zu erkennen, verlangt eine gewisse
Hebung. Doch zeigte sich bei Controlversuchen, dass man mit
der Zeit eine grosse Sicherheit im Erkennen der Endreaction sich
aneignen kann, so dass die Werthe ganz übereinstimmend aus-
fallen, auch wenn man mit verhängter Bürette, lediglich auf sein
Auge sich verlassend, titrirt. Dass einer solchen, so objectiv
wie möglich durchgeführten Titration, noch etwas Subjcctives an-
haftet — ein persönlicher Fehler, der sich in allen Fällen gleich-
blcibt und desshalb bei der relativen Verwerthnng vernachlässigt
werden kann — muss zugegeben werden; der absolute Werth
wird dadurch natürlich um eine Kleinigkeit beeinflusst.
Von der Ueberlegung ausgehend, dass der Fehler bei der
absoluten Alkalescenzbestimmung um so geringer ausfallen müsste,
je grösser die Blutmengen, benutzte ich nicht allein, wie S chul tzen-
1 *
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672
MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHEN SCgBgT^_
No. 29.
stein Capillaren von 0,0075 ccm Inhalt, sondern eine ganze
Reihe verschiedener Blutpipetten, die ich nur selbst dargestdlt
hatte und deren Inhalt zwischen 0,0057 bis 0,02 ccm schwankten
Bctverwendung verschieden grosser Blutpipetten zur Bestimmung
S LEü—. h .i.« B >»r bo
zunächst sehr überraschendes Ergebnis*: D i c H o h c ^ cr ^
„ _ on s der für die benutzte Blutmenge ver
brachten sturezahl auf 100 ccm Blut berechnet
war ganz regelmässig um so geringer, ] c grosser
die verwendete Blutmenge war, z. B.:
Tabelle I.
Inhalt der verwendeten
Pipetten in ccm
Alkalescenz auf 100 ccm Blut berechnet^
Probe I
Probe II
l*robe III
Probe IV
0,0057
0,0058
0,0063
0,0101
0,0108
0,0116
0,0163
0,775
0,753
0,70
0,455
0,44
0,40
0,323
0,856
0,853
0,783
0,497
0,496
0,455
0,334
0,856
0,834
0,793
0,354
0,357
0,54
0,325
0,787
0,768
0,754
0,473
0,446
0,426
0,334
schieden grosser Pipetten nach Schultzenstein die AJkalmicngc
Stimmt, so bekommt man, ganz unabhängig von der Menge der
verwendeten */,o Normal-Natronlauge fast genau übereinstimmende
Werthe:
Tabelle IV. _
Inhalt der
Pipetten in ccm
Alkalescenz
auf 100 berechnet
0,0057
0,458
0,0058
0,466
0,0063
0,475
0,0075
0,467
0,0101
0,461
0,0108
0,453
Nachdem diese Thatsache mit aller Sicherheit festgestellt war,
suchte ich zur Erklärung — von der Vcrmuthung ausgehend, dass
vielleicht ein Zerfall der Blutkörperchen ein Freiwerden saurer
Affinitäten zur Folge haben könnte — durch Bestimmung der
Alkalescenz im Serum darüber Klarheit zu bekommen. » on dem
der Ader entnommenen Blute wurden, nachdem beim Stehen im
Eisschrank sich wasscrhclles Serum abgeschieden hatte, mit den
gleichen Pipetten, wie vorher von dem frischen Blute selbst, I rohen
entnommen. Dabei ergaben sich, wie aus folgender Tabelle II er¬
sichtlich ist, geringere' Alkalescenzwerthc, aber im grossen Ganzen
in ganz analogen Schwankungen, d. h. die Alkalescenz zeigte sich
stets in der Weise von der Menge des verwendeten Serums
abhängig, dass sic um so grösser war, je kleiner die verwendete
Scrummengc:
Tabelle II.
Inhalt der verwendeten
PiDetten in ccm
Alkalescenz auf 100 ccm Serum berechnet
~P^beTTProbe II I Probe 11L j Probe IV
0,0057
0,0058
0,0063
0,0101
0,0108
0,0116
0,0163
0,455
0,454
0,41
0,197
0,169
0,150
0,110
0,543
0,538
0,396
0,182
0,175
0,145
0,126
0,513
0,508
0,364
0,168
0,125
0,246
0,141
0,58
0,56
0,40
0,184
0,168
0,24
0,180
Wie sollte man sich diese auffallende Erscheinung nun
erklären? .
Theoretisch wäre es denkbar, dass die ätherische Jodeosin-
lösung eine Veränderung bestimmter Bestandteile der Blut- resp.
Serumflüssigkeit hervorruft, besondere Fällungen oder Verbindungen
bewirkt. In erster Reihe könnten die Eiweisskörper in Betracht
kommen. Dann mussten bei Eiweisslösungen die Alkalcscenz-
bcstimmungen dieselben auffallenden Unterschiede ergehen; bei
gleicher Ausführung der Titration mit filtrirtem Hühnerciwciss
fand sich denn auch Folgendes:
Tabelle III.
Inhalt der
Pipetten in ccm
Alkalescenz von Hühnereiweiss
auf 100 ccm berechnet
Probe I
Probe 11
0,0057
0,191
0,186
0,0058
0,189
0,185
0,0063
0,172
0,165
0,0101
0,114
0,157
0,0108
0,11
0,150
0,0116
0,103
0,106
0,0163
0,0739
0,089
Wenn man dagegen in einer mit einer Spur Phenolphtalein
hlutroth gefärbten '/io Normal-Natronlauge unter Verwendung ver-
Damit ist klar bewiesen, dass die bei der Titration von Blut,
Serum und Hühnereiweiss erhaltenen Differenzen auf der An¬
wesenheit des Eiwcisses in den Lösungen zu suchen sind. Ausser¬
dem beweist die Thatsache, dass die Titration der /io Normt
Natronlauge im Durchschnitt einen um 16 Proc. zu.hohen Werth
ergeben hat, dass die Schultzenstein sehe Methode ^r Bestim¬
mung absoluter Alkalescenzwerthc in so geringen I lüssig-
keitsmengen, wie sic bei der Titration des Blutes ffcgen seines
Farbstoffgchaltcs nur zulässig sind, nicht zu verwerthen ist.
Es kann vielmehr die Methode hier höchstens für relative
Verglcichungshestimmungen in Betracht kommen und zwar eigentlich
auch hierzu nur, wenn es sich darum handelt, Schwankungen m
der Alkalescenz hei ein und demselben Individuum innerhalb kurzer
Zeiträume festzustellen. . ,,
Will man die bei verschiedenen Individuen in krankhafte
Zustande erhaltenen Alkalescenzwerthc mit einander in Vergleich
bringen, so kommen nach oben Gesagtem selbstverständlich nur
die Ergebnisse solcher Untersuchungen, bei denen gleich grosse
Blutmengen (bezw. Pipetten) verwendet wurden, in Be .”.
In der nachfolgenden Tabelle sind desshalb die mit derselben
Blutpipette in den verschiedenen Fällen erhaltenen Wert esc
in einer Columne untereinander gereiht.
(Tabelle V siehe Seite 673.)
Wenn cs gestattet ist — mit aller Reserve — Schluss¬
folgerungen an die erhaltenen Zahlen anzuknüpfen, so kann
mau aus der Tabelle ersehen : ,
1. Bei demselben Individuum wurden, wenn innerhalb kurzer
Zeitintervalle untersucht wurde, und der Zustand des Untersuchten
sich nicht wesentlich geändert hatte, ungefähr dieselben
Werthe bei der Wiederholung der Untersuchungen gefunden.
2. Bei Individuen mit fieberhaften Erkrankungen, wenn
Gelegenheit sich fand, sie während der Fieberperiode und ausser¬
halb derselben (in der Reconvalescenz) vergleichend zu untersuche ,
waren die an den Fiebertagen gewonnenen Alkalescenzwerthc meis
geringer als die an den fieberfreien Tagen erhaltenen (vergl.
Fälle 16 und 17). , ,
3. Die Alkalescenzwerthc im Fieber waren an und für sici
nicht immer abnorm niedrig, namentlich bei Fieber verschiedener Pro¬
venienz nicht um so niedriger, je höher die Ficbcrtemperatur.
4. Bei allen Kranken, welche ad exitum kamen und bei
welchen in der letzten Zeit vor dem Tode noch Alkalescenz
bestimmungen gemacht worden waren, nahm die Alka
des Blutes deutlich gegen das Ende hin ab (•
5. Ebenso ^ lagen bei Anaemischen und Kachektischen die
Werthe relativ niedrig und sanken mit zunehmender Anaemie
Kachexie (Fall 15) weiter, hoben sich andererseits (z. B. tai o,
bei Eintritt der besseren Blutbeschaffenheit.
6. Bei zwei schweren Diabetikern war (trotz rc '®
lieber Acetessigsäurcausschcidung im Urin) keine nennenswe
Abnahme der Blutalkalescenz festzustellen; in einem t
Gicht fand sich die Alkalescenz eher vermehrt als kerabg •
Es war nun noch von Interesse, festzustellen, o “
selben Fällen, wo verschiedene Alkalcsccnzgrade mit tim
Sckultzcnstcin’schcn Methode festgcstcllt worden waren,
die Loewy’sche Methode entsprechend verschiedene Resultat
Tage fördert.
Digitized by
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21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
673
Tabelle V.
Diagnose,
Datum Temp.
Inhalt der Pipetten in ccm
Alter, Geschlecht
0,0108 0,0101! 0,0057 0,0058 0,0063 0,0116 0,016310,0075 0,0111 0,0167 0,0168 0,0186 0,0008 0,0146
0,02 j
Bemerkungen
No. 29.
1896
l
Diabetes gravis,
19. III.
37
0,351
0,345
*
• 1 • | •
Mann, 35 Jahre
19.111.
37
0,35
0,346
20.111.
36,9
0,336
0,343
• . . .
28.III
36,8
0,351
0,354
2
Phthisis pulm.,
23. HI
36,5
0,352
0,345
Mann, 31 Jahre
24. III.
37,0
0,357 0,354 0,856 0,834 0,893 0,54 0,325
31.111
36,3
0,446 0,473
0,787 0,768 0,754 0,426 0,334
3
Perniciöse
L9. III.
87,8
0,3208 0,32
Anaemie,
20.III
37,9
0,317 0,32
Mann, 3G Jahre
21. III
37,8
0,30 0,31
. . i . 1
11. IV
37,1
0,575
0.584 0.879 0,851! 0,810 0,501 0, m
* i ’ / ’ i
4
Carcinom. ventr.
20.111
0,46310,404
Mann, 62 Jahre
21. III
| —
0,44
(1,455 0,775 0,75310,70 ,0,40 0,323
•
5
Myalgia
24.11.
—
0,567 0,557
rheumat.,
25.11
.
0,955
1 |0,895
Mann, 47 Jahre
25.11.
0,4960,497 0,856 (1,853 0,783 0,455 0,334
'
G
Rheumatismus
21. III
36,6
0,386 0,375
Mann, 46 Jahre
23. III
36,8
0,3660,372 .
7
Angina,
L9. III
39,6?
0,397 0,408 .
Polyarthritis,
20. III
*8,2-10
0,397 0,408
Weib, 18 Jahre
22. III
31, '.'-38,90,382:0,392
8
Phthisis pulm..
18. III
—
0,331 0,343
Mann, 55 Jahre
20. III
38,2
0,351 0,350
{1
Diabetes grav.,
10.11.
(i,92
0,95810,838 .
0,74s
Mann, 25 Jahre
13.11.
0,427
(1,49
Körpergewicht
14 11
i »,427
0,45
41 kg
lft.II.
i »,127
0,435
17.11.
0,412
0,408
20 II
0,334
(1,343» .
21.11.
(),32i
0,32 ;
22. 11.
0,412
0,423
10
Chlorosis,
14.11
.16,5
0,115
0.408
Kind, 15 Jahre
17. II.
36,8
(1,36
0,354
21.11.
36,2
0,375
0,377
• | • • • 1 •
11
Ery sipelas faciei,
4 II.
40
0,61
Mann, 28 Jahre
T II. friil
39
0,625
abends
39.9
. 0,61
6. II.
39,3
0.675
11.II.
37,4
(»,5 1 1
0,512 j .
0,678 .
0,675
12
Pleuritis exsud ,
19. H
36.9
0,542 .
0,553
Ulcus ventric..
21.11.
36,7
(1,431
0,4 U)
Weib, 36 Jahre
2. III.
36,7
0,331
0,315
13
Ulcus ventric.,
20. II.
37.1
0.498
Weib, 26 Jahre
21.11.
36,9
0.3820,39"
’
14
Morbus Weilii,
18.11.
37,5
0,187
11,506
Weib, 27 Jahre
15.11.
37,2
(1,4(100,39.)
21.11.
37,0
0,390 0,405 .
5. 111
36,6
0,563|0,583 .
15
Carcinom.
l.II.
36.8
0,637 .
(1,637
hepatis,
3. II.
36,8
starker Ikterus,
4. II.
36,6
|0,593
Weib, 43 Jahre
10. II.
37,6
0,187
0,627
0,63 1 . 1 . 1 .
0,54
Körpergewicht
13.11.
37,3
•
. 0,6 z 5
(»,( i 16
11 TI IR
zu Anfang 47,2,
17. II.
36,4
0,532
1 1 'HU!
dann 46,1 kg
21.11.
36,5
0,409
1 Ij.SVth
IG
Pneumonie,
20.11.
39,8
. 0.475 •
0,46
Mann, 21 Jahre
21.11.
37,0
0,584
( 1,582
25. II.
36,8
•
. 0,635 .
(»,618
17
Cholelithiasis,
13.11.
36,9
0,675
0,682
Empyem,
14.11.
36,6
. jo,65 . | .
0,66
Septicaem.,
15.11.
38,5
0,534 .
0,526
Parotit. dextr.,
21.11.
38,7
. | .
. 0,490] .
0,513
Pneumon. lob.
22.11
36,2
. ' .
0,4 <5 .
0,48
infer. dextr. etc.,
Weib, 47 Jahre
18
Bleigicht,
14.11.
37,7
.
. 0,814 . 1 ,
0,798
Mann, 24 Jahre
15. II. |
37
0,648 .
0.654
|
16.11.
36,8
. 0,662} .
0,675
21.11.
36,9
. 0,655
0,661
19
Gesunder Mann,
31.1.
_
. [0,654
0,648
30 Jahre
5. II.
1
1
. 1 • 0,58 ; .
Hui einer Kost mit 24 g
Kohlehydrat ca. 70 g Zucker
im 24stüiuligen Urin,
pro die 20 g Natr. bicarb.,
starke Eisenchlorid-
reaction. Urin sauer.
Haemoglobin 30 Proe.
4 920000. Erythrocyten.
Haemoglobin 5i> Proc.
0,63 0,429 0,43
(1,6220,454 0,4;')
]o,643 0,453 0,453
0,61 0.402 0,101
0,489 0,468
0,606 ",130 0,422
0,107
Bei einer Kost von 130 g
Kohlehydrat c. lüOgZucker
im 24stündigen Urin,
Dabei sehr starke Eisen*
ehloridreuetiun. Trotz 20 g
N'atr. bicarb. pro die stets
snurer Urin, nur in den
beiden letzten Tagen al¬
kalische Reaction des
Harns.
Huomoglobin 30 —io Proc.
Lcukocyten 7si»0.
Erythrocyten 3 704 000.
11,507 0,395;
Haemoglobin 4d Proc.
I.eukocytun 20 000.
Erythrocyten 2 680000.
Am 5. III. f.
Haemoglobin 30 Proc.
Lcukocyten I0 6t>).
Erythrocyten 2 40000t).
Haemoglobin 40 Proc.
Leukocytcn 6000.
Haemoglobin 60 Proc.
Haemoglobin 75 Proc.
0,493,0,414 Jo, 356
Haemoglobin 65 Proc
tl- HI- Exitus letalis.
Haemoglobin 35 Proc.
22. II. Exitus.
Venaesectio 235 ccm.
Ilarnsilure aus dem Blute
dargestellt.
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MtTNCH ENER MEDICINISCHE WOC EffiNSCmgT.
No. 29.
„IS S.Srsr -Juz. ■='5t SST-
ein und demselben Falle nie öfters wiederholt werden.
Diagnose,
Alter, Geschlecht
Phthisis pulmon. Mann,
31 Jahre
Perniciöae Anaemie, Mann,
86 Jahre
Carcinoma ventr., Mann,
62 Jahre
Myalgia rheumatic., Mann,
47 Jahre
Rheumatismus, Mann,
46 Jahre
Angina, Polyarthritis, Weib,
18 Jahre
Wie man sieht, besteht kein consta nt cs Verhalten. Wählt
man nur die mit den circa 10 mg haltenden Pipetten gewonnenen
st
«S1.I b» K*" Kranke» mit Meth ° dC "
etwas grössere Werthe als zuvor gefunden wurden.
Es muss weiteren Untersuchungen, mit welchen ich zur Zeit
beschäftigt bin, Vorbehalten bleiben, festzustellen, ob sich ein
solcher Parallclismus regelmässig constatiren lasst.
In diesem Falle stehe ich nicht an, für klinische Unter¬
suchungen am Krankenbette der Schnitzen stein sehen
Methode den Vorzug vor der Loewy’schen zu geben,
die an den Beobachter an Fleiss und Aufmerksamkeit bis zur
einigermassen befriedigenden Handhabung mindestens ebenso grosse
Anforderungen stellt, als die Schultz enstein sehe und bei
der ausreichende Uebung im Erkennen der Endreaction voraus¬
gesetzt wird.
Die mit der L o c w /sehe» Methode erhaltenen Werthe habe .ch
in de, folgenden Tabelle den mit der SehulUenato.n aehenMethode
«schieden«» Blutmengen erhaltenen Werthen gegenhbergeetellt:
Methode Loewy
im Mittel von
je 4 Bestimmungen
0,308
0,319
0,484
0,421
0,400
Dass die Fehlergrenzen, innemam
Stimmungen an derselben Blutprobe schwanken, fast ebensoweit aus-
cinanderHcgcn dass beide Methoden .keine absoluten Werthe der
SfoXtaL’a liefern, die für da» V.ratUndn.as der SfoffÄ
Veränderungen von Interesse wären, wurde oben schon gesagt-
Ihre Bedeutung sollte dcsslialb nicht überschätzt werden Zu
Controlc relativer Schwankungen der Alkalescenz be ein un
Kranheu aber bau,, die Schul taenate... ;^ Me-
thode sehr wohl verwendet werden, zumal da sie für die jedes g
Untersuchung nur einen Tropfen Blutes verlangt und so, ob
Ln Patienten au schädige», besser als jede andere Methode m
beliebig turaeu Intervallen ausgefUl.rt »erden kann, h» -b
sames Einarbeiten und eine äusserst gewissenhafte Ausführung
aber verlangt sie in gleichem Maasso, ehe man zu eimgermasse
befriedigenden Resultaten kommt.
Es sei mir schliesslich gestattet, an dieser Stelle dun Dircc
der medicinischen Klinik zu Breslau, Herrn Profess«Dr^Kas ,
sowie den Herren Privatdocent Dr. Wemtraud
Woiss-, ehern. Assistenten der Klinik, meinen
Dank auszusprechen.
Datum
1896
24. IH.
31. III.
0,0108 |
0,357
0,446
0,0101 |
0,354
0,473
Inhalt de
0,0057 |
0,856
0,787
r Pipetten
0,0058
0,834
0,768
in ccm
0,0063
0,893
0,754
0,0116 |
0,51
0,426
0,0163
0,325
0,334
19. in.
0,3208
0,32
20. IH.
81. HI.
0,317
0,44
0,32
0,455
0,775
0,753
0,70
0,40
0,323
25. IH.
0,495
0,497
0,856
0,853
0,783
0,455
0,334
21. III.
0,386
0,375
•
23. III.
0,366
0,372
•
19. III.
22. III.
0,397
0,382
0,408
0,392
’
j
Die Sondirung des Pylorus am lebenden Menschen
vom Munde aus.
Von Dr. Franz Kuhn ,
Assistent der chirurgischen Klinik in Giessen.
Anschliessend an eine grössere Abhandlung über die diagnostische
Verwendung beweglicher Metallrohre in der klinischen Mcdiein,
welche bereits in Druck ist, erlaube ich mir ,n holgcndem, als
erstem Theil einer kleinen Reihe von Abhandlungen über die
mechanischen Verhältnisse der einzelnen Abschnitte des mensch¬
lichen Darmes und ihre Diagnostik, über die Sondirung des nor¬
malen Pylorus und des folgenden Dünndarmabschnittes am gesunden
Menschen zu berichten.
In der klaren Erkenntniss nämlich, dass in den beweglichen
Metallröhren, wie sie durch die verschiedensten Arten von Con-
structionen nach dem Spiralprincip zu Stande kommen, allem das
Werkzeug für die Darmsondirung und andere diagnostische oder
therapeutische Manipulationen im Magen-Darmcanal zu finden ist,
habe ich seit vorigem Jahr nach diesem Principe alle erdenklichen
Constructionen versucht, aus den verschiedensten Metallen, in
wechselnden Dicken und Weiten, mit drehrunden oder sich über
greifenden Windungen, sehr leicht biegsam und starrer, mit und
ohne Bezüge, einfach oder mehrfach combinirt, — und hatte die
Freude, diese Rohre zu den mannigfachsten Verwendungen vom
Munde oder After her auf bis jetzt unerreichte Strecken einführen
zu können. Auf die Sondirung des Darmes vom Anus her werde
ich in einem folgenden Artikel zu sprechen kommen; liier sei
zunächst nur die Sondirung durch den Magen und Uber den
Pylorus hinweg, vom Munde her, erörtert; dabei wird diesmal
meine Ausführung noch etwas skizzenhaft sein. Eine eingehende
Beleuchtung aller diesbezüglichen Einzelheiten, auch nach
pathologischen Seite hin, wird alsbald folgen. Eingangs
Zuerst ein kurzes Wort über die Apparate. In der E.nga gs
erwähnten Arbeit ist die Bedeutung ^ Metall^
liehen Metallrohrc für die Medicm eingehend erörtert^ u d h
weise bezüglich aller Einzelheiten die etwa in d oser.M tth g
unklar bleiben, auf jene Arbeit. Hier sollen nur die
Berücksichtigung finden, welche sich auf das lhema direct
Dabei streife^ich im Vorbeigehen die gewöhnliche Magensonde _
' Von den vielen Möglichkeiten nämlich, die alle zur Constru
von Instrumenten für den Magen-Darmcanal ^“^^0
können (vergl. obige Arbeit), braucht man ™ 2 da***
ergeben haben, für den vorliegenden Zweck nur di
vielleicht auch, wie ich am Ende meiner V«n*ird
„ächstliegende: «Ein Gummisehlauch von mässiger 8ein e„,
mit einem Spiralrohr ausgekleidet und das ga Rotation
ganzen Verlaufe während der Einführung mit der Ha
versetzt. » Wänden
Die Reibung des weichen glatten Gummi hen Ab .
des Oesophagus, Magens und Darms ist bei de geringste,
sonderung von Schleim trotz der Rotation die denkbar g JP
geringer als es auf jedem anderen constructiven
sehr zahlreiche Versuche über das Gleiten von
anderen Metallröhren ete. etc. gemacht) herstellbar •
Auch ist eiu solcher weicher Gummischlauch g ‘ ulZ ”! lg g enga tion
und verursacht dem Untersuchten keine u ™ nge ™ ’ inmison de lösen
als die gewöhnliche Sondirung. In un^Mlg®®*^^
sich nämlich 2 eigenthün.liche Widersprüche in der M aolk
Digitized by
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ö
21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
675
Weise: Trotz der Metalleinlage bleibt die fertige Sonde rücksicht-
lieb ihrer Geschmeidigkeit, Biegsamkeit, Nichtgefährlichkeit etc. etc.
dank der besonderen Eigentümlichkeiten der Spiralröhren nichts
Anderes als ein weicher Gummischlauch, andererseits sei aber
ausdrücklich betont, dass das von Anfang bis Ende der Sonde
reichende Metallrohr das Wesentliche an der Sonde darstellt. Denn
cs allein überträgt nach dem Spiralprincip rotirende und andere
Kräfte auf die Spitze der Sondo (selbst wenn man nach dieser
Richtung hohe Anforderungen stellte), cs allein gibt dem Sonden¬
system alle die anderwärts nachzusehenden, wunderbaren Eigen¬
tümlichkeiten , die allein cs zur Darmsondirung in einer so
merkwürdigen Weise befähigen.
Lassen wir nun unsere Pylorussonde vor unseren Augen aus
ihren Componcntcn entstehen:
1. Man nimmt ein ca. 2 m langes Stahlspiralrohr von be¬
stimmter Drahtstärke, bestimmtem Umfange und bestimmter Starr¬
heit; dabei sei erwähnt, dass ich meinen Spiralrohren gerne gegen
die Spitze zu, die zur Einführung bestimmt ist, eine grössere
Schmiegsamkeit gebe, die die Biegsamkeit und Geschmeidigkeit
jedes Gummirohres weit übertreffen kann.
2. Ucbcr diese Metallspirale zieht man nun, einerseits der
Glcitsamkeit und Glätte wegen und um die Schleimhäute zu
schützen, andererseits zu Zwecken der Luftdichtigkeit und Wasser¬
dichtigkeit und aus vielen anderen Gründen, die anderwärts zu
ersehen sind, einen mehr oder weniger dicken Gummiüberzug,
wozu zunächst jede weiche Schlauchsorte des Laboratoriums im
Principe verwendbar ist.
3. Das dem Darme zugekehrte Ende muss natürlich nach
Art der seither gebräuchlichen Magenschläuche glatt und rund
endigen, um nicht mehr als diese dem Magen und Darme gefähr¬
lich zu sein, was durch einen am Ende der Spirale anzubringenden
Knopf schon zu besorgen wäre. (Natürlicherweise werden die von
den Fabriken zu besorgenden Gummiüberzüge von Hause aus blind
und stumpf endigen.) Hat man nur die einfache Sondirung ohne
Wasser- und Luftzuführung im Auge, so wird es sich empfehlen,
jedes Fenster au der Sondenspitze, sowie jede Unebenheit am
Rohre zu vermeiden. Für fernere diagnostische Fragen lassen sich
dann gefensterte Sonden mit centraler oder seitlicher Durchbohrung
in Anwendung bringen.
Genau so einfach wie die erörterte Aneinanderfügung ist die
Auseinandernahme der Sonde zwecks Reinigung und Sterilisirung:
Das metallene Spiralrohr, das für Ueberzüge von verschiedener
Form verwendbar ist, ist direct auskochbar und kann wie jedes
chirurgische Metallinstrument aufgehoben werden. Die Gummi¬
bezüge müssen auch auskochbar sein, andererseits können sie bei
entsprechender Billigkeit leicht durch neue Bezüge ersetzt werden.
Indem ich hier in etwas primitiver Weise den Aufbau meines
Apparates beschreibe, will ich natürlich damit keineswegs sagen,
dass ich nicht wünschte, nur die vollendetsten Constructionen an¬
gewandt zu sehen, sondern ich will auf diesem Wege nur die
Einfachheit unserer Sonde beweisen, was wohl die erste Grund¬
bedingung für ein gangbares Instrument sein muss. Dabei bogrüsse
ich allerdings mit einer gewissen Genugthuung die Entbehrlichkeit
der englischen und französischen Gummi- und Bougieartikel, ab¬
gesehen von dem Vortheile, auf diesem Wege endlich ein modernes
uud dauerhaftes Bougiebesteck für den Oesophagus herzustellen.
Denn die Construction der Pylorussonde verleitet mich, einer¬
seits für den gewöhnlichen Magenschlauch (so wenig natürlich hiezu
ein Bedürfniss anerkannt werden wird), andererseits mit mehr Recht
für das gebräuchliche Bougiebesteck für den Oesophagus einen
Ersatz vorzuschlagen.
Dass nämlich die seither gebräuchlichen, massig starren Bougies
für den Oesophagus, die immer dann zerbrochen sind, wenn man
sie braucht, mit grossem Vortheil durch Spiraldrähte und Rohre
von zunehmender Dicke, über welche man einen mehr oder weniger
dickwandigen, sackförmigen Gummiüberzug überzieht, ersetzt werden,
leuchtet bei der Dauerhaftigkeit dieser Constructionen auf den ersten
Blick ein. Abgesehen davon haben diese Bougies in Folge des
spiraligen Baues sehr viele sonstige Vorzüge, auf welche hier ein¬
zugehen zu weit führen würde.
Anders steht es mit dem Magenschlauch; dieser ist nämlich
in der herkömmlichen Form für die tägliche Praxis sehr brauchbar
und hat sich, wie kaum ein anderes Instrument, nur mit kleinen
Modificationen, in einer ganz typischen Form eingebürgert; er
besteht sonach aus einem mässig derben Gummi, hat ziemlich
dicke Wandungen, ist im Ganzen ungefähr fingerdick und trägt
am Ende 1—2 Fenster (vergl. die Abbildungen in Riegel’s
Lehrbuch der Krankheiten des Magens, Wien 1896) oder mehrere
kleinere seitliche OefFnungen (Rosenheim) oder hat eine axiale
OefFnung an der Spitze. Nur einen Hauptnachtheil hat diese Sonde
für den täglichen Gebrauch, vor Allem für den stationären Be¬
trieb in einem Krankenhause, — sie ist zu theuer. Die von den
Instrumentengeschäften gelieferten Sonden sind eben meist englische
Fabrikate. Dabei werden auch sie bei häufigem Auskochen, welcher
Nothwcndigkeit man schon aus Gründen der Appetitliohkeit, ab¬
gesehen von der Infectionsgefahr, auf die Dauer nicht entrathen
kann, sehr leicht hart, bekommen starrere Krümmungen und brechen.
Diese Gründe lassen mich, so sehr cs mir auch sonst ferno
liegt; gegen ein so bewährtes Instrument Krieg zu führen, an-
nehraen, dass eine nach dem Princip der Pylorussonde construirte
Magensonde für viele Fälle und Zwecke doch recht brauchbar
sein könnte.
Uebcrziehen wir nämlich eines meiner Spiralrohre mit einem
Gummischlauche, (natürlich jeden Theil in besonderer Beschaffen¬
heit vorausgesetzt), so ist, bei entsprechendem Abschluss am
Magenende, die Magensonde schon fertig. Es lässt sich eben, um
die genannte Thatsache anders auszudrücken, mittels einer geeigneten
Spiralröhre mit grosser Leichtigkeit jede Art weichen Gummi¬
schlauches in tiefere Körperpartien, besonders in den Magen-Darm-
eanal cinführen. Andererseits gibt ein solcher Gummischlauch
mit einer metallenen Innenwand das ab, was ich an anderer Stelle
als Speculum für den Darmcanal bezeichnete, d. h. einen Weg,
auf dem weitere Instrumente gefahrlos einführbar sind, und bietet
auch für den Magen alle die Vorzüge, die in Bezug auf den
ganzen Darmtraetus an anderer Stelle erörtert sind.
So sehen wir, wie mit einem Schlage alle Apparate, Sonden
und Bougies für Oesophagus, Magen, Pylorus und Darm etwas
auffallend Einheitliches und Einfaches bekommen; sie bilden
förmlich ein System von Apparaten für den menschlichen Ver-
dauungscanal.
Gehen wir nun zu der eigentlichen Technik der Pylorus-
sondirung über. Die Einführung unserer Pylorussonde ist sehr
einfach. Dieselbe gleitet nämlich so leicht, wie der gewöhnliche
Nelatonschlauch, vielleicht noch besser, weil eie bei aller Ge¬
schmeidigkeit in Folge der Metalleinlage besser führbar ist. Ferner
ist die Sonde auch in Folge des etwas grösseren Gewichtes zum
Hinuntergleiten recht geneigt.
Ist die Sondenspitze ungefähr in dem Magen angelangt, dann
beginnt man die specifische Eigenthümlichkeit der Spiraleinlage zur
Anwendung zu bringen.
Um diese gut zu begreifen und sich recht anschaulich zu
machen, beobachte man einmal die Bewegungen einer derartigen,
rotirenden Metallspirale von ca. 2 Meter Länge, ausserhalb des
Körpers. (Ich bringe hier das Wissenswerthe nur skizzenhaft;
das Nähere ist in der grösseren Abhandlung nachzulesen.) Durch
die Rotation gewinnt die Spirale in ihrem ganzen Verlaufe,
namentlich aber an ihrem freien Kopfende, mit einem Male förm¬
liches Leben; sie macht wurmartige Krümmungen, die sich wieder
selbst ausgleichen, verändert nach vorne und seitlich ihren Ort;
der Kopf seinerseits macht seitliche und kreisförmige, suchende
Bewegungen, übersteigt Hindernisse, schiebt kleinere zur Seite,
umgeht festere Körper, kriecht in kleine Löcher, u. dgl.), und
alles dies in einer ausserordentlich schonenden und vorsichtigen
Weise.
Bemerkenswerth ist hiebei, wie Krümmungen in dem Ver¬
laufe der Spirale für die ganze Kraftübertragung ganz unwesent¬
lich sind, wie das einzelne Segment nötigenfalls an immer der¬
selben Stelle rotirt und die Rotationen ohne eigene Ortsveränderung
immer weiter leitet.
Natürlicher Weise geschieht diese ganze Rotation nur mit
der einführenden, sondirenden Hand. Denn diese allein garantirt
bei entsprechender Uebung und Empfindlichkeit für eine gefahr¬
lose Führung und lässt Hindernisse alsbald erkennen. Während
man also dreht, sucht sich der bei dem leichten Gleiten an der
2 *
Digitized by VjOOQie
676
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
Darinwand mühelos vorzuschiebende Kopf seinen Weg und zwar
in einer Richtung, die ihm jeden Augenblick von seiner Um¬
hüllung, d. i. der Darmwand, automatisch bestimmt wird. Dabei
liegt der hintere Theil des Rohres immer in möglichst grossen
Rogen, ohne bestimmte Krümmungsradien festzuhalten, wie dies
z. B. die halbstarren Bougies hartnäckig thun würden, sondern
die ideelle, centrale Axe, um welche die jeweiligen Rotationen
des Rohres sich vollziehen, wird durch den leichtesten Anstoss
von aussen in Biegung und Richtung geändert. Andererseits
haben die Spiralen wieder in vorteilhafter Weise, wenn sie rotiren,
4 das Bestreben, sich zu strecken, also kleinere unnöthige Krüm¬
mungen auszugleichcn, dies aber nur in sehr langsamer und
schonender Weise.
Gleichzeitig wird man beim Vordringen durch den Hohlraum
des Magens die Sonde bei fortgesetzter Rotation leicht hin und
her ziehen, um dem Kopfe das erstrebte Ausweichen und das
Beiseiteschieben von Hindernissen zu erleichtern und ihn so das
Darmluincn noch besser finden zu lassen. Auf diese Weise gibt
cs ein Festbohren des Kopfes der Sonde nicht, weil derselbe zu
viele Möglichkeiten hat, den offenen, bequemeren Weg zu finden
und sich der Umgebung anzupassen.
So kommt die Sondenspitze mit Notwendigkeit längs der
grossen Curvatur bis zum Pylorus wie ja auch Boas mit seinem
3 I i—1 i» langen Magcnsclilauchc aus Gummi gefunden. Aber
die Spitze dringt auch noch mit Sicherheit, wie meine
Versuche beweisen, meterweit über den Pylorus in den
Dünndarm hinein, soweit als zunächst die Rohre reichen,
Von dem Momente ab, wo der Pylorus passirt ist, sind die Rotationen
des Schlauches um seine Axe nicht mehr so wesentlich. Auch
sind sie schwerer ausführbar, und genügt ein ganz leichter, oft
leichtester Druck, um das fernere Weitergleiten der Sonde, in den
Mund hinein, zu bewirken.
Die Thatsachc, den Pylorus des lebenden Menschen vom
Munde her, und auch den Dünndarm auf grosse Strecken sondiren
zu können, wird viele höchlichst überraschen, anderen unglaublich
erscheinen, wie wir ja auch selbst, so wahrscheinlich sic uns
theoretisch lag, über dieselbe freudigst überrascht waren.
Dass es aber eine Thatsachc ist, kann Jeder mittels unserer
Sonden durch folgende \ ersuche sich und Andere überzeugen.
1. Ein metallenes Pylorusrohr, das in der oben genannten
Weise mit Gummi überzogen ist, von 2'/4 m Länge, ist auf die
geschilderte Art per os, bei sitzender Haltung des Patienten,
leicht bis zu seinem Ende einführbar. Dabei sind schon von
vorneherein Aufwicklungen im Magen nicht wahrscheinlich, weil
sie ungerne erfolgen, ferner kann die Aufwicklung ganz und gar
durch die eombinirte Untersuchung ausgeschlossen werden. Zudem
ist der Gang und Verlauf der eingeführten Sonde am offenen
Abdomen des narkotisirten Huudes direkt mit dem Auge zu
verfolgen.')
Das^ Abdomen bleibt nämlich in der Magenfundusgegend
nach der Einführung von 2 m Schlauch und in der linken Seite des
Bauches ganz leer. Nur eine Sondenwindung, jedenfalls längs
der grossen Curvatur, ist bei nicht cktasirtem Magen manchmal
zu fühlen. Die Hauptmasse des Rohres liegt rechts vom Nabel
und der Mittellinie, in Schlingen angeordnet, oft weit herunter
bis zur l'ossa iliaea reichend, was Alles sehr gut bei einer Patientin
mit einem Bauchbruehc zu fühlen war, der sich in der Incisions-
narbe einer Typhiitis ausgebildet hatte. Nach diesem Befunde
ist es unwahrscheinlich, dass das lange Rohr den Pylorus nicht
überschritten hätte. Doch machen wir weitere Versuche:
2. Der Gummiüberzug eines 2 m langen Metallspiralrohres,
wird 70 ctm von seiner Spitze, die zur Einführung bestimmt,
und dementsprechend geformt und geschlossen ist, von einem
kinderfaustgrossen, bimförmigen Gummiballon unterbrochen, der
seine stumpfe Seite der Spitze zukehrt, dann setzt sich wieder
cm Gummischlauch bis zu dem, dem Untersucher zugekehrten
nncl. , / • ihr - t man nilmlich einem Hunde eine Spiralso
? ln ’ 80 feitet ( >iese leicht längs der gro f
211,1?f ei ? , ly . lor . U8 - und drin gt mit absoluter Sichert:
Strecken ein ' Schwien S keiten bieten, in denselben auf gre
Sondenende fort. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass die mässig
starre Spirale von dem einen Rohrende ununterbrochen bis zu
dem anderen reicht, also die beiden durch den Ballon unter¬
brochenen Schläuche zu einem zusammenhängenden und gemein¬
schaftlich sich drehenden und fortbewegenden Ganzen verbindet.
Das dem Untersucher gehörende Schauchende trägt ein Gebläse
wodurch Sonde und Ballon auf Wunsch mit Luft gefüllt werden
können.
Die Einführung bei nicht aufgeblasenem Ballon ist leicht,
weil der Ballon nicht viel mehr auftrügt wie die Gummischläuche,
(für die fernere Verwendung werden Ballons construirt, welche
sich, ohne Dickcnränderung der Sonde an der unterbrochenen
Stelle, zusammcnfaltcn lassen) zumal sich derselbe bei den noth-
wendigen, rotirenden Bewegungen des Schlauches in vorteilhafter
Weise spiralig aufwickclt.
Demnach geht die Einführung dieser Sonde genau so von
statten, wie die oben beschriebene Einführung der Sonde ohne
Ballon.
Hat aber die Sondenspitze der Wahrscheinlichkeit nach den
Pylorus überschritten, dann bläst man den Ballon auf, und hat
nun an ihm, für die Inspection und Palpation sowohl, mehr noch
aber für die Sondirung, einen vorzüglichen Anhaltspunkt.
Schiebt man ihn rotirend oder direct vor, so folgt er
der grosseu Curvatur, in der Richtung des vorangehenden, bereits
in den Dünndarm gelangten Schlauchendes, bis zum Pylorus. Der
Gang dieser Vorwärtsbewegung ist leicht fühlbar und controlirbar,
sic beginnt unter dem linken Ripi»cnbogen und gebt im Bogen zuerst
nabelwärts dann nach dem rechten Rippenbogen. Dort haftet der
Ballon fest und lässt sich nicht weiter schieben. Zurückgezogen
folgt er wieder bis zur Cardiagegend und haftet hier fest. So
sind also Ausgang und Eingang des Magens gut markirt und
ihre Entfernung längs der grossen Curvatur geradezu messbar.
Nehmen wir aus unseren Fällen ein Beispiel: Die Sonde
reicht noch aus dem Munde heraus:
1. Bei Stand des Ballons vor dem Pylorus . . 20 cm
2. Bei Stand des Ballons vor der Cardia ... 80 „
Dabei ist die Länge des ganzen Rohres vom Ende
bis zum Ballon.130 „
Durch einfache Addition und Subtraction ergibt sich sonach
für den untersuchten Fall:
Die Länge des Oesophagus und Mundhöhle . . 50 cm
Länge der grossen Curvatur.60 „
Entfernung zwischen Pylorus und MundöfFnung . 110 „
Nach diesem Versuche wird man noch den strictcn Beweis
vermissen, dass der bei fast vollständiger Einführung des Schlauches
rechts unter dem Rippenbogen hängen bleibende Ballon am Pylorus-
ring sich gefangen hatte. Daher der folgende Versuch:
3- Der eingeführte und aufgeblasene Ballon liegt rechts unter
dem Rippenbogen, also mit Wahrscheinlichkeit am Pylorus. Ein
weiteres Einschieben der Sonde, deren Bewegungen sich deutlich
sichtbar auf die Stelle des Ballons übertragen, stösst auf ein fühl¬
bares Hinderniss, und ist demzufolge unmöglich. Jetzt wird, durch
Oeffnen des oberen Ballons, die Luft heraus gelassen, und die
Gegend des eingeführten Ballons etwas zusammengedrückt: sofort
lässt sich die Sonde mit Leichtigkeit weiter schieben, der luftleere
Ballon ist eben, wie der ihm vorangehende Schlauch, durch den
Pylorus durchgeglitteu ; denn dass dieses der Fall ist, beweist die
jetzt folgende Aufblasung des Rohrsystems. Thut man dies nämlich,
so sitzt der Ballon jenseits eines Hindernisses fest, d. h. es lässt
sich durch Ziehen an der Sonde eine sicht- und fühlbare Be¬
wegung in der Gegend des Pylorus, rechts unterhalb des Rippen¬
bogens auslösen ; auch folgt die Sonde, nachdem Bie etwas nach¬
gegeben, einem ziemlich starken Zuge nicht mehr. Erst bei
anhaltendem Zuge wird unter dem Gefühle eines Ruckes der Ballon
frei und beweglich, und folgt bis zur Cardia, wo er wieder fest¬
sitzt. Der Ballon ist dann eben, indem er sich, bei dem keil¬
förmigen Einpressen seines spitzeren Endes, in seinem hinteren
Theile jedenfalls leichter comprimirte, durch den Pylorus hindurch¬
geglitten.
4. Ein weiterer Versuch ist der folgende: Ein mässig weicher
• luminiübcrzug, der in seinem vorderen Ende die Form und Con-
sistenz der gebräuchlichen Magenschläuche, auch nahe seinem Ende
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21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
677
ein Fenster hat, nach hinten aber nicht ohne Vortheil für die
Anwendung viel dünner, d. h. enger an äusserem Umfange sein
darf, überzieht ein gut 2 m langes, mässig starres Metallspiralrohr.
Es gelingt wie immer, mit Leichtigkeit und ohne unangenehme
Sensationen für die Versuchsperson, das ganze Rohr, zu Beginn
unter rotirenden Bewegungen, einzuführen. Nachdem das Rohr
liegt, und man links und in der Mitte fast gar keine Rohrtheile
fühlt, dagegen mehrere schlingenförmige Windungen rechts bis
weit unterhalb des Nabels reichen, wird, wie oben, mittels eines
gewöhnlichen Gummigebläses, Luft eingeblasen. Diese dringt leicht,
unter hörbarem, Darmgeräuschen ähnlichem Gurgeln ein, und füllt
den unteren Theil des Abdomen. Eine Vorwölbung des Magens
und der Gegend des Epigastrium bleibt aus. Ferner erhält sich
in dem übersponnenen Ballon des Gebläses keine Spannung, son¬
dern derselbe wird alsbald wieder weich und fällt zusammen.
Oppressionsgefühl im Magen und Epigastrium von Seite der Ver¬
suchsperson wird in keiner Weise angegeben. Nach Absetzen des
Gebläses hat die eingeblasene Luft durchaus keine Tendenz, durch
das Rohr wieder zu entweichen: dieselbe hat also allem Anscheine
nach sofort eine ziemlich diffuse Verbreitung und Vertheilung in
einem voluminösen Darmabschnitt gefunden, ist direct in den
Darm gerathen.
5. Noch schlagender und die Frage abschliessend ist endlich
der folgende Versuch, der auch unsere Bedenken und Zweifel
eudgiltig beseitigte: die Rohrsonde, mit offenem Fenster an der
Spitze, wird, wie oben mühelos und qhne Beschwerde auf 2 m
eingeführt. In sitzender Stellung der Versuchsperson ist das Epi¬
gastrium ganz hell vom Nabel bis zum Processus xiphoideus, die
Sondenthcile liegen in der Hauptsache rechts vom Nabel.
Jetzt wird 1 1 Wasser einlaufen lassen : dasselbe dringt gerne
ein, das Epigastrium aber bleibt iu seiner Form ganz unverändert,
ebenso behält es seinen hellen, tympanitischen Schall genau wie
vorher; keine Spur von Uebelscin, Brechneigung oder Oppressions-
gefühl belästigt die Kranke; auch sonst verspürte sie keine
schilderbare Sensation im Abdomen.
Dafür entsteht aber rechts unten im Abdomen und auch
beim Liegen nach der Wirbelsäule zu eine deutliche Dämpfung. ;
Bei dem folgenden Senken des - Irrigators läuft das Wasser |
nicht ab. Dann wird der Schlauch zurückgezogen, bis er gerade
noch in den Magen reicht: es entleert sich nichts. Der Controle
wegen wird alsdann mittels des gewöhnlichen kurzen Magen¬
schlauches der Gegenversuch gemacht, d. h. der Magen im Sitzen
oder Stehen der untersuchten Person mit Wasser aufgefüllt.
Sofort, schon nach Einlaufenlassen von */a 1 Wasser entsteht
eine Dämpfung im Epigastrium, die bis 2 Querfingcr oberhalb des
Nabels herabreicht, sowie eine Vorwölbung dieser Gegend. Und
die eingegossene W'assermenge hat noch nicht 1 1 erreicht, so ver¬
mag die Patientin das Druckgefühl nicht mehr zu ertragen, sie !
bekommt Würgbewegungen und erbricht. Und während sich nach 1
raschem Senken des Irrigators das Wasser auf dem W T ege durch
den Schlauch theilwcisc entfernt, evbricht Patientin die übrige
Menge nebst etwas Speisebrei neben der Sonde vorbei.
In den vorstehenden Ausführungen hoffen wir die Sondir-
barkeit des Pylorus am Lebenden vom Munde aus überzeugend
dargethan zu haben. Auch glauben wir, dass die kurz angedeutete
Technik der Art ist, um der Methode ein weiteres Feld der An¬
wendung zu eröffnen. Wir haben die einzelnen grundlegenden
Versuche etwas genauer angegeben, weil diese allein schon einen
Begriff von der Anwendungsweise unserer Pylorussonde und ihrer
diagnostischen Bedeutung und Tragweite geben. Denn dass sich
an die nun einmal feststehende Thatsaehe der Sondirbarkeit des
Pylorus viele Einzelfragen für den inneren Mediciner und den
Chirurgen anknüpfen, wird keiner läugnen, der diesem Gebiete
nahesteht. Wir wollen an dieser Stelle nur einige davon audeuten:
1. Da ist es zunächst die Bestimmung der unteren, Magen
grenze, der grossen Curvatur, beim normalen und erweiterten
Magen. Diese Methode ist jedoch nicht von uns, sondern von
Boa8, der sic vor kurzem zum ersten Male betonte und er¬
läuterte. Wir könnten sie höchstens, wie wir unter 2. im
Weiteren zeigen werden, durch unseren eingeschobenen Gummi¬
ballon, der besser und an leichter zu bestimmender Stelle fühlbar
i*»*> 111 *h etwas erweitern.
No. 21»,
Indem ich jedoch an dieser Stelle auf die Methode von Boas
zu sprechen komme, kann ich nicht umhin, etwas näher auf die
diesbezügliche Darlegung im Centralblatt*) einzugehen. Ich thue
dies, um Missverständnissen vorzubeugeu, weil die Arbeit, ähnlich
wie die neuerliche Erwähnung der Pbotographirbarkeit metallener
Spiralen nach Röntgen, in einer Arbeit von Weg eie in
einem Punkte leichte Anklänge an gewisse Seiten unserer Fragen
enthält 3 ). Da dies aber nur Anklänge sind an unsere Principien,
die wir ausführlich, ihrer ganzen Bedeutung nach, in einer grösseren
Arbeit niedergelegt haben, so konnten wir sie auch so lange un¬
berührt lassen und brauchten nicht dem Gang unserer methodischen
Untersuchungen über das grosse Gebiet der Darmdiagnostik vor¬
zeitig Gewalt anzuthun.
Boa8 construirte nämlich, nach dem Vorbilde einer Revolver¬
sonde, die von Fenton B. Turk 4 ) in der Wiener med. Wochen¬
schrift zur Reinigung der Magenschleimhaut beschrieben ist, eine
Sonde, die «aus einer aussen angebrachten Dreh Vorrichtung besteht,
mit welcher eine Spirale in Verbindung steht, die mit der Sonde
in Berührung gebracht diese in Rotation versetzt. Hierbei ist es
wichtig, dass nicht die ganze Sonde, sondern nur der untere Theil
derselben rotirt; der Apparat ist mit Vortheil für die Bestimmung
der grossen Curvatur — durch Palpation — zu ver¬
wenden. Ich behalte mir weitere Mittheilungen über diese Methode
vor.» Dazu empfiehlt Boas, eine recht «lange Sonde von
8o—ioo cm» zu verwenden. «Doch geht man damit nur so
weit, bis man die Sonde die grosse Curvatur entlang deutlich
zwischen den Fingern fühlen kann. Sehr deutlich ist die Sonde
nach der Portio pylorica zu fühlen; hiedurch ist also auch die
Lage des Pylorus mit grösserer Sicherheit festzustellen.»
Und zum Schlüsse behält sich Verfasser bezüglich des Dickdarms,
auf den wir selbst auch alsbald in anderer Weise zu sprechen
kommen werden' 1 ), «auch die Erörterung der diagnostischen Be¬
deutung der Sonden palpation für die Lagcveränderungen und
Krankheiten des Dickdarms vor», in dem sieh seine Sonde leider
«häufig in der Ampulla reeti spiralenförmig umlegt».
Indem ich im Vorstehenden die Worte des Verfassers wieder
gegeben habe, hoffe ich in allen wesentlichen Punkten Beiner Arbeit,
der einzigen, meiner Ansicht nach, die für das angeregte Thema
seither in Frage kommt, gebührend Rechnung getragen zu haben.
Fahren wir nun in der Darstellung der mannigfachen Ver¬
wendungsweise unserer Pylorussonde, hier zunächst für die Diagnostik
des Magens, fort.
2. Ein Vorzug der neuen Sonde ist es, mit ihr die Länge
der grossen Curvatur des Magens direct, wie in den obigen Ver¬
suchen angedeutet, messen zu können. Ferner gestattet der nach
Belieben längs der Curvatur verschiebliche Ballon eine bessere
Abtastung der vorderen und unteren Magenwand; auch wurde
schon oben betont, wie auf diese Weise auch der Boas’sche Vor¬
schlag der Palpation der längs der grossen Curvatur liegenden
Magensondc, eine, meiner Ansicht nach, nicht unwesentliche
Bereicherung erfährt.
3. Der Schwerpunkt der Sondirung des Pylorus liegt in der
Messung der Weite seines Lumens, wofür ich bereits Apparate
mir vorgesehen habe.
Die Bedeutung dieser Frage ist, wie jeder Kliniker zugestehen
wird, eine sehr grosse, und ihr, namentlich nach der ]>athologisehen
Seite hin, d. h. der Verengerung des Pylorus, gedenken wir im
Ferneren, bei der grossen Bedeutung dieser Verhältnisse für den
Chirurgen, noch unsere besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Die Apparate für diesen Zweck können entweder aus Sonden
bestehen, die mit immer dicker werdenden Gummikugeln, die sich
in rosenkranzartiger Hintereinanderreihung folgen, besetzt sind,
oder es kann im Verlaufe der Sonde ein einziger Ballon oder ein
a ) J. Boas, Ueber die Bestimmung der Lage und Grenzen
des Magens durch Sondenpalpation. Centralbl. f. innere Medicin
1896, No. 6.
• s ) Wegeie, Deutsche medicin. Wochenschrift 1896, No. 18.
Nebenbei gesagt, ist die Photographirung der feinen elektrischen
Spirale nicht gelungen.
4 ) Fenton Turk, Wiener med. Wochenschr. 1895, 1 und 2.
**) Anm. Am dieser Stelle sei nur andeutungsweise erwähnt,
dass wir mit unseren Röhren ebenfalls auf Strecken von 2 m vom
Anus her in den Dickdarm eingcilrungen sind
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müncheneb me dicphsche w ochbotchrift.
No. 29.
_ j- v ,.r Körner der durch Aufblasen oder durch mecha-
iTÄ»»<»— “* wu,,sc '‘ in einer ° ,css '
Sonden, Unn da,
sÄiÄSSS
"f^Srri:
sa^Äctf
ialasiss
-TJÄ St «- d—
auf noch unbekannte Strecken, als Bereicherung unserer Diagnost k
^ emthnen und die daran sieh anschliessende therapeutische
Finwirkung auf diese Theilc mit Ucbergehung des Magens.
Wenn w^r auch nicht gleich an die Sondirung bs> acutem
Ileus denken, obgleich mit der Erschliessung des Jejunum auch
für ihn die Chance einer frühzeitigen Diagnose nicht «"erheblich
Gewachsen ist, so bleiben der Sondirung andere Aufgaben mit
ltücksicht auf Stenosen im Dünndarm durch Fremdkörper oder
Einwirkung von Aussen. Ttück-
Am Schlüsse dieser Darstellung sei noch kurz mit lluck
sicht auf die modernste Bereicherung unserer diagnostischen Hilfs¬
mittel am lebenden Körper, eines grossen Vorzuges unserer Pytorus-
Darmsonde gedacht, nämlich der Photographirbarkeit der™glmhst
tief in die Dannschlingen eingeführten Metallspiralen nach Röntgen.
Und wir hoffen und wünschen, dass cs an der Hand dieser ab
sichtlich in den Verlauf der Därme cingcführten Fremdkörper den
neuen Strahlen vergönnt sei, etwas Licht m das dunkle Abdomen
zu bringen. Nähorcs soll alsbald folgen.
Aus der medicinisch-diagnostischen Klinik zu Warschau.
Säureintoxication und Blutalkalescenz als therapau-
tische Indicationen.
Von Dr. E BiernacH, Assistent an der medicin.-diagnost. Klinik
zu Warschau.
(Schluss.)
Gemäss diesen Ueberlcgungen dürften meines Erachtens das
Vorhandensein und die Ausscheidung von abnormen 1 rodukten
(wie Ammoniak, Aceton, Oxybuttersäure u. s. w.) vorläufig nur
für Symptome der gestörten thierischen Oxydationen gehalten
werden. Den Ausdruck * Säurevergiftung» würde ich gern ver¬
meiden, vor allem in der Klinik. Mag hier und da eine Säure
im Blute oder Excreten gefunden worden sein, mag dieselbe auch
vom allgemein-pathologischen Standpunkte aus an gewissen Krank¬
heitsprocessen betheiligt werden, so ist bisher noch für keinen
von den bearbeiteten Fällen von «Säureintoxication» mit Sicher¬
heit bewiesen worden, dass das klinische Krankheitsbild in
ursächlichem Zusammenhänge mit den gewissen Säuren steht.
Und wenn man in der Klinik von der Säurevergiftung einmal
spricht, so macht dieser Ausdruck sofort die Anwendung der die
Säure neutralisirendon Körper wünschenswert^ Bis jetzt haben
aber die therapeutischen Indicationen der Art nur sehr wenig oder
gar nicht Erfolg gehabt. Sogar bei Koma diabetieum, dieser für
«) F. Kuhn: Verhandlungen des XI. Congresses für innere
Mo hem Ueber Hefegährung und die Bildung brennbarer
Gase im Magen des Menschen. Zeitschrift für klin. Medicin, Bd. XXI.
F. Kuhn: Die Gasgährung im Magen des Menschen und ihre
praktische Bedeutung. Deutsche med. Wochenschr. 1892, No. 49 u. oO.
viele Autoren bestbewi
durch Infusionen von kohlensaurem A ^ Au(Jgang
Vorschlag) nichts rns res , Krfolg vielleicht ein positiver
„iCtaWden »~ ***££ d ‘ Sänre» «».UM
sein, wenn das E aber kaiun der Fall ist, erhellt
abhängig wäre. Dass Man hat namentlich kau»
noch aus anderwev ß ® h Au8SC heidung von Oxybutter-
tiisc Zustände bei Diabetikern« Kraus, Rumpf). Das
nnd Aeetylessi^e spricht auch gegen die
höchst wechselvolle Bild dieses /msia v
Verging MiTT».. «—
erfem 1 0» a«ch K , 0 lheiten ... daroh Säurovorgif-
Z n Wolinn, hervorgernfen wird». loh **
tung, im strengen \l«serfolee es vor Allem sehr zweifei-
■“.‘"‘rTiÄ. and con,taute Rollo
„räoioirt ut,, *»gt L zo verlegen und m «och»
Ausgangspunkt der ££££ ^ ^ g
^«„g sui generi, *3^
alle sonstigen Können ebenfalls n.cnt vom i
klinische Bedeutung zuzuschreiben. Lu zweite dios
=k
tractus ha. man eigentlich nicht » viel Säuren, -» ''nutamt
und analoge giftige Körper in Aussicht.
Fs gibt aber eine Reihe von Fällen, in welchen sich die
ST
iiehkeiton des stagmrenden und gährenden i ^ hier bci
Ptoinainc, Schwefelwasserstoff etc. zurückzufül •
die abnormen Mengen von Milchsäure, Fettsäuren £ jh^
erheblicher Bedeutung für den Organismus sein Unn ,
ich aus dem folgenden Material, weWh* ich noch
gesammelt habe. Ich bestimmte bei Individuen ^
Magenverdauung die normale Ausscheidung von * Milchsäure-
und deren Quantität heim Einnehmon von »mlcren MdeM«^
gaben. Während der Beobachtung blieb die Diesel
und Natrium wurden nach der Wägungsmethodo in
K CI + Na CI Jargcsteilt. . • >
Bei einem gesunden, 26jährigen Krankenwärter habe
nun folgende Daten erhalten.
Drei Controltage: Harumenge sp» G«., T.gesm«ge K» +
13. November 2150 Jjj® 84,5874 g
14 ' " S 1017 28 1000 g
Durchschnittlich pro die . 1 »437 ccm Haru mit «U».
KOI 4- NaCL .am
Um 12 Uhr. 16. X 1 . begann das ae jaeb^
zweistündlich zu sich zu nehmen. Die'etzte Dm* " < Wftrter 20 g
Morgens genommen. Im Laufe dieser Zeit nun
reiner Milchsäure zu sich. ern 4 . Na CI
' Hammenge spec. Gew. tägl. Menge von KCl +
16. XI. 2600 1018 ««SJI
18. XI. 3150 1016 »0,81O4 g
19. XI. 3300 1015 ?.“oo 76 f 1 K KCl +
Durchschnittlich täglich 3017 ccm Harn mit 33,7b» g
Na CI.
7) Albu: Ueber die Antointoxicationen des Intestmaltractua.
Berlin 1895. Literatur.
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21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
679
Drei folgende Tage ohne Milchsäure:
21. XI. 1550 1021 20,7266 g
22. XI. 2150 1018 27,7780 g
23. XI. 2800 1018 35,0224 g
Durchschnittlich 2167 ccm Ham mit 27,8423 g KCl 4* NaCl.
Dasselbe Ergehn iss wurde an einem Kranken mit Comm.
med. spinalis erhalten, welcher die sog. Mitteldiät genoss. Bei
dieser Diätform war die Ausscheidung von K CI -J- Na CI im All¬
gemeinen niedriger, als bei der vollen Diät des Krankenwärters.
Ich führe nur Mittelzahlcn an.
Vier Tage vor dem Einnehmen der Milchsäure:
Harnmenge 2250 ccm nebst 19,0254 g KCl 4-NaCl.
4 Säuietage (genommen 15 g ac. lactic.) Harnmenge 2700 ccm
nebst 21,6334 g KCl + Na CI.
2 folgende Tage ohne Säure:
Harnmenge 2100 ccm nebst 18,4548 g KCl -f NaCl.
Beidemal nahm nach Verabreichung der Milch¬
säure die Alkalimenge im Harn deutlich zu: in
ersterem Falle wurde täglich um 4,6502 g KCl 4- NaCl, im
zweiten um 2,6080 g mehr als vorher ausgeschieden. Diese Zu¬
nahme kam augenscheinlich dadurch zu Stande, dass die in’s Blut
gelangt« Säure sich mit dem freien Alkali vereinigte, das milch-
saure Natron bis zum Natriumbarbonat verbrannt und mit dem
Harne entleert wurde. Wegen letzterer Erscheinung hat sich
zugleich eine diurctische Wirkung eingestellt: in erstcrem Falle
hob sich die tägliche Harnmenge von 2430 auf 3017 ccm, im
zweiten von 2250 ccm auf 2700 ccm.
Am interessantesten war aber das Verhalten der Alkalicn-
menge nach Entfernung der Milchsäure; in beiden
Fällen enthielt dann der Harn weniger KCl -f NaCl,
als vor der Einverleibung des Mittels. So fanden sich
beim Krankenwärter täglich im Harn vor der Milchsäure 29,1179 g,
nach deren Entfernung nur 27,8423 g täglich, beim zweiten In¬
dividuum vor — 19,0254 g, nach — 18,4048 g KCl -f NaCl.
Augenscheinlich wurde durch Einverleibung der Milchsäure
dem Organismus zu viel Alkali entzogen; um den Verlust aus¬
zugleichen, wurde nun das Alkali nach Entfernung der Säure
retinirt.
Gleichzeitig mit der Harnuntersuchung habe ich den Koth
auf das quantitative Verhalten des KCl +• NaCl untersucht. Ich
bin im Besitz von derartigen Bestimmungen auch an verschiedenen
Koth proben von gesunden und kranken Leuten. Die gefundenen
Daten sind sehr schwankend, doch Bind sie nie sehr hoch. 2 bis
3 g KCl 4- NaCl in der täglichen Kothiuenge kommen am häufig¬
sten vor. Einmal bin ich circa 8 g und umgekehrt in einigen
Fällen nur 0,5—1,0 g begegnet. Es konnten keine charakter¬
istischen Schwankungen in dieser Richtung unter dem Einflüsse
der verabreichten Milchsäure wahrgenommen werden.
Man darf also kaum von einem Ueberschuss an Alkalien in
der eingeführten Nahrung sprechen. Uebrigens befindet sich das
Alkali in den Nahrungsmitteln und Speisen, welche schwach saure
Reaction zeigen, in neutralisirter Form; ausser den saueren Phos¬
phaten macht das Ohlurnatrium den grössten Thcil desselben aus.
Somit ist es höchst wahrscheinlich, dass die abnormen Magen-
gährungen zu hochgradigen Störungen des Alkali-
vorraths des Organismus führen können. Letzteres
dürften nun an sich gemäss den auseinandergesetzten Ansichten
nicht ohne wichtige Folgen für die Oxydationsvorgänge bleiben.
Es gibt Hinweise darauf, dass auch anderweitige Störungen
des Magenchemismus das Verhalten des Alkali vorraths des Organis¬
mus, resp. des Blutes nachtheilig beeinflussen können. — Ich
habe längere Zeit hindurch die Ausscheidung von Chlor und Alkalien
im Harn bei einem 25 jährigen Magenkranken studirt, welcher
während der Beobachtung keine Spur von Salzsäure (weder ge¬
bundene noch freie), auch kein Pepsin im Mageninhalt aufwies,
(wahrscheinlich atrophische Gastritis). Trotzdem nahm der Kranke
nach 2 Monaten erheblich an Gewicht und Aussehen zu, ohne
mcdicamentös behandelt zu werden, nur unter dem Einflüsse des
Licgens und der geregelten Diät. Die Magenbeschwerden waren
zurückgegangen, obwohl die Salzsäure sogar beim Entlassen des
Kranken nicht nachweisbar war. Die Harnuntersuchung geschah
zur Zeit der eintretenden und der cingetretenen Besserung. Chlor
wurde in der Harnasche bestimmt. Es wurden folgende Zahlen
erhalten. (Chlor ist als Chlornatrium berechnet).
Harnmenge
spec. Gew.
CI.
KCl 4- Na CI
16. XII.
4700
1008
28,7076 g
28,4256 g
17. „
4000
1008
20,7643 g
21,1520 g
18. „
2250
1018
17,2940 g
17,6400 g
19. „
3500
1010
26,3970 g
26,9640 g
20. „
2400
1019
20,4028 g
18,4824 g
Durchschnittlich.: 3370 ccm, nebst 23,3131 g
und 22,5208 g
Es fiel mir auf, dass die Werthe von Chlor (auf
Chlornatrium berechnet), in den ersten 4 Tagen
denselben von KCl-f-Na CI äusserst nahe standen.
Aehnliches Verhalten habe ich 2 Wochen Bpäter während der
zweitägigen Beobachtung gesehen: 16,8179g CI and 16,8504 g
Kl -j- Na CI. Endlich waren bei der dritten Unterauohungareihe
(5 Tage später) beide Werthe an einzelnen Tagen nicht überein¬
stimmend, doch im Mittel wieder fast identisch.
Harnmenge
spec. Gew.
CI.
KCl 4- NaCl
9. I.
1700
1020
18,7223 g
22,9976 g
10. I.
3400
1015
31,9889 g
29,5392 g
11. I.
2400
1015
29,0400 g
27,9744 g
Durchschnitt!.: 2500
nebst
26,5487 g
26.8371 g
Bei dem gesunden Laboratoriumsdiener, welcher bei derselben
Diät blieb und fast gleichzeitig untersucht wurde, habe ich nun
ein derartiges, eigenthümlich gegenseitiges Verhältniss von CI und
KCl 4" Na CI nicht wahrnehmen können. Unter 7 einzelnen
Bestimmungen fiolen nur einmal beide Zahlenwerthe zusammen,
sonst waren dieWerthevonKCl-|-NaClam häufigsten
niedriger als dieselben von CI. Dementsprechend habe
ich auch in der ersten dreitägigen BeobachtungBperiodo im Mittel
bei 21,8602 g CI nur 20,6043 g KCl 4~ Na CI (also 1,2259 g
weniger) gefunden, später z. B. eines Tages bei 28,0882 g CI
nur 25,3848 g KCl -f NaCl.
Somit dürfte bei dem Magenkranken mit Anacidität eine
Neigung zur gesteigerten Ausscheidung von Alkalien im Harne
nicht verkannt werden. Es konnte dementsprechend diesem
Kranken eine Verarmung an Alkali drohen; diese Vermuthang
erschien desto mehr gerechtfertigt, als ich in der That im Schröpf¬
kopfblute von diesem Kranken entschieden weniger Alkalien —
nnr 0,472 Proc. KCl -f- Na CI — als in der Norm (0,630 —
0,680 Proc.) gefunden hatte.
Diese Befunde erschienen mir desto charakteristischer, als
bei der Untersuchung eines Falles von Hyperseoretion (intermit-
tirende Hypersecretion, wahrscheinlich larvirte Crises gastriques,
Harn in der Periode der beginnenden Remission analysirt) die
gegenseitigen Beziehungen des Chlors und der Alkalien sich fast
umgekehrt, als in dem Falle der Anacidität erwiesen. Die
Werthe von KCl 4" Na CI differirteu von denen von CI noch er¬
heblicher als in der Norm. So wurden im Mittel aus 7 Bestim¬
mungen bei 2370 ccm Harn 21,8821 g CI und 19,7571 g
KCl 4" Na CI (also 2,1250 g weniger) täglich gefunden. In
einem anderen Falle von chronischer continuirlicher Magensaft-
secretion mit Hyperacidität war dieses Verhältniss normal; doch
differirten einzelne Bestimmungen so stark, wie ich bei normalen
Subjeeten nicht einmal gesehen hatte, z. B. bei 27,75 g CI nur
20,26 g Kali und Natron, oder bei 22,88 g CI nur 14,52 g
KCl -f Na CI.
Alle diese Ergebnisse können gewiss für strikte Beweise
nicht anerkannt werden. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob man
in dieser Richtung zu deutlicheren Resultaten gelangen kann. Denn
wäre die Alkaliausscheidung bei Anacidität constant höher
und bei Hypersecretion constant niedriger, so käme es endlich bei
gleichbleibender Diät zu totalem Verschwinden oder zu coloesaler
Anhäufung von Alkali im Organismus; beides ist mit der Exi¬
stenz des Lebens unvereinbar. Somit kann die gesteigerte oder
herabgesetzte Alkaliausscheidung nur periodisch Vorkommen, wonach
die ausgleichenden Kräfte des Organismus in’s Spiel treten und
den Alkalivorrath im Blute auf unentbehrlicher Höhe erhalten.
Die Wahrnehmung einer Neigung zur gesteigerten Alkalians-
scheidung in meinem Falle von Anacidität glaube ich dem Um¬
stande verdanken zu können, dass die Beobachtung längere Zeit
durchgeführt wurde.
Die Secretion der Magensalzsäure spielt bekanntlich im Säure¬
wechsel des Organismus die allergrösste Rolle: im Magen werden
grosse Mengen von im Blute « ooculter » Säure abgeschieden. Wenn
8 *
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No. 29.
MÜNCHENER ME DICINISCHE W OCHENSCHRIFT.
MC dss Blut ~ g EiS” I —
die Norm nicht befreien kann, so , gesteigerten nicht
«f die AltMbnenge bleibe». D ™* * T»dta«.J ^ ^ hSuf
Alk aliausacheidung bei Anaciditöt pbt ^ wie die8 Oxy
Neutralisirung dieser angehäuften , der Fall ist. So- I sich
-ÄrsrÄ —* -3
de, Organismus und de. Blute, stark gef»tWe ,euk«m
können^daraus -* -*>£«• “Ej£lÄ » (St:
tion eventuell entstehen. Man Noorden 9 ) über die I des
dieser Richtung bemerkt. So henchMt m Noord^n ^ ^
gesteigerte Ammomakausschoidung im Anhänger der I wol
eidität des Mageninhalts. Da* 18t . der Säure- auc
Lehre von der Säureintexication ein echter Beweis ^
Vergiftung. ^ ^ F .scheint sowohl vom Ao
allgemein pathologischen als auch ® ^ er P Magenaa i Z8äU re bei
wichtig. Besonders seitdem man beim I
gute Ausnützung der Nahrung im Darme ****£*£■ £
der Magenfunction immer weniger Bedeutung Anderer- inc
:
i. K„e Ji-ßp Weise sind wir zu verschiedenen «rationellen i
de, Magenchemismns ^ekommcu. lei
Salzsäure bei Anacidität, kohlcnsaure Alkalien bei yp
ST., T«rgl. Mau hat dauk ithulich.m Ideengauge au. der V
modernen Magentherapie die ehemals so behebten Amar. ™j«t 1»
dieselben setsen doch die Magensecrettou herab ! Je« wreder .
das Verbot, Kochsalz und Natnumbicarbonat bei HypacidiUt zu
verwenden, weil dieselben den Magensaft auch neutraleren. D
Mit diesen auf wissenschaftlichem Wege gewonnen«. That-
Sachen stehen nun die empirischen Erfahrungen reckt häufig in
schroffem Widerspruch. Boi Diabetes ist hekauntheh die Magen ^
secrction erheblich herabgesetzt (Gans Hon,gm..n,R»»t.
dteinV trotzdem werden heim Gebrauch von Karlsbader Wasser «
keine schlimmen Folgen für die Verdauung der Diatetjk. be_
obachtet, ja, im Gegentheil besitzen die Carlsbader Curen bei i
dieser Krankheit einen gesicherten Ruf. Dassdbe ist in ezug
auf den Magen bei der Cholelithiasis der Fall, bei welcher die I
Magcnsecretion eher herabgesetzt als normal ist. Auch bei idio- ,
pathischen Magenerkrankungen mit Hypacidität wird das Wate
Salz mit evidentem Erfolg sowohl bezüglich der Verdauungsfunction
wie des allgemeinen Zustandes gebraucht. Ich mochte aus eigener
Erfahrung darauf hinweisen, dass dieses Mittel bei der . J ypaC ' d '^
entschieden besser vertragen wird als hei der Hyperacidität. A
derartigen Beobachtungen drängen nun in Anbetracht des Alka
Wechsels bei Hypacidität die Frage auf, ob es sich bierbei be
Gebrauch der Alkalien in erster Linie nicht um den allgemeinen
Zustand des Kranken handelt, beziehungsweise um die Ausgleichung
des Alkalivorraths und Hebung der gestörten Oxydataonsvorgänge.
Dass bei abnormer Säureentwickelung im Magen die Neutralisirung
derselben direct indicirt ist, vor Allem wegen der drohenden Ver¬
armung des Organismus an Alkali, geht nicht nur aus unseren
Beobachtungen, sondern schon seit lange aus der praktischen Er¬
fahrung heraus. ... , I
Abgesehen von Magenkrankheiten scheint Angesichts des 1
häufig vorkommenden relativen Mangels an Natrium die Zu- I
fuhr von Alkalien in vielen pathologischen Zuständen nothwendig.
Somit stelle ich mich an die Seite der Anhänger der Lehre von
der Säurevergiftung einigermassen. Eb wurde aber schon einmal
angedeutet, warum z. B. ein therapeutischer Erfolg von der Alkalien- |
zufuhr bei Koma diabetic. nicht zu erwarten ist. Dass aber in
vielen Fällen, in welchen hervorragende Oxydationsstörungen mit
relativer Armuth des Blutes an Natrium im Zusammenhänge stehen,
ein längerer Gebrauch dieser Mittel nützlich sein kann, scheint
mir nicht nur ein theoretisches Postulat. Es werden ja alkalische
Wässer empirisch seit lange angewendet in vielen chronischen
9 ) v. Noorden, Lehrbuch der Pathol. des Stoffwechsels 18911.
, , nW Zweifel recht häufig mit Nuteon, obwohl
Erkrankungen, ^ auch darin nur Suggestionslcistungen
unsere skeptis P° nun einma] vorj Wlc
nicht selten der ge8törten
häufig bei ebromschen ^ mes ), so handelt es
Oxydation vorliegen in diesen Zuständen
vermutlich um VnreanKes des vegetativen Lebens.
WiCh t 8 ttzr r er Rötung sind schon einige Male Untersuchung«,
piÄ i—“=
des «neutralen» bchweteis ,, Tawein 10 V daraus
mU. £
I * * manche. D»^, f .Hc
r:r-ai;Ä:Ä‘^
in Chloralliydrat nebst mässigen Dosen von in
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erbrauch von Sauerstoff unter dem Einflüsse dieser kleinen
)osc von Natriumcarbonat constotiren kön “ en . ^
ind SÄÄ-* ^
Kt ---
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TO n 10—15 g täglich doppcltkohlensaurcn Natrons bcobac -
Weiter sind überhaupt die pharmakologischen Mittel
grösseren Dosen eine ganz entgegengesetzte W irkung, als kl
auszuüben; in den grösseren wirken de depnmirend und n den
kleineren erregend ein. Die oxydationsbefordernde Wirkung
Alkalien scheint nun deren kleineren Dosen zuzukom •
die empirisch gebrauchten Alkaliwässer enthalten Adkahen^m
kleineren Percent: so z. B. findet sich in einem Liter BU.
Sauerbrunn bloss ca. 3,5 g kohlcnsauren Natrons^
Was eine «kleine» und eine «grosse» Dose ist, W
mitunter von vielen Nebeneinflüssen wesentlich ab. Man
sehr weit davon entfernt, um aus.den
über das Verhalten der AlkaUen ,m Organismus.feste ^
Indicationen ziehen zu können. In den o 'K e p ä d en
aber versucht, darauf hinzuweisen, dass es schon *®
zwischen unseren empirischen Erfahrungen über die AIU* ^
anwendung und dem Alkalienwechsel im Organismus gibt.
Referate und Bücheranzeigen
Casper-Berlin: Die diagnostische Bedeutung
Katheterismus der Ureteren. Berlin, Coblentz,1 ,
Die vorliegende Arbeit berichtet ausführlich ^
Verfasser zum Thcil schon an anderen Orten mi ge ^
fahruegen mit de« HarnleitoUthctcmmns den « e^^,
in über 200 Fällen vorgenommen hat. Aus
«) J»wein. Zur Frage über den Einflussi des .^PPg^xii,
sauren Natrons etc. Zeitschrift für klinische Medicin,
1893, S. 43. Diesbezügliche Literaturangaben. Natrons
“) E. Harnack. Ueber den Einfluss des kohlen^ur«^ ^
auf Stoffwechsel Wirkungen des Chloralhydrats. v medicin.
zu Halle a. 8. 12. XII. 1894. Bericht m der Münchener
Wochenschr., 1895, No. 8.
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21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
681
Einleitung erfahren wir, dass Poirier als erster unter Leitung
des Auges die Urcteren beim Manne kathcteriairt hat, dass ferner
ausser Nitze auch schon Brown ein Instrument construirt hat,
das für den Uretersondencanal ein Krümmung besass.
Das von C. angegebene Instrument zeichnet sich dadurch
aus, dass man die Krümmung des Urcterkatheters beliebig ver¬
ändern, und dass man ferner den Ureterkatheter isolirt liegen
lassen kann. Unterhalb des Canals für den optischen Apparat
liegt ein zweiter Canal für den Ureterkatheter, der etwa 6 mm
unterhalb des Prismas mündet. Die Lampe ist in die Längsachse
des Cystoskopes verlegt. Der Sondcncanal ist nach Aussen durch
einen herausziehbaren Deckel abgeschlossen. Durch diese Ein¬
richtung wird es ermöglicht, den Katheter aus dem Instrument
herauszuheben und im Ureter liegen zu lassen, während man das
Metallinstrument zurückzieht, ferner durch Vor- und Zurückschieben
des Deckels dem austretenden Katheter jede beliebige Krümmung
zu geben. Der optische Apparat ist in der Weise modificirt, dass
das Bild durch ein Doppelprisma weiter nach unten verlegt wird,
so dass also die Ocularöffnung 2 cm unterhalb des Sondencanals liegt.
Die Einführung des Instrumentes ist für denjenigen, der im
cystoskopischen Untersuchen geübt ist, nicht schwer. Man sucht
die Uretermündung auf, bringt das Instrument möglichst nahe an
dieselbe heran, und schiebt den Katheter langsam in den Ureter
hinein, wobei man durch Vor- und Zurückschieben des Deckels
die Katheterkrümmung beliebig ändert.
Bei vorsichtigem Arbeiten ist eine Gefahr mit der Einführung
des Ureterkatheters nicht verbunden. Die hin und wieder ein¬
tretenden Blutungen sind nicht nennenswerth, eine Infection des
Ureters ist auch bei infcctiösem Blaseninhalt mit grosser Sicher¬
heit zu vermeiden. In letzter Zeit hat Verf. vor der Entfernung
des Katheters immer eine Ureterausspülung mit I°/ou Arg. nitr.-
Lösung vorgenommen.
Die durch die Kathetereinführung hin und wieder bedingte
Blutung lässt sich von einer wirklichen Niercnblutung dadurch
unterscheiden, dass man den Katheter noch etwas ‘weiter im
Ureter vorschiebt. Hört die Blutung jetzt auf, so stammte die¬
selbe aus dem Harnleiter.
Die Bedeutung des Harnleiterkatheterismus ist eine vierfache.
1. Er gestattet die Unterscheidung, ob die Blase oder die Niere
oder ob beide Sitz der Erkrankung sind. 2. Wenn eine Nieren-
afFection als sicher angenommen wird, vermag er in vielen Fällen,
in denen lediglich Freilegung einer Niere die Diagnose klar stellen
würde, ohne diese Aufschluss zu geben, in welcher Niere die Krank¬
heit besteht oder ob sie doppelseitig ist. 3. Wenn eine Niere als
krank erkannt ist, so gibt er in der Mehrzahl der Fälle Auf¬
schluss Uber das Vorhandensein, die Gesundheit, bez. Leistungs¬
fähigkeit der anderen Niere. 4. Er lässt uns ein Hinderniss im
Ureter mit Sicherheit diagnosticiren.
Für jeden dieser Punkte bringt Verf. lehrreiche Beispiele
aus seiner reichen Erfahrung bei. Besonders bemerken »wert h ist
ein Fall von Tuberculose der rechten Niere. Der Harnleiter¬
katheterismus ergab, dass im Harn der rechten Niere sich Eiweiss
und Tuberkelbacillen befanden, während aus der linken Niere
ganz gesunder klarer Harn anfgefangen wurde. Die Patientin
wurde durch die rechtsseitige Nierenexstirpation geheilt. Nicht
minder wichtig ist ein anderer Fall, wo von der Exstirpation
einer Pyonephrose Abstand genommen wurde, weil sich beim
Ureterkatheterismus auch die andere Niere als schon krank erwies.
K r e c k e.
Dr. Alessandro Marina-Triest: Ueber multiple
Augenmuskel-Lähmungen und ihre Beziehungen zu den
sie bedingenden, vorzugsweise nervösen, Krankheiten.
Leipzig und Wien. Franz Dcu ticke. 1896-
Verfasser bespricht die Augenmuskellähmungen iin Zusammen¬
hänge mit jenen Krankheiten, von denen sie eine Haupt- oder
Theilerscheinung sind, und schliesst hiebei den bei Krankheiten
des Nervensystems auftretenden auch noch die angeborenen und
die nach Vergiftungen, acuten Infektionskrankheiten, Syphilis,
Alcoholismus, Psychosen, Morbus Basedowii, Meningitis, Affectiomn
der Schädelbasis und nach Trauma beobachteten an. Nach Anlage
des Werkes sollte man eine statistische Arbeit erwarten, um so
mehr, als sich dieselbe an Dufaur's vorzügliches Sammelwerk:
< Paralysiert nuclcaires de muscles des yeux», Gand 1890, welcher
die Mauthncr’sche und später publicirte Casuistik zusammen-
stellte, eng anschlicsst. Verfasser geht jedoch mehr eklektisch
vor, indem er zwar die Fälle, soweit sie ihm bekannt geworden,
wiedergibt, welche nach 189U veröffentlicht worden sind, von
den früheren aber nur die allcrwichtigsten, besonders aber jene,
welche in Dufaur’s Arbeit nicht vorhanden sind. Ausserdem
flicht er noch 37 sehr wcrthvolle eigene Beobachtungen ein. Diese
und das mit enormem Fleissc aus der Literatur zusammengetragene
Bcobach tu ligsmaterial, wobei er nur der englischen geringe Be¬
achtung geschenkt hat, sichtet er kritisch und behandelt nun
den Gegenstand besonders in differential - diagnostischer Hinsicht
in erschöpfender und anregendster Weise. Durch den Vergleich
der einzelnen Krankheitsfälle fremder UDd eigener Beobachtung
gelingt es dem Verfasser nun, viele klinisch wichtige und neue
Thatsachen festzustcllen, bisher als zusammengehörig betrachtete
Krankheitsformen zu trennen und als unurastösslich geltende Lehr¬
sätze zu erschüttern.
So z. B. stellt er bestimmte Unterscheidungsmomente zwischen
der klassischen Bulbärparalye und dem H op pc-Goldf lam’schen
Symptomeneomplcx fest, wobei ausser dem jugendlichen Alter, der
rapiden Entwicklung und den erheblichen Schwankungen der eigen-
tliümliehe Charakter der Parese, nämlich das rasche Ermüden der
Musculatur und die grössere Häufigkeit der Augenmuskellähmungcn
mit Betheiligung des oberen Facialis als der letzteren Affection
vorherrschend cigenthümlich hervorzuheben wären. Ferner werden
wir in einem Anhänge aufmerksam gemacht, dass die Irisbewegungen
bei allen angeborenen Augenmuskellähmungen, für welche er einen
centralen Ursprung abweist, ebenso auch bei allen Formen der
Bulbärerkrankungcn intact bleiben.
Wenn jedoch Verfasser mit Mauthner anzunehmen geneigt
ist. dass Beweglichkeitsdcfecte der Augenmuskeln bei Hysterie
nicht Folge von Lähmung eines Muskels, sondern von Contraetur
den Antagonisten seien, ja auch die bei Hysterie auftretende
Mydriasis als Folge von Contraction des Dilatators betrachten will,
so muss ihm hier wohl widersprochen werden, nachdem ins¬
besondere die Herren Dr. Nonne und 0. Beselin in einer sehr
interessanten Mittheilung *) jeden Zweifel darüber, ob bei Hysterie
Augenmuskellähmungen Vorkommen, durch ihre genauen Beobach¬
tungen beseitigt haben. Die beiden Forscher haben mit aller
Sicherheit das Bestehen von Convergenzlähmung in Folge Lähmung
der Mm. interni in Verbindung mit Mydriasis mittleren Grades
neben Accomodationslähmung festgestellt, wie dies auch in dem
älteren Donath’schen Falle*) nicht bezweifelt werden kann.
Mit grossem Interesse erfüllt dagegen die eigene Beobachtung
des Verfassers, wonach bei einem Aneurysma des hinteren Theiles
der Basilararterie eine Reihe von Erscheinungen bestand, welche
in den Rahmen des Morbus Basedowii gehören, nämlich Exo¬
phthalmus, v. Graefc’schcs Phänomen, erhöhte Pulsfrequenz,
Hypcrhydrosis. Verfasser meint, dass diese Erscheinungen, wenn
sie auch durch andere Beobachtungen bestätigt werden, für die
Annahme Jondrässek’s und Mendel’s über die Bedeutung
der Oblongata resp. der Corpora restiformia für den Morbus Base¬
dowii als Stütze dienen könnten und dass es gar nicht unwahr¬
scheinlich wäre, dass das hypothetische Gift — geliefert durch
den veränderten Chemismus der Schilddrüse — ein solches wäre,
welches direct nicht auf die Muskeln (Lemke), sondern auf den
Bulbus wirkt.
Von nicht minderem Interesse ist eine weitere eigene Be¬
obachtung des Verfassers, bei der ein dem Morbus Basedowii ganz
ähnlicher Symptomeneomplcx mit multipeln Augemmiskcllühinungen
schon in den frühesten Lebensjahren auftrat und wohl durch eine
angeborene Erkrankung der Schilddrüse hervorgerufen war.
Endlich wäre unter vielem Anderem noch hervorxuheben,
dass Verfasser einen Sectionshefund mittheilt, in welchem nur
Ophthalmoplegia exterior bei Neuritis und bei normalen Nerven-
*) Ueber Contraetur- und Lähmungszustände der exterioren und
interioren Augenmuskeln bei Hysterie. Aus der Festschrift zur Feier
des »0 jährigen Stiftungsfestes des ärztlichen Vereines zu Hamburg.
Leipzig. Alfred Langkammer 1896.
*) Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1892 Bd. II Heft 11 u. III,
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT^
No. 29.
kernen bestanden hatte. Nachdem ferner, worauf Verfasser an
anderer Stelle hinweist, Ophthalmoplegia extenor bei basale j
" ankung zwar sehr selten ist, aber doch ebenso wie die Lähmung
nur einzelner Aestc des m. Oculomotorius vorkommt so sei nach-
gewiesen, dass ein solches Phänomen nidit apodiktisch,
Mauthnor anuimmt, für eine nuclcärc Affection spneht.
Wenn' dem sonst gut ausgestatteten Buche ein \ orwurf zu
machen ist, so sind es die vielen Druckfehler und Errata welche
zum grössten Theile aber dem Verfasser selbst zur Last fallen.
Wenn er statt Keratitis — Cheratitis schreibt, so werden wir cs
dem Italiener, welcher uns ein so gutes deutsches Buch geschrieben
hat, gerne nachsei,on, wenn wir jedoch constant 1 olyencephahtis
und dagegen wieder Disartbrie, Sintomathologie etc. lesen müssen
so lässt sich der Wunsch nicht unterdrücken, dass sich Verfasser
doch an die allgemein gütige Rechtschreibung hätte halten sollen.
ö C g g C '•
Centralblatt für Chirurgie. 18%, No. 27.
Dr. Julius Leopold Pagel: Neue literarische Bei¬
träge zur mittelalterlichen Medicin. Berlin. Druck und
Verlag von Georg Reimer. IS96.
Eine abermalige, hochherzige Subvention des Curatonuuis
der Gräfin Bose-Stiftung ermöglichte dem best bekannten, ver¬
dienten Arbeiter auf dem Gebiete der mittelalterlichen Medien.,
Dr. Pagel, weitere Veröffentlichung von Werken auf diesem Gebiete.
Im vorhegenden Bändchen werden publicirt: 1. einige Nachträge
zu den «Concurdanciae .de Joannes de Sancto Amanda» (Berlin,
1894 Reimer) und 2- die ersten 3 Bücher der Augenheilkunde
des Alcoatim. Das erstcrc enthält jene Zusätze des 1 etrus de
Sancto Floro zu den Concordanzen, welche in Dr. 1 a,gels ers e
Veröffentlichung derselben nicht mehr aufgenommen werden konnten
Die zweite Abhandlung betrifft eine in vielen Beziehungen höchst
merkwürdige Schrift über Augenheilkunde die sich in einem aus
dem 13 Jahrhundert summenden Handschriften Codex der kgl.
preussischcn Bibliothek zu Erfurt, der sog. Amploniana, m grossen
gothischen Lettern, mit 19 sauberen und colorirtcn I-iguren aus-
gesUttet, fand. Als ihr Verfasser muss der in der mittelalterlichen |
mcdicinischcu Literatur bereite bekannte, von Guy de Uiauhac
27 mal citirte Augenarzt Alcoatim zu Toledo genannt werden. Bei
der Sparsamkeit oculistiselier Schriften des Mittelalters — ausser
Ali ben Isa, Alcanamusali und den uns durch den kgl. liofratli
Dr A M. Berger und T. Aura eher in München bekannt
gewordenen Bcnvenutus Grapheus besitzen wir nur die vorliegende
Abhandlung — ist die Bekanntmachung neu entdeckter Hand¬
schriften sehr dankenswerth. «Salomo fihus de arit alcoatim
ehristianus Tolctus» schrieb im Jahre 1159 den ersten Theil zu
Toledo, die anderen Theile später an einem zweiten Orte. Obwohl
das Werk nur eine Compilation ist und lediglich in einigen Capiteln,
so bezüglich der Symptomatologie und Cur der «obtalmia», in der
operativen Therapie der Thränenfistel u. e. A. eigene selbständige
Wege betritt: so ist seine Ausgrabung immerhin ein verdienst¬
liches Werk für Ergänzung der mittelalterlichen medicinischen
Literatur. Die Figuren bilden eine willkommene Zugabe dieses im
Ganzen nicht blos literarisch, sondern als Probe des wissenschaft¬
lichen Lebens in Toledo während- des 12. Jahrhunderte auch
culturhistorisch höchst denkwürdigen Schriftstückes.
Dr. v. Kerschenstciner.
Neueste Journalliteratur.
VÜUH---w
F. Hofmeister: Ueber Sterilisation von Spritzen durch
Äuskochem tiich geinerCatgutunter8UC hungen kam H. auch zu einem
einfachen und sichern Verfahren, Spritzen mit Lederstempd durch
Auskochen zu sterilisiren (ein Verfahren, das sich seit 2 Monaten
itm praktisch bewährt hat und das sich natürlich nur für Spritzen
mit Gewinden [ohne Kitt) auwenden lässt). Nachdem Stempel und
Dichtungsring herausgenommen und mittelst Aether von Fett befreit
sind kommen sie auf 24-2» Stunden in 2-4proc. Formalmlösung
nnd ist nach beliebig langem Auswaschen die Spritze kochfertig.
Das Wasser muss natürlich wegen des Glases allmählich erwärmt
w^den. und wird die Luft vor und hrnter dem Stempel durch
Hin- und Herschieben desselben unter Wasser vertrieben. Von
7.p\t 7 u Zeit ist die Formolbeize zu wiederholen.
H fand, dass, während einfach gekochtes Leder morsch und
zerreissiieh wird und beim Trocknen eine steinharte zerklopfbare
Masse bildet, 24 Stunden in Formalinlösung gelegenes Leder dag^en
imWasserg^koclit werden kann, ohne seine Haltbarkeit, Weichheit
und Geschmeidigkeit einzubüssen. ocnr -
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 28.
1) A. Cohn-Adlershof: Ueber Eukasin.
Verfasser empfiehlt auf Grund praktischer Erfahrungen ange¬
legentlich das Eukasin, den von Salkowski genauer untersuchten,
aus Milch hergestellten Nährstoff.
2) W. Lublinski Berlin: Ueber Verkleisterung der oberen
WCg Verfasser theilt unter Bezugnahme auf den Artikel Gerhardts:
Ueber Verkleisterung der Luftrührenäste (Centralblatt No. 20, refer
d. W. No. 21, 8. 506) einen ähnlichen Fall mit: Ein 20jähriger Bäcker
erkrankte an einer Entzündung der oberen Luftwege, welche durch
Weizenmehleinathmnng hervorgerufen war. Der Nachweis der Stärke
wurde durch die Jodjodkalinm-Reaction erbracht ; Einpinselungen mit
der Jodlösung riefen sowohl im Kehlkopf, als auch im Rachen und
in der Nase blaue Flecken hervor, die sich auch im Auswurf bei
Zusatz zeigten. Die mikroskopische Untersuchung ergab das Vor¬
handensein blau gefärbter Stärkekörner, W- Zinn-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 28.
Ludwig Knapp-Prag: Erfahrungen über Labor de's
rvthmische Zungentractionen, nebst einigen Bemerkungen
über Verletzungen durch diese und andere Wiederbelebung»-
methoden Deutschland noch nicht recht eingebürgerten
Zunge ntractionen nach Laborde «ur mft
Inhvktischer Neugebornen in 12 Fällen angewendet und hatte mit
asp y , Erfolg Er empfiehlt diese Methode zu
weiterer Nachprüfung, besonders auch bei vorzeitigen Kindern, wo
das SchuHze-scheVerfahren nicht am Platze ist. Vor letzterem
hat die Methode noch die Vortheile, dass sie im warmen Bade aus¬
geführt werden kann und auf die Umgebung nicht den peinlichen
Findmck macht, wie die Schultze’sehen Schwingungen.
ImAn^hlüss an einen Fall, wo zuerst 600 Schwingungen ohne
Erfolgend dann 40 Zungentractionen mit Erfolg ausgeführt waren,
dasKind aber trotzdem 8 Stunden später starb, fanden sich bei der
CMjducüon mehrfach cutae und »bcuUn. V,*«*, *^»
Schwingungen zur Last fallen mussten. Als Folge der lracuoneu
fanden 8 sich nur Ecchymosen der Zungenspitze, am “
retreoesophagealen Zellgewebe nnd in der Oesophagusschleimhaut.
Diese Befunde sind gerichteärztlich von Wichtigkeit und bei Ver
dacht auf gewaltsame Erstickung der Neugebornen
ziehen. ‘ e
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 8. Bd. 1. u. 2. Heft
1) Fr. S c h u 11 z e: Ueber Befunde von Haematomyelie und
Oblongatablutung mit Spaltbildung bei h Druck
Die Thatsache, dass Verletzungen des Gehirns durch Dr
bei der Geburt seitens eines engen Beckens oder durch ^ Z g
häufig die Ursache von Schwachsinn, chronischer Ohorea oder spM
tischen Erscheinungen sind, veranlasste den Autor, das Gehl ™
Rückenmark von ln Folge von Dystokien zu G r und e ge^ngenen
Neugeborenen zu untersuchen In den drei mitgetheilten ra
fehlfen nun die erwarteten. Befunde von Blutung oder Quetschung
!m GroSrn, dagegen fanden .ich aahlreiche Blutungen m d»
Medulla oblongata und spinahs.
•2) v. Strümpell: Ueber die asthenische Bulbaerparalyse
(Bulbaerparalyse ohne anatomischen Befund, Myasthema gr
PSe “ a E °, P wW yt S-ei„ weiterer .ehr .».geprägter F.U vo» di««
seltenen Krankheit mitgetheilt: ungemein rasche, bis ^ fast völlig
Lähmung sich steigernde abnorme Ermüdbarkeit nie
vom Bulbus medullae versorgten Muskelgebiete, aonJern
Rumpf- und Extremitätenmusculatur. Die junge Pa^n gmg an
Athemnoth zu Grunde. Im Gehirn und wa8
peripherischen Nerven und an den Muskeln W aich mchts, *
die klinischen Erscheinungen hätte erklären nn . MJ der^^
nähme einer Giftwirkung lassen sich sowohl die einzelnen tr«m
nungen als auch ihr Wechsel erklären, doch kann diese durch keine
Thatsachen begründet werden. . . _
3) A. Spanbock: Ueber den Einfluss des galvanischen
. Stromes auf die Reizbarkeit der Hirnrinde. (Aus dem pat
• “tST.i n ..d‘uÄ F&lle von Gabi—
i sarkom oder sogenanntes Peritheliom ^ Klinik
dritten Ventrikels) bei zwei Geschwistern. (Aus der me
r’ m E Es hat diese Arbeit weniger ein neiirologischM als em all^gemem
!r pathologisches, für die C o li n h e i m sehe Geschwulsttheone sprechenu
h Interesse. Bei zwei Geschwistern trat im '^ffitsbild
e 11. bezw. 16. Jahre) ein fast vollkommen gleich*« Krankne»
it auf und bei beiden fand sich bei der Section eine histologiscn g
d artige Geschwulstbildung. «u’eine Be-
0 i 5) B. Worotynsky: Ueber die Suspension als eine
r- handlungsmethode bei Nervenkrankheiten. (Aus de p .
irischen Klinik in Kasan.)
Digitized by
Google
21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
683
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Verfasser preist aufs Neue die schon vor mehreren Jahren
von Russland aus empfohlene Behandlung der Tabes und anderer
Nervenkrankheiten (Neurasthenie!) durch Suspension.
6) W. Muratow-Moskau: Zur pathoL Physiologie der
corticalen Epilepsie.
Die von einer destructiven Herderkrankung in der motorischen
Sphäre des Gehirns bedingte Epilepsie erhält den auslösenden Reiz
durch die Bogenfasern; bei der Degeneration dieser Fasern gerathen
die anliegenden Zellen in den Zustand der constanten Hypertonie,
die begleitende Störung deB Muskelgefühls hängt von dem |
Ausfall der Bogenfasern ab.
Die circumscripten Erkrankungen der Rinde mit ausgedehnter '
Degeneration der Projectionsfasern und nur schwacher Betheiligung
der Associationsbahnen verlaufen mit schweren Lähmungen, aber
ohne Epilepsie.
7) M. Bernhardt-Berlin: Notiz über die familiäre Form
der Dystrophia muscularis progressiva und deren Combination
mit periodisch auftretender paroxysmaler Lähmung.
8) v. Bechterew-Petersburg: Ueber eine durch Verwun¬
dung der unteren Abschnitte des verlängerten Markes ver
ursachte Lähmung.
Zu einem kurzen Referate nicht geeignet.
9) und 10) Kleine Mittheilungen und Besprechungen.
3. und 4. Heft des 8. Bandes.
11) L. Neumayer: Die histologischen Veränderungen
der Grosshirnrinde bei localem Drucke. (Aus dem pathologischen
Institut in München.)
Bei Kaninchen wurden nach Anlegung einer Trepanations¬
öffnung Bleikugeln zwischen Dura mater und Schädeldach eingefiihrt
Die Versuchsthiere wurden nach verschieden langer Zeit getödtet.
Die histologischen Befunde fasst N. in Analogie ähnlicher Studien
Kahler's bei Rückenmarkscompression in Perioden zusammen: in
der ersten (bis zu 24 Stunden) gehen die oberflächlichsten Schichten
der nervösen Elemente, die Tangentialfasern und die kleinen
Pyramidenzellen zu Grunde. In der zweiten (vom 1. zum 10. Tage)
greift die Degeneration mehr in die Tiefe, in den oberen Partien nimmt
schon das Stützgewebe auf Kosten der nervösen Elemente zu. In
der dritten Periode (biB zu 60 Tagen) findet man eine Verdickung
der Pia, die nervösen Elemente haben auch in den tieferen Partieen
der Hirnrinde dem derben Stützgewebe Platz gemacht.
12) vanOordt: Beitrag zur Lehre von der apoplectiformen
Bulbaerparalyse mit besonderer Berücksichtigung der Schling-
lähmung und Hemianaesthesie. (Aua dem pathologischen Institut
in Heidelberg.)
Im Anschluss an die klinische Beobachtung und den Sections-
befund eines Falles von apoplectiformer Bulbaerparalyse bespricht
Verfasser ausführlich unter Heranziehung der hierher gehörigen
Literatur die Symptome und den anatomischen Befund bei dieser
Krankheit.
13) A. Sarbö-Budapest: Die Tetanie, eine aetiologisch-
pathologische Studie.
Die Ursache der Tetanie sieht Verfasser nach seinen Unter¬
suchungen in einer allgemeinen Ernährungsstörung, welche z. T.
durch Gifte (ehern. Gifte, Toxin nach Strumaexstirpation, Darmtoxin)
hervorgerufen wird, zum Theil mit körperlichen Zuständen, Gravidität,
Lactation, einhergeht Den Sitz der Erkrankung verlegt 8. in das
centrale Nervensystem und kann bei dieser Annahme sämmtliche
Symptome genügend erklären.
14. Fr. Ziehl-Lübeck: Ueber einen Fall von Worttaubheit
und das Licht heim'sehe Krankheitabild der^ subcorticalen
sensorischen Aphasie.
Bei einem älteren Manne entstand plötzlich ohne apoplectischen
Insult ein gänzlicher Verlust des Verständnisses für Sprache und
Musik bei völligem Erhaltenbleiben des Gehörvermögens für Ge¬
räusche und Töne, Patient konnte dabei gut sprechen, lesen und
schreiben. Mit Berücksichtigung dieses Falles und der spärlichen
Casuistik der subcorticalen sensorischen Aphasie wird eine Be¬
sprechung und Kritik der W e r n i c k e ‘sehen und Lichtheim 'sehen
Theorien angeschloseen.
15) M. Salomonsohn-Berlin: Bemerkungen zur Gesichts¬
feldermüdung.
16) Besprechungen. L. R Müller- Erlangen.
Zeitschrift für Hygiene, XXII. Heft 1.
1) A. Lübbert: Ueber die Natur der Giftwirkung peptoni-
sirender Bacterien der Milch. (Hyg. (Institut Breslau.)
Wie zuerst von Flügge nachgewiesen, ruft die Milch in den
Sommermonaten durch einen Gehalt an sporentragenden, grossen
Bacillen gelegentlich schwere Magen- und Darmerkrankungen hervor.
Lübbert hat nun die Wirkung einer solchen Bacillus-Species näher
untersucht, welche grosse bewegliche 8täbchen darstellt, am besten
bei 37° wächst, auf der Kartoffel aber keine ausgedehnten Auf¬
lagerungen erzeugt. Die 8poren vertragen ein zweistündiges Erhitzen
im Dampf von 100°. Die Milch wird peptonisirt, nach 12 Stunden
hei 35° sind aber noch keine grob sinnlich wahrnehmbaren Ver¬
änderungen zu sehen, erst nach 24 8tunden hat sich eine schmale
8erumzone ausgebildet und der Geschmack ist etwas bitterlich. Die
Eiweisskörper werden allmählich fast vollkommen in Caseosen oder
Peptone verwandelt, Zucker und Fette nicht angegriffen. 24 Stunden
bei 35° auf bewahrte Milch ist ausserordentlich pathogen für junge
Thiere. Aellere Thiere widerstehen der schädigenden Wirkung. Noch
stärker als bei der Fütterung wirkt die Milch bei Injection in die
Bauchhöhle. Es genügt da unter Umständen ein einziger Cubik-
centimeter, um den Tod zu erregen. Durch eine Reihe sinnreicher
Versuche weist Lübbert nach, dass der giftige Körper kein Eiweiss-
körper, kein Pepton, überhaupt kein löslicher Körper ist, sondern
dass das Gift in den Leibern der Bacterien enthalten ist und zwar
sind die Bacterien nur dann giftig, wenn sie lebend in den Thier¬
körper eingebracht werden. Im Thierkörper scheint sehr rasch das
Gift ausgelaugt zu werden. Tötet man die Bacterien durch Chloro¬
form oder Kochen, so ist die Giftwirkung verschwunden. Von der
Bauchhöhle aus genügen 25 Millionen isolirte Bacillen, um ein 300 g
schweres Meerschweinchen zu töten. Von einer Infectron ist absolut
keine Rede; es ist eine reine Intoxikation. Lübbert stellt in Aus¬
sicht, weitere Versuche in der Richtung anzustellen, ob sich bei
Sommerdiarrhoe der Kinder dieser Organismus regelmässig findet
und warnt einstweilen auf's Neue davor, angeblich keimfreie Milch,
sei es, dass man sie selbst hergestellt, sei es, dass man sie bezogen
hat, Kindern zu verabreichen, nachdem man sie längere Zeit warm
gehalten hat.
2) Max Neisser: Ueber die Durchgängigkeit der Darm¬
wand für Bacterien. (Hyg. Institut Breslau.)
Neisser weist in einwandfreier Weise nach, dass es eine
falsche Vorstellung ist, anzunehmen, dass vom Darm aus besonders
leicht pathogene oder saprophytische Bacterien in den Thierkörper
gelangen könnten. Weder konnte er bestätigen, dass die Angaben
von Nocard und seinen Schülern richtig sind, nach denen der
Chylus gesunder Thiere während der Verdauung massenhaft Bacterien
enthält — so erwies sich im Gegentheil der Chylus von 6 Hunden
stets absolut pilzfrei — noch war im Blute oder in den Organen von
Thieren, die mit den verschiedenartigsten Bacterien gefüttert wurden,
etwas von den eingebrachten Organismen zu finden. Verwendet
wurden namentlich Pyocyaneus, Typhus, Staphylococcus aureus,
Streptococcus, blaue Milch. Auch als Mäuse, Kaninchen, Meer¬
schweinchen ausser mit den eben genannten Bacterien auch noch
mit darmschädigenden Substanzen, GlasBplitterchen, Krotonöl u. s. f
gefüttert wurden, Hess sich nicht ein einziges Mal ein Uebertritt der
Bacterien in die inneren Oiyane nachweisen. Die Ai beit enthält ein
ausführliches Literaturverzeichniss.
3) Martin Ficker: Zur Methodik der bacteriologischen
Luftuntersuchung. (Hyg. Institut Breslan).
Ficker hat sich die Aufgabe gestellt, die vorhandenen Methoden
der bacteriologischen Luftuntersuchung miteinander zu vergleichen
und schlägt als beste Methode eine Moditication der Petri'sehen
Sandfiltermetbode vor. Die Abänderung beBteht 1. in der Verwendung
von Glasbröckelchen statt Sand, 2) namentlich darin, dass die Glas-
bröckelchen nicht mehr in ein cylindrisches Rohr gefüllt werden,
sondern in ein Glasrohr, das dadurch gewonnen wird, dass eine 1 cm
weite Glasröhre an ihrem Ende etwas aufgeblasen wird und ein
wiederum 1 cm weites Stück Glasrohr etwa */* cm weit in das auf¬
geblasene Ende eingeschmolzen wird. Es wird damit der aspirirte
Luftstrom verhindert, den Wandungen allein zu folgen: Er wird
vielmehr gezwungen, dicke Schichten des Filtermaterials zu passiren.
Zahlreiche Tabellen beweisen die Zweckmässigkeit der vorgeschlagenen
Methode.
4) Dun bar: Zur Frage über die Natur und Behandlung
eisenhaltigen Grundwassers mit besonderer Berücksichtigung
der Eisenausscheidung bei Privatbrunnen. (Hygienisches Institut
Hamburg.)
Die sehr ausführliche Arbeit ist zu einem kurzen Referat
kaum geeignet. Dieselbe stellt sich die Aufgabe, Methoden za
erproben, welche die Aufgaben der Enteisenung in befriedigender
Weise auch da lösen, wo eine centrale Enteisenung unmöglich
ist. Letztere Aufgabe ist bekanntlich principiell seit längerer Zeit
gelöst. Dun bar gibt die Beschreibung einer Reihe von zweck¬
mässigen technischen Anlagen, nm Brunnen so einznrichten, dass
sie constant eisenfreies Wasser liefern. Der Zweck lässt sich durch
eine Reihe verschiedenartiger Einrichtungen erreichen, für die anf
das Original verwiesen werden muss. Auch für die Theorie der
Eisenabscheidung bringt die Arbeit eine Reihe interessanter Beiträge.
5) Pottien: Drei Fälle von Cholera nostras.
Der Verfasser hat in 3 Fällen ans den Stühlen von Kranken,
die an Cholera nostras litten, einen Organismus isolirt, der dem
Bacterinm pyocyaneum nahesteht, den er als Bacillus fluorescens
capsulatus beschreibt.
6) Francesco Sanfelice; Ueber die pathogene Wirkung
der Blaatomyceten. (HI. Abhandlung.)
In dieser seiner 3. Arbeit über Blastomyceten sacht Sanfelice
abermals darzuthun, dass alle bisher beschriebenen Carcinom- and
Sarkompaiasiten nichts seien wie Saccharomyceten. Er beschreibt
darauf eingehend die Veränderungen, welche sich in den Organen
von einer Reihe von Thieren finden, die nach der Einimpfung von
Saccharomyces neoformans längere Zeit am Leben geblieben sind.
Während Mäuse rasch zu Grunde gehen bei ganz geringer
Reaction von Seite der Gewebselemente und massenhafter Ver¬
mehrung der Blastomyceten, sind an der Ratte and am Kaninchen,
noch mehr aber am Hund, Localiaationen der Infectionserreger und
charakteristische ausgesprochene Reactionen von Seite der Gewebe
deutlich. Am Hund wurden in 80 Impfversnchen nur 2 mal positive
Erfolge erhalten, d. h. die Entwicklung einer Geschwulst an der
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Münchener medicinische Wochenschrift.
“ K ,Tw. B ÄÄÄ h, SSwr™ Baeterienaora des
“""Sie Arbeit schildert die Veränderung«» .«eiche* ta de,r Flora
SrSSSrs
vnr Es kamen 3 neue Arten hinzu. In einem 2. Versuche ver
schwanden von den 12 Arten, die bei Brodkost aufgetreten wa r en .
bii folgender Fleischkost 9 Arten und zu den übr.g bleibenden
kamen 6 neue. Die Versuche wurden am Hunde angeateHt^ _
K'i A Serafini: Ueber die Appert sehen durchlöcherten
Scheiben als Lüftungsmittel. Experimentelle Untersuchungen.
“ Die sehr ausführliche Arbeit macht sich zur Auf g»be, die in
Frankreich und Italien besonders viel empfohlenen Ventilations
selben von Apjert einer Prüfung auf ihre Zweckmässigkeit und
Leistungsfähigkeit zu unterziehen. Die Scheiben bestehen aus
dünnem, mattem Glas und sind von konischen Löchern durchbohrt
deren engere Oeffnung 3-4, deren weitere gegen d ^ I ““ er 50 55
trelecene Oeffnung 6—8 mm weit sind. Es kommen 3000 oder ouuu
Löcher auf den Quadratmeter. Die Scheiben 80,le “
2,5 m vom Fussboden angebracht werden und dann nach Dre
ein sehr wirksames Mittel darstellen, den Wohnräumen f ™ ch « Luft
zuzuführen. Die vielseitigen Prüfungen von Serafin 1 HUf Z
dem Schluss, dass diese Scheiben nur dann ein wirksames Hilfs
mittel der natürlichen Ventilation darstellen, wenn gleichzeitig d
einen Ofen oder auf einem anderen Weg eine wirksame Aspiration
erfolgt und auch dann nur ausreichend ist, wenn im Verhältniss zu
ihrer Bewohnerzahl geräumige Wohnungen auf diese Weise ve °^' r ^
werden sollen. Ausserdem sind in Wohnungen, bei deQ en dm” obere
Theil der Fenster nur indirect Licht empfängt, diese Scheiben als
stark lichtrauhend nicht zu empfehlen. . .
9) Hugo Ehrenfest-Wien: Studien über die «Bacterium
coli-ähnlichen» Mikroorganismen normaler menschliche Faeces.
Die Arbeit bringt die Schilderung einer Anzahl von Bactenen-
arten, welche auf den üblichen Nährböden als weisse, ™ht ver¬
fliegende Auflagerungen wachsen, und bezweckt, einzelne dieser
Formen als Bacterium coli von anderen abzutrennen. Die Arbeit,
bringt nichts wesentlich Neues.
10) Oskar Rumpel: Ueber die Verwendung tuberculösen
Fleisches zu Genusszwecken. . . . ,,
Fleisch und Organe perlsüchtiger Thiere zeigen in einer Anzahl
von Analysen keinen wesentlichen Unterschied in ihrer chemischen
Zusammensetzung von dem Fleisch gesunder Thiere. Auch die
Ausnützung dieses Fleisches durch den Hund war nicht verschieden.
Es ist also der Nährwerth de» Fleisches tuberculöser Thiere nicht
schlechter, als Fleisch vom gesunden Thier.
11) C. Kaensche: Zur Kenntniss der Krankheitserreger
bei Fleischvergiftungen. (Hyg. Institut Breslau.)
K. B. Lehmann.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 28.
1) A. Käst und Th. Weiss-Breslau: Zur Kenntniss der
Hämatoporphyrinurie. , _ ,
Nach einem geschichtlichen Rückblicke auf die Forschungen
bezüglich der Entstehung und Wirkungsweise des Hämatoporphyrins
im thierischen und menschlichen Organismus wenden sich die beiden
Verfasser zu den Angaben, welche Prof. Stokvis über die Anteil¬
nahme des intern verabreichten Sulfonals an der Erzeugung von
Hämatoporphyrinurie veröffentlicht hat Nach Stokvis kann das
Auftreten von Hämatoporphyrin im Harne experimentell durch
reichliche Darreichung des von KaBt als Hypnoticum empfohlenen
Sulfonals bewirkt werden, eine Erscheinung, welche aus dem Auf¬
treten kleiner Blutungen im Magendarmcanal erklärt werden müsse.
K. und W. haben die Versuche von Stokvis einer eingehenden
Controle unterzogen — Näheres cfr. Original — und kamen zu voll¬
ständig entgegengesetzten Resultaten wie 8t., deren Facit dann
besteht, dass das Sulfonal eine in arzneilichen Dosen nicht giftig
wirkende Substanz darstellt. Warum es unter gewissen pathologischen
Bedingungen, vornehmlich bei anaemischen Frauen und besonders
bei gleichzeitiger hartnäckiger Obstipation, die Ausscheidung eines
hämatoporphyrinhaltigen Harnes, der zugleich stark sauer reagirt,
bewirkt, ist z. Z. noch nicht erklärbar.
2) R. Traugott-Breslau: Beitrag zur Casuistik der iso-
lirten Gesichtshallncinationen. , .
Es handelte sich in dem beschriebenen Falle um eine 75jährige
Frau mit guter Intelligenz und sonst normalem Bewusstseinsinhalt,
welche während 10—14 Tagen an sehr lebhaften, aber als Sinnes
tituschung erkannten, Hallucinationen litt, deren Art es wahrschein¬
lich machte, dass die Entstehung derselben in einer peripheren
Erkrankung (doppelseitige Catarakt) beruhte.
3) F. Kiefer-Berlin: Zur Differentialdiagnose des Erregers
der epidemischen Cerebrospinalmeningitis und der Gonorrhoe.
Die Meningococcen variiren erheblich in der Grösse ihrer
einzelnen Individuen; ferner durchsetzen sie die Leukocyten viel
zahlreicher als der Gonococcus. Eine eigentliche Kapsel ist beim
Meningococcus nicht vorhanden. Die Cultur bietet noch weitere
Differenzen, indem der Meningococcus erhebliche Neigung zur Con-
flueuz zeigt und üppig auf Glycerinagar gedeiht was beim Gonococcus
nicht der Fall ist. Der Meningococcus scheint ein exquisiter Eiter¬
erreger für menschliche Schleimhäute zu sein.
4) Löwen stein-Trier: Ein Fall von totalem Schwund
des zurückgelassenen Kropfrestes nach partieller Struma-
Exstirpafc^so tion trat in 5 Wochen ein.
K Dr. Grassmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 29.
1) H. Löh lein: Ueber Blutungen in Ovarialcysten. (Aus
der Universitäts-Frauenklinik in Giessen.)
Es wird auf die klinische Bedeutung des dem menstrualen
Blutabgang vorausgehenden Congestionszustandes hingewiesen und
die Gefahr, welche eingehende, derbe und protahirte Untersuchungen,
forcirte Bewegungen u s. w. bei bestehenden Ovarialcysten in dieser
praemenstrualen Periode bedingen Auch ein Fall von Haemorrhagie
nach plötzlicher 8tieldrehung in der Schwangerschaft wird erwähnt.
wa Eulenburg: Beiträge zur neuropathologischen
Casuistik. (Vortrag mit Krankenvorstellung im Verein für innere
Medicin in Berlin) , . , . ,
I. Ein Fall von Syringomyelie nach peripherischer
V6rl Referat, 8 siehe diese Wochenschrift No. 21, p. 507.
II Ueber einen schweren Fall infantiler familiärer
Muskeldystrophie mit osteo-arthropathischen Defor-
mat Referat, siehe diese Wochenschrift No. 26, p. 624.
3) Hermann Schlesinger: Zur Diagnostik der Erkran¬
kungen der Vena cava inferior. (Aus der HI. medicmischen
Universitätsklinik in Wien, Director Prof. Sehrötter.)
Sehr oft wird bei Verschluss der Vena cava infenor nur ein_
seitig auftretendes Oedem beobachtet, namentlich dann wenn auf
einer Seite besonders mächtige Collateralbahnen yorgebildet sind.
In diesen Fällen muss sich die Diagnose auf die vergleichende
Betrachtung des beiderseits entwickelten Collateralkreislaufs stützen,
auf die Mitbetheiligung der Bauchhaut an der Schwellung und Nachc
weiss von Eiweiss oder Blut im Urin als Zeichen des Verschlusses
einer Nierenvene. _ „ ...
4) Karl Goebel: Casuistischer Beitrag zur Frage des
Vorkommens des Processus vermiformis im Bruchsack bei
Kindern. (Aus dem neuen allgemeinen Krankenhause Hamburg-
Eppendorf^ übßr zwe ; 0 p er irte Fälle, bei einem 3 monatlichen
bezw. 2 Jahre alten Knaben. Gleichzeitig bestehende Phimose.
Sehe de’sehe Silberdrahtnaht. . _ ...
51 G Siefart-Berlin: Zur Indication und Technik der
vaginalen Laparotomien. (Aus der Privatanstalt für Frauenkrank¬
heiten von Prof. Dr. J. Veit.) .,
Um möglichst conservativ openren zu können, geht Veit vom
Parametrium ans, löst die Portio nur halbseitig, durchtrennt das
entsprechende Ligamentum latum nach Unterbindung der Artene
und eröffnet das Peritoneum im Douglas. Das Verfahren hat
sich wie die mitgetbeilten Fälle beweisen, bei im Douglas sehen
Raume liegenden Ovarialtumoren, Myomen, Exsudaten im Pen- una
Parametrium, sowie einseitigen Tubenerkrankungen bewährt.
6) E. Witte-Berlin: Die Resorptionsfähigkeit des Dicx-
darms in gynäkologischer Beziehung.
Angesichts des ausserordentlich raschen und ausgedehnten aui-
saugungsvermögen der Dickdarmschleimhaut empfiehlt Witte Lin-
giessungen von grossen Mengen physiologischer Kochsalzlösung m
den Darm bei gefahrdrohenden inneren Blutungen statt der zeit¬
raubenden und umständlichen subcutanen Infusionen.
7) J. Samt er-Charlottenburg: Zu den Mischinfectionen
acuter Hautexantheme. _,
Mittheilung Über je 2 Fälle von unmittelbar anschliessenden
Infectionen von Varicellen und Morbillen, und Scarlat na und Mor-
billen, letztere Combination in beiden Fällen mit tödtlichem Ausgang.
8) Oeffentliches Sanitätswesen: Die Krankenkassen im
Deutschen Reiche im Jahre 1894. __
Nach amtlichen Quellen bearbeitete statistische Zusammen
Stellung.
Vereins- und Congressberichte.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 13- Juli 1896.
Herr Jakob demonstrirt einen 14 jährigen Jungen mit rudi
mentär entwickelten Nägeln an den Händen und Füssen; das
ist in diesem Falle familiär. . .. -„. r
Herr A. Baginsky zeigt das Schädeldach eines an eitriger
Meningitis verstorbenen Knaben, welcher etwa 10 Tage vor egi
der schweren Gehirnsymptome von einem Treppengeländer nera
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21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
685
gestürzt war, und obwohl er, wie dieSection ergab, eine mehrfache
Schädelfractur erlitten hatte, nur eine leichte Blutung aus Mund
SÄSriSff £ opfsch “ erzen > 80n8t ab er in den nächsten
10 -lagen keine Krankheitssymptome gezeigt hatte.
Herr A. Fränkel demonstrirte einen Mann mit multipler
■® lt * ft “® n Hauttumoren. Die letzteren finden
sich an den Streckseiten der Arme und Oberschenkel; an letzteren
sind sie auf Jodkali und Hg-Medication fast völlig verschwunden,
an enteren zurückgegangen. Die Neuritis, welche an den Armen
ÄkSS? d “ i *« l80r ®». »" den Beinen die gesummte Muscu-
Lfj. befallen hat, ist nach l'/2jähnger Dauer fast völlig geheilt.
^' d,e Hauttumoren, welche mikroskopisch aus derbem Fasergewebe
mit knötchartiger Zellanhäufung, vereinzelten Riesenzellen und Ge-
fässverdickungen bestehen, luetischer Natur (Tuberculose scheint
durch Thierimpfung ausgeschlossen) oder zu der Froring’sehen
Schwiele zu rechnen sind, ist nicht ganz sicher zu entscheiden.
Herr Finkeistein: Ueber die Ursachen der folli-
culären Darmentzündung der Kinder.
In der Kinderklinik der Charite sind in den letzten Jahren
Untersuchungen über die Ursachen der Magendarmkrank¬
heit o n der Kinder angcstellt worden, die sich in erster Linie
auf die En teritis follicularis bezogen. Die typische Enteritis
follicularis ist mit ihren ruhrähulichen Erscheinungen ein charakte¬
ristischer Krankheitsbegriff, aber häufiger als der Typus sind wenig
marcante schleimige Diarrhoen; und es existiren zahlreiche Ueber-
gänge zwischen ihr, gewissen Dyspepsieen, Enterokatarrhen und
Cholera infantum-Fällen. Verdächtig sind besonders hier diejenigen,
bei denen eine hämorrhagische Gastritis besteht. Alle diese Formen
erweisen sich aber pathologisch anatomisch als zusammen¬
gehörig durch das Verhalten der Darmschlcimhaut, welches durch
Röthung, Schwellung, Neigung zu Ulccrationen und Blutungen
bestimmt ist, wobei der Sitz der Hauptveränderung bald mehr im
oberen, bald mehr im unteren Darmrohr sich findet. Die Darm¬
erkrankungen mit blasser Schleimhaut und geringer Follikel¬
schwellung gehören nicht hierher.
Die Enteritis follicularis ist also eine Erkrankung des ganzen
Vcrdauungstractus mit Neigung zu vorwiegender Localisation in
den untersten Abschnitten. Man muss zwei Grundtypen bei ihr
auseinanderhalten, die mit vorwiegender Localaffcction (rühr
artige torrn) und die mit geringer Veränderung des Darms, aber
vorwiegend toxischen Erscheinungen. Beide Typen combiniren
sich zu Mischformen.
Untersucht man die Stühle bacterioskopisch, so findet man
in den abgestossenen Zellen (vorwiegend intracellulive) Bacillen,
oft mit Polfärbung, welche sich in der Cultur dem Bact. Coli
commune sehr ähnlich verhalten, aber doch gewisse Unterschiede
bieten z. B. schnellere Milchgerinnung, Blasenbildung auf der
Kartoffel und besonders auffallend deutliche, multiple concentrische
Ringe der tiefliegenden Gelatineculturen. Mit Sicherheit aber
erweist sich der Bacillus als völlig verschieden von dem normalen
Coli bacillus aus dem Säuglingsdarm, vor Allem durch den Thicr-
versuch. Er stellt einen exquisiten Eitererreger mit geringer
Neigung zur Allgemcininfcction dar.
Auf der Vaginal- und Blasenschleimhaut von Thiercn erzeugt
er hämorrhagische Entzündungen. Bei Verfütterung an Meer¬
schweinchen und Kaninchen verursacht er zuweilen den Tod, ohne
dass im Darm wesentliche Veränderungen auftreten und sehr
pathogen ist er bei Verfütterung an Mäuse, welche
unter heftigen Diarrhoen sterben, völlig in derselben
Weise, wie bei Verfütterung von Mäusetyphus. Die Veränder¬
ungen im Darm entsprechen denjenigen, welche Heubner beim
Säuglingsdarm bei Cholera infantum beschrieben hat. Es ist auch
gelungen, bei Kaninchen und Meerschweinchen schwere, dysenterie¬
artige Veränderungen im Rectum zu erzeugen; mehrmals ent¬
standen durch Fütterung ausgedehnte nekrotisirende Rachenent-
zündungen, ähnlich der Scharlachnckrose, wodurch die Thiere suf-
focatorisch zu Grunde giugen. Auch die Fähigkeit des Bacillus,
toxische Substanzen zu bilden, wurde fcstgcstcllt. Die
bacteriologi8chen Untersuchungen bestätigten die Zusammen¬
gehörigkeit gewisser Enteroka tarrhe und Brech¬
durchfälle mit der Ent. foll.
Der Bac. ist wahrscheinlich häufig mit dem gewöhnlichen
Bac. coli verwechselt worden. Seine Eigenschaften stellen
ihn in die Gruppe der hämorrhagischen Thiersepti-
caemiebacillen (Hühnercholera etc.). Er kann zuweilen auch
bei Erwachsenen Darmaffcctionen hervorrufen. Die Uebertragung
erfolgt durch die Nahrung oder durch Contact mit inficirten
Gegenständen. Die Stühle darmkranker Kinder müssen als sehr
infectiös betrachtet werden.
Bei den übrigen Darmkrankheiten scheinen verwandte Bacterien
im Spiel zu sein, die z. Th. schwer zu cultiviren sind. Für die
Flügge’schen sporen tragen den Bacillen konnte eine ätiologische
Bedeutung bis jetzt noch nicht festgestcllt werden.
Discussion: Herr A. Baginsky wendet sich gegen die
neue Eintheilung der Darmaffectionen, wie sie F. vorgeschlagen und
will einen Uebergang der einzelnen Formen, insbesondere der
naturrhahschen und folliculären nicht gelten lassen. Die aetilogische
Bedeutung des von F. gefundenen Bacillus bestreitet er, da dies
einfach das Bacterium coli sei. Dass dies unter unbekannten
Verhältnissen pathogen werden könne, glaubt Baginsky aus
folgendem Erlebniss schliessen zu dürfen: Auf einer Reise in
Spanien ass er eine von ihm selbst geschälte Melone und bekam,
obwohl er dazu und darauf kein Wasser getrunken hatte, in der
nächsten Nacht eine schwere acute Enteritis. Da B. es für aus¬
geschlossen hält, dass an der geschälten Melone noch Bacterien
waren, so schliesst er, müssen die im Darm schon vorhanden ge¬
wesenen plötzlich aus nicht sicher zu stellenden Ursachen pathogen
geworden sein. (Infection vor dem Essen der Melone auf irgend
eine Weise?)
Herr Finkeistein weist die Ansicht Baginsky's mit Ent¬
schiedenheit zurück und verlangt, dass B., bevor er die Bedeutung
des von ihm gefundenen Bacillus direct in Abrede stelle, erst seine
Versuche nachprüfe. jj K.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 21. Mai 1896.
Vorsitzender: Herr P. Sondier.
Herr Frey tag: Demonstration eines Falles von Sigma¬
tismus nasalis bei einem 1 4 jährigen Mädchen aus gesunder Familie.
Der Sprachfehler besteht von frühester Kindheit an. Das
S und die mit dem S verwandten Zischlaute werden durch die
Nase, die übrigen Consonautcn und die Vocale werden rein
gesprochen. Wenn die Patientin spricht, hört man bei Aussprache
der Zischlaute die Luft mit''einem ätenosenartigen Geräusch durch
die Nase blasen. Bei der Bildung der Zischlaute findet also ein
ungenügender Abschluss der Nasenrachenhöhle von der Mundhöhle
statt, was auch durch Einlegen eines Manometerröhrchens in die
Nase demonstrirt werden kann. Die Ursache dieser Anomalie ist
bei der Patientin in der Kürze und Rigidität des Gaumensegels
zu suchen (Insuffisance velo-palatine-Lermoyez), welche es erklärt,
dass der sonst beim Sprechen, Schlucken ctc. hinreichende Gaumcn-
verschluss bei Bildung der Zischlaute, die, soweit sie tonlos, mit
geöffneter Stimmritze, also breitem Exspirationsstrom gesprochen
werden, gesprengt wird. Die bisher mitgetlieilten Fälle von
Sigmatismus nas. werden kurz besprochen. Zu bemerken ist, dass
die vorgestellte Patientin keine Hypertrophie der Rachenmandel,
dagegen einen hochgradigen eitrigen Katarrh des Nasenrachen¬
raumes und doppelseitige chronische Mittelohreiterung aufweist.
Ob ein ursächlicher Zusammenhang dieser letzteren Affectiouen
mit der Insufficicnz des Gaumensegels besteht, muss dahingestellt
bleiben. Die Ohreneiterung ist jedenfalls im 2- Lebensjahr nach
Masern eingetreten, über die Dauer des Rachenkatarrhs ist nichts
sicheres zu eruiren. Die Therapie des Sprachfehlers besteht in
methodischen Athem- und Sprechübungen, wie sie von Gutzmann-
Berlin angegeben sind.
Herr Unverricht spricht über die Behandlung des
tuberculösen Pneumothorax.
Er betont zunächst den Unterschied, welcher in der Prognose
des tuberculösen und des chirurgischen Pneumothorax
besteht, letzterer heilt meist sehr schnell, während ersterer fast
nie ausheilt. Um die Bedingungen dieses verschiedenen Verlaufes
zu erforschen, hat er experimentelle Untersuchungen mit seinem
Schüler Szupak Uber die Resorption der Luft aus der Pleura¬
höhle angestcllt und gefunden, dass die gesunde Pleura Luft in
ziemlich grossen Mengen in kurzer Zeit resorbirt. Auch die ein¬
zelnen Bestandtheile der Luft, Sauerstoff, Kohlensäure und Stick¬
stoff werden resorbirt, nur in verschieden langer Zeit, so dass
der Stickstoff am langsamsten aufgesaugt wird. Die durch
Argentum nitricum in Entzündung versetzte Pleura resorbirte
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6S6
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu. 29.
ebenfalls, aber etwas langsamer als die gesunde. Der Vortragende
betont bei dieser Gelegenheit die grosse Giftigkeit dieses Stoffes
bei seiner Einverleibung in die Pleurahöhle, während er vom Magen
aus in viel grösseren Dosen vertragen wird. Die Dosis dürfte
5 mg pro Kilo Thier nicht überschreiten, wenn nicht ein früh¬
zeitiger Tod eintreten sollte.
Eine eitrige Entzündung des Brustfells zu erzeugen, gelang
dem Vortragenden nicht, doch nimmt er an, dass auch die eitrig
entzündete Pleura noch resorbirt, wenn auch vielleicht noch etwas
langsamer als die im Zustande einer serösen Entzündung befindliche.
Dass auch der tubcrculöse Pneumothorax heilen kann, bestätigt
U. durch ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung. Wenn aber
in der Regel diese Ausheilung ausbleibt, so liegt es nach der
Ansicht des Vortragenden in dem Umstande, dass die tuberculüsc
Lungenfistel nicht verheilt. Die Resorption der Luft ist dann
ohne Nutzen, da durch die offen bleibende Fistel immer wieder
Luft in die Pleurahöhle eindringt.
Es sind desshalb auch alle Behandlungsmethoden zu ver¬
werfen, welche die Entleerung der Luft sich zur Aufgabe machen,
vor allen Dingen die wiederholten Punctioncn, aber auch die
Potain’sche Vorschrift, das Exsudat zu punctiren und statt
dessen Luft in die Pleurahöhle cinzupumpen. Die einzige rationelle
Behandlungsmethode besteht in der Anlegung einer dauernden
Thoraxfistcl in denjenigen Fällen, welche man ftir diese Operation
noch für geeignet hält. U. empfiehlt sie für die von ihm als
«Pneumothorax acutissimus» bczeichneten Fälle, in welchen lndicatio
vitalis vorlicgt, dann aber für alle frisch entstandenen Pncurno-
thoraxfällc, bei denen man sich noch eine Entfaltung der Lunge
versprechen kann, glaubt sie aber zunächst nicht empfehlen zu
können für diejenigen Fälle, in welchen in Folge des längeren
Bestehens eines Sero- oder Pyopncumothorax die Lunge bereits
ihre Ausdehnungsfähigkeit eingebüsst hat.
Nach diesen Grundsätzen hat er im letzten Jahre 2 Fälle
behandelt, von denen der eine, bei welchem die Operation lebens¬
rettend wirkte, noch einige Monate lebte und eine beträchtliche
Verkleinerung des Pneumothoraxraumes eintrat, während im anderen
Falle der Pneumothorax ganz ausheiltc.
U. betont, dass zur Erreichung günstiger Resultate es be¬
sonders auf 2 Punkte wesentlich ankomme, nämlich erstens, dass
die Thoraxfistcl möglichst gross gemacht wird und zweitens, dass
sie durch keinen Verband geschlossen wird, damit bei den Atheui-
bewegungen die Luft hier freien Zutritt hat und nicht die Lungcn-
fistel gelüftet wird.
Er verwirft desshalb vor allen Dingen den gewöhnlichen
Verband, wie er bei Empyemoperationen üblich ist, und empfiehlt,
über das gut befestigte weite Drainrohr ein Drahtkörbchen zu
stülpen und den Verband so anzulegen, dass oben Luft zutreten kann,
während unten Wundsecrcte in den Verband eindringen können.
Discussion: Herr Aufrecht stimmt der Ansicht des Vorfr.
bezüglich der Ursache der ausbleibenden Resorption der durch eine
Lungenfistel in die Pleurahöhle ausgetretenen Luft, gegenüber der
leichten Resorbirbarkeit der durch eine Verletzung der Thoraxwand
eintretenden Luft, vollkommen bei. Auch nach seiner Ansicht liegt es
an der mangelhaften oder nicht zu erzielenden Heilung der Lungen¬
fistel gegenüber der leichten Heilbarkeit der Thoraxwandfistel.
Handelt es sich doch im ersteren Falle meist um Durchbrüche
tuberculöser Ulcerationen, welche gar keine Tendenz zum Heilen
besitzen. Wo aber der Process, welcher die Lungenfistel verursacht
hat, ein heilbarer ist, da ist auch die Heilungsmöglichkeit eine
günstige. Einen von diesen verhältni ssmässig seltenen
Fällen von Pyopneumothorax hat A. im Jahre 1883 nach
Embolie in die Lunge zu sehen Gelegenheit gehabt.
Dieser Fall betraf die 23 Jahre alte Emma K., welche am 10. Dez. 1882
in die innere Station des hiesigen Altstädter Krankenhauses aufge¬
nommen wurde. 14 Tage vorher war sie ohne Kunsthilfe entbunden
und 3 Tage nach der Entbindung unter heftigem Schüttelfrost erkrankt
Bei der ersten Untersuchung am 10. Dezember war Dämpfung über
dem linken Unterlappen, Bronchialathmen, verstärkter Pectoralfremitus
nachweisbar. Die Sputa waren rubiginös wie bei Pneumonie. Es
folgte jedoch keine Resolution. Am 28. Dezember stellte sich Aus-
wurf von stinkender, dickschmieriger Flüssigkeit ein. Da die Punction
unterhalb der ScaptUarspitze die gleiche Flüssigkeit im Tleuraraume
erwies, wurde unter Chloroform in der Axillarlinie die Thorakotomie
gemacht und eine grosse Quantität der erwähnten übelriechenden
Hussigkmt entleert. Bei der Ausspülung mit einer leichten Salicyl
sanrelosung trat heftiger Hustenreiz ein, die Patientin erklärte, da«
Wasser sei ihr in den Mund gekommen; es folgte ein schwerer
Collapsanfall. Als am nächsten Tage die Ausspülung mit einer sehr
schwachen Argentum nitricum-Lösung (1: 10000) vorgenommen wurde,
erklärte die Patientin aus freien Stücken, sie habe einen metallischen
Geschmack im Munde und wurde sofort darnach sehr dyspnoisch.
Von da ab unterblieben die Ausspülungen. — Nach 5 Wochen:
Anfang Februar war vollständige Heilung eingetreten. Am 11. März
1883 wurde sie entlassen. Ein halbes Jahr später stellte sie sich
auf meinen Wunsch wieder vor. Sie sah blühend und gesund aus.
Im vorliegenden Falle waren ohne Zweifel die anfänglichen
Erscheinungen auf der Lunge nicht auf eine Pneumonie sondern
auf einen embolischen Infarct zurückzuführen, an welchen sich ein
Empyem angeschlossen hat, das in die Lunge perforirte. Die Lungen¬
fistel war zur Genüge erwiesen durch dieExpectoration von stinkendem
Eiter und durch das Empordringen der Ausspülungs-Flüssigkeit bis
in den Mund hinein.
Die weite Eröffnung der Thoraxhöhle durch Incision des
Intercostalraumes, oder besser noch durch Rippenresection, sei der
Punction beim Pneumothorax vorzuziehen. In letzterem Falle würde
geradezu eine Wiedereröffnung der Lungenfistel begünstigt, der
Status quo ante also sehr bald wieder hergestellt. Der Effect der
Punction gegenüber demjenigen einer Incision sei analog den Folge¬
zuständen der Punction seröser Exsudate gegenüber der Resection
beim Empyem (vgl. Aufrecht «Die Heilung des Empyems». Deutsch.
Arch. f. klin. Med. 1894 Bd. 52 p. 7) In ersterem Falle wird durch
die Entleerung der Flüssigkeit der negative Druck im Pleuraräume
wieder hergestellt also eine Dehnung der Lunge bewirkt, welche
sich vornehmlich durch heftigen Husten bald nach der Thorako-
centese geltend macht und die Verabfolgung einer einzelnen Dosis
Morphium erfordert. Beim Empyem aber bleibt die Lunge collabirt,
es tritt nach der Operation kein Husten auf, wenn nicht besondere
Complicationen vorhanden sind.
Herr Rudolph hat vor 2 Jahren einen Pyopneumothorax im
Privathause operirt. Der Fall betraf einen ca. 35 Jahre alten
Beamten. Derselbe litt schon längere Zeit an Phthise und bekam
eines Tages einen rechtsseitigen Pneumothorax, der bald ein Pyo¬
pneumothorax wurde. Der Kranke erhielt Morphium, zuerst intern,
später subcutan. Da gesellte sich zu dem an sich schon grässlichen
Zustande noch ein höchst quälendes Symptom, nämlich unstillbares
Erbrechen, wie es kaum stärker in der Schwangerschaft Vorkommen
kann. Es war nicht klar, ob das Erbrechen auf das Morphium
zurückzuführen war, oder aber, woran auch gedacht werden musste,
auf den grossen Druck, der durch den Pneumothorax und die
verschobene und enorm vergrösserte Leber auf die Unterleibsorgane
ausgeübt wurde. R. liess das Morphium weg, aber das Erbrechen
hörte nicht auf. Er machte daun nach einigen Tagen die Rippen¬
resection und von Stund an sistirte das Erbrechen. Der Mann
lebte noch 2 Monate.
Herr P. Heinecke berichtet über die Erkrankung einer
30 jährigen Frau, bei welcher es sich unter den äusseren Erschei¬
nungen eines Lupus nasi um eine Vaccineinfection handelte.
Die Frau hatte ihr 2 jähriges Kind impfen lassen und die gut
entwickelten Pockenpustcln mit Vaseline bestrichen. Dieselbe Vaseline
hatte sic benutzt, um einige kleine Schrunden, die sie am rechten
Nasenloch hatte, einzufetten. Hierdurch war eine immerhin nicht ge¬
wöhnliche Uebcrtraguug von Impfpocken (3 Stück am Naseneingang)
hervorgerufen. Die Erkrankung verlief typisch für Vaccination.
Discussion: Herr Georg Wolfrom beobachtete vor einigen
Jahren eine Frau in mittleren Jahren, welche bei leichtem Fieber
eine sehr stark geschwollene Zunge und bedeutenden Foetor ex ore
zeigte. Es Hessen sich als Ursache der auffallenden Affection, welche
erst seit einigen Tagen bestehen sollte, 3 wohl entwickelte Pocken
auf dem Rücken der Zunge nachweisen. Auf Befragen gab Patientin
an, vor mehreren Tagen die frisch gesetzten Impfwunden am Ober¬
arm ihres Kindes ausgesogen zu haben in der Absicht, die Wirkung
der Impfung aufzuheben. Ohne dass ihr Letzteres gelungen wäre
hatte sie sich auf der Zunge revaccinirt.
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung am 1. April 1896-
Herr Katzen stein: Ueber einen Fall von Fremd¬
körper in der Trachea eines Kindes.
Im April 1894 wurde ich zu dem damals 2 3 /* Jahre alten
Kinde S. W. gerufen, welches, bis dahin im Allgemeinen
gesund, plötzlich beim Suppenessen einen Erstickungsanfall bekam.
Ich fand ein schwer athmendes Kind mit croupartigem Husten
und veranlasste die sofortige Ueberführung des Kindes in das
Hauner’sche Kinderspital. Dort wurde das Kind 6 Wochen lang
wegen Croup und Folgeerscheinungen behandelt und soll auch nach
Angabe der Mutter intubirt worden sein. Schon damals sprach
die Mutter die Vermuthung aus, dass das Kind in Folge Ver-
schluckens eines Suppenknochens erkrankt sei.
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21. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Längere Zeit behielt das Kind nach seiner Entlassung aus
dem Kinderspital eine rauhe Stimme, musste viel husten und bei
anstrengenden Körperbewegungen schwer athrnen.
Im Juli 1895 trat wieder ein Erstickungsanfall ein, man
brachte das Kind in die Kinderpoliklinik (Ileisingorianuin), wo cs wegen
« Trachealstenose » und « suspecter Tuberculosc » behandelt wurde.
Im August desselben Jahres erneuter Anfall; ich wurde ge¬
rufen und veranlasst« die sofortige TJebcrführung in’s Diakonissen¬
haus, wo sich gerade Herr Professor Klaussner befand. Ich
theiltc Herrn Professor Kl. meine Vermuthung mit, dass am
Ende doch ein in der Trachea befindlicher Fremdkörper die so oft
wiederkehrende Erstickungsgefahr bedinge und fragte, ob wohl die
Tracheotomie indicirt sei. Herr Professor K1. schlug vor, eine
laryngologische Untersuchung vorzuuehmen. Herr I)r. Ncumaycr
hatte die Güte am selben Vormittag unter Chloroformnarkosc die
Untersuchung vorzunehmen. Dieselbe blieb in diagnostischer Be¬
ziehung ohne Erfolg, in therapeutischer war sie von bestem Er¬
folg begleitet, indem nämlich die Stenose plötzlich verschwand.
Das Kind blich nun gesund und entwickelte sich recht gut. Nur
häufige Hustenanfälle mit Erbrechen traten ein, wegen deren die
Eltern jedoch nichts thaten.
Da trat plötzlich am 27- April 1896 auf der Strasse wieder
ein Erstickungsanfall auf, dem das Kind erlag, bevor einer der
gerufenen Aerztc erschienen war.
Ich selbst sah das Kind eine Stunde nach erfolgtem Tode.
Nach diesem Vorfall war es uns kein Zweifel, dass ein in der
Trachea befindlicher Fremdkörper sich wieder gelockert und durch
einen Hustenstoss in die Glottis gebracht, den Tod herbeigeführt
hat. Bevor noch, die Section gemacht war, schrieb ich desshalb
in den Leichenzettel: «Erstickungstod, wahrscheinlich hervorgerufen
durch einen Fremdkörper, der, in der Trachea sitzend, sich los-
gelockert hat und durch einen Hustenstoss in die Glottis ge¬
schleudert wurde.»
Am 30. April wurde durch meinen Bruder Dr. M. K atzen-
stein die Section gemacht. Wir fanden den Fremdkörper in Ge¬
stalt eines Suppenknochens in der Glottis, dieselbe fast vollständig
verschliessend. Am Ucbergang der Trachea in den Bronchus rechts
sieht man eine gesellwürartige Auflockerung der Schleimhaut, an
welcher 'offenbar der Fremdkörper die ganze Zeit festgesessen war.
Die übrigen Organe waren vollständig gesund. Die Spitze voll¬
ständig frei und nur die Schleimhaut der grossen Bronchien mit
starkem Schleim bedeckt. Das Kind hatte also 2 Jahre lang den
gefährlichen Fremdkörper mit sich herumgetragen, bis derselbe
durch einen Hustenstoss seinem Träger den Tod brachte.
Discussion. Herr Ziegler: Vor circa 3 Jahren gelangte
durch die Güte des Herrn Professor Sch ec h an die chirurgische
Klinik ein junger Mann mit heiserer Stimme, der angab, es sei ihm
beim Essen vor einigen Monaten ein Knochensplitter im Halse
stecken geblieben, seit welcher Zeit er heiser sei. Er bot das laryngol.
Bild einer Perichondritis und cs war weder bei der Aufnahme noch
später ein Fremdkörper im Kehlkopfe wahrzunehmen. Vor circa
1 Jahre hustete der Kranke, der inzwischen diesseits Wärter ge¬
worden war, plötzlich beim Husten den Knochensplitter aus.
Herr v. Stubenrauch deuionstrirt
1. einen 15jährigen Knaben, an welchem wegen ausge¬
dehnter Zerstörung des rechten Zeigefingers eine plastische
Operation vorgenommen werden musste.
Der Patient erhielt am 2. October 1894
Fig. 1. einen Hammerschlag auf den rechten Zeigefinger.
Die Folge dieses Trauma war zunächst eine
j iu kleine Quetschwunde auf der Beugeseite des
/ zweiten Fingergliedes. Der Knabe ging zum
Arzte, welcher Salbenverbände verordnete. Acht
Tage später bemerkte der Kranke, dass die
Granu- Haut auf der Streckseite des zweiten Finger-
atonen gliedes sich bläulich schwarz verfärbte, brandig
wurde; er ging zu einem anderen Arzt. Dieser
verordnete feuchte Verbände mit Borsäure-
m lösung.
Am 1. November trat der Knabe in die
"a Behandlung der chirurgischen Universitätspoli-
klinik. Am genannten Tage konnte folgender
Befund constatirt werden (siehe Figur 1):
orsa analcht. Auf der Beugeseite des zweiten Finger-
«; , gliedea befindet sich eine quer verlaufende granu-
rnru , •? m . m L b reite Wunde, welche sich allmählich verbreiternd
orsalseite zieht, woselbst sie in einen grossen granulirenden, den
Granu¬
lationen
ganzen Dorsaltbeil des II. Fingergliedes einnehmenden Defect über¬
geht. Aus den lebhaft eiternden Granulationen ragen die zum Theile
ihrer Knorpelüberzüge beraubten Gelenkflächen
der I., II. und III. Phalanx hervor. Der Zeige- Fig. 2.
finger erscheint in Folge des beträchtlichen
circulären Hautdefectes sehr missgestaltet, ein- f
geschnürt — ein Bild, wie man es hei Carbol- I v f
Bäureverätzungen zu sehen gewohnt ist. Be- L. «A«.---- Narbe,
rübrungs- und Temperaturempfindung an der I __
Fingerkuppe aufgehoben. I \
6. November 1894. Operation. / I
Nach gründlicher Reinigung und Desin- /
fection des Operationsgebietes werden in Blut- I
leere zunächst die beiden blossliegenden Gelenke I
zwischen I. und II. Phalanx, wie II. und III. Seitenansicht.
Phalanx resecirt, die um ihre Gelenkfiächen
gekürzte II. Phalanx mit der I. Phalanx durch Knochen- (Catgnt-)naht
verbunden. Weiterhin wird die Endphalaox, da sie ganz erweicht
und zum grossen
Dorsalanalcht.
Theil aus ihren pjg 3.
Verbindungen mit
den Weichtheilen
gelöst ist, excidirt,
nunmehr das letzte,
eine Hohlkappe dar¬
stellende Finger¬
glied Über die II.
Phalanx dorsal würts
gestülpt und dort
mittelst einer
Situationsnaht in
seiner nunmehrigen
Lage fixirt. (Figur2.)
Auf diese Weise
deckt sich der grosse
granulirende Defect
auf der Dorsalseite
bis auf eine circa
3 mm breite Strecke.
Völlig aseptischer
Heilungsverlauf. 3
Wochen nach der
Operation ist die
W unde vernarbt, die
Knochen solid ver¬
heilt, Die Finger¬
kuppe zeigt wieder
Berührungs- wie Temperaturempfindung. Der verkürzte Zeigefinger
functionirt sehr gut. Auch bat sich wieder ein Nagel gebildet. (Fig. 3.)
2. Einen o]>crativ behandelten Fall von veralteter Ellbogen¬
luxation.
Die Kranke, 5 1 / 2 Jahre alt, verunglückte am 5. September 1895
durch Sturz von einem Wagen. Die in Folge des Trauma einge¬
tretene Deformität des linken EUbogengelenkes wurde vom Arzte
nicht erkannt und kam das Kind erst 5 Wochen nach der Ver¬
letzung in die Poliklinik zur Behandlung. Am Tage der Aufnahme
war der Befund wie folgt:
Deutlich sichtbare Deformität des linken Ellbogengelenkes.
Linker Arm in gerader Strecksteilung, scheinbar etwas verlängert,
gestattet gar keine Bewegung im EUbogengelenke. Vorderarm
pronirt. Spitze des Olekranon steht kaum höher als die Epicondylen,
ragt aber stark nach hinten hervor. Radiusköpfchen ist nach hinten
nur unvollständig zu fühlen. Diameter anteroposterior des Ellbogen -
gelenkes nachweisbar vergrössert.
Diagnose: Unvollständige Luxation des Vorderarms nach
hinten.
14. October. Narkose. Versuch einer Reposition misslingt,
desshalb Arthrotomie. Längsschnitt, 10cm lang am vorderen
Rande des Olekranon. Eröffnung der Gelenkkapsel. Processus
coronoideus steht mit seiner Spitze gegen die untere Trochleafläche
angestemmt, das Radiusköpfchen mit seinem Rande unter der Emi-
nentia capitata. Die Reposition, welche scheinbar durch Verdrehung
der Vorderarmfascie auf der Dorsalseite sehr schwer auszuführen
ist, gelingt erst, nachdem ein Theil (die Spitze) des Processus coro¬
noideus abgemeisselt ist und durch ein zwischen die Gelenkflächen
des Humerus und der Ulna eingeführtes Elevatorium die Gelenk¬
enden des Vorderarms von jenen des Oberarms abgehebelt worden
Bind. Nach vollendeter Reposition wird die Kapselwunde mit Cat-
gutnaht bis auf einen kleinen Spalt geschlossen und in letzteren
ein kleiner, schmaler Silk-Streifen eingelegt. Vernähung der äusseren
Wunde bis auf einen kleinen, zur Aufnahme des Silk-Tampons be¬
stimmten Spalt. Aseptischer Verband. Fixation des Gelenkes in
rechtwinkeliger Beugestellung.
Aseptischer Heil ungsverlauf. Entfernung der Nähte am zehnten
Tage. Heilung 3 Wochen post operationem. Massage. Passive
Bewegungen. Völlig normale Function des Gelenkes.
3- Einen operativ behandelten Fall von Obturationsileus.
Die Kranke, 24 Jahre alt, machte im December 1894 einen
Partus durch; im Anschlüsse an letzteren bekam sie angeblich eine
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
Parametritis und Peritonitis und war bis Mitte Juni 1895 bettlägerig
Von Januar bis Mai erfolgte Stuhlgang nur auf Klysmen, nie spontan
Häufig traten Koliken bald nach der Nahrungsaufnahme auf. Bei
Opiumgebrauch nur vorübergehende Besserung.
Am 3. Mai 1895 kam die Kranke in die Behandlung der Poli¬
klinik. Befund am gleichen Tage:
Hochgradig abgemagerte Frau. Leib beträchtlich aufgetrieben.
Während eines Kolikanfalles sieht man eine vom Nabel gegen die
Coecalgegend verlaufende halbmondförmige geblähte Darmschlinge
in lebhafter Peristaltik. Links vom Nabel, etwas von diesem in
transversaler Richtung entfernt, lässt sich ein etwa kindsfaustgrosser
Tumor fühlen, welcher den Eindruck einer mit den Bauchdecken
verwachsenen Bauchhöhlengeschwulst gewährt. Dieselbe erscheint
auf Druck schmerzhaft und nicht verschieblich. Stuhlverhaltung.
Kotherbrechen. Heftige Koliken, welche in Zeiträumen von 10 Minuten
wiederkehren.
Hoher Einlauf mit Oel und Wasser. Hierauf dünnflüssiger
Stuhl. Nachmittags lässt das Erbrechen nach, kehrt jedoch nach
Aufnahme von Speisen wieder. Opium.
4. Mai 95. Erbrechen hat nachgelassen. Fürchterliche Koliken.
Meteorismus etwas stärker. Abends: mediane Laparo tomi e. Etwa
zwei Finger breit vom Nabel entfernt nach links ist ein Convolut
von Dünndarmschlingen mit der Bauchwand fest verwachsen, ebenso
die an der Adhäsionsstelle fixirten Damischlingen untereinander.
An einer stark geblähten in die Verwachsungsstelle einmündenden
Darmschlinge wird eine Fistel angelegt, die Bauchhöhle durch Naht
geschlossen.
Koliken hören momentan auf. Fistel functionirt gut, doch
magert die Patientin von Tag zu Tag mehr ab; Speisen passiren
schon kurze Zeit ( J /2 Stunde) nach ihrer Aufnahme die Fistel. Er
scheinungen der Inanition im Zunehmen begriffen.
II. Laparotomie am 17. Mai 95. Anlegung einer Anastomose
zwischen der enterotomirten Dünndarmschlinge und dem Ileum (oberen
Theil). Naht der Bauchwundc. Dünndarmfistel wird einfach tamponirt.
Glatte Heilung der Laparotomiewunde. 6 Tage post operationem
erste spontane Defaecation; seit dieser Zeit regelmässige Stuhlgänge.
Enormer Appetit.
4. Juli. Patientin Bieht blühend aus, hat an Gewicht colossal
zugenommen. Laparotomiewunde fest vernarbt. Darmfistel nur mehr
stecknadelkopfgross; Verätzung derselben mit dem Thermokauter.
8. Juli. Patientin wird in Ambulanz entlassen. Mitte Juli ist
auch die Darmfistel geheilt. Vollkommenes Wohlbefinden. Kein
Bauchbruch.
4. Das Schädeldach eines im 4. Jahre verstorbenen Knaben
mit ausgedehnter Caries des Hinterhauptbeines und rechten
Schläfebeines.
Das Präparat ist ausführlicher in der Inaugural-Dissertation
des Herrn Dr. Albert Sedlmeyr (Ein Fall von Schädeltuberculose.
Inaugural-Dissertation. München 1895) beschrieben.
5. Ein Präparat von Darminvagination, welches von einem
5‘/z jährigen Mädchen stammt. Letzteres wurde am 5- Krankheits¬
tage laparotoinirt und starb 2 »Stunden post Operationen) an Oollaps.
Es handelte sich um eine aufsteigende Invagination im Ileum mit
fester Incarceration aui Invaginationshalse und Gangrän des Intus-
susceptum.
Herr An ge rer: Ueber die Verwerthung der Röntgen’-
sehen Strahlen in der Chirurgie.
Der Vortragende hat in der chirurgischen Klinik an etwa
80 Kranken die Durchleuchtung verschiedener Körperregionen vor¬
genommen, und demonstrirte die betreffenden Bilder. Er betonte,
dass man erst durch Ucbung die »Schattenbilder richtig zu beurtheilen
lernen müsse, denn es fehle dem Bilde die «Tiefe im Baume»,
es fehle die Perspective. Das Schattenbild liegt nur in einer
einzigen Ebene und durch die verschiedene Dichtigkeit der Gewebe,
durch das Ucbereinanderliegen von Knochen und Knochentheilen
sind die Schatten mehr oder weniger stark, ganz abgesehen davon,
dass auch einzelne Schatten in- und aufeinander fallen. Die
Durchleuchtung wurde u. A. versucht, 1. zur Aufsuchung von
Fremdkörpern in 14 Fällen. Es handelte sich um eingedrungene
Nadeln und Kugeln, um Graphit- und Glassplitter. 2. Für die
Diagnose von Fracturen, Gelenkcontusionen und Luxationen, und
kann das Verfahren bei manchen derartigen Verletzungen die präcise
Stellung einer Frühdiagnose zu fördern. 3. Auch bei Entzündungen
der Knochen und Gelenke wurde das Verfahren versucht, ohne
wesentlichen Vortheil. Bei erworbenen oder angeborenen Difformitäten
der Hand- und Fusswurzelknochen wurde mittelst Durchleuchtung
ein klarer Einblick in die Verkältnisse gewonnen. Sehr schöne
Bilder ergaben sich bei der Rhachitis. Eine Durchleuchtung des
Abdomens ist nicht gelungen; ebensowenig wurden brauchbare
Bilder von Schulter- und Hüftgelenk gewonnen. Die Knochen¬
umrisse zeigen nur schwache Contouren. Sehr interessant sind
die Durchleuchtungsbilder von Harnsteinen verschiedener chemischer
Zusammensetzung. Der Vortragende glaubt nicht, dass sich
Gallensteine mittelst der Röntgenstrahlen am Lebenden werden
nachweisen lassen. Doch hofft er auf Verbesserung in der Art
der Anwendung der neuen Strahlen, wodurch dieselben zu einem
wichtigen diagnostischen Hilfsmittel werden können, das er jetzt
schon nicht mehr entbehren möchte.
Di8Cussion: Herr v. Ranke M. H.! Im Anschluss an die Aus¬
führungen und Demonstrationen Herrn Prof. A n g e r e r’s erlaube ich
mir, Ihnen einige Bilder vorzuzeigen, welche die Verwendbarkeit der
Photographie mittels der Röntgen’schen Strahlen zur Illustration der
Ossificationsvorgänge in der menschlichen Handwurzel
darthun, der Ossificationsvorgänge, wie sie sich nach der Geburt,
im Laufe der kindlichen Wachsthumsperiode, bis zur vollständigen
Entwicklung des Individuums vollziehen.
Veranlassung zu diesen Beobachtungen gab mir die Miss¬
bildung der rechten Hand eines 2 Monate alten Kindes aus meiner
Klinik. An einen normal gebildeten Vorderarm Bchliesst sich ein
ziemlich plumper, im Handgelenke in normaler Weise beweglicher
Stumpf an, auf welchem mittels dünner, häutiger Verbindungen
5 Endphalaugen der Finger aufsitzen. Diese Endphalangen sind für
den betreffenden Finger, dessen Rudiment sie darstellen, voll¬
kommen charakteristisch, die des Daumens dick und plump, die der
übrigen Finger lang und dünn, und jede kleine Endphalange trägt
einen deutlichen Nagel.
Nebenbei gesagt, bot diese Missbildung für mich besonderes
Interesse, weil sie zu zeigen scheint, dass die Entwicklung der Theile
nicht immer eine, wenn ich mich so ausdrücken darf, centripetale,
continuirlich zusammen hängende zu sein braucht, sondern dass an
der Peripherie, ohne Zusammenhang mit den normalen Verbindungs¬
gliedern , sich unter Verhältnissen charakteristische Körpertheile
bilden können. Das Kindchen ist in der Zwischenzeit einer Pneu¬
monie erlegen und die anatomische Untersuchung ergab, dass die
Handwurzel in allen ihren Theilen in knorpeligem Zustande vor¬
handen ist, dass aber von den Metacarpis jede Spur fehlt und nur
die Endglieder der fünf Finger mittels häutiger Verbindung un¬
mittelbar auf der Handwurzel aufsitzen.
Als das Kind noch lebte und sich guter Gesundheit erfreute,
schien es mir von Interesse, festzustellen, ob in dem Stumpf ausser
der Handwurzel auch Rudimente des Metaearpus vorhanden seien
oder nicht Ich hoffte, durch die Röntgen’sche Photographie hier¬
über Aufklärung zu erhalten und Herr Professor Angerer war so
liebenswürdig, mir zu meinen Beobachtungen seinen Apparat zur
Verfügung zu stellen.
Eine Photographie der missbildeten Hand ergab nun, wie Sie
sehen, für Handwurzel und Fingerrudimente nur ein helles Schatten¬
bild, ohne jede Andeutung eines Knochenkerns, während sich die Dia-
physen von Radius und Ulna in normaler Verknöcherung zeigen.
Eine Photographie der normalen, linken Hand desselben Kindes,
die ich hier ebenfalls herumgehen lasse, zeigt dagegen Verknöcherungs-
linien in allen Phalangen der 5 Finger, sowie in sämmtlichen 5 Meta-
carpis und in Radius und Ulna Die Gegend der Handwurzel
dagegen ist auch liier hell, ohne Knochenkerne.
Nun ist ja, wie Sie wissen, den Anatomen längst bekannt,
dass die Verknöcherung der Handwurzel beim Kinde nur sehr all¬
mählich vor sich geht. Nach Kölliker findet die Verknöcherong
der bei der Geburt knorpeligen Handwurzelstücke in folgender Reihen¬
folge und Zeit statt: 1) Capitatum 1. Jahr, 2) Hamatuin 1. Jahr,
3) Triquetrum 3. Jahr, 4) Multangulum majus 5. Jahr, 5) Lunatum
5. Jahr, 6) Naviculare 6. und 7. Jahr, 7) Multangulum minus 7.-8.
Jahr, 8) Pisiforme 12. Jahr.
Diese den Anatomen längst bekannten Verknöcherungsvorgänge
lassen sich nun durch die Röntgen’sche Photographie in eclatanter |
Weise auch am Lebenden nachweisen und controliren; insonderheit
lässt sich nachweisen, ob die Verknöcherung aus einem Kerne
erfolgt, oder wie Rambaud und Renault für das Naviculare
angeben, aus 2 Kernen. Möglicher Weise finden wir später bei
rhachitischen und anderen Processen zeitliche und quantitative Ver¬
schiedenheiten im Verknöcherungs Vorgang, die wir dann auch klinisch
verwerthen können.
Einstweilen handelt es sich für mich nur um Constatirung der
normalen Verhältnisse.
Dass übrigens die Thatsacbe, dass die Handwurzel beim Kinde
unter 1 Jahr noch keinen Knochenkern besitzt, nicht allgemein f
bekannt ist, geht aus einer neuerlichen Mittheilung in der Deutschen
medicinischen Wochenschrift (1896 No. 12) hervor, ln dieser mit
Abbildung versehenen Mittheilung: < Missbildung eines Händchens
in Röntgen’scher Beleuchtung*, heisst es: «Die Röntgenstrahlen
haben einen überraschenden Aufschluss gegeben, die Abbildung zeigt I l>
uns, dass überhaupt keine Handwurzelknochen vorhanden sind.’ |
Das normale Verhältniss wird hier offenbar als ein abweichender
Befund angesehen.
Zur Erläuterung der normalen Verhältnisse der Handwurzel
gebe ich nun einige Abbildungen herum von Präparaten, wie sie
mir gerade in jüngster Zeit unter die Hand kamen.
1. Zunächst den Arm eines Neugeborenen. Der ganze Humerns- ■ ^
köpf, das Ellbogengelenk, die Handwurzel sind noch knorpelig,
»i
t r-
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21. Juli 1896.
während die Diaphysen des Humerus, des Radius und der Ulna
knöchern sind; siimmtliche Metacarpi und alle Phalangen der
5 Finger zeigen Verknöcherung; am schwächsten ist die Ver¬
knöcherung in den Nagelgliedem.
2. Hand und Vorderarm eines 4 >/* Monate alten Kindes zeigen
ungefähr dieselben Verhältnisse, doch siud hier die verknöcherten
Partien länger und dicker.
3. Annähernd die gleichen Verhältnisse sehen Sie hier noch
bei einem 9 Monate alten Kinde; auch hier ist die Handwurzel noch
durchaus knorpelig.
4. Bei einem 4‘/i Jahre alten, etwas rhachitischen Kinde findet
sich je ein ziemlich grosser Knochenkern im Os capitatum, Hamatum
und Triquetrum.
Nach erreichtem 5. Lebensjahre soll dann noch im Os lunatum
und im Multangulum majus je ein Knochenkern hinzutreten. Erst
im Alter von 6—7 Jahren soll sich auch im Naviculare und im
Alter von 7—8 Jahren in> Multangulum minus je ein Knochenkern
bilden.
5. Hier habe ich die Photographie der Handwurzel eines 9‘/z
Jahre alten, an Meningitis tuberculosa verstorbenen Mädchens. Sie
sehen, zu den 3 Knochenkernen im Capitatum, Hamatum und Tri¬
quetrum, die wir bei dem 4 '/a Jahre alten Kinde fanden, ist noch ein
grosser, mandelförmiger Knochenkern im Naviculare hinzugetreten,
ausserdem sehen Sie 2 noch kleine Knochenkorne im Lunatum und
Multangulum majus; im Multangulum minus dagegen scheint noch
jeder Ansatz zu einem solchen zu fehlen.
Ich habe vor, diese Entwicklungsreihe noch weiter zu vervoll¬
ständigen. Heute wollte ich nur die gegebene Gelegenheit nicht
vorübergehen lassen, das einstweilen gewonnene, wenn auch noch
sehr unvollständige Material Ihnen vorzuzeigen.
Die Röntgen'sche Photographie der Handwurzel wird uns in
den Stand setzen, durch eine neue Methode das Alter eines jugend¬
lichen Individuums annähernd zu bestimmen und wenn uns z. B.
wieder ein Wunderkind k laKoszalsky als grosser Klaviervirtuose
vorgeführt wird und wir an der Richtigkeit der Altersangabe zweifeln
sollten, so könnte die Röntgen'sche Photographie der Handwurzel
hier genügende Aufklärung verschaffen.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 18. Juli 1896-
Zur Reform unseres Unfallversicherungsgesetzes. —
Jahrbuch der Wiener k. k. Kranken-Anstalten, 1894. —
Statistik. Kali hypermang. gegen Phosphorvergiftungen.
— Quecksilberhaemol.
Die Wiener Aerztekaminer berieth am 14. d. M. ein Memorandum,
welches zahlreiche, wesentliche Verbesserungen unseres Unfall-
versicherungsgesctzes in Antrag bringt, und beschloss dessen Ueber-
reichung an das k. k. Ministerium des Innern. Das Memorandum
ist vom Kammcrrathe Dr. B. Glattaucr verfasst.
Man sollte es nicht für möglich halten, es ist aber doch so:
Ende des Vorjahres fand in Wien eine gemischte Enquete statt,
welche betreffs allfültiger Anordnungen des Gesetzes vom 28- De¬
zember 1887 zu beratben hatte; zu dieser Enquete waren ärzt¬
liche Experten nicht zugezogen worden. Und dennoch birgt
das Unfallvcrsichcrungsgcsetz eine ganze Reihe von Fragen, welche
die ärztliche Interessensphäre intensiv berühren. Diese Fragen
sollen, an der Hand des besagten Memorandums, hier kurz erörtert
werden.
So ist vor Allem im Gesetze selbst die Nothwcndigkcit der
ärztlichen Hilfe nach Unfällen nicht ausdrücklich betont. Die den
Betriebsunternehmern auferlegte Pflicht der Unfallanzeige müsste
also künftighin stets unter ärztlicher Mithilfe geschehen, die
Formulare der Unfallsanzeige können zweckentsprechend eben nur
von einem Arzte ausgefüllt werden. Nur ärztliches Wissen kann
entscheiden, ob ein Heilverfahren als abgeschlossen zu betrachten
sei; die Bestimmung der Rente kann schliesslich ebenfalls nur auf
Grund eines ärztlichen Gutachtens erfolgen. Trotz alledem ignorirt
dieses Gesetz gewissermassen die Aerzte! Das verbittert die Aerzte,
es verletzt ihr Standesgefühl, es schadet aber auch der Sache
selbst, da die Aerzte bei Unfallscrhebungen, bei der sanitären
Ueberwacbung der Arbeitsräume und bei der Ausarbeitung der
Verhütungsvorschriften gegen Unfälle unschätzbare Dienste leisten
könnten.
Nicht nur moralisch, auch materiell wurden die Aerzte durch
dieses Gesetz überaus geschädigt. Man hat ihnen die Pflicht der
Unfallanzeige einfach übertragen, ohne sic dafür zu honoriren ;
die Verletzten übergab man den schlecht bezahlten Kassenärzten
689
zur Behandlung; die von don Unfallsanstalton bei den Acrztcn
abverlangtcn Gutachten wurden in ebenso geringem Ausmasso
honorirt; die zum Schiedsgerichte als Zeugen vorgcladenen Aerzte
waren gesetzlich nicht berechtigt, einen entsprechenden Ersatz für
Zeitversäumniss und Wagenauslagen zu begehren, — die Vertrauens¬
ärzte der Anstalten genossen endlich in keiner Weise eines Schutzes
gegen willkürliche Entlassungen von Seite der Anstalten.
Nach Formülirung der bezüglichen wünschenswcrthen Ab¬
änderungen im Unfall8versicherungsgesctzo und in den Durch¬
führungsverordnungen lautet es im Memorandum hinsichtlich der
Honorirung der als Zeugen vorgeladenen Aerzte wörtlich: «Die
Aerzte sind in ihrer Mehrzahl heute schon durch das Krankeakassen-
wesen in ihren Erwerbsverhältnissen so sehr geschädigt, dass man
ihnen nicht zu den ihnen von Staatswegen aufgebürdeten Lasten,
für welche sie in keiner Weise entschädigt werden, noch neue
Pflichten vorschreiben sollte, welche sie Zeit und Geld kosten und
welche den Rahmen der allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten
weitaus überragen».
Die der Enquete gestellten und im Vorjahre beantworteten
Fragen werden im Memorandum auch vqn ärztlicher Seite be¬
antwortet Indem ich mir Vorbehalte, auf die bezüglichen inter¬
essanten Details gelegentlich weiter zurückzukommen, möchte ich
nur erwähnen, dass die Wiener Aerztekaminer speciell noch Fol¬
gendes betont: «Im Interesse der zweckmässigen Ausführung des
Unfallsversicherungsgesetzcs ist es gelegen, dass die heranwachsendo
Generation der Aerzte cino entsprechende Ausbildung erlange.
Damit dies der Fall sei, erscheint es wünschenswerth, dass von
Seite der hohen Regierung in dieser Beziehung das Geeignete vor¬
gekehrt werde».
Auch im Schoosse dieser Enquete von einzelnen Mitgliedern
derselben angeregte Abänderungen des Gesetzes werden schliesslich
ebenfalls vom ärztlichen Gesichtspunkte geprüft und auf ihren
wahren Werth zurück geführt.
Das Jahrbuch der Wiener k. k. Krankenanstalten pro 1894,
hcrausgegeben von der k. k. nicdcrösterrcichischcn Statthalterei,
ist soeben erschienen. Es bringt auf mehr als 1300 Seiten vor¬
erst die Geschichte der 6 Kmderspitäler Wiens, sodann eine
Chronik der 8 grossen öffentlichen Krankenhäuser Wiens, den
Personalstand in den einzelnen Anstalten, eine riesige Statistik mit
zahlreichen Tafeln und Tabellen, sodann ärztliche Beobachtungen,
Krankengeschichten und Operationen, die im Berichtjahrc erflossenen
wichtigen Gesetze und Verordnungen etc. etc., endlich als Anhang
noch eine Krankenstatistik der Spitäler Niedcrösterrcichs.
Die grossen öffentlichen Spitäler Wiens beherbergten im Be¬
richtjahre ca. 60,000 Personen, von welchen ca. 56,000 wieder
in Abgang kamen, so dass pro 1895 gegen 4000 Personen
zurückblicben. Von den Entlassenen waren 81-30 Proc. geheilt,
7 71 Proc. ungeheilt, 10-9 9 Proc. Gestorbene (gegen 11.10 Proc.
des Vorjahres).
Zahlreiche wissenschaftliche Beiträge zieren — wie alljähr¬
lich — auch diesen Jahrgang. Docent Dr. Pal schreibt über
den M o r v a n ’ sehen Symptomcncomplex (Syringomyelia mutilans)
— 2 Fälle —, der Assistent Dr. Gustav Singer, klinische
Beobachtungen über Adominaltyphus, Dr. Hugo Wciss über
Lcukacmia acuta.
In seinen klinischen Beobachtungen an der V. medicinischcn
Abtheilung (Hofrath Professor Brasche) führt der Assistent
Dr. Julius W e i s s, auf Grund von 5 Beobachtungen, aus, dass
das Kali hypermanganicum thatsächlich ein wirksames Antidot des
Phosphors bilde. Selbstverständlich muss es noch zu einer Zeit
verabreicht werden, wo die deletären W r irkungen des Phosphors
nicht schon secundürc Veränderungen hervorgerufen haben. Trotz
früherer Magenausspülungen soll eine neuerliche Ausspülung des
Magens mit grossen Mengen (5—10 Liter) Kali hypermang. vor¬
genommen, ein Rest hievon im Magen zurückgelasscn, sondern
noch durch einige Tage eine 1 /io —*,/io proc. Lösung von Kali
hypermang. intern verabreicht werden. Die letztere Medication
wird von den Kranken gut vertragen, wenn auch nicht immer
gerne genommen.
Hofrath Prof. Ne um a n n liefert lehrreiche Beiträge über
die Syphilis der Vagina, des Uterus und seiner Adnexe und über
Syphilis der Parotis und der Glandula sublingualis, dessen Assi-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
3
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No. 29.
stent Dr. Rille * *?ȣ ***
hämol. Es bietet swat ta-Jj* ei „ „ iri ™e. AnüsypM-
Einreibungscur, »t es aber g internen Mediation aus
liticum , welches dort wo man "f ^ ^ übrigen Quecksilbcr-
irgend einem Grunde bedienen » ■ t vQn una ngencbmcn
Präparaten gewisse Vorthei e esi z Hämol. hydrargyro-
oder del« r ni **%£%*"■ J ^|,° je 00 Pillen
jodat. lässt Di. R-“ U '! , , atack nac l, den Mablicitcn nehmen,
bereiten nnd täglich » Lang ' ,, berichtet »her
Rcctalblennorhoe, Di. B 11 m a n n Ota d» Mnndlung ^ e^W «
«“ifctSLSl 6 1 ä Wieder Di. Nob,
ub “ r «"“^ÄTTSr
^ - 1 „„J Hnfntb Billrotb s Klinik 187/—l° y4 ’
Frncturen an weiland Ho Therapie der lletro-
Dr. Wo,er, klinischer Aoristen., «h. ^ L 235 wlc ,
dcviation des Uterus an c _ Primararzt v. Bambergcr
Aufrichtung und Pessarbehandlung , und Docent v .
f er becl über den Äwe'chsel eines Falles von Lyssa humana.
Primararzt Professor Englisch e *™ a Te r gibt
Zündung des Unterkiefer nooi > Katarakt-Operationen
eine Übersicht«^ Jf *****
■ 2,r*S« der Anstalt' für Wnttochntrimpfnng in der
k - k -— *£
wohl unthunlich ist.
Reaction, welche besondere wida l t welcher im Jahre 1892
coli zu verwenden » 8t - Fei /. “ Jg ge gezeigt hat, dass das Serum
gemeinschaftlich mit Cha Heconvalescenz werthvolle thera-
von Typhuskranken vor der erzeugten Typhus
peutische El f° 8C n h ^ 1 veEe. ob nicht das Serum der Typhus¬
besitze, machte ? un H J®”h« Reaction gäbe, >wie jenes der Recon-
kranken selbst eine ähnliche »c 8Weifelba ften Diagnose
(valescenten und 80 ..nsersuchtevon diesem Gesichtspunkte aus
beitragen könnte. Er mwere 19 unl i 21. Tag der Krankheit
6 Typbuskranke ^',’die’immobUisirende und niederfällende
und constatirte jedesmal me onC ultur des Typhusbacillus.
Wirkung dieses Serums optischem Wege natürlich -
DasBlut kann entweder -- «Ef 0 “®§ e r durch blossen Einstich
aus der Vena mediana durchi Function o^ 1/f ^ Mm Ver .
in eine Fingerkuppe ge der Blutkuchen abgesetzt hat, fügt man
suche genügt; nachdem der Bouilloncultur und lässt sie
z.B. 8 Tropfen des Serums zu 4 ccm tarn ^ ^ die
bei 370 im Stenlisatio warat stehen.^ ^ ^ demBoden
Bouillon nur leicht gabtfM, «'“*® * hr oder weniger dichtes weisses
des Glases sSpendirt; die Be
Stäubchen ist m der8*"*«" ben80 deutlich sein, als wenn man
action kann für das blo8S ® ^ f U nisirten Thieres zugefügt hätte,
der Beincnltur Se ^“ ®' ne ^SSbouillcmcuUnr völlig getrübt und
Während die gewöhnliche •W' die mit dem Serum ver-
ganz specifisch gesprenke Trübung, welche aus einem
letzte Cultur nur eine ganz b?sta5. w™ jedes Körnchen,
sehr feinen, staubähnhehen Mag** besieg Mikroben ist.
wie das Mikroskop lehrt . da8 charakteristische Aus-
Je älter die Cultur, desto g0 auBge dehnter zu sein, je
sehen, und der Niedersch ag die Form derselben. Ausser
älter die Krankheit und je ^® di Mikroskopische Untcnuchung
der Bouillonreaction »t »bei^ auenuuman ohne Fixation und
nöthig und bei derselben sie Rpnunübertragung einen Tropfen
ohne Färbung 94 Bewegung,
der Bouillon untersucht, dl ® dercehäuft und zwischen diesen,
in Gruppen bewegungslos aneinan g hä^^^t, nQch oinige isohrte
durch relativ grosse Zwiechenräu ® unter de m Mikroskope
bewegliche Elemente. Dl ®? e } p £ 0 Stunden der Serumeinwirkung
so charakteristisch, dass BchoI J ® ,n £ Unterschied zwischen dieser
auf die Re" , . wnhusculUi^ 1 klarier vortreten zu lassen.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Sociöte de Therapeutique.
Sitzung vom 24. Juni 189G.
■smvSmm
von Seite des Magen-Darmcanales zu beobacht , we)chen 9
sodann das Extract des Krautes bei ^^.“ wirlSamer Weise he-
ein befriedigendes Resultat ergaben. und Amenorrhoe,
einflU8 r e set d jt S dSfkefnM Entzündung des Uterus und seiner Adnexe
.» vo 8 r Allem de, Schmer,, welcher
beseitigt wird. oiognesi behand eiten mit dem Extracte des
Si—he remehiedeeen
betroffen werden, eine Behandlungsweise, welche doch stets zu ver¬
meiden sei In der grossen Mehrzahl der Fälle Jedoch wo die
Amenorrhoe ohne Erkrankung des Uterus bestanden, bat lh “'j od
kalium in der täglichen Dosis von 10-20 cg gute DienBte geleistet.
Soci6t6 MMicale des HOpitanx.
Sitzung vom 26. Juni 1896.
Serumdiagnose des TyphuB abdominalis.
Nach den neuesten Untersuchungen von R. Pfe ‘fJ er > f
und M. Grub er gibt das Serum von Typhusreconvalescenten sowie
von künstlich gegen Typhus immuuisirten Thieren, im Reagensglasc
auf die Reinchltur ^ hervorireten zu lassen,
und der gewöhnlichen Typ Berum gesunder und au
Widai ““ 'SäSÄiton Art leidender Pemonen
Widai untersuchte zum V “2SdJj e n8ten Art leidender Personen
anderen Krankheiten derv . . p neu monie, Gastritis, Gallen-
(Nephritis acuta und chromca Pieuntm rne vQn p eraone n
steinen, I^bercirrhoae u. s ^^ fern d durchgen)arht ha tten, und
welche je vor 1—14 d^Personen war das Serum ohne Einwirkung
von diesen msgesammt 21 Person Bacillus unter dem
auf die Typhuscultur, weitere vergleichende
Mikroskop isolirt und Bacillus coli; das Serum von
»Untersuchung bezog sich au den Typhus mehrere Jahre
6 Typhuskranken, 2 Personen, wdche d<m j-7^, in die Rein-
vorher gehabt hatten, und von 12 °e gen Fälle dessen
cultur des Bacillus co . gebracM änderte 1Q Ke { hen Verfahren
Beweglichkeit. Zu toeen. eben.» räc hen und «Jbrt
bedarf man also keines g r0 ® , w er f 0 rderlich reine Bouillon-
keiner Färbemittel, sondern essmA ]Wochen lang auf-
culturen des Ebe^hsdien ^“T:? OebMmersion und einige Tropfen
rch S Ä verw Jhtee - *-
.Schien Formen der K^nkhert vorkommt.
AcacWmie de M4decine.
Sitzung vom 30. Juni 1896. .
UebersubcntanelnjecUonenvon grossen osen ^
Pozzi gibt einen längeren B ®j* t STi^dem‘sSduas^ dass
Wicklung der Kochsalzmjectionen imd kommt Concentra üon
die Anwendung derselben »“ .JJ^ P 08 verschiedene Infectionen
von 1:1000 ein mächtig«:Mittel sei,,, «*:m ver» da8B ß i e den
zu bekämpfen. Die Art ihrer Wl J\ Thfttigkeit anregen und
arteriellen Druck erhöhen, die phagoeyfare Thät g der No th-
die Elimination der Tonn. «l«gjern.
wendigkeit ist der^ravenösia W g, stun den kann man an-
Injection zu wählen, bis aui <s o
Stelge ?'„c .8 0 hampionhi 6 ,o h.t mit den
schöne Resultate bei Shök und acuter Anaeroie g dieselben Ep
caemie waren dieselben g’ e,ch ^ML ba Mar e n die Erfolge, welche
fahrungen gemacht und geradezu wunderbar waren Serum-
seit 1893 an der Klinik Baudelocque m,t d« «uter
injectionen erzielt wurden: von 16 Fwmen, gfcarb keine
Anaemie in Folge Haemorrhagien gebracht wn Ureache ^
einzige, während von 1882—^1893 Bämmthc . k e it, mehr als
Grunde gingen; niemals bestand ie ; ist der Ueber-
1400 ccm in 24 Stunden zu injiciren. Tarnie FrftUen
zeugung, dass er ohne die Serummjectionen siche
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21. Juli 1896.
ssSSäs.«
caemie als nützliches Hilfsmittel angesehen wnrZ • «,’,f r • ptl
venösen Injectionen, von welchen^ nTr gaL ve^^elte
verzeichnen seien,- sollte man am liebste? ganz
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
691
Verschiedenes.
n Q£ ,f Ent ^ U iT f e i ner Standesordnung für die Aerzte
^hmen a Z;
des äithefen s[fL hat durch , 6ein Benehmen aie Ehre und Würde
äratlichen Rern?i d r* ru ^ a P ren ’ daher sich ™ ch jeder mit dem
ärztlichen Berufe nicht vereinbaren Nebenbeschäftigung zu enthalten
des 6 ttd K d (f f"* hche n Standes unwürdigen Verhaltens im Sinne
a ‘ 5 u m acht sich der Arzt schuldig, welcher sich in
böc^ern ei Fre 1 mdMiftSi ahme w F ärz ‘ lichen )* in Beaten, Reisehand-
aÜ?h Pre “denführern, Wegweisern. Kalendern finit Ausnahme
llvLn Z n Ch t n) ’ i' n Flug , blättern , Circulären, Hötelblocks und ähn
HiiÜpK Dn ? ckwerk ?? ankündigt oder die Ankündigung gestattet oder
handln Ws? T erhmderfc > wenn für ihn die Möglichkeit hiezu vor-
dfe ^nn^L v 8gen T men 8md Anzeigen in Tagesblättern und
Wnna RH\i7^ reendU u g , v0n Circulären über erfolgte Nieder-
Bückkehr nach längerer Abwesenheit und Wohnungs-
oS 8 f;„ W ,‘i f r:, d V e8e ^ An , Zeigen nicht mehr als Name - akademischer
ürzthche Titel, Bezeichnung des wissenschaftlich abge
grenzten Specialfaches. Adresse und Ordinationszeit hinzugefügt wird
„• 1,16 Veröffentlichung von Dank- und Anerkennungsschreiben'
«firn «/ 1 ““ V0 P ,hm b ehan delten Person oder deren Vertreter be-
stellt oder veranlasst oder es unterlässt, die Veröffentlichung solcher
hande^war *" Verl,mdern > wenn für ihn die Möglichkeit hiezu vor
_populär e n Abhandlungen oder Vorträgen seine persönliche
H •) « 1 e,8 ni1 ? oder em seinen Namen tragendes Medicament
oder Heilverfahren im augenscheinliclien Gegensätze zu anderen
Aerzten oder anderen Medicamenten oder Heilmethoden direct oder
mdirect empfiehlt oder anbietet.
5. Hebammen, ferner Agenten, Hötelbedienstetc, Commissioriäre 1
enS?t° rger ° der andere Bereonen für die Zuweisung von Patienten
. 6. Durch Anbringung von marktschreierischen Firmatafeln die
Aufmerksamkeit des Pubficums auf sich lenkt.
7. Eine von ihm geleitete oder ihm gehörige ärztliche Anstalt
oaer ein solches Institut in marktschreierischer Weise ankündigt.
.. , “ -Abmachungen mit Apothekern sind laut bestehenden gesetz-
Abs 12) r ° rdUUn8e n verboten (Nachtragspat. vom 10. April 1773,
, 9- Vollkommen unstatthaft ist es, sich um ärztliche Stellen
(auch Kassenarztensstellen) vor dem Rücktritte (oder Tode) ihres
augenblicklichen Inhabers zu bewerben.
10. Mit Curpfuschern berufsmässig zu verkehren oder dieselben
gar mit seinem Namen zu decken.
* k ist “"bedingt unzulässig, einen bereits in Behandlung
stehenden Kranken behufs ärztlicher Untersuchung und Behandlung
ohne Wissen des behandelnden Arztes zu besuchen. Kommt der
gerufene Arzt bei seiner Ankunft beim Kranken in Kenntniss von
uer Behandlung durch einen anderen Arzt, so kann er höchstens
eme Untersuchung, ohne sich jedoch über die Diagnose auszusprechen,
aber keine Ordination (ausser im Falle dringender Nothwendigkeit)
i nnd . 8 °b von diesem Vorfälle den bisherigen Ordinarius
möglichst bald in Kenntniss setzen und jedenfalls seine ferneren
Besuche emsteilen.
Di ? Hebernahme eines bereits in ärztlicher Behandlung
stehenden Kranken darf erst nach erlangter Ueberzeugung erfolgen,
dass der bisherige Arzt in der That von diesem Wechsel verständigt
worden ist. b
r i. J,?’ .P 88 Unterbieten der Collegen bei Bewerbungen um ärzt¬
liche Stellen ist unstatthaft, weil unwürdig.
Consultationen in der Wohnung des Arztes unterliegen
nicht den Bestimmungen sub 11 und 12.
Behandlungen von Kranken ohne eine vorhergegangene Unter¬
suchung sind nur ausnahmsweise gestattet.
15. Jeder Arzt ist verpflichtet, einen momentan abwesenden
oaer -sonBt verhinderten Collegen bereitwillig zu vertreten, das In¬
teresse desselben zu wahren und soll die Angehörigen des Kranken
anweisen, demselben von seiner Berufung Mittheilung zu machen
P ^ • i 7, er behandelnde Arzt hat das Recht, den ihm von der
Ki u 8 Uonsiliarius vorgeschlagenen Arzt ohne Angabe der Gründe
j en ’ e b enso ißt Niemand gezwungen, sich als Cönsiliarius
verwenden zu lassen.
Tn . 17 ‘ D 1 r C 5 )n8iliarius hat die Pflicht, jedwede Schädigung der
Interessen des behandelnden Arztes zu vermeiden.
de J. Rege i i8t . 68 8ache de8 Cönsiliarius, die Stunde der
seiSw?rtezeR. ZU bC8t,mmeD und gelten 15 Minuten als gegen-
19. Das Ergebniss der Berathung wird dem Kranken resD
ng , e büt lge n durch den Cönsiliarius mitgetheiit in Gegenwart
P lr Jl K nden ^t 3p - d8r übrigen Aerzte, doch mit Vermeidung
SHL A TTli ht, - W °.- aber bei de - r Berathung nicht vollständige gegen 8
neitige Ueberemstimmung erzielt wurde. 888
P • Er8 , ch . eint 6er behandelnde Arzt nicht, so steht es dem
a® f - e '’ , na ? h Ablftuf der Wartezeit den Patienten zu unter
"u hmmrlieen 6 MemUng 8chriftlich und verschlossen dem Ordinarius
U^nfliüarius darf nur dann einen Fall ohne den bis-
»3hSirtas,"« “ w “° iewe,erdi “ seiLsi
»ofort 2 ho» D orirt°wt“ 0 ri “ S ha ‘ <lah " ” Wirke "’ <i "“ l,er
lioK^phr diC ‘ Pol . itik * des Arztes. Zu Ehren des ordent-
der in ‘ ernen Medicin, Dr. v. Liebermeister,
Tübingen lm 1C 4 n iährigeu Jubiläums als Ordinarius in
Tübingen am 4. Juli em Gommers statt, auf welchem der Jnbilar
oder di/ a" dl 4 6 Beetversammlung sich über die Politik
m/hr/rp Th fl Lt de ® A 7' teS äu88erte nnd seine Gedanken in
mehrere Thesen zusammenfasste, welche wohl werth sind, einem
weiteren Medicinerkreise mitgetheiit zu werden.
1. Der Arzt soll, wen er auch behandle, stets nur daran
nnd k n e h.hi Wa f/- Un i>^ 0hl . de9 P ? tienten geschehen kann nnd muss
P/k!» h K uf . dle R ? lle achten, cne er dabei spiele, auch nicht darauf
sehen, ob er für seine Bemühungen Dank ernte.
2. An jedem Krankenbett soll der Arzt auch den Schein ver-
“®, lde | 1 ’ als verste be und vermöge er mehr, als im einzelnen Falle
wahr ist, wenn es auch schwer sei, bei dem heutigen Wettbewerb
bei welchem der ärztliche 8chwindler ein so leichtes Spiel habe’
dem Sprichwort treu zu bleiben: «Ehrlich währt am längsten.
6 .Der Arzt möge sich stets vor Selbsttäuschung hüten und
sich mit den strengen Zahlen, wie sie ihm die Waage, das Thermo¬
meter, die Statistik etc. bieten, ferner mit Mikroskop und Reagens¬
glas selbst corrigiren. 8
4 - D ®v Arzfc soll in jedem Fall individualisiren, nicht die Krank¬
heit behandeln, sondern den einzelnen Kranken
Jede Heilung ist eine Naturheilung. Ohne die Unterstützung
der Natur kann der Arzt über keiue Krankheit Meister werden
Bei einer Schnittwunde könne der Arzt wohl die Wundränder kunst¬
gerecht aneinanderpassen, aber keine einzige von jenen Grannlations-
zellen schaffen, welche, die Continuitfttstrcnming beseitigen. AVir
Aerzte sind alle Naturärzte, nie diejenigen, welche weder den Bau
noch die Function der einzelnen Organe kennen.
5. Der Mediciner soll sich nicht auf die Arzneimittel verlassen.
Denn wie das Messer nur in der Hand des geschickten Chi¬
rurgen Segen bringe, so sei es auch mit den Arzneien. Jeder könne
dieselben kennen lernen, allein die richtige Anwendung derselben
sei schwer.
Letzteren Gesichtspunkt wolle er in den Hexameter fassen-
Nec medicamentis confidere, sed therapiae.
6. Auf Dank soll der Arzt nie rechnen; denn es komme ihm
mehr Dank besonders von denjenigen ein, bei welchen er aof
keinen Dank gerechnet habe.
Therapeutische Notizen.
Das Diphtherieserum in der Augenheilkunde. Nach¬
dem schon Von anderen Autoren die günstige Wirkung des Serums
auf die Conjunctivitis diphtheritica hervorgehoben wurde (Copper
berichtete über 18 Fälle), kommt A u b i n e a u (Progres Medical No. 23)
auf Grund von 10 bacteriologisch untersuchten Fällen zu dem
Schlüsse, dass das Heilserum in rascher und wirksamer AVeise die
Diphtherie der Bindehaut gleichzeitig mit dem Allgemeinbefinden
beeinflusse. Bei anderen Formen von pseudomembranöser Con¬
junctivitis ist die Wirkung des'Serums gleich Null, ebenso wie bei
Miscbinfection die Prognose wegen fortdauernder Einwirkung anderer
Mikroben, besonders des Streptococcus, eine sehr reservirte sein
muss. Die Local- kann unbeschadet der Serumbehandlung weiter
angewandt werden und muss es sogar bei letztgenannter Categorie
von Fällen (Cocceninfection). Despagnet berichtet in der Pariser
Gesellschaft für Augenheilkunde (Bulletin M6d. No. 46) über
weitere 10 Fälle von bacteriologisch festgestellter Bindehautdiph¬
therie; nach Injection von 10 ccm des Serums fielen die Pseudo¬
membranen in 2—6 Tagen, gleichzeitig vorhandene Diphtherie von
Mund, Nase und Rachen heilten ebenfalls. 4 mal wurde die Horn¬
haut ergriffen, 1 mal so schwer, dass trotz Injectionen Nekrose ein¬
trat; 2 mal entstanden Lähmungen (1 mal Ptosis und 1 mal Strabis¬
mus convergens) trotz der Injection nach dem Verschwinden der
Pseudomembranen, nach 14 resp. 18 Tagen gingen jedoch diese
Complicatioüen ohne Behandlung vorüber. St.
Ueber seine Versuche mit der Serumbehandlung
der Diphtherie berichtet in No. 3 der Therap. Monatshefte
Soerensen-Kopenhagen. Nach seinen Erfahrungen sind die Re¬
sultate mit Serumtherapie keine besseren, als ohne dieselben. Weder
der Verlauf noch die Dauer der Krankheit stellte sich bei den mit
Serum Behandelten günstiger, als in den Fällen, wo kein Serum zur
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692
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
Verwendung kam; eher traten bei den Erstgenannten einzelne un¬
günstige Complicationen — haemorrhagische Diathese, schwere
Nierenaffection — mehr hervor. Auch die Zunahme der laryngitischen
Phänomene wurde durch das Serum nicht verhindert. Die mit
schwerer Diphtherie complicirten Croupfälle verliefen bei dieser
Behandlung absolut schlecht und das gute Resultat in den leichteren,
mit Serum behandelten Fallen, erklärt sich zwanglos aus der Gut¬
artigkeit der betreffenden Epidemie.
Zur Casuistik der Krebsserumbehandlung. Aus der
Albert'schen Klinik in Wien theilt Dr. Lartschneider 6 mit
Emmerich'schem 8erum behandelte Fälle mit, von denen 4 Carci-
nome, einer ein Sarkom und einer ein Lymphosarkom betrafen.
Der Sarkomfall, der sich bereits im letzten Stadium befand, endigte
bald letal. Von den Carcinomfällen verliefen 3 letal, einer entzog
sich der Behandlung. Der Einfluss der Injectionen war hier ein
ungünstiger. Sowohl der primäre Tumor als auch die schon vor¬
handenen Haut- und Drüsenmetastasen wuchsen üppig weiter und
schliesslich traten noch neue, rasch wachsende Metastasen im Be¬
reiche der durch die Seruminjectionen leicht gerötheten und ödematös
geschwellten Haut auf. Bemerkenswerth war dagegen die Wirkung
in dem Fall von Lymphosarkom. Hier bestanden mannsfaustgrosse
Tumoren am Hals und in den Achselhöhlen, kleinere in den Leisten
und Ellbogenbeugen. Diese Tumoren verkleinerten sich nach 6 maliger
Injection von 1—8 ccm Serum in überraschender Weise, theilweise
um die Hälfte. Leider entzog sich der Patient der weiteren Be¬
handlung, nachdem nach einer 7. Injection unangenehme Erschei¬
nungen (Herzklopfen, Athembescbleunigung, Cyanose etc.) aufgetreten
waren. Bei Beurtheilung dieses Erfolges erinnert Verfasser daran,
dass Lymphosarkome sich allerdings in nicht ganz seltenen Fällen
auch spontan zurückbilden können.
Die Sterilisation der Gnmmikatheter durch For-
moldämpfe wird gleichzeitig von Janet und von Claisse em¬
pfohlen (Ann. des mal. gön.-ur. 1896, 2). Beide Autoren kommen
zu dem Schluss, dass ein Aufenthalt von 48 Stunden in den Formol-
dämpfen genügt, um die Sonden sicher zu sterilisiren. Janet
empfehlen zur Vornahme der Sterilisation grosse viereckige Metall¬
kästen, in denen die Katheter auf durchlochten Platten liegen,
Claisse bedient sich luftdicht verschlossener Glascylinder. Vor
dem Gebrauch müssen die Katheter von dem anhaftenden Formol
durch Abreiben oder Abspülen befreit werden, da das Formol auf
die Harnröhre stark reizend wirkt. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 21. Juli. In No. 29 der Wiener klin. Wochensclir.
machen die Assistenten der Albert'schen Klinik die interessante
Mittheilung, dass auch die Hypophysis Jod in deutlichen Mengen
enthält. Bekanntlich wurde dies bereits von Baumann (d. W. 1896,
No. 14) vermuthet, seine Prüfungen auf Jod blieben jedoch erfolglos.
Den genannten Autoren ist der Jodnachweis nunmehr durch Ver¬
wendung einer grösseren Menge von Untersuchungsmaterial (bis
zu 24 g Hypophysensubstanz) nach der bekannten B a u m a n n’schen
Methode gelungen. Hierdurch ist, wie die Verfasser hervorheben,
ein weiterer 8chritt in der Erkenntniss der vicariirenden Eigenschaften
dieser Drüse für die Schilddrüse gemacht.
— Zur Berathung der in Revision befindlichen ärzt¬
lichen Prüfungs-Ordnungen fand am 19. Juli in Eisenach
eine Zusammenkunft von Delegirten der medicinischen Facultilten
Deutschlands statt. Die medicinische Facultät in München war
durch den derzeitigen Decan, Professor v. ZiemBsen, vertreten.
Den Vorsitz führte Professor v. Hippel aus Halle.
— Der n. Deutsche Samaritertag wird vom 18.—20. September
d. J. in Berlin abgehalten.
— Die III. Jahresversammlung des Vereins badischer Bahn¬
ärzte findet am 1. und 2. August d J. gemeinsam mit den bayerischen
Bahnärzten in Nürnberg statt.
— In Heidelberg ist, angrenzend an das academische Kranken¬
haus und im Anschluss an die Universitätskliniken, ein Recon-
valescent en-Haus für Unfallverletzte gegründet worden,
dessen Leitung in den Händen des Privatdocenten der Chirurgie
Dr. 0. V u 1 p i u 8 liegt.
— Die Hausapotheke des berüchtigten, z. Z. in Untersuchungs¬
haft befindlichen Homöopathen Dr. Volbeding wurde mit Beschlag
belegt und ein Antrag desselben, gegen Caution von 200 000 M. aus
der Haft entlassen zu werden, abgelehnt.
— Die Frequenz der 21 italienischen Hochschulen (17 Landes-
Universitäten und 4 freie Hochschulen) betrug im verflossenen
Schuljahr 1895/96 im Ganzen 21262 Studirende gegen 20 886 im
Jahre 1894/95. Allen voran stand Neapel mit 4956 Studirenden;
es folgten Turin mit 2434, Rom 1911, Padua 1664, Bologna 1375,
Pavia 1345, Palermo 1343, Genua 10*9, Pisa 1066 u. o. w. Am
stärksten war gie medicinische Facultät mit 6440 Studirenden und
31 Zuhörern.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 27. Jahreswoche. vom 28. Juni bis 4. Juli 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Stettin mit 50,0, die geringste Sterblichkeit Schöneberg mit
8,6 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Bromberg, Osnabrück; an
Diphtherie und Croup in Halle.
— In Alexandrien wurden vom 25. bis 30. Juni 14 Erkrankungen
(und 11 Todesfälle) festgeBtellt, im Ganzen seit October v. J. bis
zum genannten Tage 808 (678), in Kairo vom 24. bis 29. Juni 12 (22),
in derselben Zeit in Ghizeh 0 (3), Fuah 51 (52), Damiette 4 (10),
Zagazig 15 (23), Beni 8ouef 0 (1), Mehallet Kebir 10 (7), Suez 0 (1), im
Bezirke Dessouk 200 (144), 8ennour4s 42 (87), in der Stadt Assuan am
29. Juni 21 (11). In ganz Egypten waren seit October v. J. bis zum
genannten Tage 68-J9 Erkrankungen und 6679 Todesfälle gemeldet
— Zum Rector der Universität Pisa wurde auf das nächste
Jahr 1896/97 Professor Manfredi, Ophthalmologe, zum Rector der
Universität Padua der Kliniker Professor de Giovanni, der Uni¬
versität Turin der Director der geburtshilflichen Klinik, Professor
Tibone, gewählt.
— Die New-Yorker Monatsschrift veröffentlicht nachstehende
Pfarrer Kneipp'sche Approbation in Naturheilkunde:
«Ich bestätige, dass Herr Schweizer Meyer während seines
zelmmonatlichen Aufenthaltes in Wörishofen nicht nur das Giessen
und alle übrigen Anwendungen nach meiner Methode vollständig
erlernt hat, sondern auch häufig die Sprechstunden besuchte und
sich sonst grosse Mühe gab, die Wasserkur gründlich zu erlernen,
wozu er als mein Secretär die beste Gelegenheit hatte, so dass er
im Stande ist, eine Kneipp-Anstalt selbstständig zu leiten und Jeder¬
mann in seinen Leiden und Krankheiten sich ihm anvertrauen darf.
Wörishofen, den 25. Januar 1895. 8eb. Kneipp. Amtlich be¬
glaubigt. L. S. Sig. Seidel.»
(Universitätsnachrichten.) Erlangen. Bei der Rectorats-
wähl wurde der Professor der Augenheilkunde l)r. O. Evcrsbuscli
zum Prorector für das Studienjahr 1896/97 gewählt. — Jena. Die
medicinische Facultät ernannte den Fürsten Bismarck zum Ehren-
doctor. In dem Diplom wird auf die am 16. Juli vor 20 Jahren
erfolgte Eröffnung des kaiserlichen Reichsgesundheitsamtes Bezug
genommen — Leipzig. Dr. Schön, Privatdocent für Augenheil¬
kunde, wurde zum ausserordentlichen Professor ernannt. — Marburg.
Prof. Behring, der Bich zur Zeit auf Urlaub im Auslände befindet,
gedenkt in sein academisches Lehramt nicht mehr zurückzukebren,
sondern will sich nur noch seinen wissenschaftlichen Forschungen
widmen. An seiner Stelle soll Stabsarzt Dr. Wernicke, der ihn
gegenwärtig im Amte vertritt, die Professur für Hygiene hier über¬
nehmen. — Tübingen. Dr. 8arwey etablirte sich als Privatdocent
für Geburtshilfe und Gynäkologie; am 16. Juli habilitirte sich Herr
Dr. Gudden, I. Assistenzarzt der psychiatrischen Klinik, mit einer
Probevorlesung über das Thema: «Vorkommen und Bedeutung von
Sinnestäuschungen bei Geisteskranken». Die Habilitationschrift führt
den Titel: «Alkoholische Neuritis».
Prag. An der medicinischen Facultät der böhmischen Uni¬
versität wurden als Privatdocenten zugelassen: Dr. Rudolf Kimla
für pathologische Anatomie, Dr. Andreas Schrutz für Geschichte
der Medicin und Epidemiologie. — Wien. Dr. Arthur Biedl wurde
als Privatdocent für experimentelle Pathologie zugelassen.
(Todesfall.) In Bonn starb der Professor der Chemie, Ge
heirarath Friedrich August Kekuld im Alter von 67 Jahren. Wir
behalten uns einen eingehenden Nekrolog auf den um die Ent¬
wicklung der organischen Chemie hochverdienten Mann vor.
Personalnachrichten.
Bayern.
Verzogen: Dr. E. Küster von Hohenfels (Parsberg) nach
Rothenkirchen, B.-A. Kronach, Oberfranken.
Gestorben: Dr. Martin Diez in Selb, 28 Jahre alt.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten für München
in der 28. Jahreswoche vom 5. bis 11. Juli 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 88 (41*), Diphtherie, Croup
27 (13), Erysipelas 10 (12), Intermittens, Neuralgia intern. 1 (1),
Kindbettfieber 3 (3), Meningitis cerebroBpin. — (—), Morbilli 7 (10),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 7 (9), Parotitis epidemica 5 (3),
Pneumonia crouposa 11 (16), Pyaemie, Septicaemie 1 (l), Rheuma¬
tismus art. ac. 23 (30), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 36 (25),
TuBsis convulsiva 46 (38), Typhus abdominalis 1(1), Varicellen 13(3),
Variola, Variolois — (—). Summa 229 (206). Medidnalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 28. Jahreswoche vom 5. bis 11. Juli 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000. _ .
Todesursachen: Masern — (1*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 6 (3), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) 3 (2), Brechdurchfall 2 (9), Unterleibstyphus^—
(—), Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung 1 (2), Tuber-
culose a) der Lungen 30 (21), b) der übrigen Organe 6 (7), Acuter
Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krankheiten 2 u),
Unglücksfälle 3 (2), Selbstmord 2 (3), Tod durch fremde Hand — (U-
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 208 (161), Verhältnisszsbi
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 26,6 (20,6), tar
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 16,1 (11,3), fü r
die über dem 5. Lebensjahr stehende 14,6 (10,4).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verlag Ton J. F. Lehmann in München. — Druck der E. Müh 1 thaler' achen k. Hof-Boohdrnckerel in Münohea.
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MÜNCHENER
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Ph ds i n Herausgegeben von
-g' 1 1 S* r ÜÜ» US ‘iS* * 1». * i~» * 5?-.
M 30. 28. Juli 1896.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. p. Lehmann, LandwehrRtr. 7 ft.
Originalien.
Aus der chirurgischen Klinik des Professors Gar re in
Rostock.
Ueber latente Eiterherde im Knochen. 1 )
Von Dr. E. Ehrich, Assistenzarzt der Klinik.
M. H.! Das Vorkommen der acuten Osteomyelitis ist wie
un gängigen Süden Deutschlands, so auch in unsern nordischen
Küstenstrichen ein aussergewöhnlich häufiges, und jedem von
Ihnen ist aus eigner Anschauung das Krankheitsbild als ein im
Ganzen typisches vertraut. Indessen werden Sie hie und da die
Beobachtung gemacht haben, dass in dem Symptomencomplex und
, Verlauf der in Rede stehenden Erkrankung nicht selten Ab¬
weichungen von dem classischen Bilde der acuten Knochcnmarks-
eiterung, wie eä in den Lehr- und Handbüchern der Chirurgie
geschildert wird, zu verzeichnen sind. Die Ergebnisse der aetio-
logischen Forschung der letzten Jahre haben nun dazu geführt,
die auf Grund klinischer Beobachtungen aufgestellten Grenzlinien’
der Osteomyelitis beträchtlich weiter hinauszusehieben. Während
mau früher mit dem Begriffe derselben eine typische, acut ein
setzende, mit localer Eiterung und schwerem fieberhaften Allgemein¬
zustand einhergehende Erkrankung des jugendlichen Alters verband,
die zur Nekrose des befallenen Knochens führte, nicht selten unter
dem Bilde acuter Pyämie oder Septicämie tödtlich endete, so wissen
wir jetzt, dass dieser Symptomencomplex nur eine Form einer
Gruppe von Erkrankungen darstellt, die die Aetiologie gemeinsam
haben, dem gleichen Agens, nämlich den pyogenen Coccen ihre
Entstehung verdanken. Unterschiede in der Virulenz der Mikroben
sowie Verschiedenheiten der Resistenzfähigkeit des befallenen Orga
nismus sind es, die eine Reihe von Varietäten des klinischen
Bildes bedingen. Gestatten Sie mir, im Folgenden Ihre Auf¬
merksamkeit auf solche atypische Formen der Osteomyelitis zu
lenken, die sich durch ihren schleichenden Verlauf auszeichnen und
im Knochen Eiterherde hinterlassen, die Jahre, selbst Jahrzehnte
lang latent bleiben können, bis ein ungünstiger Zufall sie zu
neuem Leben erweckt und zur Quelle schwerster Infection werden
lässt. Von den latenten tuberculösen Herden sehe ich in dieser
Betrachtung völlig ab.
Ich gedenke zunächst derjenigen Krankheitsfälle, die sich von
vorneherein durch einen subacuten oder sogar exquisit chro¬
nischen Verlauf auszeichnen. Dieselben sind durchaus nicht so
selten, und es ist ihnen ein um so grösseres praktisches Interesse
beizumessen, weil sie sehr leicht zu einer Verwechslung mit einer
tuberculösen Knochenerkrankung Veranlassung geben. Das Krank¬
heitsbild ist kurz Folgendes : Nach einem vorausgegangenen Trauma,
sehr häufig aber auch ohne jede bekannte Ursache, stellen sich
bei dem Patienten Schmerzen in der Extremität ein, die anfäng¬
lich für rheumatische gehalten werden und allmählich an Intensität
zunehmen, jedoch keine wesentliche Störung des Allgemeinbefindens
bedingen. Die Temperatur bleibt meist subfebril, nur selten sind
erheblichere Steigerungen zu constatiren. Allmählich stellt sich
Ar „ .,’) Vortrag, gehalten in der Jahresversammlung des Allgemeinen
Mecklenburgischen Aerztevereins zu Wismar am 2!) Mai 1896
No. 30.
eine schmerzhafte Auftreibung des Knochens ein, die im weiteren
ml. nf Absc f sblIdun S> zum Durchbruch und zur Sequestration
führt Oder auch die letztere bleibt aus, und nachdem es spontan
oder künstlich zur Eitcrentleerung gekommen ist, kommt der
Process zur Ausheilung, indem er eine bleibende Verdickung des
Knochens Ihnterlässt. Dass dieses Krankheitsbild unter Umständen
schwer von der tuberculösen Osteomyelitis abzutrennen ist, liegt
auf der Hand. Diagnostische Schwierigkeiten erheben sich vor
A cm m den Fällen, wo die infectiöse Osteomyelitis, wie nicht
seiten sich m den Gelenken localisirt, also an Stellen, die von
der I uberculose bevorzugt sind. In solchen Fällen kann die
JLhagnose oft nur aus dem Operationsbefund gestellt werden aus
dem charakteristischen Sequester, den Granulationen und dem
eyent. Nachweis von Staphylococccn im Eiter. Wenn wir als
Ursache dieses subacuten Verlaufs eine abgeschwächte Virulenz der
Entzündungserreger ansehen, so reicht diese Erklärung nicht aus
für die Fälle, wo bei multipler Loealisation des Krankheitsgiftes
die Erkrankung an einer Stelle ganz acut einsetzt und verläuft
während gleichzeitig oder kurz darauf derselbe Process an einer
andern Stelle subacut beginnt und einen exquisit schleichenden
Verlauf zeigt. Es sind solche Fälle mehrfach beschrieben worden,
sodass über die Zugehörigkeit dieser subacuten Form zum Krank¬
heitsbilde der Osteomyelitis hinsichtlich der Aetiologie kein Zweifel
bestehen kann. Die auffällige Erscheinung, dass der Krankheits-
process an einer Stelle sehr stürmisch einsetzt und verläuft,
während er an einer andern einen milden Charakter zeigt, dürfte
vielleicht darin ihre Erklärung finden, dass an den einzelnen
Knochenherden verschieden grosse Mengen infectiösen Materials
abgelagert worden sind.
Der subacuten Form der Osteomyelitis steht in ihrem
klinischen Verhalten die sogen. Periostitis albuminosa
sehr nahe. Dieselbe nahm lange Zeit eine Sonderstellung in der
Pathologie der Knochen ein, einmal wegen der grossen Seltenheit
ihres Vorkommens, sodann wegen des eigenartigen Charakters des
bei derselben gebildeten Exsudates, das sich durch seinen hohen
Eiweissgehalt, seine bald seröse, bald schleimig synoviale Beschaffen¬
heit auszeiehnet. Während eine Reihe von Autoren sich vergeb¬
lich bemühten, das Wesen dieser räthselhaften Erkrankung zu
erfunden, war es das Verdienst von Schlange*), die Zugehörig¬
keit derselben zu der acuten inf. Osteomyelitis dargelegt zu haben.
Das klinische Bild weicht nach den bekannt gewordenen Beob¬
achtungen nur in gradueller Beziehung von der acuten Osteomye¬
litis ab, insofern als es im Allgemeinen einen milderen Verlauf
zeigt. Die Krankheit befällt mit Vorliebe die langen Röhren¬
knochen und setzt stets mit starken Schmerzen ein, aber selten
erreichen dieselben jenen hohen Grad, der den Beginn der
acuten Osteomyelitis zu einem so qualvollen Leiden macht. Fieber
besteht meist zu Beginn und kann gelegentlich die Höhe von 40°
erreichen, aber nach Ablauf von wenigen Tagen fällt schon die
Temperatur zur Norm ab, die Anfangs empfundenen Schmerzen
verlieren sich. Dagegen tritt in allen Beobachtungen, gewöhnlich
schon in den ersten Tagen, selten erst nach Wochen, eine zu-
2 ) Schlange, Archiv für klin. Chir., Bd. XXXVI, pag. 97.
1
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694
MÜNCHENER xMEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ao.
nehmende Schwellung der erkrankten Gegend auf, die unter nor¬
maler Haut gelegen, nur in geringem Grade druckempfindlich ist,
und so gut wie nie zum spontanen Aufbruch führt. Bei der
lneision gelangt man in einen cystischcn Hohlraum, der mit jener
serösen oder synoviaähnlichen Flüssigkeit gefüllt ist. Derselbe ist
entweder zwischen Periost und Knochen gelegen, oder hat sich
innerhalb der Schichten des Periostes entwickelt, oder endlich, cs
handelt sich um eine Flüssigkeitsansammlung, die von vorneherein
ausserhalb des Periostes abgesetzt ist. Das Verhalten des
Knochens ist ein verschiedenes; meist weist derselbe eine Ver¬
dickung auf und es kommt in der Mehrzahl der Fälle zur Sc-
questerbildung, selten bleibt die Sequestration aus, und es erfolgt
sehr frühe eine Ausheilung des Processcs. Wenn wir somit eine
völlige Analogie des klinischen Bildes der Periostitis albuminosa
mit der acuten resp. subacuten Osteomyelitis verzeichnen können,
abgesehen von der fehlenden Eiterung, so genügt dieser Umstand
jedoch nicht, um eine gleiche Aetiologie beider Affectioncn anzu¬
nehmen ; wir fordern bei infcctiösen Erkrankungen auch die völlige
Identität der Krankheitserreger. Dieser Nachweis ist zuerst von
Schlange geführt worden, cs gelang ihm, in einem seiner Fälle
aus der serösen Flüssigkeit Staphylocoecen zu züchten. Weiter¬
hin konnte darre 3 ) in 3 eignen Beobachtungen die genannten
Eitererreger culturell naehweisen und damit weitere Beweise für
die Zugehörigkeit der Periostitis albuminosa zur acuten Osteomye¬
litis erbringen. V ährend in den meisten Fällen, wie erwähnt,
die Ansammlung des Exsudates im Bereich des Periostes statt-
findet, so kann ich Ihnen einen Fall aus der Rostocker Klinik
mittheilen, bei dem es sich innerhalb der Knochensubstanz ent¬
wickelt hatte, es sich also um eine centrale Ostitis albu¬
minosa handelte.
Ein 23 jähriger Mann erkrankte zuerst im 9. Jahr unter hohem
Fieber und einer schmerzhaften Anschwellung des linken Unter¬
schenkels mit Röthung der Haut. Zum Aufbruch kam es jedoch
nicht, sondern nach Wochen Hessen die Krankheitssymptome all¬
mählich nach und es blieb nur eine Auftreibung des Knochens
zurück.
Bis vor einem Jahr, also volle 13 Jahre, war Patient völlig
gesund, hat nie irgend welche Beschwerden an der Extremität ge¬
habt. Damals stellten sich ohne bekannte Ursache Schmerzen in
dem Unken Unterschenkel ein, die im Laufe des Jahres häufig
w-iederkehrten. Im November 1895 bildete sich an der Innenseite
eine schmerzhafte Anschwellung, die vom Arzt incidirt wurde und
seitdem eine trübe, wässerige Flüssigkeit entleerte. Bei der Auf¬
nahme des Patienten im März d. J. fand sich eine beträchtliche
knochenharte, wenig druckempfindliche Verdickung des unteren
Tibiadnttels und über dem Malleol. int. eine kleine spaltförmige
* wtelöffnung, die geringe Mengen serösen Secretes absonderte Es
wurde auf die Fistel eingeschnitten und nach Zurückschieben des
schwartig verdickten Periostes eine kleine punktförmige Oeffnung
des Knochens freigelegt, aus der synoviaälinliche Flüssigkeit heraus¬
quoll. Die Aufmeisselung des Knochens ergab eine eiförmige 7 cm
lange, fern tiefe Höhle in der Substanz des verdickten Tibiaendes
die mehrere Esslöffel voll fadenziehender synoviaähnlicher Flüssig¬
keit enthielt und mit speckigen Granulationen ausgekleidet war
Nachdem diese ausgelöffelt waren, zeigte die Höhle rings eine völlig
glatte, knöcherne Wandung. Die bacteriologische Untersuchung
sSphÄ'cSn ‘ g erg8b typiMie C " ltU,e, ‘ von
Der angeführte Fall ist in mehrfacher Beziehung von be¬
sonderem Interesse, weniger wegen der Localisation des osteo¬
myelitischen Giftes in der Epiphyse, die ja nicht so selten ist
sondern namentlich, weil er ein Beweis dafür ist, dass der als
Periostitis albuminosa beschriebene Process sich nicht nur im Be-
reich des Periostes abspielt, sondern auch gelegentlich sich inner¬
halb der Knochensubstanz localisircn kann, endlich wegen des höchst
auffälligen Befundes von Staphylocoecen in dem serösen Exsudat
in einem Falle, wo nachweisbar vor 13 Jahren die Infcction er¬
folgt war leb komme auf diesen Punkt bei der Besprechung des
ivnochenabscesses wieder zurück.
Es bleibt hier noch eine Frage zu erörtern: Wie haben wir
uns die Entstehung dieses serösen Exsudates, das doch pyogene
Coccen beherbergt, zu denken? Dieselbe wird verschieden beant¬
wortet. Schlange nimmt an, dass es sich bei der Periostitis
hsnTb 7 eine « enn «ere Intensität des Entzündungsprocesses
handelt, dm zur Bildung eines phlegmonösen Eiters nicht ausreicht.
3 ) Garrö, Beiträge zur klin. Chir., X, 2.
Dem gegenüber sind Vollert 4 ) und Gar re der Ansicht, dass es
sich ursprünglich um ein eitriges Exsudat gehandelt habe, das sich
im Laufe der Erkrankung in ein serös schleimiges umgewandelt
habe, eine Annahme, die G. durch einen Fall stützt, wo die erste
Punction Eiter, die 8 Wochen später vorgenommeue Entleerung
ein schleimiges Exsudat ergab.
Während die subacuten und chronischen Fülle der Osteo¬
myelitis in ihrem Verlauf der tuberculöson Knochenerkrankung
nahe stehen, so kann eine andere Form der Osteomyelitis noch
weit erheblichere diagnostische Schwierigkeiten bereiten, es ist dies
die von Garrö sobenannte sk lerosirende, nicht eitrige
F orm. Die hierher gehörigen Fälle setzen, wenigstens zum grossen
Theil in typischer Weise ganz acut ein, verlaufen unter hohem
Fieber, Anschwellung der Extremität, Schmerzhaftigkeit und Auf¬
treibung des Knochens, ja, es kommt sogar zu einer erheblichen
Infiltration der Weichtheile, die eine baldige Abscessbildung er¬
warten lässt. Statt dessen aber bildet sich die Infiltration ganz
langsam zurück, während das Fieber schon vorher abgcfalleu ist,
und der Patient gebt der Heilung entgegen, indem nichts weiter
als eine mehr oder weniger beträchtliche Auftreibung des Knochens
zurückbleibt. Die Frage, ob es bei dieser sklerosirenden Osteo¬
myelitis zur Bildung eines Sequesters kommt, ist von Garrö auf
Grund seiner Beobachtungen bejaht worden. Man sollte nun aber
doch meinen, dass, wenn es einmal zur Knochennekrose gekommen
ist, auch eine Eiterung und Aufbruch unausbleiblich sei. Dies
ist nun durchaus nicht uothwendig, wie mehrfach der Befund bei
der Operation solcher Fälle, wie auch in einem Falle, den ich im
Folgenden noch anführen werde, gelehrt hat. Es fanden sieh
nämlich nicht selten innerhalb der verdickten Knochensubstanz
kleinere und grössere Herde, aus Granulationsgewebe bestehend,
in welches zahllose kleinste Sequesterchcn eingebettet waren. Die Be¬
schaffenheit der Letzteren wies entschieden auf einen .stattgehabten
Resorptionsvorgang bin und Hess die Folgerung zu, dass eine aus¬
gedehnte Knochennekrose bestanden haben musste, entweder in
l'orm eines grösseren centralen .Sequesters oder partieller, an ver¬
schiedenen Stellen erfolgter Sequestrirungen. Mithin dürfen wir
wohl diese Form der Osteomyelitis als eine weniger intensive,
wahrscheinlich ganz ohne Eiterung sich abspielende Entzündung
auffassen, die zwar zur Knochennekrose führt, aber weiterhin zur
Bildung eines mit Zerstörungskraft ausgestatteten Granulations¬
gewebes \ cranlassung gibt. Ohne dass cs zur Perforation der
Scquesterlade kommt, vollzieht sich im Innern des Knochens eine
natürliche Heilung durch Auflösung des untergegangenen Gewebes,
ein Process, der allerdings Jahre in Anspruch nehmen kann.
as die klinische Seite dieser Krankheitsform betrifft, so
werden diejenigen Fälle, wo die Anamnese von einem acuten fieber¬
haften Beginn der Erkrankung erzählt, kaum zu diagnostischen
Bedenken Veranlassung geben. Anders steht es jedoch mit den
1'allen, wo das Leiden nicht acut einsetzt, sondern das Krankheits¬
bild sich von vorneherein durch einen fieberlosen, schleichenden
^ erlauf auszeichnet. Dieselben können einmal ausserordentlich leicht
mit der Periostitis syphilitica, die ja zu beträchtlichen
diffusen Knochenvcrdickungcn führen kann, verwechselt werden.
Dass hier auf die anamnestischen Angaben kein sonderliches Ge¬
wicht gelegt werden kann, ist bekannt. Auch die sonst für Lues
charakteristischen Dolores ostcocopi sind hier nicht ausschlaggebend,
weil auch bei der sklerosirenden Form der Osteomyelitis zeitweilig
heftige Schmerzen in dem befallenen Knochen auf treten. Es bleibt
in diesen hüllen nur übrig, die Diagnose aus dem Fehlen ander¬
weitiger Zeichen von Lues oder aus der Nutzlosigkeit einer Jod-
kalicur zu erhärten.
In zweiter Linie kann gelegentlich die Unterscheidung der
sklerosirenden Osteomyelitis von einem Knochen sarkom auf
ausserordentliche Schwierigkeiten stossen. Es sind dies die Fälle,
wo die entzündliche Gewebswucherung über das Periost bis in die
Museulatur sich bineiuerstreckt und auf diese Weise zu einer
beträchtlichen Knochen- und Weichtheilverdickung Veranlassung
gibt. Ja selbst die mikroskopische Untersuchung eines cxcidirten
Stückes der fraglichen Geschwulst braucht in solchen Fällen keinen
sicheren Aufschluss über die Natur des Tumors zu geben, da das
4 ) \ollert, Sammlung klin Vorträge Nr. 359.
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28- Juli 189G.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
G95
Granulationsgewebe des Knochens grosse Aehnlicbkcit mit dem
Sarkom darbieten kann, so dass nur der Operationsbefund, der
Nachweis von Sequestern und Granulationen, den definitiven Aus¬
schlag gibt. Die Kenntniss des Vorkommens einer solchen sarkom¬
ähnlichen Osteomyelitis ist nicht nur in wissenschaftlicher, sondern
mehr noch in praktischer Hinsicht von grosser Wichtigkeit, da
die Prognose und Therapie natürlich eine sehr verschiedene ist
von der beim Sarkom. Kocher 5 ), der 2 analoge, als Sarkom
imponirende Fälle chronischer Osteomyelitis mitgetheilt hat, hat
bereits darauf hingewiesen, dass vielleicht manche der nach blosser
Incision und Ausschabung geheilten Sarkomfällc in das Gebiet
der in Rede stehenden proliferirenden Entzündung gehören. Die
geschilderten Erfahrungen mahnen jedenfalls zur Vorsicht bei der
Beurtheilung fraglicher Fälle und sprechen für die principielle
Ausführung einer Explorati vincision vor der Vornahme einer ver¬
stümmelnden Operation. (Schluss folgt.)
Aus der Königlichen Universitäts-Kinderklinik des Herrn
Prof. H. v. Ranke zu München.
Ueber einen Falt von angeborner papillomatöser,
sogenannter neuropathischer Warzenbildung.
Von Dr. II. Spiegelberg, Assistenzarzt der Klinik.
Mit obcnstchcnder Umschreibung suchte ich die Namengebung
für eine seltene Affection zu vermeiden, die unter verschiedensten
Benennungen in einer relativ begrenzten Reihe von Fällen besehrieben
worden ist, und die wir an einem im Alter von 3 ’/ 2 Wochen bei
uns wegen derselben aufgenommenen Mädchen zu beobachten und
zu untersuchen Gelegenheit fanden.
Das Kind wies einen im Uebrigen ganz normalen Status auf.
Die Anamnese, die sich insbesondere auf Feststellung eventueller
hereditärer Lues richtete, liess letzteres Moment mit Sicherheit aus-
schliessen und ergab, dass das Kind ein erstgebornes gewesen und
seither gediehen sei. Dasselbe bot uns im Bereiche der rechten
Hals- und Gesichtsseite folgendes, durch beigegebene Abbildung
veranschaulichte Bild.
Die ganze Ohrmuschel ist mit theils flachen, theils papillo-
matösen und gestielten Wucherungen ausgekleidet. Diese beginnen in
derFossascaphoidea
mit einzelnen steck¬
nadelkopfgrossen
Efllorescenzen, dar¬
an schliesst sich ein
Über 1 cm grosser,
flacher, etwas dun-
kelgefärbterNaevus,
//1 die Crura furcata
bedeckend. Von der
Spina helicis, der
dichtgedrängt hirse-
korn- bis linsengrosse
beerenförmige,
. —j- 7 , fleischfarbene Würz-
chen aufsitzen, nach
\ -'■»isä') abwärts ist die Ent-
Wicklung am stärk-
sten, die ganze
Concha und die
Ränder des Tragus
und Antitragus sind
mit ähnlichen
Wucherungen aus-
), gefüllt, die sich in
- den dadurch voll¬
kommen verschlos¬
senen, äussern Ge¬
hörgang fortsetzen,
das Ohrläppchen stellt eine flache runzliche bräunlichrothe ein pfennig¬
stückgrosse Wucherung dar. Von da zieht zieh abwärts,, den
M. sternocleidomastoideus in nach vorne concavem Bogen begleitend,
ein Anfangs s /tcm breiter, allmählich sich verschmälernder, wenig
nur über die Oberfläche erhabener, leicht gerunzelter, blass-
rother Streifen. Nach unten zu von zunehmender Röthung und
Prominenz, sowie in einzelnen Wärzchen differenzirt, endigt dieser
Streifen in der Fossa jugularis, rechts von der Mittellinie, in einem
gut zehnpfennigstückgrossen, ganz flachen, aber scharf abgegrenzten
und von einigen stecknadelkopfgrossen Efflorescenzen umgebenen
Flecke.
/
\
v
6 ) Kocher und Tavel, Vorlesungen über chirurgische Infec-
tionskrankheiten, I, p. 141, 1895.
Des Weiteren läuft im Filtrum der Oberlippe, doch rechts von
der Mittellinie, eine Reihe von hirsekorngrossen und grösseren halb¬
kugeligen weichen Excrescenzen abwärts ins Lippenroth hinein. An
der Unterlippe beginnt die Affection von Neuem und zwar mit zwei
linsengrossen lappigen Polypen an der Innenfläche des rechten
Mundwinkels, von da mit miliaren Knötchen aufs äussere Lippen¬
roth und weiter auf die äusere Haut übergehend. Hier sind es
dann himbeerartige, etwas bräunliche kleine Wucherungen, hart an
der Mittellinie eine breite flache Papel, und von da zur Spitze des
Kinns verlaufend ein fast continuirlicher 2 mm breiter papulöser
Streifen, hier wie an der Oberlippe von der Farbe der Gesichtshaut.
Auf der rechten Wange, etwa U/s cm unter- und ausserhalb des
Augenwinkels sitzt noch eine flache leicht geröthete Papel von der
Grösse einer kleinen Haselnuss. Auf der rechten Hälfte des vorderen
Unterkieferalveolarrandes ist die Schleimhaut wulstig verdickt.
Die strenge, den Vergleich mit dem Herpes zoster heraus¬
fordernde, Halbseitigkeit fiel auf den ersten Blick auf. Auch überall
wo sie die Mitte berührte, hielt sich die Affection hart an der
rechten Seite der idealen Halbirungslinie.
Ein Weiterwachsthum der Stellen fand nicht statt, das Bild
blieb stationär. Das Kind wurde von Herrn Prof. v. Ranke in
der Münchner Morphologisch-physiologischen Gesellschaft vorgestellt.
Am Ende der 10. Lebenswoche des Kindes wurde eine Excision der
erkrankten Hautpartien an Unterlippe und Kind von Herrn Ober¬
arzt Dr. Herzog vorgenommen. Die dabei gewonnenen Stückchen
unterwarf ich der mikroskopisch-anatomischen Untersuchung (Härtung
gleichmässig in Formol und Müll er "scher Flüssigkeit; Golgische
Sublimatmethode, theils deren Modification von Obregia mit theil-
weiser Contrastfärbung, ausserdem nach v. Gieson oder mit Ver¬
einigung beider Verfahren behandelt.)
Ueber die nämliche Form der Hauterkrankung existireu zwei
Arbeiten, die alle darüber gemachten Beobachtungen zusammen fassen.
Auf beide sei ausdrücklich hingewiesen. Die orsterc namentlich,
eine Inaug.-Dissertation von F. llaegelc, Würzburg 1886
referirt ausführlich über alle bis dabin beschriebenen Fälle. Der
Erste, der auf die Affection unter dem Namen < Naevus papillaris»
aufmerksam m: ichte, war Thomson i. .1. 1829- Später als
Haegele’s Arbeit sind ähnliche Fälle von Philippaon 1890
in der Monatsschrift für Dermatologie, von l’ctersen 1892
und 1893 im Archiv für Dermatologie und Syphilis, von Elliot
1893 (Journal of Gut.) beschrieben worden. 1895 erschien aus der
Zweifel’ sehen Klinik die zweite der obougeuauuton resumirenden
Arbeiten von Albcrs-Schönberg, in der Deutschen medic.
Wochenschrift Nr. 22-
In allen Veröffentlichungen handelt es sich um warzige, mehr
ader minder flache oder papilläre, condylomartige Bildungen, Müler,
pigmentirt oder nicht, fast ohne Ausnahme in ihrem Auftreten
luf eine Körperhälfte beschränkt und mit der Eigenthümlichkeit,
sich stets an das Verbreitungsgebiet eines oder mehrerer Haut¬
nerven zu halten. In der überwiegenden Mehrzahl sind sic ange¬
boren , oder aber sie entwickeln sich aus begrenzten Anfängen
später in der gekennzeichneten Weise. G e b e r (vidi* Haegele) sah
die Entstehung nach einem Trauma, Albers-Schönberg gibt
im, dass dieselbe im 7- Lebensjahre seiner Patientin einer acuten
Erkrankung folgte. Beobachtet wurde das Erkrankungsbild an
allen Stellen des Körpers. Die meisten Autoren bezeichnen die
Nerven, deren Ausbreitung der cNaevus» sich anschloss; für einige
Fälle stellt sie Ilaegele fest.
Der Beziehung zum Nervensystem hat man von Anbeginn
nachgespürt und die verschiedenen Namen — nach den mehr
äusserlichen Bezeichn ungen Naevus papillaris (Thomson),
N. verrucosus (Bayer), N. unius lateris (v. Bären¬
sprung): Papilloma neuropathicum (Gerhardt), tro-
phischer Nervennaevus (Simon), N. neuroticus (Neu¬
mann), Papilloma neurotieum (Kaposi) — kehren die
Annahme dieser Beziehung deutlich hervor. Ausser der Locali-
sation hat man indess für diese Annahme keine sichere Handhabe.
Beiläufig werden begleitende neuropathiselic Momente erwähnt.
Local vermochte Albcrs-Schöuberg Hypalgesie zu finden ; seine
Patientin litt in der Jugend übrigens an (halbseitiger.) Chorea.
Eine nervöse Actiologie vermuthet nun v. Recklinghausen
in einer congenitalen, vasomotorische Störungen veranlassenden
Neuritis. Andere (Neisser, Weigert, Lesser) suppomren
für zosterähnliche Erkrankungen einen Ausfall m den hypo¬
thetischen trophischen Nerven und auf dem Boden der consecutiveu
Ernährungsstörung rcactive Entzündungsvorgänge \ eränderungen
an zugehörigen Hautnerven hat man indess nicht finden können.
■I
iuiiaadfcy Google
696
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
Ebensowenig ist bisher der Nachweis eines mikroskopischen
Zusammenhangs der Bildungen mit Nervenelementen
gelungen.
Im äusseren Bilde und topographisch so analog, klinisch
bereits weniger übereinstimmend, sind sich die einzelnen Fälle im
mikroskopisch-anatomischen Befunde sehr unähnlich. In einer
Reihe ist die Cutis wesentlich Sitz chronisch entzündlicher Vor¬
gänge, Bindegewebswucherung mit Gefässdilatation, excessives Aus¬
wachsen der Papillen (Haegele, Gerhardt); in der andern
ist es das Epithel und Rete Malpighi, die hypertrophiren, Pigment
und unter Umständen verhornte Epithelperlen aufweisen (Ger¬
hardt, Albers-Schönberg), wie sie der Ichthyosis congenita
eigenthümlich sind. Eine Gemeinschaft mit letzterer weist in¬
dessen U n n a entschieden ab. Epithelwucherung, Hypcrkeratosc,
eventuell Entzündungserscheinungen, sind die einzigen Charaktere,
die Unna der Affcction (Histopathologie der Hautkrankheiten,
Lehrbuch von Orth) zucrtheilt. Er nennt die Affcction, um
nichts zu präjudiciren, Naevus linearis. Unter diesem Namen
ist dann auch der Peter sen ’ sehe Fall beschrieben, der mikro¬
skopisch eine Knäueldrüsengeschwulst, ein -t Syringadcnom », das
an und für sich an die eigene Localisation nicht gebunden ist,
darstellt. Aehnliches fand Elliot, während sonst überall Knäucl-
und Talgdrüsen als normal befunden wurden.
Leider fördert auch unsere Untersuchung nichts Neues zu
Tage ; der Fall reiht sich früheren an.
Unsere entnommenen Partikel umfassten die Stellen jeweils
in ganzer Breite und Tiefe, theilweise bis in die Musculatur. In
keinem Präparate fand sich in den gewucherten Zonen eine Spur
von Nervenelementen. In einem Teile fanden sich Talgdrüsen in
ziemlicher Entwicklung, in andern fehlten diese. Durchgängig
zeigt sich das Epithel stark hyperplastisch, die Schicht sehr ver¬
breitert , der makroskopischen Configuration entsprechend, das
Stratum Malpighi wuchernd. In das Corium hinein bildet das
Epithel lange, unregelmässige Ausläufer zwischen die Papillen,
zuweilen finden sich kleine Epithelinseln abgeschnürt. Abnorme
Hornbildung ist nicht vorhanden. Gleichfalls hyperplastisch ist
überall das Bindegewebe des Papillarkörpers und Coriums; dabei
zell- und gefässarm.
Die Gefässe sind spärlich entwickelt, unverändert; Lcuko-
cytenherde oder andere Entzündungserscheinungen nirgends sicht¬
bar ; ebensowenig Zellkernmitosen.
Es erübrigt noch, auch bei unserer kleinen Patientin die
Nerven , deren Endausbreitung die Hautaffection sich anschliesst,
zu bezeichnen, was sich in ungezwungener Weise tliun lässt. Es
dürften — man vergleiche Abbildung und Beschreibung — sein :
Vom zweiten Ast des Trigeminus
1. Der Ram. malaris des zygomaticus (Wange),
2. Zweige vom Pes anserinus minor, aus den N. infra-
orbitalis stammend (Oberlippe).
Vom dritten Ast des Trigeminus
1. Der X. auriculo-temporalis, resp. dessen hinterer
Zweig, der die Haut der Ohrmuschel und zum Theil
den äusseren Gehörgang versorgt, und
2- der N. mentalis und alveolaris inf., die sich an
der Versorgung der Haut des Kinns und der Unterlippe,
des Alvcolarrandes und Zahnfleisches mit sensitiven Fasern
betheiligen.
Endlich Hautäste vom dritten und vierten Cervical-
ner ven.
Die Behandlung einer derartigen Affection kann lediglich eine
radicale sein — Excision, eventuell Thermocauterisation. Eine
Wiederkehr ist nach gemachten Beobachtungen kaum zu fürchten.
Eine Weiterentwicklung über die Grenzen des Gutartigen hat man
nicht gesehen, die echt congenitalen Fälle waren fast unveränder¬
lich. Als besonders merkwürdig muss eine von Neumann be¬
richtete Spontanheilung angesehen werden.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Professor Dr. H. v.
Ranke, sage ich an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank
für Ueberlassung des Falles und reichliche Unterstützung.
Zur Behandlung der Angina phlegmonosa s. Periton¬
sillitis abscedens.
Von Dr. J. Killian in Worms.
Die EröfFnung der peritonsillitischen Abscesse bringt deren
Trägern eine so unmittelbare und gründliche Erleichterung, dass
dieser Eingriff zu den dankbarsten gerechnet werden darf. Aller¬
dings pflegen diese Abscesse häufig von selbst aufzubrechen und
abzuheilen. Doch gibt es Fälle, in denen der Durchbruch un¬
liebsam lange auf sich warten lässt, andere, wo er überhaupt
nicht eintritt, ferner solche, wo nach demselben ein ungenügender
Eitcrabfluss stattfindet, so dass die Beschwerden des Kranken zu
keiuem Abschluss gelangen. Senkungen nach dem Unterkieferwinkel
und längs des Kopfnickers, Senkungen der seitlichen Schlundwand
entlang und Bildung tiefer parapharyngealer Abscesse sind nicht
so ganz selten. Auch liegen Berichte über Eitersenkungen nach
dem Mediastinum und der Pleura, Uber gefährliche, ja selbst
tödtliche Blutungen in Folge Arrosion grösserer Arterien, über
schwere pyaemische Zustände und über Todesfälle durch Erstickung
in Folge peritonsillitischer Abscesse vor. Diese ganze Reihe von
Thatsachen dürfte wohl die meisten Fachgenossen bestimmen, die
künstliche Eröffnung der peritonsillitischen Abscesse und zwar recht
frühzeitig anzustreben. Der Sitz derselben ist ein ganz typischer.
Es ist die Gegend nach aussen und oben von der Gaumenmandel,
eine Oertlichkeit, welche nach innen und unten an den obersten
Theil der Mandelnische angrenzt, da, wo die beiden Gaumenbögen,
der vordere mit dem hinteren, den bekannten Spitzbogen bilden
d. i. die Fossa supratonsillaris. Man kann sich diese am besten
zur Ansicht bringen, wenn man die Zunge weit vorstrecken und
festhalten lässt, den Zungenrücken mit dem Spatel niederdrückt,
den Mundwinkel der anderen Seite nach hinten abzieht, den Kopf
etwas nach der Schulter der kranken Seite beugen und gleichzeitig
das Kinn nach derselben drehen lässt. Allerdings muss man bei
stärkerer Kieferklemme auf das Vorstrecken der Zunge oft ver¬
zichten und sich auf das Niederdrücken des Zungenrückens be¬
schränken. Die Fossa supratonsillaris pflegt nun bei dem in Rede
stehenden Leiden zu verstreichen, ja es tritt an ihre Stelle oft
eine nach innen convexe Hervorwölbung. Die obersten Theile der
Gaumenbögen sind in der Richtung von vorn nach hinten aus¬
einandergedrängt und wie das Zäpfchen roth, geschwollen, oedematös;
die Gaumenmandel selbst ist in der Regel nach innen und unten
verdrängt. Hat der Abscess eine gewisse Höhe der Entwicklung
erreicht, so sieht man den vorderen Gaumenbogen in seinem
obersten Abschnitte und den angrenzenden Theil des Gaumensegels
halbkugelig vorgewölbt. So hat man denn ganz den Eindruck,
als dringe das entzündliche Infiltrat und der gebildete Eiter wie
ein Keil von aussen nach innen in das Gaumensegel vor mit
dem Bestreben, dasselbe in zwei Lamellen, eine vordere und eine
hintere, welche gleichsam die Fortsetzung der beiden Gaumenbögen
darstellen, zu spalten. Schwieriger ist es, zu ermitteln, wie weit
der Abscess nach aussen reicht. Nach der herrschenden Anschauung
entpricht derselbe dem Spatium pharyngo-maxillare. Dringt man
von der Fossa supratonsillaris, also über dem oberen Rande der
Gaumenmandel, horizontal nach aussen, so kommt man der Reihe
nach durch die Schleimhaut, den oberen Schlundschnürer, die
Fascia bucco - pharyngea hindurch auf den Musculus pterygoideus
internus. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass dieser Muskel die
äussere Grenze der Phlegmone bildet. Die grossen Gefässe und
Nerven liegen weiter nach hinten. Alle Autoren geben an, dass
der peritonsillitischc Abscess durch den hinteren Gaumenbogen und
durch die Mandel durchbrechen kann, dass aber dieser Spontan¬
durchbruch am häufigsten durch den vorderen Gaumenbogen erfolge.
•Jedenfalls ist letzterer Vorgang am sinnfälligsten und wohl der
Grund, warum allgemein empfohlen wird, die Incision des peri¬
tonsillitischen Abscesses durch den vorderen Gaumenbogen hindurch
zu machen, etwa einen Centimeter über seinem freien Rande, ent¬
sprechend der Mitte seiner Breitenausdehnung. Wenn der Abscess
sich der Schleimhaut an dieser Stelle soweit genähert hat, dass
inan eine schwappende Lücke im infiltrirten Gewebe fühlt oder
gar den Eiter durchschimmern sicht, so erreicht man ihn von
hier aus durch einen seichten Einschnitt. Oft ist dies aber keines¬
wegs der Fall, und dann wird empfohlen, 1—2 cm tief einzu-
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28. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
697
sohneiden, wobei nicht verschwiegen wird, dass der Abscess auch
dann leicht verfehlt werden kann. Mehrere eigene Beobachtungen
Hessen mich den Spontandurchbruch pcritonsillitischer Absccssc durch
die Fossa supratonsillaris hindurch mit aller Schärfe verfolgen. Es
waren dies Fälle, in welchen trotz des Durchbruchs die Schmerzen
andauerten, die Schwellung nicht zurückging und die Kranken
durch fortwährendes Aussickern jauchigen Eiters auch in dieser
Hinsicht sehr belästigt wurden. Durch Druck auf die Mandel,
Eingehen mit der Sonde in die PerforationsöfFnung Hessen sich
die Verhältnisse deutlich feststellen. Um günstigeren Eiterabfluss
zu schaffen, drang ich mit einer feineren Kornzangc in die Ocff-
nung ein und erweiterte sie stumpf, ein Vorgehen, welches rasch
zum Ziele führte. Diese Erfahrungen veranlassten mich, die Sache
weiter zu verfolgen, und so kam ich zu dem Ergebniss, dass der
periton8illitische Abscess, der sich selbst überlassen, bald durch
den vorderen, bald durch den hinteren Gaumenbogen durchbricht,
am sichersten zwischen beiden, d. i. von der Fossa supratonsillaris
aus erreicht wird, und dass von hier aus die anatomischen Ver¬
hältnisse die leichteste Annäherung an den Krankheitsherd gestatten.
Denn wenn es sich, wie in diesem Falle, darum handelt, an die
laterale Seite der Gaumenmandel vorzudringeu, so muss die Um¬
gehung ihres oberen Randes der gangbarste Weg sein. Demgemäss
habe ich denn auch in den letzten Jahren folgendes Vorgehen
ausschliesslich geübt: Nach vorheriger Cocainisirung führe ich
eine dicke, starre Sonde in die Fossa supratonsillaris ein und
dringe tastend nach aussen und leicht nach oben vor. Ein »lässiger
Druck genügt oft, um durch das morsche Gewebe hindurch in
den Abscess zu gelangen. Quillt Eiter neben der Sonde hervor,
so gehe ich mit der geschlossenen Kornzange nochmals ein und
erweitere in der Richtung von oben nach unten durch Oeffnen
des Instruments. So wird eine recht gründliche Eiterentleerung
erreicht. An den beiden nächsten Tagen führe ich die Kornzange
noch ein Mal ein und lasse ausserdem in der üblichen Weise
gurgeln. Da bei dem Verfahren kein schneidendes Werkzeug zur
Anwendung kommt, so lässt es sich auch bei messerscheuen
Patienten anwenden. Gegen eine Sondirnng haben auch solche
gewöhnlich nichts einzuwenden, und fliesst einmal Eiter aus, so
ist von ihnen die Erlaubnis zu einer stumpfen Erweiterung der
Oeffnung meist leicht zu erlangen. Reicht der Abscess weit nach
unten, so kann man in ähnlicher Weise quer durch die .Mandel
hindurch Vorgehen, deren Gewebe dabei oft äusserst morsch und
brüchig gefunden wird.
Ein neuer Blutdruckmesser für die ärztliche Praxis.
Von Dr. A. Hoepfl, prakt. und Knappschaftsarzt in Hausham.
Um die Arterienspannung am Menschen zu beurtheilen, hat
man von Alters her sich des Fingerdruckes bedient und die be¬
treffende Pulsqualität in den Bezeichnungen des Pulsus durus und
moIHs ausgedrückt.
Diese von jedem Arzte täglich ausgeübte einfache Unter¬
suchungsmethode leidet, so werthvoll sie natürlich ist und ein so
feines Messorgan ein geübter Finger darstellt, vor Allem an dem
Mangel, keine in Zahlen ausdrückbarcn und vergleichbaren Resultate
zu geben, wie dies sowohl bei der Beobachtung von Erkrankungen
an sich, als auch zur Beurtheilung von physiologischen und thera¬
peutischen Einwirkungen auf die Circulationsvcrhältnisse wüuschens-
werth ist.
Es lag desshalb das Bestreben nahe, den Fingerdruck, welcher
zur Unterdrückung eines Arterienpulses nothwendig ist, durch
Einschaltung eines Messapparates zwischen I inger und Arterie in
Zahlen anzugeben.
v. Basch, welcher auch den Nachweis geliefert hat, dass
der in dieser Weise ausgeübte Druck dem mittleren Blutdrucke
in der betreffenden Arterie annähernd gleich ist, hat zu dem
genannten Zwecke einen Apparat construirt, bei welchem eine mit
einem Anaeroid verbundene Gummihohlkugel zwischen den Finger
und die Arterie eingefügt wird. Die Cumpression der Luft in
der Hohlkugel wirkt auf das Aneroid durch einen angefügten,
‘) Münch, med. Wochenschrift 1894, No. 43.
No. 30.
mit dem letzteren luftdicht zu verbindenden Gummischlauch. Der
ausgeübte Druck wird in mm Quecksilber abgelcsen.
Dieses geistvoll erdachte Instrument ist bis jetzt das einzige,
welches in der Praxis Eingang gefunden hat.
Was seiner allgemeineren Verbreitung im Wege stand, ist
wohl vor Allem sein etwas höherer Preis (30 M.), wie ihn die
geschilderte Construction bedingt.
Durch Anwendung des Principes der Federwaage schien es
mir möglich, denselben Zweck in weit einfacherer Weise und
desshalb mit geringeren Kosten zu erreichen. Don nächsten Anlass
zur Ausführung des betreffenden Instrumentes, dessen Idee mir
schon früher vorgeschweht hatte, gab mir v. Ziemssen’s be¬
deutender Vortrag über die Wichtigkeit der Blutdruckmessung ')
gelegentlich des internationalen medicinischen Congresses in Wien
im Jahre I 894.
Beifolgende Abbildung, welche das Instrument in der An¬
sicht von vorne und von rückwärts zeigt, genügt wohl, von dem¬
selben eine Vorstellung zu geben.
Der unten offene bewegliche C'ylindcr a umschlicsst eine auf
dem Boden des umhüllenden Cylinders aufruhende stählerne Spiral¬
feder. Belastung der oberen
Fläche des ersteren Cylinders
comprimirt die Feder, und zwar
entspricht natürlich einem ge¬
wissen Gewichte jedesmal die
gleiche Verkürzung. Die Ver¬
kürzung der Feder setzt mittels
eines im Apparate eingeschlos-
senen Zahnrades einen Zeiger in
Umdrehung, so dass sie, resp.
der ihr entsprechende Druck,
auf einem empirisch fcstgcstcll-
tcu Zifferblatte abgelcsen werden
kann. Die Scala des letzteren zeigt
10 zu 10 g von 55—500 g.
Bei der Anwendung des Instrumentes wird zuerst die passendste
Stelle der betreffenden Arterie, entweder der Temporalis oder meist,
weil viel bequemer, der Radialis ermittelt, bei letzterer jene, welche
am oberflächlichsten auf dem unteren Ende des Radius auflicgt.
Bei dem geringen Umfange der Grundfläche des Instrumentes
ist es leicht möglich, diese Partie der letzteren Arterie in ihrem
centralen Thcile durch das senkrecht aufgesetzte Instrument zu
compriiniren und ihren peripheren zu befühlen. Zu empfehlen
ist hiebei, dass der Vorderarm des zu Untersuchenden waagrecht
in Supination, die Volarfläche der Hand nach oben, gehalten wird.
Das Handgelenk soll in Streckstellung sein, das untere Finde des
Vorderarmes ruht am besten auf einer Unterlage, während die
Hand frei herabhängt.
Fis wird nun auf den Cvlinder a des Instrumentes so lange
mittels des Zeigefingers der einen Hand gedrückt, bis der die
unmittelbare Fortsetzung der Arterie befühlende Zeigefinger der
anderen Hand keinen Puls mehr fühlt. Der Ausschlag des Zeigers
gibt den ausgeübten Druck in Grammen an.
Den Boden des Instrumentes bildet eine mit Glycerin gefüllte
Gummiblase, deren untere Kuppe möglichst auf die Mitte der
Arterie aufgesetzt werden soll.
Um einen allcnfallsigcn rückläufigen, von einer Collateralartcric
herstammenden Puls auszuschalten, wird der befühlende Finger in
der Weise aufgelegt, wie es v. Basch für den Gebrauch seines
Sphygmomanometers empfiehlt. Die Fingerspitze ist gegen das
Instrument gerichtet, die Volarfläche des Fingergliedes drückt so
fest auf die Fortsetzung der Arterie, dass ein allenfallsiger
recurrirendcr Puls dadurch unterdrückt wird; zum Fühlen wird
nur die Fingerspitze verwendet.
Natürlich kann dieses Instrument, wie auch das v. Basch sehe,
die absolute Grösse des Blutdruckes insofern nicht ganz genau
angeben, als von dem gefundenen Werthe ein gewisser Bruchthcil
auf Rechnung des individuell verschiedenen Widerstandes der Ar¬
terienwand zu setzen ist. Doch ist dies für die Verhältnisse der
Praxis nicht von Bedeutung, da diese unbekannte Grösse, abgesehen
allenfalls von atheromatös entarteten Arterien, gegenüber dem
Blutdruck in der Arterie nicht ausschlaggebend und ausserdem
2
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MCSCHENgB WDICggc™ WOCgENSCgRgT.
No. 30.
für den praktischen Arzt der Vergleich der an ein und derselben
Person erhaltenen Resultate das Wichtigste r ^ chsencr gefundenen
Die an den IUdialartenen gesunder Erwachsener g
Werthe schwanken von ca. 120—200 g, a " 100 _l 15 o un „
»Chon Instrument« nach »gestellten Vorgtacl.cn ca. 100
Quecksilber entspricht. ,.
Diese an der Radialis angestellten Vergleiche ciga
beiden Instrumente ungefähr folgendes Urrelat.
100 g = 80 mm i
120 „ = 100 ” Das raschere Wachsen der Zahlen 1
130—40 g =110 i )e i meinem Instrumente hängt mit (
150 g = 120 „ der Vergrösserung der Druckflüche )
180 „ =140,, bei zunehmendem Drucke zusammen. i
200 „ = 150 ”
_ 1 .7 0
260 In einzelnen Füllen’tratcn allerdings, iedenfalls in Folge der
Verschiedenheit de, *"*“**.
—
^ntttr m“n oft sehr hnrzen etarhuehlieh
rrrsÄWir
“; Lage der Arterie, mehr auf die anliegenden Wcchthcde.
Für vergleichende Messungen an ein »ml
wie gesagt, immer das Wichtigste bleiben, ' «•
nicht in's Gewicht und ausserdem bietet ja in solchen a .
Tcmporalis günstigere Verhältnisse. Somit möchte ich diesen Um
stend nicht als einen Nachtheil des v. Bascli'schen Instrumentes
bezeichnen - doch‘genügt er zur Erklärung der erwähnten Ah-
weichungen. , , .
An der Radialis kommen so niedere Werthe, dass der Beginn
der Scala mit 55 g, i. e. das Gewicht des Instrumentes, störend |
werden könnte, nicht vor, dagegen nicht selten an der Jcm,«^
In solchen Fällen ist es nothwendrg, den^geü^n Druck auf
eine grössere Fläche zu vertlicilcn. Zu diesem Zwicke kge ic
auf die betreffende Stelle dieser Arterie, deren ^;
Knochenunterlage dies gestattet, eine runde KorkpUtte vm bc
stimmten Durchmesser, welche in der Mitte ihrer oberen llado
eine Vertiefung zum Aufsetzen des Instrumentes hat. Be Be¬
nutzung einer derartigen Scheibe von 1,3 cm Durchmesser ist der
niedrigste zur Unterdrückung der Tcmporalis nothige Druck i rca
90 g, entsprechend etwa 45 min Basch, und ergibt sich auch
weiterhin in den Resultaten der beiden Instrumente ungefähr das
Verhältniss 2:1. . , ,,
Die Anwendung meines Instrumentes ist, wie aus dem Ge¬
sagten ersichtlich, ungemein einfach und wenig zeitraubend. Doch
6 . . ^ . i::—lJ/icnltato HrinFmin.
Das raschere Wachsen der Zahlen
bei meinem Instrumente hängt mit
der Vergrösserung der Druckfläche
bei zunehmendem Drucke zusammen.
. , Namen der Commissionsmitglieder, von welchen die
s ,nd die Namen ^ ^ kurz bezeichuen wollen — herrühren,
«Ergebnisse» bekannt. Wer jedoch die Rcform-
nicht oder nie i vo^s ^ p rü fungen und des
bestrebungen . letzten 10 Jahren verfolgt hat,
incdicinischcn Un Reformplanes leicht erkennen, auch
wird die U**- u "T ortodcn „f den. I«.
wenn er nicht aus de früheren Mitglieder der Com-
Aerztetage von Ziemssen
TdTr“ blor und. »n den neuesten üerathungen tbeilgen.mmen
und Kranie > , Entwurfs sind die
haben. D.o 7“^" . V " r t csa “ mtll »i.. Sic haben n.it
1 ^—ä, s s r sä
- iÄrr-r tv..
püllsp
Ä SM
T » S ntrcnC rt Vcrta»^n lassen aich aber den. bisherigen
bt-TsÄtsiSgiS
. verschlüge ist die Eraiclnng einer
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c “ÄÄÄÄÄ
: 1-
■a das kranke Publikum, so auch die Aer«eund d. C
h lehrcr, mit den . Ergcbn.aacn » aufneden sem
iS der Fall ist, wenn man sogar schon manche aMUl ge W™
und encrgischen Widerspruch hört, und wenn .et^ selbst mch^
e- einzelnen Punkten wichtige Bedenken hege so lg
* — *- H- ZJ5.JU
und wenig s.itranbcnd, «och nicht daran, dass jener ™Ir MedtaT n^rcctandc5urch
cmpfiehl^'cs sich nur Erhaltung verlüasiger KeaulUtc dringend liebere, dem ^ c n d i g^ch wen’» sie erheblich,
A^rir. lodpsmal trenau an der gleichen, am besten durch bildung des Ar . Staates und seine:
empfiehlt cs sich zur r J ruaitu.. fi - V ,
die Artarie jedesmal genau an der gleichen, am besten durch
Lapis zu markirenden Stelle zu comprimireu, ferner die Messung
mehrmals auszuführen und das niedrigste Resultat als das richtige
zu betrachten. Zu hohe Resultate werden leicht dadurch erhalten,
dass die Arterie seitlich getroffen wird. .
Die Instrumente werden von der Firma Falter & Sohn in
München in anerkennenswerth solider und eleganter Form gefertigt
und sind von derselben, sowie von den Instrunientcngesehäften
Katsch und »tiefenhofer in München um den 1 reis von
15 M. erhältlich. Gebrauchsanweisung liegt jedem Exemplare bei. |
Die bisher n*t dem Instrumente gemachten Beobachtungen
behalte ich mir vor demnächst zu veröffentlichen.
Feuilleton.
Ueber den Entwurf einer neuen Prüfungsordnung.
Von Professor F. Penxoldt in Erlangen.
Endlich liegt ein Plan für die dringend nüthige und laug
ersehnte Revision der mcdicinischcn Prüfungen vor. Die «Ergebnisse
der commissarischen Berathungen über die Revision» sind vom Reichs¬
kanzler den Bundesregierungen zugestellt und von diesen den V acul-
täten und Acrztekammern zur Aeusserung vorgelegt worden. Leider
lichere, dem gegenwärtigen ötanue crhe bliche
bildung des Arztes ist nothwen lg, auc Staate8 und seiner
Opfer von Seiten der Studirendcu einer- und de S ^L htliche E r-
Lchrkräfte andererseita fordert. Dass aber di
schwerung und Verteuerung des medicimschen Studiums
diesem abhalten und die Zahl der A «^ dauCr “ d ist der
rwÄÄtl." Ergebnissen »zu BJJ»^
lass geben kann, ist nach meiner Meinung der vielfach
reichende Nachweis der Ausführbarkeit un cllUjn
eingehende Schilderung der Ausführung,sweisc de g
Vorschläge. Man geht wohl kaum fehl, wenn S tne auch
Unterlassungen die wohlmeinende und in gewi J Ge .
begründete Absicht der Commission erblickt, die a lg
siohtspunkte vorläufig nicht durch allzu reichli » laubt au s
ungen erdrücken und verdunkeln zu lassen. Ja - ? hen ßc-
vielcn Stellen der «Ergebnisse» deutlich den b der
rathungen üblichen Ausdruck herauszuhören: «Das - ^
Ausführung». Aber für Denjenigen, der sich m de G ^
gang der neuen Vorschläge noch nicht völlig bine
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O lal
28. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
699
wäre eine eingehendere Darstellung der Ausführung im Einzelnen
und eine ausgedehntere Motivirnng doch sehr wünschenswert!).
Vielleicht tragen die folgenden Zeilen gerade in den Punkten,
in welchen man meines Erachtens dem Entwurf zustimmen muss,
etwas zur Ergänzung dieser erwähnten Lücken bei. An den
wenigen Stellen, an denen ich anderer Meinung bin, erlaube ich
mir, kurz meine Einwiinde darzulegen. Im Ganzen sollen, um
nicht zu breit zu werden, nur die Hauptpunkte einer Betrachtung
unterzogen werden.
Die Zweitheilung der Prüfung. Diese «Zwei¬
theilung », in Vorprüfung und Prüfung, darf man nach der bis¬
herigen Erfahrung als bewährt anseben. Auch in der Schweiz
(Verordnung von 1K80) hat sich dieselbe, und zwar mit dem von
den «Ergebnissen» geforderten gründlicheren Examen in Anatomie
und Physiologie bei der Vorprüfung (vgl. folgenden Abschnitt)
entschieden bewährt. Es wäre allerdings denkbar, dass die von
verschiedenen Seiten vorgeschlagene D r c i t h e i 1 u u g in die
naturwissenschaftliche (im 3. oder 4- Semester), die anatomisch-
physiologische (im 5.) und die ärztliche Prüfung (Ende des 10.)
gewisse Vorzüge haben könnte. Sie würde vielleicht den Nutzen
stiften, die Spidircnden von zu grossen Unregelmässigkeiten im
Studiengang und dem allzu leichtsinnigen Verbummeln der ersten
Semester etwas mehr als bisher abzuhalten. Aber es ist zu
fürchten, dass die verschiedenen naturwissenschaftlichen Fächer
immer mehr getrennt von einander studirt werden und dass der
innere Zusammenhang derselben für den Lernenden zu sehr gelockert
geht. Schliesslich führt dio Dreithcilung in ihrer letzten Coilse-
quenz zu den Semestralprüfungen, welche als eine allzu schulmässige
Beschränkung der Freiheit des Studiums wohl nicht entbehren
können. In dieser Frage dürfte jedoch dem Urtheil der Anatomen und
Physiologen eine entscheidende Bedeutung beigelcgt werden müssen.
Stellung der Anatomie und Physiologie. Ueber
die Stellung der Anatomie und Physiologie in den beiden Prüfungen
dagegen fallen ausser den Ansichten der Fachmänner die der Prak¬
tiker schwer ins Gewicht. Mit dein (in der Anlage A eingehend
erläuterten) Vorschlag der « Ergebnisse » , den Schwerpunkt des
anatomisch-physiologischen Examens in die Vorprüfung zu verlegen,
kann man sich nur einverstanden erklären. Wer, wie Verfasser,
lange Zeit physikalisch-diagnostische Chirac gegeben hat, der weiss,
dass er so gut wie alle in Betracht kommenden Gebiete der topo¬
graphischen Brust- und Unterleibsanatomie und der Athmungs-
und Kreislauf-Physiologie neu lehren musste. Und die grösste
Unwissenheit in anatomischen und physiologischen Dingen beim
Prakticiren in der Klinik ist bei der jetzigen Handhabung der
Vorprüfung leider keine Seltenheit. Ueber den ausserordentlichen
Nutzen dieses Vorschlags, im Zusammenhang mit der von den
Landesregierungen zu erlassenden Bestimmung, dass vor dem völligen
Bestehen der Vorprüfung keine praktisch - klinischen Vorlesungen
besucht werden dürfen, braucht mau vom Standpunkte des Prak¬
tikers kein Wort zu verlieren.
Dagegen lässt die Beibehaltung der Anatomie und Physiologie
in der ärztlichen Prüfung, wenn dieselben auch nur «repetitorisch»
behandelt werden sollen, (I, 1. III- c und Anlage B der Ergeb¬
nisse) einen Einwand zu. Die klinischen Examinatoren haben
wohl ohne Ausnahme die praevalirende (Stellung der A. und Ph.
in der bisherigen Prüfungsordnung bedauert. Die Vorbereitungen
für die A. und Ph., d. h. der Hauptsache nach das Auswendig¬
lernen nahm, wie ich mich wiederholt überzeugte, die Caudidaten
vor dem Beginn der Prüfung auf viele Monate in Anspruch.
Dio Folge war vielfach, wie mich ein Vergleich der Leistungen
desselben Mediciners als Praktikant in der Poliklinik und dann als
Examinand oft ganz deutlich wahrnehmen Hess, ein Vergessen
der klinischen Kenntnisse und vor Allem ein Verlernen der Unter-
suchungstechnik in Folge des Mangels an Uebung. Was aber
das Schlimmste war: die anatomischen Kenntnisse z. B. zeigten
sich trotz Bestehens der anatomischen Prüfung nicht selten als
für klinische Zwecke ungenügend und zuweilen mussten die
Candidaten gerade aus diesem Grunde fallen. Die Schädigung
der klinischen Prüfungsergebnisse durch allzu hohe Anforderungen
seitens der A. und Ph. wird ja nun durch den neuen Vorschlag
der «Ergebnisse» entschieden verringert; ob sic jedoch ganz be¬
seitigt wird, möchte ich bezweifeln. Denn solange die beiden
Gebiete in ihrer ganzen Ausdehnung (z. B. gesammtc Physiologie
und physiologische Chemie) von Fachleuten geprüft werden, so
ist eine grössere Schwierigkeit der Prüfung uhd die Nothwendig-
keit einer sehr eingehenden Vorbereitung trotz des «cursorischen»
Charakters des Examens nicht ausgeschlossen. Vor allen Dingen
erscheint mir aber eine Wiederholung der A. und Ph. in der ärzt¬
lichen Prüfung selbst in der geplanten milderen Form nicht noth-
wendig. Dies geht meines Erachtens gerade aus den Er¬
läuterungen der «Ergebnisse» in der Anlage B selbst
am deutlichsten hervor. «Es ist festzustellen, dass der
Candidat die in der Vorprüfung nachgewiesenen Kenntnisse und
Fertigkeiten festgehalten und während der klinischen Studien zu
verwerthen gelernt hat.» Dies festzustellen dürfte Niemand ge¬
eigneter sein, als die übrigen Examinatoren der ärztlichen Prüfung.
Welcher Chirurg, welcher der anderen Kliniker, weloher pathologische
Anatom, Pharmakolog, Hygieniker kann denn überhaupt gewissen¬
haft prüfen, ohne auf Schritt und Tritt sich über die praktisch
wichtigen anatomischen und physiologischen Kenntnisse des Can¬
didaten zu inforinircn, ebenso wie er sich von dem physikalischen
und chemischen Wissen desselben zu überzeugen hat? Auch
könnten die klinischen Examinatoren noch durch eine besondere
Bestimmung auf die eingehende Berücksichtigung der
A. und Ph. hingewiesen werden. Eine besondere anatomische
und physiologische Prüfung ist demnach überflüssig. Um jedoch zu
verhüten, dass der Mcdicincr nach erledigter Vorprüfung die Stätten
ernster Forschung ganz meidet, dürfte cs sich vielleicht empfehlen,
unter die Zulassungsbedingungen zur ärztlichen Prüfung noch
folgende, während der klinischen Studien zu erwerbende Prakti¬
kantenscheine aufzunehmen: den Nachweis regelmässigen und er¬
folgreichen Besuchs eines 3stündigcn topographisch-
anatomischen Curscs und eines physiologischen
Prakticums bezw. Colloquiums. Da diese Vorlesungen
von den fleissigen Medicinern auch ohne Zwang schon jetzt regel¬
mässig frequentirt werden, so dürfte, trotz der erhöhten Zahl
von neuerdings geforderten Praktikantenscheinen (s. später), die Zeit
der klinischen Semester doch ausreichen.
Bezüglich der Physiologie und des Vorschlags, dieselbe aus
der ärztlichen Prüfung wegzulassen, kann ein vom idealen Stand¬
punkt berechtigter Einwand nicht unberücksichtigt bleiben. Es
ist ganz unmöglich, von einem Mediciner im 5. Semester ein
ausreichendes Veretändniss für diese schwierige Disciplin zu ver¬
langen. Dieses geht, wenn überhaupt, so erst nach Absolvirung der
klinischen Studien dem jungen Arzte auf. Er wäre daher gewiss
wünschenswerth, zur Erzielung einer gedeihlichen Wechselwirkung
zwischen normaler und pathologischer Physiologie eine eingehende
Beschäftigung mit ersterer auch vor der ärztlichen Prüfung durch
ein eigenes Examen zu verlangen. Wenn man diesem Einwand mehr
Gewicht beilegt, als dem ineinigen, und für Beibehaltung der Physio¬
logie in der 2. Prüfung ist, so muss man zugeben, dass derselbe
für die Anatomie gewiss nicht zutrifft. Die anatomische Prüfung
wird unter allen Umständen ein erneutes Auswendiglernen der zahl¬
losen Namen zur Folge haben, welche leider noch immer den grössten
Raum in unserem anatomischen Unterricht einnehmen. Ein solches
mechanisches Einpauken wird aber Niemand wünschen; denn es
muss dasselbe, wie oben ausgeführt wurde, den klinischen Kennt¬
nissen mehr schaden als nützen. Eine mündliche Prüfung in der
Physiologie wird seit 1880 in der medicinischen Facbprüfung der
Schweiz verlangt, nicht jedoch in der Anatomie. Wenn mau also
eines der beiden Fächer in der ärztlichen Prüfung beibehalten wollte,
so müsste dies die Physiologie, und nicht die Anatomie sem
Das 10. Semester. Die Verlängerung des medicinischen
Studiums, welche die «Ergebnisse» fordern, ist eine Verbesserung,
welche man gern annehmen wird. Dauerte doch die Studienzeit
schon bisher thatsächlich länger, indem sie z. B. in den Jahren
1880 _1S88 für die Mediciner auf preussischcn Hochschulen
durchschnittlich 12 Semester betrug. In ausserdeutschen Staaten
beträgt sie schon jetzt mehr als im deutschen Reich: In Oester¬
reich mindestens 5, in Frankreich 5—6, der Schweiz, Holland,
Italien 6, in Belgien 7 Jahre, in Schweden und Dänemark noch
mehr. (Guttstadt.)
Das zugelcgte Semester kommt bei Einhaltung der obligatorischen
Termine den Vorstudien zu gute (Ablegung der Vorprüfung Ende
des 5-, statt 4. Semesters), nicht den klinischen Studien, wie
eine einfache Berechnung ergibt (vgl. B. S. Schnitze Jena,
Mein Votum etc. Berlin 1896 )
1. Bisherige Prüfungsordnung: a) Studienbegiun Ostern,
Vorprüfung Ende 4., nach 4 Semestern zwar 4 klinische, aber noch
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MfT KrmmEB MEDiciNisoia jwocgsgorogr
No. 30.
70 0 ____-- durchfallen und doch die Gesammtnote II
--—- ~Hfifihälb^TklinischeBSemester in mehreren Fächern vorkomm t Im Interesse der Einheit-
tSSrSrX'X:
sogar ein Sechstes. mDatprn au8Z ukommen hatten bisher also n ote HI erha -„„„ben werden, wie es mit den Ent-
Mit 4 klinischen Semestern au , . j hre y or p r üfung be- strengere Vorschriften gegen tr_ Q „k},pit 7u halten
SndeT h nur n so M d« künftig^beginSen^vcSuell Gklini- g XeX ’ Die gewissenhaften ^
SSÄ a « “ r “ f “" 8 “ *
'"“Xraus echt — die No«« «in« B— * «» crW L> krank.zu sein, rtS.7^
hervor, das» d» Approbatlonsp^ U“8 >■ h de|] «jjjrgobnämen» haften. ''' e «h® ™b„endig!da”» die Prüfungscoinmissioncn bei
jahrbegonnen werden dar , eine Verfügung nothw J jährlichen Zahl von Examinanden
nicht die Rede ist. Verkürzung der fünf Uebcrschreitung ein andliche Prüfung vorausgesetzt, sind
Vor Allem muss aber jede e g ijjt dcsg . vervielfacht werden, hme g h un „ nach die klinischen
klinischen Studicnsemester ganz ™ s « esc ““ 8C H ,,bj.hr des bei 80 Candidaten pro„nd^werden e. aueh trotz der
kalb eine B-.in.mnng noftwendrg da« 11 , . der E-i— £ “fi Ah.ebni.te künftig sein.
Militärdienstes m t de,^ Waffe n. M die « herabgesetztenDäner de Zeit nnd der Os.er-
haib eine Bes.nnmnng notoend.g, .nass (J d6t B»—Abschnitte künftig sein.
“ÄCnecbnet^i^^ t CÄ nach
"n Ä.”k. Studienzeit «1», angerechnet dh«ah, -“dfÄ—«
nicht in die klinische Stnd.enze.o --- jedenfalls ist die öetahr Universum
„erden darf. „achgewiesen haben, eine thatsücbliehe die Gründhcli “ w " sic h d ie Candidaten auch über den Mangel
VerlTnngd» 24^^ -J
Ä »ird S aoeh «5*^ —JL T Ä —en^a^n «Es tnrd sich
prüften, d. i. b & Vorprüfung man doch Um-> ■ ‘“Idakermpfchlen, die
airr - m- -* t*r*"Ti?v2^ r - >-
Die Bestimmung^ wclche^d'e .fErge^msse^sei y^^ Candito m. Jahre verdoppln. ^ ^ PraWkantnm
regierungen -»» , ; . . _ Vrwnrüfnne angenommen „erden ^ ^ ^ b en medieinischen
...ss-Är:=5: ssS—bi'ass
bestand sich mit Note III begnügen musste, « ... Unterrichtszweige in Wahrnem mem, um — ~ um
^ zum ersten Mal in mehreren Fächern durchfiel , £**>*£ Anforderungen nach der Richtung der Spmah^n , sond ^
oder mehrfache Wiederholung einzelner l'ächer schliesslich die cine grüu dlichere Vertiefung. Dm lorderug ^
Gesammtnote II oder gar I erzielen konnte. ^as aber “c weises aus dcr ^‘^ cini8C ^ 1 ' oh J lin, ^ ^ 1 i^ r dichte, als dass
Erachtens unbedingt nothwendig ist, das ist eine Beschränkung Syphilisklinik oder Poliklinik wünscht weiter ten
nach oben, d. i. die Feststellung einer Grenze des Studiums, diese allseitig schon lange als nothwendig »n
nacn OU , . Vnmriifune nicht hinaus gc- “ Cl . *.«rriehts in der medicmiscnen
Erachtens unbedingt nothwendig ist, das »st eine e sc u . ... a Qnd g hiliskIinik oder PoliküniK wuc» anerkannten
nach oben, d. i. die Feststellung einer Grenze des Studiums, diese allseitig schon lange als nothwendig an
über welche die Erledigung der Vorprüfung nicht hinaus ge- „ ngen d cs Unterrichts » der ja
schoben werden darf. Die bisherigen Bestimmungen enthalten chirurgiscljen Klinik benutzt. Der klinischeX ™Bildung des
darüber nichts, nnd dieser Mangel kam nur den Faulen und noch dcn jgerten Ansprüchen an die P^^che A b 1
dazu den bemittelten Faulen zu Gute Dispensirungsrecht Ar2teg und ^ orhöhtcn Medicinerzahl onmoghd^ mehr ^
müsste natürlich für besondere Fälle Vorbehalten bleiben. Unterweisung in allen comphcirteren undjchw g
Aerztliclic Prüfung. Die unleugbaren Vorzüge der guclluIlg8 . und Behandlungsmethoden und
neuen Vorschläge werden im Einzelnen beleuchtet werden Von ^ d en Universitäten, an denen die genannten Sp ffende
allgemeinen Punkten, welche Beachtung verdient hätten aber bis ^ bestehen, den Hauptkhmken das b.et ^
jetzt nicht gefunden haben, seien drei hcnwhohen hrs e" 8 Material an Kranken naturgem... ^Erweiterung
muss die Ce n sur e n er thei 1 un g, von der die « Ergebnisse . aufgesucht werden, wo es zu finden ist. Eine E
gar nicht sprechen, eingehend geregeH werden. Vor Albm, Anforderungen, welche die «Ergebn»sej Vor^^
die Wichtigkeit der verschiedenen Facher genau ahzuwägen und ^ dem p rakt ikantenschein an der LrenUmik nnd de
eine gerechtere Hestimmungsart für die Gesammtnote mnzululuu . ^ ^ ow ^ Nasen Uimk bestehen. ÜA« ' ™ ^ j.
Indem ich auf diese Details hier nicht «gehen kann verweise wendigkeit der Aufnahme dieser beiden Unternchtsgeg
ich auf die sehr beaohtedBwerthe Abhandlung von v Kries (zur -—— d in der Schweiz seit 1880
„,.,,,nisat. d. ärztl. Prüfung. Freiburg 1893 8. 33). Unbeding .) Polemik und Psychiatrie sind
muss aber die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass Jemand I obligatorisch.
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28. Juli 18Ö6.
die Vorbedingungen nur Prüfung und die Prüfung sclb , t
ÄL\riktr n w bin ' J * d r" ■- oinTcZn.
al,er . d,C Ans ' >rüchc ;ln die Praktikanten, auf «rund
«esehratbtwT Wörien » nicht ctwa «nnütl.ig hinauf-
geschraubt werden können und damit die Zeit d,„. n;„; 1
ST,“ das — Semester) Ä tÜ^
s.nd nahe r e B e s t. m m u » g e n nötl.ig. Ks muss die S t u n d e n -
werden Föffr 5?°— U " d Polikli “ lk «" Schränkt
«erden. Kür die m ediei n i sch e Poliklinik, Kinder-
S tu n nd nn f( , PSJ :? hia J riscl,c K l«'»Sk genügen je 2-3
S t u n den , für d.o übrigen 2 Stunden wöchentlich
etn C F I b r d,C A usstcllungsweisc der Praktikantenscl.cine wäre
eine Erläuterung wünschenswert!., die auf A 11 c, a ue I, d i e b i s h e r
nur von®? n } udch,,cn wä ~- Die «Ergebnisse» sprechen
T™ kf“, ae ! ,Wt ' ,S floissigen Diese allgemeine
Fassung könnte zu einer zu strengen Handhabung einer-, und zu
einer zu milden 1 rax.s (zur Rückkehr zu dem Testat : -.mit nie
facwTt F ' e,aSC ' ) i a " dcrersoitf; Veranlassung geben. Das Ein-
St ’ der 1 ™ kt ' kant »>«* «‘ine Thcilnahme an dem be¬
treffenden Unterricht durch Beilage einer Minimalzahl von
Krankengeschichten, welche der Docent unterschrieben hat,
nachucscn (\ergl. die Vorschläge von Guttstadt: lieber die
praktische Ausbildung der Aerz:e, Berlin 1802, S. 33 .) r n der
eben genannten sehr lesenswcrtl.cn Abhandlung findet sieh auch
wli P ’ C1S ’, W, ° 8ich dic Unterrichtsgegenstände, aus
welchen I raktikantensehcinc gefordert werden, in die 5 klinischen
Semester cnreil.cn lassen. Zeit für dieselben, ja auch für die oben
0 " g T •1 , ^ t0riSCbC " CW dcr topographischen Ana¬
tomie und 1 hysiologie wäre demnach sicher vorhanden
EinzcPVcrändcrungen der l»rü fung selbst. Mit
dui diesbezüglichen Vorschlägen kann man sich durchweg ein¬
verstanden erklären Nur die Verkürzung und Erleichterung der
ophthaliniatnsehen Prüfung (1 Tag statt 3, Wegfall des Kranken-
protokolls) scheint mir etwas zu energisch zu sein. Im Uebrmen
ist die Verkürzung der chirurgisch-ophthalmiatrischcn Prüfung auf
im Ganzen 7 Tage, der geburtshilflichen auf 3, der mediciniscl.cn,
trotz des Hinzukommcns des psychiatrischen Tlicils, auf 7 sehr
zweckmässig. Die Stellung, welche den Special fächern in der
Prüfung zugewiesen wird, ist eine durchaus angemessene. In der
Ohrenheilkunde wird von dem chirurgischen Examinator, in den
Kinderkrankheiten, in denen bisher schon ausdrücklich in
den übrigen (Hals, Nase, Haut, Syphilis), in denen bisher selbst¬
verständlich, aber nur gelegentlich geprüft worden ist,
von dem mcdicinischcn Examinator an ein dm besonderen
Tage, also noch aus- und nachdrücklicher geprüft werden. Dass
die Psychiatrie, ebenso wie dic Pharmakologie, einem besonderen
Examinator zugewiesen wird, gibt diesen beiden Disciplinen
ihre gebührende Stellung, ohne dass ihr Werth zu hoch geschützt
wird, indem auf dic mcdicinisclic Prüfung 3—4, auf jene je 1
Thcil treffen soll. Von besonderer Wichtigkeit ist auch die Be¬
stimmung, dass die Prüfung nach dem Durchfalle., in einem Ab¬
schnitt sofort fortzusetzen ist. Vielleicht wäre es auch sehr zweck¬
mässig, die Pause, welche zwischen den einzelnen Abschnitten jetzt
bis zu 8 Tagen dauern konnte, auf höchstens 3 herabzusctze.i
(natürlich mit Ausnahme der vor den vom Material abhängigen
pathologisch-anatomischen und geburtshilflichen Abschnitte). Dass
die Prüfung möglichst «aus einem Guss» abgelegt
wird, ist eine Hauptsache.
Praktisches Jahr. Dieser Vorschlag der «Ergebnisse»
bringt seine Ausführbarkeit vorausgesetzt und ganz
iur sich betrachtet, den wesentlichsten Fortschritt im Sinne einer
gründlicheren praktischen Ausbildung der Aerzte und
cs würde desshalb die Erneuerung dieser früher in Bayern le-
steilenden und wie es scheint, bewährten Einrichtung sehr nützlich
erscheinen. Dennoch werden derselben gegenüber dic allergrössten
Münchener medicin isottk wocnENsciiuiFl\
v;
ö\
«W Thaf War w 0Cll u die , bisherige Form des Prakticirens vielfach in
«er lnat nicht mehr als eine Form.
No. 80.
Icken geaussert. Die Befürchtung einer zu beträchtlichen
' ei theucriiug des Studiums gerade durch das praktische Jahr ist,
J;- Uhc ich, am wenigsten begründet. Auf das in das praktische
Jal r einzurechnende Mihtärhalbjahr als Arzt batte dic grösste
■ chrzahl s.eb schon bisher einzurichten. Eine grosse Zahl bat
e enfalls bisher Ass.stcntenstellcn an Kliniken, Krankenhäusern
oder he. besel.üft.gtcn praktischen Aerzten angenommen. Die-
jenigen welche solche Stellen bisher nicht gewollt haben, waren
gewiss hauptsächlich die weniger Fleissigen, diejenigen,
w.lche solche Stellen nicht annehmen konnten, waren vielfach
ic weniger Bemittelten, diejenigen, welche solche Stellen
nicht bekommen haben, waren vorwiegend dic weniger Be-
gabte": für alle 3 Kategorien ist aber dic gründliche .praktische
Ausbildung besonders nöthig. Desshalb muss man dieselbe fordern,
wenn sie auch dem wenig Bemittelten etwas grössere Opfer auferlegt.
Y iel wichtigere Bedenken knüpfen sich an die Frage nach
« er A u s f u 1. r b a r k e i t. Dieselben sind von Guttstadt (l c )
schon ausführlich dargclogt. Es wären in Deutschland alljährlich
etwa i50° dcs.gnirtc Aerzte in Krankenanstalten uuterzubringen.
a dies Sache der Landesregierungen sein soll, so würde Presse,
für etwa 900, Bayern für etwa 140 zu sorgen haben. Ob dazu
die «öffentlichen» Krankenhäuser mit «mindestens 50 Betten»,
wie die « Ergebnisse» verlangen, ausrcichen, lässt sich noch nicht
annähernd genau berechnen. Jedenfalls wäre es sowohl für die
Regierungen, als auch für die Aerzte .sehr instructiv gewesen,
wenn die « Ergebnisse» die Ausführbarkeit durch eine solche Be¬
rechnung dargethan liättcn. Viel Arbeit und eventuell auch Kasten
w.rd die Einrichtung des praktischen Jahres den Landesbel.ürdeu
sicher machen. Das kommt natürlich nicht in Betracht, wenn
die Emr.el.tung wirklich die praktische Ausbildung der
Mediciner wesentlich zu fördern im Stande ist. Dies
ist aber derjenige Punkt, der uns, dic Aerzte, vorwiegend inter-
ess.rt. Sol! ein wirklicher Nutzen erzielt werden, so muss dem
dcs.gn.rtcn Arzte ein ausreichendes Kranken material
unter einer für den Unterricht geeigneten Leitung zu
Gebote stehen.
Dies wäre in Bayern nach dem General bericht der SaniUlts-
U fl e h,2 a iOnm' P V - iellei ^ ht “ögMch. Nach diesem werden in
H^ b L•« 10,000 Bmw ° hne [. , IU Krankenanstalten verpflegt:
55 000, dazu kämen in den öffentlichen Augenheilanstalten ca. 45U0,
m den Kiuderepitälern ca. lotX), in den Irrenanstalten ca. 6000, in
den Gebäranstalten und Frauenkliniken ca. 3000 (?), wenn wir
die Umversitiltspolikliniken nicht mit rechnen, zusammen ca. 70,000
Kranke jährlich. Wenn eine solelie allgemeine Berechnung über-
l.aupt zuverlässige Resultate ergibt (was mindestens nicht sicher
ist) und alle Krankenanstalten wirklich den Aerzten offen stünden
so bekäme der desigmrte Arzt bei Einrechnung der Polikliniken und
des Militärdienstes weit über 500 Kranke jährlich zur Beobachtung
Was aber wichtiger als die Anzahl erscheint, ist, dass dem
designirten Arzt das Krankenmaterial unter einer für den
Unterricht geeigneten Leitung zur Verfügung gestellt
werden kann. Ist dies möglichV Die staatlichen Anstalten reichen
sicher nicht aus. Viele Dircctorcn von städtischen Kranken¬
häusern haben sich ja zwar in dankenswerter und erfolgreicher
Weise schon jetzt an der Ausbildung der jungen Aerzte betheiligt,
sie thaten dies aber freiwillig bei den von ihnen gewählten Assistenten.
Werden sic es auch thun, wenn sic es Jedem thun müssen, der
ihnen zugewiesen wird? Werden sie dic Zeit zu eingehender Be¬
schäftigung mit ihren Schülern haben? Werden die Gemeinden
damit einverstanden sein ? Werden z. B. die Leiter der Kranken¬
häuser in kleineren Städten, so tüchtig sie als Aerzte sein mögen,
auch immer befähigt sein, gerade den Unterricht angehender
Aerzte in der dem augenblieklicbenStai.de derMcdicin entsprechenden
V eise zu leiten ? Um diese und andere für die nutzbringende An¬
wendung des praktischen Jahres wichtigen Punkte klar zu legen, ist
e i n e e i n ge li e n d o Enquete (unter Zuziehung von Universitäts¬
lehrern) seitens der Landesregierungen unerlässlich.
Erst auf Grund einer solchen wird man einen Einblick in
die Durchführbarkeit des praktischen Jahres gewinnen. s ) Die
wenigen Einzclvorschlägc für die Ausführung, welche die «Er-
) Sollten diese Untersuchungen ein negatives Resultat ergeben,
so wäre eine Vervollkommnung der praktischen Ausbildung durch
eine Reform des klinischen Unterrichts im Sinne meiner Vorschläge
(Verb, des Aerztetags zu Weimar 1891, S. 77, vgl. auch Gutt¬
stadt 1. c. S. 30) zu erstreben.
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MÜNCHENER MEDI CINISCHE WQCHE NSCggjgt.
"No, 30
sebnissc« jetzt, schon machen, geben zu Bedenken mit einer I das,
Ausnahme ^keinen Anlass. Diese eine Ausnahme muss aber eme
noch besonders besprochen werden: . e s .
I)ic Commission für Ertheilung der A PProbat on. ^
Vieh Ablauf des praktischen Jahres hat, wie die «Ergebnisse» wollen
deftadidat »1 a«.* «
reichen Diese wird nach Umständen (welchen?) noch zuerst Aus
kaufte etc. einziehen und die Commission für hrthedung der Appr - ^
bation gutachtlich hören. Diese « C om m iss.on » soll nun merk ^
würdigerweise nicht die Prüfungs-Commission sem deH
Ll eine besondere Commission auf drei Jahre ^.Met werden. ^
Dieselbe soll aus einem Professor und zwei von den Standes ^
Vertretungen zu präsentirenden Mitgliedern bestehen, und eventue
;rvörnahme eines Colloquiums befugt sein ; ihr Gutachten £•
hat entweder auf Ertheilung oder auf zeitweise oder dauernde ^
Versagung der Approbation zu lauten. Dem Vorschlag dieser Ei
rieb tun g liegt die durchaus berechtigte Absicht zu Grunde der 1
iScrung eine Handhabe zu geben, in gewissen, wohl seinen »
Ausnahmsfällen die Approbation zu verweigern auch wenn m
wissenschaftlicher Beziehung der Befähigungsnachweis durch das ^
Bestehen der Prüfung erbracht ist. Wohl jedem Examinator von ^
einiger Erfahrung sind Fälle vorgekommen, in denen trotz nacE y
gewiesener genügender Kenntnisse gewissc körperliche ^ ^
moralische Defecte es nicht wünschenswert!! erscheinen
lassen, dass der betr. Candidat in den ärztlichen Stand eintritt. I ^
Es seien nur 2 sclbsterlebte Beispiele angeführt. Jeder wird mit ^
einem jungen Mann, der an so gehäuften epileptischen An-
fällen leidet, dass dieselben sich während der Prüfuug öfters
in Gegenwart des Examinators wiederholen, das tiefste Mitleid I
haben Aber es ist doch gewiss nicht zweckmässig, dass ein I
Solcher Arzt wird. Man denke nur an die für seine Kranken
gefährlichen Situationen, wenn der Betreffende einen Anfall
einem Krankenbesuch, einer Operation, einer Entbindung bekommt. }
Ein weiteres Beispiel : Ein Candidat hat sich schon während seiner (
Studienzeit durch öffentliche Agitation für die sog. Naturheilkunde
und gegen die wissenschaftliche Medicin bekannt gemacht. Da er |
eifrig und nicht unbegabt ist, zeigt er zureichende Kenntnisse
und erlangt den Titel Arzt durch die Prüfung in derselben medi-
cinischcn Wissenschaft, welche er schon früher bekämpft hat und
nun erst recht weiter bekämpft, nicht etwa aus Ueberzeugung,
sondern lediglich zu dem Zweck, sich rasch eine Praxis zu ver¬
schaffen. Sollte es nicht erlaubt sein, solche und andere unlautere I
Elemente durch Versagung der Approbation oder besser, wenn
möglich, durch Verweigerung der Zulassung zur Prüfung^ vom
ärztlichen Stand fern zu halten? Jeder Arzt, der seinen Beruf hoch
hält, muss das wünschen. Aber ist dazu eine besondere Commission
nüthig ? Man braucht gar nicht die meines Erachtens ziemlich fern
liegenden Befürchtungen eines Missbrauchs der Befugnisse dieser I
Commission gegenüber etwa politisch missliebigen Persönlichkeiten 1
zu denken (vgl. Berl. Wochenschr. 1896, 27, 619 und mehrere
Artikel der Voss. Zeitg.), um die Commission für unnöthig zu
.halten. Um der Regierung in der Beurtheilung zweifelhafter
Persönlichkeiten bei der Frage der Approbation sverWeigerung oder
noch besser der Zulassungsablchnung zur Prüfung mit Sachkennt¬
nis zur Seite zu stehen, ist keine Commission geeigneter als die
Prüfungscommission. Sie besteht aus den Universitäts¬
lehrern, welche meistens den Candidaten schon länger kennen und |
hat auch in der Regel praktische Aerzte in ihrer Mitte, Garantie
genug, um bei geeigneten Bestimmungen alles das zu leisten, was
nach den « Ergebnissen » jene besondere Commission soll. Auch
für die Beurtheilung, ob der Candidat das praktische Jahr richtig
benutzt hat und ob die diesbezüglichen Zeugnisse genügen, ist
sie durchaus competent. Aber über das Urtheil der Prüfungs-
commission, welche nach den bisherigen Erfahrungen durch Monate
hindurch dem Candidaten gegenüber mit Mühe und Sorgfalt ihre
Pflicht erfüllte, das Oherputaehtcn jener Triumvirn zu
setzen, ist mindestens unnöthig, wenn nicht bedenklich.
Bezüglich der «Schlussbemerkunge n » (V der Ergeb¬
nisse) seien mir nur einige Worte gestattet. Der Wunsch der
«Ergebnisse» nach Aenderung der Gewerbeordnung
dahin, dass diejenigen, die sich als Specialärzte, Geburts¬
helfer etc. bezeichnen, einer besonderen Approbation bedürfen und
,. ,, nach 2 iähriger eingehender Beschäftigung in
worden so«, erscheint ,chr beroch-
t Ohne auf die schwierige Sonderfrage näher einzugehen, kann
efdocl auch an dieser Stelle nicht unterbleiben den « unlauteren
Wettbewerb » zu brandmarken, welcher bei der Führung des selbst-
beigelegten Titels ohne vorherige gründliche Ausbildung in den.
betreffenden Fach vielfach dem ärztlichen Stand .Schande macht
Die Forderung der .Ergebnisse», dass d.eDoc orpro«, Uon
* „ach erlanpter Approbation erfolgen solle, übergehe ich als
Sit zu dem Sntlichen Gegenstand gehörig. Die Ertheilung
des medicinischen Doctorgrades ist ein althergebrachtes Recht der
medicinischen Facultäten, welches dieselben mit den übrigen 1 acul-
Täten gemein haben und welches ihnen so ohne Weiteres weder
genommen noch auch nur geschmälert werden kann. — Den übrigen
fn den .Schlussbemerkungen» aufgestellten bordexungen G^glch
der Gestaltung des medicinischen Unterrichts (der wissensclult-
lichen Vorbildung für das mcdicinische Studium, des Normalp ans
für das Studium, der Absolvirung der Vorprüfung vor Annahme
praktisch-klinischer Vorlesungen) kann man nur ‘«stimmen
Wenn in den vorstehenden Erörterungen der Hinweis aut
manche Mängel der «Ergebnisse» einen breit, ren Raum eingenommen
hat als die Hervorhebung der zahlreichen in denselben enthaltenen
Vorzüge ,so geschah dL nur, um nicht noch ausführlicher zu
werden Das dlrch die «Ergebnisse» unter zweckmässiger Benutzung
des Bestehenden gelegte Fundament der
Ordnung ist gut. Möge es gelingen, durch sorgfältigen Ausbau
desselben ein allen Anforderungen entsprechendes neues Gebäude
aufzuführen 1
Referate und Bücheranzeigen
I)r R S. Bergh: Vorlesungen über allgemeine
Embryologie. Mt m Figuren im Text. Wiesbaden.
0 W Krcidcl's Verlag. 1895. 289 pag.
Von der Erkenntnis der wirkenden Ursachen thicrischer Form-
bildung sind wir bekanntlich weit entfernt. Eigentlich so zu
nennende Entwicklungsgesetze kennen wir nicht. Die En^hung
thierischer Individuen nach allgemeinen mechanischen J^ncipien
unter Berücksichtig der äusseren und inneren
unter denen das Einzelgcschöpf entsteht, herzuleiten, das mms
besseren Zeiten Vorbehalten bleiben. Demnach kann ein« «all¬
gemeine Embryologie» zur Zeit im Wesentlichen wohl nur darauf
ausgehen, auf vergleichendem Wege unter Ausschaltung des Neben
sächlichen eine derartige Reihe von Erscheinungen ^r Menschen
Entwicklung zusammcnzustellen, welche das offenbare Resultat
c o n s t a n t zur Wirkung gelangender, jedoch uns unbekannt
Naturgesetze sind. Man kann allenfalls das Gesetzmassig
der entwicklungsgeschichtlichen Dinge zur Beschreibung bnngen,
aber welchem Gesetze diese Dinge gemäss sind, darüber
in einer «allgemeinen Embryologie» heutzutage noch kaum ver
handelt werden. .So sehen wir, wie R. 8. Bergh an der Hand
eines reichen, der gesammten Reihe der Geschöpfe
Materiales zunächst die überall in ähnlicher Art sich wiederholende
Vorgänge der Befruchtung, Furchung and K«™bktttaUuBg
der ersten Entstehung der Organe und Gewebe zur Darsteun
bringt. Es folgen weiterhin Auseinandersetzungen über d.rwte
Entwicklung und Metamorphose, über die bereits vorliegende
experimentellen Untersuchungen entwicklungs-mechamschen Inhal ,
über Resorption und Regeneration, über ungeschlechtliche
mehrung, Generationswechsel, Parthenogenese und Aehnl.cli .
ferner werden die Beziehungen der Ontogenese zur es
theorie durchgesprochen und den Beschluss bilde
historischer Abriss. .
Das Buch ist zur Einleitung in das Studium der Entwic'
i lungsgeschichte bestimmt, wird aber gewiss auch Fortgeschrittener ,
zumal denjenigen Aerzten willkommen sein, welche Interesse
biologische Fragen haben. Es finden sich da e ' nc ^ r “ SC ,
r von Daten, welche in solchen Lehrbüchern, deren e
anatomischen Richtung angehören, d ;m Usus nach m c. i
Vorführung gelangen. Die besonderen Vorzüge v-s
I | Hegen in einer klaren Ausdmcksweise, in einer Abneigung g &
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!
28- Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
708
jede vage Hypothesenmacherei, gegen lehrhafte Constructionen
a pnon und gegen Schlagwörter jeder Art. Der Verfasser lässt
die I batsachen sprechen und bescheidet sich bei dem klar Erreich¬
baren. Die Politiker und Diplomaten der modernen Ver¬
erbungslehre kommen schlecht weg: derartige Aufstellungen
werden als -Naturphilosophie, gebrandmarkt. — In materieller
Beziehung ist dem Referenten mancherlei aufgefallen, besonders
aber, dass der Herr Verfasser das mittlere Keimblatt so¬
zusagen vollkommen escamotirt! Die diesbezüglichen
Ausführungen gipfeln in dem Satze: «es gibt gar kein mittleres
Keimblatt». Die Begründung dieser wunderlichen Lehre wird
damit gegeben, dass die zum «Mesoderm» gerechneten Organe in
phylogenetischer Beziehung sich nicht wie die Systeme des Ekto¬
derms und Entoderms von entsprechenden primitiven Organen niederer
Geschöpfe ableiten lassen, sondern ganz im Gegentheil einen ein-
■liic 11 1 i cb e n Ursprung nicht besitzen. Uebcr diese schwierige
I'rage Hesse sich vielleicht doch noch weiter verhandeln, jedenfalls
wird der Verfasser auf energischen Widerstand bei den Ana¬
tomen stossen. Um auf ein Anderes zu kommen: warum bei der
Besprechung der postembryonalen Entwicklung der definitiven Organe
der Inscctcn mit ganzer Verwandlung diese Art von Bildungs-
proccsscn als eine «Regeneration» bezeichnet wird, ist nicht ein¬
zusehen, denn wenn z. B. der zu Grunde gehende Darm einer
Schmetterlingsraupe von den sogenannten Imaginalschciben her n e u
gebildet wird, so entsteht doch nicht wieder derselbe Darm¬
apparat der Larve, sondern ein ganz anderer, nämlich der des
fertigen Schmetterlings; die Bezeichnung «Regeneration» kann
aber nur dann angewendet werden, wenn die verloren gegangenen
Theile in derselben Form wiederersetzt werden.
Martin Heidenhain.
Wilhelm Kirchner (Professor der Ohrenheilkunde und
Vorstand der otiatr. Univ.-Polikl. in Würzburg): Handbuch der
Ohrenheilkunde für Aerzte und Studirende. Mit 44 Ab¬
bildungen in Holzschnitt. Berlin, Friedr. W reden. 1896. 5 . Auf¬
lage. Preis 4,80 Mk.
Kirchners Lehrbuch ist sehr kurz gefasst (220 Seiten).
Aus der Anatomie und Physiologie wird nur das Nothwcndigste
angeführt. Da die früheren Auflagen in dieser Zeitschrift schon
besprochen sind, kann auf eine eingehendere Besprechung verzichtet
werden. Wenn trotz des Ucbcrflusscs au otiatrischcn Lehrbüchern
innerhalb 1 1 Jahren 5 Auflagen nothwendig werden, so ist
das ein sicheres Zeichen, dass Kirchner’» Handbuch bei Aerzten
und Studircnden beliebt ist. Sc h eibc- München.
W. Müller: Ueber die heutigen Verfahren zur
Pseudarthrosenbehandlung. (Sammlung klin. Vorträge, begr.
von R. v. Vo 1 k m an n.) Brei tko pf & Hartel, Leipzig, 1896.
Wenn cs auch zweifellos, dass wir den Pscudarthrosen
gegenüber besser gewappnet sind, als noch vor einem Jahrzehnt,
so müssen wir doch für die meisten Fälle die blutig operativen
Verfahren in den Vordergrund stellen und werden M. beistimmen,
dass wir die Operationen, welche breite Freilegung der Fragmente
zur Voraussetzung haben und welche ähnliche Verhältnisse herzu¬
stellen bezwecken, wie bei complicirten Fracturen, in allen Fällen von
Pscudarthroscn, die etwa J /a Jahr bestehen, als die am raschesten
und sichersten zum Ziel führenden Methoden anschen und bevor¬
zugen werden. Eine Auslese von 48 Fällen der letzten 8 Jahre
ergibt 44 mit positivem Erfolg (meist nach 4 —6 Wochen). Die
Rcsection in ihren verschiedenen Modificationcn und speo. Technik
(treppenförmige und keilförmige Anfrischung) wird von M. als das
Normal verfahren unter den Radicaloperationen für die Mehrzahl
der Fälle angesehen. Zur nachträglichen Fixation empfiehlt M.
warm die Anwendung des Doppclnagels (in 2 oder 3 Grössen
genügt dieser einfache Apparat eigentlich für alle Arten der
Knochcnbcfestignng und lässt sich fast stets ohne Vorbohrung
cinschlagcn). Auch die Ueberpflanzungsmcthoden werden ein¬
gehend berücksichtigt, unter anderem ein negativer Erfolg von
Implantation eines 6 cm langen Kalbsknochens lei Defect im
Humerus nach Ostcoidsarkom mitgctheilt.
Die Bedeutung der Heteroplastik als Fixationsmittel und zur
Begünstigung der Knochenneubildung wird anerkannt, jedoch die
Autoplastik, Ucbcrbrückung der Fragmente mit Hautperiostknochen¬
lappen wegen ihrer vorzüglichen Resultate bevorzugt und theilt
M. einige diesbezügliche Fälle mit, ebenso einige Fälle von
Operationen wegen Olccranon- und Schenkelhalspscudarthrose, von
denen letztere nach Anfrischung mit Meisscl und Entfernung des
Zwischengewebes nach 3 Monaten völlig consolidirt war. Man
wird jedenfalls der Ansicht M.’s beipfliohten, dass man sich eher
zur Naht oder Rcsection bei unvereinigt gebliebenen Fracturen
und Pscudarthrosen entschliesson wird, als bei frischen Fracturen.
Sch r.
Richard Neuntel st er, Prof, an der Universität Jena:
Lehrbuch der physiologischen Chemie mit Berück¬
sichtigung der pathologischen Verhältnisse. II. Theil:
Die thierisehcn Gewebe und Flüssigkeiten. Jena. Gustav Fischer
1895.
Die 2. Hälfte des ausführlichen und inbaltreichen Lehrbuches
von Neumeister gibt eine erschöpfende, von sehr zahlreichen
Literaturnachweisen begleitete Darstellung alles Dessen, was wir
Sicheres Uber die Chemie der Muskeln, des Stützgewebcs, des
Nervensystems, der Haut, ihrer Anhänge und Scorcte, der drüsigen
Organe, der Eier und des Sperma, von Blut und Lymphe, Milch
und Harn wissen. Ein gewaltiger StofF ist auf ca. 460 Seiten
übersichtlich und geschickt dargestellt, eine Fundgrube für Jeden,
der sich über den gegenwärtigen Stand unseres Wissens oder die
besten und neuesten Methoden der Forschung auf physiologisch -
chemischem Wege unterrichten will. Als glücklicher Grundgedanke
darf cs bezeichnet werden, dass Neumeister die eigentliche
Physiologie, die Lehre von der Function der von ihm besprochenen
Organe, nur kurz streift und fast all' seinen Raum der reinen
physiologisch - chemischen Darstellung widmet, ebenso dass die
praktisch (physiologisch und pathologisch) wichtigen Abschnitte
(z. B. beim Harn) ausführlich, die nur den Fachmann intoressiren-
den Körper aus der Chemie der niederen Thiere nur kurz und
aphoristisch behandelt sind. Referent bezweifelt nicht, dass das
gediegene und inhaltrciche Buch sich einen grossen und dankbaren
Leserkreis erobern wird. K. B. L e h m a n n-Würzburg.
L. Hermann: Lehrbuch der Physiologie, n. um¬
gearbeitet« und verbesserte Auflage. Berlin, Hirschwald, 1896.
Die regelmässig sich folgenden Auflagen dieses Werkes be¬
weisen, dass es unter der grossen Zahl concurrircndcr Unter
nehmungen seinen Platz wohl zu behaupten weis». Es ist das
um so erfreulicher, als cs zwar nicht das populärste, wohl aber
das beste existirende Lehrbuch der Physiologie genannt werden
muss. Vielfach wird ihm eine zu trockene Darstellung nach¬
gesagt. Dem Referenten ist dieser Vorwurf nie recht verständlich
gewesen. Ein Lehrbuch ist kein Roman; man hat von ihm eine
systematische Darstellung des Gegenstandes und als Nachschlage-
buch bündige und vollständige Auskunft zu verlangen. In beiden
Richtungen dürfte das vorliegende Werk kaum zu übortreffeu sein.
Die Fülle von Thatsachen, die das in seinem Umfange noch immer
handliche Buch enthält, ist geradezu erstaunlich, ihre Ordnung
und Sichtung mustergiltig. Der Leser wird daher auch dort, wo
er die Thatsachen in anderer Weise theoretisch zu verwerthen
geneigt ist, oder die Skepsis des Verfassers nicht theilt, die Dar¬
stellung als wissenschaftlich berechtigt anerkennen müssen.
Es würde hier zu weit führen, auf die vielfachen Umarbei¬
tungen, Zusätze und Vereinfachungen, die das Buch entsprechend
den Fortschritten der Wissenschaft gegenüber der letzten Auflage
erfahren hat, im Einzelnen cinzugehen. Dem aus dem Leserkreise
geäusserten Wunsche, den Autornamen möchten nähere Litcratur-
angaben beigefügt sein, glaubt der Verfasser aus Raummnngel
nicht entsprechen zu können, und verweist auf die Jahresberichte.
Dem Referenten scheint das ein schlechter Trost zu'sein. Je
fruchtbarer ein Autor, desto schwieriger ist es, an der Hand der
Jahresberichte gerade jene Abhandlung ausfindig zu machen, in
welcher die fragliche Beobachtung mitgetheilt ist. Hier würde die
Angabe nur der Jahreszahl schon ein grosser Behelf sein. Gerade
weil das Buch den Anspruch erheben darf, der Bibliothek des
Arztes nicht nur während der Vorbereitung zum Examen, sondern
als dauernd werthvoller Besitz anzugehören, wäre eine Erhöhung
seiner Brauchbarkeit als Nachschlagcbuch zu wünschen.
M. v. Frey.
3*
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MtT N,nnniVMU_MBT )IClNISCHB WO^ KNgggggl
No. 80.
Neueste JouruaUiteratur.
Centralblatt für innere Mcdicin. ^ B e it räge über die
A. Biedl und M R . K n r [ a Z ism en durch drüsige Organe.
Ausscheidung der Mlkr °- g te lle Pathologie in Wien).
(Aus dem Institut für cxperimentel ‘ frü l,ereil Arbeit schon nacl -
Nachdem d >e , Verf YTBhüe kreisende Mikroorganismen durch
gewiesen hatten, dass ,m . , werden, theilen sie jetzt die Er |
die normale Niere ausgeschieden wcrUe . d von Bactenen
gcbnisse ihrer ÄÄ snb.o«'«»™ »*,.
durch die Leber und durch di d Den Thieren (Hunden)
Die Versuchsanordnung jvar UR t . ysti , UH eine steril,s,r e
wurde einerseits nachUnterbinding v eingebunden , andererseits
Glascanüle in den Ductus fjhrungsgang der Glandula
eine sterilisirte Meta 'cunül e Speichel, frisch secermrt, wurden
submaxillaris angeführt Gail«"“JJP ^fangen. Intic.rt wurden
dann tropfenweise direct ^OuWa v * n stapliylocoecus aureus^
die Thiere durch intravenöse Inj , der Le ber die Fähigkeit
Die Versuche habeni ergebeL’Mikroorganismen zu elimmmn.
zukommt, vermittels ihresi Sei normale Gefilsswand und ist an
Die Ausscheidung erfolgt durch h ft Der früheste Zeit-
»oi.cinlnc'isc.he Function der Leber gewn nv •.„iiMition. im
2. Falle ‘20 und im 3. Falte 30 Mm« . 2 stündigen Dauer der m it
nahezu continuirlich, während der r- der
Versuche. «änhmaxillaris haben bezüglich der Aus- An
scheÄ V Se C sammt ein negatives Resultat ergeben. ^ # ^
Beiträge zur Klinischen Chirorgie. Bund XVI, Heft 2. die
Tübingen lb%. Lau PP PC1 ^ Haegier die Fortsetzung seiner 8«-
Aus der Baseler Klinik gibt i b. H * g an d e r Hand n n <1 »> 1!
Arbeit .über Sehnenv ® r ® * j 0 () ambulatorisch mit Sehnennaht de
Vorderarm. worin «*■ aLr Beuges.h.ien mit 4h Pro«*. guten lo|
behandelte Fälle referirt (So der Bu g fnncüone ll vollständigen in
Erfolgen, 65 der Stocks}«» “«„iiijSie elastische Binde (nach d.
Resultaten). H. legt «tets die cc t Verbandes liegen ei
Bose) an, die bis zur Anlegung C r operirt in der Regel 8C
bleibt und verzichtet auf künsthebe Bl t^ ^ (Haltesc hlingen n)
ohne Narkose und zwar nachdem^e^d^ ^ ^ /unftcb8t eine Quer- ei
meist entbehrlich fand, in Stumpf führt (durch letzteren Z
naht durch centralen und pmph^ wrnp v nach Drehung 0
zur Vermeidung einer Stellungs. e g diese übergreifend, ti
desselben uro 1»» »einer m-nütztCatgut und Hagedorn'sche >'
2 Knopfnähte anlegt, er . , verzichtet auf Drainage und c
Nadeln, er operirt m ^, li vmband ’in einer die Sehnen möglichst d
spaiii’-a—■ aie " ie <l,c 5
b-*- ™ :
Muskehnterposition bei . ,- B r n n s • 011 i e r sehe t
Pseudarthrosenbildung für die Consoii- ]
Anschauung, dass diese ein Psendarthrosen- i
dation einer Fractur abgbt und ^ ftus der Tüb . ,
Operationen, in denen sich d ä |nnliclie 13 weibliche Individuen)
Klinik, 78 aus der Literatur (} und Oberschenkel
zusammen, die als Prädilectio untereD Drittel ergaben.
im mittleren Dottel, am _\or> Diagnose Muskelinterposition
Lässt sich bei frischer Fractur d e [ Diagnose p , uei)t8 bei
stellen (Fehlen der Crepitation, Mitueweguug ^
Nekrosen in malignen Lymphomen, - P Combinationen
weichung’’ und ÄfSh^Uigunter dem Bild1 eines
scheinen .Beobachtungen und Unter-
1 n her die Sc hü «1.1 rüsenbeliandlung des
Krojües. (nunmehr nach 350 Fällen) und die Resultate anHunde-
Strumen vorgenommener experimenteller Unte.sucluingen mit de
ergeben, dass die grosse Mehrzahl der Strumen der hchdddrusen ;
behaiullung zugänglich sind, nur ein Viertel unbeemfliwst bWibt,
absolut günstiger Erfolg, bleibende Heilung, wurde nur in ca. 8 Proc.,
wohl aber in mehr als einem Drittel bedeutende Verklemerung te
obachtet; je kürzer die Strumen bestanden, um so rascher erfo g
.. • fn ,. bp hvnerplastische Struma ist das «folg-
die Rückbildung, che e ”}*“?® r ü8e P nbebaiullung, compacte Kropfge-
reichste Gebiet der mehme Kröte» «b*k, di.
schwülste gingen oft Dis au ve rschieblich zusammenhingen,
durch schlaffes Zwischengewebe eicht ve^« nnbeeinflusRt . In mehr
Colloidknoten und Adenomk Bt .)be nach AusseUen der
als drei Viertel der Strumen q ÄoUständig geheilten Fällen blieben
Behandlung wieder, ^nj^'^^'^erklefnerten ist 9 mal der Rest
nur 3 geheilt, unter 2 Kecidive eingetreten. Die Wirkung
stationär geblieben ® rt sich bezüglich der Veränderungen
der Schilddrüsenbeliandlung äu Anregung zu gesteigerter
im Kropfgewebe in 2R<chUmgen. Fütterung offenbar
secretorisclier ThäUgkeit^ wod (ler Älloidbildung sich bethätigendeu
nur sehr mangemaft» W«je an f Lei8tung8 fähigke.t empor-
Follikel zu der Höhe grosser s Gewebe das typische Ge-
?( .hohen werden, das vor er oo Hunde8 childdrüse annimmt.
präge einer normalen jugenaii bewirkt) dass nicht nur das
2. Einer atroplnsirenden W lrkung, J at erial völlig oder grösstentheils
physiologisch unfertig , „njiter noch ein grosser Theil der zuvor
verschwindet, sondern da 'P _ p-„iij ke i einer nachträglichen Ver*
in Secretionsthätigkeit 7 rP ^chem Schwunde anheimfällt (auf dem
kleinen.«« oder wird die Beob-
Wege trophoneurotischer Mrop arteriellen Gefftsse m der
achtnng partieller Obliterauon ue b g . bervorgelioben, die
durch Scl.ilddrüsenffittennig reducirten^ Strunm ^ nadl
mit der klinischen T^Y.n 'ht’lich abnimmt, gut übereinstimmt. -
der Fütterung ganz betrftchUlch * e *. g Ar beit - über die
Ans der gleichen K '"" k R Snmark 8> in der im Anschluss an
Erschütterung d e s R. ü c k e n m cbw i n dender vollständiger
einen typischen Fall rn, ^ 1 ' erdl " g9 \ beftipe Stösse) mit dem Rade,
Extremitätenlähmung naah Stura ^ B ^ {unde be8pr0 chen werden
die Pathogenese, die hist«jlogi - teilen Untersuchungen von
unter Heranziehung - P Fällen fanden sich 10mal
. Schmaus, Watson Y tC v’ Änderungen (degenerative Proeesse an
I histologisch nachweisbare Veränderung nd .J nacb w die pa tho-
: den Axencylmdern, ^fYdW der Rückenmarkserschütterung m dem
, logisch-anatomische Grundlage der d Erkenntmss aller-
l inneren Bau der Nervenzellen .^^“Jstehen jedoch durch die in
, dings noch verschlossen ist, deren FxDerimenten conBtatirten
l einer Reihe von Beobachtungen um'^^P^’^efordert werden
1 secundären Degenerationserschein g n o \y 8 Zangemeister
,i muss. - Aus der H ^m/Ks oÄariums, darin er ven 392 im
r- eine Arbeit über Sarkome de 0 den K)inik ausgeführten
n Zeitraum von 18h0—löJö ln "er 3 n i c ht m die be-
g Ovariotomien 33 zusammenstellt, e a a bi e Fälle hinzukommen. Z
1 treffende Zeit fallende un ir „v,srhnittliclic Krankheitsdauer und
ie berechnet darnach 8 Monate durej^^ ^ Zeit der Pube rtftt und
;; ÄSJÄS te ' ti!er.pie k. nn — »» >» &
er Untcrsuchungen «her dje Ab^ g 8 ^ em ergabeD)
n des Dünndarms beim Hunde» mc, zWftr m deu eret en
lie dass ein Hund nach Totalexstirp herabkam, dann aber all-
ili- Monaten abmagerte, von 16 auf 1,3 kg üeraoKa , wieder e r-
•n- mählich bei Rohfleischfütterung das Gewicht vo J cntfernt
Lb. reichte und behielt, dass Hunde denen 1,7 2 m ™ manßel .
:n) wurden, zwar anfängliche Denutrition, „. ine Hypertrophie
«i hatte Resorption der me darbote». aber spl^e P
2n. der Elemente der Schleimhaut im übrigen uarm minde8ten8 die
on behauptet M. darnach, es könne bei « c ohne da88 dadu rch
bei Hälfte des Dünndarms weggenommen we , oni allerdings.
sein Stoffwechsel benacbthe.ligt iTeum nur theil-
ih- dass der Dickdarm die Aufgabe von J inik liefert 8cb liesslich
•rin weise erfüllen kann. — Aus de 8 Rupturen und
■-on E. Petry eine Arbeit «über d^c tanen K
en- Contusioncn des Magen-Darmcana • behandelten
nen an einen von W ö l f 1 er erfolgreich mlt L^.^g^estock) Patho-
•der Fall von Darmruptur (nach f- ns ^®f p n R efunde Verlauf, Folgezustände
amr genese und pathologiscli-anatonusc , 7 vorliegende Heft ist
"te. dieser VerletzungenA»ch .d« vo^ Details der
etc. dieser Verletzungen betrachtet J uc " | ische 6 „ Details der
mit guten Abbildungen (speciell für die hist „ Sehr.
Bruns’ sehen Arbeit) ausgestattet.
Centralblatt für Chirurgie. No. 28.
Br. Kader: Zur Technik der Gastrostomie. der
K. theilt eine von ihm in 10 FaHen erp'O^ w i t z. e 1’ sein-
Gastrostomie mit, die n, der . Bre8 ' aue ,f einfacher und in alle".
Verfahren verdrängt hat, «da sie schneller, emtacner
selbst den schwierigsten Fällen ‘'»weridbar ist (md pascie
Nach einem 7—10 cm langen Schmtt durc “ er dem8e lben,
parallel dem Rippenbogen, U/*-2 Querfinger b eiuanderge drängt,
wird der 1. Rectus m 6-8 cm Lünge stump ause . ^ 8ag itlaler
das hintere Blatt der Rectusscheide aaount Pentoi a BtarU
oder schräger Riclitung durchschnitten, durch k)e j ne Magen falte
auseinander gedrängte Oeffnung wl , rd ^ Hpr starken Seiden-
vorgezogen und mit Fingern, Pinzetten oder zw Idem«
nahten tairt, in der Mitte der vorgez^^^^ 5 _ 6cnl ti ef
Oeffnung angelegt, em ca. bleistiftdid.es G den j^nd
in den Magen eingeführt und durch eine Catgutnai
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28. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
705
der Magenöffnung befestigt. Zu beiden Seiten des senkrecht zur |
Magenoberfläehe stehenden Gummirohrs werden je 2 l —l'/scm von I
einander entfernte Leinbert'sche Nähte in der Weise angelegt, '
dass sie je 1 cra breite Serosaflächen aneinanderscbliessen, zwischen i
denen eine 2 cm breite Rinne frei bleibt. Durch Knüpfen dieser
«tiefen Vcrschlussnähte», (die Serosa und (larunterliegende Muscularis
fassen) werden 2 Längsfalten gebildet, der das Gummirolir um-
schliessende Theil der Magenwand wird dadurch nach Innen einge-
st.ülpt und bildet nun einen engen Trichter, der senkrecht zum
Magen steht Zur Verlängerung dieses Canals werden über den
schon vereinigten Falten 2 weitere, sie einschliessend.- Falten ge¬
bildet und in gleicher Weise und Richtung durch 4 «oberflächliche
Verschlussnähte» vereinigt, die äusseren Fällen dieser werden zu¬
nächst nicht abgeschnitten, sondern zur provisorischen Fixation des
Magens an die Bauchwunde benützt. Durch Fixationsnähte, welche
die Künder des Peritoneum parietale und des hinteren Blattes der
Rectusscheide einerseits, andererseits die Serosa und Muscularis des
Magens dicht an den Verschlnssnähten fassen, wird der Magen an
die Banrhwunde fixirt, durch eine Reihe weiteier Fixationsnühte,
diezwischen den eben genannten liegen, die Befestigung des .Magens
verstärkt und zugleich der Abschluss der ganzen zur Anlegung der
Fistel benutzten Magenpartie gegen die Bauchhöhle erzielt. Die
Banchdeckenwunde wird durch versenkte, das vorder« Blatt der
Rectusscheide vereinigende und durch äussere, die Haut und Fascie
superficialis fassende Nähte geschlossen. — Die Schlussfähigkeit der
Fistel ist nach Erfahrung an lO Fällen dauernd eine absolute. Das
Verfahren ist auch anwendbar, wenn man aus irgend welchen Gründen
gezwungen war, eine für die Anlegung der Magenfistel zu grosse
Oeffnung zu machen, man verschliesst dann die Magenöffnung
durch eine Reihe Serosa und Muscularis umfassender Nähte und
lässt für das Gummirohr an beliebiger Stelle eine entsprechende
Lücke frei.
Nach K.'s Ansicht ist es neben Mucosafalten, Sphincter Wirkung
des Rectus, die Wirkung der Muskelfasern des Magens selbst, die
die Fistel in doppelter Lage umfassen, die den Verschluss bewirken
Die Schrägstellung der Fistel nach Witzei hält K. nicht für das
Wirksame, da er stets beobachtete, dass dieselbe eine mehr senk
rechte wird, ohne ihre Schlussfähigkeit zu verlieren. Sehr.
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 34. Bd. 2. II.
1) Hermann W.Freund-Strassburg: Ueber bösartige Tumoren
der Chorionzotten.
Die bisher als «Sarkoma deciduo-cellulare» beschriebene Krank
heit wird bekanntlich jetzt seit Marchand s Arbeiten als maligne,
vom Chorionepithel (Syncytinm) ausgehende Tumorbildung aufgefasst
F. beschreibt einen derartigen Fall, den er im vorigen Jahre noch
als Sarkoma deciduo-cellulare veröffentlichte. Es handelte sich um
eine 40 jährige III. Para, die im Anschluss an die letzte Geburt
zuerst einen gutartigen Placentarpolypen, dann die erwähnte maligne
UterusgeBchwulst mit Metastasen in der Scheide bekam. Tumoren
und Uterus wurden exstirpirt. Die mikroskopische Uutersuchung
ergab, dass die Neubildung einzig und allein von der Syncytium
bekleidung der Chorionzotten ausging.
Ueber die Herkunft des Syncytiums herrscht noch Ungewiss¬
heit. Für den Affen hat Selenka die Entstehung aus dem Uterin¬
epithel nachgewiesen, was Marchand für den Menschen acceptirt.
Turner glaubt, dass die Endothelien der mütterlichen Gefäss-
capillaren zum Syncytium umgewandelt werden, eine Hypothese, die
nach F viel Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dann würden in aetio-
logischer Hinsicht Erkrankungen des mütterlichen Gefässapparats,
speciell die Syphilis, in Frage kommen, die sowohl die Blasenmole
wie die bösartigen Choriongeschwülste veranlassen könnte. Weitere
Untersuchungen müssen hier noch Aufklärung schaffen.
2) H. Schultz-Budapest: Wendung oder hohe Zange.
Während die deutschen Geburtshelfer, speciell Litzmann,
Gusserow, Schröder, Fehling und Zweifel, die hohe Zange
verwerfen und bei beweglichem Kopf die Wendung, bei eingekeiltem
Kopf die Perforation vorziehen, empfiehlt S. auf Grund seiner an
Tauffer's Klinik gemachten Erfahrungen für gewisse Fälle wieder
di« hohe Zange. Die prophylaktische Wendung wird ganz verworfen.
Bei stehender Blase oder unmittelbar nach Abfluss deB Fruchtwassers
ist die Wendung bei unmittelbarer Indication zur Beendigung der
Geburt zulässig. Bei lang vorher abgeflossenem Fruchtwasser soll
stets die hohe Zange statt der Wendung versucht werden. Bei ent¬
sprechend erweitertem Muttermund und mässig verengtem Becken
ist die hohe Zange ohne Schwierigkeiten mit Erfolg anwendbar. Bei
höheren Graden von Beckenverengerung soll sie nur versucht und
eventuell durch die Perforation ersetzt werden. S. glaubt nicht, dass
die Anwendung der hohen Zange mehr Kunstfertigkeit erfordert,
als jede andere geburtshilfliche Operation und hofft, dass dieselbe
Gegenstand des klinischen Unterrichts werden wird.
3) 0. v. Francqud-Würzburg: Ueber eine bösartige Ge¬
schwulst des Chorion nebst Bemerkungen zur Anatomie der
Blasenmole.
Der Fall von Syncytium malignum betraf eine 32 jährige VI. Para,
die 4 Wochen nach der letzten Geburt starke Blutungen bekam.
Zuerst Ausräumung des Uterus, dann, als die Diagnose auf maligne
Geschwulst gestellt war, 14 Tage später Uterusexstirpation. Heilung
nach 4 Wochen beendet. Die anatomische Untersuchung ergab
Ueberein8timmung mit den von Marchand gemachten Angaben.
In der Deutung der Zellschicht (Langhans'sche Schicht) und des
Syncytiums weicht v. F. von Marchand ab. Er hält erstere für
mesodermalen Ursprungs und bindegewebiger Natur, das Syncytium
für fötalen Ursprungs und ektodermales Epithel. Die nähere Be¬
gründung dieser Ansicht ist im Original nachzusehen.
Der 2. Fall betraf eine 42 jährige IX. Para, die im 4. Schwanger-
schaftsmonat starke Blutungen bekam. Die Diagnose lautete auf
Nephritis und Blasenmole; letztere wurde durch Ausräumung des
Uterus entfernt. Verfasser sieht das Wesen der Erkrankuug in einer
Secretionsanomalie der Langhans’schen Zellschicht, die fortgesetzt
dabei Mucin erzeugt. Die Wucherungen des Syncytiums sind bei
der Blasenmole durchaus gutartiger Natur.
4) L. Kleinwächter-Czernowitz: Der Prolaps der weib¬
lichen Blase.
Der Prolaps der weiblichen Harnblase ist sehr selten. K.
fand in der Literatur nur 18 einschlägige Fälle, denen er eine eigene
neue Beobachtung hinzufügt. Dieselbe betraf ein 8 Wochen altes
Mädchen, das seit 18 Stunden einen Tumor zwischen den Genitalien
aufwies. Derselbe war kirschgross, sackartig, livid blau, leicht
blntend, urinös riechend, mit sammetartiger Oberfläche. K. reponirte
den Prolaps mit den Fingern und legte einen Jodoformtampon in
die Vagina. Das Kind starb li Tage später aus unbekannter Ursache.
Der Blasenprolaps kann partiell oder total sein. Die Ursachen
sind bisher dunkel, doch muss wohl eine abnorme Schlaffheit der
Blase und ihres Fixationsapparates als prädisponirendes Moment
vorhanden sein. Von den bisher bekannten 19 Fällen betrafen
9 kleine Kinder und 10 Erwachsene. Die Behandlung besteht zu¬
nächst in manueller Reposition, die fast stets leicht gelingt. Zur
dauernden Reposition wird entweder ein Vaginaltampon eingelegt,
der bei Erwachsenen später durch ein Pessar ersetzt werden kann,
oder man trägt den Vorfall mit Ligatur oder Schlinge ab. oder man
verengert die Urethra künstlich durch wiederholte Cauterisationen
mit Ferrum candens. Von 15 Fällen, die darüber nähere Angaben
besitzen, wurden 11 geheilt, während 4 starben.
5) A. Goenner-Basel: Ueber den Einfluss einseitiger
Castration auf die Entstehung des Geschlechts der Frucht.
In Anlehnung an eine missverstandene Stelle des Hippo-
crateB und auf Grund von Versuchen hatte Seligson (Moskau)
die Behauptung aufgestellt, dass das recht« Ovarinm nur Keime für
männliche, das linke solche für weibliche Individuen enthalte und
hieraus den Schluss für eine willkürliche Zeugung von Knaben und
Mädchen gezogen. Schon Gessner und Stratz hatten auf Grund
von Sectionsprotokollen hiergegen Widerspruch erhoben, den G
jetzt durch die Protokolle des Basler pathologischen Instituts für
begründet erklärt G. hat ferner die Versuche Seligson's nach¬
geprüft und hierbei gefunden, dass von Eltern, die auf gleicher
Seite castrirt waren (Kaninchen!, Junge beiderlei Geschlechts
geworfen wurden. Hiermit fällt die ganze Zengungshypothese
Seligson's in nichts zusammen.
6) Koblanck-Berlin: Zur puerperalen Infection. Erster
Theil.
Statistische Arbeit, für ein kurzes Referat nicht geeignet.
7) Verhandlungen der Gesellschaft für Gebuttshilfe und
Gynäkologie zu Berlin, vom 24. Januar bis 27. März I896.
J aff «5-Hamburg.
Ceutralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 29.
1) M. Graefe-Halle: Erwiderung auf die Bemerkungen
des Herrn Professor Dr. Kossmann, betreffend die «Elytro-
peritonaeotomie».
Eine geschickte V ertheidigung der von Kossmann angegriffenen
Kritik G.’s (ref. in diesem Bl. No. 24, S. 576) über dessen Aufsatz
«Die Eröffnung der Bauchhöhle zwischen Blase und Gebärmutter»
(in Deutsche med. Wochenschr. 1895, No. 48).
2) 0. Schae ff er-Heidelberg: Congenitaler Prolaps der
Rectalmucosa mit Divertikelbildung in Folge circumscripter
Schleimhauthypertrophie. _ , .
Sch. beobachtete an 2 macerirten Früchten einen Prolaps des
Rectums der zu einer Divertikelbildung geführt hatte. Man kam
mit der 'Sonde vom Rectum aus in die Schleimhauttasche. Der
Prolaps sass einmal an der vorderen, einmal an der hinteren Mast¬
darmwand. Diese Fälle beweisen das congenitale Vorkommen von
Taschen- und Divertikelbildungen am Rectum und lassen es wahr¬
scheinlich erscheinen, dass ähnliche Befunde bei Erwachsenen auf
angeborene Bildungsanomalien zurückzuführen sind;
e Jaff 6-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 29.
1) M. Lähr-Berlin: Eine Unfalls-Psychose.
Ausführliche Schilderung eines in der psychiatnschen Klinik
Jolly s zur Beobachtung gekommenen Falles, in welchem> sich im
Anschluss und als Folge einer nicht sehr bedeutenden Verletzung
eine schwere Hypochondrie entwickelte, aus der allmählich ein immer
mehr systematisirter Beeinträchtigungswahn (Paranoia) hervorging.
Eine hereditäre Belastung war nicht vorhanden. Der betreffende
Arbeiter war in einem früheren Gutachten als Simulant schlimmster
Sorte erklärt worden.
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7or,
MÜNCITKSRK MKPICINISCIIE WOCnENSCHRIFT^
No. 30.
2) Th. Escherich-Grat: Bemerkungen über den Status
lymP Ä;chta, K »n d de„ Fall L.n,.rh.n.,
F die Annahme Strassmann s, e» habe sich um Ersticken,,
gehandelt nicht theilt, sondern plötzliche HerzlUhmung Hunirnrnt
erörtert Verf die plötzlichen, meist durch Herzlfthmung verursachten
Todesfälle bei Kindern mit Status lymphaticus.
von A und B. Pal tauf studirt, besteht nach der pcImiUon des
letzteren in einer anomalen Körperconstitution lymphatisch-chloro-
tischer Natur mit Vergrösserung der Thymus, Schwellung der Milz
und Hyperplasie des lymphatischen Gewebes, der Lymphdrüsen
und FohikeL E. berichtet aus eigenen Beobachtungen Uber mehrere
plötzliche Todesfälle bei Kindern, welche diese Symptome Jarboten.
Die Erkrankung an Stimmritzenkrampf, resp die derselben zu Grunde
hegende Neurose, findet sich besonders bei Kindern mit dem Stat.
lymphat E. regt an, zu versuchen, ob nicht durch Darreichung vo
Kalbs-Thymus dieser Symptomencomplex gebessert werden könne.
ID P. Rissmann-Hannover: üeber peritoneale Plastik.
Im Verein mit J. Veit hat Verf. Thierversuche über das Zu¬
standekommen peritonealer Verwachsungen gemacht. Dieselben
ergaben, dass «für eine gewisse lange Dauer 'nnig aufemande
liegende seröse Flächen verwachsen », dass aber alle nicht infertiösen
und ohne gröbere Läsionen des Peritoneum zu Stande gekommenen
Verwachsungen resp. Verklebungen leicht dehnbar und löslich sind
D,eTn?eSen Verwachsungen sind viel fe^r. Mit Rücksicht au
diese Resultate hält R. die 1. Methode der \aginaehxatio uten
Mackinrodts theoretisch für die beste. n*«rhtrn«vie
41 Th Gluck- Berlin: Schädeltrepanation und Otochirurgie.
Der sehr umfangreiche Vortrag (cfr. No. 27 und 2G dieser
Wochenschr), welchen Gl. am 9. Jan. 1S96 in der Berliner Hufe¬
land' sehen Gesellschaft hielt, eignet sich nicht zur ^femtoweisen
Wiedergabe. Grass.ua nn-München.
8) H. Koch-Berlin: Die Prophylaxe der Lepra in Skandi-
naVifc Ange^chte rf £rvon d R^aml h dr?henden Gefahr einer Ein-
schle.mm.g it das Studium der in Skandinavien bewährten hygieni-
Ä"| SÄneTEt«osc r „ ä
jodofo-mins «nä Jodoformais. (Au. dem bygtomscheo Inst,tot
in B °Die laboratoriumsversuche ergaben eine sehr starke die Bac-
t.rten£?«lÄi hemmende Wirkung der be,den PrSperate^beson-
ders des Jodoformais.
Deutsche medicinische Wocbeusclirift lb%, No 30.
D H Ribbert-Zürich: Zur Entstehung der Geschwülste.
Im Anschluss an die Cohnheimsche^Theorieiw.r.i diei Genese
der Tumoren durch die den Zellen innewohnende Wachsthumskraft
erklärt, jedoch ohne eine Steigerung der Proliferationskraft anzu
nehmen. Jede Zelle trägt in sich die Fähigkeit, sich ^ vermehren
innerhalb ihres Verbandes in den einzelnen Geweben und
wird sie durch die «Spannung, des umgebenden Gewebes an aei
unbeschränkten Entwicklung gehindert. Durch eine embryonale Ab¬
schnürung nun, oder eine postembryonale Verlegung durch ein
Trauma zum Beispiel, kann sie aus dem organischen Zusammen¬
hänge getrennt werden und durch Aufhebung des bisher bestehen¬
den Vermehrungshindernisses, genügende Ernährung vorausgesetzt,
unbeschränkt weiter wuchern.
2) G. Grote: Klinische Erfahrungen über die Wirkung
des Papalns bei Magenkrankheiten. (Aus der medic.nischen Uni¬
versitätsklinik in Giessen, Director: Prof Riegel)
Auf Grund von Nachprüfungen der PapainWirkung an lb üällen
wird vor der Anwendung desselben bei ulcerativen Processen und
hyperaciden Zuständen des Magens gewarnt. Bei Sub- beziehungs¬
weise Anacidität scheint das Präparat dagegen günstig zu wirken.
3) E. Sehrwald-Freiburg i. B.: Das Verhalten der Halo¬
gene gegen Röntgenstrahlen. _ ,
Die Halogene, Chlor, Brom und Jod sind für die Röntgen¬
strahlen in hohem Grade undurchlässig. Diese Undurcblässigkeit
ist au das Atom der Haiolde gebunden und zeigt sich demgemäss
auch in deren Verbindungen und Lösungen, je nach ihrem Gehalt
an Chlor, Brom und Jod, z B. Chloroform. Bromoform, Salzsäure.
Von den weiteren Ergebnissen der Untersuchungen sei noch erwähnt,
dass von den vier Grundelementen der organischen Verbindungen
nur der Stickstoff einen, wenn auch kleinen Theil der Strahlen
resorbirt; von den Metalloiden, besonders Antimon und Arsen, dann
Phosphor und Schwefel, bedeutend weniger das Bor, lichtundurch
lässig sind; und dass der Schatten, den thierische Weiclitheile
werfen, neben dem Eisengehalte des Haemoglobins und der Alkali
metalle zum grossen Theile auf ihrem Chlorgehalte beruht.
4) 0. Vulpius-Heidelberg: Zur Verwerthung der Röntgen¬
strahlen. ,
V. empfiehlt die Anwendung der Skiagraphie zur Untersuchung
und Fixirung von Missbildungen, da dieselben doch nur in seltenen
Fällen zur anatomischen Präparation kommen.
5) W. Markuse-Berlin: Dermatitis und Alopecie nach
Durchleuchtungsversuchen mit Röntgenstrahlen.
Die an einem wiederholt zu Durchleuchtungsversuclien be¬
nutzten jungen Manne beobachteten Erscheinungen von Dermatitis,
leichter Verbrennung der Haut und Alopecie werden auf die Wirkung
der hochgespannten Ströme die von der Röhre auf den Körper über¬
gehen können, weniger auf directe Strahlenwirkung zurückgeführt.
(5) G. ltosenbaum-Berlin: Ueber Friedrcich'sche Krank¬
heit (hereditäre Ataxie).
Demonstration und Vortrag, gehalten im Verein für innere
Medicin zu Berlin am 30. März ltt%. (Referat siehe diese Wochen¬
schrift No. 14 pag. 327).
7) Schuster-Nauheim: Zur cardialen Bradycardie.
Periodisch wiederkehrende Anfälle von Bradycardie, in Folge
einer im Anschluss an Gelenkrheumatismus entstandenen Myo-
cauUtiä bei einem -I jährigen Kinde.
Dermatologie und Syphilis.
Ueber die G r u n d z ü g e d e r E k z em th e r api e verbreitet sich
O La ssar (Festschrift f. Prof. Lew in! in einem leB . e °® we fl!^" p
\v^ige de ^^ueimnMitteln,^afs vielmeh^auf
modernen Dermatologen bereits gebrochen ^•^ en ,^ r u “ te "’ e “£ en
Bädern, StreupS^ insbesondere mit ^ich'ichen Mengen
der hihi-en venetianischen Talkerde, Eintheerungen im Bade und
QuanUtä^^arüber^Verband ^Theer'
Dass die Schwitzeinpackungen nicht für alle formen Uk
sich eignen, dürfte von vorneherein anzunehmen sein, unavumu
die Verwendbarkeit des Tlieers und seiner Präparate auch bei
irischen Ekzemformen ist bereits von zahlreichen lachmftnnern an-
Nachdem vor Kurzem durch Pospelow auf & **«***'
Hamlmassage bei der Behandlung der Akne vulgaris auf
merksam gemacht wurde, empfiehlt neuerdings
Hy de in Chicago (Journ. of cutan. and gen. unn. e ine r
einen sehr bequem anzuwendenden Massirapparat in Fo
an einem Handgriff befestigten rotirenden Hartgumm.kuget
Dieser «massering ball» ist nach den Angaben des Auto™ vo
C. Tiemann & Cie. in Chicago gefertigt. D*e von H. empfohiene
äussere Behandlung der Akne geschieht in folgender Weise.
Haut wird zunächst mit desinficirter Nadel und Comedonenq1 che
bearbeitet, bis alle Pusteln eröffnet, die subepidermalen Heerde ent-
leert und die grösseren Comedonen entfernt sind. Dann fo gt e t
gründliche Desinfection der Hautoberfiäche mit Sublimatlösuog >
™m Autor bevorzugt, mit ’/.-2 p.oo Formal.ulö.ung J« nach dg
subjectiven Toleranz der Haut im Einzelfalle. Endlich fo g
energische Massage mit der HartgummikugeL wodurch mne gi ^
Anzahl sonst nicht sichtbarer Comedonen deutlich hervortr« °
nun ihrerseits wieder mit dem Comedonenquetscher entfernt, werden
Zum Schlüsse folgt eine allgemeine Massage der
unter Anwendung von Sahcylcocosnussöl oder einer der g
liehen Schwefelsalben. Die Methode empfiehlt s.ch besonders tür
sehr indolente, sonst schwer zu behandelnde Akneformen und durtte
bei leichteren Graden .1er Erkrankung cutbehrhch sein.•
Brocq (Journ. of cut. and gen. urin. diseases) empfiehlt zur
Behandlung der hypertrophischen Formen de £ J k . y er .
cea, wenn die Anfangsstadien sich bemerkbar ma ruu Jgänge,
grösserang der Follikel und Erweiterung ihrer Ausführuiigsgang;
sowie durch Neubildung von Gcfässen. die Anwendung c hen
lyse. Er sah sehr gute Resultate bei Einführung der ^ und
Nadel in den klaffenden Ausführui.gsgang der Folhkel Bel .
bei parallel zur Haut eingeführter Naddapphcation..J^t eventuell
um die Zerstörung von Gefässen handelt. Die Behandhi g
zu combiniren mit anderen bereits bekannten Methoden, Scan
fkation, Galvanocaustik mit feinstem Spitzbrenner u. s.• . An .
behandlung der elektrolytisch behandelten Stellen l ' e .^ lbe * d
Wendung einer wasserfreien Kampher-, Bor- oder TT ,.i 8ee mit
Ueberpuderung. Täglich dreimal vorzunehmende
Kampherspiritus werden gleichfalls empfohlen. üereel
empfiehlt zur Behandlung vqn Furuncu 1 os i s und A ^ lei(lell|
leidenden, welche weder an Albuminurie noch
Colchicum in der Dosis von 0,03—0,04 pro die; dl ® L
besteht in Umschlägen mit Kampherspiritus und Anwend fe
Vidal'schen Emplastrum rubrum m it
Mannigfache Versuche der Behandlung der . 0 :„ en j e
Schilddrüsentabletten, haben bis jetzt w ?Xf“ , £‘ it
Resultate gegeben, Neuerdings berichtet Mossd 11 svuhil.
geheilten Fall von Psoriasis vulgaris. (Annales de uerni.
VI. 10.)
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28. Juli 18U6.
Malcolm Morrfs'(Bri t .X m’' °of Xmn?‘i 80 ! 1 . 80 : 1 iaf ^ demons trirte
Kchilddrüsenfütterung, 1—5 Tabletten fuüiM?' VI ‘ ! 2> einen unter
Fal! von ausgedehntem Lupus Jul laris' 7,7u'°» h g0l / e98ertpn
gleichen Erkrankung bei operational?! Z ' ,r Behändlung der
ZfSr^nine die locale Anwendung des Kreosots^' Pa V'‘ lden empfiehlt.
Oel- oder Glycerinlösung Die Ileilwirl-nn ’ . e ' n oder m 10—30proc.
Narbenbildung eine minimale. k g ist eine langsame, die
Das Bestreben, mit der «lton u ,
Classification zu brechen hat auf ™hi • . cl * ** ebra geschaffenen
tologischen Disciplin zu e’iner gewissenrSf" Gebie f te l ° derma-
auch gewiss zuzugeben sein wird, daS das'Tlfb^Wh 1 '"? T*"
nicht melir in allen Punkten , aa9 “ e brasche System
wird, ist Referent persönlich doch der AnSt ® c ! echt
Worte, insolange uns das eingehende VeratändÄ der ^«mpf »m
hörigen Krankheitsvorgänge nicht klarer i?2 i! ! " " C .‘ er ge '
sichtsvoll ist, und den Eifer mit welX» 1 1 weni > r au s-
rechtfertigt. Eine der comnlieTrLli ^ Gr . geführt wird .
auf Grund einschlägiger Kranke/beobachtun^? * Bz , oc . q) «nd kommt
Erörterung der zum Theil sehr riivor • cbt “ n S®“ . und einer kritischen
zu dem Res um 6 U das3 die ^ n*R ed^s t e^ernfJ 1 Meinungen der Autoren
weder ein chronisches Ekzem noch :" d |-^ gena : nnte L,ch enform
Pruritus localis mit consecutiver Verdeckung der HaaUI iX”
«sss
rnmmmm
süüsliüü
der'Xrdi^Xec^ntJrSfT 11 e T asen Fortschritt zu bedeuten,
C anerui ng s durch neuere Untersuchungen Krösinirs wieder sehr
der^uod 6 JfrSis "pX Der Letz , tere kommt »uf Grund eingehen
Schlüsse dis« W duilkt -. | einwandsfreier Culturversuche, zu dem
kleinsnori®» T dlG | Elntbeilun g der Tnchophytonpilze in gross- und
s'SrDarnTt^ft b> . 8poro . n . u . nd “ ikr os P oron) nicht gerechfertigt er-
I "f r * • P f 1 fällt zugleich die auf die Sporengrösse der Pilze
Ter.r , E lhedun g der menschlichen Trichophytien nach ihrer
mikmskonische T^t Dlffer h enzir “ ng der Tnchophytonpilze durch die
Auf (irnn i ^ Unt .f suchung der Gulturen erschien K. aussichtslos.
Reichen r! li 69 mlkr ° Sk0p,9cben Vergleichs der unter möglichst
auch en fK gewach9e “ en Culturen konnte er die unter-
lidi aus P dem u - G , rup P®“ th « llen - Es ist jedoch bisher unmög-
Sformzn ^hHif" 3che “ ßl ‘ de einer Trichophytie auf eine bestimmte
nach K H i ü J ,efe Und oberfla chliche Trichophytien können
Z S Mp ^ ' ng d , Urch den , g |eiche n Pilz bedingt sein. Impfungen
•ileibt 1 deni W T nC ien h erga ^ e “ keinß verwertbba ren Resultate. So
läufig nicht J« 0 f aUCh ^ Prak ^ 13Ch - n ' Cht ganz ““wichtige Frage vor-
klärung der kh • ’ K Und n 3 i Dd WK zunächst genöthigt, für die Er-
individue fen k n ? Dlfferenzen wieder auf das vage Gebiet der
individuellen Disposition zurückzukehren.
rnr r^k CC ^ ( Monatsb efte für prakt. Dermatol., XXI 2.) empfiehlt
«lerbtofiS Uni i hartnäcki ger S c h 1 e i m h a u t s y p h i 1 i d e, specie
säure nn l l e - ine combinirte Ae tzun g mit Chrom
mit 10 pme f-hm en « n \i r ‘ D,e - kranken Stellen werden zunächst
■ lern Höllü* Ehromsäurelösung eingepmselt, und kurz darauf mit
wekhe in »In. be8t ff cbe “- Es bildet sich freie Salpetersäure
Stellen etowS nas o. end ' besonders intensiv auf die berührten
sdimerzhaft £’h U - nd lSt 0 d ! e Behandlun g thatsächlich weniger
molie bAn»LH b -T Cr Sal ?f er3ftureätzung ‘ Auch beim Ulcus
lomen’knnrXagedanischen weichen Schankern, bei spitzen Condy-
eünstig warenX A ® tzu “g mit Erfolg vorgenommen werden. Weniger
bei ftuT^ythtmSr ^ ßehand,UDg V ° D Ge “ e ™ ““ d
C. He^h'eTm^wTK 961011 dCr gewöhnlichen Inunctionscur empfiehlt
klatschun^n ( . TherapeUtlSC ^ eM ° natshefte 1896 > Februar) Ei n -
mit der FiSiand a„? ra d Uen Q“ eck8ilbe ™l b “- Die Salbe' wird
massigen q^i". d auf dem betreffenden Körpertheil mit gleich-
Äs Auge' ZWar 80 lange - bis *•*££»
einen TumT vX FtoW^t 81 ? ar 18t In dieser Wp ise werden,
die Heiigeflächc^heM W A techunge “ voraU8 g 0Setzt . am. ersten Tage
die Ii,,,enll i , |,. r f S, P J?, r XXT zweden der Rücken, am dritten
Schenkel behandelt <P ® rscb f nkel - am werten diejenigen der Unter¬
übliche Ra,i während am fünften Tage ausgosetzt und das
Verwendung ge ‘ " n,ne “ wird. Täglich kommen 6 g der Salbe zur
Bö1 genügender Technik bedarf es zur Einklatschung
WINCm mKi) MRDTCIKISCHB W ORBMN«,,
rjt er ,„ M ^Te™r;i„£!f <1 r r s yo ” ( 10 Min " ie "- o»»
äää; Äs;
Biss, sowie den Wegfall der m.-oi r ‘^“uuerkeit und Zeiterepar-
hervorgerufenen mechanischen llautaiteSen" 116 " d6r Frictionen
'■ Synh XXYV U n er8 K C - hUngen von M - Möller (Arch. f Derm
betreffenden Spülungen finden 6 Möller"koinmf 116 'f irk,,ng der
Gewissheit zu posLemXuÄrÄS"!’ sXtw? 6 T
Krankheit grössere Acutität erreichi 1 J^päh-r wenn die
Dosirung aber nicht^ngeXich W,rk8am ' bei 8Urke,er
Delle Vsq? a n t i eg i aZZ . a ,/ GiornaIe italian o delle mal. ven e della
gleichen" GegLÄ’ Ä 1t v^T. li „ C er. E 5 ab l TT
SäSäüSlftS?
WWBim
so,le„“Sfdrch e S„STi„^
uiiu cuiisiruirien opüldilatator (zu beziehen von W a Hied
mann Berlin N), dessen detaillirte BSSeiS?n« Im ” H?in!d
nachzulesen ist. Zur Durchspülung werden Ichthyol- und Arg nitr
£' ngen . mi bf'ichst heiss (40-50° C.) verwendet Stein verwendet
e nen gefensterten Hartgummitubus, welcher am distalen Ende
der Sn(0flf!« T 8 t^ e, ‘ r 0 ^ 3 gescbIo8sen ist - u “ d so das Eindringen
H«rn P «i flÜ ^ k i eit u < le Bla83 verhinde rt, und irrigirt die gesanmffe
Harnröhrenschle.mhaut durch fortwährendes Drehen des Tubus
mit Hilfe eines in den Hartgummitnbus eingeführten weichen mit
dem Irrigator verbundenen Katheder. Für die Anwendung des ei
des ent 7 ündlien h 'p GrWähnten In strumente dürfte die Realisation
des entzündlichen Processes maassgebend sein Stein verwendet
zur Irrigation vorwiegend Kaliumpermanganat (1:2000 _ 1:5000)
• i J I n W i an , d (J ° U , rn of c,,t ' and ven - dis - ^ne 96) empfiehlt
gleichfalls die Anwendung des Stein'schen Tubus und die Irrigation
mit heisser (100» F.) '/sproc. Forraalinlösung. Die fünf mi(-
fn 13,’ to H^^^agen 1 ° eS anterior zur Heilung
Manche Gründe können uns bestimmen, einen Ersatz für das
in der Syplnlistherapie so viel angewandte Jodkalium zu suchen
Nach den Ausführungen P. Richter's (Festschrift für Prof. Lewin)
ist es speciell der so häufig beobachtete Jodismus, welcher zu
den unangenehmsten Folgeerscheinungen der Jodkaliummedication
gehört, anderseits aber auch der Preis des Mittels, welcher oft den
Ersatz desselben durch eine billigere Medication um so mehr als
wünschenswerth erscheinen lässt, als wir gelegentlich in der Lage
sind, die Jodbehandlung durch viele Monate hindurch fortsetzen
zu müssen. Nach beiden Richtungen erscheint der von R. vor¬
geschlagene, gewis8ermassen neuentdeckte Ersatz des Jodkali
durch Tinct. Jodi (früher bereits von Jullien und Zeisse
empfolilen,[aber nur wenig in Aufnahme gekommen) weiterer Prüfung
werth. Aus den Versuchen P. Richter's ergibt sich, dass die
Jodtinctur in allmählich steigenden Dosen von 3 mal tügl. 10 bis
30 Tropfen, in Wasser oder Wein genommen, ein ungefährliches
und sehr wirksames Mittel in der Bekämpfung der Syphilis an Stelle
des Jodkaliums ist. Der Autor hat die Ungefährlichkeit des Mittels
experimendi causa zuerst an sich selbst erprobt.
Ein neues Quecksilberpräparat zum Zwecke der internen Be¬
handlung der Syphilis wird aus Neu mann’s Klinik von Rille
empfohlen. Es ist dies das von Kotiert dar.-osUdlte Jodqneek-
silberhämol.
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70 3
totJtfCnENTER MEDICDnSCtUE WOCHENSCtalF^.
*No. kn
Die Ordination lautet:
Rp. Uämol. hydrargyr. jod. 10,0 (Merk.)
Pulv. op. pur. . . . 0,5
Pulv. et extract Liquir. q. s. f. pil. 50
da. 3 mal titgl. je 2 Stück nach dem Ranen zu nehmen.
Der Intestinaltract wird bei Verwendung «lieses Präparates
weit weniger gereizt als bei Anwendung des Sublimats oder des
Protojodurets Gegenüber dem Hydroxydulat tann. von Lust¬
garten betont Rille die chemische Zuverlässigkeit und Constanz
des Präparates. Ganz ohne jede Queeksilbernebenwirkung ist das
.Todquecksilberhämol keineswegs, auch wirkt es nicht so energisch
wie Inunctions- und Injectionscuren. Da man aber doch nicht
selten auf eine wesentlich interne Hg Behandlung bei der Syphilis¬
therapie angewiesen ist, ist es sehr wichtig, ein Mittel zu besitzen,
welches wenig reizt, sicher resorbirt wird, und ausserdem noch den
Vorzug besitzt, gleichzeitig ein durch seinen Eisengehalt tonisirendes
Präparat zn sein. Die mitgetheilten Krankengeschichten lassen
weitere Versuche mit dem neuen Kohert’sehen Präparat als sehr
wünschenswerth erscheinen.
Blokusewski empfiehlt zur Verhütung der gonorrhoischen
Infection die Instillation einiger Tropfen einer 2 proc. Arg. nitr -
Lösung in den Meatus urinarins unmittelbar post eoitum. Auch die
äusseren Theile und speciell die Frenulnmtaschen sollen mit dein
gleichen Mittel desinficirt werden. Dieses Verfahren ist schon 1889
in meinem Lehrbuch der venerischen Krankheiten beschrieben, wo
ich angab, dass dasselbe dem Prinoip des Gred6'sehen Verfahrens
zur Verhütung der Blenorrhoea neonatorum nachgebildet, seinerzeit
zuerst von Ilaussmann angeregt wurde.
O. Mankiewicz (Festschrift für Prof. Lewin) kommt auf
Grund einer vergleichenden Studie über die verschiedenen Methoden
der Bubcntanen Quecksilberbehandlung der Syphilis zn dem Schlüsse,
dass die von G. Lewin zuerst an einem grösseren Material geprüfte
und in die wissenschaftliche Therapie eingelührte Methode der
subcutanea S u blimatin j ectione n der Schmiercur mindestens
gleichwerthig. in einigen Punkten ihr sogar überlegen erscheine.
Auch habe sie wesentliche Vorzüge vor der Anwendung der unlös¬
lichen Hg-Präparate (Depöt-Therapie). Wir stehen nicht an, zu er¬
klären, und wir haben dies schon wiederholt an verschiedenen
Orten ausgesprochen, dass die Sublimatinjectionen Lewin s ihre
grossen Vorzüge haben und zuweilen treffliche Resultate geben;
Vorzüge anderer Art haben aber auch die anderen Methoden, die
Injectionen mit unlöslichen Präparaten, die Frictionscur und seihst
die in Deutschland weniger beliebte interne Mediation. Gerade
der Umstand, dass uns zur Behandlung einer so häutig verkommen¬
den Erkrankung wie es die. Syphilis ist, eine Reihe verschiedener
brauchbarer Methoden zn Gebote steht, und wir in der Lage sind,
nach Maassgabe der Symptome und der äusseren und persönlichen
Verhältnisse der Kranken die eine oder andere Methode zu wählen,
ist erfreulich. Wenn aber M zu dem Schlüsse kommt, dass die
Lewin 'sehe Methode thatsächlich heute bereits alle anderen Me¬
thoden in den Hintergrund gedrängt habe, so erscheint uns das als
e,ine arge Uebertreibung, welche auch im Hinblick auf den Umstand,
dass die vorliegende Arbeit in einer Jubiläumsfestschrirt erschienen
ist, kaum acceptabel erscheint Ich habe im Gegentheil den Ein¬
druck, dass die grosse Mehrzahl der Fachmänner und darunter auch
diejenigen, welche lange mit Eifer und Erfolg für die subcutanen
Methoden eingetreten sind, mehr und mehr wieder zur alten
Frictionscur als der gewissermaßen typischen Behandlung der Syphilis
zurückgekehrt sind, oder doch sich auf dem Rückweg befinden,
i >nn hindert uns aber keineswegs, die grossen Verdienste G. Lewin's
um die subcutane Methode der Syphilisbehandlung voll und ganz
anznerkennen. Es gibt nicht selten Fälle, wo eine Frictionscur
absolut undurchführbar erscheint; speciell daun, wenn es sieh darum
imndelt, eine möglichst rasche und intensive Hg-Wirkung zu ent¬
falten, wissen wir nicht« besseres, als die Lewin'sehen Sublimat-
injectionen, speciell in der von Lukasiewicz vorgenommenen,
empfehlenswerthen Modification (hohe Dosirung der Einzelgaben).
Kopp.
Vereins- und Congressberichte.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 14. April 189G.
Vorsitzender: Herr Unna. Schriftführer: Herr Reiche.
Herr Sudeck hält seinen angekündigten Vortrag: Ueber
posttyphöse Eiterung in einer Ovarialcyste. Casuistischer
Beitrag zur Frage der pyogenen Eigenschaft des Typhus¬
bacillus. (Vortrag in No. 21 dieser Wochenschrift veröffentlicht.)
Herr Flockemann demonstrirt elastische Faser-
Färbungen.
In den Ergebnissen der allgemeinen Pathologie und patho¬
logischen Anatomie von L u bar sch - Oster tag, Bd. II, sagt
Lubarsch bei Besprechung der Methode, elastische Fasern der
Hand nach Uh na-Tänzer zu färben: «Freilich ist »ie keine
universale Methode, da sie elastische Fasern in der Lunge nicht
zu flirl>en vermag». Ich habe mir erlaubt, Ihnen hier einige
Präparate aufzustellen, welche die Unrichtigkeit dieser Behauptung
demonstriren. Es ist ein Lungenschnitt, der die elastischen Fasern
in den Alveolarwänden wie in den grösseren Arterien ebenso fein
und scharf zeigt, wie in den zwei zum Vergleich daneben auf¬
gestellten Hautschnitton. Die Präparate sind in gleicher Weise
nach Unna mit OrceYn gefärbt, Gegenfärbung mit verdünnteip
Methylenblau.
Diseussion: HerrFraenkel betont die Vorzüge der von
Herrn Flockemann benützten Färbung mit der Unna’ßchen
OreeYnlö8ung; die besten Präparate erhielt er, wenn er die Original¬
lösung mitSalpetersäurespiritus verdünnte und die Schnitte 21 Stunden
lang dann ihr aussetzte; Gegenfärbung mit Methylenblau. Die
schlechten Resultate Lubarsch'« mit dieser Tinction sind ihm
unverständlich.
Herr Unna erhielt die besten Ergebnisse, wenn er beim
Färben die Orcelnflüssigkeit erhitzte und so langsam concentrirter
machte.
Herr Unna hält seinen angekündigten Vortrag über die
Einwanderung der Staphylococcen in die menschliche
Haut an »der Hand von 23 insbesondere in Bezug auf die (.Wen
gut gefärbten Hautschnitton. Er unterscheidet zwei Hauptwege,
deren einzelne Etappen verschieden sind, welche aber beide in die
Bildung eines llautabsccsscs auslanfon. Der erste Weg umfasst:
die Impetigo staphylogenes, die Folliculitis, die Abscesse der Neu¬
geborenen — weiche, wenig gespannte und wenig entzündliche
Abseessformcn —, der zweite: die Iiui>etigo der Trichter grosser
Haarbälgc, die Porifolliculitis derselben und schliesslich die Furunkel-
und Abscessbildung der Haut der Erwachsenen, bei der cs dann
auch zu einer völlig n Vereiterung der grossen Haarbälge kommt.
Die letztgenannte Reihe trägt klinisch den furunkulösen Charakter
und zeigt die 4 Cardinalsyniptoine der Entzündung in voller Aus¬
bildung. Folgende Sätze sind aus den Ausführungen Unnas
hervorzuheben :
1. Wo hei einer Tnfeetioiiskrankhcit für die betreffenden Mikro¬
organismen geeignete Impfthicrc, scharfe culturclle und tinetorieile
Merkmale fehlen und wo eine Anzahl verwandter und ähnlicher
Mikroorganismen oxistiron, ist auf die genaue histologische A’er-
folgung der Infcctionswcge in den einzelnen Organen ein besonderer
Worth zu leg.-n.
2. Ausgenommen die bekannten staphylogenen Erkrankungen
der Haut (Impetigo, Folliculitis, Sykosis staphylogenes, Furunkel,
Panaritium, Hautabseess) ist eine IJbiquität der echten, eiter¬
erregenden Staphylococcen auf der gesunden und erkrankten Haut
nicht so sicher bewiesen , dass dadurch die Specificität derselben
in Frage gestellt wäre.
3- Die Epithelien der .Stachelschicht zeigen unter dem Ein¬
flüsse des Staphylocoecencinbruchs keine Zeichen von Degeneration
oder parenchymatöser Entzündung.
4. Die von den Staphylococcen chcmotaetisch angciocktcn
Leukocytcn sterben in der Nähe erstcrer ab, ohne dieselben in
sich aufzunchmen.
5- Wo in das lebendige Ilautgewebe Staphylococcen ein-
gedrungen sind, finden wir sie von einem Leukocytenwall um¬
geben. Coccon, die daselbst nicht leukotactisch wirksam sind,
dürfen nicht ohne Weiteres als echte Staphylococcen betrachtet
werden. In der normalen (abgestorbenen, trockenen) Hornseilicht
können die Staphylococcen längere Zeit symptomlos (leukotactisch
unwirksam) vegetiren.
6. Die Haarspalte zwischen Haar- und Staclielschicbt des
Haarbalges bietet am unverletzten Follikel den Staphylococcen
ebenso leicht eine Stätte ihrer Wirksamkeit dar wie ein Einriss
der Hornschicht an der Oberfläche der Haut.
7. Ein annähernd vertical gerichteter Goccc ii h oh Iey I i n der i- st ^
Wahrzeichen des Durchganges derStaphylovoocen durch die I laarspal tc.
8. Bei tiefer Vereiterung starker llaarbälgc hat man es bist®
logisch häufig nur mit einer an die Impetigo des Ilaarbalgcs sich
anschliessenden oder davon unabhängigen eitrigen Perifolli«ulius
zu thun.
9. Hautahscessc und Furunkel sind in extremer Ausbildung
anscheinend unvergleichbare Proccsse (Abscesse der Neugeborenen
— Haarbalgfurunkel der Erwachsenen). ln Wirklichkeit ai Q d
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das gegenwärtig allgemein gebrauchte Jodoformglycerin,
weshalb ich dessen Erprobung in grösserem Massstabe
in allen hierzu geeigneten Fällen wärmstens empfehle.
Ausser dem beinahe konstant nach der Applikation
des Mittels auftretenden Brennen, welches sich einige
Male au Schmerzen steigerte, und den reaktiven Ent-
zündungserecheinuogen am Orte der Anwendung,
habe ich keine nachtheiligen Nebenwirkungen fest-
steilen können. Von toxischen Wirkungen des Jodo-
formvasagen habe ich nichts gesehen.
Was die Art der Wirkung anbelangt, so stelle
ich sie mir so vor, dass dasJodoformvasogen durch Pro¬
duktion einer akuten Entzündung eine Umstimmung
im Stoffwechsel, in der Ernährung der afiizirten
Gewebe hervorruft, wodurch die Bedingungen zum
Fortgedeihen der die Krankheit verursachenden Bak¬
terien entzogen werden; indem der mit starker
gesunder Eiterung einhergehende akute Ent¬
zündungsprozess zunächst zur Abstossung
der kranken, dem Zerfalleoder Degeneration
anheimfallenden Gewebstheile (Abszessmen-
bran, verkäste Drüsenpartien, cariöseKnochentheile etc.)
führt und das zurückblcibende Gewebe zur
regen Granulationsbildung anfacht, um in
weiterer Folge die Ausheilung des kranken
Herdes, die Vernarbung zu veranlassen. Wie
rasch sich bleiche, schlaffe, tuberkulöse Gra¬
nulationen in gesunde, frisch rothaussehende,
leicht blutende umwandeln, habe ich bei
meinen Versuchen wiederholt Gelegenheit
gehabt, zu sehen. Die die Vernarbung so
ausserordentlich begünstigende Wirkung
des Jodoformvasogens hat übrigens Holl¬
stein •) auch bei chronischen Unterschenkel¬
geschwüren und schlecht heilenden Fisteln
konstatiren können.
Lokale Entzündungserscheinungen reaktiver Natur
sahen wir auch bei Anwendung des lOproz. Jodo-
•) Deutsche Med. Wochenschr. Nr. 15, 1894.
formglycerins, nur sind sie selten so i&tedsfö,- btfT
Gebrauch von Jodoformvasogen, weshalb auch die
Elimination der erkrankten Gewebspartien und die
Umwandlung des Krankheitsherdes in gesund granu-
lirendes Gewebe bei letzterem rascher vor sich geht,
daher auch eine Heilung bei Anwendung des
Jodoformvasogens in kürzerer Zeit erzielt
wird.
Die Ursache der entzündlichen Erscheinungen
bei beiden Mitteln suche ich in der Suspen¬
sionsflüssigkeit, respektive im * .ösungsrrtittel; denn
wie wir es wissen, kommt dem Jodoform eine
derartige entzündungserregende Eigenschaft nicht zu.
Diese entzündliche Alteration dürfte aber meiner
Meinung nach die spezifische Wirkung des Jodoforms
nur steigern, indem sie den Boden für die Wirksam
keit desselben günstiger gestaltet, weshalb sie auch
als ein nothwendiges Postulat erscheint, wenn eine
intensivere Jodoformwirkung bei tuberkulösen Aftek-
tionen durch Applikation von Jodoformemulsionen
oder -Solutionen erzielt wird. Nach dieser Auf¬
fassung gebührt daher der Vorzug dem Jodo¬
formvasogen, da dieses, wie wir es sehen, ziem¬
lich starke Entzündungserscheinungen hervorruft.
Was die Anwendung des Jodoformvasogens
bei nicht tuberkulösen Erkrankungen anlangt, so hat
es sich in sämmtlichen Fällen als ein vor¬
zügliches, granulationsbeförderndes und
die Vernarbung äusserst beschleunigendes
Mittel erwiesen. Ein kindskopfgrosser pnra
metraner Abszess heilte nach Inzision und
Eingiessung von Jodoformvasogen mit nach¬
folgender Tamponade der damit getränkten
Jodoformgaze in zwei Wochen. Besonders
günstig wirkte die Jodoformvasogensalbe
bei den erwähnten zwei Fällen von multipler
Analfissur, indem es die Schmerzen beseitigte
und eine Heilung in auffallend kurzer Zeit
(acht bis zehn Tagen) herbeiführte.
J»d*fonnrMogen Ist billiger als Jede andere Jodoformapplikation. Das Jodoformyasogen
kostet Mk. 12 pr. Ko. excl. Packung loco Fabrik.
Vasogene (Yaselina oxygenata) Klever.
. KU Sauerstoff und Suuerstofftiagerii uugfcrelcJierte KohlenwnMfMloffe. welche eine Reihe ton hliher ttt
Infllfferedtea Medien aolBsUchen Arzneimitteln veilkommen chemUch 16sen ib 4 fl «selben sowohl
fite iUmaterlletie wie Itr innerliche Applikation erhöht« Wirksamkeit verleihen:
Jodvaoogwn, 6% Kaiserlich und per Injektion, ahne fe gliche Rückwirkung auf die Haut mit grosser Tiefenwirkung,
nab** «Um anderen jedoppiikMionea erprobt bei Meflntnliafecfcer, akuter und chronischer Epididymitia, Leistondrüseueatzündun^en
(m Ansohknw au wetafcn Schanker, aüan DrÜMoscbwaUwmea, aypfcimtschen imfl tuhericnlßaen Ravt- und SchiehnhwrtafWdjonen,
bei affen Ryphlflatbrmen und bei den durch Syphilis bedingten Wervao a fM rtl oitek, bei Ww rw u a l HWiT B ii, Beuralfta, toeMaa, Resictrts-
«ehnremtl, — S^methewn gety.ll KesbMimten, Einreiben von Heb, Brat, besonder» de» oberen Srustkorbeisachnittes, XrspfbHdtmg,
Hlmwrtallian. — Krooeot* 80% und Ooajaeol* 80%, ■ smlii rbsr in W«uec, Milch, ohu* KeUtwlrkun# suf Heut, M*g«n,
Dnrm, &U I ne w r l tcbe aad ian wi b A » Af tyih i t ia n , vertflgiiebe* Uo a NtthCS ffesinffclens gegen Fieber,. besonder» bei Infektion*kraokheiten,
Typlu»*, latioeaza ffie wirksamsten and bittigete* fteaaffiea gegen Phthisis, Kusserlich per Einreiben und innerlich, Klagen-,
Damkatatm (6Ö— löö Tropfen »nf 1 filas Wasser, Milch, 3— 4 md pro die, per Klystier 5 j auf 1 Liter Wasser;. — «TodofOrm •
me irischer wirkend als Jodoform per., «och per Injektion, neben allen anderen Jodoforiuapphk&tionen SptCificuni yegM OzMM,
ulMk traft», erprob* gegen Ctiant. — Chloroform-Camphor part. aequ., äusserlich gegen Gicht, Gichtknoten, Rheuma,
He »an sek«« s, AedutHL, SabwehMge* bei VaretaackuRgea und VerremxnntiBn, ftervenschmerzeo. — Menthol 2ö % , Specificum
gegen Kigräffa, EinreJbeh von Wirbel, Scheitel und Schläfen. — Ichthyol * 10%. — Terpentin* $0%. — Salicyf i%. —
HydTaTR. kal. Jod.* 2Vs%. — Enealyptol * 20%. — Creotin^ ö und 15%, 15% lost die Psernkmiembrane der fittyrthe-
rifls sofort, «tme VetWwigdrr gesunden Gewebe. — Codmn • 5%. — Chinin* 5%. — Ergotin* 10%. — Menthol' l’V
Specfftonm Regen Obrpfrapfen, und Creolin-Menthol * 2 und 1% für Laryngologen und Otologen. — Pyoktanin* 2%. —
Thiol* 5%. — Vmwfs nam purum spissum als $a4ty*igraff<Hage, emalwrbar in Wasser 80° C. —
• 1« Wasser «UMfeirbar.
Me VanfaaKwf e»> emnlairea mit Ren Baut- mfl Wnadsekrvtea. hvitijen Ihre
Remediea zur entknscheu B«Mrptiou und sind be ie utewd Mlliger and van grösserer Wirk¬
samkeit, wie die Media pnra resp. die bisherigen Applikationen.
-n ütkgratijr und PrtbBR frati« wd fearo*. -
€U«ini§elie Fabrik F. TV. Klever, Köln.
• - ' ■ •- \ v \ -V •>. \ \ -vV \ \- \ -,
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Separatabdmck aus der „"Wiener Medizinischen Wochenschrift“ (Nr. 14, 1896).
Verlag von Moritz Fortes, Seilergaßse 4, Wien.
(Litteratur über Vasogene und Proben gratis und franco.)
IlBber die Behandlung tuberkulöser Abszesse und anderweitiger
Eiterungen mit Klever'schem Jedoformvasogen.
Von Dr. NICOLALJS OSTERMAYER, ord. Chirurg an der „Charit6“-Krankenanstalt zu Budapest.
Es ist eine allgemein anerkannte und durch
reichhaltige Erfahrungen erwiesene Thatsache, dass
durch die Anwendung von Injektionen jodoform¬
haltiger Emulsionen, besonders des Jodoformglycerins,
bei Knochen- und Gelenkstuberkulose und hauptsäch¬
lich bei von diesen Prozessen herstammenden
Eiterungen, so auch bei den von eitrigem Einschmelzen
tuberkulös erkrankten Lymphdrüsen herstammenden
und anderen selbstständig in den Weichtheilen ent¬
standenen Abszessen recht bedeutende, wenigstens
bisher mit keinem anderen Mittel erreichbare Erfolge
erzielt worden sind. Besonders, gute Resultate sieht
man bei Anwendung der Jodoforminjektionen im
Kindesalter, wie auch die jüngst erschienene Arbeit
Wieland’s 1 ) bestätigt, wo unter 70 Fällen von
chirurgischer, mit Jodoforminjektionen behandelter
Tuberkulose (Senkungsabszesse, Knochen- undGelenks-
srkrankungen) 54 Mal, also in ,77% der Fälle, voll¬
kommene Heilung eintrat. Bei Kindern und Er¬
wachsenen, beide zusammengenenimen, hat Bruns 2 )
von hundert Abszessen achtzig geheilt. Trendelen¬
burg 3 ) verzeichnet 68 % Heilungen in 135 Fällen.
Eiseisberg sah auf der Billroth'schen Klinik nur
in 15 % der Fälle keine Heilung eintreten. Kein
Wunder daher, wenn sich die Jodoformbchandlung
chirurgischer Tuberkulose einer allgemeinen An¬
wendung erfreut. Man könnte aber vielleicht noch
bessere Resultate und, was noch wichtiger ist, in einer,
wie ich glaube, viel kürzeren Zeit als es bei
Verwendung der Jodoformsuspertsionen der Fall ist,
erreichen, wenn man das Jodoform- in wirklicher
Lösung anwenden könnte, in welcher das erstere
gleichmässig vertheilt wäre, daher auch die Berührung
des Jodoforms, des wirksamen Bestandteiles der
Lösung, mit dem kranken Gewebe eine gleichmässige
und andauernde, infolge dessen auch die Einwirkung
auf dasselbe eine nachhaltigere und intensivere wäre,
woraus auf eine kürzere Behandlungsdauer zu schliessen
nur zu berechtigt erscheint.
Bekanntlich konnte aber das Jodoform wenigstens
bis jetzt nur in Form von Emulsionen, respektive
Suspensionen als Injektionsflüssigkeit verwendet wer¬
den, da es in dem einzigen Mittel, welches das Jodoform
tatsächlich löst, nämlich im Aether, ohne Unzukömm¬
lichkeiten für den Kranken nichtgehandhabt werden kann,
und zwar aus dem Grunde, weil nach Injektion der äther¬
ischen Lösung in den Abszesssack durch rapide Ver-
dampfungdesAethers eine derartige Spannung und hier¬
durch so hochgradige Schmerzen auftreten, dass sich
1 ! Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 41, 1893.
*) XIX. Kongress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie
in Berlin. (Ref. in der Bcrl. klin. Wochenschr. 1890.)
*) Berl. klin. Wochensöäir. Nr. 49 , 1889.
die wenigsten Kranken noch ein zweites Mal zu einer
Injektion entschliessen, — andererseits nicht selten
eine heftige, zumeist mit Nekrose einhergehende
Entzündung der Abszessdecke auftritt, wodurch
i die Heilung nicht nur verzögert, sondern
, gelegentlich ganz illusorisch gemacht wird.
Die gegenwärtig für Jodoform gebräuchlichen
i Vehikel sind hauptsächlich Oel (steriles Olivenöl bei
j Trendelenburg, Ol. amygd. dulc. bei Böhm) und
i Glycerin, jedes für sich oder mit einander gemischt,
wie es Anfangs bei Mosetig angewendet wurde.
Krause 4 ) benützt eine Aufschwemmung von Jodo-
' form in Wasser, in welchem etwas Gummi arab. ge
i löst und dem etwas Glycerin zugesetzt ist. Da nun
I aber das Jodoformpulver in allen diesen Flüssigkeiten
! nur snspendirt ist, daher sedimentirt, so wird es
1 sich auch in der Abszesshöhle an den tiefsten Stellen
am dichtesten ansammeln, während es an anderen
nur in geringer Menge vorhanden sein, an manchen,
zum Beispiel der höchst gelegenen, sogar gänzlich
fehlen wird, woraus dann die u.n gleich massige
Beeinflussung der mit der Flüssigkeit in Berührung
stehenden 'Abszesswände durch den aufgeschwemmten
Arzneistoff, infolgedessen auch eine ungenügende
Wirkung resultirt.
Hervorzuheben wäre weiters auch noch der
Umstand, dass den Suspensionsflüssigkeiten Oel
und Glycerin, aber besonders clean ersteren, der
I Nacht heil anhaftet, dass sie sich mit den Gewebs-
i flüssigkeiten und-Absonderungen infolge ihrer spezi-
i fischen Eigenschaften gar nicht oder nicht
in dem erwünschten Maasse vermengen, ver¬
binden, aus welchem Grunde eine durch¬
greifende Imprägnirung der Gewebsflüssig¬
keit und des fiicen Gewebes, daher eine inten¬
sivere Beeinflussung der auf bacillärer
Grundlage beruhenden krankhaften Processe
unmöglich ist.
Alle diese Nachtheile der gegenwärtig in Ge¬
brauch stehenden Jodoformsuspensionen jns Auge
fassend, ergriff ich mit begreiflichem Eifer die Ge¬
legenheit, das mir durch die Zuvorkommenlieit des
Herrn F. W. Klever (chemische Fabrik in Köln a. Rh.)
zugesandte 1 oproz. Jodoformvasogen speziell in
Fällen von chirurgischer Tuberkulose zu ver¬
suchen, und zwar aus dem Grunde, weil nach den
Untersuchungen von Dalwnen 6 ) »das Jodoform-
vasogen eine wirkliche Lösung von Jodoform
in einem indifferente-n Medium bildet und
vermöge der leichten Emulgirbarkeit in
4 ) Berl. klin. Wochenschr. Nr. 49, 1889.
l ) Centralbl. t Bakteriologie m. Parasiteokuade, Nr. 22,
Bd. XIV, 1893.
28. Jnli 1896.
sie jedoch durch Uebergänge mit eiuander verbunden und gewinnen
ihr verschiedenes Aussehen hauptsächlich durch accessorische Um¬
stände (Alter des Individuums, Topographie — erschwerte Col¬
li« juation, vermehrte Spannung). Auch der Furunkel ist ein Con-
glomerat von elementaren, im C'entrum coecenhaltigen Ilautabscessen.
10- Wo um einen Staphylococceneinbruch sich in der Haut
rasch und leicht ein Leukoeytenwall ausbilden kann (Impetigo,
Hautabscess) trägt der Process nur den Charakter einer einfachen
Leukotaxis; wo die Bildung des Leukocytenwalles auf Schwierig¬
keiten stösst (Furunkel), bilden sich die 4 Cardinalsymptouie der
Entzündung aus.
11. Die Knäueldrüsen bilden nicht die Eingangspforte der
Staphylococcen und nicht den Ausgangspunkt der Abscesse der
Neugeborenen.
12. Auch bei dichter Durchsetzung des subcutanen Gewebes
mit Staphylococcen (Abscesse der Neugeborenen) sind die sccundär
von der Eiterung ergriffenen Knäueldrüsen coccenfrei und erscheinen
daher wenig geeignet, die Staphylococcen auszusebeiden.
Discussion: Herr Voigt weist auf die Arbeit Logwood's
hin, über die auf der Haut vorkommenden pathogenen und nicht
pathogenen Mikroben. Die Frage der Sterilisirbarkeit der Haut ist
beim Impfen von grösster Bedeutung Ebenso das Verhalten der
Vaccine und reifgewordenen Impfpusteln; in beiden fanden sich
reichlichst Mikroorganismen.
Herr Fraenkel bestätigt die zuerst von Welch gemachten
Angaben über das sehr häufige Vorkommen eines Staphylococcus,
des St epidermis albus, auf der unverletzten Oberhaut, ihn inter-
essirte ein Punkt in den Unna'sehen Darlegungen besonders, dass
die Abscesse der Neugeborenen und die Furunkel bei Erwachsenen,
die klinisch und makroskopisch sich so verschieden verhalten, patho¬
logisch-anatomisch einheitlich sind, die gleiche Entstehungswei.se
besitzen.
Herr M. Cohn führt als Beweis dafür an, dass er bei einem
Biebenwöchentlichen Kinde die beiden Processe neben einander
beobachtete.
Herr Fraenkel hofft, nicht falsch verstanden zu sein; das
Vorkommen echter Furunkel bei Säuglingen hat er nie bezweifelt,
ebensowenig, dass beide Processe durch dieselben Eitererreger ver¬
anlasst würden.
Herr Wiesinger weist auf die Schwierigkeit des Sterilisirens
der Haut vom chirurgischen Standpunkt hin. Eiterungen der Stic!.-
canäle der oberflächlichen Naht werden häufig beobachtet, wenn
die tiefgelegten Suturen reactionslos verheilen; jene können nur auf
Mikroorganismen bezogen werden, die trotz sorgfältiger Desinfection
nicht von der Haut entfernt wurden und kommen bei Seide- und Cat¬
gutnähten vor.
Herr Unna beobachtete bei kleinen Kindern Furunkel me
auf der nackten, nur auf der behaarten Haut.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 4. Juni 1896.
Vorsitzender: Herr Hirsch.
I. Vor der Tagesordnung demonstrirt
Herr P. Sendler das durch Operation gewonnene Präparat
eines Carcinoms der Flexura coli hepatica.
Dasselbe entstammt einem 54 jährigen Herrn der seit f> Jahren
an unbestimmten Schmerzen im Leibe und Unregelmässigkeiten der
Stuhlentleerung leidet. Vor 2 und l 1 /* Jahren ging Blut und Eiter
mit dem Stuhl ab, 6eit 3 /* Jahren hat häufig den Kotliballen äusser-
lich Blut angehaftet. Unter rascher Abnahme der Kräfte ist in der
letzten Zeit starke Abmagerung erfolgt, die Defäcation und der
Abgang von Blähungen ist immer schwieriger und schmerzhafter
geworden, innerhalb der letzten 3 Wochen sind 3 heftige Ileusanfälle
aufgetreten, der letzte erst vor wenigen Tagen.
Bei der Untersuchung des normal gebauten, sehr abgemagerten
Mannes von cachectischem Aussehen ergiebt sich, dass die Brust¬
organe gesund, der Puls leidlich kräftig, die Temperatur normal,
das Sensorium frei, Leber- und Milzdämpfung gleichfalls normal
sind. Der Leib ist leicht aufgetrieben; in der Gegend des Mac
Burney'schen Punktes findet sich eine druckempfindliche Stelle;
in der Gegend der Flexura hepatica des Colon fühlt man eine
gleichfalls druckempfindliche, etwas bewegliche Geschwulst von
harter, etwas höckeriger Beschaffenheit. Von Zeit zu Zeit steigt
während der Untersuchung eine auch äusserlich sehr deut¬
lich erkennbare peristaltische Welle aus dem kleinen
Becken auf und verläuft gegen die beschriebene Ge¬
schwulst, um hier fest stehen zu bleiben. Hierdurch ist
ein sehr deutlicher Hinweis auf den Sitz des Hindernisses für die
Durchgängigkeit des Darms gegeben.
709
Bei der am 2. Juni d. J. vorgenommenen Operation fand sich
denn auch, ausser ausgedehnten flächenhaften Verwachsungen des
Coecums mit der Bauchwand und einer quer über dasselbe hin¬
ziehenden strangförmigen Adhäsion, der obere Theil des Colon
ascendens und der Anfangstbeil des C. transversum in eine harte,
an der Umbiegungsstelle des Darms tief eingezogene Geschwulst
verwandelt. Nach Resection eines etwa 14 cm langen Darmstücks
und Exstirpation einiger geschwollener Mesenterialdrüsen Hessen
sich die beiden Darmenden ohne Spannung aneinanderlegen und
durch circuläre Naht vereinigen.
Die Betrachtung des Präparats ergibt eine so hochgradige,
schlitzförmige Stenose des Dands, dass in den zuführenden Theil
eingegossenes Wasser aus dem abführenden nur tropfenweise ab-
fliesst, der Rest wie aus einem Becher ausgegossen werden kann.
Die mikroskopische Untersuchung soll erst folgen.
II. Gleichfalls vor der Tagesordnung stellt
Herr Brandt 5 Fälle von Lu£s vor.
1. Ein 23jährige8 Mädchen mit einem ausgedehnten gross¬
papulösen Syphilide des Gesichts.
2. Ein 24jähriges Mädchen mit einem papulo-pustulösen Sy¬
philide des ganzen Körpers, bei welchem eine Sclnniercur von
55 Einreibungen fast gar kein Resultat gehabt hat. Jetzt fangen die
zumeist erbsengrossen Papeln an, nach der III. Salicyl Quecksilber-
Injection sich zu involviren und zu heilen. Dabei hat Patientin
ein deutliches Leukoderm am Halse.
3. Eine 24jährige Frau, bei welcher die Infection unbekannt
ist, nur eine Frühgeburt ist vor 3 Jahren eingetreten, mit einem
grossen tubero-serpiginösen Syphilid des behaarten Kopfes und der
Stirn. Dichtgedrängt liegen in infiltrirter, vom Haare fast entblösster
Kopfhaut die bis bohnengrossen Tubera. Von hinten nach vorn
hat die Fläche eine Ausdehnung von 17 cm, von rechts nach links
von 12 cm. Die Affection besteht seit einem Jahre.
4 Ein 24jähriges Mädchen, das im vierten Monat ihrer Lues
steht. Seit 7 Wochen Heiserkeit, Plaques der Tonsillen und Uvula.
Ulcera clitoridis. Polyskleradenitis universalis. Daneben hat Patientin
die immerhin seltene Erscheinung von breiten Condylomen der
beiden äusseren Gehörgänge.
5. Eine 28jährige Patientin mit Lues im vierten Jahre. Seit
Februar d. J. ein über hülinereigrosses zerfallenes Gumma auf der
Vorderseite des rechten Oberschenkels.
Zum Schlüsse zeigt Herr Brandt einen Arbeiter, der seit
15. März d. J. in seiner Behandlung stellt. Derselbe kam zu ihm
wegen eines 17'/2 cm langen und 11 cm breiten, scharfrandigen
Herdes vor dem linken Schienbein. Derselbe nässte, hatte Neigung
zu starker Schuppenbildung und hatte zu beträchtlicher Infiltration
der Haut geführt. Die Ränder hoben sich scharf und erhaben
gegen die gesunde Haut ab. Es bestand Jucken Anfangs hielt B.
die Affection für ein sog. Ekzem eil plaque, die genauere Unter¬
suchung des Körpers zeigte an verschiedenen Stellen sichere Psoriasis.
Chrysarobin hatte denn auch auf dem grossen Herde ausgezeichnete
Wirkung.
HI. Hiernach nimmt das Wort
Herr Aufrecht zu seinem angekündigten Vortrage: Ueber
acute gelbe Leberatrophie.
Das anatomische Substrat der Krankheit ist die Veränderung
der Leberzelle selbst, welche bis zu ihrem vollkommenen Unter¬
gang führen kann. Dies geschieht weniger auf dem Wege der
körnigen Trübung und der fettigen Entartung — diese beiden
Vorgänge führen an und für sich nie zum Untergang der Zelle —
sondern auf dem Wege des Kern sch wundes durch
Kernzertrümmerung und der vacuolaeren Degene¬
ration, welche von Ziegler und Obolonski nach Experi¬
menten an Hunden eingehend geschildert worden ist.
Mit dieser Erkrankung der Leberzelle im Zusammenhang
steht eine Aufhebung des normalen Gefüges der
Leheracini. Die Anordnung in Leberzellenreihen ist auf¬
gehoben , die Lebcrzellen sind gleichsam durcheinander geworfen.
Mit dieser Aufhebung der regelmässigen Anordnung der
Lcberzellen steht im Zusammenhänge das Auftreten von
Blutungen in das interstitielle Gewebe. Dieselben
kommen sicherlich viel häufiger vor, wie allgemein angenommen
wird. Aufbewahrungs- und Präparutiousmethode haben sie viel¬
leicht oft übersehen lassen. Sic bedingen Anfangs, also bei sehr
rasch tödtlich verlaufenen Fällen das rothe Aussehen des ganzen
Organs oder einzelner Abschnitte desselben.
Die Ursachen der Krankheit sind gegeben durch
chemisch-toxisehe (Phosphor) oder infeetiüs-toxische Agenticn (vor¬
nehmlich Bacterium coli). Eine einheitliche aetiologische Auf¬
fassung des pathologisch-anatomischen Processos ist also nicht zu
vertreten.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Münchener medicinische wochenschrot.
No. 30.
710 _
Besonders beachtenswert!, ist
dass solche Bälle, wo das Bactenum ooh d,c Ursache de. Kran
Wt Mi„d“tdo.^“nr die Frage nach der Fathogcnose der
SU' langsamen
gleicher R e'sc^ ja» noc lcr j’.eberatrophie nach vollsBildigcin
v“ d»‘Cus r hepaticus oder choledochns und M *£■
““ sCcif a„ v ^"rri r r „ p rr w
functionsuufäliige LcberzcUenbalkcn. Sie ^
Stande dass die Loberzellen anfangs emo Kernvcrmdiruiifc erfahren,
ihr Protoplasma aber unter bedeutender Volumsabnalune zusammen-
Sä Darum stoben auch diese neugebildeten Gallencap,Haren
von ihrer bindegewebigen Wand auffallend weit ab; sie id lei
eben den Kaum nicht mehr aus, welchen vorher die Leberzellen¬
reihen inne hatten. Auch umgeben die Zellen ^ imgenannbn,
neugebildeten Gallcncapillaren dasselbe enge Lumen, «eLbcs früher
nie ausgesparter Raum »wischen de,, normale,. Lcbcrsülcu lag r
unter normalen Verhältnissen den ersten Anfang dci Gallenwcgc
darstellt. In diesem Lumen finden sieh bisweilen zurückgebliebene
^"TeTEntstehung des Icterus bei der acuton Lebe,
atrophie darf die Anschauung zu Grunde gelegt werden , dass
jeder Icterus die Folge des Auseinanderweichens
der Leberzellen bezw. der Leberzel enreihen st
Denn mit dieser Veränderung ist eine Aufhebung de, Gallen-
capillaren verbunden, welche nur Canäle darste len, die durch An¬
einanderlagerung je zweier halbrinnenförmiger Vertiefungen benach¬
barter Leberzellen gebildet werden. Mit der Aufhebung de,
Oontiguität der Leberzcllen ist auch die Contimutät der Gallon¬
en pillarc vernichtet. Das Secret der Lcberzellc, die (.alle, kann
nicht mehr durch die Gallencapillare in die interacinosen Gallen-
gange gelangen, sondern flicsst in die Spalträume des Binde¬
gewebes, welchem die Leberzcllen ohne Membrana propria anhegen,
von da in die Lyinphgcfä.sse und weiter in den venösen Kreislauf.
_ Die Aufhebung des geschlossenen Lumens dei
Gallencapillare ist aber auf zweierlei l rsachcn
zurückzuführen, entweder auf Stauung der Galle oder auf
Erkrankung der Leberzcllen selbst. In crstereiu Falle veranlasst
der Druck der aufgestauten Galle, welcher sieh nothwcndigerwcisc
bis in die Gallencapillare,, hinein geltend machen muss, sowohl
direct als auch durch Störung der Function der Leberzellen ein
Auseinanderweichen dieser Zellen, also eine Aufhebung der Un-
tinuitüt der Gallencapillarcn; in letzterem Falle — bei Erkrankung
der Leberzellen — hängt die Aufhebung des Lumens der Gallen-
capillare davon ab, dass die ihrer Grösse und ihrem Inhalt nach
veränderten Leberzcllen nicht mehr so dicht an einander grenzen
wie unter normalen Verhältnissen. Ganz besonders gilt dies von
der acuten gelben Leberatrophic, wo die regelmässige Anordnung
der Leberzcllen zu Lcberzcllcnbalken fast vollständig aufgehoben ist.
Bezüglich der Symptome ist das Auftreten von
Coma und von Convulaioncn besonderer Würdigung
werth. Die grosse Mehrzahl der Autoren ist geneigt, beides
auf die gleichzeitig mit der Lebererkrankung auftretende Nieren¬
erkrankung zu beziehen. Da aber thatsäcblich langdauerndes Coma
in solchen Fällen vorkommt, wo zu hypertrophischer Lcbercirrhose
eine acute Atrophie sieh hinzugesellt, ohne dass die Nieren erkrankt
zu sein brauchen, so darf das alleinige Auftreten von Coma als
ein vou Nicrenerkrankungeu unabhängiges Symptom angesehen
werden. Das Eintreten von Convulsionen aber dürfte nur als ein
von gleichzeitig bestehender Nierenerkrankung abhängiges Symptom
anzuselien sein.
Eine ausführliche Arbeit des Vortragenden über acute Leber¬
atrophic mit eingehender Litoraturangabe erscheint demnächst m
der dritten Auflage der E uleuburg’sehen Real-Encyklopaedie.
Discussion. Herr Thorn: Bekanntlich sind Schwangere und
Puerperae hervorragend zur Erkrankung an der in Rede stehenden
,, •* a- was diese Prädisposition schafft, ist schwer zu
Krankheit disponi . was d gravis sind wohl der acuten
sagen. Viele 1 älle n f ecbnen deren klinisches Bild kein so
was sich ja leicht
distinctes ist, wie “ erklären lässt. Einen solchen,
aus den aetiologischen Differenzen^eri.iare & ^
nicht ganz aufgeklärten ^1 beobachteto^ ^
Dame wurde aus ’ b ] oten d in fast somnolentem Zustand in
Ikterus und st ? rk . Di Ana mneso schien für Abort der ersten
meine Klinik eiugcliefert. Die Anamrw, eberkrank gewesen, sie
Wochen zu , 8 ^ r ®®Ji e "' n d chi normales Wochenbett durchgemacht,
hatte einmal B^bore nicht zu stillenden uterinen Blutung
Geschickt wurde die Kranke^ der^nmru^ch yorher nicht beob achtet
3a Es XS 7üT g ein V eÄ
welche in der letzten Zeit in der Krankenanstalt Sudenburg
obachtung gelangt sind. iq j abre alten
s£“3LS3Mj?aas
verschluckte. Er erkrankte nn Decetuber 189o und
der Magengegend, lag desshalb 2 Monate. re ; sen als er von Neuem
wollte leidlich gebessert m seine Heimath reisen, al de8sbalb
von Erbrechen und Magenschmerzen befallen wuKle u
die Hilfe der Krankenanstalt Sudenburg aufsuchen
Erbrechen, Ikterus, Schmerzen m der Magengegend nomm
und Auftreten von Leucin und Tyrosin ,m Harn erfolgte> der J®
Die Section zeigte die Leber im Zustande der Atro P h>e. Andere
Todesursachen wurden nicht gefunden. Patientin
In dem zweiten Falle erkrankte die 34 Jahre alte r ^
4 Monate vor Eintritt ins Krankenhaus mlt .Bitweise Besse-
Beine und Magen beschwer den. Auch hier trat el ” e , ,- b Bcbwo ll
rang ein, dann aber nahm die Gelbsucht wieder zu der Le* «hwo
an und wurde schmerzhaft, die Milz war J^Wa^naLein. Bei
Sensorium benommen, eB traten leichte Fieberbew g ngei eQ
der Section zeigte die Leber, welche nur J30 g bestaa d Peri-
Befund der acuten gelben Leberatrophie A ^ 8erd b fjfbe Leber-
tonitis. U. vertritt die Ansicht, dass die sog. acute ge^ die
atrophie keine Krankheit sin genens ist, sondern^ebe »
Lungenentzündung durch die verschiedensten einzelnen
und bacterischer Art zu Stande kommt W e " n “l n dies nur, weil
Fall als «acute Leberatrophie, bezeichnet, ® anatomischen
man gewohnt ist, die Krankheiten nach dem auffä hg ^ aucb Jas
Befunde zu benennen und weil mau mi den meis ^ FaUe die
aetiologische Agens nicht kennt. So dürfte Bep ti 8 che Stoße
Complication mit Peritonitis darauf hmwe sen. dMS p hl kter
im Spiele waren, während im ersten ^Ue vielleicht versemu ^
Phosphor den Anstoss zu der Lebererk ^ n ^ d g e ^ 8 Hi nwe i8 darauf,
vorhandenen Remissionen in beiden Fällen «ndemHi üich
dass der Process unter Umständen rückgangig werden. g^ g
sogar ganz ausheilen kann. In dieser Beziehung «r ^
sehr belehrend, den er noch m der Breslauer Klm g«
und der später von Marchand als knotige Hyp P deB j^er-
beschrieben worden ist Hier hatte sich auf . . , fc daa8 daB neu-
Schwundes eine so üppige Regeneration ent* b ndete und der
gebildete hyperplastische Gewebe grosse Knoten bildete
Leber ein ganz ungewöhliches Aussehen gab. auBBe rordentlicb
Herr P. Sondier hat vor Jahren einen bei einer
stürmisch verlaufenden Fall von acuter gelber Le P , bt pie
Dame in den 50 er Jahren zu beobachten Gelegenhe geh
Krankheit begann ohne Fieber mit Abgeschlage bere its bis
losigkeit; zugleich bestand leichter 0rte Am vierten
zum folgenden Tage zu einer hohen Intensität Bt f‘B e , rt . , die j^ber
Tage schon trat der Toi ein. Bei der Section fan c gchwellung
citronengelb und stark vergrössert, noch im Stadium
befindlich. . j: P c em Fall Al-
Als einziges aetiologisches Moment konnte in
koholmissbrauch festgestellt werden.
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28. Juli 1896.
*nr Swti?n T gekomm^nen n Fallen ^oiT^rabM-^genjer 2 Leb nei j erd “ 1 . g8
wie sie bei der NeubildüS derseSeT ä 611 u B,l . deni führen könne >
werden. Er habe dies vor ein£ t„k b6e ? en l e beobachtet
nachgewiesen und auch bei der fifw. ^ ahre ° an ^ en Blutcapillaren
zellen gelte obiger Satz Die von « f R “ dung der Leber-
mmm üü
Är»«rjsr;si
äranulatTinsgewetT Äväsbar
itessSKa* sas
zu einem gewissen Abschlüsse gekommen ist Beberzellen
a e [F „r„Se*ÄÄ
Sfen STfatXoh !- nd be n, der regressiv en Metamorphose durch-
zuseben Dte tnLfhV v T ° r llkom ™ en f Uebereiustimmung nicht zu-
■' a , , g ' ltlge Unterscheidung bleibt allerdings immer
vemchÄnhelt 8ICl ' damit die hier hervorgetretene Meinungs-
von Marc V ha^ e ^h T7nV 1 rri i :ht , erWähnten - au8 einer Beobachtung
von Marchand sich ergebenden Ausgang der acuten LeberatroDhie
alirbeobächte 0 t t,ge An y H erpla | eie hftt Thoma in einem Falle gleich-
hatte b rT et - A ■ , d - en ^generativen Zerfall der Leberzellen
hatte sich eine ausgiebige Vernarbung des Lebergewebes ange-
schlossen, während sich in der Narbe eine grössere Anzahl von
rundlichen Knoten entwickelte, welche zur Zeit des Todes aus
fettig infiltnrtem Lebergewebe bestanden.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSfiHRTPT
711
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 22. April 1896.
Herr Klaussner demonstrirt:
srhlfttehJ^!? 21 jähriges Mädchen, bei dem im Anschlüsse an ein
deren M? d verlaufe ° e8 Ulcus ventriculi eine Verlöthung der vor-
Hehn. Magenwand mit dei “ Peritonaeum parietale in grösserer Aus-
sehr h^i, 61118 ^! 1611 War l in Folge deren P^ientin an ständigen,
!®n 1fr ® chm f zen btt. Es wurde die Ablösung des Magens
Zhe de Lr Chwand UDd daran anschliessend die Resection der
«aroenpartien am Magen und Naht desselben vorgenommen.
medioteiJuf w er u die8C u £ a H noch ein gehender in der Münchener
mechanischen Wochenschrift berichtet werden.
der TT^fi? en jährigen Mann, bei dem wegen ausgedehntem mit
08tomi “ g f ° n ? . fest verlötheten Carcinoma pylori die Gastroenter-
der ^ (Vereinigung einer hoch gelegenen Dünndarmschlinge mit
ge«^t r ;“ d d OT d S r M ‘*' ! “ “ be Curvatur) vor-
von haf,fl ent ’ d f r 0 P erat 'on auf's Aeusserste abgemagert und
rasch ,!P“ f rb r heD ge 1 uält ’ erholte sich nach der Operation
rasch und nahm bedeutend an Gewicht zu.
seit liiil, ^ ar Ende December 1895 vorgenommen worden;
FrhronK^ k agt Patient wiederum über zeitenweise auftretendes
Verdncht 11 a j twa ® Schmerz in der Magengegend. Es besteht
gewmW f 88 da8 . Car ?' nom bereits gegen die Anastomose vor-
g wuchert sei und dieselbe zu verengern drohe.
auftretend» e, if 2 ' r>:iäbrige ? *? ann - der 8eit 1893 über in Intervallen
den Anfüllfl ^ageu- und Darm besch werden zu klagen hatte. Bei
SDäter ha,.« 1 ^ dle . früher in Zwischenräumen von mehreren Monaten,
Erbreche:^ C ' kam 68 BOgar zu massenhaftem kothigen
haftieheit f hf Auftr c*bung des Leibes und besonderer Schmerz-
naitigüeit rechts vom Nabel.
und 2LÄ. das Vorhandensein eines peritonitischen Stranges
liegende^vermuthet. Darme8 Über dem8elben a ' 8 das Näch8t '
mit d!F a fn t0 f' s ,j n derMedian,inie - Auffinden einer Darmschlinge
gelegenen i- V ? n wenigen Centimetern hintereinander
vontnhf b ' g f- n V L erdlckungen > mit g rö8 «ter Wahrscheinlichkeit
Verlauf S a ^ hW u, ra w herrührend - Enteroanastomose. Glatter
(12 ~X QRI e A ° fä,1 e bleiben seit der Vornahme der Operation
{ a k j aU8 ' Gewichtszunahme 24 Pfund.
werden 0 <be8er Fad anderweitig noch eingehender beschrieben
Herren 8 'n 11 ' He / r Craemer: Gestatten Sie mir, meine
Herren, zu der Demonstration einige Bemerkungen Ich habe im
reiSj^handhr'>1 36 * llr ig e n Manne, der fegen eines Sge”
1D Behandlung kam, einen grossen Tumor in der PvlornR-
^egend nachweisen können, der nach den Ergebnissen der Aus
durch’fftef^ tvf l8 c . Ca [ c,nom angesehen werden muste. Nachdem
n"»' r Ji, B , S eT°dm “ h ei "8 eschI “Benen Wege nicht mehr ,.u
erk l ar t0^nnd ^ine Exsttrpayo^de^W'mors^'weriif'^och
konf we . ,che Belästigung auf der Kegelbahn 8—9 Glas Bier trinken
konnte, eine Leistung, die seinem Magen alle Ehre anthut Die
ausserordentliolf “ ,ndC , ste M s V? Jlll >r an, dabei nahm der Tumor
der Höhf £ vl \ ' U ; S9t , jetzt 29 cm in der Breite und 22 cm
der Höhe Der Kranke erbricht jetzt wieder Alles so dass es den
ZnstenH 11 h , at ’ . al8 sel der i ‘eugebil,lete Pylorus auch stenosirt de?
Zustand ist ein höchst desolater, der letale Ausgang ist iA der
allernächsten Zeit zu erwarten. g m der
• i . ® oIlte e8 mir gelingen, die Section zu machen, dann werde ich
mh da^n f-S h’ lhnen i <las - 1>räparat zu demonstriren und werde
SKÄSS&Jät We,t0rC Einzelnheilen dieze.
Der dritte Falb den Herr Prof. Klaussner demonstrirt hat
stammt ans meiner Praxis, der Erfolg der Operation ist ausgezeichnet
und f s . E,ngr ! f J es a “ waren alle Beschwerden verschwunden
und sind bis heute nicht wiedergekehrt
cnfa.u e , ha . ben geh . Ört L das8 der Kranke alle paar Monate Miserere¬
anfälle durchgemacht hat, in seiner Ernährung sehr herunterkam
und «eine Stellung aufgeben musste. Ich möchte bei dieser Ge¬
legenheit Veranlassung nehmen, auf ein diagnostisches Merkmal
lorhanf 6 "’ da - ! al,Cn F j Uen von Darmstenose (Dünndarm?)
fin Jn d f ZU 8e . ln , schei . ut > anderweitig aber noch nicht beobachtet
sein dürfte, wenigstens ist mir nichts darüber bekannt
Ich nenne dieses Geräusch Schüttgeräusch, weil es sich so
anhört als würde eine grössere Wnssermenge aus einem Gefässe
Der 8 oberhalb ter “’ r diGSe E 1 rscheinung folgendermassen:
„° b ! rba,b ! u? tenosa angesammelte flüssige Darminhalt wird
Aiiflffn nf raft b ‘f , Z , Ur Sten o« e vorgetrieben und stürzt dann nach
AU r [f e ° de . r Penstaltischen Welle in das erweiterte Darmlumen
SrtiJlÄÄ"' ““ diesM ^üt.ge«„ s ch
«.«iS!* ( ?® ri j Uf £ 1 ' war be' dem Patienten sehr deutlich aus¬
gesprochen , ist bald nach der Operation verschwunden und bisher
nicht mehr beobachtet worden. Ich würde den Herren Collegen
dankbar sein, wenn feie mir Ihre Beobachtungen über dieses Geräusch
mittheilen wollten.
Herr v. Ziem ssen: Mir ist das Schüttgeräusch nicht bekannt
aber es ist von Interesse, hierauf zu achten Es ist möglich dass
es ein wichtiges Symptom ist, besonders bei Dünndarmverengerüngen
Ich wollte zu den ersten mitgetheilten Fall von Verwachsung
des Magens mit der Bauchwand einige Worte hinzufügen. Diese
Fälle sind ausserordentlich selten. Der Grund ist klar Die Ge¬
schwüre an der Vorderwand des Magens führen wegen der ständigen
Verschiebungen derselben gegen die Bauchwand auch bei langsamem
Fortschreiten nicht zu Verwachsungen, sondern meist zur Perforation
Ich möchte über einen anderen ähnlichen Fall berichten. Wir haben
seit einiger Zeit einen Mann von etwa 28 Jahren in Behandlung
welcher an unstillbarem Erbrechen leidet nachdem er einen Messer¬
stich in die Bauchwand erhalten hatte. Die Verletzung hat in der
Richtung gegen den Magen einen Strang hinterlassen, welchen man
deutlich fühlen konnte. Es lag also nahe, anzunehmen, dass eine
strangförmige Verwachsung zwischen Magen- und Bauch wand sich
gebildet habe und dass mit der Beseitigung des Stranges ein Ver¬
schwinden der Beschwerden zu erwarten sei. Es wurde operirt,
der Strang gefunden und durchschnitten. Es trat aber keine Besserung
ein, das Erbrechen dauerte fort und man kam allmählich, da alle
Bemühungen zu keinem positiven Resultate führten, zu der Annahme,
dass es sich um einen Fall von schwerer Hysterie handle.
Die Verwachsungen des Pylorus mit der vorderen Bauchwand
sind viel häufiger und bieten Schwierigkeiten bezüglich der Erkennung
und Behandlung. Ich möchte einen Fall meiner früheren Beobach¬
tung mittheilen. Eine Person mit altem Ulcus bekam einen unver¬
söhnlichen Tumor in der Pylorusgegend, es gesellte sich dann
bräunlich flockiges Erbrechen hinzu; kurz, man musste annehmen,
dass es sich um ein auf eine Narbe aufgepfropftes Carcinom handelt.
Die Section ergab aber, dass es sich nur um ein callöses Geschwür
handelte und um kein Carcinom. Der Fall war lange Zeit vor den
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MÜNCHENER MEDIC1NISCHE WOCHENSCHRIFT^
No. 80.
jetzigen Operationsmethoden und hätte jedenfalls die besten Chancen '
zur Operation gegeben. .
Tumoren der Magengegend, welche unbeweglich sind, gehören zu
den schwierigsten bezfder Diagnose. Bewegliche Tumoren lassen sich
leichter diagnosticiren. Die Prüfung auf freie Salzsäure, im
werthvoll, lässt doch in manchen Fällen im Stich. Den Y«rwac -
uneen des Magens mit dem Pankreas, welche so häufig sind, kann
man nicht beikommen. Es dürften diese auch kaum ™ ° pe ~ese
ce in weil häufig die Magenwand ganz zerstört worden ist. Diese
Verwachsungen sind die Quelle andauenider Verdaumigsstörungem
Ich meine das Studium der Verwachsungen des Magens und deren
Beziehungen zu operativen Eingriffen ist noch lange nicht ab¬
geschlossen und es steht zu erwarten, dass man noch viel weiter
kommen wird ,
Herr v Noorden referirt in Kürze — eingehenderes an
anderem Orte - über 2 im letzten halben Jahre vorgenommene
Operationen am Magen wegen Ulcus inveteratum und Adhaesionen
und wegen Ulcus perforans mit Perforativpentonitis. Im ersten
Falle handelte es sich bei der Operation im
die schmerzhaften Adhaesionen zwischen Netz, Bauchfe 1 und vor
derer Magenwand die Folgen des Magengeschwürs, zu lösen. De,
Frfolg war Anfangs glänzend, jetzt nach 4 Monaten beginnen die
alten 8 Unbehnglichkeiten und das Druckgefühl wieder Ein eigent¬
liches Recidiv ist kaum annehmbar, aber weiteres ist abzuwarten.
Im zweiten Falle kam v. N. bei beginnender Perforativperitonitis
zum Oneriren. Beim Eingehen auf die Magenwand riss die zunder¬
artige Geschwürs-Umgebung mehrere Centimeter ein so dass sich
grosse technische Schwierigkeiten ergaben und dass dm Ope^ t ' on
sich in dieser Sitzung vorerst nur mit Toilette der Bauchhöhle be¬
schäftigen konnte. Zweckmässige Tamponade lagerte die Magen-
wunde extraperitoneal und es kam nach Tagen durch günstige Ver¬
klebung zum Stillstand der Peritonitis. Es gelang aber nicht, trotz
mechanischer und mehrfacher plastischer Versuche am Magen und
an der Bauchwand die Fistel zu schliessen. Die Magenwunde ver
grösserte sich nach W< chen bis zur Thalergrösse, indem von den
Rändern aus ein Selbstverdauungsprocess einsetzte. Die Unnach-
giebigkeit der Magenwand, die mit Leber, Pankreas und Golon
transversum innig verklebt war, widerstand allen Schlussversuchen.
Die Kranke erlag in der 9. Woche der lnamtion.
Einzufttgen (was unerwähnt blieb) ist hier, dass die 25 jährige
Patientin sehr schwach in die Operation eintrat und dass ein Ge¬
sichtserysipel in der G. Woche die Kräfte enorm mitnahm.
Die Obduction eiklärte die grossen Schwierigkeiten, die sich
dem Magenverschluss entgegenstellten. Der Magen war durch alte
und neue Verklebungen wie eingemauert und der chronisch ent¬
zündliche Process hatte zu einer Sanduhrform geführt und zwar so
hochgradig, dass man es gleichsam mit 2 Pförtnern zu thun hatte
und es unbegreiflich blieb, wie noch Nahrung hätte passiren können.
Es musste sich alles Genossene aus der Fistel ergiessen. Auf die
motorische Kraft der Magenwand war bei solchen Adhaesionen
nicht zu rechnen.
Herr Krecke hat 2 mal wegen strangförmiger Magen¬
verwachsungen operirt. In beiden Fällen bestanden ausser
ordentlich heftige Beschwerden, die allen anderen therapeutischen
Bestrebungen gelrotzt hatten. Die Lösung der Verwachsungen be¬
seitigte beide Male vollständig die ausserordentlich quälenden bymp-
tome Nach einiger Zeit kehrten jedoch die Beschwerden in gleicher
Weise wieder, bei der ersten Patientin nach 7 Wochen, bei der
zweiten nach 8 Monaten.
Herr R. v. Hoesslin: Ueber die Ursachen der
multiplen Hirnnervenlähmung. (Der Vortrag ist in No. 20
dieser Wochenschr. in extenso abgedruckt.)
Discussion: Herr v. Ziemssen: Ich habe 2 einschlägige
Fälle in Virchow s Archiv publicirt. Eine syphilitische Poli
neuritis der Basis, in welcher durch den Druck der geschrumpften
und verdickten Hirnhaut ca. 7 Hirnnerven vollständig atrophisch
geworden waren. Es ist nicht nur die Dura, sondern auch die Pia,
welche hier eine Rolle spielt. Der zweite Fall, welcher eine multiple
Gehirnnervenlähmung durch Trauma darstellt, betrifft einen Fall
von Quetschung durch Kammräder. Es bestand eine bedeutende
ntermeningeale Blutung, welche sich hauptsächlich auf die Basis zu
localisiren schien, weil ein Nerv nach dem anderen ergriffen wurde.
Nach mehreren Tagen schien Alles stehen zu bleiben und gut zu
gehen, dann kam abermals ein Nachschub und die Lähmung weiterer
Nerven Allmählich gingen die Lähmungserscheinungen zurück und
der Kranke ist vollständig genesen. Was die multiple Neuritis des
Gehirns nach Diphtherie anbelangt, so ist sie verliältnissmässig
häufig; einzelne Nerven 6ind dabei bevorzugt, vor Allem Oculomo
torius, Trochlearis, Abducens.
Herr Theilhabcr: Welche Symptome machen
die Flexionen und Versionen des Uterus? (Der Vortrag
ist in No. 22 u. 23 dieser Woelienschr. in extenso abgedruckt.)
Gesellschaft für Morphologie und Physiologie
in München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 7- Juli 1896.
Professor H. Büchner berichtet über die folgenden, un
hygienischen Institut ausgeführten Untersuchungen:
1 . Herr Dr. A. Schatten froh prüfte die «Beziehungen
der Phagocytose zur Alexinwirkung» durch Einverleibung
von reiner cultivirter Bierhefe in die Bauchhöhle normaler Meer¬
schweinchen •). Die Hefezellen gehen hier äusserst rasch zu Grunde,
und man findet mikroskopisch schon nach 1—2 Stunden die
meisten derselben in Phagocyten eingeseklossen. Aber auch die
frei gebliebenen Hefezellen erweisen sich unfähig, auf sonst zu¬
sagenden Nährmedien ausserhalb des Körpers weiter zu wachsen,
sind also getödtet. Die Ursache dieses raschen Unterganges der
Hefczellen sollte nun ermittelt werden. Defibnmrtes Blut o er
Serum von Kaninchen erwiesen sieh, trotz der sonst vorhandenen
bactericiden Wirkungen, unfähig zur Vernichtung der Hefczellen.
Dagegen genügte das, durch Injection von Wcizcnklcber-Emulsion
in die Pleurahöhle von Kaninchen erzielte, an Leukocyten un-
gemein reiche sterile Exsudat, dessen gesteigerte bactencide
Leistung bereits bekannt ist, zu diesem Zweck. Auch hier erfogte
aber starke Pliagocytese von Seite der Leukocyten gegenüber den
Hefczellen, und es fragte sich nun, ob diese hier unbedingt zur
Vernichtung erfordert werde. Zur Entscheidung hierüber wurde
eine Reihe von Vcrgleichsversuchen ausgeführt mit unverändertem,
anderseits mit gefrorenem und wieder aufgethautem Pleura¬
exsudat, in welchem die Leukocyten also getödtet, die gelosten
Stoffe aber unverändert waren. Die meisten dieser Versuche er¬
gaben eine entschiedene Minderleistung der ge rorenen x
sudate. Beispielsweise in einem Versuche sank die durchschm -
liehe Zahl von 1980 ausgesäten Hefezellen (pro Raumeinheit des
besäten Exsudates) nach 1 Stunde im unveränderten Exsudat
auf 8, nach 5 Stunden bereite auf 0 Zellen, während im ge :
frorneu Exsudat die Zahl der überlebenden Zellen nach 1 Stunde
nur auf 432, nach 5 Stunden nur auf 147 pro Raumeinheit sic
vermindert hatte. Parallel hiemit ging im unveränderten Exsudat
eine starke Phagocytose, im gefrornen fehlte dieselbe naturgemäss.
Im letzteren Palle können offenbar nur die bactericiden Alcxme
bei der Abtödtung der Hefezellen das Wirksame sein, was durch
Inactivwerden des Exsudate bei Erwärmen auf 55 noch weiter
bestätigt wurde. Diese bactericiden Alexine sind in den Exsudaten
zweifellos, entsprechend dem Reichthum an Leukocyten, in vie
höherer Concentration oder in stärker wirksamen Modificationen
enthalten, als im leukocyten-armen Blute. Immerhin bestand aber
in den meisten Versuchen noch eine beträchtliche Differenz in er
abtödtonden Wirkung zwischen den unveränderten und den ge¬
frornen Exsudaten, und fragte es sich daher, ob der Phagocytose
als solcher eine Bedeutung für die Abtödtung hier zuerkannt
werden müsse? . , ,
Möglich wäre ja auch, dass in einem Exsudat mit leben e
Leuko- resp. Phagocyten die letzteren erst unter dem Einfluss des
Reizes, welchen die Anwesenheit von Hefezellen bedingt, ihre bac¬
tericiden Alexine zur Ausscheidung bringen, während im m
frieren und. dadurch bedingten Abtödten der Leukocyten iesc
Ausscheidung unterbleibt. In diesem Falle könnte das unver n er
Exsudat stärker bactericid auf die Hefczellen einwirken, o ne ass
dieses Plus an Wirkung direct mit dem Vorgang der Phagocytos
zusammenhinge. ,
Alle Versuche, aus den Leukocyten durch wiederholtes *■
friercnlassen, durch mechanisches Zerreiben und darauf o gen .
Ucntrifugircn, durch Einfricrenlassen unter vorherigem Helezusa
u. s. w. eine Flüssigkeit von höherer bactericider ir saim
zu erzielen, hatten indes» negatives Ergebniss. Nur in ®
suchen fiel die abtödtende Wirkung des gefrornen un wie era
gethauten Exsudates fast gleich stark aus, wie jene es un
änderten, die lebenden Phagocyten enthaltenden Exsudats ; J“ •
aber war letztere beträchtlich stärker. Man muss also der i nag
cytose eine Rolle bei der Abtödtung der Hefezellen zuer en
i) Die ausführliche Publication erfolgt im Archiv für Hygiene.
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28. Juli 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
713
was ja insofern begreiflich erscheint, als die aus den Leukocyten
entstammenden bactericiden Alexine im Innern der letzteren wohl
in concentrirter Form zur Wirksamkeit gelangen können. Immer¬
hin bedeutete jedoch dieses Ergebniss anscheinend einen Wider¬
spruch gegenüber früheren Ermittelungen, denen zu Folge die
Phagocytosc bei der Vernichtung von Bacterien keine Rolle spielt.
In folgender Weise kam Licht in diese Frage. Zunächst
wurde festgestellt, dass die Phagocytose nicht etwa nur auf
lebende Hcfczellen sich erstreckt, sondern dass auch absichtlich
beigemengte todtc Hefezcllen im gleichen Verhältniss gefressen
werden, wonach es sich jedenfalls nicht um eine specielle Abwehr¬
und Kampfeinrichtung handelt, sondern um eine, durch die In¬
haltsstoffe der Hefezelle bedingte chemotactische Anlockung der
Phagocyten. Anderseits zeigte sich, dass Milclisäurebac-
terien, welche in Folge von Bierwürze-Zusatz zum Exsudat (um
den Hefczellen Nahrungsstoffe zuzuführen) zufällig in einem Ver¬
such auftraten, vom unveränderten und gefrornen Exsudat ganz
in gleicher Weise abgetödtet wurden, was damit überein¬
stimmte, dass die Phagocyten hier nur Hefezellen, aber keine
Milchsäurebacterien aufgefressen hatten. Die geringe Milchsäure-
production genügt also bereits, um die Phagocyten am Auffressen
zu hindern.
Wie hier die Milchsäurebacterien durch ihre Milchsäure, so
können sich pathogene Bacterien die Phagocyten durch ihre
Toxine vom Leib halten, was aus älteren Versuchen bereits be¬
kannt ist, hier aber durch neue Versuche wiederum bestätigt
wurde. Streptococcus pyogenes, B. pyocyaneus und B. Proteus
wurden desshalb im unveränderten und im gefrornen Exsudat, im
Gegensatz zu den harmlosen, ungiftigen Hefezellen, in gleicher
Weise abgetödtet, Milzbrandbacillen im frischen Exsudat nur
wenig stärker. Mikroskopisch kommt es bei diesen Versuchen
in den unveränderten Exsudaten allerdings zu einer theilweisen,
manchmal sogar ziemlich starken Phagocytose. Das zeigt aber nur,
wie wenig Beweiskraft der blossen mikroskopischen Beobachtung für
die Frage zukommt, ob der Untergang der Bacterien durch Phago¬
cytose bedingt sei oder nicht. Denn offenbar wurden in diesen
Fällen nur die durch die bactericiden Alexine bereits abgetödteten
oder wenigstens abgeschwächten Bacterien nachträglich von
den Phagocyten aufgefressen. Wäre es anders, so könnten un¬
möglich die gefrorenen Exsudate, in denen gar keine Phago¬
cytose stattfindet, den gleichen abtödtenden Erfolg haben, wie die
unveränderten Exsudate. Die blosse mikroskopische Beobachtung,
auf welche sich Metschnikoff und seine Mitarbeiter haupt¬
sächlich zu stützen pflegen, ist daher für diese Frage nur ein
ungenügendes Entscheidungsmittel.
Schliesslich ergibt sich also, dass bei den harmlosen, ungiftigen
Hefezellen, wenn dieselben in den lebenden Organismus des Warm¬
blüters eingeführt werden, die Abtödtung hauptsächlich durch
Phagocytose erfolgt, dass aber bei Toxin - bildenden pathogenen
Bacterien die active Fressthätigkeit der Phagocyten als Abwehr-
mittel versagt und dass hier die Abtödtung, wenn und insoweit
sie überhaupt cintritt, durch die bactericiden Alexinc, welche aus
den Leukocyten stammen, bewirkt werden muss, so dass die
eventuell eintretende Phagocytose nur etwas Secundäres darstellt.
2. Verhalten der Wollfaser zu Wasser und atmos¬
phärischer Luft. *)
3- Einfluss des Sauerstoffs auf die Gärthätigkeit
der Hefe. Durch Chudiakow wurde aus dem Laboratorium
von Pfeffer in Leipzig eine ausführliche Experimentalarbeit
publicirt, wonach Durchleitung von Luft durch Zuckerlösung mit
gährender Bierhefe die Gärthätigkeit der letzteren ungünstig beein¬
flussen und innerhalb weniger Stunden nahezu zum Stillstand
bringen soll, während bei Durchleitung von Wasserstoff die Gärung
nach Maassgabe der COg - Production, durch viele Stunden unver¬
ändert fortdauerte. Chudiakow hielt sich nach diesem, von
früheren Untersuchungen abweichenden Ergebniss zu gewissen
theoretischen Folgerungen über die Natur des Gärungsvorganges
berechtigt, welche mit den bisherigen Vorstellungen in Widcr-
2 ) Die betreffenden Versuche und Versuchsresnltate sind in
dieser Wochenschrift (No. 26, 8. 614, 615) bereits mitgetheilt.
spruch stehen. Es war daher eine Nachprüfung der Versuche
von Chudiakow angezeigt.
Herr R. Rapp, Assistent am hygienischen Institut, unter¬
zog sich dieser Mühe, indem er im Wesentlichen den Apparat
und die Versuchsanordnung von Chudiakow beibehielt, die
letztere aber im Einzelnen verbesserte. 8 ) Vor Allem wurden die
Gase nicht mittels Saugen durch die Apparate geführt, sondern
mittels Pressung, was gegen unbeabsichtigte Fehler mehr Sicher¬
heit gibt, und beim Austritt aus dem Apparat ein jederzeitiges
Messen der durchgetretenen Gasvolumen ermöglicht. Dann wurde
die von Chudiakow unterlassene mikroskopische Unter¬
suchung der gärenden Hefe jederzeit und wiederholt aasgeführt,
und es wurde durch Plattenculturen und Abzählen der Colonien,
sowie durch Bestimmen des Hefengewichts zu Beginn und am
Ende der Versuche die eventuelle Zu- oder Abnahme der Hefe
ermittelt.
Die mit Hefe-Reinculturen angestellten zahlreichen Versuche
ergaben nun niemals eine derartige Unterdrückung der Gärthätig¬
keit in Folge von Luftdurchleitung, wie sie von Chudiakow
beobachtet worden war, auch nicht bei Anwendung von reinem
Sauerstoff. Es war jetzt die Frage, wodurch die irrthümlichen
Resultate des genannten Forschers bedingt seien. Zunächst musste
man an unreine Culturen denken. Durch absichtliche Zumischung
von aeroben Bacterienarten (Milchsäure-, Essig-Bacterien) oder von
aerobischen, gährungsunfähigen Sprosspilzen .zur gärenden Hefe ge¬
lang es aber nicht, bei Luftdurchleitung ein Aufhören der Gärung
zu erzielen. Dagegen zeigte sich in der That eine Hemmung uncl
Sistirung des Gärungsvorganges, wenn bei mässig grossen
Hefemengen (wie sie von Chudiakow angewendet worden waren)
absichtlich mehr Luft als gewöhnlich, nämlich über 4 1 per
Stunde durch das Gärungsgefäss geleitet wurden. Die Unter¬
drückung der Gärung erfolgte aber ebensogut auch , wenn mehr
Wasserstoff, nämlich ebenfalls über 4 1 per Stunde, durch
das Gärgefäss hindurchstrich. Hieraus gebt hervor, dass nicht
die chemische Natur des angewendeten Gases, sondern lediglich
der mechanische Effect des stärkeren Schütteins für diese
hemmende Wirkung in Betracht kommt. Letzteres wurde durch
weitere Versuche bestätigt, bei denen überhaupt kein Gas durch
die Gärflüssigkeit geleitet, sondern letztere in einem Schüttel¬
apparat stärkeren Schüttelstössen durch einige Stunden aus¬
gesetzt wurde. Die Gärleistung der Hefe zeigt sich hiernach
auf ein Minimum reducirt, eine Erscheinung, die noch näherer
Untersuchung bezüglich der Bedingungen ihres Zustandekommens
bedarf.
Es steht zu vermuthen, dass bei den Versuchen Chudia¬
kow ’ s, dessen Einrichtungen zur Messung der durchstreichenden
Gasvolumina ungenügende waren, grössere Mengen von atmo¬
sphärischer Luft als anderseits von Wasserstoff durch die Apparate
gingen und dass hierauf die Unterdrückung der Gärthätigkeit bei
ersterem Gas zurückzuführen ist. Die Versuche Ra pp's lehren
dagegen unzweideutig, dass der Sauerstoff f Üp die Vermehrung
der Hefezellen nöthig, für den Gärungsvorgang selbst
aber gleichgiltig ist, ferner dass stärkere Erschütterung
gährender Flüssigkeiten die Gärung unter Umständen unter¬
drücken kann.
4. In achter chinesischer Tusche findet sich ein eigen¬
tümlicher Capseibacillus, welcher im hygienischen Institut
durch M. A. Hamilton auf seine näheren Eigenschaften unter¬
sucht wird. (Mikroskopische Demonstration.)
5. Die sichere Diagnose des ächten Choleravibrio
ist in Folge des Auftauchens so vieler ähnlicher Vibrionen eine
immer schwierigere geworden , und man hat zu immer subtileren
Unterscheidungsmerkmalen seine Zuflucht nehmen müssen. Die
modernste Methode ist jene von R. Pfeiffer, welche sich auf
die Bpecifischen Eigenschaften des Serum's eines gegen den
ächten Choleravibrio immunisirten Thieres begründet. Solches
Serum gewährt nach Pfeiffer’s Angaben, die im Wesentlichen
auch von anderen Seiten her Bestätigung gefunden haben, nur
resp. am vollkommensten gegenüber dem ächten Choleravibrio
s ) Die Arbeit wird demnächst ausführlich publicirt werden.
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MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHENSCH RIFT.
No. 30.
Schutz, nicht aber resp. unvollkommener gegenüber anderen ver-
“t'S“. dieaem I-»» “ d “ W t Z,
fnW dass man die zu prüfenden \ibnonen gemischt mit
Schern’ In,munserum «Jj* Bau^höhle^ Sn
(^ontrcdUder 8 ohne Immunserum erliegt dann ^^anes müdem
Ä>>;-
™l»ebr »11 dieses Sc™» cur * -
rrz r sä Ä.^:'Äet«c,.
alS Stoffe erschien
von vorneherein bedenklich, weil die bis jetzt bekannten»
dem Thierkörper entstammenden Stoffe von SpecihUt in diesen
Sinne nichts erkennen lassen. . ..
In der That wurde Pfeiffer’s Annahme m neuester Zeit
durch die sorgfältigen Untersuchungen von M. Gr ubc r und P ur h am
1 haltlos und damit als überflüssig erwiesen, indmn gcaetgt werden
konnte dass dem Immunserum — was R. I fel ” e , r u ^“ ,,cn
hatte — allerdings di recte Wirkungen auf die Choleravibrionen
zukommen, welche sogar im Reagensglas makroskopisch
durch eine Art von Niederschlagsbildung in der vorher dicht
trtlben Cholcracultur sieh Unssern (Demonstrattonh M>k .a
„kopisch zeigt demgemäss die vorher aut s Lebhafteste von
wimmelnden CWer.vibrionen erfüllte Cultur »cb Znsata von
Immunserum nur noch unförmige Schollen, welche aus den
bewegungslos gewordenen, zusammen geballten, «agglutimrten»
(Grubcr-Durham) Vibrionen bestehen (Demonstrationen). Dem¬
nach klärt sich der ganze complieirtc Vorgang dahin auf, dass
zwei wohl unterscheidbare Momente bei demselben in M irkung
treten: einmal eine direete Schädigung der Choleravibrionen durch
das specifisehe Immunserum (womit aber noch keine Ab-
tödtung verbunden ist), und zweitens dann in der Bauchhöhle des
normalen Thieres die abtüdtende Wirkung der gewöhnlichen
bactericidcn Stoffe, denen die vorher schon geschädigten
Vibrionen nunmehr wesentlich leichter erliegen. Das Specifisc i
bei dem ganzen Proecss liegt nur in seinem ersten Abschnitt
während die physiologisch höchst fragwürdige Annahme «speufasch
bacterieider» Substanzen hienach als haltlos sieh herausstellt.
Das Verdienst von Gr über und Dur harn besteht aber
nicht nur in dieser theoretischen Aufklärung, sondern in der
wesentlichen Erleichterung, welche damit für die Anwendung des
specifischen Cholera-Immunserums zur praktischen Diagnose de,
Choleravibrionen gewonnen ist. Endlich bildet die hier zum
ersten Male beobachtete « a g g 1 u t i n i r e n d e > W irkung an eigen-
beweglichen Bacterie» überhaupt einen neuen Typus von Er¬
scheinungen, der voraussichtlich zum Ausgangspunkt weiterer
biologischer Forschungen über die Infectionserregcr dienen wird.
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 2. April 1896.
Herr Neuberger stellt 2 Familien vor, in denen durch
den Mann Herpes tonsurans auf die übrigen Glieder der 1' arnihe
übertragen wurde. In der einen Familie sind 4 Kinder befallen
worden, worunter ein halbjähriges Kind, das eine macidöse Herpes
tonsurans-Plaque in der Abdominalgegend acquinrte. Km anderes
Kind wurde auf dem Kopte an mehreren Stellen von der Affection
befallen. Der Mann hat noch immer deutliche Sycosisinfiltratc
am Barte. .
In der anderen Familie erkrankten \ ater, Mutter und ein
Kind. Der Vater hatte mehrere Herpes tonsurans - Kreise im
Barte, das Kind einen fast zweithalergrossen Herd auf dem Kopfe
(vesieülöse und pustulöse Form), die Mutter einen thalergrossen
Flecken am linken Oberarme.
Der Vorstellende bespricht die verschiedenen Formen des
Herpes tonsurans, die alle an den vorgestellten Personen nach¬
weisbar sind und empfiehlt in therapeutische^
Theerpräparat (Big. Anthraeis simpl. von Dr. I ische -
Herr Thorei demonstrirt folgende aus dem Sectionsmatenal
des städtischen Krankenhauses stammende Präparate
iRiahricen Manne stammenden stark aus-
p,,or “ ” igte “ d
-äsää d .
Herr Cnopf sen. macht eingehende Mittheilung über die
im Verlauf des Jahres 1895 mit der Serumtherapie diphthene-
kranker Kinder im hiesigen Kinderspital gemachten Erfahrungen.
L £ Einleitung vergleicht er die statistischen B-mlUf ütar
die Diphtherie-Mortalität und -Morbidität, welche in den Arbeiten
Heubner’s, Behrings und des Reiehsgesuudheitsamtes meder¬
gelegt sind, mit 8 Jahrgängen der Statistiken Nürnbergs und
kommt schliesslich zu folgenden Resultaten :
1. Die Berechnung der Diphthenemortalitüt auf 10 000 der
Bevölkerung gibt ein unzutreffendes Bild, weil die 10 00
constantc, ändern bei der Fluctuation der Bertltonmg
Zufluss nicht empfänglicher Elemente eine variable Grosse ist
o Auch die proeentuale Berechnung erfordert eine Berück¬
sichtigung aller einflussreichen Momente, wenn Vergleichungen
nicht ein falsches Resultat ergeben sollen.
3. Unter Berücksichtigung derselben ergibt sich, dass unk.
der Einwirkung des Serums in Berlin wie m Nürnberg die Mor¬
talität um 50 Proc. zurück gegangen ist. Notlnvendig-
4 Auf gleiche Einwirkung ist die verminderte Notwendig
keit operativer Eingriffe und ihre kürzere Dauer, ™ ’torhaupt
die kürzere Dauer des deutlich sichtbaren I roccsses zuruckzuführ .
5. Nachdem in Nürnberg sowohl, wie auch an anderen Ort»
die im Verlauf des ganzen Jahres 1895 gemachten Beobachtungen
die in den letzten 3 Monaten des Jahres 1894 gemachten ur
bestätigen, so dürfte damit ein Beweis für den hoben therapeutische
Werth des Serums erbracht sein, und dessen \ erwerthung zur
Bekämpfung einer so mörderischen Krankheit, wie es die ip
ist, zur Pflicht werden.
Herr Goldschmidt bringt die Krankengeschichte und
den Sectionsbefund eines 2 »/* Aahre alten, an acuter Leukämie
verstorbenen Knaben. i
Pas Kind war bis zu seiner Erkrankung vollkommen gesund
gewesen, entstammte gesunder Familie und zeigte En dJ
1895 Drüsenanschwellungen am Halse, die bis F ^ be i
wieder vollständig zu, ückgegangen waren. Am 24. .
subjectivem Wohlbefinden und Mangel;jedwededer
Seitens der inneren Organe eine starke blaurot Januar
Tonsillen und des weichen Gaumens zu constot^.^^ ^
wurde zum ersten Male eme geringfüg.ge Anschwellu^^kleine
gefunden, die rapid zunahm und bereits am 1. Fe Fieber 33,5
Becken hinabreichte. Gleichzeitig stellte
bis 39,5, ein. der Puls wurde sehr frequent 140 bis 150 m a d .’
die Leber überragte um zwei Fingerbreiten den PP^ Allpemein .
Drüsen am Halse schwollen wieder stärker an u . .. Fiwe j 8S
befinden wurde stetig schlechter. Der Bringehalt
und Epithelialcylinder. Das Blut zeigte das de8
kämischen Blutveränderung, hach wräbsrgehen e q yom
Allgemeinbefindens wie aller nachweisbare rasch wieder,
8.—U. Februar, kehrten sämmtliche Erscheinungen eme im
das Aussehen wurde stetig schlechter; es ste zunehmender
Gesicht und den unteren Extremitäten ein und unte
Schwäche trat bereits am 26. Februar ® L ym phdrüsen von
Die Section ergab Anschwellung sämmtheher t^ymi C m,
Erbsen- bis Haselnussgrösse. Die Milz star ^ v * rg p i - bra unroth, auf
hat ein Gewicht von 500
dem Durchschnitt vorquellend. Die Leber 20 1 M . 8e hr
Gewicht von 800 g, das Gewebe blassgelbroth. D ie B f ndenachicht
gross, das Gewebe auf dem Durchschnitt brüchg, z dunkler,
verbreitert mit grauröthhehen Streifen, die Ma . - cben Unter-
roth vorquellend. Das Blut zeigt bei der SSSSS; besonders
Buchung starke Vermehrung der weissen Blutkörp ei ke ru h altige
der einkernigen Lymphocyten, wenig e ° s *“ 0 {&L toUe Die bacterio-
rothe Blutkörperchen, keme Charcot sehen OiysteUe. verbe f
logische Untersuchung des Blutes und der inneren u ga
resultatlos. . , v or-
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es« ^
liegenden Falle um acute Leukämie gehandelt habe, .
29 8 zu» ersten Male die MtocWl™ constafr.
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2ti- Juü lS'JO-
MÜNCHENER -MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
715
werden und bereits am 26. Februar, also genau nach 4 Wochen,
trat schon der Tod ein; aber auch wenn man annimmt, dass die
Krankheit mit der Lymphdrüsenschwellung am Halse am 24. De-
cembcr 1895 ihren Anfang genommen habe, bleibt nur eine Krank¬
heitsdauer von 8 Wochen , ein Verlauf, wie er nur der acuten
Leukämie eigcnthüuilieh ist. Der beschriebene Fall zeichnet sieh
von den bis dahin beschriebenen Fällen acuter Leukämie besonders
dadurch aus, dass er ein Kind von nicht ganz 2Jahren
betrifft, dass von .sämmtlichcn der Leukämie eigenthüinlicken
Symptomen keines fehlte und dass während des Verlaufes eine
vorübergehende Besserung sämmtlichcr Erscheinungen auftrat.
Verschiedenes.
Odol. Das k. sächsische Landes-Medicinal-Collegium hat sich
vor Kurzem veranlasst gesehen, die k. Centralstelle für öffentliche
Gesundheitspflege zu beauftragen, das so ausserordentlich reclamen-
haft und allerorts angekündigte Mundwasser «Odol» zu unter¬
suchen und dessen Werth für die Erhaltung der Zähne zu prüfen.
Das Ergebnis8 der Untersuchung war Folgendes:
Das Odol wird in eigenthümlich geformten Flaschen mit einem
Inhalte von 80 ccm und solchen von 90 ccm Inhalt in den Handel
gebracht. Der Preis für die i /t NormalflaRche beträgt 1 Mk. 50 Pf.
Das Odol, eine schwach grilnlich-gelb gefärbte, nach Pfeffer¬
minzöl riechende Flüssigkeit von neutraler Reaction und süssem
Geschmack trübt, nach Vorschrift in Wasser gegossen, dieses milchig.
Die chemische Untersuchung ergab folgende Zusammensetzung
des Mittels:
100 Theile Odol enthalten:
16,68 Theile
Wa6ser,
79.U4
absoluten Alkohol,
1 , q 5
Menthol,
2,33 „
nicht flüchtigen Rückstand,
darin:
0.041 „
.Saccharin,
0.018 „
Salicylsäure,
0,02 „
Mineralstoffe, und
2,051 „
einer Suhstanz, welche zu
etwa 2 Drittel Salol und einem
Drittel aus salicylsauremMen-
tholather besteht.
Zur Prüfung der angeblich vorzüglichen antiseptischen Wir¬
kung des Odols wurde eine Anzahl von Versuchen angestellt, theils
mit Reinculturen verschiedener Bacterienarten, theils mit extrahirten
cariösen Zähnen und den daran haftenden Bacterien. In keinem
Versuche, selbst wenn viel grössere Mengen Odol, als die Gebrauchs¬
anweisung vorschreibt, dem Wasser zugesetzt wurden (1 Odol auf
100 Wasser und 2 Odol auf 100 Wasser — während nach der
Gebrauchsanweisung einige Tropfen je nach Geschmack mehr oder
weniger auf ein kleines Glas Wasser gegossen werden sollen) und
selbst bei stundenlangem Verweilen der Zähne in solchen Flüssig¬
keiten konnte eine Abtödtung aller Bacterien erreicht werden.
Das Odol besitzt daher die ihm in den Anpreisungen zu¬
geschriebene desinficirende Eigenschaft nicht; wenn auch dem
Salol und der Salicylsäure eine solche zukommt, so ist doch die
Verdünnung, welche der an sich geringe Gehalt des Odols an diesen
Desinfectionsmitteln beim Gebrauche erführt, eine so hochgradige,
•lass von einer Abtödtung der Bacterien der Mundhöhle nicht die
Rede sein kann.
Als ein Mittel, welches zur Verhütung einer Krankheit (Zahn-
caries) empfohlen wird und dessen Zusammensetzung und Zuberei¬
tung in keiner Weise bekannt gegeben ist, gehört das Odol unter
die Geheimmittel.
Nach der Seitens der k. Centralstelle gefundenen Analyse be¬
rechnet sich der Preis des Inhaltes der Normalflasche auf 60 Pf.
und unter Zurechnung der Kosten für Anfertigung jeder beliebigen
Menge — wie sie sich bei Anfertigung eines vom Arzte ver¬
schriebenen Receptes stellen — auf 96 Pf.
Da es sich beim Odol aber um fabrikmässige Darstellung des
Mittels handelt, so ist der Verkaufspreis sicher zu hoch normirt.
(Sitchs f’orr. Bl.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 28. Juli. Am Samstag den 1. August, Vorm. 11 Uhr,
findet die Feier des 50 jährigen Jubiläums des Dr. von Hau ne Eschen
Kinderspitals statt.
— § Dem Pensionsverein für Wittwen und Waisen bayerischer
Aerzte ist von einem edelmüthigen Collegen eine Schenkung von
1000 Mk. zugewendet worden.
— Zufolge einer Aufforderung des Pariser Comites für die
Errichtung eines Denkmals für Pasteur in Paris hat sich in München
ein Zweigcomit4 für Bayern gebildet, bestehend aus den Herren
Professoren Dr. M. von Pettenkofer, Dr. von Ziemssen,
Dr. Hans Büchner. Die genannten Herren haben sich zur Ent¬
gegennahme von Beiträgen für das Pasteur-Denkmal bereit erklärt.
— Soeben geht uns Seitens der Geschäftsleitnng der 68. Ver¬
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte — Prof. Moritz
Schmidt und Walter König in Frankfurt a. M. — die Einladung
zur Versammlung mit dem Verzeichnisse der angemeldeten Vorträge
zu. Wir werden dieselbe als Beilage zur nächsten Nummer zum
Abdruck bringen
— Im Anschluss an die am 18. und 19. September in Heidel¬
berg tagende Versammlung des Vereins der deutschen Irrenärzte und
unmittelbar vor Beginn der 68. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte wird am Sonntag, den 20 September, Nachmittags 5 Uhr
die I. Jahresversammlung des Vereius abstinenter Aerzte des deutschen
•Sprachgebietes iui Banketsaale des Saalbau's zu Frankfurt a. M.
stattfinden.
— Gelegentlich der 68. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte wird am Sonntag, den 20. September, Vormittags die
Versammlung der Vorstäude der deutschen Tmpfstoffgewinnungs-
Anstalten zu Frankfurt a. M. in einem noch näher zu bezeichnenden
Locale stattfinden.
— Die XIII. Hauptversammlung des Preussischen Medicinal-
beamten-Vereins findet am 15. und 16. September d. J. zu Berlin
im hygienischen Institut statt.
— In den Tagen vom 28. September bis 4. October d. J.
findet zu Clermont-Ferrand der IV. internationale Congress für
Hydrologie, Klimatologie und Geologie statt.
— Die 28. Wanderversammlung des allgemeinen ärztlichen
Vereins von Thüringen wird am 10. und 11. August zu Jena abgehalten.
— Wie verlautet, sind neuerdings von der Regierung die
einleitenden Schritte zur Errichtung eines Lepra-Asyls im Memeler
Kreise gethan worden.
— In Siena wurde am 2. Juli das neue Instituto anatomico
feierlich eröffnet.
— Als Nachfolger des Regierungsmedicinalrathes Dr. Agathon
Wernich übernimmt Prof. Dr. Fritz Strassmann von der Uni¬
versität Berlin die Leitung der «Vierteljahrschrift für gerichtliche
Medicin und öffentliches Sanitätswesen».
— Der preussische Cultusminister hat den Entwurf einer neuen
Prüfungsordnung für Aerzte durch die Oberpräsidenten den Aerzte-
kammern zur Beurtheilung überwiesen. Ueber das Ergebniss der
Berathungen soll dem Minister bis zum 1. November d. J. berichtet
werden.
— Die Medicinalabtheilung des preussischen Kriegsministeriums
hat neuerdings die Sanitätsämter angewiesen, dafür Son;e zu tragen,
dass die Wasserversorgung der Garnisonlazarethe und die zu diesem
Zwecke vorhandenen Brunnen- und Wasserleitungsanlagen, sowie
das zur Verwendung kommende Wasser einer fortgesetzten, sorg¬
fältigen Ueberwachung und regelmiissicen Prüfung durch die Chef¬
ärzte gemäss der kriegsministeriellen Verfügung vom 11. März 1890
unterzogen werden. Dabei sich ergebende Missstände Bollen baldigst
beseitigt und die zur Beseitigung erforderlichen Maassnahmen
ungesäumt bei der kgl Intendantur beantragt werden, damit in
allen Lazarethen eine einwandfreie Wasserversorgung unbedingt
gesichert sei
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 28. Jahreswoche. vom 5. bis 11. Juli 1896, die grösste Sterb¬
lichkeit Stettin mit 39,8, die geringste Sterblichkeit Dessau mit
12,0 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Flensburg.
(Universitätsnachrichten.) Freiburg. In die medicinische
Facultiit ist Dr. E. Roos, Assistent an der Poliklinik, als Privat-
docent für innere Medicin aufgenommen worden. — Heidelberg.
I)r Gottlieb, Privatdocent für Arzneimittellehre und Dr. Cr am er,
Privatdocent für Hygienne sind zu ausserordentlichen Professoren
ernannt worden. — Jena. In der medicinischen Pacultät habilitirte
sich Dr. med. Hermann Braus für Zoologie. — Leipzig. An der
Universität habilitirte sich Dr. Bernhard Kroenig, Assistent an
der Universitätsfrauenklinik. — Marburg. Der Professor der Augen¬
heilkunde Uhthoff hat einen Ruf an die Universität Breslau erhalten
und denselben angenommen; mit ihm wird auch sein erster Assistent,
Privatdocent Dr. Axenfeld, dorthin übersiedeln; Prof. Barth,
Secundnrarzt der chirurgischen Klinik, folgt einem Rufe als Ober¬
arzt nach Danzig; an seine Stelle tritt Privatdocent Dr. Enderlen,
Assistent der chirurgischen Klinik in Greifswald; Dr. Sandmeyer,
Privatdocent für Physiologie, ist zum Professor ernannt worden —
München. Zum Rector der Universität für das Studienjahr 1896/97
wurde Prof. v. Kupffer gewählt. — Rostock. Prof Körner hat
den Ruf nach Leipzig abgelehnt. Die medic. Institute erfahren eine
Erweiterung durch den Neubau einer Klinik für Ohren- und Kehl¬
kopfkranke. — Strasaburg. Als Nachfolger von Prof. Hoppe-
Seyler für physiologische Chemie wurde der Pharmakologe an der
deutschen Universität in Prag, Prof. Hofmeister, berufen.
Prag. Habilitirt: Dr. Ii. Rimla für patholog Anatomie und
Dr. A. Schrutz für Geschichte der Medicin und Epidemiologie.
(Todesfall.) Ganz Bologna ist durch das Ableben des be¬
liebtesten and beschäftigtsten Arztes, Professors der Medicin und
Leiters der hiesigen Klinik, Dr. Ignazio Cantalametta, in Trauer
versetzt worden. Er starb im Alter von kaum vierzig Jahren als
Opfer seines Berufes an Blutvergiftung.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
Amtlicher Erlass.
Bayern.
Kgl. Staatsministerium des Innern.
Bekanntmachung: Die Verhandlungen der Aerztekammern im
e Jahre 1895 betreffend.
Auf die Verhandlungen der Aerztekammern Bayerns vom
29. October 1895 ergeht nach Einvernahme des kgl. Obermedicinal-
ausschusses Nachstehendes zur Entschliessung:
1. Sämmtliche Aerztekammern sprechen sich für die Erstellung
einer gleichmässigen Geschäftsordnung aus; dessgleichen für
eine nach thunlicher Gleichmässigkeit strebende Gestalt der Satzungen
der einzelnen Bezirksvereine, immerhin aber unter Rücksichtnahme
auf die besonderen Verhältnisse der einzelnen Bezirksvereine.
2. Zum Vollzüge der Aerztekammernbeschlüsse, die ständigen
Ausschüsse mit den vorbereitenden Schritten zur Schaffung einer
gemeinsamen 8tandesordnung für die Aerzle Bayerns zu be¬
trauen, welche eine Ergänzung der Kgl. Allerhöchsten Verordnung
vom 9. Juli 1895, die Bildung von Aerztekammern und von ärztlichen
Bezirksvereinen betreffend, zu bilden hätte, werden die diesjährigen
Aerztekammern sich mit der Berathung eines entsprechenden Ent¬
wurfes zu beschäftigen haben, welcher sodann der Einvernahme
des erweiterten Obermedicinalausschusses unterbreitet werden wird.
3. Hinsichtlich des von der ob er pfälzischen Aerztekammer
angeregten und in mehreren Aerztekammern besprochenen zu er¬
lassenden Verbotes des Anpreisens von Geheimmitteln in der Presse
sind Verhandlungen im Gange.
4. Die Aerztekammer der Pf alz sprach einstimmig den Wunsch
aus, es möge für einfache Verbände eine Taxnorm aufgestellt
werden, die den Gebühren für wundärztliche Hilfeleistungen unter
Ziffer 16 der gegenwärtig geltenden Gebühren ordnung entspricht.
Die Taxnorm für die hier berührten einfachen Verbände ergibt
sich aus der Vergleichung mit Ziffer 19, wonach die Taxe für ein¬
fache Verbände im Gegensätze zu den complicirten Verbänden sich
unter zehn Mark, der Lage des Einzelfalles entsprechend, zu be¬
wegen hat.
5. Dieselbe Aerztekammer spricht sich dahin aus «es mögen
bei Beurlaubung von amtlichen Aerzten die Kosten der Verwesung
auf die Staatskasse übernommen werden.» Hierauf wird erwidert,
dass eine Abänderung des hieher einschlägigen § 9 der Kgl. Aller¬
höchsten Verordnung vom 3. September 1 ö 79, betreffend den ärzt¬
lichen Dienst bei den Gerichts- und Verwaltungsbehörden nicht
veranlasst erscheint.
6. Der Vorlage der von der Aerztekammer der Oberpfalz
und Regensburg beschlossenen Berichterstattung über die Er¬
gebnisse der Anwendung des Behring'sehen oder auch eines
anderen Diphtherieheilserums wird Seitens des kgl. Staatsministeriums
des Innern mit Interesse entgegengesehen. Dessgleichen begrüsst die
k. Staatsregierung die von der Aerztekammer eingesetzte Commission
für Errichtung von Heilstätten für unbemittelte Lungenkranke im
Regierungsbezirke der Oberpfalz und von Regensburg und erhofft
von den eingeleiteten, vorbereitenden Schritten günstigen Erfolg.
7. Dem von derselben Aerztekammer gestellten Anträge auf
Verlängerung des Termines für die Vorlage der Jahresberichte der
praktischen Aerzte an die Bezirksärzte vom 1. Februar zum 1. April
jedes Jahres kann nicht stattgegeben werden, da es im allgemeinen
Interesse gelegen ist, die Fertigstellung und Drucklegung des
General-Sanitätsberichtes soweit thunlich zu beschleunigen.
Im Uebrigen wird darauf aufmerksam gemacht, dass die
Mehrzahl der Berichte der praktischen Aerzte im Text zu weitläufig
ist, so dass die Verwerthung derselben für den General-Sanitäts¬
bericht nicht möglich wird. Durch Kürzung dieser Berichte wird
die Einhaltung der dermaligen Vorlagefrist erheblich erleichtert
werden. Die Casuistik der interessanten Krankheitsfälle wäre der
medicinischen periodischen Presse zu überlassen.
8. Dem Wunsche der Aerztekammer von Mittelfranken,
dass die Sterblichkeitstabellen lila und b entsprechend hergestellt
werden, wird Rechnung getragen werden.
9. Der Antrag der Aerztekammer von Unterfranken und '
Aschaffenburg auf Beseitigung des § 6L der Kgl. Allerhöchsten 1
Verordnung vom 28. Februar 1851, die Benützung und Unterhaltung
der Staatsgebäude betreffend, wird gelegentlich der in Beschäftigung
begriffenen Revision dieser Verordnung entsprechende Berücksich¬
tigung finden.
10. Der Antrag derselben Aerztekammer. die k. Staatsregierung
wolle bei weiterer Ausgestaltung der Organisation des ärztlichen
Standes in Bayern, bei Gewährung einer Aerzte-Ordnung dafür
Sorge tragen, dass der Aerztekammer ein Einfluss auch auf solche
Aerzte, welche keinem ärztlichen Vereine angehören, ermöglicht
werde, eignet sich zur geschäftsmässigen Behandlung bei der für
die nächste Sitzung der Aerztekammern in Aussicht genommenen
Berathung einer Aerzteordnung.
11. Der Beschluss der Aerztekammer von Schwaben und
Neu bürg, zu beantragen, es wolle die Frage in dem Formulare für
ärztliche Zeugnisse zum Zwecke der Erlangung der Invalidenrente;
«Wie viel kann^ nach Ihrer Schätzung der Untersuchte
durch eine seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechende
Lohnarbeit täglich noch verdienen ?»
hat Veranlassung gegeben, über diese Anregung die Aeusserungen
der Vorstände der bayerischen Versicherungsanstalten auf Grund
der bisher gemachten Wahrnehmungen einzuholen. Hienach tritt
die Mehrzahl der Anstaltsvorstände der Anregung der schwäbischen
Aerztekammer und deren Begründung entgegen, da der Zustand der
Invalidität gemäss § 9 Abs. 3 des Gesetzes nach dem in Geld zu
berechnenden Höchstbetrage der noch vorhandenen Erwerbsfähigkeit
zu bemessen ist und über diese Frage nur durch den Arzt auf Grund
persönlicher Untersuchung Auskunft ertheilt werden kann. Drei
Versicherungsanstalten stellen sich dagegen auf den Standpunkt der
schwäbischen Aerztekammer, wenigstens insoweit, als sie anerkennen,
dass dem Arzte die Bemessung der Erwerbsbeeinträchtigung nach
dem Geldbeträge dessen, was der Untersuchte noch verdienen kann,
nicht zugemuthet werden könne. Für das k. Staatsministerium des
Innern ist hienach z. Z. eia ausreichender Anlass, eine Aenderung
der Fragestellung im Formulare der Versicherungsanstalten in An¬
regung zu bringen, nicht gegeben.
Hievon sind die Ausschüsse der Aerztekammern geeignet zu
verständigen.
München, den 18. Juli 1896.
(gez.) Frhr. v. Feilitzsch.
Der Generalsecretär:
von Kopplstätter, Ministerialrath.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung;: Dr. Hans Huber, approb. 1893, zu Marolds-
weisach; Dr. Samuel Vogel, approb. 1895, zu Sommerhausen, Bez.-
Amt Ochsenfurt; Dr. Richard Geigel, approb. 1882, Privatdocent,
Dr. Adam Hof mann, approb. 1893, Dr. Heinrich Riese, approb.
1838, Privatdocent, diese drei in Würzburg; Dr. Paul v. Schoene-
beck, 1894, München; Dr. Emil Hartmann, 1895, München.
Verzogen: Dr. Paul Werner von Zeil a. M. unbekannt wohin,
Dr. Georg Adam von Eibelstadt nach Zeil a M.
Ordensverleihung: Dr. Oskar Schroeder, Leibarzt 8. K.
Hoheit des Prinzen Alfons von Bayern, erhielt den Orden der öster¬
reichischen eisernen Krone.
Befördert: im Beurlaubtenstande: zu Oberstabsärzten
2. Classe: in der Reserve die Stabsärzte Dr. Maximilian Dirr
(Rosenheim) und Dr. Alfons Auer (Straubing); in der Landwehr
1. Aufgebots die Stabsärzte Dr. Georg Wolf (Rosenheim), Dr. Otto
Billinger (I. München), Dr. Heinrich Schneider (Kitzineen),
Dr. Maximilian Thiede (Kissingen), Dr. Andreas Wehn er (Würz¬
burg), Dr. Otto Prinz (Aschaffenburg) und Dr. Sigmund Fries
(Hof); zum Stabsarzt in der Reserve der Assistenzarzt 1. Classe
Dr. Friedrich Sch renk (Nürnberg); zu Assistenzärzten 1. Classe:
in der Reserve die Assistenzärzte 2. Classe Dr. Gustav Schulze
(I. München), Dr. Hugo Wolff, Dr. Maximilian Richter und
Dr. Kurt Nette (Hof); in der Landwehr 1. Aufgebots die Assistenz¬
ärzte 2. Classe Ferdinand Leim er (I. München 1 , Dr. Martin Kramer
(Ingolstadt), Dr. Emil Einstein (Aschaffenburg), Dr. Oskar Dre¬
witz (Hof), Dr. Dominikus Hi epp (Kaiserslautern), Dr. Otto
Schubert (Ludwigshafen) und Dr.Ludwig Schaumberg (Landau);
zu Assistenzärzten 2. Classe der Reserve die Unterärzte der Reserve
Dr. Paul Steinhäuser und Dr. Franz Schaule (I München),
Adam Englerth (Würzburg), Dr.Samuel Vogel (Nürnberg), Dr.Adolf
Jordan (I. München), Ernst Hager (Würzburg), Dr. Ernst Rosen¬
feld (Nürnberg), Theodor Barthel (Erlangen) und Dr. Friedrich
Frank (I. München).
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 29. Jahreswoche vom 12. bis 18. Juli 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 66 (38*), Diphtherie, Croup
27 (27), Erysipelas 11(10), Intermittens, Neuralgia interm. 2 (1),
Kindbettfieber 1 (3), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 9 (7),
Ophthalmo • Blennorrhoea neonat. 5 (7), Parotitis epidemica — (5),
Pneumonia crouposa 15 (11), Pyaemie, Septicaemie 1 (1), Rheuma¬
tismus art. ac. 26 (23), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 43 (36),
Tussis convulsiva 32(46), Typhus abdominalis 1 (1). Varicellen 13 (13),
Variola, Variolois — (—). Summa 252 (229). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 29. Jahreswoöhe vom 12. bis 18. Juli 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach 1 (—), Diphtherie
und Croup 1 (5), Rothlauf 2 (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) 1 (3), Brechdurchfall 4 (2), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung 1 (1), Tuber-
culose a) der Lungen 22 (30), b) der übrigen Organe 7 (6), Acuter
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 1 (2),
Unglücksfälle 3 (3), Selbstmord 4 (2), Tod durch fremde Hand —• (—)■
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 161 (161), Verhältnisszahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 20,6 (20,6), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,0 (16,1), f Qr
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13,5 (14,6).
•) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verlag Ton J. F. Lehmann ln München. — Druck der E. Müh 1 thaler'sehen k. Hof-Buchdruckcrel ln München.
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■'~-Z .
Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens2’/«—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 JC , praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adreaslren: Für die Redaction
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehren. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Moese, Promenadeplatz 16.
MED ICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bolilnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. i. Helaeke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. v. Baske, F. v. WlRCkil, H. r. Zleiswa,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würxburg. München. M ü nc h e n . München.
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M 31. 4. August 1896.
Redacteur: Or. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ueber subcutane Einverleibung von Nahrungsstoffen.*)
Von Fritz Voit,
Privatdocent und Assistent am med.-klin. Institut.
In all’ den Fällen, in welchen die Nahrungsaufnahme auf
natürlichem Wege unmöglich oder mit Gefahr für den Kranken
verbunden ist, hat man bisher die Zufuhr von Nahrungsstoffen
mittelst Nährklystieren zu bewerkstelligen gesucht, und es besteht
kein Zweifel, dass an der Dickdarmschleimbaut Resorptionsvorgünge
stattfinden. Wir wissen, dass Wasser, in Wasser gelöste Salze
und auch organische Nahrungsstoffe von hier aus zur Aufsaugung
kommen können. Die früher herrschende Ansicht, von den Eiweiss¬
körpern seien hiezu nur die peptonisirten tauglich, ist zuerst durch
Bauer und meinen Vater 1 ) widerlegt worden, welche die Resor-
birbarkeit der im Succus carnis befindlichen Eiweissstoffe nach-
wiesen, wie auch des gewöhnlichen Hühnereiweisses, insofern dem¬
selben nnr eine gewisse Menge von Kochsalz zugesetzt wird. Auch
Zucker kam in nicht unerheblicher Menge zur Aufnahme, ja es
wurde sogar Stärke im Dickdarm saccharificirt. Diese am Hunde
angestellten Untersuchungen wurden von Eich hör st*) auf weitere
Eiweissarten, so auf die Eiweissstoffe der Milch, auf Lösungen
von Myosin und Alkali-Albuminaten ausgedehnt und schliesslich
von Leube 8 ), Czerny und Latschenberger 4 ) und von
Huber 5 ) auch auf den Menschen mit dem gleichen Resultate
übertragen. (Nach Ewald 6 ) kommt im Gegensatz zu den Re¬
sultaten Voit und Baucr’s Eiereiweiss auch ohne Chlornatrium-
Zusatz zur Resorption.) Die Angaben über die Resorbirbarkeit
des Fettes lauten verschieden: bei den Versuchen von Voit und
Bauer wurde das eingespritzte Fett zum grössten Theil mit dem
Koth wieder ausgeschieden, Munk 7 ) sah 3,7—5,5 Proc. des i
injicirten Fettes zur Resorption kommen, während Czerny und
Latschenberger und Leube wesentlich bessere Erfolge zu
verzeichnen haben.
Mit dem Nachweis der Resorbirbarkeit aller dieser Nahrungs¬
stoffe durch die Dickdarmschleimhaut ist aber noch lange nicht
eine Ernährung des Menschen im strengen Sinne des Wortes,
d. h. eine Erhaltung seines stofflichen Bestandes auf längere Zeit
*) Vortrag, gehalten im ärztlichen Verein zu München am
3. Juni 1896.
‘) C. Voit und J. Bauer. Ueber die Aufsaugung im Dick-
und Dünndarm. Zeitschr. f. Biologie V. 536. 1869.
2 ) Eichhorst. Ueber die Resorption der Albuminate im
Dickdann. Pflugs Arch. IV. 570. 1871.
8 ) Leube. Ueber die Ernährung der Kranken vom Dickdann
aus. Deutsch. Arch. f. klin. Med. X. 1. 1872.
4 ) Czerny und Latschenberger. Physiologische Unter¬
suchungen über die Verdauung und Resorption im Dickdann des
Menschen. Virchows Arch. LIX. 161. 1874.
b ) Huber. Ueber den Nährwerth der Eierklystiere. Deutsch.
Arch. f. klin. Med. XXXXVII. 495. 1891.
8 ) Ewald. Ueber die Ernährung mit Pepton undEierklystieren.
Zeitschr. f. klin. Med. XII. 407. 1887.
7 ) J. Munk und A. Rosenstein. Zur Lehre von der Re¬
sorption im Darm, nach Untersuchungen an einer Lymphfistel beim
Menschen. Virchow's Arch. 123, 230 u. 484. 1891.
No. 31.
hinaus in’s Werk gesetzt. Dazu gehört die Einbringung einer
bestimmten, unter einen gewissen Werth nicht herabsinkenden
Menge von Nahrungsstoffen. Und damit sieht es nun recht
misslich aus. Nach den Beobachtungen von Voit und Bauer
gelingt es nur etwa den vierten Theil der zur Wahrung des
Stickstoff-Gleichgewichtes nöthigen Eiweissmengen von der Mastdarm-
schleimhaut aus zur Resorption zu bringen, selbst wenn man im
Stande wäre, nebenbei noch eine grössere Menge von N-freien
Stoffen, also von Fett und Kohlehydrat, dem Organismus ein¬
zuverleiben 8 ). Dazu kommt nun noch, dass die Nährklystiere bei
häufigerer Application nicht selten vom Rectum in Folge des
immer wiederkehrenden Reizes nach sehr kurzer Zeit schon aus¬
gepresst werden, wodurch natürlich die Resorption noch mehr
heruntergedrückt wird.
Es ist nun schon vor längerer Zeit hin und wieder versucht
worden, Nahrungsstoffe unter die Haut einzuspritzen. Menzel
und Perco 9 ) haben dies zuerst an Thiercn, dann auch an einem
Menschen gethan; ihnen sind weiterhin Krueg 10 ), Whittakcr 11 )
und Pick 12 ; uachgefolgt. Die praktischen Ergebnisse dieser Ver¬
suche lassen sich wohl am besten daraus beurtheilen, dass vom
Jahre 1879 bis 1895 in der Literatur tiefes Schweigen über
dieses Thema herrscht. Man war eben nicht im Stande, nennens-
werthe Mengen von Nahrungsstoffen ohne nachtheilige Folgen für
die Patienten einzuspritzen. Nur sehr kleine Quantitäten von Ei-
8 ) In dem Lehrbuch «Ernährung des gesunden und kranken
Menschen» von Munk und Ewald 1895 ist auf Seite 567 folgender
Passus zu lesen: «Ewald hat durch sorgfältige Stoffwechselunter¬
suchungen nachgewiesen, dass es sehr wohl gelingt, den Organismus
auf eine Reihe von Tagen bei ausschliesslicher Application der gleich
zu nennenden Nährklystiere im Stickstoffgleichgewicht zu halten.»
Dies geht aber aus den in der Zeitschr. f. klin. Med. Bd. XII ver¬
öffentlichten Untersuchungen, auf welche sich diese Worte beziehen,
keineswegs hervor. Denn ausser den Nährklystieren erhielt die
45 Kilo schwere Versuchsperson noch täglich folgende Nahrungs¬
mittel per os (wie auf Seite 413 a. a O. angegeben):
2 Semmeln (ä 35 g) mit 0,66 g Stickstoff, 41,7 g Kohlehydrat, 0,7 g Fett
2 Eier (ä 53 g) „ 1,90g „ — g „ 11,4g „
V2 Liter Bouillon ,, 0,19 g „ — g „ — g „
30 g Butter „ — g „ — g » 27,0 g „
3 Kartoffeln (k 7 5 g) „ 0,25 g „ 46,4 g _„_ 0,4 g „
Summa 3,00 g Stickstoff, 88,1 g Kohlehydr., 39,5 g Fett
= 18,75 g Eiweiss.
18,75 g Eiweiss = 76,9 Calorien
88,1 g Kohlehydrat = 361,2 „
39,5 g Fett = 367,4 „
Summa 805,5 Calorien.
Rechnet man für die körperlich völlig unthätige Frau als
Calorienbedarf pro Kilo ~ 30 Calorien, so macht das im Ganzen
1350 Calorien, von welchen also schon über die Hälfte in der durch
den Mund gereichten Nahrung enthalten ist. Ich dächte, man kann
da nicht mehr von Erhaltung des Stickstoffgleichgewichtes bei «aus¬
schliesslicher» Application von Nährklystieren sprechen!
®) Menzel und P e r c o. Ueber Resorption von Nahrungsmitteln
vom Unterhautzellgewebe aus. Wiener med. Wochenschr. 1869,
No. 31, p. 517.
10 ) Krueg. Künstliche Ernährung durch subcutane Injectionen.
Wiener med. Wochenschr. 1875, No. 34, p. 753.
1J ) Whittaker. The Clinic. X. 4. Jan. 1876 (cit. nach Pick).
ta ) Pick. Ueber Ernährung mittels subcutaner Injectionen.
Deutsche med. Wochenschr. 1879, No. 3, p. 31.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
weiss in Form von Milch, Eigelb und Fleischsaft zu 1—6 g-
ferner Syrup, am ehesten noch Fett als Leberthran und Mandelöl
bis zu 80 ccm wurden leidlich ertragen, aber auch hiebei traten
einigemale Entzündungen und Abscedirungen auf. Ueber den reellen
Werth derartiger Injectionen für den Stoffhaushalt war nichts be¬
kannt.
Da hat Leube solche Versuche neuerdings auf genommen
und auf dem medicinischen Congress zu München im verflossenen
Jahre seine interessanten Resultate mitgetheilt 18 ). Er hat an
Hunden mit Eiweiss, Kohlehydraten und Fett experimentirt. Protein¬
substanzen erwiesen sich ihm nicht als geeignet zur subcutanen
Injection, da die Darstellung und Sterilisirung der nach theoretischen
Erwägungen zur Einspritzung geeigneten Eiweisskörper Schwierig¬
keiten macht, und da Albumosen und Peptone, wenn sie nicht die
Darmwandung passiren, als Gifte auf den Organismus cinwirken.
Auch die Einspritzung von Zucker in grösseren Dosen gelang
ihm nicht. Im günstigsten Falle konnte er 15—20 g Trauben¬
zucker in 20 proc. Lösung im Tag unter die Haut bringen. Bei
grösseren Mengen traten heftige Schmerzen und Entzündungen auf,
so dass Leube eine nennenswerthe Zufuhr von Kohlehydraten
durch die Haut zum Zwecke der Ernährung für unmöglich hält.
Ein wesentlich erfreulicheres Resultat ergab die Einspritzung
von Fett. Ich will hier nur auf einen, den schönsten und
schlagendsten Versuch Leube's etwas näher eingehen. Ein Hund
wurde durch Fütterung mit ungenügenden Quantitäten fettfreien
Pferdefleisches möglichst fettarm gemacht : bei einer Probe-Laparo¬
tomie war das Hautfett ganz verschwunden, das Mesenterium ent¬
hielt nur mehr sehr spärliche Mengen von Fett. Nun bekam der
Hund während 6 Wochen täglich flüssige Butter unter die Haut
der Oberschenkel in steigenden Mengen von 20—40 ccm, im
Ganzen circa 1400 g Butter cingcspritzt. Dabei stieg das Körper¬
gewicht von 3,88 auf 5-36 kg. Bei einer zweiten Laparotomie
zeigte sich «die Bauchhaut mit reichlichem gallertig opakem Fett
versehen, das Mesenterium fettreich./ Das Fett der Bauchhaut
enthielt, wie die Butter, reichliche Mengen von Triglyceriden der
niederen, flüchtigen Fettsäuren. Darauf wurde das Thier wiederum
lediglich mit fettfreiem Fleische gefuttert und 4 Monate nach der
zweiten Laparotomie, nachdem sein Gewicht auf 3,85 kg herunter¬
gegangen war, getüdtet. Der Körper erwies sich als fast vollkommen
frei von Fett, die geringen noch vorhandenen Beste hatten wiederum
das Aussehen des gewöhnlichen Hundefettes und enthielten nur
mehr wenig niedere Fettsäuren.
Das Resultat dieses schönen Versuches ist also folgendes:
ein fettarm gemachtes Thier setzt durch subcutane Injectionen von
Butter Fett im Innern an und dieses Fett wird im weiteren Ver¬
lauf bei ungenügender CalorienZufuhr so gut wie vollständig wieder
aufgezehrt, ist also dem Stoffhaushalt des Organismus zu Nutzen
gekommen. Es liegt auf der Hand, dass dies für die Möglichkeit
der Durchführung einer künstlichen Ernährung von allergrösster
Bedeutung ist. Denn da durch die Verbrennung von Fett der Eiweiss¬
umsatz im Organismus herabgedrückt wird, so genügen bei Zufuhr
von Eiweiss und Fett bedeutend geringere Mengen von Eiweiss
zur Erhaltung des N-Bestandcs, als wenn allein Eiweiss verbrennt.
Herr Geheimrath v. Ziemssen hat nun die Anregung ge¬
geben, die Leube'schcn Untersuchungen weiter zu verfolgen und
sic womöglich auch auf andere Nahrungsstoffe auszudehnen. Trotz
der bisherigen nicht günstigen Erfahrungen habe ich zunächst die
Kohlehydrate, spcciell den Traubenzucker, in’s Auge gefasst, in
der Erwägung, dass die Kohlehydrate in Bezug auf Eiwcissersparniss
eine bei weitem grössere Wirkung entfalten, als das Fett. Denn
bei constant bleibender Eiweisszufuhr setzt eine bestimmte Menge
Kohlehydrat die N-Ausfuhr stärker herab, als die gleiche Menge
von Fett. Und weiterhin tritt der Einfluss der Kohlehydrate auf
den Eiweissumsatz in Folge ihrer leichteren Verbrennbarkeit im
Organismus rascher zu Tage, als der des Fettes. Auf die Er¬
haltung des Fettbestandes zwar wirken sie nicht so mächtig ein,
W'C das Fett; aber das nächste Ziel bei der künstlichen Ernährung
bleibt doch eme möglichst grosse Eiweisserspamiss. An eine Ver¬
mutung des Fettverlustes ist vorläufig noch nicht zu denken.
,3 ) Leube. Ueber subcutane Ernährung
inn. Med. 1895, p. 418.
Verb. d. Congr. f.
Da Mensch und Thier auf Injectionen von Traubenzucker
natürlich ganz verschieden reagiren können, so wurden die Ver¬
suche gleich am Menschen angestellt, selbstverständlich am Anfang
mit grösster Vorsicht, indem nur sehr verdünnte Lösungen und
und von diesen nur wenige Cubikccntimeter angewandt wurden.
Dabei hat sich in zahlreichen Vor versuchen, welche von Herrn
Dr. Rieder angestellt wurden, herausgcstellt, dass die Misserfolge
Leube's bei Zuckerinjectionen wohl lediglich auf die zu stark
gewählte Uoncentration zurückzuführen sind. Eine lOprocentige
Traubenzuckerlösung, auch in grösseren Mengen unter die Haut
eingespritzt, verursacht nur geringes Brennen und wird ohne weitere
Reaction aufgenommen. Wir sind successive von 10 auf 100
und 1000 ccm gestiegen, ohne üble Folgen gesehen zu haben.
Das Gefühl des Brennens bleibt auch bei den grossen Quantitäten
ein recht massiges. Etwas schmerzhaft erscheint meist nur bei
Injection grösserer Mengen die Massage, welche erforderlich ist, um
die Flüssigkeit von der Einspritzungsstelle wegzudrängen. Aber auch
dieses Schmerzgefühl ist, wenn nur die Massage schonend ausgeführt
wird, kein derartiges, dass es die Injectionen verbieten würde.
Am bequemsten wird die Einverleibung in der nämlichen Weise
unter die Haut der Oberschenkel ausgeführt, wie eine subcutane
Kochsalzinfusion. Eine etwas stärkere Hohlnadel, durch einen
längeren Gummischlauch mit einem grösseren oder kleineren Glas¬
trichter verbunden, stellt den ganzen erforderlichen Apparat dar,
der in 5 proc. Carbolsäure aufbewahrt und vor dem Gebrauch mit
steriler Kochsalzlösung durchgespült wird. Man giesst die sterilisirte
und erwärmte Traubenzuekcrlösung in den Glastrichter ein, nach¬
dem an den Gummischlauch ein Quetschhahn angelegt wurde,
öffnet den letzteren so lange, bis alle Luft aus Schlauch und
Nadel verdrängt ist, stüsst die Nadel schräg unter die Haut ein
und lässt nun durch Hochheben des Trichters die Flüssigkeit
einlaufen. Zur Einverleibung grösserer Mengen haben wir zwei
Nadeln mittels eines T-Rohres an dem Kautschukschlauch be¬
festigt, so dass aus einem Trichter zugleich in beide Oberschenkel
die Lösung eingebracht werden konnte. Das Eiufliessen geht meist
sehr rasch: in 1 5 —20 Minuten strömt ein Liter, auf beide Ober¬
schenkel vertheilt, ein. Nach der Injection wird die Injcctionstellc
durch wenige Bindentouren leicht compriinirt und die Eisblase für
einige Zeit aufgelegt. Dabei haben wir nur einige Male geringe
Temperatursteigerungen bis etwas über 38° gesehen, die aber sehr
rasch wieder zur Norm zurückgingen.
Nun ist natürlich lediglich mit der schadlosen Einverleibung
einer grösseren Zuckermenge noch nichts gewonnen. Es bedarf
auch des Nachweises, dass dieser Zucker verbrannt wird. Es
wäre ja möglich, dass der injicirtc Zucker einfach durch die
Nieren den Organismus wieder verlässt. Spritzt man z. B. einem
Thier Zucker direct in eine Vene ein, so wird derselbe zum
grössten Theil mit dem Harn ausgeschieden. Es handelt sich
hier um eine plötzliche Uebcrschwcmmung mit Zucker, so dass
der Zuckergehalt des Blutes rasch und stark über die Norm steigt.
Die Folge davon ist das Auftreten einer vorübergehenden Glykosurie.
Bei der subcutanen Einverleibung liegen die. Verhältnisse aber
doch wesentlich anders, als bei der intravenösen Injection. Der
Zucker gelangt hiebei doch viel langsamer in die Circulatiou, wie
die nach Einspritzung grösserer Mengen entstehende Beule beweist,
die erst nach 1 —2 Stunden wieder verschwunden ist. Daher war
ein reichliches Uebertrcten von Zucker in den Harn von vornherein
nicht zu erwarten. Hat doch auch Leube nach Injection von
50 ccm einer 50 proc. Zuckerlösung keinen Zucker im Harn des
Versuchsthicres nach weisen können. Es ist aber doch erstaunlich,
welche Mengeu von Zucker ertragen werden. Von 10 g Trauben¬
zucker wurde nichts ausgeschieden; als ich 60 g in zwei Portionen
und zwar je 300 ccm einer 10 proc. Lösung injicirtc, erschienen
nur quantitativ nicht mehr bestimmbare Spuren von Zucker im
Harn, und orst bei Einspritzung von 1000 ccm einer lOproc.
Lösung, also von 100 g Zucker auf einmal, betrug die Aus¬
scheidung im Harn 2,6 g. 100 g Traubenzucker entsprechen einer
Zufuhr von 410 Calorien, stellen also etwa fast den dritten Theil
der Calorienmenge dar, welche ein körperlich herabgekommencr
Mensch bei völliger Ruhe nöthig hat.
Es lag nahe, auch andere Zuckerarten auf ihr Verhalten in
dieser Hinsicht zu prüfen. Ich will auf diese Versuche, welche
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4. August 189G.
MÜNCIIENEIl MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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von wesentlich theoretischem Interesse sind, hier nicht näher ein-
gehen. Nur soviel sei erwähnt, dass auch die beiden anderen, in
den Bereich der Untersuchungen gezogenen Monosaccharide, die
Laevulose und die Galaktose, sich wie die Dextrose verhielten,
und dass auch das Disaccharid Maltose vollständig verbrannt wurde.
Im Gegensatz hiezu erschienen die beiden Disaccharide Milchzucker
und Rohrzucker so gut wie quantitativ im Harn wieder. Die
genauen Versuchsprotokolle und die Bedeutung dieser Versuche
für das Verhalten der verschiedenen Zuckerarten im Organismus
und für die Glykogenie sollen demnächst an anderer Stelle ver¬
öffentlicht und näher besprochen werden.
Ich möchte nicht so weit gehen, zu behaupten, dass auf
Grund der mitgctheilten Versuche ein effectiver Werth solcher
Einspritzungen für die Praxis schon zu Tage trete. Dazu bedarf
es erst ausgedehnter Erfahrungen, in welchen Zeitintervallen man
an einem und demselben Individuum das Verfahren wiederholen
kann und insbesondere eines exacten Stoffwechselversuches wo¬
möglich an einem cachectischen Kranken, der zeigen würde, dass
die subcutano Einverleibung von Traubenzucker ebenso den Ei¬
weissumsatz herabdrückt, wie wenn der Zucker peros gegeben wird. 14 )
Jedenfalls aber ermuthigen die bisherigen Resultate, den betretenen
Weg weiter zu verfolgen und geben der Hoffnung Raum, es möchte
aus ihnen, wie sie theoretisch Interessantes ergeben haben, auch
für die Praxis Erspriesslicbes entstehen.
Die Freilegung der tiefen Halstheile mit dem Zungen¬
spatel. (Autoskopie der Luftwege.)*)
Von Dr. Alfred Kirstein in Berlin.
M. H.! Die wesentlichen Schwierigkeiten der Halsunter¬
suchung gehen von der Zunge aus, neben der ihr Anhängsel,
die Epiglottis, beiläufig in Betracht kommt. Denken wir uns die
Zunge und die Epiglottis entfernt, so läge die Halsschleimhaut
bis in die grossen Bronchien hinein der Besichtigung und Be¬
tastung vom Munde aus ohne Weiteres bloss. Die Untersuchungs¬
technik für die tieferen Halstheile kann nur die Aufgabe haben,
das durch die Zunge gebildete Hinderniss entweder aus dem
Wege zu schaffen oder zu umgehen. So ist unsere Technik eine
zwiefache. Die Umgehung des Hindernisses durch Herumleiten
winkelig gebrochener Lichtstrahlen haben die Väter der Laryngo¬
skopie uns in einer Vollendung gelehrt, die keinem grossen Fort¬
schritte mehr Raum liess. Die zweite allgemeine Methode der
Halsuntersuchung, die Zungenspateltechnik, weit älter als die
Spiegeltechnik, war bis vor Kurzem mangelhaft gepflegt, für
pharyngoskopischc Zwecke eben hinreichend. Ich habe gefunden,
dass die Zunge sich durch Spateldruck viel weiter als man je
ahnte aus der Bahn trachcalwärts gerichteter geradliniger Licht¬
strahlen herausnöthigen lässt, bei verschiedenen Menschen ungleich,
günstigen Falles dermassen, dass das wesentliche Hinderniss der
Ilalsuntersuchung ausgeschaltet ist und die Halsschleimhaut bis
in die grossen Bronchien hinein der Besichtigung und Betastung
vom Munde aus ohne Weiteres bloss liegt. Den dadurch her¬
gestellten unvermittelten Rapport mit den tiefen Halstheilen
bezeichne ich als Autoskopie der Luftwege.
Vor Jahresfrist waren Sie, m. H., an dieser Stelle Augen¬
zeugen eines Kunststückes, mittelst dessen es gelang, das Innere
des Kehlkopfes und der Luftröhre autoskopisch zu demonstriren.
Das eines Tages ausser allem Zusammenhänge mit den damaligen
Erfahrungen der Wissenschaft, rein willkürlich, in mir erwachte
Verlangen, mit blossem Auge in die Tiefe der Luftwege hinein¬
zusehen , hatte mich zur Erfindung jenes absonderlichen Experi¬
mentes gedrängt.*) Seitdem hat die Autoskopie unter meinen
14 ) Ich habe einen derartigen Versuch, vorläufig an einem
Gesunden, angestellt, der mir aber durch Renitenz des Versuchs¬
individuums am entscheidenden Tage vereitelt wurde; ich werde
danach trachten, in Bälde noch einmal einen neuen auszuführen.
*) Vortrag, gehalten auf der 3. Versammlung süddeutscher
Laryngologen zu Heidelberg am 25. Mai 1896.
‘) Das eigentlich Verkehrte an jener allerersten Versuchs¬
anordnung (Ende April bis Anfang Juni 1895) war nicht die Ein¬
führung einer Röhre hinter die Epiglottis, sondern der «hängende
Kopf», die starke Rückwärtsbiegung der Halswirbelsftule.
Händen eine in der Literatur niedergelegte Entwicklung durch¬
gemacht, die sich als ein systematisch angestrebter und Schritt vor
Schritt durchgeführtcr Rückzug auf die sicher gangbare Strasse
unserer überlieferten Kunst charakterisirt. Heute, da wir uns
des ruhigen Besitzes der völlig ausgereiften Methode erfreuen,
wäre es zwecklos, die einzelnen Stadien jenes Abbaues vom com-
plicirten zum einfachen', vom erkünstelten zum naturgemässen
Verfahren in Gedanken nochmals zu durchlaufen, oder gar über
die genaue Richtigkeit aller Meinungsäusserungen zu disputiren,
mit denen ich das werdende Werk hie und da begleiten zu sollen
geglaubt habe. So lange wir uns noch an der Peripherie eines
Problems bewegen, wo viele zerstreute Punkte Berücksichtigung
heischen, sind Schwankungen in der Auffassung und Unebenheiten
in der Darstellung schwer zu vermeiden ; zum Centrum vorgedrungen,
zu dem Kernpunkte, von dem die Einzelstrahlen nach allen Rich¬
tungen hin natürlich sich ergiessen, können wir für unser Thema
einen ganz einfachen Grundsatz schaffen, aus dem alles Weitere
sich von selbst ergeben muss.
Gewiss ist die Autoskopie hinsichtlich ihres optischen Resul¬
tates ein unvermittelt in dio Laryngologie herein gebrochenes Novum,
allermindestens für die Theile von den Taschen bändern an abwärts;
in technischer Beziehung ist sie dagegen nichts weiter als eine
mit sehr geringfügigen Mitteln zu erzielende Reform unserer
alten Zungcnspateltechnik, eine verfeinerte Kunst, die
Zunge, sofern sie im Wege ist, zu dislociren. Eines eigenartigen
Instrumentariums sind wir (von den besonderen Verhältnissen bei
operativen Eingriffen u. dgl. abgesehen) kaum bedürftig; ich
autoskopire neuerdings fast ausschliesslich mit ganz einfachen,
glatten, schmalen, vorne mehr oder weniger gekrümmten Zungen¬
spateln*), die sich nicht sehr erheblich von manchen längst ge¬
bräuchlichen Zungenspateln unterscheiden und allenfalls durch die
letzteren ersetzt werden können. Gäben wir nun so einen geeigneten
Spatel in die Hand eines verständigen, geschickten und zu herzhaftem
Zufassen veranlagten Laien und forderten ihn auf, in den Hals
eines Menschen (den wir uns solcher Untersuchung leicht zugänglich
denken wollen) nach abwärts so tief wie nur irgend möglich hinein¬
zuschauen, so würde er wahrscheinlich instinctiv die richtige auto-
skopische Manipulation ausführen. Er würde sich vor den sitzenden
Patienten stellen und den Kopf des Kranken ein wenig anheben,
um durch die Mundöffnung von oben nach unten in den
Körper schauen zu können ; durch kein schulgemässcs Vorurtheil
befangen, würde er das den Einblick in die Tiefe versperrende
Massiv des Zungengrundes in wirksamster Weise anpacken, ganz
hinten, an der Wurzel, und durch der intendirten Blickrichtung
entsprechenden Zug mit dem Spatel eine tiefe zur Zungenbein¬
gegend abschüssige mediane Rinne in die Zunge hineinmodelliren;
käme er dabei mit dem Spatel zu sehr in die Nähe der Oberlippe,
sollte ihn etwa ein Schnurrbart am Einblicke behindern, so würde
er wohl durch unwillkürlichen Griff mit der zweiten Hand die
Bahn freimachen. Die Epiglottis käme ihm als störendes Moment
kaum zum Bewusstsein, da sie allermeist bei Druck auf den
Zungengrund automatisch in die Höhe klappt.
Verfahren wir nach dem eben geschilderten überaus ein¬
fachen, fast selbstverständlich erscheinenden Modus und vermeiden
wir dabei die Erregung von Würgebewegungen (was zwar nicht
regelmässig, aber doch mit zunehmender Uebung immer häufiger
gelingt), so übersehen wir (bei passender Beleuchtung durch einen
Stirnspiegel oder besser durch meine elektrische Stirnlampe) die
Luftwege in verschieden grosser Ausdehnung, je nachdem bei dem
Individuum die Formirung der Zungenrin ne glückt, auf deren
relative Länge und Richtung schliesslich Alles ankommt. Die
ausserordentlichen Differenzen des Gelingens der Autoskopie wurzeln
nicht nur in dem allgemeinen Befinden und Verhalten des Kranken,
in der sehr verschiedenen geometrischen Proportion der Kopf- und
Halstheile, in der höchst mannigfaltigen somatischen Beschaffenheit
der Zunge, sondern auch zum nicht geringen Theile in dem überaus
schwankenden psychischen Habitus dieses Organes. Hoffentlich
verargen Sie mir nicht die Kühnheit eines solchen Ausdruckes,
der die Zunge gleichsam als ein mit bewusstem Leben begabtes
Wesen respectirt. Aber thatsächlich giebt es kein Organ im
2 J Fabrikant: W. A. Hirschmann, Berlin N.
1 *
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720
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
menschlichen Körper, welches auf mechanische Angriffe mit so
individualisirten, geradezu eigenwillig und launenhaft erscheinenden
Reactionen antwortet wie die Zunge. Es giebt Zungen von vollen¬
detem Phlegma, die sich Alles gefallen lassen, es giebt aufgeregte,
nervöse, widerspenstige Zungen, die (nach einem bekannten Worte)
geneigt sind das Instrument abzuwerfen wie das Ross den Reiter.
Ich brauche dieses Thema hier nicht weiter auszuführen und
wollte nur andeuten, dass die zur Autoskopie befähigende Kunst
des Umganges mit der Zunge schwierig ist, Geschicklichkeit,
Erfahrung, Aufmerksamkeit, Geduld erfordert, manchmal sogar
ein bischen Diplomatie.
Wie weit können wir es nun, technische Fertigkeit voraus¬
gesetzt, bei dem geschilderten höchst einfachen Vorgehen mit der
Autoskopie bringen? Bis zur Einstellung der Hinterwand des
Larynx in sehr zahlreichen Füllen, bis zur Betrachtung der hinteren
2 Drittel der Stimmbänder häufig, zur totalen, die Stinunband-
commissur einschliessenden Kehlkopfbesichtigung selten; die Luft¬
röhre nimmt entsprechenden Antlieil. Da demnach bei der aller¬
grössten Zahl der Fälle ein irgendwie grosses Stück des Kehl¬
kopfes nach vorne hin ausfällt, so kommen wir da immer in eine
gewisse Versuchung, durch Steigerung des Spateldruckes weiter
vorzudringen, über die Grenze hinaus, die durch die Rücksicht
auf die Unschädlichkeit und Erträglichkeit der Procedur gesetzt
ist. Diese Versuchung grundsätzlich in sich zu überwinden, sich
gegenüber der nun einmal nicht abzustellenden räumlichen In-
sufficienz der Methode mit der Kraft der Entsagung zu wappnen,
ist eine der wichtigsten Aufgaben des angehenden Autoskopikcrs.
Dass man bei cocainisirten Patienten (also bei operativen Eingriffen)
etwas energischer Vorgehen darf als sonst, versteht sich von selbst.
Nach der Frage, wie weit wir mit der Ausnutzung der dem
Zungenspatel innewohnenden Leistungsfähigkeit gehen können
und dürfen, ohne in Missbrauch der Methode zu verfallen —
haben wir uns nun der völlig verschiedenen, aus ganz andersartigen
Gesichtspunkten zu beurtheilenden Frage zuzuwenden, in wie weit
es in der Praxis, im concretcn Falle, nützlich und angemessen
ist, mit dem Zungenspatel über die altgewohnte Pharyngoskopie
hinauszustreben. M. II., es ist ein Anderes, die noch unbekannten
Kräfte einer neu entdecken Methode zu erforschen und zu er¬
proben, ein Anderes, die Herrschaft über eine vom Entdecker
in jeglicher Beziehung völlig klargelegte Methode sich durch
Uebung persönlich anzueignen, wieder ein Anderes, im technischen
Vollbesitze der Methode sie nun in freier Kunstübung als Arzt
richtig zu gebrauchen. Nachdem ich die Autoskopie fertig durch¬
gearbeitet habe und autoskopiren kann, unterlasse ich die auto-
ekopische Untersuchung in vielen Fällen, wo ich sie durchzuführen
recht wohl in der Lage wäre. Die treffende Indicationsstellung
ist die letzte und lohnendste Aufgabe, sie erhebt den Techniker
zum Arzt. Aber erst die Technik, dann die Kunst! Sonst kämen
wir leicht dazu, technisches Unvermögen (dessen Bekenntniss bei
einer so neuen Sache doch wahrlich Niemand zu scheuen braucht)
durch den Vorwand einer aus ärztlichen Gründen gebotenen
schonenden Rücksichtnahme vor uns selber zu bemänteln. Hat es
nun jemand durch andauernde Uebung so weit gebracht, einem
jeden beliebigen Menschen mit dem Zungenspatel das Maximum
abzugewinnen, das Körperbau und Sensibilität des Individuums zu
erreichen gestattet, so mag er danach seine Urtheilskraft in
der besonnenen Auswahl der Fälle bewähren, die er autoskopiseh
untersucht oder autoskopiseh operirt. Da werden die persönlichen
Anschauungen und Gewohnheiten der einzelnen Fachgenossen noth-
wendiger Weise zu Divergenzen in der Indicationsstellung führen ;
ein Austausch der Erfahrungen und Ideen hierüber wäre gewiss
sehr anregend und förderlich. Der Autoskopie aber ist, über allen
Streit der Meinungen hinweg, eine dauernde Existenz gesichert,
vor Allem schon deswegen, weil die für den Spiegel ungünstigste
Region des Kehlkopfes, die Hinterwand, dem Spatel am günstigsten
liegt, und die regulär am schwierigsten zu spiegelnden Patienten,
nämlich kleine Kinder, durchschnittlich besonders leicht autoskopir-
bar sind, nöthigenfalls unter Bewältigung ihres Widerstandes durch
Betäubung mit Chloroform.
Ich schliesse, m. H., mit der Formulirung jenes Grund¬
satzes, den ich vorhin in Aussicht stellte, aus dessen Befolgung
alles Weitere in der Praxis sich von selbst ergeben muss und wird ;
er lautet: W T er auf der neuerdings erreichten Höhe
der Zungenspateltechnik stehen möchte, der erlerne
dieKunst, in die Zunge mit dem Spatel, untermög-
lichst reizloser Hantirung, eine möglichst weit nach
hinten unten reichende Rinne einzudrücken, deren
Richtung sich der des Trachealrohres möglichst
annähert.
Das acute Kieferhöhlenempyem und die Frage der
Selbstheilung desselben.*)
Von Dr. Avellis in Frankfurt a. M.
Schon vor einem Jahre hatte ich die Absicht, hier auf diesem
Specialcongrcsse einige Worte über die acute Kieferhöhleneiterung
zu sagen, aber meine eigenen Erfahrungen und Studien über dieses
noch so gut wie unbekannte Gebiet befriedigten mich noch nicht
in Bezug auf Sicherheit der Deutung und Regelmässig¬
keit der Erscheinungen, so dass ich von diesem Vorhaben
gern Abstand nahm.
Wenn ich jetzt, nachdem ich das ganze Jahr meine be¬
sondere Aufmerksamkeit auf diese specielle Frage gerichtet
habe, einige Bemerkungen und Beobachtungen Ihnen vortragen will,
so darf ich wohl bekennen, dass ich nunmehr mit einem beinahe
spruchreifen Urtheil und einer klareren Darstellung über die Er¬
scheinungen und die H e i 1 u n g des acuten Kieferhöhlenempyem
vor Sie trete.
So reich in den letzten Jahren das Material über das
chronische Kieferhöhlenempyem angewachsen ist, so spärlich flössen
die Quellen bezüglich des acuten Empyems. Warum eigentlich?
Zarniko schreibt darüber: «Die meisten Fälle bleiben un-
diagnostisirt, entweder, weil die Patienten ihre Erkrankung für
einen heftigen Schnupfen halten und erst ärztliche Hilfe auf-
suchcn, wenn dieser nicht weichen will, also im chronischen
Stadium; oder weil das Empyem, z. B. bei vielen acuten In-
fectionskrankheiten, über den sonstigen Erscheinungen nicht be¬
achtet wird. >'
Gewiss wird Niemand diese 2 Gründe ernstlich bestreiten
können. . Wenn wir sie in knappes und klares Deutsch übersetzen,
jo trägt einerseits die anfängliche Indolenz der Patienten, anderer¬
seits die mangelnde diagnostische Fertigkeit der Aerzte an diesem Um¬
stand die Schuld. Insbesondere tritt der letzte Uebelstand bei der
Art der Hospitalbehandlung in Deutschland hervor, wo fast nirgends
iuf den inneren und chirurgischen Abtheilungen ein rhinolaryn-
gologisch gebildeter und interessirter Arzt regelmässig functionirt,
lucli nicht als facultativer Beirath. Ich führe als neuestes Bei¬
spiel und Beleg für diesen Umstand die klassische Arbeit
Eug. Fraenkcl’s in Hamburg an, der berichtet, dass von allen
seinen 14G Fällen von Nebcnhöhleuerkrankungen während des
Lebens kein einziger diagnosticirt war.
Bedingt also einerseits der Ausschluss von Specialärzten
bei den grossen Hospitälern den Mangel an Beobachtungen über
die acuten Empyeme, so müssen wir andererseits den Umstand,
dass an den meisten Orten die Specialärzte, auch in den ersten
Jahren ihrer Praxis, sich von der allgemeinen Praxis gänzlie ,
um nicht zu sagen künstlich fern halten, verantwortlich machen,
dass so wenige Fälle von acuten Kieferhöhlenempyemen in ihre
Beobachtung gelangen. Daran ändert auch nichts die Uebung,
dass ein Theil der praktischen Aerzte bei Bedarf die Specialisten
zu Ratlie zieht. Denn erstens geschieht das meist erst n a c
vergeblichen eigenen Heil versuchen, also nicht mehr im ac ^ n
Stadium der Krankheit und zweitens verläuft ein Theil der Mle
von acutem Kieferhöhlenempyem unter Erscheinungen, dass w er
der Patient noch der nicht mit dieser Krankheit vertraute pra'
tische Arzt muthmasst, dass es sich um einen Nasenfall handet.
Um Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen,
verzichte ich darauf, Ihnen meine Krankengeschichten von acutem
Kieferhöhlenempyem vorzulesen — (ich besitze deren 10,
mit möglichster Sorgfalt von mir registrirt worden sind) — UD
beschränke, mich darauf Thnen - olnnhe.
*) Vortrag, gehalten au! der HI. Versammlung süddeutscher
Laryngologen in Heidelberg.
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1
4 . August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
7-21
Theil charakteristische, zum Theil neue Beobachtungen auszugs¬
weise daraus mitzutheilen. Zunächst erwähne ich einen Fall von
doppelseitigem acutem Kieferhöhlenempyem, der einen Collegen
Sch. in Bischofsheim b. Hanau betrifft.
Derselbe hatte im November 1893 eine Influenza mit acutem
rechtsseitigem Kieferhöhlenempyem, das ohne besondere Berufsstörung
und ohne Therapie nach 4 Wochen ausheilte. Am 16. XII 93 an
Influenza erkrankt, mit Schwindel, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Fieber,
Husten und Schnupfen, Kopf- und Rückenschraerzen. Am 22. XII. 95
stellte sich bald nach dem Aufatehen ein schmerzhafter Druck im
linken Oberkieferkochen ein, der sich über die Nasenwurzel hin
bis zur Stirn fortpflanzt. Der Schmerz nimmt nach und nach zu,
lässt Abends nach und gleicht dem Schmerz vor 2 Jahren in der
rechten Kieferhöhle. Am nächsten Tage verschlechterte sich das
Befinden des Collegen so, dass er zu Bett bleiben musste. Heftige
Wangen- und Stirnschmerzen, die sich bei jedem Schritt, namentlich
beim Vorwärtsneigen des Kopfes, ebenso beim Husten und Schnäuzen
steigern. Druckempfindlichkeit der linken Oberkiefergegend, ebenso
des Augapfels und Lichtscheu. Geruch vollständig aufgehoben.
Auf geringe Alkoholeinnahme starke Steigerung der Schmerzen. Aus
beiden Seiten der Nase reichliche Eitersecretion. Verstopfung der
Nase in Rückenlage. Gar kein Appetit. Fieber Abends bis 38,3.
Gegen Abend Hessen die Kopfbeschwerden regelmässig nach. Am
4. Tage schmerzlose oedematöse Anschwellung der rechten
Wange und der rechten Augenlider. Temperatur früh 38,0, Abends
38,7°. Patient liegt dauernd zu Bett.
In den nächsten Tagen werden auf der linken Seite die Be¬
schwerden besonders heftig. Das Fieber geht Nachmittags 3 Uhr bis
auf 38,9°, es stellen sich gegen Abend starke Schweissausbrüche
ein, das Sensorium wird benommen. Dr. Fischer, der den
Patienten vertrat, berichtet, dass das Sprechen unzusammenhängend
werde, das Ende eines Satzes würde häufig vergessen. Die Licht¬
scheu prägte sich sehr stark aus. Am 9. Tage ging Abends die
Temperatur nur noch auf 37,8 °. Am 3. Januar sah ich den erkrankten
Collegen zum 1. Male. Ich fand ihn im Bett. Eine Unterhaltung
war nur mühsam in Gang zu halten. Bei der Inspection der Nase
zeigte sich beiderseits Eiter im mittleren Nasengang und auf der
unteren Muschel. Druckempfindlichkeit des linken Backenknochens.
Supraorbital- und Glabellnschmerz. Zähne tadellos. Da die Be¬
schwerden jetzt hauptsächlich die linke Kieferhöhle betrafen, so
machte ich vom unteren Nasengang eine Probeausspülung, die ziem¬
lichen Eiter entleerte. Die gewöhnlich (von mir wenigstens) be¬
obachtete Erleichterung nach der Ausspülung trat erst nach 2—3
Stunden ein. Entweder war die Schwellung der Schleimhaut in der
Kieferhöhle noch zu beträchtlich, oder die gleichzeitige Erkrankung
der anderen Kieferhöhle verwischte den Erfolg der sonst erleichternd
wirkenden Ausspülung. Bei der folgenden Ausspülung, die notabene
Vormittags geschah, während die erste Abends stattfand, entleerte
sich 1 Esslöffel Eiter mit sofortiger subjectiver Erleichterung der
Patienten.
Die rechte Kieferhöhle schmerzte wieder mehr, auch sonderte
sie Eiter ab. Absichtlich aber wurde sie nach unserer Uebereinkunft
nicht behandelt. Nur eine einzige Probeausspülung zur
Sicherung der Diagnose wurde rechts vorgenommen.
Es wurde links an der Fossa canina mit dem elektromot.
Bohrer ein Loch gemacht. Patient fuhr nach Hause, es gelang ihm
aber nicht, die Oeffnung behufs Ausspülung am nächsten Tage
wiederzufinden. Wahrscheinlich war die noch bestehende starke
EmpfindHchkeit des Knochens daran schuld. Dieser Eingriff meiner¬
seits kann also nicht als eine therapeutische Maassnahme angesehen
werden. Allmählich wird ohne weitere Ausspülungen in den nächsten
Tagen der Geruch besser, die Secretion geringer, der Appetit hebt
sieh und am 18.1. 96, also 15 Tage nach der ersten Probeausspülung,
3'/» Wochen nach Beginn der Erkrankung hat Patient nur noch beim
längeren Schreiben und Kopfbücken über Stirnkopfschmerz zu klagen.
Seit 5 Monaten kein Recidiv und keine Beschwerden.
Diese Krankenbeobachtung ist in mancher Beziehung für mich
lehrreich gewesen: 1. weil sic an einem Arzte gemacht wurde,
der sich sorgfältig beobachtete, und 2- weil sie mir zu folgenden
Erwägungen Veranlassung gab.
Nach dem eigenen Berichte des Erkrankten trat in den ersten
Tagen des doppelseitigen Kieferhöhlenempyems Oedem auf und
zwar an der Wange und den Augenlidern. Sic wissen, dass ich
schon einmal *) versucht habe, Ihre Aufmerksamkeit auf dieses
Symptom zu lenken. Das Oedem bei Kieferliöblenciterung tritt
hauptsächlich bei acuten Eiterungen auf. Daher wohl die Selten¬
heit der Beobachtung desselben und ist manchmal nur flüchtiger
Natur. Ich habe es in dem letzten Jahre mehrfach beobachtet.
So z. B. bei einer Dame, die auf der linken Seite ein ganz acutes
Kieferhöhlenempyem bekam, nachdem sie seit 2 Jahren von einem
rechtsseitigen chronischen Empyem der Kieferhöhle durch mich
geheilt war. Zahnarzt Dr. med. Carl Frank in Frankfurt, den
’) Archiv für Laryngol. II. Bd. S. 305 u. 306.
No. 31.
ich zur Zahnextraction hinzuzog, bestätigte meinen Befund. Das
diesmal hochrothe, heisse, erysipelähnliche Oedem
erstreckte sich über die linke Wange und die linken Augenlider.
An der Wange ging es bis an den Mundwinkel hinunter, so dass
die in puncto Empyem 9chon gut bewanderte Patientin an einem
Erysipel zu leiden glaubte. Das Oedem bestand 6 Tage lang und
überdauerte 2 Tage die Eröffnung des Empyems vom Alveolar¬
rand aus.
Ferner sandte mir Dr. med. Deutsch-Frankfurt a. M.
einen Fall von acutem Kieferhöhlenempyem, der nach dem Be¬
richte von Dr. Deutsch ausser an linksseitiger Eiterung und
Schmerzen am 3. Tag ein Gcsichtsoedem der linken Backe
von der Nase ab nach dem unteren linken Augenlid bekam.
Sie sehen, meine Herren, dass ich in der Lage bin, in Bezug
auf das Oedem bei acutem Kiefer-Empyem 3 Aerzte als Gewährs¬
männer anzuführen. Ich betone diese Quelle, weil ich auf die
Selbstbeobachtungen laienhafter Patienten in dieser Hinsicht
wenig Gewicht lege und dieselben ein durch eine Kneiperei oder
eine schlechte Nacht hervorgerufenes «Champagnersäckchen» schon
für ein Oedem halten.
Endlich ist es mir gelungen, beim Nachsuchen in der aus¬
ländischen Literatur eine Selbstbeobachtung von M o x h a m zu
finden, der bei seinem acuten Kiefcrhöhlenempycna Schmerzen
und Schwellung über der linken Highmorshöhle bekam, ebenso
eine Selbstbeobachtung von Felix Scmon, der seine Backenbaut
als geröthet und geschwollen resp. gespannt auf der erkrankten
Seite beschreibt, und einen Fall von Lennox Browne, der eine
acute Influenza-Kieferhöhleneiterung bekam, ebenfalls mit Schwel¬
lung der rechten Backe.
Also auch die englische Literatur bestätigt meine Beobachtungen.
Ich betone aber, dass ich zu der festen Ansicht gekommen, dass
das Oedem beim acuten Kieferhöhlenempyem keine Seltenheit ist,
die in der mcdicinischcn Literatur aufgesucht werden muss, sondern
eine reguläre Erscheinung. Sie werden sich vielleicht
wundern, dass ich auf diesen anscheinend unwesentlichen Befund
solches Gewicht lege. Gewiss kommen Oedeme der Augenlider
auch bei Stirnhöhlen- und bei Siebbeinentzündungen und Eiterungen
vor. Dagegen ist das Oedem der Backe, besonders wenn es
zunächst ohne Augenlidoodem auftritt, ein nicht unbrauchbares
diagnostisches Hilfsmittel bei der Differcntialdiagnose zwischen
acutem Stirnhöhlen- und Kieferhöhlenempyem. Auch ist das Oedem
ein so grobsinnliches Symptom, das auch den unbewanderten Arzt
aufmerksam machen könnte, auf ein Empyem zu fahnden.
Ferner lehrt uns obiger Fall, dass acute Empyeme sehr
schwere Symptome machen können. Der Patient fiebert,
ist schwerbesinnlich, lichtscheu, die Sprache ist
mangelhaft, die Klagen sehr heftige und das Krankheits¬
gefühl ein sehr stark ausgeprägtes. Appetit liegt ganz
darnieder, Geruch fehlt, auch objectiv.
Sic werden wohl zugeben, dass dieses Krankheitsbild durchaus
nicht dem gewöhnlichen Symptomcncomplex des chronischen Em¬
pyems entspricht und dass die Sprechstunde des Specialisten nicht
der Ort ist, wo derartige Kranke sich häutig finden.
Wenn also in dem Z a r n i k o’schen Lehrbuch und ebenso in
einigen anderen wörtlich steht: «Die Symptome der acuten Em¬
pyeme entsprechen denen, die bei den chronischen Empyemen
besprochen werden sollen », so geht daraus nur hervor, dass aus¬
führliche und richtige Beobachtungen von acuten Empyemen bisher
nicht genügend publicirt worden sind. Vielleicht gestatten Sie mir
desshalb, noch einige andere dahingehörige Krankenbeobachtungen
kurz zu skizziren.
Am 24. X. 95 kam ein Phthisiker M. zu mir, den ich seiner
Brust wegen schon seit 6 Jahren behandelte. Derselbe brachte als
einzige Klage vor: er könnte nicht richtig denken, sei aufgeregt und
geschäftsuntüchtig. Da der Patient diesmal gerade zu einem Arzte
kam, der jeden Patienten rhinolaryngologisch untersucht, so konnte
ich als Ursache für seine Unfähigkeit, die kaufmännische Buch¬
führung richtig zu führen, einen acuten Eiterstreifen in der Mitte
des Septums in der Höhe der unteren Muschel und bei der darauf
folgenden Probeausspülung durch den unteren Nasengang ein regel¬
rechtes acutes Kieferhöhlenempyem entdecken. NachträgHch er¬
zählte jetzt auch der Patient, dass er seit 14 Tagen durch ein
kaltes Bad einen heftigen Schnupfen bekommen habe. Vor 8 Tagen
sei er sehr verstopft in der rechten Nase gewesen, dann sei plötzlich
8
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müno hener MEDiciNiscH E^wocgENSC^T.
eine Menge echlecbt riechender Eiter «jjjjj
in der Kieferhöhle überhaupt ausser dem Druck m ihm beiffi
SS
*■ "Sf Ä“Ää.
SStfiTÄ ** niema,s
mehr Eiter auf. Patient war geheilt.
menr rjiter »u*. * .— ® , i nun
Hervorzuheben ist bei diesem leichten Falle, den ic dem dcg
oben angeführten schweren Falle absichthcl. <«OP*bür 8 tdlo ■M»
handelt sich um keino Iufluenzaentzündung, sondern ui aus
der Höhle durch eine Rhinitis. 2. Daher die geringen Be- ^
schwerden. 3. Daher auch die rasche Heilung, zu der ei . bi!
malige Ausspülung genügte. st:
lieber die Frage, ob diese einmalige Ausspülung, die 1
nur ftir^einen 6 diagnostischen Zwech ond mitf”
i ormon Wasser vorgenommeu wurde, eine heilende I hai
Tairhat^n kann oder nicht Selbstheilung eingetreten ist, A ,
gC , • letzt Jedenfalls steht fest, dass übelriechender cjr
S?5 der Kieferhöhle G war, also seit circa 8 Tagen ein acutes
- Kieferhöhlenempyem bestand. . ™
Vielleicht kommt es Ihnen verwunderlich vor, dass ich fu du
nöthig gehalten habe, noch nach einem und sogar nach 3 Monaten dr
mich durch eine Ausspülung vergewissern zu wollen, ob d sc
thatsäehlich eine Heilung eingetreten ist. Aber e uerseits ub h.
raschtc mich die rapide Besserung selbst und andererseits habe
ich die Erfahrung machen müssen, dass eine so rasche He.lu g a.
eine Täuschung sein kann.
Als Illustration dafür berichte ich Ihnen folgenden, mit llr. c.
Frank beobachteten Fall: . I *
a£sstsSf%=.
Emmwm
mmmmm
dwmittSenMuBChel fand. TachVTageyaren dieEr^cheinungen
entleert. J
Dieser Fall lehrt also, dass ein Kieferhöhlen ein pyem
noch nicht geheilt zu sein braucht, auch wenn
ö Tage kein Eiter kommt. . I
Den folgenden Fall von acutem Kicfcrhöhlcncmpycm, einen
Schuhmacher Sch., der mir von Dr. Deutsch zu gesandt wurde,
erwähne ich nur wegen folgender Punkte: Erstens ist bei ihm
nach dem Gebrauch einer Irrigatordouche, die ihm zur Heilung
seines linksseitigen acuten Empyems verabreicht wurde, am
nächsten Tage ein rasch vorübergehendes rechtsseitiges Kiefcr-
höhlenempyem aufgetreten. Ist nicht liier die Möglichkeit vor¬
handen, dass der ins kranke Nasenloch eingeführte Wasserstrom
den Eiter mechanisch auf die gesunde Seite übertragen hat f
Zweitens heilte das Empyem binnen 7 Tagen. Der Eiter war
bei der ersten Ausspülung noch nicht übelriechend, auch handelte
cs sich nicht um ein Influenza-Empyem, sondern um eine directe
Erkältungskrankheit mit Fortpflanzung von der Nase her. Der
Beginn des Empyems war acut und zeigte als erstes Symptom
Schmerzen innerhalb der linkcu Backe im Bereiche
des Nervus infraorliitalis bis in die Kinnlade hinein, so dass
Patient selbst glaubte, er hätte Zahnschmerzen. Die Zähne
erwiesen sich als gesund.
Drittens versuchte ich bei diesem Patienten zum ersten Male
die Luftansaugung in der Nase während des Schluckens, oder sagen
• 1 „ofiven Politzer um Eiter aus der Höhle zu diagnostischen
wir: den neg at,ven Fobtzer, u y f h gclingt öfters. Seine
Zwecken hervorzuhefl^ D-JJ»J ^ ^ S älinl i chcn Verfahren,
^TvItal^Kopttüctcn. Durchleuchtung ctc picht die ««■
erreichte und unerreichbare Zuvcriässigkot der P M bcuu«,„üluug.
crrachtc ^h mil . ferner an von nur beobachteter
jjrwaime „„Wüten Empyem, das'• mit • starkem
? U f V °h und Schwellung der Backe plötzlich bei einem Schnupfen
Kopfweh und > Woche nach dem Auftreten
auftrat, bei dem «eh schon.«der 0 linken mittlcrcn
rloo Eiters ein ziemlich grosser xoi>i> a..
S l l „bildet hatte Dieser Fall ist der einzige, bei dem sich
rr — und durch die
I Dic übrigci^Fälle übergehe ich und erwähne nur, da« darunter
loppclseitigcs EmpyemjMncs^faswnlundc^un^a'Jtische
T^nran 3 dc? >y mittleren Muschel acut ente^denes Kiefer
r l ab : irÄÄ -k"
zeitiges Empvem, während ich gerade damit beschäftigt war,
m Vortrag zu skizziren. Dieses Uebel befiel mich schon zum
M a l e Die Symptome waren die bekannten typischen Er
Ingen w£ Se’nJn und Andere an sich beobachten. »
^Wcrm'teh jetzt einige Schlussfolgerungen ziehe aus den eben
eführten Fällen und denen, die ich
■ nicht beschreiben konnte, so möchte ich folgende Sätze daraus
raliiren und zur Discussion stellen:
1. Das acute Kieferhöhlenempyem ist eine sehr häufig
Es 'gibt schwere und leichte Fälle desselben. Von letzteren
d schon efnige in England hcschricbcn, von
Kl ich keine Berichte, obwohl sie gewiss mehrfach bcOMcnie
rden sind. .__
3 Die leichten Fälle haben als charakteristische S.mpteme.
hmerzhaftes Druck- und Spannungsgefühl innerhalb des O^r-
>fers eitrigen, manchmal blutigen, unregelmässigen Ausfluss,
r Zt »1 dem regulären T,pua der chroniaeheu
ftritt. Der Schmerz steigert sich beim Drücken, Husten,
Z Stuhlgang. Die Seeretion hört Nachts nicht j». Oft
itstehen weiche oedematöse Schwellungen def Wan
id Augenlider. Zuweilen ist die oedematese I^o jiooh h
irfärht. S u p r a orbitalschmerz ist selten. Fehle
!l,lt 4° f Die schweren Fälle haben alle Symptome der •etohUm Itou
„mmen: Ziemlich hohea Fieber, Apath.e,
ehweres Krankheitsgefühl mit lehhaf teste^Kagem der
öllig bettlägerigen Patienten. ^ ofu “ 08t J ® ken8 und
lausea, Erbrechen, Erschwerung des D «“>
tarkc Gemüthsaltcrirung. Diese schweren Formen aeüter P5
ah ich sowohl bei Influenza als auch spontan auftreten
5. Acute Empyeme kommen sehr leicht wieder
gewöhnlicher Schnupfen genügt zur Auslösung der efne
Krkrankung. i
6. Doppelseitige Erkrankung sali ich eben so häüfig
cinscitig ^ Ausgang i n ein chronisches Stadium sah ich nur
einmal unter zehn Fällen.
8. Auch acute Empyeme können Polypen bi
UrSaC mnn ich Ihnen nun noch die Anschauung
ich über die spontane Heilung der neu ^
höhlenempyeme bis jetzt gewonnen habe,
dahin formulircn: . R a mint lieh
Die leichten Fälle heilen beinahe
spontan. Wiedererkrankungen aber sind hau
schon nach Wochen, auch nach Jahren wiede . zv ,-ar
Fälle habe ich probeausgespült, (nur mich ^ lbst ^ . darü bcr,
alle vom unteren Nasengange aus, so dass cm Z
ni/-wi + i-7/^/-J Km
4. A ugust 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
723
ob ein Empyem bestand, mir nicht zulässig schien. Audi die
Heilung habe ich wiederum durch Probeausspülung constatirt und
mich nicht auf die ganz unsichere Durchleuchtung oder unzuver¬
lässigen Angaben der Patientin verlassen. Freilich will ich zu¬
geben, dass auch eine einmalige nur zu diagnostischen Zwecken
vorgenommene Ausspülung eine heilende Nebenwirkung ausüben
kann, vornehmlich dadurch, dass die Höhle wenigstens einmal
von der Fremdkörpermasso des Eiters befreit und die Aufsaugung
des n o u gebildeten Eiters durch die Lymphbahnen begünstigt wird.
Die Heilung vollzieht sich meist allmählich. Die Beschwerden
vermindern sich täglich, erstens dadurch, dass die Schmerzanfälle
später am Tage auftreten, ihre Heftigkeit nachlässt und die
Eiterung schleimiger und geringer wird.
Obwohl also eine Selbsthoilung des acuten Empyems ziemlich
wahrscheinlich ist, musste ich dennoch bei 3 Fällen wegen der
Schwere der Symptome und des hohen Grades der
Schmerzen die künstliche Ausspülung vornehmen.
Es scheint mir dabei gleichgültig zu sein, ob man vom unteren
Nasengang, vom mittleren Nasengang, durch die natürliche Oeff-
nung, durch dio Fossa canina oder durch die Alveole ausspült.
Nicht die Stelle der Ausspülungsöffnung ent¬
scheidet über dio Schnelligkeit und Zuversicht¬
lichkeit der Heilung, sondern die Art des Empyems.
Auch die Zusammensetzung der Ausspülungsflüssigkeit ist wohl
ziemlich unerheblich für die Heilung. Das mechanische Moment
ist dabei die Hauptsache.
Die Art des Empyems hängt gewiss auch mit der bactericllen
Infection zusammen, doch haben dio bisherigen Untersuchungen bei
der Prognose Stellung und Heilungsaussicht nichts ergeben.
Die von pathologischen Anatomen bis jetzt gemachten bacterio-
logischen Untersuchungen können auch für diese Frage gar nichts
beweisen, da ja stets nur die ungebeilten Fälle untersucht werden
konnten.
(Herr A. C. H. Moll hat im vorigen Jahre in Arnheim
einen Vortrag über die Behandlung der acuten Leiden der
Nebenhöhlen der Nase gehalten, also über symptomatische Therapie,
nicht über die Erkrankung selbst. Seine Beobachtungen leiden
vor Allem an dem Fehler, dass er nach eigener Aussage bei den
acuten Entzündungen keine Probcpunetion macht. Warum nicht,
wejss ich nicht. Burger sah einige Influenzaempyemfälle, die
er aber auch nur mittels Durchleuchtung diagnosticirte und die
er mit frequenten Durchspülungen der Nase, nicht der Höhlen,
erfolgreich behandelte, das heisst also wohl, der Spontanheilung
überliess.)
Ich wollte Ihnen heute also vorführen, was einfache und
möglichst genaue klinische Untersuchungen mir gelehrt haben und
dass der allgemeine chirurgische Wahlsprucb : <ubi pus, ibi evacua
betreffend des acuten Kieferhöhlenempyems eine Einschränkung
erfahren sollte. Nur wenn binnen 3 Wochen eine Sclbsthcilung
nicht eingetreten ist oder wenn die Unerträglichkeit der Beschwerden
dazu drängt, dann würde ich in Zukunft auch beim acuten Empyem
sofort eine systematische Eröffnung der Höhle nebst täglicher
Durchspülung vorzunehmen für gerechtfertigt halten, zumal allein
die operative Eröffnung die Beschwerden wirklich beseitigt und den
Patienten unabhängig vom Arzt macht.
Gewiss haben andere Aerzte ähnliche Wahrnehmungen gemacht,
aber bisher nicht publicirt. Immerhin schien es mir als eine
wichtige Aufgabe, den Versuch zu machen, die Frage der acuten
Kieferhöhlenempyemc von der Einzclcasuistik loszulösen und ihre
Symptomatik und ihre Heilungsaussichten gesondert darzustellen.
Mir war es heute hauptsächlich darum zu thun, die festen
Merkzeichen zwischen der acuten und chronischen Höhlenerkrankung
nach meiner persönlichen Erfahrung zu kennzeichnen, damit endlich
das verwirrende Gerede über rasche Heilung von
Empyemen kurzweg durch die oder jene kleine Massnahme
aufhöre, und die Symptomatik und Prognose der acuten
Kieferhöhlenerkrankung nicht mehr mit der des
recht differenten chronischen Empyems zusammen¬
geworfen werde.
Die Probepunction der Nasennebenhöhlen. 1 )
Von Prof. Dr. O. Killütn in Freiburg i. Br.
Meine HcrrenT* Dio Lehre von den mit FJüssigkeitsausauun-
lungcn einhergehenden Erkrankungen der Nasennebenhöhlen ist
am weitesten fortgeschritten in Betreff der Kieferhöhle. Und
gerade bei dieser sind wir zu der Erkenntniss gelangt, dass nur
die P r o b c cxploration ein verlässliches diagnostisches Resultat
ergibt. Vor Allem kommt hier die Probeausspülung in Be¬
tracht. Doch genügt sie nicht vollständig. Geringe Mengen von
Schleim oder Eiter vertheilen sich derart in dem Spülwasser, dass
man kein sicheres Urtheil mehr abgeben kann. Seröse Flüssig¬
keiten würden sogar vollständig darin verschwinden. Man schickt
daher der Ausspülung am besten die neuerdings von Grünwald
empfohlene Probeausblasung voraus und beobachtet während
des Blasons und bei etwas nach vorn geneigtem Kopfe des
Patienten, was im mittleren Nasengange vor sich geht.
Solche Proceduren setzen voraus, dass die normale oder
accessorische Oeffnung der Kieferhöhle zugänglich ist; wenn nicht,
so muss eine probatorische Eröffnung der Höhle vorgenommen
werden. Dazu wählt man sich am besten die dünnste Wand¬
stelle, weil dort die l'unction fast ausnahmslos und spielend
gelingt, so dass der Patient nicht einmal den Eindruck gewinnt,
als wenn ein Eingriff an ihm vorgenommen würde. Diese Stelle
befindet sich nach Zuckerkandl im mittleren Abschnitt des
mittleren Nasenganges, dort wo es in gewissen Fällen zur
Bildung einer acccssorischen Oeffnung gekommen ist. Schon
Jour dain im vorigen Jahrhundert und in unserer Zeit nament¬
lich Hartmann haben dieser Stelle den Vorzug gegeben. Unter
Cocainanaesthcsie kann man hier mit einer vorn geschärften Hart¬
man n’sehen Röhre eingehen, ohne dass der Patient etwas davon
merkt, was den nicht zu unterschätzenden Vortheil bringt, dass
man ihn nicht vorher um Erlaubniss zu fragen braucht, wodurch
er doch nur geängstigst wird oder gar den geringfügigen Eingriff
verweigert. Bei einem solchen Vorgehen ist der Arzt in jedem
Falle in die günstige Lage versetzt, die Kieferhöhle «aufklären»
zu können. Alle diagnostischen Schwierigkeiten, über welche seit¬
her soviel geredet und geschrieben wurde, fallen in sich selbst
zusammen. Ich füge hinzu, dass sich mir das Verfahren seit
3 Jahren vorzüglich bewährt hat und dass nie eine Verletzung
der Orbita von mir oder meinen Herren Assistenten herbeigeführt
wurde.
Nach solchen Erfahrungen mit der Probepunction der
Kieferhöhle, bat mich der Gedanke vielfach beschäftigt, ob auch
bei den anderen Nebenhöhlen in analoger Weise vorgegangen
werden könne.
Was zunächst die Keilbein höhle betrifft, so ist deren
Mündung häufig soudirbar und für eine Canüle durchgängig.
Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so wisseu wir durch
Schäffcr, dass sich die Vorderwand leicht, selbst mit stumpfen
Instrumenten, durchbohren lässt. Besser wird es sein, dazu eine
gerade, vorn geschärfte Canüle zu wählen. Auch die Unterwand
Ist mitunter nicht so dick, dass sie sich nicht mit einer scharfen
Canüle, die vorn rechtwinklig nach oben abgebogen sein muss,
ohne Gewaltanwendung durchstosseu Hesse.
Schwieriger verhält es sich mit der Probepunction der Sieb¬
be in zellen. Anatomische Untersuchungen zeigen, dass diese
Zellen meist Nachbarn der Riechspalte sind, von der sie
nur durch eine dünne Knoclvenwaud getrennt werden. Von der
Riechspalte aus können wir also die Probepunction vornehmen;
wir müssen uns dabei jedoch, wie die Präparate lehren, über einer
Linie halten, welche wir uns von dem oberen Rand der Choane
bis zur vorderen Ansatzstelle der mittleren Muschel gezogen
denken. Die dazu nötliige scharfe Canüle bedarf einer recht¬
winkligen Abbiegung nach der Seite, welche so kurz zu wählen
ist, dass sie gerade ausreicht, die.mediale Wand des Sicbbein-
labyrinthes zu durchbohren. Auch bei geringer Breite des Sieb¬
beins wird so die Gefahr einer Orbitalverletzung umgangen.
*) Vortrag, gehalten auf der IH. Versammlung süddeutscher
Laryngologen in Heidelberg.
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724
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT;
No. 31.
Ist die Spalte zwischen mittlerer Muschel und Septum zu
eng für derartige Eingriffe, so bleibt noch ein zweiter Weg, näm¬
lich der vom mittleren Nasengang, indem man von hier direct
nach oben einsticht. Eine vorn rechtwinkelig nach oben abgc-
bogeno scharfe Canüle dringt bei einigerinassen zugänglichem
mittleren Nasengang je nach dem Ort der Function in vordere,
mittlere oder hintere Siebbeinzellen ein. Die letzteren erreicht
sie, nachdem sie den oberen Nasengang passirt hat. Orbitalver-
lctzungen können gar nicht in Frage kommen, wenn man nicht
am seitlichen Ursprung, sondern an der Umbicgungsstclle der
mittleren Muschel einstösst und gerade nach oben geht. Um
Verletzungen des Cavum Cranii sicher zu vermeiden, wühlt man
auch hier den abgebogenen Theil der Canüle möglichst kurz, d. h.
*/a—1 cm lang.
Beide Wege für die Probcpunction der Siebbein zellen er¬
gänzen sich derart, dass kaum eine Zelle von cinigermassen be¬
trächtlicher Grösse sich der Untersuchung zu entziehen vermag.
Dies gilt namentlich auch für die selteneren, doch manchmal sehr
geräumigen Zellen, welche vom obersten Nasengang ausgehen.
Am wenigsten zugänglich ohne Voroperation ist die Stirn¬
höhle. Nur in einem kleinen Theil der Fälle kann man eine
Canüle in sie cinführcn. Die S ch ä f f e r ’ sehe Stelle für die
Probcpunction, vorn oben zwischen mittlerer Muschel und Septum
im Bereiche des Stirnhöhlenbodens ist eine zu gefährliche. Der
Punction allein zugänglich bleiben daher diejenigen Fälle, in
welchen sich der untere Abschnitt der Stirnhöhle lateral von dem
vorderen Thcile der mittleren Muschel in das Bereich der Nasen¬
höhle nach abwärts erstreckt oder in welchen sich hier eine vor¬
derste Zelle befindet, die mit der Stirnhöhle in unmittelbarer Be¬
ziehung steht. In solchen Füllon könnte man über der Ansatz¬
stelle der mittleren Muschel vorn oben mit einer Canüle, wie sic
zur Punction der Siebbein zellen von der Riechspalte aus nötliig
ist, direct seitlich eingehen, was durchaus ungefährlich wäre;
denn wenn keine Hohlräumc da sind, ist hier der Knochen so
dick, dass er sich jedem Vordringen widersetzt.
Als letztes Mittel zur Exploration der Stirnhöhle bleibt stets
die Wegnahme des vorderen Endes der mittleren Muschel, ein
ziemlich harmloser Eingriff, der bei cinigermassen begründetem
Verdacht auf Stirnhöhlcnaffcction zu diagnostischen Zwecken er¬
laubt ist und den Weg zu dieser Höhle gewöhnlich für die stumpfe
Canüle freimacht.
Diese meine auf die Probcpunction bezüglichen Bemerkungen
beanspruchen, wenn ich von der Kieferhöhle abselic, vorläufig nur
den Werth anatomischer Spcculationen. Meine klinischen Ver¬
suche befinden sich zur Zeit erst im Anfangsstadium. Da die
Nebenhöhlen gegenwärtig im Brennpunkte unseres Interesses stehen
und ein grosses praktisches Bedürfuiss nach weiterem Fortschritt
vorhanden ist, so glaubte ich Ihnen die obigen Darlegungen bei
der heutigen Gelegenheit nicht vorenthalten zu sollen. Ich möchte
jedoch Diejenigen, welche die Functionen am Lebenden anwenden
wollen, bitten, sich vorher mit der speciellercn Anatomie der Sieb-
beinregion möglichst vertraut zu machen und ihre ersten Versuche
an Lcichenpräparaten vorzunchmen. Beim Lebenden wird es noth-
wendig sein, zuerst sorgfältige Sondirungcn vorzunchmen, um sieh
über die individuellen Besonderheiten der betreffenden Nase und
namentlich über die Lage der Lamina cribrosa vorher genau zu
unterrichten. Jede Gewaltanwendung ist zu unterlassen. Während
der Ausblasung muss man vermittelst der Rhinoscopia anterior
oder eventuell auch posterior beobachten.
Unser erstrebenswertestes Ziel ist es, Methoden zu finden,
welche ohne Voroperationen in jedem Falle Uber jede Neben¬
höhle sofort unzweideutigen Aufschluss geben. Wenn sich
die oben empfohlenen I’robepunctioncn in der Praxis bewähren
sollten, so würden wir diesem Ziele etwas näher kommen.
(Die in diesem Vortrage erwähnten Einzelheiten wurden durch
Demonstration von Zeichnungen, Präparaten und Instrumenten
näher erläutert.)
Aus der chirurgischen Klinik des Professors Gar re in
Rostock.
Ueber latente Eiterherde im Knochen.
Von Dr. E. Ehrich, Assistenzarzt der Klinik.
(Schluss.)
Als eine der seltensten Ausgangsformen der Osteomyelitis
ist der Knochcnabscess beschrieben worden. Ich verstehe
hierunter an dieser Stelle nicht den Knochenabscess im weiteren
Sinne, die Eiteransammlung im Mark oder Periost, wie sie in der
Mehrzahl der acuten Fälle der Osteomyelitis die Regel ist, sondern
jene eigentümliche, meist ausserordentlich chronisch verlaufende
Ausgangsform der Osteomyelitis, die sich durch die Bildung von
kleinen, rings abgeschlossenen Eiterhöhlen innerhalb der sklerotisch
verdickten Knochensubstanz charakterisirt, sich häufig in der Epi¬
physe, nicht selten in der Diaphvse localisirt und meist im reiferen
Lebensalter beobachtet wird — den latenten Knochenalsccss.
Das Krankheitsbild dieser Fälle ist Folgendes: Nachdem der
Patient in der Jugend eine acute Osteomyelitis durchgemacht hat,
mag dieselbe zum Aufbruch geführt haben oder nicht, treten bei
ihm meist nach jahrelangem völligen Wohlbefinden im Anschluss
an ein Trauma, eine Ueberanstrengung plötzlich reissende und
bohrende Schmerzen in dem Knochen, der damals betroffen war,
oder auch an einer ganz anderen Stelle auf, die Nachts exacer-
biren und sieh bis zur unerträglichen Intensität steigern können.
Nachdem dieselben Tage und Wochen angehalten haben, erfolgen
Intervalle von beträchtlichen Remissionen, wo die betreffende Ex¬
tremität wie eine gesunde gebraucht wird. Findet man jetzt bei
der Untersuchung eine circumscripte Auftreibung an der Diapbyse
oder Epiphyse, und gibt dazu die Anamnese einen Hinweis auf
die vorausgegangene Osteomyelitis, so ist die Wahrscheinlichkeit
sehr gross, dass wir es mit einem solchem Knochcnabscess zu tliuu
haben, jedenfalls mit einem circumscripten, osteomyelitischen Herd,
denn die Fälle, wo es sich um eine einfache Knochenneuralgie
handelt, oder wo man bei der Operation nichts weiter findet, wie
sklerotisirte Knochen, sind doch ausserordentlich selten. Schwieriger
sind schon die Fälle zu deuten, in denen cs wenige Wochen nach
einem Trauma zu der Entwicklung eines Knochenabscesscs kam 0 ),
ohne dass osteomyelitische Erscheinungen voraufgegangen waren,
oder dann, wenn die Anamnese über einen von vorneherein sub¬
acuten Verlauf der Erkrankung berichtet. Bei dem Mangel sons¬
tiger Anhaltspunkte kann man auch diese Affection erklärlicher¬
weise mit einer Knochensyphilis verwechseln mit Hinblick auf die
Knoehonverdickung und die dolores ostcocopi. Denken Sic sich
nun aber erst den Sitz des Knochenabscesscs an einer Stelle, wo
eine Knochenauftreibung durch die Palpation schwer fcstgcstellt
werden kann, /,. B. im Bereich der Ilüft- und Schultergelenks¬
gegend, so dürfte es in diesen Fällen vollends unmöglich sein,
eine sichere Diagnose zu stellen.
In neuerer Zeit hat der latente Knochenabscess insofern
eine grössere Bedeutung erlangt, als man den bei demselben ge¬
wonnenen Befund zur Schlichtung einer wissenschaftlichen Streit¬
frage herangezogen hat, ob es sich nämlich bei der recidi-
virenden Osteomyelitis — derjenigen Form, wo cs Jahre
und Jahrzehnte lang nach der primären Erkrankung zu einem
erneuten Befallenwerden desselben Knochens kommt, — um eine
Ncuinfcction handle, oder ob hier ein latenter, virulente Cocccn
enthaltender llerd durch irgend welchen Anlass zu einem erneuten
Aufflackern des Proccsscs geführt habe. Man hat nämlich in
dem Eiter dieser abgekapselten Knochcnabsccssc noch nach langen
Jahren virulente Mikroben nachweisen können. Ich will hier
jedoch nicht näher auf diese Streitfrage eingehen, um Ihre Zeit
nicht allzu lange in Anspruch zu nehmen. Gestatten Sic mir,
in Anbetracht des Interesses, den diese Ausgangsform der Osteo¬
myelitis bietet, Ihnen kurz über einigo hierher gehörige Fälle zu
berichten. Im seltsamen Gegensatz zu der allgemein hervor¬
gehobenen Seltenheit dieser Affection kamen in der Rostocker
chirurgischen Klinik innerhalb des letzten Halbjahrs nicht weniger
wie 3 Fälle von typischem Knochcnabscess zur Beobachtung.
°) Fr ick, Ueber den Knochenabscess. Inaug.-Diss. Bonn 1892.
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4. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
726
In dem einen Falle handelte es sich um einen 20 jährigen
Patienten, der im 8. Jahre eine schwere, unter so stürmischen
Symptomen verlaufende linke Hüftgelenksentzündung durchgemacht
hatte, dass der behandelnde Arzt befürchtet hatte, Patient würde
sterben. Patient lag damals einige 20 Wochen im Streckverband
und lernte dann allmählich wieder gehen.
Im 10. Jahr entstand über dem untern Drittel der r. Ulna
eine Fistel, die, ohne je Schmerzen zu verursachen, nach einem Monat
verheilte. Kurze Zeit darauf kam es zum Aufbruch in der 1. Hüft¬
gelenksgegend. Die Fistel schloss sich erst nach einem halben
Jahr. Vor 4 Wochen stellten sich nun bei dem Pat., im Anschluss
an eine starke Anstrengung, leichte Schmerzen in der r. Ulna ein,
die bei der Arbeit Zunahmen und bisher anhielten. Es bestand
jedoch weder Fieber noch eine nennenswerthe Störung des All¬
gemeinbefindens. Der Befund bei der Aufnahme war folgender:
Das linke Hüftgelenk ist ankylotisch. Das Bein 6tebt in Flexion
von 115°, Adduction von 155”. Die Trochanterspitze steht 2 cm
oberhalb der Roser-Nekton sehen Linie. Am r. Vorderarm findet
sich 3 fingerbreit oberhalb des Proc. styloid. ulnae eine erbsengrosse,
flache, verschiebliche Narbe. Die Ulna zeigt zwischen mittlerem
und unterem Drittel eine spindelförmige, wenig druckempfindliche
Auftreibung in Ausdehnung von 6 cm, deren unteres Ende der
erwähnten Narbe entspricht. Durch die Aufmeisselung des Knochens
wurde eine haselnussgrosse, glattwandige, centrale Höhle freigelegt,
•die, mit Granulationen ausgekleidet, einen Theelöffel voll schleimigen
Eiters enthielt. In demselben wurden culturell Staphylococcen nach¬
gewiesen.
Der Fall ist in hohem Grade bemerkenswerth, insofern er uns
den Beweis gibt, dass ein solcher Abscess 12 Jahre hindurch virulente
Mikroben enthalten kann, ohne nur die geringsten Störungen zu
bedingen. Denn wir sind wohl nach den anamnestischen Angaben
zu der Annahme berechtigt, dass gleichzeitig mit der osteomyeli¬
tischen Hüftgelenksverciterung eine metastatische Verschleppung
des Krankheitsgiftes in die Ulna erfolgte, wenn auch die entzünd¬
lichen Erscheinungen an dieser Stelle gegenüber dem Process im
Hüftgelenk ganz in den Hintergrund traten.
Ein noch weit grösseres Interesse bietet die Krankengeschichte
des zweiten Falles, insofern als es sich hier um einen Knochen-
absccss handelte, der nicht weniger als 32 Jahre bestanden hatte.
Der 41 jilhrige Patient berichtete, dass er im 9. Jahre unter
hohem Fieber, Delirien und einer sehr schmerzhaften Anschwellung
beider Unterschenkel erkrankt sei, die zu beiderseitigem Aufbruch
führte. Während der Process an der rechten Tibia im Laufe der
Jahre zu mehrfachen operativen Eingriffen, auf die ich nicht näher
eingehen will, Veranlassung gab, wurde ein solcher an der linken
Tibia niemals vorgenommen. Dieselbe zeigte vom 9. Jahr her eine
beträchtliche Auftreibung, es kam auch wiederholt zum Aufbruch
an derselben, die entstehenden Fisteln schlossen sich nach kürzerer
oder längerer Zeit. Patient hatte zeitweise an ziehenden Schmerzen
in dem Unterschenkel zu leiden, die ihn jedoch nicht erheblich in
seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten. Eine Zunahme der Be¬
schwerden in der letzten Zeit veranlasste ihn zum Eintritt ins
Krankenhaus. Die Untersuchung ergab folgenden Befund: Der
Malleol. int. der rechten Tibia ist verdickt, über denselben verläuft
eine 6 cm lange, nicht verschiebliche Narbe, in deren Mitte sich eine
trichterförmige, sich 1 ‘/j cm tief in den Knochen hinein erstreckende
Grube findet, im Grunde mit Granulationen ausgekleidet. Weitere
Schnittnarben bestehen über dem oberen Theil der TibiakaDte und
an der Innenfläche der Wade. Die linke Tibia zeigt eine enorme,
im Ganzen gleich massige Auftreibung. Dieselbe beginnt fingerbreit
unterhalb der Kniegelenksspalte, ist in der Mitte am stärksten und
hört drei fingerbreit oberhalb des Malleol. auf. Die Haut ist auf
dem Knochen in grosser Ausdehnung adhärent, über der Tibiamitte
in Handtellerausdehnung geröthet, schmerzhaft, fühlt sich heiss an.
Es besteht hier teigige Consistenz, keine Fluctuation. Inmitten
dieser Stelle, sowie im Bereich der Vorderfläche des Unterschenkels
finden sich mehrere rundliche und strichförmige Narben mit hellerem
Centrum und pigmentirter Peripherie.
Es wird ein Längsschnitt über die Vorderfläche der Tibia ge¬
führt und der Knochen in grosser Ausdehnung freigelegt. Im
Bereich der gerötheten Hautpartie in der Mitte des Unterschenkels
ist der Knochen mit Granulationen bedeckt. Unter denselben zeigt
sich ein federkieldicker Fistelgang, der in den Knochen führt. Die
Aufmeisselung ergibt an dieser Stelle unter einer ca. 2 1 /’ cm dicken
Knochendecke eine taubeneigrosse centrale Höhle, die mit schleimigen
Eiter gefüllt, mit Granulationen ausgekleidet ist. Die Höhle zeigt
nach Abkratzung der letzteren völlig glatte Wandungen. Im obem
Drittel der Tibia wird nach Durchtrennung der Haut ein extraossal
gelegener Eiterherd freigelegt, von dem ein feiner Fistelgang senk¬
recht in den Knochen führt. Bei der Aufmeisselung des letzteren
gelangt man jedoch nicht in eine Eiterhöhle, sondern auf ein
schwartiges Granulationsgewebe innerhalb des Knochens, das den
Markraum in Ausdehnung von mehreren Centimetem ausfüllt und
zahllose Mengen kleinster Sequesterchen in sich einschliesst. Nach
Entfernung (Oeses Gewebes bietet sich eine längliche, glattwandige
Höhle dar, die nach oben bis nahe an die Epiphyse reicht. In
No. 81.
beiden gefundenen Eiterherden wurde culturell der Staphylococcus
pyogenes aureus nachgewiesen, besonders reichlich in dem Eiter aus
der centralen Höhle in der Mitte der Tibia.
Während es hier also an der einen Stelle der Tibia zur
Entwicklung eines typischen Knochenabscesscs gekommen war,
spielte unmittelbar daneben ein Vorgang ab, den wir entschieden
als einen Resorptionsvorgang deuten müssen, der zur Einschmelzung
des nekrotischen Knochenmaterials geführt und wahrscheinlich
weiterhin zur völligen Auflösung desselben Veranlassung gegeben
hätte, Veränderungen, die ich gelegentlich der Besprechung der
sklerosirenden Form der Osteomyelitis schon einmal erwähnt habe.
Ausserdem ist dieser Fall ein eclatantes Beispiel dafür, welch'
enorm lange Zeit die pyogenen Coccen in abgekapselten Herden
des menschlichen Körpers ihre Virulenz bewahren können, ohne
zu erheblichen krankhaften Störungen Veranlassung zu geben.
Noch nach einer anderen Hinsicht können solche latente
Herde im Knochen von Bedeutung werden und gerade dieser
Punkt ist es, auf den ich speciell Ihre Aufmerksamkeit lenken
möchte. Sitzt ein Knochcnabscess nämlich in der Epiphyse,
so wird durch den Reiz, den ein solcher Herd hervorruft, das
Gelenk in Mitleidenschaft gezogen und es rcsultiren daraus Gelenk-
erkraukungen, die mannigfachen Missdeutungen unterliegen können.
Ich will hier ganz absehen von jenen Fällen, wo ein kleiner
latenter Knochenherd mit virulenten Staphylococcen durch ein
Trauma oder vielleicht auch spontan plötzlich in’* Gelenk einbrechen
und schwerste Vereiterung veranlassen kann. Diese Fälle sind
ohne Weiteres klar. Praktisch wichtiger dürften wohl diejenigen
sein, die Jahre hindurch einen gelegentlichen Reizzustand mit
oder ohne Erguss des Gelenks bedingen, der als recidivirender
Geleukhydrops oder als Rheumatoid diagnosticirt wird.
Bei der Bedeutung, die dieses Krankheitsbild besitzt, will ich
nicht unterlassen, Ihnen zwei hierhergehörige ausserordentlich
instructive Beobachtungen zu schildern. Die Krankengeschichte
des einen Falles, der von Garrö 8 ) publicirt worden ist, ist
folgende:
Bei einem 21 jährigen Bauer stellte sich vor 5 Jahren ohne
bekannte Ursache eine Schwellung der r. Knöchelgegend ein. Patient
hatte beim Gehen heftige Schmerzen und musste desshalb ca. ’/* Jahr
zu Bett liegen. Er wurde dann wieder arbeitsfähig, es blieb jedoch
eine Verdickung der Knöcheln bestehen, die allmählich noch zunahm.
Im Laufe der nächsten Jahre trat nun fast alle Monat einmal, im
Anschluss an eine etwas stärkere Anstrengung, eine starke schmerz¬
hafte Anschwellung des Fussgelenkes ein, die Patienten stets einige
Tage arbeitsunfähig machte, bis der frühere Zustand wieder her¬
gestellt war. Bei der Aufnahme des Patienten fand sich eine spindel¬
förmige Auftreibung der r. Fussgelenksgegend, die grösstentheils
durch eine sehr erhebliche, aber schmerzlose Verdickung des
Malleol. int. bedingt wurde. Das Fussgelenk war frei und ohne
Schmerzen beweglich. Die Haut über der ganzen Fussgelenksgegend
war ganz normal und zeigte vor Allem keine Narben oder Fisteln.
Nachdem Patient 2 Wochen in der Klinik, ohne dass eine Ver¬
änderung in dem Zustand eingetreten war, gelegen hatte, stellte sich
plötzlich ohne jede äussere Ursache unter Temperatursteigerung eine
starke Anschwellung des Gelenks mit Röthung der Haut und enormer
Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen ein. Nachdem dieser entzündliche
Erguss 2 Tage bestanden hatte, bildete er sich zurück und nach
weiteren 2 Tagen war der Zustand wieder wie vorher. Garrh
schritt nun in der Annahme, dass ein Entzündungsherd im innern
Knöchel die Ursache dieser räthselhaften Erscheinung sei, zur Auf¬
meisselung des Knochens und fand in der That in der Tiefe des¬
selben, ungefähr in der Mitte des Knöchels, eine haselnussgrosse,
mit speckigen Granulationen ausgekleidete Höhle, die im Centrum
etwas Eiter und ein winziges Sequesterchen enthielt. Die aus¬
gekratzte Höhle zeigte glatte Wände und reichte bis dicht an den
Gelenkknorpel. Die Heilung erfolgte ohne Störung. Eine Anschwellung
des Fussgelenkes ist seitdem nicht wieder aufgetreten. In den Granu¬
lationen der Höhle wurden durch die Cultur Staphylococcen nach¬
gewiesen.
Einen zweiten hierhergehörigen Fall hatte ich Gelegenheit im
letzen Winter in der Rostocker Klinik mit zu beobachten.
Bei einem 36 jährigen Arbeiter, der vor 19 Jahren unter Frost,
Fieber und einer sehr schmerzhaften Anschwellung am rechten Ober¬
arm erkrankte, wurden damals durch Einschnitt grosse Mengen Eiter,
angeblich kein Knochensplitter, entleert. Die Wunde heilte in kurzer
Zeit und Patient hat seitdem an dem Arm keinerlei Beschwerden
wieder gehabt. Vor 9 Jahren trat eine ähnliche schmerzhafte Schwel¬
lung im untern Drittel des linken Vorderarms auf, es kam zur
Abscessbildung und Incision, nachwenigen Wochen erfolgte Heilung.
8 ) Garrö, Beiträge zur klin. Chirurgie. XXXH.
8
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Nach jahrelangem Wohlbefinden traten vor einigen Wochen im An¬
schluss an eine aussergewöhnlich anstrengende Arbeit heftige Schmer¬
zen im rechten Vorderarm auf und bald darauf eine Anschwellung.
Patient will leicht gefiebert haben. Vom Arzte wurde die Affection
für Rheumatismus des Handgelenks erklärt und dementsprechend
behandelt. Der Befund bei der Aufnahme des Patienten war fol¬
gender: Am rechten Oberarm, an der Grenze vom oberen und mitt¬
leren Drittel, findet sich eine 3 cm lange, mit dem Knochen ver¬
wachsene Narbe. Der Letztere ist nicht deutlich verdickt. Die linke
Handgelenksgegend weist eine mtlssige Schwellung auf, Bewegungen
im Gelenk sind in geringem Grade schmerzhaft. Auf der Dorsal¬
fläche des Vorderarms findet sich, 4 cm oberhalb des Handgelenks,
eine l 1 /* cm lange, etwas eingezogenc Narbe, die mit dem Radius
verwachsen ist. Die untere Radiusepiphyse zeigt eine spindelförmige
knochenharte Verdickung, die nur in geringem Grade druckempfind¬
lich ist. Die auf Grund der anamnestischen Angaben und des objec-
tiven Befundes gestellte Diagnose: «Knochenabscess in der Radius-
epiphyse» wurde bei der Operation bestätigt. Es fand sich eine
bohnengrosse mit bräunlich-gelbem Eiter gefüllte Höhle in der
Knochensubstanz. Die ausgekratzte Höhle zeigte völlig glatte Wan¬
dungen. Die bacteriologische Untersuchung des Eiters führte auch
hier zu einem positiven Resultat.
In den beiden angeführten Fällen wurde anfänglich eine
rheumatische Erkrankung angenommen und in der That erinnerten
die Symptome, das acute Auftreten der Synovitis serosa, die vielen
Rccidivc derselben im ersteren Falle, die diffuse Schwellung der
Gelenkgegend und die Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen bei unsevrn
Patienten so auffallend an eine rheumatische Affection, dass jeder,
dem nicht bekannt ist, dass gelegentlich ein latenter osteomyelitischer
Ilerd ein solches Kranheitsbild bedingen kann, berechtigt war,
diese Diagnose zu stellen. Und so hätte der Patient noch lange
verschiedentliche Rheumatismuscuren durchmachen können, ohne
natürlich erheblich gebessert zu werden, er hätte seiuen Knochen¬
abscess behalten.
Welche Anhaltspunkte bietet uns nun die Krankengeschichte
solcher Fälle, die auf die osteogene Natur des Leidens, auf einen
latenten osteomyelitischen Herd hinweisen V • Zunächst ist hier die
Anamnese zu verwerthen. In den meisten Fällen erzählt ja die¬
selbe von einer vor Jahren oder Jahrzehnten durch gemachtem
Osteomyelitis, die allerdings oft einen atypischen Verlauf nahm
und nicht selten an einem ganz anderen Knochen cinsetzte, während
Veränderungen an dem jetzt betroffenen Knochen gar nicht be¬
merkt wurden. Sodann ist der weitere Verlauf von Bedeutung.
Die Patienten berichten oft, dass sie seit der ersten Erkrankung
öfters ziehende und bohrende Schmerzen in der Extremität gehabt
hätten. In dem Garrc’ sehen Falle trat sogar häufig, fast alle
Monate, ein acut entzündlicher Erguss in's Gelenk ein, bei unserem
Patienten bestand der Herd, abgesehen von einer Abscedirung vor
y Jahren, nicht weniger wie 19 Jahre symptomlos, bis er vor
4 Wochen im Anschluss an eine starke Anstrengung auf’s Neue
in die Erscheinung trat. Auf den objectiven Befund ist natürlich
das Hauptgewicht zu legen, insofern als derselbe meist eine mehr
oder weniger erhebliche Auftreibung der Epiphyse ergibt, dazu
nicht selten eine adhaerente Narbe, die auf einen früheren Durch¬
bruch hinweist. Diese Anhaltspunkte berechtigen uns in der
That dazu, an einen latenten, virulente Coccen enthaltenden osteo¬
myelitischen Herd zu denken, gestützt auf die Erfahrung, dass
solche latente Knochenabseesse Jahre und Jahrzehnte bestehen
können, ohne an Infeetiosität einzubüssen, dass sie trotz ihrer
winzigen Kleinheit in den meisten Fällen bei der Localisation in
der Epiphyse das benachbarte Gelenk in ausgesprochener Weise
in Mitleidenschaft ziehen können.
Die gegebenen Ausführungen, die ich durch einige seltene,
aber sehr prägnante Krankheitsfälle illustriren konnte, dürften
hinreichen, um das Krankheitsbild, das durch latente, pyogene
Coccen enthaltende Herde im Knochen bedingt wird, zu schildern.
Kurz zusainmengefasst, treten uns dieselben also entgegen: 1. in
der Form der Ostitis albuminosa, 2. als sklcrosireadc,
nicht eiterige Form der Osteomyelitis, 3. und am
eclatan testen in der Gestalt des eigentlichen Knochenabsees sc s.
Gegenüber der acuten Osteomyelitis ist für alle charakteristisch,
aber auch die Diagnose unter Umständen erschwerend, ihr sub¬
acuter oder chronischer, also atypischer Verlauf. Ihre Zusammen¬
gehörigkeit mit der acuten Osteomyelitis wird durch den bacterio-
logischen Befund zur Evidenz erwiesen. Es sollte mich freuen,
wenn es mir gelungen wäre, Ihre Aufmerksamkeit auf diese seltene
und doch so wichtige Ausgangsform der Osteomyelitis hinzuleokcn.
Sie werden bei dem häufigen Vorkommen der Osteomyelitis in
unserem Lande gewiss Gelegenheit zu ähnlichen Beobachtungen
haben.
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. R. S. Bergh: Vorlesungen über die Zelle und
die einfachen Gewebe des thierischen Körpers. Mit
einem Anhang: Technische Anleitung zu einfachen histologischen
Untersuchungen. Mit 138 Figuren im Texte. Wiesbaden.
C. W. Kreidel’s Verlag. 1894. 262 pag.
Das Unternehmen des Herrn Verfassers, eine allgemeine
Histologie des thierischen Körpers zu schreiben, verdient besondere
Anerkennung, und soll hier gleich hervorgehoben werden, dass die
Leetüre dieses Buches, was aus dem Titel nicht sogleich hervor¬
geht, sich nicht blos für Naturwissenschaftler, sondern auch für
Mediciner in vollem Maasse eignet. Alle kleineren Lehrbücher
der Histologie müssen wohl oder übel den Hauptnachdruck auf
die Darstellung der mikroskopischen Anatomie legen; diese ist hier
ausgeschlossen : es werden die Zelle und die Gewebe im engeren
Sinne behandelt, in die Organologic hingegen wird nur in so weit
hineingegriffen, als nach den Absichten des Verfassers unumgänglich
nothwendig ist. Das Buch füllt nach der Ansicht des Referenten
eine merkliche Lücke in der Literatur aus und wäre eine weitere
Verbreitung desselben nur zu wünschen, da eine etwas genauere
Kenntnis der Zelle als der souveränen Beherrscherin des Lebens
und ebenso der einfachen Gewebsformen, da hierinnen die Grund¬
lagen für die Mikroskopie der normalen und pathologischen Organe
gegeben sind, besonders für unsere Studirenden von hohem Nutzen
sein würde. Der Stoff des Buches gliedert sich von selbst: es
werden der Reihe nach die Zelle, die Epithelien, das Muskel- und
Nervengewebe und schliesslich die Bindesubstanzen durchgesprochen.
Eingangs des Capitels «Zelle» fehlt eigentlich die richtige
Definition dieses Begriffes. Eine geschichtliche Hcrleitung des
Wortes «Zelle» wird zwar gegeben, cs wird auch betont, dass die
Zellen elementare Einheiten sind, aber gleich darauf geht der
Verfasser zum Detail über, indem es dann weiter heisst, die Zelle
bestehe aus Protoplasma und Kern. Die Definition des Zellen¬
begriffes muss offenbar zum grossen Theile von den physio¬
logischen Erscheinungen hergenommen werden, und hierbei hätte
der Verfasser, in Ansehung der Kreise, für welche das Werk
bestimmt ist, etwas länger verweilen sollen. Bezüglich der Auf¬
fassung der Zellstructur hält der Autor sich wesentlich an
die von unserem Altmeister F1 e m m i n g gegebenen Daten. Es
werden aber nicht nur die morphologischen Thatsachen zusammen -
getragen, sondern es werden aucli die wichtigsten physiologischen
und biologischen Erfahrungen besprochen (Bewegung, Reizbarkeit,
Stoffwechsel etc.). Die häufige Hervorhebung physiologischer Gesichts¬
punkte, die in allen Theilen des Werkes sich wiederholt, bildet
einen besonderen Vorzug in der Art der Darstellung. Bei Gelegen¬
heit der zeitlichen Zusammenordnung der indirecten Thcilungsfigurcn
ist übrigens ein merkwürdiger Irrthum mit uutergelaufen: der
«dichte» Mutterknäuel ist das frühere Stadium gegenüber dein
«lockeren», nicht umgekehrt, wie der Verfasser uns glauben
machen will; ebenso siud die analogen Stadien des Tochterknäuels
verwechselt. Für Viele wird ein kurzer, der Zellenlehre bei¬
gegebener Abriss der Lehre von der Befruchtung, will¬
kommen sein.
In dem zweiten, die Gewebe behandelnden Theile des Buches
macht der Verfasser mit Hecht einen guten Gebrauch von seinen
zoologischen Kenntnissen. Der Referent ist ganz eben dieser
Meinung, dass die vergleichende Gewebelehre durchaus tauglich
ist, wesentliche Gesichtspunkte für Betrachtungen allgemeinen In¬
halts zu gewähren. Von der speciellen Ausarbeitung sei noch
erwähnt, dass bei den Epithelien auch die Drüsen, bei dem
Nervengewebe auch die Nervenendigungen und die Sinnes-
cpithclien ausführlicher behandelt werden. In das Capitcl über
Stützsubstanzen hat sich auch die Entwicklung der Knochen und
Zähne verirrt; beides hätte, ohne dem Charakter des Buches Ein¬
trag zuHhun, ebenso gut auch fortbleibea können. — Die Schreibart
ist klar und verständlich, überflüssiges Hypothesenwerk ist nicht
Digitized by UjOOQie
4. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
727
vorhanden, die Abbildungen sind reichlich und gut, Papier und
Druck vorzüglich. Martin Heiden hain.
F. Schauta: Lehrbuch der gesammten Gynäko¬
logie. Eine Darstellung der physiologischen und pathologischen
Functionen der weiblichen Sexualorgane im schwangeren und nicht¬
schwangeren Zustande. 12 Lieferungen, 1-209 Seiten mit 330 Ab¬
bildungen. Leipzig und Wien bei F. Dcuticke, 1895-
Der Gedanke, die cngverwandtcu, aber gewöhnlich getrennt
bearbeiteten und gelehrten Gebiete der Geburtshilfe und Gynäko¬
logie in einem Werk zusammeuzufassen, ist bereits einmal von
der Wiener Schule (C. v. Braun, 1881) verwirklicht worden.
F. Schauta, der denselben Plan wieder ergriff und dessen Lehr¬
buch der gesammteu Gynäkologie nunmehr abgeschlossen vorliegt,
fand gegenüber seinem Vorgänger ein unvergleichlich ausgedehnteres
Arbeitsfeld. Fast alle Capitel der beiden Schwcstcrdiseipliuen
haben in den letzten 15 Jahren eine durchgreifende Um- und
und Ausarbeitung erfahren, Vieles ganz Neue ist auf dem Ge¬
biete der Actiologie, der Diagnostik und der operativen Technik
hinzugekommen und die Zahl der zu berücksichtigenden Einzel-
bcobachtungen geht bei der heutigen Productivitüt nahezu in’s
Schrankenlose.
Schauta hat den Stoff zu seinem Lehrgebäude in treff¬
licher Weise zu bewältigen verstanden. Dies gilt insbesondere
von der Gesammtanordnung, welche schon im anatomischen und
physiologischen Thcil, daun aber hauptsächlich in den Abschnitten
der Pathologie die geburtshilflichen und gynäkologischen Gesichts¬
punkte so natürlich verknüpft, dass sie sich gegenseitig ergänzen
und immer durch die einen das richtige Erfassen der anderen
vorbereitet und erleichtert wird. Gelungen ist ferner die glcich-
müssige Sichtung des Stoffes, was bei der Ucberfülle des vor¬
liegenden Materials nicht geringe Schwierigkeiten bieten musste.
Mit sicherem Blicke sind überall die - dem Lehrzwecke dienlichen
Hauptsachen herausgegriffen und bis auf die neuesten Forschungen
und Erfahrungen hin dargestcllt, Nebensächliches ist nur ganz
kurz angedeutet, so dass Capitel, die sonst viele Seiten füllen, auf
wenige Zeilen znsammengedrängt werden konnten.
Die Sprache und der Stil — ein überaus wichtiger Punkt
bei Lehrbüchern — sind einfach und klar, die Person des Ver¬
fassers tritt, das letzte Capitel ausgenommen, fast allzubescheiden
in den Hintergrund. Für den Lernenden ist dies gegenüber dem
jetzt vielfach zu Tage tretenden Bestreben, eigene Beobachtungen,
Methoden und Mcthüdchen hervorzuheben und mit unleidlicher
Breite zu behandeln, ein entschiedener Vorzug; den Fachgenossen
wäre es vielleicht lieber gewesen, mehr von den persönlichen
Anschauungen des Verfassers kennen zu lernen.
Das Werk beginnt mit der üblichen Darstellung der Ana¬
tomie, an die sich ein kurzer Abriss der Entwickclungsgeschichto
anreiht. Hierauf folgt ein physiologischer Thcil, die Lehre von
der Ovulation, Menstruation und Befruchtung, die Physiologie
der Schwangerschaft und des Foetus, die normale Geburt und
das Wochenbett. Diagnose, Hygiene und Diätetik dieser Zu¬
stände werden sogleich »angeschlossen. Capitel HI behandelt die
Pathologie der Genitalorgane. Die Einthcilung ist hier nicht die
übliche nach den Organen, sondern der Stoff wird nach den
Krankheitsgruppen geordnet, so dass also die Entwickelungsfehler,
die Kreislaufstörungen, die Atrophie, die Lageabweichungen, Neu¬
bildungen, Verletzungen, Infcctionskrankheiten, Neurosen, immer
gemeinsam für den ganzen Genitaltractus und für alle Phasen
seiner Function besprochen werden.
Der folgende IV. Abschnitt gibt einige kurze Darstellungen
der Wechselbeziehungen, welche zwischen den Anomalien und
Krankheiten des übrigen Körpers und dem Verlaufe der Generations¬
vorgänge und der gynäkologischen Leiden bestehen. Capitel \
umfasst die Anomalien des Eies, der Frucht und der Eitheile.
Hier finden die Extrauteringravidität, die Placenta praevia, die
mehrfache Schwangerschaft, sämmtliche Abweichungen der Lage
und Haltung des Kindes ihren richtigen Ort zur Besprechung.
Capitel VI ist den Anomalien des Beckens gewidmet, welche,
wie schon in dem von Schauta bearbeiteten gleichen Ab¬
schnitt des Müller’ sehen Handbuches, "nach r aetiologischen
Gesichtspunkten geordnet sind. Cap. VH handolt_von der geb.
gyn. Untersuchung, Cap. VHI und IX endlich bringen die ge¬
burtshilfliche und gynäkologische Operationslehre. Die letzteren sind
auch für den Fachmann interessant, weil Schauta hier mit
seiner eigenen Meinung mehr hervortritt und bei den meisten
Operationen über die an seinem reichen Materiale gewonnenen
Resultate berichtet.
Bei dem grossen Umfange des Werkes verbietet sich ein
auch nur theilweises Eingehen auf Einzelheiten von selbst. Nur
ein paar kritische Bemerkungen, die sich auf praktische Fragen
in den 3 letzten Abschnitten beziehen, seien hier angefügt. Die
in der Lehre von der gynäkologischen Untersuchung aufgeführten
und abgebildeten Instrumente entsprechen nicht immer den mo¬
dernen Anforderungen an Einfachheit und Aseptik. Hölzerne
Stiele sind ganz zu verwerfen, auch die Simon'sehen Rinnen
sollen mit dem Stiele fest verbunden werden und aus einem Gusse
sein. Die röhrenförmigen Specula, welche auch zur blossen Unter¬
suchung nicht viel taugen, müssen allmählich ganz verschwinden,
was sich erst erreichen lässt, wenn man die Studirenden systema¬
tisch daran gewöhnt, in Seiten- und Rückenlage nur Löft'elspccula
anzuwenden, die allein ein klares Bild geben und für alle, auch
dio einfachsten Maassnahmen an der Portio den Rühren weit
vorzuziehen sind. — Die Vorzüge, welche der Breus 'sehen Zange
nachgerühmt werden, besitzen die letzten Tar n ier' schon Modelle
in noch viel höherem Maasse. Die freie Beweglichkeit des Kopfes
ist grösser und der Zug in der Achse, auf den Breus verzichten
will, sehr wirksam.
Zur Exstirpation grosser Myome verwendet Schauta noch
vielfach die supravaginale Amputation mit extraperitonealer Ver¬
sorgung des Stumpfes. Diese Methode gibt gewiss eine grössere
Sicherheit als die Versenkung des Stumpfes, wird aber wohl in
Bälde der totalen Exstirpation des myomatösen Uterus weichen
müssen, deren Resultate allen anderen Methoden voranstehen. Der
supravaginalen Amputation mit Einnähung des Stieles werden nur
die Fälle von septischer Infection und Verjauchung der Myome
verbleiben. Gerade hier aber dürfte das von Schauta geübte
Ausschälen der grösseren Myomknoten vor Schluss der Bauchhöhle
nicht ungefährlich sein und besser unterlassen werden.
Zu wenig hervorgehoben scheint mir die Bedeutung der vagi¬
nalen Operationsmethoden bei Myomen und bei Adnexerkrankungen
aller Art, wie sie besonders von französischen Chirurgen (Pdan,
Richolot, Doyen u. A.) ausgebildet und in Deutschland zu¬
erst von Landau vertreten wurden. Wer die Methoden kennt
und öfter geübt hat, wird in ihnen einen vollkommenen Ersatz für
Coeliotomien bei mittelgrosscn Myomen und bei eitriger Salpingitis
finden. Besonders gut sind die Resultate bei Adnexerkrankungen,
die auch von Schauta mit Recht geforderte Wegnahme des in-
ficirtcn Uterus ergibt sich bei der vaginalen Exstirpation von selbst,
einer Infection des Peritoneum wird durch die ausgiebige Drainage
nach der Scheide zu viel besser vorgebeugt als durch dio M i c u -
licz’schc Tamponade.
Druck und Ausstattung des Buches lassen nichts zu wünschen
übrig, die reichlich eingeschalteten Abbildungen, worunter viele
alte bekannte, sind geschickt ausgcwählt und technisch gut aus¬
geführt.
Alles in Allem genommen ist Schauta’s Lehrbuch der ge¬
sammten Gynäkologie ein treffliches Werk, das den Aerzten und
Studirenden ohne Vorbehalt und angelegentlich empfohlen werden
j ar f B u m m - Basel.
Prof. Riedel: Ueber acute Darmwandbriiclie.
(Sammlung klin. Vortrüge, begr. von R. v. Volk mann, neue
Folge No. 147). Leipzig 1896- Breitkopf & Härtel.
In dem Bestreben, dass die offene Herniotomic immer mehr
Allgemeingut aller Aerzto werde und die Reposition so viel als
möglich eingeschränkt werde, bespricht R. unter Mittheilung einer
Reihe von Fällen des genaueren die Darmwandbrüchc, die
durchaus nicht als selten anzuschen (nach Riedel s Erfahrungen
9_]0 Proc. der operirten Brücho, 12 Proc. der Cruralhernien)
und die ganz besondere Gefahren wegen der raschen Gangrän
besonders für Reposition bieten; er verlangt daher, dass die
Diagnose dieser Brüche, wenn nicht vor der Operation, doch
wenigstens vor der ins Auge gefassten Reposition des Bruches
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728
MÜNCHENER ME PIOINIBCHB W OCggggCgMFT
No. 81.
„ , i b sneciell kleine Cruralbrüche und besonders
gestellt werde, d. h. P ; r t werden, die Operation soll
Darawandbrttcho dürfen nie Messer,' sondern im
nicht im Dunkel mi • n geschehen (Incision so,
S« Ts rTo cm
cingeführten gennnten eva ori. ^ fiich der Brachsackhals aus¬
trennt und erst dann, wen Bruchsack geöffnet,
dehnt, wird behufs Mspcct,- Tttehsaekhalses
auf dem Elevator,«*,di Tann vorziehen, unter¬
getrennt und man kann ( > Versorgung der Hautwunde
suchen un<i —“f ] er Wuehpfocte nnt dicken Cetgut
empfiehlt K. naen v eruan 6 „durch s subcutanc
einen Jodoformgazetampon emzutegen, der i 1 J Bruch-
Bindegewebe gelegten><££»*£, bei Kindern, die
pforte fixirt wird, die Haut bleib granulationem.
SS Ki kindBkopfgrossem Snbelbrueh, ein thdtbeh verlaufener
mi s'sä* —* - «r
zur Lectttre empfohlen.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 30.
Gumpr echt: Ueber Conservirung von Harnsedimente .
(Aus der medicinischen Klinik in Jena.)
SSÄS Nachgiessen, bin
ei “ dem* 6 Sediment etebenden klaren
Flüssigkeit. f2—lOproc.) und energisches Auf-
gÄÄÄÄ ~ ab „nd
t,n ” - 3, -ch, bi«u: Heberten
mit concentrirter wässeriger SabDm^tlösung^Cc^^ ^ asger
und 6maliges Auswaschen durc b q durchaus befriedigend.
Die Resultate der Methode Jnach duren conservimi .
Alle Formelemente lassen sich auf t . Jahre aufbewahrt,
Eine Reihe von Sedimenten werden sert emein iederholten Unter-
ohne dass das mikroskopische B -yy Zinn-Berlin.
Buchungen geändert hätte.
der SÄ B ÄoS«r«X^i|t iE »ng der
bleibt die Operation erfolglos, bei Compression n,t ei Eing
hinaus gehören gar nicht zu den Seltenheiten.
—. , w_u...™.. TJot-SoVi» f
, T ftcke's die Leitung der Klinik
F. hatte nach dem Tode mme n Die vorliegende Arbeit be-
interimistisch übertragen Zei i vorgekommenen Operationen,
richtet über die * äh ,?°u andlun g un d erwähnt zwei in der Narkose
der Chloroform-, «men b. der
1. Osteoplastischer Verschluss eines m bei der Operation
der Wirbelsäule bei 8 P°"3 1 t ' S _ d5e Prominenz des 9. Brustwirbels,
wurde die Ursache der ^ Operation blieb in Folge dessen aus;
nicht gefunden, ein Erfolg de P Kind. Exstirpation, Heilung,
8. Sarkom der Nierebe, einem‘ 3Jungen ^ Beo . Sacralgelenk8
Reeidiv nach 3 ^^g'des tuberculösen Herdes, Drainage durch
das P Foramen Entfernung des
Schulterblattes! ^ 0 fSth?aÄ ScapuU wegen
Mittheilung emes Falles von * y sowohl die Fälle mit
SÄ8?Äp -*• oh " e dieselbe ’ w,rd über ‘
sichtlich zusammengestent. r ^ Behandlung der Kinderlähmung
I mit Functionstheilung ui^ Functimisübm^tragung^ der Kinder-
1 Die unbefriedigenden Er ge,, Verfasser den \ ersuch
lähmung mit Apparaten erg,ebt bald ® Muskeln dadurch wieder
machen lassen, die ‘‘““«Xlmen S Einern gesunden Muskel ver-
horzustellen, dass er ihreJbelmen «« deg ge läbmten Extensor
nähte. Der erste Versuch, so die Jlu haUac i 8 7 , u übertragen,
digitorum pedis auf den gesundenExte ‘ te den Verfasser,
gelang in recht befriedigender Weise un^v_e^ ^ Uhmungen 8 n
in ähnlicher Weise bel ® iaer 8 £ Verlauf seiner Beobachtungen er
Hand und Fuss vorzugehen. Im v eria des ges unden Muskels
schien es ihm zweckmässiger, F ^ Sehne des gelähmten
zu theilen und nur die «ne Hälfte der Wadenmusculatur
za vernähen. So «. B. J“ rd ®X le n S mit der Hälfte der Ti-
SiÄ^ÄIrÄ mit bet Hälfte des M. pero-
10 Fällen erscheinen recbt b £ d ^* Functionstüchtigkeit der ein¬
weiteren Versuchen auf . Ueber * d Freilegung Iflwheit
zelnen Muskeln kann man oft erst JM . gt dunkclblaUi die der
gewinnen: die Farbe der normale k Inactivität atrophirten
ganz gelähmten wachsgelb und die der iin Original emge-
rosaroth. Die Einzelheitende . Technik “ ß Nachbehandlung.
ÄÄ der neu f
SÄÄÄ te,8Sligt) “” d Geh '
Tarnet», —■
liCl ' % r F.'”l?e„ B e: Hebet den angeborenen Defect der Ober-
schenkeldiaphyse. Fallen dieses seltenen Leidens. Da
Beschreibung von 3 . n f u f , er um ein verzögertes Wachsthum
handelt,'w e'mpfieha es'sich bei dnrBah andlung, di ® n W ^ 9 *Xi
Ä W brb^l‘=bbXÄ.i B - Gebe« be
nützen lässt. „nd Verdrängung eines
71 Mart vlio w: Emk, ® n ? ra V' ng ^/i c i.; n ter seine Bruch-
wahrscheinlich inneren Le.stenb r »ches h.ntet Kr.
pforte. (Chirurgische Klinik Dorpat t
Centrftlblatt für Chirurgie. K«. 29 und , 3 oU .
No. 29. Prof. Länderer und W. E. Kirscn.
mullverband, eine neue Verbandart '. , Stuttgart empfohlene
Die aus dem medico-mechan. und Bilhgkeit mit
neue Verbandmethode verbindet growe^ichUgk ^ bt leicbt( wie
grosser Festigkeit und Stabilität (speciell NV ailge griffen); auch
der Gvpsverband, durch Secrete, wie Sch vlohtlipil des langsamen
hat der Celluloidmu 11 verband ei mverbande, ist vielmehr
Erhärtens, wie Wasserglas-, Lmbj HJ“»® 1 be treffende Verband
in 3-4 Stunden in der Regel erhärtet, u e von Celluloid
besteht aus Mullbinden gestärkt mit einer Anfl g d _ e CeUu loid-
in Aceton. Man schneidet sich mit starke: cs: andern ortho-
platten in kleine Schnitzel (oder v ®rjf° det 1 Ce n u loidplatten) und
pädischen Zwecken entstehenden ^S'ht verschliessbare) Flasche
füllt damit eine weithalsige (gut 'utUhcht v i igkei t auf,
bis V* ihrer Höhe an, füllt das Uehrige mit der *>,,* Kun
zeitweise öffnet man und rührt mit einem Stäbchen ^
wird auf ein Gypsmodell zunächst ein nicht d d Hem d ge-
oder Flanell angespannt (wenn der Appamt übe Mullbinde
» »äs- k .ru. d .rrh ch bre e £ e S
IS gehören gar mem zu aen oeueuu»«»..
2) Fritz Fischer-Strassburgf. Bericht über die chirurglsche
Klinik in Strassburg i. E. vom 20. Februar bis 1. October 1894.
tragen werden soll, kann dieB auch wegfa en^ decke n;
straff aufgowickelt, so dass sich <*ie Tou 7U t „ te Celluloid-
auf diese Mullschicht ,wird Jie mz^hen ^ _ dft sie
ÄFSgeÄ Äle b b?Sd “Ä Acetou
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4. August 1896.
ab, bis^rVerband^ie^nö'thig^S^^e^hat < (4^- , g 1 L Wecb ? e l n so lange
Kapseln, nicht unter 10 bei Corsefsl £ w.i^_uf 8en bei . kle 'neren
WOCHENSCHRIFT.
729
Kapseln, M^TobFgl£g* £ ( F 4 7 6 fr* bei k ' ei=
spiration kann der Verband beliebig' f Wh, Er ' e ‘ chterun g der Trans-
ist für ein Corset ca. 5 M Der Preis
Z ' ?'*u e i rartiger dorsal schnür barer ä verband I Si^ dtU i berCU l 08e WUrde
und Abduction gestattender) Stützschiene ^ dduction
Lorenz unblutig eingerichteten «nooK^ aDgeW ri nd , t ' bei einer nach
nach 8 Wochen der Gypsverband durch JilfJ 1 Uüftluxation wurde
baren Verband ersetzt ^ durcb einen derartigen abnehm
Knochengestaltung durch »——« de,
Anschauung betreSa dn SeiUmdradcwilkS^de ZV“ im“ - M ‘ 8eine
auf die Tibia in vollem Umfang aufrecht hält m s ®“ u *
SsTStSS?- jsws
Muttermilchsurregates nöthigen Bestandteile “ 8 808 n6UeD
Grassmann-München.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 30
J. A. Stoltz (geb. "l Deccmber 8 i«o| : ; N ^ Cb ,1 uf an Professor
22. Mai 1896). "ecember 1803 m Andlau, gest. ebenda
6 taaa ) u“' rehli ” g H ‘ lle! Deb " Ovariotomie von der Va-
Or„Ä" Z, ““7 V.ÄTluSf “r 6 , “, d ?“«">«
zu entfernen. Er erlebte iedorb * l Colpotomia anterior
F. hat 7 Fälle der Art £^£5“^ * »«»«folge,
bis jetzt unter 12 Fällen 4mal = 33 Fto‘ gen * 80 dass
Ende geführt werden konnte. F. warnt desshaib vo?\SSfi° n “! cht ZU
dieser Operation Sie ist in n»,,,» ei l s Halb vor \ erallgemeinerung
durchaus unzuverlässig, und man nfuss^tetT stela ™!' 11 “ ng t ® chnisch
exstirpation des Uterus oder selbst 2 o,!?^ 8 **? 88 } 8ein > die Tota >-
3) H. Gold berge SS^ r ^^ IieBBen -
Von den beiden Früchten war die eo Zwillingsfrüchte,
an beiden Seiten des Abdomens ie einen thll au8ßetra gen U11 d zeigte
Hautdefect. Die HtSaM ^ebornen
mucosa nach'cashraHon_ Ueber die Beschaffenheit der Uterus-
ESESSa
" ÄSr Untersuchung des Uterus nachher CasSaS
. Hatte Gelegenheit, einen solchen exstirpirte» Uterus 9 To 1,7
des hL? Fb n‘*nercihen des Oberflächenepithels, Verkleinerung
J a f f 6 - Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No 30
mellit 1 is H hei e FHi,° r \ Berlin 7 U ^ er T daS Vorkommen von Diabetes
d™ Ä 9 EheSarfÄ ?££ W™'
Ä Ä ÜÄ Sad » S ''» -Ä
SSSn Abscte^ D H ar ”? Ctn ? i n , 8einer ganzen Länge normal war,
eSigen Nephritis das Si"^ n . aldrÜ8en » da . s Vorhandensein ein e ;
Pvaemi/r n rV. pathologisch-anatomische Bild der Septico-
ergab denTSSÜfd^ am'® ? enaue bacteriologische Untersuchung
des Rlntao iJacillus , des Abdominaltyphus, der also hier die Infection
gemSs dlUrSfa« S* 8 * Eb 1 r V 8d,e Baci,,U8 ^ehitaS
6 ai Roi Fa ® 8 Py o S en e Eigenschaften zu haben.
Setzung folgt*) ,aeffer -Be.lin: Ueber Catgut-Sterilisation. (Fort.
Mutterm]lch. He8Se ’ :DreSden: Ueber einen neuen Ersatz der
mit fo'gen^em S Gemi8 C c h h e ^^hrungsversuche
IV* 1 Wasser 1 vaS * \ Rahm von 9,5 Proc. Fettgehalt wird mit
soviel ff dünnt und dem Gemisch 105 g Milchzucker und
SlmELÄ“’ 9 ’ 5 ,“ troo !‘.» M ” Albumi,, 1 ZZ,icSt.
Verf. ein « Sich nnl™ T* 8 U , nd stenbsirt ? m Milchzucker stellte
Verbindung z^eGt wnrd^ f' dem i “ ocb . eme Eisen-Milchzucker-
g zugesetzt wurde, um auch den Eisengehalt der Kuhmilch
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 31.
und Thyrojodin* (Au^der "H 1 Th y reoa ntitoxin
sehen Krankenhauses am Urban in BeTn^ DTrccI^':'plof F^aenTelt
ergab d^Thyrojäi^B^ Versuchen
(Ge,mi„ J Ho»p“ä) B “ 8Ch ' LO ” d0 ” : Z “ r Fraee des Thyreoldtam«.
£SS£is!=sS“
^.Ia?IS-F Ä
f«r Ve? , Y n T T r iB
Wochenschrift No. 19, pag 461 Referat eiehe diese
reflex'i Neumann -Mühlhehn a. R, Zur Erklärung der Sehnen-
5sfS-5=3 ; ,SlLSS : S
Vnr<rMntf 6 n , anßereßt wird- Die Sehnenrcflexe sind ein Theil dieser
erklären* 138860 ** beSten n,ir durt ' h Reflexvorgänge
5) J. Schwalbe: Phonendoskopie.
^«ch einer Demonstration im Verein für innere Medicin
pag'’ 6240 l0 ’ JU1U J ' (Referat 8iehe diese Wochenschrift No. 26,
^ U ' Laser '^Königsberg i. P r : Ueber die Häufigk it des
Vorkommens von tuberculösen Halsdrüsen bei Kindern
n 4 1 te Untersuchungen über das Vorkommen von Drüsen-
Volks- und*Mitteterim] 86 b6 ' f*"" ßros8en Zahl v «n Kindern an
voiks und Mittelschulen an, ohne jedoch irgend welclie beweisende
Kesu tate bezüglich der Heredität der Tuberculose, der Entwicklung
derselben aus der Scrophulose etc. zu erhalten. 8
cruralis. K ‘ Gump ertz Berli u: Narkosenlähmung des Nervus
„„1, . t Nacb ® ine f Demonstration in der Sitzung der Berliner Gesell-
schaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten am 10. Juni 1895
ö) Oeffenthches Sanitätswesen: Die Cholera rrü
S pätherbst 1895. Bericht von Sperling-Berlin. F L
Vereins- und Congressberichte.
III. Versammlung süddeutscher Laryngologen
zu Heidelberg am 25. Mai 1896.
(Bericht von Dr. Eulen stein in Frankfurt a./M., I. Schriftführer.)
Grösser noch als in den beiden Vorjahren war die Betheili¬
gung an der am 25. Mai zu Heidelberg tagenden III. Ver¬
sammlung süddeutscher Laryngologen. Nach der aufgelegten
Präsenzliste waren 63 Theilnehmcr anwesend.
Die Mitglicderzahl des Vereins süddeutscher Laryngologen
hat sich um 18 neue Mitglieder vermehrt, ein Mitglied ist ver¬
storben, so dass der Verein nunmehr 94 Mitglieder zählt.
Am Vbrabend des Vcrsammlungstages hatte sich bereits eine
grosse Anzahl Thcilnehmer im Stadtgarten zu gegenseitiger Be-
grüssung und geselliger Unterhaltung zusammengefunden.
Die Sitzung begann am 25- Mai Morgens 9 Uhr und wurde
im Ilörsaal der ambulatorischen Klinik für Hals- und Nascn-
kranke abgchaltcn; in den Nebenräumen derselben waren ver¬
schiedene Instrumente ausgestellt, sowie ein neues Nasenphantom
von B e t z - Heilbronn.
Nachdem Herr Sc hoch-München die Versammlung begrüsst
und die letztere das Andenken des verstorbenen Mitgliedes Katzen-
b e r g c r • Baden-Baden geehrt hatte, wurde der wiederum günstige
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No. 31.
730 _
- sr
Sammlungen Referate und Correferate ^' or sieb en-
Themata ah geh». Nachdem me -e Herr« M Vot .
mann, Bloch, Juras*, Kill. d der Vorschlag des
schlag in verschiedenem Sinne ■■ gfi ' Re ’ ferate zu gehen, sondern
‘r:rÄ£-“-ri
und zwar zum L Vorsitzendeni l^ zum L Schriftführer
^.sä”ä- s
Herr A Kir. te in ■ Berlin: Die Freilegung der
* bSCd ÄcWhSS an diesen Vortrag demonstrir. Herr Kirstein
das Verfahren an mehreren Patienten.
verfahren an menreruu iduum«....
DiBcussiou: Herr
Buchung des Kehlkopfes an seine P xwand leistete sie ihm
***&*?*£
iSiht'tintr^TsrÄJnnteÄ der mit dem hpiegei
“SÄ-E». Ihat .die Ahteshopie de. Kehlhopfs smt
Beginn dieses Jahres in zahlreichen ^Jjg C he’ Zungen handelte,
denen es sich allerdings um sehr P 8 ifc Ki nscb luss der
ist es ihm gelungen, den K « l >‘ k °P f _X n gelang die Be-
vorderen Commissur zu selien, nie 1 g * m bänder während in
sichtigung des hinteren Ähsehnittes Wand oder nicht einmal
der Mehrzahl der Fälle nur die hin daher wie schon
diese sichtbar rrurde. Di. „XirseSeu, sie
Kirstein hervorhob, die Spiegelbesichtg g Wand dem
ergänzt sie aber sehr wesentlich, indem s J““‘“ aren Weise zu-
Auge in einer mit keiner andern Met dass die Handhabung
gängig macht. Auch dem batz Ki Kunst ist, unterschreibt
bi?ä er da r um S d!m n Vortragenden, seinem Verfahren einen dasselbe
besser^kennzeichnenden^Namen^su^gebera^ ^ .dhwf
Laryngoskopie,. vor• , „ laubt> da8S die Bezeichnung
als *Spatelun tersuch.ung» des Kehlkopfs im AAeit^S*
untersuchung, wie sie Bruns in seiner bekannten Arbet ange
wandt hat, am besten zutreffe und für alle- a be-
Uprr Kiratein-Berlin: Der Name »Autoskopie» mag j
rechtigten Anfechtungen unterliegen; das Wesenthchste is , jj"»
Sache hier die volle Zustimmung derjenigen Collegen gemnaen
hat, die sich mit der Methode bereits vertraut gemacht haben.
II. Herr A v e 11 i s • Frankfurt a. M.: Das acute Kiefer-
höhlenempyem und die Frage der SelbstheUung dessel^en.
(Der Vortrag erscheint in dieser Wochenschrift, ebchso
trag des Herrn
III. Killian • Freiburg: Die Probepunction der Nasen¬
nebenhöhlen. . ., ..._
An de.- Discussion über diese beiden Vor rage betheil gen
Bich die Herren Turban, Kahsmtz L'iblinsk w oi x,
Siebenmann, Zarniko, Bergeat, Killian, Avell.s.
IV. Herr Klemperer-Strassburg; Zur Bactenologie
^ Herr 6 'Klein per er betont gegenüber den Arbeiten von
Thomson und Iiawlett, welche behauptet haben, dass die
” ___
7 a P-inzen (in etwa 80 Proc. der Fälle) keim-
Nase im Grossen und **. zab lreichc Bactcrien beherberge,
frei sei und nur der Nas dcr g Tic fe der gesunden Nase zwar
dass die Zahl der Keime Häufung von Bactericn
meist klein sei, dass » der LtM ^ ^ keinC r Stelle
nur im Naseneingang s ;^ fehlen. Sterilisirt man
der Nase J ,c Bact sterilem Wasser die vorderen
mit Sublimat und und wischt man dann mit
Partieen der Nase auf s T höher gelegenen Tbeile aus,
kleinen sterilen Watteküge c cn gegossenen Platten doch
so weisen die mit ^Keimentf uianfbmal nur 2, 3 oder 4,
immer eine Anzahl 'Oii K Abtödtung dieser Keime
öfter aber 6-8-10 ^ von Wurtz und
durch den Nasenschleim findet■»***£■ Kra£t des Nasen-
Lermoyez behauptete b bestätigen. Er prüfte nicht,
secrets kann Kl cm per er 11 ob der Nasenschleim
wie Wurtz und Lcrmoy «^ dcn aus einer Nase
Milzbrandbacillen abtbätet, son ^ d;c aug dcrse lben Nase
gewonnenen Schleim gera c wacbscu schlecht in dem
vorher gezüchtet wa cn. etwas vermindert,
Schleim, werden auch "und vermehren sich später
aber sie gewöhnen sich an d. j t Ucbrigens sind die
darin. Eine Abtödtung ^ JlTsL retmassen suspendirt,
Bactcrien m der Nase mch thatsüclilich gewinnt
r* - «~
"“Vni: J C u“H Äte8 -. Vorstellung etaesFat.es
von gutartigem Trachealpolypen. Tagen in Behänd-
V0 “ 38 Jahre alt,' 8 * Suem M«
lang getreten wegen Heiserkeit, di tlich verschlimmert hat.
sich aber in den letzten 2 Monaten wesemn ^ Neubl ldung
Atheinbeschwerden keine, Allgmme 6 der Grösse einer klemm
ist ziemlich lebhaft geröthet, glatt, ^ gie bew egt sich beim
Haselnuss, und ist °®® n ^. ar g , b eim Athmen herunter. Si
Phoniren bis an die Glottis und fällt ^ ^ Trachea,
hält sich aber immer mehr zu de werden spät er erfolgen.
Bich die rren
Rosenfcld, Proebstin^beify^
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 22- Juli 1896^
Herr J. Israel: Operation von Ureterstetoen (
Demonstration). * „i n e ist in den letzten Jahr-
Die Operation der Nierenstein a;cher8tcn Besaiteten
zehnten so ausgebildet worden dass sic> * von Ureter¬
führt. Dagegen ist die Technik Entfernung ^ ^
steinen noch im Verden. ie d ; c Schwierigkeit, den
seltenere Vorkommen von Ureters > ^ un d der Um-
Ureter dem Auge und Finger zugangg ^ gtoüe d cr Ein¬
stand , dass es meist nahezu unmöglich , ^ nur mög hch,
klcmmung vorher fcstzustcllen. li P ^ verlau fenden Thcil
wenn die Steine in dem im kl ® Verhältnissen kann
des Ureters eingeklemmt sind Unter ^en gestcllt
die Diagnose meist uur nach einem 1 ^ cntwe der mit dem
werden, indem man nach Freilegung abtastet, oder die
Finger den Ureter in seinem Wla dcn Urcter v0 m
Niere durch den Sectioiissclinitt spaltet, u d d kopi(J cinst
Nierenbecken aus sondirt. Vielleicht wird die
hiefttr von Bedeutung sein. - nimmt Israel
Die Freilegung der Niere und de Ureters Urcters
ausschliesslich extraperitoneal vor, und zw Schnitt von
bis zu seiner Einmündung in d^e Blasc^ Ä ™ ^ vorn
dem Ansatz des Saerolumbalis am Rl PP c ^° g lateralen Band des
unten geführt, der nöthigenfalls bis zum p reilcgung der Niere
Bcctus ahdomiuis verlängert wird, dan ‘ tet be zw. sondirt,
der Ureter in der oben angegebenen Weise vorgenomm en ’
endlich die Entfernung des Steines in der Weise^ ^ ^
dass entweder der Ureter unterha Nierenbecken gestreift,
umfasst und so der Stein nach oben incidirt und der
oder aber der Ureter an der EmklemmungssteUe
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4. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCnE WOCHENSCHRIFT.
781
Stein direct entfernt wird. Die letztere Methode ist jedoch die
weniger einfache, da die dann erforderliche Naht wegen
des oft tiefen Sitzes im kleinen Becken schwierig ist. Die Naht
ist so anzulegen, dass die Schleimhaut nicht mitgefasst wird, da
sonst an dieser Stelle leicht wieder Urat-Niederschläge entstehen
würden. Wenn die Einklemmung nicht zu fest ist, schiebt man
daher besser den Stein in’s Nierenbecken zurück; letzteres muss
man jedoch immer mit untersuchen, da doch meist auch in diesem
Steine vorhanden sind.
Vortragender gibt nun die Geschichte dreier interessanter Fälle:
1. Eine Frau, bei welcher von anderer Seite wegen tBlasen-
tumors» eine letale Prognose gestellt worden war. 1. stellte hin¬
gegen die Diagnose Ureterstein, operirte und heilte die Patientin.
2. Mann; häufig Kolikanfälle; Amme, beginnende Uraemie.
Operation. Es fand sich, dass Patient nur eine Niere hatte. Die¬
selbe war doppelt so gross, wie gewöhnlich; Ureter prall gefüllt,
Stein tief unten aufgefunden. Heilung. Eine zweite Niere auszu-
schliessen, da während der Reconvalescenz die Nierennaht platzte,
der Urin für einige Zeit sich wieder vom Nierenbecken direct nach
Aussen ergoss und für diese Zeit die Blase völlig leer blieb.
3. Dame; seit neun Jahren Kolikanfälle mit Abgang von Sand,
Sternchen und Blut. Einmal 2 tägige Anurie vorhanden gewesen.
Letzter Anfall Januar d. J.: fitägige Anurie wurde mit auffallender
Euphorie ertragen, dann trat Koma ein, und als man sich nunmehr
zu einem chirurgischen Eingreifen entschloss, kam es zu Beginn der
Operation zu Aussetzen von Puls und Athraung, so dass längere
Zeit künstliche Respiration nöthig wurde. In diesem Zustand wurde
operirt, ohne Narkose. Niere freigelegt, dieselbe stark angeschwollen;
Nierenbecken und Ureter prall gefüllt, im kleinen Becken der Stein
zu fühlen. In diesem Moment platzt das Nierenbecken und reisst
zu 4 /s seines Umfanges von der Niere los. Entfernung des Steines,
Annähen des Nierenbeckens an die Niere. Auch diese Patientin
wurde geheilt.
Discussion: Herr Casper glaubt, dass schon jetzt der
Dreterkathetemmus im Stande sei, die gewünschte Sicherheit für
die Diagnose von Uretersteinen zu bieten und erinnert an einen
von ihm neuerdings veröffentlichten Fall.
Herr Israel bemerkt hiezu, dass die Uretersonde doch nur
zeigen könne, dass ein Widerstand vorhanden sei, nicht aber, welcher
Natur dieser Widerstand sei. Da aber bei Leuten mit Nierensteinen
sehr häufig Falten im Ureter gebildet würden, so sei eine Ver¬
wechslung leicht möglich. Wenn die Diagnose aber nicht sicher
sei, so sei sie im Hinblick auf die Grösse des chirutgischen Ein¬
griffes unzuverlässig und damit völlig unbrauchbar.
Herr Krönig: Ueber Venaesectionen.
Nach einem kurzen historischen Rückblick auf die Wand¬
lungen in den Anschauungen über den Werth des Aderlasses geht
Vortr. auf seine eigenen diesbezüglichen Erfahrungen ein. Zu¬
nächst hat er denselben in Anwendung gezogen da, wo es sich
um gefahrdrohende mechanische Ueberlastung des
rechten Herzens handelt. Eine solche kann cintreten einmal
bei ausgedehnten pneumonischen Infiltraten, sowie gelegentlich
bei allen intrathoracischen Erkrankungen, welche auf diese oder
jene Weise einer Fortbewegung der pulmonalen Blutsäulc im Wege
stehen, also beispielsweise beim Lungcn-Öedem, ferner bei
Erkrankungen des Herzens, dessen rechter Ventrikel unter
Umständen eine derartige Dehnung erfahren kann, dass ohne
venaesectorisehe Reduction der Blutmasse jede Herz • Therapie
ohnmächtig bleibt.
Eine zweite äusserst wichtige Indieation zum Aderlass stellen
gewisse Vergiftungen dar, zu denen Vortr. auch die Autoin-
toxicationen rechnet (Uraemie). Hier hat sich dom Aderlass nach
Leube alsdann noch eine Kochsalz-Infusion anzuschliesscn.
Eine dritte Indieation bildet die Herabsetzung des intra-
eraniellen Drucks bei Blutergüssen in’s Gehirn, sobald das Antlitz
geröthet und der Puls voll ist.
Eine vierte Indieation stellen Fälle von Chlorose dar,
deren Heilung allen sonstigen Mitteln Widerstand leistet. Vortr.
erläutert an einzelnen genau von ihm beobaeh toten äusserst
schweren Fällen obiger Erkrankungen die durch Venaesection
erzielten theilweise glänzenden Resultate. H. K.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 18. Juni 189 6.
Vorsitzender: Herr Unverricht.
Herr Drescher stellt ein 14 Tage altes, nicht ganz aus¬
getragenes (7 Monat) Kind vor, welches folgende Missbildungen
darbietet:
Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand sind verkürzt und
verkrüppelt, Zeige- und Mittelfinger der linken Hand sind in noch
höherem Grade verkürzt, sind mit einander verwachsen und zeigen
Höcker, welche den Mittelphalaugen entsprechen. An der Basis der
Finger beiderseits ein deutlicher Einschnürungsring. Am linken FuSs
ist nur die kleine Zehe normal vorhanden, die 4 anderen Zehen
sind verstümmelt und laufen alle nach einem Punkte zusammen.
Am rechten Unterschenkel dicht oberhalb der Knöchel ein tiefer
Einschnürungsring; der Fuss ist noch einmal so lang wie der linke
und mächtig verdickt, etwa 3 cm dick, oedematös und besonders nach
vorne hin auch stark verbreitert. An diesem dicken Klumpen sieht
man die Zehen wie kleine Knöpfe aufsitzen. Im Uebrigen ist das
Kind normal entwickelt.
Offenbar handelt es sich um Abschnürungen, beziehungsweise
Umschnürungen durch amniotische Stränge, wodurch einerseits die
Dcfecto an Fingern und Zehen, andererseits die Verunstaltung des
rechten Fusscs in Folge von Stauung entstanden sind. Am dritten
Tage nach der Geburt waren an den betreffenden Fingern noch
Reste der UmschnUrungsfädcn zu erkennen.
Hierauf nimmt das Wort
Herr Habs zu dem angekündigten Vorträge: Ueber
Knochenarchitektur und deren Umwandlungen.
Nach einer kurzen historischen Einleitung besprach Vor¬
tragender an der Hand zahlreicher Abbildungen und Präparate,
insbesondere einiger von Julius Wolff zur Verfügung gestellter
Knochenfournierschnitte, die heutige Anschauung von der inneren
Architektur der Knochen, wie sic sich auf Grund der Arbeiten
von II. v. Meyer, Culuiann, Roux und besonders Julius Wolff
darstellt.
O ul mann, der Begründer der Graphostatik') entdeckte den
mathematisch correcten Verlauf der Spongiosabälkchen. Er bemerkte,
als Hermann v. Meyer seine Präparate in der naturforschenden
Gesellschaft zu Zürich demoustrirte, dass die Spongiosabälkchen
im Oberschenkelhals und -köpf genau in der Richtung der Zug-
und Drucklinien (Spannungstrajcctorien) verlaufen, welche er für
solche Köri>er zu zeichnen gelehrt hatte, die gleiche Form hatten
und gleichen Belastungen ausgesetzt waren. Insbesondere wies er
darauf hin, dass dieser Bülkehenverlauf allen den Anforderungen
entspräche, welche die Graphostatik an die Stabilität der Con-
struction stellt.
Es verlaufen nämlich die Bälkehen im Oberschenkel in Curvcn,
welche in ihrem Anfangstbeile in Richtung des Zuges resp. Druckes
und daher vertical zur Balkenachse gestellt sind, während sie im
weiteren Verlauf parallel zu einander und zur Balkenachse an¬
geordnet erscheinen. Des Weiteren schneiden sich die Curvcn
(d. h. ihre Tangenten) überall rechtwinklig, wodurch die für die
Stabilität so gefährlichen Scheerkräfte ausgeschaltet werden.
Der Oberschenkelknochen, und dasselbe gilt von allen übrigen
Skelettheilen, ist also in Zug- und Drucklinien aufgebaut, d. h.
in ähnlicher Weise wie die modernen Eisenconstructionen, Brücken,
Krahne etc , jedoch weit vollkommener als diese, so nämlich, dass
mit einem Minimum von Materialaufwand die zweckmässigste Form
und grösste Leistungsfähigkeit erreicht wird.
Mit Culuiann nun setzte sich Julius Wolff in Verbindung.
Wolff 2 ) studirte besonders die innere Architektur, wie sie unter
pathologischen Verhältnissen sich darstellt, sei cs, dass die äussere
Form (mit Dislocation geheilte Fracturen, Ankylosen etc.), sei cs,
dass die statische Inanspruchnahme (Genu valgum) primär ver¬
ändert ist. Wolff fand, dass die innere Structur, d. h. der Ver¬
lauf der Knochen bälkehen allemal den veränderten statischen Ver-
‘) Unter Graphostatik verstehen wir die Stabilitätsberechnung
einer Bauconstruction auf zeichnerischem Wege, d. h. durch geo¬
metrische Construction; es ist dies einfacher und übersichtlicher als
die Berechnung mit Zahlen.
2 ) J. Wolff: Das Gesetz der Transformation der Knochen,
Berlin, Hirschwald. 1892.
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732
Münchener me picinisohe Wochenschri ft.
No. 31.
s3Eä"“ä=";?s
S entfernt von der Brnel,stelle, ist cntspreebend geändert.
Acini r 6 r ä it s : z r»ii: -
ämsül rÄ«
• dio Hüter-Volk mann’sehe Theorie annahm, eine VM
, • Di gahl (1er Spongiosabälkchcn auf der lateralen Seite
einzelnen Bälkchen kräftiger und d ; c er^
auf der medialen Seite hingegen weniger zahlreich und schmächtiger
als normal. Auch haben die Knochenbälkchen e,neu den voränderten
statischen Verhältnissen entsprechenden, von der Norm abweichen
Verlauf^ ^ 8eiuen Präparaten nun hat Julius Wolff sein
Transformationsgesetz abgeleitet, welches lautet:
Per unter veränderte statische Bedingungen gesetzte Knochen
passtS in seiner inneren Structur und dem zu Folge in seiner
äusseren Gestalt den veränderten statischen Bedingungen an.
\us der Erkenntnis«, dass bei Fracturen und Ankylosen so¬
wohl wie beim Genu valgum nur die statisch brauchbaren Knochen-
bälkchen bestehen bleiben, die statisch unbrauchbaren aljer
schwinden und durch statisch brauchbare ersetzt werden, gründe
Roux die Lehre von der functioncllen Knochenstructm, d. Mn
Lehre dass der mathematisch eorrecte Verlauf der Knochen-
bälkchen unter pathologischen und auch unter normalen Verhält¬
nissen nur eine Folge der functioncllen Inanspruchnahme ist,
Roux erklärt die Knochenstructur nicht teleologisch, sondern
mechanisch er fasst sie auf als entstanden durch den trophischen
II fomativen Reiz der Function. Roux deducirt folgender-
maSS<i Functionirt ein Knochen unter abnormen statischen Verhält¬
nissen, so werden die in der Richtung des gesteigerten Pruckes
gelegenen Knochenbälkclien stärker belastet und de “ zutol f 8 ar
ausgebildet; denn die in diesen Richtungen liegenden Osteoblasten
werden durch den formativen Reiz des Pruckes am me* «n zur
Bildung von Knochensubstanz angeregt; und dasselbe gilt auch
vom Zuge. Pahingegen werden die m anderen Richtungen
laufenden Knochenbälkclien in Folge der Entziehung des Bc-
lastungsreizes nicht wieder regenerirt. So bleiben dann -cbl e
lieh nur die in der Richtung stärksten Zuges resp. Pruckes ver¬
laufenden Knochenbälkchen über, je nach der Gestalt der Knochen
und seiner statischen Inanspruchnahme. . , ,
Für diese trophiseli formative Bedeutung der lunction, d. h.
des Belastungsreizes führt Vortragender als Beweise an: deii
Schwund des Mctacarpus bei frühzeitiger Emulation über¬
zähliger Finger, das Zurückbleiben des 1-usses im Wachsthum bei
spitzwinkliger Kniegclenksankylose, sowie die Ergebnisse s^er
Untersuchungen ») bei Kniegelenksexarticulationcn, welche zeigten
dass der Stumpf in allen den Fällen, wo er direct zur Stütze
gebraucht wurde, seine Form und Grösse beibebielt während er
Tn allen den Fällen, wo er nicht direct belastet wurde, atrophirte.
Pes Weiteren betonte Vortragender die Bedeutung dieser
Erkenntnisse für die moderne Behandlung der Fracturen im
, Gypsgchverband. Hier fände, abgesehen von anderen Factorcn,
eine schnellere Consolidation desshalb statt, weil bei der im Um¬
hergehen stattfindenden correcten statischen Inanspruchnahme die
Knochenbälkchen in dem verknöchernden Gallus von vornherein
im Sinne der Zug- und Brucklinien sich ausbilden müssen.
Sodann wurde die Lehre von der Rhachitis nach der
Wolff'sehen Auffassung eingehend besprochen. Wolff zeigt,
dass nur das erste Stadium, der Erweichungsprocess, der Krank¬
heit eitrenthümlich ist. Es kommt zu mechanischen, schon bei
der geringsten Inanspruchnahme eintretenden Verbiegungen, d. h.
also zu primären Formstürungeu und zu den durch diese Form¬
nichts weiter als ein Transformationsprocess; dieser erzeugt als
Folgen der primären Formstörung secundärc Verwandlungen der
inneren Architektur. Es entsteht im Dienst der bunction ein
neues, elfenbeinhartes Knochengewebe mit einer den nunmehr
bestehenden statischen Verhältnissen entsprechenden Structur
Zum Schluss betont Vortragender die Bedeutung der Cul-
m an n- Roux-Wolff'sehen Lehren für die Behandlung der
Deformitäten. Unser therapeutisches Vorgehen soll weniger die
sofortige Herstellung einer normalen äusseren l’orm im Auge
haben, sondern es soll vielmehr dahin zielen, auf «sch«,*jd»
zugleich möglichst schonende Art die einzelnen Gliedtheile in
richtige statische Beziehungen zu einander und ^“ ^rigen
Körper zu setzen, und dieselben daun in Function treten und
möglichst reichlich functioniren zu kessen ; dann wird zufo ge des
Transformationsgesetzes die innere Structur und demzufolge de
Gestalt den nunmehr gegebenen richtigen Verhältnissen ent-
sprechendjmgeb^o ^ ^ Verbänden und Apparaten in erster
Linie der Julius Wolff' sehe Etappenvcrband, von den Operationen
die Osteoklasicn und linearen Osteotomien mit bald.ger Anlegung
eines Gypsvcrbandes zu bevorzugen; stets aber ser das Haupt¬
gewicht darauf zu legen, dass nach erreichter Correction das
Glied reichlich in Function trete. c ilWpn .
Vortragender schloss mit den zusammenfassenden Säteen.
Pic Function, d. h. die statische Inanspruchnahme der Knochen
ist es welche die mathematisch eorrecte innere Architektur unter
normalen und pathologischen Verhältnisse« bestimmt^ die «mm
Architektur der Knochen ist also eine fuuetnmelle u Pie Function
muss also folgerichtig der Factor werden, dessen wir uns in erster
Linie bedienen , um pathologische Structurvorhältmssc in normale
umzuwandcln. Die Orthopaedic muss also eine functionelle
IdTwTaaf Grand den Julius Wolff'scWn Gesctfc» von d«
Transformation der Knochen.
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Mai 1 896-
Herr Bergeat: Demonstration rhinologischer Prä¬
parate. ^ seincr rhinologisc hei, Präparntensammlung etwa
2 Dutzend Exemplare vor; dieselben stellen Mode pr pa ^
die leichte Orientirung in den Nebenhöhlen, Befunde von
heilung einzelner Nebenhöhlenempyeme und, in der gossen H P
suche, die verschiedenen organischen Ursachen der Ver ^ «
Nasenlumens dar. Bei Letzteren macht er vorläufige Mitthmhnigen
über die Entstehung der Asymmetrie der Clioanen un
unstaltungen des Septums. in
D i s c u 8 s i o n. Herr S c li e c h: Wenn auc j 8ti sicher
der Aetiologie der Se P tu “ devi “ ll . on . e ?,“ nd Amalie ihre Entstehung
ist, dass dieselben meist einer Entwicklungsan ge iten An0 .
verdanken, zumal man vor der P “ ber ‘ ät .. n “ r 1 A n nSh der Puber-
malien des Naseninneren sieht, während diese ben na h ^ qq . d ßn
tätezeit zu 80 Proc. beobachtet wurden. Hl ? 6ichtbcb d hochgradiger
Wucherungen bemerkt Redner, dass abgesehe vo Sprache
Nasenverstopfung besonders Störungen de Hecidive kommen
sofortige Indicationen zur Operation abgebe Erwachsenen
ziemlich häufig vor, trotz gründlichster OperatiWucherungen können
findet meist eine Rückbildung statt, d. h. d mac hen zuweilen
in dem weiten Rachen keine Erscheinungen mehr mache Ver .
findet man sie aber auch bei ErwaandirErachmaungen
legung der Nase Kopfschmerz und allerlei anaere
verursachen.
gsieu auailblJl uuiuamn^ v.uv.v-.- - --O- » ■
also zu primären Formstörungen und zu den durch diese Form
Störungen bedingten Störungen der statischen Inanspruchnahme.
Das sogenannte zweite Stadium, die Sklerosirung, hingegen ist
Herr v. Ziemssen demonstrirt Modelle v0 " in S 'g and .
der Leiche mit Gyps ausgegossenen Mägen (dilatirte g .
uhrmägen, Glenard’schc Enteroptose). .
Discussion. Herr B o 11 i n g e r : Im in der Mehr-
Demonstration der Sanduhrmägen, deren J^J d fanden Magen¬
zahl der Fälle auf Narbenconstriction, ausgehend vo BemerkuDgen
geschwüren, zurückzuführen ist, gestatte ich m . g , de8 uIcub
über das Vorkommen und die Häufig we lche
□geu Dcamgien cauruugeu ua »«»»vu» -;- i rotundum in München. Nach einer , pTlpr 8 tützt, stellte
sogenannte zweite Stadium, die Sklerosirung, hingegen ist 1 sich auf e j a Material von 3500 Sectionen Erw bsene Narben be i
I sich die Häufigkeit der Magengeschwüre inclusive ^„itate
Männern auf 0,8 Proc, bei Weibern auf 1,8 Proc.
3 ) Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 40, S. 182.
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4. August 1896.
einer soeben abgeschlossenen Untersuchung v,„v,
auf 10123 Leichen Erwachsener ^ g ') haben ergeben, dass
Pathologischen Institut dahier zur Section 1078 ~ 1894 im
1,4 Proc. runde Geschwüre oder Narben so cher^nf " ’ 139 mal =
wurden. Auf 5984 Männer trafen 44 FäJ-oV^ ange f tr o ffen
sich das Resultat, dass dieses Leiden in Münch^ fm aTi >C ' ) e ' gibt
selten vorkommt, was mit den cünstWn F™«if Al gemeinen
der betreffenden Volksclassen und vie ffcht aSch rnTJc 8SCn
Branntweinconsum in Zusammenhang stehen Sf“ - DafsW®?
rri£SS
s r Ä d X y dr eesend - unter 96
Münc hener med i oinische wofiHmsniren™
783
v Herr Büchner: Zur Hygiene der Kleidung (Der
Vortrag ,st m No. 26 d. Wochenschr. in extenso erschienen.
Herr L. Königsberger (als Gast): Ueber ärztliche
Verhältnisse in Südafrika. (Der Vortrag wird in extern
der Münchener mcd. Wochensclir. erscheinen.)
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 16. April 1896.
t ... Herr , Ki ® fer , stcllt dncn Patienten vor, welcher an einer
Lähmung des Musculus serratus anticus leidet.
Hur h HC S,^ U - ,^ iuIini bält einen Vortrag über: Der Tod
* Graz EIektnCltät naCh dner StudiC V ° n Prof ' Krafc ter
der EfektriS“ mit der B^prcchung der beiden Hauptformen
Elektncität, welche das ärztliche Interesse besonders in An-
sprach nehmen nämlich der Reibungs- und der Contactelektricität,
SfmTN d,C Wlrl ; UDgCn starkcr elektrischer Entladungen
8tarker fliessender Elelctricität (Gleich- oder
tomrich! 8 T C) h Gr ' DaUn bCSPracl1 Cr di ° Pathologisch - ana-
tom.schen Erscheinungen an den durch Elektricität Verunglückten,
J gettöil " 1]ch d ‘ e der Erst,cku ng sind. Er verbreitete sich ferner
über die Beschaffenheit aller elektrischen Ströme, sowie über die
l k to J Cn derse,ben > weIche entscheidend für die Wirkung auf den
lebenden Ürgamsmus sind, betonte besonders, dass der' Tod vor-
Jf. Ch durch Athmungshemmung und erst nachfolgenden Herz¬
stillstand verursacht werde, und dass der Verletzte wie ein Er-
trunkener zu behände!n sei, d. li. die künstliche Athmung in
jster Lime bei der Behandlung in Betracht komme. Schliesslich
gab er eine Anleitung, wie die erste Hilfe bei Unfällen zu leisten sei.
Mo,?;,; r ®® h L u J 1 berichtcfc über den 14. Congress für innere
Medien m Wiesbaden und referirt eingehender über die Verhand¬
lungen bezüglich der Antipyrese.
Sitzung vom 7. Mai 1896.
Fri J,l er / ^ ös< ;h; demonstrirt das anatomische Präparat einer
on i \ P (Sternfractur des Schulterblattkörpers), welches
Arbeiter " TT Eis r e n nbahnun g lück ™ Schaden gekommenen
ruptur erfolg 11 ' d<!SSCn ^ dU ‘ Ch ^ hicbei cntstilndenc Mil*-
totalis^vor. Neuberger stellt einen Fall von Alopecia areata
h a nÜ S . ChU ^ : Fortsctzun S seines Berichtes über die A^er-
Ä* 1 Kongresses für innere Medicin in AViesbaden.
obcr die twa “
Die verschiedenen Arten der Beinhalter, welche bisher ver-
tertigt und allgemein bekannt sind, haben den Nachtheil, dass
Z 1 ^ nbringUn , g ausscr der Patientin ein Tisch notliwcndig
ist, und dass sic daher zu geburtshilflichen Zwecken nicht gut
anwendbar sind. T. hat sich eine neue Art von Beinhaltern con-
strmren lassen welche beiden Zwecken genügen. Die Einrichtung
a»r rfbC V f °f nd ? : Um den Naekra der Patientin wird ein
aus zwei 1 heilen bestehender Gurt geführt, in der Länge regulirbar
urch eine Schnalle. Die Länge des einen Thcils übertrifft die
wril “7% ? f •• i° 80 daSS dic verbindende Schnalle,
I' i Cr ff Spi ZC T rC1 hegeDd ’ lcicht crreicl,bar ist, wenn während
des Eingriffs die Länge des Gurtes verändert werden soll. Die
beiden Enden des Riemens werden um die Oberschenkel dicht
über dem Kniegelenk geschlungen; durch A'crkürzcn desselben
kann nun die grösstmöglichstc Adductiou der Oberschenkel an
das Abdomen herbeigeführt werden. Um eine starke Abduction
du- Oberschenkel von einander zu erzielen, werden zwei in einander
verschiebliche, durch eine Stellschraube in jeder Länge fixirbarc
Kohre genommen, welche an ihren Enden zwei aus Messiugdralit
gebogene, annähernd halbkreisförmige Ansätze tragen, zur Auf¬
nahme der Oberschenkel an der Stelle, an welcher der Gurt um
diese und zugleich durch die Ansätze der Querstange geschlungen
werden, so dass Beide an einander Halt finden. Demonstration
der Beinhalte!- in vivo beweist, dass das Operationsfeld bequem
zugänglich ist; das Anlegen der Beinhalter dauert ca. eine Minute.
'Venn ihre Construction, wie er höre, auch keine ganz neue sei
so nehme er wenigstens das Verdienst .für sich in Anspruch, sie
zur allgemeinen Kenntniss gebracht zu haben. Die Beinhalter
(bereits verbessert) sind von Herrn Ried in Nürnberg, Zirkel-
schmiedgasse, zu beziehen ; der Preis beläuft sich annähernd auf
10 Mark.
Herr Tändler: Demonstration eines Paquelins mit
Vorrichtung zum Erhitzen des Platins.
Ein Uebelstand, den wir oft empfinden, dass wir nämlich
zum Erhitzen des Platins eine besondere Flamme brauchen, wird
durch folgcndo Verbesserung vermieden. Auf der Benzinfiaschc
befindet sich ein Verschluss, welcher durch Heben oder Senken
eines Kolbens den Beuzingasen einmal den A\ r eg durch ein seitlich
angebrachtes kleines Rohr, ein anderes Mal den gewöhnlichen AVeg
durch den Brenner gestattet. Will man den Paquelin in Gang
setzen, so hebt man den Kolben, drückt auf das Gebläse und
entzündet die dem seitlichen Rohre entströmenden Gase, in welchen
das Platin schnell glühend wird. Sobald das erfolgt, senkt man
den Kolben und der Apparat functionirt wie gewöhnlich. (Der
Apparat ist verfertigt und zu beziehen von Chr. Schmidt
Berlin N., Zicgelstr. 3.)
Herr Neukirch: Demonstration des Phonendoskops von
Bazzi-Bianchi und zweier Hartgummistempel zur Einzeichnung
von Befunden an den Brustorganen in Kraukeujouruale.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Societe Medicale des Höpitaux.
Sitzung vom 3. Juli 1896.
Sitzung vom 21. Mai 1896.
Beinh I aTte™ ändIer: , Dcmonsfcration einer neuen Art von
Zwecken ** gynäkoIo S lschen und geburtshilflichen
Zur Serumdiagnose des Typhus 1 ).
i v ßen ., dU o theilt die Beobac htung eines jungen Mannes mit,
welcher alle Symptome des Typhus zeigte (Roseola, Milzscliwellung
Rasselgeräusche u. s. w.); die Serumreaction ergab, dass es sich
um eine andere Infectionskrankheit als Typhus haudelte. In einem
anderen Falle war keine Roseola und keine Diarrhoe vorhanden
wenn auch sonst bei derf 22 jährigen Frau alle Anzeichen für Typhus
sprachen ; auch hier ergab erst der negative Ausfall der Serumprobe
(nach Widal) die Bestimmtheit der Diagnose, welche auch durch
den weiteren Verlauf der Krankheit Bestätigung fand.
Widal konnte neuerdings die Genauigkeit der Reaction in
einem Falle, wo die Diagnose zwischen Endocarditis ulcerosa und
lyphus schwankte, erproben und durch den ferneren Verlauf die
Diagnose auf Typhus völlig bestätigt finden. W. dehnte seine
Untersuchungen auf weitere 17 Personen aus, von welchen 14 gesund
waren und 3 seit über einem Jahr den Typhus durchgemacht hatten •
bei den 14 ersten blieb die Reaction stets aus, während sie in
deutlicher und wiederholter AVeise bei einem jungen Manne eintrat
welcher 7 Jahre vorher an einem besonders schweren und lang-
dauernden Typhus erkrankt gewesen war. Nach Hinzuf(Jgung der
l ) Siehe diese Wochenschrift No. 29 ds. Js.
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734
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT,
No, 31.
bereite früher publicirten Fälle ergibt eich also, dass bei 30 gesunden
oder an verschiedenen anderen Krankheiten leidenden Personen die
Reaction stets ausblieb und von 8 seit mehr als einem Jahr vom
Typhus geheilten Personen nur bei einem die Reaction sich zeigte.
Die modificirte Anwendung der O’Dwyer'schen Sonde
beim Croup.
Var io t und Bayeux beobachteten in Fällen sehr ausge¬
dehnter Membranbildungen, dass die Einführung der Tube zwar
eine Loslösung der Membranen zur Folge hat, aber oft durch die
Menge derselben eine Verstopfung der Sonde und Stimmritzen¬
krampf mit drohender Asphyxie eintritt. Durch die Hustenstösse
werden nun zuweilen die Tube und unmittelbar darauf grosse Mem¬
branfetzen ausgeBtossen und der Patient ist so erleichtert, dass von
einem weiteren Liegenlassen der Tube Abstand genommen werden
kann, Von diesen Thateachen ausgehend, hatten V. und B. die
Idee, die Reinigung des Kehlkopfs mittelst der 0'Dwyer'schen,
von B. modificirten Tube, bei ausgedehnter Membranbildung in
systematischer Weise vorzunehmen. Die Hauptschwierigkeit liegt
darin, die Fälle von Diphtherie mit dichten Membranmassen in
Larynx und Trachea, zu erkennen; das ist vor Allem ermöglicht
durch die directe Einführung der Sonde, wobei man die theilweise
losgelösten Membranen gleichsam an die Schleimhaut anschlagen
hört und besonders durch die erwähnte Verstopfung der Sonde eine
charakteristische Asphyxie mit Cyanose u. s. w. eintritt. Unter dem
Einflüsse der Hustenstösse oder künstlicher Athembewegungen wird
die Membranmasse, abgelöst durch den KatheteriBmus des Kehl¬
kopfs, ausgestossen und die Luft tritt frei in die Luftröhre und
Lungen ein, die Athmung regelt sich und es ist unnötbig, die Tube
länger liegen «u lassen. Bei einigen Kindern trat die Heilung nach
nur einD>aliger Einführung der Sonde ein, indem sogleich Membranen
von 5—10 cm Länge und die folgenden Tage noch dünnere und
weniger lange Stückchen ausgestossen wurden; in anderen und zwar
der Mehrzahl der Fälle muss man wiederholt die Tube einführen,
um entweder eine nur halb abgelöste Membran völlig zur Abstossung
zu bringen oder den wieder eingetretenen Stimmritzenkrampf zu
bekämpfen. Diese «Auswischung» des Kehlkopfes bedeutet also
eine weitere Indication für die Anwendung der Tube und zwar für
Fälle, wo die eigentliche Tubage nicht anwendbar ist, z. B. wenn
die Membranen in der Trachea vollgepfropft sind oder sich un¬
mittelbar wieder neue bilden; in letzteren Fällen muss man mehr¬
mals hintereinander auswischen, doch soll man über 3 oder 4 malige
Versuche nicht hinausgehen.
Variot hat fernere in einem Falle von der nachträglichen
Verabreichung von Code In (I cg) glänzenden Erfolg gesehen, nach¬
dem 3—4 Minuten lang wegen Spasmus glottidis intubirt worden
war; die Rückkehr des Stimmritzenkrampfes, welche bei Croup so
oft die Heilung hindert, war nach der Verabreichung des Mittels
nicht mehr eingetreten.
Verschiedenes.
Entwurf einer Standesordnung für die Aerzte
Hamburgs. Bei dem vielseitigen Interesse, welches die Frage
der Standesordnungen zur Zeit in Deutschland erregt, wird es unsere
Leser interessiren, den Wortlaut der Standesordnung kennen zu
lernen, welche soeben in Hamburg nach den Beschlüssen der
dortigeu 5 ärztlichen Bezirksvereine festgestellt wurde. Dieselbe ist
zwar augenblicklich noch nicht für die dortigen Collegen obligatorisch.
Nach unsem Informationen steht jedoch zu erwarten, dass sich
die dortige Aerztekammer demnächst mit der Frage beschäftigen
und den vorliegenden Entwurf, vorbehaltlich etwaiger Abänderungen,
zum Beschluss erheben wird.
Der Entwurf hat folgenden Wortlaut:
§ 1. Zur Beförderung der Collegialität und Aufrechterhaltung
der Würde des ärztlichen Standes fordern die hiesigen ärztlichen
Bezirksvereine von ihren Mitgliedern die Befolgung nachstehender
Regeln, welche zugleich als Anhalt für die Entscheidungen des
Ebrenrathes dienen.
§ 2. Es;ist gegen die Würde des ärztlichen Standes, in irgend
einer Weise Keclame zu machen.
§ 3. Es ist dem Arzte nicht gestattet, wiederholte öffentliche
Anzeigen selbst zu machen, oder von Anderen für sich machen zu lassen.
§ 4. Es ist dem Arzte gestattet, bei der Niederlassung, beim.,
Wohnungswechsel oder bei einer Reise dem Publicum durch öffent¬
liche Blätter hiervon, wie ortsüblich, dreimal Nachricht zu geben.
§ 5. Es ist'nicht gestattet, sich wirthschaftlichen Vereinigungen
zu .-empfehlen oder empfehlen- zu -lassen.
§ 6. Es ist. nicht gestattet, die Aufmerksamkeit besonderer
Arten von Kranken oder untergeordneter Medicinalpersonen, sei es '
durch Karten oder sonstige Ankündigungsmittel auf sich zu lenken i
oder sich Zeugnisse und Danksagungen für ärztliche Hilfe oder I
Heilerfolge öffentlich oder privatim ausstellen zu lassen.
§ 7. Es ißt nicht gestattet, sich gegen Entgelt Patienten zu¬
weilen zu lassen.
§ 8. -Es ist; nicht gestattet, in Räumlichkeiten, welche direct,
mit einer ^potheke in Verbindung stehen, Sprechstunde abzuhalten.
§ 9. Es ist dem Arzte nicht gestattet, briefliche Behandlung,
Zusendung besonderer Arzneien oder Instrumente zu versprechen.
§ 10 Es ist nicht gestattet, durch sogenannte populäre Brochürea
auf bestimmte Heilmethoden aufmerksam zu macheu, Krankeu-
geschichten oder Operationen in nicht wissenschaftlichen Zeitungen
zu veröffentlichen oder deren Veröffentlichung zu gestatten.
§ 11 . Es ist nicht gestattet, Laien zu Operationen einzuladeu.
§ 12. Es ist für den Arzt entwürdigend, das Publicum glauben,
zu machen, er besitze ein nur ihm allein bekanntes, Mittel zur
Heilung bestimmter Krankheiten.
§ 13. Den Privatärzten ist die Anzeige oder Anpreisung einer
Poliklinik resp. der unentgeltlichen Hilfe nicht gestattet.
§ 14. Unstatthaft ist es, die Wirksamkeit von Heilmitteln oder
Industrieproducten, insbesondere Geheimmitteln, öffentlich zu be¬
zeugen.
C o n b i I i e n.
§ 15. Bei Consilien ist strenge Pünktlichkeit geboten. Nur
ganz dringende Fälle entschuldigen die Unpünktlichkeit und hat
wegen deren Möglichkeit der zuerst Eingetroffene eine viertel Stunde
auf den zweiten zu warten. Nach Ablauf dieser Frist ist die Con-
sultation als verschoben zu betrachten.
§ 16. Nach gemeinsamer Untersuchung des resp. der Kranken,
während welcher Discussion über Diagnose und Therapie zu ver¬
meiden sind, findet die Berathung in einem besonderen Zimmer,
ohne Gegenwart der Angehörigen, statt. Nachher macht in der Regel
zunächst der behandelnde Arzt die verabredeten Mittheilungen an
den Kranken oder an dessen Angehörige.
§ 17. Sollte eine Einigung nicht erzielt werden, so zieht sieb
der consultirte Arzt zurück. Der consultirte Arzt darf, wenn an
Stelle des behandelnden Arztes ein anderer verlangt wird, seinerseits
die selbständige Behandlung des in Frage stehenden Falles nicht
übernehmen.
§ 18. Ist nur einmaliges. Consilium erforderlich oder wünscht
der Patient keine Wiederholung desselben, so hat sich der consul-
tirte Arzt jedes ferneren Besuches zu enthalten.
§ 19. Consilien sind verboten: 1. mit nicht approbirten Aerzten;
2. mit Naturärzten, welche approbirte Aerzte sind; 3. mit Homöo¬
pathen; 4. mit Aerzten, denen die bürgerlichen oder ärztlichen Ehren-.
rechte aberkannt sind; 5. mit Aerzten, die als unwürdig aus den
Bezirksvereinen ausgeschlossen sind; 6. mit Nichtärzten.
Vorkehr.
§ 20. Der Arzt soll sich im Verkehr mit den Patienten eines
Collegen vorsichtig benehmen. Es sollen keine ungerechten oder
herabsetzenden Bemerkungen über frühere Anordnungen und Be¬
handlung gemacht, es sollen dieselben vielmehr vertheidigt werden,
so weit als es möglich ist.
§ 21. Controlbesuche im Aufträge einer Casse, Berufsgenossen¬
schaft, Unfallvereicherungsgesellschaft oder dergleichen bei Kranken
anderer Aerzte zu machen, ist nur nach Benachrichtigung Letzterer
gestattet. Handelt es sich um eine Wunde, eine Fractur oder der¬
gleichen, deren Untersuchung einen Wechsel des Verbandes noth-
wendig macht, so ist zwischen den beiden Collegen eine Zeit für
die Conferenz zu vereinbaren. Will oder kann der behandelnde Arzt
sich nicht einfinden, so ist der Vertrauensarzt berechtigt, den. von
jenem gemachten Verband abzunehmen, resp. zu erneuern, selbst¬
verständlich unter Wahrung der Collegialität und Enthaltung jeder
Kritik der bisherigen Behandlung.
§ 22. Der Arzt soll keinen Patienten, während er sich bei
einem andern Arzt wegen derselben Krankheit in Behandlung be¬
findet, annehmen oder ihm Verordnungen geben, es sei denn, dass
der bisherige Arzt die Behandlung des Falles aufgegeben hätte,
oder in gehöriger Weise verständigt worden wäre, dass seine Dienste
nicht mehr gewünscht werden. Berathungen im Hause des Arztes
sind von solcher Beschränkung ausgeschlossen. Führen Letztere zu
Besuchen im Hause des Patienten, so hat der betreffende Arzt den
bisherigen Arzt resp. den Hausarzt zu benachrichtigen.
§ 23. Die Bezeichnung « Specialist» kommt nur dem Arzte zu,
welcher sich nur de'm entsprechenden Specialfache widmet und keine
allgemeine Praxis treibt.
§ 24. Bei Hinzuziehung eines Specialisten haben Hausarzt
und Specialist einander zu unterstützen. Der Hausarzt vermeide
jede unnöthige Einmischung in die specialistische Behandlupg und
gewähre dem Specialisten jede gewünschte Assistenz, Der Specialist
wahre die Rechte des Hausarztes, halte sich in den Rahmen seines
Specialfaches und beachte die Rathschläge des Hausarztes. Er¬
scheint dem hinzugezogenen Specialisten oder Sprechstundenconsu-
lenten die Anordnung einer schwerwiegenden Maaspahme, z. B.
einer grösseren Operation nothwendig, so hat er sich darüber vor¬
her mit dem Hausarzte in Verbindung zu setzen. Dem Geburts¬
helfer steht die alleinige Behandlung des Wochenbetts und des
Neugeborenen bis zum 14. Tage, dem Operateur die Nachbehand¬
lung zu.
§ 25. Ueber die Höhe des Honorars für die Assistenz bei einer
Operation und die Art der Einziehung desselben hat der Operateur ,
sich mit dem Assistenten zu verständigen.
Vertretung.
§ 26. Ist der Arzt verhindert, seinen Berufspflichten nachzu¬
kommen, so gilt, es als gute Sitte, ihm von den Collegen die von
ihm gesuchte Aushilfe jzu gewähren. In diesem Falle kommt das,
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4 . August 1896.
MüNCHßNER Medicinische Wochenschrift.
?785
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Honorar dem vertretenen Collegen zu (siehe § 30;) grössere Opera¬
tionen und Entbindungen sind hiervon ausgenommen
§ 27. Es wird, wenn ein College stirbt, als gute Sitte betrachtet,
die für und von demselben übernommenen Patienten bis zum Ab¬
laufe des Jahres für Rechnung der Wittwe oder Waisen des ver¬
storbenen Collegen zu behandeln, es sei denn, dass die Hinter¬
bliebenen darauf verzichten. Gleiches gilt für einen dauernd erwerbs¬
unfähig gewordenen Collegen.
§ 28. Hat der kranke oder ortsabwesende oder nicht sofort
zur Stelle befindliche bisherige Arzt, bezw. der Hausarzt, den hinzu¬
gezogenen bezw. vertretenden Arzt um Aushilfe nicht ersucht, so
steht der Verbleib des Honorars dem Ermessen des vertretenden
Arztes zu.
§ 20. Wird in Folge dringlich erscheinender Veranlassung zu
mehreren Aerzten zu gleicher Zeit geschickt, so verlangt es die
Höflichkeit, dass der Patient dem zuerst eintreffenden Arzt, ev. dem
Hausarzt überlassen werde und soll dieser seine Assistenz unter
den Anwesenden wählen.
§ 30. In allen obigen Füllen (siebe §§ 26, 28, 29) soll der
hingezogene bezw. vertretende Arzt verlangen, dass der bisherige
bezw. Hausarzt benachrichtigt werde, und er soll, falls seine An¬
wesenheit später zu einem Consilium nicht gewünscht wird, die
Sorge für den Kranken dem bisherigen bezw. dem Hausarzt über¬
lassen, sobald als letzterer eintrifft, bezw. genesen oder zurück¬
gekehrt ist.
§ 31. Hat ein Arzt einen Patienten auf Ersuchen eines andern
Arztes als dessen Vertreter behandelt, so soll er bis zum Jahres¬
schluss in minimo sechs Monaten nach geleisteter Vertretung —
vorbehältlich besonderer Uebereinkunft — diesen Patienten nicht
selbst übernehmen, bezw. sein Hausarzt werden.
Bewerbungen.
§ 82. Bei der Bewerbung um ärztliche ötellen wahre der Arzt
die eigene Würde nnd die Würde des ärztlichen Standes. Es ist
unstatthaft, Anstalten von Kurpfuschern mit seinem Namen zu
decken, also eine 8telle an einer Kneipp’schen Anstalt, einer Natur-
heilanBtalt oder einer ähnlichen Anstalt anzunehmen.
Streitfragen.
§ 33. Zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Aerzten
dient das Ehrengericht des Ehrenrathes, dem alle Beschwerden vor¬
zulegen sind, vor dem sich jedes Mitglied eines Bezirks-Vereins im
Falle einer Anklage zu verantworten hat und dessen Verhandlungen
geheim bleiben. Das Ehrengericht desjenigen Bezirks-Vereins, dem
der Angeklagte angehört, ist bis auf Weiteres zuständig.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 4. August. Heute Vormittags 10 Uhr fand in der
grossen Aula der Universität die Eröffnung des III. internationalen
Congresses für Psychologie statt. Die Eröffnungsrede hielt Dr.
Carl Stumpf, Professor der Philosophie an der Universität Berlin.
Hieran schlossen sich Begrüssungsansprachen: im Namen der kgl.
bayer. Staatsregierung sprach Cultusminister v. Landmann, im
Namen der Stadt München Bürgermeister Brunner, im Namen
der Universität der Rector magnificus Professor Dr. v. Baur. So¬
dann folgten Vorträge von Charles Rieh et, Professor der Physio¬
logie in Paris, «Sur la douleur» und von Dr. Franz v. Liszt, Pro¬
fessor der Jurisprudenz in Halle a. S.: «Die kriminelle Zurechnungs¬
fähigkeit». Wie reich und weit verzweigt das den Congressmit-
gliedern Gebotene ist, zeigt ein flüchtiger Blick auf das auf fünf
Sectionen vertheilte Material. Während die erste Section sich mit
Anatomie und Physiologie des Gehirns, mit Sinnesphysiologie und
Psychophysik befasst, beziehen sich die Arbeiten der zweiten auf
die Psychologie des normalen Individuums. Die dritte wendet ihre
Aufmerksamkeit dem abnormen Seelenleben und der vielangefochtenen
Verbrecherpsychedope zu, in der vierten kommen die Erscheinungen
der Hypnose, des Schlafes und der Träume zur Sprache und in der
fünften endlich tröffen wir vergleichende und auf Pädagogik ange¬
wandte Psychologie. Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern
veranstaltet am 5. August in der Amalienburg im Nymphenburger
Park ein Souper zu Ehren des III. Internationalen Congresses für
Psychologie. Zu demselben werden Einladungen in beschränkter
Zahl ergehen an die in den allgemeinen Sitzungen sprechendein
Redner, sowie an einige Mitglieder des Comitös mit Berücksichtigung
der verschiedenen am Congresse betheiligten Länder.
— Am 1. August Vormittags 11 Uhr fand in dem schön ge¬
schmückten Hau n ersehen Kinderspital die Feier des 60jährigen
Bestehens dieses so segensreich wirkenden Institutes statt. Hiezu
hatten sich eingefunden die hohe Protectorin des Vereins zur Unter¬
stützung des Kinderrpitals, Frau PrinzessinLudwig, Ministerial-
rath Bumm in Vertretung des verhinderten Cultnsministers, Bürger¬
meister Brunner mit Rechtsrath Wolfram und den Rüthen
Imhof und Friedrich, der Vorstand des Gemeindecollegmms,
Commerzienrath Hä nie, mit den Bevollmächtigten Zechbauer
und Dr. Kleitner, als Vertreter der medicinischen Facultät die
Geheimräthe L. Büchner, von Ziemssen, von Voit und Prof.
Dr. Hans Büchner, die Ausschnssmitglirder des Vereins zur Unter¬
stützung des Kinderspitals, viele Freunde und Gönner der Anstalt,
darunter eine grössere Anzahl von Damen, zahlreiche Aerzte und
Studirende. Prof, von Ranke hielt die Festrede, welche wir in
unserer nächsten Nummer bringen werden. Bürgermeister Brunner
erwiderte in warmer Anerkennung der Leistungen der Anstalt und
ihres Gründers. Um 12*/* Uhr endete die Feier, zu deren 8obluss
noch ein Glückwunschtelegramm von Geheiinrath Heubner, dem
Vertreter der Kinderheilkunde in Berlin, eintraf. Möge di© Anstalt
weiter blühen und gedeihen!
— § Die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst 1896 ist am
27. Juli d. J. beendiget worden und zwar mit dem Ergebnisse, dass
von 45 Candidaten 18 die I. und 27. die II. Note erhielten.
— An der Universität Leipzig finden vom 5. October d. J. ab
Fortbiidungscurse für praktische Aerzte statt. Näheres siehe Inserat
in dieser Nummer.
— Die XV. Jahresversammlung der freien Vereinigung bayer.
Vertreter der angewandten Chemie fand am 31. Juli und 1. August
unter dem Vorsitze von Hofrath Professor Dr. HiIger (München)
in Nürnberg statt.
— Vom 2. bis 5. August findet in Zürich die 79. Jahresversamm¬
lung der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft statt.
— Die Verhandlungen des III. internationalen Dermatologen-
Gongreßses zu London beginnen am 4. August.
— Am 15. AuguBt, Vormittags 10 Uhr, wird die II. int. pharm.
Ausstellung in Prag feierlich eröffnet.
— In Berlin hat sich auf Ersuchen des Moskauer Organisations-
comit^s für den auf den August 1897 berufenen XII. Internat,
medicin. Congress nach dem Vorgänge bei dem römischen Con-
gress, und zwar zunächst provisorisch, ein Deutsches Reichscomitö
gebildet. Diesem gehören folgende Mitglieder an: Dr. Virchow,
Geh. Med.-Rath, Prof, Vorsitzender; Dr. Bartels, Sanitätsrath,
Schatzmeister; Dr. Posner, Prof., Schriftführer; Dr. Eulenburg,
Prof., Stellvertr. Schriftführer; Dr. Aub, Med.-Rath, Vorsitzender des
Deutschen Aerzte-Vereinsbundes, München; Dr. v. Bergmann,
Geh. Med.-Rath, Prof.; Dr. v. Coler, Wirkl. Geh. Ober-Med.-Rath,
Generalstabsarzt der Armee, Prof.; Dr. Ewald, Prof.; Dr. Fraenkel,
Geh. Med.-Rath, Prof.; Dr. Gerhardt, Geh. Med.-Rath. Prof.;
Dr. Koenig, Geh Med. Rath, Prof.; Dr. Lent, Geh. San.-Rath,
Vors, des Ausschusses der preusslschen Aerztekammern, Köln;
Dr. v. Leyden, Geh. Med.-Rath, Prof.; Dr. Martin, Prof.; Dr.
Pistor, Geh. Ober-Med-Rath, Prof.; Dr. Waldeyer, Geh. Med.-
Rath, Prof. Das Coinite hat, bevor es endgiltig seine Thütigkeit
übernimmt, geglaubt, eine Regelung der Passfrage in dem Sinne
versuchen zu müssen, dass allen deutschen ärztlichen Congress-
besuchcrn Pässe ohne Unterschied der Religion ausgestellt werden,
denen die gleichen Rechte und Verpflichtungen anhaften, dass also
speciell für Aerzte jüdischer Confession jegliche besondere Beschrän¬
kung beim Eintritt in Russland oder beim Aufenthalt dort wegfällt.
Nach den jetzt eingegangenen Nachrichten steht die Regelung der
Frage in diesem Sinne in sicherer Aussicht.
— In Cairo wurden vom 30. Juni bis 13. Juli einschliesslich
36 Erkrankungen (und 54 Todesfälle), in Alexandrien vom 11. bis
17. Juli 59 Erkrankungen und 46 Todesfälle an Cholera festgestellt.
Die Seuche nimmt in Ober-Aegypten rasch nnd stetig zu, so werden
vom 30. Juli aus Cairo 216 Erkrankungen und 180 Todesfälle ge¬
meldet. Die Gesammtzahl der Fälle betrug bis 17. Juli in Aegypten
12 791 Erkrankungen und 10 642 Todesfälle, in Alexandrien 868 Er¬
krankungen Und 732 Todesfälle.
— In Magdeburg starb der Geheime Medicinalrath Dr. Theodor
Sendler, seit 1877 Mitglied des Medicinalcollegiums der Provinz
Sachsen, 77 Jahre alt.
— Die Generaldirection der Württembergischen Eisenbahnen
hat an der Wagenwerkstfttte Cannstatt die freie Arztwahl undKinzel-
honorirung eingeführt — ein Erfolg der Einigkeit der Caünstatter
Aerzte.
— Die neu creirtcn Divisionsärzte haben Bich schon im
Frieden beritten zu machen; jeder Divisionsarzt erhält demgemäss
zur Verpflegung des Pferdes eine leichte Ration (Hafer, Heu, Stroh).
Zum Zwecke der wissenschaftlichen Fortbildung der Militärvrzte
sind Garnisonslazareth-Bibliotheken einzurichten, und es werden zur
Beschaffung von medicinischen Werken und Zeitschriften vom Kriegs-
ministerium besondere Geldmittel (gegen Mk. 5000 jährlich) gewährt
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 29. Jahreewoche, vom 12. bis 18. Juli 1896, die grösste-Sterb¬
lichkeit Königshütte mH 46,7, die geringste Sterblichkeit Dessau mit
7,2 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. 'Mehr als ein 1 Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Kiefeld und Lübeck.
(Universitätsnachrichten.) Halle.- In der medicinischen
Facultät habilitirte sich Dr. med. P. Jensen, ein 8ohn des Dichters
Wilhelm Jensen. Seine Antrittsvorlesung handelte über «Die
wissenschaftliche Auffassung des allgemein-physiologischen Problems».
— München. Dr. Port habilitirte sich für Zahnheilkunde. Würz¬
burg. Dr. Johann Müller habilitirte eich für innere Medicin.
(Erklärung.) Herr Dr. M. Dück in-München ersucht uns, zu
constatiren, dass die ihn betreffende Reclame-Notiz in No. 209 des
«Neuen Münehener Tagblatt» nicht mit seinem Wissen und Willen
erschien.
(Berichtigung.) In dem Feuilleton: Penzoldt, über
den Entwurf einer neuen Prüfungsordnung, in No. 30 d. Wochenschr.
ist 8eite 899, 2. Absatz, 8. Zeile der Satz: * Auch in der Schweiz —
bewährt» zu streichen.
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736
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Personalnachrichten.
Bayern.
Ernannt: Der kgl. Hofratli Dr. Adolf Heller in Nürnberg zum
Hausärzte beim Zellengefängnisse dortselbst.
Verzogen: Dr. Kilian Ru 8 8 von Homburg a/M. nach Wülfers¬
hausen; Dr. Franz Schmitt von Wülfershausen nach Bamberg;
Dr. Max Liese von Vogtareuth, Bez-Amt Rosenheim, zur See;
Dr. Paul Werner von Zeil a. M. nach Vogtareuth.
Erledigt: Die Bezirksarztesstelle 1. Gasse in Freising ist in
Erledigung gekommen. Bewerber um dieselbe haben ihre vorschrifts-
mitssig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten kgl. Regierung,
Kammer des Innern, bis zum 12. August 1896 tinzureichen.
Verliehen: Die Stelle des llavisarztes bei dem Zellengefüng-
nisse in Nürnberg wurde dem praktischen Arzte, Hofrath Dr. Adolf
Heller in Nürnberg in provisorischer Eigenschaft verliehen.
Auszeichnung: Dr. Oskar Schröder, Leibarzt Sr. k. Hob. des
Prinzen Alfons von Bayern erhielt den Orden der österreichischen
eisernen Krone.
Abschied bewilligt: im Beurlaubtenstande: Dem Assist.-
Arzt 1. Gasse der Reserve Johann Er h ard (Augsburg) — und dem
Stabsarzt der Landwehr II. Aufgebots Dr. Karl Osthoff (Zwei¬
brücken).
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat Juni 1896.
1) Bestand am 31. Mai 1896 bei einer Kopfstärke des
Heeres von 68203 Mann, 203 Kadetten, 17 Invaliden, 138 U.-V. 1 ):
1861 Mann, 2 Kadetten, 2 Invaliden, 2 U.-V.
2) Zugang: im Lazareth 1270 Mann, 8 Kadetten, — Invaliden,
20 U.-V.; im Revier 3638 Mann, 14 Kadetten, — Invaliden, 3 U.-V.
Summe 4908 Mann, 22 Kadetten, — Invaliden, 23 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 6769 Mann, 24 Kadetten,
2 Invaliden, 25 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 99,24 Mann,
118,22 Kadetten, 117,64 Invaliden, 181,15 U.-V.
3) Abgang: geheilt 4792 Mann, 16 Kadetten, — Invaliden, 19
U.-V.; gestorben 11 Mann, — Kadetten, — Invaliden, — U.-V.;
invalide 86 Mann; dienstunbrauchbar 73 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 243 Mann, 1 Kadett, — Invaliden, 1 U -V.; Summa: 5205
Mann, 17 Kadetten — Invaliden, 20 U.-V.
4) Hiernach sind geheilt 707,93 von 1000 der Kranken der Armee,
G66,6G der erftankteu Kadetten, — der erkrankten Invaliden und
*) U.-V. = Abkürzung für Unteroffiziers -Vorschüler.
760,00 der erkrankten U.-V.; gestorben 1,62 von 1000 der Kranken
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
5) Mithin F>estand am 30. Juni 1896: 1564 Mann, 7 Ka¬
detten, 2 Invaliden, 5 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 22,93 Mann,
34,48 Kadetten, 117,64 Invaliden, 36,23 U.-V. Von diesem Kranken
stände befanden sich im Lazareth 1035 Mann, 4 Kadetten, — Inva¬
liden, 5 U.-V.; im Revier 529 Mann, 3 Kadett., 2 Invaliden, — U.-V.
Von den im Lazarethe bezw. Revier Gestorbenen haben
gelitten an: Pyaemie 2, eitriger Hirnhautentzündung 1, Gehirn-
schlag 1, Lungenentzündung 1, Lungenschwindsucht 2, Tuberculoae
des Fersenbeines 1, Brustfellentzündung 1, Bauchfellentzündung t,
Knochenraarksvereiterung 1; ferners verlor die Armee noch 3 Mann
durch Ertrinken und 3 Mann durch Selbstmord (Erschiessen).
Der Gesammtverlust durch Tod in der Armee im Monat Juni
beträgt somit 17 Mann.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten für München
in der 30. Jahreswoche vom 19. bis 25. Juli 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 38 (66*), Diphtherie, Croup
24 (27), Erysipelas 11 (10), Intermittens, Neuralgia interm. — (2),
Kindbettfieber — (1), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 11 (9),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 8 (5), Parotitis epidemica 1 (—),
Pneumonia crouposa 14(15), Pyaemie, Septicaemie — (l), Rheuma¬
tismus art. ac. 23 (26), Ruhr (dysenteria) 1 (—), Scarlatlna 33(43),
Tussis convulsiva 48 (32), Typhus abdominalis 1(1), Varicellen 9(13),
Variola, Variolois — (—). Summa 222 (252). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 30. Jahreswoche vom 19. bis 25. Juli 1896.
Bevülkerangszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach 2 (l), Diphtherie
und Croup 2 (1), Rothlauf — (2), Kindbettfieber — (—), Blutver-
I giftung (Pyämie) 2 (1), Brechdurchfall 5 (4), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten 3 (2), Croupöse Lungenentzündung 3(1), Tuber-
culose a) der Lungen 23 (22), b) der übrigen Organe 3 (7), Acuter
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 2 (l),
Unglücksfälle 5 (3), Selbstmord 1 (4), Tod durch fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefftlle 171 (161), Verhältnissuhl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 21,9 (20,6), für
die über dem l. Lebensjahr stehende Bevölkerung 11,4 (14,0), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,7 (13,5).
*; Die eingcklaramerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: Mai 1 ) und Juni 1896.
Regierungs¬
bezirke
bezw.
Städte über
30,000 Ein¬
wohner
Oberbayern
Niederbay.
Pfalz
Oberpfalz
Oberfrank.
Mittelfrank.
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Schwaben 687,962. — Augsburg 80,798, Bamberg 38,949, Fürth 46,592, Kaiserslautern 40,776, Ludwigshafen 39,801, München 407,174, Nürnberg 162,380, Begenabnrg 41,47«,
Würsburg 68,714.
1) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 27) eingelaufener Nachträge.
2) Im Monat Mai einschliesslich der Nachträge 1464. 3) 19.—22. bezw. 23.-26. Jahreswoche.
Einsendungen fehlen aus der unmittelbaren Stadt Augsburg und den Aemtem: Bosenheim, Dlngolflng, Griesbach, Vilsbibnrg, Neunbnrg v. W., Hoi, Dinkel*-
bübl, Neustadt a. A., Nürnberg, Ebern, Lohr, Obernburg, Kauf beuren, Kempten, Oberdorf und Sonthofen.
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet aus folgenden Aemtern bezw. Orten: Brechdurchfall: Bez-Amt Augsburg 42,
ärztlicher Bezirk Penzberg (Wcübeim) 22 Fälle. — Diphtherie, Croup: Bcz.-Amt München II 27 Fälle. — Intermittens, Neuralgia intermittens: Ärm¬
licher Bezirk Penzberg 17 Fälle. — Morbilli.- Epidemisches Auftreten in 2 Gemeinden des Bez.-Amt Erding und 3 Gemeinden des Amtes Kusel; in Gemeinde
Gegenbach (Wegscheid) von 86 Schulkindern 67, in 2 Gemeinden des Amtes Wolfstcin 30 bezw. 47 Schulkinder erkrankt; ärztliche Behandlung in keinem der beiden
Aemter beansprucht. Im Amte Staffelstein herrschen Masern noch in 4 Gemeinden, häufig complicirt mit katarrh. Pneumonie; Schulschluss. Auch ln der fitsflt
Memmingen und in 12 Gemeinden des gleichnamigen Amtes Masern noch sehr häufig — 55 ärztlich behandelte Fälle. — Parotitis epidemica: stark verbreitet
unter den jüngeren Schulkindern in Naila und Umgebung, Bez.-A. Frlcdberg 22 ärztlich behandelte Fälle. — Pneumonia crouposa- nahezu epidemisches Auf¬
treten in Ichenhausen (Günzburg). — Tussis convulsiva: Epidemisches Auftreten in Gemeinde Scheuring (Landsberg), Gemeinde Mühlbach (Kusel) und 3 Ge¬
meinden des Amtes Stadtsteinach, ferner in der Stadt Günzburg und 3 Gemeinden des Landbezirkes — 62 ärztlich behandelte Fälle; starke Vorbreitung in Rothen¬
burg a. T., in 2 Gemeinden des Amtes Mnrktheidenfeld und 1 des Amtes Memmingen.
Nach dem Berichte aus der Stadt Eichstätt treten dortselbst sehr viele acute Darmkatarrhe unter Erwachsenen auf.
Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich im
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte an dasK. Statistische Bureau wenden wollen. v.
Im Interesse der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 20.) und regelmässige Einsendung dringendst eriaoht.
Digitized by
Google
Beilage zu No. 31 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
68. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M.
am 21. bis 26. September 1896.
.Allgemeine Tagesordnung.
Sonntag, den 20. September:
Morgens 10 Uhr: Sitzung des Vorstandes der Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Aerzte.
Morgens 11 Uhr: Grundsteinlegung des Denkmals Samuel Thomas
von Soemmerings.
Mittags 12 Uhr: Sitzung des wissenschaftlichen Ausschusses.
Abends 8 Uhr: Begrüssung im Saalbau (mit Damen):
Montag, den 21. September:
Morgens 9 Uhr: I. Allgemeine Sitzung im grossen Saale des Saalbaues.
1. Eröffnung durch den ersten Geschäftsführer der Versammlung
Herrn Geh. San.-Rath Professor Dr. med. Moritz Schmidt.
2. Begrüs8ung8ansprachen.
3. MittheiluDgen des Vorsitzenden der Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Aerzte, Herrn Geh.-Ratb Professor Dr.
med. Hugo von Ziemssen (München).
4. Vortrag des Herrn Professor Dr. med. Hans Büchner
(München): BioTogie und Gesundheitslehre.
5. Vortrag des Herrn Geh. Hofrath Professor Dr. phil. Richard
Lepsius (Darmstadt): Cultur und Eiszeit.
Nachmittags 8 Uhr: Bildung und Eröffnung der Abtheilungen.
AbendB 7 Uhr: Festvorstellung im Opernhause ; Vorstellung im Schau¬
spielhause. Nach denselben zwanglose gesellige Vereinigung.
Dienstag, den 22. September:
Morgens 9 Uhr: Sitzungen der Abtheilungen.
Nachmittags: Sitzungen der Abtheilungen.
Abends 6 1 /* Uhr: Festessen im Zoologischen Garten (mit Damen),
nach demselben zwanglose gesellige Vereinigung daselbst.
Mittwoch, den 23. September:
Morgens 9 Uhr: Wahl des wissenschaftlichen Ausschusses.
Abtheilungssiizungen.
Gemeinsame Sitzung der Abtheilungen der medicinischen
Hauptgruppe im grossen Saale des Saalbaues, Morgens 9 */* Uhr.
Vorsitzender: Herr Geh. Medicinalrath Professor Dr. med.
Wilhelm His (Leipzig).
Zur Verhandlung kommen:
«Die Ergebnisse der neueren Gehirnforschung.*
Es haben Referate übernommen:
Herr Geh. Medicinalrath Professor med. Paul Flechsifg (Leipzig):
Die Localisation der geistigen Vorgänge.
Herr Professor Dr. med. Ludwig Ed in ge r (Frankfurt a. M.):
Die Entwicklung der Gehirnbahnen in der Thierreihe.
Herr Geh.-Rath Professor Dr. med. Emst von Bergmann
(Berlin): Ueber GehimgeschWülste.
Discussion. Die Uebertragung von Vorträgen, die für Abtheilungs¬
sitzungen angerneidet sind, auf diese gemeinsame Sitzung
bleibt späterer Verständigung Vorbehalten.
Nachmittags : Abtheilungssitzungen.
Abends 8*/a Uhr: Fest-Commers (mit Damen) in der Landwirtschaft¬
lichen Halle, gegeben von der Stadt Frankfurt a. M.
Donnerstag, den 24. September:
Sitzungen der Abtheilungen.
Abends 8 Uhr: Festball im Palmengarten.
Freitag, den 25. September:
Morgens 9 Uhr: Geschäftssitzung der Gesellschaft im grossen Saale
des Saalbaues.
Morgens 9 1 /* Uhr: II. Allgemeine Sitzung daselbst.
1. Vortrag des Herrn Professor Dr. med. Max Verworn
(Jena): Erregung und Lähmung.
2. Vortrag des Herrn Dr. med. Ernst Below (Berlin): Die
praktischen Ziele der Tropenhygiene.
3. Vortrag des Herrn Geh. San.-Rathes Prof. Dr. med. Carl
Weigert (Frankfurt a. M.): Neue Fragestellungen in der
pathologischen Anatomie.
Nachmittags: Ausflüge.-.
1. nach Darmstadt,
2. nach der Lungenheilanstalt Falkenstein, der . Volksheilstätte
Ruppertshain und Königstein i. T.,
3. nach den Höchster Farbwerken,
4. nach Bad Soden a. T.,
5. nach Bad Nauheim.
Abends: 1. Zwanglose gesellige Vereinigung im Saalbau in Darmstadt.
2. Gesellige Vereinigung im Hötel Pf off «* Königstein i. T.;
3. Gesellige Vereinigung auf der Curhausterrasse in Bad Soden a. T.;
4. Gesellige Vereinigung auf der Curhausterrasse in Bad Nauheim ;
5. Festconcert der Museumsgesellschaft im grossen Saale des
Saalbaues in Frankfurt a. M.
Sonnabend) den 26. September:
1. Tagesausflug nach Honiburg v. d. H.
2. Tagesausflug nach Marburg i. H.
3. Vonnittagsau8flug nach Giessen (eventuell mit dem Ausfluge
nach Marburg zu verbinden).
Erläuterungen zur Tagesordnung.
Anmeldungen zur Mitgliedschaft erfolgen schrifttich beim
Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Dr. Carl Lampe*
V i s c h e r, Leipzig, an der Bürgerschule a, vom ao. September
an auch persönlich in der Geschäftsstelle der 68. Versammlung,
in der Turnhalle des städtischen Gymnasiums zu Frankfurt a. M.,
Junghofstrasse 16 (§ i der Geschäftsordnung).
Theilnehmer an der Versammlung kann jeder werden, welcher
sich für Naturwissenschaften und Medicin interessirt.
Die Th ei In eh merkarte ist von jetzt ab gegen Einsendung von
15 Mark an den Cassirer der Geschäftsführung der 68. Versamm¬
lung deutscher Naturforscher und Aerzte, Herrn Hugo Metzler in
Frankfurt a. M., am Salzhaus 3, zu erhalten. Sie berechtigt zum
Bezug des Festabzeichens, des Tageblattes, der Festgabe und sonstiger
für die Theilnehmer bestimmter Drucksachen, sowie zur Theilnahme
an den Sitzungen und Festlichkeiten, und ferner zur Entnahme von
Damenkarten zum Preise von 6 Mark.
Die später erscheinenden «Verhandlungen* werden den Mit¬
gliedern der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte,
soweit sie auf dieselben abonnirt oder an der Versammlung
theilgenommen haben, zugestellt. Für Mitglieder, welche den
Betrag ftir Bezug der Verhandlungen bereits an den Schatzmeister
eingezahlt haben, ermässigt sich der Preis der Theilnehmerkarte
um 6 Mark. Bei Lösung derselben ist die Quittung des Schatz¬
meisters vorzulegen. Theilnehmer, welche nicht Mitglieder der
Gesellschaft sind, erhalten die «Verhandlungen» zum Preise von
6 Mark, wenn sie sich in eine in der Geschäftsstelle auf¬
liegende Liste einzeichnen.
Ein besonderer Damenausschuss hat es sich zur Aufgabe ge¬
macht, für die Unterhaltung der Damen Sorge zu tragen.
Die Damen erhalten ebenfalls das Festabzeichen, nehmen an
den allgemeinen Sitzungen, an allen, insbesondere an den vom
Damenausschuss für sie veranstalteten Festlichkeiten Theil und
empfangen die für sie bestimmte Festgabe.
Vorausbestellungen von Wohnungen in Hötels, sowie in Privat-
häusem nimmt das Bureau des Wohnüngsausschusses, Stiftstrasse 30,
von jetzt ab entgegen. Man wolle Anmeldungen thunlichst be¬
schleunigen, da in Folge des in Frankfurt erfahrungsgemäss sehr
starken Fremdenverkehrs im September die angemessene Unter¬
bringung unserer Gäste nicht ganz leicht sein dürfte. Auch in
Homburg v. d. H. und Soden i. T. ist dem Wohnungsausschusa eine
grössere Anzahl von Wohnungen für die Theilnehmer an der Ver¬
sammlung theils unentgeltlich, die meisten gegen Entgelt (2 Mark
einschl. Licht, Bedienung und erstes Frühstück) zur Verfügung
gestellt worden. Mit beiden Orten besteht häufige Eisenbahn¬
verbindung, so dass dort wohnende Theilnehmer bequem Morgens
nach Frankfurt kommen und Abends zuxückfahren können.
Jedenfalls kann der Wohnungsausschuss keine Gewähr dafür
übernehmen, dass den nach dem 10. September eingehenden
Wünschen noch wird Rechnung getragen werden können.
Es besteht aber bei den Einwohnern Frankfurt’8 der lebhafte
Wunsch, Naturforscher und Aerzte in ihren Häusern gastlich auf¬
zunehmen, und bitten wir unter den dargelegten Verhältnissen von
dieser Einladung recht reichlich Gebrauch machen zu wollen.
Im Hauptpersonenbahnhofe wird von Sonnabend den 19. bis
Mittwoch den 23. September ein Empfangs- und Auskunftsbureau während
des ganzen Tages geöffnet sein. Ebendaselbst wird in dieser Zeit
auch der Nachweis von Wohnungen ertheilt und die Besorgung von
Handgepäck und grösseren Gepäckstücken vom Bahnhof in die betr.
Quartiere und die Aufbewahrung von Handgepäck übernommen
werden.
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Beilage Mieter
No. 31.
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Die allgemeinen si tonoen findene n ^ gen Plätze f ür die Damen
Junghofstrasse 19/2°, 8ta .^* • d auc h die Geschäftssitzung, zu der
reservirt sind. Ebe ^®^®g_ sind abgehalten, sowie einzelne me-
dle Mitfllledskarten mltzubrinoen 8lnd, g n medic i n i 8C hen Ab-
dicinische AbtheüungMitzungen. an f ren zenden städtischen
theilungen tagen in de‘ u “°j die naturwissenschaftlichen Ab-
Gymnasium (Junghof Strasse J,’. bethen8C hule (Börsenstrasse 7/9,,
theilungen in der benachbarte en Vereins (Stiftstrasse 32)
sowie in den Hö , rsa1 ®“ f a ® han Bibliothekgebäudes, bezw. im Senken-
und des Dr. SenckenbergischenBjM (B ieichstrasse 59) und im Saale
bergischen naturhistoris (Eschenheimerlandstrasse 4).
des wird ein Post- und Telegraphenbureau
mit einem Schreibzimmer ernchtet eeim ^ Morgeng d wird
Das Tageblatt erscheint täglich u b then8cbule und in dem
in der Geschäftsstelle, sow e in der Vermerk auf der
Dr. Senckenbergischen R edac tionsbureau befindet sich
SSSÄeS Versammlung in der Druckerei von Mahlau
Waldschmidt, grosse Gallusstrasse 3. hat der 68 . V er-
Der Magistrat der ‘ A lrzte als Festgabe einen
Sammlung deutscher e s besonderer Berücksichtigung der
Führer durch die Stadt, J hen ° nd hygienischen Anstalten
naturwissenschaftlichen, &r jedem Theilnehmer überreicht
und Einrichtungen gewidmet, wel^h 3 ilnehmer einzelner Ab¬
werden wird. Zur e Verkeilung; an nie x ^ dem städtischen
theilungen werden ferne^g^ g • herausgegeben von den Ober-
Krankenhause *u Frankturt , he rausgegeben vom Physi-
SSAMÄTbÄÄ
Ueberslcht über die medicinischen Abtbeilungen.
Abtheiluag für allgemeine Pathologie a. pathologische Anatomie.
Angemeldete Vorträge.
Privatdocent Dr. H »n . u.in St
3. »«"Ä
Mittheilungen. — 6. .Prof'esBor , Periarteritis des Menschen
Axishirschen beobachtete, d 5Äso? WchardPal tauf in Wien:
gleichende Krankheit. p r ofessor Ribbert in Zürich: Ueber das
Thema Vorbehalten.TJeber vMe
SiJ: M ueber U.
fessor Weich Beibaum in • , Ikterus — 12. Privatdocent
fessor B o s t r o rn in Giessen .U^ierd^ IWeruk ^ Lichtß
Dr. Bendain„S® SScbte - 13. Professor Nau-
die Behandliing von Aneinyßnien^n^ch^Maceveu^^ ^ u J d
mann m ^esbaden.^ gcblicben Dünndarm. — 5. Professor
Aschenbestandtbeilen im r die Wirkungsweise des Arseniks.
Binz in Bonn: Neue Vers Göttingen: Pharmakolog. Thema vor-
__ 6. Professor Dreser in “ Wiesbaden: a) Heber Eucasm.
behalten. — 7. Dr B ^ _ Pro{e ssor von Jak sch in Prag:
b) Zur PathogenesedCT GH f Ebstein in Göttingen: Thema
Thema Vorbehalten 9. Pro rgenBe n in Tübingen: Thema
Vorbehalten. - 10 ^ofesso^ ^ ^.g Zur Frage der Demnfecüon
Vorbehalten. — H- I ■ or v011 .Mering in Halle: Zur Function
desDarmc.nals.-12.M^or Y n i kow8ki g. n straB6burg: Thema
des Magens. - J 3 - J’ rofe F i e iner in Heidelberg: Vormagen oder
Vorbehalten. •-14. 9 Professor > t^atdocent Dr . Rosenfeeim in Berlin:
Antrum cardiacum - Mit Demoastration. —16. Dr. Boas
Gastroskopie und 0eß opbagos yo.w. re L e o in Bonn: Thema
in Berlin: Thema Vorbehalten. «. , q Berün . Die Bedeutung
Vorbehalten. — .18. Professor k Probleme der Therapie. -
der Seekrankheit für dm w icht ga yorbehalten _ 2 0. Dr. Dörren-
19.DocentDr.Herz in Wien i die AuB8 j c bten der Serum¬
berg in Soest in We8 *P hal p r i va tdocent Dr. Mendelsohn
Therapie bei Tuberculose - 21 P. hroee . - 22. Dr. A
in Berlin: Heber die Entstehn!lg d Hya o P idiopa thiBche (al-
Smith in Schloss M am Bodensee^U.^ . q ^ e8den; B ei-
koholische) Herzerweiterung. •. _ 2 4. Dr. Rosengart
befand. - 14 ~ Cbian in
Atrium dextrum - Kahlden in Freiburg:
und über eine weitere für Menschen pathogene Cladothnx. 19. Privat
Dresden: Thema Vorbehalten. — 22. Prosector . r-ugc p .
in Hamburg: Beiträge zur Pathologie;des Darrncan>a s. g.Jn ^
docent Dr. Martin Benno Schmidt in Strassburg i. .. yvtmon*
stration eines Amyloidtumors in Lar ^ ,"° d *1.' 2 4 Dr Franz
Si'^Ansbach^Der’ge^n^rhg^Stand^^ 1 HippokTatesfräge und
dÄus Spocratkum^er Menon-Aristotelischen Ueberlieferung.
— 25. Weigert in Frankfurt a. M.: Thema Vorbehalten.
Abtheilnug für innere Medicin nnd Pharmakologie.
Angemeldete Vorträge:
1 Professor von Strümpell in Erlangen: Zur Aetiologiei des
Diabetes mellitus und der sogenannten alimentären «JlWJ.
2. Professor Ehrlich in Berlin: Thema Vorbehalten. - 3. Protessor
Bäu ml er in Freiburg i. B.: a) Zur Percussion der Milz, b) Heber
Abtheilung für Chirurgie.
Med.-Rath Professor Dr. M. hcneoe Hamb urg: Thema vor-
_ 5. Oberarzt Dr. mei H. Küm el f j“ - n W ürzburg: Heber die
behalten. — 6. Privatdocent B • .- Behand iung der congenitalen
Resultate der Wütigen und^nblut g B f h ür Chirl 5 gie in Wiesbaden:
Hüftluxation. — 7. Dr. O. ttoser, der angeborenen Huft-
Erfahrungen über <he °P era *' 1 ^® B T Heusner in Barmen: Thema
Verrenkung. - 8. J»** Dr 14 Jordan in Heidelberg:
Vorbehalten. — 9 - W U^ber die Massage-Behandlung der
a) Ueber Pyämie und Sepsis, b) Ueber die mas ^ Q Ha08e m
Fracturen der oberen^ n _ chirurgischer Krankheiten. -
Nordhausen: Die Injectionsbehandlu ^ J ^ Ueber die Heilung
11. Privatdocent Dr. O. Vulpius m Q Th ilo in Riga:
des angeborenen Klumpfusses.^ ' Dr “ e d ’g. Berg in Frank-
Vorlegung einiger Apparate. umfangreichem Blasentumor. -
furta. M.: Heber ei " en Ea l v^rweSng der osteoplastischen
14.Dr.WilliamLevyinBerlm.ZurVenven g ßerlin; Ue ber
Resection des Kreuzbeins. — lo- ur. m.
endovesicale Operationen.
Abtheilnug für Geburtshilfe nnd Gynäkologie.
Angemeldete Vorträge. _
2. ProJsS'^eu
ss sas
Operation. — 4. Professor Böh Würrburg: Thema vor-
schätzung. — 5. Professor ^° Basel- Thema Vorbehalten.—
behalten. - 6 Professor Thema Vorbehalten. - 8- Dr.
7. Geh.-Rath Olshausen in Berhn. Thema vagina ie VeBico-
Mackenrodt in Berlin: Heber abdoi ^' n a t 8bur( , ; Thema vor-
fixation. — 9. Director Dr. Fre "° d ff • Halle . Ueber Scheiden-
behalten. - 10. Professor von Her« m VM D r.Oefele
krebs nebst Bemerkungen über Impfrecidwe. ^ Ca i tU rvölker. -
in Neuenahr: Gynäkologie vor vorbippokratiscne __ Professor
12. Dr. Kötschau in Köln: Them* ^ der Gynäkologie.
D ö d e r 1 e i n in Leipzig: Die neuen Operations' en z der Pftra
- 14 Dr. Kugelmann in Hannover: Die Benanm■ » Eberhsr t
metritis und deren Producte ohne 0 P. e n ra J) a B eh J d i U ng' - 16- Dr.
in Köln: Ueber den Werth der Dr. Strassmann
Walther in Giessen: Thema Vorbehalten,
in Berlin: Thema Vorbehalten.
Abtheilung für Kinderheilkunde.
Angemeldete Vorträge.
Angemeldete vomagc. Loo8 in
Haupt-Themata. 1. Spasmus gl? ttidia -. E p J®f ^2^ Angeborene
Innsbruck. Correferent: Dr. Friedr. Fisckl*” Krankheit). Referent:
spastische Cerebrospinal-Paralysen (Littlesc a " eren { D r. Freud
Med.-Rath Professor Soltmann in Leipzig.
m ^Einzel-Vorträge. 3. Dr. Julius f ®, h -? lid A^Körperwacbsthum.
Ueber Schilddrtisen-Therapie bei zurückbleibendem Kdr^rw
- 4. Dr. Ritter in Berlin: Ueber den Keuchhusten Central8tatio n,
Biedert in Hagenau i. E.: Heber bacteno gisch ^ CaMerer
mit besonderer Rücksicht auf die Diphtherie. • F uenin )lch
in Urach: Heber die chemische Zusammensetzung der
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4. August 1896.
ÄÄ.t.?: ftgar. Ä ri r* -
Spasmus elottiHiq P zl 8- a ) über die Beziehungen des
C ianiotabes. g b ) z“
Ueber feltene GeÄn"
heim er m München: Ueber Saufir«tr,fF i?f^o»K 9 ' u ?PPen-
ÄSfir. “
s är^
in Wien: lieber Exantheme der hereiiton Sy^hilU W° S n'
ÄnVV“ in “"‘W 1 »* Thema yo^SaS ü Priva !
zur Pathologie der NierenerLnk'ungen de. Kind.’.ältma 1? p*£
Ät S-HÄe-
KindL - E 22 Priv a ?H Celll ‘i°i? erati0 ? bei Leber-Echinococcen 6 des
Hypoplaeien des ZahnechmelzL “und fhre Bezie^g^S eÜ
StypS 1 “ d6r 8 ° g - Hutch bison' 8 chen Zahne
imSd* i ?!• n' J’^ r u m ? P i n Graz: Deber Cystitis
hÄung° rmen ^ ny^Phalie 8 !»
Abtheilung für Neurologie und Psychiatrie.
Angemoldete Vorträge
» Ä^iTrät
vorhe C hahp E,1CeP 4 a p tl8 f "n 3 V, Dr Friedmann in Mannheim: Thema
iri? A^V* 7 4 ' Pr0f ' j r ’ Fab ® w in Lausanne: Ueber die Häufig-
5Dr A SteÄTnT f" Pa ^ lys ® in verschiedenen Ländern. -
i S „ te J n m Nürnberg: Zur Frage der Trepanation bei in¬
operablen Tumoren. — 6. Dr. Bruns in Hannover: Klinische Er-
fahrungen über die Function des Kleinhirns. - 7. Professor Dr.
M. Bernhardt in Berlin: Thema Vorbehalten. — 8. Professor Dr
9 - ]wlln bU Ti r8 w ?, erhn: üebtr Nervosität bei Schulkindern. —
henSttÜFom 5 0ffmann . m Heidelberg: Ueber die familiäre
- w p 0 f!« „ Progreaaiven Muskelathrophie im Kindesalter.
11 w Ti.fi u Dr ; i Jol ! y ’ n Berl,n: Ueber Muskeldystrophie. —
Schnitze in Bonn: Thema Vorbehalten. — 12. Pro-
fessor Dr. Mendel in Berlin: Tabes und multiple Sklerose in ihren
Beziehungen zu Unfällen. - 13. DocentDr. Windscheid in Leipzig:
fc)LIi° rbeha l en i>T 14 ' 5 r - Adler iH Breslau: Einseitig«
' “ « Profe8Sor Dr - Obersteiner in Wien: Thema
Vorbehalten. — 16. Docent Dr. Redlich in Wien: Ein pathologisch-
anatomisches Thema. — 17. Professor Dr. Goldscheider in Berlin:
Thema Vorbehalten. — 18. Professor Dr. v. Monakow in Zürich:
Themä Vorbehalten. - 19. Professor Dr. Fürstner in Strassburg:
9o p eini S e Erkrankungen des Nervensystems nach Trauma —
,1 rofessor Dr. Sommer in Giessen: Motorische Symptome nor-
maier und pathologischer Zustände der lebenden Nerveusubstanz.
M J \ Dr - Busch an in Stettin: Die Psychologie des diluvialen
Menschen, reconstruirt aus vorgeschichtlichen Funden. — 22. Director
r\ 1 ln Frank l urt a - M - : Psycliophische Untersuchungen an
Imbecillen. — 23. Dr. Alzheimer in Frankfurt a. M.: Die ana-
wmmche Ausbreitung des paralytischen Degenerationsprocesses. -
*" Professor Dr. v. Strümpell in Erlangen: Thema Vorbehalten.
Docent Dr. Münzer in Prag: Neue Studien zur Anatomie
aes Zentralnervensystems. - 26. Docent Dr. Beyer in Strassburg:
ueoer doppelseitige ungleichartige Porencephalie. — 27. Professor
j _ ' C * Bwald in Strassburg: Ueber die Beziehungen zwischen
-liTn o Chen Centren der Grosshirnrinde und dem Ohrlabyrinth,
hirnq f 'oQ g ~ r . in Hambu >-g: Ueber Affectionen des Stirn-
SLvm 29, auu Schloss Marbach: Ueber die diagno-
•“i. erw ®^ thba, ' k T e T lt gewisser unbewusst auftretender Hemmungs-
V P P n ‘ S r e f Vr 3 °; D m Unke lhäuser in Giessen: Die diagnostische
Venverthung der Phonographie in der Psychiatrie. — 31. Dr. Al b er
yS n: Verschiedene Typen des Kniephänomens bei Aequili-
hnrung des Unterschenkels und ihre diagnostische Verwerthung. —
Ph 0 „o «. • Pj Auerbach in Frankfurt a. M: Zur Anatomie und
-Rnsysiologie der Nervenfasern.
Beilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift.
739
bürg: Giebt es eine essentielle Phthisis bulbi? - 8. Professor Dr
Abtheilang für Ohrenheilkunde.
Angemeldete Vorträge.
Sor'Sr^F
der PauLhöWe" Deh 4 I8c ^ zb ! ld u n g in den knöchernen Hüllen der
■ A ' Kuhn in Strassburg: Thema Vorbehalten. — 7 P ro -
fessor Guye in Amsterdam: Ueber Behandlung von Erkrankungen
Por^e bei f höh r d l r Nase mit dem Menthol-Insufflatur unddem
SSSSZS^ - D " ° 8kar W °“ ff fa
Abtheilang für Laryngologie und Rhlnologie.
Angemeldete Vorträge.
*. 0 Dn “ ed - Bose ° berg in Berlin: Ueber das Diaphragma
behaUen «"pi* nS, D p ? e,,er 1 $ in Würab «rg: Thema vor-
ttIk U “*?■ Geh.-Rath Professor Dr B. Fraenkel in Berlin-
med Pani P a J bo '°? 18( : he Irritabilität der Nasenschleimhaut. — 4. Dr!
Luftwege 5 Fremdkörper der obersten
Juuttwege. 5. Professor Dr. Körner in Rostock: a) Ueber
I? 1 iS' d1e A v gmen 'fl- ?. Ueb f seröseB Exsudat in der Kieferhöhle
g Ueber die Verwerflichkeit der Narkose bei der Entfernung der
J h r“ d „ e1 ' ~-? r n H Bergeat in München: Ueber Asymetrie
der Choanen mit Demonstration an skeletirten Schädeln. -
1 J 1 I? Berlin; Die Orthoskopie des Larynx
(Spiegelbesichtigung des Kehlkopfs im aufrechten Bilde). —
\ n U . eb ® r die Beziehungen zwischen Stirnhöhle
o S T? P bb H Ä nnth ’ mit - De m °n stra tion anatomischer Präparate.
l7lif*a?ert? _ io" Dr^r S? func tionelle Rhino-
lana aperta 10 Dr. G. Sch eff in Wien: Thema Vorbehalten -
J V yse / m Breslau : Ueber das Verhältnis der
Ozaena zu den adenoiden Vegetationen. — 12. Professor F. Mas sei
m Neapel: Ueber die acuten Verengerungen des Kehlkopfs bei
Kindern und ihre Behandlung. — 13. Di\ med Guam an in in
Neapel: Bacteriologische Studien über die Coryza caseosa. — 14 Dr
med. Martin in Paris: Thema Vorbehalten — 15. Dr. med. Lubet!
Barbon in Paris: Thema Vorbehalten. — 16. Dr. med. Felix
Klemperer: Zur Bactenologie der Ozaena. — 17. San.-Rath
ö7,W, e 'k»U 1 L‘1i Ber i m 1 $ Ueb f r einige seIt enere Fälle von Polypen
in den Nebenhöhlen der Nase, b) Demonstration von rhyno- und
laryngochirurgischen Instrumenten. 3
Abtheilung für Augenheilkunde.
Angemeldete Vorträge.
Anatomia D -r- W Gbthoff in Marburg: a) Zur pathologischen
Di33Ert A d ? S n entl8 ' b) Demonstration von Präparaten (Scharlach-
ln P £i£ d M?? nj I Un ^ ,V ? ) - - 2 ‘ Privatdocent Dr. Th. Axenfeld
A - g: M'^oakopische Demonstrationen. - 3. Professor Dr.
— 4 4L* 1 tj 8 tu Gassen: Ueber Extraction mit und ohne Iridectomie.
5 hofaTn nV - Sa . me T lson Köln: Thema Vorbehalten. -
Med -Rnih°P P*‘n‘ f\ 88 ? n , Lei P z,g: Tbema Vorbehalten. — 6. Geb.
der Netzhantnhl«* r " Scbmid ^'B im P ler in Göttingen: Zur Aetiologie
aer Netzhautablösungen. — 7. Professor Dr. L. Laqueu r in Strass¬
Abtheilung für Dermatologie und Syphilis.
Angemeldete Vorträge.
f , . L Dr. med. C. Berliner in Aachen: a) Morbus Baaedowii und
totale Alopecie. b) Weitere Erfahrungen mit der Zinkoesypuspaste
und Demonstration mit derselben. — 2. Dr. med. Theodor Baer in
Frankfurt a. M : Ueber Aethylendiaminkresol. — 3. Dr. med Emst
Epstein m Nürnberg: Zur Behandlung der acuten Gonorrhoe. -
4 Docent Dr. med. Ehrmann in Wien: a) Neuere Untersuchungen
über die Entwicklung der Melanoblasten (Chromatophoren) mit
Demonstration, b) Zur Pathologie der Frühproducte der Syphilis
mit Demonstration. — 5. Dr. med. Halle in Hannover: Thema
Vorbehalten. — 6. Docent Dr. med. Max Joseph in Berlin: Ueber
Porokeratosis (mit mikroskop. Demonstrat ). — 7. Professor Dr. med.
H. Köbner in Berlin: Thema Vorbehalten. — 8. Dr. med. Kreis
in Zürich: Ueber Balneotherapie bei der Behandlung der Lues —
9. Dr. med. Kuznitzky in Strassburg: Psoriasis unilateralis nach
peripherem Trauma und die Theorien über Aetiologie der Psoriasis —
10. Dr. med. Kuli sch in Halle a. S.: a) Demonstration mikro¬
skopischer Präparate über die Wirkung des Crotonöls. b) Die
Jauet'sche Behandlungsmethode der Gonorrhoe. — 11. Dr med
Kugelmann in Hannover: Sichere Behandlung von Scharlach und
Masern durch continuirliche Ventilation. — 12. Dr. med. Loeb in
Mannheim: Ueber Urcthralsecrete. — 13. Dr. med. Hugo Müller
in Frankfurt a. M.: a) Ueber Anetodermie. b) Experimentelle Unter¬
suchungen über die toxischen Wirkungen des Chrysarobins. _
14. Professor Dr. med. Lassar in Berlin: Projection farbiger Haut¬
bilder. — 15. Dr. med. Neuberger in Nürnberg: a) Weitere histo¬
logische Untersuchungen über die Ehrlich sehen Mastzellen b) Kritik
der neueren Behandlungsmethoden der chronischen Gonorrhoe. —
16. Professor Dr. med. E. Finger in Wien: Thema Vorbehalten! —
17. Professor Dr. med. F. J. Pick in Prag: Ueber Erythromelie und
Erythromelalgie. — 18. Dr. med. S a a 1 f e 1 d in Berlin: Ueber Acne
necroticans. — 19. Dr. med. Joseph Schütz in Frankfurt a. M.:
a) Eine neue Behandlungsweise des Lupus erythematosus, b) De-
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Beilage - Manchcner „edicimecb^W^n»
I IV______
monstration verschiedenerr neuer J fffi» j n
Tfrpnrnach: Secundäre Lues und boolbaae . _ me d.
Wolff in StraBBburgi UeberLeprabacülen ® 8Üchkeit des Stein¬
et phil. Sack in Heidelberg, a) Ueber ^ ^ die thera .
kohlentheers Demonstration mikrosko-
peutische Verwerthung dies ^ 8 "^ th ld Goldberg in Köln a. Rh.:
pischerPräparate.-24-Dr med. ßerin ^ med 0 . Cahnheim
Ueber Älbuminune bei it D J on8tration photographischer
in Dresden. Lepra in l8lan “^ Arthur strauss in Bannen.
Originalaufnahmen). J*6. V Behandlung der Gonorrhoe mit
Debet Technik ^ ^ Max Müflet in Köln: Ueber
Massenspülnngen. — 27. Dr. Q uec k 8 Ubereinreibungen und
die gleichzeitige ^ ®^ w ^? dung j r ,. r „ 7,ülzer in Frankfurt a. M.:
Schwefelbädern - 28 ? Dr ^«Tauf den menschlichen Steff-
Ueber den Einfluss des Q Karfunkel in Breslau Cudowa: Bei¬
wechsel. - 29. Dr. med. in Breslau: De-
trftge zur Kataphorese. 30. E • Hautnilze. — 31. Dr. med.
monstration von Präparaten g für Bez i e hungen des Lupus ery-
Buschke in Breslau- a) Uebe ^ menBchlichen Haut.
thematodes zur Tuberculose. ) nnd die Deckung des Defects
4 Die radicale Exstirpation des Lupus «rad djev^. g . q Brealau;
durch Krause sehe Ea PP e “\, ,i PR Aetlivlendiaminkresols (Kresolamins)
Ueber den Desinfectionswerth des Aethylenumni^ _v ^ Dr med
und seine praktische Verwendu g d D £ odellen mch der
’mS l -JS“ür med Steinschneider in Franzens-
Born sehen Methode. Gnnococceu — 35. Dr. med. Julius
bad: Ueber die Cdtur d G Behandlung des Trippers
^^derjauÄSMetL. -36. Dr med Karl Herxheimer
L Frankfurt a. M.: Ueber Impetigo contagiosa.
Abtheilung für Zahnheilkunde.
Angemeldete Vorträge. dit
1. Privatdocent ?n
Ueber die Wiederherstenung k ank^ Demongtrfttionen an mehreren _
durch Kuppelfüllungen, mit p kts b Fritz Schäf fer-Stuckert let
Phantomen - ^ Z^rat Dr. dent. sur^ gtickstoffoxydul . NarUo8e M:
in Frankfurt a.M.. Die Analgesie Formalin und seine An- I 5.
5
KÄÄ rSfvS 3
LlÄerKtechU-B.»» f
S* üsur^sssi s *
mmmsmßä
Biphter in Berlin: Thema Vorbehalten. — 16. Zahnarzt 1
£ u£i\) l£S3i amCe a rJc 0 alrande (Demonstiatiou). b) Prä-
naration der einwurzligen Zähne für Kronen und Bruckenarbeiten.
Operation in der Narkose (Vortrag und Demonstration). Abnehm-
Sre Brücken aus Edelmetall und Edelmetall mit Kautschuck com-
Srt (Demonstration), d) Neue Modellirmetbode für Kautschuck-
gebisse (Demonstration).
Abtheilung für Anatomie.
Angemeldete Vorträge. I
1. Professor Dr. Wald eyer in Berlin: Zur Kenntniss der I
Anatomie des knöchernen Beckens. - 2. Professor Dr. Karl v. Barde¬
leben in Jena: Eine neue Theorie der Spermatogenese mit De- 1
monstration von Präparaten von Monotiemen Beutelthiei-en . und
Mensch. — 3. Zahnarzt M. Morgenstern in Frankfurt a. M.. Die
Entwicklung des Zahnbeins unter dem Einflüsse f unctioneller Beize. j
4. Professor Dr. Max Flesch in Frankfurt a. M.: Mikrochemische l
und biochemische Untersuchungen an Nervenzellen.
Abtheilung für Physiologie. ]
Angemeldete Vorträge.
1 Professor Dr. A. Herzen in Lausanne: Thema Vorbehalten.
— 2. Dr. Ad. Jo 11 es in Wien: Beiträge zur Kenntniss der GaUen-
farbstofle lind Harnfarbstoffe. — 3. D r. K. Kaiser in Heidelberg.
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von
.»x x Koi der Muskelcontraction wirksamen Kräfte. -
Ueber die Natur der b . q Göttingen; Thema Vorbehalten. -
4. Professor Dr. H. D i’ M . Ueber das Protogen (Methylen-
5. Dr. F. Blum in Frankfurt a^. VerhalteQ _ 6 Profe880r w.
Albumin) und ph ?j eber g die Menge der Nahrungsbestandtheile
Prausnitz in urw• u
in den menschlichen Faeces.
Abtheil ung für Hygieae, elu.chl. N.bn. n g»mitteto.er,ech m . B .
Angemeldete Vorträge.
„ . tv wank in Dresden: Ueber die Wasserversorgung
1. Professor Dr. Benk mwe« Münster: Ueber die
von Dresden. - 2. Profe88 ^ r ' tzw £sern - 3. Professor Dr. H.
elektrische Reinigung V0I L. Vorbehalten — 4. Wilhelm Krebs
Büchner *‘ M^cbe“: Thema^ ^
in Berlin: a) &nfluss der b) g Jahre8 p r ognosen und Witterungs-
und hygiemsche Verhältn M Grad nördlicher Breite. - 5. Obenmpf-
verhJÜtmsse vom 20. bis üeber V accinale Serumtherapie.-
arzt Dr. L. Voigt a ,n “ a in ^ördlingen: Ueber Antibactenn, ein
6. Dr. Vincenz Wächter insbesondere gegen Tuberculose.
Mittel gegen infectiöse Krankheite . ®° Der Einfluss der Wohl-
— 7. Professor Dr. Pra . u ,. c tprb ii c hkeit der Säuglinge an Magen-
habenheit der Elter ^_ 8uf p {eBgor Dr _ Max Flesch in Frankfurt a.M.:
vSgleichendeXerauchungen über^die
aeteung^und 0 UntersuchunpmetlmdeT^ TOn^Flms^chextract^—
Fettmilch und deren Beschaffende _ ) Ue Börner in Münster:
SÄS^SSg vo 2 n Schweineschmalz.
Abtheilung für Unfallheilkunde und gerichtliche Medien.
Angemeldete Vorträge.
1. Dr. Karl Schindler
die Rückenmarkshäute (M«nngwtiapoplex Oberstabsarzt Dr. D ü m s
gung für Brustwand.
“ÄÄ C^hiZ in Kottbus: Ueber die1 nach Ver-
' letzungen beobachteten Erl J™ nk }j^^ spontane M^keirupturen. -
: ffÜSK'K-iSÄSV,ÄrJ **-£»£*&
: Unfallkranker nach inneren ? Dr Änt0 n Bum in
e S. Brodnitz in Frankfurt a.11.^ Küngel höff er in hrank-
r ?uTa d M.: Ueber seltenere Veränderungen
: _ 11. Dr. J. Riedinger in Y^Srich Ueber Z ug . und Druck-
n Plattfuss. - 12. Dr Kaufm d * AnW eudung
- Änt^e“ ch^i StraWen bei der Begutachtung UnfaUverletzter.
Abtheilung für Tropenhygiene.
Angemeldete Vorträge.
2. Dr. Karl D ä u b 1 e r inVTegel.beii Berlin, u tGl&fyon Götzen
3. Premier-Lieutenant im 2. Garde-Ulanen-B g tropischen Ex-
in Berlin: Ueber Ausrüsteng und Lebensjte.se^u ^ .
peditionen. — 4. StabsaretDr. K *J* D Martin in München:
wesen in unseren Colomen. — ° m ffofrat v Kuliho8pitä ier, wie
a) Ueber tropische Bemittensfomen. ) pl tagenges ellschaften
solche in Nordost-Sumatra von den fnSeltMedicinische
unterhalten werden. - 6 Dr. med. C. M e inse in vag _ ? D
und hygienische Beobachtungen aus^ C Uebe r Blutbefmid und
A. Plehn, Regierungsarzt m Kamerun. Dr med . Ernst Both-
Therapie tropischer ^ a > na fl e J^f nk T r ofenhyg?en?sche Erfahrungen. r
h"S =d die schuupooheein.ph.eg
daselbst.
Abtheilung für MilitHr-Sanitätsweseu.
Angemeldete Vorträge. _ en
1. Dr. Wolffberg in Breslau: Ueb er Behandlung
des Auges. — 2. Stabsarzt Dr. T ’'; ma ^“ n in Frankfurt a. M.:
der Schädelverletzungen. — 3. Dr - Lier “ h „ i BC hweren Verwnn-
Ueber die erste Hilfe und den Tran8 ?^ ^ bearzt Dr. Dü ms »
düngen der unteren Extremität. —^LOberete goldftten ^ 5. Stabs-
Dr. Passow in Heidelberg: Thema vorbeha ten. ^ vorbehalte n.
1 ä la suite Professor Dr. R. Köhler in Ber • . tik der Seh-
I _ 8 . Stabsarzt Dr. Roth in Potsdam. U^Ä ation sfrage.
| Störungen mit besonder er Berücksichtigung d -
E. Mühlthaler’s kgl. Hof-Buchdruckerel ln MüncUem
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Einzelne Nummer 60 n 4, rand ° zah,bar Münchener
^ 5S r a< ‘nf«“ : ** Wectlofl
* w vy o., VAX lü±y XU JUl mennÄwehnÄ - Zn Uh ‘
MEMCINISCHE WOCHENSCHRIFT
(früher Ärztliches intelligenz-blatt)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
jatiar»».« *• ss* ■!“> ts "<■ Air ■ ‘ü* >■ LI«
Originalien.
Aus der chirurgischen Klinik des Geh.-Rath Czerny in
Heidelberg.
Heilerfolge durch Hypnotismus.
Von Dr. Hugo Starck, Assistent der Klinik.
nn , ,. De . r H r° ti8mUS hat bereits 8einen 50. Geburtstag gefeiert
Zd t n0 lT er 1 ! n f rWiege > ""**»• bei unsinVeutl
, Irankreich hat er seine Kinderschuhe abgestreift
deutemL Achtung und spielt in medicinischen Kreisen eine be-
tende Rolle. Wahrend bei uns ein grosser Theil der Acrzte
nicht mehr von den «Wundern» des Hypnotismus weiss at
hatten' «lfl £ ^^orsteHung anzustaunen Gelegenheit
Tn’ f lt I d,C hypnotische Suggestion in Frankreich als wichtiger
Omrapeutischer Factor in der Medicin. Man schenkt ihr an
unsern Universitäten so wenig Beachtung, dass heutzutage ein
*, edic, " er _J e,8S ' g 8eine Collegien besucht haben kann , ohne aus
dem Munde seiner Lehrer jemals das Wort «Hypnotismus»
~ ™ Nur durch d en verschiedenen Charakter
der beiden Nationen lasst sieh wohl eine so verschiedene Auf-
„ g und Behandlung der interessanten Erscheinungen der
Hypnose erk aren Der Deutschen Charakter ist zu ernst, zu
vSlt’hi r K ,St L U We ' ,ig Phantast ’ Cr ist 2U skeptisch,
vielleicht aber auch zu schwerfällig und wagt sich offenbar nu^
ngern an Mysteriöses; und etwas Mysteriöses, Geheimnissvolles
tan,, man dem Hypnotismus wohl nachreden, wenigstens so lange
man seine Erscheinungen nur auf den Brettern der Zauberbühnc
Gesicht bekam. Wer sich selbst eingehender mit dem Hypno-
ismus beschäftigt hat, wird im Allgemeinen mit seinem gesunden
Menschenverstand fast für Alles eine natürliche Erklärung finden.
iie heutige hypnotisirende Aerztowelt steht nach dem Vor¬
gänge der Nancy 'sehen Schule auf dem Standpunkt, dass das
esen des Hypnotismus in der S ugges t i o n liegt. Nun, weicher
ZI f* 6 “ f ,ner nicht schon suggerirt und durch die
Suggestion Erfolge gesehen! Wendet man nicht häufig Elcktricitüt,
■Hydrotherapie oder innere Medicamente ut aliquid fiat, suggestiv
“ nd , WZ 'f 1 damit offc merkwürdige Resultate, oder ist nicht
schon der Lmstand, dass Patienten beim Erscheinen des Arztes
hren Schmerzverlieren, in vielen Fällen auf Suggestion zurück-
WirL h f \rf Ch c d ' e PerS ° n des Arztes auf die Patienten ausübt?
rnlor ,lJ UCh . w Ufig ? Ine Injection von Aqua destillata wie Morphium,
e mit Wasser begossene Chloroformmaske anacsthetisch ? Wenn
d " V ° n <l Cin ? Reihe von Acrzte " ™ d Physiologen hört, dass
e Wirkung der Suggestion sich in der Hypnose vervielfältigt, ist
vrürvL) * unbegreiflich, warum nicht jeder Arzt cs einmal
gründlich mit der Hypnose versucht, sie ausprobirt wie irgend ein
JrteH üb d-‘I r d "" h die Erfa bran g darf er rieh ein
t ^ ben ’ " icht Sie a priori verdammen ; und
auszumu d lC l dam,t Cxponmcntirt « wird die gebotenen Vortheile
»luszunutzen wissen.
hsmnt WCr f en ja V ° m Hypn0tiseTlr keine übernatürlichen Vcran-
W,e Mufig angcnommen wird - Forcl fordert
Gltd JS*« herapout,scher Erfolge, dass man sich mit grosser
x 7 ““ Begei8ter ung, mit Consequenz, mit sicherem Auf-
No. 32.
“ Klliffen u » d Ei ” fsU “ bewft».
- K rafft-Ebing hält einen beträchtlichen Grad von Menschen
tCZ 3 s,; r bei Anwendung psychischer
'„r 8,ndE, « e "»« h “ ft “, ™ nie schliesslich jedem
tSL ZZ: Steh “ S ° ,Um ™
, W 7 en “ 8 ° mifc cinerseits j ed « Arzt mehr oder weniger hypno-
StnriTl z “ zeugen befähigt ist, so ist andererseits die
gedehnte Well der Men8 ehe«i aller Klassen eine äusserst aus-
fn ..7 p m W , f- St / a “ d nof ^ 3148 verschiedenen Personen
»1 P ° C - hypnotische Beeinflussung hervor, Vogt behauptete
uf Grund seiner Erfahrungen, dass bei jedem geistig gesunden
wird 'frril S i° mna t U H US mielt WCTden kann - ^che Erfolge
Jekn töle ^ “ ”” d ” ct “cg
Hypnotisirbarkcit und therapeutischer Erfolg durch Hypnose
gehen nun allerdings nicht parallel; wie cs kein Universalheilmittel
".unser“ Arzneischatz gibt, so macht der Hypnotismus auch
keineswegs den Anspruch, überall helfen zu können; ein Tumor
lässt sich nicht weghypnotisircn, eine pathologisch anatomische Ver¬
änderung lasst sich durch Suggestion nicht repariren; aber es gibt
doch eine Menge functioneller Störungen, Schmerzen, neurasthenischer
Tw ", Sympt0me > welche der Suggestion zu¬
gänglich sind und bei richtiger Anwendung der Hypnose eventuell
mit Unterstützung anderer Heilmittel zum Ziele führen
Am häufigsten wird daher die Hypnose in Nerven- und psych-
latnsclien Anstalten geübt; auch aus der gynäkologischen und in
seltenen Fallen aus der chirurgischen Praxis wird von Erfolgen
Für die Chirurgie ist die bis zu einem gewissen Grad in der
Hypnose bestehende oder suggerirbare Unempfindlichkeit von grossem
Wcrthe. So erzählt Ford, dass Prof. Ha ab eine Staaroperation
austülirte, wobei Hypnose das Anaestheticum ersetzte. Bern heim
eröffnet« Absccsse, machte Thoracocentesen, zog Backzähne, ohne
dass die Patienten Schmerz äusserten. Esdailc soll sogar grosse
Amputationen in Hypnose ausgeführt haben.
Wenn ich es hier unternehme, einige eigene Beobachtungen
zu erwähnen, so geschieht es in der Ueberzeugung, dass nur stets
sich wiederholende Publikationen über hypnotische Erfolge im Stande
sind, das dem Hypnotismus entgegengebrachte Misstrauen zu zer¬
streuen und die ihm znkommende Stelle unter den zur Medicin
gehörigen Factoren zu fixiren, ferner auch um im Spcciellen seine
\ erwerthbarkeit in der Chirurgie ein wenig zu illustriren.
Psychogene Krampfanfälle im Gesicht und amKörper.
k • h A d “ 11* f e8raa f, d ;J 8 - suchteein 56 jähriger Goldarbeiter S c h.
bei Herrn Geheimrath Czerny Hilfe wegen eines schweren Nerven¬
leidens. Er wurde meiner Abtheilung zugetheilt mit der Weisung
ihn einige Tage zu beobachten und dann der Nervenklinik zuzu¬
schicken Die Anamnese ergab, dass die Mutter an Lippenkrämpfen
gelitten habe, der Vater an Typhus gestorben war Seit 1867
Engigkeit auf der Brust. Im Jahre 1876 gerieth er durch Familien¬
unglück in ein */* Jahre dauerndes Aufregungss adium, in welchem
er stark unter Kopfschmerz und Schlaflosigkeit zu leiden hatte. Viel
häuslicher Kummer. Später hatte er mit Haemorrhoiden und Ver¬
stopfung zu thun. Sein jetziges Leiden begann vor etwa 2 Jahren
mit krampfhaften Mundverziehungen, heftigen Magenkrämpfen,
1
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742
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32
Schlaflosigkeit. Erbrechen. Die Krämpfe nahmen nach und nach
zu, ergriffen die Gesichts-, später Hals-, Nackenmuskeln und Bauch¬
muskeln. Sie wiederholten sich des Tages öfters, so dass er schliess¬
lich seinen Beruf aufgeben musste.
Er consultirte eine grosse Reihe von Aerzten, Allopathen,
Homöopathen, Wasserkünstler, machte auch mehrere' briefliche
Curen durch, alles ohne Erfolg. Sein Leiden nahm schliesslich eine
solche Gestaltung an, dass ihn seine Familie nicht mehr zu Hause
behalten konnte, denn er stiess während der Krämpfe solche Ge¬
räusche aus, dass weder Angehörige noch Hausleute ihre Nachtruhe
hatten.
Bei der Aufnahme fand sich ausser leichter Bronchitis mit
Emphysem, Burgundernase, Leistenhernie nichts Pathologisches. Der
untere Leberrand war deutlich fühlbar.
Die Krämpfe traten 10—‘20 mal täglich auf; bald fiel es auf,
dass sie sich besonders einstellten, wenn ich in seine Nähe kam
und es gelang sofort, dieselben durch Suggestion successiv zu er¬
zeugen. Sie begannen stets im Gesicht, mit abwechselndem, ruck¬
weisem Verschieben des Unterkiefers von einer Seite zur anderen,
oft mit unglaublicher Schnelligkeit; dazwischen wurden die Bucken
aufgetrieben, aus welchen dann die Luft n.it lautem Getöse aus¬
geblasen wurde. Dann gingen die Krämpfe auf Hals- und Nacken¬
muskeln über, so dass das Kinn auf der Brust aufschlug; nun con-
trahirten sich die Bauchmuskeln. dann der Ileopsoas, wobei das
Knie manchmal bis zur Nase fuhr Die Respiration stieg auf 12<»,
der Puls war wechselnd, das Bewusstsein vorhanden.
Neben diesen Krämpfen klagte er über Leib- und Leber¬
schmerzen.
Da die Krämpfe durch Suggestion hervorzurufen waren, so
lag es nahe, sie auch suggestiv zu vertreiben; ich wandte sofort
Hypnose an und versetzte ihn nach der Li 6 b a ul t-Ber n h e i m ’ -
sehen Methode in der ersten Sitzung in die zweite Stufe (nach
Bern heim) des Schlafes, d. h. in einen Zustand, in dem die Augen
nicht von selbst geöffnet werden können. In der Folgezeit wurde
er anfangs täglich, dann alle 2—3 Tage hypnotisirt, jeweils ‘/«—’/a
Stunde lang; nach und nach konnte ich bei ihm die fünfte oder
sechste Stufe errei- hen, d. h. Catalepsie, Contracturen, die nur durch
meinen Willen gelöst werden konnten; Amnesie war nicht herbei¬
zuführen, ebensowenig Analgesie, wohl aber Apraxie Jenes von
Hansen oft demonstrirte Experiment, den Hypnotisirten auf zwei
Stühlen frei schweben zu lassen, wobei nur Hinterhaupt und Ferse
auflagen, gelang bei dem 56 jährigen Patienten mit Leichtigkeit.
Centripetales Streichen der Arme rief Streckeonti^ictur, centrifugales
Beugecontracturen hervor. Solche und andere kleine Experimente
nahm ich während der Hypnose neben der Behandlung vor, welche
in Verbalsuggestion und Bauchmassage bestand, da er sein ganzes
Leiden mit dem schlechten Magen in Zusammenhang brachte. Aus
diesem Grunde pumpte ich ihm auch einige Male den Magen sug¬
gestiv aus.
Das Resultat dieser Behandlung war vorzüglich, denn von der
dritten oder vierten Sitzung ab blieben die Krämpfe vollständig
weg. Beim Beginn der Hypnose auf tretende Mund Verziehungen
Hessen sich jeweils momentan wegsuggeriren.
Nachdem er 17 Tage lang krampffrei war, wurde er ent¬
lassen mit der Weisung, sich in etwa 14 Tagen bis 3 Woehen
wieder einzustellen, denn eine alte Erfahrung lehrt, dass derartige
Erkrankungen nach der ersten hypnotischen Behandlungsperiode
oft recidivircn; um dem vorzubongen, resp. um beim Patienten
nicht den Glauben an den Arzt zu zerstören, bestellte ich ihn
bereits nach so kurzem Zwischenraum. Am 18. März kam er
wieder mit der Angabe, die Krämpfe seien wcggeblieben, nur
müsse er häufig blinzeln und bringe dann die Augen schwer auf.
In den nächsten 8 Tagen, in welchen er in derselben Weise be¬
handelt wurde, konnte weder von mir, noch sonst von einem
Patienten der Abtheilung auch nur ein Zucken am Körper wahr-
genommen werden; am 26. März wurde er «geheilt» entlassen.
Der ehemalige Patient besuchte mich jetzt wieder und ich
erfuhr von ihm, wie von seiner erwachsenen Tochter, dass er
sicli seit 27s Jahren nicht so wohl gefühlt habe, wie seit dem
Beginn der hypnotischen Behandlung. Die Krämpfe sind ver¬
schwunden, der Schlaf ist gut, Erbrechen ist nie mehr eingetreten,
die Obstipation hat nachgelassen. Kurz, er ist soweit hergestellt,
dass er wieder vollständig arbeitsfähig ist.
Mancher Arzt hat vielleicht mit anderen Suggestionsmitteln
ähnliche Erfolge gesehen und es ist nur auch nur darum zu thun,
die Hypnose für eine allgemeinere Anwendung in unserer Therapie
zu befürworten.
Der folgende Fall gewinnt än Interesse, weil hier die bis jetzt
kaum beachtete difFerentialdiagnostische Bedeutung der Hypnose
deren therapeutischem Werth gleichkouiuit.
Otitis media purulenta mit Verdftcht auf Hirnabscess.
Die 22jährige Krankenschwester K. stammt aus gesunder
Familie. Ein Scharlach hinterliess eine rechtsseitige Mittelohreiternng,
wodurch das Gehör seit 1892 rechts erloschen ist. Verschlimmerung
des Ohrleidens seit 22. XI. 95. )Ain 10. XII 95 wurde die klinische
Diagnose auf «chronisch ejtrige Mittelohrentzündung mit Polypen¬
bildung im äusseren Gehorgang und Cholesteatom« gestellt Am
11. XII. 95 Operation. Aufmeisselung des Proc. mast, Freilegung
des Cavum tympani und der Cellulae mast Gründliche Auskratzung
des Mittelohres. 24. XII. 95. Patientin wird geheilt entlassen.
9.1.96. Wiedereintritt wegen Mangels häuslicher Pflege und erneuter
Kopfschmerzen. Secretion. 24. II 96. Unter dem Einfluss einer
Angina vermehrte Schmerzen und Secretion. 7. III. 96. Auf Wunsch
Entlassung.
30. III. 96. Wiedereintritt. Patientin klagt über starke Schmerzen
hinter dem Proc. mastoideus und allgemeine dumpfe Kopfschmerzen,
heftigen Schwindel.
Status. Untersetztes Mädchen mit etwas gedunsenem Gesicht,
innere Organe normal. Hinter dem Proc. mast eine erweichte
druckempfindliche Stelle. Bewegung des Kopfes durch starke
Spannung gehemmt. Beklopfen des Schädels in Umgebung dieses
Bezirkes sehr schmerzhaft Aus dem rechten Ohr entleert sich
stinkender Eifer.
Wegen Verdacht auf intracranielle Eiterung wird am 4. IV %
in der alten Narbe der Knochen in Markstückgrösse trepauirt und
der Sinus freigelegt. Da keine wesentlichen Veränderungen am
Knochen zu finden waren und die klinischen Erscheinungen für
eine intracranielle Eiterung zu wenig ausgeprägt waren, wurde von
weiterem Vorgehen abgesehen.
Vom 27. IV. ab rasch zunehmende Verschlimmerung, contiuuir-
liches Fieber, Morgens 38°, Abends 38,7—39°, starke Kopfschmerzen
in der rechten Scheitelbeingegend, kein Punkt erhöhter Druck¬
empfindlichkeit, keine Herdsyinptome, keine Stauungspapille. Absolute
Schlaflosigkeit. Nach jeder Nahrungsaufnahme Er¬
brechen, wesshalb in letzter Zeit Ernährungsklystiere gegeben werdeu
mussten. Periode seit 10 Wochen ausgeblieben, keine Anzeigen
von Schwangerschaft. Der Schwindel ist so stark, dass Patientin
das Bett nicht verlassen kann. Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Hirn-
abscesH. Ein Eingriff schien dringend nothwendig, der Schädel
sollte aufgemeisselt werden, die Patientin lag (am l. V.) bereits auf
dem Operationstisch Doch, da in Folge des Fehlens von deutlichen
Herdsymptomen keine genaue Localisation der Eiterung zu stellen
war, wollte Geh. Rath Czerny erst einen Ohrenspecialisten consultiren.
Die Consultation mit Herrn Professor Pas so w führte zu keiner
Entscheidung. Man wollte nodi einige Tage zusehen, auf Herd¬
symptome achten, unterdessen sollte aber das Erbrechen, das zum
Theil als Hysterie aufgefasst wurde, suggestiv behandelt werden
Die Patientin wurde mir von Herrn Geh. Rath Czerny zu diesem
Zweck am 8. V. überwiesen. Sie sali ziemlich eiend, anaemisch aus,
konnte ausserhalb «los Bettes keinen Schritt machen, ohne gehalten zu
werden, klagte über beständige Schmerzen im Hinterkopf, besonders
rechts, gab an, seit >4 Tagen gar nicht mehr geschlafen zu haben,
trotz Schlafpulver; seit derselben Zeit brach sie alle Nahrung, im
Tag oft 5—6 Mal, kam dabei so herunter, dass Nährkiystiere
gegeben werden mussten; sie verursachten Leibscbmerzen.
Nachdem ich durch gründliche Untersuchung und eine für sie
verständliche Besprechung ihrer Krankheit, wobei ich das ganze
Leiden vom schlechten Magen abhängen liess, etc. ihr Vertrauen
gewonnen zu haben glaubte, begann ich sie mit dem hier noth-
wendigen Heilverfahren vertraut zu machen und sie zur Ueber-
zeugung zu bringen, dass es die einzige rationelle Methode in diesem
Falle sei. Nach dieser (stets nothwendigen) Vorbereitung ging ich
sofort zur Hypnose über. Im Folgenden gebe ich einen ganz kurzen
Auszug aus der Krankengeschichte:
8. V. ab. (Abends •/»7—7 Uhr.) Corabinirte Methode führte sie
nur in behaglichen Zustand. Kreismassage des Magens; Verbal¬
suggestion gegen das Erbrechen
9. V. (Abends 6 — 6‘/s Uhr) Patientin hat heute alles gebrochen
Streichen über Stirn, Fixation, Zählenlassen, führt sie bald in einen
leichten, kataleptischen Zustand, so dass die Augen nicht mehr
geöffnet werden können. Während der Hypnose Verabreichung
einer Tasse Milch, « welche nicht gebrochen werden kann ». Magen¬
massage, Verbalsuggestion auf Schlaf, Erbrechen.
10. V. (Morgens 10 Uhr.) Die in Hypnose verabreichte Milch
gut ertragen. Seit langer Zeit hat Bie nach gestriger Suggestion
zum ersten Mal 2 Stunden geschlafen, Euphorie, das Fieber erreicht
seit dem 8. V. nicht mehr 3o°. Combinirte Methode: bald Kata¬
lepsie in Armen und Fingern. « Es ist, als ob die Flexen zu kurz
wären, wie wenn Sand in den Augen wäre»; der ganze Zustand
«so möchte ich immer bleiben». Im Schlaf eine Tasse Milch.
Magenmassage, Verbalsuggestion auf Schlaf und Erbrechen gerichtet.
Seit gestern bestehende Nackenschmerzen verschwinden nach einigen
Strichen (kehrten später nicht wieder).
11. V. ah. (Abends 6— 3 / 4 "7 Uhr.) Die in Hypnose verabreichte
Milch wurde gut ertragen, wohl aber gestern Mittag getrunkene er
brochen. In der Nacht gut geschlafen I Rasches Eintreten von
Katalepsie. In verschränkter, sehr ermüdender Armhaltung bleibt
sie B /* Stunden unbeweglich, sagt «sie ruhe bequem». 2 Tassen
Milch werden ohne Nachtheil getrunken. Verbalsuggestion. Magen-
massage. Suggestion gegen den Kopfschmerz.
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11. August 1896.
.Münchener mbdicinibche Wochenschrift
.-ä
lepsie. Eine verabreichte pliL n' 60 Secunden , n tiefer Kata- die siel, lammim darf n,cht e,ne Krankheit,
JK£SSS “ - k “ — K ”
Erbrechen^ **** ^ ^otisc-he Sitzung, Mittags und Abends Wder Abneigung des Körpers
fi 8 V Um A iLTzen 0 dii efi Hvn n ' DUr n °f Schwindei vorhanden, innerhalb ^*“ K ! ankh * it8bi,d «“« Hirneiterung vortäuschte,
Steigerung, ÄTvottS’ Ä ge " h nge Temperatur- LTn W 1 ^ " 0 ""°“ SChW ° rC *** taUg,ichen ,cb «>«-
bestelle ich eine neue Portion Rühreie? Slohe «;?“ E " brechen 2 . ~ 133 avUm ‘W» sich mit Granulationen
stete b, üi C ^en U Hypnoserauin *' gef^ esl ^ch windds ^ ^
Suggestion gege/SchwTndeT. fJÄ Ve f a| -
Kogeite. Ein in tiefem Sch.^Ä^^^
Dieser Fall lehrt, wie wichtig die Hypnose für die Differential-
uiagnose werden kann. Die Diagnose auf Hirnabscess war wohl
berechtigt. Denn wenn zu einer chronischen Otitis media Fieber
, . 21 - V-.96. Hat heute gar keine Beschwerden mehr kein Fr K^r”' h ? h ™ hcn ’ Schwindel mit so bedrohlichem Charakter
dlss PatientinS!l eh h gUter .‘^ hlaf ’ Schwindel liess mch lo w'r nl H' S ° u **** ™ IIirnabscess zu denkc " «ein ; der Puls
Patmntm heute ebenso sicher und rasch wie ein Gesunder geht. J” allerdin « s "»<*“ wesentlich verlangsamt, er war ungleich, die
SzeT^äÄÄ« — -* Poolsen ^uge’nver
Bi,d - *»«. i «BBS
asssssr t itf r r ««kskä
Ihren WillenTliun müs'se^'wifi’chhe^wünMhJ" “ " ~b?T
einen grossen Salzbrocken zu essen und frage sie, wie es sfhmeckT
Nach längerem Probiren meint sie, .es schmecke
zucker» Bald darauf empfindet sie Durst. .Ich werde die Schwester
c£e ior sie U hh“ en N M S h b ° len! * Statt der Schwester trUt efn
h2 fairt sie-.Üw 1 ” "® “ ihm die Schwester erkannt
S,“’Ä "dÄ““' h0 ’“ S, ' e "" r “ he th “
. a- N M h S “** e8ti J on auf Anaesthesie kann ich ihr eine Nadel tief
in die Musculatur des Armes einstechen, ohne dass sie zuckt oder
etwas spürt. (NB. sie ist sonst sehr empfindlich )
«Sie haben mir heute einen hübschen Blumenstock geschenkt
JJ5. t h *‘ «8 ek °8tet?» (Lachend): «Herr Doctor, das brauchen Sie
nicht zu wissen, das erfahren Sie nie!» (Bitten von meiner Seite
und S nach Uf — Widerstand.) Mit etwas energischer Stimme
und nach einigen Stirnstnclien: Sie wissen, dass Sie mir alles sagen
müssen was ich wissen will Also! (Zögernd, ganz leise und mit
veränderter Stimme): «öO Pfennig!» Ich lege 80 Pfennig auf jene
Commode, nach Ihrem Erwachen werden Sie das Geld nehmen
£)® f 8 ® n ", nd Hanfe der Woche eine ganz gleiche Blume
kaufen müssen!» (Ein paar Tage darauf brachte sie mir den Blumen¬
stock, ohne zu wissen, dass ich es ihr suggerirt habe, und dass das
ueld von mir Btammte.)
Nach Suggestion auf Namenamnesie, weiss sie weder wie sie
noch ihre Mutter, noch ich etc. heisse.
«Welches ist Ihr Lieblingslied?» .Freut Euch des Lebens!
icü werde es Ihnen Vorsingen, geben Sie acht wie ich es singe
(leb pfeife es m den höchsten Tönen.) Habe ich gesungen« .Ja
Hoch oder tief ? «Mit Ihrer tiefen Stimme, mit der Sie auch sprechen •»
« ,ch Ihrem Erwachen werden Sie von der Schwester ein Pflaster
verlangen,tes^auf (die Stichwunde) den Arm kleben, dann in mein
zsmmer gehen (in einem anderen Gebäude) von meinem Schreib-
tiscü Ihre Krankengeschichte nehmen und mir ins Esszimmer der
Doctoren bringen!» «Ja!»
«Ihre Nachtjacke ist ja rothl» (Sie bestreitet es lebhaft, denn die
Wachtjacke ist thatsächlich weiss.)
Zwischen diesen Experimenten behandle ich sie stete mit
•Suggestion und Massage und wecke sie nunmehr. Zunächst über-
euge ich mich durch Kreuz- und Querfragen, ob sie irgend etwas
y °\ de “. Vorgängen in der Hypnose. Sie hat vollständige
Amnesie, hat tief geschlafen, weder etwas gehört, noch gesehen
ich frage sie m vollständig wachem Zustand, nach der Farbe ihrer
(weissen) Nachtjacke. y(Nach langem Begucken) Die ist röthlich.»
r ’.k ie *l och frßher weiss - <Ja . die ist einmal mit etwas
Kothem, das abgefärbt hat, in der Wäsche gelegen!»
, . . we ' verlässt sie zögernd das Zimmer, das dritte Mal
g 1 81 ® ra8Ctl auf die Commode zu, nimmt das Geld weg, steckt
«il? v ein -' Ich verla88e 8ie - Bereits nach 2-3 Minuten kommt
„ ® „ Esszimmer mit ihrer Krankengeschichte (sie muss sehr rasch
SV®” 1 ’ o er W . eg , war weit, mein Zimmer bereits dunkel),
warum bringen 8ie mir diese Krankengeschichte? «Ich habe mich
hnh genir *i. 7 egen der Herren » ab er ich dachte. Sie möchten sie
Haben Sie denn da am Arm? .Das ist ein
as ^«' > Wozu? «Ich habe mich wohl gerissen!»
Mn» oUaür u“ f rotoko11 der letzten Sitzung ihres Hierseins; nur
ganz aumähheh gelang es, die Patientin in diesen tiefsten Zustand
uer Hypnose zu bringen. - . • „
anderungen bei Hirnabscess als ganz inconstantc Befunde angesehen
werden. Unter 7 Fällen von Hirnabscess fehlte dieselbe 3 mal. —
Nun war aber der Zustand in Folge des täglichen Erbrechens ein
so deplorabler, dass offenbar etwas Energisches geschehen musste.
Was war natürlicher, als die vermuthete Hirneiterung aufzusuchen
und zu entleeren. Nun, auch bei der heutigen Asepsis und
Antiseptik gehören Manipulationen am Gehirn nicht zu den un¬
gefährlicheren Operationen. So wurde durch die Intervention der
Hypnose erstens das Mädchen vor dem schweren Eingriff bewahrt,
zweitens die Diagnose insofern gesichert, als ein Hirnabscess nun¬
mehr auszuschliessen ist.
Ob die Heilung eine dauernde sein wird, lässt sich nicht
mit Sicherheit sagen. Ich vermuthe wohl, aber cs wird noch
einer langen Nachbehandlung bedürfen. Die Patientin befindet
sich daher noch in ambulanter Behandlung und wird die Woche
durchschnittlich einmal hypnotisirt. Hin und wieder kam cs vor,
dass sie seitdem erbrach oder über vorübergehendeu Kopfschmerz
klagte, aber sie verrichtet alle häuslichen und Feldaibeiten und
fühlt sich dabei wohl.
Während der Hypnose nenne ich ihr stets einen genauen
Termin, an dem sie zu kommen oder zu schreiben hat. Sie führt
den Auftrag stets pünktlich aus; es fällt ihr stets erst zur be¬
stimmten Minute ein, dass sie schreiben will; in der Zwischenzeit
weiss sie nichts davon. Einmal begann der Brief: «Es veranlasste
mich, Ihnen heute Morgen 7 Uhr zu schreiben » ; ein anderes Mal
gibt sic an, sie habe nach Tisch geschlafen, glaubte dann meine
Stimme zu hören, nahm sofort Feder und Papier zur Hand; es
war genau dieselbe Stunde, welche ich ihr vor 3 Tagen in Hypnose
angab. Ich kann ihr in einer Sitzung mehrere Aufträge auf lange
Zeit hinaus geben, von denen sie nach dem Erwachen und später
keine Ahnung hat und welche doch, auch wenn sie widersinnig
sind, genau ausgeführt werden (Suggestion ä CchCance).
Hallucinationen, positive wie auch negative (Bernheim) sind
bei ihr hervorzurufen, welche in wachem Zustand lange .Inhalten.
So bemerkte ich ihr gegenüber ganz beiläufig während der Hypnose:
«I 11 jener Ecke steht ein Pfarrer!» (vcrgl. Bcannis). Eine
Stunde später, als sie bereits wach war und ihre Toilette in Ord¬
nung bringen wollte, sage ich: «Sehen Sie doch in jene Ecke!»
Sic wendet sich sofort um, fährt mich in barschem (bei ihr nicht
gewohntem) Tone an: «Herr Doctor, Sie haben mir fest ver¬
sprochen, niemals Jemand hereinzulassen und nun ist doch Jemand
da, ich werde nicht mehr kommen etc.!» Auf meine Frage
erwidert sic, «in der Ecke stehe Jemand». Wer denn? «Ein
Mann!» Wie sieht er denn aus? «Schwarz, er hat einen
schwarzen Rock an und sieht aus wie der Herr Pfarrer Sp., der
als in die Klinik kommt! » Ich muss hinzufügen, dass sie mich
stets dringend bat, Niemand zuzulassen und keine Ahnung davon
hat, dass fast stets Collegen oder Personal der Klinik zugegen war.
Negative Hallucinationen rief ich so hervor, dass ich ihr sagte:
«Auf jenem Tisch steht nur ein Topf!» Nach dem Erwachen
sah sie alle anderen Gegenstände nicht. Einmal zeige ich ihr
ein leeres Blatt als Photographie. Sic erkennt einen Manneskopf
darauf. Auf die Aufforderung, die Umrisse derselben nach ihrem
Erwachen auf ein Papier zu zeichnen, verfertigt sie in wachem
744
Münchener medi cinische wo cHgNgcHRgT
No. 32.
den alten Indern als
Zustand eine Grimasse, wie sie etwa von
beliebige sensible Ncrvengcbiet, Am, >
sssialils
SSmtssä tSs;
Lthte dnen SO tiefen Eindruck »nf sie, das» .. »» jene. Ver-
b ^“:Ä V^ wegen schwerer chi^scher
Krankheiten des linken Beines das Bett seit über einem Jahr mcht
verlassen hatte, hatte ich bereits 3 mal hypnotisirt; jedesmal wert-
starkerSclimcrzcn sofort wieder in Schlaf versetzen, ^ istw^
"lieh, dass durch successive Ausschaltung der Empfindung die
Anaesthesic erheblich ausgiebiger geworden wäre, doch glaube ich
darnach nicht, dass eine solch schmerzhafte Operation ebensogu
wie in der Chloroformnarkose ausgeführt werden kann Für kleine
Operationen mag die Hypnose von Werth sein ,
Patientin 9 Warzen, zum grossen Theil in der Hohlhand und an
der Fingerbeere, gewiss sehr empfindlichen Körperstellen, mit dem
Glüheisen ausgebrannt, ohne dass sie etwas gespürt oder genickt
hätte Die suggerirte Schmerzlosigkeit hielt lange an; auf di
Ce eine, cSU, wa. *> «r «bwarze Fl«*en 1* 6*
Sic an sie wisse nicht, woher es komme, sie spüre nichts daran.
Erbrechen oder Brechreiz nach der Chloroformnarkose liess
sich schon in einer Sitzung fast momentan vertreiben.
Der Patient mit der Infraction litt an starkem Spitzfass, der
schon bei leichterer Berührung äusserst schmerzhaft war, so dass
eine nothwendige Massage Anfangs unmöglich erschien Ich
massirte ihn daher Anfangs in Hypnose; nach dem Erwachen be¬
stritt er gewöhnlich energisch, dass ihn Jemand berührt habe.
Nach Heilung der Infraction sollte der Patient zum ersten
Mal seit 14 Monaten aufstehen und unter meiner Unterstützung
mit Krücken Gehversuche machen. Er bekam sofort einen Collaps
und musste gelegt werden. Am nächsten Tag versetzte ich ihn
in Schlaf, suggerirte ihm, er werde mit Krücken ohne Ermüdu g
geschickt gehen können. Unter starker Anstrengung konnte er
(mit Unterstützung) den ganzen Saal durchwandern, seinem schweiss-
bcdcckten Gesicht, seiner keuchenden Athmung konnte man die
enorme Kraftanstrengung anschen. Er wurde zu Bett gebrac ,
ich suggerirte ihm, er werde sich Wohlbefinden und meinen, er
habe die ganze Nacht geschlafen. Sofort wurde er geweckt. Er
glaubt, es sei schon der andere Morgen, etwa */«5 Uhr, er fühle
sich sehr wohl, habe die ganze Nacht geschlafen! Meine Er¬
widerung, er sei ja eben im Saal herumgclaufen, beantwortete er
mit mitleidigem Lächeln; mit allen Vernunftgründen ist er nicht
zu bewegen, dass noch Abend des vorhergehenden Tages sei. Er
meint, es sei wohl ein Jourfall gekommen, weil ich schon um
i /,5 Uhr Morgens auf der Abtheilung sei. Derartige Gehversuche
machte ich dann in der Hypnose öfters, beim ersten Mal m
wachem Zustand bekam er wieder einen Collaps. Jetzt hat er
sich auch daran gewöhnt, ohne Hypnose zu gehen.
Bei diesem Patienten fiel mir auch meist die in der Hypnose
auf einen Punkt concentrirte erhöhte Geistesthätigkeit auf. Ich
liess ihn im Schlaf zweistellige Zahlen multipliciren und fand,
dass er etwa die halbe Zeit dazu brauchte wie in wachem Zustand.
Diese Erscheinung ist nicht constant bei allen Hypnotisirten. Es
gelang mir auch öfters, ihn aus tiefem Schlaf in der Nacht direct
. tt «w,.führen indem ich mich ilim leise näherte, ihm
“it FwTr.ti»«.r1cHJ suggerirte; UWWi* konnte icl, mich
"f, fC Lz laut unterhalten, ihn rechnen lasten stechen, 11c»-
mL» oZ mengen cte. Nach detn Erwachen hat er von Allem
““EbeTlehaden durch die Hypnose habe ich noch nirgend,
, «rlaubc nicht an solchen bei richtiger Anwendung
derselben Im Gegenthcil, die Leute fühlen sich so wohl, dass
an ,,dch schon gebeten hat, anstatt eine Morphium,nject.on gegen
sllaCgke t ller Schmerz zu geben, sie einzuscMäfenc
Inn aus dem Vorstehenden glaube ich Manchem, der über
Hvnnoso wenig orientirt ist, wenigstens durch kurze Andeutungen
>P . t zu haben wie viel Interessantes insbesondere in psyclio-
f^tr HinÄ’dcr Hvpnotismus in sich birgt, und dass schon
umT'.seutwillen der Arzt zur Beschäftigung mit denselben an-
gCrCS ‘wTdTc Verwerthung in der Chirurgie anlangt, .0 wurde
I
kann auch gelegentlich eine Laparotomie, etwa bei alten cblorof
ÄeÄ Hypnose zugä
und finde selten einen, der nicht hypnotisabol wäre — 80 er *°™
zu ersetzen.
Ueber Ozaena, ihre Aetiologie und Behandlung ver¬
mittels der Elektrolyse.
Von Dr. Bayer in Brüssel, Abtheilungschef für Laryngologic und
Otologie am Chirurgischen Institut zu Brüssel.
Die Ozaena ist heutzutage auf dem Gebiete der Rbin.logic
Taeesfragc. Diese widerliche Krankheit, welche in ein
gSSen Zustand dem Betroffenen den Un.gang mit Sem^
gleichen unmöglich macht, wurde bis auf die neueste
der Mehrzahl der Aerzte als unheilbar betrachtet un
heute noch dafür gehalten, mit Ausnahme einer gennge An “
von Rhinologen, welche durch Erzielung wirklicher Hmlunge
bleibender Dauer die Ueberzeugung von deren Heilbarkeit ge
wonnen haben. .
Ehe ich auf den Gegenstand näher eingehc und «*_
Glichen Beobachtungen mittheile, ist es vor Al ern von Wicht g
keit, den gegenwärtigen Stand der Frage darzulegen ind uns
Kenntnisse bezüglich der Natur und des Ursp
heit zu erörtern. Was die in dieser Hinsicht ^ tellt ^, h T e n D
anbelangt, so will ich mich nur bei der letzten 1
thoorie aufhalten, welche unstreitig eine der wichtg t
nehmendsten ist, die aber, wie ich im Laufe die**
einandersetzen werde, den Anforderungen nicht * k ^t
welche bezüglich der Genese und Symptomatologie diese ^
an sie gestellt werden können. — L . owen k®? _ „:„ euer Art
einer der ersten, der im Jahre 1884 einen «Mikron eigener A^
und als der in Bede stehenden Affection zugehörig ^
Namen «Coccobacillus der Ozaena» beschrieb; wir w ° wic
fach den Mikroben der Ozaena nennen. Andere A '
Klamman, Tho.t, Hajek, S. M.r.no
ihrerseits dessen regelmässiges Vorhandensein bei _ Natur
schrieben, aber dieselben waren nicht ganz einig ü habe
und die Rolle, welche er bei dieser Krankheit zu sp 1 uud
Erst in den letzten Publicationen von Löwenberg,
Strübing bricht sich eine Uebereinstimmung in
punkten Bahn. Nach Löwenberg ist der Mlkteb. Jer,^™
nicht identisch mit dem Pneumobacillus, mit welch Fom
gemein habe, und weder eine abgeschwächte noch ver
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11. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
745
desselben repräsentire; er sei eben ein Mikrobe eigener Art und
dieser Affectiou speciell zugehörig. Er finde sich massenhaft in
allen Fällen dieser Krankheit und meistenthcils ohne Association
mit anderen Mikroben; man habe denselben bis jetzt nur bei
Ozaenakranken vorgefunden und sein constantcs Vorkommen bei
einer in Bezug auf Gewebsveränderungen und Geruch so bestimmt
ausgesprochenen, ja exclusiven Affection, sei der beste Beweis
dafür, dass diese und der Mikrobe sich gegenseitig bedingen. Es
sei wahr, sagt der Autor, dass es ihm nicht gelungen sei, in seinen
Culturen den charakteristischen Geruch der Ozaena hervorzurufen ...;
ebenfalls richtig, dass er nicht reussirt habe, durch dirccte Ueber-
tragung von seinen Culturen auf die Nasen sch leim haut die Ozaena
bei Thieren hervorzubringen; doch trcfFe dieser Vorwurf so viele
Arbeiten aus der Mikrobiologie, dass cs sich nicht der Mühe lohne,
ihn einer weitern Biscussion zu unterziehen. Ferner sei der
Ozaenamikrobe äusserst pathogen ; sein Nachweis gebe daher nicht
bloss eine neue bacteriologischc Thatsachc bekannt, sondern verrathe
ausserdem das Vorhandensein eines Wesens im Körper des Ozaena-
kranken, welches nur darauf warte, dass sich ihm die Blut- und
Lymphbahnen eröffnen, um fürchterliche Wirkungen hervorzubringen.
«Nicht nur die innere Oberfläche der Nascnschleimhaut beherberge
ihn in unzähligen Massen, sondern er verbreite sich auch bis auf
die benachbarten Höhlen, z. B. den Nasopharynx, in gewissen Fällen
selbst Larynx u. s. w. Jede Schleimhautverletzung könne für ihn
daher Eintrittspforte werden. Die Möglichkeit dieser Gefahr erlege
uns daher die Verpflichtung auf, bei der Behandlung der Ozaena
jeden Eingriff zu vermeiden, welcher eine Verletzung der Schleim¬
haut bedingen und so dem Mikroben die Lymph- und Blutbahnen,
vor Allem die an der unteren Muschel äusserst dicht gedrängten
und gleichsam einen Schwellkörper bildenden Venen eröffnen könnte.
Abel, welcher sich ganz der Ansicht Löwenberg’s an-
schliesst, indem er den Mikroben als charakteristisch für die
Ozaena ansieht, hat in 100 an der Klinik von Prof. Strübing
in Greifswaldc bactcriologisch untersuchten Fällen in jedem einzelnen
Falle, in welchem die klinische Diagnose auf Ozaena lautete, die
Anwesenheit des betreffenden Mikroben, wenn auch nicht immer
bei der ersten Untersuchung, nachwcisen können. Er kommt zu
dem Schluss, dass der Ozaena ein ganz bestimmter wohlcharak-
terisirter Bacillus (B. ozaenae, B. mucosus Paulsen ctc.) zu Grunde
liege. Ausserdem bestätigen seine Untersuchungen die schon vorher
von ihm ausgesprochene Ansicht, dass eine Nasenschleimhaut, auf
welcher sich der Ozaenabacillus ansiedelt und entwickelt, ein Secrct
liefere, welches einen geeigneten Nährboden abgebe für alle mög¬
lichen andern Mikroorganismen und damit auch für Fäulnisserreger.
Das Secret einer chronisch entzündeten Nascnschleimhaut werde
ohne Zuthun des Bacillus kein An siedlungsort für zersetzende
Mikroben und rieche in Folge dessen nicht. Das Wesen der
Ozaena bestehe darin, dass die chronisch entzündete Schleimhaut :
ein zersetzungsfähiges Secrct liefere. Ueberall wo dieser Vorgang
beobachtet werde, sei es nun in der Nase, im Rachen oder im
Kehlkopfe, finde sich auch der Bacillus ozaenae vor. Wenn
Abel und Löwenberg einstimmig den Mikroben als charak¬
teristisch für die Ozaena anerkennen, so sind sie doch bezüglich
des Geruchs verschiedener Ansicht, insofern als Löwenberg den¬
selben dem Coccobacillus zuschreibt, während Abel ihn von den
beigemischten Mikroben herstammen lässt. Diese Frage von unter¬
geordneter Bedeutung wird, wie noch etliche andere strittige Punkte,
wohl bald zur Lösung kommen. Auch ich habe bei allen Ozaena-
kranken ohne Unterschied den Mikroben vorgefunden, aber auch
in Fällen von chronischem Nasen- und Nasenrachenkatarrh, wo
kein Geruch vorhanden war; ferner in dem Nasensecret Ozaena¬
kranker noch einige Zeit nach ihrer Heilung, was übrigens nichts
Auffallendes hat, wenn man bedenkt, dass auch bei andern
bacillären Affectioncn, z. B. der Diphtheritis, der specifische Mikrobe
noch eine Zeit lang nach dem Erlöschen der Krankheit in dem
immunisirten Organismus nachzuweisen ist. Folglich kann der
Mikrobe auch ohne das Syndrom «Ozaena » vorhanden sein. Ge¬
setzt, man nimmt als feststehend an: keine Ozaena ohne Cocco¬
bacillus, wie lautet dann die Explication der Symptome dieser
Affection? Dies hat Strübing in den Nummern 39 und 40
der Münchener Med. Wochenschrift von 1895 darzulegen unter¬
nommen und um zu diesem Ziele zu gelangen, musste er zunächst
No. 82.
mit der alten Tradition brechen, welche der Ozaena unter dem
Namen «Rhinitis atrophicans foetida» drei Cardinalsymptome:
«Rhinitis mit Borkenbildung, Atrophie und Foetor » zuschreibt.
Nach ihm handelt cs sich bei der Ozaena «um einen eigenartigen
entzündlichen Process, der primär meist in der Nase beginnt,
doch auch im Nasenrachenraum entstehen kann. Zunächst be¬
antwortet die Schleimhaut die Ansiedlung des spec. Mikroorganismus
mit einfach katarrhalischen Erscheinungen; möglich, dass primäre
katarrhalische Veränderungen der Schleimhaut das Haften des
Mikroben erleichtern. Die weitere Ausdehnung des Processes ist
mit einer Zunahme der Entzündungserscheinungen verknüpft, welche
ihrerseits stärkere Schwellungszustände der Schleimhaut und bei
jahrelangem Bestand hypertrophische Vorgänge in denselben bedingt.
Die Atrophie ist ein späterer, secundär zur Ausbildung kommender
Vorgang; einmal ein Folgezustand der Entzündung, wird zum
Zustandekommen der Atrophie wohl auch der Druck der Borken
als ein die Vascularisation schädigendes Moment unterstützend
mitwirken. Die Veränderungen des Epithels sind secundärer Art,
bedingt durch den eigenartigen Entzündungsprocess. — Der Foetor
ist eine durch Mischinfcction bedingte Erscheinung. Das Secret,
welches beim Wachsthum der Ozaenabacillen sich auf der Schleim¬
haut bildet, ist zunächst nicht foetid; in ihm ist aber meist kein
Mangel an Mikroorganismen, die stinkende Zersetzung eiweiss-
haltigcr Substrate hervorbringen können (Abel). Der Umstand,
dass der Foetor gelegentlich vermisst wird, findet wohl darin
seine Erklärung, dass in diesen Fällen derartige Mikroben fehlen
oder von andern überwuchert werden, welche diese Zersetzung
nicht bedingen. — Ist so die Ozaena eine an das ursprüngliche
Vorhandensein eines bestimmten Mikroben geknüpfte eigenartige
Entzündung der Schleimhaut, so ist natürlich die Möglichkeit
gegeben , dass diese Entzündung von der Nase oder vom Nasen¬
rachenraum aus in die Nebenhöhlen hinein sich fortsetzt, in die
Tube kriecht und endlich in den Kehlkopf, selbst in die Trachea
ül>ergreift.»
Dies könnte genügen, um dem Leser den heutigen Stand
der Frage klar zu machen und ich will noch kurz die bis jetzt
üblichen Behandlungsweisen der Ozaena berühren, bezüglich deren
Strübing (1. eit.) sich dahin äussert, dass die Therapie der
Ozaena immer ein « undankbares Object » bleibe. Jeder Specialist
hatte sich mehr oder weniger seine eigene Methode geschaffen je
nach seinen Anschauungen hinsichtlich der Aetiologie der Ozaena;
die Behandlung war dementsprechend rein local oder mit einer
antidyskrasischen und antidiathesischen Behandlung verbunden,
die gegen Anacmic, Chlorose, Tuberculose, Syphilis, besonders aber
Scrophulosc, gegen die gichtische und herpetische Diathese gerichtet
war. Ich für meinen Theil war immer für die Allgemeiubehand-
lung eingenommen, selbstverständlich in Gemeinschaft mit der
Loealbehandlung, welche bei den meisten Specialisten nur in der
Wahl der Desinficiens differirte ; für das Weitere war man bemüht,
die Nasenhöhlen vermittelst Einspritzungen antiseptischer Flüssig¬
keiten oder, wie Kuttner, von Wasserdämpfen zu reinigen, und ge¬
nügte das nicht, so griff man zur Tamponade, Massage etc.; war
die Schleimhaut von den Borken befreit, so applicirte man darauf
die verschiedensten Antiseptica, Astringentien, Aetzmittel, Galvano-
caustik etc. Löwenberg macht Einspritzungen mit auf 54°
erwärmten antiseptischen Lösungen, ausgehend von der Eigenschaft
des Ozaenamikroben, dass er in dünnen Schichten ausgebreitet,
beim Contact mit bis auf 54° erhitztem Wasser im Verlauf einer
Minute abstirbt. Ich habe mit dieser Behandlungsweise kein
besseres Resultat erzielt und werde später auf die von mir adoptirte
Therapie zurückkommen. Jedenfalls waren die erzielten Resultate
mit viel Mühe und Ausdauer verbunden und verlangten bei allen
inveterirten Fällen jahrelange Behandlung. Es erschien daher
als eine wahre Offenbarung, der anbrochende Morgen einer neuen
Epoche, als auf der letzten Versammlung belgischer Laryngologen
und Otologen im Juni 1895 von verschiedener Seite (Rousseaux,
Cappart, Cheval)die Heilung der Ozaena in einer einzigen
Sitzung vermittelst «interstitieller cuprischer Elektrolyse» nach
dem Vorgehen von Gautier proclamirt wurde. Cheval be¬
richtete von 91 Proc. Heilungen. Trotz meiner schwer zurück¬
gehaltenen Ungläubigkeit blieb mir der festen Behauptung der
verschiedenen Autoren gegenüber keine andere Wahl übrig, als an
%
74G
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
die Wirksamkeit der Methode zu glauben und ich entschloss
mich dann, dieselbe selbst zu versuchen, zumal die ganz bestimmte
Versicherung der Ungefährlichkeit des Verfahrens abgegeben worden
war, freilich unter der Bedingung, dass der elektrische Strom
18 bis 30 MA nicht überschreiten dürfe. Ich bedauere aber jetzt
schon die Erklärung abgeben zu müssen, dass, wenn auch die
Wirksamkeit der Methode sich in ganz ül>erraschender Weise her-
ausgestellt hat, im gleichen Maasse seine Gefährlichkeit sich er¬
wiesen hat. Ich unterwarf in Gemeinschaft mit meinem Assi¬
stenten Dr. Parmentier eine Reihe von Fällen ausgesprochener,
meist inveterirter Ozaena der «interstitiellen euprisehen Elektro¬
lyse», indem ich mich anstatt einer Batterie von Accumulatorcn,
welche ausserdem der Mehrzahl von Aerzten nicht zugänglich ist,
eines gewöhnlichen, constanten Stromes, eines R ei n iger ’ sehen
Apparates aus 30 Zinkkohleelementcn, bediente mit einem ganz
exaeten Milliamperemeter und einem flüssigen Rhcostat. Eine Nadel
aus Kupferdraht diente mir als positive und eine aus Platin als nega¬
tive Elektrode. Nach gründlicher Reinigung und Dcsinfection der
Nasengänge wurde die Schleimhaut mit einer 10 proc. Cocain-
lösung unempfindlich gemacht; darauf wurde die Kupfcrnadel in
die mittlere Muschel eingestossen bis in den Knochen hinein,
gleichwohl auf deren obere, mittlere oder untere Fläche ; die
negative Platinelcktrodc wurde in die Basis der Nasenschcide-
wand, besonders in etwa vorhandene Knorpclvorsprüngc cin-
gestochcn oder auch in die untere äussere Wand des unteren
Nasengangs. Es wurden sämuitliche 30 Elemente eingeschaltet
und der »Strom langsam vermittelst des Rhcostaton eingeführt, all¬
mählich auf 10, höchstens 15 MA steigend; letztere wurden
übrigens von den widerstandsfähigsten Patienten nicht ertragen
und musste auf 10, 8 und 6 MA zurück gegangen werden, um die
Sitzung auf 10 und 15 Minuten ausdehnen zu können. 4 bis 5M A
verursachten schon Kopfschmerzen, die bei 10 MA beinahe nie
ausblieben, besonders auf der operirten Seite; der grössere Theil
der Patienten klagte über Schmerzen im gleichseitigen Ohr und
von dieser Seite kommen auch die üblen Zufälle, welche ich im
Verlaufe dieses Verfahrens zu beklagen hatte; zweimal hatte ich
Erscheinungen von Seite der Augen und zwar Schmerzen und
Thränenträufeln während der Operation zu verzeichnen, bei einigen
Patienten verlief die Operation nahezu oder ganz schmerzlos. Es
ist mir unklar, wie die andern Experimentatoren auf 18—30 MA
steigen konnten 12—15 Minuten lang, und dass «die Operation
in der Regel schmerzlos sei, obgleich gewisse Patienten
halbseitige Kopfschmerzen angeben oder dumpfen »Schmerz hinter
dem Auge, sei es zwischen beiden Augen, sei es in Folge von
Conjunctivalrcizung mit Thränenträufeln, und dass bei der
grossen Mehrzahl der Fälle keine wesentliche Störung beobachtet
werde. » Entweder bin ich auf aussergewöhnlich sensile Pa¬
tienten gestossen oder bringt der Strom meiner 30 Elemente ceteris
paribus einen anderen Effect hervor, als die gleichwcrthigen M A
der Accumulatorcn ; so viel steht sicher, dass ich absolut nicht die
Meinung von der Gefahrlosigkeit der Elektrolyse theilen kann. Dies
diene zur Warnung! Jedenfalls muss man den elektrischen Strom
als ein gefährliches Agens betrachten und damit in jeder Hinsicht
vorsichtig sein. Während der Action des »Stromes hört man bei
genauem Zuhören ein feines Prickeln, von den beiden Elektroden her¬
stammend, und man sieht am positiven Pol einen bläulichen Dunst
sich bilden, welcher nach Entfernung der Nadeln einen weissen
Schorf hinterlässt, während am negativen Pol weisse Gasbläschen
sich lebhaft entwickeln, nach Entfernung der Nadel einen braunen
Schorf hinterlassend. Die Reaction nach der Operation wechselt
ebenfalls je nach dem Individuum; bei den Einen war beinahe
gar keine Reaction vorhanden und bei Anderen stellten sich
schwere Symptome ein.
Ich lasse nun 7 diesbezügliche Beobachtungen folgen :
1. Mädchen von 13 4 /a Jahren; ausgesprochene doppelseitige
Ozaena; Hypertrophie der Nasenmuscheln, chronischer Nasen¬
rachenkatarrh.
• Elektrolytische Sitzung am 13. XI. 1895 rechterseits; die
positive Elektrode wird in die mittlere, die negative in die untere
Muschel eingestossen; Einwirkung eines Stromes von 10 MA, die
langsam erreicht werden, Dauer 10 Minuten. Bei Beginn stellen
sich Kopf- und Augenschmerzen ein, die aber erträglich werden;
heftige Schmerzen in der Nase. Nach der Sitzung besucht das
Mädchen die Schule, muss dieselbe aber wegen heftiger Kopf
schmerzen verlassen, nach Hause gehen und sich niederlegen.
14. XI. heftiges Fieber, Kopfschmerzen; Anschwellung der
Nase und des Gesichtes; keine Secretion der Nase; kalte Umschläge.
18. XI. Es bilden sich Blasen auf der Nase. Im rechte»
Ohr beginnt sich Schmerzhaftigkeit einzustellen, Entzündung im
äusseren Gehörgang.
20. XI. Otitis externa; Blutblase auf der hinteren Wand des
Gehörgangs, intensive Röthung des Trommelfells, besonders am
Hammerkopf; heftige Schmerzen; Politzer bringt einige Erleichterung.
Allgemeine Abschwellung der Nase von aussen und innen; schleimig-
eitrige Absonderung; die Schorfe sind noch vorhanden.
25. XI. Ausfluss aus dem rechten Ohr; Foetor der Nase ver¬
schwunden; schleimigeitrige Absonderung; Perforat. tymp.
28. XI. Kein Geruch und keine Borkenbildung; Schleim¬
absonderung in der Nase. —
2. Bruder E., 27 Jahre alt; Ozaena beiderseitig und im Nasen¬
rachenraum; starker Foetor; Atrophie der Schleimhaut.
13. XI. 1895. Elektrolytische Sitzung zuerst linkB; die posi
tive Elektrodennadel wird in die mittlere Muschel eingeführt, die
negative in die äussere Wand des unteren Nasengangs; Strom in
30 Secunden auf 10MA; heftiger Schmerz; mehr als 12MA werden
nicht ertragen, wird daher auf 10 MA zurückgegangen. Dauer der
Stromeinwirkung im Ganzen 8 Minuten. Darauf wird die rechte
Seite vorgenommen; positive Elektrode in der mittleren Muschel,
negative in einem Knorpelvorsprung des Septum; der Strom wird
langsam eingeführt und erreicht in 3 Minuten 8 MA; darauf wird
auf 15 MA gestiegen, die aber nicht ertragen werden; man lässt
nun 10 und 8 MA 5 Minuten lang einwirken. — Nach der Sitzung
heftige Kopfschmerzen, welche den ganzen Tag anhalten.
14. XI. Kopf noch empfindlich und verspürt noch die Operation.
15. XI. Mehr Schmerzen als Tags zuvor; kalte Umschläge
auf die Nase.
16. 17., 18., 19. XI. Schmerzen in der Nase und im Kopfe;
Schwindel. Unmöglich sich zu schnäuzen; Gefühl von Verlegtsein
der Nase wie bei einem Schnupfen.
21. XI. Abnahme des Foetor; in der Nase beginnt Schleim¬
absonderung, die sich leicht loslöst.
26. XI. Immer noch etwas Geruch vorhanden, man sieht noch
die Einstichstellen; reichliche Schleimabsonderung; Nase noch häufig
verlegt.
29. XI. Beinahe kein Geruch mehr; die Nase reinigt Bich leicht.
Patient stellt sich anf meine Veranlassung am 26. II. 1896
wieder vor; ich konnte nicht mehr den geringsten Geruch constatiren;
die Schleimhaut hat ein normales Aussehen angenommen und die
atrophischen Partien haben sich regenerirt. Bei der mikroskopischen
Untersuchung des Nasensecrets ist noch der Coccobacillus nach¬
zuweisen, vermischt mit anderen Mikroben, eingebettet in ein Stratum
von Schleimfäden und Plattenepithelien.
3. Ch., 20 Jahre alt; äusseret foetide Ozaena der Nasenhöhlen,
des Nasenrachenraumes und des Rachens; Atrophie der Nasen¬
muscheln und der Schleimhaut. Die Localbehandlung hatte bisher
keinen Erfolg.
Am 14. XI. 1895 elektrolytische Behandlung beider Nasenhälften
zuerst der rechten; positive Elektrode in der rudimentären unteren
Muschel, negative Elektrode im Septum. Der Strom wird langsam
eingeführt bis auf 10 MA; heftiger Kopfschmerz, Thränenträufeln;
Schmerzen an der positiven Elektrodeneinstichstelle, welche die
Patientin mit einer Wunde vergleicht, auf welche man Salz gestreut;
Dauer der Sitzung 10 Min., leidliche Schmerzen des Abends.
15. XI. Patientin fühlt nichts mehr.
21. XI. Der Geruch nimmt ab; Erleichterung für das Schnäuzen,
welches besser von statten geht, als früher; im Pharynx sind nocli
Borken.
26. XI. Die operirte Seite blutet häufig. Elektrolytische Sitzung
der linken Nasenseite, wie bei der rechten; man steigt auf 8 und
10 MA, welche heftiges Kopfweh auf der linken Seite, besonders
den Schläfen verursachen, Dauer der Stromeinwirkung 12 Min.; das
Kopfweh bleibt den ganzen Tag bestehen; starke Absonderung aus
der Nase mit kleinen Blutungen; Klopfen im Kopf.
28. XI. Immer starke Schleimabsondernng mit Ausstossen übel¬
riechender Borken; kein Klopfen mehr im Kopf.
29. XI. Nach Ausspritzen der Nase: keine Borken zu sehen,
weder in der Nase noch im Pharynx; viel Schleim im Nasenrachen¬
raum, was vorher nie der Fall war; keine Entzündungserscheinungen.
4. XII. Noch ein wenig Geruch vorhanden, verdickter Schleim
im Nasenrachenraum, der sich leicht loslöst.
11. XII. Der Geruch nimmt immer mehr ab; die linke Nasen¬
seite ist ganz rein, in der rechten Schleimansammlung; Patientin
gibt an, wenig borkige Schleimmassen auszuschnäuzen; im Pharynx
sind noch Borken.
23. XII. Kein Geruch und keine Borkenbildung mehr in der
Nase, noch etwas im Pharynx.
Patientin stellt sich wieder vor am 16. III. 1896;‘Allgemein-
zustand im Vergleich zu früher ausgezeichnet; in der Nase und im
Nasenrachenraum setzt sich noch dünner eingetrockneter Schleim
an; Geruch nicht wahrzunehmen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Nasensecrets findet
man noch den Ozaenamikroben, jedoch wenig entwickelt und ge¬
mischt mit einer grossen Menge anderer Mikroben.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
747
11. August 1896-
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4. Sch., 20 Jahre alt, Ozaena doppelseitig und im Nasenrachen¬
raum; Schleimhautatrophie; foetider Geruch mit Borkenbildung;
schwache Constitution.
Am 16. XI. 1S95 elektrolytische Sitzung in der linken Nasen-
seite; positive Elektrodennadel in unterer Muschel; negative in einem
Septmnvorsprung; der Strom wird langsam eingeleitet und erreicht
in 2 Min. 8 AJA; geht dann zu 10 MA 10 Min. lang durch; heftiger
Schmerz vorn in der Nase, Klopfen im Kopfe, welches sich beruhigt,
es bleibt ihr nur ein «komisches» Gefühl im Kopfe zurück; den
übrigen Theil des Tages über hat sie fortwährend starken Kopf¬
schmerz.
20. XI. Patientin stellt sich in der Klinik vor und giebt an,
dass es ihr besser gehe und dass der Geruch abgenommen habe;
die Borken bilden sich noch.
22. XI. Unleugbare Besserung, selbst auf der rechten Seite;
der Foetor ist sozusagen verschwunden.
25. und 26. XI. Die Besserung hält an; beinahe keine Borken¬
bildung mehr, desgleichen rechts; kein Geruch mehr.
28. XI. Vergangene Nacht stellten sich Ohrenschmerzen ein; am
29. XI. wurde bei der Untersuchung eine intensive Trommel¬
fellentzündung, besonders der Shrapn ell'schen Membran und Ent¬
zündung der angrenzenden oberen Gehörgangswand constatirt; ge¬
linge Linderung durch das Politzer'sche Verfahren; Verordnung
kalter Umschläge.
30. XL Die heftigen Ohrenschmerzen lassen nicht nach.
1. XII. Idem. Nachts Erbrechen; muss das Bett hüten. Phena¬
cetin innerlich.
3. XII. Ohr läuft; Otitis ext. diffus, mit Wucherungen, welche
entfernt werden; Schmerzen bestehen fort; Zunge belegt. Puls 84.
4. XII. Verschlimmerung des Zustandes; Fortbestehen des Er¬
brechens. Schmerzen im ganzen Kopf.
5. XII. Alarmirende Symptome; Pupillenlahmuug ohne Reaction,
weder auf directe Reizung noch consensuell oder accommodativ;
Cheyne-Stockes'sche Athmung; Koma. Tod am Abend; Autopsie
nicht gestattet.
5. Hortense M, 17 Jahre alt, dem Ansehen nach kräftig con-
stituirt; foetide Ozaena beider Nasenhöhlen und des Nasenrachen¬
raums. Borkenbildung massenhaft.
Am 22. XI. 1895 elektrolytische Sitzung in der linken Nasen¬
höhle, positive Elektrode in der unteren Muschel; negative Elektrode
in einem Septumvorsprung; der Strom erreicht in 3 Min. 4 MA;
Schmerzen; man steigt langsam bis auf 10 MA, welche absolut nicht
ertragen werden; man lässt den Strom zu 6 und 4 MA 15 Min.
wirken. Schmerzen nach der Sitzung; kalte Umschläge bringen sie
zum Verschwinden, ohne dass sie wiederkehren.
23. XI. Fühlt nichts mehr.
25. XI. Besserung links und im Nasenrachenraum; die Secretion
wird flüssiger; rechts noch Borken.
27. XI. Die Besserung macht Fortschritte, auch rechts.
19. XII. Der Geruch ist vollständig verschwunden; keine Borken¬
bildung mehr; Zustand eines chronischen Nasen- und Nasenrachen-
katarrhs.
Januar 1896. Kranke geheilt mit Ausnahme eines leichten
Nasenkatarrhs.
6. Leonie N., 13 Jahre alt; Ozaena mit Hypertrophie der
Nasenmuscheln; Constitution lymphatisch; rapides Wachsthum.
Am 26. XI. 1895 elektrolytische Behandlung der rechten Nasen¬
seite; positive Elektrode in untere Muschel; negative ins Septum.
Strom wird allmählich eingeschlichen und in 3 Min. auf 8 MA er¬
höht; Kopfschmerz; mehr wird nicht ertragen; Dauer der Ein¬
wirkung 6 Min. zu 7 MA und 5 Min. zu 6 MA; nach der Sitzung
wenig Kopfweh.
27. XI. Keine Entzündung und kein Schmerz.
28. XI. Beginn vermehrter Secretion; der Geruch noch vor¬
handen.
5. XII. Besserung; die Secretion wird flüssiger und löst sich
leichter; noch keine grosse Aenderung bezüglich des Geruchs.
7. XII. Geruch nimmt ab.
12. XII. Kein Geruch mehr unter Tags; nur noch des Morgens;
der Nasenrachenraum lässt zu wünschen übrig; bedeutende Besser¬
ung in der Nase.
14. XII. Auffallende Besserung; es existirt eigentlich nur noch
ein chronischer Nasen- und Nasenrachenkatarrh mit starker Schleim-
secretion.
19. XII. Die Nase ist vollständig frei; die Hypertrophie der
Muscheln verschwunden, im Nasenrachenraum noch etwas trockener
Katarrh.
27. XII. Trotz Unterlassens der Einspritzungen kein Geruch
mehr seit 36 Stunden.
31 XII. Die Trockenheit im Pharynx verschwindet gleichfalls.
1. März 1896. Leichter Katarrh in der Nase und Nasenrachen¬
raum; sonst alles in Ordnung.
Die mikroskopische Untersuchung des Nasensecrets ergibt noch
hier und da wenig entwickelte Coccobacillen mit einer Menge anderer
Mikroben.
7. G. Joseph, 15 Jahre alt, seit 4 Jahren an einer infecten
Ozaena leidend, so dass er in der letzten Zeit nicht mehr in das
Atelier zugelassen wurde. Auf der rechten Seite befindet sich in
einer Ausbuchtung der Nasenscheidewand in der Höhe der mittleren
Muschel ein enormer Klumpen von Borken und Schleim, sonst ist
die Nase frei von Borken und im Zustand eines chronischen Nasen¬
katarrhs; ebenso der Nasenrachenraum.
18. XII. 1895. Elektrolytische Behandlung rechterseits; die
positive Elektrodennadel w'ird in die untere Muschel eingestossen,
die negative in den knöchernen Vorsprung des Septums, welcher
das Dach der Ausbuchtung bildet; der Strom wird durchgeleitet
während 3 Min. zu 1 MA, während 4 Min. zu 4 MA und während
2 Min. zu 5 MA; Schmerz rechts in der Nase und im Mund; Herab¬
setzung des Stromes, der noch während 2 Min. zu 4 MA, während
2 Min. zu 5 MA und während 2 Min. zu 4 MA einwirkt; kein Schmerz
mehr, weder im Ohr, noch in der Nase, noch im Mund; kleine
Blutung bei Entfernung der negativen Elektrodennadel; nach der
Sitzung keine Empfindlichkeit mehr.
19. XII. Keine Nachwehen.
21. XII. Kein Geruch mehr; Borkenbildung nimmt ab.
26. XII. Die Borken lösen sich leicht; kein Geruch mehr.
31. XII. Die Besserung hält an; kein Geruch und keine Borken¬
bildung mehr.
7. I. 1896. Die Besserung hält an.
Am 24. HI. stellt sich Patient auf meine Veranlassung wieder
vor; es wird das Fortbestehen der Besserung in der Ausbuchtung
der Nasenscheidewand constatirt, jedoch hat sich auf der anderen
Nasenseite ein penetranter Geruch eingestellt und Borken sich ge¬
bildet; Patient hat seine Nase nicht mehr ausgespritzt.
Die mikroskopische Untersuchung der Secretion der linken
Seite ergibt den Ozaenamikroben vermischt mit anderen Mikroben
in Unmenge. (Schluss folgt.)
Aus der k.k. Universitäts-Kinderklinik von Prof. Escherich
zu Graz.
Ueber einen Fall von angeborener infrapapillaerer
Atresia duodeni.
Von Dr. J. Trumpp.
Am 12. April 1896 wurde uns ein 4 Tage altes Zwillingspaar
(Mädchen) zugebracht; Partus praematurus 7 1 /* Monate. Das eine
Kind bot ausser der den Umständen entsprechenden Lebenaschwäche
keine abnormen Erscheinungen und konnte am Leben erhalten
werden; seine Zwillingsschwester dagegen war schon bei der Auf¬
nahme moribund und fanden sich bei ihr ausgesprochene Symptome
der Sepsis.
Nach den Angaben der Hebamme soll dieses Kind in den
ersten 2 Tagen viel geschrieen haben, seitdem aber völlig stimmlos
sein. Als Nahrung sei etwas Camillenthee genommen, aber jedesmal
sofort wieder erbrochen worden. Eine normale Stuhlentleerung habe
seit der Geburt noch nicht stattgefunden, die Windeln sollen 2 mal
von Meconium etwas beschmutzt gewesen sein. Aus der Nase habu
sich des Oefteren eine braune Flüssigkeit entleert.
Der Status praesens ergibt: Sehr kleines, nicht ausgetragenes
Kind, 45 cm lang, nicht wesentlich abgemagert. Haut von bräunlich
gelblicher Farbe (Ikterus neonatorum), an den unteren Extremitäten
stark cyanotisch. Die Backenhaut, bis herab zum Unterkiefer starr,
lässt sich nicht faltig aufheben. Dessgleichen zeigt der untere Theil
des Abdomens, namentlich aber die Oberschenkel und die Nates,
etwas weniger die Unterschenkel Bklerematoese Beschaffenheit. Der
Nabelstrang noch festhaftend, vertrocknet. Drüsen nicht vergrössert.
Das Knochensystem dem Kindesalter entsprechend, keine Cranio-
tabes. Das Kind liegt regungslos in passiver Rückenlage, mit ge¬
schlossenen Augen, welch' letztere wegen der sklerematoesen Lid¬
ränder nur schwer geöffnet werden können. Leichte Gelbfärbung
der Skleren. Reflexe sind mit Ausnahme der cornealen nicht hervor¬
zurufen. Aus der Nase entleert sich andauernd eine missfarbene
Flüssigkeit, welche schwarzbraune, krümliche Massen mit sich führt.
In derselben lassen sich mikroskopisch theils erhaltene, theils zer¬
fallene rothe und weisse Blutkörperchen, Pigmentschollen und eino
Unmasse von Bacterien, meist Kurzstäbchen, nachweisen. Dio
Rachenorgane zeigen, soweit sichtbar, keine Veränderung. Puls
fühlbar, 104 Schlüge in der Minute; Herztöne dumpf, rein.
Athmung stöhnend, Kind gibt sonst keinen Laut von sich.
Im Bereich des linken Unterlappens tympanitische Dämpfung, da¬
selbst Athmen von bronchialem Charakter. Temperatur subnormal.
Leber und Milz nicht verändert. Abdomen von gehöriger Form,
eher eingesunken. Ham, mit dem Katheter entnommen, trübe,
enthält Albumen, Cylinder, Plattenepithelien, geschwänzte und
runde Epithelzellen. Das Blut erscheint sehr dunkel, klebrig, dick¬
flüssig; die rothen Blutkörperchen zu Haufen zusammengeballt,
keine Leukocytose.
Mit steriler 8pritze wird eine Punction des linken Unterlappens
der Lunge vorgenommen und die aspirirte Flüssigkeit auf Glycerin¬
agar ausgestrichen. Von der aus der Nase entleerten Flüssigkeit
werden Gelatineplatten, aus dem Blute der Zehe und dem Secret
der Nabelwunde (nach Entfernung des Nabelstranges) Glycerinagar-
Strichculturen angelegt.
Das Kind stirbt 14 Stunden nach der Aufnahme in's Spital.
Die am folgenden Morgen vorgenommene Section ergibt:
Scbädelhöhle: Gehirn ohne nennenswerthen Befund.
Brusthöhle; Pneumonia lobul. sinistra.
2 *
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Münchener mbdicikische wocHESgcmg^
No. 32.
denen sicheine ringförm ge Einsd«nürui»B g Entfernung vom
erscheint der Darm total collabirt und leer, u» oq dQrt b - 8 zum
Oesphagus bis zur BnHtaOronemisst 25 cm, die kleine
collabirten Darm 6 cm, die grosse our^ Pylorus-
Jr N ft n h de E r rÖ SteUe ng dlef riÄi^TEinSSJung gelegL ist.
Äodenu d ; r «
in seinem mittleren Theil in einen Ende die Vater’schc
SS.5T »» »4 k.aren
Harn, Schleimhaut zart. Rectum ohne Inhalt, eng.
Drittel des -dUmfä?-
Duodenum
Stelle der 1 JW
Atresle an jF ap fci.
der dorsalen " j, 'Sf-;:' 1 .,'
Wand des [ ^
Duodenum i
Colon
nseendens
Diagnosis: Pneumonialobul. smistr., Atreeia duodeni (Anatom.
pathol. Institut des Herrn Prof. Dr. Eppinger, Graz. No. 21033/219.
13 1 Die^histologische Untersuchung eines Stückchens Lunge ergibt
ausser den charakteristischen Merkmalen der mterstitiellen Pneumonie
nichts Besonderes. Bei der Bacterienfärbung der Schnitte er8che u^
das Gewebe reichlich mit coccenartigen, in Gruppen gelagerten
Kurzstäbchen durchsetzt.
XkUr&bUiUUllCll UUlt/Liot>uov. .
Die Prüfung der in vivo angelegten bacteriologischen Culturen
ergibt: , .
Aus dem Blute: Bacterium coli «alkaligenes». Aut
der Original - Glyc. - Agar - Cultur entsprechend den Blutstropfen
üppigstes Wachsthum, Bact. lactis aerog. ähnlich; die Colomen,
graugelb, schleimig, erhaben, scharf begrenzt, die Blinder wenig
gezackt. !
Auf Gelatine entlang dem Strich üppiges Wachsthum; w:iss-
gelber, erhabener, schleimiger Rasen, die Ränder scharf, kleingezackt.
Auf Kartoffel, erhabener, scharf abgegrenzter Rasen, ähnlich
wie bei Bact. lactis aerog., aber ohne Gasblasen.
Traubenzuckerbouillon im Gärkolbcn zeigt keine Gärung,
im Uebrigen wolkige Trübung, starken grobflockigen, eigenthümlich
schleimigen Bodensatz, an der Oberfläche fetzige, schkicrartige
Häute. Reaction stark sauer.
Milch kommt nicht zur Gerinnung.
Neutrale Lakmusmolke erscheint nach 24 Stunden gebläut.^
o Thiervcrsuchc mit Meerschweinchen (je 1 ccm der 24 Stunden
alten Bouilloncultur intravenös injicirt) verlaufen resultatlos
Aus der Nase: Bact. coli commune und Bact. coli
salkaligenes» n orf . al . Gelatine .p latte n unterscheiden sich deutlich
2 verschiedene Arten von Colonien: a) fast farblose, flache radiacr
gestreifte, scharf begrenzte und unregelmässig geränderte Colomen
und b) weissliche, saftig glänzende, erhabene, schleimige, kreisrunde
Colonien. die den Colonien des Bact. lact. aerog. ähneln, aber
mehr ausgebreitet erscheinen als diese. .
ad a) Auf Agar mässig starkes Wachsthum, blaulichwcisscr,
ziemlich grob geränderter Rasen. . ,
Auf Gelatine schwaches Wachsthum, blaulichwcisscr, fast
durchsichtiger, ziemlich grob geränderter Rasen.
Auf Kartoffel saftiger, erbsengclber Rasen.
Traubenzuckcrbouillon im Gärkolben zeigt nach 24 ««
starke Gärung, erscheint gleicl.mässig getrübt, geringer Nieder¬
schlag, Reaction stark sauer.
Milch nach 24 Stunden geronnen.
Neutrale Lakmusmolke nach 24 Stunden intensiv gerothet.
ad b) Auf Agar schon nach 24 Stunden üppige, schleimige,
erhabene, opake, weissgclbc Leiste mit glatten Rändern.
Auf Gelatine saftige, schleimige, perlfarbcne, wenig gezackte
LC1S luf Kartoffel lichtgclbcr, saftiger, erhabener, scharf ahge-
grenzter Rasen, ähnlich wie bei Bact. lact. aerog. aber ohne
tiaSbI T S ra n ubenzuckerbouillon im Gärkolben zeigt keine Gärung
dagegen wolkige Trübung, starken, grobkörnigen, eigenthümlich
schleimigen Bodensatz, an der Oberfläche grauweisse, schic,erart.gc
Häute. Reaction stark sauer.
Milch kommt nicht zur Gerinnung.
Neutrale Lakmusmolke wird nach 24 Stunden vollständ.g
6 ° blä Thiervcrsuchc mit Meerschweinchen, je 2 ccm pro Kilo Thier .
von 24 Stunden alter Bouilloncultur. Bei intrapentoneakr Injecl tm
sterben die Tliierc nach 12 Stunden unter den für Bact. coh
typischen Erscheinungen. Bei intravenöser Injeetion bleiben die
Thiere am Leben, ohne irgend welche Reaction zu zeigen.
Aus der Nabclwunde. Bacterium lactis aerogenes.
\uf der Originalcultur Agarstrich üppigstes Wachsthum.
Weissgelbe, schleimige, erhabene Leiste mit glatten ^erm M
Gelatine üppige, perlfarbene Leiste mit unregelmässigen, erhabene.
R and< Auf Kartoffel saftiger, graugelber, erhabener Rasen, der mit
zahlreichen, grösseren und kleineren Gasblasen durchsetztierschemt.
Traubenzuckerbouillon im Gärkolben zeigt nach 24
starke Gärnng, erscheint gleichmässig getrübt, geringer s
förmiger Niederschlag, Reaction stark sauer.
9 Milchzuekcrhouillon zeigt dasselbe Verhalten.
Die rntersucliung der Culturen ergab: .
bt Aus dem Blute: reichliche den Tropfen entsprechende Ulonic
^ eines den Colibacillen zugehörigen, bisher noch nicht bc f cl ‘" e
5 Kurzstäbehens, das auf Gelatine in Form saftiger, « Rase
wächst; auf Kartoffel weissgelbe erhabene Auflagerungen^hnhch
en dem Bacterium lactis aerogenes, auf Traubenzucker Saure aut
Lakmusmolke dagegen Alkali bildet. Milch bring c * ,. f
uf Gerinnung. 2 Thierversuche (je 1 ccm intravenös
cn resultatlos, wogegen die Thiere bei intrapentouealcr Injeetion
Z 2 “JTw«- - N»o entwickeln »ich "
Colonien, unter denen man weissglänzcndc, knöpfchen o
iss. habene und andere, mehr in der Fläche ausgebrcitcte, schart,
kt. unregelmässig geränderte unterscheiden kann. Die ***** ** von
ich der im Blute gefundenen Varietät, die letzteren der JP „
Escherich beschriebenen Art der Colibacillen mi er
ng, Wachsthum auf Kartoffel an. Sic bringen die Milch nach 24
lieh den zur Gerinnung und erzeugen im Gärkolben au
tige zuckcrbouillon geimpft Gas und Säure. , > angelegt
Aus den Platten, die vom Secrct der Nabelwund *
werden, finden sich nur spärliche Colonien, welche sich alsn m
lut. mit dem von Escherich im Säuglingsdarm entdeckten B
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11. August 1896.
lactis aörogenes erwiesen: kurze plumpe Stäbchen, auf Agar und
rrs«“ eDzuc “
y 11 Die 7 lb f n CoIonie T n fandcn ■**, allerdings nur 2-3 an der
dürfen ™Ll dem i, Lungensaft angelegten Impfstrich und wir
dürfen weh! annehmen dass die in den Lungenschnitten gefundenen
Kurzstäbchen zum Theil wenigstens als Bacterium lactis anzu¬
sprecheni sind. Ls ist wahrscheinlich, dass die Bacterien mit aspi-
vondcflST“ M dlC L u , ng \ Und V0D da ^ anch wohl direct
von der lädirten Magenschleimhaut aus in’s Blut gelangten.
■ f UCbe l das a ® tiol °S iache Moment der vorliegenden Missbildung
konnte nichts Näheres ermittelt werden. S
JgÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
749
Klinische Erfahrungen über Paramonochlorphenol bei
Larynxphthise.*)
Von Dr. ffedderich in Heidelberg.
Ich möchte mir erlauben, Ihnen kurz mitzutheilen, welche
Erfahrungen wir in der Klinik des Herrn Professors Jurasz mit
Jraramonochlorphenol bei Larynxphthise gemacht haben.
Das Mittd hat Dr. Spengler in Petersburg im vorigen
Jahre sehr warm empfohlen. Sp. machte damit Versuche an Rein-
cuituren von Tuberkelbacillen und prüfte dieselben nach an Meer¬
schweinchen; auch wandte er das Mittel bei 26 Phthisikern an
und erzielte angeblich bei 10 Fällen Heilung.
Auf Veranlassung meines Chefs habe ich etwa 30 Patienten
mit Paramonochlorphenol behandelt und konnte im Allgemeinen
wenn auch in bescheidenerem Maasse — die Angaben Speng¬
ler s bestätigen. Alle Patienten gaben schon nach sehr kurzer
Zeit — gewöhnlich nach zweimaliger Anwendung des Mittels _
an ’ ,hn ; Beschwerden seien gebessert. Insbesondere ver¬
schwanden die Schluckschmerzen und der lästige Kitzel im Halse;
auch wurde die Athmung freier. Objcctiv konnte man nach weisen’
dass vorhundene Ulcera sich reinigten und allmählich heilten.
Die Oedeme gingen langsam zurück, auch verkleinerten sich die
Infiltrate. Bei schweren progressiven Fällen sahen wir, wie nicht
anders zu erwarten, keine Besserung. Von Hei 1 ung dürfen wir
vielleicht nur in 2 Fällen sprechen und auch da nur bedingungs¬
weise, da wir diese beiden in der letzten Zeit nicht mehr gesehen
haben. Nebenerscheinungen unangenehmer Natur waren von
öp. nicht beobachtet worden; wir mussten die Behandlung in 3.
Füllen aussetzen, weil regelmässig nach der Anwendung Erbrechen
auftrat. Die Patienten befanden sich dabei den ganzen Nach¬
mittag sehr schlecht, hatten insbesondere über anhaltende Ue be 1 -
keit zu klagen.
Zu erwähnen bleibt noch, dass absichtlich von operativen Ein¬
griffen abgesehen wurde; die Allgemeinbchandlung wurde indessen
beibehaltcn.
Parachlorphenol ist Phenol, in welchem ein H durch CI er¬
setzt ist; es verhält sich ähnlich wie Carbolsäure und löst sich
schwer in Wasser, leicht in Glycerin. Wir wendeten für den
arynx eine lOproc. Lösung in Glycerin an, welche wir mit um¬
wickelter Sonde auftrugen. 20proc. Lösung macht einen weissen
Aetzschorf wie Acid. carbol. liquef. Wir haben diese Lösung für
die Nase und den Pharynx verwendet.
. ®' e Besultate sind, wie Sie gesehen haben, nicht glänzend;
indessen dürfte dabei zu berücksichtigen sein, dass die poliklinische
Behandlung nicht sehr gut durchgeführt werden kann aus mancher¬
lei äusseren Gründen und sehr oft seitens der Patienten nach
eingetretener Besserung unterbrochen wird. Immerhin verdient P
weiterhin geprüft zu werden.
Feuilleton.
Zur Geschichte des Hauner’schen Kinderspitals.
Von Professor Dr. H. v. Ranlce. *)
Die Geschichte der Kinderspitäler im Allgemeinen geht nicht
weiter zuruck, als bis zum Anfang dieses Jahrhunderts. Bis
dahin gab es zwar an vielen Orten Waisen- und Findclhäuscr,
aber keine Hospitäler für kranke Kinder. Nur verhältnissmüssig
selten wurden kranke Kinder in die Krankenanstalten für Er-
Verhältnissen^ en0nimCn ^ dan “ Unter den ^nBtigsten
Erkenntnis dieser Uebelstände wurde in Paris im Jahre
1802 das frühere Waisenhaus Maison de l’Enfant Jesus in ein
Hospital für kranke Kinder von 2-15 Jahren umgewandelt. Es
■st dies das nachher so berühmt gewordene Höpital des Enfants
Malades, das als das erste und grösste Kinderhospital Europas
für die Entwicklung der Kinderkrankenhäuser nicht nur, sondern
der wissenschaftlichen Kinderheilkunde von grösstem Einfluss ge¬
worden ist. ®
28 Jahre waren seit der Gründung des Pariser Kinder¬
hospitals verflossen, als im Jahre 1830 in der Charitd in Berlin
eine Kmdcrabtheilung eröffnet wurde, die noch heute besteht.
An einigen anderen Orten entstanden einstweilen nur poliklinische
Institute für kranke Kinder, so in Wien, Lonflon, Dresden.
Iui Jahre 1834 wurde in Petersburg das Nicolai-Kinder¬
hospital gegründet; im Jahre 1837 folgte dann Wien mit der
Gründung des St. Annen-Kinderspitals, 1838 Breslau mit der
Anstalt, welche jetzt den Namen Wilhelm-Augusta-Kinderhospital
trägt, 1839 Pest mit dem Armen-Kinderspital.
In den Jahren 1840—1850 entstanden in einer Reihe von
Städten eigene Kinderspitäler, so in Hamburg, Stuttgart, Prag
Moskau, Turin, Berlin, Graz, Frankfurt a. M., München.
Zwischen 1850 und 1860 wurden Kinderhospitäler gegründet
in Basel, Stettin, Kopenhagen, Christiania, London, Liverpool,
Stockholm, Manchester und das zweite grosse Pariser Kinderhospital,
das Höpital Trousseau.
In die Jahre 1860—1870 fällt die Gründung der Kinder-
hospitälcr m Heidelberg, Lissabon, Zürich, Dublin, Rom, mehrerer
m London und des grossen Kinderhospitals des Prinzen Peter von
Oldenburg in St. Petersburg.
Erst in die neueste Zeit fällt die Gründung des Kaiser und
Kaiserin Friedrich - Kinderhospitals in Berlin und des neuen
Kinderkrankenhauses zu Leipzig, wo bis dahin nur ein kleines
ungenügendes Spital bestanden hatte.
Sie sehen, dass unser humanes Jahrhundert rasch und all¬
gemein nachzuholen suchte, was frühere Zeiten in der Fürsorge
für die armen kranken Kinder versäumt hatten. Dabei hat offen¬
bar als weiteres, mächtig treibendes Motiv die Ueberzeugung von
der Wichtigkeit einer genaueren, wissenschaftlichen Erkenntniss
der Kinderkrankheiten mitgewirkt.
Die meisten Kinderspitäler, mit wenigen Ausnahmen, ent¬
standen aus ganz kleinen Anfängen und waren nur auf die Privat¬
wohl thätigkeit angewiesen, sowie auch unser Münchener Kinder¬
spital, zu dessen Entstehungsgeschichte ich mich nun wende.
Unser Kinderspital wurde am 1. August 1846 in einer
kleinen Micthwohnung, Sonnenstrasse 27, mit 6 Betten von Dr.
Hauner eröffnet.
Sonnenstrasse 27, das war ein kleines, unscheinbares Gebäude
mit Schindeldach, das nördlich und etwas schief neben der alten
protestantischen Kirche stand. Gewiss können sich manche der
Aclteren unter uns noch an dieses unscheinbare Häuschen erinnern.
Der Gründer des Hospitals, dessen 'Namen unsere Anstalt
noch heute trägt und statutengemäss für immer tragen wird, war
der damals 35 jährige praktische Arzt Dr. Hauner, geboren zu
Neumarkt a. d. Rott, der seine Studien in München vollendet und
sich dann vorübergehend in Wien aufgehalten hatte, wo damals
eben das erste Kinderspital auf deutschem Boden, das St. Annen-
J ) Rede, gehalten bei der Feier des 50 jährigen Jubiläums des
*1 Vnr, . ) xveue, genauen uei aerreier aes ovjanngen juoiiaums aes
LarvnJni g ’ |. e .j au * der 3. Versammlung süddeutscher Dr. v. Hauner’sehen Kinderspitals, am 1. August 1895 (s. Münch,
aryngoiogen zu Heidelberg. Medicin. Wochenschr. No. 31. 1896. S. 736).
No. 82.
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750
Kinderhospital, von Dr. Mauthner, mit 12 Betten, gegründet
worden war.
Es ist sicher anznnehmen, dass die Gründung des St. Annen-
Kinderspitals in Wien, wie einigen anderen deutschen Aerzten,
so auch Dr. Hauner den Impuls zu seinen Bestrebungen ge¬
geben hat.
Schon im Herbst 1845 hatte Dr. Ilauner um die k. Ge- 1
nehmigung nachgesucht, eine Heilanstalt für kranke Kinder, bis
incl. zum sechsten Jahre, in einer gemietheten Localität gründen
zu dürfen und hatte sich erboten, dazu aus eigenen Mitteln
1000 fl. beizusteuern.
Seine Majestät König Ludwig I. genehmigte das Gesuch
unter der Bedingung, dass die Statuten der Anstalt von der k.
Polizeidirection gutgeheissen würden und dass das Gründungs-
eapital mit 1000 fl. ausgewiesen sei.
Das war der überaus bescheidene Anfang der Anstalt, in
der wir uns heute befinden.
Besondere Unterstützung fand in seinen Bestrebungen Dr.
Ilauner seitens des Geheimen Rathes Professor l)r. v. Walther
und der Frau Obersthofmeisterin Gräfin zu Eltz, welche letztere
das Armenkinderspital zu Pest aus eigener Anschauung kannte.
Auf die Verwendung dieser beiden übernahm Ihre Majestät
die Königin Therese das Protectorat der neu zu errichtenden
Anstalt. »
Aus dem ersten Jahresberichte, den Hauner erstattete, ist
zu entnehmen, dass ausser 1000 fl- vom Stifter, von der Münchener
Liedertafel 1000 fl- und 13G4fl. von 64 Wohlthiitem zum Grün-
dungscapital beigesteuert worden waren. Die jährlichen Mitglieder¬
beiträge betrugen 1158 fl. und für 2 aus fremden Gemeinden
behandelte Kinder, waren 6 fl. vereinnahmt worden.
Behandelt wurden im ersten Jahre 358 kranke Kinder, davon
102 in der Anstalt.
Uebrigens war der Andrang der Kranken zur Anstalt, wie
ich aus dem Munde des Stifters selbst hörte, Anfangs ein sehr
geringer. Als sich eines Tages Ihre Majestät die Königin zu
einem Besuch der Anstalt anmcldcn Hess, musste Hauner rasch
aus dem Ambulatorium noch einige Kinder aufnehmen, um die
6 Betten zu füllen.
Im 2. Jahr ihres Bestehens erhielt die Anstalt von König
Ludwig I. ein Fundationscapital von 7000 fl-, so dass sich am
Schluss dieses Jahres das Anstaltsvermögen auf etwas über 10 000 fl.
bezifferte.
Im Jahre 1848 habilitirtc sich Ilauner als Privatdocent für
Kinderheilkunde an der Universität.
1849 wurde das Haus No. 9 an der Jägerstrasse angekauft
und das Spital dahin transferirt. Im selben Jahre bewilligte
Sc. Majestät König Max der Anstalt den freien Bezug der Medi-
camcnte aus der k. Ilofapothekc. Ich erwähne sogleich an dieser
Stelle, dass auch heute noch die verstaatlichte Anstalt für ihre
armen Patienten des Ambulatoriums und der Poliklinik sehr grosse
Bencfizien aus der k. Hofapotheke bezieht, wofür Sr. Kgl. Iloh.
dem Prinzregenten der innigste Dank dargebracht wird.
Vom Jahre 1850 an bewilligte der Stadtmagistrat München
einen jährlichen Zuschuss von 200 fl., nachdem der Magistrat !
der Vorstadt Au schon im Jahre 1849 jährlich 50 fl. bewilligt hatte.
Im Jahre 1852 spendete der Stadtmagistrat zur Herstellung
eines Scparatlocales zur Behandlung von Krätzkranken einen ein¬
maligen Beitrag von 400 fl. Es dürfte von Interesse sein, zu
erfahren, dass dieses Local für Krätzkranke einem grossen Be¬
dürfnis der armen Bevölkerung entsprach. In unserem gegen¬
wärtigen Krätzsaal werden im Jahre durchschnittlich mehr als
100 derartige Kranke behandelt.
Im Jahre 1853 übernahm der Orden der Barmherzigen
Schwestern die innere Leitung, Wart und Pflege im Kinderspital
und begann damit eine segensreiche ThUtigkeit, die bis zum heutigen
Tage fortdauert und statutengemäss fortdauern wird, so lange die
barmherzigen Schwestern in dem benachbarten Allgemeinen Kranken¬
hause verwendet werden.
Im Jahre 1854 wurden 33 an der Cholera erkrankte Kinder
in das Spital auf genommen.
No. 82.
Nach dem Ableben der Königin ^Therese, welche bekanntlich
selbst der Cholera erlag, übernahm Königin Marie das Protectorat
der Anstalt.
Der Landrath von Oberbayern bewilligte einen jährlichen
Beitrag von 400 fl- und der Stadtmagistrat erhöhte den seinigen
auf 300 fl-
Im Sommer 1855 machte Dr. Hauner dem Magistrat den
Vorschlag, er möge das Hospital, mit einem Kapitalvermögen von
20 000 fl. und einer Einrichtung von 30 Kinderbetten, selbst
übernehmen und dafür einen Neubau ausfübren.
In dem ablehnenden Bescheide des Magistrats, heisst es:
«man verkenne nicht die Wichtigkeit des Kinderspitals, glaube
auch, dass cs früher oder später, sei es als ein Attribut der Uni¬
versität, sei cs als eine Wohlthätigkeitsanstalt, aus der Stellung
einer Privatanstalt in die einer öffentlichen übergehen werde, zur
Zeit jedoch seien die Mittel dazu nicht vorhanden.»
Mit dieser Abweisung nicht beruhigt, stellt Hauner, im
März 1856, die Bitte an den Magistrat, ihm wenigstens ein Dar¬
lehen von 20 000 fl. zu bewilligen, «um einen Kindcrspitalneubau,
nach den besten Musterbauten von Wien und Frankfurt, ausführen
zu können».
Als auch dieses Gesuch, «mit Rücksicht auf die finanziellen
Verhältnisse der Gemeinde» abgewiesen worden war, gelangte noch
im Juli 1856 ein von allen Ausschussmitgliedern unterzeichntes
Gesuch an den Magistrat, um Gewährung eines Bauplatzes.
Diesem Gesuche entsprechend beantragte der Magistrat bei
dem Gcmeindccollegium die unentgeltliche Abtretung eines 20 000
Quadratfuss haltenden Theiles des dem Hl. Gcistspital gehörigen
Angers an der Mathildcnstrasse.
Das Gemeindecollegium erklärte sich zwar mit dem Antrag
im Princip einverstanden, gab aber der Meinung Ausdruck, —
allerdings sehr mit Recht — dass ein Bauplatz von 20000 Quadrat
fuss nicht hinreiche; es würde bald mehr Grund und Boden nach¬
verlangt werden ; Dr. Hauner sei daher zuuächst aufzufordern,
ein ausgearbeitotes Programm seines Baues vorzulcgcn.
Hauner legte nun zunächst den Abriss des Dr. Christ’-
schcn Kinderspitals in Frankfurt vor, «das ihm von vielen Aerzten
als eine Musteranstalt geschildert werde» und später, da dieser
Plan als unzureichend befunden wurde, das Programm für ein
Spital in Hufeisen form, zweistöckig, für circa 100 Betten. Doch
der Plan scheiterte an dem Widerstande der gesammten Nachbar¬
schaft in der Mathildcnstrasse. Auf Grund eines von 40 Adjaccntcn
Unterzeichneten Protestes verweigerten dann die Gcincindebcvoll-
müchtigten die Abtretung des fraglichen Platzes.
Im Jahre 1858 beschloss nun auch der Ausschuss des Kindcr-
spitals, von einem Neubau überhaupt « wegen Unzulänglichkeit der
Mittel» abzusehen und anstatt dessen das Spital an der Jäger¬
strasse durch einen Anbau zu vergrössern, zu welchem vom
Magistrat ein unverzinsliches Darlehen von 4000 fl- erbeten wurde.
Diese Bitte fand Genehmigung und damit kamen die Pläne
des einstweilen zum Prof. hon. ernannten Dr. Hauner bis zum
Jahre 1873 zur Ruhe.
Die Leistungen des Kindcrspitals in diesem Zeitraum waren
stetig wachsende.
Die Zahl der im Hospitale selbst behandelten Kinder war
von 102 im ersten Berichtsjahre auf 347 im Jahre 1872 ge¬
stiegen ; die Zahl der im Ambulatorium uucntgeltlich behandelten
Kinder im selben Zeitraum von 250 auf 2552-
Die jährlichen Mitgliederbeiträge blieben sich während des
ganzen Zeitraums ziemlich gleich und schwankten zwischen 1100
und 1200 fl.
Von Interesse dürfte die Mittheilung einiger ärztlicher Namen
sein, die in den Jahresberichten, sei es als freie Mitarbeiter
Prof. Hauner’s, sei es als Assistenten des Spitals genannt werden.
Bei dieser Namensnennung muss ich mich nur auf Münchener
beschränken. Es sind das: Buhl, Karl Thier sch, Alfred
Vogel, Kcrschcn steiner, Ehrl, Nussbaum, Wert-
li ei mb er, Proxner, Ranke, Riganer.
Als I. Vorsteherin des Vereinsauschusses hatte seit der
Gründung Freifrau von Gumppcnberg functionirt.
Als Freifrau von Gumppenbcrg im Jahre 1871 starb,
wurde von Ihrer Majestät, der Königin Marie, Freifrau
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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11. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
751
von Spei d l als I. Vorsteherin aufgestellt, welche ihr Amt bis
zur Uebergabe des Spitals an den Staat, im Spätherbst 1886,
mit seltener Kenntmss und Hingabe durchführte
Im Jahre 1870 stellte Prof. Hauner ein Gesuch an den
Magistrat um Erhöhung des Jahresbeitrages. Dem Gesuch wurde
zwar eine Folgo nicht gegeben, aber in dem Berichte des Finanz¬
ausschusses über den Gemeindeetat 1871 findet sich die Bemerkung ■
«Der Bestand des Spitals ist für die Stadt eine enorme Wohlthat »'
Im November 1873 hatte sich Prof. Hauner aufs Neue
an den Magistrat gewendet um Ueberlassung eines passenden Bau
platzes zu einem Neubau.
Im Jahresbericht 1875 meldete er: «Der Magistrat der k
Haupt- und Residenzstadt München hat dem Vereine unentgeltlich
einen Bauplatz in der Nähe des Allgemeinen Krankenhauses über¬
lassen, unter der Bedingung, dass dem Magistrate, durch Vertretung
un Ausschuss, Einblick in die Verwaltung gewährt und demselben
das Vermögen des Vereins zugesprochen werde, im Fall dieser sich
auflösen sollte.»
Es handelte sich um einen Bauplatz neben dem pathologischen
Institute an der, damals noch nicht cröffnetenl Göthcstrassc
Doch auch dieses Mal wieder erhoben sich Schwierigkeiten, so
dass der Neubau abermals vereitelt wurde.
Inzwischen war aber das Kinderspitalgebäude au der Jäger¬
strasse schon verkauft worden, so dass die Anstalt in Gefahr
stand, obdachlos zu werden.
Der Jahresbericht für 1876 meldet hierüber: «Die Hinder¬
nisse, welche der TJebcrnahme des vom Magistrat dem Vereine
unentgeltlich überlassenen Bauplatzes und der Inangriffnahme des
Neubaues entgegenstanden, konnten gegen Erwarten vor der Hand
nicht gehoben werden, das Spital musste also transferirt werden
und fand durch das freundliche Entgegenkommen des Magistrates
ein zweckentsprechendes, provisorisches Unterkommen in dem magi¬
stratischen Anwesen in der Gartenstrasse No. 9 » (dem von Herrn
Professor von Maurer der Stadt für wohlthätige Zwecke ge¬
schenkten Hause).
Ucber die damalige Grösse des Spitals erfahren wir, dass
im Ganzen 41 Betten zur Verfügung standen, von denen durch¬
schnittlich 30 belegt waren.
Im Jahre 1875 hatte der Magistrat seinen jährlichen Beitrag
auf 1000 fl. erhöht und im Jahre 1877 erhöhte der Landrath
von Oberbayern den seinigen auf 1200 Mark. Die Vereinsbeiträge
betrugen im Jahre 1877 2258 Mark.
Die neuen Statuten des Spitals, nach welchen als Mitglied
des Vereinsausschusses der I. Bürgermeister delegirt werden sollte,
kamen lange nicht zur Geltung, weil die Gegenleistung des Ma¬
gistrats, die unentgeltliche Ueberlassung eines Bauplatzes für das
Hospital, nicht ausgeführt werden konnte.
Endlich im Jahresbericht für 1880 heisst es: «Das lang
angestrebte Ziel ist erreicht. Der Magistrat hat dem Spital zum
Zweck eines entsprechenden Neubaues einen an der Lindwurm-
Strasse, in der Nähe des allgemeinen Krankenhauses, vortrefflich
gelegenen Bauplatz unentgeltlich überlassen. »
Und weiter folgt die dem Ganzen erst die Krone aufsetzende
Mittheilung: « Se. Maj. der König ertheilte dem Spitale die Ge¬
nehmigung zur Veranstaltung einer Lotterie. »
Durch dieses Lotterieunternehmen im Betrage von 300 000 Mk.
wurden nun dem Spital erst die nöthigen Mittel zugeführt, nach¬
dem bis dahin seine eigenen Mittel doch noch recht knapp und
zu einem grösseren Bau durchaus unzureichend gewesen waren.
Das zum Neubau eines Kinderspitals von Seite d* städtischen
Collegien abzutretende Areal, an der Ecke der Lindwurm- und
Göthestrasse, umfasste 1 Tagw. und 55 Dez. und wurde zu
dem billigen Preise von 1 Mk. 20 Pf. per Quadratfuss abgetreten.
Der sich für die ganze Fläche berechnende Preis wurde auf dem
auplatz an erster Stelle hypothekarisch versichert und sollte so
unge unverzinslich bleiben, als der von der Gemeinde mit dem
Verein vereinbarte Vertrag in Kraft bliebe.
Der Verein verpflichtete sich dagegen, auf dem abzutretenden
Platz ein Kinderspital zu bauen und das Gebäude nur als Kinder¬
spital zu benützen.
Nooh im Jahre 1880 wurde mit dem Bau begonnen und zwar
nach den Plänen des Herrn städtischen Baurathes Zenetti.
Der Bau ging rasch vor sich.
In dem Jahresbericht pro 1881, dem letzten über das alte
Spital an der Gartenstrasse, wird besonders noch Herrn Dr. Alfred
Halm, k. Hofstabsarzt, «der die Leitung der Anstalt schon seit
mehreren Jahren übernommen», und Herrn Geheimrath von Nuss¬
baum, «dem treuesten Anhänger des Spitals seit seiner Gründung»,
dann auch Herrn Privatdocent Dr. Oeller, der die Behandlung
der Augenkranken übernommen hatte, der Dank gezollt.
Endlich am 15 . Mai 1882 konnte das neue Spital, in dem
wir uns hier befinden, eröffnet werden.
Der verdiente Gründer desselben, Herr Prof. Dr. v. Hauner,
war an diesem seinem Ehrentage bereits schwer leidend, so dass
ihm die Verlesung der Eröffnungsrede sichtlich Mühe machte.
Im Jahresberichte 1882 schreibt der Ausschuss: «Dr. v. Hann er
kann mit gerechtem Stolze und grösster Befriedigung auf das Er-
gebniss seines 35 jährigen Strcbens zurückblicken. Er hat ein
grosses Werk geschaffen und den Segen vieler Tausender sich
erworben ».
Wir können uns dieser Bemerkung des Ausschusses aus
vollem Herzen anschlicssen.
Der Jahresbericht 1882 enthält eine Abbildung des neuen
Spitals, zugleich mit einer genauen Beschreibung des Neubaues
von der Hand des nun auch bereits verstorbenen Herrn Stadtbau-
rathes Zenetti.
Die Kosten des Baues hatten 281 657 Mk. 75 Pf. betragen.
Im Jahre 1884, am 11. Juni, starb Herr Prof. Dr. v. Hauner
und die Leitung des Spitals ging definitiv auf Herrn Hofstabsarzt
Dr. Halm über.
Mit dem Neubau der Anstalt waren aber offenbar die An¬
forderungen an dieselbe so bedeutend gewachsen, dass der Aus¬
schuss des Vereins kaum mehr im Stande war, denselben gerecht
zu werden.
Eine Verbindung des Spitals mit der Universität bestand seit
Prof. v. Hauncr’s Tode nicht mehr.
Als im Jahre 1885 das Budget für die XVIH. Finanzperiode
vorbereitet wurde, hatten die medicinische Facultät und der Senat
der Universität einstimmig den Antrag gestellt, das k. Staats¬
ministerium wolle, nachdem das Bedürfniss einor Kinderklinik für
den medicinischen Unterricht immer fühlbarer hervorgetreten, eine
Position, welche die Gründung einer solchen Klinik, zunächst in
einem gemietheten Hause, ermöglichen würde, in das Budget
einsetzen.
Der damalige Herr Cultusministcr, Freiherr v. Lutz und sein
Referent, der damalige Ministerialrath, Herr Staatsrath v. Ziegler,
eröffneten hierauf mit dem Ausschuss des Dr. v. Hauner’sehen
Kinderspitals Verhandlungen, welche die für das Bedürfniss der
Universität denkbar günstigste Lösung vorbereiteten.
Ein Ministerialerlass an den Magistrat, vom 26. Mai 1886,
äusserte sich darüber folgcndcrmassen : «Die Universität München
entbehrt seit langer Zeit einer Kinderklinik. Dieser Mangel ist
um so empfindlicher, als die Behandlung der Kinderkrankheiten
einen der wichtigsten Theile der Heilkunde bildet und nur am
Krankenbette mit Erfolg gelehrt werden kann .... Der Verein
für das Dr. v. H a u n e r ’ sehe Kinderspital, dessen verdienstvolles,
opferwilliges Wirken auch vom Magistrat der k. Haupt- und
Residenzstadt München stets unterstützt und gefördert wurde,
fasste, von der Nothwendigkeit des klinischen Unterrichts in der
Behandlung der Kinderkrankheiten überzeugt, den hochherzigen
Entschluss, diese Anstalt dem Staate zum Eigenthum zu über¬
lassen ...»
Ueber die näheren Motive zu diesem Schritt des Vereins¬
ausschusses erhalten wir Aufschluss durch einen Bericht, welchen
Freifrau v. Spei dl an Ihre Majestät, Königin Marie, erstattet
hatte.
In demselben heisst es: «Das Dr. v. Hauner’sehe Kindcr-
spital hat eine Ausdehnung genommen, welche es zweifelhaft
erscheinen lässt, ob dasselbe mit den Kräften, wie sie einem
Privatvereine zur Verfügung stehen, dauernd weiter geführt werden
kann. Während die Vercinsbeiträge nur 3 229 Mk. entziffern,
betragen die Vereinsausgaben 24 727 Mk. Diese Ausgaben lassen
sich ohne Schädigung des Zweckes nicht kürzen . . . Während
sich die Frage aufdrängt, ob unter diesen Verhältnissen der Verein
8 *
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«NEB »«CBEWO—^
No. 82.
752 __
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die Behandlung kranker Kinder, in noch
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Äi fortbetreiben i diese,bc seg.eicb de. medi-
cinischen Unterrichte zugänglich machen.»
Vermögen an den Staat abgetreten werden Hauner - 8che s
Andererseits soll die Anstalt den Namen . Dr.
Kinderspital fortdauernd behalten; dl ° ba ™^ r ® Allge meinen
sota so lange im Sp** ««■£• * “ „J mr in
Krankenbanse verwendet sind V “ , dcr dem gpitale
SS%«-3:a
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und später auch der Generalversammlung des Kinderspitalvere ^
Inzwischen war auf Antrag des k. Cultusmimstermms von
den beiden Kammern des Landtages beschlossen wordeni, cm
rf . . JJ.V 1R000 Mk für Uebernahme des Kinder-
•Srr r s s-s."
Lss;'Ä.'»=a
. 0 Aar «ent die Verpflichtung übernähme, alle armen lYinaer
der Stadt München unentgeltlich im Spitale zu ’StaaTzu
die vorhandenen Räume reichen. Hiedurch würde der Staat zu
Gunsten der Stadt München eine Last haben
welche im Rahmen der ihm von den Kammern bewilligten »litte
nicht hätte bestritten werden können.
Doch auch diese letzte Klippe wurde glücklich umschifft und
am 23 August erklärte der Stadtmagistrat sieh damit einverstanden
dass 2 der Staat sich civilrechtlicli nur soweit verpflichte dass er
dT armen kranken Kinder der Stadt München ^ ^
zum Betrage der Zinsen des ihm übergebenen rent.rhchen \ er-
mögens unentgeltlich behandelt und verpflegt. „ , ,
Damit war die Grundlage gewonnen zu der Schankungs-
urkunde, welche am 3- November 1886 zwischen dm
des Dr. v.Hauner 1 sehen Kinderspitalvcrcms, des Stadtmagistrats
und der k. Staatsregierung abgeschlossen wurde.
Am 24. November 1886 vollzog sich die Uebergabe des
Hospitals an den Staat in feierlicher Weise, m Gegenwart
Sr. Excellenz des Herrn Cultusmimstcrs v. Lutz und sein
Referenten, Herrn Staatsrathes v. Ziegler, des damaligen
I. Bürgermeisters, Herrn Dr. v. Erhardt und mehrerer Herren
Magistratsräthe und Gemeindebevollmächtigten, einer Anzahl Mit¬
glieder der medicinischcn Faeultät, der Ausschussmitglieder des
früheren Kinderspitalvercins, insonderheit dessen 'Vorsteherin,
Freifrau v. Spei dl und des bisherigen Directors, Herrn Hofrathes
Dr v Halm und vieler anderer Gönner der Anstalt.
Zum Oberarzt der chirurgischen Ahtheilung war der damalige
Vorstand der chirurgischen Poliklinik, Herr Prof Dr. An ge rer
ernannt worden, zum Oberarzt der internen Abteilung und zu¬
gleich zum Director des Hospitals meine Person.
Damit war mir in erster Linie die Verantwortung für das
weitere Gedeihen dieser schönen Anstalt zugefallen.
Das Hospital war in mancher Richtung noch unfertig und
zeigte noch wesentliche Mängel, um seinen Zweck voll und ganz
erfüllen zu können.
In erster Linie hatte im Kinderspital seit Jahren nur ein
Ambulatorium, keine Poliklinik, bestanden. Gerade aber auch die
poliklinische Behandlung, d. li. die Behandlung schwer erkrankter
Kinder in den Familien, entspricht nicht nur einem wesentlichen
Bedürfniss der armen Bevölkerung, sondern auch des Unterrichts
und dient zugleich dazu, der Klinik passendes Krankenmatenal
zur Verfügung zu stellen.
1 rafart noch Uebernahme des Hospitals daran,
Ich ging also ^
mit Genehmigung un d da9 Ambulatorium wurde ein
^r Assistenzarzt 1 "!***. welchem später noch ein Volontär-
arzt beigegeben wurde. nit tlieh mchr als 1000 kranke
Jetzt werden_pro Jahrda^ ^ ^ ^
Jahre F 1094» und im allgemeinen Ambulatorium 6032.
Eine weitere dringende Aufgabe bestand darin einen Hör-
Kine weite » ichfc zu erbauen, da bisher in der
T'/ubT den Unterricht keinerlei Fürsorge getroffen war. E.
i- Erdgeselaoee ™ ^ Jlnn. für o. 70 Hürer
STSS bt" - 1-r Unterricht in de, Kinde
“ ..S87V«
Ä ff f hx sur-iTSt
Gutachten “"aeStsnicn Beschaffung ,0,
Centrahinpfinstitutes nt d.ese ^Srinenhnnses verfügbar.
ly«*«.---«««
keinerlei Schädigung erlitten.
Schon in meiner Rede, gelegentlich der Uebernahme
Direetion am 24- November 1886
den ursprünglichen Plänen Baurath Zenctti s eige
zur IsoHrung ansteckender Krankheiten imGarten des
Sundes in Aussicht genommen waren. Ich sag g d»... ^
Baracken kamen nicht zur Ausführung; ich halte. ab “ 1 An .
Ttellung zum Schutz der Patienten des Hauptgebäudes vor An
Stockung für ein unabweisbares, dringendstes Bedürfniss. »
Anfws hatte ich mich mit dem Gedanken getragen zu
diesem Baienbau die, zum grössten ^oU ^eud ^ ^
Standschaft, schon im Hinblick au eine ^
dem Kinderspital, ersparten Mittel der Rei •
heilanstalt für Kinderkrankheiten zu verwenden und ^
Anstalten zu dem gleichen wohlthätigen Zweck mit einander
Dieser Plan fand jedoch nicht die Genehmigung des hier
zuständigen Armcnpflegschaftsrathcs Mönchen.
Der Armenpflegschaftsrath wies meinen Antrag ab,,
jedoch, vom Jahr 1889 an, dem Kinderspital aus dem »
sehen Fond einen jährlichen Beitrag von 500 Mk ™
«so lange im Sinne der Dr. Reiner sehen ^bungen^
Besuchsanstalt für Kinderkrankheiten im Dr. v. Ha
Kindcrspital fortgeführt wird. »
Die auf diese Weise erreichte Vermehrung der i ^
Hospitals zum Besten der neugegründeten Polikhm
erwünscht; für den Barackenbau musste aber nun
Hilfe in Anspruch genommen werden. , rf .
In dem Jahresberichte für 1888 sagte ich. 8 “ tat
niss nach einem Isolirbau für acute Infectionskrankheiite
sich durch die Erfahrungen des Jahres 1888 noc ^ dnrck .
gestellt als früher. Hier liegt ein Nothstand vor, w ]fond
aus abgeholfen werden muss; und da der Rein jjy| e
dazu nicht verwendet werden darf, muss der o
” ,CrU A f “ rat' fehlenden Baracken für Infectionakrankkei»
zeigte das Hospital besonders noch folgende Mänge .
Es fehlte an Raum, um das Pflegepersonal auch ^
um Eine Schwester vermehren zu können, ebenso waren M
Separatzimmer für zahlende Kranke vorhanden. Dazu
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11. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
753
nothwendig, das obere Stockwerk zwischen den beiden Eckpavillons
auszubauen.
Als ein weiteres Desiderat, rnu die hygienischen Verhältnisse ;
des Hauptgebäudes günstiger zu gestalten, erschien die Herstellung j
geräumiger Veranden im ersten und zweiten Stockwerk, auf welchen
in der wärmeren Jahreszeit die kleinen Kranken, sei es in ihren
Betten liegend oder frei sich bewegend, Luft und Licht geniessen
könnten.
Da es sich nun, zur Zeit als das Budget für die XX. Finanz¬
periode bereits in Berathung stand, zeigte, dass die Finanzlage
des Staates eine sehr günstige war, stellte ich am 20- März 1889
an den Senat der Universität das Ansuchen, den Antrag
1. auf Erbauung eines Absonderungslocales für Masern- und
Scharlachkranke, sowie einer Beobachtungsstation für
zweifelhafte Fälle, im Garten der Anstalt,
2. auf Aufbau des Mittelbaues des Hauptgebäudes bis zur
Höhe der beiden Eckpavillons,
3. auf Herstellung von Veranden im I. und II. Stockwerk,
bei höchster Stelle zu befürworten und die Einstellung dieser j
Bauten in den Neubauetat für die XX. Finanzperiode noch nach¬
träglich bewirken zu wollen.
In der That geschah dies, und Seine Excellenz Herr Staats¬
minister von Lutz, überzeugt von der Nothwcndigkeit der betr.
Bauten, beschloss, das Gcsammtiiostulat den Kammern zur Ge¬
nehmigung vorzulegen.
Die Genehmigung erfolgte Seitens beider Kammern des Land¬
tages und so konnte das k. Landbauamt München mit der Aus¬
führung der Bauten beauftragt werden.
Bis zum Herbst 1891 waren sämmtliche Bauten fertiggestellt.
Die Baracke wurde an der Westseite des Gartens, längs der
Göthestrasse, erbaut und besteht aus drei völlig von einander
isolirten Abtheilungen für Scharlach, Masern und für zweifelhafte
Fälle. Die Bcobachtungsstation für zweifelhafte Fälle liegt in
der Mitte und hat in 2 Etagen Raum für je 4 Betten, während
für Scharlach und Masern je ein grosser Saal mit 10 Betten und
1 Separatzimmer mit je 1 Bett zur Verfügung stehen.
Die Infcctionsbarackc steht seit dem IG. September 1891 in
beständigem Betriebe und hat sich gut bewährt. -- Der Aufbau
des II. Stockwerks und die Verweisung der Scharlach- und Masern-
fälle aus dem Hauptgebäude in die Baracke schaffte Raum für
die nothwendige Vermehrung des Pflcgepersonalcs; ausserdem konnte
ein Laboratorium für mikroskopische, chemische und bacteriologische
Arbeiten, sowie ein Bibliothekzimmer eingerichtet werden. Ganz
besonders aber ist zu betonen, dass 2 Säle frei wurden für eine
Säuglingsabtheilung, welche die Anstalt bisher schwer entbehrt hatte.
Die Separatzimmer entsprechen offenbar einem Bedürfniss der
Bevölkerung.
Ehe ich die Besprechung der Neubauten der Klinik verlasse,
muss noch erwähnt werden, dass im Jahre 1893 ein kleines
Leichenhaus im Garten errichtet wurde. Früher fand sich nämlich
die Lcichenkammer im Souterrain des Hauptgebäudes. Dadurch,
dass auch Leichen an infectiösen Krankheiten Verstorbener zeit¬
weilig dort untergebracht werden mussten, ergab sich eine beständige
Infectionsgefahr für die Bewohner des Hauptgebäudes, eine Gefahr,
die absolut beseitigt werden musste.
Durch die entgegenkommende Güte Sr. Excellenz des Herrn
Staatsministers von Müller erhielt die Anstalt die Mittel zu
diesem Bau aus einem Nebenfond des k. Cultusministcriums.
Endlich ist noch zu erwähnen, dass, nachdem die Baracke
in Betrieb gestellt war, es sich bald herausstellte, dass die Anlage
von 2 Dampfkesseln im Kesselhause nicht mehr genügte. Es
musste daher ein 8. Dampfkessel auf gestellt werden.
Alle diese grossen Leistungen verdankt die Anstalt der
k. Staatsregierung, wofür derselben der wärmste Dank gebührt.
Ich wende mich nun zur Besprechung der Betriebsmittel der
Anstalt.
Dem jährlichen Sustentationsbeitrag des Staates von 18 000 Mk.
lag die Berechnung zu Grunde, dass mit dieser Summe, sammt
den Zinsen der Activcapitalien des Hospitals und den Ver¬
pflegungsbeiträgen zahlender Kinder, es möglich sein werde, ca.
40 Betten mit nicht zahlenden Kindern beständig belegt zu halten,
30 in der internen, 10 in der chirurgischen Abtheilung.
Der Staat schaffte also durch seinen Jahresbeitrag nur die
Mittel, die Anstalt in beschränktem Betrieb zu erhalten.
Zu einer Weiterentwicklung der Anstalt mussten weitere
Hilfsquellen aufgesucht werden.
In erster Linie kam hier der Kreisfondszuschuss von 1200 Mk.,
welchen der Landrath von Oberbayern der Privatanstalt gewährt
hatte, in Betracht. In dankenswerthester Weise beschloss der
Landrath sofort, auf die Bitte der Direction, den bisherigen Bei¬
trag auch der verstaatlichten Anstalt weiter zu gewähren. Ferner
bewilligten die Landräthe von Niederbayern und von Schwaben und
Neuburg, vom Jahre 1889 an, jährliche Sustentationsbeiträgc von
200 bozw. 300 Mk., so dass jetzt die Einnahmen des Hospitals
aus Kreisfonds jährlich 1700 Mk. betragen.
Der Stadtmagistrat München hatte mit dem Uebergang der
Anstalt auf den Staat seinen jährlichen Beitrag von 1700 Mk.
eingezogen. Es macht mir aber ganz besondere Freude, melden
zu können, dass seit dem Jahre 1895 die Stadt wieder einen
jährlichen Beitrag von 1000 Mk. zahlt und dass damit Magistrat
und Gemeindecollegium ihr Interesse an der Weiterentwicklung
unserer Anstalt in erfreulichster Weise bekunden.
Leider hatte sich der alte Kinderspitalverein bei Uebernahme
der Anstalt durch den Staat aufgelöst; unmöglich aber konnte auf
die Privatwohlthätigkeit ganz verzichtet werden.
Ich schrieb daher schon in dem Jahresberichte für 1887:
«Für die Weiterentwicklung unserer so segensreich wirkenden
Anstalt muss nach wie vor die Privatwohlthätigkeit eintreten und
der Unterzeichnete lebt der sicheren Hoffnung, dass dies auch
geschehen wird. Wohlthäter, welche, sei es durch jährliche Bei¬
träge oder einmalige Gaben, sei es durch letztwillige Verfügung,
für die armen kranken Kinder beizusteuern bereit sind, werden
niemals mangeln.»
Diese Hoffnung hat auch nicht getäuscht.
Im Jahre 1887 erlicss ich einen Aufruf zur Gründung
eines neuen Vereins zur Unterstützung des Spitals, welchem sofort
eine Reihe edler Wohlthäter^Folge leistete, so dass sich der Verein
am 27- Juni 1888 constituircn konnte. Die Generalversammlung
genehmigte die Vereinsstatuten, und das erste Mitgliederverzeichniss
wies bereits 92 Namen auf, mit 700 Mk. jährlichen Beiträgen.
Zweck des Vereins ist: «Die Privatwohlthätigkeit, durch
welche das Dr. v. H a u n e r ’ sehe Kinderspital gegründet und bis
zur Zeit, als ihm eine staatliche Subvention zu Theil wurde,
allein unterhalten worden war, der Anstalt auch fernerhin zu
wahren und dadurch deren weitere Entwicklung und Nutzbar¬
machung für die armen kranken Kinder möglichst zu fördern.»
I. Vorsitzender des Vereins ist der jeweilige Director des
Kinderspitals, welchem ein Ausschuss von 4 von der Generalver¬
sammlung zu wählenden Mitgliedern zur Seite steht. Als Aus¬
schussmitglieder fungiren seit der Gründung die Herren: Ludwig
Jung, k. Rath und Vorsitzender des bayerischen Landes-Feuer-
welir-Ausschusses, Wilhelm Müller, Cassier und Procuraträger
der Maycr’schcn Hof-Kunstanstalt, Otto v. Pfister, Grosshändler,
und Dr. Max Wohlmuth, prakt. Arzt. Herr Dr. Wohlmuth
ist Stellvertreter des Vorsitzenden, Herr W. Müller Cassier.
In der am 22- April 1893 abgehaltenen Generalversammlung
wurde beschlossen, Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin
Ludwig von Bayern die Bitte zu unterbreiten, Hochdieselbe wolle
geruhen, das Protectorat des Vereins zu übernehmen. Dieser
Bitte wurde huldvollst entsprochen und bethätigen Ihre König¬
liche Hoheit, wie deren Anwesenheit bei der heutigen Feier wieder
beweist, das lebhafteste Interesse am Kinderspital und dessen
Weiterentwicklung.
Die von dem Vereine aufgebrachten Mittel machen es in
erster Linie möglich, dem Kiuderspital gewissermassen einen
familiären Charakter zu erhalten, durch Veranstaltung von Wcih-
nachts- und Osterbescheerungen. An der Weihnachtsbeschccrung
nehmen stets eine Anzahl Freunde der Anstalt Theil und er¬
quicken ihr Herz an der Freude der armen kranken Kinder.
Eine Hauptaufgabe des Vereins bildet die Förderung der
poliklinischen Abtheilung des Hospitals. Zu diesem Zwecke erhält
der Volontärarzt der Poliklinik vom Verein einen Beitrag zur
Zimmermiethe mit jährlich 240 Mk. Auch der Volontärassistent
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»riwng g MEDICINlSCHE jWOCgNSCg^T.
No. 32.
*, «heo Abtheilung brricbf eine iubeiiehe Option
” Zr-di-n iührllcb ££
"cter “ ”» nuf d» Ohnetig« und steh. ,n
fast täglichem Gebrauch. Deficit des Spitals
Im Jahre 1893 deckte der Verein
mit G88 Mk. 47 Pf- d fliehen Leistungen des Vereins
Diese bedeutenden «“«" dcrselbc ausser den ständigen
wurden dadurch ermöglicht ssc Summe alljährlich,
s""»».““ a—
““rr»n.?r».SLE^:=i£
Sie» 7 —Zu.«, du voraussichtlich bald neue grosse
Aufgaben an den Verein heitre« des Diphtherie-
Seit Uebernabme des bpitals durch^ den b^ klinischer
Abtheilungen desselben, d, j r iu0 grossc Zahl Studireuder
Unterricht orthcilt, an welchem stets emo gro
und junger Acrztc tlieil nehmen. hattc Hcrr Professor
Die Leitung der chirurgischen Abthcilu S JuK lg91
zrr trrr ää
ernannt.^ ^ B ital .
tionen ist in stetiger Zunahme e S rl CQ dusa er d ; c heil-
hat sich besonders verdient «n»«Jt dad h, ^ V cr-
gymnastischcn Hebungen, welche ich im Jahire ^ cnt .
krümmungen leidende Kinder m» ar^cs ^ poliklinischen
sprechenden Apparaten eingenc , , der chirurgischen
Assistenten hatte leiten lassen, als cm Adu» d - £ tigen
Abtheilung selbst übernommen und dadurch
Bahnen geleitet hat. - i Abtheilung, der Poli-
bbn/r £ ^ Ä Ss
yom dann», 1888 b«H«tat 118M ™ ^ Hcrrn Augcn-
arst Dr Rheim’ Km. sbmintliehen Herren gebührt de, wärmste
Da "7:h“ah,e.berichte für *. Jahr 189b ergab die
Gcsammtthiitigkeit des Hospital# folgende Ziffern. Kindor
1. Im Hospitale verpflegt wurden . . . • • •
2. Im allgemeinen Ambulatonum behandelt . • bUd^
3. Im Ambulatorium für Augenkranke . . • •
4. Poliklinisch, in ihen Privatwohnungen behandelt 1049 »
5. Unentgeltlich geimpft wurden ••••••
Die Summe aller im Jahre 1895 vom Hespita.e
behandelten Kinder beträgt demnach ... • 9dbf
_ , l K _1
handelten Kinder beträgt demnaen . . . • q -
Die Einnahmen der Anstalt pro 1895 betrugen 31621Mb.
darunter 3488 Mb. 75 Pf. Vcrpffegsgelder sahlender Kinder d.
Australien 31 553 Mk., so dass ein kleiner Actmest verblieo.
Die Anstalt erscheint jetzt, bei einCT Aufnahme von e
über 1100 Kindern und bei ca. 18 500 Kindcrverpflegstagen pro
Jahr, so ziemlich an der Grenze ihre.■gegenwärtigen
fähigkeit angelangt, bis weitere Betriebsmittel verfügbar werde^
" Ueber • die wissenschaftlichen Leistungen welche mit der
Kinderklinik Zusammenhängen, zu sprechen, ist hier nicht der ü .
Ich nähere mich dem Schluss. . . .
lieber sehr vieles Gute, das im Laufe von 50(Jahren erreicht
wurde durch die unermüdliche Thätigkcit des Gründers, unter
Beihilfe des Hofes, der i-d—-Mjj 'J
Kreise Ober, und fd dennoeh darf ich nicht
edler Wohlthäter, bonuto tehbemton wn ^ käbcD , die
— -
wissenschaftlich. Aufgab,“ Diphthcricbranb»
Die Zahl der m dm Ansteltautg^ ^ ^ ^ ^
ist von Jahr su J 1 | * znr Aufnahme gelangten. Die
Diphtherie ^lieferte ^demnach im lotsten Jahre 27,6 Pme. alle,
Fälle der internen Abthclung. Diphthcrickranken in
Die Me»* verbundene AnUjünag ^ & pfljcht
dem oberen Stockwerk a , darau f bedacht zu sein,
auf, um Hausinfectionen zu vemmden, darauf ^ ^
dass wo miiglich auch 1 F d bereits erreicht ist, in
Scharlach, Masern ”" d unterbracht werde.
einem Separa 10ns o Diphthcricpavillons ist ein dringendes
Der Bau eines eigenen P W J anorbn|lt „ w .
B “uS ™d:
„rden KalerTdTZtel an rinem derartigen Bau bewilligt .
“"Zoch auch die Platsfra. «SÄ
eine Vcrgrösserung des Gartens Kt
pavillon vorhanden ist. - der Lindwurmstrasse haben
Verhandlungen wegen Qomd „decollcgien, i.
die Aussicht eröffnet, dass ai . Anstalt, den zum
""-Die^rrfpar ^ -
aus dem Hauptgebäude durc g ^ dcr chirurgischen
— k -
”*rSÄSL bann ich einstweilen nur schüchtern
“ äC Tist ein allgemein angenommener Grund^der HteP^
steckung im Hause veranlassen. Menschenmaterial, das,
Kinderspitäler beherbergen eb , ^ rten von
fast möchte ich ^ohist '^er bacUlogisch gearbeitet
Ansteckung empfänglich • dazu cllörti um das
hat und weiss, welche unendliche V au8 zuschliessen, kann
Eindringen fremder Keime m Rcmcu Anzahl kranker
sich von dieser Empfänglichkeit einer grosseren -
Kinder für Infection einen Begriff machem
Ich halte es nun für wahrscheinlich todi ^J^din
Centrälimpfanstalt aus der, doch nicht gerad und des
Nachbarschaft der Infectionsbaracken des , K " P werden wird.
Allgemeinen Krankenhauses mit der Zeit wl ^ e f . [ 3 in da8 Gc-
Dann liesse sieh die Wäscherei bu ,atorium in
büude der Centralimpfanstalt verkge» und das^Am ^
das Gebäude der gegenwärtigen ^ kscbe ™’ ^ Stra38e aus an¬
dern Hauptgebäude völlig getrennt und von der btras
mittelbar zugänglich wäre. . { we lchen die
Auf diese Weise wären dann die Zugäng , uf^ zunl a Uer-
Infection bisher in das Haus gelangen konn jed dcr
grössten Theil abgegraben bezw. ^ 8ge8ta ltet, so
Münchener Kinderklinik wäre in rationeller Weise au g
dass sie als eine Musteranstalt gelten könnte. Stel^S
Und nun nur noch ganz wen.ge Worte über
der Kinderheilkunde in den medicimscheu welche
Es liegt in der Natur der Sache, dass ei m in welchen
erst seit verhältnissmüssig kurzer Zeit Anstalten b
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11. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sic gelehrt werden kann, in den Universitäten noch nicht die
Stellung sich errungen hat, die ihr offenbar gebührt
Die Kinderheilkunde ist keine Specialität im gewöhnlichen
Sinne, sondern ein wichtiger, integrirender Thcil der internen
Medicin, dessen Studium jedoch nicht in den grossen internen
Kliniken für Erwachsene, sondern nur in Kinderspitälern betrieben
werden kann.
Die Vertreter der Kinderheilkunde sollen auf der breiten
Grundlage der wissenschaftlichen Medicin gebildet sein ; ich würde
cs sehr beklagen, wenn es einmal Specialisten der Kinderheilkunde
gäbe, welche sich nicht zuerst auf dem Boden der gesainmten
medicmisehen Wissenschaften tüchtig umgethan hätten, ehe sie sich
der Kinderheilkunde zuwenden.
In dieser Weise aufgefasst, ist aber die Kinderheilkunde ein
unentbehrlicher Theil der ärztlichen Ausbildung geworden.
• Ein junger Arzt, der in die Praxis tritt, ohne Kenntnisse
in der Kinderheilkunde, macht, wie gar Mancher zu spät bemerkt,
die traurigsten Erfahrungen über das Ungenügende seiner Vor¬
bildung. Und hier sehen Sie sofort, dass die Kinderheilkunde in
der That nicht eine Specialität ist, etwa wie Augen-, Ohren- und
Kehlkopfkrankheiten. Jedermann wird zugeben, dass man nicht
von jedem praktischen Arzte verlangen kann, dass er schwierige
Operationen auf diesen Gebieten ausführen könne, wohl aber
muss von jedem Hausarzt gefordert werden, dass er die nöthigen
Kenntnisse besitze, um die Kinder der sich ihm anvertrauenden
Familien zu behandeln.
Es muss daher der Studirende, mehr als dies bisher geschah,
auf die V ichtigkeit des Studiums der Kinderheilkunde hingewiesen
werden.
Erfahrungsgemäss wird in dieser Beziehung jedoch nur etwas
erreicht, wenn auch in der ärztlichen Prüfung auf die Kinder¬
heilkunde gebührende Rücksicht genommen wird.
Ich wünsche keine Specialprüfung aus der Kinderheilkunde,
aber ich halte es im Interesse der Sache gelegen, wenn an allen
Universitäten, an denen eine Klinik der Kinderheilkunde mit einer
genügenden Bettenzahl besteht, der Vorstand derselben mit den
internen Klinikern, in irgend welcher Weise regelmässig altcrnircnd,
zur Prüfung aus der inneren Medicin zugezogen wird.
Seit neuester Zeit besteht diese Einrichtung bereits in Berlin
und Leipzig. —
Königliche Hoheit und hohe Anwesende, ich bitte vielmals
um Verzeihung, dass ich Ihre Geduld so lange in Anspruch
genommen habe.
Sic alle stimmen, das bin ich überzeugt, mit mir in dem
Wunsche überein, dass sich unser Hauner’sches Kinderspital
auch in der Zukunft in humanitärer und wissenschaftlicher Be¬
ziehung weiter entwickeln möge, wie es das in dem ersten halben
Jahrhundert seines Bestehens gethan hat.
Das walte Gott!
755
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. Georg Winter, a. o. Professor für Gynäkologie und
Oberarzt an der k. Universitäts-Frauenklinik in Berlin: Lehrbuch
der Gynäkologischen Diagnostik. Unter Mitarbeitung von
Dr. Carl Rüge in Berlin. Mit 20 Tafeln und 140 Text¬
abbildungen. Leipzig. Verlag von S. Hirzel. 1896- XII und
455 S. — Pr. M. 14.
Seit der « Gynäkologischen Diagnostik» von Veit, deren
2. Auflage im Jahre 1891 erschien, existirt in der Literatur
keine ähnliche Bearbeitung dieser Disciplin. Bei den grossen Fort¬
schritten, welche die Diagnostik in der Gynäkologie durch die
häufige Controle des Palpationsbefundes bei der Laparatomie, sowie
durch die Vervollkommnung der mikroskopischen Diagnose erfahren
hat, ist es daher mit Freuden zu begrüssen, wenn ein so erfahrener
Gynäkologe wie Winter, den heutigen Standpunkt der gynäko¬
logischen Diagnose fixirt und das Bewiesene und Feststehende
vom Unsichern und noch Zweifelhaften scheidet. Von ganz be¬
sonderem Werthe für das vorliegende Werk war es, dass die
Bearbeitung der mikroskopischen Abschnitte Carl Rüge über¬
nommen hat, den W. nicht mit Unrecht als den Schöpfer und
steten Förderer der mikroskopischen Diagnostik bezeichnet. Das
W sehe Buch steht dadurch, speciell durch die von Rüge be¬
arbeiteten Abschnitte, weit über dem Niveau eines gewöhnlichen
Lehrbuchs und stellt weit mehr ein Handbuch alles Wissenswerthen
welches die heutige Gynäkologie in diagnostischer Beziehung lehrt,
dar. Bei dieser Gelegenheit sei gleich erwähnt, dass uns das
W. sehe Lehrbuch nicht für einen sehr grossen Leserkreis bestimmt
erscheint. Der Anfänger sowohl wie der praktische Arzt werden
beim Studium desselben die Empfindung haben, dass der Verfasser
oft zu viel beim Leser voraussetzt. So findet sich die ganze
mikroskopische Technik in 14 Zeilen erledigt (p. 28), die sehr
ausführliche Beschreibung der Gonococccn entschädigt nicht für
das Fehlen der betreffenden Abbildungen, die diffenterialdiagnos-
tisehen Bemerkungen verlieren sich oft zu sehr in allgemeine
Betrachtungen. Das Buch ist in erster Linie für den angehenden
Gynäkologen bestimmt, der darin Alles finden wird, was er in
diagnostischer Beziehung für sein Fach braucht. Aber auch der
fertige Specialist wird aus dem W.'sehen Buche noch Vieles lernen
können. Dass Letzterer, nicht mit Allem, was W. lehrt, ein¬
verstanden sein wird, ist bei dem ausgesprochenen Standpunkt,
den das Buch cinnimmt, nicht zu verwundern, So wird die oft
wiederholte Lehre, dass in der Gynäkologie die objectivo Unter¬
suchung dem Krankenexamen vorangchcn solle, nicht ohne weiteres
acceptirt werden können. Auch der Grundsatz, dass eine Probe¬
auskratzung des Uterus nur zum Zwecke der Diagnose unstatt¬
haft sei, wird in dieser kategorischen Form nicht aufrecht zu
erhalten sein. Selbst Rüge betont mit gesperrtem Druck (p. 835)
die Nothwendigkeit der histologischen Untersuchung von curcttirtem
Material, «um IrrthUrnern zu entgehen und so frühzeitig wie
thunlich über beginnende Malignität Kcnntniss zu erlangen.»
Auch die anscheinend von W. getheiltc Ansicht Schultze’s,
dass die Stenose des Cervicalcanals zu den seltensten Ursachen
der Dysmenorrhoe gehört (p. 420), dürfte noch manchen Wider¬
spruch erfahren. Dagegen wird man nur damit einverstanden
sein können, wenn W. im klinischen Thcil bei der Beschreibung
der Endometritis auf jedo Eintheilung verzichtet und die Affcction
nur als Ganzes aufgefasst wissen will (p. 314 ), während R. vom
anatomischen Standpunkt Recht hat, wenn er an seiner Eintheilung
der Endometritis interstitialis, glandularis, diffusa, und ihren ver¬
schiedenen Unterabteilungen festhält (p. 343 ).
Das Werk zerfällt in 3 Abschnitte, die allgemeine, spccielle
und analytische Diagnostik. Letztere, welche die Ursachen der
häufigsten gynäkologischen Symptome, der Blutungen, Amenorrhoe,
Dysmenorrhoe und Sterilität behandelt, ist eine sehr werthvolle
Beigabe und mit grosser Liebe und Sorgfalt bearbeitet. Speciell
den Abschnitt über Sterilität halten wir für einen der gelungensten
des ganzen Buches.
Eine besondere Zierde des Werks bilden die Abbildungen,
besonders die mikroskopischen. Dieselben sind durchweg auto¬
typische Wiedergaben von Mikrophotographien und ermöglichen
durch ihre Naturtreuc eine genaue Controle auf die Richtigkeit
der daraus gezogenen Schlüsse. Ucberhaupt ist die Ausstattung
des Buchs, was Papier, Druck und Abbildungen betrifft, vorzüg¬
lich und macht der Verlagsbuchhandlung alle Ehre. Druckfehler
sind uns nur wenige aufgefallen; störend darunter sind nur die
falschen Bezeichnungen von Abbildungen in den Figurenangaben
(p. 350 sq.), weil der Leser sich erst selber die richtigen Tafeln
aufsuchen muss. Es scheint llugc hier eine andere Nummerirung
der Figuren Vorgelegen zu haben.
Wir können unser Urtheil dahin zusammenfassen, dass das
Winter’ sehe Buch eine werthvolle Bereicherung der gynäkologischen
Literatur darstellt, das jedem angehenden und fertigen Gynäkologen
zum Studium angelegentlichst empfohlen werden kann.
J a f f <5 - Hamburg.
Dr. B. M. L er sch: Geschichte der Yolkssencheu
nach und mit den Berichten der Zeitgenossen mit Be¬
rücksichtigung der Thierseucheu. Berlin 1896. Verlag
von S. Karger, Charit&tr. 3. 455 Seiten.
Der Verfasser dieses inhaltsreichen Werkes hat sich einer
höchst mühevollen und umfangreichen Arbeit unterzogen: das
Sammeln, Ordnen der tausenderlei Thatsachen nach Zeit und Ort,
das Aufsuohen der Quellen in den verschiedenen Sprachen, die
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756
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
richtige Auswahl und Bemessung der in den Anmerkungen nieder¬
zulegenden zeitgenössischen Berichte sind Aufgaben, welche die
Zeit und die Geduld des Verfassers bis auf das Aeusserste in
Anspruch nehmen. Diesen Mühsalcn gegenüber steht nun aller¬
dings ein innerer Erfolg, nämlich das lohnende Bewusstsein, der
gelehrten Welt ein Nachschlagebueh, einen Behelf für spätere
Forschung in die Hand gegeben zu haben, mit welchem sich be¬
quemer Weiterarbeiten lässt. Mit dieser Befriedigung muss sich der
Autor in stiller Resignation begnügen, denn der Kreis, der solche
Bücher liest, ist ein kleiner, bescheidener; derartige Bücher werden
viel gebraucht, aber wenig genannt.
Nach den trefflichen Werken von Adami, Choulant,
Schnurrer, Hecker, Haeser und Hirsch war es wohl
schwer, ein neues derartiges Unternehmen zu wagen, indess hat
Lorsch das Richtige getroffen, indem er das chronologische
Moment bis in die Uusserste Specilication verfolgte, so dass für
die letzten 4 Jahrhunderte die Aufführung von Seuchen fast von
Jahr zu Jahr stattfindet. Eine Reihe von Stichproben, die ich
anstellte, erwiesen die Angaben als nahezu vollkommen und richtig,
wenigstens so weit es eich auf die Seuchen unter den Menschen
bezieht; über die Thierseuchen, welche Lorsch verdienstlicher¬
weise gleichfalls in den Kreis seiner Mittheilungen gezogen hat,
erachte ich mich nicht für befugt zu einem Urtheile. Bei der
Schwierigkeit der differentiellen Diagnose der infectiösen Krank¬
heiten in den frühesten Zeiten, insbesondere der acuten Exantheme,
ist es dem Verfasser als Verdienst anzurcchnen, dass er hiebei
Verschiedenes vereiniget, insbesondere eine Reihe bis jetzt schwankend
bestimmter Exantheme unter den Sammelbegriff «Blattern» zu¬
sammengefasst hat. Es wäre zu wünschen, dass die medicinischen
Geschichtsschreiber, die Loimiater, auch einmal das Zwittergebildc
der «Rötheln» (Rubcolae), welches bis in die neuesten Tage hinein
seinen Spuk treibt, dahin stellen möchten, wohin es gehört: zu
den Masern, Scharlach oder Rothlauf. Ich habe in einer nunmehr
40 jährigen Praxis, die sich auf Land und Stadt, auch auf mehr¬
jährigen kinderspitälischen Dienst erstreckt, noch niemals einen
Fall von unzweifelhaften Rötheln gesehen, die beobachtete, als
«Rötheln» diagnosticirte Krankheit war stets in eine der oben¬
genannten Formen einzureihen ; einmal wurde mir eine Kranke als
zweifellose «Rötheln» vorgestellt, bei der 2 Tage darnach Vario-
loiden zum Ausbruch kamen. Hier ist eine Purification entschieden
angezeigt.
Den Ursprung der «Influenza», ebenfalls eine schwer zu
umgrenzende Krankheitsgruppe, legt, als geschichtlich nachweisbar,
Verf. als «Fcbris itaiica» in das Jahr 877, da das Heer Karl¬
mann ’ s aus Italien znrückkehrte.
Die Seuche, welche sich wie ein rother Faden durch das
gesammtc Völkerleben zieht, ist die Pest; sie beherrscht jede
Seuchcngeschichte. Dem L e r s c h 'sehen Buche kann bezeugt
werden, dass es bestrebt war, hierin das Möglichste an Voll¬
ständigkeit zu leisten und manche bisher nicht bekannte Dinge
an das Tageslicht zu ziehen. Nur bei einigen Städten er¬
scheinen die Angaben über Peststerblichkeit denn doch zu hoch:
so bei Lübeck und Wismar. Man begreift nicht recht, woher
der immense Bevölkerungsverlust in Folge einer schweren Pest¬
seuche innerhalb einiger Jahre wieder gedeckt worden sein möchte '
und dies mehrmals hintereinander: liier wird eine Revision noth-
wendig werden, um nicht Unmögliches als möglich erscheinen zu lassen.
Durch die genaue chronologische Ordnung wird der Ueber-
gang oder richtiger gesagt, die allmähliche Veränderung der
Seuchencharaktere, recht anschaulich gemacht: so das allmähliche
Seltenerwerden der Pest, welche Verf. richtig in Pali- und (in
Bubonenpest auseinanderhält, mit entsprechendem Häufigerwerden
des Flecktyphus, der dann allmählich in die leichtere Form des
Ileotyphus übergeht, um auch als solcher, wie es seit etwa
15 Jahren der Fall zu sein scheint, seine Schrecken zu verlieron.
Der Gang der Cholera und der Diphtherie wirkt durch die Be¬
trachtung der zeitlichen Folge gleichfalls recht belehrend; ihr
Studium befreit uns von manchen doctrinären Vorurtheilen.
Für ein solches Werk, wie das vorliegende, verdient aber
nicht nur der Autor den Dank der Lesewelt, sondern auch die
Verlagsbuchhandlung, welche dasselbe zu tadelloser Ausstattung zu
übernehmen geneigt war. Dr. v. Kerschensteiner.
No. 32.
Neisser’s stereoskopisch-medicinischer Atlas.
Neu erschienen sind die 10. und 12. Lieferung. In der
10-, welche die 6. Folge der Abtheilung für Dermatologie and
Syphilidologie darstellt, finden sich in fortlaufender Numerirung
die Abbildungen: CIX. Syphilitischer Primäraffect der Unterlippe.
CX. »Spitze Condylome. CXI, CXH. Ichthyosis. CXHI. Elephan¬
tiasis. CXIV. Chronisches Ekzem der Vola manus. CXV. Carcinom
des Praeputium clitoridis. CXVI, CXVII, CXVIH. Syphilitische
Wirbelerkrankung. CXIX. Herpes tonsurans vesiculosus am Halse
eines jungen Mädchens. CXX. Impetigo contagiosa.
Die 12.Lieferung aus der Chirurgie bringt: CXXXni. Hyper-
trophia glandulae thyreoidcae. CXXXIV. Struma parenchymatosa.
CXXXV und CXXXVI. Struma colloides. CXXXVH. Struma
parenchymatosa colloides. CXXXVI1I, CXXXIX. Struma nodosa.
CXL. »Struma cystica. CXLI. Struma parenchymatosa pendula.
CXLII. Struma maligna. CXLIII. Morbus Basedowii. CXLIV.
Echinococcus der Schilddrüse. Dr. Bar low.
Dr. T. Born träger Danzig: Diät-Vorschriften fBr
Gesunde und Kranke jeder Art. 2. verbesserte Auflage.
Leipzig 1896. Verlag von H. Hartung u. Sohn.
Die vorliegende Diätetik — der äussern Gestalt nach sich
in der handlichen Form eines Abreissblockes präsentirend — dürfte
durch die Reichhaltigkeit ihres Inhaltes und ihre wirklich praktische
Anordnung sich vielen Beifall erringen. Das Werkchen enthält
36 verschiedene diätetische Zusammenstellungen, welche sich nicht
ausschliesslich auf die diätetisch zu behandelnden Krankheiten
beschränken, sondern auch die wichtigsten Gesichtspunkte der
allgemeinen Diätetik, der Krankenpflege, der Brunnen- und Bade-
curen etc. behandeln. Wie der Verfasser in der Vorrede selbst
ausführt, betrifft die Diätetik ein Gebiet, wo Meinungsverschieden¬
heiten in den verschiedensten Richtungen vorläufig unvermeidbar
sind. So hätte auch ich bezüglich mancher Details andere An¬
sichten, doch ist hier nicht der Ort, darauf zurückzukommen.
Im Allgemeinen wird jeder Praktiker eine Menge guter und ver¬
wendbarer Angaben in den «Diät-Vorschriften» finden, für die
er dem Verfasser dankbar sein wird. Für die Benützung durch
süddeutsche Aerzte und Hausfrauen wird cs sich empfehlen, dass
eine eventuelle neue Auflage auch die süddeutsche Küche in
ähnlicher Weise berücksichtigt, wie es die 2- Auflage mit der
norddeutschen thut. Wir wünschen dem Werkchen den besten
Erfolg. Dr. Grassmann -München.
Dr. E. Klein, Professor: Grundzüge der Histologie.
Deutsche autorisirte Ausgabe, bearbeitet von Dr. med. A. Kol 1-
mann. 3. Auflage. Leipzig. E. Habcrland. 1896.
Die Histologie von Klein ist wohl überall ein gerngesehener
Gast; sie gehört jedenfalls zu den besseren unsorer histologischen
Lehrbücher und ist, wie bekannt, durch eine grössere Reihe vor¬
züglicher Abbildungen, meistens prächtige Holzschnitte, ausge¬
zeichnet. Das Werkchen hat seit der ersten Auflage an Umfang
nicht, wohl aber an Inhalt zugenommen und soll allen Denen
bestens empfohlen sein, welche histologische Kenntnisse aus eigener
Erfahrung bereits besitzen und nun zum Zwecke gelegentlichen
Nachschlagens oder summarischer Repetition ein Buch brauchen,
welches in gedrängter Kürze alle wesentlichen Daten enthält. Die
vorliegende Auflage berücksichtigt, was im Besonderen hervorgehoben
zu werden verdient, auch die neueren Erfahrungen auf dem Gebiete
des Nervensystems. Im Uebrigen ist das Büchlein so bekannt,
dass eine eingehendere Besprechung nicht mehr vonnöthen ist.
Martin Heidenhain.
L. Mehl er: Anleitung zur ersten Hilfeleistung bei
plötzlichen Unglücksfällen. Herausgegeben von J. Hess.
Frankfurt a. M. Verlag von H. Beclihold.
Nach einer seiner Bestimmung für Laien gemäss gan*
populär gehaltenen anatomisch-physiologischen Einführung bringt
das 92 Seiten starke Büchelchen in klarer Weise die verschiedenen
Maassnahmen der ersten Hilfeleistung. Die Anlegung der Noth-
verbände, die künstliche Athmung u. A. sind durch einfache Ab¬
bildungen veranschaulicht. Es ist keine Frage, dass das Werkchen
in den Kreisen, für welche es bestimmt ist, gerne willkommen
geheissen wird und manches Gute stiften kann.
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11. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Neueste Journalliteratar.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 31.
G. Pollab: Ueber den klinischen Nachweis des Typhus¬
bacillus. (Aus der medicinischen Klinik des Prof. R. v. Jaksch
in ^ r ^ r j aBger fa88t (j; e Resultate seiner Untersuchungen, welche
mit den Stühlen von 20 Typhuskranken und einer grösseren Zahl
anderer Kranker angestellt wurden, in folgender Weise zusammen:
Die Elsner'sche Methode des Typhusnachweises (auf Jod¬
kalium enthaltender Kartoffelgelatine) bedeutet nicht nur für den
Bacteriologen, sondern auch für den Kliniker einen sehr wichtigen
Fortschritt. Es gelingt vermittelst derselben, sftmmtliche Mikro¬
organismen des Stuhles, bis auf das Bacterium coli und den Bacillus
typhi, sowie den Bacillus faecalis alcaligenes, auszuschalten und in
verhältnissmässig kurzer Zeit zu einer differentiellen Diagnose zu
gelangen. So verwendbar diese Methode für den Kliniker erscheint,
so erfüllt sie doch nicht jene Bedingung, die Brieger an diese
klinische Untersuchungsmethode stellt, nämlich die, dass nur eine
scharfe, recht sinnfällige Scheidung des Typhusbacillus von den
concurrirenden Bacterien, insbesondere von dem allgegenwärtigen
Bacterium coli, vor irrthümlicher Auffassung schützt und dass es
dadurch auch dem bacteriologisch weniger geschulten Arzte gestattet
sei, den Nachweis des Typhusbacillus untrüglich und möglichst
rasch zu führen. In zweifelhaften Fällen wird die Methode stets
verwendbar bleiben, nur muss man sich stets gegenwärtig halten,
dass man es auch eventuell mit 3 verschiedenen Mikroorganismen
zu thun haben kann und nie wird man es unterlassen dürfen,
sämmtliche Eigenschaften des Bacillus typhi auf's Genaueste zu
prüfen, ohne auch nur in einem Falle auf das Aussehen der Platten
allein eine sichere Diagnose aufbauen zu können. Damit wird aber
gleichzeitig das ganze Verfahren zeitlich in die Länge gezogen und
kommt bei dem so wohl cbarakterisirten Bilde des Typhus abdomi¬
nalis der längeren klinischen Beobachtung nahe, die es wohl dann
erheblich stützen dürfte. W. Zinn-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 31.
1) N. Pobedinsky-Moskau: Ein Kaiserschnitt nach Porro
mit glücklichem Erfolg für Mutter und Kind.
26jährige I. Para mit stark verengtem, rachitischem, kyplio-
Bkoliotischem Becken. Die Conj. vera betrug nur ca. 6 cm. Dess-
halb am Ende der Schwangerschaft Sectio caesarea mit Exstirpation
des Uterus und der Adnexe. Patientin konnte nach 3 Wochen
geheilt entlassen werden mit ihrem Kinde, das ein Knabe und
28i.0g schwer war. Als Indication des Porro bezeichnete P. den
Wunsch der Mutter, dass sie bei einer event. zweiten Gravidität
«von einem weiteren Kaiserschnitt nichts wissen wollte«.
2) Oehl8chläger-Danzig: Die Zange an den nachfolgenden
Kopf.
Seit der Einführung des Smellie-Veit'schen Handgriffes
zur Extraction des nachfolgenden Kopfes ist nach Schröder s
Vorgang die Zange hierfür ganz verlassen worden. 0. kam in
einem Falle von engem Becken mit dem Handgriff nicht zum Ziel,
griff darauf zur Zange und entwickelte ziemlich leicht ein noch
lebendes Kind, das aber nach ’/* Stunde starb. Er glaubt, für
geeignete Fälle auf diese Zange wieder hinweisen zu sollen, warnt
aber mit Recht jüngere und in der Geburtshilfe wenig erfahrene
Collegen vor derselben, da sie schwierig und gefährlich sei.
J aff 6 -Hamburg.
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 8. Bd. 5. u. 6. Heft.
17) v. Strümpell: Ueber einen Fall von retrograder Am¬
nesie nach traumatischer Epilepsie.
Nach einem Schädeltrauma mit darauffolgendem Wunderysipel
trat bei einem intelligenten Manne ein Gedächtnissschwund über
einen der Verletzung vorhergehenden Zeitraum von fast 4 Monaten
ein. Im Anschluss an diesen genau beobachteten Fall bespricht
Verfasser ausführlich die Symptome und das Wesen der retrograden
Amnesie und die darüber bestehenden Hypothesen. Zum Unter¬
schied von der hysterischen Amnesie, bei der es sich augenscheinlich
nur um eine Hemmung der Reproduction gewisser Vorstellungen
und Erinnerungsbilder handelt, glaubt Str. die echte organische
Amnesie auf einen Verlust der Gedächtnisseindrücke zurückführen
zu können.
18) W. Erb: Zweiter Nachtrag zu meiner casuistischen
Mittheilung über Akinesia algera.
Es wird hier eine früher mitgetheilte Krankengeschichte ergänzt: I
Ein Patient, der volle 19 Jahre lang in der Rückenlage zugebracht
und bei der geringsten Bewegung lebhafte Schmerzen verspürt hat,
ist jetzt in physischer Beziehung fast völlig genesen, zeigt aber
noch psychische krankhafte Symptome.
19) Lewellys F. Bark er-Baltimore: Ueber einen Fall von
einseitiger, umschriebener und electiver sensibler L&hmung.
Verfasser beschreibt vereinzelte Ausfallserscheinungen in der
Sensibilität seines linken Armes, die er in dem Leipziger physio¬
logischen Institute durch peinlich genaue Untersuchungen festgestellt
hat. Als Ursache für diese Störungen macht B. eine linksseitig
bestehende Halsrippe verantwortlich.
20) P. Korb: Ueber einen Fall von Syringomyelie mit
Sectionsbefund. (Aus der med. Klinik in Erlangen.)
Die in diesem Falle beobachteten ausgeprägten Veränderungen
der Handknochen (Atrophien der Endphalangen, Verdickung der
Carpalknochen) sollen durch die häufigen und chronischen Ent¬
zündungen an der Hand, welche hier Resorption, dort Wucherung
(Osteophytenbildung) verursachen, zu erklären sein. Trophoneorotische
Einflüsse kommen dabei nach der Auffassung des Verfassers nicht
in Betracht.
Auch die amyloide Degeneration der Nieren, welcher der Patient
erlegen ist, führt K. auf die chronischen Entzündungen und Eiterungen
an den Händen zurück.
21) W. Teichmüller: Ein Beitrag zur Kenntniss der im
Verlaufe der pernieiösen Anaemie beobachteten Spinal¬
erkrankungen. (Aus der med. Poliklinik in Leipzig.)
Am Schlüsse seiner Untersuchungen kommt T. zu dem Resultate,
dass bei der pernieiösen Anaemie von Veränderungen im centralen
Nervensystem die stärksten in der grauen Substanz des Rücken¬
markes zu finden sind, ferner dass die herd- und strangförmigen
Degenerationen in der weissen Substanz aetiologisch von Blutungen
dortselbst abhängig gemacht werden müssen.
22) H. Schlesinger-Wien: Ueber centrale Tuberculose des
Rückenmarkes.
Ausführliche Beschreibung eines Falles von Solitaertuberculose
im Halsmark und der durch diese bervorgerufenen klinischen Symp¬
tome und secundären Degenerationen im Rückenmark.
Die Literatur über Tuberculose des Rückenmarkes ist in dieser
Arbeit wohl vollständig zusammengestellt.
23) M. Brasch-Berlin: Zur Pathologie der syphilitischen
Früherkrankungen des Centralnervensystems.
Verfasser kommt zu der Schlussfolgerung, dass bei Syphilitikern
in jedem Stadium der Erkrankung, ja schon wenige Wochen nach
der Infection, Nervenerkrankungen specifischer Natur auftreten
können, «ein Unterschied zwischen diesen Früherkrankungen des
Nervensystems und Bolchen der Spätperiode besteht höchstens in
dem acuteren Einsetzen und dem schnelleren Verlauf der ersteren
gegenüber dem chronischen Beginn der letzteren >.
24) Seeligmann-Karlsruhe: Zur Kenntniss der halbseitigen,
durch Tumoren an der Schädelbasis verursachten Hirnnerven¬
lähmungen.
Casuistische Zusammenstellung über einige Fälle von durch
Basalgeschwülste bedingte Ausfallserscheinungen. •
25) Besprechungen. L. R M ü 11 er• Erlangen.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 31.
1) Th. Ewetzky-Moskau: Ueber die Bindehaut-Diphtherie
und ihre Behandlung mit Heilserum.
Verfasser beschreibt 2 Fälle, deren einer die charakteristischen
Zeichen des Croups der Bindehaut, deren zweiter jene der Binde¬
haut-Diphtherie darbot. Beidesmal wurde der Löffler'sehe Ba¬
cillus mikroskopisch und durch Cultur wie Thierexperiment nach-
gewiesen. Die befallenen Kinder wurden nach dem Vorgänge von
Coppez je 2mal mit Heilserum injicirt, worauf der erste Fall glatt
heilte, der zweite mit Hinterlassung kleinster Närbchen. E. steht
auf dem Standpunkte, dass Croup und Diphtherie der Bindehaut
identische Processe sind. Er plaidirt sehr lebhaft für Anwendung
der Serumtherapie bei dieser Affection.
2) G. Gottstein-Breslau: Pharynx- und Gaumentonaille
primäre Eingangsstellen der Tuberculose. (Schluss folgt.)
3) M. S a 1 o m o n - Hirschberg: Ueber die Verwendbarkeit
der Rosenheim'sehen Magensonde zur Magendouche und
einige zweckmässige Modificationen derselben.
In einem durch (recht überflüssige! Der Ref.) Illustrationen
erweiterten Artikel setzt Verfasser auseinander, dass die Rosen¬
heim' sehe Magensonde bei der Magendouche nicht fontainen-
artig wirken könne, da sie vor Allem viel zu viel seitliche Ausfluss¬
öffnungen habe. Er schlägt vor, die 24 seitlichen Löcher an der
R.'schen Sonde auf 9 zu reduciren und ihrem Lumen eine Richtung
nach aufwärts zu geben, wodurch alle Vorzüge, welche R. von seiner
Sonde unrichtiger Weise behaupte, an dieser S.'sehen zu Tage träten.
4) R. Schaeffer-Berlin: Ueber Catgut-Sterilisation. (Fort¬
setzung folgt.) Dr. Grassmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 82.
1) K. Hürthle-Breslau: Ueber das Vorkommen von Fett-
säure-Cholesterin-Estern im Blut.
H. hat im Blutserum das Vorhandensein von Estern nach¬
gewiesen und zwar Verbindungen der Oelsäure bezw. P a.lmit.in -
säure mit Cholesterin. Dieselben sind in Aether sehr leicht, in
Alkohol wenig löslich und lassen sich aus letzterem sehr schön aus-
krystallisiren. Das Studium derselben dürfte vielleicht für die
Physiologie der Fettresorption neue Aufschlüsse geben.
2) A. Schmidt: Beitrag zur eitererregenden Wirkung des
Typhus- und Colonbacillus. (Aus der medicinischen Universitäts¬
klinik und Poliklinik in Bonn, Director: Prof. J. Schultze.)
In einem Falle von subphrenischem Abscess im Anschluss an
Typhus enthielt der Eiter, der braunroth, dünnflüssig und von
fadem, nicht fäculentem Gerüche war, ausschliesslich Typhusbacillen;
in einem zweiten Falle von Empyem, das im Anschluss an eine
fieberhafte Dickdarmentzündung auftrat, ausschliesslich das Bac¬
terium Coli.
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758
Münchener medioinische wo chensohimft.
No. 32.
Jn a I C - »«SÄ
Dresden.) . , • Falles von luetischer Oesophagus-
Sä äs
l3^*SadSSS?«?I^-Sa-ia^K-e mU OKd»™« owpbw
^Eine gewi». Gruppe
primäre Darmaffectionei]' symp tomlos verlaufenden
Folgezustände einer c ^ r0D „ * o ppre tion des Magensaftes. Der
Gastritis in ^ H Clf enthält viel Schleim Meist
Mageninhalt zeigt keme bp sch i ec htes Gebiss, mässige Druck¬
findet sich dabei ein auffaln' gauer) indicanhaltig,
cmpfindlichkeit in d f “ ag ^? a lten , unverdaute Nahrungs-
Stühle dünn, übelriechend, enthalten senr v aller Na hrungs-
bestandtlieile. Die ouu ihrer Verdauung brauchen, also besonders
^ “■ '• - Be ' icht übor
6 einschlägige Fälle. onerativen Behandlung der Darm-
dee i8 ' ae,, “ 8Cl ‘ e,,
Krankenhauses in Hamburg) verhiütni8ßm ä8sig leicht zu
diagnostidrende acute
C— “SShrt we;de« Geiiugt w«.
ÄÄoÄÄ« ’ die Enterotomie. MiUheiiuug
von y^ razin . Kü6lin . Die Hauptpunkte der Diagnose und
Therapie der kmeren^)armve^schliessung^ g d ^ ch Strangulation
--"SrsÄÄ
angezeigt, im letzteren n Diffprentialdiagnose der beiden Formen
ist, sonst Ünterostomie- D « daS8 heutzutage die Fest¬
wird besprochen und daraut h g ^ nic ht mehr genüge, Viel¬
stellung eines Da ^^”“ S8 d e S Es und der Sitz des Darmver-
SLS 1 coÄ «erden »üsse und udt uueeren üntereuchunge-
—sass&^äsÄ-. a , dotormal
erzielt werden.
Vereins- und Congressberichte.
III. internationaler Congress für Psychologie
in München vom 4. bis 7. August 1896.
(Bericht von Dt. Karl Grass mann in München.)
Die Einzelheiten des äusseren Verlaufes des Psychologen-
C’ontrrcsses den Lesern dieses medicinischen Fachblattes zu schildern,
SünlXiTr um so mehr werden, als die Tag.spressc d.ese,
Obliegenheit bereits hinreichend nachkam So begnüge ich^m,^
mit der Notiz, dass der sehr zahlreich besuchte Congres
hatten sich ca. 450 Theilnehmer gemeldet — am 4- A g
der hübsch geschmückten Aula unserer Universität feierlich er
turdc. Vor einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft, darunter mehrere
Mitglieder des k. Hauses, sprach Professor b t u m p f ( Bt ' rln |)
gehaltvolle Eröffnungsrede, in der er zunächst einen kurzen R -
blick auf die früheren psychologischen Congressc 1889
Paris, 1892 in London — gab, dann aber die Ziele und schon
errungenen Fortschritte der Psychologie des Näheren besprac.
Während er es als das Bestreben jeder Epoche bczeichnete dass
sie zu der Frage über das Verhältnis von Seele und Leib eine
befriedigendere Stellung erobere, verfehlte der Redner nicht, den
Satz auszusprechen: .Wenn wir nun Alle darin einig sind, dass
die Beziehung zum physischen Gebiet unser ganzes Seelenleben
durchdringe, so wird cs doch kaum möglich sein, eine genauere
Formel zu linden, in der sich unsere .gemeinsamen Anschauungen
über die Natur jenes Verhältnisses ausdrückcn hessen» — also
, • nr .,1 «rcwandctc Wahrheit. Die Psychologie pflegt
die alte, immc g Altme i 8 ters Fcchncr festzul,alten,
nur dann dm i nhvsischem und psychischem Gebiete als
die Vorgüug..„ werden, ohne daes ».
jemt!f» 5 B einander au wirken oder id gemeiniamer Wirkung -k
“ ’GidTSb“'» dicscr 1 t bstcn Frase, i' lto
di. d?l* »a ** «»»‘ “ geben m ”'- nocb
den E SSÄTd^JSSS
ist die grösste Bcsc i Vortrüge nöthig, welche sich durch
SSSS-i-ÄÄt
Acrzten wiedergegeben ^ werden Berichterstattung
wurden, keine Rücksit ^ v ^ mt bei i( . h im Allgemeinen jener
- ÄttÄ’-
TT ' dif^ f
m 8 ’die ***«•**£ .ju—J
ÄÄ “s^Uon "endlich Weichende
"” d ÜÄ» «r„s s&TM
gemeinen Sitzung von I rot. • . des meusch-
v,.rtr-ur- Heber die Associa11onsccntren des nie
i°r Ä S“
Studium der Leitungsbahnen im Gehirn entwicklungs¬
gaben der Anatomie, wofür Vortragender «Übst d een ^
gcnchiehtliehe Methode der Forachung
Lcitungsbahncn entstehen successive voraus . Die corücalen
lei tun gen in der Entwicklung allen g Menschen nur
Sinncsccntrcn der Grosshirnrinde ne i dur ch Binden-
etwa : /s der Rinde cm; sie sin ... n0C i, motorische
bezirke getrennt, » welche weder sensiWe.Joe^^ ^
Leitungen ' eintreten ; sie bilden 4 entbehren
schicdcncr Grösse. Die einzelnen S.nness,m ^
untereinander fast vollständig ei n er ^ dcn Manien
Zwisclienfeldcrn zwischen den Snineswntren dafür ^
« Associationsccntren » bei. Da « kein Sinneswahrneh-
dass die Verletzung der Assomationscentren
mungen im engeren Sinne irgendwie beeinträchtig ,
Ceiitrcn nur an
betheiligt sein können, indem sie zu de dßn Vorstellungen
die Erinnerungsbilder hinzufügen, w 5 Auch die
äusserer Objecte thatsächlich stets vorhanden d. ^ Hirnokr .
geistige Individualität drückt sich in . fc ren, >' iror
Ue ß , im Windungsreichthum *
relativen Grösse im Verhältmss zu den Sinnescentr
deutlicher aus, als man bisher angenommen hat- > gelungeilC
Dieser hochinteressante Vortrag wurde d gemacht.
Demonstrationen von Gehirnpräparaten noe ins ciuC höchst
In der folgenden Discussion entspann “ pr()f Lipl . S
interessante und lehrreiche Debatte zw ' 8che " itethci i uu g zwischen
(München), resp. Forel (Zürich) über die Arbcitäthe.l g *
Physiologie und Anatomie gegenüber der Psychologie-
hier nicht der Raum, darauf einzugelien. Markfasergeha' 1
Th. Kaes (Hamburg) berichtete über de M h en «nd
der Hirnrinde bei einem 2 jähr. mikroceplml'scheu Dli
bei einem 25 jähr. makrocephalisehen werblichen Zwerge
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11. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
759
Gehirn des letzteren wog 1373 g; die Gehirnmaasse entsprachen
denen eines 1 */a—2 jähr. normalen Kindes. Der Faserreiehthum
der einzelnen Schichten der Rinde glich dem Verhältnisse bei
einem 1 */•» jähr. normalen Kinde. Bei der ersten Idiotin wog
das Gehirn nur 200 g. Im grossen Ganzen zeigten die Maassc
je nach dem Grade der Wachsthumshemmung der einzelnen
Partieen grosse Differenzen ; doch steht fest, dass die am meisten
entwickelten Rin den gruppen wiederum den Maassen eines 1 '/s bis
2 jähr. Kindes ähneln. Auch diesen Vortrag begleiteten zahl¬
reiche Abbildungen, Curven etc.
Prof. Charles Riebet (Paris) hielt in der 1. allgemeinen
Sitzung einen formvollendeten, fesselnden Vortrag: «Sur la douleur»,
worin er die Frage, welche Nervenreizungen Schmerz verursachen,
dahin beantwortete, dass Schmerz durch jede Ursache hervorgerufen
werde, welche den Zustand des Nerven in tiefgehender Weise ver¬
ändert. Der Schmerz sei eine Schutzvorrichtung für den Organis¬
mus, indem dadurch Reflexe, Bewegungen der Abwehr, der Flucht
u. s. w. hervorgerufen würden. In diesem Sinne ist der Schmerz
zugleich lebenverlängernd, also eine zweckmässige Einrichtung der
Natur.
N. Weden sky (Petersburg) hat einen Beitrag zum Studium
der centralen Innervation geliefert, indem er an Tlüeren darüber
experimentirte, ob die Reizung eines Rindencentrums der einen
Seite, eine Veränderung der Erregbarkeit im corrcspondirenden
Centrum der entgegengesetzten Seite hervorrufe, und beantwortet
diese Frage dahin, dass thatsächlich ein funetioncller Rapport zwischen
den beiden Gehirnhälften bestellt.
Die Resultate einer Arbeit von A. Tokarsky (Moskau),
welche er in seinem Vortrage: La plus courte duree de la reaction
simple, aussprach, bieten zu viel integrirendes Detail, als dass
hier besprochen werden könnte.
Hering (Prag) brachte einen Vortrag über das Thema: In¬
wieweit ist die Integrität der centripetalen Nerven eine Bedingung
für die willkürliche Bewegung? Das Experiment am Frosche er¬
gab, dass nach Durchschneidung der hintern Wurzeln der «Rückcn-
inarkfrosch» weder willkürliche noch unwillkürliche Bewegungen
macht. Weitere Experimente und Ueberlegungen lassen den Walir-
scheinlichkeitsschluss zu, dass die totale Ausschaltung der ccntri-
pctalen Erregungen die willkürliche Bewegung unmöglich macht.
Schon mehr in das speciellc Arbeitsfeld der exj>erimentellcn
Psychologie fällt das von <). Külpe (Würzburg) besprochene
Thema: Ucber den Einfluss der Aufmerksamkeit auf die Empfin¬
dungs-Intensität. Bekanntlich gehen die Ansichten der Psychologen
über die Frage, ob die Aufmerksamkeit die Empfindungen ver¬
stärke oder abschwäche, auseinander. Rechner, Stumpf,
Wundt geben einen geringen Einfluss in dieser Richtung zu,
Li pp s bestreitet ihn auf das Entschiedenste. Külpe machte
Versuche, wobei er optische Reize wählte: 2 Farbenkreisel lieferten
durch Mischung weisser und schwarzer Scctoren gewisse Stufen
von Grau. Die Auffassung des Normal- oder cingeführten Ver¬
gleichsreizes wurde durch Kopfrechnen abgelenkt. Die Resultate
waren folgende: Bei einem Beobachter trat Ueberschätzung des
abgelenkten Reizes auf, bei 2 anderen Unterschätzung. K. ver¬
tritt die Ansicht, dass dabei die Veränderung der Accommodation
die ausschlaggebende Bedingung war, welche die Hclligkcitsempfindung
beeinflusste.
Einen ähnlichen experimentellen Stoff behandelte Heinrich
(Wien): Die Aufmerksamkeit und die Thätigkeit der Sinnesorgane
mit besonderer Berücksichtigung des Auges. Seine Versuche be¬
antworteten auf dem optischen Gebiet die Frage, ob die Auf¬
merksamkeit die Fähigkeit besitzt, die Eindrücke hervorzuheben,
oder ob es die physiologischen Bedingungen (z. B. Accommodation)
sind, die ein stärkeres Hervortreten der Reize zur Folge haben,
zu Gunsten der zweiten Annahme.
Eine Anzahl der Arboiten beschäftigen sich mit den Ein¬
flüssen auf die Blutcirculation im Gehirn. Patrizi (Sassari)
hat den Einfluss der Musik in dieser Richtung experimentell ge¬
prüft und kommt zu dem Ergebniss, dass jeder melodische Reiz
den Zufluss des Blutes zum Gehirn steigert, dem in der Peripherie
ein paralleles Fallen und Steigen der plethysmographischen Curven
entspricht. Die Effecte am Gefässsystem sind directe, nicht der
Athmung unterworfen.
S. Epstein (Berlin) berichtet über den Einfluss von Licht¬
eindrücken auf den Gcfässtonus, dass alle Farben — die Dunkel¬
heit als Nulllinie genommen — pressorisch wirken, am Stärksten
roth, am Schwächsten grün. Bei anderen Versuchen zeigte sich,
dass die Atheiufrequcnz zumeist bei einem plötzlichen Ucborgange
ins Rothe erheblich anstieg.
Der an sich interessante Vortrag von G. Stratton (Berkeley,
California): Somc prcliminary experiments on vision without in-
version of the retinal irnage, eignet sich nicht zu kurzer Wieder¬
gabe.
Ueber merkwürdige Untersuchungen (D'un etat analogue avcc
le Daltonismc des yeux, dans tous les autres sens humains ex-
tericurs) berichtet R. Taverni (Catania, Italien). Er gibt an,
bei 161 Individuen Veränderungen des Gehörs (diese bei 108),
des Geschmacks, des Gefühles, des Geruches — bei sonst nor¬
maler Gesundheit — gefunden zu haben, die er in Analogie zum
Daltonismus setzen zu sollen glaubt.
Prof. Bezold (München) demonstrirte die von ihm zusammen-
gestellte <continuirlichc Tonreihe-', mittelst deren jeder vom Ohrperci-
pirbare Ton (von 11 Doppclschwingungcn bis 55 000 Doppelschwing¬
ungen = ca. 12 Octaven) isolirt und in genügender Stärke erzeugt
werden kann. Untersuchungen an 79 Taubstummen ergaben,
dass bei einem beträchtlichen Thcilc derselben Defectc für ver¬
schiedene Strecken der Tonscala vorhanden waren. Dieser Befund
bei Taubstummen, deren Erkrankung sich pathologisch-anatomisch
meist im Labyrinth localisirt findet , darf als eine weitere Be¬
stätigung der Theorie von Helmholtz betrachtet werden.
Die der Erzeugung der continuirlichen Tonreihe dienenden
Stimmgabeln und Pfeifen hatte die Firma Edelmann, welche
sich um Herstellung und Vervollkommnung derselben grosse Ver¬
dienste erworben hat, in einem Raume des physikalischen Institutes
nebst vielen elektrischen Präcisions-Instrumenten ausgestellt. Hier
batten auch eine reiche Auswahl der Apparate Platz gefunden,
deren die experimentell arbeitende Psychologie l>cdarf, ferner eine
Sammlung instructivcr Wandtafeln über Gehirn und Rückenmark,
nach Forschungen von Prof. Flechsig. Die Firma Pöller
hatte ferner eine Zusammenstellung der für die Erzeugung von
Röntgen-Strahlen nöthigen Apparate veranstaltet. Wie weit die
Leistung derselben nunmehr gediehen ist, zeigte die von dem In¬
genieur Dr. M. Lcvy (Rerlin) vorgeführte Demonstration. Die
Durchleuchtung des Kör|>erinnern kann nunmehr soweit gesteigert
werden, dass die Bewegungen des Herzens, sowie die Athmungs
Excursionen des Zwerchfells sehr deutlich auf dem Fluoresccnz-
schirm sichtbar werden, ebenso die Schattenfigur der Wirbelsäule,
der Rippen, der Leber etc. — ein höchst frappirender Anblick !
In der 2. allgemeinen Sitzung sprach Professor Scrgi aus
Rom über das Thema: Dov’ ü la sede delle emozioni? (Wo ist
der Sitz der Gefühlserrcgungen?) Als Antwort auf diese Frage
vertrat S. die Anschauung, dass das Centrum der Gefühlserrcgungen
nicht das Gehirn im eigentlichen Sinne sei, sondern die Medulla
oblongata. Das Gehirn als Organ des Gedanken verhält sich
rücksichtlich der Gefühlserregungcn wie die Sinnesorgane und die
Gewebe, welche Schmerz oder anderen Gefühlen zum Ursprung
dienen — also mit Rücksicht auf die Medulla wie ein peripheres
Organ.
Aus den in der II. Scetion vorgetragenen Arbeiten möchte ich
in erster Linie das Thema von Prof. L. E di n gcr (Frankfurt a. M.)
herausgreifen, weil es mit dem bedeutungsvollen Vortrage Flcchsig’s,
den ich oben kurz skizzirtc und der lebhafte Meinungsäusserungen
von ungesehenen Psychologen (Lipps, Stumpf, Ebbinghaus etc.)
hervorrief, in inhaltlichem Zusammenhänge steht. E. beantwortete
die von ihm erörterte Frage: «Kann die Psychologie aus dem
heutigen Stande der Gehirnanatomie Nutzen ziehen?» mit einem
wohlmotivirtcn Jal Er führte aus, dass die Psychologen bisher
zu unverrückt ihr Auge nur nach dem Grosshirn und seinen
Functionen gerichtet, aber es vielfach versäumt haben, Kenntniss
zu nehmen von den langsam sich sammelnden Studien über den
Bau der tiefsten Nervencentren. Das Genetische in den höchsten
seelischen Processen ist desshalb ganz ungenügend studirt. Die
Studien müssen da beginnen, wo ganz einfache Functionen vor-
liegcn, bei den niedern Thieren (Ringelwurm, Krebs, Ampliioxus).
Die Functionsfähigkeiten, welche sich aus der verschiedenen Ent-
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Münchener ME DicggscgE wocg ENSCHRgT.
Wicklung von Kückenmark, Kleinhirn Mittelhirn ete. W \f T
sä sa jvjx S
entwickelten von Thiercn, wo da« Mittel- dn,
£
Rindenfeldcr hinzu, z. B. bei den g Namentlich für frfl
Kinde zu den peripheren Endstätten, den Optici- iNamentucn G ,
die vergleichende Seelenlehre bringen anatomische Gehirns , mi
richtig gewürdigt, entschieden Nutzen. (Fortsetzung folgt.) w,
III. Versammlung süddeutscher Laryngologen «
zu Heidelberg am 25. Mai 1896. ?f
(Bericht von Dr. E ulen stein in Frankfurt a./M., I. Schr.ftfü rer.)
(Fortsetzung)
VI. Herr He d der ich- Heidelberg: Klinische Erfahr u ,
ungen über Paramonochlorphenol bei Larynxphthis . a,
(Der Vortrag erscheint in dieser Wochenschrift). |
selten Erbrechen erregend. D» ’Wirkung 11 » » b ChlorzinklösuDg; *
als etwa nach Anwendung von Cre P & y ortbei]e den 1
"Ääsä 1
haut kann man durch sehr häufiges Emreiben einer 20;promPi«a .
1
recht empfehlenswerth erscheint.
VH. Herr Proebsting-Wiesbaden. Zur Operation ma¬
ligner Nasenrachentumoren.
Der Vortragende weist darauf hin, dass es bei der operativen
Behandlung maligner Nasenrachentumoren darauf’ ankomme einen
möglichst freien, übersichtlichen Zugang zur Neubildung zu schalten,
nm deren radicale Entfernung und möglichste Verhinderung von
Recidiven zu erzielen. Er weist ferner hin auf die von Kij ewsk
und Wröblcwski im Archiv für Laryngologie gegebene, recht
vollständige Ucbersicht der zu diesem Zweck angegebenen Opera¬
tionsmethoden und Modificationen solcher, und bespricht kurz die
Nelaton-Gussenhauer-Mikulicz’sche Gaumen Spaltung,
die den besten Zugang zum Nasenrachenraum und zur Basis crami
gestattet, hei möglichst geringen kosmetischen und functionellen
Störungen. Er erwähnt ferner die temporäre Nasenresection nach
Langenbeck, die den hinteren Nasenabschnitt und Nasen¬
rachenraum nicht vollkommen freilegt, und endlich die Oberkiefer-
rcsection, welche in vorgeschrittenen Fällen ja notwendig werden
könne, aber doch solche Veränderungen des Schädels und des Ge¬
sichtes hervorbringe, dass sie nur in den schlimmsten, vorgeschrittenen
Fällen maligner Nasenrachentumoren mit Ergriffensein des Keil¬
bein b und des Oberkiefers angebracht erscheine.
Vortr. hat einen Fall von juvenilem Fibrosarkom des Nasen¬
rachenraumes und der linken Nasenseite beobachtet, den er mit
Herrn Sanitätsrath Cramer, Oberarzt des St. Josephhospitals in
Wiesbaden, behandelte, in dem von Cramer die Gaumenspaltung
und die temporäre Nasenresection in einer Sitzung vorgenommen
und der grosse und trotz starker Blutungen sehr feste Tumor in
tote entfernt wurde. Vortr. glaubt, dass diese bisher noch nicht
angegebene Doppelopcration eine sehr glückliche und selbst für
sehr vorgeschrittene Fälle ausreichende Modification ist, die recht
günstige kosmetische und functionelle Resultate ergibt.
Es handelte sich in diesem Fall um einen 19 Jahre alten Bauern¬
sohn aus Hallgarten im Rheingau, der im Laufe des letzten WinterB
an wiederholter sehr heftiger Epistaxis litt und wegen dieser pro¬
fusen Blutungen Mitte März 1896 Herrn Collegen Sch eben in
Oestrich consultirte. Der College versuchte, die bei der Untersuchung
gefundenen Nasenpolypen abzutragen, entfernte auch mehrere aer-
, oK „ /furch die dabei auftretenden profusen Blutungen
selben, wnrie' abe “™h März dem St Josephhospital zu
veranlasst, den l Patienten am am gelben T {and die
überweisen. Vortragender san r vorliegenden Fläche
ltak H n Junior erS Der 1 Nasenrachenraum «r Uok.. ««k
wunden Tumor L ^ Aussenwand; die linke Choane
durch eine glatte 1 , ßt g ver ] eet und das ganze Septum nach
war du / ch d Vortragender nahm mit der Glühschlinge
rechts herübergedräng . T umor s weg; dasselbe erschien ma-
ein ck des dem Beste
kroskopisch hirnart g gebr vorsichtiger Anwendung der
.rthererX™ »ehr beWuMich* Die
Glühechbnge ».r J» mm lbros „ kom Die Aufe.be
wie”“« Melinit« ned der heftigen Blntv.rio.«
^ ,lh Hei e Mege d Ö"rlmer n mS°M» »ich, «o die»em Zwecke di.
von ihm ' mehrfach mit .ehr ft
burg’sche Tnmponmmole mngele^ ^ ^ 0iJmor angegebeDt
anderer mit diesem in v heobacliten kann, ob der innere
geblasen wird, d ®“ dicht ist und die Trachea nach oben
Ballon noch aufgebläht und dicht ist una ^ ^ Mittel .
d0, bf» ÄlSÄSiSS frei übersichtlich. Es
gte sich, dass der Tumor.“"J^'J^^toJSudle^ntOTuAung,
r nicht entfernt werden , linke Nasenloch und der
lern der rechte kleine langer GaumenS palte geführt wurde,
SSrÄ*»;
chenraum und hinteren Nasenabschnitt und. MJJ^ ^
autsebnitt in bekannter Weise v ° m r , ec bi ^f H g herunt er und quer
asenwurzel, dann an der linken alfalte herunw ^
=r s «tÄ
orentz'schen Löffel gewissermaBsen herau^älte.^
ahme des Tumors hörte die bl8 Sie Tampon-
ie Nase wurde mit Jodoformgaze fest P • £> ann wurde die
nden aus dem Nasenloch herausgeführt wurde . ^6. Die
ussere Wunde genau vernäht und A) S liSen und wurde Patient
'amponcanüle blieb noch bis zum Abend liegen und wuru^
i den ersten Tagen natürlich mit em hnell die Gaumeunaht
Die Trachealfistel schloss sich ziemlich schnell, J »
,nd die äussere hufeisenförmige Wunde
.rimam. Das Resultat war ein in ] Beweise dafür den Kranken
u nennen. Vortragender bedauert ^m Bewe se datur q voq
ficht selbst zeigen zu können j deraelbe ha * ™ n in und £ U B B to
lasenspülungen doppelseitigelOjta' “e^ ab ekom nebst
vegen der auf der einen Seit ® g ?perirt werden. Es
eichter Facialparese erst vor wenig 1 K P ann6 hernd ein
werden einige Photographien gezeigt, de , g , j Spiritus etwas
Bild des kosmetischen Resultates geben; auch der in apu
jeschrumpfte Tumor wird demonstnrt.
Indem der Vortragende nun auf die Frage des Rmdws üb«
geht, die bei diesem erst vor 2 Monaten openrten Kranke^ ^
in suspeuso sei, erwähnt er einen von r a “ er Selbst heilung
Jahre 1889 beobachteten eigentümlichen Fall vo komSi
des für inoperabel gehaltenen Recidivs eines N ^ nr “„ kein
für den er in der Literatur uud bei befragten
Analogon gefunden habe. alte Frau mit
Es handelte sich dabei um eine damals 48 Ja Q J^ enspB ituDg
Nasenrachensarkom, die durch Cramer mitt beka m,
mit Erfolg operirt, nach einigen Monaten ern * ^ Tuben
welches, rasch wachsend, die Nasengänge gan Exitus ganz
schloss und den linken Bulbus vortneb , so Kranke,
unvermeidlich erschien und die auf s Aeusserste g Däcbs ten Tag
sowie die Aerzte mehrmals glaubten, sie werde den jächs ftlg
nicht erleben. Aber ganz spontan ohne jede MedmaUo
aussichtslos längst an die feite gestellt war , die Nase wurde
bildung zurück, der Augapfel trat in seine Höhle zurUk,a^ __
wieder durchgängig, das Gehör — fast ganz a^fgeh ^ noch
frei und fast normal und die Frau lebt heute nacn ge
in Caub und steht frisch und rüstig ihrem Geschäfte vor.
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11. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Zweifel an der Diagnose Sarkom weist der Vortragende zurück mit
dem Hinweis darauf, dass die besten Mikroskopiker die Diagnose
bestätigten, sowie dass die Frau nach der ersten Operation, also
seit */2 Jahr vor der Spontanheilung des Recidivs kein Antilueticum
genommen habe.
Vortr. bemerkt dazu, dass diese Spontanheilung nicht ver¬
wechselt werden dürfe mit der in einzelnen Füllen beschriebenen
Spontanheilung juveniler Nasen rachen-Fibrome, von der König
vermuthet, dass sie viel öfter, als beschrieben ist, verkomme. Er
hofft, dass der kürzlich operirte und oben beschriebene Fall ohne
Recidiv bleibe und nicht in die Lage komme, vielleicht ein Gegen¬
stück zu diesem Unicurn von Spontanheilung eines Sarkoms ab¬
zugeben.
DiBCUssion: Die Herren Werner-Mannheim, Fischen!cli,
L. Wolff, Kahsnitz, Eulenstein, Seifert, lledderich,
Proebsting, Bloch, Wer n er-lleidelberg, Lublinski.Killian.
VIII. Herr Rosenfeid- Stuttgart: Demonstration eines
Larynx-Carcinoms.
Die Geschwulst, welche ich Ihnen zu demonstriren die Ehre
habe, ist in mehrfacher Beziehung von grossem Interesse. Nicht
allein dadurch, dass sie bei einer Frau im hohen Alter, circa
81 Jahren, sich erst entwickelte, sondern auch durch die Summe
von einzelnen Erscheinungen, die gleich von Anfang an auf den
Locus rnorbi hinwiesen, und durch eine eigene Art von Ausbreitung
nach dem Oesophagus hin, so dass gegen das Ende des Lebens
mehr die Erscheinungen von Seiten des letzteren Organs als von
Seiten des zuerst befallenen hervortraten.
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..'»r isP
Frau L. war bis zu ihrem 81. Lebensjahre immer gesund, wohl ^
und rüstig und glich in ihren Bewegungen, ihrer Kraft und Leistungs- j
fähigkeit eher einer Frau von 60 als einer von 80 Jahren.
Im März 1895 erkrankte sie an Husten und Heiserkeit. Es 1
wurde diesen Erscheinungen keine grosse Aufmerksamkeit von der 1
Patientin, welche gegen sich immer sehr hart war, geschenkt. Da
die Heiserkeit nicht wich und sich nach einigen Wochen noch
Schlingbeschwerden einstellten, wurde vom behandelnden Arzte
eine Lähmung des rechten Stimmbandes constatirt. Die üblichen
Mixturen undUmschläge steuerten ebenso wenig all «lieBeschwerden,
als ein Luftcurort Besserung zu verschaffen im Stande war. Im
Gegentheil wurde die Athemnoth immer stärker, auch die Schling¬
beschwerden accentuirten sich und es trat ein Schmerz stechender
Art im rechten Ohre auf.
Am 12. 8eptember sah ich die noch wohlgenährte, gut aus¬
sehende Patientin zum ersten Male. Ich fand bei der laryngo-
Bkopiachen Untersuchung ein unbeweglich stehendes rechtes Stimm¬
band und Über demselben das Taschenband ebenso wenig beweg¬
lich und wie aus der Tiefe heraus festgehalten. Unter dem wahren
Stimmband einen deutlichen Tumor, der die Schleimhaut in die
Höhe gehoben hatte. Das Ganze machte den Eindruck, wie wenn
es aus dem Knorpel herausgewachsen wäre. Die Geschwulst war
nach abwärts zu verfolgen und wird auf ca. 15 mm Länge von der
unteren Stimmbandlläche nach abwärts reichend geschätzt', die
Flächenauadehnung auf der Laryngealschleimhaut betrug ca. 10 mm
lateralwärts. Von auBsen war am Kehlkopf nichts zu fühlen,
DrllBen waren keine geschwollen, die linke Kehl köpf hälfte ganz frei.
Der Athem zeigte Stridor, der Husten war rauh und bellend wie bei
Croup, die Schlingbeschwerden besonders bei Schlucken von Flüssig¬
keiten recht bedeutend.
Ich stellte an diesem Tage die Diagnose auf eiu Careinom des
Larynx, ausgehend von dem Schildknorpel selbst und zur Zeit bereits
nach aufwärts durch die Chorda vocalis und dieser entlang nach
rückwärts bis zum Giesbeckenknorpel reichend, der bereits verdickt,
auch schwer beweglich und dessen Schleimhautüberzug oedematös war.
Die vorgescblagene halbseitige Exstirpation des Kehlkopfes wurde
von der Kranken energisch zurückgewiesen. Es konnte desshalb,
bei den sich steigernden Schlingbeschwerden und bei der zunehmenden |
Athemnoth bald nur noch die Tracheotomie in Frage kommen,
Auch diese wurde von der kranken Dame anfänglich verweigert,
und erst dem Zuspruch unseres Freundes Jurasz, der am 14. Oct
die Kranke sah, also 4 Wochen nach seinem ersten Besuche und
.. in der Deutung des Falles mit mir gänzlich übereinstimmte, gelang
es durchzusetzen, dass am 15. October die Tracheotomie gemacht
werden konnte. Nach und nach war nämlich das ganze Larynx-
innere, theils durch die wachsenden Geschwulstmassen, theils durch
t 5 * Oedem der Schleimhaut so sehr verengt, dass nur mit grösster Mühe
n£. dem Athembedürfniss genügt werden konnte. Die Operation brachte
p 3 die gewünschte Atheraerleichterung, allein es trat beim Schlucken
das umgekehrte Verhalten wie früher ein. Nun konnten nur mehr
Flüssigkeiten geschluckt werden, während es unmöglich war, Festes
»ti* oder Breiiges, zu schlucken.
$ji- Nun wuchs die Geschwulst nach der Tiefe hinab, allmählich bildete
sich in der rechten Hälfte des Larynx auf der Höhe und etwas nach
zog sich das Leben bis zum 15. Februar hin, an welchem Tag. der
Exitus letalis erfolgte. Wasser- und Nährklystiere hatten in der
letzten Zeit dem Bedürfnis der Kranken genügen müssen.
Das bei der Section gewonnene Präparat des Larynxcarcinoms
wird darauf demonstrirt.
IX. Herr Dreyfuss - Strassburg demonstrirt im Anschluss
hieran ein Präparat eines Plattenepithelkrebses des Larynx. Der¬
selbe hatte sich anscheinend in dem rechten Sinus pyriformis
entwickelt und war durch die seitliche Larynxwand gewachsen,
wo er als ein granulirender Tumor über dem rechten Taschenband
erschien. Der Patient wurde einer partiellen Resection unter¬
zogen, starb aber 4 Tage p. o. an Sehluekpneumonic. Die »Section
ergab in der Tiefe des Halses kirschkerngrosse, hei der 0|>eration
nicht aufgefundenc Drüsen, die bereits krebsig intiltrirt waren.
X. Herr A. Ki rstein- Berlin demonstrirt ein Instrument
zur Entfernung der Tonsilla phnryngea.
XI. Herr G. K illi an - Freiburg demonstrirt einen Rheo-
staten für Galvanoeauatik, der für den Fussbetricb eingerichtet
ist. Derselbe erlaubt während der Anwendung des Brenners oder
der Schlinge den Strom zu öffnen und schliessen, sowie an- und
abschwellen zu lassen, wodurch sich, abgesehen von anderen Vor¬
theilen, das lästige Durchbrennen der Sehlingen verhüten lässt.
Das Instrument ist auf K.’s Anregung hin von Feinmechaniker
Elbs in Freiburg in äusserst bequemer und solider Weise con-
struirt und hat sich durch zweijährigen Gebrauch bewährt.
Wegen des Fortfalles einer besonderen Stromschlussvorrichtung
konnten der galvanocaustische Handgriff und Sehlingenschnürer
wesentlich vereinfacht werden. Abgesehen davon wurde aber an
ihnen auch die Stromzuleitung verbessert durch Benützung einer
nach aussen federnden, von Elbs erfundenen Klammer, milderen
beiden Branchen die Leitungsschnüre verlöthet sind.
Besondere Vorzüge besitzt der neue Schieber am Schlingen -
sehnürcr, bei welchem die Befestigung der Drahtenden ohne die
bekannterniassen sehr unzuverlässigen Schrauben bewirkt wird. Auf
dem Schieber befinden sich zwei kurze, den Draht hinten eng
umschliosscudc und scharfgeränderte Stahlröhrchen, welche erlauben,
den durchgesteckten Draht spitzwinklich abzubiegen. Ein derartig
hakenförmig abgebogenes Ende vermag, von einer scharfen Kante
gehalten, einen ausserordentlich kräftigen Widerstand zu leisten.
An Eleganz hat der Scblingenschnürcr noch dadurch gewonnen,
dass seine beiden stromleitenden Theile nicht neben einander ver¬
laufen, sondern dass der eine durch den andern hindurehgesteckt
ist. Auf diese Weise hat er das Aussehen eines einfachen, in
vergrüssertem Maasse ausgeführten Hartmann'sehen Sehlingen¬
schnürers. K. ist überzeugt, dass sich die neuen Instrumente,
welche von Instrumentenmacher Fischer, Kaiserstrasso, Freiburg
i. Br. geliefert werden, bald Freunde erwerben werden.
1 (Schluss folgt.)
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Nachtrag zur Sitzung vom 18- Juli 1896-
Im Anschluss an den Vortrag des Herrn Finkelstei n «über
die Ursachen der folliculären Darmentzündung der Kinder» machte
Herr A. Baginsky folgende Bemerkungen:
1. Die von Finkeistein berührte Frage sei so einschneidend
und wichtig, dass er (Baginsky) an dem DiBcussionsabend nur in
der Lage sei, auf ganz einzelne Punkte einzugehen:
2. Die Pathologie macht von jeher sorgsame Unterschiede
zwischen katarrhalischen Erkrankungen der Darmschleimhaut und
Follicularprocessen. Gewiss kommen beide Veränderungen ins¬
besondere bei länger dauernden Erkrankungsformen neben einander
vor; indess sei dies selbstverständlich kein Grund, die a priori
durchaus verschiedenen und vor Allem klinisch gut chamkterisirten
Krankheitsprocesse nun mit einem Male über den Haufen zu werfen,
indem man die Diarrhoeen der Kinder Rammt und sonders mit
folliculaerer Enteritis bezeichnet. — Dies bringe Verwirrung in die
ganze Frage.
3. Das Bacterium, welches Herr F i n k e 1 s t e i n als sui
generis pathogen für die von ihm als Enteritis follicularis bezeichnet«
Krankheit anspreche, sei gar nichts Anderes als Bact. coli. B coli
habe die Eigenschaften des polymorphen Wachsthums, wie das schon
aus seinen (Baginsky's) Untersuchungen und Beschreibungen 1 ) her¬
vorgegangen Bei. B coli zeigt auch, wie weitere klinische Erfahrungen
abwärts eine Oeffnung die ab und zu neben.Blut einigen Detritus ergeben haben, mannigfache Virulenzen. Eis sei kein Grund vor-
entleerte. Auch der charakteristische Geruch fehlte nicht. Vom -— „
14. Januar ab war es unmöglich, Flüssigkeiten zu schlucken. Doch ‘) s. Archiv für Kinderheilkunde Bd. 12.
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762
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
handen, auf Grund der gebrachten Darstellung das Bact. des Herrn
Finkeistein für irgend etwas Anderes zu nehmen, als für Bact.
c oli. — Diese These erläuterte er dann durch die Erzählung, dass
er ai ?. 8 * c ^’ 6e ^ >s ^ gelegentlich des Genusses eines Stückes Melone
das Virulentwerden eines augenscheinlich im Darme haftenden Bact.
und zwar wahrscheinlich B coli beobachtet habe.
,4 Wenn das Bact. des Herrn Finkeistein von diesem mit den
Eigenschaften, septische und phlegmonöse Processe zu erregen, aus¬
gestattet werde, so haben an den angeblich experimentell erzeugten
Eiterungen und Phlegmonen sicherlich die gleichzeitig den TI deren
mitverfütterten Glassplitter mehr Schuld als die Batterien. — Die
ganze Frage der vom Darin aus erzeugten Sepsis ist auf mangelhafter
Basis aufgebaut, weil mancadaveröse, postmortale Bacterieninvasionen
für vital entstanden genommen hat
fS. Alles in Allem könne er also nicht die Ueherzeugung aus¬
sprechen, dass durch die Mittheilungen des Herrn Finkeistein
die Krage der Brechruliren, spec. der Sommerdiarrhoeen der Kinder
gefördert sei.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Academie de Medecine.
Sitzung vom 7. Juli 1806.
Zur Serumdiagose des Typhus.
Dieulafoy erinnert an die Schwierigkeit der Differential-
diagnose zwischen Typhus einerseits, und andererseits Viliartuber-
culose, Meningitis, Influenza. Endocarditis ulcerosa und Febiis gastrica
und lieht sodann die Wichtigkeit der Entdeckung, welche Widal
gemacht hat, hervor Fügt man zu einigen Tropfen einer reinen
Cultur von Typhusbacillen nur einen Tropfen Blutserums, welches
durch einfachen Stich in die Fingerkuppe gewonnen wurde, so sieht
man unter dem Mikroskop die Bacillen isolirt und beweglich, wenn
das Serum von Gesunden oder von Kranken mit Nephritis, Icterus,
Pneumonie, Rheumatismus. Tuhercnlose u. s. w. stammt; kommt
es hingegen von einem Typhuskranken, so sind die Bacillen zu-
sammengehiiuft, unbeweglich und grosse leere Zwischenritunu* zwischen
sich lassend. Schon vom siebenten Tage an ist die Reaction
sehr deutlich und D. zeigt 2 Präparate, welche am siebenten resp.
zwölften Tage gewonnen wurden und durchaus typisch sind. Ver¬
suche hingegen, welche er mit dem Serum von typhusfreien Per¬
sonen anstellte, ergaben, dass dasselbe die Eberth'sehen Bacillen
frei und beweglich lasse, dass eine Anhäufung (Znsammenklebung)
und Senkung derselben nicht stattgefunden habe.
Radicalcur der Inguinalhernien durch die sclerogene
Methode.
Lannelongue stellte mehrere (f>) Kinder vor, welche durch
diese Methode geheilt wurden. Es werden rings uin den canalis
inguinalis und dessen äussere Oefftiung an 6 Stellen je h—(» Tropfen
einer Io proc. Chlorzink-Lösung injicirt, jedoch mit Vermeidung des
Samenstranges, und dann ein Com pressiv verband «nglegt. De
nächste Folge ist eine enorme Schwellung, welche nach innen
bis zum Bauchfell reicht; dann bildet sich ein harter, am Knochen
adhaerenter Knoten, welcher den Canal fest verschliesst und jedes
Vordringen von Eingeweiden in den Ring verhindert Selten bildet
sich ein sehr kleiner Schorf; die Kranken stehen schon nach 8 Tagen
auf und können nach 12 Tagen mit eben genanntem Resultate das
Spital verlassen.
Sitzung vom 21. Juli 1886.
Ueber Arseniklähmungen.
Lancereaux hatte im Jahre 1861 zum ersten Male die durch
Bleivergiftung, und im Jahre 1879 die durch den Alkoholgenuss ent¬
stehenden nervösen Störungen, besonders die Lähmungen, be¬
schrieben und macht jetzt auf eine weitere Art Giftlähmung in
Folge von lange fortgesetzter Einnahme von Arsenik aufmerksam,
ln beiden Fällen, welche er beobachtete, ging den eigentlichen
Lähmungserscheinungen lang dauerndes, remittirendes Fieber (in
einem der Fälle von 14 Wochen) voraus, so dass die Diagnose sehr
lange zweifelhaft blieb und Anfangs auf Typhus gestellt wurde; die
Anamnese ergib, dass wegen Psoriasis 3 Jahre hindurch Arsenik in
stets steigender Dosis genommen wurde. Ans.-etzen desselben,
Milchdiät und Spirituseinreibungen führten rasch Heilung der auf
die Unterextremitäten:beschränkten Lähmung herbei. Zum Symp-
toinencompiex der Arsenikvergiftung würde nun als weiteres Zeichen
zuweilen lang dauerndes Fieber hinzukommen, so dass L ermahnt,
man solle hei continuirlichem Fiebers ohne bekannte Ursache immer
darnach forschen, oh der Kranke keiner Arsenikbehaiidlung unter
zogen worden sei; bezüglich der letzteren ergibt sich, dass sie mit
grosser Vorsicht und ohne Unterbrechung nie länger wie einen
Monat hindurch anzuwenden ist.
Societe de Biologie.
Sitzung vom 11. Juli 1896.
Der B acill us’pyocy aneus als Krankheitserreger beim
M ensehen.
Ausser der in der Chirurgie beobachteten sog. blauen Eiterung
verursacht der Bac. pyocyanetis beim Menschen unzweifelhaft nohe
andere Erkrankungen. Beim Neugeborenen sah mau durch ihn eine
Soptieäime mit Enteritis und Blutungen entstehen, heim Erwachsenen
gewisse Fornu n von Dysenterie, Bronchopneumonie, Otitis, Nephritis
Cystitis und Adenitis Charriu zeigte eine chronische Mastiti-
w'elche eine grünliche Flüssigkeit absondert: dieselbe enthält einen
Bacillus, welcher zuerst ein grünliches Pigment, dann nach einer
Reihe von Uebertragnngen Reinculturen des Pyocyaneus liefert lm
Thierkörper verliert dieser Bacillus oft seine farbenerzeugende Wir¬
kung; es ist daher anzunehraen, dass sein Vorkommen ein häufigeren ist
Ueber die blutstillenden Eigenschaften der Gelatine
Durch frühere Arbeiten war bereits constatirt worden, dass
die Gelatine die Gerinnbarkeit des Blutes in hohem Grade vermehrt
und tlie natürliche Folge war, dass man dieses Mittel als Haemo
staticum anwandte. Paul Carnot bediente sich einer S—ln proc,
Lösung hei ungefähr 3 r >° und hat damit in mehreren Fallen von
schwerer Epistaxis hei Haemophilen, hei einer Metrorrhagie durch
intra-uterine Injection u A. m stet« die Blutung gestillt; Chlorcal¬
cium scheint, obwohl es intensiv coagulirend wirkt, sich weniger
zur Blutstillung zu eignen.
Ueber die intravenösen Injectionen von Salzwasser.
B'> sc und Ve.del hatten früher über die Wirkungen starker
Kochsalzlösungen (7 und 1" proc.) I erichtet und versuchten nun
heim Hunde experimentell verdünnte Lösungen, sei es von Kodi-
salz allein if» proc ) oder von diesem, zu gleichen Theilen (0,7 proc.)
mit schwefelsaureni Natron gemischt. Erstere haben gar keine
toxische Eigen«' butt, selbst in grossen Mengen injicirt (1 1 in 10 Mi¬
nuten'', die Respiration verlangsamt sich, das Herz schlägt schneller
die Körpertemperatur erhöht sich bis auf 39,9 bis 40,9" in 1 bis
2 Stunden, bleibt, auf dieser Höhe einige Stunden, um langsam
wieder zu sinken, Hie Harnahsonderung wird reichlicher. Mit 0,.iproc.
Kochsalzlösung ist letztere« Symptom sowie die Erhöhung der
Körperwärme viel weniger ausgeprägt. Mit der in oben genannter
Weise coinbinirten Lösung zeigte sich auch hei einer Geschwindig¬
keit von ICH) ccm per Minute keine Giftwirkung und waren die
unmittelbaren Folgen der Injectionen dieselben wie mit der ein¬
fachen Kochsalzlösung, so dass in einer Versuchsreihe einem Hunde
von 18 kg in 67 Stunden 470“ ccm der zusammengesetzten Lösung
ohne schlimme Folgen injicirt werden konnten. Es ergibt sich also,
dass sich letztere in ihrer Wirkung ebenso wie die einfache Lösung
verhält, der Zusatz von Glaubersalz daher ohne Nutzen ist, und
ferner«, dass die 0,7 proc. Kochsalzlösung genügend und der 0,fi proc
vorzuziehen ist. St.
Verschiedenes.
Errichtung ärztlicher Ehrengerichte, ln der «Deutsch.
Jurist.-Ztg.» beschäftigt, sich der Berliner Rechtsanwalt Arthur Ham¬
burger mit der Zuständigkeit der I>andesgesetzgebung zur Errich¬
tung ärztlicher Ehrengerichte. Er geht davon aus, dass die
Ausübung der Heilkunst ein nach § 1 der Gewerbeordnung freies
Gewerbe und der Arzt ein nach § 29 desselben Reichsgesetzes
bevorrechteter Gewerbetreibender sei, seine Berufspflichten aber
von der Landesgesetzgebung nicht enger oder anders als in dem
Reichsgesetze bestimmt werden können. Der Verfasser führt
n. A. aus:
Mit aller Bestimmtheit ist zu verneinen die Befugniss der
Landesgesetzgebung, durch Auflegung einer Pflicht das Thun und
Lassen des Arztes in einem Punkte zu beschränken, welche eine
reichsrechtliche Bestimmung ausdrücklich seinem Belieben unterstellt
hat. Durch die Gew.-Ordng. sind eine Reihe von einzelnen Ein¬
schränkungen ausdrücklich beseitigt, denen der Arzt früher unter¬
worfen war, er darf, wie schon bemerkt, den Gewerbebetrieb im
Umhertiehen ausüben (§ f»6a), er darf ferner u. A. die Höhe der
Vergütung frei mit dem Patienten vereinbaren (§ 80), er kann nach
Belieben seinen Beistand gewähren oder versagen (§ 144). Selbst
wenn man die Landesgesetzgebung für befugt erachtet, dem Arzte
die gewissenhafte Ausübung seines Berufes noch besondere zur
Pflicht zu machen und ihm vorzuschreiben, sich innerhalb und
ausserhalb seines Berufes der für denselben erforderlichen Achtung
würdig zu zeigen, so darf hiernach nichts in den Kreis
seiner Berufspflichten gezogen werden, was die Ge¬
werbeordnung ausdrücklich von denselben ausschli esst.
In den Berathungen des sächsischen Landtages ist jedoch ebenso
wie bei den Verhandlungen der Aerztekammern über den preußi¬
schen Entwurf ausdrücklich betont worden, dass man mittels der
ärztlichen Ehrengerichte u. A. dem unlauteren Wettbewerbe entgegen-
treten zu können denkt, der in der systematischen Gewährung ärm¬
licher Hilfeleistung, insbesondere an Ortskrankenkassen, gegen ein
geringeres als das übliche Honorar gefunden wird. Nach dem o en
Ausgeführten darf die Landesgesetzgebung dies ebenso wenig uß
Strafe bedrohen, als die Weigerung des Arztes, seine Hilfe u er¬
bau pt zu.gewähren Wenn § 93 der Gebührenordnung für Bec
anwälte die vertragsmässige Honorarvereinbarung zulässt, gleicuw
aber in der gewohnheitstnässigen Ausbedingung sowohl et
geringeren wie eines höheren als des gesetzlichen Honorare,
nach §§ 28, 62 Anw. O. ehrengerichtlich zu ahndende Ehm ^
weise gefunden worden ist, so ist dies zulässig, weil sowo
Gebührenordnung als die Rechtsanwaltsordnung Reichsgesetze
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11. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Der § 28 ist eine lex specialis, der der allgemeinen Anordnung des
§ 93 Gebührenordnung vorgeht, wenn auch diese das jüngere Gesetz
ist. Dagegen enthält der Versuch, eine reichsrechtliche Be¬
stimmung durch eine landesrechtliche lex specialis auch nur
theilweise ausser Kraft zu setzen, einen fundamentalen Ver¬
stoße gegen Artikel 2 der Reichs Verfassung . . . Wenn
es wünschenswerth ist, dem ärztlichen Beruf eine dem Anwalts¬
stande gleichartige Organisation zu geben, so erscheint nach dem
soeben Ausgeführten nur der Weg der Reichsgesetzgebung
als hierfür gangbar. Ein Landesgesetz wird das gewollte Ziel kaum
erreichen können, ohne sich mit den zahlreichen einengenden Be¬
stimmungen des Reichsrechts in Widerspruch zu setzen Dass dies
dem preussischen Entwürfe oder dem sächsischen Gesetze vom
13. März 1896 gelungen wäre, muss bestritten werden. Das Letztere
ist in seinen wesentlichen Bestimmungen schlechthin
als rechtsungiltig zu bezeichnen.
Todesursache bei Grubenexplosionen. John Hai¬
da ne von der Universität Oxford macht in seinem Bericht an die
englische Regierung auf einen neuen Factor, der bei Grubenexplnsionen
in Betracht zu ziehen isr, aufmerksam. Die Anlage von ausgiebigen
Ventilationsvorrichtungen der Kohlengruben hat die Zahl der Lungen¬
krankheiten, die früher die Bergbauarbeiter decimirten, wesentlich
vermindert, dafür scliliesst sie aber eine neue Gefahr in sich, indem
sich die Luftsäule beim Durchstreichen der Schachte erwärmt, nimmt
sie alle Feuchtigkeit an sich und trocknet den Kohlenstaub so aus,
dass er sich sehr leicht entzündet und explodirt Diese Thatsache
ist nach Ansicht der Sachverständigen ein wichtiger Factor für die
Entstehung der Grubenexplosionen. Haldane zeigt nun, dass bei
diesen Katastrophen die Haupttodesursache nicht die Verschüttung
oder die Verbrennung, sondern die Einathmung des in den Explosions-
gasen vorhandenen Kohlenmouooxydes ist. Fast in allen r allen zeigen
die Opfer die Rosafärbung der Haut, Röthung der Hände und des
Gesichts und im Blute die charakteristischen Streifen des Carbooxy-
haemoglobins. Diese Umstände und die Thatsachen, dass sehr oft
neben ihren toten Eigentümern die Lampen brem.end gefunden
werden, dass die bei der Rettungsarbeit Beschäftigten, trotzdem ihre
Lampen ebenfalls ruhig foitbrenuen, von Schwindel, Schwanken und
Bewusstlosigkeit befallen werden, bestätigen, dass es sich hierbei
um das Cart.omonooxyd haudelt. Dasselbe kann bereits bei einer
Stärke von 1 Proc. in der atmosphärischen Luft tödtlicti wirken,
während die Kohlensäure, welche die Lampen rasch zum Erlöschen
bringt, lange nicht so gefährlich wirkt Als einen ziemlich sichern
Indieator der drohenden Gefahr bezeichnet Haldane die wcisson
Mäuse. Bei diesen Thieren ist der Respirationswechsel ein 20 mal
schnellerer als beim Menschen und sie unterliegen desshall» der Ein
Wirkung des Gases sehr prompt. Die Mitnahme (terfielben in kleinen
Käfigen wird daher empfohlen zur Controle der Respirationsfähigkeit
der Grubenluft. Eine weitere Folgerung der Haldane.sehen Unter¬
suchungen ist die Zuführung frischer Luft zu den Verunglückten,
eventuell die Mitnahme von mit Luft oder noch besser mit Oxygen
gefüllten Schläuchen von Seite der Rettungsmannschaft, da, wie
gesagt, der Tod durch Erstickung der häufigere ist und nur sehr
langsam, meist erst im Laufe einer Stunde eintritt. F. L
Ueber ein stummes Th e rin o in eter berichtete Dr. Mer-
cier in der «Gesellschaft der Aerzte in Zürich». In vielen Fällen,
besonders bei ängstlichen Patienten, sei es vorfheilhaft, dass der
Kranke über das Ergehniss der thermometrischen Messung nicht
orientirt ist. Das «stumme Thermometer», das Mercier für
diesen Zweck construirt hat, besitzt keine Scala; die Höhe der
Temperatur lässt sich nur mittelst einer graduirten Metall- oder
Glashülse bestimmen, welche über das Quecksilbergehäuse geschoben
wird und immer in den Händen des Arztes bleibt.
Therapeutische Notizcu.
Die Behandlung (1er Meningitis cerebro-spinalis
mittelst heisser Bäder hat Wolisch-Lemberg in 7 Fällen bei
Kindern im Alter von 5—10 Jahren versucht. f> Kinder wurden
geheilt, 2 starben. Verfasser gewann den Eindruck, dass unter dem
Gebrauch der heissen Bäder die Krankheitserscheinungen sich ent¬
schieden milderten. Bei bestehendem Fieber erhöht das heisse Bad
nicht die Körpertemperatur, sondern bewirkt ira Gegentheil eine
Herabsetzung des Fiebers.
Die Ausführung des Bades geschieht in der Weise, dass der
Patient in ein Bad von 26—27° gesetzt wird, und dass dann all¬
mählich soviel heißses Wasser nachgegossen wird, bis die Temperatur
32° R. beträgt. In's Bad wird der Eisbeutel oder der Leiter’sehe
Kühlapparat für den Kopf mitgegeben. Das Hineinsetzen in’s Bad
muss mit äusserster Sorgfalt geschehen. Das Abtrocknen nach dem
Bade unterbleibt; der Kranke wird in ein Leintuch eingepackt, über
das noch eine wollene Decke kommt. In dieser Einpackung bleibt
der Kranke eine Stunde liegen. (Therap. Mon.-Hefte 1»96, 5) Kr.
Die Behandlung des Erysipels mit Vaselin hat Küster-
Gothenburg in langen Jahren als die beste erprobt. (Therap Mon.-
Hefte 18^6, 6.) Derselbe hat nacheinander die verschiedenen örtlichen
Behandlungsmethoden versucht (Bleiwasser, Jod, Ichthyol, Sublimat)
und gefunden, dass das Vaselin, das nunmehr in 130 Fällen ver¬
wandt worden ist, ebenso gut, bezw. ebenso schlecht wirkt, wie jedes
der anderen Mittel. Einen Einfluss auf den erysipelatösen Process
äussert das Vaselin in keiner Weise, wohl aber ist seine Anwendung
763
frei von allen Nebenwirkungen, von Brennen und Geruch, und
wirkt mildernd auf die unangenehme Spannung der Haut.
Die Hauptsache bei der Erysipelbehandlung ist die Behandlung
der Allgemeinsymptome, Regelung der Diät und Erhaltung der
Kräfte.
Die Drainage der Blase vom Damm aus empfiehlt
Legueu-Paris in den Fällen hartnäckiger Cystitis, die allen anderen
therapeutischen Bestrebungen trotzen (Ann. des mal. gön.-ur. 189.»,
12) Mit diesem zuerst von Guyon empfohlenen Verfahren hat
Verfasser 3 mal recht günstige Erfolge erzielt. Nach Eröffnung der
Harnröhre am Damm wird zunächst eiu Curettement der Blase vor¬
genommen und dann ein dickes Gummirohr in die Blase eingeführt.
Dieses Gummirohr muss mehrere Wochen liegen bleiben.
Ueber Verwendung des Nitroglycerins bei Angina
pectoris berichtet Schott-Nauheim im Heft 3, 1896 der Therap.
Monatshefte. Bei der Verordnung des Mittele ist zu berücksichtigen,
dass es seine beste Wirkung bei der reinen angiopathischen Form
der Angina pectoris entfaltet, darnach bei Herzkrampf in Folge von
Aortenfehlern. Viel weniger zuverlässig ist das Mittel bei öteno-
cardie im Gefolge von Myocarditis, Fettherz und weakened heart.
Zeigen sich bei geringen Dosen des Mittels schon toxische Wir¬
kungen (Erbrechen, Schwindel, Ohnmachtsanwandlungen), bo soll
man von seiner Anwendung besser überhaupt abstehen. Gegeben
wird es am besten in flüssiger Form und in nicht zu geringer Dosis
Die beliebten Dosen von i / 2 —l mg sind häufig viel zu gering. Am
vortheilhaftesteu ist folgende Zusammenstellung:
Nitroglycerin u,2
Tinct. Capsici 2,5
Spirit, rectificatiss.
Aq. menth. pip aa 12,5
MDS. 2—5—10 Tropfen nach Bericht.
In vielen Fällen hilft erst eine grössere einmalige Dosis, dann
aber auch überraschend gut.
Zur Behandlung der Typhlitiden äussert sich Herz-
Breslau im Aprilheft der Therap. Mon.-Hefte vom Standpunkt des
internen Arztes. Er gibt zu, dass die grosse Mehrzahl aller Peri¬
typhlitiden einen eitrigen Kern besitzt. Ebenso zweifellos ist es
aber auch dem Verfasser, dass die Mehrzahl dieser Eiterherde ohne
chirurgische Behandlung ausheilt (Resorption des Eiters, Durchbruch
in Darm, Blase u. s. w.). wie ja Aehnliches auch von anderen Eite¬
rungen bekannt ist.
H. gibt eine sorgfältige Analyse der von ihm beobachteten
110 Fälle von Perityphlitis. 7 der Patienten sind gestorben. Von
diesen 7 hätte einer vielleicht durch frühzeitige Operation gerettet
werden können. Die Erscheinungen waren aber so wenig charak¬
teristisch, dass, wenn man sich in solch einem Falle zu einem
operativen Eingreifen entschlösse, man alle Patienten mit gleichen
Symptomen laparotomiren müsste, also viele Dutzende von Malen'
unnützer Weise den Bauch aufschneiden, um vielleicht einen Patienten
zu retten. Weiter i>t zu berücksichtigen, dass durch die operative
Behandlung die Heilungsdauer nicht verkürzt wird, dass bei chirur¬
gischer sowohl wie bei interner Behandlung schwerere oder leichtere
Beschwerden Zurückbleiben können, dass die Vornahme der Operation
durchaus keinen harmlosen Eingriff daretellt.
Indicirt ist die Operation bei schnell wachsendem Exsudat,
bei Vorwölbung und Oedem der Haut und bei deutlicher Eiterung
von der 2. bis 3. Woche ab. Bei allgemeiner Peritonitis kann man,
so lange der Fall noch einige Hoffnung bietet, im Allgemeinen zur
Operation rathen.
Die Grundsätze der inneren Hebandlung sind: absolute Ruhe,
flüssige Kost, Klystiere, Opium bis zum Verschwinden der kolik¬
artigen Schmerzen. Bei zurückbleibenden Resistenzen Massage.
Zur Behandlung der Prostatahypertrophie empfiehlt
Vautvin-Nancy in den ersten Perioden der Erkrankung als ganz
wirksames Mittel die Elektrolyse. Bei andauernder Harnverhaltung
empfiehlt sich die Urethrotomie am Damm und die Cystotomie.
Doch wird man heute lieber zu der vielfach erprobten Castration
bezw. Resection der Samenleiter schreiten. Die Prostatotomie und
Prostatectomie sollen für ganz besondere Fälle Vorbehalten bleiben.
(Ann. des mal. g6n.-ur. 1896, 3.) Kr.
Während der letzten Keuchhustenepidemie in Neapel
hat Rocco in der dortigen pädiatrischen Universitätsklinik unter
Professor F e d e an einem zahlreichen Krankenmaterial die Rachen¬
pinselungen mit 1 °/oo Sublimatlösung als beste Therapie erprobt.
Die Pinselungen werden am besten mit Watte- oder Gazetupfern
ausgeführt, mittelst deren man Zungengrund, Epiglottis, Uvula,
Tonsillen, Gaumenbögen u. s. w. mit der Lösung benetzt Rocco
fasst seine Erfahrungen mit dieser Methode kurz folgendermasseu
zusammen: 1) die Behandlung der Pertussis mit Sublimatpinselungen
des Rachens ist kein unfehlbares Mittel, gibt aber von allen bisher
empfohlenen Methoden die besten und schnellsten Resultate;
2) diese Behandlung sollte daher stets vor allen anderen versucht
werden, besonders in Fällen mit starkem Erbrechen, welches nach
den Pinselungen sofort völlig verschwindet; 3) zwei Einpinselungen
täglich genügen; 4) die Handhabung der Methode ist sehr leicht
und bietet keinerlei Gefahr. Fl.
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Münchener me picinische Woche nschrift.—
Tagesgeschichtliche Notizen. j j e
BHÜi»
MiB»
t b eJ rS5iAÄ!5?M- \
SbJuä g Zu.,mm e » g ef„K t .i„d die ™ •
aSdung^n”"die wTrk“? to'enUlindungserteBeeden Schädlich- (
l ““ e °- Am 1. Octobor 1896 tritt die »e»e Allerhöchste Verordnung, 1
KÄÄSÄÄ de,; ,
A^otheken^^Kraft. ^Dieselbe gel.ngt io Ȋch.ter Nummer zum 1
Abdruck. ^ der am 7 August ab g ehalt enen Sitzung des inter¬
nationalen Organisationscomitö's des Psyetiologeneongresses wurde -
beschlossen, den nächsten Congress un Jahre WOO iJ t'ans
celeeentlich der Weltausstellung zu veranstalten. Gewarnt »uruen
/.um ersten Präsidenten Professor Ribot,* u ^ ro £2j?Pierre ,
«lenten Professor Richet, zum Generalsecretilr Professor - tri erre ,
Jan et Hierauf wurden dem Anträge des Professors Ebbing- I
haus (Breslau) gemäss die Professoren S 1 d gb^^defRoyal
Sully (London) beauftragt, rm Namen des Comitös bei der Roya
Societv (London) eine angemessene Berücksichtigung der Psychologie
in dem geplanten Cataloge wissenschaftlicher Publicationen zu
veranlassen Dem internationalen Comitö für den Congress 1900
gehören aus Deutschland an: Professor Stumpf (Berlin), Professor
f inns (München), Dr. Frhr. v. Schrenck-Notzing (München),
Professor Flechsig (Leipzig) Professor Ebbinghaus (Breslau),
Professor Hering (Leipzig), Professor Wu ndt (Leipzig) und I ro
fessoij* i)Vr e_ V11 " V?rbandstag der Vereine deutscher Sprache für
Reform des BesUttungswesens und facultative Feuerbestattung findet 1
vom 4 bis 6. September in Hamburg Btatt. . _, ,, I
— Die 27. Versammlung der deutschen anthropologischen Gesell- 1
sebaft zu Speyer wurde am 3. August unter zahlreichem Besuch eröffnet
Die Eröffnungsrede hielt Professor Virchow aus Berlin Als O
für den nächstjährigen Congress wurde Lübeck bestimmt und an
Stelle Virchow's, der satzungsgemäss ausscheidet, Baron v. An- i
drian-Wer bürg (Wien) zum Vorsitzenden gewählt.
— Die Versammlung der bayerischen Bahnärzte m Nürnberg I
fand eine starke Betheiligung. Der Vorsitzende, Herr Dr. Aeiti-
mann(München), referirte über die neue bahnärzthehe Instruction,
Herr Hofrath Dr. Stich (Nürnberg) über den Entwurf der neuen
Statuten des Vereins bayerischer Bahnärzte, welcher angenommen |
wurde. Wir entnehmen hieraus, dass die Vorstandschaft des Vereins
ihren Sitz in München hat und mindestens alle 3 Jahre eine
Vereins-Versammlung stattfindet. Zum Vereins-Vorstände wurde
Dr Zeitlmann, zu dessen Stellvertreter Dr. Schalkhauser,
zum I. Schriftführer Dr. Beetz, zum II. Schriftführer Dr Schmidt,
zum Cassier Dr. v. Dessauer, zu dessen Stellvertreter Dr. Sar¬
torius (sämmtliche in München), gewählt. In der gemeinsamen
Sitzung der bayerischen und badischen Bahnärzte referirte Herr
Dr. Zeitlmann über die Verhandlungen auf der internationalen
Conferenz in Amsterdam, betreffend den Sanitätsdienst bei den
Eisenbahnen. Herr Offizial Klein (München) machte sehr inter¬
essante Mittheilungen über die Morbiditätsstatistik bei den bayerischen
Staatseisenbahnen. Die Herren Dr. G e 1 p k e (Karlsruhe) und
Dr. v. Förster (Nürnberg) referirten über die Erfahrungen bei
Untersuchungen auf Farbenblindheit, Herr Dr. Gut sch (Karlsruhe)
sprach Uber Verbandkasten und Transport von Verwundeten.
— Am 2. August fand in Erlangen die Erinnerungsfeier des
50 jährigen Bestehens der Kreisirrenanstalt von Mittelfranken statt
Dem Director Dr B umm wurde Titel und Rang eines k. Medicinal-
rathes verliehen.
— Professor Dr. Francesco Denti wurde zum Specialoberarzt
für Ophthalmologie an den Mailänder Krankenhäusern und zum
Director der Augenklinik daselbst ernannt.
— Die allgemeine Ortskrankenkasse gewerblicher Arbeiter und
Arbeiterinnen zu Berlin beschloss die Einführung der freien Arztwahl
— In der k. Frauenklinik in München begann der Lehrcurs
der Hebammen. Au demselben betheiligen sich 72 Schülerinnen.
Der Staat hat von der Stadtgemeinde zur Errichtung einer Hebammen¬
schule einen Platz an der Findlingstrasse zum Preise von 121,000 Mk.
angekauft. __
Von deutschen Städten über 40000 Einwohner hatten in
- T V , on vom 19 bis 25. Juli 189b, die grösste Sterb-
der 3". Jahres • , 2 jj geringste Sterblichkeit Kielefeld mit
S ? Mehr ,1» ein Zehntel
8,6 Todesfällen i Masern in Flensburg, Lübeck und Würz¬
aller GeBtorbenen i ta an Diphtherie mit Croup in Gera,
bürg an beh*ri*rt» ™ ric hten) Berlin. In der med. Facultät
u ur rXh Dr med et phil. Josef Brandl, Mitglied des
habilitirten sic • , ifc eiaer Schrift über die Wirkung der
Reichsgesundhe Rudolf Krause, Assistent am Il.anato-
Schwermeta ) b e?Bau und Function der Schleimspeicheldrüsen).
m ’ S « L.f professor N e i s s e r hat den Ruf nach Berlin zur
77 h Br n«hmö de? (Lewin sehen) Klinik für syphilitische Krank-
RÄ iv leleS -Greifewald. Privatdocent Dr. En derlen
heiten definitiv g chirurgische Universitätsklinik zu Marburg
f a s Z r? ?leit Betritt dort an die Stelle des Prof. Arthur Barth,
berufen worde Baum's die Leitung der chirurgischen
in Danzig übernommen hat. -
AOtneiiuug u b jrte Arzt und dermalige Prosector des
Xtute^fü'r vergleichende Anatomie, Histologie und Embryologie
an^de? 8 k. Universität Würzburg, Dr Job. Sobotta, wurde als
“--r & -
D?' 5£b Re iss als Privatdocent für Dermatologie und Syphilis
?n der medicinischen Facultät der Universität zugelassen - Prag.
i R^riin vprstarb der Privatdocent für Chirurgie an der Prager
iöglsch^anatomisehen'DistRute^^^Univevsität^ vrurde im Status der
Wiener Krankenanstalten zum Prosector ernannt. - _
(•Berichtigung) Im Protokoll des Aerztl. Vereins München
(No. 31, S. 733) soll es (statt Herr Königsberger) heissen: Herr
Leo Hönigsberger.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Fürstl. lipp. Sanitätsrath Dr. Eberh.Plattfant,
' *Verzogen: Dr. Denk von Müggendorf nach Ebingen, D .
Ilollaender von München nach Straubing; Dr. P h Kll ^J.
Leipheim, B.-A. Günzburg a. D., nach Hohenfe^ R-A. Parsberg. ^
P Versetzt: Der Bezirksarzt 1. (.-lasse Dr. Adolf Burka
Schongau wurde, seinem Ansuchen entsprechend, auf die Bezir
arztensstelle 1 Classe in Rosenheim versetzt
In «len Ruhestand versetzt: Der Bezirksarzt 1. Classe
einalmth Dr CarlBrug in Freising wurde unter Anerkennung 8
m den nK hg.»»cbte»
i» Bewert»™.
ter “ ,i «it„X„“ b r...d g ericht..r,.t Medicinälralh Dr. Keller 1»
Landau i. Pf.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 31. Jahreswoche vom 26. Juli bis 1. August 1896
Betheil. Aerzte 400. - Brechdurchfall
24 (24), Erysipelas H (11), lntermittens, Neuralgia mtem.^ j *
Kindbettfieber 4 (-), Meningitis cereb^pim 1 (-), Mo b ^ K
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 8 (81, Parotitis ep Rhenma .
T V=»ÄDr. A»b.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 31. Jahreswoche vom 26. Jjjjl» 8 l - Au * u
Bevölkerungszahl: 406 0W. Dip htherie
Todesursachen s Masern — (—*), Scharkcb ( ), P ßlutver .
und Croup 1 (2), Rothlauf - (-), Kmdbettfieber C ). {
giftung (Pyämie) - (2), Brechdurchfall 12 (5, J™* rl ( 3 ), Tuber-
(—), Keuchhusten 3 (3), Croupöse Lungenentzündung 1 ()> ^
culose aj der Lungen 20 (23), b) der übrigen Organe 6 g ^
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare ^
Unglücksfälle — (5), Selbstmord 3 (1), Tod Jjrci m Verha itniB8zahl
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 183 (1 ,. q\ für
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 23,4 (, . ; {ür
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 11,8 (11,*)>
die über dem 5 Lebensjahr stehende 11,4 (10,7).
*} Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle d er ^_____.^
Verlag yon 3. F. Lehmann in München. - Druck der E. Müh Ith Her' sehen k. Hof-Bachdruckerel ln München.
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--—,—^
Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindesU>nB2Vo—3B<>mi
Preis vierteljährlich 6 *K, praemimerandn /uhUmr
Einzelne Nummer GO •>.
MÜJNCHENER
Zusendungen sind zu adremlreu: Für die RedsctIon
Ottostrusse 1. — Für Abounoraeut an J F. Leh
mann, Landwehrstr 70. — Für Inserate und Beilagen
au Kudolph Mosse, Promeuadeplntz 16.
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
C6. Btumler, 0. Bollisger, H. Curschmann, C, Gerhardt, W. *, Helneke, G. Merkel, J. t. Mlcliel, H. i. Ranke, F. i. Wlnckal, R, i. Zlemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 33.
IS. August 1S96
Redacteur: l)r. B. Spatz, Ottostraase 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus dem allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg-St. Georg.
Totale Darmausschaltung.
Von 0. Lührs.
Die grossen Fortschritte und Erfolge, welche auf dem Gebiete
der Magendarmchirurgie zu verzeichnen sind, haben in den letzten
Jahren eine wesentliche Bereicherung erfahren durch eine neue
Operationsiuethode, welche hauptsächlich dort ihre Anwendung
finden wird, wo eine Darmresection nothwendig, aber in Folge-
grosser Schwierigkeiten und Gefahren für das Lehen der Patienten
nicht mehr ausführbar ist.
Es ist dies die Darniausschaltung, welche zuerst als Kntcro-
anastomose mit partieller Ausscrfunctionssetzung angewendet wurde,
dann aber in Form der totalen Ausschaltung eine bedeutende
Verbesserung für viele Fälle erhalten hat.
Wiewohl dies letztere Verfahren erst in einer geringen
Anzahl von Fällen ausgeführt wurde, so verdient es doch, in
Anbetracht der ausserordentlich günstigen Erfolge, die bis jetzt
damit erzielt sind, die weitgehendste Beachtung in der modernen
Chirurgie des Bauches.
Die nachfolgende Arbeit soll an der Hand der augenblicklich
in der Literatur bekannten Fälle von totaler Darniausschaltung,
denen ich einige neue Beobachtungen über Fälle, die auf der
chirurgischen Abtheilung des Allgemeinen Krankenhauses zu
Hamburg-St. Georg von Herrn Oberarzt Dr. Wiesingcr operirt
wurden, hinzufügen kann, eine Uebersicht über den heutigen Sland
dieser Operationsiuethode geben.
Unter totaler Darniausschaltung versteht man eine Heraus
trennung einer Darmpartie aus ihrer Kontinuität, ohne Hcseetion
derselben, Vereinigung der resecirten Darmenden durch Enfcror-
rhaphie und Belassung des ausgcsclialtcten Darmstückes in der
Bauchhöhle. Dadurch wird der betrelVende Danuabsehuitt voll¬
ständig von der Kothpassage abgeschlossen und ausser Function
gesetzt.
Ohne auf die spcciellere Operationstechnik, Darmnaht u. s. w.
hierbei cinzugchen, ist es doch nothwendig, folgende verschiedene
Verfahren, welche man in der Behandlung eines total ausgcsclialtcten
Parmstückes angewendet hat, kurz zu nennen.
1. Totale Dannaus.schaltung mit Belassung einer oder zweier
Hoffnungen für den Abfluss von Secreten aus der ausgcsclialtcten
Partie, durch Einniihen eines oder beider Enden derselben in die
ßauchoberflächo.
2- Totale Darmausschaltung ohne OfFenlassung einer Kom-
nmnicationsöffnung nach aussen, mit vollständiger Occlusion, d. h.
blindes Vernähen und Versenken beider Enden in die Bauchhöhle.
3. Totale Ausschaltung mit totaler Occlusion und Coni-
munieation nach aussen durch eine schon Ix-stehende Darmfistel
in dem betreffenden Abschnitt.
Es ist die Bezeichnung für dies Verfahren als «totale Darm-
ausHehaltnng insofern nicht ganz richtig, als ja eine totale Aus¬
schaltung des ganzen Darintractns beim Menschen baldigen Unter¬
gang zur Folge haben würde. Durch dieselbe soll daher nur
gesagt werden, dass der ausgeschaltete Darmtheil völlig ausser
No. 33
Function gesetzt ist, zum Unterschied von der partiellen Aus¬
schaltung durch Entcroanastomose.
Die Noincnelatur ergibt sich sodann ans den einzelnen Ver¬
fahren nach Salzer, dem Begründer der chirurgischen Darm-
ausschaltnng, als totale Darniausschaltung ohne Occlusion, mit
partieller resp. totaler Occlusion und mit Fistclcomniunication.
Diese dürften zutreffender sein als die von v. Baraez und
Obalinski vorgcsehlagenen kürzeren Ausdrücke, welche leicht
zu Missverständnissen Anlass geben können und auch gegeben haben.
Im Folgenden ist, wenn einfach Darniausschaltung gebraucht
ist, immer die totale Ausschaltung zu verstehen.
Die ersten Versuche von Parma usschnltungcn, welche zunächst
experimentell an Thieren ausgeführt wurden, sind di«- bekannten
Ausschaltungen eines Darmahsehnittes von Thiry, welche dieser
zu physiologischen Zwecken, um reinen Darmsaft. zu gewinnen,
an Hunden ausführte.
Er trennte dabei in der oben angegebenen Weise ein Stiiek
Darm aus dem gedämmten Darmtraotu.s heraus, vernähte das
eine Ende davon blind und versenkte es in die Bauchhöhle,
während er das andere als Fistelöffnnog in die Bauchwand ein¬
heilen liess, um so daraus den soccrnirten Darinsaft ohne Bei¬
mischung zu erhalten. Die Kontinuität des Darmes stellte er
sodann durch Enterorrhaphie wieder her.
Vella modificirte diese Experimente dahin ab, dass er beide
Enden des ausgcsehaltetcn Darmthcils in die Bauehwand offen
cinnähtc.
Das Verdienst, zuerst darauf aufmerksam gemacht zu haben,
wie diese dein Experimente dienenden Darmausschaltungen der
Chirurgie zu Nutze gemacht und am Menschen in praxi aus-
geführt werden könnten, gebührt Salzer. Im Jahre 1891 regte
er auf dem XX. Chirurgencongrcss diese Frage an.
Auf diese Gedanken brachten ihn die Beobachtungen über
viele am Darm ausgeführte Operationen wegen Neubildungen, Koth-
fistcln, narbigen »Stricturen etc., sowie über den Verlauf inopcrabcler
Neoplasmcu, wozu er als Assistent der Wiener Billroth 'sehen
Klinik viele Gelegenheit hatte.
Er machte dabei die Erfahrung, dass namentlich bei weit¬
verzweigten, multiplen Kothfisteln in schwieliger Bauehwand, im
Sehwielcngewebc der Fossa iliaea, bei narbig verändertem Darm
die einfache Enterorrhaphie nicht den gewünschten Erfolg brächte.
Auch sei ilie Resection des erkrankten Darmstückes oft
mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden und habt' dem
Patienten durch die Ausführung der Operation eine grössere Ge¬
fahr gebracht, als das Leiden an und für sich.
Wurde bei inoperablen Neoplasmcn oder chronisch entzünd¬
lichen Darmgeschwülsten die Entcroanastomose, durch bedrohliche
»Stenosensymptome indicirt, ausgeführt, so beobachtete inan, wie
Fälle von v. Hacker und Riedel zeigen, dass zwar die Gefahr
der Operation nur gering ist, dass aber die erkrankte Darmpartie
doch immer noch durch Kothmassen in einem Reizzustand
gehalten wird, wodurch der pathologische Proeess dauernd schädlich
beeinflusst und die Prognose qnoad sanationem verschlechtert wird.
Um diese 1 cbclstände durch Ausschaltung des ganzen Darm¬
stückes zu beseitigen, machte Salzer den Vorschlag, Darm
ausschaltungen am Menschen vorzunehmen.
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MÜNCHENER MEWOmSCHEJTOCHENSCHB^
-- _ ,.U A Untnr
No. 83
«UVJ ______
Dass die« mit Offen^ «"“SeÄ.
natural» für den auügeachnlt'“° BC Bcd e„ken, ob man ohne Nach-
cr nicht, dagegen hegte er g lbild vermeiden und eine
theil für die Patienten c Stückes wagen könne,
totale Ocelusion ausge^ ^ an Hunden Darm-
Dies zu erproben , m^h sje prakt5sch am Menschen
ausschal tun gen m dersdben ^ 8einen Versuchsthieren
ausgeführt werden sollten. " Colon und Ilcum aus, ohne vorher
das Coecum mit angren , gereinigt zu haben, um so die
den Darm von seinem Inhal g ulög lichst nachzualimön.
Verhältnisse der Operation c h er sieh jedoch nicht
Einen glücklichen Ausga g ^ nachher bestätigte,
von diesen Operationen es i sah Salt er lrierbei
Die grössten Gefahren in fiesammtorganismus durch
hauptsächlich in einer ^ n ^ r l ° Ko thniassen, sowie in einer Ge-
SÄ ÄSE Kothstauung mit Perforation und
nachfolgender tödtlichcr 1 eritonUi Entartung des aus-
hoch an.
_ _ _
handlung de» auegeecha,toten D—c» und bleibt Hegne, de,
^^EiDe^solohe' ist nach sein^^IhifürhalNsn^narjiann^bei ^nder-
d'rKUeroberilaehe, mit der Bisse oder -
einer Absccsshöhle com ™* j erga ben bei ringförmiger Darm-
Experimcntc von . llc o alze rächen in dem Schaltstück eine
ausschaltung ebenso wie d L, bestehen de Masse. Kl eck i
aus dicklichem D* rmdr reichlichen kothähnlichen Inhalt
fand bei seinen Versuchen ^
im Dünndarm wenn der durch peritoneale
wurde. Er sah : n den ausgeschaltetcn Stücken.
Adhaesionen Circulat.onsst A * k t, die totale Darmausschaltung
Er gelangte dabei auf de cinp fielalt nur die Entcroanastomose.
ganz und gar zu verwerfen und emphehi^ DaraauS8cha ltung
Was nun die spcciellcn l^ionen^ ^ ^
betrifft, so sind d i e8C ^ D ^-Theodof Bi 11 roth (Beiträge zur
in der Festschrift gewid ^ dabcr au f Diejenigen,
SÄ Ä dasÄis« Interesse bictco und sru büutate.
'"stör Urne - —
entstehen Ä. Processc in de, Coecab
rfnen physiologischen Versuchen erwähnt, schlügt er wenn en^hcn^durch Presse in de , Ce»!
n0C “ Ke Hunde, an rrelchen Baiser a '“ r ®^t ein. 1 gegend. inoperabelen malignen Tumoren, also haupt-
^Lungen einer —
«sr. buchen - r “ - t; = 5 ==r=£ -
scher Plattennaht wieder vereinigt & g Divertikel des 1 Operation zur Exstirp ' d Kräftczustand bei stark
Ptomainintoxication, durch /«thstäuungj *« Dwert^^ vornch men „XtoT ** d<? " *****
^“SHt?r:ir tSB
ä 11 Hajä HZ =33
”Hinn hemmen für * —ehsdtnog^l* »ie
Betracht, wo durch: dlc Peritonitis »nd r-**-*
Grunde, ohne 'ascendcn.-Stuclr war an eine,
mässieen, unterunnirten, peptiscnen ut , . . p r ä-
a f A» m XX Chirurgeucongress demonstnrte balzer rra
Auf dem XX. Lüir g die ver8ohlcdenen
ÄZÄ=,ScS 25 ts
parate von seinen Versuchsthieren und zeigte die « ^ p critip hliti8 geschieht, die Lumina und Stenose hervor-
0 t ä? 8gedehUte UlCCrÖ8C rufen™
'/.»rstftrune eines ausgeschalteten Darmstück«». dem Peritoneum sowie mit der solchen Fällen ist
ÜlsSlsSüssi
mit Offenlassung einer distalen Fistel zu macen. Resultate erzielen kann. d Darmausschaltung aus
S 3 s s =f= rsSSisrr-K
-
"ÄnchÄt: »weiten Thiere fand - W “w-
AV ormität. Das ringförmig ausgcsclialtete, 40 cm lange
liggS^alSSl 1 KSi'iinct---
Coccalbrüchc, Beseitigung eines ^ ampartien .
die medicamentöse Behandlung berec htigt zu einer Darm
Schliesslich ist man auch dan ° n ? cbt im Stande
ausschaltung, wenn man nach Darmre^ection ^ ^ ^ (1 cr
die resecirten Darmenden wogen w0 m an dann noch
Mesenterien direct miteinander zu vereinig » müsste,
mehr*Darm rcseciren oder eine Vor**
dieselbe aber auf Grund der gleich zu 1
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18. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
767
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werden, ist kurz Felgendes zu sagen. Durch die Darmausschaltung
wird eine Anlegung eines Anus praeter naturalis überhaupt unnöthig
gemacht und die Patienten dadurch vor den grossen Beschwerden
und unangenehmen Belästigungen, welche dieser mit sich bringt,
bewahrt. Dem wird zwar schon durch die partielle Ausschaltung
mittelst Enteroanastomosc allein abgeholfen, doch bietet die totale
Darmausschaltung wieder grosse, nicht zu unterschätzende Vor¬
theile vor dieser.
Einmal ist bei der Enteroanastomosc eine Divertikelbildung
unvermeidlich. Dadurch werden häufig Kothstauungen bedingt,
welche den Erfolg der Operation beträchtlich in Frage stellen,
indem sie auf den ganzen Heilungsverlauf, namentlich durch Ent¬
zündung an den frischen Wundrändern der Darmwand, sehr
ungünstig einwirken.
Zweitens garantirt die Enteroanastomosc auch nach erfolgter
Verheilung nicht dafür, dass nicht doch die Darmabschnitte,
welche ausser Function gestellt werden sollen, durch Kothmassen,
welche ihren Weg durch jene nehmen, fortwährend gereizt werden.
So wird z. B. bei einer Geschwürsbildung in der Mueosa des
Darms eine Heilung bedeutend verzögert, eventuell ganz illusorisch
gemacht, und der Patient hat zu seinem primären Leiden nur
noch die Gefahren einer Operation hinzubekommen, ohne von
ersterem befreit zu werden.
Aehnlich werden maligne Tumoren durch beständige lvoth-
rcizung entschieden in ihrem Wachsthuin gefördert, sowie chronisch
entzündliche Geschwülste in ihrer Weiterentwicklung günstig beein¬
flusst und dadurch ungünstige Ausgänge weniger leicht hint¬
angehalten.
Bei der totalen Darmausschaltung dagegen wird eine Koth-
stauung an einer »Stenose, an erkrankten Dariuabschnittcn, ferner
Kothabfluss durch eine bestehende Fistelbildung verhindert
und Heilung, oder wenigstens Stillstand und Besserung erzielt.
Namentlich von Wichtigkeit ist dies bei entzündlichen Geschwülsten,
welche man nach Aufhören des Reizes ganz verschwinden sah,
sowie bei Kothfisteln, welche den Charakter als solche verlieren
und zur Ausheilung kommen.
Auch wird einer Verjauchung von Kothstauung mit nach¬
folgender Perforation und Peritonitis vorgebeugt.
Bei malignen Tumoren wird wahrscheinlich ein langsameres
Ausbreiten und Fortschreiten des Krankheitsprocesses erzielt werden.
Alle diese Gesichtspunkte wird man bei Operationen am
Darm, welche eine totale Ausschaltung zulasseu, in’s Auge zu
fassen haben. Aus diesen Gründen wird man auch der totalen
Ausschaltung in ihrer praktischen Anwendung noch eine grosse
Bedeutung für die Zukunft in Aussicht stellen können, und es
wird durch sie in einer grossen Anzahl von Fällen die Entero-
anastomose verdrängt werden, welcher man jedoch die Berechtigung
durchaus nicht in gewissen Fällen wird absprechen können, worauf
ich noch weiter unten eingehen werde.
Die Vorschläge Salzer’s zur totalen Darmausschaltung
fanden bald praktische Anwendung in der Chirurgie. Es sind
bis jetzt eine Reihe derartiger Operationen ausgeführt und bekannt
geworden, welche im Folgenden in einer casuistischen Zusammen¬
stellung angeführt werden sollen, als Belege zugleich dafür, wie
berechtigt ihre Anwendung für die oben genannten Indicationcn ist.
Von den bis jetzt existirendon Fällen sind 3 totale Aus¬
schaltungen mit totaler Occlusion, alle übrigen mit Belassung einer
Oeffnung für den Seeretabfluss ausgeführt worden.
Fall 1. Ohne Occlusion. Der erste Fall der Art wurde von
Hocbenegg operirt.
Es sollte wegen eines Tumore in der Ileocoecalgegeud, welcher
nach der Krankheitsbeobachtung als ein Carcinom des Coecum an¬
gesehen wurde und unter dem Bilde einer Perityphlitis verlief, bei
einem 35jährigen Mann eine Operation vorgenommen werden. Nach
Eröffnung der Bauchhöhle durch Laparotomie zeigte sich ein dem
Coecum angehörender Tumor, mit dem das Colon ascendens und
die unterete Ileumschlinge zu einem Convolut vereinigt waren. Ver¬
wachsungen mit dem verdickten Peritoneum, mit der hinteren Becken¬
wand und den Beckengefässen machten eine Exstirpation unmöglich.
Der Darm wurde daher ober- und unterhalb der erkrankten Stelle
durchtrennt, die resecirten Darmenden leicht vereinigt und die Enden
des ausgesrhalteten Stückes offen in die Bauchwand eingenäht.
Der Wundverlauf war reactionslos, die Kothpassage normal, die
geringe Secretion aus den künstlichen Fistelöffnungen sollte nur
wenig geniren. Der weitere Verlauf zeigte sodann, dass der Tumor
sich verkleinerte, dass es sich also um eine entzündliche Geschwulst,
nicht um Carcinom gehandelt hatte.
Nach längerer Zeit wurde die Secretion aus den Fisteln stärker;
welche bisweilen eine faeculente Beschaffenheit annahm. Der Patient
kam dabei sehr herunter. Es wurde eine Communication mit einer
benachbarten Dünndarmschlinge angenommen und vollständige
Heilung erst nach Resection des betreffenden fisteltrngenden Ab¬
schnittes erzielt.
Fall 2. Ohne Occlusion. Operirt von Frank.
Bei einer 25 Jahre alten Frau hatte sich eine Geschwulst
entwickelt in der Coecalgegcnd, durch welche Patientin beständig
an's Krankenlager gefesselt war und einen starken Krftfteverfall
erlitt Eine Probelaparotomie constatirte einen Tumor des Coecums,
der mit den umgebenden Darmschlingen und der Darrabeinwand
fest verwachsen war, so dass an eine Exstirpation nicht zu denken
war. Der Tumor imponirte zunächst als maligne Neubildung, ver¬
kleinerte sich aber allmählich, ein Beweis, dass er nicht maligner,
sondern wahrscheinlich tuberculöser Natur sei. Die Beschwerden
Hessen jedoch nicht nach. Daher erfolgte ein abermaliger Eingriff.
Es wurde jetzt nach Klarlegung der erkrankten Partie eia 70 cm
langes Ileumstück, Coecum und Colon ascendens ausgeschaltet und
beide Lumina der Bauch wand eingenäht, das lleum sodann mit
dem distalen Colonende vereinigt. Der Verlauf war reactionslos,
der Erfolg ein vollständiger, die Beschwerden nahmen ab, die be
stehende Colonfistel secemirte zähen Schleim. Weitere Beobachtung
dieseB Falles unbekannt.
Fall 3. Von v. Eiseisberg mit partieller Occlusion.
Bei einem 15jährigen jungen Mädchen hatte sich durch recidi-
virende typhlitische und perityphlitische Processe eine chronisch
entzündliche Geschwulst mit hartnäckiger Kothfistel in der Coecal-
gegend gebildet, durch welche Patientin hochgradig herunterkam,
und nur durch einen operativen Eingriff abzuhelfen war. Nach
Eröffnung der Bauchhöhle zeigte sich die gauze Gegend des Coecum
in eine harte schwielige Masse verwandelte, in welche eine Dünn¬
darmschlinge und das Colon ascendens mündeten. Da diese schwielige
Masse mit der Bauchwand und Darmbeinschaufel verwachsen war,
konnte man sie nicht reseciren. Es wurde desshalb die Ausschaltung
der erkrankten Partie mit angrenzendem Ileumstück und einem
Theil des Colon ascendens ausgeführt. Die Enden des ausgeschalteten
Stückes wurden blind vernäht und in die Bauchhöhle versenkt, da
ein Abfluss nach aussen durch die bestehende Fistel möglich war.
Die resecirten Darmenden sodann durch Enterorrhaphie vereinigt.
Die Laparotoiniewunde wurde bis auf eine kleine Lücke geschlossen.
Die Heilung verlief glatt Die Secretion aus der Fistel dauerte noch
circa vier Wochen, worauf sie allmählich ganz aufhörte und die
Fistelöffnung vernarbte.
Fall 4. Mit totaler Occlusion von Baracz
An einem jungen Manne von 19 Jahren sollte wegen malignen
Tumors im Coecum eine Resection desselben mit angrenzendem
lleum und Colon ascendens ausgeführt werden. Bei Lostrennung der
Darmabschnitte von ihren Mesenterien legten sich jedoch in Folge
von Verwachsungen dem Operateur derartige Schwierigkeiten in den
Weg, dass er von einer Resection Abstand nahm. Er beschloss viel¬
mehr eine Darmausschaltung vorzunehmen und zwar mit totaler
Occlusion, wozu ihn die günstigen Resultate Salzer's veranlassten,
um seinem Patienten eine Fistelbildung und eine eventuelle zweite
Operation zu ersparen.
Er schaltete das Stück Darm, welches zueret resecirt werden
sollte, aus, vernähte beide Enden der ausgeschalteten Partieen blind
und versenkte sie in die Bauchhöhle. Die resecirten Darmenden
wurden durch Ileocolostomie mit 8enn'scher Koblrübenplattennabt
vereinigt.
Der Verlauf der Operation war ein guter. Alle vorher bestan¬
denen Beschwerden, wie Schmerzen, Erbrechen, Plätschern im Leibe
und hartnäckige Obstipation, waren verschwunden. Bald liess sich
auch durch Palpation kein eigentlicher Tumor mehr nach weisen.
Heilung bestand noch 11 Monate nach der Operation.
Fall 5. Im Anschluss an diesen Fall veröffentlicht Obalinski
einen weitern derartigen Fall von Darmausschaltung mit totaler
Occlusion.
Bei einem 24 jährigen Dienstmädchen bestand, wahrscheinlich
durch Actinomykosis hervorgerufen, in der Nabelgegend eine Darm¬
fistel, welche in den Blinddarm führte.
Dieselbe liess sich trotz energischer Behandlung nicht zur
Heilung bringen und wurde desshalb, am sie radical zu beseitigen,
mit sammfc dem Coecum exstirpirt. Eine Vereinigung der Darmenden
war aber theilß wegen Kürze der Mesenterien, theils wegen Adhaesionen
mit dem Peritoneum nicht ohne Weiteres ausführbar. In Folge
dessen wurde das gesunde Colon ascendens an der Uebergangsstelle
in das Colon transvereum dnrehtrennt und beide Enden desselben
blind vernäht. Darauf wurde die Vereinigung des Colon transvereum
mit dem lleum auf bequemste Weise ermöglicht. Die Heilung war
auch hier eine vollständige und es traten in Folge der totalen Occlusion
keinerlei Beschwerden in dem ausgeschalteten Colon ascendens auf.
Fall 6. In einem andern Fall führte Obalinski bei einem
36 jährigen Mann zur Beseitigung eines alten Anus praeternaturalis
in Folge vernachlässigter eingeklemmter Inguinalhernie, was auf
mehrere andere versuchte Arten nicht möglich war, eine Dünndarm¬
ausschaltung mit Offenla8sang zweier Fisteln aus. Da aber diese
Fisteln sehr stark eine Menge zähen Schleimes secemirten, so sah
1 *
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768
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
er sich gezwungen, die ausgeschaltete Darmpartie nachträglich noch
zu exstirpiren, um so seinen Patienten von einem unerträglichen
Zustand zu befreien. Erst nach diesem Eingriff trat eine vollständige
Heilung ein.
Fall 7 von Körte mit Offenlassung einer Fistel.
Ein 25 Jahr alter Mann wurde wegen Ileuserscheinungen laparo-
tomirt Es stellte sich dabei Peritonitis und tuberculöse Erkrankung
des Dünndarms heraus. Die Folge dieser Operation war eine Fistel¬
bildung, welche trotz zweimaliger Operation nicht zur Ausheilung
gebracht werden konnte. Zudem bildete sieh in der Gegend des
Colon ascendens und Coecums eine chronisch entzündliche Geschwulst
heraus; der Versuch, dieselbe zu exstirpiren, misslang, die Operation
konnte nicht zu Ende geführt werden und es wurde zunächst ein
Anus praeternaturalis angelegt, welcher jedoch trotz mehrerer operativer
Eingriffe nicht zum Verschluss gebracht werden konnte. Es wurde
jetzt eine Ausschaltung von Colon und Coecum mit 12 cm Ileum
vorgenommen, welche endlich Heilung erzielte und normale Stühle
brachte. Der Erfolg wurde aber erst ein dauernder nach einem
abermaligen Eingriff.
Dagegen genirte die noch immer bestehende Fistel wegen
ihres starken Ausflusses den Patienten sehr und machte ihn voll¬
ständig arbeitsunfähig, so dass Körte schliesslich zur totalen Ex¬
stirpation des ganzen ausge«chalteten Dannstückes schritt.
Eine vollkommene Heilung trat bei diesem sehr interessanten
Fall erst ein, als gesundes Ileum in die gesunde Flexura sigmoidea
eingenäht wurde.
Fall 8. Von Funke mit Offenlassung einer Fistel.
Bei einem 29 jährigen Patienten hatte sieh nach Spaltung eines
intraabdominellen Abscesses eine Kothfistel gebildet, welche in das
Coecum führte.
Bei einem Versuch der Totalexstirpation, von welchem zunächst
wegen weiterer Abscesse in der Umgebung Abstand genommen war
und welcher erst später auf dringenden Wunsch des Patienten
unternommen wurde, zeigte sieh das Coecum, sowie ein grosser Theil
des Colon ascendens durch wahrscheinlich tuberculöse Proeesse
schwielig verdickt und mit der Bauchwand und dem Darmbein
verwachsen. Es wurde daher die Ausschaltung der ganzen erkrankten
Partie ausgeführt. Darauf wurden sämmtliche Darmlumina vernäht,
das Ileum seitlich in das Colon transversum implantirt, sowie die
Kothfistel verschlossen. Letztere musste jedoch am 3. Tag wegen
bedrohlicher Erscheinungen wieder geöffnet werden. Es entleerte
sich aus ihr eine ziemliche Menge faeculenter Flüssigkeit. Der
weitere Verlauf war sodann ein glatter, die Heilung bis auf eine
geringe Hecretion aus der Fistel eine vollkommene.
Fall lt. Von v. Eiseisberg mit Fistelbildung.
Hier wurde eine Darmaussehaltung bei einer 27jährigen Frau,
wo in Folge von Carcinom des Coecum und Colon ascendens kolik¬
artige Schmerzen und Stenosonerscheinungen aufgetreten waren, vor
genommen. Das Carcinom hatte schon auf eine Ueumschlinge über
gegriffen, war auch mit dem Darmbein verwachsen und in Folge
dessen nicht mehr zu exstirpiren. Es wurde das Colon ascenden
und die unterste Ueumschlinge ausgeschaltet, die Enden derselben
blind vernäht und in der Mitte des ausgeschalteten Colons eine
Fistel angelegt. Die Herstellung der Darmcontinuität gelang leicht.
Der Verlauf war gut und die Kothpussage wurde wieder frei. Die
Schmerzen verschwanden vollkommen uud es trat eine allgemeine,
wesentliche Besserung ein, bis die Patientin an allgemeiner Carcinose
fast ein Jahr später zu Grunde ging.
Fall 10. Von v. Eiseisberg.
Bei einer 51jährigen Frau war nach intraperitonealer Ver¬
sorgung eines Uterustibromstumpfes eine Kothfistel zurückgeblieben,
welche zum Ileum führte Die Exstirpation war wegen Verwachsung
der betreffenden Ueumschlinge im kleinen Becken zu gefährlich.
Sie wurde desshalb total ausgeschaltet und ringförmig vernäht,
während als Abflussöffnung für Becrete die bestehende Fistel diente;
denn ein Herausleiten eines Endes des ausgeschalteten Stückes
war mit Rücksicht auf die tiefe Fixation im kleinen Becken nicht
möglich Darauf wurde der Dünndarm wieder vereinigt. Nach
bedrohlichen anfänglichen Allgemeinerscheinungen war der Verlauf
ein guter, doch war der Effect nur ein theilweiser, da eine weitere
Kothsecretion, die mit eitrigem Schleim bisweilen wechselte, aus
der listel fortdauerte. Denn es stellte sich hinterher heraus, dass
ausserdem noch eine Gonununieatiou des ausgeschalteten Ueum-
stückes mit der Flexura sigmoidea bestand. Bei einem Versuch,
diese Kothfistel vollständig per laparotomiam zu heilen, ging die
Patientin 12 Stunden nach der Operation an acuter Peritonitis
zu Grunde.
Fall 11. Mit Fistelöffnung.
v. Erlach heilte einen Fall von Fistula ileo-vaginalis carci-
nornatosa, welche nach Totalexstirpation des carcinomatösen Uterus
in einem Kecidiv entstanden war, durch Darmausschaltung. Es
wurde die letzte Ueumschlinge vor dem Coecum ausgeschaltet, das
eine Ende derselben blind vernäht, das andere in der Bauchwand
befestigt. Der Verlauf war ein glatter, das Befinden besserte sich
eine Zeitlang und die Patientin starb erst ein Jahr später an ihrem
weiter fortgeschrittenen Carcinomreeidiv.
Fall 12.
i Einen ähnlichen Fall operirte Narath, wo er Heilung einer
doppelten Ueovagmalfistel durch Ausschaltung der ganzen zu .len
üisteln führenden Darmschlingen erzielte.
Fall 13—15. 3 Fälle von Bier mit partieller Occlusion.
Nach einer Perityphlitis hatte sich bei einem Patienten in der
Coecal-Gegend als Residuum ein Tumor gebildet, der kolikartige
Schmerzen und Stenose verursachte. Bei der Laparotomie erwies
sich dieser Tumor fest mit der hinteren Bauchwand verwachsen.
In ilun waren Coecum und Colon ascendens zum Theil eingelagert.
Eine Exstirpation war desshalb nicht ausführbar und cs wurde
totale Darumussclialtung gemacht, und zwar das Coecum mit dem
letzten Ueumstück und Colon ascendens aus seiner Verbindung ge¬
trennt. Das lleumende wurde blind vernäht, das Colonende als
Fistel offen gelassen. Darauf wurde das Colon transversum mit dem
Ileum ohne Schwierigkeit vereinigt. Der Verlauf war günstig. Der
Tumor bildete sich ganz zurück, die Fistel secemirte wenig, genirte
nicht und so ist die Heilung als eine gelungene zu betrachten.
2. Nach recidivirender Perityphlitis hatte sich in einem Falle
Darmstenose mit Kolikanfällen herausgebildet. 1 n der Coecalgegend
fühlt man eine tumorartige Resistenz Ein Theil des Coecum und
processus vermiformis war in einen schwieligen Tumor eingebeitet,
womit eine Dünndarmscblinge verwachsen war. Es wurde wie im
ersten Falle eine Darmnusschaltung des Colon ascendens tbeilweise,
des Coecum und ungefähr 30 cm Ileum ausgeführt. Auch hier war
die Heilung glatt und aus der Fistel wurde nur wenig Secret ab
gesondert.
3. Hier war in Folge von Perityphlitis bei einem Falle eine
Kothfistel zurückgeblieben, die nicht mehr zu exstirpiren war. Es
sollte daher die Ausschaltung des Coecums gemacht werden, die
aber durch Verwachsungen und geringe Uebersichtlichkeit des Opera¬
tionsgebietes zu falscher Ausschaltung von Ileum führte. Durch
blindes Vernähen eines llemnendes traten Ileuserscheinungen auf,
die zunächst durch einen Anus praeternaturalis, nachher durch
Anastomose zwischen Ileum und Colon transversum beseitigt wurden.
Da der Anus praeternaturalis durch Plastik später nicht be¬
seitigt werden konnte, so wurde das zu ihm führende Darm6tück
nachträglich noch ausgeschaltet und hiermit schliesslich Heilung er¬
zielt, indem nun aller Koth durch den After geht.
(Schluss folgt.)
Ueber Rhinoskopia media.
Von Prof. l>r. (instar Killian in Freiburg i. 15.
Rhinoskopia media möchte ich eine Untersuchung«
metlio.lc nennen, welche die Bestimmung hat, uns gewisse Spalt-
riiume im 1 n u e r n der Nase .sichtbar zu machen, zu deren Be¬
trachtung weder Rhinoskopia anterior noch posterior ausreieheu.
Diese Spalträume sind die Riech spalte und der mittlere und untere
Nasengang (wenn wir unter letzterem den Raum lateral von der
unteren Muschel verstehen).
Zwar gibt es Fälle, in welchen wir von der äusseren Nasen-
Öffnung aus unter Zuhilfenahme der gewöhnlichen Specula kleinere
oder grösser«' Abschnitte der genannten Räume übersehen '), auch
erlaubt die Rhinoskopia iwsteriur, von hinten her eine Strecke
weit in sie hiucinzublickcn; in der Regel aber bleibt uns bei
weitem der grösste Theil derselben verschlossen. Das vordere
Ende der mittleren Muschel kommt meist dem Septum und der
äusseren Nasenwand sehr nahe, folgt ihren Krümmungen oder
liegt ihnen gar fest an. Diese Anlagerung kann sich auch,
namentlich hei geschwollenen und hypertrophischen Muscheln, auf
tlie übrigen Tlieile der mittleren Muschel erstrecken.
Da aber die letztere eine freiragende dünne Knockcnlamclle
ist, so lässt sic. sich leicht verdrängen, medial- oder latcralwärts.
Auch der obere Theil des Septum gibt auf Druck etwas nach.
Es lag daher der Gedanke nahe, dass die Iliechspalte und der
mittlere Nasengaug gut übersehen werden könnten, wenn man mit
einem passenden Spcculum ihre Wände auseinander drängt.
Zu diesem Zweck habe ich mir die Schnäbel des gewöhnlich
von mir gebrauchten Kramer-Hartuiauii' schon Nascns|»ccu-
lums entsprechend verlängern lassen, so wie aus beistehender Figur,
welche die Instrumente in natürlicher Grösse wiedergibt, ersicht¬
lich ist. Das bisher gebrauch liehe Spcculum wurde des besseren
\ ergleielies wegen beigefügt (cs ist das kleinste der drei abge¬
bildeten). Ausser diesem und dem ganz langen sebieu es nur
zweckmässig, noch über eine mittlere Grösse zu verfügen. Bic
Schnäbel der neuen Spccula laufen vorn in zwei dünne, flach
aufeiuanderlicgendc Platten aus. Am vorderen Ende sind die
l ) Auch ich habe einmal in einer gesunden Nase gerade wie
Bergeat (Monatsschr. f. Ohrenheilkunde 1896) die obere Muschel von
vorn her gesehen. Die Keilbeinhöhlenmündung und Aehnliches kam
mir meist nur in Fällen mit Atrophie der mittleren Muschel m
Gesicht.
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lg. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
769
letzteren zusammen so dünn, dass man bequem in enge Spalten
eiudringen kann. Um störende Reflexe zu beseitigen, wurden die
Innenflächen der Platten matt gemacht.
Vor Anwendung der Instrumente müssen die zu berührenden
Schleimbautflächen cocainisirt werden, wodurch man zugleich ein
Abschwellen der Schleimhaut und ein besseres Klaffen des zu
untersuchenden Spaltraumes erzielt.
Dem geübten Rliinoskopikcr besondere Vorschriften für Ein¬
führung und Handhabung zu geben, ist kaum nötliig. Man führe
das Instrument möglichst leicht ein, unter möglichster Schonung
der Schleimhaut und beginne beim Dilatiren mit massigem Druck.
Beim schrittweisen Vorrücken zwischen mittlerer Muschel und
Septum bis zur vorderen Keilbeinfläolie schliesse man das Speculum
immer wieder vorher und lasse den Patienten zwischen den Branchen
sich etwa ansammelnde Schleim- oder Bluttröpfchen durch Schnüffeln
eDtferncn. Die Untersuchung erfordert ein langsames, geduldiges
Vorgehen und nimmt daher einige Zeit in Anspruch. Im Uebrigen
gelingt sie bei geringer Vorübung leicht.
Es ist mir auf diese "Weise möglich geweseu, die beiden
seitlichen Wände der Riechspalte, von dem freien Rande der
mittleren Muschel bis zur Lamina cribrosa, vollständig zu über¬
sehen. Der obere Nasengang und die obere Muschel markiren
sich oft nur wenig; aber man kann sie mit einer vorn etwas
abgebogenen dünnen Sonde bequem abtasten; auch ein oberster
Nasengang lässt sich so nachweisen. Die vordere Keilbeinfläche
und die Mündung der Keilbeinhöhle zeigen sich direkt; die Son-
dirung der letzteren wird wesentlich leichter und sicherer.
Was den mittleren Nasengang angeht, so habe ich mir
denselben ganz zu Gesicht gebracht. Den Hiatus semilunaris,
Processus uncinatus, Bulla ethmoidalis, die Spalte zwischen letzterer
und mittlerer Muschel (Eingang in die mittleren Siebbeinzellen),
Oeffnungen von vorderen Siebbeinzcllen , den Anfang des Weges
nach der Stirnhöhle habe ich direkt gesehen und diese Befunde
mit der Sonde bequem vervollständigt.
Mit demselben Speculum kann man auch am unteren Rande
der unteren Muschel Vorbeigehen und unter Umständen den ganzen
lateral von der Muschel gelegenen Raum bis gegen die Mündung
des Thränennasenganges überblicken.
Dass enger Bau der Nase, verkrümmte, mit Vorsprüngen
versehene Nasenscheidewände ein derartiges Vorgehen erschweren,
wenn nicht unmöglich machen, liegt auf der Hand. Aber in
solchen Fällen sieht man doch immer mit dem langen Speculum
mehr als mit dem kurzen. Wie weit die Anwendungsfähigkeit
der Rhinoskopia media reicht, das wage ich jetzt noch nicht
ächarf abzugrenzen ; denn ich habe über die Erfolge meiner Unter¬
suchungen und über ihr Verhältnis zu denen der Rhinoskopia
anterior im einzelnen Falle keine Statistik geführt. Ich bin aber
trotzdem jetzt schon zu der Üeberzeugung gelangt, dass wir auf
diesem Wege einen kleinen Sehritt vorwärts kommen werden.
No. 88.
Schon durch die öftere Untersuchung von Fällen, welche in
den fraglichen Gegenden sich cinigermassen normal verhalten,
bereichern und berichtigen wir wesentlich unsere Vorstellungen
über die bezüglichen anatomischen Verhältnisse beim Lebenden,
wie ich das an mir selbor erfahren habe. Bei Flüssigkeitsabson-
derungen aus den Nebenhöhlen wird es uns, wenn die Rhinoskopia
media gelingt, bedeutend erleichtert, die absondernden Höhlen näher
zu bestimmen, da wir deren Oeffnungen oder wenigstens die Stellen,
wo sie sich verbergen, direkt sehen und sondiren können. Als
besonders dankbar in dieser Hinsicht haben sich mir Ozaena-Nasen
erwiesen, und ich überzeugte mich mehrfach, dass in der That,
wie G r ü n w a 1 d behauptet, aus einzelnen Räumen eine, wenn auch
minimale Absonderung stattündet, welche nach meinem Dafürhalten
jedoch nur eine Miterkrankung derselben beweist.
Was die von mir auf der letzten Heidelberger Laryngologen-
Versammlung angeregten Probepunktionen der Nebenhöhlen
angclit, so wird das Bedürfniss nach ihnen durch die neue Unter¬
suchungsmethode wesentlich eingeschränkt; wo aber ihre Vornahme
wünschenswert erscheint, wird sie durch diese Methode bedeutend
erleichtert.
Hinsichtlich der Siebbeincaries möchte ich bemerken, dass
cs jetzt darauf an kommen wird, die Stellen, an denen die Sonde
ein rauhes Gefühl ergab, wenn irgend möglich, mit dem Auge
zu prüfen, bevor man die Diagnose auf Caries stellt. Ich bin
überzeugt, dass die letztere dann zu einer klinisch recht seltenen
Affection werden wird, und dass die klinischen Beobachtungen
mit den pathologisch-anatomischen sich besser decken werden.
Die verschiedenfachen Lagerungen der Kranken bei
Operationen. Ein neuer Operationstisch.
Von Dr. med. Otto Ihle in Dresden.
Die nach Trendelenburg 1 ) benannte Schieflagerung, welche
darin besteht, dass bei Vornahme des Bauch Schnittes das Becken
des Kranken höher als der Oberkörper gelegt wird, bedingt be¬
kanntlich eine wesentliche Erleichterung der Operation. Denn bei
ihrer Anwendung fallen die Därme von selbst innerhalb der Bauch¬
höhle aus dem kleinen Becken und Unterbauch weg und sinken in
den Oberbauch hinein, wo sie in der Gegend des Magens und in
der Kuppe des Zwerchfelles Platz finden. Die Beckenhöhle selbst
wird frei und ohne Weiteres ansichtig. Die Vortheile, die hierdurch
entstehen, sind mannigfaltig.
Die Orientirung über die anatomischen Verhältnisse des Falles
ist bedeutend erleichtert. Direct unter Leitung des Auges lassen
eich alle im Bereiche des Beckens nothwendigen Eingriffe vornehmen.
Es lassen sich Nebenverletzungen leichter vermeiden, Verwachsungen,
selbst solche ausgedehnter Art sicherer dorchtrennen, blutende Stellen
schneller aufsuchen und besser versorgen. In den Fällen, wo es
sich um die Entfernung von Geschwulstbildungen handelt, die
vom weiblichen Genitalcanal ausgehen, hat die Anwendung der
erwähnten Lagerung noch einen anderen Zweck. Die zu entfernenden
Tumoren ziehen vermöge der eigenen Schwere ihren 8tiel näher an
die Bauchwunde heran und erleichtern dadurch die Absetzung
desselben. r
Stiel und Ligamenta lata entfalten sich selbst. Bei der Gerad-
lagern ng dagegen werden sie durch das Gewicht des Tumors gerade
umgekehrt in die Tiefe deB kleinen Beckens hineingedrückt und
sind dem Operateur schwer zugängig. Zum Mindesten eine, nach
Befinden aber mehrere aseptische Personen sind eigens zum Empor¬
halten des Tumors, wenn er halbwegs einen grösseren Umfang bat,
während der Dauer, wo die Verbindungen desselben versorgt werden
sollen, nöthig. Die Zahl der aseptischen Gehilfen sollen wir aber
grundsätzlich nie vermehren, um die Sicherheit der Asepsis nicht
zu gefährden.
In demselben Sinne wirkt die Vornahme der Schieflagerang,
wenn es sich um die Ausführung des hohen Blasenschnittes handelt.
Die künstlich gefüllte Blase schiebt vermöge der eigenen Schwere
die Uraschlag88telle des sie bedeckenden und zur vorderen Bauch¬
wand ziehenden Peritoneums so weit nach der Nabelgegend zu, di«
eine unabsichtliche Verletzung desselben und Eröffnung des Bauch¬
raumes selbst bei ausgedehnter Schnittfahrung fast unmöglich wird.
‘) Trendelenburg demonstrirte 1890 auf dem Chirurgen-
congress seinen zur Herstellung der Scbieflagerung bestimmten 8tuhl.
König gab bereits 1886 in seinem Lehrbuch für specielle Chirurgie,
IV. Aufl., Bd. II, pag. 194 an, dass bei Bauchschnitten «das Vor¬
fällen der Därme am sichersten durch Hochlagerung des Beckens
vermieden wird». Neuerdings hat W. A. Freund, der schon 1878
bei seiner historischen Uterusexstirpation das Becken, um eineu
bequemen und freieren Einblick zu gewinnen, hochlagerte, die Priorität
dieser Neuerung für sich in Anspruch genommen.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Intravesicale Eingriffe nach Eröffnung der Blase lassen sich in
Beckenhochlagerung leichter ausführen. Aber auch in anderer
Beziehung leistet die Herstellung der Trendelenburg’schen Schief¬
lagerung vorzügliche Dienste.
He gar berichtet von Bauchoperationen, die in der früher
üblichen Geradlagerung vorgenommen wurden, und bei denen nach
Hervorwälzung oder Entleerung von Colossalturnoren durch die
hierbei eintretende unmittelbare Veränderung des intraabdominalen
Druckes plötzlich sftmmtliches Blut in die Unterleibsorgane ein¬
strömte , und in Folge acutester Anaemie des Gehirns der Tod
shockartig eintrat. Hier ist die rechtzeitige Herstellung der Becken¬
hochlagerung, die am besten vor der HervorwälzuDg oder Verkleinerung
der Neubildung zu geschehen hat, ein vorzügliches und sicheres
Mittel, die Gehimanaemie und den Shock vollständig zu vermeiden.
Bei weitem nicht in allen den Fällen, bei denen die Schief -
lagerung zur Anwendung gelangt, fallen die Darmschlingen aus der
Beckenhöhle in den Raum des Oberbauches zurück, sondern nur
dann, wenn sie auf das Gründlichste von Gasen und Koth befreit
sind, und gleichzeitig die Narkose eine ausreichend tiefe ist.
Sind die Därme vollkommen entleert und ist ausserdem
die Betäubung eine genügend starke, so kann man mit Sicherheit
darauf rechnen, dass spätestens bei einer Neigung der Tischplatte,
welche 45° zur Horizontalen beträgt, die Därme unbedingt in der
erwünschten Weise zurückfallen müssen. In der Mehrzahl der Fälle
ist sogar diese starke Neigung der Platte gar nicht nöthig, man
erreicht bei viel geringeren, bei den verschiedenen Patienten aller¬
dings verschieden starken Graden der Neigung den Zweck meist
viel früher. Sind jedoch umgekehrt entweder die Därme gefüllt,
oder aber ist die Narkose nur eine unvollständige, oder sind etwa
gar beide Voraussetzungen nicht erfüllt, so gelingt es, selbst wenn
wir die Neigung der Tischplatte weit über 45° steigern, niemals zu
dem erwünschten Ziele zu gelangen. Handelt es sich um die Aus¬
führung eines Bauchschnittes, so sind wir der Regel nach fast immer
in der Lage, vorher durch ausgiebigen Gebrauch von Abführmitteln
und reichlichen Einläufen mit oder ohne Zusatz dieser Anzeige
nachkommen zu können. — In jenen trostlosen Fällen der operativen
Praxis aber, wo wir in unmittelbarem Anschluss an eine soeben
vorausgegangene Laparotomie oder vaginale Uterusexstirpation wegen
Auftrittes von Ueuserschcinungen den Bauchschnitt erneut zu wagen
gezwungen sind, können wir leider für eine genügende Entleerung
des Darmes nur ganz wenig sorgen. Zwar vermögen wir das abwärts
von der Strangulationsstelle Hegende Darrarohr durch hohe Ciysmata
zu entleeren, die oberhalb der Strangulationsstelle befindlichen Därme
aber bleiben hochgradig meteoristisch ausgedehnt.
Ist nun auch hier trotz Anwendung der Schieflagerung bei der
Operation an ein spontanes Wegfallen der Därme aus dem Bereiche
des Beckens nicht zu denken, so bietet die Herstellung dieser
Lagerung gleichwohl gewisse unzweifelhafte Vortheile. Legt man
den Bauchschnitt ausreichend gross an und eventrirt man die Därme,
so braucht man die einzelnen Schlingen, nachdem man sie vom
Becken weggezogen hat, nicht von einem eigens dazu bestellten
aseptischen Gehilfen während der Dauer der Operation halten zu
lassen, um ihr Zurückgleiten zu verhindern. Die Aufsuchung der
von der Strangulation betroffenen Stelle gestaltet sich wesentlich
einfacher.
Die für die Kranke häufig recht qualvollen Ausheberungen
des Magens, die wir direct vor dieser Operation vornehmen, um den
Inhalt der Därme und die für den Operateur lästige Auftreibung
derselben nach Kräften zu vermindern, können vollständig in
Wegfall kommen. Sobald nämlich die Kranke in Schieflagerung
gebracht ist, fliesst meist sofort mit Leichtigkeit und von selbst
sämmtliches im Magen befindliches Kothwasser, sowie ein Theil des
Dünndarminbaltes durch den Mund aus. Ist dies einmal nicht
sofort unmittelbar der Fall, oder stockt der Abfluss, so schiebt der
Narkotiseur der betäubten Kranken ein Schlundrohr bis in den
Magen ein. Einer eigentlichen Ausheberung bedarf es nicht. Der
Abfluss erfolgt spontan, das Schlundrohr aber selbst kann während
der Dauer der ganzen Narkose liegen bleiben. Collapsähnliche Zu¬
fälle, denen sonst diese so schwächlichen Kranken schon durch die
blosse Narkose ganz ausserordentlich leicht ausgesetzt sind, treten
bei Anwendung der Beckenhoclilagerung nicht so leicht ein. Das
Gehirn bleibt reichlich mit Blut versorgt.
Die Trendelenburg’sche Lagerung bietet in der That eine
Reihe so hervorragender Vorzüge, dass wir in’ihr mit Recht eine
wahrhafte Bereicherung der operativen Chirurgie erblicken müssen.
Aber nicht Vortheile allein, sondern leider auch Nachtheile, und
zwar solche ganz gefährlicher Art können uns durch ihre An¬
wendung erwachsen. Handelt es sich um einen Patienten, der an
atberomatöser Entartung der Gehirnarterien leidet, so kann in Folge
der Schieflagerung plötzlich im Verlaufe der Operation Apoplexie
eintreten. Erkrankungszustände des Herzens und des Gefässsystems
sowie der Lungen mahnen zu öusserster Vorsicht. Sind dieselben
vorhanden, so treten nicht selten durch die Schieflagerung bedingt
collapsartige Zufälle mit bedrohlichen Circulationsstörungen auf.
Der Puls wird schwach und unregelmässig, die Athmung stockt oder
wird beschleunigt, ausgesprochene Cyanose oder Blutüberfüllung
des Gesichtes tritt in die Erscheinung.
Schon bei blossem Vorhandensein von Struma beobachteten
wir mehrfach derartige höchst Iebensbedrohliche Auftritte. Ja selbst
bei Abwesenheit jedweder nachweisbaren Erkrankung des Gefäss¬
systems, des Herzens oder der Lungen können die gefährlichen
Zufälle auftreten. Andererseits kann aber auch bei Anwesenheit
der eben genannten Erkraukungsformen die Schieflagerung ausser¬
ordentlich gut ertragen werden. Bemerkenswerth ist, dass der Ein¬
tritt gefährlicher Zustände nicht sofort, nachdem die Schieflagerung
hergestellt ist, zur Erscheinung kommen muss, sondern dass derselbe
sich häufig erst allmählich entwickelt und ganz plötzlich und unver¬
mittelt auftritt. Vor Allem wird nicht selten ein geringer Grad von
Schieflagerung gut ertragen, während eine weitere, verhältnissmässig
nur geringe Steigerung derselben unmittelbar die üblen Zufälle mit
sich bringt. Nicht selten auch werden Patienten selbst bei vor¬
handener schwerer Erkrankung des Circulations- und Respirations¬
apparates im Verlaufe der Operation allmählich immer toleranter
gegen die Schieflagerung, so dass, während Anfangs nur eine geringe
Neigung der Tischplatte ertragen wurde, allmählich eine Steigerung
de? Neigung bis zu den extremsten Graden ohne Schaden für den
Kranken stattfinden kann. Beachtenswerth ist, dass, wenn bei der
Schieflagerung Blutcongestionen nach dem Kopfe zu auftreten, wir
nicht selten dieselben prompt dadurch beseitigen, dass wir den
Aether sofort mit Chloroform vertauschten. Wir konnten dann die
Schieflagerung ruhig beibelialten.
Auf alle Fälle ersehen wir hieraus, dass wir bei einer Patientin
niemals von vornherein, trotz genauester Vornahme einer körper¬
lichen Untersuchung, zu bestimmen vermögen, ob diese Kranke
überhaupt und in welchem Grade und auf wie lange Dauer sie die
Anwendung der Trendelenburg'schen Lagerung verträgt. Wir
sind vielmehr einzig und allein auf den Versuch in einem jeden
einzelnen Falle und bei jeder einzelnen Patientin von Neuem an¬
gewiesen. Der Versuch hat sich aber nicht als ein einmaliger Ver¬
such auf die Zeit kurz vor oder während des Beginnes der Operation
allein zu erstrecken, sondern er muss auf die ganze Dauer der
Operation, wenngleich mit Unterbrechungen, ausgedehnt werden.
Denn die Toleranz gegen die Schieflagerung an sich ist nicht allein
bei verschiedenen Personen eine verschiedene, sondern sogar bei
ein und derselben Person sowohl gegen die verschiedenen Grade
der Neigung als in den verschiedenen Stadien der Narkose, ja selbst
bei Anwendung verschiedener Narkotica eine ganz verschiedene.
Es ist somit klar, dass das Wohl des Kranken in einem jeden
einzelnen Augenblicke während der Operation eine genaue TJeber-
wachung und individualisirende Dosirung der Schieflagerung ver¬
langt. Die Herstellung und Abänderung der Schieflagerung aber
muss zu diesem Zweck auch schnell, leicht und sicher zu hand¬
haben sein. Nicht Rücksichten auf das Wohl der Kranken allein,
sondern auch Rücksichten auf die technischen Bedürfnisse der
Operation erfordern dies. Denn in allen Fällen, also selbst da, wo
der Allgemeinzustand der Patientin vom Anfang bis zum Ende der
Operation den steilsten Grad der Neigung gestattet, sind wir doch
regelmässig sowohl bei Beginn als bei Schluss des Bauchschnittes
gezwungen, die Gradlagerung, wenn auch nur auf kurze Momente,
wieder herzustellen.
Die Katlieterisirung der Blase, die wir ausnahmslos vor jeder
Laparotomie, und zwar unmittelbar vor derselben bewerkstelligen
sollen, führt nur in der Gradlagerung zur vollständigen Entleerung
des Urins, während dies in der Schieflagerung nicht oder nur ganz
unvollkommen der Fall ist. Die Desinfection von Vagina und
Cervix muss ebenfalls erst direct vor Ausführung des Bauchschnittes
und nicht schon Stunden vorher vorgenommen werden, weil die
allmählich sich wieder einstellenden Secrete infectiöse Stoffe aus
den Drüsencanälen bringen und die bereits hergestellte Asepsis
hierdurch gefährdet wird.
Vagina und Cervix sollen aber auch nicht durch blosse anti¬
septische Ausspülungen allein vorbereitet werden, sondern es muss
eine directe und sehr energische Abreibung ihrer Wandungen mit
antiseptischer Lösung, nötigenfalls unter Zuhilfenahme von steriler
Watte oder Gaze, stattfinden. Zu diesem Zwecke darf sich die
Kranke nicht in Schieflagerung befinden, sondern es ist vielmehr
horizontale Lagerung erforderlich. Gleichzeitig müssen allerdings
weiterhin noch die äusseren Genitalien leicht zugängig sein, so dass
man unbehindert zwischen den Oberschenkeln herantreten und
rinnen- und .plattenförmige Specula behufs Hervorziehung der Cervii
bequem einführen kann, besonders wenn man dieselbe vernähen
will. Auch bei Abseifung der Bauchdecken bedienen wir uns am
Besten noch nicht der Schieflagerung, weil sonst alle Seifen- und
Spülflüssigkeiten nach Brust und Kopf zu abfliessen. Dagegen ist
bei Abseifung und Reinigung des Nabels ein geringer Grad von
Schieflagerung behufs besserer Beleuchtung da günstig, wo kein
Oberlicht vorhanden ist. Nebenbei sei bemerkt, dass bei mir der
Nabel einige Stunden vor der Operation regelmässig mit Wasser
ausgefeuchtet und sodann dicht mit Schmierseife ausgefüllt wird,
so dass selbst harte, seiner Haut fest aufhaftende Schmutzmasseß
die das Vollbad nicht wegnahm, bis zu Beginn der definitiven Vor-
desinfection erweicht sind.
Vor Beendigung eines jeden Bauchschnittes schiesslich sind
wir gezwungen, spätestens vor Knüpfung des letzten, den Bauchraum
abschliessenden Fadens, wie Schau ta dies dargethan bat, unbeding
die Geradlagerung herzustellen, damit dem Eintritt eines Ileus nach
Kräften vorgebeugt werde. Sch auta hat durch eine Reihe sehr sinn¬
reicher Leichenexperimente bewiesen, dass, wenn man die Bauen¬
höhle in Schieflagerung schliesst, die Dannschlingen sich nachträg¬
lich, wenn die Kranke in Geradlagerung gebfacht ist, nicht wieder
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18- August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
m d.® Lage begeben, die sie vor Eröffnung der Bauchhöhle inne
hatten, dass aber umgekehrt, wenn man in Geradlagerung den Bauch¬
raum schhesst, dies immer der Fall ist. Wir bedürfen vor Schluss
der Laparotomie die Herstellung der Geradlagerung für einige Minuten
ferner in den Fallen wo wir ausgedehnte Wundflttchen im Bereiche
des Beckens zurücklassen und uns vergewissern wollen, ob auch
nach Aufhebung der Schieflagerung, wo das Blut in die Unterleibs-
organe wieder voll ein strömt, die Blutstillung definitiv gesichert ist
Gefährliche Nachblutungen lassen sich nur so vermeiden.
Aus allen den Gründen, die ich in den voranstehenden Zeilen
ausgeführt habe, müssen wir es als das erste und hauptsächlichste)
Erfordemiss betrachten, dass sowohl die Herstellung als auch die
Abänderung der Schieflagerung in jedem Augenblicke der Operation
rasch, leicht und sicher erfolgt. Zu diesem Zwecke ist zweierlei
nöthig. Einmal muss die Bestimmung über den jeweilig gewünschten
Grad der Schieflagerung schnell und zuverlässig getroffen werden
Dann aber müssen vor allen Dingen die Vorrichtungen, deren wir
uns zur Bewerkstelligung der entsprechenden Lageveränderungen
bedienen, in tadelloser Weise schnell, leicht und sicher functioniren.
Die Bestimmung über den jeweilig nothwendigen und zulässigen
Grad der Schieflagerung legen wir am Besten in nur eine Hand
Entschieden ist dies besser, als wenn während der Operation immer
von Neuem die stets von einander abweichenden Urtheile einer
Mehrzahl von Personen gesprächsweise verlautbart und berathen
werden und sich hierbei die Entscheidung, die dadurch nur weniger
zutreffend ausfällt, verzögert. Am Besten von allen Anwesenden und
bei der Operation betheiligten Personen eignet sich wohl der Nar¬
kotiseur. Er ist am Genauesten in jedem Momente der Operation
von dem Zustande des Kranken unterrichtet. Denn er überwacht
die Functionen des Herzens und der Athmung beständig. Gleich¬
zeitig befindet er sich aber auch in der günstigsten Stellung dem
Operationsfeld, der eröffneten Becken- und Bauchhöhle gegenüber
indem er derselben nicht nur unmittelbar nahe ist, sondern auch
einen vollendeten totalen und nicht blos einen halben Hinblick, wie
der zur Seite stehende Operateur und Assistent hat. Aus diesem
Grunde vermag er sofort zu errathen, ob mit Rücksicht auf die
Technik für den eben vorliegenden Act der Operation eine volle
oder nur eine geringe Schieflagerung nöthig ist, ob die Därme ge¬
nügend zurückfallen, und eine Blutung aus dem Bereiche des Beckens
auf tritt. Er kann daher jederzeit sorgfältigst für sich im Stillen
zwischen den Interessen des Operateurs und dem Allgemeinzustand
der Kranken abwägen. Der Operateur dagegen und der Assistent
sind, ganz abgesehen von ihrer weniger günstigen Stellung, fast stets
mit aller Aufmerksamkeit voll und ganz von dem technischen Fort¬
gang der Operation beansprucht, und vermögen desshalb nicht den
Allgemeinzustand der Kranken vorübergehend, geschweige denn an¬
dauernd in gebührender Weise zu beurtheilen.
Ungemein wichtig, vielleicht das Wichtigste aller praktischen
Erfordernisse aber besteht darin, dass die Bewerkstelligung der
jeweilig als nöthig erkannten Lagerung in jedem einzelnen Momente
während der Operation mit grösster Leichtigkeit, Sicherheit und
Schnelligkeit erfolgt. Dabei muss es gleichgiltig sein, ob es sich
darum handelt, die Tischplatte von der horizontalen bis zur Neigung
von 45° zu bringen oder ob irgend welche andere Zwischenstufen
und Grade der Neigung bis in die feinsten Nüancirungen hinein, die
innerhalb des angegebenen Spielraumes möglich sind, vorgenommen
werden sollen. Der Operateur und Assistent dürfen aber vor allen
Dingen während der Vornahme der Lageveränderung in keiner Weise
in der Fortführung der Operation gestört sein, sondern sie müssen
ruhig weiter arbeiten können.
Denn verbietet vielleicht im vorliegenden Falle der Zustand der
Kranken die Herstellung einer steilen Schieflage im Allgemeinen, so
kann gleichwohl in einzelnen Momenten, sei es bei Durchtrennung
ganz tief unten im Becken befindlicher Adhäsionen, sei es zur
schnellen Auffindung eines plötzlich blutenden starken Gefässes,
welches versteckt liegt, sei es aus irgend welchen anderen Gründen,
unerwartet auf einmal die stärkste Neigung der Schieflagerung,
wenn auch nur auf wenige Momente, unbedingt nöthig sein. Verzögert
sich aber die Herstellung der Schieflagerung, wenn es sich um die
Auffindung eines blutenden Gefässes handelt, so kann mittlerweile
der Blutverlust ein recht bedrohlicher werden. Ist aber die Schief¬
lagerung rasch hergestellt, so wird das Gefäss auch schnell gefasst,
und wenn die frühere Neigung der Tischplatte rasch wieder her¬
gestellt werden kann, bleibt die steile Schieflagerung, da sie nur auf
einen kurzen Augenblick stattfand, für die Kranke ohne Schaden.
Bekanntlich hat man eigene Operationstische ersonnen, welche
die Herstellung und Abänderung der Schieflagerung erleichtern sollen.
Leider aber erfüllen dieselben ihren Zweck im Sinne der vorgedachten
Erfordernisse nur wenig oder gar nicht. Mit einigen wenigen Worten
will ich auf eine Schilderung der in Frage stehenden Modelle eingehen.
Die Zahl der Operationstische, die im Laufe der Zeit angegeben
worden sind, ist zwar eine grosse. Allein die scheinbar so verschieden¬
artige Construction derselben läuft immer nur auf eines der be¬
kannten 4 Systeme hinaus und besteht somit entweder in Zahn-
stangenmechaniBmus, Zahnradkurbelung, Rotationswiege oder schliess¬
lich in Anwendung von Scbneckenkurbelung.
I. Zahnstangenmechanismus.
. Dies ist die primitivste und am weitesten verbreitetste Vor¬
richtung, die zur Herstellung der Schieflagerung in Anwendung
771
Fig- 1.
dass die Eisenstäbe m m
kommt. In Fig. 1 ist dieselbe schematisch dargestellt. Die Kranke
Hegt auf einem Tische, dessen Platte mit Charnieren beweglich an¬
gebracht ist, so dass sie sich
auf- oder niederklappen lässt.
An ihrer Unterfläche befinden
sich gezahnte Stangen m m,
welche eine Feststellung in
schiefer Ebene dadurch ge¬
statten, dass die Zähne in
einem zu diesem Zwecke an¬
gebrachten Eisenstab f ein¬
gehakt werden. Die Platte des
Tisches wird an ihrem freien
Ende an der Stelle, wo die
Kniee der Kranken sich be¬
finden, angefasst und von
mindestens einer, nach Be¬
finden aber mehreren kräf¬
tigen Personen gehoben oder
gesenkt, während eine weitere
Person gewissenhaft dafür zu sorgen hat,
mit ihren Zähnen fest eingehakt werden.
Etwas besser als der vorbezeichnete Mechanismus ist das
System der
II. Zahnradkurbelung.
Hier wird die Platte nicht selbst angefasst, sondern es befindet
sich seitlich am Tische ein Zahnrad, welches vermittelst einer an
ihm angebrachten Kurbel in Umdrehung versetzt werden kann.
Dabei setzt sich gleichzeitig die am Zahnrad angebrachte Axe urd
mit dieser die kleinen Räder rr in Bewegung. In diesen ruhen
die Zahnstangen, diese werden nach oben gedreht und die Tisch¬
platte hierdurch gehoben. Will man die Tischplatte niedriger stellen
oder ganz herablassen, so muss eine Person den Sperrhaken a, der
das Zahnrad festhält, in der Richtung des angezeichneten Pfeiles
bewegen, so dass nunmehr das Zahnrad nicht mehr gehindert ist,
sich zurückzudrehen. Ehe der
Sperrhaken zurückgehalten
wird, muss mindestens eine
kräftige Person die Tischplatte
an ihrem freien Ende anfassen
und festhalten, damit dieselbe
nicht durch einen plötzlichen
Ruck in Folge der eigenen
Schwere niederfällt. Diese Ge¬
fahr besteht auch bei dem
oben geschilderten Zahn¬
stangen-Mechanismus und
können bei einem solchen Un¬
fälle plötzliche Anämie des LU
Gehirnes bei dem Kranken,
Hervorstürzen der Därme bei
geöffneter Bauchhöhle, Ausgleiten der Instrumente des Operateurs 1 ,
sowie eine Reihe weiterer sehr unangenehmer und verhängnissvoller
Zustände eintreten.
Will man die Kurbel in Bewegung setzen, behufs Aufstellung
der Tischplatte, so ist, wenn eine schwere Kranke aufliegt, grosse
körperliche Kraft hierzu nöthig.
Das System des Zahnstangenmechanismus und der Zahnräd-
kurbelung gestattet auch keine so feine, auf die individuellsten
Verhältnisse berechnete Dosirung der Schieflagerung, wie dies nach
den oben gemachten Erörterungen nöthig ist. Stets lässt Sich die
Platte immer nur gleich um einen oder einige Centimeter höher oder
niedriger stellen.
III. Rotationswiege.
Scheinbar besser als die vorgedachten Con'structionen ist das
System der Rotationswiege, welches an dem Operationstisch von
Steltzner zum Ausdruck gelangt. Unterhalb der Tischplatte sind
zwei halbkreisförmige Bogen
angebracht, welche auf je
zwei Räderchen ruhen, die
ihrerseits auf einem vier¬
eckigen Untergestell ange¬
bracht sind. Die Platte lässt
sich sehr leicht drehen. Bei
b befindet sich Quetschvor¬
richtung, vermittelst deren
es gelingt, den Tisch in der
jeweilig gewünschten Lage
festzustellen. Der Vortheil
dieses Tisches vor den oben
erwähnten Systemen besteht
allein darin, dasB er etwas
leichter zu reinigen ist und
in seiner Function nicht so
leicht wie jene versagt. Da¬
gegen braucht auch er min-
Fig. 2.
Fig. 3.
uiaucuu auui miu-
destens 2 Personen zu seiner Bedienung, die eine, welche die Tisch¬
platte in Knienähe anfasst, um sie. zu heben, zu senken oder fest¬
zuhalten und die andere, welche die Quetschvorrichtung bedient.
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münchenke medioinische Wochenschrift.
Es kommt 1» fh
Nacbtheü ztt, <tefifl ßie g^ncL behufs Wechsel der Lage-
an und für sich nicht no g . • bei diejenige Person, die die hi
Veränderung erfordern, und aseptischen Körper der Kranken di
i
Commandoniten aes belästigt. Besonders unangenehm fi
!
“henfaUs die Asepsis indem auch hierbei nicht aseptisches Personal ,
ÄepB^Äichö und den aseptisch.» Personen zu nahe .
k0mE Wo aber, wie hier, die Herstellung der Schieflagerung mit 5
Schwierigkeiten verbunden, oder auch nur die Furcht vor solchen -
vorhanden ist, da geschieht es nur allzul eicht, dass die Abänderung .
der Lagerung häufiger, als dies für das Wohl der Kranken thunl.ch
ist, unterbleibt. be8prochenen Systeme Operationstischen haben
«her ausser den angeführten Uebelständen noch einen weiteren
Nachtheil Dieser besteht darin, dass der unterhalb und zwischen
den Oberschenkeln der Kranken befind!.che ^um von emem Theile
der Tischplatte eingenommen wird und nicht frei bleibt, wie aies
nöthig ist? damit min bequem bis an die'
traten kann Schon wenn man ein in die Blase emgetunrtes
Katheter oder eine in der Uterushöhle liegende Sonde nach abwärts
senken will ist die unterhalb und zwischen den Schenkeln befind¬
liche Tischplatte hinderlich. Ganz undenkbar ist das Einführen des
rinnenförmigen Speculums behufs antiseptischer Abreibung der
Vagina undSernähung der Cervix, wie wir solche vor der Laparo¬
tomie und zwar unmittelbar vor derselben an Stelle von blossen
unwirksamen Ausspülungen nöthig haben. Die Tischplatte macht
weiterhin die Herstellung einer correcten Asepsis der äusseren
Genital- und der Steissgegend, sowie der Innen- und Unterfläche
der Oberschenkel überhaupt unmöglich. Denn man kann die be¬
treffenden Hautbezirke nicht genügend mit Bürste, Seife und Anti-
septicum bearbeiten. Das abgespülte Seifenwasser und die Desm-
fectionsflussigkeit, welche beide nicht aseptisch sind, gelangen auf
die Tischplatte und lassen sich von derselben schwer, jedenfalls nie
gründlich entfernen. Die Tischplatte selbst ist ohnehin me voll¬
ständig aseptisch zu machen, da sie nicht auskochbar ist, gleichviel
aus welchem Material sie besteht. Man kann sie höchstens mit
einem sterilisirten Leinentuch bedecken, welches sich indessen leicht
verschiebt. Und doch ist nicht minder die strenge Asepsis einer
solchen Tischplatte wie die strenge Asepsis der äusseren Genital-
und Beckengegend, sowie der zwischen und unter den Oberschenkeln
befindlichen Haut dringend zu erstreben, wenn bei Gelegenheit
einer Laparotomie zugleich von der Scheide her eingegangen werden
soll wie dies bei der abdominellen Uterusexstirpation häufig so
vorteilhaft ist, und auch bei anderen Bauchschnitten nöthig wird,
wenn zum Zweck der Empordrängung tief sitzender Beckentumoren ein
Zeigefinger des Assistenten in die Vagina eingeführt werden soll.
Die bisher beschriebenen Operationstische bieten aber weiter¬
hin eine erhebliche Gefahr insoferne, als die Befestigung der Kranken
keine zuverlässige ist. Der Körper der Kranken und die Ober¬
schenkel liegen der Tischplatte auf, die Unterschenkel hängen am |
freien Ende der Platte herab und liegen auf den daselbst im
rechten Winkel angebrachten Brettern. Vergl. Fig. 1 und 3. Die Be¬
festigung in der vorerwähnten Stellung geschieht nun dadurch, dass
entweder um die Oberschenkel und die Tischplatte, oder um die
Unterschenkel und die Bretter Gurtbänder oder Tücher herumgeführt
und geknotet werden s. Fig. 1 und 3. Es sollen also entweder
die Oberschenkel auf der Tischplatte oder die Unterschenkel auf
den Brettern festgehalten werden. Befindet sich nun die Kranke
in Schieflagerung, so kann sie, wenn nur die Oberschenkel be¬
festigt sind, die Unterschenkel ansstrecken, oder wenn die Unter¬
schenkel allein angebunden sind, die Oberschenkel heben und
die Unterschenkel aus der sie umfassenden Schlinge herausziehen,
so dass letztere sich nunmehr ebenfalls strecken können. Auf alle
Fälle aber rutscht hierbei der Körper der Kranken durch die Last
der eigenen Schwere auf der schiefen Ebene nach abwärts. Es
müssen sofort Gehilfen zur Hand sein, und diese gelangen, während
sie Gegenhilfe leisten, in verhängnisvolle Nähe des aseptischen
Operateurs und Assistenten. Findet das Ereigniss etwa gar in
kritischen Momenten der Operation statt, wenn es sich um die
Stillung einer schweren Blutung oder einen Collaps der Kranken
handelt, so kann eine Verzögerung, die durch die Wiederherstellung
der Lagerung bedingt ist, da während derselben die Operation unter¬
brochen werden muss, eine Lebensgefahr für die Kranke bedeuten.
Man hat, um diesem Uebelstande nach Kräften vorzubeugen, zu
sogenannten Schulterstützen gegriffen, die in verschiedenfachster
Form angegeben sind und zur Ergänzung der mangelhaften Leistung
der Extremitätenbefestigung dienen sollen. Doch erfüllen diese
ihren Zweck nur unvollkommen.
Landau, Mackenrodt und verschiedene andere Operateure
haben um die Verwendung von 2 ausschliesslich zur Veränderung
der Schieflagerung bestimmter Personen auszuschalten, die Oon-
struction ihrer Operationstische mit Hilfe des Schneckenkurbel-
Systems durchgeführt und gleichzeitig einige weitere Einrichtungen
getroffen, welche einem Theile der übrigen Mängel abhelfen sollen.
IV. Schneckenkurbelung.
An der einen Längsseite des Operationstisches ist eine um
die eigene Axe drehbare Stange, m m angebracht. An dem
einen Ende ist eine Kurbel befestigt, an dem anderen Ende be¬
findet sich eine
same Umdreh- ^
zeitig wird die _r . F ff 11
Axe^des Rades jfjj_ 1 n
dieser Axe an- ijy I j
scl“U »HF
in Bewegung jl _
gesetzt. Da in ** Fit» 4
Letztere die
etagreifen^so werden diese hierdurch gehoben oder gesenkt Der
Narkotiseur vermag also von. seinem Sitz aus, welcher sich am
Kopfe der Kranken befindet, durch Umdrehung der Kurbel die
Schieflagerung her/.ustellen und zu verändern. Nachteilig: at der
Uebelstand, dass, wie das bei der Anwendung der Schnecken
kurbelung stets der Fall ist, die Kurbel sich um so schwerer dreht,
ie mehr der Tisch belastet ist, und dass die Schnecken stets über¬
reichlich mit Talg und Fettmassen eingerieben werfen mflssen wenn
sie ihren Dienst nicht versagen sollen Werter kommt die Schn l g
keit ihrer Reinigung und der Umstand, dass der Rost versteckt sitzt,
in Betracht. . ,.
In Folge der übermässigen Erhebung des Steisses über
horizontale Ebene des Tisches müssen während der Operation dem
Operateur oder Assistenten Tritte untergeschoben werden. Um auch
diesen Uebelstand auszuschalten, brachte Landau »jö» “g
weitere Schneckenkurbelung an dem Operat.onstische an Nermittelst
deren die 4 Füsse des Tisches verlängert oder verkürzt werden können,
so dass der Ausgleich der entstandenen Höhendifferenz ermöglic
ist (vergl Fig. 4) Die vermittelst der Kurbel B um ihre Längsachse
drehbafe Stange n n trägt an ihren beiden Enden je «n Schnecke
rad d d Eine jede dieser Schnecken greift in je ein gezah
Schneckenrad e und f ein. Die Räder o und f werden o e ^ e " s0
die Axen, an denen sie befestigt sind in Bewegung yersetit Die
auf diesen Axen befindlichen kleinen Räderchen drehens ch und
greifen in die der Länge nach gezähnten unteren Hälften der
Tiscbfüsse. Jeder der 4 Tischfüsse ist nämlich aus 2 TIicüe
zusammengesetzt, dem oberen, welcher hohl ist ooo ound J e “
unteren, welcher solid, aber bei Weitem dünner ist, so dass
sich in den oberen einsenken kann.
Vermittelst der Umdrehung der Kurbel B gelingt es nun, ie
unteren Fusshälften aus den oberen mehr oder weniger weit ie
vorzubewegen, oder sie in dieselben zurückzuschieben h
, Ebene des Tisches zu erheben oder zu senken J“* 1 *® 1 ' 1 *
B bei dieser Schneckenkurbelung ist, dass die L-urbel sich
! schwerer dreht, je mehr die Tischplatte belastet ist Die Hanü
: habung des vorliegenden Tisches geht nun in der We se vor sicn,
f dass der Narkotiseur zunächst an der Kurbel A dreht, um de
l jeweilig gewünschten Grad der Schieflagerung herzustellen.
? diese, erreicht, .0 dreht er an der Kurhel B um de» T »ch, =
mehr in die Höhe zu bringen, wie sie für d a ei L 0 P® r f ^n Bewegung
d werth ist. Unbequem ist, dass allemal 2 ^ urb ®„” on auc h wenn
! gesetzt werden müssen, und die Umdrehung der ® el .k®?> • vie l
der Tisch nicht schwer belastet ist, doch verhältnissmässig
, t Zeit beansprucht. Gerade bei schwierigen Operationen, w > «
•„ Veränderung der Schieflagerung häufiger als sonst nötlng ist,
d dieser Umstand doppelt unangenehm, um so ™ eh y> k e der
(n merksamkeit des Narkotiseurs hier für die Zwecke der Narkose fl
® Regel nach besonders stark beansprucht wird t Im r Sit aUein
ie Thatsache von grösster Bedeutung, dass der Narkotiseur nie aue^
, n die Bestimmung über den in jedem Augenblicke n ß im
von Schieflagerung zu treffen vermag, sondern dl J e „ p er -
Stande ist, denselben ganz allein, ohne Zuhilfenahme we
n sonen, herzustellen. n
su Einen weiteren Vortheil haben die in Frage Äte J““ d S lAI A e i n
er tionstische noch insofern, als der zwischen den Ofie
ag befindliche Raum freibleibt, und der Zugang zu den äusseren
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18. August 1896.
-M ünchener med icinische Wochenschrift.
773
talien hiedurch ungehindert ist T)p P .. . -
^Je“ ei“ ® te f r 7' erfäh f ™ d dia heftigen Hustenanfällen, sibilirenden
lischesangetäSen 0 ^^ ^ tUSZT t ** Lungengrenzen einhergeht.
Oberschenkel über die Tischkante hfrvorr^gt (verjl b bft ll m-etbt ^^, WCrd f“ ’ namentlich ™»n sic die 50 er Jahre
C Se t e |t i er S? fe9ti « unß ist k e'ue zuverlässige. Denn die od f 1 8chon überschritten haben, gewöhnlich für Emphyse-
Halbring^andrücken ^urürtionbrari ** ^ ünterschW « dt “ behandelt; man denkt bei solchen
die weicht bTd Wie I? uT continuirlichen Dyspnoe gar nicht an Asthma
tischen angebracht sind. Abgesehen hievon aber beteht eine ich “1VT.t Clner Ur8ache desselben, obwohl, wie
andere Gefahr. Wenn nämlich die Klemmschrauben c, wefche die | ch „^drückhch constaüren muss, bei solchen Kranken recht
Führungtfe g sth2ten en nirht Sei * nra ” de . des Tisches angebrachten J*"® 8 * cbw ° re Veränderungen in der Nase vorhanden sind, von
es geschehen di* d-Si Bcbarf festgedreht sind, so kann dene “ dle Kranken selbst keine Ahnung haben. Ich habe nun
selbst genügend gefesselt ist, dennoch f rchtie Las" detehrenen alle f ir*™" 6 gemacht, dass bei solchen Patienten nach Beseitigung
Körners auf (1 »r aU . rCb . die Laßt des eigenen allenfalls Ig er Polypen oder Schlcimhauthypertrophien die Athein
nnfVl rrTTToM nn T__*1... l • .
ShaTte a t f d6r ß . thief - Eb-e ^
h SrÄ, 1 ° nerhalb d « r Führung nach rückwärts gleiten.
Um den zahlreichen Unsicherheiten und Umständlichkeiten der
bisherigen Operationstische aus dem Wege zu gehen benutzt
L7 dl d :l r i chi ^? run g- indem er den Kranken
noth zwar an Intensität abnimmt oder seltener wird, aber doch
nicht ganz verschwindet. Untersucht man jetzt in der anfallfreien
Zieit, so findet man, dass die bronchitischen Erscheinungen fort-
bestehen und dass die Lungengrenzen keine oder nur eine sehr
auf die horizontale Platte eines Tisches Tegt^ und“ bCStChen v und d ** <* Lungengrenzen keine oder nur _ ocul
Ss°efn b ToM Tw u° Ck , unte D rschiebt - Dieses Mittel kann jedoch fj.“ 8 ® ' er f nderun g erfahren haben. Daraus glaube ich nun den
dese WeiÄcht^ den De,ln e8 g elin gt Schluss «»*en zu dürfen, dass wiederholte oder jahrelang
Asthmaanfälle namentlich Ul älteren
nur
auf
gestellton Grad der Beckenneigung irgendwie naehtrttaliVK^n , em ’ t -7 Astümaantälle namentlich bei älteren
ändera sei es ihn zu erhöhen, zu vermindern oder ganz aufzuhebe^! i“ dur °b fortwährende Dehnung der Al-
der B —JE
absieht ^
Krar<i» eiteT j ermag man ni cht zwischen den Oberschenkeln der
i‘“ kan deren äussere Genitalien direct heranzutreten, um
SP““ 1 » zum Vernähen der Cervix und zu ähnlichen
aseptischen Vorarbeiten einführen zu können. Der Gehilfe kann
höchstens, auf der einen Langseite des Tisches stehend, Vorrich
tungenäieserArt ansführen. Jedoch ermüdet erleicht, da er in
Jahren noch eine völlige Rückbildung möglich ist.
Betrachten wir nun das Verhältnis des nicht aus nasalen
Asthmaanfällen hervorgegangenen Emphysems zum Asthma, so
finden wir, dass das letztere keineswegs zu den häufigen oder gar
constanten Erscheinungen des erstcren gehört. Wer Gelegenheit
hat, viel schwer arbeitende Individuen zu untersuchen, dem wird
jedenfalls ebenso wie mir aufgefallen sein, wie relativ häufig man
TOKnöit« al n ™‘. -»euuen ermuaet er leicht, da er in J CMCU8U mir aurgeranen sein, wie relativ häufig man
Operateur odpr ^ uss ’ v nd , f, r ist g’ eichzeit 'g dem b ei solchen eine zuweilen recht beträchtliche Verschiebung der
Operateur oder Assistenten, da diese ebenfalls seitlich stehen, sehr Lumren*™,™ _. , ^ 8 ,
a „ . ,-luuoa, uiiu er ist gieicnzeitig dem
Operateur oder Assistenten, da diese ebenfalls seitlich stehen, sehr
im Wege. Unangenehm ist ferner, dass man während der ganzen
Dauer der Operation, ungeachtet der jeweiligen Herzbeschaffenheit
, Kra “ k , en ’ ™cht verschwenderisch mit tiefer Narkose sein muss,
da die Fflsse frei herabhücgen und in keiner Weise gefesselt sind.
Andernfalls bewegt sich die Kranke leicht und stürzt vom Block ab.
(Schluss folgt.)
Das nasale Asthma und seine Beziehungen zum
Emphysem.-)
Von Professor Dr. Scheck in München.
Ich glaube, wir müssen unserem verehrten Collegen M. Schmidt')
vollständig Recht geben, wenn er in seinem bekannten Buche über
ie Krankheiten der oberen Luftwege sagt, die Lehre vom Asthma
edürfe einer gründlichen Reform; ich meinerseits möchte beifügen,
ass auch die Lehre vom Asthma in seinen Beziehungen zum
Emphysem reformbedürftig sei.
V ir wissen längst durch klinische Beobachtungen, welche durch
- «vv»»v.»vi.vuu » tiöviuiouuug uer
Lungengrenzen nach unten mit Ueberlagerung des Herzens ohne
bronchitische Erscheinungen und ohne jegliche Störung der
Gesundheit antrifft. Aber auch bei Emphysematikcrn mit fass-
förmigem Thorax und ausgebreiteten bronchitischen Erscheinungen
gehören wirkliche, durch Brunch ialmuskelkrainpf erzeugte asthma¬
tische Beschwerden zu den Seltenheiten. Die Athembeschwcrden
der Emphysematiker werden nur allzuhäufig, wie auch M. Schmidt
betont, fälschlicher Weise als Asthma bezeichnet. Während das
ächte nasale Bronchialasthma den Menschen auch im Zustande
absoluter Ruhe und mit Vorliebe Nachts befällt, tritt die Dyspnoe
der Emphysematiker meist bei körperlicher Bewegung, beim Gehen
oder Treppensteigen oder bei starken Husteqanfällen auf, namentlich
wenn, wie meist im Frühjahr oder Herbst, acute Bronchialkatarrhe
sich einstellen oder schon bestehende eine Verschlimmerung erfahren.
Auch darf man nicht vergessen, dass bei alten Emphysematikern
ein gut Thcil der Athcmnoth auf Rechnung des dilatirten, in seiner
Triebkraft geschwächten rechten Herzens kommt, dass also die
Dyspnoe cardialer Natur ist.
Ich kehre nun wieder zum nasalen Asthma zurück, um auf
experimentelle Untersuchungen, so namentlich durch Lazarus»), . . Ich kehre nan wieder zum uasa,en Asthma zurü ck, um auf
Einthoven 3 ) und Andere bestätigt wurden, dass in der Reihen- f lD,se seltenere Eigentümlichkeiten desselben hinzuweisen. So
folge der Erscheinungen des Asthmaanfalles der Bronchialkrampf kan . n , . J? tet mlt Bestimmtheit behaupten, dass dasselbe auch
das erste, die sibilirenden Geräusche, resp. die bronchitischen ha J bsci tig vorkommt, das heisst, dass der Bronchialkrampf
Erscheinungen das zweite und die Blähung der Lunge, oder wie ',T fc , Sein « n Folgeerscheinungen auf nur einer Lunge beschränkt
sie Liebermeister nennt, die acute Alveolarektasie das dritte
Symptom ist.
Die Beobachtung lehrt ferner, dass die Blähung der Lunge
in der Regel nach Beendigung des Asthmaanfalles bald schneller
bald langsamer sich wieder zurückbildet, dass also von einem Em
physern im anatomischen Sinne keine Rede sein kann.
Mer viel mit Asthmatikern zu thun hat, dem wird aber
auc nicht entgangen sein, dass die Dauer der Anfälle oft eine
ausserordentlich lange ist, dass einzelne. Kranke sozusagen gar
oic t mehr aus den Anfällen herauskommen, dass sie wochen-
ja monatelang an Athemnoth leiden, die meist in der Nacht eine
*) Vortrag, gehalten auf der HI. Versammlung süddeutscher
Uaryngologen in Heidelberg.
j) M. Schmidt. Die Krankheiten der oberen Luftwege. S.
, ' Lazarus. Experimentelle Untersuchungen zur Lehre
asthma. Deutsche med. Wochenschr. No. 27, 1891.
. ln fE° ven . Ueber die Wirkungen der Bronchialmusculatur.
Fflüger s Arch. f. Phys. Febr. 1892.
No. 83.
630.
vom
bleibt. Schon Sommerbrodt 4 ) erwähnte diese Thatsache, an
deren Richtigkeit ich lange Jahre hindurch die stärksten Zweifel
hegte. Meine Zweifel sind beseitigt, seitdem ich selbst 2 Fälle
dieser Art gesehen habe. Der eine betraf einen 28 jährigen
Mann mit einem starken Knorpelauswuchs auf der linken Seite
der Nasenscheidewand, der andere einen 56 jährigen Beamten
mit polypoider Degeneration der rechten unteren Muschel; bei
dem ersten Kranken zeigte die linke, bei dem zweiten die rechte
Lunge die charakteristischen Folgeerscheinungen der asthmatischen
Anfälle. Immerhin gehört es zu den grössten Seltenheiten, dass
der vom Trigeminus ausgelöste Reiz sich nur auf einen Vagus
fortsetzt und einseitigen Bronchialkrampf hervorruft; auch scheint
dies nur bei dem nasalen Reflexasthma vorzukommen.
Eine weitere Eigentümlichkeit des nasalen Asthma ist, dass
dasselbe auch in larvirten Formen auftritt, in Formen, die
4 ) Sommerbrodt, Mittheilungen über Heilungen patho¬
logischer Zustände. Berl. klin. Wochenschr. No. 10, 1884. Ueber
Nasenreflexneurosen. Berl. klin. Wochenschr No. 11, 1886.
3
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774
man auch als Vorstufen, niedrige Grade, rudimentäre und irreguläre
Asthmaformen bezeichnen könnte. Kocht häufig verbirgt sieh
das nasale Astlima unter der Form einer chronischen Bronchitis
mit leichten Athembcschwerden und ohne deutliche Lungenhlähung,
wie schon So mm erbrod t, Götze 5 ), M. Schmidt®), Pottor 6 7 ),
Scheinmann 8 ) und Andere beobachteten. Dass in der That
solche Fälle als Neurosen betrachtet werden müssen, geht aus
dem zuweilen plötzlichen Verschwinden der bronchitischen Er¬
scheinungen nach einer Nasen Operation oder nach einem Orts¬
wechsel hervor. Ich selbst habe die bronchitisclie Form des
nasalen Asthma, wie ich sie nennen möchte, wiederholt gesehen
und zwar entweder alternirend mit schweren Asthmaattaqucn oder
auch als letztes Erinnerungszeichen, gewissermassen als ein Aus¬
klingen früher bestandener schwerer Anfälle. Aus dem Mitgetheilten
dürfte hervorgehen, dass man sich nicht gleich mit der Diagnose
Emphysem oder chronische Bronchitis begnügen, sondern stets
auch die Nase untersuchen soll, weil durch operative Eingriffe
oft noch Heilung oder wenigstens Besserung zu erzielen ist.
Ueber Ozaena, ihre Aetiologie und Behandlung ver¬
mittels der Elektrolyse.
Von Dr. Itui/tr in Brüssel, Ahtheilungschef für Lnryngologie und
Otologie am Chirurgischen Institut zu Brüssel.
(Schluss)
Wie aus diesen Beobachtungen hervorgeht, bestehen die
ersten Veränderungen, welche durch den elektrischen .Strom hervor -
gerufon werden, in einer Modilication der Secretion. Die Sehleim¬
haut wird in Folge erneuter Vascularisation sueculcnter, das Secret
nimmt einen anderen Charakter an; anstatt zähe, klebrig und
fadenzichciid zu sein, wird es flüssiger, neigt weniger zur Borken¬
bildung, und letztere sind nicht mehr so festsitzend und lösen sich
leichter los; der stinkende, ekelerregende Geruch verschwindet
zuweilen schon am ersten Tag; in anderen Fällen nimmt er be¬
deutend ab und geht mehr in einen chronischen Katarrh mit oder
ohne Geruch über und mit mehr oder minder starker Secretion
— ein Kesulfaf, welc hes man sonst bei alten eingerosteten Fällen
manchmal erst nach jahrelanger Behandlung erzielt ; in anderen
Fällen lässt eine prompte Heilung nicht auf sieh warten, während
wohl in den meisten Fällen eine Nachbehandlung des zurück¬
gebliebenem Katarrhs angezeigt sein wird ; dann gibt es aber auch
Fälle, in welchen man beinahe keinen Erfolg erzielt; es kommt
eben Alles auf die Umstände und die »Schwere des Falles an. In
No. VI haben wir es mit einem Fall zu thun, bei welchem die
hypertrophischen Muscheln auf beiden Seiten nach einer einzigen
unilateralen elektrolytischen Sitzung zurückgingen und einem
normalen Zustand Platz machten. Auf dieselbe Weise rcgenorirt
sich die atrophische Schleimhaut, was sich zuerst durch eine neue
Vascularisation und das Wiedererscheinen der bis dahin versiegten
»Schlcimsccretion kund gibt. Beachtenswertb ist, dass der elektrische
Strom sich nicht alleinig auf die operirte Seite beschränkt, sondern
sieh, wie wir vorhin gesehen haben, noch auf die andere Nasenseite
und auf die Schleimhaut des Nasenrachenraumes ausdehnt, obgleich
letztere häufig noch nachbehandelt werden muss, wenn die Nase
dies schon nicht mehr nöthig hat. Es wäre von Interesse zu
wissen, in wie weit die von der Ozaena in Mitleidenschaft ge¬
zogene Laryux- und Traehealsehleimhaut von der Behandlung be¬
einflusst wurde; diese Falle sind hier zu Lande selten und habe
ich deren nur zwei — beide Male Frauen — beobachtet, bei
welchen Borkenbildung mit einem spezifischen Geruch im Larynx
und der Trachea stattfand. Aller Wahrscheinlichkeit wurden die¬
selben ebenfalls günstig beeinflusst, wie dies für den Pharynx gilt.
Angesichts solcher Thatsachen wirft sich die Frage auf, wie j
der ausserordentliche Effect der Elektrolyse auf die Ozaena zu
6 ) Götze, Beitrag zur Frage nach dem Zusammenhang gewisser
Neurosen und NasenJeiden. Monatschr. f. Ohrenh. etc. No. 9, 1884.
°j M. »Schmidt, Die Krankheiten der oberen Luftwege. 1894.
7 ) Pott er, Einige Punkte aus der Pathologie der Asthma.
Intern. Centralbl. f. Lar. X, S. 608.
8 ) Scheinmann, Zur Diagnose und Therapie der nasalen
Reflexneurosen. BerJ. klin. Wochenschr., No. 14, 1889.
No. 33.
deuten sei: bis jetzt schrieb man ihn hauptsächlich der chemischen
Wirkung des elektrischen Stromes zu: «wie eine wässrige »Salz¬
lösung wird die Lymphe, die alle Gewebselcmente des Körpers
ohne Unterschied bespült, durch diesen in ihre Molccülc zerlegt.
Das CI und der O, vom positiven Pol angezogen, sammeln sieh
an diesem an, wie der H und das Na am negativen. Da nun der
positive Pol aus einer löslichen Elektrode besteht, einer Kupfer¬
nadel, einem Leiter, der mit CI und O eine chemische Verbindung
eingeht und Kupferoxydchlorid bildet, welches im Plasma löslich
ist, so wird dieses Salz in die Zwischenzellenräumc eindringen und
eine molceuläre umstimmende Wirkung hervorbringen, welche sich
nicht nur am positiven Pol, dem Orte ihrer Entstehung geltend
macht, sondern mehr oder weniger weit sich ausbreitet, zumal
da wir wissen, dass der elektrische Strom im Stande ist, selbst
feste Partikeln in seine Direction mit fortznreissen. Auf diese
Weise wird er eine wahre Diffusion des ncugcbildeten Salzes be¬
wirken. >- Zu dieser ersten chemischen Wirkung muss noch eine
zweite gerechnet werden, «die tiefen moleeulärcn Ernährungs¬
störungen der während einer mehr oder weniger langen Zeit durch¬
strömten Gewebe v, und als dritter und nicht geringster Factor, wird,
da einmal die bactcrielle Natur der Ozaena feststeht, die mikro-
bicide Natur des elektrischen Stromes und des Kupferoxydchlorids
geltend gemacht, die einerseits von Apostoli und Laguerriere
für den elektrischen Strom, andererseits von Gauticr für das
Kupferoxydchlorid nachgewiesen ist: das chemische Verhalten der
weissen Blutkörperchen zum elektrischen »Strom hat andererseits
ihre grosse polare Empfindlichkeit hauptsächlich für den positiven
Pol ergeben: zwei Wirkungen, welche die Heilwirkung des Kupfer-
oxydchlorids erklären lassen.» In der That enthält diese Erklärung
den Schlüssel zur Explication der Heilwirkung der Elektrolyse,
nur lässt man die Hauptrolle von Kräften zweiten Ranges spielen,
während jene nur nebensächlich dargestellt wird. Meine Beobach¬
tungen, sowie die Anderer, haben ergeben, dass es, um den Heil¬
effect der Elektrolyse bei der Ozaena hervorzubringen, und zwar
nicht bloss auf einer Seite, sondern beiderseits, ja auch im
Nasenrachenraum und im Pharynx, im Allgemeinen genügt,
eine einzige unilaterale Sitzung vorzunehmen. Gesetzten Falls,
der bacteriellc Ursprung der Ozaena sei definitiv festgestcllt
und unangefochten , wie wird man sich diese Thatsache zarecht¬
legen ? Einmal kann nicht zugegeben werden, dass die chemische
und mikrobicide Wirkung des elektrischen Stromes so fern wirkend
ist, dass sie sich auf der anderen Nasenseite und im Nasenrachen¬
raum geltend macht, und zweitens müsste der stinkende Geruch,
als Product der Mikroben, mit dem Ersterben dieser verschwinden,
was aber gewöhnlich nicht der Fall ist, der Geruch verschwindet
gewöhnlich nur allmählich mit der fortschreitenden Besserung.
Nun ist aber der bacteriellc Ursprung der Ozaena noch nicht
erwiesen, ehe man nicht den Beweis ihrer Uebertragbarkeit auf
die »Schleimhaut eines absolut gesunden Individuums erbracht, oder
dieselbe an Tliicrcn erzeugt hat durch Einführung von Culturen
des Ozaenamikroben in die Nase derselben. Wenn somit die
chemische und mikrobicide Wirkung des elektrischen Stromes nicht
genügt, um seine Heilwirkung zu erklären, wo muss diese dann
gesucht werden? Nothwendigerweise in dem zweiten Factor «den
tiefen Ernährungsstörungen der vom Strome durchsetzten Gewebe.»
Man hat cs nicht für nöthig erachtet, diesem Factor eine
grosse Bedeutung beizulegen, weil man der Mikrobentheoric Alles
erklären zu können glaubte und doch enthält er, wie gesagt, den
»Schlüssel zur Erklärung der Thatsache, aber zugleich auch die
Lösung der Frage bezüglich der Genese der Ozaena. Ohne irgend
einem Factum Gewalt anzuthun, was hindert uns, im elektrischen
Strom einen mächtigen nervösen Erreger zu erkennen, der, indem
er tiefe moleculäre »Störungen in den durchsetzten Geweben her¬
vorbringt, heftig auf die Nervenendigungen der sensiblen Nasen¬
nerven einwirkt? Diese rcagiren durch eine neue reflectorischc
trophomotorische Impulsion, deren erster Effect in einer verstärkten
Blutzuströmung beruht; die Schleimhaut wird saftiger und eine
flüssige »Secretion, die sich der normalen mehr und mehr nähert,
findet statt an Stelle jener zähen, klebrigen Materie, dem spcciell
für die Entwicklung des Ozaenamikroben geeigneten Nährboden.
Die Schleimhaut sondert ein flüssiges Seeret ab, welches die im nor¬
malen Schleim enthaltenen Substanzen enthält, die keineswegs der
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
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Beilage zur Münchener mcdicinischen Wochenschrift.
Verlag von J. F. LEHMANN in München ' 7
malen Schleim enthaltenen Substaaizcn enthält, die keineswegs der
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18. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
775
Weiterentwicklung von irgend welchen Mikroorganismen günstig
sind, wie man sich leicht überzeugen kann, wenn man den Nasen¬
schleim gesunder Individuen untersucht; man wird erstaunt sein
über die Seltenheit, mit welcher man Mikroben darin entdeckt.
Wenn der Ozaenamikrobe so seines Ernährungsmediums beraubt
ist, kann er sich nicht mehr halten. Er wird mit der normal
werdenden Secrction mehr und mehr verschwinden und mit ihm
vergeht auch der charakteristische Geruch der Ozaena. Nichts
steht im Wege, an die lleflexaction zu recurriren, um darzuthun,
dass die trophouiotorische Koaction sich auf die ganze Fläche der
Nasen-, Nasenrachen- und Rachenschleimhaut erstreckt; solche
Fälle hat die Physio-Patliologic massenhaft aufzuweisen. Zugleich
mit dem Aufhören der Dcnutrition stellt sich eine Regeneration
der atrophischen »Schleimhaut ein und damit verschwindet der
zweite Hauptfactor der Ozaena «die Atrophie», dem ersten Factor,
dem stinkenden Geruch, auf dem Fusse folgend. Es bleibt uns
dann noch der dritte, die Rhinitis; diese kann als chronischer
Katarrh noch eine beliebige Zeit weiter existiren und verlangt
dann nur einige Pflege, um vollständig zu verschwinden.
Wenn wir nun, gestützt auf die Wirkung des elektrischen
Stromes, unseren Rlick der so viel discutirtcn und dunklen Genese
der Ozaena zuwenden, so sehen wir uns einen neuen Horizont
sich eröffnen und die Wolken auseinander gehen, welche denselben
bedeckten. Nach dem Vorhergcgangenon kann sieh die Mikroben¬
theorie nur mehr schwer halten, und wir müssen uns nothgedrungen
dem Nervensystem zuwenden, um den Ursprung dieser Affeetion zu
entdecken, die nicht bloss die Nasenschleimhaut, sondern auch die
des Nasenrachenraumes, des Rachens, Kehlkopfes, der Trachea etc.
befällt. Welcher Grund liegt vor, den Ursprung der Ozaena nicht
in einer Trophoneurose suchen zu wollen ? Diese Trophoneurose
kann die obengenannten Schleimhäute in ihrer Totalität oder nur
theilweise befallen ; sie kann die Schleimhaut nur einer Nasenhöhle
einnehmen, ebenso gut wie sic sich nur auf einen umschriebenen
Theil der letzteren beschränken hann, was thatsächlich der Fall
ist und den meisten Beobachtern bekannt sein dürfte. Ich frage
mich, wie die Cotagionisten dieses Verhalten erklären wollen V
Wenn die Ozaena ansteckend wäre, so würde sic doch gewiss in
erster Linie die Nachbarschaft des erkrankten Herdes in Mit¬
leidenschaft ziehen und dann auf die andere Nasenseite und den
Nasenrachenraum etc. übergehen. Das wäre also schon ein Grund,
die Frage der Contagiosität der Ozaena in Zweifel zu stellen. —
Unter dem Einfluss der Trophoneurose wird die Schleimhaut die
sich daraus ergebenden Folgen zu tragen haben: fehlerhafte
Secretion, die dem Eindringen und der E n t w i e k e 1 u n g
der Ozaenamikroben eine günstige Brutstätte bereitet, zur
Entstehung der Borken mit dem charakteristischen stin¬
kenden Geruch Veranlassung gibt und einen katarrhalisch¬
entzündlichen Zustand der übrigen »Schleimhaut durch die
Anwesenheit der als Fremdkörper wirkenden Burken
unterhält. Somit hätten wir das Bild der Ozaena, das aus drei
Oardinalsymptomen «Rhinitis, Atrophie und Foetor» zusammen¬
gesetzt ist, in seiner Vollendung.
Man könnte noch die Frage aufwerfen, wie die Anwesenheit
der hypertrophischen Partien der Nasenschleimhaut bei der Ozaena
zu erklären sei? Die Antwort liegt auf der Hand. Die von der
Trophoneurose verschonten Schleimhautpartien befinden sich, wie
gesagt, in einem katarrhalischen Zustand und sind dazu disponirt,
hypertrophisch zu werden, was sie aber keineswegs verhindert,
später zu atrophiren, wenn die Trophoneurose auch sie ergreift,
was bei der Ozaena auch in der Regel geschieht.
Wie gesagt, alle diese Punkte lassen sich ohne Schwierigkeit
erklären; nur einer benöthigt der Beleuchtung und das ist die
Ursache der Trophoneurose. Diese muss offenbar im Central¬
nervensystem gesucht werden und da könnten wir nur Hypothesen
wiedergeben, da die ganze Frage der Trophoneurosen ihrer Lösung
noch harrt.
Die Heredität spielt ohne Zweifel eine grosse Rolle unter
der Form von Dyskrasien und Diathesen, und man hat mit den¬
selben unbedingt zu rechnen — mögen auch andere Autoren an¬
derer Meinung sein — besonders hinsichtlich der Therapie, über
die wir noch Einiges beifügen wollen. Die Behandlung der Ozaena
muss zwei Indicationen im Auge behalton: 1. die locale und
2• die allgemeine. Die locale Indication besteht in der
sorgfältigen Reinigung der Nasenhöhlen und der peinlichen Ent¬
fernung aller Borken, den hauptsächlichsten Trägern der Ozaena¬
mikroben und Urhebern des ekelerregenden Geruchs, und man muss
Alles thun, um dieselben an ihrer Neubildung zu verhindern, sei
es durch Einspritzungen mit lauwarmem Wasser, dem man etwas
»Salz oder Borax mit Kal. chloric. vermengt, oder einige Tropfen
Creolin uientholvasogen zusetzt. Lösen sich die Borken schwer
los, so wird man mit Vortheil einen mit Jodoform oder Jodvasogen
iniprägnirten Wattetampon für einige »Stunden einführen uud nach
seiner Entfernung die Einspritzungen vornehmen. Ist die Schleim¬
haut rein, so wird sie mehrere Male wöchentlich mit Massage be¬
handelt, wozu man Jod oder Jodoformvasogen, welches in dieselbe
eindringt, verwendet, auch ist es zweckmässig, hie und da eine
Lösung von Trichloressigsäure anzuwenden. Galvanoeaustik und
starke Actzungen mit chemischen »Substanzen sind nicht indicirt.
Mit diesen Grundsätzen bin ich immer gut gefahren, aber habe
auch nie dabei die Berücksichtigung des Allgemeinzustandes aus
den Augen verloren. Vor Allem suche man die vorhandene Dy.sk rasie
oder Diathese zu eruiren, mit Berücksichtigung hereditärer Be¬
lastung, und richte seine Therapie je nach dem Ergebniss gegen
Anaemie, Chlorose, Tuberculose, Syphilis, »Scrophulose etc.
Davon wird es abhängen, ob man eine tonisirende oder robo-
rirende Medieation, Jod, Eisen, Arsenik etc. verordnet. Mit der
Arseniktherapie bis zur »Saturation habe ich in der Mehrzahl der
Fälle äusserst günstige Resultate erzielt und pflege ich dieselbe
auch zeitig zu verordnen. Die ohne Zweifel wirksamste Behand¬
lung, aber wie wir schon gesehen haben, nicht ohne Gefahren, ist
die elektrolytische. Wenn bei einem Ozaenakranken keine (,’outra-
indieation, besonders von Seite des Nervensystems besteht, und
man ihn auf die eventuellen Gefahren aufmerksam gemacht und
sich in jeder Beziehung sicher gestellt hat, dann sollte man nicht
unterlassen, dieselbe auzuwemlen. Der Vorsicht halber bediene
man sich lieber schwächerer Strome und wiederhole die »Sitzungen
und dehne sie eher länger aus, als dass man die riskinen starken
Ströme, die freilich wirksamer zu sein scheinen, versucht. Es
unterliegt keinem Zweifel, dass die elektrolytische Behandlung der
Ozaena eine Errungenschaft für die traurige Therapie und einen
grossen Fortschritt bedeutet, besonders auch in theoretischer
Beziehung, indem sie erlaubt hat, einen tieferen Einblick in das
Wesen der Ozaena zu werfen. Doch wird dieselbe eine Allgemein¬
behandlung nicht unnöthig machen und darf diese trotzdem nicht
aus den Augen gelassen worden.
»Schlussfolgerungen :
A. Die Ozaena ist eine Trophoneurose, welche besteht
1. in einer S ccre t i o ii san om a 1 i e der Nasen-, Nasen¬
rachen- und Rachensehleimhaut, deren l'ruduet als Nähr¬
boden dient für einen der Ozaena eigenthüiulichen und
den charakteristischen f o e t i d e n Geruch der¬
selben bedingenden Mikroben;
2. in einer Ernährungsstörung uiit Atrophie der
Sc hleimhaut;
3. einer anfangs meist hypertrophischen Rhinitis, hervor¬
gerufen und unterhalten durch die die Rolle eines Fremd¬
körpers spielenden Produete.
B. Die beste und sozusagen spezifische Behandlung der Ozaena
ist die Elektrolyse, jedoch nicht ohne Gefahreu.
Feuilleton.
Carl Gegenbaur.
Von R. Ikrhcitj in München.
Am 21. August dieses Jahres feiert der hervorragendste
Vertreter der vergleichenden Anatomie, Carl Gegenbaur, seinen
70- Geburtstag. Seine zahlreichen »Schüler werden diesen Tag
festlich begehen, indem sie durch l’eberreichuug einer umfang¬
reichen Festschrift ihrem Lehrer ihre Dankbarkeit uud Verehrung
bezeigen. Sie werden damit Empfindungen zum Ausdruck .bringen,
welche in den weitesten wissenschaftlichen Kreisen, nicht nur in
den Kreisen der morphologischen Wissenschaft, getheilt werden.
3 *
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776
MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
No. 83.
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Carl Gegenbaur ist in Würzburg geboren. Er besuchte
das Gymnasium seiner Vaterstadt und vom Jahre 1845 ab die
Universität, um sich dem Studium der Medicin zu widmen. Seine
hervorragendsten Lehrer waren Albert Kölliker und Rudolf
Virchow. Nachdem er kurze Zeit (von 1850'—1852) eine
Assistentenstelle am Julius-Hospital verwaltet hatte, wandte er
sich ganz zoologischen und vergleichend anatomischen Studien zu.
Ein längerer Aufenthalt in Sicilicn gab ihm Gelegenheit, die Fort¬
pflanzung der Hydromedusen und die Anatomie der pelagischen
Schnecken, die Heteropoden und Pteropoden zu untersuchen. Nach
Würzburg zurückgekehrt habilitirte er sich 1854 für Anatomie
und vergleichende Anatomie, wurde aber schon 1855 als ausser¬
ordentlicher Professor der Zoologie an die Universität Jena berufen.
Als 1858 Husch ke starb, übernahm er die Professur der
ipenschlichen Anatomie und vergleichenden Anatomie. Seit 1873
ist er in gleicher Eigenschaft an der Universität Heidelberg tliätig.
Gegenbaur's Untersuchungen erstrecken sich fast über
das gesammte Gebiet der Zoologie. Seine Habililationsschrift über
den Generationswechsel der Hydromedusen trug sowohl zur Auf¬
klärung dieser eigenthümliehen, durch Surs und Steenstrup
entdeckten Fortpflanzungsweise bei, als auch wies sie die Gleich-
werthigkeit der Medusen mit den Geschlechtsorganen (Sporosacs)
der Hydroidpolypen nach. Seine Molluskenarbeiten wurden grund¬
legend für die Morphologie der Pteropoden und Heteropoden.
Nach der Uebernahme der Professur für menschliche Anatomie
conceutrirte Gegenbaur seine wissenschaftliche Thätigkeit auf
das Gebiet der Wirbelthier-Anatomie. In rascher Aufeinander¬
folge erschienen seine Bahn brechenden «Untersuchungen zur ver¬
gleichenden Anatomie der Wirbelthiere». In denselben behandelte
er das Verhältniss der Wirbelsäule zur Chorda, den Bau der
Extremitäten und das berühmte Problem der Wirbeltheorie des
Schädels. Letzteres suchte er von ganz neuer Basis aus zu lösen,
nachdem zuvor Huxley die Unhaltbarheit der von Goethe und
Oken gegebenen Formulirung der Theorie nachgewiesen hatte.
Gegenbaur benutzte die Zahl der Visceralbögen und die Art
der Nervenvertheilung, um die Zahl der im Schädel enthaltenen
Wirbel zu bestimmen. Vollkommen eigenartig ist Gegenbaur’s
«Archipterygiumtheorie», welche es zum ersten Male ermöglichte,
die mannigfachen Formen des Extremitätenskclets bei den Wirbel-
thieren auf eine gemeinsame Grundform zurückzuführen.
Wie die genannten umfangreichen Werke in letzter Instanz
darauf hinauslaufen, das Verständniss der menschlichen Organisation
zu vertiefen, so wird das gleiche Ziel durch eine Reihe kleinerer
Publicationen angestrebt, unter denen hier die Untersuchungen
über die Milchdrüsen und die Epiglottis besondere Erwähnung
verdienen. In diesem Geist ist auch das «Lehrbuch der Anatomie
des Menschen» geschrieben, welches in dem kurzen Zeitraum
von 13 Jahren in 6 Auflagen erschienen ist und andere Lehr¬
bücher mehr und mehr verdrängt. Die älteren Lehrbücher der
menschlichen Anatomie ermüdeten den Lernenden durch die trockene
Aufzählung und Beschreibung der einzelnen Befunde oder sie
suchten den Stoff interessant zu machen, sei es durch physiologische
Bemerkungen, sei es durch anekdotenhaftes historisches Beiwerk.
Die Vorzüge des Gegenbaur’schen Lehrbuchs bestehen darin,
dass er es zum ersten Mal unternommen hat, die anatomischen
Thatsachen selbst geistig zu beleben, indem er sie im Zusammen¬
hang mit den Thatsachen der Entwicklungsgeschichte und der ver¬
gleichenden Anatomie darstellt und dadurch ihre morphologische
Bedeutung klar macht.
An letzter Stelle sei noch des Lehrbuchs der vergleichenden
Anatomie gedacht. Dasselbe ist in 2 Fassungen erschienen: aus¬
führlicher als «Grundzüge der vergleichenden Anatomie», in ab¬
gekürzter Form als «Grundriss der vergleichenden Anatomie».
Beide Werke bieten in knapper Form eine staunenswerthe Fülle
von Material und sind daher für den Anfänger weniger geeignet.
Nur Der, welcher sich intensiver mit vergleichender Anatomie be¬
fasst hat, wird ihren grossen wissenschaftlichen Werth zu schätzen
wissen ; derselbe wird die Werke nie zur Hand nehmen, ohne die
in ihnen zum Ausdruck kommende vollkommene Beherrschung und
geistige Durchdringung des Stoffes zu bewundern.
Die historische Bedeutung eines hervorragenden Mannes ist
nun nicht nur in seinen eigenen Leistungen gegeben, sondern
auch in der Forderung, welche die Wissenschaft durch seinen
Einfluss auf Andere erfahren hat. Dieser Einfluss wird um so
mehr in den Vordergrund treten, je mehr es sich um eine fest
in sich abgeschlossene wissenschaftliche Persönlichkeit handelt, die
mehr geeignet ist, Andere zu bestimmen, als sich von Anderen
bestimmen zu lassen. Das Gesagte gilt in ganz besonderer Weise
von C. Gegenbaur, welcher unbekümmert um die herrschenden
Strömungen seinen eigenen Weg gegangen ist. Die ersten Jahr¬
zehnte seiner Wirksamkeit fielen in eine der vergleichenden Aua-
tomie ungünstige Zeitperiode. Einerseits hatte die physiologische
Forschung einen übermässigen Einfluss auf die Anatomie errungen.
Für weite Kreise hatte die Anatomie nur insoweit Interesse, als
sie geeignet schien, physiologische Probleme zu fördern. Anderer¬
seits waren viele jüngere Kräfte durch die Vervollkommnung des
Mikroskops und der mikroskopischen Technik, sowie durch die
Ausbildung der Zell- und Protoplasmatheoric für die Histologie
gewonnen worden. So sehr nun auch Gegenbaur allen Ar¬
beiten, welche die vergleichende Methode auf das Gebiet der Ge¬
webelehre übertrugen, warmes Interesse entgegen brachte, so sehr
beklagte er die immer mehr zunehmende Verflachung der Histo¬
logie, welche sich in kleinliche «histographische>> Fragen verlor.
In dieser Zeit hielt Gegenbaur unentwegt an den grossen
Traditionen Cuvier’s, Meckel’s und Joh. Mül ler’s fest.
Ihm ist es zu danken, dass die Methode der vergleichend ana¬
tomischen Forschung nicht nur den ihr ungünstigen Zeitraum der
Mitte dieses Jahrhunderts überdauert, sondern auch an Klarheit
der Fragestellung gewonnen hat. Und so gebührt ihm ein grosser
Antheil an dem Aufschwung der Morphologie im Laufe der letzten
20 Jahre.
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. ErnstKromayer: Allgemeine Dermatologie
in 22 Vorlesungen. Berlin, Verlag von Gebrüder Born¬
träger. 1896- 293 p.
Der Autor hat sich in vorliegender Arbeit die nicht gerade
leichte Aufgabe gestellt, die Lehren der allgemeinen Pathologie in
ihrer speciellen Anwendung auf die Erkrankungen des Hautorgans
zu studiren, und es kann kaum zweifelhaft sein, dass ein solches
Studium, mit jener Gründlichkeit betrieben, welche dem Verfasser
eigen ist, sowohl für den Pathologen als auch für den Dermatologen
ebenso interessant wie nützlich sich gestalten musste. Die in der
Sache liegende Hauptschwierigkeit, die Lückenhaftigkeit unserer
Kenntnisse auf dem Gebiete der allgemeinen Pathologie, welche
ja auch heute noch einen Tummelplatz für die verschiedensten,
einander oft diametral entgegengesetzten Lehrmeinungen und Theorien
darstellt, konnte naturgemäss auch von K. nicht aus der Welt
geschafft werden, und es ist von vorneherein klar, dass seine Arbeit
ein stark subjectives Gepräge tragen musste. Gerade der letztere
Umstand aber verleiht dem Werke eine besondere Anziehungskraft,
und wir stehen nicht an, die Leetüre desselben als eine sehr an¬
regende nicht nur den Dermatologen, sondern auch den allgemein
wissenschaftlich arbeitenden Aerzten auf’s Wärmste zu empfehlen.
Wohl wird sich hier und dort Widerspruch geltend machen, und
wir können nicht umhin, speciell gegenüber dem Namen und Begriff
der von K. gewählten Bezeichnung Flechtung, mit Rücksicht
auf die dort zusammengeworfenen Krankheiten, Stellung zu nehmen;
für die Aufstellung dieses pathologischen Typus fehlt uns das
verbindende gemeinsame Princip. Die letzten fünf Vorlesungen
behandeln die allgemeine Diagnose und die allgemeine Therapie.
Man wird dem Verfasser nur zustimmen können, wenn er sagt,
dass die allgemeine Diagnose für die Dermatologie von grösster
Bedeutung ist. Ohne sie ist ein tiefer eindringendes Verständniss
des Wesens und auch eine richtige Behandlung der Dermatosen
kaum denkbar. Die so häufig vorkommenden atypischen Fälle
sind nur auf der Grundlage der allgemeinen Diagnose zu verstehen-
Aus dem Kapitel der allgemeinen Therapie sei es uns gestattet,
einen der Schlusssätze wiederzugeben, die wir nur voll und ganz
unterschreiben können : «Während wir uns mit neuen, neueren und
neuesten Heilmitteln beschäftigen und ihre Indicationen festzustellen
suchen, müssen wir selbstverständlich in gleichem Verhältniss die
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18. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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alten, wohlerprobten vernachlässigen ; wir verlernen und vergessen
ihre Anwendungsweise und ihre feineren Indieationen, wenn wir
sie je kennen gelernt haben, oder aber, und das ist wohl häutig
der Fall, wir werden verhindert, sie überhaupt zu erlernen». Das
Ausprobiren jener zahlreichen und meist werthlosen sogenannten
Bereicherungen des Arzneischatzes, der nach unserer Meinung
bereits genug Entbehrliches enthüllt, sollte füglich den Kliniken
und speciellen Fachärzten überlassen blcilien. Kopp.
Th. Spietschka und A. Gröufeld: Die Pflege
der Haut. Stuttgart. Ferd. Enke, 1896- 191 p.
Das uns zur Besprechung vorliegende, praktisch recht brauch¬
bare Werkelten beschäftigt sich mit der Pflege der Haut und ihrer
Adnexa. Die Autoren waren bestrebt, eine Art prophylaktischer
Kosmetik zu geben und berücksichtigen demzufolge, soweit möglich,
die Aetiologie der verschiedenen Erkrankungen und Fehler, sowie
das Verhalten des Hautorgans unter den verschiedensten Umständen"
und mannigfachen äusseren Verhältnissen, sowie unter dem Einflüsse
der verschiedenen Altersstufen. Von nicht zu unterschätzendem
Werthe sind die sehr detaillirt gegebenen Angaben über Durch¬
führung der Behandlung der häufiger vorkommenden Dermatosen,
wobei sie sich im Wesentlichen auf die eigene, an Prof. P i e k ’s
vorzüglich geleiteter Klinik gewonnene Erfahrung zu stützen in
der angenehmen Lage sind. Eine sehr knapp gehaltene anatomisch-
physiologische Einleitung enthält das für das Verständnis der
nachfolgenden Theile des Buches Nothwendige. Speciell für die
Bedürfnisse des praktischen Arztes geschrieben, dürfte das kleine
Werk seinem Zwecke vollständig entsprechen; es sei desshalb auch
diesen Kreisen bestens empfohlen. Kopp.
Die Therapie an (len Wiener Kliniken. 5. vermehrte
und umgearbeitete Auflage, herausgegeben von Dr. K. Hitsch-
Diann. 1896. Leipzig und Wien. Verlag von Frz. Deutikc.
Die früheren Auflagen waren von I). E. Laudesmann
herausgegeben, unter dessen Namen das Werk einer sehr grossen
Zahl praktischer Aerzte bereits wohl vertraut sehr dürfte. Der
neue Bearbeiter hat dasselbe einer umfassenden Umarbeitung unter¬
zogen, um es auf einem möglichst modernen Standpunkt zu er¬
halten. Wie früher, bringt das Buch auch jetzt wieder eine
weit angelegte Uebersicht über die Behandlungsweise von Krank¬
heiten aus allen Gebieten der Heilkunde, wie sie z. B. von Noth¬
nagel, Neusser, v. Schrötter, Albert, Gussenbauer,
Schauta, Fuchs, Schnabel, Kaposi, v. Widerhofer
und den übrigen bekannten Wiener Klinikern geübt wird. 2198
Recepte sind aufgeführt! Ein gutes therapeutisches Verzeichniss,
das nicht leicht bei irgend einer Frage der Praxis im Stiche
lassen wird, macht die Benützung des Buches leicht und bequem.
Anhangsweise ist noch eine Zusammenstellung über die Therapie
der wichtigsten Vergiftungen beigefügt, ein Capitel, das ohnehin von
manchen Lehrbüchern stark vernachlässigt wird. Eine neue Auf¬
lage wird noch eine Anzahl störender Druckfehler auszumerzen haben.
So sei dieses Buch allen Praktikern auf’s Beste empfohlen !
Von ganz besonderem Nutzen aber wird es für jene Collegen sein,
die etwa die Wiener Kliniken selbst besuchen.
Dr. Gras s m an n - München.
t. Sudthausen’s Sprachführer für die ärztliche
und pliarmaceutisclie Praxis. In Deutsch Englisch und
Englisch-Deutsch erschienen bei E. Besold, Leipzig 1896-
Mit Recht glaubt der Verfasser durch die Veröffentlichung
seines Sprachführers einem Bedürfnisse abgeholfen zu haben; denn
thatsächlich reichen die vorhandenen Wörterbücher nicht aus, wenn
es sich um speciellere ärztliche und medicinische Ausdrücke und
Phrasirungen handelt. Das vorliegende, hübsch ausgestattete
Werkchen bringt — unter Beifügung der englischen Aussprache —
eine geschickte Auswahl der im Verkehr mit englisch sprechenden
Patienten etwa nöthigen Fachausdrücke betreffs der Körpertheile,
Krankheiten, Verbandstoffe, Medicamente, Instrumente, der Maasse,
Gewichte etc., ferner auch eine hübsche und wirklich brauchbare
Phraseologie. Freilich wird erst ein längerer praktischer Gebrauch
vollständig über das Büchelchen urtheilen lassen ; allein es scheint
alle Garantien eines vollen Erfolges für sich zu haben.
Dr. Grass mann-München.
Neueste Jonrualliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 32.
M. Levy-Dorn: Experimentelle Untersuchungen über
Rippenathmung und über Anwendung von Pflastern am Thorax.
(Vorläufige Mittheilung). (Aus dem physiologischen Institut zu Berlin.)
Verf. suchte festzustellen, ob die Wirkung der in der Thorax¬
gegend angelegten Pflaster auf einer blossen Derivation (Ableitung
des Schmerzes) oder auf einer mehr oder weniger gelungenen Ruhig¬
stellung der Rippen beruht. Aus den 22 Versuchen (mit Heft¬
pflaster) geht hervor, dass sehr grosse Theile des Brustkorbes mit
Pflastern bedeckt werden müssen, wenn die Athmung mit einiger
Sicherheit behindert werden soll. Die Pflaster müssen entweder
von der Grenze der Leberdärnpfung bis dicht unter die Achsel gehen,
oder den Raum von der Wirbelsäule bis gegen die Mamillarlinie
einnebmen, um den genannten Zweck zu erreichen. Die Hemmung
erstreckt sich über den ganzen Brustkorb, wenn sie im Bereich
oder in der Nachbarschaft des Pflasters deutlich ist. Soll die Be¬
schränkung der Rippenathmung mit einem verhältnissmässig kleinen
Verband erreicht werden, so muss man sich starrer Massen, wie Gummi-
gutti, Guttapercha, dazu bedienen. Dieselben müssen der Thorax¬
form gut angepasst und mit einigen Heftpflasterstreifen befestigt
werden. Die auffallende Thatsaclie, dass durch Pflasterverbände
am Thorax die ganze thorakale Athmung behindert wird, steht
nicht im Einklang mit den klinischen Beobachtungen. Offenbar
beruht dieser Umstand darauf, dass bei Erkrankung oft das Zwerch¬
fell, das normaler Weise die Compensation besorgt, in Mitleiden¬
schaft gezogen ist. W. Zinn-Berlin.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 43. Band, 6. Heft.
1) Bohl: In Sachen der Schädelbrüche. (Chirurg. Klinik
Dorpat.)
Die Arbeit enthält eine Reihe von literarischen und experi¬
mentellen Untersuchungen, die sich in Kurzem nicht wiedergeben
lassen.
2) Friedrich: Tuberculin und Aktinomycose. (Chirurg.
Klinik Leipzig.)
Bei einer an Bauchaktinomycose leidenden, ganz ausserordent¬
lich elenden Patientin wurde durch sehr grosse Tuberculininjectionen
— Tagesdosen bis zu 1 g, im Ganzen 14 4 /e> g Tuberculin — eine
ganz auffallende Örtliche und allgemeine Besserung erzielt. Eine
völlige Heilung der Fistelgänge trat nicht ein, und Patientin ging
nach mehrmonatlichem Wohlbefinden an einer plötzlich aufgetretenen
Lebermetastase zu Grunde.
F. schliesst aus dieser Beobachtung, dass das Tuberculin nicht
als ein Heilmittel der Aktinomycose erachtet werden kann. Die an¬
geblichen Heilwirkungen des Mittels müssen auf die spontane Aus¬
heilung der Erkrankung bezogen werden.
3) Lauen st ein-Hamburg: Zur hohen Castration nach
v. Büngner.
v. Büngner hat bekanntlich empfohlen, bei der Castration
zum Zweck einer möglichst radicalen Operation ein möglichst langes
Ende des Vas deferens mit herauszuziehen.
L. hat dies Verfahren 13 mal geübt, kann aber das Verfahren
in der von v. B. geübten Weise nicht empfehlen. Er hat nämlich
3 mal unter den 13 Fällen eine nachträgliche Blutung in das Lager
des Vas deferens erlebt — wahrscheinlich bedingt durch Abreissen
der Arteria deferentialis oder ihrer Aeste. In dem einen Falle war
ein faustgrosses Haematom vom Mastdarme aus nachzuweisen.
L. hebt hervor, dass die Gefahr der Vereiterung eines solchen
Haematoms sehr nahe liegt und räth, das ohne Gewaltanwendung
hervorgezogene Vas deferens unter Controle des Auges mit der
Scheere abzuschneiden.
4) Martin-Köln: Beitrag zur Lehre von den trauma¬
tischen Epithelcysten.
Die von Reverdin-Garrö beschriebenen traumatischen
Epithelcysten der Finger stellen bekanntlich hanfkorn- bis haselnuss¬
grosse Geschwülste an der Volarfläche der Finger dar, die sich aus
coneentri8chen Lagen von Epithelzellen zusammengesetzt erweisen
und dadurch entstehen, dass ein durch ein Trauma in das Unter¬
hautzellgewebe verlagertes Stückchen Epidermis zu einer Cyste
auswächst.
M. hat 2 gleiche Epithelcysten an der grossen Zehe beobachtet
und zwar beide Male nach der Operation des eingewachsenen Nagels.
Er führt aus, wie bei dieser Operation sehr leicht ein stehen ge¬
bliebenes Stück Epidermis zwischen die Bindegewebsschichten er¬
wachsen kann.
5) Wiesinger-Hamburg: Ueber symptomatische Achillo-
dynie.
Verf. macht darauf aufmerksam, dass unter dem Bilde der
Achillodynie (Anschwellung und Schmerzhaftigkeit der Bursa
subachillea) sich häufig eine Tuberculose des Calcaneus versteckt.
Eine Knochenschwellung ist bei der Tuberculose des Calcaneus sehr
häufig nicht nachweisbar. W. empfiehlt daher, bei der Operation
wegen solcher Achillodynie die Bursa nach Durchschneidung der
Achillessehne immer breit freizulegen, um eine Tuberculose des
Calcaneus nicht zu übersehen.
6) Trapp: Ueber einen seltenen Fall von Osteom der
oberen Tibiaepiphyse mit Betheiligung des Kniegelenks. (Chir.
Klinik Greifswald.)
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MÜNCHENER MEDICINISCHE_WOCgENSCHRIET.
No. 33.
Der durch Operation ''°e re n Tibiakopfe g hatte die Form einer
Tumor ging aus von dem oberen ]&f , unm |ttelbar unter ge sl
Kugelkappe, einen Durchmesse spongiösem Knochen und hatte S en
dem Lig. patellae. Er bestand a P 8 anat0 mischen Verhalten S in<
äsSTar^Ä sondern if,
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dass die Sehne dadurch gegen die Verletzung 8 Krec ke. -de
fähig geworden sei. I se
Centralblatt für Gynäkologie. No. 32 . _ V'
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Theil Nach dieser Methode hat K. 3 Fälle erfolgreich openrk Im r
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E^ nÜÄ oder innere ‘
absolut nicht zu befürchten seien. Jaff6 HamDUr °- ;
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 32.
1) N. Zun t z-Berlin: Ueber die' Wärmeregulirung bei
Muskelarbeiten ^ Schumburg hat Z. Versuche angestellt über I
den Einfluss der Belastung auf die vercchiedenen Körp^rfunction n
und die Leistungsfähigkeit marscbirender Soldaten. th 2^Le b ei
ergeben, dass die Wasserverdunstung durch die Athemwege b
niedriger Aussentemperatur einen sehr erheblichen Antheil an der
Abfuhr der überschüssigen Wärme nimmt, während sie 8 erade d ®‘
hoher Aussentemperatur mit einem starken Dampfgelialt der Atmo
Sphäre nur gering ist, (z. B. nur */« Wasser durch die A th“ u ?g ver¬
dunstet). Im extremsten Falle betrug die vom verdampften Wasser I
absorbirte Wärme 95 Proc. der gesammten W ärmeproductiQm D e
Relastung wirkt noch stärker auf die Verdunstung als aut die |
Wärmeproduction, z. B. bei 20 kg Belastung, 10» 0 fuBsentem-
peratur, absolut feuchter Luft und Windstille wurden auf 1000 Cal
erzeugter Wärme 800 g Wasser verdampft; für jedes kg weitere I
Belastung stieg diese Zahl um 10 g. Z. schliesst, dass möglichst
hygroscopische Unterkleider, dagegen möglichst wenig wasserbin¬
dende, für Luft und dampfförmiges Wasser leicht durchgängige I
Oberkleider auch während der Arbeit am rationellsten sind.
2) H. Strauss-Berlin: Ueber die Beeinflussung der Harn¬
säure- und Alloxurbasenausscheidung durch die Extractivstoffe
dCS ^Nach” ausführlichem Ueberblick über die einschlägige Literatur
berichtet St. über Versuche, bei welchen täglich neben der gewöhn¬
lichen Kost 50 g von Liebig'schein Fleischextract per os gegeben
wurden. Es zeigte sich, dass diese Menge die Harnsäure-Aus¬
scheidung bedeutend in die Höhe treiben kann. Für die Praxw
zieht Verf. den Schluss, dass Fleisch wegen seines hohen Eiweiss-
gelialtes den Uratikern gegeben werden dürfe, da der daraus sich
bildende Harnstoff diuretisch wirke, nicht aber concentrirte Saucen.
Gekochtes, weisses Fleisch ist zweckmässiger als rohes, gebratenes
und rothes Fleisch Wildpret ist nicht zu empfehlen
3) G. Gottstein-Breslau: Pharynx und Gaumentonsille
primäre Eingangspforten der Tuberculose.
Das Material des Verf. stammt aus der Stork sehen Klima
in Wien. G. berichtet eingehend über eine Anzahl von genau
untersuchten Fällen, wo die mikroskopische Untersuchung in adenoi¬
den Vegetationen oder den Rachentonsillen typische Tuberkeln
(ohne Bacillen!) ergab, während die Lungen frei waren. Verf. be¬
spricht des Näheren den Infectionsmodus. Die Prognose scheint
sehr günstig. Klinisch kann die Diagnose nicht gestellt werden.
A. berichtet luer gehe hergeste ii te n Antistreptococcen-
gesteUten > ercuche mit “ e3 gJJptococcenUmin ^ bereiten,
serum. Die ' 'e Im Gegensatz zum Diphtherie-
Die^resuRatlosen praktischen Anwendungen m Berlin (BJag.nsky ■) .
Antistreptococcenserum sind mit grö ^ Gras8mann _ MQncbe n.
Deutsche mcdicinische Wochenschrift 1896 No 33_
n 4 Fulenburg: Kugeln im Gehirn; ihre Auffindung
und Ortebestimmung ^mittels
Kugel^urdi^Rö n^ e^'^rfie ^f^ul^men nachgeivie^n^wwten^konnte^
Der eine derselben ist haupteftch icnno^ 7 , ubrachte , wo
Betreffende volle 4 /. J Konfe als fixe Idee betrachtet
I e Angabe, er habe eine K g P > durch ein neues
‘Th N e w hon - H e^n e m an n- New-York: Die Physik».Ucha
H. isewiou ixe Herzkrankheiten (nach Schott).
Äi" Medid " “ Eer,i “ “
"ÄÄÄ vo r tSÄ
!“ Gym"S (WUterstandsgynmaatik) nach den, bekannten
aen Herzkrankheiten, ihr Mechanismus und ihre Beziehung
ISSsSS
rkt^Fin w eUercs ällmäl,liebes Ansteigen des Blutdrucks
lutdruck des Badenden bereits vor dem Bade steht.
4) V. Steiner: Zwei Fälle von Pigmentsarkomidei-Haut
Vus der chirurgischen Abtheilung des Krankenhauses der jüdischen
jer
Inrurgen iBerhns. Mittheilunge n aus dem Salvator-
Schädelbruch, bei dem trotz z ' ve,D } sd ' g R er 1 ;SthnltioA einer htthner-
Narbe, Entfernung des callösen Knochen* ExstKeriS Besserung ein-
dem motorischen
^ STÄraS ss SSW-K
unvollendet gebliebenen Geburt im Uterus zurü » selbst
Ein Theil derselben war schon früher unter Bildung ein
geheilten Uterorectalfistel abgegangen.
§ bei der Anweadudg
V °“ ffÄi. ist sowehlbei. hoher
dauernder Einnahme dem Organismus vollko empfo blen
g$J&. — « *«—
” il "lpSa S r&5fe?r Ä«» - Behand¬
lung Experimente und^^nd n i^ a ^
Ozoninhalationen. Daneben empfiehlt er el “® P b gt be i.
halter zur Erweiterung des Brustkorbes. Illustration g p L
Otiatrie. „.
1) Rudolf Baldewein-Rostock: DieRhinologie^s 28 P | dj
krates. Mit 4 Abbildungen im Texte. Zeitschr. f. Oh •>
2. Heft.
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18. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
779
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Nachdem Körner vor Kurzem uns über die Ohrenheilkunde
des Hippokrates informirt hat, stelltauf dessen Anregung Bai de-
wein die in den Werken des alten Meisters zerstreuten Mit¬
theilungen über Nasenheilkunde in trefflicher Weise zusammen
und bespricht dieselben kritisch. Auch hier zeigt es sich, dass
Hippokrates überall, wo er auf Hypothesen angewiesen war, in
groben Irrthümern befangen war, wahrend er die Krankheiten
von besser zugänglichen Theilen, z. B. die Polypen und besonders
die Nasenbeinbrüche nicht nur scharf beobachtet, sondern auch
einer ausserordentlich scharfsinnigen und zweckentsprechenden
Therapie unterworfen hat.
Die Lehre, welche unsere Generation daraus entnehmen soll,
<iegt auf der Hand.
2) H. Zwaardemaker-Utrecht: Ein Initialsymptom der
Sklerose. Ibidem.
Der Verf. hat ausserordentlich häufig eine Verschiebung der
oberen Tongrenze über die normale Grenze hinaus gefunden und
deutet diesen Befund als Initialsymptom der Sklerose. Dieser trotz
zahlreicher Untersuchungen über diesen Gegenstand einzig dastehende
Befund bedarf jedenfalls noch der Bestätigung. Ref. hat seit dem
Gebrauche des von Edelmann verbesserten Galtonpfeifchens nie
ähnliche Resultate erhalten.
3) E. Schmiegelow-Kopenhagen: Endocranielle Compli-
cation während des Verlaufes einer Mittelohrsuppuration.
Trepanation und Heilung. Ibidem.
Schm, betont auf Grund seines Falles — epiduraler Abscess
und Hydrocephalus ext. —, dass die neuerdings für Oedem der
Hirnhäute und der Hirnrinde eingeführte Bezeichnung: «Seröse
Meningitis» eine falsche ist, da es sich nicht um eine Infection
handelt.
4) L. Poly&k: Sitzungsbericht der Gesellschaft der un¬
garischen Ohren- und Kehlkopfärzte. Ibidem.
5) Oswald Rudolph-München: 18 Sectionsberichte übtr
das Gehörorgan bei Masern. (Aus dem otiatr. Ambul. des med.
klin. Inst, in München). Mit einem nachträglichen R6sum6 von
Prof. Bezold, München. Ibidem, 3. Heft.
Da Bezold schon einen zusauunenfassenden Artikel über
dieses Thema in dieser Zeitschrift veröffentlicht hat, soll hier nur
auf die ausführlichen Sectionsberichte verwiesen werden.
6) O. Körner-Rostock: Ein neuer Beitrag zur Kenntniss
der Ohr- und Warzenfortsatzeiterungen bei Diabetikern, nebst
Bemerkungen über die Percussion des Warzenfortsatzes.
Ibidem 4. Heft.
«Wenn der Percussionsschall eines Knochens unter unserer
Beobachtung vom normalen zum gedämpften übergeht, ohne dass
eine Veränderung der Bedeckung des betreffenden Knochens besteht,
und wenn namentlich die Dämpfung durch sorgfältige Vergleichung
mit der anderen, gesunden Seite vollkommen sicher gestellt werden
kann, so beweist dieselbe eine Veränderung im Innern des Knochens».
7) A. Bulli ng-München-Reichenhall: Otitis media bei In¬
fluenza. (Aus dem otiatr. Ambul. des med. klin. Inst, in München.)
Ibidem.
Bulling ist es gelungen, während der diesjährigen leichten
Epidemie bei 2 Patienten im Beginne der Mittelohreiterung mit Hilfe
der Pfeifferschen Methode auf Blutagar neben Coccen Iniiuenza-
bacillen zu züchten. Dieselben haben sich genau so verhalten wie
die vom Ref. schon bei der ersten Epidemie 1889/90 mikroskopisch
gesehenen Bacillen, deren Züchtung auf den gewöhnlichen Nähr¬
böden nicht gelang. Damit ist zugleich der Beweis erbracht, dass
die damals vom Ref. in frischen Fällen ausnahmslos und zuerst
nachgewiesenen Bacillen in der That die Erreger der Influenza sind.
In älteren Fällen konnte Bulling die Stäbchen ebenfalls nicht
mehr finden. Bei 2 Patienten wurde der Inhalt von Blutblasen unter¬
sucht, die bekanntlich bei Influenza besonders häufig auftreten, doch
waren überraschender Weise nur Staphylococcen, Stäbchen aber
nicht nachzuweisen. Der Verfasser spricht sich dafür aus, dass bei
Influenza die Otitis durch directe Fortleitung des entzündlichen Pro-
cesses von den oberen Luftwegen per tubam entsteht.
8 ) Otto Barn ick, klin. Assistent: Klinische und pathologisch
anatomische Beiträge zur Tuberculose des mittleren und
inneren Ohres. (Aus Prof. Haber man n's Univ.-Klinik f. Ohren
u. s. w. in Graz.) Arch. f. Ohrenh., 40. Bd., 2. Heft.
Mittheilung von 5 unter der trefflichen Leitung Habermann’s
histologisch genau untersuchten Fällen von Mittelohrtuberculose, bei
welchen die Infection auf dem Blutwege entstanden war. Die
Schläfenbeine stammten von solchen Patienten, welche an allgemeiner
Milliartuberculose zu Grunde gegangen waren.
Mit der Erklärung des klinischen Verlaufes der Mittelohr¬
tuberculose macht es sich Barn ick sehr leicht; ihm genügt der
Tuberkelbacillus. Dass der klinische Verlauf trotz ein und desselben
Bacillus ausserordentlich verschieden sein kann, scheint ihm ganz
unbekannt zu sein; auch scheint er Fälle von Heilung nicht zu kennen.
Bei der Erklärung der Schmerzlosigkeit beruhigt er sich mit der
Anführung des käsigen Zerfalles der Tuberkel. Wäre ihm bekannt,
dass der MittelohrproceBS in den meisten Fällen von Masern und
in den schweren Fällen von Scharlachdiphtherie — trotz colosBaler
Zerstörungen bei den letzteren — ebenfalls schmerzlos verläuft,
so hätte er sich gewiss nach dem tieferen Grunde gefragt und bei
Beurtheilung der Ansicht Anderer sich eines mehr zu billigenden
Tones befleisBigt.
9) Rud. Haug-München: Ueber Exsudatansammlungen im
oberen Paukenraum nebst Bericht über einen operativ ge¬
heilten Fall von Sinusthrombose, sowie über zwei interessante
Obductionsfälle. Ibidem 3. und 4. Heft.
Bericht über 64 während der letzten 5 Jahre beobachtete Fälle
von Influenza-Otitis, bei welchen in der Hauptsache die oberen
Mittelohrräume erkrankt waren. Bei zwei Patienten, welche an
intercurrenter Erkrankung gestorben waren, konnte auch die Section
gemacht werden. Ferner wird mitgetheilt, dass in 38 Fällen Influenza-
bacillen nachgewiesen werden konnten (auch durch Cultur?).
10) Grunert, I. Assistenzarzt: Beitrag zur operativen Frei¬
legung der Mittelohrräume. (Aus der kgl. Univ.-Ohrenklinik zu
Halle a/S.) (Pathol.-anatoin., klin. u. experimentelle Arbeit.) Ibidem.
Grunert berichtet im Anschluss an frühere Mittheilungen
aus der Sc/hwartze'schen Klinik über 209 Radicaloperationen bei
chronischer Mittelohreiterung. Er theilt die Fälle ein in 113 mit Caries
und 96 mit Cholesteatombildung. Der Abschnitt über Caries verliert
dadurch an Werth, dass nicht angegeben ist, was unter Caries ver¬
standen wird. Grunert scheint mit dieser Bezeichnung sehr frei¬
gebig zu sein. So ist bei siimmtlichen operirten Fällen von chronischer
Mittelohreiterung, welche nicht mit Cholesteatom complicirt waren,
ausnahmslos «Caries» gefunden worden. Geradezu unglaublich aber
ißt es, dass unter siimmtlichen, in die Hunderte gehenden, extrahirten
«cariösen» Gehörknöchelchen nicht ein einziges sich befindet, bei
welchem die Caries ausgeheilt ist.
Diese Unterlassung ist um so mehr zu bedauern, da Gr. auf
dem Standpunkte zu stehen scheint, dass Caries ohne Operation
nicht ausheilt. Den cariösen Steigbügel will er sogar bei intactem
Labyrinth extrahiren. Referent kann dem gegenüber aus eigener
Erfahrung versichern, dass man bei der Radicaloperation die
«cariösen» Gehörknöchelchen, auch die beiden grösseren, ohne Be¬
denken stehen lassen kann. Interessant ist der hei der Besprechung
der Steigbiigelcxtraction eingeflochtene experimentelle Beitrag, dass
bei gesunden Tauben mit gesundem Mittelohr nach der Extraction
der Columella das ovale Fenster nach 4 Wochen sich durch eine
histologisch wohl charakterisirte Membran wieder scliliesst.
In dem Abschnitt über die pathologische Anatomie finden
sich noch einige Beobachtungen, welche mit den Erfahrungen Anderer
in direetem Widerspruch stehen, so die geringe Betheiligung der
Tuberculose an der Caries, das Fehlen von Osteosklerose bei den
meisten chronischen Mittelohreiterungen (tS6.fi Proc. der Cholesteatome),
sowie die Beobachtung» dass ein De fee t am innersten Theile der
hinteren Gehörgangswand bei Cholesteatom sieh seltener finde, als
-bei den anderen chronischen Mittelohreiterungen.
Als besondere Spontanheilung des Cholesteatoms wurde Ver¬
kalkung der Matrix gesehen. In 2 Fällen war das Cholesteatom in
die Kiefergelenkgrube durehgebroehen und 6mal in das Labyrinth.
Dem Ausspruch, dass wir bei unserem operativen Vorgehen vor dem
erkrankten Labyrinth nicht Halt machen dürfen, ist unbedingt
beizupfliehten. Drei derartige Fälle verliefen günstig. Die Methode
der Radicaloperation wird ausführlich erörtert. Dass die retro-
auriculäre Lappenbildung die einzig zuverlässige Methode sei, um
die Persistenz der retroauriculären Oeffnung und die Uebersichtlich-
keit der grossen Höhle zu sichern, entspricht nicht den thatsächlichen
Verhältnissen (Thierschsche Transplantation!). Mit Recht plädirt
Verfasser für principiellen Verschluss des Tubenostiums. Leider theilt
er die diesbezüglichen Resultate nicht mit. Der Nachbehandlung wird
ein unverhältnissmässig ausführliches Capitel gewidmet. Würde
Grunert, anstatt den Erfahrungen Anderer Misstrauen entgegen¬
zubringen, die von Siebenmann eingeführte Thiersch'sche
Transplantation anwenden, so würde sich ihm die Nachbehandlung
nicht nur ungemein vereinfachen, sondern auch die Dauer derselben
sehr abgekürzt werden. In der fleissig geschriebenen Arbeit finden
sich manche interessante Einzelheiten, auf welche hier nicht näher
eingegangen werden kann.
11) Sc hü lzke-Markranstädt: Zur topographischen Anatomie
des Ohres in Rücksicht auf die Schädelform. Ibidem.
Der Verfasser sucht im Anschluss an eine frühere Ver¬
öffentlichung auf Grund der seither erschienenen Arbeiten anderer
Forscher neuerdings nachzuweiseu, dass die bekannten Schluss¬
folgerungen Körners betreffs des Abhängigkeitsverhältnisses der
Lage der mittleren und hinteren Schädelgrube von der Schädelform
und von der Schädelseite unrichtig seien. Schülzke betrachtet nur
das Eine als sicher, dass der Sinus auf der rechten Seite durch¬
schnittlich tiefer in den Knochen eindringe als links.
Scheibe-München.
Vereins- und Congressberichte.
III. internationaler Congress für Psychologie
in München vom 4. bis 7. August 1896.
(Bericht von Dr. Karl Grassmann in München.)
(Fortsetzung.)
Mit einem neuen Plethysmographen hat A. Lehmann ^Kopen¬
hagen) Versuche angestellt «über die küri>crlichen Aeusscrungen
psychischer Zustände». Er hebt als ein hiebei gefundenes, be-
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MÜNCHENER MEMCDJISCB® WOOHENSCHRDPT-
No. 33-
sonders in physiologischer f3£ I ^
dass die Pulshöhen eines Individuums ^ ^ Miniumm mütk
zeigen, deren Maximum m August 1 welche nicht direct nomt
in Januar-Februar fällt eine Periodicim, jeto in Brkl
von der Lufttemperatur abhängig ’ st attfandcn. Per diese
einem Baum von ziemlich der plcth ysmo- für
Vortragende versuchte aUS J^Afche nicht von der Athmung krau
graphischen Volumcurve _ den j5j n fl uas psychischer I der
oder von Muskelbewegungen herrühre d «gespannten nocl
Momente, , B. der* —
Erwartung», des Erschreckens t . \ffecten noch lange I zust
dass diese körperlichen Acussernngeu vw Affecten ^ regl
fortdauern, nachdem der psychisch^riefen die näm- eine
in der Hypnose suggenrten Omüthsbc g g ^ jenC dc8 setz
liehen plethysmographischen V cranderung I gta
wachen Zustandes. in d er Gesichtswahruehmung » stai
«Die psychischen Factoren Ueberhorst (Innsbruck). ein
lautete der Titel “J“ ^d^die Gesichtswahrnchmung keineswegs
Es ist dann ausgefuhrt, dass vielmehr das Product einer Mi
nur Sinnesempfindung oder ^ Wescn darin besteht, ste
besonderen psychischen Ih. g > , Vorstellungen, <lie I voi
-*r S
rÄVorÄt; sjz r
2
FSSSä-ä;
leiten tur Einheit tu Stande komm , end» nvmh ^be.^ I
monocularen körperlichen und liefen-Sehe - * d bci der u
ÄSSrÄ ‘
“V den Arbeiten de, HL Scetion in der eine grüesere 1
reclinungsfähigkeit» den Juristen ,n A™^mtaJrzTist.
als den Arzt, wenigstens soweit der Letztere m
Die Fassung, welche der Begriff der Zurechnungsfähigkeit im
deutschen Strafgesetzbuch, sowie in dem neuen burgerhe • ^
setzbuch für das deutsche Reich erfahren hat, wird von L. kritimr^
und theoretisch die Zugrundelegung der Definition 1
Zurechnungsfähigkeit kann bestimmt werden als die normak Be
stimmbarkeit durch Motive». Ein weiteres ^ ™
ÄLESÜT 3T.Ä tÄv.
^ f tÄ zx ä-V
trag : «Ueber Criminalpsycliologie» ab, den Verbrechern eine mehr
oder minder charakteristische Psyche zu vmdiciren. We.in man bm
einer Untersuchung über «Verbrecher» das Heer der p£^U»
Verbrecher, die nicht bestraft werden, berücksichtige, ferner aus
der Zahl der Gewohnheitsverbrecher die vielen Geisteskranken,
Epileptiker, Schwachsinnigen etc. climimre, so trete der Ucbe
gang zur Psychologie der «ehrlichen Leute« weit klarer hervor
1 wenn dies ausser Acht bliebe. Bei der Vcrbrockw-Psych^e
handle es sich nur um graduelle Unterschiede von der unterster
Volksseele, wo schon die Sinnesempfindung, die Receptionsorgane
die Denkoperationen, die «persönliche Gleichung», endlich auch
die sog. Charaktereigenschaften stumpfer sind als m den oberen
Schichtei^er hend /u den anf dcui Congress publicirten Arbeiten
psychiatrischen Inhaltes, führe ich zunächst den Vortrag von I rot.
, ,,,, . v „ n .über die Genese der affectiven Wahn-
^ raS 6 jjjg Erklärung der letzteren aus den krankhaften Ge-
ldeen». Die Er h ^ audern Autoren dann, dass ange-
müthsstimimuige vollziebe bewusst oder unbewusst einen
nommen wird, de kr<ink haften Stimmung und komme anf
sä—
frLSÄ
der aajociatmn V»rjnge^ und deprimirooden Inhalts tu Gebot«
„oobErmncn.npWd ^ müthsdopre8 ,i OI1 liegt ein Er„*hru» f
:S“d Äe ^*-1-**
, — und dies sin gera „ „ den ger i D g S ten Wider-
^bietenden* Assoriationen trauriger Empfindungen allein noeb
01° Ne”“" er (Leubus i. Schlesien) brach.« eine .klinische
SÄtr;r
ers für die Lehre '°" tr / jUsa mmenhang stehende klinische
*? “ rr b “ r «"Artigen psychopathischen
„„„stand des ^gehend und angc
Ä Oesunden, ausgebildet und andauernd bei nenrasthen«,,..
wegungen verknüpfen sich damit. , dic Aphasie
Th Heller (Wien) hielt seinen Vortrag ühcr <ue y
ersonen gut hören und 1 verste len, wer den können; ferner
ewöhnlich nicht zum Sprechen .P* • cr8tere ihre Ursache
ine aus Taubheit res^tirendeS ummh^^ Hörbahn haben
wenigstens zum Theil in d eTen tuell hinzu-
ann, wobei die aphasischen, die können , dass
rötende periphere Störungen sich der Art, suir^ entsteht;
ehliesslich das ausgeprägte Bild einer Ta Aufmerk-
•ndlich jene Fälle von Aphasie, denen btorun^n der A
iamkeit zu Grunde liegen, ein ätiologisches Moment,
ÄTA genauer Barle« £
Krankheitsgeschichte einen Fall dessen Symptome^hm d^ ^
rcclitigung zu geben schienen, as g ^Asthenie und Epilepsie
geborner Geistesschwäche, P^noia .^^f^nehmen -
bei dieser einen Person, einen. 33 Jahr. ala ein en
also jedenfalls ein auffälliges Gunosum, das dem ^
auch in psychologischer Hinsicht interessanten Be«
von den Wechselbeziehungen der Geistesstörung
>.icr gicicb einen wei f n
SO beschrieben Raymond und P. Jan et ( Pari8 ) cst a-
theilung: « Contracture liysterique systematisjJ ^ religiösen
tique» dem Congressc ihre Beo ac tuug^, “ b Ba u e teuse —
Dehrien leidende Kranke fortwährend w
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Goo'
18. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
781
auf den Zehen ging, da, wie sie ßagte, ihr Körper sich
tum Himmel hebe, so dass sie sieh anstrengen müsse, um mit
den Zehenspitzen noch die Erde zu berühren. Die Verfasser
wollen besonders den systematisirten Charakter der permanenten
Contractur hervorgehoben wissen.
A. de Yo ng (i. d. Haag) besprach: -La Psychologie des idees
fausscs des alien^s» und entwickelte in seinem Vortrag die An¬
schauung, dass fixe Ideen bei Geistesgestörten secundäre Symp¬
tome seien, welche sich im Gehirn durch logische Deduetion ent¬
wickeln. Die fixe Idee, als eine unabhängig bestehende Wahn¬
idee, tritt ohne Complication mit einem andern Symptom geistiger
Störung überhaupt nicht auf.
G. C. Ferrari und G. Guicciardi (San Maurizio) be¬
richten über: «La psicologia individuale nell’ esame clinico degli
alienati» (über die individuelle Psychologie in der klinischen Unter¬
suchung Geisteskranker). Sie geben in ausführlicher Weise an,
durch welche Vorrichtungen und Apparate sie die Proben über
die einzelnen Fähigkeiten Geistesgestörter anstellen, z. B. über
die bewussten und unbewussten Bewegungen, über die Aufmerk¬
samkeit und das Gesichtsfeld, über Zeit- und Raumsinn derselben,
das Gedächtniss etc. Näher kann auf ihre Untersuchungen hier
nicht eingegangen werden.
Die Pathologie des Gedächtnisses wurde von Prof. Strümpell
(Erlangen) besprochen, namentlich die sogen, retrograde Amnesie
nach Kopfverletzungen, epileptischen Anfällen, Intoxieationen u. dgl.
Ein besonders charakteristischer Fall dieser Art nach traumatischer
Epilepsie wird eingehender besprochen, ebenso eine eigentümliche
Wortamnesie, wie sie Vortragender bei Kranken mit rechtsseitiger
Hemiplegie beobachtet hat. In der Discussion über die retro¬
grade Amnesie wies Grashey besonders darauf hin, dass für
die Entstehung, Intensität und Ausdehnung der Amnesie auch
der Umstand massgebend sei, ob die unmittelbar vor dem be¬
treffenden Trauma liegenden Ereignisse ausscrgcwöhnlicher Natur
waren oder nicht. Im ersteren Falle kann die Amnesie mehr
oder minder aufgehellt werden (Ermordung der Lehrersfamilie in
Dietkirchen durch den Bader Guttenberger). Eine ausführliche
Uebersicht über die verschiedenen Formen der Aphasieen und
deren Heilung hatte der Vortrag von H. Gutzmann zum
Gegenstand, der sich zu kurzem Referate wenig eignet.
Ein in unseren Tagen, wie aber auch schon vor einem halben
Jahrhundert viel ventilirtes Thema besprach Fr. 0. Müller
(München): Den Einfluss des Alkohols auf den Selbstmord, in
seinem Vortrage: «lieber den Selbstmord und dessen Beziehungen
zum Alkoholismus». Er führte aus, dass die Häufigkeit des
Selbstmordes in fast allen Ländern zugenommen habe, nur in den
letzten Jahren sei eine Stagnation zu verzeichnen. Auch der
Consum des Alkohols ist progressiv gewachsen. Unter den schäd¬
lichen Folgen des Alkoholmissbrauches, die näher geschildert
werden, gehört vor Allem auch die Zunahme der Nervenkrank¬
heiten functionellcr Natur, namentlich der Neurasthenie, deren
Bestehen das Eintreten eines Suicidiums ausserordentlich be¬
günstigt. Müller bedauert auch, dass der Alkohol überhaupt
in die Therapie Eingang gefunden habe und will auch hierin
seine Anwendung auf das geringste Maass reducirt wissen.
Ueber einen der wichtigsten aetiologischcn Faetoren psycho¬
pathischer Zustände: über die Erblichkeit, hat Croctj fils (Brüssel'
dem Congress eine Studie vorgelegt, die auf das Klarste die An¬
sichten wiedcrspiegelt, welche gerade die französischen Forscher
mit besonderer Vorliebe über diesen Gegenstand vertreten : Croc<i
geht vielleicht noch etwas weiter, er ordnet die Vererbung von
Psychopathieen vollständig der -Vererbung von Diathcsen» unter.
Der weitgehende Standpunkt, den er einnimmt, tritt sehr deutlich
in seinen Schlusssätzen hervor; «Die psychopathische Vererbung
kann eine gleichartige sein, doch zeigt sie sich viel häutiger unter
der Form der transformirendcn Vererbung. Diese letztere hängt
ab von einer Diathesc degenerativer Art, deren verschiedene
Aeusserungen, die wir Diathescn-Krankheiten nennen, alle geeignet
«nd, sich durch die Vererbung in Psychosen zu verwandeln, und
umgekehrt. Summa summarum: Es gibt nur eine Diathesc: d i e
Diathese: das ist ein krankhafter, degenerativer Zustand, welcher
die zahlreichen Diathesen - Krankheiten (Tuberculose, Arthritis,
Krabs, Diabetes, Gicht etc.) erzeugt und im Besonderen die Psycho¬
pathieen. Die Diathese ist nicht die Krankheit, sie ist nicht eine
Prädisposition, sondern sie ist ein krankhafter Zustand, charakterisirt
durch Aenderungen der Ernährung, welche als Ursache eine Ent¬
artung des Nervensystems besitzt.
In die Reihe der psychiatrischen Vorträge sind noch einzu¬
reihen A schaff en burg's «psychologische Versuche an Geistes¬
kranken v. Bei den vom Vortragenden an 11 Kranken mit
circulürem Irresein angestellten Versuchen handelte es sich haupt¬
sächlich um Feststellung über die dabei vorkommende «Ideenflucht ,
von der bisher angenommen wurde, dass sie auf einer enormen
Beschleunigung des Vorstellungsablaufes beruhe. Die bei den
Versuchen angewendeten Methoden waren: 1. das fortlaufende,
pausenlose Niederschreiben von 100 nach einander auftretenden
Vorstellungen ohne Wahl; 2- Associationen auf zugerufene Worte
mit und ohne Zeitmessungen (letztere mit Hilfe des Hi pp'sehen
Chronoskops). Seine Resultate fasst A. folgenderinassen zusammen :
1. In der manischen Phase des circulären Irreseins ist die
motorische Auslösung erleichtert.
2. Die Ideenflucht ist eine Thcilerschcinung dieser Erleich¬
terung; ihr charakteristisches Merkmal ist das Auftreten
von Klangassociationen.
3. Deren Zahl geht der Erregung parallel und schwindet
völlig in der Depression.
4. Die depressive Phase lässt eine mehr oder weniger deut¬
liche Erschwerung (Hemmung) der motorischen Vorgänge
erkennen.
5. Eine Beschleunigung des Associationsvorganges lässt sich
in der Manie trotz der erleichterten motorischen Aus¬
lösung nicht nachw'eiscu.
6. Der Rededrang der Manischen täuscht die vermehrte,
die Hemmung der depressiven Phase die verminderte
psychische Leistung vor.
In der IV. Section sprach Prof. Sommer (Giessen) über:
«Eine graphische Methode des Gedankenlesens . Letzteres beruht
auf der Wahrnehmung feiner Ausdrucksbewegungen, welche durch
die Hände des lebenden Menschen ohne Betheiligung des Bewusst¬
seins in Menge vollführt werden. Um sie sichtbar und messbar
zu machen, construirte S. einen — auf dem Congresse demon-
strirten — Apparat (Psychograph), mittelst dessen diese Be¬
wegungen analysirt und in Bezug auf Druck, Stoss und seitliche
Schwankung auf eine rotirende Trommel .aufgetragen werden.
Damit ist der Anfang zu einem experimentellen Studium des
Gedankenlesens gemacht. (Schluss folgt).
III. Versammlung süddeutscher Laryngologen
zu Heidelberg am 25. Mai 1896.
(Bericht von Dr. Eulen stein in Frankfurt a./M., I. Schriftführer.)
(Schluss.)
XII. Herr Bergeat- München: Befunde an den Neben¬
höhlen der Nase bei Atrophie der Muscheln.
M. H.! Aus den Schädelabfällen des Münchener anatomischen
Prüparirsaalos habe ich bisher etwa 200 rhinologische Präparate
gewonnen, von welchen ich Ihnen die sämmtlichen auf die Muschel-
atropbic bezüglichen vorlegcn will.
Hier sind 2 demselben Individuum entstammende Gesichts-
hälften mit vollkommener Atrophie des Naseninnern. Sie erkennen
an dem prächtigen, nicht abgeschliffenen Gebisse, an welchem in-
dess schon die Weisheitszähne vorhanden sind, dass das Individuum
ein junges war, und werden daher erstaunt sein, eine Dünnheit
der Schädelknochen wie bei einem Greise zu sehen; selbst das
Felsenbein einwärts des Porus acustieus ist atrophisch. Die Pars
basilaris occ.-sphen. hat nur eine Dicke von etwa 3 mm, besteht
fast nur aus 2 Corticalsehichton bei minimalster Spongiosa, und
lediglich die Selb turcica ist kräftig entwickelt; Keilbeinhöhlen
sind nur nach Wegnahme der Schleimhaut und nur als minimale
Grübchen im Knochen aufzufinden. Der ganze Gesichtschädel
zeigt eine hochgradige Atrophie: Die Spange des Proc. zygom. ist
äusserst dünn, die Augenhöhle sehr gross, die Stirnhöhle klein,
resp. fohlend; der Kieferknochen ist oberhalb des Niveaus der
Zahnwurzeln sehr reducirt, desgleichen die Kieferhöhle, und die
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Münchener MMCMSCffi_wocraNScmBT.
No. 33.
. , dass die Nasenbeine nicht mehr
Processus front, sind so J das Siebbein endlich zeigt
als bei Plattnase auf 8 rcsp f
eine Verminderung der front J an dicsen vergleichsweise auf-
10 und 12 mm, wahrend ^ und lß min betragen,
gelegten Stücken 16 und 20, g . ß in beiden Kieferhöhlen
Was die Schleimhäute bct " fft - cbcnso in der Mehrzahl
tadellos dünn und rem 8 cfundc { nlcrstß n derselben ist die eine
der SiebbcinzeUcn; nur von d ^ eitriger Masse erfüllt
rechts und sammtliche sämmtlich ihr Ostium am tiefsten
gefunden worden, obwo s * Nasenrachenraumdache trägt
Punkte haben. Die Schleim d}c eboo f a ll s mit unreinen
sehr ausgedehnte buchtcnreic c , Rachenwand stellt sic
Massen erfüllt waren; w ^ Drüscnmün dungen
ein verdicktes teigiges Polster ol ^ ^ Nasenhöhleil mit
hässlichei^Mussen^ belegt und erst dU Abspülung rein gemacht
^"be, in diesem
Hypotrophie der Knochen auch ^ zumal die aller¬
und der unteren Muschel anno im Entzündung aufweisen und
meisten Nebenhöhlen keine Spur y wei j en i„ Spiritus noch
die Nasenschleimhaut öJ Oberfläche
nicht so stramm gespannt ist, ... , ]ulbc n wir keine Spur
allenthalben verschieben zu lassen^ Nasenhöhle, welches
von Ketrccisscment ,n , „.teilen Utto mü^en.
bei Contractionsproecsscn unvermeidlich« ^ durcllWC g
. Mebrer ^J^l^pbvm^n^s'ümintlicbc Siebbeinzellen einzeln von
bei meinen Untcrsucüungc , das beinahe con-
der Orbita her g^Sffnet,ha c, “ dcs Siebbeinkörpers mit
stantc Zusammentreffen der Muscheln und ganz beson-
Kleinheit resp. atrophisc ier onu ^ verscbie a cne Dcmon-
ders der untern Muscheln darthun 6 wßgcn ihrcs cnt .
strationen). Sie wissen, die un mit der Seitenlamellc des
wicklungsgeschiehthchcn ^arn r osli ; sung Schicksalsgenosse des
Siebbcincs trotz ihrer sp späterer Entwickelung bereits
Siebbeines, soweit die Impulse zu ? _ Icb will abcr
• Vnit ilires Zusammenhanges datircii.
aneb^di^ Ausnahmen von der Ro 6 cl beibringen ; «
“-T-SSi-Ä t
entwickelt. Den umgekehr ö ssertem Siebbeinkörper
Muscheln bei normal grossem oder vergrössertem
habe ich noch nicht ^htet. Wachsthumsbeschränkung
E^derTa™ Ä™ £ "is. - den Empyemen
d “ ersten
de, allgemeinen Wach.thnms.temng c.ne ä ‘ r “^ abcr
SÄ-ÄSiiSÄ
SÄSSrätaSra?«
Sexlgänge nach geringerer ****** faW
Knochenpartieen’ an den Ostien die Entzündungserreger h&«ü^
, (>n Einzug in die Nebenhöhlen nähmen; weiter aber finden
bei genauer Untersuchung so häufige und so schwere Entzündunge^
der Nebenhöhlen auch inJNäsenpräparaten wdche nicht däjk
einer Muschelatrophie aufweisen, finden fe ™ cr 111
.selbst eine so überraschende Symmetrie * d > '
Präparate, auf der einen Seite nur die mittleren und hinteren
unm v - ----
, , „„„ «„itc nur die Stirnhöhle und Kiefer-
Siebbeinzellen, auf der an e Empyemen kaum mehr ihre
höhle erkrankt waren, dass werden belassen dürfen,
bisherige erste Rolle bei d interessante Vergleichs-
Ucbrigens bringe ich Ilinen , $ nz gleiche hochgradige Ver-
präparate: Sie haben "****£& mit Verkleinerung der
dickung der H.ghmorshöhlensehlei^^ ^ einscit ig. Der eine
Höhle, an dem einen Präp ^ 8C hlechtcntwickelte Siebbeine,
Kopf hat ein gut der andere s ^ Ropf mit dem gut
welche beide ebenfalls ^ erkr Erkrankung seiner einen Highmors-
entwickelten Siebbeine hat dcr unter en Muschel auf
höhle die gleiche kräftige t sc bl ec htentwickelten Siebbeine
beiden Seiten, der Kopf “ geiner untercn Nasenmusehel-
dagegen einen completten . ^ __ häutigß Ma8C bcl besteht!
beine, so dass nur eine , Nebenhöhlenerkrankungen,
Der einzige Einfluss hoch®» g ^ meinen p räpara ten
welcher bei besonders scharfe J vielleicht jene Muscheln,
gefunden werden konnte, ist d > ^ direct an den Empyemen
welche in dem w "kleiner sind als die jeweilige entgegen-
benachbart sind ein SP beim H ighmorsempyeme und die
gesetzte, also die untere Siebbeinempyeme.
Siebbeinmuscheln der anderen * ischen Sammlung zu München
Es gibt, soweit ich in der an au f die Grösse der
das Material vorfaud, auch_ 1 Intcrorb italtheile hat nicht
Muscheln; der Neger mit seinemte und mngekehrt
die mittlere, sondern die welch* in Schmalheit
der Abessinier mit seinem htowtoM *^ entwickelte
’ die Monsolcn haben
- /"cÄ
kann nach dem G c -gten auch ^ Anria^ ^ ^ ^ der
durch die kleine Anlage des KeJte Ißh ba be übrigens
Lamina perpend. etlim. leicht . Mu8cb clatrophie keitoe relative
2 Präparate hier, deren eines b M Ma8cb elatr0phie eine
Septumverkürzung, das andere » ^ ^ mm nach vorne
''r^Tinf^rTorXbuog ist bei den l.ngBch.d.lige»
Tti«cn'und vielfnot auch Z iet ied«»
Es erübrigt mir zum Schluss , Beeinflussung durch
die Befunde an meinen Be Lttnng der Atmphie
klinische Erwägungen und lediglic
der Muscheln deuten wollte. KilHan
An der Discussion betheiligten sieb u
Und Xm. Herr H e d I ^ dC ^ir^au^MetaU^ge 41 ^*® 1
zu wechseln ist. Das Instrumc eine Modification der
von unten angeblasen. — ferner Die alte Zange
Jurasz’schen Zange für ^ch^d^ ^ Sep tum stehen,
Hess in vielen Fällen ein Stüc Bachendaches besser
was durch die breitere und der Pom d s Abschni t^
augepasste Zange vermieden wird, bür eine Zange für
ist die alte Form besser zu ™ rwcnden . __ cin Conchotom.
Wucherungen in der Phca mterarytaenoidea
XIV. Herr S c h e c h - München: Das na.s e r-
und seine Beziehungen zum Emphysem. (P«
scheint in dieser Wochenschrift). Herren Seife r *>
b. V-«.
BetZ Nachdem vom Vorsitzenden mitgetheilt ^''p^ ^fciertagc su
die nächstjährige Sitzung welche^wieder am, ^ xsüdat iva>
Heidelberg stattfinden wird als ^ g ,
zur Discussion gestellt wird, wurde die Sitzung
schlossen. . ,■ 'ri.eilnehmer m' 1 ilircn
Um 8 /4 2 Uhr versammelten sich <be lhe hlp , das
Damen im Grand Hötel zum gemein^haf^chen M ^
wieder, durch eine Reihe ernster und h ^^p rüblings uachnuttag
wärzt, in schönster Weise verlief Ein herrhchj M^ herr l ic hc
lockte die weitaus grösste Zahl der The ^ n0ch m
Neckarthal auf den Kümmelbacher Hof, wosein
18. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
783
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gemütlichster Stimmung einige Stunden zubrachtc, bis der Abend
den grössten Thcil der Gäste zu den heimischen Penaten entführte,
während ein kleinerer Theil sich noch im gastlichen Hause des
Herrn Prof. Jurasz ein Stelldichein gab. Es kann mit Genug¬
tuung constatirt werden, dass die diesjährige Versammlung
wiederum alle Thcilnehmer in höchstem Maassc befriedigt hat.
Naturhistorisch-medicinischer Verein Heidelberg.
Medicinische Section
Sitzung vom 30. Juni 1896.
1 ) Herr E. Cramer: Die Zusammensetzung der
Aschebestandtheile der Bacterien bezw. der Cholera¬
bacillen.
Es wurde die Zusammensetzung der Aschebestandtheile von
3 Cholerasaaten verschiedener Provenienz geprüft (Cholera Shanghai,
Cholera Hamburg Winter, Cholera Bürgeln). Um den Einfluss
von Nährböden mit verschiedenem Aschegchalt darzuthun, wurden
3 verschiedene Nährmedien gewählt: normale Sodabouillon, normale
Sodabouillon 4 °/o Naj PO* und normale Sodabouillon -j- 3°/o
Na CI.
Beistehende Tabelle enthält die Resultate:
Cholera
Soda¬
bouillon
CI
POa
SO*
K
N
C
Mg
Summe
normale
17.02
20.16
8.55
6.32*
32.06*
0.98
Spin
85.09
Shanghai
-f- 3°/o Na CI
41.15
9.64
1.02
5.26
33.79
—
—
90.86
+4°/oN»sP04
9.9934.30
2.24
4.97
31.82
1.29
0.12
84.73
Hamburg
Winter
normale
15.42
31.18
7.59
8.02
31.19
0.30
0.64
94.34
-f- 3°/oNa CI
43.69
9.60
1.59
9.01
31.88
—
—
95.68
4-4% Na3P0*
8.87
35.36
2.33
4.32
27.50
0.79
8pm
79.44
normale
18.34134.59
8.07*
6.32*
32.06*
—
Spm
99.38
Bürgeln
-f-3°/o Na CI
37.3613.58
1.31*
6.32*
32.06*
—
Spm
90.63
-H°/oNasP04
5.05|4542
2.29*
6.32*
32.06*
—
Spm
90.84
, Es ergiebt sich dieselbe Gesetzmässigkeit bezüglich der Quali¬
tät der Aschebestandtheile, wie sie bereits früher (und auch wieder
bei diesen Untersuchungen) bezüglich der Quantität gefunden war.
Namentlich die saueren Aschebestandtheile des Bacterien-
zellleibes passen sich vollständig dem Nährmatcrial an.
Giebt man den Bacterien mehr Chlor, Phosphor oder Schwefel¬
säure im Nährboden, so finden wir die genannten Substanzen in
der Bacterienasche ganz erheblich vermehrt; allerdings nur bis zu
einer gewissen Grenze. Darüber hinaus ist eine weitere Zufuhr
ohne Belang. Doch ist die Schwankungsbreite eine recht beträcht¬
liche, so können z. B. bis 70—75°/o Na CI aufgenommeu werden
(bei einem Minimum von circa 16°/o).
Bezüglich der Alkalibestandtheile machen sich keine so starken
Schwankungen geltend, weil im Nährmaterial keine Variirung
stattgefunden hatte. Namentlich die Mengen von Na stimmen
nahezu absolut überein. Offenbar war hier die Grenze des Auf¬
nahmevermögens erreicht, weil im Nährmaterial selbst, in der nor¬
malen Sodabouillon, bereits überreichlich Na vorhanden war.
Ca und Mg, im Nährmaterial spurenweise vorhanden, sind
auch in der Asche spurenweise nachweisbar.
2) Herr Jordan: Ueber die Behandlung der typischen
Radiusfractur.
Nach Darlegung der Aetiologie und Symptomatologie des
Radiusbruchs, sowie Demonstration zweier, an der Leiche herge¬
stellter Präparate bespricht der Vortragende die bisher im Allge¬
meinen üblichen Behandlungsmethoden und illustrirt die häufig
mangelhaften Resultate derselben an mehreren Kranken, welche
behufs Besserung ihres Zustandes nach der Fracturheilung die
chirurgische Ambulanz aufsuchten. Die Ursache der ungenügenden
Heilresultate ist darin zu suchen, dass man den Hauptwerth auf
möglichste Erhaltung der normalen Knochen form legt und die
Wiederherstellung der Functionsfähigkeit des Gliedes meist erst
nach vollendeter Consolidirung in Angriff nimmt. Vortragender
suchte die functionelle Aufgabe der Behandlung gleichzeitig mit
der anatomischen zu lösen, indem er sofort nach der Verletzung
un weiterhin täglich oder jeden anderen Tag Massage ausführte
und nach jeder Massagesitzung eine kleine Pappschicnc zur Fixirung
der Bruchstelle anlegte. Dieses Verfahren, welches in 29 Fällen
zur Anwendung gelangte, bewährte sich vorzüglich, insofern die
Heilungsdauer erheblich abgekürzt wurde und die ;Arbeitsfähig¬
keit» der Patientin zeitlich meistens mit der «Heilung zusammen¬
fiel. An mehreren Kranken, darunter einer 78 jährigen Frau,
wurden die günstigen Ergebnisse demonstrirt. (Der Vortrag wird
ausführlich publicirt werden.)
Sitzung vom 28. Juli 1896-
Herr Kehrer spricht über Uterusrupturen. Er betont,
dass Cervix und unteres Uterinsegment zerreissen können, wenn
entweder bei normalen Genitalien und Becken der Wehendruck
ungewöhnlich gesteigert oder der Dehnungsschlauch durch normale
Contraetionen sehr stark gedehnt und verdünnt wird. Eine
excessivc Dehnung erfolgt bei Induration, Stenose oder Atresic der
Cervix, auch wohl der Vagina oder Vulva, Beckenenge, Hydro-
ccphalus oder Riesenkind, sowie abnormen Fruchtlagen. Ungewöhn¬
lich stark verdünnte, mürbe, nachgiebige Stellen finden sich wohl
meist und rühren von früheren schweren Geburten. Sie werden
erst, bemerklich, wenn der Innendruck bedeutend ansteigt.. Das
ist ähnlich wie bei einem dünnwandigen Gummischlauch, den man
dem Hahn einer Wasserleitung aufbindet, während das Schlauch¬
ende zugeklemmt wird. Anfangs bläht sich bloss der Schlauch,
bald aber bildet sich eine dünne Blase und zuletzt platzt hier
der Schlauch, wenn mau noch mehr Wasser einfliessen lässt. Die
Bissstelle entspricht fast immer der sog. Naht. So gibt cs bei
den Cervixrissen wohl auch dünne Stellen, die erst bei der Dehnung
durch Einreisseu ihre geringere Festigkeit verrathen. Von da
geht der Riss weiter.* — Die Abklemmung des Muttermundes
localisirt die Dehnung auf die Cervix. Wird der Muttermund nach
oben zurückgezogen, so reisst das Scheidengewölbe (Michaelis,
Freund jun.) in Folge starker Längsdehnung des Genita’canals.
Vortragender erwähnt zunächst eines bereits auf dem Gynä¬
kologen congrcss in Freiburg 1889 vorgestellten Falles, in welchem
der Biss durch eine Wendung bei einer II. Para mit Uterus
bieornis subseptus in der Cervix der rudimentären Seite entstanden
war. Die Entbundene wurde im äussersten Collaps in die Klinik
gebracht und die Porro-Operation ausgeführt. Nach circulärer
Durchnähung des Stumpfes wurde derselbe in die Bauchwunde
eingenäht und Gaze darüber in die Bauchhöhle sowie durch den
Hnlscanal in die Scheide geleitet und nach vorn buchblattartig
zwischen die Gazestreifen des Verbandes ausgebreitet. Die Frau
genas, wurde ganz arbeitsfähig und lebt noch.
Ein neuerlicher Fall betraf eine III. Para mit glattrachitischem
Becken (C. v. 8,5). bei der (in der Stadt) unter Berstungsgefühl
eine Spontanruptur mit Austritt des Kindes in die Bauchhöhle
bei 5 markstückweitem Os entstanden war. Nach fester Scheiden-
tamixmade und fester Einwicklung des Leibes in Handtücher,
Transport in die Klinik. R. Cervixwand durchrissen, Riss klaffend,
im Parametrium grosses Blutgerinnsel, Blase von Uterus abgelöst.
Unterbindung der 4 Hauptgefässe, queres Abtragen des unteren
Segments mit sofortiger Anlegung sagittaler Nähte, keine Des-
infection des Cervicalcanals, zum Schluss Stumpf Versenkung und
Bauchfellnaht. Das Wochenbett verlief afebril, höchste Temperatur
37,7 am 6. Tage. Entlassung nach 3 Wochen. Die Operirte,
in der Sitzung vorgestellt, ist vollkommen arbeitsfähig und frei
von Schmerzen. Portio klein, rechts hinten, keine Schwielen in
der Umgebung.
Vortragender empfiehlt bei Rupturen mit Austritt der Frucht
in die Bauchhöhle Porro-Operation, weil dabei die Quelle der
Lochien (Corpus uteri) fortfällt und nicht, wie bei blosser Naht
mit Erhaltung des Organs, die zurückbleibende .Narbe die Gefahr
der Ruptur bei einer späteren Geburt bedingt.
Ausserdem zeigt Vortragender die Photographie einer III. Para
Wöchnerin, welche in jeder Achselhöhle zwei überzählige, von
einander und von den normalen Brustdrüsen isolirte Milchdrüsen
ohne Warzen und Ausführungsgänge besitzt. In den 3 Wochen¬
betten waren die accessoriscben axillaren Milchdrüsen den normalen
Mammae entsprechend an- und abgeschwollen.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT^
. No.- 33.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 4- Mai 1896- e
Herr Graf Spee spricht: Ueber die Implantation des v
Meerschweincheneies in die Uterus wand. a
Die wesentlichen Resultate werden in den \ erhandlungen der ?
anatomischen Gesellschaft zu Berlin 189G veröffentlicht. ■„
{
Sitzung vom 18- Mai 1896. (
Herr Hochhaus: Ueber die Resorption und Aus- «
Scheidung des Eisens im Darmcanal.
(Der Vortrag wird in extenso im Archiv für experimentelle -
Pathologie und Pharmakologie nächstens veröffentlicht.) '
Eine Discussion schliesst sich an über die Art der Aus-^
Scheidung des Eisens im Dickdarra und wie die Beteiligung der
Leukocyten und Epitlielien dabei aufzufassen ist. An derselben
betheiligten sich Heusen, Flemming, Quincke und Klein.
Sitzung vom 1. Juni 1896-
Herr Klein: Ueber eine künstliche Herzkammer.
Der Vortrag bildet eine Fortsetzung des am 18. Februar 1895
gehaltenen Vortrags. Da derselbe ohne die dazu gehörigen graphi¬
schen Darstellungen nicht wohl verständlich ist, eignet er sich
nicht zum Referat.
Herr Quincke: Ueber den Eisennachweis in
thierischen Geweben.
Qu. schildert die mikrochemischen Methoden des Eiscimach-
weiscs in den Geweben, von denen er der Reaction auf Schwefel¬
ammonium den Vorzug gibt. Er erörtert die Fehler, welche die
häufig angewandte Reaction mit Fcrrocyankalium und Salzsäure
darbietet, und die desshalb schon zu Irrthümern geführt haben.
Oft kann man Eisen damit nicht nachweisen, welches deutlich
auf iSchwefelammoniumanWendung reagirt und erhält andererseits
z. B. an Zellkernen Blaufärbung mit Fcrrocyankalium, die nicht
von Eiseugehalt derselben herrührt.
Sitzung vom 15- Juni 1896-
Herr Graf Spee: Ueber die Drüsenbildung und Function
der Dottersackwand des menschlichen Embryo.
Die wesentlichen neuen, theilweise hier im Dezember 1894
mitgctheilten Beobachtungen sind die, dass ausser der in frühesten
Perioden in der Dottersackwand stattfindenden Gefäss- und Blut¬
bildung vom Entoblaster echte Drüsenschläuche gebildet werden,
die zuerst am distalen Dottersaekpole etwa am Ende der dritten
Entwicklungswoche deutlich ausgeprägt sind, später aber in allen
Theilen der Dottersackwand auftreten und ein leberähnliches Drüsen¬
gewebe erzeugen. Auffallend ist in ihm der Befund von Epithel¬
zellen mit mehreren Kernen, sowie solcher, die riesige Dimensionen
annehmen und im Innern Gebilde auftreten lassen, welche embryo¬
nalen Blutkörperchen im höchsten Grade ähnlich erscheinen. Eine
vorläufige Mittheilung ist hierüber erschienen im anatomischen Anzeiger
Bd. XII, No. 3, 1896. Riesenzellen im Dottersack des Menschen
und von Hausthiercn sind neuerdings von Saxer (Entwicklung und
Bau der normalen Lymphdrüsen u. s. w. Anatomische Hefte 1896)
gefunden worden, doch hat sich bei Durchsicht der Literatur ergeben,
dass Hubrecht (Studies in mammalian Embryology, Quaterly
journal of mikroscopical Science Bd. 35, Taf. 35, Fig. 58—63)
bei Sorex vulgaris und (in derselben Zeitschrift Bd. 30, Taf. 24,
Fig. 46) bei Erinaceus bereits Epithelzapfen des Dottersack¬
entoderms und Riesenzellen gesehen hat, sowie dass Tourneux
(Sur l’dpith41ium de la vesicule ombilieale chez l’homme, Comptes
rendus hebdomadaires de la soci4t4 de Biologie de Paris, 9. Mai,
1889) im Dottersack des Menschen Epithelwucherungen beschrieben
hat, die offenbar den von mir gefundenen Drüsen entsprechen.
Die genannten Autoren waren nur nicht so glücklich, den Zu¬
sammenhang des Drüsenltnnens mit der Dottersackhöhle zu finden.
Nach persönlicher freundlicher Mittheilung von H i s findet Letzterer
bei seinen menschlichen Embryonen die Drüsen ebenfalls klar aus¬
geprägt. — Das buckelige äussere Aussehen menschlicher Dotter¬
säcke ist jedoch nicht lediglich durch Drüsenbildung bedingt.
Sitzung vom 29- Juni 1896-
Professor Flemming: Ueber Entwicklung der Binde-
gewebsfibrillen. . i n •
Der Vortragende hat früher (Internationale Beiträge zur
wissenschaftlichen Medio», Festschrift fürVirchow, 91, p. 13)
am Bauchfell junger Salamanderlarven gefunden, dass die Bindc-
gewebsfibrillcn sich deutlich innerhalb der Substanz von Zellen
anlcgen. Eine abweichende Meinung wurde kürzlich von Merkel
geäussert (Verhandl. der anafcom. Gesellschaft, Basel, 1895, p. 41),
der obschon er an der Richtigkeit der Schilderung des Vortragenden
nicht zweifelte, am Nabelstrang und in den Sehnen von mensch¬
lichen Embryonen zu dem Schluss kam, dass die Fibrillen hier
zwischen den Zellen und unabhängig von ihnen entstehen
müssen; im Nabelstrang bilden sic sich nach Merkel in der
structurlosen Gallertsubstanz zwischen den Zellennetzen. — Der
Vortragende hat zunächst zahlreiche neue Präparate vom Salamander-
larven-Bauchfell gewonnen, die ganz das Gleiche zeigen wie die
früheren Er hat ferner die Bildung der Fibrillen in dem Gallert¬
gewebe untersucht, welches bei diesem selben Object verschiedent¬
lich vorkommt. Hier lässt sich nichts finden, was für eine mtcr-
cclluläre Entstehung der Fibrillen spräche; diese bilden sich viel¬
mehr, so viel sich sehen lässt, stets in und aus den Ausläufern
der verästelten Zellen. Ueber Säugethierembryonen hat der Vor¬
tragende noch keine hinreichenden bezüglichen Erfahrungen, möchte
cs aber vor der Hand für unwahrscheinlich halten, dass bei
Wirbeltieren" ein Vorgang, wie die Fibrillenbildüng, fundamental-
verschiedene Formen haben sollte. Er ist übrigens keineswegs
der Meinung, dass die fibrillär geformte.Intereellularsubstanz, wenn
sie im Körper ebior Zelle ihre Entstehung genommen hat, hier¬
mit als todte Zwischcninasse zu betrachtet sei, sondern nimmt an,
dass sie im Weiteren ein Wachsthnm behält und fähig bleibt,
ihre Fibrillen zu vermehren und (möglicherweise) theilweise zu
elastischen Fasern umzubildeu.
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.—31. Juli 1896.
(Referent: Dr. F. Lacher.)
L
Die am 28. Juli 1. J. zu Carlisle in Cumberland eröffnete
64. Jahresversammlung der British medical A^ociation wurde von
ca. 800 Mitgliedern der Association besucht Die Zahl der
fällt zwar, wie zu erwarten war, bedeutend gegen die im Vorjahr
bei der Londoner Versammlung erreichte Zahl von 3000 ab >
gibt sie ein imponirendes Zeugniss für die Ausdehnung der Association
und ist die von den Sectionen gelieferte Ateit. n, ® ht minder
voll. Den Vorsitz führte Henry B a r n e s - Cumberland; er gedaoite
in der Eröffnungssitzung in warmen Worten seines "»wischen .j
storbenen Vorgängers, des vorjährigen Präsidenten Sir Bus^s
Reynolds, und gab dann in seiner Anrede ein anschauliches ü
der historischen Entwicklung der Medicin in CarUate von den KämP
der Römer an der Hadriansmauer, den Einfällen der Schotten u
Robert Bruce, der Ausbreitung der Lepra und der Epidemien
zu den berühmten Namen der neueren Zeit, Heysham
A d d In° der zweiten allgemeinen Sitzung wurde auf dringende Ein¬
ladung von dem Tochterlande Canada ttUS , M .° “J * dSSlben
1 nächstjährigen Versammlung proclamirt und als Präsident ders
) Professor T. G. Roddick-Montreal erwählt
Hierauf hielt Sir Dyce Duckworth-London die Addres
' in Medicine: Ueber die Prognose der Krankheiten.
Ein Thema, so alt als die Medicin selbst und doch über den
) modernen Errungenschaften in Diagnose und Therapie etw
, nachlässig!. Der erfahrene Arzt von Bartholomew s Hospitai giß
. eine Zusammenstellung der für die Prognose wichtigsten Factoren oei
. den verschiedenen Affectionen. Bestimmte Regeln lasseji sich hieni
nicht aufstellen, individuelle Idiosynkrasien und hereditäre Belast g,
i constitutionelle Eigentümlichkeiten, Verschiedenheit der E rg 1 >
, des Temperaments, die äuBsere Umgebung, die Virulenz ,,
3 fection etc., alles das sind Punkte, die für die Prognose in Birtracm
kommen. Nur bei einer genauen Berücksichtigung aller . mö 8
weise in Betracht kommenden Factoren lässt sich eine einig .
verlässliche Prognose formuliren und es erfordert grosse unu 8
i. jährige Erfahrung, in dieser Frage sicher zu sehen. ,
r Beim dritten General - Meeting hielt Roderick Ma
. Carlisle die AdreBS in Surgery: Ueber Praevenfav-Chir g •
Er bezeichnet damit diejenigen chirurgischen BebanaiuuK
’■ I methoden, bezw. Operationen, welche zur Beseitigung einer ,
| Gefahr oder eines unter Umständen gefährlich werdenden Ziusxan
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18- August 180fi.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
785
unternommen werden. So empfiehlt er die Entfernung chronisch
geschwellter Tonsillen, ausgiebige Escision geschwollener Cervical-
drüsen, Freilegung des Processus mastoideus und des inneren Ohres
bei jedem Fall von eitriger Mittelohrentzündung, der auf die ge¬
wöhnliche Behandlungsmethode nicht reagirt. Des Weiteren gehören
hieher die Frühoperationen hei Carcinom, Resection des Wurm¬
fortsatzes (wird nur bei wiederkehrender Appendicitis empfohlen),
ferner die Radicaloperation der Hernie und Excision der Prostata,
bezw. Castration bei der senilen Prostatahypertrophie.
Zum Schlüsse der Sitzung wurde unter allgemeinem Applause
dem Surgeon-Captain Whitehurch, «ler sich in hervorragender
Weise in dem Chitral Feldzuge ausgezeichnet hatte, die seit ihrer
Stiftung 1877 nur sechsmal verliehene goldene Verdienstmedaille der
Association von dem Präsidenten überreicht. (Fortsetzung folgt.)
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Societe de Biologie.
Sitzung vom 18. Juli lt>96.
Ueber das Vorkommen des Typhusbacillus in ver¬
schiedenen Medien.
Remlinger und Schneider fanden durch zahlreiche, nach
Elsner's Methode ausgeführte Untersuchungen, dass der Typhus¬
bacillus im Wasser, im Boden und in den Faeces von nicht typhus¬
kranken Personen weit häufiger vorkomine, als bis jetzt angenommen
ward. Unter 3G Analysen des Wassers von verschiedenen Garnisons¬
städten wurde 8 mal der Eberth ’sche Bacillus gefunden, davon
war 2 mal in der betreffenden Stadt eine Typhusepidemie gerade
im Auftreten begriffen, 5 mal war sie jedoch bereits seit mehreren
Monaten erloschen, l mal wurde der Typhusbacillus im Seinewasser
getroffen. Von 10 Bodenanalysen ergaben G ein positives Resultat,
ebenso die Untersuchung eines Füllbodens und schliesslich wurde
dieser Bacillus auch im Kothe verschiedener Personen gefunden,
welche an Leukaemie, Malaria, Nephritis u. A. in. litten, niemals
aber Typhus durchgemacht hatten. Als ausschlaggebend für den
Befund wurde neben den bisher bekannten Kennzeichen besonders
die agglutinirende Wirkung des Typhusserums herangezogen, welche
eine genaue Differenzirung von den im Wasser, Boden und den
Fäcalien häufig vorhandenen Pseudo-Typhusbacillen ermöglicht.
Ueber die Functionen der Thymusdrüse.
Nach den Untersuchungen von Abelous und Billard ist
die Thymus für den Frosch ein lebenswichtiges Organ, ihre Ab¬
tragung'führt in mindestens 4— f> und höchstens 12—14 Tagen den
Tod herbei. Demselben gehen dynamische Störungen, wie Muskel¬
schwäche, Parese, trophische Erscheinungen (schnelle Entfärbung
der Haut, Geschwüre uud Gangrän) und Blutveränderungen (Hydrae-
mie, Haemophilie) voraus. Die halbseitige Abtragung der Thymus
ist zuweilen tödtlich, meist jedoch bleiben die Thiere am Leben und
der zurückgebliebene Theil wird hypertrophisch, dessen Abtragung
führt rasch zum Tode. Die Einbringung der exstirpirten Drüse
unter die Haut vermag das Leben in beträchtlicher Weise nicht zu
verlängern, verzögert jedoch die Entfärbung und kann selbst die
normale Farbe bei einem entfärbten Frosche wieder zum Vorschein
bringen. Die Thymus scheint also eine wichtige Rolle in der Er¬
nährung zu spielen und die durch ihre Abtragung hervorgerufenen
Störungen scheinen von einer Vergiftung mit Substanzen herzu¬
rühren, deren Neutralisirung oder Zerstörung physiologische Auf¬
gabe der Thymus sein dürfte. St.
Aus italienischen medicinischen Gesellschaften.
Soeietä Medico-Chirurgica di Pavia.
Sitzung vom 10. Juli 1896.
Präsident: Prof. Golgi.
Physiologische Wirkungen des Antidiphtherieserums.
Cantii und Monti haben an 29 gesunden Individuen die
Einwirkung der Seruminjectionen auf Blut und Stoffwechsel studirt
und sind zu folgenden Ergebnissen gelangt: Das Serum bewirkt:
1. keine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens; 2. Temperatur¬
steigerung um höchstens 0,ö—1°; 3. anscheinende Verminderung
der rotben Blutkörperchen und des Hämoglobingehalts, verbunden
mit der Verdünnung des Blutes, Vermehrung der weissen Blut¬
körperchen in Folge Reizung der Lymphdrüsen; 4. Verstärkung der
Alkalesceuz des Blutes, Herabsetzung des Blutdrucks; 5. keinen
schädlichen Einfluss auf die Nieren; G. Herabsetzung der Diurese
und leichte Albuminurie, beides Folgesymptome des verminderten
Blutdrucks; 7. erhöhte Löslichkeit und Iiesorbirbarkeit einiger Darm-
stoffo, so besonders des Indicans, in Folge der höheren Alkalescenz
des Darminhalts; 8. wahrscheinlich anomale Zersetzung (fettige
Degeneration) albuminoider Körper.
Anwendung des Antidiphtherieserums bei verschiedenen
Infectionskrankheiten.
Cantü hatte Gelegenheit, an diphtherieverdächtigen oder ge¬
fährdeten Kindern eine Reihe von prophylaktischen Seruminjectionen
aaszuführen, die sich nicht nur als ganz unschädlich erwiesen,
sondern bei verschiedenen Störungen, wie Schleimhautentzündung
der Athmungswege, allgemeinem Unwohlsein, leicht febrilen Zu¬
ständen u. s. w. entschieden günstig wirkten. Diese Beobachtung
veranlasste ilm, die Wirkung der Injektionen auf scharf charakterisirte
Infectionskrankheiten verschiedener Art zu untersuchen. Er con-
statirte, dass weder Ueotyphus, noch Erysipel, acuter Gelenkrheuma¬
tismus und Malaria irgendwelche Wirkung der Seruminjectionen
erkennen lassen, dagegen zeigte sich deutlich günstige Wirkung bei
der croupöscn Pneumonie und bei gewissen Formen von Tuberculose.
In mehreren Fällen von Pneumonie trat schon 14—32 Stunden nach
der Injection ein krilischer Abfall des Fiebers ein und die Recon-
valesceiiz verlief ohne Abweichung von der Norm. Auch bei einigen
Fällen tuberculöser Erkrankungen, besonders bei der sogenannten
typhösen Form der Tuberculose, war die günstige Beeinflussung des
Krankheitsbildes unverkennbar. So kam es in ein paar Fällen von
seit Monaten bestehendem hektischen Fieber nach wenigen Injectionen
bald zu anhaltender Fit berfreiheit. Alle diese klinischen Beobachtungen
wurden auch durch Thierexperimente bestätigt Das Antidiphtherie-
serum wirkt nach Cantii nicht so sehr auf die Mikroorganismen
ein, indem es deren Virulenz abschwächt, als vielmehr auf die
Stoffwechselproducte derselben, indem es deren toxische Wirkungen
paralysirt.
Charakteristische Zellen im Sputum Herzkranker.
Viganö hat bei vielfachen Untersuchungen (in Golgi's
patholog.-histolog Laboratorium) im Sputum von llerzleblerkrankon
conslant vorkommende charakteristische Zellen beobachtet, wie sic
sich im Sputum von Patienten an pleuro pulmonalen Erkrankungen
nicht vorfinden.
Verlauf und Verhalten der Nerven im Nierenparenchym.
Pensa konnte (in Golgi's Laboratorium) die Ergebnisse der
von Retzius, Kölliker, Berkley u A. angebahnten Forschungen
über die Nerven im Nierenparenchym bestätigen und ergänzen. Er
liefert eine ausführliche histologische Beschreibung des Verlaufs der
Nervenbündel, des Verhaltens der perivasalen Plexus und ihrer
Beziehungen zu den Glomeruli und Canaliculi, sowie der sogenannten
gangliären Zellen. Fl.
Verschiedenes.
Herr Volbeding in Düsseldorf hat Schule gemacht.
Wir erhalten in den letzten Tagen von Collegen wiederholt Inserate
aus mitteldeutschen Zeitungen zugesandt, von denen wir eines etwas
niedriger hängen wollen. «Oeffentliclier Dankl Seit vielen Jahren
litt ich an Herzkrämpfen und Lungenhusten, so dass ich oft Un¬
sägliches ausstehen musste, und kein Mittel wollte mir Linderung
bringen, bis ich durch die Behandlung des Herrn Dr. med. Hart-
mann, prakt. und homöopath. Arzt, jetzt in München, Bavaria-
Ring 20, Hilfe fand und meine Schmerzen sofort nach den erhaltenen
Mitteln nachliessen und seither nicht mehr so stark kommen und
nachdem immer wieder bald vergehen, sobald ich von den Mitteln
nehme. Berghülen, 23. Mai 189ö. Georg Duckeck, Sclimiedmeister.« —
In Wien wurden die «Annonceure» von der Aerztekammer zu Rügen
verurtheilt und der von ihnen eingelegte Recurs verworfen. Die
betr. Aerzte wollen nun trotzdem auf die «für ihr Specialfach
unerlässliche Annonce > nicht verzichten, so dass der Ehronrath der
Aerztekammer wohl gezwungen sein dürfte, mit Geldbussen gegen
sie vorzugehen. Wenn die Herren dennoch erklären, die Consequenzen
auf sich nehmen zu wollen, so beweisen sie damit, dass ihr Reclame-
Conto ohne erheblichen Schaden fürs Geschäft noch weiter belastet
werden kann. Non ölet!
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Der heutigen Nummer liegt das 60. Blatt der Gallerie bei: Carl
Gegenbaur.
Therapeutische Notizen.
In der medicinischen Academie zu Turin empfahl Demateis
bei Erysipel die Anwendung von Ung. hydrarg. ein. mit Vaselin
verdünnt im Verhältniss von 1:2. Die Salbe wird nur auf die
erkrankte Stelle leicht eingerieben. Heilung soll schon nach zwei
Tagen erfolgen. Die Methode hat sich ganz besonders auch bei
Fällen von periodisch recidivirendem Erysipel bewährt;
hier empfiehlt es sich, während der Latenz täglich oder alle zwei
Tage die inficirten Stollen 10-15 Minuten lang mit der Meroursalbe
zu massiren, wobei jedoch höchstens 1 g Ung. ein. jedesmal ver¬
rieben werden soll. Demateis verspricht sich von dieser Methode
günstigen Erfolg auch für die Behandlung der auf latenter Strepto-
coccen-Invasion beruhenden Form von Elephantiasis, wie sie im
Anschluss an {läufige Erysipeleruptionen oder chronisch verlaufendes
Erysipel beobachtet wird.
Melloni• Rom will in einem Falle von Nosocomial-
Gangrän mit Injectionen Behring’schen Heilserums schon nach
21 Stunden Stillstand des Processes, nach der 2. Injection Abstossung
der Pseudomembranen und Schorfe erzielt haben. Der betreffende
Patient zeigte vor der Sernminjection 3 1 /,—4°/ou Albumen im Harn,
nach den Injectionen nur l # /oo. - Die Beobachtungen werden noch
fortgesetzt.
786
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Alessandri (Rom) hat neuerdings Versuche gemacht, bei
Vereinigung resecirterDarintheile an Stelle der decalcinirten
Knochenringe, des Murphy'schen Knopfes und ähnlicher Stützen
kurze Teigcylinder anzuwenden, die nach Art der Landerer'schen
Tuben geformt wurden. Zu den ersten Experimenten an Hunden
dienten ihm Stücke gewöhnlicher dicker Köhrennudelu, die er am
dritten Tage nach Anlegung der Naht resorbirt fand. Professor
Durante wandte darauf in der chirurgischen Klinik in Rom die
Teigcylinder mit Erfolg auch bei Darmresectionen am Menschen an.
Am meisten angezeigt ist ihre Verwendung da, wo es sich um Ver-
nähung zweier Dannstümpfe von gleichem Lumen handelt. Fl.
Das Pellotin ist ein von Heffter aus den Anhalouium
Williamsi, einer in Mexico ziemlich häufigen Cacteenart, dargestelltes
Alkaloid. Mit Säuren bildet dasselbe gut cry3tallisirende Salze, von
denen das Pellotinuin hydrochloricum für die therapeuthische Ver¬
wendung ain geeignetsten erscheint. Bei Thiereu hat dasselbe zu¬
nächst eine narkotische und dann eine erregende Wirkung und ist
so am besten dem Morphium vergleichbar.
Jolly hat das Pellotin bei etwa 40 Patienten als Hypnoticum
versucht. Nach Dosen von 0,05- 0,08 g trat in der Regel ein ein-
bis mehrstündiger Schlaf ein. Nebenwirkungen in Form von
Schwindel und Unruhe vor dem Einschlafen und nach dem Er¬
wachen wurden beobachtet, waren aber nicht erheblich. Häufig
bestand Pulsverlangsamnung.
Jolly gedenkt das Mittel weiter zu verwenden. (Therap.
Mon.-Hefte 1896, 6.) Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 18. August. Am 10., 11., 12. und 13. September findet
in Kiel die 21. Versammlung des Deutschen Vereines für öffentliche
Gesundheitspflege statt. Als Themata für die Sitzungen sind gegeben:
I. Grund Wasserversorgung mit besonderer Berücksichtigung der Ent¬
eisenung. Referenten: Baurath A. Tliiern- Leipzig, Professor Dr.
Bernhard Fischer-Kiel. II. Errichtung von Heimstätten für Wöch¬
nerinnen. Referent: Dr. H. B. Brenn ecke-Magdeburg. III Be¬
kämpfung der Diphtherie. Referent: Professor Dr. Carl Fraenkel-
Halle. IV. Die Mitwirkung der Aerzte bei Handhabung der Ge¬
werbehygiene. Referent: Medicinalrath Dr. Gottlieb Merkel-Nürn¬
berg. V. Die gesundheitlichen Verhältnisse in der Handelsmarine
und auf de» modernen Dampfschiffen. Referenten: Geh. Regierungs¬
rath Professor Busley-Kiel, Hafenarzt Dr. Nocht-Hamburg.
— Die Tagesordnung der am 15 und 16 September 1896 zu
Berlin im hygienischen Institut, (Klosterstrasse 36) stattfindenden
XIII. Hauptversammlung des Preussischen Medicinalbeamten-Vereins
nennt folgende Vorträge: Die sanitätspolizeiliche Prüfung der Bau-
projecte von Krankenanstalten durch den zuständigen Medicinal-
benmten. Kreisphysikus Dr. Langerhans, Director der Heb¬
ammenlehranstalt in Celle. — Die Schäden der Curpfuscherei. Kreis¬
physikus Dr. Dietrich in Merseburg — Der Alkoholismus mit
Rücksicht auf die Bestimmungen des neuen bürgerlichen Gesetz¬
buches und des Strafgesetzbuches. Kreisphysikus Dr. Köster in
Goldberg (Schlesien) — l'ie Erkennung vitaler Verletzungen. Mit
Demonstrationen. Dr R. Schulz, Assistent an der Unterrichts¬
anstalt für Staatsarzneikunde in Berlin. - Ueber Bonzolvergiftung,
sowie über die Betheiligung der Medicinalbeamten bei Begutachtung
von Neuanlagen und Veränderungen gewerblicher Anlagen. Kreis¬
physikus Dr. Beinhauer in Höchst. — Ueber den Muskelschwund
Unfallverletzter. Dr. Caspari, prakt. Arzt in Berlin; pro phvsic.
geprüft. Discussion über den Entwurf einer Brunnenordnung —
Kreisphysikus Dr. Schröder in Wollstein — und über die Reiclis-
genchtsentscheidung vom 8. Juni 1896 über die Unzulänglichkeit
von Absperrung- und Aufsichtsmassregeln gegenüber choleraver¬
dächtigen Personen — Kreisphysikus Sanitätsrath Dr Philipp
in Berlin.
~~. Der dritte Internationale Dermatologen-Congress trat am
4. d. AL in London unter Hutchinsons Präsidium zusammen. Der
Besuch war sehr zahlreich; unter den Ehrenpräsidenten erwähnen
wir von Deutschen die Herren Lassar, Neisser, Unna, Wolff.
Die Verhandlungen begannen, nach einer Begrüssungsrede des Vor¬
sitzenden und einer Ansprache Kaposi's Namens der Gäste, mit
einer Discussion über Prurigo, die Besnier einleitete. Am folgenden
läge sprach u. A. Unna über Keratosis; eine grössere Discussion
über Sarcoma cutis wurde von D y c e D u c k w o r t h und S c h w i m m e r
als Referenten eröffnet; es nahmen an ihr Colcott Fox, Pringle
Lassar theil. Joseph sprach über Lichen ruber; über Ulcus rodens
Gaucher Schwimmer, Rosenthal, Lassar. Mit dem Bericht
über die Verhandlungen beginnen wir in nächster Nummer
, , “ * n , Ca ' r o wurden vom 14. bis 27. Juli 2 Erkrankungen
Ji nd i 26 Todesfälle), vom 19. Juli bis 1. August in Alexandrien
47 Erkrankungen (und 40 Todesfälle) an Cholera festgestellt. Die
Gesammtzahl der bis Ende Juli gemeldeten Cholerafälle betrug in
Egypten 15 019 m Alexandrien 915 (mit 12 453 bezw. 772 Todesfällen).
. , nm . der Berliner medicinischen Facultät ist für das
Studienjahr 189b/97 Geh. Medicinalrath Professor Dr. Gusserow
gewählt worden.
v i i~? er Generalar *t der Marine, Dr. Wenzel in Berlin, hat seinen
Abschied genommen; zu seinem Nachfolger ist Oberstabsarzt I. CI.
Dr. Gutschow ernannt.
No.
33 .
— Der Director des Allgemeinen Krankenhauses in Wien
Hofrath Böhm v. Böhmersheim, ist seinem Ansuchen enh
sprechend in den Ruhestand versetzt und an seine Stelle Sanitäts¬
rath Victor Muclia als vorläufiger Director berufen worden
— An der Wiener Universität wird vom 1. September ab ein
zweiter vierwöchentlicher Cyklus von Feriencureen für Aerzte ab-
gehulten.
— Die medicinische Facultät der Hochschule in Halle hat dem
Mitglied des Abgeordnetenhauses, Grafen Douglas, für seine
Verdienste um die Medicinalgesetzgebung und Gesundheitspflege den
Doctor der Medicin honoris causa verliehen.
— Durch eine ministerielle Verfügung ist das Universitäts¬
kuratorium angewiesen worden, auch Frauen den gastweisen Besuch
der Vorlesungen an der Universität Bonn — also als Hospi¬
tanten — zu gestatten. Erforderlich ist in allen Fällen zuvor der
dem Rector erbrachte Nachweis einer hinreichenden Vorbildung und
die eingeholte Zustimmung der betreffenden Docenten.
— Die Löschung der den Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer&Co.
in Elberfeld ertheilten Schutzmarke «Phenacetin» wurde vom Kaiserl.
Patentamt endgültig bestätigt.
— Der französische Unterrichtsminister hat den Rectoren der
medicinischen Facultäten einen Erlass zukommen lassen, in welchem
ausgesprochen ist, dass die aus dem Auslande gekommenen Stu-
direnden der Medicin an den französischen Facultäten, welche das
Recht erwerben wollen, in Frankreich die Praxis auszuüben, ausser
dem Nachweise über entsprechende Vorbildung und jenem über
die Ablegung der Prüfung in den medicinischen Fächern sich auch
noch der Prüfung aus Physik, Chemie und den Naturwissenschaften
zu unterziehen haben. Für Diejenigen, welche auf eine Ausübung
der Praxis in Frankreich nicht reflectiren, bleibt die Inscription
auch ohne Nachweis der Vorstudien offen und sie erhalten nach
vollendetem Studium wie bisher ein Diplom, jedoch mit obiger Ein¬
schränkung. Jedem sich Inscribirenden muss dieser Erlass, der mit
dem nächsten Studienjahre ohne Rückwirkung in Kraft tritt, be-
kanntgegeben werden.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 31. Jahreswoche, vom 26. Juli bis 1. August 1896, die grösste
Sterblichkeit Königsberg i Pr. mit 55,1, die geringste Sterblichkeit
Osnabrück mit 11,4 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr
als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Flensburg,
an Diphtherie mit Croup in Kaiserslautern.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Zum Nachfolger des
Geh Medicinalrathes Professor Georg Lew in als dirigender Arzt
an der Charitd ist nun Professor Lese er aus Bern berufen worden.
— Leipzig. Privatdocent Dr. W. Schoen wurde zum ausserordent¬
lichen Professor der Augenheilkunde in der medicinischen Facultät
ernannt. — Strassburg. Der Amsterdamer Hygieniker Förster
wurde zum ordentlichen Professor in Strassburg, sowie zum Director
des Instituts für Hygiene und Bacteriologie ernannt.
Amsterdam. Professor Dr. C. Winkler, der im Frühjahr
seine Stelle in Utrecht aufgegeben, weil man ihm dort die nöthigen
klinischen Hilfsmittel versagte, ist nun an der hiesigen Universität
als Professor der Nervenheilkunde und Psychiatrie angestellt worden.
Zum Ordinarius für allgemeine und pharmaceutische Chemie ymrde
gleichzeitig hier Dr. C. A. Lobry van Troosteuburg de Bruijn ernannt.
— Bei der Universität Basel sind die bisherigen Privatdocenten der
Augenheilkunde Dr Hosch und Dr. Mellinger zu ausserordent¬
lichen Professoren befördert w'orden. Dr. Mellinger übernimmt
an Stelle des in den Ruhestand getretenen Professors Schies die
Leitung der Baseler Universitäts-Augenklinik. — Graz. Habilitirt:
I)r. F i n o 11 i als Privatdocent für Chirurgie. — Krakau. Habilitirt:
Dr. Baurowicz für Laryngologie, Dr. Reiss für Dermatologie und
Syphilis. — St. Petersburg. Dr. S. v. Botkin ist zum Professor
und Vorstand der neu errichteten Klinik für Infectionskrankheiten
und Bacteriologie an der Kais, medic. Militäracademie in St. Peters¬
burg ernannt worden.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung. Dr. Anton Besnard, appr. 1896, in München.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 32. Jahreswoche vom 2. August bis 8. August 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 2 (1), Rotblauf 1 (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 4 (12), Unterleibstyphus 1
(1), Keuchhusten 5 (3), Croupöse Lungenentzündung 3 (1), Tuber-
culose a) der Lungen 23 (20), b) der übrigen Organe 5 (6), Acuter
Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krankheiten 4 (2),
Unglücksfälle 4 (—), Selbstmord — (3), Tod durch fremde Hand 1 (—)•
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 169 (183), Verhältnisszabl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 21,6 (23,4), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 12,4 (11,8), für
die über dem 5. Lebensjahr stehende 12,1 (11,4).
*J Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
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Beilage zu No. 33 der Münchener medicinischen Wochenschrift.
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• ’T--
c:.
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b:-
No. 14393.
Amtlicher Erlass.
Bayern.
Königlich Allerhöchste Verordnung, betreffend die Abgabe
starkwirkender Arzneien sowie die Beschaffenheit nml Bezeichnung
der Arzneigläser und Standgefftsse in den Apotheken.
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Luitpold,
von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,
Regent
Wir haben Uns bewogen gefunden, die Königlich Allerhöchste
Verordnung vom 9. November 1891, betreffend die Abgabe stark¬
wirkender Arzneien sowie die Beschaffenheit und Bezeichnung der
Arzneiglflser und Standgefüsse in den Apotheken, im Sinne der
unter den Deutschen Bundesregierungen vereinbarten Vorschriften
einer Revision zu unterstellen, und verordnen hienacli auf Grund
des § 367 Ziff. 3 und 5 des Strafgesetzbuches für das Deutsche
Reich und Art. 2 Ziff. 8 und 9 des Polizeistrafgesetzbuches, was folgt:
§ 1. Die in dem beiliegenden Verzeichntes aufgeführten Drogen
und Prüparate, sowie die solche Drogen oder Präparate enthaltenen
Zubereitungen dürfen nur auf schriftliche, mit Datum und Unter¬
schrift versehene Anweisung (Recept) eines Arztes, Zahnarztes oder
Thierarztes — in letzterem Falle jedoch nur zum Gebrauch in der
Thierheilkunde — als Heilmittel an das Publicum abgegeben werden.
§ 2. Die Bestimmungen im § 1 finden nicht Anwendung auf
solche Zubereitungen, welche nach den auf Grund des § 6 Abs. 2
der Gewerbeordnung (Reichs - Gesetzbl. 1883 S. 177) erlassenen
Kaiserlichen Verordnungen auch ausserhalb der Apotheken als
Heilmittel feilgehalten und verkauft werden dürfeu (vergl. § 1 der
Kaiserlichen Verordnung vom 27. Januar 1890 — Reichs-Gesetzbl.
S. 9 — und Art. I der Kaiserlichen Verordnung vom 25. November
1895 — Reichs-Gesetzbl. S. 455).
§ 3. Die wiederholte Abgabe von Arzneien zum inneren Ge¬
brauch, welche Drogen oder Prüparate der im § 1 bezeichnten
Art enthalten, ist unbeschadet der Bestimmungen in §§ 4 und 5
ohne jedesmal erneute ärztliche oder zahnärztliche Anweisung
nur gestattet,
1. insoweit die Wiederholung in der ursprünglichen An¬
weisung für zulässig erklärt und dabei vermerkt ist, wie
oft und bis zu welchem Zeitpunkte sie stattfinden darf, oder
2. wenn die Einzelgabe aus der Anweisung ersichtlich ist
und deren Gehalt an den bezeichneten Drogen und
Präparaten die Gewichtsmenge, welche in dem beiliegen¬
den Verzeichniss für die betreffenden Mittel angegeben
ist, nicht übersteigt.
§ 4. Die wiederholte Abgabe von Arzneien zum inneren Ge¬
brauch, welche Choralhydrat, Chloralformamid, Morphin, Cocain oder
deren Salze, Aethylenpriiparate, Amylenhydrat, Paraldehyd, Sulfonal,
Trional oder Urethan enthalten, darf nur auf jedesmal erneute,
schriftliche, mit Datum und Unterschrift versehene Anweisung eines
Arztes oder Zahnarztes erfolgen.
Jedoch ist die wiederholte Abgabe von Morphium oder dessen
Salzen zum inneren Gebrauch ohne erneute ärztliche Anweisung
gestattet, wenn diese Mittel nicht in einfachen Lösungen oder ein¬
fachen Verreibungen, sondern als Zusatz zu anderen arzneilichen
Zubereitungen verschrieben sind und der Gesammtgehalt der Arznei
an Morphin oder dessen Salzen 0,o3 g nicht übersteigt. Auf Arzneien,
welche zu Einspritzungen unter die Haut bestimmt sind, findet dies
keine Anwendung.
§ 5. Die wiederholte Abgabe von Arzneien in den Fällen der
§§ 3 und 4 Abs. 2 ist nicht gestattet, wenn sie von dem Arzte oder
Zahnarzte durch einen auf der Anweisung beigesetzten Vermerk
untersagt worden ist.
§ 6. Die wiederholte Abgabe von Arzneien auf Anweisungen
der Thierär/.te zum Gebrauch in der Thierheilkuude ist den Be¬
schränkungen der §§ 3 bis 5 nicht unterworfen.
§ 7. Ferner wird bestimmt,
1. dass homöopathische Zubereitungen in Verdünnungen und
Verreibungen, welche über die dritte Decimalpotenz hinaus¬
gehen, von den Vorschriften der §§ 1 bis 5 ausgenommen sind,
2. dass die Abgabe der im § 1 bezeichneten Arzneimittel
auf Anweisungen eines vor dem Geltungsbeginne der
Reichsgewerbeordnung approbirten Zahnarztes oder eines
Wundarztes, soweit beide nach Maassgabe der bestehenden
Bestimmungen zu einer derartigen Anweisung überhaupt
befugt erscheinen, gleichfalls nur nach den Bestimmungen
der §§ 1 bis 5 erfolgen darf.
§ 8. Die Vorschriften über den Handel mit Giften werden
durch die Bestimmungen der §§ 1 bis 7 nicht berührt.
§ 9. Die von einem Arzte, Zahnarzte oder Wundarzte zum
inneren Gebrauch verordneten flüssigen Arzneien dürfen nur in
runden Gläsern mit Zetteln von weisser Grundfarbe, die zum äusseren
Gebrauch verordneten flüssigen Arzneien dagegen nur in sechseckigen
Gläsern, an welchen drei neben einander liegende Flächen glatt und
die übrigen mit Längsrippen versehen sind, mit Zetteln von rother
Grundfarbe abgegeben werden.
Flüssige Arzneien, welche durch die Einwirkung des Lichtes
verändert werden, sind in gelbbraun gefärbten Gläsern abzugeben.
§ 10. Die Standgefüsse sind, sofern sie nicht stark wirkende
Mittel enthalten, mit schwarzer Schrift auf weissem Grunde —,
sofern sie Mittel enthalten, welche in Tabelle B des Arzneibuchs
für das Deutsche Reich aufgeführt sind, mit weisser Schrift auf
schwarzem Grunde —, sofern sie Mittel enthalten, weiche in Tabelle C
ebenda aufgeführt sind, mit rother Schrift auf weissem Grunde zu
bezeichnen.
Standgefüsse für Mineralsäuren, Laugen, Brom und Jod dürfen
mittelst Radir- oder Aetzverfalirens hergestellte Aufschriften auf
weissem Grunde haben.
§ 11. Den Arzneien zuin inneren Gebrauch im Sinne dieser
Vorschriften werden solche Arzneien gleichgestellt, welche zu Augen¬
wässern, Einathmungen, Einspritzungen unter die Haut, Klystieren
oder Suppositorien dienen sollen.
§ 12. Gegenwärtige Verordnung, durch welche die Allerhöchste
Verordnung vom 9. November 1891 aufgehoben wird, tritt vom
1. October 1896 für den ganzen Umfang den Königreiches in Kraft.
München, den 22. Juli 1896
Luitpold,
Prinz von Bayern,
des Königreiches Bayern Verweser.
Frhr. v. Feilitzsch.
Auf Allerhöchsten Befehl:
Der Generalsecretftr:
von Kopplstätter, Ministerialrath
Verzeichniss.
Acetanilidum
Acetum Digitalis
Acidum carbolicum
Antifebrin.0,&
Fingerhutessig.2.»
Carbolsänre.0,i
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
Acidum hydrocyanicum et ejus
salia
Acidum osmicum et ejus salia
Aconitinum, Aconitini derivata et
eorum salia
Aether bromatus
Aethyleni praeparata
Cyanwaaserstoffsäure (Blau¬
säure) und deren Salze O.oui g
Osmiumsäure und deren
Salze.. 0,ooj g
Aconitin, die Abkömm¬
linge des Aconitins und
deren Salze.0,uoi g
Aethylbromid.0,!> g
Die Aethylenpriiparate . 0,t> g
ausgenommen zum äusseren Gebrauch in Mischungen mit Oel oder
Weingeist, welche nicht mehr als 50 Gewiclitstheile des Aethylen-
prüparats in 100 Gewicl.lstheilen Mischung enthalten;
Aethylidenum bichloratum
Agaricinum
Arnylenum bydratum
Amylium nitrosum
Antipyrinum
Apomorpbinum et ejus salia
Aqua Amygdalarum amararum
„ Lauro-cerasi
Argentum nitricum
Zweifachchloraethyliden . 0,6 g
Agaricin.0,i g
Amylenhydrat.4,o g
Amylnitrit.0,oo5 g
Antipyrin.l,i> g
Apomorphin u. dess. Salze 0,2 g
Bittermandelwasser . . 2,o g
Kirschlorbeerwasser . . 2,u g
Silbernitrat.0,o3 g
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
Arsenium et ejus praeparata
(Liquor Kalii arsenicosi
Atropinum et ejus salia
Auro-Natrium chloratum
Bromoformium
Brucinum et ejus salia
Butyl-chloralum hydratum
Cannabinonum
Cannabinum tannicum
Cantharides
Arsen u. dessen Präparate 0,,«* g
Fowler'sche Lösung 0,b g)
Atropin und dessen Salze 0,.»)t g
Natriumgoldchlorid . . . 0,u6
Bromoform.0,s
Brucin und dessen Salze
Butylchloralhydrat .
Cannabinon ...
Gerbsäure« Cannabin
Spanische Fliegen
0,oi g
l,o g
0,i g
0 ,.
Cantharidinum
Chloralum formamidatum
„ hydratum
Chloroformium
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
0,06 g
Cantharidin.0,ooi g
Chloralformamid .... 4,o g
Chloralhydrat.3,o g
Chloroform. 0,6 g
ausgenommen zum äusseren Gebrauch in Mischungen mit Oel oder
Weingeist, welche nicht mehr als 50 Gewiclitstheile Chloroform in
100 Gewichtstheilen Mischung enthalten;
Cocalnum et ejus salia
Codeinum et ejus salia omniaque
alia älcaloidea Opii hoc loco
non nominata eorumque salia
Coffeinum et ejus salia
Cocain und dessen Salze 0,uo g
Codel'n und dessen Salze
und alle übrigen nicht
besondere aufgeführten
Alkaloide des Opiums
nebst deren Salzen . . 0,i g
Coffein und dessen Salze 0,6 g
ausgenommen in Zeltchen, welche nicht mehr als je 0,i Coffein
enthalten;
Colchicin.0,ooi g
Coniin und dessen Salze 0,oui g
Kupfersalicylat.0,i g
Colchicinum
Coniinum et ejus salia
Cuprum salicylicum
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
Cuprum sulfocarboliculn | Kupfereulfophenolat . 0,i g
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
Cuprum sulfuricuin | Kupfersulfat.I,o g
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
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788 __ _
Curare et ejus praeparata
Daturinum . , . .
Digitalinum, Digitalim derivata
et eorum salia
Emetinum et ejus salia
Extractum Aconiti
n Belladonnae
ausgenommen in
Extractum Calabar Seminis
Cannabis Indicae
Beilage zur
Münchener mcdicinischen Woc henschrif t.
No. 38.
0.UU1 g
O.ooi g
Curare u. dess. Präparate
Daturin ..••••••
Digitalin, die Abkömm¬
linge des Digitales und
deren Salze ... • 0,ooi g
Emetin und dessen Salze 0,ou6 g
Aconitextract.0,o2 g
. 0,06 g
ri U umtS“aha i “51 Saize &\
ausgenommen in Zubereitungen zum äusseren Gebrauch bei Thieren;
, .__ I Nitroglycerin.0.«u g
OleumTmygdalaruin aethereum | Aether. Bittermandelöl . 0,, g
Oleum * of yg n eg n . oht yon C y ailV e r bindungen befreit ist;
Crotonöl.0,o6 g
Belladonnaextract
Pflastern und Salben;
Calabarsamenextract . .
Indischhanfextract . . .
/ouuauio *uv..v-.~ l _ u-.—«V. .
ausgenommen zum Äusseren Gebrauch,
Coloquinthenextract . .
Zusammengesetztes Colo¬
quinthenextract . . .
Schierlingextract . . . .
ausgenommen in Salben;
Extractum Digitalis I
ausgenommen in aamen,
0,02
0,1
Oleum Crotonis
„ Sabinae
Opium
Extractum Colocyntliidis
„ compositum
Conii
0,06 g
0,i
0,2
0,2 g
Extractum Hydrastis
fluidum
Hyoscyami
Hydrastisextract . . .
Hydrastis-Fluidextract
Bilsenkrautextract . .
ausgenommen in Salben;
Extractum Ipecacuanhae
„ Lactucae virosae
” ausgenommen in Salben;
Extractum Pulsatillae 1 Küchenschellenextract
Brechwurzelextract
Giftlattichextract . .
Opiiimextract.0,i6
0,6
1,6
0,2
0,3
0,6
Sabinae
Extractum Scillae
n Secalis cornuti
” Stramonii
„ Strychni
Foliä Belladonnae
ausgenommen in
0,2
0,2
Sadebaumöl.0,i
Opium.0,i5 g
ausgenommen in Pflastern und Salben;
Paraldehyd.5,o g
Phenacetin.l,o g
Phosphor.0,ooi g
Physostigmin u. dess. Salze 0,«n g
Pikrotoxin.0,ooi g
Pilocarpin u dessen Salze 0,o2 g
Jodblei.0,2 g
Dower'sches Pulver ... 1.5 g
Brechwurzel.l.o g
Jalapenharz .0,3 g
welche nach Vorschrift des Arznei-
Paraldehydum
Phenacetinum
Phosphorus
Bhysostigminum et ejus salia
Picrotoxin um
Pilocarpinum et ejus salia
Plumbum jodatum
Pulvis Ipecacuanhae opiatus
Radix Ipecacuanhae
Resina Jalapae
Sadebaumextract
ausgenommen in Salben ;
Meerzwiebelextract ... 0,2 g
Mutterkomextract ... 0,2 g
fluidum | Mutterkorn-Fluidextract . l.o g
Stechapfelextract . . . . 0,i g
Brechnussextract .... 0,o6 g
c , Belladonnablätter ... 0,2 g
Pflastern und Salben und als Zusatz zu erweichenden
Kräutern;
ausgenommen zum Rauchen und Räuchern,
Fructus Colocyntliidis | Coloquintben . . ; . . 0, 5
ausgenommen in Jalapenpillen, welche nach Vorscnrm ui
B buchs für das Deutsche Reich angefertigt sind,
Resina Scammoniae I Skammoniaharz . . . . >>,» R
Pliimmn Veratri I Weisse Nieswurzel . . . 0,j g
ausgenommen zum äusseren Gebrauch für Thiere; ^
Santomum Ze ] tchen> welche' nicht°mehr als je 0,o5 g Santonin
enthalten;
Scopolaminhydrobromid . 0,ooo6g
ausgenommen in
praeparati
„ Papaveris immaturi
Gutti
Herba Conii
ausgenommen in
0,6
Präparirte Coloquinthen
Unreife Mobnköpfe . . 3,u
Gummigutt.0,6
, Schierling.0.5
Pflastern und Salben und als Zusatz zu erweichenden
Kräutern;
Herba Hyoscyami | Bilsenkraut..•. 0 ’ b , g
ausgenommen in Pflastern und Salben und als Zusatz zu erweichenden
Kräutern;
Scopolaminum hydrobromicum
Secale cornutum
Semen Colchici
, Strychni
Strychninum et ejus salia
Sulfonalum
Sulfur jodatum
Summitates Sabinae
Tartarus stibiatus
Thallinum et ejus salia
Theobrominum natrio-salicylicum
Tinctura Aconiti
. Belladonnae
Cannabis Indicae
Cantharidum
„ Colchici
Colocyntliidis
„ Digitalis
„ aetherea
Gelsemii
„ Ipecacuanhae
Jalapae resinae
Jodi
Mutterkorn.1.«
Zeitlosensamen.0,3
Brechnuss.0,i
Strychnin u. dessen Salze 4,oi
Sulfonal.2,o
Jodscbwefel.0.*
Sadebaumspitzen . . ■ M
Brechweinstein.0,2
Thallin und dessen Salze 0,6
Diuretin. ’
Aconittinctur .0,5
Belladonnatinctur
Indischhanftinctur . . ■
Spanisch fliegentinctur . .
Zeitlosentinctur . .
Coloquintentinctur . .
Fingerhuttinctur . . .
Aether. Fingerhuttinctur
Gelsemiumtinctur . . .
Brechwurzeltinctur . .
Jalapentinctur . . • •
Jodtinctur
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
Homatropinum et ejus salia
Hydrargyri praeparata postea non
nominata
Homatropin und dessen
Salze.0,ooi g
Alle QueckBilberpräparate,
welche hierunter nicht
besonders aufgeführt
, sind.O.i g
ausgenommen als grane Quecksilbersalbe mit einem Gehalt von nicht
mehr als 10 Gewichtstheilen Quecksilber in 100 Gewichtstheilen
Salbe, sowie Quecksilberpflaster.
Tinctura Lobeliae
Opii crocata
Lobelientinctur
Safranhalt. Opiumtinctur
1,0
2,o
0,6
2,o
1,0
1,6
1,0
V
V
3,0
0,2
1,0
1,6
Hydrargyrum bicbloratum
bijodatum
chloratum
cyanatum
jodatum
nitricum (oxydnlatum)
oxy datum
Quecksilberchlorid . . . 0,o2 g
jodid .... 0,o2 g
cblorür . . . l,o g
cyanid . . . 0,o2 g
jodür .... 0,06 g
(oxydul) nitrat 0,o2 g
oxyd .... 0 ,o 2 g
Upn crocata I —— ... ■ r
ausgenommen in Lösungen, die in 100 Gewichtstheilen nicht mehr
als 10 Gewichtstheile safranhaltige Opiumtinctur enthalten,
Tinctura Opii Simplex I Ei i "* a ? he ^K^fn^nicht mein
ausgenommen in Lösungen, die in 100 Gewichtstheilen nicht m«hr
als 10 Gewichtstheile einfache Opiumtinctur enthalten, ^
Meerzwiebeltinctur . . •
Kalibalt. Meerzwiebeltinct.
Mutterkorntinctur . • •
Stechapfeltinctur . - • -
Strophanthustinctur . . •
Brechnusstinctur . . • •
Aether. Brechnusstinctur
Tinctura Scillae
„ kalina
„ Secalis cornuti
Stramonii
Strophanthi
Strychni
„ aetherea
Veratri
Nieswurzeltinctur
2,o
2,o
1,6
1,0
0,6
1,0
0,5
3,0
ausgenommen als rothe Quecksilbersalbe mit einem Gehalt von nicht
mehr als 5 Gewichtstheilen Quecksilberoxyd in 100 Gewichtstheilen
Salbe;
Hydrargyrum praecipitatum I Weisser Quecksilberprä-
album I cipitat. 0,6 g
ausgenommen alB weisse Quecksilbersalbe mit einem Gehalt von nicht
mehr als ö Gewichtstheilen Präcipitat in 100 Gewichtstheilen Salbe;
Hyoscin (Duboisin) und
dessen Salze.0,ooo6g
Trionalum
Tubera Aconiti
Jalapae
ausgenommen zum äusseren Gebrauch;
Trional
l,o
.. n
Aconitknollen.Y’
Jalapenknollen. ,w
Hyoscinum (Duboisinum) et ejus
salia
Hyoscyaminum (Duboisinum) et
ejus salia
Jodutn
Kalium dichromicum
Kreosotuni
Hyoscyamin (Duboisin)
und dessen Salze . . . 0,ooo5g
Jod ..0,o2 g
Kaliumdichromat .... 0,oi g
Kreosot.0,2 g
ausgenommen in Jalapenpillen, welche nach Vorschrift des Arznei
buchs für das Deutsche Reich angefertigt sind,
3,0 f?
Ü,006 g
2,0 g
Ipecacuanhawein . . • • ®
TlvüpViwpin .6
ausgenommen zum äusseren Gebrauch in Lösungen, welche nicht
mehr als 50 Gewichtstheile Kreosot in 100 Gewichtstheilen Lösung
enthalten;
Lactucarium
Liquor Kalii arsenicosi
Morpliinum et ejus salia
Giftlattichsaft.0,3 g
Fowler’sche Lösung . . 0,5 g
Morphin und dessen Salze 0,o3 g
Urethanum
Veratrinum et ejus salia
Vinum Colchici
„ Ipecacuanhae
„ stibiatum
Zincum aceticum
„ chloratum
Zincum lacticum omniaque Zinci
salia hoc loco non nominata,
quae sunt in aqua sulubilia
Zincum sulfocarbolicum
„ sulfuricum
Uretlian.. • •
Veratrin u. dessen Salze
Zeitlosenwein
0,05 g
0,05 g
1,0 g
cum I «imMuu»» • • • , . übrigen
ausgenommen bei Verwendung der vorgenannten und
im Wasser löslichen Zinksalze zum äusseren Gebraucn^
Brechwein
Zinkacetat.
Zinkchlorid.
Zinklactat u. alle übrigen
hier nicht besonders aul¬
geführten, in W asser lös¬
lichen Zinksalze . . ■
Zinksulfophenolat . • •
Ziuksulfat
1,2 g
0,Oö!g
Verlag von i. F. Lehmann ln München. — Druck von li. Mühlthaler’s kgl. Hof-Buchdruckeiel in München.
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p^h'®“jäch 1 uTiummeravo n dest cnaW e f® hc,nt
--•ISS.-.S—«.- MÜNCHENER s^j,
MEDICIN1SCHE ffOCiffifiOHMPT
(FRÜHER ÄRZTETflUFS TMTf f r TATUrrf __
ÄÄ ^ J n a r *Ä n: pür «* Red«ctIon
mann, Landwohratr 70 -Hü 11 “ J - P. Uh-
an Rudolph Slosse. Promonadepla U , n z d I 6 e " a8ea
(mÜHEE ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgogeben von
München.
Originalien.
Aus der Heilanstalt Reiboldsgrün.
Zur Kenntniss der Haemoptoe bei Phthisikern.
Von Dr. Felix Wolff.
fürde“ve"S°defvl!H- T “ b - r0Ul,iS “ in ih " r Wertlsctatapg
und „ ntnta die A„«a»17derS°
trrttrsi
“ Ä ÄTitL;
wenn soh f dlicll ? re bos »"<>™ energisch bekämpft tu
en, wenn sie auch meines Erachtens an Verkehrtheit der
Mutn"gT5 T hgib ‘’ « die rah “ Bedeutung e“ng™:
blutung wird eben nur Derjenige erkennen, der alle in Frage
kommenden Umstände genau berücksichtigt. S
Unzweifelhaft ist, dass es bedauernswerth und verwerflich
.st wenn, was le,der häufig geschieht, das Blutspeien als zuweilen
ftühzeijges und deswegen werthvolle» Zeichen tubcrculöser Lungen-
H lun, d" g T ng t geaChtet Und dadurch die ^ste Zeit "zur
S en hlnF 8 K r n _r V ? äUmt ^ Ma " ka ™ ^wiss nicht
diesen blutigen Auswurf als pathognomisches Zeichen von Lungen-
letnH r bet r, Chte "’ ab6r alle ' jene Erkrankungen, die "ge-
egentheh zu solcher Erscheinung führen, sind so sehr gegenüber
Tuberculose m der Minderzahl, es ist zumeist bei einiger Sorg-
«TubLnl 0 ^' d ; e . D, ^ cre “ tiaIdia « n ose zu stellen, dass die Diagnose
Tuberculose, bei jeder Blutexpectoration mindestens in Erwägung
vorsSiMr rden d“ US8 ‘- 3 a erfahrencr aber cin A^t ist, desto
Z Sil' T t em Urtheil sein ’ daas auf den ^"«en
weiss d ? • A - ?® H , a€m0pt ° ö sicb nicht findet, denn er
Physikalische T i 3 1 tuberculöse Erkrankung der Lunge durch
« ft V Dter8achung 81cb eruiren lässt, ferner dass der
tu£renhif ef p D ? ^ TubcrkelbaciIIen noch nicht das Vorhandensein
J£""und er wird sich klar machen,
vorhanden Brkrankting nicht selten durch die noch
vorhandene Adipositas des Patienten verdeckt wird und dass auch
scheu Fr«e U H D?en g genüg die ,eicbter erkennbaren katarrhali-
Infiltrationen in Sn n “ ZU ^ erkennba ™ dünnen
S ÜhZeitige Blutung kann dahcr als willkommenes Hilfs-
denn ei er L Diagn ° 8e geradeZn eine günstige Bedeutung haben, wie
vcrhil^ rfa irUngSg T äSa gGrade Kranke > die zu B] ntungen neigen,
Behandl 188 “ r g häUfig “ günsti « em ’ heilbaren Zustande zur
Sinn?m “!>. T eD V Fügt man Weiter binzu > dass in gleichem
sind r; ’ f wenig auf sich zu acbtcn
dienen J 0 “ BIutun g e n als eine heilsame Warnung
des Arztes ’yJ° ? bier ,. WIe dort Voraussetzung, dass Seitens
„enufzt X/ ". d ! cser diagnostische Vortheil der Blutung aus¬
haben kann^ ^ ***** dadur ° h gcwissen Nutzen für den Kranken
doch Fr?« t" nn t 8ich wird> abgesehen davon, dass Blutung
doch Erkrankung bedeutet, jede Haemoptoe als ernste Erscheinung
Maassgebend für die Verschlimmerung als Folge einer Blut,,™
M r nto: *•“ fatssÄ?
llSS eS Pa,,Cntan - diC endlich dei
den V^L? nantita n, deS 1 verIorenen Blutes wirkt schädigend durch
denJedust von Blut überhaupt, weil ein solcher auf den Tuber
Finfl Cn nHt d f r Mengc sicb vergrössernden verderblichen
w S 8 du ’ , aUS r fl 1Cm ° rganC das BIut a - b stammen mag
ausübt ’ dCD di ° B ‘ Utun8 in der Luilgc selbst
beeinflusst ^ BlutVC / IuSt 8cbädigcnd den Verlauf der Tuberculose
bec.nflusst, erg.ebt sich aus einer grossen Reihe von Erfahrungen.
So findet man die Entstehung der Phthise bei Frauen ungemein
mehr g zwp?il B i? fc T aS a" ™ Woebc,lbett i «■ scheint weiter nicht
.“ithisischcn F • ^ M ? StrUati0n ’ nam entlieh bei anaemisch
P itlus sehen brauen, jedesmal zu deutlicherem Hervortreten katar¬
rhalischer Erscheinungen führt; ferner bilden Blutverluste bei
Operationen nicht selten den Anlass zu Erkrankung, und endlich
kann man zuweilen eine seit Jahren anscheinend geheilte Lungen¬
erkrankung nach lang dauernden Blutungen selbst geringfügiger
Hengo (z. B. Haemorrhoidalblutungou) wieder auftreten sehen.
Las8t 8,ch somit die schlimme Bedeutung von Blutverlusten
für den Tuberculösen nicht leugnen, so wird die Blutung für das
Urgan aus dem sic stammt, erst recht von Bedeutung sein; dies
ist nicht allein der Fall, weil das Organ wenigstens zeitweise und
m einzelnen Partien blutarmer wird, sondern besonders auch, weil die
nicht cxpectorirten Blutmasscn sich auch in bisher nicht erkrankten
Lungenpartien ablagern, zu Atelektasen führen und somit die
Grundlage neuer Erkrankungen in diesen Gebieten bilden 1 ).
Zweifellos ist dieser für einen bereits stark geschwächten
Patienten verhängnisvolle Vorgang zum Theil als eine Folge der
allgemein als nothwendig erachteten Therapie der Hacmoptoen an¬
zusehen, die bestrebt ist, durch äusserste Ruhe eine Blutung zum
Stehen zu bringen. Vielleicht wird mit der Zeit die schon jetzt
^ür sogenannte Stauungsblutungcn geltende Regel, den Patienten
nicht nur ruhen zu lassen, sondern auch durch tiefe Athmung
und Anregung der Hcrzthätigkeit (Digitalis) die Blutung zu be¬
enden, mehr und mehr bei sämmtlichen Blutungen Anwendung
finden. Jedenfalls wird mit Recht jetzt schoD darauf zu sehen
sein, dass das Ruhen des Haemoptysikers nicht übertrieben werde,
dass nicht noch lange (etwa 9 Tage, wie vielfach geschieht) nach dem
letzten Erscheinen von Blut absolute Bettruhe und Stillliegen ver¬
ordnet wird und endlich, dass ohne Noth nicht die ebenfalls fast
) Während der Fertigstellung dieser Arbeit sehe ich über
diesen Gegenstand, wie über die Therapie bei Haemoptoen, durchaus
gleiche Ansichten vertreten bei Glucinski, Ein Beitrag zur Frage
der Lungenblutungen. Therap. Monatshefte, Februar 1896.
1
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790
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
allgemein übliche Hungercur der Patienten durchgeführt wird.
Bedenken wir, dass nicht nur durcli die verordneto Ruhe, sondern
unzweifelhaft auch durch den Sehwächezustand des blutenden
Kranken die Expectoration von Blut- uud Schleitnmassen in ver¬
hängnisvoller Weise behindert wird, so haben wir dafür zu sorgen,
dass jener Sehwächezustand durch eine reichliche Ernährung mög¬
lichst verhindert wird, wenn auch die Beschränkung auf flüssige
Nahrung durch die nothwendige Ruhe bedingt bleiben mag; ein
guter Kräftezustand lässt den Kranken auch schwerere Blutungen
ertragen, selbst wenn die Zerstörungen der Lungen eine progre-
dirte ist.
Einem Zusammentreffen progredirter Lungenzerstörung und
eines gewissermassen aufgezehrten Widerstands sind dagegen sicher
jene nicht seltenen Fälle zuzuschreiben, in denen chronisch Lungen¬
kranke, die vielleicht Jahre und Jahrzehnte in leidlichem Wohl¬
sein verlebten, durch eine Ilaemoptoe zu rapidem Exitus geführt
werden. In solchen Fällen ist die allmählich sich verbreitende
Destruction der Lungen unbedingt in erster Linie an der Blutung
betheiligt.
Wenn wir aber an jene zahllosen Todesfälle denken, die
ohne eine Blutung cintrcten, ferner der häufigen Fälle uns erinnern,
in denen Blutungen bei kaum Erkrankten sich zeigen , so steht
fest, dass im Allgemeinen das Erscheinen und die Quantität einer
Lungcnblutung nicht von dem Grade der Destruction abhängig
ist, sondern dass wir auch nach anderen Gründen der Blutung
zu suchen haben.
Die Ursachen einer solchen sind uns aber keineswegs im
vollen Umfang bekannt, und wenn auch die pathologische Anatomie
uns belehrt , dass eine Lungenblutung nur durch Arrosion oder
Bruch eines Gefässcs oder Verletzung kleiner Gefässe zu Stande
kommen kann, so können wir nur folgern, dass die Bedeutung
einer Blutung neben der möglicher Weise eintretenden secundüren
Verschlimmerung stets darin beruht, dass eine Ausbreitung des
Proccsses oder irgend eine Acndcrung gegen den bisherigen Zu¬
stand erfolgt ist, keineswegs aber lässt Erscheinen und Quantität
der Blutung irgend welchen Schluss auf Umfang und Bedeutung
dieser Aenderung zu.
Scheinbar braucht sogar diese Aenderung keine eigentliche
Ausbreitung des Proccsses zu sein und ist unter Umständen ge¬
wissermassen ein normaler Vorgang, der sich unter bestimmten
Bedingungen abspielt.
Eine solche Erklärung möchte ich für jene nicht häufigen
Fälle in Anspruch nehmen, bei denen sehr bald nach dem Ein¬
tritt ins Gebirgs- oder Sceklima eine Blutung sich einstellt, die
leicht überwunden wird und niemals wiedcrkchrt, auch mit ge¬
hobenem Allgemeinbefinden einhergeht. Weiter ist dabei an jene
jedem Anstaltsarzt bekannte Erscheinung zu denken, dass zeit¬
weise nicht bloss in der Art der Duplicität der Fälle, sondern
geradezu wie eine Epidemie Blutungen in grosser Zahl Vorkommen,
anscheinend als Folge meteorologischer Vorgänge, die fcstzustellcn
noch nicht gelungen ist. Wer die Wirkung der Lippspringer
Arminiusquclle und verwandter Quellen kennt, wird vielleicht auch
die leichten Blutungen, die sich bisweilen im Beginn einer nach¬
her erfolgreichen Cur zeigen, zu den in Rede stehenden rechnen.
Endlich ist es kaum ausdenkbar, dass es sich wirklich um
tiefere Aenderungen in der erkrankten Lunge handelt, wenn
Patienten, die zu Blutungen neigen, durch ausserordentliche, aber
kurz dauernde Anstrengungen oder rasch vorübergehende seelische
Erregungen an frischer Hacmoptoe erkranken.
Es sind hiernit sicherlich noch nicht alle Momente aufgezählt,/
in denen die Ursachen zu einer Ilaemoptoe nicht in ernsten Ver¬
änderungen der Lungenerkrankung zu suchen sind, aber sie werden
genügen als Beitrag zur Frage, dass Ilaemoptoe nicht allein von
dem Umfang der Lungcnaffcction abhängig sein kann.
Gerade wenn wir uns die Fälle leichtester Erkrankung mit
initialen, häufig profusen Blutungen und im Gegensatz dazu die
tuberculüsen Erkrankungen, die zum Exitus führen, ohne jemals
Hacmoptoen verursacht zu haben, vergegenwärtigen, bleibt nur
übrig, zur Erklärung des Wesens der Lungenblutungen individuelle
Eigenschaften der Kranken, die mit der Natur der Erkrankung
an sich nichts zu tliun haben, heranzuziehen.
Diese Voraussetzung wird in der Tliat durch die Erfahrung
bestätigt: wer sein Augenmerk darauf richtet, wird finden, dass
ein grosser Theil der Haemoptysiker, besonders solcher, die im
Beginn ihrer Erkrankung Blut speien, überhaupt leicht und reich¬
lich bei Verletzungen zu bluten pflegt.
Sicherlich wird sich nicht feststellen lassen, wie viel Blut
bei einer Verletzung je nach Sitz und Umfang bei jedem Menschen
normaler Weise verloren gehen muss, aber andererseits wird man
bestimmt annehmen müssen, dass die Beschaffenheit des Gefilss-
systeins und die Gerinnungsfähigkeit des Blutes, die bestimmend
für die Quantität des Blutverlustes bei gegebener Gelegenheit sind,
individuell verschieden sein müssen, so dass zwischen eigentlichen
«Blutern» und solchen Individuen, die bei einer Verletzung auf¬
fällig wenig Blut zu verlieren pflegen, alle Abstufungen und Grade
in der Neigung zum Bluten vorhanden sein müssen.
Dieser individuellen Verschiedenheit kommt nach meiner
Meinung eine nicht ganz unwesentliche Rolle bei der Beurtheilung
der Ilaemoptoe der Phthisiker zu.
Die Eigenschaft, bei Verletzungen kaum oder gar nicht zu
bluten, die auch in der excessivstcn Form als krankhaft nicht an¬
gesehen wird, ist so wenig auffällig, dass sic schwer zu verfolgen
ist; sie intcressirt uns ja auch bei der vorliegenden Frage in
geringerem Grade. Die mehr oder minder ausgesprochene Blutungs¬
neigung dagegen ist bei einiger Aufmerksamkeit unschwer zu er¬
kennen und lässt sich, wenn auch nur mit Vorsicht, statistisch
nach weisen.
Denn man wird eine gewisse Hacmophilic bei allen Kranken
annehmen dürfen, die eine entsprechende Frage, nämlich ob sic
bemerkt haben, dass sie bei Verletzungen, Zahnextractionen etc.
leicht und reichlich zu bluten pflegen, ohne Weiteres bejahen.
Selbstverständlich wird freilich unter diesen die relative Hacmo-
philic sehr verschieden entwickelt sein und in manchen Fällen
kaum etwas Anormales erkennen lassen ; dass sie in anderen Fällen,
in denen wir nach der eben angegebenen Weise examinirten, in
hohem Grade bestand, fanden wir mehrfach in überraschender
Weise bei den kleinen Stichen in die Fingerspitze, die zur Blub
Untersuchung nöthig sind.
Ist nun zu berücksichtigen, dass als Ausgleich gegenüber
denen, die reichliche Blutungsneigung angeben, ohne dass diese sehr
entwickelt ist, wiederum viele Kranke nicht ahnen, dass sic leicht zu
starken Blutungen neigen, so wird man einer Statistik auf Grund
anamnestischer Angaben doch eine gewisse Zuverlässigkeit Zutrauen
können.
Es dürfte deswegen von Interesse sein, dass unter den
letzten 100 in Rciboldsgrün aufgenommenen Kranken, die über¬
haupt jemals eine Lungcnblutung hatten, 21 Patienten ganz be¬
stimmt, 9 Patienten mit Unsicherheit die Frage nach Blutungs¬
neigung bejahten; cs stellen diese Zahlen um so mehr einen
hohen Procentsatz dar, weil unter diesen 100 nicht ausgesuchten
Kranken alle Formen der Erkrankung von der leichtesten bis zur
schwersten vertreten sind.
Bemerkenswerth, wenn auch nicht statistisch zu beweisen,
ist, dass die weitaus grösste Zahl der relativ hacmophilen Patienten
nach Anamnese oder Beobachtung Hacmoptoen hatten zu einer Zeit,
wo eine Erkrankung der Lungen kaum oder schwer nachzuweisen
war. Dass diese Erscheinung keine Seltenheit ist, dafür spricht,
dass ich momentan unter meinen reichlich 00 Curgästen 4 Patienten
als solche bezeichnen kann, die eine Lungenblutung immer wieder
in ärztliche Behandlung fuhrt, ohne dass es zu ernsteren Ver¬
änderungen auf den Lungen gekommen ist, obwohl die ersten
Hacmoptoen beroits Jahre zurückliegen. Alle vier Patienten sind
eben in ausgesprochener Weise haemophil und bei zweien der¬
selben scheint diese Eigenschaft auch eine der Familie eigen-
thümlichc zu sein. Sind doch bei einem dieser Patienten zwei
ausgesprochen haemophilo Angehörige, wie dieser selbst, in den
Entwicklungsjahren mit Ilaemoptoe erkrankt und später für Jahr¬
zehnte wieder gesund geworden ! —
Es ist klar, dass bei der Beurtheilung des Einzolfalles, wie
der Bedeutung von Haemoptoön überhaupt, die beschriebene relative
Hacmophilic Berücksichtigung verlangt.
Wenn nach allgemeinen Eindrücken unter den Leichtkranken,
die zur Behandlung kamen, diejenigen, die an Blutungen litten,
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25. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
791
die also wenigstens in geringem Grade hacinophil sind, bei Weitem
überragen und gerade unter den Schwerkranken des Anstalts-
uiatcrials sehr vielo sind, die niemals Blut auswarfen, so erklärt
sieb dies wohl daraus, dass der blutende Phthisiker eher auf sein
Leiden aufmerksam gemacht wird und Hilfe sucht, so dass in
dem früher besprochenen Sinne die kaemophile Anlage eine gute
Bedeutung hat. Man wird auch, ohne einen Fehlschluss zu thun,
sagen können , dass das bei jeder Verletzung leicht blutende In¬
dividuum , so lange cs keine Hämoptoe hatte, unmöglich schwer
an den Lungen erkrankt sein kann.
Ergeben sich hieraus also gewissermassen günstige Verhältnisse
für den relativ Haemophilen, so ist andererseits nicht zu verkennen,
dass ein solcher Patient stets in der Gefahr schwebt, schon bei
geringer LungcnafFection durch Verblutung zu Grunde zu gehen
oder secundär durch Blutung eine rasche Verschlimmerung der
Lungen zu erwerben. Die crstcre Gefahr ist freilich, wie
ich glaube bestimmt behaupten zu können, eine geringe, wenn
man von jenen bereits erwähnten Fällen absieht, bei denen nach
Jahre langem Sicchthum eine Haemoptoe bald das Ende herbeiführt.
Diese Fälle nicht mitgercchnct, habe ich in 4 jähriger Rci-
boldsgrüncr Beobachtung bei mehr als 1200 Tuberculösen einen
Exitus bei einer oder, besser gesagt, unter einer Blutung nur
3mal beobachtet, wobei die Zahl der Todesfälle im Ganzen 31
erreichte.
Der geringe Procentsatz derartiger Todesfälle unter den
Todesfällen überhaupt bildet gewiss eine Grundlage für die War¬
nung, Lungenblutungcn in ihrer Bedeutung für’s Leben nicht zu
hoch zu schätzen. Nicht diese Frage aber ist cs, die hier uns
interessirt, denn bei unrichtiger Behandlung und unvorsichtigem
Benehmen der Kranken wird der betreffende Procentsatz erheblich
steigen, sondern die andere, ob bei den trotz aller Vorsicht vor¬
gekommenen letalen Lungenblutungen nicht die beschriebene hämo-
phile Anlage eine Rolle spielt.
Wenn das kleine Material von 3 Todesfällen ein ausschlag¬
gebendes ist, muss diese Frage unbedingt bejaht, wer den. Betreffs
der,.erstcn letalen Blutung (1892) vermag ich Auskunft nicht zu
geben, weil ich damals mein Augenmerk auf eine mehr oder
minder entwickelte Hacmophilie noch nicht gerichtet hatte, dagegen
war mit Bestimmtheit bei beiden anderen Fällen eine ausgesprochene
Haemophilie vorhanden.
Der eine derselben, der von früheren profusen Blutungen, auch
bei Zahnextractionen, zu berichten wusste, quoad pulmones höchstens
als mittelschwer erkrankt zu bezeichnen war, ging innerhalb weniger
Tage nach und während des Auswurfs colossaler Blutmassen, ohne
dass es trotz aller angewandten Mittel gelang, auch nur kurze Zeit
die Blutung zu stillen, zu Grunde.
Der andere Patient, der bei einer Blutuntersuchung (Stich in
die Fingerspitze) eine ausgeprägte Haemophilie zeigte, wies nur
Spuren einer Lungenspitzenerkrankung auf, die beim mangelnden
Auswurf nicht einmal mit Sicherheit als tuberculös erkannt werden
konnte. Nachdem schon kurz nach Eintritt in die Anstalt eine
geringe Blutung sich gezeigt hatte, machte eine weitere, anscheinend
sehr bedeutende innerhalb weniger Minuten dem Leben ein Ende.
Der zufällig sofort anwesende Arzt konnte nur geringe Blut-
expectoration und den Exitus constatiren. Die Percussion der Leiche
ergab im Gebiete der ganzen linken Seite Schenkelton. Eine durch
den Hausarzt in der Heimath vorgenommene Obduction ergab eine
geringfügige Affection der linken Lungenspitze und linksseitigen
Haematothorax. Leider konnte ich über das Zustandekommen des
Letzteren nichts Näheres erfahren.
Beide beschriebene Fälle dürften einen nicht unwichtigen
Beitrag bilden für die richtige Werthschätzung hoemophilcr Anlagen
bei Lungen-Blutungcn.
Die Beachtung einer etwa vorhandenen Haemophilie kann
immerhin neben den bekannten pathologisch-anatomischen Vor¬
gängen noch nicht in erschöpfender Weise das Wesen der
Haemoptoö der Tuberculösen erklären and es muss jede Erfahrung
über Lungenblutungen herangezogen werden, um mit der Zeit
eine vollgültige Kenntniss derselben herbeizuführen.
Aus diesem letzteren Grunde soll denn auch noch einzelner
klinischer Erfahrungen betreffs Lungenblutungen Erwähnung ge-
than werden.
So muss hier angeführt werden, dass entsprechend den An¬
sichten von Aerzten, die im Hochgebirg prakticiren (L. Spengler,
kgger u. A.), auch im Mittelgebirge constatirt werden kann,
dass entgegen der veralteten Ansicht, als führe das Gebirgs-
Kliina zu Lungenblutungcn, Blutungen im Gebirge bei geeignetem
Verhalten geradezu eine Seltenheit sind. Von 100 beliebig aus-
gewählten Patienten hatten 32 Kranke überhaupt im Verlauf der
Krankheit eine Ilaemoptoe, nur 2 hatten in Reiboldsgrün ihre
erste Lungenblutung, 4 von den 30 verloren auch hier einmal etwas
Blut, dagegen hatten 26 frühere Haemoptysiker von dem Augen¬
blick der Uebcrsicdelung in’s Gebirge keine Blutung mehr.
Ohne etwa einen Zusammenhang zwischen den einzelnen
Erscheinungen zu construiren, sei hier bemerkt, dass bei den zeit¬
weise in Reiboldsgrün zahlreich ausgeführten Blutuntersuchungen
auffällig erschien, dass namentlich im Beginn des Gebirgs-Aufcnt-
halts das Blut zu besonders rascher Gerinnung neigte, derart,
dass dadurch die Haematokrit-Untcrsuchungen wesentlich erschwert
wurden.
Als eine weitere Erfahrung, die sich in diesem Falle stati¬
stisch belegen lässt, sei endlich die Neigung lang aufgeschossener
Menschen, wenn sie tuberculös an der Lunge erkranken, zu
Hacinoptoün erwähnt, es sei denn, dass ein auffällig langes Indi¬
viduum eine besonders geringe Neigung bei Verletzungen zu
bluten besitzt.
Während der Niederschrift dieser Abhandlung führte ein
Zufall die an Körperwuchs grösste jemals von mir behandelte
Dame — 1,83 cm — iu meine »Sprechstunde; sie bat trotz
lange bestehenden leichten Lungenlcidcns niemals Blut ausgeworfen,
gab aber auf die Frage, ob sie bei Verletzungen leicht blute,
mit Bestimmtheit an, sie blute sogar auffällig wenig.
Dass man an solches Vorkommen besonders geringer Nei¬
gung zu Blutungen bei' einzelnen Fällen denken muss, wenn trotz
ausserordentlicher Körperlüngc bei einem Tul>erculü.sen keine Blu¬
tung erfolgt , zeigt dieser Fall. Dass die Neigung langer Leute
zu Hacinoptoen jedoch die Regel bildet, ergibt sieh aus den
folgenden Zusammenstellungen. Es sind bei denselben der Ein¬
fachheit halber nur Männer gewählt und es muss bemerkt werden,
dass die den Exitus einleitenden Blutungen Schwerkranker im
Folgenden nicht mitgezählt sind, dagegen sonst kein Unterschied
zwischen der Schwere der Affection gemacht ist.
Bei 100 tuberculösen Männern nun finde ich, dass laut Angabe
oder nach eigener Beobachtung im Verlaufe des Leidens 40
derselben Lungenblutungcn verschiedenen Grades durebgemaebt
haben.
Diesen 40 Proc. Ilaemoptysikern ohne Rücksicht auf Grösse
gegenüber ergeben sich durchaus andere Resultate, wenn die Körper -
länge der Kranken berücksichtigt wird.
So beträgt die Zahl der Haemoptysiker, wenn man nur die
Männer mit 1,76 cm Körperlänge *) und mehr wählt, bereits
66 Proc. gegenüber den 40 Proc. im Allgemeinen, und greift
man nur die auffällig langgewachsenen Männer von 1,80 cm und
mehr heraus, so ergibt sich, dass uutcr 28 so langen Patienten
nur 3 nicht an Blutungen gelitten haben — also 89 Proc. statt
40 Proc. —, wobei noch nicht einmal mit voller Sicherheit gesagt
werden kann, ob nicht übersehen wurde, diese Kranken nach
Haemoptoen im Beginn des Leidens zu examiniren.
Umgekehrt ergibt bei ausschliesslicher Berücksichtigung auf¬
fällig kleiner Leute, nämlich solcher von 1,69 cm Höhe oder
unter diesem Maass, dass unter 31 tuberculösen Männern nur 5
eine Blutung hatten (10 Proc.). Von diesen 5 aber gaben 3 mit
aller Bestimmtheit eine Neigung zu Blutungen aus allen Organen,
wie oben beschrieben, an.
Als Probe auf das Exempel, dass die Körpergrösse einen Ein¬
fluss auf Lungenblutungen hat, sei noch angeführt, dass ich beim
weiblichen Geschlecht, also dem kleineren, ohne Rücksicht auf
Körpergrössc 23 Haemoptysiscbe unter 100 Erkrankten fand, einen
bedeutenden Unterschied gegen die 40 Haemoptysiker unter 100
tuberculös erkrankten Männern. Weder in dieser Aufstellung, noch
in den vorangegangenen möchte ich jedoch absolute Zahlen Verhältnisse
sehen, etwa als ob in der Regel bei 100 Männern 40, bei Frauen
23 an Haemoptoö erkranken; es müssten für eine solche »Statistik
3 ) Die Angaben über Körperlftnge dürfen nur als relativ zu¬
treffende genommen werden, da die Körperlänge unserer Patienten
mit den Stiefeln bestimmt wird, in jedem Falle also 1—l*/a cm in
Abzug kommen.
1 *
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Münchener me picimsche wo chenschrif^
No. 34.
-X irx
"-ÜT ~
Sr “et: s» z
gemeinen an. . . , au f Grund meiner Er- I
—ec Grösse *. ^
mmmm=
wirken können.
Casuistischer Beitrag zur Pathogenese der Lepto- '
meningitis otica. Cl
Von Dr. Max Breitling, Coburg. *
jTJIÄÄÄtsS "
sr^:r^'r; •
“"nThauoh der c^Ondliche Frcces, mR Vorii*>«M» \
den Windungen der Convcxitäten localisirt, so bleibt er doch in
de” Ste" rillen nicht auf diese beschränkt, sondern bratet
L. nach der Hirnbasis ans, ergreift hier bt'Sond^ d^ Maseb ^
mit denen sich die Arachnoidea von der Pia — am thiasma, den
Vierbügeln, den Schenkeln - zur Brückenbildung abhebt An
eine rein primäre, idiopathische Leptomemngitis mochte ich
glauben.^ ^ ^ 6olehc wohl ziemlich allgemein für die
Fälle reiner Insolation, für die Fälle von Sonnenstich - nicht
Umschlag - ci ne g, i" Cn dass die Symptome des Sonnenstiches
denen ^ der Lcptomeningitis fast gleich sind, für die ^lärung
dürfte aber die Annahme einer Hyperacmia acutissima vollkommen
ausreichcm ^ ^ ^ Literatur bekannt ist, fand man bei den
schnell tödtlich verlaufenen Fällen alle Erscheinungen der Ihm-
rcizung, aber keine eitrige Exsudation.
Bei uns zu Lande sind die Fälle von Sonnenstich bei Ernte¬
arbeitern, Steinbrucharbeitern, vielleicht häufiger, als man im All¬
gemeinen annimmt, aber sie kommen wohl nur ganz aiisnaW
weise zur Scction, wenn gcrichtsärztlichc Rücksichten in 1 0
kommen.^ kouimcn wo y Combinationcn von Hitzschlag
mit Sonnenstich vor, aber reiner Sonnenstich ist selten.
Ich habe einen Fall, den ich für reinen Sonnenstich halte,
im Jahre 1887 beschrieben. Es handelte sich um einen 1 lonicr,
den ich nach fünfstündiger künstlicher Athmung dem Leben
erhalten konnte. In diesem Falle erfolgte die W lcderherstcl ung
aus dem Stadium vollkommenster Lethargie durch ein Stadium
ausgesprochener Ilirnreizung hindurch rückläufig.
In meiner Vorstellungsrcihc über Pathogenese ist der Bcgnrt
der eitrigexsudativen Entzündung mit dem der bactcricllen Infcction
untrennbar verbunden. Ich kann mir eine idiopathische Leptome-
nigitis nicht vorstellen. Ich glaube, dass hier dieselben An¬
schauungen Raum gewinnen werden, wie sie jetzt für das Erysipel
Geltung haben.
Wer -leubt wohl heute noch un ein .Erys.p.1» epoDtäneum
welch« bei Gesunden ul. reine idiopathische Erkrankung der Haut
»tritt» im Gegensau tun, Erysipele, traumat.eum, welche, s,eh
„ n e ; DC Verletzung der Haut anschhesst. . T { .
Man wird wohl auch für die Lcptomoumptrs etne Iufccta
anuehnt, wenn auch die Eintrittspforte für d,e bacUnelle Em-
wanderung nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden kann.
Gans besonders möchte ich diese Ansicht »n stellen für l«e
•f li.nft honbachtetcn Fälle von Keuchhusten mit letalem
unzweifelliaf ^ ^ der Nekropsie eine wohl charakterisirte,
^Hemisphären haubenförmig bedeckende Eiterschwarte gefunden
die ticmsin fQr dicsc Fälle eine Infeetion via
Nasensehleimhaut, Stirnhöhle, Tuben annehmen und die Fälle als
pathogenetisch sccundilr ansprechen zu sollen.
Wenn es keinem Zweifel'unterliegt, dass eine metastat,sehe
T ootomeuingitis von den Nieren, den Lungen, Ovanen, Gelenken
u s w a-gehen kann, so liegt doch in Eiterungsprocessen am
Schädel selbst - des Ohres, des Auges, der Nase - immer
naChS Dio m imptomeningitis otica halte ich für nicht selten.
Eine Statistik aus der Praxis aufzustcllen halte ich_ für un-
Erkrankung gewesen^h», ^ ^ Lel)tomeningitis otica bei Ohr-
" „citserscheieungen der Couyeu-Meniugitis wertei weh racs.
- r -
werden — lciuer uui aiw.u.—.. 0 .
Die frühzeitige Diagnose der Le^ 10 ™®" 1 "f fca ] e
otica hat in den meisten Fällen eine *«
Bedeutung, sie macht die Prognose der flebu ^
entzündung aus einer absolut infau
fast ebenso absolut günstigen. • t die,
Als frühzeitige Di.g.-— ^ . g8 '.
welche noch im Stadium . Zeit, wo
erscheinungen gestellt wird ^ ciner ^gen
noch kein Sopor oder gar Lähmungscrsclicinu g
^* 8 ^Nauh" eingetretenem Sopor ist nieb. Viel » « di „
Bei der Leptomeniugit.« ot.oa «Vf "«“edi.J*
Indication für den operativen hl “ gr * ]1 • dcnC n
erweitert werden zu dürfen für die Yk\U • n
CS sich um Frcmdkörpcr-Actiologic liandc •
Der folgende Fall dürfte vielleicht nach dieser Richtung
ein allgemeines Interesse verdienen. ihn Bah ,
Knabe X, 12 Jahre alt erkrankte 6-Tage ^y^topfung.
mit Kopfschmerzen, vollständigem Äppetitmang ,
“■'Ä Erscheinungen geseliten ***“•&ffiSSS
ordentlich hohe Empfindlichkeit gegen Lieh un der Nac ht,
hohe Empfindlichkeit der Hau taarran.haben,
bevor ich den Knaben sah, müssenstarke Deüne ^
denn die Mutter theilte mir mit, der Knabe se ndihg
wesen, habe um sich geschlagen, getobt, als wenn
im Kopfe wäre. . , . BS d i e Krankheit nut
Auf Befragen wurde mir angegeben, dass
einem Schüttelfrost eingesetzt habe de obje ctive Befand:
Bei der Untersuchung ergab sich der folgen G J gichtsfar be.
Starrer, apathischer Gesichteausdruct ‘“J Hauttemperatur.
Harter, voller, frequenter Puls Erhöhungdern Bchem .
: Sensorium frei. Alle Fragen werdenW
l bar widerwillig. Keine Pupillen-Differenz. {oetide8 Secret.
Aus dem Ohre entleert sich eitriges, mä8 ® 8 cbtü erzhaft
Beklopfung des rechten SchläfenbeinesjWl als.jc
' bezeichnet, ebenso die der .. n i C ht vorhanden.
I Schwellung der Weichtheile des ^^^tlteng empfindüch.
I Der Gehörgang ist verengt durch Schwellung,
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25. August 1896.
JtONC HENEB MEDICINISCHE w omreiwmn.™.
793
noth “" d P **‘ wio htie „ d noerli .„ ich
k «oÄ e ^“r ne »*-ÄÄSi ■>«!«Bf;f; n v:eV 8C \ e i i t:» g : r n ! *:: i tb. r i et K e " nd ce "-
“ -- - ■ V* Erwachsenen, grand^UMch „hneAn"'
konnte keine Rede sein.
das ich immer benuS^um n den E G?hö 8 rKanc IcH M ®? thol - Vas °gen,
Der nach etwa 10 Minuten gemachte VemJÄ 8 r “ aChen '
ts”ng' ^ 8eba, “ en
■* HebeI "» d
äfiSSTÄSST “ dM - BiCh — L “« -ÄSSWS
ssvsss 5®“SSfsawa = - ssrtsaLS
ä &S ä:sä ää «irs™ 8 eme —
_ „ 1 . . , --’ b‘“uu»aiziicn oonc Ans-
un^dJol “ F l a,le / ilie 80r « fillti « 8 Untersuch¬
vif d , 0hrea “eben der der andern Sinnesorgane
orzunehmen oder von einem mit der Otiatrie ver-
' Tt r Ü l die Ausöbun « derselben technisch
genügend befähigten und instrumcntcl 1 genügend
armirten Arzte ausführen zu lassen. g
ccn(li C wnT mU W C ’ ff die8er Forderun K bisher nicht immer
genügt worden ist Ich hege die zuversichtliche Hoffnung, dass
l u stneter Innehaltung dieses Grundsatzes die Mortalität Statistik
»fl
Trommelfelles"' 16 ^ &h ° eÜie hoch ^dige Druckatrophie des
- ääs ja» a cuaas
«- ä ssas sä«
stehende Herabsetzung der Hörfähigkeit auf dem Ohr
etwa ?6 a ^ g w’ , fe8tzu8tell en, dass der Knabe vor
sich dL HoÄ Ho In nf r W ® rk8ta “ eineß benachbarten Tischlers
H ' n das Ohr gesteckt hatte. Einige Tage vor dem Auf-
B a ] n f e '‘ er8te P Krankheitserscheinungen war der Knabe bei einer
£g ? an ^ eren Jun « en g^tossen worden und mi t
einiger Wucht auf eine Treppenstufe aufgeschlagen.
einer t Zu8am “enhang so, dass der Fremdkörper seit
erschein,f j Jahren im Gehörgang domicilirte, ohne Reizungs-
erscheinungen zu veranlassen. Ich habe den langen Aufenthalt
dlreSben^Sff 11 ®° h * Ußg b f obachtet > da ss ich in der Entfernung
Weilen PnX 6Ule T 1 grÖ88ere Gefahr erblicke, als in dem
verweilen — cum grano salis natürlich.
Vemnenl F r mdk ^f r i 8t der Uebel grösstes nicht, sondern der
techiSCtrumentelHer Entfernung bei nicht genügend vorhandenem
erwähnte 6 v f “"“', Wab »?cheinlich ist durch den Fall .erst die
eSafdeJ f Gehö^angswand und eine Otitis externa
erzeugt* 611 ’ * dureh Weite rkriecben die Leptomeningitis
dem lT« a Z'? h T e '° e 80lche gebandelt hat, muss man nach
aem abgerundeten Symptomencomplex annebmen.
Wäre die Entfernung des Fremdkörpers, die Aufhebung des
traumatischen Reizes nicht erfolgt, so würde aller Wahrscheinlich-
®T der tödtliche Ansgang eingetreten sein. Der Desinfection
mochte ich eine Bedeutung nur insofern zuerkennen, als die Zu¬
ruhr neuer Keime durch dieselbe beschränkt wird.
Das ist nun schon der 2. Fall dieser Art in diesem Semester.
Einzig und allein dem Umstande, dass ich zur
.it_ s chuluntersuchungen ausführe, war die früh¬
zeitige Zuführung und Rettung beider Kinder zu
an en. Ich zweifle nicht, dass ohne dieses günstige Accidens
m beiden Fällen die ärztliche Hilfe viel zu spät aufgesucht
Soporf WliFe ’ Wahr8cheinIich erst im Stadium fortgeschrittenen
Unwillkürlich fragt man sich nun: Wie viele solche Fälle
H i-aiYwlIrXmw— A/T_•
So unerfreulich es ist, es muss immer und immer wieder
darauf hingewmsen werden, dass die Ohrenheilkunde von heute
mcht , n d e r Anwendung der Luftdouche besteht, wie mancher
Y\ itzling gern sich und Andere glauben machen möchte
Die Ohrenheilkunde ist eine chirurgische Disciplin, ein
erwachsenes Kind der Chirurgie, sie erhebt nach Wissen und
Können Anspruch auf einen achtunggebietenden Platz in der
Akropolis der Ars medica, sic erscheint berufen, speciell in der
Hirnchirurgie das Beste zu leisten.
zu werden?
Oft genug mag der Tod eintreten, ehe noch die Angehörigen
berhaupt es für nothwendig hielten, einen Arzt zu Rathe
zu ziehen.
Dass die Prognose für die nach langer Zeit bestehenden
Uhreiterungen sich entwickelnde, an eine schleichende Pacby-
memngitis sich anschliessende Leptomeningitis, auch bei frühzeitiger
reilegung des Eiterherdes, nicht annähernd so günstig ist wie
Aus dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-Kinder-Krankenhaus
in Berlin.
Ueber Prodromal- und secundäre Exantheme.
Von Dr. L. Bernhard, Kinderarzt^ in Berlin.
Die grosse Bedeutung der Hautausschläge, die den acuten
Infektionskrankheiten unmittelbar vorangehen oder ihnen folgen
steht in directem Gegensatz zur Konntniss derselben
Abgesehen von dem bekannten, die Variola complicircnden
7f. ) l den , lch Man « el8 genügender Erfahrung hier nicht be¬
rücksichtigt habe, finden sich in der Literatur Uber die Prodromal-
exantheme nur spärliche und ungenaue Notizen.
Die bekannten Lehrbücher sprechen nur von bisweilen be¬
merkten Erythemen oder urticariaähnlichen Eruptionen oder schweigen
. ga " z '. /“ seiuer Arbeit über Masernepidemie der letzten Jahre
(Charite-Annalen XVI. Jahrgang 1891) schreibt Hcnoch: Mit¬
unter gehen der eigentlichen Eruption prodromale Papeln oder
Erytheme, einmal auch Erythema urticatum von höchstens zwölf-
stündiger Dauer voraus. Dann erwähnt Nesti ein scharlachartiges
Exanthem als Initialsymptom der Diphtherie. Bei Rubeolen er¬
wähnen Thomas, Emminghaus und Raymond u. A. das
Vorkommen ähnlicher Hautverändernngen.
Und doch sind diese prodromalen Exantheme durchaus nicht
unwichtig und manchmal läuft man Gefahr, eine Hausinfection
durch ein prodromales, scarlatinaähuliches Exanthem, das Morbillen
vorausging, oder durch ein morbillenähnliches, das vor einem
Soharlach auftrat, zu verursachen.
Die hier in Frage kommenden Hautaffectioncn charakterisiren
sich nach unseren Erfahrungen ungefähr folgendermassen: Am
häufigsten scheinen sie bei Morbillen und Rubeolen aufzutreten,
doch haben wir sie auch vor Diphtherie, Pneumonie, Scarlatina,
Varicellen und Pertussis gesehen. Das Exanthem tritt nicht
charakteristisch für die einzelne Infectionskrankheit auf, sondern
trägt einen polymorphen Charakter. Bald zeigen sich diffuse, nur
kurze Zeit andauernde Erytheme oder kleinere und grössere Flecken
von Fremdkörper Meniniritfc„ Ti* MÜC kQrZe Zeit andauernde Erytheme oder kleinere und grössere Flecken
zu werden ? P M g 18 mogen wohl Vorkommen, ohne erkannt von mehr blasser oder intensiver Röthc. Länger als 3 Tage haben
nr. . _ wir keines anhalten sehen. Das Gesiebt ist. niebt. h«fnll«r»
- -- -t.uvuv. -uttiigci dis o j.age uauen
wir keines anhalten sehen. Das Gesicht ist nicht befallen. Häufig
blasst das Exanthem rasch ab und wird undeutlicher, wenn man
die Kinder zwecks Untersuchung längere Zeit aus dem warmen
Bett ohne Bedeckung hält. Conjunctivitis ist nicht vorhanden,
doch haben auch wir wie Henoch bisweilen schon während
dieses prodromalen Exanthems Lichtscheu bei den später an
Morbillen erkrankten Kindern bemerkt. Oft findet sich eine
Pharyngitis. Die Temperatur ist entweder gar nicht oder nur
uro ui rr arKrtVif Tlrwil» koof.vkf A A_• _3 T.
bei der Fremdkörn«r r< Q ilnnäherD(1 80 günstig ist wie Pharyngitis. Die Temperatur ist entweder gar nicht oder nur
und Begründung ? U8a,tat bedari ke,ner weiteren Ausführung wenig erhöht. Doch besteht öfter Apathie, Anorexie und Launen-
haftigkeit und die Kinder scheinen zu fühlen, dass sie krankwerden.
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Münchener medicinische Wochenschrift.
Es ist nicht möglich, hier eine grössere Zahl von Kranken¬
geschichten zu bringen, es seien nur folgende seltenen erw -
Elli L„ 2‘/* J. alt, hustet seit 8 Tagen beßonders m der Nacht^
“ÄSS. "*Än Hautstellen eine
:kÄ^ b r—»«
perauusteigt gegen AW auf «g, T „^hehnng mehy
Fvnnthem verblasst nach 2 Tagen, ohne Abschuppung zu hinter
lassen Die Unlust, Appetitlosigkeit des Kindes steigert sich a r
"der Zeit, der Husten wird immer stärker und mit mehr
weniger deutlichem inspiratorischen Juchzen. 14 Tage na h Au
Treten des Exanthems wird der erste typische Pertussisanfall notirt.
Hier handelte es sich also um ein Prodromalexanthem
von Keuchhusten. In Frage könnte nur Rubeola kommen ; doch
gab cs in der Zeit und Gegend keine derartigen Falle. Ausser¬
dem fehlten die charakteristischen cervicalen Drüsenschwellungen.
Ein weiterer hierher gehöriger Fall:
Victoria St., 6 J. alt, wird wegen angeblicher Morbiden in s
Krankenhaus gebracht. Das Exanthem soll Tem'.
Allgemeinbefinden nur wenig gestört. Der Status ergab.
Perat Kräf4e8 P Kind 76, A k uf ä der Haut des Rumpfes und der Exteemb
täten ziemlich reichliche bis über linsengrosse, blassrothe rundhche
Flecken Das Gesicht frei. Keine Conjunctivitis. Cervicaldrüsen
nicht geschwollen. Zunge belegt. Pharynx geröthet, auf der rechten
Mandel ein ausgedehnter, grünlichgelber Plaque.
Organbefund sonst ohne Besonderheiten.
D^^acterfologisc^e ^ntereuchung ergab Diphtheriebadnem
Aufnahme auf den Diphthenepavillon und Isolirung dase bst
Nach 2 Tagen war das Exanthem verschwunden. Geringe
Abschuppung. Morbiden und Rubeolen gab f ™
nicht. Es handelte sich um ein Prodromalexanthem der
Diphtherie.
Kurz sei noch folgender Fall erwähnt:
Ein 2jähriger Knabe wurde von mir wegen emes ^morbillen
ähnlichen Exanthems und Lichtscheu auf die Masernstation auf
eenommen. Temperatur 38,7. Das Exanthem blasste nach einem
Tace ab, doch das vorher nur wenig gestörte Allgemeinbefinden
verschlechterte sich zusehends und nach 5 Tagen traten typisch
M ° rb E?ne Hausinfection kann nicht angenommen werden, da der
Bruder des Patienten am Tage des Ausbruchs des MorbidenexanthemR
ebenfalls mit ausgesprochenen Masern ms Krankenhaus gebrach
wurde und die Incubation eine zu kurze war.
Aber nicht nur die prodromalen Exantheme sind von prak¬
tischer Wichtigkeit, ein gleiches Interesse bieten auch die den
acuten Infectionskrankheiten und vor Allem wieder den acuten
Exanthemen folgenden Hautausschlügc. Dieselben sahen wir
in drei verschiedenen Formen:
Bei der ersten Gruppe erschienen am 10-—21. Krank- |
heitstage bei den an Rhinitis, Rhagaden der Lippen, aphthösen
Geschwüren und nekrotisirenden Anginen leidenden Kranken nach
verschwundenem Exanthem resp. nach abgelaufcner Pneumonie
etc. linsen- bis nagelgliedgrosse rothe Flecken auf Rumpf und
Extremitäten. Das Gesicht ist nur wenig betheiligt. Die
Flecken vergrössern sich bald, confluiren, blassen
in der Mitte ab, der rothe Rand scheint wallartig
erhaben und die Haut zeigt ein 1 andkartenähn 1 iches
Aussehen. Nach unbestimmter Zeit verschwinden dieselben,
dauern nicht immer, aber meist bis zum Tode an, der in unseren
Fällen stets eintrat.
Bei Eintritt des Exanthems tritt keine Steigerung der Tem¬
peratur auf, im Gegentheil zeigt dieselbe bisweilen Tendenz
zum Absinken. Bisweilen ist starke Diazoreaction vorhanden,
dieselbe fehlt aber auch oft. Merkwürdig ist das Fehlen von
Eiwciss im Harn bei einem von mir beobachteten hierhergehörigen
Fall, der durch eine Blutung aus der durch Drüseneiterung
arrodirten Jugularvene zu Grunde ging.
Das gleiche Exanthem ist u. A. von llaudnitz als Ery¬
thema exsudativum multiforme septicum beschrieben worden bei
2 Säuglingen mit Nabeleiterungcn, Nackenstarre, starker Albu-
mimonie und schwerer Enteritis. Kein Fieber. Beide Male
Heilung Am neunten Tage nach der Vaccination sah cs
Martineau bei einem 2’/* Monate alten Kinde auf treten.
Die zweite Gruppe characktcrisirt sich folgendennassen:
Es treten am Ende der zweiten oder Anfang der dritten
Krankheitswoche linsengrosso blassrothe Fleckchen in der Nähe der
Gelenke der Extremitäten auf, bevorzugt ist das Kniegelenk
Dieselben schreiten centralwärts fort, so dass bald auch der Rumpf
mit spärlichen Flecken bedeckt ist. Das Gesicht bleibt meist
-anz frei. Eine Beeinflussung der Temperatur war auch hier
wieder nicht zu bemerken und ebenso wie bei der vorigen Gruppe
waren Rhagaden an Nasenflügeln und Lippen, nekrotische Angina
und Phlegmonen an den seitlichen Halspartien vorhanden. Be¬
sonders bemerkenswerth bei diesen Fällen ist ein epidemisches
Auftreten, worauf schon Ilutincl hingewiesen, dessen aus¬
führliche Schilderung dieser Hautaffcction ebenfalls besondere Auf¬
merksamkeit zuwendet. Bei einer derartigen im Kinder¬
krankenhause beobachteten Epidemie starben kurz
hintereinander fünf Kinder. Bei der Section fanden
sich ausgedehnte Pneumonieen, deren Ursprung durch mikroskopische,
wie bacteriologisclie Untersuchung auf Streptococcen-Infection
zurückgeführt wurde; auch aus dem Blute wurden in mehreren
Fällen in vivo Streptococcen gezüchtet. Als Infectionsquelle
müssen die schon erwähnten Ulcerationen u. s w angesehen
werden Es ist sicher eine nothwendige Maassregcl, diese Kinder
streng zu isoliren. Darauf hat schon Ilutinel hingewiesen
Die dritte Art dieser Exantheme zeichnet sich durch
scharlachähnliche llautausschlägc aus. Dieselben traten in unseren
Fällen früher als die vorhergehenden, nämlich schon mi Anfang
oder in der Mitte der zweiten Krankheitswoche auf. Hier zeigte
sich auch mit dem Einsetzen des Hautausschlages häufig eine be¬
trächtliche Steigerung der Temperatur. Im Uebrigen war der
Organbefund auch hier wie bei den vorher erwähnten Fällen
Was die Actiologic der sccundären Exantheme betrifft,
so haben wir schon vorher erwähnt, dass cs uns möglich gewesen
ist, sowohl in vivo aus dem Blute, als auch post mortem aus den
Organen virulente Streptococcen zu züchten. Und in der 1ha
spielen gerade diese Bactcrien sicherlich eine grosse Rolle bei den
sccundären Exanthemen. . „
Es wäre aber verfehlt, anzunehmen, dass dies in allen fällen
zutrifft, wie es z. B. Ilutincl annimmt. Bei einem Falle von
Diphtherie, bei dem aus anderen Gründen fortlaufende bacterio-
logische Untersuchungen gemacht wurden, trat am neunten läge
' der Erkrankung ein ausgedehntes fleckiges, morbillenahnliches
Exanthem auf. Trotzdem ergab die angesetzte Lultur
ausschliesslich Diphthcriebacillen, die auch bis
, zum Tode das Feld behaupteten.
In diesem Falle ist also sicher das «secundäre»
‘ Exanthem durch das «primäre» Virus verursach
worden. Da nun unsere Kenntnisse bezüglich der Erreger der
Infectionskrankheiten noch sehr geringe sind, so muss man mit
. der Annahme, dass die sccundären Exantheme durch andere Bac^
tcrien verursacht werden, als die primären Erkrankungen, oppe
e vorsichtig sein. . ..
, Das Material zu dieser Arbeit entstammt zum weitaus grössten
. Thcile dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-Krankenhausc; Herrn
Prof. Dr. A. Baginsky sage ich für die Ueberlassung desselben
„ meinen herzlichsten Dank.
Aus dem allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg -St. Georg.
Totale Darmausschaltung.
Von (). Liihrs.
(Schluss.)
Nach dieser kurzen casuistischen Zusammenstellung der in der
Literatur bekannt gewordenen Fälle mögen die von mir
teten folgen, welche Herr Dr. Wicsingcr im alten Allgemeinen
Krankenhause zu Hamburg operirte und in einer Sitzung
ärztlichen Vereins kurz demonstrirte.
Fall 1. Ein Fall von totaler DarnmusBchaltung mit partie er
ÖcriuHon^e , ü Jahre a)t> ein zart gebautes, ziemlich anaemisch«
Mädchen, will vor ihrer Aufnahme in die chirurgische Abtnen
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25. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
795
des Krankenhauses schon 19 Wochen krank gewesen sein und an
Schmerzen im Leibe mit abwechselnden Durchfällen und Verstopfungen
gelitten haben.
Bei ihrer Aufnahme zeigt sie typhlitische Erscheinungen In
der Coecalgegend ist eine deutliche, ziemlich weiche, tumorartige
Resistenz fühlbar, welche auf Druck schmerzhaft ist.
Die Behandlung bestand ausser der diätetischen aus Opium
und einer Eisblaso auf die Coecalgegend. Eine Punction in dieser
Gegend hatte Eiter ergeben, wesshalb zur Vornahme einer Operation
geschritten wurde.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigte sich in der Regio coccalis
ein vollkommen unbeweglicher elastischer Tumor an Stelle des
Coeeum und des Processus vermiformis, welcher mit der Umgebung
fest verwachsen war. Durch die Incision desselben wurde ein mit
schlaffen Granulationen erfüllter Hohlraum geöffnet und die Granu¬
lationen ausgekratzt. Darauf wurde die Wunde bis auf eine kleine
Oeffnung wieder geschlossen. Die anfänglich nur sehr spärliche
Secretion aus der Höhle nahm nach einigen Tagen zu, war bräunlich
gefärbt, ziemlich dünnflüssig und von deutlich faeculentem Geruch.
Es war in Folge dessen wahrscheinlich, dass sich eine Kothfistel
gebildet hatte. Dieselbe wurde zunächst durch Tamponade offen
gehalten, um der Bildung eines Kothabscesses vorzubeugen. Da
die Fistel aber späterhin gar keine Tendenz zur Heilung zeigte, so
wurde bei der Unmöglichkeit, sie zu exstirpiren, wie sich dies
schon aus dem ersten Eingriffe ergeben hatte, zu einer Ausschaltung
des Coeeum mit angrenzendem Colon ascendens und einem Theil
des Colon transversum geschritten.
Nach Verschliessung der Kothfistel mit Jodoformgaze und
Collodium wurde durch einen Laparotomieschnitt rechts vom Nabel
die Bauchhöhle eröffnet. Nach dein kleinen Becken hin fand sich
ein Gebilde, das wie ein prallgefüllter Processus vermiformis aussah.
Mit dem Coeeum war eine Ileumschlinge verwachsen. Sonst zeigten
sich keinerlei Adhaesionen. Ungefähr 10 cm von der adhaerenten
Stelle wurde das Ileum durchtrennt und sodann das coecalwärts
gelegene Ende blind vernäht. Darauf wurde in der Mitte des Colon
transversum dieselbe Operation vorgenommen, mit Rücksicht darauf,
dass die Vereinigung der resecirten Darmenden ohne Zerrung leicht
gelänge. Auch das coecalwärts gelegene Transversumende wurde
blind vernäht und schliesslich das Colon transversum mit dem
Ileum nach Czerny'scher Methode ohne Schwierigkeit vereinigt.
Die Bauch wunde wurde darauf schichtweise vernäht, die Heilung
derselben vollzog sich per primam
Die noch bestehende Fistel sonderte zuerst noch eine etwas
faeculente Flüssigkeit, aber keinen Koth mehr ab. Jetzt besteht
die Secretion noch in einer geringen Menge eitrig schleimiger Flüssig¬
keit, welche Epithelzellen, Leukocyten und Mikroorganismen, darunter
Bacterium coli, enthält Die Verengerung der Fistel geht nur langsam
von statten, doch ist die Tendenz zur Verkleinerung eine zweifellose
und wird sich die Fistel in absehbarer Zeit wahrscheinlich ganz
schliessen.
Das subjective Befinden ist ein gutes, Appetit und Gewichts¬
zunahme zufriedenstellend. Die Resistenz ist vollkommen in der
Coecalgegend verschwunden. Die bestehenden diarrhoeischen Stühle
sind wahrscheinlich auf eine Tuberculose des Darms zurückzuführen.
Ein Gesichtserysipel und Influenza-Anfall während der Reconvales-
cenz werden gut überstanden.
Fall 2 Ein Fall von totaler Ausschaltung mit totaler Occlusion.
Hier handelte es sich nicht um eine Affection des Coecums, wie in
den anderen beiden Fällen von totaler Occlusion, sondern um eine
Erkrankung im Colon transversum und descendens.
Anna W., 30 Jahre alt, litt seit 3 Jahren an hartnäckiger
Obstipation und zugleich ging ihr mit dem Stuhlgang Eiter ab.
Dazu gesellten sich allmählich zunehmende Schmerzen im Leibe,
besonders auf der linken Seite. Dieselbe war sehr druckempfindlich.
Man konnte in der Gegend des Colon transversum an seiner Um¬
biegungsstelle zum Colon descendens einen harten schmerzhaften
Strang durch Palpation nachweisen. Zugleich ergab die Untersuchung
per rectum eine Anzahl oberflächlicher, kleiner Ulcerationen in der
Schleimhaut desselben, nach welchem Befunde man mit grosser
Wahrscheinlichkeit auch derartige Processe in der druckempfindlichen
Partie annehmen konnte. Weder aus der Anamnese noch aus der
Untersuchung der Kranken konnte mit Sicherheit Lues oder Tuber-
culose nachgewiesen werden. Innere Mittel, Jodkali sowie hohe
Darmausspülungen mit adstringirenden und desinficirendcn Sub¬
stanzen ergaben keinen Erfolg. Es wurde daher an der Uebergangs-
stelle des Colon ascendens in das Colon transversum, welche man
als gesund ansah, ein Anus praeternaturalis angelegt, um zunächst
die erkrankte Darmpartie von der Kothreizung zu befreien und um
dieselbe mit Ausspülungen und Sondirungen behandeln zu können.
Eine Besserung wurde auch hierdurch nicht erzielt und durch
die Sonde wurden Stenosen an einzelnen Stellen des Darmes nach¬
gewiesen. Eine Beseitigung des Anus praeternaturalis war daher
nur durch Ausschaltung der erkrankten Darmpartie zu erreichen.
Zunächst wurde das zum Anus praeternaturalis führende
Colon ascendens von diesem losgelöst und das mit der Oberfläche
in Verbindung gewesene Stück resecirt. Darauf wurde der Bauch¬
schnitt in der Mittellinie vorgenommen. Die Flexura sigmoidea
wurde an ihrem untern Ende durchtrennt, das zum Colon gehörende
Ende blind vernäht, das zum Rectum gehörige mit dem Colon
ascendens, welches quer durch den Leib zu ihm hingeleitet wurde,
durch Enterorrhaphie vereinigt, die Bauchwunde sodann geschlossen.
Als Fistelöffnung für den ausgeschalteten Darmtheil diente das
schon bei der Anlegung des Anus praeternaturalis offen in die
Bauchwand eingenähte Ende des Colon transversum. Der Verlauf
der Heilung war ein glatter. Aus der Darmfistel wurde Anfangs
ein reichliches eitrig-schleimiges Secret abgesondert, doch wurde
dasselbe bald durch Behandlung mit desinficirenden Ausspülungen
bedeutend vermindert. Der Stuhlgang war seitdem regelmässig
geworden, doch wurden von den Ulcerationen im Rectum immer
noch eine geringe Menge von Eiter und Schleim abgeschieden.
Das Allgemeinbefinden besserte sich sehr, Patientin isst wieder
mit grossem Appetit und erfährt eine Gewichtszunahme von
mehreren Kilo.
Eine mehrmonatliche Beobachtung zeigte, dass Patientin
dauernd gesund und ohne Beschwerden blieb.
Dagegen machte sich bei ihr allmählich eine psychische Depres¬
sion geltend in Folge der fortwährenden, wenn auch nur geringen
Secretabsonderung und der Darmfistel und es war für sie der Ge¬
danke schrecklich, diese Fistel nun zeitlebens mit herum tragen zu
müssen; sie bat daher, sie doch von diesem ihr unerträglichen Zu¬
stande befreien zu wollen, welchem Wunsche durch den Verschluss
dann Folge gegeben wurde.
Seitdem ist der Geinüthszustand ein vollkommen normaler
wieder geworden und nach weiterer siebenmonatlicher Beobachtung
fühlt sich Patientin vollkommen gesund. Nur eine geringe Secret-
absonderung aus dem After besteht noch fortwährend. Im Leibe
ist rechts oberhalb des Nabels noch ein härterer Strang zu fühlen,
welcher wahrscheinlich dem ausgeschalteten Colon transversum an¬
gehört Derselbe ist jedoch auf Druck fast gar nicht mehr empfind¬
lich. An der Stelle des ehemaligen Anus praeternaturalis hat sich
ein Bauchbruch in der Narbe gebildet, der aber keine Beschwerden
verursacht.
Nach dieser (’asuistik der am Lebenden ausgeführten totalen
Darmausschaltungon drängen sich nach einem Ueberblick über die
erzielten Erfolge zwei Fragen auf:
1. Eignet sich jedes beliebige Darmstück zur totalen Aus¬
schaltung V
2- Verdient die totale oder partielle Occlusion den Vorzug?
Die Beantwortung der ersten Frage ergibt sich wohl direct
aus den nach den Operationen gemachten Erfahrungen. Es stimmen
auch darin so ziemlich alle Autoren überein, dass sich zur totalen
Ausschaltung nur der Blinddarm und Dickdarm eignet, während
der Dünndarm im Allgemeinen für das Verfahren ungeeignet ist.
Eine Darmauschaltung am Dünndarm ist nur dann überhaupt
möglich, wenn eine Fistelöffnung angelegt wird, welche für dio
sehr starke Secretion einen Ausfluss bietet. Denn eine ausge¬
schaltete Dünndarmpartie seccrnirt fortwährend, auch wenn sie
nicht mehr durch hincingelangendc Speisemassen zur Verdauung
herangezogen wird, immerhin noch eine solche Menge Darmsaft, das»
eine totale Occlusion hierbei überhaupt als ein lebensgefährliches
Wagniss anzusehen ist.
Lässt man aber eine Abflussöffnung für das Sccret, welche
gewissermassen wie ein Anus praeternaturalis wirkt, so wird für
die Träger einer solchen ein Zustand geschaffen, durch welchen
sic in ihrer Arbeit behindert und in hohem Grade in ihrem
Lebensgenuss gestört werden.
Wenn auch in einem Falle Salzers, wo derselbe eine
grössere Ueumpartie mit totaler Occlusion ausschaltete, die Secretion
ganz aufhörto, so haben doch seine übrigen derartigen Thier-
experimente, sowie die von Reichel und die am Menschen aus¬
geführten Dünndarmausschaltungcn nicht die gleich günstigen
Resultate gegeben.
Dies zeigen die Operationen von Körte und O b a 1 i n s k i,
welche in je einem Falle Dünndarmausschaltung mit Abfluss¬
öffnung für das Secret ausgeführt hatten. Durch die Beschwerden,
welche dadurch ihre Patienten hatten, wurden sie nachträglich
gezwungen, die Exstirpation des ausgeschalteten Stückes vorzu¬
nehmen, welche dann in beiden Fällen zu vollkommener Heilung
führte. Der Fall von Ei sei aberg (8) kann hierfür nicht ganz
mit herangezogen werden, weil sich hier eine Communication des
ausgeschalteten Dünndarms mit dem übrigen Darm und so eine
Kothfistel bildete, welche natürlich den Abfluss vermehrte.
So wird man, wenn man eine Dünndarmausschaltung auch
theoretisch ohne Gefahr machen kann, dieselbe doch höchstens
dann nur praktisch einmal ausführen, wenn man von vornchcrcm
die Absicht hat, sie nur als temporäre Voroperation mit nach¬
träglicher Exstirpation des ausgeschalteten Theils vorzunehmen.
Denn unnöthiger Weise wird man nicht gern einen Patienten
2 *
Mf,Mf!TTWNFj R MEDIOINISOHE WOC HgMBCHMFT.
No. 34.
- ---—-
7 i? -- -- TT “\Z, n „ teu VorsicMnmnätorngol» ein berechtig«» und nicht immer
*£ rttuÄ ÄSÜbiidnng an wenden warton ,S£Äl31^* - -
“If^rÄrt sp?« ä p “
SJLi^-t: rÄ-- =;" 1 -
PW- - " ri : „ der 2 Frage, co „ehe» wir, dm* JÄ" einigen tatigen Unannehnrüchkerten befre.en tan.
=BrS- n^'äSSris
nisireschalteten Darmstückes gegenüberstellen. zu dürfen, wie sie bereits v0
In der Beantwortung dieser Frage nehmen die einzelnen eincr Demon8trat ion hervorgehoben sind. , . h nur
ln aer _v„u„„„r,n V>i« ip.tzt existiren- „ . ..i. r»„,..,^i,capVi5ilt.nne kommt praktiscn nur
Tn der Beantwortung uiesui -~ .
. wie aus der über Darmausschaltungcn bis jetzt existiren
den Literatur ersichtlich ist, eine VeTche.
Inz und gar verwerfen, treten auf der anderen Seite Baracz,
ObaHnski und auch Körte lebhaft für dieselbe ein.
Pie Erfahrungen and BeobanMnngen am Lebenden, Jü™
die Thierexperimente zeigen, dass die Gefahren
Oeolnsion bei Weitem nicht ,0 groee sind, «. s.e ^
gestellt wurden. Denn dic Secretabsonderung im Dickdarm, tu
welche der totale Verschluss ja überhaupt nur m Trage kommt
ist nur eine geringe und kann ganz aufhören. Auch ist
Ansammlung von Secrct ohne Schaden gut vertragen
Andererseits kann aber auch doch cm vollkommener Vor- |
Schluss in vielen Fällen gefährlich werden.
Es scheint daher auch hier ein Mittelweg der beste zu sein
Dic Standpunkte von Biseisberg und Höchenegg dürfte
vielleicht etwas zu extrem sein. Brsterer stellt in jedem ia
eine Fistelbildung, als sicherer und wo sie überflüssig, als mit
nur geringem Nachtheil verbunden hin. , . ...
Letzterer widorräth totale Occlusion an jedem Darmabschnitt
als zu gefährlich und hält sic desslialb für unzweckmassig, «ml
man der erkrankten ausgeschalteten Partie nicht mehr ^tmedma-
mentösen Einwirkungen beikommen könne. Aber auch
sichten von Baracz und Obalihski muss man mit einiger Reserve
auffassen. Sie halten die totale Occlusion für etwas ganz
Ungefährliches und wollen sie in allen Fällen angewendet wisse,,
zu welchen Schlüssen sie namentlich auf Grund ihrer be
günstigen Erfolge kommen. , .
Am rathsamsten scheint es doch immer, zunächst bei totale
zu aurien, «« "- . ,
einer Demonstration hervorgehoben sind.
1 Für die totale Darmausschaltung kommt praktisch nur
dl Gebiet des Dickdarms und Blinddarms m Betracht.
2 Me totale Occlunion wird der Fi.tolbildnng mer.t v»™ehee
s in doch wird man gut tbun, mnächat umner er». Ab
flussöftimng tu lassen, von der man später d.e Ausslcbt
3 pttoLlfAuLVatog’^ di^ partielle durch Entom-
anLtomose in Folge ihrer mannigfachen Vorige a« den,
(lebiete des Piekdarms und Coeenms rmmer mnb '“drtog™.
4 In alle» andern Fällen, wo total» Anssehaltnng »ndI»
section niebt möglich ist, wird man me,st noch mit Nute»
die Enteroanastomose anwenden.
Literaturangaben.
S.Uer, Ueber D.rmaus.cha|tnngen Beiträge rar Chiro«
2 *"** *
3 SocSen"Tg,“i» Beitrag ä»r Corto.l CMrurge und nur Ile.-
4 oto
t
kiin. Wochenschr. 1893, 8. nn .i «her die Ver-
6 - Wendung’ dÄÄ^rnberPenenLtomie. Centralb»
I ’o^aÄ Zur’’totalen Parmansschaltung. Centra.blatt »
a gSTtf Zut^’ Darmausnclialtung Arebiv für Ulin. Chirmg.e
9 SiiÄe 4 i, Ueber die Berechtigung der Darmau^iaUung mit
' totalem Verschluss. Centoalbtatt^f ür C “["XaTting mit totalen.
günstigen Erfolge kommen. .. , . . • ttl totalem Verschluss. Centralblatt tür ^n rurK > m5t totalem
Am rathsamsten scheint es doch immer, zunächst bu totalu Qbalinski, Zur Berechtigung der DarmauMcbalt g
Ä 11. Prager med
schon"bestehende Fistel als Abflussöffnung zu lassen, wie dies m ^
beiden von mir beschriebenen Fällen gemacht wurde. I1,,u ^ Wiener klin. Wochenschr 189o, 16 20 . .. carc inomato8a, ge-
’ - ---- -i-1*- '*.1"- da durch eine einzige derartige v. Er 1 a c h, Ein Fall von Fistula lleo-vagina caran 4
heilt durch parinausscha tung EÄtl. T**
beiden von mir Dcscnnewcuuu -. . . ,
ist wohl eine doppelte Ocffnung, da durch eine einzige crar ige »•«““-*•>- . Wiener klin wocneimcm.
stets für genügenden Abfluss gesorgt wird, mit Ausnahme der- heilt dujch parmausschaltung^ W' ener f der totalen Darm-
jenigen Fälle * wo eine nachträgliche Uesection der erkranktem 14 . ObÄ »«*»«£ Ä‘Wer klin. Wochenschr.
1 art 'Dann'kTnu°man eine Verminderung des Sccretes ruhig ab- 1& ßfe r^ Casuistik der Darmausschaltung. Münchener med.
warten, resp. auf dieselbe medicamentüs einwirken lat«bc Wochenschr. IgJ, jer Darmausschaltung mit totaler
nach einiger Zeit von selbst oder durch entsprechende Behandlung 16 . WieBjn,geriEin Fa^ ^ Wochenschr . 1895, 51. wiener
geringer geworden, so kann man ohne Gefahr für die Fatientei v Eiseisberg, Zur Casuistik der Darmausschalt g
zur vollkommenen Verscbliessung der Fistel schreiten. Jedenfalls • kbn wochenschr. 1896, 12—14.
wird dadurch eine HeUung erzielt, wie sie idealer durch Darm- __
ausschaltung nicht gedacht werden kann. . u „„Iran hPI
Auch wird man sich dic Patienten m höherem Maasse zu verschiedenfachen Lagerungen der Kranken
Dank verpflichten, wenn man sie schliesslich von den docl, immerhin Qnerationen Ein neuer Operationstisch,
lästigen Beschwerden einer auch nur geringen Secretion befreit, UperatlOne . Dresden
als wenn man sie zeitlebens mit einer Fistel herumlaufcn lässt. Von Dr. med. Otto Ihle m D
Wie der eine von mir beschriebene Fall beweist, wurde der (Schluss.)
Verschluss der Fistel zu einer zwingenden Nothwendigkeit aus ^ ^ Er{ahrungen und Betrachtungen, welche^.j^
psychischen Gründen, und es ist der Effect, der dadurch erreicht über ^ bisherigen Operationstische in , d ® n Z^weeen eine Con-
wurde, gewiss nicht zu gering zu schützen. niedergelegt habe, bin ich von jjeher bestrebt g ^ rten Uebel-
Der Zustand dieser Patientin, welche sicli noch fortwährend 8truc ti 0 n ausfindig zu machen, bei welcher
in Beobachtung befindet, beweist, dass totale Occlusion mit den stände sämmtiich vermieden werden.
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25. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
797
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U-'"- •
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IU
jft' 1 '
3t:
Mannigfache mühsame, vor Allem sehr zeitraubende und recht
kostspielige Versuche haben mich endlich auf die Construction eines
Operationstisches geführt, der die denkbar grösste Sicherheit und
Leichtigkeit in seiner Handhabung, Bowie alle wünschenswerten
weiteren Vorzüge bietet und dabei doch einfach im Bau, sowie
leicht zu reinigen ist.
Mein Operationstisch, Zubehör sowie Anwendung desselben,
ist in den nachfolgenden Abbildungen veranschaulicht. Zur Er¬
läuterung derselben mögen die nachfolgenden Erklärungen dienen.
Der Operationstisch selbst
besteht, wie aus Fig. 5 ersichtlich
ist, aus einem viereckigen läng¬
lichen Rahmen, in welchen die
hinter dem Operationstisch auf¬
gestellte Tischplatte eingelegt
wird, und aus einem eigenartig
geformten Untergestell, an dessen
obersten Punkten der Rahmen
selbst drehbar angebracht ist.
In der Mitte des Rahmens sowohl
als des Untergestelles verläuft je
eine lange kräftige Schrauben¬
spindel der Art, dass dieselbe,
mit ibren beiden Enden in Lagern
ruhend, um ihre Längsachse dreh¬
bar ist. Ergreift man den in
Fig. 5 links am Boden liegenden
Drehling und steckt ihn bei A an,
so vermag man die obere, setzt
man ihn bei B oder C an, so
vermag man die untere Schrauben-
spindel in Umdrehung zu setzen.
Auf jeder der beiden Schrauben¬
spindeln verläuft je eine Schrau¬
benmutter, an welcher je ein
nach der vorderen und je ein
nach der hinteren Längsseite des
Tisches reichender Hebelarm be¬
festigt ist. An den freien End¬
punkten der beiden Hebelarme oben am Rahmen des Tisches sind
die 8tangen rr angebracht. Diese sind innerhalb der daselbst be¬
findlichen Führungen in ihrer Längsrichtung verschiebbar. Setzt
man nun die obere Schraubenspindel vermittelst des Drehlings in
Bewegung, so gleitet die auf ihr befindliche Schraubenmutter je nach
der Richtung der Umdrehung entweder vorwärts oder rückwärts
und zwingt dementsprechend die Stangen r r, diese Bewegung in
gleicher Weise mitzumachen. Auf diese Weise ist es ermöglicht,
dass die an den Endpunkten der Stangen anbringbaren Knieschalen
sich vom Tische entfernen oder näher an denselben heranrücken.
An den Endpunkten
derjenigen beiden Hebel¬
arme hingegen, welche von
der an der unteren Spindel
verlaufenden Schrauben¬
mutter ausgehen, sind die
Hebel b h angebracht.
Diese fassen nach oben zu
die Tischplatte an. Wird
nun die untere Schrauben¬
mutter durch Umdrehung
der Schraubenspindel inBe-
wegung gesetzt, so nimmt
sie die Hebel bald mit
nach vorwärts, bald mit
nach rückwärts. Dabei
hebt [sich die Platte des
Tisches oder sie senkt sich,
bis sie endlich in einem
Winkel von 45° zur Hori¬
zontalen steht. Die Knie¬
schalen werden, wie bereits
angedeutet, in den freien
Endpunkten der Stangen
rr angebracht, indem sie
mit ihren Stäben in die
daselbst befindlichen Bohr¬
ungen eingelassen und
mittelst iKlemmsch rauben
daselbst festgestellt werden.
An der hinteren 8tange r
ist dies in Fig. 5 bereits
zur Ausführung gebracht, während die vordere Stange r noch frei
iBt, und die zu ihr gehörige Knieschale am Boden liegt. Die
Kniescbalen selbst sind derartig geformt, dass in ihnen nicht allein
das Knie, sondern auch zugleich der diesem zunächst befindliche
Theil sowohl des Oberschenkels wie Unterschenkels zu liegen
kommt. Die Befestigung der Extremitäten innerhalb der Knie¬
schalen geschieht dadurch, dass an einem jeden der beiden Beine
zwei Gurte, das eine über die Aussenseite derKnieschale und über
den Oberschenkel weg, dasandere über die Aussenseite der Knie-
No. 34.
schale und über den Unterschenkel herumgeführt und sodann ver¬
knotet wird.
Diese Art der Befestigung ist eine ausserordentlich zuverlässige
schon insofern, als sich weder der Unterschenkel strecken, noch der
Oberschenkel heben kann und die vorher geschilderten Nachtheile,
welche sich hieraus ergeben würden, gänzlich ausgeschlossen sind.
Die Formung der Knieschale selbst iBt weiterhin derartig, dass ein
Druck auf die nerven- und gefässreiche Gegend der Kniekehlen
nicht stattfindet. Selbst nach sehr lange dauernden Operationen
machen sich üble Folgen, die von
der Fesselung herrübren, niemals
bemerkbar.
Die Gurte lassen sich leicht
abnehraen und auskochen, sie
sitzen aber, wenn sie angelegt
sind, in Schlitzen so fest, dass
sie weder am Oberschenkel noch
am Unterschenkel hin und her¬
rutschen oder abgleiten können.
Fig. 6 zeigt den Tisch, nach¬
dem der Patient auf denselben
aufgelegt ist und die Kniee in
den Knieschalen in der eben ge¬
schilderten Weise direct befestigt
sind. Der Kranke lässt sich jetzt,
ohne dass man ihn anzufassen
braucht, auf der Tischplatte bald
vorwärts, bald rückwärts ver¬
schieben, indem man einfach den
an der oberen Schraubspindel an¬
gesetzten Drehling nach rechts
oder linkB herum dreht. Denn es
wird hierdurch die Entfernung
der Knieschalen vom Tisch oder
ihre Annäherung an denselben
bewerkstelligt. In jedem Momente
aber, wo man den Drehling loslässt,
um die Umdrehung der oberen
Schraubspindel zu unterbrechen,
bleiben auch sofort die beiden Knieschalen in der Stellung, die man
ihnen eben gegeben hatte, unverrückbar feststehen. Der Patient ist
in der Lage, in die man ihn eben gebracht hatte, befestigt. Wir
selbst lagern den Kranken auf der Tischplatte stets so, dass das
Steissbein gerade hart auf der Kante des Tisches aufrubt. Hiermit
verbinden wir einen besonderen Zweck. Der Drehpunkt der Tisch¬
platte ist nämlich derartig angelegt, dass, wenn der Kranke die
eben bezeichnete Lage inne hat, das Becken bei Herstellung der
Schieflagerung jedweden Grades stets gerade um soviel über die Hori¬
zontale emporsteigt, dass der Operateur in dasselbe den gleich guten
Einblick hat, wie während
der Geradlagerung in die
eigentliche Bauchhöhle,
ohne dass es erst nöthig
ist, ihm Tritte unterzu-
schieben.
Wird nämlich die
Schieflagerung hergestellt,
so darf das Becken nicht
ganz in derselben Höhe
bleiben, in der es sich bei
der Geradlagerung befindet,
sondern es muss stets um
etwas höher steigen. Der
Operateur würde sich sonst
selbst nach abwärts bücken
müssen, und zwar um so
mehr, je steiler die Schief-
lagerung wird, da alsdann
die Symphyse desto mehr
den Einblick in die Tiefe
des Beckens veretellt. Es
darf aber andererseits das
Becken sich nicht so stark
himmelwärts erheben, dass
der Gebrauch von Tritten,
wie bei den bisherigen
Tischen, nöthig wird.
Bei Kranken jeder
Körperlänge können wir
erreichen, dass der Steies
auf der Kante der Platte
ruht, da eben die Entfernung der Knieschalen vom Operations¬
tische der Länge der Oberschenkel entsprechend vermittelst der
unterhalb der Tischplatte angebrachten Schraubenspindel Vorrichtung
eingestellt werden kann.
Liegt das Steissbein gerade auf der Kante des Tisches, so
hat dies überdies noch den Vortheil, dass bei den Manipulationen
an und in den äusseren Genitalien die Tischplatte selbst nicht
berührt wird und demnach auch nicht aseptisch gemacht zu werden
braucht. Die Schieflagerung selbst ist in Fig. 7 zur Anschauung
8
Fig. 5.
Fig. 6.
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798
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No; 34,
gebracht. Hier ist der stärkste Grad der Trendelcnburg’schen
Lagerung, bei dem die Platte des Tisches in einem Winkel von 40° zur
Horizontalen stellt, zum Ausdruck gebracht. Selbstverständlich aber
ist es möglich, alle Zwischengrade bis zur horizontalen Geradlagerung
hin in den feinsten Niiancirnngen und Abstufungen herzustellen.
Zahlreich und mannigfaltig sind die Vorzüge, die bei Hand¬
habung des Tisches im Vergleich zu den bisher bekannten
Operationstischen hervor¬
treten. Lediglich durch die
Umdrehung der Kurbel,
welche man an der unteren
Schraubenspindel ansetzt,
wird die Platte des Tisches
gehoben oder gesenkt. Die
Umdrehung der Kurbel
selbst geht mit spielender
Leichtigkeit vor sich. Da¬
bei macht es keinen merk¬
lichen Unterschied aus, oh
die Platte des Tisches leer
oder belastet ist. Ja selbst
bei einer Belastung von
‘JO Centnern ist die Um¬
drehung der Kurbel kaum
wesentlich erschwert.
Innerhalb 15 .Secunden
vermag man die horizontal
stehende Tischplatte bis
auf den höchsten zulässi¬
gen Grad der Schieflager-
ung zu senken. Neigungen
geringeren Grades werden
selbstverständlich in noch
kürzerer Zeit erreicht Ganz
ausserordentlich wichtig ist
die Thatsache, dass in
einem jeden Augenblicke,
wo der Narkotiseur aufhört,
an der Kurbel zu drehen ====*=====
und seine Hand von dieser
wegzieht, die Tischplatte Li«
in derjenigen Neigung, in
die sie eben liine inversetzt
wurde, unverrückbar feststeht. Gefahren des plötzlichen Nieder¬
gleitens der Platte, st oysweise Erschütterungen der Kranken, die
Möglichkeit, dass Instrumente ausgleiten und Nebenverletzungen
erzeugen, besteht hier nicht, wie solche hei anderen Coristriictioneu
und besonders bei dem Zahnstangenmecbanismus eintreten, wo
die verschiedenen Steigcrungender «Sehieflage ruckweise und gleich
mehrere Centirneter von ein¬
ander abstehend erfolgen.
Ohne Erschütterung
des Kranken und ohne
Behinderung des Opera¬
teurs, der inzwischen ruhig
weiter arbeiten kann, gleitet
die Platte sanft nach auf-
oder abwärts, gewisser-
masBcn dem Willen des
Operateurs sich stillschwei¬
gend fügend. Die Bethei-
lignng von Personal, durch
dessen zufassende Hände
das aseptische Gebiet der
Wunde gefährdet werden
könnte, laute Commando-
rufe, die zur Anstellung
der Leute ertönen, und die
übrigen bekannten Unbe¬
quemlichkeiten kommen
vollständig in Wegfall.
Kasch, sicher, angenehm
und mit lautloser Eleganz
vollzieht sich die Neigungs-
veritnderung der Tisch¬
platte, auch wenn sie noch
so häufig vorgenommen
wird, und es ist die feinste
Dosirung der verschieden¬
fachen Neigungsgrade in
einem jeden einzelnen
Augenblicke der Operation _,.
möglich. — Von hervor- °-
ragender Bedeutung ist
ferner der Umstand, dass dem Operateur und Assistenten nicht
Tritte untergeschoben werden müssen, wenn während der Operation
an Stelle der Geradlagerung die Schieflagerung hergestellt wird.
Denn durch das Unterschieben von Tritten erwachsen bekanntlich
mannigfache, recht beschwerliche und gefährliche Störungen, die wir
früher des Näheren erörtert haben. Von ausserordentlich günstiger
i sSMB
ßfö-.A
u ■
-. £•
Bedeutung ist es fernerhin, dass die Kniee weit von einander
gespreizt sind, und der Kaum zwischen den Oberschenkeln freibleibt,
so dass selbst der Operateur oder sein Assistent bequem und ohne
die Stellung verändern zu müssen, den Zeigefinger in die Vagina
einführen können, wie dies bei manchen Laparotomieen behob
Euipordrängung von Beckentumoren und besonders auch bei der
abdominellen Uterusexstirpation so wichtig ist. Mit der denkbar
grössten Sicherheit ist die
Befestigung der Kranken
innerhalb der Kniwchalen
verbürgt, wie dies oben-
stehend detaillirt erläutert
wurde. Es ist aber weiter¬
hin auch absolut auage-
schlossen, dass der Patient
durch das Gewicht der
eigenen Schwere auf der
Platte selbst nach abwärts
gleitet und die Beinbalter-
stangen innerhalb ihrer
Führungen verschiebt. Die
unterhalb der Tischplatte
angebrachte Vorrichtung
der Scbranbspindel ver¬
hindert dies. Schulter¬
stützen sind demnach über¬
flüssig.
Eine Reihe von Opera¬
teuren liebt es, den Kopf
der Kranken so hoch an
lagern, dass er oberhalb
der Ebene, auf der der
übrige Körper ausgestreekt
ist, zu liegen kommt
Wünscht man dies zut huo,
so bedarf es keiner be¬
sonderen Vorrichtung am
Operationstische selbst,
sondern man schiebt dem
Kopf ein einfaches Kissen
7. unter. Ich selbst ziehe es
aber vor, den Kopf mit
dem übrigen Körper in
einer Ebene zu lassen, weil hierbei die Trachea nicht abgeknickt
wird, und die Atlnnung leichter von Statten geht. Zahlreiche
Versucht! mit beiden Methoden haben mich auch in anderer Be¬
ziehung überzeugt, dass das Weglassen einer besonderen Kopf
stütze entschieden besser ist. Für Chirurgen indessen mag eine
Rückenlehne bei manchen Stellungen hin und wieder erforderlich
sein, und hat infolgedessen
Richard Lehmann, der
meinem Tisch bei allen
seinen chirurgischenOpeia-
tionen verwendet, eine
solche ersonnen. Dieselbe
ist in den vorliegenden Ab¬
bildungen nicht dargestellt
Es sei nur bemerkt, dass
sie einfach in ihrer Con-
struction', auf der Tisch¬
platte verschiebbar und in
jeden beliebigen Winkel
zu derselben geneigt tu
stellen ist. Ein einziger
Handgriff ist zu ihrer Be¬
dienung ausreichend.
Mein Operationstisch
ist so eingerichtet, dass
er eine bisher noch uidit
beschriebene und zuerst
von mir angewendete und
angegebene Lagerung des
Kranken gestattet. Dies®
Lagerung besteht darin,
dass im Gegensatz tu ^
Trendelenbnrg’schen
Schieflagerung nicht der
Kopf und Oberkörper der
Kranken gesenkt und dss
Becken erhoben, sondern
dass umgekehrt das Beck®
gesenkt und Kopf und Ober¬
körper gehoben werden
Vergl Fig 8-
Diese Lagerung, welche ich mit gegenwärtigen Zeilen unt«
dem Namen «Ueherhnb» bekannt gebe, hat verschiedene tew
nennenswerthe Vortheile. Die Därme sinken, wenn sie ausreicheou
entleert sind, in das kleine Becken hinab, ihr Meeentenum «•«
angezogen und entfaltet sich. Bei Operationen an Gallenblase W
Magen braucht der Dünndarm nicht vom Operationsfeld * W ' 1CI
Digitized by t^ooQie
25. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
799
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gehalten zu werden, sondern er fällt spontan weg. Magen, Duo¬
denum, Colon transversum, Gallenblase und Leber werden dadurch
freier ansichtig und zugängig, um so mehr als diese Organe direct
selbst nach der Nabelgegend zu herunter und der vorderen Bauch¬
wand näher rücken Fernerhin gleiten auch die Nieren nicht uner¬
heblich nach vorn und unten. Die Vornahme der transperitonealen
Nietenexstirpation ist vortheilhaft erleichtert. Bei derLaparotomie wegen
Ileus können wir weiter¬
hin das Convolut der auf¬
geblähten Darmschlingen
bald bei Gebrauch der
Schlieflagerung vom kleinen
Becken weg. bald bei Ge¬
brauch des Uebcrhubes
vom Oberbauch wegbrin¬
gen. Das Absuchen des
ge8ammten Darmrohres ist
wesentlich erleichtert.
Auch wenn es sich
um die Ausführung einer
Laparotomie im Bereicho
des kleinen Beckens han¬
delt, ist die Anwendung
des «Ueberhubes* werth-
voll. Will man nach Aus¬
führung der eigentlichen
Operation sich von der
Beschaffenheit des Magens,
der Nieron, der Leber und
Gallenblase unterrichten,
so braucht man nicht, wie
dies bisher zu diesem
Zweck nöthig war, den
Bauchschnitt nachträglich
noch weit nach oben bis
über den Nabel zu ver¬
längern, sondern man stellt
einfach den «Ueberhub*
her. Die erwähnten Organe
fallen nach unten und sind
den Augen und dem Tast¬
sinn djreet zugüngig. Dreht man den Tisch jetzt um, sod.iss das
Licht in den Raum des Oberbauches hineinfüllt und hebt man
das oberste Ende der Bauchschnittwunde mit dem hakenförmig
gekrümmten Zeigefinger nach oben, so erhält man einen überraschend
klaren Ueberblick. Die Hand lässt sich bei hergestelltem «Uebcr-
Fmb» bequem und rasch bis zur Zwergfellkuppe emporführen, ohne
dass man sich erst langsam und allmählich durch die Dünndarm¬
sehlingen dürchzüw üblen
braucht.
Auch direct bei Opera¬
tionen im Bereiche des
kleinen Beckens, wo aus¬
gedehnte W lindflächen,
deren Blutstillung zweifel¬
haft ist, Zurückbleiben,
leistet die Anwendung des
Ueberhubes werthvolle
Dienste. Häufig nämlich
erscheint die Hämorrhagie
gestillt, da der eigentliche
Eingriff in Schieflagerung
vorgenommen wurde, und
während desselben die
Hanptblutmasse sich nicht
im Becken, sondern im
Oberkörper und Kopf be¬
findet. Würde man jetzt
in der Schieflagerung der
Abdomen schliessen und
sodann die Geradlagerung
heiatellen, so könnte es
nachträglich zn Blatungen
innerhalb des Bauchraumes
kommen, denen das Leben
kurz nach der Operation
erliegt. Wenden wir aber
vor Schluss der Bauch-
*Wrde auf einige Minuten
üoberhob an, so können yjg
wir mw überzeugen, ob,
nachdem der Hauptblut-
8trom in das Becken eingelaufen ist, eine Blutung erfolgt. Ergiesst
sieh kein Bltft, so können wir getrost die Bauchnähte zuknüpfen,
andernfalls aber durch Umstechung oder Tamponade dem gefähr¬
lichen Ereigniss der Hämorrhagie zuvorkommen.
Schauta bat auf Grund sinnreicher Versuche in über¬
zeugender Weiße datgethan, dass wir behufs Vermeidung von Ileus
n»eh Lapnfotomieen vor Knüpfung der letzten, den Bauchraum
arachhemenden Nftlhe, unbedingt Geradlagerung Herstellen müssen.
Das Nähere hierüber ist oben bereits angegeben. Die Experimente
Schauta’8 gestatten den Schluss, dass noch besser als Gerad¬
lagerung die Anwendung des «Ueberhubes» sein muss, den ich dem¬
entsprechend am Schluss einer jeden Laparotomie in diesem Sinne
anwende.
Bei Abseifung der Bauchdecken und Abspülnng derselben in
Ueberhub fliesst sämmtliche Flüssigkeit zwischen den Oberschenkeln
ab, während in Geradlage-
rung, oder gar in Schief¬
lagerung Brust und Kopf
des Kranken benetzt wird.
Nachdem, was ich in
voranstehenden Zeilen aus¬
geführt habe, empfehle ich
die Anwendung des Ueber¬
hubes den Fachgenossen
aufs Angelegentlichste.
Vielleicht werden sich im
Laufe der Zeit noch mehr
Vortheile herausfinden. Die
HerstellungdesUeberhubcs
geschieht durch einfache
Umdrehung der an der
unteren Schraubspindel an-
gesetzten Kurbel und zwar
innerhalb eines Zeitraumes
von nur f» Secunden. •
Weitere Vortheile hat die
Anwendung des Ueber¬
hubes insofern, als sich
die Ausspülung der Scheide
technisch sicher gestaltet,
weil der letzte Rest der
Flüssigkeit, der für ge¬
wöhnlich imhinteicn Schei-
idengewölbe zurückbleibt,
sich von selbst vollkommen
entleert. Auch der Kathe-
y terismus der Blase führt
in Ueberhub zur vollstän¬
digen Entleerungdes Urins,
während hei Vornahme des Eingriffes in Geradlagerung der Regel
nach noch reichliche Harn mengen Zurückbleiben.
Einer besonderen Lagerung, die eine Modification der horizon¬
talen Geradlagerung darstellt, bedient sich Päan. Während näm¬
lich sonst bei der gewöhnlichen Gradlagerung, der gesammte
Körper des Kranken einschliesslich der Kniee in einer Ebene liegen,
glaubt Pöan besondere Vortheile dadurch zu erreichen, dass er
die Kniee tiefer lagert. Bei
dieser Lagerung, die in der
Geburtshilfe unter dem
Namen der Walch er’-
schen Lagerung bekannt
ist, entfernt sich die Sym¬
physe von der Lenden-
wirbelsäule. Der Einblick
in das Becken wird freier
und klarer. Während
Fritsch diesen Vortheil
so hoch anschlägt, dass er
meint, die abdominelle
Totalexstirpation des
Uterus werde wesentlich
erleichtert, wollen andere
Operateure absolut nichts
von ihr wissen, weil die
Bauchdecken straff ge¬
spannt würden und dess-
halb nach Eröffnung des
Abdomens in unbequemer
Weise auseinander gehalten
werden müssen, damit die
Wunde durch sie nicht
verschlossen wird. Dieser
Vorwurf trifft indessen
nicht zu, wenn es sich um
Entfernung umfänglicher
Tumoren handelt, da nach
Hervorwälzung derselben
10. die überreichlichen und
schlaffen Bauchdecken
sehr vortheilhüft eine
Straffung erfahren. A. Martin ist ein eifriger Verehrerder IV a n'Sehen
Lagerung. Er benutzt zu ihrer Herstellung allerdings nur ejnen
einfachen viereckigen Tisch, auf dem der ganze Körper der Kränken
mit Ausnahme der unteren Extremitäten aufliegt. Der
hart an der Tischkante gelagert. Die Oberschenkel Und Unterschenkel
hängen frei herab. Der Operateur sitzt während der Operation
zwischen den Schenkeln der Kranken. Wird die P6an'8che Lagerung
in dieser Weise hergesteilt, so ist sie nichts weniger als sicher, da
3 *
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i
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCH RIFT.
der Kranke leicht abrntscbt. Um dies zu vermeiden und um über¬
haupt Bewegungen der nicht gefesselten Extremitäten zu verhindern,
muss stets ganz tiefe Narkose inne gehalten werden. Bei Herz- und
Lungenaffectionen aber, oder auch nur bei längerer Dauer der
Ooeration, ist dies recht nachtheilig. Demgegenüber gestattet der
von mir angegebene Operationstisch die Herstellung der Pe an sehen
Lagerung in sehr einfacher
und sichererWeise dadurch,
dass die Knieschalen tiefer
gestellt werden. In Fig. y
ist dies veranschaulicht;
während die Stellung der
Kniee bei der gewöhnlichen
Geradlagerung. wo sie mit
dem übrigen Körper in
einer Ebene liegen, in Fig. 5
dargestellt wird.
Im Gegensatz zu
P 6 a n glaubt Landau be¬
sondere Vortheile dadurch
zu erreichen, dass die
Kniee nicht tiefer als die
Ebene, auf der die Kranke
liegt, sondern umgekehrt
gerade höher als diese ge¬
lagert werden. Er führt
hierdurch eine Entspan¬
nung der Bauchmuskeln
herbei, so dass nach Er¬
öffnung der Bauchhöhle
die Wundränder bequem
und leicht auseinander¬
gezogen werden können.
Manipulationen in der
Tiefe des kleinen Beckens
sollen sich nach seiner An¬
gabe viel unbehinderter
ausführen lassen. Fig. 10
zeigt die Land au'sehe . ._
Lagerung und ihre Herstellung auf dem von nur angegebenen
Operationstisch. Es werden einfach die Stangen der Knieschalen
höher eingestellt. Selbstverständlich kann man den in P6anscher
oder Landau’scher Lagerung befindlichen Kranken noch ausser¬
dem in die Trendelen¬
burg’sehe Lagerung oder
in den von mir angegebenen
Ueberhub bringen, so dass
dann noch die Vorth eile
dieser Lagerungen zu den
vorerwähnten binzutreten.
Weitere noch nicht
zur Besprechung gelangte
Lagerungen der Kranken,
deren wir uns bedienen,
sind die Seitenlage der
Patientin, die Rückenlage
mit ausgestreckten Beinen
und die Steissrückenlage
mit an den Leib gezogenen
Extremitäten. Auch diese
Lagerungen lassen sich
mit Hilfe meines Tisches
besonders bequem und
sicher herstellen. Um die
Seitenlage oder die Rücken¬
lage mit ausgestreckten
Beinen zu ermögliche*',
steckt man die beiden
Knieschalen mit ihren Stä¬
ben einfach vom Opera
tionstische ab und setzt
an ihrer Stelle entweder
ein, wie dies in Fig. 11
veranschaulicht ist, oder
auch zwei längliche Bretter
an, die an den unterhalb
der Tischplatte verlaufen¬
den Horizontalstangen ver¬
mittelst eigenartiger Vor¬
richtungen raschen und
festen Halt finden. Nun¬
mehr kann man selbstver¬
ständlich noch weiterhin
die Vortheile der Schief- .
lagerung oder diejenigen des Ueberhubes zur Anwendung bringen,
indem man die untere Schraubenspindel vermittelst des Drehlings
in Bewegung setzt. Die intraperitoneal und extraperitoneal gele¬
genen Organe des Bauchraumes fallen somit auch hier entweder
nach oben oder unten. Ueberdies kann es selbst bei Operationen
am Kopfe, am Halse oder an den Extremitäten sehr vortheilhaft
sein, dass man die Tischplatte bald hierhin bald dorthin za neigen
im Stande ist. . _ . .
Der Steissrückenlage mit an den Leib gezogenen Extremitäten
bedienen wir uns bekanntlich, um chirurgische Eingriffe an Blase
und Mastdarm, sowie um Operationen an und in den äusseren
Genitalien^ besonders bei Frauen auszuführen. Der Steins der
J Kranken wird am Besten
so weit hervorgezogen, dass
nicht er allein, sondern
womöglich noch der letzte
Lendenwirbel über die
Tischplatte hervorsteht.
Die Kniee kommen hier¬
bei meist bis in die Gegend
der Achselhöhle zu liegen.
Siehe Ihle, Asepsiß, Stutt¬
gart, Enke 1895 pag. 108
bis 117.
Will man die Steiss¬
rückenlage auf meinem
Operationstisch heretellen,
so kann man dies in der
Weise thun, dass man die
Knieschalen mit ihren Stan¬
gen vom Tische einfach
abnimmt. An demjenigen
Ende der Tischplatte, wo
bei den übrigen Lagerun¬
gen sich der Kopf befin¬
det , werden Beinhalter
irgend welcher Art ange¬
bracht, und die Kranke in
ihnen gefesselt. In Fig. 12,
wo diese Lagerung darge¬
stellt ist, sind die von mir
angegebenen Beinhalter
angeschraubt. Selbstver¬
ständlich aber kann man
jeden anderen Beinhalter,
mit dem man zu arbeiten gewohnt ist, ebensogut anbringen. Ist
der Kranke in Steissrückenlage befestigt, so kann man noch weiter¬
hin Schieflagerung oder Ueberhub herstellen Die Platte «te
Tisches wird durch Umdrehung der unteren Schraubspindel ge
hoben und gesenkt. Pen
Drehling steckt man aber
hier an dem entgegenge¬
setzten Endpunkte der
Schraubspindel, also nicht
bei B in Fig. 5, sondern
bei G an. Aach die
unterhalb der Tischplatte
verlaufenden Horizontal.
b langen lassen sich, wie
dies in der Abbildung
theilweise veranschaulicht
ist, abstecken. Noch ein¬
facher aber gestaltet sich
die Herstellung der Staiss
rückenlagerung, wenn mau
das in Fig. 14 abgebildete,
sogeuannte 8teissbrett be¬
nutzt, und man sich seine
Beinhalter an diesem gleich
fest anbringen lässt. Die
Knieschalen mit ihren
Stangen werden vom Tische
abgenommen nnd an ihrer
Stelle das Stetasbrett ein¬
fach angesetzt. DreBere
in sehr handlicher und
prompter Weise an den
unterhalb der Tischplatte
verlaufenden Horizontal-
Stangen vermittelst eigen¬
artiger, sehr einfacher, aber
ausserordentlich fester V
richtung. Die Plätte ^
TUches wird durch
Ansatz des
umeinhwi-s“ -
Diese Art, die Steiss¬
rückenlage hertus teilen,»
desshalb besser als*®
vorerwähnte, weil die Gegend unterhalb der Tischplatte * .t, en
Seite viel freier ist, da die Tischbeine, welche dem vor der a ^
sitzenden Operateur in der Regel unbequem werden, * e, 7'
ihm abgerückt sind. Ferner vollzieht sich, wenn eben die
tomie vorgenommen wurde, und der Kranke in Geradlag®r?“6 _
gestreckt lag, die Herstellung der Steissrückenlage auf die
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25. August 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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einfacher, sicherer und eleganter. Man braucht den Kranken auf der
Tischplatte nicht erst umzudrehen, wie dies nöthig ist, wenn man
die Schieflagerung auf die zuerst beschriebene und in Fig. 12 abge¬
bildete Art herstellt. Die Ex¬
tremitäten, welche in den
Knieschalen ruhen, werden
einfach losgeknöpft und weit
nach dem Oberbauch zurück¬
geschlagen , indem Bie von
einem Gehilfen an den Füssen
angefasst und gehalten wer¬
den. Jetzt werden die Knie¬
schalen mit ihren Stäben
rasch vom Tische abgenom¬
men, und das Steissbrett ein¬
gesetzt. Nunmehr werden die
Füsse in den Beinhaltern
festgeknüpft und die Kranke
über die Kante des Tisches
hervorgezogen. Ist die Patien¬
tin in der Steissrückenlage
auf diese Weise befestigt, so
kann man selbstverständlich
auch hier noch weiterhin die
Platte des Tisches vermittelst
des an der unteren Schrau
benspindel angesetzten Dreh¬
lings in beliebigem Grade
heben oder senken undso mit
bald Schieflagerung, bald
Ueberhub hersteilen. Es er
wachsen aus dieser Möglich¬
keit eine Reihe sehr erheb¬
licher Vortheile. 8enkt man
die Platte in der Weise, dass
der Steiss tiefer als der Kopf
zu liegen kommt, so hat dies
zur Folge, dass sowohl die
Blutmengen als die Spül- und
sonstigen Flüssigkeiten, die
sich vor u. besonders während
der Operation im hinteren
Scheidengewöl he bei der hori
zontalen Lagerung ansammeln, ' (leicht von
selbst nach aussen gelangen. In vielen Fällen
gelingt es, eine genauere Diagnose durch die
combinirte Untersuchung zu stellen, wenn
man die Platte so neigt, dass das Kopfende
der Kranken tiefer zu liegen kommt, während
der Steiss höher tritt. Adnextumoren, selbst
sehr grosse, die in Geradlagerung dem Uterus
dicht gedrängt anliegen, so dass sie von
ihm nicht deutlich gesondert palpirbar sind,
und ihr Stiel nicht zu fühlen ist, fallen ver¬
möge der eigenen Schwere nach dem Ober
bauch zu. Man kann jetzt zwischen dem
Tumor und Uterus mit dem Finger ein-
dringen. Der Stiel wird straff gespannt und
deutlich fühlbar. Die Därme fallen vom
Unterbauch hinweg. Das Ergebniss der Pal¬
pation wird in jeder Beziehung klarer.
Mache ich eine vaginale Uterueexstir-
pation, so benutze ich, um dem häufigen
Vorfall der Därme sowohl in die Scheide, als
zwischen Finger und Instrumente vorzubeugen, schon lange nicht
mehr das in seiner Wirkung unvollkommene Mittel, den Darm durch
tamponirende Gazen oder Schwämme innerhalb des Bauchraumes
zurückhalten zu wollen, sondern ich lasse die Tischplatte rasch vom
Narkotiseur neigen, bis eine solche Schieflagerung eintritt, dass die
Därme in den Oberbauch zurückfallen und während der ganzen
Dauer der Operation weder zu Gesicht kommen, noch irgendwie
belästigen. Die Abbindung
oder Abklemmung der lig. lat.
geht nuf diese Weise leichter,
freier und schneller von
Statten.
Tritt im Verlaufe einer
Operation in Steissrückenlage
CollapB bei der Patientin
ein, so springt Fritsch auf
seinen Operationstisch und
hebt die Kranke an den
Füssen empor, so dass der
Kopf nach abwärts hängt.
Bei Gebrauch meines Opera¬
tionstisches wird derselbe
Zweck in viel einfacherer und
schnellerer Weise da durch
erreicht, dass die Platte des
Tisches auf 45 Grad geneigt
wird. Durch Umdrehung der
an der unteren Schraubspin
del angestockten Kurbel ge¬
lingt dies, wie bereits mehr¬
fach gesagt wurde, innerhalb
15 Secunden. Gleichzeitig ist
hierbei noch der Vortheil
vorhanden, dass die Stellung
der Kranken unverändert
bleibt und die Verhältnisse
der Asepsis in keiner Weise
gestört werden.
Hiermit scldiesse ich
meine Erörterungen über die
versch ieden fachen Lager u ngen
der Kranken während der
Operation. Aus den Darleg-
Fig. 13. ungen, welche ich hinsichtlich
meines Operationstisches ge
geben habe, geht wohl deutlich
die Ueberlegenheit desselben über alle die
bisher bekannten Operationstische hervor.
Obwohl bisher eine Publication meines
Operationstisches noch nicht erfolgt ist,
wird er doch bereits von hervorragenden
Gynäkologen benutzt und stimmen dieselben
mit dem günstigen Urtheile, welches ich
mir auf Grund eines einjährigen ausgiebigen
Gebrauches gebildet habe, voll und ganz
überein
Der Tisch ist unter Gebrauchsmuster¬
schutz gesteht und ausserdem zum Patent an
gemeldet für Deutschland, Oesterreich, Ungarn,
Frankreich, England und Amerika. Gesetz¬
lich geschützt ist die Vorrichtung und Anord¬
nung der unteren und oberen Schraubspindel
mit den Zwecken, denen Bie dienen, die Wahl
des Drehpunktes der Tischplatte, sowie Form
und Anordnung der Knieschalen und des Unter-
Fig. 14. gestelles. Der Tisch lässt sich mit grösster
Leichtigkeit auseinander nehmen und in seine
einzelnen Bestandteile zerlegen Er ist aber auch im unzerlegten
Zustand ungemein einfach zu reinigen.
Fabrikant ist Hermann Müller, Dampf- und Maschinen¬
schlosserei, Dresden, Reitbahnstrasse 33.
Feuilleton.
Zur Aenderung der ärztlichen Prüfungsordnung.
Von TU. v. Ucinekc in Erlangen.
Nachdem die coinmissarisehcn Berathungen über die Revision
der uiedicinisclicn Prüfungen zu Ergebnissen geführt haben, die
bereits zusanimcngestellt und publicirt, auch von Dclcgirtcn der
medicinischen Facultäten einer Bcrathung unterworfen sind, wird
die Ansicht eines Einzelnen schwerlich noch einen Einfluss auf
die endliche Feststellung der Bestimmungen üben. Wenn ich es
dennoch wage, mich über die «Ergebnisse» auszusprechen, so bin
ich dazu durch die höchst dankenswerthe kritische Besprechung
Penzoldt’s in No. 30 dieser Wochenschrift angeregt, der ich
nicht in allen Punkten zustimmen kann.
Die «Ergebnisse» enthalten Vorschläge, die 1. die Bedingungen
für Zulassung zu den ärztlichen Prüfungen betrefFen, 2- die
Leistungen bei den Prüfungen bestimmen und 3. die Erforder¬
nisse für die Ertheilung der Approbation feststellen.
In erster Hinsicht ist besonders die Verlängerung des Studiums
auf 5 Jahre zu nennen, die, wenn überhaupt, gewiss nur in so¬
fern einen Widerspruch erfahren dürfte, als man das Halbjahr
des Militärdienstes, in dem die Studien unterbrochen werden müssen,
nicht ausgeschlossen hat. Sodann ist der Gang des mcdicinisehcn
Studiums bestimmter festgestellt und dabei auch vorgeschlagen,
eine weitere Reihe von Vorlesungen (Cursen, Kliniken) obligatorisch
zu machen. Hierdurch wird aber die Lernfreiheit des Kandidaten
noch weiter eingeschränkt, und dem medicinischen Studium ein
mehr schulmäasiger Charakter gegeben. Dieses Verfahren wider¬
spricht im Allgemeinen den Einrichtungen, in denen die deutschen
Universitäten bisher mit Stolz einen ihnen eigenthümlichcn Vorzug
gesehen haben. Man fragt sieh dcsshalb: hat sieh das bisherige,
immerhin schon erheblich eingeschränkte System der Lernfreiheit
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MfTNHff RNER MEDICtNlSCHE W QC^gOgg^
N6. 94.
mui’vjuBi'"" - --- ----
802 _______’ " , > e j 7 Absatz 2 verstehe ich nicht:
sss rsr^SSs“ ÜS Kat
Selbstbestimmung weniger . durchaus wider- Aufschub un rz Absolvirung der ganzen Prüfung
S t — »ebr- *U %£££** 5 **-. *■
S**- -r t säää- il tr
a £p-«rÄffiSÄ aa* ^ st— i *
=ss=sfeia=? =gg£r~—
=KSfe;=är£= säSs^fiSSSS
ifSäiiil I§|=pS
ISSisps amü 2 |H
chtn “ Ifncl, geschieht, schriftliche Krankengeschichten geferjer. KCTOmcn hat. Dem lies« »ch dadurch »h
--^“ i srL b ~r SFk S
Ä"iÄ.rf 33
dcr^Verpflichtung in *- “±„"trÄ Ä «* manche C— nicht n«r 3,
ZZS2Z in L"n c”e r C=a;7Ä W 2.^
and P^hiatrischen r^fbrauchen, um mit der M»? £*- ~
S^rtSÄTv^ch« die M tc de, Candida«»,
fc ;«. Wder, gnt begabt sind, « sehr «mphttert werfen,
und halte überhaupt für die richtige' Zeit zu einem Stufcum so
genannter Specialifilten die Zeit nach den absolv.rten Prüfungen.
Zu verkennen ist ja freilich nicht, dass die Candidatcn an grosseren
Universitäten für das Studium mancher Krank1 ^^^
allein auf die Specialkliniken angewiesen sind. Ls J«*#' «*»
dass in den Prüflings Vorschriften die Kenntmss solcher Krankheit»-
tTppcn gefordert wird, um di. Candida«, in fc- **■*
die Ergänzung ihrer Studien durch den Besuch der Specialklimk
hin zu weisere dcr ?rüfll ngcn betreffenden Vorschläge
zeigen wesentliche Verbesserungen einesteils hinsichtlich der ge¬
naueren und umfangreicheren Bestimmung der 1
anderenteils hinsichtlieh der Abkürzung dcr Prüfnng^^
der Festsetzung eines Endtermines. Auch die Vertheilung dcr
anatomisch-physiologischen Prüfung auf Vorprüfung und App»-
bationsprüfung in der Weise, dass das Wesentlichste m der Vor
Prüfung zu leisten ist-, scheint mir eine glückliche zu sein. Dagegen
könnte ich dem Vorschlag, Anatomie und Physiologie oder wenigste
das erstere dieser Fächer in der Approbationsprüfung ganz weg¬
zulassen, nicht zustimmen, da eine Wiederholung doch recht nütz¬
lich, wenn nicht notwendig erscheint. Eine weitere erhebliche |
Acnderung liegt in der Hinzunahme der Psychiatrie zum V. Ab¬
schnitt. Ob hierdurch einem dringenden Bedürfmss entsprochen
wird, scheint mir zweifelhaft. Denn da die Amtsärzte die mit
psychiatrischen Fällen doch besonders zu tun haben, im Physicats-
examen einer eingehenden Prüfung in der Psychiatrie unterworfen
werden, hätte es vielleicht bei den bisherigen Bestimmungen bleiben
können. *)
Penzoldt deutet darauf hin, dass man wolil die 8tägige
Frist, die den Candidaten zwischen den einzelnen Abschnitten ge¬
währt werden kann, auf 3 Tage abkürzen könnte. Ich muss da¬
gegen hervorheben, dass auch die begabteren und «emsigeren Gatidr-
daten meist für Gewährung der 8 tägigen Frist recht dankbar sind
und dass sich das Bedürfniss einer 8 tägigen Pause den weniger
begabten Candidaten recht fühlbar macht. Die in den «Ergebnissen»
f) Vgl. <üe höchst bemerkenswerten Schriften von B. S. Schnitze.
SJtLS r«“t der Prüfung fertig - werden; unter
Umständen bekommen solch, dun» »**• j^XTse'C
Meist sind es Erkrankungen, to**. d „, g ^ el fei
ÄS lii ctdii - -* * «ew
Brkrtnkungen bandelt, die nn, cm relativ«, H ndernrMf är ^
LJL, später auch minder tüchtige Aerzte abgeben, dürfte es
gewiesen, dass viele Candidaten durch immer wieder
Krankhe’.tsatteste die Prüfung ungemein in die täigo «ehern *
scheint eine Remedur in der Kritik der^ ärztlichen £
suchen. Diesen Weg halte ich nicht für gwgb «, y
die Kritik nur durch die Vorschrift, dass^ mir *«•«*!
Amtsärzten oder von Kliniken anerkannt wer.den «rita». ai»g
würde. Ich komme desshalb zu dem Vorsehlagezurück auch
Dauer der Prüfung in der Schlusscensur zum Abdruck zu tag ^
Das würde sieh auch bei den Candidaten ^ * ftber .
die Wiederholung eines nicht bestandenen P^fun^thmlcs^ ^
mässig viel Zeit nehmen und bei denen, die die P .
Verlängerung der Prüfung «Bau**. I» p afung9 -
liesse sieh aber bei Berechnung der Schlu^censur die
daraer berücksichtigen, wenn man t. B- eint p*.
zeit 3 Monate oder in runder Zahl 10* £
Summe der Tage vom ersten brs ram let ff. P ^Xte «nter
schliesslich wäre durch 100 zu dividiren, wobei tont ß«
50 wegliesse, über 50 für voll rechnete. Der
dann der Noterisumme zugeZ&Wt Und dör DiVWOi . ft
um 1 vermehrt. Es kann sich natürlich bei d* »rt*««
, der Censuren 4 tmd 6, sowie der ftttfangsdaoft » r »tste^
I der Schlusscensur nur dann« handeln, za verhö >
daten, die die Prüfung erst nach Wiederholung eine* ^ ^
I Theile bestanden oder die Prüfung wiederholt unterbräche ,
1 1 'PJPBWdH
zed by
25. August 1896.
tr.»- As-£*= «ä
::ä*ä £!&■££ f ;
8 83 22' nach vorgcschlagener Berechnung 1 11 111
Ein wesentlicher Tbeil der
MCMC HBNEB MBDICDUSCHE
803
Jetzt
„ . . 8 28 27’
“=* . «Ergebnisse» setzt noch weiter»
Bedingungen zur Ertheilung der Approbation als Arzt fest Be¬
sonders handelt es sich um die Zurücklcgung eines Praktikanten
Jahres nach Vollendung der ärztlichen Prtifung. Der Vorschlag
f hr billigen. Da er aber dem Mediciner n "h ein
weiteres schweres Opfer auferlegt, dürfte wohl die Frage gerecht-
fcrt,gt sein, ob die Forderung des Praktikantenjahres im Sinne
Ser“ oh SCbD,H8C!> - ^ allCD Candidaten «"bedingt nothwendig wäre
ode ob jn nicht, je nach der Qualification dos Candidaten
Unterschiede machen solle. Nun sollte ich meinen, dass die mH
der Censur 1 bestandenen Candidaten, wohl ausnahmslos tüchtige
fleissige und gewissenhafte Leute, dazu befähigt wären, soglefch
besoldete Aasistentcnstellen in grösseren Krankenhäusern und in
blZh 00 ’ 80 ™V uch derartige Stellen in anatomischen, physio-
’ P athol ogisch- a natomi8chon, hygienischen Instituten an-
zunehmen. Ja ich bin der Ansicht, dass man diesen Candidaten
ode? W kÖDne ’ v’ 8 A . 88 , istCntCn in ^ rü8scrc Privatkliniken
eSuSten Sl' u beschäftigten praktischen Aerzten
S3S22' t ’ Wen Y° bC8 ° nd0r8 darUW Ci0kämen - a uf wissen¬
schaftlichen Keiscn sich weiter zu bilden. Auch den mit der
stellen' in KH° 7*" f Ite 08 crla ubt sein, Assistenten-
steHen m Kliniken und Krankenhäusern, sowie in sonstigen Uni.
veraitäteinstHuten anzunehmen, wenn sie auch erst in zweiter Linie
aut Berücksichtigung rechnen könnten. Freilich wäre es dann
wohl nöthig, durch die oben angegebene Censurenbercchnung die
Zahl der mit Censur 2 bedachten herabzusetzeu. Von den Candi-
daten, die die Sehlusscensur 3 erhalten haben, müsste dagegen
ein Praktikantenjahr im Sinne der «Ergebnisse» gefordert werden
und dürften diese, wenigstens während des 1. Jahres, niemals zu
einer Assistentenstclle zugelasscn werden. Als allgemeine Bestim¬
mung bliebe dann für alle Candidaten nur die, dass sie innerhalb
des 1. Jahres nach abgelegter Prüfung nicht selbständig ärztliche
I raxis betreiben dürften, und sich über die Verwendung dieses
Jahres durch Zeugnisse ausweisen müssten.
Die endliche Ertheilung der Approbation würde wohl am
-Besten den Prüfungscommissionen überlassen, die die Candidaten
schon kennen. D,en mit den Censuren 1 und 2 absolvirten Candi-
aaten wäre, sobald sie über entsprechende Verwendung des 1. Jahres
sich ausgewiesen hätten, die Approbation ohno Weiteres zu ertheilen
es müsste denn in ihrem sonstigen Verhalten ein Grund dagegen
vorhegen Bei den mit Censur 3 bestandenen Candidaten wären
tür die Ertheilung der Approbation die Zeugnisse maassgebend,
ie ihnen von den Directoren, unter deren Leitung sie prakticirt
haben, crtheilt wurden. Bei ungünstiger Qualification scheint cs
nur richtiger, die Verleihung der Approbation von einem weiteren
halben oder ganzen Praktikantonjahr, als von einem Colloquium
abhängig au machen.
Auf hC d?ei Ut l U ft D u V - r ! ÜUfig 7 a ^ 1>tÄäChIic ‘h auf "««cinischeni Gebiete.
Aut diesem halt sich auch die Broschüre fast ganz. Sie ist eine
¥~ Ct °^ nf r ng "! diC Pat,loloßic ™ d Therapie der
Gebietes 0 brin f n ^ Er8cLö|,f “"« des behandelten
^ebictcs brmgt sie in klarer Weise Alles, was dem Praktiker
othwcndig ist zum Vorständniss der Alkoholwirkung, der Trunk-
:S:?din7 d nu e r ren e Behan K Un « ^ Pa8 Heilmittel ist
Seine AnwenJ 7 abcr T aus « czeicI| netcs: die Abstinenz.
Vorurthdlln d Ung ?f lcider W un8 noch “*nchen
Wessen" Loffik. ™ dc ß 7 ^ Verfasser keine Mühe scheut.
VorurLq . 01 •"? .T 0 “ E,nflü8Scn des Gemüthes und alter
Vorurtheile, der wird ihm Hecht geben müssen. Angreifbare
vor SnfaiT C "| ,n ^ ^ "" ncbensäehlith ™ d vereinzelt
,n dCD meistcn Physiologisch-jiatho-
Ä Thlts r : w w r ntliche stötzt sich auf 8ici >- oo«.
Tll 2 “ ‘ WCT dCD Muth Lat - die Bathschlägo des
£trS" h0{0ecn - Wird Mancbcn heilen, dessen Krankheit
bis vor Kurzem als eine ganz trostlose galt, Bleuler.
Referate und Bücheranzeigen.
W nhi D ! e / , v 0 S° ,fr ^ e J imd ihre Bedeu tung für Volks-
wom und Volksgesundheit. Eine social-mcdicinischc Studie
wldTn A° d ß ^ b5 ' düte Laien von Bf-'Aug. Smith, Schloss
Marbach-Baden. Tübingen 1895. 127 Seiten. Preis 2 Mk. 80 Pf.
Seitdem man weiss, dass die Trunksucht eine heilbare Krank-
J ;, 1 ' Ut es Pflicht jedes Arztes, sich mit ihrer Pathologie
2, Therapie bekannt zu maehen. Die Alkoholfragc, so wichtig
Moh ihre sociale und ethische.Seite ist, hat dosshalb ihre prak-
Bonif^j W ° ,f r : Der P raktischo Arzt und sein
" '.Vadeniecum für angehende Praktiker. Stuttgart, Verlag
von 1'crdiuand Enke. 1896. h
, ( In ^/hegendem Buche bat ein seit neun Jahren in Berlin
P ' 'Z d ? Versuch gemacht, eine Zusammenstellung
w g ? V K °“ A ‘ lom för eiDen angehenden Arzt Wissenswertem
was ihm während seiner Universitätsstudien nicht oder nur theil-
iveme gelehrt wurde, was er aber unbedingt wissen muss, um sich
nra rr r r'V 0180 auf dem ihm noch « anz ^mdon Gebiete des
prakt,scheu Lebens zu bewegen. Wenn man diese mit grossem
hleisse durchgearbeitete Schrift gelesen hat, muss man zugeben,
tTl-if“, y die8 ° r Ver8UCh gelunßcn i8t - dass er
erschöpfende Zusammenstellung aller Verhältnisse eines angehenden
Arztes gegeben und dicsolben in der objekivsten Weise beleuchtet
hat, wobei jedoch der Zusatz nicht fehlen darf: von seinem, dem
grossetedtischcn Standpunkte aus, was in der Folge bewiesen werden
soll. \ orfasser hat mit dieser Schrift eine Standesordnung in des
Wortes umfassendster Bedeutung geschaffen, wie sic selbstverständ¬
lich die Vereine ihren Mitgliedern nicht geben können, weil die
SUndesordnungcn der Vereine nur Grundlinien und Principien
autstellen können, ohne sich ins Detail zu verlieren, eine Standes¬
ordnung, welche m ihrer Alles umfassenden klaren Darstellung
dom jungen Arzte von grösstem Werthe sein wird, und desshalb
auch jedem angehenden Praktiker ah trefflicher Wegweiser bestens
empfohlen werden kann. Verfasser beleuchtet in 21 Abschnitten
alle nur denkbaren Verhältnisse, welche im Leben des jungen
Arztes von Einfluss sein können und von demselben berücksichtigt
werden müssen, in klarer Form, wobei jedoch eine gewisse Breite
der Ausführung, welche sogar zu Wiederholungen führt, nicht
geleugnet werden kann. In seinen allgemeinen Bemerkungen
eugnet Verfasser den von vielen Seiten, ja fast allgemein be¬
haupteten NothstaDd der Aerztc, was um so mehr zu verwundern
ist, als gerade an seinem Wohnsitze, in Berlin, der Kampf um
die Existenz unter den Aerzten am schärfsten entbrannt ist und
oft die Grenzen einer anständigen Concurrenz überschreitet, wie
wir doch schon oft von glaubwürdiger Seite bestätigt hören konnten.
Uebrigcns widerspricht sich Verfasser im 3- Abschnitt «von der
Wahl des Wirkungskreises» selbst cinigermassen betreffs des Noth-
standes der Aerztc. Nicht, zugeben kann ich die Behauptung,
dass die heutige Art des medicinischen Studiums und der Examina
Ansprüche stelle, welche auch der «nur sehr mittelmässig» Begabte
leicht erfüllen kann, wodurch die grosse Anzahl vorhandener
«Stümper» erklärt werden will. Nicht die gebotene Universitäts-
bildung ist hiefür verantwortlich zu machen, nicht die, übrigens
gar nicht so leichten Examina, sondern der Mangel jeder praktischen
Vorbildung, der sofortige Ucbcrtritt vieler fast nur theoretisch
hcrangebildeter und geprüfter Mediciner in die Praxis. Die betreffs
der Eigenschaften des Arztes aufgcstcllten Forderungen sind
correct, fast zu ideal gehalten, hie und da sogar kleinlich (Kleidung
pag. 11). Der Abschnitt über Polikliniken und Spocialisten ent¬
spricht vollkommen den bereits mehrfach, auch auf Acrztetagcn,
hierüber aufgcstcllten Grundsätzen. Die Abschnitte über die
nothwendigon technischen Fertigkeiten, über das nothweodige
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Instrumentarium und In ! cn ^®“ it f 1 ^Ort^der ' Niederlassung» I m
praktische Winke. Im 7. ^n' zu Tagß) wolchc m
tritt eine Eigenschaft der . ehr. • „ CIU acht werden kann: V
ihr auch in. Allgemeinen ™ tentheils für gross- J
sie ist von dem Arzte «^^^nittoo. wahrend die b
städtische Verhältmsse S^hncben u J diß de8 flachen A
s:d" i
Antor ' i
pcru TÄ r t !
cinigermassen, indem er au • mc dieinisel.cn Denkens» I 1
verlässt doch n,cht8ügS ^Yetehcr Homöopath glaubt wirklich ,
U " d r^eilSS seiner' uncontrollirbarcn Kügelchen und WUs- ,
an die Heilkraft seine. . . j _ weitere. «ein I
«*.*■ .trrl,-» r »d^n
ehrlicher Mcdiciner kann sich nur u otr
Bichumg bekenn«.. “<f r « 8 u' r “ r '
Endlich .» .eh «* der aut butt.» » ^ Arztes
dernng direct widersprechen ■ d “ s d^ ^
n.it einer Hrt.aehcn 1 hat.kke ^ Mutralcn Standpunkt
*» d “ A af r p„Mk verschont bleiben solle». Wer
vertreten und von der . , w m muss auch poli- I
tisch a, S^un^ C nehmw;"das^cr^At den ^haraktor ni^h^t^^^^ I
-
Sprechstunde verliert sich \ erfasse wcrdcn wc l c he so
wie überhaupt manchmal Forderungen g h Anfänger '
selbstverständlich sind, du. «e auch, dem tum
nicht den Bemerkungen
selbe ihr jeden Anfänger sebr lesenswert machen.
speciell auch die Bedeutung der Arthrotanie bei Eepositionsbiuder-
nissen hervorgehoben. stammt der Beitrag von F. Hof-
Aus der Tübinger Klm* stämmig ^ ^ zunac hst seine
meisten Ueber Jjethode ihm ungenügend erscheinen
Versuche, die die s * ul oeibt dass er mit dem von Berlin
Hessen, schildert ““ n ^ ^ r) thatsächlich die Erfolge der
bezogenen Catgut (Marke W J.***™^ B0 da88 er hienach zur
Saul sctien Methode , g “ cllieden er Provenienz der Sterili-
Ansicht kommt, dassi Catg t Widerstand entgegensetzt;
Neueste Jourualliteratur.
Ansicht kommt, dMS Catgut verec^m e ^ ideretand entgegensetzt;
sation ausserordentlich *e” c • Heisswasseretenlisation, bei
H. schildert dann des genaue g nng der Fäden und gründliche
der es besonders auf Kochen ankommt (da
Entfernung des freien Form ird . Das auf besonderen Glas-
sonst der Faden jeder Seite') aufgewickelte
platten (9:17 mit vorragende ^ Formalinlösung gestellt,
Gatgut wird 12-48 Stunden in 2-4 ^ Ber ausgewaschen, danach
mindestens 12 Stunden in , end lich nachgehftrtet und auf-
10-30 Minuten in Wasser gekocht Proc . Sublimat
bewahrt m Alkohol ab ® ob + uc ^haben H. von der Grundlosigkeit
oder 4 Proc. Carbol; dl ® den Fonnalin-Kochprocess seine
der Befürchtung, auc h die Zugfestigkeit bleibt
Resorbirbarkeit einbüsse ^ ber ^ e g l ren sicher und einfach keine
Ä*V- 88 “ eh ebe “°" oh
ähre von her ,ymmetr..chen Erkrank«« ^ Mo de[ betI .
undspeicheldrüsen, worin Fuc hs beschriebene eigen-
Hnik die besonders von Mikulicz una ^u ^ ^ erkrank te D
■tige Erkrankung, spec. den^ hi8tolo 0 i8CU WucheruQg deB i ymp ba-
(dtcÄisch infectidsen Procc?) .1» ds.
k Saniter di, Horni. Intern.‘ Ä “SSer D^teUuhg der in
eobachtete Art von innerer Herum m g Fabrikarbeiter, con-
em betreffenden Fall, bei einem 61 jährigen r gchr .
tatirten anatomischen Befunde.
Centralblatt für Chirurgie. No^Sl undI B2. üv .
No. 31. Erwin Payr: Einige Versuche über wp
jperationen am Gehirn. ... . (mit Sicherungsvorrichtung
e , g J,jr,Se.ÄS^
ÖÄÄ im Schädel, nneru - erreichen
und theilt seine Versuche an ri ” er f“ . die sogen . Hyper-
trophie der ÄÄ «»- — Gr “ 4 -
genommenen Untersuchungen, Je “™ p ) alß da8 wesent-
(meist im Struma und die AHeriosklerose kemes-
liche bei dem sogen. Prostatismus ansieni,
wees als die Ursache ansehen lässt. • 2 Fälle von
8 Fd. Franke: Zur «**“
Annähung einer Wanderleber, deren angegriffen wurde,
war und zuerst von der Lumbalgegend g Sehr.
IIOUVD1IV -
BBd Wl
Das 3. Heft des
Rupturen ÄÄ des die
P Zunächst werden Symptome und VerlB " ^“Shiedenen Formen
Zeichen der intraperitonealen Blutung, de chie probd 0 .
der Peritonitis, der Hermenruptur etc behänd , «nn’sehen
tomie wird event. mehr das ^ort ^sproc «»’^tatirten Veränder-
Gasinsufflation, auch die von Eichberg • (graublaue Ver-
ungen der Leberoberfläche bei Darmrupturen . (g wichtig-
f ., g b„„g) werden to i to, Bf-JXSÄäÄ
keit ev. abnormer Stoffe im Ham ( nicht operirten
IÄÄ, d “.Ä
Näheren besprochen; Blutungssymptome ind.eirenoperativesEingT
so schnell als möglich. Haup bedmgung für n je
Operation ist die vollständige Entfernung aller JSÜns Naht
Lebensfähigkeit zweifelhaft erscheint und die der Ki tm
gesundes Gewebe. Die Zusammenstellung Hiessen die
236 Nummern umfassendes Literaturverzeichmss beschliessen
Arbeit^ Freiburger Klinik bespricht 0 . Ehrhardt; Die
traumatischen Luxationen im Kniegelenk, deren er trete d^
anerkannten Seltenheit eine Reihe zusammenstellte. (.1- compiete,
9 incomplete nach hinten, 1 complete, 9 incomplete nach aussen et ^
Anatomisch. Befund, Symptomatologie werden eingehend besprochen,
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. IV,
H8ft 1)?” Wintern, tt-Thbingen: M. •*£
logischen td ^SSSSSlSS^ Tiihing.r «*
dos Schlussartikels besprechen
werden.)^ Blie8ener _ Köta: Dle .bdomln^o Radicaloperat»
b8i tS d n»c h h r dt 4 Trs e Ä U dS Schluesartikeis bespie.
v„igt.Nowawes Senondcf: Zur £**
Klinik in Hamburg. 15 mal wurde die 6 T jS“ 8 m Stiple Myom-
Uterus die zu einer sofortigen Exstirpation n r Ausfluß
zweiten Falle, bei welchem schon^ Fieber ^ peritoniÜscbe Re^
bestanden, wurde em Laminanastift emgelegt , P^ t . on geboten
erscheinungen Hessen am nächsten Tage die Tötete» ^ a weit eren
erscheinen. Beide Patientinnen genasen, ^“ e meininfe ction nicht
Fällen durch die Operation die septische A g d die Fxatir-
mehr aufgehalten werden konnte. In emem Falle wur^ ^ ^
pation des Uterus wegen Totalprotop» »«geführt. ^
wurde wegen eitriger und nichtmtnger E chronischer
anhänge, wegen compheirter Beckenabscesse und g
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25. August 1896.
rSSSrSrSSsÄ&.WS
Anhänge per l» m oto m Z? ohnedSÄ£ ÄS"““
erreichen, ausgeführt worden. Verf steht^nf 8 , . zu
dass bei nachgewiesener doppelseitiger Erkrankung
schweren Symptomen die va^nale des u tü™ und
i Cr ^ exe geboten erscheint. Endlich weiden 6 Fälle aufgefübrt
in welchen die Symptome eine maligne Erkrank«,ncr tu rt ’
vermuthen Hessen, die jedoch durch ProbecuXment nk-ht rT
gesteht werden konnte. J Da schwere SKSSTS^SÄ Vor
gehen rechtfertigten und die Patientinnen*sich auch nahe der
ÄÄ eD ' wurde . d ‘ e Total e«tiipation ausgeführt. In
den exstirpirten Utens war eine maligne Erkrankung nicht nachzu
Wfflsen. Bemerkenswerth erscheint, dass unter den 6 Patientinnen sich
fj! r ? ne8 “ Alter V 5 n 42 ~ 46 Jahren befanden. Von den 38 Fällen
sind 3 gestorben und zwar ausser den oben angeführten 2 Fällen
emhnVp aU S fce n 1 Mj T nocb eine Patientin »no 14. Tage an Lungen-
»ää 8md thei,s mitte,a “■sa.'jft
Centralblatt fiir Gynäkologie, 1896, No. 33.
v ra p der Hyperemesis gravidarum.
a o 7 A, ' * tt der Ansicht Kehrers (cf. dieses Bl. 1896, No 16
ö. 374) entgegen, dass das unstillbare Erbrechen der Schwangeren
auf eine Rigidität der Portio zurückzuführen sei. Nach Ch.’s Meinung
handeU es sich in den meisten Fällen von Hyperemesis gravidarum
AlteLri™ »f rkrankuilg des Genitalsystems, sondern um eine
Alteration des Nervensystems, resp. der Psyche. Als Beweis citirt
u d r L^f eiDe . r 30 Jähngen L Para im 2. Monat, deren Erbrechen
allen Mitteln getrotzt hatte, so dass der Hausarzt den künstlichen
Aus . 8,cht , nahm ; C , h - suggerirte der Patientin, dass
sie den Brechreiz unterdrücken könne und müsse, worauf in wenigen
Tagen Heilung erzielt wurde. Ch. will seine Ansicht von der
nervösen Natur der Hyperemesis schon vor 9 Jahren (Centralblatt
f. Gynäkologie 1887, 8. 25) aufgestellt haben.
. 2 ) Rech Köln: Zur Behandlung des Erbrechens während
der Schwangerschaft mit Orexinum basicum.
Betrifft den Fall einer 23 jährigen L Para im 4. Monat, die seit
4 Wochen an unstillbarem Erbrechen Utt, das allen Mitteln trotzte
so dass R den künstlichen Abort in Aussicht nahm. Vorher ver¬
suchte er noch das von Frommei empfohlene Orexinum basicum
von dem er 0,3 in Kapseln 3 mal täglich verordnete. Die beiden
ersten Pulver wurden nach einigen Stunden wieder ausgebrochen
nach äem 3. Pulver hörte das Erbrechen vollständig auf. Das’
Mittel wurde 3 Tage lang gegeben.
3) F. Lehmann-Berlin: Ein neues Vaginalrohr.
Das Rohr ist am Ende durch einen circa 1 cm hohen Pavillon
geschlossen, welcher an seiner der Spitze abgewandten Fläche
4—6 Abflussöffnungen trägt. Hierdurch soll vermieden werden
dass Keime aus den tieferen Partien der Genitalien in höhere ver¬
schleppt werden. Zu haben bei E n g m a n n, Berlin, Charitästrasse 4
zum Preise von 0,30 Mk. pro Stück. Jaff 6-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 33.
1) G. K lern per er-Berlin: Zur Therapie der harnsauren
N lerenconcretionen.
Bei Bildung harnsaurer Concremente erhofft sich K., abgesehen
von der Hebung der Diurese, durch innere Therapie lediglich pro-
phylactischen Erfolg. Die Diurese ist zu fördern durch Aufnahme
wässeriger Getränke, Vermeidung wasserentzieliender Abführmittel
und starker Schweissabsonderung; die Bildung der hauptsächlich
durch Zersetzung von Nahrungsnucleinen entstehenden Harnsäure
dagegen ist zu hemmen durch Darreichung nucleinarmen Eiweisses
(Milch, Käse, Eierei weise) und möglichste Beschränkung nudeln-
reicher Kost (Fleisch, Thymusdrüse). Auch in Thee, Kaffee und
Cacao sind Harnsäurebildner. Die Untersuchungen K.'s ergeben
ferner, dass die Harnsäure im Urin ausfällt, wenn die relative Aci¬
dität, d. h. das Verhältnis der als zweifach saures Phospat ent
haltenen Phosphorsäure zur Gesammtphosphorsäure über 65: 100
beträgt nnd dass daher das Herabdrücken der relativen Acidität eine
weitere Aufgabe des Arztes bildet, die am bequemsten durch Ver¬
abreichen anorganischer Alkalien (Natrium bicarbonicum) in Form
von Mineralwässern gelöst wird. Ein in specifischer Weise Harn¬
säure lösendes Mittel ist der auch die Diurese steigernde, von K
2 Jahre lang erfolgreich erprobte Harnstoff.
2) F. Hirschfeld: Ueber die Ernährung der Herzkranken.
Ausgebend von der Ansicht, dass die Nahrungszufuhr nicht
ohne Einfluss auf den Kreislauf ist, tritt Verfasser, gestützt auf
20 Versuche, in Fällen, wo die vorausgehende Ernährung eine hin¬
reichende war, für zeitweise, mehrtägige Einschränkung der Nahrungs¬
zufuhr bei Compensationsstörungen ein. Mit der Verminderung
fester Nahrung nimmt auch das Verlangen nach Flüssigkeit ab.
3) H. Rehn-Frankfurt a. M : Die Theorien über die Ent¬
stehung des Stimmritzenkrampfes im Lichte eines Heileffects.
R - wei8t an der Hand von 5 charakteristischen Krankheits-
bildern nach, dass die Rhachitis nicht mehr als Ursache des Stimm-
ntzenkrampfes angeführt werden kann, da letzterer ein von den
Münchener medicinische Wochenschrift.
805
*) Zu beziehen vom Univ.-Glasbläser He er lein in Tübingen.
im , Ma « en in Fo] & fehlerhafter Ernährung
ausgehegter Reflexkrampf ist, dessen unmittelbare Ursache wohl
fluchtige, schon im Magen gebildete Toxine sind.
Diabetes und* Lebercirrh^jse. üeber die Beziehun e*n «wischen
... Nacb Gebersicht über die einschlägige Literatur und Bericht
ein6n • 8 . 6 bBt beobachteten, durch 2'/a jährige wesentliche
Besserung interessanten Fall von gleichzeitiger Lebercirrhose und
,, o abete8 be> «nem 48 jährigen Herrn kommt P. zu der Ansicht,
uass es bei Diabetes eine besondere Art starker, mit oder ohne
igmentirung der Haut verlaufender Leberhypertrophie giebt mit
geringer Neigung zur Schrumpfung und bedeutendem Milztumor.
und empfiehlt auf Grund des besprochenen Falles bei rasch wieder¬
holtem Auftreten des Ascites ein längeres Offenlassen der Punctions-
onnung und den Gebrauch von Cremor tartari bei gleichzeitiger
Lebercirrhose und Ascites 6
foigt)5)R.Sch ae ff er Berlin: Ueber Catgutsterilisation. (Schluss
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 34.
, . }) Alfred He gar: Brüste und Stillen. (Aus der gynäko¬
logischen Umver8itätskUnik in Freiburg i. B)
Der auf der Versammlung oberrheinischer Aerzte zu Freiburg
ain 15. Juli 1896 gehaltene Vortrag verbreitet sich über die an
einem grossen Material vorgenommenen Untersuchungen der Brüste
auf ihre Functionsfähigkeit. Nur etwa 54 Proc. der Wöchnerinnen
konnten 10 Tage das Kind ausreichend mit Milch versorgen, etwa
30 Proc. sind im Stande, ihr Kind 6 Monate lang zu stillen. Die
Bedeutung der Frage für die Kindersterblichkeit, und die hygienischen
Maassnahmen zur Ausbildung functionstüchtiger Brüste werden be¬
sprochen. —
2) Schjerning und Kranzfelder-Berlin: Zum jetzigen
Stand der Frage nach der Verwerthbarkeit der Röntgen’schen
Strahlen für medicinische Zwecke.
Von den Fortschritten, die in der letzten Zeit in der Röntgen-
Photographie gemacht worden sind, werden erwähnt die Herstellung
besserer und leistungsfähigerer Röhren, dadurch Erhöhung der
Lichtintensität und Verkürzung der Expositionsdauer, sowie die
Anwendung des fluorescirenden Schirmes.
3) Albert PIehn: Wundheilung bei der schwarzen Rasse.
(Aus dem Regierungshospital für Farbige in Kamerun.)
Die mitgetheilten Fälle sprechen für eine sehr starke Reactions-
fähigkeit des Organismus der schwarzen Rasse, welche ein weit¬
gehendes conservatives Verfahren bei der Wundbehandlung gestattet.
4) F. Pinner: Beitrag zur Bar low’sehen Krankheit.
(Aus der inneren Poliklinik des israelitischen Krankenhauses in
Hamburg, Oberarzt Kor ach.)
Die Barlow'sehe Krankheit wird auf stürmische Knochen¬
entwicklung zurückgeführt, als neues Symptom gibt P. das Vor¬
handensein morphotischer Elemente, besonders rother Blutkörperchen
im Urin an, ohne dass Albumen nachzuweisen oder eine Nieren¬
entzündung vorhanden wäre. Die Entstehungsursache ist in der
künstlichen Ernährung zu suchen, eventuell spielen klimatische Ver¬
hältnisse mit eine Rolle. Die Therapie ist «antiscorbutisch». Mit¬
theilung von 3 Fällen.
5) W. Hol d hei m : Beitrag zur bacteriologischen Diagnose
der epidemischen Genickstarre vermittels der Lumbalpunction.
(Aus der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses am
Friedrichshain in Berlin. Director: Prof. Fürbringer.)
Vermittels Lumbalpunction liess sich an 4 Fällen intra vitam
die bei 3 der Fälle auch durch die Section bestätigte Diagnose auf
Cerebrospinalmeningitis stellen, der 4. Fall kam zur Heilung. In der
Punction8flüssigkeit fand sich in allen Fällen der Meningococcus
intracellularis Weichselbaum, der sich auch in Reinculturen
züchten liess
6) Knaak ltsehoe: Eine einfache Methode der Gegen¬
färbung bei Bacterienuntersuchungen.
K. empfiehlt für eine Reihe von Fällen, wo die Gram'sehe
Methode die Bacterien wieder entfärbt, eine Combination von Eosin,
in 0,1 —0,3 Proc. wässeriger Lösung, und concentrirter wässeriger
Methylen blaulösung
7) St rauch-Braunschweig: Operative Heilung eines frei in
die Bauchhöhle perforirten Ulcus ventriculi.
Der im ärztlichen Verein zu Braunschweig demonstrirte Fall
ist ein weiterer Beweis für die relativ günstige Prognose frühzeitig
— innerhalb der ersten 10 Stunden nach erfolgter Perforation —
zur chirurgischen Behandlung gekommenen Ulcera. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
Der III. internationale dermatologische Congress
zu London vom 4. bis 8. Angast 1896.
(Offizielles Referat, angefertigt für die Vereinigung der deutschen
mcdicinischen Fachpresse von L. Elkin d, Al. D., London.)
Die offizielle Eröffnung des III. Internationalen Dermatologen-
Congresses fand am Vormittage des 4. August im grossen Audi-
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Mffigngw NER MEDICINISCHE WOCHENSCgglFT.
No. 34.
torim , m sr
R. S. Präsident des Co, ^ rras ^’ “ die Mitglieder des Congresses, Affe
las. In der Einleitung begrüsste er d,e M.tgücd ^
die von Nah und Fern herbeigeerlt and >™ chuicn Kcinc unt(
-
— £- -si ä: £ £
E Ä Wta- b Bezug auf die- K,
=;s:=“?"“Hf5=£r z
- ?
der Tuberkel-Bacillus „lebt ^ Z
- « “ «TdJ?£ "au.,L de
sied ’ »o welle» wir £- *- „
abergehen, aus den Erfahrungen und Beobachtungen, d.c . ** a
ihnen gemacht haben, allgemeine (Jesetze in Bezug aut den tubc ^
eulöscn Process zu ziehen. ,, •
. L Da8 i S hei, Su^riuf "einen Jn^hriebenen Körperteil T
bletn könne, erfahren wir täglich in derjenigen Form U
des Lupus, die als vulgaris solitarius bekannt ist.
II Vom Lupus vulgaris multiplex lernen wir niederun , dass
selbst wenn viele Krkrankungsherde an der Hauptoberflache zu- d
££ keiner dieser Herde eine Tendenz zur Ausdebnung 1
i„ das benachbarte Gewebe zeig, und »mitden, Gesetze de^fc ^
schränktbleibcns an einer circun,scripten Stelle fickorcht.
kommt eine Multiplieität der erkrankten Partien vor und m«*«
so ausgedehnten Grade, dass die ganze Hautflächc mit Lupus
flecken besät ist, aber diese Eigenschaft des Lupus« gehört^ ganz .
und gar lediglich der früheste., Periode seiner Entw.ckdun^^am
III Obwohl wir nun mit Sicherheit wissen, dass der < 1
vulgaris durch Invasion von Tuberkel-Bacillen bedingt werde, so
liegt uns doch ferne, auf Grund lnerhcrgchoriger vielfachi be¬
stätigter Erfahrungen zu befurchten, dass von cmer luposen • teile
aus eine weitere Infection, z. B. der Lungen, Knochen etc., aus
gehc^ konnte. M ^ g| i chk ^t Latenzpcr i 0 de bactcricidcr Elemente
im thierischen Organismus spricht sich wiederum am bester, m,
Lupus aus. Der Vortragende erwähnt 2 Fälle aus einer jüngsten
Beobachtung, bei beiden handelte cs sich um Lupus der Nase.
Der lupüse Process heilte und sistirte vollständig für 30 Jahr
um nach dieser Periode im hohen Alter der beiden Patienten
unter schweren Erscheinungen wieder zun, Ausbruch ^ gelangen^
Auf den Lupus erythematosus übergehend, bemerkt H., das.
dieser mit noch grösserer klinischer Wahrscheinlichkeit wie Lupus
vulgaris zu den tuberculösen Erkrankungen zu zahlen sei. Auch
der von den alten Aerzten benannte Lupus sebaceus dürfte hierher
gehören.^ Vortrag handelt von den Beziehungen der Haut-
affcctionc, zu internen Leiden. Die Abhängigkeit verschiedener
llautlaesioiicn (Herpes zoster) in Bezug auf ihre aetiologischc Be¬
deutung wird kurz gestreift. Eine bessere Classification m der
Nomenclatur für die Dermatologie wird an der Hand eigener und
fremder Erfahrungen ausführlich besprochen und eingehend em¬
pfohlen. ...
Nach diesem mit vielem Beifalle aufgenommoi.cn \ ortrage
H.'s sprachen Kaposi und Besnier, beide dankten den Mit¬
gliedern des englischen Comitö’s für die schönen Vorbereitungen
für den Empfang der auswärtigen Mitglieder.
Nach zweistündiger Pause folgte die Discusaiou über 1 rungo,
welche die für die Nachmittagssitzung anberaumten Stunden füllte.
Herr Besnier (Paris). Strophulus und Xdchen, die Willan
Gruppe der papulösen Affeetiouen zählte, bilden gewisse Unter-
der Prurigo, die demnach besser als pruriginöse Erkrankungen
, isnnon wodurch ein einheitlicher Begriff und
Swr»"vcr«»d»i 8 B ttr de» patlmlogi»cko» Pme», der die»»
Aff«’tu» zu Grunde ** da» „ mannigfache» und
unter .M ganz vcrzchicdcne» krankhaften ZuaUlnden »tch «etgl.
P uri» »1» «ine Krankheit »ui genens , oder ,hm
gar die Bedeutung eine» Colleetivuamen» zu geben, hat kerne
Berechtigung und ^ , de« .Strophulu». und
snjiL— p tr
weit eine GeLsneurose, Neurodcrmien und Neurodern,,t,den m
der Prurigo eine Bolle spielen, verwerthet werden konnten.
Abgesehen von der essentiellen Ursache, die » derjeweiligcn
• J* ■ l rolrnnrl macht ist die Wahrsclicinhchkeit nicht
Prungoform sich geltend inacht > Blutveränderung,
Toxiderndcn oder Auh.toxidern.ien, bedingt durch ein toxizehez oder
to “»Xr\“ U, r»» ‘»“hon Prurigofällen die
r “ der
Papel der Pru’ritu» unverändert fortheatoht, während da» «»(M*
; _ d^s der Pruritus zurückgeht und die Papel sich noch erh
, „.acht darauf auf-
‘ .rks dass die von Hcbra beschriebene echte Prungo-l'orm
; i“n Amerika aUBserordentlieh »elteu beobachtet wird. Während die
' £ £ Ä Krnährunga-
: ÄÄ Wohnungseinrichtungen, Vcrn^ng
„ der Haut ete. etc. ihren Abbruch begünsrigen ^ „
I ilnrr T F Pachne (London): Bei der echten Irurgu
finden sich J gi-obc anatomische Veränderungen der Haut; dabc.
te
; c . verschieden ist, als eine funclionelle Störung der Äutnwve x V*
l tSX £Ät br Ä PÄ Simplex
" U, ‘ d Herr N Ti SS er (Breslau): I. Jode moderne Discussion über
ius Prurigo muss ausgehen von dem von He ^ J"® ,2«, Form
cli heitsbilde «Prurigo Hcbra ». Prurigo Hcbra ist di >» lichc
icr der Prurigo und ist charaktensirt: 1. durch
Hautveränderung mit lutensivem Jucken, J- Beg i„ n der
ut- Localisation, 3- durch einen eigenartigen Verlauf. J
ner Erkrankung in früher Jugend. Dauer der Erkrankung viele
Be- meist das ganze Leben hindurch. Vmrico besteht:'
der II- Uic Hautveränderung bei typischer 1 r £
and u) in einer diffus eitrig-oedematösen Durch tränkung es G >
cm- b in kleinen, ganz oberflächlichen E»»re^^^ |
lationen, Excoriationen, Impetigoformen, Hor ^ C ^J Adlungen
•age alle Liehe,lificationen, Ekzemat.sationen sowie dieDrüsen chw
Mit- des Bindegewebes kommen nicht durch ein
,gcn filtrat, sondern durch eine transsudat,v-oedemates-u i^nel
tränkung zu Stande. Der vasomoteriseh-t^
rigo analog dem der Urticaria und besteht m einer jn
dfte. vasodilatorischer Nerven bedingten arteriellen Hyperaemi
Ilan einer vermehrten Lymphproduction. _ „„.lisation der
oter- HI. Zur Erklärung der Thät.ache, to» dte UcJ^t..» ^
ngen typischen Prurigo Hcbra in den Extremitäten
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25. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
807
Haare entspricht, kann einmal die besonders reichliche Gefäss-
versorguDg der Haarwurzeln herangezogen werden.
IV. Die meist bei Prurigo Hebra vorhandene Trockenheit der
Hautfläche, die Thatsache, dass durch alle erweichenden Methoden
(Bäder, Salben, Seifen, Schwitzen) in kurzer Zeit erhebliche
Besserung sich ergibt und die objectiven Erscheinungen zum
Verschwinden gebracht werden können, deutet darauf hin, dass
vielleicht auch Functionsstörungen der Drüsen, speciell der Schweiss-
drüsen, am Krankheitsbilde betheiligt sind.
V. Knötchenbildung und Juckreiz sind gleichzeitige und un¬
trennbare Erscheinungen. Das Kratzen in Folge des Juckreizes
verstärkt die örtlichen Vorgänge, macht sie vielleicht auch erst
deutlich sichtbar, ruft vielleicht auch neue Eruptionen in der zur
urticariellen Reaction veranlagten Haut hervor.
VI. Zur Prurigo darf man als atypische Formen (neben
der typischen Form Hebra) nur diejenigen Hautlciden rechnen, bei
denen die oben geschilderte Art der Efflorcscenzenbildung vor¬
handen ist. Auch die Efflorcscenzenbildung kann gewisse Modifi-
eationen aufweisen.
Als atypische Prurigoformen fasse ich daher auf: a) Pru¬
rigo-Erkrankungen , die nur durch Beginn im späteren Kindes-
und Jugendalter sich von typischer Hebra’scher Prurigo unter¬
scheiden; b) die acute temi>oräre Form (Brock, Tommasoli,
Mibelle), die freilich durch jahrelang anhaltende Rccidive auch
einen chronischen Verlauf nehmen kann (diese Form entspricht
dem «Lichen acutus», Vidal); c) einzelne Fälle der von Vidal
als «Lichen polymorphus rnitis» und «ferox», von Besnier als
Prurigo diathetique bczeichnete Grupi>en. In ihrer Totalität kann
ich diese Gruppen nicht als Prurigo auffassen, denn in ihnen
finden sich Krankheitsformen vereinigt: 1. echte llebra’schc
Prurigo mit stark ausgeprägter Lichenisation und Ekzematisation ;
2. atypische Prurigo mit starker Lichenisation und Ekzematisation,
von der Wiener Schule als «Ekzema pruriginosum >• beschrieben;
3. Fälle mit (aus irgend einer Ursache entstehender) Lichenisation
und Ekzematisation, die aber nichts specifisch Pruriginöses (ausser
dem Jucken) auf weisen.
Wie verhält sich unsere oben dargelegte Auffassung zu der
Wiener und Pariser Schule? 1. Wir anerkennen eine atypische
Prurigoform, neben der typischen Form Hebra’s (mit der fran¬
zösischen Schule, mit Tommasole gegen Kaposi). 2. Wir stellen
die typischen Formen neben einander als Schwestern derselben
Familie hin, während die französischen Autoren auch die typische
Prurigo Hebra nur als einen sehr hohen (besonders durch Licheni¬
sation und Ekzematisation zu Stande kommenden) Grad der anderen
Prurigoformen auffassen. Während die französischen Autoren
geneigt sind, jeden Fall mit hochgradiger und verbreiteter Licheni¬
sation und Ekzematisation als Prurigo zu bezeichnen, nennen wir
den Fall Prurigo (typica oder atypica) nur dann, wenn in be¬
stimmter Loealisation ungeordnete specifisch pruriginöse Efflores-
cenzcn den Ausgangspunkt bilden. *Für uns ist Lichenisation und
Ekzematisation stets etwas Nebensächliches. Sie können bei Prurigo
als secundäre Erscheinungen, stark oder schwach ausgeprägt, vor¬
handen sein. Sie können ebenso gut bei typischer Prurigo fehlen
und sie können schliesslich auch ohne Prurigo vorhanden sein.
Die französischen Autoren fassen den PrurigobegrifF zu weit, die
Wiener Schule zu eng. Letztere thut Unrecht, wenn sie beim
Ekzema pruriginosum z. B. das Hauptgewicht auf die ekzematöse
Eruption statt auf die pruriginöse Grundlage legt, oder als Ekzema
papulosum bezeichnet, was vollkommen der typischen pruriginösen
Eruptionsform entspricht.
VII. Zur Prurigogruppe zählen wir auch die bei Kindern
als «Strophulus» (Urticaria papulosa, Lichen urtieatus) beschriebene
Eruption.
Wie unterscheidet sich der Strophulus von der Prurigo?
1. Durch eine ganz andere Loealisation. 2. Durch ein ganz regel¬
mässiges Abheilcn. Unter allen Umständen aber, mag man die
Strophulus in näherer oder weiterer Beziehung zur Prurigo bringen,
gehört diese Erkrankung, wie überhaupt die Urticaria zusammen
mit Prurigo in eine Olassc der vasomotorischen Dermatoneurosen.
VIII. Vollkommen zu trennen von der Prurigo mit den
pruriginösen Formen sind die als «Lichen chronicus simplex,
Pseudolichen, primäre Lichenification» bezeichneten Eruptionen.
In reiner Form ist dieso Dermatose eine theils in papulöser
(Lichenoiden), theils in flächenhafter Form auftretende oberflächliche
Hautentzündung mit geringer Transsudationstendenz, mit unbe¬
deutender Epithelalteration, meist verbunden mit einem an Intensität
sehr wechselnden Juckreiz, und verstärkt durch andauernde mecha¬
nische Reibung. Es kann auch eiu chronischer Juckreiz Ursache
der Dermatose sein. Je nach der Stärke und Dauer der mecha¬
nischen Irritation, die sich mit dem im Laufe der Erkrankung
immer stärker werdenden Jucken steigert, wird diese Anfangs
trocken - squamöse, lichenificirte Dermatitis durch Steigerung der
entzündlichen Erscheinungen und Zunahme der Epithelalteration
zu einer ekzematösen. Die Behauptung, dass das Jucken stets
das Primäre sei, halte ich für unbewiesen.
IX. Es ist nicht richtig, die Prurigo typica Hebra für eine
unheilbare Krankheit zu bezeichnen. Bei energischer, lang fort-
gesetzer Hautpflege gelangen die leichteren Formen bei Kindern
meist zur Heilung.
X. Meist sind die Prurigokranken anaemischc, schwache, im
Wachsthum auffallend zurückgebliebene Menschen. Doch halte
ich den schlechten Status nicht für Ursache der Prurigo, sondern
er ist umgekehrt die Folge der Schlaflosigkeit oder die Folge der
allgemeinen schlechten Lebensverhältnisse. Die Tuberculose ist
weder die Ursache noch die Folge der Prurigo, sondern nur dess-
halb häufig l>ei Pruriginösen zu finden, weil beide Krankheiten
in den schlecht situirten Volksclassen stärker zu finden sind.
Herr Fon ton (Wiesbaden): 1. Prurigo Hebra ist eine
— insbesondere klinisch scharf umgrenzte — Krankheit. Ob
bei ihr das Jucken primär, die Eruption secundär ist, ist bei dem
jugendlichen Alter der Patienten kaum zu eruiren.
2- Daneben gibt es Formen pruriginöser Hauterkrankungen
beim Erwachsenen, die entweder die gleiche Loealisation oder auch
eine von der Prurigo Hebra abweichende Loealisation zeigen (Der¬
matitis polyrn. prurigi ä type Prurigo Hebra oder aux poussees
successores, Prurigo diathetique Besnier).
3. Es können auch nur vereinzelte- oder eine umschriebene
Stelle befallen sein (Lichen spl. chrou. circumscr. Vidal).
4. In diesen Fällen (2—3) ist zweifellos sehr häufig klinisch
das Jucken das erste und Hauptsymptom. Vielleicht liegen dann
bereits schon mikroskopische Veränderungen vor, die durch das
Kratzen gewissermassen vergrössert, provocirt werden und so zu
klinisch wahrnehmbaren Symptomen führen.
5. Entgegen Neisser glaube ich nicht, dass es länger
dauernden, auf die gleichen Stellen localisirtcn «Pruritus» giebt,
der ohne secundäre Kratzveränderungen verläuft.
6. Die Letzteren sind ja nach der Disposition der Haut
verschieden (Urtieation, Ekzematisation, Lichenification).
7. Alle diese Formen bilden eine feste, ununterbrochene
Reihe von Uebergängen, die man nicht alle als besondere Krank¬
heiten bezeichnen soll, um nicht schliesslich jeden einzelnen Fall
mit einem besonderen Namen belegen zu müssen.
8. Ob man diese Fälle «Pruritus» oder «Prurigo» oder
Neurodermitis nennt, ist principiell glciehgiltig, da sie doch durch
differenzirende Adjeetion je nach den Gruppen unterschieden
werden müssen. Jedenfalls gehören sie vom nosologischen Stand¬
punkt unter einander und mit der Prurigo Hebra zusammen.
9. Auch die Prurigo simplex (Brocq) rechne ich mit Neisser
hierher.
Herr Jadassohn (Breslau): 1. Nicht bloss mit allen
möglichen indifferenten Behandlungsmethoden, sondern auch ohne
alle Behandlung werden selbst schwerere Prurigofälle im Hospital
geheilt, d. h. die Hauterscheinungen schwinden sj>ontan, recidiviren
aber — ebenso wie nach localer Behandlung — meist sehr schnell.
Diese Thatsache scheint in der That zu beweisen, dass Ernährungs¬
oder andere äussere Verhältnisse eine grosse Bedeutung für die
Aetiologie der Prurigo haben.
2. Untersuchungen von Dr. Pirrer über die eosinophilen
Zellen bei Prurigo beweisen, dass diese in der That häufig, wenu
nicht regelmässig, im Blut vermehrt Bind. In pruriginöser Haut
sind sie häufig in grosser Zahl vorhanden, doch ist weder hier
noch im Blut ihre Frequenz proi»ortional der Schwere oder dein
Stadium der Erkrankung. Eine specitische Bedeutung also haben
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fri n, mg .NRRj« Dicnnscm w ocmNScmgr.
die eosinophilen Zellen bei der Prnngo wohl ebensowenig, wi
der Dermatitis herpetiformis ehronicns circumscriptns
3 . Ein Fall von ^ werdc n
(Vidal) mit Locahsation am Nack , ^ nic Kratzeffecte auf;
konnte, verlief ohne jedes Ju dasg dieae se hr charakte-
solchc Beobachtungen tew«se^ch^’ da s Jucken faafc immer eine
riatischc Hauterkranku g, wic die Lichen ruber
*- ias
pickt daa eigentliche Primäre se .nton.
III internationaler Congress für Psychologie
in muncneii !««■ — — . , %
(Bericht von Dr. Karl 6 , . a a m a „ n ,» München.) J,
(Schluss) . 1 r, ■
o. Rosenbach (Berlin) setzte ^
Anschauungen über den ^ a ms' roferatweiscr Wiedergabe. liyi
Seine Ausführungen eignen »ich mcl Ansicht vertritt, sen
Ich führe daraus nur das hu» « U*»*■ f w hohcr
es liege die Wahrscheinlichkeit nahejJ“ngs meist durcl. Sc
Organisation in letzter Lime von , ünstifiten ) Willensacto von I sic
somatische resp. äussere er mm /jUafcand bedingenden bet
der gewollten Aufhebung der r „„ n Gleich gewichtsformen des I de:
und eliaraktcrisirenden Spannungen resp. I A]
körperlichen Betriebes abhäugt. Gefässreflcxe 1 m<
Eine physiologische Studrc «l» " der J^ ^ ^ ^
im Gehirn nnd den Extrem.«ton pnd^ Vcrsoehc, Fi
Schlafe trug L. Patrm . j ncr e j non grossen df
welche der Vortragende an 2 Knaben,^ £, ö , Z
Scliädeldachdefect hatte, anstel , ß , ’ A d Beinen un-
füssreflexes während des Wachen“ V«SS «u Gunsten der zi
gefäh, gleich ist. mit emern »dito Vorthed Vet . a
Unterschied von der Bereit de, unteren u
Ex ‘t“r?- di :tnisr “
lähigkeit au vcrschMcner “ "hkTAta S£* «
2. nach Morgens und Abends ab D ek . Zahlen in Reihen i
0. die Messung i
(I Wahheaetioncn nnd 4. "»Tw nleT £ !
Aufsehen v“Lm S.Me bes^t norma, mehr oder wenige,
grosse Müdigheitt Mvidt“ SSt
St,t CSÄt t
keine Verminderung der Leistungsfähigkeit. n ein
Wien ergaben die Versuche eine deutliche Ermüdung nach »h
gekürztem Schlafe, sondern nur eine gewisse Müdigkeit. Lid. ,
ktzteren besteht eine grössere Ermüdbarkeit für sohwmrm* tmd
eine geringere Uebungsfühigkcit auch für loielttere «e Artat.
Die R.’sehen Resultate sind von Interesse für d >
Billin ger (München) sprach über: «Die niederen Körper
temperaturen im Winterschlaf und ähnlichen Zuständen und ihr
Verhältnis« zur Infection». Ausgehend von der jhatsache aus
Bacteriologie, dass pathogene Mikroorganismen ihr Wachsthum b
erniedrigter Temperatur einstellen, stellte sieh Vortragender die
Frage, ob die Temperatur-Erniedrigung im ^ interschlaf genüge,
um denselben Erfolg zu haben. Versuche mit Milzbrand^ Rot
und Tuberkclbacillen an winterschlafendeu Haselmäusen und Murne
tbicren fielen negativ, solche mit Tetanusgift bis zu gewissem
Grade positiv aus. B. erwog die Möglichkeit, die Körpertempern ur
durch Hypnose zu beeinflussen und die Erniedrigung derselben
therapeutisch zu vorwerthen.
, , -kjuhs et les fonotions intellectuelles chez les
h™»»:“ lautet cciP ~^Zeüu ^ ££
Z
schwindet zuerst aie Mnskel- und Eingeweidebewegungen,
des Geruches, Geschicke, der^ ^ J ^ ^ *
Am wenigsten verhört sich ^ nimm t. Wird mit
diese der Hypnotiseur fortwäh end in a p Sensibilität
I Hypnose Suggestion eombmirt so kann ^ ^
e big erhÖ, ‘ Cn bt t r a rl"s - -eisf wie die übrigen Gefühle
pnotisirten gibt Cr. > ^ Amncsie beim Erwachen sprechen,
influsst sei, wahrend A a<wt«/>Vitniss sehr verändern, aber
rc „ Suggestion kann m» *. m m *
oeswegs in l^e * inteU ectuellen Zustand Hypnotisirter
pnose besteht. IN « einen ZuBtan d völliger Ruhe der
.rifft, so nehmen ' Bern heim, glaubten, dass es einen
danken an, Andere ' *■ nicht gibt. Die
"„Tc^ueu können iügen. Die Frage der aogenanam.
^r"^ C d r :°^u A— dwl
chupp (Soden) in
* mit der Frage der peychologmehen Erkt,g dmaes^,
sschäftigt. Redner sprich 1 prwen dbarkeit der suggestiven
- Be“« £'£ dieM^Phäno-
naesthesie sich durch V g _ • Banaer geschenk,
, ene stetig ^^XTnsThei^ erspart bleiben möge!
Z dS praktische Verwerthung der
er Vortragende der Rapidathmungsmethode das Wort,
.ustandc zur hypnotischen Therapie 8 Behandlungsmethoden
4. Erregung von Fvirclt, 5 ' i etzt «re in den verschiedenen
6 . die hypnotische Therapie, welch der ver .
Phasen der Hypnose naclieman schliesslich alle
itrÄÄÄ«.
TOr "t“l“rpeu.iache,Wirk 8 amkeit der *
Kiunkheitazuatündcn
mg . tragenden, von denen ich kurz noch auf bolgeitae
er- A. Voisin (Paris), der die Anwendung dc ^ r f ^ lidirt für
wie bei der Behandlung von Geist^ktanken ^ ^
iden diese Methode mit der Beschränkung ^ Verfolgungs-
ab- durch Hallucinationen eharaktensirt sind, oder hieden8ten
^er delirien, durch Mord- und S^stmordideen, durch d.everscfi
und Phobien und Manien, durch die können
beit. bei der folic morale. d,e “ acu Be ; der Anwendung
iene. ihren Anfall durch diese Behandlung v . h y. keinen
rper : auf progr. Paralyse, auf apoplektische Krankheitei
i ihr therapeutischen Erfolg. w.i^rstrand (Stockholm)
8 der Sehr gute Resultate sah G. W Hysterien.
» hei von künstlich verlängertem Schlaf. besonders obne jede
. die Je tiefer der Schlaf ist, desto besser wirkt er ^ roit
nttge, verbale Suggestion, ganz besonders bei f - hat künst i ic h
Rotz- psychischen Störungen combmiren. Dei Vortragen ^
irael- verlängerten Schlaf bis zu einer Dauer vo halte, wo
issem Anwendung gezogen. Erfolge erleb er Morphinismus com-
pratur die Hysterie (hartnäckiges Erbrechen) durch Mo P hei|c „.
selben plieirt war. Im Ganzen sah W. von 8 (schwerenillystener
Der Erfolg wurde manchmal Jahre hindurch con
25. August 1896.
i^r \ dde t 1, Th ' rap ' e ni «dcrgelcgt. Eine Panacec gegen
daubt nt ra r g , kann rr ^ dner “ Hypnotismus nicht erblicken,
glaubt aber, dass diese Therapie in Verbindung mit den günstigen
af zfZ S T7\********** «W* sehr wohl da™ d^e
die Ziffer der Heilungen emporzutreiben und die Dauer der Bc-
mVht !b Z “ h UC 'T', Di ° V ° n ih “ behande[te “ Kranken wurden
cht abgesperrt gehalten, sondern konnten unter der Aufsicht
verlässiger Wärter kommen und gehen. In keinem Falle sah T
eine dauernde Heilung, ohne dass der Kranke mit gutem Willen
beigcholfen hätte. Nach der dem Vortrage beigegebenen Statistik
? , 39 MänDCr ’ 26 Frauen ' Geheilfc wurden
tT“ na u e,ner 0ffcnbarcn Heilung von 2 Jahren 2 ;
1 starb 6 Monate nach erfolgreicher Cur; permanent gebessert
SS?“ 7: , Rück ^ IIe mnerhalb 3-6 Monaten erlitten 80; kein
Erfolg trat ein bei 10.
«Zur Therapie der durch Vorstellungen entstandenen Krank¬
heiten», der doxogenen, erklärt Stadolmann als das Erfolg-
stoSun^ d,e f S “g«06tion v Er räth, die primäre pathogene Vor-
stellung — falls sie nicht bekannt ist - durch Hypnose zu
erforschen und sie dann durch Suggestion zu beseitigen. So
weiche Diabetes albuminosus norvosus (nach Unfällen), Oedcma
nervosum protrahirte Menses, Asthma nervosum, Erkrankungen
der Haut. Emen Erfolg verspricht sich St. auch durch eine
derartige Behandlung bei der sog. traumatischen Neurose. Auch
die Epilepsie und das epileptische Irresein will Vortragender auf
V, SC Weise einer Behandlung zugänglich machen, indem er seine
«Vcrgesscnheitssuggestion» in Anwendung bringt
Es erübrigt mir noch, auf den Inhalt einiger Vorträge kurz
hmzuweiscn, die aus dem Arbeitsgebiete der V. Scction uns näher
liegen und intercssircn.
Von Bedeutung für die Hygiene des Kindesalters resp. der
Schule sind die Versuchsresultate von T. Friedrich (Würzburg)
Uber die «Einflüsse der Arbeitsdauer und der Arbeitspausen auf die
geistige Leistungsfähigkeit der Schulkinder», aus denen Folgendes
hervorgeht: Die längere Unterrichtsdauer setzt die geistige
Leistungsfähigkeit der Kinder herab. Die eingetretene Ermüdung
gibt sich kund m einer Qualitätsminderung der geleisteten Arbeit;
diese Arbcitsverschlechtcrung kommt zum Ausdruck in der Er¬
höhung der Fehlerproccnte und des Fehlermittcls einerseits, in
der kleineren Anzahl der fehlerfrei arbeitenden Schüler anderer¬
seits Die eingeschobenen Pausen sind durchweg von günstiger
Wirkung, indem sie die Fehlerprocente und Fehlermittel verkleinern
und die Zahl der fehlerfrei arbeitenden Schüler erhöhen. Von
bestem Einfluss ist die Doppelpause. Der Vortragende zieht
folgende praktische Folgerungen aus seinen Erhebungen: Die
gegenwärtig geltende Unterrichtszeiteinheit (von 60 Minuten) ist zu
i M- ZW1SCben d ’ e Unterrichtsstunden sind Pausen von mindestens
10 Minuten einzuschieben. Die Pausen sind durch Ruhe und
JNahrungsaufnahmc auszufüllen. Der Nachmittagsunterricht hat
nur leichtere Stoffe — wie Gesang, Schönschreiben etc. — zu
behandeln.
Professor Ziehen (Jena) hat in der dortigen Seminarschule
Versuche über «die Ideenassociation gesunder Kinder» angestellt
und zwar wurde für jedes Alter bestimmt: 1 . die Schnelligkeit
erzwungener, d. h. eindeutig bestimmter Associationen, grössten-
heils mit Hilfe des Münsterberg’schcn Reactionsapparates,
f ‘h® Schnelligkeit mehr oder weniger bedingter und völlig freier
Associationen, 3. wurde für jedes Alter und jede Classe die
Procentzahl festgestellt, in welcher die einzelne Gattung der Ideen-
association unter den freien Associationen vorkommt. (Das Ein-
theilungsprincip der Associationen wurde näher dargelegt.)
Der Vortrag von J. Cohn- Berlin beschäftigte sich damit,
«Beiträge zur Kenntniss der individuellen Verschiedenheiten des
Gedächtnisses« zu bringen. Bei den Versuchen von C. handelte
es sich darum, eine Methode zur Feststellung der Eigentümlich¬
keiten- des Gedächtnisses eines Menschen zu finden und vor Allem
zu untersuchen, in wie weit die verschiedenen Arten des Gedächt¬
nisses für einander eintreten. Es fand sich, dass lautes Lesen
meist das Gehörsbild begünstigt, während bei anderer Anordnung
(möglichste Ausschaltung der Articulation oder aber Aussprechon
MCNC HENBB MDMOgnBOHg W OCHENSCHRIFT
809
eines Vocales während der Beobachtungszeit) das Gesichtbild
it nir GeltUng k , am - Die wo ' tcrea Details der Arbe“n
sich nicht zu einem kurzem Referate.
ein r?:;°7 Ch T WCgIege ’ die ich bisl »er sozusagen wie
olme C RmTl ^ ’ 1Ddem ich über daa Vorstehende fast
^ ndg088Cn Uencht erstattete, möchte ich noch eine kleine
Nachschnft hier anfügen. Sic soll jedoch keineswegs irgend einer
Kritik über eine der vorstehenden Arbeiten gewidmet sein, sondern
einer anderweitigen Schlussbetrachtung.
2 er d *s Arbeitsprogramm des Psychologen-Congresses nur
mit einem Blicke gestreift hat, der verzeiht es mir leicht dass
ich m dem engen Rahmen dieses gedrängten Berichtes nicht mehr
der UnnltT ZT’ “T Stel,Cnweise dürftigen Umriss
s,E,Vn SarbC M S0WC,t 816 mir “Odicinisch-praktischer Natur
schien, an einer Menge anderer Vorträge bin ich vorbeigegangen
ärztlichen IT ht m . dCr T SChlechten Moioun «> ^s fänden sie in
ärztl chen Kreisen kein Interesse. Ucbrigons wird ja der aus-
“s, sir ht das von mir VeNäa " to dc, ‘ i> *—-
i I , A11 S T° n “ ein kurZCr Ausza £ dürfte lehren, dass es eine
vtn u . 'n 18t ’ Wenn Cin Thcil - nach meinem Gefühl
, r ‘ Ch , das Gros — der deutschen Aerzte den Bestrebungen
er modernen Psychologie gegenüber sich von vorneherein ablehnend
llbeT^ VC “ UDd V ° m ‘^punkte ruhiger wissenschaft¬
licher l rüfung sich weg und in jenen der Indolenz sich hinein
drangen lasst Denn wie gerade der heurige psychologische Congress
auf das Deutlichste nachweist, liegt der Stoff, welchen die heutigen
sychologen als den ihrigen reclamircn, längst nicht mehr weit
jenseits der Grenzpfälile der «exacten» Wissenschaften — wie
noch vielfach der alte Glaube geht -, sondern zu einem immer
mehr wachsenden Antheil innerhalb der Grenzen und inmitten
es Gebietes, das die exacte Forschung zu beherrschen oder
wenigstens zu durchleuchten vermag. Es ist nicht zu bestreiten,
dass em gar nicht kleiner Theil Dessen, was manche Jener, so
sich 1 sychologen heissen, auf den wissenschaftlichen Markt tragen,
erst das Filter allerstrengstcr d. h. ruhigster und sachlichster
Prüfung passirt haben muss, bevor cs als wissenschaftliche That-
sachc präsentirt werden kann, dass die «psychologischen That-
saclien» — um mit dein vortrefflich angebrachten Ausspruch
Professors Flechsig in der denkwürdigen Discussion gegen
Professor Li pp s zu reden — eben «auch der Kritik zugänglich
sein müssen«. Sollten aber nicht auch die Aerzte berufen sein,
ihrerseits an dieser Kritik mitzuarbeiten? Niemand von den ein¬
sichtsvollen Psychologen stellt es in Abrede, dass an ihre Rock¬
schosse gar zu gerne cin frisch drauf los psychologisirender
Dilettantimus sich hängt, schwer abzuschütteln und schwer zu
verläuguen. Sollten es da nicht die 20 000 deutschen Aerzte
sein können, die durch ihren Beruf cin wirksames Gegengewicht
gegen die schädlichen Folgen jener dilcttantenhaften Phantasterei
ausüben können, ganz abgesehen davon, dass in vielen Fragen,
welche die houtige Psychologie behandelt, z. B. in der Psycho¬
pathologie und der vergleichenden Psychologie, gerade die
Aerzte das gewichtigste Wort mitreden? Zwar lehrt cin Blick
auf die Mitgliederliste des Congresses, dass bereits viele Aerzte
mit psychologischen Arbeiten sich beschäftigen oder die Kraft
wissenschaftlicher Kritik der Sache leihen; aber das Gros —
dünkt cs mich — steht bei Seite mit der Miene: Was geben uns
die Psychologen an? Ich für meinen Theil glaube nicht,, dass
dies der berechtigte Standpunkt ist, ich stelle mich auf die Seite
Jener, die glauben, «das Räthsel des Menschen» müsse von mög¬
lichst vielen Seiten in Angriff genommen werden, wenn man hoffen
wolle, mehr davon zu lösen, als heute angeht.
Ich persönlich halte cs für eitles Hoffen, das Heil der
psychologischen I orschung in der möglichsten Emancipation von
der Physiologie zu sehen; ich glaube allerdings, dass es einer der
gangbaren Wege ist, von den feinen Aeusserungcn der mensch
liehen i pv/J) aus durch vielfältiges Beobachten und kritisch geleitetes
Experimentiren cin Stück zu ihrem innern Kerne vorzudringen,
allein sollte nicht die Physiologie ihrerseits auf das allerdringendste
nöthig sein, um von der 'anderen Seite her einen Schacht durch
dieses Gebirge zu treiben ? Nur Selbstüberschätzung könnte diesem
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810
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Probleme gegenüber auf die Parole: Viribus unitis I verzichten
wollen.
Gerade der Gedanke an die N o t h w e n d i g k o i t gemeinsamer
Arbeit zwischen den Psychologen, Physiologen und Aerzten ist es,
für den wir die stärkste Befestigung und lebhafteste Förderung
aus den Arbeiten des psychologischen Congresses 1896 erhoffen.
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.—31. Juli 1896.
(Fortsetzung.)
II.
Section für interne Jledicin.
Nach einigen einleitenden Worten seitens des Vorsitzenden der
Section G. F. Du ff ey-Dublin eröffnete Sir T. Grainger Stewart
Edinburgh eine Discussion über Diagnose und Therapie der Herz
insufficienz.
Der Begriff Herzinsufficienz scliliesst alle jene Fälle in sich,
in denen das Herz nicht mehr fähig ist, die Blutcirculation richtig
im Gange zu halten, sei dies nun die Folge einer Erkrankung des
Herzmuskels selbst, oder eines Defectes der Klappen, oder einer
Veränderung an den Blutgefässen. Von allen Mitteln, die gegen
eine bestehende Insufficienz angewendet worden, ist das erste und
beste die Ruhe, wodurch das Herz vor jeder Anstrengung bewahrt
wird und seinen Tonus wieder gewinnen kann. Als ein weiteres,
nicht ausser Acht zu lassendes Moment bezeichnet St. die «Hoffnung*,
die psychische Beeinflussung durch die Behandlung, durch Zureden,
durch Beseitigung lästiger Symptome. Nächst der Ruhe ist am
wichtigsten eine passende Diät. Hospitalkranke, d. h. in der Regel
Patienten der ärmeren Classen, gedeihen oft bei einer gesteigerten
Zufuhr von stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln, während in der Privat¬
praxis bei den besser Situirten eher eine Beschränkung der Nahrungs¬
zufuhr angezeigt ist Im Allgemeinen ist eine «trockene Diät» die
beste, die Flüssigkeitszufuhr, besonders während oder kurz nach den
Mahlzeiten, ist zu beschränken. Alkohol ist, wenn auch oft ge¬
wöhnlich nicht angezeigt, doch in manchen Fällen von Herzschwäche,
besonders bei alten Leuten, bei Degeneration des Herzmuskels, von
grossem Nutzen. Aus ähnlichen Gesichtspunkten regulirt sich die
Anwendung der nicht alkoholhaltigen Stimulantien: Kaffee, Thee,
Cacao, Tabak etc. —
Ein weiteres unterstützendes Moment in der Behandlung der
Herzkrankheiten sind die gymnastischen Uebungen, von denen drei
Formen unterschieden werden müssen: Passive Bewegungen, in¬
clusive Massage, Widerstandsgymnastik nach der Methode der
Gebrüder Schott und active Bewegungen nach der Professor
OerteTschen Methode. Der Effect der richtig angewendeten Gym¬
nastik macht sich geltend in einer Verkleinerung der Herzfigur, im
Charakter der Herztöne, der Pulsfrequenz und dem subjectiven
Befinden des Kranken. Während die beiden ersteren Methoden
beinahe bei jeder Form und in jedem Stadium von Herzaffection
sich mit Erfolg anwenden lassen, ist die Oertel’sche Methode nur
für weniger vorgeschrittene Fälle angezeigt; sie tritt mit Erfolg in
Anwendung, wenn durch die erstgenannten Methoden eine Kräftigung
des Herzens erzielt ist. Ein besonderer Vortheil derselben ist ferner
der, dass sie in freier Luft und in besonders geeigneten Gegenden
ausgeführt werden kann. — Eingehend verbreitet sich Referent
hierauf über die Anwendung von Bädern, speciell über die in Nau¬
heim übliche, von Schott eingeführte Curmethode und deren
Erfolge, für die er wärmstens eintritt —
Was endlich die medicamentöse Behandlung betrifft, so hat
sich die Digitalis als das beste Herztonicum bewährt. Sie vermehrt
die Elasticität und Coutractilität des Herzmuskels, kräftigt und
beruhigt den Puls und beseitigt Dyspnoe und die anderen Lungen¬
symptome und regt ausserdem eine kräftige Diurese an. Um die
contractile Wirkung derselben auf die kleinsten Arterien, welche
besonders bei Niereuschrumpfung gefährlich werden könnte, zu para-
lysiren, empfiehlt er die gleichzeitige Darreichung der Nitrite, ein
vorgehen, das sich zwar experimentell nicht begründen lässt, aber
praktisch bewährt hat. Der Digitalis zunächst steht der von Pro¬
fessor Fraser-Edinburgh eingeführte Strophantus. Derselbe hat
nicht^ die oben angeführte unangenehme Nebenwirkung auf die
Arteriolen und wirkt bedeutend rascher als die Digitalis, doch ist
der klinische Effect der letzteren im Allgemeinen vorzuziehen. Die
Tonica, als Coffein, Diuretin, Strychnin etc. werden kurz erwähnt.
Als weitere, die Herzaction erleichternde Mittel (durch Erweiterung
w* -A r te r >°len) 8ind d ; e Nitrite anzusehen, von rasch eintretender
' Vi r k “?8 das Amylnitrit, von längerer Nachwirkung das Natr. nitros.
und Nitroglycerin; bei chronischen Entzündungszuständen endlich
ist das Jodkali mit Erfolg versucht worden —
Die secundären Symptome der Herzinsufficienz erfordern be¬
sondere Behandlung, vor Allem der Hydrothorax. Sobald die ersten
Symptome von Dyspnoe auftreten, ist die Pumtion und Entleerung
® , . ne ® " " ei ‘ eR der Flüssigkeit angezeigt. Dadurch werden nicht nur
die Beschwerden gehoben, sondern auch die Wiederresorption be¬
günstigt. Eine differente Behandlung der verschiedenen Klappen-
affectionen ist nicht nöthig, auch bei Klappenfehlern der Aorta
kann Digitalis mit Erfolg angewandt werden. Nur wenn der Ent-
zündungsprocess an den Klappen noch im Fortschreiten begriffen
ist, sind die Tonica zu vermeiden und ist einzig Ruhe, Arsen und
Jodkali, eventuell mit Zusatz von Ammon, carbon , angezeigt.
Die dem ausführlichen Vortrage des Referenten folgende Dis¬
cussion bewegte sich hauptsächlich über die Vortheile und Nachtheile
der Schott-Nauheim'schen Behandlungsmethode, bezw. den Effect
der Nauheim’schen Badecur. Während die Einen deren Vorzüge
emphatisch priesen, waren wieder Andere von ihren Resultaten
sehr enttäuscht.
W. P. Herringham-London vergleicht zunächst die Resultate
der gewöhnlichen Percussionsmethode und der sogenannten aus-
cultatorischen Percussion behufs Constatirung der Herzdilatation
und gibt der ersteren den Vorzug, was eine Replik von Bezly
Thor ne-London hervorruft. Die Genauigkeit der durch die ge¬
wöhnliche Percussion erreichten Resultate wird übrigens durch von
Macyntre-Glasgow demonstrirte Röntgen'sche Aufnahmen zur
Evidenz erwiesen.
Lei th-Edinburgh glaubt neben dem psychischen Einfluss
bei den Nauheim’schen Bädern der Kohlensäure den Haupteffect
zuschreiben zu müssen, während Edgecombe und Liddell-
Harrogate angeben, denselben Effect mit den Schwefelbädern von
Ilarrogate erzielen zu können.
T. D. Savill-London rühmt den Erfolg der Nauheim’schen
Methode, besonders bei der von ihm unter dem Namen: arterielle
Hypermyotrophio beschriebenen Krankheitsform, bestehend in
einer Hypertrophie der mittleren oder Muskelschicht der Arterien¬
wände. Dieselbe findet sich als Erscheinung deB Alters, auch des
frühzeitigen, bei Gicht, Sand und Gries. Der bei älteren Leuten
so oft beobachtete Schwindel wird dieser Gefässerkrankung zuge¬
schrieben, auch manche Fälle von Angina pectoris.
H. Campbell-London sieht den Effect der combinirten Be¬
handlung in der Anregung der Muskelthätigkeit einerseits, wodurch
eine grosse Menge Blutes zu diesen Organen abgeleitet wird, und
andererseits in einer Vergrösserung der Lungencapacität, was den
kleinen Kreislauf begünstigt und auch dadurch das Herz entlastet.
A. Morison-London betont die Nothwendigkeit einer genauen
Ueberwachung der Kranken während der ganzen Behandlungsdaner.
Die guten Resultate der Methode demonstrirt er an mehreren Bei¬
spielen und Krankengeschichten.
Byrom Bram well-Edinburgh warnt vor zu grossem Enthusias¬
mus gegenüber den in Nauheim erreichten Resultaten. Ihm hat sich
am besten bewährt: absolute Körperruho mit Ruhigstellung des
Magens durch Rectalfütterung und grosso Dosen von Digitalis, be¬
sonders bei den sehr häufigen Fällen, in denen sich Herzerkrankung
mit gastrischen Störungen combinirt.
Im Anschluss an diese Discussion gab Bezly Thorne eine
Demonstration über die Anwendung der Schott’schen Behandlungs¬
methode mit Bädern und Gymnastik und der von ihm vertretenen
Untersuchungsmethode der auscultatorischen Percussion.
T. Churton-Leeds sprach dann über den rheumatischen
Ursprung der Chorea, und Herbert Snow-London über Opium-
Cocainbehandlung des Carcinoms. (Fortsetzung folgt)
F. L.
Verschiedenes.
In der Nummer vom 14. August 1896 bringt der «Temps» einen
Artikel «Un scandale mddical». In diesem macht die bekannte
französische Zeitung der Regierung den Vorwurf, dass sie sich noch
immer nicht habe entschliessen können, durch ein Impfgesetz und
geeignete sanitäre Vorsichtsmaassregeln der Ausbreitung der Pocken
in Frankreich in gehöriger Weise entgegenzutreten. Und doch habe
die Akademie schon seit 30 Jahren ununterbrochen auf diese Noth-
Wendigkeit hingewiesen. Auch jüngst hat Herr Dr. Hervieux, Leiter
des Impfinstitutes und Präsident der Akademie, in einem Bericht
an das Ministerium auf die gefährliche Ausbreitung dieser Seuche
in Marseille hingewiesen. In dieser Stadt erlagen derselben von
1872—1996 nicht weniger als 8430 Einwohner. Dass der Staat das
Mittel zur Verhinderung grösserer Pockenepidemien besitze, beweise
Deutschland. Seit Einführung des Impfgesetzes vom Jahre 1874
kenne man in der Sterblichkeitestatistik dieses Landes kaum noch
die Pocken, Städte wie Berlin, Breslau und Hamburg hatten in
Jahren oft keinen solchen Todesfall und die Sterblichkeit betrage
noch nicht 1: 100 000 seit 1875. Dies sei einzig und allein der allge¬
meinen Durchführung der Vaccination und Revaccination, sowie
den energischen Desinfectäonsmaassregeln zuzuschreiben. Auch w
der Millionenstadt Paris sei es Dank der umsichtigen Thätigkeit des
Herrn Dr. A. J. M artin gelungen, in den letzten Jahren ein weiteres
Umsichgreifen der Pocken zu verhihdern. Dieselben hätten dort
im ersten Halbjahr 1894 noch 155, im zweiten dagegen nur noch
11, im nächsten Jahr 16 und bis August 1896, 2 oder 3 Opfer ge¬
fordert. In Marseille dagegen steigere sich die Sterblichkeit von
Jahr zu Jahr, im ersten Semester 1894 32, im zweiten 115> ,m
ersten Halbjahr 1895 schon 175, im zweiten sogar 562 nnd bis zum
August dieses Jahres schon wieder 358 Todesfälle an Pocken. L®
sei daher nicht zu verwundern, wenn man im Ausland die Stad
Marseille als verseucht betrachte und im Begriffe sei, gegen die be¬
deutende Hafenstadt die üblichen Vorsichtsmaassregeln zu ergreifen.
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25. August 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
811
Zum Schluss verlangt der «Temps», man solle die städtischen Behörden
dazu zwingen, mit der Bekämpfung dieser gefährlichen contagiösen
Krankheit energisch voranzugehen, wenn sie nicht aus eigenem
Antriebe hierzu bereit wären.
Zur Frage der Gesundheitsschädlichkeit des sport-
mässigen Radfahrens. Mitgetheilt von Dr. Estille (Freiburg
i. Br.). Dr. v. Stalewski in Freiburg i. Br. hatte am 21. Juli
1895 Gelegenheit, unter Zuziehung einiger befreundeter Collegen an
5 Radfahrern vor und nach einer Wettfahrt genauere Untersuchungen
vorzunehmen. Die Radfahrer, zum grössten Theile trainirt, standen
im Alter von 18—28 Jahren. Bei einem derselben ergab die Unter¬
suchung einen compensirten Klappenfehler, die Warnung vor der
Theilnahme an der Wettfahrt war jedoch nutzlos. Bei einem zweiten
zeigte sich eine auffallend ungenügende Entwickelung des Brust¬
korbes mit sehr geringer Excursiousfähigkeit. Dio 3 Uebrigen waren
vollkommen gesund. Untersucht wurden vor dor Fahrt ausser
Lungen und Herz Urin, der bei Allen völlig normal war, ferner
wurde ausser dein Körpergewicht die Höhe des Blutdrucks (mittels
des Basch'sehen Sphygmomanometers) und der Umfang einiger in
Betracht kommender Muskelgruppen festgestellt. Die Fahrt von
46 km auf guter Chaussee wurde in 1,5-1,75 Stunden zurückgelegt
Alle, auch der Herzkranke, kamen, von leichter Cyanose abgesehen,
in anscheinend guter Verfassung an. Die Respiration war stark
beschleunigt (bis 30 in der Minute), ebenso der Puls (bis 160).
Der Blutdruck war durchweg erheblich gesteigert. Die einzelnen
Fahrer hatten 2—3 Pfund an Körpergewicht eingebüsst. Am Herzen
fanden sich in keinem Falle Veränderungen. Der Umfang der
Unterarm- und namentlich der Oberschenkelmusculatur war bei der
Mehrzahl nach der Fahrt etwas gewachsen Namentlich die letztere
zeigte einen nicht unbeträchtlichen Grad von Reizungszustand
(Muskelzittern, Druckemptindlichkeit). Bei sämmtlichen Wett¬
fahrern fand sich Albumen im Urin, bei einigen allerdings
nur in Spuren. Das specifische Gewicht des Harns war vermehrt
Bei wiederholter Urinuntersuchung ergab sich, dass die Albuminurie
im Laufe der nächsten Tage verschwand. (Therap. Monatshefte
No. 1896, Heft 8.)
Therapeutische Notizen.
Die Serumbehandlung der Harninfection ist nun
auch schon in die Wege geleitet worden und zwar von Albarran
und Mosny-Paris (Ann. des mal. g6n.-ur. 5, 96). Von der Er¬
fahrung ausgehend, dass die Harninfection in der Regel durch das
Bacterium coli verursacht wird, haben sie im Thierexperiment diese
Infection curativ und propbylactisch zu bekämpfen angestrebt. Bei
den Versuchen mit lebenden Culturen und Organfiltraten erwies
es sieb am vortheilhaftesten, abwechselnd Culturen und Filtrate zu
injiciren; den so geimpften Thieren konnte man sehr bedeutende
Dosen von sehr virulenten Culturen injiciren, ohne dass eine irgend¬
wie erhebliche Reaction auftrat.
Das Serum der so geimpften Thiere entfaltet sowohl erhebliche
heilende, wie prophylactische Wirkungen. Ein Meerschweinchen
zum Beispiel, mit ‘/* ccm dieses Serums geimpft, vermag der In-
jection der zwanzigfachen Menge der sonst tödtlichen Dosis 24 Stunden
später zu widerstehen. Auch wurde der tödtliche Ausgang ver¬
hindert, wenn 2 Stunden nach Injection der doppelten, sonst tödt¬
lichen Dosis 2 ccm Serum injicirt werden.
Auf Grund ihrer Ergebnisse glauben sich die Verfasser zu
Versuchen am Menschen berechtigt und werden über ihre Resultate
später berichten. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 25. August. Am 23. ds. Mts. beging der bekannte
Anthropologe Johannes Ranke seinen 60. Geburtstag. Ranke
habilitirte sich 1863 in München als Privatdocent für Physiologie
und wurde 1869 a. o. Professor daselbst. 1886 wurde er zum
ordentlichen Professor der Anthropologie ernannt und bestieg so
den ersten Lehrstuhl dieses Faches in Deutschland. Von seinen
Arbeiten nennen wir seine «Grundzüge der Physiologie», die im
Jahre 1881 bereits die vierte Auflage erlebten, und als zweites
grösseres Werk «Die Lebensbedingungen der Nerven», die im Jahre
lr68 zum ersten Male erschienen. Es folgten im Jahre 1876 «Die
Ernährung des Menschen» und 1878 als letzte physiologische Arbeit
eine Studie über das «Blut». 1883 trat Ranke zum ersten Male
mit einer grösseren anthropologischen Studie «Beiträge zur physischen
Anthropologie der Bayern» auf, dem im Jahre 1886 seine meist be¬
kannte, populär gehaltene, zweibändige Anthropologie «Der Mensch»
folgte, die als der erste Versuch einer allgemein fasslichen Dar¬
stellung des anthropologischen Studienmaterials die höchste An¬
erkennung verdient. Ranke ist Director der prähistorischen Samm¬
lung in München und redigirt ausser dem «Archiv für Anthropologie»
und den «Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns«
als Generalsecretär der deutschen anthropologischen Gesellschaft
noch das von dieser herausgegebene Correspondenzblatt. Auch wir
bringen dem verdienten Forscher unsere Glückwünsche dar. Ad
multos annos!
— Vom 28. Juli bis 3. August wurden in Cairo 8 Erkrankungen
(und 9 Todesfälle), vom 2. bis 8. August in Alexandrien 33 Er¬
krankungen (und 31 Todesfälle) an Cholera angezeigt. Die Gesammt-
zahl der bis zum 8. Ausgust gemeldeten Cholerafälle betrug in
Egypten 16 086 (13 328), in Alexandrien 918 (803).
— Die diesjährige Versammlung des Vereins der deutschen
Irrenärzte findet, wie schon mitgetheilt ist, am 18. und 19. September
in Heidelberg statt, unmittelbar vor der Naturforscherversammlung
zu Frankfurt a. M., welche am 21. September beginnt. Tages¬
ordnung: DiBCiissionsthema «Wärterfrage». Referenten die Herren
Grashey und Lud wig. Vorträge: Herr Kraepelin-Heidelberg:
Ziele und Wege der klinischen Psychiatrie: Herr Siemer 1 ing-
Tübingen: Ueber die Veränderungen der Pupillenreaction bei Geistes¬
kranken; Herr Mendel-Berlin: Die Geisteskrankheiten im Bürger¬
lichen Gesetzbuche nach dem Beschlüsse des Deutschen Reichstages;
Herr Nissl-Heidolberg: Veränderungen der Nervenzellen durch
Gifte; Herr Aschaffenburg-Heidelberg: Psychophysische De-
uom8trationen; Herr Gross-Heidelberg: Ueber Stupor.
— Auf der diesjährigen Naturforscherversammlung vom 21. bis
26. September wird eine gemeinschaftliche Sitzung der gynäko¬
logischen Abtheilung mit der dermatologischen stattfinden zur Er¬
örterung der Gonorrhoefrage. Das einleitende Referat hat N e i s s e r.
Ihre Theilnahme haben zugesagt: Bumm-Basel, Sänger-Leipzig,
Wertheim-Wien, Fritsch-Bonn, Tonton-Wiesbaden u. A.
— Das Programm der chirurgischen Section des nächstjährigen
internationalen Congresses in Moskau liegt bereits vor. Die zur
Discussion gestellten Themata sind: 1. Behandlung inficirter Wunden,
Referent: Dr. Braatz-Königsberg; 2. Nicht-operative Behandlung
maligner Tumoren und die Resultate der Serumtherapie; 3. Resultate
der operativen Behandlung von Gehirntumoren und Jackson'scher
Epilepsie, Referent: Professor E. B erg mann-Berlin; 4. Lungen¬
chirurgie mit specieller Berücksichtigung der Behandlung von Cavernen
und Lungengangrän, Referent: Professor Tuffier-Paris; 6. Behand¬
lung der krebsigen Oesophagus-, Pylorus- und Rectum-Stricturen,
Referent: Professor Czerny - Heidelberg; 6. Gonorrhoische und
syphilitische Gelenkaffectionen, Referent Professor Oliier-Lyon;
7. Orthopaedik des Hüftgelenks und der unteren Extremitäten,
Referent Professor D o 11 i n g e r - Budapest. Auszüge der beabsichtigten
Vorträge sollen bis 1. Januar 1897 an den Secretär der Section ein-
gesandt werden. F. L.
— Herr Hofrath Dr. Brunner, Oberarzt des Krankenhauses
r. d. Isar, hat die Function als ärztlicher Vorstand der Kranken¬
pflege- und Heilanstalt, sowie auch die Leitung der chirurgisch-
orthopaedischen Anstalt des bayerischen Frauenvereins vom rothen
Kreuz niedergelegt. Herr Oberstabsarzt Dr. Seydel, Vorstand des
Opcrationscurses für Militärärzte, trat als ärztlicher Vorstand in
genannter Anstalt ein und Herr UniversitätsprofesBor Dr. Klaussner
übernahm die ärztliche Leitung der orthopaedischen Anstalt des
Frauenvereins in München.
— Dem k. Bezirksarzte und Oberarzte der medicinischen Ab¬
theilung des Krankenhauses München r/I., Dr. Otto Zaubzer,
wurde der Verdienstorden vom hl. Michael IV. Classe verliehen.
— Ein unbekannt bleibenwollender Gönner der medicinischen
Wissenschaft spendete, einer Mittheilung des «Britisch Medical
Journal» zu Folge, 100 000 Dollar zur Errichtung eines Lehrstuhls
für vergleichende Pathologie an der Harvard Univcrsity. Ein Lehr¬
stuhl für vergleichende Pathologie hat bis jetzt noch nirgends
existirt.
— Von deutschen Städten über 40 000 Einwohner hatten in
der 32. Jahreswoche, vom 2. bis 8. August 1896, die grösste.Sterb¬
lichkeit Königsberg i. Pr. mit 48,5, die geringste Sterblichkeit Altona
und Bochum mit je 12,9 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner.
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Kaisers¬
lautern, an Diphtherie mit Croup in Solingen.
(UniversitätBnachrichten.) Berlin. Der bisherige ausser¬
ordentliche Professor Dr. Edmund Lesser zu Bern ist zum ausser¬
ordentlichen Professor in der medicinischen Faculät der Königlichen
Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ernannt worden.
Baltimore. Dr. Williams ist zum ausserordentlichen Pro¬
fessor für Geburtshilfe an der Johns Hopkins Universität in Baltimore
ernannt. — Lemberg. Der ausserordentliche Professor an der
czechisehen Universität in Prag Dr. Andreas Obrzut wurde zum
ordentlichen Professor der pathologischen Anatomie, der ausser¬
ordentliche Professor an der hiesigen Universität Dr. Ladislaus
Niemilowitsch zum ordentlichen Professor der medicinischen
Chemie und der Privatdocent an der Universität in Marburg
Dr. Wenzel v. Sobieranski zum ordentlichen Professor der Pharma¬
kologie und Pharmakognosie an der hiesigen Universität ernannt.
— Philadelphia. Dr. A b b o 11 ist an Stelle von Billings
zum Professor für Hygiene an der Universität Philadelphia ernannt
worden Dr. J. McFarland, Lector für Bacteriologie an der Uni¬
versität zu Philadelphia, ist zum Professor für allgemeine Pathologie
am Medico - chirurgical College in Philadelphia ernannt worden.
Die DDr Braden Kyle und W. Jones sind zu Professoren für
Laryngologie und Dr. Harris zum ausserordentlichen Professor' für
Pathologie und Bacteriologie, sämmtlich am Jefferson Medical College
in Philadelphia, ernannt worden. — St. Petersburg. Dr. Sirotinin,
ausserordentlicher Professor für allgemeine Pathologie und Therapie
an der medicinischen Militärakademie in St. Petersburg, ist zum
ordentlichen Professor ernannt worden - Wien. Dr Rudolf
Kolisch wurde als Privatdocent für interne Medicm an der medi¬
cinischen Facultät der Universität zugelassen.
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812
geblieben. Es muss heissen: Diese Entspannun
splite? auf, je kühler die Temperatur des Bades ist.
MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHE NSCHRIFT^
No. 34.
tritt desto
F. L.
Amtliche Erlasse.
m 1419Q Bayern.
ssriÄ'ÄÄ
bürg betreffend.
„ di. k. Regierungen, K~ d» 1"".» "«< "» "■“»> d,nn
die k, Bezirksarzte.
Kgl. Staatsministerium des Innern.
-^rHrasSSS
^bSSÄSSKS:
'"“TtÄfc rlie Tauglichkeit eiu.» G^ua^turi».
ten zum Staatsforstdienste darf nur auf Grund persönhcher
Untersuchung durch den Amtsarzt und nach eigener Ueber
zeugung desselben gebildet werden. ,
2. Ist die Untauglichkeit nicht schon ohne EntblössJJg des
Körpers ersichtlich, so ist stets eine vollständige Beeuhti
gung des cnthlössten Körpers des zu Untersuchenden vor-
3. Hinsichtlich der Körpergrösse der neuaufzunehmenden
Staatsforstdienst-Adspiranten ist das militärische Mindest
mass von 1,54 m als untere Grenze zu beobachten
4 Bei der amtsärztlichen Untersuchung constatirte Unter¬
leibsbrüche oder auch ausgesprochene Anlage hiezu bilder
ein Hinderniss für die Aufnahme in denStaatsforstdienst.
5. Ein ausgedehnter oder ein unmittelbar der Luftröhre auf
liegender und dieselbe drückender Kropf bildet gleichfalls
ein Hinderniss zum Eintritt in den Staatsorstdienst
6. Farbenblindheit wird als ein die Tauglichkeit zum Staats
forstdienste ausschliessender körperlicher Mangel nicht
erkannt. Dagegen ist von Wichtigkeit die Constatming
normaler Sehschärfe. Brillen zur Correctur von Kurz¬
sichtigkeit Bind zuzulassen, ... „... . . „
7 Zur Prüfung der Hörfähigkeit ist sich der Flüstersprache
im geschlossenen Raume zu bedienen und genaue Besichti¬
gung des äusseren Gehörganges, wenn nöthig, auch ües
Trommelfelles vorzunehmen.
8. Von einer Messung des Brustumfanges kann Umgang ge¬
nommen werden, dagegen sind die Befunde der Inspection,
Palpation, Percussion und Auscultation anzugeben.
9. Die Untersuchung hier nicht benannter Körpertheile ist dem
jeweiligen Ermessen des untersuchenden Arztes anheim-
• gestellt.
München, den 31. Juli 1896.
Frhr. v. Feilitzscb.
Der Generalsecretär:
von Kopplstätter, Ministerialrath.
Formular.
Amtsärztliches Zeugniss.
... den . 18.
Die heute von mir vorgenommene Untersuchung des N. N. bat
nachstehenden Befund ergeben:
(Hier folgt kurze Angabe des Untersuchten selbst iBber Beinen Gesundheitszustand
und über etwa bestandene erhebliche Krankheiten.)
No. 15302.
Kgl Staatsministerium des Innern.
liof“ 3dÄ SS 1897 eine Prüfung für An. taUichen
» Selben Btad unto Vorkge
srtssstraÄ
des Ausschlusses von der Prüfung bis
spätestens zum 30. September 1. Js.
ISr^
Im Gesuche fst zugleich die Adresse für die seinerzeitige Zu¬
stellung des Zulassungsdecretes genau anzugeben.
München, den 5. August 1896.
In Vertretung:
Der k. Staatsrath von Neumayr.
Der Generalsecretär:
von Kopplstätter, Ministerialrath.
Körperlänge: ....
Aussehen, Ernährungszustand:.
Sehvermögen rechts..
„ links:.
Hörvermögen rechts:...
„ links: .
Hals:
Athmungsorgane:
Herz und Gefässe:.
Gliedmassen, Muskeln, Knochen: .
Etwaige Fehler an sonstigen Organen und Körpertheilen:
N. N. ist zum Staatsforstdienst ...".‘.' hl geeignet.
Unterschrift des untersuchenden Arztes:
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Ernst Küster, approb. 1894, zu Rothen¬
kirchen (B.-A. Teuschnitz). - Dr. Franz Schmitt, approb. 1883,
“ "Ä.rWtaBg: de» General..« 2. 01 m« ». ^ Dr Bi«;
ling die Erlaubniss zur Annahme und zum Tragen des Kömglic
Preussischen Rothen Adlerordens 4. Classe ertheilt. ,
Befördert: i m B e u r 1 a u b t en s t a n d e: zu Stabsärzten, m der
Reserve die Assistenzärzte 1. Classe Dr. Friedrich La«her diese
mit einem Patente vom 21. Juli d. Js - und Dr.
(I. München), Dr. Philipp Bauer (Augsburg) und Dr Ernst Löh
ein (Hof); in der Landwehr 1. Aufgebots die Assistenzärzte 1 Classe
Dr. Hans Dörfler (Gunzenhausen). Dr. Hartwig Mennen Dr.
Maximilian Heyne und Dr. Ernst Renner tKissmgen), Dr Emst
Fischer und Dr. August Meyer (Kaiserslautern)in der Land
wehr 2. Aufgebots die Assistenzärzte 1 Classe Dr. Carl Link (Pa ),
Dr. Johann Httglsperger (Regensburg) und l)r. JotamiNoHe
(Aschaffenburg); zu Assistenzärzten 2. Classe der Reserve JeUnt r
ftrzte der Reserve Dr. Friedrich Salzer Dr. Fel.cian on Niego
wsky, Goswin Boy und Dr. Joseph Ambros (I. München,
\ Karl Eschorich (Regensburg), Adoff Harras (Erlangen),
Salzburg (Würzburg) und Dr. Andreas 8chäier
lei
Dr.
Dr. Sigmund
(Aschaffenburgk . ^ E i, c 1 , o f f prakt. Arzt 1» Mpbü J,
34 Jahre alt, eretürzt. — Dr. Bernhard Hof mann, k. Stabs
Bataillonsarzt im k. b. 9. Infanterie-Regiment Bamberg.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheitenfdr München
in der 33. Jahreswoche vom 9. August bis lo. August 1 »™-
Betheil. Aerzte 400. - Brechdurchfall 37 (44*), Diphtherie, Croup
25 (29), Erysipelas 12 (18), Intermittens, Neunte» interm. >
Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin. — (1), ®?orbilh ll ■
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 9 (6) , Parotitis epidemica [h
Pneumonia crouposa 8 (4), Pyaemie, ■Septicaemie ( h
tismus art ac. 15 (21), Ruhr (dysenteria) - (-), I
Tussis convulsiva 40 (49), Typhus abdominalis 1 (5), V»n<»llen \i>
Variola, Varioloia — (—). Summa 171 (232). Medicmalrath Dr. Au .
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 33. Jahreswoche vom 9. August bis 15. August 18»t>.
Bevölkerungszahl: 406 000. .
Todesursachen: Masern 1 (-*), Scharlach l (-), Diphüiene
und Croup 3 (2), Rothlauf — (1), Kindbettfieber — ,
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 9 (4), UntwtabBtyP
(1), Keuchhusten 3 (5), Croupöse Lungenentzündung. 2 (8),
önlose a) der Lungen 17 (23), b) der übrigen Organe 1(6), Ac te
Gelenkrheumatismus - (l)> andere übertragbare Krankhfflten^ W
UnglücksfäUe 3 (4), Selbstmord 1 (-), ,fod durch fremde Hand ^
Die Gesammtzahl der Ster tief alle 151 (169), Ver ^
auf das Jahr und 1000 Einwohner im aUgememen IV ® « r
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 11,0 GW
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,2 (12;1).
•) Die eingeklammerten Zahlen bedenten die Fälle der Vorwoch^
Verlag von J. F. Lehmann ln München. - Druck der K. Mühlthaler’«chen k. Hof-Buchdmokerei in München.
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wöchfntfirhl?, v.™ !e ‘ Uci ’'- "’ 0c,lens chrifi erscheint
Preta ?Ä/m hr im nl J 0n mlndesteng2, /,-3 Bogen,
vierteljährlich 6.«, praenuraerando zahlbar
einzelne Summer 60 4 .
MÜNCHENER
8lnd «dresüreu: Für die Redaction
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. - Für Inserate und Beüairen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
-- — —— . ~~W~ s~-\ - — -fiumuuauepiaiz lb.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
SÜÄ "■ C S“. C. Gerhardi, W. i. Heineke, G. Merkel, J. >.
BorIin - Erlangen. Nürnberg. Würxburg.
Leipzig.
H.i. Ranke, F. i. Wlnckel, H. t. Zlemssen,
München. München. München.
M 35. 1. September 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus dem neuen allgemeinen Krankenhause zu Hamburg.
Ueber den gegenwärtigen Stand der Lehre von der
Fettgewebsnekrose.
Von Eng. Fraenkel.
31. H.! Unsere Kenntniss von der Erkrankung, auf die sich
meine heutigen Mitteilungen beziehen sollen, ist verhältnissmässig
jungen Datums. Es ist das Verdienst von W. Baiser, uns
im Jahre 1882 (Virch. Arch. XC.) mit dieser eigentümlichen
Affection so vertraut gemacht zu haben, dass ihre Erkennung am
Leichentisch heutigen Tags keine Schwierigkeiten mehr bereitet.
Nach Baiser sind dann von verschiedenen Seiten einschlägige
Beobachtungen veröffentlicht worden, welche seine Angaben im
Wesentlichen bestätigt und in einzelnen Punkten Neues beige¬
bracht haben, ohne dass indess, wie schon hier bemerkt werden
muss, bis zum heutigen Tage ein völliges Vertrautsein mit der
fraglichen Erkrankung erlangt wäre. Ja, speciell was die ätio¬
logische Seite des Leidens anlangt, muss betont werden, dass in
dieser Beziehung eine vollkommene Lücke besteht, trotzdem es
nicht an Bestrebungen gefehlt hat, diesem Gesichtspunkte selbst
experimentell näher zu treten. Und da auch das klinische Krank¬
heitsbild keineswegs als ein leicht und mit einiger Sicherheit
diagnosticirbares bezeichnet werden muss, da wir ferner von einer
erfolgreichen Behandlung der Affection noch weit entfernt sind,
erscheint es vielleicht, zumal eine eingehendere Erörterung des
Gegenstandes in unserem Kreise bisher nicht stattgefunden hat,
nicht unangebracht, wenn ich mir erlaube, eine Darstellung von
den gegenwärtigen in Betreff der Fettgewebsnekrose herrschenden
Anschauungen zu geben.
Baiser hat unter 25 Leichen 5 mal in dem interacinösen
Fettgewebe der Bauchspeicheldrüse, sowie in dem parapankreatischen
und der weiteren Umgebung des Pankreas gelegenen Fettgewebe
zahlreiche gelbweisse, auf Grund der mikroskopischen Untersuchung
von ihm als «Fettnekrosen» bezeichnete Herde naehgewiesen, die
sich bei seinen letal verlaufenen Fällen in besonderer Massen-
haftigkeit im Pankreas und mesenterialen Fett vorfanden, wobei
«der eine plötzlich verlaufende das anatomische Bild einer soge¬
nannten Pankreasblutung darbot, während der andere mehr chronisch
verlaufene eine grosse, einem Abscess etwas ähnliche, vielfach
bucklige Höhle zeigte, die mit einer dünnbreiigen, graugelben,
trüben Flüssigkeit gefüllt war, in der zahlreiche Fetzen und
Brocken bis nahezu Hühnereigrösse schwammen, die durch die
mikroskopische Untersuchung als abgestorbenes Fettgewebe nach¬
gewiesen wurden».
Sie werden am besten eine Vorstellung von dem Charakter
dieser Veränderungen bekommen, wenn Sie sich an die Betrachtung
des einen der Ihnen hier mitgebrachten Präparate begeben. Sie
sehen, dass das Fettgewebe des grossen Netzes, das gesammte
Mesenterium des Dünndarms eine Anzahl isolirter und in Gruppen
zusammenstehender, stearinartig glänzender, zum Theil etwas ein¬
gesunkener und durch ihre derbe Consistenz ausgezeichneter, gegen
das normale Gewebe abgegreneter, bis linsengrosser Herde enthält.
No. 35.
Sie können sich weiter davon überzeugen, dass das Mesocolon trans-
vers. in der Gegend des Uebergangs des Colon in die Flexur. col.
sin. vielfach durchlöchert und nekrotisch ist. Die Löcher selbst
sind, wie Sie sehen, von haemorrhagisch-nekrotischen Gewebsfetzen
erfüllt, nach deren Entfernung man iif die Bursa omentalis ge¬
langte, aus welcher sieh bei der Section übelriechende, hämor¬
rhagische, mit nekrotischen Massen untermengte Flüssigkeit ent¬
leerte. Die in der Umgebung der Rissstellen gelegenen obersten
Jejunum-Sehlingen zeigen mehrfache Durchlöcherungen ihrer Wand.
Ganz ähnlich ist das Mesocolon des absteigenden Dickdarms ver¬
ändert. An dem Ihnen gleichfalls vorliegenden Magen erkennen
Sie, dass seine hintere Wand im Pylorustheil 3 grössere Löcher
und ein kleineres aufweist, von denen aus man ebenfalls direct in
die Bursa omentalis gelangt. Das Pankreas fehlt nahezu voll¬
ständig, statt seiner finden sich nur Reste nekrotischen Gewebes
und ein kleines, auf dem Durchschnitte normale Structur darbietendes
derbes Stück. Auf die Krankengeschichte dieses am 27- Februar
ds. Js. secirten Falles komme ich später zurück und lege Ihnen
nunmehr die einschlägigen Präparate eines anderen, am 7. Juni
ds. Js. obducirten Falles vor.
Auch hier zeigte das gesammte parietale und viscerale Blatt
des Bauchfells gruppenweise angeordnete kreisrunde Herde von
gelblichweisser Farbe und Stecknadelkopf- bis Linsengrösse. Sic
sotzen sich gegen das umgebende Gewebe scharf ab und sind von
brüchiger Consistenz. Die Herde sitzen besonders reichlich im
parapankreatischen Gewebe, sowie im Mesocolon descendens und
transversum; letzteres fühlt sich ausserordentlich derb und brüchig
an. Die Bauchspeicheldrüse ist, wie Sie sich überzeugen wollen,
ansserordeDtlich voluminös, 19 cm lang; die grösste Höhe beträgt
2 s /t cm, die grösste Breite 4,5 cm. Ihre Consistenz ist ver¬
mehrt, einzelne Läppchen erscheinen schon bei Betrachtung von
aussen lehmfarben, andere rauch- bis schwarzgrau. Auf einem
Durchschnitt durch das Organ fällt das reichliche interacinöse
Fettgewebe auf. Dasselbe ist zum Theil haemorrhagisch, über-
qnellend, vielfach von auffallend dünnflüssiger Consistenz, daneben
zahlreiche, durch ihren stearinartigen Glanz ausgezeichnete, den
im Bauchhöhlenfett gefundenen analoge Herde; endlich sieht man
aus missfarben bräunlichem, erweichtem Gewebe bestehende Stellen,
so dass das durch den Wechsel dieser Farbennuancen bedingte
Bild ein recht complicirtcs wird. In zahlreichen interacinösen
Pfortaderwurzeln der Bauchspeicheldrüse können Sie obturirende,
nicht adhärente Thromben erkennen, die sich bis zur Einmündungs-
stellc dieser Gefässe in den Hauptstamm der Pfortader ver¬
folgen lassen.
Ich habe bei der Schilderung dieser Befunde an den vor¬
liegenden Präparaten etwas ausführlicher verweilt, weil sie Ihnen
ungefähr Alles, von den ersten scheinbar harmlosen Anfängen
dieses Leidens, bis zu den schwersten, im Verlauf desselben auf-
tretenden Folgezuständen in vortrefflicher Weise illustriren und
Ihnen ganz besonders auch eines der weniger häufigen Endstadien,
das gewissennassen einen Naturheilungsvorgang repräsentirt, vor
Augen führt. Aus der Betrachtung dieser Präparate ergibt sich
weiterhin auch das Verständniss für die Verschiedenheit der
klinischen Bilder, welche den in Rede stehenden Krankheitsprocess
1
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814
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
begleiten können und die Erkenntnis der Schwierigkeiten, mit
welchen, selbst nach richtiger Beurtheilung der Erkrankung, deren
Behandlung verknüpft ist.
In den Ihnen hier an beiden Präparaten in gleicher Weise
demonstrirten, in grosser Zahl vorhandenen gelblichen oder weiss-
lichen, vielfach ausgesprochen stearinartigen, über das gesammte
Bauchhöhlenfott disseminirten fleckigen Herden haben wir den
ersten Beginn der uns beschäftigenden Erkrankung zu erblicken,
wie man ihn bei einem grösseren Sectiousmaterial keineswegs selten
antrifft. Ueberwiegend handelt es sich dabei um mit einem reich¬
lichen Fettpolster versehene Individuen und als Prädilectionsstellen
für das Auftreten der geschilderten Herde muss, wie das schon
Baiser betont hat und von späteren Beobachtern, so besonders
R. Langerhans, H. Chiari, Fitz, Seitz bestätigt worden
ist, das Fettgewebe am Pankreas und iu dessen Umgebung be¬
zeichnet werden. Seltener begegnet man denselben auch am sub-
epicardialcn Fett, ohne dass dieselben indess hier jemals, wenigstens
nach meinen eigenen Erfahrungen, eine irgendwie beträchtliche
Ausdehnung erlangen. So lange es sich um derartig isolirte, an
verschiedenen Stellen des Bauchfetts localisirte Abtödtungen einzelner
Fettzellgruppen handelt, kommt denselben eine nennenswerthe ana¬
tomische und klinische Dignität nicht zu und Sic werden es ver¬
stehen, dass sich demgemäss, wie hier vorgreifend bemerkt werden
mag, der erste Beginn des Leidens der klinischen Erkenntniss
vollkommen entzieht. Die verhängnisvolle, solche Individuen sehr
gefährdende und mitunter innerhalb weniger Tage dem Exitus letalis
entgegenführende Bedeutung gewinnen sie erst, wenn durch G'on-
fluenz dieser Anfangs unscheinbaren Herde immer grössere Bezirke
des Bauchhöhlenfetts nekrotisch werden.
Ausserordentlich häufig combiniren sich diese ausgedehnten
Fettnekrosen mit Entzündungs-, Erweiehungs- sowie hämorrhagischen
Infiltrations- und Extravasationsvorgängen, wodurch es zur Bildung
von tumorartigen Bildungen kommt, in denen man beim Auf¬
schneiden entweder frei in einer buchtige», mit trübbräunlichcr
oder, bei grösseren Beimengungen blutiger Massen, bräunlichrother
Flüssigkeit gefüllten Höhle schwimmend oder durch dünnere und
dickere Stränge mit dem Fettgewebe der Umgebung noch lose in
Verbindung stehend, das missfarben schwarzgrüne nekrotische
Fettgewebe als zunderartig brüchige Fetzen vorfindet. Solche die
Beurtheilung der anatomischen Verhältnisse nicht wenig erschwerende
Veränderungen sieht man zuweilen im ganzen Bereich des Colon
ascend. und descend. und sich entlang dem letzteren, unter Ein¬
beziehung des um die linke Niere herumgelegenen Fettes, bis in’s
kleine Becken hinein erstreckend. Zu ganz besonders wichtigen
Störungen kommt es, wenn die Ausdehnung des Processes nahe
dem Pankreas grössere Dimensionen annimmt. Hier kann sich
unter Zerstörung des i>eri- und interstitiell - pankreatischen Fett¬
gewebes eine, bald grössere Abschnitte der Bauchspeicheldrüse, bald
diese in toto betreffende, Nekrose entwickeln und man trifft dann
in der als präformirtcr Hohlraum functionirenden, mit missfarbenem
schmutzig-bräunlichem, die Charaktere der oben geschilderten Flüssig¬
keit aufweisendem Inhalt gefüllten Bursa omentalis das aus seinen
Verbindungen völlig oder nur partiell gelöste, aber in seiner gröberen
»Structur nicht selten noch erhaltene Pankreas und gleichfalls
nekrotische Fettgewebsfetzen. Diese schon bei der klinischen Be¬
obachtung als grosse Cysten imponirenden Pseudotumoren können
auch bei der anatomischen Untersuchung der Deutung noch
Schwierigkeiten bereiten, indess wird namentlich das gleichzeitige
Bestehen frischer circumscripter Fettnekroscherdc an irgend einer
Stelle der Bauchhöhle sehr bald zur richtigen Erkenntniss fuhren.
Wird die Fortdauer des Lebens nicht schon in diesem Stadium
der Erkrankung unmöglich gemacht, dann können weitere Com-
plicationen auftreten, indem die in der Umgebung der geschilderten,
mit nekrotischem Material gefüllten Höhlen befindlichen Darmstücke
an einer oder mehreren Stellen zerfallen, wodurch eine Communi-
cation dieser Hohlräume mit dem Verdauungstract herbeigeführt
wird. Solche Perforationen sieht man am häufigsten am absteigenden
Duodenum-Schenkel; sie werden indess, wie Sie das eine der mit¬
gebrachten Präparate lehrt, auch im oberen Jejunum, im Quer¬
colon, ja im Magen beobachtet. Dieses Ercigniss führt zu einem
Austausch des Inhalts der mit einander in Verbindung gesetzten
Cavitäten, indem Magen- bezw. Darminhalt in jene Ilohlräunie
und die Contenta der letzteren in den Vcrdauugscanal übertreten
können. Im Allgemeinen wird man sonach in diesem Vorgang
eine unerwünschte, die betreffenden Individuen noch mehr ge¬
fährdende Complication zu erblicken haben; indess darf nicht
verhehlt werden, dass doch zuweilen mit dem Zustandekommen
desselben die Möglichkeit einer Entleerung der haemorrhagisch-
nekrotischen Massen per vias naturales und somit eine Heilung
der Erkrankung gegeben ist. Solche Fälle liegen, freilich aus
einer Zeit vor unserer Bekanntschaft mit der Balser'schen Fett¬
nekrose, vor und über zwei derselben hat H. Chiari (Wiener
med. Wochcnschr. No. 6/7, 1880) berichtet. Die Genesung scheint
iu solchen Fällen sogar ganz rasch vor sich gehen zu können,
wenigstens war in dem einen der beiden Chiari ’schen Fälle
bereits 3 Wochen nach Ausstossung des mortificirten Pankreas
mit dem Stuhl der Patient geheilt «und die Function .seines
Verdauungsapparats normal», ja der Patient erfreute sich noch
18 Jahre später, im Alter von 69 Jahren, einer vortrefflichen
Gesundheit. Immerhin dürften solche glückliche Zufälle zu den
seltensten Ausnahmen gehören.
Nimmt der Inhalt jener nach Abtödtung des Fettgewebes
entstandenen Hohlräume seinen Weg nicht in den Darmkanal,
dann kann er nach Nekrotisirung des ihn nach vorn begrenzenden
Bauchfells allmählich in die freie Bauchhöhle gelangen, und eine
meist rasch den Exitus herbeiführende universelle Peritonitis
beschliesst dann die Scene.
Je nach dem Ueberwiegen der nekrotischen oder hämor¬
rhagischen Processe, bezw einer Combination beider mit entzünd¬
lichen Zuständen, entsteht dann das Wechsclvolle der hier ent¬
worfenen anatomischen Bilder, und speciell am Pankreas können
auf diese Weise höchst variable Veränderungen zur Beobachtung
gelangen, die durch das gleichzeitige oder secundäre Auftreten
thrombotischer Vorgänge weiter modificirt werden. Auch darauf
möchte ich noch hinweisen, dass im Falle einer nur partiellen
Sequestration des Pankreas sich dem in die Bursa omentalis ab¬
gesetzten Inhalt unter Umständen Bauchspeicheldrüsensecret bei¬
mengen wird, dessen deletäre Wirkung zu einer weiteren Ab¬
tödtung von Gewebe führen muss. Es gehört, wenigstens nach
meinen eigenen Erfahrungen, zu den Eigentümlichkeiten der Er¬
krankung, dass die Sequestration des Pankreas sich sehr rapide
entwickelt, wodurch das Zustandekommen einer festen Abkapselung
des angrenzenden, in die Nekrose nicht einbezogenen, restirenden
Bauelispeichcldrüsengewebes erschwert, ja unmöglich gemacht wird.
Demgemäss gelingt es denn auch, bei Sondirungen von dem Ductus
Wirsungianus der erhaltenen Pankreasstücke aus, direot in das von
den Wandungen der Bursa omentalis gebildete Cavum hinein zu
gelangen.
Wie aus der vorstehenden Darstellung erhellt, bin ich geneigt,
die bei Sectionen von mit Fettgewebsnekrose behafteten Personen
gefundenen haemorrhagisch-nekrotischen Processe an der Bauch¬
speicheldrüse in directen causalen Zusammenhang mit einander
zu bringen, in dem Sinne, dass wir in den sich in der Umgebung
des Pankreas abspielenden, mehr oder weniger ausgedehnten Nekrosen
der Tela adiposa die Ursache für das Absterben der Bauchspeichel¬
drüse, bezw. von Theilen derselben oder für die das Organ durch¬
setzenden Blutungen zu erblicken haben. Ich finde mich in dieser
Beziehung in Uebereinstimmung mit dem Entdecker der Fettnekrose,
Baiser, sowie mit R. Langerhans (cf. dessen Grundriss der
pathol. Anatomie, 2. Auflage, p. 429) und J. Seitz, der in
einer (Zeitschr. f. klin. Med. XX.) über «Blutung, Entzündung,
brandiges Absterben der Bauchspeicheldrüse» veröffentlichten Arbeit
die Fettnekrose «entweder auf dem Umwege der Blutung oder
unmittelbar eine wichtige Rolle in der Entstehung von brandigem
Absterben der Bauchspeicheldrüse» spielen lässt. Fitz hingegen,
welcher im Jahre 1889 eine vortreffliche, durch ein umfassendes
Literaturverzeichniss, grosse Objectivität und strenge Kritik aus¬
gezeichnete Monographie über acute Pankreatitis (a consideration
of pancreatic hemorrhage, hemorrhagic, suppurative and gangrenous
Pancreatitis and of Fat-necrosis) geliefert hat, scheint einen gerade
entgegengesetzten Standpunkt zu vertreten, indem er die Fett¬
nekrose «in most instances as the result of an acute imflammation
of the gland» betrachtet. Mit anderen Worten, er hält die Ver¬
änderung des Pankreas für entzündlicher Natur und primär, und
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1. September 1896.
~ z-5 rss iv“
F t V - ( haemorrhagische Entzündung der Drüse auf.
denen«!. Nekrosen der Bauchspeicheldrüsen an, bei
denen nach Ausschaltung anderer aetiologischer Momente auch eine
i Z IT 3 0rfiaDS -Gossen werden
kann dann dürfte die F.tz’sche Auffassung, wenigstens in der
ats “ äSsä
»äääsS
sdt d™ 29 m T e d te Kolil *"'» 11 »- jetzige Tumir beeS
K Pfnnei v 29 ‘ IIL In d ?F ganzen Krankheitsperiode hat Patient nur
iÄ BtS“arige t «S. dB “ 6r ° d ,r “ TOn ab ”” m E ““»“eilen.
AhnnrmL 0bj n Ct ! Ve U T nt ® raucbung ergiebt an den Brustorganen nichts
aS 'sk s
äs sS.fÄ
Tumor na ?e7e>, 18bar ' *° er ,, auf g? blähte Magen legt sich über den
lumor, welcher unter dem linken Rippenbogen vorkommt nach
b£ k Jum 8 Nab2 ltt « 1 h ni V e ^’ f'® 8 ® etwaS überschreitend, nach unten
Dis zum Nabel reichend. Er lässt Bich nach unten und aussen mit
etW R Kl ? d8k , opfgrösse > ist wenig verschieblich und
?“$ ” äu 88eren Bauchdecken nicht verwachsen; bei Lagewechsel
StelaTtischen TRS! H 8 ® nar . weai «- .f 1 bi etet das Gefühl einer
fie ÄfSS S 7 ' Per r 810 r c hall über dem Tumor leer,
und SKcjS'"" “ h, '" kl lwi “ h “ -Echinococcus
, 8 ' IV. Laparotomie in Chloroform-Narkose. Nach Trennung
dfe w“ C i hfel w Wölbt S1 , cb d ‘ e mächtige fluctuirende Geschwulst vor®
. . . dem M »gen und linken Leberlappen verwachsen ist. Behufs
zweizeitiger Operation wird das Bauchfell, unter Schonung des Magens
ff. de ° ST? 1 *. i enäht ’ Dadie Wand »ebr dünn ist, fliegst bei
einigen Nadeistmhen grünheh-rothe Flüssigkeit heraus und da
schliesslich eine grössere Menge dieser Flüssigkeit in die Bauchhöhle
gelangt, wird der Tumor sofort incidirt, wobei sich etwa */ 2 Liter
Dräunhcher Fiössigken entleert. Mit dem Finger werden vorsichtig
mächtige Blutgennsel entfernt und aus der Tiefe graue Fetzen
nekrotischen Gewebes (Pankreas?) Vorsichtige Spülung. Haut in
die Cystenwand eingenäht. Verband.
9. IV. Massiges Befinden; viel schleimiger Auswurf. 10 IV
.Erbrechen und dauernd Scbleimauswurf. 11. IV. Verbandwechsel’
Haut ekzematös; Abends wieder Erbrechen. 13. IV. Starke Wund-
secretion; der eingekrempte Hautrand ist nach oben gerutscht, im
unteren Wundwinkel viel Secret 14. IV. Verbandwechsel; Zeichen
>roo? en T ar Peritonitis. 15. IV. Zunehmender Verfall. Puls 130
o8 u . lb. IV. Morgens f.
(In der bei der Laparotomie entleerten Flüssigkeit war durch
Herrn Dr. Embden die Abwesenheit eines diastatischen und
ü-iweissferments und die Gegenwart von Haematoporphvrin
nachgewiesen worden.) * J
Section: Sehr blasser männlicher Leichnam. An der linken
Bauchseite eine in der verlängerten Sternallinie gelegene 16 cm
lange, klaffende Laparotomiewunde. Zwischen den Wundrändem
eine stark geblähte, eitrig belegte Dickdarmschlinge. Beim Abdrängen
derselben sieht man im Lig. hepatogastr. eine klaffende Wunde
von der aus man in die Bursa omentalis gelangt, in deren Grund
man nekrotisches Pankreasgewebe sieht und fühlt. Der geblähte
Darmabschnitt betrifft den ganzen Dickdarm bis zur Flezur. sigmoid.
weiter unten ist dieser contrahirt, aber gut durchgängig, ebenso der
gesammte Dünndarm. Die Serosa in ihrem parietalen wie visceralen
Blatt mit Ausnahme der zwischen den Wundrändern befindlichen
Dickdarmabschnitte frei von peritonitischen Beschlägen. Nach
Herausnahme der Leber mit Magen und Pankreas, die Sie hier vor
sich sehen, gelingt es, die Ausdehnung der Eingangs erwähnten
noble zu übersehen, wobei man sich überzeugt, dass dieselbe etwas
an der Grenze des mittleren und linken Drittels des Pankreas so ab¬
gekapselt ist, dass dadurch die Bursa omentalis in 2 Abschnitte
getrennt wird. Die hintere Wand der Cyste wird durch fibröses
He webe gebildet, innerhalb dessen ziemlich grosskalibrige Gefässe
verlaufen und mit welchen noch grünlich-schwarze necrotische
Uewebsfetzen in Verbindung stehen. Das Pankreas fehlt im Bereich
der hmteren Wand. Der Ductus Wirsungianus lässt sich vom Schwanz-
theil des Pankreas aus als in offener Communication mit dem Hohl-
raum stehend in die hintere Wand desselben verfolgen. Der Kopf
munchenek medicinische Wochenschrift.
815
w!m^t nkreaS i8 ^ in „ 3 cm Ausdehnung erhalten und zeigt hier voll-
n ° rm T Str T , UCtU /- Der Schwanztheil des Pankreas mTsst
8ein . uuterer Rand und das angrenzende Fettgewebe sind
fwislhe^KSpf C md‘s C h 6 FetZ ® n umgewafl delt. Der Pankreasdefect
zwiscuen Kopf und Schwanz misst gut 5 cm; vom Koof des p,.„
rw! a w- gemgt der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen
ist d^rchTiln “ n8I T U8 UDd H . ohlraum gleichfalls. Der Choledochus
nfcht h In der u “ d , comm “ nicI rt “it dem beschriebenen Hohlraum
, Ja , d ? r weiteren Umgebung des Pankreas und sonst im
Bauchfett keine Fettnekroseherde. Leber atrophisch. (Von der
2h? &? be i- d D üb [ lgen Sectionsbefundes seh e P ich, da derselbe
nichts für die Beurtheilung des Falles Wesentliches enthält, 5.)
• haban a,so hier einen Fal1 von d en Körper der Bauch¬
speicheldrüse betreffender Gangrän vor uns, bei welchem die Ob-
duction m der Umgebung des sequestirten und noch nicht völlig
ausgestossenen Stücks nichts von hämorrhagischen Entzündungs¬
processen nachgewiesen hat. Bei dem Fehlen anderer für das
Zustandekommen von Pankreas-Gangrän verantwortlich zu machender
Momente, wie sie nach Fitz in dem Bestehen perforirender Ent¬
zündungen des gastro-mtestinalen und biliären Tracts zu suchen
sind (gangrenous pancreatitis, although it may be secondary to a
perioratmg Inflammation of the gastro-intestinal or biliary tracts
miually results from a hemorrhagic pancreatitis . . . 1. c. p. 88)'
hätte man nach dem genannten Autor solche hämorrhagisch ent¬
zündliche Veränderungen erwarten müssen. Statt dessen hat sich
im Bereich des noch erhaltenen Pankreasschwanztheils eine Nekrose
des parapankreatischen Fettgewebes constatiren lassen und es liegt
nahe, m diesem letzteren Ereigniss die Ursache für das Absterben
des an das nekrotisch gewordene Fettgewebe angrenzende Pankreas¬
stücks zu suchen.
Welche aetiologischen Factoren sind es nun aber, die zur
Entwicklung der Nekrose des Fettgewebes führen? Die Beant¬
wortung dieser Frage hat schon den um die Erkenn tniss der Er¬
krankung so verdienten Entdecker derselben, Baiser, beschäftigt
während sich nach ihm insbesondere R. Langerhans (Experi¬
menteller Beitrag zur Fettgewebsnekrose; Festschrift zur Feier des
70jährigen Geburtstages von R. Virchow) bemüht hat, die
Lösung dieser Aufgabe auf experimentellem Wege in Angriff zu
nehmen.
Baiser hat schon in ‘seiner ersten grundlegenden Arbeit
versucht, Mikroorganismen als Erreger jener kleinen Nekroseherde
naehzuweisen. Freilich hatte er sich dabei ausschliesslich der
Hilfe des Mikroskops bedient und auf das damals noch wenig
Gemeingut der Aerzte gewordene Culturverfahren Verzicht geleistet.
Seine Resultate waren durchaus negativ. Ueber positive Ergebnisse
berichtet er dagegen in seiner letzten auf den Gegenstand bezüg¬
lichen Arbeit, die er auf dem 11 . Congress für innere Medicin
in Leipzig bekannt gegeben hat. An in concentrirter wässeriger
Picrinsäurelösung fixirten und in steigend concentrirtem Alkohol
gehärteten, mit dem Ehrlich’schen und Ehrlich-Biondi’schen
Dreifarbengemisch behandelten Nekroseherden gelang es ihm, «drusen¬
ähnliche Gebilde von dunklerer, gelb- bis kaffeebrauner Farbe, die
eine grosse Aehnlichkeit mit der Blume einer gefüllten Aster
hatten», nachzuweisen; «die drusenähnlichen Gebilde bestehen aus
länglichen Keulen, ganz ähnlich denen von Actinomyces nur etwas
kleiner als diese, die Keulen sind meist strahlenartig um einen
Punkt herum angeordnet, finden sich aber auch da und dort ver¬
einzelt im Gewebe.» Da Baiser diesen Bildungen auch an
Präparaten begegnet ist, die er nach vorheriger Behandlung in
concentrirter Essigsäure mit nachfolgendem Kochen in absolutem
Alkohol und Aether und darauffolgender Alkoholhärtung mit dem
gleichen Farbstoff tingirt hatte, glaubt er, «den ihm von geschätzter
Seite» gemachten Einwand, dass diese drusenähnlichen Gebilde
«den Drusen von Fettkrystallen ähnlich seien und dass sie wegen
ihrer einseitigen Färbbarkeit krystalloide Bildungen sein könnten»,
widerlegt zu haben.
Zu hiervon sehr abweichenden Resultaten hat die Cultur-
methode geführt. Freilich hat Baiser nur Stichimpfungen, noch
dazu nur in Gelatine, in Anwendung gezogen und dabei Bacillen
zur Entwicklung gelangen sehen, die etwas Charakteristisches
meines Erachtens nicht darbieten und deren Uebertragung in die
vordere Augenkammer zweier Kaninchen sowie eines Schweines zu
keinen nennenswerthen Veränderungen geführt hat. «Die Cultur-
injectioncn in die Bauchhöhle haben die Thiere vorläufig nicht
1*
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MÜNCHE NER MEMOMBCH EJVOOggNSCHMFr
i 7 , 1 t, Baiser hat sich vorsichtiger Weise punli
erheblich krank gemacht.» B*beschränkt, und keinerlei die wie
auf die Constatirung dieser , SMilussfolgerungeu gezogen. lcit
aetiologische Seite der Frage betreffende der s0 d
Ich selbst habe schon bei meinen er8 ^"’J e Bcübacbtunge n unc
Publication der B a 1 s e r ’ sehen ^ nt J cck ^ 1 nä bcr zu fcret en die
über Fettnekrose der Aetiologje der Lrkrank^ mikr0 . darh
versucht, mdess sind sow rguchungen vo llkommcn negativ den
skopischen, wie culturell - ib bi me i nen letzten den
verlaufen. Und nicht viel glücklicher bin mb D d fet
im Laufe dieses Jahres vorgenommenen, demgh«*■» g in Jcr tret
gewidmeten Nachforschungen gewesen. Dabei d5c Thi
fc P d r- z:Jl < Sr£ iJLfL* -
S'r Är frisch gewinnen - können De. „
nnd zw»r würde "?*_?** “ nT durch»» Sc
temperatur gezüchtet ' l v , , . blieben steril. Ganz Sei
negativ, sümmtlichc beglückten 1 * aa * mk aueh nic l lt , in nach dei
in Ueberemstimmung damit g S o., bnilten welche thcils ein
mikroparasitären Elementen nachzuweisen. conse cutive Peritonitis TI
i
vorliegenden Unterausn n«6 . . \
8 d„ mikroparasitären A.tioloj.. der Fett-
SÄTi'Ä: ;
5W !
Beweis hierfür steht bis zur Stunde noch aus. b ü
Ob eine in dieser Richtung beigebrachte neueste Mittheilung
von Ponfick (Zur Pathogenese der abdominellen Fettnekrose,
Clinel hLi* Wocbenseh. No. 17, 1896) «eergnet *.
Ausspruch zu modificiren, bleibt abzuwarten. P o n f i ck hat aus
vor dem Körper des zweiten Lendenwirbels unter dem Pentonea
Überzug der hinteren Wand der Bauchhöhle befindlicher blutiger
Infiltration» einer unter den Erscheinungen -es wenige T g
dauernden schweren Heus an Fettnekrose verstoiLenen Person
einen Bacillus gezüchtet, von dem er es für möglich halt dass
er zur «Sippe» der Colibacterien gehört. Auf eine lleproductmn
der auf die Thierpathogenität dieses Mikroben bezüglichen Angabe
Ponfick's einzugehen, halte ich nicht für erforderlich. Dagegen
erscheint es nicht überflüssig, die Schlussfolgerungen welche
Ponfick an diesen Befund knüpft, zu berücksichtigen. Fon fick
hält es danach, wie er rückhaltlos bekennt «für eine durchaus
offene Frage, ob wir berechtigt seien, die Anwesenheit dieses |
Mikroben im retroperitonealen Gewebe als eine constante und
wesentliche Begleiterscheinung der sogenannten Fettnekrose aufzu¬
fassen» und stellt nur die gewiss berechtigte Forderung «in_ jedem
künftigen Falle von Fettnekrose, zu welcher sich eine ähnliche
Affection des lockeren, das Pankreas umgebenden Fettgewebes
gesellt hat, auf das Vorkommen des oben gekennzeichneten Bacillus
zu fahnden». Diesem Postulat nachzukommen, war ich nun kurze
Zeit nach der Po nfi ck'sehen Publication m der Lage. Mit
welchem Resultat, habe ich oben erwähnt. Danach ist aber
mindestens die Conelusion gerechtfertigt, dass die Anwesenheit des
von Ponfick in seinem Falle gefundenen Mikroorganismus auch
bei mit hämorrhagischen Zuständen verknüpften Fettnekrosen keine
constante ist, und dass somit dem Ponfi ck 'sehen Bacillus eine
allgemein - aetiologische Bedeutung bei diesem Leiden nicht zu
kommen kann. ... , ,
kommen kann. . , , _
Wie aber steht es mit den aus der klinischen Beobachtung
einschlägiger Fälle für deren Aetiologie abzuleitenden Anhalts-
Ue .1 Tn dieser Beziehung darf betont werden, dass es sich,
punkten. I , kt fast ausnahmslos um Fett-
wie schon Umgang ^ ^ ^ allgcmeiner Adipositas leidende,
lcibige und =tark entwickelten Bauchdecken-
so doch mit einem 8 behaftete Individuen handelt,
und Baue ° le | cbteren a l s sc hwcreren Formen der Fettnekrose
die sowohl * ^ Aatorenj in Uebereinstimmung mit
darbieten. Die Angaben, constatirtc Thatsache musste
den ersten Baiser sehen ob nicht aucb bei
feUr'elThen Tliieren die gleichen Gewebsveränderungen auf-
fettreicuci Baiser, der den Gedanken in die
That* umsetztlund Mastvieh der verschiedensten Art seine Auf-
^ Bemühungen bei Ochsen, Kälbern
und Hammeln negativ ausfielen, gelang es ihm, bei 25 ungarischen
Schwänen in dem und um das Pankreas, besonders m dem
feen weine v*ttnekrosen nachzuweisen. Bei
S:uIIl"v“-Fc, T eh T .im;Seb ; « g
speck» beobachtet, wie
entstandenen Din.ertat.on von W ; ,889) hervorgeht.
“otrÄÄi
i HiHrrÄsitg
geht aus dem Umstand hervor, dass er sich in seinem padiolo^ch
I; über die Ursachen der multiplen Fettgewebsnekrose b.n ,et.t nur
1 ““« rhrlfSa'upten sind wir aueh Setzt noch nicht
wende mich nunmehr zu einer kurzen =g d„
istdogischen Verhältnisse, soweit f f 3 ™* selbst
en von Baiser, Cliiari, Langerhans und mir
„gestellten mikroskopischen Untersuchungen kennen gcler
auf der Hand das. zur Beurthe.lung
U Grunde liegenden Veränderungen nur jen^
lerde verwertlibar sind, da bei den über «r Erweic bungen
-edehnten, mit haemorhagischen Vorgängen und , K nk .
i'ombinirten Nekrosen secundäre, nickt « dem eigcn^hen Krank
leitsbild gehörige, Gewebslaesionen so überwiegen ^ den
orimär aufzufassenden Hauptveränderungen fnhren .
Hintergrund drängen und zu irrthümhehen Auffassung
Wenn man die dem Körper entnommenen kleinen
berde ohne irgendwelche Vorbehandlung naeh «M-r ^ J
in irgend einer erhärtenden Flüssigkeit, an dc böcb8t
durchmustert, dann sind die zu Tage tretend 1 We -,Ziehen,
unbedeutend. Entsprechend den makroskopisc g ^ Anwen .
stearinartigen Inseln sieht man einen 30 n atructurlosen
düng gelangten Färbemittel wechselnd oolonrten Gewebe #b .
Fleck, der sich ziemlich scharf gegen das umgebe G ^ ^
grenzt. Einzelheiten erkennt .man erst, wen xt« I«er’ s
Nekroseherd imponirenden Stücke nach - dja Anga ^ Aethe ,,
einige Zeit in Eisessig legt und darauf in ein
mischung (aa) so lange kocht, bis sic dana €r neut«
stearinartigen Massen aufgehellt haben. JE» g „ewohnten
Firirung in Alkohol und Weiterbehandlung in der g:
Weise. Ich habe zuletzt die zu -untersuchenden. SWUcn
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1. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
81?
r-rr--
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T.t
■tr 1 '!- ■
IÄ3■'
r
> '
Sj-
Einlegen in Eisessig für 24 Stunden in Forrnol fixirfc und bin
dann in der oben angegebenen Weise verfahren.
Der von Baiser in seiner letzten Arbeit empfohlenen Tria-
'cidlösung habe ich mich bei meinen Untersuchungen nicht bedient,
dagegen des Gieson-Gemisches, des Orth’sehen Picrolthion-
Carmin’s, der Unna’ sehen polychromen Methylenblaulösung, des
Eosin-Haematoxylin und. der Weigert’sehen Fibrinfärbungs-
methode. Man überzeugt sich dann, dass, entsprechend den makro¬
skopisch so charakteristisch erscheinenden Horden, Massen hyaliner
Schollen mit spärlich beigemengten, als Kerntrümmer aufzufassen¬
den Elementen zusammen liegen, welche von dem umgebenden
intacten Fettgewebe durch eine, nach meinen eigenen Erfahrungen,
höchst unbedeutende Infiltrationszone getrennt sind. Von dem
Bestehen irgend welcher nach Baiser als Wucherungsvorgänge
aufzufassender, Veränderungen habe ich mich weder früher, noch
bei meinen jetzigen Untersuchungen, überzeugen können und be¬
trachte die geschilderten Alterationen in Uebereinstimmung mit
Chiari als einfache, mit einer gewissen Quellung der Zellen
Hand in Hand gehende Nekrosen derselben. Gleichzeitig gehen
dabei in den die Fcttzellen einnehmenden Oeltröpfchen, wie wir
durch die Lan gerh an s ’ schon Untersuchungen wissen, chemische
Veränderungen vor sich, es kommt zur Durchsetzung des ab¬
gestorbenen Gewebes mit Kalksalzen und zur Bildung einer von
Langerhans als «fettsaurer Kalk» bczeichneten losen Ver¬
bindung der Fettsäure mit Kalk.
Betrifft der Process hauptsächlich das am und im Pankreas
befindliche Fettgewebe, dann sind auch in diesem die gleichen
Vorgänge zu beobachten. Aber sie combiniren sich hier gleich¬
zeitig mit nekrobiotischen Veränderungen am Drüsenparenchym.
Diese können sich zuweilen nur auf einzelne Zellen des einen
oder andern Acinus erstrecken ; nicht selten aber wird ein ganzer
Acinus, ja Gruppen solcher in die Erkrankung einbezogen, cs
gesellen sich dann weiterhin interstitielle Entzündungsherde hinzu,
welche die mit dem nekrotischen Fettgewebe verschmolzenen Acini
gegen die mehr oder weniger intacte, normale Drüse abzukapscln
scheinen. Treten bei längerem Bestehen der Erkrankung Blutungen
im Gewebe auf, dann erklärt sich aus dem Nebeneinander der
geschilderten Vorgänge, aus dem Ueberwiegen des einen über den
andern, das Wechselvolle auch der mikroskopischen Bilder. An
den im Bereich so erkrankter Pankreas-Partien verlaufenden grös¬
seren und kleineren Gefässen habe ich niemals irgendwelche Ab¬
normitäten angetroffen, welche mit auch nur annähernder Berech¬
tigung als primäre, die hier beschriebenen Veränderungen bedin¬
gende hätten aufgefasst werden können. Das gilt auch für die¬
jenigen Fälle, wo, wie in dem einen Ihnen demonstrirten, aus¬
gedehntere Thromben innerhalb pankreatischer Pfortaderwurzeln
entstanden waren. Gerade mit Rücksicht auf das Fehlen von
auf eine idiopathische Gefässwanderkrankung hinweisenden anato¬
mischen Erscheinungen bin ich geneigt, die in solchen Fällen
eonstatirte Thrombenbildung als ein sccundärcs Ereigniss aufzu¬
fassen , wie es ja auch sonst in der Umgebung nekrotischer Gc-
websabschnitte keineswegs selten angetroffen wird.
Wenn also, wie Sic sich überzeugt haben dürften, die Deutung
der histologischen Einzelheiten auf besondere Schwierigkeiten nicht
stösst, so sind wir doch gerade über diejenigen Momente, welche
den gesammten Process einleiten, welche zum Absterben der ein¬
zelnen Fettzellengruppen Anlass geben, auch durch das Mikroskop
nicht aufgeklärt worden und nach dieser Richtung hin wird es
noch der eingehendsten Arbeit bedürfen , um endlich dem Wesen
der Sache auf die Spur zu kommen. (Schluss folgt.)
Zwei operative Eingriffe wegen Folgezuständen von
Magengeschwüren.
Von Dr. von Noorden, Chirurg in München.
In der Maisitzung des ärztlichen Vereines habe ich Gelegen¬
heit gehabt, in der Discussion in aller Kürze nachfolgender zwei
Fälle Erwähnung zu thun. Sie bieten chirurgisches und kli¬
nisches Interesse, befinden sich doch die Magenerkrankungen ganz
Vornehmlich auf dem Grenzgebiete beider Disoiplinen. Mehr und
tnehr gehen beide gemeinsam vor und Fälle sammeln sich, in.
denen an Magengeschwüren und ihren Folgen Erkrankte mit Vor-
No. 85.
theil chirurgisch behandelt werden *). Aber es ist noch nicht
thunlich, ein chirurgisches Normalverfahren beim Ulcus ventriculi
aufzustellcn. Zu verschiedenartig, bedingt durch die Stadien,
welche ein Geschwür durchlaufen kann, zeigt sich der Geschwürs-
process, wenn er sozusagen für den Chirurgen reif geworden ist.
Und tritt der Chirurg mit dem Gedanken, typisch Vorgehen zu
wollen, z. B. mit Resection der geschwürigen Gegend, an den
Fall heran, so können allzuleicht complicirendc Verhältnisse die
Operation unterbrochen. — Die Erkenntniss des pathologischen
Vorganges und besonders die Feststellung, wieweit benachbarte
Organe im Laufe der chronischen Entzündung herangezogen sind,
ist vorderhand häufig unmöglich; lässt sich doch mitunter nicht
einmal der Sitz des Geschwüres sicher feststellen. In beiden,
eingehender als es damals möglich, mitzutheilenden Fällen wurde der
Operationsplan während der Operation geändert, weil das eine
Mal die technischen Schwierigkeiten unterschätzt waren, im anderen
Falle die Verhältnisse sich viel günstiger darboten, als sie an*
genommen waren.
Dies im letzteren Falle. Die Indication zum Eingriff
war hier ein dauernd zunehmendes Unbehagen nach jeder Mahl¬
zeit, erhöht durch ein langes Wehgefühl in der Verdauungsperiode.
Diesem gesellte sich eine subjective Empfindung, als lagere in der
Magengegend eine Last, hinzu. Die aufgeklärte, reflectirende
Dame kam körperlich herunter, litt seelisch durch Carcinomfurcht
und verrieth Anzeichen hochgradiger allgemeiner Nervosität. —
Diese Momente führten zur Operation.
Die 52jährige Patientin, aus einer Arztfamilie stammend, hat
vor 35 Jahren einmal geboren. Schwere Erkrankungen gingen dem
jetzigen Leiden nicht voraus, aber sicher ist festgestellt, dass ira
frühen Mildchenalter Ulcus ventriculi vorhanden war. Es wurde
daraufhin behandelt. Patientin erinnert sich lebhaft der heftigen
Schmerzen in jenen Zeiten. Seit Jahren bestehen die unter obigen
Operationsindicationen genannten Klagen.
Die Voruntersuchung zog sich begreiflicherweise über Wochen
hin. Sie ergab Anaemie, Welkscin der Haut, überhaupt allgemeine
Schwäche, ein B.ld der chronischen Unterernährung
Local fand sich zwei Querfinger breit über dem Nabel, etwas
nach links, eine schmerzhafte Zone. Die Resistenz der Bauch¬
wand erschien hier bei Palpation vergrössert, auch in der Narkose.
Andere Erscheinungen ergab die physikalische Untersuchung nicht.
Die chemische Untersuchung der Magenfunction sicherte sowohl
Verdauung des Probefrühstückes als Eiweissverdauungskraft des
Saftes im Reagensglas und Brutofen. Der Urin war normal bezüglich
seiner Salze und des specifischen Gewichtes; Albumin, Zucker, In-
dican fehlten.
Das Alter, der allgemeine und locale Befund liess einen
schleichenden Tumor befürchten. Wir haben die Erfahrung, dass
trotz mangelnder chemischer Abänderung der Magensäfte Carcinom
vorliegcn kann, insbesondere die derbe Form. Die Besorgniss
wuchs durch die Anamnese, welche das Vorhandensein einer
Magenwandnarbe wahrscheinlich machte. Immerhin konnten auch
wirklich nur adhäsive Processe vorliegen, worauf ein Gleichbleiben
der Klagen länger als ein Jahr hindcutete. Diese Diagnose war
der Kranken zu eröffnen.
Operation am 25. XI. 05. Assistenz: DDr. Quenstedt,
Rud. Müller. Chloroformnarkose ohne Zwischenfall von halb¬
stündiger Dauer. Bauchscbnitt oberhalb des Nabels in der Mitte,
12 cm lang Netz und Bauchwand sind im Schnittgebiete verklebt.
Es zeigte sich ein Netztheil nach aufwärts geschlagen,
wie eine Welle nach oben gerollt. Beim weiteren Vordringen
finden wir das Netz in markstückgrosser Ausdehnung mit dem
Magen nahe dem Pylorus und nahe der grossen Curvatur ver¬
wachsen. Lösung durch Abbinden mit 4 Ligaturen. — Nun über¬
sieht man den Majen; er ist klein, blass; die vom Netz befreite
Stelle blutet etwas. — Der Pylorus ist für Auge und Tastsinn un¬
verändert, nirgends bestehen verdächtige Härten, noch weitere
Verwachsungen mit der Umgebung. An dem Rand der netzbefreiten
Stelle ist die Magenserosa in leichte Falten, einer Sternfigur ähnlich,
gezogen. Die Stelle selbst ist weich. — Schluss des Bauches mit
durchgehenden Nähten. Verlauf: Aseptische Heilung.— Gemischte
Ernährung vom dritten Tage an.
Der Befund sicherte ein früheres Ulcus, aber nur die Ad-
haesion war noch ein sprechender Zeuge davon. Vielleicht hat
die damalige Verwachsung im acuten Stadium Schlimmeres ver-
, hütet; die Natur hatte sich ihres häufigsten Selbstschutzes bedient,
j doch ist wohl auch anzunehmen, dass die Geschwflrsform eine
*) Neueste Literatur bei Hofmeister: Zur operativen Be-
• handlung des Ukus ventriculi. Beiträge t. klin. Chirurgie. XV. p. 351.
2
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Münchener mediomischb wqchenschriet.
No. 35.
recht gutartige, weniger tief gehende als flächenhafte gewesen ist.
Dieser Nachweis in situ rechtfertigte keinen com P^ ren op
tiven Eingriff, da sich alle Erscheinungen erklärten ™
erwarten war, dass mit Nachlass des Zuges am Magen das Druck
und Wehgefühl aufhören würde. Eine Resection des Narben-
gebietes erschien nicht thunlich, denn damit wäre dm gef^ose
Operation falscher Furcht zu Liebe in eme entschied u leben
gefährliche umgewandelt worden und neue ungünstige^
Hebungen an der wunden Stelle waren für die Zukunft kaum zu
prwärteo •
Zum Verlaufe ist zu bemerken, dass wie mit einem
Schlage ein ausgezeichneter Erfolg eintrat Die
Beschwerden schwanden, das Körpergewicht nahm zu und 68 ^
Tolle Leistungsfähigkeit auf, wie solche Ton einer deutschen Haus¬
frau verlangt wird. Ein Vierteljahr nach der Hedung stellten
sich neue Beschwerden ähnlich den alten ein; diesellmn wäre
jedoch mit nervöser allgemeiner Abspannung und Reizbarkeit
gemischt, dass das Grundübel des nunmehr aufgetretenen Leidens
in nervöser Dyspepsie erkannt werden musste. Die folgen-
den Monate bestätigten diese Annahme, da alle jene Beschwerden
nach einer geeigneten Vorcur mit nachfolgender Mastcur im
Sanatorium von Dr. Dapper-Kissingen gehoben wurdem
Die Patientin ist jetzt, 8 Monate nach der Operation, ganz gesund
und mit uns von ihrer Heilung überzeugt.
Klinisch ist von Interesse, dass sich die vor der Operation
wahrnehmbaren Erscheinungen mit denen eines malignen Tumors
decken; anatomisch, dass die flächenartigen Verklebungen m etwa
4 Decennien sich nicht strangartig ausgezogen haben. Der Mobi¬
lität des Magens wäre dadurch grössere Freiheit gewährt gewesen
und die Beschwerden hätten kaum jene Höhe erreicht, dass sie
die Pat. zur Operation trieben. Therapeutisch wird man zu-
gestehen müssen, dass auf keinem anderen Wege als dem betretenen
ein Resultat zu erzielen war. Langes innerliches Mediciniren
blieb bereits fruchtlos. Am ehesten konnte vorsichtig ausgeübte
Massage Gutes erreichen, aber solcher Cur standen Bedenken ent¬
gegen. Die Verantwortung categorischer Ablehnung einer beginnen¬
den krebsigen Structurveränderung war trotz günstig ausgefallener
chemischer Magenprobe nicht zu übernehmen.
Mit Recht erwehrt sich der Praktiker bei dem meist gut¬
artigen Verlaufe der Magengeschwüre allzustürmischcr Operations¬
gelüste, dennoch erheischen nunmehr schon bestimmte Vorkomm¬
nisse *) einen operativen Eingriff: Blutungen, die zur Lebens¬
gefahr führen, Narben-Schrumpfungen, die Inanition bedingen
würden, und besonders Durchbrucbgefahr in die Bauchhöhle.
Diesen dringlichen Indicationen, welche keinen Aufschub zulassen,
sollten latente Geschwüre oder Geschwürsböden mit ungünstigen
Verwachsungen und dadurch bedingte secundäre Erscheinungen,
wie im beschriebenen Falle, principiell angereiht werden. Hof¬
meister konnte so s. Pat. durch rechtzeitigen Eingriff retten.
Wir haben den Zeitpunkt der Operation zum Unterschied von jenen
ersteren Fällen in der Hand und somit leichtere Arbeit. Gerade
der zweite mitzutheilende Fall bestimmt mich, Zögern und Zagen
mitunter als unheilvoll anzusehen. Freilich, wann ist der Moment
zum Eingriff gekommen? Wann darf und soll die conservative
Behandlung durch den Chirurgen abgelöst werden? Die Eigenart
schwerer Fälle wird bestimmte Satzungen nicht leicht auf-
steilen lassen.
Die Indication zur Operation im zweiten Falle
war beginnende Peritonitis. Da die Patientin seit etwa
einem Jahre wegen eines Ulcus ventriculi mit Diät, feuchter
Wärme, gelegentlich Eis, Wismuth, Morphium und hauptsächlich
strenger Rückenlage in Behandlung war und die typischen Krank¬
heitserscheinungen keinen Zweifel an ein Ulcus aufkommen lassen
konnten, so war die Ursache für die ausgebrochene Bauchfell¬
entzündung ausser Frage. Als eines Tages schneidender Schmerz,
Pulsfrequenz auf 120, Fieber und Verfall cintrat, war der Zeit¬
punkt für unvorzügliche Operation gegeben. Der Fall zeigte,
dass freilich Selbstschutz durch breite Verwachsungen in aus¬
gedehnter Weise eingetreten war, doch nicht günstig genug, um
*) Küster: Zur operativen Behandlung des Magengeschwürs.
Verhdlg. d. deutsch. G. für Chirurgie, 1894, pag. 431.
Peritonitis perforstiva an verhindern. - D.e hron.*hen Ad.
haesionen worden ..gar, wie sich re,gen w,rd, sehtasheh eroHto.
derniss, die angeschlagene Therapie wnksan, dnrchzniohren.
ir.orrVpntrpRchichte: Anamnestisch ist dem kurz Ange-
. , f hinzuzufügen, umsomehr alB die Vorgeschichte nicht
deuteten mc g abweicht. Die Patientin war 25 Jahre alt.
VOna nn^r»tfon am 7 I 96, Josephinum (Assistenz: DDr. Prinz
t Fetdina^d Quenstedt, Rud. Müller). Chlorofom-
L udwig F stün di’ K er Dauer ohne Zwischenfall. Baucbschnitt
narkose von h p ® xvphoid. Das Netz ist adhaerent mit
Änehwtd tÄ Tietergehen doreh da. Net.
• a^i r^nd zwischen Magen und Colon transversum sieht man
im d übe?se g hbaren Gebiete dfs Peritoneum flockig belegt. Eiter ist
nicht sichtbar. Beim Heben des Netzes, welches auch m diesem
Mto mit der vorderen Magenwand «**«*.»><*»•“««
an der Verklebungsgrenze eine kleine Luftblase, ich
, . (lipsfi Stelle nahe der grossen Curvatur als die Per-
fo^Uonsstelle und traf Bofort die Vorbereitung (Polsterung
md nitbwendige zweckmässige Lagerung des Netzes) ^r ßesection
PR nerforirten Magengebietes. Der Magen war wenig nachgiebig und
nur durch «urkes Herabdrücken der Bauchwandränder den Fingern
, nfaUrhar Während dieser Vorbereitungen riBB die
entgegenführhar. Wahren^^aies^ der Perforatio nsstelle,
paraUel der Cur’vatur zum Pylorus hin, mehrere Centimeter weit
efn Eine Menge Mageninhalt (Ausspülung durfte nicht vorausgehen)
pi-vosb sich in die noch tücherfreie Milzgegend.
6rg Der da“R geschaffenen Complication musste umd*!
T phpn zu retten zuerst entgegengetreten werden und der Resections-
pi e a b n eD vo^äufirunaSSführ? Weilen. Tötet* d.*
aseDtischen Tüchern. Isolirung der Magenfistel ähren
Comnressen Hierbei konnten alte Verwachsungen zwischen
Netz und Pylorus und Magen und Colon transversum wenig berück-
Shtigt werfeo da es g.ltf.ol ifta» FU1 eine siche, abschhssBod.
Tamponade gegen die Bauchhöhle zu erzielen.
Leider war ich nicht so glücklich bezüglich der Lösung wie
Krogius in seinem Falle. (Centralblatt 1896 pag. 53 •) er
Fortsetzung der Operation traten zwei Schwierigkeiten entgegen.
Einmal gebot das Allgemeinbefinden den Abbruch, sodann lager
der ohnehin schon starre Magen durch die Tamponade so tief, dass
ich trotz Spaltung des linken Musculus rectus das Operationsgebiet
nicht sicher beherrschte, um selbst die kleinste Resection an der
Magen wand auszuführen. Ich entschied für Fistelbildung, um
später, falls die Peritonitis sich erschöpfen sollte, die Fistel wieder
in irgend einer Weise zu schliessen.
Verlauf: Vielleicht war Bacterienentwicklung [durch die
Magensäure gehemmt, denn die Peritonitis beschränkte sich.
Fünf Tage nach der Operation versuchten wir die Distel
vorzunehmen. Tamponade hatte die Magensäfte bisher zurück
gehalten. Natürlich war die Ernährung per rectum ausgeübt
Allein jetzt schon beim ersten Versuche wurden die Schwierig
keiten, welche sich dem Fistelverschluss entgegenstellten, deutlich
Das Magenloch war auf Markstückgrösse und Form gewachsen;
die Ränder des Geschwürs sahen blass gelblich, schwammig aus.
Ein deutlicher Selbstverdauungsprocess vom Rande aus
war im Gange und die Grenze des gesunden Gewebes nicht
leicht bestimmbar. Dazu kam die tiefe Magenlage, da es jetzt
noch gefährlich erschien, die Tampons zu entfernen, und weiter
Adhaesionen mit dem Leberlappcn. Der Fistelverschluss durch
Nabt der angefrischten Ränder misslang vollkommen. Die genähten
Theilc befanden sich nach einigen Tagen wieder im Selbstverdauungs¬
gebiete. Trotzdem wiederholte ich den Versuch dreimal in °
Wochen, jedesmal unter Herbeiholung weiter gelegenen an
material8 und Anfrischung. Jedesmal gleicher Zerfall.
In der fünften Woche war der Kräfteverlust unaufhaltbar.
Ein mehrtägiges Gesichtserysipel consumirte den Rest. Um ies e
Zeit konnte es sich nur noch um ganz heroische Eingriffe hau e n,
wollte man versuchen, das Leben zu erhalten, denn die 18
tamponade versagte, sei es mit weichen Stoffen, sei es mit er
Mikulicz’schen Glasplatte 8 ), sei es mit aufgeblasenem Condom
oder sandnhrförmigen Gummiballons. Der Andrang al er a
genommenen flüssigen und breiigen Massen, die mit oder o ne
Eriaubniss genommen wurden, war nicht aufhaltbar, nur minim
Theile passirten den Pylorus. Hierzu begann die Zeit des auc
deckenekzems. — Spätere Obduction ergab, dass die Fiste sic
B ) Abgebildet in von Noorden: Beitrag zur j?
Gastrostomie bei Oesophagusstenosen. Berliner klm. wo
1893 No. 1.
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1. September 1896.
MÜNCHENER MKDIC1NISCHE WOCHENSCHRIFT.
819
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der Cardia nach und nach senkrecht gegenübergestellt batte, und
ergab die unheilvolle Complication eines stark aus¬
geprägten Sanduhrmagens auf narbiger Basi8, ähnlich
wie in Hofmeister’s Fall. Diese anatomische Missgestalt liess
während der Nachbehandlung die Dünndarmsondirung nicht zu.
Versuche, die zur Speiseneinführung gemacht wurden, waren immer
vergeblich. Es sei bemerkt, dass die Sanduhrmagenform nicht
diagnosticirt war und dass dieselbe durch die alten Verwachsungen
und durch die nothwendige schnelle Tamponade auch nach der
Bauchöffnung verschleiert blieb.
Unter den heroischen Eingriffen konnte es sich handeln um
eine gewagte Freilegung des Magens in grosser Ausdehnung, um
eine weite Flüche der vorderen Waud zu rcseciren, oder sonst, eine
Plastik vorzunehmen. Ich batte Gelegenheit mich mit Herrn
Prof. Anger er über solche Maassnahmen zu berathen. Der Ein¬
griff erschien uns unangebracht. Dazu gehören vor allen Dingen
grössere Kräfte, als sie hier noch zur Verfügung standen. Sodann
hätte wohl auch die Technik versagt. Mir scheinen in den wenigen
mitgethcilten gelungenen Fällen überall die Verhältnisse günstiger
gelegen zu haben, als in diesem unglücklichen Falle. Abgesehen
von den sehr derben Verwachsungen hatte das Ulcus progrediens die
Grenze der grossen Curvatur überschritten. Es blieb die Möglichkeit
der Herstellung einer Magen-Darmverbindung. Verwachsungen
hätten ausschliesslich die Verbindung mit dem Colon transversum
erlaubt — wohl ein nutzloser Eingriff auf die Dauer. Zur An¬
legung einer Dünndarmöffnung konnte ich mich nicht entschlossen.
Die Kranke erlag der lnanition am 5(5 1011 Tage nach dem
ersten Eingriff.
Die Section ergab einen über fünfmarkstückgrossen Dcfect
an der vorderen Wand, übergreifend auf die hintere. Der Sitz
befand sich unmittelbar vor dem engen Schnürring eines Sand¬
uhrmagens. Ueberall waren Verwachsungen , so dass der Magen
wie eingemauert, kaum lösbar war. Die Entzündung hatte zur
benachbarten linken Pleurahöhle übergegriffen und hier zu adhac-
siven Processen geführt. Ein zweites pfennigstückgrosses krater
förmiges Geschwür sass im absteigenden Theile der Duodenums.
Die Section überzeugte uns evident, dass die Technik bei
dem Rescctionsversuch in grösserem Stiele und bei Anlegung einer
Magendarmfistel gescheitert wäre.
Der Verlauf des Falles ermuntert wenig zum Eingreifen in
ähnlichen Fällen. Aber sollte man die Perforationsperitonitis sich
selbst überlassen? Nur ein wenig günstigere anatomische Ver¬
hältnisse bedurfte es, um zum Ziele zu kommen. Die misslichen
Verhältnisse Hessen sich aber erst bei der Section ermessen.
Eine besonders gefährliche Complication , falls sich Fisteln
nach Magengeschwür bilden, ersehe ich in der R a n d v e r d a u u n g.
Ein fortschreitender Zerfall, obwohl das anfrischende Messer
immer die blutenden Gewebe aufsuchte, fand statt. Die durch
feste Verwachsung zur Unthätigkeit verdammte Magenwand wurde
durch eigene Secrctionsproducte gleichsam unaufhörlich abgenagt.
Es kann wohl zur richtigen Erklärung nur die Annahme herbei¬
gezogen werden, dass in grösserem Umkreise arterielle Gefäss-
thrombosc oder wenigstens starke locale Anaemie eingetreten war.
Jedenfalls fordert diese Beobachtung, auf eine Resection, die
wegen bestehenden Magengeschwürs vorzunehmen ist, nur sehr
weit vom Centrum des Geschwürs aus vorzunehmen. Bei künst¬
lichen, im gesunden Gewebe angelegten Magenfisteln, z. B. nach
der Methode von Witzei, ist dieses Vorkommniss meines Wissens
und soviel ich gesehen habe nicht bekannt. Man könnte sogar auf
spontanen Verschluss, bleibt diese Art von Fisteln sich selbst über,
lassen, rechnen, wie dieses in einem Falle von Mikulicz eintrat.
Bei der immerhin noch kleinen Literatur über diese Fälle
glaubte ich , meine jüngsten Erfahrungen etwas breiter vorlegcn
zu sollen.
Ein Fall von Pes malleus valgus.
Von Dr. Oskar Vulpius,
Privatdocent der Chirurgie an der Universität Heidelberg, Special¬
arzt für orthopaedische Chirurgie, Heilgymnastik und Massage.
Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit, eine eigenartige Defor¬
mität des Fusses zu beobachten, die in verschiedener Hinsicht
interessant sein dürfte. Es handelt sich um die meines Wissens
erst einmal beschriebene Combination einer auffallenden Contractur
der Grosszehe mit hochgradigem Plattfuss.
Eine 42 Jahre
alte Frau brachte
mir ihren 3 jährigen
Knaben, der mit
schweren Klump¬
füssen behaftet war.
Sie sagte zunächst
aus, dass ihr eine
Ursache dieser Miss¬
bildung nicht be¬
kannt sei, u. erst als
die genauere Erheb¬
ung der Anamnese
die Existenz eines
jüngstgeborenen,
ebenfalls klump-
füssigeu Kindes er¬
gab und mich zu
wiederhol temF ragen
veranlasste, gestand
die Mutter, was sie
anfänglich aus Eitel¬
keit verschwiegen
hatte: Dass nämlich
auch sie selber die gleiche Deformität gehabt habe und dassjsie im
2. Lebensjahr desshalb bei Heine in Cannstadt während eines
Jahres in Behandlung gewesen sei.
Da die Fussbekleidung ein derartiges Leiden nicht vermuthen
liess, bestimmte ich die Widerstrebende, vor mir ihre Füsse zu
entblössen. Ich war nun äusserst erstaunt, beiderseits einen Zustand
zu finden, wie die beigegebene Photographie ihn zeigt.
Das Metatarso-Phalangeal-Gelenk der grossen Zehe ist in recht
winkligerBeugung fixirt. Die Grundpalanx ist auf die Plantarfläche
des Metatarsalköpfchens luxirt, letzteres ist verlängert und verdickt,
prominirt stark und ist von einer Schwiele mit darunterliegendem
Schleimbeutel bedeckt.
Das zweite Grosszehenglied ist dagegen übermässig gestreckt,
so dass es mit der Grundphalanx einen nach oben geöffneten rechten
Winkel bildet und mit der ganzen Plantarfläche am Boden aufruht.
Die übrigen Zehen sind
normal. Es besteht also
eine Art Hammerzehe,
die sich aber von der
gewöhnlichen Hammer¬
zehe unterscheidet erst¬
lich durch die Locali-
sation an der Grosszehe
statt an der zweiten
Zehe, dem gewohnten
Lieblingssitz der be¬
kanntlich häufig ver¬
erbten Deformität,
unterscheidet ferner
durch die ßeugecon-
tractur im Mittelfuss-
zehengelenk, während
die Contractur im ersten
Interphalangealgelenk
die übliche ist.
Der Fuss selber
präsentirte sich als
ausserordentlich hoch¬
gradiger und knöchern
fixirter Plattfuss. Das
Fussgewölbe ist ver¬
schwunden und gerade¬
zu nach unten durch¬
gebogen, so dass die
Fusssohle nach unten
convex ist. Auf dem
Ru8sabdruck (vgl. Ab¬
bildung) kommt dies
Verhalten nicht recht
zur Geltung, weil die
sich aufstemmende
Hammerzehe die Be¬
rührung derSchlenfläche
mit dem Boden theil-
weise verhindert.
Während Ferse und
proximaler Theil des
inneren Fussrandea fest
auf dem berussten Papier aufliegen, fehlt die vordere Hälfte des
Innenrandes und namentlich der Groszehenballen vollständig, der
beim Plattfuss sich ja besonders deutlich markirt. Es macht den
Eindruck, als sei die Höhlung des Fusses im Ganzen nach vorne
2*
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820
MÜNCHENER MEDICINISCÜE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
verschoben. In Wahrheit besteht eine sehr erhebliche Deformirung
des Fussskeletes im Sinn der Pronation. Insbesondere ist der Talus¬
kopf stark prominent, mehr als dies auf der etwas schattenlosen
Abbildung zum Ausdruck kommt. Auffallend ist schliesslich die
i'erse, die einen form- und haltlosen Fettklumpen darstellt, in dem
sich die Achillessehne verliert. Es fehlt ihr der Kern, da der
Calcaneus kümmerlich entwickelt und mit seinem Processus posterior
in die Höbe gezogen ist.
Auf die geschilderte Deformität passt genau die von Nico¬
la d o n i ! ) gegebene Beschreibung des Pos ruallcus valgus, den er
bei 2 Patienten zu beobachten Gelegenheit hatte.
Ein IG jähriger junger Mann war sein erster Fall, bei dem im
8. Lebensjahr eine schlecht heilende Verletzung mit Durchtren¬
nung der »Sehne des Tibialis pusticus Veranlassung zur allmählichen
Deformirung gegeben hatte. Um den schmerzhaften inneren Fuss-
rand zu schonen , hatte der Junge die Grosszehe plantar fleetirt,
diese habituelle »Stellung fixirte sich. Das Eintreten des Platt-
fusscs glaubte Nicoladoni mit der Muskeldurchschneidung in
Verbindung bringen und dadurch die mnsculäre Theorie des Platt-
fusscs stützen zu können.
Seine zweite Beobachtung brachte ihn indessen zu einer
anderen Ansicht. Hier bestand eine der unsrigen auf's Haar
gleichende Verbildung bei einem GO Jährigen, die im 9. Lebens¬
jahre nach »Stoss an einen Stein ebenfalls als Entlastungshaltung
sich zu entwickeln angefangen hatte. Nicoladoni hielt nun¬
mehr den Plattfuss für eine secundärc Erscheinung, bedingt so¬
wohl durch Ucberlastung des äusseren Fussbogcns wie durch Ent¬
ziehung des Capituluin metatarsi I als vorderen Fusspunkt des
inneren Fussgewölbcs. Die vordere Hälfte dieses Gewölbebogens
müsse in Folge des Freischwebens nach oben gedrängt werden.
Forschen wir in unserem Fall nach der Aetiologie, so können |
wir wohl auch annehmen, dass primär eine willkürliche Plantar¬
flexion der Grosszehe gemacht worden ist, um den schmerzhaften
inneren Fussrand, überhaupt vielleicht einen Thcil der »Sohle zu
entlasten. Die Ursache der Schmerzhaftigkeit dürfte wohl in der
Behandlung des Klumpfussos zu suchen sein, an dessen frühere
Existenz uns der jetzige Anblick des Busses bisher gar nicht
mehr hat denken lasscu. Die Frau meint gehört zu haben, dass
ihr die Füssc in Cannstadt seinerzeit erfroren und dann lange
wund gewesen seien. Ob hier nicht während der (’ur ein Decu¬
bitus aufgetreten ist? Ich möchte es als wahrscheinlich annelnnen.
Die Hammcr/.che entstand also zuerst, es bog sich behüts
besserer Unterstützung und unter dem Druck der Kürperlast die
erst ebenfalls abwärts gerichtete Endphalanx dorsal um, bis .sie
breit dem Boden aufruhtc.
Der Plattfuss aber entwickelte sich erst sccundär, und man
kann wohl sagen, dass die Hamuierzelic sich an der Therapie des
Klumpfnsscs mitbeteiligt hat. Die Heilung ist ja mehr als voll¬
ständig gelungen, sic könnte mit dom modernen modcllircndon
Redressement nicht besser erzielt werden. Man könnte kaum
glauben, dass jemals ein Klumpfuss bestanden habe, wenn nicht
der Zustand der Ferse, besonders die mangelhafte Entwicklung
dos in Spitzfussstellung sich befindenden Uakaneus unzweifelhaft
dafür sprächen.
Als die Frau mir vor die Augen kam, hatte ich gerade
Grund, mit dem oben erwähnten modellircnden Redressement als
einer das Höchste leistenden Methode zufrieden zu sein und in
ihr einen bedeutsamen Fortschritt in der Kluinpfusstherapic zu
erblicken — der Fuss schien mir beim ersten Anblick zu sagen,
dass auch alte Methoden das Gleiche leisten. Die nähere Betrach¬
tung und Erwägung brachte mich zu dem »Schluss, dass der
glückliche Zufall der Hammcrzehenbildung den Erfolg gewiss un¬
verschuldet hat.
Diese Aetiologie der Plattfussbildnng spricht deutlich für die
Wichtigkeit des ersten Mctatarsalköpfehens als eines »Stützpunktes des
Fussgewölbcs, eine Aufgabe, die ihm von manchen Forschern ab¬
erkannt worden ist. Es entbehrt dieser Fall von Pcs malleus
valgus also nicht des wissenschaftlich-theoretischen Interesses, für
die Trägerin aber ist er gewiss von grosser praktischer Bedeutung
gewesen.
i) Wiener klinische Wochen sch rilfc, 1895, No,. 15.
Aus der med. Universitäts-Poliklinik in München.
ZurTuberculose-Mortalität und -Morbidität in München.
Von Dr. E. Gobischmidt und Dr. A. Luxenburger,
Assistenten der Poliklinik.
Das Capitel der Tubcrculosc-Mortalität hat in den letzten Jahren
eine beträchtliche Zahl von Bearbeitungen gefunden. Zwickh(l),
Cor net (2), Fodor(3), Weitemeyer (4), Weiss (5), Holsti(6),
Hirschfcld (7), Heinsen (8), Bolliuger (9) u. A. haben
an der Hand der officicllen Todtenscheine die Sterblichkeit an
Tuberculose meist grösserer Zeiträume für verschiedene Städte und
Länder, für bestimmte Berufsarten und einzelne Altersclassen fest-
gestellt.
Der Werth dieser Zusammenstellungen ist bedeutend, besonders
desswegen, weil durch die Grösse des verarbeiteten Zahlenmaterials
die trügerischen Einflüsse zufälliger Schwankungen fast ganz eliminirt
sind. Dass dabei die Diagnosen nicht durch Autopsicen bestätigt
sind, fällt nicht in die Wagschale. Denn die Diagnose des Tu-
berculosetodoa ist fast in allen Fällen so einfach, dass sie einen
sehr hohen Grad von Zuverlässigkeit besitzt.
Wenn es trotzdem wünschenswcrth ist, auch über Sections-
Statistiken zu verfügen, so erklärt sieh dies daraus, dass in jenen
Zusammenstellungen eine Reihe wichtiger Tuberculosefragen natur-
gemäss nicht berührt, geschweige denn gelöst werden kann. Denn
bei ihnen ist ja die Grenze zwischen der Mortalität der Lungen¬
schwindsucht und derjenigen anderer tubcrculöscr Erkrankungen
verwischt und ausserdem lassen sie das grosse Gebiet der latenten
Tuberculose ganz im Dunkeln. Diese Verhältnisse können nur
vom Standpunkte der Scctionsstatistik aus übersehen werden.
Wir werden darum unseres Erachtens erst dann einen vollen
Uobcrblick über den ganzen Bereich der menschlichen Tuberculose
bekommen , wenn wir auch eine genügende Anzahl von Sections-
Statistiken besitzen.
Diese sollten freilich, was auch Wolff (10) fordert, ad boc,
d. h. in Rücksicht auf die Tuberculosefragen, angcstcllt, nicht aber
erst nachträglich aus den Scetionsprotokollen ausgezogen werden.
Penn es gesclwelit gar zu leioht, dass die kleinetf Residuen der
latenten und besonders der geheilten Tuberculose dein Sccirendcn
entgehen, wenn seine Aufmerksamkeit, welche durch das Interesse
des jeweiligen Falles in Anspruch genommen wird, nicht spccicü
darauf gerichtet ist. Ausserdem aber wäre es zu wünschen, dass
möglichst Viele von denen, welche Gelegenheit haben, Erfahrungen
am Scctionstisch zu sammeln, sieh an der Statistik botlieiligtcn.
Denn jeder einzelnen Scctionsstatistik haftet die grosse Unzulänglich¬
keit an, dass ihre Resultate nicht in’s Allgemeine übertragbar sind,
weil die Zusammensetzung des Materials, durch äussere Umstände
bedingt, eine verschiedene ist. Aufnahmebedingungen der Kranken-
hüu.-er, Zugehörigkeit zu Krankeneassen, religiöse Ansichten, aueli
Vornrthcilc und Gewohnheiten einzelner Volksschichten in Reiug
auf Autopsien, das sind Faetoren, welche für die Zusammen¬
setzung dos Scctionsmatcrials der pathologischen Institute wie für
dasjenige einzelner Acrzto von Bedeutung sind. Wie ausschlag¬
gebend ihr Einfluss ist, das zeigt so recht deutlich die starke
Differenz unserer Zahlen und der von Bollinger (9) nach der
Dissertation von Bieneek (11) initgetheilten. (
Das B ol 1 i n gc r’sche Material stammt, um diesen 1 u>rt
zunächst zu erledigen, zum grössten Thcil aus dem städtischen
Krankenhause 1/1., scheint also auf den ersten Blick eine gn ,SSt
Aelinlichkcit mit dem poliklinischen zu besitzen. Hier wie ort
sind es Mitglieder der unteren Volksschichten, welche in Rclmn “ n S
stehen. Aber die Thcilung wird desswegen ungleich, * c ’l “
Krankenhaus, abgesehen von den Casscnmitglicdcrn, nur Münc icna
Hcimatborcchtigtc unentgeltlich anfniinmt, während die l °li
keinerlei derartige Bedingungen für die Aufnahme in L
handlung kennt. Sie leistet ihre ärztliche Hilfe nicht nur
in München Heimatberechtigton und den Casscnmitgliedern —
übt Kassenarztfunctionen für 7 Ortskrankcncassen, die < -’ emel ” ^
krankenversicherung und zahlreiche Privatcasscn aus > 80 ^
auch denen, welche sich nicht in Krankeneassen befinden,
sie arbeitslos sind, ferner den nicht versicherten Ehefrauen
Arbeiter und endlich allen Denen, welche ungeheilt vom Kra ^
J haus und den Oassenärzten abgegeben werden, weil i rc
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i. SeptemW 18Ö6-
MÜNCftEKEft MRLlCtNlSCttR WOCttENSCttnOT.
sicherungszcit abgelaufen ist. Gerade unter letzterer Rubrik aber
befinden sieh die Phthisiker, welche ja fast Alle zum Sterben
eine Zeit brauchen, die länger dauert, als ihre CassenZugehörigkeit.
So kommt es, dass bei den Todesursachen im Krankenhause die
XI J“ i
O %
o E
o S I
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fc *
2-5
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Tuberculöse
Complicationen
Nicht tuberculöse
Complicationen
acuten AfFectionen, in der Poliklinik die chronischen Oberwiegen;
cs trafen z. B. nach dem Bericht des Jahres 1894 im Kranken¬
hause 26—27 Proc. der Todesfälle auf Krankheiten, welche, der
Natur der Erkrankung nach zu schliessen, sicher weniger als
13 Wochen (die übliche Versicherungszeit) gedauert hatten, in
der Poliklinik aber im selben Jahre nur 7 Proc.
Ausserdem aber muss hervorgehoben werden, dass die Mit-
10 |
52
Beiderseitige, universelle, j
adhaesive Pleuritis. |
Endocarditis chronica val-
vulae mitralis.
li
52
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce¬
röse Nierentuberculose mit
schwieliger Obliteration
eines Urethers.
Myodegeneratio cordis.
glieder der unteren Volksschichten Münchens zum grossen Theil
das Heimatrecht in München nicht besitzen, so dass sie schon
desswegen vom Krankenhause ausgeschlossen und auf poliklinische
Hilfe angewiesen sind, sowie endlich, dass auch von den Heimat¬
berechtigten Viele aus thörichtcr Abneigung gegen das Kranken¬
haus die poliklinische Behandlung vorziehen.
Wir möchten darum den Schluss wagen, dass die Zusammen¬
setzung des poliklinischen Materials sich den Durchschnittsvcrhült-
nissen der unteren Volksschichten Münchens mehr nähert, als
dasjenige des Krankenhauses, resp. des pathologischen Instituts,
wenn wir auch zugestchen, dass unsere Zahlen durch die von
Bollingcr veröffentlichten sowie durch das Material, welches
den Armenärzten untersteht, Corrccturen erfahren müssen.
Was unser Krankenmaterial im Jahre 1895 angeht, so war
seine Zusammensetzung von zufälligen, durch das Erlöschen oder
Aufflackern von Epidemieen bedingten Einflüssen vollkommen frei.
Es standen nur Erwachsene, vom 15. Lebensjahre an gerechnet,
in Behandlung.
Die Zahl der von uns gemachten Sectioncn entspricht nicht
12
13 |
59
22
Beiderseitige, universelle, j
adhaesive Pleuritis. |
B. Weiber.
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce¬
röse Darmtuberculose.
Myodegeneratio cordis.
Endometritis chronica.
14 |
23
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Peri-
carditis serosa.
Endocarditis chronica val-
vulae mitralis.
15
23
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis.
Nephritis chronica.
16
23
Adhaesive Pleuritis im Be¬
reich beider Oberlappen.
Ulceröse Darmtuberculose. j
17
24
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis.
Endocarditis chronica vnl-
vulae mitralis.
18
26 j
Beiderseitige, partielle, ad¬
haesive Pleuritis.
Endocarditis chronica val-
vulae mitralis.
f
der Zahl unserer Todesfälle, sie beträgt vielmehr nur etwas mehr
als die Hälfte derselben. Von 160 Leichen haben wir 83 secirt,
bei den restirenden 77 Fällen wurde die Erlaubniss zur Autopsie
von den Angehörigen verweigert.
Tabellarische Uebersicht Über 83 Seetionen.
I. An TnhercnlMA rfMtnrhAn.
19
30
Beiderseitige, partielle, ad¬
haesive Pleuritis. Ulceröse
Darmtuberculose. Tubercu-
lose des grossen Netzes.
Myodegeneratio cordis.
Nephritis chronica.
20
30
Adhaesive Pleuritis beider
Oberlappen, Pneumothorax
dexter.
Myodegeneratio cordis
Anasarca, chronische Stuu-
ungsleber, -MHz, -Nieren.
r.i - •
1 :
z. An Lungentuberculose.
A. Männer.
i
81
Adhaesive Pleuritis im Be¬
reich beider überlappen.
Ulceröse Darmtuberculose.
Nephritis chronica.
'•fl *'
lil
11
j
£3
i!
< ^
a
Tuberculöse
Complicationen
Nicht tuberculöse
Complicationen
1
Rechts universelle, ad¬
haesive Pleuritis, links im
Bereich des Oberlappens.
Ulcer. Larynxtuberculose.
Endocarditis chronica val-
vulae mitralis.
-
■B
Ulceröse Darmtuberculose.
1
15
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce¬
röse Darmtuberculose.
23
j 33
Beiderseits universelle, ad¬
haesive Pleuritis. Ulceröse
Darmtuberculose.
Endocarditis chronica val-
vulae mitralis.
i.:l'
r ■£ •
2
20
Adhaesive Pleuritis im Be¬
reich beider Oberlappen.
Nephritis chronica.
24
| 34
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce-
rttae Darmtuberculose.
. Euducarditis chronica val-
vulae mitralis.
V
3
24
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce-
röse Darmtuberculose.
25
36
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce¬
röse Darmtuberculose.
Nephritis chronica. Endo¬
carditis chronica valvulae
mitralis.
4
! 37
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce¬
röse Darmtuberculose.
Nephritis chronica.
Vil- • *
26
36
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis.
l> -
11.'
n 11;
5
39
Rechts universelle, adhae¬
sive Pleuritis, links nur im
Bereich des Oberlappens.
Ulceröse Darmtuberculose.
Nephritis chronica. Myo-
degeneratio cordis.
27
36
Beiderseitige, partielle, ad¬
haesive Pleuritis. Pericar-
ditis serosa.
| Myodegeneratio cordis.
|
28
38
Beiderseitige, uuivei seile,
adhaesive Pleuritis. Ulcer.
Nieren tuberculöse. Ulcer.
Darmtuberculose.
Myodegeneratio eordis.
Rechts universelle, adhae¬
sive Pleuritis, links nur im
Bereich des Oberlappens.
Ulceröse Larynxphthise.
Ulceröse Darmtuberculose.
Myodegeneratio cordis.
1 ’l'*
If. : •
i
29
41
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Uni¬
verselle, adhaesive Pericar-
ditis.
Endocarditis chronica val¬
vulae mitralis.
7
45
Adhaesive Pleuritis im Be¬
reich beider Oberlappen.
Ulceröse Darmtuberculose.
Nephritis chronica. Myo¬
degeneratio cordis.
30
42
Beidersei tige, uni verseile,
adhaesive Pleuritis. Ulce¬
röse Darmtuberculose.
Nephritis chronica.
8
46
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis.
Endocarditis chronica val-
vulae mitralis.
<t' ;v
en- ! "
9
46
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis.
Atheromatose der Aorta
und der Coronararterien.
Myodegeneratio cordis.
3!
43
Beiderseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis. Ulce-
rOee Larynxtuberculose.
Myodegeneratio cordis.
No, 85, 3
Digitized by vjOOQlC
MÜNCHENEft MDiemtSCÖE ^OCHENSCffiltPt.
9. An anderen tuberculösen Erkrankungen gestorben.
A. Männer.
5 Todesursache
■g |
Tuberculöse
Complicationen
Nicht tuberculöse
Complicationen
Tuberculöse
Complicationen
Nicht tuberculöse
Complicationen
32 16 Meningitis Lungentuberculose. Pleu-
tuberculosa. ritis exsudativa dextra
Ulceröse Darmtuberculose.
33 21 Meningitis Lungentuberculose. Bei-
tuberculosa. derseitige, partielle, ad-
haesive Pleuritis. Nieren-
tuberculöse.
34 24 Perforations- Lungentuberculose. Bei¬
peritonitis derseitige, universelle, ad-
beiulceröser haesive Pleuritis.
Darmtuber-
culo8e.
35 42 Meningitis Lungentuberculose. Pleu-
tuberculosa. ritis adhaesiva im Bereich
beider Oberlappen. Pleu¬
ritis exsudativa sin.
36 46 Meningitis Lungentuberculose. Pleu- i
tuberculosa. ritis adhaesiva im Bereich
! beiderOberlappen.Nieren-
I tuberculöse. Caries ossis
sacri.
ritis adhaesiva universalis
duplex. Caries costal.
Nephritis chronica.
45 69
Carcinoma
ventriculi.
Pleuritis adhaesiva im Be¬
reich beider Oberlappen
Cavemen und Knoten in
beiden Oberlappen.
Nephritis chronica.
Myodegeneratio cordis.
B. Weiber.
46 18
Endocarditis
chronica val¬
vulae mitral,
et valvulae
aortae.
Pleuritis adhaesiva beider
Oberlappen. Cavernen,
Knoten, eitriger Catarrh
in beiden Spitzen. Peri¬
carditis obliterans.
47 61
Nephritis
chronica.
Pleuritis adhaesiva im Be¬
reich beider Oberlappen.
Empyema pleurae dextr.
Im linken Oberlappen
käsige Knötchen.
Myodegeneratio cordis.
37.62
Ulceröse Uro¬
genitaltuber- !
culose(Nieren-!
uretheren-,
Blasen-, Ho¬
den-Tuber-
culose).
38|22
Miliar-
1
tubercnloso.
39:34
Miliar-
|
tuberculose.
Nephritis
chronica.
49 67 Perforations¬
peritonitis
bei
Carcinoma
ventriculi.
Pleuritis adhaesiva im Be- Myodegeneratio cordis.
reich beider Oberlappen.
Käsige Bronchitis u. Peri-
bronchitis im rechten
Oberlappen.
Beiderseitige, partielle, ad-
haesive Pleuritis. Harte,
central verkäste Knoten
in beiden Spitzen. Bron¬
chitis purulenta der
Spitzen.
Pericarditis
hacmorrhagica.
a. Mit inactiver (geheilter) Lungentnberculose als Nebenbefund.
A. Männer.
B. Weiber.
Lungentuberculose.
Lungentuberculose. Bei- Nephritis chronica
derseitige partielle ad-
haesive Pleuritis.
U. io nicht tnbercnlösen Erkrankungen gestorben.
i. Mit activer Lungentuberculose als Nebenbefund.
A. Männer.
50 40, Carcinoma
ventriculi.
Cirrhosis
hepatis
atrophica.
g Ls Todesursache
Tuberculöse
Complicationen
Nicht tuberculöse
Complicationen
Hypoplasia aortae.
Ilyperlrophia cordis.
Pyaemie.
Beiderseitige, partielle, ad-,
haesive Pleuritis. Knoten
in beiden Spitzen. Im
rechten Oberlappen käsige
Bronchitis u. Peribronchit.
Pleuritis adhaesiva im Be- Endocarditis ulcerosa
reich des linken Ober- recens valvulae mitr.
lappens. In der linken Pericarditis et Peritoni-
Spitze einige Knoten so- tis haemorrhagica Ne-
wie Bronchitis purulenta. phritis acuta.
Myo- Pleuritis adhaesiva im Be-
degeneratio reich des linken Ober-
cordis. lappens. In beiden Ober¬
lappen käsige Bronchitis
und kleine Cavemen.
Rechts universelle, ad-
haesive Pleuritis, links im
Nephritis chronica.
Nephritis chronica.
Anassrca universalis.
Bereich des Oberlappens. Pericarditis et Peritoni-
Tuberculöse
Residuen
Nicht tuberculöse
Complicationen
Kalkige Knötchen in
beiden Spitzen.
Myodegeneratio cordis.
Endocarditis chronica
valvulae mitralia.
Pleuritis adhaesiva beider
Spitzen. Kalkige Einlage¬
rungen in beiden 8pitzen.
Nephritis chronica.
Narben in beiden Spitzen.
Schwarze und kalkige
Knoten im linken Ober¬
lappen.
Myodegeneratio cordi9.
Rechtsseitige Eiter¬
niere. Uretheritispuru-
lenta dextra. Prostata-
abscess.
Adhaesive Pleuritis des
linken Oberlappene.
Kalkige Knötchen im
linken Oberlappen. —
Pericarditis obliterans.
Peritonitis purulenta.
Abscesse in der Leber,
im Mesenterium des
Ueum und in der Gross
himrinde.
Linksseitige, universelle,
adhaesive Pleuritis.
Kalkiger Knoten im linken
Oberiappen.
Myodegeneratio cordis.
Ascites in Folge car-
cinomatöser Um¬
schnürung der Vena
portae.
Pleuritis adhaesiva beider
Oberiappen. Schwarze u.
kalkige Knoten im rechten
Oberiappen.
Nephritis chronica.
Pleuritis adhaesiva beider
Spitzen. Verkalkte Knoten
in beiden Spitzen.
Hydrothorax dupl.
Hydropericardium.
Anasarca. Stauungs¬
leber, -Milz, -Nieren.
Cavemen in beiden Ober¬
lappen.
Pleuritis adhaesiva beider
überlappen.
Knoten, Schwielen, Bron-
tis haemorrhagica.
Endocarditis chronica
valvulae mifcralis.
vulae aortae.
Aneurysma
aortae ascen-
dentis.
Pneumonia Pleuritis adhaesiva beider AtheromatoBe d. Aorta-
catarrhalis. Spitzen. Schwielen und Myodegeneratio corais
Kalkablagerung in beiden
Spitzen.
Pneumonia Beiderseitige, universelle, Nephritis chronica-
cronposa adhaesive Pleuritis,
lobitnf. sin. Kalkige Knoten in beiden I
Spitzen.
Google
1. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
823
iMi
g
s
Todesursache
Tuberculöse
Nicht tuberculöse
00
* I
Residuen
Complicationen
59
75
Nephritis
chronica, j
Pleuritis adbaesiva des
linken Oberlappens.
Myodegeneratio cordis.
B. Weiber.
60
>4(
Endocarditis
chronica val-
vulae mitr.
[ Kalkige Schwiele u. Pleu¬
ritis adbaesiva der linken
Spitze.
Chronische 8 tauungB-
Leber, -Milz, -Nieren.
Gl
4fi
Haemorrha-
gischer In-
farct des
recbtenUnter-
und Mittel¬
lappens.
Kalkiger Knoten u. Pleu¬
ritis adhaesiva im linken
Oberlappen.
Endocarditis chronica
v&lvulae mitralis et
aortae. Chronische
Stauungs-Leber, -Milz,
Nieren.
62
Pyaemie.
Kalkige Knötchen u. Pleu¬
ritis adhaesiva im linken
Oberlappen.
Peritonitis purulenta.
Leberabscesse.
Myodegeneratio cordis.
63,
51
Carcinoma
uteri.
Kalkige Knötchen in bei¬
den Spitzen.
Nephritis chronica.
64
56
Myodegene¬
ratio ccrdis.
Pleuritis adbaesiva des
linken Oberlappens.
Harte, z. Th. verkalkte
Knoten in der linken
Spitze.
Anasarca. Hydroperi-
card; Hydrothorax
duplex; chronische
Stauungs-Leber, -Milz,
-Nieren.
65
57
I’neumouia
catarrhalis.
Pleuritis adhaesiva beider
Spitzen; barte, z. Th. ver¬
kalkte Knoten im linken
Oberlappen. Chronische
Peritonitis.
Myodegeneratio cordiB.
Nephritis chronica.
66
63
Apoplexia
cerebri. (Cap¬
sula interna
sinistra).
Pleuritis adhaesiva beider
Spitzen. Kalkige Knoten
in beiden Spitzen.
Myodegeneratio cordis.
Atheromatose d. Hira-
arterien.
671
76
Pneumonia
catarrhalis.
Pleuritis adbaeßiva beider
Spitzen. Kalkiger Knoten
im rechten Oberlappen.
Myodegeneratio cordis.
3 . Ohne sicher nachweisbare tuberculöse Residuen.
A. Männer.
II
n
Todesursache
Befund an Lunge
und serösen Häuten
Nicht tnberculöse
Complicationen
!
68|39
1 Endocarditis
i chronica val-
1 vulae mitr.
1 —
Anasarca, Ascites,
Stauungsleber, -Milz-,
-Nieren.
69
I 44
j
Carcinoma
ventriculi.
1 Pleuritis 'adhaesiva der
j rechten Spitze. Eraphy-
1 sema pulmonum.
Secundäres Leber-
carcinom.
70
45
Carcinoma
ventriculi.
Pleuritis adhaesiva dia - 1
phragra.dextra. Pericardi-
tis obliterans.
Myodegeneratio cordis.
71
46
Myo¬
degeneratio |
cordis. |
Beiderseitige, universelle, 1
adhaesive Pleuritis. Bron - 1
ehitis diffusa chronica. {
Nephritis chronica.
72
51 j
Nephritis
chronica.
—
Hypertrophie und De¬
generation des Herzens.
73
53
1
Carcinoma
vesicae
felleae.
Pleuritis adhaesiva der
rechten Spitze. Empby-
sema pulmonum.
Endocarditis chronica
valvulae mitralis.
Nephritis chronica.
74
58
Atliero-
enatosis val-
vulaeetarcus
aortue.
Pleuritis adhaesiva beider
Oberlappen. Sch Warze Nar¬
ben in beiden Spitzen.
Hydropericardium.
Stauungsleber, -Milz,
-Nieren.
75
59 1
Nephritis
chronica.
Myodegeneratio cordis.
A poplektische Cyste d.
rechten caps. int.
76
61
Diabetes
mellitus.
Adhaesive Pleuritis des
rechten Oberlappens. Gan-
graenöser Herd im rechten
Unterluppeu.
Myodegeneratio cordis.
OO
I
.9
ö
;
Todesursache
Tuberculöse
Complicationen
Nicht tuberculöse
Complicationen
65
Carcinom
der Gallen¬
gänge.
Pleuritis adhaesiva der
liuken Spitze.
Nephritis chronica.
Myodegeneratio oordis.
78
73
Pneumonia
crouposalobi
infer. utr.
Adhaesive Pleuritis beider
Spitzen.
Endocarditis chronica
valvulae mitralis et
aortae. Atheromatosis
aortae.
B. Weiber.
79
'98
Status
epilepticus.
Pneumonia
lobularis.
—
Dilatatio cordis.
80
56
Myo¬
degeneratio
cordis.
Links universelle, ad¬
haesive Pleuritis, rechts
im Bereich des Ober¬
lappens. Emphysema pul-
monum.Bronchitis diffusa.
Nephritis chronica.
OvarialcyBtom.
81
59
Carcinoma
ventriculi.
Pleuritis adhaesiva des
linken Oberlappens.
Nephritis ciironica.
82
63
Carcinoma
ventriculi.
Pleuritis adhaesiva des
linken Oberlappens.
Schwarze Narbe an der
linken Spitze.
Nephritis chronica.
83
78
j
Haemorrhag.
Infarct des
ganzen
recht. Unter¬
lappens.
Pleuritis adhaesiva des
linken Oberlappens.
Emphysema pulmonum.
Myodegeneratio cordis.
Nephritis ciironica.
Fassen wir die Zahlen vorstehender Tabellen kurz zusammen,
so ergibt sich:
Bei 83 Sectioncn im Jahre 1895 wurde gefunden
Tuberculosc als Todesursache ... in 39 Fällen = 47 Proc.
Ausserdem active Lungeutuberculoso „10 „ =12
„ inactive (geheilte) „ „ 18 „ = 22 „
Keine sicheren Zeichen für Tuberculose ,,16 ,, =19
83 100
Nehmen wir zu den 83 Sectionen des Jahres 1895 noch
die 17 letzten Sectionen des Jahres 1894 hinzu, so bekommen
wir folgende, mit den berechneten Proccntzahlcn gut überein¬
stimmenden Zahlen.
Bei 100 Sectionen wurde gefunden -
Tuborculose als Todesursache.in 44 Fällen
Ausserdem activo Lungentuberculose. jo
„ inactive (geheilte) ,, ,,24
Keine sicheren Zeichen für Tuberculose.„20
Was zunächst die Mortalität an Tuberculose angcht, so
schwankt sie also nach dem Material der Autopsieen zwischen 44
und 47 Proc. Berechnen wir sie aber für die Gcsammtzahl
unserer Todesfälle — von denen ungefähr die Hälfte nicht sccirt
wurde — an der Hand der klinischen Diagnosen, so wird die Zahl
noch höher.
Es ergibt sich nämlich:
Jahr j
Gesammtzahl der Sterbefälle ^
t An Tuberculose gestorben
1893
131
63 = 48 Proc.
1894
141
71 = 50 Proc.
1895 |
152 j
77 = 50,6 Proc.
Diesen ungeheueren Mortalitätszahlen entsprechen nur zu
gut die Morbiditätsziffern, wie sie durch unsere Sectionsstatistik
aufgedeckt werden. Fanden sich ja doch von 100 Leichen nur
20 frei von Tuberculose. Von den 80 tuberculös inficirtcn
Individuen waren 56 (70 Proc.) schwer erkrankt — davon 44 ,
also mehr als die Hälfte der Inficirtcn, tödtlich — und nur bei
24 (30 Proc.) Personen war die Infection geheilt.
3*
Digitized by
Google
m
MÜNCHENER MBDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 85.
Dabei sei hier bemerkt, dass unsere Forderungen für die-
Diagnoee der Tuberculose anspruchsvoll genug waren, so anspruchs¬
voll, dass unsere Morbiditätaxahlen eher su niedrig als tu hoch
sein dürften. Ausgedehnte pleuritische Verwachsungen t. B. und
schwarte Spitsenindurationen haben wir nur dann xur Tuberculose
gereohnet, wenn sich noch ausserdem kalkige oder käsige Ein¬
schliessungen im Lungongewebe oder entsprechend veränderte
Lymphdrüsen J ) am Hilus oder den Bronchien fanden. Und doch
liegt gewiss die Möglichkeit vor, dass ein phthisischcr Process
auch ohne Hinterlassung kalkiger oder käsiger Massen nur mit
Bildung einer Spitzencirrhose heilen kann.
Boi der Unterscheidung in active und in inactive (gleich
geheilte) Tuberculose haben wir uns an den Grad der regressiven
Metamorphose des tuberculösen Gewebes gehalten. Nach den
Untersuchungen Kurlow’s (15) bleiben ja Impfungen mit rein
kalkigem Material auch bei empfänglichen Tbieren stets steril,
während Impfungen mit kalkig-k&sigem oder rein käsigem Material
immer eine ausgesprochene Tuberculose zur Folge haben. Die
Gefährlichkeit der Tuberkelbacillen ist zwar wohl ohno Zweifel
wesentlich geringer, wenn sie in dem kalkig-käsigen Detritus
anacmischer Lungenspitzen begraben sind als dann, wenn sie zur
Suspension aufgeschwemmt, einem empfänglichen Thier in die
Bauchhöhle gespritzt werden. Und auch die Zahl der verimpften
Bacillen ist nach den Untersuchungen Bollingers (16), Wysso-
kowicz’s (17) u. A. von so grosser Bedeutung für die Ent¬
stehung einer Tuberculose des Impfthier’s, dass cs durchaus mög¬
lich scheint, dass ein käsiger Lungenherd zwar genug Bacillen
für die Erzeugung einer Meersehweinchcntnberculosc, aber nicht
genug für eine menschliche Phthise enthält. Allein da diese
Factoren — der Grad der Abkapselung und die jeweilig unge¬
fährliche Zahl von Bacillen — im einzelnen Fall nicht mit
Sicherheit abzuwägen sind, so halten auch wir es für richtiger,
sich auf den biologischen Standpunkt zu stellen und einen tubercu¬
lösen Process erst dann als erloschen zu betrachten, wenn sich aus
ihm unter keiuen Umständen mehr eine Impf tuberculose erzeugen
lässt. Es finden sich dementsprechend in unserer Rubrik der
geheilten Tuberculose nur solche Fälle, welche weder eitriges noch
käsiges Material mehr in ihren Lungen beherbergten.
Da wir sonach bei der Diagnosestellung des einzelnen Falles
mit der nöthigen Reserve verfahren sind, so dürfte die Sprache
unserer Zahlen mahnend und eindringlich genug sein. Wenn cs
wirklich in München Volksschichten giebt, in denen 80 Proc.
tubcrculös sind, dann wird Niemand die Nothwendigkcit leugnen
können, dass hier für das Volk etwas geschehen müsse.
Es liegt ausserhalb des Rahmens nnserer kleinen Statistik,
die Prophylaxe und Therapie der Tuberculose näher zu besprechen,
wir möchten nur auch unsererseits auf die eminente Bedeutung
desjenigen Hilfsmittels bei der Behandlung der Lungenschwind¬
süchtigen hinweisen, welches jetzt zwar schon vielseitige, aber
noch lange uicht allgemeine Anerkennung gefunden hat, nämlich
der ländlichen Heilstätten.
Wenn es auch keines Beweises mehr bedarf für die Be- ,
deutung, welche der Aufenthalt in freier Luft bei guter Kost
gerade für die Tuberculösen hat, so möchten wir doch eine That-
sache nicht unerwähnt lassen, welche sich aus unserer Zusammen¬
stellung ergibt und uns geeignet scheint, den Werth der ge¬
nannten Factoren in’s rechte Licht zu setzen. Es ist dies der
deutliche und constante Unterschied im durchschnittlichen Lebens¬
alter der beiden Geschlechter bei den Tuberculösen einerseits und
den nicht Tuberculösen andererseits.
*) Wir können jedoch der Behauptung Han au’s (12) und
Bchlenker's, (18) dass sich bei nicht sehr festen und nicht sehr aus¬
gedehnten Pleuraverwachsungen verkäste Hilus- oder Bronchial-
drüsen sehr häufig nachweisen lassen, nicht zustimmen. Uns ist
der Nachweis verkäster Drüsen in solchen Fällen fast nie gelungen
und es ist uns nicht verständlich, dass Schlenker bei seinen 36 Fällen
latenter Tuberculose bei Erwachsenen den Sitz 21 mal in den
Bronchialdrüseu und nur 5mal in den Lungen fand. Bei Kindern
kommt ja primäre und überwiegende Verkäsung der Hilus- und
Bronchialdrüsen relativ häufig zur Beobachtung, bei Erwachsenen
aber ist es, was auch Weigert (14) angibt, geradezu ein seltener
Befund.
Die betreffenden Zahlen sind in folgender Tabelle enthalten:
1 Durchschnittliches Lebensalter
| Ar Tubarcaloea gestorben
Nicht aa Tubtfcalese gestartet
Männer
Weiber
Männer
Weiber
Jahre
Jahre
Jahre
Jahre
1893
42,4
35,8
59,5
56,8
1894
37,6
28,8
61,2
55,9
1895
37,0
33,6
56,0
60,0
1895
bei den
83 Secirten
39,3
31,8
53,0
55,4
Sollte es ein Zufall sein, dass die tuberculösen Männer relativ
und absolut ein höheres durchschnittliches Lebensalter erreichen
als dio tuberculösen Weiber, während bei den nicht Tuberculösen
dieses Verhältniss sich verwischt oder sogar umdreht? Wir
möchten diese Frage verneinen.
Die Erklärung der auffallenden Thatsachc dürfte unseres
Erachtens darin zu finden sein, dass gerade in den unteren Volks¬
schichten die Männer in Folge ihres Berufs als Taglöhner, Maurer,
Steinträger etc. viel mehr Gelegenheit haben, im Freien zu arbeiten,
als die Weiber und dass sie ausserdem auch auf ihre Ernährung
fast durchweg mehr Geld verwenden, als auf die der Weiber.
Bei vielen chronischen Erkrankungen, bei Herz- und Nierenleiden,
bei (lelcnksaffcctionen, nervösen Störungen u. A. scheinen die
genannten Factoren nicht von so ausschlaggebender Bedeutung zu
sein — bei der Tuberculose macht sich ihr Einfluss unverkennbar
geltend.
Und wenn die günstige Beeinflussung Tuberculöser durch
gute Kost und gute Luft schon deutlich hervortritt, wenn diese
Factoren zufällig und wenig ausgiebig, gleichsam nur so nebenbei,
in Kraft treten, dann ist doch wohl viel mehr noch von länd¬
lichen Heilstätten zu hoffen, in denen sie zielbewusst und in
reichlichstem Maasse in Anwendung kommen.
Unserem hochverehrten Chef, Herrn Prof. Moritz, sprechen
wir für die Ueberlossung des Materials und für das Interesse,
welches er der Zusammenstellung entgegenbrachtc, unseren besten
Dank aus.
Literatur.
1. Zwickh, Die Mortalität der Tuberculose nach Allct und Ge¬
schlecht. Münch, med. Wochenschr. 1891, No. 44.
2. Cornet, Die Tuberculose in den Strafanstalten. Zeitacbr. t
Hygiene 1891, Bd. X; refer. M. med. Wochenschr. 1891, No. 2.
3. Fodor, Münch, med. Wochenschr. 1892, No. 2.
4. Weitemeyer, Münchens Tuberculose-Mortalität in den Jahren
1814—1888. Münch, med. Wochenschr. 1892, No. 26 und 27.
5. Weiss, Vergleichende Betrachtungen über die Tuberculosen-
todesfälle etc. Münch, med. Wochenschr. 1893, No. 3.
6. Holsti, Ueber den Einfluss von Alter, Geschlecht etc. Zeitschr.
f. klin. Med. XXII, 4 und 5.
7. Hirsehfeld, Ueber das Vorkommen der Lungentuberculose
in der warmen Zone. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1891, Bd. 53,
5 und 6.
8. Heinsen, Die Sterblichkeit an Lungenschwindsucht in ver¬
schiedenen Städten Deutschlands und in Wien. Münchener
Dissert. 1893.
9. Kollinger, Ueber Schwindsuchtssterblichkeit in verschiedenen
Städten Deutschlands etc. Münch, med. Wochenschr. 139',
l und 2.
10. Wolff, Ueber Infectionsgefahr und Erkranken bei Tuberculose.
Münch, med. Woehensehr. 1892, No. 39 und 40.
11- Bien eck, Abnahme der Tuberculose-Mortalität in München
während der Jahre 1889—1893. Münch, (ungedruckte) Disser¬
tation, citirt bei Bollinger, Münch, med. Wochenschr. 1895,
1 und 2.
12. Hanau, Beiträge zur Lehre von der ac. Miliartuberculose.
Virch. Arch. 1887, 108, p. 152.
13. Schlenker, Beiträge zur Lehre von der menschlichen Tuber¬
culose. Virch. Arch. 134, 1.
14. Weigert, Die Wege des Tuberkelgiftes zu den serösen Häuten.
Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 31 und 32.
15 Kurlow, Ueber die Heilbarkeit der Lungentuberculose. Deutsch.
Arch. f. klin. Med. 18b9, Bd. 44.
16. Bollinger, Ueber den Einfluss der Verdünnung auf die Wirk¬
samkeit des tuberculösen Giftes. Münch, med. Wochenschr.
1889, No. 43.
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1. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
825
17, Wyssokowiez, IJeber den Einfluss der Quantität der ver-
impften Tuberkelbacillen etc. Münch, med. Wochensclir. 1890,
No, 41.
Feuilleton.
Die Revision der medicinischen Prüfungsordnung.
Von Hofrath Dr. Brauser.
Die ständigen Ausschüsse der bayerischen Aerztckainmern
haben durch die königl. Kreisregierungen eine Anzahl Excinplaro
der «Zusammenstellung der commissarischen Berathungen über
die Revision der medicinischen Prüfungen und der Anlagen zu
denselben» mit dem Aufträge zngestcllt erhalten, dieselben den
ärztlichen Bezirksvereinen zu übergeben, diese zur gutachtlichen
Aeusserung hiezu cinzuvernehmen, die entsprechenden Gutachten
zu sammeln und den im October einzuberufenden Aerztekammern
zur Berathung vorzulegen.
Dieselbe Zusammenstellung hat der königlich preussischo
Minister dem am 1 f». Juni 1. J. cinbcrufenen Ausschuss der
preussischen Aerztekammern zur Begutachtung durch die Kammern
überreicht, und voraussichtlich werden auch die Standesvertretungen
der übrigen deutschen Länder veranlasst werden, sich mit dieser,
für den ärztlichen Stand so hochwichtigen Frage zu beschäftigen.
Es ist hocherfreulich, dass über die einschneidenden Ver¬
änderungen, welchen das gesammtc Studium der Medicin und die
zugehörigen Prüfungen unterworfen werden sollen, rechtzeitig das
Urthcil der wohl am meisten betheiligten Kreise, der Aerzte selbst,
in ihren staatlich anerkannten Vertretungen gehört werden will,
eine Berechtigung, welche Seitens der Aerzte schon manchmal
bei ebenso wichtigen Fragen vergeblich angestrebt wurde. Es
dürfte desshalb von Interesse sein, ehe wir an die Besprechung
jener Vorlage selbst gehen, einen kurzen historischen Rückblick
zu werfen auf die zahlreichen Verhandlungen ärztlicher Körper¬
schaften über die Frage der medicinischen Prüfung und des
medicinischen Studiums, welche seit dem Erlass einer gemeinsamen
Prüfungsordnung für das deutsche Reich gepflogen wurden.
Vor dem Jahre 1866 hatte jeder deutscho Staat seine eigenen,
oft sehr verschiedenartigen Bestimmungen über dio Heranbildung
der Aerzte. Ich erinnere beispielsweise nur an den einen Umstand,
dass in Bayern lange Zeit ein sechsjähriges, später ein fünf¬
jähriges Studium für Mediciner vorgeschrieben war, welches plötzlich
einem vierjährigen Studium Platz machen musste. Auch die Form
der Prüfungen war vielfach verschieden.
Im Jahre 1869 wurde eine auf den bisherigen preussischen
Bestimmungen basirende Prüfungsordnung für den norddeutschen
Bund erlassen, welche im Jahre 1871 auch in Bayern, Württem¬
berg und Baden eingeführt wurde.
Die einschneidenden Veränderungen, welche diese neue Prüfungs¬
ordnung speciell in Bayern hervorrief, haben schon frühzeitig daselbst
eine Reaction erzeugt, welche speciell die Zeit des medicinischen
Studiums für zu kurz und nicht ausreichend für eine genügende
Ausbildung der Aerzte erklärte. Wir hatten, wie schon erwähnt,
in Bayern ein vierjähriges Studium, während dessen das soge¬
nannte Admissionsexamen, jetzt Tentamen pbysicum, gemacht
werden musste, am Schlüsse dessen die Approbationsprüfung statt¬
fand. Nach derselben musste der Mediciner ein Bienniuui practi-
cum, später auf ein Jahr rcducirt, zur Hälfte' an einer Hochschule,
zur anderen Hälfte an einem grösseren Krankenhause zubringen,
worauf das damals noch obligatorische Physikatsexamen folgte. Die
Verpflichtung zu Letzterem kam mit Einführung der Gewerbe¬
ordnung in Wegfall und zugleich wurde das gesummte Studium
auf vier Jahre rcducirt, nach welchem viele nur theoretisch aus¬
gebildete Mediciner sofort in’s praktische Leben übertraten. Diese
Thatsachen führten zu so grellen Missständen, dass gerade in
Bayern ein Widerspruch gegen die neuen Verhältnisse am raschesten
Raum gewann.
Schon im Jahre 1873 hat die mittelfränkische Aerztekammer
die NothWendigkeit der Verlängerung des medicinischen Studiums
hervorgehoben, jedoch keinen Antrag gestellt, in der Erwartung,
dass die medicinischen Facultäten im Vereine mit den gesetzlichen
Factoren diese Frage in’s Auge fassen und Abhilfe schaffen werden.
Dasselbe empfahl die oberfränkische Aerztekammer 1874 der k.
Staatsregierung zur Erwägung. 1875 forderte die k. bayerische
Staatsregierung die medicinischen Facultäten auf, sich gründlich
und präcis über die Frage zu äussern: «ob eine generelle Revision
der Bekanntmachung vom 15. September 1869, die Prüfung der
Aerzte betr., durch eine Commission Sachverständiger eingeführt
werden wolle, und welche Bestimmungen jener Bekanntmachung
unzweckmässig und daher dnreh Aenderungen zu ersetzen seien,
durch welche und aus welchen Gründen ? » Der Referent Prof.
Dr. Bischoff hatto hierauf ein fünfjähriges Studium und mehr¬
fache Aenderungen der Prüfungsordnung für nothwendig erklärt.
Im Jahre 1876 wurden vom Bundcsrathe des deutschen
Reiches zwei Entwürfe, die Vorprüfung und die Prüfung betr.,
allen deutschen Universitäten zur Begutachtung vorgelegt, nachdem
derselbe bereits im Jahre 1874 Erkundigungen über eventuelle Ab¬
änderung der Prüfungsordnung auf privatem Wege eingezogen hatte.
Im Jahre 1878 wurde ein auf Grund dieser Erhebungen
ausgearbeiteter Entwurf einer neuen Prüfungsordnung einer Sach-
verständigen-Commission, aus Männern der Wissenschaft und Praxis
zusammengesetzt, vorgelegt.
Dies veranlasste den VI. Deutschen Acrztctag zu Eisenach
1878 zu dem Beschlüsse: «Der Deutsche Acrztctag erachtet es
für nothwendig, dass vor der endgiltigen Feststellung der Prü¬
fungsordnung für Aerzte die Landesregierungen veranlasst werden,
die ärztlichen Standes Vertretungen, bezw. wo solche nicht vor¬
handen sind, die ärztlichen Vereine darüber zu hören».
Im gleichen Jahre richtete die oberpfälzische Aerztekammer
an die k. Staatsregierung das Ersuchen, den oben erwähnten
Entwarf einer neuen Prüfungsordnung dem verstärkten Ober-
mcdicinalaussehuss zur Berathung und Begutachtung vorzulegcn.
Der VHI. Deutsche Aerztctag zu Eisenach 1880 beschloss
eine Petition an das Reichskanzleramt, um Beschleunigung des Er¬
lasses der neuen Prüfungsordnung.
Der X. Deutsche Acrztetag zu Nürnberg 1881 hatte die
Frage der Verlängerung des medicinischen Studiums auf die Tages¬
ordnung gesetzt, ohne darüber Beschluss zu fassen.
Im selben Jahre wurde auf Anregung der oberpfälzisehen
Aerztekammer von allen acht Aerztekammern Bayerns die Frage
der Nothwendigkeit einer Aenderung der bisherigen Prüfungs¬
ordnung behandelt und bejaht, die Mehrzahl derselben betonte die
noth wendige Verlängerung des Studiums von 4 auf 5 Jahre.
Am 2- Juni 1883 erschien die noch heute gütige Prüfungs¬
ordnung der Aerzte für das deutsche Reich, in welcher neben
verschiedenen Abänderungen der bisherigen Bestimmungen über
die Prüfung selbst, das medicinische Studium von 8 auf 9 Se¬
mester verlängert wurde. Diese Prüfungsordnung erfuhr im Jahre
1887 eine Ergänzung dahingehend, dass bei der Prüfung der
Nachweis der Impftechnik von dem Oandidaten gefordert wurde.
Der XI. Deutsche Aerztetag zu Berlin 1883 nahm mit
Rücksicht auf die bereit« erschienene neue Prüfungsordnung die
Resolution an : «Angesichts der Thatsache, dass eine neue Prüfungs¬
ordnung vom Bundesrathe beschlossen worden ist, welche den vom
Aerztetag stets angestrebten Weg der Verlängerung des mcdici-
nischcn Studiums betritt, wird vorerst die Berichterstattung und
Berathung über diesen Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt».
Zu erwähnen ist hier noch, dass der Münchener ärztliche
Verein bereits im Jahre 1882 eine Petition an den Bundesrath
beschlossen hatte, worin die Verlängerung des medicinischen Stu¬
diums auf zehn Semester angeregt wird.
Dass diese mit dem Jahre 1883 in’s Leben tretende neue
Prüfungsordnung weder den Bedürfnissen, noch den Wünschen
einer grossen Mehrheit des, auf Grund eigener Erfahrungen ur-
theilenden, ärztlichen Standes entsprach, mag am deutlichsten
daraus hervorgehen, dass sehr bald wieder eine Agitation auf
Umänderung der neuen Prüfungsordnung begann.
Eingeleitet wurde diese Bewegung durch die Verhandlungen
des XIV. Deutschen Aerztetages zu Eisenach 1886 über einen
von Berlin ausgehenden Antrag, «die Ueberfüllung des ärztlichen
Standes in den jüngsten Jahren zum Gegenstand einer Mittheilung
an Diejenigen zu machen, welche auf die Berufswahl der Gyrn-
nasialabiturienten cinzuwirken haben», also eine Warnung vor
Erwählnng des ärztlichen Berufes an Eltern, Vormünder and
Lehrer. Diesem Anträge stimmte der Aerztetag zu; die dem-
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826
Münchener mediciwscm wocmggggggV
No. 85.
entsprechend erlasseae Wahltag tot jedoch wirtagslo»
^‘tceclbo Thatsaclie, die UcbcrMlung der‘ ^
und sah dio emsige Abhilfe in dem wegmu , w
zum Einjährigfreiwilligen-Dienst durch einfaches Vorrücken
zur Secunda ohne besonderes Examen. Dieser Fo ^ ru " g t ‘
in der jüngsten Zeit durch Einführung einer eigenen lrütung
für die Berechtigung zum Einj^rig^r^'^fe^^P^e r -^rlsrulie
Vorstehende Thatsachcu veranlassten Dr. Dressier rvar
zu einem eingehenden Referate an den XVII. Deutschen Aersm-
tagTu Braunschweig 1889, welches mit dem Anträge scU^,
d a g Studium der Medicin auf mindestens 5 Jahre zu vcrläng ,
und mehrfache Aenderungen der bestehenden Pr J fu “ gS °^“ g
in Vorschlag brachte. Der Aerztctag stimmte dem Vcrlängerungs
antragc mit grosser Mehrheit zu, verwies jedoch die übrigen An
'träge an eine eigene Commission, ebenso den aus Bayern stam
uiendcu Antrag auf Festsetzung zweier Prüfungstennine an Ostern
und im Herbste, wegen der Ungleichheit in der Zeit des Gym-
nasiaLbtohitoriums^cs hftt dcr g 0S chäftsführcndc Aus
Schuss den Gegenstand an die drei grössten deutsche,
zur commissionellen Berichterstattung verwiesen, und haben Derii
Leipzig und München dem XVIII. Deutschen Aorzteteg zu
München 1890 ausführliche, interessante Gumm.ss.oi.sbenchte über
die Abänderung der ärztlichen Prüfungsordnung ßehcfcrt. D»e
Verhandlungen dieses Aerztctages, an welchen sich m hervor
ragender Weise der Vertreter der Universität München, Professor
Dr von Ziemssen betheiligte, haben die Frage m erschöpfender
Weise behandelt und klar gelegt, und schlossen mit der Annahme
einer Reihe von Thesen, deren wörtliche Aufführung hier angezcigt
erscheint, um später zu zeigen, inwiefernc der neue ^»twurfemer
Prüfungsordnung den dort gestellten Anforderungen entsprich •
Die Beschlüsse des XVIII. Deutschen Aerztctages lauteten.
I. 1. Die Anatomie und Physiologie sind im Wesentlichen
in der Vorprüfung zu erledigen.
2. In der Prüfung selbst soll die Psychiatrie ein eigener
Prüfungsabschnitt sein.
3. Die Ohrenheilkunde wird Prüfungsgegcnstand
4. Die Impftechnik fällt als Prüfungsabschnitt fort.
n. 1. Die Prüfungscommission soll nicht ausschliesshch aus
Lehrern der Candidatcn bestehen.
2. Die Ergebnisse der Prüfung sind alljährlich amtlich
zu veröffentlichen. |
3. Die ganze Prüfung darf nie über 2 Jahre dauern.
4. Die Fristen zwischen den einzelnen Abschnitten bezw.
deren Wiederholungsdauer sind zu kürzen, auch die
Dauer der Abschnitte selbst.
5. In den praktischen Thcilen genügt die Gegenwart
eines Examinators.
6. Die Berechnung der Ccnsuren bedarf einer Acnderung.
7. Die Zahl der Examinatoren ist möglichst zu ver¬
mehren. ..
8. Die Möglichkeit der Wiederholung kleiner iheile
eines Prüfungsabschnittes ist auszuschHessen.
III Der uiedicinisclic Unterricht bedarf einer Organisations¬
änderung nach der Richtung, dass eine gründlichere
praktische Ausbildung des angehenden Arztes statt¬
findet. ... TT
Die ganze frage der Reorganisation des medicimschen Unter¬
richtes wurde einer Commission überwiesen, welche dem nächsten
Aerztctage ein Referat zu unterbreiten hat.
Diese Reorganisation des medicinischen Unterrichtes be¬
schäftigte nicht nur den XVIII. Deutschen Acrztetag zu Weimar
1891, sondern auch die medicinischen Kreise überhaupt und die
Presse. Nachdem hier auch die Frage der Vorbildung künftiger
Medicincr auf den Mittelschulen lebhaftest erörtert wurde, und
die Frage, ob diese Vorbildung nur auf humanistischen Gymnasien
oder auch auf Realgymnasien erfolgen könne, von unserer k.
Staatsregierung den diesjährigen Aerztekammcrn zur Bcrathuug
vorgelegt worden ist, dürfte dieses hochwichtige Thema den
„ Aufsatzes weit überschreiten und soll
S den 6 Gegenstand einer eigenen Besprechung bilden
Gehen wir nun zur Prüfung der Vorlage selbst über, so
finden wir hier zunächst zwei zu trennende Fragen:
1 die Frage der Verlängerung des medicimsohcn Studiums und
2 . die Abänderungen der bisherigen Prüfungsordnung.
„ Abteilung der Acndcrungsvorschlägo gehört die
. Zur T 2 nach welcher die Studienzeit auf 10 Semester
Bestimmung . •> nac h ^^dener Approbatioos-
einer deutschen Untoereitoto-Klimt,
Änik oder an einer sonstigen besonders das« an K ridr te .
Krankenanstalt als Praktikant zuzubnngen ist.
Ferner wird in I. 4. bestimmt, dass die ärztliche Vorprüfung,
das bisherige Tentamen physicum, am Ende des 5. Semems b-
das bisherig Prüfung selbst erst nach Abschluss des
5 Semesters nach vollständig bestandener ärztlicher
Am Schlüsse de Anatomie und Physiologie
Bestehen «eitere 5 M-»-
ssst-ssHS*
Lu. Scmes" r i*t das praktische
SÄ -
° rla °Es'i.t dies eine Vertage,«ng der Studiontcit je * ajk
saraas
trägt der neue Prüfungsordnungsentwurf in > idat
Rechnung, indem c, 13 Semester festset« «eich, der
dem Studium, den Prüfungen und praktischen Uebung
widmen hat, ehe er zur Praxis zugelasseu wird.
Dass eine derartige Verlängerung des
gerechtfertigt ist, bedarf wohl hier kener ausWhrhch« to .
grtindnog, nachdem Ober d ««“ T1 ^“. te StandwertEs«,
und geschrieben worden, und die ärztliche Der Hin-
sich stets übereinstimmend dafür ausgesprochen bab^JJ dcr
weis auf die stetig wachsende Vertiefung und J da3
Materien, welche dem künftigen Arzte zu^' un .
Hinzutreten neuer Zweige der Wissenschaft, decn la ^
bedingt nöthig ersebeint, die Forderung der * tc ^
der künftige Arzt auch aus den Fächern geprüft verte ^
bisher für das Pbysikatsexamcn Vorbehalten waren, w ^ ^
und gerichtliche Medicin, Alles dies rechtfertigtJ. den
längere Studienzeit. Auch ein Blick auf ^
übrigen europäischen Staaten zeigt, dass Sfhwedö 20 Semester,
als 10 Semester studirt,Viele mehr, z^B. der Schwcdö20^
Der schwedische Arzt erfreut sich aber m sei“ e , Laude .
eines so hohen Ansehens, wie nicht leicht in einem ^ >rs
Dass die Vorprüfung erst am Schlüsse des . 5 ,. i ^ UDg
gemacht werden wird, ist sicher zu billigen, *““ a BestimJnuD gen
aus Anatomie und Physiologie nach I. 1- de danD in
wesentlich zu verstärken ist, so dass diese g ffCT dcn.
der Hauptprüfung nur noch repetitonsch zu behände
Auch die Anfügung eines praktischen Jah “ “^ntlicbcr
lange gehegten und vielfach ausgesprochenem Acr2 tc-
Kreisc und Standesvertretungen, wie auch des D ^ wr
tages, und bringt uns bayerischen Aerzteu nur wm ’ t war .
dem Jahre 1869 schon lauge mit grösstem Nutzen g
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1. September 1896.
Münchener medizinische wocHKNsnmrrFfr
Betrachten wir nun noch die Veränderungen, welche die Be¬
stimmungen über die Prüfungen selbst in dem neuen Entwürfe
erfahren.
Die verstärkte Berücksichtigung der Anatomie und Physiologie
in der Vorprüfung ist m einem eigenen Zusatzabschnitt näher
ansgeführt, ebenso die Verhältnisse dieser beiden Gegenstände in
der Hauptprüfung, wo sie nur mehr repetitoriseh zu behandeln
sein werden; es soll hier nur mehr nachgewiesen werden, dass
der Candidat die in der Vorprüfung bereits gezeigten Kenntnisse
und Fertigkeiten festgehalten hat.
Bei allen Prüflingen soll auch auf die allgemeine Bildung
des Kandidaten Rücksicht genommen werden ; bei der Hauptprüfung
soll der Kandidat Kcnntniss von den Pflichten des ärztlichen
Rcrutes im Allgemeinen darlegcn. Eine rasche Erledigung der
einzelnen Prüfungsfächer wird gefordert und darf das gesnmmtc
Prüfungswcsens nicht mehr als 2 Jahre in Anspruch nehmen.
Pie in I 8. enthaltene Bestimmung, dass ein Nichtbcstelien eines
I'aches bei der zweiten Wiederholung die Fortsetzung der
Prüfung unmöglich macht, ist wohl so zu verstehen, dass jede
Nachprüfung dreimal gemacht werden kann, das dritte Mal aber
bestanden werden muss. Für Ausländer sind besondere Bestim¬
mungen erlassen. Die Prüfungsgebühren werden voraussichtlich
noch höher werden.
In Abschnitt II. des Entwurfes ist zur Vorprüfung noch
hervorgehoben, dass ein Nachweis von 2 Semestern Präparirübungen,
ein Semester mikroskopisch-anatomische Hebungen, ein physiologisch-
chemisches und ein physikalisches l'rakticum gefordert wird, ferner
dass Chemie und Physik eingehender als bisher geprüft werden,
Zoologie allgemein und vergleichend anatomisch, Botanik allgemein
und mit Rücksicht auf die officinellcn Pflanzen.
In Abschnitt III. 4. sind die in den Kliniken zu verbringenden
Semester aufgezählt, welche gleichfalls eine Vermehrung erfahren
haben durch die Kinderklinik oder -Poliklinik, die psychiatrische
Klinik und nach Wahl eine der Specialkliniken. Ueber den
Besuch der Kliniken wird in einem einheitlich festzusetzenden
rormuJare testirt. Die medicinisehe Prüfung wird künftig
heissen: medicinisch-pharmakologisch-psychiatrischc Prüfung. In der
Prüfung' aus der pathologischen Anatomie sind mehrere Präparate
anzufertigen, statt bisher eines, auch ist für diese und die all¬
gemeine Pathologie eine eingehende mündliche Prüfung in Aussicht
genommen.
Die chirurgisch-ophthalmiatrischc Prüfung wird auf 7 Tage
beschränkt und müssen dabei auch die für den praktischen Arzt
erforderlichen allgemeinen Kenntnisse in der Ohrenheilkunde nach¬
gewiesen werden. Ueber die Augmheilkundc wird der Candidat
mündlich geprüft.
Auch die medicinisch-pharmakologisch-psychiatrische Prüfung
wird auf 7 Tage beschränkt, und zwar in dem Verhältnis von
3 für die Medicin zu 1 für Pharmakologie und Psychiatrie. Auch
Kinder-, Hals-, Nasen-, Hautkrankheiten lind Syphilis sind an
einem Tage zu prüfen. Den pharmakologischen und psychiatrischen
Tbcil prüfen eigene Examinatoren.
Ganz neu sind die in Abschnitt IV. gegebenen Bestimmungen
über das praktische Jahr, welches zur Hälfte an einer Universität,
zur anderen Hälfte an einem grösseren Krankenhause, auch als
Einjähriger in einem Militärlazareth zugebracht werden kann.
Auch hier müssen die Zeugnisse der Anstaltsleiter nach einem
einheitlichen Formulare ausgestellt werden. Ueber das praktische
Jahr hat der Candidat einen selbstverfassten Bericht zu liefern.
Die Prüfungscommission für die Ertheilung der Approbation
wird bestehen aus 3 Mitgliedern, einem ordentlichen Professor und
swei von den ärztlichen Standesvertretungen zu präsentirenden
Mitgliedern. Sie kann, wenn sie es für nothwendig erachtet, mit
dem Candidaten noch ein Colloquium veranstalten. Dauernde Ver¬
weigerung der Approbation muss einstimmig ausgesprochen werden
und ist alsdann für alle Landescentralbehörden massgebend.
In den Schlussbemerkungen wird eine authentische Erklärung
der Bestimmungen der Gewerbeordnung § 29 und § 147, 3
bezüglich der Führung des Titels « Arzt » gefordert.
Ferner wird die Führung der Bezeichnung als « Specialarzt»
von einer besonderen Approbation abhängig gemacht, für deren
8Ö?
Erlangung der Candidat noch weitere 2 Jahre sich mit dem
Spcoalfache zu beschäftigten hat und zwar an einer Hochschule.
ho sehr die Erschwerung der Führung des Titels « Special
arzt» zu bogrüssen ist, und einem schon mehrfach ausgesprochenen
unschc der ärztlichen Vertretungen entspricht, dürfte doch die
1 orderung weiterer 2 Jahre für einzelne Specialfäcl.cr, wie Ohren¬
heilkunde u. dgl. etwas zu hoch gegriffen sein.
n Ziffer 3 der Schlussbemerkungen wird von der scliul-
wissenschaftlichcn Vorbildung der Mediciner im Allgemeinen ge¬
sprochen, die frage, ob humanistisches oder auch Realgymnasium
dazu berechtigt, jedoch offen gelassen.
Für das medicinisehe Studium soll ein Normalplan fcstgcstellt
und darüber die mcdicinischcn Facultäten gehört werden. Die
Kliniken dürfen erst nach bestandener Vorprüfung besucht werden ;
die Doctorpromotion darf erst nach erlangter Approbation erfolgen
und wd von einer gehaltreichen Dissertation und einer strengen
mündlichen und öffentlichen Prüfung abhängig gemacht.
Soviel in Kürze Uber die gegen die bisherige Prüfungsord¬
nung veränderten Bestimmungen des neuen Entwurfes. Betrachten
wir dieselben im Hinblick auf die bei verschiedenen Gelegenheiten
Seitens der ärztlichen Standesvertretungen, namentlich des Deutschen
Acrztetages ausgesprochenen Wünsche, so finden wir dieselben
grosstentheils erfüllt. Speciell die vom Münchener Aerztctag 1 890
aufgestcllten Thesen sind in ihrem ersten Theile, die Prüfung
aus Anatomie, Physiologie, Psychiatrie und Ohrenheilkunde be¬
treffend, vollkommen berücksichtigt, auch das Wegfallen der Impf-
tcchnik als eigener Prüfungsabschnitt entspricht jenen Wünschen.
l>ass die 1 rüfungscommission nicht ausschliesslich aus Lehrern
bestehen soll, wie unter II. I. vom Aerztetag gewünscht wurde,
ist indirect dadurch genehmigt worden, dass die Commission zur
Ertheilung der Approbation nur aus einem Universitätsprofessor
und 2 gewählten Abgeordneten der ärztlichen Standes Vertretungen
bestehen wird. Die amtliche Veröffentlichung der Prüfungs¬
ergebnisse ist in dem Entwürfe nicht eigens ausgesprochen, dürfte
aber kaum auf Widerspruch stossen. Dagegen ist der Wunsch
des Acrztetages, dass die ganze Prüfung nicht über 2 Jahre
dauern dürfe, vollkommen erfüllt worden. Auch die Beschleunigung
der Prüfung in ihren einzelnen Abschnitten ist eigens aus¬
gesprochen und schon dadurch garantirt, dass die Dauer der
Prüfungen in den Hauptgegenständen, innere Medicin und Chirurgie,
auf 7 Tage beschränkt wurde.
Auch der Schlussforderung des Aerztetages in Bezug auf
eine gründlichere praktische Ausbildung des angehenden Arztes
ist durch Anfügung des praktischen Jahres in reichem Maasse
Rechnung getragen worden.
Im Grossen und Ganzen werden die um ihre Begutachtung
angegangenen ärztlichen Standesvertretungen, hier die bayerischen
Aerztekammern, ihre Zustimmung zu dem neuen Entwurf aus
voller Uebcrzeugung gobon können, wenn auch vielleicht in einigen
Dctailbcstimmungcn Abänderungen zum Vorschlag kommen werden.
Die Verlängerung der Studienzeit ist erreicht, derselben ist
ein praktisches Jahr an gefügt und die Prüfungen sind sogar mit
Kürzung ihrer Zeitdauer unseren Wünschen entsprechend um¬
gestaltet worden.
Und doch kann ich schicsslich einige Bedenken nicht unter¬
drücken, welche das eingehendere Studium dieses Entwurfes in
mir wachgerufen hat.
Das eine Bedenken betrifft die erhebliche Steigerung der
für das künftige Studium der Medicin aufzubringenden Kosten.
Wird jetzt schon dasselbe als das theuerste Studium erklärt, so
steigern sich durch die Verlängerung der Studienzeit auf 13 Se¬
mester, durch die in Aussicht gestellte Erhöhung der Prüfungs¬
kosten die Lasten für den künftigen Mediciner derart, dass nur
mehr Wohlhabende daran denken können, sich zum Arzte auszu¬
bilden. Und bestimmt finden sich auch in den unbemittelten
Classen talentirte, zum ärztlichen Beruf geeignete Individuen,
denen dieser Weg durch die unerschwinglichen Kosten verschlossen
sein soll I Könnte gegen diesen Uebelstand nicht Abhilfe getroffen
werden? Durch die Verlängerung des Studiums werden die Ein¬
nahmen der Docenten beträchtlich vermehrt; könnte dem ent¬
sprechend nicht eine Herabsetzung der Collegiengelder erfolgen?
Könnte die thouore Formalität der Doctor-Promotion nicht verein-
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MfrurmilOTlR MEDtCMtBOHE W OCgjKSOggm
facht und dadurch verbilligt .erden? Od«,_«• "^“bCg I ordn
verdiente ein Medicnier nach 6 jä. ® e “ ' den Titel eines j ders
einer rigorosen Schlussprüfung m ■ Aerztc, wie I wen
x,- -
erscheinen dürften, und welche ich den massgebenden Kreisen we)i
Berücksichtigung empfohlen haben mochte. vcr|
Und nun noch ein Punkt, kein neues, sogar ein schon viel
ii« “ £
erre'ehtjiaben Gymnasialstudien, nach 10 Semestern dar
Aufenthalt Ä«"—‘ gj “
Ui der ärztlichen Approbation die Erlaubnis, seine erworbenen
Kenntnisse selbständig praktisch zu verwerten, und sieh damit
Verdienst zu verschaffen. . . ,, nB 1
Mit alledem und trete alledem aber betreibt der Arzt dann ,o
nur e“ frei“ (iowerbc, und iat gleiehgeatellt jedem unw,tuenden
frechen Pfuscher, welcher ohne alle Vorbildung, ohne die geringste T
Kenntniss des von ihm zu behandelnden Objectes <Usselbe Recht et
i -f t ,li.> Heilkunde als freies Gewerbe zu betreiben und iu der I a >
XX" die Dummheit des leichtgläubigen Publicum, T
ausbeutet Das einzige Unterscheidungsmerkmal, welches uns die gl
Gewerbeordnung noch gelassen bat, die Bezeichnung als Arzt, ist p,
vollkommen werthlos, bietet weder uns Aerzten .Schutz vor eine g
gewissenlosen Coneurrenz, noch dem Hilfesuchenden ein sicheres ,1
Erkennungszeichen, denn auch dieses Merkmal kann umgangen
werden und wird umgangen. , orrt
Seit dem Erlass der Rcichsgcwerbeordnung im Jahre 1809 i
mit ihrem unglückseligen § 29 habe ich es ,
gemacht, immer und immer wieder gegen die Einreihung der -
Aerzte unter die freien Gewerbtrcibcndcn zu protest.rcn, und kann ,
mit Freuden constatiren, dass das Bewusstsein von der Unwürdjgkeit ,
unserer' jetzigen socialen Stellung immer weitere Kreise ergriffen
hat und dass jetzt schon die grosse Mehrheit der Aerzte von der
Nothwendigkeit überzeugt ist, dass diese Stelhmg pändm-t
muss. Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; die Heilkunde ist
eine Wissenschaft, in ihrer praktischen Ausübung eine Kunst,
welche nur derjenige ohne Nachtheil für seine Mitmenschen aus,
üben kann, welcher die nöthige Vorbildung dazu genossen und seine
Befähigung dazu nachgewiesen hat. Für alle möglichen Beschäf¬
tigungsarten ist bereits der Befähigungsnachweis gefordert worden
um die Objecte dieser Thätigkeiten vor Nachtheilen und Beschä¬
digungen zu schützen, ich erinnere an die Thierarzte, die Huf¬
schmiede u. dgl. Nur das edelste Object, der Mensch selbst und
seine Gesundheit, ist dem Anstürme eines geldgierigen, betrügerischen
Haufens von Curpfuschern preisgegeben, wiewohl der Maat die
Pflicht hat, über die Gesundheit seiner Staatsbürger zu wachen, I
welche Pflicht er oft in viel kleinlicheren Dingen in strenger
Weise ausübt. Es ist ja richtig, dass die Curpfuscherei niemals
ganz ausgerottet werden kann, auch wenn sie unter Verbot gestellt
wird; dazu ist der Aberglaube, die Sucht nach Geheimnisvollem
und,’sagen wir es offen, die mangelhafte Bildung noch zu weit
verbreitet, und nicht etwa nur in den niederen Classen. Aber der
Staat darf diese Ausbeutung des Publicums nicht dulden und ihr
nicht noch den Schein der Berechtigung dadurch verleihen, dass
er Gewerbesteuer von Curpfuschern erhebt, dass seine Richter bei
Gesundheitsbeschädigungen durch Pfuscher einen Milderungsgrund
darin finden, dass dem Thäter die nöthige Einsicht, die nothigen
Kenntnisse gefehlt haben. Das Gesetz bestraft den Diebstahl
und andere Vergehen, wiewohl es trotz aller Strafgesetze me
möglich sein wird, die Diebe ganz auszurotten; aus demselben
Gesichtspunkte soll und muss die Curpfuscherei wieder unter
Strafe gestellt und die Ausübung der Heilkunde wieder von dem
Nachweis der Befähigung abhängig gemacht werden.
Zugleich müssen aber alle Bestimmungen der Reiehsgewerbe-
Ordnung, welche von der Ausübung der Heilkunde handeln aus
derselben entfernt und eine deutsche Aerzteordnung geschaffen
werden nach welcher der gesammte ärztliche Stand in seinen
Vertretungen seit Jahren vergeblich ruft und strebt. Nur so
kann unser zum Gewerbe degradirter Stand w.cder auf das ihm
gebührende Niveau gehoben und uns wieder diejenige sociale
Stellung gegeben werden, welche wir Jahrhunderte lang besessen,
welche wir ohne unsere Schuld verloren haben und welche wir
vermöge unserer Vorbildung verdienen.
Vorliegende Aussprache scheint weit abzuhegen von dem
eigentlichen Thema dieser Zeilen, der Reform der medicinisehen
Prüfung Der tief innere Zusammenhang wird aber jedem Arzte
der für seinen Stand begeistert ist, bald klar werden, und ich
darf dcsslialb zum Schlüsse die bayerischen Aerztekammern ein-
lidcn gelegentlich der Besprechung des Entwurfes der neuen
Prüfungsordnung auch diese beiden unmittelbar damit zusammen-
hängenden Punkte in’s Auge zu fassen.
Referate und Bücheranzeigen.
W Bode: Kurze Geschichte der Trinksitten und
Mässigkeitsbestrebuugen in Deutschland. 1896. Verlag
von J. F. Lehmann.
Das Buch behandelt in kurzen Zügen die Geschichte der
Trinksitten der Deutschen, die durch manches humomtmehe und
culturhistorisch-interessante Citat aus älteren Schriftstellern er
anschaulicht werden, sowie die Entwicklung der Vereme gegen die
Trunksucht, deren schnelle und wohlthätige Wirkung durch m-
gehende Statistiken dargelegt wird. Das Büch ern ist einfach und
populär geschrieben , ohne Fanatismus, doch voll warmer B
geisterung für die Erfolge der Mässigkeitsbcstrebungen und wäre
ihm eine weite Verbreitung zu wünschen.
Dr. Grass mann -München.
I Die Stellungnahme des Arztes zur Abstinenzfrage-
n Dr. A. Jaquct, Basel 1896. Verlag von Benno Schwabe.
Das kleine, preisgekrönte Werkchen gehört nicht unter die
hl jener minderwertigen Broschüren, wie solche io
.ge massenhaft ins Leben ruft, sondern kann den Bang el "
ühtigen, wcrthvollen Arbeit beanspruchen. Jeder An . der
ranlasst sicht, zu der in Frage stehenden Sache Stellung «
hmen, wird mit Gewinn die klar und gut gesehmbe«» A«;
hrungen des Verf. studiren dürfen. Nachdem J. die
hen Folgen des Alkoholmissbrauches auf die ™rahied
rgane, dessen Einfluss auf Geisteskrankheiten, bebeusdaue,
achkommcnschaft, socialökonomische Verhältnisse unter « P
ililrcicher statistischer Daten besprochen, ferner die P Uy f> ® ,
Wirkungen des Alkohols auf Herz, Athmung, exspiratonsch _
asweclisel, Verdauung, Psyche dargelegt hat, tritt er f
lerechtigung und Unschädlichkeit eines mässigen Alkoho^en
in (50-60 g Alkohol - 1*/« » Bier oder 6 Decihter We.p
r ° Was die Stellung des Arztes zu den Trinker-Aaylvereinen
.etrifft, so sind sie ärztlicherseits nur zu unterstützen £
.aeh der Anschauung des Verf. die Aerzte kernen Grand»*
ich der Bewegung bezüglich völliger Abstinenz anzusU^
Die Resultate und Aussichten der letzteren werden P
Mit vollem Rechte tritt J. dafür ein, dass das HaupUic!
Alkoholbewegung die Beseitigung jener socialen ,1
welche zur Schnapsflasche treiben. Hienn müssen
private Initiative Zusammenarbeiten. Grassmann
Dr. med. R. Hönning: Bachföhrungr «**+
Tagebuch, 2. Auflage. Fischers med. Buchhand 1 g> ^
Henning’s ärztliche Buchführung umfasst aus d ' ch
liegenden «Tagebuch» noch ein Cassabuch un e al)ein
Für eine nicht zu umfangreiche Praxis ist das . igt
ausreichend. Eine nähere Angabe für den Gebrauc ura ktiscli
ihm vorgedruckt. Die Einthcilung der einzelnen beiten » v ^ .
und übersichtlich. Die Boigabe eines «Renners» r r^gg.
betische Eintragung der Namen ist ganz zweckmässig,
buch ist zu empfehlen. Dr. Gf assinan n-Münd*
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1. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
829
Neueste Jonrnalliteratur.
Centralblatt für innere Mcdicin. 1896, No. 33
R. v. Limbeck: Ueber die durch Gallenstauung bewirkten
Veränderungen des Blutes. (Aus der k. k. Krankenanstalt Rudolf¬
stiftung in Wien).
Aus der eingehenden Arbeit mögen an dieser Stelle nur die
Hauptergebnisse mitgetheilt werden: Das ikterisehe Blut zeigt eine
Verminderung seines Kochsalzgehaltes. Dieselbe beruht auf Koch¬
salzmangel und Volurnabnahrne des Serums im ikterischen Blute.
Die letztere ist bedingt durch eine Voltimzunalune der IJlutkürperchen,
welche mit durch die Anwesenheit g.dlensaurer Salze im Plasma
verursacht wird. W. Zinn-Berlin.
Ccntralblatt für Chirnrgie. 1896, No. 34.
Professor A. O bal inski-Krakau. Noch einmal zur totalen
Darmausschaltung mit vollständigem Verschluss.
0. kommt, auf seine, Bnracy's, Wiesimrer's, Friele’s
Beobachtung, d. h. 4 sämmtlich günstig verlaufene Fülle von Darni-
nus8chaltung am Dh-kdarm gestütz 1 , (zumal nach der in seinem Falle
gelegentlich einer späteren Laparotomie, des Friele'schen Falles bei
späterer Obduction gemachter Beobachtung vollständiger Passivität
der au8gesehaltetcn Partie) zu der Uebcrzeugung, dass die Aus¬
schaltung einer Darmschlinge im Bereichs des normalen Dickdarms
ein gerechtfertigtes und cmpfohlenswerthes Vorgehen ist. Einnähen
des oberen Endes der ausgeschalteten Schlinge in den oberen Theil
der Baucbdeckenincision schützt eventuell vor möglichem Misslingen,
und in dieser Weise würde 0. es sogar ausnahmsweise wagen, eine
gesunde Dünndarmsehlinge auszuschalten, da er jederzeit den Zutritt
zu derselben sichergestellt hätte Sehr.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. IV,
Heft 2.
1) J. Neu mann- Wien: Ueber puerperale Uterusgonorrhoe.
Dem Vorf ist cs gelungen, an kleinsten im Wochenbett aus
dem Uteruskörper ausgekratzten Partikeln nachzuweisen, dass der
Gonococcus auch in das Decidualgewebe einzudringen vermag. Ob
dieses Vordringen der Gonococcen auch bei bestehender Gravidität
möglich ist, bleibt dahingestellt.
2) G. Pagen8techer-San Luis di Potosi (Mexico): Retro-
fixatio colli versus Ventro-Vesico-Vagino-fixatio corporis uteri.
Verf. unterzieht die verschiedenen operativen Behandlungs¬
methoden der Retroflexiö uteri einer Kritik und verwirft alle Fixations-
verfahren, die ihren Angriff am Corpus uteri nehmen, weil durch
sie immer die normale Beweglichkeit deB Corpus verringert wird,
und speciell Bein Aufrücken in die Bauchhöhle in der Schwanger¬
schaft erheblich erschwert wird. Demgegenüber behält der Uterus¬
körper bei denjenigen Methoden, welche ihren Angriff am Cervix
uteri nehmen (Frommei, Sänger, Stratz), seine normale
Beweglichkeit. P. macht nun den Vorschlag, von einem Einschnitt
im hinteren ScheidengHwölbe aus das Cavum Douglasii zu eröffnen
nnd dann die gesetzte Wunde durch eine Reihe von Suturen, welche
die vordere Wand des Rectum mitfassen, zu schliessen. Es wird
durch diese Recto Vaginofixation der Cervix nach hinten fixirt und
dadurch eine Antcflexion des Uterus herbeigeführt. Praktisch erprobt
ist die Methode erst an einem Falle.
3) S. Fl a tau-Nürnberg: Ueber Vaginistrictur bei Prolaps.
Die von H W. Freund vorgeschlagene Methode der Prolaps-
Behandlung bei Greisinnen (Versenkung eoncentrisch angelegter Drnht-
sutnren in die Schleimhaut! hat sich wenig bewährt, weil entweder
durch nachträgliche Infection von den Einstichöffnungen aus, oder
durch zu starken Druck der umschnürenden Ringe die Suturen
leicht später wieder herauseitern. Hauptsächlich aber soll nach
Flat au die Art der Nahtmethode hieran schuld sein. Verf. glaubt
die Nachtheile dadurch umgehen zu können, dass an der Aus- und
und Einstichstellc der Dr'ahtsuturen kleine Selileimhautlftppchen Um¬
schnitten werden, die nach Ausführung der Drahtsuturen wieder auf-
genälit werden. Auf diese Weise werden die letzteren wirklich zu
versenkten Nähten. Vermeidet man dabei noch ein allznstarkcs
Schnüren der Nähte, so sollen die bei der Fr eund'sehen Methode
gerügten Uebelstände ausbleiben.
4) E. Winternitz - Tübingen: Ueber die Häufigkeit und
Prognose der Zangenentbindungen auf Grund des gynäko¬
logischen und geburtshilflichen Materials der Tübinger Uni¬
versitäts-Frauenklinik.
Bei Erstgebärenden soll m d darf niemals ohne strenge Indi-
cationsstellung und ohne zwingenden Grund die Geburt beendigt
werden und es muss daher die Entbindung mit der Zange als
sogenannte Luxusoperation ganz in Wegfall kommen. Den Betrach¬
tungen liegen Beobachtungen an 331 gynäkologischen Kranken zu
Grunde, bei welchen die erste Entbindung mit der Zange beendigt
wurde. Nicht weniger als ii!t derselben = 11,78 Proc. erlitten hier¬
bei einen completen Dammr ss. Als weitere sehr schwere Ver¬
letzung wurde bei den 331 Kranken in 10 Füllen Harnfisteln beob¬
achtet. Ob wirklich — wie Verf. annimmt — in mehreren dieser
Fälle den oft vergeblichen Znngenversuchen die Schuld an diesen
Leiden znzuschreiben ist, erscheint fraglich, da es sich in 9 Fällen
um ein räumliches Missverhältniss zwischen Kopf und Becken
handelte, so dass wohl der andauernde Druck des Kopfes auf die
Weichtheile anzuschuldigen sein wird, wohl nur mit der einzigen Aus¬
nahme in jenem Falle, in welchem unmittelbar nach der mit der
Zange beendigten Geburt Incontinentia urinae constatirt wurde.
In 19 Fällen fanden sich Lageveränderungen des Uterus und der
Scheide, nnd gewiss mit Recht wird auch hier besonders das zu
frühzeitige Anlegen der Zange beschuldigt, ln sehr vielen Fällen
fanden sich Narben am Damm, in der Scheide, an der Portio, am
absteigenden Schambcinast, die häufig za schweren Störungen Ver¬
anlassung gaben. Mit Recht hebt Verf. hervor, dass die Erlösung
von Wehenschmerzen durch die Zange von manchen
Erstgebärenden mit einem chronischen Unterleibs¬
leiden, das sich an die Entbindung anschliesst, theucr
bezahlt wird. (Folgt ein II. Theil)
9) R. Bliesen er- Köln: Die abdominale Radicaloperation
bei entzündlicher Adnexerkrankung.
In ‘.i Monaten ist von Bar den heuer in 40 Fällen wegen
entzündlicher Adnexerkrunkungen die abdominale Kndicaluperation,
d. h. die Entfernung des Uterus sammt den erkrankten Adnexen,
ausgefülirt worden. Verf. prfteisirt die ludirationsstellung dahin,
dass operirt wird, wenn bei entzündlich erkrankten Adnexen die
Beschwerden bedeutend und durch lange fortgesetzte palliative
Therapie nicht zu beseitigen sind, dos ferneren bei jeder nach
weisbaren Kiteransammlung in den Adnexen. Die Exstirpation deR
meist doch erkrankten Uterus scheint geboten, weil nach alleiniger
Entfernung der Adnexe öfters eine vollkommene Heilung nicht ein-
tritt in Folge von Stumpfexsudaten, Verlagerung des meist abnorm
schmerzhaften Uterus, hartnäckigen Fluors und endlich besonders
häufig wegen starker uteriner Blutungen. Wiederholt musRte aus
diesen Gründen der bei der ersten Operation zurückgeiassene Uterus
noch nachträglich entfernt werden. Die vaginale und abdominale
Radicaloperation werden einer eingehenden Vergleichung unter¬
worfen und der ersteren die Ungewissheit, ob nicht erkrankte
Theile zurückgeblieben sind, die Unsicherheit der Blu:8tillung und
endlich der Mangel einer Controle über Nebenverletzungen vor¬
geworfen Verf. beschreibt sodann ausführlich das von Barden¬
heuer geübte Operationsverfahren, auf dessen Einzelheiten einzu¬
gehen hier nicht der Ort ist Hervorgehoben möge hier nur werden,
dass die Adnexe im Zusammenhänge mit dem Uterus grossentheils
stumpf ausgelöst werden, dass die Scheidenwunde offen bleibt und
nach der Scheide hin drainirt wird Der Hauptwerth wird jedoch
darauf gelegt, dass durch Uebernähen mit Serosa die Wunden im
kleinen Becken vollkommen gegen die Bauchhöhle abgeschlossen
werden. Hierdurch soll mit Sicherheit einer Infection der Bauch¬
höhle sowie auch Verwachsungen mit den Intestinis vorgebeugt
werden. Eine genaue Tabelle der 4(> operirten Fälle (2 Todesfälle)
bildet den Beschluss der sehr ausführlichen Arbeit.
Gessner-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 31.
1) Heuck-Ludwigshafen: Einige Bemerkungen zu dem Auf¬
satz: «Ueber die Wendung in der Bauchlage» von Dr. Men-
singa.
Statt der von Mensinga (cf diese Wochensohr. No. 24, 8 576)
empfohlenen Mauchlage zieht II. die auch von Schröder, Ols-
hausen und Veit in ihrem Lehrbuch bevorzugte Seitenlage
bei erschwerter Wendung vor. Die Seiten- resp. Seitenbauchlage
geschieht auf die Seite, wo die kindlichen Füsse liegen. Nach voll¬
zogener Wendung wird zur Extraction die Kreissende auf das
Querbett gelagert.
2) Pletzer-Bonn: Zur Casuistik der Fremdkörper in dtr
weiblichen Harnblase.
Bei dem Versuche, eine Kreissende bei tiefstehendem Kopf
mit einem Glaskathetcr zu katheterisiren, brach dieser ab und
verschwand in der Blase 8 Tage nach der ('eburt wurden Ex-
trartionsversuche nach Dilatation der Urethra mit den Fri tsch'schcn
starren Uterusdilntatoren gemacht und durch den in die Blase ein-
gi fühlten Zeigefinger das abgebrochene Siück entfernt Weiterer
Verlauf völlig normal. Heilung ohne Incontinenz.
P. weist auf die mit den Glaskathetern verbundenen Gefahren
hin und warnt vor ihrem Gebrauch intra partum.
Jaf f^-Hamburg.
Virchow’s Archiv. Band 145, Heft 1.
1) Arnold-Heidelberg: Zur Morphologie und Biologie der
rothen Blutkörper.
Verfasser hält die Structur der rothen Blutkörper für eine
viel complicirtere als bisher angenommen wurde; seine hierüber
angestellten difficilen Unter.-uchungen an Irisehem Blute, die A. aus¬
führlich mittheilt, bestätigen dies. Zunächst fielen Verfasser feinste
und grössere cilienartige Fortsätze an den rothen Bluikörpern auf,
die nach und nach zu langen feinen Fäden mit körniger Beschaffen¬
heit wurden. Diese körnige Substanz zieht sich nach dem Ende
des Fadens zu und schnürt sich zuletzt völlig vom Blntkörper ab.
Diese protopla8ni:itischcn Abschniirungs- und Ausscheidungsproducte
hält Verfasser ihren optischen, morphologischen und tinctoriellen
Eigenschaften zu Folge für identisch mit den sogenannten Blut¬
plättchen.
Was den Innenkörper des Erythrocyten anbelangt, so besteht
derselbe aus einer feinkörnigen, resp. feinfftdigen Substanz, dem
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830
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Umwandiungsproducte des früheren Kernes, und es stellt diese
Substanz nucleoide Substanz dar. Dieselbe kann von den Erythro-
e.vten in den erwähnten Abschnürungsgebilden ausgeschieden werden,
und ein Theil wenigstens der ebenfalls Nucleoalbumin enthaltenden
Blutplättchen ist darnach genetisch von den rothen Blutkörpem ab-
zu'eiten.
2) Benjamin: Beiträge zur Lehre von der Labgerin¬
nung. (Aus dem eben». Laborat. des path. Institutes zu Berlin.)
Die hierüber augcstellten Versuche ergaben: Milch gerinnt
hei sauerer Reaction am schnellsten, bei neutraler langsamer und
bei sehr alkalischer Beschaffenheit gar nicht. Mit Wasser verdünnte
Milch gerinnt langsamer. Sterilisirte Milch gerinnt überhaupt nicht.
Zusatz von Chloroform wirkt in ganz kleinen Quantitäten gerinnungs-
befördemd, in grösseren gerinnungshemmend. Bezüglich der Be¬
dingungen, um eine Lösung von Säurecasein zur Gerinnung zu bringen,
ergab sich, dass 1. das Lab nur auf das Casein der Milch wirkt,
2 alle mit Lab gerinnenden Caseiniösungon für Lakmoid alkalisch
reagiren, für Phenolphthalein sauer und dass 3. eine Caseinlösung
nur bei Anwesenheit von löslichen Knlksalzen gerinnbar ist.
3) Loewy und Rieh ter-Berlin: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Heilkraft des Fiebers. (Aus dem Laboratorium
der III. medicin. Klinik des Herrn Geheimrath Prof. Senator.)
Die beiden Verfasser geben zunächst einen Ueberblick über
die historische Entwickelung der Fieberlehre und berichten dann
über die bisher angestellten Untersuchungen über die Heilkraft des
Fiebers. Die eigenen Versuche stellten die Verfasser an Kaninchen
an; sie führten die Temperaturerhöhung durch den sogenannten
Hirnstich herbei. Inficirt wurden die Thiere durch lojection mit
Pneumococeen, Hühnercholera, Schweinerotldauf und Diphtheriegift,
ln allen Versuchen lebten die gestochenen Thiere länger als die
gleichzeitig inficirten Controlthiere; eine Anzahl wurde definitiv ge¬
heilt. Diese günstigen Ergebnisse waren am ausgesprochensten bei
Pneumonie, dann bei Schweinerothlauf und Diphtheriegift. Es ver¬
mag also eine aus inneren Ursachen gesteigerte Körpertemperatur
einen heilenden Einfluss auf Infectionskrankhciten auszuüben.
4) Vinci: Ueber ein neues locales Anaestheticum, das
Eucaln. (Aus dem pharmakol. Institute der Universität Berlin.)
Verfasser berichtet über ein neues synthetisch dargestelltes
Präparat, das er Eucal'n nennt und das, ähnlich wie das Cocafn,
local anaesthesirende Eigenschaften besitzt. Einträufeln eines Tropfens
Eucal'n auf Conjunctiva oder Cornea ruft völlige Anaesthesie von der
Dauer und Intensität derjenigen nach gleichstarker Cocalnlösung
hervor; dabei tritt leichte Hyperaemie auf. Besonders zu empfehlen
ist Eucain für die Augenheilkunde, wo es in gewissen Fällen dem
Cocain vorzuziehen ist, da es keine Accomodationspnrese hervorruft.
5. Busse-Greifswald ^Ueber eine ungewöhnliche Form der
Meningitis tuberculosa.
Der tuberculöse Process war in der rechtsseitigen Pia mater
localisirt und trat hier lediglich in Form einer chronischen, zur
Bildung narbiger Schwielen führenden Entzündung auf. Schnitte
durch diese Schwielen Hessen mikroskopisch Riesenzellen mit ein¬
gelagerten Tuberkelbacillen erkennen. Nekrose oder Verkäsung fehlte
vollkommen.
6) M a n a s s e: Zur Histologie und Histogenese der primären
Nierengeschwülste. (Aus dem path Institute zu Strassburg i. E)
Fortsetzung und Schluss von Bd 112, Heft 1 und Bd. 143, Heft 2.
In 3 Artikeln bespricht Verfasser die II stologie und Histogenese
der von ihm beobachteten und untersuchten primären Nieren-
geschwülste. Es sind dies folgende:
A. Epitheliale Geschwülste. 1. Adenome entstehen stets durch
Wucherung der Harncanälchen B.züglich des Baues stimmen so¬
wohl die Adenome der Schrumpfniere, wie die multiplen Adenome
und das grosse solitäre Adenom der normalen Niere völlig überein.
2. Carcinome. Man unterscheidet die infiltrirende und die knotige
Form. Erstere durchsetzen die ganze Niere und entstehen aus dem
präformirten Epithel der Harnkanälchen; doch weichen die gewucher¬
ten Zellen der Form nach völlig voh den Epitbolien der Harncanäl
chen ab. Die zweite Form beginnt zunächst gewöhnlich mit einer
Neubildung von Harncanälchen und es entwickelt sich der carcinoma-
töse Charakter dann erst aus dem neugebildeten Epithel der Harn¬
canälchen, so dass diese Form mehr den Charakter der Adeno-
carcinome trägt. Die Epithelzelleu dieser Form gleichen dem Epithel
der Harncanälchen.
B. Bindegewebe-Geschwülste. Fibrome, vom intertubulären
Bindegewebe ausgehend, und Lipome von der Capsula adiposa aus¬
gehend, kommen häufig vor. Ferner beobachtete Verfasser Lipo-
Myome, die ebenfalls von der Capsula adiposa ausginpen. Sarkome
kommen sowohl einfache wie complicirt gebaute vor. Erstere reprä-
sentiren sich als Rund-, Spindelzellen- und grosszellige Sarkome. Die
bei Kindern beobachteten beruhen meist auf congenitaler Anlage.
Die zweite Form stellen die von den Gefässwandungen ausgehenden
Geschwülste, die Angiosarkonie, vor. Hinsichtlich ihrer Genese sind
3 Formen zu unterscheiden: 1. Blutgefässendotheliome, 2. Lymph-
gefässendotheliome, 3. Perivasculäre Sarkome.
C. Von heterologeu Keimen ausgehende Nierengeschwülste
Hierher gehören 1. die sogenannten Strumae renis aberratae, auf
deren Beschreibung Verfasser des Näheren eingeht. Zweitens
werden Rhabdomyome beobachtet, deren Entwicklung von embryonal
verirrten Keimen quergestreifter Musculatur abzuleiten ist. Hervor¬
zuheben ist der grosse Glycogengebalt dieser Muskeltumoren.
No. 35.
Kleinere Mittheilungen.
1 ) Ebstein-Göttingen: Eigenthümlicher Krankheitsverlauf
bei Uterus unicornis und Einzelniere.
Ein interessanter Fall, wobei ein 21 jähriges Mädchen beiDefect
der rechten Niere und des rechten Uterushornes in Folge Verenge¬
rung des linken Urethers durch Druck des vergrösserten linken
Uterushornes an Schrumpfniere zu Grunde ging.
2) Ebst ein Göttingen: Initiale motorische Lähmung im
Oculomotoriusgebiete und andere posttyphöse Complicationen
bei einem Falle von Unterleibstyphus.
Es handelt sich um Unterleibstyphus mit Recidiv, in dessen
Verlauf toxische Lähmungen im Oculomotoriusgebiete, epileptiforme
Anfälle mit Folge von Bewusstlosigkeit und Hauthyperaeßthesien an
den Unterextreihitäten auftraten.
3) Hanau-St. Gaben: Bemerkungen zu der Mittheilung von
Hanseraann: «Ueber Entstehung falscher Darmdivertik«l> in
Virchow's Archiv Bd. 114, Heft 2, S 4t'0.
4| Selberg: Ein Fall von Cancroid der Haut bei einem
6 Monate alten Kinde. (Aus dem path Iustitut zu Berlin.)
Das Cancroid entstand aus einer rothen «Pickel* 4 Wochen
post partum, war wallnussgross und sass auf der rechten 8chulter
oberhalb der Scapula.
5) II och heim: Ein Beitrag zur Anatomie der Miss¬
bildungen am Urogenitalapparat. (Aus der path.anat Anstalt
des Btädt. Krankenhauses im Friedrichshain.)
Erfahrungssache ist, dass Nierenmissbildungen häufig von Miss¬
bildungen am Genitalsysteme begleitet sind. Hier handelt es sich
tim Atrophie der linken Niere und um cystische Ausdehnung der
linken Samenblase und Ampulle; beides Anlagemissbildungen. Als
Folge compensatorische Hypertrophie der rechten Niere und rechten
Samenblase bei einem 45 jährigen Manne.
6) Kromer-Dorpat: Ueber Veränderung des Blutfarbstoffes
durch Schwefelkohlenstoff. Burkhardt.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 34.
1) H. Oppenheim: Ueber elektrische Reizung der ersten
Dorsalwurzel beim Menschen.
Gelegentlich einer operativen Eröffnung des Wirbelcanals ge¬
lang es O., experimentell festzustellen, dass die hauptsächlichste,
wenn nicht die alleinige Fortleitung der Innervation des M. dilatator
pupillae in der Bahn des ersten Dorsalnerven stattfindet. Die directe
elektrische Reizung der ersten Dorsalwurzel verursachte Erweiterung
der gleichseitigen Pupille ad maximum, während die des zweiten
Imrsalwur/.elp.iares keine oculopupillflre Erscheinung zeigte.
2) E. Opitz-Lreslau: Ueber die Veränderungen des Car-
cinomgewebes bei Injectionen mit Krebsserum (Emmerich)
und Alkohol.
Verfasser fand nach Injectionsbehandlung eines Carcinoms an
der Tortio mit Era merich-Scholl'schein Krebsserum und eines
Carcinoms an der Vagina mit Alkohol absolutUB den gleichen mikro
skopißchen Befund: Bindegewebsgerüste dicht kleinzellig inßltrirt,
aber in seinem Bau erhalten. Die stärker veränderten epitheloiden
Zellen gequollen oder degenerirt, die Kerne in Quellung, Schrum¬
pfung oder Degeneration. I)ic Art der angewandten Flüssigkeit sei
daher nicht sehr von Bedeutung, Alkohol jedoch wegen seiner Un¬
giftigkeit und antiseptischen Wirkung vorzuziehen. In beiden Fällen
wurde übrigens keine Heilung oder Besserung erzielt.
3) Ostmann-Marburg: Behandlung bindegewebiger Stric-
turen des äusseren Gehörganges mittelst Elektrolyse.
Unter Schilderung eines Heilerfolges empfiehlt 0. in Fällen,
in denen eine schnelle Beseitigung einer Strictur nicht nothwemlig
ist, die elektrolytische Zerstörung des die Structur bildenden Binde¬
gewebes mittelst schwacher Ströme (4—5 M. A. 5 Minuten lang in
8 tägigen Zwischenräumen).
4) J. Zabludowski: Ein Fall vonFriedreich'scher Ataxie.
Behandlung durch Massage.
ln einem Falle von ausgebildeter Friedreich’scher Ataxie
hei einem 9 jährigen Mädchen erzielte Z. durch eine mit activen,
Widerstands- und passiven Bewegungen verbundene Masaagecur eine
durch Abnahme aller Krankheitssymptome bekundete wesentliche
Besserung.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 35.
1) B. Sachs und A. G. G erster-New-York: Die operative
Behandlung der partiellen Epilepsie.
Der im Juni 1896 in der American Neurological Association
gehaltene Vortrag enthält eine Besprechung der Resultate von l»
Fällen. Unter partieller Epilepsie sind nieht nur die Fälle träum*
tischen Ursprungs verstanden, sondern auch diejenigen, in denen
localisirte Krämpfe in Verbindung mit anderen chronischen W-
krankungen, speeiell mit cerebraler Rindenlähmung Vorkommen, y 1 ®
Verfasser kommen zu folgenden Schlüssen: Zur Operation eignenßicn
diejenigen Fälle von partieller Epilepsie, in denen höchstens 8®
bis drei Jahre seit dem traumatischen Insult, resp. der Entsteh« 1 «
der Krankheit verstrichen sind. Bei Depression des Schädels oae
bei sonstiger Schädel Verletzung ist der chirurgische Eingriff ® ac
nach Jahren noch gestattet. Die Aussicht auf Heilung ißt jedo«J
weniger günstig, je mehr Jahre seit der ursprünglichen Verletzung
vergangen sind. Einfache Trepanation mag in manchen raueu
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1. September 1896.
oder Cystenbildung handelt Excisfon ] h umSchä<J el Verletzung
anzurathen, wenn die Epilepsie cort ' c ? len , Herdes ist
aur einen genau zu bezeichnenden Ze . 11 besteht Md
auch dann unternommen werden L bln ^ eist ; dieselbe soll
skopisch normal aussieht weil dieJ ™ Werbet reffende Tbeil makro¬
skopisch nachweisbar sind Ch^rli^ 108 ^? He i de oft nur ®ikro-
Verbindung mit cerebraler Rin<i Q ufi. 6C ier ? ,D 8 n ff bei Epilepsie in
wenn sie nicht zu spät in^ehandlune "tfit^ f statte |* namentlich
von partieller Epilepsie ist bei der heS 5“* , In . veral,e,en Fällen
jede Operation nutzlos. eit8 em getretenen Degeneration
von GebarmStt°r^und e ScheidenSSa Ein 2 ei ! icbtlicher Fall
Die Ruptur des Uterus trat vrah^S?^k b - e Hydramnios.
ein, als die Eihkute gesprengt wurden 2' i llC v ,n dem Mom ente
fluss der grossen MengeVnShtwasser "iTf T e ,f'" n Ab ‘
mit Argonin. (Aus Dr. M Jose'oh , er Gonorrhoe
heiten in Berlin.) ' pb 8 Pobk lmik für Hautkrank¬
eine sehr günstig^ wJkmg des^l-2 R^L»S/? le)
und am besten mit dem Ion j?d?*'fj** 1 »“ VJ ag * h ™ cht *
behandelt wnrde. Die Fälle kamen in alten*»« r Pf ° h en n n . Ichtb y o1
von Complicationen wurde tmf i 8 e ? Stadien zur Behandlung,
AtaU tl 1 '“ri" nd 0" r enÄheto» B i„ B BS° f 1 ” ^
Vereins- und Congressberichte.
Der III internationale dermatologische Congress
, A „ . U I,olldo n vom 4. bis 8. August 1896.
(öffizieHes Referat, angefertigt für die Vereinigung der deutschen
medicimschen Fachpresse von L. Eikind, M. D., London.)
(Nachdruck verboten.)
Zweiter Verhandlungstag.
(Mittwoch, 5 . August 1896.)
Die Vormittagssitzung des zweiten Verhandlungstages • war
folgender Discussion gewidmet: Aetiologic und Varietäten der
Keratosis. (The Etiology and Varieties of Keratosis.)
Herr Unna (Hamburg): Ueber das Wesen der nor¬
malen und pathologischen Verhornung.
Während noch vor einem Decennium die Ansichten über den
normalen Verhornungsprocess weit auseinander gingen, hat sich
jetzt eine Einigung der Ansichten darüber ausgebildet.
Dies spricht noch nicht dafür, dass auch über den hier zu
besprechenden pathologischen Process Einigung herrscht. Redner
behandelt das Thema von den drei folgenden Punkten :
1. von makroskopisch-klinischer,
2 . von mikroskopisch-histologischer,
3. von chemischer Seite.
Die Resultate der Forschungen, die auf dem Wege der Mikro¬
skopie und Mikrochemie erzielt worden sind, lassen die folgende
Definition der normalen Hornzelle zu:
Hornzellen sind Oberhautzellen (Zellen der äusseren Keim¬
blätter), welche ein hartes, trockenes, mehr oder weniger trans¬
parentes Gewebe darstellen und sich durch Verdauungsfermente
nicht auflosen lassen. Die bisherigen Theorien über den normalen
histologischen Process der Verhornung zerfielen in drei Gruppen:
1. Die erste Theorie war, dass das Innere der Zelle zunächst
diesen Process eingeht;
2. dass der Mantel der Zelle zuerst in Verhornung über¬
geht, und
3- dass die beiden Theile daran gleich participiren.
Was den Verhornungsprocess im Inneren der Zelle anbelangt
so glaubte Sabludowski, fertiges Keratin im Centrum der ver¬
hornten Zelle des Vogelschnabels beobachtet zu haben. Waldeyer
erklärte es als Keratohyalin, und schrieb demselben die Eigenschaft
Münch ener medicinisohe W ochen anmmrT
_ 831
zu, Sich mit gewissen Theüen des Zellprotoplasmas zur Bildung
von Keratin zu vereinigen, und sprach sich weiter noch dahin
aus, dass das erstere verdaulich ist.
Farb^ im N I " D Tf dCT ZeUe eine durch “che
1 arben (Safranm-Gent.ana) färbbare Substanz gefunden, die er als
Prokeratin bezeicbnete. Die beiden letzteren, von Wal de vor
und Reineke aufgestellten Theorien sind im vollen Widerspruche
Thatebe J „ ü T "IS dGm WCSC T dCr gewonnenen
Ihatsachen, dass der gesammte Inhalt der Hornzclle der normalen
Überbaut «mit grosser Leichtigkeit und Vollständigkeit verdaulich
». Na ch C a j a spielt sich der Verhornungsprocess im Zellen¬
mantel ab, und die innere Substanz der Zelle und selbst der Kern
nehmen consecutiv an diesem Proccsse Antheil. Vortragender hat
bekanntlich 1882 auf Grund von Verdauungsversuchen die Theorie
1 1 ’ ^ d<3r Verdauungsprucess lediglich im Zellenmantel
stattfindet, und zwar betrifft er zunächst die äussere Peripherie
der Zelle d. h. in der Breite von kaum 1 mm. Freilich treten
■ ch nn Inneren der Zelle Veränderungen auf, aber diese sind
nun nach dem Redner als Folge resp. Begleiterscheinungen des in
der Peripherie der Zelle vor sich gehenden Verhornungsprocesses
u verstehen, stofflich tragen aber die letzteren nichts zur Ver¬
hornung bei. Die Definition der verhornten Oberhautzelle musste
demnach jetzt nach Unna in folgender Weise lauten-
Hornzellen sind Obcrhautzellcn , welche makroskopisch ein
hartes, trockenes, mehr oder weniger transparentes Gewebe dar¬
stellen und im Verdauungssafte sich nicht auflösen, sondern dabei
eine unverdauliche, aus Keratin bestehende Hüllmembran zurück-
lassen.
Soviel, was den histologischen Standpunkt der Frage der
Verhornung anbclangt. Die Chemie dieses Capitels, die die histo¬
logischen Erforschungen ergänzen und vervollkommnen soll, hat
mit den letzteren bis jetzt in keiner Weise gleichen Schritt
gehalten, und es ist für den Chemiker, der an die Bearbeitung und
Erforschung dieses Themas herangclit, nothwendig, Folgendes nicht
ausser Acht zu lassen: 1. dass in den normalen Hornzellen die
erhornung sich auf den äussersten Zellensaum beschränkt; 2 die
Kerne, das Keratohyalin und das Eleidin haben mit dem Process
der Verhornung nichts zu thun; 3. das Keratin ist ein einfach
chemischer Körper, der vielleicht dem Protoplasma in gewisser
Beziehung sehr nahe steht; 4. ferner ist es nicht richtig, in der
normalen Hornsubstanz der Deckepithelien Kernsubstanz oder
etwaige Abkömmlinge derselben zu suchen.
Was den Status nascendi des Keratins anbelangt, so sprechen
die chemisch gewonnenen Erfahrungen dafür, dass es sich vom
Eiweiss, was seine qualitativ wie quantitativ-chemische Zusammen¬
setzung betrifft, nur sehr wenig unterscheidet, und wenn je ein-
chemisch nachweisbarer Unterschied zwischen den beiden Körpern
besteht, so wäre dies in dem grösseren Gehalt des Keratins an
Schwefel zu suchen. Noch ein weiterer chemischer Unterschied
lässt sich zwischen den beiden Körpern beobachten, und verdient
besonders hervorgehoben zu werden, dass, während Eiweiss bei
der Zersetzung viel Leucin liefert, aus der Zersetzung des Keratins
mehr Tyrosin als Leucin resultirt. Die Wasserabgabe des Keratins
darf nicht als besonderes Charaktcristicum des letzteren hergestellt
werden. Die letzten drei erwähnten Eigenschaften des Keratins
führen kurz zu folgenden Schlüssen:
1. Keratin ist Protoplasma mit für die Structur und Con¬
stitution unwesentlichen Veränderungen. 2. Es ist ferner, im
Ganzen genommen, schwerlich anzunehmen, was von verschiedener
Seite zwar behauptet worden ist, «dass eine tief gehende Zer¬
setzung im Eiweiss der Bildung von Keratin vorhergeht».
Wie geschieht die Verhornung des Protoplasmas?
Es ist sehr wahrscheinlich und theoretisch wohl denkbar,
dass die auf dem Lymphwege der Oberhautzelle zugeführten Stoffe,
wie Schwefel und Phenol, auf das Protoplasma einen gewissen
Einfluss üben und den Process der Verhornung womöglich hervor-
rufen. Stösst man schon beim Studium des normalen Verhornungs-
processes auf viele Schwierigkeiten, so bieten sich dieselben in
noch viel grösserem Maassstabe beim Studium des pathologischen
VerhornungsproceBses, als dessen Hauptrepräsentanten, wie wir hier
gleich bemerken wollen, Unna den Callus, die Psoriasis und die
Ichthyosis nennt.
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832
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 35.
Auf die Technik der Methode übergehend, empfiehlt der Vor¬
tragende die Anlegung feiner Schnitte und die Beobachtung einer
gleichmässigcn Temperatur von etwa über 40°. Wenn auch eine
vorhergehende Entfettung nicht absolut nothwendig ist, so be¬
schleunigt sie doch die nachfolgende Verdauung. Von allen Ver¬
dauungsfermenten, wie Pepsin, Trypsin, Pankreatin etc. ist Pepsin
und Salzsäure doch noch am besten zu empfehlen und zwar etwa
in der folgenden Formel: Aqua 100,0, Acid. hydrochlor. 1,0,
Pepsin 0,5.
Aus seinen Untersuchungen, die ihn vornehmlich letztes Jahr
beschäftigten, lassen sich noch folgende Sätze ziehen :
1. Reichthum an Keratin und die klinischen Erscheinungen
der Hauthärte gehen nicht immer einander parallel;
2. auch die pathologische Verhornung ist eine Randverhornung ;
3. die Differenzen bei den verschiedenen Formen der Kcra-
tosen beschränken sich auf die Dicke der Balken und Weite der
Maschen des Hornnetzes.
Im Weiteren empfiehlt Unna in seinem inhaltreichen und
lehrreichen Vortrage das Studium des Hornzellcnrelicfs für die
Pathogenese der Hypokeratosen.
Herr Brook e (Manchester) entwirft ein Schema für die
Classification der Hyperkeratosen. Um aber die Uebcrsicht
mit Bezug auf die verschiedenen Formen, wie sic sich aetiologisch
von einander unterscheiden, zu erleichtern, scheidet er aus diesem
Schema die sogenannten secundärcn Hyperkeratosen, die sich auf
dem Boden maligner und granulöser Geschwülste, wie Careinom,
Lupus, Syphilis etc. entwickeln, aus.
Um es noch anschaulicher zu machen, thoilt er die Affcctionen,
je nachdem sie die Tendenz besitzen, sich auszubreiten oder stationär
2 u bleiben, in regionäre und allgemeine ein. Dabei berücksichtigt
er noch den anatomischen Umstand, nämlich, ob die Affcction
sämmtlichc Hautelementc oder nur einige derselben ergreift. Auf
diesem Wege gelang es ihm, folgende Classification aufzustellen :
Primäre Hyperkeratosen.
Allgemeine: Diffus: Ichthyosis, Acrokerafcoma, Pityriasis
rubra pilaris, Hyperkeratosis univcrsalis congenita. Multiplex: Liehen
pilaris, Keratosis pilaris, Keratosis follicularis contagiosa; Comedo :
Acne comedo, Comedo atrophicans. Congenital: Lichen planus Kera¬
tosis multiplex congenita.
Regionäre: Diffus: Keratodermie symmetrique des extremites,
Erythema keratodes, Keratoma palmare et plantare hereditariuui
congenitum. Multiplex: Lichen spinnlosus, Verruca, Callus, Clavus,
Keratosis arseniealis, Keratodermie des extremites en foyers, Hyper¬
keratosis subungualis, Angiokeratoma, Cornu cutaneum. Congenital:
Naevus Keratodes linearis.
Vortragender weist noch auf die Thatsache hin, dass die
regionär diffusse Gruppe die einzige ist, deren Mitglieder eine
wirkliche Verwandtschaft und eine reale Aehnlichkeit zu einander
besitzen. Sie sind meist auf eine bestimmte Fläche beschränkt,
d. h. auf die palmare Fläche der Hände und Füsse. Es unter¬
liegt ferner keinem Zweifel, dass sie trophischen und nicht tropho-
neurotischen Ursprungs sind.
Seine Argumente, die gegen ihren trophoncurotischen Ursprung
sprechen, sind, dass sie sieh auf Thcilc des Körpers beschränken,
welche schon in normaler Weise zu Hyperkeratosis Veranlagung
zeigen.
Pityriasis rubra pilaris fasst er als eine Krankheit infcctiösen
Ursprungs auf, wozu ihn der Umstand veranlasst, dass diese
Affection in bestimmten Gegenden häufiger resp. seltener zur
Beobachtung gelangt.
Akne comedo, Keratosis pilaris, Lichen pilaris, Keratosis
follicularis contagiosa — die drei zuletzt genannten Formen der
Keratosen unterscheiden sich nach B. von der Ichthyosis durch
die zwei folgenden Merkmale:
1. Sie bleiben strichbegrenzt an einer Stelle.
2. Sie weisen ganz andere horn-histologische Veränderungen auf.
Auch Liehen planus fasst der Redner als contagiös auf.
Bei Ichthyosis und Acrokeratoma lassen sich die anatomischen
Veränderungen vielleicht auf einen trophischeD, möglicherweise auf
einen toxischen Ursprung zurüokführen. In der Aetiologie von
Callus und Claras spielt mechanischer Druck (Anaemie?) die
Hauptrolle. Keratosis arseniealis ist sicherlich toxischer Natur
bei vielen anderen sind natürlich Ursache wie Aetiologie noch
nicht aufgeklärt.
Infectiöscr Natur sind nach B. Verruca, wahrscheinlich auch
Hyperkeratosis subungualis, möglich auch Lichen spinulosus.
Herr W. Dubreuilh (Bordeaux) gibt in der Discu&ion
eine Classification an, die namentlich der Aetiologie der ver¬
schiedenen Keratoscn-Formcn entspricht.
In der Nachmittagssitzung wurden folgende Vorträge gehalten;
Herr Schwimmer (Budapest): Ueber Sarkom der
Haut und einige verwandte Affectioncn. Das Sarkom zeigt sich
in zwei Formen: die eine Form ist das sogenannte chirurgische
Sarkom, das oft durch locale Reizung entsteht; die andere Form
ist das von Kaposi vor mehr als 20 Jahren beschriebene Pig-
mentsarkoui. Bei dem letzteren bilden die Extremitäten — z. B.
die Finger oder Zehen, der Vorderarm, Unterschenkel und, wie jüngst
vom Vortragenden beobachtet, auch der Oberschenkel — den Aus¬
gangspunkt für die Affection. Von besonderem Interesse sind die
vom Autor mitgetlicilten Autopsiebefunde. Es handelte sich dabei m
2 Kranke, die an typischen Formen der eben beschriebenen Affection
litten. Die Obduetion ergab Sarkom-Neubildungen im Dick- und
Dünndarm und namentlich im Magen. Im Gegensalz zu anderen
wohlbekannten Dermatologen trennt S. die Mycosis fuugoides von den
Sarkomerkrankungen und will die erstcre als eine selbständige Krank¬
heit betrachtet wissen. Dies erörtert er an der Hand der von ihm
ausgeführten hierhergehörigon histologischen Untersuchungen, wonach,
obwohl beide Affectioncn von den Bindegcwebszellcn ausgehen, im
Sarkom hauptsächlich Spindelzellen, dagegen in der Mycosis fuugoides
llundzellen Vorkommen. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden
Krankheitsformen besteht noch darin, dass bei der letzteren die
Lymph-, bei der ersteren die Blutgefässe afficirt sind. Der Vor¬
tragende zeigt zum Schlüsse noch eine hübsche gelungene Abbildung
von einem Kalle, der zuerst die klinischen Erscheinungen einer
Mycosis fuugoides bot, später aber, namentlich durch histologische
Untersuchungen, als ein Fall von einfacher Granulombildung sieb
herausstellte.
Herr M. Joseph (Berlin): Ueber Lichen ruber planus,
accuminatus und verrucosus.
Um seinen Vortrag noch anschaulicher zu machen, veranstaltete
Dr. Joseph eine ausgedehnte mikroskopische Demonstration, die
dem Vortrage vorausging und bereits am ersten Sitzungstage im
Museum des Congrcsses abgchaltcn worden war. Der Kern de«
Vortrages besteht darin, dass der Redner an der Hand vielfacher
histologischer Untersuchungen zu zeigen sich bemüht, dass das
Lichen ruber planus, accuminatus, verrucosus und die Pityriasis
rubra zu einander in einem sehr engen Zusammenhänge stehen.
Herr Gaucher (Paris): Behandlung von Haut-Epi¬
theliomen.
In seinem Vortrage stellt G. die Cauterisation an die Spitze
der hier in Betracht kommenden Behandlung und verwirft alle
anderen Methoden, die nicht direct das neugebildete krankhafte
Gewebe zerstören, sondern womöglich durch eine unvermeidliche
Eröffnung kleinerer Gcfässe die Ausdehnung der Geschwülste in
das benachbarte Gewebe und die Bildung von Metastasen zu Wege
bringen.
Herr Zefarino Falcao (Lissabon) berichtet über 4 von
ihm beobachtete Fülle von Xeroderma pigmentosum, «in 8 ^ t€re
Individuen betraf. In allen waren die von Kaposi beschriebenen
Symptome dieser Krankheit zugegen. Das Xeroderma pigmentoswn
kommt in jedem Alter vor, bei ganz jugendlichen Individuen ist
der Pigmentationsprocess stärker ausgesprochen, wie bei älteren,
bei letzteren und namentlich wenn es in höherem Alter auftfltt,
ist der Atrophie- und Verhärtungsprocess stärker entwickelt.
Herr Wirkham (Paris) trägt über einen Fall von Rhino-
sklerom vor. Der Vortragende versuchte zuerst alle anderen daf r
empfohlenen Mittel, wie z. B. Arsen-In jectioneu, Verabreichung
von Jodkalium, locale Cauterisation etc., ohne jeden Erfolg; dann
aber die von französischen Aerzten sogenannte « grande opdration »•
Das dadurch erzielte erfreuliche Resultat ermuntert W., sich dahin
zu äussern, dass in schweren Fällen dieser Erkrankung keine
Zeit mit anderen therapeutischen Massregeln verloren gehen m
4 sofort zur Operation geschritten werden soll.
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4
1. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
833
Herr O. Rosenthal (Berlin): Ueber Heisswasser¬
behandlung bei Hautkrankheiten.
Zunächst gibt der Autor einen kurzen, geschichtlichen Ueber-
blick über die Anwendung des Wassers in dermatologischen Fällen.
Er weist zunächst auf die physiologische Wirkung des heissen
Wassers (von 40 0 R- = 50 " C. und darüber) auf den thierischen
Organismus hin, und unterscheidet dabei eine locale und eine
allgemeine Wirkung, letztere mit Bezug auf Circulatiou und
Nervensystem. Der Einfluss auf die Hautoberflüche besteht darin,
dass die Perspiration vermehrt wird; es folgt darauf eine Be¬
schleunigung des Stoffwechsels und der Gasaustausch geht schneller
vor sich. Er gibt verschiedene Formen an, in denen das Heiss¬
wasser angewendet wird (Stirn-, Hand-, Fuss- und l'ntersehenkel-
bäder). Redner streift nun die Frage, ob Herzaffectiouen eine
Contraindication für Heisswasserbehandlung abgeben, und meint,
dass nur dirccte Erkrankungen der Gefässwandungen, wie die
Atheromatosis, eine solche bieten. In der Dermatologie wird
im Allgemeinen das heisse Wasser einerseits als directes Heil¬
mittel herangezogen, andererseits wird es auch gebraucht zur
Erfüllung und Unterstützung anderer Indicationen. R. spricht
von einer «bactcriciden» Wirkung dieser Methode; ob derselben
wirklich eine solche zugeschrieben werden kann, ist hier nicht
einer Discussion zu unterstellen; wir wollen uns demnach
damit begnügen, die Bemerkung des Redners hier zu citiren,
dass diese Behandlung eben wegen ihrer «bactericiden» Wirkung
bei Ulcus molle, Gonorrhoe, Favus und zerfallenen Ulcerationen
speeifischer oder nicht speeifischer Natur empfohlen werden darf.
Bei Ekzema scroti at<jue vulvae, bei chronischem Ekzem der
Hände mit Neigung zur Rhagadenbildung, ferner bei Akne vul
garis und anderen chronischen circumseripten Hautlaesionen leistet
nach R. die locale Heisswasserbehandlung «treffliche Dienste».
Bei der Syphilis ferner, meint noch R., würde die Heisswasser¬
behandlung die Hg-Wirkung unterstützen und die Ausscheidung
des Hg beschleunigen.
(Ist dieses Resultat wirklich gewünscht? Wenn es je m
Betracht käme, so könnte es sich nur um Fälle forcirtcr Hg-
Curen handeln, die, soviel uns bekannt ist, nur mehr selten
eingeleitet werden. Ref.)
Herr v. Petersen (St. Petersburg) bemerkt, dass wir
noch immer unter den Dermatologen Hydrophoben haben, d. h.
Uoilegen, die sich vor Wasserbehandlung bei Hautkrankheiten
fürchten. Er äussert sich noch dahin, dass in St. Petersburg
jetzt immer häufiger locale Wärme angewendet wird ~r~ trockene
Wärme (Leiter’s Apparat), oder in Form von heissen Comprcssen.
Dr. Ussas soll angeblich nach P. schon seit .Jahren mit vielem
Erfolg schwere und hartnäckige Syphiliseruptionen mit heissen
Com pressen behandelt haben.
Herr E. Schiff (Wien): Ueber ein neues Vehikel zur
Application von therapeutischen Substanzen, die in der
Dermatologie gebraucht werden.
Die Vorzüge des von S. hergestellten Präparates, das er
mit dem Namen Filmogen belegt, schildert der Vortragende in
folgender Weise:
1. Es bildet eine Art Oberhaut über die ergriffene Haut¬
partie.
2. Da die erstere von elastischer Beschaffenheit ist, so folgt
sie allen Verschiebungen und Bewegungen der Haut.
3. Ein Aufbrechen des so künstlich gemachten Ueberzuges
der Haut ist daher ausgeschlossen, und
4. was in therapeutischer Hinsicht für S. die Hauptsache
ist, die auf die Haut zu applicirenden medieamentosen
Substanzen können beliebig lange zur Entfaltung ihres
heilenden Einflusses auf die Haut erhalten bleiben.
5. Die so mit dem Präparate bestrichene Hautpartie kann,
ohne irgend welchen Nachtheil zu erfahren, gewaschen
werden, da das Präparat in Wasser unlöslich ist.
Zum Schlüsse meint noch der Redner, dass seine mit diesen;
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Juli 1896.
Herr Werth berichtet über Untersuchungen, welche er in
Gemeinschaft mit Dr. Grusdow aus Petersburg an von Letzterem
an gefertigten Präparaten über die Entwicklung der mensch¬
lichen Uterusmusculatur ausgeführt hat.
Zu diesen Untersuchungen wurde eine grosso Zahl von foc-
talen Uteris, ferner solche von allen Stufen des Kindesalters und
eine Anzahl geschlechtsreifer Uteri jugendlicher Individuen benutzt.
Die wesentlichsten Ergebnisse sind folgende:
Deutlich difforenzirtc Musculatur erscheint gleichzeitig am
Tuben-Uterus und dem zur Vagina werdenden distalen Abschnitte
des Gcnitalstranges im Laufe des fünften Foetulmonats. Schon
etwas früher sind in Tube und Uterus 2 Schichten zu unter¬
scheiden, eine innere, aus mehr rundlichen Zellen, und eine äussere,
aus Spindelzcllen bestehende.
Beide sind von einem Fibrillen-Maschenwcrk durchsetzt, welches
in der inneren Schicht schwächer entwickelt, zum Lumen radiär
gestreckte Maschen bildet, während letztere in der äusseren Schicht
eine ausgesprochen circulare Anordnung besitzen.
Die Musculatur ist von Anfang an deutlich — und zwar
unabhängig vom Gefässverlaufe — circulär an den Tuben, wie am
Corpus uteri. Letzteres entsteht durch trichterförmige Ausweitung
der Mül ler'sehen Gänge zwischen dem Abgänge der Ligamenta
rotunda und der oberen Grenze ihrer engen Aneinanderlagerung
resp. Vereinigung im Genitalstrange. Die Musculatur erscheint
in Tuben und Uterus gleichzeitig. Sie geht von den Tuben unter
zunehmender Erweiterung und allmählicher Umbiegung ihrer Ring¬
touren direct auf den Uterus über und ist Anfangs im Corpus
uteri kaum breiter, als im Tubenisthmus.
Zwischen der Kingmusculatur und dem Peritoneum findet
sieli beim foetalen Uterus und auch noch am kindlichen eine
breite Schicht subserösen Bindegewebes. An der Grenze zwischen
beiden liegen die gröberen, die Uteruswand ringförmig durch¬
setzenden Gefässäste meist in mehrfachen Reihen. Zwischen ihnen
und zunächst nach aussen, ebenso zwischen den Gefässstämmen
am Seitenrandc des Uterus enthält das Bindegewebe dichter liegende,
noch nicht zu Muskelfibrillen differenzirte, kurz spindelförmige
Zellen. Die gleichen Zellen bilden in directer Fortsetzung des
seitlich am Uterus v die GefüsssMimme umgebenden Lagers einen
dichten Zug an der neutralen Seite des Ligamentum rotundum,
welches im Uebrigen bis zum sechsten Monat hin noch rein binde¬
gewebig ist.
Vom sechsten Monate an erscheinen in dem lockeren Binde¬
gewebe der Subserosa schmale Muskclbündel, zuerst vereinzelt, ohne
typische Verlaufsrichtung. In den letzten Foetalmonaten finden
sich ebensolche auch im subserösen Gewebe der Ligamenta lata
zwischen den grösseren Gelassen und zum Theil denselben dicht
angelagert; spärlich ferner im Lig. ovarii, reichlicher, aber doch
auch nur in loser Zusammenfügung im Lig. rotundum. Ebenso
entwickelt sieh in der späteren Foetalzeit und zwar von vorne-
herein etwas dichter gefügte Musculatur zwischen den grösseren
Gefässästen der L'teruswund, seitlich schiebt sie sieh zwischen die
Gcfässstämme ein.
Bei sehr geringem, zeitweise selbst stillstehendem Massen¬
wachsthum beobachten wir bereits in der ersten Kindeszcit eine
fortschreitende innere Entwicklung der Uteruswand. Während die
primordiale, noch im Wesentlichen ringförmige Musculatur kaum
an Dicke zunimmt, vielfach geradezu atrophisch erscheint, findet
sich schon in den ersten Lebensjahren ein deutlich ausgesprochenes
Stratum vasculosuru mit z. Th. mächtigen arteriellen Zweigen.
Die Anfangs noch schmächtigen Muskelbündel dieser Schicht ver¬
laufen z. Th. unabhängig von den Gefässen, z. Th. folgen 9 ie
deren Lauf, vielfach als Bestandteile ihrer Adventitia. So ent-
von ihm und unter Leitung von Prof. E. Ludwig, Neuchatel, ; steht ei“ unentwirrbares Muskelflechtwerk.
zubereiteten Präparate ihn nach jeder Richtung hin befriedigten, Die Grundlage für die Entwicklung des Stratum vasculosum
und dass auch von anderer Seite — Kaposi, Lassar, Unna, Paw- liefert die ringförmige Schicht gröberer Gefässäste an der Peri-
ow — ähnliche günstige Resultate erzielt worden sind. pherie der Ringmusculatur des foetalen Uterus mit der angrenzenden
(Fortsetzung folgt.) . ... • Zone subserüsen Gewebes.
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Münchener me dicinische Wochensch rift.
Mit Herannahen der Pubertät wird sowohl die Musculatur Ll
im Stratum vasculosum wie nach Aussen davon m
imnehmend dichter. Zugleich zeigen sieh auch in dem straffen f
fibrillären Bindegewebe der Serosa selbst Muskelbündel
In dem geschlechtsreifen Uteruskörper ist die Umwandlung
serösen Bindegewebes zu einer dichten zusammenhängenden Muskel
läge vollendet! deren Balken in einem regelmässigen Bindegewebs- h
fachwerk ein^elagert und durch eine schmale Fibrillenschicbt von .
dem Peritonealepithele getrennt erscheinen.
Anfänge der Bildung dieser serösen Musculatur finden sich
ausnahmsweise auf Partien von geringer Ausdehnung beschränkt
bereits in älteren Foetaluteris — in gleichmässiger Ausbreitung »
über die ganze Oberfläche ist diese Lage jedoch erst dem geschlecht»,-
reifen Uterus eigenthümlich. Bereits im kindlichen Uterus tritt s
zu den früher angegebenen Schichten als neue eine stets nur
dünne Lage submucöser Längsmusculatur hinzu. Deutlicher aus-
geprägt ist sie ebenfalls erst nach Eintritt der Pubertät. Sie
lässt sich dann leicht von der Spitze des Uterusliornes, resp. schon
dem Isthmus tubae an, durch die Pars interst.tialis tubae hin¬
durch in das Corpus Uteri hinein verfolgen und in zusammen¬
hängender Lage an Frontalschnitten darstellen. Sie entsteht in
einer dichter fibrillären Grenzschicht zwischen Mucosa und Pn- <
mordialmusculatur. Diese Grenzschicht ist die unmittelbare Fort¬
setzung der schmalen subepithelialen Schicht hbrillären Binde¬
gewebes, welches in der. Tube die Grundlage der Schleimhaut fast -
ausschliesslich bildet und welches erst im Uterushorn des Stratum
mucosum der Corpusschleimhaut sich auflagert. Die Muskelbündel
der submucösen Längsschicht gelangen mit dem intemusculären
Bindegewebe der tieferen Muskellagcn zwischen die Bündel der
primordialen Ringmusculatur und biegen an der inneren Grenze
der Letzteren in die Längsrichtung um.
Die primordiale (submucöse) Ringmusculatur ist noch am
erwachsenen Uterus, besonders an dünnen auf gehellten Schnitten,
in der ganzen Länge des Corpus uteri als eine wenige Millimeter
breite, dichtere, bindegewebsärmere Muskellamelle schon mit blossem
Auge kenntlich. ... . . ,
Die Musculatur des Uterushalses unterscheidet sich
vom ersten Auftreten differenzirter Musculatur im Uterus an deut¬
lich in ihrer Anordnung von der des Corpus uteri. Sie erscheint
namentlich in dem oberen Theile, von der Höhe der vorderen
Peritonealumschlagsfalte abwärts, von vornherein in stark durch-
flochtenen Muskelbündeln, allerdings mit Vorherrschen zweier Ver¬
laufsrichtungen in der Weise, dass zwischen vorwiegend ringförmig
das Lumen umgreifende Bündel von unten aufsteigende und in
ihrem Verlaufe nach oben allmählich sich verschmäclitigende Balken
longitudinaler Richtung sich einschieben.
Die Entwickelung der unteren Halsanschwellung, die im
6. Monate sich ausbildet und der ihre Hauptmasse ausmachenden
ansehnlichen Musculatur hängt mit der Entwickelung der Scheiden¬
gewölbe eng zusammen. Die erste Anlage der Portio vaginalis und
Scheidengewölbe entsteht in der Weise, dass der noch solide Zell¬
strang des Scheidenepithels an der Stelle des äusseren Mutter¬
mundes eine kolbige Verdickung erfährt, zugleich nach hinten oben
einen Fortsatz in die Wand des Genitalganges vorschiebt und
ferner an der Stelle, wo das vordere Scheidengewölbe sich anlegt,
ein nach vorn einspringendes Knie bildet. Zu dieser Zeit, wo im
Uterus soeben die Differenzirung einer schmalen primordialen
Muskellage begonnen hat, zeigt sich an der Peripherie des der
späteren Vagina entsprechenden Gan gab Schnittes ein schmaler
Streifen vorwiegend longitudinal gerichteter Musculatur. Derselbe
setzt sich in das Gebiet der späteren Cervix eine Strecke weit
fort. Die mächtige Wucherung des Scheidenepithels, welche nun
einsetzt und den schmalen Epithelstrang des oberen Scheiden¬
abschnittes rasch zu einem ansehnlichen Hohlgange umwandelt und
an der Uterus-Scheidengrenze tief in das angrenzende Gewebe ein¬
schneidend, die Scheidengewölbe und Portio vaginalis entstehen
lässt, bringt die in diesen Wandabschnitten gelegenen Muskel-
anlagen gleichfalls zu rascher und bedeutender Entwicklung. Mit
dem Erscheinen der beiden Muttermundslippen, die sich als 2 be¬
sonders mächtig entwickelte Papillen der inneren Scheiden-Binde-
gewebsschicht darstellen, findet sich in der Wand der oberen
Scheidenabschnitte eine breite Muscularis, die aus eng verflochtenen
Längs- und Ringbündeln besteht. Diese setzen sich über ic
Scheidengewölbe hinweg in den unteren breiten The,1 des Halses
fort und bilden hier ein mächtiges Muskellager. Dasselbe besteht
vorwiegend aus kreisförmigen Bündeln, jedoch geht auch
Scheidenlängsmusculatur, namentlich von den seitlichen Gewölben
,us wo sie in stärkerer Entwickelung auftntt, in dieses Lager
hinein. Aus der Peripherie des letzteren gehen dann nach oben
aufsteigende Längsbalken hervor und diese sind es, welche nach
oben allmählich an Dicke abnehmend auch das oben erwähnte
Flechtwerk des oberen Cervixabschnittes bilden helfen Schon
vom 6. Foetalmonate an besitzt der Uterushals eine brate binde-
aewebig fibrilläre Grenzschicht zwischen Muscularis und Mucosa,
d e in den basalen Abschnitten der Arbor vitae-Hauptkämme be¬
sondere Mächtigkeit erlangt. Hier kommt es nun sehr früh zur
Entwickelung von meist schmalen Muskelbündeln, die in der
Peripherie auch kreisförmig, näher dem ^en vorwiegend lonptu-
dinal gerichtet sind. Diese submucöse Muskelschicht bleibt noch
lange durch die geringe Färbbarkeit ihrer Bündel und deren dichtere
Umlagerung durch fibrilläres Bindegewebe von der älteren Muscu¬
latur der Cervixwand unterscheidbar.
Die Untersuchungen über die weitere Ausgestaltung der
cerviealen Musculatur sind noch nicht ganz abgeschlossen und
bleiben späterer Mittheilung Vorbehalten. ,.
Die Ergebnisse der Untersuchungen über die Entwicklung
der Musculatur im Corpus uteri sind, noch einmal kurz zusammen-
gefasst,folgende ^ ^ ^ ^ ^ „ d oberen Ab-
schnitten des Genital ganges (Tuben undUterus) eine»
in dem mesodcrmalen Gewebe der Wandung in der Weise, dass
eine äussere aus Spindelzellen bestehende Schicht von einer inneren
(der späteren Mucosa) sich sondert, welche von Zellen mehr
indifferenter Form gebildet wird (Rösger). .
In der äusseren Schicht entsteht im 5. *
primordiale Musculatur (Archimyometnum), an denn Bildu g
periphere Zone dieser Schicht nicht Theil nimmt Diese ^mitwe
Musculatur ist in Uterus und Tube regelmässig ringförmig (Sobotta).
Musculatur ist.t ^ ^ ^ ^ ^ übrigen ^ unte
scheidbares Stratum während des weiteren Uteruswachsthums und
ist auch noch am geschlechtsreifen Organe deutlich zu erkennen.
Die Hauptmasse der Musculatur in der Corpuswand[des
reifen Uterus ist späteren Ursprunges und entwickelt si
Fortgange des foetalen und postfoetalen Wachsthums aus vorb
noch rei. bindegewebigen Theilen der Wand (Paramyometnum).
Die Ursprungsstätten dieser Musculatur smd^
1. Das seröse und das periphere subseröse Bindegewebe
Uteruswand. Die Musculatur entsteht hier
Gefässwand und hat am reifen Organe hauptsächlich theils long
, tudinale, theils transversale Verlaufsnchtung. , ini
2. Das mit der Peripherie der primären ^
1 foetalen Uterus gelegene Gefässlager. Aus diesem «“twickrit s
- das mächtige Stratum vasculosum des geschlechtsreifen bte
3. Die tiefe, dichter fibrilläre Bindegewebsschicht der -1
i corporis uteri, in welcher die submucöse Längsmu^ord^
1 ausgeprägte Schicht erst gegen Ende der der Geschlechtsrede
, ausgehenden Entwicklungsperiode auftntt.
^ Die Musculatur der Ligg. rotunda und^ ovaru gehört
a subserösen Musculatur der Ligamenta lata. In o ge
r liehen Zusammenhangs dieser mit der subserösen (und Gefess ^
r Musculatur des Corpus uteri treten die Muskdbündel »
e auch zu den tieferen Schichten der musculösen Lteruswa
n ^^Einf' ausführlichere Veröffentlichung erscheint im Archiv für
i- Gynäkologie.
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.—31. Juli 18
(Fortsetzung.)
Der zweite SitzungBtag der Section für innere M
wurde eröffnet mit einer piscussion über : Behandlung,
Anaemie, ihre Varietäten, Ursache und Benm.
eingeleitet durch Frederick Taylor-London.
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1. September 1SS6.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
835
Er unterscheidet drei Formen der idiopathischen oder primären
Anaemie: Die Chlorose, perniciöse Anaemie und Anaemia splenica
Die Differentialdiagnose der einzelnen Formen wird besprochen.
Was die Ursachen der Chlorose betrifit, so wird alles mögliche
angeführt: Menstruationsstörungen, angeborene Enge der Aorta,
Störungen von Seite des Magens, Hyperacidität, Tiefstand des
Magens, Proptose, Magengeschwür mit Haematemesis, Störungen
von Seite der Gedärme, habituelle Obstipation, die Pubertätsperiode.
Als sehr wichtig wird der Einfluss hervorgehoben, den das Corsett
durch Begünstigung des Auftretens von Magengeschwüren und
-Blutungen, Verlagerung des Magens, Gastroptose, mittelbar und
unmittelbar auf die Entstehung der Chlorose ausübt, indem durch
dasselbe der obere Theil des Abdomens, in dem die blutbildenden
Drüsen, die Leber und Milz sowohl als auch der Magen liegen, zu¬
sammengepresst wird.
In Bezug auf die perniciöse Anaemie werden die beiden
Theorien von Hunter und Stockman besprochen. Der Erstere
hält dieselbe für eine specielle Krankbeitsform, welche ihre Ent¬
stehung aus einer Destruction des Blutes in der Portalvene ableitet,
wahrscheinlich als Wirkung der von den Mikroorganismen in den
Gedärmen producirten Ptomaifne, wofür allerdings die häufige Be¬
gleiterscheinung von intestinalen Dyspepsien zu sprechen scheint.
Nach der anderen Theorie werden die charakteristischen Symptome
durch die Resorption der in den verschiedenen Körpertheilen auf¬
tretenden capillären Blutungen bewirkt.
Das Auftreten der lienalen Anaemie hält er für ein
häufigeres als allgemein angenommen wird. Er glaubt, dass die¬
selbe sehr oft mit Leukocythaemie verwechselt wird.
Die Behandlung betreffend empfiehlt F. Taylor für die
Chlorose vor Allem absolute Bettruhe und Eisen, für die perniciöse
Anaemie die Anwendung des Knochenmarkextractes, bei der Anaemia
lienalis Oxygeninhalationen und eventuell Splenectomie.
Byrom Bram w el 1-Edinburgh betrachtet die Haematemesis
keineswegs als ein ursächliches Moment der Chlorose, sondern nur
als secundäres Symptom. Therapeutisch empfiehlt er vor Allem
Bettruhe für 3—4 Wochen und gleichzeitige Verabreichung von
Eisen in grossen Dosen: 9—4S (!) B1 aud'sehe Pillen pro die. Der
Effect dieser Behandlung, die natürlich erst nach Beseitigung etwa
vorhandener Magenstörungen eingeleitet werden kann, soll bereits
in ein paar Wochen eintreten.
Gairdner-Glasgow spricht über die Misserfolge der so¬
genannten antiseptischen Behandlungsmethode der Anaemie durch
Salol etc. Bei der pernieiösen Anaemie ist Arsen das Beste.
Brackenridge batte gute Erfolge mit wiederholten Einspritzungen
von kleinen Quantitäten Blut, was auch von Affleck-Edinburgh
bestätigt wird. Michell CI arke-Bristol constatirt als Wirkung
des Oxygens eine Vermehrung der Blutkörperchen und des Haemo-
globins.
B. Haig-London erwähnt als aetiologisches Moment bei der
Entstehung der Chlorose den Ueberschuss an Harnsäure im Blute,
der mit der Zunahme und Abnahme der Chlorose im Blute steigt
und fällt. Eine gegen vermehrte Harnsäurebildung gerichtete Diät
beeinflusst auch in günstiger Weise die Chlorose. Auch Bezly-
Thor ne-London fand bei allen Anaemischen einen Ueberschuss
von Harnsäure im Blute mit mehr oder weniger Behinderung der
Harnsecretion, daneben verminderte Gefässcapacität und Ver-
grösserung des Herzens besonders nach rechts. Er empfiehlt für die
Behandlung Eisenpräparate in Verbindung mit Arsen, Diät und gastro¬
intestinale Antiseptik, durch Bismuth. salicyl. und kleine Calomel-
dosen, sowie Anwendung der Schott'sehen combinirten Behand¬
lungsmethode mit Bädern und Gymnastik.
Michell Clarke und 8avi 11-London weisen darauf hin, dass
die Syphilis sehr schwere Anaemien erzeugen kann, die unter dem
Bilde der pernieiösen Anaemie verlaufen.
James Tay lor-London zeigt an Präparaten, dass in schweren
Anaemien sklerotische Processe am Rückenmarke, an den Vorder-
und Hinterhömern, sowie an den Seitensträngen auftreten.
W. B. Ransom-Nottingham demonstrirt Präparate über die
histologischen Veränderungen, welche bei der pernieiösen Anaemie
in den verschiedenen Organen Vorkommen. Er hält die in allen
Organen beobachtete Blutdestruction für eine Folge der mangel¬
haften Haemogenese der jungen rothen Blutkörperchen aus dem
Knochenmarke.
W. R u s s e 11-Edinburgh glaubt dieselbe dagegen auf toxaemische
Einflüsse, vielleicht vom Tractus intestinalis aus, zurückführen zu
müssen.
Nach einem kurzen Schlussworte F. Taylor's hielten David
Drummond und J. R. Morison-Newcastle-on-Thyne einen Vor¬
trag über die operative Behandlung der Lebercirrhose unter
Bericht über einen erfolgreichen Fall und Vorstellung des betreffen¬
den Kranken.
T. D. Savill-London sprach endlich noch über Pathologie
des Pruritus und Behandlung desselben mit grossen Dosen von ,
Calciumchlorid. Er empfiehlt Dosen von 1—2 g 3 mal täglich längere |
Zeit fortzunehmen.
Das dritte Meeting der Section wurde eingeleitet durch eine
Demonstration der Photographie nach Röntgen von J. Macintyre-
Glasgow.
Hierauf folgte eine Discussion über Prophylaxis und Therapie
der Tuberculose.
J. W. Moore-Dublin sprach zunächst über den bacillären
Ursprung der Tuberculose. Die praedisponirenden Ursachen derselben
sind entweder congenital oder acquirirt, der Einfluss der Heredität
ist mehr als angeborene verminderte Resistenzfähigkeit anzusehen.
Von grosser Wichtigkeit ist die Erkenntniss der Frühstadien. Von
Symptomen zweifelhaften Werthes werden erwähnt: der rothe Saum
des Zahnfleisches, Trommelschlegelfinger, morgendliche Ueblichkeiten,
launenhafter Appetit, Ekel vor fetten Speisen, saccadirtes Athmen;
alle diese Symptome finden sich auch bei anderen Affectionen.
Wichtiger sind: die myotatische Reizbarkeit der Brustmuskeln,
Druckempfindlichkeit über den Lungenspitzen, verringerte Excursions-
weite des Brustkorbs, abnorm heller Percussionsschall, mangelhaftes
Vesiculärathmen, relative oder absolute Intensitätssteigerung der
Herztöne über der afficirten Spitze und Accentuirung des zweiten
Herztones über der Pulmonalis. Die Eingangspforten für die Tubercu¬
lose sind verschieden, Infection durch die Haut, den Genitaltractus,
den Darmcanal und die Luftwege. Die Infection gebt aus von den
Se- und Excreten inficirter Personen oder Thiere, der Milch tubercu-
löser Kühe oder Menschen (was eine häufige Ursache der Bauch-
tuberculose der kleinen Kinder ist) und endlich noch vom Fleische
tuberculöser Thiere. Drei Viertel der an Tuberculose Gestorbenen
zeigen die pulmonale Form, desshalb ist das bacillenhaltige 8putum
auch die Hauptinfectionsquelle. Die prophylactischen Massnahmen
sind demgemäss dreierlei: Hygiene der Wohnhäuser, Fleisch- und
Milcbbeschau, Zerstörung und Unschädlichmachung der 8puta. Die
Krankenhausbehandlung für Phthisiker ist besonders in den ersteren
. Stadien zu verwerfen, möglichst viel Aufenthalt in guter freier Luft,
eventuell in südlichem, Höhen- oder Seeklima; mit der allgemeinen
muss die diätetisch-medicamentösc Behandlung Hand in Hand gehen.
Die allgemeine Anzeigepflicht der Tuberculosefälle lässt sich, so
wünschenswerth sie wäre, um Anhalts- und Angriffspunkte für eine
durchgreifende Hygiene zu finden, nicht leicht durchführen, dagegen
müssen alle Todesfälle an Tuberculose angezeigt werden.
DeHavillandHall - London stimmt mit Moore dahin überein,
dass die Behandlung Phthisischer in allgemeinen Krankenanstalten
verwerflich sei, um so mehr als sie in den späteren Stadien sehr
häufig eine Infectionsquelle für die Anstalt werden. Er macht
darauf aufmerksam, dass die adenoiden Wucherungen im Nasen¬
rachenraum, die Nasenschleimhaut und die vergrösserten Tonsillen
sehr oft schon die Eingangspforten für die Tuberkelbacillen bilden;
des Weitern berührt er die klimatotherapeutische Frage, Meran und
Davos als die besten Plätze für Lungenleidende bezeichnend. Von
Medicamenten empfiehlt er Guajacol und Kreosotcarbonat, U,ö —1,5 gr
dreimal täglich in Kaffee zu nehmen, bis der Athem darnach riecht.
Für die häufigen Diarrhoen der Phthisiker hat sich das Eismuth.
salicyl. am besten bewährt.
Shingleton Smith-Bristol empfiehlt das Guajacol 60 bis
90 Tropfen täglich, eventuell hypodermatisch. Versuche mit dem
K lebe'sehen Antiphthisin haben ihm noch keine definitiven
Resultate geliefert
R. W. Philip- Edinburgh tritt für eine Abhärtung« und
Kaltwassercur in Verbindung mit grossen Dosen von Guajacol ein.
Was die Frage der Krankenhausbehandlung betrifft, so verlangt
er ambulatorische Behandlung aller leichten Fälle und getrennte
Hospitäler für die Frühstadien und für die vorgeschrittenen Fälle,
dasselbe thut Aff 1 eck-Edinburgh.
Bezly Tome- London glaubt von der subcutanen Einverleibung
des Guajacols den besten Erfolg erwarten zu könnea. Colin
Cam pbell-Saddleworth injicirt eine Guajacolglycerinlösung ver¬
mittels einer mit langem Ansatzrohr versehenen Spritze durch den
Kehlkopf direct in die Lunge, Brookhouse-Nottingham wendet
ebenso eine 12proc. Lösung von Menthol in Oleum olivarum an.
Als klimatische Curorte werden empfohlen die Westküste von
Schottland durch Fre w-Kilmarnock, die Südküste von England
durch Ode! 1-Torquay, Australien von van Someren und Süd¬
afrika von Hall.
Zum Schlüsse der Discussion proponirte Grimshaw-Dublin
und Gairdner - Glasgow, an die Regierung eine Resolution zu
richten, wonach von den Sanitätsbehörden auf öffentliche Kosten
bacteriologische Laboratorien errichtet werden sollen, in denen ver¬
dächtige Sputa gratis untersucht werden und ferner, dass jede an
Phthisis leidende, unbemittelte Person unentgeltliche Aufnahme in
eine private oder öffentliche Heilanstalt finden solle. Die beiden
Punkte der Resolution wurden einstimmig angenommen.
Hierauf sprach David Ow e n - Manchester über die Thymus-
fütterung bei Morbus Basedowii.
Unter Mittheilung dreier Fälle von Basedow, die mit Er¬
folg mit Thymusdrüsen behandelt wurden, glaubt 0. die Krank¬
heitsursache in einer excessiven Thätigkeit der Thyreoidea gefunden
zu haben. Er betont die antagonistische Wirkung der beiden
Drüsen der Thyreoidea und der Thymus, unter Hinweis auf die
Verhältnisee beim Foetus und Neugeborenen, sowie auf Beispiele
aus der Thierwelt, den Winterschlaf u. b. w. Das Secret der
Thyreoidea bewirkt vermehrte Gewebszersetzung und hat einen
stimulirenden Einfluss auf die cerebralen Functionen, sowie die
Sexualorgane, während das Secret der Thymusdrüse den Gewebs¬
zerfall verhindert.
W. Frew-Kilmarnock sprach dann noch über Cerebroapinal-
meningitis in Schottland, Luigi Sambon über Tropencoloni-
sation, und G. V. Perez beschrieb ein neues diagnostisches
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83G
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Symptom bei mediastinalen Verwachsungen in Folge von Aneu¬
rysma, chronischer Pericarditis u. s. w
R. F. Wi 11 iamson - Manchester gibt eine neue Methode
an zur Unterscheidung diabetischen und nichtdiabetischen
Blutes, welche darauf beruht, dass das erstere eine warme alka¬
lische Lösung von Methylenblau prompt entfärbt, während das
letztere diese Eigenschaft nicht aufweist.
Antony Roche* Dublin gibt seine Resultate bekannt, die er
bei der Behandlung der Epilepsie mit Strontiumbromid erzielte.
Die Behandlungsmethode bestand in ausschliesslich vegetabilischer
Kost und Milch, nur Morgens und Abends je 1 g Stront. brom.
mit 0,3—0,5 Bromammonium oder Bromnatrium, in Wasser gehörig
verdünnt. Das Strontium wird bis zu 3,75 g pro dosi gesteigert.
Die meist auftretende Akne kann durch Zusatz von Liquor arseni-
calis vermieden werden. Die Resultate sind sehr befriedigend.
(Fortsetzung folgt.) F. L.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Benzosol. Kofron empfiehlt im American Therapist
das aus chemisch reinem Guajacolbenzoat mit einem Gehalt von
etwa 54 Proc. Guajacol bestehende Benzosol als bestes Ersatzmittel
des Kreosot. Dasselbe stellt ein feines geschmack- und geruchloses
Pulver dar, das unverändert den Magen passirt und erst durch den
alkalischen Darmsaft in seine Componenten, Benzoesäure und
Guajacol, zerlegt wird. Dadurch wird vor Allem das lästige
Aufstossen und die Beeinträchtigung des Appetits vermieden. An¬
wendung und Indication wie bei Kreosot.
Calciumsulfohydrat als Depilatorium. Brayton em¬
pfiehlt das zum Gebrauch stets frisch darzustellende Ca H» S2 (durch
Einleiten von Hs S in gutgelöschtem Kalk bis zur Sättigung des¬
selben mit Gas) als sicher und prompt wirkend, die Anwendung
soll etwa in dreiwöchentlichen Pausen wiederholt werden.
Behandlung von Brandwunden. Poggi fand, dass durch
Zusatz von ein paar Theelöffel voll Kal. nitr. zu dem Badewasser,
die Schmerzen bei Verbrennungen sehr bald sistiren. Der Zusatz
muss nach einiger Zeit wiederholt werden. Vergely wendete mit
Vortheil eine Paste von mit Wasser angeinachter calcinirter Magnesia
an, die auf der Wunde eintrocknet und erneuert wird, sobald sie
sich ablöst. F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 31. August. Wie wir zu unserer Freude hören, ist
in dem Befinden des seit einigen Tagen schwer erkrankten Geheim- '
rath8 Dr. von Kerschensteiner eine sichtliche Besserung ein¬
getreten. Wir wünschen dem hochverdienten Manne baldige völlige
Genesung 1
— Das kaiserliche Gesundheitsamt hat es auf die Anregung der
Colonialabtheilung des auswärtigen Amtes übernommen, das bei der
Reiohsverwaltung eingehende tropenhygienische Material,
insbesondere die in den deutschen Colonien gewonnenen Erfahrungen
wissenschaftlich zu verwerthen und in geeigneter Weise weiteren
Kreisen zugänglich zu machen. Bisher wurden die Nachrichten, die
über Tropenhygiene in den Colonien eingingen, an verschiedenen
Stellen veröffentlicht, im «Deutsch. Colonialbl.», in den «Mittheil,
von ForschuDgsreisenden», in der «Deutsch. Colonialztg.», soweit es
sich um amtliche Berichte handelte, und in Virchows «Archiv»
und den medicinischen Wochenschriften, wenn die Aerzte im Colonial¬
dienste allgemein wichtige Erfahrungen zu melden hatten. Einzelne
von ihnen, z. B. Stindel und Schellong, berichteten über
wichtige Beobachtungen in selbständigen Schriften. Das Gesund¬
heitsamt hat alsbald mit der Veröffentlichung ärztlicher Berichte
aus den deutschen Colonien begonnen. Es benutzt dafür die Bei¬
hefte zu seinen «Veröffentlichungen», die nach Bedarf unter dem
Sondertitel «Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte» er¬
scheinen. An erster Stelle wird der Bericht des Chefarztes der
kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, Dr. Becker, über
seine besondere amtliche Thätigkeit im Jahre 1894/95 mitgetbeilt.
Daran schliesst Bich der General Sanitätsbericht des Oberarztes der¬
selben Truppe Dr. Gärtner an. Aus Westafrika berichtet Dr.
Friedrich Plehn über die bisherigen Ergebnisse der klimatologischen
und pathologischen Forschung in Kamerun, Dr A. Plehn über
Klima und Gesundheitsverhältnisse des Schutzgebietes Kamerun im
Jahre 1894/95 und Dr. Doering über ärztliche Erfahrungen und
Beobachtungen auf der deutschen Togo-Expedition 1893/94, den
Schluss bildet der Bericht des Regierungsarztes Dr. Schwabe
über die Gesundheitsverhältnisse auf Jaluit (Marschallinseln). Die
Mittheilungen enthalten reiches Material von Werth zur Kenntniss
der deutschen Colonien und zur Tropenmedicin.
— Die Passfrage für den Internationalen Medicini¬
schen Congress in Moskau ist den Wünschen des Deutschen
Reichscomitös entsprechend geordnet. Von dem Vorsitzenden des
Comitös, Herrn Geh. Rath Virchow, geht uns aus St. Petersburg
folgende Mittheilung zu: «Die russischen Consuln sind autorisirt,
die Pässe aller — christlichen oder israelitischen — Aerzte zu
visiren, welche sich im Jahre 1897 zu dem Internationalen Congress
von Moskau begeben wollen.»
— Vom 4. bis 10. August wurden in Cairo 4 Erkrankungen (und
14 Todesfälle) vom 9. bis 15, August in Alexandrien 22 Erkrankungen
(und 21 Todesfälle) an Cholera festgestellt. Die Gesammtzahl der
in Aegypten bis zum 14. August gemeldeten Cholerafälle betrae
17453 (14498). *
— In der 33. Jahreswoche, vom 9. bis 15. August 1896, hatten
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Königshütte mit 45,6, die geringste Sterblichkeit Osnabrück
mit 6,8 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Lübeck.
(Universitätsnachrichten.) Erlangen. Habilitirt: Der
Assistent am Anatomischen Institut Dr. Spuler aus Durmersheim
in Baden als Privatdocent. — Königsberg i. Pr. Habilitirt:
Dr. Egbert Braatz für Chirurgie. (Antrittsvorlesung über «Allgemeine
Anaesthesie und Localanaesthesie«). — Leipzig. Prof. Dr. Carl H ess,
I. Assistent an der Augenklinik, erhielt einen Ruf als ordentlicher
Professor an der Universität Marburg. — Würzburg. Habilitirt:
der I. Assistent der medicinischen Klinik Dr. Müller aus Bremen
als Privatdocent.
Krakau. Der Professor an der medicinischen Facultät, Dr.
Anton R o s n e r, ist am 25. August an Herzlähmung gestorben. —
Der ordentliche Professor der gerichtlichen Medicin, Dr. Leo Halban,
ist auf sein Ansuchen in den bleibenden Ruhestand versetzt worden,
bei welchem Anlass ihm der Adelsstand verliehen wurde. — Lem¬
berg. Dr. J. Prus wurde zum Ordinarius für allgemeine und ex¬
perimentelle Pathologie an der Universität ernannt.
(Todesfall.) Am 25. August starb in Tutzing der Professor
der Anatomie an der hiesigen Universität, Dr. Nikolaus Rtidinger.
Geboren am 25. März 1832 zu Büdesheim in Heesen studirte Rüdinger
in Heidelberg und Giessen als Schüer von He nie, F. Arnold und
Th. Bischof f, siedelte bei der Berufung Biscboff’s nach München
1854 mit diesem hierher über und wurde Prosector an der anatomi¬
schen Anstalt. 1870 wurde er ausserordentlicher Professor, 1880
ordentlicher Professor und Conservator des anatomischen Institut».
Als ausgezeichneter Präparator, besonders auch durch die von ihm
angegebenen Conservirungsmethoden, brachte er die Münchener
anatomische Sammlung auf den hohen Standpunkt, welchen sie nun
einnimmt. Von seinen Werken nennen wir hier nur seine «Anatomie
des peripherischen Nervensystems des menschlichen Körpers» und
den «Atlas» hiezu, sein «Handbuch der topographisch-chirurgischen
Anatomie des Menschen», sein Werk über «Das Gehörorgan der
Menschen und der Thiere», seine preisgekrönte Schrift «Ueber die
Muskeln der vorderen Extremitäten der Reptilien und Vögel». Eine
eingehendere Würdigung des Lebens und Wirkens des Verblichenen
behalten wir uns vor.
(Berichtigung.) In dem Referat über den Vortrag des
Herrn Touton (nicht Fon ton)-Wiesbaden auf dem Dermatologen-
Congress in London (No. 34, S. 807) ist Folgendes zu berichtigen.
Zeile 33 von oben lies Dermatites polymorphes prurigineuses; Zeile 3t
von oben lies successives; Zeile 27 von unten lies je statt ja; Zeile 19
von unten Adjectiva.
Personalnachrichten.
Bayern.
Ernannt: Der dermalige III. Assistenzarzt an der Kreisuren-
anstalt Gabersee Dr. Emst N enning zum IV. Assistenzarzt an der
Kreisirrenanstalt München.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten fürMünchen
in der 34. Jahreswoche vom 16. August bis 22. August 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 59 (37*),Diphtherie, Croup
26 (25), Erysipelas 10 (12), Intermittens, Neuralgia intern. —rri>
Kindbettfieber 2 (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 20
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 9 (9), Parotitis epidemica — ( )»
Pneumonia crouposa 11 (8), Pyaemie, Septicaemie — (—I»
tismus art. ac. 20 (15), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 24ljU)>
Tussis convulsiva 46 (40), Typhus abdominalis 2(1), Varicellen j (4
Variola, Variolois — (—). Summa 236 (171). Medidnalrath Dr. Au .
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 34. Jahreswoche vom 16. August bis 22. August 18
Bevölkerungszahl: 406 000. , •
Todesursachen: Masern 1 (1*), 8charlach — (1). Dipht®
und Croup — (3), Rothlauf 1 (—), Kindbettfleber — (•“)>.
giftung (Pyämie) 1 (—), Brechdurchfall 6 (9), Unterleibstypri
(1), Keuchhusten 2 (3), Croupöse Lungenentzündung — * .
culose a) der Lungen 16 (17), b) der übrigen Organe 2 (1), ..
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Kränksten *
Unglückßfälle 4 (3), Selbstmord 1 (1), Tod durch fremde Hand
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 152 (151), VerbAltni»
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 19,5_(1.V)»
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 9,7 (D) u )>
die über dem 5. Lebensjahr stehende 9,0 (10,2).
•) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoc^-
Verlag *on 3. F. Lehmann ln München. — Druck der E. Mühlth&ler’sehen k. Hof-Buchdrackerei ln München
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T)|p MiineWnpr MiMlciiv \Vnchcn«chrift cr««*hrlnl
wöchentlich i:i Niumneni von iniiulestens'.’ 1 ; B<>ü<n
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Eiuztlne Nummer GO 4-
MÜNCHENER
Zuwnrtnnuen sind zn sdrewiren: Für die Redaction
Otiostrassc I — Fnr Abonnement an J. F. I-eh-
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(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLA1T)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumier, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. y. Helneke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. v. Winckel, H. v. Ziemssen,
KreiburR i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Wurzburg. München. München. München.
M 36. 8. September 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: .1. F. Lehmann, Lamlwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der kgl. Frauenklinik zu Kiel.
Weitere Mittheilungen über die Einverleibung von
Eierstockssubstanz zur Behandlung der Beschwerden
bei natürlicher und anticipirter Klimax.
Von Dr. Richard Mond, I. Assistenzarzt.
Zu Beginn seiner Mittheilung über die « Behandlung amenor-
rhoischer und klimakterischer Frauen mit Ovarialsubstanz» in
No. 25 der Deutschen med. Wochenschrift erwähnt Dr. Mainzer
die guten Erfolge, die in der Kieler Frauenklinik mit der Ein¬
verleibung von Eierstocksgewebe gleichfalls erzielt worden seien,
so dass es den Anschein gewinnt, als ob wir — veranlasst durch
die in No. 12 der Deutschen med. Wochenschrift mitgetheiltc
Veröffentlichung des einen mit frischer Ovarialsubstanz in der
Landau’schen Klinik behandelten Falls — unsererseits mit gutem
Resultate die Wirkung des Mittels nachgeprüft hätten.
Wie aus meiner Veröffentlichung in No. 14 der Münchener med.
Wochenschr. zu ersehen ist, sind bereits seit August 1895, also
seit einem Jahre, in der hiesigen Klinik Versuche mit der Einver¬
leibung von Eierstockssubstanz angestellt worden und zwar hatten wir
uns bei Verabfolgung des Präparates nicht nur auf die Ausfalls¬
erscheinungen, die wir bei castrirten Frauen auftreten
sehen, beschränkt, sondern hatten von vornherein
auch alle diejenigen Störungen in Betracht ge¬
zogen, die bei klimakterischem Schwund der Ovarien,
bei Amenorrhoen, veranlasst durch Atrophie der
Genitalien, sowie bei Fällen von rudimentärem
Uterus mit Hypoplasie der Ovarien sich einzu¬
stellen pflegen, so dass der Indicationskreis für
sämmtliche Categorien, die Mainzer in seiner
zweiten Mittheilung jetzt als geeignet zur Be¬
handlung mit Eierstockssubstanz hin stellt* schon
in unserer ersten Veröffentlichung genau festge¬
stellt worden ist.
Nach den Erfolgen, w'elche die Schilddrüsentherapie gegenüber
den Störungen, die nach krankhafter Veränderung, resp. nach
Entfernung der Schilddrüse aufzutreten pflegen, erreicht hatte, lag
ja der Gedanke, in ähnlicher Weise den Beschwerden nach ganzer
oder theilweiser Entfernung der inneren Genitalien Organtherapie
gegenüberzustellen und auf diesem Felde Versuche zu machen, so
nahe, dass es uns absolut nicht so eilig erschien, darüber zu
berichten, wenigstens nicht früher, als bis wir auf Grund einer
Reihe gut beobachteter Fälle uns selbst von dem Erfolge des Mittels
hatten überzeugen können und in Folge davon mit gutem Gewissen
in weiteren Kreisen zu weiteren Versuchen anregen konnten.
Mit kurzen Krankengeschichten erfolgte desshalb im April
d. J. in tabellarischer Uebersicht eine Zusammenstellung der Fälle,
die theils mehrere Wochen hindurch klinisch genau beobachteter
Ovariinbehandlung zugängig, theils bei häufiger Wiedervorstellung
ambulant mit Eierstooksconserven behandelt worden waren.
Die Behandlung geschah seit Sommer 1895 mit einem
Trockenpräparate, das in Form kleiner Tabletten auf Ver-
No. 86
anlassung meines verehrten Chefs von E. M e r c k - Darmstadt aus
frischen Kuhovarien hcrgcstellt und uns ebenso wie bei den späterhin
behandelten Fällen in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt
wurde (Ovariin Merck, s. Jahresbericht von E. Merck 1895 p. 111)-
Die Resultate, die wir mit unseren Eierstocksconserven nun seit
einem Jahre erzielt haben und erzielen, sind durchaus günstige zu
nennen und ich kann zur Zeit ausser den in der früheren Mittheilung
erwähnten und mit gleich gutem Erfolge bis jetzt weiter behandelten
Fällen über eine Reihe von neuen berichten, die gleich den früheren
während der Behandlungszeit theils Wochen hindurch klinisch be¬
obachtet wurden, theils Monate lang ambulant controlirt werden
konnten.
Die Heftigkeit der Erscheinungen und Zufälle, von denen
solche Frauen befallen werden, Zustände, die dem klimakterischen
Alter ein ganz eigenes charakteristisches Gepräge geben und in
noch weit höherem Grade die Störungen nach künstlich herbei-
gefülirtcr Klimax, sind oft so stürmischer Art, dass sic einen
geradezu beängstigenden Charakter anzunehmen und unzweifelhaft
tief in den Haushalt des weiblichen Organismus einzuwirken im
Stande sind.
Gar manches an sich gute Operationsresultat nach ganzer
oder theilweiser Entfernung der inneren Genitalien verliert an
Werth und lässt dem Operateur keine volle Freude am günstigen —
für das geschlechtliche Leben der Frau aber verhänguissvollen —
Oi>eratkmserfolg aufkommen, durch die Klagen, die er in Folge
der Störungen im vasomotorischen Apparat, wie wir sic nach Ent¬
fernung der Eierstöcke in den meisten Fällen auftreten sehen, von
den operirten Frauen zu hören bekommt, Klagen über Beschwerden,
die auf manche Frauen tiefer eingreifend wirken, als es der
Zustand vor der Ojieratiou that. Es machen sich Functions¬
störungen im gesammten Stoffwechsel, Veränderungen im gesummten
Nervensystem, besonders in den Blutcirculationsverhältnissen geltend,
Erscheinungen, die sich in Röthung des Gesichtes, öfterer Neigung
zu Nasenbluten, starker Transpiration und der sog. «fliegenden
Hitze» keuntlich machen. Besonders das Symptom der fliegenden
Hitze kommt fast allen Fällen von operativ erzeugter anticipirter
Klimax sowohl als der physiologischen Klimax zu und gibt sich
in plötzlich auf tretender Röthung des Gesichtes, des Kopfes und
Halses, sowie durch das Gefühl plötzlich aufschicssendcr Hitze mit
folgendem Schweissausbruch kund. Oft schlicsst sich unmittelbar
an die Wallung den ganzen Körper durchflutendes Schauern und
Frösteln an. Dazu kommt Schwere und Eingenommenheit des
Kopfes, oft Schwindel und Ohrensausen. Bei vielen Fällen lassen
sich ausserdem abnorme Sensationen beobachten, die als prickelndes
und juckendes Gefühl an der Haut sieh kundgeben, das Verhalten
der sexuellen Reizempfindlichkeit unterliegt grossen Schwankungen,
die Stimmung der Frauen ist einem häufigen Wechsel unterworfen,
von ausgelassener Heiterkeit geht es im schnellen Uebcrgang zu
tiefer Verstimmung und Unlust am Leben. Fast alle Frauen, die
ich über ihren Zustand zu befragen im Stande war, gaben an,
unter einem gewissen Drucke zu stehen, unter einem Banne, der
ihnen die Schaffensfreudigkeit, die Lebenslust zeitweilig verkümmere,
so dass sie selbst den eigenen Kindern, der Sorge für den Haus¬
stand nur mangelhaftes oder gar kein Interesse entgegenzubringen
im Stande seien.
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838
MÜNCHENER MEDICTNISCHE WOCHENSCHRIFT.
Während wir bis jetzt eine eigentliche Therapie diesen Aus¬
fallserscheinungen gegenüber nicht kannten und durch hygienische
Vorschriften, durch Purgantien, Bäder, Blutentziehungen und be¬
sonders durch Galvanisation desSympathicus — ein Verfahren,
das schon während einer Reihe von Jahren vor Beginn der Eier¬
stocksein Verleihung mit zum Theil gutem Erfolge in der hiesigen
Klinik angewandt worden ist — gegen die erwähnten Be¬
schwerden einzuschreiten versuchten, scheint nun jetzt durch die
Einverleibung von Ovarialsubstanz in der That ein specifisches
Mittel gefunden zu sein, durch dessen Verabreichung wir in den
Stand gesetzt sind, die nach Entfernung oder krankhafter Ver¬
änderung der Ovarien cintretcndcn schweren Symptome — die
Cachexia ovaripriva, wie analog der Erkrankung nach
Entfernung der Schilddrüse das ganze Krankheitsbild genannt
werden kann — mit mehr Aussicht auf Erfolg tbeils ganz be¬
seitigen, thcils wenigstens mildern zu können.
Um so weit als möglich die suggestive Einwirkung und die
auf ihr eventuell basirenden Resultate auszuschliessen, veranlasstc
Herr Professor Werth die Herstellung von unseren Eierstocks-
conservcn an Geschmack, Grösse und Aussehen täuschend ähnlichen
Pseudoovariintabletten, die aus Kochsalz und einem ge¬
ringen Flcischextractzusatz zubereitet, uns jetzt als wesentliches
Hilfsmittel zur Erkenntniss des wirklichen Werthes der vou uns
eingeführten Eierstocksconscrven dienen.
Die Anwendung dieser harmlosen Tabletten geschieht in der
Weise, dass, nachdem längere Zeit hindurch mit den wirklichen
Ovariintablctton gefüttert und Erfolg erzielt worden ist, die da¬
für bestimmten Frauen, mehrere Tage hindurch in ähnlicher
Dosiruug wie sie es gewohnt waren, Pscudoovariin verabreicht er¬
halten. Das Resultat dieses Versuchs spricht durchaus zu Gunsten
unserer Conservcn. Nur eine einzige der auf diese Weise behandel¬
ten Frauen (natürliche Klimax) wollte auch nach Gebrauch des
wirkungslosen Medicamcntes eine, wenn auch leichte Herabsetzung
ihrer Beschwerden verspürt haben. Die anderen mit Pscudoovariin
gefutterten Patientinnen machten mir mit bekümmerter Miene
Mittheilung, dass das letzte Mal bei Gebrauch der Pillen, die
ihnen sonst so ausgezeichnete Dienste geleistet hätten, absolut keine
Erleichterung ihrer Beschwerden zu verspüren gewesen wäre.
Es dürfte dieses Verfahren zur Ausscheidung der auf Sug¬
gestion beruhenden Wirkungen sehr viel wirksamer sein, als der
von Mainzer betretene Wog, welcher die Wirkung bei Hysterischen
und nicht Hysterischen getrennt untersucht und die Hysterischen
als nicht geeignete Objecte für die Prüfung des Verfahrens aus-
schlicsscn will.
Als weiteres Material zur Beurtheilung der durch Einverleibung
von Ovarialsubstanz hervorgerufenen Resultate mögen folgende
Auszüge aus den Krankengeschichten dienen :
I. Künstliche Klimax.
Fall 1. J.-No. 15983. Frau W., 41 Jahre alt. Januar 1896
wegen doppelseitiger Pyosalpinx vaginale Exstirpation
von Uterus und Adnexen. 3—4 Monate nach der Operation
fast täglich 4—6 Anfälle von Flimmern vor den Augen, starkem
Angstgefühl, den ganzen Körper durchflutenden Wallungen mit
folgendem SchweisBausbruch, die 1 — 2 Minuten anhalten sollen,
häufig Herzklopfen und Kopfschmerz. Auch in der Nacht ist die
Frau häufig von Wallungen und Schwindelgefühl gequält, es sei ein
Gefühl «als ob sich alles um sie drehe*. Oefters Anschwellung der
Hände und Füsse bemerkbar. In letzter Zeit sind die Erscheinungen
so stürmisch aufgetreten, dass Patientin das Bett zu hüten sieh
veranlasst sah. Anhaltendes Angstgefühl, Beklemmungen.
Verordnung 2. VI. 1896: Ovariintabletten (ganzes Ovarium),
Anfangs 6, dann 8 Stück täglich zu nehmen.
Verlauf: Nach dem dritten Tage des Tablettengebrauches
allmähliche Abnahme in der Anzahl der Anfälle bemerkbar und
zwar soll zunächst das Angstgefühl fast ganz geschwunden sein,
einzelne Anfälle fast ganz ohne Schweissausbruch.
15. VI. Appetit, Schlaf, Stimmung vorzüglich. Dann und wann
noch leichtes Hitzgefübl ohne Schweissausbruch, besonders bei
körperlicher Anstrengung bemerkbar Angstgefühl und Kopfschmerz
keinmal mehr aufgetreten, Patientiu gibt an, es sei, als ob ihr ganzes
Wesen von einem Drucke befreit sei, sie will sich seit der Operation
nie so wohl befunden haben, wie während der Behandlungszeit.
Schon nach 24 Tabletten ist in diesem Falle eine leichte
Besserung des Zustandes erkennbar, die zunächst in einem Nach¬
lassen der SchwePse und deB Angstgefühls sich kennbar macht.
Nach dem Gebrauch von 100 Tabletten völliges Freisein von Be¬
schwerden, so dass die Frau im Stande ist, ihrer Arbeit wieder
No. j
nachzugehen. Ob dieser Zustand der Besserung längere Zeit na
Aussetzen der Behandlung angehalten hat oder ob bald wieder Ai
fallserscheinungea sich gezeigt haben, war mir durch einem Ai
enthalte Wechsel der Patientin einstweilen unmöglich zu eruiren.
Fall 2. J-No. 16318. Frau S., 41 Jahre alt. Vagina
Uterusexstirpation Juli 1895 wegen chronischer Met« itia. S.
der Operation Klagen über abgestorbenes Gefühl in Händen ui
Füssen, Flimmern vor den Augen, Gedächtnissschwäche and Hei
klopfen, oft Kreuzschmerzen; Wallungen mit Schweissausbrnch
regelmässig 4 wöchentlichen Intervallen, 4—5 mal am Tage mehre
Minuten anhaltend. Während dieser Zeit Schlaf zu Folge der Wallung»
des starken Schweisses und des Angstgefühls fast gar nicht vc
handen, melancholischer Gemütszustand, Unlast zur Arbeit.
Verordnung: Erhält vom 25. April bis 5. Mai 1896 täglii
6—8 Tabletten.
Patientin gibt an, vom 3 Tag der Behandlung ab eine A
nähme der Beschwerden insofern bemerkt zu haben, als der Behl
sich gebessert und ihr ganzes, vorher so aufgeregtes Wesen ruhig
geworden sein soll. Es soll das Gefühl bestehen, als o
der Schweiss nicht mehr ausbrechen könnte. Kribbt
gefühl völlig geschwunden.
Vorn Mai biß Anfangs Juni kein Tablettengebrauch. Klagi
über Mattigkeit während dieser Zeit; keine Wallungen. In d«
ersten Tagen des Juni Zustand wie früher, 4— 3 mal Wallungen m
SchweisBausbruch 4. VI. bis 14. VI. täglich 8 Tabletten verabreich
Wallungen von Tag zu Tag seltener und schwächer. Vom 6. VI. c
kein gestörter Schlaf mehr, Angstgefühl verschwindet gfinzlic
Patientin ist über den Erfolg der Behandlung sehr beglückt. Völlig»
Wohlbefinden bis Anfangs Juli. Guter Appetit, gute 8timmun
Zunahme des Körpergewichte.
6. VII.bis 14. VII. O var iinbehandlung, täglich 10Tablette
Am l. und 2. Tag des Pillengebrauchs noch 2—3 Wallungen m
leichtem Schweissausbruch, Gefühl von Schwere in den Glieder
Vom 8. VII. an ausgezeichnet gutes Befinden; die Frau giebt a.
sich völlig frei von Beschwerden zu fühlen, kann tüchtig arbeite
und ist in jeder Beziehnungmit ihrem körperlichen Verhalten zufriede:
Fall 3. J.-N. 15159. Frau A-, 41 Jahre. October 1893 vag
nale Totalexstirpation wegen chronischer Metriti
mitBolassungder Ovarien. Seit der Entlassung mehrmals a
Tage Anfälle von Flimmern vor den Augen, Angstgefühl und ac
steigende Hitze, kein Schweissausbruch, häufiger Kopfschmerz. Mela
choüscher Gemüthszustand und Gedächtnissschwäche. Keine Lu
zu häuslicher Arbeit. Libido sexualis bedeutend gegen früher hera
gesetzt. Schlaf durch Wallungen häufig gestört. Patientin ist Üb
ihren Zustand sehr unglücklich, besonders zur Zeit, wo — wie 8
genau angeben kann — mit 1 wöchentlichem Intervall — die Mens»
eins» tzen sollten und sie dann eine Zunahme aller Beschwerde
verspürt. Oefter zu dieser Zeit Nasenbluten.
Seit dem 31. V. 1896 0variinbehandlung. Zur Ze
der periodischen Molimina täglich 8 Tabletten. Vom 5. Ta$
des Tablettengebrauchs an deutliche Abnahme der Beschwerde:
Stimmung und Schlaf besser, Wallungen treten in viel g
ringerem Grade auf als früher. Dieser gute Zustand soll so lanj
angehalten haben, als der Pillenvoirath reichte, dann wurde
wieder stärkere Ausfallserscheinungen in oben geschilderter Weil
vermerkt, anhaltendes Sclnvächegefühl, so dass Bettruhe nötbig wa
Vom 1.—10. VII. täglich 8 Tabletten, nach Gebraach von 24 T
bletten alle Erscheinungen in ihrer Schwere herabgesetzt, na»
40 Tabletten nur noch dann und wann Klagen über Druckgefil!
auf den Kopf, gute Stimmung, gutes Allgemeinbefinden.
Fall 4. J -N. 16814. Frau D., 43 Jahre. März 18% Exstirpati
uteri tot. cum adnexis p. vag. wegen chronischer Metritis ur
Adnexei krankung. Seit der Entlassung fast täglich mehrmals Uebe
giessungen mitnachfolgendem Schweissausbruch. DunkelrotheFfirbur
des Gesichts Zustand in der Klinik beobachtet), Beklemmungsgefüb
öfters Kopfschmerzen, alles Erscheinungen, die alle 4 Wochen in ve
schlimmertem Maasse auftreten sollen. Besonders gequält durch Juck»
und Prickeln am ganzen Körper, Schlaf durch die Wallungen g
stört, schlechte Stimmung, Unlust zu jeder Arbeit.
O varii nbehandlung. 8 . VI. 1896 Patientin erhält seit A
fang Juni täglich 8—10 Tabletten. Vom 3. Tag des Gebrauchs s
Angstgefühl und Beklemmung verringert, Kopfschmerz lässt nac
Patientin-giebt an, es sei, als wenn ein Druck von ihr genommen b*
Die Zahl der Wallungen sinkt bis auf 2 täglich, die nur als aufsteigend'
leichtes Würmegefüld ohne Schweissausbruch geschildert werden.
Weiterbehandlung: Täglich 2 4, zur Zeit der zu erwartend»
Menses täglich 8-10 Tabletten. Andauernd guter Erfolg.
Fall 5. J.-N. 17008. Frau G., Juni 1896 Castratio
plex bei Osteomalacie. Glatter Verlauf. Noch während dj
Aufenthaltes in der Klinik klagte Patientin am 6. VII. überScbwäcl
und Mattigkeit im ganzen Körper. An diesem Tage wurden 4 m
den ganzen Körper überlluthende Wallungen mit nachfolgende
leichten Schweissausbruch beobachtet, ln der Nacht war der Schl
gestört, Appetit schlecht, Klagen über Kopfschmerz. In den folge
den Tagen derselhe Zustand. Vom 6.-9. VII. wurden 4 mal tägh
Pseudoovariintabletten verabfolgt. Zustand anhaltend wie am 6. >)
Wallungen täglich 4—6 mal. Am 10. VII. erhielt Patientin 8 Ovarn
tablelten. An diesem Tage waren die Erscheinungen besonne
schwer. Beklemmungen und Angstgefühl, heisse Uebergiessange
Zittern in Armen und Beinen, Herzklopfen.
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8. September 1896.
MÜNCHENER M KDICIXTSCIIE WOCHENSCHRIFT.
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11 VII 10 Ovariintabletten.
5-6 mal am Tage Wallungen, knapp eino Minute anhaltend,
Kopfschmerz geringer wie zuvor, geringer Schweissausbruch. 12. VII.
10 Tabletten. Zustand bedeutend gebessert. Patientin giebt an,
sich viel freier und leichter zu fühlen, als zuvor In der Nacht
gut geschlafen. Kein Schweissausbruch mehr, noch öfters am Tage
ganz leichtes, kaum merkbares Wftrmegeföhl. Vom 12.— 14. VII.
noch täglich 10 Tabletten.
Patientin fühlt sich völlig wohl, Appetit gut, Stimmung vor¬
trefflich. Urin ohne Zucker, ohne Eiweiss. An» 18. VII entlassen,
ohne dass noch einmal ein den angeführten Erscheinungen ähnliches
Symptom sich ge e’gt hätte.
Kall 6. J.-N. 162 <5 Frau B., 37 Jahre alt. Mai 189.'» vagi¬
nale Totalexstirpation wegen chronischer Me Iritis mit
Belassung der Ovarien. December 1895 erste Vorstellung nach
der Entlassung. Patientin klagt über Anfälle von Schwindel, Flimmern
vor den Augen und heftigen reissenden Kopfschmerzen, die seit der
Operation alle 4 Wochen, zurZeit, wenn die Menses eintreten sollten,
sich eingestellt haben. Dabei sollen die Sehwindelanfälle ganz
plötzlich ausbrechen, einmal befielen sie die Fran auf einem Spazier¬
gang, öfters Abends beim Zubettegehen; zu gleicher Zeit heftiges
Angstgefühl, Zittern in Armen und Beinen; öfters anfstoigendes
Hitzegefühl mit nachfolgendem Frost. In der Zwischenzeit ganz
gute» Befinden.
Seit Februar 1896 Ovariinbehandlung. Es werden allmonatlich,
schon einige Tage vor Eintritt der Zufälle, Tabletten (ganzes Ovarium)
genommen und zwar täglich 6 — 8—10 Stück.
Jedesmal hei Gebrauch der Tabletten fast völliges Schwinden
aller früheren Beschwerden, kein Schwindelgefühl, keine "Wallungen,
kein Kopfschmerz mehr. Zulet/t am 1*. VI. berichtet Patientin
brieflich spontan über den E-folg der Tabletten: «Ich habe bei Ge¬
brauch der Pillen keinmal mehr über den lästigen Schwindel und
die Kopfschmerzen zu klagen gehabt; doch ist mein Vorrath zu
Ende u .d nun sind auch jetzt im Juni die alten Beschwerden
wieder da.»
Bitte um Tablctten-Recept.
II. Amenorrhoen.
Fall 7. J.-X. 4015. Frl. St., 20 Jahre. Menses bis jetzt noch
keinmal eingetreten. Seit dem 16.—17. Jahre täglich Klagen über
Druckgefühl atif den Kopf, Schwindelanfälle, besonders Morgens
beim Aufsteben. Bei der kleinsten Erregung Schweissausbruch,
oft Zittern iu Armen und Beinen, die öfters geschwollen sein sollen;
Appetit schlecht; Patientin ist durch ihren Zustand sehr gequält
und beunruhigt.
26. VI. Ovariinbehandlung: Alle 8 Tage Vorstellung ermöglicht.
Tttgl. 8 Tabletten (ganzes Ovarium). In Bezug auf die Wallungen keine
Veränd rnng an Zahl. Deutliche Herabsetzung des Kopfschmerzes
und des Schwindelgefühles. Nach 11 tägiger Behandlung sind die
Schweissausbrüche fast gar nicht mehr vorhanden; angeblich fühlt
sich Patientin freier und leicht wie früher. Appetit gut. Urin ohne
Eiweiss, ohne Zucker.
8. VII. Pseudoovarii nbeliandlung, täglich 4—6 Tabletten.
15. VII. berichtet das Mädchen, wieder viel an Uebergiessungen
und Schweissausbrüchen gelitten zu haben, auch Kopfschmerz wieder
in alter Weise, Unlust zur Arbeit, so dass oft Differenzen mit der
Dienstherrschaft entstehen. Erhält Ovariin, täglich 10 Tabletten.
22. VII Schweissausbrüche wieder in geringerem «Grade auf¬
getreten, docli nicht ganz verschwunden. Kopfschmerzen herab¬
gesetzt. Patientin fühlt sich in günstiger Weise durch die Tablrtten
beeinflusst, sie will sich freier und leichter fühlen gegen früher,
auch von Schwindelanfällen hat sie nichts mehr bemerkt; Wallungen
treten noch mehrmals am Tage auf, allerdings in ihrer Stärke und
Heftigkeit herabgesetzt. Wird weiter behandelt mit gleich gutem
Erfolge.
Fall 8. J.-N. 3986. Frau R , 25 Jahre alt. Infantiler
Uterus, Hypoplasia ovari. Patientin ist seit 2 Jahren ver-
lieirathet, Menses bis jetzt noch keinmal aufgetreten. Seit dem
17. Lebensjahre regelmässig alle 4 Wochen heftige Erscheinungen,
die in starken Schweissausbrüchen, der einzelne Anfall oft bis zu
10 Minuten anhaltend, Röthung des Gesichtes, allgemeiner Mattig¬
keit und Steifigkeit der Glieder bestehen. Dieser ZuBtand hält
gewöhnlich 4—5 Tage an Während dieser Zeit anhaltende Kopf¬
schmerzen und öfters einsetzendes Nasenbluten. Infantiler derber
Uterus, Sondenlftnge knapp 5 cm. Von den Adnexen (ohne Narkose)
nichts tastbar.
14. VI. 96 Verordnung: 50 Tabletten Rindensubstanz, An¬
fangs 6, später 8 bei Beginn der Ausfallserscheinungen zu nehmen.
22. VI. Wird brieflich um neuen Tablettenvorrath gebeten.
1. VII. persönliche Vorstellung. Patientin gibt an, noch nie
so leicht über die Zeit der periodischen Molimina hinweggekommen
zu sein, wie bei Gebrauch der Tabletten. Sie will sich in ihrem
ganzen Wesen freier und leichter gefühlt haben und fühlen, als eB
früher der Fall; die sonst Irübe und sehwermüthige Stimmung sei
geschwunden (Aussage des Mannes) und Lust zur Arbeit kehre
wieder. Schon am 5. Tage nach Gebrauch der Eierstocksconserven
Nachlass der Kopfschmerzen; es traten noch Wallungen auf, die
einige Secunden anhielten. Patientin will bei Gebrauch des Mittels
leichtes Herzklopfen verspürt haben, das früher nie empfunden
Worden sein soll. Erhält 60 Tabletten Rindensubstanz.
35. VII. Wiedervorstellung. Patientin ist nach wie vor äusserst
glücklich über die Behandlung. Sio erhält jetzt geringere D.'sen,
täglich 4 Stück Tabletten.
III. Natürliche Klimax.
Fall 9. J.-N. 16527. Frau R., 48 Jahre alt. Klimakterium.
Letzte Menses vor 3 Jahren Seit dieser Zeit in 4 wöchentlichen
Intervallen in heftiger Weise auftretendes Schwindelgefühl, öfters
am Tage auftretende Wallungen mit Schweissausbruch. Angstgefühl;
nach den Schweissen leichtes Frösteln. Schlaf häufig gestört durch
zur Nachtzeit auftietende Wallungen und Beklemmungen; Gedächtniss-
schwäche; heftige Kopfschmerzen.
Ovariinbehandlung 9. V. 96 begonnen, täglich 8—10 Ta¬
bletten, die mit Eiusetzen der Erscheinungen genommen werden.
Schweiss und Angst verschwinden fast vollkommen; besonders fühlt
sich Patientin durch den Ausfall der Kopfschmerzen erleichtert
Wird weiterbehandelt.
Bittet Anfangs Juni brieflich um Tabletten und berichtet, dass
sie sich beim Gebrauch derselben zur Zeit der periodischen Molimina
in gleicher Weise wie im Mai günstig beeinflusst gefühlt hätte.
Fall 10. J.-N. 366*. Frau D, 45 Jahre alt. Pscudoo variin-
behandlung. Patientin ist seit Anfang Februar wegen heftiger
Erscheinungen von Wallungen mit Schweissausbruch, Angstgefühl,
Herzklopfen, die seit Sistirung der Menses alle 4 Wochen auftreten
sollen, mit anhaltend gutem Erfolge mit Eierstocksconserven 1»-
handelt worden. Siehe Fall 6 der eisten Tabelle. Am 15. V. 1896
erhält die Frau, einige Tage vor Eintritt der Ausfallserscheinungen
40 Pseudoovariintabletten mit der Weisung, täglich 6 Stück zu nehmen
Am 5. VI. VViederVorstellung. Patientin giebt an, vom 16. bis
21. V. durch ihre alten Beschwerden wieder heftig gequält worden
zu sein und absolut keine Besserung in ihrem Zustande, wie sie es
sonst bei Gebrauch der früher erhaltenen Tabletten wahrgenommen
hatte, verspürt zu haben. Wallungen 2—3mal täglich und auch in
der Nacht, migraineartiger Zustand, einseitiger Kopfschmerz, öfters
Flimmern vor den Augen.
Erhält am 5. V, Ovariintabletten (Rindensubstanz).
8. VII. Wiedervorstellung. Die Frau ist durchaus zufrieden
und glücklich. Ohne jede Beschwerden sollen sich am 18.—21. VI.
schwache menstruale Blutungen gezeigt haben. Ausser leichten
Druck auf den Kopf keine üblen Erscheinungen, keine Wallungen,
kein Schweissausbruch. Patientin fühlt sich frei und wohl und
ist äusaeist glücklich über den Erfolg der Behandlung, an deren
Wirksamkeit sie durch den geringen Nutzen der Tabletten im Monat
zuvor zu zweifeln begonnen hatte.
Fall 11. J.-N. 3989. Frau B., 42 Jahre alt. Seit l 1 /* Jahren
sistiren die MenBes fast ganz, alle 8—12 Wochen tropfenweisser
blasser Blutabgang. Während dieser l 1 /* Jahre ist die Frau stark
von Ausfallserscheinungen gepeinigt, so dass sie durch den ihr ganzes
Wesen verändernden Zustand, ihrem grossen Haushalt — wie sie
sagt — nicht mehr in regelrechter Wei.se voretehen kann. 3—4 mal
am Tage aufsteigendes Ilitzegefühl, das 3 Minuten und länger an-
dauern und auch Nachts sich einstellen soll, so dass der Schlaf
dadurch unmöglich wird. Zu gleicher Zeit Röthung des Gesichts,
kein Schweissausbruch. Gefühl von Kribbeln und Jucken in den
Händen, häufig Verstimmung, Kopfschmerzen.
16. VI. 1896. Verordnung: Ovariintabletten (Ganzes Ovarium)
täglich 6, später 8 zu nehmen.
Am 28. VI. bittet Patientin brieflich um das Recept der Tabletten,
die vorzügliche Dienste gethan haben sollen. Einige Tage nach Ge¬
brauch des Medicaments deutliches Nachlassen in der Zahl und
Heftigkeitder Wallungen, Röthungdes Gesichts soll ganz verschwunden
sein, keine Kopfschmerzen mehr, guter Schlaf.
Fall 12. J.-N. 10744 und 17131. Frl. N., 44 Jahre alt, klinisch
beobachtet. l885Laparatomie, Entfernung eines rechtsseitigen Ovarial¬
kystoms. L. Ovarium zurückgelassen, später Enucleation eines sub-
mucösen Uterusmyoms. In den Jahren nach der Operation im All¬
gemeinen gutes Befinden Menses etwas anteponirend, zumeist aber
regelmässig alle 4 Wochen, 8—10 Tage anhaltend, mittelstark. Seit gut
D/a Jahren treten die Menses ganz unregelmässig auf, meist in
8—4monatlichen Intervallen. Es stellen sich seit dieser Zeit fast
täglich unter starken Herzklopfen, Angstgefühl und Beklemmungen
ein. Patientin fühlte sich oft so deprimirt und schwach, so unlustig
zu jeder Beschäftigung, dass sie Tage lang das Bett hüten musste.
Ueber 20mal am Tage sollen sich aufsteigende Wallungen eingestellt
haben, wobei der einzelne Anfall stets mehrere Minuten angehalten
haben soll. Zu gleicher Zeit mit dem aufsteigenden Hitzegefühl
trat Röthung des Gesichts und Schweissausbruch über den ganzen
Körper auf, es stellten sich Schwächegefühl und Zittern in Armen
und Beinen ein, oft Ohnmachtsanwandlungen, der Appetit lag dar-
nieder, Patientin stand vollkommen unter dem Banne dieses uner¬
quicklichen Zustandes, hatte für nichts mehr Interesse und jeden
Lebensmuth verloren. Der Schlaf war völlig gestört; eben so oft
wie am Tage, traten auch Nachts die Wallungen mit Schweissaus¬
bruch auf, die Leibwäsche soll Morgens zum Ausringen nass ge¬
wesen sein. Pünktlich alle 4 Wochen trat eine Vermehrung dieser
Beschwerden auf.
Aufnahme in der Klinik am 17. VI. unmittelbar vor der Zeit,
in welcher nach vierwöchentlichem Intervall eine Zunahme der Aus¬
fallserscheinungen zu erwarten ißt. Die Kranke macht den Eindruck
einer verständigen, ruhigen Dame.
1*
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Google
840
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
18. VI.: lOmal am Tage 2—3 Minuten anhaltende Wallungen,
mehrere Male war es mir möglich, den Zustand dabei zu beobachten ;
ich fand die Dame mit hochrothem Gesicht, Wangen und Nase mit
perlendem Schweisse bedeckt, die Athmung etwas beschleunigt.
Pulsfrequenz vermehrt. Der von mir beobachtete Anfall hielt gut
2-3 Minuten an, dann kehrte allmählich die natürliche Gesichts¬
farbe zurück, Patientin klagte Über den ganzen Körper befallende
kalte Schauem.
19. VI. Verordnung: 6 Tabletten (ganzes Ovarium k 0,25).
Patientin merkt keinen wesentlichen Unterschied in der Stärke und
Zahl der Wallungen.
20. VI—3. VIL erhält Patientin täglich 8 Tabletten, die ohne
jede Verdauungsstörung oder Temperatursteigerung gut vertragen
werden. Urin ohne Eiweiss, ohne Zucker.
Patientin wird angehalten, ihr Leben während des Klinikaufent¬
haltes ganz genau bo einzurichten, wie sie es zu Hause gewohnt war,
um eventuelle günstige Beeinflussung, die allein ein blosser Aufenthalt
in einem Krankenhausc, die damit verbundenen besseren hygienischen
Verhältnisse, besonders das geregelte Leben in der Klinik zu be¬
wirken im Stande sind, abzuschwächen.
Am 3. Tage nach Gebrauch der Conserven giebt Patientin an,
eine merkliche Veränderung ihres Zustandes zu bemerken.
Am 21. und 22. VI. treten die Anfälle wohl noch 8—10 mal
am Tage auf, dauern jedoch ganz kurze Zeit, es fehlt der früher
ho heftige SchweisBausbruch.
Am 23. VI. ist eine noch eclatantere Besserung des Zustandes
zu vei merken. Die Dame ist guter Stimmung und gibt an, sich in
ihrem ganzen Wesen freier und leichter zu fühlen, als je zuvor in
den letzten l’.'a Jahren Der Schlaf ist während der ganzen Nacht
gut, jeder Schweissausbruch zur Nachtzeit fehlt. Dieser günstige
Zustand lässt sich bis zur Entlassung, die am 7. VII., 4 Tage nach
dem letzten Gebrauch der Tabletten erfolgte, beobachten Vom
1-4 VII. täglich noch 4-5mal ganz leichtes, bald vorübergehendes
Einsetzen von Wärmegefühl im Körper, ohne jede Gesichtsröthung
oder Schweissausbruch. In den Tagen nach Aussetzen des Mittels
traten die Wallungen leichter und noch 3mal am Tage auf, Kopf¬
schmerzen ganz verschwunden, Schlaf andauernd gut, in der Nacht
fehlen die früher so Btark einsetzenden Schweissausbrüche vollständig.
Bei diesem Falle, der von Beginn der Behandlung an mit
reinen Eierstocksconserven gefüttert wurde, konnte ich objectiv die
Schwere der Erscheinungen dadurch feststellen, dass in dem beim
Einsetzen des Anfalls Gesicht und Hals bedeckenden Schweiss,
ferner in der beobachteten starken Gesichtsröthung, in dem auf¬
geregten, ängstlichen Wesen der Patientin, ein nachweisbares Symptom
der bestehenden stürmischen Ausfallserscheinungen zur Verfügung
stand, Symptome, die ich dann im Verlauf der Behandlung täglich
in geringerem Grade auftretend verfolgen konnte. Ein weiterer
g<gen suggestive Wirkung sprechender Umstand ist bei unserem
Falle der Punkt, dass allerdings die Beschwerden auf ein Minim um
herabgesetzt wurden, jedoch nicht vollkommen verschwand :n.
Was diesen Auszug aus den Krankengeschichten anlangt, so
sei darauf hingewiesen, dass das vorgelegte Material sämmtliehc
Fälle, die Zwecks Fütterung mit Ovarialsubstauz in der hiesigen
Klinik in Behandlung genommen worden sind, cinsehliesst. Im
Vergleich mit den in der früheren Abhandlung mitgctheilten
Fällen, wurde in der Dosirung gestiegen, doch ist dieselbe auch
so noch gering zu nennen, gegenüber den in den M ai n zer ’ sehen
Fällen verabfolgten Mengen; es wurden bis zu 10 Tabletten täg¬
lich verabreicht ; ‘) die Vtrabfolgung kleinerer Mengen und kleinster
noch Erfolg gebender Dosen geschah zunächst mit Rücksicht
auf den ökonomischen Gesichtspunkt; die Mehrzahl der Frauen,
die, wie es bei der Osariinbehandlung nöthig ist, doch immerhin
längere Zeit hindurch das Mittel gebrauchen müssen, würden
wohl kaum auf die Dauer den Gebrauch grosser Dosen des einst¬
weilen noch nicht billigen Präparates bestreiten können. Auch
von Mur et *) sind gleich uns mittels geringer Dosirung gute Resultate
erzielt worden. Es liegt also nabe, anzunebmen, dass die Verabreichung
so grosser Dosen, wie sie in der Landa u ’ sehen Klinik gegeben
worden sind, durchaus nicht nothwendig ist. Immerhin ist jedoch
der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, dass vielleicht bei
Zufuhr grösserer Dosen gleich zu Beginn der Behandlung eine
noch nachhaltigere und schneller auftretende Wirkung sich würde
erzielen lassen und sollen weiterhin auch über die Darreichung
noch grösserer Dosen bei Einleitung der Cur Versuche angestellt werden.
Das völlige Fehlen jeglicher übler Nebenwirkungen — Herz, Urin,
Temperatur, Puls, körperliches Allgemeinbefinden wurde bei allen mit
Ovariin gef ütterten Frauen genau beobachtet — lässt bei Verabreichung
>) Es ist bei der I. Veröffentlichung insofern ein Fehler mit
untergelaufen, als die einzelne Tablette nur 0,12 der Ovarialtrocken
Substanz = 0,5 frischer Ovarialsubstanz enlspricht.
2) Muret «De l'organtherapie par l'ovaire Lausanne, Revue
mfedicale No. 7.
auch grösserer Dosen, als sie bis jetzt von uns gegeben worden
sind, keine Bedenken aufkommen. Unter den verschiedenen
Oatcgorien der an Ausfallserscheinungen leidenden Frauen, die der
Beobachtung zu Grunde lagen, hat sich am raschesten eine Ein¬
wirkung des Mittels bei den Frauen geltend gemacht, die einer
ganzen oder theilweisen Entfernung der inneren Genitalien unter¬
zogen worden waren. Schon am 2.—3. Tage, nach Gebrauch
von 24—30 Tabletten, zeigte sich eine Herabsetzung der Be¬
schwerden insofern, als eine deutliche Milderung des Schweisa-
ausbruclis bei den einzelnen Wallungen beobachtet wurde und
das begleitende Angstgefühl wich. Vom 10.—12. Tage an, nach
Gebrauch von etwa 100 Tabletten, entsprechend etwa 12 g
Ovarialtrockcnsubstanz, sahen wir bei den beobachteten Fällen
alle Beschwerden bis auf ein Minimum geschwunden, so
dass also am 12- Tage nach Beginn der Behandlung das
Maximum der Wirkung erreicht zu sein scheint. Bei Fällen von
natürlicher Klimax sahen wir gleichfalls vom 6.—7. Tage an ein
Nachlassen der Störungen auf treten. Auch hier geschah eine
güustige Beeinflussung der Symptome in der Weise, dass in den
ersten Tagen nach Gebrauch des Mittels zunächst alle Erschei¬
nungen in gemildertem Maasse auf traten, dass das Angstgefühl,
die Beklemmungen schwanden, dass ein geringerer Schwcissans-
brueh bei den Wallungen sich einstellte. Bei den Fällen von
Amenorrhoe, auf Grundlage von Atrophie der Genitalien, trat eine
Wirkung erst später ein ; bei einem Fall (7) sahen wir in den
ersten Tagen der Be’ andlung (täglich 8 Stück) in Bezug auf die
Wallungen kaum eine Veränderung, während Kopfschmerz und
Seliwindclgefühl nachliessen. Erst nach 14 tägigem Pillengebrauch
wurde eine durchgreifende Besserung des ganzen Zustandes be¬
wirkt, welche sich in völligem Fehlen des früher sehr starken
Schwt issausbruehes, Nachlassen der Wallungen und entschiedener
Besserung des ganzen Allgemeinbefindens zu erkennen gab.
Als schwacher Punkt der Behandlung mit Eierstocks¬
conserven bleibt der Umstand bestehen, dass wir es immerhin nur
mit einem mit Bpecifischer Wirkung versehenen Palliativum zu
thun haben, dass es sich also nicht um ein Mittel handelt, durch
das sich eine dauernde Beseitigung der durch Schwund oder Fort-
nahme des Eierstockes erzeugten üblen Zustände erzielen lässt.
Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dass die Beschwerden
bei natürlicher oder künstlicher Klimax sehr hartnäckig sein und
tief ein greifend wirken können, dass die Dauer dieser Störungen
grossen Schwankungen unterworfen ist und sich, wie die Kranken¬
geschichten zeigen, oft über mehrere Jahre hindurch ausdehnen
kann. Gewöhnlich tritt bei der durch Operation vcranlassten
Klimax einige Monate nach der Operation ein acutes Höhestadium
der Beschwerden von kurzer Dauer auf, danach werden die Aua-
fallserscheimfligen schwächer, treten seltener auf, um allmählich
ganz auszuklingen. Es ist nun schon sehr viel erreicht, wenn
wir jetzt — wio es ja den Anschein hat — durch die Ovariin-
behandlung solchen Frauen über die erste schlimme Zeit des
acuten Stadiums biuwegzuhelfcn und so den Verlauf der Ueber-
gangsperiode erheblich zu verkürzen im Stande sind.
Es scheint uns am geratensten, im Anschlüsse an eine
10—14 Tage durehgeführte Anfangsbebandlung mit Verabreichung
grösserer Dosen noch längere Zeit hindurch kleine Dosen weiter¬
zugeben, eventuell bei Wiedereintritt heftigerer Ausfallserscheinungen
auf kurze Zeit die Verabreichung grösserer Dosen wieder folgen
zu lassen. Aussichtsvollcr und natürlicher bleibt jedoch immer bei
operativen Eingriffen das Bestreben, soviel als irgend möglich vom
Ovarium zu erhalten, da ja in den meisten Fällen verhältniss-
mässig geringe Reste von Eierstockssubstanz die Ovarialfunction
zu erfüllen im Stande sind. Allerdings sehen wir, dass nicht
allein durch Beseitigung der Ovarien Beschwerden hervorgerufen
werden, sondern dass auch die Entfernung des Uterus allein
keineswegs ohne Einfluss auf den Körper verläuft, dass Folge¬
zustände danach cinzutrctcn pflegen, die, ähnlich denen nach Ent¬
fernung der Ovarien, sieh, wie wir gezeigt haben, in gleich günstiger
Weise durch Fütterung mit Ovarialsubstanz beeinflussen lassen.
Glaevecke*) beobachtete bei 14 Frauen, die einer Tota-
exstirpation des Uterus mit Belassung der Adnexe unterzogen
3 ) Archiv für Gynäkologie, Bd 35,
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8. September 1896.
MÜNCHENER MKDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
841
worden waren , das Auftreten von Ausfallserscheinungen, ähnlich
denen nach Castration. Auch die späteren Erfahrungen in hiesiger
Klinik decken sich mit diesem Ergebnisse.
Lange Zeit nach der Operation beobachtete und des Ocfteren
wieder untersuchte Fälle veranlassen zu dem Schlüsse, dass auch
die zurUckgelasscnen Ovarien im Anschlüsse an eine Totalexstir¬
pation des Uterus im Verlaufe der Zeit Veränderungen in der
Weise unterworfen sind, als sich des Oefteren eine Grössenabnahme
und Schrumpfung des Organs constatiren lässt. Als nächstliegend
ist wohl anzunehmen, dass es nach Entfernung des Uterus zu
einer Ernährungsbeeinträchtigung der belassenen Eierstöcke kommt,
die ihre Erklärung darin zu finden scheint, dass es durch die
Ligaturen, durch das Hereinziehen und Vernähen der Stümpfe
mit den Peritonealwundrändern einerseits zu einer Beeinträchtigung
der GefässVersorgung der Eierstöcke zu kommen scheint und
dass andererseits dieselben durch die von den Schnürstümpfen
ausgehende Nekrose immerhin in Mitleidenschaft gezogen zu
werden scheinen.
Herrn Professor Werth, meinem hochverehrten Lehrer,
danke ich an dieser Stelle verbindlichst für freundliche Anregung
und Ueberlassung der Arbeit.
Ein Fall von Molluscum contagiosum an den Augen¬
lidern.
Von Dr. SaUcr, Augenarzt in München.
Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit, einen Fall von Molluscum
contagiosum zu behandeln, welcher besonders desswegen Interesse
erregen dürfte, weil dabei der zuerst von B o 11 i n g e r vermuthete
aetiologische Zusammenhang der Erkrankung mit einer bei Hühnern
und Tauben vorkommeuden bösartigen Infectionskrankheit, dem
Epithelioma contagiosum, wenn auch nicht sicher gestellt, so doch
im höchsten Grade durch die Anamnese wahrscheinlich gemacht
wird. In der mir zu Gebot stehenden Literatur findet sich keine
solche Beobachtung; auch Herrn Professor B o 11 i n g e r ist bisher,
wie er mir freundlichst mittheilte, kein solcher Fall bekannt ge¬
worden.
Das Molluscum contagiosum ist eine in Deutschland seltene
Erkrankung. Obschon die Augenlider einen Praedilectionsort für
dasselbe abgeben, kommt es dem Augenarzt nicht oft zu Gesicht.
In Frankreich dagegen scheint es häufiger auch am Auge be-
beobachtet zu werden. So theilt Wecker aus Paris mit, dass er
sehr häufig kleine Molluscumknötchen als Ursache hartnäckiger
Conjunctivalkatarrhe gefunden hat; erst nach Entfernung der
Knötchen kam der Katarrh zur Heilung.
Was die Natur der Neubildung betrifft, so dürfte wohl nur
darin eine Einigung erzielt sein, dass man den Ausgangspunkt
der Erkrankung in die Zellen des Rete malpighi verlegt. Dagegen
wird die Contagiosität, nach welcher der Entdecker Bäte man die
Geschwulst benannt hat, bald behauptet, bald bestritten.
Eng verknüpft mit dieser Frage ist die nach der Natur der
sogenannten Molluscumkörperchen. Während die einen diese Ge¬
bilde als durch degenerative Zellprocesse entstanden auffassen,
halten sie andere für Gregarinen und suchen in ihnen die Erreger
der Krankheit. In einem auf der Naturforscherversammlung zu
Cassel (1878) gehaltenen Vortrag sprach Bollin ge r die Meinung
aus, dass das bei Hühnern und Tauben vorkommende Epithelioma
contagiosum, die sogenannten «Geflügclpocken», eine mit dem
Molluscum contagiosum des Menschen identische Erkrankung sei
und dass die beim Geflügel wie beim Menschen constant vorkom¬
menden Molluscumkörperchen Gregarinen seien, welche sich durch
Theilung und Abschnürung vermehren. Es ist B oll in ge r ge¬
lungen , das Molluscum contagiosum von einem Huhn auf das
andere zu überimpfen und in der so erzeugten Geschwulst alle
Lebensformen jener Gregarinen nachzuweisen, deren älteste hormen
den Molluscumkörperchen des Menschen völlig gleichen.
Ueberimpfungen von Huhn oder Taube auf den Menschen
scheinen noch nicht gemacht zu sein, dagegen haben verschiedene
Untersucher frisches Material vom Menschen auf ihre eigene Haut
No. 30.
übertragen und einige haben dabei nach einer Latenzzeit von
mehreren Monaten positive Resultate erhalten. *)
Troztdem ist, wie erwähnt, eine Einigung über die Natur des
Molluscum noch nicht erzielt. So hat erst noch vor Kurzem
Kutznitzky (Arch. f. Dermatol, u. Syph. XXXII) auf Grund
eingehender Untersuchungen die Gregarinennatur der Molluscum¬
körperchen bestritten, (ohne übrigens die Contagiosität zu be¬
zweifeln) während auf dem diesjährigen Chirurgencongress J ürgens
(Ref. Münch. Med. Wochenschr. No. 25, pag. 598) die sehr
interessante Mittheilung machte, dass er sich unfreiwillig am
Daumen mit Material von Epithelioma contagiosum des Huhnes*)
inticirt habe und dass daselbst eine Geschwulst entstanden sei,
welche dieselben Gregarinen wie das Epitheliom des Huhnes enthielt.
Bei diesem Stand der Dinge dürfte die nachfolgende Kranken¬
geschichte von Interesse sein.
Fräulein 0., 33 Jahre alt, wünscht von einer Anzahl kleiner,
weisser Knötchen an den Augenlidern befreit zu werden, deren
Auftreten sie seit etwa 2 Jahren bemerkt hat und von welchen
das älteste in der letzten Zeit schneller wächst und Entstellung
verursacht.
Status. Am linken inneren Augenwinkel sitzt am unteren
Lidrand ein waebsweisses, sich derb anfühlendes Knötchen von der
Grösse einer kleinen Erbse. Eine deufliche Delle auf der Oberfläche
ist nicht zu erkennen. Dieses Knötchen soll das älteste sein und
schon fast *2 Jahre bestehen. In seiner directen Nachbarschaft, die
Gegend des Thränensackes einnehmend, etwa 6—7 dicht zusammen¬
liegende stecknadelkopfgrosse Knötchen von derselben Beschaffenheit,
in den oberflächlichsten Hautschichten eingelagert. Ganz ähnlich
tritt die Affection am rechten Auge auf, nur dass hier kein Knötchen
die Stecknadelkopfgrösse überschreitet.
Aus dem angeritzten grössten Knötchen entleerten sich nur
Spuren von körniger Masse; daher wurde das Gebilde mit Pincette
und Scheere abgetragen; die anderen Hessen sich nach Spaltung
der dünnen, sie bedeckenden Epithelschicht wie aus einer Kapsel
aus der Haut herausschälen.
Die anatomische Untersuchung des grössten Knötchens, welches
bei der Einbettung in Paraffin in mehrere Theile zerfiel, ergab zahl¬
reiche Molluscumkörperchen.
Auf Befragen gab Patientin nun an, dass im Jahre 1893/94
eine im nämlichen Hause wohnende Frau ein ganz gleiches Knötchen
an der Wange gehabt habe.
Diese Patientin war so freundlich, sich nun ebenfalls unter¬
suchen zu lassen. Es fanden sich einige Flecken von Xanthelasma
an den Lidrändern, aber kein Molluscum. Dagegen passt die Be¬
schreibung des vor 2 Jahren beobachteten Tumors vollkommen auf
Molluscum. Derselbe war schmerzlos, ziemlich weich, weiss, wuchs
sehr langsam bis Erbsengrösse, brach dann schmerzlos auf und
entleerte einen weisslichen Brei, worauf er sich spurlos zurückbildete.
Vom Sommer 1893 ab wurden in dem von beiden Patientinnen
bewohnten Hause Tauben gehalten, mit welchen beide häufig in
directe Berührung kamen. Unter diesen Tauben brach bald eine
verheerende Seuche aus, an welcher die meisten der Thiere, nament¬
lich ira folgenden Winter, starben. Patientin O., welche täglich
die Tauben am Fenster fütterte, manchmal auch zu sich herein¬
holte, bemerkte an ihnen Abmagerung, stellenweisen Verlust der
Federn, sowie kammartige Bildungen auf dem Schnabelrücken.
Nachdem ihr die Bollinger'sche Abbildung 3 ) des an Epitheliom
erkrankten Hühnerkopfes vorgelegt war, erklärte sie, dass die
Tauben ganz ebenso ausgesehen hätten.
Obschon der directe Nachweis, dass es sieh bei diesen Tauben
wirklich um Epithelioma contagiosum gehandelt hat, nicht zu er¬
bringen ist, erscheint mir dies doch nach den Angaben der in¬
telligenten Patientin als ziemlich sicher. Da nun die Neubildung
gerade am Schnabel mit Vorliebe auftritt, ist beim Füttern die
beste Gelegenheit zur Infection gegeben, wenn die Thiere aus der
Hand fressen. Dass von den Fingern die Infection besonders
leicht auf’s Auge übertragen werden kann, bedarf keiner Er¬
klärung ; ich erinnere nur an die so häufige Uebertragung des
gonorrhoischen Giftes auf die Conjunctiva.
Ob es sich bei der zweiten Patientin ebenfalls um Mollus¬
cum gehandelt hat, ist natürlich nicht sicher zu entscheiden,
wenngleich die Schilderung es glauben machen muss. Jedenfalls
fällt die Zeit der Taubenscuche mit dem Beginn der Erkrankung
beider Personen auffällig zusammen, wenn man die einige Monate
dauernde Incubationszeit in Anrechnung bringt.
i) Eine geschichtliche Zusammenstellung der Literatur über
Moll, bei Rieder, im Bericht der Morphol. Ges. München 189*2 und
bei Stroebe, Centralblatt fürallgera. Pathol. u pathol. Anat. V. 1894.
*) Im Referat heisst es: desFusses; jedenfalls liegt ein Druck¬
fehler vor.
3 ) V i r c h o w 's Archiv Bd. 58.
2
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842
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36
Die anatomische Untersuchung der exstirpirten Knötchen hat
ausser dem sicheren Nachweis der Molluscumnatur kein besonders
erwähnonswerthes Resultat geliefert. Zwei an Huhn und Taube
angosteilte Impfversuche endigten leider dadurch vorzeitig letal,
dass die beiden Thierc, jedenfalls zu eulinarischen Zwecken, ge¬
stohlen wurden.
Eine gelungene Rückimpfung der Krankheit vom Menschen
auf das Thier würde natürlich die Aetiologie .Sickerstellen, während
das Misslingen einer solchen Impfung nicht als Beweis gegen die
Uebertragung vom Geflügel auf den Menschen gelten könnte.
Zum Schluss ergreife ich die Gelegenheit, Herrn Professor
Bollinger für seine freundliche Unterstützung bei dieser wie
bei anderen Untersuchungen meinen herzlichsten Dank abzustatten.
Aus dem pathologischen Institut in München.
Ueber intrauterine Typhus- und Mischinfection einer
lebensfähigen Frucht.
Von Pr. Hermann Assistent am patholog. Institut.
Vor kurzer Zeit wurde dem pathologischen Institut von der
II. medieinischen Abtheilung des Herrn Professor Bauer die
Leiche eines neugebornen Kindes zu genauerer Untersuchung über¬
gehen, welches von einer in der 3. Woche an Typhus abdominalis
erkrankten Frau geboren und 9 Stunden post partum gestorben war.
Der von Herrn Privatdocent Dr. R. May gütigst zur Ver¬
fügung gestellten Krankengeschichte entnehme ich folgende Daten :
G. R., Köchin, 20 Jahre alt. Eintritt am 22. VI. 1896. Fühlt
sich seit 14 Tagen krank. Kräftig gebaute, gut genährte Person.
Dämpfung im Bereich des r. M. L. In der r. Axillarlinio unten fast
bronchiales Atlimen. Fundus uteri 2 Finger breit oberhalb des i
Nabels. I'oetale Herztöne links vom Nabel hörbar. Milz im F»reiten- i
durchmesser vergrössert, Die Temperaturen bewegten sich zwischen
38,0 und 40,4°. Am 28. VI. erschienen zahlreiche Roseolen auf dem
Abdomen, die sich in den nächsten Tagen noch vermehrten. Stühle
breiig gelb. Diagnose: Typhus abdominalis. Am 4 . VII.
setzte bei der Patientin Wenenthätigkeit ein; um 6 Uhr Abends
erfolgte die Geburt eines ziemlich gut entwickelten Knaben. Der¬
selbe lebte bis zum 5. VII. Morgens 3 Uhr. Vom 11. VII. an Ent¬
fieberung der Patientin.
Die Leiche des Kindes kam 7 Stunden nach dem Tode zur
Section. Gewicht 3120 g, Länge 45 cm. Die Hautdecken leicht
ikterisch,. das Abdomen etwas aufgetrieben. In der Bauchhöhle
ungefähr 25 ccm trübseröse Flüssigkeit. Darm- und Parietalserosa
glatt und glänzend. Die Leber etwa fingerbreit beide Rippenbogen
überragend; besonders der linke Lebcrlappen ist stark geschwellt,
unter der Kapsel zahlreiche, dichtstehende, dunkelrothe Blutaustritte,
Auf dem Durchschnitt das Gewebe sehr blutreich. Zeichnung der
Acini undeutlich.
Die Milz ziemlich vergrössert 4,2 X 2,5 cm. blutreich mit
zinnoberrother, überquelleuder Pulpa, ohne deutlich erkennbare
Follikel.
Von dem übrigen Sectionsbefund erscheint nur erwähnens-
wertb, dass beide Lungen in allen Theilen gut lufthaltig waren;
Darm mit glatter, leicht injicirter Schleimhaut ohne Schwellung
des Lymphapparates, auch die Mesenteriaklrüsen nicht geschwellt.
Nieren ziemlich blutreich.
Es konnte durch die .Section allein zunächst also keine eigent¬
liche Todesursache bei der nahezu ausgetragenen und normal ent¬
wickelten Frucht aufgefunden werden. Sofort nach Eröffnung
der Bauchhöhle wurde unter den nothwendigen Cautclen Gewehs-
saft aus der Leber und der Milz entnommen und auf Agarplatten
weiterverarbeitet.
Nach 24 Stunden zeigte sich bei 37,5° C. ein intensives
Wachsthum auf den beschickten Platten. Auf den mit Leber-
parcnchymsaft bestrichenen hatten sich sehr zahlreiche, graue, rund¬
liche, flache, nicht sehr ausgedehnte, aber vielfach confluirende
Colonieen entwickelt, die in durchfallendem Licht ein perlmutter-
graues Aussehen boten. Daneben einige grössere, rcinweisse,
erhabene, stark glänzende Colonieen.
Auf den Milzplatten war des Verhältnis ein gerade um¬
gekehrtes. Hier herrschten die grossen, glänzend weissen Colonieen
vor, während von den kleineren, flachen, grauen nur einige zur
Entwicklung gekommen waren.
Im Ausstrichpräparat zeigten die kleinen grauen Colonieen ziem¬
lich kurze, plumpe Stäbchen, manchmal zu etwas längeren Fäden
verbunden, an den Enden stark abgerundet, im hängenden Tropfen
lebhaft eigenbeweglich, im gefärbten Präparat die Endstücke oft
stärker und dunkler gefärbt als die Mitte. Nach der Gram'-
sehen Methode vollständige Entfärbung.
Bei der Weitcrcultivirung ergab sich, dass der Bacillus auf
Agar stets als grauer, nicht besonders üppiger Rasen wuchs
Gelatine nicht verflüssigte, sondern ein leichtes strichföraiges
Wachsthum entlang dem Stich zeigte, Bacillen innerhalb 24 Stun¬
den leicht wolkig trübte, mit Bildung eines geringen, leicht auf-
schüttelbaren Bodensatzes.
Auf nicht angesäuerter Kartoffel entstand nach 2 mal
24 Stunden bei 37° C ein ziemlich üppiger, hellgelblicher Belag,
bedeutend heller als er gewöhnlich bei Bacter. coli zu sein pflegt.
In Zuekergelatine keine Spur von Gasbildung.
Auf mit ’/j Proc. mit 1 Proc. Citronensäure angesäuerten
Kartoffelscheiben gleichfalls innerhalb 3 mal 24 Stunden bei 37° C.
ziemlich gutes Wachsthum in Form eines zarten, lichtgrauen,
feuchtglänzenden Häutchens. Im Ausstrichpräparat sehr zahl¬
reiche Bacillenexcmplare mit ausgesprochen deutlicher Polkörner¬
bildung.
Milch wurde auch nach tagelangem Stehen nicht coagulirt.
Indolreaetion negativ.
Es dürfte damit nach den modernen Anforderungen der
Beweis erbracht sein, dass der in Rede stehende Mikroorganismus
mit dem Eberth-Gaffky' sehen Bacillus typhi abdominalis zu
identificiren ist. *)
Das Bacterium II (die grossen, runden, glänzend weissen
(’olonieen) zeigten im Ausstrichpräparat einen kugligrunden, zu
unregelmässigen Haufen angeordneten Coccus. Das Bacterium
erwies sich nach seinem culturellcn Verhalten, auf dessen genauere
Darstellung ich hier wohl füglich verzichten kann, als der
Staphylococcus pyogenes albus.
Das für die histologische Untersuchung conservirte Material
der Leber ist leider zu Verlust gegangen. *)
In der Milz waren in Schnitten nach intensiver Färbung
mit Carboifuchsin sowohl die Coecen wie die Bacillen nachweisbar,
letztere wie auch in der C’ultur in der Minderzahl. Beide Arten
lagen frei zwischen den Zellen des Pulpagewebes, spärlicher in
den Follikeln. Die überhaupt nicht sehr zahlreichen Typhus-
bacillen waren öfters in kurzen Fäden zu 2—3 Exemplaren hinter¬
einander angeordnet. Intravasculär konnten Bacillen nicht auf¬
gefunden werden.
Eine placentare Uebertragung von Krankheitskeimen von
der Mutter auf die Frucht wurde beim Menschen bis jetzt mit
Sicherheit nachgewiesen für Milzbrand, Pneumonie, Typhus, Tuber-
culose und gewisse Eiterungen (so bei Variola und Typhus).
Ohne auf die zur Zeit noch divergirenden Anschauungen über
den Modus des Zustandekommens einer placentaren Infection hier
näher cinzugchcn, möchte ich nur kurz auf die bisher bekannt
gewordenen Fälle von intrauteriner Typhusübertragung hin-
weisen.
Die ersten einschlägigen Publicationen von lieber*), Neu¬
bau ss 4 ) und Cha n t e nies se und Vida 1 ®) müssen, wie Eberth
hervorhebt, unberücksichtigt bleiben, da der aus dem Körper der
Frucht isolirte Pilz bacteriologisch nicht genügend charakterisirt
wurde, um mit Sicherheit als Typhusbacillus angesprochen werden
zu können. Im Jahre 1889 theilte Eberth 6 ) den ersten
unzweifelhaften Fall einer intrauterinen Typhusiufection mit, indem
er in einem mit den Eihäuten todt ausgestossenen Foetus einer
in der 3- Woche an Typhus abd. erkrankten Frau Typhus¬
bacillen im Herzblut und tu der Milz sowie. in der Placenta
culturell nachweiscn konnte. Etwas bedenklich bleibt bei diesem
‘) cfr. auch Leo Mülle r: Beitrag zur Unterscheidung zwischen
Typhusbacillus und Bacter. coli commune. S A. aus den Arbeiten
des bacteriologischen Instituts der Grossh. Hochschule zu Karls¬
ruhe, 1894.
2 ) Es ist dieser Verlust um so bedauerlicher, als auch Hilde¬
brandt und Ernst das gleiche Missgeschick hatten.
s ) Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. Archiv für experim.
Pathologie, 19, Bd, 1885.
*) Weitere Untersuchungen über den Bacillus des Abdominal-
typhus. Berl. klin. Wochenschr., 1886, No 24.
,J ) Bacille typhique et dtiologie de la fievre typhoide. Archiv«
de Physiologie, 19, 1887, pag. 250.
*) Geht der Typhusbacillus auf den Foetus über? Fortschritte
der Medicin. Bd. 7, 1889, pag. 161.
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8. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
843
wese«) nur, dass der Foetus (dessen Grösse nicht angegeben ist) A c c o'Jm bo «*)’ d A°d ^ ^ De8trt5e Vincent “)
tod ausgestossen wurde, nachdem die Mutter 10 Tage vorVfn! I Aoo " ,mboni '*> _ Und Ande ™’
dass der C^TT ^ Kindsbewe S™«en verspürt hatte, so
wLn in S I "17° S “ undäre Einwanderung von Typhus-
bacilien in die abgestorbene Frucht, etwa von deren Oberfläche
her, also auch hier nicht ganz ausgeschlossen scheint.
HerJ V t eit T rh r k Tlr, Hildcbrandt < ) im Nabclvcnenblut,
Herzblut, Leber und Milz von einer todtgeborncn 7 Monate alten
™e C f h fl ein< T T , 15 . n Tag an Abdomina ltyphus erkrankten Frau
zweifei ose Typhusbacillen mikroskopisch und culturcll nachweiscn.
qR P f G . clegenheifc > cinc 46 cm lange Frucht aus der
36. (xraviditatswoche zu untersuchen, welche 93'/ 2 Stunden gelebt
T nt' K „ ! irt War 3m U- Krankheitstage der Mutter erfolgt,
lyphusbacillen konnten mikroskopisch in «i™. m;i__j _ _ . . ..
Von grossem Interesse für die Frage der Uebertragung
secundärer Krankheitserreger ist der von E. F r tl n k e 1 und
vlder 1 en 1 c ) mitgetheilte Fall, in welchem sich in dem in der
3. Kranklieitswochc ausgestossenen 5 monatlichen Foetus keino
lyphusbacillen, wohl aber Staphylococcus pyogenes albus und
flavus nachweiscn Hessen. Staphylococeen sah auch Auehd 17 )
die 1 lacenta bei Blattern passiren, er konnto sie im Blut und in
der Leber des abortirten Foetus nach weisen.
Wenn es demnach keinem Zweifel mehr unterliegen kann
dass die menschliche Placenta für im mütterlichen Blute kreisende
pathogene Keime durchaus nicht jene unübersteigliche Barriere
bildet, für welche sie früher gegolten bat, so brauchen wir doch
Typhusbacillen konnten mikro konisch Tn Z mA * „T ’ u ßeß ° IteD bat ’ 80 brauchen ™ doch
.ich auch im Gehirn, im Mark d^Feliw“t,t Ä Siffig ^Fr“ d tiLlT It
Haufen kulturell'^n Herzblut In , a J 8 .f dchnten mtravasculären » 2 Fällen vergeblich bemüht, in den Foeten von an°Typhus
Einen Tae vor R ^ p £ , d M ' ,Z nacll ^wicscn werden. erkrankten Müttern das organisirte Virus nachzuweisen Ob für
Vn . - . Erkrankung war die Mutter auf den den Uebertritt desselben, wie Wolff lehrte stets H^'orrwl
blutiger Urin ^nd Gelblich An8cbl ^ ss an die “ es Trauma hatte sich >m Bereiche der Chorionzotten angenommen werden müssen er-
Dieser Umstand xriri' von Ausfluss . aus ' der eingestellt. scheint nach den Untersuchungen von Schmal und Ko ekel'über
Wolff’s verwert! t Ernst nu Sinne der Theorie Max die Tuberculose der menschlichen Placenta* 0 ) mindestens recht
fl ’- W °T naCh DurcbIa ^gkeit der Placenta fraglich. Im Ernst’schen Falle war einen Tafvor dem Fin
hat fDiepLonK V' ne °" d ? I ' lacG " ta zur Voraussetzung setzen der Krankheitssymptome ein Trauma (Fall auf den Rücken)
hat. (Hie I lacenta war im Ernst sehen Falle nicht untersucht. I mit nachfolß-enrlnr TT-:.. _l. . n '
hat. (Die Placenta war im Ernst’schen Falle nicht untersucht
worden.)
Auch Giglio 9 ) will in dem 3 monatlichen Foetus einer an
einem «typhusartigen Infectionsfieber» erkrankten Frau Typhus¬
bacillen gefunden haben. Aus seiner Darstellung geht jedoch
nicht mit genügender Sicherheit hervor, ob es sich wirklich um
lyphus handelte. Seine Untersuchungsmethoden waren jedenfalls
recht mangelhafte. Frascani« 0 ) hat in 3 Fällen von Abdo¬
minaltyphus, der bei schwangeren Frauen (in 2 Fällen im 7 ., in
einem Fall im 8. Schwangerschaftsmonat) aufgetreten war und
den Abortns zur Folge hatte, die Organe der Foeten bacterio-
logisch untersucht. In einem Falle fand er einen zur Gruppe
der Coli-Bacillen gehörigen Mikroorganismus, der auch in den
Lochien der Wöchnerin nachweisbar war; im 2. Falle hat er aus
dem der Mutter und den inneren.Organen des Foetus entnommenen
Blute oinen Bacillus isolirt, der die Merkmale des Ebcrth-
Gaffky’sehen Typhusbacillus besass, im 3. Falle fand er den¬
selben Bacillus in der Placenta, aber keinerlei Bactcrien im Foetus.
Experimentell konnte bei trächtigen Kaninchen und Meerschweinchen
ebenfalls fast immer ein Uebergang dieses Bacillus auf die Früchte
constatirt werden.
Es liegen demnach also bis jetzt erst 4 sichere Beobachtungen
von intrauteriner Uebertragung des specifischen Typhuserregers
vor, denen sich der mitgetheilte Fall als fünfter anreiht. Nur
in dem Ernst’schen Falle und in unserem hatte es sich um
nahezu ausgetragene, lebensfähige Früchte gehandelt (46 cm bezw.
45 em lang). Was jedoch unsern Fall ganz besonders auszeichnot,
ist die gleichzeitige intrauterine Infection der Frucht
mit zwei verschiedenen pathogenen Keimen, dem Ba¬
cillus des Typhus und einem Eitererreger, also eine ächte pla-
centare Mischinfection.
Nun ist ja bekannt, dass gerade beim Abdominaltyphus sich
fast regelmässig und oft sehr frühzeitig secundär Streptococcen
und Staphylococeen im Organismus ansiedeln, die unter Umständen
ihrerseits wieder Veranlassung zu mannigfachen Complicationen
der primären Infectionskrankheit geben können. Ich verweise auf
die zahlreichen einschlägigen Publikationen über diesen Gegenstand
, .„ T . ^ ur Casuistik des placentaren Ueberganges des Tvnhus-
iqo„ us Mutter auf Kind. Fortschritte der Medicin. Bd 7
1889, p. 889. " ’
®) Intrauterine Typhusinfection einer lebensfähigen Frucht
Ziegler’s Beiträge, Bd. 8. 8
•) Ueber den Uebergang der mikroskopischen Organismen des
nÄ! 1890 p F 819 ZUm F06tUB ' CeDtralblatt für Gynaekologie.
h '° ] Pfervazioni cliniche e ricerche sperimentali sul passagio del
mÄläa „ 9 « 9 a Tl re - n et0 - ^^sta generale ital. di clinica
medica 1892, p. 282. Ref. in Baumgarten s Jahresbericht 1892.
mit nachfolgender Blutausscheidung im Urin vorhergegangen, so
dass der Verdacht auf eine Haemorrhagie in der Placenta nahe¬
hegend war. In unserem Falle liess sich ein vorangegangenes
Trauma nicht nachweisen ; man könnte aber zur Noth die gleich¬
falls in den foetalen Organen gefundenen Staphylococeen für das
Zustandekommen einer Blutung in der Placenta (dieselbe ist leider
nicht zur Untersuchung gekommen) verantwortlich machen, wenn
es einer solchen überhaupt bedürfte.
Weit einfacher jedoch wird man eine directc active Laesion des
Zottenepithels durch die in die Placenta materna eingeschwemmten
Mikroorganismen nach der Analogie von deren Wirkung auf die
Zellverbändc anderer Organe annchmcn können.
Der Tod des Kindes, welches, abgesehen von der Milz- und
Leberschwellung und leichtem Ascites, bei der Section keine patho¬
logischen Veränderungen seiner Organe aufwies (sogar beide Lungen
waren ganz lufthaltig), ist durch die bacteriologische Untersuchung
inj befriedigender Weise aufgeklärt. Die Diagnose der Todesursache
ist jedoch natürlich nicht etwa auf congenitalen Typhus abdominalis
zu stellen, denn ein solcher ist, wie schon Reh er (1. c.) hervor¬
hebt, beim Neugebornen in Folge der veränderten Eingangspforte
des Virus überhaupt nicht denkbar. Es handelte sich hier, wie
Ernst (1. c.) den Zustand nennt, um einen «Blut-Typhus»;
die Frucht der typhuskranken Mutter befand sich nach der Aus¬
drucksweise von S. Honl **) im «bacillären Status».
Der Uebergang der Bacterien in den kindlichen Kreislauf
dürfte nicht erst als sub partu erfolgt angenommen werden, wo
“) Zur Lehre von d. Aetiologie d. Complicationen im Abdominal¬
typhus. Jahrbücher der Hamburger Staatskrankenanstalten I. 1889.
“) Beobachtungen über Leberabscesse bei Typhus abdominalis
Berl. klm. Wochenschr. 1890, No. 9.
15 ) A propoB de quelques cas de suppuration compliquant la
fievre typhoide. Journal de mddecine de Bruxelles 1891.
u ) Recherches bactdriologiques sur l’infection mixte par le
bacille typhique et le streptocoque. Le Bulletin mddical 1891, No. 4L
16 ) Sulla eziologia di alcune complicazioni del tifo. Riforma
medica 1892, No. 46.
1B ) Zur Lehre vom Uebergang pathogener Mikroorganismen von
der Mutter auf den Foetus. Fortschritte der Medicin. Bd. 7, 1889
p. 641. —
17 ) Passage des microbes k travers le placenta des femmes
enceintes atteinte de variole. Semaine mddicale 1892, p. 490.
18 ) Es möge hier auch auf die Analogie mit dem Milzbrand
hingewiesen werden, wo gelegentlich bei inficirten Thieren mit
mehrfacher Trächtigkeit beobachtet wurde, dass ein Theil der
Jungen inficirt wurde und an der Infection post partum zu Grunde
ging, während ein Theil davon verschont blieb.
19 ) Zur aetiologischen Bedeutung des Typhusbacillus. Central¬
blatt für klin. Medicin, 1886, No. 39.
J0 ) Zieglers Beiträge, Bd. XVI, p. 313.
S1 ) Ueber congenitale Tuberculose. Bulletin international de
l’Acaddmie des Sciences de l’empereur Francois Joseph I. Praeue
1894. 8. A.
2 *
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846
MÜNCHENEU MKDICINISCIIK WOCHENSCHRIFT.
Pseudotumor und dein Intcstinaltraet voraus '), ein Vorkommnis», das,
wie Sic sich aus den über die pathologische Anatomie der uns be¬
schäftigenden Erkrankung gemachten Darlegungen erinnern wollen,
zu den Seltenheiten gehört. In einer Mehrzahl der Fälle wird
man über eine Wahrseheinlichkeitsdiagnose nicht hcrauskommen.*)
Bezüglich der Ausgänge der Erkrankung kann ich
mich kurz fassen. Ist dieselbe auf umschriebene Abschnitte des
Bauchfetts beschränkt nnd tritt sie nur in Form jener kleinen,
charakteristischen, weissgelblichen umschriebenen Flecke auf, dann
beeinträchtigt sie die Gesundheit der Individuen in keiner Weise
und stellt bei aus anderen Ursachen verstorbenen Personen einen
rein zufälligen Befund dar. In allen anderen Fällen, wo es sich
um über grosse Theile des Bauchfetts ausgebreitete, mit Sequestration
desselben verbundene, durch haemorrhagische Processe eomplicirte
Nekrosen handelt, tritt, zumal wenn eine Einbeziehung der Bauch¬
speicheldrüse in die Erkrankung statthat, der Tod ein. Nur ganz
ausnahmsweise kann nach vorgängigem Durchbruch der sequestrirten
Massen in den Darmcanal, der gewöhnlich im Duodenum vor sich
geht, sich aber auch an anderen Stellen des Darmtracts, ja selbst
am Magen vollziehen kann, und nach Eliminirung des todten
Gewebes per vias naturales das Leben erhalten bleiben.
So können sich grosse Stücke des Pankreas abstossen, ohne
den Fortbestand des Lebens unmöglich zu machen. Ich bube
Ihnen Eingangs meiner heutigen Erörterungen über zwei derartige
von H. Chiari beobachtete Fälle berichtet. Angesichts der
extremen Seltenheit solcher Ereignisse wird man aber die Prognose
der ausgedehnten Fettnekrose im Allgemeinen als eine durchaus
infaustc ansehen können.
Ob die grossartigeu Fortschritte der modernen Bauchchirurgie
im Stande sein werden, hieran etwas zu ändern, muss abgewartet
werden. Die bisher in dieser Richtung gemachten Bestrebungen,
auf dem Wege der Laparotomie eine Heilung anzubahnen, sind,
soweit meine eigenen Erfahrungen reichen, constanfc, und soweit
ich aus der Literatur ersehe, fast ausnahmslos erfolglos verlaufen,
indem sie nicht vermochten, den Eintritt des Todes bei den
betreffenden Individuen zu verhüten. Dass es nicht möglich ist,
durch innere Mcdicution das Lcideu günstig zu beeinflussen, liegt
auf der Ifand; in dieser Beziehung sind erst von weiteren Auf¬
schlüssen über die uns noch gänzlich unbekannte Aetiologie des
in Rede stehenden Processes Fortschritte zu erhoffen.
Feuilleton.
Humanistische oder realistische Vorbildung der
Mediciner?
Von Hofrath Dr. Brauser.
In derselben Vorlage, mit welcher die künigl. bayer. Staats¬
regierung durch die Kreisregierungen die Aerztekammern mit der
Berathung des Entwurfes einer neuen Prüfungsordnung beauf¬
tragte, wurden die Aerztekammern auch aufgefordert, sieh über
die Frage:
^.ob den Absolventen des Realgymnasiums die Zu¬
lassung zum medicinisehen Studium und zu den ärzt¬
lichen Prüfungen zu gestatten sei,»
gutachtlich zu äussern.
Es ist dies keine neue, sondern eine seit vielen Jahren in
ärztlichen und anderen Kreisen viel besprochene und viel um¬
strittene Frage, deren stricte Beantwortung den Aerztekammern
nicht ganz leicht fallen dürfte.
*) Zuweilen reicht indess dio zwischen Bursa omentalis und
dem in diese frei einmündenden Ductus Wirsuugianus der erhaltenen
Pankreasstücke bestehende Verbindung aus, um einen Uebertritt
des abnormen Inhalts der Bursa in den Darm zu ermöglichen.
-) In der nach bereits fertig gestelltem Manuscript erschienenen
No. 32 der Deutschen med. Woclienachr. findet sich der Bericht
über eine Sitzung des Vereins für innere Mediciu (Literaturbeilage
No. 21 p. 138), in welcher Benda Präparate von Fettpankreasnekrose
demonatrirte. Stadelmann bemerkte in der sich anschliessenden
Discussion, dass die betr. Patientin unter den Erscheinungen des
Diabetes und Coma, die or als Symptome der Fettpankreasnekrose
anffasst, zu Grunde gegangen ist. Ich beschränke mich hier auf
die Feststellung dieser Thatsache, deren weitere Begründung durch
Stadel mann noch aussteht
Die Verhandlungen über diese, mit der Vorlaj
Prüfungsordnung innig zusammenhängende Frage düi
erleichtert werden, wenn wir, wie bei der ersten
Rückblick auf die vielerlei, über dieses Thema beri
Aeusserungen deutscher Acrzte und Schulmänner w
Bevor ich an diese Aufgabe gehe, kann ich
dankens nicht erwehren, dass die Entscheidung üb
ob humanistisches oder Realgymnasium, oder beide
der Medicin berechtigen sollen, recht eigentlich die I
sollte über die andere Frage der Gestaltung des
und der Prüfungen für die künftigen Mediciner.
Studiengang dürfte ja ein ganz wesentlich anderer ’
sieh z. B. die Mehrheit für die Zulassung der Sch
gymnasien entscheiden sollte. Die künftigen Medi
dann mit einem weitaus kräftigeren Fond von natt
liehen Kenntnissen auf die Hochschule, so dass die
Prüfungsordnung beabsichtigte Zulage eines Semester
bereitenden Studien bis zur Vorprüfung vielleicht
scheinen und das fünfte Semester besser auf di
medicinisehen Fächer verwendet werden dürfte,
gelegte Prüfungsentwurf scheint darauf zugcschnil
dass die Verhältnisse die gleichen bleiben, wie bisl
humanistischer Gymnasialvorbildung das ganze Gebi
Wissenschaften mit Anatomie und Physiologie erst £
schule zu cultiviren sein wird, wozu allerdings :
nöthig erscheinen. Wenn aber die Frage der Gymn;
noch offen gelassen wird, dürfte auch über diese Frs
wissenschaftlichen Vorstudiums noch keine definitive
gefällt werden können.
Dies vorausgeschickt möchte ich nun kurz skizzi
mannigfacher Weise die uns vorgelcgte Frage der
Realgymnasistcn zum Studium der Mcdiein schon b
beantwortet worden ist. Schon im Jahre 1875 i
zwei Philologen, der Direct or der Realschule in I;
Conrad Friedländer, und der Gymnasialprofessoi
rab in Drc.'den für die Zulassung der Realschulen
der Mediciu unter spccicller Betonung der Nothwec
siverer Ausbildung der Mediciner in Naturwissen
Mathematik, sowie in den neueren Sprachen.
Im gleichen Jahre hatte der Bundesrath ein(
ärztlicbcu Prüfungsordnung vom Jahre 1869 in
nommen, was die grossb. badische Regierung vei
badischen ärztlichen Ausschuss über etwaige Aer
Prüfungsordnung zu hören. Dieser hat sich mit 4 gej
für die Zulassung der Realgymnasien zum medicinis
ausgesprochen. Gelegentlich der Besprechung dies-
ärztlichen Vereinsblatt wurde auf ältere Aussprüche
Autoritäten hingewiesen. Professor Lebert, dam
hat die mangelhafte naturwissenschaftliche Vorbild
einer beklagt, welche cs nothwendig mache, densell
dein Eintritt in die Hochschule einen Ueberblick
sammtc Naturwissenschaft zu geben; ebenso ford
Bcneckc - Marburg eine allscitige, gründliche,
sammeuhängende Durchbildung der Mediciner in
Zweigen der Naturwissenschaften, wozu schon auf dt
der Grund gelegt werden müsse. Benecke citir
Satz des alten Celsus, welcher schon vor 1800
«Naturae rcrum contemplatio, quamvis non faciat
tiorern tarnen medicinac reddit.» Das Gleiche foi
Cliristern - Altona in seinen medicinisehen Briei
sehr wahr sagte: «Jeder Arzt soll erst forschen, (
er soll auch als praktischer Arzt Naturforscher sei
Vortrage im naturwissenschaftlichen Verein zu
Obermedicinalrath l)r. V o 1 z über die höhere Sc
männlichen Jugend gesprochen und kam dabei zu
dass classische Bildung allein nicht genüge, dagej
Jugend naturwissenschaftlich denken lernen. Er f
kommnung der klassischen Bildung nach der So:
Wissenschaften hin, daher Vereinigung der classis
realistischen Bildung.
Im Jahre 1878 richteten die Directoren zahlreicl
Realschulen an den Reichstag Petitionen um Gewi
Digitized by UjOOQie
8. September 1896.
de*® 8eine f ga , nzen Verlauf erweitert, ebenso
weisenden Gallenbl^e^ weitere Conc/em™?»' 1 “ 6 W “ d “*“‘
de. fS". ääät 1 biMet ° ich “ ,ar die
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Si£lPi=S“S
heftiee?e Anfall k manchmal, besonders Nachts, durch noch
nettigere Anfälle unterbrochen wurden. Häufig üebelkeit und Fr
brechen Stuhlgang meist diarrlioisch. g 1 und Er '
pmnfiS 1 ?™. 81 sit : h derLeib meteoristisch aufgetrieben, druck-
2 fi * h - besonders in der linken und rechten Seite. Unter dem
linken Rippenbogen undeutliche Resistenz zu fühlen. Bei einer
Untersuchung in Narkose erhält man das Gefühl eines hier tief
sitzenden vermutlich retroperitonealen TuSors Zwecks
Entfernung des letzteren wird am 24. Februar_
das Peritoneum 0 ^ ^! e vorgenommen. Dabei stellt sich heraus, dass
SrosJhnrrlen d P K ta , ! UIld vlscera,e mit zahlreichen kleinen Fett-
? 8ehcrden dur chsetzt ist, wessbalb von weiteren Eingriffen Ab-
anatoirvUel’ a"* * 1 T Und , DUr e, , n Stück des «rossen Netzes zum Zweck
mi8chl er Untersuchung (welche die klinische Diagnose bestätigt)
SSfk'I A “ 2 'J age nach der 0 P e ration 6 mal, zum Theil
blutiges Erbrechen, ein blutiger Stuhl, f am 27. Februar.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
845
hohpnpnRff V° n ^tätigte den bereits bei der Operation er-
hprHpn „n? daa gauze Perit °neum zerstreuten Nekrose-
™ TW« ?! !f F r 1^1 Übng o nS die Ibnen heute vo rgelegten Präparate
zu Tage bezüglich deren Sie sich erinnern wollen, dass ausser den
vpr« M?^ gl8 f h ^ lnfi tr J ten uekrotischen Partien des Mesocol. trans-
hfntÜ Me8 ^ co1 ’ descend. multiple Perforationen im Jejunum, an der
hinteren Magenwand und ein nahezu völliger Defect des Pankreas
hnk 8 p ta v rfc worden J 8 f- Ferner erwies sich das Fettgewebe um die
Mm?* J° D * e , k ™ 8ehe rden durchsetzt. Im Mastdarm wurde
^lfM g i g fä bt > r Sch l e ‘ m , mit beigemengten nekrotischen Bröckeln
gefunden, analoger Inhalt im übrigen Dickdarm. In der Gallenblase
nichts von Concrementen.
, 4, Bei der am 6. December 1895 wegen Uuterschenkelge-
schwüren angenommenen, sehr fetten, 60jährigen Frau P. waren
alle therapeutischen Bestrebungen, die Geschwüre zur Heilung zu
bringen gescheitert und es wurde desshalb am 1. Juni ein Versuch
gemacht, trotz Fehlens specifischer Erscheinungen durch eine He-Cur
auf die Geschwüre einzuwirken. Am 2. VI. tritt in der Nacht Er-
Drechen auf, wesshalb weitere Einreibungen unterbleiben. Am
5. VI. wieder Erbrechen und sehr elendes Allgemeinbefinden; kein
btuhlgang, Leib stark aufgetrieben, kein Fieber, Leibschmerzen,
ruls 84. Es wird an eine innere Einklemmung gedacht und ein
Einlauf applicirt; indess bleibt dieser, wie ein Abends wiederholter
ohne Erfolg. 6. VI. Collabirtes Aussehen, kalter Schweiss; Leib
wie gestern. Mit einem erneut vorgenommenen Einlauf wird nur
wenig Stuhl entleert. Leib darnach weniger hart. Vom Mastdarm
aus nichts zu fühlen; Erbrechen hat aufgehört. Im Urin weni' Ei-
weiss, kein Blut, viel Indican, viele Epithelien und hyaline Cylinder.
Keine 8tomatitis. 7. VI. Puls sehr schlecht, kalter Schweiss, Dys
pnoe; lässt viel dünnen Stuhl unter sich. Morgens 6‘/* Uhr f.
Die kaum 6 Stunden p. m. vorgenommene Section ergiebt
einen stark entwickelten Panniculus, ein ungewöhnlich stark ge-
olähtes Coecum, nirgends im Darm eine Stenose. In dem ge
sammten Peritoneum parietale und viscerale gruppenweise Fett¬
nekroseherde, besonders reichlich im parapankreatischen Fett, sowie
im Mesocol. descend. und transvers. An diesen Stellen gewinnt
man beim Zufühlen den Eindruck eines hier befindlichen Tumors.
Bezüglich der Befunde am Pankreas verweise ich auf das zweite
der Ihnen gezeigten Präparate (cf. Text Sp 3) und bemerke bezüg¬
lich der übrigen Organe nur, dass in der Gallenblase 4 mittelgrosse
und zahllose kleine Steine von weisslicher Farbe lagen. Die Gallen¬
wege waren frei. An den Beckenorganen, der Leber und Milz keiner¬
lei \ eränderungen. In den Nieren ausser multiplen Cysten an der
Oberfläche nichts Erwähnenswerthes.
Die mitgetheilten Krankengeschichten werden Sie, wie ich
hoffe, davon überzeugt haben, dass der jeweils erhobene ana¬
tomische Befund ausreicht, um das klinisch beob¬
achtete Krankheitsbild zu erklären und dass das
letztere thatsächlich geeignet war, diagnostische
Irrthümer zu veranlassen. Und wenn Sie sich der
Mühe unterziehen wollen, die einschlägige Casuistik in der nicht
überreich vorliegenden Literatur zu studiren, so werden Sie diese
hier gemachte Erfahrung bestätigt finden. Während im ersten
und dritten der Ihnen von mir berichteten Fälle die Erschein¬
ungen zu der Annahme eines intraabdominellen,
im Fall I cystischen, intraperitonealen, im Fall LH soliden,
wahrscheinlich retroperitonealenTumors berechtigten, musste
No. 86.
man ln den beiden anderen Fällen an einen acut entstandenen
Ileus denken, eine Annahme, die freilich bezüglich der letzteren
Diagnose beide Male hinfällig werden musste, da bei den be-
treffenden Patientinnen sich kurz a. m. profuse diarrhoischo, zum
J heil mit blutigen Beimengungen versehene Stühle einstellten.
Zuweilen steht das letzterwähnte Symptom so im Vordergrund,
dass, zumal wenn dasselbe mit starkem Erbrechen verbunden, rasch
zum Collaps der erkrankten Personen fuhrt, die Diagnose auf
Cholera gestellt werden kann und auch thatsächlich gestellt
worden ist. Ich erinnere mich eines solchen Falles, über den
mir genaue klinische Daten leider fehlen. Der zu Schiff hier
angelangte Mann wurde als choleraverdächtig in’s alte Kranken¬
haus gebracht, verstarb dort bald und die von mir ausgeführte
Section ergab als Todesursache eine ausgedehnte, mit enormen
haemorrhagischen Beimengungen complicirte Nekrose des grössten
J heils des Bauchfetts.
Fehlen anamnestische Anhaltspunkte, dann kann es leicht
geschehen, dass, wenn man als Arzt einen derartigen Fall zu
sehen bekommt, eine vorangegangene Vergiftung in das Bereich
der diagnostischen Möglichkeiten gezogen wird und auch hierfür
werden Sie in der bekannt gewordenen Literatur Belege finden
Hat es sich um weniger stürmisch verlaufene Erkrankungen ge¬
handelt bei denen schon einige Zeit vorher Störungen der Gesund-
heit aufgetreten sind, dann sind es gewöhnlich mehr oder weniger
heftige Kolik-Anfälle, welche in den Angaben der Patienten
eine grosse Rolle spielen. Diese sind bald mit Stuhl Verstopfung
verbunden und legen dann die Vermuthung nahe, an ein inneres
Darmhinderniss, das zu Ileus-Erscheinungen führt, zu
denken, bald sind sie im Gcgenthcil von heftigen Diarrhoeen be¬
gleitet, bezw. gefolgt, einzelne Male, was für eine irrtümliche
Deutung besonders in's Gewicht fällt, mit Ikterus vergesellschaftet
und so ist es nicht ungerechtfertigt, solche Attaquen als in das
Gebiet der Gallensteinkoliken gehörig aufzufassen.
Es fehlt auch nicht an Beobachtungen, bei denen als wesent¬
lichste Erscheinungen neben Erbrechen und Collaps hochgradige
mit lebhafter Druckempfindlichkeit verbundene Tympanie
des Leibes bestanden, die dann mit Recht dazu veranlassten,
den Fall als wahrscheinlich durch Perforation eines Magen¬
oder Darmgeschwürs bedingte universelle Peritonitis zu
mterpretiren , bis die p. m. Untersuchung auch hier den wahren
Sachverhalt aufdecktc.
Bei der Differentialdiagnose wird man alle hier
angezogenen Eventualitäten berücksichtigen müssen und es wird
dann bei einem Theil der Fälle voraussichtlich möglich sein, unter
sorgfältiger Abwägung der zu Gunsten des einen oder andern der
hier genannten Krankheitszustände sprechenden Symptome die
richtige Diagnose zu stellen.
Die in einzelnen Fällen bei Bestehen von auf einen scheinbar
cystischen Tumor hinweisenden Symptomen vorgenommene Probe-
punction hat bisher in differentiell-diagnostischer Beziehung wenig
Nutzen gewährt. Ob dem in einem meiner Fälle erbrachten Nach¬
weis von Haematoporphyrin in der Punctions-
f 1 üssigkeit (cf. No. 35 pag. 815 dieser Wochenschr.) eine
diagnostisch für Pankreas - Fettnekrose verwerthbarc Bedeutung
zukommt, muss weiteren Beobachtungen Vorbehalten bleiben.
Als besonders beachtenswerth und für die Diagnose
der Fettnekroso verwerthbar fällt in's Gewicht, wenn
man es bei fetteren Personen mit im Bereich des Epi-
gastrium befindlichen oder an dieses seitlich angrenzenden, das
Gefühl der Fluctuation darbietenden Tumoren zu
thun hat, die bei vorangegangenen sehr heftigen
Koliken und unter nachfolgenden profusen Diarrhoeen
verschwinden, um sich eventuell nach einiger Zeit
wieder zu bilden. Specielle Aufmerksamkeit muss in derartigen
Fällen den Stuhlentleerungen zugewendet werden, durch deren
Untersuchung unter Umständen der Nachweis von beigemengten
nekrotischen Fett- ja sogar Pankreas - Gewebselementen erbracht
werden kann. Ein solcher Befund macht die Diagnose zu einer
absolut sicheren. Derartige Beobachtungen bilden indess die Aus¬
nahme. Sie setzen das Bestehen einer abnormen Communication
zwischen dem das nekrotische Gewebe beherbergenden cystischen
8
Digitized by
MÜNCHENER ME DICI NISCHE WOCHEN SCHRIFT.
No. 36.
846
Pseudotimor und dem Intestinaltract voraus ')> ein Vorkommniss, das,
wie Sic siet aus den über die pathologische Anatomie der uns
^X»de 0 Erkrankung genagt»
• i i Tot dieselbe auf umschriebene Abschnitte des
Bauchfetts beschränkt und tritt sie nur in F°™ ^ er ^ einC ^
charakteristischen, weissgclblichen umschriebenen Flecke auf, dann
beeinträchtigt sie die Gesundheit der Individuen in keiner Weise
und stellt bei aus anderen Ursachen verstorbenen Personen einen
Befund dar. In allen anderen h allen, wo es sich
um Uber grosse Theile des Bauchfetts ausgebreitete, mit Sequestration
Ä Terta„do M , darob hacmorrhagische Processc
Nekrosen bandelt, tritt, .»mal »enn erne l.mbcz.chang der Bauch
Speicheldrüse in die Erkrankung statthat, der Tod ein. Nur ganz
ausnahmsweise kann nach vorgängigem Durchbruch der sequesteirten
Massen in den Darmcanal, der gewöhnlich im Duodenum vor siel
geht, sich aber auch an anderen Stellen des Darmtracts, ja se s
Tm Magen vollziehen kann, und nach Ebnnn.rung der todten
Gewebes per vias naturales das Leben erhalten bleiben.
So können sich grosse Stücke des Pankreas abstossen, ohne
den Fortbestand des Lebens unmöglich zu machen. IJ habe
Ihnen Eingangs meiner heutigen Erörterungen über zwei derartige
von H. Chiari beobachtete Fälle berichtet. Angesichts der
extremen Seltenheit solcher Ereignisse wird man aber die I rogn ose
der ausgedehnten Fettnekrose im Allgemeinen als eine durchaus
infauste ansehen können. ,.
Ob die grossartigen Fortschritte der modernen Bauclichirurgic
im Stande sein werden, hieran etwas zu ändern, muss abgewartet
werden. Die bisher in dieser Richtung gemachten Bestrebungen,
auf dem Wege der Laparotomie eine Heilung anzubahnen, sind,
soweit meine eigenen Erfahrungen reichen, constant und soweit
ich aus der Literatur ersehe, fast ausnahmslos erfolglos verlaufen,
indem sie nicht vermochten, den Eintritt des Todes bei den
betreffenden Individuen zu verhüten. Dass cs nicht möglich ist,
durch innere Mcdication das Leiden günstig zu beeinflussen, liegt
auf der Hand; in dieser Beziehung sind erst von weiteren Auf¬
schlüssen über die uns noch gänzlich unbekannte Actiologic des
in Rede stehenden Processes Fortschritte zu erhoffen.
Feuilleton.
Humanistische oder realistische Vorbildung der
Mediciner?
Von Hofrath Dr. Brauser.
In derselben Vorlage, mit welcher die künigl. baycr. Staats
regierung durch die Kreisregierungen die Aerztekammcrn mit der
Berathung des Entwurfes einer neuen Prüfungsordnung beauf¬
tragte, wurden die Aerztekammern auch aufgefordert , sich über
die Frage:
«ob den Absolventen des Realgymnasiums die Zu¬
lassung zum medicinischen Studium und zu den ärzt¬
lichen Prüfungen zu gestatten sei,»
gutachtlich zu äussern.
Es ist dies keine neue, sondern eine seit vielen Jahren in
ärztlichen und anderen Kreisen viel besprochene und viel um¬
strittene Frage, deren stricte Beantwortung den Aerztekammern
nicht ganz leicht fallen dürfte.
!) Zuweilen reicht imlcss die zwischen Bursa omentalis und
dem in diese frei einmündenden Ductus Wirsungianus der erhaltenen
Pankreasstücke bestehende Verbindung aus, um einen Uebertritt
des abnormen Inhalts der Bursa in den Darm zu ermöglichen.
-) In der nach bereits fertig gestelltem Manuscript erschienenen
No. 32 der Deutschen med. Wochenachr. findet sich der Bericht
über eine Sitzung des Vereins für innere Medicin (Literaturbeilage
No. 21 p. 138), in welcher Benda Präparate von Fettpankroasnekrose
demonstrirte. Stadelmann bemerkte in der sich anschliessenden
Discussion, dass die betr. Patientin unter den Erscheinungen des
Diabetes und Coma, die er als Symptome der Fettpankroasnekrose
anffasst, zu Grunde gegangen ist. Ich beschränke mich hier auf
die Feststellung dieser Thatsache, deren weitere Begründung durch
Stadelmann noch ausstellt
Die Verhandlungen über diese, mit der Vorlage einer neuen
Prüfungsordnung innig zusammenhängende Frage dürften vielleicht
erleichtert werden, wenn wir, wie bei der ersten Frage einen
Rückblick auf die vielerlei, über dieses Thema bereits bekannten
Aeusserungen deutscher Aerzte und Schulmänner werfen.
Bevor ich an diese Aufgabe gehe, kann ich mich des Ge-
dankens nicht erwehren, dass die Entscheidung über die Frage,
ob humanistisches oder Realgymnasium, oder beide zum Studium
der Medicin berechtigen sollen, recht eigentlich die Priorität haben
sollte über die andere Frage der Gestaltung des Studicnganges
und der Prüfungen für die künftigen Mediciner. Gerade der
Studiengang dürfte ja ein ganz wesentlich anderer werden, wenn
sich z B die Mehrheit für die Zulassung der Schüler der Real¬
gymnasien entscheiden sollte. Die künftigen Mediciner kommen
dann mit einem weitaus kräftigeren Fond von naturwissenschaft¬
lichen Kenntnissen auf die Hochschule, so dass die m der neuen
Prüfungsordnung beabsichtigte Zulage eines Semesters für die vor¬
bereitenden Studien bis zur Vorprüfung vielleicht unnöthig er¬
scheinen und das fünfte Semester besser auf die eigentlichen
medicinischen Fächer verwendet werden dürfte. Der uns vor-
gelegte Prüfungsentwurf scheint darauf zugeschnitten zu sein,
dass die Verhältnisse die gleichen bleiben, wie bisher, da® ta
humanistischer Gymnasialvorbildung das ganze Gebiet der Natur¬
wissenschaften mit Anatomie und Physiologie erst auf der Hoch¬
schule zu cultiviren sein wird, wozu allerdings fünf Semester
nöthig erscheinen. Wenn aber die Frage der Gymnasialvorbildung
noch offen gelassen wird, dürfte auch über diese Frage des natur¬
wissenschaftlichen Vorstudiums noch keine definitive Entscheidung
gefällt werden können. ,. . . , ,,
Dies vorausgeschickt möchte ich nun kurz skizziren, in welch
mannigfacher Weise die uns vorgelcgtc Frage der Zulassung er
Rcalgymnasisten zum Studium der Medicin schon besprochen und
beantwortet worden ist. Schon im Jahre 1875 äusserten sich
zwei Philologen, der Dircctor der Realschue in Hamburg, -
Conrad Friedländer, und der Gymnasialprofessor Dr. Wohi-
rab in Drcidcn für die Zulassung der Realschulen zum Studium
der Medicin unter specioller Betonung der Nothwendigkeit intern
siverer Ausbildung der Mediciner in Naturwissenschaften und
Mathematik, sowie in den neueren Sprachen.
Im gleichen Jahre hatte der Bundesrath eine Revision de
ärztlichen Prüfungsordnung vom Jahre 1869 in Aussic ge¬
nommen, was die grossh. badische Regierung veranlasst«, den
badischen ärztlichen Ausschuss über etwaige Aenderungcn de
Prüfungsordnung zu hören. Dieser hat sich mit 4 gegen 2 Stimmen
für die Zulassuug der Realgymnasieu zum medicinischen ■- u
ausgesprochen. Gelegentlich der Besprechung dieses 'otuins im
ärztlichen Vercinsblatt wurde auf ältere Aussprüche medicm^hei
Autoritäten hingewiesen. Professor Lebert, d a “ a 3 ia r ’
hat die mangelhafte naturwissenschaftliche Vorbildung de
einer beklagt, welche cs »othwendig mache, dense be °
dem Eintritt in die Hochschule einen Uebcrbhck öber die g
sammle Naturwissenschaft zu geben; ebenso forderte Prolc.«.
Ben ecke-Marburg eine allseitige, gründliche, or ^ ul3C “ ,
sammeuhäiigendc Durchbildung der Mediciner u»
Zweigen der Naturwissenschaften, wozu schon auf dem ym
der Grund gelegt werden müsse. Be necke citirtc am * .
Satz des alten Celsus, welcher schon vor 1800 Jahren g
«Naturae rcrum contemplatio, quamvis non faciat me c “ ’ .
tiorom tarnen mediciuac reddit.» Das Gleiche fo er ^
Christern -Altona in seinen medicinischen Briefen, ,u
sehr wahr sagte: «Jeder Arzt soll erst forschen, e o er
er soll auch als praktischer Arzt Naturforscher sein.» 1“
Vortrage im naturwissenschaftlichen Verein zu 1 ^ru ,
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dass classische Bilduug allein nicht genüge, dagege ” “ yervoll-
Jugend naturwissenschaftlich denken lernen. Er for er ^
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realistischen Bildung. . „„bischer
Im Jahre 1878 richteten die Directoren zahlreicher, pr
Realschulen an den Reichstag Petitionen um Gewährung
Digitized by
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8. September 1896.
rechtigung zum Studium der Medicin an die j
Realschulen erster Ordnung und der ähnlich organisirten An «Haltet
, n br ' gen , f UtScl , 10n Saaten, aus welchen ähnliche Petitionen
ssää'Sä; Der H ' Ätas tosabfc “ ,b “*-
Im selben Jahre äusserte sich Dr. H offmann-Karlsruhe zur
Mmen^^fe i r E^T ^ VOn don “«^nfaoiicn
f(lr “ C ' fertigte Entwurf zu derselben fordert ausdrücklich
huma^Hseh Un p r ".i ^ ZeUgnisa der Reife von einem
humanistischen Gymnasium des deutschen Reiches», welche Be¬
stimmung von allen deutschen mcdicinischcn Facultäten mit einer
Ausnahme angenommen worden war.
Hoffman n stimmt dem zu, indem er den Satz aufstellte:
«Die humanistische Vorbildung ist bcizubchalten, weil es im
eigensten Interesse des ärztlichen Standes liegt, hinsichtlich der
Vorbildung vorerst niehts zuzugeben, was im Geringsten dazu geeignet
wäre, Zweifel an der Ebenbürtigkeit seiner Bildungsstufe gegenüber
den anderen academischen Berufsarten aufkommen zu lassen.»
Doch erklärt auch Ho ff mann eine Verbesserung der huma¬
nistischen Gymnasien nach der mathematisch naturwissenschaft¬
lichen Seite Inn für nothwendig und erreichbar; sie sei selbst für
Juristen und Theologen wünschbar, da die Beobachtungsgabe im
Allgemeinen mehr geweckt werden müsse.
Gerade entgegengesetzt sprach sich zur selben Zeit Dr. Marti n-
Jena aus nämlich gegen die dassischc, für die naturwissenschaft¬
liche Vorbildung der Medicincr, und daher für die Zulassung der
Realschüler zum Studium der Medicin.
Die am 26. August 1878 zusammengetretene Commission
zur Berathang der ärztlichen Prüfungsreform nahm mit über¬
wiegender Mehrheit die Auffassung an, dass an einer classischcn
Bildungsgrmidlagc für die Medicincr fcstgchaltcn werden müsse
nachdem der Vertreter des preussischcn Cultusministcriums eine
Reform des Gymnasiallehrplans mit Mchrbeaclitung der Mathematik
und der Naturwissenschaften in Aussicht gestellt hatte.
Unterm 22. Januar 1879 hat der Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medicinal-Angelcgcnhciten in Prciissen, Falk, an
den Vorsitzenden des Gcschäftsausschusscs des deutschen Aerztc-
vcrcinsbundcs, Dr. Graf, die Aufforderung ergehen lassen, die
deutschen ärztlichen Vereine zu veranlassen, sich über Ziffer 1
des § 4 des neuen Prüfungsentwurfes zu äussern , nach welcher
zur ärztlichen Prüfung nur zugelassen werden soll, wer das Zcugniss
der Reife an einem humanistischen Gymnasium des deutschen
Reiches erlangt hat.
Auf Grund dieser Zuschrift hat der Gcschäftsausschnss alle
dem deutschen Aerztcvercinsbundc angehörigen Vereine ersucht,
über vorstehende Frage Beschluss zu fassen. Zugleich theiltc
Graf den Entwurf einer Eingabe an den Cultusminister Falk
mit, welche im ärztlichen Verein des Rcg.-Bez. Düsseldorf als
Grundlage der Berathung und Beschlussfassung vorgclegt wurde,
m welchem sich für die ausschliessliche Berechtigung des Gymnasiums
ausgesprochen wird. Es wird darin ausdrücklich betont, dass die
Acrzte um keinen Preis auf die dassischc Bildung verzichten
wollen.
Wiewohl sich sofort zwei gewichtige Stimmen für die Zulassung
der Realschulen aussprachcn , Dr. P fc i f f er - Weimar, welcher
allerdings persönlich den sprechendsten Beweis für die Tüchtigkeit
eines realistisch gebildeten Arztes liefert, und Dr. Heidenhain-
Breslau, hat doch die Abstimmung der deutschen ärztlichen Vereine
ein für die Beibehaltung der ausschliesslich humanistischen Vor¬
bildung durchschlagendesErgebniss gebracht. Von den 163 Vereinen,
welche über die Frage berathen und Beschluss gefasst haben'
stimmten 157 , also 96 Proc. gegen die Zulassung der Realschulen,'
und zwar 98 mit gleichzeitiger Betonung einer Reform des
Gymnasiums, 41 ohne besondere Betonung dieser Reform, 11 un¬
bekannt, ob gleichzeitig für eine Reform und 7 dagegen, solange
den Realschulabiturienten nicht auch die übrigen Facultäten offen
stehen.
Von den 6 Vereinen, welche für die Zulassung der Real-
schulabiturienten sich aussprachen, stimmten 3 für unbedingte
Zulassung, 8 für eventuelle Zulassung, solange oder wenn eine
Reform des Gymnasiums nicht durchführbar wäre.
JMÜ.NCIIKNKB MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
847
Seit dieser Abstimmung, welche gewiss mit überwältigender
Mehrheit die Anschauung des ärztlichen Standes über diese Frage
documcntirte, sind 17 Jahre verflossen, und wir werden weiters
zu untersuchen haben, ob sich die Verhältnisse bis heute so
geändert haben, dass wir von diesem, unserem eigenen Votum
abweichen dürfen und müssen, oder nicht.
Im Jahre 1881 hat die Schweiz eine neue Prüfungsordnung
für Acrzte erlassen, welche von dem Medicinstudirenden ein
Matuntätszcngniss über vollständig und befriedigend absolvirte
«Gymnasial» Studien verlangt, dagegen über die Zahl der auf das
lncdicimsche Studium zu verwendenden Semester volle Freiheit lässt.
Kurz vor Erlass der neuen Prüfungsordnung vom Jahre 1883
haben die Freunde der Realgymnasien durch den Abgeordneten
Löwe im preussischcn Abgeordnetenhause den Versuch gemacht,
die Entscheidung über die Zulassung der Realschulabiturienten
zum Studium der Medicin noch zu verzögern, indem sie.bcantragtcn,
dass diese Frage bis zur vollständigen Durchführung der Unter¬
richtsprüfungsordnung für die Realgymnasien noch offen gehalten
werde.
Der bald darauf erfolgte Erlass der neuen Prüfungsordnung
hat anders entschieden, und die Zulassung zum Studium der Medicin
ausschliesslich auf die humanistischen Gymnasien beschränkt.
Trotz dieser definitiven Erledigung der Frage nahm der
Kampf der Anhänger der Realschulen für deren Zulassung zum
mcdicinischcn Studium immer intensivere Formen an und ver-
anlasstc eine Reihe hervorragender Männer Heidelbergs im Juli
1888 zu einer Erklärung, welche sich gegen die fortgesetzten
Angriffe auf das humanistische Gymnasium und gegen den Ruf
nach völliger Umgestaltung desselben richtete. Die Erklärung will
«an den Grundzügen des Lehrplanes der humanistischen Gymnasien
Festhalten, namentlich auch an der griechischen Sprache und
Literatur, und nur solche Veränderungen zulassen, welche das
Bestehende weiter entwickeln, und will eine Einrichtung erhalten
wissen, auf welcher zum guten Theil die Blüthe deutscher Wissen¬
schaft und die Tüchtigkeit einer ganzen Reihe wichtigster Berufs-
classcn beruhen.»
Im selben Jahre finden wir eine hochwichtige Aeusscrung
v. Ziemssen’s über diese Frage in einem Artikel des ärzt¬
lichen Vereinsblattes: «Der Kampf gegen die Gymnasien und die
Heidelberger Erklärung», in welchem sich dieser viclerfahrene
Arzt und Lehrer entschieden auf Seite der Letzteren stellt. Die
Heidelberger Erklärung, wie v. Ziemssen’s Aussprüche, fanden
in ganz Deutschland lebhafteste Zustimmung.
v. Ziemssen erinnert speciell an eine, von den Münchener
ärztlichen Vereinen an das k. Staatsministerium zu Gunsten des
humanistischen Gymnasiums gerichtete Petition, welcher sich alle
bayerischen Bezirks vereine, mit Ausnahme von zweien, anschlossen.
Hier wurde hauptsächlich betont, dass das Gymnasium nicht eine
Vorbildung für ein Fachstudium bilden solle, sondern allgemeine
Bildung als gleiche Grundlage für alle Gebildeten und alle gelehrten
Berufsarten gewähren müsse.
Die Richtigkeit der gegnerischen Behauptung von der Noth-
wendigkeit eines besseren mathematischen Unterrichtes auf den
humanistischen Gymnasien erkennt v. Z i e m s s tyi vollkommen
an; dagegen ist er der jedenfalls sehr berechtigten Ueberzeugung,
dass ein Unterricht in den Naturwissenschaften auf dem Gym¬
nasium nicht zu empfehlen sei, da dadurch eine Zweitheilung des
naturwissenschaftlichen Unterrichtes bewirkt werde, während es
dringend nothwendig erscheine, dass dieser aus einem Gusse
gegeben werde. Nachdem das medicinische Studium bis zur Vor¬
prüfung durch die neue Prüfungsordnung ohnehin auf fünf Se¬
mester verlängert wird, ist Raum und Zeit genügend vorhanden,
um die Naturwissenschaften den Candidaten als ein geschlossenes
Ganzes beizubringen; das Halbwissen, welches aus den Gymnasien
mitgebracht wird, hat wenig Werth, da die Unterrichtsmethode
dort wieder eine ganz verschiedene von der auf den Hochschulen
sein muss.
v. Ziemssen spricht aus Erfahrung, wenn er behauptet,
dass die Realschüler allerdings im Anfang mehr Leichtigkeit des
mathematischen Denkens, Schnelligkeit der Auffassung und Sicher¬
heit des räumlichen Begreifens zeigen, dass jedoch dagegen die
Gymnasialabsolvcntcn «grössere Beharrlichkeit im Streben nach
3*
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MÜNCIIENEK ME DICnnSCHE WOCHENSCHRIFT.
Erkenntniss, b.h„ Befähigung ^ Verfolgung Oh
Probleme und einen *«~ ****?” *]£££ Ne
nistische Gymnasium verdien em lyiedicmcr wie für sei
-
Neben dieser entschiedenen Stellungnahme au Gunsten des .
humanistischen Gymnasiums fordert jedoch T : ‘^“ SS0 ° d
ÄÄ^'Xr^ÄSgungd» ül
^itst„ n ÄC”Ät;tpn r s
des modernen Culturstaates entsprechend, ebenso Verstärkung des (,
mathematischen und Anschauungs-O.urriehte« ■ dgj- habe tan, d,
Studium der alten Sprachen der rem gnm,ma,,kal,sehe UntemeM w
gegenüber der höheren Würdigung des aesthet,sehen Inhaltes der F.
alten Sprachen zurückzutreten.
Diesen Forderungen und Zugeständnissen unseres allverehrten w
Meisters werden die Aerztc in ihrer grössten Mehrheit a,
zustimmen können, und auf Grund derselben , wie mit Rücksicht «
auf alle im Obigen angeführten Für und Wider m ****£*** 4
Zulassung der llcalschulabsolventcn zum btudmm der Medicin,
möchte ich zunächst den bayerischen Aerztekammcrn empfehlen d
hei Beratung nnd Beschlussfassung über die ihnen Seitens der ,
k.. Staatsregierung vorgelegtc Frage folgende Punkte zu berück- u.
sichtigem Vorbildung der Medicin Studircnden ausschliesslich auf i;
einem humanistischen Gymnasium halten wir nach wie vor für c
nothwendig, und zwar aus folgenden Gründen : 1
1 . Der Unterricht auf dem humanistischen Gymnasium ist ,
für den menschlichen Geist dasselbe, was der Turnunterricht für f
den Körper ist; er stärkt und stählt das Urteilsvermögen, erzieht (
zu logiscliem Denken, zu objcctivcr Auffassung, und verleiht ihm ,
die Fähigkeit selbständigen Urtheiles und freier Forschung. Kr (
bildet demnach die beste Grundlage für eine richtige allgemeine ,
Bildung und für jedes spätere Fachstudium.
2. Der gesammte ärztliche Stand unserer Jetztzeit und der
früheren Generationen hat seine Vorbildung auf humanistischen
Gymnasien erhalten und es kann ohne Selbstüberhebung constatirt
werden, dass aus demselben eine grosse Zahl hervorragender
Männer hervorgegangen sind, welche die mcdiciniscbe Wissenschaft
zu einer hohen Bedeutung emporgehoben, welche die praktische
Ausübung derselben auf eine hohe Stufe der Entwicklung ge¬
bracht haben. Wir würden uns selbst , unseren Vorfahren und
Lehrern ein schlechtes Zcugniss ausstellen, wenn wir jetzt unsere
eigene Vorbildung für ungenügend und unrichtig erklären wollten.
3. Der gesammte ärztliche Stand mit wenigen Ausnahmen
hat sich seit einer lleihc von Jahren in seinen Vertretungen, den
Vereinen, und in der mcdicinischcn Presse stets mit grosser Mehr¬
heit für die Beibehaltung der humanistischen Vorbildung und
gegen die Zulassung der Realschulen ausgesprochen und Viele
sind noch unter uns, welche die Abstimmung der Vereine vom
Jahre 1879 mitgemacht haben. Weder die äusseren Verhältnisse
noch unsere eigene Uebcrzcugung haben sich seitdem soweit ge¬
ändert, dass wir jetzt eine gleiche Frage im entgegengesetzten
Sinne beantworten können und dürfen.
4. Durch die Zulassung der Absolventen der Realschulen |
zum Studium der Medicin würde sich die Zahl der Mediein-
Studirenden nochmals erheblich vermehren und die Ueberfüllung
des ärztlichen Standes, gegen welche schon lange vergeblich an¬
gekämpft wird, wesentlich gefördert werden.
5. Durch die Zulassung der Absolventen der Realschulen
zum Studium der Medicin würde sicher eine Spaltung des ärzt¬
lichen Standes in zwei verschiedenwerthige Classen bewirkt; diese
beiden Richtungen würden sehr bald unwillkürlich in einen Con-
currenzkampf getrieben werden müssen, welcher dem Ansehen des
Standes und seiner socialen Stellung nur nachtheilig werden kann,
während andererseits die bisher mit grosser Sorgfalt aufrecht er¬
haltene Einigkeit unseres Standes uns stark macht und allein im
Stande ist, unseren Bestrebungen Erfolg zu sichern.
6. Die Zulassung der Absolventen der Realschulen zum
Studium der Medicin wird dem ärztlichen Berufe eine entschieden
stärkere realistische Richtung verleihen, wird uns noch mehr den
Charakter eines Gewerbebetriebes aufdrücken, welcher uns durch
die Versetzung unter die freien Gewerbe zu unserem grössten
Nachtheile gegeben wurde. Die ideale Richtung der schöne Zug
selbstloser Humanität, welcher dem ärztlichen Stande bisher eine
o bevorzugte Stellung verlieh, würden verloren gehen und der
nur auf den Erwerb gerichtete Zug der Zeit wird
auck uns auf ein entschieden niedere. Niveau herabdrucken.
7 Die mcdiciniscbe Wissenschaft hat sich bisher würdig den
übrigen .endemischen Berufsfächem angereiht, zu welchen an,,
sehlfe,Shell eine humanistische Verhildnng berechtigt. V Orden
j “ Realschüler zur Medicin .»gelassen so würden »n unsere
( Lhwcrthigkeit mit jenen anderen Fächern verlieren. Es kennt«
daher nur dann einer Zulassung der Realschule» zagest,mmt
werden wenn deren Absolventen gleichzeitig zu alien andere.
Fatalitäten zugelassen würden. Dies würde jedoch e,„e derart*«
Umgestaltung der Realschulen erfordern, dass sie sieh Wiede,
wesentlich den humanistischen Schulen nähern würden, während
midercrsoits eine gründlichere mathemafsche und „atarwusea-
schaftlicke Verhildnng auch de» Studirenden der anderen aea-
deutschen Fächer zu wünschen wäre.
o Dies legt den Gedanken nahe, die beiden Richtungen
der Gymnasialvorbildung, die humanistische und die real.st.sehe,
wieder in eine einzige zu verschmelzen, welche dem, * Ur h J er °
Studien sich Vorbereitenden eine genügende allgemeine Bildung
verschaffen und ihn zu jeder Berufswahl befähigen würde Ls
ist oben schon hervorgehoben worden, dass die Gymnasialbildung
eine mehr allgemeine sein soll, aus welcher sich die einzelnen
Berufsarteil noch nicht zu differenzircn brauchten. V enn diese
Vereinigung gelänge, müsste dem Studium der alten Sprachen
selbstverständlich reichlicher Abbruch gethan werden zu Gunsten
der Mathematik und der neueren Sprachen viellcich ' ^ ^ U
Gunsten einer naturwissenschaftlichen Vorbildung. Dann wäre
die Berufswahl erst nach dem Bestehen des Gymnasialabsolutonums
zu treffen was entschieden vortheilhafter erscheint.
Alle diese Gründe, denen vielleicht von anderer Se.te noch
mehrere hinzugefügt werden können, möchte ich der Besprechung
der bayerischen ärztlichen Vereine hiemit unterbreiten un
einladen, auf Grund derselben die Frage der kümgl. Staatsreperung,
«ob den Absolventen des Realgymnasiums die Zulassung
zum mcdicinischcn Studium und zu den Prüfungen
gestatten sei,«
entschieden mit «Nein» zu beantworten dagegen ^ b^ntogen
1 dass der Lehrplan der humanistischen Gymnasien zu Gerten d
: Mathematik, der neueren Sprachen, eventuell auch dt
Wissenschaften, einer Aenderung unterworfen werde.
Referate und Bücheranzeigen.
F. Riegel: Die Erkrankungen des Magens. L
Allgemeine Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. (bP •
Pathologie und Therapie von H. Nothnagel, XU Band-
II. Tli., 1. Abth.) Wien. Holder 1896-
Der bekannte Giessner Kliniker, durch fruchtbringende Arbeiten
auf fast allen Gebieten der innern Medicin ausgezeichne ,
der letzten Zeit sein eifriges Studium besonders der
der Magenkrankheiten zugewendet. Zahlreiche Arbeiten 8
und seiner Schüler (v. Noorden, Hanigmann,
u. v. A.) haben thcils neue Gesichtspunkte in der Lehre
Verdauungskrankheiten entwickelt, theils die Forschungen
nachgeprüft und erweitert. Aus diesem Grunde erschien der
Verfasser schon von vornherein ganz besonders gec gvi .
gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse in diesem s * /
gerade jetzt besonders eifrig bearbeiteten Tbeil der a „
einem grossen Sammelwerke darzustellen. Der vor legen .
schnitt rechtfertigt unsere Erwartungen in vollkommenste ■
Nach einer kurzen Einleitung über die Entwicklung „Mildert
Pathologie seit den Arbeiten Kuss maul s und Leu e 8 ,. ten
er eingehend die Anwendung und die Ergebnisse der p y ^
Untersuchungsmethoden des Magens, sowie die diagnoswo .
I wendung des Magcnschlauchs insbesondere auch zur ' ^
| des Mageninhaltes zum Zweck der Untersuchung. ezug
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8. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
849
neuesten Bestrebungen, den Magen einer mehr oder minder directen
Besichtigung zugänglich zu machen, der Gastroskopie und Gastro-
diapkanie, verhält sich Verf., wie wir glauben mit vollem Recht,
noch ziemlich zurückhaltend. Indern er die wissenschaftliche Be¬
deutung derselben anerkennt, hebt er die vorläufig bestehenden
Schwierigkeiten einer allgemeineren praktischen Anwendung hervor,
und weist, ebenfalls mit Recht, auf die noch jetzt bestehende
Unsicherheit der betreffenden Methoden hin.
Eine ausführliche, übersichtliche und kritische Schilderung
der chemischen Untersuchung des Mageninhaltes, der Prüfung der
motorischen und aufsaugenden Thätigkeit, sowie der mikroskopischen
Untersuchung des Mageninhaltes nehmen in dem Buch den ge¬
bührenden Raum ein und werden, soweit sie für die Praxis in
Betracht kommen, in einem sehr praktischen Schema des Ganges
der klinischen Untersuchung kurz zusammengefasst. Auch der
Rückwirkung von Magenkrankheiten auf den übrigen Körper, ins¬
besondere auch auf Herz, Nervensystem, Harn und Rlut wird
ein grösserer Abschnitt gewidmet. Gerade in dem richtigen räum¬
lichen Verhältnis.? zu der etwa */s dos Ganzen umfassenden Dar¬
stellung der allgemeinen Diagnostik steht unseres Erachtens die
allgemeine Therapie der Magenkrankheiten in dem R i e ge l'sehen
Ruch. In dieser nimmt die allgemeine Diätetik den grössten
Umfang ein. Es zeigt sich auch hier schon in den räumlichen
Verhältnissen (indem die Ernährungslehre z. B. 50 Seiten, die uiedi-
camentöse Behandlung nur circa 30 Seiten einnimmt), auf welchem
streng wissenschaftlichen und rationell praktischen Standpunkt der
Verf. auch in der Therapie steht. Dass die physikalischen und chirur¬
gischen Behandlungsmethoden eingehend berücksichtigt werden, ist
darnach selbstverständlich. Wenn Ree. in manchen Punkten anderer
Meinung als der Verf. wäre, so würde das bei einem Abschnitt
der Pathologie, welcher so mitten in der Entwicklung begriffen
ist, nicht zu verwundern sein. Es ist jedoch, Dank der kritischen
und vorsichtigen Art, mit welcher Verf. seine Schlussfolgerungen
zu ziehen gewohnt ist, nur sehr selten der Fall. Es sei uns gestattet,
auf zwei solche Differenzpunkte kurz einzugehen, einmal weil dieselben,
der eine in diagnostischer, der andere in therapeutischer Beziehung,
praktisch interessant sind, und zweitens, weil sie sich auf Arbeiten
des Ree. beziehen. Die Methode der Einführung von Flüssig¬
keiten in den Magen und der percussorischen Bestimmung der
unteren MagengTenze (übrigens von mir ursprünglich nicht mit
Anwendung der Sonde, sondern durch Trinkenlassen von Wasser,
wie von Sch io, ausgeführt) ist meines Erachtens in der Diagnostik
nicht zu entbehren. Es ist ja richtig, dass sie weder die absolute
Grösse, noch die Form des Magens mit Sicherheit bestimmen
lässt, doch leistet dies in exacter Weise überhaupt keine Methode.
Ich kann aber aus meiner Erfahrung mittheilen, dass die Gas¬
aufblähung des Magens nicht immer zuin Ziel führt und dass
man in solchen Fällen die percussorische Bestimmung eingeführter
Flüssigkeitsmengon als ergänzende Untersuchungsmethode sehr wohl
brauchen kann. Eine zweite unbedeutende, aber praktisch nicht un¬
wichtige therapeutische Frage, nämlich die Anwendung eines Leitungs¬
stabs bei der Einführung des Magcnschlauchs, entscheidet Verf. im
Gegensatz zum Ree. dahin, dass er den Mandrin mindestens für über¬
flüssig, eher für erschwerend erklärt. Es mag einem geübten
Magenarzt mit guter Assistenz leicht golingen, das Magenrohr
ohne Leitungsstab einzuführen, ohne Assistenz jedoch, besonders
bei sich heftig sträubenden Patienten, und bei in die Speiseröhre
stark prominirendem Ringknorpel gewährt ein passender Mandrin
dem Arzt eine entschiedene Erleichterung, zumal wenn er, wie
das in der allgemeinen Praxis die Regel ist, weniger in der Uebung
ist. Von solchen vereinzelten Differenzpunkten abgesehen, gereicht
es uns zum Vergnügen, der vorzüglichen Darstellung der allge¬
meinen Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten unter den
zahlreichen und tüchtigen ähnlichen Leistungen auf demselben
Gebiete eine hervorragende Stellung zuzuweisen. Die Arbeit steht
vollkommen auf derjenigen Höhe, welche man von einem so
wichtigen Theil eines so gross angelegten Sammelwerkes mit Recht
erwarten durfte. Wir empfehlen das gut ausgestattete, übrigens
auch einzeln käufliche Werk den Collegen auf das Wärmste und
freuen uns auf den, hoffentlich bald erscheinenden, 2. Theil,
welcher uns die specielle Pathologie des Magens aus der Feder
Riegel’s bringen wird. Penzoldt.
Handbuch für Hygiene. Herausgegeben von Dr.
Th. Weyl in Berlin.
Seitdem ira Jahre 1894 in No. dieses Blattes der
1. Band, 1. Abtheilung des vorliegenden Handbuchs von dem
Referenten angezeigt und besprochen worden ist, ist in rascher
Folge Band um Band erschienen, so dass jetzt etwa 3 Viertel
des ganzen auf 10 Bände berechneten Werkes vorliegen. Man
kann dem Herausgeber nur gratuliren zu dem Werk, das er,
durch eine sehr grosse Zahl vortrefflicher Mitarbeiter unterstützt,
geschaffen hat. Die Ziele, die bei der Herausgabe in erster
Linie vorseh webten, sind in allen Hauptpunkten erreicht und wir
besitzen nun in deutscher Sprache ein Werk über Gesundheits¬
pflege von solcher Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit, wie dies bisher
auch nicht annähernd der Fall war. Wer bisher die Entwicklung
der modernen Hygiene zu unterschätzen geneigt war, der braucht
nur in den Bänden des Handbuchs zu blättern, um sich zu über¬
zeugen , welch’ emsiges, erfolgreiches Studium die Hygiene in
den letzten Jahrzehnten erfahren hat und wie unausgesetzt weiter
gearbeitet wird, um für alle Theile wissenschaftliche Grundlagen
zu schaffen.
Die Mitarbeiter des Werks sind zum kleineren Theil aus
dem Kreise der berufsmässigen Hygieniker, zum grösseren Theil
aus dem Kreise der Aerzte, namentlich aber der Techniker,
Ingenieure und Architekten genommen. Es hat dadurch das
Handbuch einen vorwiegend praktischen Charakter angenommen,
und obwohl theoretische Ausführungen nicht fehlen, so dominirt
doch überall die Darstellung dessen, was die gegenwärtige Er¬
fahrung als das Beste kennen gelernt hat.
Eine Besprechung der einzelnen Bände des grossen Werkes
ist an dieser Stelle nicht möglich. Soweit sich Referent bisher
einen Einblick in die Qualität der gebotenen Leistungen ver¬
schaffen konnte, dürfen fast alle Abschnitte als durchaus befrie¬
digend bezeichnet werden. Manche sind etwas kurz ausgefallen,
z. B. der Abschnitt von Stutzer über Nahrungs- und Genuss-
mittel ; andere dagegen zeigen eine so grosse Ausführlichkeit und
Vollständigkeit-, dass sie als die reichhaltigsten Arbeiten zu bc
zeichnen sind, die bisher auf diesem Gebiet existiren. Ich nenne
z. ß. theoretische Einführung in die Lehre von der Beleuchtung
von Professor Weber, die vortreffliche, alle Theile des Thema’s
mit gleicher Sorgfalt behandelnde Darstellung von Nussbaum
über Bau und Einrichtung des Wohnhauses, die mustcrgiltige
Studie von Za deck über die Hygiene der Müller, Bäcker und
Conditoren, die ausserordentlich sorgfältige Arbeit von Löffler
über die Bacterien des Trinkwassers, die alle Details sorgfältig
berübrendo Darstellung der Schulhygiene von Burgerstein
und N e t o 1 i t z k y. Doch verdienen auch andere hier nicht
namhaft gemachte Arbeiten eine besondere Hervorhebung. Eine
ganz besondere Sorgfalt hat die Gewerbehygiene gefunden, die
von einer sehr grossen Anzahl von meist in der Praxis stehenden
Aerzte und Techniker in einer bisher noch nicht dagewesenen
Weise behandelt worden ist.
Es fehlen nunmehr nur noch einzelne Abschnitte der Fabrik¬
hygiene und Band 9: Actiologe und Prophylaxe der Infections-
krankheiten. Da dieser Band von Weichselbaum und
M e t s c h n i k o f f bearbeitet werden wird und der Herausgeber
einen Abschnitt über Desinfcetion und Prophylaxe der Infektions¬
krankheiten anschliesscn wird, so ist auch hier ein bedeutende
Leistung zu erwarten. Band 10 (Ergänzungsband) soll noch
Arbeiten über Alkoholismus und Prostitution bringen.
Die einzelnen Bände des grossen Werkes sind einzeln käuflich
zum Preise von 1 —10 Mark; das Gesammtwerk, dessen Voll¬
endung wohl binnen Jahresfrist zu erwarten sein dürfte, wird
nicht mehr wie 90 Mark kosten.
Die Ausstattung des Werkes mit Illustrationen ist als aus¬
reichend, stellenweise als sehr gut zu bezeichnen.
K. B. Le hm an n - Würzburg.
Dr. B. Scheube: Die Krankheiten der warmen
Länder. Ein Handbuch für Aerzte. Jena. Verlag von G.
Fischer. 1896-
Obwohl in den letzten Jahren auch von deutschen Autoren
eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten über Krankheiten in
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850
MfrrjnTTENEIt MEDICINISCHE WOC^NSCHIlirT.
No. 86.
dÄtach, l”e r«TL beteiligten K™»» jhon
Ä^SSSsgs
Stoffes durch eigene Beobachtungen kennen zu lern ,
?SB£SESiiit
1 Aul,an« boi jeder Kraßheit eine bi» auf d,c neueste Zeit
tte« Literaturangabe. Einreine Artikel eharaku«„ »jd
Zeh die sorgfältige Behandlung als gute Monographien wobei
552 Sn'^iSenli, Der W-*
E Referates verbietet es, auf Details einzugehcn • alle In-
teressenten: Aerzte, welche in die Tropen gehen, und beherzte,
Collcgen welche in ihrer Clientei Patienten haben, welche in
warmen Ländern gelebt haben, und Alle, welche über das lhcma
arbeiten, werden dem Verfasser für seine Mühe dankbar sein und
sein Werk unentbehrlich finden. Vieles giebt csjanoehzuth ,
um alles hier Behandelte zu klärep. Wenn z. B pag. 99• b der
Febris intermittens perniciosa algida die lemperatur in
höhle oder im After von Davidson in der Regel crli»ht (39,4
bis 40 0° gefunden wurde, während Hertz eine betraebthe
Herabsetzung (bis auf 29°) beobachtete, so bedarf es zur^Be¬
seitigung solcher Widersprüche erneuter sorgfältiger Beobachtungen.
Erwünscht wäre cs vielleicht gewesen, wenn \ erfasscr auch no
einige Hautkrankheiten, welche wegen der Schwierigkeit dcrDiagnos
auf pigmentirter Haut dem Neuling fremd erscheinen, angeführt
hätte. Ausserdem vermisst Referent ungern Pocken und Cholera.
Wenn diese beiden Krankheiten auch nicht ausschliesslich den
warmen Ländern eigentümlich sind, so ist doch die Art des
Auftretens, der Verlauf der Erkrankungen und die Mortahtdts-
Ziffer (wenigstens nach den Erfahrungen des Referenten aut
Sumatra u. s. w.) in den Tropen so charakteristisch, dass deren
Besprechung zur Vervollständigung des Werkes bcigctragen hätte.
Die Ausstattung ist bei den Büchern des Fischer sehen A erlages
bekanntlich ausgezeichnet. a s t e r.
S. L. Schenk: Lehrbuch der Entwicklungsge¬
schichte des Menschen und der Wirbelthiere. II- Aufl.
1896- Wien. Braumüller.
Der Verfasser hat es unternommen, sein im Jahre 1874
erschienenes «Lehrbuch der vergleichenden Embryologie der Wirbel¬
thiere» einer so vollständigen Umarbeitung zu unterziehen, dass
wir in dem äusserst stattlichen Bande das frühere Lehrbuch kaum
wieder erkennen. Ein neues Buch liegt vor uns, das auch eine
selbständige Besprechung erfordert. .
Naturgemüss gliedert sich der ganze gewaltige Stoff in zwei
grosse Abschnitte, einen allgemeinen und einen spccicllen Thcil.
Im Gegensatz zu anderen Lehrbüchern hat der Verfasser dem
crstcrcn, dem allgemeinen Thcil, einen nur beschränkten Raum
zugewiesen, nimmt er doch noch nicht ein l'ünftcl des ganzen,
circa 700 Seiten umfassenden Werkes ein. Demjenigen, welcher
sich nicht mit speciellen Studien beschäftigt, ist das wohl nicht
sehr erwünscht, denn gerade die ersten, dem allgemeinen Thcil
zufallenden Stadien der Entwicklung sind es, welche jeden denkenden
Freund der Naturwissenschaft interessiren, vor Allem aber die
grossen Probleme von der Befruchtung und Vererbung. Und die
Untersuchungen der letzten Jahre haben uns ja ungeahnte Ein¬
blicke in das Wesen dieser Processc geliefert.
Sehr ausführlich wird uns der Bau de» Eie» in »Heu Thier-
i ° w« herab zu den Coelenteraten vorgeführt, das Gleiche
STon der l'urchuuB und der Bildung der Keimblltter. Diese,
Sc Weht etwas au breit angelegten Seh.lderung gegenüber ™
r: »ehr überraschen, da»» der Autor auch ,n kerne, Zede
je» Baue» der Samenfaden gedenkt, welche doch auch e,ne gewnse
Bolle in der Entwicklungsgeschichte spielen
Eine eingehende Beeebreibung von der Entwklung der Körper-
form welcher in dankenswerter Weise eine kurze Charakter,»,rueg
menschlicher Embryonen in den verschiedenen Monaten der
Schwangerschaft »„gefügt ist, führt uns hmüber zn den, speccllc,
The” welcher, wie schon her,Orgel,oben wurde, den Wedaus
grössten Thcil des Werkes eimiimmt.
/„nächst die Organe, welche vom äusseren Keimblatt ab-
stainuie» An der Hand zahlreicher und trefflicher Illustrationen
;: rd „.die Entwicklung
gehoben zu werdet verdient, gebührende Rücksicht auf die Ilisto-
genesc genommen. Dieses Eingehen auf histogenetische Forschmjgcn
macht uns besonders die folgenden Capitol von der Entwicklung
der Sinnesorgane werthvoll, welche wohl als die gelungensten des
ganzen Werkes zu bezeichnen sein dürften. Hier werden die
neuesten Untersuchungen berücksichtigt und vergleichende Aus¬
blicke auf die Sinnesorgane wirbelloser Tlnere erhöhen das \ er
ständniss für die bei den Wirbeltliicren anzutreffenden Verhältnisse.
G legentlieh der Labyrinthentwicklung erscheint es uns aus rnn
urakSehen Gründen nicht gerade vortheilhaft, wie dies der Ver¬
tat Tut, die Entwicklung des inneren Ohres völlig von der
des mittlcr;,i und äusseren zu trennen, welch’ letztere ausschliess¬
lich beim Kienicnskelctt ihre Besprechung findet
Es”würde uns zu weit führen und den Rahmen J*
spreelmng überschreiten, wollten wir dem Autor durch al e Cap tel
seines Werkes folgen. Von den Capiteln 'velche ic Ent^cklung
des mittleren Keimblatts und des Mcsenchyms
nur Lobendes berichten, die Darstellung ist in allen ihren lbeileu
” ne recht gelungene. Das Gleiche gilt auch für die Entwicklung
,l„ s inneren Keimblatts. Den Schluss des Werkes bildet ein
ausführliche und sorgfältige Beschreibung der Eihüllen und ihrer
"'“‘"bemerken möchte wir, da»» .»den Werth du»Werk»
wenigstens für den Fachmann nicht unerheblich crlbhen ,
wenn der Autor sich entsehliessen könnte, den einzelnen Capiteln
oder dem Gcsammtwerk ein Literaturvcrze.clini.ss anzu ^\.
Die Ausstattung des Lehrbuches ist eine ganz ^
über 600 theils in Holzschnitt, theils, in Zink. ograpbie angeführte
Abbildungen illustriren den Text auf s Beste, ein v f
«eher Thcil derselben ist „ach Ong,nalp*paraten de» Vrfj«
gezeichnet.
Die Physiologie des Geruches von Dr. H. Zwaarde¬
in aker, Stabsarzt - Doeent in Utrecht. Nach em ^
übersetzt von Dr. A. Junker von Langegg. h u jik.
Leipzig, Engelmann, 1895- Preis geh. 9 Mk., geh- 11»
Der stattliche Band von 324 Seiten beweist dass auch
diesem wenig beachteten Gebiete die Wissenschaft Fort«*
macht. Das hübsche Werk behandelt in sehr klar er Darstc Jj
alle einschlägigen Gebiete in nahezu erschöpfender Weise ^
den physikalischen Eigenschaften der Riechstoffe bis , - schen
Reaction auf Geruchsempfindungen, zur klinisc - TJjiere
Geruchsmessung und zuin chemischen ^ inn er nic Capitcl
Dass die eigenen Leistungen des Verfassers m manchen L p
stark zu Tage treten, kann Dem nicht auffallen, der
vorragenden Anthcil an den Resultaten der c ™ c * ^ Buc hcs
kennt. — Einige kleinere Versehen können dem Olfacto-
nichts anhaben. Z. B. wird in pag. 104 empfohlen,
metcr zur Desinfection « einige Augenblicke» m ar g äu gcr
zu legen. Dass ferner die zu Wasscrthieren gewor e
ihren Geruch verloren haben und nicht wie die is t
durch das Medium des Wassers aufnehmen können ’ 1cner
verständlich, weil sie ihre Nase zum Luftathmen raue ’ ^
Umstand darf also nicht zu Schlüssen über die Fnnc lon au f
olfactorius verwertliet werden. Unter den Einflüssen er
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8. September 1896.
den Geruchssinn haben nur die Wal An
Behandlung erfahren T i, Vergiftungen eine adäquate
.»S _ 5? s t ? r . ge °“ es -,ou.
» Är ü die
bildungen. 139 Seit«,. Leipzig, Barth, ” 9 "
*Ä StÄ
Wah^cheinhehkeit Z u beantworten vermochten, werden nun durch
Caial hat t “ lfc . verbIü ^der Sicherheit entschieden.
Oa al hat es bekanntl.ch in dieser Technik zu einer wahren
yirtuos'tat gebracht und fördert denn auch in diesem schwierigen
Sfr 6 Z V ° U bisher unbckannt *“ Thatsachcn an's
lieh L 1 08 UnmÖglich isfc - die *n nur anzudeuten. Wer
nir TT ^ -ntercssirt, muss das Buch selbst zur Hand
BerüTsieJ r Uth dlC , ein ® cblü «'« cn Arbeiten anderer Forscher finden
Berücksichtigung und Kritik, wobei zu erwähnen ist, dass die
SsTten Thdfr^S gen r Köl,ikcr nnd von Held zum
find tehr g^ '"*** ^ ~ Ausstattung
Bleuler.
nnd E a L t ng , ; «7 orIewin 8 en über Ethologie
erap ; e der Syphilis. H. Abtheilung. Zweite um¬
gearbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden. J. F Berg¬
mann, 1896. 0
W JVf' S T hi t durcb Vergnügen an, dass Lang'« troff-
hohes Lehrbuch, über das wir schon wiederholt zu berichten in
er Lage waren, nunmehr complet in 2. Auflage vollendet vorliegt.
Bas allgemeine Lob des Werkes, welches der 1 . Auflage zu Theil
wurde, wird auch dieser nicht vorenthalten bleiben. Wir begnügen
uns, um Wiederholungen zu vermeiden, damit, auf unseren Bericht
über die erste A.btheilung zu verweisen, und wünschen dem ver
dienten Autor einen vollen und ganzen Erfolg. Kopp.
Beiträge zur Dermatologie und Syphilis. Festschrift,
gewidmet Georg Lewin zur Feier seines 50jährigen Ductor-
jubiläums. Berlin. S. Karger, 1896.
Der mit einem trefflichen Bilde des Jubilars eröffnete Fest¬
band enthält eine Reihe von theilweise recht bemerkenswerthen
Arbeiten aus dem Gebiete der genannten Disciplinen. 21 Autoren
darunter Namen von bestem Klang, haben sich hier zur Ehrung
unseres berühmten Fachgenossen vereint. Die zahlreichen und
interessanten Arbeiten hier eingehend zu referiren, fehlt der Raum.
Boch behalten wir uns vor, demnächst an einer anderen Stelle
dieser Wochenschrift auf jene Forschungsergebnisse, welche für
die Leser derselben besonderes Interesse bieten, zurückzukommen.
Kopp.
Sclilockow: Der preussische Physicus. IV. Auf¬
lage, bearbeitet von Roch und Le pp manil, Bd. I, Medi-
cinal- und Samtätspolizei, Bd. H, Gerichtliche Medicin. Berlin 1895.
Preis 21 Mk.
, P« erste umfangreichere Band umfasst die Organisation
der Medicmalbehörden und in übersichtlicher Weise nach den
Hauptabschnitten geordnet das gesammte Gebiet der Medicinal-
und Samtätspolizei, wie z. B. Apothekenwesen, Hebammenwesen,
mürungs- und Genussmittel, Infectionskrankheitcn, Irrenwesen,
etc. etc. Der II. Band hat das Wesentlichste aus dem Gebiete
er gerichtlichen Medicin und der gerichtlichen Psychiatrie zum
-innalte. Als Anhang sind beiden Bänden Formulare und Bei¬
spiele von Attesten uud Gutachten beigegeben. Wie sehr das vor¬
liegende Buch seinen Zweck, den Candidaten für das preussische
Mün chener MEDiciNiscnE Wochen schrift.
__J351
Physicatsexamen in diese praktischen Gebiete einzuführen und den
r Z w.’ . r mCDtlich den Mcdicina I bcam tcn als Anleitung zur
Geschäftsführung zu dienen, erfüllt, dafür spricht, dass seit dem
Jahre 1886 nunmehr bereits die IV. Auflage vorliegt.
Carl Becker.
v. Ziemsseu’s klinisches Recepttaschenbuch. Sechste
neubearbeitete Auflage von Dr. Hermann Rieder. 1896.
Leipzig, Verlag von Ed. Besold.
Die vorliegende 6. Auflage des Recepttaschcnbuches hat
gegenüber ihrer Vorgängerin eine Reihe von Veränderungen er-
fahren, wenn auch die Anlage des bekannten Büchelchens im
Allgemeinen beibehalten wurde. Gänzlich weggefallen sind die
früheren Abschnitte: «Diätetische Curen» und «physikalische
Heilmethoden», ferner «Scheintod und Wiederbelebung», ver¬
mutlich, weil dem Nachschlagenden mit deren etwas aphoristischen
Besprechung, wie sie der Umfang des Werkchens nöthig macht,
nicht gedient schien. Immerhin war der Anfänger dafür dankbar
gewesen. Umgearbeitet sind besonders auch die Angaben über
die Apothekertaxen, ferner Einzelheiten über die Arzneiformen,
ergänzt wurde die Tabelle der Maximaldosen, dann die Besprechung
der Heilquellen, das Verzeichniss der in der billigen Ordination
zu vcimeidenden Mittel. Eingeschaltet ist ein Verzeichnis« der
zwar officmellen, aber für sich allein nicht gebräuchlichen Mcdicä-
meute Auch das Verzeichniss der in der ärztlichen Praxis ge¬
bräuchlichen Medicainente hat Verbesserungen erfahren. Ob es
nicht mit Rücksicht auf den praktischen Zweck des Büchleins
angczeigt wäre, ihm ein therapeutisches Register anzufügen, für
das Anfänger und «Geübtere» nicht undankbar sind, stelle ich
zur Erwägung. Im Uebrigen empfiehlt sich das Recepttaschenbuch
durch die Anzahl seiner Auflagen von selbst.
Dr. Grass mann-München.
J. Kratter: Der Tod durch Elektricität. Eine
forensisch-medicinische Studie auf experimenteller Grundlage. 1896
Verlag von Fr. Deuticke, Wien und Leipzig.
In dem 1. Abschnitte: Elektrobiologie, stellt Verfasser unsere
bis jetzt bekannten Kenntnisse über die Wirkung hochgespannter
elektrischer Ströme auf den lebenden Organismus unter sehr ein¬
gehender Würdigung der betreffenden Literatur zusammen, die
theils aus Befunden an Blitzerschlagencn, theils durch Experimente
gewonnen wurden. Die eigenen Thierversuche des Verfassers
ergaben zunächst, dass es gar nicht so leicht ist, ein Thier elek¬
trisch zu tödten, dass weder die Masse des Thieres, noch die
Spannung des Stromes das allein Ausschlaggebende sei, vielmehr
kommt auch die Thierart, sowie die Dauer der Stromwirkung in
Betracht, endlich auch die Wiederholung der Einwirkung. Die
unmittelbaren l'olgen des hochgespannten Stromes sind fast immer
tetanische Contractioncn aller Muskeln und Stillstand der
Athmung. Letzterer ist die Todesursache für die
durch einen Starkstrom Umkommenden, wesshalb bei
Unglücksfällen künstliche Athmung anzuwendeu ist. Als patho¬
logisch-anatomische Grundlage dieser Wirkung haben die eingehen¬
den Untersuchungen an mehreren durch den elektrischen Strom
getödteten Menschen ein negatives Resultat ergeben, soweit das
Nervensystem in Betracht kommt, während in den übrigen Organen
die Erscheinungen der «inneren Erstickung» vorhanden sind.
Das Wesen des elektrischen Todes bespricht der Verfasser in dem
Theile Elektrothanatologie, wobei er besonders auf den Unterschied
gegen Shok eingeht. Von besonderem Interesse für den Amts¬
arzt sind die Berichte über die zufälligen elektrischen Tödtungen,
sowie über die elektrischen Hinrichtungen. Letzteres Verfahren
glaubt Verfasser nach den in Amerika gemachten Erfahrungen
keinem europäischen Staate empfehlen zu sollen.
Eine ausführliche Darstellung hygienischer Maassnahmen in
den technischen Betrieben mit hochgespannten Strömen, sowie
eine Wiedergabe der bereits vorliegen ien gesetzlichen Bestimmungen
hierüber besehliessen die sehr interessante, für die Theorie wie
Praxis gleich wichtige experimentelle Arbeit, die jeder Arzt mit
Gewinn lesen wird. Dr. Grassmann-München.
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Münchener medicinische jwx^he r^cffiHFT
Neueste Journalliteratur. I BO hi,
Archiv für Gynäkologie, 51. BJ. 3. Heft placentar . Gyn
1) Gottschalk-Berlin: Zur Lehre von d ? n , eia . 20 1
Verhältnissen und den placentaren Gefässverbindu g Sch
eiiger Zwillinge. . n . t lin( i Art der primären I Geb
Schatz hatte s. Z. gesagt dass m Ort und p infl P au f die sie
Anlage beider Placentarhälften kein 3. Kreis- töd
Entwicklung der Zwillinge zukomme und er hatte ein g der giet
lauf, beruhend auf gemeinsamen Zottengefässen a £ teQ Fal | e ko.r
beiden Placenten, angenommen. . I . , ' de “ Zotten beider Placenten schi
fand sich dieser 3. Kreislauf nicht, die Zotten Dem der
waren durch eine deciduale Zwischenwand getren > ^ reichlich I s kc
einen Seite zum grössten Theile gefässlos, die skc
vrtscularisirt. Die Entwicklungsdifferenz der b ® d f e \I .«hiedenheit Ute
G. desshalb, entgegen Schatzs Iheone nur auf Verschienen uw
in Ort und Art der primären Placentaranlage zuruck. schen \v
2) Stephan Toth: Beiträge zur Frage der m ektopischen
Schwangerschaft anf Grund des* jährigen‘ Material^ ^ ser.
2. geh. und gyn. Klinik in Budapest. (,z. g • kJ I
B ' ld T™«%«“", Cr bal. Nachtrag) mit genaue,
des Verlaufs, der Behandlung und1 des«bei Operation.oder Obductton erl.
erhobenen Befundes. T. theilt die Fälle ein m«jche der erst n so .
Schwangerschaftshälfte (9). der zweiten.Hälfte (•), darunter en (M
mit lebender Frucht (nicht zweimal), in solche ,bei« eichen Ae
Process zum Stillstand gekommen war (4) und in Sl ton nur w
tocelo retrouterina (11). - Aus dem reichen In ‘^terschaften d&
weniges hervorgehoben werden: Die ektopischen Sch „ I
betrugen 0,23 Äoc der ambulanten Kranken. - In e.nem FaH^«™
die Placenta auf ovarialem Gewebe msenrt. — Ruptur I pfl
sackes war in 70,3 Proc. erfolgt, und zwar meist dre kll
ersten Graviditäts-Monate. - Bei den schlechten Ergebnissen
expectativen Behandlung (Schauta berechnete eine MortahUt von Lt
68,8 Proc., dagegen bei operirten Fällen von 23,4 Proc.) sc . I ur
T. Werth’s Rath an, die Extrauterin-Gravidität wie eine: m^ f, T<
Geschwulst zu beurtheilen, also möglichst früh operativ zu entfernem
_ Von 27 Fällen T.’s wurden 24 operirt; Mortalität der^7 Fälle d
18.5 Proc (5 Fälle). — Auch bei erfolgter Ruptur ist die Operatio I ^
das beste Verfahren. . . I
3) Palm-München: Eine Hymenalcyste und ein Atnerora I
des Labium minus bei einer Erwachsenen; zugieich ein u
trag zur Kenntniss der Hymencysten. (Dr. Ziegenspeck i
Privat-Frauenklinik.) . Tal _ I F
P. leitet die Hymencyste in diesem Falle von einer iaiz i ^
drüse ab. . . r> I v
4) Knapp: Bericht über 105 Geburten bei engem Becken
aus den Jahren 1891 — 1895. (Deutsche geburtsli. Klinik Prag,
Prof. v. R o 81 h o r n). . p I I
Unter 4289 Geburten fand sich 105 mal enges Becken --z/i rroc. i (
Die Becken waren 34mal einfach glatte (15 pr.-p., ’ I
18 mal Kunsthilfe mit 11 todten Kindern ('0,6 Proc.); 5,8 lroe. |
fieberhafte Wochenbetten. 24 mal allgemein verengte BecKen
(15 pr.-p, 9 pl.-p.); 12 mal Kunsthilfe mit 5 todten Kindern I
(33,5 Proc.); 12,5 Proc. fieberhafte Wochenbetten). 23 mal rhaehi-
tisch glatte Becken (7 pr.-p, 16 pl.-p.); 19 mal Kunsthilfe mit
7 todten Kindern (3-,8 Proc,). 2 mal Sectio Caesarea. 4,3 Proc.
fieberhafte Wochenbetten 8 allgemeine verengte rhachit. I
B., 8 osteomalacische Becken (l mal pr.-p.)j bei den Osteo- I
malacischen 1 mal Porro, 3 mal conservativer Kaiserschnitt mit I
Castration. Sehr günstiger Gesammterfolg bei den 105 Füllen: Mor- I
talität der Mütter 0,95 Proc., dagegen der Kinder 31,4 Proc. Eine I
überaus sorgfältige Zusammenstellung des einwandsfrei beobachteten I
Materials. 1
5) Derselbe: Eineiige Zwillingsplacenta; velamentöse I
Insertion; Verblutung beider Früchte unter der Geburt. I
Beide Placenten besessen eine oberflächliche, mächtige arterielle 1
Anastomose beider Kreisläufe; beim Blasensprung zerriss gerade I
jene velamentös inserirte Arterie, welche mit einem Gefäss der I
2. Placenta communicirte; Verblutungstod beider Foeten intra partum. 1
K. schliesst sich, jedoch ohne Stütze durch eigene Untersuchung, 1
der von Schatz aufgestellten Annahme eines 3. Placentar-Kreis I
laufs durch gemeinsame capillüre Zottengefässe an, während Gott- I
schalk (vergl. 1) ihr Vorkommen bestreitet. J
52. Bd., 1. Heft.
1) Braetz: Ein Fall von Endotheliom der Portio vaginalis. I
(Universitäts-Frauenklinik Halle a. S.) . |
Der Fall ist wichtig für die Frage der Gleichwerthigkeit von
Epithel und Endothel, sowie ihrer malignen Tumoren (Carcinom, I
Endotheliom). Er ist geeignet, die (vom Ref. vertretene) Anschauung
dieser Gleichwerthigkeit zu stützen. Die sorgfältige mikroskopische
Untersuchung ergab die Entwicklung theils röhrenförmiger, theils
solider, also carcinomähnlicher Epithelstränge aus dem Endothel der
Lymphspaltcn.
2) Glaevecke-Kiel: Ueber Impetigo herpetiformis. Eine
seltene Hauterkrankung bei Schwangeren.
Diese 1872 von Hebra zuerst beschriebene Erkrankung ist
gekennzeichnet durch Bildung eiterhaltiger Bläschen, Pusteln, die
von der Genitalgegend ausgehend allmählich den ganzen Körper
Ausnahme der Handinnenfiächen und Fuss-
befallen können mit na . die des Mundes, können
sohlen; auch Fieber ist stets vorhanden. Für den
betheiligt sein; unregelmässiges^m wichtig , weil unter
Gynäkologen ist die , trauen und zwar jedesmal
20 beobachteten Fällen ™ ^ Krankheit hört olt nacli der
Schwangere betroffe aa f f a il s nicht vorher der Tod eintrat;
Gebart, bezw. dem wiederholten Recidiven
SdUicPvÄ
t£££?E Kind. en..
,Chi t)'WMSKl e n . Z«r Physiologie: d f r Me»„ruation. Mi k,o.
Fällen, in welchen die
Ä“ST l te,
E'de, Epithelzellen «„Jet dnreh
Tb “seM^hä"«”“™gu.» geschrumpfter Epithelzell«..
Ä"— Drüsen-lnvagination se,n.
4) Arndt: Ein Fall von
en gebliebenen Ductus omphalo-entericus. ^
nik Göttingen.) . , fiiet A. diesen als 16.;
rffiLlEsVes” vom dS ttÄÄÄ
s spondylolisthetischen Beckens. (Hofrath Braun s
* ei1 Eingehende Untersuchung eine. «. de,
rten Falles von Spcmdylo isthesis ioeh t klejnen ß ecken8 ganz
tzten Lendenwirbels in d, ° J}““ e d Gelegenheit des
neingeglitten. Der innere Befund .^‘^^^ /verlauf der
aiserachmttes vervnllstan^gt werden, g jzeigt nicht
ST Ä.b««*. »STSU,.. .»adern relativ
“!rus.„a»n: Beitrüge - J*. ™
lenstruation und Conception. (Ge . fe> .
“ÜSk »teilt 8. die bisherigen Theorien über
ocnstruale Blutung und Conception, sowie die sp^ Zur
•xperimentellen und klinischen Befundle - Ovarium lenk
Entwertung der Frage, ob durch andere Ver-
sprechend der Follikelschwellung) II >^ i r ‘ l ®“ 1|te er die im 2. Theile
Inderungen des Uterus zu Stande kommei, ^ Injection von
gesprochenen Experimente an Hünd nnen ar e und durch
•teriler blauer Gelatine in d.e Ovarien » a n th R ^'f de r Uterus-
mikroskopische Untersuchung der Owi™ « 1 } z „ ahrae des
hörner kommt S. zu folgenden Ergebnissen - Au" ^ yer .
Druckes im Ovarium bewirkt Sch ng dieses
änderungen der Uterusschleimh • Ä -„ n eingespritzte
Th eiles der P fl ü g e Fachen TheoneJ Der m ansc i ie inend wird
Farbstoff findet sich auch in den reifen Eiern, steigerte
er durch Granulosa-Wanderzellen dwthin gebm ^ ru J e B i ulU ng
Spannung in den Mucosagefassen und später die Eiaustntt
S durch das Platzen des Follikels be^rgenijen. ^
erfolgt also vor den Menses; ist aber dient der
es nicht mehr zur Blutung, die geschwebte Schleimü^ Tbeorie)
Eieinbettung (Sigismund-Löwenhardt-R E " k)nietriam eine
Demnach ist die periodische ^b^^une wird nicht umgekehrt
Function der Eireiiung, aber durch d “ functionirt ohne
das Platzen des Follikels bewirkt. ‘. Der '^Untersuchungen
Uterus, aber nicht der Uterus ohne E.erstock » S. n (8)
im Zusammenhalte mit der im gleichen Hefte'von P riment ellen
veröffentlichten Arbeit bilden wichtige BoMge zur e und Grad
und mikroskopischen Klärung dieser Frage > . .. g c hwellung der
der von S. durch die Ovarialinjectionen bewirkten &cu ohne
Uterusschleimhaut und die übrigen Ver ^ c {"^ e g n Vorgängen zu
Weiteres, wie S. selbst einwendet, in München,
vei^leichen sind.
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 34. B«
1) Adolf Gessner-Berlin: Ueber den Werth un
des Probecurettements. v, eH r,nders bei malign er
Die Ansicht der meisten Autoren, dass beso p ro becurette-
Erkrankung der Uterushöhle die Austastung üO Grund eines
ment zu stellen sei, wird von G. m dl “^tÄk widerlegt &
5 jährigen Materials aus der Berliner Frauen»
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8. September 18'Jti.
MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
853
gelangt vielmehr zu dem Schlüsse, dass das Probecurettement un¬
gefährlich und leicht ausführbar ist und die sichersten Resultate
gibt, bessere noch als die Austastung, weil es gelingt, maligne Neu¬
bildungen zu erkennen, die bei der Austastung niemals als solche
zu erkennen gewesen wären. Diese Sätze werden durch eine Reihe
von Krankengeschichten und Untersuchungen erhärtet. In 41 Fällen
wurde die Diagnose nur durch die Ausschabung gestellt; von diesen
war die Diagnose 4mal unrichtig, aber nur in Bezug auf den Sitz,
indem das Carcinom nicht, wie vermuthet, im Corpus, sondern im
Cervix uteri sass. Oft wurden durch die Auskratzung maligne Er¬
krankungen ganz im Beginn festgestellt, die durch die Austastung
nie erkannt worden wären. Dies gilt besonders für Cervixcarcinome.
Die Untersuchung der curettirten Massen muss natürlich besonders
sorgfältig geschehen. G. curettirt mit Vorliebe in Narkose, zieht
die Curette dem scharfen Löffel vor und spült den Uterus mit
abgekochtem Wasser aus. Das curettirte Material kommt zuerst
in absoluten Alkohol und ist nach 24 Stunden zura Schneiden, das
stets aus freier Hand in Klemmleber geschieht, fertig. Die Schnitte
kommen 24 Stunden lang in Alauncarmin, dann zur Aufhellung
in Glycerin und werden in Canadabalsam eingebettet.
2) K Knauss und P. Ca me rer-Stuttgart: Adenoma cer-
vicis malignum cysticum.
46jährige Frau mit unregelmässigen Blutungen, als deren
Ursache ein haselnussgrosser Polyp an der rechten Seite des Cervix
gefunden wird. Der Polyp wird abgetragen, aber nicht weiter
untersucht. 4 Wochen später Wiederauftreten der Blutungen; an
der Insertionsstelle des Polypen eine halbkugelige Neubildung, die
mit scharfem Löffel entfernt wird. Dieselbe erweist sich mikro¬
skopisch als malignes Adenom, worauf 2 Monate später die
Totalexstirpation des Uterus vorgenommen wird. Heilung; seit
2 1 /* Jahren kein Recidiv. Am exstirpirten Uterus erweist sich die
rechte Wand des Cervix von der Neubildung durchsetzt. Dieselbe
geht nach unten in die Vaginalschleimhaut, nach oben in die Wand
des Uterus über.
Fälle reinen bösartigen Adenoms des Cervix weist die Literatur
bisher nur 6 auf (nach Gebhard, cf. diese Wochenschr. 1896,
No. 1, S. 17). Histologisch stellt der vorliegende Fall einen Ueber-
gang zu den seltenen Fällen von Cystosarkom, bezw. Fibroadenom
und Adenomyxosarkom des Uterus dar.
3) Robert Meyer: Zur Aetiologie der Gynatresien auf
Grund der einschlägigen Casuistik.
Nagel erklärte die Atresien einer einfachen Vagina für
erworbene, nicht angebome Veränderungen. Veit hat hieraus
den weitern Schluss gezogen, dass die häufigste und bedenklichste
Folge der Atresien, die Haematosalpinx, durch dieselben Ursachen
zu Stande komme, welche auch die Atresien erzeugen, (cf. diese
Wochenschr. 1896, No. 17, S. 402). Diese Annahme Veit's wird
durch Ms eingehende und ausführliche Arbeit begründet. Das
Resultat derselben, die sich für ein kurzes Referat nicht eignet,
fasst M. in folgendem Satz zusammen: «Wir haben, von der Ein¬
sicht durchdrungen, dass nicht eine hypothetische foetale Entzündung,
sondern eine später erworbene, wirkliche und sehr ernsthafte Ent¬
zündung nur derartige Atresien bei den functionsfähigen einfachen
Genitalien zu Wege bringt, jetzt keine Schwierigkeit mehr für das
Verstündniss der entzündlichen Folgeerscheinungen und können
aus den letzteren rückwärts auf ein iufectiös erworbenes Leiden
schliessen, selbst wenn die Anamnese und die anatomische Be¬
schreibung, wie so häufig, völlig im Stiche lässt.» Ueber die Atresien
und Haematosalpinx bei doppeltem Genitcalanal soll eine spätere
Arbeit Aufschluss geben.
4) Alfred Hahn-Breslau: Ein Stadium der Placentarent-
wickelung.
Beschreibung einer Placenta, die von einem Abort aus dem
Anfang des 4. Monats stammte. An der maternen Fläche derselben
Hessen sich 2 verschiedene Bezirke deutlich unterscheiden; ein oberer
mit rauher Oberfläche, die der Uteruswand inserirt war, und ein
unterer 4—4 1 /! cm breiter Abschnitt mit vollkommen glatter Ober¬
fläche, überzogen von einer sehr dicken Deciduallage. Es handelte
sich um eine sog. Reflexplacenta von beträchtlicher Ausdehnung,
wie sie Hofmeier, Kaltenbach und Keilmann ebenfalls be¬
schrieben haben. Die Thatsache, dass die Nabelschnur sich auf
dem vorliegenden Reflexatheile der Placenta inserirte und das Zotten¬
gewebe in der Umgebung dieser Insertion die grösste Entwickelung
zeigte, spricht für die Keil mann'sehe Theorie, wonach die Stelle
der primären Placentaranlage lediglich abhäDgt von der Insertion
der Allantois am Chorion, d. i. der späteren Nabelschnurinsertion.
Solche Zustände führen am Ende der Schwangerschaft zu tief sitzen¬
der Placenta (praevia) mit marginaler, bezw. velamentöser Nabel-
schnnrinsertion. Jaff£ -Hamburg.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 35.
1) E Heydrich-Liegnitz: Erwiderung auf die Bemerkungen
des Herrn Privatdocent Dr. O. Schaffer, betreffend Divertikel¬
bildung des Rectums. Vertheidigung seiner von Sch. (cf. diese
Wochenschr. No. 30, S. 705) angegriffenen Deutung eines früher
veröffentlichten Falles von Mastdarmdivertikel.
2) Adolf Weber-Alsfeld: Hydrops des Foetus und der
Mutter, bedingt durch Schwangerschaftsniere. Es handelte sich
um eine XI-Gebärende, 42 Jahre alt, die am Ende des 6. Monats
von einem total hydropischen todten Kinde entbunden wurde. Sie
selbst hatte ebenfalls Oedeme und Albuminurie. Nach der Geburt
trat bald völlige Genesung ein. Jaffd-Hamborg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 30, 31, 33 u. 34.
R. Schaeffer-Berlin: Ueber Catgutsterilisation.
Verfasser berichtet über zahlreiche, unter Zugrundelegung der
Milzbrandsporen, des Catgutbacillus und des von ihm zufällig ge¬
fundenen, noch viel resistenteren Kartoffelbacillus angestellte Ver¬
suche über Sterilisation des Catgut. Die mit Berücksichtigung des
natürlichen Fettgehaltes des Catgut und unter strengster Neutralisation
der benützten Antiseptica vorgenommenen Untersuchungen ergaben
bezüglich der zur Zeit empfohlenen antiseptischen Sterilisations¬
mittel, dass die von Kossmann-Vollmer angegebene Forraalin-
lösung, ferner die Hof meist ersehe (4proc. Formaldehyd, hierauf
10 Minuten Kochen in Wasser) und die Halban-Hlawacek'sche
(5 proc. Formalinlösung und 15 Minuten Kochen in Wasser) Methode,
sowie die von Martin angegebene (8 Tage lang in alkoholische
Subliraatlösung, Aufbewahren in 1 Theil Ol. Juniperi und 2 Theilen
Alkohol) keine hinlängliche Sterilität des Catgut erzielen. Die Des-
infection mit reinem Oleum Juniperi sowie mittelst der Berg-
mann'schen Lösung (800 Alkohol absolutus, 200 Aqua, 10g Sublimat)
ergeben zwar Keimfreiheit, beanspruchen aber 2 bezw. 3 Tage Zeit.
Auch die Trocken- und die Cumol-Sterilisation (Krönig) scheinen
wegen ihrer technischen Schwierigkeiten für die Praxis nicht geeignet
zu sein. Unter Benützung der von Saul entdeckten Thatsache,
dass geringer Wasserzusatz die bactericide Wirkung des Alkohol
absolutus erhöht, fand nun S., dass eine Mischung von 85 Alkohol
absolutus -+• 15 Aqua destillata -f- 0,5 Sublimat bei 12—15 Minuten
langem Kochen eine bestmögliche Keimfreiheit des Catgut ergibt,
ohne dessen Haltbarkeit zu beeinträchtigen. Diesem Ergebniss
seiner Untersuchungen schliesst Verfasser noch eine Schilderung
des von ihm benützteu billigen (5—15 JC) Sterilisationsapparates an.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 36.
1) C. H. Spronck-Utrecht: Ueber die „vermeintlichen,
schwachvirulenten Diphtheriebacillen“ des Conjunctivalsackes
und die Differenzirung derselben von dem ächten Diphtherie¬
bacillus mittels des Behring’schen Heilserums.
Die bisher als schwach virulente, abgeschwächte, oder in¬
offensive D’phtheriebacillen angesprochenen Formen des Pseudo-
diphtheriebacillus von Hofmann-Weilenhof und des
Xerosebacillus von Kusclibert undNeisser werden in ihrer
Entwicklung und in ihrer, übrigens durchaus nicht immer «in¬
offensiven« Wirkung auf den Organismus der mit ihnen injicirten
Meerschweinchen durch die Anwendung des B e h r i n g'schen
Uiphtherieheilserums in keiner Weise beeinflusst. Dasselbe ist also
ein werthvolles differentialdiagnostisches Mittel zur Unterscheidung
des ächten Loeffler 'sehen Diphteriebacillus von den morphologisch
und culturell nahestehenden Bacterienarten.
2) Best: EucaTn in der Augenheilkunde. (Aus der Uni¬
versitäts-Augenheilkunde in Giessen.)
Aehnlich wie Vollert kommt auch Best zu dem Schlüsse,
dass das Eucain, wenn es auch für manche Fälle, wo eine Erweiterung
der Pupille oder Ischaemie — bei Operationen — nicht ausdrücklich
beabsichtigt ist, dem Cocain vorzuziehen wäre, doch wegen seiner
starken Reizwirkung auf die sensiblen Organe der Hornhaut dem¬
selben an praktischer Verwendbarkeit nachsteht.
3) K. Hürthle-Breslau: Ueber eine Methode zur Regi-
strirung des arteriellen Blutdruckes beim Menschen.
Beschreibung und Illustration eines sehr interessanten, ver-
hältnissmässig einfachen Apparates, vermittels welchen am Menschen
der arterielle Blutdruck sowohl als die Druckschwankungen genau
gemessen und zu Gesicht gebracht werden können. Die Details der
Beschreibung müssen im Original nachgesehen werden.
4) E. Aron: Zur Behandlung des Pneumothorax. (Aus
der inneren Abtheilung des Krankenhauses der jüdischen Gemeinde
in Berlin. Dir.: Lazarus).
Mittheilung eines Falles von Pneumothorax, der wahrscheinlich
durch Platzen eines Lungenbläschens bei einem Emphysematiker
in Folge durch Salzsäuredämpfe verursachter Dyspnoe eintrat. Auto¬
resorption unter reactionslosem Verlauf nach 6 Wochen. Die dabei
nngestellten manometrischen Messungen und Beobachtungen ver¬
anlassen den Autor, beim Pneumothorax eine Art Heberdrainage
zu empfehlen, d. h. nach Art der Bül au'sehen Methode, einen
Schlauch mittels der Troicarts in die Brusthöhle einzuführen und
denselben in ein Gefäss mit Borlösung abzuleiten. Der intrapleurale
Druck wird dadurch dauernd auf 0 reducirt und die Lunge kann
sich ungehindert wieder ausdehnen.
5) Gustav Petersen-Berlin: Zur Epidemiologie der epi¬
demischen Genickstarre.
Aus einer kritischen Zusammenstellung der in einem Zeitraum
von 6 /i Jahren in Berlin vorgekommenen Fälle von Cerebrospinal¬
meningitis scheint die epidemische ansteckende Form derselben er¬
wiesen. Bevorzugt ist das kindliche Alter und die ärmeren Be-
völkerungsclassen, sowie anscheinend auch Personen mit Kopfver¬
letzungen und Nervenerkrankungen. Incubation betrug 3—4 Tage.
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854
Münchener mbpiomibohe wocggigcmgT
No. 36.
Bericht über die bisher k* B . ur Verfügung steht.
gLJn Ee -
“ reb W S Krebs-Borlin. Gn>ndw«»er.t.u «=d Gesuudheite-
Verhältnisse in europäischem Städten. GrllIld ,, MS e,»t«u
wM ilSSÄS Äh. der grösseren Stüdte Europa'.
nachgewiesen.
S T p^. P : U K^vi« Aendernngen nn röhrenförmigen
weitere Assistenz erfolgen. Illustration liegt bei.
Vereins- und Congressberichte.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Juli 1896-
Professor Quincke spricht über die Farbe derFaeces.
Maassgebend für diese ist, ausser der Ei gen färbe der
Se der Grad der Durchsichtigkeit der Füllmasse. Ee
gleicher Menge filrbender Bestandtlieile erscheint d,c } arhc -
heller, je mehr fein vertheilte Partikel (Fetttropfen Krystallc etc.)
von anderem Brechungsvermögen darin sind. Bcssha! e J st
Fett-, Milch-, Cascinstühle, Ikterusstühle (.wegen der kryst^hmschen
Magnesiaseifen), schaumige Stühle heller als ihrem wirklichen
Farbstoffgehalt entspricht. . , , , • w nr i.
Für die Umwandlung der dem Darmmhalt beigemcngten 1 arb-
stoffe kommen, neben der alkalischen Reaction, namentlich die
Red uctionsVorgänge im Darmlumen in B « tr ^; t '
Bei geringer Eigenfarbe der Nahrungsbestandtheilc weiden
die Faeces hauptsächlich durch die Derivate des GaUenfortetoffs
gefärbt: die Reductionsvorgiingc im Darmmhalt verwände
Bilirubin in Hydrobilin.bin (Urobilin). Nur bei sehr beschleunigter
Peristaltik, bei Diarrhöen kann ein Thcil des Bilirubin unverändert
im .Stuhlgang erscheinen (Gelb- oder Grünfärbung), ebenso (wegen
geringeren Reductionsvermögcns) im normalen bkuglingsstuhl der
ersten Lebenswochen. Uebrigens sind neben dem Hydrobilirubin
sicher noch andere Derivate des Gallenfarbstoffs (vielleicht auch
Oxvdationsproducte) an der Färbung der normalen Faeces be-
theiligt, da schon im sauren Alkoholextract die Intensität der
Färbung die Deutlichkeit der Absorptionsstrcifen des Hydrobilirubms
häufig übertrifft. Ein Theil des letzteren unterliegt im Darm
noch weiterer Reduction zu einem farblosen Körper, aus welchem
sich bei O-Zutritt wieder Urobilin bilden kann. In gewisser Menge
findet sich dieses Chromogen, wie es scheint, stets in den haeces,
da diese an der Luftoberfläche dunkler werden, als im Innern
der Kothsäule und als da, wo die Masse der Glaswaud des
Gefässes anliegt. Die Reduction kann so erheblich sein, dass
auch ohne jegliche Gallenstauung wochenlang fast graue hacces
entleert werden, die bei Extraction mit saurem Alkohol dennoch
reichlich Urobilin liefern.
Die Färbung der F:uces gestattet daher nur ein sehr be¬
dingtes Urtheil über die Menge der entleerten Gallcnfarbstoffdcrivate.
Diese hellen chromogenreichcn Stühle finden sich häufiger bei
dyspeptischen Zuständen, namentlich bei manchen schaumigen,
stinkenden Diarrhöen. Welche Bacterien die Reduction bedingen,
ist nicht bekannt. Adolf Schmidt sah in künstlichen Culturen
von Bacterium coli, Bacterium acidi laetici oder Bacillus typhi keine
Reduction des Gallenfarbstoffs zu Urobilin.
Ingesta von starker Eigenfarbe lassen diese in den Faeces,
mehr oder weniger gemischt mit denjenigen der Gallenstoffderivatc,
erscheinen. Chlorophyll macht grünliche, Röstproducte
(von Kaffee, Zucker) dunkelbraune Faeces. Durch die alkalische
Reaction des Darminhalts wird der rotlie Farbstoff der Heidel¬
beeren in ein schmutziges Grün, Blutfarbstoff (aus Nahrung
oder ergossenem Blute) in braunes Haematin verwandelt. Letzteres
muss schon in recht überwiegender Menge da sein, wenn der
Stuhlgang «tlicerartig» werden soll. Massige Blutbeimengungen
, om Nabru.gskoth verleihen diesem of kerne anMl,ge F»k;
fahndet man »us diagnostischen Gründen nnf Blut so nun»
snectroskopisch im sanre» Alkoholextract der Haemntmsttetf.n gt-
S oder die Teichman'sche Haemmprobc angestellt werden.
Den Lehrbüchern zufolge sollen nach medicamentösem Eisen-
und Wismuthgebrauch die Stühle sich schwarz färben - durch
Schwefeleisen und Schwefelwismuth. Diese Angaben sind grössten-
thtiDTrJürnlich. Richtig ist nur die (häufig) dunkelgrüne
bis schwärzliche Färbung der ^ ismuthstühle, mikro¬
skopisch sind die sonst weissen Krystalle des Bismuthum sub-
nitricum auch schwärzlich gefärbt, aber durch Reduction zu Wm
muthoxydul, wie bei der bekannten Zuckerprobe. Werden d.ese
Krystalle durch Schlämmen möglichst isohrt, m warmer Salpeter
Sure gelöst und die Lösung mit Chlorbanum versetzt so entsteht
kein Niederschlag von schwefelsaurem Baryt, — ein Beweis, dass
Schwefel wismuth nicht vorhanden war. Uebngcns ist die Ver¬
färbung der Wismuthsalzkrystallc durch Reduction und durch
Schwefelwirkung eine so ähnliche, dass Schwefelammomumzusatz
zu dem dunklen Wismuthstuhl dessen Farbe nicht mehr ändert als
Ammoniaklösung. Lässt man normalen Stuhlgang mit Bismuthum
fuLTicum vermischt in der Wärme stehen, so tritt ebenfalls
durch Reduction Schwarzfärbung der Wismuthkrystalle und Dunkel-
i« ühniich £
mikrochemisch orkenobar bleibt. Dadurch dürfte dm Grünf.rtaa g
mancher Wismuthstülile bedingt sein.
Nocb viel weniger ab für das Wismuth summen dm An-
naben über den Ei seil st ub 1 mit den Thatsaehcn überein. Dieser
fsfweder schwort von Scbwefeleisen. nocb schwarz überhaupt.
Unmittelbar naeb der Entleerung zeigt er
Farbe; er wird erst beim Stehen und nur au der der Mt exp,
nirten Oberfläehe dunkler; graulieb, braungrau bis sebwaw»»,
augenscheinlich durch Oxydation, bxtrahmt man men K ^
stulil ,r ang mit verdünnter Salzsäure, so enthält der Filt
That^fast ausschliesslich Eisenoxydul (Blaufärbung mit ' errl 5 g
und nur Spuren von Oxyd (Blaufärbung mit lerrocyan), letztere
dürften erst bei der Extraction entstanden sein
Auch wenn man normalen Stuhlgang mit ^
Eiscnchloridlösung vermischt in der VNlärme stehen Oxydal
wie die Extraction zeigt, der grössere Theil des ^ >d , S ( d ^ rcll
rcducirt: zunächst wird das Gemisch et * a ® d ™ Ue , w ] aDgem
Eiscnoxvdhydrat) und bleibt so an der Oberfläche, auch
" wühjd es in der Tiefe durch Reduction «ta
wird. Die Braunfärbung bei Zusatz von Eisenchlond unt ™
lieb von der grauschwarzen Färbung der Oberfläche nach -b.
mentösem Eisengebrauch: hei diesem scheint also ^
Darm eine organische Eiscnverbindung gebildet zu w >
oxydirt die schwarzgrauc Färbung bedinigt-
zeigt übrigens, dass diese nicht von Schwefeleis ^ anc b,
Scbwefeleisen ist grün, und diese grüne Färbung z gt
wenn man einen Eisenstuhlgang mit Schwefelammon 1 ^100
oder vermischt, in verschiedener Intensität. zcigcn ,
Darmcanal entsteht, wie auch Geruch und Gasa ^
Schwefelwasserstoff (mit seltenen Ausnahmen) g leigenreac tion
höchstens in so geringen Sparen, dass esi zu Sc h Eiscn-
niclit kommt. Anders im Hundedarm; hier fand dc3
peptonzusatz zur Nahrung schon von er ^^ {ärbu ng;
Dünndarms an eine nach unten zunehmende Dunkcigr ^
da sie auf Schwefelammoniumzusatz noch ^ cl stär ;® l iseu im
aber auch hier nur ein Theil des Eisens als Schwefe
Darminhalt vorhanden. Farbe
Bei Calomcls tülilcn wird so häufig die 8 sie
erwähnt, dass man sie als die gewöhnliche vermnthense^^^
findet sich ater, bei Erwachsenen wenigstens und ^
leerungen nicht sehr dünn sind, nur ausnahmsweisei ,
anhaltendem Calomclgebrauch. Sie rührt mcht, . v ‘ .jj e ff
annahm, von Schwefelquccksilber, sondern wie ; nd em
und Hoppe-Seyler zeigten, von Gallenfarbstoft ü . ^
das Calomel die Fäulniss- und Rcductionsvorgängc ^
hemmt, entgeht ein Theil des Gallenfarbstoffs er
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8. September 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
855
Urobilin; doch habe ich letzteres auch in den grünen Calotnel-
stühlen niemals vermisst. Bei Individuen mit den oben erwähnten
blassen, chromogenrcichen Stühlen sieht man bei Calomelgebrauch
die Därmentlccruugen eine mehr normale braungclbe Farbe an¬
nehmen , weil die Weiterreduction des Urobilin zu Chromogen
gehemmt wurde; gerade solche Beobachtungen dürften zu der
früher verbreiteten Ansicht von der gallcntreibenden Wirkung
des Calomel geführt haben.
Da die Calomelkörnchcn durch Alkali schwarz gefärbt werden,
mögen bei grösseren Calomeldosen auch die in den Faeces fein
vertheiltcn schwarzen Körnchen zur dunkleren Färbung des Stuhl¬
ganges etwas beitragen.
Der medicamentöse Gebrauch anderer Metallsalze hat keinen
merklichen Einfluss auf die Farbe der Faeces. Beim Silber ist
dies schon wegen der geringfügigen Dosen nicht zu erwarten.
Auch nach Plumbum aceticum (bei 0,4 pro die) konnte ich keine
Verfärbung wahrnehmen ; selbst bei Zusatz von Schwefelammonium
bleibt dieselbe aus, dagegen tritt bei Ansäuern und Zusatz
von Schwefel wasserstoffwasser etwas stärkere Braunfärbung durch
Schwefelblei ein.
Sehr in die Augen springend sind dio Reductionsvorgänge
im Darm bei Methylenblau. Wird dieser Stoff als Medica-
ment verabreicht, so ist der entleerte Stuhlgang von gewöhnlicher
gelber Farbe und bleibt so im Innern, an der Glaswand oder
unter Oel. An der Oberfläche wird er aber schon nach wenigen
Augenblicken blaugrün und diese Färbung dringt allmählich in
die Tiefe.
Wiener Briefe.
(Original bericht.)
Wien, 5. August 1896.
Der Recurs der annoncirenden Aerzte — abge¬
wiesen. — Die Krankencassen-Versicherung der Ange¬
hörigen der Arbeiter. — Die Prostitution in Wien. —
Nothwendigkeit von Bordellen. — Radfahrsport. — Aerzt-
liche Hilfeleistung.
Die so lange erwartete Entscheidung der niederösterreichischen
Statthalterei in Sachen der annoncirenden Aerzte ist endlich herab¬
gelangt. Die besagten Aerzte hatten von der Wiener Aerztekammer
bekanntlich eine Rüge erhalten, gegen welche sie bei der vorstehenden
Behörde recurrirten, wobei sie auch auf die Nothwendigkeit hin¬
wiesen, in dieser Weise auch fernerhin ihre sonst gefährdete
Existenz zu sichern. Die Statthalterei hat also den Recurs
der Annonceure abschlägig beschiedcn und nach § 12 unseres
Kammergesetzes giebt es gegen diese Entscheidung keinen weiteren
Recurs. Mit der Erthcilung der Rüge wird sich der Khrenrath
der Wiener Aerztekammer aber nicht begnügen können, da —
trotz der gemeldeten Entscheidung — heute wie ehedem eine
Anzahl von Aerzten die Inseratcnspalten der politischen Zeitungen
Wiens benützt, um dem Erwerb nachzugehen. Der Ehrenrath
wird somit gezwungen sein, gegen diese — Collcgen mit Geld¬
strafen vorzugehen, gegen deren Auferlegung die Annoneure
wieder Recurs ergreifen können. Wird sodann die Erledigung
dieses Recurses wieder 2 Jahre auf sich warten lassen?
Wenn auch langsam, so wird es schliesslich dennoch der
Aerzteschaft Oesterreichs gelingen, sich von diesem Schandfleck
am eigenen Leibe zu reinigen. Viel schwieriger jedoch gestaltet
sich der Kampf, welcher den Aerzten aufgedrungen wird von all'
jenen Organisationen und Verbänden, die im Verlaufe der letzten
Jahre in’s Leben gerufen wurden, um der ganzen Arbeiterschaft
oder Gruppen derselben den Kampf um das Dasein zu ermög¬
lichen resp. zu erleichtern. Man weiss es ja, welchen materiellen
Schaden die Gesammtheit der Aerzte durch die Inscenirung der
Krankencassen und Unfallsversicherungen bereits erlitten hat.
Der Boden wird aber noch weiter unterwühlt, man bemüht sich,
die «Wohlthaten der socialen Gesetzgebung» immer weiteren
Kreisen zugänglich zu machen — natürlich wieder auf Kosten
der Aerzte.
Im Vorjahre meldete ich, dass die Wiener Aerztekammer
an das Ministerium des Innern eine Petition des Inhaltes richtete,
das Cassengesetz möge ausschliesslich auf die zum Beitritt Ver¬
pflichteten beschränkt werden. Es zeigte sich nämlich, dass
die Zahl der nicht versicherungspflichtigen Cassenmitglieder. in
Oesterreich im Jahre 1893 schon fast 100,000 betrug. Nun
liegt mir die Zuschrift einer Krankencasse an ein Mitglied vor,
in welcher es lautet: «Der Verband der Genossenschafts-Kranken¬
cassen Wiens, dem auch unsere Gasse angehört, beabsichtigt die
Versicherung der Angehörigen der Mitglieder auf Arzt
und Medicamente einzuführen, was gewiss von allen Mitgliedern
unserer Casse freudigst begrüsst werden wird, denn die Erkrankung
eines Familienmitgliedes verursacht dem Arbeiter namhafte Aus¬
gaben, welche von seinem kargen Lohne zu bestreiten oft eine
Unmöglichkeit ist. Wir ersuchen Sie daher, die Daten, auf
welche im untenstehenden Formulare hingewiesen wird, genau
anzugeben» . . . etc. etc. Im Formulare finden sich auch An¬
gaben betreffs der Eltern und Grosseltern des Mannes oder der
Frau, mit welchen er im gemeinsamen Haushalte lebt und die
bisher nicht versichert sind, selbstverständlich auch die Angaben
betreffs der Zahl und des Alters der Kinder und Enkel.
Was da an zahlungsfähiger Clientöle wieder den praktischen
Aerzten genommen werden soll — die Angehörigen eines
Arbeiters gehören doch vielfach auch dem besseren Mittelstände
an — das bedarf keiner weiteren Ausführung. Wenn ich auch
weiss, dass es Cassenärzte giebt, welche die Mitversicherung von
Frau und Kindern eines Arbeiters gerne sehen würden, weil diese
Personen im Erkrankungsfalle denn doch seiner (natürlich ganz
unentgeltlichen) Behandlung zufallen, so will ich dennoch hoffen,
dass sich die maassgebenden ärztlichen Kreise, in erster Linie die
Aerztekammern, gegen diesen neuesten Angriff auf die Tasche
der Gesammtheit unserer Aerzte ganz energisch zur Wehre setzen
werden. Die Wiener Verhältnisse zum Mindesten sind derart,
dass eine Versicherung der Angehörigen eines Arbeiters nicht
nothw'endig, vielfach sogar absolut unzulässig. J )
Als ich im Oetober des Vorjahres den Bericht des Chef¬
arztes der k. k. Polizeidirection an dieser Stelle (Münch, medic.
Wochenschr. No. 42, 1895) besprach, schrieb ich auch folgenden
Passus nieder: «Es wäre mithin zu wünschen, dass sieh der Herr
Polizei-Chefarzt in einem künftigen Jahresberichte offeu für die
Errichtung von concessionirten Bordellen einsetze ; das Votum
eines so erfahrenen Beamten wird vielleicht für manche Kreise
bestimmend sein». Diesem meinem Wunsche ist Herr Dr. Wit-
lacil in seinem jüngst erschienenen Jahresberichte für 1895 nach¬
gekommen , indem er auf die Schwierigkeiten der Unterkunft,
sanitären und sonstigen Ueberwachung der Prostituirten hinweist
und sodann fortfährt: «Schon aus diesem Grunde haben Prosti¬
tutionshäuser oder Bordelle entschiedenen Vorzug vor dem Zer-
streutwohnen der Prostituirten, welches auch wegen des Coutactes
mit der Nachbarschaft von Ucbel ist. Die Coucentrirung von
Mädchen in solchen Häusern, ihre Loslösung von der übrigen Be¬
wohnerschaft, das Entfallen des Gassenstrichs, die leichte Ueber¬
wachung und die Möglichkeit eines besseren Schutzes gegen ihre
finanzielle und physische Ausbeutung sind so entschiedene Vor¬
züge solcher Häuser, dass man sich wundern muss, wie diese
Frage unter Jenen, welche die Prostitutionsfragc nicht überhaupt
mit schaler Theorie abthun oder vor ihrer Lösung zurückschrecken,
noch streitig sein kann. Die Erfahrungen, welche der Chefarzt
und die Untersuchungsärzte zu machen in der Lage waren, haben
ihnen die Ueberzeugung verschafft, dass mit solchen Häusern allein
es möglich ist, die vom sanitären und moralischen Standpunkte
gewiss bedauerliche, aber in den physischen und socialen Verhält¬
nissen unausrottbar wurzelnde Prostitution in jene Schranken ein¬
zudämmen, innerhalb welcher sie der öffentlichen Gesundheit und
Moral, wie der Gesellschaft und Familie den wenigsten Schaden
bringt. Man weise nicht auf den Rückgang der Bordelle in
manchen Städten des Auslandes hin; die Ursache liegt in ihrer
*) Im officiellen Protokolle der Wiener Aeiztekammer vom
14. Juli 1896 finde ich nachträglich folgenden Satz: Unter den
Einläufen befinden sich: Resolutionen des ärztlichen Vereines
des II. Bezirkes und des Vereines der Cassenärzte Wiens, dahin¬
gehend, die Kammer möge sich durch ihren Delegirten in der
Krankencasse-Enquete gegen die Einbeziehung der Familienange¬
hörigen Versicherter in die Krankencassen-Versicherungspflicht aus¬
sprechen. Diese Enquete ist längst vorbei, die Einsprache der
Kammer war mithin fruchtlos.
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MÜNCHENER "C.licc IN. WOCHENSCHRIFT.
itz "S= -ÄÄSI
bleiben wird».
Ärt»
Überwachung, da sich letztere bloss auf die geringe Zahl fr s
willig in die Evidenz tretender und die zofäUig aufgegriffenen ,
nicht in Evidenz stehenden Prostituirten beschränke .\
sollte gesetzliche Vorschriften erlassen, welche die Existenz der
Prostitution unter ihrer Evidenz erleichtern, der Prostitution Ueber-
Sene auch zwangsweise regieren dürfen, Prostitutionshäuser J
unter Aufsicht zulassen , der geheimen Prostitution scharf nach-
gehen, kranke Prostituirte bis zur vollständigen Heilung (llecon- ]
valescentenhäuser!) interniren , für ausreichenden ;
venerisch Erkrankter Vorsorgen etc. etc. Gonorrhoe «nd Sjphil s
sind so folgeschwere Affectionen, dass es eine ( ew,ssemb gku .
ist die zu ihrer Eindämmung im Interesse der öffentlichen
Wohlfahrt ergriffenen Maassregeln zu discreditircn und zu be¬
kämpfen. I
Noch zweier Bemerkungen des Chefarztes möchte ich hier
Erwähnung thun, da sic ein weiteres Interesse beanspruchen. Er
constatirt vorerst die zahlreichen, mitunter schweren Unglücks¬
fälle, welche neuestes durch Badfahrer herbeigeführt werden und
sagt dass das Ucberschrciten stark frequentirtcr Kreuzungen schon
lebensgefährlich geworden sei; selbst beim überqueren von
Strassen verunglücken gebrechliche, schwachsichtige oder taube
Leute oder Kinder sehr leicht. Man muss sich fragen ob das
frühere Verbot des Schnellfahrens über Kreuzungen nicht seine
Berechtigung hatte? Gewiss!
Sodann beklagt der Chefarzt der Polizei, dass in Wien für
eine zu jeder Zeit schnell erreichbare ärztliche Hilfeleistung nicht
vorgesorgt sei, dass immer wieder Fälle Vorkommen, dass, besonders I
Nachts, diese Hilfe stundenlang vergebens gesucht wird. Das
Publicum wendet sich dann zumeist an den Polizeiarzt, der zur
Hilfeleistung in Krankheiten und bei Entbindungen in der
Wohnung nicht verpflichtet ist, aber sie doch leistet, während
die Verpflichtung zur Hilfebeschaffung vielmehr der Commune 1
natürlich und gesetzlich obliegt. In der Grossstadt wäre es doch I
schon an der Zeit, wenn schon nicht ein wohlorganisirter ärzt¬
licher Permanenzdienst in allen Bezirken eingerichtet wird, so
doch wenigstens ein Abkommen mit Privatärzten zu erzielen,
welches die jederzcitige Erlangung ärztlicher Hilfe sichert. Gegen¬
wärtig ist die Hilfeleistung der freiwilligen Rettungsgesellschaft |
und der Polizei überlassen und glaubt die Gemeinde, mit einer
Subvention der ersteren und der dürftigen Dotirung der Sicher¬
heitswachstuben mit Rettungsmitteln das ihrige gethan zu
haben.
Auch diese Bemerkung ist ganz richtig und hat sich auch
das Wiener Stadtphysieat, der ärztliche Beirath der Commune,
wiederholt in diesem und ähnlichem Sinne geäussert und Abhilfe
erbeten. Das Publicum, das zahlen kann und zahlen will,
findet übrigens jederzeit und rasch ärztliche Hilfeleistung; für die
wenigen restlichen Fälle müsste wohl in der einen oder anderen
Weise vorgesorgt werden. An nachalmienswcrthen Beispielen in
anderen Gressstädten, ich erinnere nur an Paris mit seinem
mustergiltigen ärztlichen Nachtdienste, fehlt es wahrlich nicht.
Wohl aber fehlt es an dem guten Willen unserer Stadtväter, die
in der Rathsstube viel lieber hohe Politik treiben und durch Con-
fessionshader das Kleingewerbe retten wollen, anstatt durch weise
Maassregeln über das materielle Wohl, das Leben und die Gesund¬
heit ihrer Mitbürger zu wachen. Gott besser's ! —
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.—31. Juli 1896.
(Fortsetzung.)
IV.
Section für Chirurgie.
Die Arbeiten der Section unter dem Vorsitz von Alexander
Oes ton-Aberdeen begannen mit einer Discussion über
g die chirurgische Behandlung der Prostatahypertrophie
• i * t !wh einen Vortrag von David Mac Ewan-Dundee.
DeÄe bespricht die Entwicklung der einander folgenden Operations-
♦i i ^nächst den Perinealscbnitt mit Drainage, dann penneale
£ etl ‘rPvstotomia suprapubica, endlich die Alexandersehe
Prostatectom , y o P ^ P ' d j e Mortalittlt bei der Pro-
Operation Trotz ^er^Desser g * y | ite . Phi i ade lphia empfahl
££*iS? dte nS? S£Se der Orchectomie die seitdem viele
dann lOJo u . » ns i c hten wie die unleugbar vor-
häd?ne r ThaSache eines Schwindens der vergrößerten Prostata in
Fohre der Castration zu Stande kommt, sind sehr verschieden Die
-ÄastÄÄVSt
wenigstens beschränkt. Die Resection des Vas referens wirkt ann
ist, aufgehoben worden. Von einer einseitigen Castration erho^ ^
wenig Erfolg. AehnUch spricht sich auch J. Cbienea ■
I für die Cystotomia suprapubica mit Excision des d PP
eventuell, bei septischem Urin,der Orchectomie,
Sandberg-Bergen sah stets Erfolge von a ® . . .. „
während die Reslction des Vas delerens ihn manchmal bTsher übUche
F A. South am-Manchester spricht für die Disner uu
Katheterbehandlung, bei schweren Fällen zieht er üb g
Castration der Prostatectomie vor. ... • daa8 der Kathe-
C A Morton-Bristol bemerkt sehr richtig, dass ..
terismus bei den ärmeren Classen gewöhnheh sehr bMd C
führt und bei diesen desshalb eine ai^ere ^andlung ange g ^
als bei den besser Situirten, bei denen einegewisseEam
banden ist, dass der Katheterismus aseptisch durchgelunn
kaDn 'Jordan Lloyd-Birmingham hat
Erfahrungen gemacht. Camerun-Torento h;a “ pre ssion am
seitige Castration angewendet, ein Fall starb an U PP hose
vierten Tage, bei 2 anderen Fällen entwickelte ExtS
der eine derselben wurde durch Darreichung ’v gebessert,
aus dem Scbafshoden nach Brown-Siquard rM* g *>
In einem Schlussworte sprach sich Mac; Ej*“ die ^
dass intravesicale Prostatatumoren durch Pr Orchectomie,
gemeine Vergrösserung der Vorsteherdrüse aLe e aldrainage ist nur
event. Vasectomie behandelt werden solle, Pe und hat nur
i I bei sehr schwachen oder alten Leuten angezeigt
palliativen Werth. T „ „ nt ein-Hamburg:
Alsdann folgte ein \ ortrag von L * u ^ h e tet da rin über
i Behandlung subphrenischer Abscesse. derselben; von
6 Fälle und empfiehlt chirurgische Behandlung ährend -von
’ I 104 expectativ behandelten Fällen genasen nur ,
5 74 Operirten 39 Fälle zur Heilung kamen Oxvgen in der
> G. Stoker sprach über die Anwendung«lesO:^ e tc.
e Chirurgie, speciell zur Behandlung der Ulcera, £ hme des
n durch das Gas werden alle Bacterien zerst ® , Gegentheil
Staphylococcus aureus und albus, dl ® 86 . we * d flnst ieen Einfluss
II grösser. Stoker glaubt, dass dieselben Anwendung des
n I auf die Heilung der Geschwüre haben. Der zur a
t. Oxygens nöthige Apparat wird demonBtrirt. . „ Rfl nte Dis-
ie I Der zweite Sitzungstag brachte eine sehr in
>. 1 cussion über „ , , Wurmfort-
I die Chirurgische Behandlung der Krankheiten
iG I satzes scheidet 4 ver-
I eingeleitet durch Mac D o u g al 1 - Cannes. Er ““ er • t der Scbmerz
I schiedene Formen. Bei der ersten, der milden E > Spannung
ein massiger. Druckempfindlichkeit in der rof® ■ ’ Erbrechen,
1 der Bauchdecken, Temperatur bis zu 39,5 , m “ Schwellung-
I dabei Anfangs distincte, später abnehmende locaw
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8. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
857
Die Behandlung besteht in absoluter Ruhe, flüssiger Diät, Eisblase
oder Blutegel local, ganz kleine Dosen von Opium; Aperientia sind
zu verwerfen da sie die Gefahr vergrößern, allenfalls ein Einlauf
ist gestattet. Innere Antiseptica, z. B. Salol unterstützen diese Be¬
handlung.
Bei der zweiten Form, Bildung eines Abscesses, sind die
Symptome von Anfang an stärker markirt, die Geschwulst nimmt
zu, das Fieber fällt nicht ab, die über die ganze Bauchdccke ver¬
breitete Empfindlichkeit kann allgemeine Peritonitis Vortäuschen.
Erfolgt Perforation, so frägt es sich, ob der Durchbruch in die
Bauchhöhle oder extraperitoneal erfolgt, die Symptome sind dann
sehr schwere, das Erbrechen constant, der Puls sehr schwach. Bei
der vierten Form, der recidivirenden, ist zu unterscheiden zwischen
einem Rückfall und einer neuen Attake. Znr Verhütung solcher
Fälle ist Bettruhe, ftusserliche Anwendung von Gegenreizen und
interne Darreichung von Salol angezeigt. Die Differentaldiagnose
wird besprochen, Verwechselung mit Perforation eines Ulcus ventriculi
ißt nicht selten. Zur Feststellung der Diagnose ist Narkose und
bimanuelle Untersuchung mit einem Finger im Rectum, besonders
bei Kindern, am besten.
Bei allen Perforationen ist chirurgisches Eingreifen absolut
indicirt. Je eher, desto besser, jedenfalls innerhalb der ersten
43 Stunden. Ist keine Peritonitis vorhanden, kann das Abdomen
wieder ohne Drainage geschlossen werden. Bei Perforation in die
Bauchhöhle wird die Ineision am besten in der Mittellinie gemacht,
die Peritonealhöhle ausgewaschen und drainirt Was die Behand¬
lung des Appendix betrifft, so ist seine Entfernung nur dann an¬
gezeigt, wenn er leicht freigelegt werden kann, ohne dass Ad-
haesionen gelöst werden müssen. Bei der recurrirenden Form ist
seine Entfernung meistens angezeigt. Eine einfache Ligatur bei
der Excision des Wurmfortsatzes ist nicht sicher genug, es soll ein
peritonealer Lappen angelegt werden.
F. A Sautham-Manchester spricht sich dahin aus, dass die
Operation nach einer zweiten Attake immer angezeigt sei und zwar
nach Ablauf derselben, besonders wenn noch locale Symptome
Zurückbleiben. Er berichtet über 10 so operirte Fälle.
Derselben Ansicht ist Rutherford Moris on-Newcastle-on-
Thyne. Als weitere Indication bezeichnet er Abscessbildung und
drohende Perforation. Bezüglich der Technik der Operation em¬
pfiehlt er Anlegung des Schnittes möglichst in der Hüftgegend, bei
Bildung eines Beckenabscesses bei Weibern Eröffnung per vaginam.
C. A. Morton-Bristol ist für baldigste Operation in allen
schweren Fällen, da es fast unmöglich ist, zu unterscheiden, ob die
Peritonitis schon eingetreten, oder ob eine Eiteransammlung vor¬
handen ist, welche durch ihren Durchbruch allgemeine Peritonitis
verursachen kann.
Jordan Lloyd-Birmingham unterscheidet je nach dem Sitze
des Abscesses. Bildet sich ein Beckenabscess, so ist er wie Morison
für die Eröffnung desselben per vaginam, bezw. beim Manne per
rectum; sitzt derselbe in der Lumbalgegend, Eröffnung über der
Crista ilei oder gerade unterhalb der zwölften Rippe; wölbt er sich
nach der Bauchhöhle vor, so muss direct über ihm eingeschnitten
werden; bei allgemeiner Peritonitis ist die Incision am besten in
der Mittellinie.
Crawford Re|nton-Glasgow und Jenner Verral-Brighton be¬
tonen die Nothwendigkeit der möglichst frühzeitigen Operation und
Mitchell Banks-Liverpool endlich macht darauf aufmerksam, dass
manche Fälle von sogenannter Appendicitis ihren Ursprung in
Störungen von Seite des Coecums haben und erst secundär auf
den Wurmfortsatz übergreifen.
Die weiteren Vorträge des zweiten Sitzungstages betrafen:
Partielle Excision der Niere von Oskar Bl och-Kopenhagen. Er
empfiehlt dieselbe in allen Fällen, wo nicht die ganze Niere erkrankt
und functionsunffthig geworden ist, unter Mittheilung’ von 10 Füllen
J. Campbell-Belfast sprach über die sacrale Operations¬
methode bei Rectumerkrankungen;
Mitchel Banks über Erfahrungen mit dem Murphy'sehen
Knopf unter Mittheilung von 6 Fällen mit gutem Resultate;
A. H. Tubby über metatarsale Neuralgie, die sogenannte
Morton'scbe Krankheit In schweren Fällen wird die Resection
des Kopfes des Metatarsalknochens empfohlen.
C. A. Morton berichtet zum Schluss über einen interessanten
Fall von Leberabscess, der nach der Lunge durchgebrochen war.
Die dritte Situng der Section wurde eingeleitet durch einen
Vortrag von W. Andereon-London mit dem nicht ganz klar
erscheinenden Thema:
Chirurgie des subperitonealen Gewebes.
Histologisch entwickelt sich das subperitoneale Gewebe aus dem
mesoblastischen Ueberzug der grossen Bauchgefässe. Es dringt, dem
Verlaufe derselben folgend, in das Mesenterium ein und über¬
kleidet die Nieren, die Leber, fixirt letztere am Diaphragma und
bildet die Glisson’sche Kapsel. Es besteht hauptsächlich aus
elastischem Gewebe und etwas Fett und willkürlichen Muskelfasern.
Es geht unmittelbar über in die breiten Mutterbänder, ist mit allen
Bauch- und Beckenorganen in nächster Berührung und ist in Folge
seiner Structur sehr zur Entwicklung von Neubildungen geneigt.
Die Affectionen desselben sind, aetiologisch betrachtet, idiopathischer,
tuberculöser, syphilitischer, metastatischer oder traumatischer Natur
oder sie sind einfache Fortsetzung der Processe in den Nachbar¬
organen. Fast bei allen Affectionen der Bauchhöhle ist das sub¬
peritoneale Gewebe mitbetheiligt, namentlich bei den retroperitonealen,
subphrenischen, perinephritischen und praevesicalen, sowie den
Affectionen der Regio iliaca und des Beckens. Diese auf den ersten
Blick etwas willkürlich erscheinende Gruppirung anscheinend hetero
gener Affectionen und Zusammenfassung derselben unter einen ge¬
meinsamen Gesichtspunkt ist keineswegs bloss theoretisch construirt,
sondern in Anbetracht der gemeinsamen Aetiologie und Pathologie
sowie des gleichartigen klinischen Verlaufes praktisch berechtigt.
Beispiele zur Illustration werden angeführt.
Mac Dougall erwähnt als hie r hergehörig verschiedene Fälle
von Appendicitis; 0. A. No r ton- Bristol, ein retroperitoneales Becken¬
sarkom bei einem Kinde, das in Folge von Urinretention Drainirung
der Blase über dem Schambein erforderte; AgBton-Aberdeen ein
enormes Lipom bei einer 20 jährigen Frau, das ein Ovarialcystom
vortäuschte Anderson bemerkte in einem Schlusswort, dass ein
ausgiebiges Material von hierhergehörigen Fällen und Beobachtungen
angesammelt, aber noch nie kritisch gesammelt und unter diesem
Gesichtspunkte bearbeitet worden sei.
Alsdann sprach Sandl)erg-Bergen über den Gebrauch des
Tuberculins in der chirurgischen Diagnostik.
Er ist auch mit der vollständigen Verwerfung desselben als
therapeutisches Mittel nicht einverstanden und will es namentlich
als diagnostisches Hilfsmittel nicht mehr entbehren. Schaden hat
er von seiner Anwendung nie beobachtet. Er hatte es neuerdings
in 30 Fällen angewendet
Leedham Green sprach über die Desinfection der Hände
und kommt zu dem Resultate, daß die besten Resultate Alkohol
und Sublimat geben, dass diese aber immer noch nicht im Stande
sind, eine absichtlich septisch gemachte Hand aseptisch zu machen
A. C. Renton-Glasgow berichtete über 3 mit Erfolg operirte
Fälle von Intussusception;
Bronn er-Bradford über eine Modification der Operation am
Processus mastoidcus und
A. Morison-Hartlepool beschreibt seine neue Methode der
Trepanation der Roland’schen Spalte bei Jackson’scher
Epilepsie, unter Mittheilung zweier mit Erfolg operirter Fälle.
Im Verlaufe der Sectionssiizungen demonstrirten Mac Kenzie-
Aberdeen und J. Macintyre das Verfahren der Photographie mit
Röntgen-Strahlen unter Vorlage einer grossen Zahl von Bildern
und sprachen über deren Verwerthbarkeit zur Feststellung der
chirurgischen Diagnose. F. L.
(Fortsetzung folgt.)
III. französischer Congress für innere Medicin,
gehalten zu Nancy vom 6. bis 12. Angnst 1896.
Unter Thejlnahme von nahezu 300 Aer/.ten aus Frankreich,
aus dem Elsaß, Russland. Belgien, Holland und «1er Schweiz wurilc
der Congress von dem Präsidenten, Professor Pitres, mit einer
Abhandlung über die Gehirnlocalisationen eröffnet. Nach
dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft müssen wir die graue
Substanz der Gehirnwindungen als das eige. tliehe Organ der psychi¬
schen Vorgänge betrachten, welche in den Endverzweigungen der
polymorphen Itindenzellen zu Stande kommen. Dieses sehr com-
plicirte Netz, in welchem man bis jetzt ganz bestimmte Localisationen
noch nicht linden konnte, ist an der Peripherie mit den sogenannten
Projectionszellcn verbunden, welche die Function haben, von dem
Centrum her die Sinnesbilder, die den Ursprung der intellectuellen
Vorgänge darstellen, und die daraus hervorgebenden ßewegungsreize
zu empfangen und zu bewahren. Die Zellen für die sensiblen Vor¬
gänge sind in den Oecipital-, jene für die motorischen Erscheinungen
in den Fronto-Parietallappen verbreitet; so orklärt sich auch, dass
Verletzungen der Vordtrlappen die Entstehung der motorischen
Bilder und die Uobertragnng der Erregung stören, während bei
Laesion der Hinterlappen die sensiblen Bilder eine Störung erleiden.
Roger liess als Referent Über das erste Thema des Congresses,
die Anwendung des Blutserums in der Therapie, all die
Krankheiten Iievue passiren, bei welchen mit oder ohne Erfolg diese
Behandlungsart schon in Anwendung gezogen wurde. Bezüglich
der Cholera sind die Versuche, welche Metschnikoff, Roux
und Taurelli-Salimbcni mit den zweierlei Arten von Serum
— das eine gegen den Bacillus, das andere gegen den Giftstoff
wirkend — anstellten, bezüglich der Tliicre zwar gelungen, indem
56 Proc. derselben am Leben blieben, von den Controlthieren jedoch
nur 16 Proc. starben, für den Menschen ist jedoch in Anbetracht
der geringen Anzahl behandelter Fälle (im Ganzen drei von Frev¬
ln uth in Hamburg) die Wirksamkeit noch nicht erwiesen Der
Bacillus coli, der gewöhnliche Bewohner des Magen-Darmcanals,
ist der häufigste Erreger für die acuten Affectionen desselben, für
die Entzündungen der Gallen- und Harnorgane und oft die Ursache
allgemeiner Infectionen. wie Septicärr ie, Endocarditis septica u. s. w.
Versuche italienischer Forscher mit dem Serum von gegen den Bac.
coli immunisirten Tlneren sind ziemlich ermuthigend, um es therapeu¬
tisch besonders gegen die Infectionen des Harnapparates anzuwenden,
gegen andere Krankheiten dürfte es schwieriger sein, da es nicht
immer möglich ist, den Bac. coli als Krankheitserreger zu Lebzeiten
schon zu erkennen. Gegen die Lepra wurden von Carrasquilla
einige Versuche mit einem Serum gemacht, dessen Zusammensetzung
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MÜNCUKNKlt MKDI CINISCHB W0C UKNSCIIR1FT.
No. 36.
• Hpm er bei 15 Kranken bedeutende Besserung m
er nicht angiebt und mit.dem e die Tneumococcen- Zi
erzielt haben will. Mit dem Sw gj verschiedenen Forschern, re
i n f e c t ion wurden im Ganzen vo behandelt, nur in einem ge
besonders Deutschen nnd Italienern, 39 Fälle behage ^ ^
Falle war der Erfolg g le,< * * ul L “ i 8 ? e llte sich die Krisis am d.
Besserung sehr TaBeiwi der Injection und in mehreren L'
folgenden oder zweitnäclisten g fünften, selbst vierten Tage n
anderen Fällen vorzeitig, “ "®gjg;* K ““ n chOT, sondern auch das
ein; nicht nur das.Serum .mmunis.rter^ nach Charrin 0
von an Pneumonie erkrankten nsche J ,. an 0 hat 5n 39 weiteren n
ein ähnlich günstiges Resultat und» Thiere g 0 der geheilter Menschen z’
Fällen mit J
guten Erfolg gehabt. Be g . , Schlüssen gekommen; die g
Lmchiedene Unt«.»chet tu impfen ;;
Möglichkeit besiehe, die Thie gfg®_ g tlie experimentellen tl
und ein Serum au prtpariijn^ S.g zftWreichen therapeu-
Streptococceninfectioneii wirksam » dft88 da3 Antistrepto- I
tischen Versuche beim Mensche 8 chirurgischer Septicftmie und h
coccenserum besonders in den i a ; e doch darf man bei <-
von Puerperalfieber ’ Jer Injectionen zuwarten, I
letzterem nicht zu lange bis zum Beg t d ie übrigen Hilfsmittel 1
muss hohe Dosen injiciren und auch ß noch me ^ Rranken
der Therapie zu Hilfe nehmen. »herapie und schreibt der- <
9 Heilungen bei Anwendung ungewöhnlich kurzen 1
selben auch den gunst gen Umstand einer 3 ^ Beobach . ,
Reconvalescenz zu. ßezüglich des E > s P ‘ Krankheit 1
.„„g™, d« .S'livÄ oder länge ehrenden <
F™™'f»rda. Ety-ipel «HSMÄ '
ÄÄÄ *. Entzündungsherd d„s
ÄääSä
waren Ziegen, fcsei, war d die lmmumsirung nach
GaS m FÄÄ'vn» welchen nur
8 2") Proc zu Verschlimmerung oder zum Tod führten. D.w Sei um
hat also in 91 75 Proc. der Fälle, besonders aber in den fieberlosen,
Ens e geleistet Viele Aerzte haben siel, des Serums von M
bedient und die von ihnen veröffentlichten Resultate lauten ziemlich
günstig, w^nn auch eine Anzahl negativer Resultate cs keineswegs
Sl S£“,f:fdi HK. bringt keine. GCinen mit £
es ist manchmal wirksam und wenn nur in einigen wen gen 1 Fd le
das Resultat ein glänzendes ist, so darf man das Mittel nicht von
der Hand weisen. Die Serumbehandlung des Typhus abdomi¬
nalis wurde zwar auch in Angriff genommen ergab aber ebenso
wie iene der Blattern nur wissenschaftlich bemerkenswerthe
Resultate, ohne besonderen praktischen Werth. Bezüglich der
letzteren hebt der Urheber Beclöre hervor, dass die Serum¬
behandlung unschädlich sei, also ohne Gefahr weitere \ ersuche
damit gemacht werden können, die Kranken müssten jedoch ausser¬
dem noch mit den übrigen Mitteln behandelt werden Audi die
Heilung derTollwuth wurde mit seinem Serum versucht und con-
statirt, dass in Fällen drängenden Eingreifens die Serumtherapic ,
der Methode Pasteurs vorzuziehen sei (Babes). Keuchhusten
und die fieberhaften Exantheme erfuhren durch die Anwen¬
dung des resp. Serums, bei letzteren besonders von Rcconvales-
centen, in einigen Fällen eine auffallende Besserung. Kelaitides
gelang es, mit 5-20 ccm Serum von Hunden, welchen er Bronchial-
und Nasensecrete seiner Keuchhustenpatienten mjicirte, die Anfälle
zu vermindern, sogar in 2-3 Tagen Heilung «1 erzielen. Mit dem
Serum gegen Scharlach (v-n Kühen durch Injection von Blut
oder Epidermisschuppen gewonnen) führte er 111 der Dosis von
20-3) ccm Erniedrigung der Temperatur, Diurese und Verkürzung
der Krankheitsdauer herbei. Ziemlich zahlreiche \ ersuche mit dem
Serum von Reconvalesecnten an Typhus oxanthcmaticus
gegen diese Krankheit ergaben zu widersprechende Resultate, um
Schlüsse nach der einen oder anderen Seite zuzulassen, ebenso ist
es mit dem acuten Gelenkrheumatismus, der durch Weiss
in 10 Fällen eine Behandlung mit Menschenserum erfuhr.
Die Serumtherapie der Syphilis, welche in den letzten Jahren
immer wieder versucht wurde, ergab, dass sie im Allgemeinen der
classischen Behandlungsart nicht gleichwertig ist. Carcinom und
andere Neoplasmen wurden einerseits von französischen Forschern
mit dem Serum von künstlich mit Krebssaft u. s. w. inlicirten
Thieren behandelt, andererseits von Emmerich und Scholl mit
dem Erysipelserum. B i beiden Arten waren die Besserungen nur
scheinbare, letztere hat sogar den Nachtheil, zuweilen Gefahren
•ä • u „„ hrimren und dürfte wohl heute ganz aufgegeben sein,
mit sich zu bringen, unaaur ß welche, als Frucht sahl-
Z Untersuchungen von Calmette, mit den Seruminjectionen
reicher Untersuc gprzielt wurden; die lmmumsirung der
gegen das ^ bla S ^gebrauchen ist, geschieht am besten durcli
r 110 M : i nner 'des mit abnehmenden Mengen einer 17 proc.
LB« “g”Älc-mmhypochlorid. Aehnlichc günstige Resultate »eien
“ t s Ä'S’S ESST—, r. *
o.»»
machten iteheniscl V weiche nicht ungefährlich sein
rf
seltenen Infectionskrankheiten, dürfte erstere wohl ein« S.,«„.
therapie zngäiiglich sein. Rcferat über die Scrumtberapie der
II aushalt er hatte ‘ 3 * e übernomme n. Das Diphtherie-
D ii ph th er ) e u»d de • Somme aller bisherigen Erfahrungen
heilserum fuhrt nach der gr 1 d Gefässsystem seinen
ä £5&s
SMÄS'äK™ de,
zuweilen vorübergehende E ^ cb ® inu £Senkschmerzen, leichtes Fieber;
Bedeutung sind, wie Exanthcme. Ge _ - da8 gerum
unzweifelhaft, wenn auch sehr selten, sind die tu , K
entweder als solches oder ganz ausnahms-
säfte oder durch Secundär.ufectionen bdiwere un , g
weise, tödtliche Zufülle bewirkt hat. worden ist zeigt die
Heberall, wo das Serum angewendet ”5’ t jedoch
Statistik eine bemerkenswerthe , ujjj Jen Jahren
muss man hier die Schwere der Diphtherie J ben80 den Um-
und den umgebenden Medien inBetracht’ z '® h ^. ’ e vShe von Fähen
stand, dass die Bacteriologie in die Diplithcne frühzeitiger
einreihte, welche früher nicht dazu gerechnet; wurden. J« 3 io
mit den Injectionen begonnen wird, je ^enige g icht
Membranen sind, desto mehr hat man mi d«‘ beru“ be .
auf Erfolg. Die reine Diphtherie öhne ^robwas t ^ ^
sonders ohne Streptococcen, und ohne c 0“P hc ^ tl0 f n ® in hohem
Serumtheraphie die besten Erfolge; dieselbe niac ht
Grade die Zahl der operativen Eingriffe e ’ ug ® sch ^ m günB ügeren.
in Fällen, wo diese nöthig sind, den \ er J a “J zu ® die Tubage der
Specielle Fälle abgesehen, ziehen viele Aerzte n Erfolg, je
Tracheotomie vor und erstere verspricht Allgemeinen
eher sie nach der Serum.njecüon ausgeführt ® A ergten
, tritt leicht Heilung ein bei den Kindern^ welche> »n
. 21 Stunden nach der Injection mtubirt '»erden. berie w0 der
r die Intubation contraindicirt bei der toxwehen D p!^“®" mnot h, bei
. Tod viel eher durch Vergiftung «“*”“ *’* hnmösen Bronchitis-
j ausgedehnter Bronchopneumonie und bei d mbra jmmerhin vor
. Als Prop h vlacticum sollte in A , nbet . ra f‘‘ WC nig ange-
j handenen GefähHichkeit des Mittels dll . s “ . A en Maassnahmen
, wandt werden, höchstens dann, wenn die hygieniscben a ^ , haft
u bei einer schweren, mörderischen Diphtbene V ®g eruIDt heraphie
bei einer schweren, mörderischen Diphtber e p gerumtherap hie
sind, oder sich als unwirksam erweisen Bollten. ß bac htungen nnd
des Tetanus sammelte H aus h a 11 e r 44 T eta nu8heHsernm
kommt aus denselben zu dem Schlüsse, dass e Tetanus,
kein wirksames Mittel gegen den ber ^® 5 adi cationen die
sondern darauf beschränkt sei, je ? acb nnterstiitzen; ai e
chirurgische Intervention oder die Antisepsi Behandlung
kann ferner neben der üblichen ant.spasmod«J«? kretischen
(Morphium und Cliloral) neben den diuretisch ‘ P Gift d imli
Mitteln u. A. m., welch; letztere dazu d ’ e »«“ CT °' ^dt werden. Die
den Harn und Sclnveiss zu entfernen, ang g erum bewerk-
T r 0 p b y 1 a x e des Tetanus kann übrigens durch das »er
stelligt werden, wie die jüngsten , Er ] ah !!' in, ’!'{, n _ hedarf es noch
medicin vollgiltig beweisen; bezüglich des Mensche
weiterer Versuche. . . ... „ j aB erB te Thema
In der nun folgenden Discussion über ® , he erga beii,
berichtet M a u r e 1 - Toulouse über seine Versuche , w ^ es die
dass das Diphtherieheilserum dadurch wirken ™ * indert; sein
Reproductionsfähigkeit dös Diphthenebacillus die Virulenz
grösster Einfluss besteht aber darin, dass es dire _ bestrebe
des Bacillus einwirkt. Vom praktischen Staudpunkte a “ e 1 . 60 ia
man sich, die Serummenge im Verhältnis zum B
injinre ^ g g ßt Lffle pro testirt gegen die überhand uehtnende
1 logische Schablone, nicht der mikroskopische Befund ai .
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6. September 1fi96. MÜNCHENER MEDTCTNtSCttE WOCHENSCHRIFT. 059
das gesummte klinische Bild sollte maassgebend sein, ob Serum zu
injiciren sei oder nicht. Dasselbe sei keineswegs eine ganz unschäd¬
liche Substanz, so dass manche Aerzte sogar das Heilmittel für
schlimmer wie die Krankheit halten. Für A. ist stets nur der All¬
gemeinzustand des Patienten die Richtschnur, trotzdem erlebte er
einen Fall, wo er den Tod direct auf die Injection des Serums
zurück führt.
Rondot constatirte bei mehreren Fällen von Erysipel nach
Anwendung des Antistreptococcenserums eine schnelle Besserung
des Allgemeinbefindens, Abfall des Fiebers und Verminderung in
der Dauer und Schwere der Krankheit. Nicht minder auffallend
war die locale Besserung, wenn auch nicht stets ein Recidive ver¬
hindert wurde, welches jedoch immer auffallend milde verlief.
Mairet und Vires-Montpellier berichten über die Resultate
ihrer Untersuchungen, welche sie mit verschiedenen Serumarten
(sogen, künstlichem Serum, demselben mit verschiedenen Medica-
menten versetzt, Blutserum von Menschen oder Tbieren) bei der
Behandlung von Nerven- und Geisteskrankheiten erzielten.
Es ergab sich, dass das Blutserum eines von Manie Geheilten,
einem Maniakalischen in voller Excitation injicirt, sowohl local wie
bezüglich des Allgemeinzustandes unschädlich ist und dieses Serum
ausgesprochen und ziemlich nachhaltig beruhigend wirkt.
Becl&re behandelte im Ganzen 19 Fälle von Blattern mit
dem Serum der vaccinirten Ferse, bei dem Erwachsenen schwankte
die Gesammtmenge der subcutan injicirten Flüssigkeit zwischen
1 und l‘/a Ctr., stieg sogar zweimal auf 1000 ccm, die kleinen Kinder
erhielten */e bis */2 1 injicirt, die Dosis von ’/m des Körpergewichtes
wurde jedoch nie Überschritten. Diese enormen Quantitäten Serums
wurden ziemlich rasch resorbirt, ohne andere Zufälle zu veranlassen
wie zuweilen nach 6—10 Tagen einen Urticaria ähnlichen Ausschlag.
3 Kinder von 3 und 21 Monaten resp. 26 Tagen heilten nach ein¬
maliger Injection der entsprechendes Dosis; für B bildet dieses
Serum eine zugleich rationelle und unschädliche Behandlungsart der
Blattern.
Beclfcre liefert weiters zusammen mitChainbon und Menard
einen Beitrag zum experimentellen Studium der postserüsen
Zufälle, wonach das Pferdeserum Substanzen enthalten kann,
welche zugleich für Mensch und Rind giftig sind, also das Serum
selbst und nicht die auf die Thiere überimpften Toxine oder die
später sich bildenden Antitoxine Ursache für die verschiedentlich
nach den Injectionen beobachteten Zufälle sind.
Vidal bespricht seine Methode der Ser umdiagnose, welche
ihm bereits in 22 Fällen von Typhus positive Resultate geliefert
hat; die agglutinirende Wirkung des Typhusserums scheint von
einer grossen Widerstandskraft, das eingetrocknete Serum, ebenso wie
Blut bewahrt dieselbe bis 6 Wochen. Sie kann sieb auch in anderen vom
Kranken stammenden Flüssigkeiten zeigen, ira Urin, in der Thränen-
Flüssigkeit und in der Milch, welche bei einer an Typhus er¬
krankten Amme in exacter Weise die Reaetion ergab. Im Allge¬
meinen kann man auf die letztere vom 7. oder 8. Tage der Krank¬
heit an rechnen, diese Erscheinung ist jedoch wechselnd und steht
in keinem irgendwelchen Verhältnisse zur Schwere des Leidens.
In den ersten Tagen ihres Auftretens ist die Reaetion weniger aus¬
geprägt und da empfiehlt sich nach den bisherigen Erfahrungen
als beste Art 1 ccm des Serums auf 10 ccm der Reincultur zu
nehmen; auch in leichten Fällen von Typhus kann das Serum die
agglutinirende Wirkung haben, wie Lemoine 4 mal dafür den
klinischen Beweis erbrachte. Wenn auch schon ansehnlich, bo ist
die Zahl der Beobachtungen noch nicht zahlreich genug, um alle
Regeln der Serumdiagnose in ganz bestimmter Weise zu formuliren.
Haushalter wandte 39mal die Serumdiagimse bei Kindern
an, welche verdächtig auf Typhus waren. In 27 Fällen war agglu¬
tinirende Wirkung vorhanden und der spätere Verlauf hat die
Krankheit bestätigt, ebenso wie bei den 12 anderen sich zeigte,
dass es sich nicht um Typhus bandelte. (Fortsetzung folgt.) St.
Verschiedenes.
Das Correspondenzblatt der ärztlichen Kreis- uml Bezii ksvereine
im Königreich Sachsen schreibt: Verreist — von der Reise
zurück. Dieses Inserat war in den letzten Wochen täglich oft
von zehn und mehr Aerzten hintereinander im «Dresdner Anzeiger»
und anderen Blättern zu lesen. Das Publicum findet darin eine
Reclame, welche des ärztlichen Standes unwürdig ist, und macht
über die Länge der Reise und über die mehr oder weniger grossen
Buchstaben dieser Anzeigen seine Glossen. Die Ironie des Dr. O. J.,
welcher am 25 August mitten unter diesen Annoncen anzeigte, dass
er nicht verreist sei, macht die Sache vollends lächerlich. Kein
Kechtsanwalt berichtet solcher Weise in breitester Oeffcntlichkeit
über seine Ferienreise. Der Arzt braucht doch nur seiner Klientel
von seiner zeitweisen Abwesenheit Kenntniss zu geben und dazu
genügt ein vorgängiger Anschlag in der Wohnung, bezw. eine schrii't-
lche Benachrichtigung, wie der Umstand beweist, dass gerade von
aen meistbeschäfiigtcn Aerzten viele die öffentlichen Anzeigen über
re eisen durchaus unterlassen. Die Mode der Reiseanzeigen ist
oei den Aerzten überhaupt erst in den letzten Jahrzehnten ein-
g 1 ® 8en - Nicht nur in Dresden sind solche übeiflüssige Annoncen
m den Tagesblättern zu finden l
Therapeutische Notizen.
Gegenüber den von Rocco in Neapel (s. diese Wochenschrift
No. 32, S. 763) empfohlenen Sublimatpinselungen, die wahr¬
scheinlich eine Quälerei, jedenfalls aber nicht gefahrlos sind, möchte
ich ein einfaches, ziemlich billiges und überraschend wirkendes
Mittel bei Keuchhusten empfehlen, welches ich schon seit fast
2 Jahren mit Erfolg anwende. Ich gebe Chinin, hisulf. als Klysma
mit Aq. dest. Die Medication ist sehr einfach, so viele Centigramme
als Monate, so viele Decigramme als Jahre, täglich 3 mal ein Klystier.
Ueber 0,5 pro dosi bin ich auch bei älteren Kindern nicht hinaus-
gegangen. Irgend welche schädliche Erscheinungen habe ich nie
bemerkt. Es ist ganz gleich boi der Behandlung, ob es sich um
einen frischen oder alten Fall handelt; im Durchschnitt ist nach
8 tägiger Behandlung die Macht der Krankheit gebrochen, nur em¬
pfiehlt es sich, 8 Tage lang noch täglich 1 Klystier weiter zu geben.
Nach meiner Erfahrung sind etwa 95 Proc sämmtlicher Fälle bei
dieser Medikation schnell heilbar. Die Sache hat nur einen Haken,
nämlich die Technik des Klystiers; diese muss am besten vom Arzte
s lbst gezeigt und ganz genau erläutert werden. Ich nehme die
kleinen Spritzen für Minimalklystiere, circa 2,5 und 4 g fassend.
Die Lösung wird kühl eingespritzt, unter Leitung des beölten Fingers,
möglichst hoch hinauf, jedenfalls über den SpLinkter ani hinaus.
Dann wird durch Verweilen des Fingers oder Zusamraenpressen der
Nates der zu frühe Abfluss behindert, wenigstens während 10 Minuten.
Es gieht eine Reihe von Kindern, die uach diesen Klystieren Tenes-
mus bekommen, bei diesen setzt man ganz geringe Mengen Tinct.
thehaica zu. Bei jedem scheinbaren Misserfolge suche man zunächst
als Ursache desselben die Fehler der Angehörigen bei der Appli¬
cation des Klysma zu eruiren. Theils sind die Mütter ängstlich
und gehen nicht hoch genug mit der Spritze hinauf, theils sind die
Kinder aufgeregt und müssen mit Gewalt von einer zweiten Person
gehändigt werden, was das Vaterherz nicht immer vermag. Bei
einmal ausgebrochener Pneumonie habe ich geringere Erfolge ge¬
sehen, doch darf man die Klysmen getrost forlsetzen, solange keine
Herzschwäche eingetreten ist. In der Praxis aurea und bei einigen
Kindern, wo durch ungeschickte Manipulationen oder besondere
Empfindlichkeit ein Klysma nicht gut angängig ist, gebe ich Chinin,
hisulf in supposit. mit butyr. Cacao, eventuell etwas Tinct. thebaic.,
am besten 2 mal täglich, Morgens und Abends, und etwas höher
dosirt. Im Allgemeinen aber wirken die Klysmen prompter als die
Suppositorien. Ich wiederhole noch einmal, dass die Hauptsache
die richtige Anwendung des Klysma ist und dass der Arzt seine
Verordnung auf den Inhalt der Spritzen bezieht. Es wäre mir lieb,
wenn Collegen, die meine Art der KeuehVmstenbelinmVlung probirten,
mir das Resultat per Postkarte mittheilten. Uebrigens liegt es mir
fern, diese Behandlnngsweise mir als eigenes Product unterzu¬
schieben. Vor circa 2 Jahren las ich eine Broichüre zur Rettung
der Chininbehandlung bei Keuchhusten; der Name des Verfassers
ist mir leider entfallen. Derselbe rieth zum Schluss, noch eventuell
Chininklysmen zu versuchen, er selbst habe noch keine derartigen
Versuche gemacht. Das war die Anregung zu meinen Versuchen.
Zum Schlüsse will ich noch einen besonderen Fall aus meiner Praxis
kurz mittheilen. Ein 3 jähr. Knabe erkrankt nach meiner Diagnose
an Pertussis. Nach 5 Tagen — ich war inzwischen auf meiner
Sommerreise — kommt Larynxdiphtherie dazu; das Kind wird
tracheotomirt. Während der Höhe der Diphtherie setzt der Keuch¬
husten völlig aus und kehrt nach Heilung der Diphtherie zurück.
Schliesslich aber heilte bei der angegebenen Behandlung der Keuch¬
husten in wenigen Tagen. Dr. med. H. Schulze, Hamburg.
Narkose durch Aethylchlorid. Herr Dr. G. F. Henning
in Berlin schreibt uns: «In No. 27 dieser Ztg. erschien eine Notiz
aus dem Bulletin mödical in der über die Anwendung des Chloraethyls
als Inhalations-Anaestheticum berichtet wurde. Um die Versuche
von Soulier und Brian eingehend zu studiren, Hess ich mir das
französische Blatt kommen und fand, dass Ihr Referent Aethyliden-
chlorid mit Aethylchlorid verwechselt hatte. Dass Aethylidenchloiid
(CH3 — CHCI2) ein Betäubungsmittel ist, war längst bekannt, aber
dass das für die locale Anaesthesie so bedeutungsvoll gewordene
Aethylchlorid (C 2 H 5 CI) zur Inhalationsnarkose verwendet sein sollte,
war neu und für mich um so interessanter, da ich chemisch reines
Aethylchlorid fabricire. Ich habe nun auf Grund Ihres Referates
mehreren Universitätskliniken Material zu Narkosen übersandt und
so zur Verbreitung des Irrthums beigetragen, da aber durch Ihr
Blatt der Irrthum erregt wurde, müssen Sie schon die Liebens¬
würdigkeit haben, ihn durch Ihr Blatt auch wieder zu berichtigen.
(Was hiermit bereitwilligst geschieht. Red.)
B r o c y empfiehlt in der L a n ce t zur Behandlung der Alopecia
areata folgende Salbe: Resorcin 0,1, Chinin, hydrochlor. 0 2
Vaseliu. purum. 30,0. Dieselbe soll aber nur auf eine kleine Stelle
auf einmal eingerieben werden. Dauert der Haarausfall fort, so
können 15—20 Tropfen Cantharidentinetur zugesetzt werden, oder in
anderen Fällen Schwefel, z. B. Resorcin 0,2, Chinin, hydrochlor 0 3
Sulfur praecipitat. 2,0, Vaselin, pur. 30,0. Ist die Reizung durch
die Salbe zu stark, so wird sic eine Zeit lang durch Boraxvaselin
2 : 10 ersetzt. Bei gleichzeitigem Ekzema seborrhoicum ist oft eine
Mercurialsalbe von grossem Nutzen. p t
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860
MÜNCtlKNKH MK DTClNlSCflB WOCHENSCHRIFT-
No. 36.
Tagesgeschichtliche Notizen.
TV__ Bofinllm dea
iJlpitiSM
“ichen'vSl™“''eine. .‘«ewHmrtMi ®“ ic ;“ lb /“wöhrdes ““t
it«ri=:riÄ2
rSfUSS
?eVwTrper8öSich S ihm schulden für die
= MÄei ÄrwSenschSt. 8 Und ***£*££
von den ersten Jahren ihres Bestehens an bis in d ml etgen Voon
allein als Mitarbeiter förderte er die Wochenschrift mit ’ebhafte
Interesse verfolgte er alle Phasen ihrer Entwicklung und loh ist; e
uns auch in schwierigen Fragen freundschaftlich mi-Rath zur beite
gestanden. Tief betrauern wir daher den Hingang de» edle
Mannes, dessen Andenken von uns stets m hohen Ehren wird ge
halten werden.
- Nach dem Vorgänge anderer Bundesst^ten hat nunmehr
auch Baden neue Bestimmungen für die Anstellung ^r Staatsärzte
erlassen. Wir bringen die betr. landesherrliche \ erordnung auf de
Umschlag dieser Nummer zum Abdruck.
— In Oesterreich steht die Frage der Aufhebung der Collegien-
trelder auf der Tagesordnung Es haben sich bisher die medicinische
Facultät in Graz, die juristische Facultät in Wien, sowie »euer ug^
nach der Wiener all«, med Ztg, auch die medicinische Tacultilt in
Wien gegen dieses Troject erklärt.
— Vom 20. bis 23. October d. J. wird in Rom der VII. Gon¬
gress der italienischen Gesellschaft für innere Medicin
tagen. Den Vorsitz führt Professor G. Baccelli. Als Hauptthemata
stehen auf der Tagesordnung Besprechungen 1. über die Jüngsten
Fortschritte in der Physiopathologie des Gross- und Kleinhirns,
2. über Herzmuskelinsufficienz. Vorträge über genannte Fragen sinü
anzemeldet von den Professoren Rummo, Queirolo und Foria-
nini. Ausserdem bringt der Congress Mittheilungen verschiedener
Art, eine Reihe klinischer Demonstrationen, sowie 2 Conferenzen über
die Jahresergebnisse auf dem Gebiete der Therapie und Diagnostik.
WiP ich mich überzeugt habe, liegt meinerseits eine Ver-
körpers». ' JvJ ^ «aseptischen Reinigung» der Augen (Methode
FüsÄ^TA hiermit bereitwilligst berichtige,
Personalnachrichten.
Bavern.
Niederlassung: Dr. Otto Hope, appr. 18fc8, zu München;
Nieaeiiassu » 1893 zu München; Adam Georg, appr.
Dr. Joseph Hope, pp zu Zeil a m.; Dr. Bleser Gustav,
innr Ä 2 Alzenau; Dr" Burger Friedrich appr. 1888, zu
appr 18 J»’, zu « . ' bu Dr. Eisenmann A„ zuKitzingen.
und d Z e ft r h p n raS. ÄVraTz
“TÄ-rÄss
glied'des obersten Scliulrathes.
Generalrapport M»»
Be Jl ÄÄ
SH
64,03 Kadetten^ 1Tlann’nKa^etten^-^nvaWe^^n
U.-V.; gestorben 9 Mann, — Kadetten, _ u _y ander .
SÄiS ÄÄ- »-*-i 3 “
816,10 der erkrankten Kadetten^ - der e k ^ der Kranken
772,72 der erkrankten U.-V., gestorben i,u n y
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,00 Rivahden und 0.00 _ Ka .
5) Mithin Bestand am 31. Juni 1896 • T( L.« rke yo 36 Mann,
detten, 2 Invalide» 5 U,V.| ™n, Taneend der Ietsllrk. ö ^
- Kadetten, 117,64 Invaliden, 30,30 UW _ Inva .
stände befanden sich im Nazareth 939 Mann, Kade« _ y
Man. 6 U,V.; im Eevie, «9 Mann - Kade« ^
Von den rni Lazarethe bezw. «.ev allgemeiner
celittcn au* Pyacmic l, Genickstarre 1» « Entzündung
Miliartuberculose 2, chronischer
der Rückenmarkshäute 1, Verletzung ^Gehirns ^urcli^P
— In der 31. Jahreswoche, vom 16. bis 22. August 1896, tmtten
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Brandenburg mit 39,7, die geringste Sterblichkeit Bielefeld
mit 9,7 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Croup in Rostock.
(UniversitätBnachrichten.) Berlin. Dr. Zabludowski,
Professor v. Bergmann’s langjähriger Assistent und Leiterder
Massagecuren in der chirurgischen Universitätsklinik, ist zum Pro¬
fessor ernannt worden. — Breslau. Der praktische Arzt Dr. med.
Hermann Stuhr wurde als Assistent des anatomischen Instituts
auf die 8telle des ausgeschiedenen Assistenten Privatdocenten
Dr. Endres berufen. — Freiburg i. B. Dem Privatdocenten der
Chirurgie Dr. Alexander Ritschl wurde der Charakter eines
a. o. Professors verliehen. — Marburg. Dem Stabsarzt Dr. Wern icke
aus Berlin, der an der hiesigen Universität den beurlaubten Professor
Dr. Behring vertritt, ist der Professortitel verliehen worden.
Dorpat. Der Lehrstuhl für vergleichende Anatomie und Ent¬
wicklungsgeschichte, der durch Prof. Barfurth’s Berufung nach
Rostock an von Brunn s Stelle erledigt wurde, ist Dr. Tschermak,
bisher Prosectoi an der militär medicinischen Akademie zu Petersburg,
übertragen worden. — Lausanne. Habilitirt: Dr. Perret für
Chirurgie, Dr. Combe für Paediatrie, Dr. Dufour für Ophthal¬
mologie. — Moskau. Der Vorstand der internen Klinik, Professor
Sacharjin, hat in Folge gegen ihn gerichteter Studentendemon¬
strationen sein Lehramt niedergelegt.
(Correspondenz.) Herr Prof. Dr. Knies in Freiburg i. B.
ersucht uns um Aufnahme nachstehender Zeilen: «Prof. Eyers-
busch macht mich darauf aufmerksam, dass ich auf Seite 23
meiner Abhandlung über die gonorrhoischen Augenentzündungen
(Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Augen¬
heilkunde, herausgegeben von Prof. Vossine, Rand I, Heft ES) von
ihm angegeben habe, er empfehle Einträufelungen ins Auge «un¬
mittelbar nach der Geburt des Kopfes und vor der des übrigen
der Luftröhre). , , , in Hat Armee im Monat Juli
Der Gesammtverlust durch Tod m der Armee
beträgt somit 9 + 5 = 14 Mann.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten^
" B^thefl Aerzte 40o! Brechdurchfall 43 (37*), Diphftene, W
27 (25)! Erysipelas 10 (12),. i * n Ne ';r^ ) a M^billi H U>).
Kindbettfieber 3 (2), Meningitis cerebrospin. 1 ( >• ic8 2 (_),
Ophthalmo • Blennorrhoea neonat. 4 ( 9 )» ^° . ( _) Rheuma-
Pneumonia crouposa 8 (8), Pyaemie Septicaem e 32 (10 ),
tismus art. ac. 11 (15), R«hr (dystmtena) - ( ). * s “ r ar icellen 8 (D,
Tussis convulsiva 37 (40), Typhus ab dom in Dr. Au b.
Variola, Variolois - (-). Summa 203 (171). “eenem*
Uebersicht der Sterbefälle in Münderi m
während der 35. Jahreswoclie vom 23 Aug^t bis .
Bevölkernngszahl. 40buw. Diphtherie
Todesursachen: Masern — IV 1 (—)» B' utveI '
und Croup 4 (-), Rotblauf - (1), Unterleibstyphus -
giftung (Pyämie) - (1), Brechdurchfall 7 (6), Unter ! Tuber .
(1), Keuchhusten 4 (2), Croupöse Lungenentzündung ö l * ÄCQter
culose a) der Lungen 25 (16), b) de] J ^ lge bar J g K ra nkheiten 4 (2),
Gelenkrheumatismus - (-), andere Hand - W:
Unglücksfälle 4 (4), Selbstmord 1 (1),.Tod durch * u Verhftltn iB8zahl
Die Gesammtzalil der Sterbefälle 16 ( ■ > ^ (19,5), f®*
auf das Jahr und 1000 Einwohner »“ W ( 9 > 7 >> ^
die über dem t. Lebensjahr sehende Bevölkern g
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,o
? ?:- v -
•) Die eingeklammerten!
Verlag von J. F. Lehman n ln München. — Druck der
B. Mühlthaler’«Chen k. Hof-Buohdruckerel ln München.
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IHe Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindcstensS 1 /..—3Bogen,
l'reis vierteljährlich 6 proemimeramio zahlbar.
Einzelne Nummer 60 4 .
sä sind ^ T a ^T' Kn - die Red “M^
uiuiMrasse l. — Kur Abonnement an J F i^h-
' ~ Für InBCrillc Beilagen
an Rudolph Moase, Promenadeplatz ir.
MÜNCHENER
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
~g * "'.gr '■ ‘SÄ* '• K* *■£“* US“' ‘-l-JÜSt- "iSS '■ UH*. "■ US»
M 37. 15. September 1896
Originalien.
Aus der [Jntersuchungsstation des k. Garuisonlazareths
Würzburg.
Morphinchlorid gegen Vergiftung mit Kaliumcyanid.
Von Dr. L. Heim.
Ein 7,974 g schwerer Versuehshund, der vor Monaten ein¬
mal zur Blutentnahme gedient hatte, sollte getödtet werden. Er
erhielt um IO 1 /» Uhr 0,4 g Morphium unter die Rückenhaut,
war zunächst sehr aufgeregt, lief heulend und winselnd umher,
erbrach, wurde allmählich ruhiger und verfiel dann in Schlaf.
Um den tödlichen Ausgang zu beschleunigen, wurden ihm um
117» Uhr auf zweimal, zusammen etwa 10 ccm einer Cyan¬
kaliumlösung eingeapritzt, die der Titration mit 7,0 Normal-Silber¬
nitrat Lösung zufolge 3,3 Proc. KCN enthielt. Aber die Folge
entsprach der Erwartung nicht: der Hund fing an, zu sich zu
kommen und, wenn auch nicht ganz sicher, so doch verbältDiss-
mässig munter zu laufen, wie zu Beginn der Morphium Vergiftung.
Erst nach und nach stellten sich die Erscheinungen der Cyan¬
vergiftung ein, das Thier bekam Krämpfe, fiel um, wälzte sich
auf dem Rücken in dem Bestreben, wieder auf die Beine zu
kommen ^ and ging schliesslich unter krampfhafter Respiration
gegen 1 '/» Uhr zu Grunde. Es war nach der Einspritzung der
KGN-Lösung unverkennbar eine Besserung in dem Befinden des
Hundes eingetreten, die vielleicht länger angehalten hätte, wenn
die KCN-Gabe geringer gewesen wäre. Diese Beobachtung er¬
schien einer Prüfung durch weitere Thierversuche werth.
Aus äussern Gründen war es mir aber unmöglich, die Arbeit
m grösserem Umfange durchzuführen ; Mangel an Zeit und an
grosseren Thieren nöthigten mich zur Experimentirung in be¬
schranktem Maasse und an weissen Mäusen; aber schon dabei
erhielt ich Ergebnisse, die Veröffentlichung verdienen. Die Ver¬
suche habe ich gemeinsam mit Herrn Kurt Sandrog angestellt.
Wenn die Beobachtung richtig ist, dass die Erscheinungen
der Morphiumvcrgiftung durch Cyankalium in einem für den
Organismus günstigem Sinne beeinflusst werden , indem beim Zu¬
sammentreffen beider Substanzen im Körper weniger giftige Pro-
uetö entstehen so wird auch das Umgekehrte der Fall sein
en. Da es für die Praxis bedenklich erschien, eine Cyan-
kalimneinspntzung gegen Morphiumvergiftung zu geben, so stellte
ic rage; Ist es möglich, durch’ subcutane Einführung von
jiphmmditend in einer Gabe, die unter der tödlichen liegt, eine
he Dosis von Cyankalmm unschädlich zu machen?
Als M/l? UrChS,Ch , t der Literatur darüber keinen Aufschluss.
Prevo P W gegen ^ tt anvcrgiftun « wurden empfohlen: Atropin von
norm! ’ Wassorstoffsu Peroxyd von K 0 b e r t und K r 0 h 1, Kalium-
srtT *r a> “ itrat vonAntai
"'iJZ'lT, “ US5 \ tÖdliehc Dosia der boidc " Mittel (dr
der T dGD '* iU den beiden Tabe,len sind
Controlen m?? d,e . den spätem Versuchen als
v *17 weQ deten Thiere mit eingenommen.
o7.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J, F, Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Versuche mit Kaliumcyanid.
' iVo.
Gramm
Körper-
Gewicht
Verliältniss
von Gift
zu Gewicht
Tod
nach
Minuten
1
23,5
1:10 000
4
2
15,0
1:10 714
2
3
18,0
1:12 857
30
4
16,2
1:13 000
5
5
19,0
n
34
6
26,0
22
7
14,0
22
8
12,0
n
13
9
20,0
1:14 286
255
10
24,5
1 : 20 000
11
21,0
1:21 000
262
12
27,5
1:30 000
13
20,5
1:40 000
14
26,0
1:50000
—
Versuche mit Morphium hydrochloricui
No.
Gramm
Körper-
Gewicht
Verliältniss
von Gift
zu Gewicht
Tod
nach
Minuten
15
21,5
1:21 500
16
18,3
1:18 000
17
20,0
18
20,0
19
14,0
20
19,0
1:15 000
5 000
21
23,0
1:11500
4 320
22
20,0
1 : 10 000
2 700
23
19,0
1 :5 000
1 200
24
18,0
1 : 2 500
1000
2 )
23,0
1:1000
190
26
22,0
1:440
37
27
18,0
l: 180
40
Das eine Thier von 19 g konnte nicht mehr gerettet werden-
s gmg rasch zu Grunde, 1« Minuten nach der Verriftung mitKCN’’
Das andere, 18 g schwere Thier dagegen, das zur Zeit der
feZen e « n h- PntZU K g 8ch0 ? echwere Erscheinungen 8 aufwfes und
- — “ d ™
Controlen No. 4 und 5, 16 and 17.
In einem zweiten Versuche wurde die Zeit zwischen den
Einspritzungen auf 4 Minuten verringert doch «f^rh u .»• den
eins der beiden Thiere, aber zSch spkt dt 94? ? dl ^ mal
zeigte ausserordentlich heftijre Kr« mn f ^ ’, . * S schwere Maus
weisen Uhm.ragwjrscheinungen K und
bewegungen 144 Minuten nnch der KCN
mmder'schwer^siT'bUeb Älteen,“““ "T dle Eracl « i ™"gen
Schweif ger.de' in'Ä*“
“ £ If r h8ten ««“»<» ä:
Controlen No. 6 und 7, 18 und 19.
Digitized by
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62
Münchener medicinische wocHENgcggT.
No. 37.
Wir haben
waren unddoppelten Einspritzung unterworfen (M = mit
e ÄTuVc = S C^labum früher behandelt):
1 Frühere
Nummer
Letzte Behandlung
vor I mit
Tagen
Veränderung
des
Gewichte
Minuten
zwischen den
2 Injectionen
Tod
nach
Minuten
16
17
15
14
13
10
2
2 i
9 1
10 1
7
7
M
M
M
C
C
C
— 0,8
-0,3
— 3,3
±0
-0,5
+ 0
4
4
5
5
17
16
60
190
Lang, Archiv f. exp. Path. u. Pharmak. v. Nauny n u. Schmiede-
herg, 36. 75^ Pharmakologie, Berlin bei Hirschwald.
bei f - *" k *
‘ (darin weitere Literaturangaben).
, “n e KÄ ÄtS Ä
Vergiftung mit nicht tödt ~° 8 d 8 17) k ® in Zufall, dass von den
nach 19 Minuten (Controle No. »). '
Aus unsern Versuchen geht zweifellos hervor dass die nach¬
trägliche subcutane Einverleibung einer nicht tätlichen Dosis
Morphium thatsächlich Mäuse vor dem sichern Tod durch Cyan-,
kalium zu retten oder wenigstens den Eintritt des Todes m der
Mehrzahl der Fälle hinauszuschieben vermag. Denn kurz zusam-
meugefasst wurden von 10 nach der Cyanvergiftung mit Morphmm
behandelten Mäusen 6 gerettet, 3 starben erst nachl-S Stunden
und nur 1 erlag ebenso rasch wie im Durchschnitt die Control
thiere; die sämmtlichen 5 nicht weiter behandelten Controlmause
gingen binnen etwa */« Stunde zu GrQnde '
Erstaunlich sind die Giftmengen, die der Mäusekörper erträgt.
Von KCN können bis zu 0,03, möglicherweise sogar 0,04 g, von
Morphium 0, 0 6 g auf’s Kilo Thier subcutan gegeben werden
ohne dass der Tod erfolgt. Nach Lang sind 7,2 mg KCN
3 mg Blausäure) für’s Kaninchen die tödtlicbe Dosis bei
subcutaner Anwendung, wir ermittelten dagegen für die Maus
7 7 mg. Für Hunde bestimmte Lang als absolut letale Dosis
bei innerer Verabreichung 4 mg Blausäure auf’s Kilo; unter 7
von ihm mit Blausäure innerlich und mit Thiosulfat subcutan
behandelten Hunden starben zwei im Gewichte von 6,300 und
7 300 g an 78,0 und 79,8 mg Blausäure nach 35 und 15 Mi¬
nuten ; unser Eingangs erwähnter 7,974 g schwerer, mit Mor¬
phium vorbehandelter Hund hatte subcutan etwa 137 mg Blau¬
säure bekommen und erlag erst nach 2 Stunden.
Für die Erklärung der von uns gefundenen Thatsache lässt
sich die Reaction, die beim Zusammenbringen einer Lösung von
Morphinchlorid und von Kaliumcyanid im Reagensglasc entsteht,
nicht verwerten: cs findet hier nämlich nach kurzer Zeit eine
Ausscheidung von Crystallen reinen Morphins unter Freiwcrdung
von HCN statt. Im Körper müssen die Umsetzungen ganz andere
Producte liefern. Ich meine, man kann sich den Vorgang so
vorstellen, dass bei der gegenseitigen Einwirkung von KCN und
Morphin unter Mithilfe des Fe im alkalischen Blute Oxydimorphin
und Berliner Blau entstehen, beides relativ ungiftige Stoffe.
Wenn sich die günstige Wirkung des Morphins bei der
Cyanvergiftung in weitern Versuchen an grösseren Thieren be¬
währen wird, so ist Aussicht vorhanden, dass sie auch für die
Behandlung beim Menschen mit Nutzen verwendet werden kann.
Möglicherweise bietet sich schon eher Gelegenheit, das Mittel in
der Praxis anzuwenden, das vor andern zum gleichen Zweck em¬
pfohlenen den Vortheil hat, am ehesten zur Hand zu sein.
Interessant wäre die Beobachtung eines Falles von Cyanvergiftung
bei einem Morphinisten.
Benützte Literatur:
W. Preyer, Die Blausäure, Bonn bei M. Cohen & Sohn) 1868
R. Kob er t und Krohl, Dorpater pharmakol. Studien, 7. 130.
Virchow's Jahresbericht 1891. 412.
Kos 8 a, Ungarisches Archiv 1, V. J. 1893. 400.
Antal, V. J. 1894. 393.
Aus der medicinischen Klinik zu Freiburg i. 11.
(Geh. Rath Bäumler).
Ueber die Frühdiagnose des Carcinoma ventriculi.
Von Privatdocent Dr. A. Scküle, Assistenten der Klinik.
Wenige Gebiete der Magenpathologie haben in den letzten
Jahren ein so eingehendes Studium erfahren, wie die Diagnostik
des beginnenden Magencarcinoms. Diese Frage hat an fresse
eben gleicherweise zugenommen, wie die ehirurgisc c ec m
Grenzen der operativen Behandlung maligner Tumoren des Magens
erweitert 1^1 ^ wärc e8) ein Carcinom des Magens
Mamma zu excidircn im Stande ist. ,
Leider sind wir von diesem Ziele noch recht
Die Durchleuchtung de» Magens nach E.nh.rn ^d M eU^.«
hat es bis jetzt noch zu keinem bergenden .
patbognomontsd^anZMprechen eure mA gerade m i «i
ä rÄ»« -t 1 - -
deren Dignität eine sehr verschiedenartige ist.
In einer früheren Arbeit 1 ) habe ich an der Hand eine
grösseren krankengeschichtlichen Materials die
Carcinoma ventriculi einer Besprechung vom diagnostischen
punkte aus unterzogen. .
Die folgenden Zeilen sollen jene Ausführungen » «JJ
Punkten ergänzen helfen. _ Zur Benützung sji eigene
40 Krankenjournale der hiesigen Klinik, verehrten Chef,
Beobachtungen, für deren Ueberlassung io “ el verbindlichsten
Herrn Geh. Rath Bäumler, auch hier meinen verDin
Dank ausspreche. , Addenden Salz-
Was zunächst die vielbesprochene Frage t Statistik
säure betrifft, so hatte die früher 8rh p obcnC “Srie besteht-
(88 Fälle) ergeben, dass in rund 80 Proc Anac y ^
Eine Vergleichung mit den B«teh l uW« i
Klinik bestätigt diese Angaben: Unter 40 « p . m .)
diagnosticirten Fällen (darunter 24 Autopsien Farbstoff-
fanTsich bei 32 (d. h. 80 Proc.) völliges Ver^ n der ^ ^
reactionen; bei 4 (10 Proc.) fielen dieselben positi
ein schwankendes Verhalten. • landen Studie über
In einer kürzlich erschienenen, sehr cingeh 42 Fälle,
das Magencarcinom*) berichtet Hammersc
wovon 90 Proc. Anachlorhydrie aufwiesen. Magen .
Es steht also fest, dass in der ^™ gleichgiltig wo
krebse die freie Salzsäure verschwindet und *^ ^„kt
der Tumor localisirt ist. Ausserdem aber ^ fe y t die freie
die Wichtigkeit dieses Symptoms bedeutend aowohl des Magens
Säure auch bei zahlreichen anderen Krankheit« , hatte na n
als auch des gesammten Organismus ü r au P Deficite eineu
s. Z. daran gedacht, in der Bestimmung de8 ^ «ans
Factor gewonnen zu haben, welcher uns arcinomve rdächtigen
den zahlreichen Fällen von Anachlorhydrie die 9 Wertke
noch sicherer auszuscheiden, als wir es bis je derfl 8U8 pect
von über 35 Proc. (0,13 Proc.) schienen mir beso ^ UDt£r
sein. Dem entgegen fand Hammer Proc.
9 Krebskranken nur bei 4 ein H Gl-D „plmässig da»
In den letzten 2 Jahren wurde von . h 8elir variable
HCl-Deficit bei Anachlorhydrie bestimmt, wol*ei Tumoren
Befunde ergaben. Sicher ist es, dass bei vielen maligne
1) Münchener med. Wochenschrift 1894. Beiträge zt
des Magencarcinoms. , TI
2) Archiv für Verdauungskrankheiten n.
15- September 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOC HENSCHRIFT.
863
des Magens ein ganz unbedeutendes Deficit besteht, bei manchen
allerdings auch ein hohes (bis 50 Proc. und mehr).
Die Salzsäureinsufficienz ist eben kein Symptom des Carcinoma
als solchem, sondern der durch dasselbe gesetzten Schädigung des
secermrcnden Parenchyms. Diese Störung durchläuft nach und
nach ihre verschiedenen Stadien : zuerst ißt sie gering, es kommt
noch zur Absonderung freier HCl; dann nimmt die Drüsen-
thätigkeit langsam ab, cs tritt ein Deficit auf, welches nach und
nach immer erheblicher wird. Wenn ich nun auch meine früher,
allerdings mit grosser Reserve, geäussertc Vermuthung modificiren
muss, so scheint mir doch Das richtig zu sein, dass sehr hohe
Grade von HCl Deficit, also etwa von 40 Proc. an, fast nur
beim Carcinom des Magens zu beobachten sind. Selbstverständlich
können sie auch bei einer primären schweren Atrophie der Mucosa
Vorkommen, aber solche Fälle sind ziemlich selten. Unser Schluss
ist also der: wo ein grosses Salzsäuredcficit vorliegt, muss die
Schleimhaut eine sehr erhebliche Schädigung erfahren haben —
die häufigste Ursache einer solchen aber ist das Carcinom.
Von Boas ist dann (1893) die Milchsäure für die Diagnostik
verwerthet worden. Eine recht erhebliche Literatur (cfr. de Jong,
Archiv für Verdauungskrankheiten II. 1.) giebt Zeugniss von dem
grossen Interesse, mit welchem diese Frage allseitig behandelt
worden ist.
Indess auch der Milchsäure ist es ergangen, wie s. Z. der
II CI. Zuerst für pathognomonisch erklärt, wurde ihre Bedeutung
als diagnostisches Merkmal ganz geleugnet, endlich scheint man
sich auf einem Mittelwege einigen zu wollen.
Bekanntlich konnten mehrere Autoren (Klemperer, Bial,
Strauss u. A., cfr. besonders die sorgfältige Arbeit von Langguth
aus der Klinik von Riegel. Arch. f. Verd. Krankb. I) Milch¬
säure auch bei nicht carcinomatösen Magenaffectionen beobachten;
mir ist indess kein solcher Fall vorgekommen und ich muss daher
Hammerschlag durchaus beipflichten, wenn er (1. c.) dem
Nachweis der Milchsäure eine grosse diagnostische Bedeutung zu¬
erkennt.
Auf die Entstchungsweisc derselben näher einzugehen ist
hier nicht der Ort Boas brachte die Bildung der Milchsäure
mit der motorischen Insufficienz des carcinomatösen Magens in
ursächliche Verbindung. Gerade die malignen Tumoren sollten
schon «sehr frühe», auch bei intactem Pylorus ausgesprochene
Stagnationszustände bewirken können.
Dieser Behauptung, welche Hammerschlag ebenfalls ac-
ccptirt, kann ich auch heute noch nicht beipflichten. In der
früher (Münchener med. Wochenschr. 1894) mitgetheilten Statistik
wiesen nur 13 Proc. der nicht am Pylorus ergriffenen Mägen
motorische Insufficienz auf. Das Material der Freiburger Klinik
hat ein noch prägnanteres Resultat ergeben: Unter 20 Fällen ist
nur 1 mal notirt, dass Morgens Speisereste gefunden wurden, sonst
war der nüchterne Magen stets leer. Wohl mag cs Vorkommen,
dass 1 Stunde nach P.-F. noch relativ viel von dem Probeessen
exprimirt wird, dass also eine gewisse Herabsetzung der moto¬
rischen Kraft besteht; indess wird maassgebend nur der Befund
am nüchternen Magen sein. Eine solche Untersuchung bedarf
auch keiner besondern Uebung, dieselbe kann von einem Jeden
mittelst einer einfachen Ausspülung vorgenommen werden.
Die eigenen Beobachtungen sowohl, als auch die Journale
der hiesigen Klinik zeigen ganz deutlich, dass irgendwelche erheb¬
lichere Motilitätsstörungen beim Carcinom des Magenkörpers nicht
die Regel sind, wenn sie natürlich zweifellos auch gelegentlich
Vorkommen.
Wie viel übrigens ein Magen ertragen kann, ohne wesentlich
an Functionstüchtigkeit einzubüssen, mögen folgende Sections-
protokolle zeigen :
1. Wehrle. C. ventr. Keine fr. HCl, keine Speisereste im
nüchternen Magen.
Bei der Autopsie zeigt sich der Magen nach Eröffnung des¬
selben in eine das ganze Organ umgreifende derbe Geschwulstmasse
umgewandelt, welche noch ganz mit Schleimhaut überzogen ist.
2. 8parapani. Keine fr. HCl, keine Speisereste im nüch¬
ternen Magen.
Autopsie: Die ganze kleine Curvatur ist von grossen, zahl¬
reichen, blumenkohlartigen, carcinomatösen Ezcrescenzen einge¬
nommen, die an der Oberfläche zerfallen Bind. Breite Verwachsung
mit der Leber.
8. Jäger. Keine fr. HCl, keine Speisen im Magen ausser
Roten des vorher (1 Stunde) eingenommenen P.-F.
Autopsie: Breite Verwachsung des Magens mit der Leber.
Carcinom der kleinen Curvatur.
Wenn wir aus den obigen Ausführungen einen Schluss
ziehen, so muss zugegeben werdeu, dass von allen angeführten
Symptomen keinem eine besondere Dignität für sich allein zuer¬
kannt werden darf.
Meines Erachtens sind die Carcinomc des Pylorus verhältniss-
mässig am leichtesten zu diagnosticiren, weil bei diesen die mo¬
torische Störung schon sehr früh sich bemerklich macht. Treten
bei einem vorher ganz magengesunden Menschen plötzlich Stagna¬
tionszustände auf, so muss in erster Linie an einen Tumor der
Pylorusgegend gedacht werden. Befestigt wird die Diagnose durch
das Fohlen der freien Salzsäure, eventuell mit erheblichem Deficit
und Auftreten von Milchsäure. Alles dies kann sich schon finden
vor dem Auftreten einer palpabcln Geschwulst.
Ergiebt die Anamnese Anhaltspunkte für ein früher be¬
standenes Ulcus rot., so erschwert dies die Diagnosestellung, da
es sich dann auch um Narben oder perigastritische Verwachsungen
handeln kann.
Fehlt nun aber die freie Salzsäure, so spricht dies in hohem
Maasse für Carcinom, da bei einer Stenose ex ulcere Anachlorhydrie
eine Seltenheit wäre. Ist die freie Salzsäure vorhanden, so kann
ein Ulcus careinomatosum vorliegen oder eine gutartige Stenose.
Schwieriger liegen die Verhältnisse, wenn ohne jede Motili¬
tätsstörung sich allmählich ein Status gastricus herausbildct, dabei
weder ein Tumor, noch DrUsenschwellungen zu constatiren sind.
Kann nun Milchsäure nachgewiesen werden, so fällt dies
bedeutsam in die Wagschale für die Diagnose «Carcinom» (cfr.
Hammcrschlag 1. c. pag. 35). Differentialdiagnostisch kommt
hier der chronische Katarrh und (speciell bei Weibern) die En-
teroptosc in Betracht. Eine Frühdiagnose wird sich in den meisten
dieser Fälle nicht stellen lassen.
Ein Beitrag zur operativen Behandlung des Ulcus
ventriculi.
Von Prof. Dr. F. Klmissner in München.
Durch Ulcus ventriculi bedingte Verwachsungen der Vorder¬
wand des Magens mit dem parietalen Bauchfellüberzuge gehören
zu den immerhin seltenen pathologisch-anatomischen Befunden ;
noch seltener haben dieselben bis jetzt Anlass zu einem operativen
Eingriffe gegeben.
Es dürfte daher die Mittheilung eines Falles, bei dem an¬
lässlich einer solchen Verlöthung die Operation vorgenommen
wurde, einiges Interesse bieten.
Das 21jährige Dienstmädchen M. S. gibt an, zum ersten Male
am 18. September 1891 unter heftigen Schmerzen in der linken
Bauchseite erkrankt zu sein. Welcher Art die Krankheit gewesen
sei. habe sie nicht in Erfahrung bringen können. Die Schmerzen
seien nach circa 3 Wochen geringer geworden, so dass sie einem
leichteren Dienste wieder nachzukommen vermochte, hätten jedoch
nicht ganz nachgelassen; auch sei damals häufig Erbrechen ein¬
getreten.
Ein Jahr später setzte intensive Schmerzhaftigkeit entsprechend
der linken regio epigastrica auf's Neue ein und wurde Patientin
nun «wegen einer Brust- und Rippenfellentzündung» behandelt. Die
Schmerzen waren so gross, dass sich 8. nicht aufrecht halten konnte.
Eisapplication und feuchte Wickelungen halfen nichts, nur Morphium
linderte dieselben etwas. Als Nahrung diente lange Zeit Milch und
leichter Kaffee, da andere Speisen nicht vertragen wurden.
In den letzten 3 Jahren traten die Schmerzen theils sehr
intensiv und plötzlich auf, um nach kurzer Zeit wieder geringer zu
werden, theils hielten sie, minder intensiv, Wochen hindurch an.
Ganz schmerzfrei fühlte sich Patientin nie; ab und zu stellte sich
auch Erbrechen ein.
Die Nahrungsaufnahme war nicht mehr besonders gestört; die
Schmerzen unmittelbar danach nicht grösser als sonet auch.
Die erstmaligen Untersuchungen der wohlgenährten Patientin
führten zu keiner bestimmten Diagnose; man glaubte au der Stelle,
welche Patientin als die sowohl spontan wie besonders auf Druck
schmerzempfindlichste bezeichnete und die der Gegend zwischen
Processus ensiformis und dem unteren Rippenbogen entsprach, eine
massige Resistenz wahrzunehmen, die aber auch nur dem Ansatz¬
punkte des angespannten Rectus zugeschrieben werden konnte.
Hysterie schien nicht ganz ausgeschlossen.
1 *
Digitized by v^.ooQie
864
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu. 37
Bei einer späterhin vorgenommenen tiefen Narkose kofmte man
sich mit Bestimmtheit überzeugen, dass oben erwähnter Stelle ent¬
sprechend eine flache, klein handtellerbreite, derbere Masse vor¬
handen war, die nach oben vom Schwertfortsatze und den unteren
Rippenbogen begrenzt, nach abwärts ohne bestimmte Grenze in
den Muskeln (besonders Rectus sin.) sich verlor.
Die diffuse derbe Infiltration erweckte den Gedanken an Sar¬
kom oder luetische Schwiele.
Es wurde nun Jodkalibehandlung eingeleitet; Patientin magerte
in 2 Wochen beträchtlich ab, der Tumor aber war nicht verschwun¬
den, sondern in Folge der Abmagerung deutlicher wie vorher als
plattenartiges, leicht erhabenes Gebilde von Kinderhandgrösse zu
fühlen.
Es wurde der Versuch der Entfernung auf operativem Wege
beschlossen und am 29. Februar ds Jrs. die Operation ausgeführt.
Mit einem schräg von innen, unten nach oben, aussen über
die höchste Kuppe des Tumors verlaufenden Schnitte wurde dieser
frei gelegt, wobei sich sofort unter der Haut ein schwieliges, fibröses
Gewebe präsentirte; es wurden mehrere, einige Millimeter dicke
Schichten von circa Thalergrösse flach abgetragen.
Die derben Massen setzten sich diffus in das umgebende
Muskelgewebe fort; eine scharfe Begrenzung war nirgends bemerk¬
bar. Beim weiteren Abtragen entstand trotz aller Vorsicht plötzlich
und unversehende eine kleine Oeffnung, aus der Luft hervordrang.
‘ Der I.ocalisation narh konnte ebensowohl der Pleuraraum an der
Diaphragmagrenze, als auch die Ahdominalhöhle eröffnet sein. Da
ein Pneumothorax nicht aufgetreten war, blieb die letztere Annahme
die nächstliegende; doch auch diese bestätigte sich nicht. Der in die
erweiterte Oeffnung eingediungene Finger tastete eine mit Schleim¬
haut ausgekleidete, grössere Höhle (ohne Inhalt) ab. Der Magen,
an der vorderen Banchwand durch eine breite Narbe adhaerent, war
eröffnet worden. Offenbar war also hier ein Ulcus ventriculi, das
niemals deutlich hiefür sprechende Symptome gezeigt hatte, durch¬
gebrochen und hatte zu entzündlicher Verlöthung der vorderen
Magen- mit der Bauch wand geführt, wodurch die bei der Patientin
ständig vorhandenen, durch die Zerrung bedingten Schmerzen ihre
Erklärung fanden.
Da zu einem weiteren, ernsteren Eingriffe die Erlaubnis der
Patientin erst erholt werden musste, wurde die Oeffnung mit Jodo¬
formgaze tamponirt und die Hautwunde zum Theil durch Nähte
vereint.
Nach erholter Einwilligung wurde wenige Tage später die
2. Operation, die selbstverständlich nur in einer Laparotomie und
dem Versuche der Loslösung des Magens von der Bauchwand be¬
stehen konnte, vorgenommen.
Es wurde ein grosser, vom Processus ensiformis beginnender,
ungefähr 3 Finger breit unter den unteren Rippenbogen und parallel
mit diesem verlaufender, 21 cm langer Hautschnitt ausgeführt und
hiemit die sämmtliehen infiltrirten Theile Umschnitten. Der Schnitt
durchdrang die Weichtheile bis auf das Peritoneum, das erst nach
gehöriger Blutstillung eröffnet wurde,
Nun zeigte sich, dass der Magen mit seiner Vorderwand un¬
gefähr thalergross mit dem Peritoneum parietale verlöthet war und
dass diese Verwachsung, unter dem Rippenrande beginnend, nach
aufwärts gegen die Cardia zu sich erstreckte. In Folge dieser un¬
angenehmen Localisation war die Ablösung recht mühsam und die
Gefahr einer Eröffnunc des Pleuraraumes durch Verletzung des
Zwerchfelles, gegen das sich die Schwielen erstreckten, sehr nahe¬
liegend; bei aller Vorsicht gelang sie und konnte nun der Magen,
dessen von dem ersten operativen Eingriffe herrührende Einschnitts¬
öffnung mit Jodoformgaze tamponirt worden war, ziemlich gut vorge¬
zogen werden. Nach erfolgter Ablösung zeigte sich (vgl. Hofmeister),
dass die den Magen mit der Bauch wand verlöthende Partie viel
kleiner (thalergross) als die Infiltration, die in den Bauchdecken
von aussen gefühlt werden konnte (klein-Handtellergrossl. war. Er
wurde nun auf sterile Compressen gelagert und nun das Narben¬
gewebe in Form einer längsverlaufenden Ellipse excidirt. Die so
entstandene Magenwunde wurde durch eine doppelte Reihe Lem-
bert'scher Nähte (mit Seide) in der Längsrichtung exact vereint,
die grosse Bauchwunde durch Peritoneal-Muskel- und Hautnaht ge¬
schlossen.
Der weitere Verlauf war ein recht zufriedenstellender.
Patientin bekam in der ersten Zeit nur wenige, flüssige Kost;
nach der Nahrungsaufnahme stellte sich in den nächsten Tagen noch
ab nnd zu Würgen und Erbrechen ein; doch waren, wenn auch
nach dem Erbrechen etwas Schmerzen auftraten, dieselben gegen
früher sehr geringe; namentlich waren die schlimmen, krampfartigen
Anfälle völlig verschwunden.
Patientin erholte sich rasch, nahm an Körpergewicht bedeutend
zu und befindet sich gegenwärtig (Ende August) völlig wohl und
schmerzfrei, so dass sie in ihrer Stellung als Zimmermädchen alle
Arbeit ohne Beschwerden verrichten kann.
Nachdem nunmehr ein halbes Jahr seit Vornahme der Operation
vergangen ist, ist die Annahme wohl berechtigt, es werde der bisher
erreichte Erfolg ein dauernder bleiben.
Operative Eingriffe anlässlich der Verwachsung des Magens
mit der vorderen Bauchwand sind, wie Eingangs erwähnt, bis
jetzt noch nicht häufig vorgenommen worden.
Hofmeister citirt in seiner ausführlichen Arbeit über
die operative Behandlung des Ulcus ventriculi *), auf die hiemit
speciell verwiesen sei, ausser dem^von ihm operirten Falle ciucD
aus der Bi 11 ro th ’ sehen und einen aus der Miculicz’sehen
Klinik. Diesen dreien schliesst sich der von mir beobachtete an,
den ich am 22. April d. J. im Münchener ärztlichen Verein zu
demonstriren die Ehre hatte. *) Weiterhin findet sich im Ccntral-
blatt für Chirurgie s ) (30. Mai d. J.) ein casuistischer Beitrag
zur operativen Behandlung des Magengeschwüres von Dr. Ali
Krogius, Docent an der Universität zu Helsingfors.
Uebereinstimmend wird die Schwierigkeit der Diagnose her¬
vorgehoben. Billroth glaubte, es handle sich um einen Bauch¬
deckentumor, Miculicz sprach sich nicht bestimmt aus, Hof¬
meister dachte an Tumor oder verwachsenes Ulcus, wir erwogen
die Möglichkeit einer gummösen oder sarkomatösen Infiltration,
Krogius glaubte einen wahrscheinlich mit dem Magen in Zu¬
sammenhang stehenden Bauchüeckcntumur vor sich zu haben.
In allen Fällen handelte es sich um Frauen; wichtig ist,
wie Krogius erwähnt, bei Patienten, die den Verdacht auf
eine solche Complication des Ulcus ventriculi aufkommen lassen,
auf die doch immer vorhandenen Magenschmerzen, die Anwesen¬
heit freier Salzsäure und eventuell vorhanden gewesenes ßlut-
brechen zu achten.
Wenn nun auch in den bis jetzt berichteten 5 Fällen ein
glückliches IJcilresultat zu verzeichnen ist, so bleibt immerhin zu
bedenken, dass der Eingriff ein ernster ist, ja dass sich während
der Operation Schwierigkeiten ergeben können, die nur mühsam,
vielleicht auch gar nicht zu überwinden sind. Nichts desto weniger
wird die Operation zu versuchen sein, da ja die unerträglichen
Schmerzen , an denen die Patienten in Folge der Verwachsungen
und der dadurch bedingten Zerrung bei den Bewegungen des
Magens leiden, nur durch eine solche behoben werden können.
Das Nächstliegende, was vorzunehmen wäre, ist, wie es auch
Hofmeister s Ansicht ist, der Versuch der Ablösung des
Magens von der vorderen Bauchwand. Doch gelingt dies nicht
immer ohne Verletzung desselben; nur Miculicz vollendete die
Operation ohne Eröffnung des Magens. Billroth, Hofmeister,
Krogius und mir passirte es, dass die Magenwand unversehends
eingeschnitten wurde. Dies kann sich sehr leicht ereignen, weil
eben in dem derben, schwieligen Gewebe die Abschätzung, wie
tief man gehen darf, sehr schwierig, oft unmöglich ist.
Die Frage, ob, wenn auch die Ablösung ohne unangenehme
Nebenverletzungen gelingt, dieselbe als das Normalverfahren an¬
zusehen sei, beantwortet Hofmeister mit Recht dahin gehend,
dass man stets, so weit irgend angängig, die Rescction anschlicsscn
soll, da man nicht wissen kann, ob man die Schwiele in gleich-
massiger Dicke abgelöst hat, ob nicht dünnere Partieen in der¬
selben sich befinden, die über kurz oder lang eine erneute Per¬
foration des Magens mit all’ ihren Folgen zu veranlassen ver¬
mögen. Auch wäre zu bedenken, dass ohne Vornahme der
Resection die eben getrennten Flächen der Schwiele sich nach
Schluss der Bauchwunde eventuell wiederum in ihrer ganzen
Breite oder doch theilweisc an einander legen und so eine neue
Adhaercnz veranlassen. Ferner gewinnt man bei der Rescction
durch die Eröffnung des Magens die Möglichkeit, denselben abzu¬
tasten und sich so zu überzeugen, ob nicht allenfalls ein weiteres
Geschwür vorhanden ist, das dann gleich zu excidiren oder zu
thermocauterisiren wäre.
Sowohl die Ablösung der flächenhaften Narbe wie auch die
nachfolgende Resection wird nun je nach den anatomischen Ver¬
hältnissen in manchen Fällen ganz leicht vorzunehmen sein, in
anderen wieder besondere Schwierigkeiten bieten, wie die bis jetzt
veröffentlichten Fälle bereits klar legen. Es ist auch denkbar,
dass einmal die topographischen Verhältnisse derart gelagert sind,
dass die Operation unvollendet bleiben muss.
Liegt die narbige Verwachsung gegen den Fundus des
Magens zu und sind keine weiteren ausgedehnteren Verlöthungen
mit den Nachbarorganen vorhanden, so wird die Ablösung ganz
*) Hofmeister: Zur operativen Behandlung des Ulcus ventri-
culi. Beiträge zur klinischen Chirurgie. Bd XV Heft II, 189'»
2 ) Münchener medicinische Wochenschrift No. 30, 1896.
3 ) Centralblatt für Chirurgie No. 22, lb96.
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15- September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
865
glatt vor sich gehen und auch die Excisiou der schwieligen
Particen aus dem Magen leicht vorzunehmen sein. Hat aber
das perforirende Ulcus, höher oben gegen die Cardia zu gelegen,
dort Verlöthungen mit der Nachbarschaft eiugegangcn, so können
sich Hindernisse für die Operation ergeben, die nur schwer oder
oder auch gar nicht zu bewältigen sind.
So lag in unserem Falle die Eröffnung des Pleuraraumes
durch Verletzung des Diaphragma nahe ; wären die Verwachsungen
noch weiter gegen die Zwerch fellskuppel zu gelegen gewesen, so
hätte die Ablösung auf nicht mehr überwindbare Schwierigkeiten
stossen und die Operation unvollendet bleiben müssen; wäre bei
dem Versuche, den Magen ahzulösen, derselbe zufällig angerissen
oder angeschnitten worden, dann wäre es fraglich gewesen, ob
man'die Oeffnung sicher hätte schliessen können. Eine weitere
Schwierigkeit liegt bei hohem Sitze der Narbe nach gelungener Ab¬
lösung des Magens darin, ob es möglich ist, denselben gut her-
unterzuzichen, um die Kesection exact vornehmen zu können ; in
unserem Falle ging es eben noch; je höher oben das Ulcus seinen
Sitz hat, um so mühsamer wird dieselbe werden. Um das Lumen
des Magens in der Cardiagegend nicht zu sehr zu verengen, wäre
wohl die <|ucrc Vernühung nach Excisiou der narbigen Particen
das Vorteilhafteste; aber es wird nicht immer gelingen, auch
in unserem Falle wäre es nicht gegangen. Daher erklärt sich
wold das Fortbestehen der Schmerzen und des Erbrechens in
den ersten Tagen. Die Schwellung war eben eine beträchtliche,
so dass das Lumen sehr verengt wurde und somit die Nahrungs¬
aufnahme erschwert war. Mit Abnahme der Schwellung trat dann
Besserung ein.
Aus der Universitäts-Augenklinik in Heidelberg.
Noch einmal das Euca'm.
Von Dr. Votiert.
Nach dem Erscheinen meiner Mittheilung 1 ) über die Anwen¬
dung des Kucai'n in der Augenheilkunde, welches ich nach meinen
Erfahrungen nicht zu befürworten im Stande war, übersandte die
Scbeli rin g’sclic Fabrik der Heidelberger Augenklinik ein neues
gereinigtes Präparat, mit der Angabe, dass das uns früher über¬
gebene noch Spuren von Methylalkohol enthalten habe, die ver-
muthlich die, von mir beobachtete, reizende "Wirkung verursacht
haben könnten. Zu gleicher Zeit erschienen die, das Mittel warm
empfehlenden, Beobachtungen da Vinci’s in Virchow’s Archiv,
der Berliner klinischen Wochenschrift, dem deutschen Medicinal-
anzeiger und den Liebreich'schon therapeutischen Monatsheften.
In letzteren verweist da Vinci in einer Fussnote auf den,
in der Heidelberger Klinik beobachteten, Einfluss auf Pupille und
Aecommodation, den er vollständig negirt, mit der Bemerkung, dass
er an anderer Stelle auf diese Frage zurüekkouimen werde. Auch
Berger 2 ) macht in einer französischen Arbeit auf das Kucai'n
in lobender Weise aufmerksam, obgleich ihm in Gegensatz zu
da Vinci, die auch von mir angegebenen unangenehmen Eigen¬
schaften, wielnjeetion der Uonjunctiva und Brennen nicht entgangen
sind. Diese vermeidet er durch ein, von ihm geübtes, Verfahren,
wobei zuerst eine 1 proc., dann 2 proe. Lösung von Eucain und Uoea'in,
eingetränfelt wird, Manipulationen, die mir in Anbetracht der Ein¬
fachheit der Uocai'nanwendung als etwas complicirt erscheinen. Auch
er sagt nun, dass bei der erstoren Application eine Aenderung in
Aecommodation und Pupillen weite nicht eintrete. Beide Autoren
betonen ausdrücklich, dass das Epithel der Hornhaut in keiner
Weise beeinflusst werde, und heben dies dem Cocain gegenüber
rühmend hervor.
Diese von meinen Ergebnissen so grundverschiedenen Angaben,
sowie die oben erwähnte Zusendung eines gereinigten Präparates
seitens der Firma legten mir die Frage einer Nachprüfung mit
einer 2 proc. Lösung nahe, deren sich die beiden anderen Beobachter
bedient hatten. Bei meinen früheren Versuchen war ich zum
grossen Theil von der Erwägung geleitet worden, dass es theoretisch
von hohem Interesse sein würde, festzustellen, ob ein dem Cocain
*) Diese Wochenschrift 1896, No. 22.
) RevuedeThörapeutiquemödico-chirurgicaleNo. 12,15.Junil896.
No. 37.
chemisch so nahe verwandter Körper wie das Euca'm wirklich
keine Pupillen erweiternde und Accommodationslähmenden Eigen¬
schaften besitzt, und ich hatte dcsshalb die concentrirtere Lösung be¬
vorzugt. Für die Anwendung in der Praxis ist dagegen die
Frage zu entscheiden, ob eine schwächere Eucai'nlösung, welche
eben noch ausreicht, um eine vollständige Anaesthesie der Bindc-
und Hornhaut zu bewirken, keine oder doch keine in Betracht
kommende Wirkung auf Pupille und Aecommodation erzielt.
Um uns kurz zu fassen, finden wir auch bei 2 proc. Lösnng
Injection und Schmerzhaftigkeit, jedoch in etwas geringerem Grade,
als bei der 5 proc. Lösung des früher erhaltenen Kucai'n. Eine
minimalste Pupillenerweitcrnng tritt schon nach 3 Tropfen der
erstcren Lösung in einem Zeitraum von annähernd 20 Minuten
auf. Doch genügen diese und auch 5 Tropfen binnen 5 Minuten
ein geträufelt nicht, um eine ideale, längere Zeit andauernde Anaesthesie
herbeizuführen, die für grössere Operationen hinreicht. Hornhaut
und Bindehaut bleiben nun lange, manchmal bis Stunden, für
Sondenberührung unempfindlich, während sehon nach 10 Minuten
die übliche Fixation mit der Pinecttc als recht schmerzhaft an¬
gegeben wird. Die Pupille erweitert sich entsprechend der An¬
zahl der Tropfen mehr und mehr, doch erreicht sie nicht im
Mindesten die Grösse, die erfolgt, wenn man die gleiche Versuchs¬
anordnung mit Cocain einhält. Jedenfalls kann nicht davon die
Rede sein, «dass Pupille und Aecommodation in keiner Weise
beeinflusst werden ».
Dass da Vinci und Berger die Epitbelveränderungen ent¬
gangen sind, mag seinen Grund darin haben, dass die Cornea
völlig intact erscheint. Man suche aber bei einer Gabe von 8—10
Tropfen 2 proc. Lösung nach 10—30 Minuten in dem nach der
Nase des Vcrsuchstbieres gerichteten Lidwinkel und wird erstaunt
sein, daselbst einen weisslichcn Schaum zu finden, der sich leicht
abheben lässt und feine Fäden nach sich zieht, die dem Fornix
conjunctivae zu entstammen scheinen. Mikroskopisch erweisen sieh
diese Gebilde als Epithelfetzen, denen zahlreiche Fetttröpfchen ans
der Harder'sehen Drüse beigemengt sind. Ucbcrlässt man
das Auge, dessen Lider bisher vernäht waren, sich selbst, so
hat man nach einiger Zeit die Cornea unregelmässig gestippt
vor sieb, welchem Vorgang, namentlich wenn man noch einige
Tropfen zuführt, jene gröberen Veränderungen folgen, die bei
unvorsichtiger Anwendung des Cocain zur Genüge beschrieben sind.
Dies die Wirkung einer 2 proc. Eucaiulösung. Für die 5 proc.
bleiben meine früheren Angaben vollständig bestehen. Ich über¬
lasse es dem Urtheil der Fachgenossen, zu entscheiden, ob das Mittel
wirklich geeignet ist, das Cocain auch nur in gewissen Fällen zu
ersetzen.
Die Metallschlauchsonde im Dienste der klinischen
Diagnostik, insbesondere des Magen-Darmcanals.
Von Dr. Franz- Kuhn, Assistent der chirurgischen Klinik zu
Giessen.
a) B o n g i e s, Darmrohr und M a g e n s o n d e.
Seit Jahren mit der Diagnostik des menschlichen Magen-
Darmcanals und vorwiegend seiner mechanischen Verhältnisse be¬
schäftigt, sind wir, wie jedenfalls viele, zu der Einsicht gelangt,
dass zum Eindringen in dieses im wahrsten Sinne «dunkle» Ge¬
biet, in dieses Labyrinth von Gängen, es als Anfang und Erstes
ganz besonderer Apparate bedarf.
Denn was wir bis jetzt an Apparaten haben, ist nicht viel:
es ist Magensonde und Darmrohr, wenn wir die Bougies als
nicht prinzipiell verschieden annehmen und für neuere Apparat«',
wie z. B. das Gastroskop etc., noch auf die allgemeine An¬
erkennung zu warten gezwungen sind, und andere Instrumente,
wie Spccula, nur eine bescheidene und beschränkte Anwendung,
wenigstens der Grösse oder wörtlicher, der «Länge» der Aufgabe
gegenüber, gestatten.
Die bis jetzt anerkannten Instrumente, Darmrohr und Magen-
schlauch, sind sehr einfacher Construction und verdanken es ohne
Zweifel ihrer Einfachheit, sich in dem Instrumentenapparat der
Acrzte so fest behauptet zu haben.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Aber so einfach ihre Construetio», so bescheiden ist auch
ihre Leistung und so bemessen die klinischen Befunde, welche
mit ihnen klargestellt werden können , natürlich nur, was unser
Thema, die mechanisch-anatomischen Verhältnisse des Magcn-Dartn-
canales am Lebenden und deren Beziehungen zu den Nachbar¬
organen betrifft. Denn was andere .Seiten der Diagnostik des
Magen-Darmcanals angeht, z. B. die Sccretionsverhältnisse des
Magens, die Digestion, (diese letztere, soweit sie nicht Resultat
mechanisch - anatomischer Verhältnisse) ete., ferner, was die
therapeutische Verwendung der vorhandenen Apparate betrifft,
sind wir die Ersten, die hiermit erzielten Fortschritte anzuer¬
kennen, selbst wenn wir uns nicht auf die überzeugenden Dar¬
stellungen in den neuesten Lehrbüchern, wie Boas, Ewald,
Riegel, Rosen heim ete. beriefen. Daher sind wir auch
weit entfernt, den Prineipion und den Einzelheiten der seither
verwendeten Apparate, die ein so grosses Behände, wie es die
Magendarmpathologie jetzt darstellt, haben aufführen helfen, etwas
anhängen zu wollen. Trotzdem hat jeder auf diesem Gebiete
etwas erfahrene Praktiker jedenfalls den Eindruck, dass für viele
einschlägige Fragen, namentlich für die Bedürfnisse des Chirurgen
und für die Fragen, die ihm zu lösen noch übrig gelassen sind,
unser diagnostisches Instrumentarium mindestens unzureichend ist,
weil sieh mit ihm die für sein Handeln maassgehende anatomische
Diagnose am Lebenden nicht stellen lässt.
Ich betone ausdrücklich am Lebenden. Denn .sonst
könnte ich mit dem Begriffe einer «anatomischen Diagnose in
einen unbeabsichtigte» Gegensatz mit den Auffassungen der mo¬
dernen MagcuPathologie, z. B. den Ausführungen treten, die
Riegel seinem neuesten Lehrbuche der Magenkrankheiten voraus
stellt. Riegel ’) betont da mit berechtigtem Nachdruck die grosse
Aufgabe des Arztes auch auf diesem Gebiete zunächst der gestörten
Function eines Organes seine Aufmerksamkeit zu schenken und
diese namentlich als Hauptziel seines therapeutischen Vorgehens
im Auge zu behalten, besonders da, wo der pathologische Anatom
ohnedies uns die Antwort auf unsere Fragen nach der letzten
Ursache schuldig bleibt und geblieben ist. So kann uns bei¬
spielsweise allerdings bei Störungen der Seeretion des Magens ein
mikroskopisches Studium der Schleimhaut- wenig helfen. Wie
ganz anders steht es aber um die Erkennung der anatomischen
Sachlage, wenn es sich um die mechanischen Störungen
im Traetus intestinalis, um Hindernisse in der Passage handelt,
sei es im Magen, oder mehr noch im Darm ! Soll hier wirkliche
Heilung geschaffen werden, so ist dies nur auf Grund einer
eingehenden, anatomiseh-localisirenden Diagnose möglich.
Allerdings bekommt der interne Mcdiciner zur Zeit auf seine
Fragen an das uneröfinete Abdomen, betreffs der mechanischen
Verhältnisse im einzelnen Falle, recht bescheidene Antworten und
der Chirurg kann ihm, quoad Diagnose, über seine Bedürfnisse
noch lange nicht hinweg helfen.
Woher anders kämen denn die zur Zeit täglich zu hörenden
Cumulativ-Bozeiclinungen , wie « Magenektasie >.•, Darmstenose'>,
•:Ileus», die wir unter uns, rüeksiehtlich vieler Einzelheiten, nicht
ohne eine gewisse Verlegenheit ausspreehen, bei denen es aber
leider in vielen Fällen trotz der eingehendsten Untersuchung sein
Bewenden haben muss.
Wie viele weitergebende Fragen, die, dem Wunsche, zu helfen,
mit Nothwendigkeit entspringen müssen, und die vor einem Ein¬
griffe entschieden sein sollten, bleiben ohne Antwort!
Welcher Art ist das Hindern iss ? Liegt es im Inneren des
Darmes oder in der Darmwand, oder wird es von Aussen durch
Zug, Druck oder Abknickung geliefert? — ferner «Wo», zu¬
nächst nur in welcher Gegend des Abdomens, rechts, links, oben
oder unten , dann genauer noch, in welchem Darm-Abschnitte,
d. h. in welcher Entfernung von Mund oder Anus, sitzt die
fragliche »Stenose? — dann, wie .gross ist dieselbe, wie lange,
hei chronischen »Stenosen z. B. am verengerten Pylorus, wie
weit das noch offen gebliebene Lumen ? ist sie starr oder nach¬
giebig? — ferner: Ist die Stenose stationär, oder ist sie wie so
«) F. Riegel, Die Erkrankungen des Magens. I. Theil. All¬
gemeine Diagnostik und Therapie. Wien 1896.
viele andere Narbenstenosen u. dgl. in Zunahme oder Abnahme
begriffen? Dabei sehen wir zunächst noch von einer eventuellen
Beeinflussung der stenosirten Stelle selbst durch die Sondirung
ab, eine Möglichkeit, die wir uns für eine andere Besprechung
übrig behalten.
Um uns kleine Vorstellungen von der Tragweite einer bes¬
seren Vertiefung der Darmdiagnostik zu bilden, machen wir Bei¬
spiele :
Stellen wir uns beispielsweise vor einen Fall von chronischer
Magem-ktasie, der, wie es für die Klinik die Regel, im Stadium
einer Compensationsstörung des mechanischen Gleichgewichtes, znr
Aufnahme kommt. Um die bestehende Störung, die womöglich
Jahre lang durch die von der Natur zur (Kompensation der Stenose
bereitwillig gelieferte Ifypertrophio der austreibenden Muscnlatur
eorrigirt war, im vorliegenden Falle herbeizufübren, ist eben
zweierlei denkbar: Eine Zunahme der Stenose, sei sic sub¬
acuter Art oder plötzlicher (Abknickung) — oder eine Er¬
lahmung der überangestrengten Musculatur. Dass
dies bezüglich unseres therapeutischen Eingreifens getrennte Dinge
sind , leuchtet nach den Erfahrungen an anderen Körpcrcanälen,
z. B. den Harnwegen, sehr leicht ein. Doch auch schon früher,
ich meine vor der vollendeten Störung der Compensation, lässt
sich in den Fragen der Pathologie und Therapie chronischer
Magenkrankheiten der Fall denken , dass ein weitschauender Arzt
aus prophylaetischen Gründen mit mechanischen Mitteln vorgebt.
Ist die Magenuusspülung in vielen Fällen, mehr noch die Massage
und Elektrisirung, auch in diesem Sinne aufzufassen, so wäre
eine mechanische Inangriffnahme der z. B. ständig zunehmenden
Stenose ein Schritt weiter.
Wir wagen es nämlich, von einer methodischen Bougierung
der Pylorusstenose unter bestimmten Voraussetzungen zu sprechen,
weil sic uns keineswegs mehr absurd erscheint, nachdem cs uns
in anderwärts *) mitgetheilton Versuchen gelungen ist, den normalen
Pylorus des Menschen methodisch und mit Sicherheit vom Munde
aus zu sondiren. Auf das Ergebniss unserer diesbezüglichen Ver¬
suche werden wir anderwärts ausführlich zu sprechen kommen.
Nicht aussichtsloser liegen unsere Erwartungen für weitere theils
interne theils chirurgische Fragestellungen betreffs anderer Abschnitte
des Darmes am lebenden Menschen.
Schon allein eine eingehende Topographie der Bauchorgane
| am Lebenden, insbesondere mit Rücksicht auf den Darmtractus
| und sein Verhältnis« zu den Nachbarorganen unter normalen oder
pathologischen Verhältnissen böte eine reiche Entschädigung selbst
für mühsame Versuche.
Curschmann 8 ) machte die Topographie der Bauchorganc
an der Leiche zum Gegenstand seiner Studien. Um wie viel mehr
waren topographische Aufnahmen, mit oder ohne die Röntgen sehe
Photographie, am Lebenden von Interesse, sei es in Fällen von
Form- und Lageveränderungen einzelner Darmabschnitte allem,
wie z. B. bei Gastroptu.sc, Entcroptose, 4 ) oder sei es in Fällen
von Tumoren und Neubildungen oder Wanderungen von Organen
oder Fremdkörpern im Abdomen, zu deren Auffassung und Be¬
handlung eine eingehende Klarlegung der Lage des Darmes so
wichtig ist.
An zweiter »Stelle sind alle Formen von Behinderung der
Passage im Verlaufe des Darmcanales zu nennen, die langsam
sieh entwickeln, also subacuter, oder chronischer Natur sind, aber
sehr häufig die unentdecktc Ursache chronischer Beschwerden
werden. Abgesehen von der »Stenose des Pylorus sind dies Formen
von Darmstenose, sei es dass sic durch Erkrankungen (Geschwüre,
Neubildungen) der Darmwand selbst, oder durch Einwirkungen
von Aussen (Drehungen, Adliaesioucn, Stränge) zu Stande ge¬
bracht werden.
2 ) F. Kuhn: Die Sondirung des Pylorus am lebenden Menschen
vom Munde aus. Münch, med. Wochenschr. 1896, No. 29.
3 ) Curschmann: Topographie der Bauchorgane. Deutsches
Archiv für klin. Med. LIII. 1894.
4 ) Fl ein er; Ueber die Beziehungen der Form und Lagß -
Veränderungen des Magens und des Dickdarms zu Functionsstörungen
und Erkrankungen dieser Organe. Münch, med. Wochenschr. \t9o,
No. 43, 44.
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15. September 1896.
Dieser 1 unkt der Darmdiagnostik hat zur Stunde um so
holicres Interesse, als wir auf relativ einfachem Wege mittelst
einfacher Anastomosc, die stenosirto Stelle umgehen können wenn
wir nur erst ihre Existenz und ihren Sitz wissen.
MS dCr Theil °- "-»M- — - Heilung “
lemimfd^D. ** "“f ( ?,‘ CS aber mit Kescrve ) der plötzlichen Ver¬
legung des Darmes des Ileus in allen seinen Formen, gedacht sei
dass er auf Einklemmung oder Invagination oder Volvulus beruht,
abei sei ausdrücklich bemerkt, dass wir uns hüten möchten
mit unseren Erwartungen über das Ziel hinauszuschiessen. Trotz-
v ;“.r e ’ ” hsfc natürhch lmni er nur im Frühstadium eines
verdächtigen Falles mit dem Nachweis: Dickdarrn frei, etc.,
schon manches gedient. Auch ist festzuhalten, dass i uns
erfreulicherweise gelungen ist, das Duodenum vom Pylorus her
auf eine Strecke weit zu sondiren.
■ beV ° r V U " S in Weil<!re Spec^Iationon und 50 h ö „ 0
Zukunftstraume verlieren, werden wir uns über die Wirklichkeit
und den augenblicklichen Stand unseres Können klar und gestehen
hältn JoV H Wr 'V er Diagnostik dcr anatomischen Ver¬
hältnisse des Darmes am Lebenden sind.
J! Cnn ’, auf a “ c obcn gestellten Fragen geben unsere seitherigen
Methoden keine Antwort. Führen wir unsere Instrumente ein
ihnC “ Cn,irCn? Im 0csopba S us können wi,’
noch leidlich zufrieden sein. _ Im Magen wäre mit einer Ver¬
allgemeinerung des Gastroskopes manches gewonnen, doch stehen auch
icscrn Apparate und seinen Leistungen, selbst wenn er leichter
einführbar wäre, im besten Falle noch viele Wünsche zur Seite.
Was wir über die Grosse und die motorische Gcsammtlcistung
des Magens wissen, ist viel und vielleicht genügend; was wir
aber über seine Formverhältnisse, seien es die des ganzen Organes
oder seiner einzelnen Abschnitte, z. B. des in einer grossen
Anzahl von Magen-Ektasien ursächlichen Pylorus und vor Allem
dessen Durchgängigkeit, Lage, Form wissen, ist wenig, und wenig
namentlich für den zu Eathe gezogenen Chirurgen. Dieses Wenig
bezieht smh eben auf die anatomische Beschaffenheit, Grösse und
eite dieser Stelle, insofern diese naturgemäss der Angriffspunkt
für das Messer sein muss.
Mit dem Darme steht es nicht viel besser, selbst wenn wir
uns auf die dem Pylorus sich anschliessenden Dünndarmtheile
und vom anus her auf den doch nur zunächst in Betracht kom’
menden Dickdarm beschränken.
Wer dürfte sich getrauen, auf Grund einer Sondirung mit
dem starren, unlenksamen Darmrohre mit Wahrscheinlichkeit im
Darme eine Stenose anzunchmcn ? Wer kann es wagen, falls er
bis zu einer gewissen Tiefe im Darmcanal vorgedrungen ist, und
dort auf ein Hinderniss stösst, derbere Mittel, Stossen, Druck,
Rotation, combinirte Untersuchung etc. etc. anzuwenden, um einer¬
seits das ein Hinderniss vortäuschende Sichfangcn der Sondenspitze
als Solches zu erkennen, andererseits cs zu ändern uud das neben¬
liegende Darmlumcn der vordringenden Sonde zu crschliessen ?
Trotz grosser Anstrengung wurde eben ausser dem simplen
Resultate, dass ein so und so dickes Bougie so und so weit in
das Abdomen einführbar war, nichts festgestellt. Alle näheren
Einzelheiten blieben unermittelt, wenn man die Verschieblichkeit
einzelner Darmtheile, z. B. der Flexura sigmoidca noch in Rccli-
nung zieht. So führte Simon ein 5 Fuss langes Darmrohr ein
und fühlte die Spitze K im Hypochondrium, und doch war dieselbe
erst im S romanum und hatte diese Darmschlinge zu Folge ihrer
Beweglichkeit soweit verlagert.
Ferner kann man auf diesem Wege keinesfalls die Lage und
Dichtung des Darms, noch weniger seine Beziehungen zu den
Nachbarorganen erkennen.
_MCNCH1MSR MEDICINISCHE WOnHKMsnm,^
Tc/ ) , H T , 0h f n , e *8 : Wiener uied. Wochenschr. 1895, No 16
Israel: Deutsche med. Wochenschr. 1896, No. 1.
___ 867
viele fV S0 ’ Cller 0hDm f cbtigkcit dcr Diagnostik haben allerdings
wt wenle„ rg •" CmCn ^ Votsc ^- Laparatomie.
werden in einer anderen Mittheilung auf diese Auffassung
die den Bedürfnissen des Praktikers im einzelnen Falle, namentlich
n subacuten 1allen, so sehr wenig gerecht wird, zurückkommen.
An dieser Stelle sei es ans genug, zu erklären, dass wir uns
hiedurch in unserer guten Absicht, die Diagnose so weit zu
IZI a™ C1 ", C ? Elngriff cincrseits mit “ehr Sicherheit als
othwen di g zu erklären, denselben andererseits zu einem gerecht-
crtigteren und aussichtsvolleren zu machen, nicht beirren lassen.
JedenfaHs glauben wir und hoffen wir, dass durch die bessere
Ausbildung der abdominellen Diagnostik, in Sonderheit der des
gekehrt^ 8 ’ ^ BaucI,scbuitte cber zahlreicher werden, wie um-
®° St “ br aU f B , ! . llrotb ' s Wort: «die Medicin muss chirurgisch
werden», in vielen hier einschlägigen Fragen zu liecht besteht, so
sehr bemühen sich daher auch, wie man mit Freuden constatiren kann,
fortwährend die angesehensten Chirurgen für ein immer innigeres
Zusammengehen der inneren und operativen Medicin. So schlicsst
Lan gen buch sein Referat Uber die Entwicklung der Chirurgie
dCm lctZtGn Congrcss der Jochen Gesell¬
schaft. für Chirurgie mit den Worten :
* Tllun aI ?° als Chirurgen das Unsrige, dass die innere
und äussere Medicin sich immer mehr auf einer Marechlinie zu
h T Sen U - nd , W ! rken wir besonders darauf hin, dass jeder
Chirurg es als gewinnbringend für seine heilige Kunst betrachten
Ä wenn ! bm neben seinen chirurgischen Kranken auch noch
Der T ( ;phrtF e - fUr 8lnG Zah ,| VOn inneren Patienten zuertheilt würde
Snz8w4he r wfirdp lne - r u Path ° l0glSchen und therapeutischen Beobacht
tungsweise würde sich nur erweitern können, und sein volleres
heirhn d ”um f Heile 3 f VeS f n v ma , ncher »“genannten inneren Krank-
, r Uad W f Iflcr kommt am Ende seines Vortrages: «Ueber
Magen-Darmchirurgic » zu dem denkwürdigen Schlusssatz:
I » 4 - 0 c‘ nd wir denn auf allen Gebieten.bezüglich der
| gutartigen Stenosen weit über unsere Erwartungen hinausgekömmen
dieY^dirfr UkUnft Wlfd GS 8 ® m ’ d ' e Diagnose zu vertiefen,
d ' i( p r d a ^ neri ZU präc ‘ sir T , en und die Heilresultate noch
zu trennen . b n ’ UI ” 8 ° daS Erreichbare vom Unerreichbaren
Bevor wir im Weiteren zu unserer Hauptaufgabe übergehen,
sei es gestattet einen kurzen Blick auf die diesbezügliche Literat^
zu werfen. Bezüglich der mechanischen Verhältnisse des Magens
und ihrer Diagnostik begnüge ich mich damit, auf die vortreff¬
lichen Lehrbücher dieses Specialfaches im Inlandc und Auslande
hinzuweisen.
Auch bezüglich des Darmes möchte ich für diesmal 6 ) nur
die Arbeiten berühren, die Marksteine und Fortschritte bedeuten.
Da findet sich allerdings erstaunlich wenig vor, und es ist eigent¬
lich unbegreiflich, wie wenige die Arbeiten auf diesem Gebiete
sind. So allein erklärt sich wohl auch die geringe Förderung
unserer Kenntnisse über den Gegenstand, die in so grobem Miss¬
verhältnisse zu seiner Bedeutung steht. Allerdings ist zuzugebeu,
dass die Frage nicht einfach ist, und in den Schwierigkeiten liegt
auch ihre abschreckende Seite, und cs ist gut begreiflich, dass
man sich lieber in dem Gedanken bestärkt, dass wohl ein ewiges
Dunkel über vielen mechanischen Problemen des geschlossenen
Abdomen liegen würde, als dass man ernstlich an ihre Lösung
und Euträthselung geht.
So liegt uns auch thatsächlich bezüglich der instrumenteilen
Untersuchung des Darms nur die Arbeit von G. Simon 7 ) vor.
Simon benutzte das mässig starre Darmrohr von 5 Fuss Länge.
Simon bereicherte dann ferner durch die Angabe seiner forcirtcn
Wassereingiessungen und Ilegar 8 ) und andere (Mo sie r 9 ) durch
besondere Körperlagen, die diagnostischen Hilfsmittel, wie später
°) Eine ausführliche Darstellung der einschlägigen Literatur
folgt an anderer Stelle; der Arbeiten von Boas und Turk ist
später gedacht.
7 ) G. Simon. Ueber die Einführung langer elastischer Rohre
und über forcirte Wasserinjectionen in den Darmcanal. Archiv für
Klin. Chir. XV. Heft 1, pag. 122—132.
8 ) A. He gar. Ueber Einführung von Flüssigkeiten in Blase
und Mastdarm. Deutsche Klinik 1873.
9 ) Mosler: Eulenburg's Realencyclopädie.
2 *
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MÜNCIIENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
andere Kliniker 10 ) durch Aufblähen mit Luft und Kohlensäure,
doch waren alle diese Methoden viel zu ungenauer Art, uui
chirurgisch verwendbare Einzelheiten damit feststellen zu können.
Ein anderer Lichtblick fiel in die Frage der Magon-Darm-
diagnostik, als Röntgen seine grossartige Entdeckung veröffent¬
lichte. Zwar schien es zunächst, als ob fiir das Abdomen nur
wenig mit den X-Strahlen herauskommen könne. Doch haben
sich laut neueren Nachrichten 1J ) die Aussichten bereits wesentlich
gebessert; namentlich dürfte vielleicht auch der flnorcsciremle
Schirm eine recht praktische Verwendung erfahren.
Wir werden am Ende dieser Abhandlung Gelegenheit nehmen,
zu zeigen, wie auch wir glücklicher Weise unsere Instrumente und
Methoden dem neuen Lichte im Interesse der klinischen Diagnostik
am menschlichen Abdomen dienstbar und unentbehrlich zu machen
hoffen.
Nach diesen einleitenden Vorbemerkungen kommen wir nun
zu der Hauptaufgabe dieser unserer Mittheilung, nämlich der Er¬
örterung der technischen Principicn, die den Apparaten zur 8'uii-
dirung des Magen-Darmcanals zu (irunde gelegt werden müssen.
Denn darin lag und liegt bis jetzt die Hauptschwierigkeit ihr
Frage. Denn wenn auch die lJeifügung der Luitauiblasung, der
Wasscrcingicssung ete., eine nicht unbeträchtliche Bereicherung
unserer Methodik darstellten, bei den zur Einführung verwendeten
Apparaten, dem einfachen Darmrohr und dem Mageuschlauehe,
war es in der Hauptsache von Beginn an bis heute geblichen.
Da drängte sich unwillkürlich der Zweifel auf, oh es bei
der allgemeinen Anerkennung dieser so einfachen und so hand¬
lichen Apparate, überhaupt möglich sei, an ihre .Stelle etwas
Besseres zu setzen.
Eine Verbesserung musste naturgemüss von einer eingehenden
kritischen Beleuchtung des Vorhandenen, aller Vortheile und Na«-Ii-
theilc des seither verwendeten Instrumentariums, ausgohen.
Die Sonden und Rohre und Schläuche, die zur Zeit in den
Darmtraetus eingeführt werden, sind thoilwcise aus massig derbem
Gummi, nach Art des Nelaton-Katheter, verfertigt, oder sie stellen
Rohre aus Hartgummi oder aus mit Harzstoften imprägnirton
Seidengespimisteii dar. Diese Instrumente sind mehr oder minder
weich und geschmeidig, auf der Oberfläche ganz glatt und haben
ein centrales Lumen, das an der Spitze oder seitlich durch ein
Fenster sich in den Magen oder Dann öffnet, zur Luft- oder
Wasserzuführung.
Diese Eigenschaften machen die Instrumente zu recht billigen,
einfachen und gefahrlosen Instrumenten.
Nun aber die Nachtheilc dieser Rohre! V eiche Einzelheiten
machen an Stelle der seitherigen Apparate iui gegebenen balle
andere Instrumente so sehr wünschenswert!! ?
1. Bei der Beschreibung der Magensonden finden wir in den
Lehrbüchern immer die Angabe, die Sonde, das Bougie ete. ete.
darf nicht zu weich, andererseits nicht zu starr sein. Vas heisst
zu weich, zu starrV Das sind doch nur relative Begriffe, die
im nächsten Augenblicke mit einer Aenderung der Fragestellung
in das Gegentheil Umschlagen. Ein Schlauch aus Nelaton-Gummi
ist für kurze Strecken starr, für Meter- und mehrere Meter Länge
weitaus zu weich.
Daher die Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung; finden wir
mit dem einen Instrument den oder den Befund, so erfordert die
seitherige Technik, eventuell, um weiter zu kommen, einen anderen
Apparat einzuführen, von anderer Form, anderer Länge, anderer
(Konsistenz. Dabei lehrt aber schon die einfache Leberlegung,
dass man, abgesehen von den Gefahren, denen jedes neue Instrument
den Kranken aussetzt etc., in den Fragen der Darmsondirung mit
jeder neuen Einführung wieder von vorne beginnt, indem eben
alle die principiellen Schwierigkeiten der Sondirung wieder von
I0 ) v. Ziemssen: Die künstliche Aufblähung des Diekdarms.
Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 33, S. ‘235.
Rosenbach: Untersuchungen über das Verhalten des Darra-
canals bei iDjectionen von flüssiger CO 2 . Berl. klin. Wochcnschr.
1889, No. 28-30.
Dam sch: Ueber den Werth der künstlichen Auftreibung des
Darmes durch Gase. Berl. klin. Wochenscbr. 1889, No. 15.
1! ) Schjerning und Kranzfelder: Zum jetzigen Stande
der Frage nach der Verwerthbarkeit der Röntgeu'schen Strahlen
für medic. cliir ■ - Zwecke. Deutsche med. Wocheuselir. 18%.
Neuem anfangen. So können nur unsichere oder gar keine Resultate
erzielt werden, und dies eben darum, weil die seither aDgewcndeten
Rohre in ihrem ganzen Verlaufe und noch mehr während der
ganzen Zeit ihrer Einführung dieselbe einmal vorhandene Bieg-
samkeit haben ; Fülmnigsstäbe, die geeignet wären, biegsame Rohre
in starrere zu verwandeln u. dgl., sind eben in solche Rohre
schwer einführbar, noch schwerer im eingeführten Zustande ent¬
fernbar.
2. In Folge dieser nicht modifizirbaren Starrheit, mehr noch
durch die Unmöglichkeit, dein einmal eingeführten Rohre beliebige
Bewegungen und Richtungen, ebenso Aenderungen seiner Starrheit
an gewünschter Stelle mitzutheiien, sind alle bis jetzt verwendeten
Bohre, um cs mit einem Worte zu sagen, zu un lenksam, sic
sind eben nur von hinten angreifbar und lenkbar, in Folge dessen
entweder bei grosser Weichheit im vorderen Theile ganz unbe-
einflussbar oder bei grösserer Starrheit nur im groben Sinne lenk¬
bar, dann aber dem Darme sofort gefährlich. Ferner gestatten
<lie sdthörigen Rohre nur eine Art der Kraftübertragung auf
die Spitze und den vorderen Theil der Sonde, nämlich den durch
St«»ss und Druck oder Zug. Rotation, namentlich in jener gross¬
artigen Form, wie wir sie in der Spirale vor uns haben, erlauben
die alten Rohre nicht, wenigstens nicht in dem Sinne der «Spirale. 1 ’)
Von einer erheblichen Kraftaufwendung iin Augenblicke dos
Vordringens, durch Drücken oder Stosscn, kann sonach in An¬
betracht. der Gefahr, «len Dann anzuspicsse», bei einem Vordringen
in ein dunkles l nirvwisscs keine Rede sein , und so kann jedes
leichte llimlerniss beim Verschieben, wie oben erwähnt, eine
pathologische Enge oder Abknickung vertauschen. Sonach sind
di»« seitherigen Apparate für eine maassgebende Danndiagnostik
ganz ungeeignet.
3. Abgesehen von relativ kleinen Anläufen 18 ) licss die seit¬
herige Methodik den Begriff der sogenannten combinirten Unter¬
suchung für «len Darmeanal fast ganz ausser Auge, wir meinen
eben damit eine Art von eombinirter Untersuchung die annähernd
der gynäkologischen zu vergleichen wäre, d. h. also eine I ntcr-
sueliungsmethodik. die am Orte der Wahl im Innern des Körpers
willkürlich zu beherrschende Bewegungen erzeugt, dem Untersucher
also gleichsam den tief in das Abdomen eingeführten I'inger,
wenn auch nur annäherungsweise, ersetzt.
4 . Ferner wird es keinem Untersucher entgangen sein, dass
unsere Instrumente für den Magen, mehr aber noch die starreren
Darmrohrc für den Patienten mindestens recht unappetit¬
lich und widerlich, in vielen Fällen (man denke an Tubcrculose
und Diphtherie und Lues oder inioetiöse Dannkatarrhe und Typhus,
Dysenterie etc. etc.) aber geradezu gefährlich sind. Diese 1 ebei-
ständc hätte eben, nach unseren gegenwärtigen Begriffen, eine
schulgerechte Sterilisation zu beseitigen. Sind die Nelatonschläuche
hiezu noch eine Zeit lang fähig, so wäre für das bis jetzt ge¬
bräuchliche Darmruhr so gut wie für die Blasen- und Ilarnrühren-
bougies eine gute Methode noch zu suchen.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Aerztliche Standesordnung (Aerzteordnung).
A on Dr. Dr/ti/lorhcr in Schweinfurt.
Der Erlass einer gemeinsamen Standesordnung für
silmmtliche Aerzte Bayerns ist durch Ziff. 2 und 10 der Mm.-
Entschl. vom 18. Juli 18%, die Verhandlungen der Aerztekammem
im Jahre 1895 betr., seiner Verwirklichung um ein gutes Stück näher
gerückt worden.
ll ) Ich übersehe hiebei nicht die Rotation, die Boas nach
seiner Mittheilung (Boas, Centralblatt für klin. Med. 189G, No. b)
einem weichen Magenschlauche oder einem Theile desselben gibt,
eine Construction, die einer Mittheilung von Turk (Wiener med
Wochenscbr. 1895, No. 1) betreffs einer Bürste zur Magenreinigung
entsprungen ist.
'") Leube: Zur Diagnose der Magendilatation. Deutsches Archiv
für klinische Medicin 1875, Bd. XV, p 394.
Boas: Ueber die Bestimmung der Lage und Grenzen des
Magens durch Sondenpalpation. Centralblatt für innere Meuicin
1890, No. 6.
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15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
869
Ziff. 2 a. a. 0. besagt: Zum Vollzüge der Aerztekammerbescblüsse,
die ständigen Ausschüsse mit den vorbereitenden Schritten zur
Schaffung einer gemeinsamen Standesordnung für die Aerzte
Bayerns zu betrauen, welche eine Ergänzung der k. a. V. v. 9. Juli
1895, die Bildung von Aerztekammem und von ärztlichen Bezirks-
vereiuen betr., zu bilden hätte, werden die diesjährigen Aerzte-
kammern sich mit der Berathung eines entsprechenden Entwurfes
zu beschäftigen haben, welcher sodann der Einvernahme des erwei¬
terten Obermedicinalausschusses unterbreitet werden wird.
Die Einvernahme des verstärkten Obermedicinalausschusses
berechtigt zu der Erwartung, dass die in einer künftigen Standes¬
ordnung niedergelegten Anschauungen behördliche Gutheissung
geniessen werden.
Ziff. 10 besagt: Der Antrag derselben Aerztekammer (Unter¬
franken und Aschaffenburg), die k 8taatsregierung wolle bei weiterer
Ausgestaltung der Organisation des ärztlichen Standes in Bayern, bei
Gewährung einer Aerzte Ordnung, dafür Sorge tragen, dass der Aerzte¬
kammer ein Einfluss auch auf solche Aerzte, welche keinem
ärztlichen Vereine angehören, ermöglicht werde, eignet sich zur
geschäftsmässigen Behandlung bei der für die nächste Sitzung der
Aerztekammem in Aussicht genommenen Berathung einer Aerzte-
Ordnung.
Hiedurch ist zum ersten Male die Möglichkeit eröffnet, innerhalb
des Rahmens der derzeitigen Organisation des ärztlichen Standes
in Bayern auch die ausserhalb dieser Organisation stehenden Aerzte
zu standesgemässem Verhalten zu erziehen.
Dabei ist es aber unumgänglich nöthig, dass nicht nur an Stelle
der schon früher von einzelnen Bezirksvereinen erlassenen Standes¬
ordnungen eine gemeinsame Aerzteordnung tritt, es muss auch
daB Verfahren vor den Schiedsgerichten der einzelnen
Bezirksvereine und vor der Aerztekammer als Beruf¬
ungsinstanz für das ganze Königreich einheitlich ge¬
regelt werden.
Zur Standesordnung selbst liegt ein beachtenswerther Vorschlag
des Collegen Brauser in Regensburg vor. Eine s. Z. vom ärztlichen
Bezirksvereine Schweinfurt ad hoc berufene Commission hatte schon
vor Jahresfrist einen Entwurf im Wesentlichen auf Grund der Standes¬
ordnung des ärztlichen Bezirksvereines für Südfranken bearbeitet,
der jedoch in Rücksicht auf die in Aussicht stehende gemeinsame
Standesordnung zunächst zurückgestellt wurde und in Ziff. I—IV
mit den für eine gemeinsame Standesordnung nothwendigen Ab¬
änderungen in der Art mitgetheilt werden soll, dasB ich mir erlaube,
unter Ziff. V—VIII Vorschläge in processualer Hinsicht zu geneigter
Discussion beizufügen.
Standesordnung.
Nachstehende Standesordnung soll den im Königreich Bayern
prakticirenden Aerzten als Rathgeber in zweifelhaften Fällen dienen
und massgebend sein für die Entscheidungen der von den ärztlichen
Bezirksvereinen verordnungsgemäss zu errichtenden Schiedsgerichte,
sowie der als Beschwerde-Instanz fungirenden Aerztekammem.
I. Pflichten zur Aufrechthaltung der Würde des ärztlichen
Standes und eines anständigen collegialen Verkehres.
§ 1. Es ist gegen die Würde des ärztlichen Standes, in irgend
einer Weise Reclame zu machen, z. B. wiederholt öffentliche An¬
zeigen zu erlassen, durch Karten oder sonstige Ankündigungsmittel
die Aufmerksamkeit besonderer Arten von Kranken auf sich zu
lenken, Armen öffentlich seine ärztliche Hilfe unentgeltlich anzu¬
bieten oder Vortheile irgend welcher Art an dritte Personen anzu¬
bieten, um sich hiedurch Praxis zu verschaffen, briefliche Behand¬
lung, Zusendung besonderer Arzneien oder Instrumente zu ver¬
sprechen, durch sogenannte populäre Brochüren auf bestimmte
Heilmethoden aufmerksam zu machen, Krankengeschichten oder
Operationen in nicht wissenschaftlichen Zeitungen zu veröffent¬
lichen oder deren Veröffentlichung zu gestatten, Laien als Zuschauer
zu Operationen einzuladen, sich Zeugnisse oder Danksagungen für
ärztliche Hilfe oder Heilerfolge öffentlich oder privatim ausstellen
zu lassen, oder wissentlich zu gestatten, dass öffentliche Dank¬
sagungen für gelungene Curen etc. in der Presse erscheinen. Selbst¬
verständlich ist es dagegen jedem Mitgliede gestattet, bei Nieder¬
lassung an einem Orte, bei Wohnungswechsel, oder bei zeitweiliger
Unterbrechung der Praxis jeweils dem Publicum in ortsüblicher
Weise durch öffentliche Blätter hievon Nachricht zu geben. Der
Missbrauch der Bezeichnung *8pecialist» zu Reclamezwecken ist
gleichfalls zu verwerfen.
§ 2. Es ist unstatthaft, ;über Besprechungen und Beschlüsse
im Bezirks-Vereine dritten Personen unbefugte Mittheilungen zu
machen.
§ 3. Es ist für den Arzt entwürdigend, sogenannte Geheim¬
mittel zu verordnen oder das Publicum auf dem Glauben zu lassen,
ein Mitglied besitze ein nur ihm allein bekanntes Mittel zur Heilung
bestimmter Krankheiten. Unstatthaft ist es ferner, die Wirksamkeit
sogenannter Geheimmittel zu bezeugen oder in irgend einer Weise
deren Gebrauch zu fördern.
§ 4 Im geschäftlichen wie freundschaftlichen Verkehr mit
den Patienten'eines Collegen soll jedes Eingehen auf die Natur der
Erkrankung und die eingeleitete Behandlung vermieden werden.
Hier wie in allen sonstigen Fällen ist jede herabsetzende Be-
No. 87.
sprechung ärztlicher Thätigkeit unstatthaft und schädigt das An¬
sehen des ganzen Standes.
§ 5. Wird wegen Abwesenheit oder Verhinderung des Haus¬
arztes ein anderer Arzt zu einem Patienten gerufen, der sich zur
Zeit in Behandlung des abwesenden oder verhinderten Arztes be¬
findet oder irgendwie zu erkennen giebt, dass er letzteren als seinen
Hausarzt betrachtet, so ist der Patient dem Hausarzte zu überlassen,
sobald derselbe im Stande ist, die Behandlung wieder zu über¬
nehmen. Der stellvertretende Arzt liquidirt hier selbständig für
seine Bemühungen.
§ 6. Wird bei plötzlichen Erkrankungen, Unglücksfällen etc.,
nach mehreren Aerzten zu gleicher Zeit geschickt, so bleibt der Patient
dem zuerst eintreffenden Arzte überlassen, bis der Hausarzt an¬
kommt. Auch hier liquidirt der Stellvertreter selbständig.
§ 7. Ausser in vorstehenden Fällen soll kein Mitglied einen
in Behandlung eines anderen befindlichen Kranken annehmen, es
sei denn, dass der Kranke erkläre, die Hilfe seines bisherigen Arztes
nicht mehr zu wünschen. In diesem Falle ist letzterer sofort, jeden¬
falls aber noch vor der Zeit der nächsten Visite hievon durch die
Angehörigen des Patienten geeignet zu verständigen. Berathungen
im Hause des Arztes sind von solcher Beschränkung ausgeschlossen.
§ 8. Ein Arzt, der einen Kranken auf dem Lande besucht,
kann aufgefordert werden, einen benachbarten Kranken, der ge¬
wöhnlich von einem anderen Arzte behandelt wird, wegen plötz¬
licher Aenderung oder Verschlimmerung der Symptome zu besuchen.
Das hier angezeigte Benehmen ist: «einen den gegenwärtigen Um¬
ständen angemessenen Rath zu ertheilen und sich nicht mehr als
durchaus nöthig in den allgemeinen Behandlungsplan einzumischen».
Wird letzteres gewünscht, so ist ein Consilium mit dem behandelnden
Arzte zu verlangen.
II. Gegenseitige Aushilfe.
§ 9. Jedes Mitglied ist bei eigener Erkrankung oder bei Krank¬
heiten in seiner Familie berechtigt, die ärztliche Hilfe von Collegen
in Anspruch zu nehmen. Dieselbe soll stets gerne und unentgeltlich
geleistet werden.
§ 10. Kann ein Arzt aus Gesundheitsrücksichten, wegen nicht
beruflicher Geschäfte, Abwesenheit oder Unglücksfällen in seiner
eigenen Familie seinen Berufspflichten nicht nachkommen, so soll
ihm von den Collegen die nachgesuchte Aushilfe sofort gewährt
und sein Interesse und Stand als Hausarzt gewahrt werden. Sobald
die Gründe der Stellvertretung aufhören, tritt der Stellvertreter
zurück und liquidirt selbständig für seine Bemühungen. Wird sein
Bleiben so dringend gewünscht, dass er sich diesem Wunsche nicht
entziehen zu können glaubt, so ist der vertretene College über den
Sachverhalt rechtzeitig aufzuklären. (§ 7.)
III. Von den Consilien.
§ II. Als Consiliarius muss jeder Arzt, der Mitglied ein es
ärztlichen Bezirks Vereines ist, zugelassen werden. Die Zu¬
lassung oder Ablehnung eines Arztes, der keinem Vereine angehört,
steht dem Takte und Ermessen des Einzelnen frei.
§ 12. In Consilien soll jeder Schein von Rivalität oder Eifer¬
sucht vermieden und offenes rücksichtsvolles Benehmen gegen ein¬
ander beobachtet werden.
§ 13. Der Consiliarius soll zuerst die nöthigen Fragen an den
Kranken stellen und die Untersuchungen vornehmen, welche ihm
über den Fall Aufschluss verschaffen können.
Die Berathung darf, mit strengem Ausschluss der Laien, nicht
in dem Krankenzimmer Belbst stattfinden.
Nach Beendigung derselben soll das Resultat dem Patienten
oder dessen Angehörigen mitgetheilt werden, Boweit es für zweck¬
mässig erachtet wurde; die nöthigen Verordnungen hat der behan¬
delnde Arzt zu machen.
Ueber die Berathung selbst und die Betheiligung an derselben
von Seiten des einen oder des anderen Arztes darf keine Mittheilung
gemacht werden.
§ 14. Der behandelnde Arzt soll im Consilium zuerst seine
Meinung abgeben und Falls mehrere Consiliaren zugegen sind, diese
in der Reihenfolge, wie sie beigezogen wurden.
Eine unerwartete Aenderung in der Lage des Falles berechtigt
den behandelnden Arzt von der im Consilium beschlossenen Behand¬
lung abzuweichen. Derselbe hat jedoch die Gründe hierfür in dem
nächsten Consilium auseinander zu setzen. Das gleiche Recht und
die gleiche Pflicht hat der Consiliarius, wenn er im Nothfalle ge¬
rufen wird, d. h. weil der behandelnde Arzt zur Zeit nicht aufge-
ünden werden kann.
8 15 Aeusserste Pünktlichkeit ist bei Consilien geboten, nur
-anz dringende Fälle entschuldigen und hat wegen einer solchen
Möglichkeit der zuerst zum ConBilium eingetroffene Arzt 10 Minuten
luf den zweiten zu warten. Nach Ablauf dieser Frist ist das Con-
lilium als auf einen anderen Termin verschoben zu betrachten. War
lur der behandelnde Arzt gekommen, so wird dieser den Kranken
iehen und seine Verordnungen geben, war es dagegen der Consiliarius,
.o hat derselbe sich einfach wieder zurückzuziehen ausser bei einem
iehr dringenden Falle, welcher sofortige Hilfe erfordert, oder wenn
sr aus grösserer Entfernung beigezogen worden war. In solchem
Falle mag er den Kranken untersuchen und seine Meinung schnft-
ich und verschlossen dem behandelnden Arzte hinterlassen.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
§ 16. Alle Verhandlungen in einem Consilium sollen geheim
bleiben und als Vertrauenssache behandelt werden. Weder durch
Worte noch durch Benehmen soll einer der betheiligten Aerzte aus¬
sprechen oder merken lassen, dass er zu irgend einem Punkte der
Behandlung seine Zustimmung nicht gegeben habe. Die Verant¬
wortlichkeit müssen beide Aerzte gemeinschaftlich tragen, Erfolg
und Misserfolg gleichmässig auf sich nehmen.
§ 17. Sollte bei einem Consilium von mehreren Aerzten eine
nicht zu beseitigende Meinungsverschiedenheit bestehen, so ist die
Majorität entscheidend. Kann bei einem Consilium von 2 Aerzten
trotz gegenseitiger Zugeständnisse, keine Uebereinstimmung erzielt
werden, so soll, wenn thunlich, ein dritter Arzt zugezogen werden.
Verbieten die Umstände ein solches Auskunftsmittel, so muss dem
Patienten die Wahl des Arztes, in welchen er das meiste Vertrauen
setzt, überlassen bleiben. Der andere Arzt soll sowohl jede weitere
Besprechung im ConBilium als auch die weitere Theilnahme an der
Behandlung des Falles ablehnen und sich zurückziehen.
§ 18. Ist nur ein einmaliges Consilium erforderlich, oder
wünscht der Patient keine Wiederholung, desselben, so hat sich der
Consiliarius jedes ferneren Besuches zu enthalten.
Als Regel muss aufgestellt werden, dass es abgesehen von
dem besonderen Wunsche des Patienten oder dessen Angehörigen,
dem behandelnden Arzte überlassen werden muss, eine Wieder¬
holung des Consiliums zu beantragen und dass dem Consiliarius
eine Bestimmung darüber nicht zusteht.
§ 19. Der Consiliarius soll, die Stellung des behandelnden
Arztes in der ehrenhaftesten und sorgfältigsten Weise berücksichtigen,
dessen Behandlung, wenn nöthig vertheidigen und es sollen seiner¬
seits keine Winke und Andeutungen fallen, welche das in denselben
gesetzte Vertrauen schädigen und sein Ansehen verletzen können
Auch soll der Consiliarius aussergewöhnliche Aufmerksamkeiten
oder Bemühungen sorgfältig vermeiden, um auch jeden Schein fern¬
zuhalten, als wolle er sich in die Gunst des Patienten oder dessen
Familie einschmeicheln und den Hausarzt verdrängen.
IV. Von dem Honorare.
§ 20. Sämmtliche Collegen, die an demselben Orte oder in
der Nachbarschaft wohnen, sollen bindende Taxen für Besuche, Haus¬
ordinationen, Zeugnisse u. s. w. aufstellen. Die vereinbarten Taxen
sind dem Vorstände mitzutlieilen. Bei Consilien haben beide Aerzte
das gleiche Honorar zu fordern.
Es gilt als Ehrenpflicht, nicht unter dieser Taxe zu liquidiren.
Dabei gilt es für selbstverständlich, dass bei Leistungen im Ort
nicht unter die gesetzliche Minimaltaxe vom 18. December 1875
herabgegangen wird.
§ 21. Kein Arzt, selbst wenn er in den besten Verhältnissen
lebt, soll einem zahlungsfähigen Patienten seinen Rath unentgeltlich
ertheilen.
Das Unterbieten bei Abschluss von Vertrügen mit Kranken-
und ähnlichen Cassen ist unstatthaft. Die Vereinsmitglieder sind
desshalb gehalten, derartige Vertrüge, sowie auch mündliche Ver¬
einbarungen dem Bezirksverein zur Kenntnissnabme und Genehmi¬
gung vorzulegen.
V. Von dem Schiedsgericht.
§ 22. Nach § 13 der k. allerh. Verordnung vom 9. Juli 1895,
die Bildung von Aerztekammern und von ärztlichen Bezirksvereinen
betr., hat jeder Bezirksverein ein Schiedsgericht zur Wahrung der
Standesehre und zur Schlichtung von Streitigkeiten unter seinen
Mitgliedern zu errichten.
Dieses Schiedsgericht besteht aus dem Vereins Vorsitzenden,
zwei Ausschussmitgliedern und zwei weiteren Beisitzern. Ueber
deren Wahl und die Wahl etwaiger Stellvertreter sind in den Vereins¬
satzungen die näheren Bestimmungen zu treffen.
§ 23. Das Schiedsgericht entscheidet bei vorkominenden Streitig¬
keiten in der Regel nur auf Anrufen einer Partei. Auf Grund
gewonnener Erfahrungen jedoch ist das Schiedsgericht befugt, als
Ehrengericht zur Wahrung der Standesehre, auch ohne voraus¬
gegangenes Anrufen einer Partei gegen ein Mitglied vorzugehen.
Im ersteren Falle hat die Klage stellende Partei den Antrag
auf schiedsrichterliche Entscheidung unter genauer Darlegung der
in Frage kommenden Verhältnisse schriftlich beim Vorsitzenden
des Vereins einzureichen; im zweiten Falle sind diese Verhältnisse
in einer vorbereitenden Sitzung des Schiedsgerichtes schriftlich
festzustellen. Der Schriftsatz ist dem Angeklagten zuzustellen
§ 24. Das Verfahren vor dem Schiedsgerichte ist mündlich.
Das Ausbleiben einer Partei hindert die Vornahme der Verhand¬
lung nicht.
Das Schiedsgericht erkennt, — sofeme nicht eine gütliche Ver¬
einbarung der Parteien mit Zurücknahme des Strafantrages vor ver¬
kündetem Urtheil erfolgt ist, — entweder auf Abweisung der Klage,
oder auf eine der nachfolgenden Strafen:
1. vertrauliche Rüge,
2. öffentliche Rüge vor der Versammlung,
3. Antrag auf Ausschluss aus dem Verein, worüber die Vereins¬
versammlung zu beschliessen hat.
Der Ausspruch des Schiedsgerichtes ist den Parteien sofort
mündlich unter Angabe von Gründen zu eröffnen.
Der den Ausschluss aus dem Vereine verfügende Vereins¬
beschluss ist überdies nach eingetretener Rechtskraft in einer von
der Aerztekammer bestimmten Zeitschrift einmal ohne Angabe
von Gründen zu veröffentlichen.
Gegen die Abweisung der Klage, sowie gegen die 8trafen unter
Ziffer 1 und 2 Bteht den Betheiligten binnen 14 Tagen Berufung
an die Vereinsversammlung, gegen den Ausschluss binnen 30 Tagen
Beschwerde zur Aerztekammer zu.
Gegen die Entscheidungen der Vereinsversammlung bezw. der
Aerztekammer ist eine weitere Beschwerde ausgeschlossen.
§ 25. Bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern verschiedener
Bezirksvereine ist das Schiedsgericht jenes Bezirksvereines zuständig,
dem der Beklagte angehört.
VI. Besondere Bestimmungen für Aerzte, welche keinem ärzt¬
lichen Bezirksvereine angeboren.
§ 26 Ein Arzt, der keinem ärztlichen Bezirks vereine angehört,
ist berechtigt, gegen ein Mitglied eines Bezirksvereines bei dem
Schiedsgerichte dieses Vereines klagend vorzugehen.
Dagegen sind Klagen gegen einen Arzt, der keinem ärztlichen
Bezirksvereine angehört, mögen sie nun von einem ärztlichen Bezirks
vereine, von einem einzelnen Bezirksvereinsmitgliede oder von einem
ausserhalb der Vereinsorganisation stehenden Arzte ausgeben, in
allen Fällen unter Darlegung der Verhältnisse bei dem ständigen
Ausschüsse der Aerztekammer schriftlich einzureichen.
Der Vorsitzende des Kammerausschusses hat sodann die Sache
zur Untersuchung und Aburtheilung an das Schiedsgericht eines
benachbarten, bei der Sache in keiner Weise betheiligten ärztlichen
Bezirksvereines zu verweisen.
Das Verfahren vor diesem Schiedsgericht ist dasselbe, wie
wenn der Beklagte Vereinsmitglied wäre.
§ 27. Die zu erkennenden Strafen sind in diesem Falle:
1. vertrauliche Büge,
2. Rüge mit Bekanntgabe in der nächsten Aerztekanamereitzung,
3. geschärfte Rüge unter einmaliger Veröffentlichung des
verfügenden Erkenntnisses nach eingetretener Rechtskraft
in einer von der Aerztekammer bestimmten Zeitschrift
ohne Angabe von Gründen.
Die Schlusssätze des § 24 über Berufung zur Vereins Versamm¬
lung (des mit der 8ache befassten Vereines) und über Beschwerde
zur Aerztekammer greifen auch hier Platz.
VII. Von der Aerztekammer als Beschwerde-Instanz.
§ 28. Die Aerztekammer, welche nach § 12 der k. allerh. Ver¬
ordnung vom 9. Juli 1895 und nach §§ 24 und 27 dieser Standes¬
ordnung als Beschwerde-Instanz zu fungiren hat, Übergibt diese
Function einem in der ordentlichen Sitzung der Aerztekammer
alljährlich zu wählenden Beschwerde-Ausschüsse. Die Bestimmungen
über das Verfahren vor dem Schiedsgerichte finden auch auf das
Verfahren vor dem Beschwerde-Ausschüsse sinngemässe Anwendung.
Das Erkenntniss des Beschwerde-Ausschusses ist den Parteien
schriftlich unter Angabe von Gründen zuzustellen.
§ 29. Hat der Beschwerde Ausschuss das schiedsgerichtliche
Urtheil in den Fällen des § 24 Ziff. 3 und § 27 Ziff. 3 bestätigt,
oder ist die Beschwerde eines Arztes wegen Versagung der Auf¬
nahme in einen ärztlichen Bezirksverein nach § 12 der k. allerh.
Verordnung vom 9. Juli 1895 abgewiesen worden, so ist das ver¬
fügende Erkenntniss des Beschwerde Ausschusses in einer von der
Aerztekammer bestimmten Zeitschrift einmal ohne Angabe von
Gründen zu veröffentlichen.
VIII. Von den Kosten.
Schiedsrichter und Mitglieder des Beschwerde-Ausschusses ver¬
sehen ihre Function als Ehrenamt und erhalten nur Entschädigung
für Baarauslagen. Das Schiedsgericht und der Beschwerde-Ausschuss
haben in allen Fällen gleichzeitig über die Tragung der erwachsenen
Kosten zu entscheiden. In beiden Instanzen kann von dem Kläger
oder Beschwerdeführer vor Einleitung des Verfahrens die Hinter¬
legung eines angemessenen Kostenvorschusses verlangt werden.
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. B. Rawitz: Leitfaden für histologische
Untersuchungen. Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage.
Jena. Verlag von G. Fischer. 148 pag.
Im Vergleich zur ersten Auflage ist das vorliegende Büchlein
um ein Wesentliches vermehrt und um Vieles verbessert worden.
Der Ankauf kann namentlich darum empfohlen werden, weil uns
hier eine recht ausgiebige Reeeptensammlung geboten wird;
der Inhalt ist überhaupt nach jeder Richtung hin ein recht reich
haltiger. Für den Anfänger bringt das Buch ausserdem ei» e
ganze Reihe allgemeiner Auseinandersetzungen, welche dazu
dienen sollen, den Lernenden zum selbständigen Arbeiten und
namentlich zum Nachdenken anzuregen ; die Absichten des A erfassers
sind in dieser Hinsicht nur durchaus zu billigen. Von den beiden
Hauptabschnitten des Buches: «Die Methoden der Untersuchung 5
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15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
871
und «Die Anwendung der Methoden» ist der erstere jedenfalls
der ungleich werthvollere, denn bezüglich der Anwendung im
Einzelfalle sollte jeder, auch der Anfänger vom ersten Tage an,
nur seinen eigenen Erfahrungen trauen. Hier heisst es eben:
«Eines schickt sich nicht für Alle» ; was des Einen Hände mit
Leichtigkeit uns mit vorzüglichem Erfolge zur Ausführung bringen
können, das wird für die Hände eines anderen vielleicht nicht passend
sein. Woher dies kommen mag, ist leicht ersichtlich. Alle diese vielen
technischen Manipulationen, deren wir in der Mikroskopie bedürfeu,
verlaufen nicht nach bestimmten chemischen oder physikalischen
Formeln, sondern es kommen da eine grosse Reihe von Einzel¬
umständen in Betracht, die wir gar nicht kennen und die in
verschiedenen Laboratorien und in verschiedenen Händen immer
wieder andere sein werden. Hier einige Beispiele: 1) Rawitz
gibt an, das Alaunkarmin sei nicht für Durchfärbung geeignet;
der Ref. hält es nach sehr vielen Erfahrungen schlechthin für
das beste und sicherste Mittel zur Durchfärbung ganzer
Stücke. 2) Der Verfasser empfiehlt zur Einbettung besonders
die Chloroform-Paraffin-Methode; der Ref. hat damit nicht viel
erreicht und hält dicke ätherische Oele (z. B. Bergamottöl) für
die besten Zwischenglieder beim Uebergang zum Paraffin. 3) Der
Verfasser hat mit der jetzt aller Orten geübten Eisenhaematoxylin-
Methode des Referenten körnige Niederschläge im Präparat erhalten,
doch bleiben diese bei vorsichtiger Arbeit mit reinen Materialien
gewiss aus. Es lohnt nicht, noch mehr derartige Einzelheiten
aufzuführen, denn in derlei Dingen kann man mit einem technischen
Lehrbuch nicht gut rechten. Was aber die Auseinandersetzungen
allgemeinen Charakters anlangt, so geben sie zu manchen
berechtigten Bedenken Anlass. So behauptet der Autor anlässlich
der Besprechung des Paraffinschnitts, dass bei quer ge-
gestelltem Messer nicht mehr geschnitten, sondern gequetscht wird
und dass daher besser mit schrägem Messer zu schneiden sei.
Da nun die Messerwirkung jedenfalls darin besteht, dass ein Keil
in die schneidbare Masse vorgetrieben wird, so erhellt, dass bei
quer gestelltem Messer nur geschnitten, bei schräger Stellung aber
mehr als geschnitten, nämlich gesägt wird. Für die Praxis ist
richtig, dass Gewebe von ungleichmässiger Consistenz besser durch¬
sägt, als blos durchschnitten werden, daher in diesem Falle die
Schrägstellung vorzuziehen ist. Gleichwohl ist die Querstellung
des Messers mit reiner Schneidewirkung die theoretisch richtige;
wird aber hierbei gequetscht, wie der Autor meint, so hat
das Messer eine falsche Stellung zum Horizont.
Dieser Cardinalpunkt in der Lehre vom Paraffiuschnitt, die richtige
Neigung des Messers gegen den Horizont, ist bei Rawitz gar
nicht berührt. — Die allgemeinen Ausführungen über die Arten
der Färbung sind verfehlt. Die ganz richtige und theoretisch
wie praktisch so wichtige Unterscheidung von progressiven
und regressiven Färbungen werden bei Seite geworfen; an
Stelle dessen werden «substantive» und «adjective» Färbungen
unterschieden. Bei den ersteren Tinctionen können die fertigen
Schnitte ohue Weiteres mit der Farbe behandelt werden, bei den
letzteren werden die Schnitte zuvor in einer bestimmten Weise
gebeizt und somit wird dem Schnitte etwas Neues hinzugefügt:
daher «adjective» Färbungen. Nach allen unseren Erfahrungen
sind nun die gewöhnlichen Färbungen vermittelst der Carmine,
Haematoxyline und Aniline die Erfolge chemischer Processe,
welche wahrscheinlich dadurch zu Stande kommen, dass die Farben
durch Vermittlung mehrwertiger Elemente, welche in der
Materie des Schnittes enthalten sind, gebunden werden, üb diese
mehrwerthigen Elemente schon von vornherein in dem Gewebe
vorhanden waren oder erst durch den Process der Fixirung (z. B.
durch die Darstellung von Hg - Albuminaten bei der Sublimat-
Conservirung) oder auch den der nachherigen Beizung in das
Gewebe eingeführt werden, ist an sich gleichmütig, und man
kann hieraus keine allgemeinen Gesichtspunkte für die Arten
und Weisen der Färbung gewinnen. Martin Heidenhain.
Stern: Ueber traumatische Entstehung innerer
Krankheiten. 1 . Heft, Krankheiten des Herzens und der
Lungen. Jena, Gustav Fischer, 1896.
Die zahlreichen und verantwortungsvollen Aufgaben, welche
die Unfallversicherungs - Gesetzgebung der praktischen Medicin
gegeben hat, trafen diese Anfangs noch nicht genügend vor¬
bereitet. Es war im Unterricht bislang auf diese Seite der
Aetiologie, wenigstens was innere Krankheiten anlangte, nur
nebenbei Werth gelegt worden und vielfach waren die Beziehungen
traumatischer Einflüsse zu den mannigfachsten Erkrankungen
überhaupt noch kaum erforscht. Das actuelle Bedürfniss hat
inzwischen auf diesem Gebiete eine rege Arbeit zur Entwicklung
gebracht und es werden nun von allen Seiten her Beobachtungen
zusammengetragen, die die zahlreichen Lücken unseres’ Wissens
nach dieser Richtung hin auszufüllen beginnen. Es ist eine sehr
verdienstliche Arbeit, der sich Stern unterzogen hat, das zer¬
streut vorliegende Beobachtungsmaterial zu sammeln, kritisch zu
sondern und, soweit es angeht, allgemeine Gesichtspunkte aus
ihm zu gewinnen. Er hat sich dieser nicht leichten und vor
Allem einen grossen Aufwand von Fleiss erfordernden Aufgabe
zweifellos mit grossem Gesohick entledigt, so dass sein Buch so¬
wohl für die fernere wissenschaftliche Bearbeitung dieser Materie
einen werthvollen Stützpunkt daratellt, als auch vor Allem dem
Praktiker sehr lehrreiche Winke für die Beurtheilung einschlägiger
Fälle an die Hand gibt.
Der Ref. bat auf Grund vielfacher eigener Erfahrungen den
Eindruck, als ob der in- und extensive Einfluss von Unfällen auf
die Entstehung interner Leiden in der Praxis hie und da noch
einer allzugrossen Skepsis begegne, die theils auf den im Ver¬
gleich zu den subjectiven Beschwerden vielfach geringen objectiven
Befunden, theils auf ungenügender Würdigung der a priori ja
auch unwahrscheinlich aussehenden Thatsache beruhen mag, dass
auch bei fehlender oder ganz geringfügiger Verletzung der äusseren
Bedeckungen, doch sehr erhebliche Quetschungen, Zerreissungen
und Erschütterungen selbst sehr nachgiebiger innerer Organe ein-
treten können. Hier muss also ein objectiv und kritisch ge¬
schriebenes Buch, wie das von Stern, zumal es durch eine
reiche Literatur übersieht und eine grosse Zahl kurzer Kranken¬
geschichten auch dem eigenen Urtheile des Lesers ergiebige Quellen
eröffnet, lebhaft willkommen geheissen werden. Arbeiten, wie die
vorliegende, müssen dazu beitragen, die grossen Meinungsverschieden¬
heiten, wie sie sich noch so häufig in den Gutachten verschiedener
Benrtheiler finden , allmälig verschwinden zu machen, was ebenso
im Interesse der Begutachteten als unseres Standesansehens
gelegen sein wird. Mor i t z - München.
Handbuch der L&ryngologie und Rhiuologie, heraus¬
gegeben von I>r. Paul Hey mann, Privatdocent in Berlin.
Wien 1896, Alfred Holder.
Von diesem in grossem Stile angelegten und in Druck und
Illustrationen prächtig ausgestatteten Werke liegt die 1. Lieferung
vor, enthaltend die «Geschichte der Laryngologie und Rhinologie»
von Heymann und Kronenberg und die «Anatomie des Kehl¬
kopfes» von Zuckerkandl. Die erstere gliedert in wohlgesetzten
Etappen die Entwicklung unserer anatomischen und klinischen
Kenntnisse in jenen Fächern, die letztere zeichnet sich durch
eine ganz besondere Uebersichtlichkeit aus, welche die Auffrischung
der so leicht verschwimmenden Details ohne die herkömmlichen
Opfer an unserer Zeit und Arbeitslust ermöglicht.
Es sei gestattet, über das ganze Werk an der Hand des
Prospeetcs zu sprechen. Nachdem der laryngoskopischc Spiegel
bereits 38 Jahre eingeführt ist und durch seine Beleuchtung
das leibliche und geistige Auge der Aerztc in die ehemals so
verborgenen oberen Luftwege den Einblick gewonnen hat, ist es ein
materielles und moralisches Bedürfniss geworden, die gewaltige
Arbeit so vieler an dem bisher Geschaffenen Beteiligter zu
sammeln und auch zu sichten. Erst seit 12 Jahren besteht ein
vortrefflich geleitetes Centralblatt, während die früheren Arbeiten
nur einen unzureichenden, die frühesten aber nur den ganz mangel¬
haften Zusammenschluss nach dem Gutdünken einzelner Verfasser
von Büchern erhalten hatten. Und doch enthalten sie noch so
manchen vortrefflichen Keim, welchen ein ungünstiger Wind ab¬
seits vom Felde geworfen hat.
Es befinden sich unter den 43 Mitarbeitern des Handbuches
Herren, Welche den allerersten Zeiten unseres Specialfaches nahe¬
gestanden haben, welche also aus eigener und inzwischen gereifter
Erfahrung vorzüglich im Stande sind, die von Anfang an interes-
8 *
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872
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
sirenden Punkte zu schildern — neben jüngeren Kräften, welche
an der Ausarbeitung später aufgekommener Zweige regen Antheil
genommen haben.
Um von den ersteren zu sprechen, so sind besonders B. F rän kel,
Schrötter, Störk, Gerhardt, Gottstein (f) zu nennen,
während Schech, Jurasz, Semon bereits eine jüngere Zeit
repräsentiren. Den Laryngologen von Fach schliessen sich
v. Bergmann, Mikulicz, Bruns für chirurgische, Zucker-
kandl, Ewald u. A. für anatomische und physiologische
Capitol an.
Das Thema betreffend, sind die Speiseröhre und Mundhöhle,
als nicht zu den oberen Athemwegen gehörend, entgegen anderer
Gepflogenheit weggefallen, der lymphatische Bezirk an den Fauces
und dem Zungengrunde aber verblieben. Eine besondere Auf¬
merksamkeit ist dem reciproken Verhältnisse zu den Allgemein¬
krankheiten gewidmet. — Technisch hervorzuheben ist die
gesonderte Ausgabe in 3 Bänden, für Kehlkopf, Rachen und
Nase, was den Ohren- und Kinderärzten die Anschaffung erleichtert.
Die sorgfältige Wahl der Mitarbeiter, die vorzügliche Ein¬
teilung des Stoffes, der historische Standpunkt bei der Bearbeitung,
welcher dem Leser die möglichste Freiheit eigener Anschauung
gewährleistet, bürgen für die bestmögliche Belehrung in der prak¬
tischen und Anregung in der wissenschaftlichen Thätigkcit.
Bergeat.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. 30. Band, 5. und 6. Heft.
22) A. Goldscheider: Ueber den anatomischen Process
im Anfangsstadium der multiplen Sklerose. (Aus der Klinik
v. Leyden’s in Berlin.)
Verfasser gibt von einem durch intercurrenten Typhus zu
Grunde gegangenen Fall eine detaillirte Beschreibung des ana¬
tomischen Befundes eineB frischen Herdes im Halsmark, der den
Beginn eines zur multiplen Sklerose zu rechnenden Processes dar¬
stellt, wie sich aus dem klinischen Bild und aus dem Vorhandensein
einer alten diffusen Sklerose ergab. Es handelte sich um einen von
den strotzend mit Blut gefüllten und mit Kömchenzellen umgebenen
Gefässen ausgegangenen Process, bestehend in einer Aufquellung
der Nervenfasern. Durch den gegenseitigen Druck der vergrösserten
Nervenfasern wird das erweichte Myelin aufgelöst und abgebröckelt:
die Achsencylinder nehmen oft Theil, oft auch bleiben sie verschont.
Für die Annahme Popoff's, dass ein Theil der Achsencylinder
regenerirt wird, liess sich in den Präparaten kein Anhaltspunkt
finden. Auch war nur sehr wenig von Veränderungen des inter¬
stitiellen Gewebes zu sehen. Der ganze Process unterschied sich
von dem bei acuter Myelitis nur durch die geringere Intensität und
Verfasser schliesst sich der Ansicht Jener an, welche in der mul¬
tiplen Sklerose eine in acuten und subacuten Nachschüben
verlaufende Form der disseminirten MyelitiB sehen.
23) K. Ehlich und 0. Lindenthal: Eigenthümlicher Blut¬
befund bei einem Fall von protrahirter Nitrobenzolvergiftung.
(Aus der Klinik v. 8chrötter’s in Wien.)
Der von den Verfassern mitgetheilte Fall betraf eine 50jähr.
Patientin, welche 100 g Mirbanöl mit Rum gemischt zu sich ge¬
nommen hatte. Die Symptome bestanden in vollständiger Bewusst¬
losigkeit, starker Cyanose mit bläulichgrauer Farbe der Haut, Lippen,
Conjunctiven und Zunge, in intensivem Geruch der Exspirations¬
luft nach Bittermandelöl, erweiterten und reactionslosen Pupillen,
sehr kleinem und arhythmischem Puls, oberflächlicher Athmung.
Nach einer vorübergehenden Besserung traten Schmerzen in der
Magengegend, Erbrechen aller aufgenommenen Nahrung, Incontinentia
alvi et urinae, Schmerzen beim Uriniren, 8uggillationen an ver¬
schiedenen Körperstellen, Ikterus, rasch zunehmender Decubitus auf;
nach 17 Tagen erfolgte der Exitus letalis. Die Untersuchung des
in der Wohnung Vorgefundenen Giftrestes ergab deutliche Nitro-
bensolreactionen; der eiweisshaltige, aber von reducirenden Sub¬
stanzen freie Urin lieferte ebenfalls die Nitrobenzolreactionen, aber
keine Anilinreactionen. Die spectroskopische Blutuntersuchung ergab
das 8pectrum des Methaemoglobins; die Zahl der rothen Blut¬
körperchen nahm während der Krankheit bis auf 900 000 ab, die
Zahl der Leukocyten stieg vorübergehend auf 60 000, dabei sehr
geringe Poikilocytose; viele rothe Blutkörperchen zeigten die Er¬
scheinungen der anaemischen Degeneration; endlich waren viele kern¬
haltige Erythrocyten zu sehen, namentlich Megaloblasten; diese
zeigten vielfach Kernfiguren, deren Entstehung durch Karyokinese
oder Fragmentirung nicht zu entscheiden war; die grosse Zahl der
Megaloblasten gegenüber der geringen Anzahl der Normoblasten
verlieh der Anaemie den Charakter der pemieiösen Anaemie, womit
der Sectionsbefund, die Fettdegeneration des Herzens, der Leber
und der Nieren übereinstimmte.
24) P. Jakob: Ueber den Einfluss artificiell erzeugter
Leukocytoseveränderungen auf künstlich hervorgerufene In-
fectionskrankheiten. (Aus dem Krankenhause Moabit, Abtheilung
von Professor Goldscheider.)
Um neues Material zur Beurtheilung des Einflusses der Hypo
und Hyperleukocytose auf den Verlauf von Infectionskrankheiten
zu gewinnen, spritzte Verfasser Kaninchen einerseits theiis subcutan
5 ccm lOproc. Hemialbumoselösung oder 5 ccm 2 oder 4proc. Lösungen
von Protalbumose oder Deuteroalbumose, welche nach Kühne-
Neumeister aus Witte'schem Pepton dargestellt war, theiis intra¬
venös 1 ccm von den beiden letzteren Lösungen ein, danach virulente
Pneumococcen- oder Mäusesepticaemiebacillenbouillon in die Obr-
vene, und zwar tbeils im Stadium der durch die Albumoseinjection
erzeugten Hypoleukocytose, theiis in dem der Hyperleukocytose,
theiis unmittelbar nach der Albnmoseinjection, andererseits injicirte
er zuerst das Infectionematerial und danach theiis in dem Stadium
der hiedurch hervorgerufenen Hypoleukocytose, theiis in dem der
Hyperleukocytose, die Albumoselösung. Die im 8tadium der durch
Albumoseinjection erzeugten Hypoleukocytose inficirten Thiere
gingen stets zu Grunde, me ist schneller als die Control-
thiere. Die während des Zunehmens der Hyperleukocytose
inficirten Thiere dagegen blieben am Leben, die Hälfte davon
zeigte überhaupt keine nennenswerthen Erscheinungen. Die
während des Abnehmens der Hyperleukocytose inficirten
Thiere starben meistens, allerdings später als die Con¬
trol thiere. Diejenigen Kaninchen, bei welchen die Infection
gleich nach der Albumoseinjection erfolgte, zeigten Alle
deutliche Krankheitserscheinungen, gingen aber nicht
zu Grunde. Bei den Thieren dagegen, bei welchen die AIbumose-
injection nach der Infection gemacht wurde, war nur dann
eine günstige Wirkung der Albumoseinjection zu bemerken, wenn
sie während des Zunehmens der durch die Infection be¬
wirkten Hyperleukocytose geschah. Verfasser erklärt nun
seine Resultate durch die Annahme, dass die in den blutbereitenden
Organen lagernden bactericiden Stoffe in Folge der positiv chemo-
tactischen Wirkung, welche auf die Leukocyten ausgeübt wird,
durch letztere in den Kreislauf gelangen und von denselben dann
wahrscheinlich abgeschieden werden, um den Kampf mit den
Bacterien, resp. den von ihnen abgesonderten Toxinen aufzunehmen.
Bei den im Stadium der Hypoleukocytose inficirten Thieren
war es in Folge der negativchemotactischeu Wirkung za
einer Anlockung der Leukocyten gar nicht gekommen, in Folge
dessen gingen die Thiere schneller als die Controltbiere, bei denen
wenigstens die vor der Infection in normaler Menge circulirenden
Leukocyten ihre Wirkung ausüben konnten, zu Grunde. Hauptsächlich
scheinen es ferner die ersten, im aufsteigenden Ast der Hyper¬
leukocytose in die Blutbahn eingeffthrten Leukocyten zu sein, welche
mit den antitoxischen Stoffen incorporirt sind, da die Versuche, die
den absteigenden Ast der Hyperleukocytose betrafen, alle ziemlich
ungünstig ausfielen.
25) H. Rosin-Berlin: Ein Beitrag zur Lehre von der
Tabes dorsalis.
Verfasser theilt die Krankengeschichte und den anatomischen
Befund von einem Fall von beginnender Tabes, bei welchem das
Lendenmark intact war, mit und erörtert im Anschluss hieran die
pathologisch anatomischen Verhältnisse bei der Tabes. Hiernach
handelt es sich um einen einfachen Ausfall von Nervensubstanz,
ein Zugrundegehen von Nervenfasern in den hinteren Wurzeln und
im Rückenmark, der durch das Fehlen von entzündlichen Reizer
scheinnngen, von Gefässalteration, Körnchenzellenbildung, von Quel¬
lung der Achsencylinder und Markscheiden ausgezeichnet ist. Im
Rückenmark sind lediglich diejenigen Fasern betroffen, welche, wie
die Untersuchungen von Ramon y Cayal, Golgi, Flechsig,
Singer, Lissauer etc. dargethan haben, aus den hinteren Wurzeln
stammen, nämlich die Fasern der Hinterstränge; ausgenommen sind
die an der vorderen Kuppe der Hinterstränge gelegenen, welche
nicht zu den Hinterwurzelfasem gehören und ein an der hinteren
Fissur gelegenes schmales Gebiet, die Flechsig'sehe mediane
Wurzelzone, welche nach Redlich absteigende Fasern enthält.
Von tabesähnlichen Processen sind zu erwähnen die sogenannten
combinirten Systemerkrankungen, bei welchen die hinteren Wurzeln
völlig intact sind; diese klinisch und histologisch von der reinen
Tabes deutlich zu trennenden Affectionen nehmen vielfach ihren
Ausgang von den Gefässen, wie die Friedreich'sehe Krankheit.
Die Tabes kann auch durch Erkrankung von Rückenmarkspartien,
welche anderen Neuronen angehören, wie der motorischen oder
Kleinhirnseitenstrangbahnen etc., complicirt sein. Dieselben histo
logischen Veränderungen, wie bei der Tabes, werden durch eine
Zerstörung hinterer Wurzelfasern, wie durch Erkrankungen der
Cauda equina, des Conus terminalis, durch Ergotinvergiftung, zuweilen
bei chronischer, syphilitischer Meningitis hervorgerufen. Bezüglich
des Ausgangspunktes der TabeB ist noch nicht festgestellt, ob zuerst
die Zellen, die Spinalganglien oder die peripheren Ausbreitungen
der sensiblen Nerven erkranken. Von den klinischen Besonder¬
heiten des Falles findet das Erhaltenbleiben der Patellarreflexe seine
Erklärung in der Intactheit der Lnmbalnervenwurzeln und des Lum
balmarkes; die gastrischen Krisen dürfen vielleicht, wie die Blasen
und Mastdarmschmerzen, auf periphere Affectionen sympathischer
Nerven des Magens, der Blase und des Mastdarms zurückgeführt
werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Tabes eine
Erkrankung des 1. sensiblen Neurons, eine Degeneration des 1. l\ eD
rons der sensiblen Leitungsbahn ist, die in vorgeschrittenen Fällen
auch auf ein zweites sensibles oder auf das 1. motorische Neuron
übergehen kann.
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15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
873
26) H. Rüge: Ueber actinomycesähnliche Gebilde in den
Tonsillen. (Aus der Klinik v. Gerhardt’s in Berlin.)
Verfasser fand bei der Untersuchung von 25 Tonsillen 4 mal
drüsige Gebilde in den Krypten, welche von einem zum Geschlechte
der Actinomyces gehörigen Parasiten gebildet wurden. Diese Pilze
unterscheiden sich von dem pathogenen Actinomyces hominis durch
die grösseren Drusen, die weniger deutliche strahlige Anordnung,
die Nichtfärbbarkeit mit der Günther'sehen Modification der
Gram'sehen Methode, sowie dadurch, dass der pathogene Actino¬
myces ausgedehnte Zerstörung und Eiterung in den Geweben her¬
vorruft, während der vom Verfasser gefundene nur Mycosen der
Tonßillen, des Pharynx, eventuell auch Tonsillarhypertrophie und
Abscesse hervorruft.
27) F. Blumenthal: Klinische und experimentelle Bei¬
träge zur Kenntniss des Tetanus. (Aus der Klinik v. Leyden's
und dem chemischen Laboratorium des pathologischen Instituts in
Berlin.)
Die vom Verfasser an 2 letal verlaufenen Tetanusfällen aus¬
geführten Untersuchungen ergaben Folgendes: Das Tetanusgift ist
in kochsalzhaltigem Wasser löslich und gehört nicht zu den Eiweiss-
stoffen. Durch Heilseruminjection wird das im Blut kreisende Gift
unwirksam gemacht, nicht aber das in der Rückenmarkssubstanz
befindliche, daher die Misserfolge der Serumtherapie. Das im
menschlichen Organismus gebildete Tetanusgift erzeugt beim Meer¬
schweinchen keine Temperaturerhöhung, sondern eine Erniedrigung
derselben. Der Urin Tetanuskranker enthält kein Tetanusgift in
wirksamer Concentration, Urin nicht tetanuskranker Versuchstbiere
kann an und für sich tetanusartige Symptome bei Mäusen und Meer¬
schweinchen hervorrufen.
28) B. Leick: Beitrag zur Lehre von der Hysterie der
Kinder. (Aus der med. Universitätsklinik Mosler’s in Greifswald.)
Verfasser theilt die Krankengeschichte eines lljähr. Knaben
mit, welcher im Anschluss an Zahnschmerzen eine hysterische
Lähmung der Beine bekommen hatte. Nach Extraction des schmerz¬
haften Zahnes und Faradisation und Bädern verschwand die Läh¬
mung völlig. Im Anschluss hieran bespricht Verfasser noch 4 andere
Fälle von kindlicher Hysterie, die früher in der Greifswalder Klinik
beobachtet waren, bei denen es sich 3 mal um hysterische Lähmungen
und 1 mal um hysteroepileptische Krämpfe gehandelt hatte.
29) E. Kalmus: Beitrag zur Kenntniss der Rückenmarks¬
erkrankungen bei Diabetes mellitus. (Aus der I. med. Klinik
in Berlin und dem städt. Krankenhaus in Moabit.)
Verfasser fand bei 2 Diabetikern, von denen der eine im An¬
schluss an eine forcirte antiluetische Cur den Diabetes bekommen
hatte und im Coma diabet. starb, während der andere an Phthise
starb, im Rückenmark eine Sklerose der Hinterstränge, beim ersteren
in der Hals- und Lendenanschwellung, beim zweiten im mittleren
Dorsalmark; im ersten Fall war die Ausbreitung des Processes sehr
asymmetrisch und waren auch die Seitenstränge im Cervicalmark
afficirt. Im zweiten Falle waren die Ventralfelder bis zur hinteren
grauen Commissur mitergriffen.
30) F. v. Oefele: Vorhellenische Medicin ; Kleinasiens.
(Zu einem kurzen Referate nicht geeignet.)
Liudemann - München.
Archiv für klinische Chirurgie. 53. Band, 1. Heft. Berlin,
Hirschwald 1896.
1) M. Walter: Ueber das multiple Auftreten primärer
bösartiger Neoplasmen. (Patholog. Institut Rostock).
Die sehr lesenswerthe Arbeit bringt kritische Untersuchungen
über das genannte Thema nebst Mittheilung einer Reihe weiterer
wichtiger von Lu barsch gesammelter Beobachtungen. Zunächst
bespricht Verfasser diejenigen Fälle von multiplen Carcinomen, die
durch Krebszellenimplantation entstanden sind, weiter die doppel¬
seitigen Carcinome in gleichartigen Organen (Mammae, Ovarien).
Dann folgen Untersuchungen über multiple primäre Carcinome
in demselben oder in verschiedenen Organen, und hieran schliessen
sich die Fälle von multiplen primären Sarkomen verschiedener Organe.
Den Schluss machen die Fälle von Combination verschiedenartiger
Neubildungen.
Eine Erklärung für das letztere Vorkommen ist zur Zeit nicht
möglich. Die Multiplicität der Carcinome ist auf dreierlei Ursachen
zurückzuführen, auf die Krebszellenimplantation, auf die Multiplicität
von Reizen und auf die Multiplicität von Geschwulstanlagen.
2) Pupovac-Wien: Ein Fall von Teratoma colli mit Ver¬
änderungen in den regionären Lymphdrüsen.
Es handelte sich um einen gänseeigrossen Tumor der linken
Halsseite, der von Gassenbauer exstirpirt wurde. Das Kind starb
am Abend des Operationstages.
Die sorgfältige Untersuchung des Tumors ergab, das er aus
embryonalem Gewebe mit Uebergängen von diesem zu höheren
Gewebsformen bestand, ferner fand sich in ihm Knochen- und
Knorpelgewebe, quergestreifte und glatte Musculatur und Drüsen¬
anlagen, und ausserdem Gliagewebe mit eingelagerten Ganglienzellen.
Das Bemerkenswertheste an dem Falle war, dass einige benach¬
barte Lymphdrüsen genau dieselben Structuren aufwiesen wie der
Haupttumor. Verf. glaubt diese Veränderungen als secundäre, auf
dem Wege der Lymphbahnen entstandene, auf fassen zu müssen.
8) Lipowski -Freiburg i. Br.: Pathologie und Therapie der
Harnabscease.
Auf die ausserordentlich fieissige Monographie kann hier nur
angelegentlichst aufmerksam gemacht werden.
4) Credö-Leipzig: Silber als Antisepticum in chirurgischer
und bacteriologischer Beziehung.
5) P. Zieg 1 er-München: Ueber die Mechanik des normalen
und pathologischen Hirndrucks.
6) Kümmell-Hamburg: Ueber die Anwendung des Murphy’-
schen Knopfes bei der Operation des Magencarcinoms und
über Frühoperation desselben.
7) A ngerer-München: Ueber die Endresultate der Nerven-
extractionen nach Thiersch.
8) Petersen-Heidelberg: Klinische Beobachtungen über
die Bacteriotherapie bösartiger Geschwülste.
9) Lau enstein -Hamburg: Untersuchungen über die Mög¬
lichkeit, die Haut des zu operirenden Kranken zu desinficiren.
Der Inhalt der sämmtlichen, vorstehend genannten Arbeiten
findet sich bereits im Bericht über den diesjährigen Chirurgencon-
gress wiedergegeben (s. No. 23—25 d. Wochenschr.) Krecke.
Mittheilungen ans den Grenzgebieten der Medicin und
Chirurgie. I. Band, 1. Heft. Jena, G. Fischer.
1) Quincke-Kiel: Ueber Pneumotomie.
Verfasser hat schon früher (1888) über drei mit Erfolg operirte
Eiterungsprocesse in der Lunge berichtet. Er hat seitdem sich
unablässig der Förderung dieses schwierigen Gebietes gewidmet und
kann jetzt über 14 weitere, theilweise mit Erfolg operirte Fälle Mit¬
theilung machen. Neben den einschlägigen Krankengeschichten bringt
die Arbeit eine tabellarische Uebersicht der seit 1887 publicirten
Fälle anderer Autoren (ein vom Ref. mitgetheilter von v. Heineke
operirter Fall scheint dem Verf. entgangen zu sein).
Von im Ganzen 54 Fällen sind 37 Proc. geheilt, 37 Proc. ge¬
storben, in 6 Proc. ist gar kein, in 20 ein unvollkommener Erfolg
erzielt. In Bezug auf vollkommene Heilung geben die acuten Fälle
eine bessere Prognose wie die chronischen. Man soll also die acuten
Fälle sobald wie möglich operativ in Angriff nehmen.
Der Sitz einer Eiterhöhle in der Lunge ist oft nur sehr schwer
zu bestimmen. Für diese meist im Unterlappen gelegenen Höhlen
haben die classischen Höhlensymptome keinen Werth. Am besten
thut man immer, den Eingriff unterhalb des Schulterblattwinkels
zu machen. Die Bedeutung der Probepunction ist keine sehr grosse.
Bei der Vornahme der Pneumotomie ist zunächst immer die
Resection eines Rippenstückes nothwendig. Auch ist es immer
erforderlich, dass pleurale Adhaesionen vorhanden sind Darum
soll man nach Freilegung der Pleura parietalis immer 10 —14 Tage
mit der Eröffnung warten, auch versuchen durch Chlorzinkgaze den
entzündlichen Reiz zu verstärken. Sichere Anhaltspunkte für das
Vorhandensein von Adhaesionen giebt es nicht. Die Eröffnung der
Höhle geschieht am besten mit dem Thermocauter.
Verfasser hat alle Operationen selbst ausgeführt. Eine Tren¬
nung von Rath und That scheint ihm für so schwierige Verhältnisse,
bei denen der Eingriff oft auf viele Sitzungen vertheilt, bei denen
der Plan oft geändert werden muss, nicht angängig.
2) Br uns- Tübingen: Ueber den gegenwärtigen Stand der
Radicalbehandlung der Prostatahypertrophie, insbesondere
mittelst Castration.
Die Behandlung der Prostatahypertrophie ist in neuester Zeit
plötzlich in ein ganz anderes Stadium getreten, nachdem man chirur¬
gische Eingriffe kennen gelernt hat, die darauf hinausgehen, eine
Schrumpfung des ganzen Organs herbeizuführen. Die von Bier
dazu empfohlene Unterbindung der Art. iliacae scheint wohl den
gewünschten Erfolg zu haben, ist aber doch ein zu schwerer Ein¬
griff, umsomehr als wir in der doppelseitigen Castration ein
viel einfacheres sicheres Mittel gefunden haben. Dieselbe ist nahezu
gleichzeitig von Ramm (Christiania) und White (Philadelphia) als
ein Heilmittel gegen die Prostatahypertrophie erkannt worden und
zwar auf Grund von Beobachtungen, die an casfrirten Menschen
und Thieren gewonnen wurden. Aus denselben ergibt sich zweifellos,
dass Hoden und Prostata in einem innigen Zusammenhang stehen,
und dass die Prostata den Geschlechtsorganen als accessorische
Drüse zuzuzählen ist.
Bruns hat 4 mal die doppelseitige Castration wegen Prostata¬
hypertrophie mit recht günstigem Erfolge vorgenommen. Aus der
Literatur konnte er im Ganzen 148 Fälle zusammenstellen. ‘Unter
93 in Betracht kommenden Fällen ist 77 mal eine deutliche Ver¬
kleinerung der Prostata eingetreten, und 16 mal ausgeblieben. In
22 Fällen begann die Verkleinerung schon in der ersten Woche,
bei anderen nahm sie bis zu einem Jahr in Anspruch. Weniger sicher
ist der Erfolg der Operation bezüglich Wiederherstellung der Blasen-
fuuetion. Bei den Kranken mit häufigem Harndrang ohne Retention
trat wohl immer Besserung, aber niemals völlige Heilung, d. h. kein
Verschwinden des Residualharns ein. Sehr prompt wirkte die
Operation bei den Fällen mit acuter Harnverhaltung: meist stellte
sich schon am 2. Tage spontane Urinentleerung wieder ein. Mehr¬
mals wird hier von vollständiger Heilung berichtet. Sehr auffällig
sind die Erfolge bei denjenigen Kranken, welche an chronischer
Harnretention litten und sich ausschliesslich des Katheters zur Harn¬
entleerung bedienten. Hier ist selbst nach jahrelangem Katheter¬
leben noch Heilung erzielt worden: von 25 Kranken, die sich einige
Monate bis 2 Jahre des Katheters bedienten, sind 22 ganz von dem¬
selben befreit und von 20 Kranken mit 2—20 jährigem Katheter-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
dasein sind 8 wieder zu dem völligen Genuss der willkürlichen
Harnentleerung gekommen. In mehr als der Hälfte der Beobachtungen
ist zugleich eine Besserung oder Beseitigung der Cystitis erwähnt.
Die Wirkung der halbseitigen Castration auf die normale
und hypertrophische Prostata erscheint nach den bisherigen Er¬
fahrungen unsicher.
Weiterer Versuche scheint die noch nicht viel erprobte Durch -
schneidung der Ductus deferentes werth zu sein. Unter
U Füllen war der Erfolg mehrmals ein sehr günstiger, oft schon
nach wenigen Tagen. Diese Behandlungsmethode ist um so eher
zu versuchen, als der Verlust der Hoden selbst im Alter doch nicht
ganz ohne Bedeutung ist.
(Den 11 von Bruns zusammengestellten Fällen kann Ref. zwei
weitere hinzufügen In dem ersten mit Retention einhergehenden
Falle ist jetzt, nach 7 Wochen, keine Spur einer Besserung vor¬
handen. Bei dem zweiten, an häutigem Harndrang leidenden
Patienten stellte sich schon am nächsten Tage erheblicher Nachlass
der Beschwerden ein.)
8) Na unyn-Strassburg: Ueber Ileus.
Verfasser gibt aus seiner reichen Erfahrung einen Ueberblick
über die Ileusfrage und stellt besonders eine Reihe von präcisen
Regeln für die Indicationsstellung zur Operation auf.
Eine ganz besondere Stellung nehmen alle diejenigen Fälle
von Heus ein, in denen eine Hernie besteht oder bestanden hat,
selbstverständlich von den Brucheinklemmungen abgesehen. Alle
diese Fälle müssen unbedingt bald operirt werden; sie ergeben
72 Proc. Heilungen.
Die Differentialdiagno8c zwischen Ileus und Peritonitis ist sehr
wichtig. Für die Peritonitis kommt vor allen Dingen die Auffindung
eines aetiologisclien Momentes in Betracht, sowie das Fehlen der
peristaltischen Bewegungen. Bei vorhandener Peritonitis wird die
Indication zur Operation mit Rücksicht auf diese gestellt.
Bei chronischer Darmenge soll man sich mit der Operation
nicht beeilen. Für die chronische Darmenge sprechen: allmählich
zunehmende Beschwerden, kein fixirter Schmerz, starke Peristaltik
in einer sehr wenig beweglichen Darmschlinge, verhältnissmässig
gutartiger Verlauf.
Sehr wichtig ist die Bestimmung des Sitzes der Undurchgängig¬
keit, und zwar zunächst die Lage der undurchgängigen Stelle in der
Bauchhöhle. Die Bestimmung derselben ist so gut wie ausschliess¬
lich dann möglich, wenn man Peristaltik in einer iixirten Darmsehlinge
findet: das Hinderniss sitzt an der Stelle, wo man die peristaltischen
Bewegungen constant hinziehen sieht. Die Diagnose des Sitzes der
Undurchgängigkeit im Darm gelingt mit einiger Sicherheit nur dann,
wenn sie im Duodenum (oder oberen Jejunum) oder im S Romanum
oder Colon descendens sitzt; im ersteren Falle grosse Mengen galligen
Erbrechens, im letzteren Unvermögen, mehr als V 2 — 3 / 4 * Wasser im
Reetuin zurückzuhalten.
Bei Strangulation ist der operative Eingriff immer indicirt.
Zu ihrer Symptomatologie gehören besonders die fixirte geblähte
Darmschlinge ohne Peristaltik und der freie haemorrhagisch-seröse
Erguss in der Bauchhöhle.
Beim Ileus durch Fremdkörper — Gallensteine — erscheint
die Operation nur in seltenen Fällen angezeigt.
Beim Volvulus des S Romanum verhalte man sich individuali-
sirend, jedenfalls übereile man die Operation nicht, wenn der Ileus
nicht besonders bösartig ißt.
Bei Intussusception ist, wenn nicht frühzeitige spontane Repo¬
sition eintritt, Heilung nur durch die Laparotomie zu hoffen.
Im Allgemeinen gelten für die Ueusbehandlung folgende Regeln:
Keine inneren Abführmittel. Grosse Wassereingiessungen oder Oel-
klystiere (200— 500 ccm) Opiate nicht in zu grossen Dosen. Bei
Ueberfüllung des Magens immer Magenausspülung. Wenig Speisen
und Getränke, gegen den Durst Warmwasserklystiere. Die Punction
der Darmschlingen ist nicht empfehlenswerth.
4)Trautenroth: Lebensgefährliche Haematurie als erstes
Zeichen beginnender Nierentuberculose. (Städt. Krankenhaus
Stettin.)
Die als erstes Zeichen der Nierentuberculose aufgetretene
Blutung war eine so starke, dass eine vitale Indication zu chirur¬
gischem Eingreifen gegeben war. 16 Tage nach Auftreten der ersten
Krankheitserscheinungen wurde die Nephrectomie mit Erfolg aus-
geführt. K recke.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 36.
1) R. Hammerschlag -Schlan: Curettement bei Graviditas
extra-uterina. Schon Ho fm ei er und Löh lein haben auf die
Gefahren eines Curettements bei ectopischer Schwangerschaft auf¬
merksam gemacht. Beide sahen danach frische Haematocelen ent¬
stehen, z Th. mit letalem Verlauf. Einen ähnlichen Fall sah auch
H. bei einer 29 jährigen Nullipara, deren Menses 6 Wochen aus¬
geblieben waren. Nach der von einem Specialisten vorgenommenen
Probeausselr.ibung des Uterus entstand ein mit remittirendem Fieber
verbundener parametraner Abscess, der zum Glück für die Kranke
in das Rectum perforirte, worauf bald Genesung erfolgte. Das
Probecurettement bei extrauteriner Gravidität muss daher aufgegeben
werden.
2) J. Füt b-Koblenz; Zur Behandlung der Placenta praevia.
Für Kliniker lind gewandte Specialisten empfiehlt sich die eombinirte
Wendung, für die allgemeine und Landpraxis empfiehlt F. die intra¬
uterine Kolpeuryse mit Dauerzug am Schlauche nach Schauta
und Mäurer. Sofort nach gestellter Diagnose soll die Gebart
künstlich eingeleitet werden. Die Prognose der Placenta praevia
ist noch immer nicht gut. Eine durch Hebammen gewonnene
Statistik ergab in 50 Fällen für die Mütter eine Mortalität von 38
Proc., für die Kinder fast 80 Proc F. hofft, durch die Kolpenryse
erheblich bessere Resultate erzielen zu können.
J af fd -Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 85 u. 36.
No.35. 1) E. Maragliano-Genua: Das antituberculöse HeU-
serum und dessen Antitoxin.
M. berichtet eingehend über die Herstellung des von Hunden,
Pferden und Eseln in seinem Laboratorium gewonnenen antituber
culösen Heilserums Er untersuchte die Wirkungen mehrerer Prä¬
parate, die theils auf 100°, theils nur auf 30° erhitzt worden waren
und fand einen verschiedenen Effect, welchen er auf den differenten
Gehalt an Proteinen, resp. Toxalbuminen zurückführt Als toxische
Einheit der tuberculösen Filtrate erklärt M. eine Quantität, «welche
fähig ist, dasselbe Gewicht vom gesunden Meerschweinchen zu tödten».
M. wahrt bezüglich der von ihm zuerst signalisirten Thatsache, dass
das Serum die toxische Wirkung des Tuberculins neutralisire, die
Priorität gegenüber Behring, Babes und Niemann.
2) C. Kaiserling-Berlin: Ueber die Conservirung von
Sammlungspräparaten mit Erhaltung der natürlichen Farben.
Vergl. das Referat über die Sitzung der medic. Gesellschaft
zu Berlin vom 8. Juli 1896.
3) T i 1 m a n n - Berlin: Zur Frage der Torsionsfractoren des
Oberschenkels.
Die Ursache der fraglichen Fractur bestand in 4 der von T.
gesehenen Fälle anamnestisch darin, dass die betr Personen ver¬
suchten, sich bei stark emporgezogenem Fnss die Schuhe von den
Füssen zu ziehen; in einem 5. Fall trat die Oberschenkelfractur ein,
während die Person eine verletzte Stelle der 8ohle besichtigen
wollte. Versuche an 90 Leichen ergaben, dass es bei normal er¬
nährten kräftigen Knochen nicht möglich ist, durch Rotation des
Oberschenkelknochens vermittelst Hebelung des Unterschenkels eine
Torsionsfractur hervorzurufen. Bei 2 jener Kranken war zur Zeit
des Fractureintritts Tabes dore. vorhanden, bei allen 3 andern trat
dieselbe später in die Erscheinung, so dassT. der Annahme zuneigt,
dass die trophischen Störungen am Knochensystem zu den Früh-
svmptomeu der Tabes gehören.
\) P. Bröse-Berlin: Ueber die diffuse gonorrhoische
Peritonitis und
5) Hauser-Berlin; Ueber Tetanie der Kinder (cfr die Re¬
ferate in No. 11 resp. 24 dieser Wochenschr.).
6) Ham bürg-Berlin: Ueber die Zusammensetzung der
Dr. Rieth’sehen Albumosemilch und deren Anwendung bei
Kindern und Erwachsenen.
Die modificirte Rieth'sehe Milch enthält im Liter 120 gr
Kuhmilch, 195 gr Sahne, 8 gr Hühner-Eiweiss, 45 gr Milchzucker,
0,16 gr kohlensaures Natron und 0,07 gr CINa.
Der Zusatz von Hühnereiweiss macht nach Verf. die Kuhmilch
bezüglich des Eiweisses in hohem Grade der Frauenmilch ähnlich.
Ueber die Anwendung der so präparirten Milch bei gesunden und
kranken Säuglingen, bei anaemischen und rhachitischen Kindern
berichtet H. von den glänzendsten Erfolgen und stellt dieselbe sogar
über die Ammenmilch! Auch bei an Chlorose, Tuberculose, Magen¬
katarrh etc. erkrankten Erwachsenen hat H. meist sehr befriedigende
Resultate gesehen.
No. 36. 1) W. Z i n n und M. J a c o b y - Berlin: Ueber das regel¬
mässige Vorkommen von Anchylostomum duodenale ohne
secundäre Anaemie bei Negern, nebst weiteren Beiträgen zur
Fauna des Negerdarmes.
Die Verfasser untersuchten die Faeces von 23 durchwegs ge^
sund erscheinenden Negern verschiedener Stämme und fanden 21ma
Anchylost. duoden., 8 mal Trichocephalus dispar, 8 mal Ascaris, 4mal
Anguillula stercoralis.
Das Anchylost. duoden. scheint demnach unter afrikanischen
Völkerschaften endemisch zu sein, nicht aber die Erscheinungen
der Anchylostoiniasis, eine Erscheinung, welche die Verfasser auf
Gewöhnung und Raceeigenthümlichkeiten zurückführen. Für den
Europäer bildet die Lebensweise einen Schutz gegen die Parasiten.
Die Charcot-Leyden’schen Krystalle wurden in den Parasiten¬
trägern nicht constant gefunden.
2) J. Althaus-London: Die elektrische Behandlung der
Impotenz.
A. bespricht die Symptomatologie der männlichen Impotenz,
welche er scheidet in: 1. cerebrale, inhibitorische oder psychische;
2. in spinale. Die erstere tritt auch nach Traumen, besondere des
Hinterhauptes, auf Die von A. empfohlene und seit 40 Jahren
geübte Anwendung des constanten Stromes variirt, je nachdem es
sich gemäss der Symptome um Ueberreizung oder aber Parese des
ejaculatorischen Centrums oder des Erectionscentrums im Lenden¬
marke handelt. Die Details der therapeutischen Vorschriften sind
im Original nachzusehen.
3) Joachimsthal: Ueber einen Fall von angeborenem
Defect an der rechten Thoraxhälfte und der entsprechenden
Hand.
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15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
875
tf.-.v;.
ZlA -
Zu-‘
Die Verhältnisse des betreffenden Falles, bei welchem es sich
um ein Fehlen der ganzep Sternocostalportion des Muse, pector. maj,
handelte, sowie um eine Verbildung der Hand der Art, dass nur
3 annähernd normal entwickelte Metacarpi und nur 3 Finger, nämlich
Daumen, Ring- und kleiner Finger, vorhanden waren, werden durch
2 Photographieen und eine Röntgen-Aufnahme illustrirt. An der
8telle des Muskeldefectes fand sich eine starke Depression der Rippen.
4) B. La quer- Wiesbaden: Ueber die Beeinflussung der
Alloxurkörper- (Harnsäure f Xanthinbasen) Ausscheidung durch
Milchdiät und über Fettmilch bei Gicht.
Die Ergebnisse der L.’schen Untersuchungen sind folgende:
1. Flüsaigkeitszufuhr steigert die Alloxurkörper Ausscheidung bei Ge¬
sunden; 2. Milchdiät-Zufuhr steigert die Xanthinbasen-Ausscheidung,
erniedrigt die Harnsäure-Ausscheidung; 3. die Gärtnersehe Fett¬
milch ist ein vorzügliches Diäteticum bei uratischer Diathese. Von
der Fettmilch empfiehlt L. vorübergehend als sogenannte Milchcur
3 1 pro die, oder dauernd 1—2 1 pro die bei gemischter Kost, sowohl
bei acuter als chronischer Gicht.
5) L. Pick und J. Jaco bsoh n • Berlin: Eine neue Methode
zur Färbung der Bacterien, insbesondere des Gonococcus
Neisser, im Trockenpräparat.
Das Princip der neuen Methode besteht darin, dass 2 basische
Anib'nfarben zur Herstellung von Trockenpräparaten verwendet werden
und zwar in folgender Weise:
1. Ausstreiclien des Eiters etc. auf dem Deckgläschen resp. Objetiv-
träger und Trocknen.
2. 3 maliges Durchziehen durch die Flamme.
3. Färbung, höchstens 8—10 Secunden, in:
Aq. dest. 20,0
Carboifuchsin gtt. 15
Conc. alkohol. Methylenblau-Lösung gtt 8.
4. Abspülen mit Wasser.
5. Trocknen, eventuell unter Durchziehen durch die Flamme.
6. Bei Deckglastrockenpräparaten Kanadabalsam.
Dr. Gras s mann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 37.
1) E. Mendel-Berlin: «Der Fall N.»
Professor Mendel verwahrt sich gegen die von Professor
Oppenheim in seiner Broschüre «Der Fall N.» erhobenen Be¬
schuldigungen und betont den Schaden, den das ärztliche Ansehen
durch solche in die Oeffentlichkeit getragene Controversen erleidet
2) R. Greeff-Berlin: Die Serumtherapie bei der Diphtherie
des Auges und bei postdiphtherischen Augenmuskellähniungen.
Die Schlüsse, die aus diesem Sammelberichte gezogen werden
können, sind folgende: Die Diphtherie des Auges wird durch die
Serumtherapie sehr günstig beeinflusst (in 37 von 42 Fällen prompte
Reaction). Bei Pseudodiphtherie übt das Serum keinen nennens-
werthen Einfluss aus. Die Anzahl der Augenmuskellähmungen
scheint nach der Anwendung des Serums zu steigen, auch treten
schwerere Formen derselben auf, jedenfalls bietet die Serumtherapie
kein Prophylaxe für postdiphtherische Lähmungen. Eine nachtrüg- |
liehe Behandlung derselben mit Heilserum verspricht wenig Erfolg.
3) Hessler-Halle a. S.: EineModification des Schütz’schen
Pharynxtonsillotoms.
Die Modification besteht in einer veränderten Anordnung des
Messers, so dass dasselbe sowohl auf Druck als auf Zug schneidet.
4) L. Jan kau: Otologische Mittheilungen.
Nach den Untersuchungen J ankau's ist die normale Hör¬
weite Erwachsener für die Flüstersprache in Worten 10—12 m, in
Zahlen 14—15 m im Durchschnitt. Von Instrumenten wird als
praktisch empfohlen ein aus Gummi mit Mullüberzug gefertigter
Ohrverschliesser für die gewerblichen Ohrenkrankheiten, ein mit
Doppelventil versehener Gummiballon zum Gebrauch bei der Ka-
theterisirung der Tuba Eustachii, wie er mit grossem Erfolg in der
Münchener Poliklinik angewendet wird und endlich noch ein Ohr¬
löffel, der so construirt ist, dass eine ungeübte Hand nicht zu tief
in den Gehörgang eindringen kann
5) B. G omperz-Wien: Bemerkungen zu Dr. L. Grünwald’s
Aufsatz: „Beiträge zur Ohrenchirurgie.“
Gomperz hält gegenüber den im November 1S95 in einer
Serie von Artikeln in dieser Wochenschrift aufgestellten Behaupt¬
ungen Grün wald's seinen Standpunkt fest, indem er bei chroni¬
schen Eiterungen der Paukenhöhle der conservativen Methode den
Vorrang vor der Operation einräumt, und zwar nicht nur in Bezug
auf den Verlauf, sondern auch auf das Endresultat.
6) Therapeutische Mittheitungen.
Bresler-Freiburg i. Schl.: Zur combinirten Verwendung
der Narcotica und Hypnotica.
Bresler empfiehlt ähnlich wie bei somatischen Organerkrank- '
ungen z. B Digitalis mit Calomel bei Nierenaffectionen gegeben
wird, so auch in der Neurotherapie eine Combination der narkoti¬
schen und hypnotischen Mittel, so dass das eine Mittel auf die
Circulation, das andere auf die Nervensubstanz selbst wirkt.
H. Citron-Berlin: Nosophen, Antinosin und Endoxin.
Sammelreferat über die Literatur der als Jodoformersatzmittel
gepriesenen Präparate.
7) O. Treymann: Fünf Monate in London.
T. gibt einige praktische Winke für Aerzte, welche Bich Studien¬
halber einige Monate in London aufhalten wollen. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.
XXI. Versammlung vom 10.—13. September In Kiel.
Originalbericht vou Dr. Kister, Assistent aui hygien. Institut
in Kiel.
Der deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege ent¬
faltet nicht nur durch seine wissenschaftlichen Errungenschaften
eine segensreiche Thätigkeit und erweist sich als ein mächtiges
Vehikel für die sanitäre Vervollkommnung der Städte, sondern er
gibt auch den Männern der Wissenschaft, der Praxis, die in ver¬
schiedenen Kreisen für das Wohl des Vaterlandes wirken, Gelegen
heit, sich zusammenzufinden und so die Gegensätze auszugleichen,
die etwa trotz der sonst herrschenden Einigkeit im deutschen
Reiche bestehen. Dies war es auch, worauf Herr Oberbürgermeister
Fush besonders hinwies, als er als Vertreter der Stadt Kiel die
auch zu der XXI. Versammlung des Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege besonders aus dem Südeu zahlreich erschienenen
Damen und Herren am 9. September Al>ends im Seegarten herz¬
lich bewillkommnetc. Hierauf nahm der Vorsitzende der Ver¬
sammlung, Herr Geheimrath Pi stör aus Berlin das Wort, dankte
für die warme Begriissung und sprach die Hoffnung aus, dass die
freundschaftliche Gesinnung, das Gefühl der Zusammengehörigkeit
sich durch die diesjährige Zusammenkunft noch stärken möge.
Eine Festschrift «Kiels Einrichtungen für Gesundheitspflege
und Unterricht» ist der XXI. Versammlung des deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege von der Stadt Kiel gewidmet
worden. Von fachmännischer Seite wird eine Uobersicht gegeben
über die allgemeine Ocrtlichkeit, die Bevölkerung, die Bau- und
WohnungsverhUltnis.se, über Strassen, Verkehrswege und öffent¬
liche Anlagen, über die Wasserversorgung, die Nahrungsmittel
Versorgung, über Unterrichts- und Erziehungswesen, über Armen-
und Stiftungswesen, die Wohlthätigkeit, über Krankenanstalten
und Krankenpflege, sowie Armen- und Gefängnisswesen, über die
Bekämpfung der Infectionskrankheiten und schliesslich über die
Gesundheitspflege von Seiten der Universität und der Marine, so dass
Alles, was an hygienischen Einrichtungen und Maassnahmen im
Laufe der Zeit in Kiel geschehen ist, hier zusammcngestcllt
ist. Ausserdem ist ein Plan der Stadt Kiel beigegeben.
I. S i t z u n g.
Am 10- September, Morgens 9 Uhr, wurde in der Aula
der Marineakademie der Congress eröffnet. Herr Geheimrath
Pi stör begrüsste die Versammlung. Er gedachte des hundert¬
jährigen Gedenktages der Einführung der Schutzjmckeniinpfung
durch Jenner, sodann der Thätigkeit des Vereins in Stuttgart,
die ihre Früchte gezeitigt, hat. Dann wies er auf einen Sammel¬
wagen der Gesellschaft <Staubschutz» in Berlin für die Abführung
der städtischen Haus- und Wirthsehaftsabgäuge, Müll u. s. w.
hin, der im Vorgarten der Marincakadcmic aufgestellt ist. Schliess¬
lich erwähnte der Vorsitzende die auf der Tagesordnung stehenden
Vorträge und machte auf die hohe Bedeutung und das allgemeine
Interesse an denselben aufmerksam.
Nachdem die Vertreter der Regierung ’), der Stadt Kiel *),
der Universität 8 ) und der Marine' 1 ) die Versammlung begrüsst
und Herr Geheimrath Pi stur ihnen gedankt hatte, verlas der
Geschäftsführer, Herr Geheimrath Spiess-Frankfurt a. M., den
Bericht des vergangenen Jahres Der Verein besteht zur Zeit
aus i;p'2 Mitgliedern, neu eingetreten sind 139, bis jetzt sind
in Kiel 209 anwesend.
Sodann gedachte der Vorsitzende der im verflossenen Jahre
Verstorbenen und beleuchtete die grossen Verdienste derselben,
die thoihveise über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus bekannt
geworden seien. Die Anwesenden erliol>en sich, um das Andenken
an die Verstorbenen zu ehren, von deu Plätzen.
Herr Oberingenieur Andreas Meyer Hamburg thcilte
darauf der Versammlung mit, dass eine Liste ausgclegt sei für
diejenigen Herren, die an einer Besichtigung der Müll-Verbrcnuuugs-
') Herr Oberpräsident v. Steinmann.
,J ) Herr Oberbürgermeister Fuss.
3 ) Herr Geheimrath Hansen.
4 ) Herr Viceadmiral Oldekop.
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876
anst ilt in Hamburg theilzanehmcn wünschen ; eine im Bureau in
Empfang zu nehmende Karte vun Hamburg diene als Legitimation.
Eine zweite- Liste lade zur Besichtigung der Filtrationswerke in
Hamburg ein.
Herr Br. Ehrhardt- Kiel erläuterte noch mit wenigen
\\ orten das Programm für den Nachmittag, und dann ging man
zu den Vorträgen über.
I. Grundwasserversorgung mit besonderer Berücksich>
tigung der Enteisenung.
Referenten : Baurath A. T h i e m - Leipzig , Professor Br.
Fischer- Kiel.
Ber erste Theil, der mechanisch-hydrologische, dient gleich¬
sam zur Einleitung für die Ausführungen, die Herr Prof. Fischer
im 2- Theil gibt.
Herr Baurath Thiem weist darauf hin, dass Alles, was er
vorzutragen hat, ihm durch persönliche Praxis zugewachsen sei.
Nachdem er dann einen Ueberbiick über die ältesten Formen der
Wasserversorgung gegeben hat, geht er zu seinen sehr interessanten
Ausführungen über, die sich in folgenden Sätzen zusammenfassen
lusssen :
1. (1 rundwasser und Quellwasser unterscheiden sieh nur durch
ihre hydrologische Erscheinungsform.
2. Bas Dasein von Grundwasserströmeu hängt von der geo-
tcktonischen Beschaffenheit des Untergrundes ab. Unter günstigen
Vorbedingungen ist die Menge des im Untergründe fliessenden
Wassers viel grösser, als man gewöhnlich annimmt; so ist die
Wahrscheinlichkeit, die grössten in der norddeutschen Tiefebene
liegenden Städte mit Grundwasser versorgen zu köunen, eine
sehr grosse.
3. Die Methodik und Systematik in der Aufsuchung und
Auffindung und in der Untersuchung auf Menge und Ausdauer
der Grundwasserströme sind wissenschaftlich streng begründet und
haben sich praktisch vollständig bewährt. Die Hydrologie ist eine
selbständige Wissenschaft geworden, deren praktische Auswcrthung
im Boden vielfacher Erfahrung wurzelt.
4- Bic künstliche und sichere Erzeugung von Grundwasser
ist zwar noch wenig entwickelt, verspricht aber grosse Bedeutung
zu erlangen.
5. Die Fassungsarten des Gruudwassers und die dafür an¬
gewendeten technischen Mittel sind unter sich sehr verschieden ;
der Erfolg bängt von der zweckmässigen Anpassung an die natür¬
lichen hydrologischen Zustände ab. Unzweckmässige Mittel drücken
die gewonnene Menge unter die gewinnbare herab.
6. Im Allgemeinen ist die Versorgung durch Grundwasser
erheblich billiger, als die durch Oberflächenwasser mit nothwendiger
Filterung.
Nachdem Herr Baurath Thiem die Grundwasserversorgung
in technischer Hinsicht, Art der Gewinnung, Ergiebigkeit und
Kosten, beleuchtet hatte, spricht Herr Professor Fischer im
Anschluss daran über die vom hygienisch - sanitären Standpunkte
aus an das Wasser zu stellenden Anforderungen. Die erste auf-
gestelltc These lautet:
Das dem Untergründe im Bereiche gut filtrirender Boden¬
schichten in einwandsfreier Weise und aus genügender Tiefe ent¬
nommene Wasser ist stets keimfrei und hierdurch sowie durch seine
gleiclimässige Temperatur dem in den besten Anlagen sorgfältigst
liltrirten Oberflächenwasser aus bewohnten Gegenden überlegen.
Zur Stütze dieser These weist Referent auf die vielfach
bei Benutzung von Oberflächenwasser vorkommenden Epidemieen,
Berliner Typhusepidemie 1889, Altonaer Typhusepidemie 1886,
87, 88, 91, 92, Altonaer Choleraepidemie 1893, Hamburger und
Stettiner Choleraepidemio 1893, ferner Choleraepidemie in Niet¬
leben — hin; zurückzuführen waren dieselben theils auf eine
mangelhafte Einrichtung und Betrieb, theils auf einen plötzlich
auf tretenden Durchbruch der Filterschichten. Dagegen bildet der
Boden ein stets gleichmässig und sicher wirkendes Filter; in
3—4 m Tiefe ist der Boden vollkommen keimfrei. Dann aber
bat das Grundwasser auch eine das ganze Jahr hindurch aunähernd
gleiche Temperatur von etwa 9— 11 0 C.
2. These: «Das Eisen, welches neben Schwefelwasserstoff
oft Geschmack und Aussehen des Grundwassers beeinträchtigt,
auch sonst demselben allerlei lästige und störende Eigenschaften
No. 37.
verleiht, berechtigt ebensowenig wie die meist mit Unrecht ange-
zweifcltc Ergiebigkeit zu einem Verzicht auf das Grundwasser.
Beide Stoffe lassen sieh hei Erhaltung der Vorzüge des Grund-
wassers durch eine einfache Behandlung so vollständig entfernen,
dass dasselbe nunmehr auch hinsichtlich seiner Appctitlichkeit und
Schmackhaftigkeit den Vorzug verdient.»
Die Kohlensäure, welche das Wasser bei seinem Durchtritt
durch den Boden aufnimmt, befähigt dasselbe, die Gesteine und
auch die eisenhaltigen anzugreifen und zugleich die bei der Zer¬
setzung frei werdenden Eisenverbindungen in der Form von doppelt-
kohlensaurem Eisenoxydul zu lösen. Auch den schwefelsauren
Salzen, von denen das Grundwasser namentlich Gyps gelöst ent¬
hält, wird SauerstofF von den organischen Substanzen entzogen,
so dass Sulphide entstehen, die sieh mit Kohlensäure zu Schwefel¬
wasserstoff und kohlensauren »Salzen umsetzen. Nicht immer ist
das Grundwasser eisenhaltig, meist enthält es aber 1—3 mg i. L.
Die bisher bekannt gewordenen Enteisenungsverfahren gehen nun
alle darauf aus, das Eisen, nachdem es in reine, unlösliche Form
übergeführt ist, mechanisch, meist durch Filtration, zurÜckzuhaltCD.
Hierbei verliert das Wasser auch seinen Schwefelwasserstoff.
3. These: Behufs Enteisenung wird das Eisen entweder
mittels Lüftung oder mittels Chemikalien ausgefällt und hierauf
durch eine einfachere und billigere Filtration als beim Oberflächen¬
wasser entfernt.
4. These: Manche Wässer lassen sich allein schon durch
Filtration mittels Thierkohle hinreichend vom Eisen befreien. Ge¬
mauerte Kesselbrunnen mit einer Kalklage am Grande und in der
Wandung liefern bei nicht zu starker Benutzung jahrelang ein
genügend von Eisen befreites, allerdings hartes Wasser. Sonst
haben sich für die Einzelversorgung und den Kleinbetrieb die
«Lüftung«-» und «chemischen» Verfahren bewährt. Letztere
bieten hier gewisse Vorzüge. Für die Enteisenung im Grossen
haben bisher nur die Lüftungsverfahren Eingang in die Praxis
gefunden.
5. These: Bei manchen Wässern ist die Enteisenung mittels
Lüftung schwieriger, hier empfiehlt sich ausser der Anwendung
der Lüfter noch die Einschaltung eines Absatzbassins.
Bereits im .Jahre 1868 hat Baurath Sa Ibach in Dresden
und 1886 An klamm in Berlin die Enteisenung durch Lüftung
mit Erfolg ausgeführt. Im Jahre 1890 veröffentlichte 0osten
sein Verfahren — durch eine aufgehängte Tafel veranschaulicht —
welches durch seine Einfachheit der Ausgangspunkt für die ge-
sammte Entwicklung des Enteiserlungsverfahrens überhaupt bildete.
Ferner ist zu erwähnen das Verfahren von Piefke, welches
hier in Kiel wegen seiner ausserordentlichen Sicherheit des Be¬
triebes und wegen seiner vollkommeneren Reinigung Anwendung
gefunden hat. Die Lüftung wird durch einen 3 m hohen Coaks-
thurm ausgeführt.
Der Absitzbchäitcr ist so gross, dass das Wasser bei der
gewöhnlich angewendeten Filtrirgeschwindigkeit von 300—450 mm
ungefähr 2—3 Stunden darin verweilt. Die Filter bekommen eine
75 cm hohe Schicht von scharfem Sand. Der höchste Filterdruck
beträgt 1 m. Eine Reinigung der Filter wird je nach der grösseren
oder geringeren Geschwindigkeit in 20—30 Tagen erforderlich und
durch Abtragung der 1—1 ’/s cm dicken, stark verschlammten,
obersten Sandschicht bewirkt. Erneuert wird das Filter erst,
wenn der Sand bis auf 35 cm abgetragen ist. Die Reinigung des
Lüfters erfolgt immer erst in grösseren Zwischenräumen und zwar
durch Spülung.
Statt der Coaksstücke verwendet man in der letzten Zeit
auch Mauersteine, wodurch sich die Wirkung des Lüfters uro
50 Proc. verbessert haben soll. Bei den auf der Kieler Anlage
von Pippig angestellten Versuchen wurde eine bessere Wirkung
des Lüfters nicht erzielt.
Referent führt nun die Einführung des Piefke’sehen Ver¬
fahrens an verschiedenen Orten und seine gute Wirksamkeit an
und behandelt weiterhin 2 Fragen, nämlich einmal, ob das Grund¬
wasser durch eine derartige Behandlung eine Beeinträchtigung
seiner Infeetionsfreilieit und Unverdächtigkeit erfährt und ob die
gleiclimässige Temperatur nicht leidet. Was letzteres anbetrifft,
so betrug die grösste Veränderung, die die Temperatur erfuhr,
bisher 1° C, und zwar bei einer Ausseutemperatur von 20 n 0,
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
877
meist war aber nur eine Aenderung um wenige Zehntelgrade vor¬
handen. Der Kcimgehalt des Wassers der Kieler Enteisenungs¬
anlage beim Passiren des Lüfters weist eine geringe Zunahme,
bei der Filtration dann wieder eine Verminderung desselben auf.
In» Leitungswasser wurden bei 85 Untersuchungen im vorigen Jahr
im Mittel 119, höchstens 280 und mindestens 10 Keime im ('ubik-
eentiuicter gefunden, also im Ganzen ein recht niedriger Keimgebalt.
Referent bespricht unter Hinweis auf eine grössere Zahl
von Karten und Modellen mehrere sehr einfache Verfahren zur
Enteisenung von Einzelbrunnen und kommt dann zu seiner letzten
These, die wie folgt lautet:
6. These: ' Nachdem jetzt auch für die Einzelversorgung
die Enteisenung in einfacher und billiger Weise zu erreichen ist,
kann die Einführung derselben in die Praxis für alle Gegenden,
in denen man sich bisher wegen Eisens im Grundwasser mit oft
sehr schlechtem Oberflächen wasser hat behelfen müssen, im Interesse
der Volkswohlfahrt nicht warm genug befürwortet werden.»
An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Discussion an. An
derselben betheiligten sich die Herren Meyer-Hamburg, E. Grahn
und Jiiger-Stuttgart. Die ersteren führen zu Gunsten der Wasser¬
versorgung durch Oberflächenwasser an, dass viele Städte vollkommen
ausreichend und gut mit demselben versorgt sind, und dass das
Grundwasser auch seine Nachtheile — Kosten, Unsicherheit der
Auffindung, Härte — habe und sprechen sich besonders gegen die
Gutheissung der aufgestellten Thesen seitens der Versammlung
aus. Jaeger-Stuttgart bespricht mit einigen Worten die Wasser¬
versorgung der Stadt Stuttgart Nach einer Entgegung des Herrn
Baurath Tbiem und einem Schlusswort des Herrn Prof. Fischer
nimmt der Verein auf Antrag des Herrn Oheringenieur Andreas
Meyer nach einer Abstimmung folgende Resolution an: Die Ver¬
sammlung nimmt von den lehrreichen Vorträgen der Herren
Referenten dankend Kenntniss, sieht jedoch zur Zeit von der Er¬
örterung der Schlusssätze ab, um weitere Erfahrungen abznwarten
II. Errichtung von Heimstätten für Wöchnerinnen.
Referent: I)r. II. R. B r e n n ec ke - Magdeburg.
An der Hand der Statistik erörtert Referent zunächst die
zur Zeit in Deutschland herrschenden puerperalen Mortalitäts-
Verhältnisse. Es müsste anerkannt werden, dass die .Sterblichkeit
im Kindbett während der letzten 20 Jahre und besonders wahrend
der letzten 10 Jahre Dank der Antiseptik erheblich nachgelassen
habe, doch sei das errungene Resultat einer Mortalität von 0,5 bis
0,6 Proc. der Wöchnerinnen noch weit entfernt, befriedigend
genannt werden zu können. Das bewiesen die ungleich besseren
Resultate, die in den öffentlichen Entbindungsanstalten erzielt
würden, die uns zu der Hoffnung berechtigten, dass cs gelingen
werde, die Sterblichkeit auf die Hälfte des bisherigen Procent
satzes herabzumindorn. Als Ursache der bedauernswerthen Rück¬
ständigkeit der Geburtshilfe in privaten Verhältnissen gegenüber
der Geburtshilfe in den öffentlichen Anstalten kennzeichnet Redner
eine Reihe unverkennbarer Mängel und Schwächen unseres heutigen
Hebammenwesens. Zu gering seien die Anforderungen, die an
die geistige und moralische Qualiticatiou der Hebammenschülerinnen
gestellt 'würden, und weiterhin sei die pecuniäre Lage der meisten
Hebammen eine so überaus dürftige, dass dieselben beständig mit
der Noth kämpfend den geburtshilflichen Beruf nur als Nebenerwerb
betrachten, ilinf also nur mit halber Kraft obliegen könnten. Dazu
komme als ein weiterer, schwerwiegender Missstand das Uebermaass
an Freiheit und Selbständigkeit, welches in Ausübung der Praxis
dem unreifen und geburtshilflich doch stets unmündigen Ilebamiuen-
standc bei der bisherigen Organisation der Geburtshilfe eingeräumt
worden sei. Die Beaufsichtigung der Hebammen stehe dem Kreis-
physikus allein zu. Unmöglich könne er aber die 40—50 Hebammen
seines Bezirkes, welche zum grössten Theil weit von ihm entfernt
wohnten , eingehend überwachen. Redner weist dem gegenüber
auf die in Mecklenburg getroffene zweckmässige Einrichtung hin,
dass je 4 bis 5 Hebammen einem sogenannten Aufsichtsarzte
unterstellt worden sind. Eine durchgreifende Reform des Hcbammen-
wesons in der Richtung einer peinlichen Auswahl, einer höheren
\ or- und gründlicheren Durchbildung der Schülerinnen, einer
Sicherung der pecuniären Lage der Hebammen unter Aufhebung
der Freizügigkeit derselben, einer genossenschaftlichen Organisation
und einer engen Angliederung des Hebammenstandes an den ärzt¬
lichen Stand — eine solch durchgreifende Reform des Ilebammen-
wesens sei dringend geboten und würde zweifellos nicht ohne
günstige Rückwirkung auf den häuslichen Betrieb der Geburts¬
hilfe bleiben können. Doch müsse mit aller Entschiedenheit betont
werden, dass von einer Reform des Hebammen wesens allein
nicht das Heil für die Geburts- und Wochenbetthygiene erwartet
werden könne. Die Letztere schliessc das Hebafamicnwesen wohl
in sieh, habe aber ausserdem noch mit anderen namhaften Factorcn
zu rechnen. So vor allem auch mit dem ärztlichen Anthcil
am häuslichen Betrieb der Geburtshilfe. Die Mortalität der operativ
entbundenen Frauen stelle sich in den Privathäusern 5 mal so
ungünstig als in den Entbindungsanstalten (0,45 Proc. zu 2,2 Proc.)
hieran trage gewiss die unzureichende geburtshilfliche, praktische
Vorbildung, wie sie den jungen Aerzten auf der Universität nun
einmal nicht anders geboten werden könne, einen nicht geringen
Theil der Schuld.
Es würde indess ein Fehler sein, wollte man den Werth
unserer heutigen geburtshilflichen Ordnung nur an dem Maassstab
der puerperalen Mortalität messen. Auch die puerperale
Morbidität verlange Berücksichtigung. Freilich lasse die
Statistik hier völlig im Stich. Doch sei es eine den Aerzten und
auch aufmerksamen Laien wohlbekannte Thatsacho, dass eine Fülle
von Frauenkrankheiten aller Art, Elend und Siechthum gerade aus
dem Wochenbett sieh nachschleppe. Und das um so sicherer, je weniger
die Wöchnerin sich Schonung, Ruhe und Pflege im Wochenbett
könne zu Theil werden lassen. Die überwiegende Mehrzahl aller
Wöchnerinnen in den ärmeren Bcvülkerungssehiehten sei aber durch
die Notli geradezu gezwungen, sich über die einfachsten Forderungen
der Wochenbettshygiene hinwegzusetzen und ihren noch dringend
schonungsbedürftigen Körper vor der Zeit zur Arbeit zu schleppen.
Gegen solche Mi.ssstände würden Acrztc und Hebammen allein
immer vergebens ankümpfeu. Auch die freiwillige Liebesarbeit
von Frauenvereinen bemühe sich vergebens, die hier klaffende
Lücke genügend auszufüllen. Nicht Sache der Wohlthätig-
keit könne cs sein — es müsse endlich alseine soe i a 1 e Pflicht
erkannt werden, diese schreienden Missstände der Woehcnbctts-
pfleirc zu beseitigen. Die heutige geburtshilfliche Organisation
— wenn man sie im Ganzen überschaue — sei allenfalls befrie¬
digend für die Bedürfnisse der wirtschaftlich Starken, für die
wirtschaftlich Schwachen sei auf das Dürftigste gesorgt. «Unsere
heutige geburtshilfliche Ordnung zeigt die unseligen Conscquonzen
des auf das Gebiet der Hygiene übertragenen Prineips des freien
Wettbewerbs der Kräfte! Unter dem Einfluss dieses Prineips
wurde die Geburtshilfe zum Gewerbe erniedrigt, den Hebammen
die Freizügigkeit gewährt uud so ein zügelloser Coucurrenzkampf
eröffnet zum Unheil der Schwachen unter dem geburtshilflichen
Personal sowohl, wie der Schwachen im hilfsbedürftigen Volke.
So haben wir es auf geburts- und wochenbettshygienischem Ge¬
biete erleben müssen, dass in dem wechselnden egoistischen Intc-
ressonkanipfe eine fortschreitende Isolirung und Zersplitterung
der geburtshilflichen Kräfte stattgefunden hat — eine Zersplit¬
terung eben jener Kräfte, die durch die gemeinsamen Ideale der
Geburts- und Woehenbettshygiene zu zielbewusster Arbeit auf das
Engste aneinander gekettet sein sollten.
Acrztc, Hebammen und Woehenpflegerinneu arbeiten nicht
mit-, sondern nur gar zu oft gegen einander! Und in eben dieser
Zersplitterung und Isolirung der geburtshilflichen Kräfte, in dem
Mangel eines gesunden Solidaritätsbewusstseins liegt der Kern¬
schade» und der wesentlichste Grund der Schwäche unserer heutigen
geburtshilflichen Ordnung begründet. Wir haben wohl an der
Geburts- und Wochenbettshygiene arbeitende Organe mit tausend
und abertausend Einzelkräften, wir haben aber keinen geburts-
und wochenbettshygienisehon Organismus, dessen Einzelorgane
und Einzelkräfte — Acrztc, Hebammen, Wochenpflegerinnen,
Frauenvercinc und Kreis- oder (’ommunal-Verwaltung — in klarer
organischer Gliederung und in bewusster Zusammengehörigkeit
freudig mit und für einander arbeiten. Erkenne man aber die
Pflicht an, einen solchen Organismus zu schaffen, so müsse dem¬
selben vor Allem ein lebendig pulsirendes Ilcrz gegeben werden,
um welches sich alle Einzelorganc der Geburts- und Wochcnbetts-
liygienc gruppiren, von welchem aus aber auch nach allen Rich¬
tungen hin beständig neue Kraft und Anregung ausströme. Die
«Heimstätten für Wöchnerinnen» seien es, die
solcher Anforderung in jeder Weise entsprächen.
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MÜNCITENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Redner führt nun eingehend aus, dass die Heimstätten für
Wöchnerinnen (in genügender Zahl und Ausrüstung von den Krcis-
und Conuuuiialverbänden in’s Lehen gerufen und unterhalten) nicht
nur direct den Missständen in der Geburtshilfe und Wochenpflege
breiter Bevölkerungsscliichten abhelfen — dass sie auch indircct
durch Reeinflussung und organische Angliederung des Hebammen-
und Woehenpflegerinnenwesens, sowie durch Aufbesserung der
ärztlich-geburtshilflichen Leistungen die Gcburts- und Wochenbetts-
hygieue in jeder Weise heben und fordern würden; daneben
eröffne sich ein weites Feld für so viele wohlorganisirte Frauen¬
vereine. Ihrer Sorge und Obhut werde die verlassene Familie der
Kreissenden und Wöchnerinnen anzuvertrauen sein. Mit Anstellung
von Familienpflegerinneu, mit Volksküchen, Kindorbcwahranstalten,
Kinderkrippen und in sonst geeigneter Weise würden sie helfend
cinzugrcifcu haben. Es dürfte sich empfehlen, angesichts dessen
der Frage ernstlich näher zu treten, ob es zweckmässig sei, der
Mitarbeit der Frauen auf dem Gebiete der Gcburts- und Wochen¬
bettshygiene wie bisher ausschliesslich den Charakter freier Liebes-
thütigkeit zu belassen, ob es nicht richtiger sei, sie zu einer
gesetzlich geregelten Pflicht zu erheben. Alle diese sich an die
-Heimstätten für Wöchnerinnen' anknüpfenden Hoffnungen und
Erwartungen würden aber nur dann sich erfüllen können, wenn
man die Wöchncrinnonheime als öffentliche Entbindungsanstalten,
nicht aber wenn man sie als Reconvalescentcnheiuie für bereits
entbundene, nur noch der Pflege bedürftige Wöchnerinnen in’s
Leben treten lasse. Redner bekämpft den letzteren Gedanken als
einen durchaus unzweckmiissigen und mindestens verfrühten.
Wie man auf dem Gebiete der inneren Mediein und der
Chirurgie in erster Linie Krankenhäuser und erst weit später
Reeonvaleseentenheimc zur Entlastung der ersteren schuf, so habe
man auf geburtshilflichem Gebiete zunächst und vor allem öffent¬
liche Entbindungsanstalten zum Schutz der Kreissenden und
Wöchnerinnen zu schaffen. Ob jemals Uoconvalesccntenheime
nur für Wöchnerinnen nothwemlig sein würden, möge man ge¬
trost einer ferneren Zukunft überlassen. Wolle man aber die
Heimstätten für Wöchnerinnen sieh zu dem entwickeln lassen,
wozu sie zweifellos bestimmt sind, wolle man sie zu Centren der
gestimmten Gcburts- und Wochetibettshygiene heranwachsen lassen,
so müsse man sie auch von vornherein als selbständige Gebilde iu's
Leben rufen — man dürfe sie nicht etwa als eine untergeordnete
Abtheilung den comiminalen Krankenhäusern angliedern wollen.
Das würde ihnen von vornherein den Todesstoss versetzen und
ihre freie Entwicklung in der empfindlichsten Weise schädigen.
Unter Hinweis auf die enormen Schädigungen, die dem
Nationalwohlstand bei der heutigen mangelhaften Organisation der
Gcburts- und Wochenbettshygiene aus der Fülle vermeidbarer
Todesfälle im Kindbett und vermeidbarer Krankheiten und Siech¬
thums nach dem Wochenbett erwachsen, hält Redner die Begründung
der '(Heimstätten für Wöchnerinnen» auch vom national-ökono¬
mischen Standpunkte aus für dringend geboten. Die Aufwendungen,
die für die Gcburts und Woclicnbettshygiene gefordert werden
müssen, gleichen, national-ökonomisch betrachtet, einem Capital,
das in der vortliedhaftesten Weise zinstragend angelegt wird. 'Es
ist ein Schatz ohne Gleichen, der hier mit verhältnissmässig
geringen Mitteln gehoben werden kann — ein Schatz, der aber
nimmermehr in seinem ganzen Umfang gehoben werden wird,
solange Provinzial-, Kreis- und Communalverbände als relativ
müssige Zuschauer dabei stehen und wähnen, die Riesenarbeit der
Gcburts- und Woclicnbettshygiene einem dürftig geschulten und
noch dürftiger honorirten geburtshilflichen Personal allein über¬
lassen zu dürfen.» Wohl weiss ich, so schliesst der Redner,
dass wir die Welt nicht im Sturme erobern können, und dass
es ein weiter Weg ist, der vor uns liegt. Ich weiss aber auch,
dass unser Programm, auf dem festen Fundament der Wahrheit
und der Liebe aufgebaut, hochragend auf einem Felsen steht,
gegen den alle auch in der Gcburts- und Wochenbettshygiene
wühlenden Mächte kleinlicher Sonderinteressen auf die Dauer ver¬
gebens ankämpfen werden.
Nach einer lebhaften Zustimmung der Versammlung berichtete
Herr San.-Rath Dr. Bayer-Köln im Anschluss an den Vortrag
über eine Statistik der Familienmitglieder und Wohnungsvcrhält-
nissc in Köln und schilderte die Bestrebungen auf dem Gebiete
der Gcburts- und Wochenbettsbygienc daselbst, bei welchen die
dortige Armenverwaltung und der Fraueuverein in segensreicher
Weise Hand in Hand gingen.
Nachmittags fand eine Besichtigung der kaiserlichen Werft
in Gaarden und der Yacht seiner Majestät des Kaisers «Huhen-
zollern», statt. Der erst« Sitzungstag fand darauf einen würdigen
Abschluss durch ein Festessen im Hauptrestaurant der * Aus¬
stellung der Provinz Schleswig-Holstein, verbunden mit Sonder-
ausstellungon und einer internationalen Schifffahrtsausstcllungv.
(Fortsetzung folgt.)
Der III. internationale dermatologische Congress
zn London vom 4. bis 8. August 1890.
(Offizielles Referat, angefertigt für die Vereinigung der deutschen
mcdieinischcn Fachpresse von L. Eikind, M. D., London.
(Fortsetzung)
Discussion über syphilitische Reinfection.
Da Fournier (Paris) abwesend war, so leiteten A. Cooper
und E. Co tt er eil die Discussion über dieses Thema ein. Zu¬
nächst wollen die Vortragenden beweisen, dass zwar die erste
Infection mit syphilitischem Virus in dem infieirten Individuum
die Immunität gegen weitere Infection mit demselben Virus her¬
stellt, gleichwohl aber eine Reinfection mit Syphilis, wenn auch ein
seltenes Ereigniss, doch keineswegs ausgeschlossen ist. Dasselbe gilt
von der sog. congenitalen Syphilis; auch hier ist das Individuum
vor einer weiteren Infection geschützt, aber auch hier wiederum
zeigen sich Abweichungen von der eben erwähnten Regel. Grosse
Vorsicht, meinen die Autoren, müsse in Bezug auf diejenigen
Fälle geübt werden, die gewöhnlich als syphilitische Manifestationen
sccundärer Natur aufgefasst werden. Aus dem Umstande, dass
eine vernünftig und regelrecht ausgeführte Hg - Behandlung die
.Syphilis vollständig zum Heilen bringt, wollen die Autoren docIi
einen Beweis für die Möglichkeit der Reinfection ziehen. Ricord
soll die Möglichkeit der Reinfection nicht in Abrede gestellt haben.
Einer der Redner (Cotterell) hat viele Fälle gesammelt, in denen
eine wirkliche Reinfection angeblich nachgewiesen war. Nicht durch
bestimmte Symptome, wohl aber durch ein streng localisirtcs, hartes
Geschwür ist die Reinfection charakterisirt. Dass die Syphilis,
wie er nebenbei bemerkt, das Zustandekommen anderer Infectioueu
nicht ausschlicsst, beweist der von Hutchinson berichtete Fall,
in dem Syphilis und Variola zu gleicher Zeit zum Ausbruche
gelangten,
H. Fitz Gibbon (Dublin). Wie alle anderen Erkrankungen,
die von universellen Exanthemen begleitet sind, ein specifisches Fieber
erzeugen, so lässt sich auch dasselbe von der Syphilis sagen, die,
wenn keine Complicationen sieh einstellen, einen zeitlich wohl be¬
grenzten V erlauf beobachtet. Gleich anderen Infcctionskrankheiten,
wie z. B. Variola, Kuhpocken etc., folgt auf das erste Stadium
eine Periode, während welcher das inficirte Individuum einer
Reinfection unzugänglich ist, und während welcher wiederum die¬
jenigen Elemente des Körpers, die das syphilitische Virus sozusagen
aufnahmen, entweder ganz zu Grunde gehen, oder grosse Wider¬
standsfälligkeit gewinnen. Wie alle anderen exanthematischen
Erkrankungen der Rückbildung vollständig fähig sind, so gilt das¬
selbe von der Syphilis, nur ist hier der Process langwieriger, za
Stillständen und Wiederausbrüchen geneigt. In der grösseren
Majorität der syphilitisch inticirtcn Individuen ist vollständige
Heilung die Regel, dafür liegen zahlreiche Erfahrungen uud Be¬
weise vor. Man kann im Allgemeinen sagen, dass nach einer
fünfjährigen Periode die Krankheit vollständig ausheilt und dass
auch nach dieser Zeit die Immunität sich verlieren kann.
Reinfection, meint F., erfolge eher auf dem Wege der Kinirupfuog
von syphilitischem Virus und rein septischen Ursprunges, ah
hei gewöhnlichem Contaet mit reinem syphilitischen Gifte. I* a ^ r
sprechen die gesammelten Erfahrungen, dass, wenn eine seeuudäre
Infection mit dem in Rede stehenden Virus zu Stande kommt,
die Krankheit einen viel schwereren Verlauf, als es sonst der
Fall ist, annimmt. Hierher erwähnt der Vortragende einen *
aus seiuer eigenen Beobachtung und die von Taylor aus New- or
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15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
879
beschriebenen Fälle, von denen zwei, wie Taylor sich aus¬
drückt, «ganz schnell» mit dem Tode endeten.
Wickham (Paris) bezieht sich auf Fournier, der noch
nie bis jetzt in seiner langjährigen und ausgedehnten Praxis einen
unzweifelhaften Fall von Rcinfection beobachtet hatte. Namentlich
lässt sich das am besten an Kranken vom Höpital St. Louis ver¬
folgen. An der Abtheilung, die unter Fournier’s Leitung
steht, wird schon seit über 20 Jahren in der Weise verfahren,
dass jeder syphilitische Kranke in eine bestimmte Rubrik der
Krankenbücher eingetragen wird und jedes Mal bei seiner Re¬
präsentation von Neuem Notizen gemacht werden. Diese Kranken¬
geschichten also, die als zuverlässig erachtet werden dürfen, weisen
keinen einzigen Fall von Rcinfection auf.
Hutchinson verweist darauf, dass es sich vornehmlich
um die Frage dreht, ob Reinfection überhaupt möglich ist, nicht
etwa, ob ein Individuum zwei vollständige Attacken von Syphilis
erfahren könne. Hier müssen die Erfahrungen entscheiden. II.
selbst hat während seiner vierzigjährigen Praxis viele hierher¬
gehörige unzweifelhafte Fälle gesehen. Man müsse einen Unter¬
schied zwischen Spital- und Privatpraxis machen. Patienten aus
der Privatpraxis lassen sich sehr lange hindurch verfolgen und
beobachten, während das bei Spitulpatieuten nicht der Fall ist.
Er kritisirt Petrini de Galatz Skepticismus und meint, dass
die Fälle von Fitz Gibbon und 0 g i 1 v i e viel beweisendes
für sich haben.
Grünfeit (Wien) meint, dass, so lange eine sccundäre In-
fection auf dem Wege des Experimentes nicht nachgewiesen worden
ist, auch die Möglichkeit einer Reinfection wird bezweifelt werden
müssen.
Ernest Lane (London): Die Behandlung der Syphilis
mittels intravenöser Mercur-Injectionen.
Baccolli hatte diese Behandlungsmethode im Jahre 1893
empfohlen. Seitdem wurde dieselbe von verschiedenen Autoren
geprüft. Um dieser Methode genügend Kenutniss und Erfahrung
abzugewinnen, hatte sie L a n e während der letzten 9 Monate bei
syphilitischen Patienten, die das London Lock Hospital aufsucliten,
angewendet. Diese Behandlungsmethode, so bemerkt L. , kann
unzweifelhaft mit allen bis jetzt in der Syphilis zur Behandlung
bewährten Methoden — z. B. Inunctioncn, intramusculärcn In¬
jectionen, interner Verabreichung — wohl wetteifern; der Vor¬
theil aber der intravenösen Iujectionen geht allen übrigen ab,
nämlich dass die Patienten dadurch sehr schnell dem Einflüsse
des Mercurs ausgesetzt werden. Die Technik der Methode, der
er sich bedient, ist kurz folgende: Eine Ligatur wird rings um
den Vorderarm gelegt; die Injcctiousnadel w r ird dann sofort in
eine der meist hervortretenden Venen in der Nahe des Ellenbogen-
gelenkes eingeführt. In diesem Moment wird die Ligatur ent¬
fernt und die Injection ausgeführt. Nach Entfernung der Nadel
wird die Punctioiisstclle für einige Minuten mit dem Finger zu¬
gedrückt ; eine vorhergehende gewöhnliche antiseptische Reinigung
des Operationsfeldes ist rathsam. Es sei nicht nothwendig, für
Ausführung der Injection einige Blutstropfen aus den angestochenen
Venen emporquellen zu lassen, da durch das Hin- und Herbewegen
der Nadel bcurthoilt werden kann, ob die letztere in das Lumen
der Gefässe eingedrungen ist oder nicht. Ferner haben wir an
der dem Act der Injection folgenden Schwellung, Schmerzen etc.
einen guten Anhaltspunkt zu erkennen, ob die Injection in
die Venen hinein oder in das benachbarte Gewebe gemacht
worden ist, da nur im letzteren Falle solche Erscheinungen auf-
zutreteu pflegen. In die Vena mediana basilica wurde für ge¬
wöhnlich injicirt; weder eine Thrombose, noch irgend welche
Alteration der Gefässwandung wurde beobachtet. Die Methode
wurde ausschliesslich an weiblichen Patienten geübt. Ihre Zahl
betrug 76 und die ausgeführten Injectionen belaufen sieh auf Uber
1000. Von Complicationon erwähnt L. Polyurie und eine sehr
leichte Albuminurie, die bei einigen Patienten unmittelbar nach
der ersten resp. zweiten Injection auftraten. Eine besondere,
resp. eine unterbrechende Behandlung erforderten sie nicht, weil
sic sich von selbst bald wieder verloren. Eine andere Erscheinung,
über welche die Patienten klagten, war metallischer Mundgc-
schmaek, der sich gleich nach der Injection einstellte. Die Kranken,
die L. auf die eben geschilderte Weise behandelte, befanden sich,
wie wir uns aus den her um gereichten Listen überzeugen konnten,
in allen möglichen Stadion und zeigten alle möglichen syphilitischen
Erkrankungsformcn.
Justus (Budapest) hat in den letzten 2 Jahren circa
70 Kranke mit Injectionen von Sublimat behandelt; die ange¬
wandten Dosen variirten zwischen ’/s und 20 mg. Die Resultate
waren keineswegs ermutkigend. Lang fortgesetzte Behandlung
hatte kaum sichtbaren Einfluss auf die vorhandenen Symptome.
Dagegen war es späterhin nicht mehr möglich, eine Veue zu
finden, die noch nicht oblitcrirt war und ganz oberflächlich verlief.
Eiwciss im Urin war nach den Injectionen nicht zu finden. Da¬
gegen war in den folgenden 24 Stuuden der Urobilin-Gehalt be¬
deutend vermehrt.
Blaschko (Berlin) hält noch jetzt fest an den von ihm
vor 2 Jahren auf der Naturforscher-Versammlung in Wien gemachten
Bemerkungen , dass diese Methode praktisch wenig brauchbar ist
wegen des Umstandes, dass die Venen allmählich durch Phlebitis
oder wandständige Trombosc veröden. Nach 10 bis 12 Injectionen
findet man oft keine Venen mehr, in welche man Injectionen
machen kann. —
Augustus Ravogli (Uincinnati-Ohio U. S. A.) macht
mit Recht darauf aufmerksam, dass gerade bei Syphilis jeder Fall
individuell behandelt werden soll. R. hat ferner liecht, wenn er
siel» ausdrückt, dass er keinen Grund einsehe, warum bei anaemischcn
und hysterischen weiblichen Individuen durch etwaige zahlreiche
Injectionen die bereite vorhandenen nervösen Erscheinungen ge¬
steigert werden sollen. Nachdem schon 6 bis 8 intramuscu-
lärc Injectionen günstige Resultate geben, liege für ihn doch
kein Grund vor, die intravenöse Methode anzuwenden, die unge¬
fähr 40 Injectionen erfordert.
Feibes (Aachen) empfiehlt für rasches Eingreifen, wenn
erforderlich, die Ualomel-Injeetioncn, die nach seiner Meinung
viel energischer und rascher wirken und desswegon zuverlässiger
sind, als die eben von Lane vorgetragenc Methode. Ist die
Wirkung erzielt, so sind Einreibungen am Platze.
Jullien weist auf die Schwierigkeit dieser Methode hin,
specicll hei Frauen , wo man die Haut-Venen nicht leicht findet.
Feibes (Aachen): Ueber eine längere Zeit hindurch
fortgesetzte Mercurbehandlung. Idiosyncrasie gegen Mcrcur
kommt allerdings vor, ist aber im Ganzen genommen ausser¬
ordentlich selten. Dasselbe gilt von der sogenannten mercuriellen
Polyneuritis. Welches sind die Grundbedingungen, um für längere
Zeit eine Mercurbehandlung fortsetzen zu dürfen ? Lungen und
Nieren müssen sieh in einem normalen Zustande befinden. Es
ist ferner rathsam , das Körpergewicht des Patienten etwa 2 mal
wöchentlich zu controliren. Gewichtsverlust würde eine (’ontra-
indication gegen die Fortsetzung der Behandlung angeben. Blut-
Untersuchungen müssen von Zeit zu Zeit ausgeführt worden.
Auch hier würde eine Alteration der Blutbestandthcile die weitere
Mercurbehandlung contraindiciren. Auch bei den syphilitischen
Augcnaffectioncn hat sich die lange Zeit fortgesetzte Mercur¬
behandlung als vortheilhaft erwiesen (Alexander). Von Gc-
hirnaffeetioneu würden Meningitis und Meningo-Encephalitis —
F. hatte einen hierher gehörigen Fall durch 3 Monate fortgesetzte
Mcrcur-Verabreichung erfolgreich behandelt — für diese Behand¬
lung in Betracht kommen. Auch für die sogenannte Erb'sehe
syphilitische Spinal-Paralysc empfiehlt sich diese Behandlungs-
Methode. Mereureinreibungen eignen sich am besten für diese
Medication. (Fortsetzung folgt.)
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 12. September 1896.
Erfolge der Serumtherapie bei der Diphtherie. —
Die gesetzliche Regelung des Hypnotismus in Oesterreich.
Das «staatliche Institut für die Herstellung von Diphtherie-
Heilserum in Wien» hat jüngst seinen I. Bericht nach der von
demselben cingeleiteton Sammelforschung publicirt. Die Anstalt
begann am 1. Juli 1895 ihre Thätigkeit mit der (käuflichen)
Abgabe ihres Serums und konnte bis Ende 1895 schon 7136
Fläschchen oder Dosen verabfolgen. Von Januar bis Ende Juni
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880
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
1. .Ts. wurden weitere 9811 Fläschchen abgegeben, meist zu 1000
Antitoxin-Einheiten.
J>ie Anstalt gibt portofreie CorresjKmdenzkarten aus, die über
die behandelten Fälle Bericht erstatten sollen. Bis 15. April 1. .1s.
liefen 1100 derlei Karten ein, welche Professor Pal tauf sichtete
und aus welchen er zu folgenden Daten gelangt:
Die Karten berichteten über 1103 curativ und über 148
präventiv behandelte Falle. Von den 1 103 Erkrankten sind 970
genesen und 133 oder 12,5 Proc. gestorben; bei G8 der Ver¬
storbenen war der Tod innerhalb 24 .Stunden nach der Injection
cingetretcn; würde man diese, weil sieh hei ihnen die Sorum-
wirkung nicht voll entfalten konnte, abreehnen, so blieben 1035
Behandelte mit 68 Todesfällen oder 5,3 Proe.
Der wesentlich günstige Einfluss der frühzeitigen Serum¬
therapie wird auch in diesem Berichte statistisch und in tabellar¬
ischer Darstellung ausgeführt. Bei Anwendung des Serums nach
dem 1. und 2- Tage der Erkrankung betrug die Sterblichkeit
im. Kaiser Franz Joscph-Spitale in Wien bloss 6,7 Proc., nach
dem 3. Tage schon 19, nach dem 4. Tage 23, nach dem 5- Tage
31, nach dem 6. Tage 33,3 Proc. Die Ziffern der Sammel¬
forschung Wien stellen sich in adaequater Weise: 7,1, 9.8, 25,5,
28,8, 30,7, nach dem 5- bis 6. Tage 21,0, unbekannt 31,8 Proe.
Earyngcal-Erscheinungen wurden nach den Injcctioncn vcrhültniss-
mässig nur wenige beobachtet (in 755 Fällen nur 12 mal oder
1,6 Proc.) und schwanden bald, wie in einigen Karten ausdrück¬
lich vermerkt ist. 348 Fälle, d. i. 31,5 Proe., zeigten bereits
vor der Injection des Serums Laryngeal Erscheinungen ; von den¬
selben sind 109 oder 31,2 Proc. gestorben. Operationen wurden
nur 20 ausgeführt, 6 Intubationen, 3 Intubationen mit nach¬
folgender Tracheotomie, 11 Tracheotomien (von welchen 6 genasen).
Die häufige Rückbildung schon bestellender Larynxnffectionen
bildet eines der hervorragendsten klinischen Symptome, welche von
einer specitischen Serumwirkung zu sprechen berechtigen.
Ferner wurde in fast 75 Proe. der Fälle nach der Injection
ein Sinken der Temperatur beobachtet, worin ein weiteres Zeichen
der eingetretenen Wirkung, einer Art lteaction, erblickt wird.
In 81 Proc. der Fälle wird der baldige Eintritt von Euphorie
eonstatirt (nach 24 Stunden ist in 118 Fällen das Befinden aus¬
gezeichnet», «sehr gut», «vorzüglich», oder «cclatante Wirkung*
u. dergl. In 483 Fällen geht es «besser», auffallend gut»
oder «gut»).
Die Genesung trat in 2—4 Tagen in 386 Fällen, in
4—6 Tagen in 268, in 6 —10 Tagen in 219, nach mehr als
10 Tagen in 94 Fällen ein, 3 Karten hatten keine nähere An¬
gabe. Recidive sind zweimal vermerkt. Immunisirt waren zwei
Kinder gewesen, beide Male verlief die Erkrankung leicht.
lieber Präventivimpfungen berichten 68 Karten. Sie
betreffen 148 Fülle, 8 Erwachsene und 140 Kinder; 122 blieben
in der Umgebung der Kranken, 23 ausserhalb, aber wohl zumeist
im selben Hanse, von 3 fehlen Angaben. Von denselben blieben
gesund eine Woche 49, 2 Wochen J.9, 3—6 Wochen 58-
Erkrankt sind 10 und zwar sämmtliehe in der 1. Woche, zumeist
wieder leicht.
Der Berichterstatter verwerthet sodann noch mehrere ihm
zugegangene Detailberichte einzelner Acrzte oder Bezirkshauptmann-
sebaften und scblicsst mit folgenden Worten: «Ziehen wir die
Gcsammtsumme dieser Fälle und der Kartenberichte, so wären
1217 Behandelte mit 138 oder 11,3 Proc. Todesfällen und
318 präventiv Geimpfte mit 20 oder 0,6 Proe. meist leichten,
durchwegs geheilten Erkrankungen. » (Hier ist ein Druck- oder
Bechnungsfehler unterlaufen, denn 20 von 318 präventiv Geimpften
würde nicht 0,6, sondern 6,3 Proe. Mortalität ergeben.)
Der Oberste Sanitätsrath hat vor Kurzem ein Gutachten
über die gesetzliche Regelung des Hypnotismus in Oesterreich
erstattet. Als Referent fungirte Prof. v. K raf f t-Ebing. Mit
Hinweglassung der geschichtlichen Darstellung dieser Frage erwähne
ich, dass der genannte Psychiater die heilärztliche Anwen¬
dung des Hypnotismus unbedingt zulüsst. Wohl beherrscht der¬
zeit mancher Arzt bloss de jure, nicht aber de facto das Gebiet
der Hypnose; da aber die Psychiatrie bei uns bald obligater
Prüfungsgegenstand werden dürfte, kann schon derzeit von diesem
Mangel abgesehen werden.
No. 37 .
Eine bezügliche besondere (staatliche) Controlc der Amte-
erscheint dom Referenten ganz überflüssig, da sie eine ganz
zwecklose Belästigung der Acrzte, »Sanitäts- und Polizeibehörden,
endlose Vielsehreibereien herbeiführen, und an Orten, wie Wien
z. B., die Creirung eines eigenen sanitätspolizeiliehen llureau's
ad hoc nöthig machen würde. Die Gefahr der posthypnotischen
Suggestion zu unmoralischen resp. verbrecherischen Handlungen
ist in der Erfahrung nicht begründet; da wo man sie vorhanden
glaubte, (ProccKs Bompard - Eyraud in Paris und Proeess
Cynski in München), erwies die Gerichtsverhandlung ihr Nicht
Vorhandensein. Zudem handelte es sich um angebliche Hypnose
durch Nichtärzte. Eine zweite Gefahr besteht darin, dass ein
verbrecherischer Arzt ein hypnotisirtes weibliches Individuum zur
Erduldung von Beischlaf und anderen sexuellen Delictcn miss¬
brauchen könnte. Diese Gefahr besteht thatsächlicli,
da derlei Fälle auch schon in den Annalen der Justiz verzeichnet
sind, sie bestellt aber auch anlässlich der (’hloroforinirung, des
Olimnäehtigwerdens etc. und findet ihre strenge Ahndung in
unserem Strafgesetze. Ueberdios wird Aufhebung des Bewusst¬
seins (Lethargie, Somnabulismus) nur ausnahmsweise durch hyp¬
notische Beeinflussung erzielt. Die neuestens auch in Ungarn
getroffene Verfügung der jedesmaligen Zuziehung eines
Zeugen zur Hypnose, verstösst gegen das vertrauliche Verhältnis,
in welchem der Arzt einem Clienten gegenüber sich befindet, ein
Verhältniss, das vielfach dem eines Beichtvaters einem Beichtkind»'
gegenüber gleiehkommt. Gerade der hypnotischen Behandlung fallen
sehr delieate Angelegenheiten der Clienten zu, z. B. die Befreiung
eines jungen Mädchens von Onanie durch Suggostivbebandlung,
die gleichwohl der einzige Weg zur Erlösung von solchem Uebel
sein kann. In solchen und gar vielen anderen Fällen wäre nur
eine taube Person als Zeuge zu verwerthen. Solche An¬
gelegenheiten sollten dem Taete des Arztes überlassen werden.
Zinn Schlüsse bespricht Hofrath Krafft-Ebing die An¬
wendung der Hypnose in profanen (Laien-) Händen, als Sport
oder als Heilvcrsueh seitens Laien (dagegen ij 343 St.-G., sowie
das Hofkanzlcidecret vom Jahre 1845), sodann die Hypnose als
Gewerbe durch sog. Somnambulen, und zwar wirklich in solchen
Zustand versetzte, oder (häufiger!) ihn nur vortäuschende. Wissen¬
schaftlich kann für letztere Fülle nur die Forderung erhoben
werden, dass, wo immer solche Somnambulen auftreten und Clienten
anlocken, die Polizei ihnen das Handwerk legt. Sucht ein Arzt
Erwerb im Verband mit einer solchen Somnambule (Proccss
Dr. G ratzinger - Frau »Schaffwrik, Wien 1894), so ist cs
Sache der Acrztekammer, ihm derlei Schwindel und unlauteren
Erwerb unmöglich zu machen.
Zu den gefährlichen Anwendungen des Hypnotismus gehören
öffentliche »Schaustellungen durch ambulante Hypnotiseure (Hansen),
da sie, um Erfolge zu erzielen, rücksichtslos, ja gefährlich gegen
ihre Medien Vorgehen und massenhaft Imitation und Sport, züchten.
Die gleiche Gefahr erwächst durch Amateure in Privatcirkeln.
Dagegen wären neuerlich polizeiliche Weisungen zu erlassen und
hätte der Grundsatz zu gelten, dass unter allen Umständen der¬
artige hypnotische Versammlungen oder gar Schaustellungen nicht
zu gestatten, bezw. zu inliibiren sind. Da wissenschaftliche 1 nter-
suclmngen auf dem Gebiete des Hypnotismus, nur wenn vod
Fachmännern und in Kliniken angestellt, gefahrlos und von Nutzen
sein können, wäre ausserhalb dieser Bedingungen keine Möglichkeit
denkbar, unter welcher jene «ausnahmsweise über eingeholtc Bewilli¬
gung der Landesstelle» statthaben könnten (Hofkanzleidekret 1845)
Ich möchte nur noch beifügen, dass in letzterer Zeit in Mion,
ebenfalls über Gutachten des Obersten »Sanitätsrathcs, ein sog-
spiritistischer Verein aufgelöst wurde, indem man dessen Treiben
als ein gesundheitsschädliches erklärte, «auch wenn der Wem
den Hypnotismus nicht in den Bereich seiner Procedurcn ziehen
sollte», wie es im Gutachten lautete.
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28 .—31. Juli 1896.
V.
Scction für Gynaekologie und Geburtshilfe.
Die erste Sitzung der Section wurde eröffnet durch einejÄnre e
des Vorsitzenden Halliday Croom-Edinburgh. Er sprach u
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15. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
881
die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiete der operativen
Gynaekologie, speciell über die chirurgische Behandlung des
UteruBcarcinoms.
Die vaginale Hysterectomie bietet die besten und praktisch
am leichtesten zu erreichenden Resultate beim Cervixkrebs, Carcinom
des Corpus und Sarkom. Die Operation muss frühzeitig genug ge
macht werden, d. h. solange der Uterus frei beweglich, die Anhänge
noch intact und der Cervix leicht in die Vulva herabzuziehen ist.
Ist dieses nicht mehr der Fall, so ist das Carcinom nicht mehr
das Object einer operativen Behandlung Alle halben und unvoll¬
kommenen Operationen sind praktisch völlig werthlos. beider kommt
die grosse Mehrzahl der Fälle zu spät in chirurgische Behandlung,
ln manchen Fällen "septischer Erkrankung der Uterusanhänge ist
die Hysterectomie ebenfalls das beste Mittel und ist das Feld der
Uterusexstirpation per vaginain eigentlich auf die malignen und
septischen Formen beschränkt Für die andern Affectionen, die
entzündlichen Eierstockerkrankungen, Uterinblutungen, Fibroide sind
die Indicationen zur Operation zum Glück bedeutend eingeschränkt
worden; hier ist, wenn operativ verfahren werden muss, die Laparo¬
tomie. die abdominale Hysterectomie angezeigt.
An diese Ausführungen schloss sich eine von Murdoch
Cameron-Glasgow eingeleitete Discussion über
Ursachen und Behandlung der Dysmenorrhoe.
Die gewöhnlichste und praktisch wichtigste Form der Dys¬
menorrhoe ist die spasmodische. Zu deren Behandlung empfiehlt
sich die Anwendung metallischer Dilatatoren und in den Pausen
zwischen den Perioden die Einlage von Metallstiften, welche un¬
beschadet längere Zeit liegen bleiben können.
Christopher Martin-Birmingham bemerkt, dass die Be¬
handlung eine verschiedene sein müsse, je nachdem die Ursache
intra- oder extra-uterin gelegen sei. Im ersten Falle kann eine
Endometritis, Myom etc. die Ursache sein; Buhe ist für alle Fälle
angezeigt, ebenso heisse Vnginaldouclien und bei entzündlichen
Affectionen Glycerin- und Ichthyoltampons, sowie die salinischen
Abführmittel. Die Anwendung von Morphium, Opium oder Alkohol
verschafft zwar Erleichterung, ist aber nicht zu empfehlen; eher
sind die Bromsalze angezeigt oder Suppositorien von Belladonna oder
Cannabis indica, je 0,03 p. d. In neuralgischen Fällen ist Antipyrin
von Nutzen; ein ausgezeichnetes Uterinsedativ ist ferner \ iburnum
prunifolium sowohl wie V opulus. Die Dilatation hält er zwar für
wirksam, aber Kecidive bleiben nicht aus. Ist eine peritonitisehe
Reizung die Ursache der Dysmenorrhoe, so ist die Laparotomie
indicirt, Lösung eventuell vorhandener Adhaesionen, Eröffnung von
ovarialen Cysten und Cauterisation derselben, Punction der Tuba
Fallopii u. s. w. Bei weiter vorgeschrittenen Fällen von chronischer
Salpingo-Ovaritis oder Tumoren der Anhänge bleibt als Letztes die
Entfernung der Adnexa.
Inglis Parsons-London sieht in der Anteflexion eine sehr
häufige Ursache der Dysmenorrhoe und empfiehlt die Dilatation.
Armand Bouth-London weist auf den grossen Werth der
Theerderivate zur Behandlung dieser Affectionen hin. 0,5 Phenacetin
3stündlich ist das beste Beruhigungsmittel; ähnlich wirken Nitro-
glycerintabletten oder ein Tropfen einer lproc. Nitroglycerinlösung
Von grossem Werthe erachtet er ferner die Anwendung von Glycerin
tampons, bezw. Glyceringelatinepessaren, umsomehr, als sie eine
folgende Dilatation erleichtern.
Bedford Fenwick-London geht von der Ansicht aus, dass
in den meisten Fällen locale Congestionen oder Stauungen die
Hauptursache sind und empfiehlt dessbalb die Anwendung von
Pnrgantien und locale Blutentziehung.
Byers-Belfast betont die Wichtigkeit der Behandlung der
Dysmenorrhoe zu Grunde liegenden Ursachen, der anaemischen,
rheumatischen Constitution, der Nervosität und Hypochondrie, für
welch’ letztere er besonders das Radfahren, speciell für jüngere
Mädchen und unverheirathete Damen als von sehr günstigem Ein¬
fluss preist, desgleichen Connel-Peebles.
Herr befürwortet die Anwendung der Elektricität für manche
Fälle.
Punslow-Birmingham und Miss Ca de 11-Edinburgh sprechen
sich gegen die häufige und sehr oft unnöthig angegewandte innere
Untersuchung bei jungen und unverheirateten weiblichen lYrsonen
aus, durch welche, abgesehen von anderen Unannehmlichkeiten, das
Krankheitsgefühl der Betreffenden gesteigert und genährt wird
In seinem Schlusswort wies Cameron noch auf eine weitere
sehr häufige Ursache der Dysmenorrhoe hin, die verschiedenen
Maassnahmen und Mittel zur Verhütung der Conception.
Weiter gelangte zum Vortrag A. Donald: Ueber intra¬
peritoneale Hysterectomie und totale Exstirpation bei Fibroiden
des Uterus mit Beschreibung einer Reihe von Fällen. Er sowie die
folgenden Redner O Martin und Morse-Norwich stimmen dahin
überein, dass die totale Uterusexstirpation die besten Resultate
gebe. J M. Lawrie sprach dann noch über die beste Methode
der Ausführung der Operation.
Herbert White las über die elektrische Behandlung von
lumoren des Uterus, der Mamma etc.; seine Resultate sind angeb¬
lich sehr gute.
J. A. Turner sprach über die beste Prophylaxis gegen Tetanus
neonatorum durch antiseptische Behandlung der Nabelschnur.
; Am lI zweit en Sitzungsfag eröffnete Armand Bouth eine Dis-
Ursache und Behandlung der secundären puerperalen Blutungen.
Er bezeichnet als Bolehe diejenigen, welche auftreten, nachdem
der Arzt die Puerpera verlassen hat, d. h. mit anderen Worten,
welche nach bereits erfolgter Contraetiou des Uterus auftreten,
von einer Stunde post partum an bis zum Ende des Wochenbettes
Er unterscheidet zwischen innerer Blutung, (grosser Uterus, kein
BlutnbflusH, Verschluss des Cervix durch Spasmus oder Blutgerinnsel),
und äusserer Blutung mit freiem Blutabfluss Die Ursache ist vor
Allem in zurückgebliebenen Placentar- und Eihautresten zu suchen,
in einer Erschlaffung der Uterusmusculatur in Folge psychischer
und nervöser Erregung, oder in mangelhafter Thrombenbildung.
Die Behandlung muss darauf hinausgehen, den Uterus zu
entleeren, bei der äusseren Form also zunächst bimanuelle Massage
durch die Bauchwand, Compression der Bauchaorta, heisse Vaginal-
und Uterindouelieu von 4s u C Versagen diese Mittel oder sind
bereits 3 Tage nach der Entbindung vergangen, so ist ebenso wie
bei der inneren Blutung sofort die manuelle Ausräumung di r Uterus¬
höhle angezeigt. Ileisse Ausspülungen, Uterustamponade und
F.rgotin unterstützen das Verfahren. Ist der Muttermund contrahirt,
muss natürlich erst dilatirt werden.
W a 11 a c e - Liverpool erwähnt die besondere Neigung der
«Bluter» zu diesen puerperalen Metrorrhagien. Die gewöhnliche
Ursache ist nach seiner Ansicht ein Placenfarpolyp oder eine Ver¬
lagerung des Uterus, Retroflexio. welche die Ausstossung der Blut¬
gerinnsel erschwere Er warnt vor übereilter Entleerung der Uterus¬
höhle, da dieselbe ebenfalls die Blutung begünstige.
Miss Williams-Newcastle on Tyne ist derselben Ansicht,
ebenso Munro Kerr-Glasgow und Donald-Manchester, welcher
als weiteres, wenn auch seltenes Moment eine Ueberfütterung der
Wöchnerin mit Stauung in den Gedärmen und Ptomainvergiftung
anführt Er erwähnt mehrere Fälle, in denen aus dieser Ursache
noch am 9 Tage auftretende Blutungen durch Calomel und salinischen
Abführmitteln zum Stehen gebracht wurden.
Byers macht darauf aufmerksam, dass die Hebammen speciell
angewiesen werden sollen, die Blase vor dem Geburtsact zu ent¬
leeren, da eine volle Blase eine Erschöpfung des Uterus und damit
eine Nachblutung begünstige. Er beschuldigt ferner die forcirte
Entfernung der Placenta als eine Hauptursache der Nachblutungen,
wohingegen
Kerr mit Recht einwendet, dass bei Sturzgeburten und bei
Sectio caesarea eine Nachblutung zu den grössten Seltenheiten gehöre.
J Ritohie - Edinbuig empfiehlt bei Verdacht auf Uterus-
tumoren, welche er als eine weitere Ursache der Nachblutungen
anspricht, prophylactisch Strychnin zu geben und die Gehurt mög¬
lichst zu beschleunigen, die Ausstossung der Placenta dagegen nicht
zu forciren.
Murdoch Cameron ist gegen die Anwendung des Ergotin,
er empfiehlt die in England allgemein übliche Bandagirung des
Unterleibs nach der Geburt, und Stillen* seitens der Mutter in allen
nur irgend möglichen Fällen mindestens fi Wochen lang.
J. D. Williams - Cardiff betont den Werth der intravenösen
Salzwasserinjectionen und Van Someren erwähnt einen Fall, in
dem die von Wallace empfohlene Compression der Bauchaorta
als letztes Hilfsmittel eine profuse Blutung zum Stehen brachte.
Berry Hart - Edinburgh sprach dann über Symptome und
Natur der Fleischmole, unter Vorzeigung von Präparaten.
M. Cameron demonstrirte ebenfalls ein Präparat einer Fleisch¬
mole mit Embryo und besprach die gerichtsärztliche Seite der Frage,
insoferne als bei Absorption oder Ausstossung des Embryo der Rest
der Fleischmole sehr leicht für die Placentarreste einer voraus¬
gegangenen Geburt genommen werden können
Byers - Belfast Dielt einen Vortrag über Diagnose und Be¬
handlung der Puerperalfiebers.
Ausgenommen einige wenige seltene Fälle nicht septischer
Natur, ist jedes Fieber im Wochenbett auf Infection zurückzuführen,
Sapraemie oder Septicaemie. In jedem Falle ist der Beckenboden,
Vagina und Uterus einer genauen Untersuchung zu unterziehen,
Die Indicationen der einfachen Uteiusausspülung, der continuirlichen
Uterusspülung und der Cnrettage werden besprochen. Während er
in jedem Falle eine eneigische Localbeliandlung verlangt, hält er
die Frage der Serumtherapie mit Antistreptococcenserum sowohl, als
mit grossen Quantitäten artificiellen Serums (7—lOproc. Chlor¬
natriumlösung von -1 ,0 C.) noch nicht für spruchreif Für schwere
Fälle mit Localisation des Processes innerhalb d< s Beckens oder
Abdomens kommt die Laparotomie mit Exstirpation des Uterus in
Betracht Dass daneben die Kraft durch Darreichung von Nahrungs¬
stoffen in comcntrirter Form, Chinin, Digitalis, Strychnin und
Alkohol aufrecht erhalten werden muss, ist selbstverständlich.
J D Williams verbreitet sich über den Werth des Anti¬
streptococcenserums zur Behandlung der puerperalen Septi¬
caemie, der Angesichts des noch mangelnden Nachweises, dass die
Sepsis ausschliesslich dem Streptococcus zuzuschreihen sei, noch ein
sehr problematischer ist.
Punslow und Jnglis Parsons schliessen die Sitzung mit
einem Vortrag über Perforation des nachfolgenden Kopfes, bezw.
Demonstration eines Falles von malignem Adenom des Uterus.
Das letzte Meeting der Seetion brachte eine Discussion über
das Thema:
Zangenoperation oder Wendung bei massig verengtem Becken.
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882 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRI FT. _No. 37 .
Mil ne Murray-Edinburgh empfiehlt seine Modification der
Tarnier'sehen Achsenzugzange, welche eine Einstellung auf die
verschiedenen Beckenverhältnisse zulässt und demgemäss ebenso
bei platten, wie bei normalen Becken angewendet werden kann.
Ein Vortheil der Anlegung der Zange gegenüber der. Wendung ist
vor Allem die Vermeidung der intrauterinen Manipulationen und
damit Verringerung der Infectionsgefahr, ferner wird die Compression
der Nabelschnur und die bei der Extraction des Kindes in Fusslage
unvermeidliche Zerrung am Halse ausgeschlossen. Die Entwicklung
mit der gewöhnlichen Zange scheitert daran, dass der Zug nicht in
der richtigen Direction erfolgen kann und ni ht wie man früher an¬
nahm, dass durch die Zangenblätter der Kopf im Querdurchmesser
zusammengepresst und in Folge dessen in der Conjugata vergrössert
werde. M. behauptet, dass selbst durch Compression des Schädels
um 3,75 cm keinerlei Veränderung desselben im Längsdurchmesser
walirzunebmen ist. Mit der von ihm empfohlenen Zange hat er
lebende Kinder selbst bei einer Conjugata von K,75 cm entwickelt.
Eine Beschreibung der nach seiner Angabe modificirten stellbaren
Achsenzugzange wird gegeben.
Munro Kerr und Fothergill haben mit der Murray'ßchcn
Zange sehr gute Erfolge erzielt.
M. Carueron-Glasgow weist auf die Thatsache hin, dass
manche Becken nur einseitig verengt sind und das« die Möglichkeit
der Entwicklung eines lebenden Kindes davon abhängt, ob das
Hinterhaupt nach der engeren oder weiteren Seite des Beckens
steht. Er demonstrirt eine Zange, durch welche der Kopf im biparie¬
talen Durchmesser gefasst werden kann, während er quer im Becken¬
eingang steht. Eine der gewöhnlichsten Ursachen des Abrutschens
der Zange ist nach seiner Ansicht die Stellung des Hinterhauptes
nach hinten, in solchen Fällen empfiehlt er manuelle Drehung des¬
selben nach vorn und dann erst Anlegung der Zange.
Connel preist die Vorzüge der Achsenzugzange besonders
wegen der damit erreichten Schonung deB Perineums.
Munro Kerr-Glasgow hält bei asymmetrisch verengtem
Becken in den Fällen, wo der Hinterkopf nach der verengten Seite
steht, die Wendung, in den anderen die Zangenoperation für an¬
gezeigt.
Cristopher Martin sprach alsdann über Haematometra
und Pyometra, Murdoch Cameron über Retroflexion des
graviden Uterus, unter Angabe einer neuen Behandlungsmethode,
Fothergill über die Walcher'sche Lagerung, durch welche
er gegenüber der Steinschnittlage eine Vergrösserung der Conjugata
um 0,93 cm erzielt hat, Walcher selbst giebt 0,«-I,3 cm, Klein
.(bei nicht Schwangeren) 0,5— 0,0 cm an. Durch diese Lagerung soll
nicht nur die Passage für das Kind erweitert, sondern auch durch
in Folge der Beinhaltung bedingte Erschlaffung der Vulva die Gefahr
eines Dammrisses vermindert werden.
Zum Schlüsse folgten die Demonstration eines ausgedehnten
Naevus pigmentosus durch G. Bannerman und ein Vortrag von
Le Bec über totale Uterusexstirpation bei grossen Fibroiden.
(Fortsetzung folgt.) F. L.
III. französischer Congress für innere Medicin,
gehalten zu Nancy vom 6. bis 12. August 1896.
(Fortsetzung.)
May et referirte über das zweite Hauptthema des Congresses,
die Blutgerinnung innerhalb der Gefässe. Die Haupt-
ursache derselben ist die Veränderung der Gefässwandung durch
Mikroorganismen, während in einer kleineren Anzahl von Fällen die
chemische Veränderung des Blutes (Zunahme seiner Gerinnungs¬
fähigkeit) eine hervorragende Rolle spielt. Auch die localen Be¬
dingungen der Stauung sind von Wichtigkeit, sie erklären die
Thrombenbildung in den Unterextremitäten, wo die Venen nicht
durch Aponeurosen klaffend gehalten werden, wie z. B. am Halse.
Man könnte die Gefässthromben folgendermassen eintheilen:
1) Gerinnung, welche auf Gefäesalteration durch äussere Ur¬
sachen zurückzuführen ist (Wunden, Quetschung, mechanische Com¬
pression oder durch Tumoren);
2) Gerinnung, welche ursprünglich durch Veränderung der
Gefässe in Folge eines localen Processes entstanden ist (Varicen,
Aneurysmen, Atherome, nicht infectiöse Phlebitis).
3) Gerinnung, bei welcher die Blutveränderung die Hauptrolle
spielt und gleichsam vorbereitend wirkt, während häufig die un¬
mittelbare Gelegenheitsursache eine Störung in der Ernährung der
Gefässwand ist, wahrscheinlich ohne infectiöse Ursache (Chlorose).
4) Gerinnung, ausschliesslich durch Alteration des Blutes ohne
eine solche der Gefässwandung bedingt (Scorbut).
5) Die infectiösen Gerinnungen (Phlegmasia, Puerperalfieber).
Vaquez theilt als Correferent das Thema in 3 Abschnitte;
I. Die Ursachen der Gerinnung in den Gefässen, II die anatomische
Entwicklung der Gefässgerinnung, III. die allgemeinen klinischen
Symptome der Thrombose Bezüglich der Ursachen steht wohl fest,
dass die Gerinnung um so leichter stattfindet, je langsamer der
Blutstrom ist; bei irgendwelcher Alteration der Gefässwand ist die
Möglichkeit der Gerinnung noch erhöht. Die Gerinnungsfähigkeit ist
nicht bei allen Arten die gleiche, beim Hunde z. B. sehr gross,
beim Pferde sehr vermindert und kann auch bei derselben Art sehr
variiren (langsame Bildung von Gerinnseln bei Haemophilen). Sie
kann auch durch gewisse Substanzen (Intoxication resp. Veränderung
des Blutes mit Phosphor, Arsenik, Aetlnr, Pyrogalluss&ure, Mikroben
toxine) erhöbt werden. Schliesslich spielt die Veränderung der
Gefässwandung eine grosse Rolle bei der Entstehung der Thromben
meistens ist es eine infectiöse Endovascularitis mit langsamem Ver¬
lauf, welche auB den Anfangs wandständigen Gerinnungen an Grösse
zunehmende und schliesslich das Lumen ganz verstopfende Thromben
macht. Die anatomische Entwicklung der Thromben beginnt mit
der Anhäufung von Leukocyten, welche sich mit einem Hof von
Fibrin umgeben, die Rolle der r-then Blutkörperchen ist nur eine
geringe; von den Leukocyten stammen auch die Grundelemente
(Hayem’s Haematoblasten) zur Gerinnung des Fibrins. Erscheint
eine Gerinnung in einem Gefässe, so ist ihre schliesslich© Ent¬
wicklung abhängig von der ursprünglichen Ursache; bleibt die
Gefässlaesion bestellen, so vergrössert sich allmählich der Thrombus,
die Verlangsamung des Kreislaufes erleichtert die totale Obliteration.
Dies kann die Ursache für secundäre Gerinnungen abgeben; der
Thrombus vascularisirt sich, und ein ganz neuartiges Gewebe wird
schliesslich (am 40.—00. Tag) aus dem Blutgermsel. Dieses Gewebe
geht entweder durch erm-ute Leukocyteninvasion wieder eine regressive
Metamorphose ein oder es kommt zur Embolie. Die in den Arterien
vorkommendeu Embolieen sind von geringer Bedeutung, manchmal
jedoch kann eine Zersplitterung derselben Vorkommen und durch
kleine Partikek-hen irgend eine Endverzweigung der Arterie ver¬
stopft werden. Die iiu Venensystem zu Stande gekommenen
Embolieen folgen dem Laufe der Vena cava beiderseits und
erreichen dadurch das Herz und den Lungenkreislauf; plötzlich
eintretende schwere Zufälle können dann raBch den Tod herbei¬
führen. Was die allgemeinen klinischen Symptome der Gefftss-
throraben betrifft, so verursachen sie zuweilen gar keine solchen
und ist der Thrombus nur ein zufälliger Leichenbefund. Die
Capillarthrombosen können nur vermuthet werden, wenn sie
zahlreich und obliterirend sind (Eingeweide); besonders die Syphilis
kann sie im arteriellen Gebiete hervorrnfen und dadurch vorüber¬
gehende Aphasie, Paralyse, intermittirendes Hinken u A. m. bewirken.
Die varicöse Phlebitis verräth sich durch den Schmerz, durch unter
der Haut sichtbare und in der Richtung der Vene verlaufende
Ecchymosen; später verhärtet das Gefäss und wird der Ausgangs¬
punkt eines Phleb dithen. Die Gerinnungen in den grossen Gefässen,
unter dem Namen der Phlegmasia alba dolens bekannt, entstehen
durch Entzündung derselben und verursachen schliesslich Obliteration
der Gefftsswände ; diese Venenentzündungen können multipel sein
(bei Krebs, Puerperalfieber, Gicht). Manchmal beginnt die Phlebitis
plötzlich, meist geht aber, besonders der Phlegmasia alba, ein Vor-
stadiura vorher, bestellend in Schmerzen und Krämpfen in den Waden,
Oedem um die Knöcheln ; hei der gelegentlichen Autopsie findet
man dann wandständige Gerinnungen an verschiedenen Stellen der
Venen. Wenn die venöse Obliteration ihr Werk vollendet hat, ist
die Ernährung beeinträchtigt, trophische Störungen erscheinen früher
oder später, anfangs von hochgradigen Schmerzen begleitet und von
allgemeiner oder partieller Atrophie der Glieder, von Hautstörungen
(Neuritis) gefolgt.
Maurel-Toulouse kommt bezüglich der verschiedenen Arten
von Thrombose zu folgenden Schlüssen. In der grossen Mehrzahl
der Fälle sind die Thromben leukocytären Ursprungs, wobei wieder
verschiedene Wirkungen der Leukocyten in Betracht kommen, je
nachdem sie amoeboid sind oder nicht. Die Thromben können in
den Arterien oder Venen beginnen, wenn ihr Endothel geschädigt
ist; diese Thromben können fibrinös oder nicht fibrinös sein. Bis
auf wenige Ausnahmen, scheint es, sind erstere auf Mikrobeninyaaion
zurückzuführen. In einigen Fällen geht zwar der Thrombenbildung
die Erkrankung des Endothels voraus, meist findet aber der Vorgang
in umgekehrter Weise statt.
In der weiteren Discussion folgten noch eine Anzahl casuisti
scher Mittheilungen über verschiedene Arten von Thrombosen, auch
über ausgedehnte Gefässverstopfungen, welche zu Lebzeiten keinerlei
Beschwerden oder Symptome hervorgerufen hatten, sondern erst
durch die Section constatirt wurden. (Schluss folgt.)
Verschiedenes.
Rathschläge zur Verhütung der Tuberculose. Man
schreibt uns aus Hamburg, d. d. 11. September a. c.: Sam
burgische Medirinalcollegium hat neuerdings die unten folgenden
Rathschläge an die Bevölkerung zur Verhütung der
Tuberculose veröffentlicht und in Form eines Flugblattes w
unentgeltlichen Vertheilung kommen lassen. Bei der Unkenntmss,
die im grossen Publicum noch immer über die Ansteckungsgefahr
der Tuberculose herrscht, kann dieses Vorgehen ärztlicherseits nur
mit Freuden begrüsst werden und verdient, besonders für Gress¬
städte, allgemeine Nachahmung. Die Aufgabe, den Inhalt dieser
Thesen zur Kenntniss möglichst weiter Kreise zu bringen, fl 11
ausser der Presse in erster Linie den Aerzten zu, denen das Flug¬
blatt zur Vertheilung in ihrer Kundschaft unentgeltlich zur Ver¬
fügung gestellt worden ist. Dasselbe hat folgendeu Wortlaut:
1. An der Tuberculose sterben alljährlich mehr Menschen
an irgend einer anderen Krankheit; in Hamburg beträgt die
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16. September 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 883
ihrer jährlichen Opfer mehr als 1500. Keine andere Krankheit zehrt
wie diese an der Leistungsfähigkeit und an dem Wohlstände des Volkes.
2. Von der Krankheit werden am häufigsten die Lungen ergriffen.
Es können aber auch in erster Linie die Drüsen, die Knochen, die
Gelenke oder andere Organe des Körpers befallen werden. Auch
an diese Formen der Erkrankung kann sich im weiteren Verlaufe
Lungenschwindsucht anschliessen.
8. Die Krankheit wird vorwiegend in zweierlei Weise auf den
gesunden Menschen übertragen, durch den Auswurf von Menschen,
welche an Lungentuberculose (Lungenschwindsucht) leiden und durch
die Milch tu>>erculös erkrankter Kühe.
Stets vergehen Monate, manchmal Jahre nach der Aufnahme
des Krankheitskeimes, bis die Folgen der Uebertragung offenkundig
werden.
4. Die Uebertragung durch den Auswurf kann direct durch
Anhusten geschehen. Ui gleich häufiger wirkt der Auswurf dadurch
ansteckend, dass er am Boden, an den Zimmerwänden, auf Taschen¬
tüchern, Kleidungsstücken, Geräthen eintrocknet, verstäubt, und
dann von Gesunden eingeathmet wird.
Besonders gefährdet sind die Kinder, nicht nur, weil die
Empfänglichkeit für die Krankheit in diesem Lebensalter sehr gross
ist, sondern auch weil die Kinder, die viel am Boden spielen und
gewohnt sind, ihre schmutzigen Hände und Spielsachen in den
Mund zu stecken, leichter mit dem verstäubten Auswurf in Be¬
rührung kommen.
Erhöht ist die Empfänglichkeit in den Zeiten, wo der Körper
aus irgend welchen Gründen (z. B. Wochenbett, Krankheit) angegriffen
ist, bei Kindern besonders während der Masern und des Keuchhustens.
Auch durch kleine Wunden (nässende Hautausschlilgc, Kratz¬
wunden bei Ungeziefer, kranke Zähne; können die Krankheitskeime
Eingang in den Körper Gesunder finden.
5. Um die Uebertragung durch den Auswurf zu verhindern,
ist es nöthig, dass Jeder, der an Husten leidet, beim Husten die
Hand vor den Mund hält und seinen Auswurf nur in die für die
Aufnahme desselben bestimmten Spucknäpfe oder Spuckgläser entleert.
Die gesunden Angehörigen von Brustkranken sollten darüber
wachen, dass die vorstehende Vorschrift streng innegehalten wird.
Jeder Schwindsüchtige, welcher die vorstehende Vorschrift
versäumt, gefährdet die Gesundheit seiner Mitmenschen, am meisten
die Gesundheit seiner nächsten Angehörigen, welche mit ihm dieselben
Räume bewohnen.
Ein Schwindsüchtiger, welcher diese Vorschriften genau erfüllt,
ist für seine Umgebung nicht gefährlich.
6. Es empfiehlt sich, in allen Räumen, in denen viele Menschen
verkehren, Spucknäpfe aufzustellen; in den Aufenthaltsräumen von
Tuberculösen müssen sie stets vorhanden sein.
Zur Füllung der Spucknäpfe eignen sich in erster Linie feuchte
Sägespähne, Holzwolle, Torfstreu und demnächst Wasser.
Der Inhalt der Spucknäpfe soll oft gewechselt und womöglich
im Heerd oder Ofen verbrannt, aber nie zum Kehricht gethan werden.
Mit Wasser gefüllte Spucknäpfe sind in die Closets zu entleeren
7. Mit Auswurf von Schwindsüchtigen verunreinigte Kleider,
Wäsche, Geschirre, Effecten müssen sorglältig gereinigt, am besten
ausgekocht oder desinficirt werden.
8. In Räumen, wo Schwindsüchtige verkehren, sorge man für
strenge Reinlichkeit, reichliche Ventilation, möglichst viel Sonnenlicht;
namentlich bekämpfe man jeden Staub durch häufiges feuchtes
Aufscheuern.
Räume, in denen Schwindsüchtige lange gelebt, haben oder
gestorben sind, sollten nachher desinficirt werden.
Man beziehe keine Wohnung, in dt r unmittelbar vorher ein
Schwindsüchtiger gewohnt hat, ehe dieselbe desinficirt ist.
(Die Desinfectionen werden von den staatlichen Desinfeclions-
anstalten gegen eine mässige gesetzliche Gebühr ausgeführt. Die
Gebühr fällt fort, wenn die Desinfection auf Antrag eines Armen¬
arztes erfolgt, in anderen Fällen ist die Polizei-Behörde befugt, bei
nachgewiesener Bedürftigkeit die Gebühren zu ermässigen oder
ausser Ansatz zu lassen. Jede Polizeiwache nimmt Anträge auf
Vornahme von Desinfectionen entgegen.)
9. Schwindsüchtige sollen nicht mit Gesunden in einem Bett
schlafen; Kinder sind von den Krankenzimmern Schwindsüchtiger
fern zu halten.
Wo Schwindsüchtige mit Lebensmitteln oder Bekleidungs¬
gegenständen beschäftigt sind, oder wo Schwindsüchtige mit Gesunden
regelmässig zusammen kommen (in Schulen, Bureaus, Werkstätten,
Fabriken) mache der Haushaltungs-, Schul-, Bureau- oder Betriebs¬
vorstand ihnen die Vorsichtsmaassregeln unter 5 zur besonderen
Pflicht und halte auf strenge Reinlichkeit in jeder Beziehung.
10. Bchwindsüchtige Frauen dürfen Kinder nicht Btillen.
11. Die Tuberculose des Rindviehes (Perlsucht) ist eine auch
in der Nähe Hamburgs ausserordentlich verbreitete Krankheit, die
oft schwierig zu erkennen ist. Da die Kraukheitskeimu oft in die
Milch der Kühe übergehen, muss alle Milch gekocht werden,
ehe sie genossen wird
12. Die Aussichten für die Wiederherstellung Tuberculöser sind
um so günstiger, je früher dieselben sich in ärztliche Behandlung
begeben.
Hamburg, 20. August 1896.
Das Medicinal-Collegium.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 15. Sept Der Director und die Mitglieder des Kaiserl.
Gesundheitsamtes widmen dem verstorbenen Geh. Rath v. Kerschen-
steiner in den V. d. K G. folgenden Nachruf: Am 2. d. M. ist der Kgl.
bayerische Geheime Rath, Obermedicinalrath im Kgl. bayerischen
Staatsministerium des Innern Dr. Ritter v. Kerschensteiner
in München sanft entschlafen. Derselbe hat dem Gesundheitsamte
als ausserordentliches Mitglied seit dem Beginn dieser Einrichtung
angehört. Seine aussergewöhnlich reichen Kenntnisse und Erfahr¬
ungen hat der Verstorbene stets mit grösster Bereitwilligkeit in den
Dienst unserer gemeinsamen Angelegenheiten gestellt. Wir haben
in ihm indess nicht allein einen hochgeehrten Berathrr und Collegen,
sondern auch einen lieben Freund verloren ; seinen lauteren Charakter
und sein warm empfindendt-s Herz schätzte Jeder, d«-r Gelegenheit
gehabt hatte, mit ihm in nähere Beziehungen zu treten.
— Die Aerztekamuier für Berlin-Brandenburg wird zur Be-
rathung des Entwurfes der neuen Prüfungsordnung für
Medici ner M.tte October zusamruentreten. Di - Berichterstattung
haben Professor Dr. Guttstadt und Professor Dr Mendel über¬
nommen. Auf die Tagesordnung wird ausserdem noch der Bericht
der Kommissiou für ärztliches Unterstützungswesen gesetzt werden.
Im November finden Neuwahlen zur Kammer statt.
— Prof. Dr med. Paul Güterbock, Medicinalrath beim
Medicinalcollegium der Provinz Brandenburg und Docent an der Uni¬
versität Berlin, ist zum Geheimen Medicinalrath ernannt worden.
— Geheimer Medicinalrath Dr. Hirschberg aus Berlin be¬
reist gegenwärtig im ministeriellen Aufträge die Provinzen Ost- und
Westpreussen, um die Verbreitung der herrschenden contagiösen
Augenkrankheit festzustellen.
— Der Verein für Volksheiletätten (a. V.) in München
hat in seiner am Montag den 7. ds. abgehaltenen ausserordentlichen
Generalversammlung die Vorstandschaft einstimmig mit der Aus¬
führung und dem sofortigen Beginne des Baues der Volksheilstätte
bei Planegg nach den vorliegenden Plänen und Kosten Voranschlägen
des Architekten Herrn M. Dosch beauftragt. Da die nöthigen
Vorarbeiten von Seiten der Vorstandschaft bereits erledigt sind,
kann die Grundsteinlegung zu dieser ersten Volksheilstätte in
Bayern in allernächster Zeit stattfinden.
— In München ist in dem ehemaligen Gebäude des k. Cen-
tral-Taubstummeu-Instituta, Karlstr. 45, ein medico-mechanisches
Institut nebst Genesungshaus für Unfallverletzte errichtet worden.
Die Anstalt besitzt Apparate sowohl schwedischer als deutscher
Systeme für active und passive Bewegungen. Die Apparate für
passive Bewegungen werden mittels eines Gasmotors getrieben.
Ausser der medico-mechanischen wird besonders die Behandlung
mittels Massage gepflegt werden. Die Anstalt verfügt über 30 Betten,
welche vorzugsweise für die Aufnahme nachzubehandelnder ver¬
letzter Arbeiter bestimmt sind. Auswärtige Privatkranke, oder
Solche, welche zum ambulatorischen Besuche der Anstalt nicht be¬
fähigt sind, können in der unmittelbar anstossenden Pension Fortuna
(Karlstr. 45), völlige Pension zu massigen Preisen erhalten. Die
ärztliche Behandlung liegt in den Händen des praktischen Arztes,
Herrn W. Dorn, bisher Volontärarzt in der k. Chirurg. Klinik als
Hausarzt; als consultirender Arzt fungirt Herr Dr. Adolf Schmitt,
Privatdoeent der Chirurgie an der Universität.
— Professor A. Länderer in Stuttgart hat im Mineralbad
Krähenbad bei Alpirsbach im Schwarzwald eine Heilanstalt für Be¬
handlung innerer und chiiorgischer Tuberculose mittelst Zimnitsäure
eingerichtet Die Behandlung wird von Prof. Länderer geleitet,
Hausarzt ist Dr. El wert. Die Anstalt kann 95 Kranke aufnehmen ;
die Pflege besorgen Schwestern vom rothen Kreuz.
— In der 35. Jahreswoche, vom 23. bis 29. August 189b, hatten
von deutschen Städten über 40OU0 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Königshütte mit 41,0, die geringste Sterblichkeit Stuttgart
mit li',9 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner.
— Aus Anlass der Natur forscher-Versammlung wird für die Zeit
vom 21.—26. September im Saal bau in Frankfurt a. M. eine Post¬
anstalt in Wirksamkeit treten und für die Besucher der Versamm¬
lung von 8—6 Uhr geöffnet sein.
(Universitätsnachrichten) Leipzig. Stabsarzt Dr. Fried¬
rich, Privatdoeent für Chirurgie und Assistent an der hiesigen
chirurgischen Klinik, wurde zum Director der chirurgischen Poli¬
klinik als Nachfolger des verstorbenen Geheimraths Benno Schmidt
ernannt. — Prof. Dr. Barth aus Breslau erhielt einen Ruf als a. o.
Professor für Ohrenheilkunde.
Italien. Habilitirt als Privatdocenten: Dr. A rcangeli - Rom
für spec. med. Pathologie; Dr Gu rrieri-Bologna für gerichtliche
Medicin; Dr. Gosio-Turin für Hygiene; Dr. Ajevoli-Neapel für
spec Chirurg. Pathologie; Dr. Gia com in i-Siena für vergleichende
Anatomie; Dr. Carrara-Turin für gerichtl. Medicin; Dr. Faraci-
Palermo für Oto-Laryngologie.
Berichtigung. In einem Theile der Auflage unserer vorigen
Nummer ist in dem Artikel des Herrn Dr. Dürck (nicht Dürkj
auf S »42, Sp. 2, Z. 6 von oben der Druckfehler «Bacillen» statt
«Bouillon» stehen geblieben, was wir zu corrigiren bitten. — In
derselben Nummer ist auf S. 849, Sp. 1, Z. 31 von unten zu lesen
Dehio statt Schio.
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iiülilHüEBttM
Summe
rg I! 45 m 171 2l| T| 12. 2! -I -I 60| 235| -| -| 6| 3| 20| 12| — | -| 1*| o| -| -| 13| 10| -| l| l| 4| -| —I —I
Bevölkerungsziffern : Oberbayem 1,185.930, Nlederhayern 672,901, Pfalz 165,914, Oberpfalx 546,664, Oberfranken 586,688, Mittelfranken 736,943, Unterffanken
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Corresponden z.
New York City, 15. Juli 1896.
An den Redaeteur der < Münchener Medicinischen Wochenschrift».
Geehrter Herr!
Ich ersuche Sie ergebenst um die Aufnahme der folgenden
Zeilen in Ihrem geschätzten Blatt als Antwort auf eine sehr persön¬
liche Bemerkung Ihres Wiener Correspondenten in No. 2ö vom
23. Juni 18%.
Zunächst erlaube ich mir, Ihren Herrn Correspondenten darauf
hinzuweisen, dass hier zu Lande Leitartikel in einer Zeitung von
dem Redaeteur geschrieben zu werden pflegen, dessen Name leicht
genug zu finden ist, sodass man ihn wohl kaum einen Anonymus
nennen kann.
Sodann: Ihr Herr Correspondent schrieb in dem Brief vom
21. April Folgendes:
«Durch die sofortige Anzeige der Genesung, respective des
Ablebens eines solchen Kranken werden die städtischen Sanitäts-
organe erst in den Stand gesetzt, sofort die entsprechende Desinfection
der Wohnung und Utensilien einzuleiten, wodurch allein eine weitere
Verbreitung der Krankheitskeime verhütet wird. Der praktische
Arzt arbeitet demnach mit an der Wahrung der öffentlichen
Gesundheitspflege — unbesoldet, und, was noch mehr sagen will,
zu seinem eigenen Schaden. Gibt es noch einen zweiten
Stand, der sich selbst und mit vollster Erkenntniss der Sachlage
die Wurzeln seiner Existenz untergräbt?»
Wenn Jemand durch die Verhütung der Ausbreitung einer
Seuche «zu seinem eigenen Schaden arbeitet» und «damit die Wurzeln
seiner Existenz untergräbt», so ist eine solche Sprache doch nur
so zu verstehen, dass
«er bedauert, dass durch Desinfection etc. die Ausbreitung einer
Seuche verhindert wird, welche doch im Interesse des Arztes liege.» !
Wenn der ungenannte Herr mir den Rath ertheilt, «gut lesen;
geehrter Herr College», so darf ich ihm wohl mit mehr Recht Zu¬
rufen: «gut schreiben, Herr Correspondent!»
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ergebenst
Dr. Otto G. T. Kiliani,
Redaeteur der < New Yorker Medicinischen Monatsschrift».
Wir entsprechen hiermit dem Ersuchen des Herrn Dr. Kiliani
um Abdruck des obigen Briefes, obwohl die Sache desselben dadurch
nicht verbessert wird. Wir brauchen wohl unseren Herrn Correspon¬
denten gegen die seltsame Logik dieses Briefes unseren Lesern
gegenüber nicht in Schutz zu nehmen, wollen aber doch bemerken,
dass derselbe jeden Zweifel, wie seine Worte ge i eint sein sollten,
nnssrhliesst. indem er fort fährt:
«Ich glaube nicht. Diese unsere Thätigkeit verdiente wohl
von der ganzen menschlichen Gesellschaft, zumal aber von den
zuständigen Behörden entsprechend gewürdigt zu werden.»
Es wird also die uneigennützige Thätigkeit der Aerzte keines¬
wegs bedauert, sondern nur, und mit vollem Recht, verlangt,
dass dieselbe auch anerkannt werde. Merkwürdiger Weise hat
Herr Dr. Kiliani diesen für das Verständniss so wichtigen Satz
in sein Citat nicht aufgenommen.
Unser Correspondent hat also einen richtigen Gedanken voll¬
kommen klar ausgedrückt und das ihm zugerufene «gut schreiben!»
erscheint überflüssig. Wohl aber wird Herr Dr. Kiliani nicht
nur den Rath hinnehmen müssen: «gut lesen, Herr College», sondern
überdies: «ganz citirenl» Red.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung : Dr. Berth. Peisack, appr. 1895, zu München.
Versetzt: Der Bezirksarzt Dr. Franz Beck in Mellrichstadt
seinem Ansuchen entsprechend auf die Bezirksarztensstelle Eichstätt.
Verzogen: Dr. Hubbauer von München nach Burghausen.
Gestorben: Dr. Oscar Groll, Krankenhaus- und Bahnarzt in
Straubing, 66 Jahre alt.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten flirMünchen
in der 36. Jahreswoche vom 30. August bis 5. September 1896.'
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 38 (43*), Diphtherie, Croup
26 (27), Erysipelas 9 (10), Intermittens, Neuralgia interm. 1 (2),
Kindbettfieber 2 (3), Meningitis cerebrospin. — (1), Morbilli 6 (11),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 7 (4), Parotitis epidemica 1 (2),
Pneumonia crouposa 8 (8), Pyaemie, Septicaemie — (—\ Rheuma¬
tismus art. ac. 24 (11), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 18(32),
Tussis convulsiva 42 (37), Typhus abdominalis 3 (4), Varicellen 4 (8),
Variola, Variolois — (—). Summa 189 (203). Medidnalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefalle in München
während der 36. Jahreswoche vom 30. August bis 5. September 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen z Masern — (—*), Scharlach —(1), Diphtherie
und Croup 1 (4), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 5 (7), Unterleibstyphus —
(—), Keuchhusten — (4), Croupöse Lungenentzündung 2 (3), Tuber-
culoße a) der Lungen 14 (25), b) der übrigen Organe 6 (4\ Acuter
Gelenkrheumatismus 2 (—), andere übertragbare Krankheiten 2 (4),
Unglücksfälle 3(4), Selbstmord — (l), Tod durch fremde Handl(-).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 175 (167), Verhältnisstthl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 22,4 (21,4), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,7 (11,5), für
die über dem 5. Lebensjalir stehende 13,8 (10,5).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Regienings- , 3 -g
bezirke i .c* v £■
bezw. ’i u ~ 5
StMte über « S, •§.£
30,000 Ein- -■ 3
wohner_j __ _
_jj_J. | J1. ( j. fJL
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: Juni 1 ) und Juli 1896.
aenwitueu OÖI.3U4. — aubbuuis ui p (JO, wuiucis joy-ta, ruiui iii.ujc. nuimioinuiciu iu, uuunigiiiiucu os>,oui, muuuueu 1VM, III, nuruueig iD6,aou,
Wfirzburg 68,714.
t) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 31) eingelaufener Nachträge.
2i Im Monat Juni einschliesslich der Nachträge 1393. 3) 23.-26. bezw. 27.—31. Jahreswoche. _ . ,
Einsendungen fehlen aus den unmittelbaren Städten Augsburg und Nürnberg und den Aemtern: Rosenheim, Dingolfing, Griesbach, Kötzting, Landsnui,
Neunburg v. \V„ Neustadt a. A., Nürnberg Karlstadt, Lohr, Obernburg, Günzburg, Neuburg a. I). und 8onthofen. T
Höhere Erkrankungszahleu (auBser vou < bigen Städten) werden gemeldet ans folgenden Aemtern bezw. Orten: Brechdurchfall: Bez-Amt München H SG
Pirmasens 40 Fälle. — Morbilli: Die Epidemie im Amte Wegscheid nunmehr über 4 Gemeinden verbreitet; in den Schulen Breitenberg 133 (von 224), 5onnc
50 Kinder erkrankt ohne Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung. Im Amte Staffelstein die Epidemie noch nicht erloschen und sind meist die westlichen Bezirke
befallen. Masern noch sehr häufig in Betn-nbach 'Memmingen) und im Kammelthale besonders in Pfaffenhausen (Mlndelheim), woselbst mindestens die Harne ™
Schulkinder erkrankt. — Scarlatina-, Epidemisch neben Maseru in Krimbach (Kusel), ca. 25 Fälle in der Stadt Rothenburg a. T. ärztlich behandelt — . TU8 U:
cou v u Isiva: Epidemisches Auftreten in Krattelbach (Kusell, Waischenleld (Ebermannstadt), Alesheim (Weissenburg); im Amte Ebern nach den Anzeigen net
Bürgermeister 138 Kinder erkrankt. Häufiges Vorkommen ferner in den Städten 8ch\vabach und Memmingen, sowie im Amte Rothenburg a. T.
Influenza wurde uach dem Berichte von Burglengenfeld Im Juli besonders bei Kindern häufig beobachtet. . •_
Berichtigung: Die im Monate Mal (No. 27) aus dem Amte Parsberg gemeldeten 2 Fälle von Variola sind als auf irrthümllchem Einträge beruhend m
die Rubrik Varicellen zu übertragen. . .
gtr Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich ini
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte an das K. Statistische Bureau wenden wollen. h ,
Im Interesse der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 20.) und regelmässige Einsendung dringendst ersaent.
Die Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens^ 1 '..— ; 1 Hopten.
Frei» vierteljährlich « M, praeninnerando zahlbar.
Einzelne Ntnnmur 60
MÜMCHENER
Znsendungen sind zu ndre«Iren: Für die Redaction
Ottostraase 1 — Kür Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwchrstr 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Müsse, Promenadeplatz 16
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Hcrausgegeben von
Ch. Biumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. v. Winckel, H. v. Zierassen,
Kreiburg I. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Wützburg. München. München. München.
M 38. 22. September 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der medicinischen Klinik bezw. dem physiologischen
Institut der Universität Freiburg i. B.
Stoffwechseluntersuchung bei einem mit „Jodothyrin”
(Thyrojodin) behandelten Falle von Myxoedem und
Mittheilung einiger Thierversuche mit Jodothyrin
(Thyrojodin).
Von Dr. O. Treupel Privatdoccnt und Assistent der Klinik.
In No. G der Münchener medicinischen Wochenschrift 1 SOG
habe ich eine grössere Stoffwcchscluntcrsuchung bei einem mit
Thyrojodin oder, wie man es neuerdings nennt, Jodothyrin behan¬
delten Falle veröffentlicht. Die Resultate dieser Untersuchung
haben inzwischen eine weitgehende Bestätigung gefunden. Heute'
möchte ich zunächst eine über einen kürzeren Zeitraum sieh
erstreckende Stoffwechseluntersuchung bei einem mit Jodo¬
thyrin behandelten Falle von Myxoederti mittheilen.“
Es handelt sieh um einen typischen Fall massigen Myxoedems,
der bereits im Jahre 1893 in der Klinik mit innerlicher Verab¬
reichung von Hammelsschilddrüse und nachher von Burroughs-
Wellcome’ sehen Tabletten behandelt worden war.
Aus dem damals geführten Journale entnehme ich in Kürze
folgende Daten :
Die li) jährige Landwirthstochter E. H. von Steinenstadt bei
Schliengen ist nur 1,28 m gross. Der Körper ist in seinen einzelnen
Theilen ziemlich gut proportioDirt, der Kopf etwas zu gross. Der
Knochenbau im Ganzen derb, die beiden Tibien beiderseits ganz
leicht gekrümmt. Die Haut hat ein eigentümlich graugelbliches,
durchscheinendes Colorit, die Wangengegend ist etwas geröthet. Der
Gesichtsausdruck ist frisch, die Augenlider und das ganze Gesicht
erscheinen etwas gedunsen. Die Haut an der Stirne und den Fingern
ist verdickt und lässt sich leicht in grossen Falten abheben. Die
Zähne sind von guter Beschaffenheit Die sichtbaren Schleimhäute
erscheinen eher blass. Das Unterhautzellgewebe, besonders auch
an den Oberschenkeln, hat eine sehr weiche «watschelige» Beschaffen¬
heit. Ein Eindruck bleibt nicht zurück. Von einer Schilddrüse ist
nichts zu fühlen. An der Herzspitze lässt sich ein leises systolisches
Geräusch wahrnehmen. Die übrigen Organe sind normal. Ebenso
die Reflexe. Patientin zeigt ein verständiges Benehmen. Die Unter¬
suchung des Blutes ergibt: ca. 4,000,000 rothe Blutkörperchen im
cinra, die weissen sind in normaler Zahl vorhanden. Die rothen
Blutkörperchen haben normale Gestalt und legen sich im frischen
Präparat in Geldrollenform aneinander an Der Haemoglobingehalt
beträgt 95 Proc.
Aus der über die tägliche Harn menge geführten Tabelle ergibt
sich, dass jedesmal nach der Verabreichung von Hammelsschilddrüse
die Harnmenge (um 200—400 ccm schwankend) vermehrt wurde.
Während der Verabreichung der Hammelsschilddrüse (*/2 Drüse
jedesmal) ist an 2 Tagen «Erbrechen, Kopfschmerzen», einmal «grosse
Müdigkeit» notirt; die Herzthätigkeit, im Ganzen beschleunigt, ist
mehrmals als «unregelmässig» angegeben.
Gelegentlich eines zweiten Aufenthaltes in unserer Klinik
im Juli dieses Jahres erhielt nun die Pat. während G Tagen
täglich 2,0 g Jodothyrin (= 0,6 mg Jod täglich). Die Ergeb¬
nisse einer in dieser Zeit vorgenommenen 12 tägigen Stoffwechsel-
Untersuchung sind aus der folgenden Tabelle ohne Weiteres er¬
sichtlich: (Tabelle siehe nächste Seite.)
No. 38
Stellt man wiederum, wie ich das in meiner vorigen Arbeit
gethan habt*, die Mittelwerthe der Vor-, der Jodothyrin- und der
Nachperiode zusammen, so ergibt sich:
N-Einfuhr
N-Ausfuhr
in g
in g
Mittel der Vorperiode (aus
3 Tagen).
18,02
17,88
Mittel d. Jodothyrinperiode
• (aus 6 Tagen) ....
16,2
20,0
Mittel der Nachperiode
(aus 3 Tagen) ....
15,65
21,59
entsprechend einer Abnahme des Körpergewichts um 1,9 kg in
10 Tagen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Harnstoff- bezw.
N-Werte der Vor- und Jodothyrinperiode wohl etwas zu niedrige
sind, da der zur Untersuchung kommende 24 ständige Harn in
der Vorperiode stets, in der Jodothyrin periode an den meisten Tagen
trotz reichlichen Ohloroformzusatzes ,a 1 k a 1 i s c h reagirt, also von
seinem Harn Stoff gehalt wohl etwas eingebüsst hatte.
Das Ergcbniss meiner Stoffwechseluntersuchungen stimmt
sehr gut überein mit den Resultaten, zu denen vor Kurzem A.
Magnus-Lcvy *) bei seinen schönen Respirationsversuchen
mit Thyrojodin gekommen ist, und ich brauche hier seine Worte nur
zu wiederholen, um damit auch meiner Ansicht Ausdruck zu geben :
« Es hat das Thyrojodin fast die gleiche Wirkung ausgeübt, wie
das Gesammtextract der Schilddrüse. Es erhöht, wie jenes bei
Myxoedem den G es am m tu m satz des Körpers (Steigerung
der Athcingrösse, der Sauerstoffabsorption, der Kohlensäureabgabe,
Erniedrigung des respiratorischen Quotienten), vermindert
durch Wasser-, Stickstoff- und Fcttverlust das Körper¬
gewicht, verleiht der Haut Glätte, Succulenz, Feuchtigkeit,
lässt die Pulsfrequenz steigen u. s. w. Die Wirkung ist wie bei
dem Gesammtextract eine cumulative und hält offenbar
für eine ganze Reihe von Wochen vor.»
Damit ist wiederum ein neuer Beweis für die Richtigkeit des
Baumann’schen Satzes erbracht, dass das Jodothyrin (Thyrojodin)
der im Sinne der Schilddrüsentherapie wirksame Bestandteil der
Schilddrüse ist.
Hieran anschliessend möchte ich in Kürze über einige Thier¬
versuche mit Jodothyrin berichten, die mir der Mitteilung
wert erscheinen.
I. Versuche am Frosche.
Die Thiere erhielten die Substanz innerlich. Es wurde sowohl
das mit Milchzucker vermischte Präparat, als auch ein reines Jodo-
thyrinpräparat gegeben, welch’ letzteres ich der Güte des Herrn
Hofrath Baumann verdanke und von dem 1 g = 6 g der
frischen Drüse entspricht, mithin 1,8 mg Jod enthält. Die Dosen
schwankten zwischen 0,1 und 1,0 der Substanz. In Uebcrein-
*) A. Magnus-Levy, Versuche mit Thyreoantitoxin und
Thyrojodin. Deutsche mediein. Wochenschr. 1896, No. 31, 8.492.
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886
Münchener medic inische Woche nschrift
No. 88.
Datum
20. /-21. VII. %
21 . / 22 .
22./23.
2S./24.
24-/25.
2Ö./26.
2G./27.
27. /28.
28. /29.
29-/30.
30./31. VII. 96.
31-VII./ 1
1. VIII. 96 j
Harn¬
menge
in ccm
Spec.
Gew.
bei
15« C.
Reaction
E s )
Z s )
1L00
1500
1150
1450
1600
1500
1450
1550
1570
1600
1480
14h0
1019
1014
1018
1016
1014
1014
1017
1016
1016
1016
1016
1015
alkalisch
schw. alkal.
schw. alkal.
schw. alkal.
schw. alkal
schw. alkal.
schw. sauer
schw. alkal.
sauer
sauer
sauer
sauer
Harnstoff
I llpsamml
Prtitfnt I meng«
; in e
Harn¬
stoff
N in g
Ge¬
sa mm ti
N in g
2,65
2,0
2,85
2,15
1,9
2.0
2,75
' 29,2
30,0
32.73
31.18
30.4
30.0
39.88
2,25 34.88
2,5 39.25
2,45 39,2
2,5 37,0
2,35 34,7«
,6
,0
,3
.55
2
,0
.61
28
,32
,3
.27
16,23
17,0
17.5
19,13
18.19
17.8
17.5
2326
20.35
22.9
22,38
21,59
Durch die
Nahrung
aufge-
nommener
N in g
16,9
13,02
19,13
16,7
18,02
15,6
IV.
15,65
15,65
15,65
15,65
Calorien-
werth
der
Nahrung
20,29 15,65
2119.3
2237.7
2337.4
1812.9
2231.7
1458.9
1453.9
1365.9
1865.9
1365.9
1865.9
Körper¬
gewicht
in kg
37.5
Bemerkungen
1865,9
36,5
36.0
35.6
Vom 23. (incl)
Ins 29. (excl.)
VII. 96 täglich
2,0 g Jodothyrin
—ti “ rr-s-srö
d '° In''2"Versuchen wurden den Fröschen , die je 1,0 g des
sasrass
-Sr.'
Baumann’s Methode leicht und sehr deutlich nach
weisen! Ich muss gestehen, dass cs mir Anfangs sehr zweifel¬
haft erschien, in den winzigen Gebilden, dic mir err ^ g
Gau pp als die Schilddrüsen bezeichnet hatte, Jod finden zu
Ebenso ging es Herrn Hofrath Baumann und wir
waren daher Beide um so mehr überrascht, als der Nachweis einer
in Anbetracht der Kleinheit der Organe ganz beträchtlichen Jod-
menge sofort gelang. Wir glauben, dass damit
Beweis erbracht ist, dass die von uns untersuchten Gebilde auch
wirklich die Schilddrüsen gewesen sind.
Endlich will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich auch vci
sucht habe, lebenden Fröschen die Schilddrüsen zu entferne.»
Die Operation wurde jedesmal mit der grössten 'S ersieht und
peinlichsten Sorgfalt vorgenommen. Die Thiere blieben auch 2 bis
3 Tage nach der Operation noch am Leben. Doch muss ich cs
dahingestellt sein lassen, ob der dann eingetrctcne ‘ od »icht vie 1
mehr Folge des Eingriffes als solchen, denn Effect der Schild-
drüsenentfernung gewesen ist.
n Versuche am Kaninchen,
a) Ein männliches Kaninchen von 1,75 kg Körpergewicht
erhielt vom 5. bis 30. V. 96 täglich 1,0 g Jodothyrin (—0,3 mg
Jod) und vom l. VI. bis 17- VII. 96 täglich 2,0 g Jodothyrin
( = 0 6 mg Jod). In den ersten lagen trat bei reichlicher
Fütterung (Mais und Grünfutter) ein Gewichtsverlust von
0 16 kg ein, dann stieg das Körpergewicht wieder, erreichte aber
nicht ganz die anfängliche Höhe. 150 ccm Harn, die in der
zweiten Periode mit Salpeter und Soda verascht und aut Jod
untersucht wurden, lieferten ca. 1,2 mg Jod Nachdem das
Thier im Ganzen 36 mg Jod als Jodothyrin erhalten hatte, wurde
cs getödtet und die Organe (Leber, Milz, Pankreas Magen Nieren,
Gehirn und Muskeln) wurden von Herrn cand. med. Kirnbergcr
im Bau mann’sehen Laboratorium auf Jod untersucht. Es er¬
gab sich der bemerkenswerthe und auffallende Befund, dass
nirgends Jod nachgewiesen werden konnte. Oh dieser negative
2 ) E =. Eiweiss, mit Spiegler’s Reagens in Spuren (Sp.)
nachweisbar.
n * i i,.,h ™ erklären ist, dass die dem Kaninchen beigebrachte
Jodmenge über einen zu langen Zeit =
(2Ws Monate) vcrtlicilt war, oder ob hierbei an das überhaupt
refraetäre Verhalten der Pflanzenfresser gegenüber Thyreoideaprä-
T, ÄÄt
a hi* 9 7 V 96 im Ganzen 8,4 mg Jod als Jodothyrin.
In* 11 den ersten' Tagen erfolgte eine Gewichtsabnahme v»
9 17 kg dann eine Gewichtszunahme von 0,21 kg. Da* imc
-* ä’ ü'-
vollkommen ansgetragene Junge, li ci a
»oeb 2 Embryonen von i
T)ioso beiden wurden getrocknet und »i
2 4 und 5 g auf Jod untersucht. Sowohl mir, als auch Hen
SSSSä
brvonen nachzuweisen. _, , j :„i, hier
‘ IU. Endlich noch ein Versuch am H*>«*J ^ «* £
nur einfach nach meinem Versuchsprotokoll heschre l, 1^ ^
dessen wissenschaftliche Verwerthung ich selb*^ aber S
grösste Skepsis hege, weil ich noch keine h**to***^ ich
zu wiederholen. Ich erwähne ihn auc nur , ^ Thiere ent-
durch eine Operation dem keine * w ^J TbyU ius erkannt
fernte, im hiesigen pathologischen Institut als y
worden ist. Die durch die Operation gesetzt^Wunde
und rasch und das Thier zeigte in den ersten 5 Tag^ ^
Operation durchaus normales Vor la e Extremitäten
zum ersten Male unwillkürliche Zuckungen n den Ext«
auf. Dann wurde nichts Abnormes mehr beobachtet ^ ^
42 . Tage nach der Operation kam es, nachdem wioder zu
Hund auffallend ruhig und furchtsam g c "' or C ", fanfal!
Zuckungen und trat zum ersten Male ein g ^
auf. Das Thier erhielt jetzt 4,0 g Jodothynn - U
Darauf erholte cs sich rasch und wuric ^ Hess, „och
Nach 4 Tagen, als das Thier wieder de KopiM
2,0 g Jodothyrin = 0,(» mg J" d - 6 •*> „ Wiederum
und durchaus normal, dann wieder ein k . le nCT . leichter Anfall-
4,n g Jodothyrin. Erst am 9- r agc wie er mebr un d ist,
Von jetzt, ah erhielt das Thier kein Jodot. > beohl( fctet
nachdem in den letzten Wmd.cn k 5™ ^"^thvrindarrcicbung
worden war, 6 Wochen nach der c z „ agfttlge n .
in einem “«ich einsetzenden Anfall zu *-
Man darf aus dieser Beschreibung wohlientn ^ &
die nach der Operation aufgetretenen Ersehe. ^ aber an
Jodothyrindarrciehung beeinflusst worden s,n _ gcluD gen i«*,
sich nichts Befremdendes, nachdem cs J sich ferner
auch in der Thymus Jod nachznweisen, und wenn licmcrken s-
der von Mikulicz 1 ) zuerst beobachteten unö ' Gabe n
werthen Thatsache erinnert, dass Kropfe na haben .
von 10—25 g Thymusdrüse erheblich abgen
weisoar. , _ . .
91 Z = Zucker bezw. reducirende Substanz.
*) Im Harne ausgeschiedener Gesammt-8tickstoff, berechnet
aus dem Harnstoff-Stickstoff unter der Annahme, dass 80 Proc. des
Gesammt-Stickstoffes als Harnstoff Stickstoff ausgeschieden werden.
9) J Bartelt, Ueber Thyrojodin Aus dem pharmakologischen
Institute der Universität Dorpat; Sitzungsberichte der Dorpater
Naturforschergesellschaft, März 1896.
6) Hierbei hatte ich mich der gütigen Unterstützung des Herrn _ Blise -
Collegen Dr. Gaupp, des trefflichen Kenners der Anatomie des Mikulicz Ueher Thymusfütterung bei Kropf
Frosches, zu erfreuen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle ver- Krankheit. Berlin, klin. Wochenschr. 1895, N ■
bindliehsten Dank sage.
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22. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
887
lieber das Verhalten einiger Zuckerarten im thieri-
schen Organismus/)
Von F. Voit,
Privatdoccnt und Assistent am med.-klin. Institut zu München.
Die verschiedenen Kohlehydrate zeigen im thierisohen Orga¬
nismus ein recht verschiedenes Verhalten, wobei die Veränderungen,
welche sie im Darmeanal erleiden können, die (ilycogenbildung
und ihr Ucbertritt. in den Harn zunächst in Betracht kommen.
Es sind in dieser Hinsicht die grossen Gruppen der Monosaccha¬
ride einerseits, und der Di- und Polysaccharide andererseits streng
auseinander zu halten.
Eine wichtige Eigenschaft der Monosaccharide ist ihre Gähr-
fähigkeit. Doch ist diese Eigenschaft keineswegs allen einfachen
Zuckern gemeinsam. Wir wissen, dass nur solche gähren, welche
3, 6 oder 9 Kohlenstoffatome im Moleeül enthalten. Und auch
unter diesen gibt es Ausnahmen: von E. Fischer sind Hcxosen
künstlich hergestellt worden , welche nicht gährungsfähig sind.
Auch bestehen bemerkenswerthe Verschiedenheiten insofern, als die
eine Zuckerart leicht und rasch, die andere schwer und langsam
der alkoholischen Gährung anheinifällt und als verschiedene Hefe
pilze nicht gleichmässig auf alle einfachen Zucker ein wirken. So
vergiihrt z. 13. Saccharomyces apieulatus zwar die Dextrose, nicht
aber die Galactose, während Saccharomyces cercvisiae beide Zucker¬
arten zu zerlegen vermag.
Im engsten Zusammenhang mit der Gührfähigkeit der ein¬
fachen Zucker stehen ihre Beziehungen zur (Ilycogenbildung. Da
die Kohlehydrate* der Nahrung nicht die ausschliessliche Quelle
für das Glycoge» im Thierkörper sind — auch aus Eiweiss kann
ja Glycoge« entstehen —, so kann nur derjenige Zucker als
echter Glyeogcnbildner angesehen werden, nach dessen Eingabe
sieh soviel Glycogen in Leiter und Muskeln vorfindet, dass das¬
selbe seiner Menge nach nicht aus dem während der Versuchszeit
in Zerfall gerathenen Eiweiss entstehen konnte.
Es war zuerst C. Voit 1 ), der hier mit präciser Frage¬
stellung und mit exacten Untersuchungen hervorgetreten ist, und
er hat zuerst betont, dass nur solche Zuckerarten echte Glycogen-
bildncr sind, welche Guhrungsvcrmögen besitzen.
Nach ihm hat dann namentlich noch einmal Crem er 2 ) dies
hervorgehoben und zugleich die Deutung der Resultate den in¬
zwischen fortgeschrittenen Kenntnissen von den chemischen Eigen¬
schaften der Zucker angepasst.
Zweifellos echte Glyeogcnbildner sind die Dextrose und die
Laevulosc. In allen Versuchen hat sich nach ihrer Eingabe so
viel Glycogen vorgefunden , dass an seine Herkunft aus Eiweiss
nicht zu denken ist. Hinsichtlich der Galactose bestehen noch
Zweifel. In Versuchen von Otto 3 ) und von C reiner 4 ) an
Hühnern und Kaninchen fanden sich nur so geringe Glycogen-
mengen in Leber und Muskeln angesamniclt, dass sie, nicfits
beweisen.
Dagegen ist von Kausch und Socin 5 ) cin^-Tersuch am
Hunde gemacht worden, welcher einen Werth ergeben hat, der
jedenfalls an der Grenze liegt, dieselbe vielleicht sogar über¬
schreitet ; danach wäre die Galactose zu den echten Glycogen-
bildncrn zu zählen. Es sind hier noch die Beobachtungen Lau-
rent's 0 ) und Crcmer's 7 ) anzuführen, wonach Hefezellen, welche
*) Vortrag, gehalten in der Gesellschaft für Morphologie und
Physiologe am 21. Juli 1896.
*) C. Voit: Ueber die Glycogenbildung nach Aufnahme ver¬
schiedener Zuckerarten. Zeitschr. f. Biol. XXVIII. p. 245. 1892..
2 ) M. Crem er. Ueber das Verhalten einiger Zuckerarten im
thierischen Organismus, Zeitschr. f. Biol. XXIX. p. 484. 1893, und
Zucker und Zelle, Zeitschr. f. Biol. XXXII. p. 49, 1895.
8 ) Siebe C. Voit a a. 0. p. 259.
*) Zeitschr. f. Biol. XXIX. 521.
6 ) Kausch und Socin. Sind Milchzucker und Galactose
directe Glycogenbildner? Arch. f exp. Path und Pharm. XXXI.
p.' 398. 1893.
e ) E. Laurent. Nutrition hydrocarbonöo et formation de
glycogfene chez la levure de biöre. Annal. de 1 institut Pasteur,
p. 113. 1889.
7 ) Crem er. Ueber die Umlagerungen der Zuckerarten unter
dem Einflüsse von Ferment und Zelle. Zeitschr. f. Biol. XXXI.
p. 188. 1894.
hinsichtlich der (Ilycogenbildung vielfache Analogien mit der Leber -
zellc darbieten, im Stande sind, aus Galactose Glycogen in ihrem
Zellleib aufzuspeichern. Selbstverständlich ist das kein dircctcr
Beweis für ein gleiches Verhalten im Thierkörper. Jedenfalls
ist die Galactose, auch wenn sic zu den echten Glycogenbildnern
zählt, ein viel schlechterer Glycogenbildner als Dextrose und
Laevulosc.
Die Disaccharide als solche sind nicht gährungsfähig. Ihrer
alkoholischen Gährung geht wahrscheinlich immer eine Spaltung
in die Monosaccharide voraus. Freilich wird eine solche Spaltung
durch in der Hefe enthaltene Enzyme, z. B. beim Rohrzucker
durch das Invertin bewirkt.
Die Ablagerung von Glycogen aus den Di- und Polysaccha¬
riden ist zunächst abhängig von ihrem Verhalten im Darmcanal.
Dort werden sie ja vielfach in die einfachen Zuckerarten zerlegt
und insoweit dabei glycoginhildcnde Zuckerarten entstehen, sind
natürlich auch die betreffenden Di- und Polysaccharide indirect
echte Glycogenbildner. Eine solche Spaltung braucht aber nicht
ausschliesslich in den Darmcanal verlegt zu werden. Es ist
a priori nicht von der Hand zu weisen, dass auch die Loberzellcn
dieselbe vollziehen können. Auch ist die Frage discutirbar, ob
nicht einzelne zusammengesetzte Zucker direct, ohne vorherige
hydrolytische Spaltung, in der Leber zu Glycogen werden können.
Die Invertirung des Rohrzuckers im Darmcanal steht fest 8 ).
Er geht in Dextrose und Laevulosc über und aus diesen beiden
einfachen Zuckern wird Glycogen. Analoges sehen wir bei der
Maltose.
Wie sich der Milchzucker verhält, darüber bestehen noch
vielfache Meinungsverschiedenheiten. Zunächst führte er hei den
im Münchener physiologischen Institut an Hühnern und Kaninchen
angestelltcn Untersuchungen nur zu geringen Glycogenanhäufungen
in der Leber 9 ), während Kausch und Socin 10 ) und später
auch Cr einer 1J ) erheblichere Glycogcnmengen nach Vcrfütterung
an Hunde fanden. Dann konnte weiterhin Lusk 1 *) beim Ka¬
ninchen nach Eingabe von Milchzucker nur diese Zuckerart in
den verschiedenen Darmabschnitten vortinden; der Milchzucker
wurde also nicht gespalten. Nach Dastre 1 *) und Pregl 14 )
vermag der Darmsaft, nach Mendel 16 ) auch der paralytische
Darmsaft, welcher Rohrzucker und Malzzucker invertirt, den Milch¬
zucker nicht zu zerlegen. Dagegen sind neuestens Beobachtungen
veröffentlicht worden, so von Fautz und Vogel 16 ), Höhmann
und Lappe 17 ) und zuletzt von E. Fischer und Niebel 18 ),
wonach die Dünndaruischleimliaut insbesondere von jungen, aber
auch von älteren Thieren bestimmter Gattungen im Stande ist,
aus Milchzucker Dextrose abzuspalten. Inwieweit diese am isolirten
Organ, gewonnenen Resultate sich auf das lebende Thier über¬
tragen lassen, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls geben die
letztgenann Untersuchungen keinennte Aufschluss über die Menge
des Milchzuckers, welche der Hydrolyse auheimfiel. Dieser Punkt
ist aber für ihre Vcrwerthung zur Erklärung physiologischer Vor¬
gänge von grösster Wichtigkeit. Werden nur geringe Mengen
von Milchzucker gespalten, so hat der ganze Vorgang für den
lebenden Organismus keine principielle Bedeutung. Wird die
Spaltung des Milchzuckers im Darmcanal als sicher erwiesen, so
tritt die Lactose damit selbstverständlich in die Reihe der echten
B ) Siehe Miura. Ist der Dünndarm im 8tande, Rohrzucker zu
invertiren? Zeitschr. f. Biol. XXXII. p. 266, 1895.
») Siehe C. Voit a. a. O. p. 260.
10 ) Siehe C. Voit a. a 0. p. 403.
u ) Zeitschr. f. Biol. XXIX. p. 520.
,2 j Siehe C. Voit a. a. 0. p. 282.
1S ) Dastre. Transformatione du Lactose dans 1'organiBme.
Archiv de Physiol. p. 103. 1890.
14 ) F. Pregl. Ueber Gewinnung, Eigenschaften und Wirkungen
des Darmsaftes vom Schafe. Pflüg. Arch. 61. p. 401. 1895.
1B ) L. B. M e n d e 1. Ueber den sogenannten paralytischen Darm¬
saft. Pflüg. Arch. 63. p. 436. 1896.
18 ) Pautz und Vogel. Ueber die Einwirkung der Magen-and
Darmschleimhaut auf einige Biosen und auf Raffinose. Zeitschr. f.
Biol. XXXII. p. 304. 1895
,7 ) Röhmann und Lappe. Ueber die Lactose des Dünn¬
darms Berichte der deutsch, chem. Gesellsch. 28. p. 2606. 1895.
i8) e. Fischer und W. Niebel. Ueber das, Verhalten der
Polysaccharide gegen einige thierische Secrete und Organe. Sitzungs¬
bericht d. k. Acd. d. Wissensch Berlin. 30. Januar 1896.
1 *
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888
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38-
Glycogenbildner ein; sie liefert ja Dextrose und Galaetose, von
deren einer wenigstens es ganz sieher steht, dass sie in Glycogen
überzugehen vermag.
Abhängig von der Gährfähigkeit und von der Glycogen-
bildung ist ferner der üebertritt der verseliiedenen Zuekerarten in
den Harn. Hier bestehen die grössten Verschiedenheiten: von
dem leicht gährenden Traubenzucker müssen grosse Mengen ver-
zehrt. werden, ehe im Harn Zucker erscheint. Die nicht gährendc
Sorbosc führt schon nach sehr geringen Gaben zur Zuekeraus-
scheidung. ]>er aus den vorhandenen Versuchen sich ergebende
Satz, dass die am leichtest gährenden Zucker am schwersten, die
gar nicht gährenden am leichtesten im Harn erscheinen, ist zuerst
von Cremer ,y ) ausgesprochen worden. Die nicht gährenden
Zuckerarten bilden kein Glycogen, sic können nicht in bestän¬
digerer Form im Organismus aufgespeichert werden, gelangen
daher gleich in grösserer Menge in das Wut und werden zum
Tlieil wenigstens mit dem Harn wieder ausgesehieden.
Nun sind im hiesigen physiologischen Institut auch Versuche
mit subcutaner Injeetion verschiedener Zuekcr am Thier gemacht
worden, in der Absicht, die Veränderungen, welche speciell die
Disaccharide im Darm erleiden, zu umgehen *°). Auch auf diesem
Wege eingegeben, haben sicli Dextrose und Laevulose als echte
Glycogenbildner erwiesen, während Rohrzucker und Milchzucker
nur eine geringe Glycogenanhäufung verursachten.
Bei Gelegenheit von Versuchen über die subcutane Einver¬
leibung von Zucker zum Zwecke künstlicher Ernährung *') habe
ich beim Menschen verschiedene Zuckerarten unter die Haut ein¬
gebracht. Es ist dies mit keinerlei Nachtheil für das Versuehs-
individuum verbunden, wenn man nur die Lösungen nicht zu
concentrirt wählt und diese sowohl, als auch die nothwendigen
Instrumente sorgfältig sterilisirt. Ich habe immer 10 proc. Zueker-
lösungcn benützt.
Von den Monosacchariden kamen bis jetzt zur Untersuchung
Dextrose, Laevulose und Galaetose. Alle drei erschienen im Harn
nicht wieder, oder nur in sehr geringer Menge; sie wurden also
im Organismus rasch zerlegt.
| Eingespritzt j
Im Harn gefunden
Dextrose
100,00 g
2,64
60,00 g
Spuren
11,24 g
—
Laevulose
10,94 g
0,99
10,13 g
Spuren
Galaetose
9,23 g
0,16
9,58 g
Spuren
Es bestehen aber, wie die Tabelle zeigt, beträchtliche gra¬
duelle Unterschiede. Dass Dextrose und Laevulose nicht, oder
nur in sehr geringer Menge in den Harn übergehen, war zu er¬
warten. Sind sie ja doch beide gute Glycogenbildner und wird
doch wenigstens der Traubenzucker von den Zellen angegriffen.
Bei der Galaetose vermuthete ich von vornherein eine stärkere
Ausscheidung, da ihr Glycogenbildungs-Vermögcn noch ein zweifel¬
haftes ist. Da nur so wenig in den Harn überging, so können
meine Versuche für eine Glvcogenbildung aus Galaetose sprechen.
Doch ist dies keine zwingende Nothwendigkeit, denn es ist immer¬
hin eine directe Zerlegung des Galactosc-Molecüls durch die Zellen des
Organismus möglich, ohne dass eine Glvcogenbildung stattfindet.
Interessante Resultate hat die Einspritzung von Disacchariden
ergeben, von welchen bisher Saccharose, Lactose und Maltose
geprüft wurden.
Eingespritzt
Im Harn gefunden
Saccharose
25,60
24,88
lb,81
10,71
9,29
9,95
1,27
1,23
Lactose 1
9,36
10,06
9,05
9,42
1,09
1,03
Maltose
8,79
—
t# ) Crem er. Zeitsohr. f. Biol. XXXII. p. 51. 1895.
20 ) Siehe C. Voit a. a. O. p. 285.
2*) F. Voit. Ueber die subcutane Einverleibung von Nalirungs-
stoffen. Münchn. rned. Wochenschr. p. 717. 1896.
Nach Einspritzung von Rohrzucker und Milchzucker wurde
die gesummte Zuckertnenge in dem Harn wieder gefunden —
die vorhandenen Differenzen liegen innerhalb der Versuchsfehler —
und zwar erschien die gleiche Zuckerart, welche injicirt worden
war. Der Milchzucker wurde durch seine Unfähigkeit, mit .Sac¬
charomyces apieulatus zu vergähren , idenfcificirt, der Kohrzucker
wurde daraus als solcher erkannt, dass er erst nach dem Kochen
mit verdünnter Salzsäure redueirte. Man muss zum Harn oft
recht viel HUI zusetzen, da derselbe beträchtliche Mengen von
Säure zu binden vermag und die Inversion erst dann eine voll¬
ständige wird, wenn freie Säure vorhanden ist. Ich habe daher
immer zuerst so stark mit verdünnter HCl angesäuert, bis eben
Kcaction auf Congoroth eintrat und dann erst die zur Invcrtirung
erforderliche Menge 0.72 Proc. HCl zugefügt.
Das Verhalten des Rohrzuckers bei der subcutancn Injeetion
stimmt mit unseren bisherigen Erfahrungen vollkommen überein.
Per os gegeben, kommt er zwar erst nach sehr grossen Dosen
zur Ausscheidung , aber hier muss er eben den Darm passiren,
wo er zum grössten Tlieil invertirt wird. Der Rohrzucker, welcher
der Inversion entgeht, wird ausgesehieden, wie wenn man ihu
subeuta» einspritzt. Die Zellen im Allgemeinen vermögen ihn
nicht zu zerlegen und die Leber kann ihn nicht in Glycogen
umwandeln. Claude Bernard zwar glaubte das Letztere, weil
er nach Fütterung mit Rohrzucker im Pfortaderblut nur Rohr¬
zucker, im abfliossemlen Lebervenenblut nur Traubenzucker fand.
Aber schon mein Vater**) zweifelte an der Richtigkeit dieser
Angabe, da sich ihm der Rohrzucker l>ei subcutaner Injeetion
nicht als echter Glycogenbildner erwies. Meine Versuche wider¬
legen direct die Anschauung 01. Bernard’s wenigstens für den
Menschen. Könnte die Leber zelle den Rohrzucker spalten, ihn
in Glycogen überführen, so hätte ein gut Tlieil des eingespritzten
Rohrzuckers im Harn fehlen müssen. Es ergibt sich daraus ein
bemerkenswerther Unterschied zwischen der Leber- und der Hefe
zelle. Letztere kann den Rohrzucker durch das ihr anhaftende
Enzym spalten, ersterc nicht.
Wie der Rohrzucker wurde auch der Milchzucker vollständig
wieder ausgesehieden. Er wird, wie ich meine Versuche deuten
muss, von den Zellen nicht angegriffen. Per os gegeben gelangt
er aber erst nach beträchtlichen Quantitäten in den Harn; er
muss also auf diesem Wege irgendwo verändert, gespalten werden
und diese Spaltung muss im Darmlumen oder in der Darmscbleim-
haut vor sich gehen, denn die Leber ist dazu nach den eben
beim Rohrzucker angeführten Gründen nicht im Stande. Ich
bin daher überzeugt, dass im Princip die Untersuchungen von
E. Fischer auch für den lebenden Organismus gelten. Dem
zu Folge habe ich eine Anschauung zu corrigiren, welche ich
vor einigen Jahren geäussert habe * 3 ). Ich sah damals nach
Gaben von 100 und 150 gMilchzucker bei einem Diabetiker keine
Laetosurie auf treten, sondern lediglich eine Steigerung der Trauben
zuckerausscbeidung. Da damals von einer Inversion des Milch¬
zuckers im Darmeanal nichts bekannt war und nach den vor-
handenen Versuchen der Milchzucker nicht zu den Glycogenbild-
nern zu rechnen war, so habe ich das in der Weise erklärt, dass
der Milchzucker für die Zellen leichter angreifbar sei als der
Traubenzucker. Wenn der Milchzucker beim Gesunden schon
nach kleineren Dosen als der Traubenzucker in den Harn über
geht, so beruhe das auf seiner Unfähigkeit, in Glycogen verwandelt
zu werden. Dies ist offenbar nicht richtig. Der Milchzucker
wird nicht leichter von den Zellen angegriffen als der Trauben'
zucker, im Gegentheil, meine Versuche zeigen, dass die Zellen
ihn überhaupt als solchen nicht zu zerlegen vermögen.
Diese Erkcnntniss bietet endlich auch eine Erklärung für
die Laetosurie der Wöchnerinnen. Hier gelangt der Milchzucker
aus der Drüse direct in Circulation, mit Umgehung des Dann
canals, und verhält sich daher genau so, wie bei der subcutancn
Injeetion, er wird mit dem Harn ausgesehieden.
Die Maltose erschien nicht im Harn wieder. Sic wird ab®
von den Zellen angegriffen oder sie geht in der Leber iu Oly-
f) C. Voit a. a. O. p. 271 u. 288,
) F. V oit. Ueber das Verhalten des Milchzuckers beim
Diabetiker. Zeitschr. f. Biol. NXVIII. p. 359. I8'.i2.
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22. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
889
cogen über, entweder direct, oder nach vorheriger Spaltung. Das
ist nicht auffallend, da ja auch anderweitig im Organismus Maltose
entsteht und weiter verwerthet wird, so z. B. bei der Stärke¬
verdauung. Auch aus Glycogen bildet sich durch gewisse Fer¬
mente Maltose und endlich ist schon vielfach, neuerdings wieder
von E. Fischer nachgewiesen worden, dass sie vom Blutserum
zerstört wird.
Die Versuche sind noch nicht abgeschlossen und sollen
namentlich auch auf nicht gährende Monosaccharide und auf
Polysaccharide ausgedehnt werden.
(Die ausführliche Abhandlung erscheint im deutschen Arch.
f. klin. Med.)
lieber praktische Verwerthung der Leukocytose.
Von Dr. Seydel, Oberstabsarzt und Privatdocent.
Die interessanten Arbeiten von H. Büchner über die
Immunitätsfrage, insbesondere über die chemotactische und eut-
züudungserrcgende Wirkung nicht nur der Bacterienproteine,
sondern auch anderer nicht bacterieller Eiweisskörper, namentlich
der Pflanzencaseiue, brachten mich auf den Gedanken, diese ent¬
zündungserregende Wirkung zur Verklebung getrennter
Körpertheile, eventuell zur Verwachsung von einander
entfernt liegender Gewebe zu benützen.
Ich ging bei meinen Versuchen von folgender von H. Büchner
constatirten Thatsache aus:
«Bringt man in die Bauchhöhle eines Kaninchens einen Watte¬
pfropf, welcher in sterilisirte Emulsion von Waizenkleber getaucht
wird, so kann man bei einer in zwei Tagen folgenden abermaligen
Eröffnung der Bauchhöhle den Wattepfropf nicht mehr entfernen;
derselbe ist so innig mit dem Peritoneum verwachsen und verfilzt,
dass eher letzteres einreisst, als dass man ihn entfernen kann.
Der Wattepfropf ist durchtränkt mit trübem Exsudate, einer
Ansammlung von Leukocyten, aber gänzlich steril, frei von
Bacterien.»
Ich habe nun ira Verein mit Collega Kolb und Deich¬
stet t er mehrere diesbezügliche Versuche an Thieren gemacht:
1. Nach Laparotomie wird bei einem Kaninchen die vordere
Wand des Magens mit Aleuronat bestrichen, sodann das Netz
nach aufwärts geschlagen und auf die bestrichene »Stelle- des
Magens gelegt. Bereits nach 4 Tagen zeigte sich das Netz
fest mit der vorderen Magenwand verwachsen, so
dass es ohne einzureissen nicht entfernt werden konnte.
2. Es wird bei einem Kaninchen mit einem Pinsel Aleuronat
zwischen die beiden Leberlappcn gebracht. Nach 6 Tagen fanden
sich die beiden Leberlappen mit einander und mit der
vorderen Bauchwand fest verwachsen.
Entgegengesetzt verliefen die beiden folgenden Versuche:
3. Eine Dickdarmschlinge wird mit Aleuronat bestrichen
und eine ihr zunächst liegende Dünndarmschlinge auf die bestrichene
»Stelle gelegt. Am 4. Tage fand sich keine Verklebung,
ja es war nicht einmal mehr die Stelle zu erkennen, an welcher
der Versuch vorgenommen worden war.
4. Es wird zwischen Pleura pulmonalis und costalis eines
Kaninchens 1 ccm Aleuronat gebracht. Bei der Section am
5. Tage zeigte sich die Aleuronatlösung vollkommen
verschwunden, kein Exsudat in der Pleurahöhle, keine Auf¬
lagerungen, keine Adhaesionen.
Aus diesen beiden Misserfolgen schloss ich, dass die
serösen Häute nur dann mit einander verkleben,
wenn sie einander berühren und stetig in ruhiger
Lage zu einander erhalten werden.
Die Bestätigung für diese Ansicht fand ich in den nach¬
folgenden Versuchen:
5. Eine Dünndarmschlinge von 4 cm Länge wird an ein
ebenso langes Stück des Colons durch 4 Situationsnähte leicht
befestigt, sodann zwischen die einander zugekehrten Darmflächen
Aleuronat eingepinselt. Nach 5 Tagen waren die Darm-
Behlingen fest einander adhaerent.
6. Die linke Niere eines Kaninchens wird mobil gemacht,
so dass sie vor die Darmschlingen zu liegen kommt, sodann wird
sie mit 2 Situationsnähten an die vordere Bauchwand leicht be-
No. 88.
festigt, hierauf zwischen Niere und parietales Blatt des Perito¬
neums Aleuronat gebracht. Das Thier verendete am 3- Tage
und zwar, wie die Section ergab, offenbar an einer inneren Ein¬
klemmung; jedoch zeigte sich die Niere breit mit der vor¬
deren Bauchwand verwachsen.
Nunmehr ging ich zu einem Versuche am Menschen über.
Das geeignetste Object sohien mir die Hydrocele zu sein.
Hier lagen nach einer Punction 2 seröse Häute ruhig neben ein¬
ander und waren somit die Bedingungen zur Verklebung wie beim
Thierexperimente gegeben.
Ich lasse den Krankheitsbericht folgen :
J. B,, 20 Jahre alt, batte vor 7 Wochen eine Contusion des
rechten Hodens erlitten. Einer Haematocele war eine Hydrocele
gefolgt, welche sich deutlich durch Vergrösserung des Hodens,
Fluctuation und Transparenz nachweisen liess.
Unter strengster Aseptik punctirte ich nunmehr die Hydrocele
mit sterilem Troicart und entleerte die Flüssigkeit vollständig, un¬
gefähr 60 g im Ganzen. Hierauf injicirte ich, ohne den Troicart zu
entfernen, durch denselben mit steriler Spritze ungefähr 5 g steriler
Aleuronatlösung.
Am Abende stieg die Temperatur auf 37,8° C. Der Hode
schwoll massig an und war auf Druck empfindlich. Am 2. Tage
war die Temperatur Morgens 37,8°, Abends 38,8°, ohne dass das
Allgemeinbefinden beeinträchtigt gewesen wäre. Die Schmerzhaftig¬
keit hatte etwas zugenommen, wurde jedoch durch Hochlagerung
des Hodens und Application einer Eisblase gemildert. Am 3. Tage
gingen die Reactionserscheinungen zurück, die Temperatur erreichte
Abends nur mehr die Höhe von 38,2°. die Druckempfindlichkeit
schwand, die Schwellung des Hodens ging zurück. Am 6. Tage
bestand Euphorie. Der Hoden und die umgebenden Hüllen waren
nicht mehr druckempfindlich und nicht mehr geschwellt; Patient
verliess das Bett. Die Controle deB Kranken nach einem halben
Jahre ergab keine Recidive, keine Vergrösserung des
Hodens.
Einige von mir Angestellte Versuche, auch andere Flächen,
z. B. Mu skel fläch cn , durch Aleuronat zur Verklebung zu
bringen, blieben bis jetzt erfolglos; die. Lücken füllte stets ein
trübes Exsudat aus, eine Ansammlung von Leukocyten, aber
gänzlich steril, frei von Eiterung.
Ich glaube jedoch, wir dürften zufrieden sein, wenn wir in
der Leukocytenanlockung ein sicheres Mittel besitzen würden, von
serösen Häutern umgebene Organe an einander ausgedehnt und
rasch zur Verklebung und Verwachsung zu bringen, denn bis
jetzt fehlt uns ein solches Mittel und manche Misserfolge der
Unterleibschirurgic sind darauf zurückzuführen. In wie weit das¬
selbe für' Anastomosenbilduug uud andere Oi>erationen am Darme
verwerthbar ist, darüber werde ich weitere Versuche anstellen.
Es würde mich freuen, wenn diese meine Experimente von
Collegen' controlirt würden uud auf diesen meinen Erstlingsver¬
suchen mit mir weiter gebaut würde.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Dorpat
(Prof. W. Koch).
Klinische Beobachtungen Uber die Wirkung des
Formaldehyd-CaseYn.
Von Dr. Edgar Bohl , Assistent der Klinik.
Die genaue Kenntuiss der Art und der Zeitdauer, in welcher
die Infection von Wunden und des Gesammtorganismus sich voll¬
zieht, hat auch die Anforderungen, die man billigerweise an ein
antiseptisches Mittel stellen kann, verringert. Aber trotz der
grossen Zahl der Antiseptica finden Chirurgen, die neben der
Asepsis auch von einer individualisirenden antiseptischen Behand¬
lung Gebrauch machen, bei keinem derselben die gewünschte
starke desinficirende Wirkung, Ungiftigkeit und Mangel an reizenden
Eigenschaften vereinigt. Durch die glänzenden Empfehlungen, unter
denen von Schleich 1 ) das Glutol eingeführt wurde, ist cs
daher verständlich, wenn auch andere Combinationen des Formal¬
dehyd zur Verwendung als Pulver dargestellt sind. Ein solches
Antisepticum in Pulverform, dessen wirksamer Bestandtheil, das
Formaldehyd, im Contact mit der Wundfläche zur Geltung kommen
soll, wurde im Frübliug 1896 von Prof. Kobert der chirurgischen
Poliklinik übermittelt und hier gleichzeitig mit dem Glutol Schleich,
dem es in seiner Wirkung ähnlich ist, geprüft.
l ) Schleich, Therapeutische Wochenschrift, 15. März 1896.
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8Ö0
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Das neue Präparat, ein c Condensationsproduct aus Casein
und Formaldehyd », dargestellt von E. Merck in Darmstadt,
bildet ein gelbliches gröberes Pulver und besitzt weder einen
hervortretenden Geruch, noch bemerkenswerthen Geschmack. Zur
klinischen Verwendung kam dasselbe als Pulver und in Form von
Tampons, als Formaldehyd-Caseingaze, welch' letztere in einfacher
Weise durch Einstreuen des Pulvers in an gefeuchtete Gaze jedesmal
vor dem Gebrauch hergestellt wurde. Wenige angeführte Ausnahmen
abgerechnet, kamen diejenigen Wunden, die der Formaldehyd-Casein-
Behandlung unterlagen, mit anderen antiseptischen Mitteln nicht
in Berührung; Wasser, Seife und Alkohol dienten zur Reinigung
der umgebenden Haut, sterile Kochsalzlösung zum Abtupfen der
Wundsecrete. Angewandt wurde das Formaldehyd-Casein insgesammt
bei 25 Fällen, die einen IJebcrblick Uber seine Brauchbarkeit bei
frischen Verletzungen, granulirenden Wunden, Abseessen, Furunkeln,
Panaritien, Lymphangoitis und Lymphadenitis, schliesslich bei Ulcus
molle und Cbancre mixte gestatten.
Auf frische Wunden gebracht, verhielt sich das Formal¬
dehyd-Casein derart, dass das auf gestreute Pulver mit dem Blut
gemischt beim ersten Verbandwechsel die Wunde als braunweisscr
Schorf bedeckte. Die Wundränder und die umgebende Haut er¬
schienen reactionslos, nach Abheben des Schorfes präsentirte sich
der Grund frei von Eiter. Unter diesem Schorf vollzog sich die
Heilung in kürzester Zeit. Ebenso heilte eine Quetschwunde von
2 MarkstückgröBse reactionslos und schnell. Hervorzuheben ist,
dass die übliche Reinigung und Dcsinfection der Wunden an
diesen Kranken unterlassen wurde. Ich puderte, ohne weitere
Vorbereitung, das Formaldehyd-Casein auf die Wunde und legte
darüber einen Verband aus sterilen Compressen an. In einem
weiteren Falle, einer Risswunde am Unterschenkel von 5 cm
Länge, konnte das in gleicher Weise angewandte Präparat Eiterung
nicht hindern, die eitrige Sccretion war 3 Tage eine stärkere,
später gering, doch erfolgte der vollkommene Schluss der Wunde
erst am 16. Tage. Gering war die desinficirende Wirkung des
Formaldehyd-Caseins bei Verwundungen der Mundschleimhaut.
Als weniger günstig müssen die Erfolge dort bezeichnet
werden, wo Eiterung und gleichzeitige Granulationsbildung vor¬
handen war. Im Allgemeinen lies» sich beim Verbandwechsel
nach 24 Stunden das Formaldehyd-Caseinpulver auf den Granu¬
lationen nicht mehr erkennen, nur auf der umgebenden Haut
fanden sich einige gequollene Körnchen als Reste des Verband-
mittcls. Die Beschränkung der eitrigen »Secretion an solchen
Wunden trat aber nach dem ersten Verbände nicht ein; erst
nach 3- oder 4 maliger Anwendung verminderte sich dieses Secret
und zwar beträchtlich. So war z. B. bei mehreren eitrig infi-
cirten Schnittwunden des Handrückens, welche eine Phlegmone
im Gefolge hatten, am 4. Tage die Secretion unter Formaldehyd-
Casein, eine mässigo zur baldigen Heilung überleitende geworden.
7 Tage brauchte ‘eine granulirende Wunde am Oberarm von der
Grösse eines Fingernagels zur Heilung. Auch wurde das Gra-
nulafcionsgewebe insoweit günstig beeinflusst, als hypertrophische
Granulationen sich nicht bildeten. Vielmehr sahen die Granu¬
lationen derb und frisch roth aus, ohne zu wuchern oder sonst
ixx erkranken. Die Ucbcrhäutuug förderte das Präparat nicht,
dagegen zeigten sich auf der umgebenden Haut keinerlei Beiz¬
erscheinungen, ja es Hess sich gut an solchen Stellen verwenden,
an denen ein Ekzem unter den früheren Verbänden entstanden
war, oder an Kranken, deren Disposition zum Jodoformekzem uns
von früher bekannt war.
Soweit dies bei der kleinen Zahl der Beobachtungen möglich ist,
gewinnt man bei diesen Fällen den Eindruck, dass das Fonnaldehyd-
Casein zu schnell gelöst, resp. durch den gebildeten Eiter von der
Wundfläche fortgeschwemmt und von den Verbandstoffen aufgesaugt
wird, als dass die Vorzüge eines antiseptischen Dauerverbandes
in gleioher Weise zur Geltung kommen könnten, wie sie beispiels¬
weise beim Jodoform, Airol u. a. sich zeigen. Die relativ
schnelle LösHchkeit macht auch einen öfteren Verbandwechsel
Dothwendig.
Bei Abseessen, Panaritien etc. wurde das Fonnaldehyd-Casein
in Form der Tamponade angewandt, wobei es selbstverständlich
erscheint, eine besondere Beeinflussung vom Fonnaldehyd-Casein
nicht zu erwarten, da ja die Mikroorganismen eingeschlossen in
No. 38
nekrotischos oder infiltrirtes Gewebe gegen den Contact mit dem
Formaldehyd-Casein geschützt sind. Allerdings ging die Ab-
stossung des Nekrotischen schnell vor sich, doch die Eiterung
versiegte erst nach der vollkommenen Ausstossung der nekroti-
sirten Gewebsmassen, so beispielsweise nach der Eröffnung eines
kindskopfgrossen Abscesses unter dem Pectoralis in der 2. Woche.
Nach Spaltung eines faustgrossen Abscesses am Unterkiefer eiterte
die Höhle nach 24 Stunden noch profus, am 2. Tage verminderte
sich die Secretion und am 7. Tage konnte der Verband fort¬
gelassen werden. Ein zweiter gleicher Fall brauchte 8 Tage zw
Heilung; beidemal war der Eiter unmittelbar nach dem Schnitt
höchst übelriechend, er verlor unter der Behandlung mit Formal-
dehyd-Casein den Geruch nach 24, resp. 48 Stunden. Formal-
dehyd-Casein mit dem Eiter der oben erwähnten Abcesse gemischt
und getrocknet, hatte nur wenig desodorisirende Wirkung. Aehn-
licli eiterten Furunkel bis zur Ausstossung des nekrotischen
Pfropfes und heilten dann schnell.
Irgend welche Fernwirkungen Hessen sich vom Formaldehyd-
Casein kaum erwarten und waren auch nicht zu beobachten. So
breitete sieh z. B. nach der Spaltung eines Abscesses die Lyrn
pbangoitis des Unterschenkels, deren Ausgangspunkt eine Eiterung
Uber dem Calcaneus war, noch einige Tago weiter aus. Aehnlich
griff eine Eiterung in der Flcxorenscheide eines Fingers, trotz
der Formaldehyd-Casein-Tamponade nach Spaltung auf den bis dahin
freien Abschnitt der Sehnenscheide zur Ilohlhand za über und
gleicher Fälle mehr.
Auf den Infectionsträger des Ulcus molle wirkt das Formal¬
dehyd-Casein ebenfalls, wenn auch erst nach mehrmaliger Anwen¬
dung. Bei einem Kranken hatten sich die 6 vorhandenen Ulcera
am 6. Tage gereinigt. Das Ulcus molle eines andern Kranken
heilte trotz beträchtlicher Grösse in 14 Tagen. Ein Cbancre
mixte verlor zwar die Eigenschaften eines Ulcus molle, doch blieb
der harte Schanker unbeeinflusst, letzterer überhäutete nach Fort¬
lassen des Formaldehyd-Casein in 6 Tagen unter Calomel und
Kochsalzlösung.
Rcsumd.
Das Fonnaldehyd-Casein hat schwach antiseptische Eigen¬
schaften , ohne die Mikroorganismen der Eiterung stärker zu be
cinflussen, wie andere Antiseptica. Es kann die Eiterung frischer
Wunden verhindern, wenn diese nicht von vornherein stark inficirt
waren.
Eiternde granulirende Wunden beeinflusst Formaldehyd-CWm
langsam durch Beschränkung der Eiterung und adstringirende
Wirkung auf die Granulationen.
Eine Eiterung, die durch nekrotische Gewebsfetzen unter¬
halten wird, ist durch Formaldehyd-Casein kaum zu beeinflussen;
erst wenn dasselbe nach Abstossung der nekrotischen Theile auf
das Gewebe wirkt, vermag es die Secretion einzuschränken.
Wirkungen auf grössere Entfernungen, z. B. von einer Wunde
aus auf die inficirten Lymphbahnen, kommen dem Fonnaldehyd-
Casein nicht zu. Auf die Haut wirkt es nicht reizend, ja auch
ekzematöse Stellen der Haut hindern die Anwendung des Bormal-
dehyd-Casein nicht. Das Ulcus molle wird durch das Präparat
langsam, das Ulcus durum gar nicht beeinflusst.
Allgemeine Wirkungen oder Vergiftungen waren nicht n
beobachten.
Im Ganzen erscheint das Formaldehyd-Casein in seiner
Wirkung dem Glu toi ähnlich. Besonders ist die Bildung eines
aseptischen Schorfes bei frischen Wunden beiden eigenthümlich.
während ihre Wirkung auf eiternde Wunden nur eine beschränke
ist. Ob die Präparate sich in die Praxis einbürgern werden,
müssen weitere Beobachtungen lehren.
Zur Behandlung der Angina phlegmonosa s. Periton¬
sillitis abscedens.
Von Dr. L. Grünwald.
Der gleichlautend überschriebene Aufsatz J. Kill in n 8 ' D
No. 30 dieser Wochenschrift ist mir leider erst jetzt zur Kennt
niss gekommen. Ich möchte nämlich nicht versäumen, e
dortigen Ausführungen auf’s Lebhafteste zu empfehlen, dann*
ja nicht durch das rasch rollende Rad der inedicinischen Publicist
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in den Staub der Vergessenheit gerathen. Ich habe selbst seit
geranmer Zeit die ganz gleichen Erfahrungen gemacht und genau
das gleiche Verfahren befolgt und bin damit viel besser gefahren
als jemals vorher.
Auch sehr tief liegende, noch nicht reife Abscesse lassen
sich von der fossa supratonsillaris aus sehr bequem stumpf er¬
reichen und der Grund ist ganz einfach der, dass die Infcction
selbst gerade diesen Weg beschreitet. So bewährt sich auch hier
die bei der Aufsuchung tief gelegener peripher entstandener
Eiterungen jetzt immer mehr durchdringende Anschauung, wonach
man den Eiter am besten auf seinem eigenen Wege aufsueht.
Ich habe denn auch den beschriebenen Weg zuerst aus
der theoretischen Erwägung begangen , dass, entgegen den noch
immer etwas mehrdeutig schwankenden Anschauungen über das
Entstehen der Peritonsillitis, die typischen Formen derselben
immer aus Infeetionen seitens des erkrankten Mandelparenchyms
resp. durch dasselbe hindurch entstehen.
Die Erkenntnis dieses Zusammenhanges gewinnt noch au
hoher Wichtigkeit dadurch, dass man dann, und meiner Erfahrung
nach mit Recht, getrost sagen darf: ein peritonsillärer
Abscess, dessen Aufsuchung von der fossa supra¬
tonsillaris aus nicht gelingt, ist gar nicht von der
Mandel ausgegangen. Ich habe vor Kurzem eine Phleg¬
mone des vorderen Gaumenbogens und weichen Gaumens über der
linken Mandel gesehen, die dem gewöhnlichen Peritonsillarabscess
so ähnlich sah wie ein Ei dem andern. Beim Vordringen durch
die fossa supratonsillaris kam man nicht weit, es entleerte sich auch
nichts. Aus diesem Verhalten zog ich ohne weiteres den Schluss,
dass die Infectiou gar nicht von der Mandel ausgehe. Eine
anderweitige Infectionsquelle, im Bereiche dss Mundes wenigstens,
lag nur in den cariösen Zähnen. Ich entfernte u. A. den stark
angefressenen III. Mol. inf. sin. Durch die Hinterwand seines
alveolus gelangte ich dann sofort in eine gut wallnussgros.se mit
hochgradig stinkendem Eiter gefüllte Höhle, die sich nach aussen
bis zum M. pterygoid. int. erstreckte.
Die Erkenntnis« dieses, meines Wissens überhaupt noch
nicht bekannten Zusammenhanges würde sicher in dem beob¬
achteten Stadium, vielleicht aber überhaupt, nicht gelungen sein,
wenn nicht die oben dargelegten Erwägungen und Erfahrungen
geleitet hätten.
Doch sind es nicht diese diagnostischen, sondern vielmehr
noch die praktisch hochwichtigen Gründe der Therapie, welche
mich veranhissten, hier den College» nochmals die K i 11 i a ii ' scheu
Ausführungen auf’s Wärmste an's Herz zu legen.
Modificirter transportabler Sterilisationsapparat für
Verbandstoffe und Instrumente.
Von Dr. Krona eher in München.
Der von mir angegebene und in dieser Wochenschrift
(No. 46, 1894) beschriebene transportable Sterilisateur bat sich
rasch viele Freunde erworben.
Die Asepsis, die in Kürze sich Bahn gebrochen hat, bedingt
es, dass solche Apparate nunmehr zum eisernen Bestände des ärzt¬
lichen Instrumentariums gehören. Aus diesem Grunde habe ich
es mir zur weiteren Aufgabe gemacht, die vorhandenen Mängel
des genannten Apparates zu beseitigen und ihn einfacher und
praktischer als seither zu gestalten, was ich auch erreicht zu
haben glaube.
Im Nachfolgenden gebe ich in aller Kürze mit Hinweis auf
die oben citirle erste Publication, sowie auf die jedem Apparat
beigegebene Gebrauchsanweisung, die Modification wieder: «Der
Sterilisateur existirt vorerst wie bislang in zwei Modellen, eines
für chirurgische, ein weiteres für chirurgische und geburtshilfliche
Zwecke, ein drittes, sog. Taschenmodell, wird demnächst folgen.»
Die Modification berührt im Wesentlichen zwei Punkte :
ad I. Während bisher Verbandstoffe und Instrumente getrennt
sterilisirt wurden, ist der Apparat jetzt dermassen gestaltet, dass
beides zugleich geschehen kann.
Die Instrumentenpfanne dient zugleich als Dampfentwickler;
der unten mit einem Falz versehene Kasten (A) wird behufs
Sterilisation auf die Pfanne (B) aufgesetzt. Ein eingelegter Filz¬
streifen schliesst das Ganze derart ab, dass weder Dampf noch
Wasser zwischen beiden Theilen entweichen kann.
Die zugesetzte Sodamenge ist den Verbandstoffen in keiner
Weise nachteilig, auch im Dampfe in sehr geringer Concentration
vorhanden.
ad II. Von wesentlicher, praktischer Bedeutung ist die
folgende Modification :
«Während früher die Verbandstoffe nur am Orte der Opera¬
tion u. a. sterilisirt werden konnten, oder andernfalls für einen
event. Transport eigene Büchsen nöthig waren, ist der Verband¬
kasten jetzt dermassen eingerichtet, dass er nach der Stcrilisiruugs-
zeit abgeschlossen und gewissermassen als Verbandbüchse trans-
portirt werden kann.»
A.
V rbandkaaten.
B.
Dtuapfentwickler
be*w. Instrumenum-
pfanne.
Apparat in Funktion.
Der mit einem Drahtboden versehene Kasten (A) ist mittelst
eines darunter liegenden verschiebbaren Metallbodens zum Oeffnen
bezw. iScliliesseii vor und nach dem Sterilisiren eingerichtet; der
Deckel besitzt für
seine centrale
Oeffming eine um
einen Stift dreh¬
bare Mctallseheibe,
ebenfalls zuin Ab¬
schluss berechnet.
Das Ganze kann
also, wie bereits
gesagt, auf diese
Weise völlig ab- Apparat mit seinem ganzen Inhalte,
geschlossen werden.
Eine Anzahl kleinerer Neuheiten, wie besseres Stativ u. A.
gestalten den Apparat noch weiterhin einfacher.
Die beiden Zeichnungen stellen denselben geschlossen und
functionirend dar; Verbandkasten = A, Instrumentenpfanne bezw.
Dampfentwickler = B.
Der Apparat in seiner jetzigen Modification wird von der
Firma C. Stiefcnkofer (E. Wizemann), Karlsplatz 5, her¬
gestellt; gewöhnlich wird derselbe aus Zinkblech, auf Wunsch aus
Nickelin gefertigt. Der Preis ist ein massiger, wenn auch etwas
höher als sonst.
Die Metallschlauchsonde im Dienste der klinischen
Diagnostik, insbesondere des Magen-Darmcanals.
Von Dr. Kranz Kahn, Assistent der chirurgischen Klinik zu
Giessen.
(Fortsetzung.)
b) Die Metallschlauchsonde.
Aus diesen kritischen Betrachtungen des Instrumentariums,
wie wir es zur Stunde in den Fragen der Magen- und Dann¬
diagnostik verwendet sehen, ergeben sich die Wünsche und An¬
forderungen für neue Apparate von selbst. Dieselben fasse ich
am besten zusammen, indem ich die Grundidee, die mir für die
Herstellung neuer Instrumente stets vor Augen schwebte,
definire als «einen sozusagen automatisch, mit einer
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gewissen Wahl und Eigenbestimmung vordringenden
Sondenapparat, der am besten hohl zu eonstruiren
ist, um auch in gewissem Sinne als ei ne Art Specu lum
für den Magen-Darmtractus zu dienen».
Bei dem Worte « Spcculum » denke man allerdings nicht gleich
an ein Hineinsehen in die Tiefen eines fraglichen Darmabschnittes,
auch nicht an die Weite eines der gebräuchlichen Specula für
Mastdarm oder Vagina. Ein Darmcanal - Specu]um hätte zu¬
nächst nur die Aufgabe, den Darm bis zur fraglichen Stelle
zugänglich zu machen, ihn dann allerdings auch zugänglich zu
erhalten, d. h. die Einführung anderer Apparate oder weiterer
Instrumente an die gewünschte Stelle leicht zu gestatten, sei es
zu Sondirungszwecken oder zu diktatorischen oder sonstigen thera¬
peutischen Maassnahmen, oder zur Ermöglichung einer combinirten
Untersuchung etc. Die Anwendungsweise eines solchen Darm-
speculums vergleicht sich direct mit der eines Spcculum für andere
Organe des menschlichen Körpers, auch wenn in unserem Falle
für das Auge ein Zugang nicht geschaffen wird.
Wie aber ist die Einführung eines Sondenapparates, sei es
welcher Art immer, in ein so bewegliches, so zartes und verletz¬
liches, so vielfach gewundenes Organ, wie es der menschliche
Dann darstellt, auf so grosse Entfernungen möglich? Wie muss
ein derartiges Rohr beschaffen sein?
Die Lösung dieser schwierigen Fragen gab ein Blick auf die
Natur, auf dort sich vollziehende Vorgänge, die analog dem Vor¬
gang sind, wie ihn die Darmsondirung in letzter Linie darstellen
musste. In der Natur waren Gebilde aufzusuchen, die ohne fort¬
bewegende Anhänge, d. h. sj>ecifLscbe Bewegungsorgane, sich durch
enge Stellen bewegen, z. B. Würmer, Spirillen. Und cs war ohne
Ucberlegung klar, dass solchen, z. B. wurmartig gebauten Individuen,
in welchen Dimensionen immer man sie ausgeführt dachte, das
Darmlumcn passirbar wäre.
Gelang cs also, ein vielleicht wurmartig sich fortbewegendes
Gebilde zu schaffen und gelang es gleichzeitig, diesem Gebilde
eine sozusagen willkürliche Eigenbewegung beizubringen, so war
die Eindringbarkeit desselben in das Innere des Darmcanales sehr
gut denkbar.
Dabei war für bestimmte Zwecke eine Trennung von Speculum
und fortbewegenden Kräften anzustreben, dadurch, dass die letzteren
im Innern des Rohres und am Rohre selbst, bald in der Mitte, bald
vorne etc. angriffen. Der Kernpunkt der zu erstrebenden Construction
lag demnach zunächst in der segmentirten Gliederung des Apparates,
im Wesentlichen nach dem Princip eines Ringelthicres, wobei wo¬
möglich jedem einzelnen Segmente im gegebenen Augenblicke eine
beliebige Eigenbewegung nach vorne oder nach hinten oder nach
der Seite oder um seine Achse gegeben werden konnte.
Nach langer und beschwerlicher Umschau auf technischen und
anderen Gebieten, und vielen vergeblichen Versuchen mit mög¬
lichen und unmöglichen Constructionen aus Gummi und Sonden,
endigte ich bei dem Princip der Metallspiralen, wie sic zur
Zeit bereits zu verschiedenen technischen Zwecken in Anwendung
sind, allerdings für meine Zwecke in ganz besonderen Modifieationen.
Nach den Ergebnissen meiner eingehenden Versuche auf
diesem Gebiete, werde ich für die nächste Zukunft Combinationen
ganz verschiedener Arten von Spiralen aus Drähten und Bändern
von ganz verschiedenem Querschnitte, aus verschiedenem Metall,
in wechselnder Stärke und Dicke, von verschiedener Weite und
Wanddicke, mit verschiedener Auszichbarkeit und Verkürzbarkeit
verwenden, je nach der Aufgabe, die ich dem einzelnen Rohre
zudenke; dabei werden nämlich die meisten Spiralen einen inneren
Hohlraum behalten, also Röhren darstellen, doch sind auch solidere
Stäbe gelegentlich anwendbar. Jedenfalls behalte ich mir den
Ausbau dieses Gebietes und Aenderungen in den Einzelheiten
derartiger Instrumente ausdrücklich vor.
Auch glaube ich, mit meinen Modellen und durch ihre
wechselnde Combination thatsächlich viele Wünsche verwirklichen
zu können, die wir für die Magen-Darmsondirung haben. Zum
Theile ist dies bereits erreicht.
Auf welch’ vielseitigen Wegen dies möglich ist, versuchen
wir nun im Folgenden des Näheren zu zeigen, und zwar am ein¬
fachsten, indem wir Ihnen alle die Eigenschaften und Verwendungs¬
weisen derartiger Spiralconstructionen im Einzelnen vorführen.
No. 3 8.
Wir bitten dabei im Voraus den Leser um Entschuldigung,
wenn diese Darstellung einer rein mechanischen Frage etwa
trocken und langweilig erscheint. Trotzdem können wir die viel¬
seitigen Gesichtspunkte nicht kürzer erschöpfend behandeln, wenn
wir sie alle im Zusammenhang bringen wollen, um uns auf sie
in allen späteren klinischen Aufsätzen zu beziehen.
1. Eine Spirale aus Metalldraht oder Metallband hat zunächst
jede gewünschte Art von Biegsamkeit, über die Biegsamkeit der
so viel verwendeten N ela to n'schen Sonden, Bougies und Katheter
für Magen, Darm und Blase weit hinausgehend, wenn man
unter dieser Behauptung das Offenbleiben des Lumens selbst bei
den stärksten Biebtungsäuderungen versteht. Eine solche Spirale
biegt sich nämlich nie spitzwinkelig, sondern immer im Bogen,
ein Verlegen des Lumens, wie beim Abknicken eines Schlauch«,
ist also undenkbar.
Die Grösse der Biegsamkeit bängt direct von der Art der
Ooustruction und der Wahl des Metalldrabtes ab; Röhren aus
übereinander greifenden Metallstreifen sind starrer, dagegen Spiralen
aus Draht können in jeder erdenklichen Geschmeidigkeit geliefert
werden.
Die Gefahren bei der Einführung derartiger Spiralen in
Körpercanäle sind also nicht im Mindesten grösser, wie die eines
jeden Schlauches nach der Angabe von Ne lato n.
Bei der grossen Biegsamkeit dieser Spiralrohre folgen die¬
selben jeder Krümmung eines Kürpercanales mit der grössten An¬
passung und mit sehr geringem Widerstreben durch Eigeuspanmuig,
und bleiben auch, einmal cingeführt, mit sehr geringer Spannung
in der eingenommenen Form und Richtuug liegen. Andererseits
hat die Biegsamkeit unserer Rohre, namentlich der aus Bändern ge¬
wickelten, wieder, in der vorteilhaftesten Weise für unsere Zwecke,
ihre angenehmen Grenzen ; ein Umkuicken oder scharfwinkeliges Ab¬
biegen ist, wie oben berührt, nicht möglich; ein Vorzug, der für
die Sondirung von Canälen des Körpers nicht hoch genug an¬
geschlagen werden kann.
2. Die Metallschläuche und Spiralen können auf der Ober¬
fläche sehr glatt gemacht, selbst polirt werden. Auch gelingt es,
nach dem patentirten Verfahren von Pichler in Frankfurt,
durch einen eingelegten Gummifaden die Röhren luftdicht zu
machen, während eine metallene Aussen- und Innenfläche erhalten
bleibt.
Da aber bei Biegungen und Krümmungen auch die glatten
Schläuche und Köhren entsprechend ihrem spiraligen Bau
Kanten zeigen werden, so wird es für Schleimhäute und im
Interesse eines besseren und sehonenderen Gleitens an denselben
nöthig sein, die Aussenfläche der Metallrohro mit einem Gummi-
bezuge zu versehen. Dieser Bezug ist sehr glatt, ferner sehr
dünn und geschmeidig; das letztere namentlich um die Eigen-
thümlichkeiten der Spirale nicht zu beeinträchtigen, vielmehr alle
Vortheile derselben im Interesse der Sondirung zur Geltung und
Ausnützung kommen zu lassen.
Doch muss der Bezug unter allen Umständen abnehmbar
sein, eine Forderung, die im späteren ihre Erklärung findet. Auch
würde abgesehen von den Gründen der Reinlichkeit und Sterilisir-
barkeit, ferner der Dauerhaftigkeit uud leichten Erneuerung der
Bezüge, das Metall unter einem dauernden Gummibezuge leiden.
3. Die Spiralröhren sind nicht zusammendrückbar wie ein
Schlauch aus Gummi, sondern ihr Lumen ist jederzeit im ganzen
Verlaufe gleich weit, eben ganz dem Begriffe eines Speculum
entsprechend, also jederzeit für einzuführendc Instrumente gleich
gut zugänglich, falls eben diese anderweitig den vorhandenen
Krümmungen ungefähr sich anpassen.
Dabei kann man, ohne den Vorzug dieser Nichtzusammen-
driiekbarkeit der Röhre aufgeben zu müssen, in der Wahl der
Dicke des Metallstreifens, der durch spiralige Aufwicklung die
Röhre bildet, bis zu sehr erheblicher Dünnheit des Metall'*
herabsteigon, namentlich wenn die Windungen übereinander greifen.
Kommt hiezu noch die Annehmlichkeit, dass man die Metalle
beliebig auswählen kann, für das Rohr also auch Aluminium ver
wenden darf, so lassen sich die Metallschläuche in der erdenklichsten
Leichtigkeit, leichter wie alle seither zu den fraglichen Zwec en
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angewandten Rohreonstructionen aus Gummi oder Seide etc. etc.,
hersteilen.
An dieser Stelle, wo von dem Lumen meiner Spiralconstruction
die Rede ist, möchte ich, um späteren Missverständnissen vorzu¬
beugen, gleich betonen, dass ein Lumen zunächst wohl allen
Spiralen, auch den dünnsten bleiben wird. Doch bemerke ich
ausdrücklich, dass dasselbe und vor Allem seine Zugänglichkeit,
sowohl für die Verwendung an Speiseröhre und Magendarmcanal,
als auch im Gebiete der Harn- und Geschlechtsorgane des Mannes
und Weibes für meine Apparate nicht principiel! ist. Löthstellen
z. B. allein könnten dies schon verhindern, auch könnte eine
engste Wicklung oder nöthig werdende Doppelwicklungen das
Lumen für einen Zugang zu eng machen oder verlegen, oder
es könutc der Fall sein, dass ich z. B. für Bougics etc. etc.
von vornherein auf ein Lumen ein für allemal verzichte und das¬
selbe mit einem anderen Körper, sei es z. B. Gummi oder ein
Faden oder etwas anderes, ausfüllc, oder mindestens die Enden
meiner Spiralröhren und Röhrchen stumpf vorlöthe und abrunde.
Dass aber trotzdem ein derartig entstehendes Bougie oder ein
Katheter etc. demselben Ideengange, wie ich ihn hier nieder-
lcge, entspringt, wird doch kein sachlicher Beurtheiler läugnen.
Ebenso nicht, wenn ich etwa lange, weiche Gummirohre
oder Gummischläuchc mittels solcher Spiralconstructionen, die noch
nicht einmal das Lumen der Gummiröhren auszufüllen brauchen,
in Küri>ereanäle oder Höhlen, oder in Wunden und Fisteln etc. etc.,
einführe.
Dies Alles sei nur desshalb erwähnt, weil das Spiralprincip
begreiflicher Weise bis jetzt schon in manchen kleinen Fragen
zu Construetionen zu diesem oder jenem Zwecke Anwendung
fand; trotzdem möchte ich al>er doch alle die erwähnten weiteren
Anwendungen, zu denen diese hier niedergelegten Deductionen
zum ersten Mal der» Weg eröffnen, eben auch als deren geistige
Kinder betrachtet sehen 14 ).
4. Neben dem Vorzug, eil» allezeit gleich weites und gleich
zugängliches Lumen zu haben, kommt den Metallspiralconstruetiouen
der Vortheil zu Gute, eben aus Metall zu sein. Abgesehen von
der Unverwüstlichkeit haben aber Metalle die Annehmlichkeit, gut
aufeinander zu gleiten ; so gleiten eben auch, wie die Versuche
lehren, Stahlspiralen selbst bei starken Windungen der ineinander
gesteckten Rohre, sehr gut ineinander, und dünnere Stahlspiralen
aus ziemlich dickem Draht in Rohren aus dünnen Metallstreifen
noch besser, selbst wenn die einander zugekehrten Flächen nicht
einmal sehr glatt gearbeitet sind.
Auf diese Beobachtungen gestützt, ist die Einführung anderer
Instrumente in ein biegsames Magcndarmrohr sehr wahrscheinlich
gewesen, und wie meine diesbezüglichen Versuche zeigen, eben
auf grosse, me terwei te Entfernungen, auch hei stärkeren Win¬
dungen ohne grosse Reibung möglich, somit auch auf diesem Wege
feinere Sondiruug uud feinere sonstige Manipulationen ausführbar.
Umgekehrt ist aber auch, (eine metallene Ausscnfläehe eines
bereits in den Körper eingelegten Metallrohres vorausgesetzt), über
das bereits einliegende Rohr ein Ueher.schieben eines zweiten, ent¬
sprechend weiteren Rohres, ohne Gefahr für den Darm möglich,
wenigstens bis zu einer gewissen Länge.
5- Die vollständige Passivität eines nach obigen Motiven eon-
struirten Metallsehlauches einer jeden mitgetheiltcn Bewegung
gegenüber einerseits, andererseits die leichte Zugänglichkeit jeder
beliebigen Stelle im Verlaufe desselben für angreifende Kräfte von
Innen her, und Instrumente, die auf dem Wege des Spiralprincipcs
Bewegungen auf dem Iunenwoge, also ohne Gefahr für den um¬
liegenden Darm übermitteln, gestattet es dem Untersucher, den
Röhren gleichsam eine Art Eigenbewegung an jeder beabsichtigten
Stelle, am Kopfe, in der Mitte, hinten zu geben, eben jedes
Segment der Röhre in seiner Bewegung und Stellung willkürlich
,4 ) Uebrigens muss ich bemerken, dass auch, Dank dem freund¬
liehen Entgegenkommen der mir persönlich bekannten Inhaber der
vereinigten Verbandstoff-, Gummiwaaren- und Instrumentenfabriken
Evens und Pistor in Kassel, welchen gesetzlich auch die Allein¬
herstellung der einschlägigen Instrumente zukommt, alle technischen
Schwierigkeiten so weit gelöst wurden, dass weitgehenden con-
structiven Ansprüchen gedient werden kann.
No. 88.
zu beeinflussen, ferner auch jeden Augenblick dem Rohre jeden
beliebigen Grad von Starrheit oder Geschmeidigkeit an beliebiger
Stelle oder in toto zu geben.
Dass durch diese Möglichkeiten die Einführung dos Rohres
in den Magen-Darmcanal sehr erleichtert wird, bedarf keiner be¬
sonderen Erklärung; man braucht ja nur, wie leicht möglich,
sich mittels Spiralen Greifinstrumente zu schaffen, mittels deren
man an jeder Stelle der Innenfläche des Rohres anfassen kann.
Ferner wird auf ähnlichem Wege eine bessere Anpassung
des bereits einliegenden Rohrabschnittes an den Darm in ausser¬
ordentlich schonender Weise besorgt. Denken wir uns z. B. circa
1 m Darmrohr einliegen und führen wir in das Innere desselben
einen mittclstarren Drahtstab aus Spiraldraht ein und reiben mit
demselben einige Male im Innern des Rohres kräftig hin und her,
dann legen sich in dem lebenden Darme mit seiner Peristaltik
und in einem Abdomen mit seiner Bauchpresse und sonstigen
Musculatur die einzelnen, so leicht nachgiebigen Segmente des
Schlangeurolires in die jeweilig geeignetste Stellung und Lage
gegenüber dem Darminnern. Durch diesen immerhin schonenden
Reiz wird eben der Darm dem einzelnen Segmente des Rohres
gegenüber peristaltisch activ und lagert es in die ihm jeweils
passendste Lage.
Unterstützt wird die oben genannte «Belebung jedes ein¬
zelnen Rohrsegmentes», wie man diese Mittheilung von willkür¬
licher Bewegung nennen kann, die in ihrem Effecte den will¬
kürlichen Bewegungen eines lebenden Ringelthieres nahekommt,
noch durch die in der Rohreonstruction vorgesehene Verschieblich¬
keit der llohrsegmento gegen einander in der Längsrichtung, d. h.
die vorhandene Verkürzbarkeit und Verlängerbarkeit des ganzen
Metallrohres.
Wenn nämlich die Spiraltourcn (bedingt durch eine ent¬
sprechende Formung des Querschnittes des Metallbandes, aus dem
die Röhre gewickelt ist), theilweise über einander greifen, so lässt
man ihnen einen mehr oder minder grossen Spielraum gegen
einander. Nur auf diesem Wege kommt ja auch die Biegbarkeit
des Rohres zu Stande.
Eben diese Beweglichkeit der Segmente in der Längsrichtung
aber erleichtert, wie gesagt, das Vorrücken z. B. des Kopfes und
der vorderen Lehrabschnitte ungemein, weil das Nachfolgen des
hinteren Rohrendes nicht gleichzeitig mit dem Vorrücken des
Kopfes zu erfolgen braucht, sondern erst secundär durch Nach-
sehicben bewerkstelligt werden kann. Und diese successive Ver-
theilung einer einem Theilc mitgetheiltcn Bewegung auf folgende
Segmente gilt für das Metallrohr in seiner ganzen Länge.
Bei der geschilderten Ab- und Zunahme der Länge des
Metallrohres braucht die Verschiebung der einzelnen Metallringe
gegen einander nicht an der äusseren Peripherie des Rohres, d. h.
an der Darmseh leimhaut zu erfolgen, sondern sie kann selbst bei
Uebergreifen der einzelnen Segmente sehr leicht gegen die Achse
zu verlegt werden; sonach ist die Schleimhaut nicht durch Ein¬
klemmen etc. gefährdet. Uebrigens schliesst ein dünner Gummi-
Überzug, wie oben erwähnt, nach dieser Richtung jedes Bedenken
aus und wäre derselbe ja auch bei einer einfachen Spirale aus
drehrundem Stabldraht der Wasserdichtigkeit wegen nicht zu
entbehren.
6. In Folge des leichten Gleitens im Inneren des Rohres
und auch jeder weiteren, nötigenfalls eingelegten Mctallspiralc,
ist natürlicher Weise auch ein Sondiren über den Kopf der Sonde
hinaus sehr gut ausführbar.
Der von dem Rohre einmal eroberte Tlieil des Darmrohres
gilt für alles fernere Sondiren als festgelegt, gewonnen und be¬
kannt ; gleichzeitig aber ist der folgende Theil des Darmrohres,
der auch Gegenstand der Erforschung sein soll, der Sondirung
fast so freigclcgt, wie ein Theil der Körjieroberfläche, da durch
das leichte Gleiten der dünnen Sonden aus Spiraldraht die Zartheit
und Empfindlichkeit des Fühlens für die sondirende Hand auf
weite Strecken nicht zu sehr beeinträchtigt wird. Auch andere
Instrumente, seien cs cxplorative oder diktatorische, mit Gummi¬
ansätzen versehen oder mit aufblasbaren Gummiballons etc., sind
auf diesem Wege bis zur fragliehen Stelle einführbar.
Dieses Moment, in Verbindung noch mit der später zu er :
örternden Einleitung von Wasser durch die Spiralrohre oder Ein-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
blasen von Luft durch dieselben, gestatten es dem Untersuchenden,
das noch zu erobernde, vor der Schlauchspitze liegende, dunkle
Gebiet des Darmes für das fernere Eindringen des Schlauches in
beliebiger Weise zu präpariren. Dabei ist natürlich auch noch in
nicht zu unterschätzender Weise mit der Peristaltik des Darmes,
der auf die verschiedenen Manipulationen in seinem Inneren in
bestimmter Weise mit Bewegungen reagiren wird, als mechanischem
Hilfsmoment zu rechnen. (Schluss folgt.)
Referate und Bücheranzeigen
Prof. Dr. E. von Leyden und Dr. F. Schaudinn:
Leydenia gemmipara Schaudinn, ein neuer, in der
Aseites-Fl&ssigkeit des lebenden Menschen gefundener
amoebenähnlicher Rhizopode. Mit einer Tafel. Sitzungs¬
bericht der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin vom 30- Juli 1S96-
Das Untersuchungsmaterial stammt aus der ersten medici-
nischcn Universitätsklinik des Prof. v. Leyden in Berlin und
fand die weitere Erforschung in dem zoologischen Institut des
Prof. Eilhard Schulze durch dessen Assistenten Dr. Schau¬
dinn statt. Im März d. J. wurde in die Leyden'sehe Klinik
ein 22 jähriges Mädchen aufgenommen, das seit September vorigen
Jahres an einem Herzfehler erkrankt war, der eine colossalc Bauch¬
wassersucht zur Folge hatte. Behufs Beseitigung der angesam¬
melten Flüssigkeit wurde eine Punction des Bauches gemacht und
dabei 8 Liter Flüssigkeit entleert. Im weiteren Verlaufe wurde
noch 17 mal die Punction ausgeführt und nach derselben jedes¬
mal das Vorhandensein knolliger Geschwülste im Unterleibe con-
statirt, die auf eine bösartige Neubildung schliessen lassen. Die
entleerte Bauchflüssigkeit wurde im Juli zum ersten Male mikro¬
skopisch untersucht und man fand in derselben neben anderen
Bestandteilen sehr auffällige Gebilde von farblosen, gallertartigen
Zellen, die, meist in Nestern zusammenliegend, häufig ihre Gestalt
veränderten, fussähnliehe Ausläufer ausschiekton uud wieder ein¬
zogen, überhaupt bei grosser Wärme (23—24 0 ().) eine lebhafte
Bewegung zeigten. Auch beobachtete man uutcr dem Mikroskop,
wie sie sieh zu eigentümlichen, zarten, netzförmigen Gebilden
vereinigten, auf deren Ausläufern knopfartige KnosjK'n aufsassen,
die sich loslösten und wieder zu Zellgebilden entwickelten. Diese
Bewegungsvorgängc haben sich 4—6 Stunden lang beobachten
lassen.
Prof. v. Leyden erkannte, dass es sich hier nicht um die
bekannten, vielfach beschriebenen amoeboiden Bewegungen der
weissen Blutzellen, sondern um eigenartige, in solcher Form und
an einem solchen Fundorte noch nicht beobachtete Lebewesen
handelte, welche der (.'lasse der Protozoen zuzuzählen sein
dürften. Inzwischen war Ende Juni in seiue Klinik ein 63 jäh¬
riger Mann aufgenommen worden , der ebenfalls an Bauchwasser¬
sucht litt und bei dem mit Sicherheit ein Magenkrebs diagnosti-
cirt werden konnte. Mit Rücksicht auf den vorhergehenden Fall
wurde bei diesem mit besonderer Vorsicht die Punction gemacht
und die mikroskopische Untersuchung der entleerten Flüssigkeit
ergab den gleichen überraschenden Befund der oben beschriebenen
Lebewesen. Die Präparate wurden dem Prof. Waldcyer zur
Begutachtung vorgelegt, dieser erkannte die bemerkenswerthe Be¬
obachtung an und rietli, mit Herrn Dr. Schaudinn, Assistenten
am zoologischen Institut der Berliner Universität, welcher sich
seit Jahren mit der Erforschung der Protozoen beschäftigt, wegen
der weiteren Untersuchung der beobachteten Lebewesen in Ver¬
bindung zu treten. Dies geschah und Dr. Schaudinn hat vom
19. Juli 1896 ab die zoologische Erforschung dos rüthselhaften
Thierchens übernommen.
Er stellte fest, dass es sich bei beiden Patienten um dieselbe
Species eines parasitären, amoebenähnlichcn Rhizopoden handelt,
den er zu Ehren seines ersten Beobachters, und weil der Orga¬
nismus sich durch Knospung fortpflanzt, „Leydenia gemmipara
Schaudi nn ** nennt. In contrahirtem Zustande besitzen diese
Thierchen eine kugelige oder unregelmässig vielcckige Gestalt mit
weicher, höckeriger Oberfläche und erreichen den Durchmesser
von 0,003—0,086 Millimeter. Sie haben eigene Bewegung und
verändern, wenn auch sehr langsam, ihre Gestalt, indem sie Pseudo¬
podien nach verschiedenen Richtungen aussenden, die sie jedoch
bei der leisesten Berührung sofort wieder einziehen. Das Ptasuu
der Leydenia ist dicht besetzt mit gelblich glänzenden, stark
lichtbrechenden Körnern, welche von einer wasserhellen, eiwei߬
haltigen Schicht umgeben sind. Ihre Nahrung scheint nach den
bisherigen Beobachtungen nur aus Blutkörperchen zu bestehen,
welche das Thierchen mit seinem flüssig-weichen Körper umschließt
und aus saugt. Es muss daraus gefolgert werden, dass die
Leydenia zu den pathogenen Organismen gehört. Gewöhnlich
besitzt sie nur einen Kern uud eine pulsircnde Vacuole. Der
Kern ist durch Färbung mit verdünntem G renaclier'schen
Ilaomatoxyli» und mit Heidenhain 'schein Eisenhaematoxyliti
als solcher nachgewiesen worden. Durch die Färbung mit Thionin,
Brasilin, Buraxcarmin sind im Centrum des Kernes gehäuft*'
Chromatinkörner nachgewiesen worden, ebenso eine Kcrnmeinbran.
Der Kern hat *.# der Grösse von dem Gesaimntdurchme&ser der
Zelle. Die Fortpflanzung erfolgt durch Theilung und Knospung
(Tafel, Fig. 6 a bis 6 c). In den kleinsten , 3—4 Micro uns
ienden Knospen ist der Kern gerade noch als Punkt erkennbar.
Der Kern schnürt sich in zwei ziemlich gleiche Theile ab, dann
lösen sich die Theile von einander, wachsen einzeln weiter und
können sich sofort wieder theilen. So ist namentlich in den
heissen Julitagen eine ungemein zahlreiche Vermehrung der Thier¬
chen beobachtet worden.
Die Pseudopodienbildung ist gleich der von F. E. Schulte
bei Placopus (Rhizofiodieiistudien IV, Archiv für uiikrosk. Ana
touiic, Bd. II, 1895, S. 349) beschriebenen; specicll ist die
Tafel XIX daselbst mit Fig. 2 c uud Fig. 13 angeführt. Eine
vorhandene Neigung zu Plastogammic» liefert grosse Aggregat-
Plasmodien von bis zu 40 Individuen, ganz so wie bei anderen
Rhizopoden, specicll bei den lleliozoen und Labyrinthuleen.
Bisher hat man die Leydenia in keinem anderen Medium,
als der Ascitesflüssigkeit der beiden Patienten beobachtet und er¬
halten können. Von diesen ist der Mann inzwischen gestorben
und die Section ergab vorgeschrittenen Krebs des Magens, der
Leber und Milz. Auch bei der noch lebenden ersten Patientin
ist Untcrioibskrebs nahezu mit Sicherheit anzunehmen. In welchem
Zusammenhang die neu entdeckte Amoebc mit der vorhandenen
Krebskrankheit steht, darüber enthalten sich sowohl Prof. v. Leyden
wie Dr. Schaudinn vorläufig jedes Urtheils, geben aber die Mög¬
lichkeit dieses Zusammenhanges zu. Auffällig ist es jedenfalls
dass die Knospenbildung der Leydenia grosse Aehnlichkeit hat
mit den von dem russischen Forscher Dr. Sawtschenko beob¬
achteten Sporozoen in Krebszellen. Um hierüber Klarheit iu
erlangen , wird es noch weiterer Beobachtungen an Krebskranken
und Impf versuche bedürfen. Die vorläufige Mittheilung über
ihre Entdeckung haben Prof. v. Leyden und Dr. Schaudinn
an die preussische Akademie der Wissenschaften gerichtet, welche
von Prof. Eilhard Schulze eingereicht wurde.
Schaudinn schliesst die Originalmittheilung mit folgenden
Sätzen :
«lieber die systematische Stellung unseres Parasiten lässt
sich wenig sagen, weil die grosse Grupjie der Auiocben wenig
durchgearbeitet ist. Sicher gehört er aber in diese Gruppe, und
dürfte er vielleicht in der Nähe des frei lebenden Placopus vor¬
läufig seinen besten Platz finden. Seine hier geschilderten Eigf»-
thüinlichkeiteu sind so charakteristisch, dass wohl jeder geübte
Mikroskopiker ihn von allen Zellen des menschlichen Körpers,
sowohl im lebenden als im conservirten Zustand, leieht
unterscheiden wird. »
Soweit Referent die einschlägige Literatur kennt, liegt bis
jetzt wirklich ein Fall vor, in welchem eine durch die Sporen-
bildung zweifellos diagnostieirbare Protozoeninfection im Pleura¬
exsudat sichcrgestcllt worden ist. Diese Beobachtung ist enthalten
im Journal de inicrographie 1884 mit Tafel Xn und XIII;
rührt her von den l)Dr. Künstler und P i t r c s in Bordeaux
und betrifft einen Hafenarbeiter, der 2 Jahre lang einen fieberlosen
Erguss in einer Pleurahöhle hatte. Die mikroskopischen Befund
waren voluminöse Leukocyten und Sporozoencysten mit kalm
förmigen Sporen, deren Entstehung an die Vorgänge in Greganoen
cystcn erinnert. Balbiani, die französische Autorität auf dem
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22. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
895
Sporozoengebiet, hat den zweifellosen Fremdling zu den Coccidien
gestellt.
Auioebcnfunde liegen von Menschen und Warmblütern nur
vor aus dem Darm und aus Leberabscesscn; somit würde die
Leydenia gemmipara Sehaudinn der erste Rhizopodcri-
fund innerhalb von lebendem Gewebe sein.
Nach der Auffassung des Referenten aber ist die Leydenia
kein Parasit, sondern ein Abkömmling von einem Gewebe des
Kranken. Die Gründe, welche dagegen sprechen, dass die bei
Careinoin verkommenden Amoclioidzellen Parasiten sind, hat bereits
in übersichtlicher Weise R o sc n t h a 1 durchgeprüft: «Ucber Zellen
mit Eigenbewegung des Inhaltes beim Carcinom des Menschen
und über die sogenannten Zelleinschlüsse auf Grund von Unter¬
suchungen an lebendfrischem Material.» Archiv für Gynäkologie,
Bd. 51, Heft 1.
Referent kann die früher von ihm vertretene Auffassung,
dass die grossen amoebenhaften Gebilde selbständige Parasiten sind,
heute auch nicht mehr aufrecht erhalten , weil ausser den von
Rosenthal aufgeführten Gegengründen noch eine ganze Reihe
neuer hinzukommen.
Grosse Amoeboidzellen mit Körucheninhalt, mit Pseudo|K>dien-
bildung, mit selbständiger Ortsbewegung mit Einschluss von Blut¬
körperchen, kommen vor im Bläscheninhalt von Variola, Vaccine,
Varicella, Ovine, Herpes zoster, Pemphigus, Ery¬
them a e x s u d ati v u m in u 1 ti forme, Cheiropom pholix.
Die bezüglichen Abbildungen in dem Correspondenzblatt des Allg.
ärztl. Vereins von Thüringen 1888 No. 11 enthalten mikro¬
skopische Befunde, die sieh mit dem von Sehaudinn decken.
Ein Unterschied würde vorhanden sein, wenn sich die pulsircnde
Vacuole der Leydenia bewahrheitet, wesentlich aber würde dieser
Unterschied auch nicht sein.
Amoeboidzellen ähnlicher Art und von annähernd gleicher
Grösse kommen ferner vor in dem Ausschlag von Hunde¬
staupe, im Speichel bei Klauenseuche, im Auswurf bei
Keuchhusten (L. Pfeiffer 1. c. 1888; K u r 1 o f f - Tomsk,
Keuchhustenparasiten. Central bl. für Bacteriologie 1 896, Bd. XIX,
No. 14/15), im Speichel diphtheriekranker Vögel, im
Secrct bei Conjunctivitis contagiosa, in täuschendster
Uebcreinstimmung mit Leydenia, bei Noma im Eiter, in trübem
Pleuraexsudat, und wahrscheinlich noch in sehr vielen Ex¬
sudationsprocessen. Wegen des engen Rahmens, der für ein
Referat gegeben ist, muss das Detail dieser Befunde in den Ori¬
ginalen naehgelesen werden.
Alle diese Zellen haben die einfache oder auch
die beschleunigte Kerntheilung; ihre Bewegungen
unterscheiden sich in nichts von denen der Amoeben:
es ist eine ac t i v c Bewegung des hyalinen E c t o -
plasmas, dem das mehr oder weniger gekörnte Ento-
plasma passiv folgt. Eine pulsircnde Vacuole haben
sie nicht.
Man kann eine solche Zelle im Einzelfall als parasitäre Amoebe
auffassen. Das weit verbreitete Vorkommen bei zahlreichen ln-
fectionskrankheiten aber setzt voraus, dass verschiedene Species
von RhizojK)den bei den verschiedenen Infectionen noch unter¬
schieden werden können, etwa in der Weise, wie man den Tuberkel¬
bacillus vom Typhusbacillus, den Milzbrandbacillus vom Hcubacillus
hat trennen können.
Woher stammen diese Zellen, wenn cs keine
Parasiten sind?
Grosse Amoeboidzellen sind seit 1828 aus vielen Classen des
Thierreiches bekannt und 1877 von Ran vier, Technisches Hand¬
buch pp., beschrieben. Ein neues Literaturvcrzeichniss findet sich
in: W. Küken thal, Untersuchungen über die lymphoiden Zellen
der Anneliden und Polychaeten; Jenaer Zeitschrift für Medicin
und Naturwissenschaften Bd. XVIII, Neue Folge XI, Seite 320
bis 353 . B e i den Anneliden und Polychaeten hat Küken thal
' r ' n der Leibeshöhle frei herumschwimmenden Amoeboidzellen
ten Zusammenhang mit Bindegewebszellen des Blutgefäss-
systems direct nachgewiesen, und diese Zellen als Excrctionszellen
gedeutet. Die Lebensvorgänge schildert K. in derselben an-
sc aulichen Weise, wie neuerdings Sehaudinn von der Leydenia.
Im Regen wurm hoden konnte Referent beobachten, wie die
vielfach daselbst vorhandenen Pseudonavillen der Grcgarinen von
den lymphoiden Zellen ebenso umflossen werden, wie von der
Leydenia bezüglich der rotben Blutkörperchen mitgetheilt wird.
Weitere biologisch gleiche Vorgänge sind von den grossen
Phagucyten bekannt, die z. B. bei der Sarkolyso im Frosch¬
schwanz auftreten. Metschnikoff lässt diese Amoeboidzellen
hier direct aus dem Muskelgewebe entstehen (Annales de
l'institut Pasteur 1892 Tafel I), welcher Annahme auch Eberth
in der Festschrift der Hallenser Universität vom Jahre 1894
zuzuneigen scheint. Die bezügliche Literatur ist in der letzteren
Schrift angeführt.
Die parasitäre Natur der beweglichen Zellen in den Pocken-
pruccssen und beim Epithelioma contagiosum, welche den Referenten
zur Aufstellung eines neuen Parasiten aus der Ordnung Sporozoa
im Jahre 1887 verführt hatten, wird von Unna und seinen
Schülern bestritten; sie sind zum Theil von einer dritten Art
von Wirthsgewebc, vom Epithel abstammend. Referent kann
seine frühere Auffassung nicht mehr im früheren Umfang auf¬
recht erhalten, zumal mit Rücksicht auf die neuerdings von
Grawitz untersuchte Lebenszähigkeit der Epithelialgebilde und
von deren Abkömmlingen. Jedenfalls ist es geboten, Vorsicht
zu üben bei der Aufstellung eines Rhizopodenparasiten; mit einer
kurzen Beobachtung von wenigen Wochen ist die Principienfrage
nicht zu lösen. Im Jahre 1887 war ein derartiges Vorgehen
entschuldbar, weil damals die Zoologen von den parasitären Pro¬
tozoen recht wenig, die Mediciner so gut wie gar nichts kannten.
Durch die Arbeiten über Malaria, besonders der italienischen
Forscher, ist die Kenntniss heute gefördert und liegt die Sporo¬
zoenkunde z. B. in 3 neuen Lehrbüchern als eine vorläufig gut
abgerundete und für Mediciner verwendbare Wissenschaft vor. *)
Wenn die Frage, ob der Carcinomparasit, der Variolaparasit und
so mancher andere Infectionsträger nicht bacterieller Natur, zu
den Blastomyceten oder zu den Rhizoi>oden oder zu den Pflanzen
gehören, ernstlich einen Fortschritt machen soll, wird man vorher
die Durcharbeitung der anderen, nicht zu den Sporosoen gehörigen
parasitären Protozoen anstreben müssen.
Referent hält es für geboten, die Leydenia gemmipara Sehaudinn
bis auf Weiteres zusammen mit den anderen Amoeboidzell-Bcfunden
als Exsud atz eilen zu bezeichnen, zur Unterscheidung von den
kleinen Leukocyten und Phagocyten. L. Pfeiffer-Weimar.
Lu barsch, 0 . und Ostertag, R. : Ergebnisse
der speciellen pathologischen Morphologie und Physio¬
logie des Menschen und der Thiere. Mit Textabbildungen.
Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann 1896.
Die vorliegende 3- Abtheilung des Lubarsch-Ostertag’-
sehen Werkes berichtet über die Fortschritte auf dem Gebiete
der speciellen pathologischen Morphologie und Physiologie.
Das Werk gibt eine sehr vollständige Uebersicht über die
gesammte wichtigere, neuere Literatur und auch die ältere Lite¬
ratur ist in den meisten Capiteln soweit berücksichtigt, als cs
für eine übersichtliche und kritische Darstellung des Standes der
jeweiligen wissenschaftlichen Fragen erforderlich erscheint. Die
3. Abtheilung des Werkes sollte das gesammte Gebiet der spe
ciellen pathologischen Anatomie umfassen, mit Ausnahme des
Capitols über die Sinnesorgane, welches nach dem Vorworte der
Verfasser, da der Umfang dos vorliegenden Bandes zu gross ge¬
worden wäre, in einem besonderen Supplementband erscheinen
soll. Bei dom ausserordentlichen Umfang des zu bewältigenden
Stoffes konnten jedoch leider auch die Capitol über den Bewegungs¬
apparat (Muskeln, Knochen und Gelenke), sowie über die Haut
vorläufig nicht berücksichtigt werden und müssen dieselben daher
ebenfalls, gleich manchen Capiteln der ersten Abteilungen, im
2. Jahrgang eine Bearbeitung finden.
Obwohl somit auch der 3. Band des L.-O.'sehen Werkes
zunächst keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen kann , so
wird dasselbe, zumal wenn im 2. Jahrgang die bestehenden Lücken
‘) Braun, Die tierischen Parasiten, II. Aufl. 1895; v. Wage-
lewski, Sporozoenkunde 1896*, Dantec et Bdrard, les sporozo-
aires, et particulibrement les coccidiös pathogbnes. Paris 18%.
8 *
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1
896
Münchener me picinische Wochen schrift.
No. 38.
—— Ä “LS—
gleichwohl einen hervorragenden Hatz in acr Hauser .
Literatur behaupten.
Poliklinische Vorträge von Prof. i. ^
Ucboractzt von Dr. M. Kahal.e .n W'eo. II. B™<1. bd
jahr 1888/1889- Mit 125 Holzschnitten. 483 beiten, uii
und Wien, Dcuticke, 1895.
Der zweite Band reiht sich würdig seinem Vorgänger au.
Br —entlieh wichtig in Bezug auf *
der Hysterie, welche fast in allen Vorlesungen behandelt wmi
und zwar an der Hand oft sehr schwieriger Fälle wo nur eine
Meisterhand, wie die C har cot’ s, den Knoten zu losen vermag.
Daneben finden unter Anden» eingehende BerhcUchtigung^!
verschiedenen Choreaformen, die Abasie, die durc ‘
erzeugten Neurosen u. s. w. u. s. w- l>en Wechsel ^
setzers empfindet man nicht. - Ein eingehendes £
eine angenehme Zugabe, obschon kaum Jemand das Buch aus der
Hand legen wird, ohne es von Anfang bis zu Kn e ß ‘
haben.
Die moderne Behandlung der Nervenschwäche (Neu
rasthenie), der Hysterie und verwandter Leide. Mit
besonderer Berücksichtigung der Luftcurcn BädcT Gymnasuh,
der Suggestionsbehandlung und der Mitchell-Playfair sehen Mastcur
von Dr. L. Loewenfel d, Specialarzt für Nervenkrankheiten
in München. Dritte vermehrte Auflage. Wiesbaden. Bergmann
1895- 157 Seiten.
Die dritte Auflage dieser ausgezeichneten Schritt hat voll¬
kommen Schritt gehalten mit der Erweiterung unserer Erkennt¬
nisse. Wenn sic sich auch eng an den Abschnitt Therapie m
der «Pathologie und Therapie der Neurasthenie und Hysterie» )
des Verfassers ausehlicsst, so geht sic doch in manchen Kapiteln
nicht nur über die zweite Auflage, sondern auch über jene neuere
Arbeit L oewenf cid ’ s hinaus. Zu erwähnen ist namentlich
der schöne Abschnitt über Psychotherapie ohne Hypnose (. uggcstiv-
behandlung im Wachen). Mancher Praktiker, der auf der Klinik
kaum den Namen der Psychotherapie gehört, kann daraus höchst
nützliche Belehrung schöpfen. Bleuler.
Physikalisch-chemische Propädeutik, mit besonderer
Berücksichtigung der mcdicinisclien Wissenschaften und mit
historischen und biographischen Angaben von Prof. Dr. med. und
phil. H. Griesbach. Leipzig 1895, Verlag von W. Engel¬
mann.
Von dem vorliegenden Buche liegt vorläufig die 1. Hälfte
und die 1. Lieferung der 2. Hälfte vor, während der Best bis
heurigen Herbst in Aussicht gestellt ist. Immerhin kann die
Griesbach'sehe Arbeit schon jetzt besprochen werden, da es
sich bei der immensen Anhäufung und Detaillirung des verar¬
beiteten Stoffes doch nur um eine allgemeine Charakterisirung
des Werkes handeln kann.
Es liegen schon eine Reihe günstiger Kritiken darüber vor,
die das Buch als eigenartig und eine Lücke in der Literatur
füllend bezeichnen. Es ist in der That leicht, ihm viele LoK
spräche zu sagen. Denn es ist anregend geschrieben, der Riesen¬
stoff im Allgemeinen geschickt gruppirt, es bietet eine höchst
schätzbare Fülle historischer und biographischer Notizen aus allen
Gebieten und Zeiten der Naturwissenschaften; es enthält die
Verarbeitung eines ganz staunenswerthen literarischen Materials,
so dass die eingefügten Literaturverzeichnisse allein schon ein
Heftchen ausmachen würden, es bildet desslialb eine reichlich
fliessende Quelle für Jene, welche sich über die hauptsächlichsten
Arbeiten auf einem naturwissenschaftlichen Gebiete unterrichten
wollen ; cs ist in einzelnen Abschnitten z. B. über die Verhält¬
nisse der Gärung und Infcction sehr eingehend gehalten, es
dürfte für Jeden, der sich für naturwissenschaftliche Thatsachen
oder Theorien interessirt, Anregung gewähren. Ferner ist ja die
Grundidee des Werkes, dem wissenschaftlichen Specialistenthum
‘) Vergleiche das Referat: Münchener Med, Wochensclir. 1894,
pag. 213.
dadurch entgegen zu arbeiten, dass es den Chemiker, den Physiker,
den Arzt auf den ihnen allen gemeinsamen Boden der wichtigsten
Grundgesetze zurückzuführen sucht, als eine höchst anerkennen
werthe zu schätzen. Kurz, es ist leicht, mit gutem Gewissen
das Griesbach' sehe Buch zu lobe». Aber es .st schwer,
das Werk im Ganzen zu beurthe.len. Denn wie die Dinge
liegen ist cs dem Einzelnen- kaum mehr möglich, auch auf dein
Felde' der Nachbarwissenschaft so weit zu Hause zu sein um ein
in allen Stücken billiges Urtheil haben zu können. So glaube
ich wird cs dem Buche, das gleichzeitig an den Medianer
Chemiker Physiker sich wendet, begegnen, dass cs eigentlich
gründlich nur von einem entsprechend gemachten Konsortium
von Lesern beurthcilt werden kann. Diese Eigenschaft macht
sicherlich der vielseitigen Bildung des Verfassers alle Ehre, sie
schliesst aber zugleich die notliwendige Begründung gewisser, fast
unvermeidlicher Mängel in sich, welche einem Buche von dem
Zwecke und Umfang des Griesbach sehen Werkes anhaften
müssen. Ich vermeide es, mich in's Einzelne zu verlieren, denn
das wäre bei einem Buche, das sowohl über die Thconcn der
Welt-Entstehung als über die Eigenschaften der klemstenLeW
wesen sich ausspricht, das die abstractestcn Begriffe der formalen
Logik nicht minder behandelt als die Eigenschaften des Ac h «
oder dctaillirte Fragen der Biologie oder der Hygiene, ein lang-
wieriges Unterfangen. Nur das Eine möchte >ch nicht ver¬
schweigen, dass derjenige, welcher nur aus dem Gr “‘ sbac J.
sehen Werke studiren wollte, über den eigentlichen, den Netto-
Werth mancher einzelnen wissenschaftlichen Leistungen desshalb
kein ganz richtiges Urtheil erhalten würde, weil die Uebcrmcnge
des Stoffes dazu geführt hat, viele Einzelheiten aphoristisch
neben einander zu stellen, auf die dann nicht näher eingegangen
werden kann. Ich sehe in diesem Verhalten mehr eine unver¬
meidbare Folge der Anlage des encyklopacdisch g^henen Werke«;
als ein Versagen in der richtigen Auswahl des ..toffes,
letzteres auch einem Polyhistor begegnen könnte.
Aus dem Inhalte möchte ich einige Abschnitte mit ihrem
Titel anführen, um einen Begriff von ersterem zu &***■■ »
findet sieb , B, Kann, und Zeit. Materie Bnntgtn undAta,
Kraft. Km der Gcsctaindigkct. Abos,
Gäbningscrregcude und krankheitserzeugen e ,
organisirten Materie. Arten der Enorgto; Gcrncht und Mas».
Der .Schall; die elektrische und magnetische Energie etc. •
Schon diese Rudimente lassen erkennen, dass wir m Gr _
bacli einen in der reinen Theorie der Naturwisscnsch^tcn v,
arbeitenden Autor vor uns haben. Die Theorie E^
Aber wenn Griesbach glaubt, «das Colleg üb ®
schwänzen, sei Selbstbetrug» (pag. 3), wenn er “ nt ’ ^
Forscher müsse vor dem Katheder des Logikprofesi>o g
haben, so kann er ganz sicher sein: Es gibt Leute, weh*ert»
diesen Satz lächeln ! - Möge das Andere um so ernster ge
werden! Grassmann -München.
Dr. Dronke: Arznei-Verkehr für Krankencasseiü
Anleitung zur Sparsamkeit bei dem ^J^^ons-
Krankeneassen. 2. Auflago. Hamburg 1896.
verlag vou W. Mauke Söhne.
Der im Reccpturwesen auf’s Beste bewanderte e ,,
176 Seiten starken Scbriftchcns, das für das Interesse kcr
und damit auch der Cassenärztc, dagegen manchen. Al ^
vielleicht zu Leide geschrieben ist, bringt hicrnit m t- ^
seine mit ausserordentlichem Fleissc zusammonges i
das Interessentcu-Pnbliouni. Da z. Z. sieben vorsehted» « ^
taxen im deutschen Reiche giltig sind ein i ^ a n r
möglichst bald verschwinden möge —, so hat Ver •
beriieksichtigt, ein Umstand, de, den Umfang to»* ^
beschäftigten Cassenarzt bestimmten Büchclchen , n wärC .
erhöhte, als im Interesse des verfolgten Zweckes zu ^
Eine grosse Zahl von Arzneiverordnuugcn, wie ’ ^
im Interesse wohlverstandener Sparsamkeit nieht sein s ^ ^
Berechnung der leicht zu erzielenden Ersparnis ( 18 “ Abschnitt
illustrirt die gegebenen Anweisungen. In einem wci 7Usau)nlC n-
iindet sich eine Ucbcrsicht von Fonnulae magistraies
gestellt, sowie die Handverkaufstaxe für Arzncisto c.
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Goosle
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
897
22. September 1896.
Dem Werkeben sind recht viele Leser zu wünschen, die es
genau studiren und dann «bin gehen und desgleichen thunv.
Dr. Grasamanu -München.
Anleitung zu chemisch-diagnostischen Untersuch¬
ungen am Krankenbette. Von Dr. II. Tappeiner,
München, 1896- 11 i e gc r ’ scher Verlag.
Die kürzlich erschienene 6- Auflage des Werkehens bringt
eine Anzahl von inhaltlichen Abänderungen resp. Ergänzungen.
Abgesehen von kleinereu Tcxt-Modificationen in den Paragraphen
betr. genuine Eiweissstoffe, Hactuaticn, («allenfarbstofl'o, Trauben¬
zucker-Nachweis u. A., ist ein Tkcil des Stoffes durch neue Zu¬
sätze erweitert und ergänzt worden, z. B. die Abschnitte über
Schleim, Peptone, Albuinosc, Aceton ; kurze Einschaltungen bringen
das Wesentlichste über Haeiuato]>orphyrin, Pneumaturie, Urorosei'u.
Im Uebrigen ist die Anlage des Stoffes, das Format und der
Umfang des längst eingeführten praktischen Buches unverändert
geblieben. Grassmann- München.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 36.
1) Prof. A. Länderer: Medianer Fersenschnitt.
Die von L. besonders für die schweren Fälle ausgedehnter
cariöser Zerstörung von Fusswurzel und Fussgelenk und für osteomye¬
litische Nekrose des Calcaneus empfohlene Schnittführung von der
Insertion der Achillessehne in der Mittellinie bis auf den Knochen
und (soweit nöthig ist) in der Fusssohle nach vorne, verletzt nur,
wenn man sehr weit nach vorne geht, die Plantaris externa, trennt
FaBcia plantaris und Flexor digit. brevis parallel ihrer Faserung;
unter gutem Auseinanderhalten der WunJrftnder mit scharfen Hacken,
lassen sich sömmtliche Tarsalknochen bequem entfernen Zur Nach¬
behandlung der für den Secretabfluss sehr günstigen Wunde empfiehlt
L. antisept. Tamponade. Die Function nach der Heilung ist (wenn
etwas Periost erhalten werden konnte) sehr günstig, die Narbe zieht
sich so tief ein, dass sie nicht gedrückt wird.
2) F. Bähr: Eine typische Unterschenkelfractur, die (an¬
fangs nicht als solche erkannt) zu einer Verkürzung des Fussrückens
um nahezu 2 cm, sehr beträchtlicher Behinderung der Dorsalflexion,
weniger der Plantarflexion, geführt hatte und die durch einen von
oben auf den fliehenden Patienten von hinten an den Unterschenkel
gefallenen Erdklumpen entstanden war, schildert B in ihren Folgen
bei einem 44jährigen Arbeiter. — Die Bruchlinie verläuft bei der¬
artigem Entstehungsmechanismus am vordem Ansatzpunkte des
Innenknöchels beginnend schräg nach hinten oben. Sehr.
Mittbeilungen ans den Grenzgebieten der Medicin und
Chirurgie. I. Band, 2. Heft. Jena, G. Fischer. 18%.
1) C. Gerhardt: Ueber das Verhalten der Körperarterien
bei Basedow’scher Krankheit.
An den Schilddrüsenarterien beobachtet man bekanntlich bei
dem Basedow häufig Doppelgerüusche. Auch an den entfernteren
Körperarterien beobachtet man allerlei Erscheinungen vielfach wie
bei Inßufficienz der Aortenklappen. Von 15 Fällen der G.‘sehen
Klinik hatten 6 Doppelton der Cruralarterie, 5 Pulsation der Milz.
Wenn man diese Verhältnisse an den Arterien berücksichtigt,
scheint die pulsirende Kropfgeschwulst der Basedowkranken eine
weniger locale Bedeutung zu bekommen. Die letzten Ursachen der
Erkrankung liegen nach G. in krankhafter Veranlagung, zum Theil
in krankmachender Beeinflussung des Nervensystems.
2) Jurinka: Zur conservativen Behandlung der mensch¬
lichen Actinomycose. (Chirurg. Klinik Prag )
Das schon früher vielfach bei Actinomycose verwendete Jod¬
kalium hat sich bei drei Kranken der Wölfler'sehen Klinik vor¬
trefflich bewährt. In zwei Fällen handelte es sich um schwere,
bezw. schwerste Kopf-Halsactinomycose. Der erstere kam nach
halbjährigem Bestände in l'/i, der zweite nach 4 monatlicher Dauer
in 6 Monaten zur Heilung. Die chirurgische Therapie beschränkte
sich nur auf die Spaltungen der auftretenden Abscesse.
Im dritten Falle handelte es sich um eine Perityphlitis actino-
mycotica. Bei derselben wurde ein grosser Erweichungsherd eröffnet,
und andauernd mit in Jodkalilösung 8: 180 getauchte Tampons
verbunden, während gleichzeitig täglich 3 Esslöffel Jodkali 5:180
innerlich genommen wurden. Auch hier trat völlige Heilung ein.
Einschlägige Experimente des Verfassers ergaben, dass das
Jodkali nicht im Stande ist, die Strahlenpilze zu tödten. Wohl aber
glaubt er, dass es im menschlichen Körper die Entwicklung und
Vermehrung derselben hemmt.
3) Schlesinger: Bemerkungen zu einem Falle von meta¬
pneumonischem, intralobul&rem Empyem mit Durchbruch in
die Lunge. (Medicin. Klinik Strassburg.)
Die Arbeit verbreitet sich besonders über die Art des Empyem
durchbruchs nach aussen und nach der Lunge, und weist besonders
darauf hin, dass der Durchbruch nach aussen häufig durch Ver¬
mittlung eines peripleuritischen Abscesses, der nach der Lunge
durch Vermittlung eines Lungenabscesses oder einer mit eitrigem
Secret gefüllten Bronchiectasie herbeigeführt wird.
4) Kolaczek-Breslau: Ein durch ein Magengeschwür her¬
vorgerufenes Magendivertikel, das eine Neubildung vorge¬
tauscht hat.
Es handelte sich um einen hühnereigrossen Tumor mit dem
Sitz in der Nähe von Cardia und kleiner Curvatur, der seit 6 Jahren
ausserordentlich heftige krampfartige Magenschmerzen hervorgerufen
hatte. Die Operation war ziemlich mühsam, verlief aber glatt und
erfolgreich Der Tumor erwies sich als ein etwa hülmereigrosses
Divertikel der Magenwand. Der Hals lässt den Zeigefinger durch-
treten, die Höhle ist wall nussgross, ganz uleerirt. Die Wandung
besteht aus bis zu 1 cm dicker Muscularis, ist seitlich von Serosa,
im Uebrigen von Muskelresten der Baucbwand, des Zwerchfells und
Spuren Pankreassubstanz bedeckt.
Man wird dem Verfasser zustimmen, wenn er diesen seltenen
Befund als Trartionsdivertikel in Folge eines zur Perforation neigenden,
aber vor derselben durch Verwachsung mit der Bauchwand bewahrten
runden Magengeschwürs auffasat.
5) Länderer und Glücksmann: Ueber operative Hei¬
lung ein s Falles von perforirtem Duodenalgeschwür, nebst
Bemerkungen zur Duodenalchirurgie.
Bei einem Patienten mit den Zeichen des Ulcus ventriculi
stellten sich plötzlich Erscheinungen ein, die auf eine Perforation
hindeuteten.
Bei der Laparotomie fand sich sowohl die vordere wie die hintere
Magenwandune unversehrt. Dagegen zeigte sich die Pars horizontalis
superior duodeni zusammengefallen, und bei Druck auf dieselbe
floss hinter ihr eine kaffeeßatzartige schwarze Flüssigkeit aus. Eine
Perforationsöffnung liess sich allerdings auch jetzt nicht wegen der
hochgradigen meteoristischen Auftreibung der Därme auffinden. Bei
der hochgradigen Schwäche des Kranken bestand der weitere Act
der Operation darin, dass Magen, Colon transversum, Duodenum
und Netz mit sero-serösen Nähten einander genähert wurden, so
dass die Flüssigkeit nicht mehr in die Bauchhöhle ablaufen konnte,
und in die so gebildete Tasche ein Drain eingeführt wurde. Der
Patient wurde hergestellt.
Bei der Behandlung des Ulcus duodeni kommen in Betracht:
1. Excision des Ulcus, Vernühung der Ränder, 2. Uebernähung, und
zwar entweder directe mit Duodenalserosa oder indireete durch
Herbeiziehung anderer Organe, 3. Excision eines Darmsegmentes
mit dem Ulcus, 4. Gastroenterostomie, unsicher, f>. Drainage und
Umlegung mit Jodoformgaze.
Die Diagnose des Duodenalgeschwürs ist leider noch Rehr
schwierig.
6) Siegel: Die Appendicitis und ihre Complicationen.
(Städtisches Krankenhaus Frankfurt a. M.)
Verf. theilt die Erkrankungen des Processus vermiformis ein
in 1. die nichteitrige Appendicitis, 2. die eitrige Appendicitis, 3. die
acute Gangracn des Proc. vermiformis
Die nicht eitrige Appendicitis scheidet sich wieder in die nicht
adhaesive und die adhaesive Form. Bei der nicht adhaesiven Form
handelt es sich oft um sehr unbedeutende anatomische Befunde,
vermehrte Kotbpartikelchen, getrübten Inhklt, aus dem aber doch
die oft ganz hochgradigen, nach der Opeiation abgesclmittenen Be¬
schwerden hergeleitet werden müssen.
Die seltene Gangraen des Proc. verm. hatte Verfasser mehr¬
mals zu beobachten Gelegenheit. Die Gangraen kann die Folge
einer sehr intensiven Entzündung oder einer Circulationsstörung im
Mesenteriolum sein. Im weiteren Verlauf derselben kann es auch
zur partiellen Darmgangraen kommen.
Von weiteren Folgeerscheinungen der Appendicitis beobachtete
Verfasser Verwachsungen mit den angrenzenden Darmtheilen, die
zur Impermeabilität des Darmes führten, weiter Invagination des
unteren Dünndarmendes und mehrmals Arrosion grösserer Arterien.
An dem Vorkommen einer einfachen Typhlitis stercoralis muss
gegenüber den Sahli'schen Anschauungen festgehalten werden.
Weiter glaubt Verfasser, dass man bei den von selbst zurückgehendeu
Exsudaten der Ueocoecalgegend nicht immer einen Abscess an¬
nehmen muss; vielfach handelt es sich nur um locale adhaesive
Peritonitis ohne Vorhandensein eines abgesackten Eiterherdes.
Bei der Operation der Appendicitis wird an der Rehnscheu
Abtheilung der Grundsatz befolgt, den Wurmfortsatz zu entfernen,
wenn es nur irgend möglich ist. Die Bauchhöhle wird regelmässig
mit einem dicken mit Jodoformgaze umwickelten Gurnmirohr drainirt;
das Rohr wird nicht vor dem 5. Tage entfernt.
7) Reinbach: Ueber die Erfolge der Thymusfütterung
bei Kropf. (Chirurg. Klinik Breslau.)
Mikulicz hat bekanntlich vor etwa einem Jahr berichtet.
daBs die Erfolge der Thymusfütterung bei Kröpfen dieselben oder
wenigstens ähnliche seien wie die der Schilddrüsenfütterung. Die
Versuche mit Thymus sind seitdem an der Breslauer Klinik fort¬
gesetzt worden, und Verfasser kann jetzt über 30 mit Thymus be¬
handelte Kröpfe berichten. Zur Verwendung gelangte entweder
das frische Präparat oder die Thymuspastillen von Boroughs,
Wellcome & Co. und von Merck.
Unter 30 Fällen war 20 mal ein objectiver und subjectiver
Erfolg nachzuweisen, 10 Fälle blieben völlig unbeeinflusst. In
sämmtlichen mit Erfolg behandelten Fällen handelte es sich um
diffuse Hyperplasien, die Misserfolge betreffen 5 Knoteukrüpfe und
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898
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
5 diffuse Hyperplasien. Vergiftungserscheinungen wurden nicht be¬
obachtet. Bei Basedow'scher Krankheit wurde ein Erfolg nicht
erzielt.
Verfasser hält auch nach diesen weiteren Erfahrungen daran
fest, dass der Erfolg der Thyrausftltterung dem der Schilddrüsen¬
fütterung mindestens ähnlich ist. Zu Gunsten der Thymusfütterung
spricht das Fehlen von Vergiftungserscheinungen. Auch glaubt R.
aus seiner Beobachtung schliessen zu müssen, dass die Thymus¬
fütterung selbst da noch wirksam ist, wo die Schilddrüse versagt hat.
8) Quincke-Kiel: Ueber Pneumotomie bei Phthise.
Verfasser hat in einem ihm geeignet erscheinenden Falle die
Eröffnung einer tuberculösen Caverne vorgeuommen — ohne be¬
sonderen Erfolg. Er stellt die in der Literatur vorhandenen diesbezüg¬
lichen Mittheilungen zusammen Unter 10 Fällen sind nur 3, bei
welchen die Operationswunde verheilte und zugleich Besserung der
übrigen Symptome eintrat. Q. glaubt, dass bei umschriebener
Lungentuberculose der Versuch einer operativen Behandlung nicht
ganz zu verwerfen sei. Erstrebenswerther als die Verbesserung des
Eiterabflusses erscheint ihm die Begünstigung der natürlichen
Schrumpfung und bindegewebigen Verödung des Krankheitsherdes
durch Resection der entsprechenden Rippentheile. Ein ähnliches
Verfahren hat Verfasser schon bei dem einfachen Lungenabscess
mit Erfolg geübt, bei. der Tuberculose hat er dazu noch keine Ge¬
legenheit gehabt, jedoch haben Spengler und Bier in der ge¬
nannten Weise operirt.
9) v. Beck: Ueber Punction der Gehirnseitenventrikel.
(Chirurg. Klinik Heidelberg.) S. d.,W. 1896, No. 10, S. 235.
10) Henle: Beitrag zur Pathologie und Therapie des
Hydrocephalus. (Chirurg. Klinik Breslau).
Die Aetiologie des Hydrocephalus ist eine vielfache, die Diagnose
des vorliegenden pathologischen Processes vorläufig noch eine sehr
schwierige. Unter diesen Umständen ist die Indicationsstcllung für
ein operatives Einschreiten eine sehr unsichere, um so mehr, als
manchmal die Wasseransammlung ohne Eingriff zum Stillstand
kommt.
Als ideale Operationsmethode des Hydrocephalus muss ein Ver¬
fahren angesehen werden, welches es ermöglicht, die Ventrikel¬
flüssigkeit dauernd an eine Stelle fortzuleiten, von der aus eie dem
Lymph- oder Blutstrom zugeleitet wird. Mikulicz hat zu diesem
Zwecke zweimal eine für Flüssigkeiten durchgängige Verbindung
zwischen Ventrikel und Oberfläche des Gehirns bezw. der Subcutis
hergestellt. In einem Falle hat er nach temporärer Resection eines
Hautknochenlappens ein Glaswolledrain von Nagelform in den
Ventrikel eingeführt, so dass der Knopf unter die sofort reponirte
Knochenlamelle zu liegen kam. Die Besserung war in diesem Falle
eine so auffällige, dass ein Zusammenhang zwischen derselben und
der Operation wohl anzunehmen ist.
Der Subarachnoidealraum erscheint nach den Erfahrungen dieses
Falles nicht sehr geeignet, die ihm zugeführte Ventrikelflüesigkeit
weiter fortzuschaffen. Darum hat Mikulicz in einem weiteren
Falle die Flüssigkeit in das Unterhautzellgewebe geleitet. Natürlich
musste hier ein Drain genommen werden, das durch ein Trauma
nicht beschädigt werden .konnte, und darum wurde ein Golddrain
gewählt, das an dem einen Ende mit einer kleinen Platte versehen
wurde. Da der Fall ein recht complicirter war, lässt er leider kein
bestimmtes Urtbeil über die Wirksamkeit des Verfahrens zu.
Die Krankengeschichte dieses sehr bemerkenswerthen Falles
ist vom Verfasser ausführlich wiedergegeben. Es handelte sich um
einen secundären Hydrocephalus, entständen im Anschluss an einen
Hirnabscess. Dieser letztere ist vielleicht als Metastase einer vor-
ausgegangenen eitrigen Periostitis des Femur aufzufassen.
Krecke.
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 35. Bd. 1. H.
1) E. Werth ei m-Wien: Ueber Blasengonorrhoe.
Die Frage, ob es eine wahre gonorrhoische Cystitis, d. h. eine
durch Invasion von Gonococcen entstehende Cystitis, gibt, war bis¬
her noch nicht endgültig gelöst. Guy o n und seine Schüler, Finger,
Bumm und Sänger waren dagegen, Barlo wund Krogius dafür.
W. hatte Gelegenheit, durch mikroskopische Untersuchung eines
Stückchens direct der Lebenden entnommenen Blasenschleimhaut
die Frage in positivem Sinne zu entscheiden. Er fand massenhaft
Gonococcen, die theils zwischen den Zellen, theils in den Gefässen,
und zwar in den capillaren und praecapillaren Venen, sassen.
Letzterem Befund, den W. als gonorrhoische Thrombo¬
phlebitis bezeichnet, legt er eine besondere Bedeutung bei. Er
erklärt uns das Zustandekommen der gonorrhoischen Metastasen
und der gonorrhoischen Endocarditis, die mithin durch directe Invasion
der Gonococcen in die Blutgefässe zu Stande kommen.
2) Josef v. Chrzanowski-Breslau: Zwei Fälle von secun-
därer Verwachsung submucöser Myome mit der gegenüber¬
liegenden Wand des Uterus.
Schon Küstner hatte im vorigen Jahre 72 Fälle von secuu-
därer Verwachsung submucöser Myome mit den umgebenden Wand¬
partien des Genitaltractus veröffentlicht. Chr. fügt diesen 2 neue
Fälle hinzu. In der Literatur finden sich nur spärliche Angaben
über ähnliche Beobachtungen, deren Zustandekommen von Chr. auf
eine Drucknekrose der Schleimhaut zurückgeführt wird.
3) 0. Schaeffer-Heidelberg. Ueber die foetale Dolicho-
und Brachykephalie. (Schluss folgt.)
4) W.Beckmann: Beitrag zur Gravidität im rudimentären
Uterushorn.
Von dieser seltenen Anomalie sind bisher 46 Fälle veröffent¬
licht, denen B. eine neue eigene Beobachtung hinzufügt Sie betraf
eine 29jährige III. Para, die mit einem Abdominaltumor, der für
eine Ovarialcyste gehalten wurde, zur Operation kam, Dabei fand
sich eine Gravidität im rechten rudimentären Uterushorn. Die Kranke
genas, wurde sogar im selben Jahr wieder schwanger und gebar ein
lebendes Kind zur rechten Zeit.
_B. macht auf die diagnostischen Schwierigkeiten des Zustandeg
aufmerksam. Charakteristisch kann der durch Anziehen der Portio
fühlbar werdende Verbindungsstrang zwischen beiden Uterushömern
sein, ein analoges Verhältniss. wie das Verhalten von Uteruskörper
zum Cervix bei normaler Gravidität (H egar’sches Schwangerschafts¬
zeichen). Die Prognose war bisher recht ungünstig. Vor Einführung
der Köliotomie bei exspectativer Therapie starben von 34 Frauen
24, darunter 22 an innerer Verblutung. Dagegen sind von 20 Laparo-
tomirten nur 2 =: 10 Proc. gestorben. Die Operation besteht in der
Amputation des rudimentären Hornes. Sie wird analog der bei
gestielten subserösen Uterusrayomen gemacht, ebenso die Stiel¬
behandlung. Nachfolgende Schwangerschaften beobachteten ausser
B. auch Sänger und Walthard.
5) Robert B1 u in - Leipzig-. Welches ist die beste Myom¬
operation?
B. beantwortet diese Frage an der Hand einer Statistik der
in der Leipziger Frauenklinik (Zweifel) ausgeführten Myom-
ectomien. Zweifel's Myomectomie mit fortlaufender Partien-
ligatur ist hiernach die beste und allen anderen überlegene Operation.
Von 120 Operirten sind nur 3= 2,5 Proc gestorben, von den letzten
70 nur 1 in Folge der Myomectomie. Störungen von Seiten des
Stumpfes wurden in den letzten 69 Fällen nur in 19,1 Proc. beob¬
achtet. Von anderen Operationen aus gleicher Indication in der¬
selben Zeit erwähnt B. noch l Castration (Besserung), 1 Myom¬
ectomie mit Matratzennaht (Tod an Peritonitis), 1 do. mit Etagen¬
naht nach Schröder (Heilung), 9 Enncleationen (I Todesfall an
Gliosarkom 17 Tage p. o.) und 9 Totalexstirpationen (alle geheilt).
J aff<5 Hamburg.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 37.
1) B. S. Schultze-Jena: Ueber die beim Scheintod Neu¬
geborener vorliegenden Indicationen.
Für die Behandlung asphyctischer Neugeborenen ist der blau-
rotlie und bleiche Scheintod scharf zu trennen. Vor Allem
kommt es darauf an, ob die Medulla oblongata noch reagirt oder
ob ihre Reflexerregbarkeit erst wieder hergestellt werden mu.«B?
Die in letzter Zeit wieder von Knapp (cf. diese Wochenschr. No. 29,
S 682) empfohlenen Laborde’sehen Zungentractionen können nur
bei vorhandener Erregbarkeit der Medulla nützen; denselben Zweck
erfüllt nach 8. in noch höherem Grade Kaltwassereinwirkung auf
die Haut dos Kindes. Dagegen eignen sich für den bleichen Schein¬
tod nur die von S. angegebenen Schwingungen. Dieselben sollen
alle Minute unterbrochen werden, um das Kind in ein warmes Bad
zu setzen, wo man den Erfolg der Schwingungen beobachten soll.
2) Jahre iss-Augsburg: Ein Fall von Platzen der Bauch¬
wunde nach Laparotomie.
J. beobachtete das in der Ueberschrift genannte Ereigniss am
9. Tage nach der Operation, als die Wunde primär geheilt
schien. Prolaps von Netz und Dünndarm. Nochmalige Natb;
Heilung ohne Zwischenfülle. Als Ursache dieses Ereignisses glaubt
J. tropliische Störungen annehmen zu sollen, ohne allerdings
näher anzugeben, wie dieselben solche locale Wirkung ausgeübt
haben könnten. Jaff6-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 37.
1) K. Dehio-Dorpat: Ueber Erythromelalgie.
Der von D. beschriebene Fall betraf eine 50 jähr. Kranke, bei
welcher zuerst 1890 brennende Schmerzen in den Fingern der linken
Hand und den Zehen des 1. Fusses, zugleich mit dunkelrother Ver¬
färbung der betr. Theile, sich zeigten. Aus den in der ausführlichen
Krankengeschichte niedergelegten Befunden ist besonders auch die
an der 1. arter. rad. zu constatirende Arteriosklerose hervorzuheben.
Die Excision eines 4 cm langen Stückes des n. ulnar , sowie eines
ebensolchen aus der 1 art. radial, brachte relative, erst nach Jahren
vollständigere Besserung. Mikroskopisch erwies sich der excidirte
Nerv normal, die Arterie sklerotisch. D zieht den Schluss, dass die
Erythromelalgie in einer Erkrankung (abnormer Erregungszustand)
der Hinterhörner und der Seitenhörner der grauen 8ubstanz des
Rückenmarks ihre Ursache habe.
2) M. Joseph-Berlin: Ueber Lepra.
Vergl. das Referat in No. 23 der Wochenschrift.
3) H. Hi 1 debrandt - Elberfeld: Zur pharmakologischen
Kenntniss de« Thyrojodins. ,
Aus Versuchen an Hunden schliesst H.: Das Thyrojodin ist
allein im Stande, die nach Thyreoidectomie bei Hunden auftreten¬
den Ausfallserscheinungen zu cupiren und die Thiere am Leben zu
erhalten. Es repräsentirt das wirksame Princip der Schilddrüsen¬
substanz. Die Ausfallserscheinungen bei Hunden können mit Aus¬
scheidung von Eiweiss und Zucker einhergehen. Die Jod-8alze sind
nicht im Stande, die Tetanie nach Schilddrüsen Exstirpation xü
hindern oder aufzuheben.
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22. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
899
4) S. H. Frenkel-Heiden und M. Fren kel-Paris: Jod im
Harn nach Einnahme von Thyreodin-Tabletten.
Die Verfasser konnten bei einer 58 jähr., an Paralys. agitans
leidenden Dame, welche mit Th.-Tabletten behandelt wurde, 1 mal
Jod im Harn Dachweisen.
5) Ziem-Danzig: Eine neue Druckpumpe und ihre Ver¬
wendung in der praktischen Medicin.
Die durch eine Zeichnung veranschaulichte, neue, von Zöllner
construirte Pumpe liefert einen continuirlichen, nahezu gleichmässig
starken Strahl. Verf. empfiehlt in seinem längeren, zu einem kurzen
Referate ungeeigneten Aufsatz die Pumpe zur Behandlung von
Ohren-, Nasen-, Rachen-, Augen- etc. etc. Krankheiten und erhofft
von ihr auch einen mächtigen Umschwung in der Therapie der
Geisteskrankheiten.
6) O. Werl er-Berlin: Das citronensaure Silber (Itrol) als
Antigonorrhoicum.
Die Versuche des Verf. — seit 6 (sic!) Wochen angestellt, er¬
gaben eine intensive gonocoecentötende Wirkung. Das Itrol reizt die
Schleimhaut der Harnröhre nicht, und zeigt dabei eine energische
Tiefenwirkung.
7) P. Krause- Vietz: Ein seltener Fall von Fremdkörper
in der Scheide eines jungen Mädchens.
Es handelte sich dabei um eine Haarnadel, die 2 Jahre in
der Vagina lag und eine eitrige Vaginitis unterhalten hatte. Die
Entfernung der Nadel beseitigte letztere.
Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 38.
1) P. Fürl» ringer-Berlin: Zur Kenntniss der specifischen
Crystallbildungen im Genitalsystem des Mannes.
Die Böttcher'schen Spermacrystalle sind im Wesentlichen
Producte der Prostataepithelien und desswegen nicht als Hoden-
crystalle (Lubarsch), sondern eher als Prostatacrystalle zu be¬
zeichnen. Ihre Ausfällung wird begünstigt durch den Zusatz von
einfach pliosphorsaurem Ammoniak Die von manchen Seiten an¬
gegebene Identität der Böttcher’schen mit den Charcot-
Leyden"sehen Crystallen lässt sich nicht aufrecht erhalten, um¬
somehr als Th. Cohn naebgewiesen, dass die letzteren dem hexa¬
gonalen, die ersteren dem rhombischen Systeme angehören.
2) J. Hirschberg: Ueber die neugebildeten Blutgefässe
der Hornhaut und ihre diagnostische Bedeutung.
Vortrag, gehalten in der physiologischen Gesellschaft zu Berlin,
26. Juni 1896. (Fortsetzung folgt)
8) Th. Gluck: Beitrag zur chirurgischen Behandlung
infectiöser Thromben.
Anschliessend an eine im Verein für innere Medicin zu Berlin
erfolgte Demonstration eines operirten Falles (Ausräumung der
ganzen Achselhöhle von der Ellbogenbeuge bis zum Sternum mit
Excision des M. pectoralis und Exstirpation der mit septischen
Thromben gefüllten Venen) verspricht der Vortragende unter Hin¬
weis auf die von Bergmann eingeführte operative Behandlung der
infectiösen Sinusthrombosen der centralen Ligatur der Hauptveneu,
Phlebectomie und Resection der thrombotischen Venenbezirke bei
gewissen septischen und phlegmonösen Processen eine grosse Zukunft.
4) H. Finkeistein: Zur Aetiologle der folliculären Darm¬
entzündungen der Kinder. (Aus der Klinik für Kinderkrankheiten
am kgl. Charitdkrankenhause in Berlin, Director: Prof. Heubner.)
(Schluss folgt.)
Referat siehe diese Wochenschrift No. 29, pag. 685.
5) E. Graf: Bacterienbefunde bei primärer Pyelonephritis.
(Aus der inneren Abtheilung des Bürger-Hospitals in Köln, Dir.:
Leichtenstern.)
Bericht über zwei Fälle von acuter Pyelonephritis, die das
Symptom der Bacteriurie zeigten. In dem einen Falle handelte es
sich um das Bacterium coli commune, im anderen um eine Abart
desselben.
6) H. Kionka: Zur Kenntniss der physiologischen Wir¬
kung der hydrolytischen Fermente. (Aus dem pharmakologischen
Institut der Universität Breslau, Dir.: Prof. Filehne.)
Das Invertin und wahrscheinlich auch andere hydrolytische
Fermente wirken auf Warmblüter toxisch und fiebererregend. .Diese
Wirkung tat nicht abhängig von Bacterien, welche mit ihnen zugleich
den Thieren injicirt werden, sondern sie tritt auch auf, wenn durch
Deeinfection oder Filtration die Bacterien abgetödtet bezw. entfernt
worden sind. F. L.
Ophthalmologie.
Eine einfache Verbesserung des amerikanischen Stereo¬
skops zwecks Uebung Schielender gibt Dr. Albrand im Juni¬
heft ds. Js. des Centralbl. für prakt. Augenheilkunde p. 180 nach
Gebeimrath Scböler an. Dieselbe besteht darin, dass zunächst
statt der einen Schiene des Apparates, für jedes Auge je eine
Schiene angebracht wird, auf welcher das Object separat für jedes
Auge diesem angenähert, resp. von diesem entfernt werden kann.
Ausserdem kann die Pnpillardistanz der beiden schmalen, von
einander getrennten Objectflächen beliebig gewechselt werden. Aber
nicht bloss die Objecte sind für jedes einzelne Auge und von einander
verschieblich, sondern auch die sphärischen (event. cylindrischen)
Gläser sowohl, wie die Prismen in der verticalen Trageplatte sind
nach Belieben für jedes Auge apart zu ändern. Dadurch ist man
auch in der Lage, etwaige Höhendifferenzen der Bildgrössen sofort
auszugleichen, indem man die Basis des in seiner Stärke für jeden
besonderen Fall zu bestimmenden Prisma’s ohne Weiteres aus der
seitlichen Stellung nach oben oder unten verschieben kann. Man
könnte demnach den Apparat auch sehr wohl zu orthopaedischen
Augenmuskelübungen bei Lähmungsschielenden verwenden. In der
Mehrzahl der Fälle genügen für den praktischen Zweck, bei der
gegebenen Möglichkeit der Verschieblichkeit der beiden Objecto
nach zwei Richtungen hin (von einander und je vom Auge fort),
ein einziges Paar von Convexgläsern und Prismen Dieselben sind
so anzubringen, dass sie jederzeit aus dem Brillenkasten des Augen¬
arztes gegen stärkere oder schwächere Gläser umgetauscht werden
können.
Nach Schöler sollen die Objectproben aus möglichst einfachen,
in ihrer binocularen Vereinigung kein Missverständniss auf kommen
lassenden Figuren bestehen. Dieselben sind in der S c li Ö1 e r'schen
Klinik in dünnes Messingblech eingeschnitten, um bei durchfallendem
Lichte betrachtet zu werden, was ausser der Bequemlichkeit der
Handhabungsweise den Vortheil hat, dass sich die Zeichen dem
Auge leichter aufdrängen. Es werden Vorlagen gebraucht, die ein¬
fach flächenhaft zu vereinigen sind, dann auch solche, deren Ver¬
einigung den Eindruck des Körperlichen bei dem binocular Sehenden
hervorrufen. Mit den ersteren Vorlagen, die am wichtigsten sind,
haben stets die Uebungen zu beginnen.
2) Argentamin in der Augenheilkunde. Nach Dr. Bocci
in Turin (Bericht über den 14. italienischen Ophthalmologencongress
in Venedig, Annali di Ottalmol. di Qnaglino 1895 fase. 4 supplem.)
wurden in der Universitäts-Augenklinik daselbst Versuche mit dem
von Schäfer 1894 gegen gonorrhoische Urethritis empfohlenen
Argentamin angestellt. Dasselbe wurde angewandt in einer Lösung
von 1 .-20-0 — 3000 gegen Thrünensackeiterungen in der Form von
Injectionen, ferner bei acutem Conjunetivalkatarrh und bei Blennorrh.
neon. iu der Form von Einträufelungen einer Lösung 1:200. Die
Erfolge waren ausgezeichnet. Argentamin ist phosphorsaures Ethylen¬
diamin und Silber, ein Doppelsalz in Lösung Die Flüssigkeit ist
alkalisch, gibt keinen Niederschlag mit Kochsalz, auch nicht mit
albuminhaltigen Substanzen, zersetzt sich aber im Lichte.
3) Ueber « die Symptome der Tabes dorsalis am Auge *
berichtet E. v. Grosz in Budapest. Centralbl. f. prakt. Augen¬
heilkunde. Juni 1896 p. 181.
Verf. hat 103 Fälle in verschiedenen Stadien der Tabes dorsalis
untersucht und gefunden, dass die an den Augen vorkommenden
Symptome Jahre, ja sogar Jahrzehnte lang früher bestehen als die
übrigen Von den Untersuchten besassen nur 13 Proc. auf beiden
Augen volle Sehschärfe. Zwischen der Sehkraft beider Augen war
bei 15 Proc. ein grosser Unterschied. Amaurose beider Augen fand
er bei 4 Proc. Der Farbensinn zeigte bei 22 Proc. wesentlichere
Abweichungen vom normalen. Das Gesichtsfeld war bei 57 Proc.
krankhaft verändert. Die Einschränkung war in den meisten Fällen
nach Oben — Aussen. Hemianopische Veränderung fand er in
keinem einzigen Fall. Das Farben-Gesichtsfeld war in gleicher
Häufigkeit hochgradig eingeschränkt wie normal. Normalen Augen¬
hintergrund fand G. nur bei 12 Proc. In den meisten Fällen
war schon ausgesprochene Atrophie vorhanden, in vielen Fällen
Decoloration und graue Verhärtung der Papille. Venöse Hyperaemie
kam nur bei 4 Proc. vor. Normaler Augenhintergrund mit voller
Sehschärfe, freiem Gesichtsfelde und gutem Farbensinne wurde nur
in 2 Fällen gefunden. Aus den bisherigen Beobachtungen
resultirt, dass man durchschnittlich bei 32 Proc. der Tabetiker eine
Erkrankung des Sehnerven annehmen kann. Verf. aber ist der
Anschauung, dass die Entartung des Sehnerven ein be¬
ständiges Symptom der Tabes dorsalis bildet. Diese
Entartung gibt sich Anfangs in der charakteristischen grauen
Verfärbung des Sehuervenkopfes kund und erscheint später
unter dem Bilde der einfachen Atrophie des Sehnerven. Die
functionellen Störungen bestehen in der langsamen, aber fort¬
schreitenden Verminderung der centralen Sehschärfe, in der peri¬
pherischen Verengerung (hauptsächlich oben-aussen) des Gesichts¬
feldes und bei manchen Fällen in Farbenverwechslung. In jenen
Fällen, bei welchen veDÖse Hyperaemie und Skotome Vorkommen,
nimmt er Complicationen mit Nicotinintoxication oder anderen
Leiden an. Die Theilnahme des Sehnerven hält er den Verände¬
rungen im Rückenmark für associrt und zwar erkrankt der peri¬
pherische Theil des Sehnerven schon sehr früh. Er hält die Unter¬
scheidung nicht für gerechtfertigt, nach welcher die im paralytischen
Stadium aufgetretene Atrophie des Sehnerven schneller ablaufe, als
jene, welche im praeatactischen Stadium entsteht. Nach ihm
entsteht jede Atrophie des Sehnerven vor dem Ein¬
tritte der Ataxie, nur wurde der Sehnervenschwund in
einer gewissen Zahl der Fälle erst im paralytischen
Stadium diagnoBticirt. Der Verlauf der Atrophie kann sehr
verschiedene Zeit in Anspruch nehmen An den Pupillen fand er
nur in 3,2 Proc. seiner Fälle normale Verhältnisse. Verschiedenheit
der Pupillenweite wurde in 65 Proc. gefunden. Von Lähmungen der
äusseren Augenmuskeln kamen am häufigsten (14 Proc.) die der
Abducens vor. Die Muskelstörungen hält G. für nuclearen Ur¬
sprungs. Sämmtliche an den Augen beobachteten Veränderungen
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900
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
Bind dann am leichtesten verständlich, wenn wir als Ursache einen
im Blute kreisenden schädlichen Stoff annehmen, der nach Strüm¬
pell das Toxin der Syphilis ist.
4) Experimentelle Studien und kritische Betrachtungen
über sympathische Ophthalmie betitelt sich eine Abhandlung
von Dr. Ludwig Bach (Würzburg) v. Gräfe's Archiv für Ophthalmol.
XLII. 1, p. 241—278.
Verf. hat, um Stellung zu gewinnen, gegenüber der ziemlich
allgemein geltenden Ciiiarnerventheorie und der hauptsächlich von
Deutsch mann verfochtenen Migrationstheoric, eine grosse Anzahl
von Untersuchungen angestellt. Dieselben sind theils experimenteller
— theils klinisch- bacteriologisclier Natur. Durch Impfung von
Kaninchenaugen mit Staphylococcen, mit Pneumococcen, Tuberkel¬
bacillen in Ueincultur versuchte Verf sympathische Ophthalmie zu
erzeugen. Die Impfungen geschahen in den Glaskörper und auch in
den Sehnerven selbst. Es ist ihm auf diese Weise nicht gelungen,
sympathische Entzündung hervorzurufen. Er gelangt zu folgendem
Schlüsse:
«Aus dieser grossen Anzahl von Versuchen glaube
ich berechtigt zu sein, zu folgern, dass das Krankheits¬
bild, welches wir mit dem Namen sympathische Oph-
thalmie zu belegen pflegen, nicht hervorgerufen wird
durch Bacterien oder deren Stof Iwechselproducte,
welche von dem ersterkrankten Auge in das sympathi-
sirende entlang den Opticusscheiden gelangen.»
Ferner hat Verf. klinisch bacteriologische Beobachtungen beim
Menschen angestellt, indem er eine Anzahl von Augen, die wegen
ausgebrochener oder drohender sympathischer Erkrankung enucleirt
worden waren, zum Theil tinctoriell, zum grössten Theile auch
ausserdem mittels Impfungen untersuchte. «Die bacteriologische
Untersuchung aller enucleirten Hulbi, sowie der daran befindlichen
Sehnervenstümpfe blieb negativ, obwohl die verschiedensten Nähr¬
böden gewählt wurden, darunter auch Glaskörpergewebe, obwohl
aerob und anaerob gezüchtet wurde.»
In der «kritischen Betrachtung vornehmlich der
Deutsch mann'sehen Arbeiten» unterzieht Verf. die Anschau¬
ungen genannten Autors über Panophthalmie, Vordringen der Bac¬
terien in den .Sehnervenscheiden, Zeit des Auftretens der sympathischen
Ophthalmie, das klinische Bild derselben, Allgemeininfection, einer
gründlichen Beleuchtung und gelangt zu einer scharfen Negation
von deren Haltbarkeit.
Verfasser versuchte nun auf experimentellem Wege, sym¬
pathische Erscheinungen am Auge hervorzurufen. Durch Reize
verschiedener Art, die des Genaueren beschrieben werden, gelang
es ihm thatsächlich, auf dem anderen, nicht berührten Auge, Ver¬
änderungen zu erzeugen, die als der erste Beginn der Entzündung
aulzufassen sind. Es verhält sich der Inhalt der vorderen Kammer
nahezu gleich, ob kurze Zeit vorher Staphylococcen in die centralen
Hornhautpartieen gebracht worden sind, oder das entgegengesetzte
Auge einige Zeit gereizt wurde. In beiden Fällen ist es zum Austritt
der Fibringeneratoren aus den Gefässen, zur Eiweisscoagulation,
Fibrinbildung gekommen und es sind corpusculäre Elemente des
Blutes, vereinzelte Blutplättchen und Leukoeyten zu gewahren.
Auch in der hinteren Kammer, zwischen den Ciliarfortsätzen, in
den peripheren Partieen des Glaskörpers, hier und da zwischen
Aderhaut und Netzhaut hat Verfasser Fibringerinnsel, ganz vereinzelt
auch corpusculäre Elemente des Blutes, in der gleichen Weise her¬
vorgerufen, beobachten können.
Es erhellt daraus, wesshalb in der Regel zunächst Erscheinungen
von Seiten des Ciliarkörpers und der Iris bei der sympathischen
Ophthalmie hervortreten, weiterhin, wesshalb das klinische Bild
derselben ein sehr variables sein kann. Jeder Reizzustand des
einen Auges führt zur Mitbetheiligurg des anderen. Im Allgemeinen
wird die sympathische Affecfcion des zweiten Auges von der Heftig¬
keit der Reizerscheinungen, von der Schmerzhaftigkeit des ersten
Auges abhftngen, ziemlich im directen Verhältniss dazu stehen.
Als Träger des von einem Auge auf das andere übergehenden Reizes
müssen wir die Ciliarnerven, sp ciell die Gefässnerven, ansehen
und nicht den Nervus opticus. Die Ueberleitung des Reizes von
der einen auf die andere Seite wird direct im Circulus arteriosus
Willisii, indirect durch Irradiation in der Medulla oblongata erfolgen.
Ueber die Therapie sagt Verfasser Folgendes : In Betracht
kommen: die Durchschneidung der Ciliarnerven, womöglich
mit Zerstörung des Ganglion ciliare. (Da von Boncheron und
Axenfeld darauf hingewiesen wurde, dass auch ziemlich weit
vorne Ciliarnerven die Sklera durchbohren, so möge von Neuem bei
der Neurectomia ciliaris die Aufmerksamkeit auf diese vorderen
Ciliarnerven gelenkt sein). — DieEvisceration des Bulbus dürfte
sicherer wirken, wie die nur schwer vollständig auszuführende
Durcbschneidung der Ciliarnerven. — Absolut sicher wirkt die
Enucleation. Ist es möglich, den Patienten lange Zeit in klini¬
scher Behandlung zu halten, so lange, bis die Reizerscheinungen am
ersterkrankten Äuge längere Zeit zur Ruhe gekommen sind, so
liesse sich die Indication zur Enucleation etwas einschränken.
Dr. Rh ei n -München.
Vereins- und Congressberichte.
XIII. Hauptversammlung des Preussischen Medicinal-
beamten-Vereins
zu Berlin am 15. und 16. September 1896.
(Originalbericht.)
Erster Sitzungstag.
Die zahlreicher als in früheren Jahren besuchte Versamm¬
lung wurde durch den Vorsitzenden , Itegierungs- und Medicinal-
ratli Dr. Rapmund - Minden eröffnet. Die anwesenden Gäste
begrüsst Ministerialdirector Dr. Bartsch, dankt und stellt eine
Medicinalreform, oder vielmehr vollkommene Umgestaltung des
Medieinalwesens in Aussicht, deren Ausbleiben auch in diesem
Jahre Rapmund bedauert hatte. E.i folgt der Geschäfts- und
Kassenbericht, sowie die Wahl zweier Kassenrevisoren etc.
I. Der erste Vortrag des Kr.-Phys. Dr. Langerhaos-
feile behandelt „Die sanitätspolizeiliche Prüfung der Bau-
projecte von Krankenanstalten durch den zuständigen
Medicinalbeamten“.
Leider glaubten heute Architecten und die verschiedenen
staatlichen, städtischen und communalen Behörden des mcdicini-
sehen Beirathcs entbehren zu können. »Seien doch hygienische
Kenntnisse durch populäre »Schriften aller Art so weit verbreitet,
dass jeder Laie sich ein richtiges Urtheil zutrauc. Gediegene
hygienische Kenntnisse gäbe aber nur die Praxis, wie sie beson¬
ders vom Medicinalbeamten ausgeübt werde. Er müsse daher
zuallererst über die Nothwendigkeit des Krankenhausbaues, und
weiterhin über das Bauterrain und die Art des Baues selbst sein
Gutachten abgeben. Erst wenn dieses wiederum von der Re¬
gierung geprüft sei, könne ein definitiver Bauplan aufgestellt
werden.
Wie oft würde dem Physikus ein fertiger Plan vorgelegt,
aus dem dann die Fehler nicht mehr zu entfernen wären. Freilich
müsse sich der Physikus des Beirathcs der Techniker zur An¬
fertigung seines Gutachtens bedienen. Es erfordere das gewiss
viel Tuet. Er müsse sich aber streng auf sein Gebiet beschränken
und keine Uebergriffe in den Bereich der Techniker (Architekten)
unternehmen. Als Beispiele, wie Gutes durch Aerzte im Kranken¬
hausbau geleistet werde, führt er das grosse Hauiburg-Eppeudorfer
Krankenhaus, das nach C u rsch m an n’s Angaben gebaut ist, an
und das kleine Mencke’sche Kreiskrankenhaus in Wilster.
Nachdem er sich dann noch über die Systeme des Bane«
für kleine, mittlere und grosse Krankenhäuser verbreitet hat, warnt
er vor Erbauung zu kleiner Krankenanstalten und fasst seine
Forderungen in folgende 7 Schlusssätze zusammen.
1. Eine gedeihliche Entwicklung des Krankenkausbaues ist
nur möglich unter thatkräftiger Mitwirkung dos zuständigen
Medicinalbeamten.
2. Beim Neubau, bei einem erheblicheren Umbau nnd bei
Erweiterung von Krankenanstalten soll der Kreisphysikus jedesmal,
wenn es sieh um Kreiskrankonhäuser handelt, aber auch tbunlichst
bei anderen Anstalten, schon im Stadium der Vorbereitungen, bei
Aufstellung des Bauprogramms und bei Ausarbeitung der Bau-
projecte zugezogen werden.
3- In allen solchen Fällen sind die vorläufigen Pläne nebet
Erläuterungen, bevor sie dem Regierungs-Präsidenten zur Ge¬
nehmigung zugehen, dem Kreisphysicus zur Begutachtung vor¬
zulegen.
4. Die Begutachtung hat auf Grund örtlicher Untersuchung
zu geschehen und hat sich vorwiegend auf die Zweckmässigkeit
des Bauprogramui8, auf die allgemeine Anordnung der Räumlich¬
keiten, auf den Bauplatz, die Wasserversorgung, die Entwässerung,
die Beseitigung der Abfallstoffc und auf die Desinfectionsanlage
zu erstrecken.
5) Die Anforderungen, welche an Krankenhausbauten gemacht
werden müssen, sind durch Polizeiverordnung oder Anweisung fc- 1
zulegen.
6. I)ic Begutachtung hat in freier Fassung, aber unter An¬
lehnung an ein Schema (in ähnlicher Weise wie die Jahresgesnn
heitsberichte) zu geschehen.
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22- September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
901
7. Damit der Kreismedicinalbeamte den ihm auf diesem
Gebiete, sowie auf anderen Gebieten der öffentlichen Gesundheits¬
pflege obliegenden Aufgaben in jeder Weise gerecht werden kann,
muss er von der Privatpraxis losgelöst und so gestellt werden,
dass er seine ganze Arbeitskraft seinem Amte widmen kann. Es
ist ferner erforderlich, dass er als technischer Berathor den Kreis¬
vertretungen beigeordnet und zu deren Sitzungen, sobald gesundheit¬
liche Angelegenheiten berathen werden, regelmässig zugezogen wird.
An der Discussion über diesen Vortrag betheiligten sich
Schilling-Querfurt und Ascher-ßomst, welche auch für ganz
kleine Krankenhausbauten mit wenigen Betten eintraten, und
Wal 1 ich8 - Altona. Dieser hält die Schlusssätze f> und 6 für über-
flüssig, für nicht hierher gehörig. Er beantragt eine Zustimmung
im Allgemeinen zu dem Inhalte der Ausführungen des Herrn
L'angerhans, womit sich die Versammlung einverstanden erklärt.
II. Darauf legt Kr.-Phys. Dr. Sc hr öd er • Wollstein den
Entwurf einer Brunnenordnung vor, den er in Gemeinschaft
mit anderen Herren, insbesondere dem Regierungsmcdicinalrath
Rapumad ausgearbeitet hat. Sein Antrag: «Die XIII. Haupt¬
versammlung des preussischen Medicinalbeamten-Vereins nimmt den
vorgelegten Entwurf einer Brunnenordnung an und hält die Ein¬
führung derselben für erwünscht» wird angenommen.
£2- III. Nunmehr wendet sich Herr Kr.-Phys., San.-Rath
Dr. Philipp -Berlin gegen die Reichsgerichts-Entscheidung vom
8. Juni 1895 über die Unzulässigkeit von Absperrungs¬
und Aufsichtsmassregeln gegenüber choleraverdächtigen
Personen. Diese Entscheidung erklärt einen Choleraverdächtigen,
der sich den Absperrungsmaassregeln widersetzt, in einem speciellcn
Falle für straffrei. Die Folge dieser Entscheidung sei Weigerung
der Polizei- und Couiiuunalbehörden zur moralischen und pecuniärcn
Unterstützung der Abwehrmaassregeln gegen Choleragefahr, die von
Seiten der Medicinalbeamten angeordnet würden. Er fordert daher
den Medicinalbeamtenverein auf, sich wegen Erlasses eines Reichs¬
seuchengesetzes an das Ministerium zu wenden.
Medicinalrath B ar nick-Marienwerder theilt eine Kammer¬
gerichtsentscheidung mit, nach der ein Arzt, der choleraverdächtige
Fälle nicht zur Anzeige gebracht batte, auf Grund einer Polizei-
Verordnung vom Jahre 1892 nicht in Ordnungsstrafe genommen
werden konnte, vielmehr nach dem preussischem Regulativ von
1835 frei ausgehen musste.
Der Vertreter des Ministers des Innern, Geh. Ober-Regierungs¬
rath Gescher, gibt die hier bestehende Lücke in der Gesetzgebung
zu. Leider sei der Entwurf eines Reichsseuchengesetzes in der
letzten Reichstagssession nicht mehr zur Berathung gekommen.
Einstweilen rathe er möglichst diplomatisches Vorgehen in der An¬
ordnung von gesundheitlichen Maassnahmen bei Seuchengefahr. Er
selbst sei als Gesundheitscommissär im Rheingebiete in keine Con-
flicte gerathen.
W a 11 i ch s - Altona erwartet nicht viel von einem Reichsseuchen-
gesetz.
Der Vorsitzende Rapmund-Minden beantragt entsprechend
dem“ Philipp'schen Vorschläge, dem Vorstande des Medicinal-
beamtenvereins die Erlaubniss zu einer entsprechenden Eingabe an
das preussische Ministerium zu geben. Die Versammlung stimmt
dem zu.
IV. Herr Kreis-Phys. Dr. D i e t r i C h- Merseburg: ' Die
Schäden der Curpfuscherei.
Die Reichsgewerbeordnung habe durch die Aufhebung des
Curpfuschereivorbotes unendlichen Schaden gethan. Die öffent¬
liche Gesundheit sei gefährdet, dadurch dass die richtige Er¬
kenntnis und Behandlung von Krankheiten in vielen Fällen, be¬
sonders bei Infcctionskranken verhindert werde, die öffentliche
Sittlichkeit, indem Curpfuscher vielfach unsittliche Manipulationen
an ihren Opfern ausführten. Er führt einige hierher gehörige
Beispiele an. Durch die Herabdrückung des ärztlichen Berufes
zu einem Gewerbe soi eine Ueberfüllung des Standes mit unge¬
eigneten Elementen zu Stande gekommen. Dadurch sei die Achtung
vor den Aerzten gesunken. Weiter dadurch, dass die Krauken-
kassengesetzgebung eine Anstellung von Kurpfuschern an den
Krankenkassen ermögliche. Letzteres ist wenigstens in den süd¬
deutschen Staaten wieder verboten worden. Auch fast überall
im Auslande bestehe das Verbot der Curpfuscherei. Die Zahl
der Curpfuscher ist enorm, in Bayern am schlimmsten , wo auf
100 Aerzte 53 Curpfuscher kommen. Ein weiterer Grund für
das Anwachsen des Curpfuscherthums sei die ungenügende Aus¬
bildung der jungen Mediciner, besonders in der eigentlichen Kranken¬
behandlung. Die bisher angewandten Mittel, Belehrung des Publieums,
Polizeiverordnungen und auch vereinzelte Verurtheilungen auf Grund
des Betrugsparagraphen hätten nicht viel geholfen. Der Vortragende
fasst seine Wünsche in die beiden Schlusssätze zusammen :
1. Das allgemeine Wohl erfordert dringend, dass die Be¬
rechtigung zur gewerbsmässigen Ausübung der Heilkunde von dem
Nachweis der Befähigung abhängig gemacht wird.
2. Die Curpfuscherei bedarf einer strengeren Ueberwaehung
seitens der staatlichen Medicinalorgane als bisher.
An der Discussion betheiligen sich die Herren Klein-Char¬
lottenburg, Barn ick-Marien werder und Schilling-Querfurt. Die
beiden ersten beben hervor, dass man sehr wohl mit Hilfe von
Polizei und Staatsanwalt den Curpfuschern zu Leibe gehen könne.
Auf Wunsch mehrerer Herren wird die Fortsetzung der Dis¬
cussion wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes auf morgen vertagt.
Zweiter Sitzungstag.
Nach Eröffnung der Sitzung hält I. Dr. Schulz, früherer
Assistent an der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde in Berlin,
seinen Vortrag: «Die Erkennung vitaler Verletzungen» mit
Demonstrationen.
Der Vortrag ist eine kürzere Wiedergabe einer ausführlichen,
in der Vierteljahresschrift für gerichtliche Medicin veröffentlichten
Arbeit.
IL. Fortsetzung der Debatte über die Schäden der Cur¬
pfuscherei.
An derselben betheiligen Bich eine grosse Anzahl Herren, von
denen die Mehrzahl das Verbot der Curpfuscherei wünscht, eine
nicht unbeträchtliche Minderheit sich aber als Gegner eines solchen
bekennt, da dasselbe gewiss nutzlos sei. Zuletzt macht sich die
Ansicht (Rapmund) geltend, dass das bisher gesammelte Material
noch nicht ansreiche, um bei Ministerium und Reichstag Eindruck
zu machen. 8chliesslich gelangt folgender Antrag Bar nick-Marien¬
werder zur Annahme: «Nachdem die XIII. Hauptversammlung des
preussischen Medicinalbeamtenvereins ihre völlige Uebereinstimmung
mit den Schlusssätzen des Vortragenden ausgesprochen, beauftragt
sie den Vorstand, eine thunlichst genaue Aufstellung einer Statistik
des gewerbsmässigen Curpfuscherthums im Königreich Preussen
aufzustellen und den Gegenstand auf die Tagesordnung der nächsten
Hauptversammlung zu setzen.»
III. Vorstandswahl Und Cassenbericht.
IV. Herr Kr.-Phys. Dr. Coe st er- Goldberg in Schlesien
hält seinen Vortrag: «Der Alkoholismus mit Rücksicht auf
die Bestimmungen des neuen bürgerlichen Gesetzbuches
und des Strafgesetzbuches.»
Der Vortragende gibt erst eine Ueborsicht der bisher
nach dem allgemeinen preussischen Landrecht bestehenden Be¬
stimmungen und erläutert dann an der Hand der einschlägigen
Paragraphen des neuen bürgerlichen Gesetzbuches, der Civilproccss-
ordnung, des Strafgesetzbuches und der Gewerbeordnung die auf
diesem Gebiete gemachten Fortschritte. Er kommt zu folgenden
Schlusssätzen :
1. Während der bisherige Gesetzgeber nur dann eine Ent¬
mündigung des Trunkfälligen gestattete, weun dieser für «wahn¬
sinnig » erklärt worden war, ist nach § 6 Absatz 3 des neuen
bürgerlichen Gesetzbuches die Entmündigung auch wegen «Trunk¬
sucht » allein zulässig.
2. Zur Feststellung der «Trunksucht» wird die Mitwirkung
medicinischcr Sachverständiger nicht immer nöthig sein ; zur Ent¬
mündigung aber stets.
3. Zu den nach § 100 Abs. 2 des neuen bürgerlichen
Gesetzbuches «geschäftsunfähig» machenden «vorübergehenden
Störungen der Geistesthütigkeit» ist auch der schwere Rausch zu
rechnen, sobald er sich bis zur «Bewusstlosigkeit» gesteigert hat.
4. Unter «Bewusstlosigkeit» ist besonders die vollständig
fehlende Erinnerung an Geschehenes zu verstehen.
5. Man kann dem Gesetzgeber nur Recht geben, dass vorüber¬
gehende, durch den Genuss geistiger Getränke hervorgerufene Zu¬
stände von :<Bewusstlosigkeit», sobald sie selbstverschuldete sind,
die Verantwortlichkeit für etwaigen in solchen Zuständen wider¬
rechtlich verursachten Schaden nicht aufheben.
6. Nach lukrafttreten des neuen bürgerlichen Gesetzbuches
wird es nöthig werden, für wegen Trunksucht Entmündigte
staatliche Anstalten einzurichten, die am bcstcu mit landwirt¬
schaftliche» Betrieben verbunden werden.
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902
MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38
7. Wenn ein ärztlicher Sachverständiger während oder gleich
nach einer gerichtlichen Verhandlung mündlich oder schriftlich dem
Gerichtshöfe Bedenken über die geistige Gesundheit eines Ange¬
klagten etc. äussert, sollte unweigerlich die Verhandlung unter¬
brochen, der Urtheilsspruch vertagt oder, wenn bereits gesprochen,
die Strafe, bezw. Freisprechung ausgesetzt und ein ärztliches Gut¬
achten eingeholt werden.
8. Die dadurch entstehende Verschleppung der Gerichts¬
verhandlung wird in den meisten Fällen vermieden werden, wenn
schon in der Voruntersuchung oder im Beginn des Termines oder
sogar noch während der Verhandlung au den oder die ärztlichen
Sachverständigen, falls solche gegenwärtig sind, die Frage gerichtet
wird, ob Bedenken in Bezug auf deu Geisteszustand des An¬
geklagten vorliegen.
9. Personen, welche nicht entmündigt sind, sollten von Seiten
des Gerichts nicht länger als 6 Wochen zu ihrer Beobachtung in
Anstalten zurückbehaltcn werden dürfen. Während dieses Zeit¬
raums ist entweder der Antrag auf Entmündigung von Amts-
wegon zu stellen oder die Entlassung zu bewirken.
10- Stimmt der Gerichtshof mit den Ansichten des oder der
Sachverständigen nicht überein, so sollte das Verfahren vor Gericht
stets eingestellt und ein Obergutachten in erster, erforderlichen
Falls auch in zweiter Instanz eingeholt werden, das dann für den
Gerichtshof maassgebend sein müsste.
11. Bei Beobachtung der in den 2—4 und 7—10 an¬
geführten Gesichtspunkte wird Personen, die durch Trunksucht
oder anderweit in ihren geistigen Fähigkeiten geschädigt sind,
durch gesteigerte Wahrnehmung ihrer Interessen vor dem Straf-
riehter ebenso gedient werden, wie denjenigen, für die das neue
bürgerliche Gesetzbuch die Möglichkeit schaffen soll und will,
dass sie alles gegen ihre vermuthete Geisteskrankheit sprechende
Beweismaterial dem Gerichte vollständig vorzulegen vermögen.
In der Discussion über diesen Gegenstand betont Le pp man n-
Berlin, dass man «He Fürsorge nicht bloss auf Trunkfilllige allein,
sondern auch anf deren Nachkommenschaft ausdehnen müsse, wie
dies bereits von der internationalen kriminalistischen Vereinigung
erstrebt werde.
V. Letzter Vortrag: Kr.-Phys. B ei n hau er - Höchst :
Ueber Benzolvergiftung, sowie über die Betheiligung der
Medicinalbeamten bei Begutachtung von Neuanlagen und
Veränderungen gewerblicher Anlagen.
Von mehreren ihm zur Begutachtung vorgelegtcn Benzol-
Vergiftungen ausgehend, bedauert Bein hau er, dass seit 1884
den Medicinalbeamten die gewerbebygicnische Aufsicht entzogen
und den Gewerbeinspectoren übertragen s«*i. Er wünscht gemein¬
same Arbeit mit letzteren so, dass der Gewerbeinspector das
Technische und Gewerbliche, der beamtete Arzt das Hygienische
zu übernehmen hätte.
Wal lieh s (Altona) weist auf die grössere Machtvollkommen¬
heit der bayerischen Bezirksärzte auf dem Gebiete der Gewerbe¬
hygiene hin.
Philipp-Berlin wird bei allen gewerblichen Neuanlagen in
seinem Kreise Niederbarmen zur Begutachtung aufgefordert. Er
glaubt aber, dass man in dem Wunsche einer dauernden Controle
gewerblicher Anlagen durch den Arzt nicht zu weit gehen dürfe.
Der völlige Ausschluss desselben von der Gewerbehygiene sei frei¬
lich ein grosser Fehler.
Von den Schlusssätzen des Dr. Bein hau er wird
1. bei jedem im Betriebe der Grossindustrie, insbesondere
der chemischen, verkommenden Todesfälle ist, sobald die Ver-
muthung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Tod und
Betrieb vorliegt, eine gerichtliche Section lierbeizuführen ;
2. behufs Feststellung der Todesursache ist ein grosser Werth
auf ausgiebige Vernehmung der den Betrieb leitenden Chemiker,
Aufseher und der darin beschäftigten Arbeiter, sowie auf eine
Besichtigung der Betriebsräume und Einrichtungen zu legen. Diese
Vernehmungen sowohl, als die Besichtigungen haben unter Zu¬
ziehung der Gerichtsärzte stattzufinden, und
3. Abs. 1 im öffentlichen Interesse ist eine grössere Be¬
theiligung der Medicinalbeamten auf dem Gebiete der Gewerbe-
li -Mene unbedingt geboten — von der Versammlung angenommen;
über 3- Abs. 2: die Medicinalbeamten sind nicht nur bei
jeder Neuanlage oder Erweiterung einer gewerblichen Anlage zur
bei der Ueberwachung der gewerblichen Anlagen und der Haus¬
industrie erforderlich I — erfolgt keine Einigung.
Die Tagesordnung wies noch einen Vortrag von Dr. Caspari-
Berlin «lieber den Muskelschwund Unfallverletzters auf. Derselbe
fiel wegen der vorgerückten Zeit aus, erscheint aber im officiellen
Bericht.
Schluss der Versammlung.
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.
XXI. Versammlung vom 10.—IR. September in Kiel.
Originalbericht von Dr. Kister, Assistent am hygien. Institut
in Kiel.
(Fortsetzung.)
II. S i t z u n g s t a g.
III. Bekämpfung der Diphtherie.
Referent: Professor Dr. Carl F r a e u k e 1 - Halle.
Als Einleitung seines ausserordentlich spannenden Vortrages
weist der Redner darauf hin, dass es vor Allem die grossen Volks-
seuchcn sind, denen ein hygienischer Verein seine Aufmerksamkeit
zuwendon muss; und dass die Diphtherie gerade eine der ärgsten
ist und zugleich eine der in das Familienleben eingreifendsten,
da die Diphtherie besonders die Todesursache im zarten Kindes-
alter bildet, das wird an einer Reihe von Zahlen bewiesen. Um
aber mit Erfolg den Kampf gegen einen solchen Feind aufnehmen
zu können, müsse vor Allem die Entstehung der Seuche bekannt
sein, und cs sei auch im Jahre 1884 Löffler gelungen, die
Stäbchen der Diphtherie zu entdecken. Die ganze öffentliche
Gesundheitspflege sei aus dem aetiologischen Princip entsprungen,
und dieser Aetiologie müsse man in jedem einzelnen Falle nach
forschen. Es gelänge aber nicht bei allen Erkrankungen, die das
klinische Bild einer Diphtherie darbieten, die Löffler'sehen
Stäbchen nach zu weisen ; das Reich der klinischen Diphtherie sei
jetzt durch die baeteriulogische Forschung getheilt, wir müssen
unterscheiden zwischen einer Stäbchen- und einer Coccen-(Strepto¬
coccen)- Diphtherie. Andererseits fände man die Diphtheriebacillen
aber nicht nur auf deu erkrankten Theilen bei ausgesprochener
klinischer Diphtherie, sondern auch häufig bei leichten und aty¬
pischen Formen der llals- und Nasenerkrankungen, ja sogar auch
auf den Schleimhäuten ganz gesunder Individuen und in der Um¬
gebung der Kranken. Spreche dieses nun nicht gegen die actio-
logische Bedeutung unserer Stäbchen?
Dem gegenüber bemerkt Referent, dass ja auch der Tuberkel¬
bacillus und der Pneumococcus sich bei Gesunden vorfinden können.
Die blosse Gegenwart eines Mikroorganismus genüge noch nicht
oder nicht genügend, um eine typische Erkrankung hervorzurufen.
Es bedürfe einer Anlage, einer D isposi tion. «Die Disposition
ist jetzt aber nicht mehr das Wort, das sich einstellt, wo Begriffe
fehlen». Viele Menschen weisen eine grosso giftwidrige .Eigen¬
schaft des Blutes anf. Auch im Blute Neugeborener seien solches
bedingende Körj>er — Antikörper — naebgewieseu worden
vielleicht könne man auch von einer FamiliendispositioD reden.
Doch nicht das Blut allein bedinge die Disposition. Bei Thier-
versuchen habe man gefunden, dass die Diphtheriebacillen besonders,
wenn kleine Verletzungen vorhanden sind, ihre Thätigkeit ent¬
falten, und so trete auch die Diphtherie beim Menschen gern im
Anschluss an geringfügige Affectionen auf. Auch eine örtliche
Disposition könne man annehmen. Die Diphtheriebacillen fänden
sieb vornehmlich auf den Schleimhäuten der Hals- und Bachen¬
organe, des Kehlkopfes, der Nase mit ihren Nebenhöhlen, ferner
der Conjunctiva und auch auf der äusseren Haut besonders bei
kleinen Kindern; sic fänden sich dort in Reincultur oder ver¬
gesellschaftet mit anderen Bactericn, meist Streptococcen. Die
Diphtheriebacillen verschwinden aber nicht mit den klinischen
Erscheinungen , so häufig seien noch nach der Genesung die Ba¬
cillen nachgewiesen, dass man hier wohl nicht eine Ausnahme,
sondern eine Regel vor sich habe — selbst nach 8 Monaten habe
man sie noch aufgefunden. Unter welchen Umständen kann nun
das Diphtheriestäbchen existiren? Gedeihen könne dasselbe nur
bei einer Temperatur von mindestens 22 °, ausserhalb des Körpers
sei somit eine Fortpflanzung nicht wahrscheinlich, dagegen habe
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22. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
es eine grosse Resistenz besonders gegen niedrige Temperaturen
und Austrocknung, so z. B. vermag es ca. 190 Tage lang an
einem Seidenfaden angetrocknet am Leben zu bleiben.
Referent wendet sich nunmehr zu der Frage der Ucbertragung.
Diese komme vor Allem durch dtn Menschen selbst zu Stande,
«er wirft immer neue Schaaren von Streitern auf den Kampf¬
platz». Und zwar kommen hierbei in Betracht einmal die di recte
Uebertragung, die Impfung, sodann diejenige durch Zwischenträger :
Betten, Wäsche und Kleidungsstücke der Kranken , Spielsachen,
Ess- und Trinkgeschirre, Nahrungsmittel u. s. w., an denen die
spccifischen Keime haften. Eine eigentliche Luftinfection sei
ausgeschlossen. Für beide Uebertragungswege führt Redner eine
Anzahl Beispiele an. Diese Ursache der Ansteckung sei auch
in den Epidemien zu erkennen, hier sehe mau eine kettenförmige
Ausbreitung, ein Fall reiche dem anderen die Hand. Die Wohnungs-
Familien Verhältnisse und ülx'rhaupt der ganze culturclle Charakter
sei für das Auftreten der Diphtherie bedingend. Nach diesen
Ausführungen begibt sich Redner auf das eigentliche Schlachtfeld
und behandelt die Bekämpfung der Diphtherie. ■< Trotzdem der
Mensch nicht pilzdicht gemacht werden kann, muss man, wie
überall in der Hygiene, auch hier sagen, entweder alles oder nichts».
Die Vernichtung der Stäbchen sei innerhalb und ausserhalb des
Menschen anzustreben. Da man wisse, dass schon ein ziemlich
schwaches Desinficienz die Diphthcriebacillen abzutödten im Stande
sei, so sei eine örtliche Behandlung der befallenen Theile mit
dcsinticirenden Mitteln, die in eine möglichst ausgiebige Berührung
mit ersteren gebracht werden müssen, zu empfehlen. Dann aber
solle auch vor Allem die sjx'cifische Therapie durch das Behring’
sehe Heilserum möglichst frühzeitig eingreifeu. Die Bacillen
ausserhalb des Körpers können in üblicher Weise durch Chemikalien
oder Siedehitze abgetödtet werden. Ausser den Krankheitsstoffen
— Auswurf, Membranen — müssen Krankenzimmer, Wäsche,
Kleidung etc. desinticirt werden. Statt der Taschentücher empfehle
Jaeger Tücher aus mindvrwerthigen Stoffen, die man nach dem
(Jebrauch vernichten könne. Redner lässt sieh dann auch noch
eingehender über die Vornahme derartiger Desinfeetionen ins¬
besondere der Krankenzimmer aus, wobei vielleicht das Formal¬
dehyd noch eine wichtige Rolle zu spielen berufen sei.
Dann sei ferner die Schliessung der Wege, auf denen die
Uebertragung erfolgt, unbedingt nöthig; wenn auch die Isolirung
der Kranken im eigenen Hause oft auf grosse Schwierigkeiten
stosse — Referent gibt eine Uebersicht über die Wohnungs-
verhältni8sc in Berlin — und andererseits gerade hei der ärmeren
Bevölkerung eine gewisse Scheu vor den Anstalten herrsche, so
solle man es doch nicht an Entschlossenheit and Energie fehlen
lassen und neben einer Belehrung des Publicums auf die allgemeine
Durchführung einer gründlichen, ja selbst zwangsweise vorzu¬
nehmenden Isolirung der Kranken dringen. Was man damit er¬
reichen könne, das habe man an der schrecklichen Geissei, der
Lepra, vor Zeiten gesehen.
Ausserdem sei die Aufnahme in’s Hospital nicht nur für
die Armen sondern auch für Wohlhabenderen eine Wohlthat in
mancher Beziehung.
Die Isolirung müsse sich aber nicht allein beschränken auf
die Kranken, sondern auch auf die Reconvalescenten und auf ver¬
dächtige Fälle. Wenn sich auch jetzt nicht alles so ohne Weiteres
durchführen lasse, wie es wohl wünschenswerth wäre, so müsse
man doch wenigstens daran festhalten, dass der Besuch der Schule
von Kranken und deren Angehörigen, die Ansammlung im Kranken¬
oder Sterbehause, namentlich von Kindern, zu verbieten sei. Re¬
ferent führt im Anschluss hieran einige Beispiele von Verschleppung
von Keimen an. Ebenso sei der Verkehr mit Nahrungsmitteln
zu beaufsichtigen, besonders der mit Milch. Für die erwähnten
Maassnahinen sei aber von der grössten Bedeutung die möglichst
frühzeitige Erkennung der Fälle von echter Diphtherie. Hier
habe die bacteriologischc Untersuchung einzugreifen. Nicht nur
bei den typisch erkrankten, sondern auch bei nur verdächtigen
Fällen und selbst bei den Gesunden in der Umgebung dieser
Kranken sei eine Spürjagd auf die L ö f f 1 e r’sehcn Stäbchen vor-
zunehmen. Dieser Aufgabe kann sieh aber der Arzt nicht widmen,
dazu seien geeignete Central stellen nöthig.
903
Sehr zweckmässig sei die Einrichtung, wie sie von Esmarch
in Königsberg getroffen sei: an verschiedenen Stclleu sind sterili-
sirte Packetchen mit kleinen Schwämmchen deponirt, die dem
Arzte zur Verfügung stehen, der dann nur mit dem Schwämmchen
die erkrankten Stellen betupfen und einer bacteriologisehen Cen¬
tralstelle einzusenden braucht. Wenn man die geeigneten Nähr¬
böden — Löffler’s Traubenzuekerbouilloublutserum; Tochter-
mann’s Serumagar — anwende, könne nach 24 Stunden schon
die Diagnose gestellt sein.
Schliesslich sei noch eine streng durchgeführte Anzeige¬
pflicht geboten. I)a nun aber nur der empfängliche Orga¬
nismus durch den Diphtheriebacillus beeinflusst werde, so
könne man durch Beseitigung der Disposition auch auf eine
Eindämmung der Seuche rechnen. Hier führt Redner zwei Maass¬
regeln an, einmal prophylaktische Gurgelungen mit desinfieirenden
Mitteln und dann vor Allem die lmmunisirung mit Hilfe des
B ehri n g’schen Serums. Ein Heilwerth des Diphtherieseruius
könne jetzt nicht mehr in Frage gestellt werden; sei cs nun auch
im Stande, eine lmmunisirung zu verleihen, so trete es an die
erste Stelle aller prophylaktischen Maassnahmen. Die aufgeführten
7—8 Todesfälle nach Anwendung des Serums könne Referent
nicht als in ursächlichem Zusammenhang mit der Seruuiinjection
stehend anerkennen. Kleine Nebenwirkungen, wie man sie nach
Anwendung des Heilserums bei schweren Erkrankungen schon mit
in den Kauf nehme, treten leider auch bei der lmmunisirung auf.
Die neuesten, noch nicht veröffentlichten Erfahrungen aus der
Berliner Oharite lauteten aber sehr günstig. Die Nebenwirkungen
sind seltener geworden, allerdings nicht ganz verschwunden: Bei
117 nur 5 mal, und zwar waren es ganz unbedenkliche Haut-
ausschläge. Der sj>eeifische Erfolg war unverkennbar, bei einmal
Geimpften traten nur selten, hei wiederholt Geimpften niemals
Erkrankungen auf.
Dass die lmmunisirung eine grosse Zukunft habt;, sei ohne
Frage, nur könne man nicht erwarten, dass eine plötzliche Wand¬
lung der Dinge eintrete, und jetzt schon die Anerkennung eine
allgemeine werde. Referent weist auf die Jenner’schc i?chutz-
pockenimpfung hin, die sich erst ganz langsam Bahn gebrochen
und selbst heute noch ihre Gegner habe. Zum. Schluss fordert
Redner energisch auf zur Bekämpfung der Seuche und schliesst
mit den Worten : «Helfen Sie alle mit, meine Herren, an diesem
Werke, es ist wahrlieh des Schutzes der Edlen werth.»
DiscuBsion: ür. Kurth-Bremen führt aus, dass es zweck¬
mässig sei, nur die zweifelhaften Fälle an die Centralstellen zu senden
und macht dann einige Angaben über seine Erfahrungen aus Bremen.
Oberbürgermeister Zweigert-Essen a. R. weist auf Bedenken
hin, die gegen die zwangsweise vorzunehmende Desinfection und
Absperrung anzuführen sind; er spricht sich für eine Belehrung,
aber gegen den polizeilichen Zwang auB.
Dr. Jaeger-Stuttgart wünscht Schulung und Aufklärung des
Publicums, keine polizeilichen Maassnahmen.
Polizeidirector Dr. Gerl and-Hildesheim: Das Publicum könne
auch ohne directen Zwang und doch recht wirksam zur Erfüllung
der hygienischen Anforderungen angehalten werden. Gerade die
Armen wüssten den Maassnahmen Dank.
Stadtrath Richter bemerkt, dass auch die Aerzte die Ueber¬
tragung vermitteln können.
ln seinem Schlusswort führt dann der Referent aus, dass er
bei Erwähnung von einer Zwangsmaassregel nicht an eine polizei¬
liche gedacht habe, man könne auch einen milden Zwang anwenden.
Was die Uebertragung durch Aerzte beträfe, so sei sie erfabrungs-
gemäss selten, es seien auch nicht alle disponirt, immerhin müsse
er eine gewisse Gefahr von dieser Seite aus zugeben.
IV. Die Mitwirkung der Aerzte bei Handhabung der
Gewerbehygiene.
Referent: Mcdicinalrath Dr. Merkel-Nürnberg.
Redner beleuchtet zunächst unter Aufzählung einer Reihe
von Beispielen aus der Gewerbehygiene die Nothwendigkeit der
ärztlichen Beihilfe bei der letzteren. Referent erwähnt die ver¬
schiedenen gewerblichen Erkrankungen und Schädigungen. Be¬
stimmte Berufsschädigungen rufen stets dieselben Krankheiten
hervor; kenne man gewisse Betriebe, so müssen die darin Be¬
schäftigten gewisse Krankheitssymptome zeigen. Hier könne aber
nur der Arzt die Verhältnisse richtig erkennen. Es sei aber nicht
wünschenswerth, dass die Aerzte, die sich mit der Gewerbehygiene
zu befassen hätten, von ihrer Praxis losgeschält würden; allerdings
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904
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 88.
hätten sie sich mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen
und Verordnungen genügend vertraut zu machen, ebenso sei ein
gewisses Verständniss für die technischen Fragen und für die
Bedürfnisse der Industrie und des Gewerbes überhaupt notliwendig.
Wenn aber der Arzt z. B. Vergiftungserscheinungen feststellt, so
sei die Frage, welche Schutzmaassregeln am Platze sind, nur durch
den technischen Sachverständigen zu entscheiden. Dem betheiligten
Arzte sei der technische Beamte unentbehrlich und ein stetes
«Hand in Hand Gehen » des Gewerbe-Hygienikers mit den tech¬
nischen Aufsichtsorganen und Verwaltungsbehörden unerlässlich.
Der Amtsarzt, der nur der Verwaltung zu dienen hat, sei Dun
der geeignetste, er sei von Haus aus darauf hingeführt, doch soll
er nicht zu sehr belastet werden und seine Praxis ausüben können.
Schwierigkeiten können vielleicht in grossen Betriebscentren sich
ergeben; hier ist die Anstellung eines eigenen Arztes notliwendig.
Bei der grossen Zahl der Aerzte könnten wohl geeignete Leute
gefunden werden. Bei der Ausbildung solcher Aerzte und bei den
Prüfungen für den ärztlichen Staatsdienst sei auf die Gewerbe-
Hygiene besonders Rücksicht zu nehmen. An einzelnen Hoch¬
schulen werde ja auch auf eine derartige Schulung hingestrebt,
es würden sowohl diesbezügliche Vorlesungen abgehalten, als auch
Exeursiouen in gewerbliche Anlagen unternommen. So würde
hoffentlich bald die jetzt vorhandene Lücke ausgefüllt.
Discussion: An der DiscuBsion betheiligten sich die Herren
Dr. Jastrow-Berlin und Dr. Busch-Crefeld.
Nachmittags um 3 Uhr wurde eine Fahrt in von der Stadt
gestellten Wagen nach dem städtischen Wasserwerk und der Ent-
eiscnungsanlage am .Schulensee unternommen. Die Führung an
Ort und Stelle übernahm der Director der städtischen Gas- und
Wasserwerke, Herr Pippig, mit Hilfe seiner Beamten und von
Mitgliedern der städtischen Gas- und Wassercommission.
Die Wassergewinnung vollzieht sich durch 2 Fassungen, die
Poppenbrüger- und Schulensee-Brunnenanlage. Krstere besteht aus
38 Röhrenbrunnen , die mit ihren Saugkörben 3 bis 7 m in der
Kiesschicht stehen und das Grundwasser durch 2 Sammelrohre
in den Sammelbrunnen leiten, letztere umfasst den Seebrunnen
— 8 m tief in Kies stehend und aus schmiedeeisernen Ringen
zusammengesetzt — und 18 Landbrunneu — zwei von ihnen sind
eiserne Schachtbrunnen, die übrigen Röhrenbrunnen derselben Art
wie die der Poppenbrüger Anlage. Getrennte Heberrohre heben
das Wasser in einen Pumpbrunnen , aus welchem dasselbe durch
3 Maschinen vermittelst Pumpen entnommen wird. Zwei der
Pumpmasehinen haben eine höchste Leistungsfähigkeit von 7500 cbm
in 24 Stunden, die dritte eine solche von 7 500 — 10 00U Tagcs-
cubikmeter. Jede Maschine hat noch eine Reinwasserpumpe, welche
das Wasser aus dem Reinwasserbassin in die Stadtlcitung pumpt.
Neben dem Masehinenhause befindet sich das Kesselhaus mit drei
grossen Dampfkesseln.
Die Reinigungsanlage zerfällt in den Lüfter und die 4 Filter.
Zur Lüftung wird eine 3 in hohe Coaksschicht, die auf eisernen
Rosten liegt, benutzt. Ueber der Coaksschicht liegen durchlochte
Wellenbleche, durch welche das durch ein Pumprohr aufsteigende
Wasser hindurchrieselt. Die Lüftungsanlage ist in 8 Kammern
eingetheilt, von denen jede durch Schieber für sich abgesperrt
werden kann. Das durchrieselnde Wasser gelangt in 2 Absetz¬
bassins, an die wieder 2 Vorbassins angeschlosscn sind. Die Ab-
setzbassins haben einen Ueberfall nach einer Entnahmekammer,
die wieder durch eine Längswand in 2 Tbeile getheilt ist.
Die Coakslüfter werden durch einfache Spülung gereinigt,
indem die gesammte Wassennenge auf eine Lüfterabtheilung ge¬
bracht wird. Aus der Entnahmekammer gelangt das gelüftete
Wasser durch 4 getrennte Leitungen in die 4 Filter. Jedem
derselben ist ein Regulirhäuschen vorgebant. Die Filter bestehen
aus einer 48 cm hohen Stein- und Kiesschicht und einer darüber
befindlichen 70 cm hohen Sandschicht. Beim Ingangsetzen eines
Filters wird dasselbe von unten her mit filtrirtem Wasser gefüllt,
am ein Aufwirbeln des Sandes zu vermeiden. Der höchste Filtrations¬
druck beträgt 1 in. Hat sich ein Filter todt gearbeitet, so wird
die oberste stark verschlammte Sandschicht abgetragen. In der
Sohle der Filter befindet sich ein Sammelcanal, der das filtrirte
Wasser in die beiden Rein Wasserreservoire leitet. Ausserdem ist
noch die Einrichtung einer Sandwäsche vorgesehen. Die Lüfter
haben sich bei 4 mg Eisengehalt gut bewährt. Die maximale
Leistungsfähigkeit der Anlage beträgt 15 000 Tagescubikmeter.
Abends fand sich der Verein zu einer geselligen Vereinipng
in der Seebadeanstalt auf Einladung der Stadt Kiel ein.
III. Sitzungstag.
Vor der Eröffnung der Sitzuug fand eine Besichtigung des
hygienischen Instituts der Universität Kiel und der medicinischen
Klinik statt.
Sodann ist in einem Garten am Schwanen weg das Eisen¬
ausscheidungsverfahren nach Kröh n k e, von den Firmen Deseniss
und Jacobi - Hamburg und Müllenbach und Zillessen-
Hamburg demonstrirt, in Betrieb zu sehen, Uber welches Professor
Du n bar • Hamburg eingehende Untersuchungen angestellt hat.
Bei dem von der letztgenannten Firma ausgestellten Filter ermög¬
licht der Umstand, dass der Filtersand sich in einer drehbaren
Trommel befindet, eine einfache und sehr ausgiebige Spülung und
Reinigung. Ausserdem sind daselbst einige Presakohlenfilter der
Firma B ü hriu g u. Co. ■ Hamburg aufgestellt.
Die Eröffnung der Sitzung begann mit der Wahl eines Aus¬
schusses; dieselbe ergab folgende Zusammensetzung: Professor
Baumeister- Karlsruhe , Professor F r a e n k e 1 - Halle, Ober¬
bürgermeister F u s s - Kiel, Geheimrath L e n t - Köln, Ober¬
ingenieur Meyer - Hamburg , Oberbürgermeister R ü m e 1 i n •
Stuttgart, Geheimrath Spiess-Frankfurt. Die Präsenzliste weist
291 Mitglieder auf.
V. Die gesundheitlichen Verhältnisse in der Handels¬
marine und auf den modernen Dampfschiffen.
Referenten; Geh. Regierungsrath Professor Busley-Kiel und
Hafenarzt Dr. N o c h t - Hamburg.
Der erste der beiden Referenten theilt seinen Vortrag ein
in Besprechung der Luft, der Wasserversorgung, der Beleuchtung
und der Wärme auf unseren Schiffen. Die Luft wird bedingt
durch das Material, die Bauart, die Ladung und die Bewohner.
Besonders die letzteren tragen dazu bei, die Luft auf den Schiffen
zu verschlechtern. Die Ventilation kann nun eine künstliche
und eine natürliche sein. Letztere beruht auf dem Temperatur¬
unterschiede im Innern der Schiffe und draussen und vor Allem
auf dem Winde. Am besten findet eine Lüftung statt, wenn
der Wind senkrecht zur Längsaxe des Schiffes einwirkt, also auf
die Seitenfenster gerichtet ist. Die künstliche Ventilation kann
herbeigeführt werden durch Aspiration und durch Pulsion. Redner
führt eine Zahl derartiger Einrichtungen an, die er theilweise
auch an Modellen erläutert. Beides, sowohl Aspiration als auch
Pulsion ist neuerdings auf S. M. S. «Aegir» zur Anwendung
gekommen. Auch für eine hinlängliche Wasserversorgung ist auf
den Schiffen gesorgt. Da ein Schiff nicht genügend Trinkwasser
mitnehmen kann, so muss auf See aus dem Seewasser das Trink¬
wasser durch Destillation gewonnen werden. Dazu sind aus
reichende Destillirapparatc vorgesehen. Wie sehr man anf das
Wohl der Mannschaft bedacht ist, das zeigt besonders die reich¬
liche Darreichung von Wasch-, Bade- und Spülwasser. Da auf
See zu Zeiten die gehörige Trocknung der Kleidungsstücke
Schwierigkeiten bereiten würde, so sind besondere Trockenkammern
eingerichtet, die es gestatten, in ausserordentlich kurzer Zeit die
Wäsche zu trocknen.
Die Beleuchtung, die auf den Schiffen in eine Innen- und
Aussenbeleuchtung zerfällt, liess früher viel zu wünschen übrig;
es machten sich sowohl in psychischer als auch in physischer
Hinsicht sehr schädliche Einwirkungen einmal durch die Ver¬
brennungsgase und dann durch die Wärme geltend. Dieses ist
jetzt geändert durch die elektrische Beleuchtung, die überall auf
den Schiffen eingeführt ist. Endlich ist auch für eine zweck¬
mässige Heiz- und Kühlanlage Sorge getragen. Es ist eine Vor¬
richtung vorgesehen, Eis — zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln
und für die Krankenpflege — herzustellen ; von ganz hervorragendem
Vortheil ist aber für die Mannschaft die Möglichkeit der Be¬
schaffung eines kühlen Trinkwassers, besonders in den Tropen.
Nachdem Referent nun noch eingehend die verschiedenen Heizungs¬
anlagen — Oefen, Dampf-, elektrische Heizung — besprochen
hat, gibt er zum Schluss der Ueberzeugung Ausdruck, dass diese
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22- September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
905
unsere hygienischen Einrichtungen auf den Schiffen wohl von
keiner anderen Marine erreicht werden. Die Schlusssätze lauten :
1) Die moderne Technik ist im Stande, don hygienischen An¬
forderungen an Bord von Dampfern in vollem Umfange gerecht
zu werden, wie die Einrichtungen der neueren deutschen Kriegs¬
schiffe und der grossen deutschen Schnelldampfer erkennen lassen.
2) Die immer höher gesteigerten Fahrgeschwindigkeiten der Dampfer
bedingen grössere Maschinenanlagen und geringere Wasserverdräng¬
ung, wodurch Raumbeschränkungen eintreten , welche eine weise
Abwägung der hygienischen Einrichtungen nöthig machen , wenn
nicht auf Kriegsschiffen der Gefechtswerth und auf Handelsschiffen
die Rentabilität leiden soll. 8) In dem kommenden Jahrhundert
der Elektrizität werden sich die maschinellen Anlagen, welche an
Bord für die Erhaltung der Gesundheit eingebaut werden müssen,
schneller entwickeln und leichter vervollkommnen lassen, als in
dem zur Neige gehenden Jahrhundert des Dampfes möglich war.
Herr Dr. N o c h t beschränkt sich auf die Darlegung der
Gesundheitsverhältnisse der Mannschaften der Handelsmarine, be¬
sonders der kleineren Schiffe, und kommt unter zahlreichen sta¬
tistischen Angaben zu folgenden Sätzen: 1. Da die meisten Kauf¬
fahrteischiffe keinen Arzt an Bord haben und die Sterblichkeit
an vermeidbaren Krankheiten unter den Seeleuten verhält ii iss*
mässig gross ist, so ist es erforderlich, dass die Gesundheitsver¬
hältnisse an Bord der deutschen Schiffe während ihrer Reisen als¬
bald nach der Rückkehr in die Heimath regelmässig nach einheit¬
lichem Plane festgestellt und während des Aufenthaltes der Schiffe
im Hafen dauernd überwacht werden. 2. Die Ergebnisse dieser
Ucberwachung sind an einer Centralstelle zu sammeln und für
die Weiterbildung der bisher sehr dürftigen Bestimmungen über
die Gesundheitspflege an Bord der Handelsschiffe nutzbar zu
machen. 3. Besonderes Interesse verdienen die Erkrankungen an
gelbem Fieber und Tuberculosc unter den Mannschaften im All¬
gemeinen und die ungünstigen Gesundheitsvcrhältnisse der Feuer-
leute an Bord. 4. Die Fortschritte der Technik für die Ver¬
besserung der Lebensbedingungen an Bord müssen in grösserem
Maassc als bisher auch den Mannschaften zu Gute kommen.
5. Bei der Weiterbildung der sanitären Fürsorge für die Mann¬
schafton an Bord empfiehlt es sich nicht, die Bestimmungen, wie
in England, für alle Schiffe gleichmässig zu gestalten. Die An¬
forderungen sind vielmehr nach der Grösse und Bestimmung der
Schiffe abzustufen.
Eine Debatte schloss sich nicht an.
Der Vorsitzende dankte allen Referenten für ihre belehrenden
Vorträge, sodann gedachte er der gastlichen Aufnahme durch die
Stadt Kiel und sprach schliesslich dem Staatssecretär des lteichs-
marineamt.es seinen Dank für sein gütiges Entgegenkommen aus.
Nachdem dann Herr Geheimrath Wallichs-Altona dem Vor¬
sitzenden für seine Thätigkeit im Interesse des Vereins gedankt
hatte, wurde die Sitzung geschlossen.
Nachmittags fand eine Fahrt mittels Dampfboot nach dem
Kaiser-Wilhelm-Canal bis zur Levensauer Hochbrücke und daran
anschliessend eine Fahrt in See auf dem Postdampfschiff «Prinz
Waldemar» der Linie Kiel-Kursor statt.
Der folgende Sonntag war einem gemeinsamen Ausfluge in
die holsteinische Schweiz gewidmet.
Stuttgarter Chirurgisch - gynäkologische Vereinigung.
(Officieller Bericht.)
Sitzung vom 15- Januar 1896.
Vorsitzender: Hr. Länderer.
Herr Steinthal: Demonstration.
Herr St. demonstrirt einen ungewöhnlich grossen, hufeisen¬
förmigen Tumor, der durch colossale Wucherung von spitzen Condy¬
lomen der grossen Schamlippen entstanden ist. Die völlig blutlose
Abtragung wurde durch Partialligaturen, die vorher unter der Ge¬
schwulst angelegt wurden, ermöglicht. Nach exacter Naht wurden
die Ligaturen gelöst. Glatte Heilung.
Herr Walch er bespricht die (anderwärts veröffentlichte)
Technik der Wundnaht; er empfiehlt, nahe am Wundrand
einzustechen, auch bei tiefen und weit greifenden Nähten, weil
so das von der Naht umschlossene Gewebe eine kreisförmige
Figur beschreibe und nekrotisirenden Circulationsstörungen weniger
ausgesetzt sei, als bei entferntem Einstechen, wo (’irculations-
störungen des gefassten Gewebes mit ihren schädlichen Folgen
unvermeidlich seien.
Herr Wal eh er schildert ferner seine anderwärts beschriebene
Methode der P r o I a p s b e 1» a n d I u n g (A ufrichten der Scheide
durch hinter dem Os pubis in die Höhe geführte Nähte mit
Jodoformgazebäusohehen am Ende mit Hilfe eigens construirter
Nadel.)
Sitzung vom 19. Februar 1896-
Vorsitzender: Herr Steiutha).
Herr Länderer: Demonstration.
Herr L. demonstrirt zunächst ein 10 jähriges Mädchen, das
durch die electrisehe Strassenbahn folgende Verletzungen erlitten
hat: Rriich der Schädelbasis, des Nasenbeins, Beckenbruch (itn
Schambein), Zerquetschung des linken Unterschenkels, des rechten
Vorderfu88es Der Stumpf der linkseitigen Exarticulation iin Knie
ist tragfähig und erträgt directe Belastung. Die Kxartioulation im
Chopart’sehen Gelenk rechts zeigt die (in neuerer Zeit wieder
geleugnete) sehr hinderliche Addtiction des Chopart'schen Stumpfes,
der durch einen Gegenzug in der Prothese entgegengewirkt werden
muss
2. demonstrirt er ein lOjähriges Mädchen mit angeborner
Hüftverrenkung. Verkürzung (einseitig) 4 cm. Durch einen
Apparat (Corset mit extendireiulem Schienenhülsen Apparat und
modificirter Schede' scher Schraube) ist die Verkürzung auf
2 cm herabgegangen. Der Kopf ändert seine Stellung zum Becken
nicht mehr, und es kann nicht mehr zweifelhaft sein, dass eine Ein¬
richtung des Kopfes (bei voller Beweglichkeit; mit Hilfe des Apparats
gelungen ist.
3. Ein Decollement am untern Theil des Thorax nach
Ueberfahrung.
4. L. spricht noch über Osteoplastik. Nach kurzer Be¬
sprechung der verschiedenen Methoden referirt er über klinische
und experimentelle Beobachtungen auf dem Gebiete der Hetero¬
plastik. Er bedient sich hiezu in geeigneten Fällen seit 1S92
in Jodoformäther desinficirter Thierknochen. Er hat so eine
Phalanx und eine Clavicula sieh neubilden sehen. K Um mell
hat auf der Lübecker Naturforschcrvcrsammlung die Ansicht aus¬
gesprochen, dass alle diese implautirten Knochen stücke nach seiner
Erfahrung später wieder der Resorption verfallen. L. hat sieh
nach seinen Patienten erkundigt und hat erfahren, dass die
Knochen sich nun seit 3 und 2 Jahren erhalten haben. Kr hat
neuerdings geglühte Knochen theils in 3—5 eiu langen, '/* cm
breiten Streifen, theils als feine Knoehenasche zur Ausfüllung von
Defecten verwendet. In neuester Zeit hat er auch eine Mischung
der wesentlichen Knochensalze in Anwendung gezogen. L. stellt
einen jungen Mann vor mit kleinhamltcllergrossem traumatischem
Schadcldefect; 10 Tage nach der Verletzung wurden 10 Knochen¬
streifen (2—3 cm lang, ’/z cm breit) auf die granulirende Dura
gelegt. Der Dcfeet schloss sich binnen 4 Wochen völlig, die neu¬
gebildete Knochenmasse bat sieh bis jetzt (über 1 Jahr) erhalten.
Bei einem vor 20 Tagen wegen J ac k son ’ scher Epilepsie Tre-
panirten bat sieb schon jetzt eine feste Masse gebildet. Es war
pulverisirtc Knoehenasche eingegossen worden. (Hier hat sieh die
neugebildete Masse später zum Theil wieder resorbirt.) L. demon¬
strirt noch Hunde- und Kaninchenschädel, bei denen in den Do-
feeten der implantirten Seite die Regeneration entschieden rascher
und vollständiger erfolgt ist. Ueber diese Methode der Förderung
der Knochen regen eration (s. die Mitteilungen von Barth), die
L. auch bei Nekrosen, Pseudarthrosen, Osteutomion in Anwendung
zieht, wird später ausführlich berichtet werden.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 19. September 1896.
Wiener medicinische Facultät. — Die Befugnisse der
Zahntechniker. — Ein Arzt kann nicht sequestrirt werden.
— Ein Selbstmord im unzurechnungsfähigen Zustande
bedingt die Zahlungspflicht der Lebensversicherungs-
Gesellschaften.
In einigen Tagen — am 23. September — beginnt die
Frist zur Immatriculation und Inscription an der Wiener Uni¬
versität und damit zieht wieder neues Leben ein in die seit
Wochen verödeten klinischen Hürsälc und Laboratorien. Im Lections-
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catalog worden für das kommende Wintersemester an der medi-
einisehen Faeultät von 29 ordentliclien, 3G ausserordentlichen Pro
fessoron und 94 Privatdocenten und Assistenten, mithin von
159 Lehrern, 271 Vorlesungen und Ourse angekündigt. Die
Zahl der Mcdicinor betrug im letzten Sommersemester 2228. von
welchen 1370 als ordentliche und 858 als ausserordentliche Hörer
resp. Cursisten inscribirt waren. Bis auf einzelne Ausnahmen
(Physiologie und Pharmakologie) sind die wichtigeren Fächer zwei-
und dreifach mit ordentlichen Professoren besetzt, und dieser Um¬
stand, sowie die obige Hörerzahl rechtfertigen es wohl, dass man
hier getrost von zwei vereinigten medieinischcn Faeultätcn
sprechen kann.
Die Wiener Aerztekammcr wird sieh demnächst mit einem
Referate, betreffend die endgiltigc Feststellung der Competenz der
Zahntechniker, zu beschäftigen haben. Ohne auf die lange Vor¬
geschichte dieser Frage einzugehen, will ich hier nur eonstatiren,
dass das (jewerbe der Zahntechniker durch eine .Ministerialverord-
riung aus dem Jahre 1892 für ein con cession irtes erklärt,
gleichzeitig aber auch der Umfang ihrer Gewerbeberechtigung in
der Weise begrenzt wurde, dass «das (Jewerbc der Zahntechnik
die gewerbsmässige mechanische Herstellung von künstlichen Zähnen,
von Ersatzstücken für den menschlichen Mund und von Bestand-
theilen solcher Ersatzstücke umfasse. Der Zahntechniker ist
berechtigt, die Abdrucknahme und die Anpassung von Zahnersatz-
stückcu im vollkommen gesunden menschlichen Munde selbständig
auszuführen. Es ist ihm jedoch untersagt, irgend welche Ver¬
richtungen in dem nicht vollkommen gesundem Munde des Menschen
oder auch — bei vollkommen gesunden Zustande des Mundes —
irgend welche, die Beschaffenheit der Gebilde desselben verändernde
Eingriffe (wie Abkneipen von Zahn- und Zahnwurzelspitzen, Ab-
f ei len, Reinigen und Conserviren von Zähnen, Entfernung schad¬
hafter Wurzeln u. s. w.) vorzunehmen».
In dem besagten Referate wird nun ausgeführt, dass nach
dieser Verordnung das zahntechnische Gewerbe ohne jede Basis
sei; keinem Patienten wird es einfallen, sich von einem Zahn¬
arzte den Mund berrichten, das Zahuersatzstück aber von einem
Zahntechniker machen zu lassen. Will also der Zahntechniker
eine selbständige Existenz führen, so ist er geradezu gedrängt,
C'urpfuscherci zu treiben, beziehungsweise, sich eines ärztlichen
Strohmanns zu bedienen. Bei dieser Sachlage gipfelt das Referat
mit der Bitte an die Regierung, die Ministcrialverordnung vom
20. März 1892 dahin ergänzen zu wollen, dass dem Zahntechniker
das Halten von Instrumenten (bei einem Zahntechniker fand man
z. B. eine Bohrmaschine) untersagt und die Vornahme von zahn¬
ärztlichen Operationen in den Ateliers der Zahntechniker über¬
haupt verboten werde.
So richtig all’ dies ist, so wenig dürfte es trotz alledem
dazu führen, die Zahnheilkunde als ausschliessliches Gebiet ärzt¬
licher Tliätigkeit zu erhalten. Schuld daran sind — wundern
Sie sich nicht — bloss die Zahnärzte. Ich komme zu
einem Zahnärzte und klage ihm mein Leid. Der Herr College
stellt mir sofort seinen Assistenten (Zahntechniker, also Nicht-
Arzt) vor und übergibt mich ihm zur Behandlung. Der Herr
Assistent also bohrt und feilt, füllt mit Gold oder mit C'ement, ent¬
fernt cariösc Zähne oder Wurzeln, reinigt mit der Maschine etc. ctc.,
kurzum er macht, wohl unter Verantwortung des Zahnarztes, all’
das, was ihm nach £ 2 der besagten Ministcrialverordnung stricte
verboten ist. Und wenn schon ein Zahnarzt so vorsichtig ist,
die Zahnextractionen nur |»crsünlieh vorzunehmen, so übergibt er
dennoch, wenn er alljährlich einen 4 wöchentlichen Erholungsurlaub
antritt, seinem ersten Assistenten das ganze Atelier mit all’ seinen
derzeitigen und künftigen Zahnkranken. Wer wird sieb dann
wundern, wenn derselbe Assistent sich dann eines Tages selbständig
macht, wenn er sodann seine Jahrzehnte lang mit bestem
Erfolge geübte zahnärztliche Thätigkeit auf eigene
Gefahr fortsetzt, oder wenn er einen Arzt als Strohmann miethet,
der ihn bloss vor dem Gesetze deckt? Mögen also die Zahn¬
ärzte verpflichtet werden, in Hinkunft als Assistenten wieder
bloss Aerztc anzustellen, welche diese Fertigkeit in der Schule
erlernt haben, dann wird der Zahntechniker « im Hinterhaus»
des Ateliers wirklich bloss Krsatzstücke zusammen stellen, den Zahn-
kranken selbst gar nicht zu Gesichte bekommen, sich also gar nicht
No. 38.
selbständig etabliren und schliesslich nicht mit dem Zahnärzte in
Ooneurrenz treten können. Ich wiederhole, was ich sehou einmal
an dieser Stelle sagte: Die Aerztc mögen ihre Kranken selbst
massiren oder bloss Uollegon zur Massage überlassen, dann wird
der Unfug mit den ■<gelernten Masseuren» oder mit der «jungen,
intelligenten Masseuse» ein rasches Ende nehmen; die Zahnärzte
mögen ihre Krankeu selbst behandeln oder bloss Collegen als
Assistenten anstellen, dann wird auch hier die C'urpfuscherci
Seitens der Zahntechniker bald unmöglich sein.
Zwei Rechtsfälle haben in jüngster Zeit zu interessanten
Entscheidungen der höchsten Instanzen geführt. Einmal handelte
es sich um die Frage, ob man einen Arzt sequestriren könne.
Ein Wiener Arzt zahlte einem Kaufmann« eine Wechselschuld
nicht und wurde wiederholt und erfolglos gepfändet. Da der Arzt
trotzdem nobel wohnte und lebte, so suchte der Gläubiger um
Sequestration der Einnahmen des Arztes nach, was das Handels¬
gericht bewilligte, das Ober-Landesgericht aber — über Recurs
des Arztes — nicht gestattete. Nun wurde die höchste Instanz,
der Oberste Gerichtshof, angegangen. Der Vertreter des Gläubigers
sagte: Wenn das Einkommen aus der ärztlichen Praxis nicht
exequirbar wäre, so würde das ein Privilegium für den Arzt
bedeuten, welches durch die Judieatur nicht geschaffen wurde.
Das Einkommen des Arztes kann ebenso der Sequestration unter¬
zogen werden, wie das des Advokaten und des Notars, besondere
in einem Falle, wo eine andere Exccutionsart undurchführbar ist.
Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, das Einkommen des
Arztes, welches oft die höchstem Ziffern erreicht, zu schützen,
während man beispielshalber das Einkommen des Staatsbeamten
oft bis auf das Existenzminimum preisgibt.
Der Oberste Gerichtshof wies jedoch ebenfalls diesen Recurs
ab, indem er darauf hinwies, dass die Ausübung der Heilkunde
bei uns nicht als ein Gewerbe anzusehen und zu behandeln
sei; dass der Sequester im Sinne des Gesetzes Verwalter des
Sequestrationsobjectes sei und als solcher nach der Natur der Sache
bei Erzielung des Einkommens aus diesem Objecte selbstthätig
mitzu wirken habe, welche Mitwirkung bei Ausübung der
ärztlichen Praxis durch den Exeeuten wohl selbstverständlich nicht
platzgrcifen kann, während doch von einer Sequestration dort
keine Rede sein könne, wo es sich thatsächlieh nur um Ein¬
ziehung der Forderungen des Exeeuten an Honorar für seine
Leistungen als Arzt handelt.
In einem zweiten Kcchtsfalle entschied das Handelsgericht,
dass eine Versicherungsgesellschaft bei einem in unzurechnungs¬
fähigem Zustande (Irrsinn) verübten Selbstmorde zahlungspflichtig
sei. Dass eine Police ungiltig wird, wenn der Versicherte durch
Selbstmord endet, ist eine längst entschiedene Sache; hier aber
handelte cs sieb um die Frage, ob die Zahlungspflicht der Ver¬
sicherungsgesellschaft auch dann erlischt, wenn der Versicherte
den Selbstmord im Irrsinn begangen hat. Auch liier musste das
Oberlandesgericht seine Entscheidung abgeben, welche dabin ging,
es sei das Gutachten der Irrenärzte einzuholen, ob hier der Selbst¬
mord thatsächlieh im Irrsinn verübt wurde. Wiewohl die ver-
siclieruugstechnischen Sachverständigen jetzt erklärten, dass die
Gesellschaft selbst bei constatirtem Irrsinn im Falle eines Selbst¬
mordes nicht zahlungspfliehtig sei, entschied das Handelsgericht,
dass die Gesellschaft nach der logischen Auslegung ihres \ertrages
in einem solchen Falle unbedingt zahlungspflichtig werde.
Der III. internationale dermatologische Congress
zu London vom 4. bis 8. August 1896.
(Offizielles Referat, angefertigt für die Vereinigung der deutschen
medicinischen Fachpresse von L. Eikind, M. D., London.)
(Fortsetzung.)
Dritter Verhandlungstag.
(Donnerstag, 6. August 1896.)
Die Dauer der Ansteckungsperiode der Syphilis.
J. Hutchinson (London), Prof. Campana (Rom), froi
Lassar (Berlin), Dr. Fe ulard (Paris) waren als officielle Referenten
für diese Discussion gewonnen. Der erste Redner, J. Hutchinson,
hält es für ein auBgemachtes Factum, dass sowohl während der
primären und secundären Stadien, d. h. während das inficirte Indivi-
i duum primäre oder secundäre Symptome der Syphilis bietet, das
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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22* September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
907
Blut und alle andern Secretionselemente das specifisch syphilitische
Virus enthalten, und würden die genannten Stoffe auf andere
Personen überirapft oder übertragen, so würde daraus eine eventuelle
syphilitische Infection resultiren. Was die Dauer der Ansteckungs
periode der Syphilis anbelangt, d. h. die Zeit betreffend, wo das
syphilitische Virus aus dem Gewebe und den Flüssigkeiten des
inficirten Individuums schwindet und somit die Gefahr der Ueber-
tragung vorüber ist, so setzt der Redner die Dauer von zwei Jahren
fest. Nach dieser Periode — also zwei Jahre nach Auftreten des
Primäraffectes — gestattet H. inficirten Patienten zu heiratben und
nimmt in der Regel von nach dieser Periode sich zeigenden massigen
Kecidiven keine besondere Notiz. Von einem oder zwei Füllen ab¬
gesehen, hat H. während seiner hierhergehörigen vierzigjährigen
Praxis keine unangenehmen Resultate gesehen. Er ist im Allge¬
meinen geneigt, denjenigen Beobachtungen mit Misstrauen zu be¬
gegnen, die dahin gehen, dass ein Mann zehn oder noch mehr Jahre
nach der ersten specifischen Infection seine Frau noch nachträglich
syphilitisch inficirte. Seine Erfahrungen gehen ferner dahin, dass
die zeitliche Dauer der hereditären UÜbertragungen länger bei
Weibern als bei Männern anhält, und im Allgemeinen scheint
die zeitliche Dauer der syphilitischen Uebertragung beim Weibe
länger alB beim Manne anzuhalten; so kann z. B. eine Frau noch
vier Jahre nach der ersten Infection ihren Mann specifisch inficiren.
Als ein weiteres Gesetz für die Ansteckungsfähigkeit der Syphilis
betrachtet der Redner die Thatsache, dass mit der Zeitdauer das
syphilitische Virus in toto sich sozusagen abschwächt oder eine
Reduction seiner contagiösen Elemente sich herausbildet, und die
Folge davon würde sein — was übrigens für H. sicher ist —, dass
ein inficirtes Individuum am Anfänge des zweiten Stadiums eher
eine zweite Person inficiren würde, als am Ende desselben. Eine
hereditäre oder allgemeine Uebertragung während der tertiären
Periode — nach H. beginnt die tertiäre Periode unmittelbar nach
Ablauf des secundären Stadiums — ist, von ausserordentlich seltenen
Fällen abgesehen, ganz ausgeschlossen. Die Wirkung des Hg scheint
darin zu bestehen, dass es direct das syphilitische Virus angreift
und zerstört; die Fortsetzung des Gebrauchs des Hg scheint das
Auftreten der ßecundären Symptome hiutanzuhalteu, denn letztere
treten auf, sobald die Anwendung des Hg unterbrochen wird.
(Ein hereditär inficirtes Kind soll nach H. den Ansteckungs¬
keim auf andere Personen zwar übertragen können, aber diese
Ansteckungsfähigkeit dauert gewöhnlich nur ein, selten mehr als
zwei Jahre.)
Campaua (Rom) berechnet die Zeitdauer der Ansteckungs¬
fähigkeit eines syphilitisch 'inficirten Individuums auf 3 Jahre,
nach dieser Zeit sollen nach C., wenn eine genügende antisyphili¬
tische Behandlung vorausgegangen ist, die Gefahren der hereditären
wie der allgemeinen Uebertragung des syphilitischen Virus schwinden.
O. L a s s a r (Berlin): Das frühere Bestreben , bestimmte
Gesetze und Regeln, auch für solche Erscheinungen, die nicht
genügend erforscht und geklärt waren, einzuführen, hat den
Forschern in der allgemeinen Pathologie und speciell in der Sy¬
philis grosse Schwierigkeiten auferlegt. Gerade bei Syphilis rächt
sich die Uebertragung einzelner Erfahrungen in die Allgemeinheit.
Hier sind Conclusionen und Suppositionen wohl weniger als anderswo
am Platze. Man hat einen allgemeinen Fehler dadurch begangen,
dass man hierbei die Contagiosität von der Infectiosität darin nicht
scharf genug von einander trennte. Dies mag vielleicht durch den
Umstand zu erklären sein, dass wir uns sozusagen gewöhnt haben,
die beiden ebengenannten Erscheinungen mit einander zu identificiren.
Bei verschiedenen anderen Krankheiten und besonders bei der
Syphilis erfahren wir oft genug, dass die Contagiosität sich verliert,
ohne eine Rückwirkung auf die Infectiosität zu haben, die also
demnach fortbesteht, während das Umgekehrte, dass ein krankhafter
Zustand seine Contagiosität beibehält und seine Infectiosität ver¬
liert, schwerlich beobachtet wird. Und weiter diejenige Erscheinung,
welche darin besteht, dass von einer einzigen Papula unbegrenzt
ausgedehnte Infiltrationen ausgehen, d. h. die sogenannte progressive
Multiplicität oder Expansionen der Krankheitsherde, könnte wohl
kaum anders als durch die Wirkung der Infection zu Stande kommen.
In vielen syphilitischen Krankheitsformen ist es beinahe unmöglich,
wenn wir den ganzen Zusammenhang nicht verfolgen, zu entscheiden,
in welchem Stadium der betreffende Patient, sich befindet. Mercur
bietet uns in seinen Effecten leider kein Unterscheidungsmittel dafür.
Dass die Infectiosität gleich dauernd der Krankheit selbst ist, scheint
für sich viel zu haben, obwohl anderseits nicht geleugnet werden
kann, dass mit der Dauer der Krankheit die Gefahr der Contagiosität
abnimmt Dass die Uebertragung von Syphilis in ihren späteren
Stadien zu den grössten Seltenheiten gehört, ist über jeden Zweifel
erhaben, dass sie aber doch vorkommt, scheinen die von Lassar
bei dieser Gelegenheit vorgetragenen Fälle, wo eine syphilitische
Uebertragung 10, 12, 15 resp. 16 Jahre nach der ersten Infection
erfolgte, zu beweisen. Das Räthsel in Bezug auf die Frage der
Ansteckungsfähigkeit der Syphilis ist noch keineswegs gelöst. Die
Erfahrung lässt uns hier im Stiche, das Experiment sagt nur: «quod
non»*; die klinische Beobachtung gibt nur eine ganz unbestimmte
Antwort, daher meint Lassar, dass wir recht thun, wenn wir
sagen: «Ignoramus».
H. Feulard (Paris) meinte, dass man in der Dauer der An¬
steckungsfähigkeit der Syphilis einen individuellen Unterschied machen
müsse. Er würde einem syphilitisch inficirten Patienten nicht vor
Ablauf des vierten Jahres das Heirathen anrathen, da die ersten
vier Jahre durch das Wiederauftreten und Wiederverschwinden von
syphilitischen Manifestationen charakteristisch sind. Glücklicher¬
weise selten, aber doch sicher kommen Fälle vor, in denen hereditäre
Uebertragung selbst zehn Jahre nach den ersten specifischen Er¬
scheinungen beobachtet worden ist. Die lange Dauer der Syphilis
hängt noch von üblen Gewohnheiten (z. B. Rauchen) und anderen
Umständen des inficirten Individuums ab. Dass die Einleitung einer
frühzeitigen Behandlung die Virulenz und die Dauer der Ansteckungs¬
fähigkeit des Syphilis-Virus wesentlich abkürze, möchte F. sehr
bezweifeln. Er theilt im Weiteren eine Reihe für ihn unzweifel¬
hafter Fälle mit, in denen eine specifisch hereditäre Uebertragung
4, 6, 7, 10, 18, '20 Jahre nach dem ersten primären Affect zu verzeich¬
nen war.
Wickham (Paris) lässt die Dauer der Ansteckungsfähigkeit
der Syphilis von ihrer Localisatiou abhängen, z. B scheinen diese
Fälle von längerer Dauer und somit von läugerer Ansteckungsfähig¬
keit, wenn Mundulcerationen 6ich entwickeln.
Von den Bemerkungen anderer Redner zu dieser Discussion
heben wir hervor: Tarnowsky (Petersburg) der über 1Ö00 hierher
gehörige Fälle berichtet. Während der ersten fünf Jahre nach der
specifischen Infection zeigten 802 Patienten condylomatöse Erschei¬
nungen, nach dieser Periode, d. h. nachdem die ersten fünf Jahre
verstrichen waren, fanden sich syphilitische Zeichen in 17ö Kranken.
Nach zehn Jahren, von der Zeit der ersten Infection gerechnet,
Hessen sich bei 2t» Kranken und nach 15 Jahren bei f> Kranken
typische, syphilitische Symptome nachweisen. Daher stellt T. die
Sätze auf: I. dass ein syphilitisches Individuum selbst während
der ersten 15 Jahre, von dein Auftreten der Erscheinungen an
gerechnet, die Krankheit übertragen könne; 2. so lange die secun¬
dären Erscheinungen dauern, so lange ist ein Patient der weiteren
Verbreitung der Krankheit fähig. Blaschko (Berlin) hat in einem
Falle erfahren, dass ein Ehegatte, wiewohl :>‘/a Jahre nach dem
primären Affect, noch nachträglich seine Frau specifisch inficirte.
Schwimmer (Budapest) zieht die Verabreichung grösserer Hg-Dosen
der längere Zeit fortgesetzten Verabreichung kleinerer Dosen vor.
Drysdale (London) hält,sehr viel von der Jodkalium-Behandlung
im tertiären Stadium. Fitz Gibbon erwähnt einen Fall, welcher
zeigt, wie unvorsichtig manche Aerzte beim Anrathen von Heirathen
syphilitisch inficirter Personen sind. Baizar nennt die Behandlung
mit Hg dann eine günstige, wenn letzteres in den Harn übergeht.
Jullien empfiehlt die Einleitung der Hg-Behandlung sobald die
syphilitische Natur des Leidens festgestellt worden ist. Sofiantini
verabreicht nur ganz minimale Dosen. Petersen meint, dass
nicht nur Rauchen allein, wie Feulard betont, sondern noch andere
Irritantien denselben Effect mit Bezug auf eine längere Unterhaltung
der Syphilis haben können.
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.— 31. Juli 1896.
(Fortsetzung.)
VI.
Section für Paediatrie.
Der Vorsitzende James Finlayson-Glasgow eröffnete die
Sitzungen mit einer Discussion über
die Prognose der Tracheotomie.
Der Referent H. Ca me ron-Glasgow beschränkte seine Aus¬
führungen aut die Behandlung des asphyktischen Stadiums der
Diphtherie durch die Tracheotomie Die Operation muss, um Erfolg
versprechen zu können, möglichst frühzeitig gemacht werden, d, h.
frühzeitig in Bezug auf das Auftreten der Respirationshindernisse.
Tritt dieser Zeitpunkt erst im späteren Verlauf der Diphtherie auf,
so ist die Prognose besser, als wenn die Diphtherie schon gleich
zu Anfang eine Larynx-Stenose verursacht Er hofft, dass durch
die Antitoxinbehandlung die Prognose dieser Fälle eine günstigere
wird. Von den verschiedenen unglücklichen Zufällen bei der Operation
werden erwähnt die Blutung; zu deren Vermeidung ist strictes Ein¬
halten der Mittellinie, Freilegung der Trachea und Blutstillung vor
Eröffnung derselben noth wendig. öecundäre Blutungen können durch
Ulceration der Vena anonyma durch das untere Ende der Canüle be¬
dingt werden, aber nur in ganz acuten Fällen, bei Scharlach etc.;
ferner wird erwähnt das Eintreten von Hautemphysem, meist als
Folge eines Operationsfehlers, Pneumothorax im Anschluss an das
gar nicht so selten auftretende mediastinale Emphysem. Ein Ver¬
schluss der Canüle kann bewirkt werden dadurch, dass beim Ein¬
führen derselben ein Theil der Membran mit vorgeschoben wird
und die Oeffnung verlegt. Zwei Fälle werden erwähnt, wo Tuben¬
verschluss durch einen Prolaps der Thymusdrüse verursacht wurde.
Dos häufige Verschlucken wird durch eine Beeinträchtigung der
Pharynx- und Larynxreflexerapfindlichkeit in Folge der eingeführten
Canüle erklärt und braucht nicht immer eine Folge diphtheritischer
Lähmung zu sein.
A. H. Tubby-London bemerkt, dass die Prognose der Tracheo¬
tomie sich nach dem Alter der Kinder richte; je jünger das Kind,
desto schlechter die Prognose. Bezüglich der Operationstechnik
empfiehlt er, darauf zu sehen, dass Kopf uud Hals in einer geraden
Linie liegen, verwirft den Gebrauch des Dampfspray’s für die Nach
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
behandlung und verlangt, dass die Canüle bis längstens am 4. Tag
entfernt werden soll.
Man seil Sympson -Lincoln will die Silbercanüle nach einem
Tage entfernt und durch eine Kautschukcanüle ersetzt haben, welche
ebenfalls nach 2—3 Tagen herausgenommen werden soll. Von der
Anwendung des Dampfspray s Bah er besonders in den Anfangs-
Stadien der Diphtherie sehr gute Erfolge.
Ashley Cummings -Cork ist der Ansicht, dass eine peinliche
Blutstillung nicht nothwendig sei, da mit der Eröffnung der Trachea
die meist venöse Blutung von selbst stehe. Er hält die Trachea
nach der Eröffnung eine Zeit lang auseinander und wischt sie mit
einer Mischung von Carbol- und Natronbicarbonatlösung aus, welche
Lösung er auch nachträglich zum Spray verwendet Bei Schluckstör
ungen empfiehlt er, die Kinder mit tief hängendem Kopfe zu füttern.
Cameron weist in einem Schlussworte auf die Fälle hin, wo
nach der Entfernung der Ciinüle plötzlicher Tod eintrat, ohne dass
anatomische Gründe hiefür zu finden gewesen wären und erklärt
sie durch Annahme nervöser Einflüsse (Shock).
Eine weitere Discussion fand statt über das Thema:
Sporadischer Cretinisnius.
An eine Demonstration von Photographien von 50 f ällen vor
und nach der Behandlung mit Thyreoidealsubstanz durch Rush ton
Park er-Kendal schloss sich ein Vortrag von Telford Smith-
Lancaster. Er besprach hauptsächlich die Behandlung des von
Langdon Down so genannten »Mongolentypus», einer Art Halb-
cretins. John Th om son - Edinburgh sprach über die verschiedene
Anwendung, die Grenzen und die Erfolge der Thyreoideal-
behandlung bei Cretins in verschiedenem Alter und kommt zu dem
Schlüsse, dass der Einfluss der genannten Therapie ein viel deut¬
licherer und grösserer ist bei Kindern als bei Erwachsenen. Das
Waehsthum der Knochen wird durch Thyreoidin bei jugendlichen
Cretins manchmal in einem solchen Maasse gesteigert, dass die
Knochen ganz weich und biegsam werden, so dass eine längere
Pettruhe nöthig wird.
Victor Hörsley-London demonstrirte einen Fall von foetaler
Rhachitis.
Fletch er B each - London besprach die Ursache des Cre-
tinismus. Er sowohl wie G. E. Sh u t tle wort h - Birmingham sahen
wenig Erfolg von der Thyreoidalbehandlung bei den »Mongol Idiots».
In der letzten Sitzung leitete JohnstoneCampbell - Bradford
eine Discussion ein über:
Sterilisirte Milch als Säuglingsnahrung.
Die verschiedenen Methoden, die Milch keimfrei zu machen,
werden besprochen, Filtration, Abkühlung, Anwendung von Oxygen,
elektrischer Ströme u. s. w. Von praktischem Werthe sind nur die
Pasteurisation, Erhitzung der Milch nicht über 70° C. und Sterili¬
sation durch Kochen bei 100° C. Der Vortheil der rohen Milch ist
eine leichtere Verdaulichkeit der Fette und des Caseins, leichtere
Assirailirbarkeit der Salze und besserer Geschmack, der Nachtheil
die Möglichkeit der Infection. Bis zu einem gewissen Grade lässt
sich diese Gefahr durch allgemeine Vorschriften über Haltung und
Pflege der Kühe, sowie die Behandlung der Milch vermeiden. Die
erste Milch soll immer fortgeschüttet werden, da sie verhältniss-
müssig viel mehr Keime enthält. Der Rest soll sofort gekühlt werden.
Für gewöhnlich ist aber die Garantie relativer Keimfreiheit nicht
gegeben und muss sterilisirt werden. Die sterilisirte Milch ist
weniger leicht verdaulich und in Folge des Verlustes der Kohlen¬
säure fade im Geschmack. Pasteurisation erfüllt beinahe den gleichen
Zweck und verändert die Milch nicht so stark. Die Rolle, welche die
sterilisirte Milch in der Aetiologie der Rhachitis spielt, wird erörtert.
Carmichael-Edinburgh betont die Verpflichtung des Staates,
Centralstellen zur Lieferung guter, keimfreier Milch zu beschaffen
und weist auf die amerikanischen Verhältnisse hin. Er ist mit
Campbell der Ansicht, dass in Folge der schwei eren Verdaulichkeit
der sterilisi.ten Milch zwischen den einzelnen Nahrungsaufnahmen
grössere Pausen gemacht werden sollen, ebenso dass die Rhachitis
eine theilweise Folge der Fütterung mit sterilisirter Milch sei. Andere,
wie Mc N aught und Coley führen dagegen an, dass Rhachitis
eben so gut wie bei künstlicher Ernährung auch bei Brustkindern
vorkomme.
Henderson - Florenz erwähnt für die Aetiologie der Rhachitis
in Italien, die, namentlich in den ärmeren Klassen, häufige Ver¬
wendung von Ammen, welche 12—14 Monate lang stillen.
(Schluss folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 22. September. Die 68. Versammlung Deutscher
Naturforscher und Aerzte wurde gestern in Gegenwart der Kaiserin
Friedrich im Saalbau zu Frankfurt a. M. durch den I. Geschäfts¬
führer, Prof. Moritz Schmidt, eröffnet. Am vorhergehenden Tage
fand die feierliche Grundsteinlegung zum Denkmal des Anatomen
Söminering statt Der Besuch ist ein sehr grosser; die Theil-
nehmerzahl dürfte über 2000 betragen.
— Geh. Rath Robert Koch hat sich im ministeriellen Auf¬
trag nach Memel begeben, um an Ort und Stelle Erhebungen über
die"Verbreitung der Lepra im Meineier Kreise vorzunehraen und
sich über die geeigneten Maassregeln zu ihrer Bekämpfung zu
unterrichten.
— In Magdeburg wird eine cheraisch-bacteriologische
Anstalt eingerichtet werden. Sie soll zunächst für die Behörden
weiterhin aber auch für Privatpersonen bacteriologische und chemische
Untersuchungen ausführen. Die Leitung der Anstalt Übernimmt
Medicinalrath Dr. Böhm. Der bacteriologischen Abtheilung wird
Dr. med. Schild, der chemischen der Kreischemiker Dr. Krüger
voretehen
— In der 36. Jahreswoche, vom 30. August bis 5. Septbr. 1896,
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste
Sterblichkeit Königshütte mit 36,5, die geringste Sterblichkeit Rostock
mit 5,2 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Croup in Dessau.
— Ein bedeutsamer Versuch in der Ausgestaltung des Systems
der freien Arztwahl steht in Frankreich bevor: Im Departement
du Rhöne hat eine, aus Mitgliedern des Conseil gön4ral und Aereten
zusammengesetzte Commission ein Project ausgearbeitet, welches
dieses System für die armenärztliche Behandlung einführt. Da¬
nach soll, abgesehen von der kostenfreien Aufnahme Unbemittelter
im Hötel Dien zu Lyon ein ärztlicher Dienst in säramtlichen Com-
inunen des Departements eingerichtet werden, welcher allen Armen
die freie Wahl unter allen Aerzten sichert, die sich mit den Be¬
dingungen einverstanden erklären. Dazu werden sowohl unentgelt¬
liche Sprechstunden eröffnet, als auch den Patienten freigestellt,
die Aerzte in ihre Wohnung kommen zu lassen — < Billetbücher»,
die ihnen auf der Mairie ausgehändigt und von den Aerzten ans
gefüllt werden, legitimiren sie und sichern dem Arzt die Bezahlung.
Während der Datier einer Krankheit darf der Patient den Arzt nur
mit dessen Zustimmung oder mit Erlaubniss des Bureaus wechseln.
Die Bezahlung findet jährlich im Januar statt und ist folgender-
maassen fixirt: Für jeden Besuch im Hause der Patienten bis zur
Entfernung von 1 km vom Hause des Arztes 1,60 Fr.; Nachts 3 Fr.;
für jeden Kilometer mehr I Fr. mehr; eine natürliche Entbindung
15 Fr., eine solche mit Kunsthilfe 25 Fr., für Operationen sollen
besondere Tarife aufgestellt werden. Diejenigen Aerzte, welche
Gratissprechstunden abhalten, werden für jede Sprechstunde mit
5 Fr. honorirt, falls dies mehr als einmal wöchentlich der Fall, mit
3 Fr Die Commission hofft mit diesen Vorschlägen, deren Annahme
zweifellos scheint, «die Würde des ärztlichen Standes zu wahren
und gleichzeitig dem Armen die Genugthuung der freien Wahl seines
Arztes zu gewähren». (Berl. klin. Wochenschr.)
— Ab Mitte October d. Js. erscheint im Verlage der k. k. Hof-
Buchhandlung Karl Prochaska (Wien, Leipzig, Teschen) eine neue,
«Die Heilkunde» betitelte Monatsschrift für praktische Medicin.
Die Redaction derselben führen die Herren Dr. Julius Weiss und
Dr. Felix Freihr. v. Oefele.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Dr. Josef Rotter,
Oberarzt am St. Hedwigs-Krankenhause, wurde anlässlich des
50jährigen Jubiläums dieser Anstalt zum Professor ernannt.
(Berichtigung.) In No. 17, Seite 408, Spalte 2, Zeile 1 von
oben ist zu lesen C. Goebel statt L. Goebel.
Personalnachrichten.
Bayern.
Auszeichnung. Das Militärverdienstkreuz wurde dem Assistenz-
Arzt 2. Ciasse der Reserve, prakt. Arzt Dr. Robert Moser tn
Weilburg verliehen.
In den dauernden Ruhestand versetzt der Landgerichtsarzt
Dr. Job. Bapt. Aman in Landshut auf Ansuchen, unter Anerkennung
seiner langjährigen, mit Treue und Eifer geleisteten Dienste.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten fürMünchen
in der 37. Jahreswoche vom 6. September bis 12. September 1896.
Betheil. Aerzte 400 — Brechdurchfall 29 (38*), Diphtherie, Croup
29 (26), Erysipelas 15 (9), Intermittens. Neuralgia interm. 1 (U
Kindbettfieber 2 (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 6 (6),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 5 (7), Parotitis epidemica 4 (I).
Pneumonia crouposa 6 (8), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 30 (24), Ruhr (dysenteria) — (~), Scarlatina 19 (18)i
Tussis convulsiva 24(42), Typhus abdominalis —(3), Varicellen 9 (4),
Variola, Variolois — (—). Summa 179 (189). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 37. Jahreswoche vom 6. SepL bis 12. Sept. 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000 .
Todesursachen: Masern —(—*), Scharlach —
und Croup 2 (1), Rothlauf — (—), Kindbettfieber 1 (—). Blutver
giftung (Pyämie) 1 (—), Brechdurchfall 3 (5), Unterleibstyphus
(—), Keuchhusten 3 (—), Croupöse Lungenentzündung 2 (2), Tuber-
culose a) der Lungen 23 (14), b) der übrigen Organe 1 (6)> A <j n “ r
Gelenkrheumatismus 1 (2), andere übertragbare Krankheiten *
Unglücksfälle 1(3), Selbstmord 1 (—), Tod durch fremde Hand — ( )•
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 165 (175), VerhältnisßM
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 21,1 '
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 13,2 (14,< \
die über dem 5 Lebensjahr stehende 12,9 (13,8).
*\ Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoch e-.
Verlag von J. F. Lehmann ln München. — Druck der E. Mühlthaler'gehen k. Hof-Buchdrnckeret ln München.
Die Münchener Medlcln. Wochenschrift erscheint
wöchentlich ln Nummern von mindestens 2‘/j—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M, praenumerando sahlbar.
Einzelne Nummer 60 -f.
MÜNCHENER
Zusendungen sind so adresslren: Fiir die Redactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate nnd Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadcplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cb. Bäunler, 0. Bolltoger, H. Curscbnunn, 6. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F. v. Wlnckel, H. i Zlemssen,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
43. Jahrgang'.
M 39. 29. September 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmano, Landwehrstr. 70.
Originalien.
Aus dem pathologischen Institut zu Giessen.
Plötzlicher Tod eines „gesunden“ Kindes.
Casuistischer Beitrag zu den Fällen von Thymushyperplasie.
Von Dr. Hans Koeppe, prakt. Arzt in Giessen.
Bei Gelegenheit der Besprechung des «Falles Langerbans»
macht Pal tauf (Wiener klin. Wochenschr. 1896, No. 16) darauf
aufmerksam, dass nach den Zusammenstellungen seines Bruders
(Wiener klin. Wochenschr. 1589 u. 1890) ein plötzlicher Tod
gesunder Kinder nicht nur nicht selten, sondern sogar ziemlich
hUufig sei. Bei der Scction derselben fanden sich meist ausser
einer Vcrgrösserung der Thymusdrüse keine besonderen patho¬
logischen Veränderungen. Es ist nun aber die Zahl der aus¬
führlich veröffentlichten Beobachtungen dieser Art doch nur eine
kleine und in Anbetracht dessen sowohl, als auch weil die Todes¬
ursache dabei durchaus noch nicht aufgeklärt ist, erscheint die
Mittheilung aller derartigen Fülle gebeten ; beanspruchen sie doch
in mehrfacher Beziehung die Aufmerksamkeit und das Interesse
auch des praktischen Arztes.
Der Arzt wird in höchster Eile geholt; er findet ein todtes
Kind, das vor einer halben Stunde noch ganz gesund gewesen
sein soll, lebhaft war und fröhlich spielte, dessen plötzlichem Tode
keinerlei Krankheitserscheinungen: Erbrechen, Durchfall, Krämpfe
oder dergl. vorausgingen. Die Angehörigen sind auf’s Tiefste
erschüttert, durch zufällige Umstände kann ein furchtbarer Ver¬
dacht auf eine einzelne Person gelenkt werden, und Erklärungs¬
versuche des Todes durch vergiftete Nahrungsmittel können Be¬
unruhigung und Bestürzung noch in weitere Kreise tragen. Ich
glaube, nicht immer wird der Arzt die Obduction durchsetzen
können, und als Todesursache werden dann Krämpfe oder Brech¬
durchfall angegeben, je nachdem einige Zuckungen beim Tode
als Krämpfe, oder ein unwillkürlicher Kothabgang bei demselben
als Diarrhoe gedeutet werden. Andererseits erlangt oder erzwingt
der Arzt die Erlaubnis zur Scction, dann sieht er sich nach der
Ausführung derselben in der unangenehmen Lage, nun doch keine
genügende Todesursache angeben zu können.
Der Fall, über den ich zu berichten habe, ereignete sich im
November vorigen Jahres.
Das Kind, W. H., wurdo am 9. April 1895 in der hiesigen
geburtshilflichen Klinik geboren, so dass ich mit Erlaubniss des
Herrn Prof. L ö h 1 e i n aus dem Geburtsprotokoll angeben kann, dass
die Geburt etwas verfrüht (9. Schwangerschaftsmonat) erfolgte; das
Kind wog 2400 g, mass 47 cm in der Länge, im Uebrigen war es
gesund, insbesondere waren keine Zeichen von Lues vorhanden.
Die gleichfalls gesunde, weder an Lues noch Tuberculose leidende
Mutter verliess nach normalem Wochenbett mit ihrem gesunden
Kind die Anstalt. Während sie sich als Amme vermiethete, wurde
das Kind bei den Grosseitem künstlich mit Kuhmilch ernährt. Es
gedieh dabei, entwickelte sich körperlich und geistig normal, war
lebhaft und munter, nur war es immer blass; es wurde wenig an
die Luft getragen, weil es danach leicht hustete. Die häuslichen
Verhältnisse, der Grossvater ist Schneider, sind ärmlich; die Woh¬
nung ist klein, etwas dumpfig, doch im Grossen und Ganzen rein¬
lich; die Pflege des Kindes dürfte mittelmässig gewesen sein (Bad
wohl kanm öfters als einmal wöchentlich).
No. 80.
Am 20. November 1895 Nachmittags 4 "Uhr gab die Gross
mutter dem Kinde die Flasche, welche es wie gewöhnlich mit grossem
Appetite leerte, dabei war es wie sonst lebhaft und munter, darauf
wurde es in’s Bettchen gelegt und schlief bald ein.
Um 6 Uhr erwachte es, meldete sich und setzte sich ira
Bettchen auf. Als die Grossmutter an's Bett trat, habe der nun
7*/* Monate alte Knabe auf einmal die Augen verdreht, sei etwas
blau geworden und plötzlich mit einigen kleinen Zuckungen todt
umgesunken; der Vorgang habe sich in Zeit einer Minute abgespielt.
Etwa */* Stunde danach sah ich das Kind. Die kleine Leiche
fühlte sich schon kalt an, die Haut war wachsbleich, die der ab-
hüngenden Theile geröthet, irgendwelche Zeichen äusserer Ein¬
wirkung waren nicht zu entdecken. Bei leichter Compression des
Brustkorbes drang die Luft leicht durch Mund und Nase, wobei ein
wenig Nasensecret aus der Nase hervortrat. Im Mund und Rachen
war kein Fremdkörper, kein Belag auf den Tonsillen. Als einziges
krankhaftes Zeichen konnte eine starke Schwellung der
Lymphdrüsen, besonders der des Halses und des Nackens,
featgestellt werden, die trotz des sehr reichlichen Fett¬
polsters leicht als vergrössert zu fühlen waren. Ich be¬
stimmte die Angehörigen, die Scction zu gestatten, welche am
23. November 1895 im hiesigen pathologischen Institut vorgenommen
wurde.
Sectionsbefund: An der für das Alter sehr grossen, an¬
scheinend kräftig entwickelten und sehr gut genährten kindlichen
Leiche männlichen Geschlechts fällt sofort die extreme Blässe
der gespannten Haut und ein ausgesprochen pastöser
Habitus auf. Keine Zeichen von Rhachitis. Die Pupillen gleich-
mässig, von mittlerer Weite. Das Abdomen aufgetrieben. Das
Unterhautzellgewebe sehr fettreich; an den Bauchdecken ist die
sehr feste, auffallend blasse, fast weise, geronnenem Talge sehr
ähnliche Fettschicht faßt 1 cm dick. In der Bauchhöhle nur wenige
Tropfen heller, klarer Flüssigkeit. Zwerchfellstand beiderseits an
der 4. Rippe.
Nach Abnahme des Sternums sinken die Lungen nur wenig ein.
Die Thymus,'; 6,4cm lang, 6,7cm breit und bis 2cm dick, hell-
röthlich grau gefärbt, mässig derb, elastisch, bedeckt mit ihrem
untern, breitem Theil die obere Hälfte des Herzbeutels und reicht,
sich nach oben allmählich verschmälernd, bis an die Schilddrüse
heran. Trachea und Bronchien nicht comprimirt, enthalten etwas
schaumigen Schleim. Die Thymus wiegt 52,9 g. Beim Einschneiden
entleert sich aus mehreren praller gespannten Läppchen gelblich
graue, eiterähnliche Flüssigkeit, nach deren Entfernung central
gelegene, spaltförmige, innen völlig glatte Hohlräume Zurückbleiben.
Die übrige Substanz des Thymus auf dem Durchschnitt von röthlich-
grauer Farbe und ziemlich derber Beschaffenheit.
In den Pleurahöhlen keine Flüssigkeit. Die Lunge, bis auf
nicht unbedeutendes Oedem und einige ganz kleine atelectatische
Stellen des Unterlappens, durchaus normal.
Im Herzbeutel wenige Tropfen klaren, hellgelben Serums.
Pericard glatt und glänzend. Das Herz durch Erweiterung beider
normal dicker Ventrikel etwas verbreitert. Die Musculatur sehr
blass und schlaff. Der linke Ventrikel enthält nur sehr wenig
dunkeles flüssiges Blut, der rechte ist mit reichlichem flüssigen
Blut und ganz spärlichem schlaffen Fibringerinnsel erfüllt. Klappen-
apparat, Endocard und Aorta normal.
Die Lymphdrüsen des Halses, au der Trachea und des Media¬
stinums an den Bronchien, besonders rechterseits ziemlich Btark ge¬
schwollen, von prall elastischer Consistenz und ziemlich gleichmässig
grauröthlicher Farbe.
Beide Tonsillen stark geschwollen, die Oberfläche ziemlich glatt,
derb, blassröthlich grau gefärbt. Rachen und Oesophagusschleim-
haut blass, die des Kehlkopfs und der Trachea leicht injicirt, die
der letzteren nach unten etwas zunehmend und die Schleimhaut
der Bronchien ziemlich stark injicirt. Schilddrüse normal.
Milz 6 cm lang, 3 cm breit, 1.5 cm dick, von weicher Consistenz,
Die Substanz auf dem Durchschnitt blass, hell braunroth mit reich-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
lieber breiiger Pulpa, die Follikel stark geschwollen, bis hirsekorn¬
gross, blassgrau.
Ureteren, Nieren und Harnblase durchaus normal.
Leber von entsprechender Grösse, auf dem Durchschnitt blass,
etwas stärker glänzend, Zeichnung undeutlich. Gallenblase enthält
wenig sehr helle Galle.
Im Magen mehrere grosse Klumpen geronnener Milch, Schleim¬
haut mit glasigem, zähen Schleim bedeckt, leicht gefaltet, etwas
injicirt. — Pankreas normal.
Das Mesenterium fettreich, die Mesenterialdrüsen durchweg,
theilweise aber sehr stark geschwollen. Die grösseren, ziemlich
derben Lymphdrüsen erscheinen auf dem Durchschnitt im Centrum
hellgrau, an der Peripherie hellrosenroth gefärbt. In derselben
Weise sind auch die portalen und retroperitonealen Lymphdrüsen
verändert.
Die Darmserosa glatt, stellenweise leicht injicirt. Dünndarm
enthält ziemlich reichliche, grüngelbliche, dünne Chymusmassen.
Schleimhaut streckenweise leicht injicirt. Durch den ganzen Darm
hindurch findet sich eine starke Schwellung der Solitärfollikel und
Peyersehen Plaques.
Der Dickdarm enthält gelblich graue, weiche Kothmassen.
Schleimhaut blass. Auch hier durchweg eine sehr starke Schwellung
der Follikel, die als hirsekorngrosse Knötchen sehr auffällig vor¬
springen. Die grösseren haben eine kleine, centrale, punktförmige Delle.
Dem Sectionsbericht füge ich das Ergebniss meiner mikro'
skopischen Untersuchung von Thymus, Leber, Milz, Lymph'
drüsen, Niere und Darm an.
Die Niere zeigte vollkommen normale Bilder; desgleichen die
Leber, nur trat die aninöse Structur etwas undeutlich hervor; gute
Kernfärbung, wenig Fett; die Leberzellen geben stellenweise Gly¬
kogen reaction; Pigmentschollen in der Umgebung der Pfortader¬
verzweigungen.
Die Thymus bot, abgesehen von einer typischen Hyperplasie,
keinerlei abnorme Zeichnung, strotzende Follikel, in den Sinus in
der Nähe der Blutgefässe eosinophile Zellen, Pigmentschollen in
massiger Menge innerhalb von Leukocyten und frei, geben Berliner-
Blaureaction. Zahlreiche Hassalsche Körperchen.
In der Milz tritt das trabeculäre Gewebe ganz hinter den stark ;
infiltrirten Follikeln zurück. Reichlich feinkörniges Pigment. Der j
Darm hat intactes Epithel, starke Infiltration der Follikel, auch ,
hier Pigmentschollen.
Am stärksten sind die Pigmentablagerungen in den Lymph- ]
drüsen, wodurch die gefärbten Lymphsinus, in denen das Pigment 1
liegt, sich am Spirituspräparat schon makroskopisch gegen die weissen, I
stark vergrösserten Follikel oder Keimcentren abheben. Auch die
Sinus sind reichlich mit Lyruphzellen angefüllt.
Schiesslich wäre noch hervorzuheben, dass in den Präparaten
aller untersuchten Organe in den Durchschnitten der Blutgefässe
die Zahl der weissen Blutkörperchen gegenüber den rothen als eine
deutlich vermehrte sich herausstellte. (Formolhärtung.)
Eine sichere Diagnose der Todesursache, wie auch einer
etwa schon bei Lebzeiten Itostandenen, aber übersehenen, den j
Tod bedingenden Krankheit ist hiernach nicht zu stellen.
Boi Durchsicht der Litteratur lassen sieh an die 10 der¬
artige Fälle zusammenstellen, die das gemeinsam haben, dass ein
plötzlicher Tod bei anscheinend voller Gesundheit eintrat und die
Section nur eine vergrüsserte Thymus bei sonst scheinbar normalen
Verhältnissen ergab. Allein von diesen Fällen starben die meisten
in der Nacht, sie wurden am Morgen todt im Bett gefunden
[einige waren auch complicirt durch Krankheiten, wie Diphtherie,
Rachitis, Spasmus glottidis; noch Andere betrafen grössere Kinder
(auch Erwachsene), die beim Baden untergingen]; es fehlt dem¬
nach bei diesen die Beobachtung der Erscheinungen, unter welchen
der Tod ein trat. Nur in 3 Fällen wurde der Tod von Zeugen
beobachtet und es wird hierüber ausführlicher berichtet von
Friedleben:
I. Fall; Wilhelm Gl., 8 Monat alt, künstlich genährt, gut ent¬
wickelt, gesund. «Um 5 Uhr Abends seines letzten Lebenstages
nahm er noch wie gewöhnlich mit bestem Appetite sein Süppchen,
spielte dann in seinem Bettchen, als er plötzlich gegen 6 Uhr um¬
sank, im Gesicht livid wurde, auf der Haut kühl, die Zunge vorlegte,
die Respiration einhielt und ganz unmerklich aus diesem Scheintode
in wirklichen Tod überging. Alles dies war das Werk weniger
Minuten». 8ection: normale Verhältnisse, Thymus 234Gran (= 14,6g),
enthält ziemlich reichlich 8ecret; Solitärfollikel, besonders aber die
meseraischen Drüsen enorm entwickelt, aber blass. Trachealdrüsen
geschwellt.
II. Fall: Wilhelm G., 8 Monat alt, künstlich genährt, nicht
schlecht entwickelt, gesund. «Am 14. Februar gibt ihm die Mutter
Morgens 8 */a Uhr auf ihrem Schoosse Brödchensuppe, als er plötz¬
lich während des Essens umsinkt, im Gesichte livide wird, die
Arme etwas streckt und, ohne einen Athemzug gethan zu haben,
stirbt». Section: normale Verhältnisse, Thymus 212 Gran, Tracheal¬
und Bronchialdrüsen nicht geschwellt, Milz normal, Bämmtlrcbe
mekeraische wie Darmfollikel stark geschwellt, aber blass.
G r a w i t z berichtet von einem
III. Fall: «Das 6 Monate alte Töchterchen des Schneidere J.
in Greifswald war ein kräftiges, gut genährtes, munteres Kind, welches
weder an Husten, noch an einer anderen Krankheit litt, seine
Nahrung mit grossem Appetit zu sich nahm. Am 20. April d. J.
erfreuten sich die Eltern des kleinen, munteren Wesens, der Vater
hielt es auf dem Arm und scherzte mit ihm in Beisein von eiuigen
Bekannten. Da bekam das Kind ganz plötzlich einen Anfall von
Athemnoth, wurde bläulich im Gesiebt, ballte die Fäuste und war
in wenigen Minuten todt». Section: Fettpolster reichlich stark, am
Thorax rachitischer Rosenkranz, Thymusdrüse von ungewöhnlicher
Grösse 7,5 X 6.0 X cm, Milz gross, Mesenterialdrüsen etwas ver-
grössert, sonst normale Verhältnisse.
Wie ersichtlich , trat der Tod in diesen 3 Fällen genau in
der gleichen typischen Weise ein, wie er in dem oben beschriebenen
Falle beobachtet wurde. Gleichwohl gibt die klinische Beobachtung
des Todes ebensowenig wie die Section einen genauen Aufschluss
über die Todesursache, doch gestattet ßio einzelne gestellte Dia¬
gnosen für diese Fälle als unzutreffend zu bezeichnen, so z. B. die
Erklärung Fricdlebcn’s, dass der Tod im ersten (paralytischen)
Actc von Laryngismus eingetreten sei und zwar auch gleich im
ersten überhaupt beobachteten Anfall. Bei unserem Fall spricht
gegen diese Erklärung auch der Umstand, dass keine Rachitis
vorhanden war. Ich unterlasse cs, alle Erklärungsversuche der
einzelnen Autoren anzuführen und in Bezug auf unsern oben
beschriebenen Fall zu kritisiren, möchte aber hervorzuheben nicht
unterlassen, dass in dem vorliegenden Falle ebenso wie in andern
gleichen oder ähnlichen die Vergrösserung der Thymus sicher
in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem plötzlichen Tode
stand.
Es erscheint mir als allein zutreffend die Erklärung Pal-
tauf’s, nach welcher die betreffenden Kinder an einer All¬
gemein erkrankung litten, bei welcher die Thymushyperplasic
nur ein Symptom darstellt. Pal tauf bezeichnet diese Kinder
als von lymphatisch-chlorotischcr Constitution und da¬
durch von geringerer Widerstandskraft gegen mancherlei Einflüsse.
Wollen wir die von Pal tauf supponirtc Allgcmeincrkrankung
etwas genauer prüeisiren und zwischen ihr und andern Krankheiten
Beziehungen aufsuehen, so dürfte das Bild der Lcukacmie zu¬
nächst zum Vergleich hcrangezogen werden müssen. Die hoch¬
gradige Blässe hei reichlicher Fettcntwickelung, dazu die starke
Lymplidrüsenscliwcllung, Hessen mich in dem von mir beobachteten
Falle auch an Lcukacmie denken, doch konnte ich an der kleinen
Leiche keinen Milztumor fühlen; derselbe fehlte auch bei der
Section. Der mikroskopische Befund reichlicher Mengen von
Leukocyten in den Durchschnitten der Blutgefässe aller Organe
brachte mich auf diesen Gedanken zurück. Nach Mosler sollen
Fälle von Lcukacmie im Kindesalter häufiger sein, als bisher an
genommen, da sie eben wegen Unterlassen der Blutuntcrsncbung
nicht diagnosticirt werden. Er beobachtete ausserdem «bei Leu-
kaemie hochgradige Atlicmbeschwerden, die durch Hyperplasie der
Drüsen im Mediastinum anticum einmal auch der Thymusdrüse
veranlasst waren». (Deutsch, mcd. Wochensehr. 1890 & 458.)
Ferner berichtet Birch-Hirschfeld (Gerhardt, Hand¬
buch der Kinderkrankheiten III. S. 343) von dem plötzlichen
Tode eines leukaemischcn Kindes. Nun aber weiter auf die ein¬
zelnen speeiellen Formen der Lcukaemic cinzugcben und unsern
Fall mit Rücksicht auf den fehlenden Milzturaor einer derselben
zuzurcehncn , halte ich nicht für statthaft. Dagegen wäre noch
zu bedenken, dass nach Schaffer «die Thymus eine hacinato-
poetische Function hat und sie demnach mit der embryonalen
Leber, der Milz und dem Knochenmark in eine Reihe zu stellen
ist» ; sowie ferner, dass «zwischen der Milz und der Thymus ein
reciprokes Verhältniss in der Weise stattzuhaben scheint, dass bei
grossem Reichthurn an kernhaltigen rothen Blutkörpercheu in der
Milz dieselben in der Thymus sehr spärlich sind und umgekehrt*'
Es wäre hiernach eine gewisse Berechtigung vorhanden , unsern
Fall als eine Leukacmic aufzufassen , bei welcher an Stelle eine®
Milztumors eine Vergrösserung der Thymus cingctrctcn ist.
einen derartigen eventuellen Zusammenhang, der durch neue Be¬
obachtungen erst zu prüfen ist, hingewiesen zu haben, ist der
Zweck dieser kurzen Mittheilung.
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29- September 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
•911
Literatur.
1. Friedlebeü, Physiologie der Thymusdrüse. Frankfurt a. M., 1858.
2. Clar, Beobachtungen über Thymusanomalien. Jahrb. f. Kinder¬
heilkunde, 1859.
3. Grawitz, Ueber plötzliche Todesfälle im Säuglingsalter. Deutsch.
Med. Wochenschrift, 1888.
4. Nordmann, Beziehungen der Thymusdrüse zu plötzlichen
Todesfällen im Wasser. Corresp.-Blatt f. Schweizer Aerzte, 1889.
f>. Paltauf, Ueber die Beziehungen der Thymus zum plötzlichen
Tod. Wiener klin. Wochenschrift, 1889 u. 1890.
6. Kruse & Cohen, Plötzlicher Tod durch Hyperplasie der Thymus
während der Tracheotomie. Deutsch. Med. Wochenschr., 1890.
7. Scheele, Zur Casuistik der plötzlichen Todesfälle bei Thymus-
Hyperplasie. Zeitschrift f. klin. Med., 1890.
8. Goeze, Fall von plötzlichem Tod bei dreimonatlichem Kind.
Jahrb. d. Hamb. Staatskrankenanstalten, II, 1890.
9. Leubuscher, Plötzlicher Tod im Säuglingsalter. Wiener klin.
Wochenschrift, 1890.
10. Pott, Ueber Thymusdrüsenhyperplasie und die dadurch bedingte
Lebensgefahr. Jahrb. f Kinderheilkunde, 1892.
11. Triesethau, die Thymusdrüse in normaler und pathologischer
Beziehung. DisB., Halle a. S. 1893.
12. SeydeI, Bedeutung der ThymuBhypertrophie bei forensischen
Sectionen. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med, 1893.
13. Kob, Thymushyperplasie als Todesursache. Vierteljahrsschrift
f. gerichtl. Med., 1893.
14. Barack, Plötzlicher Tod durch Thymushypertrophie in gerichtl.-
medicin. Beziehung. Diss., Berlin 1894.
15. Piädecocq, Mort subito des nourrissons par hypertrophie du
Thymus. Thöse., Paris 1894.
16. Beneke, Zur Frage nach der Bedeutung der Thymuahyperplasie
für plötzliche Todesfälle im Kindesalter. Berliner klin. Wochen¬
schrift, 1894.
17. Marfan, Bericht über einen subacut verlaufenen Fall von Er¬
stickung durch Hypertrophie des Thymus. Ref.: Centralbl.
f. Allg. Path. u. Path. Anat., 1895.
18. Kay s er, Beziehungen der Thymus zum plötzlichen Tod. Diss.,
Giessen 1895.
19. Biedert. Berliner klin. Wochenschrift 1896, No. 26.
20. Schaffer, Bau der Thymus. Sitzungs - Berichte der Wiener
Akademie, 1893.
Serumtherapie und Statistik.
Von Prof. Dr. O. Rosenbach in Berlin.
I.
Die Grundlagen wissenschaftlicher medicinischer Statistik
und der Wechsel der systematischen (diagnostischen)
Anschauungen.
In No. 8 der Wiener med. Presse (S. 311) findet sieb eine
statistische Notiz über die Sterblichkeit än Diphtherie in den
Pariser Hospitälern 1 ) in den Jahren 1880—1895 incl., die mit
den stolzen Worten schlicsst: «Seit der allgemeinen Einführung
der Heilserumtherapie hat somit die Diphthcriemortalität in Paris
um zwei Drittel abgenommen».
Diese Mittheilung scheint nun geeignet, besonderes Interesse
zu erwecken, da sie ja anscheinend in schlagender Weise die Er¬
folge der neuen Therapie zum Ausdruck bringt. Abgeschwächt
wird für den Skeptiker diese Schlussfolgerung allerdings durch
den höchst diplomatischen Zusatz, dass seit (nicht in Folge)
der allgemeinen Einführung der Hcilserumtherapie die Diphtherie¬
mortalität um zwei Drittel abgenommen habe; aber diese Einschränk¬
ung gilt doch nur für besondere Skeptiker, nicht für den flüchtigen
Leser, der gewöhnt ist, die ihm gleichzeitig gegebenen Daten auch
») 1880-1889 im Mittel: 1840, 1890: 1668, 1891: 1361, 1892:
1403, 1893: 1266, 1894: 1009, 1895: 435. Kossel, Deutsche med.
Wochenschr. 1896 No. 22, gibt Zahlen, die von den eben mit-
getheilten nur um ein Minimum differiren, als das Resultat der
Gesammtsterblichkeit an Diphtherie in Paris. Da es hier
nur auf die Bedeutung der Ziffern als Glieder einer (absteigenden)
Reihe ankommt, und die Curven der Hospitäler in ihrem allgemeinen
Charakter, d. h. im Steigen und Fallen, (natürlich nicht in den Ein-
zelnheiten), denen der betreffenden Stadt sehr ähnlich zu sein
pflegen, sowird die Bedeutung der Zahlen durch ihre Provenienz nicht
verändert. Nach Kossel (resp. der Veröffentlichung des Reichs¬
gesundheitsamtes) sind die Zahlen für 1888: 1718, für 1889: 1706.
Da die Zahlen der Jahre 1886 und 1687 nur 1565 resp. 1524 be¬
tragen, so müssen, falls der oben gegebene Durchschnitt von 1880
bis 1889 (1840) richtig ist, die Mortalitätszahlen für 1880—1885 sehr
hohe sein, so dass dann der Charakter der Reihe noch deutlicher
würde.
in ein Abhängigkeitsverhältniss zu bringen. Auch wenn
man also annehmen könnte, dass der Verfasser die Phase der
»Serum therapic nur als historisches Ercignisa zur Be¬
stimmung des Beginns einer neuen Aera benützen und die neue
Methode nicht direct als Ursache des überraschend günstigen
Resultats hinstellen wollte, so dürfte man eine solche Notiz nicht
unbeanstandet lassen, da eben die Erfahrung lehrt, dass viele
Leser und Forscher den Wortlaut anders interpretiren und ein
Causalverhältniss zwischen Behandlung und Abnahme der Mor¬
talität *) schon dort construiren, wo doch vor Allem erst bewiesen
werden muss, dass cs sich nicht um ein blosses zeitliches,
zufälliges, Zusammentreffen handelt, etwa wie die Erscheinung
eines Cometen mit grossen Umwälzungen im Vülkerlebcn.
Man kann eben nicht dringend genug darauf hinweisen, dass
Zahlenreihen , auch wenn sie noch so eindeutig zu sein scheinen,
doch der Kritik bedürfen , da die Brutalität der Zahl, die
unüberwindliche Beweiskraft der zahlenmässig festgestellten
Geschehnisse, oben nicht auf der Zahl an sich — dem irgendwie
gewonnenen Schlussergebnisse —, sondern auf der Annahme
beruht, dass das Ergehniss durch unanfechtbare 3 ) Rech¬
nungsoperationen aus unanfechtbaren Prämissen
gewonnen ist.
Statistische Beweise sind stets viel schwieriger, als man an-
nimmt, da es sich nicht um die einfache Vergleichung resp.
Gruppirung der Resultate, um Vergleichung von Ziffern (gleich¬
artigen Grössen), sondern vor Allem um die kritische Ver-
werthung und Sichtung des durch eine Ziffer repräsentirten Ma¬
terials, also um die eigentliche Bestimmung der fundamentalen
Grössen, mit denen in praxi operirt wird, handelt. Aus der Ver¬
nachlässigung dieser Grundsätze ergibt sich die bei Vielen herrschende
Missachtung der statistischen Ergebnisse, die gewöhnlich damit
begründet wird, dass sich durch die Statistik eben Alles beweisen
lasse. Dieser Vorwurf ist aber nur dort berechtigt, wo man
kritiklos die Geschehnisse vor und nach einem bestimmten
Ereignisse vergleicht, also die zeitliche Folge gleichsam als
c a u s a 1 e Beziehung ansieht oder die Ziffern an sieh als
Werthe resp. benannte Grössen, als Qualitäten, anstatt
als Quantitäten, betrachtet, d. h. es unterlässt, die Factore'n
der Rechnung genau auf ihren Werth für die Bilance zu
prüfen. Für diese Bilance aber ist die einzelne Ziffer (einer
Stadt oder eines Dorfes, einer Provinz oder eines Staates) ein
complicirter Factor, der erst kritisch bewerthet werden
muss, um als Summand zu figuriren.
Mit vollem Recht macht desshalb die Mortalitätsstatistik
Unterschiede bezüglich der Berufe, der Stadttheile und na¬
mentlich der Altcrsclassen; denn es ist für die Beurtheilung
der socialen oder Gesundheitsverhältnisse (eines Gebietes)
natürlich durchaus verschieden, ob die Mortalität hauptsächlich
durch Absterben sehr alter Leute, durch die Sterblichkeit der
Säuglingo oder des mittleren Lebensalters bedingt ist. Aus
der Thatsache, dass pro Mille der Bevölkerung das eine Mal 2,
das andere Mal 3 Menschen gestorben sind, dass also die »Sterb¬
lichkeit um die enorme Zahl von 50 Proc. höher geworden ist,
lassen sich an sich durchaus keine Schlüsse auf besondere Ver¬
schlechterung der allgemeinen Gesundheitsverhältnisse
machen, da die grosse Sterblichkeit der Kinder und Greise
von ganz anderen Factoren abhängig ist und eine völlig andere
sociale resp. naturgesetzliche Bedeutung hat, als die der Schichten
oder Altcrsclassen, die den eigentlichen Typus des Volkes
2 ) In der Tbat begleitet K o s s e 1 (1. c.) die Wiedergabe dieser Sta¬
tistik mit den Worten: Diese Tabelle bedarf wohl keines Commentars.
3 ) Bereits in einem Vortrage (in der medicinischen Section der
Wiener Naturforscherversammlung) habe ich darauf hingewiesen,
dass nach bekannten Vorgängen (Tuberculinbehandlung etc.) der
Trinmphzug der Serumbehandlung durch das Reich
der Statistik alsbald zu erwarten sei, d. h., dass die möglichst ge¬
schickte Gruppirung der geduldigen Zahlen das einfachste Mittel
zur Verherrlichung der neuen Methoden abgeben werde, und in
meinem wenig später in der «Nation > (1894) veröffentlichten auch
separat erschienenen) Aufsatze «Heilung und Heilserum» habe ich
auf die verschiedenen Möglichkeiten (den gebräuchlichen Mechanis¬
mus, könnte man sagen), der irrthümlichen oder partei¬
ischen Anwendung angeblich unfehlbarer statistischer Daten
hingewiesen.
1 *
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^MfmE NER MEDICINISCHE WOOHEN SCEgg^
No. 39.
, . ~ Hlrke ( im Kampfe um's Dasein) repräsentiren.
und seine SU“ , C U A die Sterblichkeit der Kinder mit der
JrÄÄÜ Zusammenhänge, d. h. eine grosse
Geburtszitter m fe .. . Volec grosser Frucht-
f fn“ *1 h w "iäJ- B “--*
barkcit der Fl > ., roducbe vor der lleife abfallen.
gewöhnlich relatn vml 1 rc ^ en auch bei re iativ grosser
So paradox es nhvs j sc hen Verhältnisse einer Be
Mortalitätszahl doc J\ dl Glieder durchweg sehr kräftig sind,
völkerung, deren «*•*»»' G eder ^ krä f ü gen B e-
als besser bezeichnet «»den d ? 6 der classe der kleinen
völkerung, derenBezirke relativ viel schwächliche
Kinder 8“*“« 18t * „ Sensiahre oder -Monate absterben, oder die
Kinder der ersten BeDensjanre dag _ dre i Generationen
Zahl der Greise relativ klein ■, Individuums) etwas un-
repräsentirende - DurchsJn ttsalter (des lnaivmi d d er
wird »J»» £,„<>£®«1» dort, wo
Volksgesundheit lmineru £, eiben und eine wenig
viele schwächliche Kinder mittleren Alters bilden.
des Ba^uoea^-^oo 8 ]» dieMenschlieit^epräsentiren joll — schliesBen;
Altersclasse voi.ogsw.l.o *^"“'1 ““Ji"er Zustände
einen direkten Schluss aui uie b Blüthen auf die
■IHM
bei einem anderen f Kinder sterben, so nimmt doch cetens panbus
die Volkszahl des ersteren relativ um das Doppelte zu, wenn or
2 x hier nur x Kinder pro Mille geboren werden.
In dieser Ucberschätzung der Leichtigkeit statis¬
tischer B e weise liegt eine grosse Gefahr, da die so beschafften
Waffen sich leicht gegen ihre Träger kehren. Wenn wir uns fü
berechtigt halten, zeitliche Beziehungen sofort zu causalen
zu stempeln und namentlich eine prophylaotische oder
therapeutische Maassnahine, die mit einer ^nstigen W^
änderung der Morbidität und Mortalität zusammcnfallt, sofort als
Ursache dieser Erscheinungen zu betrachten, kurz, wenn wir
solche Beweise für wissenschaftlich unanfechtbar und für genügend
halten, sofort unsere Therapie als allmächtig zu proclamiren, so
können wir eigentlich auch nichts mehr einwenden, wenn man
auf ähnliche sichere (?) Grundlagen hin auch einmal die von
einem gewissen Zeitpunkte an auftretende Z u n ahme der Za
der Erkrankungen auf irgend ein unwesentliches, aber tür
dasUrtheil der Laien mit gewissen auffallenden Vorgängen cclatant
zusammcnfallcndes, Ereigniss oder gar auf die sch äd 1 1 oh c W lr
samkeit unserer Therapie zurückführt, und doch sollten
solche Schlüsse sowohl im Interesse der Wissenschaft, wie m dem
der Gerechtigkeit verhindert werden. Wer jedes Absteigen
der Curvc der Erkrankungen und Todesfälle ohne Weiteres der
ärztlichen oder hygienischen Kunst zuschreibt, der darf sich eben
auch nicht beklagen, wenn man späterhin das Aut steigen
der Curvc ärztlichen Missgriffen und Unterlassungs¬
sünden zur Last legen, z. B. die Sanitätsorganc tür die
auffallende Zunahme der Diphtherie in den letzten zwei
Jahren verantwortlich machen wollte.
Wenn wir uns rühmen, nur durch unsere energischen Des-
infections- und Controlmaassregeln die Cholera fern
gehalten zu haben, so kann man Angesichts der enormen Zu¬
nahme der Diphtheriemorbidität in Berlin anscheinend mit Recht
darauf hinweisen, dass diese liier angeblich so wirksamen Maass
nahmen sich vielleicht für die Cholera bewähren mögen, zur Be¬
kämpfung der endemischen Infectionskranklieiten aber, in specie
der Diphtherie, ausserordentlich ungenügend, ja vielleicht sogar
schädlich sind. Eine solche Schlussfolgerung werden natürlich die Ver¬
treter der Anschauung, dasB wir den Verlauf der Diphtherie nur durch
unser Eingreifen viel günstiger gestaltet haben, selbstverständlich
und mit Recht ohne Weiteres ablehnen, obwohl sic prmcipiell ja
keine Bedenken gegen die Anwendung des Schlusses post hoc, ergo
propter hoc, haben, so weit ihre eigene heilsam e Mitwirkung
in Frage kommt; denn sie verwerthen ja die oben angegebene
Statistik (und jede ihnen günstige) im erwähnten Sinne. Sie prüfen
HM Material für den Beweis, Bondern sehen die zeitliche
Der Beweis, dass die Abnahme einem bestimmten Factor,
der neuen Behandlung, und nicht irgendeinem anderen, dem
fahre 1895 eigenen, vielleicht schon vor au szus ebenden, hm-
flusse zuzuschreiben sei, ist für Den, der die Wahrheit sucht und
wL Do« was er findet, sofort für Wahrheit hält, nur erbracht,
wenn eben allo anderen Möglichkeiten für die Gestaltung
de" überaus günstigen Sterblichkeitsziffer nach ernster wissen-
sehaftlicher Prüfung ausgeschlossen sind. Der Forscher soll
zwar im steten Glauben an die Möglichkeit der Erreichung
eines hohen Zieles Tbatsachcn sammeln und die
gesammelten scharf kritisiren, aber mcht scbonaudm
Unfehlbarkeit seiner Schlüsse glauben, sobald die That-
sachen eine kurze Zeit lang in der Richtung des Zieles zu
liegen scheinen.
Eine im wissenschaftlichen Sinne aufgestellte therapeutische
Statistik muss - dies ist schon unzäliligcmal proclamwt wordcu
-auf identischem Material basiren ; sic darf die Bedingungen
der Beweisführung (das Material) nicht willkürlich
einen Wechsel einflussreicher Factoren iguonren. Daran kehrt
sich aber die Statistik der Fanatiker und Enthusiasten mc.
Sie benützt mit Vorliebe kurze Perioden (Monate, einzelne Jahre, ,
sic verwendet mit Vorliebe den trügerischen Maassstab des Ver
aSTSn Erkrankung, und
(ivioticntcn), statt der sichereren — allerdings auch der krachen
C unterwerfenden - absoluten Zahlen der Morta ,U -
Statistik; sie operirt mit anderen Begriffsbestimmungen
d h sic verwendet vorwiegeud oder ausschliesslich ‘ 8g “ os s
Kriterien, die vorher nicht für die Bestimmung
und schaltet so mit besonderer wissenschaftlicher
alle ungeeigneten Fälle so lange aus, bis sich ergib ,
Anwendung einer neuen Methode Todesfälle eigentlich gar n ht
^rtrkommcn dürfen. (Dass sie noch verkommen, aranmnd,
beiläufig gesagt, nach Ansicht der Vertreter er _
peutischcn Wahrheit immer nur unglückhche äussere
dem Verfahren zur Last zu legende - VeAältm^ Schuld,
nämlich gewisse Complicationcu, mit denen allerdings
unglücklichen Therapeuten auch kämpfen musste», <*** ”
möglichkeit, das Allhcilvcrfahren zeitig WJ
Entschuldigung, die allerdings Anhänger der alte M hod
geltend machen dürfen.) Dieses Verfahren, Licht und
ungleich zu vcrtheilen, hat sich in der Getc ck f
unzähligemal wiederholt und verliert n»^ seinerErndruc ^
gläubige Gemüther, die nicht cinsclien wollen oder
höchst frappirendc neue Resultate schon vcrnn 8 wissen -
Tascheuspiclerkuuststückcs einer ncuen dcn
schaftlichen Begriffsbestimmung ge" 0 ” n ° keinC
können. Nur der Einsichtige, der wess, dass dm Nat
Sprünge macht, wird sich klar darüber sein, dass ’
plötzlich dasFacit der bisherigen Anschauung^
umgestossen zu sein scheint, eine Umpragu g lcicrun g
aus denen cs sich bisher auf baute, gleichsam eine tt g e fundcu
der bisherigen Factoron der Bilance, 8
haben muss. dj aas der
lieber den ersten Punkt, die Fehlerquellen, irter
Verwcrthung allzu kurzer oder wiliktt-rlic __ dic
Perioden entspringen, werden wir spater sp . ___.
anderen Punkte sollen sofort eine kurze 'rwa Auffindung
hier wollen wir nur bemerken, dass nn ***> ***«
eines (biologischen) Gesetzes, dasK l a d j tlic b jeder
tische Schlussfolgerung s.m soll oder wi , 8
Zeitraum, der nicht mehrere Dcccnnicn umfasst,
kurz zu betrachten ist . { die ßc urtlieilung
Für dic Lehre von den Epidcmiccn, t „.«Siebte,
der Wellenbewegungen der Menschhcitsg
dic in den Zügen verheerender Krankheiten zum A w, ensctlC . n .
vor Allem für die Feststellung des Werthes eines zdtniaasS|
liand bewirkten Einflusses, ist c i u Jahr ein zu u p ecenD ien
da die Wcllenthäler und Wellenberge hier Lustren u der
nrnfnaspii da Enidemieen wie die Züge der Heus
29. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
dlS
rt.
,V
Raupen, die Entwicklung der Maikäfer unerklärliche Perioden der
Akme und Remission bieten.
Obwohl nun Jeder weiss, dass die kleinen Zahlen absolut
nichts beweisen, obwohl Jeder das Gesetz der grossen Zahlen
kennt, macht man doch mit Vorliebe von kleinen Zahlen Ge¬
brauch, und selbst viele Derjenigen, die mit Selbstbewusstsein nur
grosse Ziffern verwerthen, also diesem Gesetze Rechnung zu
tragen glauben , befinden sich über seine Tragweite im Irrthum,
da nicht die grosse Ziffer an sich, sondern die Umstände,
unter denen sie gewonnen wird, von Bedeutung sind. Der Werth
der grossen Ziffern hängt vor Allem von dem Factor Zeit, d. h.
von dem Zeitraum, in dem die Einzelheiten gesammelt werden,
von der Dauer der Beobachtungsreihe, ab; denn 500 Fälle,
in zehn Jahren unter gleichartigen Verhältnissen von demselben
Beobachter gesammelt und analysirt, sind bedeutungsvoller als 500
in einem Monate an demselben Orte beobachtete oder gar
von überall her zusammengotragene, da im ersten Falle, ganz
abgesehen von der schärferen Abwägung der Wertbe, wahr¬
scheinlich alle Möglichkeiten, durch die die Ziffern gestaltet werden
können, wirksam waren, also die Fehler sich ausgeglichen haben,
während im letzten die hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass die
unter dem Einflüsse einer und derselben (einseitigen) Ent-
wieklungsricbtung gewonnenen Zahlen an den Fehlern der kleinen
Reihen leiden, d. h. den Zufall niolit genügend ausschliessen.
Die Sicherheit der Schlüsse steht im umgekehrten Verhältnisse
zur Zeit für die Beobachtung, d. h. auoh wenn sich die
kurze Beobachtung über weite Gebiete erstreckt und grosse
Zahlen liefert, bleiben die Schlüsse unsicher.
Besonderen Anlass zp Irrthümcrn gibt auch die Vergleiohung
der Verhältnisszahl zwischen Erkrankten und Ge¬
storbenen resp. das Verhältnis der Genesenen zu den Er¬
krankten, eine Feststellung, die beim ersten Blick doch den wogen
seiner Eiufachheit einzig richtigen Maaasstab für die Beurtheilung
abgeben zu können scheint. Die anscheinende Paradoxie des Aus¬
spruches , dass gerade die Feststellung solcher Procentver¬
hältnisse die Quelle besonderer Täuschungen ist, findet aber
eine ausreichende Begründung, wenn man die Unbestimmtheit und
den Wechsel der für die Diagnose maassgebenden Principien,
also die Unsicherheit der inductiven Grundlagen, berücksichtigt;
denn die Definition resp. der Begriff ist doch leider der
Schöpfer und das Maass aller Dinge, die Grundlage aller
Versuche, die Erscheinungen gesetemäasig zu ordnen.
Die Vergleichung zweier Perioden (oder Reihen von Er¬
eignissen) kann selbstverständlich auf die Bezeichnung «wissen¬
schaftlich» nur unter der Voraussetzung der Sicherheit der
Grundlagen Anspruch erheben, da dann allerdings Jeder zu
erheben im Stande ist, am gegebenen Material die Richtigkeit der
' Schlüsse zu prüfen. Die einzelnen Fälle der Statistik müssen also
dieselben Grössen resp. Einheiten darstellen; das können sie
N aber nur, wenn die gleichen Kriterien für die Begriffs¬
bestimmung (in medioinischen Dingen die Diagnose) maassgebend
sind. Die Sicherheit des Materials (für Vergleichung) steht
also in directem Verhältnisse zu der Einfachheit seiner
Gewinnung, d. h. je grösser die Zahl der Möglichkeiten für
die Begriffsbestimmung ist, je verschiedenartiger das Material trotz
seiner Gewinnung auf inductivem Wege (durch exacte BeobaobiuDg)
eben wegen der Rubricirung auf Grund eines subjectiven
Unheiles (der Diagnose) werden kann, desto unsicherer gestaltet
sich die Vergleichung behufs statistischer Schlüsse.
Wenn zum Zwecke wissenschaftlicher Prüfung neuer, nament¬
lich therapeutischer, Factoren iu zweiBeohachtungsreihen (Perioden)
die Zahl der Genesenen mit der der Verstorbenen verglichen, d. h.
die Veränderung des Genesungsquotienten einwandsfrei
festgestellt werden soll, so besteht natürlich die Voraussetzung,
dass mit den neuen Gesichtspunkten das Material nicht
verändert sei, dass zur Stellung der Diagnose dieselben
Kriterien dienen, dass die Classif icirung der Fälle auf Grund
identischer Definition erfolge. Wer jede Halsentzündung
Diphtherie nennt, der hat, das kann nicht oft genug wiederholt
werden, natürlich stets die günstigste Zahl von Genesungen, da
unter 100 Halsentzündungen vielleicht nur 10 Fälle von wirk¬
licher Diphtherie sind.
*0. 89.
Wenn s. B. die durchschnittliche Mortalität an Diphtherie ln
der Privatpraxis, wie ich glaube, 10, höchstens 20 Proc. beträgt, so hat
dieser Arzt ein bis zwei Todesfälle, oder, da er 100 Diphtheriefälle
behandelt hat, statistisch ausgedrückt, 98 bis 99 Proc. Heilungen, ein
anderer aber, der ebenfalls 1 bis 2 Todte zu beklagen bat, wird,
weil er die Diagnose Diphtherie selten stellt, also 90 gewöhnliche
Halsentzündungen und 10 wirkliche Diphtheriefälle behandelt hat,
diese Todesfälle schon bei 10 Fällen haben, also 10—20 Proc. Mortalität
und nur 80 —90 Procent Genesungen aufweisen, d. h. ihm sind, wie
eine anscheinend unparteiische Statistik mit unerschütterlicher Logik
beweist, fünf Mal mehr Fälle von Diphtherie gestorben, als dem
Oollegen, dessen glückliche Resultate allerdings für Denjenigen, der
den Dingen auf den Grund gebt, weniger der Kunst der Therapie
als der der Diagnostik zuzuschreiben sind. Wären dem Letzten
4 gestorben — was ja der Zufall leicht bewirken kann —, so würde
er unter 100 Kranken nur 2 Todesfälle mehr haben als sein College
(96 gegen 98 Procent Heilungen), was ja kaum in’8 Gewicht fällt;
aber unter seinen Diphtheriepatienten bat der Tod schrecklich
gewüthet; denn er hat nun 40 Procent Mortalität.
Was soll man also von Vergleichungen halten, die unter
beständigem und vollkommenem Wechsel der metho¬
dischen Gesichtspunkte vorgenommen werden, wie das in der
Medicin stets der Fall ist, da eine neue Therapie gewöhnlich der
Ausfluss neuer systematischer Anschauungen ist. Biegt
die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Vergleichung zweier Perioden
überhaupt noch vor, wenn einmal nur die Fälle berücksichtigt
werden, deren Krankheitsbild deutliche, auch dem Laien bekannte,
Züge auf weist (oder Schulfälle Typen), das andere Mal aber auch
Fälle als gleichartig gezählt werden, wo der erfahrenste
Arzt nicht im Stande ist, ein Urtheil abzugeben über die Art
des Processes, ja nicht einmal, ob überhaupt eine Erkrankung
vorliegt? Man kann sich leicht den Ruhm, Revolutionen unter¬
drückt oder schwere Krankheiten geheilt zu haben, verschaffen,
wenn man jede Zusammenrottung von 3 Menschen einen Aufstand
und jedes Unbehagen eine Krankheit nennt, die sich in
eine aus typischen Fällen gebildete Kategorie einreihen
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lässt, also auch systematisch definirt ist.
Wer bei jedem Ansteigen der Temperatur sofort ein Fieber¬
mittel reicht, wird über die Wirksamkeit der Fiebermittel ganz
andere Anschauungen haben, als Der, der sich davon überzeugt,
dass vielleicht in 80 Procent der Fälle die Temperatur ohne jede
Behandlung in einem Tage zur Norm zurückkebrt; wer Jedes Un¬
wohlsein «besprechen» (lässt, wird von der Bedeutung dieser Heil¬
methode immer mehr überzeugt werden.
Wenn einem Mittel die besondere Fähigkeit zugesprochen wird,
dass es um so heilsamer ist, je früheres angewandt wird, und wenn
man ihm auch besondere Unschädlichkeit vindicirt, so wird es
eben bei der geringsten Veranlassung angewandt, d. h. dort, wo
sieb die Schwere und Art der Erkrankung noch gar nicht, ja häufig
nicht einmal die Existenz einer wirklichen Erkrankung feststellen
lässt. Wenn Jemand ein untrügliches Und unschädliches Heilmittel
gegen Krebs empfiehlt, so wird alsbald eine den Kreis dar wirklich
an Krebs Leidenden weit übersteigende Zahl von Personen sich
dieses Mittels bedienen, da ausser den Krebskranken eben auch
eingebildete Kranke und Solche, deren zweifelhafter Zuständ
selbst dem erfahrenen Arzt die Diagnose noch unmöglich macht,
mit Begier nach dem Mittel greifen werden. Die weitere Folge wird
sein, daas der glückliche Erfinder eines solchen Mittels eine enorme
Zahl von Krebskranken behandeln und heilen wird; denn es steht
ja nichts im Wege, bei Allen, die sich des Mittels bedienen, die
frühesten und daher noch nicht ausgeprägten Formen de« Krebse«
anzunehmen. Mit anderen Worten: Während früher nur 10 Krebs¬
kranke in der Statistik des betreffenden Ortes figurirten, von denen,
je nach der diagnostischen Richtung der Aerzte, zwischen
60 und 100 Procent starben, so werden jetzt 50 Krebskranke vor¬
handen sein, von denen natürlich nur 6—10 sterbe«, d. h. die Mor¬
talität ist auf 12—20 Procent heruntergegangen. Wenn nun ein
Mann der Wissenschaft der Entdecker des Verfahrens ist, so ist
der Jubel über das imponirende Heilresultat — der Triumph
der Wissenschaft — allgemein, und nur der skeptische und erfahrene
Theil der Aerzte, der eine besonders günstige Mortalität beim Krebs
(und anderen perniraösen Leiden) fürs Erste nicht der Wirkung der
angewandten Heilmittel oder-Methoden, sondern der Diagnose
zuschreibt, wird iu den allgemeinen Jubel nicht einstimmen, auf
die Gefahr hin, der UnwissenBchaftlichkeit, Unwissenheit oder gar
des Neides geziehen zu werden.
Zu diesen, auf künstliche Weise gewonnenen, wissen¬
schaftlich • unzureichenden Beweisen für den Werth einer be¬
stimmten Therapie — man könnte sie Verbesserung der Therapie
auf begriff liebem oder rechnerischem (diagnostischem
oder statistischem) Wege nennen — resp. zur Gewinnung
besonders guter Ergebnisse auf scheinbar unanfechtbarer statisti¬
scher Grundlage trägt also die heutige Form der Diagno*
2
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Münchener : MEMCiNiBOHE WOCHENSCgRiET.
.. natürlich anch die Biph.heri.ÄÄT £*
da zweifellos Jeder, der J P Bofort a i 3 Diphtheriekranker 1 rot
sonstige bedenkliche Erschein« * au f das Conto des man
geführt wird, so kommt »ne ' Q e f ä hrd«ng des
Erfolges des Heilserums, gar „jeht in Frage prüf
K r a n k e n für den Erfahre t ^ f von Bacterien, son- Aut
stand, da eben nicht die An wese e resp . die rieb
dem erst die Art und ® U Ä ^* otion des Organismus (der Ge- detr
abnormen Formen der■ 1 e Krankheit (Störung ist
webe und Organe) das h ^ ern > en Krank ist nicht frei
des Gleichgewichts des Betrieb ) j ■ anderen Räumen rei
derjenige, bei de» »ich tn dar Mittete m ^ ^ j d
Bacterien nachweisen lassen seinen Ge- the
sondern der, der iin nex-ha 11[ •« beherbergt, die die als,
weben oder mi B 1 “ *J verä ndcrn und die Leistungen für de
Körperökonomie wesentlich 'er
die Dauer herabmindern. Bedeutung nach, in zwei st
Die Mikrobien lassen sich, ihrer fe Acciden teile di«
,c»p. 3 verschiedene a« denen die ei
Mikrobien (gutartige Ob. Gewebe eingedrungen (intra- je
Formen gehören, die nich ' Nosoparasiten M
parenchymatöse Reize geworden) smd, 2.^0 ^ ^ Jn ^
nach der trcffenden llezeichiiung gchcidoudCj Classen zerfallen, j<
2, allerdings nicht immer sch. Wirth primär l a
„tolich »eiche, die »ich nur “1™“ be»ö„derer AcO vität 11
geschwäch t ^st, « ^ Schwächung de» Betriebe», k
ausgestattet, auch onno fremden (ausserwesent- 1
in die Gcwebsökonomie ''mdring Lebensbedingungen a
Heben) Reizen werden, ^■* vcrändern . Wenn
und nicht nach denen d . Gewebe durch Trauma, '
z. B. Mikrobien sieh entwickeln, weildie dic Betriebs- f
Erkältung, ungenügende Ernährung^ ^ d ie Mikrobien zur ]
Verhältnisse schon abnorm . * c b araUter i st isch für eine ,
läbgigen secu^är;n
- -*-
V< TZ ) ta U . durch di» Bezeichnung Kot.- und Bndo.itou*)
uueh t oberf Uchen - von den Oe. eh » cch-rc.zer ; »ehe,den
SlteD Da erd nun die Gesichtspunkte für die statistische Beurteilung
sieh hi der letzten Zeit unter dem Einflüsse bactenologischer
Pr ncipien wesentlich verschoben haben, so ist es unerlass ich, jede
Kritik der Beweismittel der modernen Schule mit einer ^gemeinen
Erörterung der Principien und Methoden, die die Waffen
im Streite sind, zu beginnen, gleichsam erst ^u prüfen we e
inneren Werth die Münzen des wissenschaftlichen \ er
kehrs heute besitzen. Die Silbermünze der
liehen Wahrheit, die aus den officieUen Prägungsstätten
wissenschaftlicher Wertlie hervorgeht, theilt oft das SchicU d^
landläufigen Münzen; die Flagge deckt die minderwerthige Waare.
*) Da die Parasiten in den Luftwegen, dem Darme anal etc
obwohl sie im Inneren des Körpers wohnen, m Wirklichkeit.nur
Oberflächen Schmarotzer (d. h. Schmarotzer auf inn ®
flächen) sind, so sind sie in der eigentlichen'Bettung des‘Wortes
Ectositen; iedoeh könnte man, um die Parasiten der äusseren
Haut von denen der Schleimhäute zu differenciren entere als
Yrtr. letztere (die Darmwürmer und Mikrobien) als Coetositen
OMU. Ä beaeichnen. (Vergl. Deutsch. n,ed. Woche.scbr.
1896, No. 42.)
Die Münze hat anen ^ gilt nur^ ’ solange mächtige
p P rotectört n für "ihren Verth eintreten, der sonst weitaus geringer,
*“n! STfr gragtare Münte aber aui ihren wahren Weht,
, ,„ rf nvm sich nicht nach dem äusseren Schein und der
prüfen, so d mit so lchen Werthen begnügt,
Autorität, die sie ^ einer scharfen Prüfung auf
richten, son ^ Krftik und Erfahrung unterwerfen. Es
dem Prob,rs a ^ ci c besondere Kritik der anscheinend einwurfs-
I desshalb aueh «me ^ ^ imi)onirenden Zahlen .
freien zitferm g ^ ^ die8e bi er vornehmen,
reihen, un Gesichtspunkte für die Beur-
mdem wir die ' der einze lnen Grössen anwenden,
theilung des te (vieldeutige) Ziffern zu ein-
“ m “ he ° t c1 ? «
,v V Therapie befindet sich hier m besonders gün-
• Die r n d.-nn ieder Fall von zweifelhafter Diphtherie,
stiger Lage, den .1 abortiven Formen, sowie die
die Weht -d -h» ^.den «hort.ve» fc
einfachen IIalso J 5 {ür die Leistungsfähigkeit der
jection unterworfen , • eben ^ Heilung — wenigstens
Methode verwertet w crden > d J _ dass die In-
nach der Logik moderner lherapeute ff0ch e-
jection die Krankheit ^
lang Bacillen im Munde oder sie specifische Mi-
Kranke sind geheilt un im > aber d i e denselben
, krobien beherbergen; ganz gesunde Per^n aber
- Befund bieten, sind so lange weder gesund
i als sic nicht injicirt worrien sind. . „atürUch für
i Die Fälle von Coupirung der Erkrankung w
, Vertreter der ^ d-h de»
pathognOBtieche Prineip, da» Stäbchen, aÄc.acn» ^ ^
Jn Die einseitige Statistik wird weiter noc k H n i ac her Be-
n ) dass jeder letal verlaufende hall, mag a to deg Mis8 .
ld Zeichnung evidente Diphtherie vor legen, die bacterio-
tc - erfolges nicht zur Last gelegt wer cn ’ hi dener Formen
- logische Untersuchung die anzeigt, da
;m von Mikrobien incl. oder excl. «fer P ™ ^ ^ Verfahrcn ge -
ja eben nur Fälle von reiner p deg Heilserums unter-
' ) eignet sind resp. der segensreichen Wi? g der geheilten
len liegen. Ob mau allerdings hei der Regis ^ Todes fälle, und
r °- Fälle ebenso scrupulös vorgeht, wie iebaciUen nun rigoros
eU die Mischformen oder entfe rnt, weil sie
ogi aus der Kategorie der beweiskräftigen fl 8 mö chten wir
in 8 ja durch Heilserum nicht beeinflusst s gtatigtiken fe hlen alle
iim ' bezweifeln; in den bisher veröffentlmh j^ten F&Uen scheint
t0 ‘ Anhaltspunkte in dieser Beziehung. Bei g ^ verlaufcnen
also die alte Form der Diagnose zu gen g . Untersuchung
nng werden nur die durch genaueste
3her als echt classificirten für g l t, « bu ^ n ' fQr Fälle, die zu
jede S i c h ja, das Heilserum von der ^ cnmt g entlasten , während
inen spät in Behandlung kommen ™ghcto Dipktherie , die in
lffen man doch den schlechten Erfolg in Fäll _ Vielleicht viel
cben früheren Zeiten ebenfalls erst sehr sip bannuDga los der
'er- später als j e t z t - in Behandlung kamen , ^erbarm^
haft ‘ unwirksamen Therapie der ^ ergangenbei wenigstens be-
;ten Man sollte sich doch SffrSeren Zeiten bä al 1 ®
1 der mühen, festzustellen, welche ffle i c h|riltig, welcher Natur
rS gleicht'einfach ^e^C^miesungsquotienten der frühertn^
ositen dem der beiden letzten (1894 d. von e»-» J l a
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29. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
915
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Quartal die Rede sein kann. Und damit glaubt man die Wirk¬
samkeit des Verfahrens über allen Zweifel sicher gestellt zu haben,
obwohl schon mehrfach — unter Anderem von mir — darauf hin¬
gewiesen wurde, dass jetzt die Zahl der an Diphtherie Behandelten
in den Krankenhäusern viel grösser ist, als lange Jahre vorher.
So kann auch kein Zweifel sein, dass bei der jetzt üblichen,
nicht genug zu verurtheilenden, bacteriellen Diagnose in Ab¬
sen tia die so häufigen Todesfälle an der sehr gefährlichen Schar¬
lachdiphtherie, die an vielen Orten unserer Ansicht nach mit vollem
Rechte auch zur Diphtherie gerechnet wurden (wie die Scharlach¬
nephritis zur acuten Nephritis), und jedenfalls an der früheren Mor-
talitätsgröase wesentlich betheiligt waren, jetzt meist besonders (als
Todesfälle an Scharlach) rubricirt werden, also — für die Wirkung
des Heilserums — in Abzug kommen, wodurch natürlich die Wirkung
des Heilserums wieder in das beste Licht gestellt wird.
(Fortsetzung folgt.)
Ein Fall von Benzinvergiftung.
Von Dr. Witthauer, Oberarzt am Diaconissenhaus zu Halle a. S.
Die Fälle von Benzinvergiftungen sind nicht häufig. Selbst¬
mörder werden sich ein weniger unangenehm riechendes und
schmeckendes Gift aussuchen und aus Versehen werden Erwachseue
wohl nur selten die stark riechende Hubstanz trinken. Kindern
ist das Benzin meist nicht zugänglich.
Ich habe in den mir zur Verfügung stehenden Zeitschriften
der letzten 5 Jahre nur 2 Fälle gefunden und halte es desshalb
für geboten, den unsern zu veröffentlichen.
Im Jahre 1892 beschreibt Falk die Vergiftung eines
2jährigen Knaben, der einen Schluck Benzin trank, die Augen
verdrehte und nach 10 Minuten starb.
Rosen thal behandelte 1894 ein 1 ’/g jähriges Kind, welches
einen Esslöffel Benzin trank, ohne Erbrechen zu bekommen. Die
Vergiftung8erscheiuungen waren ganz ähnlich denen in unserm
Fall. Es wurden mittelst eines J a q u e s - Patentkatheters der
Magen ausgespült und ausser Mageninhalt blutig gefärbt«.' Schleim¬
flocken entleert. Die Erscheinungen nahmen zunächst noch zu,
aber nach 6 Stunden war das Kind nur noch leicht benommen
und am nächsten Tag gesund. Ein Erfolg, sch liegst Verfasser,
ist von der Magenausspülung nur in ganz frischen Fällen zu
erwarten, ausserdem ist künstliche Athmung anzuwenden.
Rosenthal erwähnt, dass es auch einen Abusus Benzini
gibt. Ein 4 8 jähriger Potator nahm, statt Alkohol zu geniessen,
Benzineinathmungen vor, die ihm völlig Ersatz boten. Schliesslich
wurde aber der Schlaf schlecht, es traten Hallucinationen, Appetit¬
losigkeit und Tremor auf und erst Einnehmen von Chloral schaffte
Heilung.
In unserem Fall handelt es sich um einen l 8 /*jährigen, für
sein Alter gut entwickelten Knaben, der ‘/* bis s /4 Stunde vor seiner
Aufnahme in’s Diaconissenhaus in einem unbeobachteten Augenblick
aus einer Benzinflasche getrunken hatte und, laut schreiend, auf
dem Boden liegend gefunden wurde.
Die Menge des verschluckten Benzins ist nicht genau zu be¬
rechnen. Das Kind ist völlig bewusstlos, die Pupillen sind admaximum
erweitert, die Gesichtsfarbe ist cyanotisch, die Haut kalt, die Athmung
oberflächlich und beschleunigt, der Puls kaum fühlbar.
Herr Assistenzarzt Dr. Keil machte sofort mittelst eines
sogenannten Seidenwebkatheters eine Magenausspülung, die solange
fortgesetzt wurde, bis das Wasser völlig geruchlos abfloss. Zuletzt
wurde durch den Katheter ein Tassenkopf Milch in den Magen
eingeführt und eine Aetherinjection gemacht. Da die Athmung
ungenügend bleibt, wird der Knabe in ein lauwarmes Bad gesetzt
und kalt übergossen; bei jedem Guss tiefe Inspiration und lautes
Stöhnen. Nunmehr wird der kleine Patient in ein gut durchwärmtes
Bett gebracht, der Zustand bleibt aber noch besorgnisserregend bis
gegen Abend
Jetzt wird der Puls besser, die Haut warm, die Pupillen
reagiren wieder. Urin war spontan entleert worden, enthielt weder
Eiweiss, noch Zucker, die Temperatur beträgt 38,7.
Nach sehr unruhiger Nacht macht Patient heute einen bessern
Eindruck, reagirt auch auf Anrufen. Temperatur 3<,f), Puls be¬
schleunigt, Stuhlgang nach Glycerinspritze, Urin unwillkürlich in's
Bett entleert. Genauere Untersuchung der inneren Organe ergibt
nichts Abweichendes. Abends wieder Temperatur von 39,2. Milch
wird in grossen Mengen vertragen, ebenso Wein gern genommen.
Am nächsten Tag ist der Knabe klar bei Bewusstsein und
beantwortet die an ihn gerichteten Fragen. Die Temperatur steigt
aber Mittags auf 40,2, ohne dass sich ein Grund dafür nachweisen
lässt; speciell ist kein Hustep vorhanden und Nichts von einer
Pneumonie zu constatiren.
Die Nacht ist ganz ruhig, am Morgen Temperatur 37,7, Abends
88,2 Das Allgemeinbefinden ist gut, Patient zeigt viel Interesse
für seine Umgebung und plaudert, wie ein gesundes Kind. Breiige
Nahrung und Milch wird gut vertragen und verdaut.
Von jetzt ab erholt sich der Knabe rasch und kann nach
einigen Tagen geheilt entlassen werden.
Es ist wohl kein Zweifel, dass hier die Magenausspülung
lebensrettend gewirkt hat, da sie einen Theil des aufgenommenen
Giftes noch entfernen konnte. Ein specifisch wirkendes Gegen¬
gift für Benzin kennen wir nicht, wir können also nur sympto¬
matisch wirken.
Einen Punkt möchte ich noch kurz hervorheben, die Tem¬
peratursteigerung. Die Erfahrung bei Vergiftung mit an¬
deren flüchtigen Stoffen liess mich fürchten, dass der Knabe eine
Pneumonie bekommen würde; da sich aber percutorisch und aus-
cultatorisch nichts davon nachweisen liess, das Fieber auch bald
zurückging, kann davon nicht die Rede gewesen sein. Wahr¬
scheinlich ist das Fieber durch eine acute Gastritis, ausserdem
durch eine leichte Aetzung der Magenschleimhaut, verursacht
worden.
Aluminiumschienen.
Von Stabsarzt Dr. Steudel.
Aluminiumschienen haben hauptsächlich den Vortheil grosser
Biegsamkeit. Bogenförmige Krümmungen kann man schon mit der
Hand ausführen; die Schienen lassen sich auf diese Weise der
Oberfläche der Gliedmassen, welchen sie angelegt werden sollen,
entsprechend formen. Scharfwinklige Biegungen jedoch und solche
über die hoho Kante sind nur mit besonderem Handwerkszeug
möglich; ich habe daher, um von einer Handwerksstätte unab¬
hängig zu sein, mit Hilfe eines Technikers ein möglichst einfaches
Instrument zur Verarbeitung von Aluminiumschienen construirt.
Mit diesem zangenförmigen
Universalinstrumente kann
ipan die Schienen in be¬
liebiger Länge abschneiden,
in den verschiedensten Rich¬
tungen biegen und da, wo
die Binden umgelegt werden
sollen, mit Zähnen versehen,
um ein Verschieben im Ver¬
bände zu verhüten. Zum
Abschneiden dienen zwei
unterhalb des Drehpunktes
der Zange angebrachte
messerförmige Schneiden.
Vermittelst der theila
quer, tbeils aufrecht stehen¬
den Oeffnungen, in welche
die Aluminiumschienen ein.
geführt werden, kann man
die Schienen mit Hilfe der
durch die Griffe der Zange
gebildeten langen Hebelarme beliebig biegen. Dabei ist von Wichtig¬
keit, dass die Schienen nicht nur über die Fläche, sondern auch
über die hohe Kante sich biegen lassen , so dass man ebenso an
der Streck- und Beugeseite wie an der Aussen- und Innenseite
rechtwinklig gestellter Gliedmassen, z. B. des Ellbogens, Schienen
anlegen kann. Endlich kann man noch spiralförmige Biegungen
mit der in 2 Hälften auseinandergenommenen Zange ausführen;
diese Biegungen sind dann nothwendig, wenn eine Schiene nicht
genau in der Längsaxe eines Gliedes, sondern etwas schräg dazu
an gepasst werden soll.
In der eigentlichen Zange sind mit kleinen Haken versehene
Stahlstücke eingesetzt, welche sich beim Zusammendrücken der
Zange in die Aluminiumstreifen derart einpressen, dass am
Rande derselben sich Zähne aufstellen. Diese Zähne greifen in
die Maschen der umgelegten Binden so fest ein, dass eine Ver¬
schiebung der Schienen im Verbände ausgeschlossen ist.
Die grosse Biegsamkeit der Aluminiumschienen erregt vielleicht
den Verdacht von angenügender Festigkeit. Die einzelne Schiene
-besitzt freilich nach der Fläche nur geringe Widerstandskraft; es
lässt sich aber bei einem Verbände mit Aluminiumsfchieuen dadurch
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91«
MÜNCHENER MBDICINI80HE WOCHENSCHRIFT.
grosse Festigkeit erzielen, dass nicht 2, sondern 8 oder 4 Schienen
zur Verwendung kommen, weil dann einer Verbiegung nach irgend
einer Richtung Btets mindestens eine Schiene mit ihrem starken
Breitendurchmesser widerstrebt. Zudem hat die Anwendung von
3 oder 4 Schienen auf verschiedenen Seiten für solche Verbände,
welche für längeres Liegen bestimmt sind, den Vortheil, dass ein
Ausweichen der Weichtheile nach irgend einer Seite und damit
eine Lageveränderung des ganzen Gliedes unmöglich ist.
Die Aluminiumschienen eignen sich am besten für unter¬
brochene Verbände, bei denen die vermittelst der Universalzange
mit Zähnen versehenen Enden der Schienen in erstarrende circul&re
Verbände eingeschlossen werden, während das Mittelstück nur
durch die glatten Schienen gebildet wird. Die Zahnelung der
Aluminiumschienen macht es sogar möglich, solohe unterbrochene
Verbände ohne Gips mit einfachen Steifgazebinden anzulegen. Ein
solcher Verband besitzt eine grosse Leichtigkeit, was besonders bei
Verbänden an den oberen Gliedmassen von Vortbeil ist. Dabei
ist selbst bei Verwendung von 4 Schienen, da diese sehr schmal
sind, die Uebersichtlichkeit über den im Mittelstück frei liegenden
Körpertheil in keiner Weise gestört.
Unterbrochene Verbände kommen in der modernen Chirurgie
nur in sehr beschränktem Maasse zur Anwendung, nicht etwa
weil dieselben unseren heutigen Ansichten der Wundbehandlung
nicht entsprechen, sondern weil mit dem bis jetzt vorhandenen
Material die Herstellung dieser Verbände zeitraubend ist und sonst
noch allerlei Naohtheile hat. Boi den zumeist gebräuchlichen
Bandeisen musste man, um eine Berührung mit der Wunde zu
verhüten, Bügel zur Uoberbrückung der Wunden machen und
diese Bügel beeinträchtigen nicht nur die Festigkeit «der Fixation
wesentlich, sondern sie waren auch beim Verbinden überaus
lästig und machten die Anlegung eines gleichmässig comprimiren-
den aseptischen Verbandes geradezu unmöglich. Alle diese Nach¬
theile fallen bei den Aluminiumschienen weg. Aluminium ist ein
ungiftige« und reinliches Material, welches nicht rostet. Von den
gebräuchlichsten antiseptischen Flüssigkeiten, mit Ausnahme des
Sublimat, wird es nur sehr wenig angegriffen und bei mehrtägiger
Berührung mit Eiter sieht man nur eine leichte Farbenveränderung,
ohne dass an der Oberfläche eine Rauhigkeit zu fühlen wäre. Diese
Eigenschaften lassen es ganz unbedenklich erscheinen, die Alu¬
miniumschienen ohne solohe Ausbuchtungen in Bügel der Haut
in der Nähe von Wunden direkt aufzulegen und die Schienen
in den Wundverband mit einzusohliessen. Was sich etwa zwischen
der Haut und den schmalen Schienen an Seoret an sammelt, kann
bei jedem Verbandwechsel durch einen zwisoheDgefllhrten Gaie-
•treifen leicht entfernt werden.
Die unterbrochenen Verbände haben aber für «ne nicht
geringe Anzahl von Verwundungen and Operationen den possn
Vortheil, dass bei erhaltener Fixation der Wundverband beliebig
oft gewechselt werden kann, besonders bei complicirten Fractaren
mit grossen Hautverletzungan ist dies von unschätzbaren] Nntien.
Ich glaube, dass die unverhältnissmässig lange Zeit, welche
complicirte Fractnren so oft zur Heilung beanspruchen, in der
Regel dahor kommt, dass die Ruhe und Heilung der Fractur bei
dem häufig nothwendigen Verbandwechsel gestört wird. Dan
liegt ein gebrochenes Glied noch so sicher in einem rinnenfÖrmigeB
Apparate oder in einem Schienenverbande, welcher dem aseptischen
Verbände aufgelegt ist, so kann dies bei einer gleichzeitig vor¬
handenen 8ecernirenden Wunde doch keine dauernde Fixation sein.
Dass aber die Störung, welche bei einem Verbandwechsel, bei
dem zugleich die Fixation unterbrochen werden muss, selbst bei
vorsichtigstem Verbinden und bei dem bestgeschulten Hilfspersonal
jedes Mal eintritt, keine geringe ist, das zeigen uns zur Genüge
die enormen Schmerzen der Kranken und die häufig beim Ver¬
binden sich zeigenden Blutungen.
In Deutsch-Ostafrika hatte ioh Gelegenheit, einen solchen
Fall zu beobachten. Ein Sudanese mit einer äusserst schweren
Schussfractur des Unterschenkels verzog bei dem häufigen Ver¬
bandwechsel keine Miene, solange der fixirende Verband lag, welcher
in einem aus Holzschienen und Gipsbinden hergestelltcn unter¬
brochenen Verbände bestand. Als ich aber einmal gezwungen
war, auch diesen zu lösen, da das Wundsccrct in die Holzschienen
und diesen entlang in den Gipsverband eingedrungen war, geberdete
sich der Kranke derart, dass ich mich genöthigt sah, ihn in
chloroformiren. Die Fractur heilte; in dem 2. unterbrochenen
Verbände und war schon 2 Monate nach der Verletzung consolidirt
trotzdem beide Knochen in grosser Ausdehnung zersplittert waren
und der breit klaffende Ausschuss eine Länge von 8 om gehabt
hatte. Die Verkürzung an dem geheilten Glicdo betrug 4 cm
Dieser Fall war für mich die Veranlassung, für unterbrochene
Verbände nach einem zweckmässigen Material zu suohen, dessen
Eigenschaften eiue ausgedehntere Anwendung auch für Kriege
zwecke erlaubten, denn für die vielen schweren Schussfracturen,
welche in zukünftigen Kriegeu mit den weittragenden Gewehren
zu erwarten sind, giebt es keinen besseren Verband als den unter
brochenen. Es handelte sich also darum, möglichst leichte, für
Improvisationen an den Gliedern formbare, leicht transportable
und billige Schienen zu finden. Und ioh hoffe, dass die Alu
miniumschienen diese Anforderun gvollständig erfüllen; ich glaube
aber auch, dass dieselben Eigenschaften, welche die Schienen für
Kriegszwecke tauglich machen, die Einfachheit und Leichtigkeit
des Materials und die vielseitige Verwendbarkeit, den Aluminium
schienen auch einen Platz in der Friedenscbirurgie sichern.
Wenn auch in Kliniken und Krankenhäusern für eine grosse
Zahl typischer Operationen und Verletzungen besondere Schienen
vorrätbig gehalten werden können und die Friedenschirurgie über¬
haupt keinen so grossen, dem reinen Zufall unterworfenen Wechsel
schwerer Verwundungen bietet, wie die Kriegschirurgie, so bleiben
doch auch im Frieden noch häufig genug Fälle übrig, wo vor
handelte Schienen nicht passen und wo das Bedürfnis« zu Tage
tritt, einen dem besonderen Falle angepassten Schienenverband «
improvisiren. Und an dieser Stelle werden die Alumininmschieoen
am Platze sein, sei es, dass es sich um einen oomplioirten Knochen
brach bandelt, der sich für einen Occlusivverband nicht eignet,
sei es um eine Gelenkresection oder Osteotomie, bei welchen Fisteln
zurückgeblieben sind.
Aiummiumscmenen und Universalzange werden von aer wur
sehen Mctallpatronenfahrik in Karlsruhe hergestellt; der Preis ist
entsprechend dem gegenwärtigen niederen Preise des Aluminiums
ein geringer, besonders wenn man nooh in Betracht zieht, d» 8 *
bei dem Abfall und unbrauchbar gewordenen Sohienen das Aluminium
wieder verwerthet werden kann. Die Deutsche Metallpatronen-
fabrik Btellt jetzt auaser den, obigen Zwecken dienenden, 3—4
dicken und 10 bezw. 15 mm breiten Aluminium schienen »uc
dünnere und breitere Alumininmstreifen (von l f /i—2 mm
und 2 bezw. 3 cm Breite) her, welche in fixirenden Verbänden
zur Verstärkung als Einlagen bestimmt sind; sie sind dazu
mäsaiger als Tapetenspan und Pappe, weil sie trotz grosser Bieg
A J
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29. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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samkeit mehr Widerstandskraft besitzen und diese auch bei
Durchfeuchtung des Verbandes nicht verlieren.
Schliesslich bemerke ich, dass in die Aluminiumschienen mit
Hilfe einer einfachen Lochzange Löcher gestanzt werden können
und dass man auf diese Weise an beliebiger Stelle den Schienen
Messinggcleuke mit Flügclschrauben einfügen kann. Es kann dies
bei Nachbehandlung von manchen Operationen und Verletzungen,
sowie auch zu orthopaedischen Zwecken von Vortheil sein.
Transportable Beinhalter für die geburtshilfliche
Praxis.
Von Dr. Arthur Mueller, Frauenarzt in München.
Die Nothwendigkeit, bei schwereren geburtshilflichen Opera¬
tionen Assistenten zum Halten der Beine zu haben, um bequem
operiren zu können und die Asepsis'in wünschenswerter Weise
durchführen zu können, hat schon lange, besonders aber in den
letzten Jahren zu Versuchen angeregt, die Assistenten durch im-
provisirte oder transportable Beinhalter zu ersetzen. Die Gründe,
welche es wünschenswert erscheinen lassen, auf weitere Assistenz
als diejenige der Hebamme verzichten zu können, sind von allen
anderen Autoren transportabler Beinhalter genügend erörtert worden
und jedem Praktiker so gut, oder besser unangenehm, bekannt,
dass ich verzichte, auf dieselben einzugehen.
Sieht man die Lehrbücher sowie die Cataloge der Instrumenten¬
händler durch, so findet man zwei Principe für transportable Bein¬
halten Das eine beruht auf einer in ihrer Länge verstellbaren Quer¬
stange, welche an ihren Enden, beweglich oder unbeweglich, Schenkel¬
ringe trägt. Verschiedene Modificationen derselben werden nach
Neugebauer, Saenger, Ott, Schauta etc. benannt. Während
durch die Stange die Spreizung der Beine bewirkt wird, wird die
Flexion durch einen um den Nacken gelegten stellbaren Riemen
bewirkt, oder durch einen oder zwei solche, welche an der Unter¬
lage, Tisch oder Bett, befestigt werden.
Das zweite Princip beruht auf zwei an der Unterlage an-
sebraubbaren Eisenstftben mit je ein bis zwei Schenkelringen oder
Halsringen für Unter- und Oberschenkel. Von Fritsch, Wiin-
bald, Greder etc. sind verschiedene Modelle angegeben.
Alle diese verschiedenen Modelle finden eingehende Besprechung
in einer Brochüre von 0. Ihle in Dresden.
Ihle hat das Verdienst, zuerst die Eisenstangen und Leder¬
riemen durch Stricke und Gurte ersetzt zu haben, wenn es auch
wohl nicht angeht, die Anwendung von Stricken und Gurten, wie
er dies that, gesetzlich zu schützen 1 ), da doch Jeder sich Stricke
und Gurte kaufen kann und verwenden kann, wie er will. Während
sein erster in der Brochüre beschriebener Beinhalter dem zweiten
Typus, den an die Unterlage anschraubbaren Modellen, zugehört und
sich durch Kleinheit und Befestigung der Füsse, statt wie üblich,
der 8chenkel, mittels gesetzlich geschützter Methode der Gurt-
schlingung auszeichnet, hat das zweite Modell ein neues und für
den Geburtshelfer den anderen beiden gegenüber viel vortheil-
hafteres Princip.
In zwei Gurtbänder mit Schnalle werden je zwei eiserne grosse
Ringe gefasst. Zwei derselben, die inneren, werden mit einem
Strick verbunden, um eine zu grosse Spreizung der Beine zu ver¬
hindern. Die äusseren Ringe werden mit je zwei mit Carabiner-
haken versehenen Stricken verbunden, welche an den Bettpfosten
oder Tischbeinen angebunden, durch Zug nach den Seiten oder nach
vorn und hinten die Beine spreizen, flectiren und lixiren. Die einzigen
festen Theile des Apparates sind die Eisenringe und daher ist
der Apparat sehr compendiös, besonders in seiner neueren modi-
ficirten Form.
Ob ohne Anregung durch Ihle's Arbeit, oder durch ihn ver¬
anlasst, ist nicht angegeben, veröffentlichte Professor Kossmann
in der Deutschen Aerzte-Zeitung 1895, Heft 11, p. 97 einen Bein
halter, der aus zwei durch eine Schnalle in ihrer Länge veränder¬
liche Gurten besteht, die an dem einen Ende eine Schlinge, an dem
anderen Ende einen Haken tragen und aus zwei kurzen, kräftigen
Bohrern. Die Bohrer werden etwa 3 /i bis 1 m von einander ent¬
fernt in die Lage des Tisches oder die Seitenrahmen der Bettstelle
senkrecht von unten nach oben eingebohrt und die an den Schenkeln
durch die Schlinge befestigten Gurte nach Stellung der Länge mittels
der Schnallen durch die Haken an den Bohrern befestigt. An
Compendiosität und Bequemlichkeit der Befestigung übertreffen diese
Beinhalter die Ihle'sehen; die Angabe, dass die betreffenden an¬
zubohrenden Stellen der Betten wohl nie poliert seien, dürfte in¬
dessen wohl nur in der poliklinischen Praxis zutreffen.
Einen wohl nicht viel Nachahmung findenden Vorschlag, mittels
Heftpflasterstreifen und Gurten in jedem einzelnen Fall sich Bein¬
halter zu construiren, machte Futh, Centralblatt für Gynäkologie,
1894, Heft 13, p. 555. Die Schwierigkeit und Unsicherheit, selbst
*) Ueber zwei neue transportable Beinhalter für gynäkologische
Operationen in der Privatpraxis, p. 22, von Dr. O. Ihle, Dresden.
Heuser’s Verlag Neuwied.
No. 80.
gutes Heftpflaster auf schweissiger Haut zu befestigen, macht die
an und für sich umständliche Methode nicht empfehlenswerth.
Da meines Wissens ausser dem Modell Ihle und Kossmann
für geburtshilfliche Zwecke empfehlenswerthe Beinhalter nicht ver¬
öffentlicht worden sind, glaube ich mich berechtigt, die Bein¬
halter, welche ich vom Herbst 1894 bis Ostern 1896 in der geburts¬
hilflichen Universitäts-Poliklinik in München erprobt habe, bekannt
zu geben.
Es sei mir gestattet, kurz mitzutheilen, wie ich zur jetzigen
Form derselben kam.
Zuerst versuchte ich, den auch jetzt noch von mir bei gynä¬
kologischen Hausoperationen verwendeten Ott'sehen Beinhalter
(Querstange mit Schenkelriugen und Nackenriemen) auch bei Ge¬
burten in Anwendung zu bringen. Es zeigte sich nun sofort, dass
die Querstange an den durch den graviden UteruB aufgetriebenen
Bauch stiess und so die wünschenswerthe Flexion der Beine ver¬
hinderte. Nach Entfernung der Querstange that der aufgetriebene
Leib selbst die Arbeit der ersteren, so dass sich sofort für geburts¬
hilfliche Zwecke eine Querstange, also auch eine Verbindung der
Schenkelringe mit Stricken nach Ihle als unnöthig erwies. Schenkel¬
ringe mit Schultergürtel leisteten mir längere Zeit gute Dienste, bis
ich durch lhle's Arbeit auf den Vortheil seitlicher Spannungs¬
stricke aufmerksam gomacht wurde. Indessen sagte mir die Be¬
festigung der Strickenden mittels Kuotung an den Bettpfosten nicht
zu und waren mir für die ohnehin überfüllte geburtshilfliche Tasche
die Schenkelringe zu voluminös. So suchte ich, wie Kossmann
später, durch Gurten auch die Schenkelringe zu ersetzen. Die Noth-
wendigkeit, zwei der im Handel gebräuchlichen Schnallen, wie Koss-
raann, zu benützen, welche sich mir alle als nicht kräftig genug
erwiesen, wurde durch eine vom Instrumentenhändler Stiefenhofer
für Tourniquets verwandte Klemmschnalle beseitigt. So brauchte
ich nur einen langen Gurt, an dessen einem Ende eine unver¬
änderliche Schenkelschlinge durch Naht gebildet ist, während die
andere Schenkelschlinge nach Einnahme der gewünschten Lage mit
Hilfe der Schnalle hergestellt wird. Ein einfacher Gurt von V/t m
Länge mit angenähter Schlinge und eine Klemmscbnaile vertreten
also den Ott'sehen Beinhalter und sind beinahe in der Westen¬
tasche unterzubringen. Die Punkte, welche bei der Anlegung dieses
ßeinhalters zu beachten sind, decken sich völlig mit den bei Koss¬
mann' s Beinhaltern zu beachtenden. Erat in tiefer Narkose kann
man die Anlegung vornehmen, da äusserste Flexion erwünscht ist,
um bei etwaiger Unruhe Bewegungen der Beine gänzlich zu ver¬
hindern. Die Anlage geschieht in der Weise, dass zuerst die
Schlinge über einen Fuss
bis unter das Knie ge¬
führt wird, dann das Bein
auf das Aeusserste ge¬
beugt wird, so dass der
Oberschenkel dem Bauch
und der Brust seitlich
möglichst horizontal an¬
liegt. Darauf wird der
Gurt aussen am Ober¬
schenkel unter der einen
Schulter über den Rücken
und Nacken über die
andere Schulter hinweg¬
geführt. Der zweite Ober¬
schenkel wird ebenfalls
bei noch nichtgebeugtem
Unterschenkel bis seitlich an den Bauch heraufgeschlagen, der
Gurt von aussen unter den herauf gebeugten Unterschenkel
hindurch und um diesen wieder nach aussen herumgeführt und
nach straffer Spannung des Gurtes durch Anlegung der Klemm¬
schnalle dicht am Unterschenkel eine möglichst enge Schlinge ge¬
bildet. Da die Gurte, selbst wenn sie, wie sehr wichtig, flach und
nicht gefaltet, gelegt werden, bei längeren Operationen leicht drücken,
empfiehlt es sich sehr, beiderseits die Schienbeine durch Unter¬
schieben eines zusammengelegten Handtuches zu schützen. Ich
lege, was etwas schwierig ist, die Schlingen an die Unterschenkel,
um dadurch die Füsse, welche gern auf die Vulva fallen, seitwärts
abzuziehen. Bei nicht genügend starker Flexion der Beine können
sich dieselben hiebei im Excitationsstadium in den Knieen strecken
und indem nun die Schlingen über die Oberschenkel zurückrutachen,
die Beine ihren Halt verlieren. Einfacher ist es daher, die Schlingen
ebenfalls mit Unterlage von Handtüchern an den Oberschenkeln zu
befestigen. Der wichtigste Theil des
Apparates ist die Klemmschnalle, welche
sehr gut gearbeitet sein muss. Durch
Abschrägung der Kante n nach unten
zieht dieselbe den Haken b bei Druck
nach innen, kann also nicht ausgleiten,
während, wenn diese Ebene horizontal
oder gar nach oben verläuft, bei starkem
Drucke dieselbe abgleitet und die 8chnalle aufspringt. Schnallen,
welche diesen Fehler haben, sind unbrauchbar. Die Art und Weise,
die Schnalle zu öffnen, muss man znerst etwas üben und der Heb¬
amme vor der Operation zeigen. Es ist nöthig, die Gurte flach,
ohne Falten über einander zu legen, da eine mehr als zweifache
Lage für die 8chnalle zu dick ist. Da die Schnallen auf eine be
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Münchener medicinische Wochenschrift.
stimmte Dicke S
Ä?luf de'r Mi£ der Schnalle anbringen zu lassen oder sich bj
~iÄ s
hilfe oft-von g ross hinten bei der Naht besonders grösserer
licher Gegenzug ^ch hmte^ t > ^ ^ Be ine, bei Wendungen 8
Dammrisse ohne Narkos ^ etC- Ein Halteseil jedereeits >
in Querlage, Extraction g s Rücken verlaufenden a
S* iÄyäÄ a*Sr Stricke nach Ibl. durch I
Sää-äHI *
§£&■ jStfSSi sä 1
.onr™ Äh ;
sssÄt m - äj :
nach bei der Führung des Gurtes unter einer Schulter hindurch ^
und über die andere Schulter an und für sich unbegründete Ein¬
wurf, dass der über den Rücken geführte Gurt eine Krümmung der
Brust bewirke und so ein Respirationslundermss bilde, entkräftet.
Ich habe dieser Befürchtung wegen den Gurt auch quer über
die Lendengegend gezogen; dann bedarf man ]edoch noch eines
oder zweier hosenträgerartiger Zügel, um bei Spannung der Beine
ein Abgleiten über die Nates zu verhindern. Es werden bei Anleg¬
ung der^Stricke die Beine allein durch die Stricke gehalten und nur im
Excitationsstadium durch den Gurt verhindert, dass <
Streckung der Oberschenkel nach dem Kopfende des Bettes zu ver
schoben wird. Es ist der Rücken-Nackengurt bei starker Flexion der
Schenkel nicht absolut nothwendig und ist eine Co “ b '"f ,0 ", von
weichen Schenkelringen mit einem oder-zwei.Paar! Settenstncken,
wie ich vielfach erprobt abe, hebenfalls für die meisten Fälle aus¬
reichend, jedoch weniger compendiös. Ein über ein Handtuch als
Unterlage über jeden Unterschenkel geschlungener und mit einer
Schnalle versehener oder auch nur geknoteter Gurt und ein Paar
Stricke ohne Karabiner oder sonstige Haken einfach geknotet, würden
daher das billigste und einfachste Modell geburtshilflicher Beinhalter
darstellen. Fegsel mit s tr i c ken und Eisen erscheint aber den
Damen abstossend und empfiehlt es sich daher, die Schnalle und
Haken zu vernickeln, die Stricke aber aus starker, schwarzer beide
zu wählen In kleinem Segeltuchfutteral vorschriftsmässig verpackt,
misst der Beinhalten Gurt und Schnalle, 2 Haken mit zwei Seiten¬
stricken 13:7:4 1 /acm und kostet bei Instrumentenhändler Stiefen-
hofer 7 JC, mit Seidenstricken etwa l‘/z X mehr.
Wie alle einfachen Instrumente, verlangt die gute Anlegung
dieses Apparates mit der Schnalle einige Uebung. Leichter ist die
Anlegung von Schenkelringen mit Haltestricken. Letztere finden
auch praktische Verwendung als Zügel, um unter Anstemmung der
Füsse an das untere Bettende in der Austreibungspenode mit den
Händen gefasst zu werden, um als Gegenzug zu dienen und das
Mitpressen zu unterstützen. , I
Für gynäkologische Zwecke benutze ich noch jetzt den Utt -
sehen Beinbalter, oder auch nur Schenkelringe, und 4 Seitenstricke
mit Haken.
Die Metallschlauchsonde im Dienste der klinischen
Diagnostik, insbesondere des Magen-Darmcanals.
Von Dr. Franz Kuhn, Assistent der chirurgischen Klinik zu
Giessen.
(Schluss.)
7. Bis hierher spielte der Spiralsehlauch in unserer Er¬
örterung in erster Linie eine passive Rolle, gleichsam als Sperr-
und Schutzinstrument gegenüber der leicht verletzlichen Darm¬
wand, um die Einführung gröberer Instrumente zu beliebigen
Zwecken zu ermöglichen, eben nur als Speculum.
Dabei übergingen wir aber zunächst noch eine Haupteigen¬
schaft der Spiralen überhaupt, nämlich die rotirenden Bewegungen
in ganz merkwürdiger Weise auf grosse Entfernungen mit Leichtig¬
keit zu übertragen, wobei hauptsächlich auch Biegungen und
Knickungen etc. im Verlaufe des Spiralrohres ganz gleichgiltig
sind. Die Spiralen vermitteln eben in erster Linie
die Kraftübetragung um die Eckel
Welch’ eine herrliche Eigenschaft dieser Gebilde für unsere
Zwecke, für das Innere des gewundenen, geschlängelten Darmrohres !
Betonen wir gleich von vorneherein, dass wir diese Eigen¬
schaft der Spirale bei einer einschlägigen Sondenconstruction für
sehr wesentlich halten, ob die Spirale nackt ist, oder mit Gummi
in irgend einer Form, sei es als Ueberzug oder Einlage, in Ver¬
bindung gebracht ist. ...
Legt man z. B. eine Spirale in einen der für den Magen
gebräuchlichen Nelatonschläuche, so dient in meinem Sinne eben
die Nelatonsonde nur als Gummiüberzug des Metallrohres, das-
selbe gegen den Darm deckend und so Letzteren schützend. Der
Nelatonsclilauch ist also hier; verglichen mit dem Spiralpnncip,
als solcher unwesentlich, kann allerdings als herkömmlichstes
Instrument bei der Magenuntersuchung Verwendung finden ist
aber auch jeden Augenblick durch jeden Gummischlauch wechselnder
Wanddicke und Härte ersetzbar, wenn für einen entsprechenden
gefahrlosen Abschluss der Spitze gesorgt ist. _ . _
Wie oben erwähnt, erlaubt ein Spiralrohr eine rotirende Be¬
wegung um eine ideelle, centrale Achse, deren Form und Richtung
aber fortwährend von der Umgebung bestimmt wird. So erhält
ein solches Rohr eine ganz merkwürdige Anpassungsfähigkeit an
die Umgebung. Ob nun dieses Metallrohr dick ist oder dünn
ob es aus Aluminium besteht oder Stahl, ob es aus dickem Draht
oder dünnem, aus drehrunden Fäden oder flachen Bändern mit
ganz verschieden geformten Querschnitt gewickelt ist ob es zuletzt
gleichsam eine dünne bewegliche Mctallbekleidung der Innenwand
des Nelatonschlauch.es oder eines anderen Gummischlauches dar¬
stellt, ist im Prinzipc ganz dasselbe.
Wir können also in einen Nelaton für Magen, oder Blase
oder Darm (die einzelnen Fragen sind anderweitig genauer behandelt)
Metallspiralcn, welcher Construction immer, hinemlegen und ent¬
weder den ganzen Schlauch oder einen Theil desselben in rotirende
oder andere Bewegung versetzen, immer handeln wir un Sinne
unserer Principien. j.
Und nach diesem Principe sucht dann eben auch der rotirende
Gummischlauch, wie im anderen Falle die Spirale allein, sozusagen
automatisch, seinen Weg, indem der Kopf gleichsam suchende,
pendelnde Bewegungen nach Art eines lebenden Wurmes ausführt,
Hindernisse umgeht, in Löcher und Oeffnungen hineinknecht,
indem er ferner in seinem ganzen Verlaufe sich Biegungen und
Krümmungen leicht gefallen lässt, ohne an Rotirfähigkeit und
Gleitbarkeit zu verlieren, indem er endlich sich stets in schonen
Weise der Geraden zu nähern, also sich zu strecken sucht, sonn
kleine, störende Krümmungen gerne von selbst ausgleicht.
Auf diese Weise sind, wie ich zeigen werde, ganz weicne
Gummischläuche, von erheblicher Länge per os und per anum in
den Danntractus einführbar. Auf die Sondirung «des lylorus
. und des anschliessenden Dünndarmes»» 4 ) sowie des Dickdarmes
, werde ich an anderer Stelle eingehend zu sprechen kommen.
' Noch bleibt zu bemerken, dass rotirende Körper und Ko
viel leichter an oder innerhalb anderer Hohlräume °^ er , ’
i z. B. in Canälen, hier im Magen-Darmcanal, gleiten und sic 0 -
bewegen lassen, namentlich noch, wenn dies um eine innenliege
starrere Achse geschieht.
| Soviel über die Rotation des äusseren Rohres. Ebenso
aber, wie für dieses, haben wir die oben erörterten, kr
tragenden Eigenschaften spiraliger Metalldrähte und e
J für die in zweiter Linie in Betracht kommenden, zur Linton ä
bestimmten Instrumente nötliig. Allerdings erfordern dann derer g
Apparate ein härteres Metall, am besten eben StahMreüt.
•- Uebrigen aber stehen sie und fallen sie, wenn sie den 0 ge
Anforderungen gerecht werden sollen, mit dem Spiralpnncip,
ar ; 1
a) wegen der möglichen Rotation um die eigene Ache, a
bei vorhandenen Knickungen und Biegungen, un er
diesem Wege erfolgenden Kraftübertragung.
b) Weil auf dem Wege der Spirale allein ein genügend starr ,
zugleich aber elastisch federnder, geschmei ig
Führungsstab oder Draht herstellbar ist, wie ihn die 0 1
Verwendungszwecke erfordern. Denn ein Stahlstab, se
in der dünnsten Ausführung, ist zu starr und unnacbgio y
und hält eventuelle Abbiegungen etc., zu hartnäckig •
c) Weil ferner derartige Metallinstrumentc, auch die pir ’
ineinander gesteckt, selbst bei Ueberwmdung von Biegung >
*) Münchener medic. Wochenschr. 1896, No. 29.
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Goosle
29. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
919
gut ineinander gleiten und verschieblich sind, namentlich
wenn inan die Spiralen aus dicken Drähten herstellt und
dann die Oberfläche polirt und glättet,
d) Weil Spiralen, wie ja schon lange in der Technik verwendet,
auch sehr geeignet sind, Kräfte durch directcn Druck oder
Zug zu übertragen, also zu Fass- und Fanginstrumenten
sich sehr gut verwenden lassen. Um den Druck oder Zug
einer Spiralfeder in dem eigentlichen Sinne ist es uns
aber für den vorliegenden Fall nicht zu thun. Es sollen
für unsere Instrumente in erster Linie ganz dicht ge¬
wickelte Spiralen verwendet werden, bei denen sich die
einzelnen Windungen direct berühren. Wenn man also
Federkraft ganz bei Seite lässt, ist mittels dieser ununter¬
brochenen Reihe von Metallringen, wenn sie z. B. um
eine durchgesteckte Achse, einen Stab oder Draht liegen,
eine bis zu ziemlicher Grösse zu steigernde Drucküber-
tragung längs des Mctallstabes von einem Ende zum
andern möglich. Dabei gibt der innere Führungsstab einer¬
seits die Richtung der Druckübertragung an (dabei sind
natürlicherweise auch wieder Biegungen und Knickungen
für die Kraftübertragung gleichgiltig, weil die Spirale, die
aus sehr dünnem Draht bestehen darf, sich einer jeden
solchen Krümmung leicht und gefällig anpasst), andererseits
dient der innere Führungsstab oder Draht eben als Kraft¬
vermittler in dem entgegengesetzten Sinne, eben als Zug¬
instrument, oder kurz gesagt, gegenüber der Spirale als der
einen Schecrenbranchc, als die andere Branche einer
Seheere oder Zange. Dabei genügt zunächst die in der
Spirale liegende Zugkraft vollständig, um nach der Druck
ausübung eine Seheere oder Zange oder Schlinge, auch auf
weite Entfernungen, wieder zu öffnen.
Nach dem Gesagten ist es zunächst für unsere Zwecke, auf
einem dieser unendlich vielseitigen Wege, nicht schwer, die Instru¬
mente für das Innere der auch «Parinsi>eculum» zu nennenden
Magen-Darmsonde herzustellen, um derselben einerseits alle Ab¬
sichten des Untersuchers zu übermitteln, um andererseits über das
vordere Rohrende hinaus direct in den noch zu erobernden Darm-
absehnitt zu gelangen und dort im Sinne der ferneren Erschliessung
desselben oder der combinirten Untersuchung zu wirken.
Denn auf eine sogenannte combinirte Untersuchung, analog
der combinirten Untersuchung der Genitalsphärc läuft in letzter
Linie unsere ganze Diagnostik des Abdomen hinaus. Auch wurde
über diese Frage schon viel geschrieben und discutirt, z. B. über das
Fühlen von Sonden und Sondenspitzen durch die Bauchwand etc.,
aber leider bis jetzt mit wenig praktischem Erfolg. So viel steht
zweifelsohne bis jetzt fest, dass auch diese Frage mit unseren
Apparaten besser gelöst wird, wie mit allen seitherigen.
8. Unter 7 wurde die elastisch-federnden Eigen¬
schaften festerer Spiralstäbe kurz berührt. Bei diesem Punkte
müssen wir entsprechend seiner Bedeutung für unsere Fragen
noch einen Augenblick verweilen. Alle bis heute üblichen Sonden
und Bougies (höchstens die Fischbeinsonde macht einigermassen
eine Ausnahme) halten eine ihnen mitgetheilte Form und Biegung
in Folge der Trägheit des Herstellungsmaterials passiv fest, haben
mindestens nicht das Bestreben, bei Nachlass einer Druckwirkung
annähernd in die Ausgangsstellung zurückzukehren. Ganz anders
verhalten sich in dieser Hinsicht unsere mässig starren Spiralen.
So gerne und leicht sic, jedem seitlichen Druck oder Zug folgend,
auch nach allen Richtungen sich aus- und abbiegen, kehren sie
immer bei Nachlass der sie krümmenden Ursache, von selbst,
federnd zur Geraden zurück. Ebenso streben sie bei allen Bogen
und Biegungen, die sie machen, immer in schonender Weise, unter
leichtem Federdruck, dem grösstmöglichen Bogen zu.
Es sind dies sehr wichtige Momente für den Gebrauch der
Spiralen bei unseren Darmsondirungen, denen unter Anderem auch
das Princip der vollständigen d. i. maximalen Aussondirung der
grossen Curvaturen zu Grunde gelegt ist.
9. Jetzt erst, am Ende unserer langen Betrachtung über den
spiraligen Bau der Magen-Darmsonden, komme ich auf die älteren
Methoden der physikalischen Diagnostik für den Darmcanal, der Ein¬
führung von Wasser, von Luft, der Kohlensäureaufblähung etc.
zurück. Denn diese Möglichkeiten bleiben unseren Schläuchen
und Sonden natürlicherweise in ihrer ganzen Grösse und Voll-
wichtigkeit erhalten und müssen dies bleiben. Im Gegentheil
hoffen wir, dass uns unsere Constructionen eine bessere Ausnützung
dieser bereits gegebenen Methodik gestatten ; denn abgesehen von
der besseren Dosirbarkeit der genannten Medien im einzelnen Falle,
der leichteren Zufuhr, dem leichteren Abfluss derselben erlauben
uns die vorliegenden Apparate ein freiestes Spiel in ihrer Com-
bination und gleichzeitigen Anwendung, sogar neben der gleich¬
zeitigen Anwendung aller obengenannten, rein mechanischen und
instrumentellen Manipulationen. Machen wir Beispiele:
Construiren wir zunächst einmal nach unseren Principien das
in der täglichen Praxis so viel in Anwendung kommende Darm¬
rohr. (Nebenbei sei bemerkt, dass diese Beschreibungen nur Entwürfe
sein sollen ; die genaue Erörterung des Darmrohres, das sich nach
unseren Versuchen als das rationellste herausgestellt hat, erfolgt
anderswo.) Welche Wege und Möglichkeiten stehen uns hiezu
beispielsweise offen?
a) Der einfachste Weg ist der folgende: Wir nehmen ein
gedichtetes oder ein mit Gummi überzogenes Metallrohr von unserem
Princip, versehen es an der Spitze mit einem gut abrundenden und
gut schliessenden Obturator, dessen Führung nach hinten bis zum
Rohrende ein mässig starrer Spiraldraht besorgt; dann setzen wir auf
das hintere Ende des Rohres einen um seine eigene Achse und die
Achse des Rohres drehbaren, aber luft- und wasserdichten Kopf,
der hinten in der Achse eine grosse Ocffnung hat, die durch
einen aufschraubbaren Deckel schliessbar ist; an beiden Seiten
sind mit Hähnen versehene Zufuhrrohrc, thcils für Wasser, theils
für Luft. Durch die achsiale hintere Ocffnung können Sonden
und andere Instrumente eingeführt werden, nachdem der Deckel
abgenommen ist; auch ist während der Einführung eine Dichtung
dieser Stelle ausführbar, so dass die Wasser- und Luftzuführung
mit den instrumentellen Manipulationen combinirt werden kann.
Zu jedem Darmrohr sind einige Sonden, thcils zur Führung, theils
zu weiterer Sondirung, vielleicht auch Doppclsonden und solche
mit Luftzuführung und Gummiansätzen an der Spitze beizugeben.
b) Oder wir construiren nach unseren Motiven ein Doppel¬
ruhr, wobei das äussere Rohr Wasser, das innere Rohr Luft führt
oder umgekehrt. Trotzdem ist immer noch Raum für eine
weitere centrale Sonde. Ein Rohr trägt an seinem vorderen Ende
einen leicht aufblasbaren, kleinen Gummiballon , der im Darm,
noch besser im Magen, nach Wasserzufuhr schwimmt, auf diese
Weise sich also stets von der Darmwand abhebt, und besonders
bei Anwendung von rotirenden Bewegungen sehr schonend in das
Darmlumen vordringt. Die Verwendung aller dieser und weiterer
Principien für die Diagnostik des Magens, in Sonderheit die Son¬
dirung des Pylorus und die Bestimmung der unteren Magcncur-
vatur und der Ektasie ist an anderer Stelle erörtert.
Noch harren zwei sehr hoch anzuschlagende Punkte bei der
Verwendung der Spiralrohre für die Diagnostik des Magen-Darm-
canales der Erörterung.
Das ist zum Ersten die Photographirbarkoit der eingelegten
Rohre nach Röntgen, zum Zweiten ihre ganz einwandsfreie
Sterilisirbarkeit.
Was den ersten Punkt betrifft, war gerade er die Ursache,
die Ergebnisse unserer seitherigen mehrjährigen Studien etwas
rascher zu veröffentlichen, als wir es uns in dieser interessanten
und vielseitigen Frage vorgenommen hatten. Allein die Berührung
der Photographirbarkut der allerdings in Princip und Zweck
uud Ausführung mit unseren Apparaten nicht vergleichbaren
Spirale von Wegele (siehe deutsche med. Wochenschrift 1896
No. 18), die dieser nur zu elektrischen, also in keiner Weise
mechanischen Zwecken verwendet, veranlasstc uns zu einer etwas
rascheren Veröffentlichung unserer Beobachtungen.
Wie zu erwarten, ist ja der Versuch, die dünne Spirale von
Wegele nach Röntgen zu photographiren, misslungen. Anders
liegt es seit Beginn der Veröffentlichung des Verfahrens, wie uns
keineswegs entging, mit unseren Rohren, deren Metallgehalt wir
beliebig durch Einschieben neuer Rohre verstärken können, die
wir also in Fingerdicke gleichsam massiv machen können. Dass
diese Rohre dann zu photographiren sind, unterliegt keinem Zweifel.
3*
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Inwieweit hiedurch die Lage der Darmorgane zu diagnosti-
ciren sein wird, die Lage des Dickdarms, die Lage der unteren
Curvatur des Magens, ist anderweitig nach zu sehen.
Der zweite grosse Vorzug unserer Rohre für ein der Ver¬
dauung bestimmtes Organsystem ist die leichte Reinhaltung der¬
selben, noch mehr ihre vollständige Stcrilisirbarkeit, jeglichen An¬
sprüchen der modernen Hygiene entsprechend. Mit dieser Frage
steht und fällt, wie man sich sehr schnell sagen musste, ein
Apparat, der eine allgemeine Anwendung auf dem bezeiehneten
Gebiete beanspruchen will. War es doch seither Jedem von
uns immer ein peinlicher Gedanke, einmal verwendete Darmrokrc,
selbst schon Magensonden, unausgekocht bei weiteren Kranken
zu verwenden. War dies schon zum Mindesten unappetitlich,
so machte diese Seite der Frage eine Anwendung von Rohren,
die bei Lues, Tuberculose, Typhus, Diphtherie etc. etc. in
Verwendung gekommen waren, fernerhin durchaus unmöglich.
Wie ganz anders liegen aber die Verhältnisse bei dem ganzen
Instrumentarium, das wir im Vorliegenden für den Magen-Darm-
canal, anderweitig für Blase und Harnröhre, Geburtswege etc. in
Vorschlag bringen. So weit es auf uns ankommt, so möchten
wir an unseren Instrumenten überhaupt nur Metall sehen , doch
wird das vorerst noch nicht möglich sein.
Die Metalltheile unserer Apparate aber sind doch
ein für allemal wie alle chirurgischen Instrumente auskochbar und
werden säuberlich bei den Instrumenten im Instrumcntcnschrank
aufgehoben. Schon dies ist eine dem modernen Arzte sofort
sehr in die Augen springende Annehmlichkeit und Beruhigung
und macht das Arbeiten mit den vorgesclilagencn Instrumenten
leicht und bequem.
Unsere Gumraibezüge s'nd, soweit wir sie bis jetzt
zugestehen, entweder wie die Instrumente auskoclibar, oder sie
sind billig und dünn, aus gebräuchlichen Gummisorten ; dazu sind
sie leicht und einfach abziehbar und aufziehbar. Nimmt uuin
dann im gegebenen Fall neue Bezüge, so ist den weitestgehenden
Ansprüchen an Reinlichkeit und Appetitlichkeit (z. B. vom Munde
her) Rechnung getragen ; die metallene Einlage kommt frisch aus
dem Storilisirapparat.
Um nicht zu ermüden, begnügen wir uns an dieser Stelle
mit den vorstehenden Mittheilungen ; auch die therapeutische An¬
wendung des Spiralprincips wollen wir an dieser Stelle nur an-
deuten und verweisen auf andere Publicationen.
Diese Zeilen haben ihren Zweck erreicht, wenn sie die gross-
artigen Kräfte und sonstigen Eigenheiten, die uns in einer Spiral-
construction dargeboten sind, beleuchtet und die Möglichkeit ihrer
Anwendung für die oben erörtertem Zwecke bewiesen haben.
Feuilleton.
August Kekule.
Am 13. Juli 1896 starb in Bonn der gefeierte Begründer
der Structurcheinie August Kekule.
Er wurde geboren am 7. September 1829 in Darmstadt als
Sohn des Oberkriegsraths K e k u 1 6 . Auf der Schule zeigte er
rasches Auffassungsvermögen, vorzügliches Gcdächtniss und eine
besondere Anlage zur Naturbeobachtung. Der heran wachsende
Knabe wurde einer der vortrefflichsten Kenner der Flora und der
Schmetterlinge seiner Heimath. Nach Absolvirung des huma¬
nistischen Gymnasiums seiner Vaterstadt (1847) studirte Kekuld
auf Wunsch seines Vaters Architektur, da er grosse Begabung für
Zeichnen und für Mathematik an den Tag gelegt hatte. Schon
als Gymnasiast hatte er verschiedene Pläne von Häusern gezeichnet,
welche in Darmstadt zur Ausführung kamen.
Er bezog die Landes Universität Giessen, um unter Leitung
von Ritgen Architektur zu studiren, und hörte dort Vorlesungen
über darstellende Geometrie, Perspective etc. und Chemie bei
Licbig. Durch einen Zufall lenkte er die Aufmerksamkeit des
grossen Meisters auf sich. Zu einer Gerichtsverhandlung über
eine angebliche Selbstverbrennung waren Liebig als Sach¬
verständiger und Kckuld als Zeuge geladen. Die klaren, ver¬
ständlichen und anschaulichen Anssagen des jungen Studenten
gefielen 'dem berühmten Forscher dermassen, dass er sich seines
No. 39.
Landsmannes besonders annahm. Die Folge war, dass KekuI«
zur Chemie überging und als Schüler von Liebig und Will in
das Giesscner Laboratorium eintrat.
Auf Grund einer unter WiU’s Leitung ausgeftthrten Ex-
perimentaluntcrsuchung über Amylschwefelsäure promovirte er im
Jahre 1850 und sollte nun Assistent von Liebig werden. In
dessen machte ihm ein Verwandter das Anerbieten, auf seine
Kosten ein Jahr lang in’s Ausland zu gehen. Die Wahl fiel auf
Paris, wo er die Vorträge von Frcmy, Dumas, Pouillet,
Regnault, Wurtz, Gerhardt u. A. hörte. Besonders an¬
regenden Verkehr pflog er mit Gerhardt, welcher gerade sein
vortreffliches Lehrbuch der organischen Chemie auf Grundlage der
von ihm aufgcstelltcn Typentheorie schrieb. Das Manuscripl
dieses Werkes sah Kekule damals durch. Während eines andert¬
halbjährigen Aufenthalts in der Schweiz als Assistent von Planta's
in Reichenau-Schloss bei Chur fand er die erwünschte Müsse, die
in Paris empfangenen Anregungen in sich zu verarbeiten. Den
Gährungsprocess, den er damals durehuiaehte, schilderte er später
mit den bekannten Worten Heinc’s:
Mein Kopf war ein zwitscherndes Vogelnest
Von confiscirliohen Büchern.
Als Assistent von Stenhousc ging er dann nach London
und trat dort in freundschaftlichen anregenden Verkehr mit
W i 11 i a m s o n und mit 0 d 1 i n g.
So war Kekule im Lauf seiner Lehr- und Wanderjahre
mit den hervorragendsten Führern der Chemie in Deutschland,
Frankreich und England persönlich bekannt geworden. Auf diesen
Umstand legte er 'grosses Gewicht, da er ihm die Emancipation
von einer einseitigen Sehulrielitung verdanke. Den nachhaltigsten
Einfluss auf seine geistige Entwicklung haben nächst Liebig wohl
Gerhardt und W i 11 i a m s o n ausgeübt. Dem früheren Studium
der Architektur schrieb Kckuld das Bedürfnis und die Fähig¬
keit zu, sieh von dem Bau der chemischen Moleeüle möglichst
anschauliche Vorstellungen zu bilden. So hätten denn die Ge-
daukenkeime, welche damals wie Bacillen in der Luft heruni-
schwirrten, in seinem Kopf den geeigneten Nährboden gefunden.
Die Frucht war die Lehre von der Vierwertliigkeit des Kohlen¬
stoffs und die auf die Valenz der Elemente gegründete Theorie
von der Verkettung der Atome oder die sogenannte Structur¬
chemie.
Die Grundzüge dieser Theorie, deren Anfänge von der Zeit
seines Londoner Aufenthaltes (1854) her datiren, veröffentlichte
Kekule erst einige Jahre später (1858), nachdem er seine
theoretischen Anschauungen hatte ausreifen lassen. In seinem
elassischen Lehrbitch der organischen Chemie — namentlich in
den späteren Abschnitten desselben — führte Kekul<5 seine
Ansichten weiter aus. Die Krönung des Gebäudes der Structur¬
chemie war aber die Benzoltheoric Kekule’s (1865), welche das
dunkle Gebiet der aromatischen Substanzen mit einem Schlage
erhellte, und welche bis auf den heutigen Tag der Wissenschaft
sowohl als auch der Technik die richtigen Wege gewiesen hat.
Sic ist nach A. W. Hofmann’s Ausspruch das leuchtende
Sternbild, nach welchem die chemischen Forscher auch kommender
Zeiten dankbar ihren Ours steuern werden.
Nach seiner Rückkehr aus England hatte Kekule* sich 1856
als Privatdocent in Heidelberg habilitirt. J)a in Bu nsen's La¬
boratorium kein Platz für ihn war, richtete Kekule sieh ein
Zimmer mit anstossender Küche als Privatlaboratorium ein. Inter
den wenigen Schülern, die er dort aufnehmen konnte, befand rieh
Adolf Baeyer, der dort seine erste grosse Arbeit über organische
Arsenverbindungen ausführte. Organisch-chemische Präparate, wie
sie heute in vorzüglicher Reinheit von Kahlbaum in Berlin,
den grossen Farben- und Alkaloidfabriken u. A. geliefert werden,
waren damals noch nicht käuflich zu beziehen. Für seine Vor¬
lesungen über organische Chemie musste Kekule die wichtigsten
Präparate selbst darstellen. Er lernte dabei die interessantesten
lieactionen und die Hauptreprüsentanten der verschiedenen Körper
classen aus eigener Anschauung kennen. Dieser Umstand kam
ihm hei dom ausgeprägten Sinn für chemische Erscheinungen
ausserordentlich zu Statten, sowohl in seiner Lehr- und Forscher-
thätigkeit als auch später bei Abfassung seines Lehrbuchs. ft“
des Tages Last und Mühe kehrte er dann gewöhnlich noch eigen
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29- September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
921
händig t sein Auditorium aus für die Vorlesung des nächsten
Morgens. Von der arbeits- und ideenreichen Zeit seiner Heidel¬
berger Privatdocententhätigkeit sprach Keku 16 noch oft und
mit Vorliebe in späteren Jahren. Als Erinnerung an diese Zeit
an
1
w
GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
- •<-•-
yVuGUST
V.
EKULE.
Beilage tur Münchener ntedicinischcn Wochenschrift.
Verlag von J. F. LFH.MANN in München.
Kekuld habe sich diese Gewandtheit des Experimentirens, zum
Theil wenigstens, durch vielfache Uebungen in Taschenspieler-
No. 39.
und Zauberkunststücken erworben. Aus seinem Laboratorium
ging eine grosse Zahl hervorragender Chemiker sowohl akademischer
Lehrer wie Techniker hervor. Bekanntlich hat auch unser Kaiser
Wilhelm II. als Prinz während seiner Bonner Studienzeit Vor-
und hat derselbe seinem Lehrer ein
Vor wenigen Jahren verlieh der
t, den frühem Adelstitel K e k u 1 6
führen.
ich in glücklichster Weise sehöpfe-
igendem kritischen Verstand, experi-
r Beobachtungsgabe. Durch seine
i geht ein ausgeprägt kritischer Zug.
unternommen in der Absicht, theo
sich gebildet, zu prüfen oder diesen
gaben anderer Chemiker aufzuklären
perimentator hat Kekule die orga-
le wichtiger und interessanter Be¬
esehenkt. Der Schwerpunkt seiner
liegt aber doch auf dem Gebiet der
ikt doch die heutige Chemie einen
icn Anschauungen der genialen ln-
i Spekulationen K e k u 1 6. ’ s. Dieser
t dieser Zeitschrift, bei welchem ein
Details chemischer Forschung wohl
rf, werden es rechtfertigen, wenn
ten KekuId 's nicht ausführlicher
if beschränke, seine Bedeutung für
irdigen.
versuchen, die Entwicklung der
ren Theorien in kurzen Zügen zu
folgenreichste Anwendung der neuen
titution der aromatischen Substanzen
uf Vollständigkeit macht diese kurze
?inen Anspruch. Eine vollkommen
g der Entwicklung der Structur-
sen, die eingehende Würdigung der
vielen Vor- und Mitarbeiter und
i der Förderung und Klärung der-
rde ebenso sehr die eng gezogenen
3 Kreise bestimmten Nachrufs, wie
s überschreiten.
hen Grundgesetze der Chemie, das
lemente nach festen constanten Ge¬
er multiplen Proportionen waren zu
mittelt und hatten den englischen
Iton 1808 zur Aufstellung der
asst. Der wichtigen Aufgabe, die
der verschiedenen Elemente zu bc-
anderlagerung die chemischen Ver-
• Aufgabe unterzog sich mit grossem
;he Chemiker Berzelius.
m Funkens oder des galvanischen
en Jahren dieses Jahrhunderts eine
•ynthesen und Spaltungen ausgeführt,
der Salzsäure, des Ammoniaks und
de Entdeckung der Zerlegung der
lilfe des galvanischen Stroms durch
eines Zusammenhangs chemischer
igen war unverkennbar. Berzelius
dezu als die Ursache der chemischen
n. Im Jahre 1812 stellte er seine
e er 1819 ausführlicher begründete,
war.
Elemente an und für sich elektrisch,
^ vei Pole, deren Elektricitätsmengen
ss entweder die positive oder die
Da bei der Elektrolyse des Wassers,
n Säuren und der Salze der Wasser-
.ativen, der Sauerstoff am positiven
_ »Wasserstoff und die Metalle elcktro-
positiv, der Sauerstoff elektronegativ. Nach ihrem Verhalten lassen,
sich alle Elemente in eine Spannungsreihe einordnen, derart, dass
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922
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N». 39.
5
jedes Element elektronegativer ist als das in der Reihe folgende.
Der Sauerstoff wird als absolut elektronegativ betrachtet. Am
entgegengesetzten Ende der Reihe stehen als die elektropositivsten
Elemente die Alkalimetalle Natrium und Kalium. Die chemische
Vereinigung beruht nun auf der Anziehung der ungleichnamigen
Pole der Atome und dem Ausgleich der verschiedenen Elektricitäten.
Auch in den Verbindungen nimmt Berzelius noch elektrische
Polarität an, da in der Regel durch die Vereinigung der Com-
ponenten nicht die ganze Menge der verschiedenen Elektricitäten
ausgeglichen ist. Je nach der noch vorhandenen überschüssigen
Elektricität wird eine Verbindung elektropositiv sein, wie z. B.
die basischen Oxyde oder elektronegativ wie die Säuren. Die
consequente Ausbildung dieser elektrochemischen Anschauungen
führte zu einer dualistischen Auffassung siimmtlicher chemischer
Verbindungen. Eine jede derselben wurde — welches aueh die
Anzahl ihrer Componenten sein mochte — als zu samm engesetzt
botrachtet aus zwei «nähern Bestandteilen», einem elektropositiven
und einem elektroBegativen. Das Natriumsulfat Na* SO* ') wurde
beispielsweise nicht als eine directe Verbindung der Atome Natrium,
Schwefel und Sauerstoff angesehen, sondern als zusammengesetzt
aus jj a2 0 und gQ g welche ihrerseits wiederum in eine« positiven
Bestandteil (Na* resp. S) und einen negativen (0) getrennt
werden können.
Die organischen sauerstoffhaltigen Verbindungen wurden eben¬
falls in dualistisoher Weise aufgefasst als Oxyde zusammengesetzter
«Radicale», welche meistens aus Kohlenstoff und Wasserstoff
bestanden. Als derartige Radicale bezeichnete man Atomgruppen,
welche bei einer ganzen Reihe von Metamorphosen einer Verbindung
unverändert bleiben, und welche daher bis zu einem gewissen Grade
die Rolle von Elementar-Atomen spielen. In einigen Fällen war
es gelungen, derartige Radicale zu isoliren. Das älteste und
schlagendste Beispiel ist das von Gay-Lussac 1815 entdeckte
Radical der Blausäure, das Cyan CN, welches bekanntlich in seinem
chemischen Verhalten den Halogenen ausserordentlich ähnlich ist
Ein weiteres klassisches Beispiel eines isolirten Radicals ist das
Kakodyl Bunsens (1839), welches von Kolbe später als
Dimethylarsen As (CHs)* interprotirt wurde. Ein sauerstoffhaltiges
Radical C 7 Hs 0 das Benzoyl nahmen Liebig & Wühler (1832)
in der Benzoäsäure und den zahlreichen von ihnen entdeckten
ümwandlungsproducten dieser Säure, an in dem Benzoylchlorid
C 7 H 5 OCI, Benzoylbromid C7HsOBr, Benzoyljodid C 7 H# OJ,
Bonzoylcyanid C 7 H 5 O.CN, Benzamid C 7 IIs ON Hi, Benzoesäure¬
aether C 7 Hs OOC* H# und in dem Benzoylwasserstoff oder Bitter¬
mandelöl C 7 Hs OH.
In heftigen Kampf mit der dualistischen elektrochemischen
Radicalthaorie von Berzelius traten gegen Ende der dreissiger
Jahre die Substütutionstheorien von Dumas und von Laurent.
Die französischen Chemiker hatten die mit den elektrochemischen
Grundanschauungen unvereinbare Tbatsaehe gefunden, dass man
vielfach in organischen Substanzen den elektropositiven Wasserstoff
durch das stark elektronegative Chlor oder Brom — Atom für
Atom — vertreten kann, ohne dass das entstehende Substitutions-
product eine wesentliche Aenderung des chemischen Charaktere
zeigt. Dumas hatte 1839 die drei Wasseretoffatome des Methyls
in der Essigsäure CHs • COs H durch Chlor substitairt. Die so
erhaltene Triohloressigsäure CCl*-00»H besitzt ebenso wie die
Essigsäure die Function einer einbasischen Säure. Durch Alkalien
werden beide in durchaus analoger Weise gespalten, wie ans
fo l ge n den Gleichungen hervo^geht;
CH» • 00* K 4 KOH = K* 00a 4- CH* H (Grubengas «dar Methan)
CCl»-COiK + KOH =-K* 0O 8 4 CC1, H (Chloroform oder Tri-
chlor meth an )-
Die do&hstiBehe «lektooehenaisohe Theorie von Berzelius
reichte demnach nicht mehr aus zur Erklärung der Natur der
organischen Verbindungen. Unitare Anschauungen gewannen all¬
mählich die Herrschaft: die Snbstätutaons- und Typenfcheorien van
Dumas, Laurent und Gerhardt, welche sämmtüch den
fruchtbaren Gedanken der Substitution verwertbeten.
: 1 , , le , icht ® ren Verständnisses wegen benutze ich hier
in den folgenden Ausführungen unsere heutigen Atomgewichte.
Als Uebergang zur Strunturthcorie KeltuU’s hat Gerhardt'*
spätere Typentheorie, welche er ausführlich in dem 1 856 erschienenen
vierten Band seines traite de chiuiie organiqne entwick e l te, besonderes
Interesse. Dieselbe beruht im Wesentlichen auf dein Vergleich
organi*eher mit einfachen anorganischen Verbindungen, Grund
formen oder «Typen». Als solche stellte Gerhardt auf den
H1
Wasserstoff gl, dessen Molecül er in Uebereinstimmung mit Avo-
gadro als eine Verbindung zweier Atome Wasserstoff an sah,
ferner den Chlorwasserstoff ^J, das Wasser gjo und das Am¬
moniak H | N.
h|
Indem er in diesen Typen Ersetzung von Wasserstoff durch
organische Radicale oder «Reste», d. h. kohlenstoffhaltige Atom¬
gruppen annahm , konnte er in übersichtlicher Weise die grösste
Zahl der organischen Verbindungen ableiten. Auf den Typus
H1
g ] wurde« die Kohlenwasserstoffe (Methan CHa • H, Aethan 0*Hj-H,
Benzol C6 Hs • H) bezogen, auf das Wasser g j0, Alkohole^’ g 8 J 0,
Phenole ^ g J 0, Aether^^jo, Säuren fj ) und Säure-
anhydnde c 2 HsO» °'
Zum Typus ^J gehörten die organische« Chloride
H ]
Bromide, Jodide, Cyanide (Nitrile), nun Typus H1N die or gani sc h e n
H
Baaen Aethylam
C*H S |
in H N,
C*Hsl
CjHsl
Anilin H ]N, Triaethyhunm CjHsiN
H
H
o*h 5 i
N.
OiHsO]
und die Säureamide Ct Hs Aoetamid H '
H
Die Typentbowie Gerhardt’s sfcttzte sieh namentlich auf
die klassischen 1 Jirtersnchungen von Wnrtz und von Hofmann
über organische Basen und von Williameon über Aetherbfldnng.
In dem Ammoniak hatte Hofmann 1849 «in Atem Wasserstoff
nach dem andern durch Alkoholradicale, Methyl CHs, Aetbyl C*Hs
oder Amyl Cs Hi 1 ersetzt, indem er Halogenalkyle auf Aramoniak
einwirken Hess.
Hl
CtHsl
C*Hs|
Ct Hs
HM
H N
Cf Hs N
C. Hs
N
H |
H |
CfHs
Ammoniak
Acthylamm
Diaethylamiu
TriaethyhtHjin.
Diese substituirten Ammoniake sind bekanntlich dem Ammoniak
in chemischer Beziehung ausserordentlich ähnlich. Die Ableitung
organischer Basen vom Typus Ammoniak ist also sowohl durch
diese Synthesen wie durch das Verhalten gerechtfertigt.
Ebenso einleuchtend ist der Typus Chlorwasserstoff. Entsteht
ja doch z. B. das Chloraethyl j daroh Einwirkung von gas¬
förmiger Salzsäure auf Alkohol, also durch Vertretung des Wasser-
Hl
Stoffs in £,j j durch das ALkokolradical Aßthyl C*Hn-
5) +0, H) o = c ’(f) o + 3 o
Die Ersetzung von Wasserstoff im Wasser dar oh Alkohol¬
radicale gelingt nur auf indirectem Wege, indem man zunächst
1 Atom Wasserstoff durch Natrium substituirt und das resnltirende
Aetznatron auf ein Halogenalkyl (z. B. Bromaethyl) einwirken lässt
Dabei tritt das Alkyl an die Stelle des Natriums und es resultirt
Alkohol:
C,H»Br 4
%}G — %*}<> 4- Na Br
Ln Alkohol, welcher demnach als Monoaethylsubstitutiona-
product des Wassers aufgefasst werden kaun, lässt sich nun das
zweite vom Wasser herrührende «typische* Wasscrstuffatom noch¬
mals durch ein Alkalimetall vertreten.
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2Ä. September 1896-
MÜNOHENBR MBDfCIKIlSCHE WOOMiySC H KTP T.
923
Durch Behandlung von KaHumalkoholat mit Jodaethyl konnte
Williamson (1851) den gewöhnlichen Aether (larstellen nach
der Gleichung:
C*H»l ,-y Cs HO _ CsHsl A , K
' r j )~CiH 5 r
1 °
+
?}
Lies» er statt Jodaethyl Jodsaethyl oder Jodaruyl auf Kalium-
alkoholat einwirken, so entstanden die « gemischten » Aether Methyl-
aothyl- oder Aroylaethylaether:
c.h, }o + c 5 h„ } = Ä o^ )
Ebenso wie die Alkohole leitete Gerhardt die organischen
Sauren vom Typ« Wasser ab, indem er ein Atom Wasserstoff
durch die Säureradicalc Acetyl, Benzoyl etc. ersetzt annahm. Genau
in derselben Weise, wie Williamson 3ns dem Kalimnalkoholat und
Halogenalkylen Aether dargestellt hatte, so gewann Gerhardt
1851 organische &äureanhydride. Durch Behandlung vou Kalium-
aoetat mit Acetyl- oder Benaoyleblorid entstanden Essigsäureanbydrid
oder das gemischte Benzoö-Kssigsäirreauhydrid:
C» H 9 (Mo , C< Hs O \ C* Ha 0 \ A , K\
K r + CI 1 — Cr H» O t CI I
Denkt mau sich im Typus Wasser Wasserstoff durch Metalle
oder die anorganischen Säure radkside, z. B. der Salpetersäure (NOr)
Na }
ersetat, so resultiren die anorganischen Basen ^ j O und Säuren
^H*l rae kri>asi sehen ■"& ttren > deren richtiges Verständniss
durch die klassischen Arbeiten von Graham über die Phosphor-
sauren (1833) und von Liebig Ober verschiedene organische
Säuren (Woin-, Aepfel-, Citronensfiurc etc.) 1838 erschlossen war,
wurden vom vordo(>pelten oder verdreifachten Typus Wasser abge¬
leitet. Auf ersteren bezog Williamson 1854 die zweibasisehe
Schwefelsäure, indem er Vertretung von zwei Atomen Wasserstoff
in zwei Molekülen Wasser durch das « zweibasische » Radical SO*
der Schwefelsäure annahm. Durch Substitution dreier Atome
Wasserstoff in drei Molekülen Wasser durch das «dreiwerthige >
(oder «dreibasische ») Radical PO kann mau sieh nach Odling
(1854) die dreibasische Ortho - Phosphorsäure entstanden deukeu.
Man schrieb also: 0» und 0*
Sehr bald lernte man auw auch inebrbaeisdic Kohlenwasser-
stoffradieale kennen. Kay, ein Schüler von Williamson, erhielt
1854 durch Behandlung vou Chloroform mit Natriumalkoholat
den « dreibasischen >, Ameisensäureäther (Ortlioameisensäuicäthcr)
nach der Gleichung:
(CH)'“
CU
+ 3
Na
C.H»
« = *{<
Na (CH)"'
CI + (Ca Hs>
Os
II
Das Chloroform leitet sich vom verdreifachten Typus ^ ab
durch Substitution der 9 Atome Wasserstoff dnreh das dreibasische
Radical (CH)'". Denkt man sich, dass dasselbe Radical (CH)'"
die drei typischen (an Sauerstoff gebundenen) Wasserstoffatome m
drei Molecülen Alkohol vertritt, so hat man den dreibasischen
Ameisensänreätber.
In demselben Jahre zeigte Berthelot, dass das Glycerin
Cs Hs Os drei Reihen von Aethern, z. B. Mono-, Di- und
Tristearin Ca H 7 Os (Cis H»& O), Ca Hö Os (Cis Ha5 0)g und
Cs H.i Os (Cis Ha 5 0)s zu bilden vermag, welche er mit den neutralen
Sabeu der Mete-, Pyro- und Orfebo-Phoephersäure verglich. In
richtigerer Weise fasste Wurtz das Glycerin auf als einen «drei¬
atomigen» Alkohol jo» und beaog dasselbe auf den ver¬
dreifachten Typus Wasser, in welchem drei Atome Waaarrstoff
ersetat seien durch das dreiatomige (oder dreibasische oder drei¬
werthige) Radical (Cs Ha)"'. Das Zwischenglied zwischen dem
dreiatomigen Alkohol Glycerin und den einatomigen Alkoholen,
de» ernten a w e i ateirügen Alkohol entdeckte Wurtz 1850 in
den* Glyeol ^j^ 4 | Oe, indem er Aethylenjedid mittetet Silber¬
acetat in den Easigäther des Glyeote ttberftthfte und diesen dann
durch Alkali verseifte:
«)»-*■*»l—o.
Hatte man jetzt also ausser den längst bekannten einwerthigen
organischen Radicalen wie z. B. Aethyl C* H 5 und Phenyl C« Ha
auch zwei- und dreiwerthige kennen gelernt, so lagen auch schon
verschiedene Hinweise vor auf den verschiedenen Ersetaungswerth
(Atomigkeit, Basieit&t, gewöhnlich Werthigkeit oder Valenz genannt)
der Elementar-Atome. Dumas hatte schon 1834 bei Aufstellung
seiner Substitutionsregeln betont, dass bei Ersetzung von Wasser¬
stoff in organischen Verbindungen durch Chlor oder Brom für
jedes auatretende Wasserstoff-Atom 1 Atom Chlor oder Brom em-
tritt, dass dagegen bei Substitution von Wasserstoff durch Sauer¬
stoff wie z. B. bei Oxydation des Alkohols Ca H« O zu Essigsäure
Ca H* Oa für je 1 Atom Wasserstoff nur ein halbes Atom Sauer¬
stoff, also für'zwei Atome Wasserstoff ein Atom Sauerstoff eintrete.
Der Erste, der meines Wissens den Begriff der Valenz d. h.
der begrenzten Sättiguugscapacität der Elementar-Atome richtig
erfasste und klar aussprach, war der englische Chemiker Frank-
land 1852 in seiner denkwürdigen Abhandlung: «Ueber eine neue
Reihe organischer Körper, welche Metalle enthalten» (Annalen der
Chemie und Pharinacie Bd. 85, S. 368). Sein GedankcDgang
war folgender. Das Stannoaethyl Sn (C* Ha)* kann sich nicht
»ehr wie das Zinn selbst mit 4 Aequivalenten Sauerstoff ver¬
binden, weil ein Thcil seiner chemischen Affinität (zwei Affinitäts¬
einheiten) durch die einwerthigen Radicale Aethyl befriedigt ist.
Aus demselben Grund vermag das von Bunsen entdeckte Kakodyl
As (CHaV sioh nur noch mit eine» oder mit drei Aequivalenten
: Sauerstoff zu Kakodvloxyd und Kakodylsäurc zu verbinden , aber
nicht mehr so wie das Arsen selbst mit 5 Aequivalenten Sauer¬
stoff (wie dies in der Arsensäure der Fall ist), da ja schon die
Stelle von zwei Aequivalenten Sauerstoff durch die zwei Methyle
eingenommen ist. Wichtig sind namentlich folgende Sätze aus
der citirten Abhandlung vou Frankland.
« Betrachtet man die Formeln der unorganischen chemischen
Verbindungen, so fällt selbst einem oberflächlichen Beobachter die
im Allgemeinen herrschende Symmetrie in diesen Formeln auf.
Namentlich die Verbindungen von Stickstoff, Phosphor, Antimon
und Arsen zeigen die Tendenz dieser Elemente, Verbindungen au
bilden, in welchen 3 oder 5 Aequivaleute anderer Elemente ent¬
halten sind, und nach diesen Verhältnissen wird den Affinitäten jener
Körper am besten Genüge geleistet. So haben wir nach dem Aequiva-
lentverhältniss 1:3 die Verbindungen 8 ) NOs, NHs, NJ»; PO»,
PH», PCI»; SbO», Sb Ha; AsO», AsHj, AsCl» esc. und nach
dem Aequivalentvorhältnise 1:5 die Verbindungen NOs, NH*J;
INH, PH-iJ u. A. Ohne eine Hypothese hinsichtlich der Ueber-
emstimmung in der Gruppirung der Atome aufstelkm zu wollen,
erhellt es aus den oben angeführten Beispielen hinlänglich, dass
eine solche Tendenz oder Gesetzmässigkeit herrscht, und dass die
Affinität des sich verbindenden Atoms der ge¬
nannten Elemente stets durch dieselbe Zahl der
zutretenden Atome ohne Rücksicht auf den chemi¬
schen Charakter derselben befriedigt wird. Es war
vermuthüch ein Durchblicken der Wirkung dieser Gesetzmässigkeit
in deu complicirteren organischen Substanzen, welches Laureat
und Dumas zur Aufstellung der Typentbeorie führte. *
Fhr die Elemente der Stickstoff gruppe hat also Frankland
den Valenzbegriff zuerst entwickelt. (Schluss folgt.
Referate und Bücheranzeigen.
Maraglfa»o: Tnbercolosi latent! e tnbereofosi
larrate. La Rif. med. 1896, Nro. 91.
M., der Vorkämpfer für ein neues Tuberculose-Heilserum
hielt im ligurischen Aerzte-Congress in San Remo odm Vortrag,
aus dem Manches beachtenswerth erscheint.
Zunächst erwähnte er die wunderbare Thatsache, dass bei
einem wenig fortgeschrittenen Zustande der tuberculösen Erkrankung
das geringe toxische Material, welches in den Kreislauf gelange.
*) In diesen Formeln ist unter 0 ein Aequfvalent, also */n Atom
Sauerstoff zu verstehen.
4 *
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924
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
einen wirksamen Stimulus der Ernährung darstellen und sogar eine
Zunahme des Körpergewichts bewirken könne. Dies lässt sich sowohl
beim kranken Menschen mit circumscripter Tuberculose, also auch
am Thiere experimentell nachweisen und auch die Hebung des Er
nährungRzustandes bei einer Tuherculincur gehöre hierher.
Die Bezeichnung Tuberculosis incipiens entspricht nach Mar a-
gliano nicht dem Beginn der eigentlichen Infection, sondern dem
Acut- und Manifestwerden eines bis dahin latenten und larvirten
Zustandes. Latente Tuberculose zeichnet sich aus durch häufig
wiederkehrende Bronchitiden und wenn bei solchen die sorgsamste
Untersuchung des Sputums keine Tuberkelbacillen erweist, so em¬
pfiehlt M. die Impfung des Expectorats auf Meerschweinchen zur
Sicherung der Diagnose.
Die Tuberculosis larvata kann sich langsam und allmählich
äussern in zweierlei Formen, in einer dystrophischen und in einer
typhösen Form. Die dystrophische Form besteht in fortschreitender
Störung der Gesammternährung. Die Kranken werden elend, blass,
das Blut vermindert seinen Gehalt an rothen Blutkörperchen und
an Haemoglobin, der Appetit verliert sich, die Her/.thätigkeit wird
schwach, der Puls frequent, die Verdauung träge, die Kräfte nehmen
ab, die Nerventhätigkeit ist deprimirt, die psychischen Functionen
sind gestört. Frauen verlieren die Menstruation. Alles dies tritt
ein ohne Fieber, oft bei subnormaler Temperatur, ohne sichtbare
und nachweisbare Ursache, ohne Symptome in den Luftwegen. Erst
sehr zögernd treten Localisationen ein, oft in den Luftwegen, selten
auf den Serösen, besonders am Peritoneum, noch seltener in den
Nieren, wo sie häufig der Diagnose entgehen.
Die zweite typhöse Form präsentirt sich von Aufang an mit
fieberhaften Symptomen: Störungen der Innervation, die Kranken
zeigen intermittirendes, reruittirendes auch subcontinuirliches Fieber.
Diesem Fieber emsprechen die anderen Störungen; überhaupt
scheint die ganze Situation vom Fieber beherrscht. Diese Form
kann den Ausgang in Genesung nehmen. Mit dem Aufhören des
Fiebers tritt die Reeonvalescenz ein und der Arzt ist, da oft auch
exanthematische und intestinale Erscheinungen, ja auch Milztumor
vorhanden gewesen, überzeugt, dass er es mit einem Typhus zu
thun gehabt hat, wenn nicht nach einiger Zeit zum zweiten und
dritten Mal ein Anfall folgt und endlich Herderscheinungen ein-
treten in den Luftwegen, welche die richtige Diagnose sichern.
Diese typhusähnliche Form kann verschiedene Grade bieten,
das Fieber kann sehr leichter und vorübergehender Art sein. Diese
flüchtigen Formen beobachtet man häufig bei Kindern.
Auch gibt es Mischformen zwischen der typhusartigen und der
dystrophischen Form.
Diese larvirten Formen verdanken ihr Symptomenbild den
Tuberkelbacillen-Giften. Mafucci hat dies im Laboratorium sehr
exact nachweisen können für die verschiedensten Bacillengifte.
Nach den Forschungen M.'s überwiegt hei der einen Form, der
dystrophischen, die Action der Tuberkelbac.-Toxine, welche durch
hohe Hitze zerstört werden, bei der andern Form, der typhösen,
die Action der Tuberkelbac.-Proteine, welche der Hitze Widerstand
leisten.
Die Intermissionen entsprechen der intermittirenden Thätigkeit
der örtlichen Herde.
Wie ist die Diagnose dieser larvirten Formen zu sichern? Die
anamnestischen Momente, die Exclusion anderer Ursachen genügen
oft nicht. Die Toxicität des Blutserums fand M bei solchen
Kranken erheblich gesteigert. 3—5 ccm genügteinn, um 1 kg Kanchen
zu tödten; aber auch dies Zeichen ist weder gfüenügend, noch r die
Praxis zu verwerthen.
Hier bleibt nach M. nur das Tuberculin als das geeignetste
Mittel. Die Koch sehe Entdeckung sei nicht genug gewürdigt.
Das Tuberculin sei, richtig angewandt, für den mit ihm Ver¬
trauten ein Mittel von genügender Sicherheit.
Ohne Zweifel hat das Mittel nach M. störenden Einfluss auf
das Zellprotoplasma, auch der nervösen Apparate und es kann
Temperaturerhöhungen machen, welche unabhängig sind von tuber.
culösen Herden, wie dies ja auch Koch an sich selbst erprobte-
Aber auf die Dosis desselben kommt es an Febrile Reaction nach
dem Mittel und auch örtliche kann man bei verschiedenen gesunden
Individuum haben und bei den verschiedensten Affectionen, so z. B.
auch bei Reconvalescenten von fibrinösen Pneumonien, aber die
Dosis und Art der Reaction ist da6 Wichtigste, und Jeder, welcher
eine grössere Reihe von Fällen mit kleinen Dosen zu prüfen Gelegen
heit gehabt hat, muss eine Beziehung finden zwischen der subcutanen
Einverleibung von Tuberculin und tuberculösen Herden.
Wie aber ist die Wirkung des Mittels zu erklären? Die An¬
schauung, dass dasselbe nekrotisirend auf das tuberculöse Gewebe
wirkt, und dass auf diese Weise Fi-ber entsteht, ist zu verwerfen,
Angesichts der Thatsache, dass bei ganz alten Tuberculösen das
Mittel häufig keine Wirkung äussert und dass es zuweilen Reaction
macht bei Individuen ohne tuberculöse Herde. Hier kommt ein
anderer Gesichtspunkt in Betracht. Das Tuberculin ist aus den
Bacillenkörpern extrahirt und mau findet es dort, wo man Tuberkel-
bacillen findet Jeder Tuberculöse hat desshalb schon in seinem
Körper eine genügende Quantität Tuberculin. Diese schon vor¬
handene Ouantiiät kann Fieber machen oder nicht, und wenn sie
kein lieber macht, so können zwei Ursachen vorhanden sein-
entweder ist die Quantität zu klein, um eine Reaction zu machen'
oder der Organismus reagirt nicht, weil er sich allmählich an diese
Quantität gewöhnt hat. Die neu eingeführte Quantität, welche sich
zu der vorhandenen summirt, kann eine Reaction hervorbringen,
weil nun die Summe genügt. Handelt es sich um einen Tuberculösen,
der schon seit langer Zeit an Tuberkelgift gewöhnt ist, so kann die
Reaction fehlen Auf diese Weise wurden verschiedene Modalitäten,
die erklären, warum es zu einer Reaction kommen kann, und auch
wesshalb eine solche unter Umständen fehlen kann, begreiflich.
Der Zweifel Derjenigen, welche das Tuberculin nicht für ein
specifisches Gift halten, sondern für ein Product, wie es vielen
niedrigen Organismen gemeinsam ist, ist durchaus unberechtigt.
Wie viele Substanzen gibt es, welche eine Analogie der Wirkung
bieten und doch nicht identisch sind? Uebrigens kann man jetzt
jeden Zweifler an dieser Specifität durch eine sichere Probe bekehren.
Die Thatsache, dass die Wirkung des Tuberculins neutralisirt wird
durch das Serum der Thiere, welche mit toxischem tuberculösen
Material geimpft sind, legt ein glänzendes Zeugniss für die Specifität
des Tuberculins ab.
Das Tuberculin, zur Zeit aus der Clinica humana in die Clinica
veterinaria hinabgestiegen, hat sich dort schnell und sicher seinen
Platz als Diagnosticum in allen Ländern erworben.
M. selbst hat das Tuberculin als Diagnosticum in seiner Klinik
anzuwenden nie aufgehört. Bei vollständig gesunden Personen hatte
er in D Proc. Reaction gefunden, bei zweifelhaften Personen, welche
aber keine nachweisbaren Zeichen von Tuberculose boten, hatte er
23 Proc Reaction. Erst kürzlich hat der Kliniker Grousset von
Montpellier in einer Mittheilung an die Pariser Akademie für eine
diagnostische Anwendung des Tuberculins plaidirt. Die Unschädlich¬
keit seiner Anwendung an gesunden Individuen kann durch eine
grosse Erfahrung am Menschen und in der Veterinärpraxis erwiesen
werden. M. bezeichnet 1 mg (Grousset */& — */a mg) als Anfangs¬
dosis. Wenn keine Reaction nach 2 Tagen erfolgt, so werden 3 mg
injioirt, dann 10, darauf 2 b. Dabei sei dann nicht nur auf das
Fieber, sondern auch auf locale Reaction in den Luftwegen, Lyrnph-
drüsen, den Hoden, den Genitaladnexen der. Frauen zu achten;
nur dann, wenn solche bei höheren Dosen auftreten, sei die Reaction
als eine positive zu betrachten.
Hat man nun so die Ueberzeugung von der Anwesenheit der
Tuberculose gewonnen, so handelt es sich um die Behandlung;
entweder ist dieselbe die bisherige allgemeine hygienische oder
mit derselben verbunden die specifische.
Der Organismus selbst ist fähig, bei der Tuberculose wie bei
jeder andern Infectionskrankheit Schutzstoffe gegen die in ihn ein¬
gedrungenen Mikroorganismen zu erzeugen und die bisherige Be¬
handlung zielt dahin, den Organismus in diesem Kampfe möglichst
günstig zu stellen und ihn zu unterstützen. Das Tuberculin, ein
bacterielles Gift, hat die Eigenschaft, gleich den Bacterien selbst
die Production specifischer Antitoxine zu bewirken; es ist ein Stimulus,
welcher zu dem von den Bacillen ausgehenden noch hinzukommt
und es kann in begrenzten und leichten Fällen gute Resultate haben.
Das therapeutische Serum M.'s bringt in den Organismus Anti¬
toxine, welche im gesunden Thierkörper präparirt sind; es macht
an den kranken Organismus geringere Ansprüche als das Tuberculin,
kann in den schwersten Stadien gebraucht werden und ohne allen
Schaden sehr lange.
Dass in diesem Serum Tuberculose-Antitoxine vorhanden seien,
könne jedesmal dadurch geprüft werden, dass es im Stande sei,
die Reaction auf Tuberculin aufzuheben. Auf die Priorität dieser
seiner Entdeckung gegenüber Behring, Knorr, Babes und
Neumann weist der Autor zum Schlüsse nachdrücklich hin.
Hager-Magdeburg.
Maragliano: Le s6rum antituberculeux et. soh
antitoxine. Extrait de la Presse mt)dicale.
In der obigen, Paris: Georges Carrd, editeur, rue Racine 3
erschienenen, Abhandlung setzte M. die Methode auseinander,
welche er bei der Präparation seines antituberculösen Heilserums
befolgt, sowie seine Untersuchung über die Antitoxine, welche dies
Heilserum enthält und seine Posirung.
Die Production der Antitoxine wird im Thierkörper dadurch
erreicht, dass ihm alle toxischen Substanzen eingeimpft werden,
welche man aus den stark giftigen Culturen menschlicher Tuber¬
culose extrahiren kann.
Diese toxischen Substanzen werden in zwei getrennten
Gruppen präparirt.
Die Gruppe A wird erhalten, indem man im Wasserbade die
Cultur auf 100° C. erwärmt, dann durch Chamberland filtrjrt,
nach der Methode, wie sie gebräuchlich ist zur Darstellung des
Tuberculins.
Die Gruppe B wird erhalten, indem man die nicht erwärmten
Culturen filtrirt und sie dann nachträglich concentrirt bei 30"Temp.
Nach den Veröffentlichungen Kochs und nach den Ls-
perimenten der verschiedenen Autoren über die krankmachenuen
Eigenschaften der Bacillen beschäftigt man sich allein mit den
Bacillenkörpern und den Proteinen-. Man glaubt, dass 4*c *P e '
cifische Toxicität nur von ihnen abhängt. In Wirklichkeit häng
sie aber auch von den Toxalbuminen ab, welche man aus den
nicht erhitzten Culturen gewinnt und welche durch das Erhitzen
vernichtet werden.
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in die Erscheinung, wie man solche bei Jodoform 1 eine komprimierende Trikotschlauchbinde fixiert,
in Form von akuten Dermatitiden beschrieben hat. So heilten Ulcera von Fünfpfennig- bis Fünfmark-
Auch über Schmerzen klagten die Patienten nach stückgrösse in relativ kürzester Zeit ( 8—14 Tagen,
dem Verbände nie; ein leichtes Brennen konnte höchstens drei Wochen).
ebenso gut auf die verwendeten Antiseptica be- Eklatant war auch die gute Wirkung in einem
zogen werden. Falle von Mastitis. Es bestand noch eine ca. 8 cm
Auf Grund dieser Beobachtungen habe ich tiefe, stark absondernde Eiterfistel, welche nach
das Airol auch unbedenklich bei Ulcera cruris ver- Einführung von Airol ganz rapide zuheilte. Ich
wandt und hier scheint mir das Mittel, besonders schüttelte in diesem Falle das Mittel mit Glycerin
in Fällen mit starker Sekretion, von geradezu auf und injizierte es so in die Fistel,
eklatanter Wirkung zu sein. Die Zahl der von mir Fasse ich hiernach meine Beobachtungen zu
damit behandelten Fälle beträgt weit über ein einem Gesamturteile zusammen, so kann ich nur
Dutzend, in keinem habe ich unangenehme Neben- sagen: das Airol ist reizlos, austrocknend und
Wirkungen gehabt, sondern stets prompte Aus- stark granulationsbefördernd. Vermöge seines Jod¬
trocknung und Granulation konstatieren können, geh altes und seiner Jodwirkung vereint es mit der
Nack. haben andere und ich Wirkung des Dermatols die des Jodoforms in bezug
ig. Dasjenige, was dem Dermatol
um es zu einem Wundheilmittel
»Nebenerscheinungen, insbesondere Appetitstörungen, belegte Zunge
und überhaupt Zeichen gastrischer Dyspepsie fehlten ausnahmslos voll¬
kommen. Das Medicament erwies sich, abgesehen von seiner Wirkung
auf den Darm, auch in grossen Dosen und in langdauernder Darreichung
durchweg als ein gleichgültiger Zusatz zur Nahrung; wir haben daher
weder eine obere Grenze der Dosirung noch eine zeitliche Schranke für
die Medication ausfindig machen können.«
»Ich stelle das Tannalbin unbedingt an die Spitze der bis
jetzt vorhandenen Gerbsäurepräparate einschliesslich des
Tannigen, und zwar sowohl wegen der relativ grösseren
Sicherheit und Energie seiner Wirkung auf den ganzen Darm-
tractus, als wegen seiner Unschädlichkeit. Ich vermuthe auch,
dass es hinsichtlich dieser beiden Punkte im allgemeinen über das Wis-
muth zu stellen ist, wiewohl hierüber erst weitere Erfahrungen endgiltig
entscheiden können. Dabei liegt mir selbstverständlich fern, die Bedeutung
des neuen Mittels über diejenige der Diätetik, welch’ letztere unbedingt
an erster Stelle zu verbleiben hat, zu erheben; aber immerhin lehrten
einige Beobachtungen über das Tannalbin, dass die energische Adstrin-
girung bei gewissen Formen von Enteritis sehr wohl geeignet ist, eine
rasche Rückkehr der Darm Schleimhaut zu normaler Function herbei¬
zuführen, selbst wenn des Versuchs halber die Diät nicht geändert wurde.«
»Ueber die Wirksamkeit des Tannalbins auf Entzündungen etc.
anderer Organe, besonders der Nieren und der Harnwege, vermag ich
ein Urtheil noch nicht abzugeben, indess scheinen mir neue Versuche
nach dieser Richtung deswegen angezeigt zu sein, weil das neue Mittel
die Einführung grosser Tanninmengen durch lange Zeit ohne jeden
Schaden gestattet. Inbesondere sollten auch Blasenkatarrhe in den
Kreis der Versuche gezogen werden.«
»Was die Dosirung betrifft, so empfehle ich bei Erwachsenen zu¬
nächst viermal täglich 0,5 —1,0 zu verordnen und bei ungenügender
Wirkung rasch, d. h. bei Darmcatarrhen schon nach 24 Stunden, zu
steigen; als obere Grenze mag vorläufig pro dosi 2,0, pro die 10,0 gelten.
Ist bei Darmcatarrhen durch eine Reihe von Tagen die Wirkung gleich-
mäsBig vorhanden, so sollte man mit der Tagesdosis langsam zurück¬
gehen. Wo es indess nöthig ist, können auch grosse Dosen durch lange
Zeit gereicht werden. — Bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres
gebe man als kleinste Tagesdosis 1,0. Ueber Säuglinge fehlt mir ge¬
nügende Erfahrung.«
»Man giebt das Mittel am besten zwischen oder gleich nach den Mahl¬
zeiten in einem Löffel Wasser, Milch oder Schleimsuppe aufgeschwemmt.«
zu machen, die antiseptische und
lende Eigenschaft des Jod, hat es
>se. Vor dem Jodoform hat es den
der Geruchlosigkeit, welcher nicht
zuschlagen ist, scheint, mir wenig-
mulation noch mehr zu befördern,
ist ungiftig. Ferner habe ich Exan-
irol noch nicht entstehen sehen, wie
>doform zahlreich beobachtet sind,
mir oben beschriebenen Fall von
Ekzem hat es durchaus sehr giin-
gen neueren Ersatzmittel des Jodo-
>phen, Aristol u. s. w., haben sich
e allgemeine Verwendung sichern
Teil werden sie nur in manchen
verwendet, zum Teil haben sie auch
:ungen. Ich glaube, dass das Airol
ie alle überholen und dass es neben
ibstanz, dem Dermatol, eine herr-
lg unter den Wundheilmitteln be-
^chliesslich ist es ein nicht zu unter-
•rzug des Airol, dass es verhältnis-
t.
& €*••
her Produkte.
Der billige Preis des Mittels gestattet dessen Anwendung auf breiter Baeia.
Ordination des Tannalbin.
Tannalbin wird als Pulver ohne Zusatz ordinirt:
für Erwachsene 0,6 —2,0 pro dosi (meist 1,0) bis 10,0 pro die
für Kinder in Dosen von 0,6 mehrmals täglich.
Bei der vollkommenen Unschädlichkeit des Tannalbin ist es gleichgültig ob
dasselbe in dosirten Pulvern oder messerspitzenweise als Schacbtelpulver
genommen wird.
en gern zur Verfügung.
idorferweg
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Goldene Medaille Genf 1800,
Separatabdruck aus dem „Aerztlicbert Praktiker“ (Nr. 13, 1896).
Verlag von Gebrüder Lildcktng, Hamburg.
Airol,
ein neues Wundheilmittel.
Von Dr. Hahn, Arzt in Pyritz.
Unter den modernen dermatologischen und
chirurgischen Heilmitteln ist kaum eins, welches
sich so schnell und sicher einen dauernden Platz
erobert hat, wie das Dermatol. Seine hauptsäch¬
lichste Anwendung findet es jedoch nur da, wo es
entweder, wie bei Hautkrankheiten, eine deckende
oder austrocknende Wirkung hat, oder als Schutz¬
mittel bei aseptischen Wunden. Seine desinfizie¬
rende oder gar granulationsbefördernde Eigenschaft
hingegen ist nach den Erfahrungen der meisten
Praktiker sehr gering oder gleich null, so dass es
bei eiternden Wunden das Jodoform nicht zu ver¬
drängen vermochte. Die Jodwirkung des letzteren
geht ihm ab.
Ein Mittel nun, welches nach seiner chemi¬
schen Konstitution mir von vornherein mit den
Vorzügen des Dermatols auch die Vorteile der
Jodwirkung zu verbinden versprach, ist das Airol.
Ist dieses doch nichts anderes als ein Dermatol,
in welchem eine Hydroxylgruppe durch Jod ersetzt
erscheint — Hismuthoxyjodidgallat. Dieses von
Liidy und Hägler in Basel cingeführte Mittel ist
ein feines, spezifisch leichtes, fast wie Asche, jedoch
etwas graugrün aussehendos Pulver. Es ist unlös¬
lich in Wasser, Aether und Alkohol, sowie in j
Chloroform. In Wasser aufgeschüttelt kann man j
es durch Zusatz von Lauge (Kalium- oder Ammo- j
niumhydrat) mit gelber Farbe lösen und schon
jetzt durch Ausschütteln mit Chloroform den Jod¬
gehalt durch geringe Violettfarbung des letzteren
nachweisen. Setzt man jedoch zu der Lösung
Eiscnchlorid, so entsteht eine dunkelgrüne Gallus¬
säure-Reaktion einerseits, andererseits nimmt das
Chloroform, wenn man solches zusetzt und schüt¬
telt, eine ziemlich dunkelviolette Jodfärbung an.
Das Jod ist also unschwer abzuspalten. Löslich
ist Airol auch, entsprechend den Angaben oben¬
genannter Autoren, in verdünnten Mineralsäuren.
Dass sich auch in der Wunde selbst durch Ein¬
wirkung des ja meist alkalischen Wundsekrets ein
ähnlicher Jodabspaltungsprozess vollzieht, wie bei
Einwirkung von Kali- und Ammoniumhydrat, zeigt
sich durch die alsbald nach der Einpuderung ein¬
tretende Rotgelbfärbung des Mittels.
Meine praktischen Erfahrungen mit dem Airol
habe ich an einer ganz beträchtlichen Menge von
Fällen der kleinen Chirurgie seit Monaten gemacht. 1
Bemerken will ich, dass ich es bei venerischen
Affektionen anzuwenden keine Gelegenheit hatte.
Ganz eklatant war die Wirkung des mir so¬
eben zugegangenen neuen Mittels bei einer gan¬
gränösen Quetschwunde. Nach einer Quetschung
des Fusses einer Frau wurde an der Aussenseite
des Dorsum pedis ein Hautstück in der Länge
von 6-7 cm und 4 cm Breite gangränös mitsamt
dem Unterhautfettgewebe. Ich machte zunächst
eine grosse Inzision und exzidierte das Gangränöse,
da der ganze Fuss bis über das Sprunggelenk
hinaus phlegmonös geschwollen erschien. Zunächst
wurde Jodoform appliziert. Allein es bildeten sich
immer weiter gangränöse Fetzen im Grunde der
grossen Wunde und die Heilung schien sicli sehr
langsam zu gestalten. Sobald ich aber das Jodo¬
form durch reines Airol ersetzte, war in ein paar
Tagen eine lebhafte, rote, frische Granulations¬
bildung erreicht, die Wunde reinigte sich über¬
raschend schnell; der grosse Defekt überheilte
von den Rändern her mit einer starken Narbe in
etwa 14 Tagen nach Anlegung einer die Wund¬
ränder nähernden Naht und sezernierte dabei sehr
wenig. Dass ich nach diesem Debüt Vertrauen
zu dem Mittel fasste, ist wohl begreiflich; ausser
dass der Patientin und dem Hause der Geruch
des Jodoform, das gerade in Verbindung mit so
fauligem Sekret ganz eigenartig stinkt, erspart
blieb, war der Verlauf glatt und sichtlich beschleu¬
nigt, und die Patientin hatte von dem Mittel
weder Schmerz noch Brennen, noch irgend welche
Belästigung.
Ich habe alsdann das Airol verwendet in allen
Fällen, wo ich sonst Jodoform applizierte: bei
frischen Exkoriationen, bei frisch genähten klei¬
neren und grösseren Hautwunden, bei Panaritien
u. s. w., und kann wohl sagen, dass das neue
Mittel das Jodoform in der vollkommensten Weise
ersetzte. Seine Eigenschaft ist nicht bloss eine
austrocknende, sondern eine, wie es scheint, in¬
folge allmählicher Wirkung des Jod in statu nascendi
leicht irritierende, granulationsbefördernde. Wenn
man es aufpudert, so findet man septische und
eitrige Wunden schon nach kurzer Zeit trocken,
indem das Airol einen gelbroten Belag oder Schorf
darauf bildet. Ebenso austrocknend und aufsaugend
wirkt die zehnprozentige Airolgaze. Einen Fall,
in welchem sich ein Mann an der Kette des in
Bewegung gesetzten Hinterrades des Velocipedes
fast die Hälfte einer Endphalanx von der Hand
abgequetscht hatte, sah ich unter ihr ohne wesent¬
liche Eiterung durch Granulation schnellstens heilen.
Ebenso heilte ein in der Häckselmaschine bis auf
eine geringe Hautbrücke abgeschnittenes und wieder
angenähtes Fingerglied unter dem trockenen Airol-
schorf schnell und gut an; nach Eintritt der Gra¬
nulation an den Seiten wurde Airol als zehn¬
prozentige Salbe appliziert. Von unangenehmen
Nebenwirkungen trat dabei in keinem Falle etwas
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29. September 1896.
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km,» D d f n ul ^ flü8S >gkeiten A und B nun nicht in ihrer Wir-
?to! C £ en , emzuspntzen, so musste A und B zu einer oon
stanten toxischen Einheit vereint werden.
p 1 ^.. nahm 4 nun als toxische Einheit sowohl der Flüssigkeit A
:ä s -jar r, ik r a s;
100 g gesundes Meerschweinchen. J 8,cher
“f h £“7 * u versichern, dass diese toxische Wirkung
nicht etwa den Culturböden, sondern auch den toxischen Bacteriem
producten zukommt, wurde die Culturflüssigkeit ohne Tuberkel
bacillen in gleicher Weise concentrirt. Sie erwies sich bei der
Impfung vollkommen unschädlich.
Die Substanz nun, welche M. zur Immunisirung der serum-
pendenden Thiere benützt, ist eine Mischung von 3 Theilen A
und 1 Theil B. Man beginnt damit, 2 mg aGf 7 kg Thfer ein
per 1 Kü5 l £rramm n r n ^ 1 " lg tägIich bis auf 4 °-»0 mg
nlSf Gewicht. Darauf impft mhn immer die gleiche
Quantität ein. Immumsirt werden Hunde, Pferde und Esel und
die Impfungen werden b Monate lang fortgesetzt. Die Thiere
ÄeSfund^elhRr T Impfun ß von beträchtlichem toxischen
S™™°™Ml derI ° J ' Ct,0, ‘ V °" ruberkelbacilleu, „eiche
3-4 Wochen W Z te ! man mi - t 1 der Abnahme des Schutzserums noch
Suhstan^en b v 7 v ® rm ® ld ® n » da8S n «ch eingespritzte toxische
oupstanzen im Kreislauf sein können.
Mefbir! 1 L Präpara - ti » 0 ? des So ™ mB g° Hchieht »ach den gewöhnlichen
wendet — V ° n &b Werden als Serumspender nur Pferde ver-
Das so gewonnene Serum enthält specifische Antitoxine
welche die Action tuberculöser Gifte beim Menschen und Thiere
neutralisiren. Dies kann man beweisen am gesunden Meer-
schweuichen am tuberculösen Thiere und auch am tuberculösen
u Ch o tZ u ® erum 1 k g gesundes Meerschweinchen
gegen die tödtliche Gabe Tuberculin. Ferner schützt es tuberculöse
Meerschweinchen gegen die tödtliche Gabe von Tuberculin End¬
lich wird beim Menschen die kleinste Gabe Tuberculins, auf welche
Keaction erfolgt, neutralisirt durch 1 ccm Heilserum. Durch längere
daß 6 Tubercuh^ erUm werden die Tuberculösen unempfindlich gegen
ln R Q DaB Hei ’ sen " n bat auch in vitro bactericide Eigenschaften
in Bezug auf den Tuberkelbacillus Um dies zu zeigen, muss man
: r, r 77nr rm n a e Pferdebl »t 8 erum und darauf das therapeutische
K-I« -60 , erhltzen > ™ d em Serum seine natürliche bactericide
Kratt zu nehmen Alsdann werden beide Serumarten mit Tuberkel¬
bacillen beschickt und man sieht, dass dieselben sich in dem
therapeutischen Serum nicht entwickeln.
Was die Dosirung der antitoxischen Kraft des Serums an¬
belangt, so ist dieselbe erst gelungen, seitdem M. am gesunden
und nicht am kranken Meerschweinchen die neutralisiren de Wir¬
kung des Serums auf Tuberculin prüfte.
Die auseinander gesetzten Thatsachen, so sagt M., geben die
experimentelle Erklärung und den wissenschaftlichen Grund für
den klinischen Erfolg des Serums.
einer folgenden Mittheilung will M. die Summe seiner
Erfahrungen betreffend die Serumtherapie gegen Tuberculöse bei
Ihieren veröffentlichen.
Diese Untersuchungen sind während 4 Jahren an 2000 Meer-
schwemchen gewonnen und sie sind die Frucht nicht nur seiner
Arbmt, sondern auch der seiher Assistenten und vor Allem
L-ucateHos und Marzagulli's aus dem bacteriologischen und
bcioilas und Badano's aus dem experimentellen Laboratorium.
Hager-Magdeburg.
Ziems gen: Annalen der städtischen allge¬
meinen Krankenhäuser zu Mönchen. 1894. Mit XVI Ab
bildungen im Texte. München 1896- J. F. Lehmann.
In derselben Weise, wie die früheren Bände, bringt der vor¬
liegende die Berichte aus den Krankenhäusern links und rechts
der Isar, sowie des städtischen Krankenhauses in Schwabing.
Unter den statistischen Arbeiten sei auf die Operationsstatistik
Münchener medicinibche Wochenschrift.
_ 925
des Jahres 1894 von Maunz und die Zusammenstellung der von
1890—95 ausgeführten Amputationen und Exarticulationen von
Brenn fleck hingewiesen. Von den casuistischen Mittheilungen
verdienen;: Jesionek, ein Fall von Dermatitis exfoliativa,
hrickhinger, ein Fall von Enteroptose, Ziegler, Stichver¬
letzung der Subclavia und Voithenleitner’s Fall von Haut¬
gangrän, Beachtung. Vor Allem müssen aber die grösseren kli¬
nischen Arbeiten von Ger ul an os, über die Wirkuug des Fer-
ratins, von Höf er, über die Behandlung acuter Tonsillitiden mit
Larbolinjectionen und besonders die von Schroth über den Salz-
säurcgehalt des Mageninhalts bei Chlorose, erwähnt werden. Aus
dieser kurzen Inhaltsangabe geht hervor, dass der neue Band der
Annalen sich seinen Vorgängern würdig anreiht. Benzol dt.
Neisser’s stereoskopisch-medicinischer Atlas.
Verlag von Th. G. Fisher u. Co., Cassel 1896.
Neu erschienen sind die 11. und 13. Lieferung. In der
1 I., welche die 2. Folge der Abtheilung für Chirurgie darstellt,
pvx't S !ij“ fortlaafe nder Nummerirung die Abbildungen:
CXXI, GXXIl, CXXIH. Wurzelcysten der Kiefer. CXXIV
Offener Biss. CXXV, CXXVI. Zahncaries. CXXVII. Zungen-
actinomyhose. CXXVIU. Zahnfleischgeschwüre. CXXIX, CXXX.
Scorbut. CXXXI, CXXXII. Knochenschwund des rechten Unter¬
kiefers.
Die 13. Lieferung, welche irrthüinlicher Weise als 1. Folge
der Abtheilung für innere Medicin bezeichnet ist, thatsächlich
aber die 4. Folge der Abtheilung «Chirurgie» darstellt, bringt-
UALV. Hypospadie 3. Grades. Mangelhafte Entwicklung der
Genitalien. CXLVI. Grosser Maulbeerstein aus der Blase eines
73jährigen Mannes. CXLVII. Stein im Zustand der Selbst¬
sprengung. Inerustirter Verweilkatheter. CXLVIII. Verschluss
des Ureters mit nachfolgender Dilatation. CXLIX. Kystosko-
pisches Bild. CL. 2 Blasentumoren. CLI. Hornkrebs des Hoden-
saekes bei einem 64jähr. Schornsteinfcgenneister. CLII. Klappcn-
förimge Hypertrophie des mittleren Prostatalappens. CLIII. Knopf-
förmigor Tumor des mittleren Prostatalappens. Zufälliger Sectious-
befund. CLIV. Totale Hypertrophie der Prostata. CLV. Steine
zu Tafel CLIV. CLVI. Gruppe von Blascnsteinen. Barlow.
Meyer’s Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk
des allgemeinen Wissens. V. gänzlich umgearbeiteto Auflage.
XII. Band. Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut. 1896.
Die V. Auflage von Meyer’s Konversations-Lexikon schreitet
rasch ihrer Vollendung entgegen. Innerhalb weniger Jahre ist
es der V erlagshandlung möglich gewesen, die enorme geistige und
technische Aufgabe, die eine Neubearbeitung dieses Riesenwerkes
stellt, so weit zu lösen, dass heute schon bedeutend über die
Hälfte des Ganzen fertig vorliegt; der vor Kurzem ausgegebene
XII. Band führt uns bereits bis zum Titel «Nordsee». Da ist
es wohl an der Zeit-, auch an dieser Stelle von Neuem auf das
grosse Werk hinzuweisen, das wie wenige andere verdient, in der
Bibliothek eines jeden Hauses einen Platz zu haben. Die Zeiten
sind vorbei, wo man Denjenigen mit vornehmer Geringschätzung
betrachten konnte, der im Konversations-Lexikon sich Raths erholte.
Das Odium der Oberflächlichkeit, das früher den Artikeln der
Kouversations-Lexika anhaftete, ist durch die gediegene Arbeit
des Meyer'sehen Lexikons längst beseitigt, während mehr wie sonst
die Vielfältigkeit der Fragen, die das tägliche Leben stellt und
die zu beantworten auch die universellste Bildung nicht mehr aus¬
reicht, ein Nachschlagebuch, das auf allen Gebieten des Wissens
sachgemässc Auskunft ertheilt, unentbehrlich gemacht hat. Auch
den Aerzten ist aus diesen Gründen das M e y c r ’ sehe Lexikon ein
werthvoller Besitz geworden; aber auch die spcciell medicinischen
Artikel, besonders diejenigen der öffentlichen Gesundheitspflege,
werden von Aerzten oft mit Nutzen nachgeschlagen werden. Die
biographischen Angaben über lebende Aerzte haben wir im Meyer
oft erschöpfender gefunden als im «Biographischen Lexikon her¬
vorragender Aerzte«. Noch aus einem anderen Grunde verdienen
die medicinischen Artikel des Konversations-Lexikons die Auf¬
merksamkeit der Aerzte. Dieselben bilden vorzugsweise die Quelle,
aus welcher weite Bevölkerungskreise ihre medicinischen Kenntnisse
schöpfen. Es ist für uns sehr wichtig, welcher Art die Infor-
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Münchener medicinische Wochenschrift^
No. 99.
»26
mationen sind, *e dort ertheilt werden. In dieser Hinsieht ist
zu constatiren, dass die medicinisehen Artikel des Meyer sehen
Lexikons, offenbar von tüchtigen, wissenschaftlichen Aerzton ge¬
schrieben, der schwierigen Aufgabe in der Regd glöckheh ^
werden, so dass sie, wenn sie nur neblig verstanden werden,
richtige und gesunde Ansichten zu verbreiten geeignet sind.
Was den neu erschienenen XII. Band anlangt, so schlosst
er sich seinen Vorgängern würdig an. Auch m ihm erfreut neben
dem übrigen Inhalt eine Reihe prächtig ausgeführter Tafeln, unter
denen wir diejenigen zu den Artikeln über die Gestalt des Menschen,
Mittelmeerflora, Neotropische Fauna, Tiefseefauna, Moose etc. be¬
sonders hervorheben.
Neueste Journalliteratur.
Archiv für klinische Chirsrgie- Band - 2 - Heft Berlul ’
Hirschwald 1896
i) J. Israel-Berlin : Zwei neue Methoden der Rhinoplastik.
Verfasser hat bekanntlich vor Jahren die brage der kün t-
lichen Nasenbildung in hohem Maassc dadurch f^dert, da8s er
die Verwendung gestielter Hautknochenlappen aus der bum ein
pfähl. In vorliegender Arbeit nun berichtet er über erfolgreiche
Operationen bei Kranken, bei denen die Entnahme des bnodicn-
lappens aus der Stirne nnmöglich war. Bei dem
mit Sattelnase war schon von anderer beite eine Plastik ans le
Stirne, leider mit- ungünstigem Resultat, gemacht worden die weitere
Verwendung von Stirnbaut war unausführbar _ J. sägte nun eine
Knochenspange aus der Tibia aus und implantirte dieselbe an der
Stelle des gespaltenen Sattels. Das Resultat war ein «ehr gelungenes.
Das Verfahren wurde auch in einem zweiten Falle mit befolg geübt
Eine Patieutin, die den bei weitem grösstem Tlieil ihrer Nase
durch Lupus verloren hatte, machte die Erlaubnis zur Nasen¬
bildung davon abhängig, dass die Stirne unversehrt bliebe, in
diesem Falle bildete I. einen Hautknochenlappen aus Vorderarm-
haut und Ulna und verpflanzte denselben in verschiedenen Sitz¬
ungen an die Stelle der Nase. Der Erfolg war auch hier ein
recht günstiger. , . , , ..
Die übrigen Arbeiten dieses Heftes finden sich bereits in
dem Bericht über den diesjährigen Chirorgen-Congress wieder
gegeben (s. d. W. 1896, No. -23—25). Es sind
2) Lexer-Berlin: Experimente über Osteomyelitis.
3) Dolega-Leipzig: Zur orthopädischen Behandlung der
angeborenen Hüftverrenkung
4) Cramer-Köln: üeber osteoplastische Knochenspaltung.
5) Wolff-Köln: Zur Resection des tuberculösen Hand¬
gelenks. .. „
6 ) Plücken-Köln: Vorschläge zur conservafaven Be¬
handlung frischer Verletzungen. . _ .
7) Bardenheuer-Köln: Ueber Transplantation der Spina
scapnlae zum Ersatz der oberen Humerushälfte.
8) Braatz-Königsberg: Zur Behandlung des typischen
Radiusbruches. , . _
9) Storp-Königsberg: Zur Behandlung der typischen Ka-
diusbrüche.
10) Storp -Königsberg: Ueber Hydrocelenbehandlnng.
11) Bogdanik -Biala: Ueber Phosphomekrose und Bein¬
hautentzündung.
12) Kehr-Halberstadt: Gallensteinlaparotomien.
13) Rehn-Frankfurt a/M.; Die Verletzungen des Magens
durch stumpfe Gewalt.
14) H. Braun-Göttingen: Ueber die Behandlung der Koth-
fistel und des widernatürlichen Afters.
15) H. Braun-Leipzig: üeber Verkrümmungen des Ober¬
schenkels bei Flexionscontracturen im Kniegelenk.
16) Steudel-Karlsruhe: Ueber Aluminiumschienen.
17/ Sam t e r - Königsberg: Die Prüfung der Hautdesinfection
nach der antiseptischen Methode.
18) Poppert-Giessen: Ueber eine Methode zur Erzielung
eines normalen Blasenverschlusses bei angeborener Blasen'
und Harnröhrenspalte.
19) Küster-Marburg: Ueber Resection der Harnblase mit
Verlagerung des Harnleiters. Kr.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd IV,
Heft 3.
1) O. Kftstner-Breslau: Der suprasymphysäre Kreuz-
schnitt, eine Methode der Coeliotomie bei wenig umfänglichen
Affectionen der weiblichen Beckenorgane.
Verfasser räth in derartigen Fällen, um die «entstellende
Narbe» zu vermeiden, den die Haut und Unterliautfettgewebe
durchdringenden Schnitt quer über der Symphyse anzulegen. Der
Schnitt wird dann diagonal auseinander gezogen und der Rest der
Bauchwand dann in der linea alba durchtrennt. Schwierigkeiten
in der Heilung des etwas complicirten Schnittes sind in den bisher
so operirten ^ Fällen nicht beobachtet worden. Die Narbe wird
bald durch den Haarwuchs verdeckt.
2) F Schnell-Wttrzburg: Ueber einen Faff! vooGfwHasen
einer nach Tyrapania uteri gestorbenen Puerpera.
1 B Bei einer Primipara war über 24 Stunden nach dem Blasen-
snrunge wegen Querlage ein Wendungsversuch vorgenommen
werde? deswegen tetamseber Contraetion des Uterus misslang.
Ueber 2 Stunden später konnte bei bestehender Tympama Uten
die Geburt durch Wendung und Perforation des nachfolgenden
Kopfes beendigt werden. Auf eine heisse Utenwausspüungeon-
trahirte sich der Uterus Anfangs gut, dann aber trat Atome ein
und die Entbundene verstarb 3-/* Stunden post partem trotz aUer
angewandten Mittel unter dem Bilde eines allmählich zunehmenden
Collapses. Bei der (18 Standen post mortem) vorgenommenen
Section konnte Verblutungstod ausgeschlossen werden, dagegen
lipssen sich im ganzen Circulationssystem GaBblasen nachweisen.
VerfasseJ besaht die verschiedenen Möglichkeiten wie diese
Gasblasen in die Blutbahn gelangt sein können nnd kommt zu
dem Schlüsse, daes es sich mit grösster Wahrscbeinhchkeit um
atmosphärische Luft gehandelt hat, die bei der zur^Bekämpfung
der Atonie fortwährend ansgefibten Massage des Uterus allmählich
in die Uterusvenen eingepresst wurde. So lässt es sich a ncb ver¬
stehen, dass der Tod, nicht wie sonst bei Luftembolie, P'ö^b,
sondern nur schleppend eingetreten ist, weil immer nur kleinste
Mengen von Luft in die Blutbahn eintraten .
31 x) Pipek-Prag: Bericht über die Morbidität»- und
Mortalitätsverhältnisse auf der geburtshilflichen KHnik von
Professor Pawlik in der Zeit vom i. October 1887 bis 3i. De
Cemb (Wi I rd 9 nach dem Erscheinen des Sehlussartikels besprochen
werden. } w Maslowsky . Zur Aet iologie der vorzeitigen Ab¬
lösung der Placenta vom normalen Sitz. Endometritis deci-
dUal, Be^°Snem Typischen Falle von vorzeitiger Placentalöeung hat
Verfasser mikroskopische Untersuchungen der N,
vorgenommen. In den von einem grösseren Blutcoagulum com
primirten Theilen der Placenta zeigte die Decidua basahs Infil¬
tration mit Lcukocyten und vereinzelte Extravasate. In d^ De-
cidua vera und capsulans fanden sich — allerdings spttrimn
intracellulär gelagerte Gonococcen, deren Nachweis durch das
Touton'sche Verfahren (Ueberfärben mit Carboifuchsin und Ent¬
erben in Alkohol absol) gelang, während dS«f rbemethoden von
Bumm und Wertheiin kein gutes Resultat ergaben. In den
Labien der an den ersten 3 Tagen fiebernden Wöchnerin wurden
Gonococcen nachgewiesen. Die Anamnese ergab dass che Pa £ en J™
im vierten Monat der Schwangerschaft an Ausfluss « rk ?. anl iJ ’'
und Verfasser nimmt an, dass während der Gravidität die'Sonor
rhoe auf den Uternskörper übergegriffen hatte
durch die hierdurch hervorgerufene Endometritis gonorrhoica
vorzeitige Placentalöeung verursacht wurde
5) G. Zepler-Berlin: Beiträge und Bemerkungen zur m-
tTant rWirT 1 nactTdem' Erscheinen des Schlussartikels besprochen
werden.) a R yon Mars-Krakau: Angioma myxomatodea
placentae.^ placenta ein@r Zwillingsschwangerschrft, die durA
Hydramnion complicirt war, fanden sich mehrere kirechkOTn- ws
wallnnssgrosse Tumoren von fester Consistenz, «’veo^rem J5au
und dunkelkirschrother Farbe. Sie lagen the.ls unter dem Ammon,
theils im Gewebe der Placenta, von welchem sie sich sebmf Be¬
setzten. Die Geschwülste bestanden aus zusammengekle^n
angiomartig degenerirten Zotten. Die Zotten fanden, sich von emer
Lage structurlosen Gewebes überkleidet, das als dure _
liehe Vorgänge verändertes Svncitmm und Langtons sehe /-eu-
scbicht aufgcfasSj g g R n e r . Warschau: 36 eigene Beobachtungen
V ° n Aufd^SoTächtungen ist hervor zu heben daeB Verf^OT
einen grossen Theil dieser Cysten auf Residuen der Gärtner scheu
Gänge zurückführt. Zur Behandlung der
suchenden Cysten genügt die Schröder scbe Operabon ^^
tragung der Kuppel der Cyste und Vermihung mit der Schei
wunde), die Punction dagegen ist als zwecklos ^zu J g ^ rf ß erfin
Centralblatt für Gynäkologie, 18%, No. 38.
1) P. Zweifel-Leipzig: Ueber die Klannnerbebandlung bei
der Totalexstirpatio uteri per vaginam. mflisten
Z tritt nach seinen Erfahrungen für die von den *«»■»£
deutschen Gynäkologen verworfene Klacamerbehandlungb^
Totalexstirpation ein. Nach einem historischen R ’ B8K ebildet
mit Recht betont, dass das Verdienst, diese Operation ft d
zu haben, P4an allein gebührt, während ’ über di«
Doyen etc. nur Modificationen dazu angaben, benclatet
von ihm geübte Technik. Von der früher ^handhabten partjeUen
ist Z jetzt zur reinen Klammerbehandlung, d. b. ohiM L g»
der Adnexa, übergegangen. Die von Do»y® n k m»ssig.
gegebene mediane Spaltung des Uterus hält Z. für sehr zw ^
Die Nachbehandlung besteht nur im Kathet ^ re 3 D m ei fTetztere
der Klemmen und Gaze. Erstere werden nach 3 Tagen,
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29. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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am IQ. Tage fortgenommen. Von üblen Zufällen erlebte Z., als er
die Klemmen nach 2 mal 24 Stunden abnahm. 2 mal Nachblutungen,
und 1 mal Mitfassen eines Ureters mit consecutiver Ureterenfistel,
die Exstirpation der zugehörigen Niere bedingte. Im Ganzen hat
Z. bei sedsar Klasamerbebandlung von 66 Fällen nur 1 an septischer
Peritonitis verloren, = 1,51 Proc. Mortalität Unter *6 Fällen ge¬
mischter Klammerbehandlnng starben 2, also Mortalität 7,7 Proc,
unter 102 Fällen der Ligaturmethode starben 7 in Folge der Operation
=* 7 Proc Mortalität. Z. empfiehlt bei allen leichten günstigen
Fällöi die Ligaturmethode, hält aber für die schweren und schwersten
Fälle die Klammerbehandlung für das beste Operationsverfahren.
Er räth dringend zur Nachprüfung seiner Angaben.
2) F. Ahlfeld Marburg: Zur Mechanik der Scheidenaus-
apälvngen.
Die von F. Lehmann kürzlich empfohlenen Vaginalrohre (cf.
diese Wochenschr. 1896, No. 34, pag. 805) werden nach ähnlicher
Construction von A. bereits seit vorigem Jahre benutzt. A ’s Glas¬
röhre sind oben geschlossen und haben seitlich eine Reihe von
Qeftnungen, die von innen und oben nach unten and aussen die
Glaswand durchbohren, (Zu haben bei Holzhauer in Marburg
zum Preise von 25 bis 50 Pf.) Zu beachten ist, dass inan die Aus¬
spülung mir unter geringem Druck beginnen soll, um die ballon-
artige Auftreibung der Vagina mit ihren nachtheiligen Folgen ru
vermeiden. J aff 6-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 38.
1) J. Israöl-Berlin: Die Operation der Steinverstopfnng
der Ureters.
Cfr. das Referat in No. 31 der Wochenschrift, Sitzung der
Berliner medic. Gesellschaft.
2) C. Beck-New-York: Zar Therapie, insbesondere dem
Werth der Frühoperation bei der Entzündung des Processus
vermiform. (Schluss folgt.)
3) C. Hirsch - Mainz: Zur Casnistik und Therapie der
lebensgefährlichen Magen bla tungen.
Ia dem ersten der naitgetjneälten Fälle handelte es sich um
ein Dienstmädchen, bei dem eia vor 2 Jahren zuerst aufgetretenes
Ulcus ventricuü im Anschluss an eine starke Schreckwirkung zu
einer tödtlichen Blutung führte. Die Section ergab ein kleinstes,
fast ganat vernarbtes Geachwfirchen, das in seinem Ceutrnm einen
Ast der Art. coronaria arrodirte. Bei dem zweiten operativ be¬
handelten Fall konnte bei der Operation das Ulcus nicht gefunden
werden, doch sistirteu die Blutungen. H. stellt als Iudication für
eine Operation auf: Fortwährend recidivirende Blutungen, deren
Häufigkeit und Stärke zur Lebensgefahr wird.
4) Steinhoff-Berlin: Welche Bedeutung hat die mecha¬
nische Behandlung für den Verlauf chronischer Erkrankungen
der Atbmungsorgane, z. BL die Behandlung des Asthma.
(Schluss folgt.)
5) B. Laquer-Wiesbaden: Nachtragzu dem Aufsatze über
Herabsetzung der Harnsäureaunscheidung bei Milchdiät. (No. 36
der Berliner klin. Wochenschrift.)
L gab 20 Tage lang einer im N-Gleichgewieht befindlichen
Person täglich je 60, bezw. 116 g Eucasin. Diese Mengen ver¬
ursachten eine sehr starke Herabsetzung der Harnsäureatiescheidnng
(von 1,0281 g pro die auf 0,6069 g). Näheres gedenkt Verl auf
dem diesjährigen Naturforschertag zu berichten.
Dr. Grass mann-München.
Deutache medteuräche Wochenschrift 1896, No 39.
1) Hans Ba-chner-Münehen: Biologie und Gesundheits¬
lehre. (Autoreferat.)
2) L. Edinger-Frankfurt a. M.: Die Entwicklung; der Ge¬
hirnbahnen in der Thierreihe.
Beide Vorträge, gehalten auf der Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M., September 1896. Siehe
Specialreferat dieser Wochenschrift.
3) P. Rosenberg-Berlin: Ueber Wirkungen des Formal-
dehyds in bisher nicht bekannten Lösungen.
In der Form einer vorläufigen Mittheilung berichtet R. über
die beinahe an das «Univerealheihnittel» grenzenden Erfolge mit
einer unter dem cJaesiscben Namen «Holzin (Oppermann)» und
«Holzinol» uad «Sterisol» zur Anwendung gebrachten alkoholischen
Formaldehydlösnng. Dasselbe soll sowohl in Gasform bei Benützung
eine« noch näher zu beschreibenden Apparates zur Sterilisation
der Luft, Demnfection, Inhalation bei Keuchhusten, wie auch
innerlich ohne Schaden genommen (£>,0.5—Qy06 pro diej bei Tuber-
culose, Erysipel, Diphtherie etc. Anwendung finden.
4) H. Finkeistein: Zur Actio]ogie der follicnlärenDarm¬
entzündungen der Kinder.
Schluss aus No. 88 d. W. Referat siehe diese Wochenschr.
No. 29, pag. 685 und No. 3*2 pag. 261.
5) J. Hirsch borg: Ueber die aeuge bildetest Blutgefässe
der Hornhaut und ihre diagnostische Bedeutung.
Fortsetzung aus No. 38. d. W. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21. bis 26. September 1996.
Originalbericbt von Dr. Oswald Eiernaon, Fraueo-Arzt in
Frankfurt a. M.
Von der Tagespresso mit höchst sympathischen Leitartikeln
uad Aufsätzen medicini«ch-histo rischen Inhaltes begrüsst, von
Collegen und Einwohnerschaft mit offenen Armen empfangen,
hielten die deutschen Naturforscher uad Aerzte den letztem
Tag der vergangenen und die . ersten Tage der laufen¬
den Woche ihren Elinzug in unsere alte Kaiserstadt, die ja
* durch Geschichte, wie durch natürliche Lage zum Congressort
' ganz hervorragend prädestinirt ist.
Zwar hat Frankfurt diesmal seinen Ruf vielleicht inso- .
ferne nicht ganz bewährt, als die Theilnehmenah!, auf die man
[ rechnete, nicht vollständig erreicht worden sein dürfte — eine
l officielle Angabe liegt bis zur 8tund«, in der ich diese Zeilen
schreibe, nicht vor! — doch hatte man eben die Reehntmg
ziemlich hoch gestellt und zudem liegt die Ursache m Um¬
ständen , auf die wir einzuwiarken leider nicht im 8tande sind,
das sind die geradezu traurigen Wetter Verhältnisse dieses
Sommers, welche unsere reisenden Collegen lange vor dem fest¬
gesetztem Termin aus den Bergen der Schweiz und des Schwarz-
waldes und, wo sonst sie noch gefroren buhen mögen, wieder
den heimischen Penaten und Zimmer-Oefen zvrtrieben.
Zieht man niese widrigen Verhältnisse in Betraoht, so
körmen wir — ich spreche hier als Frankfurter — wohl zu¬
frieden sein mit der Theilnebmerzahl, die ich, niedrig gegriffen,
und der Schwierigkeit einer derartigen Schätzung mir wohl
bewusst, auf mindestens 2500 veranschlage. Hoffentlich kann
ich in meinem nächsten Bericht über den 2. Theil der Ver¬
sammlung auch die genauen Zahlen angeben.
Der Congress selbst nun wurde ic durchaus würdiger
Weise eingeleitet durch die Sonntag, den 20. September, Vor¬
mittag-, 11 Uhr stattgehabte Grundsteinlegung zum Denkmale
Samuel Thomas von Sömmering’s, des unsterblichen
Erfinders des elektrischen Telegraphen, der, obzwar
kein Frankfurter Kind, doch durch verwandtschaftliche Bande
an unserer Stadt hing und viele Jahre seines Lebens, zum
Theil in freier pr ak t is cher Thätigkeit, hier zubrAchte. Die
grosse That seines Lebens allerdings, das, was ihn vor
allem Anderen berühmt gemacht hat und ihm die Unsterblich¬
keit verleihen wird, eben die Erfindung des elektrischen Tele¬
graphen, die wurde nicht hier, sondern im Jahre 1805 ia
München vollbracht, wohin ihn der damalige Kurfürst schon
1802 berufen hatte.
Ausser den Behörden, die naturgemäss an der Feier theil -
nahmen, sab man auch den 1. Vorsitzenden des diesjährigen Con-
gresses, v. Ziem ssen , ferner unseren noch bewunderungswürdig
rüstigen und mobilen Altmeister Vi rchow, den schönen Richard-
Wagner-Kopf Ne um ay er’s, des berühmten Leiters der Ham¬
burger Seewaret, Moritz Schmidt, Weigert n. A. Auch
die Nachkommen des Gefeierten, die hier leben, waren zugegen.
Von den Sinnsprüchen bei Führung der Hammerschläge sei es
mir gestattet, zwei anzuführen: Den kurzen, energischen
Virehow’s: «Treu und beharrlich 1» und den Ziemssen’s,
der lautete:
«Den Manen Sömraering’s eei's zur Ehr’,
Der deutschen Jugend sei'» zur Lehr',
Wie e*e des Geiste« Sehätee mehr',
Das« Deutschland blühe hoch und behrt»
Am Abend desselben Tages vereinigte die im echön daeorirten
grossen Saale des Saalbeo«* abgebsitene Begrüesun g6feier
die bis dahin eingeireffeoen Gäste and Theil—bmer. Die treff¬
liches Darhiebungen des Lehrer-Sängörehers fällten den Abend
auf’s Angenehmste aus. ln den Zwischenpansea e» Wegen
und Drängen, Händeschütteln und B^rtissee alter Freunde und
Bekannter, daneben vielfach auch ein, äenemenielles Verheugen
als Zeichen neu angebahnter Bekanntschaft 1
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MtJNCHENERjg PICINgCHE WOCHE NSCHRIFT.
No. 39.
rr.fi? “ “«?, ä* - 9 Dhr ame T
Si Friedrichshof ^ber gehoben w„r »w» des
Rat • Rode in einigen bßgrüssenden Worten an die
mmmm
mmmm
... Uhutur Sömmering und benckenüeig
nennen möchte, ferne,-' de, Anatomen L„c.. *■
Rünnpl u v A. Dann wies Redner nunmehr daraut mn,
dass Stadt die Versammlung zum dritten Ma e ini ihren
Mauern zu begrüssen die Ehre habe und“"er
eeheuren Fortschritt der Wissenschaften seit der eisten n
abgehaltenen Versammlung im Jahre 1825, er • *“ * r
laufenden Reihe derselben Damals, vor kaum /° J a J re "’ st
man sich noch über den Blutkreislauf und bezweifelte die
des Sauerstoffes und Kohlenstoffes. Jetzt seien wir besser daran
Zn ZI 2 inzwischen als aetiologische Factore» so v. er
Krankheiten entdeckten Mikroorganismen - eme ^rt Koc\X
deckungen, die sich auf’s Engste an den Namen Robert Koch s
knüpfe 8 — und vollends Röntgen’s neueste Entdeckung kann
Niemand bezweifeln, denn die sähen wir ja mit eigenen
Und was das Auge sieht, glaubt das Herz! Er gedachte. noch
der 2. Versammlung der Gesellschaft, in Frankfurt, der •
der Reihe derselben, im Jahre 1867 und hess seine ti f durch
dachte, mit vielem Beifall aufgenommene Rede nach einem
Hinweis auf die damals sich bereits vorbereitende politische IJ
gestaltung Deutschlands ausklingen in ein Hoch auf den Kaisen
Es folgten darauf Begrüssungsansprachen . zunächst des
Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau, Excellenz Magde¬
burg, im Namen der preussischen ße 8 ierun g-
Nach diesem hiess Oberbürgermeister Ad ick es die
Sammlung Namens der städtischen Behörden und der gesammten
Bürgerschaft in herrlichen , geradezu poetischen Worten will¬
kommen. Der Gruss, so führte er ungefähr aus, käme von
der Vaterstadt Goethe’s, der mit der glücklichen Sehergabe
des Dichter-Ingeniums in der Erscheinungen Flucht das ^hende
zu fassen gewusst habe, der als schönstes Gluck des denkenden
Menschen bezeichnete, das Erforschliche in Ruhe zu ei forschen.
In diesem Sinne begrüsse er die Versammlung, auf dass auch
ein Hauch seines Geistes zu uns herüberwehe!
Nach einer weiteren Begrüssung Dr. A. Knoblauch s
im Namen der Senckenber gischen Gesellschaft, desphysi-
kalischen Vereins und einer Anzahl anderer wissenschaftlicher
Gesellschaften undBerndt’s von der benachbarten technischen
Hochschule in Darmstadt stattete v. Ziemssen als 1. Vor¬
sitzender seinen Dank ab an die Geschäftsführung und die Aus¬
schüsse für ihre Mühewaltung und an die Stadt für die gastliche
Aufnahme und gedenkt der Männer, die 1867 an der Spitze
gestanden seien, Gustav Adolf S p i e s s ’ und V a r r e n t r a p p s.
Auf diese, wie gewohnt, geistvolle Ansprache des geist¬
vollen Redners, die nur bei der Grösse des Saales leider nicht
überall ganz verständlich gewesen sein dürfte, folgte eine An¬
zahl geschäftlicher Mittheilungen durch den zweiten Geschäfts¬
führer, Prof. Dr. Walter König, sowie die Verkündigung der
zahlreich eingetroffenen Telegramme, darunter solche von Herzog
Dr. Karl Theodor, Minister Bosse, Colonial-Director
Kayser, Generalstabs-Arzt v. Coler, Geheimratb Althoff
u. s. w. An den eigens eingeladenen, leider aber am Erscheinen
verhinderten Nansen wirdeinBegrüssungs-Telegramm abgesandt.
Nun ergreift das Wort:
Hans Büchner zu seinem Vortrage: Biologie und
Gesundheitslehre.
Leider muss ich es mir versagen, diesen nach Form und
Inhalt gleich vollendeten, an tiefen Gedanken so «neben Vortrag
.„smWioher wretougeben^ besohrllnke., «n.
Beschränkung, die hier doppelt schwreng ist, da d,e Rede
eigentlich nur Wesentliches enthalt.
Büchner bespricht zunächst Entstehung und Wesen der
Hygiene und Biologie und den Zusammenhang der beiden,
i ii .,i,a fliehen Wirkungen, welche die in böige
der besseren hygienischen Einrichtungen und der sorgfältigeren
Prophjd^x^wegffvllende .Auslese, im Darwin’schen Sinne
entstehen Hessen, zum mindesten zu paralysiren.
Unsere biologischen Kenntnisse charakterisirend, sagt
er dass zu dem mechanischen Moment nun als neu auch
d*> Moment der Erregbarkeit, de,^‘dieses
kommen sei, streift hiebei die grosse Wichtigkeit dieses
Momentes bei der Abwehr von Infectionen im th,er,sehen
Organismus (Wanderzellen), »wie die positiv« und .negative
Chemotaxis und formulirt den Satz, dass der Re^
ist der den ganzen Mechanismus a u s 1 ö s t. Er berührt
weiter die natürliche Immunität durch Bildung von Alex, "® n
Z Org.n»mu., als deren Ursprungs-Stätten nunmehr ebenfalls
die weissen Blutkörperchen ermittelt seien.
«Alles in der Natur ist an sich schon zweck¬
mässig, die Natur schafft nichts Unzweckmässiges
in sich In Bezug auf die äusseren Bedingungen
Herdings setzt Ser Kampf um’s Dasein ein.*
Ist nun eine positive Hygiene m 0 ß 1 ,c b f*
Antwort liege in der Frage: Können wrr gUub.n,
dass von unserer Constitution nichts wan
bar Die verminderte Widerstandsfähigkeit, müsste daher durch
vermehrte körperliche Uebung ersetzt werden. «Der
generation müssen wir eine Regeneration entgege
setzen.» Das Hesse sich erreichen durch Jugend- und Volks
Spiele, Turnen und Sport. Desshalb müsse man auch
Gleichberechtigung der geistigen und körpe
liehen Ausbildung verlangen. Der Vormittag gehö.e der
geistigen Arbeit, der Nachmittag der körperlichen Uebung.
Mit dem schönen Satze: «Was Du ■»rerbtjon Deinen
Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!» schloss
s^nen Verdientermassen mit hellem Beifall aufgenommenen
V ° rt Nach ihm sprach Geheimrath L e p sin s ■ Darmstadt über
Cultur und Eiszeit». • ,
So geistvoll seine Ausführungen waren und so
Beifall sie fanden, muss ich es mir leider
selben weiter eizugehen, da sie der medicmschen Wissenscd
doch ferner liegen. ,• e .
Damit schloss nach fast 4stündiger Dauer die erste allg
meine Sitzung. T
Für den Abend dieses Tages hatte die The ater-Ijj-
danz in zuvorkommender Weise ihre bwden Häuser
liehe Oper und das durch Goethe geweihte Schausp ^
haus den Congresstheilnehrnem zur Verfügung g •
hatte es auch nicht zu bereuen; «
und ein dankbares Publicum, dankbar allerdings Q
ungen, die darauf Anspruch machen konnten. In P
gab man neben dem „Bajazzo« die herrlich reine Mä«^
Oper unseres einheimischen Meisters Humperduio • .
und Grethel“, beides, wie ieh mir zixverlässig berichten ües ,
vorzüglich. Das Schauspielhaus hatte den ewig ju g ^ ^
auf die Bühne gestellt mit zweien seiner besten u __
schönen Lustspielen: „Die Schule der Frauen und
„Der eingebildete Kranke!« Auch hier hatte neben ^
Geiste Moliöre’s und der prächtigen Darstellung _ lda>
furter Kind Theil an den Ehren des Abends: Lud ^ Co .
in dessen bekannter meisterhafter Uebertragung 1
mödie gegeben wurde.
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29. September 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
929
y XV- '•
ü & '
-S ffii
Der Dienstag gehörte ausschliesslich den Sectionen.
Still und emsig wurde hier allerwärts gearbeitet; doch will
ich den Herren Specialreferenten nicht in’s Handwerk pfuschen.
Abends grosses Festessen im zoologischen Garten mit
etwa 1000 Theilnehmern, Collegen und deren Damen. Das¬
selbe verlief äusserst gemüthlich und — was besonders selten
und in Anbetracht der grossen Esserzahl zu rühmen ist —
das Essen, wie auch die Bedienung fand mit Recht allgemein
Anerkennung.
Ziemssen sprach, schön, wie immer, den Kaisertoast.
Wislicenus liess Frankfurt leben und erinnerte dabei an die
Sorgen wegen der Wahl eines Versammlungsortes. Auch hier
konnte nun unser Oberbürgermeister wieder seine her¬
vorragende Rednergabe zeigen, indem er sofort, nachdem der
Vorredner geendet hatte, in humoristischer Anspielung auf
dessen Worte von dem „Nothanker“ Frankfurt und auf die
„modernen Herkulesse“, die Bezwinger der kleinsten Lebewesen,
die Naturforscher und Aerzte feierte, mit denen er nun doch
wieder „wie ein Mensch mit Menschen“ zu verkehren sich ge¬
traue; denn Alles könnten sie doch noch nicht: Beweis: Das
Wetter!
Die Mitt wo chs - Sitzung war zwar offieiell keine allge¬
meine, sondern nur eine gemeinsame der m ed i ci n i s ch e n
Hauptgruppe; dass sie aber in Wirklichkeit doch eine
allgemeine war, zeigte der dicht besetzte, grosse Saal.
Flechsig, Edinger und Ewald-Strassburg (für den leider
am Erscheinen verhinderten Geh.-Rath v. Bergmann) sprachen
„über die Ergebnisse der neueren Gehirn forschung“.
Flechsig behandelte in äusserst klarem, 1 '/2 stündigen
Vortrag das schwierige Capitel von den „Localisationen
der geistigen Vorgänge“, Edinger sprach in geradezu
vollendeter Weise über „die Entwicklung der Gehirn¬
bahnen in der Thier reihe“, ein Gebiet, auf dem ja
gerade er so Hervorragendes geleistet hat, und Ewald gab
eine hochinteressante physiologische Analyse der „Beziehungen
der motorischen Hirnrinde zum Ohrlabyrinth“,
wobei auch dieser Forscher wesentlich die Ergebnisse eigener
Untersuchungen vor führen konnte.
Alle drei Vorträge, besonders aber der Edinger’sche,
fanden allgemeinen Beifall. Näber auf dieselben einzugehen,
erübrigt sich jedoch mit Rücksicht darauf, dass sie ja in den
Specialreferaten ausführliche Beachtung finden werden.
Die von His-Leipzig präsidirte Sitzung fand nach vier¬
stündiger Dauer Nachmittags ihre Fortsetzung; hier sprach
nach Beendigung der lebhaften Discussion des Vormittags-Themas,
an welcher sich S ac h s - Breslau, Hitzig, S t e i n er - Köln,
v. Monakow - Zürich, Adler- Breslau und Benedikt- Wien,
betheiligten, noch ltoseuberg -Berlin über «.Conservirung,
Desinfection und Behandlung derlnfectionskrank-
heiten durch Formaldehyd», wobei auch die Frage der
Körper-Desinfection wieder berührt wurde. Auch hieran schloss
sich eine Discussion, an welcher sich Blum - Frankfurt, bekannt¬
lich derjenige, der das Hauptverdienst an der Einführung des
Formaldehyds hat, sowie Albu betheiligten.
Abends um 8 Uhr versammelte man sich zu dem von der
Stadt gebotenen grossen Fest-Corumers in der landwirt¬
schaftlichen Halle. Die Theilnehmer, natürlich auch Damen,
mögen sich sicher auf 2500 belaufen haben. Mehr fasst näm¬
lich die grosse Halle nicht. Es war dessbalb, um alle Unzu¬
träglichkeiten am Abend selbst zu vermeiden, von der Stadt
die Einrichtung getroffen worden, dass Karten ausgegeben und
heim Eintritt strenge Controle geübt wurde. Das hatte wohl
den Nachtheil, dass vielleicht Mancher, entgegen seinem Wunsche,
nicht am Commers theilnehmen konnte, weil er keine Karte
mehr bekam (die Austeilung erfolgte in den einzelnen Sectionen),
\is '4 ' \ dafür klappte aber am Abend Alles auf’s Beste: Jeder fand
Einrichtungen anerkennen und sie zur Nachahmung empfehlen.
Nach Absolvirung der officiellen Toaste gab es ein hübsches
Festspiel, zu dem Zwecke eigens gedichtet, in dem die be¬
teiligten Collegen mit redlichem Eifer und schönstem Erfolg
ihre schauspielerischen Talente betätigten.
Bald darauf trat die « Fidelitas » ein. Mit dieser wollen
wir für heute schliessen!
Jt'il-' -
m-
Section für Chirurgie.
Referent Dr. G. Joachimsthal - Berlin.
I. Sitzung vom 21. September 1896.
Vorsitzender Herr König-Berlin.
Herr Mad e lung - Strassburg: Einige Grundsätze der
Behandlung von Verletzungen des Bauches.
Ln letzten Jahrzehnt ist bei den Fachchirurgen eine voll¬
ständige Aendcrung in den Grundsätzen der Behandlung
der Bauch Verletzungen eingetreten. Diese Aenderung ist
durch die Entwickelung der bauchchirurgischen Technik bedingt
worden, welche die Mittel gegeben hat, vielfach wirklich active
Hilfe bringen zu können.
Während die Behandlung der Bauchverletzungen früher eine
im Allgemeinen «abwartende» war, operatives Eingreifen nur selten
nothwendig erschien, Opiuinvcrabreiehung und Diätverordnung die
Hauptrolle spielten, fordern jetzt die Verletzungen des Bauches
fast ohne Ausnahme rascheste und umsichtigste therapeutische
Entschliessungen, die Mehrzahl grösste Energie und besondere
technische Fertigkeit von den zu ihrer Behandlung Berufenen.
Es ist nöthig, dass die Gesammtheit der Aerzte, die in der
Mehrzahl der Fälle die «erste Hilfe» zu leisten haben, mit
dem Speeialisten in vollständigem principiellen Einverständniss
handeln.
Es ist unbedingt Pflicht jedes Arztes, der eine Wunde zu
behandeln oder auch nur zu beurtheilen hat, welche kürzlich,
jedenfalls nicht länger als vor einigen Stunden entstanden, in
irgend einem Theil der Bauchwandungen gelegen, zum Inneren
des Bauches führen kann, sofort, ohne Verzug und mit
einer jeden Zweifel ausschliessenden Sicherheit zu bestimmen, ob
diese Bauchwunde penetrirend ist oder nicht. Ausnahmefälle
abgerechnet, ist dieser Aufgabe voll nur zu genügen durch einen
operativen Eingriff.
Für manche Fälle genügt die Erweiterung und Freilegung
der Wunde durch Schnitt. Oft genug ist schon für diagnostische
Zwecke der Bauchschnitt nothwendig. Ist die Wunde j>enetrircnd,
so stellt sich die eine ebenfalls sofortige Lösung fordernde Auf¬
gabe ein, sich darüber klar zu werden, ob dieselbe «complicirt»
ist, d. h., ob Verletzung eines Eingeweides, eines grossen inneren
Blutgefässes herbeigeführt ist. Die Wahrscheinlichkeit des Vor¬
handenseins der «Complication» ist fast immer vorhanden.
Sicherheit in genannter Richtung kann nur die Durch¬
suchung des Leibesinhalts mit Auge und Hand
geben.
Für den die «erste Hilfe» leistenden Arzt folgt aus
diesen Sätzen mit unerbittlicher Consequenz die Regel, dass er mit
denkbar grösster Beschleunigung die Verletzten in äussere Ver¬
hältnisse überführt, wo die Untersuchung in einer nach jeder
Richtung genügenden, möglichst alle Gefährdung ausschliessenden
Weise ausführbar ist. Dies ist im Allgemeinen nur der Fall in
dem Operationszimmer eines Krankenhauses.
Richtig geleiteter Transport eines Bauchverlctzten wird
meist keinen Schaden bringen. Von jeder vorläufigen Säuberung
der Wunde, jedenfalls vom Rcponiren vorgcfallcner Baucheingeweide
(selbst grosser Darmschlingenmasscn), ist Abstand zu nehmen. Die
übliche Opiumverabreichung bringt wahrscheinlich mehr
Nachtheil als Nutzen. Empfehlenswert!» ist bei starker Magen-
Platz, die Bedienung war tadellos, das Gebotene, Bier und füllung Ausheberung des Magens, um die Menge des in
kalte Küche, ausgezeichnet; die Stimmung daher die beste, die Nähe der etwa vorhandenen Darmwunden Gelangenden zu
Wenn mau sich der Scenen erinnert, die sich gerade bei vermindern.
städtischen Empfängen auf anderen Congressen ereigneten, bei Eigentlich kann nur der Nachweis einer grösseren Blutung
denen der Zutritt ein unbeschränkter war, der Platz- etc. in die Bauchhöhle sofortiges Eingreifen an Ort und Stelle, auch
Mangel daher ein grosser, so wird man die ausgezeichneten unter ungünstigen äusseren Verhältnissen, motiviren. Man muss
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930
Münchener me dicinische Wochenschrift
No. 39.
- :S '
Blutung in der Bauchhöhle stillen muss und nicht rasch die
Sic derselben findet, ist es wohl richtiger, vom Bauchschnitt
, us iü die Gegend der Blutung eine grosse Masse von grossen
Schwämmen einfachen und ohne den Leih durch Naht zu
nicht »fit grosser Blutung
=Ea=zS r Äsa.-=s»-
Zeitfrist beträchlich länger zu bemessen.
Bereits ein-ctreteue Peritonitis verbietet au sich in ent
“fata uni (da derselbe meist Blutung oder maeseehatteu
SZitf. " ~ in
die Peritonealhöhle vorzunehmen Sie wird nothvvendig,
bei vorhandenem Kothaustritt die Darmwunde sonst nicht z
finden ist. Im Allgemeinen genügt «stückweise» A
Buchung des Bauchinhalts. Die «totale» Absuchung ist
oft dadurch zu umgehen, dass man sich vor der Operation cm
genaues Bild über den Weg macht, den das verlcUend e Ins tru¬
gen t im Leih einschlug. Auch zu grosse «Gründlich
keit» kann ein Fehler sein. . ,
Für die Erleichterung der Blutstillung wird de D.g.tal-
compression der Aorta durch die unter das Zwerchfell i» <l.e
Bauchhöhle eingeführte Hand (Renn) zur möglichsten Umgang
der sonst nöthigen Darmresection die « D ar m t r anspl an t.
tion» (Choput) empfohlen. ,
Circumscripte peritoneale Absccsse verbieten das Suchen nach
dem Sitze der Darmperforation und fordern Tamponade und Drai¬
nage, resp. sie sind nach den Regeln, die die moderne Behand¬
lung der eitrigen 'Wurmfortsatzentzündung ergeben hat, zu be¬
handeln. _. , ir
Wenn erst nach Ablauf von 24 Stunden die Ver¬
letzten in Behandlung kommen, ihr Allgemeinbefinden durchaus
normal ist, jedes Zeichen von Entzündung fehlt, kann resp. muss
vom operativen Vorgehen abgesehen werden.
Dies gilt aber nicht für Verletzungen durch stumpfe
Gewalten. Für diese — wenige Einzelverletzungsformen (Blasen¬
ruptur, schwere Contusion eines äusseren Bruches) abgerechnet —
lassen sich allgemeine Behandlungsregeln zur Zeit nicht aufstellen.
Ihnen gegenüber müssen wir uns auch jetzt noch abwartend,
dem Verlauf der Verletzungs- und nachfolgenden Entzündungs¬
erscheinungen anpassend, verhalten. Dementsprechend unsicher
und unerfreulich sind die in dieser Richtung bisher erreichten
praktischen Erfolge. Jedenfalls ist aber aufmerksamste und unaus¬
gesetzte Beobachtung nothwendig, wenn der einigermaßen richtige
Moment zum Handeln nicht versäumt werden soll. I nd so ge¬
hören auch die C on tusions v e r 1 etzun gen des Bauches
in das Krankenhaus.
Die entwickelten modernen Grundsätze gelten sicher auch für
die Behandlung der B auchschuss-Verletzungen im
Krieg. Dass sie praktisch und in sehr beschränktem Maas»
durchführbar sind, ist klar. Dass aber auch die eventuellen hier¬
bei zu erzielenden Erfolge sicher gering sein werden, wissen wir
aus den Erfahrungen, die uns bereits die Friedenszeit betreffs
der enormen Gefährlichkeit der Bauchvcrletzungcn durch die
•Schusswaffen der Gegenwart gegeben haben.
Herr P. Br uns-Tübingen: Leberresection bei multi-
loculärem Echinococcus.
In dem Falle, über den Bruns berichtet, handelt es sich
um die seltene Form des inultiloculärcn Echinococcus. Da
dieser eine aus kleinen und kleinsten Blasen zusammengesetzte
Geschwulst darstellt, welche in die Leber eingelagert ist, kann
eine radicale Beseitigung nur durch Abtragung der Geschwulst
im Bereiche des gesunden Lebergewebes erzielt werden. Das setzt
voraus, dass der llcrd in der Leber nicht allzu ausgedehnt und
seine Grenzen gegen das gesunde Ubergewebe n.cht alkn nnreg.l-
mteigsind. Denn in der Kegel ist kerne eigentl,ehe Abkapselung
“Thanden. sondern die Grenzen sind 0 « durch vorsprmgmde
A " Sl We' operative ^Kntf'ernung eines mit mnltiloentoen KU»
coeeen duXtsten Lebertheils ist bisher nur von Ternllo.
ausgeführt worden, jedoch mittelst emes recht unvollkommene.
VeShrens: Cr nmsehntirtc die Geschwulst an tbrer Grenrc gege.
das gesunde Lebergewebe mit einem G umnmehlanch und nahte
sk fn die Bauchwunde ein; erst nach c.nge.retenc, Gang,«,
wurde der abgeschnürte Theil abgetragen.
In seinem Falle nahm Bruns die Excision der
Geschwulst mit dem Messer vor. Da die stark gefüllte Gallen-
blase der UnterHächc des Tumors anlag, musste sie vorher m
ih‘er ganzen Ausdehnung abgelöst werden. Die Geschwuls taze»
in vollführtc er in der Art, dass in der Uber eme kejUonmg
einspringei.de Wundfläche zurückblieb, die sich durch che Naht
SK Hess. Die Blutung aus dem Leberparenchym war massig
und wurde durch Ligatur einiger spritzender Arterien, sowie durch
tiefgreifende Nähte zun, Stehen gebracht. Die Leberwunde, wurde
versenkt, die Heilung vollzog sich glatt und ohne . tu . ru " s _
Herr Hofmeister-Tübingen: Ueber multiple Darm¬
stenosen tuberculösen Ursprungs. T .
Vortragender hat einen 32 jährigen Mann, der seit 6 Jahren
an häufigen Koliken und seit (5 Tagen an Ileus litt, Hparotomirt.
\ls Ursache des Ileus ergab sich eine 10 fache Stenose des D
tomer Die 10 Verengungen war» «her 255 cm Düp.da,»
vertlieilt Die ganze stenosirte Dünndarmpart,e wird durch Ente
—c partiell ausgesehaltct. Behufs Repos^on ,st Enrtecm g
der ausgesclialtetcn Schleife durch Punetion nothig. D>ese s u
dom Patienten verhängnisvoll werden, indem die genahte 1 u
tionsöffnung durch nachträglich siehansammelnde^
n ac h keiner Seite hin entweichen konnten, gespre fc ’
, n.-l, uf, Stunden der Tod an Perforationsperitonitis erfolgte-
Mrܫ noeb 2 Stenosen der Ileocoecalgegend.
welche keine Erscheinungen gemacht hatten. hist olo<usche
Als Ursache der Stenoscnbildung ergab die histologis
Untersuchung vernarbende tuberculöse Gescb ^ re . sind die
Gegenüber der solitären tuberculösen Darmstenose
multiplen als grosse Seltenheit zu bezeichnen ; die
1 8 Fälle in der Literatur auffinden, ln keinem . . t
Multiplicität der Stricturen vor Eröffnung des Leii es agno ^
In therapeutischer Richtung zieht \ ortragende
Beobachtung den Schluss, dass in ™ lc “’ ™ ;® t die p un ction
schaltete Schleife nach allen Seiten hm stenosirt .st, die ^
derselben zu vermeiden ist, oder wenn die8 °‘ cbt ^ ^
genähte Punetionsstelle in der Bauchwunde <Dirt werd tomose
Herr H. Ktittner-Tübingen: Die Darmanas
“^Vcrfthr'cn, welche» der verstorbene V. F.e,
aber selbst nur an Thicren versucht hat ka “ in der ® änösC n
Klinik in 6 Fällen zur Anwendung, darunter Allgemeine
Hernien, von denen 2 mit Infiltrat,onsanßsthesie«ohn ^
Narkose .vollkommen schmerzlos openrt wurden. uu .
starben 2, bei denen das Verfahren keine Schuld an
glücklichen Ausgang traf, 3 wurden geheilt. m
Die Technik war stets die gleiche. WC ™ e “ ’ • , S innc
zwischen Kochcr’schcn Klemmen reseeirt ist,
der Peristaltik aneinander gelagert und durch d Seiten
sehe Nahtreihe aneinander fixirt. Darauf ™ [fj £macht »
der ersten Naht eine Incision bis auf die Vereinigung der
der Lärfgc der gewünschten Anastomosc, un darauf das
so entstandenen Schnittränder vorgenommen. £act i gesichert
zuführende Darmende durch Fingerdruck vor Schleimhaut
ist. wird zunächst an diesem die T>urcl.tre.^g ^
vorgenommen, und durch das noch mit einer o durc h ge führt.
gesicherte Darmende werden kreuzweis zwei oinosensc hlitz ein
Nun geht man mit einem Pean durch den zusamnicn-
und durch das Darmende heraus, fasst die eingestülpto
gedrehten Fäden und zieht sie zurück, bis das je £ flun
Darmende aus dem Anastomosenschhtz herausge berum-
wird um den eingeschlitzten TlicU ein starker be.duitaU
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29. September 1896.
931
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
gelegt, das Ende mit der Sohocre abgeschnitten, und der Stumpf
in das Darmlumen reponirt. Es folgt dieselbe Proecdur am ab¬
führenden Ende und der Schluss der Anastomose mit sero-muscu-
lärcr und Lcmbert' scher Naht.
Der grosse Vorzug des Verfahrens liegt in der Einfachheit
der Technik und der Möglichkeit einer schnellen Ausführung bei
absolut sicherem Verschluss der Darmenden.
Ein fernerer Vorzug ist die Sicherheit, dass alle Darmthcile,
auf die es ankommt, in genügender Weise vom Mesenterium aus
erweitert sind, denn die in dieser Beziehung am meisten gefährdeten
Darmenden sind eingestülpt und abgebunden. Durch möglichst
exacte Invagination kann man die Bildung von Blindsäcken mög¬
lichst vermeiden.
Nach den Erfahrungen der Bruns'schen Klinik ist die seit¬
liche Apposition und Anastomosirung das vollkommenste Darm¬
vereinigungsverfahren, und speciell ist die Methode nach v. Frey
als einfach und sicher sehr zu empfehlen.
Section für innere Medicin und Pharmakologie.
Referent Dr. A I b u - Berlin.
I. Sitzung am 21. September 1896-
Vorsitzender: Herr v. Z i ein s se n - München.
Herr P o e h 1 - Petersburg: Die Beurtheilung des Immuni¬
tätszustandes auf Grund der Harnanalyse.
Da Schutzimpfungen häufig nicht irrelevante Nebenwirkungen
mit sich bringen, so sucht Referent die Momente der Indication
oder Contraindication zur Schutzimpfung festzustcllen. Für die
natürliche, wie für die erworbene Immunität gibt es, trotz der
Verschiedenheit der biologisch-chemischen Eigenschaften der In-
fectionserreger, dennoch gewisse einheitliche biologisch-chemische
Momente. Ein solches einheitliches Moment ist die Intraorgan¬
oxydation, welche einen Theil der Gewebsathmung bildet und mit
der Blutalealesccnz in Zusammenhang steht. Herabgesetzte Intra¬
organoxydation, welche die Anhäufung von Produeten der regres¬
siven Metamorphose (Autointoxication) bedingt, ist daher das
Moment, welches die Immunität herabsetzt und die Praedisposition
für die meisten Infectionskrankhoiten bildet. Diese Momente
lassen sich aus der klinischen Harnanalyse unter Benutzung der
Harncoefficicnten ermitteln.
Die zur Infection praedisponirenden Autointoxicationen werden
bedingt:
1. Durch herabgesetzte Blutalcalcscenz in Folge der Säuerung
der Gewebe durch Uel>erreizung derselben oder andere Momente.
2. Ungenügende Sauerstoff-Zufuhr.
3. Abnorme Gährungsprocesse im Darmtractus.
4. Exogene Intoxioation bacteriellen oder anderen Ursprungs.
5. Retention der StofFwechselproducte.
Die Harncoefficienten, wie es Referent eingehend mit Zahlen -
werthen anführt, geben Aufschluss nicht nur über das Vorhanden¬
sein, sondern auch über die Ursachen der Autointoxication und
zwar werden constatirt Abweichungen der Darmgährung, die
Energie der Oxydationsprocesse, der Zustand der Gewebsathmung
und die Blutalcalcscenz.
Die Blutalcalcscenz ist schon lange für die Immunität als
wesentlich erkannt worden. Die Phagocyto.se schützt nur hei
normaler Blutalcalcscenz den Organismus gegen Infectionen , weil
hierbei beim Zerfall der weissen Blutkörperchen actives Spermin,
das Ferment der Gewebsathmung, gebildet wird. In der cata-
lytischen Oxydationswirkung des Spermins sieht Referent sowohl
die physiologische Schutzvorrichtung des Organismus gegen In¬
fectionen, sowie bei therapeutischer Verwerthung des Spermins
die zweckmässigste Bekämpfung vorhandener Autointoxication.
Der behandelnde Arzt wird auf Grund der Harnanalyse be¬
stimmen können, ob bei den gegebenen Individuen überhaupt
Praedisposition zur Infection vorliegt. Falls keine Autointoxication
vorhanden, so ist eine Schutzimpfung unnütz, da das Individuum
immun ist. In manchen Fällen wird auch die Schutzimpfung
sogar vermieden werden können, nämlich in denjenigen, wo die
Ursache der Autointoxication durch zweckentsprechende thera¬
peutische Eingriffe beseitigt werden kann.
Herr Dörrenberg -Soest: Ueber die Aussichten
der Serumtherapie bei Tuberculose.
Vortragender berichtet über Versuche an tuberculösen Men¬
schen mittelst eines vom Esel resp. Ziegen stammenden Serums,
das durch fortgesetzte in den Dosen gesteigerte Injectionen von
aufgesehwemmten Tuberkelbacillenculturen in die Bauchhöhle ge¬
wonnen war. Die Tliicre wurden in Zwischenräumen von 3 Wochen
geimpft, erlangten Immunität gegen das Tuhcrkclgift, gingen aber
doch schliesslich an Tuberculose zu Grunde. Menschen reagiren
auf dieses Serum weniger stark als auf Tuberculin, und es ist
nicht ausgeschlossen, dass es durch nur ganz langsame Steigerung
der Dosen möglich sein wird, Temperaturerhöhung ganz auszu-
schliessen. 1). hat 11 Fälle behandelt, bei allen Neigung zur
Besserung beobachtet, die vielleicht bei längerer Fortsetzung zur
Heilung geführt hätten. Für schwerere Fälle ist das Verfahren
aussichtslos. Verfasser betrachtet seine Beobachtung nur als einen
Versuch zur Lösung des Problems.
II. Sitzung.
Vorsitzender: Herr G er har d t-Berlin.
Herr B ä u m 1 e r • Freiburg : Zur Percussion der Milz.
Der pereutorisehe Nachweis der Milzvergrösserung gehört zu
den schwierigsten Aufgaben des Praktikers. Nur in einer kleinen
Minderzahl ist die Milz, auch wo sie erheblich vergrössert ist,
palpabel, selbst wenn kein Meteorismus vorhanden ist. Dagegen
gelingt es in allen Fällen , eine auch nur mässige Vergrösserung
durch Percussion fcstzustellen. Man kann eine Vergrösserung
annehmen, wenn man eine ovale Dämpfungsfigur von 7—8 llöhen-
und 1U cm Längsausdehnung findet. Die Percussion der Milz
ist desshalb schwierig, weil es sich um ein dünnes, luftleeres
Organ zwischen lufthaltigen Organen handelt, die sich unterein¬
ander noch durch die Verschiedenheit der Spannung und dergl.
unterscheiden. Mit Rücksicht auf den differenten Luftgehalt der
benachbarten Organe muss man auch die Percussion in verschie¬
dener Stärke an den einzelnen Organen vornehmen. Im Gegen¬
satz zu Weil hält Vortragender auch den hinteren oberen, an
die Lunge angrenzenden Theil der Milz für percutirbar. Wichtig
ist die Lagerung resp. Stellung der Kranken für die Percussion.
Bei bettlägerigen Kranken (Typhus) ist die Milzdämpfung in der
sogenannten Diagonallage zu untersuchen, die namentlich bei Frauen
zweckmässiger ist, als die Seitenlage. Am meisten empfiehlt sich
die von S a h 1 i angegebene Seitenlage mit nach vorn herüber¬
gelegtem Oberkörper und nach hinten zurückgedrängtem Becken.
Bei nicht sehr bedeutenden oder zweifelhaften Milzvergrösserungen
empfiehlt es sich , die Milz in verschiedenen Lagen des Körpers
zu percutiren. Da es hei Fiebernden im Stehen nicht angeht,,
so ist die Untersuchung im Sitzen vortheilhaft. Dabei rückt die
Dämpfungsfigur nach hinten und oben (sehr selten kommt Ver¬
wechselung mit plcuritischein Exsudat oder stark ängefülltem
Magen in Betracht). Wenn sie von der im Liegen gewonnenen
Figur sich nur durch die Lage unterscheidet, sonst aber mit ihm
übereinstimmt, so hat man die Gewissheit, dass es sich wirklich
um die Milzdämpfung handelt. Es ist aber eine Aufzeichnung
nothwendig, die sich auch in der Privatpraxis ausführen lässt.
Herr v. Z ie m sse n-München betont, dass auf die Bestimmung
der Milzgrösse in der Praxis zu wenig Werth gelegt wird, dieselbe
auch nicht genügend geübt ist. Sie ist aber für die Diagnose sehr
wichtig. Wenn man die Figuren aufzeiebnet und misst, kann man
sich durch Vergleichung post mortem von der relativen Genauigkeit
überzeugen.
Herr Bäumler: Die Behandlung der Aneurysmen
nach Mac Ewen.
Die von Mac Ewen 1890 angegebene Methode ist in
Deutschland noch nicht zur Anwendung gebracht. Sie beruht auf
der bekannten Arbeit von E b e r t h und 8 c li i m m c 1 b u s c h über
die Bildung weisser Thromben bei Verletzung der Intima der
Gefässe. Mac Ewen sucht sie in dem Blutsack durch Acu-
punctur zu Stande zu bringen, indem er eine Nadel in den Tumor
einführt, daselbst bis zu 24 Stunden liegen lässt und durch die
Bewegung bei der Pulsation die gegenüberliegende Wand zu ritzen
versucht, durch verschiedene Lagerungen der Nadel an mehreren
Stellen. Bäumler hat das Verfahren in einem Falle angewendet
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
und zwar in einer grösseren Zahl von Sitzungen. Die Technik
ist einfach und gefahrlos. Die Geschwulst hat sich zusehends
erheblich verkleinert und Patient lebt noch.
Herr Ewald-Berlin erinnert daran, dass schon vor mehr als
20 Jahren versucht worden ist, die Gerinnung im Aneurysmasack
durch Einleitung eines starken galvanischen Stromes hervorzurufen.
Dabei hat sich gezeigt, dass die Nadel wegen der zahlreich vor¬
handenen Gerinnsel sich oft überhaupt nicht bewegt, und es erscheint
desshalb schwierig, mit Sicherheit die Wand des Sackes zu erreichen
Herr v. Ziemssen-München erinnert an die vorzügliche und
prompte Wirkung des Jodkali zur Linderung der Beschwerden.
Herr Herz* Wien : Insufficientia valvulae ileocoecalis.
Die Ileocoecalklappe besteht aus 2 Blättern, welche ein in
der Norm dichtes Ventil bilden. Redner fand, dass man an der
Leiche im Colon einen hohen Druck erzeugen könne, ohne dass
die Klappe nachgebe. Durch Auflockerung ihres bindegewebigen
Stromas, hauptsächlich bei Potatoren, wird die Klappe undicht.
Diese Insufficienz diagnosticirt Ilerz, indem er mit dem Klein¬
fingerrande der linken Hand das Colon ascendcns comprimirt und
dann mit der rechten Hand die im Coecum enthaltenen Gaze in
das lleum presst, wobei ein lautes Gurren zu hören ist. Hat man
vorher percutirt, dann ist nach diesem Handgriff ein Schallwechsel
sowohl über dem Coecum als über dem Endstück des ileum nach¬
weisbar. Die klinischen Symptome der Ileococcalinsufficicnz sind
Schmerzen über dem Coecum, oder an den Flcxuren des Colons,
Unregelmässigkeiten der Stühlen tlcerungen, Flatulenz und in weiterer
Folge das gewöhnliche Bild der chronischen Dickdarmerkrankungen.
Die Therapie besteht in Abführmitteln, Elektricität und Massage.
Herr Honigmann - Wiesbaden: Beiträge zur Kennt-
niss der Resorptions- und Ausscheidungs-Vorgänge im
Darm.
Vortragender berichtet über Stoffwcehscluntersuchungen an
einer Patientin mit Darmfistel, der wegen eines complicirten Reeto-
vaginalabscesses von Dr. K. Roser 1 ,s m vom Ileum und einige
G'cntimeter Blinddarm resecirt worden waren. Die Fistel, aus
der sich der Chymus vollständig entleerte, entsprach daher dem
oberen Theil des letzten Viertels vom Ileum, der Dickdarm war
von der Verdauung vollständig ausgeschlossen. Untersuchungen
wurden zunächst über den Stoffwechsel von Stickstoff
und Fett angestellt. Für diese kam von vornherein in Be¬
tracht, dass wegen des Fehlens der als vis a tergo bei der Ver¬
dauung wirkenden Füllung der untersten Darmtlieile an eine Be¬
schleunigung derselben gedacht werden musste, ferner fehlten
durch die Ausschaltung des Ileums und Dickdarms wichtige resor-
birende Flächen. Die Assimilation von N und Fett wurde in
zwei Reihen geprüft. Bei der ersten erhielt die Patientin 5 Tage
lang eine nur aus Milch, Rahm und Zwieback bestehende Nahrung,
4 die einen sehr hohen Calorienwerth repräsentirte. Es ergab sich
hierbei folgende "Bilanz: N-Einnahme = 82,50 g, N-Ausgabe
im Urin 45,63 g, im Stuhl 9,66 g. Also ein N-Verlust von
11,66 Proc., und von dem aufgenommenen N eine Retention von
27,46 g = 37,71 Proc. Von den eingeführten 752,25 g Fett
wurden nur 20,28 = 2,69 Proc. im Koth gefunden. Bei der
zweiten Reihe, bei der die Nahrung aus Fleisch, Milch, Cacao,
Zwieback, Butter und Kartoffeln, ebenfalls mit hohem Brcnn-
werthüberschuss bestand, wurden von 74,62 g eingeführten Stick¬
stoffes ] 1,74 g im Koth ermittelt, also 15,33 Proc. nicht aus¬
genützt, der Harn enthielt 35,28 g N, so dass von den resor-
birten 62,28 g N 27,5 i. e. 43,9 Proc. zurückbehalten wurden.
Die Ausnützung von 433,3 g Fett war fast vollständig, nur
1,8 = 0,4 Proc. geriethen in Verlust. Es ergibt sich hieraus
zunächst, dass die Fettresorption trotz des fehlenden Ileumtheiles
und der supponirten Beschleunigung der Verdauung vorzüglich war.
Für die relativ geringe N-Ausnützung glaubt Vortragender nicht
nur die Beschleunigung der Verdauung, sondern auch das Fehlen
der resorbirenden Elemente im Ileum und Dickdarm anschuldigen
zu sollen. Im Gegensatz hiezu steht der ungewöhnlich hohe Be¬
trag der zurückbehaltenen N, bezw. die niedrige Zahl des Harn-N.
Vortragender schliesst aus seinen Versuchen, dass in den oberen
Ueumtheilen noch Fett resorbirt werde und dass dem Dickdarm
bei der Eiweissresorption auch eine Rolle zukomme. — Vor¬
tragender hat ferner den Kalkstoffwechsel seiner Kranken
untersucht. Bei der ersten Reihe erhielt sie in der Milch 23,85 g
Nojft.
Kalk, hievon fanden sich im Koth 20,52 g, im Urin 1,10g.
Es wurden demgemäss von dem cingeführten Kalk 86,03 im Koth
gefunden, 4,61 Proc. im Urin ausgeschieden und 9,35 Proc. im
Körper zurück behalten. Aus der Grösse des Hamkalkbetraces
können daher gar keine Schlüsse gezogen werden. Die Lohe Ke-
tentionsziffer des Kalks ist auffallend, weil man bei der seit eineoi
Jahr bettruhenden Patientin eher eine vermehrte Kalkausscheidnni-
hätte erwarten sollen. — Schliesslich hat Vortragender noch die
Eisenresorption geprüft. Die Kranke erhielt vier Tage lang
genau dieselbe Nahrung, in den letzten zwei Tagen dazu Doch
gemessene Mengen von Ferrum citricum. Es ergab sich, dass der
Darm medicamentöses Eisen in grossen Mengen zu resorbiren
vermag.
Herr J. Boas- Berlin : Ueber Asthma dyspepticum.
Das Krankheitsbild des Asthma dyspepticum bei Kindern ist
durch Hcnoch bekannt; die Ansichten über einen ähnlichen
Symptoiucncomplex bei Erwachsenen sind sehr verschieden. Die
Casuistik in der deutschen.Literatur über Asthma dyspepticum ist
gering. Nur O. Rosen hach hat ähnliche Fälle beschrieb«.
Von Frankreich aus sind durch Potain und Parie Beobaeh
tungen von astlmiatoideri Zuständen beschrieben. Der Vortragende
selbst hat 12 Fälle dieser Art gesehen, leichtere und schwerere.
Davon betrelfen einige Lungen- und Herzaffectiouen, andere sind
grössere Magendarmaffectioncn und zwar besonders häufig Atomen
mit Salzsäureüberschuss. Eine sichere Erklärung der Anfälle ist
noch nicht bekannt. Die französischen Forscher nehmen eint
Einwirkung auf den Lungenkreislauf und auf das rechte Herz an.
Andere wie A. Fränkel und Silbermann halten dagegen den
Zustand für eine die Thätigkeit des linken Ventrikels herabsetzende
Refiexneuro.se. Vortragender glaubt, dass diese Erklärung für
viele, aber keineswegs für alle Fälle zutrifft.
Vielmehr kommt für einzelne Fälle auch einfache Kmpor-
drängung des Zwerchfells in Betracht. Von Albu stammt die
Anschauung, dass es sich um Autointoxicationszustände handelt.
Boas spricht sich mit Rücksicht auf die chemischen Befunde in
seinen Fällen dagegen aus.
Herr K e 11 i n g • Dresden : Beiträge zur Untersuchung
der Speiseröhre.
Vortragender weist darauf hin, dass die Schluckgeräusche
zur Diagnose von Oesophagus-Neuroscn benutzt werden können,
wenn nämlich nach dem Trinken von kaltem Wasser das Geräusch
gegenüber' dem Trinken von warmem Wasser verzögert eintritt.
Redner hat seine Experimente zur Symptomatik von Cardia-
gesehwüren vorgenommen. Einfachstes Mittel zur Diagnose ist
eine Schwammsonde.
Dann demonstrirte Vortragender drei neue Apparate.
1. Apparat für Wachsabdrückc von Stricturen.
2- Caehirte Sehwammsonden zum Entnehmen von Gcwebs
Partikel von Stricturen zwecks mikroskopischer Untersuchung.
3) Photographische Sonde für den Oesuphagens. Proben von
Abdrücken und Photographien wurden vorgezeigt.
Herr Rosenheim - Berlin : Ueber Oesophagoskopie
und Gastrokopie.
Rosen heim demonstrirt sein Ocsophagoskop, bespricht
kurz die Methode der Einführung und Untersuchung und hebt die
Einzelheiten hervor, durch die sein Verfahren sich von dem seiner
Vorarbeiter unterscheidet. Modificirende Vorschläge, die nach
träglich von verschiedenen Seiten gemacht worden sind, z. B. wo
Kelling und Störk, glaubte Rosenheim nicht annehmen w
können, da sie für ihn keine Verbesserungen darzustellen scheinen
In Betreff der diagnostischen Verwerthbarkeit der Oesopbäg®
skopie werden die Ergebnisse für die frühe präcise Diagnose des
Carcinoms betont und als neues Moment für die Differential
diagnose zwischen Divertikel und Neoplasma erwähnt, dass bei dem
erßtcren in dem oesophagoskopischen Bilde neben dem blassen Schleim
hautwulst, gegen den der Tubus andrängt, ein Eingang in ie
Strictur nicht auffindbar ist. Was die therapeutischto
Resultate der Oesophagoskopie betrifft, so sind besonders die - r
folge bei Fremdkörperretention zu erwähnen. Kosenhe 1 ®
hat oberhalb von Stricturen wiederholt Fremdkörper und Nabrungs
rcste, die das Schlucken erschwerten, rosp. unmöglich macht*® -
auf diesem Wege zu entfernen vermocht. Er empfiehlt hier e
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.29. September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Anwendung der Zange oder die Ausspülung der Speise¬
röhre im Tubus. Ein anderes Vorgehen, das durch die Oesophago-
skopie häufig schonender und sicherer, bisweilen durch dieselbe
überhaupt erst ausführbar wird, ist die Sondirung; es gelte
als Regel, dass man keine sogenannte impermeable Strictur, mag
es sich um eine gutartige oder bösartige handeln, eher dem Chirurgen
zur Gastrostomie überweise, als bis man die Sondirung im Oesopha-
goskop versucht hat.
Alsdann demonstrirt Rosenheim sein neues Gastroskop,
das das früher beschriebene Modell vollständig ersetzen soll. Das
neue Instrument hat nur 10 mm Durchmesser und keinen Kühl¬
apparat, es leistet für die Besichtigung des Magens mindestens
ebensoviel wie das andere. Ein entscheidender Vorzug bei dem¬
selben ist, dass das Prisma 2 cm tiefer in dem Magen
steht, als bei dem früheren Modell möglich war; dadurch wird
die Umschau in dem Organ erleichtert, auch wird es nicht mehr
nöthig, die Aufblähung in dem Maasse zu forciren, als es bei
dem früheren Modell nöthig war. Trotz dieser Vervollkommnung
und Vereinfachung der Methode soll die Anwendung der Gastro¬
skopie nur auf eine Minderzahl von Fällen beschränkt werden,
bei denen wir auf anderem Wege das Leiden nicht ergründen
können, bei denen aber eine rasohe Klarstellung behufs Vornahme
einer Operation dringend erwünscht ist. Denn umständlich genug
ist das Verfahren immer noch und es erheischt die denkbar
grösste Vorsicht in der Auswahl der Fälle.
Zum Schluss wird noch eine Beobachtung von diagnostischem
Werth mitgetheilt. Als vorbereitende orientirende Untersuchung,
die der Gastroskopie stets voranzugehen hat, hat Roseuheim
die Einführung einer 10 mm Stahlsonde mit Gummi-
ansatzstück in Rückenlage empfohlen; erzeugt ein gelinder Druck
mit dem Instrument an der Cardia einen heftigeren Schmerz, so
darf man annehmen, dass ein ulceröser oder carcinomatöser Process
an der kleinen Curvatur nahe der Cardia besteht, wenn der Magen
sonst nicht hyperästhetisch ist. Man kann also öfter durch die
Sondenpalpation localisirte Processe an einer Stelle diagnosticiren,
die der Belastung von Aussen nicht zugänglich ist.
Herr Kelling-Dresden: Die Rosenheim‘Bchen Instrumente
sind im Wesentlichen dieselben, wie sie Mikulicz schon vor 7
oder 8 Jahren ausgegeben hat. (Demonstration.) Kelling hält die
Untersuchung in Narkose bei Kindern, hysterischen Personen und
8olchen, die an die Einführung eines 8chlauches nicht gewohnt sind,
für nothwendig. Leichte Schleimhautverletzungen sind nicht zu ver¬
hüten, aber Gefahr für Perforation ist nicht vorhanden. Für die
Gastroskopie hält Kelling das alte Mikulicz'sehe Instrument mit
dem abgebogenen unteren Ansatztheil für zweckmässiger, als das
gerade Rohr Rosen heim's.
Herr Pariser-Berlin bestätigt die Ausführungen des Vortra¬
genden und bemerkt im Gegensatz zum Vorredner, dass die Oeso-
phagoskopie im 8itzen viel schwieriger auszuführen sei. Die Narkose
ist unnöthig, da die Untersuchung bei intacter Schleimhaut schmerz¬
los ist. Das OeBophagoskop sei bestimmt, die Behandlung der Stric-
turen in ganz neue Bahnen zu lenken. Sie brauchen nicht mehr
dem Chirurgen überliefert zu werden. Oft gelingt es erat durch
das Oesophagoskop, die8trictur aufzufinden. Mittheilung von Casuistik.
Herr Rosenheim erwidert Kelling, dass ihm das Miku¬
licz ' sehe Instrument wohl bekannt ist. Die Unterschiede zwischen
dem Instrument von Mikulicz und seinem sind ganz fundamentale,
wie Rosenheim das früher bereits ausgeführt hat. Beim Oeso¬
phagoskop hatte Rosenheim das Princip von Mikulicz acceptirt,
aber doch eine Reihe von Verbesserungen dem Instrument gegeben,
die seine Einführung in die Praxis wesentlich erleichtert haben.
Herr Leo- Bonn: lieber die therapeutische Anwendung
von diastatischem Ferment.
Nachdem Leo auf die Bedeutung der Mundverdauung hin¬
gewiesen und empfohlen hat, bei Hyperacidität die stärkemehl-
haltigen Speisen zu Beginn der Mahlzeit au verordnen, spricht er
über die von ihm gemachten Erfahrungen mit der Taka-Dia-
s t a s e. Dies aus dem Aspergillus Pryzae, der zur Maiswürfel-
fabrikation der Japaner dienenden Pilzart, gewonnene Präparat,
welches in Amerika bereits mehrfach angewandt worden ist, zeichnet
sich von dem Ptyalin dadurch aus, dass es noch bei einem höheren
Säuregrad seine diastatische Wirkung entfaltet. Und zwar wurden
bei 5 pro M. noch 60 Proc. Stärke in Maltose umgewandelt.
Leo hat das Mittel (0,1—0,8 pro dosi) in vielen Fällen mit
Vortheil angewandt und empfiehlt es bei mangelhafter Speichel-
secretion (erste Lebensmonate, Fieber, Schrumpfniere etc.), sowie
bei Hyperacidität des Magens.
Section für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Dr. Gottschalk-Berlin.
L Sitzung vom 21* September 1896.
Vorsitzender H. F r e u n d • Strassburg.
Herr Peter Müller -Bern. Ueber Operationen des
prolabirten Uterus.
P. Müller- Bern spricht über Operation des prolabirten
Uterus nach der klimacterischen Periode in Fällen, wo auf jeden
Goschlechtsgenuss verzichtet wird. Er empfiehlt für derartige
Fälle, wo man in der letzten Zeit die Totalexstirpatiou des Uterus
und der Vagina ausgeführt hat, auf die Erstcre zu verzichten
und nur die Totalexstirpation der Vagina auszuführen, den Uterus
einfach in die gebildeten Wundnester zu versenken und die Vaginal¬
wunde zu schliessen. Dadurch wird ein starkes narbiges Septum
gebildet, welches dem Uterus eine genügende Stütze bietet. Die
Bildung einer Hydrometra fürchtet er wegen der grossen Selten¬
heit nicht. Atresien des Uterus nach der klimactcrischen Periode,
besonders bei Prolapsus uteri findet man sehr häufig, ohne dass
dabei der Uterus ausgedehnt erscheint. Der Uterus ist meist
atrophisch, in Folge dessen leicht, drückt nicht stark auf das
Septum; ist die Cervix stark hypertrophisch, so kann dieselbe
abgetragen werden. Als Vortheil der empfohlenen Methode führt
er die Kürze und Einfachheit der Operation und ferner der Umstand
an, dass die Peritonealhöhle nicht eröffnet wird, keine Stumpfbildung
uothwendig wird und die oft bei alten Leuten etwas schwierige
Loslösung des Uterus von der Blase vermieden wird. — Ist die
Frau noch menstruirt, wird aber auf die Cohabitation verzichtet,
so wird der Uterus nicht versenkt, sondern in die Vaginalwunde
eingenäht; er kommt dann in die Narbe selbst, statt oberhalb
derselben zu liegen, für Fälle, wo die Menstruation erloschen, die
Cohabitation aber nicht ausgeschlossen ist, kann man ausser der
Culporrhaphia anterior noch nach einer ausgiebigen Exstirpation
eines viereckigen Lappens ein Vaginalrohr übrig lassen.
Diseussion: Herr Frank-Cöln hat schon früher die extra¬
peritoneale Uterusexstirpation gegen Prolaps empfohlen. Mehr
Nachdruck ist hei der Behandlung auf die Ligirung und spätere
Abtragung des Pelviperitoneum zu legen. Es genügt, den Uterus
herunterzuziehen und darüber mit Gummischlauch zu ligiren.
Herr Löhlein: Die Pyometra nach solchen Atresien ist doch
nicht so selten, wie der Herr Vortragende glaubt.
Herr Asch-Breslau empfiehlt die typische Totalexstirpation
von Uterus und Vagina bei hochgradigem Prolaps, denn nur so
sei mit Sicherheit auch die Retroflexio zu heilen. Die Einheilung
der Ligg. infondihul. pelv. in die Vagina schützt am besten vor
Recidiven, die Möglichkeit der Cohabitation bleibt erhalten.
Herr Freund jr. empfiehlt bei der von ihm zur Heilung der
Prolapse alter Frauen angegebenen Tabaksbeutelnaht, statt Silber¬
drähte dickes Silkworm zur Ligirung zu nehmen und seitlich nicht
zu oberflächlich einzustechen. Er hat unter 7 Fällen nur einen
Misserfolg.
Herr v. Hcrff: Recidive nach der Totalexstirpation wegen
Prolaps sind nicht selten, daun ist man aber schlimmer daran als
vorher. Klinische Erfahrungen sprechen zu Gunsten der vom
Herrn Vortragenden empfohlenen Methode.
Herr Müller (Schlusswort) betont den verschiedenen Er¬
widerungen gegenüber, dass die vorgeschlagene Operation weit
kürzer als die Totalexstiqjation sei, weniger gefahrvoll wegen Nicht-
Oeffnung des PeritonealBackes, Entfalls der Stümpfe, wegen den
Fortfalls der Ablösung der Blase. Sei der Uterus zu gross, könne
man ja die Vaginalportion abtragen.
Herr Fritsch - Bonn: Ueber Tod nach Laparotomie.
Wenn man seit fast 30 Jahren Todesfälle bei Laparotomien
gesehen hat, so ist es wohl selbstverständlich, dass man sich über
die Gründe bestimmte Anschauungen bildet. War doch in jedem
Jahre leider wieder Gelegenheit vorhanden, die gewonnenen An¬
sichten zu prüfen.
Schon Marion Sims widerlegte die alte Anschauung, dass
der Tod die Folge von eitriger Entzündung, von Peritonitis im
alten Sinne, sei. Es war damals, als er bei allen Laparotomien
die Drainage empfahl.
Marion Sims beschrieb schon ganz deutlich da« patho¬
logisch-anatomische Substrat von Dem, was wir jetzt septische
Peritonitis nennen; die Verfärbung de3 Peritoneums, den Blut¬
reichthum der Därme, die Tymp&nie, das blutig seröse, nicht
grosse Exsudat.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
Es wäre aber auch nicht richtig, alle diese Fälle einfach
Sepsis zu nennen. Die antiseptischen und aseptischen Maass¬
regeln sind heutzutage nicht mehr ein Monopol. Jedes Kranken¬
haus, öffentlich oder privat, ist eine Lehr- und Lernstätte der
Antisepsis. Uebertragungen von massenhaften Coccen durch Hände,
Schwämme oder Instrumente, wie sic vor 30 Jahren die Regel
waren, kommen nicht mehr vor. Der beste Beweis dafür ist, dass
überall die Resultate gleichmässig besser geworden sind.
Trotzdessen ist nicht zu leugnen , dass wir nicht am völlig
keimfreien Körper, nicht am absolut stcrilisirtcn Objecte operiren.
So sicher ist unsere Asepsis nicht, wie sie der Bacteriologe bei
seinem Experimente verlangt. Ich erinnere nur daran, dass wir
2 oder 3 Laparotomien nacheinander machen, dass mitten heraus
eine Laparotomirte stirbt, und trotzdessen waren die Verhältnisse
stets die gleichen: die Vorbereitung, die Technik, die Fälle selbst.
Ich erinnere auch daran, dass intra- und extraperitoneal der
Verlauf ein verschiedener ist. Während der Stumpf und das
Peritoneum anstandslos heilt, eitert die Bauchwunde. Und wer
sagen wollte, dass dies auf schlechter antiseptischer Vorbereitung
beruht, den erinnere ich daran, dass manchmal bei dreischichtiger
Naht das Peritoneum und die äussere Haut normal heilt, während
ganz langsam in der Mitte sich eine Eiterung entwickelt, die nach
8—9 Tagen nach aussen durchbricht.
Ist also nicht am absolut keimfreien Object operirt, und ist
der Verlauf local verschieden, so müssen verschiedene Gewebe ver¬
schieden auf die Bactericninvasion reagiren. Und wie bei einzelnem
Gewebe der locale Verlauf ein verschiedener ist, so ist es auch
im Allgemeinen. Verschiedene Menschen haben eine verschiedene
Wahlverwandtschaft zu den Coccen, oder, was dasselbe ist, sind
von verschiedener Widerstandskraft gegen die Coccen, gegen ihr
Wachsthum, gegen ihre Entwickelung.
Noch hat es keine Pestepidemie gegeben, bei der alle Menschen
starben. Bei völlig gleichen äusseren Verhältnissen erliegen nicht
alle Cholera-, alle Typhuskranke.
Ich erinnere auch an die graduell so verschiedenen Fälle,
ich erinnere daran, dass Diphtherie und Cholerabacillen auch bei
Gesunden gefunden sind.
Früher, als wir noch Puerperalfieberendemien beobachteten,
kam immer einmal ein wunderbarer Fall vor, wo bei schwerem
Beginn, bei schwerem Verlauf doch schliesslich die Natur sich
durchkämpfto und unerwartet Genesung eintrat.
Doch es ist nicht nöthig, dass wir uns mit allgemeinen
Redensarten begnügen. Das Organ, das hier das wichtigste ist,
ist das Peritoneum. Im Peritoneum sind die physiologischen
und pathologischen Veränderungen ganz ausserordentlich schnelle.
Ich behaupte, dass z. B. die Zeit der Verklebung hier eher nach
Minuten als nach Stunden zu berechnen ist. Das Peritoneum
resorbirt ganz überraschend schnell. Coccen, welche in das ge¬
sunde Peritoneum kommen, werden, wie in vielen exacten Ar¬
beiten nachgewiesen ist, mit grosser Schnelligkeit unschädlich.
Was ist das nun: sie werden unschädlich? Die Coccen werden
mechanisch fortgeschafft, sie gelangen in den Lymphström und
aus dem Lymphstrom in das Blut. Das normale Blut ist aber
eine ganz ausserordentlich antiseptische Flüssigkeit. Es vernichtet
die Coccen.
Wenn man bei Puerperalfieber eine periphere Infiltration,
z. B. an einem Gelenke cinschneidet, so zeigt jeder Tropfen aus-
gepresster Flüssigkeit, mikroskopisch massenhafte Cocccnkettcn.
Und ein gleichzeitig aseptisch aufgefangener Blutstropfen enthält
keine Coccen. In das Blut müssen aber bei dem Zusammenhang
beider Gefässsvsteme sicher Coccen gelangen. Sie werden aber
im Blut aufgelöst, aufgefressen , aus ihm ausgestossen, oder sie
werden unschädlich und gehen zu Grunde.
Dass aber die Coccen unschädlich werden , dazu ist dreierlei
notliwendig: Erstens müssen cs nicht zu viel Coccen sein. Platzt
ein perityphlitischer Abscess, eine frische Pyosalpinx, wird ein
innen septischer Uterus intra partum zerrissen, so gelangen so viel
Coccen in den Bauch, dass das Peritoneum sie nicht wegzu-
sehnffen" vermag.
Zweitens ist ein normaler Kreislauf, eine ungestörte Circu-
latäöh, ein gesundes Herz nothwendig. Tst. das Herz schon schwach
gewesen, oder schwach geworden, oder hat es seine normale Kraft
nicht bald wieder gewonnen, so besteht eine mechanische Schwie¬
rigkeit für die Fortbewegung der Lymphe und der Coccen in ihm.
Wir wissen aber, dass eine lange Operation, die Chloroformnarkoae,
Blutverlust und Abkühlung die Herzkraft schädigen. Vielleicht
kommt auch der Haemoglobingehalt und die chemische Beschaffen¬
heit des Blutes bei der bacterientödtenden Wirkung des Blutes
in Betracht.
Drittens muss die Function der Gewebe, hier des Peritoneums
normal sein. Ist dies nicht der Fall, so bestehen eine Anzahl
peripherer Gefahren, die wohl ein starkes Herz überwindet, die
aber bei schwachem Herz eine bedenkliche Höhe erreichen. Zwischen
den peripheren und centralen Gefahren besteht ein naher Zu¬
sammenhang. Wir wissen, dass seit altersher ein schwacher, ab¬
dominaler Puls für pathognomonisch bei Peritonealaffection ge¬
golten hat.
Die älteren Collegen werden sich noch erinnern, dass der
Verlauf der vaginalen Totalexstirpation trotz langer Dauer, trotz
grossem Blutverlust ein überraschend besserer war als bei Laparo¬
tomie, als bei der Freund' sehen Operation.
Der Grund liegt vor allem darin, dass das Peritoneum
während einer vaginalen Operation in seinen physiologischen Ver¬
hältnissen verbleibt. Es ist nicht durch Abkühlung, nicht durch
Luftcontact, nicht durch Veränderung der Druck Verhältnisse ge¬
fährdet. Die Verletzung und Abkühlung hat viel weniger Be¬
deutung als der Luftcontact und der veränderte Druck nach der
Eröffnung des Abdomen. Wir können oft den schädlichen Ein¬
fluss des Offenstehens der Bauchhöhle direct sehen: die Gefäss-
erweiterung, die Stauung, die Circulationsstörung. Bei diesem
Vorgänge leiden ohne Zweifel auch die Schichten unter dem
Peritoneum: die Musculatur und die Schleimhaut. Die Peristaltik
wird schwach und hört auf. Die Schleimhaut fungirt und resorbirt
nicht. Viele Gase bilden sich, und werden nicht fortgeschafft.
Es entsteht Ueberdruck im Darm. Die Darmwand scheint dabei
sogar für den Inhalt durchgängig zu werden. Es ist dies nicht
wunderbar, bei Stauung treten sicher weisse Blutkörperchen aus.
Mit ihnen, in ihnen, neben ihnen, gewiss auch Darmbactcrien.
Die Schädigung des Peritoneums ist eine noch grössere,
wenn in roher Weise mit ungeeignetem Material, durch lange Zeit
hindurch die Därme geschunden, gedrückt, gezerrt werden; durch
Das, was man früher die Toilette der Bauchhöhle nannte, odjr
wenn, wie es früher geschah, Ohemicalien in die Bauchhöhle ge¬
langten. Dann erreichten, auch ohne directe Infection, die peripherm
Gefahren eine bedrohliche Höhe.
Den so entstehenden Circulationswiderständen ist das schwacl e,
resp. das geschwächte Herz nicht gewachsen. Vielleicht ist üb r-
haupt die Resorption nur möglich, wenn die Druckvcrhältnii ie
normal, d. h. die Bauchhöhle geschlossen ist.
Nicht zu vergessen ist, dass zufällig in die Bauchhöhle ei
der Operation gelangte Coccen oder Darmbacterien, die sonst res r-
birt werden, unter diesen Umständen die günstigsten Bedingunj n
zum Wachsen finden: Nährmaterial, todte Räume, Gewebe ’ «
herabgesetzter Vitalität. Die letzte Consequenz dieser mechaniscl -o
zunächst nicht infectiösen Vorgänge ist Heus und Darmlähmu ;,
beides Ereignisse, die ohne jede Infection, allein durch locale ' d
allgemeine Herabsetzung der Vitalität, durch Störung der Funci g
des Peritoneums und durch Herzschwäche als Folge langdauerr jr
Operation ein treten können.
In der Regel gewinnen die bei der Operation geschwäcl n
Därme nach Schluss der Bauchhöhle, also nach Wiedereintr n
der physiologischen Verhältnisse ihre Gesundheit bald wie r.
Aber die leichten, ilcusartigen Erscheinungen nach schweren i-
parotomien beweisen die Functio laesa des Peritoneums.
nach 24 oder mehr Stunden wird die Darmfunction wieder v g
normal. Ist daher das Herz kräftig und der Puls normal k>
besteht keine Gefahr. Aber bei schwachem Herz, schnellem ls
stellt sich oft die normale Darmfunction nicht wieder her.
Wir zeigten also, dass ganz abgesehen von Infection, nan t-
lich zwei Ursachen, die in engem Zusammenhänge stehen: I '•
schwäche und die Schädigung der Peritoneal- und Darmfunt >,
gefährlich sind. Also nicht ausserhalb des Körpers liegt die >
fahr, sondern innerhalb. Nicht die Vermeidung der Infcctio *t
das allein wichtige, wie es gewöhnlich dargestellt wird, uoi 11
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29- September 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
936
auch die Erhaltung der allgemeinen und localen Widerstandskraft.
Die Laparotomirten sterben nicht, weil sie septisch
werden, sondern sie werden septisch, weil sie
sterben, oder während sie sterben.
Erlauben Sie mir noch einige praktische Bemerkungen zum
Beweise für meine Anschauungen beizubriugen.
Lawson Tait, Koeberle u. A. haben nie Antisepsis
angewendet. Namentlich der Erstore hat wenigstens dieselben
guten Erfolge, wie die strengsten Antiseptiker. WesshalbV Weil bei
technisch vollkommenem, d. h. schnellem, schonenden Operiren die
peripheren und die centralen Schädlichkeiten so gering sind, dass die
allgemeine und locale Vitalität nicht wesentlich herabgesetzt wird.
Jeder von uns hat Aehnliches bei seinen eigenen Operationen
beobachtet. Ich meine hier nicht eine allgemeine Statistik, sondern
eine eigene Statistik des Einzelnen über seine schwierigen, lang¬
dauernden Oj>erationen, z. B. die Myotomien. Als Schröder
bei Ovariotomien 4 Proc. Todesfälle hatte, betrug seine Mortalität
bei Myotomien 33 '/s- Wesshalb? Die Antisepsis war ja die gleiche!
Aber die Dauer der Operation, die peripheren und centralen Gefahren
nahmen bei den grossen, schwierigen Operationen erheblicli zu.
Bei jedem Einzelnen wird die Statistik allmählich besser,
sobald er, was ja natürlich auch gelernt sein muss, besser operiTt.
Nun kommt allerdings die moderne Selbsttäuschung! Es bildet
sich bei Jedem ein bestimmtes Verfahren heraus, das erprobt, ein-
studirt und technisch vollkommen beherrscht wird. Bei dem speciellen
Operateur ist dies Verfahren ein typisches geworden, bei dem keine
Sccunde Zeit verschwendet wird, kein Griff überflüssig gemacht
wird. Diese technische Vollkommenheit ist die Ursache der besseren
Erfolge, mit denen sie coindicirt. Dann erklärt der Operateur
sein Verfahren für das principiell richtige. Seinem Temperament
nach bekämpft er jede andere Ansicht mit mehr oder weniger
heftiger Polemik. Ja für ihn ist gewiss sein eingeübtes Verfahren
das beste, ob für Andere, fragt sieb. Denn nicht das Verfahren
au sich sichert die guten Erfolge, sondern die Einübung auf das
bestimmte Verfahren. Desshalb sind ja auch schliesslich überall
die Resultate bei sehr verschiedenen Methoden glcichmässig bessere
und gute geworden. Eine allgemeine Statistik ist mir — um
die Vorzüge eines Operationsverfahrens zu beweisen — desshalb
ziemlich werthlos. Viel lehrreicher muss für Jeden die eigene
Statistik sein. Und wer zu wenig Material hat, um eigene Statistik
zu machen, der soll sich streng an die Vorschriften Dessen halten,
dem er ein gutes Urtheil zutraut, aber er soll nicht bei jedem
Falle neue Methoden, um originell zu sein, erfinden.
Noch möchte ich hinzufügen, dass man, abgesehen von allen
theoretischen Auseinandersetzungen, auch klinische Beobachtungen
für meine Anschauung verwerthen kann. Der Verlauf ist in
ungünstigen Fällen folgender: Die Kranke wacht schon nach der
Operation mit Beängstigung auf. Die Athmung ist etwas erschwert,
was oft auf den festen Verband geschoben wird. Dabei wird
sonst der festeste Verband ganz gut vertragen. Das charakte¬
ristische Symptom ist die Herzschwäche, der schnelle, schwache,
abdominale Puls, der ja für pathognomonisch gilt. Das Abdomen
ist aufgetrieben, das Gesicht ist blass, es besteht Durst, Erbrechen
ist häufig. Die Temperatur ist normal. Die Tympanitis nimmt
zu. Der Puls wird immer schlechter.
Meine Herren! Das sind Ileussymptome. Aber es ist kein
Ileus, jedenfalls kein obstructiver. Das sind peritonitische Er¬
scheinungen, aber es ist keine eitrige Peritonitis. Denn es fehlt
Fieber und Druckempfindlichkeit. Das ist auch keine Sepsis, das
Sensorium ist frei. Dass Sepsis ohne Fieber vorkommt, ist ja
sicher. Aber diese Fälle, von denen ich spreche, gehen oft in
Heilung über. Mit und ohne geeignete Therapie hören die be¬
ängstigenden Symptome auf. Blähungen gehen ab, der Puls wird
gut, die Gefahr ist vorüber.
Ist das nicht der Fall, so kommt es am 2. oder 3. Abend
zu leichtem Fieber, das sub finem vitae zunimmt. Dann freilich
werden vor dem Tode die Patientinnen septisch. Jedenfalls aber
ist das wichtigste Symptom die Herzschwäche, nicht das Fieber.
Sind meine Anschauungen richtig, wenigstens für manche
Fälle, so ziehen wir daraus folgende Schlüsse für die Praxis: bei
geschwächtem oder schwachem Herzen, bei Thrombose nach Pneu¬
monie, nach Influenza etc. soll man nicht operiren sondern warten.
Vor der Operation sind schwächende Vorbereituogscuren,
zu kühle Bäder, Hungern, starke Abführmittel contraindicirt. Die
Technik muss eine gute, die Nachbehandlung eine sehr sorgfältige
sein. Magenspülungen, warme Klystiere, Roborantien subcutan,
Chinin etc. bekämpfen die Schwäche.
Meine Herren! Es gab noch vor 30 Jahren Chirurgen der
alten Schule, die als vorzügliche Anatomen und Techniker vor¬
trefflich künstlerisch operirten, und denen alle Kranken starben.
Dann kam eine schroffe Reactlon: die Zeit, Wo Technik, Erfahrung,
Geschick, Kunst, ja selbst anatomische Kenntnisse geradezu ver¬
achtet und belächelt, jedenfalls für nebensächliche Dinge gehalten
wurden. Bei guter Antisepsis erschien dem erfolgfrohen Operateur
jedes Ziel erreichbar. Ob Jemand langsam oder schnell, sorgfältig
oder roh operirte, ob er Erfahrung hatte und die Anatomie ver¬
stand, erschien gleichgiltig. Nur Antisepsis hielt man für nöthig.
Gegen diese Anschauungen muss jetzt die Reaetion eintreten.
Wir müssen betonen, dass gute Technik, Geschick und Erfahrung
sehr wichtig für den Erfolg sind.
Vortrefflich wäre es ja, wenn auch bei uns Gynäkologen end¬
lich die Grundprincipien der operativen Technik, wie in der
Chirurgie bei jeder Operation die gleichen wären. Wenn die
Operationen erst typische geworden sind, wenn die Technik in den
wesentlichen Dingen eiue gleiche ist, so wird die Kenntniss des
bestimmten Verfahrens jeden Zweifel und Zeitverlust verbannen.
Doch dies wird erst nach 30 Jahren der Fall sein. Vor¬
läufig muss sich wenigstens das Princip durchkämpfen, dass es bei
den Erfolgen nicht allein auf das Was, sondern auch r.uf das Wie
ankommt, dass sicher manches Menschenleben zu retten ist, wenn
die Fälle richtig ausgewählt, gut vorbereitet, schonend operirt und
sorgfältig nachbehandclt werden.
Discussion: Herr Hof m ei er fragt den Herrn Vor¬
tragenden, ob er glaube, dass lediglich Insnltirung des Bauchfells
und Darmes Todesfälle verschulden können; er ist geneigt, bei
tödtlich endenden Fällen doch eine Infection anzunehmen.
Herr Mackenrodt empfiehlt rasches, weniger subtiles
Operiren.
Herr Kehrer ist auch für möglichste Schonung des Perito¬
neum, man solle Desinficieutieu und auch die vielen Gazecom-
pressen von ihm und namentlich der Darmserosa fern halten;
namentlich bei Ovariotomien in den Schwangerschaften sind da¬
durch leicht gefährliche Adhaesionsbildungen zu befürchten.
Herr Slaviansky-Petersburg stimmt mit dem Herrn Vor¬
tragenden für die Bedeutung der Herzschwäche.
Herr v. Herff empfiehlt bei Dannatonie nach Laparotomien
die Bauchwand combinirt mit farad. Strom und Massage zu be¬
handeln.
Herr Löhlein ist wie der Herr Vortragende der Ansicht,
dass bei der Laparotomie viel von der individuellen Widerstands¬
fähigkeit abhünge. Die Eigenthümlichkeit des einzelnen Indivi¬
duums sei desshalb in jedem Falle zu berücksichtigen.
Herr Pfanne nstie 1 weist auf die toxische Wirkung des
Chloroforms als Uraache der Spättodesfälle hin; in der Regel
bandelte es sich um langdauernde Operationen.
Herrn Thorn-Magdeburg nimmt an, dass auch in den von
Herrn Fritsch seinem Vortrage zu Grunde gelegten Fällen leichte
Infectionen im Spiele seien; es sterbe keine Frau an Darmatonie
ohne Infection.
Herr v. Wil d-Cassel weist auf die thierexperimentellen Unter¬
suchungen Reichel’s über die Resorptionsfähigkeit des verletzten
und intacten Bauchfells für Mikroorganismen hin.
Herr v. Herff hält Herrn Thorn gegenüber aufrecht, dass
Darmlähmung den Tod nach Laparotomie bedingen könne.
Herr Hof meier weist ebenfalls anf die Arbeiten Reichel’s
hin, der gezeigt habe, dass Infection aussen am Peritoneum nicht
sichtbar zu sein brauche und doch vorhanden sein könne.
Herr Kiefer weist darauf hin, dass bei" der Darmlähmung
nach Laparotomie Tod an Autointoxication erfolgen kann; eine
frische Infection sei nicht nothwendig.
Herr Freund sen. ist auch für das Individualisiren bei der
Laparotomie; es sei mehr die Disposition des zu operirenden
Individuums in’s Auge zu fassen. Solche schlechte Disposition sei
der Infantilismus; infantile Genitalien mit Defecten am Gefäss-
system und an den Nieren.
Herr Löh lein stimmt Herrn Freund darin bei.
Herr Fritsch: Grosse Uebung im Operiren falle in’s Gewicht,
bei Darmatonie könne man mit Magonausspülungen, Weinklysmen,
Chinin, Bauchmassage manchen Erfolg erzielen, Seine Annahme,
dass aus dem geblähten Darme mit den weissen Blutkörperchen
auch Darmbacterien in die Bauchöhle auswandern können, sei
zwar eine Theorie, die aber sehr wahrscheinlich sei. Diese Kranken
werden septisch, indem sie sterben, nicht vorher.
(Fortsetzung folgt)
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986
■"ASsfsfiWS- sar
«sÄt-t 1 ; wä •'
(Fortsetzung.)
Dritter Verhandlungstag
(Donnerstag, 6. August 1896.)
MÜNCHENER MEOICtmäCHEJTOCHBNSCHR^
No. 39.
^i/v****'-*-—o, _ —
, Tnhnrculosis mit Hautaffec-
0 ° , Za t““ e “ mH Au.schlu». von Lupus vulguris.
und 3. Dr. RuMUh 0r “ c lt r '^“eine prim«. uud socundäre
Wien bruusM. Mich»'«**‘'S. Um.ted er-
liebes klinisches Bild, ab « r s lä st_^ TuberkelbaciUen allein die
klären, dass nicht m jedem . sondern dass noch zu den-
die histologischen Bedingungen deBjen g Kö P cl ^ Bification
TuberkelbaciUen mvahirt wird. H entwirn^ ^ natürlich
aiCl^!*Ä. ta di? drei .olgenden Gruppen
” M 1 ri EtStaen. die durch ein. primäre oder secundüre In
fecti i ä'i'ä Er-** Ä Ä
SiKÄÄ Ä ÄÄÄ
” reg “ 3 r . SSÄ rH.*, die etwa auf meiastetUchem Wege
“ "E^taSS» Categorie nennt der Tortragende die folgenden
klinisch bezeichnten Krankheiteformen der Haut.
1. Verruca neurogenica. p-u«„«
2. TuberculosiB verrucosis cutis (Riehl und Paltauf).
3. Tuberculosis papillomatosa cutis (Monow).
4. Fibromatosis tuberculosa cutis (Riehl).
5. Elephantiasis tuberculosa cutis.
6. Tuberculosis cutis ulcerativa (Chian).
7. Tuberculosis gummatosa uloerativa.
8! Lymphangitis tuberculosa ulcerativa.
9 Tuberculosis cutis serpiginosa ulcerativa.
10. Tuberculosis cutis fungosa.
H. Tuberculosis nodosa atrophica.
L Lupi^erythematosus. Dazu müsse noch bemerkt «erden,
dass Lupus erythematosus in nicht tuberculösen Individuen beobachtet
wird, und dass die Ursachen seines Zustandekommens bis jetzt
noch nicht aufgeklärt sind. Ferner: Lupus eryttematosns kommt
freilich bei tuberculösen Individuen vor und die Wahrscheinlichkeit^
dass hier zwischen der allgemeinen Tuberculosis und Lupus erythe¬
matosus ein engerer Zusammenhang besteht, eine sehr grosse ist.
2. Erythema induratum scrofulosorum.
3. Lichen scrofulosorum. , 1TT „ .
4. Tuberculosis suppurativa et bullosa acuta (Hallopeau).
6. Ulcus molle bei Tuberculosis.
In der dritten endlich nennt H.
1. Neurodermites.
2. Erythema pemiciosum.
3. Seltene Fälle von Ervthema multiforme.
4. Einige Fälle von Melanoderma.
6. Die Bogenannte Purpura cachectica.
H. Hallopeau (Paris). Ob ein Hautleiden tuberculöser
Natur ist oder nicht, kann aus den folgenden Punkten entschieden
werden:
I. Durch den Nachweis typischer Bacillen.
2. Das Resultat der Inoculation im Allgemeinen und der weiteren
Fortimpfung. • , . ,
Von der Virulenz der TuberkelbaciUen hängt es ab, ob sich
eine ulcerative, suppuraüve, uiceröse Laesion der Haut entwickelt;
die Form der Erkrankung wiederum hängt davon ab, in welchen
Elementen der Haut die ebengenannten Bacillen sich ansiedeln.
Es wird natürlich ein ganz anderes klinisches Bild auftreten, wenn
die Tuberkelbacillen zuerst in den Papillarkörper, die Lymph-
drüsen etc. gerathen. So entsteht der Lupus verrucosis, wenn die
Papillarkörper der Haut tuberculös erkranken. So entwickeln sich
die gummösen Geschwüre, wenn daß Lymphsystem zuerst von den
Bacillen durchseucht wird. Verschiedene Krankheitsbilder der Haut,
die durch Knötchenbildung sich auszeichnen, und demnach in ihren
äusseren wie histologischen Erscheinungen den Tuberculösen nahe¬
stehen, werden von den Letzteren nur aus dem Grunde getrennt,
,« . denselben bis jetzt noch keine TuberkelbaciUen ge-
7 eil , ma ™ e s scheint aber nicht ganz richtig zu sein. Und
funden hat. Die Kranke oft auf Tuberculin-Injectionen zu
die Thatsache, ^ boä Knmke ott am Krank J helt8 , ormeil
reagiren pflegen, ferner dass der ven ße Form defJ Hant .
an den Lupus vOT . te aufweisen, spricht doch sehr dafür,
Fom^Riehl und Paltou^ur ^ l üg0 rod ens ist durch Gaucher
nie zuDereuioo gezeigt, dass die sogenannte
nachgewesen wor . ^ Tu b e rculose ausarten kann. Hallopeau
supperatlve Foliicuhti. to weD j Experimente, di. darin
verrichtet H. vorder-
-sä Marss ä.
C das von ihm Behauptete zu Ulustnren.
äs
lösen Hauterkrankungen lassen sich kurz in folge
““TrSSiolta h.t die Eigen.eh.ft eine, locrien chemiBch«
t SSÄÄ
schwinden, verhindern allerdings nicht weitere Recidive^
Wickham (Paris): Ueber Lupus erythematosus und
Erythemformen, die einen .tat» Oterito
aufweisen werden bei tuberculösen Individuen beobachtet. ■
machte jüngst eine sehr interessante j^imhtung, ^
“STÄ SÄÄ :ä
Scarificatio'n'in ^pSTryth°SnSrt W1 ckh.o ein
brauchbares Instrument für diesen Zweck. p , .
Andry (Toulouse) berichtet über einen Fall Ton Ecz6m
über Rinr^-
Erkrankungen leitete Sabouraud ein Beu ue
diesen Gegenstand sind so ^k^t und von vemchwekTwedwum
speciell Rosenbach, so eingehend gewürdigt, thm'wuee n
bestritten, theilweise bestätigt, so dass . wl , £„ se j noch
dürfen, auf seinen Vortrag hier weiter emzugehen. Es s
hier zugefügt, dass Vortrag wie Demonsteatten äusseret^ie^^
war und in diesem Sinne aueh von der anwesend
^iTsTSbT^Ätingen)
R.’s, die auf die tieferen, eiternden Formragen^tetwaren,^^
von der Cultivirung der Pilze auf Nährboden au . , deB mr
legung der Cultur diente Bomllon-Pepton-Agar als Nähr
weitern Maltose Pepton-Agar (Sabouraud s MethtKle). ^
Malcolm Morri. (London) Zunächst geht d e [ ^ er18 ,
die hierhergehörigen Arbeiten von Sabouraud^ Les e, ;bt
Mibelli, Rosenbach “d Kr ö sing eingehend
ausführheh die Methode, deren er sich bei den Untm
und bei Anfertigung der Präparate bediente. Wh wollen ^
hier bemerken, dass Malcolm Morris K anz . wollen wir
auf die sogenannte Färbemethode legt. Auch» ^ e
hier hervorheben, dass seine Untersuchungen ffl weniaer als
Zahl von 126 Kranken erstreckt, und in nicht weni^
116 Fällen diente vornehmlich zur Untereuchung das Kop ^
Kindern). In 92 Proc. gehörte der gefundene«fl* ^
Species an, die sich durch kleine Sporen auszeichne , Ortung
übrigen 10 Kranken der der grossen Sporen NaA di««^
hin steht Morris’ Statistik, d» also da* Vorkommen
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29. September 1896- _MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
genannten Faiasiten in dieser Erkrankungsform auf 92 Proc ver¬
anschlagt, im Gegensatz zu Sabouraud’s Statistik, die nur GO Proc
“fS'bt. Morris' Statistik wiederum, die or für London entwirft,
“ aber dafür in vollem Einklänge mit den Berechnungen für
Edmburg, wie sie Jamieson, Adamson und Colcott aufgestellt
haben. In Italien und Deutschland, führt M. fort, scheint das Vor¬
kommen dieser Parasiten noch seltener als in Frankreich zu sein.
Dafür sprechen eben die Beobachtungen von Mibelli undKrösing.
Culturen der ersteren unterscheiden sich wesentlich von der der
letzteren Species und als besonderes differentielles Mittel zwischen
den beiden Species betont M. das vorschiedene Aussehen derselben.
Die erstere Species bietet eine weisse, die letztere eine braunrotho
Farbe. Obwohl der Autor Sabouraud's Doctrine, die das Vor¬
kommen der ersteren Species von Parasiten auf die Kopfhaut allein
verlegt, beipflichtet, so bestreitet er doch wiederum die von S. auf¬
gestellte Multiplidtät der zur letzteren Species gehörigen Parasiten.
Eine interessante und wohlgplungene Demonstration hierhergehöriger
Präparate mittelst des Beleuchtungsapparates vervollständigte den
Vortrag.
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.—31. Juli 1896.
(Fortsetzung.)
VII.
Section für Pathologie und Bacteriologie.
Der Vorsitzende der Section: Sheridan De 16pine■ Victoria
University, Manchester, eröffnete die Reihe der Vorträge mit einer
Ansprache, worin er sich über den medicinischen Studiengang und
den Platz, den die Pathologie in demselben einnimmt, äussert. Er
betont die Wichtigkeit, welche dieselbe in allen ihren Zweigen als
Ergänzung des theoretischen nnd klinischen Unterrichtes besitzt.
Wie bei uns, so hat sich auch in England das Bedürfniss heraus¬
gestellt, die Prüfungsordnung zu ändern, aber nicht bloss das
Examen, sondern auch der Unterricht soll eine Umgestaltung erfahren.
Er verlangt «weniger Vorlesungen, mehr praktische Curse», will
aber dabei die wissenschaftliche Ausbildung des Arztes nicht ver¬
nachlässigt wissen, weil nns diese allein eine sichere Grundlage,
wie einen freieren Blick und höheren Standpunkt gewährleistet.
Hamilton unterstützt den Vorredner und wünscht zum Zwecke
einer systematischen Ausbildung die verschiedenen Disciplinen der
Pathologie, pathologische Anatomie und Histologie, Bacteriologie
und der einschlägigen Capitel der Chemie in der Hand eines
Lehrers vereint.
Von den zur Discussion gestellten Thematas betraf das erste
die Pathologie des Morbus Basedowii.
George Murray constatirt, dass die Symptome von Seiten
des Herzens meiBt secundärer Natur sind, während die das Nerven¬
system betreffenden sich durch grosse Unregelmässigkeit auszeichnen.
Die Sympathicustheorie fusst auf ungenügender anatomischer Basis,
wohingegen nach seiner Ansicht die Fi lehne'sehen Experimente
an der Medulla ehec zum Ziele führen, wofür auch der von Mann¬
heim kürzlich veröffentlichte Fall zu sprechen scheint, in welchem
die Symptome des Basedow wenige Tage nach dem Eintritt einer
bnlbären Haemorrhagie zur Beobachtung kamen und mit Stillstand
derselben wieder verschwanden. Thatsache ist, dass, wieMoebius
angibt, neben den fast in keinem Falle fehlenden Laesionen des
Rückenmarks stets eine Veränderung in der Structur der Thyreoidea
nachgewiesen werden kann, was auf eine directe Betheiligung
der Drüse schliessen lässt. Murray demonstrirt dementsprechend
Präparate und behauptet, dass die Symptome der Krankheit eine
Folge der vermehrten Secretion der Drüse und vermehrten Resorption
der Producte derselben durch den Organismus sei.
Horsley bezweifelt die Richtigkeit der aus den Fi lehne’-
sehen Experimenten gezogenen Schlüsse und weist auf die Aebnlich-
keit der mikroskopischen Bilder beim Basedow und der compen-
satorischen Hypertrophie hin. Seine Ansichten stützen sich auf
die Untersuchungen von Edmunds und Abram.
Des Weiteren folgte ein sehr interessanter Vortrag von Prof.
Calmette vom Institut Pasteur-Lille:
Schlangengift und antivenenöses Serum.
Durch Erhitzen auf 85® C 15 Minuten lang wird aus jeder
wässerigen Lösung eines Schlangengiftes das Albumen ausgefällt und
die phlogogenen Substanzen zerstört, während die Toxicität voll¬
ständig unverändert bleibt. Alle Schlangengifte zeigen nach diesem
Verfahren und Filtration dieselben Eigenschaften und unterscheiden
sich nur durch den Grad ihrer Giftigkeit. Ebenso werden alle un¬
schädlich gemacht durch die Hypochloride der Alkalien und Gold¬
chlorid, speciell empfohlen wird eine 2 proc. Lösung von Calcium¬
hypochlorid zur localen Behandlung der Schlangenbisse. Durch
einen der Darstellung des Diphtherieheilserums ähnlichen Process
wurde ein Serum dargestellt, welches in der Dosis von ‘/z ccm eine
halbe Stunde nach der Impfung mit einer letalen Dosis von
Schlangengift einem Kaninchen injidrt, den Tod des Thieres ver
hindert. Zwei mit Erfolg angewandte Impfungen an Menschen, je
10 ccm Serum, werden angeführt.
Fraser-Edinburgh ist der Ansicht, dass durch das antivenenöse
Serum im Blute selbst chemisch antitoxisch wirkende Substanzen
erzeugt werden.
Bokcnliam demonstrirt seine Methode der Darstellung und
Prüfung des AntidiphtherieserumB.
W. B. Ransom und Vaughan Harloy lasen alsdann über
Gallenfisteln und Urobilin, Goodbody über die Wirkung des
Lysidin und Piperazin.
In der nächsten Sitzung brachte J. Haldane-Oxford eine
Mittheilung über Pathologie der Kohlenoxydvergiftung.
Lin Referat über diesen bereits anderwärts gehaltenen Vortrag
findet sich in No. 82, pag. 7t>3 dieser Wochenschrift.
Eine weitere Discussion betraf:
Die Streptococcenerkrankungen.
Sims Wood he ad-London betont zunächst die ausgedehnte
Verbreitung des Streptococcus, welche ihn als aetiologischcn Factor
in so vielen Krankheiten erscheinen liess, während er nach den
neuen Forschungen für eine grosse Zahl derselben, z. B. die Diph¬
therie, nur von Becundärer Bedeutung ist, in anderen nur in Gemein¬
schaft mit anderen Mikroorganismen, z. B. dem Bacillus coli
communis auftritt. Man unterscheidet sechs verschiedene Varietäten
desselben, durch Cultur (Marmorek'sche Methode) lassen sich ver¬
schiedene Virulenzgrade darstellen, ähnliche Unterschiede werden
auch am lebenden Organismus bedingt sein. Der Streptococcus
existirt in zwei Lebensformen, einmal als Saprophyt, wobei seine
ganze Energie nur auf die Fortpflanzung gerichtet ist, und als Parasit,
wo er für seine Existenz kämpfend, Toxine erzeugt.
Alexis Thompson - Edinburgh sprach dann noch über Fibro-
matosis und Tumoren der peripheren Nerven,
R. A. Flemming - Haddington über aufsteigende Degenera¬
tion der peripheren Nerven und die entsprechenden Verände¬
rungen in den Nervenzellen. F. L.
(Fortsetzung folgt.)
III. französischer Congress für innere Medicin,
gehalten zu Nancy vom 6. bis 12. Angust 1896.
(Schluss.)
Arnozan stellte als Referent Uber das dritte Hauptthema,
die prognostische Bedeutung der Albuminurie, nach
eingehender Besprechung eine Anzahl Leitsätze, wie folgt, auf:
1. Unsere gegenwärtigen chemischen Kenntnisse gestatten noch
nicht die genaue Unterscheidung der Eiweisskörper im Allgemeinen,
besonders aber jener im Urin; ausser Peptone und Propeptone
findet man in demselben Serin, Globulin, Nucleoalbumin, aber es
steht noch nicht fest, ob nicht andere Varietäten existiren, deren
jede einem spedellen pathologischen Processe entsprechen könnte.
2. Der Urin einer grossen Anzahl scheinbar gesunder Personen
enthält Eiweiss, das kein Bestandtheil des normalen Urins ist.
3. Eiweiss kann im Urin erscheinen in Folge Verlangsamung des
Blutkreislaufes in den Nieren, in Folge von Veränderungen des Blutes
oder der flltrirenden Membran. Die Blutveränderungen gehen offenbar
in vielen Fällen der Albuminurie voraus, aber man könnte daraus
nur schliessen, dass das normales Eiweiss sei, welches direct in den
Urin übergeht, und es ist wohl möglich, dass die von einem fehler¬
haften Blut ernährte Niere Veränderungen mit konsecutiver Albu¬
minurie bewirkt. Die Entfernung abnormer Eiweisskörper durch
die Niere würde einen wahren, reinigenden Schutzapparat bilden,
dessen Vorhandensein jedoch nichts weniger wie bewiesen ist.
4. Was die Epithelveränderungen der Nieren betrifft, so sind sie
sehr variabel; werden sie entzündungsähnlich, so ist anzunehmen,
dass das Eiweiss von dem Exsudat der entzündeten Filtrirmembran
stammt, wie man es in den Exsudaten aller entzündeten Schleim¬
häute findet.
5. Die Albuminurie ist nur ein unsicheres Krankheitssymp¬
tom, sie unterrichtet uns nur schlecht über Intensität und Extensität
der Affectionen; ihre Menge, ihre Veränderungen sind nur
.von mittel massiger prognostischer Bedeutuug. Der Zustand der
Nierenfunction, d. h. das 8tudium der geformten Elemente und der
chemischen Zusammensetzung des Urins sind von viel grösserer
prognostischer Wichtigkeit. Immerhin ist die Albuminurie von
pntliognomonischer Bedeutung, denn sie zeigt eine Gefäss- oder
Ernährungsstörung der Nieren an und ist daher ein unzweideutiger
Beweis für mangelhafte Function eines Organs, dessen Integrität
für Gesundheit und Leben nothwendig ist.
6. Die Albuminurie bildet, begleitet von Oedem, Störungen
der Herzthätigkeit und uraemischen Erscheinungen, das Krankheits¬
bild der Bright’schen Krankheit, ohne dass es jedoch bei jeder
Albuminurie zu dieser Nierenerkrankung kommt. Das acute Stadium
schwerer fieberhafter Krankheiten ist meist von Albuminurie be¬
gleitet, dieselbe verschwindet im Allgemeinen mit ersterem, aber
verschlimmert immerhin die Prognose; die Sterblichkeit ist in den
von Nephritis begleiteten Fällen stärker.
7. Die Albuminurie complicirt die meisten Vergiftungen und
selbst den lange fortgesetzten Gebrauch vieler Heilmittel, was den
Arzt zur grössten Vorsicht in der Anwendung derselben ermahnen sollte.
8. Oft hat die Albuminurie eine cyklische, intermittirende
Form, indem sie bei Tag auftritt und bei Nacht verschwindet;
ersteres steht damit im Zusammenhang, dass der Kranke mit der
Niere eine grössere Menge schädlicher Stoffe ausscheidet.
9. Die Autointoxication spielt eine wichtige Rolle in der Patho¬
genese der Albuminurie; bei der Magenerwoiterung, Enteritis, Intus-
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MÜNCHENER MEDK'LNISCHE WOCHENSCHRIFT.
N ü. 89
susception, Lebererkrankungen, Ueberanstrengung, bei Brandwunden
u. A. ra. kann die Albuminurie nur durch die Selbstvergiftung erklärt
werden. Mit der Heilung der letzteren kann auch erstere zum
Stillstand kommen; wenn aber bei chronischem Leiden die Störung
in der Urinsecretion zu lange gedauert hat, so bleibt selbst bei
cessirender Ursache die Albuminurie bestehen und es entwickelt
sich eine Nephritis mit chronischem Verlaufe.
10. Der Ursachen, welche ein Fortbestehen der Albuminurie
verursachen, gibt es zahlreiche; vor Allem ungehörige Kost, schlechte
hygienische Verhältnisse und besonders erbliche Belastung Die
Albuminurie geht direct von der Mutter auf das Kind über, und das
Kind, welches von einer mit Albuminurie und besonders Eklampsie
behafteten Mutter geboren wird, ist mehr wie ein anderes disponirt,
den unmittelbaren oder weiteren Folgen einer infectiösen Nephritis
zu erliegen.
11. Die Albuminurie ist oft 'eine Complication des Diabetes;
sie bedeutet nicht eine Besserung desselben, wie man geglaubt hat,
sondern sie kann an dessen Stelle treten, und je mehr der Zucker¬
gehalt abnimmt, um so grössere Zunahme der Eiweissmenge bemerkt
man und um so schlechter wird die Prognose. Bei der Tuberculose
kann die Albuminurie verschiedene Formen begleiten: infectiöse
Nephritis mit langsamem Verlauf, aber unheilbar eben durch die
tuberculöse Natur, oder Albuminurie mit verschiedenen Schwankungen
bei den fiebernden Phthisikern mit Magenerweitcrung und Leber-
vergrösserung.
12. Im Grossen und Ganzen kommen also der Albuminurie
zwei Arten von Ursachen zu: die Infectionen und die Intoxicationen.
Wenn diese Ursachen von Anfang an eine grosso Intensität erreichen,
60 können sie schnell zu rascher Zerstörung der Niere, zu Uraemie
und zum Tod führen; sind sie weniger heftig, so kann die Albuminurie
vorhanden sein, ohne besondere Störungen zu verursachen und in
diesem Falle wird sie, wenn das Grundleiden einmal unterdrückt
ist, ebenfalls verschwinden, vorausgesetzt, dass nicht schlechte
hygienische Bedingungen, ererbte Anlage oder eine zu lange Dauer
die Niere weniger resistent machen und die Entstehung einer
chronischen Nephritis nur begünstigen, welche dann, unabhängig
von den primären Ursachen, sich weiter entwickeln wird.
Talamon, der zweite Berichterstatter, begründet dio pro¬
gnostische Bedeutung der Albuminurie in 5 Hauptsymptomen. Das
sind I die Charaktere der Albuminurie selbst, nämlich die Quantität
und Qualität, ihre chemische Zusammensetzung und deren Variationen.
Eine grosse Monge Eiweiss im Urin ist bloss dann von schlechter
prognostischer Bedeutung, wenn sie in constanter Weise zugleich
mit Polyurie (2—4 Liter) vorhanden ist. Was die Qualität betrifft,
60 ist das Herabsinken des Eiweissquotienten (Verhältnis des Serins
zu dem Globulin) stets von schlechter Bedeutung, ebenso wie bei
einem hellen und sehr durchsichtigen Urin, wenn bei Zusatz von
Salpetersäure sich unter der Eiweisswolke eine violette Indicanzone
bildet, welche bald über das ganze Congulum sich ausbreitet. Die
oft täglichen Schwankungen im Eiweissgehalt haben sicher keine
prognostische Bedeutung.
II. Bezüglich der chemischen Zusammensetzung kann man
sagen, dass bei hohem Gehalt an Harnstoff und gleichzeitiger
Oligurie dio Prognose weniger schwer und die Functionsstörung der
Niere weniger ausgeprägt ist, bei Polyurie relativ grosse Mengen von
Harnstoff einen allgemein befriedigenden Zustand, eine geringe
Proportion desselben aber Neigung zu Cachexie anzeigen. Die figür¬
lichen Elemente (Cylinder) kommen bezüglich der Prognose in ihrem
Zusammenhang mit Albuminurie nur dann zur Geltung, wenn sie
in gewisser Menge und gewissen Formen erscheinen. Die Gegenwart
von Blut in einem eiweisshaltigen Harne bedeutet einfach ein
acutes Stadium, primär oder in Folge eines alten Nierenleidens.
HD Von Wichtigkeit ist die Aetiologie; Albuminurie einfach
fieberhaften Ursprungs kann nur vorübergehend, kann zuweilen
aber auch von schweren Folgen (chronischer Nephritis) begleitet
sein. Relativ gutartig ist auch jene Albuminurie, welche einer
Störung in derCirculation aus mechanischer oder nervöser
Ursache entspringt. Von schlimmerer Bedeutung ist schon die
Albuminurie bei Amyloidniere in Folge chronischer Eiterungen,
ferner bei S y p h i 1 i s und Tuberculose. In einer dritten Gruppe
von Fällen, bei Intoxicationen (Phosphor, Canthariden), hängt die
1 rognose von der Menge des eingenommenen Giftes und von dem
vorherigen Zustand der Nieren ab; bei Bleivergiftung und Gicht von
Uer Dauer der Intoxication resp. der Krankheit.
IV. Die individuellen Verhältnisse (Alter, Heredität) und der
allgemeine Ernährungszustand sind ebenfalls in Betracht zu ziehen
ebenso wie ’
V Etwaige Complicationen (Herzfehler, Nervenleiden u. s. w
All diese Kriterien haben jedoch nicht einzeln für sich, sonder
nur in ihrerGesammtheit eine Bedeutung; nur aus dieser und der
Vergleiche der verschiedenen Anzeichen unter einander kann ma
liotlen, eine möglichst annähernde Schütz.ung über die wirkliche
l'olgen einer Nierenaffection zu erzielen.
T eiss ier-Lyon möchte vor Allem Werth legen auf die Proi
nose der Albuminurie zweifelhaften Charakters, also besonders a.
FolJrnnL inittlr i end f 11 F< T en * auf jene bei Diabetes und di
Folgerungen, die daraus bezüglich der Lebensversicherung und de
kömä e 'l B TÄ ^ zi , ehen Büld - Die cykische Albuminuri
2 n als Vorläufer der Gicht und bei Kindern von Gich
kranken, srn ist gutartiger Natur; 29 solcher Individuen konnte 1
13 Jahre lang beobachten, sie blieben alle- am Leben. Die praetuber-
culöse Album, ist von grösserer Wichtigkeit, sie kann eine granulöse
Nephritis (Imprägnation der Niere durch das Tuberculin) bezeichnen
und damit das Vorläuferstadium einer chronischen Albuminurie sein.
Bei Zuckerkranken kommt Album, in 64 Proc. der Fälle vor und zwar
entweder alternirend oder begleitend (40 Proc.), wobei in der Hälfte
der Fälle die Bright’scbe Niere zum Ende führt, oder substituirend;
letztere Form ist stete sehr schwer und Zeichen einer Nephritis.
Crocq-Bruxelles unterscheidet 6 Formen von Albuminurie;
eino vorübergehende, eine congestivc bei acuten Krankheiten, eine
durch mechanische Stauung entstehende, jene bei Nephritis, bei
organischen Leiden und Bchliesslich dio durch Gifte und Mikro¬
organismen bewirkte. Immer ist es die Epithelabschuppung, welche
überall im Organismus die TransBudation einer eiweisshaltigen
serösen Flüssigkeit bewirkt. Es gibt keine physiologische Albumi¬
nurie, aber eine vorübergehende, wenn das Leiden selbst passager
ist, wenn das desquamirte Epithel sich rasch wieder ersetzt.
Cnrrien - Montpellier • empfiehlt zur Behandlung der
Albuminurie die Bchon früher gebräuchlichen Heissluftbäder;
sie sind den Dampfbädern vorzuziehen, welche zahlreiche Unahn
nehmlichkeiten (Congestionen, unregelmässiges Schwitzen) mit sich
führen und den warmen Bädern, welche keine genügende Schweiss-
secretion hervorrufen. Die Heissluftbäder sollen 2 Hauptindicationen
erfüllen, die Niere durch starke Schweissabsonderung zu entlasten
und den Stoffwechsel zu regulireu; die Dauer eines Bades von 40°
soll ca. 20 Minuten betragen und alle 4 Stunden dasselbe wiederholt
werden. Der Eiweissgehalt wird bedeutend geringer am Tage nach
dem Bad, steigt jedoch später wieder ohne die frühere Höhe Zu erreichen,
und so kann allmählich eine ständige Abnahme und schliesslich
völliges Verschwinden eintreten Diese Bäder sind besonders bei
subacuter und chronischer Nephritis mit Epithelverlust indicirt,
während sie bei der Entzündung des Gefäss- Und Bindegewebe
Systems geradezu contraindicirt sind. —
Lemoine-Lille bespricht die Behandlung der Bronchitis
mit heissen Bädern. Dieselben haben auch prophyladische
Bedeutung, denn sowie ein Kind etwas hustet, die Auscultation nur
wenige Rasselgeräusche ergibt, so kann man nach dem zweiten oder
dritten Bade (von 36—38°, 5—10 Minuten Dauer, alle 3 Stunden
oder wenigstens zweimal täglich gegeben) oft völlige Genesung be¬
obachten. Man kann diese Behandlungsart bei allen Formen ein¬
facher Bronchitis, capillärer Bronchitis, primärer oder seeuudärer
Bronchopneumonie oder croupöser Pneumonie an wenden; selten ist
man genöthigt, die Bäder länger als 3 Tage hindurch zu geben und
von den 63 Patienten (55 Kindern, 8 Erwachsenen), welche dieser
Behandlung unterzogen worden sind, wurden Alle geheilt.
Bose und Pic-Lyon erzielten damit ebenfalls treffliche
Resultate, während Bard und Cassaet mit kalten Bädern resp.
Wickelungen ebenso gute Erfolge hatten, vorausgesetzt, dass sie von
Anfang der Erkrankung an in Anwendung kamen.
Spillraann und Etienne versuchten die Behandlung
der Chlorose mit Ovarin (getrockneten Ovarien) und Ovarien¬
saft, nach Brown-Sdquard zubereitet; bei dreien von den seebn be¬
handelten Kranken war der Erfolg ein sehr günptiger, der Allgei iein-
zustand besserte 6ich, die Blässe nahm ab, die Zahl der wessen
Blutkörperchen hat zugenommen und die, seit 3 1 /* Monaten a 1 sge-
bliebenen Menses kamen einmal 14 Tage nach Beginn der Be) and
lung wieder.
Louis Dubois machte erfolgreiche Ueberimpfungen des
Carcinoma von Menschen auf Thiere, indem er Krebsstücl :hen
mit einem Häkchen herausnahm, zerrieb und ins Zellgeweb der
Thiere injicirte, bei welchen mehrmals Tumoren bis zu 570 g Ge rieht
entstanden. Das Serum dieser Thiere wurde nun zu Heilzw cken
wieder bei Carcinom verwandt; von den 3 behandelten Fälle , wo
es sich um noch wenig ausgedehnte Tumoren handelte, zeigten iner
nach 45 Tagen völlige Heilung, der zweite bedeutende Bess ruug
und der dritte keine Tendenz zur Veränderung.
Denigös und J. Sabraz&s-Bordeaux sprechen übei den
diagnostischen Werth der Lumbalpunction. nt® r
14 Fällen ergab die Punction 8 mal ein positives Resultat, 6 'im®
von acuter Meningitis tuberculosa, 1 Fall von progressiver Ep P® 1 ®
und 1 von Tollwuth. Die Quantität der entnommenen C« bro-
spinal fl üssigkeit schwankte zwischen 1 und 102 ccm, 3 mal i ren
nach der bacteriologischen Untersuchung die Tuberkelbacillen i 58® r ’
ordentlich zahlreich, einmal war dieselbe und die Ueberic lung
negativ, obwohl die Schnitte durchs Hirn später Tuberkelb dien
gezeigt hatten.
Comby bespricht die Behandlung der Chorei m>
Arsenik in hohen Dosen. Von den 12 damit behandelten E dern
waren 7 Mädchen und 5 Knaben im Alter von 5—14 Jahre die
angewandten Dosen waren immer die gleichen, beginnend n 0.0
Arsenik (in wässeriger Lösung) am ersten Tag, auf je zwei S 'd® n
vertheilt, kann man allmählich auf 0,02—0,04 pro Tag steig ““
langsam wieder herabzugehen bis zur ersten Dosis, wo da 1
Cur beendet ist. Ein Kind von 9 Jahren musste zweimal
Cyklus durchmachen und nahm ohne Schaden im Lauf« ine ®
Monats 47 cg Arsenik, während ein anderes nach 23 cg ui
erst 46 Tage nach der letzten Dosis eine Arseniklflhmung ’
von welcher es übrigens geheilt wurde. Lässt man nac
Arsenikgabe Milch nachtrinken, so bleiben die gewöhnlichen g®
dieses Mittels (Erbrechen, Diarrhoe, Kolikanfftlle) beinahe gf aU8,
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29- September 189(1.
31ÜXCTIK NE R M E DTCIN TS CHE WOC11RXSC HRTFT.
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Pie Chorea ist damit in 8 —10 Tagen bemeistert, ja einige Kranke
verhielten ßich schon am dritten, vierten Tage ganz ruhig. Kein
Mittel wirkte so rasch und so sicher, mit Antipyrin in der hohen
Dosis von 3—6 g wichen die schweren Fälle erst in 20, 30 Tagen,
bei einigen musste die Arsenikbehandlung naclifolgen; zu beachten
sind jedoch bei derselben immerhin die Gefahren, welche damit
zusammenliängen.
Mit einer grossen Reihe noch weiterer Mittheilungen verschie-
dentlich casuistischen Inhalts wurden die Sitzungen des Congresses
bereichert und in einer der letzten für den nächsten im Jahre 1808
in Montpellier abzuhaltenden Congress folgende Haupttbemata fest¬
gestellt:
1 Klinische Formen der Lungentuberculose.
2. Die Mikrobenassociationen und die Miscbinfectionen.
3. Die therapeutische Anwendung der Organe mit sogenannter
innerer Seeretion (Organtherapie). St.
X. Oberpfälzischer Aerztetag.
Mittwoch, den 7. October 1896, Mittags 12 Uhr im Gasthof
«zum grünen Kranz» in Regensburg.
Tagesordnung:
I. a) lieber die Schilddrüse; b) lieber die Einrichtung der
congenitalen Hüftluxation. Professor Pr. Gras er-Erlangen.
II. Die bisherigen Ergebnisse der vom vorjährigen Aerztetag
beschlossenen Sammelforschung über die Anwendung des
B e h r i n g’schen Heilserums bei Diphtherie. Referent:
Medicinalrath Dr. Hof mann.
III. Die Vorlagen der k. Staatsregierung zur diesjährigen
Aerztekammer. a) Die Revision der Prüfungsordnung; h) Die
Zulassung der Absolventen der Realgymnasien zum Studium
der Medicin. Referent: Ilofrath Dr. Brauser.
Nachmittags 3 Uhr findet in demselben Locale ein gemein¬
schaftliches Mittagessen statt, und werden diejenigen Herren (.'<>1-
legen, welche sich an demselben betheiligen wollen, hiermit ersucht,
dies bis längstens 1. October bei dem unterfertigten Schriftführer
melden zu wollen.
Oer Ausschuss des ärztlichen Bezirksvereins für Resensburg und Umgebung;
Dr. Fritz Popp, Dr. Hof mann, Dr. Brauser,
Cassier. Vorsitzender. Selirit'Uulirer.
Verschiedenes.
Ueber Curpf uscherei im vorigen Jahrhundert. Nieder-
bayein, wo zur Zeit die Curpfuscherei mehr wie wohl irgendwo
sonst in Deutschland in Blüthe steht, scheint von jeher ein he
sonders günstiger Boden für Curpfusclier gewesen zu sein Ein
College theilt uns aus alten dortigen Acten eine Reihe von die Cur¬
pfuscherei betreffenden Verfügungen mit, denen wir Folgendes
entnehmen:
«Actenmäasig ist, dass in der Stadt Landshut 1716 die Bäckers
frau Marie Anna Promberger Arzneien an innerlich und äusserlich
Erkrankte abgab; es liegeu bei den Acten viele Zeugnisse von Ge¬
heilten aus Bayern und Oesterreich vor; die Promberger wurde
wegen Pfuscherei angeklagt und löste sich die Sache durch deren
Erklärung, dass sie ihre Arzneimittel ihrer Tochter, die sich kurz
vorher mit dem Stadtarzte verehelichte, übergeben werde.»
«=Im Jahre 1727 beabsichtigte der salzburgische Landschafts-
Operator Johann Baptist von Paumgarten die vorübergehende AuD
riclitung eines öffentlichen Theaters und Verkaufung seiner Medi-
camente. Der Landschaftsarzt zu Landshut protestirtc biegege»,
worauf jedoch Churfürst Karl Albrecht am 21. April 1727 rescribirte,
dass dem kaiserlich privilegirten, salzburgischen Landschafts-Operator
von Paumgarten dio Aufriclitigung gemeldeten Theaters u. Ver¬
kaufung der Medicamcnte zu genehmigen sei.»
lm Jahre 1774 scheint der Unfug besonders gross gewesen ,
zu sein Seitens «allerlei Augen - Bruch - Wund - Zahn - und derlei
Aerzten, sogenannten Waldhäuslern und Kurzkrämern, die auf
Jahrmärkten in den kleinsten Flecken und Dörfern herumschleichcn
und mit ihren meist hereingeschwärzten oder öfters verdorbenen,
ja wohl gar verdächtigen Medicamenten die Gesundheit des Land¬
volkes verderben, dem gemeinen Mann das Geld aus dem Beutel
locken und so manches Unheil unter dem gemeinen Volke anriehten,
so dass die Beschwerden der bürgerlichen Apotheker, welche ihre
Apothekerfeilschaften ordentlich u. redlich vermauten u. veraccisiren,
allerdings gegründet Bind». Seine churfürstlichc Durchlaucht Maxi¬
milian Josef verordnete desshalb unterm 22. August 1774 Folgendes
dagegen:
«Ziff. 4: Um das Landvolk von allen verdorbenen, der Ge¬
sundheit gefährlichen Arzneien deren Marktschreier oder Charlatans
- Augen - Bruch - Wund - Zahn - u. dergleichen Aerzte, welche mit
u. ohne Affen u. Seiltänzer auf den Märkten in Bayern u. der oberen
Pfalz herumziehen, vollends sicher zu stellen, gebieten böchstgedacht
Seine churfürstliche Durchlaucht allen Polizei - Gerichts - Stadt-
Markts - u. Hofmarksobrigkeiten, dergleichen verdächtigen Leuten,
die ia keinem wohlgeordneten Staat in Deutschland geduldet werden,
weder das ausstelleu, feilhalten oJer euriren zu gestatten, wenn sie
nicht mit einem alle Jahr erneuerten u. beiin Cameralmauthdirectorio
ingrossirten, auch von einem Rath unterschriebenen Patent ver¬
sehen sind, gestalten allda auch keinem ein derlei der Mauthordnung
gemiisses Patent ertheilt werden wird, wenn nicht vorher dessen
medicamenta, Kunst u. Wissenschaft bei hiesigem collegio medico
geprüfet. u. förmlich authentisirt worden ist. Diejenigen Obrigkeiten,
welche hierinfalls conniviren, verletzen ihre Pflicht, schaden dem
gemeinen Wesen und setzen sich der höchsten Ungnad des gnädigsten
Regenten aus, derohalben sich jede darnach zu achten u. der Strafe
u. Ahndung zu entgehen weiss. »
Es liegt uns noch ein Bericht vor, welchen der Landschafts-
physicus Dr. Fech anlässlich der obigen Verordnung an die Re¬
gierung in Landshut richtete. Derselbe spricht sich entschieden
dagegen aus, dass «die Marktschreier oder Charlatane, Augen -
Bruch - Wund - Zahn - und dergleichen Aerzte, welche mit oder
ohne Affen u. Seiltänzer auf den Märkten in Bayern herumreisen »,
zum Examen zugelassen werden sollen. Denselben wolle kein
attestatum gegeben, entgegen alles dergleichen Gesindel gänzlich
abgeschafft und hierüber executive aufs Schärfste gehalten werden.
Denn ungeachtet bishero hierwieder gnädigst eraanirter churfürst¬
licher Decrete schienen solche vielmehr zu- als abgenommen zu haben.
Behringübersein Heilserum. Zu dem Interessantesten,
was die 68. Naturforscher-Versammlung den Theilnehmern hot,
gehört die Besichtigung der Höchster Farbwerke, zu welchem
Zwecke etwa 30 ) Gäste per Extrazug nach Höchst befördert wurden.
Nachdem die Anilinfabrik, die Bade- und Wohlfahrtseinrichtungen,
die Villencolonie für dio Arbeiter etc. besichtigt waren, vereinigten
sich die Theilnehmer, um den Begrüssungsworten des Geheim
raths Professor Behring zu lauschen.
Wir können, so führte er aus, das Diphtherie-Serum als das
beste, wenn auch noch nicht als das Ideal aller bis jetzt vor¬
handenen Mittel bezeichnen. Auch der Staat erkennt die Wirksam¬
keit unseres Principes an, indem er die sich aul viel über eine Million
von Fällen beziffernde Sammelforschung geschlossen hat. Wir haben
es in letzter Zeit gelernt, auch die schädlichen Nebenwirkungen des
Mittels, welche sich in Urticaria- oder Erythem- artigen Hautaus¬
schlägen und Gelenkschwellungen zeigen, möglichst einzuschräuken.
Es geht nämlich aus Versuchen hervor, dass dem Antitoxine keine
Schuld bei diesen Störungen hei/.umessen ist; denn einmal be¬
wirken schon rein sterile Seru m lösungen eingesprit/.t gelegent¬
lich solche Erscheinungen, andererseits müsste man auch eine Ver¬
stärkung der Complicationen bei höher concentrirtem Antitoxin er¬
warten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wir haben desshalb die
Lösungen des Antitoxins immer coneentrirter gemacht, und wenn
es uns auch noch nicht gelungen ist, das Antitoxin in seiner chemi¬
schen Reinheit darzustellen, so sind wir doch auf dem besten Wege
dazu und werden in Bälde nicht mehr von einer Serum-, sondern
nur von einer Antitoxin-Therapie sprechen können.
; _ Wenn wir nun die Frage aufwerfen, was mit dem in den
Körper hineingeschafften Antitoxin geschieht, so könnte man a priori
denken, dass das Mittel sofort von den lebenden Gewebszellen
gebunden oder aber wenigstens gleichmässig vertheilt wird,
so dass auf 1 Kilo Körpersubstanz immer die gleiche Quantität des
Antitoxins kommt. Dies ist jedoch, wie zahlreiche, höchst subtile
Versuche von Dr. Knoll in Marburg gezeigt haben, absolut nicht
der Fall; es geht vielmehr aus denselben zur Evidenz Folgendes
hervor:
1. Das Blut besitzt die Fähigkeit, von der Einspritzungsstelle
her das ganze-Antitoxin an sich zu reissen.
2. Es sind nicht die corpnsculären Elemente des Blutes, welche
das Mittel aufnehmen, sondern die wässerigen, also das Serum.
3. Die in dem Blutserum angehäufte Menge von Antitoxin
nimmt dann in den nächsten Tagen gradatim ab, geht nach etwa
8 Tagen auf den 10. Theil zurück und ist schon nach ca. 3 Wochen
völlig ausgeschieden.
Erfreulicher Weise siud diese Untersuchungen im Laboratorium
in allen ihren Theilen von den Untersuchungen, die Geheimrath
Heubner in seiner Diphtherieabtheilung anstellte, bestätigt worden
und zwar ganz unabhängig von unseren Experimenten. Man kann
also mit aller Sicherheit den Satz aufstellen, dass es uns gelingt,
eine Immunität von mindestens 3 Wochen gegen die Diph¬
therie herzustellen. Man hat nun daran gedacht, dass man vielleicht
durch concentrirtere Antitoxinlösungen die Immunität noch un¬
begrenzt lange hinaus erhalten könnte. Dies ist jedoch nach unseren
zahlreichen Versuchen nicht der Fall, vielmehr ist es wahrscheinlich,
dass wir kaum über 8—10 Wochen hinaus einen Diphtherieschutz
gewähren können. Alle diese Untersuchungen sind ungeheuer
schwierig, bedürfen einer langen Controle und in vielen Fällen ganz
neuer Methoden. Da ist es nun Professor Ehrlich in Berlin, der
durch seine Arbeiten bahnbrechend gewirkt hat.
Wir haben nun zu unserer Verfügung folgende Einrichtungen,
welche eine einheitliche und eine nach Menschlichkeit mögliche,
zuverlässige Herstellung des Diphtherieserums gewährleisten.
1. Ein rein wissenschaftlichen Zwecken dienendes Institut in
Marburg unter meiner Leitung, welches unbeeinflusst von dem
finanziellen Resultate an der steten Verbesserung der Methoden
arbeitet.
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Münchener medi cinische Wochen schrift.
No. 39.
940 ___
2. Ein »nter staatlieher Controlle
welches ich als 'Aichamt» eze^cm solches Semm darf in
Leitung von Professor Ehrlich steht bestimmte Anzahl von
S.S1SA"“«“ «■ » c “ rta “ ore
dort festgestellt ist. Hpr< , t( ,ii unc des Diphtherieserums für die
E , ra ’Ä“ÄS;:!tU m P »»tor Leitung den Senf
‘“tÄ'^oeh .»»»er denn Dbg*!«»*. «ncL noch
für andere Krankheiten jg® J absolute Wirkung wir
^rento a n»i 0 ii2 SSfffS W oc„en in die Pr»,»
Existenz eines Antitoxins si e und Jahrze hnte vergehen
praktischer VerwerÜiu g j ^essanten Ausführungen zeigte Prof.
Zum Schlüsse uieser um* r von Pferden gewonnen
Be i riD 1 g hnh dabei hervlrielchen erstaunlichen Blutverlust diese
wird und hob dabei nervor, w y Pf pr de können so m einer
Thiere ohne Störung un d bis in einem Jahre ihr ganzes
Sitzung bis zu o Liter Blut erheblich darunter leiden;
kritischen Sichtung F b rke in Höchst von Sanitlltsratli
sanitären Einrichtungen der ^ a/M> ein in
Se„ G äS.» 1 Vo«ÄL K wS by ”“ 8 D r. R o»e„ a u.Ki»siogeh.
Kekulö.
Therapeutische Notizen.
zusehen, welches von Keim einfacher Agrypme,
mm
Trional nicht In G Fällen sind VergiftungserBcheinungen beob-
«ÄÄsaifr
nung^der TMo^Wa^rei^ubg^mn^n dte^Hiwmatobimrpbynl»de^ubjbt
angesehen werden. Nach Sulfonalgebraucli kommt dieselbe ent
schieden leichter zu Stande wie bei Trional.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 29. September. Auf Veranlassung des preuss.
Ministers der Medicinalangelegeuheiten wird sich^
liehe Deputation für das Med.cinalwesen unter Zur elmng der von
den Aerztekammean gewählten ausserordentlichen Mitgliedern dem
nächst mit der Frage zu beschäftigen haben ob eine Aenderung
des gegenwärtigen, durch die Reichs-Gewerbeordnung
geschaffenen Zustandes erwünscht sei und eventuell
welche gesetzgeberischen Folgen sich daraus ergeben
würden. 8 Seitens des Vorsitzenden Jer Deputation, Ministerial-
director von Bartsch, wurden für die Sitzung, die im No¬
vember d. J. stattßnden wird, zwei Referenten ernannt. Man
darf diese ebenso erfreuliche wie überraschende Nachricht wohl
so verstehen, dass man an massgebender Stelle sich de J
raöglichkeit überzeugt hat, auf dem \\ ege der Land.esgesetzgebnng,
wie dies in Sachsen und in Preussen versucht wurde eine für alle
Aerzte verbindliche Organisation des ärztlichen Standes durchzuführen,
und dass statt dessen die Neigung besteht, den von der über¬
wiegenden Majorität der deutschen Aerzte gehegten W unschen auf dem
allein gangbaren Wege einer Aenderung der Roichs-Ge werbeordnung
entgegenzukommen. Man darf gespannt sein, welche Stellung die
wissenschaftliche Deputation zu deu ihr vorzulegenden Fragen
nehmen wird. Von den Vertretern der Aerztekammern kann es,
nach der bisherigen Haltung der Kammern gegenüber dem Entwurf
betr die Ehrengerichte, nicht zweifelhaft sein, dass die Antwort
auf die 1. Frage lauten wird: «Ja» und auf die 2. Frage: «Heraus
aus der Gewerbeordnung!»
— Die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte hat
als nächstjährigen Versammlungsort Braunschweig gewählt. Die
Zahl der Theilnehmer an der Frankfurter Versammlung betrug Jb70.
d!a Vereinigung der medicinischen Fachpresse hat (len
, t, Ti Professor Dr. Virchow als den ältesten lebenden
Herausgeber einer deutschen medicinischen Zeitschrift (Virchow
hat vor nunmehr 50 Jahren das Archiv für pathologische Anatomie
ins Leben gerufen) zum Ehrenmitglieds ernannt.
ins lxoen b ^ > aua Memel berichtet, werden die Unter¬
suchungen des Geheimraths Koch über die Lepra das Ergebniss
Sen“ dass ein Leprakrankenhaus m einer Baracke auf der Süden
spitze^ei Memel^eingencht werfen^^ j er big EUm 4 . September
gemeldetenCholerafälle betrug in Egypten 20.289 (16841 Todesfälle),
i„ 7om
, : CfaHtAn über 40000 Einwohner die grösste Sterb-
r°m, d f U ponfcr«hmi mit 38 7 die geringste Sterblichkeit Lübeck
TodÄlen p£Jahr und 1W0 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Croup in Königs
beiF , an ^Fi s ch efr^Vorstand der Heilanstalt
Konstanzerhof in Konstanz, wurde vom Grossheirog von Baden
UntCT “ ^vonReiniger, Gobbert
und Schal“in Erlangen ging uns eine dort aufgenommene Röntgen-
nhotouraSh e vom Kopf eines lebenden Menschen zu, aus der die
photograpme vom f Technik in jüngster Zeit gemacht wurden,
si'ssrsÄ'Ät
SSMÄ* vn“™ : 2vocS«chrTft™Ste mehrm T 0 » ihm
‘X’24 Ä emeritirte Profe-o, der Chi-
tJnfäüe sich entwickelnden nervösen Störungen hinwies und so den
Bt “ gr l de c u^ <**«+$*"
Anatomie) an der Universität Sir George Murray Humphry.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Julius Raff 5 ° ^ ugßb Äudwig Bruck
in PiSÄ a k u
" L “ d er«oibe2: V D” e Aloi. Scheeider, Oberst I. CI. «■>-,
in München.
Morbiditätsstatistik d.lirfec«onskranl*eiten«r|J toben
in der 38. Jahreswoche vom 43. September b '® ^ herie , Croup
Betheil. Aerzte 400. — BrechdurchfaU 86 (29 ), Ihph^^t
Upütnatmo -xuenuoruiuco _ (_v Rheuma-
Pneumonia crouposa 5 (£)» 17(19),
tismus art. ac. 23 (30), Ruhr (dyeentena) - . >• b ^ ricellen U (9),
«U M Dr. A.b.
Uebersicht der Sterbefalle in m.
während der 38. Jahreswoche voml3. Sep^J” 8 * P
Bevölkerungszahl : 40b OW. n ip htherie
Todesursachen: Masern - (- )-.^, b ar /f fleber 1 (l), Blutver-
und Croup 6 (2), Rothlauf - (-), £ ?£bettfl.u nte rleib8typbu* -
giftung (Pyftmie) - (l), Brechdurchfall 8 (3),Unterteil yr^
(-1 Keuchhusten 1 (3), Croupöse Lungenentzündung * Acnte r
culosf a) der Lungen 12 (23), b) 1 (%
SgÄ Stof ““~ui l .L“o^Ä Äh fremde Hand
imus - (1), andere übertragbare ^-*- ^ {
__(1), Selbstmord 2 (l), Tod durch KiBtUl
Die Gesammtzahl der SterbefäUe ^)i g2 ^ ffir
auf das Jahr und
mmtzabl der bterueiaue . / <21 1 ), lor
and 1000 Einwohner im allgemeinen -“! 4 V13 2‘, f» r
die Ober dem 1. Leben.j.hr »teheed. Be»» k«»»g C 5 ' 2 '
die über dem 5. Lebensjahr stehende 9,9 (1A»J-
») Die eingeklammerten Zahlen bedenten diaFäüe darV^J
Verlag von J. F. Lehmann ln München. - Dmck der B. Mühlthalefschen k. Hof-Bnohdruckerelln München.
Digitized by * ^.oosie
Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mlndestens2 , / v —3Bogen
Preis vierteljährlich 6 M , praenumerando zahlbar.
Kinzelne Nummer 60 -I.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inaerate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Cursctimann, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. v. Winckel, H. ?, Zlenssen,
Kreiburg i. B. München. Leipzig.
M 40. 6. October 1896
Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München.
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
München. München.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der Heilanstalt Reiboldsgrün i. S.
Zur Hereditätslehre der Tuberculose.
Von Dr. Felix Wolff.
Seitdem die Hereditätslehre der Tuberculose, die nach Ent¬
deckung des Tuberkelbacillus zahlreiche Anhänger verloren hatte,
wieder überall in ihre Rechte eingesetzt ist, handelt es sich nun¬
mehr um die Streitfrage, ob die Tuberculose direct erblich ist
oder ob die Widerstandslosigkeit gegen die Entwicklung der Tuber¬
culose das Erbtheil der Tuberculösen bildet.
Wenn ich nun kurz zur Erklärung der nachfolgenden Aus¬
führungen ohne weitere Begründung als meine Ansicht ausspreche,
dass die Erkrankung Erwachsener an Tuberculose fast ausnahms¬
los einer in frühester Jugend 1 ) oder einer direct erblich erworbenen
Infection zuzuschreiben ist, so soll doch diese Streitfrage in der
vorliegenden Abhandlung keineswegs näher erörtert werden.
Vielmehr wird sich diese Arbeit mit der Frage beschäftigen,
wie weit hereditäre Eigenschaften oder Familieneigenthümlichkeiten
bei einem tuberculös Erkrankten von Bedeutung bei der Erkrankung
sind, wie weit sich dieselben erkennen lassen und wie weit ihr
Werth im Verhältnis zu sonstigen die Krankheit veranlassenden
Dingen sich abschätzen lässt.
Denn ausser dem Tuberkelbacillus und gewissen prädisponirenden
Momenten, wie Wachsthumsjahre, Habitus phthisicus, bestimmten
Charaktereigenthümlichkeiten, vor Allem aber Heredität wird es
immer noch eines letzten Anlasses zur Erkrankung bedürfen —
nämlich des auslösenden Momentes*), das in ganz bestimmtem
Verhältnis zu der etwa vorhandenen, mehr oder minder ausge¬
sprochenen Heredität oder sonstigen prädisponirenden Momenten steht.
Unmöglich kann die Frage, ob bei einem tuberculös Er¬
krankten Heredität vorliegt oder nicht, nach den Schwindsuchts¬
todesfällen unter den Eltern allein kurzer Hand mit Ja oder Nein
beantwortet werden, seitdem wir durch die Pathologie wissen, wie
überraschend gross die Zahl geheilter Tuberculösen ist und seitdem
wir die Tuberculose in mannigfachen, nicht immer gefährlichen
Formen (Scrophulose, Hauttuberculose, Pleuritis etc.) kennen ge¬
lernt haben. Es kann sogar keinem Zweifel unterliegen, dass die
Neigung zur tuberculösen Erkrankung von Eltern vererbt werden
kann, ohne dass diese in deutlich erkennbarer Weise an Tuber¬
culose jemals erkrankt waren; es ist doch anders wie in dieser
Weise nicht zu erklären, wenn mehrere Kinder anscheinend ge¬
sunder Eltern an verschiedenen Orten an Tuberculose erkranken.
Auch muss wohl bedacht werden, dass vielleicht glückliche Zufälle
die Eltern trotz aller Anlage zur Tuberculose vor Erkrankung
*) Vergl. F. Wolff, Die moderne Behandlung der Lungen¬
schwindsucht. J. F. Bergmann 1894. Meine daselbst ausge¬
sprochene Ansicht über die Bedeutung der latenten Tuberculose für
spätere Erkrankung findet neuerdings volle Bestätigung durch Reisch:
«Ueber die Ursprungsquellen der Lungenphthise in der französischen
Armee.» Münch, med. Wochenschr. No. 16, 1896. Ferner durch
Andword «Tuberkulosens Forekomst i Norge». (Christiania.)
2 ) 1. c. 8. 51-66.
No. 40
bewahrten, während die Kinder oder einzelne derselben bei gleicher
Anlage nicht von gleichem Glück im Leben begleitet werden.
Dass unglückliche Zufälle, also die auslösenden Momente, unter
Voraussetzung der sonstigen Vorbedingungen zu tuberculöser Er¬
krankung führen können, ist bekannt und aus der Erfahrung
leicht zu erweisen; der Nachweis dagegen, dass gewisse Glücks¬
fälle eine Erkrankung hindern, lässt sich natürlich ungemein schwer
erbringen.
Und dennoch, sollte ich meinen, müssten ohne solche Zufälle
gewisse Individuen unbedingt an Tuberculose erkranken, nämlich
solche Leute, die, mit ausgesprochener Heredität behaftet, mit
langem Wuchs und flachem Thorax ausgerüstet, in den kritischen
Wachsthumsjahren sich befinden und der Infection mit dem Tu¬
berkelbacillus sich genau so aussetzen, wie jeder andere Cultur-
mensch. Die Ansieht von den die Erkrankung hindernden glück¬
lichen Zufällen findet zudem besonders Unterstützung durch die
Beobachtung solcher Individuen , die, in der eben beschriebenen
Weise schlecht ansgestattet, wirklich in den Entwicklungsjahren
deutliche Zeichen tuberculöser Erkrankung (Pleuritis, Ilaemoptoe,
Abmagerung etc.) auf weisen und dennoch bald wieder nach irgend
einem wichtigen Vorgang im Leben (Orts- oder Berufswechsel,
rechtzeitiger Erholung nnd dergleichen mehr) vollkommen genasen.
Es scheint von vornherein äusserst wahrscheinlich, dass
gerade so, wie die Gefahr zu erkranken durch die verschiedenen
Momente bedingt wird, auch mannigfache Wege zur Heilung
führen können und müssen oder eine Krankheit verhindern.
Erinnern wir uns der Immunität gewisser Gewerbe gegen
Tuberculose (z. B. Arbeiter der Braunkohlen-Bergwerke und der
Kalköfen) und gleichzeitig der von Brehmer auf gestellten Lehre
von der relativen Immunität 8 ) der Gebirgsbewohner gegen Tuber¬
culose, so liegt es doch nahe, einerseits in gewissen, mit jenen
Gewerben zusammenhängenden Eigentümlichkeiten, andererseits
im Gebirgsklima echte Heil- oder Schutzmittel gegen Tuberculose
zu sehen, vorausgesetzt, dass die Heilmittel, wie es bei den er¬
wähnten von Tuberculose Verschonten der Fall ist, Jahre, Jahr¬
zehnte, ja ein Menschenalter hindurch, ihren Einfluss ausüben.
Wie dieser Einfluss ein andauernder, ununterbrochener sein
muss, um immunisirend gegen Tuberculose zu wirken, lehren z. B.
die Fälle von Bergleuten, die vor Beginn der.Thätigkeit im Berg¬
werk, also in ihrer Jugend erkrankt, Jahrzehnte hindurch voll¬
kommen gesund bleiben, bis sie durch Berufswechsel in andere
Thätigkeit versetzt, von Neuem erkranken ; Fälle, deren ich allein
drei aus meiner Erfahrung anzuführen vermag.
Die lange Dauer der Wirkung ist auch Vorbedingung bei
der viel umstrittenen Immunität der Gebirgsbewohner und der
Heilwirkung des Gebirges überhaupt 4 ). In dem Sinne, dass
(gewisse Formen der Tuberculose mit Anaemie ausgenommen) eine
relative Immunität durch das Gebirgsklima hergestellt wird,
dass der Schutz des Klimas um so geringer, je unbedeutender
die Elevation und dass, je geringer dieser Schutz, der Werth des
Klimas auch um so leichter durch schwere prädisponirende oder
*) Herrn. Brehmer, Die Aetiologie der chron. Lungenschwind¬
sucht. Berlin 1885, Aug. Hirschwald.
*) Vgl. F. Wolff, Ueber den Einfluss des Gebirgsklimas.
J. F. Bergmann, Wiesbaden 1895.
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942
MÜNCHENEK M EDIC1MSCHE WOCHEN SCHRIFT^
No. 40.
auslöaende Momente herabgesetzt wbd. ~JV Si ” M b “ te '“
,. R » o m er'sehe Immunitätslehre zu Hecht.
fSe» ästä. äs?
neigend, seit der Uebersiedelung in*. Erzgebirge oder Vogtland
S-5SX5Ä -
«\rb TÄ nd JSe K Ä äs
ZT'icbt eben den Gebirge ein Gegengewicht 8^™““*'
Schädigungen bildete, dass unter den sächsischen Städten die
Hauptstadt Dresden, die ohne bedeutende Industrie, jedoch in der
Ebene (107 m) gelegen, in jeder Richtung hygienisch vorzüglich
eingerichtet ist und herrlicher Waldungen in- und außerhalb der
Stadt sich erfreut, eine Tuberculose-Mortahtät von 3,7 auf 10
Einwohner aufweist, während die äusserst
Zwickau bei 261 m Höhenlage, wo auch die Bergwerksbevölheruug
günstig wirkt, nur 2,8 und Flauen bei 330 m Höhenlage 2,1
Todesfälle auf 1000 Einwohner verzeichnen. )
So vertrete ich die Ansicht, dass auch der Aufenthalt im
Gebirge, ebenso wie bestimmte Berufszweige, für die ich Beispiele
anführte, als Momente zu betrachten sind, die trotz Anlage zu
tuberculösen Erkrankung diese verhindern können.
Diese Dinge bedurften der Erwähnung weil sie in erster
Linie zu den vermuthlich zahlreichen des täglichen Lebens gehören
die eine Erkrankung zu hindern, eine begonnene zur Heilung zu
bring So V krnen n sie denn auch Erkrankung bei Eltern verhindern
oder das Urtheil über tuberculöse Anlagen derselben erschweren,
wenn nicht unmöglich machen. Dennoch aber bestehen die dis-
ponirenden Familien-Eigcnschaften, vererben sich auf die Kinder,
um bei gegebener Gelegenheit bei diesen hervorzutreten.
Man wird also, wenn in der Nachkommenschaft nicht nur
in einem einzelnen Falle Anzeichen von Tuberculöse erscheinen
untersuchen müssen, ob die Eltern durch Beruf, durch Wohnort,
durch sonstige besonders günstige Lebensverhältnisse u. s. f. an
Erkrankung gehindert wurden ; bei der Schwierigkeit dieser Unter¬
suchung wird man das Vorhandensein tuberculöser Anlage ohne
grosse Fehlerquelle aber auch dort voraussetzen können, wo die
Eltern in scheinbarer Gesundheit ein hohes Alter erreichten, die
Anlage aber in Erkrankung und Tod durch Tuberculöse bei
mehreren Familien-Mitgliedern sich manifestirt.
Denn wenn auch zweifellos nicht wenig Familien existiren,
in denen Generationen hindurch Fälle von Tuberculöse nicht be¬
obachtet wurden, so besteht doch kaum jemals die Gefahr es
könnte beim Heranziehen aller für Heredität der Tuberculöse
sprechenden Dinge allzuhäufig das Vorhandensein dieses prädis-
ponirenden Momentes angenommen werden.
Mit Recht sagt Penzoldt und charakterisirt damit die
Häufigkeit der nicht zum Ausbruch gekommenen Tuberculöse:
«Von den Leuten, welche ihr Leben lang mager bleiben, hat ein
grosser Theil stationäre Lungen tuberculöse» und dabei ist noch
hinzuzufügen, dass vorübergehend tuberculös Erkrankte in späteren
Jahren nicht selten zu besonderer Körperfülle neigen, wie denn einer
meiner früheren Patienten, der auch sicher latent tuberculös ist,
nur zu klagen hat, er könne von seinen 260 Pfund nicht wieder
herab, andere latent Tuberculöse aber von Zunahmen von 40 Pfd.
und mehr seit der Entlassung aus der Cur berichten,
Zu jenen latent Tuberculösen gehört ferner jene Unzahl von
Menschen, die von Natur zart, jedoch niemals krank, nicht erkrankten,
weil es ihnen geradezu an der Gelegenheit eines auslösenden Mo¬
mentes, eines rechten Anlasses gefehlt hat, weil sie . ohne ernsten
Kampf um's Dasein in einer gleichmässigen ruhigen Existenz
durch’s Leben gehen.
Wer eine grosse Anzahl Lungenkranker darauf ansieht, nimmt
wahr, dass beim Manne die Gefahren für eine Erkrankung, die
der Kampf um’s Dasein mehr wie beim Weibe mit sich bringt,
sich durch die Ehe eher vermindern, wo ein geordnetes Leben
ein Gegengewicht gegen diese Gefahren bildet, dass dagegen beim
Weibe, soweit es nicht in den kritischen Entw.cklungsjahren
ernster erkrankte, die Hauptgefahren dem G^hlechteleben -
Geburten, Wochenbettskrankheiten, Blutungen, Nähren der Kinder
__ entspringen. Und weil in diesem letzteren Fall jede neue
Geburt weiteren Kräfteaufwand fordert, um so mehr, wenn die
Geburten rasch einander folgen und die Kinder von der Mutte
selbst genährt wurden, so steigt für diese letztere mit jeder Geburt die
Gefahr der Erkrankung und ebenso wirdjedes spätere Kind ein«
bereits geschwächten Mutter grössere Aussicht auf spätere Er-
krankung haben. So kann es denn Vorkommen, dass eine Mutter
trotz aller Anlage zur Erkrankung gesund bleibt, ™T
1 bis 2 Geburten, wohl gar in grossen Zwischenräumen, durch¬
machte und dass sic diesen Kindern dennoch eine geringe Lr
krankungsanlage in*. Leben mitgab. Auch kann als Regel angesehen
werden, dass die jüngsten Kinder einer bemts Phrinmseh werdend.
Mutter mehr zur Erkrankung neigen, als die ältesten. Da nun
bei Erblichkeit Seitens eines .später genesenden Vaters aus den
erwähnten Gründen oft genug gerade die ältesten, noch unter
dem Einfluss der ungesunden Junggesellenjahre erze "^ n “
besonders zur Erkrankung neigen, so verschaffen » £
Erfahrung geschöpften Betrachtungen uns eine gate Hilfe bei
der Beurteilung, ob auf väterlicher oder mütterlicher Seite «mc
H eredität zu forschen ist, wenn beide Eltern angeblich und an-
“nTa^att Allgemeinen zutreffend folgende Rcge,n
anwenden^ ^ Taberca i öse unter einer grossen Zahl von Kindern
einer Mutter, ohne dass diese erkrankte, 80
nicht von der Mutter; sind die jüngsten Kinder an T^culo*
erkrankt, während beide Eltern anscheinend fsnndbheten^
hegt Verdacht auf mütterliche Heredität vor; erkranken ie ältesten
von einer grossen Reihe von Kindern, so muss der Vater an
Heredität betheiligt sein. , . . . . „ q„v pm .
Selbstverständlich dürfen diese Regeln nmht als todtesSche^
verwandt werden, denn zuweilen kann eine - u ^
grossen Zahl Kinder endlich doch noch erkranken uril ge Ä
jüngsten werden durch glückliche Zufälle vor Krankheit tewa^,
auch kann ein bereits kranker Vater in derE1 ‘ e *' 01lft e
kranken und in vielen Fällen seinen jüngsten Kindern tu
Heredität in’s Leben mitgeben u. s. f. ,. gst2e
Dennoch unterstützen nach meinen Erfahrungen *
in nioht geringem Maasse eine richtige Beurtheilung
Hiefür mag folgendes Beispiel dienen:
Der älteste Sohn einer achtköpfigen Familie , fflkte
nach dem achten Partus phthisisch wurde und B ^ b ’ J^ilass
geringe» A»l», in
ein geringer «r, die Beredet «ntene e,ner Mutter, de
„och 7 Kinder gebar, de kerne „ebnere «ng*»
so lag der Verdacht vor, es bestehe Heredität a * ch ,
Vater.; eine „«füllig nnrinbrbnre Tlnterenebnng tolta W*
dass Residuen einer in der Jugend und in den
überstandenen Lungenerkrankung noch nachweisbar wa • ^
Die Berechtigung, dass bei Erkrankung m re . n der
Tuberculöse, selbst bei anscheinend vollständigem W ^
Eltern, auf Familieneigenthümlichkeiten, die zur anerkennen,
können, geschlossen werden darf, dürfte jeder Pra- , .
der nicht einseitigen contagionistischen Anschauungen
Anders hegt die Frage, ob auch, wie von * gt , rb .
(Herz, Riffel«) u. A.) behauptet wird, eine auff ^ ^
lichkeit von Kindern im frühen Alter ohne TT nyave rltlssigkeit
Tuberculöse der Eltern schliessen lässt. Bei er n i c ht
der Anamnese, die so weit geht, dass sehr vie e j gt e j n
einmal wissen, wie viele Geschwister sie ge a „_K e ]icb.
exaotes Urtheil über solche Kindersterblichkeit fast un g
b) Nach den Veröffentlichungen des kaiserl. Gesundheitsamtes
(Bock. Zu- und Abnahme der Lungenschwindsucht, Berliner Disser¬
tation 1888.)
d 9^
6) A. Riffel, Die Erblichkeit der Schwindsucht 189°^ Qrt .
Untersuchungen über das Vorkommen der Tuberculo
schäften Dettenheim (Karlshof) und Hettenheim.
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6- Ootober 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
943
Wenn ich aber die sorgfältigen Tabellen Riffel’s (1. c.)
betrachte and meine eigenen Krankengeschichten damit vergleiche,
möchte ich doch R i f f e 1 ’ 8 Satz bestätigen : « Bei schwindsüchtigen
Familien ist mit wenigen Ausnahmen die Kindersterblichkeit eine
grosse» und diese Kindersterblichkeit geradezu, wie Riffel, als
Symptome tuberculöser Familieneigenschaften betrachten, obwohl
sich nicht im Einzelnen verfolgen lässt, wie viele Fälle von
Meningitis, Atrophia neonatorum, Krämpfen u. s. f. in der Zahl
der frühzeitig gestorbenen Kinder figuriren.
Erleichtert wird immerhin die Untersuchung nach solcher
Kindermortalität durch den von Riffel, Reitmayer u. A.
behaupteten auffälligen und scheinbar vorhandenen Kinderreich-
thum in solchen Familien. Ob ein solcher vorhanden, mag nach
folgender Zusammenstellung beurtheilt werden:
Von 250 beliebig ausgewählten Kranken gehörten
31 Patienten einer Familie mit 7 Kindern an,
27 » * * 8
12 . * 9
8 „ „ „ 10
7 - „ » U
5 „ „ . 12
4 „ _ „ mehr als 12 Kindern an.
Wenn nun Tod oder Erkrankung von Eltern und erwachsenen
Geschwistern an Tuberculose, sowie eine auffällige Kindersterb¬
lichkeit unter den Geschwistern Familieneigenschaften, die zur
Tuberculose prädisponiren, erkennen lassen, so ist auch damit noch
nicht Alles erschöpfend beigebracht, was diese Familieneigenschaften
verräth.
Wiederum übereinstimmend mit Riffel (1. c.) habe ich
anderen Ortes (1. c. S. 41) auf die Häufigkeit bösartiger Neu¬
bildungen , besonders des Krebses in tuberculösen Familien hin¬
gewiesen , die eine so augenfällige ist, dass ein Zufall nicht vor¬
liegen kann. Unter 454 Kranken der letzten Zeit notirte ich
37 mal als Todesursache einer der Eltern «bösartige Neubildung»
und glaube, diesem Procentsatz von 8 Proc. um so grössere Be¬
deutung beilegen zu sollen , weil er mit Regelmässigkeit auch in
kleineren Statistiken wiederkehrt. Das mehrfach erlebte Vor-
kommniss, dass Eltern meiner Patienten während der Curzeit an
bösartigen Neubildungen zu Grunde gingen, weist aber darauf hin,
dass dieser Procentsatz die Häufigkeit des Zusammenhangs zwischen
Neubildung und Tuberculose nicht wiedergibt; denn bei dem erst
im höheren Lebensalter manifesten Auftreten solcher Neubildungen
muss darauf gerechnet werden, dass diese häufig genug erst dann
bei den Eltern erkannt werden, wenn auf Grund der ererbten
Widerstandslosigkeit erwachsene Kinder an Tuberculose bereits
erkrankt oder gestorben sind.
Dass wie die Neubildungen auch Psychosen (uud auch schwere
Rückenmarksleiden) eine relativ häufige Erscheinung in tuberculösen
Familien sind, lehrte bereits Br eh m er (1. c.) und hat auch
Riffel nachgewiesen. Vor Allem aber besitzen wir durch
Th. Buri’s Arbeit «Ueber das Verhältniss der Tuberculose zu
den Geisteskrankheiten» 7 ) genauere Kenntniss über diese Dinge.
B u r i kommt zu den Schlüssen, dass in vielen Fällen Tuberculose
und Psychose als Ausdruck derselben Constitutionsschwäche an¬
gesehen werden müssen, ferner dass in 50 Proc. seiner (147)
Fälle von Geisteskrankheit tuberculöse, in 20 Proc. sowohl tu-
berculöse wie neuropathische Heredität bestand, endlich dass dies,
sowie das häufige Vorkommen beider Krankheiten bei mehreren
Gliedern derselben Familie auf eine innige Verwandtschaft der
tuberculösen und psychopathischen Constitution hinweist.
Wenn nun mit dem Vorhergesagten die Anzeichen für
Fnmilieneigenthümlichkeiten, die leicht zu tuberculöser Erkrankung
führen, anscheinend im weitesten Umfang genannt sind, so dürften
sie dennoch schwerlich vollständig aufgezählt sein. Fehlt doch in
der Besprechung die Scrophulose in ihren mannigfachen Formen,
die als zweifellos tuberculöser Natur.— de Renzi 8 ) vergleicht
sie, wie ich glaube mit Recht, mit der secundären Form der
Syphilis, während die Tuberculose der tertiären Luös analog sei —
dem Arzt, geschweige dem Laien, durch die häufig geringfügigen
7 ) Gleichlautende Baseler Doctor-Dissertation 1888.
®) de Renzi, Pathogenese; Symptomatologie und Behandlung
der Lungenschwindsucht, Wien 1884 (H öl der) S. 102.
Symptome bei der Beobachtung entgeht und deswegen statistisch
sich nicht verwerthen lässt. Wenn ferner nach Riffel (1. c.)
Apoplexieen ungemein häufig in tuberculösen Familien Vorkommen,
so kann auch ich mich nicht des Eindruckes erwehren, als sei es
ein häufiges Vorkommniss, dass Individuen, die nach Familien¬
geschichte und vorgekommenen Krankheitserscheinungen auf Tu¬
berculose während der Jugendjahre dringend verdächtig waren, im
reiferen Alter stark wurden und schliesslich durch Apoplexie zu
Grunde gingen.
Ohne dass etwa diese Erscheinung weiter verfolgt werden
soll, deutet sie doch auf die Möglichkeit hin , dass noch weitere
Krankheitsformen, als dies bisher bekannt ist, Zusammenhang mit
tuberculösen Erkrankungen besitzen.
Dies, wie die Auslassung der Scrophulose lässt denn auch
als mindestens wahrscheinlich annehmen, dass immer noch eher
eine zu geringe, wie eine zu grosse Zahl tuberculös Erkrankter
als hereditär belastet angeführt wird, wenn die vorher ausführ¬
licher bezeichneten Familieneigenschaften hei der Beurtheilung der
Heredität Verwerthung finden.
Einer Aufstellung nach diesen Gesichtspunkten mag hier
eine Tabelle vorangeben, die auf Grund Reiboldsgrüner Materials
in ähnlicher Weise die hereditären Verhältnisse bei einer grösseren
Anzahl Tuberculöser wiedergibt.
In einer dies Thema behandelnden Abhandlung giebt Kleyn 9 )
folgende Zusammenstellung über 213 Fälle, die ohne Auswahl,
soweit sie nicht durch Ungenauigkeit der entsprechenden Kranken¬
geschichten nothwendig wurde, den Journalen aus den Jahren
1893/94 entstammen.
Diese Zusammenstellung lautet:
Es lag vor unter 213 Fällen:
I. Tuberculose beider Eltern bei 36 Kranken
II.
beim Vater allein „
71
„ 74,6 Proc.
III.
bei der Mutter allein „
52
* >
IV.
n
bei den Geschwistern .
35
„ =16 Proc.
194 Kranke.
Keine Heredität fand sich in 19 Fällen, also circa. 9 Proc.
Bei der auffälligen Höhe dieser Zahlen muss erwähnt werden,
dass Tuberculose der Angehörigen auch in den Fällen angenommen
ist, wo durch Berichte der Kranken mit Wahrscheinlichkeit latente
Tuberculose bei Eltern und Geschwistern zu vermuthen war, diese
sich aber nicht durch deutliche Erkrankung oder Todesfälle zeigte.
Wird dieser Methode Berechtigung zugestanden, so darf Kleyn,
indem er an die Schwierigkeit, Anamnesen zu erheben, erinnert,
sowie an die Unmöglichkeit es mit Zuverlässigkeit zu thun, wo
ein früher Tod der Eltern durch intercurrente Krankheit vorlag
oder der Mangel an Geschwistern des Kranken das Examen
erschwerte, mit Fug und Recht sagen : «Fast in allen Fällen von
Tuberculose lässt sich eine gewisse Heredität nachweisen».
Weun auch nicht wesentlich, so doch deutlich unterscheiden
sich von den Kleyn’schen die Resultate meiner Untersuchung
über 250 Fälle, von denen je 125 Fälle aus den Jahrgängen
1895 und 1896 beliebig gewählt wurden.
Dieselben lauten:
I. Todesfälle der Eltern oder bei einem
der Eltern durch Tuberculose . .
: 80 Fälle
—
32,0 Proc.
II. Sichere Erkrankung der Eltern an
‘Tuberculose ohne Tod.
: 2
yf
0,8
III. Tuberculose von erwachsenen Ge¬
schwistern .
: 38
—
15,2
IV. Auffällige Kindersterblichkeit in der
Familie.
: 64
—
25,6
V. Bösartige Neubildung bei Eltern und
Geschwistern.
: 25
—
10,0
VI. Psychose oder Rückenmarksleiden
bei Eltern und Geschwistern . . .
: 8
.—
3,2
VII. Nichts Hereditäres durch Anamnese
nachzuweisen.
: 33
—
13,2
n
250 Fälle. 10 )
9 ) Dr. K leyn-Jablonowo gestattete mir gütigst, die Daten
seiner ungedruckten Leipziger Doctor-Dissertation tu entnehmen.
10 ) Von diesen Kranken wären sehr viele in mehrere Categorien
einzureihen gewesen, sie sind stets nur in die mir besonders wichtig
scheinende eingefügt. Unter Categorie IV sind nur solche Fälle
aufgenommen, bei denen mindestens 2 Geschwister in frühen Jahren
starben und bei so geringer Sterblichkeit Vater oder Mutter ihrer
Constitution nach als verdächtig auf Tuberculose erschienen.
1 *
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Münchener medicinische Wochenschrift-
Bei einer Vergleichung dieser Tabelle mit der vorhergehenden las
Kleyn ’ s ergibt sich zur Evidenz, dass selbst bei grossen Zahlen k
Statistiken desselben Materials je nach den Intentionen des Ve. b
fassers recht verschiedene Resultate bringen können, aber es zeigt
rieh auch bei diesem Vergleich, dass die Zahlen der zuletzt all
«rofnlirten Tabellen eher zu niedrig, wie zu hoch gegriffen sin . I
Es liegt eben nicht in dem Sinne dieser Abhandlung, möglichst Si
grosse Zahlen für Heredität der Tuberculose zusammenzubringen w
schon weil eine absolute Zuverlässigkeit der Zahlen die U
anamnestischen Angaben beruhen, ausgeschlossen bleibt.
Wie sehr dies zutrifft, zeigt ein näheres Eingehen auf jene ft
33 Fälle, in denen Heredität in keiner Weise sich vorfand.
Diese 33 Fälle der VH. Rubrik lassen sich in folgender fc
Weise vertheilen : I ü
i 7 Kranke sind einzige Kinder ihrer Eltern. . 1 •
II. 9 Kranke hatten Väter, die früher zart waren, viel Husten a
hatten, an Asthma litten etc. _ I
HI. 3 Kranke hatten Mütter solcher Beschaffenheit, mit 2 resp. v
TV 3 Kranke hatten" 1 'Schwindsüchtige unter nahen Verwandten) 1
(Grosseltern, Onkeln, Tanten). I _
v 4 Kranke waren jüngste Kinder ihrer Mutter. . ... 1
VI 3 Kranke lassen sich nicht in diese Categonen emreihen ■
(doch war einer Zwilling, ein anderer verlor früh 1
die Mutter in Puerperio. ■
VH 4 Kranke ohne Heredität und Verdacht auf dieselbe, erkrankten
erst nach schwerstem Anlass. j
33 Kranke. ,. .... !
Will man für jeden dieser 33 tuberculös Erkrankten die Mog- I
Hchkeit einer Heredität construiren, so lässt sich auf Grund dieser i
Tabelle sagen, dass über die erste Categorie ein Urtheil unmöglich ist,
weil die Mutter eine äusserst geringe Lebensarbeit in diesen Bällen zu
leisten hatte und es an der Möglichkeit fehlt, aus Erkrankung
von mehreren Kindern Schlüsse auf Heredität zu ziehen, dass bei
der II.—IV. Categorie doch familiäre zur Phtbisis führende Eigen¬
schaften vorzuliegen scheinen, endlich dass bei den Kranken der
V. — vielleicht auch der VI. — Categorie es sich um von Ge¬
burt an schwächliche Individuen handelt.
Die Neigung zur Erkrankung bei den jüngsten Kindern, wie 1
Brehmer bereits behauptet, scheint auch mir thatsächlich vor¬
handen, denn bei den 250 Kranken der obigen Tabellen befanden
sich 43, also 15 Proc., Jüngstgeborene, abgesehen von den später I
geborenen und früh gestorbenen Geschwistern.
Es kann keine Frage sein, dass das Resultat einer Auf- I
Stellung der Heredität, wie geschehen, in weiten Grenzen je nach
der Uebung des Arztes und der Intelligenz des Patienten schwanken I
wird. Es darf daher auch nicht davon die Rede sein, dass die 1
angeführten Zahlen die Häufigkeit der verschiedenen auf Heredität
hinweisenden Momente in absolut richtigem Verhältnisse wiedergeben,
wohl aber zeigen doch die angeführten Tabellen insgesammt, dass
das Wort «es besteht keine Heredität» selten oder nie gebraucht j
werden sollte und man höchstens sagen darf, dass eine Heredität
nicht nachgewiesen wurde.
Wenn Eingangs dieser Abhandlung hervorgehoben wurde,
dass nicht etwa die Häufigkeit direct vererbter Tuberculose in
derselben discutirt werden solle, so geht aus dem Hereinziehen
der bösartigen Neubildungen und Psychosen hervor, dass vielmehr
nach Beweisen dafür gesucht wurde, dass die Anlage zu späterer
Erkrankung an Tuberculose nicht nur von Tuberculösen vererbt
wird, sondern dass diese Anlage fast regelmässig dem Menschen
von Geburt ab mitgegeben ist, vermuthlich durch eine gewisse
Widerstandslosigkeit der Zellen, sei es nun mit, sei es ohne
gleichzeitige Vererbung des Tuberkelbacillus, dass also das, was
als Disposition bezeichnet wird, wenigstens andeutungsweise schon
bei der Geburt in den weitaus meisten Fällen der späteren Kranken
besteht.
Die Erkenntniss des Wesens der Heredität mag durch diese
Untersuchungen gefördert, auch mögen Beiträge für die ungeheure
Häufigkeit der Tuberculose durch dieselben geliefert sein, in der
Hauptsache sollen jedoch, wie schon ausgesprochen, die Aus¬
führungen darauf hinweisen, wie weit überhaupt die Heredität
eine Holle bei tuberculöser Erkrankung spielt und besonders in
wie verschiedenem Maasse dies der Fall ist. Denn wenn sich auch
bestimmte Grade der Heredität in eine Art Schema nicht bringen
lassen, ist doch selbstverständlich, dass einerseits nach der Häufig¬
keit von Tuberculosefällen und andererseits nach der Schwierigkeit,
Sputen tuberculöser Familienanlage zu finden, die Heredität von
einer solchen schwersten Befundes bis zu einer leichtester Art in
allen Abstufungen zu unterscheiden ist.
Nicht die Feststellung, ob Heredität m dem angewandten
Sinne besteht die als fest selbstverständlich recht wohl ausgelassen
werden könnte, sondern die richtige Abwägung der hereditären
Ursachen der Erkrankung gegenüber den sonstigen Veranlassungen
zur Erkrankung ist es, die von eminent praktischer Bedeutung
für Prognose und Therapie sich erweisen kann.
Denn weil es klar ist, dass ererbte Eigenschaften natur-
gomäss nicht gründlich beim Kranken beseitigt werden können,
während es recht wohl gelingen kann, den Patienten von den
übrigen, die Erkrankung fördernden Dingen zu befreien ergibt
sich der für die Praxis wichtige Satz, dass bei einer Phthise
von vornherein — die Anwesenheit des Tuberkelbacillus stets
vorausgesetzt - die Prognose um so ungünstiger ist, je mehr
I redität im Vordergrund der Ursachen der Erkrankung steht,
brend sie günstig ist, wenn Heredität überhaupt nicht zu finden
und ein erkennbarer schwerer Anlass zur Erkrankung fuhrt,
• sich beseitigen lässt.
Eine genaue Berücksichtigung der Heredität und der bei
lern Krankheitsfall vorliegenden letzten Anlässe, der aaslosenden
,mente, lässt aber als feststehenden Satz erkennen dass bei
awer hereditär belasteten Individuen schon leichte Anlässe zur
•krankung genügen, bei kaum hereditär Belasteten nur Anlässe
bwerster Art die Erkrankung herbeiführen.
Kein in genauer Prüfung der aetiologischen Momente der
ithise geübter Arzt wird die Wahrheit dieses Satzes bezweifeln ;
3 statistisch nachzuweisen, scheint dagegen nnmöghch, denn
der Erkrankungsfall im Einzelnen muss dabei nach Here*«,
tch sonstigen prädisponirenden und nach den letzten auslösendeu
oinenten analysirt werden. ,
Ich muss daher unter Hinweis auf meine Ausführungen
uj Wesen der auslösenden Momente (1. c. S. 52 u. s. •), *°
asonders auch die Wichtigkeit seelischer Vorgänge in da^
.gie der Phthise hervorgehoben wurde, mich begnügen, durc
estremc Beispiele .us de» toten Sprccbstu*. ta
-erhältniss von Heredität zum auslösenden Moment zuJ astmeu
Wie ein geringfügiger Anlass bei schwerer Prädispo 'tiou,
pecicll Heredität, zur Erkrankung genügt, zeigt folgen
ls Paradigma: . ,,
Ein 19 jähriges Mädchen ist das jüngste Kind einer baM
ia ch an Phthisis gestorbenen Mutter; die «Reste
»atientin erkrankte nach 4 rasch e ^ander 8 nd Das junge
Spitzenkatarrh», ist jetzt aber seit Jahre 8 Fntwickelungs-
ilädchen wird phthisisch, nachdem sie während ^ leiden
ahre in der Pension bei schlechter Kost unter Heimwe
^^Es ist also in diesem Fall der Anlass der Erkrankun^em
geringfügiger und doch genügender, weil die Patientin ^
oercits deutlich phthisischen Mutter geboren wurde un
charakteristisch, dass die ältere Schwester, die, von ein ^
sunden Mutter geboren, weniger schwer hereditär e ’ Ucbcr .
eingreifenden Anlasses zur Erkrankung bedurfte,
Windung desselben wieder genas. durch die
Für Fälle, die scheinbar ohne jede Heredität, nur ^
Schwere des auslösenden Momentes erkranken, mag
spiel aus der Zahl der zuletzt m meine Behandlung g
Kranken dienen: . . , . , (rnt7 e iner An-
Ein Manu der mittleren Jahre hei de “!' bei ™e*n auch die
zahl Geschwister keine Heredität auffiuden und Stich
Anamnese in Bezug auf Luös Gewerbeschäd.guug ete^
lässt, erweist sich bei unserem Eingehen aut ^ uoeh
und Wesen als geradezu krankhaft erregbar auszU Bprccben.
dazu, nach eigener Aussage, die Gabe fehl , 1( \. - ö8en Scrupeln,
So hat er, wie sich herausstellt. Beit Langem unte el 8^.^ an uu -
verbunden mit einer unglücklichen Liebe u d en inner en
befriedigtem Ehrgeiz gelitten und nach JaJW' ‘ __ ist er
Kämpfen — einem auslösenden Moment schwere
allmählich phthisisch geworden. . davon
Während diese letztere Krankengeschichte cin j st ,
gibt, was unter schweren auslösenden Momenten- zu _ ane „
illustrirt die erste Krankengeschichte den Werth
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6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
945
Abwägung der Heredität im Verhältnis« zu den auslösenden
Momenten.
Wie leicht bei ausgesprochener Krankheitsanlage der Anlass
der Erkrankung zu sein braucht, geht ebenfalls ans dem ersten
Beispiele hervor, in wie mannigfacher Weise schwere auslösende
Momente zu Stande kommen, dafür sollen die 4 Fälle der
unter Rubrik VII angeführten Tabelle Hinweise bringen, aus
denen mit Deutlichkeit hervorgeht, dass das auslösende Moment
immer durch die Dauer des Bestehens, nicht durch die Intensität
wirkt in der Weise, dass in der That an sieh geringe Schädigungen
durch langes Bestehen zu schweren auslösenden Momenten werden.
So linden sich unter jenen 4 Fällen, bei denen es an jedem
Anhalte für Heredität fehlt, 2 Kranke, die deutlich phthisisch
wurden, nachdem sie viele Monate hindurch an Durchfällen ge¬
litten hatten, der dritte Fall betrifft ein von jeher zartes, chlorotiselies
Mädchen in den Wachsthumsjahrcn, das, ohne es zu wissen,
Monate hindurch in einem Zimmer mit verdorbener Luft (aus¬
strömendes Leuchtgas) geschlafen hatte. Der vierte Fall endlich
betrifft eine Kranke, die ohnedies durch Geburten und schwere
tägliche Sorgen geschwächt, einen Keuchhusten in reiferen Jahren
acquirirte und danach erkrankte.
Wie zufällig unter diesen 4 Fällen zweimal die chronische
Diarrhoe als auslösendes Moment schwerer Art figurirt, fehlen
durch Zufall gerade die häufigsten und wirksamsten auslösenden
Momente, wie z. B. die langjährige Schädigung durch Aufenthalt
in staubigen geschlossenen Räumen, desgleichen fehlt als aus-
löflendes Moment schwerster Art die Syphilis, die K 1 e y n in seiner
Zusammenstellung viermal unter den 19 Fällen notirte, bei denen
sich Heredität nicht nachweisen liess.
Da es, um diese Beispiele unter den angeführten schweren
auslösenden Momenten herauszugreifen, nicht selten gelingen muss,
die Syphilis zu beseitigen, die langdauernden Durchfälle zum
Stillstand zu bringen, die Kranken in eine bessere seelische Ver¬
fassung zu versetzen, so wird sich selbst bei ziemlich schwerer
tuberculöser Affection die Therapie in solchen und ähnlichen
Fällen erfolgreicher zeigen, wie bei einem mehr oder minder
hereditär Belasteten, dessen erbliche Eigenschaften sich eben nicht
entfernen lassen.
Weil aber die Verbreitung des Tuberkelbacillus, die Vor¬
bedingung jeder tuberculösen Erkrankung, wie wir wissen, eine
so ungemeine ist, dass (nach Bollinger) Jeder im Leben Tuberkel-
Pilze in sich aufnimmt, weil wir ferner durch die zahllosen Fälle
geheilter und latenter Tuberculösen wissen, dass der Tuberkel¬
bacillus allein für die Erzeugung einer ernsteren Erkrankung nicht
ausreicht, so schien es mir von Wichtigkeit, darauf hinzuweisen,
in welchem Umfang hereditäre Momente bei der tuberculösen Er¬
krankung mitwirken, und zu beschreiben, wie ohne dieselben nur
Anlässe schwerster Art diese Erkrankung herbeiführen.
Konnte auch die vorliegende Abhandlung diesen beiden Auf¬
gaben, namentlich der letztgenannten, nicht in erschöpfender Weise
gerecht werden, so dürfte sie doch einige praktische Winke für
die Beurtheilung des Einzelfalles der Tuberculose gebracht haben
und gleichzeitig erwiesen haben, dass die eingehende Vertiefung
in das Studium der Tuberculose in hohem Grade sich verlohnt
und eine rationelle Therapie erleichtert.
Bekämpfung der post partum- und parenchymatösen
Höhlen - Blutungen mittelst nicht drainirender, im-
prägnirter Gaze. 1 )
Von Privatdocent Dr. 0. Schaeffer in Heidelberg.
Die Einführung der Jodoformgaze-Tamponade bei Blutungen
in der Nachgeburtsperiode durch Dührssen ist der wichtigste
Abschnitt in der Behandlungsweise dieser Hämorrhagien, vor Allem
der atonischen, gewesen. Wenngleich die «Stopfmethode» schon
früher gelegentlich ausgeübt wurde (z. B. Wendel städt in
Wetzlar 1806), wie Dührssen selbst nachwies, so gehörte doch
unsere moderne Antiseptik dazu, um zufriedenstellende Resultate
bezüglich des Wochenbettes zu liefern. Es genügt die Sterilität
der eingebrachten Gaze nicht, dieselbe muss ausserdem ein Anti-
') Nach einem Vortrage auf der 68. Naturforscherversammlung
zu Frankfurt a. M. am 24. 8eptember 1896.
No. 40.
septicum enthalten. In dieser Form hat sich diese Methode in
raschen» Laufe überall, in allen Ländern, in der Stadt wie auf
dem Lande eingeführt.
Die Tamponade muss streng nach Vorschrift ausgeführt
werden: das muss immer auf’s Neue betont werden, wenn hier
und da doch wieder Fälle bekannt werden, wo in Folge ungenauer
Ausführung die Blutung nicht zum Stehen gelangte. Die erst-
cingeführten Schichten Gaze müssen direct und fest
auf die blutende Stelle gelegt werden, bezw. fest und
hoch in den Gebärmuttergrund hinaufgebracht und
hier beim weiteren Nachstopfen gehalten werden! Der
Reiz der Gaze als Fremdkörper muss auf die blutende atonische
Stelle wirken.
Sehen wir indessen von solchen Fällen ab, wo ungeübte
Hände die Tamponade ausgeführt haben, so bleibt doch noch eine
ganze Reihe — selbst namhafte Autoren und geübte erfahrene
Specialistcn haben dieselben gesprächsweise oder literarisch publicirt
(von Letzteren nenne ich aus dem Centralbl. f. Gynäk. Kocks
1890, Schauta 1894, Strassmann 1895, ferner Dührssen
1896 2 ) u. A.) — wo trotz festester Ausstopfung das Blut als¬
bald dennoch erst durch die Gaze zu sickern, endlich zu rieseln
begann und die Entbundenen verbluteten oder durch andere heroische
Methoden gerettet werden mussten.
Kocks sowohl wie Schauta stellten desshalb in besonderen
Aufsätzen jene in ultimum refugium gegebenen Methoden zusammen.
Früher schon wurde die Aorta comprimirt, ferner die ge¬
ballte Faust in die Gebärmutter eingeführt und dann von aussen
geriel»en; zu versuchen wäre Beides oder Aehnliches auch heute
noch, und zwar mit der Verbesserung, Hass die innere Hand die
Portio fasst und die äussere eine energische Vorwärtsknickung des
Organs zu Stande bringt.
Vor Allem prakticabel ist das Herabziehen des Uterus mittelst
der Muzeux’schen Zange und Vernähen bei Oervixrissen —
breite Umstechung der Uterinae bei Atonie (in der Folge darauf
achten, ob keine Urinretention durch die Ligatur ein tritt!).
Bei Atonie empfehlen Kocks und Schauta die künst¬
liche Inversion und (sechsstündige) Ligirung der Placentarstelle
mittelst elastischen Schlauches oder Jodoformgaze. Erleichtert
kann die Umstülpung werden durch Einsetzen einer Hakenzange
in den Fundus uteri.
In Kliniken oder unter geeigneten Umständen käme sogar
die Exstirpation des dauernd atonischen Uterus supravaginal oder
per coeliotomiam in Frage. Letztere ist bei Placcnta praevia und
Oervixrissen meist eontraindicirt, weil die blutende Stelle tiefer sitzt.
Kurz, diese Vorschläge zeigen zur Genüge, dass auch von
berufener Seite die Jodoformgaze-Tamponade als nicht in allen
Fällen ausreichend anerkannt wird.
Uebereinstimmend wird in solchen Fällen das Durchsickern
des Blutes durch die Gaze gemeldet. Gelangt der Uterus
also nicht durch die Tamponade zur Contraction, oder gelingt es
bei stark blutenden Cervixrissen nicht, durch die Tamponade einen
Thrombus an der eröffneten Arterienwandung hervorzurufen (wenn
der betreffende Arzt keine Uebung oder Gelegenheit hat, Ligaturen
zu legen), so wird die Verblutungsgefahr drohender in Folge
der Fortleitung des Blutes durch die Gaze!
Wer mehrere Todesfälle durch Verblutung mit erlebt hat,
weiss, wie sehr verschieden — zumal bei Frauen — die Grenze
liegt, bei der eine Lebensgefahr eintritt, und wie wenig meist
von dem äusseren Habitus auf die Widerstandskraft der betreffen¬
den Patienten geschlossen werden darf. Abgesehen von Metror¬
rhagien ex atonia liefern die Blutungen bei Entfernung abdomi¬
naler Eier und bei Myomotomien hierfür die drastischsten Beispiele.
Desshalb aber muss es unser Streben sein, in jedem Falle,
unmittelbar vom Momente des Eingreifens an,
keinen Blutstropfen mehr zum Verlust gelangen
zu lassen!
Dieser Anforderung vermag die bisherige, gewöhn¬
liche Jodoformgaze nicht zu willfahren, weil sie
Capillardrainage bewirkt (Kehrer), und zwar drainirt
sie mehr, als sie tamponirt.
2 ) In Berner Monographie über vaginalen Kaiserschnitt.
2
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946
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
Dührssen selbst gab seiner Zeit schon an, man solle die
Scheide, nachdem die Gebärmutter mit der Gaze austampouirt sei,
mit Wattckugeln ausstopfen, weil sic weniger durchlässig wären.
Indessen saugt Watte bekanntlich auch noch energisch Flüssig¬
keiten auf, und die neuesten Productionen zu diesem Zwecke, die
sogenannten «Zellstoffe», erweisen sich als ebenfalls zu gut «Flüssig¬
keit leitend».
Es lag mir daran, ein Material herzustellen, welches alle die
guten Eigenschaften, der leicht zu handhabenden sterilisirten Jodo-
formgaze bcibehielte und doch die Fälligkeit, Flüssigkeit,
und zwar körperwarme Flüssigkeit, schleimige wie wässerige, fort-
zulciten und in sich aufzunehmen nicht besässe.
Es gelang mir dieses durch Imprägnation der Gazefasern mit
Guttapcrch a.
Nach meinen Angaben bat die Fabrik von Evens & Pistor
in Cassel die Proben von derartig imprügnirtcr Gaze im Grossen
hergcstellt; sic sind von mir zu verschiedenen Versuchen benutzt
und zu meiner völligen Zufriedenheit ausgefallen.
Die physikalischen Experimente stellte ich in der
Weise an, dass ich zu gleicher Zeit einen .Streifen zusammen-
geknäuelter imprägnirter Gaze und einen ebensolchen gewöhnlicher
Jodoformgaze mit beiden Enden in je ein Gefäss tauchen licss,
von denen das Eine mit Farblösung gefüllte höher stand als das
Andere mit Wasser gefüllte. Nach wenigen Minuten hatte die
gewöhnliche Jodofornigazc sich von unten her mit Wasser, von
oben her mit der Farbflüssigkeit ^ollgcsogen und, nachdem die
beiden Zonen sieh einander entgegen vereinigt hatten, begann eine
rasche Abwärtsdrainagc der Farblösung in das untere Wassergefäss.
Die imprägnirte Gaze blftb Stunden lang unverändert trocken.
Ich wiederholte dieses Experiment, indem ich beide zusammen-
geknäuelte Gazestreifen vorher in Wasser tauchte. Der imprägnirte
Streifen schillerte glänzend in dem Wasser, wie eingeölt, und nahm
nur Wasser in die Maschen, nicht in seine Fasern auf (bei der
festen Compression im Uterus werden diese Maschen ja nahezu
ganz, ausgefüllt). Als Beide in die Farblösung getaucht wurden,
färbte sich die Jodoformgaze momentan und begann lebhaft ab¬
wärts zu drainiren, während der imprägnirte Streifen nur wenige
Millimeter hoch — und zwar nur in den Maschen (durch Osmose
mit dem darin enthaltenen Wasser) — Farbstoff aufgenoinmen
hatte. Legte ich den wasserfeuchten imprägnirten Streifen in
Farblösung, so liess er sich, weil nur das in den Maschen ent¬
haltene Wasser — nicht die Fasern — Farbstoff aufnahmen, in
reinem Wasser durch ein paarmaliges Schwenken entfärben.
Um den Versuch den thatsächlichen Gebrauchsverhältnissen
ganz anzupassen, wiederholte ich ihn bei Körpertemperatur: das¬
selbe Resultat.
Für die Praxis ist die Hauptsache, dass die B'aser nicht
leitet; die osmotischen Vorgänge innerhalb der Maschen sind da¬
selbst auch erschwert, da es sich nicht um vorherige Befeuchtung
der Gaze von unten her mit Wasser, sondern im Wesent¬
lichen mit Schleim handelt.
Zusammcngeknäuclt bildet diese imprägnirte
Gaze also ein Material, welches kein Blut aufnimmt
oder durch lässt!
Die Gaze bleibt bei dem Imprägnationsverfahren :
1. weich;
2. s teri 1 i s i r bar , nachdem sie bei der Herstellung
steri lisirt worden und entsprechend in verlütheten Büchsen
verpackt ist; sie ist
3. mit Antiscpticis versehen (Jodoform oder Airol
oder Itrol oder Nosophen nach Auswahl; ich wählte die letzteren
drei, weil sie sich besser als Jodoformgaze in heissem Dampfe
nachsterilisiren lassen); sic kann auch
4. mit Ferripyrin und Antisepticis imprägnirt werden, weil
dasselbe als Pulver oder in wässeriger Lösung zugesetzt werden
kann ; in wässeriger Flüssigkeit leidet die Gazefaser-Imprägnation
nicht, wohl aber in alkoholischen, ätherischen oder ähnlichen Sub¬
stanzen.
lieber das Ferripyrin habe ich bereits in No. 53 dieses
Blattes (1895) berichtet; es wirkt styptisch ohne zu ätzen, wie
es das Eisenchlorid thut. Es ist aus diesem Grunde auch un¬
bedenklich einzuführen, zumal wenn, wie ich gleich augeben werde,
die eigentliche Wundfläche frei davon gehalten, also nicht direct
von dem doch immerhin leichter zcrsetzlichcn, hierdurch nur
schmierig geronnenen Blute berührt wird.
Die Anwendung der imprägnirten Gaze ist einfach
und hat unter folgenden Gesichtspunkten zu geschehen.
Wir bekämpfen, wie bekannt, die Blutung durch die Tampo¬
nade direct undindirect: direct einerseits durch mechanische
Verstopfung sowohl des Gcnitallumcn als auch der Gcfäss-
öffnungen, andererseits durch frUhzeitige Gerinnung
des Blutes im Cavum uteri und dadurch erfolgenden Rückdruck
der Cruormassen und Verstopfung der offenen Gefässe; indirect
durch Anregung der Gebärmutter zur Oontraetion, sowohl durch
die Frcmdkörpcrdchnung des Cavum, als auch durch Druck
auf die Ccrvicalganglien.
Vier Punkte springen hier iu’s Auge:
I. die ergiebige mechanische Ab Schliessung des
Ausflussweges, also des Genitalcanalcs;
2- die möglichst ergiebige — und zwar andauernd er¬
giebige— Dehnung, also wiederum Ausfüllung des Cavum
uteri selbst;
3. die Wirkung als irritirender Fremdkörper auf die Utcrus-
fläche;
4. die gerinnende Wirkung.
Wenn wir die gewöhnliche Jodoformgaze, ebenso Wattetampons,
wie wir sie trocken mit Mühe cingcprcsst haben, in durch-
tränktem Zustande betrachten, finden wir, dass sic auf ein
bedeutend kleineres Volumen eiugcsch rümpft sind. Sie erfüllen
also Punkt 1 und vor Allem Punkt 2 nur höchst unvollkommen;
je rascher die Durchtränkung erfolgt, desto schneller verschwindet
ihre ausfüllcndc und ihre dehnende Eigenschaft. Je grösser
und länger anhaltend dicAtonie und Gefahr, desto
rascher verlieren sie ihre Wirksamkeit!
Anders die imprägnirte Gaze! Wenn gleich die Fasern auch
weich sind und sieh dicht an ein ander legeu, behält doch das
ganze Knäuel eine dauernde elastische Resistenz und collabirt
nicht nach längerem Liegen.
Durch diese dauernde Resistenz des Gazcknäucls wird die
Gebärmutterwand gleichsam auseinandergefedert; es wird dadurch
der Reiz zur Austreibung, zur Oontraetion ausgelöst.
Nur au einer Stelle möchte ich die imprägnirte Gaze nicht
direct anliegend wissen: cs ist die Plaoentarstclle, beziehungsweise
die Blutungsquelle, und zwar gerade desshalb nicht, weil die Gaze
das zunächst noch ausströmendc Blut nicht aufsaugt. Es würde
sich hier eine weiche Oruormassc zwischen Uterusfläche und Gaze¬
knäuel bilden, der Fremdköriterreiz auf die blutende Stelle würde
fortfallen und diese circumscripte Wandpartie weiter erschlaffen
und abgedrängt werden.
Die Tamponade würde also in folgender Weise
aus geführt werden müssen (ich führe das Material dem
entsprechend geordnet in den Büchsen):
Zuerst wird die blutende Stelle, beziehungsweise Innen¬
fläche des Gebärmutterkörpers mit einer dünnen, mehrfachen
Lage gewöhnlicher antiseptischer Gaze ausgepolstcrt und
durch Stopfsonde oder Koruzange an dieser Stelle gehalten
(die äussere Hand controlirt diesen Vorgang; die vordere
Muttermundslippe ist mit einer Kugelzange herabgezogen!;
das Ende dieser Gaze hängt dochtartig gedreht her¬
unter; — sodann wird mit einer anderen Kornzange die
imprägnirte Gaze in mehrfachen Lagen fest zur Aus
füllung des ganzen Gehürmutterinnern nachgestopft, derart,
dass das drainirende Ende der ersteingeführten Gaze zwischen
dieser Gaze hindurchläuft; durch Erstere kann zur \er
ringorung der Blutmenge an der Austrittsstelle ein Thet
aufgesogen und abwärts drainirt werden ; wir haben es J»
jeden Augenblick in der Hand, durch Feststopfen diese 3
Gazeendes mit den imprägnirten Gazczipfeln die Draiuage
aufzuheben.
So hängen also die Enden der beiden Gazestreifen in
die Scheide, welche schliesslich mit fertigen Knäueln ent
fetteter Mullstreifen oder Watte kugeln austamjionirt wir .
Es leuchtet ein, dass wir bei der Ausstopfung ascptisc er.
parenchymatös und capillar blutender Höhlenwun en
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J
6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
947
(z. B. nach Ausschälung abdominaler Eier aus ihrem serösen
Bette, wo wir keine Capillardrainago wünschen), in der imprägnirten
Gaze ein weit sichereres Mittel haben, zumal wir gegebenen Falles,
wie wir gesehen, leicht gewöhnliche aufsaugende Gaze zur Controle
oder Vorsicht mit entflechten können. Dasselbe gilt für die Tam¬
ponade bei Plaeenta praevia und zur Erhaltung des Frucht¬
wassers — bei vorzeitigem Blasensprung und noch nicht fest genug
eingestelltem vorliegendem Theile, — wo es im Wesentlichen auf die
Undurchlässigkeit des Tami>onmateriales ankommt.
Endlich streife ich die Verwerthbarkeit der imprägnirten Gaze
bei Einleitung künstlicher Aborte und Frühgeburten.
Oft genug versagt der Reiz der sterilisirten Jodoformgaze; wir
vermehren ihn dann in durchaus günstiger und gefahrloser Weise
durch Anfeuchten der Gaze mit Glycerin.
Indessen weiss jeder Mehrbeschäftigte, dass auch hierdurch
oft genug die Lethargie des Uterus nicht überwunden wird. Die
Ursache ist unschwer in der Weichheit und dem Zusammen sinken
der durchfeuchteten Gaze zu suchen. Die starreren und starrer
bleibenden imprägnirten Fasern behalten die spannende Dehnung
des Cervicalcanales bei und vermögen ausserdem in den Maschen
durch Adhacsion genügend Glycerin hinaufzutransportiren.
Beitrag zur Lehre von der Entstehung der Trichor-
rhexis nodosa.
Von Dr. Rieh. Richter , Arzt in Berlin.
Iu seinen kürzlich in dieser Zeitschrift l ) gemachten Mit¬
theilungen über Trichorrhexis nodosa kommt Barlo w auf Grund
cigeuer Beobachtungen und negativer Impfresultate zu dem Schluss,
dass der parasitäre Ursprung der Trichorrhexis noch keineswegs
erwiesen; wahrscheinlich sei es, dass Ernährungsstörungen der
Haare ein aetiologisches Moment abgeben.
Die zur Zeit noch bestehende Unkenntniss über die Natur
dieser Krankheit veranlasst mich, meine aus Beobachtung an mir
selbst gewonnene Ansicht über die Entstehung dieser nicht sehr
seltenen Haarerkrankung mitzutheilen.
Vor ungefähr 2 Jahren bemerkte ich eines Tages an den da¬
mals noch spärlichen Haaren meines Schnurrbartes die bekannten
Knötchen. Die mir damals noch unbekannte Erscheinung wurde
mir von Fachkundigen als eine parasitäre Erkrankung erklärt. Ein
Jahr hindurch gebrauchte ich alle erdenklichen antimycotischen
Mittel: Sublimat, Naphthol, Salicyl, Schwefel, Perubalsam — alles
ohne den geringsten Erfolg. Die Knötchen zeigten sich auch in
den Haaren des Kinnbartes. Zu derselben Zeit machte ich die
Entdeckung, dass auch an meiner Zahn- und Nagelbürste der «Pilz»
aufgetreten war. Dieser Umstand stärkte den Glauben an den
parasitären Ursprung der Krankheit in mir, der Gedanke der Ueber-
tragung von der Bürste auf die Haare und umgekehrt lag ja zu
nahel Ich ersetzte die alten Bürsten durch neue, die ich vor der
Anwendung peinlich desinficirte. Von mir angestellte mikroskopische
Untersuchungen ergaben nichts als das bekannte Bild. Als nach
einigen Wochen wiederum die Zahnbürste mit einigen Knötchen
sich besetzte, ersetzte ich sie wiederum durch eine andere. In
dieser Weise habe ich im Verlauf eines halben Jahres meine Zahn¬
bürste 4 mal, die Haarbürste I mal durch neue ersetzt Der Erfolg
blieb aus. Ich glaubte sogar eine Verschlimmerung constatirt zu
haben; die Knötchen verschwanden nicht, die Haare fielen mir
ziemlich reichlich aus. Endlich regte sich in mir der Zweifel an
der Richtigkeit der bisherigen Behandlung. Ich machte nämlich die
Beobachtung, dass die Knötchen nur noch ganz vereinzelt sich
zeigten, wenn ich längere Zeit die Haarbürste, die im Uebrigen un¬
versehrt war, nicht gebraucht hatte. Nach 8—14 tägigem Gebrauch
der Bürste traten die Knötchen jedesmal wieder zahlreicher auf,
fielen die Haare reichlicher aus. Mehrere Male habe ich dieses
Experiment wiederholt, stets mit gleichem Erfolge. Jetzt verliess
ich die bisherige Behandlung, verwendete ausschliesslich Mandelöl
und Lanolin und vermied jegliche Reizung der Haare.
Die Knötchenbildung hörte auf, die Haare fielen noch längere Zeit
aus, bis auch diese Erscheinung ganz zurücktrat. Dieses Verfahren
halte ich jetzt noch inne mit demselben befriedigenden Erfolge; ich
vermeide jegliche Reizung der Haare durch scharfe Kämme, Bürsten,
forcirtes Drehen etc. und verwende ausschliesslich als Fixir- und
Einfettungsmittel Oel und Lanolin 'Ol. amyd. dulc. gt 10—20 Lanolini 10).
Meine Zahnbürste zeigt seit Langem wieder die Knötchen; ihr Vor¬
handensein schreckt mich nicht mehr ab die Bürste täglich zu ge¬
brauchen. Eine «Tnfection» findet seit erdenklicher Zeit nicht
mehr statt.
Aus vorstehender Beobachtung habe ich die feste Ueber-
zeugung gewonnen, dass die Trichorrhexis keine parasitäre Er-
1 ) No. 26, vom 30. Juni (L J.
krankung, sondern dass die «alte» Anschauung zu Recht besteht,
nach der es sich hierbei um eine Ernährungsstörung der Haare
handelt. Diese Ernährungsstörung kann in 2 Erscheinungsformen
auftreten:
1. Ausfallen der Haare,
2- Knötcheubildung.
Das Auftreten der Knötchen zeigt nur einen höheren Grad
der Störung in der Ernährung an; denn auch die einmal von den
Knötchen betroffenen Haare fallen früher oder später immer mit der
Wurzel aus, mögen die Knötchen abgeschnitten werden oder nicht.
Die Therapie ergibt sich von selbst.
Ausreissen der betroffenen Haare. Reichliche Anwendung
von Gelen oder milden .Salben ohne Zusatz desinficirendcr oder
antiparasitärer Mittel. In der Hauptsache: Vermeidung jeglicher
Reizung der Haare.
Untersuchungs- und Massage-Sopha,
gleichzeitig verstellbar als Operations und Untersuchungslisch
resp. Untersuchungsstuhl.
Von Dr. Reinecke in Blomberg i. L.
Der in den Fig. 1, 2, 3 und 4 dargestellte Untersuchungs- und
Operationsapparat ist in erster Linie für den Gebrauch im Sprech¬
zimmer des praktischen Arztes bestimmt, aber auch wegen seiner
Vielseitigkeit in Privatkliniken nnd Krankenhäusern mit Vortheil
verwendbar. Mit einer zor Zimmereinrichtung passenden Decke
behängen, ersetzt er eine Chaiselongue, so dass er allen Anforderungen,
welche die Praxis an den Arzt stellt, vollständig Genüge leistet, ln
gewöhnlicher Lage ein Untersuchungs- und Massage-Sopha, ist er
sowohl als solches, als auch als Massagetisch, als Operationstisch,
Untersuchungstisch und Untersuchungsstuhl zu gynäkologischen,
endoskopischen, urethroskopischen Zwecken gleich gut zu benutzen.
Diese Vielseitigkeit im Gebrauch ist bedingt durch die Dreitheilig-
keit der Tischplatte, von der jeder Theil für sich verstellbar ist,
und durch die sehr einfache Hebevorrichtung, die, am Kopf- und
Fußsende des Apparates angebracht, einer einzelnen Person mit
Leichtigkeit die Höhenverstellung ermöglicht Mit Gummi über¬
zogene Rollen lassen das Sopha leicht und bequem an jeden be¬
liebigen Platz des Zimmers bewegen.
Fig. 1 zeigt das gewöhnliche Untersuchungs- und Massage-Sopha;
die Tischplatte ist vom Kopf- bis zum Fussende 180 cm lang und
(iO cm breit und ruht auf einem sehr stabilen Gestell. Alle Theile
sind ganz aus Eisen und mit Emaillefarbe gestrichen, so dass die¬
selben leicht und vollständig zu reinigen sind. Die niedrigste Höhe
beträgt 57 cm, welche durch abknöpfbare Polsterkissen 62 cm erreicht.
Die dreitheilige Tischplatte ist derart angeordnet, dass Kopf- und
Mittelstück je 50 cm, das Fusssttick dagegen 80 cm mißst. Der
Tischrahmen wird unmittelbar von 4 hohlen Füssen getragen, welche
über die auf Rollen ruhenden festen Füsse gezogen sind. Jedes der
Kissen ruht mit seiner Unterlage scharnierartig anf dem Tischrahmen
und ist für sich mittelst zahnstangenartiger Sperrhebel verstellbar.
Nach Fig. 2 sind für den Gebrauch als Untereuchungs-Sopha
für gynäkologische Explorationen und Th u re-B rand t'sche Massage
Kopf- und Fusßstück aufgeschlagen. Der erhöhte Kopftheil bildet
die Rückenlehne, während der erhöhte Fusstheil als Stützpunkt für
die Füsse der Patientin dient. Die Vortheile dieser Lagerung,
in der man auch die Massage nach Thure-Brandt ausführt,
bestehen nach Professor Dr. Dührssen in der vollkommenen Ent-
2 *
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948
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 40.
»P« der Bau^dwken »nd in der M^'^IeÄS»
Hand mich llllen Pl ''^ I ‘i E eckens gleidimMig gut »UBtMten
Ä„ d “nÄ™"nS h d™ Äsende nuferen «irdenen
selbst in der höchsten Stellung eine genügend starre sichere and
dabei leicht lösbare Verbindung der beiden Fusstheile hergestellt.
FiK 4 stellt den gynäkologischen Untersuchungsstuhl resp. den
Operationstisch für gynäkologische Stuhloperationen dar. Kopf-
Fig. 2.
Untersucht man zuerst auf dem Untersuchungsstulil und dann auf
dem Sopha, so ist man überrascht über die Leichtigkeit, mit der
auf letzterem Uterus und auch die Ovarien zu palpiren sin‘ .
Aus Fig. 3 ist die Stellung als Untersuch ungst.sch und als
Operationstisch für chirurgische Operationen zu ersehen, welche
Fig. 3.
durch die an Kopf- und Fussende angebrachte Hebevorrichtung
ermöglicht wird. Der Hauptzweck der Vorrichtung zum Höher- und
Tieferstellen besteht darin, den jeweils zur Verwendung gelangenden
Tisch auf der für die ärztliche Behandlung geeignetsten Höhe ein-
zustellen. Sie besteht im Wesentlichen aus zwei um einen gemein¬
samen Bolzen schwingbaren und an ihren freien Enden je eine
Sperrklinke bethätigenden Streben. Der Bolzen ruht in einem Längs¬
schlitz des die beiden Hohlfüsse verbindenden Querträgers und ist
als lösbare Schraube ausgebildet, deren freies Ende von einer
Spiralfeder derart getragen wird, dass beim Heben des Schrauben¬
bolzens in dem Längsschlitz ein Zusammendrücken der Spiralfeder
stattfindet, letztere somit eine auf Zug und Druck beanspruchte
Stütze für den Bolzen bildet. Au den unteren Enden der Hohlfüsse
hängen in Scharnieren von aussen die Sperrklinken, welche, durch
einen Schlitz der hohlen Füsse hindurchtretend, in je eine Zahnlücke
der zu diesem Zwecke als eine Art Zahnstange ausgebildeten festen
Füsse greifen. _
Die Wirkungsweise der Hebevorrichtung ist klar ersichtlich;
mit Leichtigkeit vermag eine Person die Verstellung in der Höhe
auszuführen. Durch Heben an dem Knopf entfernen sich die
8perrklinken gleichzeitig aus den Zahnlücken der festen Füsse. Der
nunmehr fixirte Knopf dient als Handhabe für das Heben des einen
Endes des Sophas. Unterstützt die andere Hand das Sopha in der
gegebenen Höhe, und giebt man den Knopf frei, sogreifen die Sperr¬
klinken selbsttliätig in die Einschnitte der massiven inneren Füsse
ein- Derselbe Vorgang spielt sich am anderen Ende des Sophas
ab, und so lässt sich dasselbe als Tisch parallel oder geneigt zur
Horizontalen einstellen. Durch Anziehen von 4 Stellschrauben wird
Fig. 4.
und Fusstheil sind heruntergeschlagen, während das Mittelstück
allein aufgeklappt ist. Die Beinhalter — bibher durch das auf-
eeklannte Kopfstück in zweckmässiger Weise dem Auge der Patientin
verdeckt wodurch dem Apparat das auffällige Aussehen genommen
Sd - sind mit abknöpfbaren Kissen und Riemen versehen und
betreffs leichterer Handhabung gekröpft. Ferner
nicht allein in jeder Höhe einstellbar, sondern auch die Befestigung?-
Vorrichtung derselben an den Hohlfüssen ist um die leUteren dreb
bar™ Das als Sitz dienende Kopfstück lässt eine schräge Stellung
d68 S Der 8 Apparat ist durch die Firma C. Maquet .Vereinigte
Fabriken zu? Anfertigung von Sanitätsgeräthschaften, in Heidelberg,
zu beziehen. Derselbe ist gesetzlich geschützt.
Serumtherapie und Statistik.
Von Prof. l)r. 0. Rosmbach.
(Fortsetzung.)
n.
Die absolute Mortalität und der Charakter der Reihe.
(Die Bedeutung der Wellenbewegung auf epidenuologiscnem
Gebiete).
Aus allen diesen Gründen ziehen wir für die Beurtheilung
des Werthes eines Mittels die Zahlen der absoluten o -
talität vor, natürlich nicht, um die absoluten Zahle “ ,
Weiteres zu Schlüssen zu benützen , wie man dies an der n
der Eingangs erwähnten Pariser Statistik mit Leichtigkei
zu können glaubt, sondern weil die absoluten Zahlen e
tigsten Grundlagen für das Urtheil bieten. Die absolute/^er
der Todesfälle repräsentirt ja die di recte Grosse des
dens, der der Bevölkerung durch eine Krankheitsform ’
während die Feststellung des Gcnesungsquoticn e "
wieder einen neuen Gesichtspunkt für die Bcurtheilung ein«* ,
also, wie alle Vorhältnisszahlcn, der Möglichkeit einer su J
tiven Gestaltung und Umdcutung der Resultante untcr “*f .
Allerdings lassen sich auch die absoluten Zah en ^
talität nur dann als gleich- und vollwcrthige G ie , ßn
Reibe, einer in constanten Beziehungen s e
Gruppe von Ereignissen, kurz als Grund age
wissenschaftlichen Schlusses, betrachten, we ° n Bleiben
Voraussetzungen für die Begriffsbestimmungen gi ’g ^
und wenn nur längere Perioden verglichen werden. ^
auch nicht den (wechselnden) Charakter der Bei c
zu vergleichenden Perioden vernachlässigen, sondern mm-
fcstzustellcn suchen, ob die Gesammthcit aller Glieder o , .
auf einander folgende Glieder, besondere Eigentliüm na tür-
bieten , ob nicht eine Gesetzmässigkeit existirt, die, vom ^
liehen Verlaufe der Dinge abhängig, die Deutung im
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6. October 1896.
“ ! .r%
3 &. •
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
neu formulirten Gesichtspunktes erschwert oder gar ausschliesst,
wed sich die Ereignisse bereits deutlich vorher in einer dem neuen
Einflüsse entsprechenden Richtung bewegt haben.
z \ ? in Geschäft im Aufschwünge oder Nieder-
n r n f det . w d 8eit Jahren einen steigenden oder fallenden
zStDunkte i an M kann T n nicht eine zu einem beliebigen
AbS^h?*ewandte Maassnahine, nach der die Zunahme oder
Abnahme besonders deutlich wird, als Ursache von Ge
SST betrachten, deren Richtung sich bereits lange vorher
wenn K man g di^oh Um - entirt hat V Man muss besonders vorsichtig sein,
SLm T» an f ch einend plötzlichen Umschwung
gleichsam dazu gedrängt wird, causale Beziehungen eines
synchronen Ereignisses zu dem Verlaufe der Mortalität zu con-
rnm'Tfmapl? 111 8 ° Ch< ? ®° hli ! S8e sind sehr unsicher, wenn die Neigung
schwunge sich schon vorher deutlich in der Art der Reihe
Sfiüende'r nn n n«f d,e Z *«l en e \ ner läugeren Periode 8 '°b mit
autlallender Oonstanz über oder unter dem Mittel bewegten.
Dass auf sieben fette Jahre meistens sieben magere folgen,
d. h. dass die Entwicklungsrichtungen wechseln, gilt nicht
bloss für Aegypten, und wenn man die Zahlen irgend welcher
Geschehnisse, z. B. des Verlaufes einer bestimmten Krankheit
für 20 oder 30 Jahre, zur Verfügung hat, so wird man die
einzelnen, deutlich markirten, Perioden des constanten Auf- und
Absteigens der Curvcn und der ziemlich regelmässigen Dauer
der einzelnen Phasen gleicher Tendenz ohne Mühe feststellen
können. Man wird finden, dass auf ein Lustrum oder Decennium
gleich hoher Sterblichkeit einige Jahre niedrige, auf eine niedrige
eine hohe Sterblichkeit zu folgen pflegt. Die Wellenbewegung
lat selbst dort deutlich, wo die Mortalität resp. Morbidität einer
bestimmten Form schliesslich ausserordentlich gering wird; die
Curve fällt selten constant, sondern zeigt Exacerbationen, Beree
und Thäler.
Am deutlichsten sind natürlich diese Erscheinungen bei den
endemischen Krankheiten ausgesprochen, für die etwa drei De-
cennien eine Periode bilden dürften, wobei man allerdings sorgfältig
die Aenderungen der Nomenclatur berücksichtigen muss-
denn Fälle, die man z. B. durchweg vor 30 — 40 Jahren als Typhus
bezeichnet hätte, sind späterhin mit Sicherheit als Meningitis, acute
Miliartuberculose, Uraemie, (kryptogenetische) Pyaemie erkannt resp.
bezeichnet worden. Auch muss man den Genius epidemicus
resp. Krankheitscharakter für alle Formen der Erkrankung
berücksichtigen; denn es ist klar, dass nicht alle Krankheitsspecies
zu gleicher Zeit gleich deletär sein, d. h. die Menschheit deci-
miren können. Meiner Erfahrung nach gibt es Perioden, wo die
acuten, und Perioden, wo die chronischen Krankheiten die Menschen
decimiren, Perioden, wo vorzugsweise Säuglinge oder Greise, und
solche, wo Erwachsene oder Greise sterben, Perioden, wo die Wund¬
krankheiten und solche, wo die inneren Krankheiten vorwalten, von
Kriegen ganz zu schweigen, die Morbiditäts- und Mortalitätsverhält¬
nisse auf Decennien hinaus völlig umgestalten 8 ).
Die Morbiditätszahlen resp. der Genesungsquotient
sind im Ganzen unsichere Maassstäbo der Beurtheilung, da das
Resultat eben allzusehr von den für Formulirung der Dia¬
gnose maassgebenden Principien abhängt, und zudem bei der
Diagnose im Leben andere Gründe und Beweise ausschlaggebend
sind, als bei Angabe der Todesursache, namentlich der
auf dem Sectionsbefunde basirten. Ausser den als Taufpathen
oder Urheber eines therapeutischen Verfahrens intercssirten
Persönlichkeiten — die hier bei allen Wünschen, objcctiv zu
• bleiben, doch immerhin als Parteien der Subjectivität nicht
völlig entsagen können — hat ja Niemand ein Interesse daran,
bei Todesfällen noch künstliche Unterscheidungen zu machen;
im Gegentheil ist der betheiligte Arzt in den Augen vieler Laien
sofort von jedem Vorwurfe entlastet, wenn er die tödtliehe
Krankheit schon frühzeitig mit einem recht unheilverkün¬
denden Namen belegt hat. Dass auch die beste ärztliche Behand¬
lung einen an acuter Miliartuberculose, Blutvergiftung, septischer
Diphtherie Erkrankten nicht retten kann, wird eher eingesehen,
als die Möglichkeit, dass Jemand einem gastrischen Fieber oder
einer blossen Angina erliegt. Sobald allerdings der Einfluss eines
therapeutischen Verfahrens statistisch beurtheilt werden
soll, ändern sich die Gesichtspunkte bei Aerzten und Laien; denn
bei vielen Operirten fungirt als Todesursache Herzschwäche oder
8 ) Auch Kriege sind wohl der Ausdruck eines uns unbekannten
Gesetzes in der Entwicklung der Menschheit, und ihr Einfluss ist
für den ärztlichen Statistiker ebenso wichtig, als der der Epidemieen
oder bedeutungsvoller socialer Factoren. (0. Rosenbach, Grund¬
lagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie, Wien 1891 S 12 ff)
No. 40.
949
Lungenentzündung, während doch der Todesfall eigentlich dem
operativen Eingriffe, oder, wenn zu spät operirt wird, dem
Grundleidcn zur Last zu legen ist.
Der Erfahrene muss bezüglich der Grundlagen einer Statistik
schon stutzig werden, wenn eine auffallende Zunahmc der Er¬
krankungen einer bestimmten Form mit einer ganz uner¬
wartet geringen Mortalität verbunden ist; denn dort, wo
die Zunahme der Zahl der endemischen Erkrankungen wirklich
den natürlichen Einflüssen zur Last zu legen ist, wo cs sich
um die Ausbildung einer wirklichen Epidemie handelt, da pflegt
auch mit verschwindenden Ausnahmen die Mortalität recht be¬
trächtlich zuzunehmen. Nur wo die Mode oder andere unwesent¬
liche Einflüsse an der Grösse einer Zahl einen wesentlichen An-
theil haben, wo die Benennung der Fälle resp. die Art der
Diagnose eine ausschlaggebende Rolle spielt, da pflegt ge¬
wöhnlich das Vcrhältniss umgekehrt zu sein. So kann unserer
Auffassung nach an der auffälligen Zunahme der Erkrankungen
an Diphtherie in den letzten beiden Jahren auch möglicher¬
weise ein anderer Factor, als der natürliche Gang der Dinge,
nämlich die neue Form der Diagnose, die Schuld tragen!
Jedenfalls ist die Annahme, dass es sieh um eine natürliche
Wellenbewegung im Strome der Erkrankungen an Diphtherie
handelt, nicht ohne Weiteres gesichert; sie ist erst bewiesen,
wenn festgestellt ist, dass au der Steigerung die classificirenden
Principien keinen Einfluss haben , oder dass für die Rubricirung
auch jetzt noch dieselben Kriterien maassgebend sind.
Es geht nun wolil nicht au, die zweifellose Zunahme der Diphtherie-
kranken in den Hospitälern Berlins bloss äusseren (unwesenb
liehen) Einflüssen, wie den neuen Gesetzen über Krankencassen
grösserer Bereitwilligkeit des Publicums, Hospitäler aufzusuchen etc’
zuzuschreiben, da die betreffenden Zahlen auch ausserhalb der
Hospitäler gestiegen sind, woran allerdings auch die Furcht einen
Fnü zu leicht zu nehmen und ihn der Desinfection oder Serum¬
behandlung zu entziehen, einen gewissen Antheil haben mag. Es
ist also auch hier nicht ausgeschlossen, dass dieArtderDiag-
nose bei der Gestaltung der Ziffer der Erkrankungen
eine wesentliche Rolle spielt; doch lässt sich das nur entscheiden
wenn man die Zahlen der an den verschiedenen Formen der
Halsentzündung in den Hospitälern Behandelten in den Jahren
von 1880—1895 mit einander resp. mit den Zahlen der Diphtherie
m den entsprechenden Perioden vergleichen könnte. Aus dem Ver¬
gleiche müsste sich bei Berücksichtigung einfacher Cautelen ohne
Weiteres ergeben, ob die Diagnose Diphtherie jetzt häufiger gestellt
wird als früher, kurz, ob sie der modernen Richtung mehr ent¬
spricht als die der einfachen Angina.
Für die Charitd z. B. ist möglicherweise durch die Schaffung
des Instituts für Infectionskrankheiten ein neuer, für die Gestaltung
der Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten wichtiger, Factor
wirksam geworden (S. u.).
.Kossel (Deutsche med. Wochenschr. 1896, No. 22) ver-
werthet zum Beweise der Wirkung des Heilserums die Resultate
einer vieljährigen Periode (von 1886—1896 incl.), stellt aber die
kurze Aera des Heilserums (zu der er schon das Jahr 1894 rechnet)
den anderen (8 resp. 9) Jahren gegenüber. Er gibt folgende
4 Tabellen, denen wir die Durchschnittszahlen für
Lustrcn und Triennien hinzugefügt haben, um die allein
aus dieser Vertheilung resultirenden frappanten Unterschiede
der Grundlagen für die therapeutische oder oau-
sale Betrachtung zu zeigen.
Tabelle I.
Aufnahme und Sterblichkeit an Diphtherie in der Charltö. *)
Jahr
1886
1. Jan. 87 b. 31. März 88
1. Apr.88b.31. März89
1889/90
1890/91
1891/92
1892/93
1893/94
1894/95
1895/96
Davon starben pro Jahr
in5 I in »| in 4 jä-lar.
Perioden
116
157
163
167
140
104
152
168.
3061
Durch¬
schnitt 146
Durch-
265/schnitt 285 (1)39
180
61
J 68
7 ) Die Klammern ergeben die Perioden, für die der Durch¬
schnitt gilt.
8
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950
MÜNCHENER ME DICINISCHE WOCHENS CHRIFT.
No. 40.
Aufnahme u.d St.rblichk.il ah Diphtberieln aümmtllohen Berliner Kracken-
Jahr
1885
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
Auf¬
nahme
1928
1738
1636
1446
1623
1792
1764
2074
2450
2890
3061
Davon
starben
688
789
609
598
523
573
695
623
837
951
^jährlichen Durchschnitt
pro
Lustr. | Trienn. 1
699
599
565
718
739 (!)
745(!.
699
631
665
739(!)
603
7G8 (!)
Tabelle III.
Angemeldete Erkrankungen und Todesfälle an Diphtherie in Berlin.
Jahr
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
Anmeldaagen
6968
5438
4190
4220
4586
3504
3683
4315
5220
6106
Tod
Lustrum
s f ä 1 1
Trienn.
Quadrienu.
pro Jahr
1632
1392
1195
1210
1601
1106
1342
1637
1416
987
1406
11266
1 1356 ^
1389
1350
1421
1298
j 1201
J 1347 (!)
1201 I
1512
1278
1345 (!)
Tabelle IV.
Todesfälle an Diphtherie In deutschen Städten über 15 000 Einwohner.
Jahr
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
Absolute Zahl der Todes¬
fälle an Diphtherie
Lustr.
1 pro Jahr
12211h
|10970
10142
119191
,119151
|l0484|
12365
116557
13790
7611
11431
Trienn.
pro Jahr
Auf 100 000 Einwohner starben
an Diphtherie in der in Klammern
gesetzten Periode
pro Jahr
12161(!)
11010
11310
11588
jl26
12653 (!)
,109
115
98
104
77
9510
Jedem unparteiischen Statistiker müssen nun Bedenken auf¬
steigen, ob Jahre, die eine solche Verschiedenheit der
Zahlen darbieten wie die Jahre 1894—1896 der Statistik der
Charite, überhaupt im Guten oder im Schlimmen, mit einander
verglichen werden dürfen. Hier muss jedenfalls erst das
Resultat der nächsten Jahre abgewartet werden; denn schon die
Vergleichung der Zahlen der Charite mit denen der sämrnt-
liehen Berliner Krankenhäuser ergibt einen ver¬
blüffenden Schluss, den Kossel nicht gezogen hat, näm¬
lich, dass der (Jahres) Zahl des 8 jährigen Durchschnitts, d. li.
688 Todesfällen, in der kaum zweijährigen Aera des Heil¬
serums die Zahl 642 entspricht. Die Verringerung der Mor¬
talität ist also minimal; sie beträgt etwa 6 Proc. (an der
Charite 50 Proc.), und die betreffende Sterblichkeitsziffer ist un¬
günstiger als die des Lustrums von 1886—1890- Für
die gesammte Sterblichkeit Berlins dagegen betrügt bei Ver¬
gleichung dos Bienniumsmit 8 früheren Jahren die Vermin-
dernng zwar circa 13 Proc., aber die Sterblichkeit ist noch immer
nicht geringer geworden als in einzelnen der vorhergehenden Biennien,
7 ) Die Klammern ergeben die Perioden, für die der Durch¬
schnitt gilt.
doch wohl etwas stutzig machen und zur Vorsicht m der Schlup¬
fs B. den Jahren 1888 und 1889), die doch noch unter der
Herrschaft einer angeblich unwirksamen Therapie standen. Solche
Verschiedenheiten sollten auch den hastigsten Statistiker
folgerung oder zum Abwarten mit der Mitteilung der Resultate
mahnen Da ferner doch anzunehmen ist, dass bei der Behand¬
lung in den Krankenhäusern ausschliesslich Heilserum ver¬
wandt wurde, während in der Stadt seihst doch wohl viele Bälle
anders (und zu spät) behandelt wurden, so müssen an der
günstigen Mortalität der in der Stadt Erkrankten doch wohl
andere Factoren als das Heilserum bcthciligt sein.
Wie soll der Einfluss der neuen Therapie durch Betrachtung
nur zweier Jahre cinwandsfrei fcstgestellt oder was soll über¬
haupt verglichen werden, wenn zwei fünf jährige Perioden für
Berlin so absolut entgegengesetzte Verhältnisse des
Wellenganges der Morbidität zeigen wie die des letzten
Decenniums, wenn von 1891 bis 1895 mcl. die Morbuhtet von
3504 auf 6106 Kranke an stieg, während sie von 1886 bis
1890 incl. von 6968 auf 4222 sank? Hier kann wenn man
schon vergleichen will, doch jedenfalls der Vergleich nicht zur
Bcurtheilung der therapeutischen Emflüsse brütet werden
denn man käme dann zu dem Schlüsse, dass die Behandlung im
Jahre 1886, wo von circa 6968 Kranken 1662 starben, unver-
hältnissmassig besser war, als im Jahre 1890, wo schon
von 4586 Kranken 1601 starben. Da in den beiden Jahren
24 Proc. resp. 35 Proc. starben, so müssten im letzterwähnten
.Jahre die therapeutischen Maassnahmen . 50 T ^;;. " D ,
wirksamer geworden sein. Da ferner die Mortalltat m> Jahre 189
38 Proc., im Jahre 1894, wo das Serum angeblich schon m bc
trächtlicher Ausdehnung und mit gutem Erfolge ange«^
noch immer 27 Proe. betrug, so können wir hier eigentlich ^
gar nicht von einem Einflüsse des Serum sprechen, da ja frühe
schon einmal (1886) die Mortalität auf 24 ^Jer.b
gcdrückt war. Sobald also so grosse ^ e 11 o n h*’* g " 5
existireu, sind Vergleiche einzelner Jahre oder_ selbst k eine
Perioden (von 2 bis 3 Jahren) überhaupt nicht möglich, d.
man eben zu leicht schon Verhältnisse von verschiedenem
Allgemeincharakter, von ganz an der er Tendenz der
Reaction und Disposition mit einander vergleicht, (b. obe .,
Wenn man z. B. die Zahlen sämmtlichcr Berliner Kranken¬
häuser (Kossel, 1. c. Tab. II) für je 2 Lustren gegnttberstdlt,
also die Jahre 1886 bis 1890 incl. und 1891 bis l89o
deutlicher würden die Differenzen mit Einbeziehung von 1885 g
staltct werden, da die eigentliche Fluthwelle dieser Periode für
Berlin noch auf das genannte Jahr fiel —, so erha n
2998 resp. 3787 Todesfällen im ersten Lustrum eine Durcn
selinittsmortaKtät von 599 (bei Berücksichtigung von 6J*
eine solche von 631), für das zw eite Lustrum bei 369 «
fällen eine durchschnittliche Mortalität von 739 pro iaht, o. ^
eine beträchtliche Differenz zu Ungunsten der
Periode, so dass also das Heilserum noch viel Nutzen
muss, um die Mortalität der Periode ohne Heil
zu erreichen. Ebenso ist die Mortalität der^ letzten l ermcfür
die über 15 000 Einwohner zählenden Städte des Deuts « ^
(Tab. IV) noch immer ungünstig — die Zahlen b g . big
1886 bis 1890 57 157 (pro Jahr U 431) ™d ß Aj
1895 incl. 60807 (pro Jahr 12161) - nnd auch die Bess S
für die Jahre 1895 resp. 1894 tritt nur 9chei “ b “ r *[J die
hervor, weil 1893 eine immense Mortalitätszahl ha- ’ d
naturgemäss eine bedeutende Minderung folgen mu9S ^
nämlich die Durchschnittsmortalität von 188 , fast
incl. 11429 betrug, war die des Jahres 1893 19 5 j7 ’ des
50 Proc. höher und noch über 30 Proc. stärker
vorhergehenden — auch schon durch stärkere rela ve ^
ausgezeichneten — Jahres, ein Umstand, der den Abtall ' ^
1894 mehr als genügend erklärt. Auch wenn wir -.090
3 Jahren betrachten, so hat 1887 bis 1889 mc' „„ ö rq’ nv dcs .
bis 1892 incl. 34764 und 1893 bis 1895 incl. tc
fälle, also trotz der angeblichen Wirkung des Heilserum
Mortalität eines Trienniums. T helle I v
Sehr merkwürdig ist übrigens bei Prüfung de 5! e ( ’^ n Ei n WO hner)
Todesfälle an Diphtherie in Städten über 15
(der
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6. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
951
der Umstand, dass die absolute Zahl der Todesfälle beträchtlich
höher geworden ist, während die auf 100 000 Einwohner be¬
rechnete wesentlich abgenommen hat. Der Durchschnitt pro 1886
bis'1890 beträgt nämlich auf 100 000 Einwohner 108, pro 1890 bis
1,895 93, so dass also die absolute Zahl der Todesfälle (s. oben) um
ca. 6,3 Proc. zu genommen, die Mortalität pro 100 000 Einwohner
um circa 14 Proc. ab genommen hat. Ebenso drastisch ist dieser
Unterschied, wenn wir das letzte Jahr fortlassen; denn dann ist
gegenüber dem ersten Lustrum die absolute Zahl von 11431 auf
13 299, also um 16 Proc. gestiegen, während die Mortalität pro
100 000 Einwohner um mehr als 4 Proc. geringer geworden ist. 8 )
Auch diese Thatsache ist wohl ein Beweis dafür, dass in allen
Statistiken Fallstricke verborgen sind, und dass schon die Statistik
auf 100 000 Einwohner beträchtliche Verschiedenheiten für die
Deutung bietet gegenüber der der absoluten Todesfälle. Jedenfalls
beweist die hier resultirende Verhältnisszahl, dass die Bevölkerung
der grossen Städte sich stärker vermehrt hat als die Diph¬
theriesterblichkeit, und dass jede Reduction der absoluten
Zahlen auf eine andere Scala neue Ermittelungen für Schlussfol¬
gerungen nothwendig macht. Man kann eben nicht ohne Weiteres
aus der Besserung der SterblichkeitszifFer auf 100 000 Einwohner
erschliessen, dass die Therapie oder ein anderer künstlicher Factor
hier im jetzigen Sinne wirksam gewesen sein muss. Wahrscheinlich
haben an der Vermehrung der städtischen Bevölkerung Individuen
grösseren Antheil, die zur Erkrankung von Diphtherie
weniger disponirt sind, d. h. die Bevölkerung hat sich
wahrscheinlich vor Allem durch Zugang von Erwachsenen
vermehrt, wenn eben hier nicht noch andere, nicht ohne Weiteres
festzusteliende, Factoren mitwirken.
Wie wenig maassgebend die Handhabung der Statistik in
den Händen der Anhänger der Scrumtherapie ist, wie wenig ein¬
zelne 1 oca le Vorkommnisse bedeuten, beweist auch die folgende,
ohne jeden (Jommentar verständliche, Tabelle der Diphtherie-
morbidität und -Mortalität in Breslau, für deren freundliche
Mittheilung ich dem Director des statistischen Bureaus, Herrn
Dr. Nccfc, zu Dank verpflichtet bin.
Erkrankungs- und Sterbefalle an Todesfälle im Allerheiligenhospital
Diphtherie in der Stadt Breslau. zu Breslau. 9 ;
Er¬
krankte
Durchschnitt
äurcbsclinitt
Jahr«
«torbene
f
3 Jahr« |
er
5 Jabre
im Jabre
Todesfälle
Ter
3 Jahre ! 5 Jahre
1880
175
68
1880
10
1881
312
97
|
1881
14
1882
381
163
471
794
1882
41
179
253
1883
496
211
)
1883
75
1884
551
161
1
1884
63
1885
502
162
550
1885
60
239
1886
752
227
(
1886
68
1887
1635
443
1887
111
1888
1675
443
ll234
1783
1888
115
334
513
1889;
1434
348
1
1889
108
1890 1
1171
322
1
1890
111
1891
820
262
794
1891
85
266
1892
779
210
|
1892
70
1893
1016
355
1
1320
1893
116
413
1894
995
280
848
1894
76
258
1895
1072
213
1
1895
66
Die Tabelle illustrirt rocht deutlich, wie vorsichtig man mit
Analogieschlüssen sein muss; deun von der Wirkung des
ö ) Nach Triennien berechnet sind die Zahlen pro 100 000 für
die erste dreijährige Periode (87—89) 311, für die zweite (90—92)
286, für die dritte (93—95) 284, die absoluten Zahlen 11010, 11588
resp. 12 652, also vollständig incongruent, da die ersten Ziffern eine
aufsteigende, die zweiten eine absteigende Reihe bilden. Uebrigens
zeigt die deutliche Annäherung der Zahlen pro 100 000, dass die
bisherige Form der Bildung der Mortalitätsziffern einem Umschwünge
entgegengeht resp. zum Stillstände kommt.
9 ) Wir möchten bemerken, dass hier nur die Zahl der im
Hospital zu Allerheiligen behandelten Fälle angeführt wird, weil die
von den anderen Hospitälern gemeldeten Fälle selbst im letzten
Lustrum nicht mehr als 10 Proc. betragen, also das Resultat kaum
beeinflussen. Ferner ist bezüglich der Vergrösserung der Einwohner¬
zahl zu bemerken, dass pro Lustrum eine Zunahme von ca. 10 Proc.,
also pro Jahr annähernd 2 Proc., anzunehmen ist, so dass die ge¬
gebenen Zahlen des dritten Lustrums, falls man diese Correctur
anbringen will, um die entsprechenden Procente zu hoch sind. Da
also Breslau 1895 ca. ein Drittel mehr Einwohner zählte als 1890,
so würde ceteris paribus die Zahl der Gestorbenen pro 1895 behufs
genauer Vergleichung zu reduciren, d. b. nicht mit 213, sondern mit
ca. 141 anzusetzen sein, das vorhergehende Jahr mit 196 u. s. w.,
also immerhin noch grosse Sterblichkeitszahlen, die die
günstigste Mortalität (pro 1890) um mehr als das Doppelte
resp. Dreifache übertreffen.
Heilserums, das doch jedenfalls 1895 in ausgedehntem Maasse
in Anwendung kam, zeigt sich in den Resultaten nichts. Es
zeigt sieb aber, wie schwer kurze Perioden und verschiedene Orte
vergleichbar sind, da die Periode 188G—1890 incl. relativ
enorme Mortalitätsziffern auf weist und die Sterblichkeit in Breslau
während der letzten beiden Lustren 6ieh umgekehrt verhält,
wie die Durehschnittssterblichkeit in anderen grossen Städten
(Tab. IV bei Kossel), die eine Zunahme (von 19:20) im letzten
Lustrum erweist, während für Breslau die grösste Sterblichkeit im
vorletzten Lustrum bestand. (Verhältnis der beiden Lustren e. 10 : 7)-
Es zeigt sich endlich, dass für Breslau die Diphtherie einen aus¬
nehmend günstigen Verlauf im Jahre 1881 bis 1883 batte. Aus
der Tabelle ergibt sich ferner, dass auch in Breslau das Jahr 1893
das schlimmste des letzten Lustrums war, und dass desslialb nach
den früheren Erfahrungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
eine Abnahme der Todesfälle für die nächsten Jahre prognostieirt
werden konnte, d. h., man durfte Zahlen erwarten, die dem
Durchschnitt der anderen Jahre des Lustrums besser entsprechen.
Wie widersinnig es ist, beliebig kurze Perioden als Beweis für
die Bedeutung therapeutischer Eingriffe zu benützen, ergibt ein
Blick in die Tabelle der Todesfälle an Diphtherie im Allerheiligen-
Hospital. Von 1888 bis 1892, als die Abtheilung unter meiner Leitung
stand, ist die Mortalität allmählich um 50 Proc. heruntergegangen,
während sie in den vorhergehenden Jahren ebenso constant gestiegen
war. Im Jahre 1893 ist sie dann fast um das Doppelte heraufgegangen.
Kann Jemand ernstlich die Ansicht hegen, dass hier
therapeutische Einflüsse massgebend seien? Wer die
Statistik von 15 Jahren vorurtheilsfrei betrachtet, muss annehmen,
dass hier Factoren wirksam sind, die wir nicht kennen, und die so
wenig von unseren Eingriffen abhängig sind, wie die Gestaltung des
Wetters. Allerdings scheinen sich nun auch für Breslau wieder
bessere Verhältnisse anzubahnen; es steht zu hoffen, dass die Mor¬
talität sich nunmehr der des günstigsten Lustrums 1880—1885
nähern wird. Die Hauptwirkung des Heilserums wird also wahr¬
scheinlich für diese Stadt in die nächsten 2 Jahre fallen, während
sie für Berlin und den Westen, wo der Gang der Epidemie nach
Angabe der Statistik ein ganz anderer war, auf die vorangegangenen
gefallen ist. Solche Statistiken dürfen also nur verwerthet werden,
wenn eine lange Reihe bekannt ist, die einen bestimmten Charakter
erkennen lässt; dann sieht man eben erst, welche Zufälle bei Fest¬
stellung der Resultanten kurzer Perioden obwalten.
Fast alle diese Punkte sind schon oft erörtert worden ; diese
Einwendungen gegen die landläufige Art der Verwerthung von
Zahlen haben aber nur geringen Eindruck gemacht, da die Un¬
geduld zu 8chnellerBeweisführung drängt, die Kritik
einer Statistik nicht Jedermanns Sache ist, und zwei nackte
Zahlen in den Augen der Meisten einen so schlagenden Beweis
darstellen, dass eine ganze Reihe ernsthaftester, von der Erfahrung
dictirter, Einwändc gegen ihre Bedeutung ihn nicht zu entkräften
vermag.
Aus den vorstehenden Erörterungen wird klar geworden sein,
dass wir die oben erwähnte Mortalitätsstatistik von Paris be¬
sonders desshalb für so wichtig halten, weil sie absolute
Mortalitätszahlen für einen langen Zeitraum gibt und ein besonders
schlagendes Licht auf eine immer noch nicht genügend berück¬
sichtigte Fehlerquelle wirft, nämlich auf die aus der grossen
Kürze der verglichenen Perioden resultirenden Irrthümer,
die schon so häufig die sorgfältigsten Berechnungen werthlos
gemacht haben.
Wenn man einfach die beiden letzten Jahre der Statistik,
die Endglieder der Reihe, mit den Anfangsgliedcrn vergleicht, wie
dies bereits geschehen ist, so kann man allerdings den Schluss
nicht von der Hand weisen, dass die Mortalität seit Anwendung
des Heilserums beträchtlich abgenommen hat. Wenn man aber
den Schluss machen wollte, dass sie durch das Serum abgenommen
habe, so würden wir sehr oberflächlich urtheilen und zwar, weil wir
vergessen, den allgemeinen Charakter der früheren
Perioden zu untersuchen und festzustellen, ob eine bestimmte
Tendenz zum Steigen oder Fallen der Zahlen vorhanden ist.
Wenn wir nämlich in der uns beschäftigenden Statistik (s. o.)
die Jahre vor 1895 betrachten , so ergibt sich, dass — mit Aus¬
nahme des Jahres 1892, durch das der besonders günstige Ver¬
lauf der Erkrankungen im Jahre 1891 gleichsam ausgeglichen
und die mittlere Differenz der arithmetischen Reihe gewahrt wird
— die Mortalität sich in einer so deutlich absteigenden Reihe
bewegt, wie man es nur denken kann. Die Mortalität, die bis
8 *
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952
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40
1889 noch durchschnittlich 1840 betrug, hat im Jahre 1894
nur noch 1009 betragen, ist also bereits um circa 45 Proc. gegen¬
über dem Maximum heruntergegangen, so dass man hieraus auf
eine besondere Wirksamkeit unserer Methoden in den zwei letzten
Lustren schliessen müsste, falls eben für den Epidemiologen, der
die Gesetze der Perioden und nicht die isolärten Facta kurzer
Zeiträume betrachten soll 10 ), ein' solcher Schluss überhaupt gerecht¬
fertigt erschiene. -Wenn man ferner die beträchtliche Abnahme
von 1893 zu 1894 berücksichtigt — sie beträgt das Doppelte
der Abnahme von 1892 bis 1898 —, so hätte man für das
Jahr 1895 bloss aus der Kcnntniss der Reihe schon eine Ab¬
nahme der Todesfälle um 514 (zweimal 257) prognosticiren können,
selbstverständlich bei Andauer gleicher Verhältnisse und uuter der
Voraussetzung des Ausbleibens unerwarteter Ereignisse, die ja
alle menschlichen Schlussfolgerungen aufheben. Die Abnahme
der Sterbefälle um 500 würde eine Mortalität pro 1895 von
495 Fällen ergeben haben, während in Wirklichkeit nur 475 Todes¬
fälle, also noch einige weniger ein traten. Diese Differenz ist an
sich unbedeutend; sie fällt auch wenig ins Gewicht angesichts
einer absteigenden Reihe von der Deutlichkeit der hier constatirten.
Hat eine Reihe durch einige Glieder eine gewisse Constanz
nach der einen oder anderen Richtung erhalten, so ist eben die
Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass der Charakter auch noch in
den folgenden Gliedern derselbe bleibt, wie das innerhalb gewisser
Grenzen auch bezüglich der Andauer der gleichen Witterungs-
Verhältnisse der Fall ist. Wenn es ca. 8 Tage hintereinander regnet,
so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es noch 2 Tage regnen wird,
ziemlich bedeutend; es wäre aber falsch, diesen Satz auf längere
Perioden auszudehnen; im Gegentheil ist es wahrscheinlicher, dass,
wenn es z. B. 14 Tage geregnet hat, nun auch einmal schönes Wetter
eintritt. Natürlich ist aber keine absolute Sicherheit für die Geltung
solcher Voraussetzungen auf irgend einem Gebiete gegeben, da die
grossen deutlichen Wellenformen, die Grundlage der von uns als
gesetzmassig betrachteten Erscheinungen, vielleicht säeular sind; sie
repräsentiren den Ausgleich der kleinen Schwingungen, die wir, in
grosser Kurzsichtigkeit, schon am liebsten als Ausdruck biologischer
Gesetze betrachten. Auf medicinischem Gebiete entwickelt sich
die gleiche Constellation vielleicht erst wieder nach 3—4 Decennien,
schon deeshalb, weil die aufeinanderfolgenden Generationen nicht
gleichartig sind, sondern ebenfalls Wellensystemen von ver¬
schiedener Grösse und Form entsprechen, wie dies in der Art der
Lebensäusserungen resp. der Reactionsfähigkeit, auf körper¬
lichem und geistigem Gebiete zum Ausdruck kommt, (Plethorische,
anaemische, nervöse Constitution 11 ) als Durchschnittstypus, besondere
Formen der Denkrichtung, die sich am besten aus den Schlag¬
worten einer Aera ergeben, etc.).
Die Schwierigkeit, Gesetze der Morbidität und Mortalität für
einzelne Krankheitsgruppen, die ja einem künstlichen System ent¬
sprechen, zu fixiren, ist um so grösser, als in verschiedenen Ge¬
bieten, Land und Stadt, Provinz, Staat, Erdtheil, sowie bei den
einzelnen Rassen und Stämmen, in Folge von äusseren oder inneren,
ökonomischen oder sonstigen Einflüssen, zu gleicher Zeit ganz
verschiedene Verhältnisse obwalten können, so dass in einem Lande,
dessen Einwohner eben zur Erkrankung einer bestimmten Form
noch nicht disponirt sind, natürlich jede Schutzinassrcgel
wirksam ist, während die Bewohner, eines anderen Landes erliegen,
welche Maassrcgeln man auch immer treffen möge. (Man vergleiche
den Gang der Cholera im letzten Deccnnium in den einzelnen Staaten
Europas.) Ebenso lässt sich beobachten, dass Maassnahmen in
einem Staate wirksam sind, die in einem anderen und zu einer
anderen Periode sieb als absolut wirkungslos erweisen, so dass man
beim Vergleich längerer Zeiträume zu absolut contradietori¬
schen Ergebnissen kommC, also den zweifelhaften Werth solcher
Maassnahinen erkennen lernt, während man auf Grund des Materials
einer zu kurzen Periode gewöhnlich zu der Ueberzcugung gelangt,
dass ein Volk oder ein Gebiet nur durch die Anordnung bestimmter
Schutzmaassregeln von dem Unglücke, das die anderen betraf,
befreit geblieben ist.
Nur selten wird die Welle einer Bewegung so gross, dass
sie die ganze Menschheit mit derselben Heftigkeit erfasst
und zeigt, dass gewissen elementaren Einwirkungen 12 ) gegen-
,0 ) O. Rosenbach, Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der
Therapie. Wien 1891, 8. 12 ff.
“) Vgl. O. Rosenbach, die Bleichsucht und ihre hygienische
Behandlung, Leipzig 1893, S. 6.
12 ) Auch wenn Einwirkungen durch unsere Methoden nicht
registrirt werden können, d. h. wenn sie feinsten Strömen und Er-
über — auch wenn sie für unsere Methoden nicht so nachweisbar
sind, wie die Strömo in der Atmosphäre, die enormen Ausbrüche
von Vulcanen, Ueberschwemmungen oder grosse Temperaturschwao-
kungen — alle Verschiedenheiten der Rasse, des Staates, der Lage,
des Alters aufhören, ohne dass dabei eine Ansteckung, ein
Ucbergrcifcn von Individuum zu Individuum, entlang dem Wege
der Cultur und entsprechend der Schnelligkeit dcB Verkehrs,
angenommen zu werden braucht. Weder ist je die Cholera im
Zuge der Karawanen gereist noch reist sie heute mit der
Schnelligkeit der Eisenbahnzüge, wie sie auch die realen
Schlagbäume und Abwehrmaassregeln nicht berücksichtigt, die man
ihr auf den gebahnten Wegen und an den Pforten des Verkehrs
cntgegcngcstellt, etwa dem Manne gleichend, der, um sein Baro¬
meter vor den Schwankungen des Luftdruckes zu bewahren.
Thüren und Fenster verriegelt.
Wenn man auch heute, im Zeitalter der Lösung aller epidemio¬
logischen Rüthsei und des — anscheinend durch strategische und
tactische Maassnahmen in gleicher Weise gesicherten — Sieges über
die meisten epidemischen Krankheiten über solche veraltete (und
bezüglich unserer Machtentfaltung im Gebiete des Prophylaxe und
Therapie so wenig zuversichtlichen) Anschauungen leicht zur Tages
ordnung überzugehen geneigt sein wird, so sollte man doch, eben
weil man seiner Sache so sicher ist, wenigstens auch alle un¬
sicheren Grundlagen für die Beweisführung möglichst be¬
seitigen, um den Gegnern der siegreichen Sache nicht zu bequeme
Handhaben für ihre Angriffe zu bieten. Man sollte sich vor Allem
hüten, die ephemeren Ergebnisse zu kurzer Perioden bereits
zu statistischen Urtheilen über causale Verhältnisse
zu verwerthen. Zum Mindesten ist es voreilig, gegenüber einer
Reihe, die den Charakter der natürlichen Abnahme der Mortalität
so zweifellos -zeigt, wie die Pariser, einen Schluss auf die besondere
Wirksamkeit eines neuen, bisher noch nicht wirksamen,
Factors, nämlich eines Heilmittels, zu ziehen, da hier doch
offenbar noch ganz andere, die Statistik gestaltende Einflüsse con-
eurriren müssen. (Schluss folgt)
Feuilleton.
August Kekule.
(Fortsetzung statt Schluss.)
Ich will nunmehr versuchen, die Weiterentwicklung der
chemischen Theorien durch Kckul«$ zu schildern.
Derselbe knüpfte an Gerhardt’s Typentheorie an. Er
fügte 1856 den Gerhard t’schen Typen einen neuen hinzu,
das Grubengas CH*, von dem er Chlormethyl, Chloroform,
Chlorpikrin CCI 3 NO 2 , Acctonitril und Knallquecksilber ableitete.
Zur Erklärung complicirtercr organischer Körper, der sogenannten
gepaarten Verbindungen, nahm er 1857 gemischte Typen, z. B.
für die Benzolsulfosäure CcHs-SOsH den gemischten Typus
(Hs+IIsO), für die Carbamin- und Oxaminsäure (HjO-fNHs) an:
C ti Hs j
Uh
(Süsrjo
(CÜ) h|o
(c,°,rj 0
Benzolsulfosäure
Carbamin säure
Oxaminsäure.
Den Grund des Zusammenhalts der Verbindungen, welche
sich von den gemischten oder von den oben erwähnten multiplen
Typen ablciten, erkennt Kekuld ebenso wie Williamson,
Odling, Wurtz u. A. in dem mchrbasisohen Charakter des
die typischen Wasserstoffatome ersetzenden Radicals. Den ver¬
schiedenen Bau der einfachen Gerhardt’schen Typen führt
Kekule zurück auf die verschieden grosse «Atomigkeit» oder
regungen entsprechen, die bisher noch keine nachweisbare
(Massen)-Wirkung in den äusseren Medien resp. den Messinstrumenten
zur Folge haben, so dürfen wir solche Einflüsse doch nicht ohne weiteres
weglengnen. Mit demselben Rechte könnte man die Integrität einer
dem Lichte ausgesetzten photographischen Platte behaupten, weil rar
uns selbst der Lichteindruck nicht bemerkbar war, oder weil keine
elementaren Ereignisse mit der Beleuchtung zusammenfielen, und
doch stören diese kleinsten Lichtimpulse die Constitution der e m '
pfindlichen Schicht stärker als es die rohesten Gewalten, ein Sturm¬
wind oder ein Erdbeben, zu thun vermöchten, — Einwirkungen,
denen doch die festesten Gebäude nicht zu trotzen vermögen.
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6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
956
'« Basicität » (Valenz) der mit dem Wasserstoff in jenen Typen
verbundenen Elemente, also 'auf die Einatomigkeit des Wasser¬
stoffs und Chlors, auf die Zweiatomigkeit des Sauerstoffs und die
Dreiatomigkeit des Stickstoffs.
Wird in einer Verbindung, die dem Typus Wasser angehört,
C 2 Hg 0
z. B. der Essigsäure jj j 0, das zweibasische (zweiwerthige)
typische Sauerstoff-Atom durch zwei einwerthige Elementar-Atome,
z. B. durch zwei Chlor-Atome ersetzt — bei Einwirkung von Fünf¬
fachchlorphosphor — so fällt nach der Substitution der Grund
des Zusammenhaltens des Molecüls
C» Ha 0 | CI
CI
U |
III
fort und es findet
daher Spaltung statt in zwei Molecüle vom Typus Salzsäure
(1 Mol. Acetylchlorid und 1 Mol. Salzsäure). Wird dagegen das
typische Sauerstoffatom durch ein zweibasisches Element, z. B.
Schwefel ersetzt, wie dies Kekulc durch Behandlung von Essig¬
säure mit Fünffachschwefelphosphor gelungen ist, so wird kein
Zerfall in zwei Moleküle stattfinden können, weil das Atom Schwefel
untheilbar ist und daher das typische Wasserstoffatom und das
einwerthige Radical Acetyl zusammenhält.
C '2 H 3 O 1 n</ e, H :i Ol CF C 2 H 3 Ol
H/ U HI CI' Hr
Essigsäure 1 Mol. Acetylchlorid Thiacetsäure
+ 1 Mol. Salzsäure.
Derartige Argumente bewogen Kekulc in Ucbereinstimmung
mit Dumas, Gerhardt, Williamson u. A., für das Atom¬
gewicht des Sauerstoffs die Zahl IG, für das des Schwefels 32
(H = 1) anzunehmen und Wasser und Schwefelwasserstoff als H 2 O
und Ho S zu schreiben. Damals unterschied man vielfach noch nicht
scharf zwischen Atom- und Aequivalentgewicht. Dem Sauerstoff
schrieb man dasselbe Atom- wie Aequivalentgewicht 8 zu, dem
Kohlenstoff das Atomgewicht 6. Da sich nun zeigte, dass bei
Annahme von 0-8 und C - G in allen Verbindungen ein unheil¬
bares Doppelatom O 2 und Ca vorkommt, welches durch chemische
Reactionen nicht weiter gespalten werden kann, so schlugen Kekulc
und die genannten Chemiker vor, dieses unheilbare Doppelatom
Oa = 16 und C 2 — 12 als wirkliches einfaches Atom anzunehmen,
und man nimmt seitdem das Atomgewicht des Sauerstoffs zu 16,
das des Schwefels zu 32 und das des Kohlenstoffs zu 12 an.
Auch die alten Atomgewichte der meisten Metalle, für welche
man früher die Aequivalcntgcwiehte gebraucht hatte, sind seitdem
verdoppelt worden.
Auf chemische Reactionen gestützte Betrachtungen ähnlicher
Art, wie sie Willi am so 11 gelegentlich der Aufklärung des
Actherbildungsprocesses angestellt hatte, ergaben häufig dieselben
Moleculargrösscn wie die aus den Dampfdichten der betreffenden
Verbindungen abgeleiteten Zahlen. Es war namentlich Cannizaro,
der hierauf (1858) hin wies und der mit Nachdruck wiederum die
physikalischen Hilfsmittel zur Bestimmung der relativen Molekular-
und Atomgewichte — die Dampfdichte und die specifischc Wärme
starrer Elemente — empfahl, welche in Folge der Beobachtung
anormaler Dampfdichten und einiger Abweichungen vom Du Ion g-
Pctit’schen Gesetz der Atomwärmen in Misscredit gekommen
waren. Die scharfe Unterscheidung zwischen Atom- und Aequivalent¬
gewicht war die unerlässliche Vorbedingung für die Durchführung
des Valenzbegriffs, da ja die Valenzzahl eines Elements ausgedrückt
. , , , , ... Atomgewicht
wird durch den Quotienten -.— -——-
Ae< |ui valcn tgcwich t.
Die Grundzüge von Kekuld’s Structurtheorie finden sich
in seiner 1858 erschienenen Abhandlung. «lieber die Constitution
und die Metamorphosen der chemischen Verbindungen und über
die chemische Natur des Kohlenstoffs» (Ann. Cheni. u. Pharm.
106, S. 129). Er sagt darin:
«Ich halte es für nöthig und, bei dem jetzigen Stand der
chemischen Kenntnisse, für viele Fälle möglich, bei der Erklärung
der Eigenschaften der chemischen Verbindungen zurückzugehen
bis auf die Elemente selbst, die die Verbindungen zusammensetzen.
Ich halte es nicht mehr für Hauptaufgabe der Zeit, Atomgruppen
nachzuweisen , die gewisser Eigenschaften wegen als Radicale be¬
trachtet werden können und so die Verbindungen einigen Typen
zuzuzählen, die dabei kaum eine andere Bedeutung als die einer
Musterformel haben. Ich glaube vielmehr, dass man die Bctrach-
No. 40
tung auch auf die Constitution der lladicalc selbst ausdehnen,
aus der Natur der Elemente ebensowohl die Natur der lladicalc
wie die ihrer Verbindungen herlcitcn soll.« Dero Wort Radical
legt Kekulc dieselbe Bedeutung bei wie Gerhardt. Er versteht
darunter nicht mehr im Sinn von Bcrzelius' elektrochemischer
Radicaltheoric präexistirende, den Elementen vergleichbare und
isolirbare Atomgruppen, sondern weiter nichts als «Reste der
Molecüle, welche bei gewissen Reactionen gerade unangegriffen
bleiben. Je nachdem eine Zersetzung tiefer oder weniger tief
greift, können verschieden grosse Radicale in derselben Verbindung
angenommen werden. Ebenso kann man dieselbe Substanz ver¬
schiedenen Typen zuzählen.»
Den Schlüssel zum Verständniss der kohlenstoffhaltigen Ra¬
dicale der organischen Chemie findet Kekulc in der Vierwertbig-
keit des Kohlenstoffs, auf welche er übrigens schon ein Jahr vor¬
her (1857) kurz hingewiesen hatte. Er folgert dieselbe aus Be¬
trachtungen ähnlicher Art, wie sic Frankland bei seinen Schlüssen
über die Drei- und Fünfwerthigkeit der Elemente der Stickstoff¬
gruppe angestellt hatte
«Betrachtet man die einfachsten Verbindungen des Kohlen¬
stoffs (Grubengas ClI«, Methylchlorid CH 3 CI, Chlorkohlenstoff
CC1«, Chloroform CHCls, Kohlensäure CO*, Phosgengas COCU,
Schwefelkohlenstoff CS*, Blausäure CHN etc.), so fällt es auf,
dass die Menge Kohlenstoff, welche die Chemiker als geringst¬
mögliche, als Atom erkannt haben, stets 4 Atome eines einatomigen
oder 2 Atome eines zweiatomigen Elementes bindet; dass allge¬
mein die Summe der chemischen Einheiten der mit einem Atom
Kohlenstoff verbundenen Elemente gleich 4 ist. Dies führt zu
der Ansicht, dass der Kohlenstoff vieratomig ('vierbasisch oder vier-
werthig) ist.»
Weiter nimmt Kekulc nun an, «dass in Substanzen, welche
mehrere Atome Kohlenstoff enthalten, die Kohlenstoff-Atome selbst
sich aneinander lagern, wobei natürlich ein Theil der Affinität des
einen gegen einen ebenso grossen Theil der Affinität des andern
gebunden wird.-.
«Der einfachste und desshalb wahrscheinlichste Fall einer
solchen Aneinanderlagerung von zwei Kohlenstoffatomon ist nun
der, dass eine Vevwandtschaftseinhcit des einen Atyms mit einer
des andern gebunden ist. Von den 2 X 4 Verwandtschaftseinheiten
der 2 Kohlenstoffatome werden also zwei verbraucht, um die beiden
Atome selbst zusammenzuhalten; es bleiben mithin 6 übrig, die
durch Atome anderer Elemente gebunden werden können. Mit
anderen Worten: eine Gruppe von 2 Atomen Kohlenstoff = C»
wird seehsatomig sein, sie wird mit 6 Atomen eines einwerthige» Ele¬
ments eine Verbindung cingehen oder überhaupt mit so viel Atomen,
dass die Summe der chemischen Einheiten dieser = G ist (z. B.
Actlian Ca Ho, Aethylchlorid Ca II:. CI, Aethylenchlorid Ca H« CIa,
Perehloraethan Ca CU, Aectonitril Ca Hs N, Cyan C* Na, Aldehyd
Ca II« 0, Acetylchlorid Ca Hs O CI etc.).»
«Treten mehr als zwei Kohlenstoffatome in derselben Weise
zusammen, so wird für jedes weiter hinzutretende die Basicität
der Kohlenstoffgruppe um zwei Einheiten erhöht. Die Zahl der
mit n Atomen Kohlenstoff, welche in dieser Weise aneinander
gelagert sind, verbundenen Wasserstoffatome (chemische Einheiten)
z. B. wird als» ausgedrückt durch: n (4—2) 2n oder 2n -f- 2.»
Das ist bekanntlich die Zusammensetzung der Kohlenwasser¬
stoffe der Grubengasreihe, der Homologen des Methans C n Han + 2 - In
den kohlenstoffreicheren Kohlenwasserstoffen, wie Aethylcn Call«,
Benzol Celle und Naphthalin CioHs vermuthet Kekuld eine
dichtere Aneinanderlagerung der Kohlenstoffatome. In Verbindungen,
welche ausser dem Kohlenstoff noch andere mehrwerthige Elemente
enthalten, brauchen diese letzteren z. B. Sauerstoff oder Stickstoff
nicht mit allen Verwandtschaftseinheiten (wie im Aldehyd CaH«0
und in der Blausäure CHN), sondern sie können auch nur mit
einem Theil dieser Einheiten mit der aequivalenten Zahl Kohlenstoff-
Affinitäten gebunden sein, wie dies z. B. im Methylalkohol H 3 C-O-H
und im Methylamin H 3 C-NH 2 der Fall ist. Ferner können durch
den Sauerstoff oder Stickstoff auch verschiedene kohlenstoffhaltige
Radicale zusammengehalten werden, wie z. B. im Methylaethcr
ou ) Ü-Hs
nu I 0 und im Trimethylamin CH 3 N.
CHtl CH„
4
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MÜNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
«Vergleicht man die Verbindungen mit einander, welche gleich
viel Kohlenstoffatowc im NIolekül enthalten und durch einfache
Metamorphose aus einander entstehen können (z.B. Alkohol C 2 H 6 O,
Aethylchlorid C2H5CI, Aldehyd C2H4O, Essigsäure C2H4O2, Gly-
colsüure C 2 H 4 OS, Oxalsäure C 2 H 2 O 4 etc.), so kommt man zu
der Ansicht, dass sie die Kohlenstoffatome in derselben Weise
gelagert enthalten, und dass nur die um das Kohlenstoffskelett
sieh anlagernden Atome wechseln. »
In ähnlicher Weise wie die Constitution kohlenstoffhaltiger
Radicale erklärt Kekule auch die Bindungsart anorganischer mehr¬
atomiger Radicale, welche die Ursache des Zusammenhalts der den
multiplen und gemischten Typen angehürigen Molectlle sind. So
ergibt sich z. B. die zweibasische Natur des Schwefelsäureradicals
(SO*)" aus dem Umstand, dass das zweibasische Schwcfelatom mit
ie einer Affinität der zwei ebenfalls zweibasischen Sauerstoffatome
. I 0"
gebunden ist, wie es die aufgelöste Formel "Sj^ M ausdrückt.
Diese Gruppe kann sich mit zwei Atomen eines einwerthigen
Elements z. B. Chlor verbinden zu Sulfurvlehlorid (SO«)" CI*,
welches durch Wasser in Schwefelsäure zersetzt wird, die man
daher von 2 Molecülen Wasser ableiten kann durch Ersatz zweier
H \ 0.
Atome Wasserstoff durch (SO*)" : (SOs)" .
H
Unabhängig von Kekuld sprach der englische Chemiker
Couper fast zu derselben Zeit durchaus ähnliche Ansichten aus
über die Vierwerthigkeit und die Bindungsweise der Kohlenstoff¬
atome. Namentlich betont Couper die Fähigkeit und die Neigung
der Kohlenstoffatome, sich unter einander mit einem Theil ihrer
Affinitäten zu binden, wodurch die Anhäufung von Kohlenstoff¬
atomen in organischen Verbindungen eine Erklärung finde. Er
versinnlicht zuerst die sich gegenseitig sättigenden Verwandtschafts¬
einheiten verschiedener Atome durch Striche, so wie dies bekannt¬
lich auch heute noch geschieht.
K e k u 1 e’s hervorragendster Gegner Kolbe, welcher die
Radiealthcorie von Berzelius unter Berücksichtigung der Sub-
stitutionsvorgängc zu modificiren versuchte, sowie Kolbc’s Freund
Frankland haben später die Priorität der Erkenntniss der
Vierwerthigkeit des Kohlenstoffs für sich reclamirt.
Die von Kolbe citif-tc Abhandlung (Ann. Chem. Pharm. 10],
S. 257) ist vom December 1856 datirt und enthält eine höchst
geistvolle Ableitung der organischen Säuren, Aldehyde, Ketone etc.
vom natürlichen Typus Kohlensäure. Indem ein Aequivalent
Sauerstoff nach dem anderen in der Kohlensäure durch Alkohol-
radicale, Methyl (oder Phenyl) ersetzt wird, gelangt man zu den
organischen Säuren, Ketonen, Aldehyden, Alkoholen etc. Denkt
man sich in dieser Abhandlung von Kolbe und Frankl^nd
die alten Atomgewichte 0 = 6, 0 = 8 ersetzt durch die von
K e k u 1 d u. A. energisch befürworteten neuen Atomgewichte
C= 12, () = 16 — welche übrigens gerade von Kolbe noch
lange Zeit bekämpft wurden — so liegt derselben allerdings die
stillschweigende Annahme vierwerthigen Kohlenstoffs zu Grunde.
Ausgesprochen findet sich aber die Vierwerthigkeit dos Kohlenstoffs
weder hier noch in der ideenreichen späteren ausführlicheren Ab¬
handlung Kolbe’s aus dem Jahre 1860 (Ann. Chem. f. Pharm. 113,
S. 293) über dasselbe Thema. Gegen den fruchtbaren Gedanken
Kekule’a von der Atomverkettung hat Kolbe bis an seid
Lebensende energisch protestirt.
Die Structurtheorie Kekule’s unterscheidet sich wesentlich
von den früheren Anschauungen sowohl der dualistischen elektro¬
chemischen Theorie von Berzelius, wie von denen der Sub¬
stitutions- und Typentheorien von Dumas, Laurent und Ger¬
hardt: Dumas hatte die Molecüle der chemischen Verbindungen
verglichen mit Planetensystemen, in welchen die Atome durch
ihre gegenseitigen Anziehungen in Folge einer der Gravitation ähn¬
lichen , aber nach viel complicirtercn Gesetzen wirkenden Kraft
zusammengohalten werden. Jedes Atom wird festgehalten durch
die Resultante der Anziehungen aller übrigen im Molecül ent¬
haltenen Atome. Das System bleibt erhalten, wenn das Atom
eines Stoffes durch das eines anderen ersetzt wird. Nach Kekuld
sind es nur diemehrwerthigen Atome, welche den Zusammen¬
halt der Atome in complicirten Molecülen bedingen. Die chemische
Natur, der elektropositivc oder elektronegative Charakter der ein
zelnen Atome, welcher nach Berzelius in erster Linie maass-
gebend sein sollte für den chemischen Charakter und die Con¬
stitution der chemischen Verbindungen, hat, wie Kekul4 betont,
nur Einfluss auf die Festigkeitsverhältnisse oder Beständigkeit des
betreffenden Molecüls.
Auf der Valenz der Elemente beruht die Atomverkettungs¬
theorie Kekuld’a. Die Valenz (Atomigkeit, Basicität, Wertiig-
keit) betrachtet er als eine Fundamentaleigenschaft der Atome,
welche ebenso constant und unveränderlich sei wie die Atomgewichte;
er unterscheidet (Zeitschr. für Chemie 1864, S. 689) zwischen
A e <i ui v a 1 en z eines Elementes, deren Grösse durch den Quotienten
—Atomgewicht w ird und Atomigkeit oder Basicität.
Aequivalentge wicht
Einige Substanzen, wie z. B. das Kohlenoxyd CO und das Stickoxyd NO
betrachtet er als ungesättigte Verbindungen, d. h. als solche, in welchen
nicht sämmtlichc Verwandtschaftseinheiten der in ihnen enthaltenen
mehrbasischen Atome befriedigt sind. Bei der Bestimmung der
Atomigkeit (Basicität) eines Elements müsse man unter den ver¬
schiedenen möglichen Wcrthcn denjenigen aussuchen, welcher am
Einfachsten und Vollständigsten alle Verbindungen erläutert.
Frankland hatte, wie oben erwähnt, den Stickstoff und
Phosphor in einigen Verbindungen als dreiwerthig, in andern als
fünfwerthig angenommen. Kolbe, Williamson, Wurtz,
■ Butlcrow und Erlenmeyer stimmten ihm zu. Kekuleda-
gegen nahm den Stickstoff und Phosphor als constant dreiwerthig
an. Diejenigen Verbindungen, in welchen diese beiden Elemente
fünfwerthig zu sein scheinen, wie z. B. den Salmiak NH 4 Cl und
den Fünffachchlorphosphor PCI 5 , deutet er als «moleculare* Ver¬
bindungen» von 1 Mol. Ammoniak mit 1 Mol. Salzsäure und von
1 Mol. Phosphorchlorid PClg mit 1 Mol. Chlor CI 2 - Derartige
Molecularverbindungen seien ferner die krystallwasserhaltigen Salze,
z.B. Glaubersalz Na« SO 4 -f IOH 2 O. Von den «atomistischens
Verbindungen sollen sich die molecularen durch geringere Be¬
ständigkeit unterscheiden; namentlich sollen die Letzteren beim
Erhitzen leicht in ihre Componenten zerfallen und daher nicht
nnzersetzt flüchtig sein.' In der That dissociiren ja auch der
Salmiak und der Fünffachchlorphosphor beim Erhitzen. Indessen
erwies sich dieses unterscheidende Merkmal zwischen molecularen
und atomistischen Verbindungen in der Folge nicht als immer zu¬
treffend, da z. B. das dem Phosphorpentachlorid PCI 5 völlig ana¬
loge Phosphorpentafluorid PFI 5 unzersetzt flüchtig ist, ebenso das
Triaethylpbosphinoxyd P(C«H5)s 0.
Fasst man die Salze des Ammoniaks als Molecular-Verbin¬
dungen auf, so ist die unbestreitbar vorhandene Analogie mit den
Kalinmsalzen, welche auch Kekule als atomistische Verbindungen
betrachtet, nicht zu verstehen. Wurtz meint daher, am Stick¬
stoff, am Phosphor und auch au den Halogenen sehe man, dass
die Valenz der Elemente nicht absolut constant, sondern dass sie
verschieden sei je nach der Natur der Elemente, die damit in
Verbindung treten. Der Stickstoff sei dreiwerthig gegen Wasser¬
stoff, fünfwerthig gegen Sauerstoff. Chlor, Brom, Jod, welche dem
Wasserstoff und den Metallen gegenüber einwerthig sind, können
unter Umständen in den Sauerstoff Verbindungen, z. B. der Chlor-
i_OH 0H
und Ueberchlorsäure ^ j 0 und ^ q fünf- und siebenwerthig
' ° 0
vn i
sein. Die Existenz der überjodsauren Salze jQ^Qj, T a ) } 0110
JO(OAg)r, ‘ s P rec Be entschieden für die Sieben wer thigkeit des -Jods
in dieser Säure und gegen die von Kekuld angenommene ketten¬
förmige Anordnung der Sauerstoffatome J'-O-O-Ü-OH. Ferner
könne das Blei, welches dem Chlor gegenüber zweiwerthig erscheint,
vier einwerthige Aethylgruppen binden.
Es würde zu weit führen, wollte ich den Streit um die cou
stante Valenz, der in den 60 er Jahren lebhaft geführt wurde,
hier im Einzelnen weiter verfolgen. Man nimmt jetzt bei vielen
Elementen eine innerhalb enger Grenzen wechselnde Valenz an.
je nach der Natur der Elemente, mit welchen sich ein bestimmtes
Element verbindet, kommt demselben eine grössere oder geringer®
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6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Valenz zu. So nimmt man z. B. den Schwefel im Schwefelwasser¬
stoff zwciwcrthig, in den Sulfoxyden vier- und in der schwefligen
und Schwefelsäure sccliswcrthig an.
In der wechselnden Valenz erblickte Kolbe — wie mir
scheint mit Recht — nur den erneuerten Ausdruck für das alte
Gesetz der multiplen Proportionen. Schon Berzelius hatte aus¬
gesprochen, dass Gesetzmässigkeiten existiren müssen, welche die
Anzahl der sich verbindenden Atome regeln: 'Könnten sich eine
unbegrenzte Anzahl Atome eines Elements mit unendlich vielen
Atomen eines andern Elements verbinden, so würden daraus un¬
endlich viele Verbindungen entstehen. Die Ansicht (Dalton’s),
dass die Körper aus nntheilbarcn Atomen bestehen, durch deren
Aneinanderlagcrung die chemischen Verbindungen zu Stande kom¬
men, reicht also noch nicht aus, um die multiplen Proportionen
zu erklären ; es müssen noch besondere Gesetze bei der Verbindung
der Atome obwalten, welche die Zahl der Verbindungen beschränken,
und es sind vorzüglich diese Gesetze, von denen die chemischen
Proportionen abhangen.> Dasjenige nun, was die Zahl der Ver¬
bindungen eines Elements beschränkt, ist die Valenz oder die be¬
grenzte Sättignngscapacität (Jiindnngsvermögcn) der Atome. Die
Ursache der Valenz ist uns auch heute noch unbekannt.
Eine weitere die Valenz betreffende Frage beschäftigte die
Chemiker mehrfach, nämlich die folgende: Sind die verschiedenen
Verwandtschaftseinheiten (Afiinitätcn) eines und desselben poly¬
valenten (mehrwerthigen) Atoms untereinander gleichwerthigV Die
Antwort fiel in denjenigen Fällen, in welchen bisher eine experi¬
mentelle Prüfung vorgcnouimen wurde: beim Sauerstoff, Kohlen¬
stoff', Stickstoff, Schwefel und Zinn bejahend aus — ein, wie
mir scheint, noch nicht genügend gewürdigtes Resultat. Von be¬
sonderer Wichtigkeit ist die Frage für den Kohlenstoff, weil von
ihrer Beantwortung die Zahl der möglichen Isomerieen organischer
Körper abhängt.
Eine Zeitlang glaubte man zwei verschiedene Chlormcthyle
und zwei verschiedene Acthane dargestellt zu haben, bis Bcrthclot
die Identität der Chlormcthyle verschiedenen Ursprungs und
Schorlcmraer die Identität des Dimethyls von Kolbe mit
Frankland’s AethylWasserstoff (Aethan) nachwies. Bisher
ist keine sicher fcstgcstellte Thatsachc bekannt geworden, welche
der Gleichwertigkeit der vier Affinitäten des Kohlenstoffs wider¬
spricht. Die damit unvereinbare Behauptung von Schreiner,
CI
/
dass aus Chlorkohlensäureaethyläther CO und Natrium-
X OC 2 Hs
methylat CII 3 ONa einerseits und aus (hlorkohlensäurc-
C1
y
methyläther CO und Natriumaethy 1 at andrerseits nicht
X OCHs
identische sondern verschiedene gemischte Kohlensäure-
OCHs
y
aether, also Methylaethylkoblensäureäther CO entstehen, wurde
x oc 2 ir 5
noch in demselben Jahr 1880 durch die sorgfältigen Versuche
von Rösc berichtigt.
Ein dirocter ex[H>rimenteller Beweis für die Gleichwertigkeit
der vier Kohlenstoff-Affinitäten ist 1886 von Henry versucht
worden. Derselbe stellte auf vier verschiedenen Wegen Mono-
nitromethan CII 3 N0 2 und Acetonitril (TI 3 -CN dar und zwar so,
dass nachweislich in jedem Fall die Nitrogruppe XO 2 resp. das
Cyan CN ein anderes Wasserstoff-Atom (a, b, e oder d) des
Methans vertreten musste. Der Vergleich der auf diesen vier
verschiedenen Wegen dargestollten Nitro- und Cyanmethane (Ace¬
tonitrile) ergab die völlige Identität der gleich zusammengesetzten
a-, b-, c- und d-Substitutionsproductc. Allerdings Hess sich bei
diesen Versuchen die Anwendung höherer Temperaturen nicht ver¬
meiden, welche eine Umlagerung nicht ausgeschlossen erscheinen
lassen.
(Schluss folgt.)
955
Referate und Bücheranzeigen.
H. Schmaus: Grundriss der pathologischen
Anatomie. III. urcgearbeitete Auflage mit 205 theilweise
farbigen Abbildungen. Wiesbaden, Verlag von J. F. Berg¬
mann, 1896.
Auch in seiner 3. Auflage hat der Grundriss wieder wesent¬
liche Verbesserungen erfahren, welche sich namentlic häuf die
Capitel über Immunität, Lungentuberculose und Krankheiten
der Niere beziehen, indem diese Capitel zum Tlieil einer völligen
Umarbeitung unterworfen wurden. Die wegen der ausser¬
ordentlichen Mannigfaltigkeit der pathologischen Vorgänge und
des hieraus resultirenden anatomischen Bildes so schwierige
Darstellung der Lungentuberculose ist dem Verfasser vortreff ich
gelungen; dieselbe zeichnet sich nicht nur durch ihre Ueber-
sichtlichkeit aus, sondern ist das Capitel auch in einer seiner
Bedeutung ent sprechenden Au-fiihrliehkoit behandelt. Das
Gleiche lässt sich zum grossen Tlieil auch von dem Capitel
über Erkrankungen der Niere nussagen, wo namentlich die
degenerativ entzündlichen Processe in sorgfältigster Weise be¬
arbeitet sind.
Dagegen dürften die Abschnitte über Nierengeschwülste
und eitrige Nephritis doch etwas zu kurz behandelt sein ; auch
das Capitel der Nierenbecken und Blaseniteine verdiente bei
seiner hohen praktischen Bedeutung wohl eine etwas anschau¬
lichere Darstellung, als sie beiläufig auf einer halben Druck¬
seite erfahren kann, zumal auch im allgemeinen Tlieil der
Concrementbildung in den Harn wegen nicht einmal 12 Zeilen
gewidmet sind!
Ebenso unzureichend ist die Schilderung der Gallenstein¬
bildung und der daran anschliessenden Erkrankungen; die
mannigfaltigen hier in Betracht kommenden Processe (Perforation
in die Bauchhöhle oder in den mit der Gallenblase verwachsenen
Darm, secundäre Schrumpfung mit Hinterlassung von Galten-
blasen-Darmfisteln u. s. w.) werden überhaupt nicht berührt.
Diese selbst für einen Grundri s allzu kurze Schilderung
erstreckt sich, wie Referent schon bei Besprechung der vorigen
Auflage hervorgehoben hat, lei’er auch auf andere Capitel,
von welchen nur noch diejenigen über Oesophagus-Krankheiten,
Typhus und Davminvagination ei wähnt seien.
Referent kann daher nur wiederholt darauf hinweisen, dass
der Grundriss von Schmaus, wenigstens in seiner jetzigen
Fassung, durchaus nicht im Stande ist, ein Lehrbuch der
pathologischen Anatomie zu ersetzen. Der Grundriss kann nur
für den Anfänger von Nutzen sein, wenn er sich desselben bei
fleissigem Besuch der Vorlesungen bedient, um rasch eine all¬
gemeine Orientirung über das grosse k Gebiet der allgemeinen
Pathologie und pathologischen Anatomie zu erlangen. Wem
aber daran gelegen ist, sich ein gediegenes Wissen in dieser
für das gesainni te medici nische S tudi um g r u n d 1 e g e n-
den Wissenschaft anzueignen, wird für das spätere
Studium ein grösseres Lehrbuch nicht zu entbehren können.
Hauser.
Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre
von den pathogenen Mikroorganismen. Herausgegeben
von P. V. Bau 111 gar teil und F. Roloff. IX. Jahrgang
1893. II. Abtheilung. Braunschweig 1895, Harald Bruhn.
Die übersichtliche Anordnung und Genauigkeit der Referate,
die Vollständigkeit, mit der die Production der Weltliteratur
auf diesem Gebiete regster medicinischer Forschung berück¬
sichtigt ist, haben den Baumgarten'sehen Jahresbericht seit
langem zu einer derjenigen literarischen Erscheinungen gemacht,
die man wohl als / 'specifisch deutsche'» bezeichnen darf und
auf die stolz zu sein wir alle Ursache haben. Ein ganzer Stab
von literarischen Mitarbeitern, die sich fast sämratlich durch
eigne bacteriologische Forschung einen Namen gemacht haben,
hat den Herausgebern zur Seite gestanden. Das Jahr 1893
stand noch unter dem Zeichen der Cholera und unter den Nach¬
wirkungen der Tubereulinperiode. Diese Thatsache spiegelt sich
auch in dem Jahresbericht wieder, in dem die Capitel 'Spirillen»
und «Tuberkelbacillus» einen ziemlich breiten Raum einnehmen.
4 *
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956
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Als besonders wertbroll mag noch das Capitel Protozoen, im
Besondern die Zusammenstellung der Forschungen über «Krebs¬
parasiten» hervorgehoben werden. Der Abschnitt über «Allge¬
meine Methodik» (Culturmethoden, Sterilisation etc.) ist erfreu¬
licher Weise vielfach durch Abbildungen illustrirt. Die in der
That bedauerliche Verspätung in dem Erscheinen dieses Werkes
versprechen die Herausgeber durch eine um so raschere Nach¬
folge der Berichte pro 1894 und 1895 auszugleichen.
M. II ah n - München.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 39.
v. Oswiecimski-Kattowitz: Zum medianen Fersenschnitt.
O. betont im Anschluss» an Land er er's Mittheilung, dass
er schon vor L. diese Sclmittführunu empfohlen und 8 mal bei
tubereuiosen und osteomyelitischen Processen des Calcaneus mit
vorzüglichem Erfolg angewandt hat. Die Verkürzung danach betrug
nur 3 cm: die Secnmlärnaht (I Wochen post op ) nach Anfrischung
der Hautrilnder hält O. für wesentlich, um reeht tiefe Einziehung
der Narbe und durch ausgiebigeres Narhen-jewehe festere und
widerstandsfähigere Ferse zu erzielen. Auf die Erhaltung des
Periosts hält er weniger, da Falle mit Entfernung des Periosts
keine ungünstigere Gehfähigkeit nach der Heilung zeigten; seine
Patienten waren durchschnittlich nach 4 Monaten gehfähig.
S c h r.
Ccntralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 39.
1) Itoesi ng-liamburg: Zur Entwickelung des nachfolgen¬
den Kopfes.
R. verwirft die von Oehlscliläger (cf. diese Woehensohr.
1896, No. 32, p. 757) vor Kurzem wieder empfohlene Application (
der Zange am nachfolgenden Kopfe. Wo der Wigand-Mar¬
tin'sehe Handgriff nicht zum Ziele führt, sei die Perforation mich
des lebenden Kindes, nicht aber die Zange indieirt. Der genannte
comhinirte Handgriff sei jedenfalls die liest«* Extractionsmetliode,
nicht aber «ler früher allgemein verbreitete V ei t-S me 1 li e'sein* I
und der änsserst gefährliche Prager Handgriff. 1
2) A. MVeller-Miinehe»: Zur Anwendung der Zange an I
dem nachfolgenden Kopfe.
M. ist kein Gegner dieser Methode. Er hat unter 90 Ex¬
tractionen 3mal den nachfolgenden Kopf mit der Zange entwickelt,
2mnl vor Ausführung der Kranmtomie einen Zangenversuch aus-
g«'fülirl und alsdann den perforirten Kopf mit «ler Zange entwickelt.
Hie Kinder sind in den 3 erstgenannten Fallen alle gestorben, «lie
Mütter alle genesen Zu warnen ist nur vor «ler Zange an dem
über dem P.eckcneingang stehendiMi Kopfe. Hier können tiefe
Cervix risse, Itenisrupttir und Fisteln die Folg«* sein. Bei tiefem
Stand «les Kopfes ist die Anlegung der Zange leicht. M. lässt da¬
her in seinen Opcrationseursen die Anlegung der Zange am nach
folgenden Kopfe stets cinüben. Jaffe-Hamburg.
Ziegle. ’s Beiträge zur pathologischen Anatomie. Bd. XIX,
Heft 2.
Wilins: Die leratoiden Geschwülste des Hodens mit Ein¬
schluss der sogenannten Cystoide und Enchondrome. (Aus
dem pathologischen Institut zu Giessen.)
Die Arbeit he fort die Beschreibung eimr grösseren Anzahl
von Wilma untersuchter Misehgescb Wülste des Hodens, ferner
eines schon von Kocher beschriebenen llotlemlermoiiles der
Göttinger Sammlung und eine sehr genaue Litoraturübersickt über
die bis heute veröffentlichten Fälle einschlägiger Hodentumoren.
Es scheint Wilins gelungen zu sein, alle jene wenig scharf be¬
stimmten llodengesehwülste, welche bis heute mit den Namen
Misehgeschwülste, Cystoide, Enchondrome, (’ystosarkonie und Uysto-
rarcinomc bezeichnet worden sind, in der von ihm geschaffenen
grossen Gruppe der «embryoiden G es «*hwiilßte » zusammen-
zufassen und auf diese Weise scharf von «len Hodendermoiden,
den reinen Geschwülst«*n der Bindesubstanzgruppe und von den
aus Samencanillen hervorgehenden reinen A«lenomen, Dystonien
und Gnreinonien zu trennen. Das charakteristische dieser «em-
hryoiden Geschwülste» ist, dass sie, gleich den Embryonen,
aus einer dreiblättrigen Keimanlage hervorgehen, ihre Gewebe
analog denjenigen des menschlichen Embryo entwickeln, ja sogar
bestimmte Organe «les 1-oetus, wie Rospirations- und Darmtractus,
nachahmen können. Das Ektoderm, «las am schwächsten aus¬
gebildete Keimblatt, bringt es nur zur Bildung einer stark zur Ver¬
hornung ten«liren«len Epidermissdiieht; «las Mesoderm erzeugt, «die
jungen Formen «les Bindegewebes, Gallertgewebe, Fettgewebe, hya¬
linen Knorpel, glatte und quergestreifte Musculatur, selten Knochen,
endlich das dünnwandige, oft durch Thrombosen Uiilirte Gcfäss-
system»; aus dom Entoderm entstehen Cysten und Canäle, die mit
Cylinder-, Flimmer- oder Schleimzellen in ein- und mehrschichtiger
Lage ausgeklehlet sind. Es fallen hiemit die Annahmen derjenigen,
welche den Knorpel aus dem Bindegewebe des Hodens, aus den
Keimeylindern Billrotli’s oder als eine Art Ueaction auf die
CyatcneutWicklung, welche die Flimincrepithelicn aus Resten des
Wolff'sehen Körpers entstellen Hessen. Je nach dem Verwiegen
der Gebilde dos einen oder des anderen Keimblattes, je nach der
geringeren oder grösseren Tendenz der epithelialen Keimblätter
zur Cystenbildung, ändert sich histologische Structur, makrosko¬
pisches Bild und Consistcnz dieser Geschwülste, Die dreiblättrige
Keimanlage der * embryoiden Geschwülste» zwingt zu der
Annahme, «lass sie aus einer Geschlechtszelle entstehen; «loch ist
nicht zu entscheiden, ob wir eine im embryonalen Zustande zurück
gebliebene Geschlechtszelle oder eine .Samenzelle als Ausgangs
stätte anzusehen haben. Die Geschwülste wachsen innerhalb der
Samencanäle, liegen daher auch stets im Hoden, gewöhnlich aui
rete testis sieh entwickelnd; Nebenhoden und .Samenstrang sind
in der Regel ganz intaet. Die Misehgeschwülste kommen ange¬
boren vor, entwickeln sich aber am Häutigsten in dein mannbaren
Alter; das Wachstlittrn ist ein ausserordentlich schnelles; durch
Durchbruch in das Venen- oder Lymphsystem kann sich der im
Allgemeinen gutartige Charakter der NcubiMungcn in einen im
klinischen Sinn malignen umbilden. Auch die Venen- uudLvinph-
gefässmetastasen behalten ihre charakteristische Eigenthümliehkeit
der dreiblättrigen Anlage bei. 1 >a in der Parotis eine aus allen 3 Keim¬
blättern in «ler geschilderten Weise sieh aufbauende Geschwulst-
form nicht verkommt, so ist der oft gemachte Vergleich der Misch¬
geschwülste des Hodens mit Tumoren der Parotis nicht gerecht¬
fertigt. Am nächsten stehen «len Mischgosch Wülsten des Hodcni*
die soliden Teratome des Ovariums. Nach diesen erst folgen als
verwandte Formen «lie Pernioidoysten des Eierstockes und des
Hodens.
Für die letzteren schlägt Wilins «len Namen «rudimentäre
Parasiten» der Geschlechtsorgane vor, da sie nicht das ge-
scliwulstartige Waclisthum «ler «embryoiden Geschwülste» zeigen,
sondern in ihrem ganzen Bau ombryonenähnlicher sihd. Ebenso
wie die «embryoiden Geschwülste» entwickelt sich auch diese Miss¬
bildung innerhalb «l«*s Hodens und muss daher eine Geschlechts¬
zelle als Mutterzelle haben; sie haut sich gleichfalls aus 3 Keim¬
blättern auf; aber im Gegensatz zu ersteren prävalirt die Ekto-
dermontwickiung, «lie frühzeitiger sich ausbildende Kopf- und vor-
«lere Kö»rperregi«»n ist meist am mächtigsten ausgebildet, und sowohl
in der Bildung einzelner Gewebe, wie in der Gruppirung und Lage
ganzer Gowebssysteme werden «lie normalen Verhältnisse oft ziem¬
lich getreu wie«lergt*geheu, während es sich bei den embryoiden
"Geschwülsten doch nur um ein wirres Durcheinander von an die
normalen Gewebe erinnermlen Bildungen handelt. Die in anderen
Körperregionen verkommenden Dermoide und Teratome und auch
die foetalen Inclnsionen müssen von den Hodendermoiden scharf
getrennt wenlen ; sie sind etwas Grundverschiedenes. Weder Hetero-
topie, noch Keiinveiirrnng hei Bildung «les Achsenstranges, noch
foetale !nclusi«»n kann zur Erklärung der Entstehung der «rudi¬
mentären Parasiten» genügen. 1 n liau und Wachsthum entsprechen
sie vollkommen «len Ovariahlermoiden. Innerhalb des Hodens
gibt es keine reinen Ilautcysten, sondern nur ausserhalb der
tjeheidenhäute.
Wilma; Ueber die soliden Teratome des Ovariums. (Aus
dem pathologischen Institut zu Giessen )
Die soli'len Teratome des Ovariums linden ihr Analagon in
den Cystoiileu, Teratomen un«l Enchondromon des Hodens; daher
siml auch sie besser mit dem Namen «embryoide Geschwülste» zu
belegen. Da sie sieh regelmässig aus säimntlichen 3 Keimblättern
aufhauen, so müssen si«> von einem Ei aus ihren Ausgangspunkt
nehmen. Es fhnlon sich vor Allem «lie zur Kopf- und vorderen
Körperregion gehörigen Gewebe vor, doch besteht überhaupt bei
der Bililung von Geweben und Organgebilden eine weitgehende
Nachahmung «ler normalen Entwicklung des Foetus. «Genetisch
sind die soliden Teratome den Dermoidcysten des Ovariums gleich¬
zustellen. Nur mechanische Störungen durch die Raumverhältnisse
scheinen maassgehend zu sein für den eigenartigen, geschwulst
artigen Wachsthumsmodus der ersteren. Diese Raumbeengungen
bewirken vielleicht ein«; gegenseitige Verschiebung der Zellen,
durch das nothwendige. Spannungsverhältniss in der Anlage ver¬
loren geht, und nun eine Art Geschwulstbildung eintritt»
O. Ilucter: Beitrag zur Kenntniss der angeborenen
Darmgeschwülste. (Aus dem pathologischen Institut ?u Frei¬
burg i. B.).
Ausführliche Beschreibung einer an der Ba nhini'schenKlappe
gelegenen adenomähnlichen Darnigeschwulst und eines Entero-
cystoms im Mesenterium bei einem neugehornen Kiudc. _
E. Baquis; Das Trachom der Thränendrüse. (Klinischer
und pathologisch-anatomischer Beitrag zu den symmetrischen Adcno-
pntliien der Thränendrüse. — Livorno.)
Einem 37jährigen Lastträger, welcher an doppelseitigem,
schwerem Trachom der Conjuuctiva litt, wurde die eine von zwei
grossen Geschwülsten, welche zwischen Bulbus und oberem Augen¬
lid lagen und sich weit nach hinten in die Orbita erstreckten, da
man sie für Neoplasmen sensu stricto hielt, theilweise excidirt,
und die granulöse Conjunctivitis einer mit Erfolg gekrönten Local'
behandlung unterworfen, wobei sich auch der Tumor des niclu
operirten Auges zurückhildetc. Diese klinische Beobachtung -
die erste in der Literatur veröffentlichte —, zusammen "Utdom
Ergebnisse der histologischen Untersuchung «los excidirten Stücke»
zeigte, dass man es nicht mit einem Neoplasma, sondern mit eine»'
richtigen (Trachom der Thränendrüsen zu tliun hatte. Iunerha»
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6- Octobcr 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
957
des mächtig gewucherten, sklerosirten, interstitiellen Bindegewebes
fanden Bich die Venen und die Arterien mittlerer und geringster
Grösse hochgradig verengt und im Zustande endo- und perivas-
culärer Wucherung. In der Umgebung derGcfässe und des Driisen-
apparates massenhafte Infiltration mit grossen Epithelioidzollen;
dazwischen typische Trachomkörperchen. Die Drüsenhippen hatten
an Zahl und Grösse eingelhisst und ihre secretorischen Elemente
hatten vielfach regressive Metamorphosen eingegangen. Da die
Ausführungsgänge weniger als die Acini ergriffen waren, glaubt
Baquis, dass sieh der trachomatöse Procoss nicht mittels der¬
selben, sondern mittels der um dieselben gelegenen Lymphbahnen
von der Conjunctiva in s Innere der Thräncndrüsen fortgesetzt hat.
Es ist somit bewiesen, dass es, ebenso wie es eine Dacryosal-
pingitis und Dacryocystitis in Folge des Bindehauttrachoms gibt,
auch eine Dacryoadenitis trachomatosa geben kann.
von Notthaff t-München.
Berliner klinische Wochenschrift. 18%, No. 39.
1) Riedel-Jena : Die Morphium-Aethernarkose.
R. ist ein Gegner der hei der Aethernarkose jetzt meist ge¬
bräuchlichen «Erstickungsmethode» und empfiehlt, allen erwach¬
senen Patienten '/* Stunde vor der Operation 0,01 Morphium zu
injiciren (Potatorin 0,015—0,02—- ,0h) und den Aether dann auch
mehr tropfenweise zu geben, nachdem man Anfangs 3—4 g
auf die J ul liard'sehe Maske gegossen hat. Man kommt so mit
viel geringeren Aethermengen aus, als gebräuchlich. Ausser den
bekannten Contra-Indicationen gegen Aethernarkose nennt R. auch
jene Fälle, in denen wiederholt Bronchitiden bestanden haben,
als nicht hiefiir geeignet.
2) M. Hahn-München: Ueber die Steigerung der natür¬
lichen Widerstandsfähigkeit durch Erzeugung von Hyper-
leukocytose.
Vortrag auf der diesjährigen Naturforscher-Versammlung.
3) H. Wolff-Wilhelmsburg: Ein Beitrag zur Aetiologie
und Verbreitungsweise des Abdominaltyphus.
Die Beobachtungen des Verfassers beziehen sieh auf 34 Ty¬
phusfälle, welche auf einer Elbinsel beobachtet wurden und sich
auf einen kleinen Theil derselben seit Jahren localisirten. VV.
sucht den Grund dieser Localisirung in dem Umstande, dass an
dem fraglichen Platze die Abfallstoffe und Excremente in einen
stagnirenden Graben und von da mittelst Luftübertragung Typhus¬
bacillen zu den Anwohnern gelangten, während an den seuche¬
freien Stellen eine Art periodischer Spontanspülung des betreffen¬
den Grabens statttindet. Im Ucbrigen bekennt sich Verfasser zur
«Trink wassert lieorie».
4) C. Beck-New-York: Zur Therapie, besonders dem Werth
der Frühoperation bei der Entzündung des Proc. vermiformis.
Der durch eine Abbildung (in No. 38) illustrirte lesenswerthe
Aufsatz beschreibt die Methode der Appendicectomic bei recidi-
virender Entzündung und andererseits Abseessbildung, sowie ver¬
breiteter Peritonitis. Für die Berechtigung der Operation bei Peri¬
tonitis erklärt sich B. unter Angabe einer Krankengeschichte ent¬
schieden. Verfasser empfiehlt, sobald die Diagnose einer Wurm¬
fortsatz-Eiterung gestellt werden kann, was schwierig ist, da die
bekannten Symptome oft nicht ausreichen, die möglichst frühe
Herbeiziehung des Chirurgen. Die Anwendung von Opium wider¬
rät h Verfasser, da es die Scene nur maskirt, B. bezweifelt die
Spontanheilung der sog. katarrhalischen Appendicitis.
5) St ein hoff-Berlin: Welche Bedeutung hat die mecha¬
nische Behandlung für den Verlauf chronischer Erkrankungen
der Athmungsorgane, z. B. die Behandlung des Asthma?
Nach Ansicht des Verfassers beruht das Asthma nervosum auf
einer «Ataxie der Athmungsinuskeln», einer abnormen Athmungs-
thütigkeit, woraus er alle Erscheinungen des Asthma ableitet. Er
behandelt es durch systematische Athmungsübungen. Zu einem
kurzen Referate eignen sich die Ausführungen nicht.
Dr. Grassman n - München.
Dentsche medicinische Wochenschrift 1896, No 40.
1) C. We ige rt: Neue Fragestellungen in der pathologischen
Anatomie.
2) M. Verworn-Jena: Erregung und Lähmung.
3) Julius Wo 1 ff- Berlin: Zur weiteren Verwerthung der
Röntgenbilder in der Chirurgie.
4) Max Sch ei er-Berlin: Zur Anwendung des Röntgen-
sehen Verfahrens bei Schussverletzungen des Kopfes.
5) 0. Schwärtz-Köln: Die Vorzüge ungekochter Ziegen¬
milch als Nahrungsmittel für Kinder.
Sämmtliches Vorträge, welche auf der 68. Versammlung der Gesell¬
schaft deutscher Naturforscher und Aerzte gehalten w urden. F. L.
Pädiatrie.
Seiffert: Tendovaginitis gonorrhoica, ein Beitrag zur
Lehre von der Gonorrhöe im Kindesalter. (Aus der pädiatr.
Klinik zu Leipzig.) Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. XL1I,
Heft 1-4.
Der über ein Jahr lang beobachtete Fall betraf ein 4 jähriges
Mädchen, hei dem Constitutionserkrankungen, wie Lues, Tuber-
culose ausgeschlossen waren; es war sehr blass, mager; aus den
Genitalien bestand eiteriger Ausfluss, welcher Gonococcen enthielt,
aus der Urethra quoll auf Druck Eiter. Auf beiden Handrücken
fand sich eine diffuse, teigig-feste Schwellung, die sich vom Hand¬
gelenke bis zu den Metacarpo-Phalangealgelenken erstreckte; die
Haut darüber ist geröthet und glänzend; Berührung und Bewegung
der Hände ist üusserst schmerzhaft. Der gleiche Zustand, nur
geringer, besteht "über dem linken Metatarsus; Fieber. — Die
Mutter der Patientin hatte wie diese ein fahl-bleiches Aussehen, ihre
Hände zeigten das Bild der Arthritis deformans nodosa; aus der
Vagina - bestand schleimig-eitriger Ausfluss, in dem Gonococcen
nachgewiesen wurden. Die Mutter tlieilte mit dem Kinde das Bett.
— Bei der Pat. nahm die Schwellung der Hand zu, ging auch auf
die Vola manus über, und nachdem eine Stelle Fluetuation zeigte,
wurde durch Punction '/* ccm Eiter entleert, der auch Gonococcen
enthielt und neben Eiterkörperchen Endothelzellen der Sehnen¬
scheiden. Nach ca. einem Monat war das Kind geheilt, das Aus¬
sehen gebessert, die Schwellungen zurückgegangen, ebenso der
Fluor bis auf eine Spur, und coccenfrei (Sublimat-, später Borsäure -
ausspülungen). S. weist hin auf die im Verhältnis» zur Ausdeh¬
nung der Erkrankung geringe und unregelmässige Steigerung der
Körpertemperatur, ferner auf die geringe Neigung zur Nekrosen¬
bildung und Ahscedirung bei Gonocoeecnmetastasen überhaupt,
und besonders auf die eigentümliche, fahle Blässe der Haut, die
Anomie gonohemique der Franzosen; für all’ dieses könne man
eine Allgemeinvergiftung annehmen, durch rasche Resorption der
von den Gonococcen gebildeten Toxine.
Hesse: Zur Casuistik des Pfeiffer’schen Drüsen-Fiebers.
(Aus der pädiatr. Klinik zu Leipzig.)
Verfasser beobachtete eine Ilauscndemie dieser von Pfeiffer
zuerst, und nachher nicht mehr allzuoft beschriebenen Krankheit.
3 Geschwister im Alter von b’/s, 3 1 / 2 und l 3 /* Jahren erkrankten
kurz nacheinander mit hohem Fieber, schweren Allgemeinerschei-
nungen, Schwellung und Schmerzhaftigkeit der Drüsen am Hals;
im Urin Eiweiss, Cvlinder, rot he Blutkörperchen; in einem Fall
entwickelte sich eine schwere haeniorrhagische Nephritis, in 2 Fällen
bestand Milztumor. Die Fälle besserten sich in wenigen Tagen,
Nephritis und Drüsenschwellungen gingen langsamer zurück. Es
handelt sich um eine selbständige Infektionskrankheit, Jede andere
derartige Erkrankung war mit Sicherheit auszuschliessen, auch
Scharlach, den das eine Kind früher schon überstanden hatte; es
waren je weder Exantheme, noch Beläge im Rachen aufgetreten. Das
Fieber fiel in 3—I Tagen zur Norm ah, stieg aber wieder hei Be¬
fallenwerden einer neuen Drüseugruppe. Von den Drüsen waren
nicht, wie hei Diphtherie, Angina etc., die des Kieferwinkels haupt¬
sächlich ergriffen, sondern auch die Nackendrüsen und die Drüsen
hinter uml unter dom Sterm.kleidomastoideus. Die Behandlung
war symptomatisch, nur im 1. Fall wurden wegen starker Glieder¬
schmerzen Natr. salic. gegeben.
Grosz: Beiträge zur Pathogenese, Prophylaxe und
Therapie des Soor bei Neugeborenen. (Aus der II. geburtshilfl.
und gyn. Klinik zu Budapest.) Ibid.
G. stellte seine Beobachtungen hei den in der Anstalt per¬
manenten Soor-Endemien an. Bei jedem neugeborenen Säugling
findet sich ein weisslieher, reifartiger Belag der Zunge, der normal
ist und durch eine stärkere Desquamation des Epithels hervor¬
gerufen wird. Dieser Vorgang aber bildet eine Prädisposition für
Sour, der auch fast immer zuerst an Spitze und Rändern der Zunge
und Innenfläche der Lippen auftritt, da an diesen Stellen die Des¬
quamation durch die Saugbewegungen begünstigt wird. Eine fernere
Prädisposition bilden Verdauungsstörungen. Als Prophylaxe wandte
nun G. — analog dem Crcde'schen Verfahren bei Ophthalmo¬
blennorrhoe — täglich Pinselung des Mundes mit 1 proc. Argentum
nitricnm-Lösung an; dieselbe stört das Befinden des Säuglings
nicht und drückte die Morbidität an Soor von 32,8 Proc. auf 9,2 Proc.
herab. Ferner wurden prnphylactisclie Mund wasch ungen unter¬
lassen, da, wie schon Epstein betonte, der Mund des gesunden
Säuglings sich von selbst reinigt und dcsshalb durch die Waschungen
nichts genützt wird, wohl aber Gaumeneckengeschwüre, Bednari¬
sche Aphthen, hervorgerufen werden können.
Geheilt wurden die Soorfälle in wenigen Tagen durch täglich
einmalige Pinselung des Mundes mit 3proc. Argentumlösung, bei
der die antimykotische und eiweisseoagulirende Wirkung gleich¬
zeitig in Betracht kommt ; es bildet sich eine dünne, schorfige Auf¬
lagerung, die abgestossen wird und die iutacte, reine Schleimhaut
zum Vorschein kommen lässt,
N. l'mikoff: Zur dififerenziellen chemischen Reaction
der Frauen- und Kuhmilch und über die Bestimmung der Lac-
tationsdauer der Fi auenbrust. (Aus dem ehern. Laborat. des
kais. Findelhauses in St. Petersburg.) Ibid.
Aus der in chemischer und physiologischer Beziehung in¬
teressanten Arbeit seien nur folgende Hauptsachen herausgegriffen,
die aus vielen Hunderten von Versuchen gew onnen w urden:
Frauenmilch mit Ammoniak gemischt (z. B 5 ccm Frauenmilch
mit 2,5 ccm 10proc. Ammoniaklösung) nimmt bei Zimmertemperatur
allmählich eine roth-violette Farbe an, welche recht intensiv wird;
die Intensität dieser Färbung wächst mit der zugesetzten Ammoniak¬
menge; Erwärmen beschleunigt das Auftreten der Färbung; am
günstigsten sind 60° C. Vorheriges Kochen der Frauenmilch ver¬
hindert die Reaction nicht, ebensowenig starkes Abkühlen oder
langdauerndes Stehen (bis zu 10 Tagen). — Kuhmilch, derselben
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958
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40
Ammoniakwirkung ausgesetzt, zeigt absolut keine violette Ver¬
färbung. — Je älter die Milch ist, d. h. je länger sich die Frau,
von der die Milch stammt, in der Lactation befindet, desto inten¬
siver wird die Färbung; je nach dem Alter erhält man eine
Farbenscala von blassroth-violett bis intensiv-violett. Durch die
verschiedene Färbungsintensität hat man die Möglichkeit, bei ent¬
sprechender Uebung das Alter «1er Ammenmilch zu erkennen,
grössere Lactationsperioden von einander zu unterscheiden. — Die
Natur des Körpers, durch den die Reaction hervorgebracljt wird,
ist noch unbekannt.
Bosse: Ueber die interstitielle Keratitis hereditär-lue¬
tischer Natur und ihren Zusammenhang mit GelenkafFectionen.
( Aus der Univ.-Augenklinik in Berlin. Archiv f. Kinderheilk. 20. B<1.
III—IV. Heft.)
B. weist auf das in den modernen Lehrbüchern wenig be¬
rücksichtigte gleichzeitige Vorkommen von Gelenkentzündungen
und interstitieller Keratitis hei hereditär-luetischen Kindern hin.
Bei 46 Fällen von interstitieller Keratitis fand B. 17mal Gelonk-
affcctionen, also in ca. 37 Proc.; dieselben waren verschiedenster
Art, seröse und eiterige; öfters war eine specitische Therapie von
sehr gutem Erfolg, nachdem andere Behandlungsmethoden, denen
die Lues-Diagnose noch nicht zu Grunde lag, ohne Einfluss ge¬
blieben waren. Eine Erklärung für das Zusammentreffen der
Augen- und GelenkafFectionen findet sich wohl in der histologischen
Verwandtschaft des Gelenkknorpels und des Hornhautgewebes.
Jarke: Ein Fall von acuter symmetrischer Gehirn¬
erweichung bei Keuchhusten. (Aus der medic. Poliklinik zu
Kiel.) Ibid.
Meist entstehen die cerebralen Complicationen bei Pertussis
durch Blutungen in s Gehirn. Abweichend hievon beschreibt J.
folgenden Fall: Ein 7jähriges Mädchen leidet seit Wochen an
Keuchhusten mittlerer Stärke; rechtsseitige Facialislähnmng, Parese
des linken Arms und Beins; das Kind spricht nicht, versteht
aber das ihm Gesagte; zunehmende Apathie und Pulsarhythmie;
Ch e y n e-Stokes'sehes Atlimen; nach mehreren Tagen völlige
Benommenheit, Kopf und Bulbi nach rechts rotirt; zuletzt auch
Parese des rechten Arms und Beins, zeitweise verschiedene Spasmen,
Exitus. Die Diagnose war auf Ponsaffectionen gestellt; die Section
aber erwies den Pons frei, dagegen fanden sich in jeder Hemisphäre
zwei bis wallnussgrosse Erweichungsherde der weissen Substanz
der Frontal- und Parietallappen; nichts von Haemorrhagicn oder
Embolien. Zu bezeichnen ist die Affection als idiopathische Ence¬
phalitis oder entzündliche Erweichungsherde (Strümpell). Actio-
logisch hält J. die durch den Keuchhusten verursachten Circulatious-
storungen für wichtig, unter denen die Gcfässe, «lie zu «len erweichten
Partien führten, um so mehr litten, als sie Eudarterien waren.
Li eh t e n st ei n -München.
Vereins- und Congressberichte.
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21. bis 26. September 1896.
Originalbericht von Dr. Arnold Eiermann, Frauen-Arzt in
Frankfurt a. M.
II.
Mein erster Bericht, der in Folge der kurzen, mir gestellten
Frist weniger ausführlich gehalten werden musste, als es meinem
Wunsche entsprach, hatte mit dem 3. Verhandlungstagc abge¬
schlossen; es erübrigt also noch ein solcher über die am Frei¬
tag, den 25- September, stattgebabte II. allgemeine Sitzung,
sowie über die noch nicht erwähnten , mit der Versammlung ver¬
bundenen allgemeinen Veranstaltungen.
Um jedoch der bisher beibehaltenen zeitlichen Reihenfolge
der Geschehnisse auch fernerhin treu zu bleiben, möchte ich zu¬
vor noch des am Abend des 24. im Palmengarten abgehaltenen
Fcstballcs Erwähnung thun.
Schon der Umstand, dass dieser eben im Palmen garten
stattfand, bürgte dafür, dass alle Theilnebmer befriedigt würden.
Denn ein derartig herrliches Institut ist nur in sehr wenigen
anderen Städten zu finden. Was kann man sieh Schöneres wün¬
schen , als nach beendigtem opulentem Mahle am späten Abend
eines wenig freundlichen deutschen Herbsttages in des Wortes
wahrer fBedeutung unter prächtigen Palmen zu wandeln? Und
wenn dazu noch ein so schöner Damenflor die Scencrie bunt be¬
lebt , sind Auge und Herz ganz gewiss befriedigt! Für den
Magen war ja schon vorher gesorgt worden !
Die Vorahnung dieses erhebenden Bildes hatte denn auch
einen hiesigen, im Dichten ebenso, wie in seiner Wissenschaft
bewährten Collegcn zu klangvollen Versen begeistert, die, beim
Mahle als Tischlied gesungen, allgemeinen Beifall fanden. Wäh¬
rend desselben waren auch mehrfach Ansprachen gewechselt worden
und nachdem es sein Ende gefunden hatte, trat alsbald Terpsi-
chorc in ihre Rechte, die sie bei Jung und Alt mit Erfolg
geltend machte bis spät in den Morgen! So war auch dieses
Fest zu allgemeiner Befriedigung rerlaufen.
Vor. der auf 9 Uhr anberaumten II. allgemeinen Sitzung
hatte am 25. September bereits eine Gesch äftssitzuDg statt-
gefunden, in der die Wahl des nächstjährigen Versammlungsortes,
sowie des Vorstandes für das Jahr 1897 vorzunehmen war. Die
ersten- fiel, wie bereits gemeldet, auf Braunschweig, zu Vor¬
sitzenden wurden gewählt: v. Lang-Wien als erster, Wald-
ey e r und Geheinirath Neu m a y c r- Hamburg als Stellvertreter.
Noch wäre hervorzuheber., dass Waldeyer in dieser Sitzung
beantragte, die Versammlung solle künftig nur alle 2 Jahre
stattfinden, und zwar in den von Specialcongrcsscn freien Jahren.
Die Debatte über diesen Antrag wurde bis zum nächsten Jahre
vertagt.
ln der pünktlich erÖfFncten allgemeinen Sitzung verlas
Geh.-Rath Moritz Schmidt zunächst- die Antw«orten, die auf die
beiden Telegramme an den Kaiser und an Prof. G a 11 e - Breslau,
an Letzteren anlässlich des 50 jährigen Gedenktages seiner Ent¬
deckung des Planeten Neptun, eingetroffen waren.
Darnach begrünst noch der Regierungspräsident v. Topper-
Laski, der am Erscheinen bei der ersten Sitzung verhindert
war, die Versammlung Namens der Regierung zu Wiesbaden
in herzlichen Worten , Prof. D y c k - München fordert zur Theil-
nalime an der von der Royal Society in London beschlos¬
senen Cata logisiru ng der naturwissenschaftlichen
und modicinischcn Literatur der ganzen Welt auf,
Rauch fass-St. Petersburg ladet zu zahlreichem Besuche des
nächstjährigen Moskauer internationalen Congresses ein,
worauf man in die Tagesordnung eintritt, in welche sich heute
V e rworn - J ena, B e 1 o w - Berlin und W e i g e r t - F rankfurt a. M.
theilen.
Professor Max V e r w o r n , der j ugendliche, aber dennoch
bereits allerwärts gekannte und geschätzte Jenenser Physiologe
(derselbe war auch voriges Jahr der Träger des vom Sencken-
bergisehen Institut zu verleihenden Sömmering -Preises',
sprach in hochinteressantem, streng wissenschaftlichem, erschöpfen¬
dem Vortrage, der grossen Beifall fand, über «Erregung und
Lähmung .
Dieser, wie auch der ähnlich geartete Weigert’s über
«Neue Fragestellungen in der pathologischen Anatomie*
eignen sich beide eben dieser Eigenschaften wegen recht wenig zu
auszugsweiser Wiedergabe. Ich will es aber, der von mir über¬
nommenen Pflicht entsprechend, dennoch versuchen, dieselben in
ihren Hauptzügen zu reproducircn, ohne die sich streng logisch
auf einander aufbauenden Gedankenreihen zu sehr zu zerstören.
Wer sich näher für dieselben intcrcssirt — und das werden
wohl die Meisten — wird Gelegenheit haben, dieselben in extenso
zu lesen, da sie beide veröffentlicht werden sollen.
Zwischen beiden vorgenannten Rednern sprach Be low ökr
«Die praktischen Ziele der Tropenhygiene.»
Verworn nun wies Eingangs seines Vortrages zunächst
darauf hin, dass es eine Folge des neuerdings wieder auf allen
Gebieten aufgetretenen Hanges zum Mystischen sei, wenn die
Physiologie abermals das anscheinend längst abgethane Princip von
der Lebenskraft', vom «Vitalismus» aufgcstellt hak,
einem Vitalismus allerdings, der ganz verschieden sei von dem
alten, mit dem er weiter nichts, als den Namen gemeinsam hak.
Wir unterscheiden heute einen mechanischen und psychi¬
schen Vitalismus. Der mechanische Vitalismus sagt, dass
zwar alles Leben am letzten Ende auf der Thätigkeit physikalischer
und chemischer Factoren beruhe, dass aber die physikalischen und
chemischen Kräfte im lebenden Organismus in so eigenartiger und
bisher unerforschter Weise mit einander verkettet seien, dass man
vorläufig von einer nur das Geschehen im lebenden Organismus
charakterisirendcn Lebenskraft sprechen und diese der anorganischen
Natnr gegenübersetzen müsse.
Der viel tiefere psychische Vitalismus, von dem jetzt so
viel die Rede sei, sei nichts, als die Folge der philosophischen
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6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
959
Unzulänglichkeit des einseitigen .Materialismus.
Dieser habe jene Richtung der modernen Wissen¬
schaft in’s Leben gerufen. Da man die psychischen Er¬
scheinungen nicht mechanisch erklären könne, wie die Materialisten
es wollen, müsse man die Lebenscrschcinuugen psychologisch zu
verstehen suchen. Der psychische Vitalismus sieht daher im Körper
nur einen Kmpfindungscomplex. Doch auch damit kommen wir
nicht von der .Stelle.
Ganz allgemein gesagt, sei das Ergebniss der bisherigen
physiologischen Forschung Folgendes: Alles Leben beruht
zuletzt auf chemischen Prozessen in der lebenden
Substanz der Zellen, aus denen die Organismen
zusammengesetzt sind.
Die als «Stoffwechsel» bezeichncten Proecsse bestehen
in ständiger Zersetzung und Umbildung der lebenden Substanz,
vor Allem der lebenden Eiweisskörper oder Biogene. Der Aus¬
druck der Umsetzungen des unaufhörlich durch den Körper gehen¬
den Stoffstromes sind die elementaren Leben scrseh ei nun ge n
des Stoffwechsels, Energiewcchsels und Form Wechsels.
Doch auch damit sei nur sehr wenig für das Verständnis
vom Wesen des Lebens gewonnen. Wie jede Naturerscheinung,
ist auch die Lebenserscheinung durch eine Reihe von äusseren
Faetoren bedingt, die wir als allgemeine und spccielle Lebens¬
bedingungen kennen. Jede Veränderung in diesen Bedingungen
bewirkt unter Umständen auch eine Veränderung der Lebens¬
erscheinungen. Damit haben wir auch die allgemeine Defini¬
tion des Reizes: Reiz ist eine Veränderung in den
äusseren Lebensbedingungen. Sache der Physiologie ist
es nun, die für die Erzeugung der Reizung ursächlichen Ver¬
änderungen im Organismus zu untersuchen. Seit Galen, dem
Vater der Physiologie, bis auf den heutigen Tag habe man nun
Millionen von Einzel versuchen gemacht, aber bisher nie ernstlich
getrachtet, auf inductivein Wege methodisch a 11 g e tu e i n e
Reizgesetze zu gewinnen.
Hiezu müssen wir den Weg der vergleich enden Uellu-
larphy Biologie betreten. Seit Schlei d en und Schwann,
Max Schultze und Brücke kennen wir die Zelle als eigent¬
lichen Sitz des Lebens und das Scheitern aller Versuche, noch
einfachere Elemente der lebenden Substanz zu finden , bestätigt
nur immer wieder Vircbow's, des Begründers der (Yllular-
pathologie, vor 29 Jahren von dieser Stelle aus gesprochene
Worte: «Soweit man auch kommen wird in der Erkenntnis der
feineren physikalischen und chemischen Vorgänge, welche inner¬
halb dieser Elementarorganismen sich vollziehen, so wird meiner
Meinung nach keine Forschung uns jemals darüber hinausführen,
die Zelle als die eigentliche und wesentliche Grundlage für unsere
mcdicinischc Auffassung zu betrachten ; denn sie ist cs, innerhalb
deren sich eine gewisse einheitliche Aeusserung der Lebensvorgänge
uns darstellt und welche uns daher erscheint als der Ausdruck
«der einheitlichen Functionen des Lebens».
Wenn er es nun wage, einige Ergebnisse der vergleichenden
Zellforschung, die sich auf die Wirkungen der Reize an der Zelle
beziehen, mitzutheilen, so sei er sieh der grossen Lückenhaftigkeit
derselben wohl bewusst, glaube aber dennoch, dass manche für
das Verständnis der Lebenserseheinungen nicht ohne Bedeutung
seien.
Eine fundamentale Entdeckung war die Feststellung des G e -
s e t z e s von der spceifischcn Energie der .Sinnesnerven
durch Johannes Müller, das nichts Geringeres enthält als die
Thatsachc, dass das, was wir von der äusseren Körperwelt wissen,
nur unsere eigenen Bewusstseinsvorgänge sind, und das, im Lichte
der vergleichenden Cellularphysiologie betrachtet, tief begründet
erscheint in den Fundamentaleigenschaften aller lebenden .Substanz.
Schon Hering hat darauf hingewiesen, dass eigentlich jede
lebende Substanz ihre « s p e c i f i s c h e Energie» besitze. Was
also Johannes Müller für die Sinnesorgane des Menschen gezeigt
hat, ist im Stoffwechsel aller lebenden Substanz begründet; denn
an der gleichen Form der lebenden Substanz rufen
die verschiedenartigen Reize die gleichen Erschein¬
ungen hervor und umgekehrt erregt der gleiche Reiz
an verschiedenen Formen der lebenden Substanz ver¬
schiedene und zwar für jede Form charakteristische
Lebenserscheinungen.
Allein dieses Gesetz der specifisehcn Energie der
lebenden Substanz bedarf noch einer Erweiterung hin¬
sichtlich der Wirkung der Reize. Diese besteht nämlich
nicht immer in einer Erregung, sondern auch manch¬
mal in einer Lähmung, bei welch letzterer wir wieder primäre
und seeuudäre Lähmung zu unterscheiden haben, indem jeder
erregende Reiz, wenn er nur lang und stark genug ist, s c c n n d ä r
durch Ueberreizung eine Lähmung erzeugen kann, was am besten
die Erscheinungen der Ermüdung beweisen.
Das allgemeine Gesetz der Reizwirkung würde also
so lauten: dass die Reize die Intensität des normalen
Lebensprocesses der Zelle beeinflussen, indem sie
entweder eine Steigerung desselben, eine Erregung,
oder eine Herabsetzung, eine Lähmung herbeiführen.
Erregung und Lähmung des Stoffwechsels der Zellen
sind die fundamentalen Ursachen der ganzen Fülle
mannigfaltiger Reizerscheinungen am Organismus.
Doch ist es nicht nöthig, dass der Reiz, der eine im Stoff¬
wechsel-Gleichgewicht befindliche Zelle trifft, den ganzen Stoff¬
wechsel derselben in glcichmässiger Weise verändert, so dass ein
neuer Gleichgewichtszustand eintritt, sondern die Erregung oder
Lähmung kann einzelne Stoffwechselprocesse in ungleichem Maasse
betreffen. Ferner kann sich mit zunehmender Intensität eines
Reizes die Grösse der Erregung bei verschiedenen Gliedern der
Stoffwcchsclkette in sehr verschiedenem Maasse ändern, so
dass unter Umständen ein schwacher und ein starker Reiz geradezu
antagonistische Wirkung haben. Setzen wir z. B. eine
Amoebe, die Pseudopodien ausschickt, steigender Temperatur von
0° ab aus, so sehen wir, wie zunächst bis zu einer gewissen
Temperatur die Substanz derselben sich ausbreitet, die Expansion
vorherrscht, dann aber das Gcgentheil eintritt und die Zelle sich
wieder contrahirt, stärker und immer stärker, bis sie eine
starre, kugelige Masse geworden ist, deren Leben stillsteht.
Mau könnte nun aus der Thatsachc der uugleiehen Erregung
oder Lähmung einzelner Glieder der Stoffwechsclkette auf eine
grosse Selbständigkeit derselben schliessen! Mit Unrecht! Es
besteht im Gcgentheil eine sehr enge Abhängigkeit der verschiedenen
Processe von einander. Schaltet man nur ein einziges Glied aus,
z. B. die Oxydation in der Zelle durch Entziehung des Sauer¬
stoffes, so wird alsbald der ganze Stoffwechsel gestört und die
Zelle stirbt ab.
Diese grosse Abhängigkeit ist es auch, welche die innere
Selbststeuerung des Stoffwechsels nöthig macht. Ist
nämlich ein Glied der Stoffwechselkette, z. B. die Dissimilations¬
phase, durch einen Beiz erregt, so zieht dies gleichzeitig auch
eine Erregung des antagonistischen Gliedes nach sich, in
diesem Falle der Assimilationsphasc, und zwar dauert diese letztere
so lange an, bis die verbrauchte Substanz wieder vollständig
regencrirt, d. h. wieder Stoffwechsel-Gleichgewicht eingetreten ist.
Auch hiefür bietet der ermüdete Muskel das beste Beispiel. Diese
Selbststeuerung des Stoffwechsels findet subjectiv ihren schönsten
Ausdruck am Auge in der Erscheinung der farbigen
Nachbilder. Auch der sog. «simultane Contrast» am
Auge, wenn z. B. ein farbloser grauer Papierstreifen auf rother
Unterlage dem Auge mattgrün erscheint, bildet ein Beispiel dafür.
Bei gleichzeitiger Einwirkung zweier Beize auf die Zelle hängt
der Enderfolg der Reizung stets ab von der Wirkung jedes ein¬
zelnen der interferireuden Reize. Ferner kann eine bestehende
Erregungserschciuung auf doppelte Weise.gehemmt
werden, durch Lähmung der erregten, wie auch
durch Erregung antagonistischer Stoffwechsel¬
glieder.
Gewisse, bisher ganz unerklärte Erscheinungen, wie Helio¬
tropismus, Thermotropismus, lassen sich nunmehr nach dem all¬
gemeinen Gesetz der Reizwirkung erklären. Auch wird man ver¬
stehen , wie z. B. das Iufusorium, der Schwerkraft zum Trotz,
nach der Oberfläche der Pfütze sehwimmt, wie die Schwärmspore
der Richtung der Eizelle folgt, wie das Bacterium gierig nach
seiner Nährlösung strebt oder der Leukocyt im menschlichen Körper
nach der inficirten Wundstelle wandert: «Es ist stets dasselbe
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Princip von Erregung und Lähmung, stets ist es der eiserne Zwang
des einseitig wirkenden Reizes, was die Bewegung beherrscht.!'
Sind nun schon die in der Einzelzelle sich abspielenden Vor¬
gänge wechselnd und mannigfaltig, so sind natürlich im Zcllcn-
staat diese Vorgänge unsagbar complicirt. Vor Allem wechselvoll
und mannigfaltig sind die Erscheinungen der Erregung und Lähmung
im thierischen Körper, im Körper der Wirbelthiere und des letzten
in der Reihe derselben, des Menschen. Die Abhängigkeit fast
aller Organe vom Nervensystem, das überall hin seine Reizimpulse
schickt, macht, dass im menschlichen Körper fast alle Lebens¬
erscheinungen nur der Ausdruck eines grossen, gewaltigen Getriebes
von Erregung»- und Lähmungs-Vorgängen des Nervensystems sind.
Dieses scheinbar hoffnungslos verwickelte Getriebe zu entwirren,
den mechanischen Zusammenhang zu erforschen, <ist der Ehrgeiz
der Physiologie, ist die Sehnsucht der Medicin*.
Aber auch die Vorgänge in den Ganglienzellen oder Neuronen
sind den allgemeinen Gesetzen der Erregung und Lähmung unter¬
worfen. Die grossen Fortschritte in der Anatomie des Nerven -
Systcms, die sieh an die Namen von Golgi, Köl liker,
R a m o n y C a j a 1, W a 1 d e y e r, H i s etc. knüpfen, liefern auch
der Physiologie eine wichtige Grundlage. Während uns die Vor¬
gänge bei der Reflexbewegung und die 1 'roces.se , die den
Thätigkeitsäusserungen zu Grunde liegen, in ihren Haupt¬
momenten bereits bekannt sind, ist das Gebiet der Hemmungs-
er sc hein ungen» noch eines der dunkelsten in der Physiologie.
Man hat Hemmung und Lähmung vielfach mit einander
vermischt; Hemmung braucht aber nicht immer durch Lähmung,
sondern kann auch durch Erregung antagonistischer Processe
entstehen. Wenn einem Frosch das Rückenmark durchschnitten
ist, und die hinteren Extremitäten durch keinen noch so grossen
Reiz zu Reflexbewegungen gebracht werden können, so besteht
offenbar Lähmung durch Ueberrcizung der Rückenmarks-Neurone;
bei der willkürlichen Erschlaffung eines Muskels aber kann es sieh
nur um Hemmung durch Erregung antagonistischer Processe
handeln.
Durch das Studium der wechselnden Erregungs- und Lähmungs-
Zustände wird cs uns auch voraussichtlich gelingen, einen Ein¬
blick zu erhalten in das Zustandekommen jenes dunklen Zustandes,
den man Hypnose nennt. Da an eine Lähmung des Gross¬
hirns im Zustande der Hypnose nicht zu denken ist, so bleibt
nur übrig, dass die — passive und das Zustandekommen suggestiver
Vorstellungen nicht verhindernde, sondern vielmehr begünstigende
— Thätigkeitsbemmuug des Grosshirus auf Erregung antagonis¬
tischer Stoffwecbsclproducte in seinen Neuronen beruht. Die be¬
kannte Thatsacbe, dass starke Erregung einer Stelle
des Centralnervensystems unter Umständen in ge¬
wissen Nachbargebicten eine Hemmung erzeugt,
ist besonders geeignet, über das Zustandekommen
der Hypnose Liebt zu verbreiten.
Hicmit schloss Vcrworn seinen verdientermaassen mit all-
meiriem Beifall aufgenommenen Vortrag.
Eines solchen hatte sich der folgende Redner, B e 1 o w , nicht
zu erfreuen. Hier war der Beifall im Gcgentheil ein sehr ge-
thciltor, mit Aeusserungen des Missfallens deutlich gemischt. Da
nun der Vortrag zudem bereits gedruckt lals Separat-Abdruck der
«Verhandlungen ») vorliegt, so kann ich mich um so kürzer fassen,
als Redner ungefähr in der Mitte seiner Ausführungen unter¬
brochen und unter Hinweis auf den Ablauf der ihm zugestandenen
Zeit, sowie auf den Umstand, dass die Tagesordnung unbedingt
zeitig erledigt werden müsste, da für Nachmittag Ausflüge mit
Extrazügen vorgesehen seien, die sich nicht verschieben Hessen,
veranlasst wurde, auf seine übrigen Mittheilungen zu verzichten
und nur noch seine Thesen vorzutragen, was denn auch geschah.
Diese Thesen, die übrigens auch schon in der tropenbygieni-
schen Section vorgebracht waren und über die zur Tagesordnung
übergegangen worden war, gipfelten, wie auch der ganze Vortrag
darin, dass ein Sanitätsministerium mit einer tropeubygienischen Ccn-
tral-Stelle geschaffen, dass mit der Macht des « Ewig-Gestrigen i>, i. e.
mit dem nach der Ansicht des "Redners zu langsamen Fortschreitcn
der Behörden, die den wissenschaftlichen, specicll tropenhygienischen
Forschungs-Ergebnissen viel zu wenig Beachtung schenkten, und
dem, ebenfalls nach seiner Ansicht, specicll in der Colonial-Ab-
theiiung herrschenden Bureaukratisuius, gebrochen werden und das
« E w i g - H e i 1 i g e , das Naturgesetz, das Acquatorialgesetz, «ie
cs die Tropen hygieneforsch ung uns weist, gefördert * werden solle.
Vornehme Buhe trat wieder ein, als nun Weigert das
Wort ergriff zu seinem Vortrage über: Neue Fragestellungen
in der pathologischen Anatomie.
Auch dieser Kedner berührt Eingangs seiner Ausführungen
die im Anfang unseres Jahrhunderts herrschende Naturphilo¬
sophie, die nichts gewesen sei, als ein planloses Philosophie).
Eigenes Denken -war verpönt und geradezu verächtlich. Daher
musste diese Richtung erst überwunden sein, bevor eine neue
Fragestellung in den Wissenschaften Platz greifen konnte.
Er berührt weiter das Wesen der Hyiwthesc, die zwar nicht
immer den Zusammenhang zwischen zwei anscheinend nicht tu-
sammenhüngenden Dingen bringe und sich nicht immer als zu¬
treffend erweise, die aber dennoch nöthig sei.
Zum eigentlichen Thema übergehend, hebt Redner hervor,
dass es 3 verschiedene Formen der physiologischen
Zcllthätigkcit gebe, nämlich eine fuiictionelle,
eine nutritive und eine formative. Bei der f unctio-
neilen Reizung ist nur die Function gesteigert, z. B. erregt
der Nerv Schmerz, die Drüse secernirt; bei der nutritiven
nimmt die Zelle zu nach Grösse und Volumen, bei der forrua-
t i v c n endlich werden neue Zellen erzeugt.
Man war nun bisher der Anschauung, dass diese 3 Arten
von Zcllthätigkcit nur verschiedene G r ade ein und derselben
Reizungs-Art darstellen, eine Anschauung, die durchaus irrig
ist. Nutritive und formative Reizung stehen der
functioncllcn diamcntral gegenüber. Bei letzterer
wird lebende Substanz verbraucht, bei ersterer
wird solche neu gebildet.
Man kann daher die nutritive und formative Zell
thätigkeit in dem Ausdruck der bioplastischen Processe
zusammen fassen und ihnen die f u n e t io n c Ile als katabio-
t i s <• h e n Process gegen überstellen. Der bioplastische Process
ende nun nicht mit dem Aufhören des Wachsthums, sondern trete
nur in anderer Form auf. Aus der kinetischen wird poten¬
tielle b i o plastische Energie. Diese Ucbergänge bestehen
auch im Allgemeinen bei der Zellthätigkeit; doch könne auch
jederzeit die potentielle wieder in kinetische Energie
zurückgeführt werden, wenn die Hindernisse, die ersfcerc in Span
nung halten, beseitigt werden. So bei n o r ma 1 e n Verhältnissen.
Bei pathologischen Zellwucherungen komme die alte
Lehre von der directen äusseren Heizung der Zelle, die zu
Gewebs-Neubildung führe, auf eine Art Urzeugung heran«.
Der dirccte äussere bioplastische Reiz sei daher ganz
unwahrscheinlich, unbewiesen und auch überflüssig. Die neue
Lehre habe liier auch eine ganz neue Fragestellung gebracht, eine
Fülle von Fragen dränge sieh auf.
Es sei jetzt bewiesen, dass bei j enen Zcllreizungcn.
die zu pathologischen Processen (G ewebs-Wucher¬
ung, Neubildung etc.) führen, dem bioplastischen
Process eine Gewebsschädigung vorausgehe, deren
Ort und Art die Besonderheit des pathologischen
Processes bedinge.
Zu den katabio tische» Processen, den functiondleo,
gehören alle Secretionsvorgäuge, Nervenerregungen und alle Be
wegungsthätigkeit der lebenden Substanz; hier könne natürlich
von direetem äusserem Reiz gesprochen werden. Kn den
katabiotisehen Processen gehören auch die Vorgänge bei der
Entzündung; hier spielen neben der Wanderung der Lcukoeyte»
auch die Bewegungen sonst fixer Zellen eine gewisse
Rolle. Ferner gehöre hielier eine Art von Katabioscn, dk
eigentlich nicht recht in den Ausdruck hineinpasse, das seien die¬
jenigen, die zu Gewebsneubildungen führen, so zur Bildung
von Zwischensubstanzen in der Bindegewebsgruppe und zur Ver¬
hornung. Wie sehr auch die Bindcgewebs-Zwischensubstani TÜD
lebender Substanz durchsetzt sei, sie selbst bleibe doch in' mcr
so leblos, wie verhornte Theile, oder wie gewisse Pflanzenproducte.
Durch Veränderungen gewonnener Fibrinmassen, die man «1®
Prägungen» nennen könne, entstünden Substanzen, die der
Intcrccllularsubstanz echten Bindegewebes sehr üliulicb seien.
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6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
.961
Aber das blosse Absterben von Zellen oder von einzelnen
Bestandteilen derselben genüge nicht zur Entstehung von
leblosen Gewcbsbcstandthcilen. Hiezu gehörten auch gewisse sta¬
tische Einflüsse, wie Zug, Druck u. dergl., die bei den katabio-
tiseben Processen eine Rolle spielten.
Des Weiteren berührt Redner die Riesen zellen und ihre
Bedeutung für den Organismus. Gewisse Zellen können ihre
unter normalen Verhältnissen bestehende Eignung zu katabiotischen
Processen unter pathologischen Einflüssen ganz oder theilweise
einbüssen; andererseits können durch gewisse andere Reize bio¬
plastische Wucherungen entstehen.
Ueberall, auch bei der Lehre von der Entzündung, seien
jedoch noch viele Fragen zu beantworten. Hiezu aber sei es
nöthig, auch den Zell leib genauer zu untersuchen. Man sei
aber nun bis vor Kurzem nur in der Lage gewesen, die Ver¬
hältnisse des Zellkernes zu erforschen; jetzt hätten die Ver¬
besserungen der Untersuchungsmethoden und die Verfeinerungen
der Technik hierin einigen Wandel geschaffen und bereits hätten
auch verschiedene Forscher dem Zellleib, dem Protoplasma
ihre Beachtung zugewendet. Doch sei noch ausserordentlich viel
zu thun, was eben wieder nur durch weitere Verbesserungen der
Methoden zu erreichen sei. Dann wird auch die Frage von den
mechanischen Ursachen der Functionshypertrophie
zu lösen sein.
Der ruhende Muskel atrophirt; der arbeitende Muskel da¬
gegen verbraucht bei der Arbeit lebende Substanz. Und eben
dieser Aufbrauch lebenden Materials bildet den Anstoss für die
restirenden Zellgruppen zu» Bildung nicht nur des auf gebrauchten
Materials, sondern noch darüber hinaus zum Ansatz neuer Sub¬
stanz. Ein Zustand aber, in dem nie neues Material gebildet
wird, weil eben kein altes verbraucht wurde, führt dahin, wohin
wir schliesslich doch Alle kommen, zum Tod. So wird, was auf
den ersten Blick paradox erscheint, dass nämlich gerade das, was
das Leben ausmacht, die functioneile Energie, mit einer
Schädigung einhergeht, jetzt erst recht verständlich. Die Schä¬
digung ist die nämliche, wie die, welche der rohe Marmorblock
erlitt, aus welchem Dannecker sein Meisterwerk, die Ariadne, schuf.
So schloss der verehrte Forscher seinen mit anhaltendem
Beifall aufgenommenen Vortrag. Hiemit war die Tagesordnung
erledigt.
Fis ergreift nun das Wort der erste Vorsitzende der Gesell¬
schaft, v. Ziemssen, um nach einem kurzen Rückblicke auf
den ganzen Verlauf der Versammlung den Geschäftsführern herz¬
lichen Dank auszusprechen für die so erfolgreiche, als grosse Mühe¬
waltung. Ihnen, wie auch der gastfreien Congrcss-Stadt und
den Frankfurter Damen gelte sein Hoch, das freudig all¬
seits aufgenommen wurde.
Der erste Geschäftsführer, Geheimrath Moritz Schmidt
dankt zugleich im Namen seines Collcgen, Professor König’s,
für die ihnen gewordene Anerkennung. Sic hätten Alles freudig
gethan. Jetzt trete die erste schwere Pflicht an ihn heran,
doch sei es Pflicht, die erfüllt werden müsse, wenn auch noch so
ungern. So erkläre er denn die 68- Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte für geschlossen !
Hiemit hatte die Versammlung officiell ihr Finde genommen.
F’ür den Nachmittag wuren eine Anzahl Ausflüge für die
Thcilnehmcr vorgesehen, so nach Darmstadt, Höchst, Soden,
Nauheim, Königstein, F’alkcnstein etc.
Die grösste Betheiligung hatte wohl der Ausflug nach Höchst
gefunden, über den in voriger Nummer von anderer Seite bereits
berichtet wurde.
Auch die anderen genannten Excursioncn verliefen zu all¬
gemeiner Befriedigung, ebenso wie die auf Samstag angesetzten
Tagespartien nach Homburg und Marburg.
Den etwa 500 Thcilnehincrn an dem ersteren Ausflug wurde
nach Besichtigung der Badebäuscr, Qucllon etc. von der Stadt ein
opulentes F’rühstück auf der schönen Curterrassc geboten. Nach¬
mittags wurde die interessante Saalburg bei Homburg besichtigt,
ein sehr gut erhaltenes, zum Theil wieder hergcstclltes Römercastell
mit Museum, und Abends vereinigte man sich wieder im Ilom-
burger Cursaal zum Diner. Nach Beendigung desselben fand die
Rückkehr nach Frankfurt statt.
Auch der Ausflug nach Marburg, an dem etwa 150 Per¬
sonen thcilnuhinen , verlief den Berichten zufolge auf’s Schönste.
Damit war denn auch das wirkliche Finde der Versammlung
herangekommen; die Thcilnehmcr zerstreuten sich nach allen
Richtungen, thcils um wieder zum heimischen Herd zurück zu
kehren, thcils um in bevorzugteren Strichen sich für die Tücken
des vergangenen Sommers schadlos zu halten. Hoffentlich gelingt
es ihnen 1
Ein paar Worte über die mit der Versammlung verbundene
Ausstellung. Dieselbe war sehr gut beschickt und nach
Aussage alter Congrcssistcn eine der allerbesten, die jemals statt¬
gefunden hatte.
Aus derselben wäre zunächst hervorzuheben die zur Jenner-
Centennarfcicr veranstaltete Impf-Ausstellung, ent¬
haltend die ganze alte und neue Impfliteratur, Jenner-Denk¬
münzen , Impfinstrumente und vor Allem die Ausstellung der
k. k. österr. Central-Lymphgewinnungsanstalt mit ihren trefflichen
Moulagen, ihrer schönen Darstellung der Lymphbereitung und
Lvmphproductc.
Ferner ist hervorzuheben die tropen hygienische Aus¬
stellung mit Vorführung ganzer Ausrüstungen zu Flxpeditionen
in den Tropen (besonders erwähnenswerth sind hier die sämmtlich
in Tablcttenform dargcstellten bczügl. Medicamente), sowie besonders
die Ausstellung der Section für Nervenkrankheiten und
Psychiatrie. Neben schönen Mikroskopen von Lcitz hatte
hier ein vollständiges Modell der ausgedehnten K ahlbaum’schen
Anstalt in Görlitz Platz gefunden. Fl di n ge r-Frankfurt a. M.
hatte eine grosse Anzahl seiner bekannten Serienschnitte durch Gehirne
niederer Thicre ausgestellt, ähnliches G u d d c n - Tübingen und einige
Andere. Ferner waren verschiedene Modelle des F'aserverlaufs in
Gehirn und Rückenmark , zu Lchrzwccken bei der Schwierigkeit
des Gegenstandes sehr geeignet, zu sehen, darunter ein ebenfalls
von Fl di n ger construirtes. Verschiedene Anstaltsleiter hatten
ihre Zimmer-, Thüren-, Fenster- und Bettcn-Modelle für unruhige
und unreine Kranke gesandt. R e i n i g e r , G e b b e r t und Schall-
Erlangen waren mit einer completen Vorführung ihrer elektrischen
Apparate zur Stelle. Dieselben hatten im Saale der physi¬
kalischen Abtheilung prächtige Röntgen-Bilder, darunter auch
äusserst klare Photographien des Beckens aufgestcllt.
In der zoologischen Ausstellung war die «zoologische
Station in Neapel» hervorragend vertreten, ebenso auch das
Frankfurter Senckenbcrgische Institut mit prachtvollen
Formolpräparaten (bekanntlich wurde dasFormol von dem
Director der Institutssammlung, Herrn Oberlehrer Blum, zuerst für
Präparatensammlungen erprobt), Werner und Winter- F'rankfurt
mit ganz wunderschönen Abbildungen des Kükenthal’schen Reise¬
werkes und dann hatte hier Professor Born - Breslau die von ihm
künstlich gezüchteten Missgeburten (Zwillingsbildung),
F'röschc und Kaulquappen, leitend vorgeführt. Ich kann leider
auf diese höchst interessanten Ergebnisse von Born’s Versuchen
nicht näher cingehen, sondern will nur bemerken, dass der Forscher
zu einer bestimmten Zeit des Embryonallebens, wenn ich so sagen
darf, wenn nämlich die Larven etwa Stecknadelkopfgrösse erreicht
haben, am Rücken zweier solcher Larven Incisioncn machte und
dieselben dann mit dem Rücken zusammenwachsen Hess. Die
Flrgcbnissc seiner Flxperimcnte stellen in höchst gelungener Weise
die vorgeführten Thierchen dar.
Im physikalischen Saal stellte natürlich Röntgen
das Hauptcoutingent zu den vorgeführten Gegenständen.
Bliebe noch zu erwähnen die chirurgische Ausstellung,
die ziemlich umfangreich war.
Flschborn-ßonn hatte neben anderem Neuen sehr schöne
Aluminium - Corsetts zu orthopädischen Zwecken ausgestellt;
dieselben werden mit dem Holzhammer nach dem betreffenden
Modell bearbeitet, sind sehr leicht, schön und dauerhaft, aber
leider im Preise noch zu hoch, um allgemeine Verwendung finden
zu können.
Ferner war hier von demselben der neue Schede ’schc Apparat
zur unblutigen FHnrenkung congenitaler Hüftgelenks-Luxationen auf¬
gestellt, dor auch im städtischen Krankenhausc bei einer Demonstration
Schede’s an einem 8 jährigen Kinde erfolgreich Verwendung
fand. Weiter fiel mir ein zweckmässiger medico-mechani-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
scher Apparat desselben Fabrikanten zur Behandlung von Han d-
und Fussgelcnks-Steitigkeiten auf. Ein neuer, haupt-sächlich für
gynäkologische Zwecke construirter Operationstisch für Trendelen-
burg'sche Lage von Fritsch-Biermer hat wohl vornehmlich
specialistischcs Interesse. Aus dieser Abtheilung wären noch her¬
vorzuheben die schönen Gypsmodello von Handmissbildungcu von
J oachims thal-Berlin , die leichten und präcis gearbeiteten
Holz-Corsctts von Ne bei-Frankfurt, sowie die ebenfalls ortho¬
pädischen Zwecken dienenden aus Celluloid von Länderer-
Stuttgart; Achen bach - Frankfurt hatte seine nach neuer,
ingeniöser und auch patentirtcr Methode sterilisirte Watte, zu
dauernder Sterilhaltung in festverschlossencn cylindrisclicn Schachteln
verpackt, ausgestellt, Heynemann-Leipzig eine schöne Reihe
von Operations- und anderen C.vstoskopen. Daneben gab cs noch
eine Menge zahnärztlicher Instrumente und Apparate, über die
ich mir aber ein Urtheil nicht anmassen will, wie überhaupt
meine Anführungen nicht etwa einzig kritischer Natur sein sollten.
Ich habe eben aus der «Fülle der Gesichte» dasjenige heraus¬
gegriffen, was mir besonders auffiel und erwähnenswerth schien,
ohne damit sagen zu wollen, dass das nicht Erwähnte minder¬
wertig sei.
Im ; Gebäude der Ausstellung hatte auch der * Verein
abstinenter Aerztc des deutschen Sprachgebietes« eine
Koststube seiner alkoholfreien Ersatzgetränkc für Bier, Wein
und Sect eingerichtet, die lebhaften Zuspruch fand.
Der «Verein abstinenter Aerztc» selbst hatte am Sonntag,
20- September, dahier seine erste Jahres-Versammlung in, aller¬
dings nur äusserem, Zusammenhang mit der Naturforscher - Ver¬
sammlung abgehalten. Forel, der der Versammlung präsidirte,
entwickelte zunächst «die Ziele und Aufgaben des Ver¬
eins », worauf die zur Debatte stehenden Thesen discutirt wurden.
An der Discussion über dieselben — von einer Abstimmung
sah man ab — betheiligten sich K r ä p c 1 i n - Heidelberg, Sander-
Dalldorf, Smith- Marbach, F ü r e r - Eberbacli, T u c z e k - Marburg,
Kirchlieim-Frankfurt a. M., B 1 um-Frankfurt a. M. u. s. w.,
wobei aueh die Gegner der Bestrebungen zu Worte kamen.
Ein Wort noch über die «combinirten Sitzungen»,
eine Einrichtung, die sich auch dieses Mal trefflich bewährte und
von der sehr fleissiger Gebrauch gemacht wurde. Innere
M c d i c i n und Physiologie, Chirurgie und innere
Medicin, Gynäkologie und Dermatologie (Gonorrhoe-
Debatte: Neisser, Saenger, Bumm etc.), Zoologie,
allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie
(hier hielt Born seinen sehr bemerkenswerthen Vortrag über
-.Künstliche Erzeugung von Missgeburten und
Monstrositäten»), Innere Medicin und Physiologie
u. 8. w. fanden sich zu gemeinsamer Arbeit zusammen.
Besonderes Interesse verdient die tropenhygienische
Sectiou, schon um der Mitglieder derselben willen, die aus einer
ganzen Anzahl unserer bekannten «alten Afrikaner«, Acrzte und
Reisender, darunter Graf Goertzen, bestand, dann aber auch
der fragen wegen, die zur Debatte standen und für unsere
Colonial-Politik von grösster Bedeutung sind.
Ich glaube nun, den Lesern dieser Wochenschrift nichts
irgend Bemerkenswerthes über den allgemeinen Verlauf der Ver¬
sammlung schuldig geblieben Zu sein, höchstens noch eine kurze,
natürlich nicht erschöpfende Präsenz-Liste der bei der Versammlung
anwesend gewesenen bekannten Lehrer und Forscher. Sie möge
hier folgen 1
\ on Anatomen und pathologischen Anatomen bi
merkte man u. A.:Virchow,Waldcycr, Recklinghausen
Ponfick, Ziegler, His, Hauser, Weigert u. s. w.; vo
inneren Klinikern: Ziemssen, Leube, Strümpell, Ger
h a r d t, Leyden, B ä u m 1 e r u. s. w.; von Psychiatern etc.
Flechsig, Hitzig, Mendel, Edinger; von Chirurgen
Czerny, Küster, König, Jul. Wolff, Mac Cormac-Loi
don; von Gynäkologen: Freund, Fritsch, Leopold
P. Müller, Löhlein, Hofmeier, Bumm, Slaviansky
Petersburg u. s. w.; von Dermatologen: Neisser, Wolf
Strassburg; von L ar y n gologen etc.: Moritz Schmidt, Störcl
Körner, M ass ei-Neapel, B. Fränkel; von Hygienikerr
Büchner, Hüppe etc.; von Paediatcrn: v. Ranke
Biedert, Escherich, Gaertner etc.; von Chemikern:
Baeycr, Em. Fischer, van t’Hoff, Fresenius, Wisli-
co'nus, Han tzsch u. s. w., eine stattliche Reihe, die sich
noch vergrössern liesse.
Und da wir schon bei der Statistik sind, zum Schlüsse noch
ciuige Zahlen:
In den Sectionen wurden 514 selbständige Vorträge gehalten;
was das bedeutet, möge die Angabe beleuchten, dass zur Berliner
Versammlung seiner Zeit nur 440 Vorträge an gemeldet waren.
Man kann daher mit Recht behaupten, dass die verflossene Ver¬
sammlung jedenfalls, trotz all der gebotenen Vergnügungen und
Genüsse, eine sehr arbeits- und hoffentlich auch ergebnissreiche
war, wenn auch der Besuch derselben vielleicht nicht alle Er¬
wartungen befriedigt hat. Die Zahl der Theilnehmer belief sich
nämlich nach officieller Bekanntgabe auf 2670. Ich habe dieselbe
in meinem vorigen Bericht auf etwa 2500 geschützt, kann also
ganz froh sein, mich noch mit einigermassen heiler Haut aus der
schwierigen Affaire gezogen zu haben.
Ich möchte hoffen, dass die Leser dieser Wochenschrift dies
auch für den ganzen Bericht gelten lassen!
Section für Chirurgie.
Referent Dr. G. Joachimsthal - Berlin.
II. Sitzung vom 22. September, Vormittags.
Vorsitzender Herr M a d e 1 u n g - Strassburg.
Herr V u 1 p i u s - Heidelberg: Zur Behandlung des an¬
geborenen Klumpfusses.
Vortragender berichtet über das modellirende Redresse¬
ment, das er durch etwa 200ma 1 ige Anwendung kennen und
schätzen gelernt hat. Näheres hierüber findet sich in der Arbeit
des Vortragenden in No. 21 1. J. dieser Wochenschr.
Herr J o a chim st ha 1 - Berlin : Zur Atrophie der Wade
nach redressirtem * Klumpfuss.
Vortragender demonstrirt eine Reihe von Photogrammen und
Röntgenbildcrn zur Deutung der nach bestgelungener Behandlung
des Klumpfusses fast ausnahmslos zurückbleibcnden Atrophie der
Wade, die sich ausser in einer Verminderung der Umfangzunahme
dadurch wesentlich documcntirt, dass der Wadcnmuskel ganz auf
das obere Drittel resp. Viertel des Unterschenkels zurücktritt.
Man hat diese Erscheinung durch die veränderte Function der
Gastrocnemii zu erklären.
Zu einer normalen Action dieser Muskeln gehört einmal eine
normale Länge des Hebelarmes, an dem die Achillessehne angreift,
des Hackenfortsatzes des Calcaneus, und weiterhin eine normale
Bewegung im Fussgelenk und damit nothwendigerweise verbunden
des erwähnten Fortsatzes. Da ein Muskel in seiner Längen¬
ausdehnung von der von ihm verlangten Hubhöhe, im speciellen
Fall von dem Ausschlag des hinteren Calcaneusfortsatzes, abhängig
ist, so ist es ohne Weiteres klar, dass ein verminderter Ausschlag
des Calcaneus auch eine Verkürzung der Muskclmasse des Waden¬
muskels zur Folge hat, dessen mehr distalwürts gelegener Thoil
sich in sehnige Substanz umwandelt. Vortragender hat diese
functioneile Umwandlung eines Theiles der Muskelmasse der Gastro¬
cnemii experimentell erzeugen können. Indem er nach einem ähn¬
lichen Vorgänge, wie Marey-Paris es bei Kaninchen that, bei
der Katze ein Stück aus der Continuität des Calcaneus rcsecirte,
konnte er, nachdem das Thier eine Reihe von Monaten umher¬
gelaufen war, feststellen, dass entsprechend der Verkürzung der
Hacke und so des Hebelarmes für die Achillessehne die Musculatur
sich sclbstregulatorisch so verändert hatte, dass aus dem normalen
A erhalten der doppelten Länge des Muskels im Vergleich zur Sehne
beide (Muskel und Sehne) gleich lang geworden waren. Denselben
Effect muss natürlich auch eine Einschränkung der Beweglichkeit
des Fussgelenkes haben, da hierdurch in gleicher Weise der Aus¬
schlag des Calcaneus vermindert wird.
Für den Klumpfuss konnte nun Vortragender, zur Erklärung
des von ihm fast ausnahmslos bei Patienten mit dem denkbar
bestem Resultate nach lange vorher geschehenem Redressement,
nachweisbaren Heraufrückens des Muskelbauches und Umwandlung
des distalen Theils in Sehne, beide oben gegebene Erklärungs-
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G. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
963
versuche naclvweisen. Einmal findet sich, wie dies Röntgenaufnahmen
zeigen, auch nach der vollkommensten Behandlung, wenn die
Patienten mit voller Sohle den Boden berühren, oftmals eine Atrophie
des Calcaneus, offenbar als Theilerschcinung der angeborenen Ver¬
bildung; weiterhin ist stets bei derartigen Kranken eine Ein¬
schränkung in der Beweglichkeit des Fassgelenkes nachweisbar
und trotz der sorgsamsten Nachbehandlung nicht zu beseitigen.
Die Atrophie der Wade bei redressirten Klumpfusspatienten
erklärt sich somit als ein selbstregulatoriseher Vorgang im Be¬
reiche der Wadenmusculatur. Die Feststellungen des Vortragenden
zeigen, dass es für die meisten Fälle trotz vielfacher Bemühungen
eine Unmöglichkeit sein wird, vollkommen der Norm entsprechende
Verhältnisse im Bereiche der Wadenmusculatur herzustellen.
Discussion: Herr Julius Wolff-Berlin weist darauf hin, dass
Herr Vulpius nichts Neues mitgetheilt habe. Historisch bemerkt
Wolff, dass er, als er 1884, zu einer Zeit, in welcher die Talus¬
exstirpation und die Keilexcisionen nicht blos beim congenitalen,
sondern auch beim paralytischen Klumpfuss in ihrer vollen Blüthe
standen, von diesen Operationen abrieth, allein dem Cbirurgen-
Congress gegenüberstand. Eine Aenderung der allgemeinen An¬
schauungen trat erst ein, als König 1890 ebenfalls gegen die opera¬
tiven Eingriffe am Knochengerüst des Fusses Einspruch erhob und
gleichzeitig das Wolff‘sehe Verfahren, das er als vorzüglich bezeich-
nete, dadurch modificirte, dass er den Gypsverband erst an den
bereits redressirten Fass anlegte. Was Herr Lorenz auf dem Gebiete
der Klumpfussbehandlung geleistet hat, ist nichts Neues, sondern
nur eine weitere Modification seines eigenen und des König'schen
Verfahrens.
Herr Lorenz-Wien weist darauf hin, dass bei seinem Ver¬
fahren, das gegen die Adduction der Fussspitze, die Spitzfuss- und
Supinationsstellung einzeln vorgeht, der Widerstand des Fusses voll¬
kommen beseitigt, ein Zurückfedern in die alte Stellung wegfallt
und somit keine Gefahr des Decubitus entsteht, erkennt indess
Wolff's Priorität an.
Herr G u tsch - Karlsruhe räth zur möglichst frühzeitigen Be¬
handlung der Klumpfüsse.
Herr Kölliker-J Leipzig demonstrirt:
1. Einen Fall von Abbruch des Tuberculum majus bei nicht
reponirter Luxatio subcoracidea. Das Tub. majus steht mit der
Humerusdiaphy.se noch in knöchernem Zusammenhang. Es besteht
ein doppeltes Schultergelenk; einmal eine Articulation des Humerus¬
kopfes mit dem Rabenschnabelfortsatz und zweitens liegt in der
Pfanne das durch die Mm. supraspinatus, infraspinatus und teres
minus fixirte Tuberculum majus.
2. Einen Abbruch des Tuberculum minus, das an die mediale
Seite des Proc. coracoidcs verschoben ist und gleichfalls noch mit
dem Schultergelenk köpfe in knöcherner Verbindung steht. Auch
hier besteht daher ein doppeltes Schultergclenk.
3. Eine im jugendlichen Alter entstandene knöcherne Anky¬
lose des Ellbogen gelenkes. Durch den Zug des M. biceps ist die
Ilumerusdiaphyse nach hinten und nach aussen convex ausgebogen.
4. Ein Messer zum Abtragen von Granulationsflächen vor
der Transplantation.
5. Sondenklemmcn. Das Instrument stellt eine Arterien-
klcmme dar, deren einer Schenkel in einen knopfsondenartigen
Fortsatz ausläuft. Das Instrument dient zum Isoliren und Fassen
der Gefässe bei Geschwulstexstirpationen, Strumeetoinien, Tracheo¬
tomien u. s. w.
Herr Kümmel * Hamburg hat Gelegenheit gehabt, ein
Präparat von einem Patienten zu gewinnen, bei dem er vor einigen
Monaten einen 2 cm langen Seidenersatz der durchtrennten Sehne
vorgenommen hatte.
Es handelt sich um einen 26 jährigen Arbeiter, dessen extensor
pollicis longus dexter durch Fall in eine Glascheibe verletzt wurde.
Die primäre Sehnennaht heilte nicht; nach einigen Wochen Frei¬
legung der Sehnen; Vereinigung gelingt nicht; das in einer Aus¬
dehnung von 2 cm fehlende Sehnenstück wird durch 2 mittel¬
starke Seidenfäden ersetzt.
Die Heilung erfolgt sicher. Nach 14 Tagen Beginn der Bewe¬
gungen. Nach einigen Wochen volle Functionsfähigkeit; der früher
in Flexionsstellung befindliche Daumen kann vollkommen gestreckt
und gebeugt werden. Nach Wochen ging Patient an einem Aneurysma
dissecans Aortae zu Grunde. Das gewonnene Präparat zeigt einen
den Seidenstrang fest umschliessenden, die Sehnen verbindenden
derben Bindegewebsstrang. Auf den mikroskopischen Schnitten 6ieht
man bei Doppelfärbung die gelbgefärbten Seidenfäden von dem rothen
Bindegewebe fest umwachsen, was auch makroskopisch schon zu
erkennen ist. Die Seidenfäden sind das Spalier, an welchem das
Bindegewebe emporwächst.
Kümmel hat mehrere Sehnendefeete von 2—5cm Länge
durch Implantation von Scidenfäden mit vollkommener Function
ersetzt. Erfolg kann nur durch vollkommen primären Wund-
vcrlauf erzielt werden.
Herr Heusn er -Barmen: a) Ueber einen Fall von
habitueller Subluxation des Oberarmkopfes nach vorn.
Der vorgestellte 27 jährige Patient empfand zuerst während
seiner Militärzeit eine lähmungsartige Empfindlichkeit in der rechten
Schulter beim Tragen des Tornisters oder Gewehrs.
Oefters bekam er beim Stiefelwichsen plötzlich stechende
Schmerzen in der rechten Biceps-Gegend; der Arm sank wie ge¬
lähmt herunter, die Biceps spannte sich an und war empfindlich.
Die Schmerzhaftigkeit hielt mehrere Wochen an. Seit dieser Zeit
trat bei gewissen Bewegungen, besonders beim Erheben des Armes
nach vorn und aussen eine leichte Verschiebung in der Schulter
ein, die auch nach dem Heruntersinken anhielt und dem Patienten
ein Gefühl von Zwang und Unbehaglichkeit verursachte.
Der Kopf rückt dabei etwas nach vorn und aufwärts, und wenn
man den Arm in diesem Zustand nach aussen erhebt, so stösst er
in der Schulter bei horizontaler Abductionslage auf ein festes Hinder¬
niss, welches bei weiterer forcirter Erhebung unter einem schmerz¬
haften Ruck überwunden wird. Macht der Patient vor der Erhebung
eine kurze Auswärtsrotation mit Anspannung der Beugemuskeln, bo
tritt der Kopf in normale Lage, durch Einwärtsrotation gleitet er
wieder hinaus.
Eine traumatische habituelle Luxation, oder Subluxation, wie
sie nach Verrenkungen nach vorn öfter zurückbleibt, liegt natür¬
lich nicht vor, vielmehr handelt es sich um eine durch leichtes
Trauma entstandene Subluxation nach vorn, wobei die Biceps-
Sehne eine gewisse Bolle spielt. Me lieh er glaubt, dass solche
Subluxationen auf angeblicher Ausweitung der Kapsel beruhe;
doch müsste dieser Fehler sich sicher gezeigt haben, wenn dies
der Fall wäre.
Die lange Biccps-Scline schlingt sich nach oben und aussen
über den Kopf hin, hält ihn gegen die Pfanne und nach unten.
Ist. sie luxirt oder zerstört, so muss der Kopf nach oben weichen.
Sehnenluxationen sind am Extensor pollicis longus und den Poroneal-
sehneti naehgewiesen. Auch an der Sehne des langen Biceps-
Kopfes kommen sie nach manchen Autoren öfters \ur, während
andere dies bestreiten.
Gooper erzählt, dass eine, Waschfrau beim Wäscheringen
ähnliche Schmerzen und Störungen in der Schulter bekam, die
nach einer starken Bewegung des Armes einige Tage später unter
einem schnappenden Geräusch dauernd schwanden. Monteggia
beschreibt einen Fall, in welchem wie beim vorgestellten Kranken
eine habituelle Verschieblichkeit der Biccpsselinc zurückblieb.
Jarjaray macht geltend, dass noch Niemand die verschobene
Sehne gesehen habe; er weist auf die starke Befestigung der
Biceps-Sehne im Sinus intertuberc. hin und macht besonders auf
ein knackendes Geräusch aufmerksam, was er in seinen 5 Fällen
erzeugen konnte, wenn er den in Abduction erhobenen Arm rotirte.
Er bezieht das Geräusch und alle Symptome auf eine Reibung
des verletzten und entzündlich vergrösserten subakromialen Schlcim-
beutcls zwischen Tuberc. majus und Akromion.
Dieses Geräusch entsteht aber nach anatomischen Unter¬
suchungen des Vortragenden nicht durch die verdickte Bursa,
welche überhaupt zu weit rückwärts liegt, um zwischen die Knochen
zu gerathen, sondern dadurch, dass der Sulcus bicipi t mit der
darin lagernden Sehne gegen das Akromion gepresst und gerieben
wird. Es kommt auch bei den meisten gesunden Menschen vor
und ist natürlich stärker, wenn die Sehnenscheide vcrschwollen ist.
Die Sehnenscheide ist allerdings im Sulcus bicip. sehr fest
mit der Knorpelauskleidung des llalbcanales verlöthet, dagegen ist
sie unterhalb des Sulcus frei und weiterhin unter der sie ül>er-
brückenden Sehne des Pectoralis major von einer nicht sehr festen
Scheide umgeben. Mit einem kräftigen Kuck kann sie aus dieser
Scheide nach einwärts disloeirt werden, und einiges Zerren in dieser
Richtung lockert auch ihre Befestigung im Sulcus bieipit. so weit,
dass eine Verschiebung bis auf das Tuberculum minus stattfinden
kann. Eine Verschiebung nach aussen auf das Tuberculum majus
kann dagegen so lange die Sehne des Pectoralis major intact,
nicht stattfinden und sind die Autoren, welche eine solche consta-
tiren wollten, sicher im Irrthum. In fast allen bekannt gegebenen
Fällen ist die Verschiebung durch eine Einwärtsrotation bei An¬
spannung des Biceps erzeugt worden. Einwärtsrotation bringt die
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964
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
Sehne in eine abschüssige zum Hinausglciton geeignete Lage und
wenn die Sehnenscheide von Haus aus oder vielleicht durch
chronische Tcndo-Vaginitis schwach ist, so kann sie nach einwärts
alnvcichen. Auswärtsrotation stellt umgekehrt zum Zurückgleiten
geeignete Verhältnisse her. Dass die Schue nicht gefühlt werden
kann, liegt an der dicken Bedeckung durch den Delta-Muskel.
Aber einen Beweis für die Verschiebung der Sehnen konnte der
Vortragende doch liefern. Wenn er hinter dem Kranken stehend
seine Fingerspitzen dicht vor den Sehnen fest gegen den Knochen
presste, so war der Patient nicht im Stande, die Verschiebung
des Kopfes auszuführen.
Man muss daher annelune», dass die habituelle Verschiebung
der Sehne das Primäre und die Subluxation des Kopfes das
sceundäre Leiden ist, und das therapeutische Eingreifen müsste
sich gegen die erstere Verschiebung richten. Der Vortragende
hat nun alle möglichen Stellungen und Betentionshandagen bei
dem Patienten versucht. Er glaubt, dass hiermit nichts aus-
zurichten und nur etwa von operativen Eingriffen etwas zu hoffen
sei, hält aber auch diese für bedenklich, da der freie Gebrauch
der Schulter, jetzt noch einig r ermaasscn möglich, dadurch vielleicht
geschädigt werden könnte.
Discuseion: Herr König-Berlin weist darauf hin, dass sieh die
Erscheinungen auch bei der Annahme eines durch Osteochondritis
dissecans gelösten und abgesprengten Tlieils des Gelenks erklären
lassen und empfiehlt Köntgen-Aufnahmen vor/.miehmen.
b) Ueber eine neue Methode zur Anlegung von
Magenfisteln.
Heu sner zeigte einen Patienten vor, welchem er vor 5 Monaten
eine Magenfistel wegen unpassirbaren Cardiaearcinomes angelegt
hatte. Zunächst wird unter dem linken Hypochondrium ein ca.
10 cm langer Querschnitt in der Richtung des Magens angelegt.
Sodann legt man den Knorpel der 7. Rippe da, wo er sich an den
Rippenbogen anschliesst, frei. Der Bogen der Rippenknorpel ist
hier am ausgedehntesten, etwa 2 Querlinger breit und hat nicht
den Pleuraraum unter sich, sondern liegt den Ursprungsfasern des
Zwerchfelles auf. Man führt nun mit der linken Hand ein Bündel
Gaze gegen die Innenseite der betreffenden Knorpelpartie und stösst
mit einem Rundmesser von der Dicke eines Daumens ein Loch
durch Knorpel und Bauchfell schräg nach ein- und abwärts. Durch
dieses Loch wird mit Hilfe der linken Finger und einer von aussen
durch das Knorpelloch geführten Kornzange ein Zipfel des Magens
hervorgezogen und mittelst einiger circularer Nähte zuerst an dem
Knorpel, dann an der Haut befestigt. Nachdem die untere Bauch¬
wunde geschlossen und mittelst Jodoformcollodiums gedichtet ist,
wird sofort das vorgezogene Magenstückchen geöffnet und Nahrung
eingeführt. Diese Operation ist sehr einfach und gefahrlos. Der
Vortragende und dessen Assistenten haben sie bei 7 Patienten ohne
Unfall ausgeführt. Der Verschluss, welcher durch Aufeinander¬
pressen der Magenwände beim Durchziehen durch die Oeffnung
zustande kommt, ißt ein stets gleichmässig guter. Die Fistelöffnung
hat keine Neigung, sich zu verengen.
Discussion. Herr Czerny-Heidelberg macht auf die Modi-
fication der Gastrotomie aufmerksam, welche Herr Dr. Marwedel
vor einigen Monaten an der Heidelberger Klinik eingeführt hat.
Herr Nebel-Frankfurt. Nebel demonstrirt verschiedene ein¬
fach herzustellende Zügel zur Befestigung des Fusses, speciell der
Ferse auf der Schienenapparalsohle: 1. Den Reihenfersenzügel, haftend
einfach durch Anzug der rechts und links auf das Fersenriemchen
aufgenähten, durch Oesen im Reihenzügel hindurch- und zurück¬
geführten Bänder, die hinten unterhalb der Ferse nach Durchführung
durch Löcher in der Apparatsohle zu verknüpfen sind. 2. Einen
solchen Zügel um das Fussgelenk eines 8 Kilo schweren Cement-
modellbeines angelegt; man kann dieses beträchtliche Gewicht an
den Bändchen schwebend halten. Nr. 3 und 4 an Gypsfüssen, die
auf Brettchen ruhen, angelegte Modificationen des Zügel für Klump-
fuss und Plattfussstellung. Besonders lenkt Nebel die Aufmerksam-
samkeit aber auf eine Anordnung von Zügen zur Correction von
Klumpfussstellungen, deren Wirksamkeit er nun über 1 Jahr in
einer Reihe von Fällen praktisch ausprobirt habe. In leichten
Fällen genügt sie sicher, um die Umgestaltung des Fusseß zu er¬
zwingen. Sie empfiehlt sich aber vor Allem zur Nachbehandlung
von operativ corrigirten Füssen, weil sie die Gypsverbände früher
entbehrlich machen dürfte, und namentlich für paralytische Fuss-
verkrümmungen.
Im Anschlüsse hieran demonstrirt Nebel einige Schienen und
Corsetapparate von grosser Einfachheit und Leichtigkeit:
1. eine Beinhülscnschiene mit Beckengürtel und Kniestreck¬
gummizügeln, sowie der vorerwähnten, der Hülsenschiene adap-
tirten, einfachen Fussfixirvorrichtung. Die Schiene wiegt mit Gürtel
nur 900 Gramm. Die Leichtigkeit ist nicht auf Kosten der Solidität,
durch Schlitzung der Schienenstangen erzielt, sondern durch Weg-
lassen des gänzlich überflüssigen, die Schienen steifer und in kurzer
Zeit oft recht unappetitlich machenden Ausklebens mit Futter,
sowie durch Benutzung eines leichten Leders von besonderer
Gerbung. Durch Ausreiben mit Glaspapier können solche Schienen
und Corsetverbände innen immer wieder rein und weich gemacht
werden. Etwaige Aenderungen und Reparaturen sind durch die Art
der Herstellung, die sofortige Zugänglichkeit jeder Niete so sehr
erleichtert, dass Nebel seine Patienten oft warten lassen kann, bis
die Sachen wieder aus der Werkstatt kommen.
Weiter demonstrirt Nebel eine Armschiene mit Streckgnmmi-
zügen und einer Drehvorrichtuug für Supinationsbewegnng mittelst
einzuschiebender Pendelstange zur Behandlung von ßeugecontrac-
turen oder Versteifungen im Ellbogengelenk, sowie eine Reihe
anderer Apparate.
Herr Schede -Bonn: Ueber die unblutige Reposition
der angeborenen Hüftluxation.
Schede constatirt zunächst, dass die Anschauungen über
die Behandlung und Heilung der angeborenen Luxation der Hüfte
in den letzten Jahren eine sehr erfreuliche Klärung erfahren
haben. Als l*aci seine foreirten Repositionsversuehe mittheiitc
und Erfolge gehabt zu haben behauptete, habe ihm Niemand recht
geglaubt und cs ist — für Deutschland wenigstens — nicht
bekannt geworden, dass sich aucli nur einer die Mühe gegeben
hätte, sein Verfahren uaehzuprüfen — so fest war der Glaube
an die Unheilbarkeit des Leidens gewurzelt; heute ist die Heil¬
barkeit längst fcstgestellt und die Grundsätze der Behandlung sind
fcstgdegt. Nur über die besten Mittel, die Forderungen dieser
Grundsätze zu erfüllen, herrscht Verschiedenheit der Meinungen.
Schede selbst ging bei seiner Methode der unblutigen Be¬
handlung von der Beobachtung aus, dass bei Kindern, die noch
nicht gegangen sind, die Reposition stets sehr leicht auf einfachen
Zug am Bein in etwas abducirter Richtung gelang, und dass zur
Erhaltung der reponirte» Stellung die Aufrechterhaltung dieser
Abductionsstellung und ein leichter Druck auf deD Trochanter
in frontaler Iliehtuug nothwendig war. Er construirte schon im
Jahre lb80 seine bekannte Schiene, welche beides leistete. Die
Ausheilung erwartete er von der freien Function des Gclcukos
und von der Belastung desselben mit dem Körpergewicht, unter
dessen Einfluss eine gegenseitige Adaptation an Pfanne und Kopf
gehofft werden konnte. Schede’s Schienenapparat ist also
keineswegs ein Extensionsapparat, wie ihn Lorenz vollkommen irr-
thüiulich aufgefasst hat, sondern hat ausschliesslich den Zweck,
den vorher reponirten Kopf durch Abductionsstellung des Beines
und Druck auf den Trochanter zu ersetzen. Dass er diesen
Zweck erfüllt, und dass unter seiner Wirkung die idealsten nüd
dauernden Heilungen möglich bind, hat Schede schon 1894
durch Vorstellung einiger Kranken vor dem deutschen Chirurgen-
congrcss bewiesen, unter denen die zuerst behandelte Patientin
nach mehrjähriger Behandlung geheilt, bereits volle 13 Jahre
ohne jede Behandlung geblieben war und nach
Function und Form nach keiner Richtung auch nur
die leiseste Abweichung des früher luxirt gewesenen
von dem gesunden Gelenk erkennon lieas. Dieser Fall
war zugleich wohl der erste, der überhaupt jemals zu einer wirk¬
lichen Heilung gebracht worden ist.
Bei etwas älteren Kindern erreichte Schede die Reposition
nach einer vorgängigen Behandlung mit permanenter Extension.
Lorenz nahm dann Paci’s Versuche der foreirten Repo¬
sition wieder auf, die er ohne Frage sehr verbesserte und ver-
kommnete. Zur Aufrechterhaltung der reponirten Stellung setzte
er ferner an die Stelle des Sehienenapparates den Gypsverband.
Auch bei ihm gehen die Kinder in abducirter Stellung des Beines,
mit erhöhter Sohle des gesunden. Das Princip der Behandlung
— Reposition, Retention Gang in Abductionsstellung, functionelle
Belastung, wie es Schede seinerzeit angegeben, ist also auch
bei Lorenz das Bestimmende und genau das Gleiche — nur
die Ausführung desselben eine verschiedene.
Beide Methoden hatten indess den Fehler, dass sie wesent¬
lich nur für die einseitigen Luxationen galten.
Wie dann Mikulicz es erreichte, wenigstens bei gan*
jungen Kindern, auch doppelseitige Luxationen zur Heilung *°
bringen, ist ja bekannt.
Die Fragen, die sieh nun erhoben, waren die: Was hat mit
den älteren Kindern zu geschehen, deren Luxationen nicht mehr
so ohne Weiteres zu reponiren sind, und was mit den doppel¬
seitigen Luxationen?
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6. October 1896-
Nach des Vortragenden Erfahrungen gelingt es, auch bei
älteren Individuen — sicher bis zum 15- Lebensjahr, wahrscheinlich
aber auch noch länger — durch wiederholt forcirte Tractionen am
luxirten Bein den Widerstand der geschrumpften Weichtheile nach
und nach zu überwinden und damit noch über Verschiebungen
des Schenkelkopfes am Becken Herr zu werden, die bis zu 8, 10, 11
und vielleicht noch mehr (Zentimeter betragen. Die Tractionen
geschehen in einem eigenen, von dem Bandagisten Esch bäum
in Bonn sinnreich construirten Apparat, der die genaueste Controlc
der Wirkung und der angewandten Kraft (Dynamometer) [Demon¬
stration des Apparates] zulässt. Zuweilen gelang auch bei älteren
Kindern die Reposition durch den einfachen Zug in stark abducirter
Richtung gleich das erste Mal in überraschender Weise, so bei
einem 14jährigen, grossen und kräftigen Mädchen, welches Schede
vorstellt, und bei welchem nach Reposition vor 4 Monaten der
Fuss jetzt bereits völlig in seiner normalen Lage fixirt ist. Die
Verschiebung hatte 7 cm betragen. In anderen Fällen rückt dei
Trochanter bei dem ersten Versuch nur wenig herunter, dann
legt Schede auf 1—2 Woehen eine permanente Gewichtsoxtonsiun
an und wiederholt nach Ablauf dieser Zeit den Versuch, und so fort.
Mehr als 5 Tractionen (in Narkose*) und länger als 7 Wochen hat
Schede bisher niemals gebraucht, und auch diese nur ein einziges
Mal bei einem ungewöhnlich kräftig entwickelten und musculüsen
Mädchen von 14 Jahren. Meist kommt man auch bei grossen
Verschiebungen mit 2—3 Repositionsversuchen aus. Gelingt die
Reposition, so rückt der Trochanter herunter und beim Eintritt
des Kopfes in die Pfanne, den man durch einen kräftigen seit¬
lichen Druck begünstigen kann, verschwindet er plötzlich in der
Tiefe, so dass seine vorher abnorme Krümmung beseitigt ist.
Das geschieht in einem kleinen Theil der Fülle auch bei dieser
Methode mit einem lauten Kepositionsgcräusch. Gewöhnlich ist
dasselbe aber viel weniger stark, als es Lorenz beschreibt, wohl
weil der hintere Pfannenrand, über welcher hier die Reposition statt¬
findet, weniger hoch ist, als der untere, über welchen Lorenz
reponirt. Immer aber ist der Moment des Eintretens des Kopfes
in die Pfanne sehr deutlich zu sehen, zu fühlen und zu hören.
Schede hat in den letzten 1 */a Jahren, seit er diese
Methode zu einer typischen ausgebildet hat , 51 einseitige und
24 doppelseitige angeborene Luxationen — im Ganzen also 99
luxirte Hüftgelenke — in Behandlung genommen, von denen bei 98
die Reposition gelang. Nur in einem Falle, bei einem 14 jährigen,
sehr kräftigen Mädchen mit sehr stark luxirtem Gelenke, hatte
eine zweimalige Traction so wenig Erfolg, dass weitere Versuche
aufgegeben wurden. Diesen 98 unblutig reponirten Gelenken stehen
aus derselben Zeit nur 2 Fälle gegenüber, in denen beide Male
doppelseitig operirt werden musste. 35 Repositionen betrafen
Kinder im Alter von 7 bis zum 16. Lebensjahre, 36 Fälle
zeigten einen Höchststand des Trochanter von mehr als 5, 16 von
mehr als 7 cm, 4 mal betrug die Verschiebung 8, lmnl 9, 2 mal 10,
lrnal 11 cm.
Nach den gewaltsamen Re|>ositioncn genügt für die Retention
zunächst die Abduetiunsschiene nicht, der Gypsvcrband ist an¬
fänglich unumgänglich. Auch Schede legt ihn meist in starker
Abduction an. Er hält aber die extreme Abduction nicht in
allen Fällen für nothwendig, sondern treibt sie nur so weit, dass
die Retention bei gleichzeitigem Druck von aussen auf den Tro¬
chanter gesichert bleibt. Dieser Druck wird durch einen üusserst
sorgfältig, auf eine Unterlage von Filz angelegten, dem Trochanter
und der Fossa iliaea ext. ganz genau anmodellirtcn Gypsvcrband
gegeben, welcher die Retention absolut sicher garantirt und nicht
die leiseste Verschiebung zulässt. Dieser Verband wird unter
Fortwirkuug der Extension sofort in dem gleichen Apparat an¬
gelegt, welcher dem Bein jede Abductionsstellung zu geben ge¬
stattet.
Einseitig luxirte Kinder müssen in diesem ersten Verbände
nur dann im Bett liegen , wenn die Abductionsstellung eine sehr
starke ist. Bei weniger starker Abduction lässt Schede sic
schon nach einigen Tagen — mit einer der durch die Abduction
bewirkten scheinbaren Verlängerung des kranken Beines entspre¬
chenden Erhöhung der Sohle des gesunden —, umhergehen.
DopjKslseitige Luxationen werden gleichzeitig reponirt
Und in so starker Abduction eingegypst, wie das der besondere
Fall erfordert. Diese Kinder können mit den beiden abducirten
Beinen natürlich niemals gehen. Aber nach 6, 8. 12 Wochen
haben die Gelenke schon so viel Festigkeit gewonnen, dass die
Rcluxation auch bei Parallelstellung der Beine nicht zu fürchten
ist. Dann bekommen die Kinder einen wie oben beschriebenen,
sorgfältig modellirten Gypsvcrband, der Becken und Oberschenkel
wie eine Badehose umfasst, die Kniee frei lässt, falls nicht die
Verbiegving der Schenkelhälse die längere Aufreehterhaltung einer
besonderen Rotationsstellung nöthig macht.
Schede glaubte Anfangs, dass den Kindern das Gehen
in diesen Gypsverbänden, welche beide Hüftgelenke fixirtc», sehr
schwer sein würde. Das ist aber hier nicht der Fall. Die Kinder
lernen vielmehr in einem ganz staunenswerthen Grade in diesen
Verbänden sicher und schnell zu gehen, zu laufen, Treppen zu
steigen etc., so dass sie in der That ausserordentlich wenig be¬
lästigt werden. Um ihnen auch das Sitzen zu ermöglichen , gibt
ihnen Schede eine Art Beithock.
Die gleichzeitige Behandlung beider Hüftgelenke bei doppel¬
seitigen Luxationen hält Schede für unbedingt nothwendig, wenn
man dabei auch auf eine stärkere Abductionsstellung sehr bald
verzichten muss. Wollte man, wie cs Lorenz angab, erst die
eine Seite bei dauernder Abductionsstellung zur Heilung bringen und
dann die andere der gleichen Behandlung unterwerfen , so würde
nach Schede wohl unfehlbar die nothwendige dauernde Ab¬
ductionsstellung des erst behandelten Gelenks während der
Behandlung des zweiten (Gehen mit erhöhter Sohle) eine Rcluxa¬
tion herbeiführen.
Die Gefahren bei den forcirten Dehnungen sind Quetschungen
der Vulva, Einrisse der Haut über den Abductorcuschnon, Muskol-
zerreissungen, namentlich aber Lähmungen im Isehiadieusgchict
durch Uebcrdehnung. Alle diese Gefahren lassen sich leicht ver¬
meiden, wenn man keine zu grossen Gewalten an wendet. Schede
glaubt, dass die Beschränkung der angewandten Zugkraft auf
höchstens 60—70 Kilo — für kleine Kinder entsprechend we¬
niger — alle diese Gefahren sicher vermeiden lässt. Man soll
lieber etwas incbr Zeit aufwenden, als irgend etwas auf das .Spiel
setzen. Uebrigons sind bisher alle gelegentlich blutiger oder un¬
blutiger Einrenkungen beobaelitoten Lähmungen wieder zurück¬
gegangen.
Herr A. Lorenz- Wien: Ueber die unblutige Behand¬
lung der angeborenen Hüftverrenkung durch Einrenkung
des Schenkelkopfes und Belastung desselben mit dem
Körpergewicht.
Lorenz ist es bisher in 83 Fällen gelungen, die unblutige
Einrenkung in Narkose zu erzwingen, die Erfolge der Behandlung,
bei welcher die Kinder möglichst viel zu stellen und zu gehen
haben, zeigen die erfreulichste Zunahme, so dass Lorenz in der
Lage sein wird, am nächsten Congress der deutschen Gesellschaft
für Chirurgie eine neue stattliche Reihe von geheilten Kindern
vorznstellcn. In fortgesetzter Hebung hat Lorenz sein Verfahren
vereinfacht und inodificirt und wird dasselbe an einem der folgenden
Tage der chirurgischen Seetion demonstriren. Der Schenkelkopf
wird durch irgend eine Extensionsmethode zunächst in das Niveau
der ausgeschaltoten rudimentären Pfanne herabgeholt, sodann wird
das Gelenk im Sinne der Abduction mobilisirt, bis auf dem Wege
der Uebcrdehnung der Adductoren eine Abduction von wenigstens
90° ermöglicht ist. Nunmehr erfolgt nach dieser Vorbereitung
die eigentliche Einrenkung, indem der Schenkel rechtwinkelig ge¬
beugt und bei gleichzeitiger Extension in der Richtung seiner
Längsachse soweit abdueirt wird, bis die bekannten Einrenkungs-
phaenomenc, die Einrcnkungsorschütterung und das Einrenkungs¬
geräusch erfolgen. In demselben Augenblick ist der Schenkel
sichtlich länger geworden und der Kopf wird in der Leistenbeuge
in der Mitte zwischen Symphyse und*Spina ant. sup. nachweisbar.
Das Lorenz'sehe Verfahren hat'nicht den Zweck der Er¬
reichung einer künstlichen NearthroscJ in der möglichsten Nähe des
Gelenkes, also einer Surrogatbildung — wie dies andere Methoden,
speciell jene Paci’s, anstreben. Vielmehr handelt es sich
bei Lorenz um die Reactivirung der brachliegenden
und von der Function ausgeschlossenen Pfanne, also
um die Reactivirung des Hüftgelenkes selbst. Nach
den neueren Erfahrungen Lorenz's ist sein Verfahren auch
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.
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noch bei älteren Kindern von 10—12 Jahren anwendbar, wenn
die anatomischen Verhältnisse günstig sind und die vorbereitende Be¬
handlung exaet geübt wurde, üm Rduxatiuncn zu verhüten, empfiehlt
Loreuz, bei der primären Stellunggebung des Beines auf die
Bequemlichkeit der Function keine Rücksicht zu nehmen , das
Bein also so einzustellen, dass eine Reluxation während der ersten
Etappe der Fixation unmöglich wird. »Schon nach wenig Monaten
ist die Reposition schon genügend stabil geworden, um mit einer
beträchtlichen Verminderung der Abduetion verträglich zu sein.
Die unblutige Reposition hat gegenüber der Operation ausser¬
ordentliche Vortheile. Lorenz bat die blutige Einrenkung bisher
in 230 Fällen ausgeführt. Wer sich die Nachbehandlung, welche
wenigstens 2 Jahre fleissig fortgeführt werden muss, entsprechend
angelegen sein lässt, wird schöne Resultate erzielen. Lorenz
zweifelt nicht daran, dass Herr Iloffa ähnlich günstige Resultate
vorführen wird, wie Lorenz es bei verschiedenen früheren Gc-
legenheiten gethan hat. Aber in anderer als in specialistischer
Hand sind die Resultate uuglcichmässig, ja vielfach schlecht. Die i
Ursache liegt darin, dass die Nachbehandlung nicht in genügender
Weise ausgeführt wird und spoeiell von den chirurgischen Klinikern
und Polikliniken) wegen Arbeitsübcrhäufung gar nicht in ent¬
sprechender Weise ausgeführt werden kaun.
Wird die Nachbehandlung vernachlässigt, so entstehen sehr
häufig Contracturen.
Bei der unblutigen Behandlung wird keine Narbe erzeugt,
die Möglichkeit einer Contracturbildung ist ausgeschlossen, und die
Nachbehandlung gestaltet sieh so einfach, dass die unblutige
Einrenkungsmethode als dasjenige Verfahren bezeichnet werden
kann , welches einer Verallgemeinerung fähig ist und speciell an
den Kliniken und Polikliniken mit Erfolg geübt werden kann.
Die operative Behandlung, welche nach wie vor als ein grosser
Fortschritt der chirurgischen Kunst betrachtet werden muss, wird
in Zukunft auf jene Kinder zu beschränken sein, welche entweder
für die unblutige Behandlung schon zu alt sind, oder bei denen
so ungünstige anatomische Verhältnisse vorliegen, dass die unblutige
Behandlung an denselben notliwemlig scheitern muss. Es wird
sieh hier, wie immer, herausstclle», dass das Bessere der Feind
des Guten ist.
Herr H offa - Würzburg: Ueber die Endresultate der ,
blutigen und unblutigen Operation der angeborenen Hüft- '
gelenksverrenkung.
Die Ausbildung des unblutigen Repositionsverfalirens ist nach |
dem Vortragenden als ein wesentlicher Fortschritt zu bezeichnen.
Man darf aber noch nicht allzuviel von der Methode verlangen;
die Rej>o.sition des Kopfes vollzieht sich allerdings meistens ohne
allzubedeutende »Schwierigkeit; dagegen erlebt man es öfters, dass
bei Abnahme des ersten fixirenden Gypsverbandcs der Sehenkel¬
kopf wieder aus dem Gelenk ausgetreten ist. Man muss also die
Nachbehandlung erst noch mehr studiren, um Mittel und Wege
zu finden, dass Reluxationen nicht mehr eintreten. Der Vor¬
tragende demonstrirt eine Patientin, die er vor 4 Monaten unblutig
rcjwnirt hat und bei der ein sehr gutes Resultat erreicht worden ist.
Der Vortragende steht auf dem »Standpunkt, dass man in
jedem Falle das unblutige Verfahren versuchen soll. Gelingt das
Verfahren, so ist dies unzweifelhaft am Vortheilhaftesten für den
Patienten, da er nach gelungener unblutiger Reduction ein völlig
frei bewegliches Gelenk erhält.
Gelingt aber die Reposition nicht, und das kann schon bei
ganz jungen Kindern der Fall sein, so bleibt die blutige Methode
zu Recht bestellen. Der Vortragende beweist vor der Versamm¬
lung, dass auch die blutige Reposition ausgezeichnete Erfolge zu
erzielen vermag. Er demonstrirt 30 tlieils einseitig, tbeils doppel¬
seitig operirte Kinder, die fast durchweg tadellose funetionelle
Resultate aufweisen. Bezüglich der Details der Operation ver¬
weist er auf seine letzte diesbezügliche Arbeit in Langenbcck’s
Archiv für Chirurgie und hebt nochmals hervor, dass die Operation
bei aseptischer Ausführung ungefährlich ist, dass die Behandlungs¬
dauer durchschnittlich nur 3 Monate beträgt, dass die Kinder
später keinerlei Stützapparate zu tragen brauchen, dass in keinem
einzigen seiner Fälle nachträglich »Steifigkeit des Gelenks eingetreten
ist, dass die Gelenke vielmehr im Laufe der Zeit stets besser
beweglich werden, dass ferner in keinem einzigen seiner Fälle
nachträgliche Contracturen entstanden sind. Er empfiehlt dessldb,
in den geeigneten Fällen sein Operationsverfahrcu genau zu be¬
folgen. Die Resultate der anderen Operateure werden dann eben
so gut, wie seine eigenen werden.
Herr Jul. Wo 1 ff-Berlin: Zur weiteren Verwerthung
der Röntgenbilder in der Chirurgie.
Neben der vielbesprochenen und allseitig anerkannten Be
deutung der Rö n t ge n'sehen Durclistrchlung als eines diagnostischen
Hilfsmittels bei inneren und chirurgischen Erkrankungen weist der
Vortragende auf eine andere, bisher in der Literatur noch fast
gar nicht erörterte Seite der Wichtigkeit der Röntgcnstrahlen hin,
nämlich auf die Bedeutung der zu verschiedenen Zeiten wider
holten Durchstrahlung eines Körpcrtheils eines und desselben
lebenden Individuums als eines Hilfsmittels zur Erforschung
wichtiger, auf andere Weise viel schwerer oder gar
nicht zu lösender wissenschaftlicher Fragen, zu¬
nächst aus dem Gebiete der Chirurgie. Anfangs Juli übersandt«
Professor Buka dem Vortragenden ein Röntgenbild des normalen
Hüftgelenks und ein solches des Fussgolenks.
Während noch die neuesten Autoren es für vorläufig ziem¬
lich aussichtslos erklärten, gute llöntgenbildcr einerseits des Hüft¬
gelenks und andererseits der inneren Architectur des Knochens
herzustellen, zeigten die betreffenden Bilder, dass der Standpunkt
dieser Autoren bereits weit überholt ist.
Das erste Bild zeigte mit grosser »Schärfe das Os ilium, Os
ischii und Os pubis, den hinteren Theil des Y-förmigcn Knorjtfls
vom hintern Rande des Acetabulum über Incisura ischiadica majur
hinweg zum Anfar.gstheil der Linea arcuata interna am Os pubis,
Caput femoris mit seinem Epiphysenknorpel, das Collum femoris,
den zum Theil noch knorj»öligen Trochanter major, Trochanter rninor,
die Femurdiaphy.se mit ihrer nach unten hin immer dicker werden¬
den Corticulis, das Foramen obturat, u. a. in. Der Vortragende
Hess hierauf eine grosse Reibe von Röntgenbilder der angeborenen
Hüftverrenkung vor und nach der blutigen oder unblutigen Ein¬
renkung hersteilen. Die Bilder zeigten alle Verhältnisse der an
geborenen Luxation wiederum in überraschend deutlicher Weise,
ebenso was wir durch unsere Behandlung erreichen, und so wird
der Unsicherheit über die Schicksale der eingerenkten Gelenke in
kürzester Zeit ein Ende gesetzt werden. Der Demonstration der
Endresultate unserer Behandlung wird fortan jedesmal die Vor¬
legung der bezüglichen Röntgenbilder hinzugefügt werden müssen.
Das zweite der dem Vortragenden von Professor Buka
Anfangs Juli übersandten Bilder zeigt mit staunenswerther Deut
lichkcit die innere Architectur des Calcaneus. Die Möglichkeit,
diese Architectur an einem so dicken Knochen intra vitam zu
beobachten, gewährt ans die Aussicht, die zwischen der äusseren
Gestalt der Knochen und der inneren Gestalt und der inneren
Architectur bestehenden, mathematischen (Jesetzen folgende Har¬
monie während der Entstehung und während der Heilung an
Deformitäten zu verfolgen und damit die Lehre von der functio-
nellen Orthopaedie der Deformitäten in bisher ungeahnt über¬
zeugender Weise zu befestigen.
Sitzung vom 22- September. Nachmittags.
Vorsitzender : Sanitätsrath Dr. II. Re h n - Frankfurt a. M.
Herr Körte Berlin: Zur Chirurgie des Pankreas.
Die Krankheiten des Pankreas sind noch wenig bekannt- lhe
Chirurgie hat sich erst in den beiden letzten Jahrzehnten ein¬
gehender mit den Affcetionen dieses Organes beschäftigt.
Zuerst wird von A. Petit berichtet, dass er bei einer
«Geschwulst des Pankreas» operirt habe, der Bericht vod M eli¬
diere ist aber sehr wenig genau. Wandersleben operirt«
1 845 einen vom Pankreas in Folge von Verletzung ausgegangeneu
Abscess. Ein Fall von Labor der ic (1*56) wird noch immer
als eine Abtragung des vorgefallenen Pankreas aufgeführt, nach
dem eigenen Zugeständnis« des Autors handelte es sich um Ab¬
trennung prolabirten Netzes.
Die Cysten sind, seit Gussenhauer 1882 zuerst die
wichtige Diagnose stellte und die Kinnähung der Cystenwaud vor¬
schlug, immer häufiger gefunden worden. Bis Anfang
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6. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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konnte Redner 104 derartige Fälle zusammen stellen, unter welchen
zwei eigene Beobachtungen sich befinden.
Weniger bekannt sind die Entzündungen. Die leichteren
Formen entziehen sieh unserer Diagnose noch fast gänzlich. Für
chirurgische Behaudlung kommen in Betracht: Die eitrige Ent¬
zündung, die Nekrose — zwischen welchen beiden Formen
Uebergünge Vorkommen — und gewisse Formen der chronischen
Entzündung des Pankreaskopfes, die zur Compression
des Ductus choledoehus führen.
Die eiterige Entzündung entsteht selten durch Me¬
tastase, häufiger durch Fortschreiten von Entzündung und Ueber-
wandern von Mikroben in den Ductus Wirsungianus vom Darm
oder Gallensystem her. Es können zahlreiche kleine Abccsse durch
die ganze Drüse verbreitet entstehen, oder grössere Eiterherde in
derselben und von da aus i>eripankrcastischc Eiterungen. Ex¬
perimentell ist diese Form der Entzündung durch Injeetion
chemisch reizender, oder infcctiüser ‘*'toffe in das Parenchym oder
in den Ausführungsgang erzeugt worden. Der Verlauf ist in
einzelnen Fällen ein sehr acuter, meist jedoch ein chronischer.
Der Eiterherd in der Drüse oder im umgebenden Gewebe kann
unter Umständen als retroi>oritoncale, oder in der Bursa omontalis
gelegene Schwellung diagnostieirt werden und ist dann der chirur¬
gischen Behandlung zugängig. 7 operirtc Fälle sind beschrieben,
darunter 1 vom Verfasser beobachteter: 4 von den Opcrirten
genasen, 3 starben. Durchbruch des Eiters in benachbarte Organe
oder eitrige Vcuenthroiubose sind die hauptsächlich drohenden
Gefahren. Chirurgische Behandlung ist immer t.ur in einer Minder¬
zahl von Fällen möglich.
Die Nekrose dcß Pankreas ist meist eine Folge der
Blutung. Diese kann spontan auftroten ohne primäre entzünd¬
liche Veränderungen in der Drüse, oder sie entsteht im Gefolge
der acuten Entzündung — Pankreatitis h aemorrhagi ca.
Meist führt die Blutung schnell zum Tode unter schweren Er¬
scheinungen seitens des Magendarmcanales, verbunden mit Collups.
Mehrfach war das Krankheitsbild dein Ileus ähnlich. Ueberstchcn
die Kranken «len ersten Anfall, dann werden die haemorrhagisch
infiltrirtcn Theilc des Pankreas fiekrotiseli und durch reactive Ent¬
zündung sc<juestrirt. Es entstehen grosse pcripankreatische Jauclie-
höhlen, in denen das nekrotische Stück der Drüse liegt. Diese
Höhlen können diagnostieirt und operirt werden durch Einschnitt
von vorüber, o'der durch linksseitigen Lumbalschnitt retroj*critoneal.
Verfasser sah fünf derartige Fälle; vier wurden operirt. Eine
jener erkrankte später an Diabetes, der vorher nicht vorhanden war.
Verbunden mit der haemorrhagischen Pankreatitis und der
Nekrose, seltener bei der eitrigen Pankreatitis wird die disse-
minirtc Fettgewebsnekrose gefunden, auf die Baiser
1882 die Aufmerksamkeit lenkte. Die Ansichten über den
ursächlichen Zusammenhang beider Affcctionen sind getheilt. Die
Einen betrachten die Fettnekrose als das Primäre, die Anderen
sehen sie als secundäre Folge der Pankreas-Erkrankung an.
Die früheren Experimentatoren am Pankreas erwähnen Nichts
von dieser Affection, auch Senn nicht, der 1888 eine grosse
Zahl von Versuchen an dem Organ anstellte. Langerhans
hat zuerst versucht, Fettnekrosc durch Einbringung von Pankreas
in das retroperitoncale Fettgewebe zu erzielen. Unter 12 Ver¬
suchen erhielt er ein positives Resultat.
Hildebrandt und Dittmar haben Thier-Versuche angc-
stellt und gefunden, dass Verletzungen des Pankreas, welche Seeret-
ötauung oder -Austritt, oder Blutstauung in der Drüse bewirkten,
Fettgewebsnekrose hervorriefen.
K.’s eigene Versuche an Hunden und Katzen (29)
ergaben : nach Quetschungen und Zerreissungen des Drüsengewebes
nebst Gefässunterbindüngen sah er keine Fettnekrose (5 Fälle).
Wurden iStücke der Drüse exeidirt und in die Bauchhöhle implantirt,
so trat in vier von sechs Fällen Fettgewebsnekrose ein.
Injeetion von chemisch-reizen den «Stoffen (Terpentinöl)
erregten chronische interstitielle Entzündung. Infectiöscr Eiter
oder Bactcricn-Aufschwemmungen erregten meist Eiterung, zuweilen
auch nur interstitielle Entzüudung. Unter 16 derartigen Ex¬
perimenten wurde 6 mal Fettgewebsnekrose gefunden.
In einer dritten Reihe wurde die Drüse durch Terpentin-
Injection in Entzündung versetzt und nach 4—5 Wochen an dem
so veränderten Organe Verletzungen angelegt (3 Fälle). Fett¬
gewebsnekrose trat nicht ein, nur sehr intensive Bindogcwebs-
wucherung in der Drüse und in der Umgebung.
Es kann also nach Verletzungen und künstlich erregten Ent¬
zündungen des Pankreas Fettgewebsnekrose entstehen — jedoch tritt
dies nicht in allen Fällen ein.
Auch beim Menschen sind nach Verletzungen des Pankreas,
welche von Blutung oder Entzündung gefolgt waren, Fettgewebs-
nekrosen gefunden worden, unter 9 Fällen fünfmal. Das Auf¬
treten der Nekrose gerade im Fettgewebe des Bauches in Folge
von Erkrankungen oder Verletzungen des Pankreas steht demnach
fest. Andererseits ist die erstere Affection auch ohne grössere
Veränderungen der Bauchspeichel-Drüsc gefunden worden. Es ist
somit auch möglich, dass in manchen Füllen Fettgewebsnekrose
der Pankreas-Erkrankung vorausgeht.
Baetcrien sind in den Nekroseherden des Fettes mehrfach
gefunden ; es ist noch nicht festgestellt, dass sic als Erreger der
Nekrose anzusehen sind (Ponfick) — vielmehr ist auch möglich,
dass sie in den nekrotischen Stellen günstige Entwicklungs-Beding¬
ungen finden und sieh desshalb dort besonders entwickeln.
Bei Operationen am menschlichen Pankreas ist für möglichstes
Fernhalten des 1 >rüsensecretes von der Bauchhöhle Sorge zu tragen.
Discussion: Herr K ü mm eil-Hamburg berichtet über einen
unter den Erscheinungen eines Gallensteines mit von Ikterus ge¬
folgten Koliken verlaufenen Krankheitsfall. Die Operation brachte
keinen Stein zum Vorschein, dagegen die Section die Erscheinungen
einer Pankreatitis. In dem erweiterten Ductus pankreaticus lagen
eine Anzahl von Reiskörperchen ähnlichen Dingen von Linsen- bis
Reiskörpergrösse und weicher Consistenz, durch die offenbar die
Koliken hervorgerufen waren.
Herr Körte-Berlin verfügt über eine ähnliche Beobachtung.
Herr Br aun - Göttingen : Ueber die chirurgische Be¬
handlung der traumatischen Jackson-Epilepsie.
Braun stellte zunächst einen 24jährigen Mann vor, der
wohl durch Excision eines motorischen Rindencentruius dauernd
von einer traumatischen Jack son ’ sehen Epilepsie geheilt ist.
Dieser Mann hatte am 18- Mai 1884 eine schwere Verletzung
der rechten Kopfseite erlitten, in Folge deren er lange Zeit be¬
wusstlos war und lange linksseitig gelähmt blieb. Im März 1888
stellten sieh di«' ersten Krampfanfälle vom linken Daumen uu«l der
Hand ausgehend ein, sie beschränkten sich auf die obere Extremi¬
tät und die Muskeln der linken Gesichtshälfte. Ausscrdt'iu ent¬
wickelte sich ein bei Berührung einer circumscripten Stelle des
Kopfes eintretender heftiger Sehmerz. Am 1. Decembcr 1889
wurde an der letzteren Stelle die Eröffnung einer Cyste vorge¬
nommen. Kasche Heilung der Wunde mit Aufhören des Schmerzes,
aber ohne Einfluss auf die epileptischen Anfälle. Am 9. März
189 " zweite Trepanation gegenüber dem Centrum der Gesichts-
muskoln und derjenigen der oberen Extremität. Von der Exstir¬
pation des mit dem faradiseben Strom genau bestimmten Centrums
für den Daumen und die Hand wurde abgesehen, da der Knochen
an dieser Stelle sehr verdickt war und die Gehirnoberfläche normal
erschien. Auch dieses Mal wiederum rasche Heilung der Wunde.
Nachdem die Anfälle in den nächsten 7 bis 8 Wochen sieh nur
einmal eingestellt hatten, kamen sie wieder und breiteten sich
weiter aus, so dass zum Schluss allgemeine epileptische Anfälle
mit aufgehobenem Bewusstsein vorhanden waren. Desshalb wurde
am 15. November 1890 die alte Narbe geöffnet und nun das
Centrum für die Bewegungen des Daumens und der Hand exeidirt.
Am 1. und 2. Tage nach der Operation nochmals schwächere
epileptische Anfälle, dann aber hören dieselben auf und sind jetzt
nach fast 6 Jahren nicht einmal wiedergekehrt, so dass nun wohl
der Mann als definitiv geheilt angesehen werden kann.
Braun hat dann weiterhin die Literatur seit 1889 wegeu
des Erfolges, «len die von Hör sie y auch für die traumatische
Jack son’sclie Epilepsie vorgeschlagene Excision von Oehirn-
partien, welche das motorische Centrum der Muskeln, welche den
Anfall cinleitcn, bis jetzt ergeben haben, zusammengostellt. Braun
fand mit seinem eignen Falle 19 derartige Beobachtungen, in denen
das motorische Centrnm 12 mal durch elektrische Untersuchung und
7 mal durch die anatomische Bestimmung festgestellt worden war.
Diesen Fällen schlossen sich noch je 2 weitere an, in denen bei
der Entfernung der Gehirnhäute Theile der Gehirnrinde abgerissen
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. Münchener medicinis che Wochenschrift.
No. 40.
und ein Fall, bei dem ein Gehirnprolaps abgetragen wurde. D ^
Lähmungen, die in allen diesen Fällen unmittelbar ira Anschluss f
an die Operation oder in den ersten Tagen nachher eintraten, ver-
schwanden alle im Laufe einiger Wochen nur einmal bestand d
dieselbe noch unverändert nach «/ 4 Jahr. Der Beginn der Con- h
vulsionen in diesen Fällen war 1 mal das Bein 1 mal die Gesichte- g
musculatur, 2 mal das Gesicht und die Schulter, b mal die Mus- e
culatur der Schulter und 9 mal diejenige des Daumens und der s
Handln ^ ^ diesen 22 mit Excision eines motorischen Cen- *
trums behandelten Kranken war ein Misserfolg der Operation zu j,
verzeichnen, bei 4 eine Besserung, in 5 von diesen 8 hallen war i
5 mal das Centrum elektrisch bestimmt. Bei 14 Kranken wurde
Heilung der Epilepsie erzielt, aber nur bei 5 ist dieselbe nach }
länger als einem Jahr beobachtet, in den anderen 9 Fällen fand r
die Veröffentlichung vor Ablauf dieser Zeit statt. Nur bei 2 i
von diesen 5 längere Zeit nachbeobachteten Kranken war das {
Ccntruin elektrisch bestimmt worden. i
Aus diesen Angaben ergibt sich, dass das vorhandene Material ,
für die Bcnrthoilung der Frage, ob bei der Jackson'sehen trau¬
matischen Epilepsie bessere Erfolge durch Exeision des motorischen
Centrums erzielt werden als ohne dieselbe, noch ein äusserst mangel¬
haftes, und dass die Mittheilung längere Zeit genau beobachteter
Fälle dringend nothwendig ist.
Derselbe Mangel der Literatur macht sich auch fühlbar, wenn
man die Dauerheilung feststollen will bei denjenigen Fällen von
traumatischen Jackson-Epilepsien, bei denen nur Tlicilc des ver¬
änderten Schädels oder der Gehirnhäute entfernt wurden, indem
es Braun nur möglich war, aus der Literatur der letzten 6 Jahre
3 Fälle zu finden, in denen die Heilung nach länger als einem
Jahre festgestellt wurde, und 4 Fälle von allgemeiner nach Trauma
entstandener Epilepsie, während mehr als 6ü Fälle in den ersten
Wochen oder Monaten veröffentlicht wurden.
Braun kommt ferner zu dem Schlüsse, dass bei der trau¬
matischen Jackson-Epilepsie durch Entfernung von Theilcn des
verletzt gewesenen Schädels oder veränderter und mit dem Knochen
verwachsener Hirnhäute vollkommene Heilung erzielt wurde, und
desshalb die Exstirpation der Centrcn nur nöthig ist, wenn die
eben genannten (Ijierationen nicht zum Ziele führen, l'üllt bei
der traumatischen Jackson-Epilepsie das Centrum von dem der
Anfall ausgeht nicht mit der Stelle der Verletzung zusammen, so
soll doch zuerst an der Stelle der Verletzung operirt und sollen
dort vorhandene pathologische Veränderungen der Knochen und
der Hirnhäute entfernt werden; erst wenn durch eine solche
Operation keine Heilung herbeigeführt wird, soll man das be¬
treffende Gentrum durch elektrische Untersuchung bestimmen und
exstirpiren.
Discussion: Herr S c h e d e-Bonn bat vor einigen J ahren in einem
im Hamburger ärztlichen Verein gehaltenen Vortrag seine Erfahrungen |
über die operative Behandlung der traumatischen Epilepsie mitge-
theilt. Sie bezogen sich, wenn er sich recht erinnere, auf 5 Fälle.
In der Besorgniss, unheilbare Lähmurgen zu bekommen, hat er in
keinem Falle Gehirntheile weggenommen, sondern sich immer
darauf beschränkt, die in jedem Falle Vorgefundenen Veränderungen
der Hirnhäute und ihre Beziehungen zur Gehirnoberfläche operativ
in Angriff zu nehmen. Dieselben bestanden jedesmal in schwieligen,
narbigen Verdickungen der Dura, Verwachsungen derselben mit der
Pia etc., und der Eingriff beschränkte sich auf die kreuzweise
Spaltung der Dura und Lösung der Meningen von der Gehimober-
fläche, worauf dann die Lappen der Dura durch ganz lose gelegte
Catgutnähte wieder einigermassen einander genähert wurden. Die
Erfolge waren, wenn er nicht sehr irre, 3 Heilungen, eine wesent¬
liche Besserung und ein vollständiger Misserfolg.
Von den Fällen, die er genau im Gedächtniss hat, möchte
er einige kurz scizziren.
Der eine betraf einen Schlächtergesellen, der nach einem Trauma,
welcher das eine Seitenwandbein getroffen hatte, eine so schwere
Epilepsie bekommen hatte, dass er täglich bis zu 48 Anfälle hatte —
theils schwere, mit Verlust des Bewusstseins, tbeils leichte, ohne
solchen. Sie begannen jedesmal mit Zuckungen im Abductor pollicis.
Der Erfolg der Operation war zunächst eine Verminderung der Zahl
der Anfälle, dann wurden sie wieder häufiger, schliesslich wurde er
wesentlich gebessert, aber noch nicht frei von Anfällen entlassen.
Etwaü—3 Jahre später traf Schede den Mann zufällig auf der
Strasse, stark, gesund, blühend, ein Ochsenviertel auf der Schulter
tragend. Nach seinen Angaben hatte er kurze Zeit nach seiner Ent¬
lassung aus dem Krankenhanse den letzten Anfall gehabt und war
seitdem ganz frei geblieben.
Einen vollen sofortigen und dauernden Erfolg hatte die Opera¬
tion bei einem jungen Mädchen, dessen Epilepsie sich an einen
Fall von der Treppe angeschlossen batte-
Von besonderem Interesse ist ein dritter Fall, weil er zeigt, dass
die Operation auch noch nach langer Zeit von Nutzen sein kann.
Im Jahre 1889 kam ein Mensch zu Schede, der bei Mars
la Tour einen Haarseilschuss durch die Ga ea dicht neben der
Sutura sagittalis erhalten hatte. 6 Wochen darauf bekam er den
ersten epileptischen Anfall, und es folgte nun eine typische Jack-
so n'sche Epilepsie mit zahlreichen Anfällen, heftigen Kopfachmerzen,
dauerndem Schwindel, Verlust des Gedächtnisses u. s. w. Da keine
Knochenverletzung constatirt war, wurde der Zusammenhang der
Epilepsie mit der Verletzung nicht anerkannt. Der Mann bekam
keine Invalidenpension und da jeder Versuch, den er machte, seine
Arbeit als Schuhmacher wieder aufzunehmen, von vermehrten An¬
fällen gefolgt war, versank er in das grösste Elend.
An der äusseren Knochenoberfläche war nicht die geringste
Unebenheit zu fühlen. Man konnte aber doch eine Splitterung der
Tabula vitrea nicht für ausgeschlossen halten und so beschloss
Schede, den Versuch einer operativen Hilfe.
Der Schädel erwies sich im Bereich des etwa 6 cm langen
Schusscanals eburnisirt, verdickt, aber von aussen glatt. Nach innen
aber sprang die zersplittert gewesene Tabula vitrea m Länge von
4-5 cm wie ein scharfer First von ca. 9 /4—1 Höhe in das
Innere des Scliädc-lraumes vor und hatte eine tiefe Rinne in das
Gehirn gedrückt. Auch hier fehlten selbstverständlich schwielige
Verdickungen und Verwachsungen der Meningen nicht, von denen
die Gehirnoberfläche befreit wurde.
Der Erfolg war kein absoluter. Aber die Anfälle wurden sehr
wesentlich seltener und traten nur nach stärkeren Anstrengungen
besonders anhaltendem Arbeiten in gebeugter Haltung ein. Das
fortdauernde Schwindelgefühl und der Kopfschmerz waren ver¬
schwunden und das Gedächtnis kehrte zurück. . ,
Fast noch günstiger wirkte der Eingriff in Bezug auf die sociale
Lage des Kranken. Seine Berechtigung auf Invahdenpension wurde
nun anerkannt und er bekam die ganze Summe ausbezahlt, die er
19 Jahre lang so schmerzlich entbehrt hatte.
Von den übrigen Fällen erinnere Schede sich nur einer
schweren Fractur des Stirnbeins mit tiefer Depression, bei welcher die
nachträgliche Elevation der eingedrückten Fragmente und die Spal¬
tung der Dura ohne Einfluss auf die Epilepsie blieb.
Herr G u ts ch-Karlsrahe hat vor 3 Jahren einen Fall von trau
matischer Epilepsie mit bisher positivem Resultate openiL Bei
einem 16jährigen Kaufmann hatte sich nach einer stumpfen Gewalt
einwirkung auf die Scheitelhöhle ohne jede äussere Verletzung, aber
mit anfänglicher Bewusstlosigkeit, im Laufe etwa eines Jahres schwere
Epilepsie ausgebildet. Bei der Operation fand sieb die äussere lalei
des Schädeldaches ganz ohne Veränderung, wohl aber in der Uiaa-
tafel eine etwa 2 cm lange isolirte Depressionsfractur mit senan-
randigem gegen die Dura gerichtetem First. Patient ist. nach reaction -
loser Heilung von seinen epileptischen Anfällen frei geblieben.
Herr William-L e v y-Berlin: Versuche zur Resection
der Speiseröhre. , , ,
Bei einer Anzahl von Versuchen, welche Levy an lebenden
Hunden ausführte, ist es ihm gelungen, den ganzen grossen Ab¬
schnitt der Speiseröhre zu entfernen, welcher für unsere Eingriffe
bisher unzugänglich war, und dabei die Versuchsthierc am Leben
zu erhalten. Levy operirte in folgender Weise. Nachdem ie
Thiere mit Morphium betäubt waren, machte er Gastrostomie.
Dann legte er die Speiseröhre links unten am Halse frei, eröff-
ncte sie und schob durch diese Oeffnung in den Magen ein
Schlundrohr, an dessen Augen ein dicker l 1 /« m langer Seiden¬
faden geknüpft war, bis in den Magen vor. Ein Assistent fing
durch die Magenfistel das Ende des Schlundrohres auf und zog
; den Faden zur Magenfistel heraus. Als L. nun das Schlundrobr
. aus der Spciscrührcnwundc zurückzog, lag in der Speiseröhre er
- Faden; sein eines Ende hing zur Magenwunde, das andere zur
5 Speiseröhrenwundo heraus. Mit diesem letzteren aus der &pa«-
röhrenwunde heraushängenden Faden umschnürte er fest am llals
4ie isolirte Stelle der Speiseröhre und durchschnitt die Speise ro
b oberhalb der Ligatur. Langsam zog er jetzt an dem r en,
welcher aus der Magenfistel hcraushing, und so gelang es i
l durch massigen Zug die ganze Speiseröhre aus der Magen
hcrauszuzichen und noch dazu einen 2 cm breiten Ring von a ß e
e Schleimhaut. Im Bereiche der Magenschleimhaut wurde das hervo -
>• gezogene Stück mit einem dicken Seidenfaden fest umsc n r ,
' oberhalb der Ligaturen durchschnitten, und der Stumpf versen
u Da es L. nicht daran lag, glänzende Resultate zu erreic en,
>r sondern hauptsächlich die Gefahren des Eingriffes kennen zu ern >
,r hat er die zur Operation verwendeten Thiere nicht sorgfä tig au*
£ gesucht. Er hat stets einseitig operirt und die Hunde nac
Operation frei herumlaufen lassen. Von 5 operirten Hunden s
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6. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
969
einer 10 Minuten nach der Operation plötzlich; bei der Section
wurde die Todesursache nicht gefunden. Beide Vagi und beide
Nervi recurrentes waren intact; auch fand sich keine beträchtliche
innere Blutung. Ein zweiter Hund war bis zum G. Tage munter,
da sprang er über eine 1 m hohe Barriere und verschluckte ein
grosses Knochenstück. Er wurde, nach Luft schnappend gefunden ;
der verschluckte Knochen konnte nur mit grosser Gewalt entfernt
werden; eine halbe Stunde darauf ging der Hund ein. Bei der
Section fand L. Mageninhalt in der linken Pleurahöhle. Die
Ligatur vom Speiseröhrenstumpf hatte den Dienst versagt, der
Magen communicirte frei mit der linken Pleurahöhle. Die anderen
3 Hunde leben; L. hat sie mitgebracht, damit sie die Richtigkeit
seiner Angaben bestätigen können.
Das sind die Resultate, welche L. an lebenden Hunden
erreichte. An menschlichen Leichen gelingt es bisweilen, die
Speiseröhre in ihrer ganzen Dicke ebenso leicht herauszuziehen,
wie beim Hunde. Meist aber folgt die Muscularis nur auf eine
Länge von 10 cm, dann reisst sie ab, und der liest des heraus¬
gezogenen Cyliuders besteht fast nur aus Schleimhaut. Die Ur¬
sache für dieses abweichende Verhalten an menschlichen Leichen
beruht, wie L. sich durch Sectiouen 2—3 Stunden post mortem
überzeugt hat, nicht auf cadaveröscn Veränderungen, sondern auf
anatomischen Abweichungen. In seinem ausführlichen Berichte
wird L. diese anatomischen Abweichungen besprechen und zu¬
gleich den Weg an geben, wie man auch beim Menschen das Rohr
der Speiseröhre in seiner ganzen Dicke ebenso vollständig ent¬
fernen kann, wie beim Hunde.
Demonstrationen. Herr Bruns: Demonstration von
Trockenpräparaten. Herr Bruns legt die Präparate zunächst
*/* Jahr lang in 96 proc. Alcohol und trocknet sie dann ein weiteres
>/4 Jahr an der Luft. Es eignen sich zur Herstellung der dann
vollständig haltbaren und geruchlosen Trockenpräparate namentlich
Extremitätentheile.
Herr Bl Ücker Cöln. Demonstrationen eines Patienten, an dem
von Bardenheuer die Total exstirpation des Kehlkopfes vorge¬
nommen wurde.
Herr K. Gramer- Köln. Zur Resection des tuberculüsen
Schultergelenks. Cramer demonstrirt 2-, 13 und f> jährige Patienten,
die von Bardenheuer wegen Schultergelenkstuberculose resecirt
sind. Die Fälle sind bereits von Dr. Wolf beschrieben.
Herr König warnt wegen der nachfolgenden Wachsthum¬
störungen vor der Vornahme totaler Resectionen in so jugend¬
lichem Alter.
Der III. internationale dermatologische Congress
zu London vom 4. bis 8. August 1890.
(Offizielles Referat, angefertigt für die Vereinigung der deutschen
medicinischen Fachpresse von L. Eikind, M. D., London.)
(Fortsetzung.)
Vierter Verhandlungstag Freitag, 7. August 1896.
Discussion über maligne Syphilis.
A. H a s 1 u n d (Kopenhagen): Die Syphilis maligna gehört dem
secundären und nicht dem tertiären Stadium an. Der Ausdruck
«Syphilis maligna » ist nicht glücklich, weil man gewöhnlich in der
Medicin unter Malignität ganz andere Bedingungen und Erscheinungen
versteht. Die Behandlung muss eine rein individuelle sein und sich
nach der jeweiligen Schwere der Symptome und der Berücksichtigung
des ganzen Krankheitsbildes richten. Die Affeetion ist im Ganzen
selten; unter 8691 Syphiliskranken, die während der letzten 14 Jahre
in dem Kopenhagener Municipalhospital behandelt worden sind,
kamen 39 Syphilis maligna-Fälle vor. Die Prognose ist relativ gut.
Prof. Tarnowsky (Petersburg) hält eine Mischinfection —
Staphylococcus pyogenes aureus und albus, bisweilen auch unter
Mitwirkung einer besonderen Form von Bacillen — als Grund¬
bedingung für das Zustandekommen der Syphilis maligna. Demnach
sind die Hauteruptionen dieser Affeetion pyosyphilitischer Natur.
Zu den pyosyphilitischen Formen nennt eben Tarnowsky Ekzema
profundum rupiaforme, Impetigo prof. rodens, Rupia, .Syphilide
pustulo-crustacbe etc. Diese eben beschriebenen Charaktere der
Syphilis maligna treten zu gleicher Zeit mit den anderen secundären
Symptomen der Syphilis auf. Dabei besteht zugleich als besonderes
Charakteristikm der Mischinfection eine purulente Entzündung der
in der Gegend der Initialsklerose gelegenen Drüsen. Freilich hängt
noch der weitere Grad der Malignität der Syphilis von der Aus¬
dehnung und Multiplicität der Erscheinungen ab. Sehr selten in
dem tertiären, meistens im secundären Stadium wird die Syphilis
maligna beobachtet.
Prof. Neisser (Breslau) versteht unter Syphilis maligna eine
qualitativ eigenartige Form bösartiger Sypliili», während er mit
Syphilis grav. jede durch die Localisation der Syphilis in lebens-
wichtigenOrganen oder durch hinzutretende Complicationen mit anderen
Dyskrasien und Krankheiten gefahrbringende, eventuell tödtliche
syphilitische Erkrankung bezeichnet. «Syph anom. grav.» bedeutet
die Verschiebung der ulcerösen Formen in die Frühperiode. Die
Syphilis maligna, die jetzt eine seltene Krankheitsform ist, wird
charakterisirt:
1. durch ihre hochgradigen, von der Intoxication herstatnmenden
allgemeinen Erscheinungen; dahin würden gehören: Fieber, Anaemie,
Kachexie, Abmagerung, Schlaflosigkeit, Schmerzen, wie Kopf-, Ge¬
lenk-, Muskelschmerzen und, was allerdings selten der Fall ist,
epileptische Formen, Anfälle, Paresen, vorübergehende Bewegungs¬
und Coordinationsstörungen;
2. durch ihr frühes Auftreten, nämlich 3-6 Monate nach der
Infection;
3. durch ihre Neigung zu Recidiven;
4. durch ihre zahlreichen, unregelmässigen, grosspustulösen
Formen und Ulcerationen (Rupia- oder Erythema-Formen).
Die haemorrbagischen Formen gehören an sieh nicht zum
Bilde der Malignität; sie können nur die letzteren compliciren und
so als ein Symptom derselben auftreten. In demselben Sinne ist
auch Scorbut aufzufassen, wenn er zu einer bereits vorhandenen
Syphilis sich hinzugesellt. Die Syphilis maligna ist durch die Zeit
ihres Auftretens als eine Frühform aufzufassen. Von den maculösen
und papulösen Frühformen unterscheidet sie sich wesentlich durch
den Zerfall und ulcerativen Vorgang. Von den tertiär gummösen
Formen, mit denen sie hinsichtlich ihrer ulcerativen Vorgänge Aehn-
lichkeit hat, unterscheidet sie sich:
1. durch die ungemein schnelle Entwicklung des Ulcerations-
processes;
2. durch die Abwesenheit des serpiginösen Charakters;
3. durch den Mangel der, vielen Spätformen charakteristischen,
Anordnungen der einzelnen Efflorescenzen;
4. durch die ganz unregelmässige Wirkung der Jodsalze auf
diesen malignen Process.
Gegen die Auffassung der Syphilis maligna als eine tertiäre
Form sprechen die folgenden Punkte:
1. Das gleichzeitige Bestehen von Eruptionen, die den Früh¬
formen entsprechen, neben Rupia und Erythema der Haut;
2. die Thatsache, dass den ulcerösen Eruptionen bisweilen
typische maculöse und papulöse Ausschläge nachfolgen können
N eis 8 er bezeichnet den Ausdruck «galoppirende Syphilis»
und * Syphilis maligne precoce» aus bestimmten Gründen als nicht
geeignet. Auch bekämpft Neisser die Neigung mancher Syphili-
dologcn, die, ohne auf ein Stadium Rücksicht zu nehmen, alle
viscerale Formen der Syphilis als tertiäre Erscheinungen hinstellen.
Was geschieht dadurch ? Dass die Quecksilberbehandlung vernach¬
lässigt wird, dass nur das für das tertiäre Stadium bestimmte Jod¬
kalium allein zur Anwendung gelangt, wodurch bei der visceralen
wie cerebralen Syphilis — da sie secundären Ursprunges sind —
das Krankheitsbild verschleppt wird. Die Syphilis maligna wiederum
kanD sowohl acquirirt wie hereditär sein. Speciell kann man die
bei schwerer hereditärer Syphilis vorhandenen Erscheinungs- und
Vereiterungsprocesse der malignen Form zurechnen. Bei der Ent¬
wicklung des ulcerösen Gewebszerfalles ist Mischinfection (Staphylo-
coccen) vorhanden. Sie ist aber nach Neisser nicht die Ursache,
sondern vielmehr eine Complication des Ulcerationsprocesses Die
Hypothese, wonach eine reichliche Quantität des Syphilisvirus die
Ursache der Malignität sei, hat gar keine Grundlage. Auf die Frage
übergehend, warum seit den letzten 400 Jahren die Syphilis maligna
immer seltener sich zeigt, meint Neisser, dass dies zurZeit nicht
mit Bestimmtheit beantwortet werden könne. Es lasse sich wohl
denken, dass die Resistenz gegen das Virus im Allgemeinen grösser
und zugleich die Bösartigkeit des Virus geringer geworden wäre.
Auch Neisser bestätigt die Erfahrung, dass Quecksilber von
Kranken mit Syphilis maligna häufig schlecht oder gar nicht ver¬
tragen werde. Er hält es nicht für nothwendig, die Queeksilbertherapie
bei dieser Form ganz zu streichen, sondern empfiehlt, den Anfang
dieser Behandlung mit Hg mit grosser Vorsicht zu beginnen und
verwirft die sogenannten forcirten Curen. Der primäre Affect in
Bezug auf seinen Sitz, Verlauf und sonstige Beschaffenheit hat mit
der Entstehung der Syphilis maligna nichts zu thun Die Prognose,
meint Neisser gleich Haslund, ist im Allgemeinen gut.
Magnus Möller nimmt in der Syphilis maligna eine secundäre
Mischinfection an. Er berichtet über seine hierhergehörigen Unter¬
suchungen folgenderweise: Inoculation, mikroskopische Untersuchung,
Culturversuche mit dem Inhalte von jungen, 2—3 Tage alten Pusteln
erwiesen sich als bacterienfrei; wurde dagegen der Inhalt von älteren
Effiorescenzen, in denen bereits nekrotische Störungen deutlich
waren, untersucht, so Hessen sich darin constant Staphylococcen
und Streptococcen nach weisen. Daher stellt Möller den folgenden
Satz auf: Das syphilitische Virus selbst ruft die pustulösen Efflores-
cenzen hervor, später, secundär, kommt noch eine Mischinfection hiuzu.
Brandis nimmt ebenfalls auf Grund seiner hierhergehörigen
Erfahrungen eine Mischinfection au.
Fitz-Gibbon (Dublin) versteht unter * Malignant Syphilis»
eine Krankheitsform, die sich von der gewöhnlichen dadurch ab¬
hebt, dass noch septische Processe zu ihr hinzutreten. Inoculation
mit dem Inhalte eines gangraenösen, phagedaenischen oder eiternden
Schankers würde die septische Form dieser Krankheit zu Stande
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970
MÜNCHENER MEDI CINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
bringen, während die Ueberimpfung von gewöhnlichem syphilitischen
VirU8 A«i«”SÄ SfKÄlend, dass die alte
ä-äSäss
erfahren hat. Arning batte ’ .f, • manc hen Fällen, local
sich zu überzeugen, dass das Quecksüßer in ^
Ä SÄS
ÄSJÄÄÄt
auf Grund »ine, Er-
emDfieblt zu weiteren Versuchen die organische Therapie. ueDer
die P Proenose lässt sich kein einheitliches Gesetz aussagen.
die ™&aose ^ un8ererZeit kommt Syphilis maligna
selten vor, Gleicht einer auf 200 Fälle. Bei Syphilis maligna und
BDeciell bei ihren confluirenden Formen ist der krankhafte Verlauf
an keine Gesetze und Perioden gebunden. Wann die Syphihs maligna
“ m k Tu,£ruch gelangt, tot .ich nicht mit Sichert.«! !».««*»
Es sind Fälle bekannt, wo sie bereits wenige Monate nach der in
fection sich zeigte; es bildet sich dann ein ausserordentlich schweres
Krankheitsbild aus, auf das selbst die sorgfältigste Behandlung keinen
Einflu s erlangt. Zu den anderen Symptomen , die die Syphihs
maligna begleiten, rechnet Drysdale Albumin^e und ausgedehnte
Ulcerationen die, wie er an seinem hier mitgeÜieilten Fallebe
obachtete, die ganze Hautfläche des Körpers einnahmen. Bei Syphi¬
lis maligna, meint Drysdale, ist die Anwendung von Mercur con-
traindicirt, dagegen ist Jodkalium in grösseren Dosen am Platze.
Löwenhardt theilt mit, dass er mehrere Fälle von acuter,
ulcerativer Syphilis beobachtete. Die Prognose scheint schlecht zu
sein, doch gingen die schweren Erscheinungen auf ®'" e
Salbe von Hg oxyd. flav. in Heilung über. (Schluss folgt.)
British medical Association.
64. Jahresversammlung zu Carlisle, 28.—31. Juli 1896.
(Fortsetzung und Schluss..)
VIII.
Section für Hygiene.
Die Arbeiten der Section brachten eine Reihe bemerkens-
werther Vorträge und Discussionen, zum Theil auch über Themata,
die unsere Verhältnisse berühren. , . 0 ..
Sir Joseph Ewart-London sprach als Vorsitzender der Section
über Abnahme der Sterblichkeit.
Ein Theil der Krankheiten ist durch die sanitären una
hygienischen Massregeln bereits aus England verschwunden, so
die Pest und Malaria, desgleichen an anderen Orten ( holera, und
Typhus, sowie die Blattern, andere wie die Tuberculose sind bis¬
her noch nicht oder nur wenig von solchen Massnahmen beein¬
flusst worden. 1893 verursachten die zymotischcn Krankheiten
noch eine Mortalität von 3165 per Million, Tuberculose 3192,
Bronchitis und Pneumonie 3192, Gelenkrheumatismus m seinen
verschiedenen Formen 433, eine Zahl, die er für viel zu medng
gegriffen hält. Als die grössten Feinde der Menschheit betrachtet
er ausser den zymotischen Krankheiten die Tuberculose, Malaria
und Rheumarthritis; die letztgenannte Krankheit werde mit Un¬
recht zu den constitutionellen Krankheiten gezählt, sie gehöre in
das Gebiet der specifischen Fieberkrankheiten.
F. H. Nasmyth sprach über die Beziehungen der Medicin
zur Hygiene, Jenner als den Vater der Hygiene bezeichnend,
John Mac Vail, Sykes und Spottiswoode Cameron über
die Stellung der Medicinalbearaten und ihr Verhältnis zu den
praktischen Aerzten.
Maxwell Ross, Groves und C. E. Paget nahmen au der
Discussion Teil; auch die Anzeigepflicht der Infectionskrankheiten
wurde besprochen.
Roger Willi am s-Preston hielt alsdann einen Vortrag über
die Zunahme der Krebserkrankungen. Er constatirt, dass seit
IH40 die Zahl der an Krebs Gestorbenen von 1 :129 zur allge¬
meinen Mortalitätsziffer auf 1 :23 gestiegen sei und zwar continuir-
lich. Er weist auf einen gewissen Zusammenhang zwischen Kreits
und Tuberculose hin; die meisten Krebskranken stammen aus
tuberculösen Familien. Groves bemerkt hiezu, dass auf der Insel
Wight, wo die Verwandtschaftsehen allgemein üblich sind, fast in
jeder Familie ein Krebskranker lebe.
C. R. Drysdale-London sprach über die animale Impfung
in Deutschland. Der Vortrag erregte eine sehr lebhafte Discussion:
Allgemein wurde die animale Lymphe der Mensi-henlyinphe, der
Impfung von Arm zu Arm vorgezogen. Mac Vail ist dafür, die
ImDfung erst nach Ablauf des ersten Lebensjahres auszuführen
da die Kinder dann mehr Widerstandskraft besännen und die ver¬
mehrte Kindersterblichkeit des ersten Jahres nicht mehr der Impfung
in die Schuhe geschoben werden könne. Er betont ferner die
Notwendigkeit einer exacten Durchführung der Revaccinahon.
Eine von Groves beantragte Resolution des Inhalts dass der
Staat für Beschaffung und unentgeltiche Abgabe animaler Lymphe
zu sorgen habe, wurde einstimmig angenommen.
Der zweite Sitzungstag brachte eine, Discussioni über die
Beschlagnahme kranken Fleisches und die Ansprüche auf Ent-
Schädigung. gden gchlägfc vor> daB s bei einem Falle von
Perlsucht die Kosten zu einem Theile vom Verkäufer bezw. Züchter,
zum andern vom Käufer und zum dritten von der betreffenden Ge¬
meinde getragen werden sollen. Der Vorschlag wird mit geringer
Majontet angenommen^^on ^ ^ über d - Milchversorgung
der Städte, eingeleitet durch Neech. Er verlangt vor allem eine
staatliche Ueberwachung der Molkereien "nd vetennärärzthcheUnter-
suchungjederindieselben aufgenommenenMdchkuh. Ch.Cameron-
Dublin berichtet über die Entstehung einer Typhusendem.e, welche
durch Milch vonThieren, die mit den Excreten eines Typhus-
kranken in Berührung kamen, verbreitet wurde.
Die Frage der Infectionsübertragung durch die Milch wurde
auch in der folgenden vonNiven angeregten Discnssion über die
Prophylaxe der Phthise weiter erörtert. Griinshaw lenkte die
Aufmerksamkeit auf die Gefahr der Uebertragung durch tubercu-
iöses Fleisch. Niven sieht ein Mittel gegen die Verbreitung der
Tuberculose in der Aufklärung der Massen durch populäre'Schriften
und Vorträge, sowie amtliche Bekanntmachungen und ist mit Star
field und M. Ross für eine Ausdehnung der Anzeigepflicht auf
diejenigen Formen der Phthise, die mit Auswurf emhergehen,
wodurch dem Medicinalbeamten dann eine Handhabe zu acüvcm
Eingreifen gegeben ist, ein Vorschlag der durch allgemeine Zu¬
stimmung zum Beschluss erhoben wurde.
P o o r e - London sprach weiter über Behandlung der Abwässer
und Ren wood-London über die Desinfection durch schweflige
Säure welche er, auf bacteriologische Experimente gestützt, «!
vollständig genügend und gegenüber den andern mehr compli-
cirten Methoden für die einfachste und praktischste hält
Den Schluss bildete eine Discussion über das Thema: Diph-
therie in der Stadt und auf dem Laude. Thresh-Ohelmsfor
constatirt, dass die Diphtherie in den Städten noch =
auftrittwie auf dem Lande; die Ursache sieht er in dem gedrängte
Zusammenleben der Kinder in den Städten. statistische
Dixey-Oxford bestätigt seine Angaben durch rtabshaaw
Tabellen, welche stets mit Eintritt der Schulferien einen Abfall
der Morbiditätsziffer ergeben. . _ „„; aot ; ftnR fähie-
All an - London glaubt an eine gewisse Immumsationsfätng
keit gegen Diphtherie.
.Section für Standesfragen.
Die Betlieiligung an den mehr oder minder lebhaften Debatten
dieser erst seit der letzten Jahresversammlung selbstetändig
tretenden „Section of Ethics“
an den auch bei uns immer mehr m denVordergrund ara g Frage
Standes- und Existenzfragen erkennen. So wurde zuerat * ^
der in England meist mit den Hospitälern verbundenen ^
kliniken (Dispensaries) und deren Ausnutzung dmch das
erörtert. Sodann sprach F. Pearse -über die Nothwe g kg
centralen sowohl wie localen Organisation der w Kassen
gemeinsamen Auftretens gegenüber den Ansprüchoii g f
und Durchführung einer Art Disciphnaryerfabrens gegen ^
spenstige Mitglieder. Der Streit mit den u " t ®” t ®l* t u e g C iub8“
Krankenkassen, der unter der Rubrik „Batt e of tl eL
schon längst ein stehendes Oapitel in den englischen
bildet, ist in England nicht minder Tagesfrage me bei uns.
Leslie Philipps-Birmingham spricht sich geradezu ^
aus, die Zumuthung, für 3—4 Shilling pro Kopf Vann nur einem
Versicherung gegen Krankheit zu übernehmen kann ^ meinb in
geschäftlich so unpraktischen Menschen, wie die Aerzte g
sind, gemacht werden. , „ tftt7nn d eintrete in
W. Bruce verlangt, dass der Staat D • “ an8 tän-
Fällen, wo die Kassen nicht die nöthigen Mittel zu ' ciell v er-
digen Honorirung ihrer Aerzte aufbnngen kon • °P die Au8 .
urteilt wird das Pressionssystem einzelner Kassen “sBener Satz
nützung der angestellten ärztlichen Kräfte- Als aug und Jahr
wird von P e a r s e - Portsmouth 6 -1 Shilling pro K P f ovie l
bezeichnet. Kinder sollen eher mehr oder mindestens eßen
als die Erwachsenen zahlen. • . Disnensirens
G. Bäte man sprach dann über den Unfug Pj e 0 i ne
seitens der Apotheker. Unter allgemeiner Zustimmung <ü e s-
Resolution angenommen, wonach bei der regier» Eine
bezügliche verschärfte gesetzliche Bestimmung beantrag j^ich,
interessante Schilderung des ärztlichen Commen Rege'“
wie er nach den von G r a s s e 1 - Montpellier niede g g cben
besteht, namentlich des Verhältnisses zwischen Verhältnisse
und consultirenden Aerzten, gab C 6 z i l 1 y - Paris,
decken sich so ziemlich mit den unsrigen.
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6. October 1S96.
MÜNCHENER MEDICINISCFIE WOCHENSCHRIFT. 971
Auch die Ueberfttllung des ärztlichen Standes war
Gegenstand der Discussion. Mittel zu deren Bekämpfung sieht
F. A. A1 der 8on-London in einer Verschärfung der Zulassungs-
beatimmungen zum ärztlichen Studium überhaupt, Einführung einer
zweijährigen Probezeit nach abgelegtem Examen unter Controlc,
Beschränkung der jährlich zur Approbation Zugelassenen auf eine
bestimmte Anzahl und Ausschluss solcher Elemente, welche körper¬
lich untauglich sind, die grösseren Strapazen, wie sie der Beruf des
Arztes mit sich bringt, zu ertragen. Als Curiosum sei erwähnt,
dass von einer Seite auch ein Leumundszeugniss von der geist¬
lichen Behörde verlangt wurde. Brindley James bespricht den
demoralisircnden Einfluss, den die Ueberfüllung des ärztlichen
Standes, die Concnrrenz mit ihren Folgen namentlich auf die
jüngeren Aerzte ausübt und warnt unter Ausfällen auf die deutschen
Universitüt8verhältnis8e vor einer Nachahmung ausländischer Ein¬
richtungen. Auch die Hebammenfrage findet ihre Erörterung
durch Brown Rite hie-Manchester und Lovell Drage.
Eine der lebhaftesten Debatten, die zeitweise sogar einen
sehr persönlichen und tumultuarischen Charakter annahm, entspann
sich über die Frage der „ärztlichen Iteclamc“. Broadbent-
Manchester bezeichnet als Reclame alle Massnahmen, welche ge¬
eignet sind, die eigene Praxis auf Kosten der College» zu ver-
grössern, Kritisiren der Bohandlungsweise, Unterbieten, Veröffent¬
lichung von Bulletins u. s. w. Ausschreibungen jeder Art in den
Tagosblättern werden verurtheilt. W. Bruce hofft eine Besserung
und Hebung des Standesbewusstseins durch den Einfluss des Aerzto-
bundes, der British medical Association, durch die Presse, Zurück¬
weisung von Reclameinseraten und sieht das letzte Mittel in der
Verweigerung des professionellen Verkehrs, des Consiliums mit
jedem Arzte, der sich gegen die Standesetiquette verfehlt. F. L.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Ueber Serumtherapie bei Diphtherie macht Soe-
rensen-Kopenhagen weitere sehr wichtige Mittheilungen (Ther.
Mon.-Hefte Ib96, 8). Vor allen Dingen bemerkenswerth ist die
Gegenüberstellung der Resultate mit und derjenigen ohne Serum¬
behandlung Darnach waren die Ergebnisse ebenso günstig bei den
mit Serum wie bei den ohne Serum behandelten Fällen von
Diphtherie. Die Diphtherie hatte in Kopenhagen im Jahre 189b
einen ungewöhnlich gutartigen Charakter, lind auf diesen ist die
geringere Mortalität auch bei Serumbehandlung zurückzuführen. Ein
Wundermittel, welches den Verlauf und den Ausgang der Diphtherie
gänzlich umformen wird, ist das Serum gewiss nicht Dabei ist aller¬
dings nicht zu leugnen, dass eine gewisse Heilwirkung entschieden vor-
banden ist. Viele Fälle verliefen bei Serumbehandlung ausser¬
ordentlich günstig, seenndäres Erkranken der Luftwege kam bei
der Serumbehandlung entschieden seltener vor als sonst. Waren
aber schon ausgesprochene Larynxerecheinungen vorhanden, so ver¬
mochten die Einspritzungen der Zunahme der Stenose keinen Ein¬
halt zu thun. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 6. October. Die Referenten, die in der Sitzung der
wissenschaftlichen Deputation am 26. k. M. über die Frage, ob eine
Aenderung der Reichs-Gewerbe-Ordnang in Bezug auf die Stellung
der Aerzte erwünscht sei, berichten werden, sind der Berl klin.
Wochenschr. zu Folge die Herren Lohmann-Hannover und Lent-
Cöln; der Erstere erklärt sich in seinen Thesen principiell lür, der
Letztere gegen das Verbleiben der Aerzte in der Gewerbe-Ordnung.
— Die Aerztekammer für Berlin-Brandenburg wird vor ihrer
gesetzmässigen Verabschiedung noch einmal und zwar am 16. October
zusammentreten. Hauptgegenstand der Berathungen wird die neue
Prüfungsordnung für Mediciner sein. Den einleitenden Vortrag
hält Professor Mendel. Sodann wird Professor Posner Namens
der von der Kammer eingesetzten Commission über das ärztliche
Unterstützungsweaen berichten. Die Neu wählen zur Aerztekammer
für Berlin Brandenburg finden vom 19. bis 28. November Btatt. Für
den Stadtkreis Berlin sind voraussichtlich 38 Mitglieder, für den
Regierungsbezirk Potsdam 17 und für den Regierungsbezirk Frank¬
furt 6 Mitglieder zu wählen. Insgesammt wird die Kammer etwa
61 Mitglieder zählen.
— Im nächstjährigen Reichshaushalteetat wirddieEtatisirung
besonderer Divisionsarztstellen völlig durchgeführt werden.
Die «B. P. N.» bemerken hierzu: Die Schaffung dieser Stellen ist
hauptsächlich zur besseren Vorbereitung des Heeressanitätspersonals
für den Kriegsfall nothwendig befunden, ln dem preussischen und
in die preussische Verwaltung übernommenen Contingent sind 33
Stellen, im sächsischen 3 und ira württembergischen 1 Stelle in
Aussicht genommen. Davon sind im laufenden Etat für Preussen
16, für Sachsen 2 und für Württemberg 1 bewilligt. Es würde sich
somit für den Etat der Militärverwaltung auf 1897/98 noch ins¬
gesammt um die Bewilligung von 18 Divisionsarztstellen handeln.
In Preussen werden für die neuen Stellen, deren Bewilligung nach
dem Vorgänge für den Etat auf 1896/97 sicher ist, 5 bisherige Ober¬
stabsarzt- und Garnisonsarztstellen in Wegfall kommen können
Man hofft auch, dass die Neueinrichtung, für die allerdings allein
der organisatorische Zweck einer weiteren Hebung der Leistungs¬
fähigkeit des Sanitätswesens maassgebend ist, nebenher noch eine
Aufbesserung der gesammten Verhältnisse des Sanitätscorps insofern
zur Folge haben wird, als sie einer grösseren Anzahl von 8anitäts-
offioieren einen befriedigenden und anregenden Wirkungskreis er¬
öffnet. Die Aussicht auf das Aufsteigen in die Generalarztcharge
ist bei der geringen Anzahl der vorhandenen Stellen ausserordentlich
gering. Der weitaus grössten Zahl von Sanitätsofficieren ist mit
der Ernennung zum Oberstabsarzt, also etwa mit dem 45. Lebens¬
jahre, die Hoffnung auf ein durch eigenes Zuthun zu erreichendes
Vorwärtskommen in der Laufbahn abgeschnitten. Mit der Durch¬
führung des Institute der Divisionsärzte wird hierin eine Aenderung
geschaffen
— Dr. med. Paul Kohlstock in Berlin wurde zum Chef des
Medicinalwesens bei der Colonialverwaltung ernannt.
— Der Verwaltungsbericht der Berliner Gemeiudefriedhöfe be¬
merkt zu dem Bescheid des Oberpräsidenten v. Achenbach, wo¬
nach der Beseitigung von Körpertheilen durch Verbrennung Be¬
denken nicht entgegenstehen, mögen diese von lebenden Menschen
herstammen oder zu Leichen gehören, bei denen jede Leichen¬
individualität verloren gegangen ist: Nach dieser Erlaubnis wird
mithin das Princip der allgemeinen und unterschieds¬
losen Verweigerung der Feuerbestattung nicht mehr
aufrecht erhalten; es darf auch wohl keinem Zweifel unterliegen,
dass iu absehbarer Zeit aus hygienischen Rücksichten, insbesondere
bei den secirten Leichen, die Staatsbehörden, sobald sie sich über¬
zeugen, dass die Leichenverbrennung sich bewährt, auch noch weitere
Zugeständnisse machen werden.
— Die Verhandlung gegen den verhafteten Homöopathen
Dr. Voll beding ist auf den 9. November vor der Düsseldorfer
Strafkammer angesetzt. Eine grosse Menge Zeugen und Sachver¬
ständiger ist geladen. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tödtung,
Betrug und Bestechung.
— Das preussische Cultusministerium hat sämmtliche Pro-
vinzialschulcollegien aufgefordert, die gelegentlich des Jenner-
Jubiläums vom k. Gesundheitsamt« herausgegebene Denkschrift
über die Schutzpockenimpfung anzuschaffen.
— In Kairo wird ein hygienisches Institut nach deutschem
Muster errichtet und zu seiner Leitung ein deutscher Arzt und
Schüler Flü^ge's, Dr. H. Bitter, früher Privatdocent der Hygiene
in Breslau, jetzt seit mehreren Jahren Sanitätsinspector in Alexandrien,
berufen. An Stelle des Letzteren tritt Dr Gottschlich, Assistent
am hygienischen Institut in Breslau.
— Ueber die Zahl der Aerzte in Russland berichtet die
«Now. Wr.> wie folgt: «Bei einer Bevölkerung von 110 Millionen
Seelen belief sich 1«90 die Zahl sämrntlicher Aerzte in Russland
auf 18 331, d. h. auf annähernd 6000 Bewohner entfiel ein Arzt,
während Deutschland einen Arzt auf 3000 Bewohner, Frankreich
auf 1800 und England auf 1600 Bewohner hat. Wie sehr Russland
in dieser Beziehung hinter dem Auslande zurückgeblieben ist, wird
erst klar, wenn man die Vertheilung der Aerzte berücksichtigt. In
den Residenzen, Gouvernements- und Kreisstädten entfällt im Durch¬
schnitt ein Arzt auf 270 Personen, während auf dem flachen Lande
circa 9000, iu einigen Gouvei nements erst 12,000 Personen einen
Arzt haben. So zählt z. B das Gouvernement Archangel mit seinen
373000 Bewohnern nur 14 Aerzto, während im Küstengebiet mit
135000 Enwohnern insgesammt nur 3 Aerzte sind. Aus diesem
Grunde, schreibt das Blatt, ist in Russland der Sterblichkeits-
coefficient höher als im übrigen Europa, nämlich 37,3 pro Mille.
Alljährlich bestehen etwa «55 Personen das Arztexamen. Der
Mangel an Aerzten tritt ganz besonders grell bei besonderen Gelegen¬
heiten zu Tage; so war es zur Zeit des letzten Krieges, so während
der jüngsten Choleraepidemie, wo man zu Nothmassregeln seine
Zuflucht nahm und Btatt der Aerzte Studenten des 5., 4., ja sogar
des 3. Curses abcommandirte Alles spricht für Ergreifung von Mass¬
nahmen, die eine Vermehrung der Zahl der Aerzte zur Folge haben
könnte.«
— Cholera. Die Gesarnmtzahl der bis zum 11. 8eptember
angemeldeten Cholerafälle betrug in Aegypten 20,954 (17,449 Todes¬
fälle), in Alexandrien 1063 (902).
— In der 38. Jahreswoche, vom 13.—19. Septbr. 18%, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Königshütte mit 36,5, die geringste Sterblichkeit Offenbach
mit 2,5 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Lübeck; an Scharlach
in Bochum; an Diphtherie und Croup in München-Gladbach und
Gera.
(Universitätsnachrichten) Berlin. An Stelle der zum
1. October aus dem Verbände der Aerzte der ersten medicinischen
Klinik der Charite ausscheidenden Herren Oberarzt Dr. Klemperer,
Stabsärzte Dr. Reich und Dr. Thiele sind neu eingetreten: als
Stabsarzt Dr. Burchardt, als Oberärzte Dr. Paul Jacob und
Dr. Ferdinand Blumenthal. Geh. Rath Waldeyer feiert am
6. ds. seinen 60. Geburtstag. Prof. König wurde zum Generarzt
U Classe ä la suite des Sanitätscorps ernannt. (K. hatte bisher
keinerlei militärische Stellung.) — Kiel. Dem Privatdocenten der
Thierheilkunde an der Universität, Dr. Georg 8chneidemühl,
ist der Titel Professor verliehen worden.
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972
No. 40.
MÜNCHENER MHDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
Krakau. Privatdocent Dr. Leo Wach holz wurde znm ordent¬
lichen Professor der gerichtlichen Medicin ernannt. — Wien. Die
Professoren der Medicin Hofrath Dr. Eduard Albert und Hofrath
Dr. Eduard R. v. Hofmann, die im Sommer krankheitshalber ihre
Vorlesungen abbrechen mussten, sind wiederhergestellt und werden
im October ihre Lehrtätigkeit neu eröffnen. Dr. Hermann Franz
Müller, Assistent an der Klinik Nothnagel’s, hat sich als Privat¬
docent für innere Medicin habilitirt.
Personalnachrichten.
Bayern.
Functionsiibertragnng: Die Function eines Hausarztes bei
dem k. Arbeitshause Rebdorf wurde vom 1. October 1. Je. an, dem
Bezirksarzte I. Classe zu Eichstätt, Dr. Franz Beck, in widerruflicher
Weise übertragen.
Erledigt: Die Bezirksarztensstelle I. Classe in Pirmasens. Be¬
werbungstermin IN. October 1896.
Briefkasten.
Dr. F. in H Die Anmeldung als Mitglied des Vereins zur
Unterstützung invalider, hilfsbedürftiger Aerzte geschieht für Unter¬
franken bei dem Kreißcassier Herrn Dr. Otto Dehler in Würz¬
burg. — Für den Pensionsverein für Wittwen und Waisen bayerischer
Aerzte, dem beizutreten wir Ihnen dringend empfehlen, melden
Sie sich bei Herrn Dr. Philipp Sch all er in Würzburg.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat August 1896.
1) Bestand am 31. Juli 1896 bei einer Kopfstftrke des
Heeres von 64526 Mann, — Kadetten, 17 Invaliden, 150 U.-V. 1 ):
1417 Mann, — Kadetten, 2 Invaliden, 5 U.-V.
2) Zugang: im Lazareth 1193 Mann, —Kadetten, — Invaliden,
20 U.-V ; im Revier 3547 Mann, — Kadetten, - Invaliden, 3 U.-V.
Summe 4740 Mann, — Kadetten, — Invaliden, 23 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 6157 Mann, — Kadetten,
2 Invaliden, 28 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 95,41 Mann.
— Kadetten, 117,64 Invaliden, 186,68 U.-V.
3) Abgang: geheilt 4443 Mann, — Kadetten, — Invaliden, 25
U.-V.; gestorben 5 Mann, — Kadetten, — Invaliden, — U.-V.;
invalide 70 Mann; dienstunbrauchbar 51 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 140 Mann, — Kadett, — Invaliden, — U-V.; Summa: 4711
Mann, — Kadetten — Invaliden, 25 U.-V.
‘) U.-V. = Abkürzung für Unteroffiziere-Vorechüler.
4) Hiernach sind geheilt 721,94 von 1000 der Kranken der Armee
— der erkrankten Kadetten, — der erkrankten Invaliden und
892,8-3 der erkrankten U.-V.; gestorben 0,81 von 1000 der Kranken
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
5) Mithin Bestand am 31. August 1896: 1446 Mann, — Ka¬
detten, 2 Invaliden, 3 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 22,40 Mann
— Kadetten, 117,64 Invaliden, 20,00 U -V. Von diesem Kranken
stände befanden sich im Lazareth 913 Mann, — Kadetten, — Inva¬
liden, 3 U.-V.; im Revier 533 Mann, — Kadett., 2 Invaliden, — U.-V.
Von den im Lazarethe Gestorbenen haben gelitten an,
chronischer Lungenschwindsucht l, Miliartnberculose 1, eitriger
Brustfellentzündung 1, an Quetschungen des Unterleibes mit nach¬
folgender Bauchfellentzündung in Folge Hofschlages 2; fernere ver¬
unglückte 1 Mann durch vorzeitige Explosion einer Granate, wobei
die Schädelknochen und das Gehirn verletzt wurde, endlich endeten
2 Mann durch Selbstmord (Erechiessen).
Der Gesammtverlust durch Tod in der Armee im Monat August
beträgt demnach 8 Mann.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 39. Jahreswoche vom 20. September bis 26.8eptember 18%.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 41 (36*), Diphtherie. Croup
32 1 30), Erysipelas 10 (11), Intermittens. Neuralgia interm. 1(2;,
Kindbettfieber 1 (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 9 (4),
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 9 (7), Parotitis epidemica - (1),
Pneumonia crouposa 9 (5), Pyaemie, Septicaemie — (—), Rheuma¬
tismus art. ac. 12 (23), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 22(17),
Tussis convulsiva 24(31), Typhus abdominalis 3 (—), Varicellen 3 (11),
Variola, Variolois — (—). Summa 176 (180). Medicinalrath Dr. Aab,
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 39. Jahreewoche vom 20. Sept. bis 26. Sept. 18%.
Bevölkertragszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (—*), 8charlach 1 (—), Diphtherie
und Croup 2 (6), Rothlauf 2 (—), Kindbettfieber — (1), Blntver
giftung .Pyämie) — (—), Brechdurchfall 14 (8), Unterleibstyphus -
(—), Keuchhusten 3 (1), Croupöse Lungenentzündung 2 (—), Tub»
culo86 a) der Lungen 17 (12), b) der übrigen Organe 7 (7), Acuta
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 1 (1),
Unglücksfälle 1 (4), Selbstmord 1 (2), Tod durch fremde Hand — (—)-
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 173 (176), Verhältniswahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 22,1 (22,1), ^
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 11,1 (11,4),
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,1 (9,9).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern : Juli 1 ) und August 1896.
Regierungs¬
bezirke
bezw.
8tftdte über
30,000 Ein¬
wohner
Oberbayern 504
Niederbay. 111
Pfalz I 286
Oberpfalz 1 1 171
Oberfrank. I 133
Mittelfrank. 371
Unterfrank 181
Schwaben 183
Summe l|l'J46|
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97 112 4 13 12 «
84 48 8 8 12 13
167 182 1 12 14 16
37 68 6 12 6 1
161 92 9 7 6 2
246 i 183 115 107
186| 193 42 45
2 11 8 1 2
3 2 3 — -
62 37 28 11
10 1 - 2
1 - 166
- - 22
92 201 172 6 12
21 -I -I -1 -1 - 235 114| -I -! 3 -
Bevölkerungsziffern -. Oberbayern 1,186,930, Nlederbayeru 655,866, Pfalz 766,914, Oberpfalz 546,664, Oberfranken 686,688, Mittelfranken 736,943, Unterfranken 6Ä#.
Schwaben 687,962. — Augsburg 80,798, Bamberg 38 949, Fürth 46,592. Kaiserslautern 40,776, LudwigBhafen 39,801, München 407,174, Nürnberg 162,380, Regensourg -
Würzburg 68,714.
I) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 37) eingelaufener Nachträge.
2i Im Monat Juli einschliesslich der Nachträge 1363. 3) 27.-31. bezw. 32.-35. Jahreswoche. ,
Einsendungen fehlen aus den unmittelbaren Städten Augsburg und Kaiserslautern, den Bezirksämtern Bruck, Rosenhelm, Schongau, Dingolflng.
Kötztlng, Landau a/J., Straubing, Vllsbiburg, Vilshofen, Neunburg v/W’., Bamberg II, Teuschnitz, Ansbach, Gunzenhausen, Herebruck, Neustadt a/A., üeroiioo .
Lohr, Obernburg, Augsburg, Giinzburg, Kaufbeuren, Kempten, Oberdorf und Sonthofen. s .
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von <-blgen 8tädten) werden gemeldet aus folgenden Aemtern bezw. Orten: Brechdurchfall: Bez.-Amt München n,
Pirmasens 49 Fälle. — Morbilli: Im Amte Wegscheid noch epidemisch im nördlichen Theilo der Gemeinde Thalberg; im 8chulaprengel Wollaberg (w 011 ’*'
Anfangs August 70 Kinder erkrankt Epidemie in 6 Gemeinden (in einer neben Scharlach) des Amtes Kusel; leichte Epidemie ln zwei Gemeinden des AmW-F-
(Pirmasens). Ausgedehnte Epidemie in sämmtllchen Ortschaften des südlichen Amtsbezirkes Mindelheim, jedoch nur ein kleiner Theil ln ärztlicher Behandlung _
Scarlatina: Noch gehäufte Fälle iu der Stadt Rothenburg a/T., Hauscpidemie (6 Fälle in einer Familie) in Waldkirchen (Wolfstein). - Tussis con»ni»‘
Epidemie in Eitting (Erding), gehäufte Fälle in Kusel, sowie in Küssen; starke Verbreitung in einzelnen Orten des Amte« Rothenburg a/T., 42 ärztlich nenanu ^
Fälle im Stadt- und Landbezirk Schwelnfurt. — Typhus abdominalis: Aerztllcher Bezirk Freystadt (Neumarkt) 6, Bezirksämter Zweibrücken 6, Jn* 011
Eggenfelden, llof und Nördlingcn je 4 Fälle. . lu)
■V Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind durch die zuständigen Herrenk. Bezirksärzte au erhalten, welch«
Bedarfsfall« unter Angabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte an das K. Statistische Bureau wenden wollen. .„ c ht
Im Interesse der vorliegenden Statistik wird um rechtzeitige (womöglich bis längstens 20.) nnd regelmässige Einsendung dringendst er»“
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck der E. Mühlthaler’ sehen k. Hof-Buchdrnckerei in München.
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I)Ie Münchener Mcdlcln. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nmnmcni von miiKiestens'i 1 ;.,—SBotrcn
Preis vierteljährlich 6 Jf, praemimerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 J.
MÜNCHENER
Znsendungen sind zu »dremlren: Für die Redactlon
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwehretr 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Helneke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. i. Ranke, F. v. Winckel, H. i. Ziemssen,
Frei bürg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Wurzburg. München. Müueheu. München.
M 41. 13. Octoher 1896
Redacteur: llr. B. Spatz, Ottostrasse 1
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. TM.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ein Beitrag zur Frage der Verwendung der Röntgen’-
schen Strahlen in der Chirurgie.
Von M. Oberst in Halle a. S.
Seit einigen Monaten werden in dein meiner Leitung unter¬
stellenden Krankenliause eingehende Versuche mit den Röntgen
sehen Strahlen gemacht. Ich übergebe dieselben, soweit sie zu
einem gewissen Abschlüsse gediehen sind, hiermit der Oeffentlich-
keit in der Absicht, dazu beizutragen, dass das neue Verfahren
eine allgemeinere Anwendung in der Chirurgie linde, als dies
bisher der Fall zu sein scheint.
Ich werde mich in den folgenden Auseinandersetzungen kurz
fassen können und die technische Seite unserer Versuche nicht
berühren, da demnächst ein eingehender Bericht von einem meiner
Assistenten, Herrn Dr. Panse, der auch fast sämmtliche hier
wiedergegebene Photogramme in meinem Krankenhause angefertigt
hat, erscheinen wird.
Es ist zweifellos, dass das Hauptgebiet der Verwcrthung
Röntgen'scher Strahlen für die Chirurgie in der Auffindung und
Lagebestimmung von Fremdkörpern, in der genaueren Feststellung
von Knoehcnbrüchcn und Gelenkverletzungen, Knochen- und Ge¬
lenkdeformitäten u. s. w. gelegen ist. Jedoch auch für manche
Erkrankungen der Knochen und Gelenke hat uns das Röntgen'-
sche Verfahren nicht zu unterschätzende und diagnostisch ver-
wcrthbarc Resultate geliefert. Dieselben sollen, da unsere Ver¬
suche in dieser Richtung noch fortdauern, s. Z. von Panse
mitgetheilt werden. Wir bedürfen, um für die Deutung der be¬
sonders bei Erkrankungen tiefer gelegener Knochen immer noch
unklaren und verschwommenen Röntgen'schon Bilder bestimmte
und sichere Angaben machen zu können, durchaus nocli grösserer
Erfahrungen, als uns jetzt zu Gebote stehen.
Für die Knochenbrüehe, auf die allein ich mich in den
folgenden Zeilen beschränken werde, liegt der Werth des Röntgen’-
sehen Verfahrens auf der Hand. Wir sind mit demselben in der
Lage, in den allermeisten Fällen von Knochenbrüchen (ansgenommen
►Schädel-, Becken-, Schenkelhals- und Wirbelfracturcn) mit absoluter
Sicherheit und Genauigkeit und ohne jede schmerzhafte
Empfindung für die Verletzten festzustellen, ob in zweifel¬
haften Fällen ein Knoehenbrucli vorliegt, welche Richtung die
Bruchlinie besitzt, ob und welche Verschiebungen der Bruchstücke
eingetreten sind; auch eine etwaige Interposition von Wcichtheilen
würde sich unschwer nach weisen lassen. Durch diese Feststellungen,
die auf die einfachste und für den Verletzten sehonendste Weise
gewonnen wurde« sind, wird unser Vorgehen in einer Reihe von
Fällen bestimmt oder modifieirt werden können.
In den Abbildungen 1 —4, die einer genaueren Erklärung
nicht bedürfen, sind einige frische Knochenbrüehe wiedergegeben.
Fig. 1 zeigt einen frischen Schrägbruch der linken Kadiusdiapkyse
(von der Beugeseite aufgenommen) mit minimaler Verschiebung.
Die Ulna ist intact.
In Fig. 2 selien wir einen frischen rechtsseitigen Unter
Schenkelbruch. Die Tibia zeigt eine geringe Disloeatio ad axin,
No 41
an der in leicht schräger Richtung gebrochenen Fibula ist eine
deutliche Disloeatio ad latus vorhanden.
Fig. 3 stellt eine Knochenabsprengung an der Endphalanx
der linken grossen Zehe dar.
In Fig. 4 ist eine Fractur der Basis der Daumenend¬
phalanx wiedergegeben. Man sieht deutlich, dass das distale
Fragment in das proximale eingekeilt ist. Durch die manuelle
Untersuchung 'war diese Fractur nicht mit Sicherheit nachzuweisen.
Diese wenigen Abbildungen — es stünden uns eine viel
grössere Anzahl zur Verfügung — mögen es verständlich machen,
dass in meinem Krankenhau.se principicll kein dem Röntgen’-
schen Verfahren zugänglicher Knochenbruch zur Feststellung einer
genaueren Diagnose einer eingehenden Untersuchung unterworfen
wird. Während ich früher alle Verletzten mit Knochenbrüchen
zur Untersuchung ehloroformiren liess, wird jetzt die Narkose uur
noch in den Fällen eingcleitet, in denen schmerzhafte Manipulationen
zur Beseitigung einer Deformität nothwendig erscheinen. Es
wird hierdurch nicht nur manche Narkose mit ihren wenn
auch nur unbedeutenden Gefahren umgangen, es wird auch durch
Vermeidung von neuen Blutungen, die wohl mit jeder genaueren
Fracturuntersucliung, bei der abnorme Bewegungen nach verschie¬
denen Richtungen ausgeführt zu werden pflegen und bei denen
gewiss häufig vermeidbare Nebenverletzungen geschaffen werden,
verbunden sind, Beeinträchtigungen des normalen Verlaufes nach
Möglichkeit vermieden.
Für den Unterricht ergeben sich aus dem Röntgen’schen Ver¬
fahren bei Knoelienbrüchen sehr schätzenswerthe Vortheile. Das
durch möglichst schonende Untersuchung gewonnene Resultat wird
durch Demonstration des vor oder auch während der Unterrichts¬
stunde hergcstellten Photogramms resp. der photographischen Platte
bestätigt oder eorrigirt, und dadurch zweifellos das Interesse der
Lernenden in hohem Grade angeregt und erhalten.
Nach abgeschlossener Behandlung wird in meinem Kranken¬
hause von jedem Knochenbruche ein Röntgen'sehes Photogramm
gefertigt und das gewonnene Bild mit dem unmittelbar nach der
Aufnahme hergestellten verglichen.
Wir sind dabei zu bemerkenswerthen Schlüssen gekommen.
Zunächst hat sich herausgestellt, dass die sogenannten idealen
Heilungen der Knochenbrüehe doch viel seltener sind, als man
bisher geglaubt hat, dass bei fast allen Knochenbrüchen mit
schiefer Richtung der Bruchlinien die Heilung mit einer mehr
oder weniger bedeutenden Verschiebung der Bruchstücke erfolgt,
die sich der Kenntnis« durch einfach manuelle Untersuchung voll¬
kommen oder theil weise entziehen kann. Eine geringe Verschiebung
der Bruchstücke wird eben durch den Gallus, der häutig um so
massenhafter sich entwickelt, je bedeutender die Verschiebung ist,
verdeckt; an Knochen, die von dicken Weichtheilen bedeckt, der
Palpation nur wenig zugänglich sind, sind selbst stärkere Ver¬
schiebungen häufig nicht oder wenigstens nicht mit Sicherheit
nachzuweisen. So bleibt uns z. B. bei den bisher üblichen
Methoden der Untersuchung das Verhalten der Fibula bei mit
oder ohne Deformität geheilten Unterschenkelbrüchen in den beiden
oberen Dritteln sehr häufig völlig unbekannt. Dass aber zur richtigen
Beurtheilung der nach Knochenbrüchen zurückbleibenden Störungen
1
Digitized by
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13. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Digitized by
i*
Google
Fig. 12.
Fig. 15.
die möglichst genaue Kenntnis« der vorliegenden Verhältnisse von
der allergrössten Bedeutung ist, liegt auf der Hand. Wir werden
da, wo das Röntgen’sche Phutograium Verschiebungen der Frag¬
mente, wenn auch nur geringen Oradea festge.stcllt, die statischen
Verhältnisse also veränderte sind, den Klagen über lange Zeit an¬
dauernde funetionelle Störungen ihre Berechtigung nicht absprechen
können, trotzdem die manuelle Untersuchung Abweiehuungen von
der natürlichen Form des Gliedes, Störungen von Seiten der Muscu-
latur und der Gelenke etc. nicht nachweisen lässt. Auf der anderen
Seite 'werden wir in Fällen von wirklich (durch Röntgen’sche
Photogramme) erwiesener tadelloser Heilung mit Bestimmtheit an¬
nehmen können, dass die Fracturbeschwerden von vornherein gering¬
fügiger sind und in viel kürzerer Zeit ablaufen.
Wir sind mit Hilfe des Röntgen’schen Verfahrens im Stande,
unser Urtheil in der in Rede stehenden Richtung mit viel grösserer
Sicherheit abzugeben, als dies bisher der Fall gewesen ist.
Unsere bisherigen Erfahrungen stimmen mit dem Gesagten
vollkommen überein.
Wir haben in allen Fällen, in denen schon kurze Zeit nach
vollendeter Consolidation Beschwerden nicht mehr vorhanden waren,
die tadellose — ideale — Heilung durch das Röntgen sehe Photo¬
gramm feststellen können. Ueberall da, wo von sonst in ihren
976
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Angaben sicher zuverlässigen Kranken lange Zeit über mehr oder
weniger heftige Beschwerden geklagt wurde, ohne dass die manuelle
Untersuchung einen Anhaltspunkt für die Erklärung derselben fand,
hat das Röntgen’schc Verfahren Störungen nachgewiesen.
Zum Beweise, mit welch’ grosser Genauigkeit das Röntgen
sehe Photogramm die Knochenveränderungen nach Fracturen
erkennen lässt, mögen folgende Abbildungen dienen, welche theil-
weise Fälle wiedergeben, die uns erst im späteren Verlaufe resp.
nach vollendeter Consolidation zu gegangen sind.
Fig. 5 zeigt einen tadellos geheilten Bruch beider Vorder¬
armknochen bei einem 9jährigen Knaben.
Fig. 6 einen ohne Deformität mit geringer Callusbildung
geheilten Unterschenkelbruch. In beiden Fällen waren schon 4
resp. 7 Wochen nach der Verletzung fuuctionelle Störungen nicht
mehr vorhanden.
In dem in Fig. 7 dargestellten Falle von Schrägfractur des
linken Unterschenkels mit geringer seitlicher Verschiebung waren
schwere functionelle Beschwerden noch für viele Monate nach der
Consolidation zurückgeblieben.
Dasselbe gilt in noch höherem Grade für die Fälle Fig. 8 und 9.
In dem Falle Fig. 10 und 11 hatte es sich um einen com-
plioirten Bruch des linken Unterschenkels bei einem 52jährigen
Mann gehandelt. Der Verlauf war ein sehr protrahirter. Die
volle Consolidation war erst nach Ablauf von ca. 4 Monaten, —
nach dem Resultate der manuellen Untersuchung — unter mässiger
Verschiebung des distalen Fragments nach hinten und oben und
mit einer messbaren Verkürzung von etwas über 2 cm erfolgt,
die in Frage kommenden Gelenke waren so gut wie frei beweglich,
die Musculatur nur wenig atrophisch.
Trotz dieses verhältnissmässig nicht ungünstigen Resultates
(conf. Fig. 10) waren die subjectiven Beschwerden noch viele
Monate nach der Consolidation so hochgradig, dass wir geneigt
waren, die Angaben des Verletzten als in hohem Grade übertrieben
anzusehen. Das in Fig. 11 dargestellte Röntgen’schc Photogramin
liess uns erst die volle Berechtigung der Klagen anerkennen. Das¬
selbe zeigte, dass die Verschiebung der Bruchstücke doch bedeuten¬
der war, als wir nach einfach manueller Untersuchung angenommen
hatten, aus der Continuität der Fibula war ein ca. 6 */» cm langes
»Stück ausgebrochen und dasselbe um ca. 30° um die Axe ge¬
dreht. Es ist klar, dass der sichere Nachweis dieses Verhaltens
nur mit Hilfe des Röntgen'sehen Verfahrens möglich war.
Fig. 12 zeigt einen mit Dislocatio ad axin, ad latus et
longitudincm geheilten Unterschenkelbruch, Fig. 13 einen leicht
deformen typischen Radiusbruch mit Absprengung des Proc. styl,
uln., Fig. 14 eine nicht consolidirte Fractur der Endphalanx des
Mittelfingers bei einem jugendlichen Individuum, Fig. 15 einen
frischen rechtsseitigen Oberschenkelbruch mit schwerer Dislocation.
Die im Vorstehenden mitgetheiltcn Ergebnisse im Zusammen¬
hang mit den bereite von anderer Seite publicirten sind gewiss
bemerkenswerth genug, um den Ausspruch zu begründen, dass in
einem mit den modernen Hilfsmitteln der Wissenschaft ausgestatteten
Krankenhause auch die zur Herstellung Röntgen'scher Photogramme
nöthigen Apparate nicht fehlen dürfen. Mit den zu erwartenden
technischen Verbesserungen derselben werden auch die für die
Chirurgie verwerthbaren Resultate noch vollkommener werden.
Halle a. S. im August 1896.
Aus dem hygienischen Institut der Universität München.
Chemotaxis der Warmblüter- Leukocyten ausserhalb
des Körpers.
Von Dr. Otto V. Sicherer, Privatdocent und Assistenzarzt der
k. Universitäts-Augenklinik.
Bisher wurden die Versuche über die Chemotaxis der Leuko¬
cyten hauptsächlich am lebenden Thier mit subcutan eingeführten
Glascapillaren, welche mit verschieden stark anlockenden Substanzen
gefüllt waren, angestellt. Die Deutung dieser Versuche erlitt
jedoch, insbesondere durch Woronin (Moskau), in neuerer Zeit
eine Anfechtung, insofern derselbe behauptete, dass jeder chemische
Reiz nicht auf die Leukocyten, sondern auf die Gefässe wirke
und dort eine vasculäre, entzündliche Reaction mit Exsudatbildung
hervorrufe. Dabei trete dann eine gewisse Anzahl von Leukocyten
mechanisch aus den Gefässen in das umgebende Gewebe, 4
übrigen Leukocyten aber fingen an, nur unter dem Einfluss der
tactilen Empfindlichkeit sicli amoeboid fortzutawegen.
Bei der fundamentalen Bedeutung der Frage nach der
chemischen Reizbarkeit der Leukocyten war es geboten, diesen
Einwand experimentell in streng gütiger Weise zu widerlegen.
Man ist nämlich im Stande, jenen Einfluss auf die Blutgefässe
vollständig auszuschalten, indem mau die Leukocyten aus dem
Körper des Thieres herausnimmt und nun ausserhalb
desselben die anlockenden Stoffe auf sie einwirken lässt.
Die Versuche gestalteten sich in folgender Weise:
Durch Injection von Aleurouatemulsion in die Pleurahöhle
von Kaninchen — nach dem im hiesigen hygienischen Institut er¬
probten Verfahren — wurden sterile leukocyten reiche Pleura
exsudate gewonnen. 18—20 »Stunden nach der Injection wurden
diese Exsudate der Pleurahöhle entnommen und in weite Probe
röhren gefüllt, wo sie eine 2—3 cm hohe Schicht bildeten. Dann
wurden 8—9 platte, l—2 mm breite, 3—4 cm lange Glas
capillaren, welche mit verschiedenen Flüssigkeiten gefüllt und am
oberen Ende zugeschmolzcn waren, mit ihrem nach unten offenen
Ende ungefähr 1 cm unter das Niveau dieser leukocytenrcicken
Flüssigkeit hereingesenkt. Die Capillaren konnten sich gegenseitig
nicht berühren, sondern waren in paralleler Stellung mit gegen¬
seitigen Abständen von etwa 3 mm befestigt.
Die in dieser Weise adaptirte Röhre wurde dann 6 Stunden
in einer Tcmi>eratur von 37° belassen, worauf die Glascapillaren
herausgenommen und zunächst makroskopisch, dann mikroskopisch
und zwar sowohl direct, als auch durch Ausblasen des Inhaltes
auf Deekgläschen mit nachfolgender Färbung untersucht wurden.
Ausserdem aber wurde auch die Sterilität der in den Glascapil¬
laren enthaltenen Flüssigkeiten durch Controlaussaaten geprüft.
Von den zur Untersuchung gekommenen Substanzen wirkten
am stärksten ebemotactisch glycerinbaltiges Hefenextract, sowie
abgetödtete Bierhefezellen; bei diesen Flüssigkeiten bildeten sieb
nämlich ganze Pfropfen von Leukocyten in den Capillarröhrcben.
Stark wirkten ausserdem abgetödtete Culturen von Typhusbacillen,
Bacterienprotein des Pyocyaneus , Glutencasei'n, Alkalialbuiuiuat,
abgetödtete Cultur des Pyocyaneus, weniger stark wirkten dagegen
lebende Typhuscultur, reines Glycerin, zimmtsaures Natron (5 Proc.).
Bei Peptonlösung war eine sehr geringe Wirkung bemerkbar,
während bei mehreren Flüssigkeiten die Capillaren ganz oder
nahezu vollständig frei von Leukocyten blieben; nämlich bei
physiologischer Kochsalzlösung, Milchsäure (1 Proc.), Kupfereulfat
(l Proc.), »Sublimat (0,1 uud 0,01 Proc.), Weinsäure (1 Proc.),
Kochsalz (3 Proc.) und Humor a<jueus.
Durch diese Versuche ist die wichtige Thatsache der Chemo¬
taxis, d. h. der chemischen Reizempfindlichkeit der Leuko¬
cyten zweifellos sicher gestellt, indem die früher von verschiedenen
Autoren am lebenden Thier ausgeführteu Experimente bezw. die
daraus gezogenen »Schlüsse ihre Bestätigung erhalten. Für die
Lehre von der Entzündung, sowie überhaupt von den Abwehr¬
einrichtungen des thierischen Organismus ist diese Constatirung
von grösster Bedeutung. Da die Versuche ferner das Studium
von chemischen Reizwirkungen an isolirten Warmblüter-körper¬
zellen ausserhalb des lebenden Organismus vielleicht zum ersten
Male ermöglichen, dürfte ihnen aus diesem Grunde wohl auch ein
allgemeineres biologisches Interesse zuzuerkennen sein.
Aus dem pathologischen Institut der Universität Leipzig-
Ein Beitrag zur Kenntniss der syphilitischen Nephritis.
Von Dr. ined. Theodor Doederlein in Chicago.
Nieren aff ection bei Syphilis ist ein verhältnissmässig häutiges
Vorkommniss. Bei seeundärer Syphilis speciell sind nur eine geringe
Anzahl Fälle berichtet, vielleicht weniger wegeu seltenen Vorhanden¬
seins, als weil sie erstens nicht bemerkt werden, d. h. die Albu¬
minurie ohne weitere Symptome verläuft, zweitens die schwereren
und letalen Fälle als unabhängige Nephritiden angesehen werden.
Der Umstand, dass Nephritis bei seeundärer Syphilis meisten»
wirklich Nierensypliilis sei, war bisher immer noch eine offene
Frage, da nur wenige Fälle zur Section kamen und bei dienen
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13. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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eine genauere Untersuchung sich lediglich auf die Nieren be¬
schränkte. Man konnte also unmöglich mit Bestimmtheit eruiren,
ob oder wie weit der nephritisehe Proeess von der Syphilis ab¬
hängig war, da man keinen Anhaltspunkt zum Vergleichen hatte.
Im vorliegenden Falle bestand die Untersuchung in einer
genauen Vergleichung der Veränderungen in den Hauptorganen
des Körpers mit denen der Nieren. Mir scheint dadurch die
specifi8chc Art der Nephritis bei secundärer Syphilis in so ecla-
tanter Weise dargethan, dass diese Untersuchungsmethode, wenn
weiter verfolgt, vielleicht gute Erfolge erzielen wird.
Antonio M., Südamerikaner, 19 Jahre alt, Musikstudent, hereditär
nicht belastet, wurde im Frühjahr 1395 luetisch inficirt. Nach Ver¬
lauf der primären Symptome zeigte sich an den Beinen ein fleckiges,
braunrothes Exanthem, auf welches hin Patient einen Arzt consul-
tirte. Als Behandlung wurden in 12 Tagen 3 Einspritzungen, wahr¬
scheinlich Kalomel, in die Nates gemacht und täglich 3 Pillen zum
Einnehmen gegeben. Dies geschah im November. Etwa 6 Tage vor
seiner Aufnahme ins Hospital bekam Patient ausserordentlich starke
Nachtschweis8e, so dass sein Bett völlig nass wurde und 2 Tage
später auch abendlich sehr intensive Frostanfälle. Er fühlte si> h sehr
elend, verlor den Appetit vollständig und Halsschmerz mit An¬
schwellung der Drüsen stellte eich allmählich ein. Bei seiner Auf¬
nahme am 4. December war der Status folgender: Temperatur 38,5,
steigt am 5, bis 39,5. An Rumpf und Armen ein kleines, zackig be¬
grenztes, rothes, vereinzelt auch pustulöses und an den Unter¬
schenkeln ein braunrothes Exanthem; Psoriasis plantaris; allgemeine
Anschwellung der Lymphdrüsen; starke Röthung und Infiltration
der Mund- und Wangenschleimhaut, mit frischen Ulcerationen an
der Wangenschleimhaut und ein kleines Ulcus am weichen Gaumen.
13. December. Das kleinfleckige Exanthem ist am ganzen
Körper zu einer gleichmässigen Scharlachröthe zusammengeflossen,
mit bleichem Saum um den Mund Augen fast zugeschwollen Con¬
junctivae stark injicirt. Sklerose deutlich ikterisch.
15. December. Haut durchweg stark verdickt und grosse
Lamellen abschilfernd. In den Hautfalten Nässen.
26. December. Erythem verschwunden; Btarke Abschilferung
Im Harn Eiweiss.
2. Januar. Seit längerer Zeit Magenbeschwerden. Heute zum
ersten Male Erbrechen.
4. Januar. Patient hat seit gestern nur 35 ccm Urin gelassen.
Kein Eiweiss.
7. Januar. Seit dem 4. kein Harn mehr entleert.
9. Januar. 200 ccm Urin, hellgelb, klar; kein Eiweiss.
10. Januar. Kein Harn.
13 Januar. Durchfall, leichte Benommenheit, viel Schlaf.
15. Januar. Morgens festen Schlaf mit tiefer Athmung und
kleinem Puls. Nachmittags 100 ccm hellgelben, klaren Urins mit wenig
Eiweiss, spärlichen Hyalin- und granulirten Cylindern, vielen Leuko-
cyten, kein Epithel, keine rothen Blutkörperchen. Unter Zunahme
der Benommenheit Exitus 7 Uhr Abends.
Aus dem Sectionsprotokoll theile ich die wichtigsten Befunde mit.
Lunge sehr voluminöB. Oberfläche von graubrauner Farbe,
Consistenz vermehrt, elastisch, Schnittfläche von rothhrauner Farbe,
reichlicher Blutgehalt. Der Luftgehalt iBt im Allgemeinen stark ver¬
mindert. an einzelnen Stellen der Oberlappen fast völlig aufgehoben.
Milz 350 g schwer. Consistenz schlaff. Schnittfläche von grau¬
brauner Farbe. Die Follikel treten als fast erbsengrosse graue Flecke
hervor.
Leber 1900 g schwer, Consistenz derb, Capsel stellenweise ver¬
dickt. Oberfläche glatt, hie und da fein granulirt. Auf der Schnitt¬
fläche Structur abnorm deutlich. Sämmtliche Acini erscheinen als
kleine rothe Flecke von graugelber Zone umgeben.
Lymphdrüsen geschwollen, auf dem Durchschnitt zeigen sich
vorepringende weisse hirsekorngrosse Knötchen auf bräunlich ge¬
färbtem Grunde.
Nieren von enormer Grösse, 480 g, Capsel leicht abziehbar.
Nicht verdickt. Oberfläche glatt, von gelbgrauer Farbe mit deutlich
hervortretenden Venen. Consistenz sehr weich. Auf der Schnittfläche
ist die Rinde nur schwer von der Marksubstanz zu unterscheiden.
Rinde deutlich verbreitert und hervorquellend, von röthlichgrauer
Farbe. 8tructur der Marksubstanz leidlich erhalten, die der Rinde
ganz verwischt. Auf der Schnittfläche entleert sich reichliche
Flüssigkeit.
Behufs mikroskopischer Untersuchung wurden in Sublimat und
Müll er'scher Lösung eingelegt Lunge, Leber, Axillar- und Inguinal-
drüsen, Milz, Hoden, Nieren. In Flemming'scher Lösung Leber,
Niere und Herz. Ausserdem wurden Herz, Niere und Leber frisch
untersucht und schliesslich Lustgarten's Methode zur Färbung
der 8yphili8-Bacillen in Schnitten von Lunge, Leber, Milz, Niere und
Lymphdrüsen angewandt, mit, wie ich gleich erwähnen will, negativem
Resultat.
Mikroskopischer Befund.
Die Lungen bieten im Allgemeinen daB Bild der Stauungs¬
induration, an einzelnen Stellen der Oberlappen, die makroskopisch
durch mangelnden Luftgehalt auffielen, jedoch das Bild einer
chronischen, interstitiellen Pneumonie. Ehe Stauungserscheinungen
sind am stärksten ausgebildet in den TJnterlappen. Hier sind die
No. 41.
Cupillaren strotzend mit Blut gefüllt, so dass ihre Windungen in
die Alveolen hineinragen. Die Alveolareepta sind verdickt, das
Lumen der Alveolen verengert, stellenweise mit abgestossenen, ge¬
quollenen, pigmentirten Epithelzellen gefüllt. In den erwähnten
Stellen der Oberlappen findet sich eine enorme Verbreiterung der
Alveolareepta; dieselben bestehen aus einem theils kernarmen, theils
kernreicheren fibrillären Bindegewebe und reichlichen Capillaren;
stellenweise hat die Bindegewebswucherung in den Septis einen
reticulären Charakter, indem sich die feinen Bindegewebsfasern
netzförmig durchflechten; in den Knotenpunkten des Netzes sind
längliche Kerne aufgelagert. Die Alveolen sind in diesen Stellen
mit einem theils fibrinösen, theils zelligen Exsudat gefüllt; stellen¬
weise ist die Structur der Lunge durch die reticulären Bindegewebs¬
wucherungen der 8epta und intensiven zelligen Exsudation in den
Alveolen gänzlich verwischt.
Die Milz bietet das ausgesprochene Bild grosszelliger Hyper¬
plasie dar. Die Follikel sind vergrössert, zwischen ihnen liegt ein
Gewebe, welches aus einem abnorm deutlichen reticulären Binde¬
gewebe mit Einlagerung massenhafter grosszelliger Elemente besteht
In der Leber ist das interacinöse Bindegewebe verdickt.
Stellenweise finden sich runde Herde, welche aus zahlreichen
Kernen und einer spärlichen fibrillären Grundsubstanz bestehen;
vielleicht Anfänge von miliarer Gummabildnng. Wenig Verfettung.
In den Lymphdrüsen finden wir sehr ausgesprochene und
typische Veränderungen, welche ebenfalls hauptsächlich in starker
Wucherung der Bindegewebsbestandtheile bestehen. Die Trabekeln
sind sehr stark verdickt. Innerhalb der Follikel haben die Ver¬
änderungen zwei verschiedene Charaktere; stellenweise finden wir
das intrafolliculäre Reticulum deutlich sichtbar mit stark verdickten
Balken und auf diesen und innerhalb der Maschen, die sie bilden,
sind die grossen Endothelzellen von ihrer Basis losgelöst zu sehen,
während die gewöhnlichen Lymphelemente gänzlich fehlen; stellen¬
weise sind die Lymphocyten spärlich vorhanden und dennoch ist
das Reticulum abnorm deutlich sichtbar.
In den Nieren haben wir das Bild einer subacuten interstitiellen
Nephritis. In der Rinde ist das gesammte interstitielle Bindegewebe
sehr stark verbreitert; die Verbreiterung beruht zum Th eil auf Infil¬
tration mit Zellen, zum Theil auf Wucherung des Bindegewebes,
zum Theil auf Oedera. Vereinzelt sieht man rothe Blutkörperchen.
Im auffallenden Gegensatz Btehen die geringen Veränderungen an
den epithelialen Elementen. Die Harncanälchen sind stellenweise
stark comprimirt. jedoch ist das Epithel vollkommen gut erhalten
und, wie sich bei den Osmiumsäure-Präparaten zeigt, frei von Ver¬
fettung. Glomeruli etwas vergrössert und kernreicher als normal.
Die Marksubstanz enthält weniger Leukocyten darum ist die starke
Bindegewebswucherung um so deutlicher hier. Harncanälchen mit
gutem Epithel alle leicht erkennbar. Apices der Pyramiden enthalten
wiederum mehr Leukocyten, ausserdem dieselben Veränderungen.
Die Untersuchung des Herzens ergab nichts Abnormes, wess-
halb die starke Stauung der Lungen unerklärt bleibt.
Wir sehen also, dass die pathologischen Veränderungen der
Organe meist von rein interstitiellem Charakter sind. In den
Lungen und Lymphdrüsen Induration ; eine scheinbar schon gumuia-
hildondo Induration der Leber und in den Nieren die interstitielle
subacute Nephritis. Die Frage muss natürlich nun entstehen,
woher kommen alle diese Veränderungen und in welchem Zu¬
sammenhang zu einander stehen dieselben.
Wie in der Krankengeschichte erwähnt, hatte Patient vor
seiner Aufnahme ins Hospital sehr heftige Frostanfälle, mit
ausserordentlich starken Nachtschweissen, gefolgt von allgemeinem
Unwohlsein. Wir haben es hier zweifelsohne mit einer acuten
Exacerbation secundärer Syphilis zu thun, wo die genannten
Symptome ein ganz gewöhnliches Vorkomuiniss sind. Der Fall
ist allerdings couiplicirter geworden durch das plötzliche Dazwischen¬
treten des oben geschilderten Exanthems. Wir können dasselbe
von den Symptomen der Syphilis leicht ausscheiden, da cs nichts
anderes als ein Erythema mcrcuriale ist und nur auf eine exquisite
Idiosynkrasie des Patienten gegen Quecksilber deuten lässt. Zwar er¬
scheint es wunderbar, dass die Symptome von Quecksilbervergiftung
schon nach dreimaliger Injection aufgetreten sind, jedoch beob¬
achtete Lesser 1 ) ein solches Exanthem nach einer einmaligen In¬
jection von Kalomel, und Kaposi*) spricht von Erythemata mer
curialia mit Abschuppung, ganz ähnlich der Scarlatina, wie es auch
bei unserem Patienten der Fall war (vide Krankengeschichte). Dass
Mercurialismus schon einige Zeit bestanden batte, ist aus den
Ulcerationen im Munde zu ersehen , welche allerdings mit syphi¬
litischen Ulcerationen complicirt gewesen sein mögen. Wahrschein¬
lich war also das Exanthem durch die 3 Injeetionen im November
‘) Lesser, Lehrbuch für Haut- und Geschlechtskrankheiten,
pp. 158.
8 ) Kaposi, Lehrbuch für Hautkrankheiten.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
verursacht. Dass die Nephritis nun ebenfalls luercuriellen Ursprungs
sei, ist natürlich auszusehliessen, da die von Quecksilbervergiftung
abhängigen Nephritiden nur parenchymatöser Natur sind, in
unserem Falle aber gerade das Parenchym intact erhalten war.
Ferner könnte man das Exanthem als ursächliches Moment
der Nephritis betrachten wollen, jedoch kommen Nephritiden nur
bei Cutisaffectioncn von längerem Bestand vor, wie aus den
Statistiken zu ersehen ist. Bruhns 3 4 * * 7 8 9 ), Boca mp 4 ), Salvioli Ä ).
Es bleibt uns aus dem Complex von Krankheitserscheinungen
nur die Beziehung der Nephritis zur Syphilis übrig. Und dass
dieselbe bestand, war ja von vornehcrein klar, auch sind sich alle
namhaften Forscher einig, Syphilis als directes aetiologisches Moment
von den häufig vorkommenden Nephritiden anzusehen. Nur wenige,
unter ihnen Tamosoli'’), sprechen die Meinung aus, dass Syphilis
allein überhaupt keine Niercnaffeetion hervorrufen könne, dass
dieselbe allerdings prüdisponirtc, während Erkältung, Alkoholismus
etc. die eigentlichen causac causantos wären. Es mögen ja immer¬
hin gewöhnliche Nephritiden bei bestehender Syphilis auf treten,
jedoch könnten dieselben unmöglich von Hg so günstig beeinflusst
werden, dass die meisten Forscher, besonders Wiek ha in'), cs
geradezu zur Feststellung der Differentialdiagnose zwischen Nephri¬
tis a frigore und Nephritis a syphilide benutzen. Bezüglich der
Art der Nephritis hei sceundärer Syphilis herrschen jedoch die
verschiedensten Meinungen. Atkinson 8 ) behauptet, dass bet
Syphilis keine specifischen Nieren Veränderungen Vorkommen, ausser
der alten Sehrumpfniere. Andere, wie Ncgel 0 ), Bonkeieff 10 ),
meinen, dass die (Slomerulo-Nephritis am häufigsten gefunden
würde. Wagner 1 ’) der eine vortreffliche Arbeit über syphilitische
Nephritis geliefert hat, führt eine grosse Anzahl Fälle an, jedoch
sind nur verschwindend wenige zur Section gekommen. In diesen
jedoch war der Befund in den Nieren ganz identisch mit dem
unseres Falles.
Vergleichen wir nun die Befunde in den verschiedenen Or¬
ganen unseres Falles, so finden wir eine gleichmässige Induration
bedingt durch interstitielle Wucherung. Allgemein anerkannt ist
es, dass diese Induration der Leber eine charakteristisch syphi¬
litische Erkrankung ist; ebenso ist die Induration der Lymph-
drüsen ein ganz gewöhnlicher Befund hei Syphilis. Es ist daher
im höchsten Grade wahrscheinlich, dass auch die vollkommen
analogen, interstitiellen, entzündlichen Prooesse in Lunge und
Niere durch das syphilitische Gift bedingt sind. Wir müssen
uns erinnern, dass wir es mit einer acuten Exacerbation seeun-
därer Syphilis zu thun hatten. Die gleiehmässig verbreiteten,
diffusen, interstitiellen Wucherungen lassen darauf sei»Hessen, dass
ein den ganzen Körper durchseuchendes Toxin die Ursache dieser
Wucherungen sei und nicht eine Localisation von etwaigen Gift¬
keimen, wie in Tuberculose. Man kann darum doch mit ziem¬
licher Gewissheit annehmen, dass die Veränderungen in den Nieren,
wo dasselbe Reizmittel circulirte, von eben diesem Reizmittel ver¬
ursacht sind.
Endlich möchte ich auch noch auf die zwischen dem patho¬
logischen Befund und den klinischen Erscheinungen bestehende
Harmonie hinweisen. Trotz der schweren, letalen Nephritis, trotz
tagelanger Anurie, die offenbar durch Comprcssion der Harn-
canülchen durch das Oedem bedingt war, enthielt der Urin nur
spärlich Eiwciss und Oylinder, aber gar kein Epithel, was auf
den rein interstitiellen Charakter der Affection zurückzuführen ist.
3 ) Bruhns, Mehrere Fälle von acuter Nephritis bei Ekzem.
Berliner klin. Wochenschrift 1M95, 606
4 ) Be camp, Virchow, Hirsch, 1876, I., 262.
6 ) Salvioli, Contributo alla patologia dei reni. Archiv per
le scienz med. Vol. III.
°) Tamosoli, Sulla sifilide dei reni. Arch. ital. di clinic. med.
No. II.
7 ) Wiekham, Note sur l’albuminnrie survenant dans le cours
d'aeeidents secondaires d'origine syphilitique. L’union med. No 145.
8 ) Atkinson, May Jodide of Potassium excite Bright's dis¬
ease. Amer. journal of the med. Science. Juli.
9 ) Negel, De la Syph. renal. Paris 1882, 8, 190 pp.
10 ) Bonkeieff, Etüde sur Je Nephritis syph. precoces.
These, Paris.
*') Wagner, Deutsch. Archiv für klin. Med. Bd. 28, Heft I,
pp. 94.
No. 41.
Um nochmals Alles zusammenzufassen, möchte ich also be¬
haupten, dass die interstitielle Nephritis bei secundärer Syphilis
speeifiscli für dieses .Stadium der Syphilis ist, dass die so häufie
bei secundärer Syphilis vorkommenden Albuminurieen. die so
prompt auf Quecksilber rcagiren, wahrscheinlich meistens von dieser
Art der Nieren-Erkrankung bedingt sind.
Zum Schluss sei es mir gestattet, Herrn Geheimrath Profis»,:
Dr. Bi r ch-Hirsch fei d für die Anregung zu dieser Arbeit und
Herrn Assistenzarzt Dr. Graupner für die freundliche Unter
Stützung bei derselben meinen herzlichsten Dank aaszusprechen.
Serumtherapie und Statistik.
Von Prof. Dr. O. Rosenbach.
(Schluss.)
III.
Die aus mangelnder Kenntniss des Gesetzes der Wellen¬
bewegung resultirenden aetiologischen und therapeu¬
tischen Irrthümer.
Es ist vom philosophischen Standpunkte des
Forschers aus betrübend, vom Standpunkte des Bcnrthcilcrs
menschlicher Schwäche erklärlich, dass die geringe Weite
des Blickes oder ein besonderes Bedürfnis der schwachen Erden
kinder, sich mit der Erreichung praktischer Erfolge in der
Herrschaft über die Naturgesetze brüsten zu können, immer wieder
Veranlassung wird, die Ursache gewisser, sich in relativ kleinen
Perioden abspielcnder, Ereignisse einer menschlichen Ein¬
wirkung und nicht dem Walten natürlicher Vorgänge,
die zufällig (oder gesetzmässig) gerade mit der Richtung
unserer Bestrebungen zusammen fallen, zuzuschreiben. Mir
stehen gleichsam immer noch auf dem .Standpunkte der Natur¬
völker, deren Medicinmänner den Glauben erwecken, sie könnten
den die Sonne verfinsternden Mond oder einen sie verdunkelnden
bösen Geist mit ihren Trommeln und Beschwörungsformeln ver
treiben.
Dieser Hang, menschlichen Eingriffen das zuzuschrcibcn. wa>
die Natur längst vorbereitet bat, und Vorgänge, auf deren
Ablauf menschliche Einwirkungen nur einen kleinen Einfluß
ausüben, als ausschliessliches Resultat menschlicher
Leistung anzusehen, sobald der gewünschte Erfolg cintritt,
d. h. sobald sich die Dinge in der Richtung unserer Einwirkung
oder, richtiger, unserer Wünsche bewegen,— dieser Hang zur
Ueberschätzung menschlichen Einflusses zeigt sich bei guten und
schlechten Ausgängen gleich deutlich, indem man einzelne 1 er
sönlichkeiten, die gleichsam an den Wegscheiden zweier Richtungen
stellen und als erste in die neue — gute oder schlimme ■—
Richtung gedrängt werden, je nach dem schliesslichen Er¬
folge, als Helden feiert oder als Verräther brand¬
markt. Dies gilt für die Aerztc, die den Staat und die Ge¬
sellschaft und die, die nur das Individuum von seinen
Hebeln zu befreien suchen; man ist geneigt, den guten Verlauf
dem sicheren Blicke des Arztes, den schlechten seiner Unkenntnis»
der Dinge zuzuschreiben. So wie man ein Mittel für ein Fieber
mittel hält, weil cs, kurz vor dem Abfalle des Fiebers gereicht,
die einzige Ursache des Umschwunges zu sein scheint, so wie man
häufig eine Verschlimmerung auf Rechnung der eingeschlagcnen
Therapie, statt auf die natürlicher Ereignisse setzt, so denkt man
auch in epidemiologischen und .socialen Dingen. Man ist geneigt,
die Entstehung einer Epidemie auf einen Mangel anlor
sichtsmaassregel n gegenüber der Verschleppnng
von Keimen, don Schutz auf die Strenge der Ab-
spcrrungsmaassrcgeln zurückzuführen, obwohl doch die Er¬
fahrung jeden Tag zeigt, wie trügerisch dieser Schluss ist, da «
eben nicht überall brennt, wo Funken hinfallen, sondern nur dort.
w t o empfängliches Material vorhanden ist, und da die Erfahrung
beweist, dass natürlich in normalen Zeiten nur eine gering (
Minderzahl von Menschen in diesem Sinne zur Erkrankung
durch Ansteckung disponirt ist.
Cholerakeitnc sind doch, wenigstens in Indien, immer vor¬
handen; denn der Verkehr von Indien nach Europa ist an-
nähernd stets der gleiche und findet in derselben Form
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18. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
979
statt; die Pilgerversammlung en in Mocca haben annähernd
dieselbe Ausdehnung, die Pilger kommen aus denselben Gegenden
und trotzdem treten grosse Kpidemieen nur ze i tweilig auf. Bei
uns gibt es doch stets Scharlach-, Masern-, üiphtheriekrankc resp.
-keime — falls man die Krankheit auf eine solche Ursache zurück¬
führt —, aber Kpidemieen treten relativ selten auf, d. h.
diese Krankheiten zeigten stets deutliche Exacerbationen und Remis¬
sionen, ohne, wenigstens in grösseren Städten, je ganz zu erlöschen.
Woher rühren diese Verschiedenheiten ? Von der Wirksamkeit oder
Unwirksamkeit unserer Prophylaxe, von der Macht oder
Machtlosigkeit unserer Hygiene und Therapie? Werden
die angeblich segensreichen Desiufections- und Absperrmaass-
regelu etwa zu Zeiten zu lax gehandhabt, und bedarf ca erst
wieder der Erfahrung, des Schadens, um klug zu werdeu?
Es ist schwer, hier eine Einheit der Anschauungen herbeizuführen,
obwohl die Verhältnisse manchmal doch durchsichtig genug liegen,
um Ursache und Wirkung unparteiisch bcurtheilen zu können:
Jeder deutet nach seinem Standpunkte die Thatsachen; die Männer
der That und der greifbaren Ursachen glauben, es geschehe immer
noch nicht genug; die anderen behaupten, dass trotz der strengen
Durchführung der bekannten Maässuahuien die Dinge stets in gleicher
Weise verlaufen.
Namentlich kommen hier die Verhältnisse bei Typhus-
epidemieen in Betracht; denn gerade sie haben immer dazu
gedient, je nach dem gerade herrschenden Standpunkte, für jede
theoretische Anschauung Beweise zu liefern.
Betrachte!) wir den gewöhnlichen Verlauf der Dinge, wie er
sich oft genug unter unseren Augen abgespielt hat. Erst nach¬
dem eine grosse Zahl von Erkrankungen constatirt ist, nachdem
also die aetiologisehen Faetoren des Typhus einige Zeit lang
energisch eiugewirkt haben, kann man Maassregeln gegen die Epi¬
demie anwenden, d. h. erst die plötzliche Ausbreitung der Erkran¬
kungen legt die Gefahr der Epidemie nahe, erregt die Gemüther
und spornt zur Action an, die denn auch bald zu günstigen Re¬
sultaten führt. Mit anderen Worten: Weil man bald nach
Feststellung der Epidemie und nach Anordnung des Verschlusses
der Brunnen oder anderer Maassregeln einen Stillstand der Epidemie
oder gar eine Abnahme der Erkrankungen beobachten kann, glaubt
man wirklich den aetiologisehen Factor beseitigt zu haben;
denn wie könnte sonst die Abnahme der Zahl der Erkrankungen
erklärt werden? Man bedenkt nicht, dass man im günstigsten
Falle erst 4 Wochen nach Beginn der Einwirkung des specifisclien
.Mikroorganismus oder des Typhusgiftes — wenn man diesen Aus¬
druck brauchen will — oder nach Einwirkung irgend welcher
anderen unbekannten Faetoren das Auftreten einer grösseren An¬
zahl von Erkrankungen, die zur Bezeichnung Endemie oder Epi¬
demie von Typhus berechtigt, erwarten kann, da die Incubatio»
ca. 14 Tage bis drei Wochen dauert, und ein blitzschnelles An¬
schwellen, d. h. gleichzeitige Reaetion bei allen Befallenen,
sehr selten ist, weil erst die dis]>onirtcn und dann die weniger
disponirten Individuen betroffen werden und nicht in allen Fälleu
der Grad resp. die Art der Reaetion, kurz die Deutlichkeit
der Erscheinungen, gleich ist. Weil man ferner nicht berück¬
sichtigt, dass beim gewöhnlichen Gange von Endemieen in der Regel
nur ein immerhin kleiner Proceutsatz der Bevölkerung erkrankt,
und dass desshalb dort, wo bereits eine grosse Zahl von Menschen
dem schädlichen Einflüsse unterliegt, die Noxe häufig schon nicht
mehr existirt oder ihre Macht im Erlöschen sein muss, weil man
also vergisst, dass sie selbst ebenso wie ihre Produete Entwicklungs¬
stadien, d. h. eine Wellenbewegung mit Akme und Decrcmentum,
repräsentirt, so denkt man nicht daran, dass auch die natür¬
lichen Faetoren bereits längst in der Richtung unserer
Bestrebungen wirken können, wenn unser Handeln beginnt.
Natürlich kann die Entwicklung der Dinge nur allmählich
sein, d. h. auch nacli dem Erlöschen der eigentlichen Noxe werden
die Wellenbewegungen in dem Verhalten der betheiligten Be¬
völkerung erkennbar sein (ebenso wie die Wasserwellen nach dem
Versinken des Steins, der sie erregt hat); es wird immer noch
eine geraume Zeit, ca. 4—fi Wochen, bis zum Eintritte völliger
Ruhe erforderlich bleiben.
So lange also nicht den Grundsätzen wissenschaftlicher For¬
schung und Beweisführung bei Feststellung der Aetiologie des
Typhus — der objeettven inductiven Forschung — besser Rechnung
getragen wird, sind die Grundlagen für den gewöhnlichen Schluss,
dass fast immer das Trinkwasser die Ursache der Erkrankuug
an Typhus abdominalis sei, durchaus unsicher; ja dieselben
Methoden der Schlussfolgerungen können, je nach der Mode, mit
anscheinend derselben Sicherheit zur Feststellung jedes beliebigen
aetiologisehen Princips verwerthet werden, d. h. die in der j üngsten
Zeit übliche Methode der Beweisführung für die Aetiologie des
Typhus besitzt etwa dieselbe Beweiskraft, wie der Schluss, dass
ein bei voller Bauwblüthc gesprochener Zaubersprueh die 14 Tage
später (naturgemäss) eintretende Vernichtung der Blüthenpraclit
zur Folge hat. Was man auch immer bei plötzlicher Häufung
der Typhusfälle in der Akme der Endemie vornehmen mag, cs
wird sicher in 4—6, höchstens M Wochen, das Erlöschen herbei¬
führen ; denn jeder erfahrene Arzt weiss, dass die plötzliche
Steigerung der Zahl gewisser Krankheitsfälle, die man Epidemie
oder Endemie nennt, stets wohl höchstens G—8 Wochen anhält,
dass gewöhnlich nur etwa I — G Wocheu eine Zunahme, dann
nach kurzem Verweilen auf dem Gipfel immer eine Abnahme
erfolgt, wenn nicht ganz abnorme Verhältnisse, wie sie in Jahr¬
hunderten nur einmal stattfhiden, alle Erfahrungen über den
Haufen werfen.
Für die (dem Erfahrenen bereits gegen Ende der 70er
Jahre bemerkbare) Abnahme der Typhussterblichkeit
hat man in phantasievoller Uebersehätzung ärztlicher Leistungen
Anfangs den segensreichen Einfluss der hydropathischcn , später
den der medicamcntosen (antipyretischen) Therapie, geltend gemacht.
Als ausschlaggebender Umstand für die Abnahme der Morbidität
an Typhus galt die Verbesserung der hygienischen
Verhältnisse und vor Allem die Einführung der Wasser¬
leitungen, ganz gleich, ob das Wasser durch Filtration von
Flusswasser ,2 ) oder durch Zuleitung von Quellwasser gewonnen
wurde. Für den, der den Einfluss der Perioden resp. der Wellen¬
bewegungen der Kpidemieen betrachtete, aber war es von vorn¬
herein klar, dass für die Veränderung der Verhältnisse zum
Besseren gewisse Einflüsse schon wirksam waren, bevor die er¬
wähnten hygienischen Einrichtungen Einfluss gewinnen konnten.
Für Breslau hat z. B. Jaeobi 13 ) bezüglich des Typhus ab¬
dominalis festgestellt, dass die Sterblichkeit (allerdings unter ge¬
wissen Schwankungen) seit dem Jahre 1868 deutlich und nach dem
Jahre 1873 sogar wesentlich abgenommen hat, und ist zu dem
Schlüsse gekommen, dass sich aus den auf «len ersten Blick so ver
blüffenden Zahlen der Besserung der Mortalität und Morbidität vor¬
läufig weder der Einfluss einer besseren Therapie noch der der
mannigfachen hinsichtlich der Wasser-, Wohnungs- und Boden¬
hygiene gemachten Fortschritte erweisen lässt. Diesem Satze kann
man nach anderen Erfahrungen nur beistimmen, da sich dieselbe
Abnahme der Morbidität und Mortalität an allen Orten, in kleinen
Städten und auf dem Lande, zeigt, wo von einer wirklichen Ver¬
besserung der therapeutischen und hygienischen Verhältnisse nicht
die Rede sein kann. Ein Zusammenhang zwischen dem Erlöschen
oder dem Ausbruche von Epidemieen mit unseren bisherigen Maass¬
nahmen ist unseres Erachtens ebensowenig erwiesen, wie der, dass
der Sieg des deutschen Heeres dem specifisclien Drill und nicht
einer Reihe sehr wichtiger anderer Faetoren, auf deren Besitz «las
deutsche Volk wirklich stolz sein kann, zuzuschreiben ist; denn
hier spielen eben Imponderabilien, Einflüsse, die sich zurZeit
noch unserer Kenntnis» entziehen, eine überaus wichtige Rolle.
Somit glaube ich, dass gerade die hier vorgeführte kritische
Statistik der Sterblichkeit an Diphtherie eine allgemeine instruc-
tive Bedeutung hat, da sie den nahezu gesetzmässigen Ein¬
fluss äusserer, uns unbekannter, Einflüsse schon in der Richtung
wirksam zeigt, die von Menschenfreunden und Aerzten durch
,2 ) Im Gegensätze zu früher hält man das (angeblich nur unge¬
nügend zu filtrirende) Flusswasser, das doch mehr als ein Jahrzehnt hin¬
durch hygienischeVortheile gebracht haben soll, im Zeitalter deBKomma-
bacillus wieder für die Wurzel alles Uebels und proclamirt, dass
allein die Benützung von Grundwasser hygienischen Principien ent¬
spreche. Man sollte doch erst einmal den sicheren Beweis dafür
erbringen, dass die Cholera gerade auf dem Wasserwege reist,
oder dass die Infection hauptsächlich durch Wasser geschieht.
Der Umstand, dass Schiffer häufiger erkranken als andere Berufs¬
arten, kann — vorausgesetzt, dass er richtig ist — von einer ganzen
Reihe anderer Möglichkeiten abhängen, deren Ausschliessung nicht
so leicht ist, als es die Vertreter der Trinkwassertheorie annehmen.
1S ) J. Jacobi, Beiträge zur medicinischen Klimatologie und
Statistik, umfassend die wichtigsten Elemente einer hygienischen
Local-Statistik der Stadt Breslau (Habilitationsschrift). Breslau, 1879.
2 *
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MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHEN8CHRIFT.
980
hygienische und therapeutische Maassnahincn erst an gestrebt
wird. Auch auf dem Gebiete der Krankheiten findet eine be¬
ständige Wellenbewegung statt, da der Wechsel der äusseren und
inneren Lebensbedingungen, die Verschiedenheit der einzelnen
Generationen und selbst die Bedeutung ganz localer Einflüsse
grösser ist als der beschränkte Blick dessen, der bereits alle
Geheimnisse entschleiert zu haben vermeint, anzunehmen geneigt
ist. Nur die mangelnde Erkenntnis» von der Begrenztheit
unserer Schlussfolgerungen und die Neigung, allen Erfahrungen
zum Trotz dem imponirenden Eindrücke kühner Be¬
hauptungen nach zu geben, verschuldet es, dass wir dort,
wo es noch gilt, die Ursachen der Geschehnisse festzustellen,
bereits unsere Eingriffe als maassgebend betrachten,
anstatt sorgfältig den natürlichen Verlauf der Dinge zu
erforschen oder die Thatsachen der Erfahrung (nach genügen-
der Zeit) sprechen zu lassen.
Nichts ist begreiflicher, aber nichts falscher als der Wunsch,
dass unter allen Umständen etwas geschehen müsse;
dieser Satz hat nur Geltung für den l-'all, dass man unzweifel¬
haft Herr der Verhältnisse ist, weil man einen wirklichen
Einblick in den Zusammenhang besitzt. Nicht, wer dies von
sich behauptet, sondern wer es w i ss e n sc ha f 11 i c h beweisen
kann, ist berechtigt, einzugreifen ; aber Beweise für die Wirk¬
samkeit unserer Eingriffe können nicht, wie es gewöhnlich
geschieht, erbracht werden, indem man die nach s t liegen den
zeitlichen oder räumlichen Vorgänge als beweisend für den
Gang der Dinge nur desshalb ansieht, weil sie in den engen
Gesichtswinkel des Beobachters, d. h. in die Richtung des
Zieles seiner Bestrebungen fallen. Ein solches Vorgehen
ähnelt zu sehr dem der Mücke, die sich, als cs den Anstrengungen
der Pferde nicht zu gelingen schien, den belasteten Heuwagen
von der Stelle zu ziehen, erhob, um die Last zu erleichtern,
und, als sieh nun der Wagen in Bewegung setzte, über ihren
Einfluss triumphirte.
Die Statistik liefert zweifellos sichere Grundlagen für die
Feststellung gewisser Analogieen in den Erscheinungen, die
wir aber häufig nur mit Unrecht als Ausdruck der Gesetz¬
mässigkeit bezeichnen, da die Periode der Beurtheilung meist
zu kurz und das zu wirklich wissenschaftlichen Zwecken geeignete
Material nicht leicht zu beschaffen ist. Um dieses, für bindende
Schlüsse geeignete, solide Fundament, das wirkliche
Maass der Erscheinungen, zu erhalten, genügt es nicht,
wie man fälschlich glaubt, nur die einfache rechnerische
Operation richtig auszuführen , mit den, das Resultat der
einzelnen Beobachtungsreihen darstellenden, Ziffern wie mit
unbenannten Zahlen zu oi>eriren. Wer glaubt, schon bei
unparteiischer, nach richtigen Principien gestalteter, G r u p p i r u n g
und bei genügenden Mengen von Zahlen den übersichtlichen und
klaren Bau eines einfachen llechenexempcls vor sich zu haben,
mit dem nun die einfachen technischen Manipulationen von Jeder¬
mann vorgenommen werden können, der befindet sieh in grossem
Irrthum. So wichtig es ist, die Ziffern richtig zu gruppiren und
die verschiedenen Gesichtspunkte für ihre Beurtheilung aufzu¬
stellen , gewissermaassen die taetischen und strategischen Anfor¬
derungen zu berücksichtigen , so sind doch alle Bemühungen ver¬
geblich , wenn das Material nicht sicher, wenn jeder Summand
resp. Factor der Rechnung, gleichsam der einzelne tactische
Verband, nicht einen festen Werth hat, und die Einheiten, aus
denen sich die grössere Ziffer aufbaut, uiclit wohl definirte Grössen
sind. Diese sicheren Einheiten zu gewinnen, ist eine der
wesentlichsten Schwierigkeiten für den statistischen Strategen.
Der strategische Aufmarsch (die statistische Gruppirung nach den ein¬
zelnen Gesichtspunkten) ist, namentlich auf dem Papier, schnell voll¬
zogen ; aber der Ausbau der einzelnen Factorcn, die Bildung und Prü.
fung des Materials, erfordert lange Zeit und Mühe ; ja die Gewinnung
des Materials scheint unmöglich, so lange die Bearbeiter des
Rohmaterials, die Sammler der Einheiten, nicht das
Bewusstsein von der Bedeutung ihres Amtes und von der Be¬
deutung der objectiven Kritik für Feststellung der einfachen
Werthe haben.
Leider gleichen desshalb viele Statistiker genialen Generälen,
die ein miserables Heer zur Schlacht führen; es liegt nicht an
Nmi.
ihnen, wenn die geniale Combination missglückt; es liegt am
Material, das keine Sicherheit bietet, weil die Einheiten — d«
einzelne Mann der Zahlenarmee wie der der wirklichen — nnd die
grösseren Ziffern (die höheren Verbände) keinesoliden Werthesind.
Der Aufbau eines wissenschaftlichen Beweises
mit statistischem Material erfordert Zeit und Geduld, wie der
jedes soliden Bauwerks, während der bloss ephemere decorative
Aufputz schnell geschaffen ist. Die luftigen Gebilde optimistischer
Statistiker sind schnell vernichtet; sie blenden den oberflächlichen
Beobachter, verrathen aber schon wegen der Schnelligkeit
ihrer Herstellung die Unsolidität der Grundlage.
Wer die Bedeutung einer therapeutischen Methode, also den
Einfluss unserer Eingriffe in den Gang der Krankheiten, an dw
Hand des in kurzer Zeit gesammelten Materials erhärten will
der darf, wie glänzend und wirkungsvoll auch das schnell geschaffene
Werk erscheinen mag, über die Dauer seiner Constructiouec
nicht wohl im Zweifel sein. Jedenfalls muss er schoD durch die
Form und Schnelligkeit seiner Beweisführung den
Verdacht erwecken, dass es ihm weniger um wissenschaftliche
Schlüsse, die eben in epidemiologischen Dingen erst durch den
Factor Zeit sanetionirt werden, als um imponirende Be¬
hauptungen zu thun ist. Für die statistische Erhärtung de:
Sätze der Actiologic und Therapie gilt mehr als anderswo der
Satz: Nonum prematur in annum.
Man kann mit gutem Rechte behaupten, dass eine neue
Methode in der Therapie um so wirkungsvoller erscheinen wird,
je weiter die Ereignisse, die eine Umkehr der bisherigen
Krankheitsrichtung ankündigen, ihre Schatten bereits
vorausgeworfen haben. Skeptiker oder Anhänger der prü
stubilirten Harmonie könnten diesen Satz für ärztliche Gesichts¬
punkte auch dahin foruiuliren, dass ein Heilmittel gegenüber
den früheren um so drastischer wirken wird, je mehr seine
Anwendung in eine Periode wesentlicher Abnahme der
eine Krankheit gefährlich gestaltenden Factoren
fällt. Dieser Vorzug ist dem Heilserum in reichem Maasse iu
T heil geworden, und selbst da bleibt seine Leistung nicht nur hinter
.den anfänglichen Versprechungen, die wir sofort als utopische
eharakterisirt haben, sondern selbst hinter den bereits früher
erreichten günstigen Resultaten weit zurück.
Feuilleton.
Zur 50 jährigen Gedächtnisfeier der Entdeckung der
Aethernarkose.')
Von Med.-Rath l)r. C. 0. Rothe, Altenburg.
Meine Herren! Das Jahr 1896 hat uns zwei Jubeltage gebracht,
einen 100 jährigen und einen 50 jährigen. Jenen zur Erinnerung
an Jenner’s muthige That, welche Europa von der seit Jahr
hunderten herrschenden Blatternpest erlöste, diesen zum Gedäcbt
niss des nicht minder kühnen Wagnisses Morton’s, durchweiche
die chirurgischen Eingriffe ihrer Schrecken und bangen Sorgen für
die Leidenden wie für den Arzt entkleidet wurden; beide von gleich
hoher Bedeutung für die Heilkunde und für die Menschheit.
Jenner’s Verdienste sind bereits in zahlreichen äntlicuen
Versammlungen und Journalartikeln gefeiert worden. Widmen w
heute einige Worte dankbarer Erinnerung dem Entdecker der künst
liehen Anaesthesie.
Ich nannte Morton als den Namen dessen, dem wir sie ver
danken, aber vielumstritten ist bis auf den heutigen Tag sein An
Spruch auf den Ruhm der Entdeckung und ihrer praktischen 'er
werthung, was uns umso wunderbarer erscheinen muss, als
über 2 Menschenalter verflossen sind, seitdem die Vorgänge, n®
die es sich handelt, am hellen Tage unter den Augen hochgebildet«,
dem Gegenstände das lebhafteste Interesse entgegenbringender
Männer der Wissenschaft sich abspielten. , .
Drei Prätendenten erstanden unmittelbar nach dem
werden des wunderbaren Vorganges im Massachusetts H° ? P'
zu Boston im erbitterten Kampfe um die Ruhmespalme der Urhe
schaft desselben; der Zahnarzt Morton, der Dr. med. Jackeo
und der Zahnarzt Wells. .
Ueber den relativen Werth der von diesen Dreien
Ansprüche werden wir am sichersten zu einem Urtbeile
indem wir dem Entwicklungsgänge der Thatsachen, wie er
den neuesten Forschungen, insbesondere des erst vor wenige 11
*) Vortrag vor der Jahresversammlung des Vereins der Ost«
ländischen Aerzte zu Altenburg, 30. Juni 1896.
Digitized by kjOOQie
13. October'jl896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
981
naten verstorbenen Dr. Richard Ho dg es , früher Chirurg am
Massachusetts General-Hospital 1 ) sich darstellt, folgen.
William Thomas Green Morton, geh. in Charlton, Mass. am
9. August 1819, lernte zunächst als Kaufmann in Boston, bildete
sich von seinem 18. Jahre an am Dental-College in Baltimore als
Zahnarzt aus und liess sich als solcher 1841 in Farmington, einem
Landstädtchen in Connecticut nahe der Hauptstadt dieses Staates,
Hartford, nieder. Hier wurde er mit Horace Wells, einem nur
wenige Jahre älteren (geb. 1815), Behr strebsamem Zahnarzte in
Hartford, bekannt, mit welchem er zu gemeinschaftlichem Betriebe
des Geschäftes 1843 nach Boston übersiedelte. Der Erfolg scheint
kein glänzender gewesen zu sein, denn noch in demselben Jahre
kehrte Wells nach Hartford zurück, während Morton 1844 sich
im Harward-College zu Cambridge als Student der Medicin imma-
triculiren liess und nach amerikanischem Brauch sich als Famulus
bei dem Bostoner Arzte, Dr. Charles T. Jackson in die Lehre
begab, mit welchem er, als zur Familie gehörig, näher befreundet
wurde. Als er aber bald nachher sich verheirathete, zwang ihn
die Sorge für den eigenen Hausstand, das Studium der Medicin
aufzugeben und zur Ausübung der Zabnheilkunde zurückzukebren.
Dabei versprach er sich viel von einer von ihm erfundenen neuen
Löthmasse zum Befestigen künstlicher Zähne auf goldenen Platten
zu Gebissen, wenn nicht die Furcht vor den mit der dabei un¬
umgänglich nöthigen Entfernung aller Zahnwurzeln verbundenen
Schmerzen die Klientel verscheuchte. Sein Trachten ging nun dahin,
ein sicheres Mittel zur schmerzlosen Zahnextraction zu finden und
er erinnerte sich dabei der aus einer Chloräthermischung bestehenden
«Zahnschmerzentropfen» Dr. Jackson's, die er in seiner Lehrzeit
bei diesem als örtliches Mittel bei cariösen Zähnen kennen gelernt
hatte. Um diese Zeit trieb einer der in Amerika blühenden Wander-
Vorleser (Lecturer), Namens Colton, in Hartford, dem Wohnsitze
Wells, sein Wesen, indem er zum Amüsement des Publicums experi¬
mentelle Vorträge über die erheiternde Wirkung des sogen. Lach¬
gases hielt. In einem derselben geschah es, dass ein vom Gas
berauschter Chemiker, Cooley mit Namen, durch Hinfallen sich
eine Wunde am Knie schlug, ohne den geringsten Schmerz zu
spüren. Wells, der ebenfalls zugegen war, fasste den Vorfall
sofort von der praktischen Seite auf und erbot sich, von einem
gleichfalls anwesenden Collegen, Riggs, sich unter dem Einflüsse
des Gases einen cariösen Backzahn ausziehen zu lassen. Riggs
entsprach der Aufforderung und Wells hatte, wie er sagte, nur
etwas wie einen Nadelstich empfunden.
Wells und Cooley, als echte Jankees, verloren keine Zeit,
ein Compagniegeschäft zur schmerzlosen Zahnextraction zu gründen
und zogen im Januar 1845 nach Boston, um zu diesem Zwecke
öffentliche Demonstrationen zu veranstalten, wobei Morton ihnen
assistirte. Das Unternehmen endete wegen mehrfachen Misslingens
der Narkose mit vollständigem Fiasco unter Lärmen und Zischen
des Publicums, und Wells, völlig entmuthigt, zog unter Aufgeben
weiterer Versuche nach Hartford zurück.
Nicht so Morton. Die Halberfolge der Schmerzstillung durch
das Lustgas riefen ihm seine Aethertropfen in Erinnerung und als
ihm zufällig eine Abhandlung Faraday's vom Jahre 1818 zu
Händen kam, in welcher dieser die grosse Aehnlichkeit der be¬
täubenden Wirkung der zufällig eingeathmeten Dämpfe des kürzlich
zuerst dargestellten Schwefeläthers mit der des Stickstoffoxyduls
schildert, wurde er den Gedanken nicht mehr los, dass jener sich
für dieses zur Erreichung seines Zieles, der sicheren, schmerzlosen
Zahnextraction als Inhalationsmittel, da er sich ja auch wie
ein Gas verhalte, substituiren lassen müsse.
Um dies festzustellen, machte er zahlreiche Versuche an
Fischen, Hühnern, Hunden und, zunächst allerdings durch Zufall,
an sich selbst. Beim Versuche, einen Hund zu narkotisiren, warf
dieser die gefüllte Aetherflasche um, den Rest goss Morton auf
ein Tuch und roch daran. Zu ihrem Schrecken fand ihn kurz darauf
seine Mutter bewusstlos am Boden liegend in tiefem Schnarchen.
Morton aber wusste nun, woran er war und experimentirte uner¬
schrocken weiter. Es fiel ihm auf, dass die Thierversuche oft in¬
sofern misslangen, als der anfänglichen Erregung kein Schlaf folgte,
und er beschloss, seinen Lehrer Jackson, der als Autorität in der
Chemie galt, darüber zu befragen. Um sein Geheimniss nicht zu
verrathen, brauchte er eine List und bat um einen luftdichten
Schlauch, um einer sehr nervösen Dame, die vor dem Zahnausziehen
grosse Angst habe, zu angeblicher Schmerzstillung atmosphärische
Luft einzublasen. Jackson erwiderte, er möge doch Schwefeläther
dazu versuchen, wie ihn häufig Studenten in den Laboratorien zu
ihrer Belustigung einathmeten, diesen die Dame von einem Tuche
inhaliren lassen, dann könne er mit ihr machen, was er wolle. Da¬
bei holte er ein Fläschchen Aether hervor, mit dem Hinzufügen,
dies sei alt und unbrauchbar, und M. müsse sich nicht den käuflichen,
mit Alkohol vermischten, sondern «rectificirten» aus dem renom-
mirten Laboratorium von Burton verschaffen. Morton that als
kenne er die Substanz gar nicht und entfernte sich, um den Rath
zu befolgen.
Die Kenntniss dieser kleinen Vorgänge diene zur Beurtheilung
der späteren Streitfrage. Morton hat sich bei dieser Begegnung
mit Jackson, in der Meinung recht vorsichtig zu handeln, offenbar
*) «A narrative of events connected with the introduction of
sulphuric ether into surgical use». Boston, 1891.
No. 41.
eine für ihn selbst verhängnisvolle Blösse gegeben, welche in dem
alsbald entbrennenden Kampfe von seinem Hauptrivalen mit Erfolg
benutzt wurde, wie wir bald sehen werden.
Nach der Unterredung mit Jackson verschaffte sich Morton
sofort den rectificirten Aether, legte sich, in seinem Lehnstuhl
sitzend, die Uhr in der Hand, das mit Aether getränkte Taschen¬
tuch über Mund und Nase und schlief nach wenigen Minuten ein.
Als er erwachte, waren 8 Minuten verflossen und, überzeugt, dass
in dieser Zeit ihm ein Zahn schmerzlos und ohne Gefahr hätte aus¬
gezogen werden können, beschloss er bei nächster Gelegenheit an
Patienten den Versuch zu wiederholen. Der Zufall führte ihm noch
an demselben Abend, den 30. September 1846, einen solchen zu in
der Person eines kräftigen Musikers, Frost, welcher einen schmer¬
zenden Zahn los sein wollte und dazu < mesmerisirt»zu werden wünschte.
Morton sagte ihm, er habe etwas Besseres, was er mit seiner Ein¬
willigung anwenden wolle. Frost inhalirte willig aus dem vorge¬
haltenen Taschentuch und nach kaum fünf Minuten war der Zahn
heraus, ohne dass der Patient, wie er behauptete, es wusste. Es
wurde sofort ein Protqpoll anfgenommen und von Frost, Morton
und dessen Assistenten, Dr. Hayden, unterzeichnet. Am nächsten
Morgen erschien im «Boston Daily Journal» (1. October) eine kurze
Notiz des Inhalts: «Gestern Abend wurde einem Manne ein Zahn
ohne jede Schmerzempfindung ausgezogen. Er wurde in eine Art
Schlaf versetzt durch Inhaliren eines Präparates, dessen Wirkung etwa
eine Minute anhielt, gerade lange genug, den Zahn auszuziehen.»
Der Erfolg ermuthigte Morton zu weiterem Vorgehen. Nicht
bloss schmerzlose Zahnextraction, sondern schmerzlose Ausführung
aller, auch grösserer chirurgischer Operationen sollte seine Ent¬
deckung ermöglichen. Ehe er aber damit an die Oeffentlicbkeit
treten durfte, war nach Jacksons Rath, mit dem er die Frage
erörterte, die Probe durch eine grössere Operation unter den Augen
des ärztlichen Publikums im Allgemeinen Krankenhause (Massach.
General-Hospital) unerlässlich. Dr. J. Warren, erster Chirurg am
Spital, versprach seine Mitwirkung, ohne das von Morton noch
geheim gehaltene Präparat zu kennen und wenige Tage darauf
erhielt Morton von Dr. Hayward, dem zweiten Chirurgen der
Anstalt in Warren's Auftrag die Aufforderung, am nächsten Freitag,
16. October, um 10 Uhr zu erscheinen, um einem Patienten,
behufs Vornahme einer Operation, das von ihm zur
Unempfindlichmachung gegen Schmerz erfundene
Mittel zu verabreichen (to administer).
Morton eilte nun, sich einen von ihm selbst ersonnenen In¬
halator anfertigen zu lassen, eine Glaskugel zur Aufnahme des mit
Aether gesättigt zu haltenden Schwammes, auf zwei entgegen¬
gesetzten Seiten in eine cylinderfürmige Verlängerung auslaufend,
deren eine durch einen mit seitlichen Furchen versehenen Kork zu
schliessen, die andere mit einem Schlauch zum Inhaliren und inner¬
halb desselben am Glascylinder mit einer ventilartigen, beim In-
spiriren und Expiriren die Kugel öffnenden und schliessenden
Membran versehen.
Am 16. October, zur bestimmten Stunde, wartete Morton
noch ungeduldig in der Werkstatt des Instrumentenmachers Cham¬
ber lain auf die Vollendung seines Apparates, während Warren
im Spital sich schon zur Operation anscbickte. Es handelte sich
um die Exstirpation einer «vasculären Geschwulst am Halse unter
der rechten Mandibula» bei einem 20jährigen phthisisch belasteten
Buchdrucker, Namens Gilbert Abbott. Warren, das Messer in
der Hand, sagte zu den zahlreich im Amphitheater Versammelten,
unter ironischem Gelächter derselben: «Da Mr. Morton nicht
gekommen ist, vermuthe ich, dass er anderweit beschäftigt istl»
Da tauchte plötzlich Morton auf mit seinem Apparat und dem
Musiker Frost als Zeugen seines ersten Erfolges. «Haben Sie
Furcht?» fragte er den Kranken, und begann auf dessen Ver¬
sicherung des Gegentheils seine Manipulationen. Den Aether hatte
er zur Verdeckung des Geruches mit wohlriechender Essenz ver¬
setzt. Das Auditorium schaute neugierig und mit schlecht verhehltem
Misstrauen clrein, besonders als der Kranke verworrenes Zeug
schwatzte und sich umherwarf. Als er aber ruhig zu schlafen
begann, trat tiefe Stille ein und Morton bedeutete Warren, dass
Alles bereit sei. Aller Augen waren jetzt auf die Scene gerichtet,
die nun auf dem Operationstische sich abspielte und folgten mit
Spannung und wachsendem Erstaunen jedem Zuge des Messers.
«In der That, meine Herren», rief Warren, das Messer noch in
der Rechten, mit erhobener Stimme der noch in Schweigen ver¬
sunkenen Corona zu, «in der That, dies ist kein Humbug!» und ejn
Donner des Beifalls erschütterte die Halle, die ein solches Schau¬
spiel noch nie gesehen. Draussen aber wandte sich einer der Zeugen,
der später berühmte Chirurg Bigelow, zu einem Anderen mit den
Worten: «Heute habe ich Etwas gesehen, was die Runde um die
Welt machen wirdl»
Gegen das Ende der Operation, welche 5 Minuten gedauert
hatte, bewegte sich der Kranke und stiess Töne aus, die als
Schmerzensäusserung gelten konnten, er erklärte aber, nur etwas,
wie das Schaben eines stumpfen Messers empfunden zu haben.
Da die kurze und ziemlich oberflächliche Operation nicht als
entscheidende Probe gelten konnte, wurde Morton zu weiteren
Versuchen eingeladen.
Am folgenden Tage wurde von Hayward einer Frau eine
umfangreiche FettgeBch wulst der rechten 8chulter in vollständiger
Narkose exstirpirt und am selben Tage von D i x eine oberflächliche
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41
Operation im Gesiebt vorgenommen, welche 30 Minuten dauerte
und beinahe einen tödtlichen Ausgang genommen hatte, wenn nicht
Bigelow, der mit grossem Eifer die Sache verfolgte, eingegriffen
und erkannt hätte, dass der Puls als Barometer für die Gefahr¬
losigkeit gelten müsse.
Die entscheidende grössere Operation sollte nun am 7. No¬
vember stattfinden; Oberschenkelamputation wegen Kniegelenk-
caries an der 20 jährigen heetischen Alice Mohan. Hayward, der
jetzt den Dienst hatte, verweigerte jetzt die Zustimmung nach Be¬
schluss der Hospitalärzte, wenn nicht die Bestandtheile der Mischung
schriftlich bekannt gegeben würden, um über ihre Gefahrlosigkeit
urtheilen zu könneu. Morton verstand sich dazu unter der Be¬
dingung vorläufiger Geheimhaltung wegen der erfolgten Anmeldung
des Patentgesucbes und sandte der Weisung gemäss das Schrift¬
stück an Warren. Trotzdem wurde Morton bedeutet, dass er
sich nicht weiter bemühen möge, da beschlossen sei, aus Gründen
der ärztlichen Etikette (Patentgesuch und theilweise Geheimhaltung)
von weiterer Anwendung der Anaesthesirung abzusehen. Die Ausführ¬
ung dieses Beschlusses zu vereiteln, trat nun Bigelow ein. Er
nahm am bestimmten Tage (7. Nov.) Morton mit in's Spital, verbarg
ihn in einem Hinterzimmer und verhandelte nochmals mit den
Bchon im Amphitheater versammelten Aerzten. Nicht eine Frage
der Etikette sei zu entscheiden, sondern der Humanität. Zudem
sei in dem Schriftstück an Warren die Natur des Mittels, Schwefel¬
äther, officiell beurkundet. Dies schlug durch. Warren zog einen
Brief aus der Tasche, dessen Inhalt er seinen Collegen theilweise
vorlas und das Collegium gab, da Morton alle Bedingungen erfüllt
habe, seine Einwilligung. Der Brief ist später nie wiedergefunden
worden. Rasch wurde Morton von Bigelow aus seinem Versteck
zur 8telle gebracht, da die Patientin bereits 100 Tropfen Laudanum
erhalten hatte. Das Amphitheater war überfüllt von Studenten,
Aerzten, Geistlichen, Juristen und anderen Neugierigen. Hayward
wandte sich an die Corona mit der Erklärung, dass mit Zustimmung
seiner Collegen er gestatte, die von ihm zu operirende Patientin
einen Dampf einathmen zu lassen, welcher angeblich die Macht
habe, den Schmerz zu vernichten 8 ).
Um schnell zu operiren, wählte Hayward den Lappenschnitt.
Das Messer durchbohrte den Schenkel und trennte den oberen
Lappen; die Patientin gab kein Zeichen von Bewusstsein, sondern
lag wie in tiefem Schlafe. Der zweite Lappen wurde getrennt, der
Knochen durchsägt und 5 Arterien unterbunden. Beim Unterbinden
der sechsten und letzten stöhnte die Kranke — das erste Zeichen von
Empfindung. Nach ihrem alsbaldigen Erwachen wusste sie nichts
von der Operation und wollte nicht glauben, dass ihr das Bein ab¬
genommen sei 8 ).
Ein 8turm des Applauses, noch gewaltiger als der am 16. Oc-
tober, verkündete der Umgebung und der ganzen Welt, dass eine
grosse Entdeckung sich vollzogen habe.
Die Zahl der Operationen in Narkose innerhalb und ausBer-
halb des Hospitals mehrte sich nun von Tag zu Tag und vom Be¬
ginn des Jahres 1847 an wurde in Boston der Gebrauch des Aethers
bei Operationen allgemein, vom April an sogar schon in der Ge¬
burtshilfe; doch fehlte es auch bereits nicht an missgünstigen Ur¬
theilen und directen Anfeindungen, namentlich Seitens der das Patent
fürchtenden Zahnärzte und der medicinischen Presse ausserhalb der
Neuengland-Staaten. So schrieb ein New-Yorker Journal im Januar
1847: «Das neueste Wunder hat bereits sein natürliches Ende ge¬
funden und ist in den grossen Abgrund versunken, der schon so
manche seiner Vorgänger verschlungen hat». Und der «Medical
Examiner» in Philadelphia: «Wir würden den Schwindel nicht der
Erwähnung werth halten, wenn nicht das Bostoner «Medical Journal»
berichtete, dass hervorragende Repräsentanten des ärztlichen Standes
sich haben in seinen Netzen fangen lassen 4 ).
Am meisten aber schadete Morton, damals erst 27 Jahre
alt, sich selbst durch seinen geschäftlichen Uebereifer, welcher ihn
zum 8chrecken aller Derer machte, die sich um der Sache selbst
willen für seine Entdeckung interessirten.
Schon im November begannen die Streitigkeiten um das Patent,
an welchem nach des betreffenden Anwalts Vorschlag Jackson
mit 10 Proc. des Gewinnes betheiligt sein sollte. Es würde eine
undankbare Aufgabe sein, alle Widerwärtigkeiten, die in diesem
Kampfe auftauchten, hier, wo es sich nur um den grossen, der
Menschheit erwiesenen Dienst handelt, zum Gegenstand eingehender
Erörterungen zu machen. Es genüge, zu sagen, dass durch diesen
Kampf und die Waffen, mit denen er geführt wurde, Alle, die ihn
heraufbeschworen, und vor Allem Der, dem die Nachwelt die Palme
zuzuerkennen genöthigt ist, um die Frucht ihres Verdienstes während
ihres Lebens betrogen wurden 6 ).
*) Hodges «Narrative of events etc.»
*) Hodges 1. c.
4 ) Ibid.
») Schon am 1. October übertrug Morton sein Patentgesuch
einem Patentanwalt Eddy, welcher im Hinblick auf die Berathung
Morton's mit Jackson am 30. September den Rath ertheilte,
Letzteren, da er den 8chwefeläther empfohlen, in das Patent ein-
zuBchliessen, damit dieser Umstand nicht etwa zu einem Einwand
gegen die Patentertheilung benützt werden könne. Jackson
weigerte sich, darauf einzugehen, weil er wegen eines solchen Patent¬
gesuches aus der Medicinischen Gesellschaft von Massachusetts
Die erste offidelle Kundgebung der neuen Entdeckung, ab¬
gesehen von vagen Berichten der Tagesblätter, geschah durch
Bigelow in einem Vortrage vor der Akademie der Künste und
Wissenschaften in Boston am 13. November 1846, wiedergegeben im
«Boston. Med. Journal» vom 18. November.
Jackson, welcher zuerst mit 500 Dollars für seinen am
30. September ertheilten Rath und dem Danke der Menschheit sich
begnügen wollte, steigerte seine Ansprüche, als ihm die Bedeutung
der Entdeckung klar zu werden begann. Er erhob sie zuerst formal
in einer Sitzung der Academie der Künste und Wissenschaften am
2. März 1847. Her ganze Vortrag war schon am Tag vorher im
«Advertiser» erschienen, um noch an demselben Tage (1. März) mit
dem Postdampfer nach Europa zu gehen In diesem Artikel war
Morton's Name gar nicht erwähnt, alle Versuche im Hospital
als auf Jacksons Anregung und unter seiner Leitung ausgefflhrt
geschildert, und so ist es gekommen, dass trotz des Widerspruches,
der sich in der Versammlung erhob, der dieser vorauseilende Artikel
in Europa die Meinung verbreitete, dass Jackson der Entdecker
und Begründer der künstlichen Anästhesie Bei. Auch in einem für
die Pariser Akademie bestimmten Briefe an den ihm befreundeten
Dr. De Beaumont in Paris erwähnt Jackson Mortons mit
keiner Silbe und nennt sich als den Erfinder. Als der Brief in
der Sitzung der Akademie am 28. Dezember geöffnet und verlesen
wurde, erhob sich Velpeau mit den Worten: «Das in diesem Briefe
enthüllte Geheimniss ist kein Geheimniss mehr, denn amerikanische
und englische Fachjournale haben es schon im November und
Dezember veröffentlicht».
Bigelow hatte nämlich schon am 28. November an den ihm
befreundeten Dr. Boot in London ausführlich berichtet und schon
am 21. Dezember wurde von Liston eine Oberschenkelamputation
unter vollständig gelungener Aethemarkose ausgeführt unter dem
stürmischen Beifalle der Londoner Chirurgen und von ihm enthu¬
siastisch mit den Worten verkündigt: «Hurrah! Victoria! ein
amerikanischer Zahnarzt hat uns den Aether zur Banoung des
Schmerzes gegeben und innerhalb sechB Monate wird es keine
Operation ohne dieses Präparat mehr geben. Victoria!»
Das Auftreten Jackson’s in der vorerwähnten Sitzung der
Bostoner Akademie und seine Veröffentlichung eines Berichtes über
dieselbe vor ihrem Zusammentreteu entfremdete ihm die Sympathien
auch Derer, welche ihm wegen der Consultation mit Morton am
30. September einen gewissen Antheil an dem Verdienste der Ent¬
deckung zuzuerkennen geneigt waren.
Wells, welcher unmittelbar nach dem ersten grossen Erfolge
Morton von Hartford auB beglückwünschte und ihn vor Missgriffen
bezüglich der Wahrung seiner Urheberrechte warnte, kündigte zwei
Monate später sich selbst in einem Hartforder Tagesblatte als den
ersten Entdecker der künstlichen Anästhesie an, wobei er sich anf
seine verunglückten Versuche mit Stickstoff oxydul ira Jahre 1845
berief, und versuchte auch späterhin, wiewohl ohne Erfolg, seine
Ansprüche zur Geltung zu bringen.
Beide, Jackson und Wells — und dieB ist charakteristisch
für Beide und den Werth ihrer Ansprüche — erhoben ihre Stimme
erst, als der Erfolg des entschlossenen Vorgehens Morton's und
der ersten zwei Operationen in Massachusetts-Hospital unter seiner
zielbewussten Leitung des anästhetischen Verfahrens die grosse Be¬
deutung der Entdeckung enthüllt hatte.
Bigelow, welcher in noblem Interesse für die Sache selbst,
mit unparteiischem Eifer alle Ansprüche prüfte, erklärte schon kurz
nach der erwähnten Sitzung der Akademie, als man ihm selbst
wegen seiner vielfachen Mitwirkungen einen Theil des Verdienstes
zuschreiben wollte: « . . . . Morton wünschte meine Gegenwart
und meinen Rath als Arzt, aber die Anästhesie ist sein. Ich über¬
nahm keine Verantwortlichkeit. Wäre der erste Patient im Stupor
gestorben, wie es wohl hätte geschehen können, so war Morton
verantwortlich; da der Patient nicht starb, gebührt ihm der Ruhm»
Als im amerikanischen Kriege 0847) die Aetheriairung von
den Armeeärzten ohne Rücksicht auf das Patent Morton’s allgemein
in Anwendung gebracht wurde, hielten auch andere Chirurgen in
Spitälern und in der Privatpraxis sich nicht an dasselbe gebunden;
nach deren Statut ausgeschlossen werden würde. Er wolle Morton
für den «ihm ertheilten Rath» 500 Dollars in Rechnung bringen;
dieser möge dann ein Patent nehmen und damit machen, was er
wolle. Auch Morton wollte von einer Betheiligung Jackson*
nichts wissen. Beide aber einigten sich schliesslich auf Zureden
eines gemeinschaftlichen Freundes, Dr. Gould, welcher vom Beginn sich
lebhaft interessirt hatte, nach längerem Feilschen zu der oben an¬
gegebenen Theilhaberschaft, wobei Jackson auf alle weiteren Recht«
oder Ansprüche auf die Urheberschaft der Entdeckung verzichtete.
Als später, 20. November 1847, von den Aerzten des Massachusetts-
Hospitals in einer Denkschrift der Vereinigte-Staaten-Congress ani-
gefordert wurde, nach Prüfung sämmtlicher Ansprüche dem oder
den Urhebern der Entdeckung unter deren Verzichtleistung auf jede*
Patentrecht eine angemessene Nationalbelohnung zuzuerkennen, wurde
diese Suggestion in jeder erdenklichen Weise von Morton aus¬
genützt, während Jackson erklärte, seinen Anspruch als alleiniger
Entdecker keinem Tribunale unterbreiten, sondern als nur
den Dank der Menschheit erwarten zu wollen. Dies geschah heiM
zu einer Zeit, als das Patent schon fast werthlos geworden, *■
HodgeB, 1. c.
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18. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN8CHREFT.
983
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J.N fj.,
1 * *•
alle Bemühungen Morton s aber and seiner zahlreichen Frennde,
vom CongresB eine materielle Anerkennung seiner Verdienste zu
erwirken, wurden in langjährigen Kämpfen durch den Einfluss und
die Machinationen seiner Gegner, zu deren erbittertsten Jackson
gehörte, vereitelt. Die dadurch veranlassten, über Jahrzehnte sich
erstreckenden Untersuchungen und Debatten aber haben es für die
unparteiische Nachwelt ausser Zweifel gestellt, dass sie Morton
allein die Entdeckung der praktisch zu verwerthenden, künstlichen
Anästhesie verdankt. Ein Ebrendoctor-Diplom der Harvard-Universität
zu Cambridge, der Montyon-Preis der französischen Akademie für
«Woblthäter der Menschheit», ein russischer und ein schwedischer
Orden und eine silberne, tausend Dollars enthaltende 8chale mit
der Inschrift: «Zeugniss zu Ehren der Aether-Entdeckung am
30. September 1846, William Thomas Green Morton gestiftet vom
Verwaltungsrathe des Massachusetts-Hospital», — ist die Summe
der Ehren, welche Morton bei Lebzeiten officiell zu Theil wurden.
Die langjährigen Kämpfe um sein Recht hatten sein Vermögen
aufgezehrt und seine Gesundheit gebrochen. «Er ist verarmt»,
heisst es in einem späteren Jahresberichte des Hospitals, «durch
eine Sache, welche die Welt zu seiner Schuldnerin gemacht hat». 8 )
Dass ihm noch ein dritter Rivale erstand, sei nur der Voll¬
ständigkeit wegen erwähnt. In einer Sitzung der Medic. Gesellschaft
des Staates Georgia in 8avannah 1853 erhob Dr. Crawford W.
Long, Arzt in Jefferson, Anspruch auf die «Urheberschaft der
schmerzlosen Chirurgie», da er schon 1842 bis 1845 unter Aether-
narkose drei kleine Balggeschwülste exstirpirt und zwei Amputationen,
eines Fingers und einer Zehe, ausgeführt habe, muste aber zugeben,
dass in allen Fällen die Narkose eine unvollständige gewesen und
dass er deshalb eine Veröffentlichung, sowie weitere Versuche unter¬
lassen habe. Sein Anspruch würde der Vergessenheit anheimgefallen
sein, wenn ihn nicht Marion Sims in einem Journalartikel 1877,
freilich erfolglos, wieder anfgewärmt hätte.
Morton starb auf einer Spazierfahrt im Centralpark von
New-York am 15. Juli 1868 durch einen Schlaganfall, nachdem soeben
eine Publication zu Gunsten Jackson’B und gegen die für Morton
im Umlaufe befindliche Nationalsubscription zu seiner Kenntniss
gelangt war.
Auch Wells war frühzeitig in New-York im Januar 1848, wie
erzählt wurde, in Folge unvorsichtigen Experimentirens mit Chloro¬
form, gestorben.
Jackson starb 1880 in der Nähe von Boston, 75 Jahre alt.
Morton’s Grabstein auf Mount Aubum bei Boston trägt die
Inschrift:
W. T. G. Morton,
Erfinder und Enthüller der anaesthetischen Inhalation,
Vor welchem Chirurgie war Agonie,
Durch welchen der Schmerz des Messers verhütet und vernichtet wurde,
Seit welchem der Wissenschaft die Herrschaft über den Schmerz gehört.
Errichtet von Bürgern Boston's.
Was sein Zeitalter, irregeleitet durch verwirrende und des
Preises unwürdig geführte Kämpfe, ihm schuldig blieb, das wird,
so lange es Furcht und Schmerz zu überwinden gibt, die Nachwelt
ihm zollen — den Dank der Menschheit.
August Kekule.
(Schluss.)
Die Structurtheorie K e k u 1 e ’ s erwies sich besonders frucht¬
bar und nützlich bei dem Studium der organischen Verbindungen,
zumal bei der Erklärung der zahlreichen Ismerieen. Kekul6
selbst verhielt sich zunächst zurückhaltend und benutzte vorerst
in seinen Abhandlungen und auch in den ersten Abschnitten
seines seit 1859 erscheinenden Lehrbuchs noch mit Vorliebe die
Typenformeln Gerhardt’s. In Butlerow und Erle'nmeyer
erstauden der neuen Lehre zu Anfang der seehsziger Jahre eifrige
Apostel, welche dieselbe ihren Lehrbüchern über organische Chemie
zu Grunde legten. Wiederholt wiesen sie in der Zeitschrift für
Chemie hin auf die grössere Klarheit und die sonstigen Vorzüge
der Structurformeln vor der typischen häufig zweideutigen und
unklaren Formulirung nach Gerhardt's Theorie. Vor Allem
zeigten sich diese Vorzüge der Structurtheorie in der Interpretation
feinerer Isomericen.
Die Typentheorie Gerhardt’s erklärte ja auch manche
«gröbere» Isomerieen, wie z. B. zwischen Dimethyläther
CHsl
CHsl
0
und Alkohol ^ 2 j o, zwischen Essigsäureaethyläther
PiTTiOt CHsj
und Buttersäure ^ jO, zwischen Dimethylamin CHsj N und
®) Hodges, 1 c.
C*Ha
Aefchylamin H N. Da sie aber die kohlenstoffhaltigen Radicale
H
nicht weiter auflöste, so gab sie keine Rechenschaft von den durch
den verschiedenen Bau derselben bedingten feineren Isomerieen.
In Anwendung von Kekuld’s Principien erklärte Butlerow
richtig die Isomerie des Aethylidenchlorids C Ha - C H CI* und
Aethylenchlorid8 CH 2 CI-CH 2 CI, des Aldehyds CHs-C=0 und
CH*-CH*
Aetbylenoxyds
Ferner sah Butlerow auf Grund
von Kekuld’s Structurtheorie folgende isomere Butane C 4 H 10
und Pentane G'aHto
voraus:
I
II
I
II
III
CHa
CHa
CHa
CHa
CHa
CH*
CH-CHa
ch*
CH-CH
a CHa-C-CHa
CH*
CHa
ch*
ch*
CHa
CHa
CH*
CH,
CHa
CL Hi 0
Butane.
C 5 H 10
Pentane.
Die Formeln I drücken die schon von Kekuld abgeleiteten
Constitutionsformelu der «normalen» Homologen des Methans aus,
während die Formeln II und HI Kohlenwasserstoffe mit «ver¬
zweigter » Kohlenstoffkette darstellen.
Durch Ersatz von einem Wasserstoffatom durch Brom oder
Hydroxyl (H 0) müssen aus den 2 Butanen, wie Butlerow
richtig prognosticirt, vier verschiedene Monobromderivate und vier
verschiedene Alkohole entstehen, darunter zwei primäre Ia und
II a, welche bei Oxydation Aldehyde und Säuren mit 4 Atomen
Kohlenstoff (Buttersäuren) liefern müssen, ferner ein secundärer
Alkohol Ib, der sich nicht mehr zu einer Säure mit 4 Kohlenstoff -
atomen, wohl aber zu einem Keton mit 4 Kohlenstoffatiomcn
oxydiren lassen muss und endlich ein tertiärer Alkohol Hb, der bei
der Oxydation völlig zerstört wird.
Ia
Ib
Ha
nb
CH 2 OH
CHa
CH» OH
CHa
CH*
CHOH
CH-CHa
COH-CHa
CH*
CH*
CHa
CHa
CHa
Später sind in
CHa
der That diese
vier isomeren
von Butlerow
auf Grund von Kekul6’s Structurtheorie vorausgesehenen Butyl-
alkohole dargestellt worden, welche das erwartete Verhalten bei
der Oxydation zeigten. Dies ist nur eins unter tausend Beispielen,
welche die Deutung isomerer Verbindungen durch die neue Lehre
illustriren.
Die Constitution oder — wie Butlerow es zuerst genannt
hat — die «Structur» der chemischen Verbindungen, d. h. die
Art und Weise der gegenseitigen Bindung der Atome im Molecül
zu ergründen, ist bis auf den heutigen Tag eine wichtige Aufgabe
der experimentirenden organischen Chemiker geblieben. Die hierzu
dienenden Methoden bestehen wesentlich in dem Studium des
chemischen Verhaltens der betreffenden Verbindung gegen die
« Gruppen-Rcagentien », wie Phosphorchloride, organische Säure-
chloride, Hydroxylamin, salpetrige Säure, Brom, Permanganat etc.,
ferner in dem möglichst glatt verlaufenden Abbau (durch Oxy¬
dation, Hydrolyse etc.) und Spaltung complexer Molecüle in ein¬
fachere Substanzen, deren Constitution schon bekannt ist, und
I endlich in der Synthese oder dem Aufbau complicirter Verbindungen
aus einfacheren.
Wiederholt und nachdrücklich hat Kekulö betont, dass er
mit seinen graphischen Structurformeln und ebenso mit den von
ihm benutzten Atom • Modellen lediglich die Bindungsweise der
Atome, keineswegs aber die räumliche Lagerung der Atome
im Molecül ausdrücken wolle. Dazu sei die Zeit noch nicht ge¬
kommen ; vielleicht könne später einmal das Studium der physi-
calischen Eigenschaften, wie z. B. der Atomvolumina, wichtige
( Anhaltspunkte in dieser Beziehung geben. Verschiedene Stellen
in seinen Publicationen, namentlich der geistvolle Vortrag, den
8 *
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984
MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHEN8CHRIFT.
er 1869 auf der Innsbrucker Naturforscherversammlung über die
Constitution der Salze hielt, zeigen, dass er sich privatim be¬
stimmte Vorstellungen über die räumliche Lagerung der Atome
machte. Offenbar hielt er diese Speculationen noch für zu wenig
sicher begründet und wollte er durch vorzeitige Einführung der¬
selben nicht den besser fundirten Theil seiner Theorie discreditiren.
Anknüpfend an Kekule's Kohlenstoffmodell und anPasteur’s
classische Arbeiten über die verschiedenen Weinsäuren haben 1874
unabhängig von einander Le Bel und van t Hoff, ein Schüler
K c k u 1 <$’s, eine geistvolle Hypothese über die räumliche Lagerung
der Atome in organischen Verbindungen aufgestellt. Sie. nehmen
au, dass die 4 Affinitäten des Kohlenstoffs nach den Ecken eines
regulären Tetraeders gerichtet sind, in dessen Mitte sich das
Kohlenstoffatom befindet. Denkt man sich nun 4 unter einander
verschiedene einwerthige Atome oder Atomgruppen mit diesen
vier Kohlenstoffvalenzen gebunden, so lässt sich am Modell leicht
zeigen, dass 2 isomere Verbindungen existieren können, welche
sich zu einander verhalten wie Bild und Spiegelbild. Sie nehmen
nun an, die eine Modification vermöge die Ebene des polarisirten
Lichtstrahls nach links, die andere dagegen nach rechts zu drehen.
Durch Kombination der beiden Modificationen kann dann ein drittes
optisch inactives Isomeres entstehen. In sämmtlichen optisch activen
organischen Verbindungen wird das Vorhandensein von einem oder
von mehreren sogenannten «asymmetrischen», d. h. mit 4 ver¬
schiedenen Atomen oder Radicalen gebundenen Kohlenstoffatomen
angenommen. Diese Hy]K>these hat sich als vortrefflich geeignet
erwiesen zur Erklärung der Isomeric solcher Verbindungen, welche,
wie die Weinsäuren und Zuckerarten, trotz gleicher Bindungsweise
aller Atome, also trotz gleicher chemischer Structur, sich ver¬
schieden verhalten gegen das polarisirte Licht.
Andere schwer zu deutende Isomerien, wie die der Furnar-
und Maleinsäure sind von J. Wislicen u s, die der Dicarbon-
säuren des Hcxamethylens von A. von Baeyer auf Grund stereo¬
chemischer Hypothesen, d. li. bestimmter Annahmen über die räum¬
liche Lagerung der Atome in befriedigender Weise interpretirt
worden. Alle diese neueren stercochemischen Anschauungen fussen
aber auf der Structurtheorie Kekule’s und bedeuten lediglich
eine Weiterentwicklung, keineswegs aber eine Beseitigung derselben.
Am Glänzendsten bewährte sich die Leistungsfähigkeit von
Kekule's Structurtheorie in der genialen Deutung der Constitution
der aromatischen Substanzen. Unter diesem Namen fasste man
eine natürliche Familie von Verbindungen zusammen, deren erste
Repräsentanten man aus gewissen aromatisch riechenden Pfianzen-
substanzen — Harzen, Oelen etc. — gewonnen hatte. In ihrem
chemischen Verhalten, z. B. gegen concentrirte Schwefelsäure oder
Salpetersäure unterscheiden sie sich von den «fetten» Substanzen
oder Methanderivaten. Die aromatischen Verbindungen sind ferner
reicher an Kohlenstoff und ärmer an Wasserstoff als die analogen
Verbindungen aus der ('lasse der Fettkörper. So enthält z. B.
das Benzol Celle 8 Atome Wasserstoff weniger als der Kohlen¬
wasserstoff mit 6 Kohlenstoffatomen aus der Methanreihe das
Hexan Ce H 14 und dieselbe Differenz finden wir bei einer ganzen
Reihe aromatischer und analoger fetter Verbindungen, z. B. zwischen
dem früher als Phenylalkohol betrachteten Phenol CeH;,-OH und
dem Ilexylalkohol CeHi3-OH, dem Anilin CeHe-NHa und
Hexylamin CeHis-NHa, der Benzoesäure C\;H 5 • CO 2 H und der
Ileptylsäure Cö 111 3 • CO 2 II, dem Benzaldchyd (Bittermandelöl)
CeHs • CHO und dem Heptylaldehyd (Oenanthol) CeHis-CllO.
I
Wie schon oben erwähnt, hatte Kekulö früher bereits in
derartigen wasserstoffärmeren und kohlenstoffreicheren Verbindungen,
wie im Aethylen C» H«, Benzol C6 Ü6 und Naphtalin CioHs
eine dichtere Ancinanderlagerung der Kohlenstoff-Atome vermuthet.
Später nahm er im Aeth.vlen, den ungesättigten Säuren Fumar-
und Maleinsäure etc. an , dass in diesen Verbindungen 2 Atome
Kohlenstoff durch je zwei Verwandtschaftseinheiten miteinander
gebunden seien und dass dieselben aus diesem Grunde zwei Atome
Wasserstoff weniger enthielten als die gesättigten Derivate des
Methans.
Seine Ansichten über die Constitution der aromatischen
Substanzen (Ann. Chem. Pharm. 137, S. 129, vgl. auch Bd. 162
S. 78) entwickelte Kekuld 1865 in folgenden Sätzen:
No. 41.
1 . In allen aromatischen Substanzen kann eine gemcinschaft-
liehe Gruppe, ein Kern angenommen werden, der aus 6 Kohlen-
stoff-Atomen besteht.
2. Diese 6 Kohlenstoff-Atome sind bo gebunden, dass noch
6 Kohlenstoff Verwandtschaften verwendbar bleiben.
3 . Durch Bindung dieser 6 Verwandtschaften mit andern)
Elementen, welche ihrerseits weitere Elemente in die Verbindung
einführen können, entstehen alle aromatische Substanzen.
4 . Zahlreiche Fälle von Isomerieen der Benzolderivate erklären
sich durch die relativ verschiedene Stellung der die verwendbaren
Verwandtschaften des Kohlenstoffkerns bindenden Atome.
5. Die Art der Bindung der 6 Kohlenstoff-Atome in dem
sechswerthigen Benzolkern, also die Structur dieses Kerns, kann
man sich so vorstellen, dass man annimmt, die 6 Kohlengtoff-
atome seien abwechselnd durch je eine und durch je zwei Ver¬
wandtschaften zu einer ringförmig geschlossenen Kette vereinigt.
Sind die 6 noch verwendbaren Verwandtschaften des Kohlen¬
stoff kerns durch 6 Atome Wasserstoff befriedigt, so resultirt das
Benzol C« Hö. Von diesem leiten sich durch Ersatz von Wasser
stoffatomen durch andere einwerthige Atome oder Atomgruppen
die aromatischen Substanzen in ähnlicher Weise ab, wie die Körper
der Fettreihe vom Methan. Man bezeichnet daher die ersteren
Substanzen auch als Benzol-, die letzteren als Methanderivate.
Von den letzteren unterscheiden sich die aromatischen u. A. da¬
durch , dass sie statt der offenen, eine ringförmige geschlossene
Kohlenstoffkette, den «Benzolring» enthalten. Dieser bleibt bei
den meisten Reactionen, die nicht eine totale Zerstörung bewirken,
erhalten. Die Constitution des Benzols lässt sich nach Satz 5
durch die folgende graphische Formel (I), die berühmte Secbseok-
formel Kekule’s, ausdrücken:
I. n.
H 1
Der Einfachheit halber bedient man sich vielfach der Formel D,
um die Isomerieen bequem ausdrücken zu können. Dabei denkt
man sich die Kohlenstoffatome des Benzolkerns in den Ecken
dos regelmässigen »Sechsecks und bezeichnet dieselben durch die
Zahlen I— 6 -
In der Kekult*’sehen Benzolformel erscheinen die 6 Wasser¬
stoff-Atome als völlig gleiehwerthig. Denkt man sich eines der¬
selben durch ein anderes Atom oder Radical ersetzt, so wird
immer nur ein und dasselbe Monosubstitutionsproduct entstehen,
ganz glcichgiltig, welches der 6 Wasserstoff - Atome diese
»Substitution erleidet. Diese Voraussetzung hat sich nun voll¬
kommen bestätigt. Trotz zahlreicher Versuche ist es in keinem
einzigen Fall gelungen, zwei isomere Monosubstitutionsproduete
Ce Hs X darzustellen.
Denkt man sich nun 2 Wasserstoffatome des Benzols durch
2 einwerthige Atome oder Radieale ersetzt, so sieht Kekule
die Möglichkeit von 3 Isomeren C« H< X 2 voraus, je nach der
relativen »Stellung der Substituenten. Dieselben können treten
an die Stellen 1 , 2 oder 1 , 3 oder 1,4- Im ersten Fall befinden
sich die beiden Substituenten an 2 benachbarten, d. h. direct
mit einander gebundenen Kohlenstoffatomen, im zweiten an
2 Kohlenstoffatomon, welche durch ein Kohlen Stoff atom von ein¬
ander getr. nnt sind und im dritten Fall sind die beiden Kohlen
Stoffatomc, welche die Substituenten tragen, durch 2 Kohlenstoff-
atornc von einander getrennt. Genau durch dieselbe Ursache, durch
die verschiedene relative Stellung, wird ja auch in der Fettreihe
bei offenen Kohlenstoffketten Isomerie hervorgerufen. Renken
wir uns z. B., dass im Hexan CHs-CHz-CHj-CHz-CHz-IHs
(t) (2) (3) (g .. •
an 2 der mit Zahlen bezeichneten Kohlenstoffatome an oteue j
eines Wasserstoffatoms ein anderer einwerthiger Substituent tritt,
so wird man ebenfalls 3 isomere Bisubstitutionsproducte C« Hi s -
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13. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
erhalten, je nachdem die Substitution an 1 und 2, an 2 und 3
oder an 1 und 4 stattgefunden bat.
Bei den Bisubstitutionsproducten des Benzols bezeichnet man
die 1, 2-Verbindungen als Ortho-, die 1, 3 als Meta- und die
1, 4 als Para-Derivate. Ferner sieht man leicht, dass die durch
die Substitution in 1, 5 entstehenden Bisubstitutionsproducte des
Benzols identisch sein werden mit den I, 3-Derivaten und ebenso
die 1, 6- mit den 1, 2-Verbindungen.
Werden drei Wasserstoffatome des Benzols durch drei gleich¬
artige Substituenten ersetzt, so können wiederum drei Isomere
Ce Hs Xs entstehen, welche man als v (vicinal, benachbart),
;as (asymmetrisch) und s (symmetrisch) bezeichnet:
1, 2, 3 = 1, 2, 6 = v
1, 3, 4 = ], 6, 4 = as
1, 3, 5 — s
Dieselbe Zahl von Isomeren Ce H2 X* wird man bei Ersatz
von 4 Wasserstoffatomen durch 4 gleichartige Substituenten er¬
halten, während bei Vertretung von 5 oder 6 Wasser.Stoffatomen
durch gleichartige Substituenten nur ein einziges Substitutions-
product CeHX& resp. OeXe zu erwarten ist. Sind die Substituenten
nicht gleichartig, sondern unter sich verschieden, so wächst damit
die Zahl der möglichen Isomeren in leicht bestimmbarer Weise.
Man kennt nun eine unabsehbare Menge der verschiedensten
Substitutionsproducte des Benzols, aber in keinem Falle ist bisher
eine grössere Zahl von Isomeren erhalten worden, als sich nach
Kekulc’s Formel voraussehen liess. Ist hiedurch schon die
von Ke k ule vorausgesetzte Gleich wer thigkeit der ü Wasserstoff-
atome im Benzol höchst wahrscheinlich geworden, so hat anderer¬
seits Laden bürg 1874 einen positiven experimentellen Beweis
für dieselbe erbracht. Die «Ortsbestimmung» d. h. die Ermitt¬
lung der relativen Stellung der Substituenten in den Derivaten
des Benzols hat die Chemiker namentlich zu Anfang der 70 er Jahre
lebhaft beschäftigt. Die experimentellen Grundlagen für die Orts
bestimmung sind namentlich von Griess und von KekultS’s
Schülern Körner und Ladenburg geschaffen worden.
Als Beispiele wichtiger Bisubstitutionsderivate des Benzols
seien die drei Dioxybenzole Cg II< ( 011)2 und die drei Oxybenzoe-
säuren C’6H4 0H-C0 2 H angeführt:
Ortho
Meta
Para
OH
OH
OH
/\
\ /
OH
.OH
/ \
'\ /
OH
Brenzcatechin Resorcin Hydrochinon.
Ausser dem Resorcin und dem Hydrochinon findet auch der
Monomethyläther des Brenzycatechins Cö H 4 das Guajacol
OCHs,
Anwendung als Arzneimittel.
Interessant ist die Thatsache, dass von den drei Oxybenzoe
säuren nur die Salicylsäure werthvolle physiologische Wirkungen
äussert und daher schon lange dem Arzneischatz einverleibt ist.
Ortho Meta Para
COaH CO2H CO2H
Salicylsaure m -Oxybenzoösäure p-Oxybenzoesäure.
Es würde zu weit führen, wollte ich die Einwände gegen
Kekulö’s Benzolformel, oder wollte ich die verschiedenen Modifi-
cationen dieser Formel: die Prismenformel Ladenburg’s, die
Diagonalformel von Claus, die centrische Formel von Baeyer
No. 41.
und Armstrong hier eingehend discutireu. Den Grundgedanken
der ringförmig geschlossenen Kohlenstoffkette und der Gleich¬
wertigkeit der 6 (CH) Gruppen behalten alle Symbole bei. Eine
völlig befriedigende, einwandfreie Constitutionsformel lässt sich für
das Benzol zur Zeit überhaupt nicht aufstellen.
Erwähnt sei noch, dass sieh die Constitution complicirterer
aromatischer Substanzen wie die des Naphtalins Ci 0 He und des
Anthracens C14H10 durch die Annahme mehrerer combinirter
Benzolkerne befriedigend erklären lässt. Auffallender Weise bleibt
der aromatische Charakter des Benzols selbst dann noch erhalten,
wenn eine der 6 (CH) Gruppen durch Stickstoff vertreten ist, wie
dies im Pyridin C5 H5 N der Fall ist, und sogar dann, wenn man
sich zwei benachbarte (CH) Gruppen des Benzols durch ein
zweiwerthiges Schwefelatom ersetzt denkt, wodurch man die Formel
des dem Benzol so lächerlich ähnlichen Thiophens C4 H4 S von
Victor Meyer erhält.
Die Benzolthoorie Kekul 6's bat der Wissenschaft sowohl
wie. der Technik unschätzbare Dienste geleistet, namentlich durch
die einfache und klare Interpretation der zahlreichen Isomerieen.
Die hoch entwickelte; deutsche Theerfarben-Industrie, für welche
K ckul 4 niemals unmittelbar gearbeitet hat, erkannte dankbaren
Herzens die gewaltige Förderung an, welche sie durch die beispiellos
fruchtbaren Theorien Kekuld’s erfahren hat, indem sic sein
Portrait durch Angcli malen liess und dasselbe der National¬
galerie zu Berlin überwies. Sie dokumentirte damit in schönster
Weise den lebendigen, engen Zusammenhang, in welchem 7. 11m
beiderseitigen Vortheil Wissenschaft und chemische Industrie in
Deutschland stehen. Im März 1890 veranstaltete die Deutsche
chemische Gesellschaft im Rathhaus zu Berlin zu Ehren von
Kckule eine schöne und würdige Jubiläumsfeier, bei welcher die
ganze civilisirtc Welt durch Deputationen vertreten war — ein
beredtes Zcugniss für die universelle Bedeutung des «grossen
Philosophen der Chemie». M ilhelm Koenigs - München.
Referate und Bücheranzeigen.
C. v. Kupffer: Stadien zur vergleichenden Ent¬
wicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. 3. Heft:
Die Entwicklung der Kopf nerven von Ammocoetes Planeri. München
1895. Verlag von J. F. Lehmann.
v. Kupffer’s Untersuchungen über die Entwicklung der
Kopfnerven des Ammocoetes sind für die Lösung des ver¬
wickelten Kopfproblems von grundlegender Bedeutung. Durch ver¬
gleichend embryologische Arbeiten des letzten Jahrzehnts ist fest¬
gestellt worden, dass die dorsalen Kopfnerven und ihre Ganglien
nicht allein als Auswüchse des Hirnrohrcs entstehen, sondern dass
sich an ihrer Bildung auch die Epidermis betheiligt in Ge¬
stalt von Zellenwuchcrungen, die mit den vom Centralorgan
stammenden Elementen zu gemeinsamen Ganglienaulagen ver¬
schmelzen. Solche Epidermisverdickungen gleichen anfänglich voll¬
ständig den Anlagen von Sinnesorganen und sind nach Verfasser
phylogenetisch auch von solchen abzuleiten. Bei den heute leben¬
den Kranioten kommen jedoch nur mehr die 3 vordersten der¬
selben zur Ausbildung und Function von wirklichen Sinnesorganen
(unpaares und paariges Riechorgan), v. K. hat für diese Bildungen,
gleichviel ob sie Sinnesorgane oder Ganglien liefern, den gemein¬
samen Namen Plakoden eingeführt. Die topographische Vertheilung
derselben ist als Schlüssel für die Erkenntniss der ursprünglichen
Kopfmetamerie von besonderem Interesse und gestaltet sich folgender -
maassen: Zuerst tritt jederseits eine dorsolaterale Reihe
von Plakoden auf. Ihre Glieder verschmelzen direct mit den
centrogenen Ganglienanlagen zu den «Hauptganglien». Dann
folgt weiter ventral jederseits die Reihe der Uber den Kiemen¬
bögen gelegenen epibranchialen Plakoden, die durch ventrale
Auswüchse der Hauptganglien mit den letzteren in Verbindung
gesetzt werden. Die vorderste Plakode dieser Reihe bildet kein
Ganglion, sondern die Linse. Die caudal folgenden liefern 18 Paar
durch Längscommissuren verbundener Epibrancbialganglien.
Soweit die letzteren hinter dem Mund liegen, sind sie streng
metamer: jedem Visceralbogeu entspricht ein Ganglion. Da auch
eine Anzahl derselben vor und im Bereich des Mundes liegt, so
darf man annehmen, dass daselbst ursprünglich ebenfalls Kiemen -
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986
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41.
taschen vorhanden waren, wie denn Verfasser in der That schon
früher 3 Paar praeorale Viseeraltaschen embryonal nachweisen
kounte. Im Ganzen sind dem Kopf von Ammocoetes somit
mindestens 14 oder, da das vierte Epibranchialganglion wahrschein¬
lich ein doppeltes ist, 15 primitive Metameren zuzusprechen. Die
dorsolateraie Reihe erstreckt sich nur bis zum achten Epi-
branchialganglion (exl. Linse) nach hinten und besteht aus 6 Ganglien,
von denen die 4 hinteren, das des Facialis, Akusticus,
Glossopharyngeus und Vagus je einem Epibranchial-
ganglion entsprechen. Auf die nach vorne folgenden 2 Tri-
geminusganglien kommen einschliesslich der Linse 5 E p i -
brauch ialganglieu. Es hat hier also <5ine Verschmelzung der
dorsolateralen Ganglien stattgefunden, die phylogenetisch noch weiter
fortschreitet, denn die 2 Trigeminusganglien confluiren bei höher
stehenden Wirbelthieren zu dem äusserlich einheitlichen Ganglion
Gasseri. — Bezüglich weiterer Resultate der inhaltsreichen Arbeit
(Oculomotorius, Hypoglossus, N. lateralis, Sympathicus, Olfactorius)
muss auf das Original verwiesen werden. R.
Rosenheiin: Pathologie und Therapie der Krank¬
heiten des Verdauungsapparats mit. besonderer Berück¬
sichtigung der Diaetctik. I. Theil: Krankheiten der Speise¬
röhre und des Magens. Zweite gänzlich umgearbeitete und er¬
weiterte Auflage. Mit zahlreichen Holzschnitten. Wien und Leipzig.
Urban & Schwarzenberg. 1896.
Von dem Rosenheim’schen Werke wurde der erste Theil
in dieser Wochenschrift 1892, No. 3, der zweite Theil 1896,
No. 8, angezeigt und wiiruistens empfohlen. Die erste Hälfte
liegt nunmehr in veränderter und wesentlich erweiterter Gestalt
vor uns. Der Umfang ist fast auf das Doppelte gewachsen
(600 Seiten gegen 336 der ersten Auflage). Die Hauptzunahme
kommt auf die Krankheiten der Speiseröhre, welche jetzt 121 Seiten
gegen 27 der früheren Ausgabe umfassen. Auch sonst sind, be¬
sonders bezüglich der neueren Methoden der Magendiagnostik
(Gastroskopie) und der operativen Behandlungsweisen, wesentliche
Erweiterungen, sowie z. B. bezüglich des Verhältnisses von Ektasie
und Atonie, eingreifende Veränderungen vorgenommen worden.
Wenn auch zu fürchten ist, dass in Folge des beträchtlich grösseren
Umfangs die praktische Brauchbarkeit und daher vielleicht auch
die Beliebtheit bei den Aerzten etwas leiden wird, so dürfen wir
dies vom wissenschaftlichen Standpunkt, aus kaum zu sehr be¬
dauern. Wie wir schon früher hervorgehoben haben, gehört, das
R o s e n h ei m’sche Buch zu den unentbehrlichen Grundlagen für
die weitere Forschung auf dem Gebiet der Verdauungskrankheiten.
Dies gilt von der erweiterten neuen Ausgabe in erhöhtem Maasse.
Allen, welche sieh eingehend mit dem Studium dieser Disciplin
beschäftigen wollen, sei daher das Werk in der neuen Form eben¬
falls auf das angelegentlichste empfohlen. Penzoldt.
Dr. Pani Wagner: Abriss der Nierenchirurgie.
Leipzig. Verlag von Ambr. Abel. 1893. Preis 5 Mark.
Seitdem Gustav Simon im .Jahre 1869 die erst« Nieren¬
exstirpation zielbewusst vorgenommen hat, ist in langsamer Ent¬
wicklung und unter der Mitarbeit von Vielen die Nierenchirurgie
als stattlicher und vielfach fertig ausgeführter Bau entstanden.
Der vorliegende «Abriss» des als Forscher und Schriftsteller auf
dem Gebiet der Nierenchirurgie schon geschätzten Dr. Paul Wagner
ist ein Bändchen von 235 Seiten geworden. Es ist mehr als ein
Abriss; es ist vielmehr eine knappe Darstellung des heutigen
Standes der Nieren Chirurgie, erschöpfend bis in feine wissenschaft¬
liche Details und wichtige casuistische Mittheilungen.
Das Buch beginnt mit einem allgemeinen Theil, welcher
folgende Abschnitte umfasst: Topographie der Nieren, Untersuchung
der normalen Nieren, allgemeine Diagnose der chirurgischen Nieren¬
erkrankungen, Nierenoperationen (Punction, Nephrotomie, Nephro¬
lithotomie, Nephrorrhaphie, Ncphrectomie), Nachweis des Vorhanden¬
seins und der Gesundheit der anderen Niere, Verhalten der zurück-
bleibenden Niere, Heilung von Nierenwunden.
Der zweite, besondere Theil l>espricht die Verletzungen, festen
Geschwülste, Infectionsgeschwülste (Syphilis und Tuberculose) der
Niere, dann ilire Cystengeschwülste, die Hydronephrose, eiterige
Entzündungen der Niere, Steinniere, Wanderniere, renale Neuralgie
und renale Haemophiiie.
Das Buch ist mit grosser Objeetivität und voller Sachkoom-
niss geschrieben. Der heutige, fortgeschrittenste Standpunkt hat
seine Darstellung und Beachtung gefunden. Wir können das Buch
jedem chirurgisch thätigen Fachmanne und zur Orientirung jedem
strebsamen Arzte zum Studium empfehlen.
Dr. H e 1 f e r i c h - Greifswald.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1896, No. 39 u. 40.
No. 39. Th. B. Futcher: Ueber den Zusammenhang
zwischen der sogenannten perinuclearen Basophilie und der
Ausscheidung der Alloxurkörper im Harn. (Aus der medi-
cinischen Klinik in Graz.)
Neusaer und Kolisch hatten bei uratischer Diathese eine
regelmässige Coincidenz von perinuclearer Basophilie und vermehrter
Alloxurkörperausscheidung im Urin nachweisen können. F. kommt
auf Grund seiner Untersuchungen an 8 Personen, bei welchen der
Stoffwechsel genau controlirt wurde, zu einem abweichenden Er-
gebniss. Dasselbe lautet: «Die bei den mitgetheilten Stoffwechsel¬
versuchen gemachten Beobachtungen sprechen durchaus nicht für
eine regelmässige Coincidenz von ausgeprägter perinuclearer Baso¬
philie und erhöhter Alloxurkörperausscheidung, und auch ebenso¬
wenig für ein beschränktes Vorkommen der N e u s s e r 'sehen
Granula ausschliesslich in Fällen von Alloxurdiathese. Reichliche
und sehr reichliche Granula in den Leukocyten finden sich neben
relativ niedrigen Werthen für die Alloxurkörper des Harns and um¬
gekehrt können die Granula auch fast ganz fehlen in Fällen von un¬
zweifelhaft erhöhter Alloxurkörperausscheidung. Und solche Gegen¬
sätze lassen sich selbst bei verschiedenen Individuen, die an der
gleichen Krankheit leiden, nachweisen. Sehr grosse Schwankungen
in der Reichlichkeit der Ne usser'schen Granula in den Leuko¬
cyten sind oft nicht nur nicht von gleichsinnigen und gleichdeat-
lichen Aenderungen der Alloxurkörperexcretion, sondern nicht selten
von geradezu gegenteiligen begleitet. Also auch rein empirisch
ist der von Kolisch behauptete Zusammenhang zwischen Alloxur¬
diathese und perinuclearer Basophilie bisher nicht erwiesen.»
No. 40. H Zeehuisen: Ueber die Anwesenheit der Ver¬
dauungsenzyme in Cystenflüssigkeiten und die diagnostische
Bedeutung derselben. (Aus dem pathologischen Laboratorium in
Amsterdam.)
Verf. kommt auf Grund eigener Untersuchungen und unter
Berücksichtigung der einschlägigen Literatur zu folgenden Schlüssen:
Diastatisches Ferment konnte in den meisten Fällen in pathologischen
Flüssigkeiten nachgewiesen werden. In den eiweissreichen Trans¬
sudaten, Exsudaten, Cystenflüssigkeiten wie in eiweissärmerem
Cysteninhalt war von einer tryptischen Wirkung keine Andeutung
vorhanden, obgleich diese Flüssigkeiten wegen ihrer alkalischen
Reaction sehr leicht der Fäulniss anheimfallen, ja sogar nicht immer
in vollkommen frischem Zustand dargeboten wurden; ebensowenig
erzeugte der Zusatz einiger Tropfen ’/* Normalnatronlauge eine
Spur digestiver Wirkung auf Carminfibrin.
Einige Harne ergaben im Gegentheil entweder nach Zusatz
einer zur Hervorrufung alkalischer Reaction kaum genügenden Alkali-
menge tryptische (?), einige andere Harne nach Zusatz von an und
für sich nur geringe Quellung des Fibrins herbeiführenden Salzsäure-
Mengen peptische Wirkung, während in einigen weiteren Harnen
weder das Eine noch das Andere der Fall war.
Die mitgetheilten Thatsachen mahnen in klinisch-diagnostischer
Beziehung zur Vorsicht bei der Beurtheilung der diagnostischen
Bedeutung eventuell vorhandener Verdauungefermente. Während
ein positiver Erfolg der Proben auf die Anwesenheit des fett¬
spaltenden Enzyms (Steapsin) für die Annahme einer Pankreascyste
beweisend ist, spricht der negative nicht mit Sicherheit gegen die¬
selbe. Ebensowenig liefert das Fehlen tryptischer Wirkungen einen
Beweis gegen das Vorhandensein einer Pankreascyste; die Anwesen¬
heit derselben stützt dagegen die Diagnose Pankreasflüssigkeit in
hohem Maasse. Die diastatischen Wirkungen sind für die Diagnose
ohne Werth. W. Zinn-Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 41.
Johannes Hahn-Mainz: Zur Catgutfrage.
H. constatirte, trotzdem er sein nach der Hol den'sehen Me¬
thode (48 Stunden in absolutem Aether, dann in l°/oo SublimatÄther)
präparirtes Catgut 2—3 Tage im Sublimatäther liegen liess, resp.
diesen später durch l°/oo Sublimatalkohol ersetzte, doch mehrere
Fälle von leichtem Secret, Fieber — kurz Störungen der Primär-
heilungen, für welche Mikroorganismen nicht verantwortlich gemacht
werden konnten, nachdem die bacteriologiscbe etc. Untersuchung
das betreffende Catgut steril erwies. H. glaubt, dass diese meist
nicht bösartigen Störungen der Wundheilung, die keine so intensive
Eiterung wie die durch Streptococcen bedingt — durch im Catgut
noch enthaltene Umsetzungsproducte längst abgestorbener Bacterien
zu erklären sind, deren Diffusion zuweilen recht langsam vor sich
geht, so dass die primäre Heilung schon lange stattgefunden habe 0
kann, bis jene supponirten Giftstoffe ihren schädlichen Einfltm 9
geltend machen. Dieselben können im Catgut verschiedener Liefe"
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18. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
987
n r ...
ranten und verschiedener Sorten des gleichen Lieferanten sehr ver¬
schieden sich verhalten, sie sind jedenfalls in Aether und Alkohol
unlöslich, scheinen im Wasser aber mehr oder weniger löslich zu
sein, so dass vielleicht durch längeres Auswaschen des entfetteten
Catguts dieselben zu beseitigen wären. Bis dies erreicht, benützt
H. ausschliesslich Seide (Its Stunden in heissem Waeserdarnpf) und
hat seitdem ausnahmslos glatte Heilungen erzielt; für die einzigen
Indicationen für Catgut hält H.: Unterbindungen von nicht asep¬
tischen resp eiternden Wundhöhlen und Naht von solchen Hohl¬
organen (Oesophagus, Trachea), die nach der Heilung für etwaige
Entfernung der Nähte unerreichbar sind. Für alle anderen Fälle
sollte nur Seide, Silkworm eventuell Metalldraht in Betracht kommen.
S c h r
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 40.
1) Ludwig Pick-Berlin: Eine Methode der Schnellanferti¬
gung gefärbter Dauerpräparate für die «Stückchendiagnose».
Das Verfahren, welches der Klinik von Landau entstammt,
gestattet, aus frisch curettirtem Material in 12—15 Minuten Dauer¬
präparate für die mikroskopische Untersuchung zu gewinnen. Der
Gang der Methode ist folgender:
1. Schneiden der Partikel, die gefroren sind, mittels des J u ng'-
schen Hobelmikrotom;
2. Uebertragung der Schnitte auf der Fingerkuppe in 4 proc.
Foruialinlö8ung 2—3 Minuten;
3. Abspülen in Wasser ‘/j Minute;
4. in 4proc. Alauncarmin 3—4 Minuten;
f». Auswaschen 1—2 Minuten in Wasser;
6. Entwässerung in 80proc. Alkohol 1 2—1 Minute, in absolutem
Alkohol 10 Secunden;
7. Carbolxylol i /2 — 1 Minute;
8. Einbettung in Canadabalsam.
2) Oscar Sch aeff er-Heidelberg; Zur Technik der Bauch¬
schnittnaht.
5. betrachtet als Aufgabe der Bauchnaht, die Linea alba mög¬
lichst wieder herzustellen. Hierzu müssen die beiderseitigen Serosa-
und Fascieuränder möglichst fest flach an einander gebracht und
ihre kreuzweise Verwachsung thunlichst wieder erzielt werden,
wozu die oberen, mehrschichtigen Fascien mehr, als bisher üblich,
benutzt werden sollen. Die serösen und Fasciennühte sollen so ge¬
lagert werden, dass der Eingeweidedruck nicht mehr auf einem
intermusculären Spalt lasten kann. Zur Erreichung dieses Zieles
hat S. 2 Arten Nähte construirt, deren eine, welche er «Fascien-
naht) nennt, er beschreibt. Wir müssen wegen der technischen
Details, die nur mit Hilfe von Abbildungen verständlich sind, auf
das Original verweisen und erwähnen nur, dass es sich dabei um
2 Gruppen von Nähten handelt, deren eine die Vereinigung der
oberen und unteren Fascie -|- Serosa unter Vermi idung der Muskel¬
schicht anstrebt, während die andere durchgreifende einfache oder
Kehrer’sche 8-Nähte zur Sicherung der ersten Ligaturen darstellt.
Jaffü-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 18%, No. 40.
1) C. Binz-Bonn: Die Wirkung übergrosser Gaben Atropin
auf die Athmung.
Der Artikel bringt eine energische Abwehr gegenüber den
Aufstellungen von Unverricht, welche Letzterer über obiges
Thema in No. 24 und 25 der Berl. klin. Wochenschr. ausgesprochen
und z. Th. gegen Arbeiten von Binz und seiner Schüler gerichtet
hat. B. weist darauf hin, dass Un verricht bei seinen Thier¬
versuchen die 214fache, resp. 43,5fache Menge Atropin Hunden
beigebracht hat, wie sie B. und Heubach ihren von U. kritisirten
Versuchen zu Grunde gelegt haben.
2) E. Siegel-Frankfurt a. M.: Ueber die Pathologie der
Thymusdrüse.
Der eine Theil des Artikels beschäftigt sich mit einem historischen
Ueberblick über die Literatur der Thymushyperplasie resp. der da¬
durch verursachten Todesfälle. Ferner bringt S. einen bemerkens-
werthen Beitrag zur Frage nach der Existenz des sog. Asthma
thymicum. S. bejaht das Vorhandensein des letzteren auf Grund
eines genau wiedergegebenen Falles. In diesem bestanden bei einem
2 1 /2jährigen Kinde starke Anfälle von Dyspnoe — zuerst als Laryn¬
gismus stridulus gedeutet —, welche auf Tracheotomie und Einsetzung
einer langen Canüle sich nicht definitiv besserten, dagegen sofort,
nachdem der obere Thymustheil operativ freigelegt und durch Nähte '
an der Fascia sterni fixirt worden war. Es ist dies der erste,
operativ geheilte Fall von Asthma thymicum.
3) Heidenhain-Kösin: Tod eines 14jährigen Knaben
durch Lymphosarkoma thymicum.
6 Stunden nach der in Folge heftigster Dyspnoe gemachten
Tracheotomie starb der Knabe plötzlich, was vom Verfasser auf
Herzlähmung in Folge Vaguscompression durch den grossen media-
stinalen Tumor zurtickgeführt wird.
4) C. Fränkel: Die Bekämpfung der Diphtherie.
Vergl. den Bericht über die 21. Versammlung des deutschen
Vereines für öffentliche Gesundheitspflege zu Kiel, in No. 38 d. W.
Dr. Grassmann-Mttnchen.
| Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No 41.
1) v. Räthonyi: Ankylostomiasis des Pferdes. (Aus dem
Kohlenbergwerk Brennberg bei Oedenburg an der Südbahn, Ungarn.)
Aus den Untersuchungen R.'s scheint hervoraugehen, dass in
dem Pferde der langgesuchte «Zwischenwirth» des Ankylostomum
gefuhden ist. Nicht nur, dass in dem Pferdekothe Eier gefunden
wurden, aus denen sich Larven und encystirte Larven züchten Hessen,
sondern es erwiesen sich sämmtliche Grubenpferde von Ankylostomiasis
befallen, Pferde, die frei von Ankylostomum in die Grube gebracht
wurden, zeigten nach 5 bis 6 Wochen Eier des Ankylostomum im
Kothe, die schwersten Anaemien traten auf bei Arbeitern, die in
der Nähe der von Pferden begangenen Strecke arbeiteten und weitere
Nachfragen ergaben, dass ein stärkeres Auftreten der Ankylostomiasis
nur in Bergwerken auftritt, in denen Förderung mit Pferden statt¬
findet.
2) Hallervorden-Königsberg: Klinische Psychologie, die
Vorstufe der Psychohygiene.
Die klinische Psychologie ist nur ein Theil der klinischen
Physiologie, eine Verraittlungsdisciplin zwischen Physiologie und
Praxis. Bis jetzt wird nur die Psychologie der Seele gelehrt, eine
Psychologie des lebenden Menschen haben wir nicht, und doch ißt
sie zur Beurtheilung und nicht zum geringen Theil auch zur Be¬
handlung des Einzelnen unumgänglich nothwendig.
3) 0. Rosenbach: In wieweit hat die Bacteriologie die
Diagnostik gefördert und die Aetiologie geklärt. (Forts, folgt.)
4) J. Hirschberg: Ueber die neugebildeten Blutgefässe
der Hornhaut und ihre diagnostische Bedeutung. (Schluss aus
No. 38 und 39).
Die Neubildung der Blutgefässe in der Hornhaut ist nicht
bloss geeignet, zur besseren Erkenntniss der localen Augenerkran¬
kungen beizutragen, sondern auch einige schwierige Fragen der all¬
gemeinen Krankheitslehre mitaufklären zu helfen. H. weist die
Persistenz der bei Entzündungen der Hornhaut neugebildeten Ge-
fässe nach. Dieselbe ist wichtig und charakteristisch zur Erkennt¬
niss der scrofulösen, tuberculösen und besonders der syphilitischen
Affectionen.
5) E. Sehrwald-Freiburg i. B.: Dermatitis nach Durch¬
leuchtung mit Röntgen-Strahlen.
Die Hautaffection entwickelte sich bei einem Wh jährigen,
schwächlich gebauten brünetten Knaben 14 Tage nach der 45 Minuten
dauernden Durchleuchtung und bestand in einer concentrisch fort¬
schreitenden Entzündung mit Hyperaemie, Knötchen- und Bläschen¬
bildung mit Juckreiz, sehr starker Pigmentbildung, Verlust der
Lanugohärchen und einer auffallenden Verminderung der Schweiss¬
und Talgabsonderung.
6) E. P y c h 1 a u - Pskow Russland: Ein Schädelhalter zum
Gebrauch bei Obductionen.
Angabe eines sehr practischen Instrumentes zur Fixirung des
Schädels bei Sectionen. Illustration liegt bei.
7) H. Cahen-Köln: Ein seltener Fall von Gallensteinen.
Es handelt sich um einen ca. 13 g schweren, 4 cm langen und
breiten und 3 cm dicken, aus 16 kleineren zusammengeschmolzenen
Gallenstein, der in toto spontan abgegangen war. Derselbe hatte
in dieser Form offenbar nicht den schmalen Gallengang passirt,
sondern war durch eine 2 Jahre vor Abgang stattgehabte, im An¬
schluss an eine Entzündung erfolgte Perforation in das Colon gelangt.
8) A. Gott stein-Berlin: Formaldehydgelatine zur Con-
servirung von Nahrungsmitteln.
Zu der in No. 39 d. W. von Rosenberg gebrachten An¬
preisung des Formaldehyd als Conservirungsmittel bemerkt G., dass
nach seinen früheren Versuchen die Nahrungsmittel durch die
Einwirkung derselben allerdings keimfrei, aber zu gleicher Zeit auch
absolut ungeniessbar gemacht wurden.
9) A. Lanz-Moskau: Eine neue Urethralspritze.
Die Construction ähnelt der von Koch seinerzeit angegebenen
Serumspritze und hat den doppelten Vorzug der Billigkeit und
leichten Desinficirbarkeit. Illustration liegt bei. F. L.
Vereins- und Congressberichte.
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21. bis 26. September 1896.
Originalbericht von Dr. Arnold Eier mann, Frauen-Arzt in
Frankfurt a. M.
m. (N ach trag.)
Ich habe den Lesern dieser Wochenschrift leider Abbitte zu
thun. Ich hatte ihnen nämlich in meinem letzten Bericht ver¬
sichert, dass ich glaube, nichts Wesentliches in demselben ver¬
gessen zu haben. Dem ist zu meinem Bedauern nicht so!
Ich habe zwei Punkte vergessen, die mir werth erscheinen,
noch nachgetragen zu werden.
Der erste Punkt sind die den Theilnehmern von der
Stadt u. s. w. dargebrachten Festgaben. Jeder Congressist erhielt
4*
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Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 41.
rr.r.'Ä £ f
£
derselbe, der Gelegenheit entsprechend »ornehmheh *e net» „
»»cliiftlichen ärztlichen und ny giemsc neu *
Anstalten und lliurichtungen Frankfurts (Boden- und Wasser- &
Witterungs-, Bevölkcrungs - Verhältnisse, Strassen u. s. w.) und d
gibt auf g 184 Seiten ein zwar naturgemäss nur kurzes, dennoch
Sw klares und anschauliches Bild der bezüglichen Verhältnisse^ u
Eine weitere Festgabe, gestiftet vom physicalischcn ge
Verein, bestand in der Festschrift «das Klima von Frank^
furt a M.», im Auftrag bearbeitet von Dr. Julius Zieglei und in
Prof Dr. Walter König, dem zweiten Geschäftsführer der \ er- L
Sammlung. Dieselbe bietet eine ausführliche, sozusagen mono- st
graphische Bearbeitung des genannten Themas, aut Grund
50jähriger Beobachtungen, mit zahlreichen Curven.
Ein weiteres, wertvolles Angebinde erhielten zunächst die 1.
Mitglieder der inneren, chirurgischen und dermatolo^ >
gischen Sectionen, des Weiteren aber auch zahlreiche ander b
Thcilnehmcr in Gestalt eines von den drei Oberärzten des
städtischen Krankenhauses, Professor v. Noorden, i,
Dr Rehn und Dr. Herxheim er, ebenfalls im Auftrag der l
Stadt herausgegebenen Bandes «Abhandlungen«, enthaltend
20 mehr minder umfangreiche Arbeiten der Ober-, Assistenz-
und Volontär Aerzte genannten Institutes. . ’
Eine Schilderung der einzelnen Arbeiten würde jedoch zu .
weit ^ re “ ameD erhicUen a ls Festgaben zunächst einen mit
Zeichnungen der ersten Künstler der sog. «Kronberger
Kolonie», darunter A. Burger, Pichler, Friedenbe g,
Sehrödl u. s. w„ geschmückten «Kronberger Kalender»,
sowie ebenfalls einen, dem Zweck entsprechend, natürlich
kürzer gehaltenen Führer durch die Stadt.
Ferner erscheinen mir noch des Erwähnen« werth die in
der Ausstellung auf gestellt gewesenen Liegestühle, Hänge¬
matten u. s. w. nach dem System von Stabsarzt Dr. Jacoby
Dieses System, offenbar fussend auf Bier' s Behandlung
localer, besonders Gelenk-Tubcrculose und des Genaueren vom
Entdecker in Nr. 18 dieses Jahrganges dieser Wochenschrift be¬
schrieben, besteht bekanntlich in der Hauptsache in der künst¬
lichen Erzeugung einer Hyperaemie in den Lungenspitzen gegen
Lungen-Tuberculose, will also vornehmlich die bacter leide
Wirkung des Blutes zur Heilung genannter Krankheit
heranziehen.
Dasselbe ist auf Geh.-Rath Dettwcilcr s Veranlassung
seit etwa 3 Monaten in der Heilstätte Ruppertshain Ver¬
suchshalber in Gebrauch und wurde gelegentlich eines Ausfluges
nach genannter Anstalt von dem dirigierenden Arzt derselben,
Dr. Nahm, einer grossen Zahl von Aerzten, darunter Virchow,
v. Ziemssen, Moritz Schmidt an Kranken demonstrirt.
Da nach des dirigirendon Arztes Angaben bei säinmtlielien
Patienten, bei denen das System in Anwendung kam, nach kurzer
Zeit entschiedene Besserung eintrat, unangenehme Neben-Er¬
scheinungen aber nicht beobachtet wurden, soll es nächstens auch
an Fällen vorgeschrittener Phthise versucht werden.
Und da mir das Verfahren eine Zukunft zu haben scheint,
habe ich dasselbe noch erwähnen zu sollen geglaubt.
Jetzt hoffe ich auch mit Bestimmtheit, dass meinem Bericht
kein wesentlicher Zug mehr fehlt.
Frankfurt a. M., 8- Oktober 1896-
Section für innere Medicin und Pharmakologie.
Referent Dr. Albu-Berlin.
III. Sitzung. Vorsitzender: Herr L e ub c - Würzburg.
Herr La quer -Wiesbaden: Ueber Nährwert und Ver¬
wendung von Caseinsalzen (Eucasin):
Das Eucasin, eine ca. 11,8 Proc. bis 13,1 Proc. N =
73,75 g bis 88 g Eiweiss enthaltende Ammoniak-Casein-Verbindung,
hergestellt aus Milchcasein, vermag beim erwachsenen Menschen
L Haushalte des Körpers die Rolle der Kiweisskörper anderer
Abstammung zu übernehmen und einen vollkommenen Ersatz für
sie zu geben, wie dieses auch frühere Untersuchungen von Sal-
kowski, Röhmann, Marcuse am Hunde nachgewiesen haben.
Die Resorption des Eucasins im Magendarmcanal ist eine vor¬
zügliche; seine Ausnutzung durchaus den normalen Zahlen der
Eiweisskörper gleichend, zuweilen sie übertreffend; der Einfluss aut
^Resorption von Fett- und Kohlehydrate .st cm günsttgen
Eucasin setzt die Harnsäureausscbe.dung sehr stark herab
und wirkt ebenso wie die Milch in dieser Beziehung gegensätzlich
gegeD t^ m z“"vor den Peptonen und der Somatose
in erster Linie dadurch aus, dass man mit g^seren * Ieng ™
Eucasin und entsprechender aus Fett und Kohlehydraten be¬
stehender, Natron freier Nebenkost die potentiellen Energien des
Wärme-und Stoffhaushaltes längere Z ei t hindurch decken kann -
Die vorzügliche Ausnutzung im Darmcanal die ausserordent¬
lich günstige Einwirkung auf die Ausnützung der Nebenkost, der
Mangel an reizenden Einwirkungen auf die Schleimhäute der resw-
birenden Organe, endlich das Freisein von schlechtem Geschmack
ertheilen den. Eucasin bemerkenswerthe Vorzüge als J ,ak ™ ng ^
mittel überhaupt und als Diäteticum bei Kranken und in
Unterernährung befindlichen Reconyalescenten. R h ,.
Am Krankenbette kommen folgende Indicationen in Betracht.
Das Eucasin ist im Standb, Flcisclieiwciss zu ersetzen, wir
werden cs also bei zehrenden Krankheiten wie Phthise, Cachexiecn
aller Art, bei langdauernden Eiterungen, in der Reconvalescen
von Infectionskrankheiteu, Blutkrankheiten, Diabetes «Jgj*
ein die Verdauungsorgane nicht angreifendes, den btoftverlust
: deckendes b C ezw. hemmendes, zum N. Ansatz
in Verbindung mit sonstigen Energieträgern wie Butter Keis
i Cacao, Weissbrod, Eiern etc. reichen. Bei der Antipathie m
1 der z B. Phthisiker die Milch längere Zeit hindurch zu sich
nehmen, bezw. sich weigern, dieselbe trotz Uorngentien weiter
i gemessen, dürfte Eucasin als Ersatz für die Milch cintreten.
Ferner haben wir an dem Eucasin bei seiner constanten L
y sammensetzung ein Präparat, welches in einer für manche Kmnke
z. B. Diabetes, Öiclit. nothwendigen Bilanz als sozusagen constante
w Grösse zu fungiren vermag. ,
n Mit Rücksicht auf die Verminderung der Harnsüureausf
ä - werden wir Eucasin bei Krankheiten, die mit vermehrter Harn-
t- säurebildung einhergehen, wie Arthritis urica, Litbias^ den
m treffenden Kranken als direct der ungünstigen An age entgegen
.c arbeitendes Nährpräparat reichen, wie dieses schon Sa 1 kowsk
ft schlug Ein Vorzug des Eucasins ist schliesslich sein gennger
Preis!* Man bekommt 100 g Eucasin für 1 Mk„ 100 g Soma-
ig tose dagegen kosten 5 Mk.
!r - His-Leipzig: Untersuchungen an Gichtkranken.
■es Nach einer kurzen Zusammenfassung der gegenwärtigen -
in sshauungen über das Wesen der Harnsäurcbildung und -Aussche -
Z, dang bei der Gicht berichtet Vertuender über Bes—,»| ta
Harnsäureausscheidungen in der 24stündigcn Harnmenge in 17
en von acuter Gicht (Gelenkerkrankungen). Mit Ausnahme von
zer Fällen Hess sieh in allen anderen ein ganz constanter Befm.dc
Sr- heben, den Verfasser desshalb als pathognomomsch ans l mcht H
ich acuten Gichtanfall geht eine Depression der i len g* der .
Säureausscheidung voraus, nach dem Anfall ist eine S fc
nt, selben bemerkbar, die mit die Norm übersteigen en er .
mehrere Tage anhält, bis sie zur Norm absinkt. Wenn
cht fälle schnell aufeinander folgen, bietet sich dieser typisc e
in abgekürzter Form dar, oder verwischt sich fast
tragender berichtet des Weiteren über Bestimmungen der Aiio
kiirper -ach der Kr üger - Wulf f'sehen Methode, ta*
3 . hat sich ihm nicht als vollkommen zuverlässig erwiesen, sie erg
z. B. öfters ganz unmögliche Werthc (kleiner als die ax
menge allein), lässt auch zuweilen gar keinen Niedersc a«
fallen u. dergl. m. In Bezug auf die Deutung der gottW*
Ter- bestimmten Alloxurkörper spricht sich Vortragender gegen
aus, dem die beträchtlichen individuellen Schwankungen e ß
= sind und der aus wenigen zufälligen Ausnahmen allgemeine
ung, abgeleitet habe. Es lässt sich kein bestimmtes Verhältnis z
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Gc ^Ie
13. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
989
Gicht und Alloxurkörpern feststellen. Alkalien, alkalische Mineral¬
wasser, die pflanzensauren Alkalien, das Lysidin, Piperazin und
andere angeblich harnsäurclösonde Mittel beeinflussen nach den
Untersuchungen des Vortragenden die Harnsäureausscheidung nicht
in charakteristischer Weise. Eine Ausnahme macht das Lithium,
das in Tagesdosen von J /s bis 1 g eine geringe Verminderung
der 24stündigen Menge hervorruft.
W eintrau d-Breslau : Die K rüger- W u 1 ff'sche Methode gibt
öfters irrige Resultate, z. B. nach dem Eindampfen des Harns kleinere
Werthe. Es scheint die Concentration der Salze im Harn den Nieder¬
schlag zu beeinflussen.
Laquer-Wiesbaden hält die Methode für werthlos, sie liefert
unregelmässige Resultate.
St raus s-Berlin hat festgestellt, dass auch Pepton und Albu-
mosen durch dieses Verfahren niedergeschlagen werden.
Zülzer-Frankfurt a. M. glaubt, dass der Kochsalzgehalt des
Harns einen beeinträchtigenden Einfluss ausübt.
Bianchi-Florenz: Phonendoskopie und die phonen
doskopische Projection des Körperinnern (in lateinischer
Sprache).
Vortragender demonstrirt den Gebrauch seines Apparates,
mittelst dessen er die Grenzen jedes einzelnen Organes genau be¬
stimmt. Wenn das Phonendoskop auf das betreffende Organ z. B.
Magen, Leber, Herz oder dergl. aufgesetzt wird, so wird ein über
denselben mit dem Finger hervorgerufenes Streichgeräusch nur so
weit fortgeleitet, als das Organ reicht. Weiterhin demonstrirt
Vortragender seine auf diese Weise nach Aufzeichnungen ge¬
wonnenen Bilder der Lage und Grösse der Körperorgane.
D a u b e r - Würzburg : Schwefelwasserstoff • Gährung
im Magen.
Verfasser fand in 9 Fällen, von denen 6 normale Magen¬
functionen zeigten, 1 an leichter, 2 an schwerer motorischer In-
sufficienz litten, (darunter 1 Careinom), im Ganzen 41 Bacterien-
arten. Durchschnittlich fanden sich in Fällen, in denen die
motorische Kraft normal oder nur gering gestört, nur 3—6 Arten,
in denen schwerer Iusuffieienz 13—15 Arten. Von Allen waren
66 Proc. H 2 S bildend, stark bildeten 11*»S 31,7 Proc., mittel-
mässig-schwach 24,4, spurenhaft 9,75 Proc. Bei anaerobem Wachs¬
thum bildeten fast alle H 2 S.
Gegenüber HCl verhielten sich alle Bacterien mit Ausnahme
der Sarcine sehr widerstandsfähig. Sie gingen in einer Nähr¬
bouillon, die 10 Proc. Normalsalzsäure = 0,365 Proc. HCl ent¬
hielt, innerhalb 6 Tagen nicht zu Grunde; die Hefen und ein¬
zelne andere Arten entwickelten sich sogar noch recht gut, während
die übrigen in ihrem Wachsthum nur gehindert waren. Jedoch
bildeten sie alle keine H-jS mehr. Das trat bei einzelnen genauer
geprüften Arten durchschnittlich noch hei einem Gehalt von 0,1825
Proc. freier HCl ein. Höchster gefundener Werth war 0.255 Proc.
Auf Reductionsiiährböden wuchsen die meisten Arten ebenfalls
und es fand sich, dass viele Arten sowohl auf 5 Proc. Pepton¬
bouillon H 2 S bilden konnten, als auch oxydirte S-Verbindungen
zu II 2 S reduciren konnten. Doch war diese Eigenschaft seltener,
häufiger aber noch bei anaerobem Wachst hum als bei aerobem.
Am leichtesten wurden Natriumhyposulfat rcducirt und zwar ana¬
erob fast allgemein, nur sehr selten Natriumsulfat.
Ewald- Berlin macht auf die Abhängigkeit der Entwickelung der
Gährungen im Magen von dem Salzgehalt seines Inhaltes aufmerksam.
Strauss-Berlin bat H 2 S-Bildung im Magen durch das Bacterium
coli commune beobachtet. Neben Zahl und Art der Bacterien ist die
Beschaffenheit des Nährbodens, und der Gehalt an rechtsdrehender
Substanz für die Entstehung der Gährungen von Bedeutung.
IV. Sitzung. Vorsitzender: Herr B ä u m ler - Freiburg.
Herr Steinmeyer -Braunsehweig: Invaginatio ileo-
colica bei einem V*jährigen Säugling, Heilung durch Aus-
stossung eines 27 cm langen Darmstückes.
Ein geheilter Fall von Invaginatio ileo-colica bei einem */ 2 jährigen
Knaben aus seiner Praxis gibt dem Vortragenden Veranlassung, das
durch Nekrose abgestossene Darmstück votzulegen. Der bis zu dieser
Erkrankung normal entwickelte Säugling erkrankte plötzlich ohne
nachweisbare Ursache mit Erbrechen, Entleerung von beträchtlichen
Blutmengen aus dem After, ohne jede Beimischung von Faeces,
Meteorismus, hochgradiger Schmerzhaftigkeit des Abdomens, Symp¬
tome, die das Vorhandensein einer Darminvagination wahrscheinlich
machten. Das Kind collabirte schnell, verweigerte die Brust und
konnte nur mit in Eis gekühltem Eiweisswasser ernährt werden.
Die erbrochenen Maasen, anfangs geruchlos, begannen am 3. Tage
faecalen Geruch anzunehmen. Das Kind schien verloren. Am 5. Tage
zeigte sich in der Afteröffnung eine blutige mit Schleim bedeckte
Masse, neben der eine kleine Darmschlinge hervorhing. Repositions¬
versuche waren vergeblich. Allmählich trat die Darmschlinge weiter
vor und mit ihr der Processus vermiform. Es war nun klar, dass
das vorliegende Darmstück das Coecum war. Am 6.. Tage hörte
das Erbrechen auf, das Kind trank gierig Eiweisswasser und ent¬
leerte am Abend des ß. Tages wässrige stark riechende, bräunlich
gefärbte Stuhlgänge. In der Nacht nahm es die Brust. Ain 7. Tage
entleerte sich neben der jetzt etwa 5 cm lang vorliegenden Darm-
scblinge breiiger gelblicher Stuhlgang. Das Allgemeinbefinden besserte
sich rasch, Nahrungsaufnahme genügend, der Lein wurde weicher.
Am Abend des 7. Tazes fand ich eingebettet in den Stuhlgang das
vorliegende Darmstück abgestossen.
Das Kind erholte sich auffallend schnell, nahm regelmässig die
Brust und ist bis heute vollständig gesund.
Das Dannstück besteht aus Ileutn, Coecum mit Proces. ver¬
miformis und einem Theil des Colon ascendens.
Herr Bäu mler-Freiburg erwähnt eines ähnlichen Falles bei
einer erwachsenen Person
Herr v. Strümpell -Erlangen: Zur Aetiologie des
Diabetes mellitus und der sogen, alimentären Glycosurie.
Bisher ist das Vorkommen der alimentären Glycosurie haupt¬
sächlich bei gewissen Organerkrankungen (Leber) studirt worden.
Vortragender hat sein Augenmerk auf ihr Eintreten bei Allgemcin-
erkrankungen gerichtet, welche in aetiologischer Beziehung zum
Diabetes stehen, zunächst bei Arteriosklerose, dann namentlich bei
Alkoholismus. Letztere Versuche wurden hauptsächlich an Stu¬
denten gemacht, welche an reichlichen Biergenuss gewöhnt waren.
Nach Verabreichung von 100 g Glyeose schied sich schon nach
einer Stunde über 1 Proc. Zucker aus, der nach mehreren Stunden
aus dem Harn wieder vollständig verschwunden war. Bei Potatoren
ist also offenbar die Zersetzungsfähigkeit des Zuckers herabgesetzt.
Neben der die Zellen direct schädigenden Wirkung des Alkohols
kommt wohl als Ursache dieser Erscheinung namentlich eine Art
functioncller Uchcranstrcngung der den Kohlehydratumsatz be¬
sorgenden Organe in Betracht. Uebrigens ist die alimentäre
Glycosurie bei Potatoren nicht regelmässig zu erzeugen , sondern
hängt von individuellen Eigenthümlichkciten ab. Eine gegebene
Disposition muss vorhanden sein. Weiterhin hat Vortragender
wie v. Jak sch das Vorkommen von alimentären Glycosurien
auch bei traumatischer Neurose beobachtet, dagegen nicht bei
chronischen, schweren Nerven-, z. B. Bückenmarkserkrankungen,
wie der progressiven Muskelatrophie. Für die schwere Form des
Diabetes im jugendlichen Alter nimmt Vortragender eine endogene
Entstehung an (angeborene Anlage) Der Diabetes kann mit
anderen angeborenen Erkrankungen, z. B. der Muskelatrophie, ein¬
hergehen , ohne in ursächlichem Zusammenhang mit demselben
zu stehen. Andererseits können sie in Abhängigkeit von einander
stehen, wie z. B. die Acromegalie und der Diabetes, insofern es
nämlich Vortragendem gelungen ist, in einem Falle von Acromegalie
alimentäre Glycosurie zu erzeugen, in dem kein offenkundiger
Diabetes bestand.
Herr Fl ei 11 er-Heidelberg: Nicht nur der Alkohol erzeugt eine
Neigung zur alimentären Glycosurie, sondern überhaupt Wohlleben,
reichliches Essen und Trinken bei geringer körperlicher Bewegung,
namentlich reichlichem Fleischgenuss. Diese alimentäre Glycosurie
steht in Analogie zu der alimentären Albuminurie und kann wie
diese durch Beschränkung der Fleischkost schnell zum Verschwinden
gebracht werden.
Herr v. Noorden-Frankfurt a. M. macht zuuächst auf das
Vorkommen der alimentären Glycosurie bei fieberhaften Erkrankungen
aufmerksam Auch Leberkrankheiten setzen die Fähigkeit, das
Glycogen aufzustapeln, stark herab Füttert man Thiere mit grossen
Mengen Kohlehydrate, so tritt keine Glycosurie ein, auch im Darm
findet keine Retention des Zuckers statt, aber er findet sich in der
Leber und in der Musculatur aufgestapelt. Unterbindet man vorher
den Gallengang oder erzeugt künstlich Fieber bei den Thieren, so
findet sich der Zucker aber auch in den letztgenannten Organen
nicht mehr. Wo ist er geblieben? Die Kohlehydrate müssen offen¬
bar im Körper auch noch in anderer Form als in Gestalt des
Glycogen8 aufgestapelt werden können Die bei üppiger Lebens
weise auftretende Glycosurie verhält sich wie die experimentell
erzeugte alimentäre Glycosurie, insofern nämlich über eine bestimmte
Grenze der Zuckerausscheidung hinaus trotz Zufuhr grösserer Mengen
von Kohlehydrate keine Steigerung mehr erfolgt, während beim
echten Diabetes die Zuckerausscheidung demnach ständig steigt.
Herr Ewald-Berlin, erinnert an die älteren Versuche über
alimentäre Glycosurie in der Frerichs'schen Klinik, welche ergeben
haben, dass Beziehungen zu bestimmten Erkrankungen nicht be¬
stehen. Es ist noch nicht klar, warum im Einzelfall eine Glycosurie
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
auftritt. Bei schweren Gehirnerkrankungen (Apoplexie) ist sie meist
nicht hervorzurnfen. Dagegen fehlt sie nach Ausschaltung des
Leberkreislaufs (Einführung per rectum) nur selten. Das gelegent¬
liche Auftreten von Zucker im Ham ist für LebenBversicherungs-
gesellschaften sehr wichtig, da es von den scheinbar Zuckerkranken
oft selbst experimentell durch den Genuss gewisser Nahrungsmittel
(z. B. Austern) erzeugt ist.
Herr A1 b u - Berlin, hat die Angabe von v. J a k s c h, dass bei
traumatischer Neurose und schwerer Hysterie alimentäre Glyeosurie
Vorkommen und sie dessbalb gelegentlich zur Diagnose herange¬
zogen werden könnte, nicht bestätigt gefunden. Sie war auch in
ganz frischen und schweren Fällen der genannten Erkrankungen
nicht zu erzeugen. Es scheint sich doch also nur um eine zufällige
Combination der genannten Erkrankungen mit angeborener Disposition
zu Diabetes zu handeln.
Herr Bäumler-Freiburg, weist auf das Vorkommen von
alimentärer Glyeosurie nach der Mahlzeit hin. Nur durch eine sehr
umfassende Statistik könnte sich ermitteln lassen, wie viele Leute
mit alimentärer Glyeosurie später Diabetiker werden.
Herr F1 e i n e r - Heidelberg: Vormagen oder Antrum
cardiacum ?
Vortragender berichtet Uber folgenden merkwürdigen Fall:
Ein 8 jähriges Kind war von Geburt an schwächlich und leidend.
Nach oder während des Essens traten sehr häufig Anfälle, be¬
stehend in Athemnoth, Druck und Schmcrzenipfindung in der
Magengegend, Erbrechen, Würgen, Wiederkauen auf. Manchmal
wurde Schleim und Wasser erbrochen. Nachts war cigcnthüm-
licher Husten vorhanden und ein Geräusch zu hören, wie wenn
Wasser in der Brust auf- und abbewegt würde. Das Kind kaute
immer sehr langsam und ass nur wenig. Von den behandelnden
Acrzten sind die verschiedensten Diagnosen gestellt worden. Das
Kind war erheblich abgemagert. Vortragender machte regel¬
mässige Magenausspülungen und schloss daran Fütterungen mit
der Sonde an. Das Kind konnte seinen Appetit befriedigen und
nahm in 10 Tagen 5 Pfund zu. Ein nervöses Magenleiden
schien schon dessbalb ausgeschlossen, weil das Kind die Sondirung
ohne Widerstreben ertrug. Nachdem es nach Hause entlassen
war, stellten sich die alten Beschwerden und Erscheinungen bald
wieder ein. Es kam dessbalb nach einiger Zeit von Neuem in
die Behandlung des Vortragenden. Beim Herauszielien der Sonde
kam eine Quantität Flüssigkeit heraus und durch die Sondirung
wurde erwiesen, dass sich oberhalb des Magens ein Ilohlramu
befand, der ungefähr 70 ehern Flüssigkeit fasste. Durch Aus¬
waschung dieses Raumes werden sieh die Beschwerden des Kindes
wohl mindern lassen, aber es wird voraussichtlich sein Leben lang
mit der Sonde gefüttert werden müssen. Der Vortragende sehliesst
noch eine Reihe theoretischer Erörterungen an die Besprechung
dieses Falles. Das Leiden ist ein angeborenes.
Herr Boas-Berlin bat 2 ähnliche Fälle beobachtet. In dem
einen hat der Patient sich selbst sehr gut zu helfen gewusst, indem
er die Speiseröhre mit Luft oder Speisen bis oben hin anfüllte,
dann eine starke Pressbewegung machte und dadurch den ganzen
Inhalt der Speiseröhre in den Magen beförderte. Therapeutisch
erscheint eine andauernde Sondirung am zweckmässigsten, um eine
Schrumpfung des Vormagens allmählich zu erzielen, oder eine Er¬
nährung per rectum.
Herr Ewald-Berlin macht darauf aufmerksam, dass man
nach der Section öfters das Vorhandensein eines Vormagens con-
statiren kann, wenn man die Speiseröhre und Magen z. B. mit
Wachs ausgiesst, ohne dass die Zeichen einer Structur oder einer
alten Narbe sichtbar sind.
Herr K elling-Dresden thei't einen ähnlichen Fall mit, in
dem sich in der Speiseröhre absolut kein Hiijderniss fand, also eine
centrale Ursache vorliegen musste.
Herr J a c o b y - Btrassburg: Ueber das Sphacelotoxin,
den wirksamen Bestandtheil des Mutterkornes.
Unter Bezugnahme auf die neueren Arbeiten von Kobert
u. A., welche die Darstellung der Sphacclinsäure und des (’ornutins
betreffen, beschreibt der Vortragende eingehend den complicirten
Weg, welcher ihn zur Gewinnung des wirksamsten Principes des
Mutterkornes geführt hat. Nach vielfachen Versuchen konnte
er es schliesslich im chemisch reinen Zustande isoliren, in
Form einer gelben, schön crystallisirenden Substanz, welche
schwangeren Hunden und Katzen einverleibt, mit Sicherheit in
24 Stunden Abort hervorruft, ohne schwere Allgemeinerschci-
nungen zu erzeugen. Ebenso lässt sich mittels dieser Substanz
das Eierlegen bei Hühnern beschleunigen. Die specifische Ein¬
wirkung der Substanz auf den Uterus steht ausBer Frage. Selbst
sehr grosse Dosen haben beim Warmblüter keine Giffcwirhng,
Herr Smith- Schloss Marbach zeigt an der Hand gemachter
Experimente, dass es sich bei der idiopatischen Herzerweiterung
um eine alkoholische Wirkung handelt, bei der die Wirkung der
grossen F1 üssigkeitsmengo nur in geringer Weise in Betracht
kommt. Möglich war die Untersuchung durch Anwendung der
Bi an eh i ’ sehen Methode (Phonendoskop). Ferner macht Redner
auf den Zusammenhang der epileptoiden Zustände bei der Dip,*,
manie mit der Herzerweiterung aufmerksam, berichtet über einige
Fälle von periodischer Herzerweiterung ohne Alkoliolgenuss bei
diesen Formen und betont die Wichtigkeit der Herzuntersuchune
bei periodischen Dcpressions- und Aufregungszuständen bei jungen
Männern in den 20er Jahren. Die Prognose ist fast unbedingt
gut bei Dipsomanen, zweifelhaft bei chronischen Alkoholisten.
Die Therapie bat hauptsächlich Bewegung in's Auge zu fassen,
die aber genau zu dosiren ist. Ruhe und UeberanstrengnDg
wirken gleich schädlich.
Herr Federn - Wien : Ueber Blutdruckbestimmung am
Krankenbette.
Der Vortragende will die Nothwcndigkeit der regelmäßigen
Blutdrucksbestimmung am Krankenbette erweisen. Die bisher ge¬
ringe Würdigung des Sphygmomanometers beruht wohl auf der
Resultatlosigkeit der bisher uiitgetheilten sphygmomanometrischen
Messungen.
Während die früheren Autoren die physiologische Breite des
Blutdruckes von 70—165 annahuten, ist Vortragender durch lang
jährige Beobachtungen am Krankenbette, die viele Zehn tausende
betragen , zu der Lehre gekommen, dass der normale Blutdruck
bei Erwachsenen SO—90 mm Hg, ausnahmsweise vielleicht auch
100 betrage.
Jeder dauernd höhere Blutdruck ist abnorm hoch und bedeutet
eine krankhafte Störung, und cs hängt nur von der Widerstands
kraft des Individuums ab, wie lange er sich für gesund hält, bis
endlich früher oder später Symptome auftreten, die er nicht mehr
ignoriren kann.
Die Schädlichkeit des dauernd erhöhten Blutdruckes macht
sich nach drei Richtungen geltend, 1. stehen sämmtliche Gewebe
des Organismus, also auch die Nieren, unter einem höheren Drucke,
der als mechanischer Insult wirken kann; die 2. beruht auf dem
hohen Drucke in den Capillaren, welcher den Stoffwechsel zwischen
diesen und den Capillaren gewiss verändert. Der Vortragende hat
bei hohem Blutdrucke Albumen, Zucker, vermehrte Harnsäure im
Harne gefunden, welche bei normalem Blutdrucke schwanden.
Endlich 3. bedeutet ein höherer Blutdruck vielleicht eine kräftigere
Herzaction, aber jedenfalls eine angestrengtere Herzaction, weil
der linke Ventrikel seinen Inhalt in die Aorta gegen einen höheren
Druck entleeren muss.
Der Vortragende hat jedoch die .Schädlichkeit des dauernd
erhöhten Blutdruckes nicht aus theoretischen Beobachtungen con-
struirt, sondern aus seinen Beobachtungen am Krankenbette erkannt.
Der Vortragende bat früher schon die hohe Wichtigkeit des
dauernd erhöhten Blutdruckes für die Neurasthenie, die Herz
insufficienz und Blutungen jeder Art ausgesprochen; er hält seine
Angaben in ihrem vollen Umfange aufrecht, die neurasthenischen
Symptome schwinden, wenn der Blutdruck normal wird.
Alle Blutungen, die bei erhöhtem Blutdrucke auftreten, gehen
eine günstigere Prognose, als jene bei normalem Blutdrücke.
Gemeinsame Sitzung aller medicinischen Sectionen.
Mittwoch, den 23. September 1896- (Vormittag. 1
Referent: Dr. Albu-Berlin.
Vorsitzender: Herr His-Leipzig.
Herr Fle chsi g-Leipzig: Die Localisation der geistigen
Vorgänge.
Bedeutende Fortschritte sind neuerdings besonders in
gröberen Anatomie des Gehirns gemacht worden, während es den
Untersuchungen allerdings bis jetzt nur in sehr beschränktem
Maasse gelungen ist, in die feinere Structur der verschiedenen
Ilirntheile einzudringen. Der Redner beschränkt sich bei «einen
Darlegungen auf die Anatomie des menschlichen Gehirns.
Die Anatomie des Thierhirns ist zwar zur Vergleichung beru-
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13. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
zuziehen , darf aber mit der Anatomie des menschlichen Gehirns
nicht durcheinander geworfen werden. Wir haben zwischen zwei
grossen Gruppen von geistigen Functionen, die im
Gehirn zu Stande kommen, nämlich 1. den Sinnes-
empfi n düngen und 2. den Organempfindungen, zu
unterscheiden. Die ersterwähnte; Categorie von Empfindungen kommt
zweifelsohne nur durch Vermittelung der Grosshirnriude zu Stande,
die Organempfindungen erfolgen auf andere sogleich zu erörternde
Weise. Das was man als « Gef ühlstöne » bezeichnet, d. h. die
Empfindungen der Lust, Unlust, des Schmerzes, der Freude u. s. w.,
findet sich auch bei Missgeburten, denen das Grosshirn vollständig
fehlt; sie sind also nicht an das Grosshirn gebunden. Zur Locali-
sation der Sinnesvorgänge haben die bahnbrechenden Untersuchungen
von Goltz, Hitzig, Munk u. A. den Grund gelegt. Am
genauesten erforscht sind bis jetzt die «Seh Sphäre» und
« Hörsphäre », d. i. jene Bezirke der Hirnrinde, in denen die
Empfindungen des Sehens und Hörens zu Stande kommen. Die
Sehsphäre, über die von Munk, Hitzig u. A. zuerst beim
Hunde Untersuchungen vorgenommen wurden, ist, wie jetzt zweifel¬
los feststeht, in der sogenannten Fissura calcarina und der nächsten
Umgebung dieses Hirnthciles localisirt. Bezüglich der Hörsphäre
hat Wer nicke schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass
durch Erkrankungen und Verletzungen der ersten Schläfenwindung
und deren Umgebung das Hören beeinträchtigt oder gänzlich auf¬
gehoben wird. Als feststehend darf jetzt gelten, dass die Hör¬
sphäre in der ersten Schläfenwindung oder in deren nächster
Umgebung und gewissen anderen unmittelbar an die Svlvius'sche
Spalte angrenzenden Hirnthcilen enthalten ist. Die Hörsphäre ist
beim Menschen in bei weitem höheren Grade entwickelt als bei
den Thiercn ; wenn auch einzelne Vögel musikalische Empfindungen
haben, so gestattet dieser Umstand doch keinen Vergleich mit
dem weiten Umfang der Tonempfindungen beim Menschen. Die
Sinnesempfindungen des Mensehen sind keineswegs gleichwerthig;
die wichtigste aller Sinnessphären ist zweifelsohne die ^Körper-
fühlsphäre», in der, wie es scheint, neben der Hautempfindung
(Tast- und Temperatursinn der Haut) auch die Muskelgefühle ihren
Sitz haben.
Der Redner kommt sodann noch auf dasjenige zu sprechen,
was betreffs der Localisirung der Geruchs- und Geschmacksem¬
pfindungen bis jetzt festgestellt worden ist. Von allen Sinnes¬
empfindungen sind die in der soeben erwähnten Körperfühlsphäre
zu Stande kommenden für das Geistesleben des Menschen zweifels¬
ohne die wichtigsten ; erst in zweiter Linie kommen die Gesichts¬
und Gehörempfindungen, wie das berühmte Beispiel der Laura
Br id gm an beweist, bei der es gelungen ist, vermöge der Ge¬
fühlsempfindungen einen nicht unbedeutenden Grad geistiger Ent¬
wicklung zu erzielen, obwohl sie blind, taub, sowie geschmack-
und geruchlos zur Welt gekommen ist. Das Prädominiren der
Körperfühlsphäre über die übrigen Sinnessphären wird übrigens
nicht nur durch die Entwicklungsgeschichte, sondern auch durch
die Ergebnisse der anatomischen Untersuchungen dargethan; cs
bedarf kaum einer Erwähnung, dass der Umfang der verschiedenen
Sinnessphären und deren anatomische Structur eine verschiedene ist.
Ueber die Loealisation der Or gan em p f i n d u n ge n , zu
denen auch der Hunger zu rechnen ist, ist im Allgemeinen noch
wenig bekannt; ziemlich wahrscheinlich ist, dass Hunger- und
Durstgefühl gewissen Reizungen oder Erregungen der Medulla
oblongata ihre Entstehung verdanken.
Der Redner kommt ferner noch auf die «sensorische Aphasie»,
sowie auf gewisse Sehstörungen, die durch Krankheitsherde, die
im «Scheitelläppchen» ihren Sitz haben, sowie auf gewisse durch
mangelnde Coordination beider Augen und Sehnerven hervorgerufene
Sehstörungen zu sprechen. Eine besonders wichtige Frage ist die,
ob zwischen den verschiedenen Sinnessphären ein
Gönn ex besteht und ob er ein directer oder in -
directer ist. Während man früher glaubte, dass die ver¬
schiedenen Sinnessphären direct mit einander verbunden seien,
unterliegt es nach den neueren Untersuchungen keinem Zweifel,
dass eine directe Verbindung zwischen den betreffenden Hirn¬
regionen, wenn überhaupt, so doch nur in sehr unvollkommenem
Maasse besteht. Andererseits ißt es sehr leicht nachzuweisen,
«lass die Sinnessphären in direct mit einander verbunden sind.
991
Ueber das Verhältniss, in dem die einzelnen Sinnessphären zu
einander stehen, bemerkt Flechsig, dass das Gehirn nicht etwa
eine Republik mit Coordination der verschiedenen Hirntheile,
sondern vielmehr einen Staat mit streng centralisirter Oberleitung
darstelle. Der Redner gedenkt auch zum Schluss der grossen
Verdienste, die sich Weigert durch Ausbildung der für die
Hirnauatomie überaus wichtigen Untersuchungsmethoden um die
Gehirnforschung erworben hat.
Herr Edinge r - Frankfurt a. M.: Die Entwickelung der
Gehirnbahnen in der Thierreihe.
Die Hirnrinde ist dasjenige Organ, au welches
zweifellos beim Menschen und den Säugern all das
gebunden ist, was man gewöhnlich als höhere
seelische - Functionen bezeichnet. Sie fehlt den
niedersten Wirbelt liieren noch völlig, entwickelt sich
sehr langsam in der Thierreihe, und die Entwickelung, welche sie
bis zur Säugethierreihe erlangt hat, ist nur minimal, verglichen
mit derjenigen, welche innerhalb dieser Classe eintritt. Vieles
spricht dafür, dass auch bei den höchsten Säugern, bei den
Menschen , dieses Worden der Hirnrinde noch im Flusse ist und
dass das Ende jenes Entwicklungsganges, der für die Fähigkeit
zu psychischer Thätigkeit von allerhöchster Bedeutung ist, zunächst
gar nicht abzusehen ist, da jener Entwicklungsgang durch eine
so grosse Reihe von Thierclassen hindurch als ein fortwährend
ansteigender constatirt werden konnte. Im Gegensatz zu jener
fortschreitenden Entwicklung des Grosshirns (Organ für die höheren
Seelenthätigkciten) haben die neueren Untersuchungen als zweifel¬
los ergeben, dass jene Theile des Nervensystems, die man ge¬
wöhnlich als die niederen bezeichnet (Rückenmark, verlängertes
Mark und Kleinhirn), von den Fischen hinauf bis zum Menschen
im Wesentlichen gleich oder doch sehr ähnlich gebaut sind. Da
wir aus dem gleichen Bau der Centralorgane des Nervensystems
auf gleiche Leistungsfähigkeit schliessen dürfen, so ist es nicht
unwahrscheinlich, dass wir durch die anatomische Untersuchung
und durch die mit derselben Hand in Hand gehende biologische
Beobachtung dermaleinst einen Einblick in die Entstehung der
Geistesfähigkeiten erlangen, dass sich eine wahre vergleichende
Psychologie heranbilden wird.
Die Aufgabe, den Bau des Nervensystems zu vergleichen mit
dem psycho physiologischen Verhalten eines niederen Thieres ist
uns zum Glücke in den letzten Jahren sehr erleichtert worden.
Wir haben durch Löh und durch Friedländer Studien über
den lebenden Regenwurm und durch G. Retzius einen Einblick
in den Bau des Nervensystems jenes Thieres erhalten. Der
Körper des Thieres besteht aus einer Anzahl von Abschnitten,
vou denen jeder seinen eigenen Nervenknoten und einen in das
Ganglion eintretenden Nervenstrang aufweist. Auch stehen die
einzelnen Abschnitte dermassen mit einander in Verbindung, dass
ein Eindruck, welcher an irgend einem Theil der Körperoberfläche
das Thier trifft, zunächst die Muskeln dieses Theiles dann aber
auch die von weiter vorn oder weiter hinten liegenden Körper-
theile in Thätigkeit zu setzen vermag. Auf diese Weise kann ein
Reiz, der an einer einzigen Stelle eingreift — passendeCoordinationen
der Bewegungen vorausgesetzt — das ganze Thier auf rein reflecto-
rischem Wege zur Bewegung, zum Kriechen bringen. Auch kann
dieses Fortkriechen den Eindruck der äussersten Zweckmässigkeit
im Verhältniss zum Reize machen. An dem Beispiele, das der
Nervenapparat des Regenwurms uns bietet, haben wir also einen
Mechanismus erkannt, der, einmal von der Aussenwelt gereizt, in
ganz gesetzmässiger und für die Fortbewegung des Thieres sehr
zweckmässiger Weise zu arbeiten vermag. Wir haben aber gar
keinen Anhaltspunkt dafür, dass dem Regenwurm dies Verhältniss,
die Empfindung und die ausgelöste Bewegung zum Bewusstsein
kämen — in der Art zum Bewusstsein, wie dies etwa bei Süuge-
thieren der Fall ist. Vielmehr spricht der ganze Bau des Nerven¬
systems und auch das Verhalten des Thieres selbst dafür, dass
wir diese Vorgänge etwa vergleichen dürfen mit denjenigen, welche
im Darm der Säuger sich abspielen. Für diese tiefste Stufe des
Empfindens wählt der Vortragende die Bezeichnung «primäre
Empfindungen», für die von hierausgelösten Bewegungen die
Bezeichnung «primäre Bewegungen». Bei den Wirbel-
thieren werden die Empfindungen von den äusseren
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992
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Körperdocken her aänuntlich dem Kückenmarke zu¬
geleitet. Dort ist für die Mehrzahl derselben eine Endstüttc,
von dort aus können gut eoordinirte zweckmässige Bewegungen
ausgelöst werden. Von den Fischen bis hinauf zum Menschen
kehrt im Rückenmark ein gewisser Grundmechanismus immer
wieder, den Kdinger als «Ei genappa ra t des Rück eiunarkes>■
bezeichnet. Das verlängerte Mark — soweit dasselbe Ursprungs
und Endstätte von Nervenbahnen ist — wird von Redner dem
gleichen Apparat zugerechnet. Der Eigenapparat des Rückenmarkes
muss im Stande sein, allen den mannigfachen Empfindungen und
Bewegungen zur Grundlage zu dienen, deren das enthirnte Thier
fähig ist. Wenn wir den enthirnten Frosch bei Reizung der Beine
fortspringen sehen, so werden wir uns hüten müssen, von etwas
Anderem zu sprechen, als von dem Fungiren längst vorgebil¬
deter Bewegungseombinationen. Jedes psychische Moment
ist in diesem Falle au szuseh Hessen, ln geistvoller Weise hat Exil er
den Umstand, dass immer viele Ganglienzellen zu gemeinsamer
Action verbunden und von einer einzelnen sensiblen Faser aus
erregbar sind, dazu benutzt, um den Begriff der »Bewegung«*
combinatioii". einzuführen. Die einfache Reilextheorie wird hier
auf coiupiicirtore Vorgänge übertragen. Mehr und mehr erkennen
wir, dass bei den niederen T liieren Vorgänge, welche
nach der früheren Annahme dem bewussten Willen
unterworfen sein sollten, sich auf a bso 1 u t ei n f a ch e
re fl ec torische Weise abspie len. Der Eig.napparat des
Rückenmarkes ist, wie bereits erwähnt, eine der ältesten Aquisi-
tionen der Wirbelthiere. Alles was hirnwärts v o m Rück e n -
mark sitzt, ist erst späterer Erwerb. Zu der fort¬
schreitenden Vervollkommnung des Centralnervensystems über¬
gehend, bemerkt Redner, dass bei den Sclaehierii ebenso wie bei
den Fischen Faserzüge aus dem Kleinhirne und ebensolche aus
dem Mittelhirne in das Rückenmark hinabgclangen, und höher
hinauf in der Reihe lässt sich dann nach weisen, dass allmählich
noch viel mehr Verbindungen des Rückenmarkes mit den llirn-
centren erwachsen. Zuletzt erst in der Reihe der Säuge¬
thier e tritt eine Verbindung mit der Hirnrinde: die
Py rain i den bah n auf. Der direete Ei n fluss des Gross-
h i r n es auf d ie Verrichtungen, für die da s Rück en -
mark arbeitet, ist auch ein verschieden grosser
je nach der T h i e r a r t, und er e x i s t i r t bei niederen
Vertebraten überhaupt noch nicht.
Das .Rückenmark baut sich also auf aus dem primär vor¬
handenen Eigenapparat und aus dem später dazugekommenen
Verbindungsapparat mit anderen Hirntheilen. Weiterhin geht der
Redner dazu über, die Entwicklung der Associations¬
bahnen im verlängerten Mark bezw. des daselbst vor¬
handenen Association sf oldes darzulegen und entwirft sodann
ein Bild von der .Entwicklung des Kleinhirns bei verschiedenen
Thiergattungen von dem winzigen Kleinhirn der Cyklostomen bis
zu den Selachiern und andereren Schwimmern, die bereits riesige
Kleinbirne auf weisen. Vou besonderem Interesse ist ferner die
Entwicklung der zwischen Kleinhirn und anderen Hirntheilen be¬
stehenden Verbindungen, wobei der Umstand Erwähnung verdient,
dess die bei den Säugern so mächtige Brückenbahn (Varolsbrückc)
bei den anderen Wirbclthiereu noch gar nicht existirt und dass
wahrscheinlich auch die Olivenverbindung erst bei den Säugern
ihre ordentliche Ausbildung erfährt. In der ganzen Thierreihe
gibt es — nächst dem Rückenmarke — keinen Theil, der von
so grosser Gleichheit der Ausbildung ist, wie das Mittelhirn,
jene Hirnpartie, welche bei den Säugethiere» als der Vier hü gcl-
theil bekannt ist. Wie bei den Embryonen aller Thiere, so ist
dieser Hirntheil auch hei allen niederen Wirbelthicren überhaupt
einer der allermächtigsten. In ihm enden immer grosse Theile
der Sehnerven ; bei Thieren mit besonders grossen Augen (Knochen¬
fische, Vögel u. A.) erreicht diese Endstätte des Sehnerven eine
sehr bedeutende Entwicklung. Vermöge seiner Nerven kreuzungen
und Commissuren ist das Mittelhirn ganz besonders geeignet zum
Austausch und zur Verknüpfung der mannigfaltigen Erregungen
zu dienen, welche in dieser Endstätte zahlloser sensibler Bahnen
anlangen. Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten primären Em¬
pfindungen, die zunächst nur dem Rückenmark zugeleitet werden,
darf man den psychischen Process, dem das Mittelhirn dient, als
«secundärc Empfindungen» bezeichnen. Zur Betracfatans
des Vorderhirns übergehend, schildert Redner in grossen Züp
die Entwicklung der 3 Hauptabtbeilungen dieser Gehirnpartie,
nämlich des Riech a p p a r a t c s, des Stammganglions (eorpos
Striatum) und des Mantel s. Bei der Ausbildung dieser Organe
haben, wie leicht begreiflich, die Lebensbedingungen entscheidend
mitgewirkt. Der Hirnmantel ist für die psychische Entwicklune
der niederen Wirbelthiere zweifelsohne der wichtigste Hirntheil.
Mit der zunehmenden Ausbildung dieses Organs
schreitet die Entwicklung der Fähigkeit zu höheren
seelischen Handlungen vorwärts. Auch findet die alte
Annahme, dass die niederen Centren überall wesentlich den gleichen
Functionen dienen, hier insofern eine anatomische Bestätipne
als neben der fortschreitenden Ausbildung des Hirnmantels allt
anderen Theile des Ceutralnervensystems nur eine ganz minimale
Entwicklung durchmachen.
Herr Ewal d-Strassburg: Ueber die Beziehungen zwischen
denmotorischenCentrenderHirnrindeunddemOhrlabyrinth
Wenn man bei Hunden das Labyrinth zerstört, so treten
sehr stürmische Ausfallserscheinungen ein. Das Thier verliert die
('(►ordination seiner Bewegungen, kann sich nicht auf den Beinen
halten u. s. w. Aber nach einigen Wochen sind diese Störung
wieder vollkommen ausgeglichen. Den gleichen Verlauf beobachtet
man. wenn auch auf anderer »Seite das Labyrinth zerstört wird
und das Thier lernt bald wieder gesonderte Bewegungen mit den
einzelnen Extremitäten auszuführen, läuft und springt wiedei
umher. Wird nunmehr die excitable Zone des (irosshirns für
die Vorder- und Hinterbeine auf der einen Seite abgetragen, n<
verhält sich das Thier nach kurzer Zeit auch wieder fast wie ein
normales Thier. Es ist zur Ausführung seiner Bewegungen nicht
auf das Sehen angewiesen, es läuft im Dunkeln so geschickt wie
im Hellen. Wird nun nach abermals mehreren Wochen die gleiche
Hirnpartie auf der anderen Seite abgetragen, so treten jetrt
Störungen schwerster Turbulenz auf: Das Thier kann nicht gehen,
nicht stehen, nicht eiumal auf Brust und Bauch liegen, sondern
immer nur auf einer Körperseite uud macht die heftigsten Be¬
wegungen mit allen Extremitäten, um sich aufrichten zu können,
aber vergebens. Das Thier benutzt den Kopf zur Fortbewegung
da es ihn allein noch zu drehen vermag. Im Hellen lernt dis
Thier allmählich den rein rcfiectorisehen Gebrauch seiner Extremi
täten, aber kann doch keine willkürlichen Bewegungen ausführen.
Bringt man das Thier in einen dunklen Raum, so stürzt es sofort
hilflos zu Boden, es befindet sich wieder in seinem oben be
schriebcnen Zustande. Bei Zulassung des Lichtes gewinnt es
sofort die Regulirung seiner Bewegungen wieder. Es erhellt daran.-
der Einfluss der Augen auf die locomotorisehen Functionen. Im
Hellen kann das Thier schliesslich wieder ganz geschickt und
geschwind laufen. Zur Ausführung dieser experimentellen Open
tionen ist Vortragender durch das Studium der Fnnctionen dis
Nervus aeusticus gelangt. Er hält ihn nicht ausschliesslich für
einen Hörnerven, sondern schreibt ihm auch nicht acustiscW
Functionen zu und räth desshalb, ihm den nicht misszuverstehendoi
Namen Nervus oetavus zu geben. Auch in seinen Zweigen.
Nervus cochlearis und vestibularis hat er noch seine zwei ver¬
schiedenen Functionen. Seine nicht aeustische Function lässt sich
aus folgenden Ausfallserscheinungen nach Durchschncidußg des
Aeusticus entnehmen :
1. Die absolute Muskelkraft des Versuchstieres wird herab
gesetzt. 2. Mangelhafte Präcisiou der Bewegung. 3- Fehlen des
Muskelgefühls, Auftreten von Schwindel. Der Einfluss des Hör
nerven auf die quergestreifte Musculatur erklärt sich durch da?
Vorhandensein von Flimmerzellen im Labyrinth, welche eine nn
unterbrochene Erregung des Centralnervensystems hervorrufen
Wie kommt es nun, dass die nach Zerstörung der Labyrinth
eintretenden oben beschriebenen Ausfallserscheinungen wieder rfr '
schwinden ? Ein Nachwachsen der fortgefnllencn Organe ist
geschlossen. In Wirklichkeit sind sie gar nicht verschwunden,
sondern nur latent. Die Handlungen werden nur scheinbar
in normaler Weise ausgeführt. Denn die Function ist dauern
vernichtet, aber sie wird durch eine andere ersetzt und desshaJ
bleiben die Bewegungen des Thieres scheinbar dieselben. ^ f
Function liefert den Ersatz? Das Tastgefühl tritt für &
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18. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
998
Labyrinth ein. Deeshalb ruft erst die Ausschaltung des Tast¬
gefühls bei der Entfernung der excitablen Zone des Grosshirns
(vergl. oben) die völlige Aufhebung des Coordinationsvermögens
hervor. Die excitable Zone des Grosshirns und das Labyrinth
ersetzen sich gegenseitig, das Muskelgefühl wird durch das Tast¬
gefühl ersetzt. So erklärt sich die Geringfügigkeit der Bewegungs¬
störungen bei labyrinthlosen Menschen.
An diese drei Vorträge schloss sich eine sehr ins Einzelne
gehende Discussion , die nur für Neurologen besonderes Interesse
bot; es betheiligten sich daran Sachs - Breslau, Flechsig-Leipzig,
Steiner-Köln, v. Monakow-Zürich, Hitzig-Halle, Adler-
Breslau, B en ed i c t - Wien , E d i n ge r - Frankfurt a. M., II i s -
Leipzig.
Mittwoch, den 23- September 1896. (Nachmittag.)
Referent Dr. Albu-Berlin.
Herr R osenberg- Berlin : Ueber Conservirung, Des-
infection und Behandlung vonlnfectionskrankheiten mittelst
Formaldehyd in neuen Lösungen.
Das Formalin ist eine circa 40 proc. wässerige Formal¬
dehydlösung, während das I)r. Opporm ann 'sehe Holzin, eine
circa 60 proc. alkoholische, und zwar methylalkoholische
Lösung ist. Die alkoholische Lösung biete wesentliche Vortheile.
Lässt man nämlich das Formalin verdunsten, so verflüchtigt sich
das darin enthaltene Formaldehyd nur zum Theil, zum anderen
Theil erhält man einen durch Polymerisation entstandenen Rück¬
stand, das Paraformaldehyd, welches zur Verdunstung absolut
werthlos ist. Demgegenüber verdunstet das Holzin derart, dass
keine Spur eines Rückstandes zu finden ist und der gesammte
Formaldehydgehalt der Flüssigkeit in Wirkung tritt.
Es kommt in Anwendung in Form eines kleinen Apparates.
Das wurde erreicht durch Zusatz geringer Mengen Menthol,
welches in dem Verhältniss von 1 : 1 leicht löslich in Methyl¬
alkohol ist. Durch diesen Zusatz beschränkt man nicht nur den
durch Formaldehyd per se hervorgerufenen Schleimhautreiz be¬
trächtlich, sondern übt auch direct einen günstigen Einfluss auf die
Schleimhäute namentlich der Respirationsorganc aus.
Das Holzin bewirkt eine Luftreiuigung und Desinfection von
Räumen und Gegenständen so vollkommen, dass selbst Milzbrand¬
bacillen und -S]K>ren mit Sicherheit getödtet werden.
In derselben Weise ist man im Stande, Nahrungsmittel jeder
Art sicher zu sterilisiren. Der Werth, den eine derartige Sterili¬
sation von Nahrungsmitteln besitzt, ist aber erst ein praktischer
geworden dadurch, dass mittelst eines sofort zur Erhärtung ge¬
brachten Gelatineüberzuges, dem durch und durch sterilisirten
Nahrungsmittel, z. B. Fleisch, ein absolut luftdichte.- Abschluss
gegeben wird. Dazu kommt, dass die Gelatine den etwa noch
am Fleische haftenden Formaldehydgeruch oder -Geschmack sofort
beseitigt, weil die Gelatine mit Formaldehyd eine durchaus ge¬
schmacklose Verbindung eingeht.
Von grosser Bedeutung ist fernerhin die Wirkung des Holz-
inols in der Behandlung des Keuchhustens. In einer An¬
zahl von Fällen, wo Kinder in einem mit Keuchhusten verseuchten
Hause zu husten begannen und schon die Schwellung der Augen¬
lider als erste erkennbare Symptome vorhanden waren, wurde in
wenigen Tagen eine Beseitigung des Hustens erreicht, selbst bei
Kindern, deren Geschwister, mit denen sie im selben Zimmer
schliefen, schon im hohen Stadium den Keuchhusten hatten, ln
diesen weiteren Stadien ist die Beeinflussung derart, dass die
Kinder von 18—2U nächtlichen Anfällen auf 4—5, auf 3—2
Anfälle herunterkommen und den Husten dann in ausserordentlich
kurzer Zeit ganz verlieren. Es wird jener kleine Verdunstungs¬
apparat mit 5—10 ccm des Holzinols (je nach Grösse des Zim¬
mers) in Thätigkeit und mitten in’s Zimmer an die Erde gesetzt.
Thüre und Fenster bleiben geschlossen. Die aufsteigenden Dämpfe
schwängern die Zimmerluft derart mit Menthol und in geringem
Maasse mit Formaldehyd, dass die in dem Raume schlafenden
Patienten unbedingt die medicamentöse Luft einatlimen müssen.
Da das Formaldehyd nicht nur in Lösungen von 1:10 000
entwicklungshemmend auf pathogene Keime wirkt, sondern schon
in Lösungen von 1:100 000, so bietet das Holzin in einer
Lösung von 2 Esslöffeln auf 10 Liter Wasser (also 3°/oo) eine
Flüssigkeit, mit der man durch einfaches Auf wischen der Fuss-
böden in Kranken- und Schalzimmern in leichtester Weise im
Stande ist, die Fussböden zu sterilisiren.
Schliesslich hat Vortr. auch die interne Verabreichung des
Formaldehyd in Form einer Milchzuckerlösung, die er zum Unter¬
schied von Holzinol Sterisol nennt, versucht. Er begann mit
0,015 Formaldehyd pro die und stieg bis 0,06 in 4 Dosen ge¬
nommen. Das Allgemeinbefinden blieb dauernd gut. Die mikro¬
skopische Untersuchung des Blutes ergab absolut keine Beein
flussung desselben. Der Harn blieb dauernd frei von Albanien,
war klar und zeigte nach längerem Stehen auffallend geringen
Niederschlag. Dagegen waren mit ammoniakalischer Argentum
nitricum-Lösung verhältnissmässig grosse Mengen Formaldehyd im
Harn durch Silberspiegel nachzuweisen. Derselbe Harn, pepto-
nisirt, zum Nährboden gemacht, dann mit Typhusbacillen reichlich
versetzt, blieb dauernd steril; auch Plattenculturen und Impf¬
versuche ergaben durchaus negative Resultate. Hiernach war die
Schlussfolgerung berechtigt, dass das Formaldehyd vom Blute auf-
genommen und durch die Nieren wieder ausgeschieden wurde.
Daraufhin hat R. das Sterisol bei Tuberculose, bei Erysipel, bei
Diphtherie angewandt und ausnahmslos mehr oder minder gute
Erfolge erzielt.
Discussion: Herr Bl um-Frankfurt a. M. äussert Bedenken
gegen die Zuverlässigkeit der vom Vortragenden angewandten Unter¬
suchungsmethoden, da deren Resultate im Widerspruch mit allen
bisherigen Forschungen auf diesem Gebiete, die durch B. selbst
sehr eifrig betrieben worden sind, stehen. Redner weist auf die
einzelnen auffälligen Angaben des Vortragenden hin, wie z. B. über
die desinficirende Kraft des Formaldehyds, die Ausscheidung des¬
selben bei interner Verabreichung u. a. m. Der Vortragende hat
wahrscheinlich Versuchsfelder gemacht.
Herr Albu-Berlin empfiehlt für Desinfectionszwecke die An¬
wendung des Formaldehyds in Form des neuen Trillat'sehen Appa¬
rates, welcher viele Vorzüge bietet. Aber auch bei diesem übt das
Gas eine ungemein reizende Wirkung aus, die wohl seine praktische
Verwerthung beeinträchtigen wird. In der Verwendung des Formal¬
dehyds für Heilzwecke müssen wir sehr zurückhaltend sein. Die
Angabe des Vortragenden, dass das Formaldehyd im Harn zur Aus¬
scheidung kommt, ist schon theoretisch undenkbar, da es im Körper
unbedingt verbrannt werden muss. Durch Oxydation bildet sich
die reducirende Eigenschaften besitzende Ameisensäure.
Herr E. R. Frank-Berlin macht auf Mängel bei der Katheter¬
sterilisation mittels Formalin aufmerksam.
Herr Rosenberg-Berlin sucht die Ein wände der Vorredner
zu widerlegen. Seine Angaben bezögen sich nicht auf das Formalin,
sondern auf das Holzin.
Vereinigte Sitzung der Section für innere Medicin
und Physiologie.
Donnerstag, den 24- September (Nachmittags).
Vorsitzender: Herr E wal d - Berlin.
Herr H ü r t h 1 e - Breslau : Demonstration seines Ver¬
fahrens der arteriellen Blutdruckbestimmung beim Men¬
schen. (Bereits anderweitig publicirt.)
Herr F. Blum -Frankfurt a. M.: Ueber Protogen und
sein physiologisches Verhalten.
Protogen ist die Bezeichnung für ungerinnbare lösliche Al¬
bumine, die durch Einwirkung von Formaldehyd auf Ovo- oder
Serumalbumin gewonnen worden sind. Diese Albumine sind be¬
freit von überschüssigem Formaldehyd und spalten auch nie wieder
Formaldehyd aus ihrem Molecül ab. Das Protogen, das in vielen
Richtungen Interesse darbietet, wird im Körper vorzüglich zurück¬
gehalten und ersetzt nach den voiliegenden Untersuchungen nicht
nur Fleisch- oder Eier-Eiweiss, sondern es vermag einen wesentlich
besseren Stickstoffansatz als alle anderen Eiweissarten hervorzu¬
rufen. Bei Darreichung von Protogen, die sich auch in sehr
grossen Dosen als .unschädlich erwies, wird die Fettresorption
wesentlich verbessert, so dass es den Eindruck macht, als rege
das Protogen überhaupt die aufsaugende Thätigkeit des Darmes an.
Da das Protogen durch seine Ungerinnbarkeit sterilisirbar ist,
so kann es vorzüglich zur Kinderernährung und Ernährung von
Kranken mit Beibehaltung der flüssigen Form der Kost, sowie
eventuell zur subcutanen Ernährung verwendet werden.
Herr Koeppe - Giessen: Bedeutung der Salze als
N ahrungsmittel.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41 .
Die Salze sind Nahrungsmittel, da mit denselben
dem Organismus Energie zugeführt wird, welche durch Bestimmung
des osmotischen Druckes der Lösung in Zahlen angegeben werden
kann. Die mit den Salzen zugeführte, nach Atmosph&rcndruck
bemessene Energie bewirkt Flüssigkeitsbewegungen im Organismus,
deren Verlauf zwischen Mageninhalt und Blutplasma und Darm¬
inhalt und Blutplasma sie von Wichtigkeit für die Resorption der
Nahrung erscheinen lassen. Die Resultate der Förster'scheu
Fütterungsversuche mit salzfreier Nahrung berechtigen zu dem
weiteren Schluss: die mit den Salzen dem Organismus zugeführte
Energie wird zur Resorption der Nahrung verwandt.
Bestimmungen des osmotischen Druckes einer Reihe von Koch¬
salzwassern geben Anlass zu physikalisch chemischen Erörterungen,
deren Resultat sich wie folgt kurz geben lüsst: In den Kochsalz-
wässern finden sieh im Gegensatz zu den einfachen Salzlösungen
in Folge des Gehaltes an verschiedenen Salzen bei geringster
Gesauimtconcentration die grösste Zahl neutraler (nicht dissoeiirter)
MolecUle und durch den Genuss des Kochsalzwassers kann unter
Umständen die Alcalescenz des Blutplasmas erhöht werden.
Herr B ene di ct - Wien : Die Herzthätigkeit in Rönt¬
gen-Beleuchtung.
Vorversuche ergaben, dass ein blutleeres Herz bei Beleuchtung
mittels des K a h 1 ba u m ’ sehen Beleuchtungssehirmes allmählich
durchscheinend wird ; den grössten Widerstand leistet das Herzfett.
Dünne Schichten Blut werden bald unsichtbar; diese geben
einen starken Sehatten. Darum sieht man am Lebenden selbst
die dicksten Gefässe nicht, wohl aber gefüllte Aneurysma Säcke.
Bei Durchleuchtung der Brust am Lebenden ist die Blut-
säulc andauernd und das Herzfleisch Anfangs deutlich sichtbar.
Letzteres wird allmählich durchsichtiger und einem flatternden,
glänzenden Nebel gleich. Mit Hilfe der Blutsäulc kann aber die
Beobachtung fortgesetzt werden.
Vielfach im Widerspruche mit den bisherigen Anschauungen
ergibt die Beobachtung:
1) Die Herzspitze nähert sich in der Systole der Herzbasis.
Ein Spitzen-Yorstoss im Sinne Skoda’s existirt also nicht;
höchstens ein systolischer, seitlicher Spitzen-Sch lag.
2) Bei jeder Systole wird das Herz nicht in grossem Um¬
fange und daher vor Allem nicht im ganzen Umfange entleert;
es bleibt immer ein starker Blutsehatten. Die 4000 Pumpen-
Schläge in der Stunde bei 24 stündiger Arbeitszeit genügen also,
um die nöthige Menge frischen Blutes in den Kreislauf zu bringen.
3) Bei tiefer Inspiration hebt eich das normale Herz vom
Zwerchfell ab ; es erscheint nämlich ein durchsichtiger Zwischen¬
raum. Die Versuche gelingen am besten bei jugendlichen und
und mageren Individuen. Schädlich wirkt das Röntgen-Verfahren
höchstens bei Missbrauch von solchen Individuen zu gehäuften
Untersuchungen.
Herr H ein z- München: Ueber Oxykampher.
Der Oxykampher ist ein lösliches Kampherderivat, das zum
Theil die abgeschwächten Wirkungen des Kaiuphers, zum Theil
dem entgegengesetzte hat. Es entfaltet keine schädliche Wirkung
auf Herz und Uirculation, steigert sogar den Blutdruck. Er hat
sehr prompte Wirkungen bei circulatorischer und respiratorischer
Dyspnoe und ist darin sogar dem Morphium überlegen. Ferner
kommt er mit Vortheil bei Neurasthenie, Hysterie, Hypochondrie
u. dergl. in Anwendung, weil er die Erregbarkeit des Ccntral-
nervensystems herabsetzt.
Herr Kuhn - Giessen: Zur Frage der Sondirungen am
Magendarmcanal.
Vortragender demonstrirt die von ihm erfundenen Metall¬
spiralsonden, welche über den Magen hinaus (an der grossen Cur-
vatur entlang) bis tief in die unteren Theilo des Darmes hinein
mit Leichtigkeit vorgeschoben werden können. Wo sie an die
Wand anstossen, genügt eine Rotation, um sie weiter vorwärts zu
bringen. Die Metallröhren werden zweckmässig mit Gummi über¬
zogen, der abnehmbar ist. Jedes Metall, auch Aluminium kann
für die Röhren zur Verwendung kommen, die Hauptsache bleibt
ihre Biegsamkeit, die sie durch die Spiraltouren erhält. Sie
können in Lmnon jeder beliebigen Grösse hergestcllt werden, das
aber immer constant bleibt. Da sie nicht zusammendrückbar sind,
so bleibt ihr Lumen im ganzen Verlaufe gleich weit, ist demnach
auch für einzuführende Instrumente überall gut zugängig.
Herr Günzbürg Frankfurt a. M. macht darauf aufmerksam
dass die Einführung der Metallsonden bei Ulcerationen im Magen'
darmcanal contraindicirt ist.
Herr F o s s • Driburg: Die physiologisch-therapeutische
Bedeutung der Kohlensäure.
Seciion für Chirurgie.
Referent Dr. G. Joach im sthal-Berlin.
IV. Sitzung vom 23. September, Vormittags.
Herr Reh n - Frankfurt a. M. stellt einen Patienten vor, der
eine Stichverletzung des rechten Ventrikels erlitten hat und sich fast
verblutet hätte. R legte nach Rippenresection das Herz frei, er¬
weiterte die Herzbeutelöffnung und vernähte die Wunde. Die Naht
war namentlich durch die Bew r egung des Herzens um seine Läng*
achse nach rechts sehr schwierig. Die Blutung stand sofort. Nach
dfcr Operation verminderte sich die Dyspnoe und der Puls hob sich.
Die Naht wurde mit feinen Darmnadeln ausgeführt, dem Kranken
geht es am 14. Tage nach der Operation gut.
Herr Re h n demonstrirt die Präparate einer fast totalen Magen
resection und diejenigen einer Pylorusresection und stellt die Patienten
vor; ferner zeigt er eine Kranke, bei der fast die Hälfte des rechten
Stirnbeins wegen Carcinoma auf Basis einer Luös entfernt worden ist.
Herr Lorenz-Wien zeigt an einem Kinde die Methode seiner
unblutigen Behandlung der Hüftgelenksluxation und ferner das
modellirende Redressement bei Klumpfassheilung bei einem 40jähri¬
gen Mann.
Herr Siegel-Frankfurt a. M. stellt ein Kind vor, bei welchem
Athemnoth zur Tracheotomie Veranlassung gegeben hatte, ohne dass
der Eingriff einen grossen Nutzen gebracht hätte. Die Differential¬
diagnose schwankte desshalb zwischen Tumor des Mediastinums
und Hyperplasie der Thymusdrüse. Rehn eröffnete den vorderen
Mediastinalraum, zog die vergrösserte Thymus hervor und nähte sie
an die Haut. Seit der Zeit war die Dyspnoe beseitigt. Das Kind
ist völlig geheilt.
Herr Schede-Bonn demonstrirt seine Methode der unblutigen
Reposition der angeborenen Hüftloxationen an einem 8jährigen
Mädchen.
Gemeinsame »Sitzung mit der Section für innere Midi ein.
Am 23. September lb96. (Nachmittags.)
Vorsitzender: Herr C z e r n y - Heidelberg.
Herr Schreiber -Königsberg: In einem kurzen Rückblick
auf die Entwickelung der Lehre von der «Gastrectasie» definirt
der Vortragende dieselbe dahin : dass man unter ihr nicht sowohl
die Erweiterung des Magens an sich zu verstehen habe, sondern
zugleich deren consecutive Verdauungsstörungen; ebenso wie man
unter Lungenemphysem nicht sowohl den Grad der Erweiterung
der schon normalerweise variablen Lungengrenzen verstanden wissen
will, sondern zugleich deren Folgeerscheinung, die Expectorations-
insufficienz.
In der zu einseitigen Berücksichtigung der sog. «Megalo-
gaBtrie», sowie in der Anerkennung der Nabelhorizontale als Grenz-
messer für normale und krankhaft erweiterte Mägen sieht Schreiber
demnach Betrachtungsweisen, welche nichts weniger als geeignet
sind, die mannigfach dissentirenden Meinungen über Gastrectasie
zu beseitigen.
Ebensowenig glaubt »Schreiber, dass mit den vorgeschlagenen
Bezeichnungen « Mageninsufficienz » , «motorische Insufficienz >,
«atonische Insufficienz», «atonische Gastrectasie», «mechanische
Insufficienz» das Wesen der in Rede stehenden Erkrankung besser
wiedergegeben sei, als durch den Namen «Gastrectasie», dessen
Beseitigung man anstrebe.
Schreiber schlägt vor, für «Gastrectasie» Zusagen: »Stau-
ungsmagen mit permanenter Digestion» oder «permanent digestiver
Magen», und zwar desshalb, weil bei den verschiedenen, zur alte 0
«Gastrectasie» wirklich zugehörigen Magenaffectionen, die Speise¬
stauung im Magen die zweifellos constanteste Erscheinung
welche, man mikroskopisch leicht nachweisen könne.
«Permanente Digestion» oder «permanent digestiver Magen»
weise zugleich auf die secretorischen und chemischen Vorgänge
hierbei hin.
Diese, die secretorischen und chemischen Vorgänge des btao-
ungsmagens mit permanenter Digestion, glichen vollständig »lenen
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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bei der chronischen Hypersecretion, welche sonach zam Wesen der
alten «Gastrectasie» gehöre; die typische, chronische Hypersecretion
sei Symptom der «Gastrectasie».
Die reinen Fälle von chronischer Hypersecretion, d. h. die
nicht mit hochgradiger Gastrectasie complieirten, gehörten über¬
wiegend gleichfalls als Folgezustand dem chronischen Staunngs-
magen mit permanenter Digestion zu, und so weit dies nicht zu
sein scheint, müsste jedenfalls noch der Beweis erbracht werden,
dass man bei ihnen z. B. Ulcus vcntriculi ausschHessen könne,
oder dass sie wirklich in typische chronische Hyi>ersccretiori ausarten.
Für diese, die typische chronische Hypersecretion lässt sich
aber beweisen,, dass sie die Folge von «Gastrectasie» sei und
nicht umgekehrt. Beseitige man nämlich die Speisestauung vorüber¬
gehend oder dauernd, so werde dadurch auch die chronische Hyper-
secretion beseitigt und hierdurch dargethan, dass «Gastrectasie»
bezw. «Stauungsmagen >• mit permanenter Digestion und chronische
Hypersecretion zu einander in dem Verhältnisse stehen wie Ursaclie
und Wirkung.
Herr C. Pariser- Berlin: Die Behandlung des frei in
die Bauchhöhle perforirten Ulcus ventriculi.
Pariser hält es angesichts der Ergebnisse der Statistik für
unumgängliche Pflicht des Arztes, bei Ulcusperforation ungesäumt
die Operation vorzuschlagen. Von 99 vorliegenden Fällen sind 33
geheilt; dieser Procentsatz wird noch ungemein viel besser, wenn
man nur die rechtzeitig, d. i. 10—15 Stunden ]>ost perforationem,
operirten Fälle berücksichtigt. Von diesen 33 Fällen sind 23 ge¬
rettet, also ca. 75 Proc. Bei noch später operirten und geretteten
Fällen (4) sind besondere Umstände, wie frische Verklebungen der
Perforation, Magenleere zur Zeit der Perforation vorhanden, die
vor der Operation nicht festgestollt werden können. Die Noth-
wendigkeit frühen Eingreifens ergibt sieh aus den modernen Kennt¬
nissen über den Entstehungsmodus der Peritonitis. Ausser dem
frühen Termin der Operation ist zum segensreichen Erfolge noch
wichtig:
1. Die schnelle und gute Erreichbarkeit des perforirten
Geschwürs.
2. Der Füllungszustand des Magens und das Verhalten seines
Inhalts in Bezug auf Zersetzungen.
3. Die Grösse der gesetzten Perforationsöffnuug und die An¬
wesenheit von frischen Verklebungen der Perforationsstelle.
4. Möglichst kurze Dauer der Operation.
Der classische Ort der Perforation ist die vordere Magen¬
wand, in der Nähe der kleiuen Curvatur an der Cardia. Das
weibliche Geschlecht überwiegt enorm, im Verhältniss von 82 Proc.
zu 18 Proc. Männern. Geschwüre der vorderen Wand haben be¬
sondere Neigung zur Perforation und sind dabei selten. Von
200 Geschwüren sitzen nur 10 an der vordem Magenwand und
davon perforiren 8,5, von den 190 der hinteren Wand nur 4.
Die Anlässe zur Perforation sind oft sehr unbedeutend, Husten,
Stolpern, Niessen. Durch die damit verbundene Anstrengung der
Bauchpresse wird nach Moritz der Druck im Mageninnern auf
300 cm Wasser gesteigert. Key, Aboug und Revilliod haben
überdies die Gegend der kleinen Curvatur experimentell als die
Prädilectionsstelle zur Magenruptur ohne äussere Gewalt erwiesen.
Bei Zusammentreffen aller Vorbedingungen für einen Erfolg treten
bisweilen Todesfälle im weiteren Verlauf nach der Operation ein
durch Perforation eines zweiten Geschwürs oder durch ein Empyem.
Die frühe Diagnose der Perforation ist nicht immer leicht. Die
Anamnese bezüglich des Ulcus lässt häufig im Stich. Wichtig
ist die Nachfrage und die Beachtung der letzten speciellen vor¬
gängigen Verrichtung der Patienten, resp. der Gelegenheitsursache,
bei der die Störung des Befundes ein trat. Verwechslungen mit Ver¬
giftungen sind häufig vorgekommen. Ein objectives Symptom für
Magen Perforation ist die rasende Steigerung des Schmerzes im
Anschluss an Zufuhr kleiner Mengen von Ingesten. Dieses Ex¬
periment machen die Kranken, resp. ihre Umgebung oft in der
Schwäche des Prolapses durch Einflössen kleiner Mengen von Spiri¬
tuosen. Bei langsamer oder circumscripter Entwicklung der Peri¬
tonitis ist nach 2—3 Stunden nach Ueberwindung des Shoks das
Krankheitsbild oft ein so wenig schweres, dass Irrthümer in der
Diagnose, resp. Irrewerden an der früher gestellten Diagnose
häufig sind. Man achte hier auf subfebrile Temperaturen von
37,8 bis 88,2, verbunden mit einem Puls von 128. Oft ist die
Pulsbeschleunigung allein vorhanden.
Herr Le u be- Würzburg rätb ebenfalls zur Operation bei Per¬
foration des runden Magengeschwürs, empfiehlt jedoch die Zeit des
ersten Shoks abzuwarten.
Herr Körte-Berlin hat etwa 57 Perforationen operirt; davon
sind 7 geheilt.
Herr J o a c h i m s t h al - Berlin : a) Ueber Hyperpha-
langie und Brachydactylie. b) Demonstration einer aus
30 Exemplaren bestehenden Sammlung von Handanomalien in
Gipsabgüssen und Röntgen bildern.
Im Mai d. J. hat Leboucq-Gent der Belgischen Akademie
der Medicin über einen vorher beim Menschen nicht be¬
obachteten Bef u nd Bericht erstattet. Es bandelte sich um eine
44 jährige Patientin mit gegenüber der Norm verkürztem Zeige- und
Mittelfinger, indem aus dieser Verkürzung und aus dem Vorhanden¬
sein von nur je einer Beugefalte an der Volarseite beider Hände
anzunehmen war, dass es sich in diesen Fingern nur um 2 Phalangen
handle. Die Autopsie zeigte dagegen, dass in beiden Fingern 4 Pb a-
langen vorhanden waren. Am Zeigefinger war die 1 und 3. Phalanx
kurz und breit, die 2. und 4. lang und in der Mitte nach Art der
normalen Phalangen eingeschnürt Am Mittelfinger nahm die Länge
der einzelnen Glieder von dem Centrum nach der Peripherie hin ab.
Ueber die Werthigkeit der einzelnen Glieder erhielt man Aufschluss
durch Berücksichtigung der Sehnenansfttze. Der Flexor digitorum
superfirialis inserirte an der 3., der Flexor profundus an der 4. Pha¬
lanx. Der Extensor digitor. fand mit Ausnahme eines mittleren zur
3. Phalanx ziehenden Theils an der 4. Phalanx seine Insertion, die
Jnterossei in dem Bandapparate der Articulatio metacarpo phalangea
und an der Basis der 1. Phalanx. Es entsprachen also die I. und
2. vorhandene Phalanx der normalen Grundphalanx, die vorhandene
3. der normalen Mittel-, die vorhandene 4. der normalen Endphalanx.
Diese interessante Mittheilung gab dem Vortragenden Ver¬
anlassung, die in seiner Beobachtung befindlichen Fälle von Brachy¬
dactylie mittelst Röntgen - Aufnahmen auf die Verhältnisse der
knöchernen Tlieile zu untersuchen.
Bei einer 21jährigen Patientin, deren Mittel- und Zeigefinger
nach Art des Leboueq'scheu Falles abnorme Kürze aufwiesen,
fanden sich im Zeigefinger wiederum 4 Glieder, und zwar waren
ganz analog die 1. und 3. Phalanx kurz und breit, die 2. und 4. den
normalen Fingergliedern analog gestaltet. Klinisch hatte man eben¬
falls aus der Verkürzung und dem Vorhandensein nur einer Beuge¬
falte an der Volarseite auf die Existenz von nur 2 Phalangen ge¬
schlossen. Im Mittelfinger war die Zahl der Phalangen die normale.
In einem weiteren Kalle von Verkürzung des Mittel- und Zeige¬
fingers beiderseits bei einer 21jährigen Patientin sowie bei einem
¥7 jährigen Manne mit Verkürzung des 2.—5. Fingers an beiden
Händen, war der Grund eine abnorme Kürze des 2. Gliedes. End¬
lich demonstrirt der Vortragende die Hände und Röntgenbilder
einer Patientin, bei der beiderseits die Spitze des kleinen Fingers
nur bis zur Grenze des 1. und 2. Gliedes des benachbarten Ring¬
fingers reichte, und die Röntgenbilder als Grund hierfür eine abnorme
Kürze des 5. Metacarpus an den Tag legten
Joachimsthal erklärt die Hyperphalangie in seinem ersten
Fall aus einer intrauterinen Ablösung der Epiphyse der 1. Phalanx
des Zeigefingers mit vollkommenster Gelenkbildung zwischen Epi-
und Diaphyse.
Die Fälle zeigen die hohe Bedeutung der Röntgen-Aufnahmen
für die Erforschung der angeborenen Missbildungen.
In der Discussion berichtet Herr Gut sch- Karlsruhe über
einen Fall von dreifachem Daumen.
Herr Th o st -Hamburg: Ueber Tracheal-Canülen. In
der Discussion spricht Herr König-Berlin.
VI. Sitzung vom 24. September, Vormittags.
Vorsitzender. Herr Schede- Bonn.
Herr H o f f a demonstrirt eine grössere Anzahl von von ihm
blutig operirter Fälle von Hüftluxation.
Discussion: Herr 8chede-Bonn möchte sich zunächst dem
anschliessen, was Herr Lorenz über das Verhältniss der blutigen
zur unblutigen Behandlungsmethode gesagt hat. So schön die
Hoffa’schen Resultate sind — sie hätten sich wohl sämmtlich
eben so gut oder noch besser ohne blutige Operation erreichen
lassen, und so lange diese letztere die Gefahr der Ankylose nicht
nur, sondern doch auch eine nicht unbeträchtliche Lebensgefahr in
sich schliesst, muss sie unter allen Umständen gegen die nnblutige
Reposition zu rück treten, selbst wenn diese, was aber keineswegs
immer der Fall ist, zur Erzielung eines vollen Erfolges eine längere
Zeit nöthig hat. Ganz entbehren können wir aber die blutige
Reposition nicht S. hat sie beispielsweise Ende vorigen Jahres an
einem 2 jährigen Kinde machen müssen, welches noch niemals ge-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
gangen war. Gelenke und Muskeln waren so schlaff, dass man mit
leichtester Mühe den Trochanter nicht nur in, sondern unter die
Nelaton'sche Linie ziehen konnte. Aber es gelang in keiner Weise,
irgend einen festen Stützpunkt für den Kopf am Becken zu ge
winnen. Als ich die Operation machte, die beiläufig zu einem vor¬
trefflichen Resultate führte, zeigte sich, dass beide Pfannen Behr
wohl gebildet, aber bis an den Rand mit narbigem Bindegewebe
ausgefüllt waren, welches jedes Eintreten des Kopfes verhindern
musste.
Herr Julius Wolff-Berlin hat auf Grund der Lorenz'schen
Demonstration auf dem letzten Chirurgencongress, also seit Anfang
Juni d. J., bei 16 Kranken mit angeborener Hüftverrenkung und
zwar bei 9 Kranken mit einseitiger und bei 7 Kranken mit doppel
seitiger Verrenkung, also im Ganzen 32 mal die unblutige Einrenkung
versucht.
21 mal ist ihm die Einrenkung gelungen, 16 mal gleich beim
ersten, 5mal erst bei wiederholtem Versuch.
2 mal ist die Einrenkung bisher nicht gelungen, das eine Mal
bei einem 14jährigen, das andere Mal bei einem 7 3 /* jährigen Mäd¬
chen. W. glaubt aber auf Grund seiner übrigen Erfahrungen darauf
rechnen zu dürfen, dass auch in diesen beiden Fällen bei wieder
holtem Versuch die Einrenkung gelingen wird.
Im Gegensatz zu Paci und Mikulicz muss W Herrn Lorenz
darin durchaus beistimmen, dass es eine Grund verschieden-
heit bedingt, ob man den Femurkopf wirklich in die Stelle der ur¬
sprünglichen Pfannenvertiefung einrenkt, oder ob man ihn bloss in
eine tiefere und damit bessere Stellung transponirt bat.
Auch darin hat Herr Lorenz Recht, dass die von Paci vor¬
geschriebenen Manipulationen, namentlich die nur geringe Abduction
des Schenkels unzureichend sind, um eine Eintreibung des Schenkel¬
kopfes in die Pfannentasche zu erzielen, dass vielmehr zu der sehr
energischen Maassnahme, welche die unblutige Einrenkung erfordert,
auch die sehr forcirte Abduction gehört
Endlich ist es auch richtig, dass man niemals darüber im
Zweifel bleibt, ob die wirkliche Reposition des Kopfes in die
Pfanne gelungen ist oder nicht und dass, wenn sie gelungen ist, die
Aussichten auf einen guten E'folg des unblutigen Verfahrens er¬
heblich bessere sein müssen, als bei blosser Transposition des Kopfes
in eine grössere Pfannennähe.
Im Uebrigen aber haben W.'s Erfahrungen gezeigt, dass die
Verhältnisse der unblutigen Reposition in einigen wesentlichen
Punkten andere sind und dass namentlich das uns für dies
Verfahren offen stehende Feld ein wesentlich weiteres ist,
als es Lorenz anfänglich angenommen hat.
Seine 21 Fälle von vollkommen gelungener Einrenkung betreffen
lrnal eiD Mädchen von 11 3 /*, 1 mal ein Mädchen von 9 und lmal
ein solches von nahezu 9 Jahren. Die Einrenkung ist also weit
über die von Lorenz ursprünglich festgestellten Altersgrenzen hin
anwendbar. Dabei hat W. zugleich gefunden, dass die grösseren
oder geringeren Schwierigkeiten der Einrenkung und der Retention
keineswegs in erster Reihe, wie das Lorenz annimmt, in den
Altersverschiedenheiten der betreffenden Kranken ihren Grund haben.
Vielmehr hat sich beispielsweise die Einrenkung in die Pfannen¬
grube und das Festhalten des Kopfes in derselben bei dem 1 l a / 4
Jahre alten Mädchen viel leichter bewerkstelligen lassen, als bei
einzelnen vierjährigen, ja selbst bei einzelnen noch jüngeren Kindern.
Endlich fand W., dass dasjenige, was Lorenz als etwas nur
Nebensächliches, was er ausdrücklich als einen kleinen Kunstgriff
bei der unblutigen Einrenkung bezeichnet, nämlich das Massiren,
„Walken“ und förmliche Weichmachen der gespannten Muskel und
Sehnenstränge während der der Einrenkung vorauszuschickenden
Extension, in schweren Fällen die bei Weitem in erster Reihe
stehende Hauptsache, der eigentliche Angelpunkt des Verfahrens ist.
Herr Kümmel-Hamburg hat 20mal die Reposition nach
Lorenz bei Kindern von 2'/2—16 Jahren vollführt; in 2 Fällen, bei
9 und 16 Jahre alten Patienten, hat das Verfahren bisher nicht zum
Ziele geführt.
Herr Heusner-Barmen berichtet über eine Abreissung der
unteren Epiphyse des Femur bei Anwendung des Lorenz'schen
Verfahrens und über Fälle von Coxa vara, combinirt mit angeborener
Luxation.
Herr Lorenz empfiehlt nochmals auf’s Dringendste die Nach¬
ahmung seines Verfahrens.
Herr M. Scheier*Berlin: Zur Anwendung des Rönt‘
gen’schen Verfahrens bei Schussverletzungen des Kopfes.
Scheier berichtet über einen Fall einer Schussverletzung
des Kopfes, bei welchem mittels der Rön t gen strahlen die Kugel
mit Leichtigkeit aufgefunden, und die Lage derselben mit hin¬
reichender Genauigkeit bestimmt werden konnte, und betont, welch
grossen Vortheil wir von der Entdeckung ltöntgcn’s nicht
allein auf neuropathologischen Gebiete, sondern ganz besonders
für gehirnchirurgische Eingriffe für die Zukunft noch erwarten
können.
Es handelt sich um einen Patienten von 27 Jahren, der angibt,
dass vor 5 Jahren beim Spielen im Garten einer seiner Freunde
einen ßchuss mit einem Tescbing auf ihn abgefeuert habe. Der
Schuss soll in einer Entfernung von 15 Fuss gekommen sein und
No. 41.
das Projectil eine Höhe von 7 mm und eine Basis von 5 mm gehabt
haben. Der Patient war sofort bewusstlos hingefallen, doch bald
wieder zu sich gekommen, er hätte auf dem rechten Aoge nicht«
sehen können. Eine Stunde nach dem Vorfall wurde er in
das Krankenhaus aufgenommen. Die Einschussöffnung befindet sich
am äusseren Ende des rechten Arcus superciliaria, 1 cm oberhalb d«
Margo supraorbit. als eine etwa erbsengrosse, nicht blutende Qoetoch
wunde. Austrittsöffnung nirgends erkennbar. Der rechte Bulbus
vorgetrieben und gefühllos, rechts absolute Amaurose. Rechte Seite
der Stirn und Wange anaesthetiscb, also eine vollkommene Uh
mung des rechten N. trigeminus und des rechten Opticus. Da mau
annimmt, dass die Kugel wahrscheinlich in der Augenhöhle sitzt
und auf die Gefässe und Nerven drückt, so schreitet man bald
nach der Aufnahme zur Entfernung der Kugel. (Körte.) Bei der
Operation findet man dieselbe in der Orbita nicht, sondern nur
einen kleinen Bluterguss Jedoch zeigt sich beim Abpalpiren der
Augenhöhlen wände, dass die eine Wand und zwar die Lamina
papyr. des Siebbeins zertrümmert ist, dass also hier die Kugel
hineingegangen ist. Die Möglichkeit liegt vor, dass sie von hieraus
ins Siebbein oder in die Stirnhöhle oder auch in die Schädelhöhle
selbst eingetreten ist. Von einem weiteren Verfolgen des Schuss-
canals wird Abstand genommen. Der klinische Befund ist noch
heute genau derselbe wie damals. Die Läbmung des rechten S.
trig., des rechten Opticus und rechten Olfactorins ist noch jetzt
vorhanden. Die Aufnahme mittels der Röntgenstrahlen ergab r.un,
dass die Kugel gar nicht in dem vorderen Theil des Schädel« s,-l>
befindet, sondern in dem hinteren Theil in der Nähe des rechten
Ganglion Gassen. Eine zweite Kugel, die der Mann noch in seinem
Kopfe herumträgt und von einem Fehlschuss auf der Treibjagd her¬
rührt und auf dem Unterkiefer in der Nähe des linken Foramen
mentale liegt, ist leicht und deutlich auf dem flaorescirenden Schirm
zu erkennen. Die Betrachtung des Falles zeigt die praktische Trag¬
weite der Entdeckung für die medicinische Wissenschaft. Be¬
deutungsvoll ist die diagnostische Verwerthbarkeit der X-Strahlen
für den sichtbaren Nachweis von Fremdkörpern im Innere der
Schädelhöhle und namentlich für die Kriegschirurgie zur schnellen
und leichten Fesstellung der Lage des Geschosses. Man muss aber
Btets berücksichtigen, dass mittels der Röntgenstrahlen der Sitz des
Projectils niemals ganz mathematisch genau bestimmt werden kann,
sondern nur annähernd in Folge der perspectivischen Verschiebung.
Nach der photographischen Aufnahme selbst liegt die Kugel 1 cm
hinter dem Sulcus petros. sup. Wenn z. B. der Patient bei der
Aufnahme nicht ganz auf der rechten Seite des Gesichts liegt, son¬
dern das Kinn nur um ein Geringes nach vorn neigt, wie es bei
dem Kranken der Fall war, so wird durch diese kleine Verschiebung
des Gesichts die Kugel auf der photographischen Platte gleich um
ein Bedeutendes nach hinten projicirt, und zwar um so mehr, je
weiter die Kugel von der Platte entfernt liegt. Man muss bei der
Deutung des gewonnenen Schattenbildes daher niemals vergessen,
die sonstigen diagnostischen Erwägungen an der Hand des klinischen
Befundes mitzuverwerthen.
Berücksichtigt man den klinischen Befund und die Röntgen
aufnahmen vom Patienten, so müsste man annehmen, dass die Kugel
direct am Ggl. Gassen liegt und durch Druck wahrscheinlich die
Lähmung des N. trig. herbeigeführt hat. Vielleicht hätte auch, wenn
man gleich nach dem Unfall ein Strahlenbild gewonnen hätte, ein
chirurgischer Eingriff, der dazu diente, die Kugel an dieser für den
Chirurgen noch gut zugänglichen Stelle zu entfernen, die Lähmung
des Trig. in Heilung überführen können.
VII. Sitzung vom 24. September (Nachmittags).
Versitzender: Herr Küster- Marburg.
Herr O. Hasse- Nordhausen : Die Injectionsbehandlung
chirurgischer Krankheiten.
Der Vortragende gab zunächst einen kurzen TJeberblick über
diejenigen in das Gebiet der Chirurgie fallenden Leiden, b«
welchen die Erfolge des Injectionsverfahrens gegenwärtig allgemein
anerkannt werden. Es gehört hieher die Behandlung der kalten
tuberculösen Abscesse und der tuberculösen Gelenkleiden mittels
Jodoforminjectionen ; ferner die von Schwalbe inaugurirte radi
cale Heilung der Hernien mittels Alkoholinjectionen.
Mittel wurde auch von Schwalbe und vom Vortragenden theil»
zur gänzlichen Beseitigung, theils wenigstens zur sehr erheblichen
Verkleinerung der verschiedensten benignen Tumoren: Lipomen.
Strumen, Angiomen, Cysten, Lymphdrüscngeschwülstcn angewanit
und auch von anderen Aerzten bewährt gefunden, wie em
sclvlägige Mittheilungen in den medicinischen Journalen bekund«)
Am wichtigsten erscheinen die Erfolge der Alkoholinjectionen * r
bei malignen Neubildungen: Carcinomen und Sarkomen. ' or
zugsweise wurde das Verfahren von Hasse nur zur Vorbcrei«
für die Exstirpation der Tumoren, namentlich bei Brustkre - D
angewandt, um mit Hilfe desselben Recidive möglichst zo
hüten und andererseits nach der Operation — namentlich sok
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13- October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
9y7
sehr vorgeschrittener Brustkrebse, welche schon in den Muskel
eiugewachsen waren — um entstehende Recidive sofort in ihren
ersten Anfängen damit zo beseitigen. Für diese beiden Zwecke
erweist nach H. das Verfahren sieh ausserordentlich zuverlässig.
Hasse bedient sich jetzt nicht mehr des absoluten Alkohols wie
früher, sondern nur des etwa mit gleichen Thoilen Wassers
verdünnten. Die Injcctionen verlieren dadurch sehr an Schmerz¬
haftigkeit, ohne dass der Erfolg beeinträchtigt wird. Es handelt
sich nun darum, diese Flüssigkeit in ausreichender Menge derart
in die nächste Umgebung der Neubildung zu injiciren, dass mög¬
lichst alle mit dem Krebs in Zusammenhang stehenden Lymph-
bahnen damit augefüllt werden. Nach den Erfolgen lässt sich
annehmen, dass dadurch das Zellenleben der in diese Lymphbahnen
bereits cingedrungenen Epithelzellen ertödtet und somit die Aus¬
gangspunkte für die llecidive beseitigt werden. Sehr häufig findet
nun unter den fortgesetzten Injcctionen in die Peripherie des
Tumors auch eine Rückbildung des letzteren statt, dessen zcllige
Elemente nach und nach durch Fettmetamorphose zu Grunde
gehen und resorbirt werden, so dass nur das bindegewebige Stroma
der Neubildung als straffe Narbe zurückbleibt. Aehnlieh wie die
Brustkrebse wurden auch eine Anzahl von Krebsen des Gebär¬
mutterhalses mittels der Alkoholinjcction erfolgreich behandelt.
Bei einem sehr grossen, hochsitzenden Mastdarmkrebs, der das
Darmlumen bereits bis auf einen sehr schmalen Spalt verschloss,
wurde durch Alkoholinjec-tionen in das Parenchym des Tumors
eine Rückbildung desselben bis auf geringe Reste erreicht. Damit
wurde das Darmlumen wieder vollkommen frei und die Stuhlent¬
leerung konnte wieder in normaler Weise erfolgen. Für die In-
jectionon bei hochsitzendem Mastdarmkrebs, sowie bei Uteruskrebs,
bedient sich Hasse besonderer langer Sticheanülcn, welche jedoch
nur an ihrem untereu stechenden Ende die feine, zum Eindringen
in’s Gewebe bestimmte Hohlnadel in der Länge von 2 und 3 cm
bilden, dann aber zu einem dickwandigen Rohre anschwellen.
Dieser längere, dicke Thcil der Uanülc dient gewissermassen
als Führungsstab, der sich wegen seiner Festigkeit nicht ver¬
biegen kann.
Herr Jordan- Heidelberg: Demonstration von Prä¬
paraten.
Vortragender referirt unter Demonstration der betr. Präparate
über 3 Operationen aus dem Gebiete der Bauchchirurgie, die er
in der chirurgischen Klinik zu Heidelberg auszuführen Gelegen¬
heit hatte.
1. Fall von Ruptur eines tubaren Fruchtsackes in einer links¬
seitigen Leistenhernie.
Eine 37jähr. Frau, bei welcher in Folge früherer operativer
Eingriffe ausgedehnte Narbenbildungen in der Unterbauchgegend
bestanden, wurde, nachdem schon mehrfach leichtere Anfälle von
Darmstenose vorausgegangen waren, Anfang August von Ileus-
erscheinungen befallen, die sich im Laufe zweier Tage zu bedroh¬
lichster Höhe steigerten. Gleichzeitig trat eine auffallende Anaemie
ein, die den Verdacht einer inneren Blutung erweckte. Die Periode
war seit Mitte Juni ausgeblieben. Oberhalb des r. Lig. Poupart. fand
sich an Stelle einer queren, ectatischen Narbe ein faustgrosser, ad-
haerenter Tumor, welcher sich als Convolut von Darmschlingen erwies;
links ein apfelgrosser Leistenbruch, der sehr druckempfindlich war.
Bei der Incision des Bruchsacks zeigte sich letzterer mit Blutcoagulis
prall gefüllt; nach Entfernung derselben gelangte man auf einen
tubaren Fruchtsack und einen etwa 3 Monate alten Foetus. Im
Grunde des Bruchsackes fanden sich ferner ausgedehnte Darm-
adhaesionen, auf deren Lösung bei dem schlechten Allgemeinzustand
der Patientin verzichtet wurde. Abtragung der linksseitigen Adnexe;
Tamponade.
Exitus nach 18 Stunden unter forbestehendem Ileus, der nach
dem Ergebniss der Autopsie in multiplen Knickungen des vielfach
adhaerenten Darmes seine Ursache hatte.
2. Exstirpation eines Lymphosarkoms der Milz. Heilung.
Bei einem 15jähr. sonst gesunden Jungen entwickelte sich
vom Januar 1895 ab eine Geschwulst in der linken oberen Hals¬
gegend, welche sich bei der Exstirpation im Juni 1895 als ein eigrosser
Drüsentumor (mikroskopische Diagnose: wahrscheinlich Lympho¬
sarkom) erwies. Glatte Heilung. Anfangs Juli 1896 stellten sich
an Intensität allmählich zunehmende Schmerzen in der linken Bauch¬
seite ein bei ungestörtem Allgemeinbefinden. Bei der Aufnahme des
Patienten am 12. August 1896 constatirte man unterhalb des linken
Rippenbogens eine kindskopfgrosse, bewegliche Geschwulst, welche
nach ihrer Lage, Configuration und Consistenz als Milzgeschwulst
angesprochen wurde. Laparotomie (Längsschnitt in der Mitte des
Rectus und Querschnitt.) Entfernung eines 2 kg schweren Milz¬
sarkoms mit Drüsenmetastasen am Hilus. Heilung. Keine Blut¬
veränderungen.
Vortragender ist geneigt, die beiden Geschwülste als coordinirte
(multiple) aufzufassen.
3. Sackniere mit Steinen; secund. Tuberculose. Das Prä¬
parat entstammt einer 47 jährigen Frau, welche seit 10 Jahren an
Schmerzanfällen in der linken Nierengegend litt. Nephrectomie;
Heilung.
Section für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Dr. Gottsclial k-Berlin.
I. Sitzung vom 21. September 1896.
Vorsitzender H. Freund- Strassburg.
Herr Wilh. Alex. Freund spricht über die operative
Heilung grosser Blasenscheidenfisteln und Mastdarm¬
scheidenfisteln, welche mit narbiger Verwachsung des Cervix
uteri eomplicirt sind, durch den aus dem eröffneten hinteren
Laqucar vaginae in die Vagina herabgeholten, im Fundus gelochten
auf die Defecte aufgenähten Uterus. Er hat dieselbe Operation
auch zur Heilung complcter Vorfälle (iu einem Falle eomplicirt
mit Blasenstein in dem prolabirtcn Blasenreoessus und mit Pro¬
lapsus uteri) ausgeführt. — Er beschränkt die Indicatio» zu dieser
Operation auf die Fälle sonst unheilbarer Defecte mit unheilbar
narbig-atrctischem Uterus und bei den Prolapsen auf Fälle älterer
Frauen nach dem Klimakterium. Er demonstrirt zwei Frauen,
welche durch diese Operation von Blasenscheiden-, resp. Blasen-
Mastdarmscbcidcndcfecten und eine (71 jährige), welche durch diese
Operation von completcm Prolaps des Genitalbruches (eomplicirt
mit Blasenstein- und Mastdarmprolaps) geheilt worden sind. —
Alle sind (seit 3, 2 und die letzte 1 Jahr seit der Operation)
dauernd geheilt und arbeitsfähig. Bei den crstcren sind die
Menses mehrere Male aus dom Uterus (Fundus-Muttermund) ge¬
flossen. Jetzt sind dieselben mcnostatisch und der Uterus ist
atrophisch geworden. — Die Frauen sind im Sitzungssaal« und
im Bürgerspitale untersucht worden.
Discussion: Herr Mackenrodt löst bei ausgedehnten
Blasenscheidenfisteln die Blase ganz von der Scheide ab, holt den
Uterus aus der Plica heraus und näht ihn extraperitoneal, ohne
ihn vorher wund zu machen, beiderseits in die Scheide fest; er
heilt so zwischen Scheide und Blase ein und dient zum Verschluss
der Fistel.
Herr P. Müller hat in schwierigen Fällen von Prolaps des
Uterus und des Mastdarms den Uterus exstirpirt und den Rectal¬
prolaps von der Scheide ans heraufgenäht.
Herr Wilh. Alex. Freund betont, dass es seltene Fälle gibt,
welche auch durch diese und die Mackenrodt’sche Operation un¬
heilbar und bisher nur durch die Kolpokleisis zu behandeln sind
Sitzung: Dienstag, den 22- September, Nachmittags
3 Uhr.
Vorsitzender: Herr Kehrer- Heidelberg.
Herr H. Löhlein: Ueber manuelle Beckenschätzung.
Die instruineutelle äussere, innere und combinirtc Bcckcn-
uicssung, wie sie in unseren Kliniken gelehrt und geübt wird,
liefert Ergebnisse, die für die therapeutischen Entscheidungen des
Geburtshelfers als genügend anzuschcn sind, und zwar umsomehr,
als der zweite in Betracht kommende Factor, der kindliche Kopf,
sich ja doch der directen Messung entzieht. Die Erfahrung lehrt
indessen, dass, abgesehen von den Kreisen der Specialisten, die
in8trumcntelle Beckenmessung iu der geburtshilflichen Praxis stark
vernachlässigt wird.
Der Vortragende hat, um ein Uebcrsehen oder Verkennen
einer neunenswerthen Beckcnvcrengerung auch dann zu vermeiden,
wenn ein Beckenmesser im Augenblick nicht zur Hand ist, in
seiner Klinik iu den letzten Semestern besonders eifrig die Aus¬
tastung und Abtastung des Beckens geübt und üben lassen. Ueber
den Werth der crstcren sind Alle einig: dass man nicht bloss
zu prüfen habe, ob das Promontorium leichter als gewöhnlich zu
erreichen sei, sondern dass die ganze vordere Fläche des Kreuz¬
beins und die Scitenwände des Beckens, der Linea innominata
folgend, bestrichen, der Abstand der Spinae isehii geschätzt und
Deformitäten, Ungleichheit beider Beckcnhülfte» u. s. w. hierbei
beachtet werden, wird überall eingeschärft. Löh lein will zeigeji,
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998 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 41
dass mau auch durch die Abtastung der atu grossen
Recken instruuientell gemessenen Abstand e z u
einer ganz bra u ch ba re n Seb ä t z u n g derselben durch
einige U c b u n g gelangt.
Er schätzt, indem er die Spitze des kleinen Fingers fest
auf die eine Spina ant. sup. aufsetzt und nun die Hand kräftigst
spreizt, zunächst die Distantia spinarum. Hat man die Spannweite
seiner Hand vorher genau bestimmt (bei L. — 23 cm), so kann
man sehr bald mit ziemlicher Sicherheit sagen , ob im gegebenen
Fall, der Durchschnitt (25—2G ein) erreicht, nicht erreicht oder
überschritten ist. Diese Schätzung ist natürlich da am leichtesten,
wo die hypogastrische Gegend frei ist, aber auch da, wo sic durch
den hochschwangeren oder kreissenden Uterus vorgewölbt ist lassen
sich die Schwierigkeiten wohl überwinden. — Das besonders wichtige
Verhältnis« der Cristae zu den Spinae wird fest gestellt, indem beide
Hände den Rogen des Darmbeinkammes fest angepresst werden. Man
kann es auch zifl’ermü8sig abschätzen, wenn man die Daumenspitzen
den Spinae, die Zcigcfingcrspitzcn den äussersten Funkten der
CriHtae fest andrüekt und die den Spinae entsprechenden Fuuktc
auf die Verbindungslinie der Cristae projieirt. — ln analoger
Weise wird der Trochanterenabstand geschätzt, indem die Hand-
wurzelgcgend den Troehantcren kräftig angedrückt wird und der
Mittelfinger gleichzeitig dem äussern Rand der Cristae.
Sind nach dem Ergebnis« der Schätzung die Querdurehmosser
süimntlich hinter dem Mittel zurückgeblieben, so erhält dieses
Resultat durch die Messung des R c e k e n u m f a n g e s mit dem
Randmaass eine durchaus verwerthbare' Stütze resp. Controle.
Die Conjug. externa und die Obli'iuac ext. können ohne
Tasterzirkel nicht aufgenommen werden. Für die erstere tritt
die weit zuverlässigere Conj. diagonalis ein, deren Grösse, wenn
auch nicht so ganz exact wie mit dem Zirkel, doch mit genügen¬
der Sicherheit mittels des Raudmaasses an den untersuchenden
Fingern abgenommen werden kann. Wo der in den Reckencanal
eingetretene Kopf die Messung der Diagonalis nicht mehr gestattet,
ist diese meist auch entbehrlich. Eine erheblichere Verkürzung
des geraden Durchmessers ist ausserdem durch genaue Inspcctio»
und T a stun g der Regio s a c r a 1 i s zu constatiren. Bei der
letztere!: wird auf die Form der M i e h a ö 1 i s sehen Raute ge¬
achtet und bei Deformitäten die Entfernung der Spinae jKister,
super, beider Seiten vou der Linie der Processus spinosi mit dem
Raudmaass gemessen.
Hat man sieh mit der einfachen Technik dieser Schätzung
des knöchernen Gehurtscanais durch Hebung vertraut gemacht,
so werden Einem Abweichungen, die den Geburtsverlauf ernstlieh
erschweren können, nicht entgehen. Ganz besonders wird man
nicht Gefahr laufen, eine allgemeine Verkürzung der Durch¬
messer zu übersehen, eine Gefahr, der so viele Aerzte ausgesetzt
sind, die der ('onjugata, weil ihr allerdings die grösste Bedeutung
unter allen Bcckcnmaasen zukommt, nun auch einseitig und aus¬
schliesslich ihre Aufmerksamkeit zuwenden.
Einen vollen Ersatz für die instrumenteile Reckenmessung
kann die beschriebene Art der Schätzung selbstverständlich nicht
bieten. Wo cs sich um wissenschaftliche Aufzeich¬
nungen handelt, oder wo folgenschwere therapeutisc h e
E n t s c h 1 i e s s u n g e n Ziffern massig zu begründen sind,
müssen die bewährten Methoden der Messung ausgeführt wer¬
den, nachdem die Schätzung im Allgemeinen gelehrt hat, dass
Abweichungen einer bestimmten Art in einem bestimmten Grad
vor liegen.
Discussion: Herr Kehrer: Die Praktiker sind vielfach nicht
im Besitze eines Beckenmessers. Klaffen der Darmbeinschaufeln wird
uns auf rhachitischen Ursprung hinweisen Bei dem osteomalacischen
Becken ist der Trochanterenabstand ein ftusserst geringer. Der
geringere Beckenumfang, der normal 89 cm, kann für das enge
Becken bezeichnend sein. Die beiden Spin. post, superiores bezw.
Tubera ilium sind meist fühlbar. Die Form und Grösse des Schooss-
bogens sind auch bei der Diagnose der Form des Beckens und der
Art der Verengerung von Bedeutung, besonders bei dem osteo-
malaci8chen Becken. Der Abstand des Promontorium von den queren
Schoossbeinästen ist auch wichtig bei der Bestimmung des Beckens,
desgleichen etwaige Differenz in beiden Seiten.
Herr Freund jr.: In Strassburg wird die Beckenschfttzung
an der stehenden Person in ähnlicher Weise, wie es der Herr
Vortragende geschildert bat, vorgenommen; besonders ist die Messung
der stehenden Person für die Bestimmung der Beckenneignng wichtig
und die Abtastung der Spin. post, superior. Es ist richtiger, die
Entfernung der Spin ant. sup. zu messen, auf die Differenz zwischen
Spinae und Cristae ist nicht zu viel Werth zu legen.
Herr v. Herff stimmt Herrn Löhlein in jeder Weise bei
legt aber auch Werth auf die äussere Messung der Conj. ext.
Herr Eberhart: Die Möglichkeit des Vorsteheus des Sym-
physenknorpels, sei gleichfalls zu erwägen.
Herr Löhlein stimmt bei, dass die Prominenz des Symphysen
knorpels Berücksichtigung verdient. Steht der Kopf im Becken, so
ist die Messung der Conj. externa nicht so wichtig, vorher ist ihr
die Diagonalis vorzuziehen. Die Messung der Spinae an ihrer Aussen-
seite sei einmal eingeführt Die Untersuchung im Stehen habe ge¬
wisse Vorzüge für die klinischen Verhältnisse, bei platten Becken
hat Löhlein Beckenumfang von 81 cm im Durchschnitt gefunden.
Herr Hofraeier -Wörzburg: Ueber die Beziehungen
zwischen Myom und Sterilität.
Unter Hinweis auf eine frühere, ausführliche Arbeit über
dieses Thema in der Z. f. G. u. G. Bd. 30, will der Vor
tragende nochmals an der Hand seiner fortgesetzten Krlicbungeu
die Beziehungen jlcr Myome besonders zur Sterilität besprechen.
Zu dem Zweck sind die Resultate der früheren Zusammenstellung
über 213 eigene Fälle und einer neuen Zusammenstellung über
113 weitere Fälle verglichen und dann das Gesauimtrosultat
gezogen. Von den zusammen 320 Myomkrankcn waren unver-
heirathet: G8 = 20,8 Proc. Von diesen hatten 5 trotz ihrer
Ehelosigkeit und ihrer Myome 1 oder mehrmals geboren.
Von den Verhciratheten waren 07 = 20,5 Proc. steril
verlieirathet. Um überhaupt fistzustcllen, ob dieser Procentsatz
den allgemeinen der sterilen Ehen wesentlich überschreitet, bat
der Vortragende aus seinem gesummten Privatmaterial die Fälle
von primärer oder erworbener Sterilität zusumniengcstellt und fand
auf 2220 Kranke 503 mit primärer oder erworbener Sterilität.
327 mit primärer, 172 mit erworbener Sterilität, (bei einigen
war es unbestimmt). Der allgemeine Procentsatz der sterilen
Ehen ist also hiernach (in ziemlicher Uebercinstiuiuiung mit
anderen statistischen Angaben) 15 Proc. Der Unterschied gegen
die myomkranken »Sterilen beträgt also nur 5 Proc. Berück
siehtigt man nun das Durchschnittsalter der Letzteren und die
Dauer der sterilen Ehen, so kommt man übereinstimmend bei
den erstcren auf 42, bei den letzteren auf Iß.Jahre. Es müsste
durchschnittlich also vom 26. Lebensjahre an da« Myom schon
eine eventuelle Üonception verhindert haben. Ausserdem konnte
l>ei einer ganzen Reihe von Patientinnen festgestellt werden, dass
sie in jüngeren Jahren wegen ihrer Sterilität behandelt wurden,
damals alter keine Myome hatten. Uehcreinstiminend damit wurde
unter sämmtlichcn 503 sterilen Frauen in den ersten 5 Jahren
ihrer Sterilität nur 7 mal ein Myom constatirt, fast immer aber
unter Verhältnissen, welche die Sterilität au« anderen Gründen
(Perimetritis, Alter, Impotenz) viel wahrscheinlicher erscheinen
Hessen.
Aehnlich liegen die Verhältnisse bei dem Einfluss auf die
Fertilität. Die Gesammtfertilität von 201 myoiukranken Frauen,
die überhaupt gehören hatten mit 3,2 Scliwangerschaften bleibt
allerdings gegen die allgemeine Fertilität mit etwa 4,5 um 1,3
zurück und zwar hauptsächlich durch die grosse Zahl der er¬
worbenen Sterilitäten. Unter 320 Myomkranken wareu 46 oder
14,1 Proc. mit nur einer »Schwangerschaft. Der allgemeine
Procentsatz der Frauen mit erworbener Sterilität beträgt 172:2220
oder 8 Proc. Da das Durchschnittsalter dieser Frauen aber
43,7 Jahre beträgt und die einzige Schwaugcrschaft 16 Jahre
zurück liegt, so sclieint cs auch hier wenig wahrscheinlich, dass
bei ihnen bereits im 27. Jahre die Myome die weitere Irucbt
barkeit verhindert haben. Es fanden sicli aucli dementsprechend
bei den 172 Frauen mit erworbener Sterilität in den erste«
5 Jahren nach ihrer einzigen Schwangerschaft nur 2 mal Myome.
Die Ursachen der Sterilität scheinen auch hier also ganz wo
anders zu liegen , als in den Myomen. Fallen diese besonderen
Ursachen fort, so ist die Fruchtbarkeit der Myom kranken auch
durchaus nicht geringer, sie beträgt im Durchschnitt 4,5 Schwanger
schäften.
Als Erklärung für den höheren Procentsatz der Unvcrheiratheten
und »Sterilen unter den Myomkranken gegenüber dem allgemeinen
Procentsatz solcher Personen in einem gynäkologischen Kranken-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
999
material, wird der Umstand augcsprochcn, dass bei der ausser¬
ordentlichen Häufigkeit der Myome überhaupt und bei dem Fort¬
fall sehr vieler anderer Momente bei ihnen, welche sonst Frauen
zum Gynäkologen führen (geschlechtlicher Verkehr, Schwanger¬
schaft und Geburten mit allen ihren Folgen) die Myome mit
ihren Folgen eben eine der häufigsten Ursachen zum Nachsuchen
ärztlicher Hilfe sind.
Als Beispiele dafür, wie geringfügig im einzelnen Fall das
Vorhandensein selbst grosser Myome auf die Conccption wirkt,
wenn sonst nur die Vorbedingungen hierfür gegeben sind, werden
zu den früheren 23 noch *1 neue Beobachtungen von Schwanger¬
schaft bei Myomen angeführt, aus denen hervorgeht, dass die
Trägerinnen alle trotz ihrer Myome sehr bald nach der Ver-
heirathung coneipirt haben. Dass dies nicht noch häufiger be¬
obachtet wird, liegt eben daran, dass die Mehrzahl der Schwanger¬
schaften vor das 32.—33. Jahr fällt, die Mehrzahl der Myome
erst nach dieser Zeit sich entwickelt.
Zinn Schluss wird der mit den Myomen am Ende der
Schwangerschaft amputirte Uterus einer dieser Patientinnen domon-
strirt, von dessen Rückseite ein mehr wie kindskopfgrossos, sub¬
seröses Myom breit ausging, im Uav. Dougl. überall verwachsen.
In diesem grossen und sonst sehr derl«‘ii Myome zeigen sieh grosse,
mit Detritus ausgefüllte Höhlen. Die schnelle Rückbildung der
Myome im Wochenbett beruht jedenfalls auf derartigen, centralen
Erweichungsvorgängen.
Diecussion: Herr Pfannenstiel stimmt dem Herrn Vor¬
tragenden bei bezüglich des Thateilchlichen. Die Erklärung, dass
docli ein gewisses Plus von Myomkranken zur Sterilität praevalirt,
scheint ihm in Degenerationsvorgängen im Ovarium zu liegen. Myom,
Endometritis und ehron. Oophoritis scheinen ihm ein und dieselbe
Ursache zu haben, diese sei eine der verschiedenen Ursachen der
Sterilität; es handle sich um dauernde chron. Hyperaemien der
Genitalien.
Herr Strass mann weist auf demnächst erscheinende Unter¬
suchungen mit Herrn Lehmann hin; sie fanden häufig Herz-
affeetionen bei den geringsten Myomen, Dilatation der Ventrikel;
nnamnestisch embolische Anfälle. Parallel der Myomerkrankung
geht häufig eine vasomotorische Erkrankung, wie beim Morb. Base¬
dow», die selbst vor den Myombescliwerden sich schon bemerkbar
machen kann.
Herr Willi. Freund stimmt Herrn Hofmeier bei, dagegen
gibt es Adenomyome mit flimmertragenden Höhlen, die ausnahms¬
los mit Sterilität verbunden sind und sehr leicht mit Adnexerkran¬
kungen verwechselt werden
Herr Mackenrodt: Fast alle Myomkranke zeigen nach ge¬
wisser Zeit als Parallelerscheinung Herzdegeneration. Centrale nervöse
Störungen könnten ja auch Ursache der Myome sein. Sterilität bei
Myomen sei nicht so häufig; es komme dabei viel auf Sitz der
Myome an. Er war viermal genöthigt, in der Schwangerschaft bei
Myomen zu operiren.
Herr Tliorn sieht den Schwerpunkt der Hofmeier'schen
Veröffentlichung in dem Hinweis, dass man bei Myomen in der
Schwangerschaft nach Möglichkeit abwarten solle.
Herr Gottschalk-Berlin weißt auf seinen in den Verhand¬
lungen des letzten Wiener Gynäkologencongresses in einer Eklampsie¬
arbeit publicirten Fall hin, der darthue, dass ein wallnussgrosses
Myom unter dem Einfluss der 1. Schwangerschaft innerhalb 8 Monate
bis zu Kindskopfgrösse herangewachsen und dadurch gefährlich
werden kann.
Das Myom sass hier supracervical in der vorderen Wand sym¬
metrisch nnd führte im Beginn des letzten Schwangerschaftsmonats
zur Compression beider Ureteren mit consecutiver tödtlicher Eklampsie.
Herr Löh lein bestätigt Herrn Hofmeier, dass der Einfluss
der Myome auf die Schwangerschaft kein so grosser ist. Die erste
Gravidität scheint das Wachsthum der Myome zu beschleunigen,
weniger die wiederholte Schwangerschaft Wie Herr Freund hat auch
Löhlein gesehen, dass kleine Myome mit Adnexerkrankungen ver¬
wechselt werden.
Herr Kehrer hebt Herrn Strass mann gegenüber vor, dass
Herzaffectionen nur in einer beschränkten Zahl von Fällen bei
Myomen Vorkommen im Verhältnis zu dem Morb. Basedow».
Herr Hofmeier widerspricht Herrn Pfannenstiel darin,
dass verheirathete Myomkranke eher steril bleiben sollten. Ovarial-
verttnderungen seien hier nicht die Ursache der Sterilität, da Myom¬
kranke noch sehr spät concipiren können. Vasomotorische Störungen
seien auch nicht die Ursache der Sterilität. Die grösste Zeit der
Fruchtbarkeit liege vor den Myomen. Er warnt vor Myomoperation
hei Schwangeren gegenüber Herrn Mackenrodt.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom ti. October 1896.
Vorsitzender: Herr Rump f.
1) Herr Fraenkel zeigt an einer Reibe von Präparaten
das von russischer Seite inaiigurirte, von Kaiser ling und
Anderen ausgearbeitete Conservirungsverfahren. (Formalin.
Kal. aect. Glycerin.)
2) Herr Schräder hält seinen angekündigten Vortrag:
Ziele und Aufgaben in der Geburtshilfe.
S. hat die Pucrperalstcrblichkeit unter dem Zeichen der Anti¬
sepsis in den letzten 20 Jahren im II am burgischen Staate zum
Gegenstand statistischer Bearbeitung gemacht. Es handelt sich
in Hamburg um eine sehr allmähliche Einführung der Antisepsis
in die geburtshilfliche Praxis, mit der die Mortalität, nicht, wie
man a priori annehmen sollte, in gleichem Verhältnisse abnimmt,
vielmehr ist in den beiden mittleren Quinqucnnien eine nicht un¬
bedeutende Frequenzzunahme zu constatiren. Dieses Verhalten
betrifft nicht nur die Sterblichkeit an Woehcnbettinfection, sondern
auch die Gcsaninitstcrblichkcit der Wöchnerinnen, sowie die
Mortalitätsfrequenz der Geburten mit Kunsthilfe. Die gleiche
Beobachtung hat neben Anderen He gar gemacht und dafür die
grössere Zahl der operativen Eingriffe im Verein mit einer anti¬
septischen Vielthucrei verantwortlich gemacht.
Der erste Vorwurf trifft für Hamburg nicht zu: die 0|>cra-
tionsfrequenz nimmt in den betreffenden Zeitabschnitten eher ab,
als zu. Es müssen also andere Gründe zur Erklärung horan-
gezogen werden und Redner beschuldigt hier in erster Linie die
prophylactischen Uterusirrigationen und die Localthcrapie bei bereits
vorhandenem Fieber. S. verwirft die «objeetivo» Antisepsis, weil
die desinficirenden Ausspülungen den Geburtswegen die für den
Geburtsact förderlichen, schlüpfrig machenden Gervicalsecrcte rauben.
Die geringe. Abnahme der geburtshilflichen Todesfälle in den
letzten Dezennien schiebt S. 1. auf die Häufigkeit der Todesfälle
nach Abort (jeder 5. Todesfall ist auf Abort zurückzuführen), und
diese wieder auf die zu ausgedehnte Anwendung der Curette ohne
(’ontrole des austastenden Fingers; 2. auf die viel beliebte und
zu oft angewandte «Wendung aus relativer Indieation» und deren
erschreckend hohe Mortalität; 3- auf eine falsche Technik bei
Perforation (auf 8 Perforationen bereits 1 Todesfall), welch letztere
S. für das für die Mutter schonendstc Verfahren hält.
Zur Verbesserung der Resultate empfiehlt S. daher Fern¬
halten von aller Polypragmasie in erster Linie, sodann durch
äussere Handgriffe, Lageveränderung der Gravida etc. bereits
während der Schwangerschaft ungünstige Kindslagen in günstige
zu verwandeln (z. B. Beckenendlage durch äussere Wendung in
Kopflage zu ändern), strenge Beaufsichtigung der Hebammen durch
die Physici, sowie durch das Publicum selbst, das durch ent¬
sprechende Mittheilungen und Vorschriften, analog den jüngst
vom Mcdicinalbureau zur Verhütung der Verbreitung der Tuber-
culose herausgegebenen, aufzuklären sei. Redner wünscht ferner,
dass den Hebammen die Reinigung der Puerpera wegen der Mög¬
lichkeit der Infectionsübcrtragung durch die Lochien verboten
werde und empfiehlt, entgegen dem alten Aberglauben, man dürfe
eine Entbundene nur mit geschlossenen Beinen liegen lassen, durch
Spreizen der Unterextremitäten dem Wochenfluss ungehinderten
Abfluss zu gestatten.
Discussion. Herr Rose befürwortet die Reinigung des
Genitaltractus ante partnm mit physiologischer Kochsalzlösung analog
der Desinfection vor jeder plastischen Operation.
Herr W all ich s hat in Altona während 18 Jahren ähnliche
Untersuchungen und Zusammenstellungen wie der Redner gemacht.
Seine Resultate decken sich annähernd mit denen des Redners.
Auch er fand die grosse Zahl der Todesfälle im Verlaufe eines
Aborts und nach operativer Beendigung der Geburt.
Herr Prochownik erwähnt, dass in Hamburg das Hebammen¬
material ein verhältnissraässig gutes sei. Er bezweifelt, dass in
Hamburg eine übertriebene Anwendung von Antisepticis stattgehabt
hätte. Die ungünstigen Zahlen des Redners scheinen ihm desBhalb
vielleicht nicht beweisend, weil die Meldepflicht betreffs der Abort¬
statistik erst seit relativ kurzer Zeit bestehe. In praxi sei die
Reinigung der Wöchnerin durch die Hebamme nur imaginär. Bessere
Erfolge dürften nur erzielt werden durch eine wissenschaftliche nnd
sociale Hebung des Hebammenstandes.
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1000
• MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4i.
Herr Matth sei bemerkt, dass in der Berliner Frauenklinik
die Mortalitätsziffer zu der Zeit, wo ante partum Irrigationen vor¬
genommen wurden, keine Aenderung erfahren hat. Er will die
Anwendung der Ausspülung mittelst grosser Quantitäten schwach
desinficirender Lösungen auf die Fälle beschränkt wissen, wo intra
partnm neben putridem Ausfluss Temperatarsteigerung besteht.
Herr Schräder: Absolute und relative Mortalitätsziffern sind
in Hamburg keineswegs ungünstig, was durch die guten Becken¬
verhältnisse und lange Wochenbettruhe begründet ist Er empfiehlt,
auf die innere Untersuchung, wenn irgend angängig, zu verzichten.
W erner.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 2. April 1896.
Herr Barabo stellt einen Patienten vor, der durch einen
Sturz von einem Gerüst sich eine Luxation des acromialen Endes
des Schlüsselbeines nach hinten und oben zuzog, eine Form,
die als eine bisher noch nicht erwähnte Unterart der Luxation des
acromialen Endes des Schlüsselbeines anzusehen ist
Herr Barabo bespricht ferner die Krankengeschichte eines
am 9. Tag tödtlich verlaufenen Falles von sporadischer Meningitis
cerebrospinalis bei einem 20 jährigen Einjährig-Freiwilligen
Im Anschluss daran wird das klinische Bild der Cerehrospinal-
meningitis und namentlich die Differentialdiagnose eingehend
besprochen
Herr Frankenburger stellt eine 41 jäbr. Frau mit Morbus
Basedowii vor Exophthalmus fehlt, Struma ist nur sehr un¬
bedeutend vorhanden, dagegen stehen Tachveardie und Ilerz-
arythmie im Vordergründe der Erscheinungen Daneben sind
vielfache vasomotorische und nervöse Symptome vorhanden In¬
teressant ist die Patientin ausserdem durch eine gross«* cysfische
Geschwulst an «ler rechten Halsseite, die mit «ler Schilddrüse nicht
im Zusnmnmnhung steht und wahrscheinlich ein«* Ilydroeele «*oIIi
congenita «larstellt.
Sitzung vom 16. April 18%.
Herr Mansbach demonstrirt einen 4monatlichen Foetns,
dessen beide Beine zu einem verschmolzen sind mul am unteren
Ende einen verstümmelten Kuss tragen — Sirenenbildung. Auch
der rechte Vorderarm ist verkürzt und trägt auf «lern Stummel
eine Hand Im Uebrigen entspricht der Foetns seiner Grösse nach
«ler angegebenen Zeit und weist auch sonst völlig normale Ent¬
wicklung auf. Zur genaueren Untersuchung der Missbildung wird
eine Röntgen’sehe Photographie angefertigt werden
Herr Görl spricht an <I«*r Hand eines Falles über «lie Ent¬
fernung von Blasentumoren vermittels des Nitze’schen Ope-
rationscystoskopes.
Es gelang bei der Patientin einen nussgrossen Tumor in vier
Sitzungen zu entfernen Die Operation wird unter (’oeaYnanaesthe-
sirung der Blase vorgenommen, Beschwerden oder Blutungen traten
darnach nicht auf, so dass diese neue Methode der Entfernung
von gutartigen, nicht zu br«*it aufsitzenden Blasentumoren mit
Freuden zu begrüwson ist, besonders da auch bei Radiealexstir-
pationen der Blasentumoren nach Kpieystotomie häufig Recidivo
ein treten *).
Die Präparate und Instrumente werden demonstrirt.
Herr Flat au berichtet über drei Fälle von Tubargravidität.
1) Frau von S., 5 Wochen verheirathet, 26 J. alt, letzte Menses
kurz vor der Iloclizeit, erkrankte vor 8 Tagen unter unbestimmten
Schmerzen im Leib und Mattigkeit. Der damals behandelnde
Arzt verordnete Bettruhe, Opium etc. Jetzt ist der Bauch gespannt,
empfindlich, seit b Tagen besteht eine mässige uterine Blutung
Die digitale Exploration fand enge, rigide Vagina, virginelle Portio,
beide Scheidengewnlbc schmerzhaft. Bei combinirter Untersuchung
lässt sich weder von der Scheide noch vom ltectum aus bei der
starken Spannung «ler Bauchdecken etwas Genaues feststellen.
Percussionsschall in der unteren Bauchregion gedämpft, Tem¬
peratur 38,2, Unruhe und Zeichen von Anaemie. Der Verdacht,
«lass eine innere Blutung vorhanden sei, wurde am nächsten Morgen
zur Gewissheit. Alle Zeichen einer acuten Anaemie: Puls klein
und weich, 130, Sensoriurn etwas benommen I)«-r locale Befund
auch in Aethernarkose negativ. Der Zustand wurde so rasch be¬
drohlich, dass sofort die Laparotomie in der Wohnung der Patientin
improvisirt wurde.
Bei Eröffnung «les Abdomens flössen grosse Massen alten und
frischen Blutes hervor; rasch wurde «he linke verdickte Tube her¬
vorgeholt und zeigte sich an der Grenze «les interstitiellen und
ampullären Theilcs geborsten. Aus «len hypertrophischen Wan¬
dungen quoll das Blut. Abbinden der Tube, leichte Toilette und
Naht der Bauchdecken. Dauer der Operation 18 Minuten Siib-
cutane Infusion von circa 20t* ccm physiologischer Kochsalzlösung.
Auffallend ist hier die sonst, so seltene Tubargravidität hei
einer 1. para und die pernieiöse Blutung aus der kaum federhalter-
dicken Tube.
>) Der Vortrag ist in extenso im Centralblatt für die Krank¬
heiten der Harnorgane (Oberländer) erschienen.
2) Frau Sch , 33 Jahre alt, IV. para, hatte die letzten regel¬
mässigen Menses vor 2'/2 Monaten, jetzt seit 14 Tagen beständige
Blutung. Inspection und Palpation ergeben nichts Besonderes. Die
cnmbinirte Untersuchung zeigt «len etwas vergrösserten Uterus in
AnteHexio, Portio aufgelockert, Ostium extern um offen; hinter
«lern Uterus im Douglas ein hühnereigrosser Tumor von teigiger
Consistenz, der mit dem linken Uterushorne in Verbindung steht.
Rechtsseitige Adnexe normal Die Diagnose lautete auf linksseitige
Tubargravidität. An« Tag nach der Untersuchung Laparotomie in
Aethernarkose. Bei Eröffnung der Peritoneums zeigt sich frisches
Blut, also wohl Ruptur «ler Tube während des Transportes in dag
Operationsziinmer. Ausser einer breiten Verwachsung mit «ler Flesur
leichte Entwicklung des Tumors, der sich als rupturirte Haematosal-
piux, combiuirt mit einer das ampulläre Ende der Tube vcrschlics-
senden, serösen Inhalt bergenden Cyste erweist. Glatte Heilung
Trotz«lem es also in diesem Falle durch eine intratubare
Blutung zum Fruchttod und zur Bildung einer Haeroatosalpinx
gekommen war, hatte doch der kleine Änstoss des Transportes
genügt, um eine Ruptur und mit ihr eine unter anderen Umständen
vielleicht tödtliohe Blutung zu veranlassen, ein Beweis für die
Richtigkeit der Anschauung, dass jede ectopische Schwangerschaft
wie eine maligne Neubildung anzusehen und demnach zu be¬
handeln s<‘i.
H) Frau W., 33 Jahre alt-, hatte vor 14 Jahren einen Abortus
im 6 Monat, seither steril verheirathet. Patientin klagte in der
Frühe beim Ankleiden plötzlich über einen heftigen Schinerz im
Leib und sank gleich darauf ohnmächtig zusammen. Die bewusst
lose Patientin wirtl im Zustand extremster Anaemie, ohne Radial
puls von ihrem Arzte durch die Sanitütscolonne in meine Klinik
verbracht.
•Suhcutane Aethercampbcrapplication und Koeliotomie inAether-
narkose mit Beckenhochlagerung. Bei Eröffnung des Abdomens
stürzen grosse Blutmassen hervor. Das Hervorziehen des Uterus
und der Adnexe ist durch straffe Ligamente und grosse Adi¬
positas «ler Bauchdecken, wie durch «lio starke Blutung, «lie immer
wieiler aus «ler Tiefe dringt, sehr erschwert. Zunächst provisorische
Abklemmung der rechten Uteruskante und isolirte Unterbindung
der Spennatica int. Nun lässt sich übersehen, dass es sich um
eine geborstene, intraligamentäre Gravidität handelt. Ausschälung
und Abbindung Austupfen der Blutcoagula und Verschluss der
Bauch wunde. Schon nach der intraperitonealen Blutstillung war
der Puls wiedergekehrt, wozu wohl auch <lie extreme Beckenhoch
lagerung und «lie Aethernarkose beitrugen. Die Heilung war durch
eine Bauchdeckeneiterung verzögert. Am 5. Tag post Operationen«
Abgang der Decidua uterina
Herr Heinlein legt das Leichenpräparat einer frischen
Fractur des 3 . Brustwirbels vor.
Dasselbe rührt von einem 4 jährigen Knaben her, der von
einem Brauerfuhrwerk auf unebenem Pflasterboden überfahren
worden und nach wenigen Augenblicken verstorben war Das Rad
des beladenen Wagens hatte seinen Weg über beide Schulter¬
blätter hinweggenommen und es war jedenfalls durch Ilyper
exteusion der Wirbelsäule an umschriebener Stelle zu einer Conti-
nuitätstrennung an dein 3. Brustwirbel gekommen. Die Trennung war
in «ler den oberen Epiphysenknorpel und die benachbarte Spongiosa
begrenzenden Zone erfolgt, so zwar, dass noch ein kleines, keil¬
förmiges Stückchen der letzteren von der Hauptmasse «ler Spongiosa
«les Wirbelkörpers losgerissen und an der unteren Fläche (les
Epiphysenknorpels hängen geblieben war Daneben war die Dura
spinalis in ihrer ganzen vorderen Hälfte unregelmässig quer ab¬
gerissen, «las dahinterliegende Rückenmark offenbar stark geilehnt.
Jedenfalls war in Folge dieser letzteren Laesion die Medulla olv
longata reflectorisch gelähmt und so der rasche Eintritt des Todes
vermittelt worden Eine gleiche Bruch form konnte in der dem
Vortragenden zu Gebote stehenden Literatur nicht aufgefunden
w rden
Ferner tlieilt Herr Hei n 1 e i n die Krankheits- und Operations-
gesehiehte eines 13jährigen Mädchen mit Nierensarkom mit.
Es hatte sich bei «ler Patientin im Laufe mehrerer Monate
im Unterleib ein kindskopfgrosser Tumor entwickelt, der die mittlere
Bauchgegend «ler ganzen Quere nach einnahui, so dass er nur
wenig seitlich, nach auf- und abwärts gar nicht verschoben, wohl
aber nach diesen Richtungen abgegrenzt werden konnte. Die
Diagnose war, obwohl der Harn sich physiologisch und chemisch
normal erwies, auf einon malignen Tumor der Niere gestellt worden.
Die in der Medianlinie mit langem Schnitt ausgeführte Lapa¬
rotomie bestätigte die Diagnose Die peritoneale Hülle des Tumor
war völlig in der Neubildung untergegangen, es musste desshal
die Ausschälung unterbleiben, vielmehr wurden nach Durchtrennung
des dort sich normal präsentirenden Bauehfellüberzuges nabe dem
Hilus die einzelnen Componenten (les Geschwulststieles isolirt, mi
Catgut doppelt unterbunden und dann die Geschwulst, welche sich
als Cystosarkom erwies, abgetragen Alsbald nach Entfernung des
Tumors wurde ein zweiter, fast das ganze kleine Becken ans
füllender, unverschieblicher, offenbar einem Ovarium angehörender
Tumor von gleicher Beschaffenheit entdeckt, welcher unberuh
bleiben musste.
Wahrscheinlich ist der entfernte Nierentumor nur als eine
Metastase aufzufassen. Der Wundverlauf war günstig. Es erfolg
prima reunio._
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13. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1001
Wiener Briefe.
(Origi nal bericht.)
Wien, 10. Oktober 1896-
Vom Aerztekammertag. — Die zwangsweise Witt-
wen- und Altersversicherung — abgelehnt. — Standes¬
ordnung. — Titelfrage. — Freie Aerztewahl. — Sonstige
Wünsche der Aerzte. — Die inserirenden Specialärzte
Wiens. — Die Frage der Specialärzte.
Am 3. Octobcr fand in Wien der II. österreichische Aerzte¬
kammertag statt, welchem die delegirten Vertreter der 19 nach
dem Gesetze bereits constituirten Aerztekammem (nicht constituirt
ist die Kammer für Dalmatien) beiwohnten. In diesen 19 Kam¬
mern sind 8,397 Aerzte vertreten. Das zu berathende Programm
war ein sehr reichhaltiges, waren doch für diesen Kammertag
nicht weniger als 17 Anträge der einzelnen Kammern eingelaufen.
Es sei mir gestattet, aus dem reichen, hierselbst verhandelten
Materiale Einiges anzuführen, was auch für die Aerzte des Aus¬
landes von Interesse sein dürfte.
Vorerst lag dem Aerztetag ein Schlussreferat über die ärzt¬
lichen Wohlfahrtsinstitute vor. Ich habe im August des Vor¬
jahres über dieses Project der zwangsweisen Wittwen- und Alters¬
versicherung aller Aerzte Oesterreichs ausführlich berichtet und
kann diesmal umsomehr darauf verzichten, nochmals des Näheren
darauf einzugehen, als_ dieses Project schon in dem Schlussreferate
der Wiener als gesehäftsführenden Kammer — fallen gelassen
wurde. Nach Umfrage bei allen Aerztekammem und ärztlichen
Vereinen Oesterreichs zeigte es sich , dass 9 Aerztekammem das
Princip der obligatorischen Versicherung überhaupt ablehnten,
während sich 10 Kammern dafür aussprachen und 1 Kammer
den Fragebogen bisher nieht beantwortete. Von den 10 Kam¬
mern, welche die obligatorische Versicherung aeeeptirten, sprachen
sich nur 6 für gleichzeitige Alters- und Wittwen Versicherung aus,
4 Kammern wünschten die Wittwen* und Waisenversicherung
allein. Die Acusserungen der ärztlichen Vereine waren im All¬
gemeinen mit denen der Kammern des betreffenden Kronlandes
übereinstimmend; als bemerkenswerth sei nur hervorgehoben, dass
von den Wiener ärztlichen Bezirksvereinen vier die obligatorische
Versicherung im Gegensätze zum Kammervotum ablehnten. (In
den Bezirksvereinen gelangen auch die armen Aerzte zum Worte, in
der Kammer dagegen sitzen zu viel Herren, welche in Equipagen
fahren, daher eine jährliche. Mehrbelastung des ärztlichen Budgets
um einige hundert Gulden nicht so empfindlich spüren. Der Ref.)
Unter solchen Verhältnissen , lautete cs im Sehlussreferate,
kann natürlich die Errichtung von Instituten, wie sie im Referate
des Comit^’s vorgeschlagen wurden, nicht mehr in Betracht kom¬
men, weil ein Gesetz, welches dem ärztlichen Stande Oester¬
reichs die Versieherungspflieht auflegt, voraussichtlich nur dann
erlangt werden könnte, wenn sümmtliche Aerztekammem als legale
Vertretung des Standes ein solches Gesetz fordern würden. Dann
müssten die Kammern aber der Zustimmung der weitaus über¬
wiegenden Mehrzahl der Aerzte gewiss sein.
Das offieielle Protokoll des Aerztekammci tages liegt derzeit
noch nicht vor, ich weiss bloss, dass in Bezug auf die Wohl¬
fahrtseinrichtungen folgender Beschluss gefasst wurde: «Jede
Kammer soll aus ihren regelmässigen jährlichen Einkünften einen
Reservefond zur Unterstützung invalid gewordener Aerzte und von
Wittweu und Waisen der Kammerangehörigen bilden». Das ist
ein weiser Beschluss, den alle Aerzte Oesterreichs gut heissen
werden, er involvirt natürlich die vollständige Ablehnung eines
jeden, dem ärztlichen Stande nun einmal so verhassten Zwanges.
Weiters lag dem Aerztekammertage ein Elaborat einer Standes¬
ordnung des gemeinsamen Uomitds der Kammern für Böhmen,
Mähren und Schlesien sammt zwei Abänderungsanträgen der steier¬
märkischen und ostgalizischen Kammern, sodann die von der
Wiener Aerztckammer beschlossene Standesordnung (ebenfalls als
Abänderungsantrag) zur Berathung vor. Man beschloss, alle diese
Entwürfe und Anträge den einzelnen Kammern nochmals zur
Begutachtung zuzuweisen.
In der Titelfrage der Aerzte wurde gemäss dem Anträge
der mährischen Kammer beschlossen, durch ein hiezu eingesetztes
Comite eine Petition an das Ministerium dos Innern ausarbeiten
zu lassen, in dem Sinne, dass die sogenannte Titelfrage der
Aerzte insbesondere in der Beziehung auf das Specialistenwesen
in Einvernehmen mit den Aerztekammem einer Regelung unter¬
zogen werde.
Bezüglich der Reform des Kranken cassen • Gesetzes wurde
beschlossen, sieh bei der bezüglichen Enquete im Allgemeinen
für die freie Aerztewahl, für die Pauschalirung dort, wo
es die örtlichen Verhältnisse erfordern, auszusprechen. Auch hier
habe ich das Elaborat des vereinigten Comites der mährischen,
niederösterreichischen und Wiener Kammer als Direetive für die
von den Aerztekammem in die Krankeneassen-Enquote zu ent¬
sendenden Experten — an dieser Stelle schon eingehend be¬
sprochen. (Siehe No. 23 vom 9. Juni 1896).
Weitere Beschlüsse betrafen Petitionen an die Regierung und
den Ilcichsratli um. Berücksichtigung der Wünsche des ärztlichen
Standes bei der Reform des Unfallsversicherungsgesetzcs (siche
No. 12 vom 24. März 1896), um Gestattung der Discussion und
Beschlussfassung der Aerztekammem bei straf gerichtlichen Urtheilen
und Untersuchungen gegen Aerzte (Mittheilungen der Gerichte an
den Ehrenrath), ferner um Regelung der gerichtsärztlichcn Gebühren
(Bitte um endliche Erledigung der bereits im Jahre 1894 einge-
brachten Petitionen wegen Erhöhung dieser Taxen), um Gewährung
des Heimathsreehtes an die im öffentlichen Sanitätsdienste ange-
stellten Aerzte und um Maassnahuien gegen das Ueberhandnehmen
der Curpfuschcrci. In letzter Hinsicht lagen zwei Anträge vor,
welche auf die Regelung der zahntechnischen Curpfuschcrci ab¬
zielten. Die Wiener Kammer hatte beantragt: «Der Kammer¬
tag möge bcschlies8en, dass sämmtliche Aerztekammem im Sinne
des von der Wiener Kammer unter Einem versendeten Entwurfes
(Siehe No. 38 vom 22. September 1896)* eine Petition an das
k. k. Ministerium des Innern richten mögen, in welcher die Bitte
gestellt wird, dass die Ministcrialverordnung vom 20- März 1892
durch eine Nachtragsverordnung ergänzt werden möge, durch welche
die Vornahme zahnärztlicher Verrichtungen in den Werkstätten
der Zahntechniker überhaupt, sowie das Halten zahnärztlicher
Instrumente in diesen Werkstätten verboten wird.» Wie ich höre,
wird aber die Wiener Aerztckammer ihre jüngst verschickte Petition
wieder umarbeiten lassen.
Der nächste Kammertag wird im Jahre 1897 in Graz ab¬
gehalten werden, somit wurde diesmal die steiermärkische als gc-
schäftsführende Aerztckammer gewählt. Es wird sich mir wohl
Gelegenheit bieten, auf die Ergebnisse dieser wichtigen Versamm¬
lung nochmals zurückzukommen.
Damit aber am Aerztekammertage auch das heitere Element
vertreten sei, haben die «inserirenden Specialärzte
W i c n s » dem geehrten Präsidium ein Memorandum überreicht,
welches gedruckt vorlag. Es war so naiv abgefasst, dass es bloss
zur Erheiterung diente. «Das Inserat», sagten die inserirenden
Specialärzte, < ist ein Bedürfnis de« hilfesuchenden Publicums
geworden und trägt in hohem Grade zur Assanirung der Bevöl¬
kerung bei. Eine schlichte, würdige Annonce (die Herren Spccial-
ärzte sind unverbesserlich und wollen nicht einsehen, dass jede
Annonce eines Arztes unwürdig ist!), die sieh von allem Markt-
schrcieu ferne hält, kann keinen Stand und kein Individuum
schänden ■•■... Da immer wieder auf die Advocaten hingewiesen
wird, welche das Annonciren schlankweg verbieten, so versteigen
sich die inserirenden Specialärzte zu der durch nichts begründeten,
also recht gewagten Behauptung: « Keine neu zu creirende
Advocatenkammer hätte unnöthigerweise ein Gesetz geschaffen,
welches die Basis, worauf zahlreiche Collegen seit mehr als einem
halben Jahrhundert ihre Existenz begründet haben, vernichten
würde. » Da man bloss die Inserate in der Fachpresse gestattet,
so sagen sie: «Für Fachgenossen prakticiren wir nicht (Wir
sagen: Gott sei Dank !), sondern nur für Kranke jener besonderen
Art, die ein gewisses, wenn auch ganz unberechtigtes Scham¬
gefühl hindert, sich über ihr Leiden zu äussern und sich bezüg¬
lich des zu wählenden Arztes berathen zu lassen. Das Verbot
der Ankündigung ist ein durch nichts zu rechtfertigender Eingriff
in die Berufsausführung und Erwerbsthätigkeit der Aerzte, ein
Angriff auf unsere Existenzmöglichkeit. » — 1956 kammer-
angehörige Mitglieder zählt Wien, darunter 20—30 Annoneeure,
welche die Unverschämtheit haben, für sich allein — andere
Existenzbedingungen zu fordern. Man wird diesen Herren schon
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1002
Münchener mepi cinische Wochenschr ift^
No. 41.
zeigen, dass dieses Verbot wohl zu rechtfertigen »s , sie mögen
nm die weiteren Geschehnisse ab warten. Zum Schlüsse W
Lb» der Aerztel— einen billigen F r.eden>.«
vorgeschlagcn, wir wollten uns fügen, wollten den Text der
Annonce, die sich nur auf Adresse, Berufsfach und Ordinations¬
zeit beschränken sollte, jeder Censur unterbreiten. » M* gutem
Rechte hat unsere Acrztekammer diesen billigen hneden ver
worfen, d. h. richtiger gesagt, sich mit den insenrenden Special-
ärzten in keinerlei Verhandlungen der gewünschten Art eingelassen.
Hier wie nirgends gilt ein: Aut-aut, es dürfen absolut keine Con-
cessionen crthcilt werden. Wagte cs doch sogar einer dieser
Herren, an die Aerztekammer mit dem Vorschläge heranzutreten,
er werde künftig nicht inseriren, die Kammer solle ihm aber
seinen Verdienstentgang mit einigen 100 Gulden jährlich vergüten.
Er verlangte also eine separate Prämie dafür, dass er sich in
Zukunft anständig benehmen werde. Selbstverständlich haben die
Kammcrräthe das besagte Memorandum der inserirenden Speciahstcu
Wiens « gebührend » gewürdigt. .
Per Titel: «inserirendc Specialärzte» ist wohl cm grau¬
samer Hohn auf die nicht-inserirenden, aber wirklichen Special-
ärzte, deren wir in Wien eine grosse Zahl besitzen. Pa gingen
neulich die städtischen Bezirksärzte von Haus zu Haus und for¬
derten alle jene Acrzte, welche als absolvirte Frequentanten des
geburtshilflichen Operationsinstitutes sich den Specialtitcl: «Opera¬
teur.» beigelegt hatten, auf, diesen Titel von ihrer Tafel zu streichen.
Sie haben kein Recht darauf, sich Operateure zu nennen, wie¬
wohl sie an einer geburtshilflichen Klinik specialärztlich ausge¬
bildet wurden, das ist angeblich ein Missbrauch. Pa sie den
ihnen amtlich verliehenen Titel eines «emeritirten Frequentanten
des geburtshilflichen Operationsinstitutes» wohl nicht acceptiren
werden, (das liebe Publicum wüsste mit einem solchen Titel nichts
anzufangen), so bleibt ihnen nichts übrig, als sich: Geburtshelfer
und Frauenarzt oder ähnlich zu benennen. «Operateur» darf
sich blos der Arzt nennen, welcher ein chirurgisches Opera¬
tionsinstitut absolvirt hat und ein Piplom besitzt, welches ihm die
Führung dieses Titels gestattet.
Billroth gab den chirurgischen Operationszöglingcn eines
Tages die Erlaubniss, sich «Assistent» der Klinik zu schreiben
und ernannte seine zwei klinischen Assistenten, behufs Unter¬
scheidung von diesen Assistenten, zu — —• «Assistenzärzten».
Wir können uns nicht erinnern, dass in Europa damals aus diesem
Grunde besondere Aufregung herrschte. Wir denken, dass es
wohl nicht geschadet hätte, wofern die Herren Collegen als cmcri-
tirte Frequentanten des geburtshilflichen Operationsinstitutes nur
gut operiren gelernt haben, wenn man ihnen gestattet hätte, diese
ihre Fähigkeit dem Publicum und den Acrzten in der ihnen ge¬
eigneten Weise, meinetwegen auch als »geburtshilflicher Operateur«,
anzuzcigcn. Pa greift die Behörde ein, aber wenn ein Annonccur
sich eigenmächtig den Titel: «Specialist» oder gar: «inserirender
Specialist» beilegt, dann schweigen alle Flöten.
Hofrath E. v. Hofmann, unser Professor der gerichtlichen
Medicin, sprach sich jüngst sehr ernst über diese Titelfrage, resp.
die Arrogirung des Titels eines Specialisten seitens Unberechtigter
aus. Er sagte: «Piesc Einrichtung (Ertheilung des Titels durch
die Behörde nach specialärztlicher Ausbildung an einer Klinik)
wäre sowohl im Interesse des ärztlichen Standes als im Interesse
des hilfesuchenden Publicums zu begrüssen, sie wäre aber auch
von gerichtsärztlioher Bedeutung, weil man bei angeblichen Kunst¬
fehlern präciserc Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Quali-
fication des Beschuldigten zur Vornahme gewisser, insbesondere
schwerer operativer Eingriffe hätte und weil man darin, dass
Jemand sich als Specialist ausgegeben hätte, ohne es de facto
zu sein, diesen Umstand bei der ganzen Beurtheilung des I alles
in Betracht ziehen und auch den Betreffenden wegen Irre¬
führung des Publicums belangen könnte, während dies
gegenwärtig nicht möglich ist, da jeder Arzt das Recht hat, sich
auch ohne besondere Ausbildung irgend ein Specialfach zur prak¬
tischen Ausübung zu wählen, resp. sich als Specialist in diesem
Fache anzukündigen, ohne dass gefragt wird, ob er sich die erfor¬
derlichen Specialkenntuisse erworben hat oder nicht.» Pas sind
wohl zu beherzigende Worte eines erfahrenen Gerichtsarztes.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Academie des Sciences.
Sitzung vom 28. September 1896.
lieber die Immunität, welche durch einige gerinnungs¬
hemmende Substanzen hervorgerufen wird, und die
Art ihrer Wirkung.
Bose und Delezenne hatten schon früher gezeigt, dass das
durch Blutegelextract gerinnungsfähig gemachte Blut viel später
der Fäulniss verfalle wie das normale Blut und die Lebenfähigkeit
der Leukocvten in ersterem beträchtlich vermehrt sei. Es war
damit die Annahme gegeben, dass die Phagocytose in dem aus den
Gefässen ausgelassenen Blute activ weiter wirken und die Ent¬
wicklung der Fäulnissbacterieen hemmen, und weiters, dass das
Blutegelextract gleichzeitig die bactericide Wirkung des Blutes durch
vermehrte Leukocytose erhöhen könne. Die weitere Fragestellung
der beiden Forscher ging nun dahin, ob diese gennnungsbe.nmenden
Substanzen, deren WirkuDg auf die Leukocyten sehr deutlich ist,
nicht im Stande wären, wie gewisse Bacterientoxine zu wirken,
um die Schutzmassregeln des Organismus gegen die Infection zu
vermehren, gewissermassen eine Immunität zu erzeugen Diese
Hypothese schien um so überzeugender, als zahlreiche physiologische
Vergleichspunkte zwischen den Bacterientoxinen und den gennmuigs-
hemmenden Substanzen vorhanden sind. Letztere können ebenso
wie*die in die Gefässe injicirten Toxine die Gerinnung des Blutes
aufheben, beide sind sog. lymphtreibende Mittel, beide verursachen
verminderte Leukocytenbildung und Gefässerweiterung. Der experi¬
mentelle Beweis für die angenommene Hypothese wurde ““ n
Versuche im Reagensglase, wie durch solche an lebenden
Tbiere n (Hunden) geliefert. Erstere wurden mit Hundeserum ausge-
Whlt welches auf aseptischem Wege nach vorgäug.ger intravenöser
Iniection von Blutegelextract oder Pepton gewonnen ward undzwar
zu 3 verschiedenen Zeiten nach der Injection, aber immer während
der Phase der Ungerinnbarkeit; vor der Injection wurde eine ? or “ al ®
Blutprobe entnommen. Die Resultate waren für das Pepton' ^ J“
wie für das Blutegelextract. aber mit letzterem immer
diesen Experimenten (deren genauere Beschreibung d ®“
des Plasmas noch bedeutender ist wie jene des Gesammt blute.
Diese ausgeprägtere Eigenschaft des Plasmas scheint von v0 ™berem
STdirTGSöB, der Leukocyten in de, oberMchhch “ P ,'S
schiebt zusammenzubängen. Bei den Experimenten Knbatanzen
Thieren wurde versucht, ob diese gennnun^hemmenden „ ege n die
nicht im Stande wären, den Thieren eine Immunität gege
experimenteUen Infectionen zu verleihen Es wurde Hunde d
Ohrvene eine Quantität Blutegelextract oder Pepton lnjici t, g
nügend, um das Blut für einige Stunden ungerinnbar in mache^
verschiedene Zeit nach dieser Injection, >/* bis /resp.
in die Vene des anderen Ohres eine Dosis
Streptococcen injicirt, weiche genügte, um rr^ch J raflch
zuführen. Die Controlthiere (Hunde und Kaninchen) sta
aHen schweren Symptomen der
resp. Streptococcus, während die Tlnere, deren Blu J darbo ten
unfähig gemacht war, mir leichte Zeichen der »un 0 n
und genasen, nachdem sehr deutliche Reac Diurese
Seite der Circulation, Athmung, der ^ riDnuD gs-
sich eingestellt hatten. Kurz zusammengefasst, sind einig m
hemmende Substanzen, wie Blutegelextract oder pt die
injicirt, im Stande, Veränderungen zu verursad»^ verme hrcn;
Schutzwehr des Organismus gegen die ^“^‘JjJSSwrtenwwrtl»
diese Veränderungen sind charaktensirt durch ein e nsclm f ten
Zunahme der Lebensfähigkeit und der p g ? der bacterien-
der weissen Blutkörperchen und durch dm Vermehmug
töiltenden Eigenschatten des Mutes D.e »tr.«*».
gerinnungshemmenden Substanzen ka °" b R l co jj 0 der Strepto-
15-45 Minuten vor der Injection des Bacillus co peri .
coccus, eine wirkliche Immunität erzeugen und sogar
mentellen Infectionen völlig verhindern.
Ueber das Vorkommen der agglutinirenden Wirk« g
im Blutplasma und anderen Körpersa
Nach neueren Arbeiten stammt die a^lufrend ^ ^
welche das Blutserum bei gewissen ..^^^Leukocyten, eine
Mikroorganismen ausubt, ansschhesBhch v de verscb i e denen
Theorie, welche auf experimentellen Ve , rsu ^" e " “ saude zogen es
Flüssigkeiten beruht. Ch Achard und R. dessen Serum beim
vor, direct mit menschlichem Blute zu «perire , j^uptschwieng-
Typhus den Eberth’schen Bacillus agglutimrt D eil8 glase
keit, welche in der Gerinnung besteht wurde *| ochgall .
durch Zusatz von Blutegelextract (gemischt mit ü,Flüssigkeit ver-
lösung) überwunden; diese gennnungehemmen Agglutinirung-
ändert nicht die Blutelemente und hindert, mebt <h ^tzenlasse®
Das Plasma, der Blutkörperchen durch “®”£j“de Wirkung»
oder Centrifugiren beraubt, bemUt die aggtatuu«« e Btat Deia
demselben Grade, wie das an Leukocyten weissen Blut-
Einwande, dass während des Versuches einig
Die Münchener Medicin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestensa'/j—3 Bogen
Preis vierteljährlich 6 M ., praenumerando zahlbur.
Einzelne Nummer 60
MÜNCHENER
Zusendungen sind ro adreesiren: Für die Redaction
Ottostrasse 1 — Für Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Moese, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Heinehe, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. ». Wiackel, H. t. Zlenssea,
Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würsburg. München. München. München.
M 42. 20. October 1896
Redactenr: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der K. Universitäts-Kinderklinik zu München.
Zur Scharlachdiphtherie. Ü
Von Professor Dr. H. v. Banke
Meine Herren! Ich darf wohl sagen, dass gegenwärtig die
Lelirmeinung ziemlich allgemein dahin geht, dass bei der Scharlach-
diphtherie, wenigstens bei der Form, welche schon in einer frühen
Phase der Krankheit auftritt, der Diphtheriebacillus fehlt und
dass die Scharlachdiphtherie desshalb als der Typus einer ana¬
tomischen Diphtherie ohne Diphtheriebacillen anzusehen ist.
Es ist kaum nöthig, dass ich speciell Gewährsmänner für
diese Ansicht anführe; Löffler, Kolisko und Pal tauf,
Babes waren die ersten, die diese Meinung vertraten und ihre
Ansicht wurde von vielen Anderen bestätigt.
Die Scharlachdiphthcrie wäre demnach in aetiologischer Hin¬
sicht von der ächten Diphtherie scharf zu trennen, wenn auch
von den meisten Beobachtern zugestanden wird, dass eine klinische
Unterscheidung der beiden Formen am Krankenbette ohne
bacteriologische Untersuchung kaum möglich ist.
Die Frage ist von grosser theoretischer und praktischer
Wichtigkeit, von letzterer hauptsächlich desshalb, weil sie mit
der Frage zusammenhängt, ob das Diphtherieheilserum bei Schar-
lacbdiphtherie eine Wirkung äussern kann oder nicht.
Vielleicht werden wir in der nächsten Veröffentlichung des
Reichsgesundheitsamtes über die Ergebnisse der Diphtherie-Sammel¬
forschung auch bezüglich dieses Punktes Einiges erfahren; es
muss sich dort ein grosses Material angehäuft haben.
Bei den Mittheilungen, welche ich Ihnen heute vortragen
will, werde ich mich auf Beobachtungen aus meiner eigenen Klinik
beschränken und dabei nur die bacteriologische Seite der Frage
besprechen.
Ich muss hier etwas zurückgreifen. Im Jahre 1889 hatte
ich einem meiner Schüler, Herrn Dr. Emil Holzin ger, die
Aufgabe gestellt, die in der Münchener Universitäts-Kinderklinik
bis dahin vorgekommenen Scharlachfälle einer genauen statistischen
und klinischen Untersuchung zu unterwerfen, insbesondere bezüg¬
lich des Vorkommens und der Symptome der Scharlachdiphtherie.
Die Arbeit Dr. Holzinger’s wurde als Inaugural-Disser-
tation gedruckt unter dem Titel: «Zur Frage der Scharlach¬
diphtherie, nebst einer Statistik der in der Münchener Kinder¬
klinik vom Januar 1887 bis Juni 1889 beobachteten Scharlacb-
fälle. » München 1889.
Mein eigener Standpunkt in der Frage der Scharlachdiphtherie
wurde von Holzingor auf S. 26 mit folgenden Worten skizzirt:
«Ranke nimmt in seinen klinischen Vorträgen eine specifische
Scharlachangina an, die in leichten Fällen unter dem Bilde einer
katarrhalischen Entzündung auftritt, in schweren eine Hinneigung
zum Brandigwerden zeigt, die sich aber häufig mit echter
Diphtherie complicirt. Einen specifischen Charakter der Scharlach¬
diphtherie kann er klinisch nicht finden und hat eine Anzahl
*) Vortrag, gehalten auf der 68. Naturforsch ervereammlung in
Frankfurt a. M. am 25. September 1896.
No. 42.
Fälle beobachtet, in denen bei Scharlachkranken der diphtherische
Process sich anf Kehlkopf, Trachea und Bronchien erstreckte. »
Eine nähere Durchsicht unserer Fälle ergab, dass die diph¬
therische Rachenaffection mit Scharlach damals bei uns sehr häufig
auftrat; von 115 Fällen waren nur 25 Fälle, d. i. 22 Proc. ohne
Belag im Rachen gefunden worden, während bei 78 Proc. Beläge
vorhanden waren.
Weiter ergab sich, dass die diphtherische Affection den
Scharlach zu jeder Zeit compliciren kann. Von 46 Fällen, in
denen das Auftreten der Beläge genauer notirt werden konnte,
waren letztere neunmal vor dem Ausbruch des Exanthems, und
zwar bis 7 Tage vorher, aufgetreten, bei 12 Fällen gleichzeitig
mit dem Exanthem und bei 22 Fällen vom 2. bis zum 6. Tage
nach Ausbruch des Exanthems. Bei 3 Fällen war die Diphtherie
erst noch in späterer Zeit während der Reconvalescenz dazu¬
getreten.
Auch die Ausbreitung der Rachenaffection bei der Scharlach¬
diphtherie auf Kehlkopf und Trachea war damals bei unseren
Fällen keineswegs sehr selten; postdiphtherifcische Lähmung war
einmal beobachtet worden; sogenannte septische Formen fanden
sich wesentlich häufiger bei Scharlachdiphtherie als bei der primären
Diphtherie.
Die bacteriologische Seite der Frage hatte mein damaliger
erster Assistent, Herr College Escherich, bearbeitet und bei
einer kleinen Anzahl von Scharlachdiphtherien unzweifelhaft Löffler-
bacillen nachgewiesen, deren Virulenz in einigen Fällen auch durch
den Thierversuch constatirt wurde.
Holz in ger kam auf Grund seiner Untersuchungen zu dem
Schluss, «dass die Scharlachdiphtherie wohl in allen Fällen als
eine Complication des Scharlachs mit primärer Diphtherie zu
betrachten sei, wozu die gesetzmässige (Scharlach-) Angina prä-
disponirt. »
Diese Arbeit fand sofort eine Erwiderung Heubner’s im
Jahrbuch für Kinderheilkunde; 1890- S. 56 u. ff.
Heubner begann damit, dass er ausführte, man brauche
sieh in Hinblick auf anderweitige Erfahrungen in der Pathologie
nicht darüber zu wundern, dass die Trennung der Scharlach -
dipbtheritis von der primären Diphtherie nur langsam Eingang in
die ärztlichen Vorstellungen findet.
Die Holzi n ger ’ sehe Arbeit wolle einen neuen Gesichts¬
punkt, den bacteriologischen, zu Gunsten der gegnerischen An¬
schauung in die Wagschale werfen.
Das Auftreten von Belägen auf der Schleimhautoberfläche
an sich beweise aber gar nichts für den Eintritt der echten
Scharlachdiphtherie, d. i. der Gewebsgerinnung. Aus der Hol¬
zin ger'sehen Statistik gehe nur hervor, dass das Material eines
Krankenhauses, besonders wenn die Isolirung der infectiösen
Kranken erschwert sei, zur Entscheidung einer Frage, wie der
vorliegenden, nicht, oder nur mit äusserster Vorsicht verwerth-
bar sei.
Dem Satze, dass wenn einmal für beide Affectkmen der gleiche
charakteristische Mikroorganismus nachgewiesen sei, damit auch
der Beweis geliefert wäre, dass wir es mit den gleichen Krank-
1
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1004
MÜNCHENER MKDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41.
Prostata hervorruft. Nur in zwei Fällen blieb der Erfolg aus, und
hier glaubt S. annehmen zu müssen, dass eine röhrenförmige Wieder¬
vereinigung der Samenleiterenden eingetreten ist.
Aus allen klinischen und experimentellen Erfahrungen ist zu
folgern, dass die Ursache für die Prostatahypertrophie in dem Fort¬
fall der Hodenfunction zu suchen ist. Warum die Prostata schrumpft,
ist noch zu ermitteln, aber aus analogen Verhältnissen (Schilddrüse,
Pankreas) muss man wohl annehmen, dass in den Hoden ein Stoff
zur Resorption kommt, dessen Ausfall vor der Geschlechtsreife des
Individiuums die Ausbildung des männlichen Typus hindert, später
aber hauptsächlich zu einer Rückbildung der Prostata und Samen¬
blasen führt. Diese Annahme würde an Sicherheit gewinnen, wenn
es gelänge, die Ausfallserscheinungen nach der Castration, das
Hinsiechen und die Prostataatrophie, durch eine Gewebssafttherapie
zu verhindern. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 13. October. Wie officiös mitgetheilt wird, soll der
Gesetzentwurf, betreffend die ärztlichen Ehrengerichte, dem preussi-
schen Landtage demnächst vorgelegt werden, und zwar im Wesent¬
lichen in unveränderter Form. Die von den einzelnen Aerztekammern
angeregten und vom Aerztekammerausschuss adoptirten Abänderungs¬
vorschläge haben nur eine sehr beschränkte Berücksichtigung ge¬
funden, was zum Theil wohl auf den Mangel an Uebereinstiinmung
der von den verschiedenen Kammern geüusserten Wünsche zurück¬
zuführen ist. Vielleicht gelingt es noch im Landtag einzelne Wünsche
der Aerzte durchzusetzen; doch wird nur in den Augen Weniger das,
was in dem Entwurf unerfüllt geblieben ist, gegenüber dem Fort¬
schritt, den derselbe im Uebrigen darstellt, so bedeutungsvoll er¬
scheinen, dass dadurch das Ganze unannehmbar würde.
— Der Reichskanzler hat auf Grund von Mittheilungen Über sich
in neuerer Zeit mehrende Vergiftungen durch Sublimat¬
pastillen sich veranlasst gesehen, ein Gutachten des kaiserl. Ge¬
sundheitsamtes über allenfalls zu veranlassende besondere Vorsichts¬
maassregeln einzufordern. Nach diesem Gutachten ist es zwar nicht
angezeigt erschienen, zu einer Abänderung der bestehenden Vor¬
schriften über Abgabe und Anwendung des Sublimats zu schreiten,
dagegen ist die thnnlichst scharfe Handhabung derselben als geeignet
erachtet worden, Sublimatvergiftungen durch irrtluimlichen Genuss
von Pastillen mehr als bisher vorzubeugen. Es ist daher angeordnet
worden, dass die Aerzte bei Verschreibung von Sublimatpastillen die
Menge derselben nicht über den unmittelbar vorliegend n Bedarf
bemessen sollen, und dass den Aerzten sowohl, wie insbesondere
auch dem niederen Heilpersonale, unter Hinweis auf die Gefährlich¬
keit des Mittels und unter Betonung ihrer Verantwortlichkeit grösste
Vorsicht bei Aufbewahrung und Verwendung der Pastillen zur be¬
sonderen Pflicht gemacht werde.
— In drei Instanzen, zuletzt vom Kammergericht, wurde der
Rcchtsgrundsatz aufgestellt, dass ein Arzt, der bei einem Kinde
Diphtherie diagnosticirt, aber selbst nicht die Behandlung Über¬
nimmt, sondern die Einlieferung des Kranken in ein Krankenhaus
empfiehlt, doch zur Anzeige verpflichtet ist. (D. Med. Ztg.)
— In der 39. Jahreswoche, vom 20.—25. Septbr. 18%, batten
von deutschen Städten über 40U00 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Königshütte mit 36,5, die geringste Sterblichkeit Darmstadt
mit 6,4 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Beutben und
Bochum.
— Herr Medicinalrath Dr. Zöller in Frankenthal, der lang¬
jährige Vorsitzende der pfälzischen Aerztekammer und Delegirter
zum erweiterten Obermedicinalausscbuss, feierte am 3. ds. seinen
70. Geburtstag. Der Stadtrath von Frankenthal benannte aus diesem
Anlass zum bleibenden Gedächtniss des hochangesehenen Arztes
eine Strasse «Zöller Ring». Wir wiederholen unsere schon auf anderem
Wege ausgesprochenen Glückwünsche auch an dieser Stelle.
— Prüf ungsr es ul täte. Von den im Prüfungsjahre 1895/96 in
Bayern geprüften Candidaten der Medicin haben bestanden:
in München Würzburg Erlangen
Zahl der Candidaten:
docent an der Universität, betraut worden. Bei Prof. Barth s
Eintritt in den Lehrkörper der schlesischen Hochschule wurde auf
dessen Wunsch eine zunächst provisorische Universitätsklinik nnd
Poliklinik für Nasen-, Hals- und Ohrenleiden eingerichtet Die
provisorische stationäre Klinik geht jetzt ein, nur die Poliklinik für
ambulante Kranke wird endgiltig zur Universitätsanstalt gemacht. -
Königsberg. Der Privatdocent der Kinderheilkunde Dr. Falken
heim ist zum ausserordentlichen Professor ernannt und ihm m
gleich die Leitung der Kinder-Poliklinik übertragen worden.
Moskau. Prof. Erismann hat, aus politischen Gründen
seine Professur für Hygiene niedergelegt und ist nach Zürich fiba
gesiedelt. (E. ist Schweizer). Als sein Nachfolger ist der Professor
der Hygiene in Dorpat, I)r. S. Bubnow, ein Schüler Erismann’!
in Aussicht genommen.
(Todesfälle.) ln Genf starb der ausgezeichnete Physiologe
der dortigen Universität, Professor Moritz Schiff. Derselbe war
1823 zu Frankfurt a. M. geboren, wurde 1854 Professor für ver¬
gleichende Anatomie in Bern, erhielt 1863 den Lehnstuhl der Physio¬
logie in Florenz, den er 1876 mit dem in Genf vertauschte. Unter
seinen zahlreichen experimentellen Arbeiten sind diejenigen über
die Physiologie der Schilddrüse die wichtigsten. Schiff war der
Erste, der beobachtete, dass der Schilddrüse beraubte Thiere inner
halb kurzer Zeit unter bestimmten Erscheinungen zu Grunde gehen,
und so die lebenswichtige Bedeutung dieses Organs feststellte.
Jules Rochard, früher Professor der Chirurgie in Paris, ist
daselbst im 77. Lebensjahre gestorben.
(Berichtigung.) Das Gesetz- und Verordnungsblatt für das
Königreich Bayern bringt in seiner No. 48 nachstehende Berichti¬
gung, die wir, da die betreffenden Fehler auch in unser Blatt über¬
gegangen sind, ebenfalls zur Kenntniss bringen: In dem Verzeich¬
niss zur k. a. Verordnung vom 22. Juli ln96, betr. die Abgabe
starkwirkender Arzneien etc. (Beilage zu No. 33 d. W.) ist zu lesen:
bei Apomorphinum et ejus salia 0,02 anstatt 0,2; bei Strychnimmi
et ejus salia 0,01 anstatt 4,01.
Personalnachrichten.
Bayern.
Ernannt: Der prakt. Arzt Dr Chr. Altmannspergcr in Markt-
Erlbach wurde zuin bezirksärztlichen Stellvertreter am Amtsgerichte
daselbst ernannt. — Die Stelle des III. Assistenzarztes an der Kreis
irrenanstalt Gabersee wurde dem approbirten Arzte Dr. Zwick
nagel aus München übertragen. — Seitens des Generalstabsarztes
der Armee wurden die Einjäbrig-Freiwilligen-Aerzte Dr. Alexander
Lion vom 2. Feld-Artillerie Regiment im 8 Infanterie-Begiment
und Hans Pitterlein vorn 1. Ulanen-Regiment im 5. Infanterie
Regiment zu Unterärzten ernannt und mit Wahrnehmung offener
Assistenzarztstellen beauftragt.
Functionsübertragung: Das k. Staatsrainisterium des Innern
hat genehmigt, dass dem k. Landgerichtsarzte am k. Landgerichte
München I. bis auf Weiteres ein Physikats Assistent zur Geschäfts¬
aushilfe beigegeben werde. Diese Function wurde vom 16. October
ab dem praktischen Arzte Dr. Karl Becker in München übertragen.
Versetzt: Der Bezirksarzt Dr. Franz Müller in Waldmfinchen
auf Ansuchen nach Schongau.
Abschied bewilligt: im Benrlaubtenstande: dem Stabsarzt der
Landwehr 1. Aufgebots Dr. Eduard Haselhorst (Hof).
Morbiditätsstatistik d.Jnfectionskrankheiten fürMUnchen
in der 40. Jahreswoche vom 27. September bis 3. October 18%.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 26 (41*), Diphtherie, Croup
26 (32), Erysipelas 10 (10), Intermittens. Neuralgia interm — (h
Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 2 (“A
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 8 (9) , Parotitis epidemica -
Pneumonia crouposa 15 (9), Pyaemie, Septicaemie — (—\
tismus art. ac. 18 (12), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina »(»/>
Tussis convulsiva 25 (24), Typhus abdominalis 2 (3), Varicellen 16 (o*
Variola, Variolois — (—). Summa 173 (176). Medidnalrath Dr. An»
mit der Note
«genügendi
«gut»
«sehr gut»
209
284
114
17
52
22
113
105
33
17
23
8
147
180
«3
Die Uebrigen haben nicht bestanden, oder wurden zurtickgestellt,
oder sind zurückgetreten.
— Die Redaction der bisher von Wernich herausgegebenen
Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffentliches Sanitäts
wesen haben nach dessen Tod die Herren Geh. Rath Dr. A. L.
Schmidtmann und Professor Fr. Strassmann in Berlin über¬
nommen.
(Uni versitfttsnach richten.) Breslau. Die Pro
fessur für Ohren- und Kehlkopfleiden an der hiesigen Universität,
die durch Professor Adolf Barth's Berufung nach Leipzig er
ledigt ist, soll vorläufig nicht wieder besetzt werden. Mit der
Ertheilung des einschlägigen Unterrichtes ist Dr. Kümmel, Privat-
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 40. Jahreswoche vom 27. 8ept. bis 3. Oct. 18%-
Bevölkerungszahl: 406 000.
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach 1 (1).
und Croup 5 (2), Rothlauf — (2), Kindbettfieber - (-),
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 11 (14), Unterleibst^M*
(—), Keuchhusten 5 (3), Croupöse Lungenentzündung — (Ä J
culoae a) der Lungen 24 (17), b) der übrigen Organe 3 (ij, A .
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten t •
Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord — (1), Tod durch fremde HandU-j
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 196 (173), VerMltniW^
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 25,1 ^ jj,
die über dem 1, Lebensjahr stehende Bevölkerung 13,8 (lb «
die über dem 5. Lebensjahr stehende 12.9 (10,1).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der
Verlag von J. F. Lehma nn ln München. — Druck der K. Mühlihaler'achen k. Hof-Buchdruckeret Id -Machen.
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Cli. Bäumler, 0. Bollfnger, K. Curschann, C. Gerhardt, W.». Helneke, 6. Mertel, J.«. Michel, H.«. Rute, F. e. Wlnckel, H.«. Zleassn,
Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 42.
20. Octoler 1896
Redactenr: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: .1. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der K. Universitäts-Kinderklinik zu München.
Zur Scharlachdiphtherie. Ü
Von Professor Dr. Ii. v. Ranke.
Meine Herren ! Ich darf wohl sagen, dass gegenwärtig die
Lehrmeinung ziemlich allgemein dahin geht, dass bei der Seharlach-
diphtherie, wenigstens bei der Form, welche schon in einer frühen
Phase der Krankheit auftritt, der Diphtheriebacillus fehlt und
dass die Scharlachdiphtherie desshalb als der Typus einer ana¬
tomischen Diphtherie ohne Diphtheriebacillen anzusehen ist.
Es ist kaum nütbig, dass ich speciell Gewährsmänner für
diese Ansicht anführe; Löffler, Kolisko und Pal tauf,
ßabes waren die ersten, die diese Meinung vertraten und ihre
Ansicht wurde von vielen Anderen bestätigt.
Die Scharlachdiphtherie wäre demnach in aetiologischer Hin¬
sicht von der ächten Diphtherie scharf zu trennen, wenn auch
von den meisten Beobachtern zugestanden wird, dass eine klinische
Unterscheidung der beiden Formen am Krankenbette ohne
bacteriologische Untersuchung kaum möglich ist.
Die Frage ist von grosser theoretischer und praktischer
Wichtigkeit, von letzterer hauptsächlich desshalb, weil sie mit
der Frage zusammenhängt, ob das Diphtherieheilserum bei Schar¬
lachdiphtherie eine Wirkung äussern kann oder nicht.
Vielleicht werden wir in der nächsten Veröffentlichung des
Reichsgesundheitsamtes über die Ergebnisse der Diphtherie-Sammel-
forschung auch bezüglich dieses Punktes Einiges erfahren; es
muss sich dort ein grosses Material angehäuft haben.
Bei den Mittheilungen, welche ich Ihnen heute vortragen
will, werde ich mich auf Beobachtungen aus meiner eigenen Klinik
beschränken und dabei nur die bacteriologische Seite der Frage
besprechen.
Ich muss hier etwas zurückgreifen. Im Jahre 1889 hatte
ich einem meiner Schüler, Herrn Dr. Emil Holzinger, die
Aufgabe gestellt, die in der Münchener Universitäts-Kinderklinik
bis dahin vorgekommenen Scharlachfälle einer genauen statistischen
und klinischen Untersuchung zu unterwerfen, insbesondere bezüg¬
lich des Vorkommens und der Symptome der Scharlachdiphtherie.
Die Arbeit Dr. Holzinger’s wurde als Inaugural-Disser-
tation gedruckt unter dem Titel: «Zur Frage der Scharlach¬
diphtherie, nebst einer Statistik der in der Münchener Kinder¬
klinik vom Januar 1887 bis Juni 1889 beobachteten Scharlach¬
fälle. » München 1889-
Mein eigener Standpunkt in der Frage der Scharlachdiphtherie
wurde von Holzinger auf S. 26 mit folgenden Worten skizzirt:
«Ranke nimmt in seinen klinischen Vorträgen eine specifische
Scharlachangina an, die in leichten Fällen unter dem Bilde einer
katarrhalischen Entzündung auftritt, in schweren eine Hinneigung
zum Brandigwerden zeigt, die sich aber häufig mit echter
Diphtherie complicirt. Einen specifischen Charakter der Scharlach¬
diphtherie kann er klinisch nicht finden und hat eine Anzahl
1 ) Vortrag, gehalten auf der 68. Naturforscherversammlong in
Frankfurt a. M. am 25. September 1896.
No. 42.
Fälle beobachtet, in denen bei Scharlachkranken der diphtherische
Process sich auf Kehlkopf, Trachea und Bronchien erstreckte. »
Eine nähere Durchsicht unserer Fälle ergab, dass die diph¬
therische RachenafFection mit Scharlach damals bei uns sehr häufig
auftrat; von 115 Fällen waren nur 25 Fälle, d. i. 22 Proc. ohne
Belag im Rachen gefunden worden, während bei 78 Proc. Beläge
vorhanden waren.
Weiter ergab sich, dass die diphtherische Affection den
Scharlach zu jeder Zeit compliciren kann. Von 46 Fällen, in
denen das Auftreten der Beläge genauer notirt werden konnte,
waren letztere neunmal vor dem Ausbruch des Exanthems, und
zwar bis 7 Tage vorher, aufgetreten, bei 12 Fällen gleichzeitig
mit dem Exanthem und bei 22 Fällen vom 2. bis zum 6. Tage
nach Ausbruch des Exanthems. Bei 3 Fällen war die Diphtherie
erst noch in späterer Zeit während der Reconvalescenz dazu¬
getreten.
Auch die Ausbreitung der llachenaffection bei der Scharlach¬
diphtherie auf Kehlkopf und Trachea war damals bei unseren
Fälleu keineswegs sehr selten; postdiphtheritisohe Lähmung war
einmal beobachtet worden; sogenannte septische Formen fanden
sich wesentlich häufiger bei Scharlacbdiphtherie als bei der primären
Diphtherie.
Die bacteriologische Seite der Frage hatte mein damaliger
erster Assistent, Herr College Escherich, bearbeitet und bei
einer kleinen Anzahl von Scharlachdiphtherien unzweifelhaft Löffler-
bacillen nachgewiesen, deren Virulenz in einigen Fällen auch durch
den Thierversuch eonstatirt wurde.
Holzinger kam auf Grund seiner Untersuchungen zu dem
Schluss, «dass die Seharlaehdiphtherie wohl in allen Fällen als
eine Complication des Scharlachs mit primärer Diphtherie zu
betrachten sei, wozu die gesetzmässige (Scharlach-) Angina prä-
disponirt. »
Diese Arbeit fand sofort eine Erwiderung Heubncr’s im
Jahrbuch für Kinderheilkunde; 1890. S. 56 u. ff.
Heubner begann damit, dass er ausführte, man brauche
sich in Hinblick auf anderweitige Erfahrungen in der Pathologie
nicht darüber zu wundern, dass die Trennung der Scharlach-
diphtheritis von der primären Diphtherie nur langsam Eingang in
die ärztlichen Vorstellungen findet.
Die H o 1 z i n ger ’ sehe Arbeit wolle einen neuen Gesichts¬
punkt, den bacteriologi8chen, zu Gunsten der gegnerischen An¬
schauung in die Wagschale werfen.
Das Auftreten von Belägen auf der Schleimhautoberfläche
an sich beweise aber gar nichts für den Eintritt der echten
Scharlachdiphtherie, d. i. der Gewebsgerinnung. Aus der Hol¬
zin ger'sehen Statistik gehe nur hervor, dass das Material eines
Krankenhauses, besonders wenn die Isoiirung der infectiösen
Kranken erschwert sei, zur Entscheidung einer Frage, wie der
vorliegenden, nicht, oder nur mit äusserster Vorsicht verwerth-
bar sei.
Dem Satze, dass wenn einmal für beide Affectionen der gleiche
charakteristische Mikroorganismus nachgewiesen sei, damit auch
der Beweis geliefert wäre, dass wir es mit den gleichen Krank-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
heitsprocessen zu thun haben, könne er nicht ohne Weiteres zu¬
stimmen.
Es gebe spezifische und nicht spezifische Bacterien; der
Tuberkelbacillus gehöre jedenfalls zu den spezifischen, ob aber
der Löffler’ sehe Diphtheriebacillus zu den spezifischen zu
rechnen sei, darüber lasse sich noch gar nichts äussern ; auch sei
die Annahme, dass dieser Bacillus als aetiologisches Moment der
ächten Diphtherie allgemein anerkannt sei, zur Zeit noch nicht
begründet. H e u b n e r wendet sich dann gegen das thatsüchliche
Material Holzinger’s. Von dessen 7 bacteriologisch untersuchten
Scharlachdiphterien scheine eigentlich nur e i n Fall beweiskräftig.
Diesem einen Falle stehe aber die Erfahrung von Kolisko
und P a 11 a u f gegenüber, welche den Löfflerbacillus bei der
gewöhnlichen diphteritischen Scharlachangina constant vermissten ;
auch habe er (H e u b n e r) selbst bisher bei 5 Fällen von Scharlach¬
diphtherie den Löfflerbacillus in keinem einzigen gefunden.
Es könne daher der bacteriologische Beweis für die Identität
der Scharlachdiphtherie und der primären Diphtherie nicht als
erbracht angesehen werden, so dass einstweilen die «llenocli-
Heubncr’sche» Auffassung der Scharlachdiphtherie, wie
Holzinger sie nenne, noch keine Veranlassung habe, das Feld
zu räumen.
Ein Theil dieser Einwürfe Heubner's ist durch die fort¬
schreitende Entwicklung unserer Kenntnisse überholt worden.
Wenn im Jahre 1890 B au m garten 1 ), auf welchen sich
II e u b n e r bezieht, noch über die specifisehe Natur des Löffler¬
bacillus Zweifel hegen konnte, so wird jetzt dieser Standpunkt
wohl kaum noch von Jemandem eingenommen und die pathogene
Natur des Löfflerbacillus erscheint ebenso bewiesen, wie die des
Tuberkelbacillus. Heubner selbst hat zur Sicherung dieser Er¬
kenntnis tüchtig mitgeholfen.
Der Heubner’ sehe Kinwurf gegen die Holzinger’ sehe
Arbeit, welcher m i r am meisten imponirte, war der, dass möglicher
Weise das Material eines Krankenhauses nicht recht verwerthbare
Resultate liefern könne.
Es war denkbar, dass in einem Krankenhause die Complication
des Scharlachs mit ächter, durch den Löfflerbacillus verursachter
Diphtherie wesentlich häufiger sieh ereigne, als in der Privatpraxis
oder in einer Distriktspoliklinik, wenn eine Anhäufung von Kranken
nicht statt hat.
Wir haben nun seit Einführung der Behandlung unserer
primären Diphtheriefälle mit Behringserum, welche zeitlich zu-
sammcnfällt mit einer systematischen bacteriologischeu Untersuchung
aller in der Klinik beobachteten Diphtheriefälle, auch alle Fälle
von Diphtherie, welche sich auf der Scharlachabtheilung ereigneten,
bacteriologisch untersucht und das Resultat dieser Untersuchungen
wünsche ich Ihnen vorzulegen.
Unsere systematischen bacteriologischen Untersuchungen bei
Diphtherie begannen am 24. September 1894. Vom 24. September
1894 bis zum 31. August 1896 gelangten im Ganzen 142 Scbarlach-
fällc zur Aufnahme in die Scharlachbaracke, von welchen 92—6 1,7
Proc. Rachenbelag zeigten. Dieser Procentsatz ist etwas kleiner
als der, welchen Dr. Holzinger bei den von Januar 18ö7 bis
Juni 1889 auf genommenen Scharlachfällen gefunden hatte.
Damals hatten 78 Proc. aller Scharlachfälle Rachenbeläge,
jetzt nur 64,7 Proc. Der Unterschied ist nicht sehr wesentlich
und dürfte vielleicht aus dem Charakter der Epidemien zu erklären
sein. Erwähnt muss aber werden, dass in der von Holzinger
bearbeiteten Periode die Scharlachfälle in einem Eckpavillon des
oberen Stockwerkes des Hospitalgebäudes sich befanden, während
dieselben seit Herbst 1891 in einer vom Hauptgebäude entfernten
und völlig isolirten Baracke im Garten untergebracht sind. Es
wäre daher möglich, dass der Unterschied auch auf die verminderte
Gelegenheit zu Hausinfectionen zurückzuführen ist.
' Von den 92 Scharlachfällen, welche Rachenbeläge zeigten,
wurden 3 nicht untersucht, dagegen fand eine bacteriologische
Untersuchung bei 5 in der Stadt poliklinisch behandelten Scharlach¬
diphtherien statt, so dass die Zahl unserer bacteriologisch unter¬
suchten Scharlachdiphtherien 94 beträgt.
>) 4. Jahresbericht Über die pathogenen Mikroorganismen pag. 234
und 236.
Die Abimpfung geschah in der gewöhnlichen Weise von den
Fauces, mittels ausgeglühter Platinöse, auf Blutserum und wurde
möglichst unmittelbar nach der Aufnahme des Patienten ansgeführt.
Um jedo Einwirkung der Luft der Scharlachbaracke auszuscblieseen,
wurden die letzten 20 Fälle schon poliklinisch abgeimpft, ehe sie
auf die Scharlachabtheilung gebracht wurden.
Die bacteriologische Untersuchung der Culturen erfolgte dann
im hiesigen hygienischen Institute und hatte der Vorstand des¬
selben, Herr Prof. Dr. Hans Büchner, von Ende September
1894 bis April I89f> die Güte, jeden einzelnen Fall auf sein
Ergebniss jiersönlich zu controliren. Seit April 1896 werden die
bacteriologischen Untersuchungen von meinen beiden Assistenten,
den Herren Dr. Rein ach und Dr. Spicgelberg in unserem
eigenen Laboratorium durchgeführt; von Ersterem werden alle
Scharlachdiphtherien, von Letzterem alle primären Diphtherien
untersucht.
In der nachfolgenden Zusammenstellung wird stets nur das
Vorkommen von Diphtheriebacillen und das von Streptococcen
erwähnt. Hie und da wurden auch Staphylococcen und andere
Coccenarten, besonders häufig aber Sarcine gefunden. Der Ver¬
einfachung wegen geschieht von dem Vorkommen der letzteren
keine Erwähnung.
Ich habe nun sämmtlicbe bei unseren Scharlach fällen be
obachteten Diphtherien in 4 Gruppen eingetheilt.
Die I. Gruppe enthält die Fälle, welche mit Scharlach and
Diphtherie direct aus der Stadt aufgenommen und sofort bacteriologisch
untersucht wurden.
Die II. Gruppe jene Fälle, welche mit Scharlach ohne Rachen¬
belag zur Aufnahme gelangten, bei welchen sich dann im Verlaafc
der Krankheit Diphtherie entwickelte.
In die III. Gruppe sind die Fälle untergebracht, welche unter
dem Bilde der primären Diphtherie in die Diphtherieabtbeilung
aufgenommen wurden, bei welchen sich später Scharlach entwickelte.
Die IV. Gruppe endlich umfasst die unzweifelhaften Fälle
von Hausinfection mit Scharlach und Diphtherie, welche sich bei
Patienten der internen und der chirurgischen Abtheilung ereigneten.
I. Gruppe. Fälle, welche mit Scharlach und Diph¬
therie direct aus der Stadt aufgenommen und so¬
fort bacteriologisch untersucht wurden.
In diese Gruppe fallen 65 klinische Fälle mit 6 Todesfällen.
Davon wurden 62 bacteriologisch untersucht, 3, welche sännntlich
genasen, nicht untersucht.
Dazu kommen 5 bacteriologisch untersuchte poliklinische
Fälle, welche sämmtlich genasen.
Die Gesammtsumme unserer bacteriologisch untersuchten Fälle
der I. Gruppe, einschliesslich der 5 poliklinischen Fälle, beträgt
demnach 67.
Dieselben ergaben folgenden bacteriologischen Befund:
Zahl der unter-
Bacteriologischer Befund
suchten Fälle
Nur Str j
D u Str.
Nur D.
Weder D. noch Str.
Klinische . . 62
23
30
4
4
Poliklinische 5
3
2
—
—
67
26
32
4
4
Procentisch ausgedrückt wurden also gefunden:
38,8 Proc.
47.7
5,9
53.7
Nur Streptococcen in.•
Mischinfection von Diphtheriebacillen und Strepto¬
coccen in. .
Diphtheriebacillen nahezu in Reincultur . . • •
Demnach Diphtheriebacillen überhaupt in . . •
Einen negativen Befund ergaben 5,9 Proc. . ,
Um einen näheren Einblick in das Wesen der an
patienten beobachteten Diphtherien zu gewinnen, ist offen f 1
I. Gruppe, bei welcher der Einfluss des Hospitalaufent a
den klinischen Fällen so gut wie ausgeschlossen erscheint, wä r
derselbe bei den poliklinischen ganz wegfällt, die wichtigste
Zunächst ist das Ergebniss der bacteriologischen UuU ^ n(je]1
bei diesen Scharlachdiphtberien zu vergleichen mit unseren e u
bei primärer Diphtherie.
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20. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1007
Vom 24. Sept. 1894 bis 1. Sept. 1896 wurden 409 Fälle
vou primärer Diphtherie bacteriologisch untersucht.
Von diesen hatten genau 300 = 73,3 Proc. Mischinfection
von Diphtheriebacillen mit Streptococcen ;
bei 7ö Fällen = 18,3 Proc. fanden sich Diphtheriebacillcn
nahezu in Reincultur.
Im Ganzen wurden also Diphtheriebacillen nachgewiesen bei
91,6 Proc. aller Fälle.
Nur Streptococcen wurden gefunden bei 24 Fällen = 5,8 Proc*
Der kleine übrigbleibende Rest fällt auf Fälle mit negativem
Befund, in denen weder Diphthcriebacillen, noch Streptococcen
gewachsen waren.
Wir bekommen also folgendes Verhältniss:
Di phtheriebacillen
wurden gefunden : bei primärer Diphtherie in 91,6 Proc.
bei Scharlachdiphtherie in 53,7 „
Nur Streptococcen: bei primärer Diphtherie in 5,9 ,,
bei Scharlachdiphtherie in 38,8 ,,
Diese Gegenüberstellung zeigt, dass die Scharlachdiphtherie be¬
züglich ihres bacteriologischen Befundes von der primären Diphtherie
wesentlich abweicht.
Auffallend bleibt aber immerhin, dass wir bei mehr als der
Hälfte unserer Scharlachdipbtherien in München den Löfflerbacillus
finden. Ich sage, in München, denn ich halte es für sehr wohl
möglich, dass das Verhältniss an anderen Orten sich etwas anders
gestalten wird.
Die reine Streptococcendiphtherie fand sich bei Scharlach in
38,8 Proc., bei primärer Diphtherie in 5,9 Proc., bei Scharlach
also mehr als 6 mal so häufig.
Diese Verschiedenheit des bacteriologischen Befundes lässt
sich wohl am einfachsten durch die Annahme erklären , dass die
ursprünglich nur durch das Scharlachgift erzeugte Scharlachangina
eine ausserordentlich starke Disposition bedingt für die Complication
mit achter Diphtherie, mit andern Worten, dass die Scharlach¬
angina' gewisserm assen ein wohl vorbereitetes Feld darstellt für die
Einsaat und das Gedeihen des Diphthcriebacillus.
Kleinste, makroskopisch nicht erkennbare, durch Coagulations-
nekrose zu Stande gekommene Schleimhautdefecte mögen dabei
eine wichtige Rolle spielen.
Dasselbe Verhältniss gilt für die Streptococcen, welche be¬
kanntlich auch bei den meisten einfachen lacunärcn Anginen,
nicht diphtheritischer Natur, gefunden zu werden pflegen. Auch
sie finden bei der Scharlachangina die günstigsten Verhältnisse zu
ihrer Ansiedelung, besitzen aber offenbar bei der Scharlachangina
eine grössere Fähigkeit, diphtheritische Auflagerungen zu veran¬
lassen, als auf einer normalen Schleimhaut.
Anfangs hielt ich es für möglich, dass das häufigere Vor¬
kommen der reinen Streptoeoccendiphtherie bei Scharlach darauf
zurückzuführen sein könne, dass wir bei unseren Scharlachfällen
verhältnissmässig häufig bloss lacunäre Beläge fanden, die sich im
Verlaufe der Krankheit nicht zu Flächenbelägen vergrösserten,
sondern in wenigen Tagen wieder verschwanden. Fälle von so
geringfügiger Diphtherie nehmen wir auf die Abtheilung für primäre
Diphtherie kaum jemals auf. Es war daher denkbar, dass der
Unterschied hierin zu suchen sei.
Allein eine nähere Durchsicht der Fälle Hess erkennen, dass
diese Erklärung nicht Stich hält; denn bei 22 nur lacunären
Formen von Scharlachdiphtherie wurden 10 mal D. und Str., 2 mal
D. fast in Reincultur, 8 mal nur Str. gefunden, und in 2 Fällen
ergab die Untersuchung ein negatives Resultat. Auf der andern
Seite wurden bei 29 Fällen mit ausgesprochenen Flächenbelägen
11 mal nur Str. gefunden. 4 Fälle von gangraenöscr Diphtherie
ergaben 2 mal Mischinfection von D. und Str., 1 mal nur Str.,
1 mal war der Befund negativ.
In 9 Fällen, in welchen die vorhandenen Flächenbeläge als
"• schmierig » notirt sind, ergab die Untersuchung 4 mal D. und
Str., 1 mal I). fast in Reincultur, 3 mal nur Str., 1 mal war das
Resultat negativ.
Wir sehen also, dass das häufigere Vorkommen von reiner
Streptoeoccendiphtherie beim Scharlach keineswegs auf das häufigere
Vorkommen der lacunären Form der Diphtherie zurückzuführen ist,
sondern mit der Disposition durch den Scharlachprocess Zusammen¬
hängen muss, denn die verhältnissmässig grössere Häufigkeit der
Streptoeoccendiphtherie findet sich bei allen Formen, welche die
Diphtherie annehmen kann, wieder.
Bemerkenswerth ist das Verhältniss bei den 6 Fällen, welche
letal endeten. Von diesen hatten 3 nur Streptococcen, 2 D. und
Str., bei 1 war der bacteriologische Befund negativ, indem
weder D., noch Str. nachgewiesen werden konnten.
Von diesen 6 gestorbenen Kindern konnten 5 obducirt werden.
Bei 3 von diesen wurde Diphtherie des Pharynx und Larynx
gefunden; bei dem 4. heisst es im Obductionsprotokolle des k.
pathologischen Institutes «Abgelaufene Diphtherie des Rachens
und Kehlkopfs ».
Von diesen 4 Fällen hatten 2 nur Str., 1 D. und Str.; bei
dem mit «abgelaufener Diphtherie des Rachens und Kehlkopfs »
hatte die bacteriologische Untersuchung ein negatives Resultat er¬
geben. Absteigender Croup fand sich bei diesen Fällen 2 mal,
1 mal mit D. und Str., Imal nur mit Str.
Ich wende mich nun zu der
II. Gruppe. Fälle, welche mit Scharlach ohne Diph¬
therie zur Aufnahme gelangten, bei welchen sich
dann imVerlaufe der Krankheit Diphtherie entwickelte.
Diese Gruppe umfasst 10 Fälle, welche sämmtlich genasen.
Davon hatte 1 Diphtheriebacillen fast in Reincultur. 7 Fälle
Mischinfection von D. u. Str., 2 Fälle nur Streptococcen.
Bei den zwei Fällen, bei welchen nur Streptococcen gefunden
wurden, hatte sich die Diphtherie bei 1 am 1., bei dem anderen
am 6. Tage nach Aufnahme in die Klinik entwickelt.
Unter den 8 Fällen, bei welchen Diphtheriebacillen gefunden
wurden, zeigte sich die Diphtherie bei einem am 5-, bei einem
anderen am 6. Tage nach der Aufnahme, bei allen übrigen
später, vom 16. bis zum 27. Tage nach der Aufnahme.
Hier scheint schon bezüglich der Häufigkeit des Diphtherie¬
bacillus ein anderes Verhältniss vorzuliegen als bei der I. Gruppe.
Die Zahlen sind zu klein, um sie procentisch verwerthen zu
können, aber man bekommt den Eindruck, dass hier der Befund
sieh schon dem bei primärer Diphtherie nähert und dass wohl
das Auftreten der Diphtherie im späteren Verlaufe des Scharlachs
wesentlich dem Einfluss von anderen im Saale vorhandenen Diph¬
theriefällen zuzuschreiben sein dürfte.
III. Gruppe. Fälle, welche unter dem Bilde der
primären Diphtherie in die Diphtherieabtheilung
aufgenommen wurden, bei welchen sich später Schar¬
lach entwickelte.
Solche Fälle hatten wir 12, darunter 2 Todesfälle an Pneu¬
monie und Nephritis. Die bacteriologische Untersuchung ergab
bei 3 nur D., bei 8 D. u. Str., bei 1 nur Str.
Diese Gruppe verhält sich demnach bacteriologisch etwa
wie primäre Diphtherie, und die Annahme, dass der Scharlach erst
später zur Diphtherio hinzutrat, scheint am nächsten zu liegen.
Einige dieser Fälle lassen sich übrigens auch so auffassen,
dass das Primäre die Scharlachinfection war und dass sich die Diph¬
therie während des Incubationsstadiums des Scharlachs hinzu gesellte.
Insbesondere lag diese Annahme betreffs zweier Brüder, Namens
Lechl, nahe. Beide Kinder wurden am 12. November 1894 mit
schwerer Rachendiphtherie aufgenommen und in zwei verschiedenen
Sälen untergebracht. Bei beiden ergab die bacteriologische Unter¬
suchung D. fast in Reincultur. Am 15. November brach bei
dem Aelteren unter heftigem Fieber Scharlach aus; bei dem
Jüngeren stieg am 14. November Abends die Temperatur von
37,9 auf 40,6 und 41,1, und am 15- November Früh trat der
Tod ein, ohne dass ein Exanthem sichtbar geworden war. Es
liegt hier doch wohl die Annahme am nächsten, dass auch bei
diesem zweiten Fall Scharlach vorlag.
Die nächstfolgenden Fälle waren offenbar auf diese beiden
ersten, also auf Hausinfection, zurückzuführen; übrigens ist das
kurze Incubationsstadium des Scharlachs bei fast sämmtlichen
dieser Fälle, 2—3 Tage, beachtenswerth. Ausserdem zeigen die¬
selben in prägnanter Weise, dass die Ansteckung durch einen
Scharlachkrankeu in frühester Zeit der Scharlacherkrankung, mög¬
licherweise schon im Incubationsstadium, erfolgen kann.
1 *
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1008
MmmmmKR MEDIOLMBCHE WOCHENSCHgtFT-
No. 42.
Wenn auf unserer Diphtherieabtheilung ein Scharlach aus
bricht, so wird das betreffende Kind sofort, zu jeder Stunde des
Tages oder der Nacht in die im Garten gelegene Scharlachbaracke
transferirt und Bettstelle und Bettzeug aus dem Saale entfern
um in dem grossen Dampfsterilisator dcsinficirt zu werden.
Wenn irgend möglich, lasse ich ausserdem den Saal, ir
welchem der Scharlachfall sich ereignete, auf einige Tage räumen,
Decke, Wände und Fussbodcn mit desinficirenden Lösungen waschen,
und Thören und Fenster einige Zeit Tag und Nacht offen halten.
Trotz aller dieser Maassnahmen erleben wir nach fast jedem
solchen Fall einige Hausinfectionen und, wie gesagt, meist schon
nach wenigen Tagen. Zwei Fälle, bei welchen das Scharlach¬
exanthem nur 21, beziehungsweise 24 Stunden, nach der Auf¬
nahme ausbrach, legen wieder die Venuutbung nahe, dass diese
Kinder bereits mit Scharlach inficirt waren als sie mit Diphtherie
zur Aufnahme gelangten.
Eine Seharlachincubation von nur 24 Stunden, oder sogar
etwas darunter, ist zwar, wie wir wissen, möglich, gehört aber
jedenfalls zu den Seltenheiten, so dass die Annahme, dass die
Diphtherie während des Incubationsstadiums des Scharlachs acqui-
rirt wurde, die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Es wäre von grösster Wichtigkeit, wenn man sich vor der
peinlichen Ueberraschung, dass sich bei einem diphtheriekranken
Kinde der Diphtherieabtheilung plötzlich Scharlach entwickelt,
wahren könnte. Das ist aber dosshalb kaum möglich, weil der
Scharlach fast immer plötzlich, ohne Vorboten, in Erscheinung
tritt, so dass bei der Aufnahme des betreffenden Kindes nicht
das geringste Symptom die kommende Gefahr ahnen lässt. Wir
fragen bei jeder Aufnahme eines diphtheriekranken Kindes sorg¬
fältig nach, ob etwa in der Familie oder bei den übrigen Haus¬
bewohnern ein Scharlachfall vorgekommen sei. Wenn das der
Fall war, so kommt das betreffende Kind niemals in die Diph-
therieabtheilung, sondern stets auf die Beobachtungsstation. Aber
trotz dieser Vorsicht ereignet sich doch immer wieder von Zeit zu
Zeit eine Scharlacherkrankung in den Diphtheriesälen.
In diese III. Gruppe fällt der einzige Fall von postdiphtheritiseher
Lähmung, den wir in dem Zeitraum, auf welchen sich diese Unter¬
suchung bezieht, auf unserer Scharlachabtheilung beobachteten.
Ein kleines Mädchen bekam 21 Stunden nach der Aufnahme
in die Diphtherioabtheilung Scharlach. Während des Scharlachs
verlief die Diphtherie sehr langsam und nahm bis zu ihrer voll¬
ständigen Heilung 17 Tage in Anspruch: 13 Tage nach der
Abheilung derselben entstand eine ziemlich lang andauernde Gaumen¬
segellähmung.
IV. Gruppe. Fälle von Hausiu fcction mit Scharlach
und Diphtherie, welche sich an Patienten der in¬
ternen und chirurgischen Abtheilung ereigneten.
Von solchen Fällen hatten wir in dem unserer Untersuchung
zu Grunde liegenden Zeitraum nur 2 Repräsentanten mit einem
Todesfall.
Ein neunjähriges Mädchen, das wegen Compressionsmyelitis,
in Folge von Spondylitis, bereits 8 ’/2 Monate in der internen Ab¬
theilung sich befand, erkrankte plötzlich an Scharlach und Diph¬
therie. Die bacteriologische Untersuchung ergab nur Streptococcen.
Genesen.
Der andere Fall betraf ein Monate altes Kind, das
wegen Gastroenteritis auf die Säuglingsabtheilung aufgenommen
war. 2 Tage nachher brach Scharlach aus; die Fauces waren
stark geröthet, ohne Belag; die bacteriologische Untersuchung er¬
gab nur Streptococcen. 6 Tage später stellte sieh Crouphusten
ein, mit Heiserkeit und Stenosenerseheinungen. Das Kind musste
intubirt werden und erlag 3 Tage später. Bei der Obduction
wurde confluirende Pneumonie und Croup des Kehlkopfs gefunden.
Dies ist in unserer Gesammtreihe der 3. Fall, in welchem
bei der Section Croup des Larynx gefunden wurde, während die
bacteriologische Untersuchung nur Streptococcen nachgewiesen hatte.
Das Resultat dieser Untersuchung fasse ich kurz in folgende
Sätze zusammen :
j Wir finden in München bei circa 65 I roc. aller aus der
Stadt aufgenommenen frischen Scharlachfälle diphtherische
Auflagerungen im Rachen.
2 .
3.
7.
Bei mehr als der Hälfte dieser Fälle (bei 53,7 Pro.;,
ton« der Diphtheriebaeiilua nachgewtesea »erden.
r!? O« s Proc wurden mir Streptococcen gefunden.
4 Die grössere Häufigkeit der Strcptococecndiphfcrie ta
Scharlach, im Vergleich nur pnmären D.phthene «
charakteristisch und beschränkt sich.keineswegs «f <h
lacunären Formen, sondern kehrt he. allen, auch fa
schwersten Formen der Scharlachd.phthene wieder.
5 Auch bei reiner Streptococcendiphthene kann beim Schar-
laeb zuweilen ein Absteigen des diphtherischen Pia«
auf den Kehlkopf und weiter abwärts erfolgen.
Wenn nach längerem Bestehen von Scharlach naebträg
lieh noch Diphtherie sich entwickelt, so nähert sich der
bacteriologische Befund in solchen Fällen mehr dem bei
primärer Diphtherie, d. h. die Streptococcendiphthene
tritt mehr zurück und der Diphtheriebacillus wird in
sehr überwiegender Häufigkeit gefunden.
Wegen der verhältnissmässigen Häufigkeit des Diphtherie-
bacillus bei der Scharlachdiphtherie empfiehlt es sich,
das Diphtherie-Heilserum auch bei Scharlachdiphtherie in
Anwendung zu bringen.
6 .
Aus der k. k. Universitäts-Kinderklinik iu Graz.
Ueber Colicystitis im Kindesalter.*)
Von Dr. J. Trum pp.
M. H.! Die Cystitis gilt als eine seltene Erkrankung im
Kindesalter. Während ihr in Gerhardts Handbuch der Kinder¬
krankheiten von B ö k a i eine ziemlich ausführliche Besprechung
zu Theil wird, findet sie sich iu den übrigen bekannten Lehr¬
büchern von Henoch, Baginsky, Biedert, Unger und
Seitz nur kurz erwähnt.
Es ist dies begreiflich, wenn man bedenkt, dass diejenigen
Ursachen, die man bis vor Kurzem als die wichtigsten für die
Entstehung einer Blasenentzündung betrachtete, nämlich Katheteris¬
mus und Steinbildung im Kindesalter nur äusserst selten in Wirk
sauikeit treten. In der That ist auch die früher ausschliesslich
gekannte Form der Cystitis mit alkalischer Reaction des Harne.'
und arnnioniakalisolier Harngährung, wie sic zuletzt noch von
Rovsing geschildert wurde, bei Kindern ein ungemein seltenes
Vorkoimnniss. Im Gegensatz zu dieser sollte nur die tuberculöse
Form der Cystitis mit saurer Reaction des Harnes einhergehen.
Dagegen hat man zuerst durch Arbeiten der Franzosen eine
Form der Blasenentzündung kennen gelernt, welche die Reaction
des Harnes nicht verändert, und bei welcher neben den Liter-
zellen zahlreiche Kurzstäbeben gefunden werden. Diese Fora
wurde zuerst von Clado, sodann von Al bar ran und Hallo
beschrieben. Clado’s «Bactdrie septique de la vessie» und AI-
.arran's «Bacterie pyogönc» wurden später von Gurzon und
Krogius mit dem Bacterium coli com. Escherich identificirt.
Durch Barlow, Schmidt und Aschoff und Andere wurde
dann der Beweis erbracht, dass in der That die Invasion des
Bacterium coli in die Blase unter gewissen Umständen eine Cystitu
hervorrufen kann, lieber diese Form der Cystitis liegt bereits
eine grosse Literatur vor.
Auf das Vorkommen derselben im Kindesalter hat zuerst
Escherich im Februar 1894 in seinem Vortrag «Ueber Cystius
bei Kindern, horvorgeiufen durch das Bacterium coli commune»
aufmerksam gemacht. Escherich verfügte damals über cm
Material von 7 Fällen, unter denen sich 5 Kinder im Alter von
7—9 Jahren, 1 Kind von 13 Monaten und ein 6monatlicher
Säugling befanden. Symptome und Verlauf der Krankheit stimmten
in allen Fällen gut überein. Das Allgemeinbefinden war nur w
„ Fällen, vor Allem bei dem Säugling, wesentlich gestört. ”•
localen Erscheinungen bestanden in Harndrang und leichtem ^ Dn
beim Uriniren. Im Harn fanden sich zahlreiche Kurzstä ^
die sich bei der bacteriologischen Untersuchung als zur ,r °P
der Colibacillen gehörig erwiesen. Unter der eingeleiteten ^
handlung, Blasenspülungen mit schwacher Creolinlösung un mn
*) Vortrag, gehalten am 22. September 1896 auf der^
Sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Iran
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20- October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
1000
licher Darreichung von Salol, gingen sämmtliche Fälle in Heilung
über. Der Umstand, dass es sich in allen Fällen um Mädchen
handelte, legte die Vermuthung nahe, dass hier die Invasion der
Bacillen auf dem Wege der kurzen weiblichen Urethra erfolgt sei.
Seit dieser ersten kurzen Mittheilung sind nur vereinzelte
easuistische Beiträge, jedoch keine umfassendere Bearbeitung dieses
Themas in der paediatrischeu Literatur erschienen, und doch hat
die weitere Verfolgung dieser Befunde gezeigt, dass es sich hier
um eine überraschend häufige, unter Umständen auch schwere, ja
selbst tödtliche Erkrankung handeln kann.
Im Aufträge meines ehemaligen Chefs, Professor Es eher ich,
berichte ich über die seit jener Mittheilung an der Grazer Kinder¬
klinik weiter beobachteten Fälle.
Es wurden im Ganzen, mit Inbegriff der Escherich'sehen,
29 Fälle beobachtet, wobei jedoch zu erwähnen ist, dass bei
genauerer Untersuchung des zur Verfügung stehenden Kranken¬
materials die Zahl dev Fälle wohl eine noch grössere hätte sein
können. Unter diesen 29 Fällen waren 8 Knaben, 21 Mädchen.
Dem Alter nach vertheilten sie sich so, dass auf das erste Lebens¬
jahr 12, auf «las zweite G, auf die folgenden Jahre je 1 oder
2 Fälle entfielen. Das jüngste Kind war 5 Wochen, das älteste
9 Jahre alt. Das zeitliche Vorkommen zeigte keine Abhängigkeit
von der Jahreszeit.
Dem klinischen Verlaufe nach Hessen sich die Fälle in leichte
und schwere Formen eintheilen.
Unter leichten Fällen sind jene verstanden, welche nur ört¬
liche Erscheinungen darbieten und bei sonst ungestörtem Allgemein¬
befinden einen raschen und günstigen Verlauf nehmen.
Bei den von uns beobachteten 6 Fällen dieser Art bestand
zumeist häufiger, oft lästiger Harndrang und Empfindlichkeit der
Blasengcgend. In drei Fällen klagten die Kinder in Folge der
gleichzeitig bestehenden Vulvo-vaginitis über Brennen in der Vulva
und fand sich die Schleimhaut daselbst gcröthet, geschwellt und
mit glasigem Schleim bedeckt.
Der Harn zeigt bald gleichmässig staubförmige, bald wolken¬
artige, oft eigentümlich durcheinander wogende, bald wieder fein¬
flockige Trübung, die auch bei längerem Stehen constant bleibt.
Nach einiger Zeit bildet sich meist ein weisser, wolkiger Nieder¬
schlag. In der Farbe weicht der Harn im Allgemeinen nicht von
der Norm ab, manchmal jedoch erscheint er fleischwasserfarben
oder auffallend opalisirend. Der Geruch ist fade oder schwach
foctid. Die Reaction stets sauer. Meist findet sich Eiweiss in
geringen Mengen, entsprechend dem Eitergehalt. Das mikro¬
skopische Präparat zeigt, abgesehen von den Sedimenten des sauren
Harnes, vereinzelte Blasenepithelien, mehr weniger zahlreiche, vor¬
wiegend polynueleäre Leukoeytcn und Kurzstäbchen, die vereinzelt
oder in kleinen Gruppen zumeist ausserhalb der zeitigen Elemente
gelagert erscheinen.
Dio Dauer der Krankheit beträgt im Durchschnitt 1 bis
2 Wochen.
Bei geeigneter Behandlung tritt schon nach kurzer Zeit
Besserung ein, die sich in der zunehmenden Klärung des Harnes
kund zu geben pflegt; an Stelle der ursprünglich mehr gleich-
mässigen Trübung treten Flocken im Harne anf, die allmählich
verschwinden. Spontanheilung ist nicht selten, sie wurde in
einigen Fällen experimenti causa abgewartet. Die Prognose ist
gut, jedoch besteht in jedem einzelnen Falle die Gefahr eines
Ueberganges aus der leichten in die schwere Form. Es wurde
uns dies recht cclatant durch einen Fall bewiesen, in welchem auf
die erste, leichte und spontan geheilte Erkrankung innerhalb eines
Jahres zwei schwere Recidiven folgten.
Die schwere Form der Cystitis, von der wir 9 Fälle be¬
obachteten, gibt sich vor Allem in einer mehr weniger erheblichen
Störung des Allgemeinbefindens zu erkennen. In vielen Fällen
besteht Fieber, welches einen eigenthümlich intermittirenden Cha¬
rakter mit tagelangen Apyrexien zeigt und bis zu 40° C. und
mehr betragen kann. Anorexie, vermehrtes Durstgefühl, häufiges
Erbrechen bilden die gewöhnlichen Begleiterscheinungen. Auf¬
fallend ist die fahle, blasse Gesichtsfarbe der Kinder und ihre
wechselnde Gemüthsstimmung. Bei längerem Bestehen der Krank¬
heit zeigt sich in der Regel starke Körpergewichtsabnahme. Zu¬
meist besteht Harndrang, der so lästig werden kann, dass der
No. 42.
Harn oft viertelstündlich unter Schmerzen in kleinen Mengen ent¬
leert wird. Dabei bestehen Druckempfindlichkeit und Sehmerzen
in der Blasengegend, manchmal auch in der Nierengegend. Die
Trübung des stark ciweisshaltigen Urins ist eine viel intensivere,
als bei der leichten Form. Der Geruch des Harns ist aus¬
gesprochen foetid. Der Gehalt an Leukocyten kann zumal bei
deu mit Nephritis complicirten Fällen so stark sein, dass sich
beim Stehen des Harns ein bis zu einem Drittel der ganzen
Harnsäule betragender weisser, flockiger Bodensatz davon bilden
kann. In solchen Fällen nimmt der Harn bei Zusatz von Natron¬
oder Kalilauge sirupöse Beschaffenheit an und zeigt hohen Pepton¬
gehalt. Unter dem Mikroskop ersoheint das ganze Gesichtsfeld
so von Eiterzellen besetzt, dass etwaige Epithelzellen oder Cylinder
nur schwer und undeutlich zu erkennen sind. Die Bacillen
finden sich häufig in grossen Zooglöen angeordnet.
Der Verlauf der Erkrankung ist meist ein überaus hart¬
näckiger und schleppender und kann viele Wochen, selbst Monate
betragen. In der Regel pflegen die Erscheinungen auch hier der
angewandten Therapie zu weichen, doch wird die Heilung durch
häufige Nachschübe oft verzögert. Die Prognose ist zweifelhaft,
da stets die Gefahr einer Complication mit Nierenerkrankung
besteht. Durch ein Weiterkriechen des Processes von der Blase
nach den Nieren zu kann es zu einer Ureteritis, Pyelitis und
Nephritis kommen. Zu den Symptomen der Cystitis gesellen sich
dann noch diejenigen einer uraemischen Intoxication: hochgradige
Apathie, die sich bis zur Somnolenz steigort, Reizerscheinuugen,
wie Nackenstarre uud Erbrechen, Collapserscheinungen; dabei
starke Körpergewichtsabnahme. Bei den beiden beobachteten Fällen
von asccndirender Nephritis fanden sich die Nieren vergrössert,
in einem Falle leicht palpabel, bis zur Crista oss. ilei herab¬
reichend, auf Druck schmerzhaft. Beide Fälle verliefen letal.
Bei der Scction fanden sich Rinde und Pyramiden von weissen,
streifenförmigen Herden durchsetzt, in dem schwereren Falle auch
an der Oberfläche kleinere und grössere Abscesse. Ist es einmal
zur Complication mit Nierenerkrankung gekommen , so ist natür¬
lich die in der Hauptsache locale Therapie machtlos und die
häufigen Recidiven einiger besonders hartnäckigen Fälle lassen sich
damit erklären, dass bereits die oberen Harnwege ergriffen waren.
Während in den bisher geschilderten Fällen die Colicystitis
als ein primäres oder jedenfalls selbständiges Leiden bestanden
hatte, findet man noch eine Gruppe von Fällen, in welchen die
Cystitis, oder wenigstens Colibacillen im Harne, secundär oder
richtiger symptomatisch im Lauf von anderweitigen Erkrankungen
aufgefunden werden, ohne dass irgend welche andere Anzeichen
einer Erkrankung der Harnwege vorhanden sind.
Theoretische Betrachtungen und frühere Beobachtungen hatten
uns dazu veranlasst, gelegentlich einer Hausepidemie mit Enteritis
follicularis im vergangenen Winter systematische Untersuchungen
über das Vorkommen der Darmbacterien im Harne darmkranker
Kinder anzustellen. Das überraschende Resultat war, dass sich
bei 17 untersuchten Fällen 14 mal Colibacillen im Harne fanden
und zwar [> mal bei Knaben, 9 mal bei Mädchen. Abgesehen von
der Beschaffenheit des Harnes, die man ja bei so kleinen Kindern
nur bei speciell darauf gerichteter Aufmerksamkeit zu sehen be¬
kommt, hatten keinerlei Symptome auf das Bestehen einer Cystitis
hingewiesen, so dass erst die Harnuntersuchung zur Entdeckung
derselben führte.
So ist es erklärlich, dass diese Complication der Darmkrank¬
heiten bisher nicht beobachtet wurde.
Fast ausnahmslos trat Spontanheilung ein.
Ueber die Art der Entstehung der Cystitis d. h. des Ein¬
dringens der Bacterien in die Blase liegen bisher nur Vermuthungen
vor. Die eine Möglichkeit, auf die schon Escherich nach¬
drücklich hingewiesen hat, und dio eine gewisse Bestätigung in
dem starken Ueber wiegen der weiblichen Fälle findet, ist die einer
directen Durchwanderung der kurzen und weiten weiblichen Urethra.
Die häufige Beschmutzung der Vulva bei Kindern, besonders boi
an Diarrhoe leidenden Kindern, mag dabei begünstigend wirken.
Diese Annahme reicht aber nicht für alle Fälle aus.
Bei der Cystitis der Knaben könnte man vielleicht an eine
directe Durchwanderung vom Mastdarm aus denken, ein Infections-
inodus, den Wreden durch seine gelungenen Experimente am
2
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1010
Münchener mbdi cinibc hk wochk nschrift.
No. 42
männlichen Kaninchen wahrscheinlich gemacht hat Kr war nämlich
im Stande, durch eine Laesion des Mastdarmepithels bei den Thieren
Cystitis zu erzeugen. Im Harn derselben fanden sich Ivaninchen-
därmbacterien oder Baeterienarten, die in das Rectum eingeführt
worden waren. Ebenso wiesen Verletzungen des Mastdarmepitheis
mit darauffolgender Einführung von Fettsubstanzen (\aselmc,
(Jcl u. s. w.) in das Rectum einen makroskopisch unbemerkbaren
llebergang derselben Substanzen in die Harnblase auf. Hie \ er¬
suche Wreden's bekräftigen auch wieder die Ansicht von Welch
Marfan et Nanu, Macaigne und Denys, welche auf <« rund
ihrer Leichenbefunde und Thier versuche behaupten, dass die Darin -
bacterien wohl das entzündlich veränderte und laedirto, nicht aber
das normale Darmepithel zu durchdringen vermöchten. Aus diesem
Grunde sind wir auch bei den im Gefolge von Darmerkrankungen,
specicll von Enteritis follicularis, auf tretenden (’ystitiden , bei
welchen meist eine erhebliche entzündliche Alteration der Darm¬
schleimhaut vorhanden zu sein pflegt, geneigt, an ein (vielleicht)
unmittelbares Eindringen der Bactcrien in die Blase vom verletzten
Darme aus zu glauben.
lieber eine Allgemeininfection des Körpers mit Bact. coli,
resp. über ein Eindringen desselben in die Blut- oder Lyuiphwege
und in die Organe mit nachfolgender Ausscheidung durch die
Nieren, liegen noch zu wenig sichere Anhaltspunkte vor. Czerny
und Moser, Es eher ich und ich fanden das Bact. coli in
einigen wenigen Fällen im Blute darmkranker Kinder in vivo.
Welch, Marfan et Nanu und Macaignc züchteten das
Bacterium aus den Organen von an Darmkrankheiten Gestorbenen,
während sie es in anderen Leichen bei intactem Darmepithel ver¬
missten.
Mit Ausnahme eines Falles, in welchem das Bacterium lactis
aerogenes Escherich gefunden wurde, gehörten säunntliche von
uns aus Oystitishari) gezüchteten Bactcrien zu der typischen
Form des von Escherich beschriebenen Bact. coli mit dem
bekannten erbsengelben Wachsthum auf Kartoffel. 2 Fälle zeigten
insofern ein von der Norm abweichendes Verhalten, als ihre Bactcrien
in der Mileh im Gährkolben nach 24 Stunden Gasentwicklung
hervorriefen; ein Verhalten, wie wir es — allerdings in viel er-
liöhterem Maasse — nur bei dem Bact. lactis aerogenes zu be¬
obachten gewohnt sind.
Bezüglich der Virulenz der gefundenen Bacillen können wir
nicht mit Macaignc übereinstimmen, welcher eine ganz ent¬
schiedene Virulenzsteigerung der aus Cystitisharn gezüchteten Coli-
bacillen gegenüber den aus normalem Stuhl stammenden aiiniinuit.
Aus unseren, allerdings spärlichen, Thierversueliern vermochten
wir eine derartige Viralenzsteigerung nicht zu erkennen.
Die von uns eingeschlagenc Therapie, die sich fast in allen
Fällen bewährte, bestand in der Hauptsache in Blasenspülungen
mit lauwarmer l /\ Proc. Lysollösung. Vor der allgemeinen Ein¬
führung des Lysols kam (Toolin zur Verwendung, das tropfen¬
weise bis zur milchigen Trübung zugesetzt wurde. Wenn nütliig
wird die Blase vor der Spülung entleert und daun der Katheder
gleich als Ansatzrohr benützt. Die Menge der eingeführten Lösung
richtet sieh approximativ nach der Grösse und Fassungskraft der
Blase und schwankt durchschnittlich zwischen 50 und 150 g
Man thut gut daran, durch Verschluss des Katheters die Flüssig¬
keit einige Minuten in der Blase zurückzuhalten und nach ihrer
Entleerung die ganze Proccdur ein oder zwei Mal zu wiederholen.
Von der inneren Darreichung von Salol, nach dem Vor¬
schläge von Dcnys, die zweckmässig mit der Blasenspülung ver¬
bunden wird, sahen wir gleichfalls gute Erfolge.
Wir geben das Mittel in einer Dosis von 0,25—0,5 g
3 mal täglich. Ueble Nachwirkungen des Mittels sahen wir nur
bei einem 6 Monate alten Säugling, bei welchem nach kleinen
Dosen vorübergehende leichte Hacmaturie auftrat.
Bei besonders hartnäckigen Fällen machten wir auch mit
Naphthalin 0,26—1,0 g 2—6 mal täglich und Benzonaphtel 0,5 g
4—0 mal täglich Versuche, sahen aber nur zwei Mal von Naph¬
thalin wirklichen Erfolg. Im Allgemeinen geben wir dem Salol
den Vorzug.
Die Resultate unserer Untersuchungen möchte ich in fol¬
genden Thesen zusammenfassen:
, pie CoIicy»titi»> Kiodosalter ist Un, n
seltene Erkrankung, wie b.ahar fast all-
.remein angenommen wurde.
Pie weitaus grössere Häufigkeit derselbta
- bei Mädchen spricht dafür dass ein TM
derselben der direeten Purchwander.ngder
Urethra seine Entstehung verdankt. Das Ur
kommen der Krankheit bei Knaben und ihre
Häufigkeit bei Darmcrkrankungen. speciell bei
Enteritis follicularis, scheint jedoch darauf
hinzuweisen, dass die Bactericn auch vom
Darme aus in die Harnwege eindringen können.
3. Die Colieystiti« kann unter Umständen in
schweren A 11 g ein ei n c r sch ei n u n gen unddurch
Fortsehreiten nach den Nieren zu einer tödt-
liehcn Nepthritis V c ran lass u ng geben.
Aus der medieinisdion Klinik des Herrn Geheimrath Professor
Riege! in Giessen.
Ammoniak im Mageninhalt und im Speichel.
Dr. Gconj Sticker, Privatdoeent und Assistent der Poli¬
klinik in Giessen.
I. Ammoniak im Mageninhalt.
Ammoniak ist als Bestandteil des .Speisebreies iin Magen
sieherg.stellt. Rosen heim 1 ) hat am filtrirten und von Kiwriss
körpern befreiten Mageninhalt durch das Verfahren vou Schlösing
gefunden, dass in den Magensäften Gesunder in allen Phasen
der Verdauung und nach Einnahme der verschiedensten Nahrung?-
gemisehe gewisse Quantitäten Ammoniak, meist 0,1—0,15 l>ni
millc, vorhanden waren.»
S trau.ss hat Rosenheim’s Untersuchungen 10mal wieder
holt und S mal bestätigt*). Leo’s 3 ) und besonders Liittkcs 4
widersprechende Meinungen sind gewichtlos. Nichts Ist leichter als
die Nachwei.-ung von Ammoniak in jedem Mageninhalt. Pas W
Von
gehen Schl ö s i n g’s
ft ), welches bekanntlich darauf beruht, das
Ammoniak aus seinen Salzen durch Kalkmilch unter einer (das
glocke zu entbinden, das entweichende Gas von titrirter Schwefel
säurelösung absorbiren zu lassen, den Rest der ungesättigten Schwefel
säure mittels Titration durch Natronlauge zu bestimmen und aus
dem AeiditätsVerlust das Ammoniak zu berechnen, ist, wie ich
mich überzeugt habe, in seiner gewöhnlichen Ausführung dazu ge¬
eignet. Einfacher aber, für die qualitative Nachweisuug des
Ammoniaks im Mageninhalt, ist ein Verfahren, welches ich der
mikrochemischen Methode naehgcbildet habe, die der Mineraloge
Streng zur Entdeckung kleiner Mengen vou Ammoniak an
gegeben hat ,: ).
«Auf einen Objectträger bringt man einen Tropfen Platin
chlorid, daneben einen Tropfen der ein Amuioniksalz enthaltenden
Lösung. Zu dieser fügt man einen Tropfen Aetzkali oder Act*-
natron und bedeckt sofort beide Tropfen, das Platinchlorid und
die zu prüfende Lösung, mit einem kleinen Ubrgläschcn, welches
über die Ränder des Objcctträgcrs nicht hinausragt, und lässt
sie einige Minuten ruhig stehen. Dabei wird Ammoniak frei,
welches unter dem Uhrgläsehen diffundirt und vom Platincblori
aufgenoininen wird, wobei sich die Octaeder des Ammonium
Platin eh lorids bilden».
Herrn Professor Brauns, dahier, verdanke ich die •
theilung dieser feinen und bequemen Reaction bei Gelegenheit seiner
diesjährigen geologischen Exeursion in die Eifel, deren Theilnehmer
ich sein durfte. _ ..
Brauns mahnt, vor der Anwendung einer Platinchlon
lösung zur Streu g’sehen Probe, die Lösung auf einen zuf £ eD
D Centralblatt f. klin. Medicin 1802, No. 39.
2 ) Berliner klin. Wochenschr. 1893, No. 17.
3 ) Deutsche med. Wochenschr. 1891, Nr. 41. u „hen.
*) Martius und Lüttke: Die Magensäure des
Stuttgart 1892. S. 101 und 172. . « pft).
b ) Neubauer und Vogel: Analyse des Harns. A
6 ) Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontolog
Ed. I. 1893.
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20- October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
JOM
Gehalt an Kalium zu prüfen 7 ). Bei Anwesenheit von Kalium in
der Flüssigkeit bilden sich nämlich beim Verdunsten die regulären
gelben Octaeder des Kaliumplatinchlorids, welche mit denen des
Ammoniumsalzes in Form und Farbe üboreinstimmen.
Eine kleine Aenderung an der mikrochemischen Probe von
Streng erschien mir bei ihrer Verwendung für die Nachweisung
von Ammoniak in den Flüssigkeiten des thierischen Organismus
nöthig, mit Rücksicht auf die Angabe von Munk 8 ), dass Natron¬
lauge und Kalilauge ausser den Ammonsalzen auch aus anderen
stickstoffhaltigen Körpern Ammoniak entbinden. Da ich Munks
Angaben bestätigen konnte, wendete ich statt der Laugen die von
Neubauer verordnet^ Kalkmilch oder die von Munk empfohlene
Sodalösung zum Austreiben des Ammoniaks an.
Eine weitere Aenderung der Streng’schen Probe erwies siel»
zweckmässig zur Ersparung von Zeit und zur Vermeidung des
Mikroskopes. Ersetzt man in der Streng’schen Anordnung das
Platinchlorid durch Nessler’s Reagens, welches bekanntlich
Quecksilberjodid, in alkalischer Jodkaliumlösung gelöst, enthält, so
wird die Probe schneller, schärfer und bequemer. Ein Tropfen
Speisebrei aus dem Magen mit einem Tropfen 10 pruo. Sodalösung
in die Nähe eines (am besten frisch ti 1 trirten) Tropfen von Nessler’s-
Reagens unter ein Uhrgläschen gebracht, erzeugt durch die Abgabe
von Ammoniak an den Nessler’sehen Tropfen in diesem nach
wenigen Augenblicken die mehr oder weniger reichliche Abscheidung
von Quecksilberammoniumjodid, kenntlich an der gelben, gelbrothcn
bis graurothen Trübung des Tropfen , welche am schärfsten auf-
fällt, wenn man das Experiment auf einer weissen Porzellan platte
anstellt. Zur Controle ist es gut, auch ausserhalb des Uhrglases
einen N e s s 1 e r’schen Tropfens anzubringen. Derselbe blieb in
meinen Versuchen ‘stets wasserklar, ein Beweis, dass die Luft, in
der ich arbeitete, frei von störenden Ammoniakmengen war.
Streng’s Probe und meine Abänderung können zur gegen¬
seitigen Controle dienen , besonders dann , wenn sie unter einem
Uhrglas zugleich angestellt werden. Die Trübung in Nessler’s
Reagens pflegt der Bildung von Krystallen im Platinchloridtropfen
vorauf zu gehen. Die Krystalle im letzteren, bei schwacher Ver-
grösserung (lin. f>0 —100) sichtbar, sammeln sich in schnellem
Lauf zuerst an dem der ammoniakhaltigen Flüssigkeit zugekehrten
Rande des Tropfens in kettenförmiger Aneinanderreihung an ;
einmal gebildet wachsen sic sichtlich mit grosser Schnelligkeit und
werden mitunter dem blossen Auge als glitzernde Punkte erkennbar;
ihre Bildung wird durch vorhergehende Erwärmung der Unterlage
oder des Uhrglases beschleunigt, sowohl in Folge schnellerer
Ammoniakentbinduug aus der zu prüfenden Flüssigkeit, als in
Folge der stärkeren Wassorvordunstung aus dem Reagenstropfen.
Eine dünne gelbe Platinchloridlösung scheidet schönere Krystall-
bildungc», diese aber langsamer aus als eine conceutrirterc, orange¬
farbige. Zu starke Verdünnung der Lösung verzögert den Ein¬
tritt der Reaetion bedeutend. Man thut also gut, in wiederholten
Versuchen mit verschiedenen Dichten die höchste Empfindlichkeit
der Lösung zu suchen.
Um die Verdunstungsfläche für das Ammoniak zu vergrössern
und das Entweichen des Gases unter dem Rande des Uhrsehälchons
zu verhüten, kann man statt eines kleinen Tropfens der ammoniak-
haltigen Flüssigkeit um den Reageustropfen herum einen ganzen
Flüssigkeitsring bilden, in welchen der Rand des Uhrschälcheus
eintancht. Aber die Gefahr des Zusammcnfliessens beider Flüssig¬
keiten ist dann gross. Auch tritt hei Anwendung des Platin¬
chlorid die Krystallbildung erst ein, wenn durch Aufheben des
Uhrglases die feuchte Kammer wieder gelüftet wird und so die
Möglichkeit der Verdunstung der Platinlösung gegeben ist.
Will man die Verdunstung beschleunigen , so erwärme man
das Präparat vorsichtig auf dem heizbaren Objecttisch oder falls
dieser nicht zu Gebote steht, einfach dadurch, dass man an einer
entfernten Stelle den Objectträgcr mit einem heissen Glasstab
berührt und dergleichen. Die Temperatur von 35—40° C. darf
selbstverständlich bei dem Versuch nicht überschritten werden.
7 ) R. Brauns: Chemische Mineralogie. Leipzig 18%.
8 ) Virchow’s Archiv, Bd. 69, S 365. 1877. — Wie ich nach¬
träglichfinde, hat bereits Brücke gezeigt, dass Kalilauge bei gewöhn¬
licher Temperatur aus Harnstofflösung Ammoniak bildet. Sitzungs¬
berichte der kaiserl. Academie der Wissensch. Bd. 57, H, S. 24. 1868.
Mit Hilfe der angegebenen Proben kann sieh Jedermann von
der regelmässigen Anwesenheit des Ammoniak in dem Speisebrei
des Magens überzeugen, gleiehgiltig, ob letzterer Salzsäure in nor¬
maler Menge enthält oder im Uebermaass oder im Mindermaass
oder gar nicht.
Es fragt sich, woher das Ammoniak in den Mageninhalt
gelangt ?
Rosen hei m meint, «da NH 3 in unseren Nahmngsge-
misehen nur in Spuren präformirt vorhanden war, so sei die
Quelle desselben anderswo zu sucheu und zwar in erster Reihe im
Labdriisensecrct selbst». Der zweite Theil dieser Meinung wider¬
spricht einer alten, durch Rosen heim selbst angeführten An¬
gabe von C. Schmidt, derzufolge der reine Magensaft des
Menschen im Gegensatz zum Magunfistelsaft des Hundes kein
Ammoniak enthält. Dass Schmidt Recht hat, werde ich nach¬
her zeigen.
Von vorneherein ist aber denkbar, dass weder die In-
gesta noch das Magenseeret die Quelle des Ammoniak
sein müssen, dass dieses auch auf einem dritten Wege in den
Magen gelangen könne, aus der Mundhöhle. (Schluss folgt.)
Aus der chirurgischen Klinik in München.
Zur operativen Behandlung des Magencarcinoms.
Von Dr. Alfred Schöniccrth, k. Assistenzarzt I. Classe.
I. Pylorectomie und Gastro-Enterostomie beim Magen-
Car cinom.
1. Resultate und Technik derPylorusresection.
Die erste Pylornsresection wegen Carcinom wurde von Bill-
rotli im Jahre 1881 ausgeführt. Wenn wir heutzutage* die
medicinische Literatur durchblättern, so finden wir bereits eine
stattliche Reibe von Magenresectionen, die an den einzelnen Kli¬
niken mit mehr oder minder günstigem Erfolge zur Ausführung
gelangten. Dass eine derartige Operation trotz ihrer grossen Ge¬
fahren sich so rasch einbürgern konnte, darf nicht Wunder
nehmen. Auf der einen Seite die traurige Prognose der sieh
selbst überlassenen Careinoine, auf der anderen die ungeahnten
Fortschritte in der Technik der modernen Chirurgie; das sind
die Momente, die zu operativem Einschreiten geradezu auffordern
mussten. Und doch sind in der letzten Zeit Stimmen laut ge¬
worden , welche das Gebiet der Pylorectomie bedeutend cinzu-
schränken suchten, ja sulche, welche diese Radicaloperation über¬
haupt mehr oder weniger völlig durch die Palliativoperation der
Gastro-Enterostomie ersetzt haben wollten.
In der Tliat sind die Erfolge der Magenresection bis in die
letzte Zeit herein noch keine sehr ermuthigeuden gewesen. An
Iland der Statistik lässt sich beweisen, dass etwa die Hälfte
sämmtlicher Operirten den unmittelbaren Folgen des Eingriffes
erlegen sind, dass die Mehrzahl der Geheilten unter den Erschei¬
nungen des Recidivs zu Grunde ging, dass schliesslich noch kein
einziger Fall von endgiltiger Heilung verbürgt ist.
Die Resultate der Wiener Klinik sind in 2 von v. Hacker
und Eisellsberg zusammengestellten Serien zur Anschauung ge¬
bracht. Die erste Reihe umfasst 18 Magenresectionen mit 10 Todes¬
fällen, die zweite Reihe 19 Rcsectionen mit 11 Todesfällen. Es
handelt sieh also im Ganzen um 37 Rcsectionen (26 Carcinome,
11 Narbenstricturen) mit 21 Todesfällen und 16 Erfolgen.
Betrachten wir nun das Schicksal der Geheilten
(11 Carcinome, 5 gutartige Stenosen), so linden wir, dass die
Careinouie meistens an Recidivcu starben und zwar:
2 Fälle nach 4 Monaten
1 Fall nach 8 „
1 > „ 10
2 Fälle nach 1 Jahr
1 Fall „ IV* *
1 „ „ 2V* „
l „ „ 5 1 /* „
Fragen wir weiter nach der Todesursache der an
den Folgen der Operation Verstorbenen, so finden
wir in der ersten Serie:
l Mal technischer Fehler in Bezug auf Implantation des Duodenums
an dem Magen.
6 „ Peritonitis.
3 „ Perforativ-Peritonitis.
2 *
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1012
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. H
In der zweiten Serie:
8 Mal Perforativ-Peritoniti8 (durch Dehiscenz der Nähte).
1 „ Allgemeine Anaemie.
8 „ Nachblntung aus dem Pankreas.
1 „ Collapa.
Da nun das Zustandekommen einer Peritonitis sich durch
peinliche Handhabung der Aseptik, das Auseinanderklaffen der
Nähte durch präcise Anlage der Suturen vermeiden lässt, so
kommen wir zu dem Schlüsse, dass der ungünstige Ausgang der
Operation zum grossen Theile durch Fehler in der Technik ver¬
ursacht worden war, Fehler, die mit der weiteren Ausbildung der¬
selben immer seltener werden mussten.
Von diesem Standpunkte ausgehend, machte v, Hacker
den Vorschlag, die Naht des Magens in der Weise anzulegcn,
dass über eine fortlaufende Schleimhautnaht eine Reihe von Serosa-
Musc. Knopfsuturen und darüber im Bedarfsfälle noch einige
L e in b e r t ’ sehe Nähte angebracht werden.
Billroth wies darauf hin, dass der sicherste Verschluss
dann Btattfindet, wenn gesunde Serosa beider Darmenden zur Ver¬
einigung gebracht werden könnte, dass dies aber bei Magenresec-
tionen fast niemals der Fall ist, da nach Entfernung der er¬
krankten Theile sehr wenige Stellen der zu vereinigenden Partien
noch da wären, die mit normaler Serosa überzogen sind, ebenso
wenig ist das Sch wielengewehe bei Stricturen der Vereinigung per
primam günstig.
Weiterhin macht v. Hacker auf die Wichtigkeit einer
raschen Orientirung im Bauchraume aufmerksam; er gibt den
Rath, das kleine Netz an einer gefässarmen Stelle stumpf einzu-
reissen und mit dem eingeführten Finger gleich Anfangs das
Vorhandensein von Verwachsungen zu constatiren, da man häutig
erst nach ausgedehnten Ablösungen die Ungeeignetheit eines Falles
zur Rescction erkannt hat. — Schliesslich betont v. Hacker
die Wichtigkeit einer genauen Indicationsstellung für die Resection.
Zunächst darf die Erschöpfung des Patienten noch keine zu weit
vorgeschrittene sein; ferner muss die Geschwulst vollkommen
isolirt oder doch beweglich und leicht isolirbar sein; dagegen
bilden nach ihm kleinere entfernbare Anschwellungen der Lymph-
drüsen keine Contraindication (im Gegensätze zu Rockwitz).
Eine kurze zusammenfassende Ucbersicht sämmtlicher an
Billroth's Klinik von 1880—94 wegen Carcinom ausgeführten
Pylorectomien wurde von v. Hacker 1 ) in jüngster Zeit heraus¬
gegeben.
Das Resultat ist folgendes:
1. Serie 18 Resectionen, 8 Erfolge,
2. Serie 19 „ 8 „
3. Serie 17 „ 12 ,,
Aus dieser letzten Serie resultirt eine Mortalität von 29,1 Proc. ;
von 16 Rcsecirten starben nur 4; die Gesammtmortalität
der 54 an der Billroth ’schcn Klinik ausgeführten
Pylorectomien beläuft sich auf 48,1 Proc. Was
die Dauer der Erfolge anbelangt, so lebt von der 1. und 2. Serie
kein einziger Fall mehr.
Von der 3. Serie trat innerhalb des 1. Jahres 5 mal der
Tod an Recidiv ein, 2 lebten länger als ein Jahr, 3 sind noch
am Leben, worunter ein Fall, der schon vor 5 Jahren operirt
wurde.
Die Technik der Resection an der Wiener Klinik ist, kurz
skizzirt, folgende: Incision der Linea alba — Orientirung nach
v. Hacker — Ablösung des Tumors von der kleinen und grossen
Curvatur — Herausziehung des isolirten Stückes aus der Bauch¬
höhle mit Unterschiebung von Jodoformgaze — Abschluss der
Bauchhöhle mit Gazccompressen — Verschluss von Magen und
Darm (manuell, Rydygi er ’ sehe Klemmen, Jodoformdochte) Ex-
cision der erkrankten Partie, beginnend an der kleinen Curvatur;
darauf, soweit nöthig, sofortige Vcrnähung — Einnähung des
Duodenums in den unteren Wundwinkel (Occlusionsnaht des
Magens zweischichtig als Mueosa-, darüber Serosa — Mus-
cularisnaht oder bloss Serosa-Muscularisnaht — Vernähung
der beiden Lumina (der hinteren Halbperipherie durch innere
Serosa-Muscularisnaht, der vorderen, durch ebensolche äussere,
i) v Hacker: Ueber Magenoperationen bei Carcinom und
narbigen Stricturen.
darüber einige Lcmbert’sche Nähte). Naht der Baueh-
wunde in 3 Schichten: (Fortlaufende Catgut-PcritoDealoaht
Seidenknopfnaht der Fascie, fortlaufende Scidennaht der Haut.)
Betrachten wir die von Rindfleisch veröffentlichten, an
der Heidelberger Klinik ausgeführten Resectionen. Es wank
wegen Carcinom von 1881—93 12 mal resecirt, mit 5 tödtlichen
Ausgängen, also mit einer Mortalität von 43,7 Proc. Alk
diese~5 ungünstig wendenden (Iperationcn hätten nach der Ansicht
von Rindfleisch selbst lieber unterbleiben oder durch die
schneller ausführbare Gastro-Entcrostomie ersetzt werden sollen.
Von den Geheilten starben 5 an Recidiv (nach 18—2—15—
7 —10 Monaten, 1 Fall starb nach 2 JahreD 9 Monaten, 1 Fall
lebt noch gesund ohne Beschwerden nach 4 Jahren.
Eine zweite Reihe von an derselben Klinik operirten Fällen
(1893—95) wurde von Mündlcr zusammengcstellt, es handelte
sich um 4 Fälle von Carcinom mit 2 Todesfällen, t Patient
starb erst nach 6 1 ft Monaten an rasch und intensiv eingetretenem
llocidiv, der andere Patient lebt noch nach ‘/* Jahre ohne Be¬
schwerden und befindet sich sehr gut.
Kocher 8 ) spricht sich sehr energisch gegen die Verdrängung
der Pylorusresection durch die Gastro-Entcrostomie aus. Er weist
darauf hin, dass die längsten Lebenstermine nach der Gastro
Enterostomie wenig über 1 Jahr hinausgehen; im Gegensatz hiezu
citirt er den Fall von Wölfler, der erst 5'/* Jahr nach Ans¬
führung der Pylorusresection an Drüsenrecidivcn der Porta bepatis
verstarb; er fügt hiezu einen von ihm selbst resccirten Fall von
ganz unzweifelhaftem Carcinom, der 5 Jahre 4 Monate nach der
Operation noch lebt und fast alle Sjieisen verträgt. Die bisherigen
mangelhaften Erfolge der Resection führt er darauf zurück, dass
die Patienten sich erst zu spät zur Operation entschliessen, gibt
aber dabei zu, dass die unmittelbare Gefahr der Operation durch
Vervollkommnung der Technik verringert werden muss.
Mit Beziehung hierauf empfiehlt er eine Modification der
bisher geübten Radicaloperation, die sich im Wesentlichen als
Pylorusresection mit darauffolgender Gastroduodenostomic charak-
terisiren lässt. Zur Sicherung des Erfolges schlägt er zunächst
eine völlig aseptische Ausführung der Operation vor, bei der statt
des Collapszustände verursachenden Sublimates physiologische Koch
Salzlösung zu nehmen ist, ferner eine fortlaufende Scidennaht
durch alle 3 Schichten von Magen und Darm, wodurch sieh mit
Sicherheit Nachblutungen vermeiden lassen ; endlich die Benützung
von Compressorien, welche allein in zuverlässiger Weise das Ans-
fliessen von Magendarminhalt und Krebsjauche verhindern und
bei gut angelegter Naht und aseptischem Vorgehen zu keiner
Nekrose führen.
Während Kocher bei Pylorusresectionen früher eine Mor¬
talität von 66 Proc. aufzuweisen hatte, gelang es ihm nach der
eben beschriebenen Methode in 6 Fällen eine glatte Heilung *n
erzielen ; von diesen starb 1 Fall nach einem Jahr an Geschwulst¬
bildung im Abdomen, ein zweiter ebenfalls - nach einem Jahr an¬
geblich an Recidiv, nachdem er sich 9 Monate lang einer uDge
störten Gesundheit erfreut hatte.
Auch Krön lein 3 ) will die Gastro-Entcrostomie lediglich auf
die Operation von inoperablen, zu Stonosenerscheinungcn führenden
Magencarcinomen beschränkt wissen ; er stützt sich hiebei auf die
grosse Sterblichkeit dieser Palliativoperationcn sowie den I instand,
dass durchaus nicht in jedem Falle Erleichterung eintritt. Seine
Methode ist im Allgemeinen die von Billroth angegebene; doci
findet hiebei ein ausgedehnter Gebrauch von Compressorien statt
(Tumor-Magcn-Duodenum-Compressoricn). Die Occlusionsnaht «
Magens erfolgt durch eine fortlaufende, alle Schichten der Magen
wand in sich fassende Seidennaht, über die noch eine Reihe von
Serosanähten angelegt werden, schliesslich Einnähung des
denums in den unteren Wundwinkel durch fortlaufende Eingnä
(hintere Serosa und hintere Schleimhautnaht — vordere aro
haut und vordere Serosanaht.) .
Mit dieser Methode gelang es Krönlein, 10 Fäl 10 ^
einander glücklich durchzubringen; er verfügt über 15 Resection
*) Kocher, Zur Technik und au den Erfolgen der Magen-
resectionen. Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte io •
8 ) Krön lein, Chirurgische Erfahrungen üp er g Heft
Carcinom. Beiträge zur klinischen Chirurgie, 16. Bana, •
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6P-
20. Oetober 1896. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
mit 4 Todesfällen, woraus eine N t o r b 1 i e h k e i t von 26,0 Proc.
reaultirt. Von den Geheilten starben 4 mit einer durchschnitt¬
lichen Lebensdauer von 1 Jahr 8 Monaten an Recidiv, 2 Fälle
starben an intcrenrrircnden Erkrankungen, r» Fälle leben noch,
nach 17 Monaten, 1 Monat, 1 */-' Monat, 5 Monaten, doch ist in
einem Falle bereits ein Recidiv constatirt. — Der kurz nach der
Operation selbst eingetretene Exitus letalis war bedingt : zweimal
durch Collaps, einmal durch Pneumonie, einmal durch Lungen*
gangraen und Peritonitis.
Mikulicz *) referirt Uber 18 wegen Carcinom ausgeführte
Pylorusresectionen mit 13 Heilungen und 5 Todesfällen ; von den
cr8teren waren zur Zeit der Berichterstattung 9 gestorben, die
durchschnittliche Lebensdauer derselben betrug Ki'/i Monate.
Die häufigen Misserfolge bei Pylorectomie machten schon sehr
frühe auf die Nothwcndigkeit einer strengen Indieationsstcllung
für diese ()|»eration aufmerksam; nicht nur der locale Befund,
auch der allgemeine Kräftezustand des Patienten muss wohl berück¬
sichtigt werden. Vor Allem darf die Erschöpfung noch nicht so
weit vorgeschritten sein, um den chirurgischen Eingriff schon von
vornherein zu einem hoffnungslosen zu gestalten. Bei einer so
eingreifenden Operation, wie die Magonresoction, ist das Vor¬
handensein eines gewissen Kräftezustandes für den Erfolg der¬
selben Conditio sine «pia fion. Während man über diesen Punkt
sehr bald sich verständigt hatte, sind die Ansichten über die
Beurtheilung des Localbefundes auch heute noch verschiedene.
Dass die Prognose eine um so günstigere, je weniger weit vor¬
geschritten der Krankheitsproccss, ist selbstverständlich. Es fragt
sich jetzt: Wann ist das Pyloruseareinmn noch operabel V Nach
der Wiener Schule muss zu diesem Behufe vor Allem die Ge¬
schwulst vollkommen isolirt oder doch beweglich um! leicht isolirbar
sein; dagegen sind kleinere, entfernbare Drüsensehwellungen noch
keine (’ontraindication für die Bescetion. Adhacsionen, welche
nicht ganz leicht zu trennen sind, indiciren nach Kraske bereits
die Gastro-Enterostomic. — Dass Verwachsungen mit dem Pan
kreas, ausgedehnte Adhacsionen mit der Nachbarschaft und Drüsen-
metastasen sich nicht mehr für die Rescction eignen , dass alle
derartigen Fälle, von einer Rndiealoperation auszusehHessen sind,
ist eine Ansicht, welche bereits Gemeingut sämmtlicher Chirurgen
geworden ist. — Dadurch, dass man das Gebiet der Magenrescction
in dieser Weise eingeschränkt hat, ist es im Verein mit der vor-
vollkommneten Technik und der grösseren Uebung der einzelnen
Chirurgen in der That gelungen, die Statistik zu verbessern. Es
lässt sich mit Zahlen beweisen, dass die Erfolge der einzelnen
Operateure mit der Zeit immer besser geworden sind. Dies lehrt
eine Statistik von Kraske über 20 Magenoperationen, welche
in zwei durch einen Zwischenraum von 1 *,2 Jahren getrennten
Perioden vorgenommen wurden. Während die Patienten der ersten
Periode alle den Folgen der Operation erlagen, konnte hei siimmt-
liehen Operirten der zweiten Periode ein befriedigender Erfolg
erzielt werden.
Glänzend sind die Resultate dosshall) noch immer nicht ; ein |
sicher verbürgter Fall von Radicalheilung des Magenearcinouis ist
noch immer nicht bt kan nt. Der Operirte Wölfler's, der 5 Jahre
ohne Verdauungsbeschwerden lebte, starb ‘/i dalir später an Brüsen-
Reeidiven ; auch in dem Falle Kocher s, der nach . r >*/4 Jahren
sich noch des besten Wohlseins erfreut, kann von einer definitiven
Heilung noch immer nicht gesprochen werden. Ferner ist zu
bedenken, dass eine so lange Lebensdauer nach der Operation
eines Carcinoma, wie bei dem soeben citirten Patienten, noch heute
zu den Seltenheiten gehört; dass diesen Ausnahmen gegenüber
eine grosse Reihe von Patienten in Betracht kommt , bei denen
der Erfolg im Vergleich zu der Gefahr des Eingriffs häufig in
keinem Verhältnis» steht. Rindfleisch nennt die Lebensdauer
nach der Operation eine kurze, wenn man die Gefahr der Rescction,
das schwere Krankenlager berücksichtigt, ferner den l instand,
dass nur die erste Hälfte als wirkliche Genesnngszoit zu rechnen
ist, da in der zweiten Hälfte die Erscheinungen des llecidivs sich
wieder bemerkbar machen.
*) Miculicz, Bericht über 103 Operationen am Magen. Archiv
für klinische Chirurgie, 41. ßd.
No. 42.
1013
Was trägt nun die Schuld an diesen schlechten Resultaten
der Pylorectomie, nachdem man doch das Gebiet derselben durch
genaue Indieationsstcllung so bedeutend eingeschränkt hat? Nach
übereinstimmender Ansicht sämmtlicher Chirurgen ist die Ursache
darin zu suchen, dass die Operation erst in einem Stadium vor-
gcnoinuien wird, in dem die Wucherung schon zu weit um sich
gegriffen hat, in einem Stadium, in dem cs für eine Radieal-
operation zu spät, ist; denn einerseits entschliesst sich der Kranke
in vielen Fällen .sehr schwer, andererseits ist die Frühdiagnose
des Carcinoms eine so schwierige, dass Hy dy gier geradezu den
Vorschlag gemacht hat, in Fällen von länger dauernden und hart¬
näckigen Magendilatationen, die Probelaparotomie auszuführen.
Krön lein führte dieselbe in 22 Fällen von Careinom aus,
sämmtliche Operationen verliefen ohne unangenehme Oomplication;
auch das spätere Entstehen einer Rauehhornie am Orte der Narbe
konnte niemals constatirt werden (Naht in 3 Etagen).
Eine Frühdiagnose des Carcinoms zu einer Zeit, wo dasselbe
noch nicht als Tumor äussorlieh sichtbar ist, lässt sich ungemein
schwer stellen; wir haben kein speeifisehos Symptom für diese
Erkrankung. Das Fehlen von freier Salzsäure ist nicht charakte¬
ristisch für Careinom, es findet sich auch hei anderen Magen-
affectionen. Seihst in Fällen, wo nach Eröffnung der Bauchhöhle
der Tumor sich unter unseren Händen befindet, ist die Ent¬
scheidung über den Charakter desselben noch mannigfachen Täu¬
schungen unterworfen, so dass manchmal allein die mikroskopische
Untersuchung zum Ziele führt; denn während einerseits starke
Schwielenhildung in der Umgehung eines Ulcus bei hypertrophischer
Schleimhaut seihst am ausgeschnittenen Präparate nicht immer
von Carcinomhildung unterscheidbar ist, kann andererseits Schwel¬
lung der nahegelegenen Drüsen hei Ulcus ebenso gut wie bei
Carcinom Vorkommen. Wird das Carcinom aber sicher als
Tumor diagnosticirbar, so ist cs nach Rindfleisch nicht mehr
operabel, da meist schon Verwachsungen mit Colon und Pankreas
sowie Prüsonmctastasen bestehen. Die Radicalheilung nach der
Operation ist daun Ausnahme, das Recidiv die Hegel.
Fassen wir somit das Rcsunic des Ganzen zusammen, so
lautet dasselbe folgen dermassen :
Die Pylorectomie ist mit grosser Gefahr verbunden; die
Hälfte der Patienten starb bis in die jüngste Zeit herein an den
Folgen der Operation, von den Geheilten gehen die meisten an
den Erscheinungen des Reeidivs zu Grunde. Die Pylorectomie
ist die Operation der Zukunft, deren Statistik sich von dem Mo
mente an bedeutend heben wird, wo wir ein sicheres Mittel zur
Frühdiagnose des Carcinoma besitzen; ein solches aber besitzen
wir bis jetzt noch nicht.
2. Gehen wir nun über zur G a str o - Kn te r os tom ic und
betrachten dieselbe in ihrer Eigenschaft als Palliativoperation Ihm
Pylorusearcinom. Die Statistik muss in dieser Hinsicht mit Vor¬
sicht verwendet, werden. Denn, wenn man die Gastro-Enterostomic
nur hei jenen Patienten zur Anwendung bringt, weleho für lladieal-
operation nicht mehr geeignet erscheinen, so ist es selbstverständ¬
lich, dass es sich von vornherein nur mehr um prognostisch un¬
günstigere Fälle handeln kann.
Das sehen wir an den Gastro-Entcrostomieen Billroth’s!
Diese Operation gelangte 28 mal zur Ausführung, 14 Patienten
starben bald nach der Operation, 14 überstanden dieselbe gut und
erfreuteu sieb bei gebessertem Zustande einer Lebensdauer von
1—8 Monaten. Die Todesursache bestand 9 mal in Collaps und
Anaemie, 5 mal in Peritonitis, während bei 22 Pylorusresectionen
der tüdtliche Ausgang 6 mal durch Anaemie und Collaps, 4 mal
durch Peritonitis bedingt war.
Diese schlechten Resultate der Oastro-Enterostomie müssen
sofort auffallcn, wenn man bedenkt, um wie viel dieselbe einfacher
und gefahrloser ist als die Rescction. Die Erklärung hiezu gibt
Billrotli selbst mit der Bemerkung, dass zu der Gaatro-Entcros-
tomie verzweifelte Fälle ausgesucht wurden, die nicht mehr resecirt
werden konnten.
Derartige Statistiken können nicht in Betracht kommen ; zur
Beurtheilung der Leistungsfähigkeit der Gastro-Enterostomie als
Palliativoporation bei Carcinoma pylori müssen wir Fälle aufsuchen,
bei der diese Operation nicht blos auf desolate Fälle beschränkt
wurde.
8
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1014
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Rindfleisch berichtet über 20 Gastro-Enterostomieen mit
8 Todesfällen und 12 Heilungen, alBO 40 Proc. Mortalität. Aus-
zuscheiden sind hier zunächst 8 Fälle von gutartigen Stenosen, von
denen 1 an Collaps starb, die beiden andern geheilt wurden. Es
blieben also noch 17 Fälle von Carcinom mit 9 Heilungen. Die
durchschnittliche Lebensdauer der Geheilten schwankt zwischen
5—6 Monaten.
Eine zweite Serie d r an derselben Klinik ausgeführten Gastro-
Enterostomieen veröffentliche M ü n d 1 e r. Es handelt sich um 21 Gastro-
Enterostomieen mit einer Mortalität von 14,28 Proc. Von den 12 Car-
cinomen, die sich unter den operirten Fällen befinden, starben 2
im Anschlüsse an die Operation; doch kann der Tod nicht dem
chirurgischen Eingriffe zur Last gelegt werden, da es sich in dem
einen Falle um eine 64 jährige Frau mit Nephritis handelte, in dem
zweiten dagegen die Section eine Myocarditis und interstitielle Ne¬
phritis nachwies. Betrachten wir die Lebensdauer der Geheilten,
so finden wir, dass No. 3 7 Monate nach der Operation, No. 10 nach
4 Monaten verstarb. No. 2 lebte noch l ‘/2 Jahr, doch waren z. Z.
der Berichterstattung wieder die alten Beschwerden aufgetreten, so
dass ein baldiger Exitus let. zu ^erwarten stand. No. 8 befand sich
10 Monate lang wohl; seitdem Erscheinungen von Seiten des Peri¬
toneums. No. 11 erfreut sich seit mehr als 8 Monaten einer guten
Gesundheit, so dass sie schwere Arbeiten verrichten kann. Von
den übrigen Fällen waren weitere Nachrichten nicht mehr erhältlich
oder ist die Beobachtungsdauer noch zu kurz.
Als Rindfleisch die erste Serie der Heidelberger Klinik
veröffentlichte, wies er auf eine Mortalitätsziffer der Gastro-
Enterostomie von 40 Proc. hin; da dieselbe bei Pylorectomie nur
43 Proc. betrug, macht er darauf aufmerksam, dass diese Sterblich¬
keitsziffer für eine Palliativoperation, wie die Gastro-Enterostomie,
eine zu grosse sei, sprach aber zugleich die Hoffnung aus, dass
die Erfolge günstiger werden, wenn die Technik eine vollkommenere
geworden ist und die Kranken sich früher zur Operation ent-
schliessen können. Diese Hoffnung hat sieh erfüllt : Die Mortali-
tsitsziffer ist an derselben Klinik, an der sie zuerst 40 Proc. be¬
trug, auf 12,28 Proc. herabgesunken.
Man bedenke ferner die guten Resultate der Gastro-Entoro-
stomie bei Lücke (12 Proc. Mortalität), seine Patienten erfreuten
sich Monate lang des besten Wohlseins.
Miculiez 6 ) führte die Gastro-Enterostomie wegen Carcinom
22 mal aus. Dabei wurden 16 Heilungen erzielt, von den Geheilten
waren zur Zeit der Berichterstattung 8 gestorben; die durch¬
schnittliche Lebensdauer derselben batte 9'/- Monate betragen.
Fragen wir nun: Was leistet die Gastro-Enterostomie bei
Carcinom? Die Gastro-Enterostomie kann einen Zustand herbei¬
führen, in dem die Verdauungsfunctionen in fast normaler Weise
sich vollziehen. Selbstverständlich bleibt sie stets Palliativoperation,
aber eine solche, dass sie Kraske die segenreichste von allen
nennt. Die qualvollen Beschwerden des Pyloruscareinoms sind zu¬
nächst lediglich auf die Stenose zurückzuführen. Und dieses Hindcr
niss wird durch die Anlage der Dünndarmfistel umgangen. I)ic
Speisemassen, die früher vor dem verschlossenen Pylorus lagerten
und zu unstillbarem Erbrechen führten, gelangen auf einem neuen
Wege in den Dünndarm und können wieder vom Organismus aus¬
genützt werden. Daher das sofortige Aufhören des Erbrechens,
das rasche Aufblühen der Kranken. Ein weiterer Vortheil ist der,
dass durch die Passage der Spcisetheile keine Reizung der Neu¬
bildung mehr auftritt, dass gesebwürige Processe zur Vernarbung
gelangen können. Der günstige Einfluss, der dadurch auf die Neu¬
bildung ausgeübt ist, steht ausser Zweifel. Man denke an die
Gastrotomie bei inoperablen Ocsophagusstricturen. welche lediglich
durch Schonung des Oarcinoms unter Umständen geradezu wieder
zur Durchgängigkeit, der Speiseröhre führen kann.
Fälle von Carcinom ohne Stenosenerscheinungen sind un*
geeignet für die Gastro-Enterostomie, hat man sich durch die
Probeincision von der Unmöglichkeit einer Radicalopcration über¬
zeugt, so schliesse man wieder die Bauchhöhle. Nach einer
Statistik von Rindfleisch ist für derartige Fälle die Lebens¬
dauer der Probelaparotomie nicht geringer als die der Gastro-
Enterostomie.
Haberkant stellt eine Reihe von 298 wegen Carcinom
angeführter Gastro-Enterostomien zusammen und berechnet hier
nur eine Mortalität von 42,6 Proc., gegenüber einer Sterblichkeit
von 54,4 Proc. nach Rosection des Pylorus. Diese 298 Gastro-
^"mTVuHcz, Bericht über 103 Operationen am Magen. Archiv
für klinische Chirurgie, 21. Band.
No- 42.
Enteroslomion gelangten in den Jahren 1888—94 zur Operatiun.
Tlieilt man diesen ganzen Zeitraum in 2 Perioden von je 7 Jahren,
so resultirt für die erste Periode eine Mortalität von 55,9 IW.,
für die zweite eine solche von 39,3 Proc.
Ein Vorwurf, welcher der Gastro-Enterostomie gemacht werden
kann, liegt in der verhältnissmüssig kurzen Lebensdauer der Opm
tion. Haberkant konnte unter 58 Gastro-Enterostomieeu nar
12 Fälle ausfindig machen, hoi denen die Heilungsdauer länger
als ein Jahr betrug. Bei der Operirten Hahn’s, welche noch
7 Jahre post Operationen! ohne alle Beschwerden lebte, ist die
Diagnose des Carcinoma eine zweifelhafte. Ini Gegensätze hiezu
berichtet Haberkant über 47 Resectionen, von welchen 22 die
Operation länger als 1 Jahr überstanden!
3. Vergleich der Erfolge der Rescctionen und
Gastro - En ter os tomieen.
• So kommen wir schliesslich zur Erörterung der Fraee:
Welche Operation hei der Behandlung des Mageucarcinoms den
Vorzug verdient. Der einzige berechtigte Vorwurf, den mau der
Pylorusrcsection machen kann, liegt nach Kocher in der grossen
Gefahr, die mit ihrer Ausführung verbunden ist. Nun kann man
allerdings in dieser Beziehung die- Vervollkommnung der chirur¬
gischen Technik geltend machen, die sich bereits auf glänzende
Erfolge stützen darf. Niemand wird der Pylorectomie ihre Be
rechtigung abzusprechen wagen, sie ist, wie Kocher sagt, die
Operation der Zukunft. So aber, wie die Verhältnisse gegen¬
wärtig lagern, wird die Pylorectomie bei der Behandlung des
Carcinoms nur in der geringeren Anzahl der Fälle zur Auwendune
kommen dürfen. Der Schwerpunkt der Frage liegt gegenwärtig
weniger in der Technik , als in der Frühdiagnose. Zu der Zeit
wo wir das Gareinom sicher zu diagnosticircn im Stande sind,
ist es zur Radicalopcration meistens schon zu spät. Ein als
Tumor sicher diagnosticirtes Carcinom ist. gewöhnlich nicht mehr
operabel. Doyen sagt: Liegt das Carcinom einmal vor, so hat
die Operation nur mehr sehr geringen und jedenfalls nur pallia¬
tiven Nutzen.
Gassenhauer und Winiwarter untersuchten die »Sections-
protokolle des Wiener pathologischen Instituts von 1817— <3
und fänden von säinmtlichcn Magencarcinomen nur 37,3 Proc.
operationstauglich; zu ähnlichen Resultaten kamen Streit und
Kramer, so dass sich überhaupt nicht mehr als ’/s bis ‘j i
aller (ärciuome zur Rcseetion eignen dürften (Habcrkant).
Selbst nach Ausführung der Probelaparotomie ist die lk
urtheilung des Carcinoma noch immer eine sehr schwierige: Wf
weit reicht das krankhafte veränderte Gewebe? Wie weit mo.«
cxcidirt werden?
Tal m er berichtet über 2, in dieser Beziehung sehr instructive
Fälle. In dem einen von Eiseisberg operiiten Falle wurde an
dem ausgeschnittenen Pylorus trotz des eifrigsten Suchen« kein
Carcinom gefunden und doch entwickelte sich in der Narbe cm
Reeidiv; in dem andern führte Salzer eine Pylorectomie aus;
hiebei war mit dem unbewaffneten Auge nicht« Verdächtiges zu ent
decken; mikroskopisch fand sich nur eine geringe Epithelwucherumt,
bei glänzendem Heil verlaufe entwickelte sich nach 3 Monaten ein
neues Carcinom.
Czerny fand bei der mikroskopischen Untersuchung resodrnr
Stücke zweimal die Schnittränder nicht frei von Krcbsne>tern.
er riith daher, den Trennungsschnitt 3 cm weit in das Gesuii '
zu verlegen, wodurch allerdings die Gefahr der Spannung bei ^
Ringnaht an Magen und Darm eine gesteigerte wird.
Die Statistik der Pylorectomie hat sich gegen früher
dings bedeutend gebessert; ein Hauptgrund hiefür ist tjj ^
strengen Indicationsstellung zu suchen; ein verbürgter Fa
Radicalhcilung eines Carcinoms cxisfcirt aber gegenwärtig u0f ^
immer nicht. Ferner sind diejenigen Fälle, wo die Operation o
Eintritt des Rocidivs sich Jahre lang des besten Wohlsein- ^
freuten, spärlich im Vergleiche zu der Mehrzahl, in wet (r ^
Gastro-Enterostomie vielleicht das Nämliche geleistet hätte. ^
wir durch die Operation beseitigen können, sagt Rindflei* c •
in den seltensten Fällen der Krebs, dagegen fast immer ^
dorniss, welches durch das Krebsgeschwür für die F°rtsc
des Mageninhaltes gebildet wird. . .. ,
Auch Rosen heim ist der Ansicht, dass die • ,n J ^
der für die Rcseetion bestimmten Fälle nach Eröffnung er
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20. October 1896.
MÜNCH KN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1015
höhle noch für die Uadkaloperation geeignet erscheinen und dass
die Mehrzahl der Fülle der GastroEnterostomie verfallen wird.
4. Behandlung von gutartigen Stenosen.
Auch über die operative Behandlung der gutartigen Stenosen,
ob mit Pyloreetouiie, ob mit Gastro-Enterostomie, sind die An¬
sichten noch immer getheilt. Da es sieh hiebei nicht um die
Entfernung eines bösartigen Tumors, sondern lediglich um Be¬
seitigung eines mechanischen Hindernisses handelt, so kann die
Castro-Enterostomie in diesen Fällen als Radical-Operation bezeich¬
net werden. Die Stenose wird dadurch umgangen, der Strom der
Ingcsta in eine andere Richtung abgelenkt ; auf diese Weise ist
der Organismus wieder in Stand gesetzt, die cingcführte Nahrung
auszunützen, andererseits aber wird auch dem erkrankten Pylorus
jede weitere Reizung durch Hindurchpassiren von Speisen erspart,
und noch nicht völlig vernarbte Geschwüre können sich in Folge
dessen wieder schliessen.
Die sccundäre Dilatation des Magens kehrt wieder zur Norm
zurück, die secretorischen und motorischen Functionen bessern sich.
Rosen heim macht darauf aufmerksam, dass häufig sogar ein
Schluss der Fistel stattfindet und bewies dies durch Gasauftreibung
des Magens, wobei kein Gas in den Darm Übertritt; nach seiner
Ansicht kann überhaupt eine vollkommene Rückkehr der normalen
Bewegungsfähigkeit des Magens nach Gastro-Enterostomic eintreten.
Das alles sind schwerwiegende Momente, welche für die
Gastro-Enterostomie sprechen. Dazu kommt noch der Umstand,
dass auch bei gutartigen Stenosen bisweilen Verwachsungen des
Pylorus mit der Umgebung bestehen, welche eine Pyloreetomio
geradezu contraidiciren. v. Hacker nennt die Gastro-Enterosto-
mie hei gutartiger Stenose eine Radical-Operation und sieht die
Hauptbedeutung der Gastro-Enterostomie in der operativen Be¬
handlung dieser Fülle.
Trotz der geschilderten Vorzüge darf nicht ausser Acht
gelassen werden, dass eine sichere Diagnose über die Natur des
vorliegenden Tumors bisweilen erst durch mikroskopische Unter¬
suchung fest-gestellt werden kann, und für solche zweifelhafte Fälle
hält Müii dl er’’) die Reseetion für indicirt, natürlich vorausgesetzt,
dass der Zustand der Patienten überhaupt noch eine solche zulässt.
Kydygier, der 1881 die erste Pyloreetomio wegen gutartiger
Stenose ausführte, stimmt im Allgemeinen auch hei der Behand¬
lung derartiger Stenosen für die Pyloreetomio und hält letztere,
von geübten Händen ausgeführt, für nicht viel gefährlicher als die
< Jastro-Enterostomie.
Betrachten wir die Statistik, so finden wir in einer Zu¬
sammenstellung von Mintz 7 ) 31 Fälle von gutartiger Stenose,
die mit Reseetion behandelt wurden ; hiebei sind 17 Heilungen
und 14 Todesfälle verzeichnet, woraus eine lleilungsziffer von
54,8 Proc. resultirt. Im Gegensätze hiezu wurde hei 54 mit
Gastro-Enterostomie behandelten Fällen in 71 Proc. Heilung erzielt,
Mintz hält cs für einen Vortheil der Reseetion, dass die er¬
krankten Teile für immer aus den Magen entfernt werden, sowie
dass der Uebergang der Speisen vom Magen in den Darm sich
in normaler Weise vollzieht. Dagegen betont er die grössere
Schwierigkeit dieser Operation gegenüber der Gastro-Enterostomie,
sowie die Unmöglichkeit ihrer Ausführung bei bestehenden Ver¬
wachsungen.
Er kommt zu dem Schlüsse, dass die Pyloreetomio bei
narbigen Stenosen sich nicht rechtfertigen Hesse und empfiehlt bei
Verwachsungen und ausgedehnten Stricturen die Gastro-Ente ros to-
niic, in nicht schweren Fällen die Pyioroplastik; in ähnlichem
Sinne sprechen sich auch S c n n , Doyen, R osenheim und
Mün dl er aus.
v. Hacker 8 ) citirfc 12 Fälle von gutartigerSteuo.se, die mit
Reseetion behandelt wurden und von denen 7 starben ; es bestellt
°) Mün dl er, Die neuerdings an der Heidelberger chirurgischen
Klinik ausgeführten Operationen am Magen.
7 J Mintz, Ueber die chirurgische Behandlung der Magen¬
krankheiten vom therapeutischen Standpunkte aus. Zeitschrift für
klinische Medicin 1894, 25. Band.
8 J v. Hacker, lieber Magenoperationen bei Carcinomen und
narbigen Stenosen.
also eine Mortalität von 58,3 Proc. gegenüber einer Sterblichkeits¬
zitter von 47,6 l’roc., die v. Hacker für die Reseetion beim Car¬
einom an der Wiener Klinik berechnet. Dieser scheinbare Wider¬
spruch erklärt sieh nach v. Hacker dadurch, dass hei dem
schwieligen Gewebe der Narben Stenosen grosse Gefahr des Durch¬
schneidens der Nähte besteht. Er kommt zu dem Schlüsse, dass
die Gastro-Enterostomie zur Behandlung narbiger Pylorusstenosen
zu selten ausgeführt wird, ubwohl sie in vielen Fällen den Werth
einer Radicalo]leration besitzt, ohne deren Gefahr zu thcilcn. Die
Operation seihst bezeichnet er bei narbigen Stenosen als einen
verbältuissmässig unbedeutenden und ungefährlichen Eingriff.
Von G derartigen Fällen, welche v. Hacker operirte, starb
ein einziger an Marasmus und Pneumonie, die übrigen 5 genasen;
hievon starb 1 Patient nach 4 Jahren völligen Wohlseins und
ohne jegliche Magenbeschwcrdeu.
Die Entmündigung der Trinker nach dem neuen
bürgerlichen Gesetzbuche.
Von Privatdocent Dr. Gustav Aschaffenbury, Hilfsarzt, an der
psychiatrischen Klinik in Heidelberg.
Auf der XIII. Hauptversammlung des Preussisehen Medicinal-
beauiten-Vereins zu Berlin am 15. und 16. September 1896 hielt
Herr Kreisphysieus Coester 1 ) einen Vortrag: «Der Alkoholisinus
mit Rücksicht auf die Bestimmungen des neuen bürgerlichen Ge¬
setzbuches und des Strafgesetzbuches».
I )ie beiden ersten seiner Schlusssätze lauten :
1. «Wahrend der bisherige Gesetzgeber nur dann eine Ent¬
mündigung des Trunkfälligen gestattete, wenn dieser für
«wahnsinnig» erklärt worden war 8 ), ist nach § 6, Ab¬
satz 3 des neuen bürgerlichen Gesetzbuches die Ent¬
mündigung auch wegen «Trunksucht» allein zulässig.»
2. -< Zur Feststellung der «Trunksucht» wird die Mitwirkung
uiodieinischcr Sachverständiger nicht immer nütliig sein,
zur Entmündigung aber stets. »
Der in dem letzten Satze ausgesprochenen Ansicht Coester's
kann ich mich nicht anschliessen. Der Wortlaut des citirten
Absatzes 3 des § 6 ist folgender:
«Entmündigt kann worden, wer in Folge von Trunksucht
seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder
seine Familie der Gefahr dos Nothstandes aussetzt oder die Sicher¬
heit Anderer gefährdet. »
Diese Definition eines Trinkers ist durchaus brauchbar, und
es dürfte schwer fallen, sie durch eine bessere zu ersetzen. Die
ganze Fassung aber entzieht — und das meiner Ansicht nach
mit Recht — die Beurtheilung des Grades der Trunksucht den
Aerzten und gibt sic in die Hände der .Juristen und Verwaltungs¬
behörden. Der Absatz 3 lässt den geisteskranken Trinker ganz
bei Seite und zwar desshalb, weil der geisteskranke Trinker nicht
als Trinker, sondern als Geisteskranker nach Absatz 1 des gleichen
Paragraphen entmündigt werden kann. Der Unterschied ist insofern
ein recht bedeutender, als die Entmündigung wegen Geisteskrank¬
heit die Geschäftsfähigkeit auf hebt (i? 104, 3), die
wegen Trunksucht nur beschränkt. Der wegen Trunksucht
Entmündigte bedarf also zu einer Willenserklärung, durch die er
nicht lediglich einen rechtlichen Vortheil erlangt, der Einwilligung
seines gesetzlichen Vertreters (ij 107). Die Willenserklärung eines
Geschäftsunfähigen ist nichtig (ij 105).
Die Feststellung einer alkoholischen Geistesstörung ist Sache
des Psychiaters und sacliverständigen Amtsarztes, seine Mitwirkung
bei dem Entmündigungsverfahren unerlässlich und selbstverständlich.
Anders hei der Feststellung des Zustandes, wie das Gesetz ihn
kenntlich macht, das mit absichtlicher Vermeidung einer Definition
des Ausdruckes «Trunksucht» die Entmündigung zulässt bei Un¬
fähigkeit des Trinkers, seine Angelegenheiten zu besorgen, sowie
*) Diese Wochenschrift 1896, Seite 901.
2 ) Dies bezieht sich auf die Bestimmungen des allgemeinen
preussisehen Landrechtes.
8 *
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MÜNCHENER ME D1C1NISCHK WOCH ENSCHRIFT.
No. 42.
1016 _
äs
nicht anwendbar macht. ) Potatorium die Familie
s 8 STn n "::f ri r mi rs
ss;
rrrttc n f r wtrt sr - *r s.*“» «*.
di» & Neigung «nn, Trinken einen Grad erreich. Imt '1er das
üa aber der «rund zur Entmündigung nach ^ ' • u -
die Berechtigung au der Urtheilaabgabc. Bannt ist ja nicht nun-
verständigen sehr werthvoll sein kann; ich mochte Goes er
= sogar glauben, das» aur Feststellung der -Trunksucht*
die Mitwirkung de» Amte, viel weniger entbehrt werden kam,
als bei der Entmündigung nach dem Wortlaut des „ 6-
Eine andere Frage aber ist die ob überhaupt die « 10 «*
„ mR der Trinker eine zweckmässige Maassregcl ist. Bu du «,»»*■«
Abfassung des Paragraphen, so erfreulich an und ^
Stellungnahme der Gesetzgebung zu der Alkohultragc ,
kein Zweifel dass mit der Möglichkeit der Entmündigung nicht
der Standpunkt des Arztes und des Alkoholkranken *«£
werden sollte, sondern der der Familie des Timkers und der
Öffentlichen Sicherheit. Die enorme Wichtigkeit eine, ecbutac
der Angehörigen soll nicht unterschätzt werden. Darin haben
AerzJ ^eiell wir Irrenärzte, leider eine allzugnisse Erfahrung
welche Leiden und welche Entbehrungen, welche Summe von
Brutalität und Cynismus die unglücklichen Angehörigen von Imkern
fu"n haben. Auch die sociale Bedeutung der Kutmü.uhgung
eines Potators wird erst dadurch ins rechte Lieht gesetzt, das
man die Summen in Berechnung zieht, die durch “tecmilhe c
der Trinker, für ihre Verpflegung in Zucht-, Irren- und Kranken¬
häusern einerseits, für die notwendig der Armenpflege anheim-^
fallenden Angehörigen andrerseits verausgabt ^rden müs en^ H.er
wollte das Gesetz Vorbeugen, und hier zeigt sich seine I nzulang
lichkeit die auf der Versammlung der abstinenten Amte m
Frankfurt a. M. am 20- September 1*96 zu dem schar firn Aus-
spruclic geführt hat: «Die im neuen bürgerlichen Gesetzbuch ent¬
haltenen Bestimmungen, Trinker betreffend müssen als praktisch
vollkommen unzulänglich bezeichnet werden.» Auch der ent¬
mündigte Trinker trinkt weiter; aus meiner Erfahrung u
wir haben in Heidelberg nicht einmal sehr viel Trinker — konnte
ich eine lleihc von Beispielen anführen, wo wegen geistiger Störung
entmündigte Trinker nach wie vor weitertranken. Sind1 die Fami¬
lien einigermassen wohlhabend, so nehmen sie Anstand, die Zahlung
der von ihrem Verwandten gemachten Schulden zu verweigern.
Ich kenne einen Fall, wo ein Entmündigter (Dipsomaue) aut der
öffentlichen Spareasse 130 Mark erhob und anstandslos ausgezahlt
bekam; die Frau scheute sieh, einen Proecss anzustrengen; das
Geld war verloren. Bei ärmeren Familien kommt cs weniger zum
Schulden machen ; dafür findet der Trinker, wenn Alles versetzt
ist, in seiner Brutalität immer ein Mittel, Geld von seiner Iran,
seinen Eltern, zu erpressen: er schlägt sie so lange, bis sie Ge
hergeben. Wer etwas Einblick in das Familienleben von Trinkern
3) Coru missi onsprotokollc nach Hai dien, Das bürgerliche Ge¬
setzbuch nebst Einführungsgesetz mit den Motiven und sonstigen
gesetzgeberischen Vorarbeiten. Stuttgart 18J6, Seite 17.
*) Das wird zwar wohl oft verkannt werden wohl kaum aber
häufiger, als die Verkennung Geisteskranker durch den Strafrichter.
gewonnen hat, wird ohne Weiteres begreifen, warum die Ange¬
hörigen de.» letzte.» Heller hergeben müssen.
Es bleibt also die Entmündigung allein eine praktisch nicht
sonderlich worthvolle Bestimmung. Das was notl» thut und was zu
emiehen Irrenärzte aller Länder seit Jahren, teilweise nicht ohne
Erfolg bemüht sind, ist die Schaffung von ln nkerheilanstalten.
Sehen wir auf der eine.» Seite, dass die Entmündigung ihren
Zweck, Schutz der Familie und der Gesellschaft nur unvollkommen
er eicht und erreichen kann, so eröffnet sieh durch die Schaffung
r Trinkerheilanstalten die Möglichkeit, neben völliger Erreichung .
des Zieles auch aus dem Trinker selbst wieder ein brauchbares
Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu machen. Das lehren
am beredtesten die Jahresberichte von Ellikon ).
Es ist dosshalb Cocstcr nur zuzustimim.», der als Leitsatz b ,
auf stellt^ Inkrafttretcn dea neuen bürgerliche». Gesetzbuches
wird es nöthig werden, für wegen Trunksucht Entmündigte staa - |
So Anstalten einzuriehten, die am besten mit landw.rtl,schuft- ,
liehen Betrieben verbunden werden.» ,
Ich möchte das erweitern; cs ist jetzt schon notl.ig, der-
•irtiee \ustalton zu errichten. Es ist nur desshalb viellcich |
durth das bürgerliche Gesetzbuch notwendiger geworden, «eil
ohne diese Anstalten die Entmündigung der Trinker eine nute-
Zc mit derselben eine ausserordentlich wertvolle Midist
Es ist durchaus erforderlich, dass das Gesetzbuch ^ ;
wird, dass für entmündigte Trinker der AufcnthaU
Trinkerheilanstalt obligatorisch ist, und zwar &
fihrunger» der Aerztc entsprechend — mellt zu kurze .
“ nicht iu unterschätzende Gefahr in den, Z» * « | £
Die Entmündigung 6 ) i»t wieder aufzuheben, wenn e .T Woclici
Entmündigung wegMt. Ein Durch»ehu,tt»t„»ker
zuweilen sehen wenig“ Ta ®“ ."^h “^“gen Wochen »eilen lässt
K KSÄ 7£*
■“Ä üT iÄw-
ilicht"geheilt; zu dieser Zeit würden
-ss
augesetzt werden. Wenn nur uic i Nutzen
systematisch auf diese Weise geheilt wu , Jer An .
für den Staat unendlich grosser als ie Richters zu
Stundungen. Damit erst wäre die Maassregcl d^ K, Urs
einer segensreichen geworden, und der Arzt konnte
Zustimmung zu dem Gesetze gehen. verlassen
Die Besprechung dieser Fragen kann .eh m J b zu
ohne einen ganz bedenkliche», BcscUuss unsc^ VmJ J das
erwähnen. An dem gleichen denkwürdiger T g ^ ^
bürgerliche Gesetzbuch angenommen wurde. ^ Civil .
folgenden Zusatz zu der nothwen lg ^ ^ KntinUn digung
processordnung als erwünscht: <Zu . , befugt.» Es
wegen Trunksucht ist die oder
wären also zur AntragsteHung n W g > ^ hcis8t ab cr.
der Vormund berechtigt. (C.-Pr. U. g „ lassen, auf cm
die Möglichkeit, einen Trinker entmündigen dcm p rut . ke
Minimum einzuschränken. Die Angehörigen, gtcheu pflegen,
der rohesten Gewalttätigkeit des _ r "' . } Potators ein-
würden durch den Versuch, die «Freihet »J^ticn. Wer
zuschränken, sich der direetesten jC j. cr f am iH C n hat, lose
keine Gelegenheit zur Beobachtung von Tnn
B ) Bleuler. Ueber Tnnkerasyle. Beritt^üb d jstiger G e-
nationalen Congress zur Bekämpfung des Missbrauc
tränke zu Basel 1896. Basel, p. * g. dass auch ohne
8) Ich will nicht verfehlen dar . auf b hne dieselbe eine obliga
Entmündigung, ja vielleicht sogar besser ohne diese WeM d
Ehe fzwangsheilung, der T™* Se“chöU 6 »J‘ r ”S
Juristen diese Maassregel etwas ungeheuerlich 2l M 1891
ich auf das Gesetz des Cantons St Gallen ^ g8) _ Unsere
(Smith, Die Alkoholfrage. Tübingen 1895^ EntniQn di^,ing den
Geisteskranken werden ]a übrige - Heilungsaussic
Irrenanstalten überwiesen und dabei ™
leider bei Psychosen geringer als bei AlKono
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20. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1017
.nur aufmerksam daraufhin die Tagesblätter, um zu sehen, in
welcher Gefahr für Gesundheit und Leben die Verwandten von
Trunksüchtigen dauernd schweben. Selbst wenn die Entmündigung
mit einem Heilversuch verbunden wäre, würde die Möglichkeit
eines Rückfalles allein, der Gedanke an das, was ihnen dann bevor¬
stünde, genügen, um die Angehörigen von dem Anträge auf Ent¬
mündigung zurückzuschrecken. Der gewünschten Novelle lag der
Gedanke zu Grunde, es könnte die Entmündigung Trinkender als
Waffe der Staatsgewalt gegen politisch Unbequeme benützt werden.
Sollte aber auch wirklich die zu weit getriebene Rücksichtnahme
auf die Möglichkeit einer derartigen ungerechten Anwendung des
Paragraphen dazu führen, die Antragstellung des Staatsanwalts
bei der Trunksucht einzuschränken, bei den Trinkern, welche die
Sicherheit Anderer gefährden, ist es die Pflicht des Staates ein¬
zugreifen. Hier erfordert es die allgemeine Rechtssicherheit, dass
der Staat schützend für den Einzelnen eintritt, und in solchen
Fällen sollte der Staat nicht nur das Recht, sondern auch die
Pflicht haben, den Antrag auf Entmündigung zu stellen. Die
Pflicht der Aerzte aber ist es, über den Umfang der Gefahr, die
ein Trinker für sich, seine Familie und Andere mit sich bringt,
aufzuklären. Hierzu ist die Mitwirkung des Arztes unentbehrlich,
besonders des Psychiaters und Amtsarztes, der bei der Beurtheilung
des psychischen Zustandes, Begutachtung von Verletzungen und
Unglücksfällen, bei Eifersuchtsdramen und Scctionen immer wieder
die Folgen des Alkoholismus vor sich sieht; die Entmündigung
selbst aber nach dem Wortlaute des § 6, Absatz 3 des bürger¬
lichen Gesetzbuches müssen wir dem Juristen überlassen, nachdem
wir ihn über das Wesen, Prognose und Therapie der Trunksucht
belehrt haben.
Kurze Mittheilung über Formaldehyd-Eiweiss-
Verbindungen.
Von Dr. C. L. Schleich in Berlin.
Als ich in dem von mir empfohlenen Glutol (Formaldehyd-
Gelatine) die eminente Wundheilwirkung erkannte, unterlagen meiner
und Dr. A. Gottstein’s Prüfung eine ganze Reihe auch anderer
Formaldehyd-Verbindungen, so das Serum-Formaldehyd, Amylurn-
Formaldehyd, Eiweiss-, Eigelb-, Globulin-, Nuclei'n-, Hefe-Formal¬
dehyd und auch das Casein-Formaldehyd. Der Gedanke, dem
Glutin ähnliche Körper zu binden und durch Zellthätigkeit wieder
lösen zu lassen, unter gleichzeitiger Selbstdesinfection des Wund¬
rasens, lag ja nach meiner ersten Publication nahe genug. Ich
will aber, da nunmehr mehrere chemische Fabriken sich mit der
Reproduction dieser und ähnlicher Körper befassen, durch diese Mit¬
theilung die von uns längst gefundene Thatsache nachträglich bekannt
geben, nach welcher diese Parallelverbindungen nur in sofern wirklich
reine und dem Glutol chemisch vergleichbare Körper darstellen, als
diese Substanzen Leim in sich, wie fast alle thierischen Gewebs-
productc enthalten. Weder Eiweiss, noch Casein, noch Amylum an
sich werden durch Formaldehyd in dem Sinne einer dem Glutol ver¬
gleichbaren chemischen Verbindung verändert; es kann also weder
auf das «Amyloform» Claassen’s, noch auf das «Cascinformaldehyd»
der Merck'sehen Fabrik meine Theorie von der Glutolwirkung An¬
wendung finden, weil beide Präparate nur Spuren von Formalinleim
resp. chemisch ähnlicher Körper enthalten können; der grosse Ueber-
schuss von zersetzungsfähigem Material kann aber nur dazu
dienen, die Wundverhältnisse zu compliciren, wie denn auch alle
diese von uns sorgfältig geprüften Körper so weit hinter der Glutol¬
wirkung zurückblieben, dass ich aus meiner grossen Untersuchungs¬
reihe über diesen Gegenstand eben nur das Glutol der Nachprüfung
durch die Aerzte empfehlen konnte.
In der Nacherfindung und Anwendung meines absolut neuen
und selbständig entdeckten Principes der Selbstdesinfection der
Wundflächc läge doch nur dann ein ausscrmercantiler Zweck, wenn
die grössere Brauchbarkeit eines ähnlichen Mittels und damit seine
erhöhte Wohlthätigkeit für die Leidenden erwiesen werden könnte.
No. 42.
Feuilleton.
Nicolaus Rüdinger.
Ein Nachruf von Professor J. Rückert.
Im Spätsommer dieses Jahres wurde in München ein Mann
zu Grabe getragen, dessen Name weit Uber die Grenzen seiner
Fachwissenschaft hinaus mit Ruhm genannt wird: der Anatom
Nicolaus Rüdinger. Fast ein Menschenalter hindurch aka¬
demischer Lehrer an einer unserer ersten Hochschulen konnte er
eine grosse Zahl der jetzt lebenden deutschen Aerzte, insbesondere
der bayerischen, seine Schüler nennen. So ist es eine Pflicht der
Pietät, seiner auch an dieser Stelle zu gedenken.
Rüdinger wurde im Jahre 1832 zu Erbes-Büdesheim in
Rheinhessen geboren als das jüngste von 12 Kindern eines kleinen
Gutsbesitzers. Nachdem er schon in seinen Kinderjahren den
Vater durch den Tod verloren hatte, fand er in dem Pfarrer
seines Heimathdorfes einen warmen Beschützer. Dieser Beziehung
ist es wohl zuzuschreiben, dass der Knabe anfänglich für den
geistlichen Stand bestimmt ward, von dem er sich aber wenig
angezogen fühlte. Der dortige Landarzt mit seinem Wägelchen
und dem Schimmel davor, hatten auf seine Kinderphantasie weit
mehr Eindruck gemacht und, wie er später selbst erzählte, in ihm
schon früh die Neigung zum medicinischen Beruf erweckt. Allein
der Weg hierzu sollte ihm nicht leicht gemacht werden. Die
Familie lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen, und so ward
ihm nicht das Glück zu Theil, auf der ebenen Bahn der Gymna¬
sialerziehung sich sorglos seinem Ziele zu nähern, vielmehr sah
er sich schon in jungen Jahren vor die Nothwendigkeit gestellt,
mit eigener Kraft den Kampf um die Existenz aufzunehmen.
Dies hielt ihn nicht ab, eifrig an seiner geistigen Ausbildung
zu arbeiten. Von seinem väterlichen Freund, dem Pfarrer Böhm
in Büdesheim, erhielt er bis zu seinem 18- Jahre privaten Unter¬
richt in den humanistischen Fächern. 1850 siedelte er nach
Heidelberg über, wo sich ihm die ersehnte Gelegenheit bot, medi-
cinische Vorlesungen und Kliniken zu besuchen. Doch erst einige
Jahre später, als ihm nach dem Tode seiner Mutter eine kleine
Erbschaft zugefallen war, kam er in die Lage, sich ganz dem
Studium widmen zu können. In Heidelberg waren Arnold und
H e n 1 e seine Lehrer in der Anatomie. Dankbar gedachte er
später oft der Anregung, die er von Beiden empfangen. Im
Wintersemester 1854/55 ging er nach seiner Landesuniversität
Giessen und legte daselbst den anatomischen Theil einer «Prüfung
für Chirurgie» ab. Dieser Aufenthalt war entscheidend für seine
Zukunft, denn hier trat er in nähere Beziehung zu Bischoff,
zunächst als dessen «Privatassistent». Der damals schon be¬
rühmte Embryologe lernte Rüdinger's aussergewöhnliches Geschick
für die Präparirtechnik bald schätzen und zwar um so mehr,
da er selbst einer solchen Begabung entbehrte. Als er dann
im Frühjahr 1855 nach München übersiedelte, veranlasste er
Rüdinger, der inzwischen zum Dr. med. ext. promovirt worden
war, ihm dorthin als. Prosector zu folgen.
In München harrte des jungen Assistenten ein reiches Feld
der Thätigkeit. Seit Döllinger’s Abgang hatte die anatomische
Disciplin hier daniedergelegen. Die Sammlung in dem baufälligen
«Anatomischen Theater» war fast durchweg veraltet oder verwahrlost,
die Lehrmittel fehlten, das Interesse bei den Studirenden schien er¬
lahmt. Wie Bise hoff hier kraftvoll Wandel schuf ist bekannt.
Aber auch Rüdinger gebührt kein geringer Antheil an dem
Erfolg, denn er stellte fast allein eine neue Sammlung her, die
noch heute zu den besten ihrer Art gehört und einzelne Meister¬
werke anatomischer Kunstfertigkeit enthält. Dabei erfüllte er
seine sonstigen Obliegenheiten als Prosector musterhaft, übte
Lehrthätigkeit auf dem Präparirsaal aus und begann alsbald auch
wissenschaftlich zu publiciren. Und bei all dem fand er noch Zeit,
sich privatim auf das Maturitätsexamen vorzubereiten. Ohne viel
Aufhebens davon zu machen, legte er diese Prüfung im Jahre 1859
am Darmstädter Gymnasium ab. Im folgenden Jahre vermählte
er sich mit der Tochter des Advokaten Ruhwandl und er¬
hielt pragmatische Anstellung als Adjunct der anatomischen Anstalt.
1868 wurde er zum Ehrenprofessor und 1870 zum ausserordent¬
lichen Professor ernannt. Am französischen Feldzug nahm er als
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Mitglied einer freiwilligen Sanitätscolonne Theil und erwarb sieb
das eiserne Kreuz. Als nach Bi schuf f’s Rücktritt Kupffer
im Jahre 1880 auf dessen Lehrstuhl berufen worden war, wurde
llüdinger zum 2. Conservator des anatomischen Instituts und
zum ordentlichen Professor befördert.
Schwere Kämpfe hatte er zu bestehen, bis dieses Ziel er¬
reicht war, denn sein ungewöhnlicher Entwicklungsgang und das
ihm als Autodidacten eigene Selbstbewusstsein hatterf, namentlich
im Anfang seiner Laufbahn, da und dort Anstosx erregt und ihm
Gegner verschafft. Hier war es nun Bi sc hoff, der stets mit
der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit für ihn in die Schranken
trat und in wahrhaft väterlicher Weise alle Hindernisse aus dem
Wege zu räumen bemüht war. lind zwar entsprang diese Hand¬
lungsweise seiner innersten Heberzeugung von Rüdir; gcr’s Werth,
der Gewissheit, dass in ihm der rechte Mann an den rechten
Platz gestellt wurde. So war es im Grunde nur llüdinger’s
eigene Tüchtigkeit, die sich die Bahn gebrochen hat.
Es folgte nun noch eine lange Zeit ruhigen, erfolgreichen
Schaffens in Lehramt und Wissenschaft. Nach Bisehoff’s
Abgang war eine vollkommene Arbeitsteilung in dem Hause an
derSchiIlerstras.se eingeführt worden: Kupffer lehrte die Histo¬
logie und Embryologie, während llüdinger in den Parterro-
localitätcn die deseriptive und topographische Anatomie vertrat,
ln freundschaftlichem Einvernehmen wirkten beide Männer hier
16 Jahre nebeneinander, bis der Tod des einen dieses schöne
und seltene Verhältnis gelöst hat.
Eine kurze 1 ) Darstellung der Leistungen llüdinger's als
anatomischer Forscher und Schriftsteller ist hier um so
weniger zu umgehen, als gerade seine namhaftesten \V orke ihn in
enge Fühlung mit den Kreisen der Praktiker geführt haben.
Es war der grosse « Atlas des peripherischen Nervensystems
des menschlichen Körpers » (München, 1861 —1867), mit welchem
der noch nicht 30 jährige Münchener Proxcctor seinen Namen
als Anatom begründet hat. Das durchaus originale Werk rief
uugctheilte Bewunderung bei den Fachmännern des ln- und Aus¬
landes hervor durch die Klarheit und Präeision der anatomischen
Arbeit, sowie durch eine zuvor nie erreichte Naturtreuc in der
Wiedergabe der Objecte. Zum ersten Mal wurde liier, die Photo¬
graphie als Darstellungsuiittel für anatomische Weichpräparate ver¬
wendet und zwar mit einem Erfolg, der technisch bis heute nicht
über troffen ist. War es doch llüdinger gelungen, das Künstler¬
talent eines Albert für sein Unternehmen zu gewinnen. Um
das kostspielige Werk einem grösseren Publicum zugänglich zu
machen, veranstaltete er später eine Ausgabe 2 ) in kleinerem
Format mit Wiedergabe der Originalphotographien in Stahlstich.
Als weitere Früchte seiner Bearbeitung des Nervensystems sind
mehrere kleinere Specialuntersuchungen ans jener Zeit zu nennen,
so die Abhandlung über die Gelenknerven und 2 Veröffent¬
lichungen über den Sympathicus.
Von der Mitte der 60 ger Jahre an wandte sich llüdinger
eine Zeit lang fast ausschliesslich dem Studium des Gehörorgans
zu. In ununterbrochener Folge erschienen nicht weniger als J4
Publieationen über dieses sein Lieblingsthema, auf das er noch
in seinen späteren Lebensjahren wiederholt zurück kam. Er
bearbeitete makroskopisch und mikroskopisch das häutige Labyrinth,
untersuchte die Gehörknöchelchen und deren Verbindungsweiso,
die Tuba Eustachii, die Gefässcanäle des Schläfenbeins und anderes
mehr. Sein Hauptwerk aus dieser Zeit ist der bekannte « Atlas
des menschlichen Gehörorgans» (München 1867—1870). Wohl
das schwierigste Object makroskopisch - anatomischer Darstellung
hat II ü d i n g e r hier in Angriff genommen und er hat es mit
einer Meisterschaft bewältigt, die staunenswerth ist! Mitten in
diese Zeit angestrengter Thätigkcit fällt noch die Publication einer
umfangreichen vergleichend - anatomischen Abhandlung, der preis¬
gekrönten Schrift «lieber die Muskeln der vorderen Extremitäten
der Reptilien und Vögel». (Haarlem 1868.)
*) Ein vollständiges Verzeichniss von Rüdinger'6 Schriften
wird demnächst im Anatom. Anzeiger publicirt werden.
2 ) «Die Anatomie der menschlichen Gehirnnerven», München,
1868 und « Die Anatomie der menschlichen Rückenmarksnerven >,
München, 1870.
3 ) «Umbildung der Lieberkühn'sehen Drüsen dDrch
Solitärfollikel im Wurmfortsatz» 1891 und «Ueber Leukocyten
Wanderung in den Schleimhäuten des Darmcanals», 1&9N
*) «Ueber künstlich deformirte Schädel und Gehirne von
insulanern». Abh d. k. b. Ak. d. W. Bd. 16. München 1»‘
«Rassenschädel«, 1892.
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20. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Als Lehrer hatte er das Princip, durch ausgiebige und deutliche
Demonstration in der Vorlesung so viel als möglich auf das Anschau¬
ungsvermögen der Hörer zu wirken, ihnen die Augen zu öffnen für
das concrete Object, eine Methode, deren Nutzen gerade für die dem
Gymnasium entrückten Anfänger nicht hoch genug angeschlagen
werden kann. Und wie verstand er sich auf die Kunst des Demon-
strirens ! Durch zahlreiche von dem Nichteingeweihten oft kaum
beachtete Mittel in der Anfertigung, Aufstellung und Vorführung
des Präparates wusste er das Wesentliche für den Beschauer ein¬
drucksvoll herauszuheben. In seinem Vortrag vermied er geschickt
die Klippe monotoner Detailbeschreibung, die in manchen Capiteln
der Anatomie leicht eine Gefahr für den Pocenten wird. So
behandelte er beispielsweise die specielle Osteologie in Verbindung
mit der Myologie, indem er au die Knochen, die Gelenke und
die Mechanik eines .Skeletabschnittes sofort die zugehörigen Muskeln
anknüpfte, und zum Schluss deren Form und Wirkung immer
auch am lebenden Modell erläuterte. Dabei sprach er lebhaft
und übertrag das Interesse, das ihn selbst erfüllte, unmittelbar
auf die Zuhörer. Versuchte einer derselben, sich dem zu ent¬
ziehen, so fand ihn sein scharfes Auge rasch in der Menge heraus
und zwang ihn zur Aufmerksamkeit.
Der Einfluss seiner Persönlichkeit auf die Studirenden trat
besonders auf dem Präparirsaal zu Tage Hier herrschte trotz
der grossen Zahl der Arbeitenden musterhafte Disciplin. Der bis
in’s Einzelne vorgeschriebene Gang der Hebungen wurde peinlich
eingehalten, flüchtige <»der unsaubere Arbeit schlüpfte fast niemals
durch. Und das Alles ging wie das Getriebe einer Maschine
scheinbar von selbst. In Wirklichkeit war es der sachliche Ernst
des Lehrers und seine hervorragende Pflichttreue, die solchen Erfolg
erzielten. Doch wirkte im rechten Moment ein Witzwort aus
seinem Munde, ein launiger Einfall — er war damit im Curs,
wie in der Vorlesung nicht zurückhaltend — oft mehr, als alles
Andere. Nur in seltenen Ausnahmsfälleu griff er zu besonderen
Maassnahmen, wenn ••-ein Exempel statuirt werden musste», wie
der Terminus dafür lautete. Dann freilich entlud sich in dem
sonst oft so friedlichen Baum ein Unwetter von elementarer Gewalt,
das Keiner vergass, der Zeuge war. Immer war Rüdinger
seinen Schülern gegenüber von Wohlwollen erfüllt und verfolgte
deren Entwicklung mit Thcilnahme. Der Student, der hiefür ein
feines Organ besitzt, fühlte das sehr wohl heraus und lohnte es
ihm durch Anhänglichkeit. Rüdinger gehörte zweifellos mit
zu den beliebtesten Lehrern der Hochschule.
Uebrigens beschränkte sich seine Lchrthütigkoit nicht auf den
akademischen Hörsaal. Er hielt alljährlich Vorträge in ver¬
schiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften und hatte Freude
daran, auch gebildeten Laien in populärer Darstellung Einblick in
seine Wissenschaft zu gewähren.
Rüdinger war Denen, welchen er im Leben nahe stand,
ein treuer Freund; hatte er einmal Jemandem sein Vertrauen
geschenkt, an dem hielt er unverbrüchlich fest. Wer vollends
Gelegenheit hatte, in sein überaus glückliches Familienleben Ein¬
blick zu tliun, war gerührt von der liebevollen Fürsorge, mit der
er die Seinen umgab. Bei aller natürlichen Herzensgute hielt er
sich doch frei von Schwäche. Nichts war ihm verhasster, als
Halbheit und Charakterlosigkeit. War doch einer der ausge¬
prägtesten Züge seines Wesens eine ungewöhnliche, schon von
früher Jugend an gestählte Willensstärke. Durch sie überwand
er in bewundernswerther Weise nach und nach alle Schwierig¬
keiten, welche seinem Emporsteigen im Wege standen. Wenn er
hiezu auch vom Ehrgeiz, dieser mächtigsten Triebfeder für mensch¬
liche Errungenschaften, den Impuls erhielt, so schöpfte seine
urgesunde Natur die nachhaltige Kraft doch aus anderen, nie
versiegenden Quellen, aus innerster Freude an rastlosem Schaffen
und aus einer bis in sein Alter jugendlichen Begeisterung für
seinen Beruf. So ist sein an Arbeit reiches Leben ein glück¬
liches gewesen. Glücklich auch dcsshalb, weil ihm schöner Erfolg
besehiedeu ward: in der Erinnerung seiner dankbaren Schüler
wird das Bild des Lehrers fortleben, in der Wissenschaft der
deseriptiven Anatomie sein Name unvergessen bleiben!
Referate und Bücheranzeigen.
Ziehen: Ueber den Einfluss des Alkohols auf das
Nervensystem. Selbstverlag des deutschen Vereins gegen den
Missbrauch alkoholischer Getränke, Hildesheim.
Herkner: Alkoholisnms und Arbeiterfrage. Ver¬
lag von J. F. Lehmann, München.
Das Bestreben des grossen, ganz Deutschland umspannenden
«Deutschen Vereins gegen den Missbrauch alkoholischer Getränke»
richtet sieh in zielbewusster Weise darauf, durch Belehrung über
die physisch, ökonomisch und ethisch schädigenden Wirkungen
des Alkohols seinem übermässigen Gebrauche entgegen zu arbeiten,
durch beständigen Appell an Verstand und Gemüth aller Menschen-
und Vaterlandsfreunde das verderbliche Hebel nach Möglichkeit
einzudämmen. Als eine besonders wirksame Waffe in diesem
Culturkampfc im besten Sinne des Wortes müssen unstreitig ge¬
diegene , mit Thatsachcn und Zahlen aufwartende Abhandlungen
competcnter Autoren betrachtet werden, welche das iu alle Lebens¬
verhältnisse hineiuspielende Thema von den verschiedensten Seiten
her beleuchten. Die vorliegenden Brochüren , im Einzelkaufe zu
30 resp. 20 Pf. erhältlich, gehören zu den besten derartigen
Schriften, deren Verbreitung sieh der Verein angelegen sein lässt
Der Jenenser Psychiater Ziehen beleuchtet eingehend die wich¬
tigen Besultate, welche die exj>erimentelle Psychologie hinsichtlich
der Wirkung des Alkohols auf die Psyche erhalten hat. Diese
junge Wissenschaft, welche mit ihren Ergebnissen auch schon auf
die Schule einen praktischen Einfluss zu nehmen beginnt, ist be¬
kanntlich im Stande, mittels sinnreicher Zcitmessungsapparate die
verzögernde oder beschleunigende Einwirkung der verschiedensten
Factoren auf einfache psychische Vorgänge zu bestimmen, woraus
sieh dann Schlüsse für die psychische Thätigkeit überhaupt ziehen
lassen. So lässt man auf ein Signal hin möglichst rasch eine
bestimmte Bewegung ausführen (Bestimmung der Reactionszeit)
oder man lässt auf ein gegebenes Wort möglichst rasch das der
Versuchsperson zunächst einfallende Wort nennen (Bestimmung
der Associationszeit), oder man stellt die Menge der in einer be¬
stimmten Zeit addirbaren Zahlen fest u. s. w. Bei diesen und
ähnlichen Versuchen hat sieh nun herausgestellt, dass der Genuss
von 25 g Alkohol (= ’/■* 1 Bier oder 1 Wein) zunächst eine
kurzdauernde, 15—30 Minuten währende geringe Beschleunigung
der psychischen Proeesse herbeiführt, worauf sich eine zunehmende,
schliesslich sehr erhebliche und meist erst nach mehreren Stunden
verschwindende Verlangsamung anschliesst. Beschränkt man da¬
gegen die Dosis auf 6 —10 g Alkohol oder noch weniger (1 Quart
Bier, 1 Glas Wein), so bleibt das Depressionsstadium ganz aus.
Diese Versuche beweisen schlagend die ja erfahrungsgemäss
längst feststehende, aber doch gern mangels exacter Beweise
wegdisputirte Thatsache, dass ein gewisses und wie wir sehen
durchaus nicht grosses Quantum Alkohol eine deutlich schädigende
Einwirkung auf die geistige Thätigkeit hat, die bei dem Gewohn¬
heitstrinker sieh leicht in Permanenz erklärt, trotzdem eine gewisse
Gewöhnung an das Gift eintritt. Bei ausgesprochenen Trinkern
lassen sich übrigens auch anatomische Zeichen der Verheerung in
Form von Atrophie der Rindenganglienzellen nachweisen. Auf die
schweren klinischen Erscheinungen des chronischen Alkoholismus,
wie sie Ziehen weiter schildert, brauchen wir hier, als in ärzt¬
lichen Kreisen zur Genüge bekannt, nicht cinzugehen.
Ziehen ist kein absoluter Gegner des Alkoholgenusses. Er
kommt in praktischer Hinsicht vielmehr zu dem Schluss, dass speeicll
für das Bier der Genuss von etwa 1 1 pro Tag keinen Anlass zu
Befürchtungen darstelle. Er stellt demnach dieselbe Grenze für
den unschädlichen Genuss auf, die auch der Referent in einem
Vortrage bei Gelegenheit der Generalversammlung des genannten
Vereins namhaft gemacht hat. (Das Bier in der Alkoholfrage,
erschienen im Verlage des Vereins, Hildesheim.) Die so gut wie
immer fuselhaltigeu und dadurch in jeder Quantität schädlichen
Branntweine und Liqueurc, auch die feinsten nicht ausgenommen,
erfahren dagegen gerechter Weise ciD vollständiges Verdammungs-
urthcil. Im Kindesalter, bis zum 15. Jahr, will der Verfasser
in IJebcreinstimmung mit allen einsichtigen Acrzten völlige Ab¬
stinenz vom Alkohol beobachtet wissen.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
Herkner, der arbeiterfreundJiche Verfasser der nicht minder
interessanten zweiten Schrift, beschäftigt sich mit den Fragen, ob die
Arbeiterschaft mehr als die besser situirten Classen dem Alkohol
huldige, welches die Ursachen seien, die den Arbeiter zum Trünke
brächten und auf welche Weise Abhilfe zu schaffen sei. Er
glaubt, dass eine besondere Inclination der besitzlosen Classen zum
Alkoholmissbrauch im Gegensätze zu den besitzenden nicht nach¬
zuweisen sei und erinnert treffend an das Wort jenes Ofticicrs-
burschen, den Bismarck einmal im Reichstag citirte: «Ja, wenn
es den Herren einmal passirt, dann heisst es, sie sind heiter ge¬
wesen. Wenn cs unsereinen trifft, so heisst es, das Schwein ist
besoffen.»
Allerdings wirkt der Alkohol auf den Arbeiter in Folge der
wirtschaftlichen und häufig auch physischen Schwäche desselben
meist verderblicher, als auf den Besitzenden. Die besonderen
Ursachen, welche die Arbeiterschaft dem Trünke in die Arme
treiben können, erörtert der Verfasser in warmherziger Weise.
»Sie sind der Hauptsache nach darin gelegen, dass der Arbeiter
eines «Sorgenbrechers» eben vielfach häufiger bedarf, als sein vom
Glück mehr begünstigter Nächster und so sich leicht dem falschen
Freunde überliefert, der ihn langsam dem Verderben entgegen¬
führt. Der Verfasser weist übrigens mit Nachdruck darauf hin,
dass damit der Arbeiter keineswegs seiner Verantwortlichkeit ledig
gesprochen werden solle, wie das auch von vernünftigen Stimmen
aus der Arbeiterwelt selbst, vor Allein in England, hervorgehoben wird.
Mit Entrüstung liest man die auf actenmässigcs Material
sich stützenden Ausführungen des Verfassers, welche darthun,
wie bis in die neueste Zeit hinein, wenn auch jetzt seltener als
früher, die Trunksucht der Arbeiter aus eigennützigen Motiven
von Arbeitgebern, welche Schankstätten mit ihrem Betriebe ver¬
banden, begünstigt, ja oft geradezu erzwungen wurde. (Verwandte
Missstände liegen übrigens bei uns vor, wenn z. B. Wirthe ihren
Lieferanten die Kundschaft entziehen, wenn sie nicht genügend
bei ihnen consumiren. Ref.)
Für die wirksame Einschränkung des übermässigen Alkohol¬
genusses in den unteren Volksschichten sieht der Verfasser den
einzigen Weg in dem Vorangehen der gebildeten Stünde mit gutem
Beispiel. Er betont mit Recht, wie es schon so oft geschehen
ist, dass überreichliches Trinken des, fast möchte man sagen,
patriotischen Nimbus ein für alle Mal entkleidet und in guter
Gesellschaft einfach als unanständig geächtet werden müsse. Wenn
des Weiteren die Anhänger der Mässigkcitsbewegung sich bemühen
würden gegen das dem Alkoholismus einen so fruchtbaren Boden
bietenden sociale Elend mit allen Kräften anzukämpfen, so werde
es nicht fehlen, dass der Arbeiter allmählich Vertrauen fasse und
der Belehrung ein williges Ohr leihe. Moritz.
J. Boas: Diagnostik und Therapie der Magen¬
krankheiten. II- Tlieil mit 8 Holzschnitten. Dritte, veränderte
Auflage. Leipzig. T h i e ro e. 1896.
Von diesem, wiederholt eingehend besprochenen und lobend
hervorgehobenen Buche (vergl. diese Wochenschr. 1891, No. 27;
1893, No. 36; 1895, No. 14) ist binnen Jahresfrist ein neuer
Abdruck nöthig geworden. Es genügt diese Thatsache, um zu
zeigen, dass auch die weitesten Kreise der ärztlichen Praktiker
sich dem in diesen Blättern ausgesprochenen günstigen Urtheile
angeschlossen haben. P e n z o 1 d t.
C. Wegele: Znr Therapie der Verdauungskrank¬
heiten. II- Theil: Die diaetetischc Behandlung der Magendarm-
erkrankungen, mit einem Anhang: Die diaetetischc Küche. Zweite
verbesserte Auflage. Jena. G. Fischer. 1896.
Dieses von einem Praktiker für den Praktiker geschriebene
Buch (vergl. diese Wochenschr. 1893, No. 48; 1896, No. 21)
findet sich in den Händen vieler Aerzte. Daher ist schon bald
die jetzt vorliegende zweite Auflage nöthig geworden. Dieselbe
trägt nicht nur den neueren Erscheinungen auf dem Gebiet der
Magenkrankheiten überhaupt und der Diaetetik im Besonderen ge¬
bührend Rechnung, sondern zeichnet sich auch durch die Ein¬
verleibung immer reicherer persönlicher Erfahrung des Verfassers
au8 P e n z o 1 d t.
F. Roux: Formulaire aide-mömoire de la faenltö
de mädecine et des m^decins des hopitaux de Paris.
Quatri&me Edition. Paris 1896. G. SteinheiJ, dditear.
Das Buch ist ein Analogon zu dem in Deutschland wohl
bekannten Pendant: «Die Therapie an den Wiener Kliniken* von
Landesmann, indem es in ähnlicher Weise wie letzteres die
von den Pariser Klinikern geübte Behandlungsweise enthält. Laut
seiner Vorrede dient es dem Zweck, den Praktiker rasch und
sicher über plötzlich an ihn herankommende therapeutische Zweifel
hinweg zu bringen. Zu diesem Behufe sind die Artikel nach
der «brutalen» alphabetischen Reihenfolge geordnet, um die rasche
Orientirung zu erleichtern. Für die meisten deutschen Amte
dürfte die französische Nomenclatur aller pharmakologischen An¬
gaben die Benützung erschweren. Bezüglich des Inhaltes ist
hervorzuheben, dass auch specielle chirurgische Fragen in diesem
therapeutischen Lexikon behandelt sind, sowie auch die Therapie
der kleineren Specialfächer. Praktischer Weise ist dem Boche
auch eine Uebersicht über die neuen und neuesten Medicamente
beigegeben. Dr. Gr assmann-München.
Neueste Journalliteratnr.
Centralblatt für innere Medicin. 18%, No. 41.
B. Goldberg - Köln: W eitere Mittheilang zur Abortion der
Gonorrhoea incipiens.
Verfasser hat bei 14 Kranken mit Gonorrhoe 13 mal Behr
günstige Erfolge durch Ausspülungen der Harnröhre mit übermangan¬
saurem Kali erzielt. Ueber die ersten 4 Fälle hat G. bereite im
Centralblatt für die Krankheiten der Ham- und Sexualorgane,
Band VII, Heft 3 und 4, berichtet. Von 14 beginnenden Gonor¬
rhoen wurden durch die mitgetheilte Behandlung, die Janet'sche
Abortivmethode, 7 in weniger als 1 Woche, 6 in weniger als
2 Wochen geheilt; der einzige Kranke, der nicht abortiv geheilt
wurde, aber keineswegs ungeheilt blieb, war schon vom 7 Tage ab
3 Tage gänzlich unbehandelt, zudem den grössten körperlichen
Strapazen ausgesetzt. Alle Patienten wurden ambulant behandelt.
Der Verfasser ist auf Grund seiner Erfahrungen überzeugt,
dass wir in der Janet'schen Abortivbehandlung, wenn ßie richtig
ausgeführt wird, ein sicheres Mittel besitzen, um die beginnende
Gonorrhoe im Keime zu ersticken. W. Zinn-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 41.
1) G. Heinriciu s-Helsingfors: Ruptura uteri sub partu.—
Amputatio uteri supravaginalis.
Der Fall betraf eine 26 jähr. III. Para mit folgenden Becken-
maassen: Sp. il. 25, Cr. il. 25, Tr. 32; Conj. ext. 18, Conj. diag. 10,25,
Conj. vera 8,5. In den beiden ersten Geburten war die Frucht mit
der Zange entwickelt und abgestorben; bei der dritten gelang es,
die künstliche Frühgeburt durch Wendung zu beenden und ein
lebendes Kind zu erhalten, das am Leben blieb. Bei der vierten
Geburt kam es zur Ruptur durch die Wand des unteren Uterin¬
segmentes bis in das Corpus Uteri; die Verletzung wurde erst erkannt,
nachdem die abgestorbene Frucht durch Wendung extrahirt war.
Darauf machte H. sofort die supravaginale Uterusamputation;
Patientin genas trotz einer durch die Narkose bedingten Aether-
pneumonie.
2) Th orn - Magdeburg: Zur Casuistik der Castration bei
Osteomalacie.
31jfthr. II. Para, die nach der zweiten Geburt osteomalaciscb
wurde. Th. machte ausser der Castration noch die Ventrifixatio
uteri; Patientin genas vollständig.
Als Ursache der Krankheit, die Th. im Vorjahre noch einmal
beobachtete, vermuthet er Verunreinigungen des Elbwassers durch
Kochsalz und Kalisalze, die aus dem Mansfelder See stammen.
Weitere Fälle sind ihm allerdings nicht bekannt geworden.
J aff ö-Hamburg
Tirchow’s Archiv. 144. Band. Supplementheft.
1) Göppert: Ein Beitrag zur Lehre der Lympbosarko-
matose. Mit besonderer Berücksichtigung der üblichen Ein-
theilungen. (Aus dem pathologisch-anatom. Institute zu Heidelberg.)
Verf. geht nach Beschreibung eines von ihm genau untersuchten
Falles eines primären Lymphosarkoms der Thymus mit Metastasen
in beiden Nieren und inguinalen und retroperitonealen Drüsen auf
Aetiologie und Charakter der Lymphosarkome, einer zuerst von
Virchow mit diesem Namen definirteu Geschwulstgruppe, näher
ein. Des Weiteren wendet sich Verf. vor Allem gegen den Aus¬
druck Pseudoleukaemie, dem er jede Berechtigung abspricht, da
derselbe Krankheiten von ganz verschiedenem Charakter umfasse.
2) Th. T. Tschistowitsch: Ueber die pathologisch- Ma¬
tomischen Veränderungen des Gehirnes bei der asiatischen
Cholera. (Aus dem pathol.-anatom. Laboratorium des Herrn Prot.
K N. Winogradow zu St. Petersburg.)
Die Untersuchungen des Verf., die sich auf 62 Fälle erstrecken,
ergaben, dass die Gehirnaffection, die durch das Choleragift hervor
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20. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1021
gerufen wird, in einer acuten Degeneration und Nekrose der Nerven¬
zellen besteht, wobei die Hemisphärenrinde am meisten betroffen
wird, am wenigsten das Kleinhirn, und die Medulia die Mitte ein¬
nimmt. Da weder von Seiten des Gefässsystems noch von Seiten
der Neuroglia eine active empfindliche Reaction statthat, hat der
pathologische Process mit der Hayem'schen Encephalitis hyperplastica
absolut nichts gemein, wie früher allgemein angenommen wurde.
3) 8chmaus und Albrecht-München; Untersuchungen
über die käsige Nekrose tuberculösen (iewebes. (Aus dem
pathol. Institute der Universität München.)
Die sehr difficilen Untersuchungen ergaben im Wesentlichen,
dass die Verkäsung tuberculösen Gewebes mit der Bildung einer
fadig-netzförmigen, von den Verfassern Fibrinoid genannten Substanz
in den centralsten Theilen beginnt und sich in centrifugaler Richtung
ausdehnt. Dieses Fibrinoid ist dem Hyalin zwar ähnlich, aber nicht
identisch mit demselben und stellt eine aus den Gefässen stam¬
mende, dann erstarrende Transsudationsmasse dar. Die hyaline
Umwandlung des Tuberkels findet gleichzeitig neben der Fibrinoid¬
bildung und Verkäsung statt, beginnt aber stets an der Peripherie
und schreitet von da nach dem Centrum fort.
4) Liebmann; Studien über das Koch'sche Tuberculin.
(Aus dem Bürgerspitale zu Triest.)
Verf. constatirt, dass bei tuberculinisirten Thiereu der Bacillen¬
gehalt des Blutes stets vermehrt ist, und führt dies auf eine chemo-
tactische Wirkung des Tuberculins zurück. Der mikroskopisch-histo¬
logische Befund zeigt zunächst einen Unterschied in der Vertheilung
und Entwicklung der tuberculösen Producte, indem die Organe
tuberculinisirter Thiere spärlichere aber grössere, vollkommen käsige
Herde enthielten, ferner ist die Reaction des umgebenden Gewebes
eine bedeutendere in Folge der grösseren Anhäufung von Tuberkel¬
bacillen. Das Tuberculin scheint in jeder Beziehung die Wirkung
der Bacillen zu potenziren.
6) Sack Heidelberg: Was ist die Zaraath (Lepra) der
hebräischen Bibel?
Zaraath ist nicht, wie man bisher annahm, identisch mit Lepra,
sondern eine squamöse, überfragbare Hautkrankheit pilzlicher Art
und zwar Trichophytie oder Herpes tonsuraus.
6) Notkin: Zur Schilddrüsen-Physiologie. (Aus dem physio-
logisch-chem. Laboratorium der Universität Kiew.)
Die acute thyreoprive Kachexie und das Myxoedem werden
durch zwei verschiedene Gifte verursacht. Erstere, die nach Aus¬
fall der ganzen Schilddrüsenfunction entsteht, wird vor Allem durch
ein die Krämpfe auslösendes Gift nicht eiweissartiger Natur ver¬
anlasst, letzteres durch einen vom Verf. Thyroproteid genannten
eigenthümlichen Eiweissstoff. Dies Thyroproteid, das Kropf und
Myxoedem verursacht, ist als Exeret, als Product des allgemeinen
Stoffwechsels zu betrachten Die Function der Schilddrüse besteht
nun darin, dass sie zwei specifisch wirksame Stoffe bildet: l. das
Thyreoantitoxin, das die Tetanietoxine entgiftet; 2 . das Thyrojodin
gegen das Thyroproteid. Letzteres in der Schilddrüse gesammelt,
wird durch ein Enzym derselben in Beine früheren Restandtheile
gespalten, wobei sich der Eiweisscomponent mit dem Thyrojodin
vereinigt.
7) Donath-Budapest: Zur Wirkung der Schilddrüse. (Aus
dem hygienischen Institute des Prof, von Fodor.)
Die Versuche des Verf. sollten vor Allem die Wirkung der
Schilddrüse auf Blutbeschaffenheit, Temperatur und Stoffwechsel
kennen lehren. Es zeigte sich, dass Einverleibung von Schilddrüsen-
glycerinextract bei Kaninchen in kleineren Gaben (0,05 g per Kilo
gramm) die Alkalinität des BluteB und Zahl der rothen Blutkörper
steigerte, während grössere Dosen giftig wirkten. Deutliche Tem¬
peraturerhöhung trat jedoch erst bei Injection von 1 g Schilddrüsen¬
substanz per Kilogramm ein Bei 0,1 g pro Kilogramm fand sich
bereits Eiweiss im Ham. Was die Körpergewichtsabnahme nach
Schilddrüsenfütterung anbelangt, so handelt es sich dabei besonders
um gesteigerte Fettverbrennung, doch wird gleichzeitig auch beträcht¬
licher EiweisBzerfall bewirkt, der namentlich die Herzthätigkeit
schwächt.
8) R. Virchow. Zur Frage der Kropfkachexie.
Das Schwinden der Kropfgeschwillst in Folge Jodbehandlung
ist so zu erklären, dass durch letztere ein Zerfliessen der Gallert-
concretionen herbeigeführt wird. Hierbei wird die Erweichungs-
fiü8sigkeit resorbirt, keineswegs Gewebssaft. Bei Untersuchungen
über die Ursache der Kropfkachexie dürfte sich vor Allem em¬
pfehlen, die Erweichungsstoffe für sich zu untersuchen und sie vom
Gewebssaft möglichst zu trennen. Burkhardt
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 41.
1) G. Gottstein-Breslau: Die Verwendung der Schleich’-
sehen Infiltrationsanaesthesie.
G. berichtet über den Erfolg der Methode hei 118 klinischen
und poliklinischen Operationen; ca. 50 Proc der Fälle waren Tumoren
bis Hühnereigrösse. Von grösseren, unter Infiltrationsanaesthesie
gemachten Operationen sind besonders zu erwähnen 10 Gastro¬
stomien, 2 Hernia incarcerata, 1 Thoracotomie bei Empyema pleurae.
Nur in 13 Fällen war der Erfolg der Anaesthesirung mässig, in allen
übrigen aber vollständig befriedigend. Bezüglich der Technik ver¬
weist Verfasser auf die Arbeiten von Schleich und Hofmeister
2) A. Loewy-Berlin: Ueber Veränderungen des Blutes
durch thermische Einflüsse.
L. berechnete den Trockenrückstand des Blutes von Kaninchen,
welche er kürzere oder längere Zeit in einen Wärmekasten (mit bis
36° C Temperatur) gesetzt hatte. Durch Vergleich mit dem Blute
nicht erwärmter Thiere fand er, dass das Blut des erwärmten Thieres
wässeriger war, als das des normalen. Dabei hatte aber trotzdem
der Wassergehalt des Serums abgenommen. Aus weiteren Ueber-
legungen und Versuchen kommt Verfasser zu der Ansicht, dass das
Hauptmomeut der erwähnten Blutveränderung in einer geänderten
Vertheilung der körperlichen Elemente im Gefässsystem bestehe.
3) E. Gebert-Berlin: Ueber eine Familienepidemie von
extragenitaler Syphilis.
ln einem Vortrage der Berliner medicinischen Gesellschaft
(12. Febr. 1896) beschrieb Verfasser einen Fall, wo in 7 Fällen eine
Ansteckung mit Lues auf extragenitalem Wege und zwar 6mal per os,
1 mal per mammillam erfolgte. G schreibt der künstlichen Ernährung
der Säuglinge in städtischen Arbeiterfamilien einen günstigen Ein¬
fluss auf die Verhütung familiärer Luesepidemien zu.
4) 8 . P 1 a c z e k • Berlin: Intrauterin entstandene Arm¬
lähmung.
Cfr. das Referat in No. 25 d. Wochenschr., Sitzung der Berl.
medic. Gesellschaft.
5) C. Frän kel - Berlin: Die Bekämpfung der Diphtherie.
Siehe das Referat d. Wochenschr. über die 21. Versammlung
des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Kiel.
Dr. Gr assmann-München.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1 m96, No. 42.
1) C. Helbing: Zur Kenntniss der Rückenmarksverände¬
rungen beim Menschen nach Thrombose der Aorta abdominalis.
(Aus dem pathologischen Institute der Universität München.)
Ein Vergleich der durch die experimentelle Unterbindung der
Aorta abdominalis beim Kaninchen im Lendenmark bewirkten Ver¬
änderungen mit dem im beschriebenen Falle nach Thrombose der
Bauchaorta innerhalb 5*/a Wochen vorliegenden Befunde (Degeneration
der hintern und vordem Wurzeln mit anschliessender Degeneration
der Fasern der grauen Substanz, Veränderung der Ganglienzellen
in beiden Vorderhörnern und starke Degeneration der Hintersträn^e,
geringe Degeneration der Vorderseitenstränge) lässt es zweifelhaft
erscheinen, ob die Ernährung des Lendenmarkes beim Menschen
ebenso von der Bauchaorta abhängig ist, wie die Experimente beim
Kaninchen ergaben. Interessant ist an dem Falle ferner die Nekrose
des Nervus ischiadicus und die Gangraen des Beines der stärker
betroffenen Seite, Verhältnisse, wie sie nach Amputationen zur Be¬
obachtung kommen.
2) H. Habel: Die Bedeutung des Herpes labialis bei
der Differentialdiagnose zwischen eitriger und tuberculöser
Meningitis. (Aus der medicinischen Universitäts-Klinik in Zürich).
H. constatirte das von Klemperer ais differentialdiagnostisch
wichtiges Zeichen der Cerebrospinalmeningitis angegebene Auftreten
des Herpes labialis bei einem Falle von tuberculöser Meningitis,
der dritte bisher in der Literatur bekannte Fall. Die Lumbal -
punction ergab ein negatives Resultat, da der Duralsack gegen die
Regel leer war. Als charakteristisch für tuberculöse Cerebrospinal-
Flüssigkeil wird erwähnt, dass sich in derselben nach wenigen
Stunden ein schleimartiges Gerinnsel bildet
3) H. G. Stutzer: Mittheilungen über elastisches Gewebe
im menschlichen Auge. (Aus dem Laboratorium der Universitäts-
Augenklinik in Greifswald).
Ein Beitrag zur Anatomie des Ciliarkörpers «und des Brücke¬
schen Muskels.
4)0 Rosenbach: Inwieweit hat die Bacteriologie die
Diagnostik gefördert und die Aetiologie geklärt?^ (Schluss aus
No. 41 d. W.).
Der lesenswerthe Aufsatz wendet sich gegen;das Uebergewicht,
welches die bacteriologische Untersuchung gegenüber den andern
Hilfsmitteln der Diagnostik zu erringen geneigt ist, und bespricht in
skeptischer Weise die bisherigen Errungenschaften der Bacteriologie
und die Veränderungen, welche durch sie auf dem Gebiete der
Aetiologie, der Prognose und in der Lehre von der Ansteckung
bedingt wurden.
r>) Knau er-Görlitz: Ein verurtheilter, im Gefängnis» ver¬
storbener und post mortem rehabilitirter Geisteskranker (Pa¬
ralytiker).
Ein Beitrag zu der actuellen Frage der Reform des Irrenwesens.
6) W. Marcuse: Nachtrag zu dem Fall von Dermatitis
und Alopecie nach Durchleuchtungsversuchen mit Röntgen-
Arabien.
Bei dem in No.'.30 dieser Wochenschr. beschriebenen Falle
on Alopevie wurde nach Ablauf eines Vierteljahres eine fast völlige
iestitutio ad integrum conslatirt.
7) Stob wasser-Eutin: Chloroformmaske mit Stirn binde.
Die Fixirung der Maske an der Stirnbinde erspart eine Assistenz
ind erleichtert die Controle der Narkose. F L.
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1022
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42
Vereins- und Congressberichte.
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21- bis 20. September 18i)G-
Section für Kinderheilkunde.
1. Sitzung am 22- September 185)0.
Referent: I)r. B. B e n di x - Berlin.
Vorsitzender: San.-Rath l)r. H. Reh n • Frankfurt a. M.
Schriftführer : Br. E. K ah n - Frankfurt u. M.
Referent Herr Br. L o o s - Innsbruck : Spasmus glottidis.
Redner berichtet hauptsächlich über seine persönlichen Er¬
fahrungen bei dieser Krankheit. Kr sah im Laufe der letzten
fünf Jahre auf der (irazer Kinderklinik 164 Fälle von Spasmus
glottidis. Wenige Ausnahmen abgerechnet zeigten diese Kinder
summt liehe Symptome der Tetanie Erwachsener neben dem Stimui-
ritzenkrumpfc, d. li. Faeialisphaenoinen. mechanische Muskcl-
und Nervenerregbarkeit und das Trou sseau ’ sehe Phaenonien.
ln den wenigen Fällen, in denen eine elektrische l ntcrsuchung
gemacht werden konnte, offenbarte sich auch hier das für die
Tetanie charakteristische Verhalten. Bie Kinder standen meist
im Alter bis zu zwei Jahren. Ber grösste Theil der Kinder
war rachitisch; Viele derselben hatten geringe Grade der Kranio-
tahes. Manchmal war das Leiden noch mit andern Krankheiten
complieirt.
Redner führt die Gründe an. die ihn bewegen, anzunehmeii,
dass die Rachitis trotz alledem in keinem ursächlichen Zusammen¬
hang mit dem Spasmus glottidis und der Tetanie der Kinder stehe.
Ber Spasmus glottidis gehört vielmehr zum Syuiptouicncomplcx
der Tetanie bei Kindern bis zu zwei Jahren, er ist dasjenige
Symptom, welches hei den Fällen ohne spontane (’ontraeturen
auf die Anwesenheit der Tetanie aufmerksam macht, er ist zu¬
gleich die gefährlichste Erscheinung dieser Krankheit in diesem
Alter. Filter den 104 Fällen aus Graz waren 14 Todesfälle
vorgekommen, darunter ein Theil während und durch einen laryngo-
spastischeu Anfall; ein anderer Theil ist auf zufällige (oinp)icationeii
zurüekzuführeii.
Redner spricht schliesslich noch über die Therapie, Actiologie
und manche andere diese Krankheit betreffenden Funkte.
Korreferent Herr Rudolf F i s c h 1 - Frag. Redner betont
Eingangs seiner Ausführungen unsere höchst mangelhaften Kennt¬
nisse über das Wesen der drei in Rede stehenden Froeesse, was
von vornherein die Reurtheilung ihrer gegenseitigen Beziehungen
erschwert, und entwickelt dann in grossen Zügen die Geschichte
der Tetanie und eliarakterisirt ihre Formen, die er als manifeste
und latente bezeichnet, sowie die diagnostische Valenz ihrer inter
vallären Symptome, von denen er obligate und faeultative unter¬
scheidet. Bezüglich der Stellung des Glottiskrampfes zur Tetanie
kann sieb Vortragender unter Anerkennung der Verdienste von
Loos in dieser Frage doch nicht ganz auf seine Seite stellen,
da es, wie seine grosse persönliche Erfahrung zeigt, genügende
Zahlen von Laryngospasmon gibt, in denen Tetanicsym ptomc
dauernd fehlen und die mithin als Inrvirte Tetanie zu bezeichnen,
nicht gerechtfertigt ist. Ein bindender Zusammenhang zwischen
Rachitis, Tetanie und Spastn. glott. bestellt nicht, da weder
alle diese Fälle rachitische Erscheinungen zeigen, noch, wie Redner
an Blagrammen demonstrirt, in ihrem zeitlichen Verlaufe völlig
überein,stimmen, noch stets auf Phosphor reagiren, welch’ letzteren
er überhaupt für kein diagnostisch ausschlaggebendes Kpceitieum
hält. Ber Glottiskrampf ist wahrscheinlich eine partielle Konvulsion
iiu Sinne Cheadlcs, und die Tetanie ein Laryngospasmus mit
inneren eonvulsiven oder tetanischen Bcgleitsymptomcn, die all¬
gemeinen Konvulsionen etc. nur Glieder einer Kette von Keiz-
(Tschoinungen des kindlichen Centrain; rvenSystems, die unter den
verschiedensten Einflüssen zu Stande kotnmcu können. Viel eher
ist F. geneigt, in der Actiologie dieser Zustände toxische Einflüsse,
wie sie sich auf Grund von Magemlarmstörungen etabliren, gelten
zu lassen, mahnt aber in der Bcurthcilung solcher Dinge zur
Vorsicht, da die grosse Frequenz der Kaeliitikcr und Darmkranken
in Kinderambulatorien leicht ein Nebeneinander zum scheinbaren
Causalnexus stempelt.
An die infectiöse Natur der Tetanie glaubt er nicht, zumal
sieh gegen jeden für dieselbe geltend gemachten Grund mehrere
Gegengründe an führen lassen; auch die idiopathische Tetanie hält
er für selten. Zur Klärung der Actiologie würden sich nach
seiner Meinung besonders Harnuntersuchungen auf toxische
Substanzen empfehlen, zumal nach dieser Richtung schon einige
Anfänge gemacht sind. Bas Wesen des Processes bleibt unklar,
auch ist uns der Sitz nur vermuthungsweise bekannt und wohl
kein constanter, die pathologisch - anatomischen Befunde legen es
nabe, in der Mehrzahl der Fälle flüchtige functionellc Störungen
anzuncluuen, deren Ilervorbringung durch Toxine aus dem Magen-
Darmcanal noch die plausibelste Vorstellung ist. Fi sch 1 schließt
mit der Hoffnung, dass die heutige Diskussion so hervorragender
Faehgenosson manchen dunklen Funkt klären werde.
Herr A. Epstein- Frag: Ueber kataleptische Erschei¬
nungen bei rachitischen Kindern.
Bei 8 Kindern, von denen das jüngste 18 Monate, das älteste
3 1 / B Jahre alt war, beobachtete E. katalepsieähnliehc Bewegungs¬
hemmungen. Die Erscheinung wirkt hier um so überraschender,
als man gerade in diesem Alter auf eine Beharrlichkeit der
Stellungen und noch dazu solchen, welche von einem Anderen
beigebracht werden, nicht gefasst ist. Erhebt man eine untere
Extremität, so bleibt dieselbe durch längere Zeit in der gegebenen
Höhe und senkt sich nur ganz allmählich herab. Dies dauerte
manchmal lö—20, in einem Falle sogar 45 Minuten. Aendert
man Hie Stellung der Extremität und ihrer Abschnitte, so wird auch
diese beibehalten, ebenso ungewohnte und unbequeme Stellungen.
Bas Phaonomcn ist constanter und deutlicher an den unteren Ex¬
tremitäten als an den oberen ausgesprochen. Eine tonische Starre
ist an der kataleptisch gestellten Extremität nicht zu beobachten.
Bie lleflcxerregbarkeit auf sensible Reize scheint herabgesetzt. Be¬
merkenswert h ist, dass die durch Faradisation erzeugten .Stellungs-
ündcrtmgen nach Auf hören des elektrischen Reizes ebenfalls bei-
bchalten werden.
Sämmtliche Kinder hatten Zeichen hochgradiger und florider
Rachitis und konnten sich noch nicht auf die Füsse stellen. Es
liegt die Erwägung nahe, ob das Phaenomcn vielleicht in die
Gruppe jener nervösen Störungen gehört, welche bei rachitischen
Kindern vorzukommen pflegen (Spasmus glottidis, Tetanie, Neigung
zu Konvulsionen) und von Einigen als directe Folgen der Schädel-
rhachitis angesehen werden. Mit Rücksicht auf die. vcrbältniss-
inassig kleine Zahl der Hochachtungen lässt sieh diese Frage noch
nicht beantworten.
Neben der Rachitis und grossen körperlichen Schwäche zeigten
sämmtliche Kinder eine gewisse geistige Zurückgebliebenheit und
eine Art physischer Depression. Sie sprachen entweder noch gar
nichts oder hatten einen für ihr Alter sehr kleinen Wortschatz.
Es waren meist ungewöhnlich ruhige, ziemlich theilnahms- und
willenlose, geistig trägere Kinder.
Bei dem Alter der Kinder sind die gewöhnlichen Ursachen
katalcptischcr Zustände, so Psychose der Hysterie, Hypnose oder
suggestive Einflüsse, ferner Simulation oder Imitation auszuscbliessen.
Bio körperliche Schwäche, die geistige Benommenheit und der Nach¬
weis von kurz vorher durchgoinachten acuten Erkrankungen (Fneu-
monia) hei mehreren Kindern erinnern au die katalcpfciformen Zu¬
stände, wie sie auch bei Erwachsenen nach schweren Erkrankungen,
so z. B. im Verlaufe des Typhus (Bernbeim) beobachtet werdcu.
Jedenfalls handelt es sieh auch hier um eine Störung der psycho¬
motorischen Thütigkeit. Es scheint, dass die ersten Lebensjahre
des Kindes, wo der Intelloct, der Wille und die Beweguiig-)-
vorstellungen in gegenseitiger Wechselwirkung und Abhängigkeit
sich entfalten, eine prädisponirende Ursache bilden für die Ent¬
stehung dieser wie auch anderer Bewegungsstörungen.
Discussion: Herr Lange- Leipzig. Zur Frage des Zusammen
lmnges zwischen Spasmus glottidis und Craniotabes habe ich bei
727 Fällen von Rachitis, darunter 86 Fälle von Craniotabes, nUr •*
Spasmus glottidis nachweisen können. Craniotabes. aber gar kei
Krämpfe, hatten 68, d. h. 79,07 Proc. Glottiskrämpfe mit Cranio-
tabes hatten nur 14 16,28 Proc.
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20. October 1896. MÜNCHENEU MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Von den 86 Fällen mit Craniotabes wird verzeichnet als
sehr schwer 8 davon Spas glottidis L
schwer 12 „ „ „ 2
mittelschwer 63 „ „ „ 10
leicht 3 „ M _ ,, _1_
86 davon Spas, glottidis 14
Von den Kindern ohne Craniotabes hatten schweren Spasmus
glottidis 2, während 0 mittelschwere waren.
Tetanie und zwar sogen, spontane wurde in einem einzigen
Falle beobachtet, in einem zweiten Falle trat sie bei einem zwei¬
jährigen Kinde als Frühsymptom einer tuberculösen Meningitis auf,
14 Tage vor Ausbruch der ersten anderen Erscheinungen. Demnach
scheint wenigstens für Leipzig die Tetanie sehr selten zu sein.
Spasmus glottidis und Craniotabes scheinen nach obigen Daten nur
in losein Zusammenhang zu stehen
Herr Loos-Innsbruck macht darauf aufmerksam, dass eigent¬
lich zwischen seinen und Fischl's Mittheilungen nur eine Differenz
besteht, nämlich die Beobachtung Fischl's, dass es auch Fälle von
Spasmus glottidis ohne Tetanie gibt.
Herr Rosenberg-Wien hat bei älteren Kindern (6, 7 bis
13 Jahren), wo keine Rachitis bestand, im Anfangsstadiuin von
Infectionskrankheilen, insbesondere des Typhus, deutliche tetanische
Erscheinungen, wieFacialiserscheinung und Trousseau sches Piiae-
nomen beobachtet, die nach 1 —i Tagen wieder schwanden.
Herr A brah a m-Frankfurt a M. weist auf den Widerspruch
der Thatsaclien hin, dass einerseits Digestionsstörungen positive Be
Ziehungen hätten zur Aetiologie des Spasmus glottidis und anderseits
im Sommer, wo Digestionsstörungen am zahlreichsten Vorkommen,
die Frequenz des Spasmus glottidis am niedrigsten ist.
Herr Fisch 1-Prag. Herrn Loos möchte ich erwidern, dass
nicht nur ich, sondern auch Ganghofer, von Ranke und
zahlreiche andere Autoren genügend viele Fälle von Laryngospasmus
ohne Tetanieer8cheinungeu gesehen haben; die Beobachtungen von
Loos mithin, deren Richtigkeit ich durchaus nicht bezweifle, viel¬
leicht in anderen Momenten, insbesondere localen ihren Grund
haben, wofür die jüngsten Beobachtungen Escherich's sprechen,
aus denen eine eigenartige Beschaffenheit der Kinder erhellt, die
wir in Prag nicht gesehen haben. Herrn Abraham möchte ich
sagen, dass ein Widerspruch aus meinen Ausführungen nicht
hervorgeht, indem ich seihst betonte, dass die aetiologische Rolle
der Digestionsstörungen dadurch au Werth verliert, dass der Sommer
mit seinen zahlreichen Verdauungskrankheiten gerade die Tetanie¬
ärmste Jahreszeit dar.-tellt.
Herr Biedert Hagenau versucht die Lösung des Widerspruchs
einersteils zwischen Zusammenhang ypn Tetanie und Digestions-
Btörungen und anderseits dem Zurücktreten der Tetanie und Steigen
der DigeBtionsstörungen anzubahnen. Der Zusammenhang besteht
anscheinend wesentlich zwischen chronischen Digestionsstörungen
und Tetanie, wobei eine Resorption von manchen toxischen Stoffen
eher stattfinden kann, während die acuten Störungen des Sommers
die Bildung der entsprechenden Gifte vielleicht nicht zulassen oder
sie per os oder per anum rasch auswerfen.
Herr v. Ranke-München betont mit wenigen Worten das locale
Moment dieser Frage. In seinem eigenen Material in München findet
sich ein beträchtlicher Procentsatz von Laryngospasmus ohne die
Erscheinungen der Tetanie, daher scheinen seine Erfahrungen inehr
mit den Beobachtungen Fischl's an dem Prager Material, als mit
denen von Loos und Escherich an der Grazer Klinik überein¬
zustimmen. Was die höchst interessante Mittheilung von Epstein
anbetrifft über kataleptische Zustände bei Säuglingen, so hat er die¬
selben bei Säuglingen noch nie beobachtet, wohl aber bei ver¬
schiedenen Gehirnaffectionen (chronischer Hydrocephalus, Gehirn¬
tumoren) im späteren Alter in exquisiter Weise zu beobachten
häufig Gelegenheit gehabt.
Herr Sonnenberger-Worms glaubt nicht, dass die Immunität
des Landes gegenüber der Stadt für Laryngospasmus zu Recht
besteht, da er gerade zwei der schwersten Fälle auf dem Lande ge¬
sehen hat. Da auch Phosphor von günstigem Einfluss, auch da wo
keine Rachitis vorhanden, so spricht dieser therapeutische Erfolg
für die Annahme einer nervösen Affectiou.
Herr M. Cohn-Berlin hält an einem Zusammenhänge zwischen
Rachitis und Spasmus glottidis fest Die nervösen Erscheinungen
sind nicht Folgen der Knochenveränderungen, sondern beide sind
Folgen einer gemeinsamen Ursache; die Rachitis äussert sich aber
an denjenigen Geweben, die sich im Stadium des intensivsten
Wachsthums befinden; daher hauptsächlich am Knochen- und
Nervensystem. Auch wirkt der Phosphor desshalb gerade hier günstig,
weil er sowohl auf den Knochen ein wirkt, als auch ein Nervinum
darstellt.
Herr Escherich-Graz fasst die Tetanie als einen Syinptomen-
complex auf, der unter sehr verschiedenen Verhältnissen auftritt.
Sie kommt besonders häufig und ohne erkennbare Ursache (idiopa¬
thische) im Laufe des 1. und 2. Lebensjahres vor und ist dann sehr
häufig in der acut auftretenden Form mit Laryngospasmus combi-
nirt. Diese Form unterscheidet sich klinisch und wahrschein¬
lich auch aetiologisch von anderen mehr chronisch verlaufenden.
Bei letzteren finden sich die toxischen Erscheinungen weniger eon-
ßtant; es finden sich alle Uebergänge zu anderen functioneilen Neurosen.
Ein Zusammenhang mit Rachitis ist solange nicht mit Sicher¬
heit auszuschliessen als wir nichts über das Wesen der Rachitis
1023
wissen. Für die ursächliche" Bedeutung von Verdauungskrankheiten
hat Escherich keine Anhaltspunkte. Das Verständnis für einen
Zusammenhang des Laryngospasmus mit Thymushypertrophie wird
durch eine Mittheilung von Svehla über Hypertbymisation angebahnt.
Herr von Koszutski-Posen, macht für Rachitis und Laryngo-
spasmus die schlechten Luftverhältnisse verantwortlich. Zugleich
legt er grossen Werth auf die gute Mundpflege auch der kleinen
Kinder, wodurch sicher die Darinstörungen herabgesetzt werden
und damit auch di • Momente für die Intoxication vom Darm aus
verringert werden
Herr Rauch fuss-St. Petersburg hat oft plötzliche Todesfälle,
Laryiigospasmeii und Trachealstenosen, oft von langer Dauer, in Folge
von Thysmushypertrophie beobachtet. Diese Vergrösserung der
Thymus lässt sich durch vergrösserte Resistenz bei stark nach
rückwärts fiectirtem Kopf oberhalb des Juguluras meist ohne Schwierig¬
keit nachweisen.
Herr Ep stein-Prag: Die Aetiologie des Laryngospasmus be¬
gegnet schon darin Schwierigkeiten, dass der Begriff nicht einheit¬
lich gebraucht wird und dass klinisch, vielleicht auch aetiologisch,
verschiedene Zustände als Spasmus glottidis bezeichnet werden. Als
aetiologische« Moment spielen nach Epstein's Meinung neben
Rachitis gastro -intestinale Störungen eine grosse Rolle. An Fällen,
die der Privatpraxis entstammen, konnte man oft eine hereditäre
nervöse Disposition constatiren. Epstein macht noch darauf auf¬
merksam. dass bei kleinen, bis 2 Jahre alten Kindern auch isolirte
Krämpfe der Obersehenkelmuscnlatur Vorkommen.
Herr J. La n ge - Leipzig berichtet über einen Todesfall bei
einem 3 Monate alten Kinde — ohne vorauf gegangenen Spasmus
glottidis — wo die Section eine Ttiysmushypertrophie mit säbel-
sclieidenföriniger Comprcs.sion der Trachea ergab, so stark wie sie
durch Thy.sinuHhypertrophie sonst nie beschrieben wurde.
Herr B i e d ert- Hagenau hält, gestützt auf eine Beobachtung,
den Tod durch mechanische Einwirkung durch Vergrösserung der
Thysmusdrüse für sehr wohl möglich.
Herr Neumann-Berlin unterscheidet neben dem eigentlichen,
unter den charakteristischen Erscheinungen auftretenden Stimmritzen-
krainpf in den ersten Lebensjahren noch die Fälle bei grösseren
Kindern mit nervöser Belastung und anderseits das Juchzen, das
beim Schreien Neugeborener vorkommt. Den gewöhnlichen Laryn-
gospasmns sieht er in der Regel mit Craniotabes vereint Neu-
mann hat auch Formen von Tetanie gesehen, wo ausschliesslich
Magen-Darmstörungen verantwortlich gemacht werden mussten.
Herr Oppenheimer München erwähnt 2 Fälle von Laryn-
gospasmiiH, bei denen sich bei der Section starke Vergrösserung des
rechten Ventrikels und ungemein schwache Wandung der Aorta
und Pulmonalarterie fand
Herr Escherich-Graz: Marfand hat jüngst einen Fall von
Compression der Trachea durch übergrosse Thymus beschrieben
(ähnlich wie Lange).
Herr Lange-Leipzig meint, dass Beneke in einer früheren
Pnblication Compression der beiden N. N. reenrrentes bei plötzlichem
Znrüokbeugen des Kopfes als Ursa-he des Todes in den Fällen von
Thysmii8hypertrophie annimmt.
Schlusswort. Herr Loos-Innsbruck ist der Meinung, dass es
sich in dieser Discussion immer nur um den eigentlichen, ja allge¬
mein bekannten Spasmus glottidis handele, nicht um die Abschwäch¬
ungen oiler Nebenformen desselben, der also am Tage häufig auf¬
trete, mit juchzender Inspiration, sich steigere und wieder abnehme etc.
Die Katalepsie, wie sie von Epstein geschildert ist, glaubt er
vom Spasmus glottidis trennen zu müssen. Spasmus glottidis komme
oft gemeinsam mit Rachitis vor, aber ein causaler Zusammenhang
bestehe nicht, ebensowenig wie die Rachitis eine Disposition für
den Stimmritzenkrampf schaffe.
Herr Fischl-Prag: Wenn auch der Phosphor in vielen Fällen
der Rachitis helfe, so sei derselbe als ein Specificum nicht anzuer-
kennen. F. spricht seine Verwunderung darüber aus, dass Esch ei ich
heute den Einfluss der Digestionsstörungen für die Tetanie beinahe
leugnet, während doch er sie früher vertreten, und von ihm und
Loos die Harnuntersuchungen (Indican, Mucin etc.) mit den ab¬
normen Befunden zuerst veröffentlicht wurden. Die Epstein'schen
Beobachtungen von Contraeturen der oberen Extremität sind viel¬
leicht als echte Tetanie aulzulassen. Interessant bleiben die That.
Sachen des Auftretens des Laryngospasmus mit nervöser Belastung.
Eine zeitliche Coincidenz zwischen Laryngospasmus, Tetanie und
Rachitis sei F. nicht im Staude herauszufinden.
Sitzung am 22- September 1896- Nachmittags.
Referent : I)r. B. B e n d i x - Berlin.
Herr Thomas- Freiburg: Ueber den plötzlichen Todes¬
fall eines kleinen Kindes durch Hyperthermie.
Thomas berichtet überden plötzlichen Tod eines kaum
4 monatlichen sonst gesunden Kindes durch Hyperthermie.
Bei einem anseheinend gesunden Kinde ist in wenig Stunden eine
Temperatur von 42,2 im Rectum erreicht und kurz darauf that
cs die letzten Athemzüge. Irgend welche Krankheitserscheinungeu
sind bis zum Tode nicht vorhanden gewesen, insbesondere nicht
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1024
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
solche, die innere Organe betreffen;‘das Kind kam in s Spital
wegen leichter und beim Tode bis auf kleine Excoriationen geheilter
Scborrhoea capitis. Innere Arzneimittel hat das Kind nicht be¬
kommen und zwei Stunden vor dem Tode noch seine gewohnte
Milchmenge getrunken, ohne zu erbrechen. Krämpfe sind übrigens
vor dem Tode von der Pflegeschwester nicht beobachtet worden.
Bei der Section ergab sich ausser Milz- und Darmfollikelsehwellung
und grosser Thymusdrüse nichts Abnormes. Eine Infeetious-
krankheit hat weder in der Familie des Kindes noch im Kinder¬
spital vorher oder nachher bestanden. Somit scheint der Tod des
Kindes völlig unerklärlich. Vortragender glaubt, der Fall zeige,
dass wie Kinder bei unbedeutenden functioneilen Störungen leicht
fiebern, sie auch rasch in so heftiges Fieber gcrathen können,
dass der Tod durch Hyperthermie erfolgt.
Herr Trumpp - Graz. Ueber Colicystitis im Kindes¬
alter. (Erscheint in extenso in der vorliegenden No. d. W.)
Herr Cam e rer -Urach. Die chemische Zusammen¬
setzung der Frauenmilch mit Bemerkungen über die
künstliche Ernährung des Säuglings.
Die Befunde sind das Resultat einer gemeinsamen Arbeit
von Dr. Camerer-Urach und Dr. Söldner-Stuttgart, welche
noch nicht abgeschlossen ist. Dieselben sind in 2 Aufsätzen in
der Zeitschrift für Biologie, 33- Jahrgang, ausführlich mitgetheilt.
Herr Schlossmann - Dresden. Ueber Art, Menge
und Bedeutung der stickstoffhaltigen Substanzen in der
Frauenmilch.
In zweierlei Beziehungen räth der Vortragende, von der bisher
üblichen Berechnung von Durchschnittszahlen die als Anhaltspunkt
für die Regelung der künstlichen Ernährung dienen sollen, ab¬
zuweichen. Erstlich empfiehlt es sich der Uebersichtliehkeit halber
die nach Kjeldal gefundenen Stickstoffwerthe direct anzugeben
und nicht in Eiweiss umzurechnen, da der Stickstoffgehalt des
Frauencascines different ist von dem des Kuheasei'nes, des Ziegcn-
caseines u. s. w. Auch sind diese Zahlen noch keine absolut
feststehenden, denn verbesserte Methoden können sie jeden Tag,
wenn auch in beschränkten Grenzen, modificiren.
Zweitens darf man nicht einfach den Durchschnitt aus allen
gemachten Analysen nehmen, sondern muss den Gesanuntdurch-
schnitt aus Monatsdurchschnitten berechnen, denn die Frauenmilch
ändert ihren Stickstoffgehalt in periodischer und regelmässiger
Weise je nach den einzelnen Monaten des Stillens. Als Durch¬
schnittsgehalt der Frauenmilch fand der Vortragende 0,19 Proc.
Stickstoff, das würde nach dem W row 1 e w s k i- Factor 1,3 Proc.
Eiweiss entsprechen, gegenüber 0,5 Proc. Stickstoff in der Kuh¬
milch = 3,2 Proc. Eiweiss in der Kuhmilch. Von diesen
1,3 Proc. Eiweiss entfallen nun in der Frauenmilch nur 63 Proc.
auf das Casein, 37 Proc. auf Globulin und vor Allem auf Albumin.
In dem erhöhten Gehalte an Albumin sicht der Vortragende einen
wesentlichen Unterschied der Frauenmilch von der Kuhmilch. Der
hierdurch bedingte Vorzug ist erstlich ein physiologischer, indem
dem Säugling ein beträchtlicher Theil der von ihm benöthigten
Stickstoffmenge in direct resorbirbarer Form geboten wird, während
das Casein vor seiner Aufnahme in den Organismus einen com-
plicirten Zersetzungsprocess durchzumachen hat; entsprechend dem
verschiedenen Gehalte an Casein und Albumin ist bei verschiedenen
Thierarten die Entwickelung des Drüsenapparates im Verdauungs¬
schlauche geregelt, je weniger Eiweiss lösendes Ferment gebildet
wird, desto mehr Albumin enthält die Milch der betreffenden
Thierart. Ein zweites Moment kommt hinzu, um das Albumin
für die Ernährung des Säuglings wichtig erscheinen zu lassen,
dass durch die Gegenwart des Albumins die Ausfällung des Caseins
in dem Sinne moditicirt wird, als dasselbe dadurch feinflockiger
niedergeschlagen wird. Auch die Gegenwart des feiner ennilgirten
Frauenmilchfettes spielt hierbei mechanisch eine Kollo. Ausser
den Ei weisskörpern fand der Vortragende nur Spuren von Stick¬
stoff in den von Eiweiss befreiten Filtraten, ausserdem etwas
Stickstoff in dem Aetherextract, der als Lecithin aufzufassen ist.
Zu wenig gewürdigt wird die schon erwähnte periodische Abnahme
des Stickstoffes in der Frauenmilch, der von der Geburt biö in
den 5-, 6. Monat um fast die Hälfte herabgeht. Die künstliche
-Ernährung zeigt hier natürlich ein völlig entgegengesetztes Verhalten.
Zum Schluss weist der Vortragende auf einen allgemein ver¬
breiteten statistischen Irrthum hin, dass nämlich der Sommergipfel
in der Säuglingssterblichkeit gerade durch erhöhtes Absterben der
jüngsten Alterselassen bedingt Bei. Aus den zahlreich vorgelegten
Tabellen geht vielmehr hervor, dass gerade das Ende des zweiten
Lebensquartals durch die Sommerhitze relativ am gefährlichsten ist.
Herr E. Pfeiffer - Wiesbaden: Ueber die Eiweisskörper
der Milch und ihren Stickstoffgehalt.
II. Sitzung am 23. September 1896.
Herr Julius Ritter- Berlin : Ueber den Keuchhusten.
Redner theilt mit, dass er bei einem Krankenmaterial von
1161 Pertussis-Patienten in 147 Fällen, d. h. in allen, in denen
er überhaupt einen Auswurf erhalten konnte, unter Ausführung
von mehr als 2000 Sputumuntersuehungen stets den von ihm
beschriebenen Diplococcus tussis convulsivae gefunden habe. Er
hat den Daseins- und Wirksamkeitsverhültnissen des Diplococcus
weiter nachgeforscht und gibt eine Zusammenstellung der charakte¬
ristischen Eigenschaften des specifischen Keimes, um die Recognos-
cirung desselben zu erleichtern.
Für die Behandlung wird die Anwendung von Bromo-
forrn unter Zugrundelegung einer Vergleicbungstabelle zwischen
der Wirksamkeit dieses Mittels und des Chinins mit grossem Nach¬
druck empfohlen. Eventuelle Heranziehung einer energischen Gaben-
darrcichung eines allen Anforderungen genügenden Präparates und
hinreichende Fortsetzung der Medication sind selbstverständliche
Voraussetzung. Nebenwirkungen des Bromoforms wurden nicht
beobachtet. Thierversuche lehrten Art und Weise der Bromoform-
wirkung sowie die Unschädlichkeit dieses chemischen Körpere
kennen.
Discussion: Herr Sonnenberger-Worms. Unger's Ver¬
suche beweisen, dass das so warm empfohlene Bromoform doch
nicht ganz so harmlos ist, als der Vortragende es hingestellt. Wenn¬
gleich der Erfolg mittels Chinin nicht ganz in Abrede zu stellen sei,
insbesondere bei Erwachsenen, so hebt doch Binz, sozusagen der
Vater des Chinins, selbst hervor, dass es gewiss gut sei, sich nach
anderen, ähnlichen therapeutischen Effect erzielenden Mitteln, wie
das Chinin, umzusehen, denen indessen der schlechte Geschmack
des Chinins fehle. S. selbst hat die besten Erfolge von Antipyrin
beim Keuchhusten gesehen, und wenngleich sich Baginsky, der
übrigens hier über ungenügende Erfahrungen verfügt, dagegen wendet,
so empfehlen doch andere Autoritäten, wie Hagenbach, der ver¬
storbene Demme, Unruhe u. A., das Mittel auf's Wärmste Auch
die hin und wieder wohl beobachteten Antipyrinintoxicationen dürfen
uns nicht abhalten das Mittel anzuwenden, da sämmtliche derartige
beobachtete Fälle in Genesung übergingen. Auch die Wirkung des
von Rehn empfohlenen Tussols beruht nach S.'s Auffassung nur
auf dem Gehalt an mandelsaurem Antipyrin, was allerdings den
Anschauungen Rehn's widerspricht.
Herr Schloss mann-Dresden macht darauf aufmerksam, dass
die Ritt ersehen Culturen den Gonococcenculturen ausserordentlich
ähnlich sähen; selbstverständlich sind es keine, da diese auf Agar
wachsen, während dies die Gonococcen nicht thun. Doch in der
neuesten Zeit hat Heubner den intracellulären Meningococcus be¬
schrieben, welcher auf Agar wächst und wiederum, ebenso wie mit
dem Gonococcus, auch mit dem Ritter'schen Diplococcus tussis
convulsivae die grösste Aehnlichkeit besitzt. Der Meningococcns
wächst auch auf Agar, und da iat vielleicht die Anregung berechtigt,
ob beide Coccen sich nicht sehr nahe stehen, eventuell BOgar ein
und derselbe sind.
Herr Lange-Leipzig erwähnt verschiedene Bromoformintoxi-
cationen schon nach der Gabe von 0,5—1 g Bromoform und gibt als
Illustration einen Fall aus seiner eigenen Praxis, der nach Bromo¬
form letal verlief, und bei dem die Section, wenn auch nicht ganz
sicher, den Herztod durch Bromoform erwies.
Herr Neumann-Berlin hat selbst unter 18 daraufhin untere
suchten Fällen nur einmal den Diplococcus (Ritter) finden können;
da diese Thatsache befremdend, möchte er darauf hinweisen, dass
bis jetzt überhaupt kein anderer als Ritter selbst den Diplococcus
findet. Er hat alle empfohlenen Mittel gegen Pertussis angewendet,
ein jedes kann bisweilen helfen, doch keines ist als Specificum an¬
zusprechen. Praktisch erscheint es ihm, Bromoform in Gelbei xo
verabreichen, Chinin in Chocoladetabletten oder für die poliklinische
Praxis in heisser Chocoladesuppe. Indessen warnt er bei allen diesen
Mitteln vor zu grossen Dosen.
Herr Ritter-Berlin (Schlusswort) empfiehlt trotz der iDton-
cationen das Bromoform und gibt anheim, dass seine Erfolge doch
statistisch gut gestützt sind. Herrn Neumann kann er nur er-
widern, dass es zu bedauern, dass andere den Coccus noch ment
gefunden, indessen könne Herr N. ja einmal zu ihm kommen und
sehen, wie man den Diplococcus findet.
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20- Octobcr 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1025
Herr Biedert -Hagenau. Kurze Bemerkungen über
bacteriologische Centralstationen mit besonderem Bezug
auf die Diphtherie.
Es ist unmöglich, klinisch eine Diphtherie als bacilläre
von einer nicht bacillären durchgängig zu unterscheiden, dess-
halb ist es wünschenswert!], für die Beurtheilung der Aetiologie,
des Krankheitsverlaufs, der therapeutischen Resultate und auch
als Unterlage für die Prophylaxe der Krankheit, möglichst allge¬
mein für die Ausführung baetcriologiseher Untersuchungen Sorge
zu tragen. Nur so konnte B. aus eng vermischten Fällen von
Influenza- und Diphtherie-Pharyngitis die letzteren auslesen und
absondern ; ebenso diphtheritische Augen- und Nasenaffeetionen
von einer Masernepidemie. Ein College, dem B. einmal eine
für Influenzabronchitis und -pharyngitis des Kindes gehaltene Affee-
tion durch bacteriologischen Nachweis als Diphtherie aufdeckte,
getraut sich jetzt eine sichere Diagnose nur mittelst baetcrio-
logischer Beihilfe zu stellen. Es genügt aber nicht nur den
formechten Bacillus nachgewiesen zu haben, sondern man muss
auch die hei diesem häufig fehlende oder verminderte Virulenz
durch das Thierexperiment feststellen. In Hagenau fand B.
häufig hei geringen oder fehlenden Ilachenaffectioneu Reinculturen
schönster Bacillen im Rachen, und es wurde constatirt in leider
nicht sehr zahlreichen Thierverauchen, dass diese Bacillen fast
nicht virulent auf Meerschweinchen wirkten ; diese Reinculturen
sind vom Strassburger Bacteriologen E. Levy vcrificirt worden.
Dagegen Hess sich B. aus der Nachbarschaft rasch tödtendes
Diphtheriematerial kommen, wodurch aus den daraus dargestelltcn
Reinculturen prompt die Meerschweinchen getödtet wurden. Dess-
lialb sind die zu gründenden bacteriologischen Anstalten für die
ausgiebige Heranziehung des Thicrexpcrimcnts einzurichten, und
haben sie die Krankheit nach Oertlichkeit, Einzelfällen und Ooin-
bination wie der bacteriologischen Gestaltung zu verfolgen. Als
leichtes Hilfsmittel, um Material für die Untersuchung zu ent¬
nehmen, empfiehlt Redner den von Es marsch empfohlenen
Schwamm, den er zur Versendung, hei 120° sterilisirt, in Staniol
einwickelt. Damit scheint eine Wirksamkeit nach genügend weiten
Entfernungen hin gesichert. Diese bacteriologischen Stationen,
wie sie übrigens auch Fränkel vor wenigen Tagen noch zur
Bekämpfung der Diphtherie empfahl, sind in gleicher Weise für
alle bacteriellen Tnfectionen einzurichten, zur Untersuchung von Ver¬
bandstoffen, Nahrungsmitteln auf ihre Sterilität hin und insbesondere
für die Constatirung frühester Tuberkulose und gerade für uns Alle
interessant, zur Feststellung dessen, was in der Serophulose Local*
tuberculose ist. Nicht minder hätten diese Institute die wichtigste
Rolle in der Beaufsichtigung der Fabrication der Kimlcrnahrungs-
mittel jeder Art, der Milchwirtschaft (Sterilisation im Grossen
und Kleinen, Versandt etc.) des Handels mit Milche.mserven etc.
zu spielen. Ansätze solcher Anstalten wären schon in einzelnen
Städten vorhanden, doch nicht im Entferntesten <Centralanstalten>•,
wie sie Biedert sich vorstellt. Er hält es für wünschenswerth,
diese Anstalten unter die Aufsicht der Kreisphysiker zu stellen,
die natürlich dann so gestellt sein müssten, dass sie, bei der
Zeitversäumniss, auf jede Privatpraxis Verzicht leisten könnten.
Herr S o nn en b e rg e r -Worms : Ueber Intoxicationen
durch Milch.
Die durch den Genuss durch Thiermilch erzeugten Krank¬
heiten, insbesondere des jungen Kindcsalters, beruhen entweder
auf Infeetion oder auf Intoxication, erstere veranlasst durch
Bactoricn, letztere durch chemische Noxen. Während erstere
schon länger eifrig durchforscht worden sind, sind die chemischen
Noxen bisher weniger beobachtet worden. Dieselben beanspruchen
aber als Krankheitserreger eine grosse Wichtigkeit, was allerdings
von Escherich, Soxhlet u. A. bestritten wird. Die Ent-
stehungswei.se der Milch und die Function der Milchdrüse zugleich
als Exeretionsorgan für Gifte aller Art. (Fröhner, Menzel)
machen es wahrscheinlich, dass chemische Gifte in die Milch
übergehen. Wichtig ist das Constatiren dieses Uehergangos, wenn
man die in dem Futter enthaltenen Pflanzenalkaloide in Betracht
zieht. Die ganze Reihe der Verdsiuungskrankheiten iui Säuglings*
alter, an gefangen von der einfachen Dyspepsie bis zum Bilde der
sogenannten Cholera nostras, beruhen sicher öfter auf dem Gehalt
derartiger chemischer Noxen in dieser Milch, wie denn überhaupt
die Verdauungskrankheiten der Kinder als Intoxicationen — seien
dieselben auf Baeterien sccundär oder durch chemische Noxen
primär entstanden — aufzufassen sind, eine Auffassung, auf
welche hin sich auch eine rationelle Therapie auf bauen lässt.
Unsere Prophylaxe dieser Krankheiten lässt sich in dem Heuhner’-
sehen Ausspruch zusammen fassen: Abhalten der Gifte und Gift¬
erzeuger aus der Milch, also nicht bloss Sterilisiren der Milch,
sondern ebenso nothwendig ist vor der Sterilisation Vermeidung
der chemischen Noxen, welche durch die Sterilisation unbeeinflusst
bleiben. Ferner müsste zur Klarstellung derartiger und ähnlicher
für die Säuglingsernährung so wichtigen Fragen endlich einmal eine
grosse Versuchsanstalt für Milchwirthschaft eingerichtet werden
(ähnlich wie auch Biedert es verlangt), um dann durch die
gemeinsame Arbeit der Aerzte, Chemiker, Veterinürärzte und
Randwirtbschaftor eine cndgiltigc Lösung dieser Frage herbeizu¬
führen. Als ein Versuch zur theilweisen Klarstellung dieser Frage
sollen die vorläufigen Mittheilungen des Verfassers betrachtet werden.
III. Sitzungstag, Donnerstag den 24. September 1896-
Herr v. Rank e - München : Zur Scharlach Diphtherie.
(Erscheint in extenso an anderer Stelle dieser Nummer.)
Discussion. Herr Rauchfu88-St. Petersburg: Ich möchte
aus dem inhaltsreichen Vortrage Herrn v. Rankes vorerst hervor¬
heben, dass ich mich nicht der Ansicht anschliessen kann, als sei
es fast unmöglich, die pseudodiphtherische Angina des Scharlachs
von der Diphtherie klinisch zu unterscheiden. Bretonneau hat
die klinischen Merkmale der Diphtherie schon scharf hervorgehoben,
Andere sind ihm darin gefolgt und für Deutschland hat unser Alt¬
meister Henoch stets die specifisch scarlatinöse, nekrotisirendc
Angina von der Diphtherie klinisch scharf gesondert.
Nun ist es aber im hohen Grade interessant, zu erfahren, in
welch’ grosser Zahl von Fällen von diphtherieähnlicher Pseiulo-
diphtherie, Scharlachangina, der Löfflerbacillus im Material des Herrn
Redners gefunden wurde. Und dieser interessante Befund veranlasst
mich, Ihnen in Kürze meinen Standpunkt (larzulegen, welchen ich
denjenigen Fällen gegenüber einnehme, welche ein Zwischenglied
bilden zwisch* n den klinisch pseudodiphtheritischen und den eigent¬
lich klinisch mehr diphtherieähulichcn.
Für dieses Zwischenglied habe ich seit 4 Jahren den Namen
Diphtheroid eingeführt, während ich die bacteriologisch sicher nicht
diphtherischen pseudomembranösen Affectionen als Pseudodiphtherie
bezeichnete. Untenless ist von bedeutenden Forschern, wie Heubner
und Escherich, die Bezeichnung Diphtheroid auf die diphtherie-
ähnlichen Affectionen angewandt worden, in denen der Löfflerbacillus
fehlt, und andere pathogene, besonders die pyogenen Mikroben, das
Feld beherrschen. — Was ich mit Diphtheroid bezeichnete, ist eine
bacteriologiche abortive Diphtherie, welche dadurch zu Staude
kommt, dass nicht allein mangelnde Disposition besteht gegsnübei
dem Löfflerbacillus (abortive Form), sondern dass auch das im
Beginn der Erkrankung vorwaltende Vorhandensein anderer
Mikroben, besonders pyogener, den Löfflerbacillus nicht zur nor¬
malen, viel weniger zur herrschenden Entwickelung kommen lassen.
Klinisch haben sie das Bild der lacunären Angina, der Angina
sultacea, zuweilen aber auch sind sie ernsterer localer diphtherischer
Natur; bacteriologisch weisen sie den Löfflerbacillus in vermindertem
Wachstlium auf in sehr mannigfacher Form, bald coccenähnliche Kurz¬
stäbchen, die mit Coccen bei nicht sehr aufmerksamer Beobachtung
verwechselt werden können, oder abortiv degeneratives Wachsthum,
rasch in chromatine Körner zerfallende und den Hoffmannbacillen
gleichende dünne Kurzstäbchen. Im Verein mit allen möglichen,
auch sonst im kranken und gesunden Bachen vorkommenden
Mikroben findet sich besonders ein spitzer, kurzer oder längerer
Diplobacillus, dessen schon Plaut erwähnt und den ich doch nicht
mit absoluter Sicherheit aus jedem genetischen Zusammenhang mit
dem Löfflerbacillus loslösen möchte wie dies Plaut gethan, wozu
ich auf Grund von Culturen mich nicht entschlossen kann.
Solche Fälle verlaufen meist sehr leicht, aber hin und wieder
sah ich Drüsenvereiterungen und einigemale selbst allgemeine sep¬
tische Erkrankungen hinzutreten. Wenn ich mich nun Denen an-
sch Hesse, welche die sogenannte septische Diphtherie (die bei mir
im Hospital seit jeher als phlegmonöse bezeichnet wurde) ganz
unabhängig auffassen von der Combination des Löfflerbacillus mit
Streptococcen, wenn ich vollkommen davon überzeugt bin, dass daß
Befallenwerden von dieser schwersten Form der Diphtherie nur eine
Folge der höchsten Disposition für das diphtherische Virus ist, und
wenn, wie wir so oft sehen, aus gleicher Quelle ein wenig disponirtes
Individuum leicht, ein intensiv disponirtes aber an phlegmonöser
(septischer) Diphtherie erkrankt, so ist für mich die Schwere eines
Diphtheriefalls doch wesentlich abhängig davon, wie sehr das
Individuum speciell durch das Diphtherievirus geschädigt wird,
und das hängt ganz von seiner Disposition ab. Ja ich gehe weiter
und hin zu der Ueberzeugung gelangt, dass, wenn im Moment der
diphtherischen Infeetion der Rachen auch noch im Uehermaass
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1026
MÜNCHENEll MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
andere Mikroben, Streptococcen zum Beispiel, beherbergt, der
Diplitheriebacillus, falls der Kranke nicht ganz besonders disponirt
für ihn ist, in diesem Wettstreit der Mikroben den Kürzeren zieht.
Es ist dasselbe, wie wenn sich bei der Streptococcen-Scharlach¬
angina auch D-B. nach weisen lassen, aber sie spielen in dem Pro-
cesse weiter keine Rolle.
Wenn ich auch nur wenig Aussicht habe, meinen Wunsch ver¬
wirklicht zu sehen, statt des Diphtheroids von Heubner und
Escherich die Benennung Pseudodiphtherie anerkannt zu sehen
und die Priorität hier um so freudiger anerkenne, als gerade für
Escherich der Umstand in die Wage fallt, dass er einer der
fruchtbarsten Vorkämpfer der klinischen Bacteriologie in der Diph¬
therie ist, so muss ich doch darauf bestellen, dass für diese abor¬
tive, bacteriologisch abortive Zwischenform ein besonderer Name
angenommen werde. Ich habe sie beobachtet z. B., wenn eine
Angina lacunaris die Anstalt durchzog und an diesen oder jenen
Individuen bald die typische Angina lacunaris, bald ein Diphtheroid,
bald eine echte, volle Diphtherie je nach der Disposition zu Stande
brachte.
Herr Esc herich - Graz hat ebenfalls die von Rauchfuss
beschriebenen abortiven Diphtheriefälle (Diphtheroid nach R.) beob¬
achtet und gleichfalls das Bedürfnis empfunden, diese Fälle von
den Diphtheroiden einerseits und den durch den virulenten Löff-
ler'schen Bacillus anderseits veranlassten primären Diphtherien
abzuscheiden. Es handelt sich seiner Meinung nach um Personen
mit sehr geringer allgemeiner Disposition, bei denrn es zu einer
örtlichen Infection mit Löffler-Bacillen gekommen ist. Durch die
gleichzeitig bestehende Coccenangina (pultöse Belege) wird «las
Wachsthum der Diph.-Bac. verkümmeit, und es überwiegt klinisch
«las Bild der Diphtheroid • Angina trotz des positiven baeterio-
logischen Befundes. Es mag sein, dass auch ein Theil der Ranke'-
sehen Fälle hierher gehört. Es wäre mich wichtig zu wissen, ob
Pseudodiphtherie und echte Diphtherie unterschieden und die Zahl
der Colonien beachtet wurde.
Herr Sto oss- Bern: .Seither bestehen, wie auch Professor
v. Ranke hervorhob, Differenzen nach Ort und Zeit, die si-li be¬
sonders in kleineren Städten naehweisen lassen. So sab man in
Bern 1892—1896 sehr wenig echte Diphtherie, dagegen im letzten
Jahre zahlreiche Fälle. Dabei waren die Löfllerbacillen bei den
lacunären Formen der Anginen in den ersten 9 Jahren ausser¬
ordentlich selten aufzuweisen, dagegen im letzten Jahr bei analogen
Fällen in grosser Zahl. Ebenso hat St. im letzten Jahre zum ersten
Male hei Scharlaehdiphtheroid virulente Löffierbacillen gefunden.
In den ersten Jahren waren ausserordentlich schwere Streptococcen-
diphtherien zu beobachten, im letzten Jahre fast keine.
Herr Sch 1 ossm an n-Dresden: In Berlin findet sich nur sehr
selten bei Scharlaclibelcgen ein virulenter Diphtheriebaeiilns. Ent¬
artungsformen, wie sie Herr Rauchfuss beschreibt, sieht man
häufig bei alten Culturen auf Eiweiss.
Herr Fronz-Wien führt aus, dass an der Wiener Kinderklinik
an mehreren Hundert Fällen gleich bei der Aufnahme die Schar¬
lachfülle auf Diphtheriebacillen untersucht wurden und in ca 15 I’roc.
der Fälle echte virulente Diphtheriebacillen gefunden wurden. Den
Grund glaubt er in der grossen Verbreitung des Dipbtlteriebaciilus
und in den mangelhaften Transportmitteln Wiens suchen zu dürfen.
Er bestätigt die frühe Uebertragbarkcit des Scharlachvirus,
welche nicht erst an die Schuppung gebunden sei. Kr hält das
Exanthem für ein rein toxisches. Bei constanten Blutunter¬
suchungon Scharlachkranker findet inan nur in den septischen
Fällen Streptococcen, sonst nie irgend welche Bacterien.
Herr Ritter-Berlin bestätigt die Angaben des Herrn Schloss¬
mann.
Herr Seitz-München: In 24 bacteriologisch untersuchten
Füllen von verdächtiger Angina bei Scharlach fanden sich in der
Privatpraxis nur 1 Mal Diphtheriebaciilen, während der Verlauf von
über 200 poliklinischen Scarlatinafällen in München nur 3 Mal eine
gleichzeitige Infection mit Diphtherie ergab.
Herr Biedert-Hagenau constatirt, dass sein gestern vor¬
getragener Wuusch nach bacteriologischen Untersuchungsstationen
durch die heutige Debatte berechtigt erscheint.
Herr Falke nli ei m - Königsberg bestätigt die ausserordentliche
Brauchbarkeit des von Biedert demonstrirten Esmarch'schen
Schwämmchens für die Praxis.
Herr v. Ranke-München. Schlusswort: Ist erfreut über
die reiche Discussion, die seine Mittheilung hervorgerufen hat Auf
die höchst interessanten Bemerkungen der Herren Rauchfuss und
Escherich bei Diphtheroid oder abortiven Formen der Diphtherie
will er nicht näher eingehen. Er wollte nur den thatsächlichen Be¬
fund bei seinen Scliarlachfällen mittbeilen, der eben mit der bis¬
herigen Beschreibung nicht übereinstimint. Was die abweichenden
Befunde von Seitz bei seinen Scliarlachfällen betrifft, so mache er
darauf aufmerksam, dass er selbst nicht von Scharlachfällen im
Allgemeinen, sondern von Scharlach in i t Diphtherie ge¬
sprochen habe.
Herr L a n g e - Leipzig : Zur Aetiologie der Rachitis.
Augeregt durch den Vortrag von Mey-Riga, hat Lange
versucht, aus dem Material der Leipziger Kinderpoliklinik den Ein¬
fluss schlechter Wohnungsverhältnisse auf die Entwickelung der
Rachitis zu untersuchen. Es wurden in 176 Fällen von eng¬
lischer Krankheit genaue Erhöhungen über die Wohnuogaverbllt.
nis.se bei Kindern über 9 Monate gemacht. Als relativ gut
konnten die Wohnungen in 113 = 64 Proe. der Fälle, als
massig in 28 Fällen = ca. 16 Proe., als mangelhaft 17 = ca.
9,6 Proe. un«l in 18 Fällen — ca. 10,4 Proe. bezeichnet werden.
Dabei war die Rachitis leicht 35 mal, mittclschwer 62 mal und
sehr schwer 79 mal. Von einer ausführlicheren Kintheilung der
Rachitis wurde abgesehen aus Gründen der Einfachheit. Nur
in 16 Fällen, d. h. in nur 9 Proe. fand L. schwere Rachitis
aus schlechten Wohnungen, wogegen in 60 Fällen schwere Ra¬
chitis in relativ sehr guten Wohnungen entstanden war. — Gegen¬
über den Ansichten von Kassowitz und Anhängern, der den
Beweis für die Einwirkung der Wintorzinnuerlufl aus der Häufig¬
keit der Rachitis in den einzelnen Monaten zu liefern glaubt,
ergehen die Erfahrungen des I. Halbjahres 1896 fast keine Dif¬
ferenzen (schwankt zwischen '.’3 und 0,8 i’roc. aller Fälle) nur
im Mai waren nur 12 Proe. also gerade entgegen der betreffenden
Anschauung. Diese scheinbare Differenz erklärt sieh seiner Mei¬
nung nach direct aus dem Einflüsse der auffallend milden Wit-
torurigsveihältiiisse im I. Quartal des Jahres. Die Eltern warten
einfach während der kalten Zeit, ehe sie in die Poliklinik kommen,
oder der Arzt wird in s Haus geholt hei schweren Fällen. Iui
Sommer verschiebt sieh das Verhältnis zu Gunsten der Kax.so-
witz 'sehen Statistik in Folge dermassenhaften Darnicrkrankungeu.
Ein Hauptgrund, der Lange gegen diese Theorie cinnimmt, ist
die auffallende Abhängigkeit geographischer Verhältnisse.
Lslan I hat gar keine, Riga und Leipzig sehr viel, und Über
italicn ebenfalls massenhaft Rachitis, doch ein eclatanter Wider¬
spruch gegenüber Kassowitz. Ohne den Einfluss schlechter
Luft und mangelhaften Lichtes leugnen zu wollen, hält Lange
eine derart einseitige Betonung eines Factors für absolut verfehlt.
Wir wissen eben nicht mehr, wie Glisson vor 250 Jahren.
Lange selbst wäre am plausibelsten die Annahme eines infectiöseu
oder toxischen Einflusses, der event. an klimatische oder evont.
Ernährungsvcrhältnisse ganzer Bevölkerungen gebunden sein könnte.
Discussion: Herr M. Cohn Berlin. Der Einfluss der.Tnlirt-s-
zt-it auf die Häufigkeit «ler Rachitis ist nur so aul'znfasscn, «hiss «lie
schweren Fälle zu bestimmten Zeilen besonders zahlreich auf-
treten. In «liesein Sinne besteht aber, wie «s besomiers Kasan-
witz beton» hat, ganz unstreitig eine Beeinflussung An sieb
kommen «lie Ra« hitiställ«- während «les ganzen Jahres in gleicher
Häufigkeit zur Beobachtung
Herr R e h n - Frankfurt a. M. berichtet über einen Fall von
Lupus erythematodes disseminatus bei einem 1 f>jährigen
Mädchen , welcher nach einer Dauer von kaum 3 Monaten durch
eouiplieirende doppelseitige Bronchopneumonie zum Tode führte.
Diese Beobachtung schliesst sieh den zuerst von Kaposi nu
Jahre 1872 veröffentlichten an und erscheint, da dieser Fall aus
dem Kindesalter stammt, von besonderem Interesse.
Herr O p p e n h e i m e r - München : Ueber die Wirkung
der Sauerstoffinhalation bei katarrhal. Pneumonie der
Kinder.
Bei 15 schweren Fällen von katarrhal. Pneumonie wandt«
Verfasser Sauerstoffeinathuiungen an. Nach jeder Inhalation
besserten sich Puls und Aussehen der Patienten in auffälliger
Weise, ln einem Fall, der genau beschrieben wird, schwand die
Cyanose vollständig, wenn auch nur für kurze Zeit. Die Nun-
nolenz wich einem völlig wachen frischen Zustand. Ohne in den
Enthusiasmus früherer Autoren über die wunderbare Virkuiig
des »Sauerstoffs einzustitumen, glaubt Verfasser doch, das Gas in
seiner Eigenschaft als kräftiges Reizmittel der Ilerzthätigkeit em¬
pfehlen zu dürfen. Einer Verallgemeinerung der Sauerstoff
anwendung steht nichts mehr iui Wege, seitdem Herr Br. El kan
in Berlin den Sauerstoff in verdichtetem Zustand in den Handel
bringt und so zur Erleichterung des Transportes wesentlich bei¬
trägt.. Am Schluss seiner Beobachtungen kommt Verfasser tu
dem Resultat, dass der Sauerstoff zwar nicht im Stande sei, j l “d e
Pneumonie zu heilen oder auch nur ihre Dauer abzukürzen, dass
er dagegen die Ilerzthätigkeit in hohem Grade anrege und dass
er überall da versucht werden sollte, wo Kampber und Moschus
versagen.
Herr C. Seitz- München: Ueber seltene Gefässano*,
mallen im Kindesalter.
20. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1027
Vortragender berichtet nach Erwähnung der diesbezüglichen j
- Literatur über Fälle von Gcfässvcränderungen : ausgedehnte ,
strangförmige Rigidität multipler peripherer Arterien , sphygmo- '
graphisch träge, breitgipflige Puls welle mit. kaum angedeuteten
(nach Riegel bei gesunden Kindern gerade besonders scharf aus¬
geprägten) Elasticitütsolevationen der Dcsccnsionslinio, dann endlich
Hypertrophie des 1. Ventrikels, so dass die Fälle als solche von
Arteriosklerose bei Kindern anzusprechen sind. Vortragender
knüpft an die kurze Beschreibung einige Bemerkungen über die
neueren Anschauungen betreffs der Aetiologie und Pathogenese
der Krankheit und kommt bezüglich seiner Fälle Mangels anderer
ursächlicher Faetorcn zu der Annahme des von Tlionia, Köster
u. A. als gelegentlicher Ursache betonten infectiös toxischen Mo¬
mentes und daraus sich ergebender entzündlicher Erkrankung der
Arterien wand, so dass praktisch der Reeonvalesoenz nach acuten
Infcetionskrankheiten (besonders den mit Coeecninvasion einher-
gehenden) im Kindesaltor vom prophylactischen Standpunkt aus auch
•juoad Arterienerkrankung besondere Beachtung zu schenken wäre.
Discussion: Herr Biedert-Hagenau hält, diese Anregung
bei dem Interesse, das die Gefässerkrankungen im Kindesalter be¬
sitzen und bei ihrer scheinbaren Seltenheit, für wichtig, und dankt
dem Vortragenden für die Mittheilungen.
Herr Es ch er ich - Graz kennt Fälle, wo die Eltern (Mutter)
Arteriosklerose besassen und gleichfalls die Kinder, er hält das here¬
ditäre Moment für wichtig und ist der Meinung, dass es sich um
eine angeborene Widerstandslosigkeit der Gefässwünde handle, die
eine Coeeeninvassion erleichtere.
Herr S o n n e n b e r g e r - Worms hat bei 2 Todesfällen nach
ritueller Circumcision bei der Section Arteriosklerose der Penisgefässe
gesehen. In beiden Fällen war Lues hereditaria nachzuweisen
Herr Neumann- Berlin: Ueber die Beziehungen der
Krankheiten des Kindesalters zu den Zahnkrankheiten.
Es sind zu unterscheiden: 1. die vor dem Durchbruch der
Zähne entstandenen Erkrankungen, 2. die nach dem Durchbruch
entstandenen. Um die Entstellungszeit der ersteren genau zu be¬
stimmen , wird zunächst ein Schema der Zahnentwiekelung vor¬
gelegt, welches sich auf Bestimmung der Zahnlänge an den Ge¬
bissen von 111 Kindcrlciclien gründet. Die ausserdem in der
Literatur vorhandenen Messungen werden ebenfalls verwerthet.
Es ist Werth darauf zu legen, die maximalen und minimalen
Längen, welche ein Zahn in einem bestimmten Lebensalter haben
kann, fcstzustcllcii. Nur hierdurch lassen sich die irrthüiulicheii
Anschauungen berichtigen, welche vielfach über die Ursachen der
angeborenen Zahnabnormitäten verbreitet sind.
Es ist grosser Werth darauf zu legen, eine scharfe Trennung
zwischen den sogenannten Erosionen und hereditären syphilitischen
Missbildungen vorzunelimcn. Die ersteren, welche von den Fran¬
zosen besonders gut geschildert sind, sind ungemein häufig und
stellen sich als pnnkt- und strichförmige Vertiefungen der Ober¬
fläche dar. Sie sind immer symmetrisch an den Zähnen und an
den verschiedenen Zahnsorten in wechselnder Höhe. Ergriffen
werden von den Milchzähnen die Eck- und Backzähne, von den
bleibenden Zähnen die ersten grossen Mahlzäline, die Sehneide-
und Eck zäh ne, sehr selten auch die ersten Praemolaren. Die
Zeit der Entwickelung entspricht den letzten Monaten vor der
Geburt bis zum zweiten. 54 Proc. der Erosionen sind im zweiten
Lcbcnssemcstcr abgelaufen, 38 Proe. betreffen noch das zweite
Jahr, 6 Proe. die späteren Jahre. Der Proccss ist mehr oder
weniger eontinuirlieh und kann aus diesen Gründen , sowie auch
aus anderen Gründen nicht auf Krampfanfälle, wie es Magi tot
will, zurückgeführt werden. Dass die Erosion wenigstens nicht
ausschliesslich durch die Syphilis erzeugt wird, ist jetzt allgemein
zugegeben. Allerdings trennt nur Hutchinson die Erosion
scharf von den hereditär syphilitischen Zähnen. Von 48 Ero¬
sionen bei Leichen sah ich nur eine Syphilis, bei 1 17 klinischen
Fällen höchstens 5 Fälle. Die vorzeitigen Geburten waren in
den Familien der Erosionen nicht häufiger als in anderen Familien.
Bei Leichen fanden sich die Erosionen in 4 3 Proe. Bei kranken
Kindern der Poliklinik in 18 Proe., bei anderen Kindern in
14 Proc. Mikroskopisch handelt es sich um eine abnorme Ver¬
kalkung des Zahnbeins und des Schmelzes. Klinisch und ana¬
tomisch konnte ich deu Zusammenhang mit der Rachitis im
höchsten Grade wahrscheinlich machen, spcciell handelt es sich
bei den Erosionen um Kieferrachitis. Die Bedeutung anderer
Krankheiten ist wesentlich darin zu suchen, dass sie eine Rachitis
veranlassen oder verschlimmern.
Von den rachitischen Erosionen sind die hereditär syphili¬
tischen Zahnmissbildungen Hutchinsons unbedingt zu unterscheiden.
Ohne auf die Form derselben liier genauer eiimigclicn, sei nur
betont, dass es sieh um eine eigentliche Missbildung des ganzeu
Zahnes, die sieh unter Umständen allerdings wesentlich auf den
Schneidctheil beschränkt, und zuweilen kaum erkennbar wird,
handelt. Die Verwechslung mit den Erosionen wird dadurch be¬
günstigt , dass die kleinen napfföriuigeu Vertiefungen an der
Schneidefläche zwar viel zarter, aber doch den Erosionen etwas
ähnlich au.ssehcn. Andererseits kommen Uombinationen der rachi¬
tischen und syphilitischen Veränderungen an den Zähnen vor.
Unter den nach Durchbruch des Zahnes entstehenden Formen von
Caries sind 2 besonders hervorzuheben, eine Form beginnt an der
Schneideflüehc der mittleren unteren und aller oberen Schneide-
zälmc des Milchgebisses und breitet sich als halbmondförmige
Fläohencaries über den ganzen Zahn aus. In 32 Fällen war
viermal Syphilis nachweisbar, 1 Fall litt an angeborenem Herz
fehler, 5 litten an chronischen Erkrankungen des Uentralnervcn'
Systems. Es erscheint der Zusammenhang mit Syphilis wahr¬
scheinlich, ohne dass er in jedem Falle nachweisbar wäre. Eine
zweite Form von Caries beginnt mit einer Verfärbung des
Schmelzes, wesentlich an den oberen Zähnen, besonders den
Sehneidezälinen nahe dem Zahnfleisch und schnürt einen bis da
gesunden Zahnthcil als circulare Caries von dem übrigen Zahn
ab. Diese Form zeigte bei dem Leichenmaterial in 56 Proc.
Tuberculose, wühreud die entsprechenden übrigen Leichen nur
13 Proc. Tuberculose hatten. Bei den klinischen Fällen hatten
fast zwei Drittel Tuberculosen bezüglich Serophulose. Die Kinder
mit circularer Caries boten selbst in den Fällen wo an ihnen
keine Tuberculose nachweisbar war, eine ausserordentlich hohe
tnberculöse Belasteng.
Die Erkrankung ist zwar sicher auf örtliche Verhältnisse im
Munde zuriiekzuführen, aber ebenso sicher ist cs, dass von den
chronischen Ernährungsstörungen, welche die Zähne in der ge¬
schilderten Weise afficirt, die Tuberculose die häufigste ist. Unter
Umständen hat sowohl die von der Sehneidefläche beginnende,
sowie die circulare Caries für die Diagnose einen bedeutenden
unterstützenden Werth als erstes oder einziges Symptom der
Syphilis bezüglich der Tuberculose. Die rachitischen Erosionen
erlauben eine in das Säuglingsalter zurückreiehendc retrospeetive
Diagnose.
Bei den bleibenden Zähnen kommt sehr häufig ein fest-
sitzender grüner Belag nahe dem Zahnfleisch vor, welcher nach
Untersuchungen ebenfalls mit der Serophulose oder Tuberculose im
indirecten Zusammenhänge steht. Keinenfalls ist die mangelnde
Reinlichkeit oder der Gebrauch eines Saugpfropfens bei den Belegen
und geschilderten Formen von Caries als Hauptursaclie zuzugeben.
Herr Berte n -Würzburg: Die Hypoplasien des Zahn¬
schmelzes und ihre Beziehungen zu den Erkrankungen
im Kindesalter, speciell der sogen. Hutchinson’schen
Zähne, zur Syphilis.
Herr B. erklärt die Affectiou des kindlichen Zahnes, welche
man für gewöhnlich «Erosion» benennt, ein Name, den er übrigens
für nicht gerade passend hält, da man unter Erosion eigentlich
eine Ausnagung von aussen verstehen sollte, wovon hier keine
Rede sei, als eine Missbildung resp. Hennnungsbildung in der
Entwicklung des Zahnes, die auf einer Störung in der Verkalkung
beruht. Je nachdem diese Störung kleine oder grössere Dimensionen
angenommen , reprüsentirt sie sich dem Auge als einfache Linie
oder als vollkommener Defect im Zahn (Hutehinson’scher Zahn).
Alle diese Dofccto beruhen auf ein und derselben anatomischen
Ursache, was B. durch vorzügliche anatomische Abbildungen, die
die Entwicklung des normalen Zahnes und gleichzeitig die während
der Wachsthumsperiode möglichen Störungen klarlegen sollen, zu
beweisen sucht. Allerdings bat sich B., soweit es aus dem Vor¬
trage zu ersehen war, die Ausfälle und Störungen in dem normalen
Aufbau des Zahnes nur theoretisch eonstruirt, den mikroskopischen
Beweis hierfür jedoch ist er schuldig geblieben. Da der sogen,
llutehinson’sehe Zahn nach B.'s Meinung, in welcher Form
er auch auftritt, immer durch die gleiche Ernährungsstörung hervor-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
gerufen wird, so ist B. auch der Ansicht, dass derselbe, wenngleich
er sieli gewiss häutig bei Syphilis findet, doch nicht als spccitiseh
für Syphilis gelten darf. Denn nach seiner Theorie können sich
diese Zahndefccte in gleicher Weise bei allen anderen Ernährungs¬
störungen, z. B. auch bei der Rhachitis, entwickeln, wenngleich
er zugibt, dass ein charakteristischer H u t c h i n son scher Zahn
den Untersucher auffordern soll, nach anderen syphilitischen
Symptomen zu forschen.
Di sc us s io n: Die Herren Berte n • Würzburg, Esc he rieh -
Graz, v K oszutski • Posen und Neumann.
Herr Biedert- Hagenau glaubt, das in Folge von Intubation
und Serunithorapie weniger tracheotomirt wird und es desshalb
erwünscht und einfacher sei, nicht mehr alle vier Weiten von
Canülcn (nach Trcndelenburg und König) verwenden zu
müssen. Er hat nun die für Einführung unvergleichliche Boscr-
Lissard’sche Canüle bei einem 20jährigen Mädchen dauernd
ausreichend gefunden, trotz ihres kleinen Oalibers, das beinahe
dem kleinsten der obigen vier Nummern entspricht (f> 2 /a mm).
Er glaubt desshalb, dass man dauernd auch bei allen Kindern
damit auskommen würde. Inzwischen hat er Gelegenheit gehabt,
die nächste Dicke, 0,5 mm, bei einem achtmonatlichen Kinde zu
erproben , die acht Tage lang ertragen wurde. Desshalb glaubt
er sie als für alle Jahre geltende Einheitscanüle empfohlen zu
dürfen, wovon man dann zwei Canülen nach obiger \ orschrift in
verschiedenen Längen braucht, zu denen noch eine Nachbehandlungs-
canüle kommen müsste. Wahrscheinlich genügte aber auch die
geringere Weite der ursprünglich Boser-Li ssard'schon Canüle,
und um dies festzustellen, hat er eine Canüle mit besonderer
Schildeonstruetion machen lassen, in die leicht die dünnere und
dickere Canülencomposition eingesetzt, werden kann. Er bittet
College!», die viel tracbeotouiiren, damit diese Frage entscheiden
zu helfen. Den anderen aber empfiehlt er jetzt schon die erste
einfache Canüle, welche durch den äusserst zweckmässigen konischen
Einsatz die Garantie stets leichter Einführung unter den miss¬
lichsten Verhältnissen gestattet. Nael» einfachem Herausziehen des
konischen Innenstückes legt man dann eine gewöhnliche Doppel-
canüle ein , die B. sich hat machen lassen , um dem Verlangen
nach einer grösseren Weite behufs Bxpectoration wenn möglich
zu entsprechen.
Herr Julius Schmidt Frankfurt a. M.: Schilddrüsen¬
therapie bei zurückbleibendem Körperwachsthum.
Vortragender hat schon auf dem diesjährigen 14. Congress
für innere Mcdicin kurz über das Thema berichtet, das er heute
ausführlicher erörtert. Indem er auf einen schon im Jahre 1 883
von Virehow beschriebenen Zusammenhang von Zwergwuchs,
foetaler Rhachitis und Cretinismus Bezug nimmt, definirt er die
hier in Betracht kommenden Formen der Wachsthumshominuug.
Es handelt sich um sonst körperlich und geistig gesunde Kinder
(ohne Myxocdcm), die um ein Drittel ihrer Altersjahre in Grösse
und Entwicklung zurückgeblieben sind, nachdem sie sich eine Zeit
lang normal entwickelt hatten. Redner neigt zur Ansicht, dass
die Ursache der Hemmung in einer später aufgetretenen , mohr-
oder minder grossen Schilddrüsenatrophie liegt, so dass der zwar
normale Drüsenrest nicht mehr genug Secret liefern kann. Als
Beweis erwähnt er Dolega’s Sectionsprotokoll, einen Fall mit
".primärer Hemmung des Knochenwachsthums■> betreffend, wo die
Schilddrüse bis auf einige k 1 e i n c R e s t e beider Seiten-
lappen geschwunden war. Auch am Lebenden wurde
der Nachweis eines fast vollständigen Schilddrüsenschwundes ge¬
legentlich einer Tracheotomie bei einer 5 jährigen «Zwergpatientin»
von Deutsch gebracht. Ebenso führt Lanz die bedeutende
Waehsthuinsheimnung eines 16 jährigen Patienten (ohne Myxoedem)
auf Athyreosis zurück, <1. h. «die Schilddrüse war nur als rudi¬
mentäres Läppchen zu fühlen». Ferner sind aus der früheren
Zeit der totalen Struineetomie von Kocher, Bruns u. A.,
Fälle von plötzlichem Wachsthumsstillstand veröffentlicht worden.
Auch durch die Thierexperimente von Hofmeister, Eiseis¬
berg und Moussu wurde nach Thyreoidectomic Wachsthums-
hemmung hervorgerufen. Weiter ging Lanz, der solche Thiere
mit Schilddrüse fütterte und wieder Wachsthumszunnhnic
erzielte. Neuerdings ist auch die physiologische Wirkung
der Schilddrüse auf das Knochenwachsthum erklärt, indem ltoos
am operirten Hunde nachwies, dass ohne Schilddrüse nickt ge¬
nügend Phosphorsäure im Körper asaimilirt wird.
Die Förderung des Wachsth ums bei Zwergwuchs mit Myxoedem
ist längst bekannt und so lag es nahe, auch bei dem einfachen
Zwergwuchs diese Therapie zu versuchen. Vortragender verfügt
über vier Fälle, bei denen er neben bedeutender Gewichts¬
zunahme ganz auffallend hohe Wachsthumsziffern
erzielte (bis zu 12 cm in einem Jahr). Die Glandula thyreoidea
war nirgeuds zu palpircn. Es wurde die Wichtigkeit betont, bei
der theraiieutischen Anwendung der Sehilddrüsenpräparate das
jugendliche Alter, besonders die physiologische Wachsthumsenergie
(bei Mädchen vor dem 15- Jahr, bei deu Knaben nach dein
1(5. Lebensjahr) zu benützen. Auf alle Fälle soll man die
Fütterung auch bei noch älteren Individuen versuchen, wenn man
mit dem Röntgen-Verfahren die Epiphysenlinien der langen Röhren¬
knochen, besonders die untere Femur-Epiphyse, wo das stärkste
Längen wachstimm stattfindet, noch nicht ossificirt findet, (l)emon
stration solcher Bilder.)
(’ontraindication für Schilddrüsenfütterung bildet ausser dem
r h a e h i t i s c h e n Z w e r g w u e h s mit der frühzeitigen osteoiden
Umwandlung der Epiphysensehciben jedenfalls auch Wachsthums-
hemmung in Folge von schwächlicher Keim an läge, Fön¬
st, i t u t i o n s a n o m a 1 i e n und Gehirnkrankhciten (Hydro-
cephalus). Jedoch sollte man auch hier die Schilddrüsentherajnc
nicht unversucht lassen, gestützt auf die L a n z’sehen Fütterungs-
vcrsuchc, welche auch an normalen (nicht thyreoideetomirten)
jungen Thiercn bei Darreichung von massigen Dosen Wachs-
thumssteigernng gegenüber Uontrolthicren desselben Satzes con-
statirtc.
Redner wendet jetzt nur noch die Engelhard scheu
Thyreoidintabletten oder englische an und zwar für lange /eit
(1 Jahr und darüber) in schwacher Dosis von 1 Stück pro die,
mit einem Drüsengehalt von 0,05 bis zum 4. Lebensjahr, ü 0.1
vom 4. bis 7. Jahr, :» 0,15 vom 7- bis 14. Jahr und ;'i 0,3
vom 14. Jahr ab und für ältere Patienten. Die Tabletten wurden
4 Wochen lang genommen und dann wieder eine Woche aus-
gesetzt. Auf diese Weise und unter genauer Controle des Arztes
erwies sich diese Therapie als absolut gefahrlos; es traten weder
Symptome des Thyreoidisuius noch auch sonstige Störungen (Zucker¬
oder Kiwoissausscheidung), trotz der sehr lange dauernden Dar¬
reichung auf.
Discussion: Die Herren Rosenberg-Wien und Schmidt
Frankfurt a. M.
Herr StossjBern: Die Aethernarkose im Kindes¬
alter.
Seitdem die Anacstkctica durch Dem me in dem Gerhardt-
scheu Handbuch (1882) monographisch bearbeitet worden sind,
ist keine eingehende Berücksichtigung der Aethcrnarkosen bei
Kindern in der deutschen paediat-rischen Literatur erschienen.
D e tu in e hat sich absprechend über die Aetheranwendung geäussert
und dem Chloroform den Vorzug gegeben, was wohl all¬
gemein auch heute noch angenommen ist. Eine Durchsicht der
Statistik der Chloroformtodcsfällc zeigt uns aber, dass das Chloro¬
form auch bei Kindern keineswegs ungefährlich und die Zahl der
Chloroformtodesfälle im Kindesalter keine geringe ist.
Aethertodesfällc kommen dagegen vorzugsweise bei älteren
Patienten zur Beobachtung. Die Erfahrungen bei Aethcrnarkosen
bei Kindern (200 Fälle), haben den Vortragenden zu der Ansicht
gebracht, dass dieses Anaesthcticum auch bei kleinsten Kindern
die Nachtheile nicht hat, die man ihnen nachsagt.
Die Reizung der Schleimhaut der Trachea und der Bronchien
ist unerheblich, ebenso die Salivation, auch in der Dentitions¬
periode. Die Narkose wird bei Säuglingen in 2 Minuten, bei
älteren Kindern in der Zeit von 2—5 Minuten anstandslos erzielt.
Das Exeitationsstadium ist nicht stärker als beim Chloroform,
Erbrechen nicht häufiger. Unmittelbarer Respirationsstillstand mit
bedrohlichen Erscheinungen wurden nicht beobachtet. Das Er¬
wachen aus der Narkose geschieht schneller als beim Chloroform,
Nachwehen gering. Säuglinge nehmen kurze Zeit nachher die
Brust oder die Flasche ohne Brechneigung. Consecutive Pneu¬
monien und Nephritiden hat der Vortragende nie beobachtet.
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20. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1029
Er empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen seinen Fach-
gcnosscn einen Versuch mit dem Acther als dem weniger gefähr¬
lichen Anaesthctieum.
Discussion: Die Herren Conrad t Essen und Stoss.
Herr Falkenheim - Königsberg : Mittheilungen aus
der diesjährigen Impfperiode.
Vortragender hat seine in den Vorjahren bei Erstimpflingen
an gestellten, das Vorkommen von Albuminurie bei den vaccinirten .
Kindern betreffenden Untersuchungen in diesem Jahre bei den
Rcvaccinanden durchgeführt. Es wurden ebenfalls nur Knaben
und zwar 189 untersucht, doch die Beobachtung vier Wochen
fortgesetzt. Bei 32 Knaben blieb die Impfung erfolglos. Es
wurden insgesammt 1177 Urine vom Tage vor der Impfung, dem
I., III., VII., X., XIV., XXVII. Tage nach der Impfung stammend
in gleicher Weise, wie früher geprüft. Bis auf wenige Ausnahmen
waren die gefundenen Eiweissmengen minimal. Von den 157
mit Erfolg geimpften Knaben zeigten 49 in 94 Fällen, 30-A Proben
Albuinen entsprechend 9,57 Proe. der von den 157 Knaben ge¬
lieferten 982 Proben. Bei 33 der 49 Knaben waren bereits die
Proben vom Tage vor der Impfung eiweisshaltig. Diese 33 Knaben
gaben 196 Proben, darunter 66 mit Albuinen. Die nach Ab¬
setzung der 33 am Controltage nicht eiweissfreien Knaben ver¬
bleibenden 124 hatten unter 786 Proben 28 ciweisshaltige
(= 3,56 Proe.) Die 32 ohne Erfolg geimpften Knaben lieferten
unter 2''2 Proben 17 (= 8,4 Proe.) mit Eiweiss. Ein schädigender
Einfluss der Revaccination auf die Nieren hat sich nicht ergeben.
Ferner berichtet Vortragender unter Vorlegung von Photo¬
graphien über einen Fall, in welchem sich gleichzeitig mit den
Vacciuaebllischeu am Arm zwei auf der Zunge gebildet und in
entsprechender Weise entwickelt hatten. Der 2 '/2 jährige Erst¬
impfling, welcher mit dem 2. und 3. Finger der linken Hand
ludeltc, hatte gleich nach der geschehenen Impfung Lymphe vom
rechten Arm auf die Zunge übertragen.
Herr Michael Cohn- Berlin: Eine ungewöhnliche Form
der angeborenen Lebersyphilis.
Vortragender beschreibt unter Vorlegung mikroskopischer
Präparate eine ungewöhnliche Form der congenitalen
Lebersyphilis.
Bei einem hereditär-syphilitischen Kinde, welches im 3. Lebens¬
monate zu Grunde ging, war intra vitam unterhalb des unteren
Randes der gleichraftssig vergrösserten Leber in der Tiefe der rechten
Seite des Abdomens ein kugeliger Tumor mit glatter Oberfläche zu
fühlen. Wie die 8ection lehrte, sass derselbe der Hinterfläche des
rechten Leberlappens nahe der Porta hepatis breitbasig auf und
setzte sich noch ziemlich weit in die Lebersubstanz, von dieser
deutlich abgrenzbar, fort. Auf dem Durchschnitt sieht er fleisch¬
farben aus und zeigt am Centrum einen schmalen, helleren Gewebs-
streifen von narbenartigem Charakter. Bei der mikroskopischen
Untersuchung Hessen sich in der Leber selbst fast überall deutliche
syphilitische Veränderungen massigen Grades feststellen. Die Ge¬
schwulst selbst besteht in ihren peripheren Abschnitten ans Leber¬
gewebe, das von einer ungewöhnlich starken, theils diffusen, theils
herdförmigen Ruudzelleninfiltration befallen ist. Nach dem Innern
zu treten allmählich immer mehr bindegewebige Elemente auf,
während das Lebergewebe succesive schwindet, und das Centrum
endlich besteht ausschliesslich aus Bindegewebe, welches nur an
einzelnen Stellen von Gallengangswucherungen durchsetzt ist. Ent¬
standen ist das Neoplasma jedenfalls durch eine von einer um¬
schriebenen Stelle im Lebergewebe ausgehende und allmählich centri-
fugal sich ausbreitende Entzündung syphilitischer Natur. Dabei muss
neben dem Untergang von Leberzellen zum Theil auch eine Re
generation derselben stattgefunden haben. — Bisher war ein Fall
von intra vitam nachweisbarer Geschwulstbildung bei hereditärer
Lebersyphilis noch nicht beschrieben worden.
Herr Heinrich Mayer - Frankfurt a. M.: Ueber die
Verwendung von Einnehmegläschen in der Kinderpraxis.
Der Gebrauch der Thee- und Kindcrlöffel beim Ein nehmen
von Arzneien sollte möglichst eingeschränkt werden, weil sie keine
genauere Dosirung der Arzneimittel zulassen. Im Volke wird sehr
häufig der Unterschied zwischen Thee- und Kinderlöffel überhaupt
nicht gekannt. Auch ist durchaus nicht gleichgiltig, ob der Löffel
bis zum Rande oder nur zur Hälfte oder Dreivicrtel mit der Arznei
gefüllt wird. Sodann bestehen sehr grosse Schwankungen im
Gcwichtsgchalt der einzelnen Löffel. Eine Untersuchung ver¬
schiedener Löffel ergab bei Theelöffeln Grenzen von 2 bis 5 */z
Gramm, bei sogenannten Kinderlöffeln von 6 bis 11 Gramm. Bei
different wirkenden Mitteln sind solche Differenzen gewiss von der
grössten Bedeutung.
Diesem Ucbelstand hilft die Verwendung der ausserordentlich
billigen Einnehmegläschen ab, die leider nicht die Verbreitung
gefunden haben — wenigstens in hiesiger Gegend —, als sie ver¬
dienten. Dieselben haben Becherform und sind graduirt und
enthalten Theilstrichc für Thee-, Kinder- uod Esslöffel einerseits
und solche für 5, 10, 15 und 20 Gramm anderseits. Abgesehen
von dem Vortheil einer genauen Dosirung wird durch den Gebrauch
der Einnehmegläschen eine ganz bedeutende E r spar n iss der
Rccepturkosten erreicht, namentlich in solchen Fällen, wo Pulver
längere Zeit hindurch gegeben werden sollen, wie z. B. Chinin
bei Keuchhusten oder salicylsaures Natron bei Gelenkrheumatismus.
Soll z. B. ein einjähriges, an Keuchhusten leidendes Kind nach
der gebräuchlichen Darreichungsweise dreimal täglich 0,1 Chinin
hydroehl. erhalten, so wird gewöhnlich verschrieben :
Rp. Chinin hydrochlor. 0,1
Saccbar. 0,4
Mfpulv.
D. t. dos. No. 20.
S. 3 X tgleh. 1 Pulver.
Diese Pulver reichen für sieben Tage und kosten 1,95 Mark.
Verschreibt man dagegen :
Up. Chinin hydroehl. 2,0
Aq. dest. 80,0
Syr. Alth. aa. 100,0
M. D. S.
3 X tgleh. 5 g im Einnehmegläschen zu geben,
so hat man ebenfalls 20 Dosen ä 0,1 g Chinin, dieselben brauchen
von der Pflegerin nicht mehr aufgelöst zu werden und ihr Preis
beträgt nur 95 Pfennige, also um eine Mark billiger, als das
obige Rccept.
Jedoch hat beim Gebrauch der gewöhnlichen, im Handel befind¬
lichen Einnehmegläschen die grösste Vorsicht zu walten, wenig¬
stens so lange dieselben von den Fabrikanten in so leichtfertiger
Weise hergestollt werden, wie bisher. Prüfungen von Einnehme-
gläschcn, die aus den verschiedensten Kaufstcllcn entnommen
waren, ergaben, dass nicht ein einziges den Anforderungen ent¬
sprach, die man auch nur annähernd an eine genaue Graduirung
stellen kann. Manche Gläschen enthielten mehr als das Doppelte,
als was sie bei dem entsprechenden Teilstriche hätten enthalten
sollen. Vor schlechten, d. h. ungenau taxirten GefUssen ist daher
dringend zu warnen. Es ist nöthig, dass der Apotheker vor der
Abgabe die Gläschen an dem Theilstrich, dessen Maass auf dein
llecept gefordert wird, noch einmal nachprüft oder dass er
schlechtes Fabrikat überhaupt nicht mehr führt, denn unter Um¬
ständen könnten recht wohl Vergiftungen durch zu reichlich ge¬
messene Dosen bei different wirkenden Arzneimitteln Vorkommen.
Herr S c hi 11-Wiesbaden: Bäderbehandlung bei Scarlatina.
Vortragender berichtet über 110 Fälle von Scharlach, wovon
er seit 1892 63 und Herr Schellenberg 47 seit 1893, merk¬
würdiger Weise genau nach derselben Methode mit täglichen
warmen Bädern 28 0 R, 10 Minuten Dauer, in der ersten Woche
zweimal, später einmal täglich behandelt haben. Von den Fällen
des Herrn Schill war nur einer sehr schwer und dieser hatte
ausser einer Phlegmone submaxillaris, Nephritis. Von den 47 Fällen
des Herrn Schellenberg hatte nur eines von den 5 Kindern,
die nicht gebadet werden konnten, Nephritis. Alle übrigen Fälle
verliefen leicht und ohne Nephritis oder Albumin im Urin. Es
ist unzweifelhaft, dass die Haut beim Scharlach eine wichtige
Rolle spielt, ihre Function wird durch die diffuse Dermatitis ge¬
stört. In der Arbeit von Ssokolow, Archiv f. Kinderh. XIV
257 ff. «Die Hautperspiration bei Kindern im physiologischen
und pathologischen Zustande» findet sich die Aufklärung darüber.
«Die Haut|>erspiration der Scharlachkinder ist bedeutend ver¬
mindert. Diese Verminderung der Hautperspiration führt zur
Albuminurie als dem nächsten Resultate der Functionsstörung des
Nieren ge webes. Bei Versuchen mit Lackircn der Haut mit den
verschiedensten Substanzen wird fast immer Albuminurie beob¬
achtet, ebenso wird durch Einfetten mit Vaseline der Perspirations¬
zweck am die Hälfte verringert.» Das Einreiben der Kranken
mit Speek ist also schädlich. Eine Abschuppung, ausgenommen
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1030
MÜNCHENEll MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
au Jen Fingern, bemerkt iuau nicht. Die Epidermis wird durch
das tägliche Abbröckeln allmählich entfernt und durch die offen¬
gehaltene Haut das Scharlachgift nach und nach aufc dem Körper
entfernt. Daraus erklärt sich der ungewöhnlich milde Verlauf der
Falle und das Ausbleiben der (’omplicationen.
Der III. internationale dermatologische Congress
zu London vom 4. bis 8. August 1890.
(Offizielles Referat, angefertigt für die Vereinigung der deutschen
medieftiisehen Fachpresse von L. Eikind, M. !>., London.)
(Schluss.)
Nachmittags sitzung i in grossen Auditorium.
Veiel (Canstatt): Ueber die Natur und die Beziehungen
der Erythema exsudativum multiforme- Gruppe.
Redner erklärt das Erythema multiplex Hebra für eine
selbständige, nicht contagiöse, vielleicht miasmatische Infections-
krankheit. Es tritt manchmal epidemisch auf, gehört aber nicht
zu den bösartigen Complicationen wie das Erythema nodosum.
Durch äusBere Reize lässt sich dasselbe nicht Hervorrufen; den von
Kapo Bi erwähnten Fall, wo nach Einreibungen mit grauer Salbe
Erythema mult. exsud. auftrat, vermag der Vortragende nicht zu
den Erythema exsud. mult. Hebrae zu rechnen. Ebensowenig die
Erytheme, welche Lew in nach Reizung von urethralen Erosionen
beobachtet hat. Im Weiteren spricht sich Veiel dahin aus, dass
das Erythema nodosum streng von Erythema exsud. mult. Hebra
zu trennen ist. Es ist eine selbständige, zu schweren Complicationen
führende Infectionskrankheit, die besonders bei mit Tuberculose
hereditär belasteten und bei körperlich heruntergekommenen Indi¬
viduen auftritt. Ganz entschieden bestreitet Vei e 1 den Zusammen¬
hang von Erythema exsud. mult. Hebrae mit Rheumatismus, während
letztere nach ihm bei Erythema nodoBum wirklich eine aetiologische
Rolle zu spielen scheint. Indes« nimmt Veiel an, dass das Ery¬
thema nodosum und der Rheumatismus articulorum acutus nicht
identisch, sondern nur mit einander verwandt seien. Streng zu
trennen seien noch ferner vom Erythema exsud. mult. Hebrae jene
Erythemformen, welche im Verlaufe verschiedener Infectionskrank-
lieiten — wie Cholera, Diphtherie, Typhus, Scharlach, Masern,
Angina, Sepsis, Pyaemie — auftreten. Diese sind wold alle em-
bolischer Natur und Folgen des Reizes der Bacterien oder ihrer
Toxine. Embolien ungiftiger Substanzen riefen keine Erytheme der
Haut, sondern umschriebene weisse Flecke hervor, welche von einem
schmalen, bläulichen, haeinorrhagischen Rande umgeben sind.
Stephen Mackenzie (London): Ueber die Erythema
multiforme - Gruppe.
Der Vortrag Mackenzies enthält eine Analyse von 16< Fällen,
die er am Londoner Hospitale beobachtet hatte. Aus seinem Vor¬
trag möchten wir zunächst hervorheben, dass die in Rede .stehende
Affection viel häufiger das weibliche als das männliche Geschlecht
befällt; nach der von Mackenzie entworfenen Statistik kommen
auf 4 weibliche 1 männliches Individuum. Bei Erythema nodosum
ist das Verhältnis8 des weiblichen zum männlichen Geschlecht wie
ft Z u 1. Was das Alter anbelangt, so befand sich die Majorität der
Patienten zwischen dem 10. und 30. Lebensjahre. Indess kommt
die Krankheit bei Kindern unter 10 Jahren häutiger als bei Er¬
wachsenen über 30 Jahre vor. Wenn je ein prädisponirendes
Moment für die Erythematagruppen von Belang und Bedeutung ist,
so wären es die verschiedenen rheumatischen Erkrankungen; so
gelang es Mackenzie in 22 Proc, d. h. in 26 von 115 Erythema
nodosum-Kranken, mit Sicherheit einen vorhergegangenen, acuten
oder subacuten, articulären Rheumatismus nachzuweisen. Bei anderen
Gelegenheiten hatte Makenzie 103 Fälle von Erythema nodosum
beschrieben und darin gezeigt, dass in 17 von diesen Kranken
ein ausgesprochener articulürer Rheumatismus vorhergegangen ist.
Rechnen wir also die letzteren Fälle, in denen nach Makenzie
der Rheumatismus als ein prädisponirendes Moment vorhanden war,
zu den ersteren hinzu, so ergibt sich, dass in 43 von 283 Erythema-
nodosum-Fällen eine rheumatische Affection vorlag, d h. mit anderen
Worten in 19 Proc. Natürlich führt Mackenzie noch andere
Fälle an, in denen vorhergegangene rheumatische Erkrankung an¬
genommen werden könnte, aber nicht mit der in den vorhergehenden
Fällen erwähnten Sicherheit. Unter anderen prädisponireuden Mo¬
menten nennt noch Mackenzie: 1. Affectionen des Herzens in
0 Fällen, 2. Gicht in 2 Fällen, 3. Tuberculosis in 2 Fällen, 4. Epi¬
lepsie in 2 Fällen, 5. Hysterie in 1 Fall, 6. Melancholie in 1 Fall,
7. uterine Erkrankungen in 3 Fällen, 8 Kopfschmerz in 1 Fall,
9. acute Nephritis in 1 Fall und 10. in einem Fall liess sich der
Ausbruch der Krankheit auf die Unbilden des Wetters zurückfUhren.
Bei Erythema multiforme scheint der Rheumatismus nicht eine so
prädisponirende Rolle wie beim Erythema nodosum zu spielen.
Wiewohl Erythema fugax congestiver und nicht entzündlicher Natur
ist, so würde es Mackenzie doch zu der Gruppe der Erythemata
rechnen, aus dem Grunde, weil bei ihm wie bei den anderen
Erythemataformen eine rheumatische Erkrankung vorherzugehen
pflegt. Die Frequenz des Vorkommens von Rheumatismus bei
Erythema multiforme würde der Vortragende mit 50 Proc. be¬
rechnen. Dass die verschiedenen Erythema-Erkrankungen gleich dem
Rheumatismus mit besonderer Vorliebe das weibliche Geschlecht
befallen und häufiger in der ersten Hälfte des Lebens Vorkommen,
dürfte viel für den aetiologischen Zusammenhang beider Affectionen
sprechen. Die pathologisch-anatomischen Forschungen auf dem Ge¬
biete der Erythemagruppe liesBen sich auf den Rheumatismus bis
zu einem grossen Grade übertragen, dessen Pathogenese bis jetzt
noch nicht klargelegt worden ist. Hier, wie bei Rheumatismus,
würden wir die « Materia morbi » in Form eines toxischen Agens im
Blute zu suchen haben Wie sich Makenzie's Fälle mit Bezug auf
das Alter vertheileo, geht am besten aus folgender Tabelle hervor:
Fälle von Erytbma.
1 — 10 j
Jahre !
J.-S
O
GO £
i!
31—30
Jahre
§2
4
Erythema nodosum:
1
7^3
Männer.
4
11
i
—
—
Weiber.
13
33
29
9
10
4
Eryth. marginatum:
Männer.
Weiber.
1
--
2
3
—
-
-
Ervth. paj.ulatum:
Männer ....
-
—
1
1
—
—
Weiber.
—
1
—
1
—
1
’iji
Ervth. tubereolatum:
Männer.
—
3
--
—
—
—
«u- %
Weiber.
Ervth. multiforme:
-
~
-r;<
Männer.
2
3
3
2
—
2
| SS
Weiber.
Ervth. fugax:
2
i)
8
3
1
2
21 } M
«■:
Männer.
—
—
2
—
—
—
Weiber.
1
1
1
Totale
22
61
45
17
13
9
167
G. B o e c k (Christiania) tritt den Anschauungen von Stephen
Mackenzie vollständig bei, und möchte noch einen Schritt weiter
gelien, und die Purpura rheumatica in die Erythemagruppe einreihen.
Für ihn sind Rheumatismus art. acutus, Erythema mult., Erythema
nodosum, Herpes iris, Purpura rheumatica eine und dieselbe Emk
heit; der Unterschied zwischen denselben besteht nur in der Ver¬
schiedenheit der Localisation der Affection und des Grades da
Erkrankung. Die aetiologischen Momente, so weit sie bis jetzt be¬
kannt sind, sind bei den ebengenannten Affectionen dieselben und
die Therapie, wenn sie von Erfolg begleitet sein soll, muss bei
denselben die gleiche sein. Bei allen eben genannten Affectionen
wandte Bo eck früher mit einem gewissen Erfolge das salicylsaure
Natrium an, jetzt und namentlich in schweren, acuten Fällen, ging
der Redner zur Verabreichung von Antifebrin über, dessen energischere
Wirkung gegenüber dem salicylsauren Natrium in den eben genannten
Erkrankungen er hervorhebt Aber auch in den Fällen von wy
thema mult., wo kein Fieber besteht, ist die Wirkung des Ana-
febrins sehr schnell auffallend. Dies beziehe sich, wie ausdrückUcn
betont wird, auf die «ordinären Fälle» dieser Affection ZQ®
Schlüsse seines interessanten Vortrages meint noch Boeck: «Fsw
meine Ueberzeugung, dass die Auffassung dieser Affectionen als e®
rheumatisches Leiden zum grossen Vortheil für unsere Patienten
gereichen wird. »
Janovski (Prag) meint, dass der Typus des Erythema muit.
Hebra aufrecht erhalten und scharf von den übrigen Gruppen,
besonders von Erythema nodosum und Erythema grave, getrenn
werden muss. Mit Erythema nodosum können Combinationen vo
kommen: der Typus Erythema grave (Lewin) gehört nicht *
Erythema mult. Es handelt sich dabei, wie Janovski M ^
bacteriologische Untersuchungen bewiesen hat, um eine fetre P
cocceninvasion. Bei der Obductiou konnten an Purpuraflecken,
während des Erythems entstanden sind, Streptococcenembouen
den Capillaren nachgewiesen werden. ..,
In der weiteren Diacussion bemerkt noch Veiel (Cans /i
dass ihn Stephen Mackenzie’s Vortrag höchst interesflirt ™ '
Wir müssen gestehen, so fährt er fort, dass wir hier vor ein
Räthsel steheu, das sich eventuell dadurch erklären Hesse, dass
Rheumatismus chronicus und Gicht in seiner Heimath verbältn-
raässig seltene, in Eugland aber sehr häufige Erscheinungen seie
W. Dubreuil (Bordeaux) zählt Erythema multiforme,
thema nodosum und manche Fälle von Purpura zu einer una
selben Gruppe. Sie sind die Folge einer Intoxication, b“ D
internen als externen Ursprungs. Rheumatismus spielt m 1
Aetiologie eine wesentliche und häufige Rolle.
Sabouraud (Paris): Ueber den Ursprung der Mop****'
In diesem Vortrag gibt Sabouraud die Resultate der
sch ungen von 300 hierhergehörigen Patienten. Dieselben
sich kurz wie folgt zusammenfassen:
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20. October 1896
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT,
1081
1) Im Anfangsstadium der Krankheit lassen sich Mikroben —
ein schmaler Bacillus Vs /x breit und ‘/i—1 fx lang — nach weisen.
2) Wenn dieses Anfangestadium vorüber ist, so lässt er sich
nirgends, weder in der Haut noch in den Follikeln etc., finden.
Natalie Amici (Rom). Aub Amici's Vortrag, «Sopra un
inetodo speciale di cura locale dell'Erisepela>, möchten wir Folgen¬
des hervorheben: Bei dem Erysipel der Extremitäten finden sich
bisweilen Zeichen einer latenten Infection, < harakterisirt durch
Oedem und Schmerz auf digitalen Druck in ziemlicher Entfernung
von den eigentlichen Erkrankungsherden. Dieses Bild der latenten
Infection lässt sich in 2 bis 3 Tagen wegbringen, wenn Sublimat
und Oel im Verhftltniss von 1:100 zweistündlich zur Application
gelangt. Auf Grund klinischer Erfahrung behauptet Amici, dass
Carbolsäure und Sublimat keineswegs durch das Hinzufügen von
Oel ihre antiseptischen Eigenschaften verlieren.
Per rin (Marseille): Traitement surgical des Leukok6ra-
toses buccales. Bei 7 hiehergehörigen Patienten wandte Per rin
mit grossem Erfolg den Galvano-, resp. Thermocauter an. Die Hei¬
lung blieb permanent. Zur Ausführung dieser einfachen Methode
genügt eine locale Anaesthesie. Heilung soll nach 3 bis 4 Wochen
erfolgen.
Petrini de Galatz (Bukarest): Une nouvelle vari6td d'Acne
(Acne rubra seborrhoica).
Bei 2 weiblichen Patienten im Alter von 30, resp. 35 Jahren
beobachtete Petrini de Galatz folgendes Bild. Bei der einen
Patientin trat im Alter von 15 Jahren im Gesichte ein papulöser
Ausschlag auf, der jeden Sommer verschwand, um im Winter
wieder zu erscheinen. Ohne wesentliche Aenderung hielt der eben
geschilderte Zustand 15 Jahre an, und erst im Winter dieses Jahres
(1896) bedeckten sich diese papulösen Efflorescenzen mit starken
Schuppen. Bei der zweiten Patientin trat das gleiche Bild etwa
2 Jahre früher (1594) auf. Nur sind bei derselben die Schuppen
reichlicher, etwa das ganze Gesicht einnehmend; daher sind die
Lippen geschwollen, verdickt und zeigen einen desquamatösen I’ro-
cess. Neben diesem papulösen Ausschlag bestehen noch kleine, von
einem engen Saum umgebene Bläschen. Das ganze Bild würde
zunächst an Lupus eryth. oder ein trockenes squamöses Ekzem
denken lassen. Der weitere Verlauf jedoch zeigte, dass es sich um
eine Akneform handelte, die bis jetzt noch nicht genügend studirt
worden ist. Ichthyol in Form von Salben oder Kapseln wurde
verabreicht, ebenso Schwefelpulver, und in beiden Fällen trat der
gewünschte Erfolg ein.
G. Ciarrochi (Rom) berichtet über eine Beobachtung von
550 Alopeciefällen. Er verweist zunächst auf die Thatsache, dass
die Erkrankungen in Rom von Jahr zu Jahr zunehmen und pro
centualisch gerechnet etwa um 5.23 Proc. alle anderen Haut-Er¬
krankungen übertrifft. Die Krankheit ist für Ciarrochi nicht
contagiös, da er bis jetzt noch nicht eine epidemische Ausbreitung
beobachtet hat. In dem Entstehen der sogenannten Alopecieflecken
scheint ein bestimmtes Gesetz zu walten, das sich in dem sym¬
metrischen Auftreten derselben und an der Vorliel e, bestimmte
Körperregionen — Nacken, Hinterkopf, temporale Gegend und die
Wangen — zu befallen, äussert. Was den anatomischen Sitz
dieser Alopecielaesionen anbelangt, so meint Ciarrochi, dass sie
hauptsächlich in den Gegenden Vorkommen, die vom Nervus trige-
minus versorgt werden. Ciarrochi hebt noch die interessante
Beschreibung von A. C. Celsus in dem Abschnitte « De Areis » über
diesen Gegenstand hervor.
P. G. U n n a (Hamburg) trägt über Paraplaste, eine neue Form
medicamentöser Pflaster, das unter Unna's Anweisung von der
Firma P. Beiersdorf & Co. hergestellt worden ist, vor.
Fünfter Tag. Samstag, den 8. August 1896.
A. Blaschko (Berlin): Ueber Lepra in Deutschland.
Von Livland und Kurland wurde die Lepra durch Menschen¬
verkehr in Preussen eingeschleppt. Speciell ist der Kreis Memel
von dieser Seuche heimgesucht worden, die daselbst seit 15 oder
20 Jahren anhält. Die Ausbreitungsweise der Lepra spricht für
ihren contagiösen Charakter und gegen die Annahme einer autoch-
thonen Entstehung. Nur Isolirung allein, meint Blaschko, vermag
die weitere Ausdehnung der Lepra in Deutschland zurückzubalten,
resp. zu verhindern. Dass die Krankheit im Ganzen nicht so rapiden
Fortschritt nehme, hängt erstlich von der Immunität der meisten
Menschen gegen die Lepraerkrankung und von der biologischen
Natur der Bacillen — sie verlassen nur selten den inficirten Or¬
ganismus — ab. Die Leprabacillen befinden sich nach Blaschko
innerhalb der Zellen und die Syringomyelie und die sogenannte
Lepra anaesthetica sind in aetiologischer wie pathologischer Be¬
ziehung zwei grundverschiedene Krankheiten; bei der ersteren ist
immer und primär das Rückenmark ergriffen, bei der letzteren selten
und dann auch nur secundär.
v. Petersen (St Petersburg): Die Verbreitung der Lepra
in Russland.
v. Petersen befürwortet energisch die Isolirung der Lepra¬
kranken, was nur durch Einrichtung von Asylen oder Stiftung von
Colonien zu erreichen ist. Derartige Einrichtungen > nämlich fünf
Asyle und zwei Colonien, bestehen bereits in Russland, und man ist
nun dabei, ihre Zahl zu vermehren. Die Zahl der zu errichtenden
Asyle, sesp. Colonien, würde sich natürlich nach der Zahl der vor¬
handenen Leprafftlle richten, und um letztere zu eruirenj hat die
kaiserlich russische Regierung im Juli 1895 durch Erlass eingeführt,
dass jeder Leprafall polizeilich angemeldet werden soll. Diese Vor¬
nahme ergab nach einem Jahre (Juli 18'.i6) die Zahl von wirklichen
Leprakranken in der Höhe von 984, und den grössten Procentsatz
(63,3 Proc.) bildete darunter die sogenannte Lepra nodosa Was
das Alter der Leprösen betrifft, so befanden sieb unter 5 Jahren
3 Proc., von da bis zu 20 Jahren 14,42 Proc., über 50 Jahre 28,2 Proc.
und über 70 Jahre 4,1 Proc. In 18 Fällen war es der Mann, resp.
die Frau, welche die Lepra aufeinander übertrugen. Dies, meint
v. Petersen, spricht doch gewiss für den contagiösen Charakter der
Lepra. In allen Ländern, so führt noch zuin Schlüsse v. Petersen
aus, sollte die Anmeldepflicht und das Asyl- resp. Coloniesystem
eingeführt werden.
Neisser (Breslau) vertritt mit aller Energie die Auffassung,
dass die Lepra contagiös sein muss. Die Bacillen sind zweifellos
die einzige Ursache der Erkrankung. Dieselbe kann nur entstehen,
wenn die Bacillen auf irgend eine Weise in den Organismus ein-
dringen. Daraus folgt noch nicht, dass jeder Lepröse seine Umgebung
anstecken muss, weil Disposition und andere Momente zugegen sein
müssen. Die Verbreitung der Bacillen geht von den Krankheits¬
herden der Haut, Mund- und Nasenhöhle aus; freilich weise man
nicht, ob die Bacillen lebendig oder todt sind. Die chirurgische
Behandlung, wie von Campana vorgeschlagen, hält Neisser
für überflüssig. Es genügen verschiedene antiseptische Maassnahmen,
um die oberflächliche Lepra zu beseitigen, resp geschlossen zu
erhalten.
Campana (Rom): Leprosy and Proposals for diminishing
the diffusion of the Disease. (Vorschläge zur Verminderung der
Ausbreitung dieser Krankheit.)
Campana weist zunächst auf die Nothwendigkeit einer inter¬
nationalen Verständigung mit Bezug auf die Behandlung der Lepra
hin. Die locale Behandlung der Lepra kommt namentlich in ihren
ersten Stadien in Betracht, sie ist eine radicale chirurgische, ver¬
bunden mit nachfolgender Cauterisation. Im Verlaufe der Lepra
kann sich hohes Fieber und andere schwere Erscheinungen geltend
machen; dies ist der Ausdruck eines septischen Processes, der durch
den Ulcerationsprocess bedingt ist, das Krankheitsbild complicirt
und die allgemein übliche Behandlung erfordert.
Arning (Hamburg) macht darauf aufmerksam, dass die
anaesthet'sche Form der Lepra nicht so ohne Weiteres als relativ
ungefährlich hinzustellen ist. Das häufige Vorkommen von bacillen¬
haltigen Ulcerationen des Septum narium sollte auch diesen sonst
so ungefährlich aussehenden Fällen gegenüber zur Vorsicht mahnen.
Feibes ■Aachen): Zur Diagnose der extragenitalen Sy-
philisinfection.
Feibes gibt eine Statistik von 45 Fällen, an der Hand deren
er die folgenden Punkte zu illnstriren sucht. Die Prognose dieser
Form ist nicht schlechter wie die der genitalen Syphilis. Das Gleiche
gilt von dem Vorkommen tertiärer Erscheinungen und Recidiven,
die nicht häufiger sind, wie bei der genitalen Infection.
Löwenhardt spricht sich ebenfalls dahin aus, dass die
Prognose bei der extragenitalen wie genitalen Syphilis die gleiche
ist. Auffallend sind allerdings die colossalen Drüsenindurationen.
Drysdale beobachtete mehrere Fälle exlragenitaler Syphilis.
Der Verlauf und die weiteren Symptome derselben scheinen wenig
Abweichungen von denen der genitalen Syphilis zu zeigen.
Bertarelli (Mailand), Soffiante (Paris), Balzer (Paris)
stellen die extragenitale Infection mit Bezug auf Prognose und
Schwere der Erscheinungen der der genitalen Infection gleich. Der
letztere Redner (Balzer) verweist auf die von Fournier in «La
mddecine moderne» 1895 veröffentlichte Statistik extragenitaler In¬
fection Er selber allerdings beobachtete, dass in zwei Fällen von
Lippenschanker das Bild der sogenannten Syph. mal. sich entwickelte.
Grünfeld (Wien): In Bezug auf die extragenitalen Fälle
von Syphilisinfection ist das Auftreten intensiver Erscheinungen
gewiss zu bestätigen. Solche werden an verschiedenen Körperstellen
beobachtet. Grünfeld erwähnt einen Fall von Sklerose in den
Tonsillen, in welchem nicht nur die localen Beschwerden gross
waren, sondern auch heftiger einseitiger Kopfschmerz — bedeutender
als in gewöhnlichen Syphilisfällen — zugegen war.
Verein Freiburger Aerzte.
(Officielles Protokoll.)
.Sitzung vom 22. Mai 1896.
Privatdoecnt Dr. Schüle: Die motorischen Functionen
des Magens.
Redner bespricht die Resultate der neuen Forschungen über
die Motilität des Magens. Am meisten in Frage kommend für
die Kxpulsion ist die (’onsistenz der Ingesta (Moritz). Warmes
Wasser verlässt den Magen weit schneller und in kräftigerem
Maasse, als lauwarmes oder kaltes; anregend wirkt ferner die
Kohlensäure. Mehr rctardirend ist der Einfluss des Schlafes
(Schule), sowie psychische Depression.
Was die verschiedenen Methoden betrifft, welche zur Be¬
stimmung der motorischen Thätigkeit angewandt werden, so kann
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1032
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Rodner auf Grund mehrfacher Nachprüfungen keine für besonders
zuverlässig halten.
Für die Praxis genügt übrigens das Leube’sche Verfahren
vollständig.
Im Anschlüsse an eine neuerdings aus München uiitgetheilte
Versuchsreihe über den Einfluss der Klektrisation auf die Magen-
motilität (GoldSchmidt) bespricht Redner mehrere eigene Ex-
perimente, welche an einem Patienten mit Dilatutio ventric. an-
gcstellt wurden. Dieselben bestätigten im Wesentlichen die An¬
gaben Goldschmidt’s: ein Einfluss der Faradisation auf die
Magenperistaltik ist nicht zu erkennen.
Zum Schlüsse wird darauf hingewiesen, dass der Ablauf der
motorischen Functionen im Einzelnen ähnliche individuelle »Schwank¬
ungen erkennen lasse, wie die secretorischen Apparate: cs müsse
also von allen detaillirten Classificirungsversuchen auf Grund kleiner
motorischer Differenzen nachdrücklich abgerathen werden.
Privatdoccnt Dr. Bulius: Ueber Peritonitis tuber-
culosa.
Vortr. weist auf die zahlreichen Erfolge hin , welche durch
die Laparotomie bei der Peritonitis tubcrculosa erzielt worden sind.
Zuerst von Spencer Wells in Folge falscher Diagnose aus¬
geführt, ist die Laparotomie, besonders nach der Veröffentlichung
König’s über Peritonealtubcrculo.se im Jahre 1884, direct als
Heilmittel bei gestellter Diagnose angewandt worden. Eine von
Warneck 1898 veröffentlichte Statistik umfasste bereits 240 Fälle.
König hatte weiter gezeigt, dass durch die Eröffnung der
Bauchhöhle bei allen Formen der tuberculösen Peritonitis Heilung
zu Stande komme, gleicbgiltig, ob es sich um Fälle mit Ascites,
oder um die sog. trockene Form, oder um die eitrige Form handele.
Weiterhin ergab sich, dass es für den Erfolg glcichgiltig
war, ob man sich mit der einfachen Eröffnung der Bauchhöhle
und dem Ablassen des Ascites begnügte, oder ob man auf mög¬
lichst vollständige Austrocknung der Bauchhöhle bedacht war, ob
man Jodoform oder Antiseptica anwendetc, oder nur das Tages¬
licht in alle Theile der Bauchhöhle scheinen Hess.
Das Räthselhaftc dieser Heilungen, die durch nachträgliche
Befunde bei Scctionen und wiederholte Laparotomicen sicher gestellt,
waren, wurde genau zu erforschen gesucht.
Klinische Erfahrungen ergaben, dass Antiseptika und Dcs-
inficientien ohne irgend welchen Einfluss auf den Aushcilungs-
process seien.
Man schrieb den Erfolg» dem durch die eindringende Luft
bedingten Reize zu, auch wohl der durch das Ablassen des As¬
cites bedingten Aenderung des intraabdominellen Druckes. Auch
behauptete man, dass es sich bei den ausgcheiltcn Fällen nur um
einfache chronische Peritonitis mit Bildung fibröser Knötchen ge¬
handelt habe.
Die Untersuchungen von Bum m, (Jabot, Ceccharelli,
Kischensky machen diese Ansicht sehr zweifelhaft. Es kommt
nach der Laparotomie zur Heilung durch Infiltration der Tuberkel
mit Rundzellen und durch narbige Umwandlung der Knötchen,
so dass man in der Peritonitis granulosa ein Ausheilungsstadium
der tuberculösen Bauchfellentzündung ansprechen kann. Nach
einem im hiesigen pathologischen Institute beobachteten Falle, in
welchem die Scction 7 Monate nach der Laparotomie vorgenommen
wurde, scheint es ausserdem nöthig zu sein, dass erst eine Nekrose
8ämmtlichcr sj>ecifischer Elemente des Tuberkels cintreten muss,
ehe die Bindegewebsentwickelung einsetzen kann.
Durch die günstigen Resultate der Laparotomie bei der
tuberculösen Peritonitis hat nun aber die Diagnose bedeutend an
Wichtigkeit gewonnen und wir wollen desshalb auf diese noch
etwas näher eingehen.
Wie schon angedeutet, finden sich pathologisch - anatomisch
sehr verschiedene Formen, die auch klinisch sehr verschiedene
Bilder geben.
Man findet allgemeine Ergüsse wie bei Ascites, abgesackte
Ergüsse, feste Geschwülste gleichzeitig mit und ohne Erguss und
endlioh nichts Derartiges oder nur ganz minimale Ergüsse. Das
Bauchfell ist bald übersäet mit kleinen oder grösseren Tuberkeln
von Stccknadelkopf- oder Hirsekorn- bis Erbscngrössc, bald finden
sie sich nur in den abhängigsten Thcilen und in der unmittel-
No. 42 .
baren Nachbarschaft der primär erkrankten Sexualorgane, bald
fehlen sie vollständig.
Gerade die Anwesenheit dieser kleinen Knötchen bildet aber
ein wichtiges diagnostisches Merkmal. Freilich genügt der Nach¬
weis von Knötchen nicht allein, weil deren Deutung keine ein¬
heitliche, oft sogar recht schwierig ist.
Es können einmal geschwollene Lymphdrüsen sein, dann sitzen
die Knötchen meist nur in der Gegend der Art. sacro-iliao, selten
in den Ligamenten, und fühlen sich hier mehr flächenliaft an.
Zweitens finden sieh die Knötchen bei t'arcinose der ver
schiedensten Bauchorgane; sie sind als Metastasen aufzufassen
oder stellen eareinomatös entartete Lymphdrüsen vor. Sie sind
erbsen- bis bohnengross, oft markartig.
Drittens kommen bei den papillären Eierstockscystomcn Me¬
tastasen im Bauchfell in Form kleiner papillärer Knötchen vor.
Endlich handelt es sich um Tuberkelknötchen. Diese sind
Stecknadelkopf- oder birsekorn- bis höchstens erbsengross, von harter
(Jonsistenz. Sie sitzen lose und fast vollkommen verschieblich auf
dem Peritoneum. Auf die Bedeutung dieser Knötchen hat zuerst
H e g a r aufmerksam gemacht.
Das Auffinden dieser Knötchen ist im Allgemeinen nicht
schwierig und gelingt in den meisten Fällen ohne Narkose. Noth-
wendig ist aber die Rectaluntersuchung. Dabei muss inan bis
über den Sphincter ani tertius hinausgehen, um die Ligamente
vollständig abtasten zu können. Gerade an der hinteren Plaue
des Lig. latum, an der hinteren Fläche des Uterus und an der
seitlichen Beckenwand hinten ist bei geringer Zahl der Prä-
dilectionssitz.
Zur richtigen Deutung der Knötchen ergeben sich auch aus
der Anamnese wichtige Punkte. Heredität, Tubereulose irgend eines
anderen Organes, suspecto Hautaffeetionen, Kuochenerkrankungen,
geschwellte oder gar vereiterte Lymphdrüsen, Neigung zu Katarrheu,
recidivirende Lungenentzündungen in der Kindheit geben Anhalts¬
punkte. Fortgesetzte Erhöhung der Abendtemperatur, auch nur
etwas über 37,5° in der Achsel, ist ganz entschieden suspect.
Weitaus am häufigsten ist die Peritonealtubcrculose Folge
einer Tuberculose des Darmes oder der Sexualorgane, vor Allem
der Tuba. Diese macht zuweilen im Beginn wenig Erscheinungen,
oft erst beim Uebergang des Processes auf das Bauchfell.
Die erkrankten Tuben haben die Gestalt einer Wurst, einer
Keule oder eines Rosenkranzes, wie bei den anderen Formen der
Salpingitis auch. Die Rosenkranzform wird wohl am häufigsten
eib Tuberculose beobachtet und dann findet sieh der erste Knoten
nicht selten in dem medialen Theil der Tube, ja im interstitiellen,
in der Uteruswand verlaufenden.
Discussion: Geh. Rath Bäumler weist auf die Häufig
keit der tuberculösen Peritonitis im Kindesaltcr bin.
Wir finden häufig neben Blässe, Appetitlosigkeit, ungeregeltem Stuhl
und zeitweiligen Leibschmerzen ein aufgetriebenes Abdomen mit
geringem Flüssigkeitserguss und etwas Druckempfindlichkeit. Der
Erguss kann durch einfache Bettruhe im Laufe von Wochen ver
schwinden. Dass es sich hier um tuberculöse Peritonitis handelt,
kann zwar nicht direct bewiesen werden; allein die Erfahrung spricht
dafür, dass eine chronisch oder subacut verlaufende Peritonitis
immer eine tuberculöse ist. Man hat früher Anstand genommen,
eine heilende Peritonitis als tuberculöse zu betrachten. Diese Mei¬
nung ist aber durch die Erfahrungen bei Laparotomien beseitigt
worden, welche die Umwandlung der miliaren in fibröse Tuberkel
kennen lehrten.
Von Heilung der Peritonitis tuberculosa durch blosse,
wiederholte Punction hat Geh. Rath Bäumler eiuen exquisiten
Fall gesehen. Es handelte sich um eine circa 40 jährige Dame mit
deutlicher linksseitiger Lungenspitzenerkrankung und hochgradigem
Ascites, welcher sich allmählich entwickelt hatte. Durch Monate
langes abendliches Fieber war sie sehr herunter gekommen. Die
Punction wurde durch die Atherabeschwerden indicirt. Auf zwei¬
malige Punction erholte sich die Dame vollständig. Im Abdomen
blieben nur noch einige knollige und strangartige Härtea zurück
Ein Jahr später ging die Dame allerdings an dem Lungenleiden *o
Grunde. B. kennt ausser diesem noch andere Fälle von Heilung der
Peritonitis tuberculosa durch die Punction, möchte diese aber men
der Laparotomie gegenüberstellen; letztere, die breite Eröffnung u j>
das raschere Abfliessenlassen des Exsudates, gibt sicherere Resultate
Die Ursachen des günstigen Erfolges der Laparo¬
tomie bei tuberculöser Peritonitis sind noch nicht aufgeklärt.
B. glaubt, dass die plötzliche Aenderung der
das Maassgebende sei. Durch den erheblichen Druck des Exsuaav»
ist der Blutgehalt der Abdominalgefässe, besondere der Capmar
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20. Octobcr 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1038
and Venen vermindert. Wird nun die Flüssigkeit rasch abgelassen,
so tritt eine vorübergehende venöse Hyperaemie und verlang¬
samte Circulation ein. Vielleicht ist gerade die venöse Hyperaemie
die Ursache der schönen Erfolge, wie ja Bier durch venöse Stase
bei Gelenktuberculose gute Resultate erzielt hat. Das ist vorläufig
nur eine Hypothese, die aber gegenüber andern, wie z. B. dass der
directe Einfluss des Lichtes oder das Hineingelangen von Luft das
Maassgebende sei, wohl eine gewisse Berechtigung beanspruchen darf.
Geh.-Rath Manz erinnert an Beobachtungen am Auge, die
vielleicht geeignet Bind, ein Licht auf die Vorgänge bei der Heilung
der Peritonealtaberculose zu werfen. Von den Ophthalmologen ist
neuerdings beobachtet worden, dass, wenn das Kammerwasser abge¬
lassen wird, und besonders, wenn es mehrmals geschieht, dass dann
an den Processus ciliares bedeutende Veränderungen vor sich gehen.
Die Epithelbeläge der Ciliarfortsätze gerathen in starke Wucherung,
so dass förmliche Wülste der gequollenen Epithelien über die
Processus ciliares hinziehen. Es handelt si< h um eine bedeutende
venöse Stase; dabei kommen auch öfters Blutaustritte vor.
Prof. v. Kahl den: Herr Dr. Bulius hat bei der Frage der
Heilung der Bauchfelltuberculose nach Laparotomie Bezug genommen
auf eine diesen Gegenstand behandelnde Dissertation, welche im
vorigen Jahre im pathologischen Institut ausgearbeitet worden ist.
(Kauffmann, Ueber die Ursachen der Heilung der Bauchfell-
tuberculose nach Laparotomie, I. D. Freiburg 189.)). Der dieser
Dissertation zu Grunde liegende Fall betrifft eine 25 jährige Krau,
welche an Phthise zu Grunde gegangen war, und bei welcher
7 Monate vor dem Tode wegen tuberculöser Peritonitis mit gutem
Erfolge die Laparotomie gemacht worden war. Bei der Section
zeigte sich das ganze Bauchfell mit Stecknadelkopf- bis linsengrossen
Knötchen besetzt, die zum Theil dein Peritoneum mit ihrer ganzen
Basis anhafteten, zum Theil aber mit ihm nur durch einen ganz
schmalen, anscheinend aus einem Bindegewebsfaden bestehenden
Stiel verbunden waren und so den Eindruck machten, als wenn sie
in Abstossung begriffen wären; die Knötchen w.iren glatt und fest
und hatten eine gewisse Aehnlicbkeit mit den Reiskörperchen der
Sehnenscheiden und Schleimbeutel. Die mikroskopische Untersuchung
zeigte, dass sämmtliches tuberculöse Gewebe einer ganz gleich-
mässigen Nekrose verfallen war. Die Knötchen bildeten eine äusserst
feste, compacte Masse, in welcher irgend welche morphologische
Bestandtheile nicht mehr zu finden waren Sie hatten also auch in
ihrem mikroskopischen Verhalten Aehnlichkeit mit Keiskörperchen.
Tuberkelbacillen enthielten sie nicht.
Der Stillstand der Tuberculöse scheint aber in diesem Falle
durch die Schnelligkeit und die Regelmässigkeit bedingt zu sein,
mit der sämmtliches tuberculöses Gewebe nekrotisirt resp geronnen
war. In wie weit einerseits der Contact mit einem serösen Exsudat,
andererseits die spätere Entfernung der Flüssigkeit den Eintritt einer
derartigen Gerinnung begünstigt, lässt sich allerdings einstweilen
nicht übersehen. Die Annahme, dass durch die Laparotomie eine
bindegewebige Wucherung in der Umgebung und im Inneren der
Tuberkel angeregt werde und die Heilung herbeiführe, theile ich
nicht.
Bei vielen Formen von Tuberculöse der Lungen und bei der
indurativen Form der Lymphdrüsentuberculose ist eine derartige
Bindegewebswuchernng unvergleichlich viel stärker, wie z ß in den
Experimenten von Kischensky war, welche Herr Dr. Bulius er¬
wähnt hat, und doch tritt kein Stillstand ein. Die Heilung tritt hei
der tuberculösen Peritonitis nicht ein, weil Bindegewebe in den
Tuberkel eindringt, sondern das Bindegewebe dringt ein, weil der
tuberculöse Process schon zum Stillstand gekommen ist.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 7. Mai 1896.
Herr Johann Merkel theilt eine von Bloger und Lejars
in Paris geübte Methode der Behandlung der Kniescheibenbrüche
mit der sog. Fassbindernaht mit.
Herr F lat au bringt epikritische Bemerkungen zu iooKoelio-
tomien.
Von diesen — innerhalb 4 Jahren gemachten — waren H«
ventrale Koeliotomien, 11 vaginale Totalexstirpationen und eine
ventrovaginale Hysterectomie. Die Gesammtmortalität betrug 10 Proc.
Wegen cystischer Degeneration der Adnexe in allen ihren Formen:
Ovarial-Porovarialkystome, entzündliche Tuboovarialtumoren, Pyosal-
pinx, Tubengravidität wurde 62 mal operirt, mit einer Mortalität
von 4,4 Proc. Wegen fixirter Retroflexion wurde 3 mal ventrifixirt,
3 mal bei mobiler Rückwärtslagerung ohne Todesfall. In 11 Fällen
vom schwerem Prolaps wurde die Koeliotomie behufs Ventrifixirung
neben den typischen Scheiden- und Scheidendammplastiken aus¬
geführt (1 Todesfall, Embolie am 16. Tag) Von 4 supravaginalen
Myomotomien mit Stielversenkung starben 3, davon 2 an wohl
septischem Ileus, eine an Embolie 3 Fälle von Tuberculöse des
Peritoneums genasen, 2 Koeliotomien mussten unvollendet gelassen
werden, eine wurde als explorative Laparotomie ausgeführt. 9 Total¬
exstirpationen wurden wegen Carcinoma uteri gemacht, eine wegen
Prolaps (genesen), eine wegen doppelseitiger gonorrhoischer Adnex¬
erkrankung (Todesfall durch äussere, mit der Operation nicht zu¬
zusammenhängende Umstände). Eine ventrovaginal ausgeführte
Hysterectomie bei vorgeschrittenem Carcinom endigte mit Tod im
Shok. Ein lleusfall am 9- Tag post operationem ging nach secun-
därer Koeliotomie in Heilung über. Die letalen Fälle vertheilen sich
derart, dass an Sepsis 4, an Ileus 1, an Verblutung 2, an Shok 1
und an Embolie 2 Operirte zu Grunde gingen.
Das Regime ist das aseptische, Narkose seit l'/a Jahren meistens
Aether, Nahlmaterial ist ausschliesslich Seide. Immer geschah die Er¬
öffnung durch den linken Muscul. rect., die Bauchnaht immer durch¬
greifend mit adaptirenden Hautnähten. Diesem Verfahren hat der
Operateur es zu verdanken, dass er nur einmal und dies bei
einer ewig hustenden I’hthisika einen Bauchbruch beobachtet hat.
Beckenhochlagerung erleichterte in fast allen Fällen den vorzu¬
nehmenden Eingriff.
Die Spätresultate waren meist befriedigend bis auf die Recidive
nach Totalexstirpation wegen Carcinom und die Beschwerden nach
doppelseitiger Salpingooophorectomie. Bei doppelseitiger Adnex¬
erkrankung gibt der Vortragende jetzt der vaginalen Radicaloperation
nach Doyen-Landau den Vorzug.
Stuttgarter Chirurgisch - gynäkologische Vereinigung.
(Officieller Bericht.)
Sitzung vom 25. März 1896.
Vorsitzender: Herr Länderer.
Demonstrationen.
Herr Steinthal zeigt einen 20 jährigen Patienten mit schwerer
Schussverlet/.ung der linken Unterkieferhälfte (grosser Knochen- und
Weichtheildefect) Ausgleichung des Knochendefectes durch eine
Hartkautschukprothese, darüber plastische Operation mit Haut¬
material vom Halse, ferner einen vaginal exstirpirten Uterus mit
beginnendem Corpuscareinom.
Herr Länderer demonstrirt an einem Knaben mit Spondylitis
ein zur Anfertigung des Corsets benütztes neues Verbandmittel:
Celluloid, in Aceton gelöst, wird auf gewöhnliche Mullbinden nach
dem Anlegen derselben aufgestrichen, Celluloid-Mullverband.
Die Masse trocknet in 3 — 4 Stunden vollständig, ist bei gleicher
Dicke fester als Gips und leichter als Wasserglas. Wegen des
starken ätherarligen Geruchs des Acetons wird der Verband am
besten über einem Gipsmodell angelegt. Er eignet sich auch gut
zur Verstärkung eines dünnen Gipsverbandes, sowie zu c rthopädischen
Kapselverbänden etc., weniger zur Behandlung frischer Fractnren.
Herr Kirsch stellt ein 2'/2jähriges Kind vor mit Lux. coxae cong.
sin. Verkürzung betrug 2*/j cm, wurde durch präparatorische Ex¬
tension (8 Tage) ausgeglichen. In Narkose war darauf (durch Prof.
Länderer) die unblutige Einrenkung nach Lorenz gemacht
worden, die leicht unter lautem Einschnappen gelang. Stellung
des Oberschenkels in Abduction und Innenrotation; in aussenrotirter
Stellung fuhr der Kopf schon bei leisem Anstossen wieder aus der
Pfanne. Verband vou den Axillae bis zu den Sprunggelenken, links
bis zu den Zehen.
Weitere Demonstrationen: Pes planus adolescentium, mit Re¬
dressement (Tenotomieen), Kapselverbänden und Massage behandelt;
Besserung der Gestalt des Fusses, beträchtliche Hebung der Geh¬
fähigkeit. Weiterbehandlung mit Einlegesohlen von Celluloidplatten
mit Drahtunterlage nach Kirsch. — Ein Klumpfuss, entstanden
nach der wegen schwerer Verletzung nothwendig gewordenen Ex¬
stirpation des Würfelbeins, des V. Metatarsus und der V. Zehe —
geheilt durch unblutiges Redressement in Narkose. — Hallux varus
beiderseitig mit Abductionsstellung sämmtlicher Zehen und leichter
Supinationsstellung, wahrscheinlich congenital. Es ist dies eine
sehr seltene, bis jetzt nur einmal beschriebene Deformität.
Sitzung vom 15. April 1896.
Vorsitzender: Herr Kirsch.
Herr Stein zeigt das Nitze’sche Irrigationscystoskop, das
Operationscystoskop von Nitze und das Uretherencystoskop von
Casper vor. Im Anschluss daran referirt er über einige Fälle auB
der Praxis. Zwei davon sind besonders erwähnenswertli; in dem
einen gelang es nach der Lithotripsie in einem hinter der Prostata
gelegenen Recessus noch ein kleines Concrement zu entdecken und
durch dessen Entfernung einem Recidiv vorzubeugen. Ein der¬
artiges Absuchen der Blase auf zurückgebliebene Concremente
ist stets 8 Tage nach der Lithotripsie geboten. In dem andern
Fall konnte mit dem Cystoskop nachgewiesen werden, wie nur
aus der rechten Niere trüber Urin kam; dies Symptom init anderen
klinischen Erscheinungen führte zur Annahme einer rechtsseitigen
Nierentuberculose. Die Nephrectomie ist glücklich verlaufen, nach
einiger Zeit bekam der Kranke eine linksseitige Hodentuberculose,
die aber auch auf operativem Wege geheilt ist.
Herr Römer: «Antisepsis und Asepsis in der gynaekologischen
Sprechstunde» (wird in extenso im Württenib Correspondenzblatt
veröffentlicht). Discussion: A. Länderer, Hauff, Römer.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1034
Wiener Briefe.
(Original bericht.)
Wien, 17- Oktober 1800-
Der Staatsvorschlag für das Jahr 1897. — Organi¬
sation von fünf Anstalten zur Untersuchung von Lebens¬
mitteln und Gebrauchsgegenständen. — Bisswunden
wuthkranker Hunde. — Zur Ausbreitung der Lepra. —
Fälle von Rhinosclerom und Elephantiasis des Gesichtes.
Die im Staatsvorsehlage für das Jahr 1897 prähnriuirten
Auslagen für den Sanitätsdienst bei der politischen Verwaltung
haben sowohl bei der (Zentralstelle im Ministerium des Innern als
auch bei den einzelnen Königreichen und Ländern gegen das Vor¬
jahr eine Erhöhung erfahren. Im Sanitätsdepartemeut des
Ministeriums des Innern wurde eine zweite Seetionsrathsstelie ge¬
schaffen. Für diese Stelle wurde Dr. F. Illing, bisher Landes¬
regierungsrath und Sanitiitsreferent in Troppau, zur Dienstleistung
in s Ministerium einberufen. Für Honorare und sonstige Auslagen
des Obersten Sanitätsrathes wurden ausser dem vorjährigen Posten
von 15,000 fl. weitere 5,00" fl- «für sonstige «Sanitätsausgaben»
aufgenommen. Der letztere Betrag soll zur Durchführung häufigerer
Inspicirungen. Verfassung sanitärer Fachberichte, zeitweiliger Ent¬
sendung von Sanitätsorganen in s Ausland zum Studium der dort
bestehenden Einrichtungen, auch für fallweise Unterstützungen
hygienischer Volksbelehrungen, Verfassung von Musterplänen für
hygienische Verbesserungen u. dergl. m. dienen.
Eine neue Ausgabspost erscheint mit Rücksicht auf das im
laufenden Jahre zu Stande gekommene sogenannte Lebensmittel¬
gesetz. Wir finden da angeführt: a) Kosten des ständigen Bei-
rathes für Angelegenheiten des Verkehrs mit Lebensmitteln und
Gebrauehsgegenständen 2000 fl- und b) als Pausehal-Crcdit für
die Einrichtung und den Betrieb von fünf Untersuchungs-Anstalten
für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände in Verbindung mit den
hygienischen Instituten in Wien, Graz, Prag (zwei Institute) und
Krakau 65,0)0 fl. Die besagten Anstalten sollen also in Ver¬
bindung mit den hygienischen Universitäts -Instituten errichtet
werden, so dass der betreffende Vorstand auch mit der Leitung
der Anstalt betraut und hiefiir remunerirt wird. Dem Vorstand
wird ein «Stellvertreter adjungirt, welcher ein wissenschaftlich durch¬
gebildeter, erfahrener und praktisch erprobter Chemiker sein muss.
Ferner soll an einer solchen Anstalt ein weiterer Fachmann wirken,
der in erster Linie Mikroskopiker ist, schliesslich einige Hilfs¬
kräfte (Laborant, Diener, Kanzlcibeauitcr). Mit Beginn des «Schul¬
jahres 1897/98 werden diese fünf Untersuelningsanstalten activirt
werden. Die dauernden Auslagen für alle fünf Anstalten werden
mit dem Jahresaufwande von 79,115 fl- berechnet; für das
Jahr 1 -97 ergibt sich jedoch das bezügliche Erfordernis mit dem
Betrage von 65,000 fl-, in welchem die einmaligen Ausgaben
per 42,500 fl- zur Gänze, dann eine theils 3-, theils 4 monatliche
Quote der dauernden Auslagen enthalten sind. Die obenerwähnten
2000 fl. sind in erster Linie für die Fertigstellung des «Codex
alimentarius» bestimmt.
Für Zwecke der Epidemie- und Epizootietilgung wurden pro
1897 ebenfalls erhöhte Ansprüche (iui Ganzen 373,000 fl-, um
153,000 fl- mehr) präliminirt. Das Budget der staatlichen «Sani-
tätsverwaltung der einzelnen Königreiche und Länder beläuft sieh
rund auf 1 ‘/z Millionen Gulden. Die Gehalte der Beamten des
Sanitätsdienstes, deren Activitätszulagcn und die < Amts Pauschalien»
für den «Sanitätsdienst wurden um rund 100,000 fl. erhöht,
auch für «.Sonstige .Sanitätsauslagen* mehr beansprucht. Der Mehr¬
aufwand bezieht sich zumeist auf die Vermehrung der Stellen der
Bezirksärzte und Bezirksthierärzte, zum Theilc wurde er auch
durch Vorrückung in höhere Gehaltsstufen bedingt. Für die
Viobbesehau ist ein Mehraufwand von 3O.7G0 fl. (durch die ein¬
laufenden Taxen gedeckt), für die «Anstalten für die Erzeugung
animaler Impflymphe* ein Mebranspruch von 6,500 fl. (der gleich
hohe Betrag wieder als Einnahme eingestellt), für die «Anstalt
zur Gewinnung von Heilserum» ein Mehranspruch von 21 ,000 fl.
eingestellt. Diezes Erfordernis» wird auf die notlnvondige Be¬
schaffung von neuen Räumen für die Heilseruiu-Gewimiungsanstalt
in Wien, dann auf den Ankauf von Pferden etc. zurückgeführt.
Als voraussichtliche Einnahme aus dieser Anstalt *or O ww w ftlffi
von Heilserum gegen Diphtherie sind 12,000 fl. veranifchli^®
Alles in Allem ist es höchst erfreulich, wenn man
ziffermässig nachweiscn kann, dass unserem öffentlichen
dienste eine so überaus wirksame Förderung zu Tbeil wird. &
braucht Aerzten gegenüber nicht erst betont zu werden, (hjf
diese erhöhten Ausgaben sich auch bald in der Besserung #
Gesundheitsverhältnissc unserer Bevölkerung in erfreulicher w*
manifestiren werden. Es ist schon des Oefteren auagefflhrt worin«
Der «Magistrat der Stadt Wien versendet an die Amte cä
Circular folgenden Inhaltes: «Vor Kurzem ist in einer Land¬
gemeinde Niederösterreicbs ein von einem wuthkranken Hunde im
Gesichte gebissenes Kind 6 Wochen nach der Verletzung an
Lyssa erkrankt und gestorben, welches, obwohl die Wunde ge¬
blutet hatte und noch am G. Tage nach dem Bisse mit einer
Blutborke bedeckt war, der Präventiv-Impfung im Wiener Ly»
Schutz-Impfungsinstitutc aus dem Grunde nicht zugefüh/t worden
ist, weil die Verletzung in einer blossen Hautabschürfung bestand;
Aus diesem Anlasse wird darauf aufmerksam gemacht, dass asr
jene Bisswunden, welche nicht bluten, als n ich t inficirt ange¬
sehen werden können, wogegen selbst die leichtesten Verletzungen,
bei welchen wenn auch nur ein Tröpfchen Blutes sich entleerte,
als möglicherweise inficirt angesehen werden müssen und die Vor¬
nahme der «Schutzimpfung erheischen. Ganz besonders gilt du
Gesagte von den als besonders gefährlich anzusehenden Bi»
Verletzungen des Gesichtes oder anderer Theile des Kopfes.»
Die k. k. Gesellschaft der Aerzte hielt am 16. October ihre
erste «Sitzung nach den Ferien .ab. Professor Kaposi demon-
strirtc eine Reihe interessanter Fälle. Vorerst einen 26 jährigen
Mann, der mit Lepra behaftet ist. Kr wies darauf hin, dass in
den letzten Jahren die Zahl der Leprafälle in Europa enorm zu-
nehme, was dahin gedeutet wird, dass diese Krankheit durch
Uebertragung von einem Individuum auf ein anderes entstehe.
Er sei nicht dieser Meinung, wiewohl er die Lepra mit Rücksicht
auf den eonstanten Befund von charakteristischen Bacillen eben¬
falls .als eine Infectionskrankhcit ansehen müsse, da uns vorder¬
hand noch die Wege für die direetc Uebertragung ihrer Bacillen
unbekannt seien, er glaube vielmehr, dass Aerzte und Behörden
dieser Erkrankung jetzt grössere Aufmerksamkeit schenken and
dass blos die diagnostischen Fähigkeiten der Aerzte zugenommen
hätten. Im demonstrirten Falle handelt es sich um die tuberöse,
maculösc und anacsthetische Form der Lepra und scheint die
Affection in einem Orte (Pbilippopel, Bulgarien) erworben worden
zu sein, wo man sie früher absolut nicht kannte.
Auch Professor Neumann macht einige Mittheilungeu über
die Constatirung von Leprafüllen in Rumänien, Montenegro, Bosnien,
Dalmatien etc. und plaidivt für die strenge Isolirung derselben.
Professor Kaposi stellt sodann zwei Fälle von Rbinosklerotn
vor, ein Weib und einen Mann, wobei das Leiden des Mannes
in cxccssiver Weise aufgetreten ist. Der untere Thcil der Nase
und Oberlippe ist in eine bis 7 cm breite, grosshöckerige, theils
nässende, theils überhäutete Geschwulst auf gegangen, welche sich
derb elastisch anfühlt. Die Geschwulst war stellenweise nekrotisch
geworden, die nekrotischen Partien haben sich abgestossen und
sodann wieder überhäutet. Das Weib zeigt die charakteristischen
Defecte am weichen Gaumen, der Mann nicht; in beiden lällcn
sind die spccifisehon Bacillen nachweisbar.
Endlieb zeigt Professor Kaposi ein 19jähriges Mädchen,
das angeblich vor 10 Jahren erkrankt ist. Damals sollen sich
im Gesichte einzelne Knötchen gebildet haben, wovon 3bcr jetzt
nichts mehr zu sehen ist. Dagegen wird jetzt eine diffuse Auf
treibung des ganzen Gesiebtes constatirt, eine starke Schwellung
der Augenlider, die zeitweilig sogar das Sehen behinderte. Die
«Schwellung setzt sich, nicht scharf absetzend, in die Halsregion
fort. Das Gesicht ist bLass, die Haut glatt und beweglich, in
den tieferen Schichten derbe Resistenz fühlbar. Es sicht ao s
wie ein Myxoedem und doch ist davon keine «Spur. Man hat cs
hier mit einem Hautocdem zu tbun in Folge häufig recidivirender
Erysipele, mit demselben Processc, den wir an den untern Kx
tremitäton mit Elephantiasis arabuu» bezeichnen. Die Person liü
tbatsäehlicb wiederholt an Gesichtsrose, ohne dass der Ausgangs¬
punkt des Erysiiuils zu eruircu wäre. Spcciell die Nase war g*n«
20. October 1S96.
MÜNCHENER MEPICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
losr,
gesund. Die Intensität dieser Gesiclitsschwellung ist eine zeitweilig
variable.
Sonderbarerweise bekam Kaposi vor einigen Tagen einen
zweiten solchen Fall — Puplieitüt seltener Fälle! — zur Ansicht,
eine 40 jährige Frau, ebenfalls mit Gesichtsscbwellung und Resistenz
der tieferen Gewebe, auch nach oft wiederkehrenden Erysipelen
des Gesichtes entstanden. Kaposi glaubt, dass diese Individuen
eine besondere Diposition, eine eigentümliche Reizbarkeit, besitzen,
da es merkwürdig ist, wie rasch zuweilen eine solche elephantiastische
Verdickung entsteht.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acadämie de Mädecine.
Sitzung vom 29. September 1896.
Ueber die Natur der 'agglutinirenden Substanzen und
die Rolle der Eiweisskörper im Blute der Typhus¬
kranken.
Nachdem von verschiedenen Seiten bestätigt worden ist, dass
das Serum von Typhuskranken agglutinirende Wirkung auf die
Reincultur des F.berth'schen Bacillus ausübe, war die nächste Auf
gäbe, welcher sich Widal und Sicard unterzogen, zu untersuchen,
welchen Substanzen im Blute und anderen Körpersäften diese
Wirkung znkomme. Dieselbe war bei ferneren Versuchen in der
serösen Flüssigkeit bei Pericanlitis, Pleuritis, Peritonitis» im Eiter,
in Oedemflüssigkeit, in der Milch oder im Colostrum und in der
Galle gefunden worden; ein negatives Resultat ergaben die Unter¬
suchungen mit der Cerebro-spinal-Flüssigkeit, mit dem Speichel und
dem flüssigen Inhalt der 8amenbläschen, ebenso bei künstlich
hervorgerufener Thränenabsonderung, während die auf natürlichem
Wege entstandene Thränenflüssigkeit stets einen positiven Ausfall
der Probe ergab! ~ "
Die agglutinirende Substanz scheint zu den Ei weisskörpern zu
gehören, denn die Filtration des Sernms durch das Cham herland-
Filter, welches vor Allem die Eiweisskörper zurückhält, unterdrückt
in der That die agglutinirende Wirkung und diese fehlt auch bei
den eiweisslosen Flüssigkeiten (Liquor cer. bro-spinalis, Speichel).
Widal hat ganz besonders die entsprechende Wirkung von Serum¬
albumin, 8erumglobulin, Casein, der fibrinogenen Substanzen und
des Globulins studirt. Sind diepe Substanzen einmal isolirt, so
benehmen sie der ursprünglicl en Flüssigkeit ihre agglutinirende
Wirkung und bewahren sie für sich selbst; aufgelöst, verlieren sie
dieselbe wieder und nehmen sie, wenn ausgefällt, von Neuem wieder
an. Diese Thatsachen dürften nicht bloss für den Arzt Interesse
haben, sondern noch mehr für den Chemiker, welcher vielleicht
in der agglutinirenden Wirkung eine neue Reaction für das so
schwierige Studium der Eiweisskörper finden wird.
Acadämie des Sciences.
Sitzung vom 28. September lb96.
(Schluss.)
Ueber die durch die Proteusbacillen verursachten In-
fectionen und die agglutinirende Wirkung des 8erums
bei diesen Infectionen
Unter dem Namen Proteus haben die Bacteriologen zahlreiche
Typen von Mikroorganismen beschrieben, welche eine ziemlich
schlecht begrenzte Gruppe bilden und denen man mehr und mehr
eine Rolle in der Pathologie zuschreibt. Lannelongu e und Achard
haben klinische Fälle beobachtet, wo der Proteus vulgaris an dem
Krankheitsprocesse Theil zu haben schien ; zweimal fand er sich
zugleich mit dem Streptococcus bei einer eitrigen Meningitis, zwei¬
mal bei Kindern im foetiden Eiter von Abscessen des Processus
mastoideus, worunter einmal mit anderen Arten vermischt. Diese
Proteusbacillen besassen eine ziemliche Virulenz und experimentell
konnte man mit ihnen ausserordentlich wechselnde Affectionen
erzeugen, und zwar mit relativ geringer Dosis, welche nicht höher
zu sein braucht als bei den Versuchen mit den ausgesprochen
pathogenen Bacterien, wie Staphylococcus und Bac. coli; so trat bei
einem Kaninchen schon nach Injection von 4 Tropfen Bouilloncultur
in’s Blut der Tod ein. Bei localer Injection sahen die beiden
Forscher u. A. Phlegmone mit nachfolgender Gangraen entstehen,
Peritonitis, Pleuritis, Arthritis suppurativa, Osteomyelitis, Broncho¬
pneumonie, Otitispurulenta. Bei directer Einführung in's Blut
entstehen im Gegensatz zu anderen pathogenen Mikroorganismen,
wie besonders beim Staphylococcus und Streptococcus, keine localen
Affectionen (metastatische Herde), sondern nur Allgemeinerkran¬
kungen, welche der Wirkung der Toxine zuzuschreiben sind; nur
in einem einzigen Falle wurde bei einem Kaninchen nach intra¬
venöser Injection eine eitrige Gelenksentzündung beobachtet, welche
den Proteus beinahe in Reincultur enthielt.
Wenn man andererseits dem Proteus den Strepto- oder Staphylo¬
coccus zumischt, sieht man nach gleichzeitiger Einverleibung dieser
Mikroorganismen locale Herde (eitrige Gelenksentzündung, Nieren-
abscesBe) entstehen, aber man findet im Eiter nie den Proteus,
sondern bloss den pyogenen Bacillus; macht man jedoch eine
locale Inoculation z. B. in’s Knie mit dem Proteus und gleich¬
zeitig dem Strepto- oder Pneumococcus, so gehen bloss die letzteren
in’s Blut über, der Proteus verbleibt im Eingangsherde Dennoch
ergeben die Versuche im Reagenzglase, dass für den Proteus das
Blut ein guter Nährboden ist, dass er schnell den Blutkuchen ver¬
flüssigt und zwar um so leichter, je mehr die Luft Zutritt hat.
Wahrscheinlich zerstreuen sich im Blute des lebenden Thieres die
Bacillen sehr rasch und verschwinden in Berührung mit den Phago-
cyten eher als die anderen Mikroben, wie auch nach den Veisuchen
von Bordet die Phagocyten leichter den Proteus absorbiren als
den Streptococcus, wenn man dieselben mit einer Mischung beider
versetzt. Diese experimentellen Resultate stimmen mit den Be¬
obachtungen am lebenden Menschen überein; obwohl die zur Gruppe
Proteus gehörigen Bacterien einen integrirenden Theil der den Darm¬
canal bevölkernden Kleinwesen bilden, ist ihr Uebergang in das
lebende Gewebe nur selten und selbst nach dem Tode, wo die
Organe von den Bewohnern des Darmcanals befallen werden, geben
ihnen die Staphylococren me ; st voran Findet man den Proteus
beim lebenden Menschen in einem Krankheitsherd, so sind das
meist Stellen, wo schon andere pathogene Keime ihre Infection
gesetzt haben (Bauchfell, Pleura, Harnwege, inneres Ohr, Gebär-
mutteri; ersterer nistet darin, gleich wie in einem Schlupfwinkel, eich
leichter ein als im eigentlichen Gewebe wegen der im letzteren vor¬
handenen Abwehrmittcl des Organismus und bringt durch Ver¬
mehrung die Bacterientoxine zur Entwicklung, welche die Haupt-
gefahr der Proteusinfection bilden
Wie viele andere Mikroorganismen, so besitzen auch jene der
Proteus-Gruppe das merkwürdige Symptom der Agglutination, wenn
sie mit dem Serum immunisirter Thiere in Berührung gebracht
werden; wie der Versuch gemacht wurde, die agglutinirende Wirkung
heranzuziehen, um z. B die Ch< leravibrionen von analogen Vibrionen
und den Typhusbacillus vom Bacillus coli zu differenciren, so haben
L. und A. festgestellt, dass das Serum zwischen gewissen, sehr nahe
verwandten Proteus Bacillen Verschiedenheiten zeigte und besonders
die Eigenschaft des Proteus vulgaris von Wichtigkeit ist, aus Eiweiss-
snbstanzen Schwefelwasserstoff zu bilden. Bei zwei Arten dieser
Gruppe konnte die Serumprobe die Unterscheidung von den übrigen
ermöglichen: die eine kam von der Leber eines an Leberabscess
Verstorbenen, die andere von dem Schorf eines durch Herzfehler
entstandenen Oedeins. Beide unterschieden sich vom Prot, vulgaris
durch einige Entwicklungsverschiedenheiten nuf gewissen Nährböden;
der Prot, mirabilis jedoch, welcher sich vom vulgaris nur durch eine
grössere Langsamkeit, die Gelatine zu verflüssigen, unterscheidet,
lässt sich durch das Serum agvlutiniren, welches schon eine aus¬
gesprochen agglutinirende Wirkung für die verschiedenen Arten des
vulgaris besitzt. Man kann auch, wenn man demselben Thiere ver¬
schiedene Arten von Bacillen inoculirt, beobachten, dass das Serum
gleichzeitig diese verschiedenen Bacillen agglutinirt; im Allgemeinen
erscheint diese Wirkung am dritten oder vierten Tage nach der
Impfung und zwar stets im Blute, weniger ausgeprägt im Urin, in
unregelmässiger Weise im Humor aqueus und nie wurde sie in der
Galle und im Inhalt der Samenbläschen gefunden. 8ie bleibt nach
dem Tode und selbst während der Fäulniss bestehen. Im nor¬
malen Blute, mit Proteus versetzt, existirt die Wirkung nicht und
tritt auch nicht mehr auf, wenn das Thier kurze Zeit nach der
Impfung entweder in Folge derselben oder an einer accidentellen
Ursache stirbt. Man kann also, wenn man den Proteus in den
Geweben findet, sich bei der Autopsie eines Thieres durch die
agglutinirende Wirkung des Blutes überzeugen, dass das Thier zu
Lebzeiten eine Proteus-Infection durchgemacht hat und eB sich nicht
um eine Leichenerscheinnng handelt ; jedoch mit der Einschränkung,
dass bei negativem Ausfälle der Probe der in den Geweben ge¬
fundene Proteus während der letzten zwei Lebenstage habe ein-
dringen können. Vielleicht könnte man beim Menschen zu Leb¬
zeiten das Serum benützen, um das Vorhandensein einer Proteus-
Infection zu constatiren, ebenso wie Widal die Serumdiagnose des
Typhus begründet hat; aber es ist trotzdem wahrscheinlich, dass
viele dieser Infectionen unbekannt bleiben werden, weil sie entweder
den Tod schon vor dem Auftreten des Serumsymptoms verursacht
oder weil sie ihre pathogene Wirkung nur durch Vermittlung der
abgesonderten Gifte erzielt haben werden. Einige vorgängige Unter¬
suchungen haben gelehrt, dass das Serum beim gesunden Menschen
keine agglutinirende Wirkung besitze, wiewohl dieselbe ein schein¬
bar ganz gesunder Mensch ausnahmsweise für den Prot, vulgaris
sehr deutlich zeigte; bei mehreren Kranken mit ulcerösen Darm-
affectionen (Typhus. Carcinoma recti) wurde die Wirkung nicht ge¬
funden, bei einigen anderen war sie vorhanden.
Ueber die lange Erhaltung des Schlangengiftes.
Einer Giftnatter, welche seit wenigstens 20 Jahren in Spiritus
gelegen war, entnahm Maisonneuve einen Giftzahn von nicht
weniger als 9 mm Länge und setzte ihn ganz unter die Schenkel¬
haut eines Sperlings ein; es zeigte sich in der Folge kein 8ymptom
einer Vergiftung bei dem Thiere und man nahm schon an, dass
seit so viel Jahren in Berührung mit dem Alkohol das Gift seine
Wirkung verloren habe. Der Zahn wurde nun wieder aus der Haut
wunde entfernt und aus dem Canale desselben mit einer feinen Nadel
eine geringe Menge der eigentlichen Giftsubstanz, 1 rag höchstens,
entnommen; diese wurde nun unter die Haut des Sperlings ge¬
bracht. Nach */« Stunde schon zeigten sich die Wirkungen des
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MÜNCHENER MKPICINISCFIE WOCHENSCHRIFT.
Giftes (Verlust der Beweglichkeit) und unter heftigen Krämpfen
trat nach 2 Stunden 27 Minuten der Tod ein. Das Schlangengift
hatte also über 20 Jahre hindurch seine Wirkung beibehalten und
Maisonneuve glaubt den ferneren Schluss aus seinem Versuche
ziehen zu müssen, dass man grosse Vorsicht beim Experimentiren
mit giftigen Schlangen anwenden sollte, möge es sich um trockene
Präparate oder in Flüssiekeit conservirte Thiere handeln.
Berichtigung: In No. 41, Seite 1003, Zeile Hi von oben ist i
das Wort «ausschliesslich» nach «nicht* zu streichen, Zeile 18
nach «innig», wenn auch nicht ausschliesslich, beizufügen.
Es muss also lauten: Die.Wirkung durfte nicht der Gegen¬
wart .sein, sondern muss innig, wenn auch nicht ausschliess¬
lich, mit den.Zusammenhängen. St.
Verschiedenes.
Galerie her vorragender A erzte und Naturforscher.
Der heutigen Nummer liegt das 62. Blatt der Galerie bei: Nicolaus
Rüdinger. S. den Nekrolog.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 20. Oktober. Die Aerztekanniicr für Berlin-Branden¬
burg hielt in vor. Woche eine Sitzung ab, in welcher die Reform der
med. Prüfungsordnung den Hauptgegenstand der Berathung bildete.
Prof Mendel erstattete das Referat, an dessen Schluss er folgende
Thesen aufstellte. 1. Die Aerztekammer erklärt ihr Einverständnis
I) mit der Verlängerung der Studienzeit der Mediciner auf zehn
Semester, 2) mit der Aufnahme der Psychiatrie, der Kinderkrank¬
heiten, Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und der verwandten
Hautkrankheiten unter die Prüfungsgegenstände; 3) <iie Einführung
des praktischen Jahres vor der Ertheilung der ärztlichen Appro¬
bation. II. Im Interesse einer genügenden Ausbildung in den
klinischen Fächern erscheint es erforderlich, die ärztliche Vorprüfung
am Schlüsse des 4. Semesters zu gestatten 111. Die Prüfung soll
entscheiden, ob der Candidat die nüthigen Kenntnisse siel» erworben
hat. Auf welche Weise er sich diese Kenntnisse, erworben hat,
soll nicht Gegenstand besonderer Nachweise sein Daher erscheint
der Nachweis der Prakticantenscheine, wie er in der heutigen
Prüfungsordnung gefordert und in den neuen Zusatzl.estimmungen
in der allererheblichsten Weise ausgedehnt wird, überflüssig. Damit
fallen selbstverständlich auch Censuren. wie «fieissig» hinweg. Der
Nachweis, dass der Candidat 2 Kreissende in Gegenwart des Lehrers
entbunden hat, bleibt bestehen. IV. Die Commission für Ertheilung
der Approbation nach abgelegtem praktischen Jahr ist, wie sie der
Entwurf vorgesehen hat, unannehmbar. V. Die ärztliche Prüfung
ist nach dem praktischen Jahr vorzunehmeti. Die Examinatoren
sind für diese Prüfung nicht bloss aus ordentlichen Professoren,
sondern auch aus ausserordentlichen Professoren und Privatdocenten
zn wählen. In hohem Grade wünschenswert!) ist die Heranziehung
praktischer Aeizte als Examinatoren, welche der Minister nach An¬
hörung der Aerztekammer ernennt. VI. Der Doctortitel ist am
besten mit der Approbation zu verleihen VII. Die Einführung
einer Approbation für Specialärzte kann nach keiner Richtung hin
als vortheilhaft bezeichnet werden. Nach eingehender Discussion
nahm die Kammer die Mendel'sehen Thesen an, sowie einen An¬
trag Dr. Landau’8: « Eine Dispensation von der Staatsprüfung zum
Zwecke der Erlangung des Doctortitel» bei Ausländern soll nur bei
hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen derselben erfolgen. >
Schliesslich erklärte sich die Kammer lür die neue Prüfungsordnung,
mit der Bedingung, dass die Abänderungsvorschläge der Kammer
von der Regierung angenommen werden.
— In der Sitzung des Verwaltungsrath es des Pensions¬
vereins für Wittwen und Waisen bayerischer Aerzte
wurde durch Abstimmung mit Stimmeneinheit die Besetzung der
Steilen folgendennassen geregelt: Als Vorstand: der kgl. Hofrath
Dr. Schnizlein, als Caßsier: Dr Poppel, piakt. Arzt, als Con¬
trollern - : Dr. Bollinger, kgl. Obermedicinalrath und Universitäts¬
professor, als Schriftführer: Dr. Raim. Mayr, prakt. Arzt. Für die
durch den Tod des Herrn Geheimrath Dr. v. Kerschonsteiner
erledigte Stelle im Verwaltungsrath wurde der von der General¬
versammlung vom Jahre 1888 bestimmte erste Ersatzmann, Herr
Hofrath Dr. Schöner, einberufen.
— In St. Petersburg findet vom 30. December ds. Js. ab ein
gesammtrussischer Congress zur Bekämpfung der Syphilis
im Reiche statt. Einladungen haben alle Professoren, welche die
Syphilis in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zum Studium
gemacht haben, erhalten, ferner die Medicinal-Inspectoren und Dele-
girte der Landschaften solcher Gouvernements, in welchen die
Seuche besonders grosse Verbreitung gefunden hat. Zur Verhand¬
lung werden u a. folgende Fragen gelangen: Einfluss der Wander¬
gewerbe auf die Verbreitung der Syphilis auf dem Lande und
Uebertragung der Krankheit durch die Zöglinge des Moskauer Findel-
hausea auf die Bevölkerung der angrenzenden Gouvernement«.
— Cholera. In der Zeit vom 15. bis 21. September kamen
in Cairo 9 Erkrankungen und 28 Todesfälle an Cholera zur Anzeige.
In Alexandrien sind vom 20. bis 26. September keine Neuerkrankungen
festgestellt worden.
— In der 40. Jahreswoche, vom 27. Septbr. bis 3. Oct. 1896,
von deutschen Städten über 4 0 000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Königshütte mit 39,9, die geringste Sterblichkeit Rostock
mit «,2 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Karlsruhe, Königs-
hütte, Lübeck; an Scharlach in Bochum; an Diphtherie und Croup
in Plauen und Remscheid.
— In Budapest erscheint seit Anfang dieses Monate unter d«n
Titel < Ungarische medicinische Presse» ein nenee Blatt in deutscher
Sprache, das sich die Aufgabe stellt, als Centralblatt zur Vermitt¬
lung der ungarischen raedicinischen Forschung mit dem Auslände
zu dienen. Allwöchentlich sollen dementsprechend in demselben
die literarischen Erscheinungen der ungarischen periodischen Fach¬
presse referirt werden.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Der an Stelle des
Prof. Georg Lewin an die hiesige Charitö berufene Prof. Edmund
Lesser, bisher in Bern, hat sein Amt als leitender Arzt angetreten.
Als wissenschaftlicher Assistent ist bei seiner Klinik Dr. med. Bruhns
eingetreten, der schon in Bern mit ihm zusammen wirkte. — München.
Die Stelle eines Präsidenten der k. Akademie der Wissenschaften
und die hiemit verbundene Stelle eines Generalconservatore der
wissenschaftlichen Sammlungen des Staates wurde dem bisherigen
Präsidenten und Generalconservator, ordentlichen Professor an der
k. Universität München, Geheimen Rath und Obermedicinalrath
Dr. Max v. Pettenkofer auf die Dauer von weiteren drei Jahren
übertragen und demselben bei diesem Anlasse das Prädikat «Ex-
cellenz» verliehen (Die Verleihung dieses Prädikates erfolgt in
Bayern zum erstenmal an einen Gelehrten.) — Tübingen. Prof. Dr.
Bruns, <»eneralarzt ä 1. s. des k. württemb. Sanitätscorps, wurde
vom Kaiser durch Verleihung des Rothen Adler-Ordens 2. Classe
ausgezeichnet.
Lüttich. An der hiesigen Universität wird ein skiographisches
Institut zur Untersuchung von Kranken mittels der Röntgenstrahlen
errichtet. — Prag. Der a o. Professor der Ohrenheilkunde, Dr. Zaufal,
wurde zum ordentlichen Professor befördert. (In Deutschland be
steht bekanntlich kein Ordinariat für Otiatrie.)
(.Todesfall.) In Nancy starb 77jährig Dr. L4on Coze, ge
hören in Strassburg, von 1858 bis 1«70 Professor der Pharmacie an
der dortigen Universitität Nach dem Kriege wanderte er aus und
bekleidete bis !8t9 eine Professur der.Medicin und Therapeutik an
der medic. Facultät Nancy. Seitdem lebte er als prot'esseur honoraire
und Mitglied der Pariser Acadöruie de m&lecine im Ruhestand.
Professor E Seil, das älteste Mitglied des k. Gesundheits¬
amtes, dessen chemische Abtheilung er leitete, ist gestorben.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassungen: Dr. Otto Seidl, approb. 18%, in Waldsassen.
Dr. Wilh. Laubmann, geb. 1*71, approb. 1*96, zu Hof.
Auszeichnung: Dem Oberstabsarzt 1. Classe Dr. Hcimpel,
Regimentsarzt im 4. Chev.-Reg., wurde die Erlaubnis zur Annahme
und zum Tragen des K. Preuss. Rothen Adler-Ordens 4. Classe ertheilt.
Befördert: Zu Assistenzärzten 2. Classe: die Unterärzte Fried¬
rich Boden steiner im 17. Jnf.-Reg., Wilhelm Zapf im 3. Inf.-Reg.
und Gustav Moll im 4. Chev.-Reg.; zu Assistenzärzten 2. Cl&8*e:
in der Reserve die Unterärzte Dr. Adolf Lindenborn (I.München)
und Dr. Stanislaus Pohl (Würzburg); in der Landwehr l. Aufgebot*
der Unterarzt Dr. Gustav Kröhl (Würzburg).
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 41 Jahreswoche vom 4. October bis 10. October 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 32 (26*), Diphtherie. Croup
34 ;26), Erysipelas 10 (10), Intermittens. Neuralgia intern. I H.
Kindbettfieber 2(2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 9 (")■
Ophthalmo Blennorrhoea neonat. 8 (8), Parotitis epidemica 1 ( )»
Pneumonia crouposa 14(15), Pyaemie, Septicaemie — (—),
tismus art. ac. 20 (18), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 34 (23).
Tussis convulsiva 28 (25), Typhus abdominalis — (2), Varicellen 8 (16).
Variola, Variolois —(—). Summa 196 (173). Medicinalrath Dr. Aab.
Uebersicht der Sterbefälie in München
während der 41. Jahreswoche vom 4. Oct. bis 10. Oct. 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000. . .
Todesursachen; Masern — (—*), Scharlach 1 (1). Dipbthwie
und Croup 3 (5), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (—). Blutver¬
giftung (Pyämie) 1 (—), Brechdurchfall 9 (11), Unterleibstyphus!
(—), Keuchhusten — (5), Croupöse Lungenentzündung — (—). p 1 **'
culose a) der Lungen 23 (24), b) der übrigen Organe 4 (3), AcaUf
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 4 (‘J.
Unglücksfälle —(2), Selbstmord 2 (-), Tod durch fremde Hand KB
Die Gesammtzabl der Sterbefälle 193 (196), Verhältniwoni
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,7 (25,1). ™
die über dem I. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,5 (13,8),
die über dem 5 Lebensjahr stehende 14,4 (12,9).
*) Die ein geklammerten Zahlen bedeuten die JftQSSfev
Verla« von X »• L.hm.na ln Manchen. - DrocJt der X. MühlthaUfsohen k. Hof-Buchdrook«wi in
Die Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens 2 1 /.—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 Jt, praenumcrando zahlbar.
Einzelne Nummer 60
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaction
Ottostrasse 1. — Fiir Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
MED ICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cli. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, C. ßerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. ?. Wlnckel, H. v. Zienssen,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 43. 27. Qctober 1896.
Redactenr: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalen.
lieber die Zweckmässigkeit der pathologischen
Lebensvorgänge").
Von E. Ziegler.
«Alles ist zweckmässig in der lebenden Natur, denn Zweck¬
mässigkeit .der Organisation ist hier gleich Existenzfähigkeit.» In
diesen Worten fasst Weismann seine Ansicht über die Aus¬
gestaltung der pflanzlichen und thierischen Organismen zusammen
und gibt damit einer Anschauung Ausdruck, welche unter den
Biologen einer weitgehenden Zustimmung sich erfreut.
Betrachtet man die pflanzlichen und thierischen Organismen
unter den gewöhnlichen Lebensbedingungen, so kann sich wohl
Niemand dem Eindruck verschliessen, dass ihre Organisation den
Bedürfnissen des Lebens in bester Weise gerecht zu werden ver¬
mag und häutig genug durch wunderbare Einrichtungen für die
Erhaltung des Individuums und der Art sorgt. Hie Pflanzen
einer bestimmten Zone sind in einer Weise ausgerüstet, dass sie
trotz des Wechsels der. Aussenbedingungen zu wachsen t und sich
fortzupflanzen vermögen. Kälte oder übermässige Wärme und
Trockenheit können zwar ihr Wachsthum zeitweise unterbrechen,
allein diesen Zeiten der Ruhe folgt bei Aenderung der Aussen-
bedingungen wieder lebhaftes Wachsthum, und diese Wachsthums¬
periode reicht hin, um der Pflanze die Vermehrung zu ermög¬
lichen und sie damit vor dem Aussterben zu schützen. Oft genug
bestehen bei den Pflanzen auch besondere, uns wunderbar er¬
scheinende Einrichtungen, um sich gegen Trockenheit und Hitze
oder auch gegen übermässigen Regen zu schützen, nicht selten
auch um die Befruchtung zu fördern. In ähnlicher Weise ist
auch die Thierwelt einer bestimmten Zone den Verhältnissen der
Aussen weit in einer Weise angepasst, dass sie trotz des Wechsels
der Auasenbedingungen nicht untergeht, und es lässt ein tieferes
Eindringen in die Lebensvorgänge auch hier erkennen, dass es
oft höchst complicirte und zugleich vollkommen functionirende
Einrichtungen sind, welche den Thieren und auch dem Menschen
die Erhaltung ihres Lebens und ihrer Art ermöglichen.
Die Anpassung der Lebewesen an die äusseren Lebens¬
bedingungen ist eine Erscheinung, welche nur dadurch erklärt
werden kann, dass bei der Entwicklung höher organisirter Formen
aus einfacheren die Ausgestaltung stets conform den äusseren
Lebensbedingungen, d. h. in der Weise sich vollzogen hat, dass
die neu entstandenen Arten unter den gegebenen äusseren Ver¬
hältnissen die Bedingungen ihrer Existenz fanden. Man kann
danach in gewissem Sinne auch sagen, dass alle Lebewesen ein
Product der Aussenwelt, in der sie sich entwickelt haben, dar¬
stellen, ein Product, dessen Bildung nur voraussetzt, dass etwas
Entstehungsfähiges gegeben war, aus welchem die Einwirkungen
der Aussenwelt neue Lebensformen ausgestalten konnten.
Die untrennbaren innigen Beziehungen zwischen der tellu-
nschen Umgebung und der unter ihrem Einfluss entstandenen
*1 Vortrag, gehalten in der ersten allgemeinen Sitzung der
79. Jahresversammlung der schweizerischen naturforschenden Gesell¬
schaft in Zürich am 3. August 1896.
No. 43.
Organismen bedingen es, dass ein bestimmtes Lebewesen den be¬
schränkten Verhältnissen seines Vorkommens auf der Erde sowie
den gewöhnlichen Lebensbedingungen genau angepasst ist, hat
aber nicht zur Folge, dass es auch an Orten ausserhalb seines
normalen Verbreitungsgebietes oder unter aussergewöhnlichen Lebens¬
bedingungen sich zu erhalten vermag. Thiere und Pflanzen köDnen
demnach nur in bestimmten Klimaten ihr Fortkommen finden und
sie werden sowohl durch abnorme Verhältnisse der Witterung als
auch durch mancherlei andere schädliche Einwirkungen der Aussen¬
welt oft in grosser Menge dahingerafft.
So lange die äusseren Lebensbedingungen nur innerhalb ge¬
wisser Grenzen Aenderungen erfahren, vollziehen rieh auch die
Lebensfunctionen des Menschen und der Thiere ohne erhebliche
Abweichungen von dem Gewohnten. Mit dem Eintritt stärkerer
Aenderungen stellen sich dagegen Lebenserscheinungen ein, welche
von dem Gewohnten, Normalen erheblich abweichen und die wir
danach als krankhafte ansehen. Kälte und Wärme können
Aenderung der Körpertemperatur, Verletzungen Störungen der
Function einzelner Organe, z. B. einer Hand oder des Gehirns,
das Eindringen von Mikroorganismen in den Körper sowohl locale
als allgemeine Krankheitserscheinungen verursachen.
Wenn man annimmt, dass die Lebensäusserungen, welche
durch die gewöhnlichen Einwirkungen der Aussenwelt auf den
menschlichen und thierischen Körper ausgelöst werden, jeweilen
durchaus zweckmässige sind, so erheischt anch die Frage Beant¬
wortung, ob auch die Lebonsfunctionen, welche unter ungewohnten,
ausnahmsweise auftretenden Lebensbedingungen sich einstellen,
eine gleiche Bewerthung zulassen, oder ob hiebei auch unzweck¬
mässige Thätigkeiten des Organismus ausgelöst werden. Nach
Pflüger besteht bei den organischen Wesen eine teleologische
Mechanik in dem Sinne, dass die Ursache eines Bedürfnisses zu¬
gleich auch die Ursache der Befriedigung desselben ist. Manche
Autoren haben eine solche teleologische Mechanik auch für die
krankhaften Lebensvorgänge angenommen und haben danach z. B.
die Entzündung uud das Fieber als durchaus zweckmässige Re-
actionen des Organismus gegen äussere Schädlichkeiten hingestellt.
Es ist in keiner Weise in Abrede zu stellen, dass von den
im Gefolge schädlicher Einwirkungen eintretenden Lebenserschei¬
nungen ein Theil nützlich ist und zur Heilung der entstandenen
Schädigung führt, allein es ist daraus noch nicht zu entnehmen,
dass bestimmte Lebensvorgänge unter allen Umständen zweckmässige
sind, oder dass die zur Heilung führenden Processe durchgehends
in der zweckmässigsten Weise sich vollziehen und nicht von
unzweckmässigen Vorgängen begleitet sind. Wenn ein gebrochener
Knochen unter entzündlichen Erscheinungen im Verlaufe von
einigen Wochen durch Bildung eines die Bruchenden wieder ver¬
einigenden neuen Knochen ge wehes heilt und dadurch wieder gebrauchs¬
fähig wird, so ist der ganze Vorgang sicherlich als ein zweck¬
mässiger anzusehen, allein es geht daraus noch nicht hervor, dass
nun auch alles das, was innerhalb des erkrankten Gewebes im
Einzelnen sich ereignet hat, zweckmässig gewesen ist.
Wenn wir das kranke Leben richtig verstehen wollen, so
dürfen wir uns nicht damit begnügen einen, Krankheitsfall nach
seinen Endresultaten zu beurtheilcn, sondern müssen vielmehr die ein-
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1038
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43-
zelnen Lebensvorgünge, welche denselben zusammensetzen, analysiren
und von jedem derselben zu erkennen suchen, ob er in dem Krank¬
heitsverlauf als zweckmässig oder als unzweckmässig anzusehen ist.
Der Beantwortung dieser Frage kommt nicht etwa nur ein theo¬
retisches, sondern auch ein hohes praktisches Interesse zu, indem
es für unser therapeutisches Handeln von maassgebendem Einfluss
sein wird, ob ein Vorgang zweckmässig und der Heilung dienlich
ist oder nicht.
Unter den pathologischen Vorgängen, welche durch äussere
Einwirkungen hervorgerufen werden, stehen unzweifelhaft jene im
Vordergrund des Interesses, welche im Verlaufe der sog. Infections-
krankheiten auftreten. Sic äussern sich vornehmlich in den Er¬
scheinungen der Entzündung und des Fiebers, ln günstig endenden
Fällen stellt sich im Verlauf der Erkrankung oft auch jene cigen-
thümliche Umstimmung des gesammten Organismus ein, welche es
bewirkt, dass der einmal an einer bestimmten Infection erkrankt
gewesene Körper an dieser Infection auch bei den günstigsten
Ansteckungsbedingungen nicht mehr erkrankt, so dass man ihn
als immun gegen diese Krankheit ansehen kann. Ich hofFe Hire
Zustimmung zu finden, wenn ich bei meinen heutigen Betrach¬
tungen über die Zweckmässigkeit der pathologischen Lebensvorgänge
mich auf die genannten Erscheinungen, auf die Entzündung, das
Fieber, die Bildung von Giften und Gegengiften und die damit
zusammenhängende Erwerbung von Immunität beschränke. Es
sind dies alles Lebenserscheinungen, welche Ihnen in ihren leicht
erkennbaren Aeusserungen wohl bekannt sind und ich glaube
danach auch Ihr Interesse an einer kritischen Beurtlieilung der¬
selben vom Standpunkte des Pathologen voraussetzen zu dürfen.
Die Entzündung ist eine seit Jahrtausenden bekannte krank¬
hafte Lebenserscheinung, welcher Celsus schon zu Beginn unserer
Zeitrechnung die Cardinalsymptome Röthung, .Schwellung, Hitze
und Schmerz zuerkannt hat. Im Allgemeinen worden auch diese
Symptome bis auf den heutigen Tag als charakteristisch für die
acute Entzündung äusserlich sichtbarer Theile anerkannt, doch ist
die moderne Medicin tiefer, als dies früher möglich war, in die
einzelnen Vorgänge, welche zu den genannten Erscheinungen führen,
ein gedrungen und sie hat gezeigt, dass sowohl Gcwebsentartungen
und Gewebsneubildung, als auch krankhafte Ausschwitzungen, die
aus stark mit Blut gefüllten Gelassen erfolgen, das Bild der
Entzündung zusammensetzen. Die Ausschwitzungen bilden bald
flüssige, bald geronnene Massen, welche, sofern sie an die Ober¬
fläche treten, auch dem Laien als Schleim, Eiter und häutige
Schleimhautbeläge bekannt sind.
Der Volksglaube bat diese Ausschwitzungen, die aus den
entzündeten Geweben austreten, vielfach als verdorbene und damit
auch schädliche Körpersäfte erklärt und ihr reichliches Austreten
als ein günstiges Ereigniss, geeignet diese Säfte aus dem Körper
zu entfernen, angesehen. Die Erkenntniss, dass schwerere Ent¬
zündungen meistens auf Infection, d. h. auf eine Verunreinigung
der Gewebe durch kleine Lebewesen, welche sich in den Körper¬
geweben vermehren, zurückzuführen sind, hat auch Mediciner und
Biologen vielfach veranlasst, die Entzündung als eine in jeder
Beziehung zweckmässige Reaetion des Organismus gegen ein¬
gedrungene Bacterien zu erklären. Leber glaubt, dass die Ent¬
zündung als ein Kampf der Gewebe und Organe des Körpers
gegen die Wirkung schädlicher Substanzen, zumal gegen parasitäre
Eindringlinge zu betrachten sei und ebenso erklärt auch Metsch-
nikoff die Entzündung als einen Kampf der Körperzellen gegen
Parasiten.
In ähnlicher Weise hat man vielfach auch in dem Fieber, d. h.
der bei Infectionskrankbeiten so häufig auftretenden Stoffwechsel¬
störung, welche in erster Linie in der Erhöhung^der Eigenwärme
des Körpers ihren Ausdruck findet, eine zweckmässige Erscheinung
gesehen, und es haben namhafte Kliniker das Fieber als eine
weise Einrichtung der Natur, als eine gesetzmässige Reaetion des
Organismus gegen die Giftwirkung der Bacterien, der eine salutäre
Bedeutung zukommt, erklärt.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Entzündungsvorgänge
bei manchen Infectionen einen die Weiterentwicklung der Krank¬
heit hemmenden und die Heilung fördernden Einfluss besitzen und
es ist ebenso auch möglich, dass die dem Fieber zukommenden
Stoffwechselstörungen und die Temperatursteigerung bei einzelnen
Infectionen in ähnlichem Sinne wirken, allein es geht aus einem
solchen Vorkommniss in keiner Weise hervor, dass Entzündung
und Fieber durchgehends al6 nützliche Erscheinungen anzosehen,
noch viel weniger, dass sie die zweckmässigste Einrichtung zur
Heilung der Infectionen sind.
Ist bei einer Infection unter dem Einflüsse der Bacterien
irgendwo Gewebe abgestorben, so kann eine nachfolgende Yer
flüsBigung dieses Gewebes in der aus den Gefässen austretenden
zellreichen Flüssigkeit, die Gewebsvereiterung, ein salutärer Vor¬
gang sein, indem dadurch die Möglichkeit gegeben ist, dass sich
nunmehr die verflüssigte Masse an irgend eine Oberfläche des
Körpers entleert und damit beseitigt wird. Treten bei einer
Schleim hauten tzündung grosse Mengen von Flüssigkeit an die
Oberfläche und werden dadurch die auf den Geweben sich ver¬
mehrenden Bacterien abgespült, so ist das sicherlich ebenfalls ein
günstiges Ereigniss. Führt die Neubildung von Gewebszellen zu
einem Wiederersatz verloren gegangener Theile, so ist dies als
ein Heilungsvorgang anzusehen. Vermögen die Eiterkörperchen
oder die Gewebszellen die im Gewebe vorhandenen Bacterien in
sich aufzunehmen und können sie dieselben danach tödten und
zerstören, so erkennen wir darin mit Rocht einen Vorgang, welcher
die Heilung der betreffenden Infectionskrankheit vorzubereiteii
geeignet ist. Erhebt sich die Körpertemperatur bei einer Infections-
krankheit, deren Erreger nur bei 35° bis 38° gedeiht, auf 39° bis
40°. so kann diese Erhöhung der Eigenwärme es bedingen, dass
der betreffende Mikroorganismus zu Grunde, geht, und danach
ein Rückgang der krankhaften Erscheinungen sich einstellt. Ent
wickeln sich im Verlaufe einer fieberhaften Infectionskrankheit
bei welcher der Organismus unter der Verbreitung der Bacterien
und der von ihnen gebildeten Gifte in den Gewebssäften leidet,
Gegengifte, welche die Wirkung der Gifte aufheben, so ist dies
sicherlich als eine ausserordentlich günstige Gegenwirkung des
Organismus gegen die vorhandene Infection und Intoxication an¬
zusehen.
Aus den angeführten Beispielen geht hervor, dass im Ver¬
laufe von Infectionen auftretende Entzündungen, Fieber und n
Giftproduytion führende Stoffwechselstörungen einen günstigen Ein¬
fluss auf die betreffende Erkrankung haben können, es lässt sich
denselben aber in keiner Weise entnehmen, dass die genannten
Vorgänge an und für sich als zweckmässige anzuschen und danach
auch in allen Fällen von günstigem Einfluss auf den Verlauf der
betreffenden Erkrankung sind. Wenn eine entzündliche Gewebs
Verflüssigung zur Bildung eines Eiterherdes in der Leber oder im
Gehirn führt, oder wenn entzündliche Ausschwitzungen auf der
Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre häutige Auflage¬
rungen, welche die Luftwege verengern, bilden, so wird wohl
Niemand darin ein günstiges Ereigniss sehen, und dies umso¬
weniger, als die Schädlichkeiten, welche die betreffenden Erkrank¬
ungen verursachen, in den Eiterherden und den Croupmembranen
sich erhalten können.
Finden Bacterien in den Zellen, in die sie bineingerathen
sind, einen günstigen Entwicklungsboden, wie dies thatsächlieh in
einzelnen Fällen, z. B. beim Aussatz vorkommt, so hat die Phago-
cytose, d. h. die Aufnahme der Bacterien durch Körperzellen,
nicht nur keinen heilenden Einfluss, sondern fördert thatsächlieh
die Ausbreitung der Erkrankung. Ueben die im Verlauf einer
Infectionskrankheit sich bildenden Stoffwechselproducte keine deletäre
Wirkung auf die im Körper vorhandenen Bacterien aus und sind
sie auch nicht geeignet, die Wirkung der Bacteriengifte aufzuheben,
so sind sie zum Mindesten nutzlos, oft wohl auch geradezu schäd¬
lich, indem sie Vergiftungserscheinungen und Entartung leben?
wichtiger Organe, wie z. B. des Herzens und der Nieren verur¬
sachen können. Ebenso ist auch eine andauernde Erhöhung der
Eigenwärme des Körpers geeignet, schädlich auf Blut, Herz, Nieren
und Leber, wahrscheinlich auch auf das Gehirn, einzuwirken.
Schon eine ganz oberflächliche Betrachtung der Thatsacben
ergibt also, dass die Lebenserscheinungen, welche sich bei Infectwns-
krankheiten einstellen, für den Verlauf der betreffenden Erkrankung
einen sehr verschiedenen Werth haben, so dass das, was in einem
Fall zweckmässig erscheint, in einem zweiten Fall nutzlos, 10
einem dritten schädlich ist.
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27. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1039
Findet auf irgend ein Gewebe des Körpers eine schädliche
Einwirkung statt, so hängt das, was nun geschieht einerseits von
der Art dieser schädlichen Einwirkung, andererseits von der Be¬
schaffenheit des betroffenen Gewebes ab. Eine glatte Stich- oder
Schnittwunde wird für den Verlauf der Heilung andere, günstigere
Verhältnisse bieten, als eine Quetschung oder Zertrümmerung eines
Gewebes. Eine Aetzung der Haut mit Trichloressigsäurc führt
zu ganz anderen Veränderungen als eine Aetzung mit Höllenstein.
Eine Stichwunde der Haut oder der Muskeln heilt in so voll¬
kommener Weise, dass später die Narbe kaum oder gar nicht mehr
zu finden ist; eine Stichwunde des Gehirns wird dagegen bleibend
eine ganz bedeutende Veränderung hinterlasscn, indem der Orga¬
nismus an Stelle der Verletzung neue Hirnsubstanz nicht zu
bilden vermag.
Die Gewebe besitzen bestimmte Lebenseigenschaften, welche
für ihr Verhalten gegenüber einer Schädlichkeit bestimmter Art
maassgebend sind. Eine Abänderung ihres Verhaltens unter dem
Gesichtspunkte der Zweckmässigkeit, vermögen sie von sieh aus in
keiner Weise zu bewerkstelligen. Wenn danach bei verschiedenen
Infcctioncn verschiedene krankhafte Lebenserscheinungen auftreten,
so hängt dies, gleichgeartete Individuen und Gewebe vorausgesetzt,
lediglich von den besonderen Eigenschaften der Krankheitsursache
ab. Wenn bei den Masern in der Haut rotlie Flecken, bei den
Pocken dagegen Bläschen und Eiterpusteln sich bilden, so hängt
diese Verschiedenheit nur von der verschiedenen Beschaffenheit des
Masern- und des Pockengiftes ab und es ist darin nicht eine
zweckmässige Reaction des Organismus, sondern nur eine Folge¬
erscheinung der durch Masern- und Pockengift verursachten Schädi¬
gung der Haut zu sehen. Dass bei Abdominaltyphus sich um¬
schriebene Entzündungen im Darm, die zu rascher Verschwärung
führen, bei Tubcrculose dagegen in beliebigen Geweben des Or¬
ganismus Wellige Knötchen, die verkäsen, bilden, ist eine Folge
der besonderen Beschaffenheit der Typhusbacillen und der Tuberkel¬
bacillen und das Verhalten der Gewebe ist nicht durch die Zweck¬
mässigkeit bestimmt, sondern richtet sich nach der Einwirkung
der betreffenden Bacillen.
Diese Thatsache steht in Widerspruch mit der unter den
Biologen allgemein verbreiteten und auch von vielen Aerzten ver¬
tretenen Ansicht, dass die einzelnen Lebewesen auf das Zweck-
mässigste organisirt sind und danach auf äussere Reize in einer
Weise reagiren, welche dem Gesammtorganismus möglichst nutz¬
bringend ist. Sic ist aber gleichwohl eine Erscheinung, die mit
unseren sonstigen Kenntnissen von der Entwicklung der Organis¬
menwelt durchaus im Einklang steht.
Die Ausgestaltung der einzelnen Thiere zu Lebewesen,
welche den Aussenbcdingungen in möglichst vollkommener Weise
angepasst sind, hat man sich zu verschiedenen Zeiten verschieden
erklärt und es besteht auch unter den heutigen Naturforschern
darüber keine Übereinstimmung. Stimmt man den Ansichten
von N a e g e 1 i zu, so erfolgt die Entwicklung niederer zu höheren,
vollkommener ausgebildeten Formen wesentlich aus inneren Ursachen
oder inneren Triebkräften. Eimer sucht dagegen nachzuweisen,
dass äussere Einflüsse, wie z. B. die Wärme, die Nahrung, direct
Neues schaffen, sobald nur ein bildungsfähiges Material in der
Anlage der einzelnen Lebewesen gegeben ist.
Nach Darwin, Wallace, Roux, Weismann und An¬
deren kommen Zweckmässigkeiten nur durch Selection, durch
Zuchtwahl auf Grund der individuellen Variation zu Stande und
es ist die Selection allein das leitende und führende Princip bei
der Entwicklung der Organismenwelt. Diese Annahme hat zur
Voraussetzung, dass natürliche Variationen immer da sind und
sich in einer für den Züchtungsprozess hinreichend grossen
Anzahl von Individuen darbieten. Die Auswahl ist zunächst eine
personelle, indem im Laufe der Zeit diejenigen Individuen sich
erhalten und vermehren, welche vermöge der neuen Variation den
Lebensbedingungen, unter denen sie leben, am besten augepasst sind.
Neben dieser Personalauslese findet sodann in der Ontogenese, d. h.
bei der Entwicklung der einzelnen Individuen noch eine Histo-
nalauslese (Roux) oder Intraselection statt, durch welche die Keimes¬
anlagen den wechselnden Bedingungen gegenüber zweckmässig zur
Entfaltung gebracht und die Gewebe den specicllen Entwicklungs¬
bedingungen der einzelnen Individuen angepasst werden.
No. 43.
Ich will auf die Frage nach dem Werthe der verschiedenen
Hypothesen über die Ursachen der Entwicklung der Organismen¬
welt nicht eintreten. Es genügt für unsere heutige Betrachtung,
zu wissen, ob aus denselben die Möglichkeit oder Wahrscheinlich¬
keit zu entnahmen ist, dass dem menschlichen Organismus eine
solche Vollkommenheit innewohnt, dass er auf aussergewöhnliche,
zu Krankheit führende Einwirkungen stets in zweckmässiger Weise
zu reagiren vermag.
Es bedarf keiner Auseinandersetzung, dass das Vorhanden¬
sein innerer Triebkräfte, welche zu einer höheren Organisation der
Lebewesen drängen, in keiner Weise geeignet wäre, den kranken
Organismus an alle die wechselvollen Bedingungen, wie sio in
Zuständen von Krankheit gegeben sind, anzupassen. Es würde
dies die Anwesenheit einer zweckmässig wirkenden Lebenskraft
voraussetzen, welche in jedem einzelnen Falle das Nützliche aus¬
zuwählen im Stande wäre, eine Naturkraft, deren Vorhandensein
mit guten Gründen bestritten und in keiner Weise gestützt werden
kann. Man wird danach zunächst eher geneigt sein, der Personal -
und Histonalseleetion, welche für die Entwicklung der Organismeü-
welt zweifellos von grosser Bedeutung sind, auch einen Werth fnr
die Anpassung des thierischen Körpers an pathologische Zustände
zuzuerkennen. Eine objeetive Betrachtung der thatsächlichen Ver¬
hältnisse ergibt indessen, dass auch die .Selection nicht im Stande
ist, den thierischen und menschlichen Organismus an alle Ver¬
hältnisse, welche das Leben mit sieh bringt, anzupassen. Wenn
ein Gewebe befähigt ist, einen durch einen Eingriff gesetzten
Verlust durch Gewebsneubildung auszugleichen, dann kann man
darin wohl eine durch Selection entstandene Anpassung der Indi¬
viduen an die Verhältnisse der Aussenwelt sehen, die sich auch
auf Fälle erstreckt, die, ausserhalb der gewöhnlichen Lebens¬
ereignisse stehend, der Pathologie angehören. Wenn aber fest¬
zustellen ist, dass diese Regenerationsfähigkeit einzelnen Geweben
und darunter gerade den wichtigsten, wie dem Gehirn und dem
Rückenmark, fehlt, so mag diese Erscheinung unter den gewöhn¬
lichen Lebensverhältnissen noch immer als etwas Zweckmässiges
angesehen werden, indem der feste Einschluss des Centralnerven¬
systems die äusseren Unbilden hinlänglich fern hält, und die hohe
Ausgestaltung der Hirnsubstanz, die wohl auch die wesentliche
Ursache seiner Regenerationsunfähigkeit ist, den Einzclindividuen
in ihrem Lebenslauf so grosse Vortheile bietet, dass dagegen die
mangelnde Regenerationsfähigkeit zurücktritt. Für pathologische
Verhältnisse ist hingegen eine solche Betrachtungsweise nicht mehr
zulässig, wir werden vielmehr sagen müssen, dass für diese die
Lebenseigenschaften der Hirnsubstanz mangelhafte und unzweck¬
mässige sind.
Das pathologische Geschehen, die Zustände der Krankheit
sind nicht geeignet, durch Personal- und Histonal-Auslese ver¬
bessernd auf die Ausbildung der organischen Lebewelt einzuwirken.
Die Lebensbedingungen, welche krankhafte Zustände erzeugen, sind
so mannigfaltiger Art, dass es absolut unmöglich ist, dass der
Organismus sich denselben in grösserer Ausdehnung anpasst. Es
können zwar Einwirkungen der Aussenwelt gewisse Aenderungcn
innerhalb des menschlichen Organismus herbeiführen, die ihn gegen
diese Einwirkungen widerstandsfähiger machen, allein diese Um¬
stimmungen beschränken sich auf wenige bestimmte Fälle und
kommen nur dem betreffenden Individuum, nicht aber seinen Nach¬
kommen zu Gute. Es fehlt zwar nicht an Naturforschern, welche
annehmen, dass solche Veränderungen in der Körperbeschaffenheit
sich auf die Nachkommen vererben, allein es existirt keine That¬
sache, welche die Vererbung einer erworbenen Eigenschaft beweisen
würde und es ist auch gar nicht wahrscheinlich, dass eine solche
Vererbung vorkommt.
Die mangelhafte Anpassung des menschlichen Organismus an
aussergewöhnliche, zu Erkrankung führende Lebensbedingungen
macht sich ganz besonders auch bei den Infectionskrankheiten
bemerkbar und es tragen danach auch die Vorgänge, welche sich
im Verlaufe von Infectionen einstellen, durchaus nicht immer den
Charakter des Zweckmässigen. Die Zahl der verschiedenen Infections-
keime ist gross und die Infectionsgefahr ist durch den modernen
Verkehr ausserordentlich gesteigert. Es ist undenkbar, dass der
menschliche Körper durch Personalauslese eine solche Vollkommen¬
heit erwerben kann, dass er gegenüber jeder Infectionsform die zur
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Erhaltung seiner Gesundheit zweckmässigsten Lebenserseheinangen
auszulösen vermag. So lange nichtcultivirtc und ausser Verkehr
mit der übrigen Welt stehende Menschen Generationen hindurch
sich unter annähernd gleichen Lebensbedingungen befinden und
damit auch nur ganz bestimmten Iufectioncn ausgesetzt sind, ist
es denkbar und auch wahrscheinlich, dass sie durch Personalselection
diesen Verhältnissen auf’s Engste angepasst werden. Wenn in
einer solchen Gegend eine bestimmte Malariaform herrscht, der
gegenüber ein Theil der Bewohner widerstandsfähig ist, während
die Andern zu Grunde gehen, so wird im Laufe der Zeit sich
derjenige Theil der Bevölkerung erhalten und vermehren, der eben
diese Widerstandsfähigkeit besitzt, während der andere successive
zurücktritt und schliesslich ausstirbt. ' Gelangt aber weiterhin diese
gegen Malaria widerstandsfähige oder immune Bevölkerung unter
andere Verhältnisse, entweder durch Wechsel des Wohnortes oder
durch Mischung mit anderen Menschen, die ihnen neue Krank¬
heitskeime von aussen zutragen. so werden sie für diese neuen
Iufectioncn mehr oder weniger empfänglich sein und es werden
die Lebenscrsclioinunge», die danach im Laufe dieser neuen Erkran¬
kungen auftreten, zu einem Theil recht unzweckmässige sein können.
Wenn manche Autoren von diesem oder jenem Lebensvorgang
aunchmen, dass er unter allen Umständen zweckmässig sei, in
dem -Sinne, dass er dem betreffenden Lebewesen Nutzen bringt,
so ist dies, soweit es sich um das Gebiet der Pathologie bandelt,
nur durch eine völlige Verkennung der thatsächlichen Verhältnisse
zu erklären.
Unter den Lebenserscheinungen, welche im Verlauf der
Infeetionskrankheiten auftreten, hat Metsehnikoff der bereits
erwähnten Phagocytose, der Aufnahme der Bacterien und Protozoen
durch die Körperzellcn einen ganz besonderen Werth zugeschricben,
indem dieselbe das für alle Fälle geeignetste Kampfmittel dar-
stellcn sollte, durch dessen Hilfe der menschliche und thierischc
Organismus sich von seinen Angreifern befreit. * Diese Ansicht
ist von Vielen mit. grossem Beifall aufgenommen und als eine
fest begründete Lehre der allgemeinen Pathologie weiter verbreitet
worden. Trotzdem handelt es sich um eine durchaus irrige
Auffassung eines pathologischen Vorganges, indem einer Lebens-
äusscrung der Zellen ein bestimmter Zweck untergelegt wird, der
ihr sicherlich ursprünglich fremd war und der auch im Verlaufe
der Infeetionskrankheiten dieser Zellthätigkcit gar nicht zu Grunde
liegt.
Die Phagocytose ist eine Lebensäusserung der Zellen, welche
die Aufnahme von Nahrung bezweckt und es lässt sieh bei ein¬
zelligen Thieren diese Art der Ernährung ohne Schwierigkeit
\inter dem Mikroskop verfolgen. Man sieht, wie die Zellen
kleine Fremdkörper oder auch andere kleine Lebewesen mit ihrem
Protoplasma, ihrem eigenen Leib uinfliessen und in ihre Leibes -
Substanz einbetten. Sind diese Körper assimilationsfähig, so
werden sie verdaut und aufgelöst und zur Nahrung verwendet;
sind sie unbrauchbar, so werden sie wieder ausgestossen.
Nicht anders als bei diesen einzelligen Thieren verhält es
sieh mit vielen Zellen des menschlichen Körpers, insbesondere
den farblosen Blutkörperchen oder Lymphkörpcrchen, sowie mit
allen durch Theilung neu entstandenen Zellen, indem dieselben
einen Zellleib besitzen, der fliessender Bewegungen fähig ist.
Liegen in Geweben, die solche Zellen enthalten, kleine Körperchen,
wie Fetttropfen, zerfallene oder ganze rothe Blutkörperchen, oder
Bacterien, so können sie dieselben in sich aufnehmen und nach
ihrer Aufnahme weiter verändern, zerstören, verdauen. Es liegt
aber keinerlei Grund vor, in diesen Vorgängen einen Kampf zu
sehen, und man entfernt sich mit einer solchen Betrachtungsweise
von der objectiven Beurthcilung dieses Lebensvorganges. Die be¬
wegungsfälligen Körperzellen sind durch mechanische und chemische
Einwirkungen reizbar und beantworten diesen Beiz mit bestimmten
Eigenbewegungen, die theils zur Bildung vielgestaltiger Formen
und zur Ortsbewegung, theils zur Annahme der Kugelform und
zur bewegungslosen Buhe führen. Was im Einzelfallc geschieht,
hängt einestluils von der Reizbarkeit der Zellen, andererseits von
den mechanischen und chemischen Einflüssen der Frcmdköri>er,
der Bacterien ab. Manche locken die Zellen durch die chemisch
wirksamen Substanzen, die sie in ihrer Umgebung bilden oder
an ihre Umgehung abgeben, an, üben, wie wir sagen, einen
positiven Chemotropismus aus, andere stossen dagegen die ZäÜ»'
ab, oder bringen sie zur Erstarrung, sind negativ chcmotropisch.
Ob eine bewegliche Zelle einem Krankheit erregenden Spaltpilz
sieh nähert, hängt also wesentlich von der Art und Beschaffenheit
des Spaltpilzes ab und ebenso sind auch für sein weiteres Schiekal
seine Eigenschaften und sein Zustand in der Zeit der Aufnahme
entscheidend. Negativ chemotactisch wirkende Bacterieu werden
von Zellen überhaupt nicht aufgenommeu; positiv chemotactisch
wirksame, bereits abgestorbene oder wenigstens im Absterben
begriffene, werden gefressen und verdaut werden. Bacterien, die
lebenskräftig aufgenommen werden, werden je nach ihren Lebens-
eigensebaften entweder zu (»runde gehen, oder in den Zellen sich
vermehren. Es ist einleuchtend und bedarf wohl keiner weiteren
Begründung, dass nach dem Mitgctheilten der Phagocytose der
Werth eines in allen Fällen zweckmässigen Kampfmittels des
Organismus gegen die Erreger der Infeetionskrankheiten nicht
zuerkannt werden kann. Sie ist lediglich eine in dem Bau des
Zellprotoplasmas begründete Lebenserscheinung, welche filr den
Menschen bald nützlich, bald irrelevant, bald schädlich ist.
Die Lebensvorgänge bei den verschiedenen Infectionskrank-
beiten werden gewöhnlich lediglich vom Standpunkt des mensch¬
lichen Interesses beurtheilt, indem man nur Das für zweckmässig
und nützlieh hält, was den Interessen des Menschen dient. Eine
naturwissenschaftliche Betrachtung derselben erfordert indessen eine
objcctivere Beurtheilung und man wird sich auch die Frage vor¬
legen müssen, ob nicht die pathologischen Lebensprocesse zum
Theil den Interessen der im Körper sich vermehrenden Parasiten
dienen. Wenn Gallwespen ihre Eier in Blätter oder Zweige von
Eichen legen und danach eine knotige Wucherung an den infi
cirten Stellen entsteht, die den aus den Eiern kriechenden Larven
Schutz und Nahrung gewährt, so ist dies sicherlich ein lediglich
den Gallwespenlarvcn zum Nutzen gereichender Vorgang^ welcher
der Eiche schädlich ist. Es ist wahrscheinlich, dass auch manche
Erscheinungen des kranken Lebens beim Menschen, nicht dem
Menschen, sondern dom Parasiten, welcher die Krankheit ver¬
ursacht, förderlich sind, und cs muss diese Möglichkeit selbst bei
Vorgängen, die wir im Allgemeinen als für uns nützlich anseben,
in’s Auge gefasst werden. Wenn z. B. bei Tuberculose, oder bei
Aussatz, oder bei Actinomykose am Orte der Bacterienansiedclung
sich in den Geweben zahlreiche Zellen anhäufen, welche theils
aus dem Blute stammen, theils durch Theilung der vorhandenen
Gewebszellen neu entstanden sind, so muss man in Berücksichtigung
ziehen, dass die Anhäufung der Zellen und die Bildung von
Keimgewebe die Vermehrung der Bacterien ebenso gut fördern,
als ihr hemmend entgegen treten kann, und es lässt sich ohne
spcciell darauf gerichtete Untersuchungen nicht entscheiden, wie
die Verhältnisse bei den einzelnen Infeetionskrankheiten sieb ge¬
stalten. Wir kennen einzellige thierischc Parasiten der Epithel-
zellen der Haut und der Schleimhäute, welche dadurch im Körper
einen günstigen Entwicklungsboden finden, dass zu Folge ihrer
Anwesenheit das Epithel in Wucherung geräth und dadurch den
Parasiten genügendes Nährmaterial zur Verfügung stellt. Die
Thatsachc, dass grosser Zellreichthum der Organe für die Ent¬
wicklung der Tuberculose kein Hinderniss ist und dass beim Ans
satz die Bacillen sich vornehmlich innerhalb von Zellen verwehren,
spricht dafür, dass Zellanhäufungen bei diesen Krankheiten für
den Inficirten zum Mindesten nicht immer nützlich sind.
Soweit unsere Kenntnisse heute reichen, darf mau anuehmen,
dass im Verlaufe der einzelnen Infeetionskrankheiten, vom Stand
punkte des menschlichen Interesses aus gesprochen, sich sowohl
zweckmässige, d. h. die Verbreitung der Bacterien im Körper und
die Giftwirkung hemmende, als auch unzweckmässige, d. h. die
Vermehrung und die Giftwirkung der Bacterien fördernde Vor¬
gänge sich ein.stellen.
Bei den acuten Infeetionskrankheiten, bei denen die Haupt-
gefallr in der Verbreitung giftiger Bactericnprodnete im K ür l ier
besteht, wie z. B. bei Diphtherie, Tetanus, Cholera, gehört zu
den zweck massigsten und nützlichsten Erscheinungen in er- <tcr
Linie die Bildung von Gegengiften, welche die Wirkung der Ba*
teriengilte ahsehwächen oder auf heben. Es gehört ferner hieb» r
die im Verlaufe mancher Infeetionskrankheiten auf tretende Innuu-
nität, d. li. das Uneuipfiudlichwerden des Organiämus_geß CI1 ’
27. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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stimmte Bacteriengifte und die Fähigkeit der Gewebe, die be¬
treffenden Bacterien an ihrer Vermehrung zu hindern und sie zu
tödten, Erscheinungen, die alle zu der Bildung von Gegengiften
in naher Beziehung stehen.
Es ist Ihnen Allen bekannt, dass der Erkenntniss dieser
Thatsachen die Prophylaxe und die Therapie der Infectionskrank-
heiten bereits grosse Erfolge zu verdanken hat. Durch die vor
100 Jahren von Jenner auf empirischem Wege gefundene Kuh-
pockcnimpfung sind Millionen von Menschen vor dieser Erkran¬
kung geschützt worden. Die als das Resultat wissenschaftlicher
Untersuchungen über die Entstehung und das Wesen der Diph¬
therie in neuester Zeit entdeckte Serumtherapio der Diphtherie
dürfte nach den bisherigen Erfahrungen im Stande sein, einem
grossen Theil der sonst dem Tode verfallenen Diphtheriekranken
das Leben zu retten.
Es wäre nun aber durchaus verkehrt, wollte man aus diesen
Thatsachen den Schluss ziehen, dass solche wirksame Gegengifte
im Verlaufe aller Infectionskrankheitcn sich bilden und daraus
die Hoffnung schöpfen, dass wir diese von den Parasiten oder
von den Inficirten gebildeten Gegengifte bei allen Infections-
krankheiten finden und mit deren Hilfe die Krankheit bekämpfen
könnten. Man hat vor einigen Jahren geglaubt, dass man die
Tuberculose durch Injection bestimmter Producte der Tuberkel¬
bacillen, des Tuberculins, der Heilung würde zuführen können und
nahm ohne Weiteres an, dass die durch die Tuberculin-Injection
verursachten Gewebsveränderungen, insbesondere die Entzündung
in der Umgebung der Tuberkel der Verbreitung der Tuberculose
im Körper entgegenwirken würden. Es hat sich aber sehr bald
herausgestellt, dass dem Tuberculin eine solche Heilkraft nicht
zukommt und dass die durch dessen Injection ausgelösten Lebens-
vorgängc in den Geweben unter Umständen nicht nur nichts
nützen, sondern geradezu schaden.
Betrachtet man die Lehenserscheinungen in Zuständen von
Krankheit ohne Voreingenommenheit, so ergibt sich, dass den
einzelnen pathologischen Lebensvorgängen eine absolute Zweck¬
mässigkeit nicht zukommt. So vollkommen auch der pflanzliche
und thierische Organismus den gewöhnlichen Lebensbedingungen
angepasst sein mag, unter dem Einfluss besonderer schädlicher
Einwirkungen, in Zuständen von Krankheit ist seine Leistung
vielfach eine unvollkommene und sogar unzweckmässige. Wenn
sich hiebei in der Regel auch Vorgänge einstellen, welche die
durch äussere Einwirkungen verursachten Schäden auszugleichen
und die Krankheit damit der Heilung zuzuführen geeignet sind,
so können diese Vorgänge doch auch einen gegentheiligen Effect
haben und das Leiden verschlimmern. Sie können ferner auch
mit Begleiterscheinungen verbunden sein, welche den Heileffect
vereiteln und zugleich den Geweben neue schwere Schädigungen
zufügen.
Aus dieser Sachlage erwächst der theoretischen und der
praktischen Medicin eine schwere, aber zugleich auch dankbare
Aufgabe. Es lassen sich die pathologischen Lebensvorgänge nicht
kurzer Hand in nützliche und in schädliche cintheilen, von denen
die ersten zu fördern, die letzten zu hemmen und zu bekämpfen
sind. Entzündung, Phagocytose und Fieber können wir weder als
weise Einrichtungen der Natur oder als « zweckmässige Kampf¬
mittel des Organismus gegen Infectionen », noch auch als schlecht¬
hin schädliche Lebenserscheinungen bezeichnen. Ihre Bedeutung
wird vielmehr in jedem einzelnen Fall durch die besondere Art
der Erkrankung bestimmt.
Die praktische Medicin hat bis in die neueste Zeit in der
Bekämpfung der Infectionskrankheiten nur beschränkte Erfolge zu
verzeichnen gehabt und es -konnte danach auch nicht fehlen, dass
sich daraus ein starker Pessimismus entwickelte, welcher die Heil¬
kunst des Arztes gering bewerthetc. Die letzten Jahre haben
hierin eine wesentliche Besserung gebracht und wenn man auf die
grossen Erfolge, welche die moderne Behandlung der Wunden,
die Chininbehandlung der Malaria, die Schutzimpfungen bei Pocken,
Milzbrand und Rauschbrand, die Serum- und Gewebssafttherapic
bei Diphtherie und Hundswuth zu verzeichnen haben, blickt, so
wird man sich der Hoffnung hingeben können, dass die Zukunft
auch noch weitere Fortschritte in der causalen Behandlung der
Infectionskrankheiten bringen wird.
Diese Fortschritte sind aber nicht von einer kritiklosen Ueber-
tragung des bei einer Krankheit Beobachteten auf andere Krank¬
heiten zu erwarten. Wer alles Heil von der Entzündung und
der Phagocytose erwartet, wird in seinen therapeutischen Versuchen
vielfach Irrwege gehen und wer glaubt, mit Schutz- und Heilserum
alle Infectionskrankheiten bekämpfen zu können, wird manche
Enttäuschung erfahren. Fortschritte auf wissenschaftlichem und
praktischem Gebiet wird nur eine Arbeit bringen, welche ohne
Voreingenommenheit dem Studium der einzelnen Krankheitsformen
sich hingibt und uns die Bedeutung der einzelnen Lebensvorgänge
für die betreffende Krankheitsform kennen lehrt.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Professor
Riegel in Giessen.
Ammoniak im Mageninhalt und im Speichel.
Von Dr. Oeorg Sticker, Privatdocent und Assistent der Poli¬
klinik in Giessen.
II. Ammoniak im Speichel.
Dass man bei der Beurtheilung der Herkunft von chemischen
Bestandtheilen des Mageninhaltes den Speichel zu vergessen sich
angewöhnt hat, ist bei der «specialistischen Gründlichkeit der
modernen Forschung in der Magenpathologie» nicht zu ver¬
wundern. J. Rosenthal hat diese Einseitigkeit gelegentlich
seiner Untersuchungen «Ueber die Ausscheidung des subcutan
injicirten Morphiums durch den Speichel» nach 0. Rosenbach’s
Vorgang mit Recht gerügt '); dass sie sich bei der Deutung des
Vorkommens von Schwefelwasserstoff im Magen als nachtheilig
erwiesen hat, habe ich in meinen «Neuen Beiträgen zur Be¬
deutung der Mundverdauung» bemerkt a ). Wenn ich dort zeigte,
dass in den weitaus meisten Fällen der Schwefelwasserstoff im
Magen nicht durch Zersetzung von eiweisshaltigen Si>eisen ent¬
steht, wie in einigen «Lehrbüchern» versichert wird, sondern,
durch die diastatische Wirkung des Mundspeichels aus den schwefel¬
haltigen Oelen einiger Küchenkräuter entbunden, in den Magen
gelangt, so will ich jetzt nachwcisen, dass der reine Magensaft,
das Drüsensecret des Magens, kein Ammoniak enthält, sondern
der Speichel es ist, welcher dem Magen die Salze dieses Gases
zuführt.
Das Ammoniak, behaupte ich, kommt normaler
Weise weder aus den Speisen noch durch das Magcn-
secret in den Magen, sondern mit dem Speichel,
dessen regelmässiger Bestandtheil es ist.
Dass das Ammoniak im Speichel fast nie fehlt, — ich selbst
habe es nur ganz ausnahmsweise, zeitweilig, aber nie dauernd,
bei meinen Uutorsuchungsobjccten vermisst, — davon kann mit
den gewöhnlichen, bekannten und besonders mit den vorhin von
mir empfohlenen Reactionen sich Jedermann überzeugen, wenn er
den Speichel der einzelnen Drüsen mittelst einer Canüle oder den
gemischten Mundspeichel aus der sorgfältig gereinigten Mundhöhle
gewinnt. Es dürfte dabei öfters auffallen, dass der spontan oder
bei Reizung der Schleimhaut abfliessende Speichel weniger Ammo¬
niak enthält, als der durch Saugbewegungen gewonnene, ohne dass
dabei etwa die Beimischung zersetzter organischer Massen aus den
Zähnen u. s. w. in Frage käme. Mir ist die Beobachtung so
räthselhaft geblieben wie die andere bekannte, dass der gemischte
Mundspeichel mehr Rhodankalium enthält als die einzelnen Secrete
der Mundhöhle.
Die Nachweisung des Ammoniaks im Spoicliel geschieht
folgendermassen :
1. Einige Cubikcentimeter Speichel werden mit oder ohne
Zusatz weniger Tropfen Kalkmilch oder zehnprocentiger Soda¬
lösung im Reagenzcylinder, welcher mit einem feuchten Stück
höchst empfindlichen neutralen Lacmuspapiers bedeckt ist, schwach
erwärmt; das Papier wird, soweit es die Oeffuung des Röhrchens
deckt, blau.
2. An den Rand des in gesagter Weise beschickten Reagens¬
glases setzt man einen Tropfen Salzsäure oder Eisessig. Beim
Erwärmen des Inhaltes ziehen vou der Gegend des Säuretropfens
M Berlin. Klin. Wochenschrift 1893 No. 49.
3 ) Münch, medic. Wochenschr. 1896 No. 24—26.
2 *
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
aus mehr oder weniger starke weisse Nebel nach abwärts und auf¬
wärts. Fängt man diese auf einer kalten feuchten Glasplatte auf
und lässt die Feuchtigkeit verdunsten, so krystallisiren auf dem
Glase die bekannten tannnenzweigartigen Krystallskelette des Sal¬
miaks aus.
3- Im Schlösin g’schen Apparat verliert das Schwefelsäure¬
wasser wesentlich an Acidität, wenn ausreichende Speichelmengcn,
6—25 ccm, mit Kalkmilch oder Sodalösung versetzt, hincin-
gebracht werden. Im Schwefelsäurewasser lässt sieh zu Ende des
Versuches durch Platinchlorid oder Nessler’s Reagens das Ammo¬
niak nach weisen.
Ueber die Quantität des Ammoniaks im Speichel gab der
Schlösin g'sche Apparat in dreizehn Versuchen folgenden Aufschluss:
Speichel
eines gesunden
Mannes
Menge des
8peichels, welcher
48 Stunden Im Appa¬
rate Bchlöslng's
bleibt.
10 ccm l /»N-Schwefel-
säure-Lösung bedürfen xur
Sättigung (statt 20 ccm)
nach 48 Stunden
Berechneter
Procent¬
gehalt des
Speichels
an NH»
1. v. Vormittag
25 ccm
19,1 ccnP/ioN-Natr.-Lauge
Procent
0,00612
(11-12 Uhr)
2- „ „ n
25 „
0,00476
10 „
18,4 „ .
0,0272
10 .
18,8 „ „
0,0204
0,017
5 . .
10 „
19,0 „ „
6. v.Nachmttg.
25 „
18,(5 „ „
0,00952
(4-5 Uhr) !
15 ,
19,0 „ „
0,0113
0,0255
8. „ . „
10 „
18,5 „ „
9. . ,, ,,
10 „
18,7 „ „
0,0221
10. v. Abend
16 „
19,0 „ „
0,0113
(8 Uhr)
11- „ .
10 „
19,4 „ .
0,0102
12. „ „
10 .
18,9 „ „
19,4 „ „
0,0187
0,0102
13. . n
10 „
Auffallend ist in den gewonnenen Werthen die Abnahme
des Ammoniakgehaltes im Speichel beim Sammeln grösserer Mengen;
sie entspricht der gleichzeitigen Abnahme des specifischen Gewichtes,
welches z. B. beim 2-Versuch in den ersten 10 ccm 1006 betrug
und bei der Menge von 25 ccm auf 1004.5 sank. Es wird also
bei längerem Ablaufen und Ansaugen des Speichels ein wasser¬
reicheres Secret gewonnen.
Da nach 48 Stunden in allen Proben noch nicht alles Ammoniak
aus dem Speichel abgedunstet war, wie man daraus ersah, dass
ein Tropfen Nessler’scher Lösung, auf einem Deckgläschen unter
die Glocke gelegt, in wenigen Minuten gelbrothe Trübung erlitt,
so stellen die angeführten Zahlen noch zu geringe Wertho dar.
Sie beweisen also a fortiori, was ich nachher zeigen will.
4. Jeder Tropfen Speichel zeigt nach dem Verdunsten unter
dem Mikroskop die tannenzweigähnlichen Krystallskelette, welche
dem Salmiak eigenthüm-
lich sind. Das wussten
schon die ersten Mikro-
skopiker.
5 . Die mikroche¬
mische Probe von Streng
gelingt mit jeder Speichel¬
probe. Figur I gibt ein
zusammengeordnetes Bild
der von mir gesehenen
Krystallformen.
6. Auf eine Glas¬
platte wird ein Tropfen
Speichel und ein Tröpf-
lein des N e s s I e r 'sehen
Reagens gesondert ge¬
setzt; beide werden mit
einem kleinen Uhrglas
überdeckt. In wenigen Secunden oder Minuten färbt sich der
Ne s sl er'sehe Tropfen gelb, gelbrotb bis braun. In einer Reihe
von Fällen, in welchen die Reaction ausbleibt, genügt es, dem
Speichelfcropfen etwas Sodalösnng oder Kalkmilch zuzufügen, um
die Reaction hervorzurufen.
Wichtig ist dieses: Speichel, welcher ohne Alkalizusatz Am¬
moniak abgab, verliert, wenn er einige Zeit bei Stubentemperatur
frei der Luft ausgesetzt war, die Wirkung, im Nessler’schcn
Tropfen das Quecksilberjodid zu fällen. Unter dem Einfluss höherer
Wärme, von 30 — 40 — 50° C., entlässt er wiederum neues
Ammoniak. Ebenso lässt ein Zusatz der genannten alkalischen
Flüssigkeiten das Ammoniakgas wieder aastreten. Dies beweist,
dass im Speichel neben einer festeren Ammoniak verbin düng, Chlor-
ammonium, eine lockere Verbindung und zwar wohl kohlensaure*
Ammonium sich befindet.
Das fester gebundene Ammoniak habe ich bei mehr als
150 Proben in keinem Speichel, bei keinem Gesunden oder Kranken,
zu keiner Tageszeit vermisst, aber in äusserst schwankender Menge
gefunden, wie die angeführten quantitativen Bestimmungen illustrirctL
In einem Falle von Ptyalismus bei einer Schwangeren betrug der
Ammoniakgehalt 0,012 Proc.
Das lockere Ammoniak fohlte häufig; bei anaemischen
und Fieberkranken scheint es mir regelmässiger als bei
anderen Patienten vorzukommen. Bemerkenswerth ist, dass ich
bei diesen Kranken auch im Blut das Ammoniak mit der Streng¬
sehen Probe und der meinigen ziemlich regelmässig, im Gegensatz
zu anderen Personen, gefunden habe.
Nachdem die Anwesenheit des Ammoniaks im Speichel nach
gewiesen ist, fragt es sich, ob seine Menge ausreichend ist, die
im Magen gefundenen Quantitäten zu liefern.
Die Angaben der Autoren über den Ammoniakgeh< des Speise-
brei’s im Magen schwanken von 0,1—0,25 g pro mille. Ver¬
gleiche ich damit die Zahlen, welche ich für den Ammoniakgehalt
des Speichels gefunden habe und auf mindestens 0,0476—0,27
pro mille berechnen musste, so scheint die Möglichkeit nicht aus¬
geschlossen , dass alles Ammoniak im Magen aus dem Speichel
herrührt. Denn da beim Kauen die festen Speisen, je nach ihrer
physicalischen Beschaffenheit, insonderheit nach ihrem Wassergehalt
um 1 /a, */ 2 un< ^ me hr, der Zwieback z. B. um 3 /* an Gewicht
in der Mundhöhle unter dem Kauen zunehmen und die tägliche
Speichelmenge eines Mannes von mittlerem Körpergewicht etwa
700 g (nach Tuczek) oder vielleicht 1500 g (nach Biddcr
und Schmidt) 8 ) beträgt, so könnte, wenn man den gosammten
Mageninhalt von 24 Stunden bei mässigem Flüssigkeitsgenuss zu
1500—3000 g und das Filtrat davon auf 500—1500 g berechnet,
das ganze Ammoniak im Magen aus dem Speichel als einziger
Quelle herrühren.
Nun sind die Werthe der Autoren von «Probefriihstüeken >
gewonnen. Nach dem Mittagessen habe ich aber bei verschiedenen
Kranken zu keiner Stunde annähernd jene Maxirna gefunden,
welche sie angeben — Tabelle I dient zum Beweis — und auch
nach dem «Probefrühstück» hatte das Individuum, welches die
Speichelmengcn zur quantitativen Ammoniakbestimmung lieferte,
nie jene höheren Ammoniakwerthe im Speisebrei.
In den Untersuchungen von Rosenheim u. s. w. vermisse
ich ungern eine Angabe über die Beschaffenheit der .Mundhöhle
und Luftwege bei den Versuchsmenschen. Ueber den ineinigen
bemerke ich, dass von seinen Zähnen nur einer krank, dass seine
Zunge stets rein ist, dass der Mann eine sorgfältige Mundreinigung
übt, den Tabak verabscheut und in 1000 Litern seiner Exspirations¬
luft gemäss wiederholten Untersuchungen keine Spur Ammoniak
abgibt. Ich komme auf die Grüude dieser Angaben zurück und
lasse zunächst — in Tabelle II — eine Beihe von Untersuchungen
folgen, welche über die Ammoniakmenge im Mageninhalt meines
Mannes Auf schloss geben.
Tabelle I.
Ammoniakwerthe
3 8tunden nach dem
Mittagessen
bei Kranken
mit freier Salz¬
säure im Magen¬
inhalt
bei Kranken
mit Mangel an
freier Salzsäure
Procent
0,0136
0,0153
0,0204
0,0323
0,0272
Procent
0,017
0,0221
0,0153
0,0102
0.0204
Älittel
0,0181 I
0,0142
3 ) Die Literaturbelege findet der Leser in meinem B ‘
Die Bedeutung des Mundspeichels in physiologi
und pathologischen Zuständen. Berlin 1889.
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27. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1043
S
Tabelle II.
Filtrat im Magen¬
inhalt eines gesunden
ManneB
Menge des
Filtrateft.welctae
43 Stunden im
Apparat Schlö-
sing’s verblieb.
10 ccm
«/ 8 n • SOH, be¬
dürfen zur
Sättigung (statt
20 ccm)
Berechneter
Procentgehalt
der
Magenflüsaig-
keit an NB*
I nach einem Frühstück;
{Milchkaffe, Weissbrod,
Butter),
1. sofortn. d. Frühstück;
10 ccm
19,0
Procent
0,017
2. eine Stunde später.
10 „
19,2
0,0146
II nach einem Frühstück;
(wie oben);
1. sofort danach;
10 ccm
18,9
0,0187
2. 1 Stunde später;
10 „
18,9
19,6
0,0187
3. 2 Stunden später;
ö n •
0,0136
ill nach e. Mittagsmahl;
(Erbsensuppe, Kopf¬
salat , Eier • Pfannen¬
kuchen, Erdbeeren),
1. sofort danach;
10 ccm
19,4
0,0102
2. 1 Stunde später;
10 „
19,6
0,0068
3. 2 Stunden später;
10 „
19,4
0,0102
IV nach e. Mittagsmahl;
(Fleischsuppe, Gurken¬
salat, Rindfleisch, Kar¬
toffeln, Erdbeeren),
1. 1 Stunde später;
10 ccm
19,0
19,1
0,017
2. 2 Stunden später;
10 „
0,0153
3. 3 Stunden später.
10 „
19,1
0,0153
In den vorstehenden Versuchen war nach 48 Stunden kaum
noch eine Spur Ammoniak im untersuchten Gemisch; denn der
N essler'scheTropfen, (welcher bei den früher angeführten Speichel¬
proben schon in wenigen Minuten NH 9 verkündete), wurde erst
nach einer halben, nach einer ganzen Stunde oder überhaupt nicht
mehr unter der Glocke trüb. Dies beweist, dass aus dem Magen¬
inhaltfiltrat das Ammoniak leichter zu entbinden ist als aus dem
Speichel.
Ein Ueberblick über die Tabelle aber zeigt, dass der Ammo-
niakgehalt des Speisebreies im Magen meines gesunden Individuums
wesentlich kleiner ist als der Gehalt seines Speichels daran; er
zeigt ferner, dass der Ammoniakgehalt im Magen sofort nach der
Mahlzeit nicht kleiner ist als auf der Höhe der Magen Verdauung.
Enthielte aber der Drüsensaft des Magens Ammoniak, so müsste
mit der Länge seines Aufenthaltes im Magen der Speisebrei an
Ammoniakgehalt sich bereichern. Dass ersteres nun wirklich nicht
der Fall ist, thun auch die folgenden Versuche direct und un¬
zweideutig dar: Bei einem gesunden Landmann wird im Speichel
mit meiner Probe locker und fester gebundenes Ammoniak gefunden ;
im Mageninhalt desselben, welcher zwei Stunden nach dem Früh¬
stück gewonnen wird, ist gleichfalls Ammoniak gegenwärtig.
Nachdem der Magen mit 5 1 lauwarmem Wasser sorgfältig
ausgespült, mit einer einprocentigen Sodalösung nachgewaschen
und dann, als das Waschwasser frei von Ammoniak befunden
worden, mit 100 ccm kaltem Wasser beschickt worden ist, wartet
man ’/< Stunde, worauf das Wasser ausgehebert und mittels
Lacmuspapier deutlich sauer befunden wird, ausserdem mit Höllen¬
stein eine starke Chlorsilberfällung gibt; die ausgeheberte Menge,
circa 80 ccm, wird mit Kalkmilch versetzt, ein Deckglas mit
einem Tropfen Nessler’scher Lösung darüber gelegt und nun
das Gefäas luftdicht verschlossen. Nach drei Stunden findet man
keine Spur von Trübung des Tropfens.
In zwei gleichen Versuchen bei einer Frau mit Superacidität
des Magensaftes und bei einem Manne mit Supersecretion gelang
der Versuch mit dem gleichen Ergebuiss. Mehrere andere Ver¬
suche misslangen dadurch, dass der Magen nicht völlig rein¬
gewaschen oder die Säuresecretion durch kaltes Wasser nicht deut¬
lich genug angeregt werden oder nach einer Viertelstunde keine
Flüssigkeit mehr aus dem Magen entnommen werden konnte.
Dass während der viertelstündigen Wartezeit die Sonde liegen
bleiben muss, um nachträglichem Einfliessen von Speichel in den
No. 43.
Magen vorzubeugen, beschränkt die Zahl der Experimente von
vorneherein.
Auf jeden Fall ist aber ausreichend gezeigt, dass der
Magensaft, das Secret der Magendrüsen, kein Am¬
moniak enthält und dass alles Ammoniak im Magen
normaler Weise aus der Mundhöhle stammt.
Denn dass unverdorbene Ingesta entweder gar kein Am¬
moniak oder für gewöhnlich nur Spuren davon enthalten, kann ich
mit Rosenheim bestätigen. Ich fand nur in der Fleischbrühe
und in einer Reihe anderer Fleischpräparate deutliche Reactionen;
quantitativ bestimmbare Mengen nicht.
Da das Ammoniak aus der Mundhöhle in den Magen kommt,
so könnte ausser an den Speichel an faulige Zersetzung stickstoff¬
haltiger Stoffe in der Mundhöhle, im Rachen, in den Luftwegen
als Quelle gedacht werden. Diese Möglichkeit ist mehrfach be¬
stätigt worden. ,
So fand Schottin 4 ) bei einem Mädchen, das wegen An¬
schwellung der Tonsillen am Schlingen verhindert war, die aus-
geathmete Luft sehr ammoniakreich. Nachdem aber die cariösen
Backenzähne gereinigt und der dicke Belag der Mundhöhle ab¬
gespült worden war, verschwand das Ammoniak grösstentheils aus
dem Athem. Aehnliche Beobachtungen berichtet Reuling 9 );
und Jeder kann sich täglich gleiche verschaffen.
Auch weiss man, dass in seltenen Fällen stickstoffhaltige
Stoffwechselproducte oder die ammoniakalischen Producte^von Fäul-
nissvorgängen im Darm, in der Harnblase u. s. w. nach der
Mundhöhle hin abgeschieden und Ammoniak aus ihnen entbunden
werden^, und dann durch die Nebel nachgewiesen werden kann,
welche um einen angenäherten, mit Salzsäure oder Essigsäure
befeuchteten Glasstab sich bilden. Diese alte Erfahrung schien
ja lange Zeit berufen, die Lehre von der Uraemie als Ammoniak¬
vergiftung 6 ) und die Lehre von der Ammoniaemie als Auto-
intoxication 7 ) zu stützen.
Für meine Versuche und für die normalen Zustände gesunder
Individuen überhaupt fallen diese Ammoniakquellen weg. Sie
müssen aber gekannt und im einzelnen Falle ausgeschlossen sein,
damit nicht pathologische Ammoniakwerthe für physiologische ge¬
halten werden.
Endlich wäre der denkbare Einwurf zu beseitigen’, dass die
Ausathmungsluft aus der Lunge Ammoniak in die Mundhöhle
bringt und dieses Gas an den Speichel abgibt. Dass die Ex¬
spirationsluft meines Mannes Ammoniak nicht enthält, habe ich
bereits gesagt; dass sie bei Gesunden überhaupt ammoniakfrei
ist, davon habe ich mich überzeugt. Ich Hess eine Reihe gesunder
Menschen durch eine oder zwei leere Flaschen, welche den Zweck
hatten, abfliessenden Speichel und ausgeathmeten Wasserdampf
zurückzuhalten, in eine fernere Flasche, welche verdünnte Schwefel¬
säure (50 ccm t /b n SO*H 2 ) enthielt, ausathmen und fing die
von der Schwefelsäure gewaschene Luft zum Messen in einem
aequilibrirten Spirometer auf, welcher stets bis zur Marke des
fünften Liters gefüllt und dann wieder entleert wurde.
Mochten nun 50 oder 100, oder 500 oder 1000 Liter Ex¬
spirationsluft durch die Schwefelsäure gegangen sein , nie konnte
ich mit der N e s s 1 e r ’ sehen Lösung im alkalisch gemachten
Waschwasser eine Spur von Gelbfärbung oder Trübung erhalten,
wenn vorher für gründliche Ausspülung der Mundhöhle des Ver¬
suchsobjectes gesorgt worden war. Die Flüssigkeit in den Vor¬
lagen für den Speichel und Wasserdampf dagegen gab stets eine
starke Reaction.
Das gilt für den Gesunden. In verschiedenen krankhaften
Zuständen kann die Athmungsluft so viel Ammoniak mitführen,
4 ) Eduard Schottin, Beiträge zur Charakteristik der Uraemie.
Wunderlich’s Archiv für physiol. Heilkunde 1853, 8. 170.
(•) Wilhelm Reuling, Ueber den Ammoniakgehalt der exspi-
rirten Luft und sein Verhalten in Krankheiten, mit besonderer Rück
sicht auf Uraemie. Inaug.-Diss. Giessen 1854.
6 ) Frerichs, die Bright’scbe Nierenkrankheit, Berlin 1851.
Treitz, Ueber uraemische Darmaffectionen, Prager Vierteljahr¬
schrift, Bd. 64, 1859.
■>) JakBch, Klinische Mittheilungen, Prager Vierteljahrschnft,
Bd. 2, 1844 und Bd. 66, 1860. F. W. Beneke, Zur Physiologie
und Pathologie des phoepbor- und oxalsauren Kalkes, 1850, p. 48.
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1044
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
dass die Menge von 50 Litern in der Schwefelsäure eine deutliche
Spur hinterlässt.
Aber eine sorgfältige Prüfung ergibt, dass die Quelle für
diese Ammoniakspuren diesseits der Lungenalveolen liegt. Selbst
die Ueberladung des Blutes mit Ammoniak durch reichliche Zu¬
fuhr von Ammoniak und Alkalien hat keine Ausscheidung jenes
Gases mit der Exspirationsluft zur Folge 8 ). Die Lunge ist
kein Colatorium für die flüchtigen Ammoniak¬
verbindungen im Blute.
Dies nebenbei. —
Schliesslich bemerke ich, dass bei dem normalen Vorkommen
des Ammoniaks im Speichel aus dem Nachweis dieses Gases und
seiner Verbindungen in den oberen Verdauungewogen für die
Diagnose der Ammoniakvergiftung 9 ) nur mit Vorsicht der Schluss
gezogen werden darf.
Ueber die Behandlung Nervenkranker.
Von P. J. Möbius.
K. Ri eger hat in S ch m id t’s Jahrbüchern (CCLI. p. 193,
273) ein Gutachten über die in meinem Aufsatze: «Die Behandlung
von Nervenkranken und die Errichtung von Nervcnheilstätten»,
enthaltenen Vorschläge abgegeben, ein Gutachten, das zum Theile
auch in dem Centralblatt für Nervenheilkunde abgedruckt worden
ist. Ich möchte nun darauf Einiges erwidern.
Zunächst möchte ich Rieger und anderen Beurtheilern
gegenüber Das betonen, dass ich für die «Nervenkranken» nicht
eine nur seelische Behandlung fordere, vielmehr neben dieser als
Hauptbehandlung die Behandlung durch Arznei, Bäder u. s. w.
als Nebeubehandlung gelten lasse, und dass ich bei der Anleitung
zur Arbeit, als dem Kerne der seelischen Behandlung, den Begriff
der Arbeit weiter fasse, als es gewöhnlich geschieht. Ich verstehe
unter richtiger Arbeit nicht nur die positiven Leistungen, sondern
auch die Unterdrückung schädlicher Thätigkeit und will, da Leben
und Thun dasselbe ist, in der Anleitung zur Arbeit die Rege¬
lung des Lebens überhaupt begriffen wissen, derart, dass nicht nur
das Rechte gethan und das Schlechte nicht gethan, sondern auch
das Rechte recht und zur rechten Zeit gethan wird.
Rieger beginnt damit, die Nervenkranken 2 u trennen in
solche, für die die Arbeit nicht angezeigt ist, und solche, denen
durch Arbeit geholfen werden kann. Zu jenen gehören besonders
die Hypochonder und die Paranoiakranken überhaupt, die nicht
beeinflussbar sind, sowie die Melancholischen, die Ruhe, Pflege,
Ueberwachung, nicht Arbeit brauchen. Eine Gruppe für sich
bilden die Schwachsinnigen, bei denen die Arbeit nicht als Heil¬
mittel gilt, deren Arbeit nur die Zeit füllt und die Kosten der
Verpflegung vermindert.
Dass die Nervenkranken nicht eine gleichartige Masse bilden,
dass bei den verschiedenen Gruppen nicht dieselbe Prognose und
dieselben Indicationen gelten, das erkenne ich natürlich an. Ich
habe nur aus praktischen Gründen in meiner Schrift, die ja nicht
nur für Sachverständige bestimmt war, die Sonderung unterlassen.
Andererseits aber habe ich auch nicht vom Heilen als dem
Restituere in integrum gesprochen, sondern von der Behandlung.
Unter Heilmittel verstehen wir doch auch sonst Alles, was den»
Kranken gut thut, nicht nur Das, was ihn gesund macht. Wen
können wir denn im strengen Sinne des Wortes heilen?
Betrachten wir zuerst Die, die nach Rieger’s Auffassung
«auf der negativen Seite stehen.» Bei vielen Nervenkranken
sagt er, ist durch menschliches Eingreifen nichts zu ändern und
ihnen gegenüber heisst es «mit Anstand nichts zu thun.» Zu
ihnen sind offenbar alle Paranoiakranken, sofern sie nicht ihret¬
halben oder der Anderen wegen «Anstaltspflege gemessen» müssen,
zu rechnen, insbesondere die Hypochonder. Rieger hat durch¬
aus Recht, wenn er den einschneidenden Unterschied zwischen
der Paranoia (immer im weiten Sinne des Wortes), bei der wir
machtlos dem Naturlaufe gegenüberstehen, und der Hysterie betont.
Es wird in ärztlichen Kreisen dieser Unterschied viel zu wenig
", Vgl die Inauguraldissertation von Fritx Mayr, Ueber den
Anunoniakgebalt der Exspirationsluft, Giessen 1896
r, Kohurt, Lehrbuch der Intoxicationen, Stuttgart 1893.
beachtet, ja vielfach werden in geradezu greulichem
alle «Neurosen» (Nomen delendum!) über einen Leisten gesehU»
Auch kann man gar' nicht nachdrücklich genug es lehren,
wir nicht Alles wissen und nicht Alles heilen können, da^ \
Arzt die Fälle klar erkennen und anerkennen soll, in denen tt
heisst: mit unserer Macht ist nichts gethan. Aber trotz alledem
möchte ich Rieger’s Auffassung nicht ganz theilen. Die Fälle,
in denen alle Eingriffe schädlich sind, kommen doch nicht oft Tor.
Sie existiren freilich; ich habe sie mit Schrecken kennen gelernt,
als ich der Akinesia algera entgegentrat und bei dieser fa
Paranoia verwandten Form das schwere «Nichtathun> lern*
musste. Häufiger sind die Fälle, in denen die Behandlung nicht»
nutzt, aber, wenn sie halbwegs verständig gehandhabt wird, and
nichts schadet. Bei diesen Kranken, zu denen die meisten Hypo-
chonder gehören, wäre es ja am besten, nichts zu thun, wem
das Nichtsthun nicht Schaden brächte. Die Hypochonder weil«
nun einmal coute que coute behandelt sein; weist man sie zurück,
so treibt man sie in die Hände der zahlreichen Therapeuten ohne
Bedenken. Weiterhin darf man nicht vergessen, dass die Hypo¬
chondrie nicht immer in gleichem Grade den Paranoia-Charakter
hat. Es gibt da doch alle möglichen Uebergänge nnd ich glaube,
dass man vielen Hypochondern durch Anleitung zur Arbeit b
meinem Sinne nutzen könne. Dadurch, dass ich immer und
immer wieder den Patienten zuredete, in ihrem Berufe zu bleiben
und trotz ihrer Beschwerden zu arbeiten, glaube ich doch Manche
vor dem Schlechterwerden behütet zu haben. Deshalb möchte ich
den Hypochondern auch die Thür der Nervenheilatättc (weon t*
eine gäbe) nicht schlechtweg verschliessen. Rieger hat ja in
gewissem Sinne recht, wenn er sagt, cs bedürfe «sorgfältigster
Auslese hinsichtlich der Objecte der Arbcitscur, soll diese nicht
discreditirt werden.» Mit Hypochondern wird man nicht gerade
Staat machen können; indessen allzu politisch wollen wir doch
auch nicht verfahren.
Dass schwer Melancholische für die Nervenheilstätte nicht
passen, das versteht sich von selbst. Sie bedürfen in erster
Linie der Ruhe und müsseu der Selbstmordgefahr wegen üb«
wacht werden. Aber es gibt doch viele, die an leichter wieder
kehrender Melancholie leiden ; sie werden gewöhnlich zu deD Neu
asthenischen gerechnet und kommen nie in die geschlossenen An¬
stalten. Diese Kranken bedürfen der Schonung, aber sie sind nid»
ganz leistungsunfähig. Ihnen wird eine grosse Wohlthat erwiesen,
wenn ihnen die Qual des Entschliessens erspart wird, wenn sie
sieh leiten lassen können. Gerade sie bedürfen der Regelung der
Thätigkeit und wenn es draussen nicht mehr geht, der \orthdk
der Heilstätte.
Die Gruppe des Schwachsinnes ist sehr gross und scblies'i
allerhand Leute ein. Rieger hebt hervor, dass alle Formende
Schwachsinns unheilbar sind, dass man daher nicht davon reden
könne, Schwachsinnige durch Anleitung zur Arbeit gesund n
machen. Er gibt aber selbst zu, dass die Kräfte der Schwachen
unter richtiger Leitung noch soweit verwerthet werden können
dass es den Leuten selbst wohler ist, als wenn sie im Nichtsthar
dahinbrüten. Es ist also blosser Wortstreit, ob man hier die Arbeit
Heilmittel nennen will, oder nicht. Man wird wohl Das sag«
können, dass Schwachsinnige, da sie nicht wirklich heilbar a
nur dann in eine Anstalt gehören, wenn sie in der Welt io P
nichts nütze sind. Von denen, die sieb draussen nicht hält« 1
können, gehört offenbar der grösste Theil in die Irrenanstalt«
Es bleiben aber noch viele übrig, die nicht hinein passen,
denke da besonders an die jugendlichen Entarteten, die
ihres Schwachsinnes bei keiner Thätigkeit aasharren, jeder «
führung unterliegen. Was wird aus solchen Leuten ? Die
werden moralisirt, herumgestossen und verlumpen schliesslich
Director einer colonialen Irrenanstalt sagte mir einmal von i nfD
dass er in jedem Jahre viele Gesuche um Aufnahme abwei^
müsse und dass er doch nicht wisse, wohin er die ramu
weisen solle. Die Gesellschaft sollte doch für die ..f
Brüder», die nicht reif zur Irrenanstalt sind, auch sorgeD. * ‘
wenige von ihnen würden in Norvenheilstätten zu einer ie> ^
befriedigenden Lebensführung gelangen. Auch unter den <
Defoct Geheilten» fällt Manchem, der nicht mehr in die ^
anstalt passt, der Kampf des Lebens zu schwer; er küwd«
27. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1046
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etwas leisten, wenn er nar eine Friedensstätte fände. Ri eg er
sagt selbst, dass unter den sog. Nervenkranken, die in allen
Nervenheilanstalten herum wandern, viele Schwachsinnige sind. Jetzt
werden diese Leute gebadet, elektrisirt, massirt und faullenzen.
Es wäre doch besser, man versuchte, sie zur Arbeit anzuleiten ;
sie würden bei der Arbeit sich wohler fühlen und nicht ganz
nutzlos sein.
Nun kommt eine Hauptsache. Ehe Rieger von den «ne¬
gativen Gruppen der Schwachsinnigen, Hypochondrischen und Melan¬
cholischen» zu den positiven Hysterischen übergeht, zerstört er die
Meinung, es könnte ausserdem eine besondere Neurasthenie geben.
Er könne sich unter diesem Worte gar nichts denken. Wolle
man nicht die Formen der ererbten Entartung (nämlich Grübel¬
sucht, Zwangsgedanken u. s. w., Migräne u. a.) zur Neurasthenie
rechnen, so bleibe ausser den oben genannten Gruppen gar nichts
übrig, was auf das «diagnostische Faulheitspolster: Neurasthenie»
gelegt werden könne. Es ist ja richtig, dass man sich über die
leidige Mode, alles mögliche Neurasthenie zu nennen, recht oft
ärgert, aber Rieger schüttet das Kind mit dem Bade aus. Ich
glaube, er würde es nicht thun, wenn er nicht in Würzburg lebte.
Offenbar macht es die Ruhe der alten Bischofstadt, dass R. die
Kranken, die wir gewöhnlich als Nervenschwache schlechtweg
bezeichnen, selten sieht. Die Leute, um die es sich handelt,
gehören freilich auch der grossen Mehrzahl nach zu den von der
Art Gewichenen, aber ihre Entartung zeigt sich gewöhnlich nur
in einer geringeren Widerstandsfähigkeit. Kommt es dahin, dass
ihre krankhafte Ermüdbarkeit sie unfähig macht, den Anforderungen
des Lebens zu genügen, so sagt man, sie seien an Neurasthenie
oder Nervenschwäche erkrankt. Neben ihnen steht die viel kleinere
Zahl der von vornherein annähernd Gesunden, bei denen die krank¬
hafte Ermüdbarkeit durch übergrosse Reize entstanden ist Na¬
türlich giebt es Uebereänge zwischen beiden Gruppen. Die bald
angeborene, bald erworbene krankhafte Ermüdbarkeit als Nerven¬
schwäche zu bezeichnen, das scheint mir ganz richtig zu sein und
ich weiss nicht, was Rieger dagegen einzuwenden hat. Schliess¬
lich kommt es auf den Namen nicht an, die Sache ist da und
die krahkhaft Ermüdbaren bilden in der Praxis des Nervenarztes
der grossen Stadt die Majorität. Da sind die überreizten Schüler, ,
die durch Examina Nothleidenden, die vielen nervenschwach ge¬
wordenen Lehrer, Beamten, Kaufleute. Sie alle sind weder hyste¬
risch, noch hypochondrisch, noch schwachsinnig, wenn auch einzelne
hysterische oder hypochondrische Züge bei ihnen Vorkommen. Sie
sind dabei recht ernstlich krank, denn ihr Kopfdruck, ihre Schlaf¬
losigkeit, ihre jede Thätigkeit bald abbrechende Schwäche machen
sie oft thatsächlich für sehr lange Zeit berufsuntauglich. Sie
gerade sind es, die ich im Auge gehabt habe, denn die nächste
Ursache ihrer Krankheit ist falsche Arbeit, ihnen kann durch An¬
leitung zur rechten Thätigkeit geholfen werden und ihretwegen
hauptsächlich sind Nervenheilstätten nöthig.
Rieger hält die Hysterischen für die zur Arbeit-Cur am
meisten Geeigneten. Auch da muss ich ihm widersprechen.
Ueber den Begriff der Hysterie sind wir einig: die hysterischen
Symptome sind durch krankhafte Suggestibilität entstanden. Ich
gebe nun gerne zu, dass man durch Erziehung manche Hysterische
bessern kann, und will sic durchaus nicht von der Behandlung
ausschHessen. Aber im Allgemeinen sind für die Hysterischen
doch die Wundercurcn das ihnen Adaequate, d. h. die gerade im
Vordergründe stehenden Symptome werden am leichtesten durch
irgend eine Suggestion rasch beseitigt; sie durch die systematische
Anleitung zur Arbeit zu bekämpfen, das ist nicht leicht und oft
auch nicht zweckmässig. Uebrigens ist es mit der Heilbarkeit
der hysterischen Symptome so eine Sache. Man denkt da immer
an die schönen Erfolge bei Kindern und jungen Weibern. Bei
Männern ist die Hysterie eine trostlose Krankheit. Böte mir
Jemand an, ich sollte stets nur hysterische Unfallkranke behandeln,
so würde ich sagen: nein, alles andere eher, denn die Erfolglosig¬
keit dieser Arbeit brächte mich zur Verzweiflung. Bei diesen
Kranken zeigt es sich, dass sich doch auch zwischen Hysterie und
Paranoia Fäden spannen, denn bei ihnen gewinnen die Auto-
Suggestionen (nicht etwa Begehrungsvorstellungen'!) die unheimliche
Gewalt der Wahnideen. Aber auch abgesehen von der düsteren
Unfallhysterie ist die Hysterie eigentlich nicht heilbar, denn das
Suggerirte kann wohl beseitigt werden, die eigentliche Krankheit
aber, die Suggestibilität nicht. —
Die weiteren Ausführungen Rieger’s sind zum Theile ganz
in meinem Sinne, wie die schönen Stellen über den Segen zweck¬
voller Arbeit. Manches reicht über die Grenzen, die ich mir ge¬
steckt habe, hinaus, wie ich denn von der Beschäftigung der Weiber, der
sich Rieger’s Theilnahme zuwendet, vorläufig ganz abgesehen habe.
Eine wichtige Frage jedoch muss ich noch besprechen.
Rieger meint, dass geistige Arbeit ein viel besseres Heilmittel
sei als etwa unqualificirte Gartenarbeit, er sagt, seine Heilstätte
sei mehr eine Schreibstube und ein Laboratorium, während der
Garten eigentlich den Unheilbaren gehöre.
Angenommen, dass Schreiben, Hilfeleistung bei wissenschaft¬
lichen Versuchen und Aehnliches besser sei als Garten- und Feld¬
arbeit, so muss man doch fragen, wie soll für eine grössere Zahl
von Kranken die geistige Arbeit beschafft werden. Ein Professor
kann wohl 2—3 Leutchen beschäftigen, wie soll sich die Sache
aber in der Praxis machen, wenn etwa 50 Patienten angeleitet
werden sollen?
Wenn ich in erster Linie die Gartenarbeit genannt habe, so
ging ich von den Erwägungen aus, dass sie jederzeit in beliebiger
Menge zu haben und dass sie heilsam sei, weil sie zur Natur zurück¬
führt und weil die meisten der in Betracht kommenden Kranken
bei Kopf- und Stubenarbeit krank geworden sind. Im Allgemeinen
ist eine Arbeit, die im Freien verrichtet wird, gesünder als Haus¬
arbeit, eine, bei der Kopf, Hände und Füsse thätig sind, gesünder
als eine, bei der eigentlich nur der Kopf in Anspruch genommen
wird. Es ist doch nicht richtig, dass bei der sog. Handarbeit
im Allgemeinen und bei der Gartenarbeit im Besonderen kein
Denken nöthig sei. Rieger führt ja selbst als Beispiel werth¬
voller Arbeit die Thätigkeit eines guten Zimmermädchens an.
Wenn .Jemand im Garten auch nur die Aufträge des Gärtners
ausführt, so muss er doch darauf achten, dass er es richtig und
zierlich mache. Aber auch die Arbeit, bei der wirklich recht
wenig gedacht wird, hat ihren grossen Werth. Ich selbst habe
manchmal geradezu Verlangen nach einer sog. rein mechanischen
Beschäftigung, eben weil sie ein Gegenstück zur Berufsarbeit ist.
Nicht Gartenarbeit ausschliesslich möchte ich empfehlen;
Rieger hat sehr Recht, wenn er dazu räth, «auf das Sorgfältigste
zu individualisiren». Aber ich glaube, dass da, wo eine grössere
Zahl von Nervenkranken beschäftigt werden soll, immer aus
äusseren und inneren Gründen die Gartenarbeit die Hauptsache
sein werde. Hätte man ein Landgut mit verschiedenen Betrieben
zur Verfügung, so wären dort die meisten und die verschiedensten
Möglichkeiten zusammen, die die Wirklichkeit überhaupt bietet.
Da gibt es auch Schreib- und Rechenarbeiten, man kann aller¬
hand Thätigkeiten angliedern. Was aber könnte man an eine
Schreibstube angliedern ? Schwierig wird die Beschäftigung der
Nervenkranken immer sein, aber ich weiss nichts Besseres, als
was ich vorge8chlagcn habe.
Endlich dürfen wir Das nicht vergessen, dass es mehr auf
das Wie als auf das Was der Arbeit ankommt. Der Kranke
soll den Segen rechter Arbeit kennen lernen und das ist im
Grunde bei sehr verschiedenen Arten der Arbeit möglich. Thätig
sein ohne Hast, zur rechten Zeit aufhören und ruhen, fröhlich
sein im Thun und sich freuen am Erreichten, den Sachen sich
zuwenden und sich abwenden von persönlichen Sorgen und Stacheln,
der Vernunft gerne gehorchen und mit Vernunft anordnen, sich
als nützliches Glied eines Ganzen fühlen und den Vortheil des
Ganzen verfolgen, das alles und mehr kann man in allerhand
Betrieben lernen. —
Am Schlüsse seines Aufsatzes macht Rieger die wichtige
Bemerkung, die moderne Welt bedürfe eines Ersatzes für die
Klöster. Da will ich denn nicht zurückhalten und offen bekennen,
dass der Kloster-Gedanke mich überhaupt zu dem Plane d.,r
Nervenheilstätte geführt hat. Einem Collegcn, mit dem ich damals
meine Gedanken besprach, sagte ich: es soll ein weltliches KLster
werden. Wirklich, wenn man sich die Idee des Klosters klar macht,
so erkennt man, dass dieses eine ideale Nervenheilanstalt ist, und
man gewinnt die höchste Achtung vor Denen, deren Genie die
Klosterregeln schuf. Wer sich für die Behandlung Nervenkranker
interessirt, der sollte nicht versäumen, das Klosterwesen kennen
3*
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
zu lernen; aus der Geschichte der Karthause kann er für seinen
Zweck mehr entnehmen als aus sämmtlichen Lehrbüchern der
Gehirnanatomie.
Die Vorstellung eines weltlichen Klosters ist paradox, denn man
ging in’s Kloster, um die «Welt» zu verlassen. Die Welt im Sinne
der Kirche ist die Gesellschaft, in der Jeder nur seine Ehre und seinen
irdischen Gewinn sucht. Man verlässt sie um des jenseitigen Heiles
willen. Der transscendente Zweck des Klosters macht es von einer
Nervenheilanstalt sehr verschieden, da in dieser zwar auch das
von «der bösen Welt» bedrohte Seelenheil erstrebt wird, aber das
diesseitige. In Wirklichkeit jedoch ist die Verschiedenheit nicht
so gar gross, da die zur Erreichung des transscendenten Zweckes
angewandten Mittel sich zugleich als die zur Erreichung irdischen
Seelenheiles am meisten geeigneten erwiesen haben. Der Beweis
dafür ist der, dass die Mönche gewöhnlich in Gesundheit und
Heiterkeit alt werden. Wer Augen hat, die die Wirklichkeit
sehen, der kann auch heute noch in den Gesichtern vieler Mönche
einen Ausdruck fröhlichen Friedens erkennen, den man sonst
selten findet. Freilich muss man die Mönche nicht nur aus
Grützner’s Bildern kennen. Die Kloster-Medicamente sind etwa
folgende. Die religiöse Auffassung verleiht Gewissensruhe und
tröstliche Aussichten für die Zukunft; da alle Dinge sub specie
aeternitatis betrachtet werden, verliert das Irdische den bedrohlichen
Ernst und drückt nicht mehr; je weniger Wichtigkeit dem Leben
beigelegt wird, um so leichter wird es ertragen. Durch die frei¬
willige Armuth wird das Ich nicht nur vom Besitze, sondern auch
von allen .Sorgen befreit. Der Gehorsam nimmt alle Verantwort¬
lichkeit weg. Wer gläubig ist, Armuth und Gehorsam auf sich
nimmt, der braucht sich sozusagen um das Ich gar nicht mehr
zu kümmern. Die Keuschheit wirkt im gleichen Sinne wohl-
thätig, denn da alle Reize ausgeschaltet werden, erlischt das Ver¬
langen ; die Freuden des Familienlebens fallen weg, aber diese
Negation wird nicht empfunden und es fallen zugleich alle Familien¬
sorgen, Kummer und Aerger weg. Die alten Philosophen, Stoiker
wie Epikuräer, wollten den Menschen glücklich machen, indem
sie ihn von allen irdischen Beziehungen loslösten und auf sich
selbst zurückwiesen. Ihr Bestreben war erfolglos, weil sie nur
verneinten und das seines Inhaltes beraubte Leben unerträglich
wird. Dem Mönche gaben seine Gelübde die absolute Freiheit
des Stoikers, aber zugleich füllten einerseits eine positive Meta¬
physik, andererseits die NöthiguDg zu gemeinsamer Arbeit den
leer ge wordenen Raum aus. In der Theorie ist die mittelalterliche
Auffassung individualistisch, da jeder nur seiner Seligkeit willen
thätig ist, thatsäehlich aber waren die Klöster in gewissem Sinne
socialistische Gemeinwesen, in denen mit vereinten Kräften nütz¬
liche Arbeit ohne Rücksicht auf persönlichen Vortheil geleistet
wurde. Ausser den 3 Hauptmitteln, nämlich der religiösen Be¬
friedigung, der Befreiung vom Ich, und der nützlichen Arbeit, kamen
in Betracht die äusserliche Abtrennung von aller Unruhe und dem
Lärm des Lebens durch die Abgeschlossenheit des gewöhnlich in
anmuthiger Gegend gelegenen Wohnsitzes, die Nöthigung zur
Massigkeit und die strenge Regelmässigkeit des Lebens.
Das «weltliche Kloster» kann nur ein schwaches Abbild des
wirklichen Klosters sein. Da natürlich die transscendenten Be¬
ziehungen wegfallen, die sozusagen das Herz des Klosterwesens
bilden, und da Gelübde nicht abgelegt werden können, so scheinen
überhaupt nur die weniger wichtigen Einrichtungen als der Nach¬
bildung fähig in Betracht zu kommen. Da ferner der Aufenthalt
in einer Heilstätte gewöhnlich nur vorübergehend sein soll, wird
die Analogisierung noch schwieriger. Immerhin ist das Paradoxon
nicht sinnlos. Der Klosterfriede einerseits, die gemeinsame Arbeit
andererseits rechtfertigen es. Beides gehört zusammen, denn dem
von der Welt Wunden kann die Arbeit allein nicht mehr helfen,
weil er zu schwach ist, die Reibungen mit der Umgebung zu er¬
tragen, weil die Welt ihm die Regelung seiner Thätigkeit stört;
und wiederum würde der Friede allein, der doch wesentlich eine
Verneinung ist, nicht ertragen werden, weil die Langeweile (und
was sie mit sich führt) die leergewordenen Stellen ein nehmen und
die Befriedigung unmöglich machen würde.
Wenn die freiwillige Armuth die Loslösung von der Sorge
um den Besitz bedeutet, so findet sie in der Heilstätte insofern
ein Analogon, als der in diese Eintretende wenigstens zeitweilig
No. 43.
vom Gewinnen und Verlieren Abschied nimmt und als das gamt
Gemeinwesen nicht auf Erwerb eingerichtet ist, in ihm das Won
Geld wenig Bedeutung hat. Die Verneinung der geschlechtlich«!
Beziehungen hat unter den Bedingungen des Klosterlebeüs den
meisten Anstoss erregt. Für den Kranken wenigstens wird nan
ihr Berechtigung nicht ganz versagen können, denn ohne sie wird
es nie und nimmer gelingen, wirkliche Ruhe zu verschaffen. Dass
der Gehorsam endlich etwas Gutes ist, werden die Aerete am
leichtesten eingestehen, da sie ihn gerne fordern. N'ur bringt er
dem Gehorchenden den grössten Vortheil: Indem der Patient in
der Anstalt sich schlechtweg dem Willen des Arztes unterordoet,
wirft er alle seine Sorgen auf diesen und erleichtert sich selbst.
Aas der chirurgischen Klinik in München.
Zur operativen Behandlung des Magencarcinoms.
Von Dr. Alfred Schönwerth.
(Fortsetzung.)
II. Pylorectomie und Gastro ■ Enterostomie an der
hiesigen Klinik.
Die Pylorectomie wurde an der hiesigen Klinik in 6 Fällen
ausgeführt, wobei es sich 3 Mal um gutartige Stenose, 3 Mil
um Carcinom handelte. Ueber die Erfolge wurde bereits an anderer
Stelle berichtet (An ge rer, Bemerkungen über die Diagnose und
Operation der Pylorusstenose, Archiv für klinische Chirurgie
39. Band, zweites Heft.)
Von den wegen gutartiger Stenose Operirten überlebten 2
den Eingriff nur kurze Zeit; No. 2 starb schon am 2- Tage,
No. 5 am 21. Tage nach der Operation; der Tod war im ersteren
Falle durch Collaps, im letzteren durch croupÖse Pneumonie und
jauchige Peritonitis bedingt; bei No. 5 waren die Magenwandungai
äusserst weich, wie Zunder und rissen schon bei einigermasst
festem Anziehen der Nähte ein. Es wurde desshalb zur Ver¬
stärkung der Naht rings um den neuen Pylorus ein zungenformiert
Lappen aus dem Omentum majus herumgenäht; trotzdem löst»
sich eine Sutur und durch Austritt von Mageninhalt kam cs zur
Bildung einer umschriebenen Peritonitis. Der implantirte Lapp«
selbst hatte sich sehr schön angelegt.
Schon B i 11 r o t h macht auf die Schwierigkeit einer gut
haltenden Naht nach Pylorectomie aufmerksam und erklärt dies
aus dem Umstande, dass nach Ausführung der Resection seit«
mehr genügende gesunde Serosa zur Vereinigung von Magen und
Darm vorhanden wäre. Der beste Erfolg wurde erzielt bei .No. 6-
Es handelte sich hiebei um eine ausgedehnte Geschwulst am Pylorus.
die makroskopisch als Carcinom imponirte und deren gutartig«
Charakter erst durch mikroskopische Untersuchung festgestellt
werden konnte. Die Frau überlebte den operativen Eingriff
17 Monate lang; die ersten Beschwerden von Seiten des Magen;
traten 9 Monate post oper. auf. Schliesslich bildeten sich wieder
neue Tumoren am Pylorus und der Tod erfolgte an zunehmender
Cachexie.
Bei der 3. wegen Carcinom Resecirten erfolgte der Tod sch»
kurze Zeit nach der Operation. No. 4 starb in der 3-
an Inanition, No. 3 bereits nach 4 Tagen, No. 1 schon am
Morgen nach der Operation. Der Erfolg war somit durchaus kein
ermuthigender, doch muss betont werden, dass cs sich in dien
3 Fällen um hochgradig abgemagerte, wenig widerstandsfähig
Individuen handelte.
Von diesen 6 Operationen gelangten 3 im Jahre Ibse
2 im Jahre 1888, 1 im Jahre 1889 zur Ausführung. P*
Lebensalter der betreffenden Patienten schwankte zwischen '28 hi;
51 Jahren, die Dauer des Leidens zwischen 7 Monaten m*
8 Jahren. Die Operirten betrafen 4 Mal das weibliche, 2 ' 3
das männliche Geschlecht. Ein günstiger Erfolg lies* sich nur
in einem einzigen Falle, bei einer gutartigen Stenose N»' h
erzielen.
Bei der Indicationsstellung zur Resection wurde steu> w®
der Aufblähung des Magens mit Kohlensäure Gebrauch gexnat i
Das Referat hierüber ist von Herrn Professor Dr. Anger er
Archiv für klinische Chirurgie (39. Band, 2- Heft) veröffentlich!
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«3 *j
4 -,.
27. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1047
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Diu Technik der Pylurcotomic wurde an der hiesigen Klinik
folgendermassen gehandhabt.
Vorbereitung zur Operation durch Magenspülungen und Ein¬
läufe. — Ineision in der Linea alba von Process. cnsifonu. nach
abwärts bis zum Nabel oder über denselben hinaus. Eröffnung
des Peritoneums nach sorgfältiger Blutstillung. Hcrausziehen des
Tumors und Abschluss der Bauchhöhle mit Sublimatcompresseu
— Isolirung des zu resecirenden Stückes, beginnend an der grossen
Curvatur — kleine Massenligaturen mit feinster Seide am Omen¬
tum majus und Abtrennung desselben, worauf unter den Tumor
eine Sublimatcompresse geschoben wird und die Ablösung desselben
vom kleinen Netz erfolgt.
Abtrennung des Tumors vom Magen, 1 — 2 cm von der
Infiltration entfernt mittels Schrägsehnitt (von links oben nach
rechts unten); das Ausfliesscn von Mageninhalt wird durch manuelle
Compression verhindert. An der grossen Curvatur bleibt zunächst
ein Stück stehen, welches ungefähr dem Lumen des Duodenums
entspricht. Ligatur der spritzenden Gefässe, Keinigung der Magen¬
wunde mit trocken' n Tupfern; darauf Etagennaht der Wunde
Ähnlich verhielt sich ein von Mündler referirter Fall,
wo wegen Wiederkehr der Beschwerden 3 */s Monate nach der
Ausführung der Gastro-Knterostomie neuerdings die Laparatomie
gemacht werden musste; man fand ausser breiten Adhaesionen
von Netz und Pars pylorica mit der vorderen Bauchwand eine
doppelte Knickuug der direct unter der Fistel gelegenen Jeju¬
numschlinge; trotz Lösung der Verwachsungen trat auch hier
keine anhaltende Besserung auf.
Ein Vergleich zwischen den mit beiden Methoden errunge¬
nen Erfolgen gestaltet sich für die Hack e r’sche ()|>eration
bedeutend besser. Von den nach Wölfler operirten Patienten
starben 4 innerhalb der ersten Woche, 1 Fall starb nach 20
Tagen und nur bei No. 2, einer narbigen Stenose, konnte ein
befriedigender Erfolg erreicht werden.
Dagegen wurde unter 17 nach v. Hacker operirten
Fällen 9 Mal ein gutes Resultat erzielt. Doch darf dabei nicht
ausser Acht gelassen werden, das sämmtliche Wölfler’sche
Operationen in die Anfangszeit fielen, ferner dass ein Kall
darunter lediglich in Folire eines technischen Kehlers zu Grunde
(Seideuknopfnähte durch die Schleimhaut — breite, Serosa und I ging (Annälmng einer tiefen Darmschlinge bei No. I), also nicht
Muscularis fassende Nähte, darüber Serosanähte nach L e in b e r t),
Durchtrennung des Duodenums (gleich völlig oder man lässt eine
Verbindungsbrücke zwischen Tumor und Duodenum zunächst noch
stehen, legt einige Kixirungsnähte zwischen Magen und Duodenum
an und durchtrennt dann völlig.)
Nachdem auch die Brücke zwischen Magen und Duodenum
durchschnitten ist: Vereinigung von Mageu und I) ü n » darm.
Zuerst hintere Kingnaht (eine Reihe von SchleiuihautnUhten,
darauf eine zweite Reihe, welche von aussen Serosa und Mus¬
kularis fast), darauf vordere Ringnaht in 3 Etagen.
Im Ganzen sind etwa 80=120 Suturen nöthig. Schluss
der Bauch wunde durch mehrere tiefgreifende, das Peritoneum
mitfassende Nähte, darüber eine Reihe von oberflächlichen Nähten;
Jodoformgaze, Binden, Verband.
Die Gastro-Entcrostomic kam 23 Mal zur Ausführung
und zwar wurde dieselbe 6 Mal nach W ö 1 f I e r und 17 Mal
nach v. Ifaekei ausgeführt. Was die grösseren Schwierig¬
keiten anbelangt, welche der Hacker'sehen Methode im Gegen¬
sätze zur W ö 1 f I e r’sehen zum Vorwurf gemacht werden, so
können dieselben nach den an hiesiger Klinik gemachten Er¬
fahrungen nicht bestätigt werden; hat man sich .'lagen und
Darm behufs Anlegung der Naht einmal ausserhalb der Bauch-
der Methode zur Last gelegt werden kann.
Die Indication zur Operation bildete in 18 Fällen Carcinom,
in !j Fällen narbige Stenose des Pylorus.
Was die bei gutartigen Stenosen erzielten Erfolge anbelangt,
so entzog sich No. 2 nach zweimonatlicher Beobachtung einer
Weiteren Oontrole; als sieh die 32jährige Frau das letzte Mal
vorstellig machte, bestanden mit Ausnahme zeitweiser leichter
Leibschmerzen keinerlei Beschwerden mehr. Vor «ler Operation
war sic ein volles Jahr völlig arbeitsunfähig gewesen ; ausserdem
hatte ihre Schwäche einen so hohen Grad erlangt gehabt, das
sie nur mehr mit Hilfe eines Stockes geben konnte.
No. 21 befand sich nach 4 Monaten post operat. in sehr
gutem Zustande und war ihr Ernährungszustand in steter Zunahme
begriffen.
Dagegen starben No. 4 und No. 14 schon ganz kurze Zeit
nach Anlegung der Fistel an Collaps; in letzterem Falle hatte es
sich nicht um eine eigentliche Stenose gehandelt, sondern um ein
perforirendes Geschwür der hinteren Magenwaml, durch welches
der verbreiterte Kopf des Pankreas in das freie Magenlumen herein¬
ragte und so eine Stenose bedingte.
No. 17 erlag am 5- Tage einer intercurrenten Magenblutung;
bei der Seetion fanden sieh als Mageninhalt etwa 2 l;i Liter schwürz-
höble zurecht gelagert, so lässt sich für letztere durch Einlage I liehen, geronnenen Blutes, sowie ein Handteller grosses, ziruclür
‘ ‘ von (’ompressen ein genügender Abschluss gegen Einfliessen
von Magen- und Darminhalt sowohl als gegen Verkühlung
erzielen. Die Ojieration kann dann extraperitoneal zu Ende
geführt werden und ist von erschwerendem Arbeiten in der
Tiefe keine Rede mehr. An der hiesigen Klinik wurde in
den letzten Jahren ausnahmslose nach v. Hacker operirt.
Anderseits wurde im Anschlüsse an die W öl f 1 e r’sche
Methode zweimal kothiges Erbrechen beobachtet (bei No. 2
and No. 5), welches einmal am ersten Tag, das andre Mal am
zweiten Tag nach der Operation auftrat; es war stets nur
ganz vorübergehend und liess sich erfolgreich durch Magen¬
spülungen bekämpfen. Die bei No. , r > vorgcnomniene Obduc-
tion ergab keinen erklärenden Befund für dieses Erbrechen ;
man nahm desshalb an, dass es sich um eine kurz andauernde
(Impression des Kolons durch das darüber wegziehende Je¬
junum gehandelt hat.
Unter den nach v. Hacker operirten Fällen kam es
nur einmal zu faeculentem Erbrechen (bei No. 23), dasselbe
begann schon am Tage nach der Operation und liess sich auch
• durch Magenspülungen nur wenig beeinflussen, im Gegenteil
es nahm allmählich immer mehr zu, so dass am 17- Tage
die Bauchhöhle neuerdings geöffnet werden musste. Dabei
stellte sich heraus, dass der abführende Schenkel des Jeju¬
num eine starke Knickung erfahren hatte. Durch Fixation
der benachbarten Darmpartien an dem Magen mittels einiger
Serosanähte wurde diesen Übels tan de abgeholfon; trotzdem er¬
folgte unter andauerndem, aber nicht mehr kotliigem Erbrechen
der Exitus letalis. Die Seetion wies am Pylorus das Vor¬
handensein eines thalergrossen Geschwürs nach.
No. 43.
die Innenfläche des Pylorus einnehmendes Geschwür.
Somit handelt es sich um 5 Stenosenoperationen mit 2 Er¬
folgen und 3 Todesfällen; daraus resultirt eine Mortalität von
60 °/o der Gastro - Entcrostoiiiie bei Narbenstenosen; die Ursache
der Todesfälle konnte in keinem Falle der Technik zur Last gelegt
werden.
Von den 17 Oarcinouien starben 3 Fälle schon nach einem
Tage (No. 3, No. 19, No. 22), 4 Fälle nach 2 Tagen (No. 6,
No. 11, No. 13, No. 15), 1 Fall nach 5 Tagen (No. 5). Die
Ursache des Todes war stets Collaps mit 2 Ausnahmen. Bei
No. 11 war der Exitus letalis bedingt durch eitrige Peritonitis.
Die Infcction war hier sehr erleichtert gewesen , durch störende
Zwischenfälle bei der Operation, nämlich durch eine bedenkliche,
künstliche Respiration erheischende Chloroform-Asphyxie, sowie
durch einen starken Meteorismus der Darmschlingon, wodurch einer
raschen Reposition der letzteren in die Bauchhöhle starke Wider¬
stände entgegengesetzt wurden; bei No. 5 wies die Seetion den
Beginn einer croupösen Pneumonie nach.
No. 1 starb 20 Tage, nachdem der operative Eingriff gut
ertragen worden war, und zw'ar an Inanition ; bei der Seetion fand
sieh, dass eine tief gelegene IIeuuuschlinge zur Aidage der Fistel
benützt worden war. Der Tod war also in diesem Falle durch
einen technischen Fehler bedingt, der sich hätte vermeiden lassen.
Bei den übrigen Fällen lässt sich die Lebensdauer post oper.
nach Wochen und Monaten berechnen, so dass man hier von einem
befriedigenden Erfolge sprechen kann. Zu einer definitiven Heilung
kann ja die Gastro - Enterostomie bei Carcinom überhaupt nicht
führen, da es sich hiebei lediglich um eine Palliativ - Operation
handelt.
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1048
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
«fl. 4*
Rindfleisch bezeichnet desshalb diejenigen Patienten als
genesen , r bei denen der Wundheilungsprocess als beendet und
wenigstens einige Tage normale Ernährung möglich gewesen war.
Von diesem Standpunkte aus betrachtet, darf auch No. 1 als
Erfolg angenommen werden und haben wir unter 18 Operationen
10 Heilungen.
No. 1 starb nach 20 Tagen an Inanition'in Folge Implantation
einer zu tief gelegenen Schlinge.
No. 23 starb 30 Tage nach dem operativen Eingriff, der soviel
wie gar keine Erleichterung herbeiführte; Auftreten von faeculentein
Erbrechen veranlasste eine zweite Laparotomie und wies starke
Abknickung des abführenden Darmschenkels nach; nach Behebung
dieses Uebelstandes dauerte das Erbrechen dennoch weiter, war
aber nicht mehr faeculent; die Section ergab das Vorhandensein
eines grossen Magengeschwürs.
No. 9 befand sich l*/s Monate post oper. noch ganz gut und
konnte selbst leichtere Arbeiten verrichten; Weiteres unbekannt.
Bei No. 8 wurde die Operation bei sehr reducirtem Ernährungs¬
zustände vorgenommen; 2 Monate später war das Gewicht von
75 Pfd. auf 93 l’fd, gestiegen und das Beiinden laut Mittheilung in
jeder Beziehung befriedigend. Erbrechen war seit der Operation
überhaupt nicht mehr aufgetreten. Anfangs November 1800, also
3 Monate nach Ausführung der Gastro-Enterostomie, erfolgte der
Tod an zunehmender Entkräftung, aber ohne dass Magenbeschwerden
oder Erbrechen sich wieder eingestellt hätten.
No. 18, ein 37jäliriger Mann mit verhältnissmässig noch gutem
Ernährungszustände, der aber in letzter Zeit ausschliesslich von
Milch, Eiern und Reis leben musste; 1 Monat nach der Operation
vertrug er alle Speisen und fühlte sich völlig wohl. Laut einer
Mittheilung •'! Monate nach der Gastro-Enterostomie ist das Befinden
noch immer sehr gut und beträgt die weitere Gewichtszunahme 10 Pfd.
No. 20 befindet sich noch nach fi Monaten sehr wohl; sein
Ernährungszustand ist in steter Zunahme begriffen.
No. 7. Der Erfolg ist ein sehr guter; noch nach 5 Monaten
ist Patient im Stande, alle Speisen, mit Ausnahme von schwarzem
Brod, zu vertragen und seine Arbeit zu verrichten.
Bei No. lfi war der Erfolg nur ein theilweiser, indem das Er
brechen schon kurze Zeit nach der Operation wieder auftrat, aber
in grösseren Intervallen als früher, trotzdem lebte Patient noch
6 Monate lang.
No. 10 wurde schon am 19. Tage entlassen, das Erbrechen
hatte aufgehört; doch war die Ernülmingszonahrue nur eine lang¬
same, da gleichzeitig Tnberculose der Lunge bestand.
Lei No. 12 hatte das Erbrechen nach der Operation ebenfalls
anfgehört. trotzdem ging das Körpergewicht, das zur Zeit der Ent¬
lassung 90 Pfd. betragen hatte, allmählich wieder zurück; nach
einer Mitteilung betrug dasselbe 7 1 /_* Monat post oper. nur mehr
W(i Pfd.
Also 18 Operationen mit 10 Heilungen! Daraus resultirt.
für die hiesige Klinik eine .Mortalität der Gastro Entcrostomie bei
Careihom von 44,4 Proc. gegenüber einer Mortalität von 50 Proc.
nach Keseetion.
Wollen wir den functionellen Erfolg beurtbeilen. der durch
die Gastro-Enterostomie in der hiesigen Klinik erreicht wurde, so
müssen wir zugeben, «lass ein solcher bei No. 23 überhaupt nicht,
bei No. IG nur tlieilwcisc erzielt wurde; in den übrigen geheilten
Fällen war das Resultat ein befriedigendes.
Was den Einfluss des Alters auf die .Sterblichkeit anbelangt,
so findet Czerny, dass gerade die extremsten Altersstufen genasen;
nach Salz mann hält die Lebensgefahr gleichen Schritt mit dem
Alter des Patienten und weisen die 3- und 4- Dccade die meisten
Heilungen auf.
Nach einer Statistik von Haberkant ist die Mortalitäts¬
differenz erst jenseits der 60 er Jalire eine nemienswerthc und
der Unterschied in früheren Jahren zu gering, um daraus einen
Schluss ziehen zu können.
Unsere Statistik weist in Uebereinstimmung mit Salz mann
die meisten Heilungen innerhalb der 3. und 4. Dccade auf.
Ferner soll nach Ha her kaut die Sterblichkeit, beim weib¬
lichen Geschlecht eine geringere sein, als beim männlichen. Haber¬
kant berechnet dieselbe bei Männern auf 50,4 Proc, bei Frauen
auf 35,4 Proc. Zum Theil erklärt sich dieser Umstand daraus,
dass in Folge der durch die Schwangerschaft ausgedehnten Bauch¬
decken die Diagnose des Magencarcinoms früher gestellt werden
kann. Der vorliegenden Statistik zufolge starben von 15 Frauen 9,
von S Männern 4 ; daraus resultirt für das weibliche Geschlecht,
eine Sterblichkeitsziffer von 60 Proc., für das männliche eine solche
von 50 Proc., im Gegensätze zu Haberkant.
Au der hiesigen Klinik wird in den letzten Jahren aus¬
schliesslich nach der Methode von v. Hacker operirt. Zur Vor¬
bereitung wird der Magen durch Spülung mit warmer Borlr««
der Darm durch Einläufe und Laxantien in möglichst gründliche
Weise entleert; die Narkose wird im Allgemeinen stets mitActbe'
vorgenommen. Die Operation beginnt mit einer etwa 15cmforn
Ineision in der Linea alba, die, am Processus ensiforuiU bogiimj
nach abwärts zieht und den Nabel nach links umkreist.
sorgfältiger Blutstillung erfolgt die Eröffnung des Peritoncan.
.Man orientirt sich jetzt über Sitz und Ausdehnung der Ge-cU,
und schlägt Netz und Querkolon nach oben zurück, worauf ix-
Mesokolon erscheint; dasselbe wird an einer gefässanueu Sw)
stumpf cingcrisscn und eine etwa thalergrossc Partie der j«n
sichtbar werdenden hinteren Magenwand mit einigen Sorosa-Niv
an dieser schlitzförmigen Spalte fixirt. Zur AnaatomosenbüdoK
wird eine Jejunumschlinge gewählt, die etwa 30—<10 cm ron i»
Plica duodcno-jejunalis entfernt liegt; letztere aufzufioden,
selten Schwierigkeiten, wenn man Netz und Qucrcolon nach 4 k
schlügt und das Convolut der dünnen Gedärme nach rechts hiniv
wälzt; nur ausgedehnte Verwachsungen sind im .Stande,!
Oricntirnng wesentlich zu erschweren. Hat man die DannsiBv
aufgefundon, so wird sic von links nach rechts hinübcrgwchliw
und in dieser Richtung festgehalten, wodurch die Peristaltik fc
abführenden Schenkels der des Magens entsprechend verläuft.
Ein Assistent fixirt den Darm in diesem Sinne, entfern
durch Streichen allcnfallsigen Inhalt und hat durch Digitale«;
pression weiteres Einflicsscn von kothigen Massen zu verhindm
Ein zweiter Assistent drängt mit der einen Hand den u
geschlagenen Magen von hinten nach vorne zu und macht ihn *
nahtgerecht, während er mit der andern Hand das Blut ahm;:
Zur Ausführung der Naht werden Magen und Darm auf watuf
untergclegte Sublimatcompressen ansgebreitet; weitere eben*' I»
sebaffene Kompressen sorgen für möglichst dichten Abeefe
der Rauchhöhle nach aussen zu. Auf diese Weise gelingt *
die Operation nahezu extraperitoneal auszufilhren. Rs werk
nun zunächst Magen und Darm durch Scrosanähtc (etwa 5 u
der Zahl) vernäht, darauf beide Organe in ihrer Längsaxc in iir
Ausdehnung von 3 cm incidirt; spritzende Gefässe werden unter
bundcii, allzu stark vorqucllende Schleimhaut mit der Schere at-
getragen ; die Vereinigung der Wundränder erfolgt mittels Sk
durch Knopf nähte. Die hinteren Wundränder werden vernäht tu
Suturen, welche Mnscularis und Mucosa mitfassen; in dersek
Weise werden die vorderen Wundränder vereinigt und darübe
eine Reihe von Lern be rt'sehen Serosa-Nähten angelegt; ®i
im den Wundwinkeln werden zur Verstärkung noch einige Ser»-
Nähte zugefügt.
Um schliesslich Abknickungen des Darms zu verbinden
wird der Letztere etwa 2 cm von der Anastomosc entfernt dw
falls durch Serosa-Nähte an das Mesokolon Unbefestigt.
Zur Reinigung des Operationsterrains werden niemalsScbwtow
benützt, soudern ausschliesslich Tupfer und Kompressen gebraust;
Der Schluss der Bauchhöhle erfolgt durch tiefgreifende, dk
Dicke der Rauchwand mit sammt dem Peritoneum fassende Nab«
darüber kommt dann eine Reihe von oberflächlicheren Suturen »
liegen.
Ausbildung eines Bauohbruchea wurde unter äuimtlidtf“
Gastro-Enterostomien kein einziges Mal beobachtet; aUerdinp 1
muss hiebei bemerkt werden, dass schwere Arbeiten bei h< u|fl
die eine Gastro-Enterostomie überstanden haben, weniger in I"
trächt kommen.
Zur Bedeckung der Wunde wurde früher stets ein gf*'
Compressiv-'Verband mit Binde und Watte verwendet; in da
letzten Zeit wurde nur mehr über einen Jodofonngazostreif® ''
Collodiumverband angelegt. Derselbe hat den grossen Wik"
dass er von dem Patienten nicht lästig empfunden wird und
er anderseits auch das Abdomen jederzeit für Inspeetion und K 1 I
pation frei lässt.
Diese Technik genügte für alle Fälle von Gastro-Enterusw®.
vollkommen ; niemals fand ein Ausreissen der Fistelnlhte »tan
niemals waren Compressorien nöthig, um ciu Abfiiessefl **
Magen- und Darminhalt zu verhindern. Als Dcsinfeetionsflusa- 1
keit wurde früher stets warme Sublimat-Lösung 1,0 : 1000,0 ^
wendet; Kocher spricht sich gegeu Sublimat aus; seiner An®*'
nach kann dasselbe zu Collapszuständen führen; auch i»
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GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
jjoSEF V. J^ERSCHENSTEINER.
Biilage zur Münchener median,sehen Wochenschrift.
Verlag von J. F. LEI1MANN in München.
vj: Jäff-
27. October 1896.
SS, , K]iDik Wurde in lctztcr Zcit ^tt desselben physiologische
^wllfworL an w CWCndet ‘ ÖC, ‘ £°* 23 ’ W0 Kochsalzlösung a„-
“ "° rd f C " War ’ ÜJUS3te 17 Tage später neuerdings die Lapa-
roton ,,e ausgeführt werden; hiebei fand ,nan keine .Spur von
Adhaesjonen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sublimat auf die
ruft wdche'r 7 V Einwirkun « einen «eizzustand hervor-
logische Kofhtd ,y erWaChSU rf n führt; jcdonfaIls ist die I'hysio-
ihub in H , g , ' ndl , fTeronter aIs Sublimat. M ü n d 1 c r
glaubt n den kurz abgeschnittcnen Fadenenden einen Reiz zu
ünden, der zu Verwachsungen führen kann.
fleisTh 8 df e Nachb S and,un - an belangt, so heilen nach Rind¬
fleisch diejenigen Wagenoperationen am besten, bei denen die
Magenernährung die ersten 8 Tage hindurch ganz durch Kotiere
in den ,1 M i ann ’ 7 dW ? Einführun « grösserer Flüssigkeitsmengen
tritf \1nZ ! ge f chwäc, ’ tcr I,ldivid uen leicht Erbrechen ein-
tntt. Wund ler verlangt für die erste Woche Ernährung per
od C e U F.’ I - V ° m 6 ' Ta « e / b Erreichung von Milch (mit Kaiser-
flS2e t7nT VaSSCr VtTdÜnnt) PC, ‘ ° 8 ’ TOU * der 2. Woche
flüssige Ernährung per os, erst in der 4- Woche wird breiige
und leichte, feste Nahrung gegeben. Eine Ausnahme von dieser
Tage,f "fl i * v7 bedrohliche Zustände, wo schon in den ersten
gesla tef wT r ng , U,,d cn sprechende Reizmittel per os
gestattet werden Kraske weist darauf hin, dass der Magen in
olge der krankhaften Secrction der Wucosa niemals lange leer
bleibt, er gibt desshalb schon vom 2. Tage ab Fleischbrühe mit
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
_ 1049
| deS | , Uebertritte VÜH Mageninhalt in den
J '" ,Ööst er 4 h ' obei dlc Fatientcn öfters die rechte .Seitenlage
mnehmen. Auch Billroth empfiehlt schon am Abend dtr
wS Thee 7' fülgend °" Ta S ü die Darreichung von abgekühlter
ui, 7 U,lt ° 0gnaC I,ür os - Auch ^ der hiesigen Klinik
7, | OI ' " 0r,rtCn schon aiu ^ ten Tage, allerdings in kleineren
Rosa, Nahrung per os zugeführt; dieselben erhalten alle zwei
Stunden einen Iheelöffel mit Thee, Fleischsaft; ausserdem Jstünd-
/ , .ko7,7 7" CCm Flcischsaffc - Eier-Eiweiss und
S fin Tw! S3t 7 kt ; hen g ° gCn den ,)urst - ferner 5 mal
7, . 60 f 7 ass f- Nach 8 Tagen erfolgt der erste Verband-
sr^ J r^“ fcto! w dcr
Statistische Zusammenstellung der Magenresectionen.
No.
Art ii. Dauer des Leidens
Carcinom seit 8 Jahren
Narbeiistennse soit 3 Mon.
Carcinom seit 4 Jahren
Carcinom seit 7 Mon.
Narbenstenose seit 2>/2 J.
No.
3
14
19
22
6
11
13
15
4
5
17
10
1
23
9
2
8
18
21
7
16
20
12
Art und Dauer des Leidens
Narbenstenose seit 4 J.
I
Statistische Zusam menstellung der Gastro-Enterostomie.*
r
Lebensdauer post. oper.
2 Tage
2 Tage
4 Tage
Tod in der 3. Woche
21 Tage
17 Monate
Todesursache
Carcinom seit 4 Jahren
Narbenstenose seit 8 Jahren
Carcinom seit 8 Jahren
Carcinom seit 4 Jahren
Carcinom seit 5 Monaten
Carcinom seit 6 Monaten
Carcinom seit 10 Wochen
Carcinom seit 6 Monaten
Narbenstenose seit 8 Jahren
Narbenstenose seit 6 Monaten
Carcinom seit 1 Jahre
Carcinom seit 1 Jahre
Carcinom seit 2 Jahren
Carcinom seit 1 Jahre
Carcinom seit 10 Monaten
Narbenstenose seit 2 Jahren
Carcinom seit 8 Monaten
Carcinom seit 7 Monaten
Narbenstenose seit 3 Jahren
Carcinom seit 9 Monaten
Carcinom seit 6 Monaten
Carcinom seit 6 Jahren
Carcinom seit 3 Monaten
Lebensdauer post oper.
1 Tag
I Tag
1 Tag
1 Tag
2 Tage
2 Tage
2 Tage
2 Tage
3 Tage
5 Tage
5 Tage
19 Tage Beobachtungszeit
20 Tage
30 Tage
l‘/2 Monate Beobachtungszeit
2 Monate Beobachtungszeit
3 Monate
3 Monate Beobachtungszeit
4 Monate Beobachtungszeit
5 Monate Beobachtungszeit
6 Monate
6 Monate Beobachtungszeit
1'h Monate Beobachtungszeit
Todesursache
oder weiterer Verlauf
Collaps
Collaps
Collaps
Collaps
Collaps
Eitrige Peritonitis
Collaps
Collaps
Collaps
Pneumonie
Magenblutung
Weiteres unbekannt
Inanition
Collaps
Weiteres unbekannt
Weiteres unbekannt
Collaps
Weiteres unbekannt
Weiteres unbekannt
Weiteres unbekannt
Inanition
Weiteres unbekannt
Weiteres unbekannt
Collaps
Collaps
Collaps
Inanition
Pneumonie u. eitrige
.Peritonitis
Cachexie (Recidiv)
Operation nach
Wölfler
Hacker
Hacker
Hacker
Wölfler
Hacker
Hacker
Hacker .
Wölfler
Wölfler
Hacker
Hacker
Wölfler
Hacker
Hacker
Wölfler
Hacker
Hacker
Hacker
Hacker
Hacker
Hacker
Hacker
Feuilleton.
Dr. Josef von Kerschensteiner.
Es wird nicht viele bayerische Amte geben, die den Wann,
dessen Bild der heutigen Nummer der Wünchcner mcdicinischen
Wochenschrift beiliegt, nicht persönlich gekannt haben, keinen der
nicht von ihm zu erzählen wüsste, nicht sowohl, weil er der
höchste Medicinal beamte des engeren Vaterlandes war, sondern
obwohl er es war!
Der Königliche Geheime Rath, Obcrmcdicinalrath im Staats-
luinistcrium des Innern, Dr. Josef von Kerschensteiner
erfreute sich einer Beliebtheit unter den Aerztcn wie nicht leicht
Einer vor ihm. Wer anwesend war, als man ihn an dem sonnigen
ocptembernachmittag hinaustrug zur ewigen Ruhe, wer dabei die
Wassc Volks aus allen Ständen, die sein offenes Grab umstand,
gesehen und dabei die von Wund und Herzen fliessenden Worte
gehört bat, welche ihm aus den verschiedensten Kreisen nach¬
gerufen wurden, der hat sich überzeugt davon, dass diese Beliebt¬
heit weit über de, Kreis der ärztlichen Standesgenossen hinaus¬
ging; wer bei der bald darauf folgenden Versammlung des Deutschen
(Fortsetzung folgt.)
\ erems für öffentliche Gesundheitspflege gehört hat, in welch theil-
nehmender, von hoher Achtung zeugender Weise von allen Seiten
des Verstorbenen gedacht wurde, wie sein Hinscheiden betrauert
wurde, der musste erkennen, dass die Macht dieser Persönlichkeit
eine ungewöhnlich grosse und ihre Wirkung auf Andere eine auf¬
fallende und schwerwiegende gewesen sein musste.
Verdankte der Verewigte diese Wacht vielleicht der hohen
Stellung, die er im Staate einnahm? — Bei allem Respcet vor
der Autorität gehörte Kerschensteiner nicht zur Zahl derer,
die sich sonnen in der Bewunderung ihrer Umgebung und für
Streberei fand er sehr leicht, obgleich er die Würde seiner hohen
Stellung wohl kannte und zu wahren wusste, eine abfällige Be¬
merkung oder ein scherzhaftes Abfindungswort. Auch seine;äussere
Erscheinung war es nicht, die die Augen Anderer auf ihn zog.
Mit Hei,ier unscheinbaren Gestalt, die mehr der eines geistlichen
Herrn als eines Arztes glich, vereinigte er ein ungemein beschei¬
denes Auftreten,.. welches nie darauf ausgiDg, sich selbst in den
Vordergrund zu stellen.
Es war eine ganze Reiho^ ausserordentlich glücklicher Geistes-
nnd Hcrzcns-Eigenschaften, die sich bei ihm vereinigten und ihn
für Beruf und Stellung besonders tauglich erscheinen Hessen.
4 *
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Mit einem geweckten, klaren Verstand vereinigte sich ein
weiches, zartbesaitetes Gcniütli, mit einem scharfen kritischen
Blick ein gutes Maass starker Selbstbeherrschung, mit tiefem
Wissensdrang und ernster Strebsamkeit ein köstlicher llumur und
eine bewusste Selbstbeschränkung, mit einer richtigen Dosis berech¬
tigten Selbsbewusstseins ein ebenso grosses Maass liebenswürdiger
Bescheidenheit.
Dazu war ihm das Glück insoferne besonders bold, als es
ihn in den verschiedensten Phasen seines Lehens stets auf den
rechten Platz zu stellen wusste.
So führte ihn auch sein :iu»oror l.cb.-hsaainr zweifellos U-
'■•iidcrs glücklich!
K er sch e n s t ei n er ward am :>. Mai 1831 zu München
geboren, als der Sohn einer kleinbürgerlichen Familie. Auf «lern
Gymnasium zeigte sich bald seine reiche Begabung, besonders für
die alten Sprachen, in denen er. wie er später selbst gerne erzählte,
der sichere Helfer seines Freundes Nuss bau m wurde, der ihm
dafür seine Kenntnisse in der Mathematik, mit der K er selten¬
st einer sich nie recht befreunden konnte, zur Verfügung stellte.
\tis dieser Zeit stammt auch sein feines Yerständniss für Musik
er war als ein Schüler des Altmeisters Htt ein guter Sänger
und wohl geübter Flötenbläser --- und vor Allem seine Vorliebe
für Geschichte, die ihm sein ganzes Lehen hindurch getreu blieb,
suduss er beispielsweise nie einsehlief, ohne vorher ein Viertel¬
st ündchen Geschichte gelesen zu haben t H a n k c , G iesebrech t,
Sy bei waren seine, guten Freunde, die er von Anfang bis zu
Ende durchstudirt hatte!'.
Ausser mit Nussbaum führte ihn die G.yuinasialzeit noch mit
anderen trefflichen Mitschülern zusammen, die im späteren Leben
in hohen Stellungen ihm treue Freundschaft gehalten haben.
Genannt seien nur Münzdirector von Scliauss, Keichsrath
von Auer, Pixis, Dr. Wert heim her.
Mit 17 Jahren bereits bezog er die Universität München, um
sieh dem Studium der Mediein zu widmen, das er dort auch voll¬
endete, um dann Assistent bei Hauner und Pfeufer zu
werdeu. Den grössten Einfluss übte der letztgenannte Lehrer auf
ihn aus, den er, um die Worte einer ihm besonders nahe stellenden
IVrsoii zu gebrauchen, sein ganzes Beben lang wie ein höheres
Wesen» verehrte. Nachdem er noch ein Halbjahr in Wien studirt
hatte, begann er 18 08 seine ärztliche Laufbahn als praktischer
Arzt in Mering bei Augsburg.
Dort errang er sich ausserordentlich rasch eine weit ausge-
brciU'te Praxis und eine grosse Popularität. Als er im Jahre 1802,
zum Bezirksarzt ernannt, nach Augsburg übersiedelte, rief ihm
hei der Absehiedsfeier der Auitsvorstehcr mit Thränen in den
Augen'Mie charakteristischen Worte nach: I kann nix anderes
sage, als unser Doetor iseh kei Mümile, er iscli a Mann!» Die
allgemeine Achtung und das Vertrauen des Publicums blieb ihm
in Augsburg getreu. Sein praktisches Geschick und seine Opfer¬
willigkeit erwies sich besonders glänzend während der Kriegs¬
zeit 1870—1871, während deren er mit Nuss bäum sieh um
die Behandlung und den Rücktransport der erkrankten und ver¬
wunderten Krieger so verdient gemacht bat, dass er durch Ver¬
leihung des eisernen Kreuzes ausgezeichnet wurde. Nach zehn¬
jähriger Wirksamkeit in Augsburg trat er Ende 1872 als Nach¬
folger des nach Landshut versetzten Dr. Mair als Kreis-Medicinal-
rath bei der Regierung von Mittelfranken in Ansbach ein. Aus
dieser Zeit datiert die Bekanntschaft des Schreibers dieser Zeilen
mit dem Verstorbenen. Die Wirksamkeit in Ansbach währte
kaum ein Jahr, da er in gleicher Diensteigenschaft Ende 1873
nach München versetzt wurde. Die Zeit hatte genügt, um ihn
auch in Mittelfranken unter den Acrzten populär zu machen. I 11
M ü neben erwartete ihn selbstverständlich ein erheblich erweiterter
Wirkungskreis, nicht nur im Amt, sondern auch im praktischen
Beruf und in der Oeffentlichkeit, in welch’ letzterer Hinsicht seine
Wirksamkeit für den Volksbildungsverein obenan steht.
Grosse Verdienste hat er sich um die Einrichtung der populären
Vorträge in Liebig’s Hör »aal und im Schranucn-
pavillon erworben, und der Haushaltungssch ule widmete
er dadurch, dass er den Unterricht in der Gesundheitslehrc selbst
erthoilto, besondere Fürsorge. Seine Tbötigkeit nach diesen Rich¬
tungen bin erlahmte nicht, sie steigerte sich vielmehr noch, als er
im Jahre 1879 nach Klinger’s Tod auf dessen Stelle dt
Obermcdicinalrath in das Staatsministerium des Innern berufet
wurde. Ehren häuften sich allmählich auf Ehren. Durch Ya
leihung hoher Orden uud des Geheimrath-Titels hat ihn seit
Landesherr ausgezeichnet und auch der deutsche Kaiser hat jh®
als König von Preussen eine hohe Ordensdecoration verlieben
Aber die Last der Arbeit wuchs auch zugehends und stellte
Anforderungen an seine geistige und körperliche Leistung« fähiebit.
Da war denn sein Glück und seine Erholung sein Haus und «ei«
Familie.
K e r s c li e n s t e i n e r war zweimal verheirathet und mr io
•Jüchlieher Weise. Seine erste Frau ward ihm bereits 1871 don-h
einen Schlaganfall wieder entrissen. Seine zweite Frau, wekiie
er im August 1872 in Augsburg ehelichte, hat ihn überlebt.
Wer je in der glücklichen Lage war, einen Rlick in dies Haus
zu werfen und sich im Familienkreis an den Tisch mit zu setzen, der
hat auch verstanden, was der Verstorbene sagen wolllte, wenn <r
vor einiger Zeit an einen Freund schrieb: (Möge es bei deinen
Kindern fort und fort in das Glück hineingehen. Was habet
wir denn ausser der Familie — Nichts, gar Nichts! Alles Ändert
ist Täuschung und Dunst». Er hatte freilich auch alle Ursache
zufrieden und glücklich zu sein im Hause. Können, Wollen und
Erfolge hielten bei seinen zwei Söhnen gleich guten Schritt und
die aufblühenden Töchter waren sein Stolz, die Mutter und (iattio
die Krone des Hauses, deren kluges umsichtiges Walten nicht zum
geringsten das Verdienst zuzuschreiben ist, dass sein Körper der
grossen Last der Arbeit so lange Stand halten konnte (der Ver¬
storbene nannte die Gattin in seinen Briefen gerne sehemrei»
seine Uonsiliaria ). Die Macht der Gattin über ihn war um *
grösser, als sie ihn und seinen Beruf vollkommen und tn-Miih
verstand und richtig zu nehmen wusste!
Er bedurfte aber auch besondere.’ Aufsicht, denn von früherer
Zeit her trug er den Keim schweren späteren Leidens in sich.
K e r s e h e n s t e i n e r hatte im Jahre 1859 in Mering zum erstell
Male einen schweren Gelenkrheumatismus durchzumachcn, den a
sieh bei Gelegenheit eines Krankenbesuches durch ciue Fahr! au!
offenem Wagen in einer schneidend kalten Winternacht geholt hatte
Der zweite Anfall ereilte ihn 18Ö4 in Augsburg (sein erster Aus¬
gang nach schwerem sechswöchentlichen Krankenlager war, gestüut
auf den Arm eines Freundes, — auf den Friedhof zur Beerdigung
seines ältesten Knäbleins!). Von diesen Anfällen blieb ihm ein
Herzklappe!)fehler zurück, der auch geringere Unpässlichkeit«,
wie Katarrhe und sonst leichtere Influenza-Anfälle durch Gm
pensatiunsstörungen übel complieirte. Es war wohl schon in dt«
l achtziger Jahren seinen Freunden aufgefallen, dass ihm raschen';
Gehen oder Treppensteigen Athembeschwerden veranlasst«, dst.-
er unterwegs öfters stehen blieb, um Luft zu schöpfen, Pk
ersten ernsteren Klagen tauchen in einem Briefe Anfangs d*
Jahres 1890 auf, um nicht mehr ganz aus der Correspondeni«
verschwinden. Der erste wirklich bedrohliche Anfall mit den Er¬
scheinungen des Lungcninfarctes ereilte ihn zwei Jahre später.
So schwer der Anfall war, so erholte er sich doch auffallend
rasch, so dass er die ganzen Strapazen des Choleraherbstes 189.
ungestört mit durchmachen konnte und im Herbst 1893 bei der
Naturforscherversammlung in Nürnberg ganz der Alte zu sein schien.
Die Ruhe war aber nur eine scheinbare, immer unterbrochen n*
leichteren und schwereren Attaken. Im Juni laufenden
mehrten sich die Beschwerden, so dass er den ibm besonder’
erwünschten Auftrag, den Aerztctag in Nürnberg im Naw* ^
bayerischen Staatsregierung zu begrüssen, nicht mehr ausfübren
konnte. Unter den schwierigsten Umständen hielt er einen Mo » 1
später noch das Physicatsexamen, bei welchem er den Vorst)
führen hatte, selbst ab, dann waren aber seine Kräfte ersebop
Nach verhältnissmässig kurzem Krankenlager erlöste ihn »m
tember der Tod von seinen Leideu. Die Section ergab die
stätigung der Diagnose; es fand sich als Todes
Chronische retrahirende, fibröse und kalkige Eudocarditis
Aortaklappcn mit bedeutender Stenose und Insufficienz der»**’
Hypertrophie und Dilatation des Herzens. Sklerose der 0»«*
Arterien. Luugcnoedem. Stauungs-Organe.
1 >arübcr, dass K e r s e li e n s t e i 11 c r ein emineflt
praktischer Arzt war, hat das Publicum an allen de“
27. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1051
an denen er prakticirte, entschieden. Kr war gesucht von Hoch
und Nieder und besonders in den letzten Jahren seines Münchener
Aufenthaltes war er ein viel begehrter Consiliarius. Er verdankte
dies Vertrauen aber nicht nur seiner (Geschicklichkeit im Umgang
mit Menschen und seiner grossen Menschenkenulniss, sondern in
erster Linie seiner tüchtigen streng wissenschaftlichen Durchbildung
und der vortrefflichen Schule, durch die er, besonders unter
Pfeu f er, gegangen war. Schon frühzeitig war er literarisch
thätig und besonders die Münchener ined. Wochenschrift (unter
deren Herausgebern er von 1875 bis 1879 war, wo er wegen
Uebernahme seines hohen Staatsaintes zurücktrat resp. Herrn Ober-
luedicinalrath Bollinger Platz machte) weist eine ganze Reihe
von Veröffentlichungen aus seiner Feder auf, welche schon während
seiner Assistenten zeit |N55 beginnen und bis zum Jahre I8t>'.'
zehn grössere Arbeiten aus den Gebieten der praktischen Medicin
(meist aus der Kinderheilkunde) umfassen. Allen wissenschaft¬
lichen und praktischen Fortschritten der Medicin folgte er mit
grösster Aufmerksamkeit, was ihm um so leichter wurde, als ihn
mit allen Koryphäen der Münchener Hochschule nähere Freund¬
schaft verband.
In den späteren Jahren waren es vor Allem Arbeiten aus
dem saui tätspoli zei 1 i eben oder medi ei nisch-foronsen
Gebiet (die Erhaltung der F r i e d r e i c h ’ sehen Blätter für gericht¬
liche Medicin ist sein eigenstes Verdienst), welche er publicirte.
Seine Arbeiten über die Fürthor Industrie, die Mün¬
chener Ca n a 1 i s a ti o n , über M o r ta 1 i tä t s - S t a t i s t i k und
Kinderheilstätte n, über die M e t b o d e n der e p i d e m i o -
logischen Forschung und über die Reform des baye¬
rischen Mittelschul wese ns sind ebenso bekannt als sein
vielbesprochener Vortrag über die U eher tragbar k eit der
Masern, des Scharlachs, der Blattern durch dritte
Personen, welchen er 1883 während der Hygiene-Ausstellung
in Berlin hielt.
Im Deutsch e n Vereine für ö f f en 11 i eb o G esund-
hcitspflegc sprach er, soviel mir bewusst, über « Die Kranken¬
häuser für kleinere Städte und ländliche Kreise;
und über «Die Maassregeln zur Bekämpfung der
Cholera)-, mit welch letzterem Vortrag er in Magdeburg an
der Seite Gaffky’s den Frieden mit der Koch'sehen Schule
anbahnte. Ich habe oben schon von der Neigung des Verstorbenen
zu geschichtlichen Studien gesprochen. Wie nicht leicht ein
Zweiter ging er dieser Liebhaberei nach. Kirchen und Kirchhöfe
waren zu diesem Zwecke, wenn er an einen neuen Platz kam,
das Ziel seiner ersten Wanderung und in vielen grösseren Städten
war er in den antiquarischen Buchhandlungen ein oft und gerne
gesehener (Gast. Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass er ebenso
in Berlin wie in München einen vortrefflichen und zuverläs¬
sigen Führer durch die ältesten Stadttheilc, deren (Geschichte er
genau kannte, gerne abgab. So kam es, dass er auch der Ge¬
schichte der Medicin besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Solchen
Neigungen entsprangen seine Studien über T h e o p h r a s t u s B o m -
bastus Paracelsus, über Malachias (Geiger und Franz
Ignaz Thiermayer u. ä., vor Allem aber seine erfolgreiche
Thätigkeit als Bibliothekar des Münchener ärztlichen
Vereins, der seine vortrefflich geordnete, ungewöhnlich reiche
Bücherei sicher zum grössten Theil dem unermüdlichen Eifer des
Verstorbenen verdankt.
So recht mitten aus dem Stande der praktischen Aerzte
herausgewachsen, blieb Kerschenst.einer bis in seine letzten
Zeiten praktischer Arzt und noch in einem seiner letzten Briefe
pries er den Freund, der Krankenhausarzt war, glücklich, dass
er sich dies « Pabulum vitae », die «Praxis)', so leicht verschaffen
könne. Kr war 14 Jahre mitten in der Praxis gestanden, ehe er
an den grünen Regierungstisch gerufen wurde und brachte volles
Verständniss für die Bedürfnisse der praktischen Aerzte und ge¬
naue. Kenntnisse ihrer Eigenart mit in das Bureau herein. Das
merkte man ihm rasch au und er selbst bethätigte dies durch
die Art und Weise, in der er mit den Aerzten , besonders auch
in den eben neu errichteten Bezirksvereinen, verkehrte. Die Worte,
welche er 1873 bei Eröffnung der mittelfränkischen Aerztekammer
an die CoHcgen richtete: «Seien Hie überzeugt, dass Sie in mir
stets einen warmen Vertreter der ideellen und materiellen Inte¬
ressen unseres Standes finden werden», fanden überall dankbaren
Widerhall, und als Kersch enstein er nach Jahresfrist Mittel-
franken verlies», liess er einen grossen Kreis warmer Verehrer
hinter sich. Und dies Gefühl ist nie erloschen. Der ärztliche
Verein Nürnberg zählte ihn mit Stolz zu seinen Ehrenmitgliedern.
Wie es in Mittelfranken war, so war es auch in anderen Kreisen,
denn der Verstorbene versäumte keine Gelegenheit, um immer
wieder neue Aerzte kennen zu lernen, die alten Bekanntschaften
zu unterhalten. Und als er später an der Spitze des Medicinal-
wesens stand, kam ihm diese Personalkenntuiss wohl zu statten,
wie auch sein Ohr immer noch Jedem offen und sein Rath viel
begehrt war. Es waren aber nicht nur persönliche Bezieh¬
ungen, welche ihn mit seinen Standesgenossen verbanden, es waren
auch ideelle — Standcsinteressen, und was er 18 73 in Ansbach
versprochen, er hat es wahrlich getreulich gehalten !
Ich behaupte, dass es keinen Arzt in Bayern gibt, der nicht
gewusst hätte, mit welchem Interesse K er sch e n s te i n e r den
Bestrebungen der ärztlichen W o h 11 h ä t i g k e i t s v e r e i » e folgte.
Beim P c n s i o n s v e r ci n stand er persönlich an der Spitze und
suchte nach seiner Weise für dessen bestes Gedeihen zu wirken,
dein Sterbccassaverein half er wieder auf die Füsse und als
Ehrenmitglied des In validen Vereins kauute er alle Phasen des
Vereines und gab seinen Rath in allen Angelegenheiten, suchte
es auch möglich zu machen, wenigstens einmal im Jahre zu einer
Sitzung des Verwaltungsausschusscs zu kommen. Stets war er
bemüht, für das materielle Gedeihen des Vereines beizuschaffen
was er nur konnte; und von nicht minder hohem Werth war cs,
dass er seine Personalkenntuiss stets zur Verfügung stellte.
Mit demselben Interesse, mit welchem er diesen Bestrebungen
zugethan war, verfolgte er die Standesbcstrcbuugeu der
Vereine. Wenn ihm auch bei denselben, wie Vielen seiner älteren
Coli egen, so Manches unsympathisch war, so wusste er doch den
Zeitverhältnissen Rechnung zu tragen und suchte zu mildern oder
zu helfen, wo es ihm möglich schien, wenn ihm nicht seine Klug¬
heit und gewohnte Zurückhaltung gehet zu schweigen und sich
zurückzuziehen. ln Streit liess er sich sicher nie ein. Ein Pe-
batter in des Wortes eigenster Redeutung war er überhaupt nicht.
Er sprach kurz, aber eindrucksvoll, mit gut gesetzten Worten,
die er kräftig betonte und eingehend und gewissenhaft zu begrün¬
den suchte, so dass seine Worte immer schwer in s Gewicht fielen.
Von ganz besonderem Eindruck waren seine humorvollen
Tischreden im Kreise von Freunden und Collogen, die weit und
breit bekannt und berühmt waren und ihn , wie seine Geschick¬
lichkeit zu erzählen, zu einem vortrefftichen Gesellschafter stempelten.
Als Kcrsühen stein er in sein letztes hohes Amt ein¬
trat, war die neue Organisation der S t a » de s ver tret u ng
bereits eingelebt, er hatte aber die Kinderjahre dieser Einrichtung
als Kreisuiedicinalrath ebenfalls mit durchlebt. Er hat wohl auch
die vielen Ministerial - Entschliessuugen auf die Protokolle der
Aerztckaminern entworfen, welche die Einen befriedigte, die
Anderen enttäuschte. Wer ausserhalb steht, der woiss eben
nicht, welche Schwierigkeiten oft in scheinbar einfachen Dingen
mit Rücksicht auf das nöthige Incinandergreifen der einzelnen
Faetoren bestehen. Wer aber in den Sitzungen des verstärkten
Obermedicinal-Ausschusses gesehen hat, mit welchem Ernst und
Wohlwollen er die Verhandlungen leitete, die verschiedenen Auf¬
fassungen zu verstehen und zu vereinigen suchte, der weiss ihm
auch für diese Thätigkeit Anerkennung und Dank zu sagen. Am
Ende seiner Laufbahn steht der Markstein, der die ersten
25 Jahre der ärztlichen Standesorganisation ab-
schlicsst, die neue Kgl. A. V. 0. über die Bildung der
Aerztokammern und der ärztlichen Bczirksvercine
vom 9- Juli 1895. Der Fortschritt, den dieser Erlass cin-
schliesst, ist ein mächtiger, er ist sicher der Anfang der Erfüllung
der letzten Wünsche der Aerzte, er bahnt die «Acrzteord-
nuug» an und wird das Gedenken der Aera «Kerschen¬
stein er» in der (Geschichte unserer Standesvertretung für lange
Zeit festhalten.
In die Amtsführung des Verstorbenen fällt als besonders
wichtig für die Aerzte die Durchführung der sogenannten
M o r b i d i t ä ts - S t a ti s ti k der Infee tions-Krankheiten,
die Neuordnung der Anzeigepflieht bei ansteckenden
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MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
K ra u k li ei t en , der Oberpolizeilichen Vorschrift über
die Leichenschau, die neue Baderordnung, die neue
Dien st anweisungd er Hebammen; in sa n i tu t s polizei¬
licher Hinsicht die Durchführung der social politi¬
schen Gesetzgebung, die an zahlreichen Punkten die
vitalsten Interessen des ärztlichen Standes berühren.
Die Regelung des Apothekerwesens, die Vcrab-
fassung des Deutschen Arzneibuches, wie die neueren
Maass regeln zur Bekämpfung der Cholera, die Vor¬
bereitungen für ein Seuchengesetz, der Entwurf einer
neuen Prüfungsordnung für Mcdicin-Studirendc,
die Berat!mngen über das Koch'scho Tuberculin, wie über
das Behring'sehe Diphtherie-Heilserum haben ihn als
ausserordentliches Mitglied des Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamtes vielfältig in Anspruch genommen. Wäre es
nicht allgemein bekannt, welch hoher Achtung sich der Verstorbene
besonders in letzterer Eigenschaft zu erfreuen gehabt hat, ich
könnte es bezeugen, da ich Gelegenheit hatte, mit ihm gemein¬
schaftlich dort zu berathen und zu sehen, wie schwer sein Wort
in die Wagsehaale fiel. Ehen so schwerwiegende Worte konnten
wir uns von dem Verstorbenen erwarten im Obersten Schul-
rath, zu welchem er als ärztlicher Sachverständiger zugezogen
war. Seine Wirksamkeit hatte verhcissungsvoll begonnen !
Unter den Einrichtungen aber, welche unter seiner Amts¬
führung getroffen wurden, deren Aufzählung sich noch weiter
fortsetzen Hesse, sei zum Schlüsse noch Eine von grosser
Bedeutung aufgeführt: Die Versorgung sämmtlicher
bayerischer lmpfär/.tc mit animaler Lymphe, die in
der Münchener ('entralimpfanstalt unter Stumpfs trefflicher
Leitung hergestellt wird.
Fasse ich noch einmal Alles, was ich von dem Verstorbenen
gesagt, was man von ihm sagen kann, zusammen, so komme ich
auf den Ausgangspunkt seiner Thätigkeit und auf das Wort des
schlichten Mcringer Bauern zurück: Er war ein Mann!
Wir vergessen ihn sicher nicht!
Dr. Göttlich M c r k e 1 - Nürnberg.
Die Schaffung ärztlicher Ehrengerichte durch die
Landesgesetzgebung und deren reichsrechtliche
Zulässigkeit.
Von Dr. Mus i'on Srt/rffl, Professor des Staatsrechts in München.
In der juristischen und medicinischen Fachpresse ist neuerlich
aus Anlass des königlich sächsischen Gesetzes vom 23. März l 800,
betr. die ärztlichen Bezirksvereine isäehs. Ges. u. \ .-Bl. S. HI)
und eines preussiseheti Gesetzentwurfes, betr. die ärztlichen Ehren
gcriehtc etc., die Frage erörtert worden, oh die »Schaffung ärzt¬
licher Ehrengerichte im Wege der Landesgesetzgebung reichsrecht¬
lich zulässig sei.
In der Nummer 15 der deutschen Juristenzcitung vom
1 . August 1896 hat Rechtsanwalt Arthur Hamburger diese
Frage rundweg verneint. Ein Artikel in der Leipziger Zeitung
vom 21- und 22. September (auch abgedruckt im Correspondcnz-
blatt der ärztlichen Kreis- u. Bezirksvereine im Königreich Sachsen
No. 7 vom 1. October, S. 128 ff.) ist ihm mit Schärfe entgegen¬
getreten, und ebenso gelangt Staatsanwalt Dr. Appel ins zu
Celle in No. 40 der deutschen medicinischen Wochenschrift vom
1. October 1896 S. 650 ff- dazu, die Ausführungen Ham¬
burger’s als völlig verfehlt zu erklären.
Ich bin der nämlichen Meinung.
Die Behauptung, dass die Landesgesetzgebung nicht zuständig
sei, ärztliche Ehrengerichte einzuführen, ist auf zweierlei Gründe
gestützt worden. Die einen sind der Reichsgewerbcordnung, die
andern der Reichsjustiz- und Strafgesetzgebung entnommen. Sie
sind samnit und sonders unstichhaltig.
Ich wende mich zunächst dem Gebiete des Gewerbepolizei-
rechtes zu.
Vor Allem ist hier Folgendes zu bemerken. Die Aerzte
sind weder im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauches uocli im
Sinne der Reichsgewerbeordnung Gewerbetreibende. Vgl. hierüber
meine Abhandlung: Das Gewerbepolizeirecht des Deutschen Reichs
Nu 43
in Ilirth’s und meinen Annalen des Deutschen Reichs |s^|
S. 569 ff., R. von Landmann, die Gewerbeordnung für das
Deutsche Reich, 2. Aufl., München 1895, S. *23 ff. Letzterer
sagt a. a. O. »S. 30: «Ebenfalls nicht zu den Gewerben m
rechnen sind die persönlichen Dienstleistungen höherer Art. die
eine höhere Bildung erfordern: die Seelsorge, die Erthcilune von
Unterricht, die Leistungen des künstlerisch gebildeten Schauspieler-
mul < )|>erusäugers, die Thätigkeit des Arztes»».
Wenn man also ganz allgemein den Satz aufstellen wollte:
«Die Aerzte unterliegen der Gewerbeordnung», so wäre das grund¬
falsch. Die Gewerbeordnung als Ganzes gilt für die Aerzte nicht;
sie enthält nur einzelne Bestimmungen für dieselben.
§6 der Reichsgewerbeordnung sagt: Auf... die Ausübung
der Heilkunde . . . findet das gegenwärtige Gesetz nur soweit An¬
wendung als dasselbe ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.
Hamburger befindet sich also in völligem Irrthuine, wenn er
in seinen gewerbepolizeilichen Betrachtungen vom § 1 der Reichs-
gewcrbcordnung ausgeht und meint, hienach sei die Ausübung der
Heilkunde ein freies Gewerbe und «der approbirte Arzt nur »in
für die Ausübung der Heilkunde bevorrechteter Gewerbetreibender .
Davon ist nicht entfernt die Rede. Nach dem !y 6 der
Gewerbeordnung gilt weder der Jy 1 , der den Grundsatz der
Gewerbefreiheit ausspricht, noch irgend eine andere allgemeine
Bestimmung der Gewerbeordnung, wie z. B. über die Anzeige-
pflieht, für Personen, welche die Heilkunde aasüben, mögen sic
nun approbirt sein oder nicht. (Vgl. R. v. Landmann a. a. 0.
8. 73.) Für diese gelten nur diejenigen ss der Gewerbeordnung,
wo sie mit ausdrücklichen Worten genannt- sind.
Die — leider Gottes! — bestehende Freigabe der medici¬
nischen Pfuscherei ergibt sich keineswegs aus iy 1 der Gewerbe¬
ordnung. sondern, wie R. v. Land mann a. a. 0. S. 211 sich
richtig ausdrückt, aus der Fassung des § 29 Abs. I in Ver¬
bindung mit £ 147 Abs. I Ziff. 3».
Die Sache liegt alsu so, dass, soweit die Gewerbeordnung in
Betracht kommt, die Lundesgcsetzgcbung für die Aerzte Alles
bestimmen kann, was nicht einer ausdrücklichen Vorschrift wider-
streitet, die von der Gewerbeordnung für die Aerzte getroffen
ist. Daraus ergibt sich, dass man aus dem »Standpunkte der Ge¬
werbeordnung der landesgesetzlichen Einführung ärztlicher Ehren¬
gerichte nichts anliaben kann. Die betreffenden Laiidesgesetze
dürfen nur keine Einzelbestimmungen enthalten, die mit eiu-
sehlägigcn Einzelbestimmungen der Gewerbeordnung nicht im Ein-
klänge stehen. Unstatthaft wäre sonach z. B. eine \ urschrift,
wonach die ärztlichen Ehrengerichte zur Aberkennung der Appro¬
bation sollten befugt sein. Denn über den Approbationsverlwt
bestimmt die Gewerbeordnung erschöpfend. Unstatthaft wäre eim
Bestimmung, welche die Ueberschreitung eines gewissen Honorar-
satzes an und für sich und die Verweigerung der ärztlichen
Hilfeleistung als solche für standeswidrige Handlungen erklären
wollte. Denn das wäre mit den iyjy 80 und 144 der Gewerbe¬
ordnung im Widerspruch. Dagegen steht nicht das Mindeste im
Wege, den unlauteren Wettbewerb oder die Verweigerung der Noth-
hilfc als standeswidrig zu verpönen.
Noch haltloser sind die Gründe, die gegen die Zulässigkeit
der landesrechtlichen Einführung von Ehrengerichten aus den Reichs-
justiz- und Strafgesetzen hergeleitet worden sind.
Wenn § 16 des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes sagt: A u >
nahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen
Richter entzogen werden», so bezieht sich das auf die reichsreeht
lieh geregelte Gerichtsbarkeit, d. h. auf die Gerichtsbarkeit in
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen. Pa ersten 1
nicht in Frage steht, handelt es sich also lediglich darum, ob
sich sagen lässt, dass eine Verletzung ärztlicher Beriifspflichten
nur als strafbare Handlung in Betracht kommen und daher,
überhaupt, nur von den ordentlichen Strafgerichten abgcurtheilt
werden kann.
Das ist unbedingt zu verneinen. Es gibt ja Verletzungen
ärztlicher Berufspflichten (St.*G.-B. § 300), die den Tbatbcstanu
strafbarer Handlungen bilden, ganz so wie es auch Anitaverbreehon
gibt; diese sind von den ordentlichen Strafgerichten abzuurthcih'n
Aber dass jenes die einzigen Fälle, dieses die einzige Form W
Diqitized by
27. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1053
in denen und in der der Staat einseh reiten könnte, wäre doch
eine zu gewagte Behauptung.
Hamburger allerdings ist in seinem Aufsätze anderer
Meinung. Kr sagt dort: «Es ist ohne Weiteres zuzugeben, dass
auf Disciplinarstrafsaehcn weder das deutsche GerichtsVerfassungs¬
gesetz noch die Strafprozessordnung Anwendung finden, obwohl
sie nirgends ausdrücklich von deren Geltungsbereiche ausgenommen
sind. Selbstverständlich kann aber das Landesrecht dadurch, dass
es eine Strafsache als Discipiinarsache bezeichnet, dieselbe nicht
willkürlich dem Geltungsbereiche des Reichsreehts entziehen. Viel¬
mehr kann die Grenzlinie, bis zu welcher ein Reichsgesetz reicht,
nur aus dessen Interpretation gefunden werden. Danach setzt
ein Disciplinarstrafrecht stets das besondere G ewal ts verhält niss
voraus, in welchem der Beamte zum Staate steht, während dem
Letzteren zum Schutze seiner Macht jedem anderen Untcrthanen
gegenüber, von polizeilichen Zwangsmitteln abgesehen, nur die all¬
gemeine Strafgewalt zur Seite steht. Die Existenz eines Maeht-
verhültnisses besonderer Art, das eine Disciplinargewalt gegen
1 ’nterthanen geben könnte, ohne dass diese Beamte sind, ist für
das Landesstaatsrecht zu verneinen. >-
Das kommt also, kurz gesagt, auf Folgendes hinaus. Es
gibt neben dem Criminalstrafreeht nur ein Disciplinarstrafrecht,
und es gibt ein Disciplinarstrafrecht nur für Beamte. Landes¬
rechtlich kann nur ein Bcamtendiseiplinarstrafrccht geschaffen
werden.
Hamburger scheint mir liier dadurch cinigeruiassen in
Verwirrung geratben zu sein, dass der Sprachgebrauch des gewöhn¬
lichen Lebens, wenn er von Diseiplinarreeht redet, vorzugsweise
an den öffentlichen Dienst denkt. Aber das ist doch nur das
Hauptanwendungsgebiet. La band's Lehre, an die Hamburger
offenbar denkt, dass das Disciplinarstrafrecht des Staates gegen
seine Diener auf einer besonderen Dienstgewalt beruhe, ist bestritten.
Aber von diesem Streite abgesehen, ist es doch bekannt, dass das
Disciplinarstrafreebt ein viel weiteres, unbestrittenes Anwendungs¬
gebiet bat; es gibt ein solches in der Gemeinde, der Kirche, der
Schuh*, der Universität, der Rechtsanwaltschaft, den parlamenta¬
rischen Körperschaften, dem Gefängnisswesen, der öffentlichen
Armenpflege u. s. f.
Die Sache wird vielleicht noch deutlicher, wenn mau das Fremd¬
wort durch deutsche Ausdrücke ersetzt. Neben dem peinlichen
und dem Polizei- (Verwaltung«) Strafrecht steht das Ordnungs¬
strafrecht; ein Theil des letzteren ist das Dienststrafrecht;
nur letzteres hat den Bestand eines öffentlichen Dienstverhältnisses
zur Voraussetzung. Vgl. A. Hanoi, Deutsches Staatsrecht, Leip¬
zig 1892, I S. 456 ff.
Die Gesetzgebungszuständigkeit des Reiches nach Art. 4
Ziff. 13 der Reichs Verfassung (gemeinsame Gesetzgebung über das
Strafrecht) erstreckt sich zwar auf das peinliche und Polizeistraf¬
recht, nicht al»er auf das Ordnungsstrafrecht. Vgl. A. Häncl
a. a. O. S. 459 f., K. Bin ding, Handbuch des Strafrechts,
Leipzig 18^5, T. S. 274. ft’., meinen Commentar zur Verfassungs-
Urkunde für das Deutsche Reich, 2. Aufl., Freiburg i. B. und
Leipzig 1897, S. 98 f. Daraus folgt, dass das Ordnungsstrafreeht
Strafrecht weder im Sinne des Reichsstrafgesetzbuches noch des
Reichsgerichtsverfassungsgesetzcs ist und dass daher die Handhabung
des Ordnungsstrafrechts nicht zur ordentlichen streitigen Gerichts¬
barkeit gehört. Hiernach ergibt sich, dass das Landesrecht nicht
behindert ist, besondere Ehrengerichte mit der Verhängung von
Ordnungsstrafen zu betrauen.
Es obwaltet nach alledem für mich kein Zweifel, dass eine
reichsrechtliche Unmöglichkeit nicht besteht, im Wege der Landes¬
gesetzgebung ärztliche Ehrengerichte zu schaffen. Darüber, ob die
Einrichtung zweckmässig ist, hat der Jurist als solcher nicht zu
urtheilcn.
Die Suggestion in dem Processe Berchtoid.
Die Verhandlung über einen im Februar dieses Jahres in
München begangenen dreifachen Raubmord ist vor Kurzem vor
dem Schwurgericht mit der Verurtheilung des angeklagten Maurers
Bcrchtold zu Ende gegangen. Das Entsetzliche der Unthat, die
Raffinirtheit des Vorgehcus des Mörders, der Umstand, dass nur
Indicicnbeweise gegen ihn Vorlagen, die bis zuletzt den Wahr-
spruch der Geschworenen nicht mit Sicherheit voraussehen Hessen,
hielten weite Kreise in Spannung. Dem schon im Verlaufe der
Voruntersuchung durch Zeitungsnachrichten geweckten und wach-
gehaltenen Interesse wurde vollends während der Tagung des Ge¬
richtshofes durch ausführliche* Berichte der Presse über den Gang
der Verhandlung reichliche Nahrung zugeführt.
Gelegentlich dieses, somit zu ungewöhnlich ausgedehnter Kennt-
niss gelangten Proeesses ist in dem von dem Anwalt des Angeklagten
vertretenen Princip der Vertheidigung eine Erscheinung hervor-
getroten, die nicht zum wenigsten auch für mcdicinischc Kreise
von Interesse ist, und demnach auch wohl in diesem Blatte eine
Erwähnung verdient.
Der Vertheidiger fusste auf der Voraussetzung, dass haupt¬
sächlich die Darstellungen der Presse, die sich schon geraume Zeit
vor der Verhandlung in Wort und Bild mit der Person des in
Haft befindlichen Berchtoid und mit einem Theil der Ergebnisse
der Voruntersuchung beschäftigt hatten, im Zusammenhang mit
der durch das unheimliche, am hellen Tage verübte Verbrechen
in der Bevölkerung hervorgerufenen Angst und Erregung eine
Kette von Suggestionen gebildet hätten, denen die Belastungs¬
zeugen bona fide erlegen wären. Sie hätten in Folge dessen
Wahres und Falsches, selbst Beobachtetes und von Andern Ge¬
hörtes vermengt und seien durch diese Erinnerung«- und Urtheils-
täusehungen objectiv unglaubwürdig geworden.
Diese Theorie, die sich mutatis mutandis auf fast jeden
derartigen sensationellen Vorfall anwenden Hesse, hat nun offenbar
ihre höchst bedenklichen Seiten. Eine solche generelle Hcrein-
ziehung des Principes der Suggestion, als einer überwältigenden
Macht, der gegenüber selbst psychisch normale Personen ihre
geistige Unabhängigkeit nicht zu wahren vermöchten, müsste noth-
wendigerwoise zu einer grossen Rechtsunsicherheit führen. Der
Stempel geistiger Unterjochung unter die angeblich wirksam ge¬
wesenen suggestiven Einflüsse, der den Zeugen aufgedrückt werden
sollte, fand denn auch in dem Process Berchtoid seinen drastischen
Ausdruck in der ständigen Anwesenheit zweier ärztlicher Sach¬
verständiger, deren Gutachten auch bei ganz einfachen Umständen,
wo die naive psychologische Beurtheilung, wie sie jeder verständige
und erfahrene Mensch zu handhaben versteht, ausreichend gewesen
wäre, vom Vertheidiger angerufen wurde. Dass dies für die Zeugen
unter Umstünden eine grosse Belästigung involviren musste, indem
alsdann mancher zu seinem Erstaunen plötzlich die Frage discutirt
sah, oh er nicht etwa geisteskrank oder psychisch minderwertig
sei, liegt auf der Hand.
Dem Geschick und Taktgefühl, mit dem sich die Sach¬
verständigen, Obermedicinalrath Prof. Dr. G rashey und Freiherr
Dr. v. Sehren k-Notzing, ihrer heikein Aufgabe entledigten,
kann nur die vollste Anerkennung gezollt werden. Insbesondere
wirkte es klärend und wahrhaft wohlthuend, als Prof. Grashey
in das verscliwimmende Problem des suggestiven Elementes in
den Zeugenaussagen einen festen Gesichtspunkt brachte, indem er
seine Ueberzeugung dahin aussprach, dass, wenn vielleicht in dem Pro-
eesse auch suggestive auf die Belastung des Angeklagten wirkende
Momente in der anfänglichen allgemeinen Aufregung, in den eifrigen
Berichten der Presse und den umherlaufenden unsicheren Gerüchten
gelegen gewesen seien, doch auch das Vorhandensein so vieler und
gewichtiger Gegensuggestionen in der im Laufe der Zeit wieder
cintretcnden Beruhigung, ferner in gegentheiligen Pressnachriehton
und vor Allem bei der Verhandlung selbst in dem Bewusstsein,
öffentlich unter Eid eine Aussage von so ausserordentlicher Ver¬
antwortung zu machen, anzuerkennen sei, dass bei geistesgesunden
Menscheu die Wirkung der ersteren dadurch mindestens paralysirt
werden müsste.
Das Hauptbedenken, das man dem Vorgeben der Vertheidigung
entgegenhalten muss, Hegt unseres Erachtcus darin, dass mit dem
Worte < Suggestion » unnöthiger Weise ein Terminus in den Ge¬
richtssaal gebracht wurde, der den Geschworenen nicht geläufig ist,
hinter dem sie etwas Unbekanntes, für sie in seiner Wirkung nicht
Abscliätzbaros vermuthen müssen, der also die Klarheit ihres Ur-
tlieils beeinträchtigen muss.
Der Ausdruck Suggestion ist ursprünglich dem hypnotischen
Experiment entnommen. Man hat erfahren, dass in dem schlaf-
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1054
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
artigen Zustand der Hypnose, der eine Willensbescliränkung in-
volvirt, besonders leicht in dem Individuum von aussen her durch
Worte oder Sinneseindrüeke Vorstellungen erweckt, ihm eingeredet
werden können, die es mehr oder weniger kritiklos aufnimmt.
In dem hohen M nasse, als es in der Hypnose möglich ist, war eine
solche psychische Beeinflussung des Menschen vor dem Studium dieser
Erscheinungen nicht bekannt und demnach die Aufstellung eines
besonderen Kunstausdruekes, eben desjenigen der Suggestion, wohl
berechtigt. Dass «analoge Beeinflussungen, obwohl in weit schwä¬
cherem Grade, auch im wachen Zustande möglich sind, dass sich
viele J.cute in Bezug auf Urteile über eomplicirte Verhältnisse
und überhaupt auf Dinge, die sie nicht gründlich verstehen, oder
die der Natur der Sache nach den Operationen des Verstandes
nicht zugänglich sind, also in Bezug auf künstlerischen und lite¬
rarischen Geschmack , auf religiöse Vorstellungen u. s. w., sich
leicht lenken lassen , das war längst und allgemein bekannt.
Man kann also vom wissenschaftlichen Standpunkte aus nichts
dagegen einwenden , wenn man auch für diese Erscheinungen die
Bezeichnung der Suggestion wählt. Schliesslich kann man sogar
die ganze Beeinflussung durch die Erziehung unter diesen Begriff
bringen. Aber ob es praktisch ist. das Wort *: Suggestion» auch
in das tägliche Leben oinzuführon, das ist eine ganz andere Frage,
die wir, wie gesagt, verneinen möchten.
Mit der Anwendung des fremden Wortes auf bekannte Dinge
entfremdet man diese tliatsäehlich bis zu einem gewissen Grade
dem allgemeinen Verständnis«. Der von der Hypnose lierühcr-
trenommene Terminus überträgt auf Alles, was unt<r ihn ein¬
gerechnet wird, für den Laien etwas von dem für ihn befremdlichen,
räthselhaften, fast mystischen Charakter der Hypnose. Lud das
ist nicht gut. Wenn der Vertheidigcr in dem Processc frug: Herr
»Sachverständiger, gibt es eine »Suggestion durch ein Bild Vs und
eine bejahende Antwort erhielt, so hat er in dieser allgemeinen
Fassung der Frage den »Sachverständigen wesentlich um seine Er¬
fahrung in hypnotischen Dingen und in Sachen einer nach allen
Kegeln der Kunst mit voller, bewusster Absicht in Scene gesetzten
Suggestion angegangen. Eine Lebertragung solcher besonders ge¬
arteter Erfahrungen auf das Getriebe des Alltagslebens ist aber
nicht ohne Weiteres statthaft. Lml wenn von einer allgemeinen
Angstsuggestion in der Bevölkerung die Bede war und als Beispiele
psyschiseher Epidemien nun Flagellantenzüge, \Y undererscheinungen
ii, dergl. lierbeigezogen werden, so sind das ((ualitativ in Bezug
auf die Geistesverfassung der dabei agirenden Personen und vor
Allem quantitativ in Bezug auf die einwirkenden psychischen
Factoren doch ganz andere Dinge. Man spreche vor Gericht,
wo es am Platze ist, von Ucbertreifcnngc», von»leichtgläubigem,
gedankenlosem Nachreden, von Irrthümcrn des Gedächtnisses u. s. w.,
aber man lasse die Suggestion aus dem Spiele.
Der psychologische Laie, der als Geschworener den Wahrsprnch
zu fällen hat, ist durchaus im »Stande, an der leitenden Hand des
Richters alle die Verhältnisse, die für Belastung und Entlastung
des Angeklagten in Frage kommen, zu beurtheilen, vorausgesetzt,
dass man die volksübliche »Sprache redet. Aber wenn man z. B.
da, wo cs sieh um eine mögliche Verwechslung zweier Personen
handelt, von einer »Suggestion durch ein Bild spricht , so ist. das
entschieden nicht allgemein verständlich und muss verwirrend wirken.
Was würde eine solche Suggestion durch ein Bild, von der
in dem l’rocess so viel die llede war, denn überhaupt bedeuten V
Nach blossen Gerüchten und ungenauen Beschreibungen kann
sich wohl irrthümlich die mehr oder weniger feste Vermutlmng,
ja wir wollen selbst sagen die Uebcrzeugung bilden, dass eine
gesehene und eine der Tliat verdächtige Person identisch seien.
Die Phantasie ergänzt eben den ein ganz unvollständiges Bild
gebenden Bericht nach dem Erinnerungsbilde. Aber der präcise,
jeder phantastischen Umarbeitung widerstrebende Eindruck einer
vorgelegten Photographie fordert geradezu zwingend die kritische
IInterseheidung zwischen ihm und dem Erinnerungsbild heraus.
Und der erste so gewonnene Eindruck ist rnaassgebend. Ist aus
ihm der Schluss gefolgt, dass keine Aehnlichkeit vorliege, so
bleibt auch die Erinnerung an diesen »Schluss bestehen und cs
kann nicht behauptet werden, dass bei einem geistig normalen
Menschen allmählig der Eindruck einer anfänglich als unähnlich
erkannten Photographie mit dem incongruenten Erinnerungsbilde
No. 43
verschmelze. Hat aber von vornherein im Gedächtnis» kein Er¬
innerungsbild an die gesehene Person gehaftet, so bleibt beim
Beschauen eines Bildes natürlich auch das Bewusstsein einer ver¬
gleichenden psychischen Thätigkeit mit einem bestimmten Er¬
innerungsbild ganz aus. Man findet das Bild nicht ähnlich und
nicht unähnlich , man hat eben gar keine Beziehungen zu dem¬
selben. Diese That.sacbe aber prägt sieh ebenfalls dem Gedächtnis
ein und hilft mit dazu, zu verhindern, dass etwa später die
Firinnernng an das Bild für die Erinnerung an die Person selbst
gehalten werde. Uehrigens folgt ja der Vorlegung eines Bildes
zu gerichtlichen Becognoscirungswerken ganz regelmässig noch die
Vorführung der verdächtigen Person selbst, die für die Eriunerung
natürlich noch überaus viel mehr Anhaltspunkte zur Vergleichung
nach Form, Farbe, Klang der »Stimme u. s. w. liefert, als eine
Photographie und dadurch noch viel beweisender wird.
Wie war es denn tliatsäehlich in dom Processc? Eine
Zeugin hat dem Schreiber dieser Zeilen erzählt, dass sic in einer
ihr vorgelegten wenig charakteristischen Photographie des Berelitold
einen Mann zu erkennen geglaubt hatte, der sich in ihre Wohnung
einzudrängen versucht, hatte. Diesen Eindruck konnte sic aber
bei der (’onfrontation mit dem Angeklagten selbst nicht aufrecht
erhalten. Hier hatte offenbar die Photographie gemeinsame Züge
mit dem ErinneVungshilde aufgewiesen, sicherlich aber hatte sie,
wenn sie, wie gesagt, auch wenig gut war, doch auch solche
mit dem Angeklagten selbst. liier wäre nun doch die beste
Gelegenheit, zur Suggestion gewesen. Wenn hier bei den ähn¬
liche» Erinnerungsbildern von dem gesehenen Manne einerseits
und der Photographie des Angeklagten andererseits eine \ er-
Schmelzung stattgefunden hätte, so würde man sich nicht wundern
dürfen. Es hätte dann der Zeugin auch die Person des An¬
geklagten selbst ähnlich Vorkommen müssen. Dieser Erfolg trat
aber nicht ein.
Eine andere Zeugin fand Aehnlichkeit zwischen einem den
Berelitold darstellenden Holzschnitt und einem Manne, der sich
bei ihr seinerzeit ebenfalls und zwar zu verschiedenen Malen unter
verdächtigen Umständen in die Wohnung drängen wollte. Auf
Grund der eben erwähnten uncharakteristischen Photographien, die
ihr auf der Polizei vorgelegt wurden, verschwand dagegen ihre
Vermutung vollständig, so dass sic sehr unangenehm erstaunt
war, als ihr später doch noch der in Untersuchungshaft befind¬
liche Berelitold gegenüber gestellt wurde. »Sic war völlig vorein¬
genommen und hielt den Gang für eine unnüthige Belästigung.
Als sie aber den Mann nun persönlich sah, identificirte sie ihn
ohne Besinnen sofort mit. dem seinerzeitigen verdächtigen Besucher.
Hier war offenbar das Erinnerungsbild an die frühere Begegnung
noch ein sehr deutliches und es eontrastirte lebhaft uiit einer
nicht ganz ähnlichen Photographie des Angeklagten. Mit dein
Eindruck von der Person des Augeklagten selbst dagegen ver¬
schmolz cs augenblicklich.
Wohin die missverständliche und missbräuchliche Benutzung
des Begriffes der Suggestion im Volke führen kann, das konnte
man an Ansichten sehen, wie sie in einem Blatte aufgetaucht
sind , wo ein Tlieil der Zeugen als durch die auf die Eruirung
des Thäters ausgesetzte Belohnung geradezu hypnotisirt bezeichnet
wurde. Wer in eidlicher Aussage, von der das Leben eines
Menschen abbängt, sich durch die Aussicht auf Gewinn beein¬
flussen lässt, wem die ganze Wucht dieser Verantwortlichkeit kein
mehr als ausreichendes Gegengewicht gegen niedrige Habsucht
bildet, der ist weder einer Hypnose noch einer Suggestion ver¬
fallen, der ist nicht mehr und nicht weniger als ein Schurke.
Der Ausgang des Processes hat bewiesen, dass der gewandte
und schlagfertige Verthcidiger seine Auffassung, mit der es ihm,
wie wir überzeugt sind, hocliernst war, bei den Geschworenen
und dem Gerichtshof nicht zur Geltung bringen konnte. Es tst
dringend zu wünschen und wohl auch zu hoffen, dass das Beispiel
dieser Art von Verteidigung keine weitere Nachahmung finden
möge. Wie es schon immer geschehen ist, so werden auch fernerhin
die recht sprechenden Factoren die Glaubwürdigkeit oder Unglaub¬
würdigkeit der Zeugen und alle Umstände, die auf ihre Aussagen
von Einfluss sein konnten, auf das Genaueste zu prüfen haben.
Aber das werden sie auch ohne das Schlagwort der Suggestion
-da
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27- October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1055
können. Den psychiatrischen Sachverständigen werden sie über
die Frage der Geisteskrankheit hinaus nicht zu bemühen brauchen.
Moritz.
Referate und Bücheranzeigen.
y. Jak sch: Klinische Diagnostik innerer Krank¬
heiten mittelst bacteriologischer, chemischer und mikro¬
skopischer Untersuchnngsmethodeil. 4. vermehrte und ver¬
besserte Auflage. Mit zahlreichen, theilweis mehrfarbigen Illu¬
strationen in Holzschnitt. Wien und Leipzig. Urban und
Schwarzenberg, 1896.
Dieses Buch, welches in dieser Wochenschrift, 1887 No. 19
und 1892 No. 33 angelegentlich empfohlen wurde, hat in zehn
Jahren 4 Auflagen erlebt. Dieser Erfolg spricht nicht nur für
den inneren Werth und die Brauchbarkeit, sondern er gibt auch
dem Verf. die Gelegenheit, in nicht zu kurzen und nicht zu
langen Intervallen durch Neubearbeitungen sein Werk auf der
Höhe der Zeit zu erhalten. Rec. kann bezeugen, dass Verf. auch
dieses Mal die gebotene Gelegenheit ausgiebig benutzt und das
wesentliche Neue dem Buch einverleibt hat. Auch Verbesserungen
der Abbildungen, besonders im helminthologischen Abschnitt, sind
vorgenommen worden. So ist die klinische Diagnostik v. Jaksch's
in den Stand gesetzt, ihren guten Ruf zu erhalten und zu ver¬
mehren. Penzoldt.
Dornblüth Rostock: Gesnnde Nerven. Aerztliche
Belehrungen. Verlag von W. Werth er. Rostock 1896.
Der Verfasser des Werkehens, der meines Wissens auch schon
andere populär geschriebene medicinische Arbeiten mit Erfolg
publieirt hat, wendet sich im vorliegenden, 189 Seiten starken
Buche als ärztlicher Rathgeber an Nervenkranke und Nerven¬
schwache. Allein es wird noch besser wirken, wenn es auch
recht viele Gesunde lesen; denn es bietet nicht nur dem schon
Kranken die nützlichsten Rathschläge über seine Erkrankung und
die Hilfsmittel zu ihrer Bekämpfung, sondern enthält zugleich
für Jeden die hauptsächlichsten Winke für eine gesund erhaltende
Lebensführung. Die populäre Form dieser ärztlichen Belehrungen
finde ich in D.s Buche ganz besonders glücklich getroffen; denn
es ist anregend und amüsant zu lesen und hält sich mit Geschick
ferne von jener den Laien hypochondrisch machenden mediciuischen
Kleinmalcrei, die z. B. Bocfs Buch vom gesunden und kranken
Menschen für manche Familie nicht zu einer Quelle des Trostes,
sondern hypochondrischer Depressionen gemacht hat. Dem l)orn-
blüth’sehen Buche dagegen ist mit Recht zu wünschen, dass
möglichst viele Aerzte es kennen lernen und als stillen Bundes¬
genossen ihrer hausärztlichen Bestrebungen in möglichst, zahlreiche
Familien einführen. Dr. Grassui anii- München.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. 31 Band, 1. und 2. Heft.
1) E. Biernacki: Aus dem Laboratorium der allgemeinen
Pathologie und der medicinisch - diagnostischen Klinik zu
Warschau. Beiträge zur Pneumatologie des pathologischen
Menschenblutes, zur Blutgerinnungsfrage und zur Lehre von
der Blutalkalescenz in krankhalten Zuständen.
Nach einer Besprechung der Literatur beschreibt Verfasser
zuerst die Methode seiner Untersuchungen. Ein Theil des durch
Venaesection gewonnenen Blutes wurde mit Natriumfluoratlösung
vermischt, um die Gerinnung zu verhindern, ein anderer Theil sofort
defibrinirt. Hierauf wurde das Blut an einem kühlen Ort oder in
Eis aufbewahrt und nachher theils durch Sauerstoffdurchleitung,
theils durch Schütteln mit Luft urterialisirt und hierauf in die
Blutgaspumpe tibergeführt. Ausserdem wurde auch bei mehreren
Untersuchungen das venöse Blut unter Vermeidung von Luft¬
zutritt entgast. Gleichzeitig wurde der Gehalt des Blutes an Trocken¬
substanz und Eisen bestimmt. Die Resultate des Verfassers sind:
1. Stickstoff findet sich im arterialisirten Blute manchmal in grösseren
Mengen als dem Absorptionscoefficienten entsprechen, nach Ver¬
fasser wahrscheinlich durch Zersetzung aus organischen Körpern ent¬
standen. 2. Ans dem arterialisirten Fluoratblut lässt sich auch bei
deutlicher Haemoglobinarmuth dieselbe Menge Sauerstoff aus¬
pumpen wie aus normalem. Erst bei den höchsten Graden
der Haemoglobinverarmung findet sich eine Verminderung
der 0-Mengen, aber lange nicht dem Grade der Haemoglobin¬
armuth entsprechend. Im d ef i brinirten Blut dagegen sinkt
der O-Gehalt an auspumpbarem 0 mit dem sinkenden Eisen¬
gehalt. Je später das undefibrinirte Blut arterialisirt und entgast
wird, desto geringer ist sein Gehalt an auspumpbarem Sauerstoff;
das defibrinirte Blut verhält eich gerade umgekehrt. 3. CO*
lässt sich aus dem frischen arterialisirten Fluoratblut mehr aus¬
pumpen, als au,8 dem defibrinirten Blut. Im Fluoratblut findet man
umso weniger COa, im defibrinirten um so mehr, je später das
Blut arterialisirt und entgast wird. (Fortsetzung folgt.)
2) G. Dieballa: Beitrag zur Therapie der progressiven
pernieiösen Anaemie. (Aus der II. medicinischen Klinik in Buda¬
pest. Prof. Ketli).
Verfasser berichtet über einen Fall von pernieiöser Anaemie
bei einem 50jährigen Taglöhner, bei welchem Ferratin, anfangs
allein, später in Verbindung mit Knochenmark, hierauf mit Sauer¬
stoffinhalationen, dann Arsenik, Ferrum protoxalatum und Chinin,
aulf. vollständig wirkungslos waren, während durch Salolgebraucb,
5 g pro die die Zahl der rottaen Blutkörperchen von 500 000 in
3 Monaten auf 4 000000 stieg und auch nach Aufhören der Salol-
medicatiou sich auf dieser Höhe erhielt, sodass der Fall als in
Heilung übergegangen angesprochen werden darf Dass es sich wirk¬
lich um pernieiöse Anaemie handelte, dafür sprach der Blutbefund,
die enorme Verminderung der rothen Blutkörperchen, das Auftreten
von kernhaltigen Erythrocyten und von Poikilocyten. ln der relativ
geringen Abnahme der Leukocyten erblickt Verfasser ein Zeichen
dafür, dass das Milz- und Knochenuiarksystem noch genügend func-
tionirte, und betrachtet daher dieses Verhalten der Leukocyten als
ein prognostisch günstiges Zeichen. Die günstige Wirkung des Salols
erklärt Verfasser durch die Annahme, dass es die eigentliche Ursache
der Krankheit, die im Darmtracte nistenden Mikroorganismen ver¬
nichtete.
3) O. Nehring und E. Schmoll: Ueber den Einfluss der
Kohlehydrate auf den Gaswechsel des Diabetikers. (Aus dem
Laboratorium der I medicinischen Klinik v. Leyden’s in Berlin).
Die Verfasser untersuchten an 2 Diabetikern, die an den Tagen
vor den Versuchen mit kohlehydratfreier Kost ernährt wurden und
sich im N-Gleichgewicht befanden, den Gaswechsel mit dem Zuntz-
Geppert'schen Apparat zuerst im nüchternen Zustande, dann nach
Aufnahme einer meist nur aus Kohlehydraten, seltener aus einer
gemischten mit Vorwiegen der Kohlehydrate bestehenden Nahrung
und fanden Folgendes: Im nüchternen Zustand ist die O-Aufnahme
und CO>-Ausscheidung beim Diabetiker dieselbe, wie sie von Leo
an Diabetikern und vou Magnus Levy an Normalen gefunden
wurde; der respiratorische Quotient sinkt beim Diabetiker in den
ersten Stunden nach der Kohlehydrataufnahme, was
durch eine Ablagerung von Glycogen zu erklären ist, und zwar
häufig unter den theoretisch niedrigsten: 0,71. Diese
niedrigen Werthe 0,683, 0,691 etc. können nicht durch die Aus¬
scheidung von Aceton und Acetessigsäure erkläit werden, sondern
sind auf eine Glycogenbildung aus Eiweiss zurückznftihren. Bei
blosser Eiweiss-Fettnahrung war nur einmal ein Sinken des respira¬
torischen Quotienten zu beobachten, doch erreichte er dabei keinen
untertheoretischen Werth, sodass die Beschränkung der Eiweiss-
zersetzung durch die reichliche Fettzufuhr zur Erklärung des Ab¬
sinkens ausreicht. Endlich zeigte sich, dass nach Aufnahme von
reinem Traubenzucker in den ersten 2 Stunden der O-Verbrauch
nur wenig, nach Aufnahme von Milchreis dagegen sehr beträchtlich
stieg, was für die Annahme spricht, dass durch die von dem Darm¬
canal geleistete stärkere Arbeit nach Nahrungsaufnahme eine Re-
Bpirationserhöhung bedingt wird
4) S. Kali scher: Ueber Poliencephalomyelitis und Muskel-
ermüdbarkeit (Myasthenia). (Zu einem kurzen Referate nicht
geeignet.)
5) Lüthje: Beiträge zur Kenntniss der Alloxurkörper-
ausscheidung. (Aus der I medicinischen Klinik v. Leyden’s.)
1. Bei Bleiintoxication findet sich, wie neue Untersuchungen
des Verfassers im Verein mit den früher mitgetheilten ergeben,
keine Retention der Harnsäure Die Alloxurbasen erreichen hiebei
oft sehr hohe Werthe, bis zu dem 3fachen der Harnsäure.
2. Durch Milzfütterung konnte Verfasser nur an einem Tage eine
Erhöhung der Alloxurkörperausscheidung, sonst immer gewöhnliche
Werthe finden; er erklärt diese Inconstanz der Alloxurkörper-
ausscheidung durch die Annahme, dass nur diejenigen Zersetznngs-
producte der Nuclel'ne als Alloxurkörper zur Ausscheidung gelangen,
welche in dem Momente, wo Bie diese Stufe erreicht haben, am
Nierenfilter angelangt sind, also namentlich die in der Niere selbst
und die innerhalb der Blutbahn entstandenen, während die übrigen
zu Harnstoff verbrennen 3. Beim Hunger ist die Alloxurkörper-
ausscheidung in demselben Verhältnis« vermindert, wie der Ge-
sammt-N Das Verhältnis zwischen Harnsäure und Alloxurbasen
ist ein etwas constanteres.
6) R. Oesterreich-Berlin: Operative Heilung einesFalles
von Morbus Addisonii.
Verfasser berichtet über einen Fall von einseitiger Nebennieren-
tuberculose, bei welchem ein retroperitonealer, maligner Drüsen¬
tumor diagnosticirt worden war und desshalb t die Exstirpation der
kleinapfelgrossen Geschwulst ausgeführt wurde. Die Untersuchung
der Geschwulst liess dieselbe als eine tuberculöse Nebenniere er¬
kennen. Die früher vorhandenen Symptome, die Cachexie, die
hochgradige Muskelschwäche, die gastrointestinalen Störungen, die
heftigen Schmerzen in der Magen- und Kreuzgegend verschwanden
nach der Operation völlig und Patientin befindet sich. jetzt voll¬
kommen wohl. Da ausser einem alten Herd in der einen Lungen-
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1056
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
spitze und dem obenerwähnten Tumor keine andere organische
Krankheit nachgewiesen wurde, so muss auch bei dem Fehlen der
Hautfärbung die tuberculöse Nebenniere als Ursache der allgemeinen
Erkrankung angesprochen werden und zeigt dieser Fall, dass mit
unter eine operative Heilung des Morbus Addisonii erzielt werden
kann Verfasser schlägt vor, bei sichergestelltem Morbus Addisonii
beide Nebennieren blosszuiegen und die erkrankte, respective beide
zu exstirpiren, eine Operation, die in Anbetracht des Umstandes,
dass sich die cuberculös erkrankte Nebenniere viel leichter aus ihrer
Umgebung herausschälen lässt als die gesunde, nicht allzuschwierig ist.
7) A Högersted t und M. Nemser: Ueber die krank¬
hafte Verengerung und Verschliessung vom Aortenbogen aus¬
gehender grosser Arterien. (.Aus «lern Peter-Paul-Hospital zu
St. Petersburg.)
Im Anschluss an einen schon früher veröffentlichten diesbezüg¬
lichen Fall theilen die Verfasser die Krankengeschichten zweier Fälle
mit. Bei dem einen waren klinisch neben einer Monoplegie die
Erscheinungen der Aorten Stenose- und Insufficienz, starke Äthero-
matose und kaum fühlbarer Puls im Gebiete der rechten Subclavia
vorhanden. Die Section ergab ausser den atherorontösen Verän !e
rungen der Klappen und der Wand der Aorta eine starke Ver¬
engerung des Ursprungs der Art. annnyma. Bei dem anderen Fall
war neben der Myodegeneration des Herzens völliges Fehlen des
Pulses in dem Gebiete der rechten Subclavia mit stärker ausge¬
prägtem Oedem und stärkerer Cyanose des rechten Arms zu con-
statiren. Die Section ergab eine trichterförmige Vertiefung an der
Ursprungsstelle der Anonyma, die Lichtung der Anonyma in ihrem
weiteren Verlauf, sowie die der rechten Subclavia, Brachialis, Radi-
alis und Ulnaris war völlig verwachsen. Als Ursache dieser Ver¬
engerung respective Verschliessung der Abgangsstelle der grossen
Arterien nehmen die Verfasser als die häufigste eine autochthone
Thrombosirung der Gefässostien in Folge direeter I.aesion ihrer
Wandung an, Vorgänge, welche durch die mit Vorliebe an diesen
Stellen sich einfindende Arteriosklerose bedingt werden. Die Ver¬
schliessung der Art. anonyma kann ohne merkliche Beeinträchtigung
des Pulses in der rechten Carotis zu Stande kommen da hier der
Collateralkreislauf sehr leicht hergestellt wird. Verengerung resp.
Verschliessung der Art anonyma oder Subclavia kann, wie in den
mitgetheilten Fällen, sehr wohl der Vermittelung eines circnm-
scripten Aortenaneurysmas entbehren, dagegen spricht das Vor¬
handensein eines Pulsus differetis in den Carotiden direct für die
Existenz eines Aortenaneurysmas, da erfahrungsgemäss Stenosen
der Anfangstheile dieser Gefässe nicht ohne solche Coinplication
erfolgen. Zum Schlüsse weisen die Verfasser auf den sogenannten
angiosklerotischen Rheumatismus hin; hiefür charakteristisch sind:
neuralgiforme, sehr intensive Schmerzen, begrenzte Oedeme, trockene,
abschilfernde Haut, Verschlimmerung durch Witterungswechsel,
wozu noch Kraftverminderung. Abmagerung und Gangraen der be¬
troffenen Extremität kommen kann, lauter Symptome, die durch die
meist von der Peripherie zum Centrum fortschreitende Verschliessung
grosser Arterienstämme verursacht werden und nur durch genaue
Arterienpalpation richtig gedeutet werden können.
*) A. Adamkiewicz-Wien: Pseudoneurosis traumatica und
deren forensische Beurtheilung. (Zu einem kurzen Referate
nicht geeignet.)
9) W. Janowski: Ein Fall von temporarer Nieren insuffi¬
cienz (Insufficientia renum transitoria.) (Aus der Abtheilung des
Dr. Dunin im Kindlein-Jesu-Hospital zu Warschau.)
Bei einem 32jährigen Arbeiter traten Oedeme an den unteren
Extremitäten auf, die Herzgrenzen wurden normal gefunden, die
Töne rein, der 2. Aortenton verstärkt, der Puls hart, auf den Lungen
war troeknes Rasseln hörbar, die Leber war druckempfindlich, dabei
bestanden Kopfschmerzen und gelbliche blasse Hautfarbe. Urin¬
menge vermindert, specifisches Gewicht 1(L2, frei von
Eiweiss und Zucker. Die Oedeme verschwanden unter Bett-
rnhe allmählich. Im Harn war auch in der Folgezeit nie Eiweiss
nachzuweisen Verfasser glaubt, da die vor der Harnuntersuchung
auf «Nephritis> gestellte Diagnose aufgegeben werden musste,
wenigstens eine «temporäre Niereninsufficienz» in dem vorliegenden
Falle annehmen zu sollen.
10) F. Ingerslev: Chirurgische Scarlatina, eingeleitet von
einer Lymphangitis brachii. (Aus dem Kopenhagener Blegdam
Hospital von Prof. Sörensen.)
Verfasser theilt 3 Fälle mit, bei denen im Anschluss an Ver¬
letzungen mit Lymphangitiden an den oberen Extremitäten ein
scarlatinöses Exanthem mit hohem Fieber und nachfolgender Ab¬
schuppung auftrat. In dem einen Fall war eine folliculäre Angina,
in den beiden letzten Fällen nur scarlatinöse Röthung der Fauces
und der Zunge vorhanden. Bei den ersten beiden Fällen war der
Verkehr mit anderen mit Scarlatina behafteten Personen nachgewiesen.
Lindemann - München
Centralblatt für innere Mcdicin. 1396, No. 42.
A. Keller: Ammoniakausscheidung bei Gastroenteritis
im S&uglingsalter. Vorläufige Mittheilnng. (Aus der Universitäts-
Kinderklinik zu Breslau).
In den meisten Fällen von Dyspepsie und Gastroenteritis ist
die^Ammoniakausscheidung im Urin vermehrt. Bei leichten Dys¬
pepsien fanden sich im VerbältniBB zum Gesammt-Stickstoff 3—9 Proc
Ammoniak-Stickstoff, bei schweren Dyspepsien bis zu 30 Proc., bei
Gastroenteritis bis zu 40, 45 Proc. Geht man von der Erwägung
aus, dass das Ammoniak im Körper die Function der Säureneutrali-
sation zu üben hat und dass es ein Säureindicator ist, so liegt der
Schluss nahe, dass es sich bei den Magendarmstörungen der Säug-
linge mit vermehrter Ammoniakausscheidung um eine 8äureintoxi-
cation handelt. Der Zustand der Leber, die zur Blutalkalescenz
und Säureintoxication in Beziehung steht, erfordert dabei Berück¬
sichtigung. Bei Gastroenteritis ist Leberdegeneration ein häufiger
Befund. Verfasser fand bei seinen Fällen, die zur Obduction kamen
die Lebererkrankung um so schwerer, je höher die Zahlen der
Ammoniakausscheidung irn Verhältnis zum Gesaimnt-Stickstoff
waren Zinn-Berlin.
C'cntralblatt für Chirurgie. 1896, No. 42.
L. Kredel-Hannover: Coxa vara congenita.
K schildert im Anschluss an 2 Fälle (bei einem ft monatlichen
Knaben und einem 3 jährigen Mädchen) eine angeborene Deformität
der Hüfte, die sich durch starke Beschränkung der Abductiou, starke
Aussenrotation, hochgradige Beschränkung der Innenrotation aus-
zeichnet und die in beiden Fällen mit Genu valgutn und Pes varns
der betreffenden Seite combinirt war. K. glaubt, dass das Hüft¬
gelenk schon in utero (wahrscheinlich durch forcirte und «lauernde
Adduction) eine Deformität eingehen kann, die mit der Coxa vara
adolescentium übereinstimmt, sowohl einseitig als doppelseitig Vor¬
kommen kann, die sich aber gut von der rachitischen Schenkelhals
Verbiegung abtrennen lässt. Sehr.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 42.
1) J R. Ewald: Ueber die Beziehungen zwischen der
excitabeln Zone des Grosshirns und dem Ohrlabyrinth.
Vortrag, gehalten auf der diesjährigen Naturforscher-Versamm¬
lung zu Frankfurt a. M ; vergl. darüber den Originalbericht der
Wochenschrift.
2) Krönig-Berlin: Ueber Venaesectionen.
Cfr. den Bericht über die Sitzung der Berl. med. Gesellschaft
in No. 31 dieser Wochenschrift.
3) M. Drey sei- Leipzig: Ueber das Leucoderma syphiliticmn.
Entgegen anderen Anschauungen vertritt Verf aus der klini¬
schen Beobachtung als unzweifelhaft, dass beim L s. auf normaler
oder hyperpigmentirter Haut hellere Flecke enMehen. Ihr häufigeres
Vorkommen hei Frauen führt D. auf die grössere Hautreizbarkeit
bei Frauen, sowie auf Eigenheiten in deren Kleidung zurück Ueber
«lie Histogenese des Leukoderma fand Verf. bei Untersuchung dreier
Fälle, dass es sich um einen wirklichen Pigmentsverlust an der
Stelle des leukodermatischen Fleckens, sowie dass es sich nicht um
absolute Depigmentirungen handelt Bezüglich des diagnostischen
Werthes «les L. s. wendet sich D. gegen die Aufstellungen Lewin’s
bezüglich der Existenz eines Leucod. non syphiliticum Verf. selbst
fand bei 201" «nicht syphilitischen » Personen nur in 0.1» Proc.
Leucoderma, während Lewin in Folge der Art seines Materials
ca. 4 Proc gefunden hatte
4) E. Holländer-Berlin: Zur Frage der Blasenverletzung
bei Bruchschnitt.
H. operirte eine 64 jährige Frau, die vor 26 Jahren Peritonitis
durcligemacht hatte, wegen Hernia inguinalis. Ungefähr 6 Wochen
p op. bekam Pat. Schmerzen beim Uriniren, späterhin wurde eine
Blasenfistel an der Stelle der Bruchpforte oonstatirt. Bei einem
später operirten Fall von Adnextumor konnte Verf. einen den ersten
erklärenden Befund erheben, indem hier durch eine frühere Perito¬
nitis ein Blasenzipfel in die r. innere Bruchpforte gezogen erschien.
An der Spitze des Zipfels sass eine haselnusegrosse Pseudocyste.
II macht auf das eventuelle Vorkommen solcher Cysten aufmerk¬
sam, da sie zur Warnung dienen könnten, beim Bruchschnitt einen
ausgezogenen Blasenzipfel mit abzuschnüren.
Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift l«96, No. 43.
1) Behring und Knorr: Tetanusantitoxin für die An¬
wendung in der Praxis.
Das Tetanusantitoxin wird von «len Höchster Farbwerken in
zwei Formen dargestellt. Ein trockenes Präparat, von dem 1 g
100 Antitoxineinheiten enthält, in Fläschchen von 5 g Inhalt, welches
mit 45 ccm Wasser gelöst zur subcutanen oder noch besser intra
venösen Einspritzung die einfache Heil losis für den Menschen oder
das Pferd repräsentirt, und ein gelöstes Tetanusantitoxin, von dem
I ccm 5 Antitoxineinheiten enthält, zur prophylactischen Anwendung;
die Dosis beträgt 0,5—5,0 ccm subcutan, je nach der Zeit, die seit
der Verletzung verstrichen i«t.
Der Preis der einfachen Heildosis beträgt in Anbetracht der
theueren Heratellungsweise 30 Mk.
2) Th. Rosen heim-Berlin: Ueber Oesophagoskopie und
Gastroskopie.
Vortrag, gehalten in der Section für innere Medicin der 68. Ver¬
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurts. M
Referat siehe diese Wochenschrift No. 39, pag. 932.
3) A. v. Notthafft-München; Ueber einen Fall multipler
Primärkrebse des Dünndarms.
Als Nebenbefund bei der Section eines an croupöser Pneu
monie verstorbenen alten Mannes fanden sich drei stecknadelkop 1 "
bis erbsengrosse Krebsknötchen in der sonst nur senile Atrophie
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27. October 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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zeigenden Dünndarmschleimhaut, welche offenbar vollständig unab- 1
hängig von einander entstanden waren.
4) K. Cassirer: Beitrag zur Differentialdiagnose zwischen
multipler Sklerose und Lues cerebrospinalis. (Aus der Poliklinik
von Prof. Oppenheim in Berlin)
Besprechung der manchmal sehr schwer zu unteischeidenden
Merkmale der multiplen Sklerose und Syphilis des Centralnerven-
systems. Auch in den vorliegenden 3 Fällen ist die Diagnose mehr
oder minder Wahrscheinlichkeitsdiagnose.
5) S. Placzek-Berlin: Uncomplicirte Serratuslähmung.
Beschreibung des sehr seltenen Falles einer auf den Serratus
beschränkten Lähmung, Die Ursache der Lähmung ist wohl in
forcirten Kraftübungen zu suchen.
6) H Cohn -Breslau: Die Sehleistungen der Helgoländer
und der auf Helgoland stationirten Mannschaften der kaiser¬
lichen Marine.
Die Untersuchungen ergaben für die Helgoländer 9 Proc.
unternormale, b Proc. normale und 86 Proc. übernormale, und zwar
30 Proc. sogar zwei- bis dreifache Sehschärfe. Auch von den Marine
mannschaften zeigten 92 Proc. übernormale Sehschärfe. Die Resultate
stimmen mit den 1883 von Schadow auf Borkum gemachten
Untersuchungen, der bei 97 Proc der Schulkinder S = 7/5 fand,
also ziemlich überein. F. L.
Otiatrie.
Fr. Be z old-München: Ueber den gegenwärtigen Stand der
Hörprüfungen. (Ein Auszug aus dieser Arbeit wurde auf der 5. Ver
Sammlung der Deutsch, otol. Gesellsch. 1896 vorgetragen.) Zeitschr.
f. Ohrenh., 19. Bd., 1. und 2. Heft.
Nachdem in den letzten Jahren durch klinische Untersuchungen,
theilweise in Verbindung mit Sectionen, eine grössere Uebercin-
stimmung in der Beurtheilung des Werthes der Hörprüfungen erzielt
worden ist, war von der oben genannten Gesellschaft das Referat
über diesen Gegenstand (specieller Th eil) Bezold, welcher an dem
Ausbau desselben bekanntlich hervorragend betheiligt ist, übertragen
worden 1 ). Nachdem der Verfasser betont hat, dass die Bestimmung
des Hörvermögens nicht nur eine Ergänzung des Krankheitsbildes
geben soll, sondern dass sie auch am besten über die Function jedes
einzelnen Theiles des menschlichen Gehörorgans aufklärt, bespricht
er zunächst die Mittel (Sprache und Bezold's continuirliche Ton¬
reihe) und dann die Methoden, welche uns gegenwärtig zur Hör
prüfung zur Verfügung stehen. Das Resultat der Hörprüfungen bei
den verschiedenen Affectionen des Schallleitungsapparates wird —
grösstentheils auf Grund eigener Untersuchungen — genau erörtert.
Zum Schluss wird eine neue Methode angegeben, welche es ver-
hältnissmä8sig am sichersten ermöglicht, absolute einseitige Taub¬
heit in wissenschaftlichem Sinne festzustellen.
2) F. Si ebenra an n- Basel Ueber die centrale Hör bahn
und Ober ihre Schädigung durch Geschwülste des Mittelhirns,
speciell der Vierhügelgegend und der Haube. Mit 3 Tabellen
und 7 Abbildungen im Text. (Ebenfalls als Auszug auf der 5. Ver¬
sammlung der Deutsch, otol. Gesellsch. vorgetragen.) Ibidem.
Unsere Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen Taubheit
und Affectionen des Mittelhirns datiren erst seit den letzten Jahren.
Siebenmann gibt in der vorliegenden lichtvollen Arbeit eine zu-
^sammenfassende Besprechung der Pathologie und Symptomatologie.
Zum ersten Male wird auf Grund eines nach jeder Richtung im
Leben und nach dem Tode genau untersuchten Falles auch die
otiatrische Seite der Frage erörtert. Auch die anatomischen und
physiologischen Verhältnisse werden eingehend besprochen.
Unter 58 aus der Literatur zusammengestellten Fällen von Vier¬
hügeltumoren fand sich 20mal Schwerhörigkeit, darunter llmal
Bicher in Zusammenhang mit der Hirnaffection. Zu den bekannten
charakteristischen Symptomen der Vierhügeltumoren (Herabsetzung
des Sehvermögens, Ataxie, Augenmuskellähmungen u. A.) kommt
also als weiteres häufiges Symptom Schwerhörigkeit hinzu. Die
Taubheit erklärt sich durch Unterbrechung der centralen Cochlearis-
bahn in der Gegend der lateralen Schleife. Zerstörung der dorsal
von letzterer gelegenen Vierhügelplatte allein ruft keine Schwer
hörigkeit hervor.
Die Hörstörung tritt relativ spät und zunächst nur auf einem
Ohre ein, ergreift aber später fast ausnahmslos auch das andere
Ohr. Die Schwerhörigkeit ist progressiv, das Endresultat meistens
Taubheit. 8ubjective Geräusche sind nur in einer kleinen Minder¬
zahl und nur im Anfang vorhanden. Drehschwindel besteht nicht.
Die Knochenleitung ist verkürzt oder aufgehoben In Siebeninann’s
Falle wurde auch zum ersten Mal die ganze Tonscala in Luftleitung
mit der continuirlichen Tonreihe untersucht. Es fand sich, bei hoch¬
gradiger Schwerhörigkeit für die Sprache, sowohl die untere, als
auch die obere Tongrenze nur auffallend wenig eingeengt — gerade
wie es Bezold bei central verursachter Taubstummheit gefunden
hat. In einem späteren Stadium blieb nur mehr eine Insel in der
viergestrichenen Octave übrig.
Die Lectüre des Originals soll insbesondere auch den Neuro¬
logen empfohlen sein.
3) 0. Brieger, Primärarzt am Allerheiligenhospital: Ueber
die pyaemische Allgemeininfection nach Ohreiterungen. (Aus
der Abth. f. Ohrenkr. am Allerheil. Hosp. zu Breslau.) Ibidem.
4 ) Das Referat über den allgemeinen Theil wurde von Dennert-
Berlin erstattet.
Eingehende, auf reicher eigener Erfahrung beruhende, kritische
Besprechung der Diagnostik und Therapie. S'on der Pyaemie ohne
Sinusphlebitis will Brieger die Dermatomyositis abgetrennt wissen.
Die gegen Pyaemie ohne Sinusphlebitis vorgeschlagene Unterbindung
der Jugularis wird als zwecklos und gefährlich verworfen. Auch bei
Sinusphlebitis ist Brieger nur dann für die Unterbindung der
Jugularis, wenn die letztere nriterkrankt ist. Zur probatorischen
Untersuchung des Sinusinhalts hält er die Probeincision für weniger
gefährlich als die Probepunction
In 2 Fällen von Thrombose des Sinus cavernosus trat nach
Eröffnung des unveränderten Sinus transversus ein auffallender Rück¬
gang der Erscheinungen ein, so dass der Verfasser zur Behandlung
der Thrombose des schwer erreichbaren Sinus cavernosus die ver¬
suchsweise Eröffnung des Sinus transversus vorschlägt, während er
sich von der Aufsuchung des Sinus cavernosus nach der von Krause
für die intracranielle Trigeminus-Resection empfohlenen Operations¬
methode wenig verspricht. Bezüglich des Abschnittes über die
Diagnostik kann hier nur auf die Abhandlung selbst verwiesen werden.
4) Jos. Pollak: Officieller Bericht über die Verhandlungen
des ersten Oesterr. Otologentages. (Monatsschr. f. Ohrenh. 1896,
No. 7.)
5) Ferd. Alt: Ueber apoplectiforme Labyrintherkran¬
kungen bei Caissonarbeitern. (Aus den Untersuchungen über
Erkrankungen bei Caissonarbeitern der III. medicinischen Klinik
des Prof, v Schrott er und der Ohrenklinik des Prof. Gruber.)
Ibidem No. 8.
Ausser leichteren kamen 3 schwere Fälle von Erkrankung des
Labyriuths zur Beobachtung mit hochgradigster Schwerhörigkeit. Es
blieb in allen Fällen einseitige Taubheit zurück. Auch die Schwer¬
hörigkeit des anderen Ohres besserte sich nur wenig. Entsprechend
dem Ausgang nimmt Alt Blutung oder Transsudation (? Ref.) in
das Labyrinth an.
6) Emil Redlich, Privatdocent und Assistent der (psychiat.)
Klinik und C Kaufmann, Assistent der Ohrenklinik von Prof.
Politzer: Ueber Ohr-Untersuchungen bei Gehörshallucinanten.
Zugleich ein Beitrag zur Theorie der Hallucinationen (Aus der
psyclnatr. Klinik von Prof. v. Wagner.) Wiener klin. Woch. 1896,
No. 33
Die Verfasser nahmen die Untersuchungen früherer Forscher
auf und untersuchten 81 Geisteskranke mit und 10 ohne Gebörs-
hallucinationen. Sie fanden bei der letzten Gruppe nur einmal, bei
der ersten aber sehr häufig Erkrankung des Gehörorgans und
sprechen sich desshalb dafür aus, dass für das Zustandekommen der
Gehörshallucinationen ausser einer eigentümlichen Störung der
Gehirnthätigkeit meist ein Reizzustand der für die Aufnahme der
Gehörseindrücke in Betracht kommenden Apparate notwendig ist.
Trotzdem war die Behandlung des Ohrenleidens in den wenigen
Fällen, bei denen sie versucht wurde, ohne besonderen Erfolg.
K. Bürkner: Verhandlungen der Deutsch, otol. Gesell¬
schaft auf der 5. Versammlung in Nürnberg. (Im Aufträge des
Ausschusses herausgegeben ). Mit 2 lilhogr. Tafeln. Jena, Gustav
Fischer, 1896.
Hier können aus der Zahl der Vorträge nur einige von all¬
gemeinerem Interesse angeführt werden.
7) Dennert - Berlin: Referat über den gegenwärtigen
Stand der Hörprüfungen. (Allgem. Theil).
Der Vortragende gibt die Geschichte der Hörprüfungen, be¬
richtet Über den gegenwärtigen Stand der Lehre von der Function
iler verschiedenen Theile des Labyrinths (Schnecke und Vorhof-
Bogt-napparat), erörtert den Unterschied zwischen Geräuschen und
Klängen, wobei er sich der jetzt herrschenden Ansicht anschliesst,
dass beide physicalisch nicht differente Schalle seien, und bespricht
den Unterschied der Functionsprüfung in Luft- und Knochenleitung.
8) B loch-Freiburg i. B.: Ueber den Sinus caroticus. Ibidem.
Interessante Besprechung des anatomischen und physiologischen
Verhältnisses der Carotis zu dem dieselbe umgebenden Sinus sowie
zu dem Sinus cavernosus und den in denselben einmündenden
Venenbahnen auf Grund eines Falles von Blutung aus dem Sinus
caroticus. Die Verletzung war durch Curettement in der Pauken¬
höhle erfolgt.
9) K ümmel - Breslau: Ohrenerkrankung bei Pseudoleu-
kaemie (multiple Lymphosarkomatose). Ibidem
Der mitgetheilte Fall ist klinisch nnd anatomisch untersucht
worden. Starke lymphoide Infiltration der Schleimhaut des Mittel¬
ohrs nnd Blutung in sein Lumen. Die Ohrenerkrankung trat erst
spät auf, als es zu leukaemischen Veränderungen des Blutes gekommen
war. Labyrinth intact.
10) Scheibe-München: Neuerung an Paracentesennadeln.
Ibidem.
Die otoskopische Untersuchung geschieht mit einem Auge.
Desshalb ist der Moment schwer zu bestimmen, in welchem sich
das Messer direct vor dem Trommelfell befindet. Eine an der
Nadel parallel zu ihr und beweglich angebrachte Sonde soll besonders
dem Anfänger diese Bestimmung und damit die Paracentese er¬
leichtern.
11) Hartmann-Berlin: Dysbasia hysterica mit Otalgia
hysterica. Ibidem.
Schmerzen im Ohr, Heber, Taumeln beim Gehen und Stehen,
dagegen kein Schwindel im Bett. Trommelfell und Hörweite normal.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Heilung durch Elektricität. Der Fall ist desshalb wichtig, weil er
zur Operation verführen kann.
12) Kümmel-Breslau: Gummistempel für Schemata des
Gehörorgans, der Nase und des Kehlkopfs. Dieselben sind
bei Haertel - Breslau zu haben. Ibidem. Scheibe-München.
Vereins- und Congressberichte.
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21. bis 26. September 1896.
Section für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Dr. G Otts ch al k - Berlin.
IV. Sitzung, Mittwoch den 23. September, Nachm.
Vorsitzender: Herr P. Müller-Bern.
Herr Leop o 1 d - Dresden : Ueber neue Untersuchungen
über den Aufbau der Placenta.
Vortragender berichtet über Fortsetzung der Placentarunter-
suebungen auf Grund von 3 Präparaten. Ein Präparat betrifft
ein ca. 8—9 Tage altes Ei iu situ in einem wegen Portiocarcinom
vaginal exstirpirten Uterus. Dieses Präparat ist in Reihenschnitton
zerlegt worden.
Das linsengrosse Ei lag in einer kleinen Delle der Mucosa
uteri und war überwachsen von der Reflexa. Kleine freie Zotten
traten bereits vom Chorion aus und hefteten sieh in grösserer
Zahl namentlich an der Basis des Eies, an der Mucosa uteri an.
Schon um diese Zeit münden Arteriolen frei in den Zwischen-
zottenraum herein. Im Chorionraum liegt eine albuminöse von
weissen Blutkörperchen durchsetzte wellenartig angelegte Embryonal¬
anlage. Die Drüsen der Schleimhaut sind stark geschwollen, auf
dem Boden des Eies fehlt das Oberflächenepithel der Schleimhaut,
welches sonst überall vorhanden ist.
Da das Präparat eingehend beschrieben und veröffentlicht
wird, so kann, namentlich im Hinblick auf die feinen Einzelheiten
des Präparates, auf diese Beschreibung verwiesen werden.
An der Discussion betheiligen sich die Herren Bumm,
v. Herff, Hofmeier, Stratz, Gottschalk und Leopold.
Herr H. W. F r e u n d - Strassburg: Ueber eine Mastitis-
Epidemie.
Freund hat folgende 6 Fälle in einem Saale der Strass¬
burger Hebammenschule beobachtet:
1. 21jährige I. Para, nach spontaner Geburt am 10. Mittage
des Wochenbetts fieberhaft erkrankt. Genitalien normal. Schrunden
an den schlecht entwickelten Warzen bei sehr grossen, hängenden
Brüsten. Heilung in 2 Tagen. Entlassung. Wiederaufnahme nach
4 Tagen mit hohem Fieber und beginnender Entzündung der rechten
Mamma. Antiphlogistische Therapie ohne Erfolg. In der chirurgischen
Klinik wird nach 6 Tagen ein grosser Abscess eröffnet.
2. Während der Krankheit der Wöchnerin I begann eine im
selben Saale, aber weit entfernt von der Kranken liegende 19 jährige
Erstwöchnerin am Mittag des 4. Wochenbetttages mit einem über
eine Stunde dauernden Schüttelfrost, Benommenheit, Erbrechen und
alle 5 Minuten sich wiederholenden Krampfanfällen, die vorwiegend
in Stössen der Extremitäten, etwa wie bei rudimentären Tetanus¬
anfällen bestanden. Eklampsie und Hysterie ausgeschlossen, kein
Delirium. Urin normal. Auf 2,0 Chloralhydrat per rectum Beruhi¬
gung für 5 Stunden, dann noch einmal schwächere Anfälle. Geni¬
talien normal Schmerzen in beiden Brüsten. Diese hypertrophisch,
hängend; Warzen klein, ohne 8clirunden. Die bedeckende Haut der
Mammae scharlachartig geröthet, schon beim oberflächlichen Be¬
rühren, besonders aber beim Aufheben von Falten schmerzhaft. Die
Brüste werden sehr bald steif, hart und aufsitzend. In den nächsten
8 Tagen remittirendes, nicht hohes Fieber, relativ gutes Allgemein¬
befinden, keine Genitalerkrankung, keine Veränderungen der Er¬
scheinungen an den Brüsten. Am 12. Wochenbettstage wird in der
chirurgischen Klinik ein grosser Abscess der rechten, nach weiteren
8 Tagen der linken Brust eröffnet. Heilung.
3. 3 Tage nach dem Auftreten des Schüttelfrostes bei der
Puerpera II erkrankte eiue 30 jährige Erstwöchnerin, die bis dahin
(Abend des 9. Tages) ein ungestörtes Puerperium durchgemacht
hatte. Initialer Frost. Genitalien normal. An den grossen Brüsten
(mit massig entwickelten, intacten Warzen) dieselbe scharlach-
artige Röthung und Schmerzhaftigkeit, wie im 2. Falle, dieselbe
Härte der Brust. Nach 9 Tagen Incision eines grossen Abscesses in
der chirurgischen Klinik.
4. Gleichzeitig wurde bei einer phthisischen 29 jährigen I. Para
schon bei der Aufnahme ein beginnender Abscess in der rechten
coflstaiirt, der nach 10 Tagen zur Operation kam.
5. In denselben Tagen erkrankte eine 22 jährige Bnttw ifrh—fa •
am 7. Tage, ohne Frost, wiederum mit scharlachartiger
Schmerzhaftigkeit und Härte der linken Brust. Keine 8ehrandgo.
Incision. Heilung.
6. Die einzig bisher verschonte 6. Wöchnerin des Saales sta nd
am 9. Tage gesund auf. Erkrankung am Abend. 2 gelbliche Knöt¬
chen im Warzenbofe links. Punction jedes derselben mit der Pitna'-
schen Spritze. Trübe Flüssigkeit entleert, auf Agar geimpft. Die
Krankheit ist damit coupirt.
Die bacteriologische Untersuchung wies im Eiter
der Wöchnerin II neben Staphylococcus pyogenes albus auch
Tetragenus nach. Es stellt« sich herauB, dass die Infection rat
dem Munde eines an schwerster Stomatitis aphthosa erkrankten
Säuglings, der auf die Abtheilung Abends aufgenommen werfen
musste und fehlerhafterweise an die Puerpera II angelegt worden
war, ausging. Die phlegmonöse Mastitis hat ach dann
durch Verbreitung der Keime auf dem Luftwege weiter aua-
gedehnt. Die erkrankten Mütter inficirten später
ihre Kinder wieder mit Aphthen. Ucberall würfe
Staphyloc. pyog. albus gezüchtet. — Als einzig wirksames Schuft-
mittel gegen die Infection erwies sich Sublimat (5—2%* Lö¬
sung), das Freund auch zur Coupirung beginnender Enttün-
dungen als Priessnitz’ sehen Umschlag empfiehlt.
Herr Mackenrodt* Berlin : Die Vesicofixatio uteri
zur Heilung der Retroflexio uteri mobilis.
Während die Therapie der fixirten Retroflexion heute vor¬
wiegend eine operative ist, gehen bezüglich der zweckmässigen
Behandlung der beweglichen Retroflexion die Ansichten noch sehr
auseinander. Pessar und Operation concurriren miteinander. Es
fehlt an einer exacten Indicationsstellung, welche auf Grund ob-
jectiver Symptome die Grenze zwischen Pessarbehandlung und
Operation festlegt. Das Fiasco der Vaginofixation Hess die Frage
auf tauchen, ob überhaupt eine operative Behandlung der Retro¬
flexion nöthig sei. Gewiss ist vielfach zu viel operirt worden,
aber inhuman ist auch die lngnorirung unzweifelhafter Indicationen
zur Operation. Der Mangel an einer sicheren Methode hat die
operativen Bedürfnisse eingeschränkt.
Die Symptome der Retroflexion sind primäre, secundäre, ter¬
tiäre. Die primären, subjectivcn machen durch Raumbeengung
mechanische Störungen der Blase und des Rectum, Prack¬
er,scheinungen an den stetig verlagerten Adnexen. Die secundären
zeigen ausser den subjectiven die objectiven Symptome der Störung
am Uterus und ihre Folgen. Das charakteristische Kennzeichen
ist die «teigige Beschaffenheit» des Uterus, wie Oedem.
tertiäre Stadium ist charakterisirt durch entzündliche Vorgänge,
welche sich direct an das zweite Stadium anschliessen können
oder in Folge der Einwirkung von Mikroben auf treten, die un
gesuuden Uterus nicht leicht auf kommen, im kranken, durch die
Girculationsstörung geschwächten, leicht gedeihen.
Diejenigen Retroflexionen, welche primäre und secundäre
Symptome aufweisen, sind in der grossen Mehrzahl der Fälle durch
das Pessar zu heilen. Retroflexionen mit chronisch entzündlichen
Erscheinungen am Uterus, sind dagegen nicht für eine Pessar-
bchandlung geeignet, weil hier meist die Symptome nicht ohne
weiteres Dach der Pessarbehandlung verschwinden, sondern einer
gründlicheren, häufig operativen Behandlung bedürfen : Auskratzung,
Amputationen der folliculär entarteten Portio etc. Hier wt
operative Behandlung am Platze. Ebenso, wenn die Retroflexion
durch Anomalien der Scheide: Stricturen, Verengerung, Abflachung
der Scheidengewölbe, Prolaps compücirt ist. Diese, auf objectiven
Kriterien beruhende, vom ärztlichen Gutdünken unabhängige Indi¬
cationsstellung muss zur Richtschnur dienen.
Die Methode kann nur eine vaginale sein, weil diese allein
es ermöglicht, in einer Sitzung, von einer Wunde aus, dem Grund-
übel sowohl, als auch seinen mancherlei Coinplicationen gerecht
zu werden..
Als Cardinalpunkt der alten Vaginofixation hat sich dieser-
klebung des Uterus mit dem Blasenperitoneum herausgestellt,
" während die Fixirung des Uterus an der Scheide gefährlich ist.
wegen späterer eventueller Geburtsstörungen. Die ersten Versuche
zur Verödung des vorderen Douglas hat M. schon 1893 gemacht-
Aus der weiteren Entwickelung dieser Versuche ist die Vesicofixatioo
entstanden. Die so benannten Operationen von Staude.
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Werth sind keine Vesicofixationen, sondern Verödungen des vor¬
deren Douglas duroh sero fibröse Verklebung der Blätter desselben.
Diese Verklebungen sind nicht sicher. Es muss vielmehr erstens:
das Blasenperitoneum verkürzt werden, damit der Uterus näher
an die Symphyse gezogen wird; zweitens : muss unter der Naht-,
welche das verkürzte Blasenperitoneum am Fundus festheftet, die
wunde Blasenwand auf der serösen Fläche der vorderen Corpusr
wand angeheilt werden, so dass hier eine erfahrungsgemüss sch,
feste sero-fibröse Verwachsung zwischen Blasen-Uteruswand entstcht-
welche für die darüber gelegene sero-seröse Verwachsung des Blasen-
peritoncums mit dem Fundus Uteri einen festen, unverrückbaren
Standpunkt abgibt. Hierin ganz allein liegt die Bedeutung der
Vesicofixation.
M. hat bisher 58 Fälle operirt mit keinem einzigen Miss¬
erfolg; 27 mal bei Rctroflex. mobil., 31 mal bei Rctroflex. mit
Prolaps. Leichte Adhaesionen waren 10 mal zu lösen. 7 mal
wurde die Operation bei Nulliparen gemacht. In einem Fall trat
Schwangerschaft ein; Frau ist jetzt im 7. Monat, der Uterus
liegt vollkommen normal, die Blase dicht am Fundus ohne jede
Functionsstörung. An dem spontanen Verlauf, auch der späteren
Geburt, ist nicht zu zweifeln.
Annähernd gute Resultate sind bisher von keiner einzigen
Methode erreicht worden. Die Indication beschränkt sich auf
bewegliche Rctroflcxioncn. M. begnügt sich mit der Constatirung
dieser Thatsachen, die für die Einbürgerung der Operation sorgen
werden.
Die Verkürzung der Lig. rotunda nach Alexander -Adams
hat in 194 nachuntersuchten Fällen von Bournier, Werth,
Krummer, Küstner, 35 Rccidive aufzuweisen. Die vor¬
geschlagene vaginale Verkürzung der Bänder kann bessere Resultate
nicht erlangen. Sic können gegen die der Vesicofixation in keiner
Beziehung aufkommen.
Discussion: Herr W. Freund recapitulirt die Ansichten
des Herrn M. — Er weist darauf hin, dass gerade das dritte
Stadium der Symptome der Retroflexio Uteri (Entzündungsprocessc)
oft zur Fixirung des retroflectirten Uterus führen, welche er dir
Ventrofixation reserviren will.
Herr F. protestirt von seinem Standpunkte aus gegen die Aus¬
dehnung der Indication der Operation, weist auf die Schwierigkeiten
und schlimmen Folgen derselben hin und stellt die Indicationen
zur operativen Behandlung der congenitalen Form der Anteflexio
und Retroflexio auf.
Herr P. Müller kann sich der von Freund geübten, voll¬
ständig abweisenden Kritik der Vaginofixation nicht anschliessen.
Diese Operation hat principiell dieselbe Berechtigung, wie die Prolaps¬
operation. Auch hier kann in vielen Fällen ja auch der Uterus
durch ein Pessar zurückgehalten werden; trotzdem machen wir auch
hier — um das Pessar zu vermeiden — eingreifende Operationen,
die auch für die späteren Geburten nicht ganz gleichgiltig sind.
Will man die Vaginofixation verwerfen, so muss man dies auch
bei den übrigen Fixirungsoperationen — besonders der Ventrofixation,
aber auch bei der Alexander-Operation thun, die ebenfalls zuweilen
von schweren Nachtheilen begleitet sind. — Die Entrüstung, welche
sich über die Vaginofixation jetzt geltend macht, kommt zu spät;
sie hätte sich sofort bei den ersten derartigen Operationen einstellen
sollen; dann hätten die ungünstigen GeburtsfftUe, über die man
jetzt über Gebühr jammert, vermieden werden können: allein man
hatte augenscheinlich bei den jetzigen Tadlern damals ebenso wenig
eine Vorstellung, wie bei denen, welche die Operation zuerst aus¬
führten. — Die Einwendung, dass die Operation unnatürliche Lage
Veränderung der Beckenorgane schaffe, ist irreyelant. Es ist einerlei,
wie die letzteren liegen, wenn nur der Zweck — Heilung — erzielt
wird. Als ein Beispiel derartiger künstlicher erlaubter Lageverände¬
rung führt Redner gerade die Freund'sche Operation zum Ver¬
schluss schwerer Scheidenfisteln an.
Redner hat sich hauptsächlich für die Vaginofixation als
Hilfsoperation der Prolapsoperation interessirt, welche die Prognose
in Bezug auf Dauerheilung wesentlich verbessert. Er fragt, ob man
auch in solchen Fällen schlimme Erfahrung bei den späteren Ge¬
burten gemacht habe?
Herr Kiefer erwähnt, dass in der Klinik von A. Martin
mit der Vaginofixation bei Prolaps gute Resultate erzielt worden
seien. Man solle die Fixation nur 2 cm über der Plica machen.
Herr Asch-Breslau hält die Vesicofixation bei VirgineB für
schwieriger als die Alexander’sche Operation. Die Gefahr der
Hernien bei der letzteren bestehen nicht, wenn man von der
Spaltung des Leistenc&nals Abstand nehme. A. ist in 30 Fällen so
zum Ziele gekommen. Auch der Hautschnitt solle nur 3—5 cm
betragen, dann gebe ee keine entstellenden Narben.
Herr Stratz erwähnt, dass wie Hegar schon 1882 gezeigt, die
Perineoplastik unter Umständen allein die Retroflexio heilen könne.
Er verweist ferner auf seine mit dieser letzteren combinirten Methode
der Hctrofixatio colli. Er hat 15 mal diese Operation gemacht, davon
haben 3 geboren, nur eine ist danach recidiv geworden.
Herr Sänger bemerkt, dass er allerdings bei Prolapsoperationen
in einer Anzahl von Fällen die vaginale Antefixation des Uterus
ausgeführt habe mit gutem Erfolg und ohne spätere Störungen.
Sonst habe er seit ca. */* Jahren wegen Retroflexio keine derartige
Operation mehr unternommen. — Fs kommt bei Prolapsen vor Allem
darauf an, den herabgesunkenen Uterus wieder hoch in das Becken
hinaufzubringen. Während er bei Retrodeviationen des Uterus allein
mit der Retrofixatio colli keine glänzenden Ergebnisse batte, zeigte
6ich diese gerade bei gewissen Prolapsen sehr wirksam, wenn nur
hinterher eine energische, bis in den Fomix post, hinaufreichende
Colpoperineorrhaphie angeschloseen würde, über deren Wichtigkeit er
mit Herrn Stratz einig sei. Erführe sowohl die vordere Colporrhaphie
wie die Colpoperineorrhaphie nach seiner Methode der medianen
Lappenspaltung aus. Bei Elongation des Collum wird dieses nach
Kaltenbach hoch excidirt. Diese Excisio colli alta verstümmelt
nicht und bewirkt eine so hohe Fixation des Uterus an Fascia pelvis
und Peritoneum, dass man später oft Mühe hat, ihn mit dem Finger
zu erreichen. Wo die vordere Fixation des Corpus uteri so viele
Misslichkeiten zeitigte, wird man immer wieder auf die Retrofixation
des Collum hingedrängt. Hier ist ja auch entschieden die physiologisch
richtigste Stelle für die künstliche Richtiglagerung des UteruB zu
suchen.
Auffallend finde er, dasB Herr Freund gerade die congenitale
Retroflexio der Vaginofixation unterwirft, um der Sterilität willen.
Er habe immer die Auffassung gehabt, dass das für die Trägerin
die Normallage sei und sie höchstens corrigirt, wenn es leicht möglich
war; dagegen suche er stets die erworbenen Retrodeviationen zu
corrigiren. Denn wir müssen entschieden an dem Lebenswerk
Scbultze's festhalten, das jetzt vielfach angegriffen wurde, wo
nach sonst einzig und allein die bewegliche Anteversio-Flexio uteri
dessen Normallage sei und auch zu erhalten und immer wieder
herzu stellen sei.
Herr Eberhart möchte vorschlagen, dass Vaginofixationen
nur dann gemacht werden, wenn die Frauen jenseits des Klimax
sind, also nicht mehr concipiren können.
Herr W. Freund: Auch er behandle die erworbene Retro¬
flexio mit Pessaren.
Herr v. Wild: Die vorher anderweitig vergebens behandelten
Frauen liefern keinen Beweis für die Indication zur Operation. Die
Frauen hören von dem neuen Verfahren und verlassen das alte,
besonders in Berlin, wo kranke Frauen erstaunliche gynaekologische
Bildung aufzuweisen haben und ihre früheren Leidensgenossinnen
Anfangs ohne Beschwerden und ohne die Nothwendigkeit weiterer
Behandlung sehen, ,
Herr Mackenrodt (Schlusswort): '/* aller mit Pessar be¬
handelten Frauen werde des Pessars bald überdrüssig. Er habe
gar nicht von der Vaginofixation heute gesprochen, er sei ja gegen
sie aufgetreten. Die Technik der Vesicofixation sei nicht so schwierig,
der Blutverlust sei unbedeutend. Die Modification, welche A. Martin
jetzt mache, bewirke in der Schwangerschaft eine trichterförmige
Einziehung der Scheide; intra partum könne die Scheide zerreissen.
Die Ventrofixation mache Bauchbrüche und leiste beim ProlapB nichts.
Sie führe im Gegensatz zur Vaginofixation zu Recidiven.
V. Sitzung, Donnerstag den 24. September, Vorm.
Vorsitzender: Herr Fritsch - Bonn.
I. Demonstration von Präparaten.
Herr Emmerich-Nürnberg demonstrirt ein höchstgradig
osteomalacisches Becken von einer 45jährigen, die er durch
nahezu 20 Jahre zu beobachten Gelegenheit hatte. Dieselbe hatte
3 normale Geburten; bei dqr 4. wurde er zur Geburt gerufen und
fand ein osteomalacisch degenerirtes Becken, so dass die 8ectio
caesarea unvermeidlich schien. Die Geburt erfolgte jedoch bei der
grossen Weichheit der Beckenknochen ohne Kunsthilfe. Dieses Kind
wurde rachitisch geboren, litt an häufigen eklamptischen und Stimm¬
ritzenkrampfanfällen und ging mit 13 Jahren unter einem epilepti-
formen Anfalle nach mangelhafter geistiger Entwicklung zu Grunde.
Danach folgte noch dreimalige Gravidität, die stets durch
künstlichen Abortus unterbrochen werden musste.
Die medicamentöse Behandlung mittelst phosphorsaurem Kalk,
Phosphorleberthran u. dergl.) war fruchtlos, nur nach einer mehr-
wöchentlichen besseren Ernährung in der Erlanger Klinik trat vor¬
übergehende Besserung ein.
Die Frau starb unter hydropischen Erscheinungen, die durch
ein Vitium cordis mit Albuminurie bedingt waren. Die Körperlänge
war bei der Section (von circa 160 cm vor 20 Jahren) auf 116 cm
zurückgegangen, das ganze Skelett bis auf dem Schädel osteo¬
malacisch verändert.
Das Präparat wird der Erlanger 8ammlung einverleibt.
Herr Robert Asch-Breslau zeigt ein Geburtsbesteck, bei
dem an dem Princip festgehalten ist, die Sterilisation durch Kochen
in Sodalösung vorzunehmen; er bewahrt die Instrumente getrennt
in Geburtskasten, Abortkasten und Nahtkasten so auf, dass sie
nebeneinander gebrauchsfertig auf einem Einsatz liegen, aber auch
bei senkrechter Aufstellung der Kästen nicht untereinander fallen,
dadurch, dass sie in Kämmen mit Einschnitten unter 46° liegen.
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Münchener me dicinische Woch enschrift
, TT„ ns p ouskochen und ohne die Instru- epit!
Natürlich kann man’ a ”° h 8chf uteln, die Sodalösung abgiessen und so trau
dampf ist anwendbar 1 Heba mmentasche, die in 8 ew '
SÄo™ 3
«•jsä* i8 ‘ beim In,trummlen ' ””
macber Holzhauer in Marburg käuflich.
“ Herr Robert A s c h • Breslau: Ueber Verordnung von
BaUC Scier de Entcroptosc, deren Gründe und Folgen bedarf es hier sti
kaum einer Hängebauch mit klh
ptt&irx sä äs :. s
«- 4" h n im s
, J- „w ikrpn Zweck um so weniger erfüllen, ais sic n .
ssasss ■
ftthÄ anfertigt, eine bei einiger Uobung ver- de
’• • • vjfj. nn d die Anprobe nicht dem Laien- to
KTÖ Die Binde Lss so construmt sein,
dass sic im Liegen vor dem Aufstehen Morgens umgelegt den D
Leib in d^r Normalform erhält, die er zu dieser Zeit aufweist h
Desshalb lasse ich die Gurte hinten nur kreuzen und vorn rechts c
und links von der Mittellinie an Schnallen , deren Sitz be dem e
Anfertigen des Schnittes vorgeschrieben ist, befestigen. S d
bänder, die auch durch Bänder nach den Strümpfen ersetzt wer- d
den können, verhindern das Herauf gleiten. 1
-
8K3XEK Ä SÄÄ— ;
Ä£S“Ä •
entfernt hatte. , ,
Vortragender macht auf den Unterschied der Ovaricncysten
der beiden Fälle aufmerksam und erwähnt, dass nach seine
Untersuchungen die unter dem Namen «Hydrops des
G raaf' schon Follikels» bekannten OvaricncjsUn ge¬
netisch und histologisch nicht immer gleichartig sind.
Er unterscheidet, unter Aussonderung der Corpus-luteumXys^en
als einer besonderen Categorie, 2 Arten des Hydrops Micdi-
1 ) den vollkommen cpithellosen, wie er m dein 2. dciuon-
stritten Falle zu Tage tritt und 2) den von Epithel aus-
gekleideten (1. Demonstrationsprüparat). _ . ...
JDer cpitliellose Follikelhydrops ist der eigentliche
Hydrops und kommt am häufigsten vor, er ist m der Regel das
Product der chronischen Oophoritis und stellt einen
sterilen verödeten Follikel dar, er bedeutet einen degene-
rativen Proccss; er kaun bis zu kindskopfgross werden durch
Transsudation von der Wandung her, kommt aber dann durch
atrophische Wandverdünnung zum Wachsthumsstillstand und kann
als solcher lange Zeit unverändert bestehen bleiben.
Die epitheliale uniloculäre Ovariencystc dagegen
ist seltener, sie kann eine viel bedeutendere Grösse erreichen,
wahrscheinlich bis weit über Mannskopfgrösse und ist den Neu¬
bildungen zuzurechnen. Der vorgezeigte Fall lehrt dass er
sich auch auf entzündlicher Basis entwickeln kann, doch gibt- es
noch andere Aetiologien. Diese Fälle müssen von den Uysta-
denomen des Eierstockes, den eigentlichen prolifenrenden epithe¬
lialen Neubildungen als besondere Gruppe abgetrennt werden, in¬
sofern sich in ihrer Wandung nicht die drüsenschlauchähnlichen
Wucherungen mit charakteristischer Epithelformation finden, die
den Cystadenomcn eigenthümlich sind.
In UebereinStimmung mit Steffeck und Bulius leitet
der Vortragende die primär uniloculären epithelialen Cysten des
Eierstockes von den G raaf'sehen Follikeln ab, deren Granulosa-
enithel während das Ei zu Grunde geht, sich zu Cylinderepithel
transformirt, weiter proliferirt und secernirt, auf diese Weise die
Cvste bildend. Solche Cysten können secundär durch binde-
eewebige Wandproliferation papillär werden, sie können das Epithel
später wieder verlieren durch Fettdegeneration sie können aber
auch wie nach den Untersuchungen von Steffeck wahrschein
lieh gemacht ist, durch epitheliale Einstülpungen und Abschnür
ungen zu Tochtercystenbildung Veranlassung geben, was aUerdings-
Vortragender selbst noch nicht beobachtet hat.
Discussion: Herr v. Slaviansky und Herr Bulius.
Herr Pfannenstiel-Breslau: Ueber die Chlorzink.
Stiftbehandlung des Uterus bei klimakterischen Blutungen.
Pfannenstiel berichtet über einen Fall von unstillbaren
klimakterischen, nicht carcinomatösen Blutungen bei einer Rau
mit sonst gesunden Körperorganen, bei welcher er «me Chlor-
z i n k ä t z p a s t e nach D u m o n t p al 1 ier m den zuvor stark dila-
UrL Uteruskörper hineinknetete und trotzdem kein dauerndes
Hcilrcsultat mit dieser Methode erzielen konnte. Zwar^wurde ic
erstrebte Verätzung in grosser Intensität erreicht un . g
nach der Behandlung ein Sequester ausge.jtom»
von Grösse und Gestalt eines senil geBohrump t n
Uterus aber die darauffolgende Amenorrhoe dauerte nur cm
Viertehahr an und es musste desshalb später die TotadexstirpaUon
des Uterus ausgeführt werden, um die Frau vor dem Verblutungs¬
tode zu retten, was übrigens ohne Störung gelang-
Die Betrachtung des uterinen Sequesters ehrt, dass m»
■ li _ ; n die Musculatur des Uterus
Demarcationszone allerseits tief in u derselbe
hineinragte (durchschnittliche M anddickc /* c “) qtiftir-«”
einen Hohlraum umschloss, in welchem noch Reste
enthalten waren. Verdünnt war die-Wandung nur » |
der Cervix und an einer nagelg ic gr d p rä .
.i.. dem Fundus entsprechenden Kuppe
parates, woselbst der Sequester porösSonde
In der Zeit der Amenorrhoe war der Uterus
i nicht passirbar, obliterirt. Zunehmende Sehmer«« und gr
b r ung des Uterus deuteten auf Haematemetrabddung hin^
r führte zur Entleerung, indem sich das Blut seinen Weg durc
r den obliterirten Utcrusabschnitt bahnte. hcn von e i D em
g Der herausgesclimttcne Uterus zeigt g ^ gich jm
kleinwallnussgrossen Myom der vorderen M ™ N ’ l liedgr8ss e ge-
n Fundustheil eine dreizipflige Hohle von etwa g g b ^
n bildet hatte, eine Schleimhautbeklcidung trug ® er .
*«• Die Regeneration der Schleimhaut war offenbar an d^ ^
2- folgt, wo der Sequester die geringe > e me hr Schleimhaut
d- schien. Unterhalb dieser Höhlung war nirgc Cana i na ch
m za finden, sondern führte nur «'"
i: aussen, durch welchen das Blut abgefloss • ^ präparate
n- demonstrirt die makroskopischen und ml , d Utcrus schleim
- -d weist auf die ungeheure dass ü
haut aus kleinsten Inseln hin. Der 1 , Blüt u D gcn
he den seltenen Fällen, in denen dl . e ^f^h rieht mit Sicherheit
las eine Totalexstirpation erheischen, dieselbe ^ lägst .
en durch die künstliche Ohliteration des .Uj™^ hineinge knetet
ae- Vortragender hatte die Aetzpaste bis m ^ er da9 Ver-
•eh u ud doch keinen Dauererfolg erzielt. Aue , lbe b i s zur
reh fahren nicht zum zweiten Male anwenden, veranlasst,
mn Ausstossung des Sequesters ganz enorme M hiumdosen nicht
welche in diesem Falle durch die stärksten Morpm
gen beseitigt werden konnten. „itm^konischer Unter¬
en, Der Fall wird mit ausführlicherer veröffentlicht
BU- Buchung durch Herrn Dr. Jung an anderer Stelle
er werden. oi o viansky-Berli",
■ es Discussion: Herr Fla tau-Nürnberg, v. t . {tbehan dlung
sta- Mackenrodt, Fritsch warnen vor der Chlo
th , „es „ Sv a geichM,„-JgStTÄ;
ihm beobachteten Fällen aus der Praxis von e BUd sehr breiter
; ben Behandlungsmethode. Zwei Kra ? k f - ction VO n öOproc. Chlorzi ^
die Atresia uteri; die dritte ist nach . gestorben. Dieser
’ösung in den Uterus an Peritonitis acutissima g^ ng gegeben.
• , bat zu gerichtlicher Verfolgung des AnJj.® k ii mak tenwher
°’ tet Herr Gottschalk-Berlin bittet, bei unjillba yaaa nt erins,
dos Blutung zuerst die doppelseitige Unterbmdung^d ^ des Lig.
i. il’o - „„„U * Aar Bl mb mittels ie 8 aas un«=>
Diniti7fid hv
27. Ootober 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1061
lat. ligirenden übereinander greifenden Seidenligataren zu machen,
bevor man sich aus dieser Indication zur Totalexstirpation des
Uterus entschliesst. Er habe mit ihr ausgezeichnete Erfolge.
Herr Kehrer- Heidelberg: Fall von Polymastia
axillaris.
Kehrer zeigt die Photographie einer Pucrpera, welche in
jeder Axillarhöhle zwei von einander deutlich getrennte Brust¬
drüsen enthielt. Diese Drüsen hatten keine Areolen oder Papillen,
waren von der behaarten Achsclhaut überzogen, schwollen mit den
Brüsten an und nach ca. 7 Tagen wieder ab. Redner leitet die¬
selben von den epithelialen Milchleisten ab, welche vorn weit aus-
cinanderstehcn, rückwärts convergiren. Aus unbekannten Gründen
oblitcriren die Gänge, nachdem die epithelialen Drüsenbläschen
sich gebildet haben und so entstehen dann ganglose Drüsen.
Herr Kehrer spricht über Behandlung der Geburten
bei Putrescenz des Foetus.
Bei der grossen Gefährlichkeit der längeren Verhaltung
faulender Früchte (Staude 50, Hofuicicr 211 Proe. Todesfälle)
ist es nüthig, einen zumal frisch abgestorbenen Foetus möglichst
bald nach dem Blasensprunge zu extrahiren, weil durch die Ki-
hautöffnung Fäulnissbacterien zur Frucht Vordringen und oft schon
nach wenigen Stunden Putrescenz des Inhaltes bedingen. Die
Extraction muss möglichst schonend, am besten nach Perforation
oder Embryotomie, geschehen. Bieten Becken oder Weichtheile
grosse Hindernisse, so dass schwere Genitalverletzungen zu erwarten
sind, so ist es, ebenso wie bei beginnender Gangracna uteri, viel¬
leicht von Vorth ei 1, per Laparotomiam den Uterus supravaginal
oder total zu entfernen. Redner theilt einen Fall mit, in dem der
vor ca. 24 Stunden abgestorbene Foetus stark gefault, die Cervix
(nach Prolaps) sehr lang indurirt und nur für 2 Finger durch¬
gängig war. Nach vergeblichen Perforationsversuchen Wendung
und Extraction, dann Uterustamponade wegen atonischer Blutung.
Die Frau starb nach 36 Stunden an Septicaemie, beginnender
Gangracna uteri und nicht durchdringenden Einkerbungen des
Contractionsrings.
Disscussion: Die Herren: W. A. Freund, Thorn,
Fritsch, v. Herff und Kehrer (Schlusswort).
Herr v. Herff: Ueber Scheidenkrebs nebst Bemer¬
kungen über Impfrecidive.
Vortragender betont die relative Seltenheit des Vorkommens
des Scheidenkrebses, dessen Actiologie noch völlig unbekannt sei.
Den vielfach beschuldigten Pessardruck kann Redner höchstens
als eine prädisponierende Ursache ansehen, wenn eben das Ganze
nicht ein Spiel des Zufalls ist. Kleinere Carcinome will er ohne
besonderen Krweiterungsschnitt entfernen Für ausgebreiteterc
erscheinen ihm die medianen Damm- bezw. tiefen Scheidendamm¬
schnitte völlig ausreichend, während das Sch u char dt ’ sehe
Verfahren nur ganz ausnahmsweise in Frage kommen sollte.
Exstirpationen der Scheide werde er durch den perinealen Quer
schnitt vornehmen. Um möglichst im Gesunden zu operiren, ent¬
fernte Vortragender stets den ganzen Uterus und hält die hohe
Collumexeision nicht für ganz ausreichend. — Des Vortragenden
Ausführungen über die sogen. Impfrecidive gipfeln darin, dass
man über deren Häufigkeit und Vorkommen etwas Sicheres nicht
wisse. Nur soviel könne man behaupten, dass eine Uebertragung
des Krebses ausserordentlich schwer erfolgt.
Discussion: Die Herren: W. A. Freund, Mackenrodt,
Strassmann und Pfannenstiel.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 22. October 1896.
Herr v. Bergmann beglückwünscht mit kurzen Worten
Herrn Virchow zu seinem 75. Geburtstag.
Herr Isaak demonstrirt einen Patienten mit Lepra; der¬
selbe acquirirte seine Krankheit vor vielen Jahren auf Sumatra.
Das erste Auftreten der Affection war eine Zeit lang mit Akne
rosacea verwechselt worden. Jetzt ist das Bild der « Leontiasis»
typisch ausgeprägt. Ausser diesen Hautverän lerungen bestehen
noch leichte Sensibilitätsstörungen, worüber Herr Brasch berichtet.
Anaesthesien waren übrigens das erste dem Pat. auffallende Symp¬
tom seines Leidens gewesen. An einem excidirten Stückchen und
an einem durch Nadelstich in eine erkrankte Gewebs-
partie gewonnenen Blutstropfen wird der bacterio-
logische Nachweis erbracht.
Herr Joseph demonstrirt einen Jungen, an welchem er ab¬
stehende Ohren operativ anliegend gemacht und verkleinert
hatte. Das Resultat lässt sich durch Vergleich mit der vorher auf¬
genommenen Photographie als ein sehr gutes erkennen.
Herr Oppenheim stellt ein 15jähriges Mädchen vor, bei
welchem eine Jahre lang bestehende, in Folge einer Spondylitis
aufgetretene complete Paraplegie wesentlich gebessert wurde, so dass
Pat. jetzt leidlich gehen kann. Die Besserung setzte 14 Tage nach
Beginn einer galvanischen Behandlung ein und, wenn 0. den
Erfolgen der Elektricität auch im Allgemeinen skeptisch gegenüber¬
steht und die anderen liier möglichen Momente (Pubertätseintritt)
nicht übersieht, so ist der Einfluss der Belmndlungsweise doch ein
zu auffallender, um nicht zugestanden werden zu müssen.
Herr F. Strassmann zeigt das Präparat einer Halsschnitt¬
wunde bei einem Selbstmörder. Die Frage, ob eine derartige Wunde
durch Mord oder Selbstmord verursacht wurde, wird mangels anderer
Momente wohl auch durch die grössere oder geringere Tiefe des
Schnittes entschieden. Das vorliegende Präparat stammt nun von
einem Manne, dessen Selbstmord polizeilich festgestellt ist. Die
also von eigener Hand mittelst Rasiermessers beigebrachte Wunde
reicht aber bis in den Körper des 2 Halswirbels hinein; in diesem
war noch eia ausgebrochenes Stück der Klinge stecken geblieben.
Herr J. Israel: Ueber Exstirpation der Scapula
(mit Demonstration).
Die erste Exstirpation der Scapula wurde nachweislich im
Jahre 1808 wegen einer Schussverletzung vorgenommen. In den
folgenden Jahren wurde, wenn wegen Tumoren oder aus sonstigen
Gründen die Entfernung der Scapula nöthig war, der Arm mit
entfernt. Erst Langen heck brach mit dieser Ueberlieferung:
im Jahre 1850 nahm er wegen eines Chondroms die Exstirpation
der Scapula vor, doch starb der Pat. an der Operation und erst
5 Jahre später gelang es L. den Nachweis zu bringen, dass die
Wegnahme der Scapula mit Erhaltung des Armes möglich sei.
Vortr. machte die genannte Operation zweimal, den einen
Pat. stellt er vor.
Derselbe führt die Entstehung seiner Krankheit, Tumor der
Scapula, auf einen Fall von 4 m Höhe auf die Schulter zurück;
nach 4 Monaten traten Schmerzen in der genannten Gegend auf und
nach einem Jahr wurde in Krakau der Humeruskopf w'egen Chon¬
droms resecirt. Nach einem weiteren Jahr Recidiv, und nun wurde
von J. Entfernung der ganzen Scapula vorgenommen. Wenn auch
über die Dauer (*/2 Jahr) noch nichts zu sagen ist, so lässt sich
doch über die Function bemerken, dass dieselbe überraschend gut
ist. Pat. ist im Stande, mit dem kranken Arme schwere Gewichte
zu heben, und zwar bis zur rechtwinkligen Beugung des Unterarmes
bei adducirtem Oberarm und er kann freihändig, d. h. ohne den
Arm aufzulegen, schreiben. Da Pat. bisher Bureauarbeiter war, ist
letzterer Umstand von besonderer Bedeutung und das ganze
Functionsresultat umsomehr interessant, als ja, wie erwähnt, der
Humeruskopf ebenfalls fehlt.
Herr Fr. König: Ueber Angioma arteriale racemo-
sum (mit Demonstrationen).
Vortragender stellt ein junges Mädchen vor, welchem wegen
eines grossen arteriellen Angioma der Unterarm ampntirt worden
war. Das Leiden hatte hei der Geburt in Form eines Feuermales
seinen Anfang genommen. Pulsation war bald bemerklich und
später trat Schwellung und starke Schmerzhaftigkeit des ganzen
Unterarms hinzu, welche zur Operation nöthigten. (Dem. des Präp.
und mikroskop. Schnitt.)
Aus dem klinischen Verlaufe erwähnt Vortragender u. A., dass
Druck auf die Art. brachial, eine beträchtliche PVlsverlangsamung
hervorrief, was er als durch Vermittelung des Sympaticus und Vagus
entstanden glaubt.
Ein zweiter vorgestellter, mit dem gleichen Leiden behafteter
Patient bietet das letztgenannte Symptom nicht dar. H. K.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 20. October 18 9 6-
Vorsitzender: Herr Rumpf.
I. Herr Kümmel widmet dem 50jährigen Jubiläum
der Aethernarkose einige Erinnerungsworte in Gestalt eines
historischen Abrisses der Entwickelung der Betäubungsmethoden
zwecks Vornahme operativer Eingriffe seit ihrer Begründung durch
Jackson und Morton bis in die Gegenwart.
II. Demonstrationen:
1. Herr Sick stellt ein junges Mädchen vor, bei dem er im
März dieses Jahres einen etwa hühnereigrossen Solitärtuberkel
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1062
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
von den unteren Partieen der rechten Centralwindung ent¬
fernt hat. Indication hierzu gab der Symptomencomplex der Jack¬
son'sehen Epilepsie, verbunden mit doppelseitiger Stauungspapille
mit Herabsetzung der Sehschärfe auf die Hälfte, anfallsweisen hef¬
tigen Kopfschmerzen, Parese des linken Facialis und des linken
Arms. Nach der Operation sind nur noch seltene, kurz dauernde
Krampfanfälle aufgetreten. Die Sehschärfe und der Augenhinter-
grund sind normal; Kopfschmerzen geschwunden, desgleichen die
sehr erhebliche psychische Depression. Zur Zeit besteht nur noch
eine geringe, bereits in Besserung befindliche spastische Paralyse
des linken Arms.
2. Herr Wiesinger stellt einen Fall von Darmausschal¬
tung vor, bei welchem wegen einer Invagination des Coecum und
Colon ascendens in's Colon transvers. auf tuberculöser Basis, das
Coecum, Colon ascendens und Colon transvers. ausgeschaltet und
das Ileum axial mit dem Colon descendens vereinigt worden war
Die Krankengeschichte ißt kurz folgende:
22 jähriger Mann, hereditär tuberculös belastet, vor 3 Jahren
Lungenblutung, Infiltration einer Lungenspitze.
Seit circa 8 Wochen Anfälle von heftigen, krampfartigen
Schmerzen in der Iteocoecalgegend, die meist rasch vorQbergingeti
(oft nur wenige Minuten dauernd) und besonders vom Genuss fester
Speisen abzuhüngen schienen.
Der Arzt constatirte eine Resistenz in der Ileocoecalgegend,
Fieberbewegungen waren nicht vorhanden.
Bei seiner Aufnahme in's Krankenhaus am 27. Juli 18% war
kein Tumor in der Ileocoecalgegend mehr nachweisbar, dagegen ist
eine weiche, walzenförmige Geschwulst oberhalb des Nabels von
rechts nach links im Epigastrium zu fühlen.
Operation am 8. August 18%.
Nach Eröffnung des Leibes findet eich Coecum und Colon
ascendens in's Colon transvers. invaginirt, das Ileum mit dem Rande
dos Colon transvers verwachsen.
Die Desinvagination gelang der Verwachsungen wegen nicht,
die Serosa zeigte sich an den Stellen der Verwachsung mit tube.
Knötchen besetzt. Das übrige Peritoneum frei von Tuberculose.
Eine Darmanastomose hätte die Kothpassage nicht vollständig
von dem erkrankten Darmstück abgelenkt und eine Behandlung
desselben mit Ausspülungen etc. unmöglich gemacht. Die Exstir¬
pation erschien zu lebensgefährlich, daher wurde die Darmaus¬
schaltung vorgenommen. Die beiden Enden des ausgeschalteten
Darmstückes wurden zunächst im oberen Wundwinkel offen ein¬
genäht Die Secretion ist noch immer ziemlich erheblich, etwa
2 Esslöffel voll glasigen DarmBchleims täglich, in welchem mehrfach
Tuberkelbacilleu nachgewiesen wurden. Zeitweise treten in dem
ausgeschalteten Darmstück peristaltische Bewegungen auf, die mit
Schmerzen verbunden sind. Die Geschwulst ist im Leibe deutlich
fühlbar. Im Uebrigen ist das Allgemeinbefinden gut, die Ver¬
dauungsorgane in Ordnung.
Es kann kaum zweifelhaft sein, dass tubc. Processe, event.
Stenosen in der Gegend der Valvula Bauhini die Ursache der
Invagination abgab und eine Perityphlitis vortäuschte.
Soviel W. bekannt, ist die Darmausschaltung aus dieser In¬
dication bis jetzt noch nicht vorgenommen.
3. Herr Unna zeigt 1. an einem seit einem Jahre an Lepra
leidenden 12 jährigen Brasilianer und an einer Reihe von Abbil¬
dungen der gewöhnlichen Form der Hautlepra die Unterschiede der
beiden Knotenlepra-typen — cutaner und subcutaner—, die er
getrennt wissen will. In dem vorgestellten Falle finden sich im Ge¬
sicht und an den Streckseiten der Extremitäten, den Thorax und
die Innen-Beugeseiten frei lassend, multiple, halberbsenförmige, über
die Haut erhabene Flecke; obwohl derartige Knoten auch in den
Augenbraunen localisirt sind, besteht kein Haarausfall, keine
Drüsenschwellung, keine Nervenveränderung. Redner will die Mul¬
ti formität der leprösen Knoten der Haut nach pathologisch-anato¬
mischen Grundsätzen beachtet wissen. — 2. Einen Fall von Urti¬
caria pigmentosa bei einem ’/ajkhrigen Kinde, bei welchem auf
mechanische Hautreize Quaddeln entstehen, die bei ihrem Schwinden
permanente sepiafarbene Pigmentirung znrücklassen.
4. Aus dem Eppendorfer Krankenhause demonstriren:
Herr Tschirschwitz ein durch transperitoneale Laparotomie ge¬
wonnenes, 5 Pfund schweres, colossales Cancroid der Niere
mit erheblicher Bildun g von Steinen, die das Krebsgewebe
durchsetzen; Herr Jaus einen operativ entfernten, pseudo-
leukaemischen Milztumor. Es handelte sich um einen der
von Käst und Hohenemser beschriebenen Fälle von Lympho-
sarkomatose. Schwere Cachexie, mehrtägige Fieberanfalle in
circa 6tägigen Intervallen, quälende 8chmerzen und Erfolglosig¬
keit jeder anderen Behandlungsmethode gaben die Indication zur
Operation. Blutbefund: geringe Vermehrung der Leukocyten vor
und nach derselben im Gleichen. Fieberanfälle sind bis jetzt nicht
wieder aufgetreten, das Allgemeinbefinden wesentlich gebessert;
Herr Gocht vorzüglich gelungene Actinogramme von Hüft¬
gelenken Erwachsener. In einem Falle war die fragliche
Diagnose einer tuberculösen traumatischen Coxitis durch Röntgen¬
strahlen sicher gemacht.
5. Herr Zenker zeigt mit Röntgenstrahlen gewonnene
Abbildungen von Hüftgelenken von Kindern mit congenitaler
Hüftgelenksluxation, sowie den durch das gleiche Verfahren
festgestellten Erfolg der Reposition nach den Methoden von Paci
No. 43.
und Lorenz; die actinographischeControlle gibt äusgezeiebnete Au-
haltspunkte für Vergleiche der vorgeschlagenen Repositiönsroethodtn
6. Herr Krause legt ein operativ gewonnenes Präparat einer
Extrauterinschwangerschaft am Ende des 8 Monats vor
7. HerrSaenger demonstrirt eine von ihm angegebene Vor¬
richtung amlnductionsapparat, durch welche man von der
Elektrode ans durch Druck auf 2 Contacte beliebig die Stromstärke
verändern kann. Ausführliche Beschreibung des bereits in Frank
furt gezeigten Apparates erfolgt im Neurol. Centr.-Blatt.
(Schluss folgt.)
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 24. October 1896.
Eine Anzeige der Wiener Aerztekammer. — Ueber
Meningitis cerebrospinalis epidemica in Wien.
In der Rubrik : «Aus dem Gerrchtssaale» berichteten jüngst
die politischen Blätter Wiens über eine recht odiose Verhandlung,
bei welcher ein Arzt als Angeklagter figurirtc. Er war beschul¬
digt, ein Vergehen der Veruntreuung oder Betruges 1 ) dadurch
begangen zu haben, dass er einem Operateur einen kleineren
Geldbetrag ausfolgte, als er von der Partei für die Ausführung
der Operation verlangt resp. erhalten hatte. Der Staatsanwalt
hielt dafür, dass er kein Recht hatte, sich dieses Geld zu bo
halten, dass er daher den Operateur, der sieb übrigens für
nicht beschädigt erklärte , um den Betrag von 30 fl- betrogen
habe. Die Sache gelangte nicht zum Abschlüsse und wurde
vertagt.
Ich hätte an dieser Stelle von der Verhandlung gar nicht
Notiz genommen, wenn nicht ein Moment hinzugetreten wäre,
das eine principiellc Wichtigkeit hat. In den politischen Blättern
stand, dass die Wiener Aerztekammer die Angelegenheit dem
Staatsanwalte übergeben habe und das wurde in den ärztlichen
Kreisen vielfach besprochen und commentirt. Man hielt es für
unmöglich, dass die Aerztekammer derart vorgegangen sei und als
Interpret dieser Anschauung richtete die «Wiener Medicinische
Presse» ein Wort an den Vorstand der Wiener Aerztekammer
mit dem dringenden Ersuchen, der Acrzteschaft Wiens, welche,
der principicllen Bedeutung, sowie der Tragweite dieser Angelegen-
heit wohl bewusst, sich in begreiflicher Erregung befindet, eine
unzweideutige Aufklärung nicht vorzuenthalten.
Nun ist diese Aufklärung erfolgt. Der Vorstand der Wiener
Aerztekammer beeilte sich, den medicinischen Fachblättern Wiens
Folgendes mitzutheilen :
«Mit Rücksicht darauf, dass in ärztlichen Kreisen Unklarheit
herrscht über die Haltung, welche der Ehrenrath der Wiener
Aerztekammer in einer einen hiesigen Arzt betreffenden Straf¬
sache eingenommen hat, beehrt sich das Präsidium Folgendes mit
zuthcilen: Nach § 12 des Kammergesetzes hat der Ehrenrath
in jenen Fällen zu fungiren , welche der Competcnz der zustän¬
digen Behörde nicht unterliegen , bezw. nach § 5 der Geschäfts
ordnung für den Ehrenrath in den der Competcnz der zuständigen
Behörde unterliegenden Fällen die Anzeige an dieselbe zu erstatten.
Nachdem nun in dem dem Ehrenrathc vorgelegencn Falle sich
Zweifel über die Competenz des Ehrenrathcs ergeben habeD, hat
derselbe beschlossen, an zuständiger Stelle sieh über den von ihm
zu beobachtenden Vorgang zu informiren. Die Auskunft lautete
dahin, dass der fragliche Fall nicht in die Competenz des Ehrcn-
rathes gehöre und dieser sich einer schweren Pflichtverletzung
schuldig machen würde, wenn er diese Angelegenheit nicht der
competenten Behörde abtreten würde. Dieser behördlichen IVeisung
hat der Ehrenrath Folge geleistet.»
Es ist nun abzuwarten, in welcher Weise die ärztlichen
Vereine Wiens zu dieser «Aufklärung» der Wiener Aerztekammer
Stellung nehmen werden. Mögen sich vorderhand die geehrten
Leser selbst ein Urtheil bilden.
Der Wiener mcdicinischc Club eröffnete seine Wintereampagw
mit einer interessanten Discussion über Meningitis cerebrospinafe
epidemica, welche Krankheitsform in letzterer Zeit häufiger ab
*) Der angeklagte Arzt wurde am 24. d. M. wegen Veruntreuong
eines Geldbetrages zom Nachtheile des Operateurs zu einer »ocat
Arrest und zur Tragung der Gerichtskosteu verurtheilt. D er
theidiger hat sofort die Appellation an die höhere Instanz eingeleit»-
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27. October 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1063
sonst in Wien zur Beobachtung gelangte. Vorerst stellte Docent
Dr. Schlesinger 2 geheilte Fälle aus der Klinik Schrötter’s
vor und besprach eingehend deren Symptomatologie. Die Krank¬
heit trat in diesen wie in anderen Fällen zumeist sehr stürmisch
und plötzlich, unter hohem Fieber und Erbrechen auf. Der be¬
gleitende Herpes erschien frühzeitig und erlangte oft eine grosse
Ausdehnung, sogar am Halse waren derlei Efflorescenzen sichtbar.
Bald kamen Ptosis und Oculomotoriuslähmung, oder Augenmuskel¬
lähmungen, sodann auch Facialislähmung. Vorübergehend waren
auch Blase und Mastdarm gelähmt, einmal waren auch die peri¬
pheren Nerven schwer betheiligt (Druckempfindlichkeit der Nervcn-
stämme, Atrophie in bestimmten Muskelgebieten). Die Naoken-
starre war in allen Fällen von Anfang an sehr ausgesprochen, die
Druckempfindlichkeit der Wirbelsäule eine sehr erhebliche.
Ein Mal wurde die Spinalpunction ausgeführt. Die ent¬
leerte Flüssigkeit enthielt reichlich Eiterkörperchen, jedoch fand
man keinen specifisehen Krankheitsträger. Die Punction wurde
nicht wiederholt, weil weder eine Erleichterung des Zustandes, noch
eine Besserung des Allgemeinbefindens erzielt wurde.
Die Reconvalescenz dieser Kranken ist eine langsame, trotz
sehr guten Appetits und reichlicher Nahrungszufuhr ist eine
Gewichtszunahme kaum zu constatiren.
2 Fälle wurden an die Klinik schon moribund gebracht, die
Nekroskopie bestätigte die gestellte Diagnose.
In therapeutischer Hinsicht wies der Vortragende auf
die Nützlichkeit heisser Einpackungen hin. Die Kranken wurden
in heisse feuchte Tücher gepackt und blieben etwa 3 /.i Stundeu
oder eine volle Stunde lang eingewickelt. Günstig beeinflusst wurden
vor Allem die Nackensteifigkeit und die Hyperaesthcsie, so dass die
Kranken selbst stürmisch nach der Einpackung verlangten; ja, in
einem Falle trat sofort Verschlimmerung auf, wenn die heisse Ein¬
packung ausgesetzt und sofort wieder Besserung, wenn diese
Procedur wieder eingeleitet wurde. Das Fieber selbst wurde
hiedurch nicht beeinflusst.
Da Redner erwähnt hatte, dass in seinen Fällen auch Er¬
scheinungen von Seiten der Ohren bestanden hatten, so gibt der
Assistent der Ohrenklinik Dr. Kaufmann seine bezüglichen
Erfahrungen bekannt. Es kommen Leute aus verschiedenen
Bezirken Wiens und auch vom Flachlande an die Klinik, welche
— nach abgelaufener Meningitis — mit Taubheit oder Taub¬
stummheit behaftet sind. Erstcre ist stets doppelseitig und
eomplet, letztere wird bloss bei jugendlichen Individuen beobachtet.
Habermann hat durch mikroskopische Untersuchungen un¬
zweifelhaft erwiesen, dass der Krankheitsprocess von den Meningen
auf dem Wege des Aquaeductus cochleae in's innere Ohr ein¬
dringt. Die complete Taubheit stellte sich mitunter mehrere
Monate, sogar ein Jahr später ein, die Prognose ist zumeist eine
ungünstige, da es selten gelingt, einseitige Besserung zu erzielen.
Der Bezirksarzt Dr. B e r d a c h hat die epidemische Meningitis
in 4 bis 5 Fällen constatirt, einmal bei Vater und Sohn gleich¬
zeitig. Einige Fälle endeten letal. In zwei Fällen war eine
Angina vorausgegangen.
An der Klinik Drasche’s wurde, wie dessen Assistent
Dr. Anhauch berichtet, ebenfalls 3 Fälle constatirt. Als Krank¬
heitserreger wurde der Meningococcus intracellularis Weichsel¬
baum gefunden. Die Erscheinungen waren recht mannigfach,
einmal war keine Lähmung, einmal Ptosis und Oculomotorius¬
lähmung und im 3. Falle spinale Symptome vorherrschend. Im
letzten Falle (Kopfschmerz, Nystagmus, Parese der unteren Ex¬
tremitäten, der Blase und des Mastdarmes) wurden ebenfalls heisse
Einpackungen angewendet und Salicylsäure verabfolgt. Nach vor¬
übergehender Besserung stellten sich am 19. Krankheitstage wieder
heftiges Fieber mit Kopfschmerzen ein, Exitus nach 24 Stunden
unter Cyanose. In einem 4- Falle litt der Kranke erst an einer
Pneumonie, welche abheilte, sodann an ausgebreiteter Furunculose
und zum Schlüsse an Meningitis.
Nachdem Docent Dr. Sternberg in differentialdiagnostischer
Hinsicht auf die Aehnlichkcit dieses Processes mit der Ependymitis
chronica der Erwachsenen und der sporadisch vorkommenden
Meningitis hingewiesen und seine bezüglichen Beobachtungen mit-
getheilt hatte, bemerkte Dr. S t e c k e 1, dass in Polen die ersten
Fälle von Meningitis mit heissen Bädern und zwar mit gutem
Erfolge behandelt wurden. Dieselbe Therapie wurde auch in
Magdeburg und in Frankreich eingeschlagen. Laue Bäder hätten
nicht diesen Erfolg, sie wirken vielmehr sogar schädlich.
Es entspinnt sich sodann eine separate Discussion zwischen
dem Assistenten Dr. Singer, welcher eine eitrige Otitis als
Vorläufer oder als Folge einer Meningitis beobachtet hat und die
Ansicht vertritt, dass Otitis und Meningitis in der zeitlichen Auf¬
einanderfolge wechselu können, so dass beide Erkrankungen als
der Ausdruck einer Infection zu betrachten seien, ohne Rücksicht
auf die Abhängigkeit von einander — und Ohrenarzt Dr. Kauf¬
mann, welcher noch niemals eine Eiterung bei oder im Anschlüsse
an die Meningitis cerebrospinalis zu beobachten Gelegenheit hatte.
Dr. Müller behauptet wieder, dass der Zusammenhang zwischen
Otitis und C'erebrospinalmeningitis ein auffallender sei und dass
eine Wechselwirkung zwischen beiden stattfinde: einmal entstehe
eine Otitis aus Meningitis, ein anderes Mal sei vielleicht das Um¬
gekehrte der Fall.
Zum Schlüsse resumirt Docent Dr. Schlesinger, dass es
feststehe, dass diese Erkrankung im heurigen Jahre in Wien
häufiger beobachtet wurde. Es scheint eine Einschleppung der
Krankheit von Aussen stattzufinden. Angina tonsillaris als Vor¬
läufer habe er nicht beobachtet. Freilich sei die Diagnose im
Anfänge sehr schwer zu stellen gewesen, vielleicht werde jetzt
die Spinalpunction die Diagnose vereinzelter Fälle ermöglichen.
Die Prognose scheint nach den vorliegenden Beobachtungen eine
ernste, die Zahl der Todesfälle eine relativ grosse. Endlich ver-
theidigt der Redner seine heissen Einpackungen auch gegen die
heissen Bäder, weil erstcre überall leicht durchführbar seien und
dem Kranken keine Schmerzen bereiten; solche Kranke 3 bis 4 mal
täglich in ein heisses Bad zu setzen, sei schon schwieriger und
complicirter.
Verschiedenes.
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Der heutigen Nummer liegt das 63. Blatt der Galerie bei: Dr. Josef
v. Kerschensteiner. S. den Nekrolog.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 27. October. Die bayr. Aerztekammern werden am
29. d. M. zu ihrer 25. Tagung zusammentreten. In dem abgelaufenen
Vierteljahrhundert ihres Bestehens haben die Aerztekammern vollauf
die Aufgabe erfüllt, welche ihnen bei ihrer Begründung durch die
Regierung zugedacht war; keine wichtige Frage deß ärztlichen Standes
und des öffentlichen Gesundheitswesens hat in dieser Zeit ihre Er¬
ledigung gefunden, ohne' dass die Kammern dabei, häufig in ent¬
scheidender Weise, mitgewirkt hätten. Von den Männern, welche
jener ersten Sitzung am 10. August 1872 als Delegirte beigewohnt
haben, gehören eine Anzahl noch heute, nach 25jähriger ununter¬
brochener Thätigkeit im Dienste der ärztlichen Sache, der Kammer
an; wir nennen Aub, Brauser, Holler, Kaufmann, Merkel,
Zöller. Ihnen vor Allem sei beim Abschluss der ersten 5 Lustra
Kamijnerthätigkeit unser Dank dargebracht.
— Zur Frage der Zuständigkeit der Landesgesetzgebung zur
Schaffung ärztlicher Ehrengerichte sind wir in der angenehmen Lage
heute einen Artikel aus der Feder des ausgezeichneten Kenners und
Lehrers des Staatsrechts, Dr. v. Seydel, zu bringen, der mit aller
nur wünschenswerthen Klarheit und Bestimmtheit die Frage in be¬
jahendem Sinne entscheidet. Im Verein mit den Ausführungen von
Appelius und des Leipziger Tageblatt dürfte hiermit die Behaup¬
tung Dr. Hamburgers, der das sächsische Gesetz über die ärzt¬
lichen Bezirksvereine schlechthin als rechtsungiltig erklärt hatte,
endgiltig aus der Welt geschafft sein. — In Dresden hat ein Herr
Dr. Eugen Schlesinger, wie er in einer uns zugesandten Broehüre
mittheilt, soeben seinen Austritt aus dem Bezirksverein erklärt (was
nach dem neuen Gesetz unzulässig ist) und in einer Eingabe an das
k. sächs. Ministerium des Innern angekündigt, dass er den Process-
weg beschreiten werde, um eine Entscheidung über die von ihm be¬
hauptete Rechtsungültigkeit des Gesetzes herbeizuführen. Nach den
Ausführungen v. Seydel's wird der Herr College es sich vielleicht
doch zweimal überlegen, bevor er einen Schritt unternimmt, dessen
einziger Erfolg voraussichtlich eine wesentliche Erleichterung seines
Geldbeutels sein wird.
— Der Gesetzentwurf, betreffend die ärztlichen Ehrengerichte,
wie er, der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung zu Folge, dem
preusBischen Landtage vorgelegt werden soll, berücksichtigt, wie schon
erwähnt, die von den Aerztekammern vorgeschlagenen Abänderun¬
gen nur in geringem Umfange; er wird daher von der Fachpresse
vielfach heftig angegriffen. Unter diesen Umständen erscheint es
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
nicht unzweckmässig, dass der neue Entwurf den demnächst neu
zu wählenden Aerztekammern nochmals vorgelegt werden soll.
Der officiöse «Berliner Correspondent» schreibt nämlich: «Bekannt¬
lich ist der in der Vorbereitung begriffene Gesetzentwurf, betreffend
die ärztlichen Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Cassen der
Aerztekammern, von dem Minister der Medicinalangelegenheiten den
Aerztekammern zur gutachtlichen Aeusserung vorgelegt worden. Nach¬
dem der Aerztekammer-Ausschuss über das Gesammtergebniss dieser
gutachtlichen Aeusserung an den Ministei berichtet und Letzterer
die gestellten Abänderungsanträge einer sorgsamen Prüfung unter¬
zogen, dieselben auch, soweit es ihm angängig schien, berücksicbigt
hat, wird der Gesetzentwurf den Aerztekammern nochmals zur Be¬
gutachtung mitgetheilt werden. Es erscheint dies um so zweck¬
mässiger, als die Wahlperiode der Aerztekammern in der nächsten
Zeit abläuft und der Minister Werth darauf legt, zu wissen, welche
Stellung die neugewählten Aerztekammern dem Gesetzentwurf gegen¬
über einnehmen*.
— Der Geschäfts-Ausschuss der Berliner ärztlichen Standes¬
vereine hat in der letzten Sitzung vom 20. d. M. einstimmig folgende
Beschlüsse gefasst: «Es wird eine Commission von 5 Mitgliedern
(Schöneberg, Alexander, Henius, Davidsohn und Joachim)
gewählt, welche alle preussischen Vereine zur Theilnahme an der
Agitation gegen den Entwurf über die Ehrengerichtsbarkeit auf¬
fordert.» Ferner: «Der Geschäfts-Ausschuss erachtet den in der
«Nordd. Allgera. Zeitg.» veröffentlichten Entwurf betr. die Ehren¬
gerichtsbarkeit für unannehmbar. Die Aerztekammer wird von
diesem Beschluss in der Erwartung in Kenntniss gesetzt, dass die
Kammer demselben Rechnung tragen werde. >
— Die Münchener «Allg. Zeitg.» lässt sich, anscheinend von
officiöser Seite, schreiben: «Die Besetzung der Stelle eines Ober-
medicinalrathes und Referenten für das bayerische Medicinalwesen
im Ministerium des Innern begegnet, wie wir hören, bedeutenden
Schwierigkeiten. Nicht dass es irgendwie an geeigneten Kräften
fehlte, die Schwierigkeit liegt vielmehr darin, dass Aerzte (besonders
in den grösseren Städten), Bowie Universitütsprofessoren aus lieb¬
gewordenen Verhältnissen, aus ganz unabhängigen Stellungen mit
bedeutenderem Einkommen im Interesse ihrer Familien nur sehr
ungern scheiden wollen, um jene amtliche Stellung zu übernehmen.
Andere, welche ebenfalls in Betracht kommen könnten, stehen bereits
in einem Alter, in welchem man sich nicht mehr gern und leicht
in eine neue Thätigkeit hineinlebt. >
— In der 41. Jahreswoche, vom 4. bis 10. October 1896, hatten
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Liegnitz mit 30,0, die geringste Sterblichkeit Bielefeld
mit 8,6 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Bochum; an Diph¬
therie und Croup in M.-Gladbach; an Unterleibstyphus in Bochum.
— Der Balneologische Congress wird im März 1897 in Berlin
wie seither stattfinden und die Mitglieder der Baineologischen Ge¬
sellschaft werden ersucht, ihre Anträge oder Vorträge möglichst
bis zum 31. December bei dem Generalsecretär Sanitäts-Rath Dr.
Brack, Berlin, Melchiorstrasse 18, anmelden zu wollen.
— Allgemeiner Deutscher Versicherungs-Verein
in Stuttgart. Vom 1. Januar bis 30. Juni 1896 wurden 25,360
neue Versicherungen abgeschlossen und 4638 Schadenfälle regulirt.
Von letzteren entfallen auf die Haftpflicht-Versicherung
1256 Fälle wegen Körperverletzung und 611 wegen Sachbeschädigung;
auf die Unfall-V ersicherung 2439 Fälle, von denen 8 den
sofortigen Tod und 37 eine gänzliche oder theilweise Invalidität
der Verletzten zur Folge hatten. Von den Mitgliedern der Sterbe
casse sind im gleichen Zeiträume 332 gestorben. Am 1. Juli 1896
waren 196,227 Policen über 1,552,009 versicherte Personen in Kraft.
— Der Redacteur der Berliner klinischen Wochenschrift, Prof.
Dr. C. A. Ewald, ist zum Geheimen Medicinalrath ernannt worden.
— In Münster feierte am 21. ds. Professor Hittorf, der zuerst
die elektrischen Lichterscheinungen an Geissler'sehen Röhren mit
starker Luftverdünnung studirte und nach dem die zur Erzeugung
von Röntgenstrahlen jetzt so viel gebrauchten Röhren in neuerer
Zeit mit Recht als Hittorf'sche Röhren bezeichnet werden, sein
50jähriges Doctorjubiläum.
— Von Meyer’s Conversationslexikon, V. Auflage, ist soeben
der 13. Band erschienen. Indem wir auf die erst vor Kurzem in
dieser Wochenschrift erschienene eingehende Besprechung dieses in
jeder Hinsicht ausserordentlichen Unternehmens verweisen, be¬
schränken wir uns darauf, die Fülle auch dieses Bandes an gediegenen
wissenschaftlichen Artikeln — wir nennen: Pflanzenkrankheiten, Pilze,
Photographie, Polarisation — Bowie an vortrefflichen Karten, Farben¬
tafeln und Textillustrationen hervorzuheben. Der Band umfasst die
Stichworte «Nordseecanal» bis «Politesse».
(Universitätsnachrichten.) Cincinnati. Dr. D. I. Wolf¬
stein hat sich als Lector für pathologische Anatomie am Medical
College of Ohio habilitirt. — Graz. Dr. H. Hammerl hat sich als
Privatdocent für Hygiene habilitirt. — Helsingfors. Der Professor
der Syphilidologie, Georg Smirnow, der sich durch Wiederaufnahme
der Kalomelbebandlung einen Namen gemacht, ist gestorben. —
Kasan. Der Professor der Chirurgie und Director der chirurgischen
Universitätsklinik in Kasan, Dr. W. Kusmin, hat seinen Abschied
genommen und ist an seine Stelle der bisherige Leiter der chirurgischen
Hospitalklinik, Professor W. J. Rasumowski, getreten.
Verl»g von J. T. Lehmann ln München. — Druck der
(Todesfälle.) Dr. A. Livezey, früher Professor für Gebart«,
hilfe am Woman's Medical College of Pennsylvania, in Philadelphia.
— Dr. Harry Hodgen, Professor für orthopädische Chirureie «m
St. Louis Medical College. 8
(Berichtigung.) In No. 40, S. 951, Fussnote 9, ist an 1*«
Stellen statt 1890 zu lesen: 1880.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlas sangen: Dr. Alois Schlachter, approb. 18%, »m
Wertheim a. M., zu Würzburg. — Dr. Josef Speth, approb. I&94
zu Würzburg.
Verzogen: Dr. Josef Herb eck von Augsburg nach Schönaee
(B.-A. Neunburg v. W.). — A. Frank, prakt. Arzt von Schön««
(Neunburg v. W.) nach Rötz-Waldmtinchen.
Auszeichnung: Dem k. Bezirksarzte Dr. Otto Zaubxer, Ober¬
arzt der med. Abtheilung des Krankenhauses München r. d. I., wurde
der Verdienstorden vom hl. Michael IV. Classe verliehen.
Versetzt: Der k. Bezirksarzt I. Classe Dr. Ignaz Auer Ton
Sonthofen nach Freising.
Erledigt: Die Bezirksarztstellen I. Classe in Waldmüncben
und Sonthofen. Bewerbungstermin 31. October 1896.
Generalrapport Uber die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat September 1896.
1) Bestand am 31. August 1896 bei einer Kopfst&rke de«
Heeres von 60459 Mann, 230 Kadetten, 17 Invaliden, 140 U.-V.*):
1446 Mann, — Kadetten, 2 Invaliden, 3 U.-V.
2) Zugang: imLazareth 1131 Mann, 2 Kadetten, — Invaliden,
11 U.-V.; im Revier 2550 Mann, 4 Kadetten, — Invaliden, 4 U.-V.
Summe 3681 Mann, 6 Kadetten, — Invaliden, 15 U.-V. Mithin
Summe des Bestandes und Zuganges 5127 Mann, 6 Kadetten,
2 Invaliden, 18 U.-V.; vom Tausend der Iststärke 84,80 Mann,
26,08 Kadetten, 117,64 Invaliden, 128,57 U.-V.
3) Abgang: geheilt 3742 Mann, 3 Kadetten, — Invaliden, 18
U.-V.; gestorben 7 Mann, — Kadetten, — Invaliden, — ü.-V.;
invalide 74 Mann; dienstunbrauchbar 32 Mann, — U.-V.; ander¬
weitig 317 Mann, — Kadett, — Invaliden, — U.-V.; Summa: 4172
Mann, 3 Kadetten — Invaliden, 18 U.-V.
4) Hiernach sind geheilt 729,86 von 1000 der Kranken der Armee,
500.0 der erkrankten Kadetten, — der erkrankten Invaliden und
1000,0 der erkrankten U.-V.; gestorben 1,36 von 1000 der Krauten
der Armee, 0,00 Kadetten, 0,00 Invaliden und 0,00 U.-V.
5) Mithin Bestand am 30. September 1896: 955 Mann, 3Ka¬
detten, 2 Invaliden, — U.-V.; vom Tausend der Iststärke 15,79 Maan,
13,04 Kadetten, 117,64 Invaliden, — U.-V. Von diesem Kranken
stände befanden sich im Lazareth 596 Mann, 1 Kadetten, — Inva¬
liden, — U.-V.; im Revier 359 Mann, 2 Kadett., 2 Invaliden, — VA.
Von den im Lazarethe Gestorbenen haben gelitten m:
Neubildung im Gehirn (Sarkom) 1, Herzbeutelentzündung 1, chron¬
ischer Lungenschwindsucht 2, Luugenbrand 1, Blinddarmentröndang
1, Mittelohreiterung mit nachfolgender Blutvergiftung 1. Ausserdem
tödtete sich 1 Mann durch Erschiessen (Schädelzertrümmerung) and
verunglückte 1 Mann durch Ertrinken.
Der Gesammtverlust durch Tod in der Armee im Monat Sep¬
tember beläuft sich somit auf 9 Mann.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten fiiriiinchen
in der 42. Jahreswoche vom 11. October bis 17. October 18%.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 35 (32*), Diphtherie. Croup
43 (34), Erysipelas 11 (10), Intermittens, Neuralgia intern. 1 (4
Kindbettfieber 2 (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 4 (9).
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 6 (b), Parotitis epidemica 3 ( 1 ).
Pneumonia crouposa 17 (14), Pyaemie, Septicaemie — (—)>
tismus art. ac. 18 (20), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 8u3lj,
Tussis convulsiva 22(28), Typhus abdominalis 1 (—), Varicellen 19 w
Variola, Variolois — (—). Summa 219 (196). Medicinalrath Dr. Aao.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 42. Jahreswoche vom 11. Oct. bis 17. Oct. 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000. .
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach 1 (1),
und Croup 3 (3), Rothlauf — (~), Kindbettfieber — R,
giftung (Pyämie) — (—), Brechdurchfall 6 (9), UnterleibstypnM-
(1), Keuchhusten — (—), Croupöse Lungenentzündung 3
culose a) der Lungen 14 (23), b) der übrigen Organe 4 (4), Acnw
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 4JA
Unglücksfälle 2 (-), Selbstmord — (2), Tod durch fremde Hand-W-
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 178 (193), Verhältiuastfw
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 22,8 (24,')' „
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 12,4 (14,0),
die über dem 5. Lebensjahr stehende 11,2 (14,4).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
_*) U.-V. — Abkürzung für Unteroffiziere -Vorechfller._
E. Mühlthwier‘ »chen k. Hof-Buchdrackerei in Mönchen.
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Die Münchener Medlcln. Wochenschrift erscheint
w öchentlich in Nmnmenivou mindestcusUV,—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M ., praenumerando zahlbar.
Einzelne Nummer 60 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind ru adremtren Für die Redaction
Ottostrasse 1 — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Landwehrstr. 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Moase, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J. v. Michel, H. v. Ranke, F. ?. Winckel, H. v. Ziemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Wurzburg. München. München. München.
M 44. 3. November 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Ueber den Begriff der cumulativen Wirkung in ihrem
Verhältniss zu den Dosirungsgesetzen.
Von Prof. Erich Hu muck.
Von Seiten der praktischen Aerztc, welche tagtäglich Arznei¬
mittel verschreiben und auf die verschiedenste Weise zur Anwen¬
dung bringen, wird auffallender Weise die Dosirungsfrage
trotz ihrer hervorragenden praktischen Bedeutung und ihrem hohen
theoretischen Interesse immer noch arg vernachlässigt. Es herrscht
auf diesem Gebiet noch immer eine merkwürdige Zerfahrenheit
und Willkür, um nicht zu sagen eine gewisse Naivität, die eine
Hauptursachc der zahlreichen Schäden bildet, die durch Arznei¬
mittel noch fort und fort angerichtet werden.
Um so erfreulicher ist die Thatsache, dass neuerdings von
wissenschaftlicher Seite her Bestrebungen sich geltend gemacht
haben, das Problem der Arzneidosirung objectiv und vermittels
oxacter Versuche zu begründen. Zu dem Zweck ist man nament¬
lich von der Wirkung der anaesthetischen Mittel (Aether, Chloro¬
form, Chloral- und Amyicnhydrat) ausgegangen 1 ). Die beachtens-
wertheste unter diesen Arbeiten ist unstreitig die in den pharmako¬
logischen Instituten von Marburg und Halle ausgeführte Unter¬
suchung von Dr. E. .Juck uff*), die nur, weil sie sich für die
Beweisführung mathematischer Hilfsmittel bedient, für das Gros
der Eachgenossen unverständlich bleibt. Die Ergebnisse, zu denen
Juck uff gelangt, gipfeln zunächst in dem Satz, dass es für jede
wirksame Substanz eine (natürlich je nach den verschiedenen
Wirkungsbedingungen variirendo) Grenzdosis gibt, unterhalb deren
die Wirkung überhaupt nicht mehr eintritt, in Folge der Kesistenz-
fühigkeit des lebenden Organes. Dieser Satz ist natürlich nicht
neu a ), dient er ja doch hauptsächlich zur Zurückweisung der
Hirngespinste Hah nerna n n’scher Lehre. Was Juckuff den
Resiste n zwo rth nennt, stimmt mit dem, was schon Buch¬
heim als Compensationsgrosse bozeiebnete. ziemlich genau
überein. Dagegen ist es unzweifelhaft J u c k u f f 's Verdienst, für
den weiteren Satz, dass man, um die Wirkungsintensität zweier
Dosen von der nämlichen Substanz zu vergleichen, nicht von der
Grösse Null, sondern eben von jener Grenzdosis ausgehen müsse,
exactcs Beweismaterial beigebracht zu haben. Freilich ist jene
Grenzdosi6 für alle verschiedenen Wirkungsbedinguugeii, sei es
experimentell, sei es empirisch zu ermitteln.
Die aus dem allgemeinen Satz sich ergebenden Schlussfolge¬
rungen erheischen aber von Seite des Praktikers die aufmerksamste
Beachtung. Unter den Praktikern gilt noch fast allgemein die
*) Die zuerst von Paul Bert (Conipt. rend. 1861 u. 1882) ge¬
wonnenen Resultate sind neuerdings von Spencer iArchiv f. exper.
Path. u. Pharm. Bd. 33, pag 407), Dreser (ebendas Bd. 37, pag 37. r >),
Rosenfeld (ebendas. Bd. 37, pag. f>3) u. A. bestätigt und weiter
entwickelt worden.
2 ) Juckuff. Dr. E, Versuche zur Auffindung eines Dosirnngs-
gesetzes. Eine toxikol.-mathemat. Studie. Leipzig. F.C. W. Vogel. 1895
3 ) Vgl. z. B. die diesbezüglichen Ausführungen in meiner Ab¬
handlung «Ueber den Begriff der Arzneiwirkungen etc ll.» (Berlin,
kliu Wochenschr. 1890, So. 10).
No. 44
gewissermassen stillschweigend als selbstverständlich angenommene
Voraussetzung, die Wirkungsintensität wachse direct proportional
mit den Dosen, so dass also (so glaubt man) 2 mg einer Substanz
doppelt so stark wirken als eines u. s. f.
Diese Annahme ist im Allgemeinen durchaus nicht zutreffend:
um wie viel stärker 2 mg einer Substanz wirken als eines, lässt
sich a priori überhaupt nicht Voraussagen, dazu muss erst die den
betreffenden Wirkungsbedingungen entsprechende Grenzdosis er¬
mittelt werden. Läge z. B. diese Grenzdosis bei l/g mg, so be¬
trüge die DifFerenz bis zu 1 mg = */2 mg, bis zu 2 mg aber
= 8 /j mg In diesem Falle würden also 2 mg dreimal so stark
wirken als 1 mg. Läge dagegen die Grenzdosis bei 3 /io mg, so
betrüge die Differenz bis zu 1 mg = */io mg, bis zu 2 mg aber
= 1 */i o mg- ln diesem Falle würden also 2 mg elf mal so
stark wirken als 1 mg. Wir sehen dabei von der Möglichkeit,
dass selbst bei dieser Art der Berechnung die Intensität der
Wirkung immer noch rascher wachsen könnte als die Dosen, ganz
ab. Um die Sachlage also durch eine einfache Proportion aus¬
zudrücken, der Satz ist falsch:
J : J' = D : D'
d. h. die Intensitäten der Wirkung einer Substanz verhalten sich
nicht wie die absoluten Dosen derselben, vielmehr:
J : J' = D—g : D'—g
wenn J und .P die Intensitäten der Wirkung, D und D' die
absoluten Dosen und g die eben noch wirksame Grenzdosis be¬
zeichnen.
Was soll nun der Praktiker dem gegenüber beginnen ? Ist
er im Stande, in jedem Falle die Grenzdosis zu bestimmen und
darnach das Wachsen der Wirkungsintensitäten mit steigender Dosis
zu berechnen ? Das ist im Allgemeinen nicht möglich, wohl aber
lässt sich aus der Erfahrung vielerlei entnehmen, was den Prak¬
tiker lehrt, welchen Mitteln gegenüber er mit der Dosirung ganz
besonders vorsichtig sein muss. Unter der Dosirung ist hier aber
nicht bloss die absolute Höhe, sondern auch die Häufigkeit der
Einzeldosen zu verstehen.
Betrachten wir die stark wirkenden Mittel (und nur um diese
kann es sich zunächst handeln, wenngleich vielleicht Analoges bei
jeder Wirkung stattfindet), so lassen sieh dieselben, natürlich ohne
eine scharfe Grenze, in zwei Categorien theilen , nämlich solche
bei denen die letale Dosis weit über der energisch
wirksamen liegt, und solche, bei denen die letale
Dosis überaus nahe über der wirksamen gelegen
ist. Nur die letzteren sind es, von denen man sogenannte
cumulative Wirkungen beobachtet, ein Begriff, dessen Deutung
früher nicht geringe Schwierigkeiten verursachte.
Ueber diese Verhältnisse werden uns einige Beispiele sofort
noch grössere Klarheit verschaffen. Vergleichen wir etwa eine
Substanz, wie das Atropin, mit dem Digitoxin (dem giftigsten
Digitaliskörper) oder mit dem Strychnin.
Das Atropin erzeugt gewisse Nebenwirkungen schon in
einer Dosis, die einen kleinen Bruchtheil eines Milligramms beträgt,
während seine Letaldosis für den Erwachsenen erst etwa bei
120 mg zu liegen scheint. Nehmen wir an, die Grenzdosis für
eine bestimmte Atropin Wirkung läge bei ! /io mg, so würden sich
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
die Dosen */* : 1 mg in ihrer Wirkungsintensität verhalten wie
4 : 9, also in der That annähernd wie 1 : 2- Die Dosen 1 : 2 mg
verhielten sich wie 9 : 19 u. s. f. Ob man also statt 1 mg Atropin
11 /io mg darreichen würde, hätte auf die Wirkungsintensität einen
sehr geringen Einfluss, die Dosen würden sich verhalten wie 9:10-
Gesetzt, es würden 2 Atropindosen ä 1 mg nach einander in
einem bestimmten Intervall gereicht und von der ersten wäre noch
der 10. Theil im Körj>er verblieben, wenn die neue Dosis zu
wirken beginnt, so würde die zweite Dosis doch kaum stärker zu
wirken scheinen als die erste; denn Wirkungsintensitäten, die sich
wie 9:10 verhalten, lassen sich wohl kaum unterscheiden.
Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse beim Digitoxin:
Hier liegt die Lctaldosis ungemein nahe über der wirksamen Dosis.
Aus den auch von Juck uff als besonders beweiskräftig heran¬
gezogenen Vergiftungsversuchen von Koppe 4 ) ergab cs sich, dass
*/» mg Digitoxin bei ihm überhaupt nicht wirkte, 1 mg nur
ungemein schwach, während 2 mg eine fast tödtliche Vergiftung
erzeugten! Nimmt man hier (nach Juckuff’s Vorgang) etwa
9 /io mg als die Grenzdosis an, so müssen 2 mg 11 mal so stark
wirken als 1 mg. Würde man statt l mg Digitoxin 1 1 /1 o mg
darreichen, so würde dies die Wirkungsintensität bereits verdoppeln!
Das lehrt Vorsicht in der Dosirung, wenn schon der 10. Theil
der absoluten Dosis als Zuwachs die Wirkungsstärke auf das
Doppelte steigert.
Von solchen Mitteln begreift man die sogenannte curnu-
lative Wirkung leicht: es braucht ja, wenn die zweite Dosis
zur Wirkung kommt, von der erstgegebenen nur noch der 10- Theil
im Organismus vorhanden sein, um mit jener zusammen die doppelt
so starke Wirkung zu erzeugen. Natürlich wird der Grad der
cumulativen Wirkung in jedem Falle von der Schnelligkeit der
Resorption und Elimination abhängig sein und ebenso von der
Häufigkeit, mit der sich die Einzeldosen folgen, d. h. es wird
darauf ankommen, ein wie grosser (an und für sich unwirksamer!)
Theil der vorherigen Dosis sich noch im Organismus befindet.
Gerade auf diesem Moment beruht eben das scheinbar Ueber-
raschende der cumulativen Wirkung, dass eine an sich unwirksame
Menge (restirender Bruchtheil von der ersten Gabe) sich mit einer
Dosis von der Wirkungsintensität 1 zu einer Wirkungsintensität 2
combinirt. Auf Grund der obigen Darlegung erscheint es aber
leicht begreiflich.
Ganz ähnlich, wie das Digitoxin, verhält sioh hierin das
Strychnin; auch für dieses liegt die letale Dosis der wirksamen
sehr nahe. Ich habe mich wiederholt davon überzeugt, dass z. B.
bei einem Hunde 1 l Jt mg Strychnin nur eine unvollkommene Wir¬
kung erzeugten, 2 */» m £ bereits eine sehr heftige, während 3 mg
schon letal wirkten! Auch hier muss also der kleinste Dosen¬
zuwachs schon eine unverhältnissmässige Steigerung der Wirkungs¬
intensität zur Folge haben, auch hier ist die cumulative Wirkung
der praktischen Erfahrung wohlbekannt.
Wie verhalten sich in der gleichen Hinsicht andere stark
giftige Heilmittel? Das Morphin nimmt etwa eine Mittel¬
stellung zwischen Atropin und Digitoxin etc. ein , d. h. für Er¬
wachsene. Hier liegt die Letaldosis nicht unerheblich über der
wirksamen, aber doch weit näher, wie etwa beim Atropin , und
kleine Dosenzuwachse können (namentlich b£i der subcutanen
Application!) doch schon erhebliche Steigerungen der Wirkungs¬
intensität veranlassen. Läge z. B. die Grenzdosis bei 5 mg, so
würden Dosen von 8 und 10 mg sich in ihren Wirkungsintensitäten !
schon verhalten wie 3:5, d. h. 10 mg würden schon beinahe
doppelt so heftig wirken, wie 8 mg, UDd eine Dosis von 0,015
Morphin würde gerade doppelt so stark wirken, wie eine Dosis
von 0,010.
Wesentlich ungünstiger noch liegen die Verhältnisse für das
Morphin bei Kindern; denn hier liegt die Letaldosis der
wirksamen weit näher, die Gefahr der cumulativen Wirkung ist
daher weit grösser, da dem geringsten Dosenzuwachs eine unver¬
hältnissmässige Steigerung der Wirkungsintensität entspricht.
Auch für die anaeethetisch wirkenden Mittel, Chloroform,
Chloralhydrat, Aether etc., ist grosse Vorsicht in der Dosirung
von Nöthen, gleichgiltig, ob sie von den Lungen oder von anderen
Koddo. Archiv f. exper. Path. u. Pharm. UL pag. 274.
Applicationsstcllen aus in’s Blut eingeführt werden, obschon natür¬
lich die Gefahr um so grosser ist, je kürzer der Weg in s Blut.
Die Letaldosis liegt auch bei diesen Stoffen sehr nahe über der
wirksamen, und wären Chloroform und Aether nicht so eminent
flüchtig, wesshalb sie zum grössten Theil schnell wieder eliminüt
werden, die Gefahr einer cumulativen Wirkung bei der Inhalation
und daher auch die Lebensgefahr wäre eine viel zu grosse. Du
gilt sowohl für die Respiration»-, wie für die herzlfihmende Wir¬
kung dieser Stoffe Nach Rosen fcid erzeugen bei Kaninchen
0,96— 1,01 Volumprocento Ühloruformdampf in der Inhalationgloft
eine stundenlange Narkose ohne Athiuuugsstörung, 1,16—1,22VoL-
Proc. verursachen Athmungsstillstand in 2 Stunden, 1,41—l,4?Vel.-
l’roc. in 1 */< Stunden, 1,03—1,65 Vol.-Proc. in 45 Minuten.
Auch diese Zahlen lassen die Proportion J : J' = D-g : IV-g
als annähernd richtig erscheinen. Wie kleine Dosenzuwachae im
Blut die Wirkungsintensität unverhältnissmässig steigern, daron
kann man sich auch leicht überzeugen, wenn man eine conccntrirte
Chloralhydratlösung mit Hilfe einer Spritze direct in eine Vene
einführt. Injicirt man äusserst langsam, so dass man den Stempel
der Spritze kaum sich fortbewegen sieht, so lässt sich allmählich
eine beträchtliche Menge ohne Schaden einführen, die eine stunden¬
lange gleiebmässigc Narkose zur Folge hat; injicirt man aber nnr
ein wenig zu rasch, so tritt sofortiger Herzstillstand ein. Genau
so verhält es sich mit der Ohloroforminhalation: enthält
die Inspirationsluft einen Gehalt an Chloroformdampf, der nur
um ein Weniges zu hoch ist, so tritt hohe Lebensgefahr ein.
Diese Gefahr ist am grössten im Beginn der Narkose, wo die
Athmung noch rasch ist und daher in der Zeiteinheit mehr dem
Blute zugeführt werden muss, als bei langsamer und flacher
Athmung. Ist das Gemisch von Blut und Chloroform nur um
ein Weniges zu concentrirt, so kann momentane Herzlähmung
und Tod gleich iiu Beginn der Narkose cintreten. Es ist daher
nothwendig, namentlich Anfangs die Chloroformdämpfe gehörig
mit Luft verdünnt zuzuführen und nicht von vorncherein die
chloroformgetränkte Kappe direct über Mund und Nase des
Patienten zu ziehen, was noch dazu wegen des eintretenden
Erstickungsgefühles eine Tortur ist.
Wie nahe auch bei der Actherinhalation die letale
Dosis über der wirksamen liegt, zeigen die von Spencer
(1. c.) erhaltenen Resultate: während etwa 8,5 Volumproccnt
Aetherdampf in der Inhalationsluft eine gleichmässige, ungefähr¬
liehe Narkose unterhalten, tritt bei 6 Volumproc. schon der Tod
durch Rcspirationsstill8tand ein, also eine Verdoppelung der mässig
wirksamen Dosis führt schon zum Tode! Dieses Gesetz, dass
für die Anaesthetica die doppelte der wirksamen Dosis bereits
die sicher letale sei, hat schon P. Bert richtig erkannt.
Zu den stark wirkenden Giften, bei denen ebenfalls die Letal-
dosis sehr nahe über der wirksamen gelegen ist, gehören höchst
wahrscheinlich auch die durch den Stoffwechsel der gefährlichsten
pathogenen Mikroorganismen gebildeten Toxine. Auch hier gibt
cs unzweifelhaft eine Grenzdosis, welche unschädlich ist, aber ein
sehr kleines darüber hinausgehendes Plus kann schon die heftigsten
Krankheitserscheinungen erzeugen und die Wirkungsinteusitäten
werden sieh rasch cumulircn. Hieraus ergeben sich Schlussfol¬
gerungen, welche mit den von Behring entwickelten Ideen in
hohem Grade übereinstimmen. Mit jener Grenzdosis wird der
Organismus schon von selbst fertig, aber dieses Plus ist es,
gegen welches sich eine specifische causale Therapie richten muss,
sei es nun , dass man das Plus von Toxinen durch sogenannte
Antikörper wirklich zerstört, sei es, dass man durch Mittel, welche
eine raschere Ausscheidung aus dem Körper bewirken (Quecksilber,
Jod, Schwefel), eine raschere Elimination des Giftes veranlasst.
Es erklärt sich daraus, warum z. B. das Diphtherie-Heilserum
derartig rasch und prompt eine Restitutio ad integrum zu Stande
zu bringen vermag. In ganz ähnlicher Weise sieht man den
Grad einer Narkose rasch abnelunen, wenn man für ganz kurze
Zeit die weitere Zufuhr unterlässt, während die Elimination des
flüchtigen Agens aus dem Blut fortgesetzt stattfindet.
Auch für das Zustandekommen der chronischen ^ cr
giftungen muss das Verhältnis zwischen Dosenzuwachs un
Wirkungszuwachs von Bedeutung sein, aber die Verhältnisse liegen
3- November 1896.
MÜNCHENER MKDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1067
hier noch zu complicirt, um sie im Einzelnen klar Obersehen zu
können. 5 )
Dass, wie ich schon zum Voraus betont habe, diese Ver¬
hältnisse die höchste Beachtung von Seiten des praktischen Medi-
ciners erheischen, bedarf wohl keines weiteren Beweises: ich
möchte aber zum Schluss noch einige Worte über die theoretische
Seite der Frage hinzufügen. Die von Juck uff gegebene Dar¬
stellung seiner Resultate kann leicht ein Missverständniss hervor-
rufen, nämlich die Auffassung, als ob ein absolut gleicher Dosen¬
zuwachs einen um so grösseren Wirkungszuwachs erzeugen müsste,
je höher der Grad der Wirkung vorher bereits war. Dieses Er¬
gebnis würde einem allgemein-biologischen (psychophysischen) Gesetz
widersprechen, wonach, je stärker der bereits bestehende Reiz ist,
der absolute Reizzuwachs immer grösser werden muss, um sich
noch als solcher (d. h. als Zuwachs) geltend zu machen (wahr¬
genommen zu werden). Allein dem entspricht auch das Verhält¬
nis von Dosen- und Wirkungszuwachs durchaus; wenn wirklich
die Proportion richtig ist:
J : J' == D—g : D'—g
wenn also wirklich die Intensitäten wachsen proportional den um
die Grenzdosis (g) verringerten Dosen, d. h. in Form einer ge¬
raden Linie, sofern man nicht die Grösse Null, sondern die Grenz¬
dosis als Ausgangspunkt nimmt, so muss selbstverständlich der
gleiche absolute Dosenzuwachs verhältnissmässig einen um
so geringeren Wirkungszuwachs erzeugen, je stärker bereits die
Wirkung ist, je grösser also schon die Dosis war.
Das lässt sich leicht, sowohl durch Rechnung, wie durch
graphische Darstellung erkennen. Bleiben wir beim Beispiel vom
Digitoxin (cf. oben), für welches wir eine Grenzdosis von
9 /io mg annahmen, und nehmen wir stets die Grösse von ’/io iug
als Dosenzuwachs, so ergibt sich Folgendes:
VerhältniBS der Dosen Verhältniss der Wirkungs¬
in Milligrammen: intensitäten:
1 : l'/io = 1:2
2 : 2>/io = 11 : 12
3 : 3'/io = 21 : 22
Während also das zu 1 mg gefügte */i o mg die Wirkungs¬
intensität verdoppelt, vermag das zu 2 mg gefügte 1 j\ o mg die
Wirkungsintensität nur im Verhältniss von 12:11 zu verstärken,
doch könnte die Intensität 12 schon die letale sein; die Dosis
3 mg liegt wohl sicher schon über der letalen.
Milligramme.
Graphisch würde
sich das Verhält¬
niss in folgender
Weise darstellen:
Um jedemMiss-
verständniss vor¬
zubeugen, sei in-
dess hier noch¬
mals ausdrück¬
lich erwähnt,dass
diese Darstellung
nur dann genau
zutreffend ist, wenn wirklich der Satz:
J ; J' = D—g : D'—g
richtig ist, und das muss für alle verschiedenen Wirkungsbeding¬
ungen erst erwiesen werden. Bisher ist hierzu nur der Anfang
gemacht, aber das bisher Errungene erheischt doch schon die
aufmerksamste Beachtung.
In hohem Grade bedauerlich ist es, dass die Praxis in einem
Falle, in welchem gerade die Dosirungsfrage die allerwichtigste ist,
immer noch auf ein Präparat angewiesen ist, das eine genaue
Dosirung gar nicht gestattet: ich meine natürlich die Digitalis.
Medicinalvergiftungen durch Digitalis sind daher leider nur allzu
häuhg, und ein Kranker, dem ein Digitalisrecept verschrieben
worden, dürfte überhaupt nie aus den Augen des Arztes gelassen
werden , auch sollte in den meisten Fällen nur einen, höchstens
6 ) 8o kann man sich z. B. wohl vorstellen, dass es für den
Alkohol eine gewisse (natürlich individuell variable) Grenzdosis
gibt, die bei regelmässigem Genuss innerhalb eines bestimmten
Zeitintervalls eine chronische Vergiftung nicht zur Folge hat, wäh¬
rend eine nur sehr geringe Ueberschreitung dieser Dosis die chro¬
nische Intoxikation mit Sicherheit herbeiführt.
zwei Tage in der Woche Digitalis gegeben werden und in ab¬
nehmender absoluter Dosis.
Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit das Augenmerk der
Praktiker auf den einzigen alkaloidischen Körper lenken, der die
Digitalis zu ersetzen geeignet sein dürfte, ich meine das salz-
saure E ry throph 1 e i n 6 ).
Die Substanz ist ungemein leicht in Wasser löslich , zwar
nicht so giftig wie das Digitoxin, aber doch giftig genug , und
gestattet eine ganz genaue Dosirung. Bei Versuchen am Menschen
wird es sich empfehlen, etwa mit 1 mg zu beginnen und nur
vorsichtig, höchstens am Viertelmilligramme und in nicht zu kurzen
Intervallen, zu steigen, bis die sicher wirksame Dosis ermittelt
wird.
Das Gros der Aerzte hat freilich keine Vorliebe für Mittel,
bei denen ein Dosen unterschied von '/< oder gar V 10 m 8 schon
mächtige Differenzen in der Wirkungsintensität hervorzurufen ver¬
mag, aber der Arzt muss es allmählich lernen, der Dosirungsfrage
eine ganz andere Beachtung zu Theil werden zu lassen, als bisher.
Freilich darf man derartige Recepte nicht aus dem Kopf ver¬
schreiben , und in dieser Hinsicht muss auch das Laienpublicum
gewöhnt werden, nicht mit unbilligen Anforderungen an den Arzt
heranzutreten.
Halle, im October 1896.
Ueber das Verhalten des Chrysoidins gegen Cholera¬
vibrionen. 4 )
Von Arthur Blachstein.
Es ist ein in der Biologie bewährter Grundsatz, dass da, wo
uns die Morphologie im Stiche lässt, die Chemie mit Erfolg ein¬
greift. So habe ich vor einigen Jahren die Stellung des Typhus¬
bacillus in der Reihe der Milchsäure bildenden Bacterien dadurch
feststellen können, dass ich nachwies, dass der Typhusbacillus aus
dem Glycoscmolccül Linksparamilchsäure *) bildet. — Es haben
dann Andere — mit zum Theil widersprechenden Resultaten —
für den Kommabacillus etwas Aehnliches versucht. Mir selbst
erschien dieser Weg — für meinen Zweck — von vornherein
nicht als der richtige, da ja der Kommabacillus seinen Eigen¬
schaften nach (Proteolyse, Indolbildung) eher ein Eiweiss-, als
Zuckervergährer ist. — Trotzdem schlugen alle Versuche, aus
eiweisshaltigen Nährböden irgend einen für die Bacterie etwa
charakteristischen Körper zu isoliren, fehl. Dagegen führte das
Bestreben, für die Bacterie selbst, resp. für einen in ihr ent¬
haltenen Körper, ein Reagens zu finden, zum Ziel.
Dieses Reagens gehört zu der Gruppe der Azo-Körper*). Es
ist das im Jahre 1876 von Witt und Caro entdeckte Chry¬
soidin.
Dasselbe ist im Stande, aus einer kommabacillenhaltigen
Susi>cnsion dieselben in Form eines grobflockigen Niederschlages
»luantitativ auszufällen.
Diese Reaetion ist nach 2 Richtungen hin interessant:
1) Kommt diese Eigenschaft: nämlich Kommabacillen aus
ihren Suspensionen flockig auszufällen, oder wie sich
Max G ruber 4 ) und Durham 5 ) ausdrücken : Komma-
bacillcn zu agglutinircn, dem Chulcraimmunserum zu.
2) Ist mir trotz eifrigen Suchens bis jetzt kein anderer
Körper bekannt geworden, der die erwähnte Eigenschaft
mit dem Chrysoidin theilte.
Am ehesten könnte man an die nächsten Nachbarn des
Chrysoidins: die Chrysoidinsulfonsäuren und das Vesuvin denken.
°i Die sehr interessanten chemischen Eigenschaften dieses
complicirt zusammengesetzten AlkaloYdes sind von mir eingehender
untersucht worden; eine Mittheilung darüber ist znr Zeit (im Archiv
der Pharmacie) im Erscheinen begriffen.
‘) Nach einem am 16. September vor dem Congress für Hygiene
und Medicin zu Budapest gehaltenen Vortrage.
2 ) Arch. Sciences biol. St. Petersburg. Vol. I p. 199 und 299.
3 ) Ich habe bereits vor 2 Jahren gelegentlich eines vor der
Berliner medicinischen Gesellschaft gehaltenen Vortrags erwähnt,
dass mir ein für die Choleraforschung wichtiger Azo-Körper bo
kannt sei.
4 ) Diese Wochenschrift 1896, No. 13.
6 ) Journal of Pathol. and Bacteriol. Juli 1896.
1 *
Digitized by
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1068
MÜNCHENER MEDICINI8CHE WOCHEN8CHRTFT
No. 44.
Dieselben verhalten sich dem Kommabacillns gegenüber vollkommen
indifferent. Ich gestatte mir, die chemischen Formeln hier an¬
zuführen :
Chrysoidin : Ce Hü—N — N—C« Ile (NH»)j agglutinirt
Chrysoidinmonosulfosäure: Ce H* (USOs)—N = N—Ce Hs (NHs)z
indifferent
/ N = N—Ce Hs (NH»>
Vesuvin C 6 H 4 • indifferent
N = N—Ce Hs (NH»)*
In gleicher Weise negativ verhalten sich die übrigen (über 50)
von mir untersuchten Azo-Körper. Nun bezeichnet G ruber
seiuen hypothetischen im Choloraserum enthaltenen Körper als ein
Choleraagglutinin, so dass ich, wenn ich mich der G ruber’ sehen
Ausdrucksweise bediene, sagen kann: Das Chrysoidin ist ein
künstliches Choleraagglutinin.
Ich behalte diese Ausdrucksweise gerne bei, obgleich ich die
ihr zu Grunde liegende Vorstellung, als ob es sich hier um einen
rein mechanischen Vorgang, den des Zusammcnklebens einer An¬
zahl von Bacterien handelte, nicht theile.
Was die llcaction selbst anbetrifft, so verfahre ich folgender -
massen: In ein kleines Probirrührchcn (Länge 10 cm, Lumen 1 cm),
das 3 ccm destillirtes Wasser enthält, briuge ich eine Oese (die
übliche bacteriologische Maasseiuheit) Kouunabacillen, die einer
24 ständigen (bei 37°) Cultur auf schrägem Agar entnommen
sind. Dieselben werden an der Wand des Gläschens mittels der
Platinschlinge sorgfältig verrieben und durch energisches Schütteln
gut in der Flüssigkeit vertheilt. Das Wasser hat jetzt durch
die 4—600 000 000 in ihm susjH'ndirten Keime einen ganz
leichten milchigen Schimmer angenommen. Nun werden zehn
Tropfen einer 0,25 pruc. Chrysoidin- Lösung hinzugefügt, die
man sieh am bequemsten folgendermassen zubcrcitet: Man nimmt
10 cc einer 2,5 proe. alkoholischen Stammlösung und verdünnt
dieselben mit dost. Wasser bis zum Volumen 100.
Wenige Minuten nach dem Hinzufügen der ChrysoYdinlösung
bemerkt man folgendes: An Stelle der bisherigen, anscheinend
völlig homogenen Trübung (wolkige Trübung) treten jetzt staub¬
förmige Partikelchen, die sich deutlich von einander abgränzcu
lassen. Im Verlaufe von 10—15 Minuten haben sich die Staub¬
körnehen vergrössert und imponiren nun als Flöckchen. Nach einer
halben Stunde — vom Beginne der Keaction an gerechnet —
fängt die Flüssigkeit an, sieh zu klären, d. h. die nunmehr
flockenartig zusammengeballten Bacterienmassen lassen zwischen
den Flocken klare Flüssigkeit erkennen. Der Boden des Röhrchens
enthält bereits sedimentirte Bacterienhaufen. Nach 1 —2 Stunden
ist die Sedimentirung vollendet. Der Process verläuft schneller
im Wärmekasten (37°) als bei Zimmertemperatur und in ganz
derselben Weise, wie dies G ruber für das Cboleraserum be¬
schrieben hat. 7 )
Als Agglutinin ist das Chrysoidin «speei fisch». Ausser dom
asiatischen Komma ist mir keine choleraähnliche Baeterie bekannt
geworden, die die Chrysoidin-Reaction gäbe. Geprüft sind in
dieser Richtung: der Vibrio Berolinensis, eine Anzahl leuchtender
und nicht leuchtender Elbvibrionen (Dunbar), der Vibrio Klwers,
sowie ein seiner Virulenz nach dem Vibrio Metschnikovi nahe
stehender Vibrio (aus dem Institut des Herrn Professor W 0 1 f f h ü g e 1).
Keine dieser Vibrionen zeigt irgendwelche Agglutinationscrscheinuug
gegenüber dem Chrysoidin. Bei mehrstündigem Verweilen im
Brutschrank nehmen ihre Suspensionen eine trübt', strohgelbe Farbe
an, während das Choleracontrolröhrchen klare, rüthlich orange
Farbe zeigt. Beim Choleraröhrchcn liegen sämmtliche Bacterien
als flockiges Sediment am Boden. Bei den choleraähnlichcn be¬
steht die Suspension nach wie vor.
Trotzdem will ich mich, ehe nicht eine noch grössere Reihe
von Vibrionen geprüft ist, was den diagnostischen Werth meiner
Reaction betrifft, dabin aussprechen: Fällt die Keaction nega
tiv aus, dann ist es vollkommen sicher, dass kein echter Koch’ scher
Kommabacillus vorliegt.
•) Das ChrysoYdin des Handels. Die von verschiedenen Quellen
bezogenen ChrysoYdin-Sorten erwiesen sich alle als gleich wirksam.
7 ) Gr über Ioc. fit. u. Verh. d. Congr. für innere Medicin.
XIV. 18%, pag. 208.
Ebenso wichtig wie die Eigenschaft des Chrysoidins als eines
Choleraagglutinins ist seine Eigenschaft als Choleradosinficiens.
Als Desinficiens ist das Chrysoidin specifisch für da« genii*
«Vibrio». Es ist ein Gruppendesinficiens; während es eine An¬
zahl gewöhnlicher Wasserbacterien unbeeinflusst lässt, inhibirt und
tödtet es den Kommabacillus und sämmtliche der oben genannten
Vibrionen. Seine desinfectorische Wirksamkeit steht, wie mein
Mitarbeiter, Herr cand. med. Carl Körte, gefunden hat, etwa
zwischen der des Sublimats und der des Carbois in der Mitte. —
Einer eventuellen praktischen Verwendung als Desinficiens würde
seine vollkommene Ungiftigkeit das Wort reden, wobei seine von
B I a s c h k 0 8 ) beschriebene Eigenschaft, die eines local wirkenden
Reizmittels, (ein Arbeiter bekommt beim Durehsiebcn von Chryso¬
idin eine schwere Dermatitis) nicht in Betracht kommt. Eine
Lösung von 1:1000, esslöffelweise genommen, ist, wie ich mich
durch Versuche an Erwachsenen und Kindern überzeugt habe,
völlig harmlos.
Die Verwendung des Chrysoidins als Desinficiens wäre nach
zwei Richtungen hin zu denken:
1 . zur Desinfection grösserer Wassermengen, (Brunnen;
2 . zur Desinfection des Mundes, der Speiseröhre und des
Magens.
Beim Erwachsenen wenigstens gelangt das in gelöster Form
dargereichte Chrysoidin nicht in den Darmkanal, sondern wird vom
Magen aus resorbirt und durch die Nieren ausgeschieden. — Ich
habe es vorgezogen, mich selbst von der Thatsachc zu über
zeugen, dass das Chrysoidin kein Choleraheilmittel ist, wozu icb
— dank der Liebenswürdigkeit der Petersburger Krankenhaus-
directoren — während des Winters 1894 reichlich Gelegenheit
hatte. Ein Heilmittel ist das ChrysoYdin freilich nicht, dagegen
bleibt zu untersuchen, ob es sich als Prophylakticum bewährt.
Wer Choleraculturen trinken will, mag dies ruhig thun, nur
soll er sie vorher mit einer ausreichenden Menge Chrysoidin ver
mischen.
Aus dem Laboratorium des Verfassers. Göttingen, d. 3.X. 1896.
Aus der dermatologischen Abtheilung des Primararztes
Dr. Jadassohn im Allerheiligen-Hospital zu Breslau.
Zur Sterilisation elastischer Katheter mittelst Formal
dehyddämpfen.
Von Dr. Paal Opplcr, Assistent.
Die Frage nach der Desinfection der Katheter hat darum
eine so grosse praktische Bedeutung, weil der Katheter dasjenige
Instrument ist, welches am häufigsten dem Laien in die Hand
gegeben werden muss.
Während Metallinstrumente und solche aus vulkanisirtem
Kautschuk leicht durch Kochen zu sterilisiren sind, also einer
anderen Behandlung als alle anderen chirurgischen Instrumente
nicht bedürfen, ist die Desinfection der elastischen Katheter,
welche mit Recht in der Praxis eine sehr grosse Rolle spielen,
eine sehr viel schwierigere, weil diese Instrumente durch Kochen
sehr schnell verderben.
Geber die Desinfection derselben ist in den letzten Jahren
eine ganze Literatur erschienen, über die ich hier wohl kaum zu
referiren brauche.
Barlow *) war 1893 zu dem Resultate gekommen, dass es
zur Desinfection der elastischen Katheter in der Hospitalpraxis
aui praktischsten ist, « stets eine grössere Anzahl einzeln in Glas
röhren dampfstcrilisirter Katheter vorräthig zu .^halten»; in der
Privatpraxis soll man «das Antisepticum (Argentum nitrienm
l 1000) 3 mal mittelst der Spritze durch den Katheter spritzen,
denselben dann 15—20 Minuten in Argentum nitricum tauchen,
dann mit Borsäurelösung abwaschen , ihn nach der Harnentleerung
tüchtig waschen, durchspritzen, wieder mit Borsäure, Argentum
(15 Minuten) behandeln und dann abtrocknen.»
8 ) Deutsche med. Wochenschr. 1891, Nr. 46 pag. 1265. Geber
die Ungiftigkeit der Azokörper im Allgemeinen, vergl. Weyl, ß eri
ehern. Gesellsch. 183* pag. 2191.
') Beiträge zur Aetiologie, Prophylaxe und Therapie der Cystitia
Archiv für Dermatologie und Syphilis 1893.
Digitized by VjOOQLC
3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1069
Die in den nächsten Jahren folgenden Arbeiten suchten zum
Theil mit Erfolg die Desinfectionsmethoden zu vereinfachen und
zwar gingen die Hauptbestrebungen dahin, neben der allgemein
als souverän anerkannten — aber in der allgemeinen Praxis schwer
verwendbaren — Sterilisation durch Wasserdampf ein gasförmiges
Desinticiens zu linden.
Albarran*), Kutner 8 ), Boulangcr 4 ), Hallö 6 ), Janet 6 ),
Frank 7 ), Guyon*), Marti gny 9 ) gaben Apparate an, bei denen
strömender Wasserdampf, schweflige Säure und Quecksilberdämpfe
zur Dcsinfection verwendet wurden ; die damit erzielten Resultate
fasste Guyon dahin zusammen, dass im Hospitale oder beim
Specialisten die Sterilisation der Katheter vollständig, sicher und
leicht zu erreichen sei, dass aber beim Kranken selbst es sehr
schwierig sei, praktisch und unter den gewünschten Bedingungen
die Sterilisirung der Katheter und ihre Erhaltung im aseptischen
Zustande zu erzielen.
Dazu kamen noch die Nachtheilo, welche den einzelnen für
die Desinfection verwandten Agentien anhafteten, dass, wie bei
der schwefligen Säure, eigene Apparate 10 ) und eine sehr lange
Zeit erforderlich waren, und die Quecksilberdümpfe (Nazaris und
Faguct, Lannelongue etc.) sowohl Guyon als auchJadas-
sohn (persönliche Mittheilung) ganz unzureichende Resultate gaben.
Jedenfalls aber war man auf dem richtigen Wege, als man
die flüssigen Antiseptica durch ein gasförmiges zu ersetzen suchte,
da der langdauernde Aufenthalt in jenen bekanntlich eine bedeutende
Schädigung für den Katheter mit sich bringt.
Bei der schon aus den wenigen Angaben ersichtlichen Complicirt-
heit der bisher üblichen Desinfections- und Sterilisirungsmethodcn
der elastischen Katheter schien es Herrn Primärarzt Jadassohn
wünschenswerth, das Formalin daraufhin zu prüfen, ob es nach
den beiden Richtungen, welche für diese Frage die maassgebenden
sind, etwas leiste: ob es die Katheter in kurzer Zeit und ge¬
nügend sicher desinficire und sie nicht schädige.
Der Gedanke, das Formalin zu diesem Zwecke zu verwenden,
lag darum nahe, weil es die Vortheile des gasförmigen Aggregat¬
zustandes mit denen einer exquisiten antiseptischen Wirkung ver¬
bindet. 1 *)
Herr Dr. Jadassohn hatte die Güte, mich im Winter
1894 zu beauftragen, das damals für diesen Zweck noch nicht
verwendete Formalin bezüglich seiner Brauchbarkeit für die Ka-
theterdesinfection zu prüfen, nachdem eine Anzahl von Vorversuchen,
über welche Jadassohn in der hygienischen Section der Schle¬
sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur am 22. XII. 1893
ganz kurz berichtete (cf. die Verhandlungen 1893, p. 42), ein
günstiges Resultat ergeben hatte. Meine nach kurzer Zeit sich
ergebenden Resultate waren so günstig, dass seit jener Zeit bereits
sowohl in der Königlichen Klinik und Poliklinik des Herrn Prof.
Neisser, als auch an unserer Abtheilung im Hospital zu Aller¬
heiligen die elastischen Katheter ausschliesslich mit Formalin des-
inficirt wurden und dass Herr Dr. Jadassohn im Sommer 1895
die Frage der Katheterdesinfection als im Wesentlichen gelöst
hinstellon konnte **).
Leider verzögerte sich der Abschluss meiner damals begon¬
nenen Untersuchungen und deren Veröffentlichung in unvorher¬
gesehener Weise, so dass letztere von einigen Arbeiten überholt
wurde, welche sich mit demselben Gegenstand beschäftigten.
•9 Annales des maladies des organes gönito-urinaires 1893, p.145.
*) Ibidem 1893, p. 188.
«) „ 1893.
*) „ 1894, p. 161.
•) „ 1894, p. 210.
7 ) „ 1894, p. 106.
•) „ 1894.
*) „ 1895, p. 254.
,0 ) Der zuletzt yon Janet (Annales des maladies des Organes
gönito - urinaires 1894, p. 227) beschriebene ist allerdings schon
wesentlich vereinfacht, aber seine Anwendung ist für die Patienten
noch immer complicirt genug.
u ) Ich verzichte darauf, hier die in letzter Zeit ja wiederholt
nnd ausführlich citirte Literatur über die Verwendung des Formalins
als Antisepticum wiederzugeben.
,3 ) Archiv für Dermatalogie und Syphilis, Bd. XXXII, Heft
1 und 2, 1895, S. 196, Anmerkung.
No. 44 .
E. lt. W. Frank 18 ) gab einen Apparat zur Desinfection
von Kathetern durch Formalin an und Janet 14 ) sowie B1 a i s s e 15 )
berichteten, Ersterer in einer umfangreichen Arbeit, über ihre
Resultate bezüglich der Katheterdesinfection mittelst Formalin und
Trioxymethylen.
Wenn ich mich trotz dessen zu der vorliegenden kurzen
Mittheilung entschlossen habe, so geschieht dies, weil ich glaube,
einige von den oben erwähnten Untersuchern nicht angeführte
Thatsachen beibringen zu können, welche es ermöglichen meiner
Ansicht, nach nicht unwichtige praktische Consequenzen zu ziehen.
Von Anfang meiner Untersuchungen an war es mein Be¬
streben, vor Allem die Minimalzeit festzustellen , innerhalb deren
das Formalin eine genügend desinfectorische Wirkung entfalten
könne.
Zu diesen Versuchen wurde das käufliche (Schering) For¬
malin, welches 40 Proc. Formaldehyd enthält, Formalithe (Kiesel -
guhrsteine, welche mit Formalin getränkt sind) und später auch
Trioxymethylen verwandt.
Die ersten Desinfectionsversuche wurden in einem mit Per-
gamentpapier luftdicht abgeschlossenen Topfe mit kleinen Katheter¬
stücken, die weiteren, um den praktischen Verhältnissen möglichst
nahe zu kommen, mit ganzen Kathetern (meistens entstammten
sie der Fabrik von Vergne) und in einem eigens für diese Zwecke
und für den späteren praktischen Gebrauch construirten, überaus
einfachen Blechkasten vorgenommen (s. unten), welcher entsprechend
den praktischen Verhältnissen täglich 3—6mal für eine halbe
Minute geöffnet wurde. Die Anordnung der Versuche, die bei
gewöhnlicher Zimmertemperatur 16 ) vorgenommen wurden , war
folgende:
Katheterstücke resp. ganze elastische Katheter wurden mit
Reinculturen von Staphylococcus prodigiosus, Pyocyaneus, Bac-
terium coli, Cholera, Typhus, Milzbrand und jauchigem Urin in-
ficirt, d. h. meistens in Bouillonculturen dieser Bactericn herum¬
gewälzt, ab und zu auch mit Reinculturen, die festen Nährböden
entnommen waren, bestrichen, und dann innerhalb der oben ge¬
nannten Gefüsse den Einwirkungen der Formalindämpfe ausgesetzt,
nach verschiedenen Zeiten entnommen, sorgfältig mit sterilem
Wasser abgespült, — um die anhaftenden Formaldehyddämpfe
nach Möglichkeit zu entfernen — und zumeist in Bouillon ge¬
bracht, von dort wurden dann noch zur Sicherheit Abimpfungen
auf Agar, Gelatine u. s. w. vorgenommen. Gleiche Versuchs¬
reihen wurden mit inficirten Seidenfäden angelegt und beide An¬
ordnungen noch dahin modificirt, dass die inficirten Objecte ein¬
mal in feuchtem, das andere Mal in trockenem Zustande der
Desinfection ausgesetzt wurden.
Nebenher liefen Control versuche, welche mit Objecten an¬
gestellt wurden, die in gleicher Weise inficirt und abgespült, aber
nicht den Formaldehyddämpfen ausgesetzt waren.
Ehe ich jetzt dazu übergehe, die gewonnenen Resultate zu
fixiren, möchte ich voraus bemerken, dass ich weit davon entfernt
bin, dieselben als vollständig stringent anzusehen; kranken doch
meine Versuche an demselben Fehler, wie die anderer Forscher,
und zwar an der Unmöglichkeit, das den desinficirten Objecten
anhaftende Formalin vor der Uebcrtragung in den Nährboden voll¬
ständig zu entfernen. Da, wie bekannt, das Formalin schon in
den kleinsten Mengen entwicklungshemmend wirkt und es zur
Zeit noch nicht möglich erscheint, dasselbe ohne event. weitere
antiseptische Einwirkung chemisch zu entfernen, kann immer noch
der Einwand erhoben werden, dass die günstigen Resultate nur
der Ausdruck der entwicklungshemmenden Wirkung des mit über¬
tragenen Formalins sind. Praktische wichtige Folgerungen kann
man allerdings aus diesem Einwande für die hier vorliegende Frage
nicht wohl ziehen.
Ich habe ihm nach Kräften zu begegnen gesucht und zwar
auf verschiedene Weise. Erstens, wie schon oben erwähnt, wurde
13 ) Berliner klin. Wochenschrift 1895, No. 44.
14 ) Annales des maladies des org. gönito-urinaires 1896, No. 1 u. 2.
ib ) Ibidem 1896, No. 2.
16 ) Auf die Unterschiede der Desinfectionskraft des Formalin
bei höherer nnd niederer Temperatur (s. Janet 1. c.) will ich hier
nicht näher eingeben, weil sie bei den praktischen Schlussfolger¬
ungen nicht in Betracht kommen können.
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1070
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sehr ausgiebig mit sterilem Wasser gespült, dann wurden die mit
Kathetern beschickten Nährboden einer möglichst langen, immer
auf mehrere Tage sich erstreckenden Beobachtung unterworfen
und endlich wurde immer in einen grossen Ueberschuss von Nähr¬
flüssigkeit abgeimpft. Auf die Nothwendigkeit letzterer Maass¬
nahmen hatte schon Guyon aufmerksam gemacht und ich hatte
Gelegenheit, sie durch meine Versuche zu bestätigen. In einer
Versuchsserie konnte ich beobachten, dass von 2 unter gleichen
Bedingungen (mit Pyocyaneus) inficirten und desinficirten Kathe¬
tern der in wenig Nährboden (Bouillon) eingebrachtc (scheinbar)
steril blieb, während von dem andern in reichlichem Nährboden
eine typische Pyocyaneusreincultur aufging.
Die Desinfectionsversuche 17 ) wurden in einem Blechkasten
von ca. 8000 ccm Rauminhalt angestellt; tbat ich in denselben
6 Formalinsteine, frisch aus den Blechdosen entnommen , wie sie
die Sch eri n g ’ sehe Fabrik liefert, hinein, so konnte ich nach
14 Stunden eine vollständige Sterilisation in allen Versuchsreihen
erzielen ,8 ).
Wurden in demselben Kasten 15 ccm Formalin (Schering)
zur Desinfection verwendet, so stellten sich die Resultate über¬
raschend gut. Nach 6 Stunden waren stets alle Katheter steril.
15 g Trioxymethylen sterilisirten unter denselben Bedingungen in
19 Stunden. 30 g Trioxymethylen in 16 Stunden.
Was können wir nun hieraus schliessen ?
Der praktische Zweck meiner Versuche, die niedrigste Zeit¬
dauer der Formalinsterilisation festzustellen, war der, diese Des-
infcctionsmethode für den praktischen Arzt und besonders den
Patienten, welche sich selbst kathetcrisiren müssen , nutzbar zu
machen.
Die Kliniken, Hospitäler und Specialisten sind selbstverständlich
im Besitze einer so grossen Menge verschiedener Katheter, dass
es auf die Zeit, in der die in Benutzung genommenen wieder
sterilisirt werden, natürlich nicht ankommt, wohl aber ist dies bei
dem Patienten, namentlich dem weniger bemittelten, der wie der
Prostatiker z. B. auf den ständigen Kathetergebrauch angewiesen
ist, der Fall.
Wenn daher Frank einen relativ theueren Apparat für die
Formalinsterilisation und als Zeit 24 Stunden angibt, und J a n e t
von jedem Patienten verlangen muss, dass er sich 8 Katheter
hält, so ist dies für unbemittelte Patienten unerschwinglich.
Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnen die von
mir gewonnenen Zahlen einen praktischen Werth. Wenn wir die
Möglichkeit haben, in 6 Stunden einen Katheter zu stcrilisiren,
so könnte ein Patient mit 2 Kathetern am Tage bei viermaligem
Katheterismus bequem auskommen und wenn wir ihm für die
Sterilisation noch einen ganz einfachen Apparat in die Hand
geben, so bedeutet dies dem Frank’ sehen gegenüber eine
immerhin wichtige Ersparniss.
Unser Apparat besteht in einem einfachen Blechkasten mit
gut schliessendem Deckel von etwas über Katheterlänge und etwa
10 cm Höhe. Parallel dem Boden oder auch schräg zu demselben
verlaufend ist eine aus Drahtgeflecht angefertigte Scheidewand
angebracht, welche durch eine kleine Leiste der Länge nach in
2 Theilc getheilt und der Sauberkeit wegen mit Mull umwickelt ist.
Auf das Drahtnetz kommen die Katheter und es wird ab¬
wechselnd der von der einen, dann der von der anderen Seite
genommen ; in den Raum unterhalb des Drahtnetzes das Formalin,
sei es ein Schälchen mit Lösung, seien es Steine oder Trioxymethylen.
In zahlreichen Versuchen habe ich festgestellt, das zur
6 Stundendesinfection die Menge des Formalins ungefähr 0,2 Proc.
des Rauminhalts betragen muss. 10 ccm Formalinlösung in einem
offenen Schälchen entsprechen bezüglich ihrer Desinfectionskraft
ungefähr 6 frischen Formalinsteinen.
Was die Wirkung der Formalindämpfe auf die Katheter
anlangt, so habe ich wie andere Autoren beobachten können, dass
mit der Zeit die Katheter etwas an Härte verlieren ; sie werden
17 ) Es ißt hier nicht meine Absicht, die Protokolle der Vertuchs-
reihen in extenso wiederzugeben; ich beschränke mich daher auf
eine kurze Vertheilung der gewonnenen Resultate.
18 ) Hierbei ist zu bemerken, dass nach ca. 10 Tagen die For¬
malinsteine an Wirksamkeit so nachlassen, dass sich die Resultate
dann viel schlechter stellen.
No. 44
weicher, wie dies ja selbstverständlich ist, bei dein fortwährenden
Aufenthalte in feuchten Dämpfen. Man kann diesem Umstände
jedoch einigermassen dadurch abhelfen, dass man ausser dem
Formalinschälchen noch ein Schälchen mit Chlorcalcium deponirt.
Selbstverständlich ist, dass die Katheter vor der Desinfection auf's
Sorgfältigste abgetrocknet werden und nach einer gewissen Zeit
das verdampfte Formalin wieder ersetzt wird.
Bedient man sich der Formalinstcine, so muss man, wie
schon erwähnt, darauf Rücksicht nehmen, dass dieselben nur da*
Reservoir einer bestimmten Menge von Formalin repräscutiren and
demnach an Desinfectionskraft abnehmen; man muss sie also
spätestens alle 10 Tage wechseln oder vielmehr wieder den Status
quo ante herstellen. Das geschieht ganz einfach dadurch, dass
man sie von neuem mit einigen Tropfen Formalin tränkt.
Das Trioxymethylen kann ich — immer nur vom praktischen
Standpunkte gesprochen — nicht empfehlen; erstens ist es noch
enorm theuer, da es bei uns vorläufig nicht fabricirt wird, sondern
im Laboratorium hcrgestellt werden muss, und ausserdem erfordert
cs zur vollständigen Desinfection — wie bei der langsamen For
maldehydentwicklung ja selbstverständlich — zu lange Zeit (g. oben
Dafür hat es allerdings den grossen Vortheil, dass seine Dämpfe
trocken sind.
Nach erfolgter Sterilisation wische ich vor dem Gebrauche
die Katheter mit etwas sterilem, trockenen Mull oder Watte ah
(was auch nicht einmal nothwendig ist) und tauche sie in Glycerin
ein; bei diesem Verfahren habe ich noch nie irgend einer KV
des Patienten oder ein schlechtes Resultat erlebt ,9 ).
Dem armen Patienten rathen wir demnach, sich einen Blech
kästen und 2 Katheter zu kaufen und mit einer entsprechenden
Menge von Formalin zu desinficiron, der Bemittelte und der prak
tische Arzt, der seltener den Katheter anzuwenden Gelegenheit hat.
kann das mit Formalithen, 3 oder 4 Kathetern und eventuell in
einem Glaskasten thun. Braucht der Prostatiker z. B. den
Katheter auch unterwegs, so empfiehlt es sich für ihn, dem Kasten
einen sterilisirten Katheter zu entnehmen und in eine kleine,
runde Pappschachtel zu legen, in die bereits vorher ein Formalith
gelegt worden ist.
„Werden bei der Behandlung der Chlorose dürch die
neuerdings empfohlenen Mittel: Aderlass und Schwitz
cur bessere Resultate erzielt als durch Eisen?"
Bemerkungen zu dem Artikel von Dr. Schmidt-Hamburg in
No. 27 und 28, 1896 der Münch, med. Wochenschrift.
Von Dr. Schubert in Bad Nerothal, Wiesbaden.
Obige Arbeit kam mir leider erst spät zu Gesicht und als dies
der Fall war, war ich gerade durch meine Uebersiedelung nach
Wiesbaden zur Uebernahme des dortigen Sanatoriums »Bad Nero¬
thal » in Anspruch genommen, so dass mich die damit xusammeo
hängende Unruhe nicht zum Schreiben kommen liess, und doch iä
es so dringend nöthig, die Thatsachen richtig zu stellen, weil sonst
die Collegen leicht zu dem Glauben veranlasst werden könnten, »1*
seien die vergleichenden Untersuchungen über den Aderlass in du
von dem Wiederbegründer der Aderlassbehandlung vorgeschrieMnea
Weise gemacht worden. Ich kann mich hier auf grössere ins
einandersetzungen nicht einlassen, ich verweise auf mein bei Mohr
mann in Stuttgart soeben erschienenes Buch: «Die Blutentziehoiip
euren» und will hier nur die Hauptsache widerlegen.
Nehmen wir zunächst das Zablenverhältniss, um die v*r
gleichende Statistik Dr. Schmidt’s richtig würdigen xu könDtt
Was wollen Dr. Schmidt's Zahlen sagen: Behandelt wurden mit
einem Aderlass.4 Patienten
.. „ und Emen.19 »
» „ „ Schwitzcur .8 *
mehreren Aderlässen.6 *
„ „ und Schwitzcur .... 5
„ „ „ „ und Eisen 2 r
gegenüber den Zahlen von D y ee, der mehrere taosend Bleichsüchtige
behandelte, von Scholz und Wilhelmi, Irion und mir, wn
denen jeder mehrere hundert Chlorosen mit Aderlass behandelt bat
und zu dem Schluss gekommen ist, dass der Aderlass dem Ei^ n
vorzuziehen ist.
l9 ) Ausnahmsweise kann man beobachten, dass Katheter, 4e
zu intensiv mit Formaldehyddömpfen gesättigt sind und dann nie«
vollständig von denselben gereinigt werden können, ein leicht®
Brennen (welches aber bald vorübergellt) verursachen.
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3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1071
Abgesehen davon sind in Hamburg solche Abweichungen
bei der Aderlassbehandlung und Schwitzcur von den
Dyes’schen und meinen Vorschriften gemacht worden, dass schon
allein dadurch diese Statistik werthlos gemacht wird. Der Ader¬
lass und auch die Schwitzcur sind nicht so einfache, im Gegentbeil
sehr differente Heilmethoden, die grosser Erfahrung bedürfen, sollen
sie nicht Schaden stiften. Bei der Aderlassbehandlung in Hamburg
hat man sich absolut nicht correct an Dy es’ und meine Vorschriften
gehalten, wie könnte man sonst in 9 Wochen 5, in 2 Wochen 2, in
8 Wochen 4, in 8 Wochen 8 und in 5 Wochen 3 Aderlässe machen.
Vor solchem Vorgehen schaudert selbst das Herz der als blutdürstig
verschrieenen Aderlassmänner. Nach meinen Erfahrungen ist die
Vornahme des Aderlasses bei Chlorose und Anaemie in kürzerer
Zeit als 4 Wochen direct als Kunstfehler zu bezeichnen; man
setzt dabei Alles auf's Spiel und erreicht nichts. Wenn ich auch
stets mit Recht betone, dass die Wirkung des Aderlasses sich in
mehr oder weniger starkem Schweise äussert, so darf man den
Aderlass nicht in dem Sinne als Schwitzmittel anwenden, wie ein
Medicament oder einen Thee, indem man einfach, um eine Schweiss-
reaction zu erzielen, gleich einen Aderlass macht. Da würden wir
bald wieder in den alten Schlendrian verfallen. Ausserdem gibt
es, abgesehen vom Aderlässe, unschuldigere Mittel, besonders die
hydriatrischen, um Schweiss zu erzeugen.
Der Aderlass hat eine viel tiefere, eingreifendere Wirkung, wie
ich in meinem Buche auseinandergesetzt habe. Wenn man nun
noch einwenden wollte, dass die in vierwöchentlichen Pausen ge¬
machten Aderlässe ebensowenig Erfolg hatten, so muss man eben
bedenken, dass viele, besonders schwere Chlorosen einer langen Be¬
handlung bedürfen, wie dies stets von mir betont worden ist, und
dass Wunder durch Aderlass auch nicht erzielt werden können,
sondern Alles nur seinen natürlichen Weg gehen kann.
Ein weiterer Fehler, der bei Dt. Sch midt's Statistik auch
nicht berücksichtigt erscheint, wenigstens steht nichts davon in seiner
Arbeit, ist die Vornahme des Aderlasses ausser der Zeit
der Menstruation. Ich halte auch dies für einen groben Fehler,
den Aderlass anders als vor oder nach und nicht zwischen der
Periode, auch nicht während derselben zu machen. Es muss die
natürliche Reaction, wie sie in der Periode gegeben wird, möglichst
mit der durch Aderlass hervorgerufenen, künstlichen, zusammenfallen;
es ist stricte Vorschrift, bei starker schmerzhafter Periode die
Blutentziehung 2—3 Tage vorher, bei schwacher 1—2 Tage nachher
zu machen, sonst muss man Misserfolge haben (confr. S. 130 meines
Buches). Während der Periode soll man ihn nur im Notlifalle
machen. Bei zu starker natürlicher Blutung will man durch die
künstliche Entziehung vorher ablenken, bei zu schwacher das Fehlende
nachliolen. Ich habe durch einen zwischen 2 Menstruationen vor¬
genommenen Aderlass bei einer nervösen Dame, die regelmässig
men8truirt war, eine 14 tägige Periode geschaffen, die ein halbes
Jahr hindurch auftrat.
Auch das Quantum von durchschnittlich 80 ccm ist im All¬
gemeinen zu gering; man kann dreist höher gehen. Ich mache
selten einen Aderlass unter 125 g und fahre jetzt besser wie früher.
Nur bei sehr Schwachen kann man sich mit weniger begnügen.
In der Regel kommt man bei nicht zu alten Chlorosen mit
einem nach den vorgeschriebenen Regeln gemachten Aderlässe aus,
wie ja auch die Statistik des Dr. Schmidt bei einem Aderlass
mit Eisen die besten Resultate ergibt. Dr. Schmidt schiebt freilich
die Wirkung dem Eisen allein zu, was ich absolut bestreiten muss,
wie ja von vielen dem Eisen absolut keine Wirkung zugesprochen
wird, so von Professor 0. RoBenbach in Breslau.
Dyes sowohl wie Wilhelmi, Irion und ich haben die
Aderlässe fast ausschliesslich bei Chlorosen gemacht, die vorher
nutzlos Eisen gebraucht hatten. Ich bin kein Gegner der Eisen¬
behandlung und weit davon entfernt, bei jeder Chlorose sofort einen
Aderlass zu befürworten. Stets gebe ich zunächst Eisen. Führt dies
zum Ziele, dann wird der Aderlass überflüssig. Wenn sich vorher
keine Besserung zeigt, dann erst mache ich den Aderlass. Ich würde
es sogar nicht für gut finden, wenn man sofort mit Aderlässen bei
der Bleichsucht Vorgehen würde. Etwas anderes ist es bei armen
Leuten, wie in der Reinerzer Gegend, wo ich denn, um die Kosten
der Medicamente zu ersparen und schneller zu helfen, schneller
zum Aderlass gegriffen habe; denn an Schnelligkeit der Wirkung
und Dauer derselben kommt das Eisen dem Aderlässe nicht gleich.
Was nun die Vornahme der Schwitzcur anlangt, so halte ich
die Anwendung des Dampf sch witzapparates ebenfalls für einen
Kunstfehler. Die Gründe habe ich in meinem Buche ausführlich
besprochen. Ich habe von solcher Schwitzcur keine Erfolge gesehen,
im Gegentheil. Bleichsüchtige schwitzen ohnehin sehr schwer, in
Folge der äusseren Hautkälte, sie werden nach physikalischem Ge¬
setze um so schwerer schwitzen, wenn sie sich in einem abgeschlossenen
Raume befinden, wie es der Dampfschwitzapparat ist, der mit Wasser-
dampf übersättigt ist. Wohl werden sie feucht, aber nicht vom
eigenen Schweiss, sondern von dem Dampf, der sich am Körper
wieder zu Wasser condensirt. Der Körper bleibt kalt dabei und nur
Patienten mit starkem Herzen kommen in Schweiss. Dasselbe gilt
von allen Anaemischen. Ganz anders ist es, wenn man, wie ich,
heisse Luft wählt, indem man den Dampferzeuger weglässt und
Spiritusflammen im geschlossenen Raum anzündet 1 ). Da wird die
*) Dr. Schubert's Heissluftapparat, Moosdorff u. Hocb-
häusler, Berlin S. Commandantenstrasse 60.
Luft darin heiss bis zu 60° R. und verdünnt, dadurch wirkt sie so
ansaugend auf die Körperflüssigkeit und ruft einen warmen, wohl-
thätigen Schweiss hervor. Damit erzielt man ganz andere Erfolge.
So erweist sich denn die Statistik von Dr. Schmidt, so werth¬
voll sie sonBt sein mag, für Aderlass und Schwitzcur als werth los.
Die Mittel, die uns in reicher Fülle allenthalben die Natur bietet,
werden erst dann zu Heilmitteln, wenn sie von verständigen, er¬
fahrenen Aerzten richtig und zur richtigen Zeit angewendet werden,
sonst wirken sie für den Körper als Gifte.
Aus der chirurgischen Klinik in München.
Zur operativen Behandlung des Magencarcinoms.
Von Dr. Alfred Schönwerth.
(Fortsetzung.)
Krankengeschichten der Gastro-EnteroBtomien.
No. 1. H. Anna, 30 Jahre, Carcinoma pylori, Dilatatio ventriculi.
Patientin ist seit 2 Jahren magenleidend; häufiges Erbrechen,
Appetitlosigkeit und Schmerzen in der Magengegend. In der letzten
Zeit starke Abmagerung. Unterhalb des Processus ensiform., in
der Pylorusgegend findet sich ein 3 Querfinger breiter und 10 cm
langer Tumor. Der Magen ist colossal öilatirt; derselbe reicht links
bis zur Axillarlinie, seine untere Grenze befindet sich 3 Querfinger
unterhalb des Nabels; bei Aufblähung des Magens ist die Ver¬
schiebung des Pylorus gleich Null. Gastro - Enterostomie nach
Wölfler, 13. Mai 1888. Längsincision in der Linea alba, am
Process. ensiform beginnend, den Nabel links umkreisend und 4 cm
unterhalb desselben endigend; nach Incision des Peritoneums ist
der Magen vorliegend. Der Pylorus ist von einer festen, derben
Geschwulst ringförmig umfasst und gegen das Pankreas zu fixirt,
eine derbe Infiltration zieht noch weiter nach aufwärts gegen das
Diaphragma zu; im Mesokolon und im Netz sind viele geschwellte
Lymphdrüsen, so dass eine völlige Exstirpation des Tumorswegen der
innigen Verwachsungen ausgeschlossen ist. Die nächst beste Dünn¬
darmschlinge, die sich leicht, ohne Zerrung an die vordere Magen¬
wand anlegen lässt, wird aus dem Becken herausgezogen. Dieselbe
wird mit ihrem convexen Rande einige Querfinger oberhalb der
orgssen Curvatur des Magens in der Weise eingepflanzt, dass
erst durch Serosa-Muscularis-Nähte die Schlinge an ihrem unteren
Umfange am Magen fixirt wird. Darauf Incision von Magen und
Darm (2—3 cm weit) und Vernähung der correspondirenden Schleim¬
hautränder; schliesslich Vernähung des oberen Theils durch Mus-
cularis-Serosa-Nähte. Die Nähte werden in geringer Entfernung von¬
einander angelegt. Während der ganzen Operation verhinderten unter¬
geschobene Compressen das Eindringen von Magendarm-Inhalt in die
Bauchhöhle, Assistentenhände besorgten einen provisorischen Ver¬
schluss der Darmschlinge. Schluss der Bauchdecken. Vom 2. Tage ab
Milch, Suppe mit Ei. Vom 8. Tage ab gewiegtes Fleisch. Die erste Zeit
ziemlich heftiger, quälender Husten; zeitweiliges Erbrechen. In den
ersten Tagen nach der Operation gutes Allgemeinbefinden, später
zunehmender Verfall. 3. VI. gestorben. Obduction: An dem
Magen war eine tief liegende I leu ms c hl in ge angenäht worden,
die Fistel selbst gut vernarbt. Also Tod durch Inanition in Folge
der tiefen Implantation.
No. 2. W. Wolfgang, 32 Jahre, Narben-Stenose. Patient
will früher stets gesund gewesen sein; vor 11 Jahren traten das
erste Mal Magenbeschwerden auf. Seit 2 Jahren fast täglich nach
der Mahlzeit Erbrechen. Vor l 1 /« Jahren wurde Patient am hiesigen
Krankenhause an Magengeschwür behandelt. Damals trat Er¬
brechen von schwarzen, kaffeeähnlichen Massen auf, das sich seit
dieser Zeit noch 6 Mal wiederholte. Patient war desshalb ein volles
Jahr arbeitsunfähig. Dieses Erbrechen stellte sich neuerdings vor
3 Monaten ein und dauert beim Eintritt des Patienten in die Klinik
noch an. Patient ist blass, sehr abgemagert und kann ohne Stock
nicht gehen. Die Untersuchung des Abdomens ergibt hochgradige Er¬
weiterung des Magens, der fast bis zur Symphyse reicht; ein Tumor
nicht fühlbar. 14. I. 1889. Gastro-Enterostomie nach Wölfler.
Nach Eröffnung des Magens findet sich am Pylorus Stricturbildung,
ziemlich derb, der Magen ist stark contrahirt. Eine sehr mobile
Dünndarmschlinge, 50 cm von der Plica duodeno-jejunal. gelegen,
wird an die Magen wand durch Serosanähte fixirt, 2—3 cm lange
Incision an Magen und Darm; sorgfältige Vernähung beider Oeff-
nungen durch eine doppelte Reihe von Schleimhaut-Serosa-Nähten
Das zuführende Darmstück wird an den Magen durch einige Seiden¬
nähte fixirt, um Knickung zu vermeiden. Schluss der Bauchwand.
Am Tage nach der Operation öfters galliges Erbrechen, welches
Nachts kothig wird; dabei Collaps. Magenspülung, Karapher-In-
jectionen. 16. L Patient noch matt; doch ist kein Erbrechen mehr
aufgetreten 23. I. Wunde geheilt, Entfernung der Nähte; niemals
Fieber. 3. II. Entlassung mit einer Leibbinde. Patient stellt sich
im März 1889 vor. Patient hat sich bedeutend erholt; es bestehen
keinerlei Beschwerden mehr mit Ausnahme zeitenweiser leichter
Leibschmerzen; auch werden schwere 8peisen noch nicht vertragen.
No. 3. K. Marie, 28 '/t Jahre. Carcinom pylori. Patientin ist
seit 4 Jahren magenleidend; die Beschwerden äussern sich in Druck
auf die Magengegend und Erbrechen nach der Mahlzeit; seit
2 Jahren fühlt Patientin in der linken Bauchgegend eine Geschwulst,
zugleich begann sie selbst abzumagem; seit mehreren Wochen ist
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MÜNCHENER MEDICINI8CHE WOCHENSCHRIFT.
sie so elend, dass sie das Bett nicht verlassen kann. Hochgradige
Abmagerung; in der Pylorusgegend eine derbe, höckerige, welsch¬
nussgrosse Geschwulst, die noch auf die grosse Curvatur übergreift.
Aufblähung des Magens ist mit unerträglichen Schmerzen verbunden.
Bei Aufblähung verschiebt sich der Magen nach rechts. Derselbe
ist nicht erweitert und tritt als starre, harte Geschwulst vor.
20. I. 1889 9 Uhr Morgens Gastro - Enterostomie nach Wölf ler.
Hautschnitt 15 cm lang, den Nabel links umkreisend; Eröffnung
des Peritoneums. Die Oberfläche des Magens von normalem Aus¬
sehen; an der Vorderfläche einzelne harte Stellen fühlbar, die
besonders längs der grossen Curvatur liegen; auch die rückseitige
Magenwand fühlt sich infiltrirt an; carcinomatöse Knötchen im
Mesokolon, sowie im Mesenterium vorhanden. Netz und Querkolon
werden nach aufwärts geschlagen, 50 cm von der leicht gefundenen
Plica duodeno-jejun. wird eine Partie des Jejunums, welche bereits
ein ziemlich langes Mesenter hat, hervorgezogen und an einer
normal erscheinenden Stelle des Magens durch Nähte (Serosa und
Muscularis durchgreifend) fixirt. Die Einpflanzung muss höher als
gewöhnlich, mehr gegen die kleine Curvatur zu erfolgen, weil in
der Nähe der grossen Curvatur krebsige Infiltration bestellt. Jncision
über Darm und Magenwand; letztere starr und infiltrirt; nach
Anlegung der Nähte zeigte sich, dass die Darmschlinge trotz des
langen Mesenters und obwohl sie sich ohne Spannung an den
Magen anlegen liess, durch den starrwandigen Magen selbst compri-
mirt wurde; die Darmwandungen lagen platt gedrückt an. Einige
an das zuführende Darmende angelegte Nähte, die diese Schlinge
nach aufwärts gerichtet an dem Magen tixirten und die Passage
durch einen länger gestreckten Winkel herstellen sollten, waren
nutzlos. Desshalb wurde der Mesenterialansatz der betreffenden
Jejunumschlinge hart an seiner Radix mit Vermeidung grosser Ge-
fässe durchtrennt, wodurch die Schlinge am Magen sich wesentlich
lockerte und sich mit Gasen aufblähte. Unter heftigen, sich
steigernden Schmerzen V 2 *' Uhr Abends gestorben im Collaps.
No. 4. R. Peter, Schuster, 43 Jahre. Narbenstenose. Patient
leidet seit 8 Jahren an Magenbeschwerden, besonders nach der
Mahlzeit; seit 6 Jahren fast täglich einige Stunden nach Tisch
Erbrechen; das Erbrochene soll niemals kaffeesatzartig gewesen
sein. Sehr heruntergekommener Mann, blasses Gesicht, Fettpolster
fsist ganz geschwunden. Patient kann nicht längere Zeit ausser
Bett zubringen. Durch Percussion Ektasie des Magens nachweis¬
bar, derselbe reicht 2 Querfinger unterhalb des Nabels (28:15
Länge : Breite). Resistenz nirgends fühlbar. Salzsäure nach weis
positiv; der ausgeheberte Mageninhalt batte Anfangs blutige Bei¬
mengungen. Aufgenommene Nahrung wird meist nach kurzer Zeit
erbrochen. 3. II. 1889 Gastro Enterostomie nach Wölf ler. Eine
sehr bewegliche Dünndarmschlinge, 50 cm. von der Plica entfernt,
lasst sich leicht mit dem Magen vernähen; die Wandungen desselben
erscheinen gesund. Fistel für den Zeigefinger bequem durchgängig
Das zuführende Darmstück wird schräg nach oben durch 3 Nähte
an den Magen befestigt. Operationsdauer 35 Minuten. Am 3. Tag
1 /*12 Uhr Nachts im Collaps gestorben. (Kein Erbrechen vorher.)
Obduction: Stenose am Pylorus, für einen Gänsekiel durchgängig ;
am Pylorus beginnend, Ulcus, keine Peritonitis, keine Knickung
der angehefteten Dünndarmschlinge noch Compression des Kolon ;
reactionslose Vernarbung der Fistelränder.
No. 5. P. Philipp, Schreiner, 26 Jahre. Careinomi pylori.
Patient war früher stets gesund; seit 1 Jahre Magenbeschwerden;
fast täglich einige Stunden nach dem Essen Erbrechen Vor 5 Monaten
Aufenthalt im Krankenhaus, wo mit Magenspülungen und Milchdiät
vorübergehende Besserung erzielt wurde. Vor 2 Monaten Exstirpation
des einen Hodens wegen Tuberculose. Das Erbrochene soll eine
chocoladeartige Beschaffenheit gehabt haben. Keinerlei hereditäre
Belastung. Sehr abgemagert und blass; sehr schwach, so dass
Patient kaum einige Schritte machen kann. Magen bis zum Nabel
reichend; kein Tumor fühlbar. 14. III. 1889 Gastro-Enterostomie
nach Wölf ler. Eine Dünndarmschlinge mit langem Mesenter,
40 cm von der Plica. entfernt, wird mit dem Magen vernäht. Vordere
Magenwand zeigt ziemlich ausgebreitete derbe Verdickungen, dess¬
halb muss die Fistel ziemlich weit gegen den Fundus zu angelegt
werden; selbst hier ist die Magengegend verdickt (2—3 cm dick!).
Fistel für den Zeigefinger gut durchgängig. Das zuführende Darm¬
stück wird, um eine spitzwinklige Knickung zu vermeiden, durch
einige Serosanähte, schräg ansteigend, an den Magen genäht. Dauer
der Operation 40 Minuten. Am 2. Tag Erbrechen kothiger Massen;
Ausspülung. Unter zunehmendem Collaps und täglichem Erbrechen
19. III. gestorben. Obduction: Keine Peritonitis, keine abnorme
Lagerung der Darmschlinge, Fistel reactionslos verheilt Pylorus
Stenose, Dilatation des Magens. Beginnende croupöse Pneumonie.
No. 6. O. Marie, 48 Jahre, München. Carcinoma pylori. Vor
5 Monaten plötzliches Auftreten von Erbrechen, das sich in der
letzten Zeit bedeutend mehrte, so dass es schon nach Einnehmen
einer ganz geringen Nahrungsmenge erfolgt. Keine erbliche Belastung.
Höchste Abmagerung. Abdomen eingesunken, Leistendrüsen ge-
8( hwellt. Regio epigastr. druckempfindlich. Unter dem rechten Rippen¬
bogen, in der Mamillarlinie eine welschnussgrosse, höckerige Resistenz;
wenig verschieblich. Erweiterung des Magens, die grosse Curvatur
befindet sich 2 Finger unter dem Nabel. Keine freie Salzsäure.
12. IV. 1889 Gastro-Enterostomie nach Wölf ler. Nach Incision des
Peritoneums Pylorus knollig, kleinapfelgross, an der Rückseite ver¬
wachsen. Magenwände fühlen sich normal an. Vor völligem Schluss
No. 41
der Fistel wird in das abführende Rohr durch einen Selatonk»th^i
200 ccm Nährflüssigkeit eingespritzt. Dauer der Operation 3 /* Standen.
14.1V. gestorben nach häufigem Erbrechen. Obduction. Keine Pen
tonitis. Wunde reactionslos. Apfelgrosses Carcinom de» Pylorus
nicht durchgängig.
No. 7. H. Georg, 44 Jahre. Carcinoma pylori. Vor 9 Monafe
Auftreten von Magenbeschwerden, seit 5 Monaten Erbrechen schleia,-
ger Massen in mehrtägigen Zwischenräumen. Das Erbrocheu«
nie schwarz; in der letzten Zeit starke Abmagerung. Sehr ab-
gemagerter Mann; in der Pylorusgegend ein eigrosser, harter Tumor
fühlbar, wenig verschieblich; von hier zieht nach links ein lOcc
langer knotenförmiger Strang. Bei Aufblähung des Magens bedeutend«
Ektasie; Salzsäureprobe negativ. 11.1. 1890 Gastro-Enterostomie nach
v. Hacker. Nach Eröffnung des Peritoneums findet sich in d«
Pylorusgegend ein eigrosser, nirgends verwachsener Tumor; an da
Rückseite des Magens zahlreiche Drüsenknötchen fühlbar. Nach
Emporschlagen des Netzes werden die Wände der Bursa omenta:
stumpf durchtrennt und durch diese Oeffnung die hintere M«,i>
wand vorgezogen; Vernähung einer Dünndarmschlinge, 40 cm von
der Plica entfernt, mit dem Magen. Neben der Fistel FixatioosuähU
am zuführenden Stücke. 4. II. 90 Entlassung. Patient hat seit d«
Operation nicht mehr erbrochen. 2.111. Patient arbeitet und ver¬
trägt alle Speisen. Ende 1890 gutes subjectives Befinden; arbeite!
weiter; verträgt alle Speisen bis auf schwarzes Brod.
No. 8. H. Caroline, 31 Jahre, Kanfmannsgattin. Carcinocu
pylori. Patient erkrankte vor 8 Monaten an heftigen Magenscbmenen
und Erbrechen von schwärzlichen Massen, welch letzteres »ich noch
zweimal wiederholte; seitdem häufiges Erbrechen, jedoch ist dis
Erbrochene nicht mehr dunkel; vor 4 l /i Monaten Geburt eines Kinde-'
ohne Schwierigkeit. Nach vorübergehender Besserung tritt da» Leiden
in verstärktem Maasse auf; Patientin muss fast alles Genossene er
brechen, in Folge dessen starke Abmagerung Vor 6 Wochen be
merkte Patientin das erste Mal eine Geschwulst in der Magengegend.
Ungemein abgemagerte Person (Gewicht von 75 kg auf 38 kg ge¬
sunken). Haut trocken, gelblich: Inguinaldrüsen rnässig geschwellt
In der Nabelgegend, etwas unter den Nabel hinreichend, eine
höckerige, harte Geschwulst, apfelgross, gut verschieblich; Magen
stark erweitert. 30. VII. 1890 Gastro Enterostomie nach v. Hacket
Nach Eröffnung des Abdomens findet sich in der Pylorusgegend en
apfelgrosser, mit den Dünndarmschlingen zu einem Knäuel ver¬
wachsener Tumor. Erbrechen sistirt von der Operation ab; Collap-
gering Temperatur stets zwischen 36,8—37,5. Die eisten 3 Tage
völlige Diät (Eis, Champagner), später Suppen und flüsBige Nahrung
11. VIII. Wunde per prim, verheilt, Entfernung der Nähte. 23. VIII.
Gewicht 42‘/a kg 25. VIII. Entlassung 43 , /a kg. October: Laut Mit
theilung Befinden in jeder Beziehung befriedigend; Gewicht 93PH.
Anfangs November 1890 Tod durch zunehmende Entkräftung. Magen
schmerzen und Verdauungsstörungen waren nie mehr aufgetreten;
Appetit immer gut, trotzdem der Tumor zunahm und die Grösse
einer Faust erreicht hatte.
No. 9. Z. Therese, Zugeherin, 48 Jahre. Carcinoma ventricah
Patientin, früher stets gesund, ist seit 10 Monaten magenleidend
Krankheit äussert sich in Appetitlosigkeit, Aufstossen, Obstipation
und Erbrechen; die erbrochenen Massen angeblich mit Blut ver
mischt, Stuhl theerartig. Patientin kann nur Suppen und weide
Eier geniessen. Anaemische, sehr abgemagerte Person; in derNabel
gegend, oberhalb des Nabels ein derber, etwa hühnereigrosser
wenig verschieblicher Tumor (3 Finger breit, 5-6 cm lang). Bei
der Aufblähung verschiebt sich der Tumor nur wenig; der Magen
ist erweitert, reicht bis zwischen Nabel und Symphyse. 24. VIII. IBM
Gastro-Enterostomie nach v Hacker. Erbrechen sistirt_sofort
nach der Operation; Heilverlauf ohne jede Störung. 20. IX 189®
Entlassung. Wunde glatt vernarbt; kein Erbrechen mehr, w
nährungszustand nur langsam sich hebend. 10. X. 1890. Patientin
stellt sich vor. Allgemeinbefinden sehr gut; verrichtet leichte«
Arbeit; Tumor hat nicht zugenommen. Ernährungszustand etwas
gebessert Die früher blasse und welke Haut erscheint frischer,
Gesicht leicht geröthet.
No. 10. W. Anna, 40 Jahre, Baumeisteregattin. Carcinoma
ventriculi. Patientin, die bereits 3 Mal geboren hat, leidet seit 1 ■>*“*
an Appetitmangel und häufigem Aufstossen; Schmerzen bestehen
nicht In der letzten Zeit bedeutende Abmagerung. Gewicht hör*.
127 Pfund, vor 14 Tagen 107, jetzt 100 Pfund, häufige Obstipation
15. XI. 90 Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. GrossesCarnriom
mit ausgedehnten Verwachsungen. 4. XII. 1890. Wunde per pn®
geheilt; Ernährungszunahme allmählich. — Besserung mässig; Tu ^
culose. 5. XII. 1890 Entlassung. Derber Tumor rechts von her
Medianlinie sichtbar.
No. 11. S. Mathäus, Fabrikarbeiter, 62 Jahre Carcinoma py on
Beide Eltern an Magenleiden gestorben. Patient seit V* ' e, rv
Appetitlosigkeit, Stuhlverhaltung; Erbrechen, Anfangs alle W
meist Abends, aber auch Morgens, meist in grossen Massen,»
nie Blut; in der letzteren Zeit beträchtliche Abmagerung, krat-
gebaut, schlechte Ernährung; Inguinaldrüsen leicht geschwellt
Etwas oberhalb und rechts vom Nabel eine 6 cm lange, 4 an
Geschwulst, mit der Längsrichtung quer zum Körper, g ut
lieh, geringes Succussionsgerftuscli; bei Aufblähung reicht der
bis 3 Querfinger über die Symphyse und geht auffallend wei1 , t
rechts; auch der Tumor verschiebt sich etwas nach recht«. *
der Aufblähung geringe Blutung von hellrother Farbe. 10- *“•
3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1073
Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. Starker Meteorismus und
starke Darmperistaltik; Tumor über 4 /a Faust gross, hart. Reposition
der Därme sehr schwierig. Während der Narkose eiumnl Asphyxie.
11. III. 36,7 und 37,6, beständiges Erbrechen, Schwerathmigkeit,
Puls 104. 12. III 38,0 und 38,2, gestorben. Obduction. Nach
Trennung der Bauchwunde ist die Musculatur in grosser Aus¬
dehnung eitrig infiltrirt und von Blutungen durchsetzt, in der Bauch¬
höhle eine ziemliche Menge, theils dünnflüssigen, theils rahmigen
Eiters. Magen mit dem scharfen Rande des linken Leberlappens
leicht löslich verwachsen. Aeussere Magenwand mit fibrinös-eitrigem
Belag versehen. Das kleine Netz mit dem Duodenum durch fibrinös¬
eitrige Auflagerungen verklebt, mit rahmigen Eiter bedeckt; im
kleinen Becken fibrinös-eitriger Inhalt. Aus dem Magen entleert
sich viel schmutzig-brauner Inhalt. Magen kaum erweitert, dünn¬
wandig, gegen den Pylorus 6ehr dick werdend; beim Einschneiden
sieht man am Pylorus ein handtellergrosses Geschwür, mit auf¬
geworfenen, nicht scharf begrenzten Rändern; Dicke nimmt gegen
den Pylorus zu; Pylorus stark verengt, für den kleinen Finger kaum
durchgängig. Fistel für 1 Finger durchgängig, (Ränder gut verklebt),
befindet sich 30 cm unterhalb des Pylorus; in der Nähe der Stich¬
canäle kleine, stecknadelkopfgrosse Blutungen; beiderseits Spitzen-
tuberculose.
No. 12. Sch. Wilhelmine, 58 Jahre, Wechselwärterswittwe.
Carcinoma pylori. Mutter an Magenleiden, Vater an Abzehrung
gestorben. Seit 3 Monaten Schmerzen in der Magengegend; Gefühl
der Völle, häufig auftretendes Kollern; seit 2 Monaten häufiger
Brechreiz, Anfangs nach dem Essen, später auch nüchtern; seit
3 Wochen kommt es alle 2-3 Tage nach dem Essen zu wirklichem
Erbrechen, doch handelt es sich stets nur um Entleerung geringer
Massen, die niemals schwarz waren; seit dieser Zeit wird weder
Fleisch noch Gemüse vertragen, weil rasch Brechreiz auf tritt; in
der letzten Zeit 6tarke Abmagerung. Mittlerer Ernährungszustand;
gradier Bau; Haut schlaff. Bauchdecken schlaff; am Nabel und
links von demselben eine gänseeigrosse Geschwulst, höckerig, gut
verschieblich; mit dem grössten Durchmesser quer gelagert, lässt
sich von der Leber abgrenzen. Magen reicht bis zur Mitte von
Nabel und Symphyse, nach r. 1 Querfinger die Medianlinie über¬
ragend. Plätschergeräusch. Nach Aufblähung reicht der Magen nach
abwärts bis zur Symphyse, nach oben bis 1 Finger oberhalb des
Nabele, in der Quere nimmt er die ganze vordere Bauchfläche ein;
dabei wird die Geschwulst weniger deutlich fühlbar. Im Magensaft
keine freie Salzsäure 15. VII. 1893 Gastro - Enterostomie nach
v. Hacker. 15 cm lauge Incision, deren Mitte der Nabel bildet.
Leber in grosser Ausdehnung vorliegend; unterhalb der Leber der
Tumor, der am Pylorus sitzt und auf das Duodenum übergreift,
ziemlich beweglich, auch der Magen vollkommen ohne Adhaesionen.
Geschwulst gänseeigrosB; nach Jncision von Magen und Darm
8ehleimhaut-Muskelnaht ringsum Die Dünndarmschlinge wird in
grosser Ausdehnung an den Magen fixirt 5. VIII. Wunde per prim,
geheilt; seit der Operation nie mehr Erbrechen. Patientin befindet
sich wohl. Körpergewicht 8) Pfd. 5. VIII. Körpergewicht 90 Pfd.
Befund am 17. III.; Patientin ist in der Ernährung zurückgegangen;
Körpergewicht 7 b 1 / 2 Pfd.
No. 13. M. Anna, 52 Jahre, Kaufmannsfrau. Carcinoma pylori.
Im 18. Jahre Bleichsucht; damals auch oft Magenbeschwerden mit
Erbrechen; auch später war der Magen Btets empfindlich. Vor
10 Wochen nach dem Genuss von Wein Magenschmerzen, die von
da ab täglich wiederkehrten. Vor 8 Wochen das erste Mal Er¬
brechen, Anfangs alle 3—4 Tage, später öfter auftretend; das Er¬
brochene stets chocoladefarbig, einmal Beimengung von hellrothcm
Blute. Erbrechen trat zu jeder Zeit, besonders nach dem Essen, auf;
seit 8 Tagen täglich Erbrechen von enormen Mengen, meist über
1 Liter; alle feste Nahrung wird erbrochen. Seit 14 Tagen beträcht¬
liche Abmagerung. Schwächlich gebaut, Ernährung sehr schlecht;
Augen tief liegend, Hautfarbe fahl. Abdomen weich; Magen sich
deutlich vorwölbend; grosse Curvatur bis zur Symphyse reichend, kleine
Curvatur befindet sich 1 Finger oberhalb des Nabels; nach r. reicht
der Magen bis t zur vorderen Axillarlmie; nirgends ein deutlicher
Tumor fühlbar. Nach Ausheberung des Magens ist ein halbfaust¬
grosser Tumor, wenig verschieblich, gerade oberhalb des Nabels
fühlbar. Die Ausspülung erfordert bis zur völligen Reinheit der
ablaufenden Flüssigkeit 10 Liter; dabei werden Speisen, die vor
10 Tagen genossen wurden, herausbefördert. 28. VII. 1893 Gastro-
Enterostomie nach v. Hacker. Enormer Fettschwund. Tumor,
dem Pylorus angehörig Hungerdarm; in Folge des Collaps der
Därme und des tiefstehenden Magens ist die Plira schwer auf¬
findbar. Abends Collaps; 4 Campherinjectionen. 30. I. Morgens
3 Uhr gestorben. Obduction: Kleines Becken leer; Magen
ziemlich weit; in der Pylorusregion ein etwa wallnussgrosser Tumor;
5 cm nach links vom Pylorus ist an der grossen Curvatur ein Stück
Dünndarm mit dem Magen adhaerent. Pylorus für einen mittleren
Bleistift durchgängig; innen ein markstückgrosses Geschwür; dem
entsprechend zeigt die Magenschleimhaut ein trübes Aussehen.
No. 14. H Johann, 42 Jahre, Schreiner. Nafbenstenose.
Mutter an Phthise gestorben, ein Bruder magenleidend. Patient
schon als Knabe an Magenschwäche leidend; vor « Jahren ein
schwerer Ohnmachtsanfall ohne bekannte Ursache; seit dieser Zeit
ist der Magen, besonders bei Diätfehlern, noch empfindlicher geworden.
Vor 5 Jahren erkrankte Patient plötzlich bei der Arbeit mit heftigen
No. 44
8chmerzen in der Bauchgegend beiderseits und oberhalb des Nabels
und mit mehrmaligem Erbrechen wasserheller Flüssigkeit einige
Stunden nach dem Essen; von da ab litt Patient s /i Jahre lang
an krampfartigen Schmerzen, die ausschliesslich nach dem Essen
auftraten; nach einer Zwischenpause verhftltnissmüssigen Wohlseins
trat im October 1892 neuerdings Öfters Erbrechen reichlicher, farb¬
loser Massen auf. Seit 1 Jahre können feste Speisen sowie Gemüse
nicht mehr vertragen werden und ist erhebliche Abmagerung ein¬
getreten; vor 4 Wochen das erste Mal Erbrechen einer schwarz¬
braunen Flüssigkeit, das sich seitdem nicht wiederholt hat. Erhebliche
Reduction des Ernährungszustandes; linke Lungenspitze gedämpft;
Bauch gespannt, Magengegend mächtig druckempfindlich; die ganze
Magengegend diffus resistent; eigentlicher Tumor nicht fühlbar,
Plätschergerttusch zeitenweise. Bei Magenausspülung fasst der Magen
ohne erhebliche Beschwerden 2 Liter; dabei steht der Magen 1 Finger
über der horizontalen Nabellinie. Keine Lymphdrüsenschwellung.
Nach Probemahlzeit und Ausheberung 4 Stunden später HCl-Gehalt
nachweisbar; bei Magenaufblähung tritt der Magen deutlich vor,
von der Mammillarlinie r. bis zur Axillarlinie 1. reichend. 15. XII.
1893 Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. Ein handtellergroseer,
offenbar dem Pylorus angehöriger Tumor fühlbar, von der kleinen
Curvatur sich gegen die Cardia erstreckend, mit der Leber ver¬
wachsen. Der Magen scheint nicht dilatirt; wegen der kurzen
Fixation nur schwer emporhebbar; Wahl einer Jejunumschlinge,
30 cm von der Plica entfernt. Fixation des Magens an einen Spalt
des Mesokolons mit 2 Cat gutnähten Nach Incision des Magens und
Darms Naht der Mucosa und der Mucularis ringsum. Fixation
der DünndarmBcblinge mit 2 Catgutnähten am Magen. 16. XD.
bis Mittag 2mal Erbrechen. Puls unregelmässig, 116; Schwäche¬
gefühl. 2stündlich Nährklystiere; ‘/^Mmdlich Fieischsaft und Wein,
kaffeelöffelweise; Campherinjecton. Unter zunehmender Schwäche
gestorben 8 Uhr Abends. Obduction: Magen durch Gase stark
aufgetrieben, den Schwertfortsatz über Handbreite überragend;
linke Zwerchfell kuppe völlig von dem ektatischen Magen ausgefüllt.
Kleines Becken mit einigen Tropfen Serum angefüllt. Viscerales
Peritoneum injicirt, parietales blass, beide glatt glänzend, spiegelnd.
Linker Leberlappen mit dem Magen innig verwachsen. An der
hinteren Magenwand, nahe dem Pylorus, ein 5 Markstück grosser,
ovaler Substanzverlust der Wand mit stark wallartig unterminirten
Rändern; derselbe durchsetzt den Magen vollständig und zeigt als
Grund die vordere Wand des Pankreas. Letztere hat hinten oben
und unten an 3 Stellen in der Ausdehnung einer Bohne einen
zackigen Substanzverlust. Pankreaskopf auffallend breit und dick;
Pylorus nicht verengert, Schleimhaut desselben sowie des Duodenums
stark geröthet und etwas granulirt. Der obere und die 3 übrigen
Substanzverluste führen über die obere Breite des Pankreas in ein
sulzig fibröses Gewebe in der Nähe des Leberchylus. An keiner
Stelle in der Umgebung des Magengeschwürs Geschwulstbildung,
insbesondere Pankreas normal. 4 cm unterhalb des Defecta an der
hinteren Magenwand, nahe der grossen Curvatur, Fistelöffnung. Au
der rechten Lungenspitze ältere tuberculöse Herde; fettige De¬
generation des Herzens.
No. 15. M. Antonie, 69 Jahre, k. Hauptmanns-Wwe. Carcinoro.
Früher stets gesund: im Sommer 1893 (vor 6 Monaten) erkrankte
Patientin durch Verkältungan heftigem Blasenkatarrh; gleichzeitig trat
Appetitlosigkeit nuf und Aufgetriebensein des Leibes. Im September
trat Abends zeitweilig Aufstossen und Erbrechen auf, was sich im An¬
schlüsse an eine 4 wöchentliche Trinkcur mit Karlsbader Wasser
besserte: das Erbrochene bestand meist aus sehr reichlicher,
dünner Flüssigkeit; bis vor 4 Wochen soll P. im Allgemeinen noch
alle Speisen vertragen haben; seit 4 Wochen muss sie fast jede
Nahrung erbrechen und ist seitdem rapid abgemagert. Schwächlich
gebaut; hochgradig abgeraagert; Haut fahl und trocken. Bauchhaut
gerunzelt; am Nabel und besonders rechts von demselben eine
höckerige, bandtellergrosse Geschwulst, sehr druckempfindlich; wenig
beweglich. Plätschergeräusche. 15. XII. 1893 Gastro-Enterostomie
nach v. Hacker. Magen ziemlich senkrecht gestellt, erscheint nicht
stark erweitert. Dauer der Operation 35 Minuten. 16. XII. Sehr
schwach; Puls 120. 2stündlich Nährklystiere; V 2 stündlich Fleisch¬
saft und Wein theelöffelweise. Kampher-Injectionen. 17. XII.
38,5. Unter zunehmendem Collaps um 1 Uhr gestorben. Obduc¬
tion. Nach Eröffnung der Bauchhöhle findet sich das Peritoneum
schwärzlich-bläulich verfärbt, das grosee Netz aufgerollt. Im kleinen
Becken, sowie den abhängenden Theilen des Abdomens einige
Esslöffel dünnflüssiger, schwärzlicher Flüssigkeit. Magen stark ek-
tatisch, in der Gegend des Pylorus mit der hinteren Leberfläche
durch derbe, fibröse Schwarten adhaerent; an dieser Stelle ist der
Pylorus umgeben von einem haselnuss- bis hühnereigrossen, sehr
derben Knoten; Magen angefüllt mit einer sehr grossen Menge gallig
tingirter, dünner Flüssigkeit. Pylorus ringförmig stark stenosirt;
Schleimhaut dick, völlig glatt; an keiner Stelle ist die Schleimhaut
durchbrochen. Beim Einschneiden in den Pylorus mit einem hori¬
zontalen Schnitt zeigt sich derselbe verwachsen mit dein PankreAs-
kopf; Magenwand und Pankreaskopf in eine zusammenhängende,
sehr derbe, auf dem Durchschnitt hellglänzende Maese verwandelt.
Abgrenzung von Pankreas und Magen an keiner Stelle mehr möglich ;
nach oben zu hat dje Geschwulst auch die Leber verändert und
ist als sehr harter, derber Knoten in derselben fühlbar. Fistel für
den Zeigefinger durchgängig, reaetionslos
No. 16. H. Josefine, 41 Jahre, Schneidersfrau. Carcinoma
ventric. Patientm war früher Btets gesund, seit 'jt Jahre magen-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
leidend; Schmerzen, Aufstossen, Erbrechen; letzteres mehrmals im
Tage nach dem Essen; das Erbrochene niemals schwärzlich gefärbt,
nur vor 4 Tagen sollen kaffeesatzartige Massen erbrochen worden
sein. Vater an Lungentuberculose gestorben. Patientin sehr ab¬
gemagert, Haut gelb und welk; Abdomen kahnartig eingezogen, in
der Nabelgegend ein länglicher, harter Tumor mit respiratorischer
Verschieblichkeit; er beginnt 2 Querfinger nach rechts am Nabel,
zieht dann in einer nach rechts eoncaven Linie gegen den Rippen¬
bogen, ohne mit letzterem zusammenzuhängen. Haut über dem
Tumor unverändert. Bei Aufblähung des Magens verschiebt sich
die Geschwulst nach rechts um fast 2 Quertinger. 13. X. Gastro-
Enterostomie nach v. Hacker. Magen auffallend klein, Pylorus in
eine harte, höckrige Geschwulst verwandelt. Operationsdauer eine
Stunde. 14. X. 36.6, 37,2, Suc. carnis. 15. X. 37,0, 36,9, Erbrechen
von etwas Rothwein. 24. X. V. N. Wunde per prim, verheilt. 1. XI.
Patientin erholt sich. K -G. 63 Pfd. 9. XI K. G. 64 Pfd. Niemals Er¬
brechen. 4. XII. Entlassung K -G. 62 Pfd. Patientin sieht bedeutend
besser aus; alle 2—3 Tage einmal Erbrechen schleimiger Massen,
unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Tumor unverändert. Starb
erst nach 6 Monaten in der Heimath.
No. 17. H. Marie, 24 J. Narbenstenose. Patientin, die früher
nie magenleidend war, erkrankte vor 6 Monaten ohne Ursache mit
heftigen, krampfartigen Magensehmerzen, die sich oft wiederholten.
Dieselben traten nüchtern auf, in gesteigertem Maasse nach dem
Essen, besonders nach Fleischkost, desshalb ernährte sich die Pa¬
tientin nur mehr mit Thee und Milch. Seit 3 Wochen heftiges Er¬
brechen grosser Massen, nüchtern und nach dem Essen. Das Er¬
brochene ist bisweilen farblos, öfters bräunlich; auch der Stuhl soll
häufig dunkel, schwärzlich gefärbt gewesen sein; seit 4 Monaten
beträchtliche Abmagerung. Patientin will früher oft sehr heiss und
kalt nacheinander genossen haben. Sehr abgemagerte, gracile
Person; links Spitzeninfiltration. Leib weich, rechts vom Nabel
eine etwas resistente Partie, druckempfindlich, doch ist kein deut¬
licher Tumor fühlbar. Bei Aufblähung enorme Erweiterung des
Magens, bis zur Symphyse reichend; senkrechter Stand des Magens.
Der Pylorus, welcher der druckempfindlichen Stelle entspricht, tritt
bei der Aufblähung etwas rechts am Nabel vor; grösste Länge des
Magens 35 cm. In der Klinik mehrmaliges Erbrechen grosser,
bräunlich gefärbter Massen, sauer riechend, viele Sarcinen enthaltend.
3 Stunden nach einer Probemahlzeit lässt sich im Mageninhalt keine
freie Salzsäure, wohl aber Milchsäure nachweisen. Körpergewicht
41,8 kg. 21. I. 1895 Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. Därme
collabirt. Fixation einer Darmschlinge, 20 cm unterhalb der Plica,
entsprechend der Peristaltik des Magens; in der Pylorusgegend eine
weiche, 2 Finger breite und ebenso lange Resistenz, nicht scharf
abgrenzbar; in der Nahe eine geschwellte Drüse. Die Eröffnungs-
Stelle deß Magens sehr derb; Anlegung der Mucosanaht ringsum
und vordere Serosa Naht. Durch die Mucosanaht wird in geringem
Grad ein Klappenventil hergestellt. Fixirung des zu- und ab¬
führenden Schenkels. 21. I. 2 stündlich 1 Kaffeelöffel Thee, Wein,
Fleischsaft; daneben 2 stündlich ein Klystier a 10 ccm mit Fleisch¬
suppe, Eier-EiweisB, Zucker und Fleischsaft; 5 mal täglich 60 ccm
Wasser. 21. I. 36,4. P. 120. 22. I. 36,9 u. 36,8. 23. I. 36,9 u 36,6,
Ernährung wie gestern. 24. I. 36,8 u. 36,0. P. 96. Morgens einmal
Erbrechen von einem Theelöffel bräunlicher Flüssigkeit. 25. I.
36,6 u. 36,3. Patientin fühlt sich sehr matt. Parotitis beiderseits.
26. I. Um 3 Uhr Morgens gestorben. Obduction. Im kleinen
Becken kein abnormer Inhalt. Magen stark ausgedehnt; 32 cm vom
Fundus zum Pylorus. In demselben eine sehr reichliche Menge
schwärzlicher, aus Blut bestehender Flüssigkeit (*/3 1!). Schleimhaut
blassgrau, etwas geschwellt. Pylorus stark verengt, für den kleinen
Finger nicht durchgängig; an der Pars pylorica ein Geschwür, zirculär
die ganze Innenfläche im Umfange eines kleinen Handtellers ein¬
nehmend; scharfe, leicht gewulstete Ränder; Geschwürsgrund glatt,
schiefrig verfärbt. Fistelnähte verlöthet, Serosa überall glänzend.
Im Duodenum ebenfalls schmutzig-bräunlicher Inhalt. Pylorus-
muskel stark verdickt. Im unteren Dünndarm ziemliche Mengen
dunkelbräunlichen Inhalts, im Dickdarm halbbreiiger Koth, auch
mit Blut vermischt.
No. 18. H. Hans, 37 Jahre, Kaufmann, Carcinoma ventriculi.
Patient erkrankte im Jahre 1887 an Lungen- und Magenkatarrh;
seit August 1894 Druckgefühl im Magen nach dem Essen. Erbrechen
und zwar farblos, soll nur einmal, im October, aufgetreten sein.
Patient musste sich in der letzten Zeit ausschliesslich von Milch,
Beis und Eiern nähren, weil er kein Fleisch mehr verträgt, ebenso
will er im letztem Jahr um 32 Pfd. abgenommen haben. Potatorium
zugestanden. Kräftig gebauter Mann, massiger Ernährungszustand,
anaemisch. — Abdomen weich, rechts und oberhalb des Nabels ein
harter, fibröser Tumor, 7 cm lang, 5 cm breit, oberhalb des Tumors
ist der untere Leberrand fühlbar; der Tumor scheint bei der
Respiration mit der Leber herabzusteigen. Kein Plätschergeräusch.
Tumor ist auf der Wirbelsäure kaum verschieblich. Nach Auf¬
blähung des Magens reicht derselbe 1 Finger breit unter die horizon¬
tale Nabellinie, eine Handbreite über die Medianlinie nach rechts;
dabei ist der Tumor kaum noch fühlbar. 3 Stnuden nach der Probe¬
mahlzeit lässt sich Salzsäure nicht nachweisen. 22. I. 1895. Gastro-
Enterostomie nach v. Hacker. 15cm lange Incision. Panniculus
auffallend gut; nach Eröffnung der Bauchhöhle etwas freie Flüssig¬
keit. Enormer Tumor (14 cm lang, 10 cm hoch) in der Pylorus¬
gegend. Ein Theil des Netzes ist mit dicken Knoten erfüllt und
mit den Magen verwachsen; Tumor mit der Leber verbunden;
No. 44.
Magen sehr klein, mit der Plica duodeno-jejon. leicht verlöthet, des»
halb ist letztere schwer auffindbar, umso mehr, da das Mesenter
sehr fettreich ist. Vom 1. Tage ab 2 stndl. 1 Kaffeelöffel Thee
Wein oder Fleischsaft, daneben 2 stndl. ein Nährklystier ä 10 ccm
mit Fleischsaft, Eier-Eiweiss, Zucker und Fleischsuppe. 5 mal täglich
60 ccm Wasser. 22. I. 36,9. 23. 1. 37,C, 37,8 u, 39,1; 24. I. 330
37,9 u. 37,9. 25. I. 38,6, 38,5 u. 38,0; Nahrung während dieser
Tage wie 22. I., aber Esslöffelweise. 26. I. 37,4. 37,6 u. 374
27. I. 37,8, 38.5 u. 38,9; LHO Handbreite umschriebene Dämpfung
Rhonchi. 15. II. Körper-Gewicht 71 kg. 17. IL Gestern Abends
nach Trinken von viel Flüssigkeit Erbrechen. 19. II. Austritt
Narbe lineär per pr. verheilt; Ernährung in Zunahme begriffen.
Patient verträgt alle Speiseu auch Fleisch; trinkt Bier und Wein;
subj. völliges Wohlbefinden. Befund war am 25. IV. 1695; Be
friedigendes Befinden ; Gewichtszunahme von 16 Pfd.
No. 19. H. Elisabeth, 43 Jahre, Maurerefrau. Carcinoma pylori.
Patientin leidet seit 8 Jahren an Magenbeschwerden; dieselben
waren Anfangs sehr gering und schwanden oft für längere Zeit
völlig. Vor 4 Jahren bemerkte Pat. eine haselnassgrosse, tiemlich
harte, druckempfindliche Geschwulst in der Magengegend, die all¬
mählich zu ihrer jetzigen Grösse heranwuchs. Seit 3 Monaten tritt
fast täglich Erbrechen auf und zwar erfolgt letzteres 2—3 Stunden
nach der Mahlzeit; seit 4 Wochen rasch fortschreitende Abmagerung.
Schwärzliche Massen wurden niemals erbrochen. Erbliche Belastung
fehlend. Patientin ist sehr stark abgemagert, Gesichtsfarbe fahl
Abdomen kahnförmig eingezogen, Contouren des Magens nach der
Mahlzeit plastisch vortretend; derselbe reicht nach abwärts bis eine
Handbreit über der Symphyse, kleine Curvatur 2 Qaerfinger ober
halb des Nabels, Pylorus erreicht mit seinem Ende die rechte
Mamillarlinie und ist in eine hühnereigrosse Geschwulst verwandelt,
Bei Aufblähung des Magens reicht die untere Grenze am 2 Quer¬
finger nach abwärts. Tumor wird dabei undeutlicher. Untersuchung
des Mageninhalts auf HCl negativ. Gewicht 81 Pfd. 8. IIL 1895.
Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. Pylorus in eine harte, apfel¬
grosse , fest verwachsene Geschwulst verwandelt. 9. III. 7 Uhr
Morgens gestorben.
No. 20. Carcinoma. Vor 6 Jahren Influenza; im Anschlüsse dann
heftige, stechende Schmerzen der Magengegend: hie und da Erbrechen;
das Erbrochene zuweilen dunkel gefärbt; im Sommer vorigen Jahr«
hatte das Erbrochene ein deutliches, kaffeesatzartiges Aussehen; seit
März dieses Jahres werden die genossenen 8peisen mit Unmengen
von Schleim vermischt regelmässig ausgebrochen; das Erbrochene
ist ohne dunkle Färbung. Abgemagerter Körper, trockene blasse Haat.
Leib kahnförmig eingesunken; links und oberhalb des Nabels an
harter, unebener, verschieblicher Tumor, citronengross; lässt sich
nach der Medianlinie gut abgrenzen, medialwärts bis zur Nabellinie,
nach aufwärts bis 3 Querfinger über die horizontale Nabellinie
reichend, setzt sich nach dem linken Rippenbogen zu fort, wo er
undeutlicher und nicht mehr abgrenzbar wird. Der Tumor macht
die Atembewegungen mit. — Beim Aufblähen des Magens reicht
dieser bis 4 Querfinger unterhalb des Nabels; Tumor medialwirts
verschiebbar. Plätschergeräuohe. — Gewicht 92 Pfand. 6. VIL 1895.
Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. Tumor citronengross am
Pylorus; keine Verwachsungen. Da der Magen schwer voniehbar ist,
kommt die Anastomose mehr an die grosse Curvatur. 18. VII. 1895.
Wunde per p. verheilt; kein Erbrechen mehr; sehr gutes Allgemein
befinden. 7. VIII. 1895. Geheilt entlassen. Gewicht 108 Pfund,
Verdauung normal; sehr gutes subjectives Befinden. Befand vom
24. XI. 1895. Ernährungszustand in stetem Fortschreiten begriffen.
No. 21. A. Marie, 30 Jahre, Köchin. Narben-Stenose. Vor
3 Jahren war Patientin 4 Wochen lang krank, wobei sie fast täg¬
lich erbrach, einmal braune Massen; von da ab Aufstossen, schmerz
hafte8 Gefühl im Magen und Empfindlichkeit desselben gegen saure
Speisen; auch Obstipation. Im März 1895 profuses Erbrechen von
1 1 brauner Flüssigkeit; seitdem fast täglich Erbrechen stets grosser
Massen; die Empfindlichkeit des Magens steigerte sich derart, daß
Patientin nurmehr Milch und Eier gemessen konnte. Am 17. VI, 189o
heftige Magenblutung; desshalb Eintritt in die medicinische Ab¬
theilung, wo durch Magenspülungen Besserung erzielt wurde; da
sich Patientin trotzdem nicht erholte, Verlegung auf »die chirurgische
Abtheilung. Blass, gracil gebaut, Ernährungsstand reducirt, direct
oberhalb des Nabels in der Medianlinie eine flache, höckerige Be®
stenz, nicht scharf abgrenzbar, mehr als Fünfmarkstück gross. Magffl
reicht bis handbreit unter den Nabel; starke Plätschergeräusche.
Bei Aufblähung mit Kohlensäure reicht der Magen links und rechte
bis zur Spina ant. sup. und bis zur Symphyse. Pylorus erscheuh
hart rechts vom Nabel; eine Geschwulst nicht mehr fühlbar.
13. VIII. 1895. Gastro-Enterostomie nach v. Hacker- Magen
enorm ausgedehnt, frei vorliegend. Rechts vom Nabel die von
Aussen gefühlte Geschwulst, nicht besonders hart, Peritoneum
darüber glänzend, aber wie narbig eingezogen. Keine D™**
Schwellung; unter der Annahme einer gutartigen Geschwulst Gast"
Enterostomie nach v. Hacker. Der Dünndarm, 30 cm von 00
Plica entfernt, wird mit dem Magen vernäht. Eröffnung von Magen
und Darm (gut 2 cm weit). Magenmusculatur auffallend verdi
Schluss der Bauchhöhle. 24. VIII. 1895 Wunde per prim, g«« 11
nur einmal nach der Narkose Erbrechen; nach der Operation
2 stündlich 1 Theelöffel Thee und Wasser; vom 21. VIIL I85w
consistente Nahrung. 30. VIII. 1895 das erste Mal Erbrechen
V* 1 Flüssigkeit. 17. IX. 1895 Entlassung. Ernährung nicht wesen
lieh gebessert. Subjectives Befinden gut; Resistenz weniger
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3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1075
lieh fühlbar. Laut brieflicher Mittheilung vom 18. XII. 1895 be¬
findet Bich Patientin sehr wohl.
Nr. 22. J. Elise, 46 Jahre. Briefträgersfrau. Carcinoma ven-
triculi. Seit 4 Jahren magenleidend; in grösseren Intervallen (bis
zu 4 Monaten) Erbrechen schwarzbrauner Massen; Schmerzen in der
Magengegend massig. — Seit V /2 Jahren Steigerung der Schmerzen;
sehr oft, fast täglich Erbrechen, das aber nie mehr braunschwarz
ausgesehen haben soll. Die Schmerzen strahlen bis in den Rücken
und die linke Schulter aus, sind aber am stärksten in der Magen¬
gegend. — Seit 1 Jahre beträchtliche Abmagerung. Abgemagerter
Körper, gelbliche Haut, blasse Schleimhäute. — In der Magengegend
fühlt man hart links vom Nabel bei Rückenlage einen hühnerei-
grossen, harten, höckerigen, verschieblichen Tumor, augenscheinlich
dem Magen angehörend und gegen die Leber zu in einen Strang
auslaufend; Magen mässig erweitert. Die Untersuchung des aus¬
geheberten Mageninhalts nach Probemahlzeit ergibt Milchsäure und
etwas freie Salzsäure. II. IX. 1895. Gastro-Enterostomie" nach
v. Hacker. Der Tumor orangegross, höckerig, gehört dem Magen
und der grossen Curvatur an; unterhalb des Pylorus, im Mesen¬
terium einige haselnussgrosse, harte Drüsenknoten; desshalb keine
Resection. Gastro-Enterostomie nach v. Hacker. 12. IX. 1895 im
Collaps gestorben.
No. 23. St. Emma, 52 Jahre, Directorsgattin. Carcinoma pylori.
Patientin seit 1 Jahr in Behandlung wegen angeblicher Wander¬
niere; vor 2 Monaten wurde eine Magengeschwulst entdeckt; in der
letzten Zeit heftiges Erbrechen, so dass Patientin fast gar nichts
mehr gemessen konnte; seit einigen Tagen Nährklystiere; seit
mehreren Monaten hochgradigste Anaemie; massige Ernährung;
unterhalb der Process. ensiform. eine offenbar dem Pylorus
angehörige Geschwulst deutlich fühlbar. 4. I. 1896. 3 Stunden
nach der Aufnahme Gastro-Enterostomie nach v. Hacker, 15 lange
Incision; Magen etwas ektatisch; Duodenalfalte auffallend breit;
das Jejunum wird etwa 15 cm unterhalb des Duodenums an
der hinteren Magenwand nach v. Hacker angenäht in der, der
Peristaltik entgegengesetzten Richtung. Oeffnung von
Magen und Darm gut für 1 Finger durchgängig; in Folge der Breite
der Duodenalfalte, die ganz nach vorne reicht, ist die Nahtfalte gut
fixirt. Sofort nach der Operation Zufuhr von Flüssigkeit (Thee,
Wein). 2 stündlich Nährklystier. 5. I. 37,1 und 37,0. 6. I. 36,8
und 37,4. Sehr schwach, mehrmals Erbrechen; Leib ohne Me-
morismus und Druckempfindlichkeit; Erbrochenes faeculent riechend.
7. I. 36,9 und 37,2. 8. I. 36,7 und 37,3. Puls stets kräftig, 80.
Häufiges Erbrechen mit üblem Geruch. 14. I. 36,6 und 36,8.
Brennender Schmerz im Magen; noch immer faekulent riechendes,
gelblich braunes Erbrechen täglich fast stündlich; dadurch die
Nahrungsaufnahme sehr minimal. 15. I. 36,6 und 37,3. Auf Magen-
Ausspülung grosse Erleichterung. 19. I. 36,5. Fortwährend unter
Tags faeculentes Erbrechen. 21. I. Operation. Wegen Andauern des
Erbrechens Eröffnung der glatt verheilten Bauchwunde; Peritoneum
überall glatt und glänzend, ohne Adbaesionen. Die stark winklich
abgehende Dünndarmschlinge wird nach oben an der Verbindungs¬
stelle durch 2 Nähte fixirt; Schluss der Bauchhöhle; Collodium V.
Unter Andauer des Erbrechens und stetiger Consumtion erfolgt
3. II. Exitus letal. Obduction. Querkolon und das grosse
Netz oberhalb des Nabels mit dem parietalen Bauchfell handteller¬
gross verwachsen; Magen etwas senkrecht gestellt; Magen mässig
ektatisch; Pylorus durch eine ringförmige, wulstartige Infiltration
hochgradig stenosirt; Fistel für 1 Finger durchgängig, ohne Reaction ;
vom Pylorus ausgehend ein Fünfmarkstück grosses, ziemlich reines
Geschwür; keine Metastasen. Marantische Thrombose beider Lungen¬
arterien; parenchymatöse Degeneration der Nieren; fettige Dege¬
neration des Herzens. (Schluss folgt )
Feuilleton.
Die besondere Approbation der Specialärzte in dem
Entwurf zur neuen Prüfungsordnung.
Von Professor F. Moritx in München.
Bekanntlich sind vor Kurzem die Ergebnisse der von der
Reichsregierung veranlassten commissarischen Berathungen über die
Revision der medicinischen Prüfungen der Oeffentlichkeit übergeben
worden. (S. Beilage zu No. 25 dieser Wochenschr.) In denselben
findet sich unter den «Schlussbemerkungen» folgender Passus:
«Es empfiehlt sich ferner, in der Gewerbeordnung fest¬
zusetzen, dass auch die Bezeichnung als «Specialar/.t» oder ein
gleichbedeutender Titel nur auf Grund einer besonderen Approbation
geführt werden darf, deren Voraussetzungen der Bundesrath be¬
zeichnet (etwa durch Aenderung des §29 Absatz 1 in der Fassung:
«.Einer Approbation .... bedürfen .... diejenigen Personen, welche
sich als Aerzte, Specialärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte, Thierärzte
oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen ....»).
Ergeht eine solche Ergänzung der Gewerbeordnung, so wird
für die Ertheilung dieser besonderen Approbation zu erfordern sein,
dass der Candidat nach Erlangung der ärztlichen Approbation noch
zwei Jahre an einer deutschen Universitätsspecialklinik oder Special¬
poliklinik oder in einem dazu autorisirten Specialkrankenhause sich
theoretisch und praktisch mit dem betreffenden Specialfache ein¬
gehend beschäftigt hat.»
Mit der hier vorgeschlagenen Einrichtung hofft man gewisse
Auswüchse des Specialistenthums beseitigen zu können, deren Vor¬
handensein Niemand leugnen wird. So wenig irgend Jemand daran
denkt, die Berechtigung und den grossen Nutzen der Specialitäten
überhaupt in Abrede zu stellen, deren Entstehung in der immer
rascher der Breite und Tiefe nach vor sich gehenden Entwicklung
der Medicin ihre natürliche Ursache hat, so sehr empfindet man es
doch allerwärts als einen Missstand, dass die Zahl der Specialisten
weit über das wahre Bedürfnis hinaus angewachsen sei. — Sie
betragen z. B. in München, wo diese Verhältnisse vielleicht noch
nicht am ausgeprägtesten sind, 39 Proc. aller Aerzte. — Ausserdem
findet man, dass ihre Ausbildung vielfach nicht den Anforderungen
entspricht, die man mit Fog und Recht an sie stellen könnte. Die
die allgemeine PraxiB versehenden Aerzte klagen darüber, dass es
kaum mehr möglich sei, in der besseren Praxis einen Fall zu be¬
handeln, wo die Krankheit primär oder auch nur secundär ein
Organ betrifft, für das es Specialisten gibt, ohne dass die Forderung,
einen solchen beizuziehen, auftaucht. Vielfach nehmen Patienten,
die sich früher dem allgemeinen, resp. ihrem Hausarzte anvertrauten,
jetzt bei «specialistischen» Affectionen, auch solchen leichtester Natur,
überhaupt nur mehr zum Specialarzt ihre Zuflucht. Unter diesem
Schwanken des Publikums von dem zu jenem Arzt droht die Insti¬
tution des Hausarztes eine ernstliche Schädigung zu erleiden, des
Hausarztes in dem guten alten Sinne, der eine Familie durch Jahr¬
zehnte hindurch behandelt, und der in Folge dessen gerade für sie
als ihr Vertrauter in körperlichen wie in seelischen Leiden und mit
seiner Kenntniss aller Hereditäts- und Dispositionsverhältnisse der
richtige Specialist in individueller und prophylaktischer Behandlung
sein könnte.
Uns Internisten, die wir den Stamm der Medicin zu pflegen
haben, liegt, wie ich glaube, vor allen Anderen die Pflicht ob, dem
Auseinanderfallen unserer Gesammtwissenscbaft in lauter einzelne
Fächer nach Kräften entgegenzuarbeiten. Immer und immer wieder
betonen wir in Vorlesungen und Kliniken, dass dem einheit¬
lichen Charakter des Organismus auch eine einheitliche
ärztliche Kunst entsprechen müsse. Alle einzelnen Organe
stehen durch das circulatorische und das Nerven-System in innigster
Wechselbeziehung zu einander und können, ohne dass die wahre
Aufgabe der Heilkunst, dem kranken Menschen beizustehen,
Einbusse erlitte, nicht losgelöst von der Rücksicht auf den Ge-
sammtorganismus behandelt werden. Im Gegentheil, auf die letztere
muss immer das Hauptgewicht gelegt werden und da sie der Natur der
Sache nach dem universellen Arzte besonders nahe Hegt, so
ist dieser ohneZweifel im Allgemeinen auch der ideale
Arzt für die Praxis.
Bedauerlich ist also von verschiedenen Gesichtspunkten aus
das Ueberhandnehmen der specialistischen Richtung in der Praxis
und gewiss wäre hier eine Abhilfe wünschenswerth. Und doch
möchte ich auf das Eindringlichste davor warnen, gerade den in
Aussicht genommenen Weg einzuschlagen. Ich kann mich der
ernsteten Befürchtung nicht erwehren, dass man auf ihm nicht
zu einer Beseitigung, sondern im Gegentheil nur zu
einerVerschärfung und Permanenzerklärung des Miss¬
standes kommen wird. Mit all' den bisher gegen die specia-
listische Bewegung angeführten Gründen also und ganz wesentlich
von meinem Standpunkte äls innerer Kliniker aus wende ich mich
demnach gegen denselben
DaB jetzt übliche Drängen der jüngeren Aerzte nach einem
Specialfach hat zunächst einen äusseren Grund in den ungesunden,
an der übermässigen Concurrenz einerseits und der künstlichen Be¬
schränkung der Praxis durch die Kassengesetzgebung andererseits
krankenden Erwerbsverhältnissen unseres Standes. Zumal der letztere
Punkt scheint mir von Wichtigkeit zu sein. Der Anfänger sieht in
den Städten, um die es sich bei der ganzen Frage ja nur handelt,
fast die ganze Klientel, auf die er naturgemäss angewiesen ist, die
nämlich, die sich aus den weniger bemittelten Ständen rekrutirt,
unter die Kassenärzte aufgetheilt. Wenn er nun nicht das Glück
und die Protection hat, eine solche Stelle zu erhalten, so glaubt er
noch am ersten durch Creirung einer Specialität sich hervorthun
und Praxis gewinnen zu können.
Das zahlreiche Auftauchen von Specialfächer betreibenden
Aerzten und, wie gerne hervorgehoben werden soll, ihre guten
Leistungen in besonders markanten Fällen, haben den legalen Erfolg
gehabt, dass das Publikum aufmerksam auf sie wurde. Aber es ist
auch vielfach die weitere Consequenz hervorgetreten, dass das
Publicum anfing dem Können des allgemeinen Prak¬
tikers in Bezug auf Erkrankungen, die Gegenstand von
Specialitäten sein können, überhaupt zu misstrauen.
Und hier liegt jetzt die Hauptwurzel des Uebels. Nur
unter dieser Voraussetzung kann sich die Praxis so vieler Specialisten
lohnend gestalten. So lange diese Anschauung des Publikums besteht,
so lange wird sich auch die Zahl der Specialisten nicht verringern.
Die Auflage besonderer Bedingungen, unter denen der Titel
eines Specialarztes nur erworben werden kann, wird daran nichts
zu ändern vermögen, es sei denn vielleicht, dass man sie so ge¬
staltete, dass sie nur durch grosse finanzielle Opfer zu erfüllen
wären, und auch dann gäbe es immer noch mehr als geuug Leute,
die ihnen entsprechen würden. In die Kategorie einer grossen
weiteren finanziellen Belastung würde allerdings die in dem Ent¬
würfe enthaltene Bestimmung gehören, dass ein noch zweijähriges
Studium an einer deutschen Universitätsspecialklinik oder einer
Specialpoliklinik oder einem dazu autorisirten Specialkrankenhause
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
die Vorbedingung für die besondere Approbation der Specialärzte
zu bilden habe. Aber ich halte es für ausgeschlossen, dass diese
Bestimmung auf Annahme rechnen kann, da sie eine zu grosse
Benachtheiligung der weniger bemittelten Aerzte
in volvirt.
Diese Bedenken sind denn auch in weiten ärztlichen Kreisen
schon hervorgetreten und haben zu Abänderungsvorschlägen geführt,
die dahin lauten, dass nur ein besonderes Examen oder überhaupt
nur ein Befähigungsnachweis zu fordern sei. Aber das wird Alles
nichts helfen. So lange Gewinn aus einem Specialfach
winkt, werden sich über und über genug Aerzte finden,
die siclijederBedingung, um zu demselben zu kommen,
unterwerfen werden. Das ist eine Voraussage, die sich bei
dem heutigen Concurrenzkampf auf Analogieen in allen Berufsarten
stützen kann. Man sehe nur, wie überall die denkbar grössten
Opfer für Ausbildung gebracht werden, um sich einen wenn auch
nur mageren Erwerb zu sichern, welchen Ueberfiuss wir an geprüften
und doppelt geprüften Kräften in allen Fächern, in der Lehrthätig-
keit jeder Art, in der Technik, dem Kaufmannsstande, den gelehrten
Berufen haben, obwohl häutig der Erfolg den Hoffnungen so wenig
entspricht, dass man bereits von einem gebildeten Proletariat
reden kann.
Abhalten werden also erschwerte Bedingungen die Aerzte nicht
davon, sich lucrativen Specialfächern zuzuwenden. Wenn es mir
erlaubt ist, einen Ausdruck aus dem Geschäftsleben herbeizuziehen,
so möchte ich sagen: Wenn auch die Spesen vertheuert werden,
so lange das Geschäft lohnend erscheint, wird es gemacht. Und
dass es lohnend bleibe, erst recht lohnend werde, dafür
sorgt man gerade mit der beabsichtigten Einrichtung,
denn man schafft mit ihr geradezu ein Monopol. Auf
das läuft es in seiner Wirkung auf das Publicum hinaus. Bis jetzt
bedeutet Specialarzt, dass einer sich mit dem betreffenden Fach
speciell beschäftigt und dass ar sich Kraft seiner Ausbildung oder in
manchen Fällen vielleicht auch nur Kraft seines Selbstvertrauens zu¬
traut, etwas Besonderes darin zu leisten. Zu dem Publicum sagt er:
komme und prüfe mich! Später wird «Specialarzt* aber heissen, dass
einem seine besonderen Kenntnisse in dem Fache staatlich beglaubigt
sind und man müsste mehr als naiv sein, wollte man glauben, dass dem
Publicum das verborgen bleiben würde. Es gibt keine wirk¬
samere Hervorhebung und Betonung der Specialfächer
in den Augen des Public ums, als indem man ihren
Vertretern eine besondere Approbation verleiht und
darin wird gerade zu eine neue Anlockung zu den
Specialfächern liegen. Das Publicum wird noch mehr als
bisher aus dem jetzt quasi garantirten Können des Specialisten
den umgekehrten Schluss machen, dass die übrigen Aerzte von
diesen Sachen nichts verstehen und sich noch mehr als bis jetzt
bei jeder passenden und vielleicht auch unpassenden Gelegenheit
an einen Sptcialarzt wenden. Wohin das aber in der Praxis führen
muss, wenn die Gewohnheit, je nach der Art der Erkrankung bald
den, bald jenen Arzt zu consultiren, noch tiefer und mit einem viel
grösseren Anschein von Recht als bisher beim Publicum Wurzel
schlagen wird, kann man sich leicht ausmalen. Was soll schliesslich
für den allgemeinen Arzt noch übrig bleibenV Wie viele Speziali¬
täten gibt es jetzt schon und wie viele kann uns die Weiter¬
entwicklung von Wissenschaft und Technik noch bringen! Oder
will man auch hier normativ vorgehen? Soll der Specialist
für Nervenkrankheiten, der für Magen- und Darmkrankheiten ver¬
schwinden? Soll es verboten sein, Specialist für Herzkrankheiten
zu werden, wozu der Versuch sicher gemacht werden würde? Wo
ist hier die natürliche Grenze? Oder soll eine will¬
kürliche gezogen werden?
Gegen alle diese Bedenken kommt der Einwurf gar nicht in
Betracht, dass man das Publicum vor schlecht ausgebildeten Specia-
ärzten schützen müsse. Sie sind, meiner Ueberzeugung nach, zunächst
im Allgemeinen auch jetzt gar nicht 60 schlecht ausgebildet. Dass es
auch vorkommt, dass Jemand auf Grund einiger oder gar nur eines
Specialcurses an einer grösseren Universität, z. B. in Wien, den An¬
spruch erhebt, als Specialist zu gelten, soll ja nicht bestlitten werden.
Aber um solche Fälle unmöglich zu machen, darf man nicht zu Mitteln
greifen, die die Praxis noch mehr als bisher zerklüften müssen.
Maassregeln, die rein disciplinär gedacht sind, dürfen
nicht dazu führen, eine besondere Aerztekaste in 1 « Leben
zu rufen, diedem Publicum und den übrigen Collegen
gegenüber mit staatlich beglaubigter Ueberlegenh eit
ausgerüstet ist. Unsere collegialen Verhältnisse sind wahrlich
nicht so geartet, dass man dieser Eventualität getrost ins Auge
sehen könnte.
Wir haben nicht die Verpflichtung, auch nicht die
moralische, demPublicum in Specialkrankheiten einen
weiter gehenden Schutz zu bieten, als ihn die allgemeine
staatliche Approbation zum Arzt gewährt. Consequenter-
weise müssten wir sonst geradezu den Nichtspecialärzten die An¬
nahme solcher Fälle untersagen. Dass es dazu nicht kommen kann,
ist selbstverständlich. Aber dass, wenn wir erst eigens appro-
birte Specialärzte hätten, sich die übrigen Aerzte kaum
mehr trauen würden einen verantwortungsvollen »spe-
cialistischen » Eingriff zu machen, dazu könnte es wohl
kommen. Denn, wenn ein Unglück dabei passirt, wer will die
Bürgschaft dafür übernehmen, dass nicht der Richter und event. sogar
ein Sachverständigencollegium, das, zum Theil wenigstens, sicherlich
aus Specialisten bestehen würde, zu der Ansicht kommt, der Nicht¬
specialist sei nicht befugt gewesen, den Eingriff zu unternehmen?
Die natürliche Lösung des Problems, die von Nie¬
mand angefochten werden kann, ist meines Erachtens
nur in einer gründlicheren Ausbildung aller Aente
auch in den sogenannten Specialfächern zu finden. Dann
werden ganz von selbst die reinen Specialisten auf die Zahl zurück¬
gehen, in der sie ein durch die Sache selbst bedingtes, allgemein
anerkanntes Bedürfnis sind. Denn in dem intelligenteren Theil
der Bevölkerung beginnt sich schon jetzt die Einsicht zu regen,
dass man mit dem Zuviel an Specialisten und mit dem Auftreten
von Specialit&ten, die keine sind, sich auf falschem Wege befindet.
Wenn man jetzt den Gedankengang des Publicums nicht auf 's Neue
verwirrt, wenn man die im Flusse befindlichen Verhältnisse nicht
künstlich erstarren lässt und dadurch die Furchen, die bereits ge¬
zogen sind, unverwischbar macht, so muss sich um so sicherer eine
natürliche Saniruug anbahnen, je mehr man der berechtigten Forderung
nach allgemeinen Aerzten, die au! allen Sätteln gerecht sind, ent¬
gegenkommt.
Dass der Entwurf der neuen Prüfungsordnung in dieser Be¬
ziehung einen wesentlichen Fortschritt gegenüber den bisherigen Be¬
stimmungen bedeutet, ist allerseits freudig begrüsst und anerkannt
worden. Nur darüber, ob man nicht noch weiter gehen solle, herrschen
verschiedene Ansichten. Ich für meine Person bin der Meinung,
dass eine weitere Verschärfung der Vorschriften, die nicht die
Fleissigen — die brauchen sie nicht — sondern nur die Un-
fljeissigcn treffen würde, in der That nöthig ist. Es sollte
nach meinem Dafürhalten dem Studirenden nicht überlassen bleiben,
neben den neu hinzugekommenen Fächern, Kinderheilkunde, Psych¬
iatrie und medicinische Poliklinik sich noch «nach seiner Wahl»(')
entweder mit Ohrenheilkunde oder Hals- und Nasenkrankheiten oder
Hautkrankheiten und Syphilis obligatorisch zu beschäftigen Das
könnte den irrigen Glauben erwecken, dass diese Fächer nur eine
ausschmückende Zuthat für die Praxis seien. Es sollte ausgesprochen
sein, dass er sich mit allen und zwar praktisch abgeben muss. Nur
dann kann man ihn auch in genügender Weise, nämlich praktisch,
prüfen. Eine bloss mündliche Prüfung, wie der Entwarf sie will,
würde z. B. bei Haut- oder Kehlkopfkrankheiten nicht ausreichen.
Der Examinator muss die Berechtigung haben, einen Examinanden,
der, sagen wir, einen Fall von Syphilis des Kehlkopfs nicht erkennt,
weil er nicht laryngoskopiren kann, als ungenügend zu censiren. Denn
sonst ist er dafür verantwortlich zu machen, wenn einmal später
ein Patient des Betreffenden den halben Kehlkopf durch die Un-
kenntniss seines Arztes verliert. Nach der Prüfungsordnung, wie sie
jetzt lautet, ist der Examinator aber formell hierzu nicht ermächtigt.
Der Examinand kann ihm den Einwurf machen, dass er sich nur
einer mündlichen Prüfung zu unterziehen brauche.
Der Entwurf zur neuen Prüfungsordnung, der im Grossen and
Ganzen die allgemeine, dankbare Zustimmung gefunden hat, da er
ausserordentlich wichtige Verbesserungen des Bestehenden aufweist,
wird noch manche Instanz passiren und Aenderungen in Einzelheiten
erfahren, ehe er die Gestalt erhält, in der er in Kraft tritt. Die
Vertreter der Specialfächer werden noch Gelegenheit nehmen, selbst
das Wort zu ihm zu ergreifen, wie es jüngst schon Neisser
(Deutsch, med. Wochenschr. No. 42) gethan hat, der energisch dafür
plaidirt, dass Hautkrankheiten und Syphilis keine Specialitäten in
der Praxis sein dürften und der im Hinweis auf analoge Bestim¬
mungen fast aller Länder Europas ausser Deutschland die Forderung
erhebt, dass sie im Studium obligatorisch zu machen und von einem
eigenen Examinator zu prüfen seien. Und so wird man hoffen dürfen,
dass die endgiltigen Bestimmungen hinsichtlich der genannten Ein¬
zelfächer doch noch schärfer ausfallen werden, als sie bisher geplant
sind. Aerzte und Publicum werden schliesslich dafür dankbar sein.
Bezüglich der beabsichtigten besonderen Approbation der Special¬
ärzte aber möchte ich alle im Vorhergehenden vorgebrachten schweren
Bedenken, die man in keiner Weise etwa mit der blossen Em¬
pfindung, dass Etwas geschehen müsse, abmildem kann, nochmals
dahin zusammenfassen:
Sie gefährdet die wirthschaftlichen Verhältnisse
der allgemeinen Aerzte, sie gefährdet die collegialen
Beziehungen derselben zu den Specialärzten und sie
gefährdet vor Allem den Charakter der einheitlichen
Medicin in der Praxis. Videant consules, ne quid rea
publica detrimenti capiat!
Zur Frage der Einführung einer besonderen SpeciaJ-
prüfung nach der Approbation als Voraussetzuug für
den Titel «Specialarzt».
Von Dr. Hugo Stern fohl, prakfc. Arzt und Specialarzt für Mond-
und Halskrankheiten.
Unter den Vorschlägen, welche bei der Berathung für die neue
medicinische Prüfungsordnung von den Vertretern der Aerztekamraeni
der Regierung unterbreitet werden sollten, ist wohl die Entscheidung
der obengenannten Frage für den «praktischen Arzt» die ein¬
schneidendste und folgenschwerste, was als Rechtfertigung _daiur
dienen mag, dass Schreiber dieses, nachdem diese Frage bereits m*
ärztlichen Bezirksverein diecutirt worden ist, hiedurch vor das Foro
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3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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der Oeffentlichkeit tritt, um ausführlicher die Nichtdurchführbarkeit
dieser Maassregel darzulegen.
Der Zweck, der mit derselben erreicht werden soll, kann doch
nur der sein, dem unlauteren Wettbewerb solcher Collegen zu
steuern, welche sich den Titel eines Specialarztes beilegen, ohne in
der That mit der Technik dieses Specialfaches vertraut zu sein.
Solche wird aber keine Vorschrift hindern, es sei denn die Durch¬
führung einer Aerzteordnung mit disciplinarer Gewalt, welche vor¬
erst, so lange wir der Gewerbeordnung unterstellt sind, auch un¬
durchführbar erscheint. Ein solcher Arzt wird eben dann den
Titel 8pecialarzt umgehen dadurch dass er z. B. schreibt: Dr. X. Y.
behandelt besonders die und die Krankheiten, wodurch er in den
Augen des Publicums doch als Specialist erscheint. Dass das Pub¬
licum im Allgemeinen dies nicht zu unterscheiden vermag, lehrt die
tägliche Praxis. So und so oft kommen Kranke in die Sprechstunde
des Arztes und sagen, sie waren in der Klinik, im Ambulatorium,
in der Heilanstalt oder in der Sprechstunde des Herrn Direetor so
und so und wenn man Jenen dann klar zu machen sucht, dass der
Herr «Direetor» überhaupt kein «Doctor», vielweniger der Direetor
eines Ambulatoriums etc. ist, so glauben sie das einfach nicht, sie
sagen sich, das würde doch der Staat, die Polizei u. s. w. nicht
gestatten. Aber angenommen, es würde der Nachweis der specia-
listischen Befähigung, gleichviel in welcher Weise, gesetzliche Sanction
erhalten, so würde dadurch dem praktischen Arzte der grösste Schaden
erwachsen; das Publicum würde den «praktischen Arzt» nur als den
Arzt zweiter Gattung betrachten. Aber auch von allgemeinen Ge¬
sichtspunkten aus halte ich die Einführung einer Approbation als
<8pecialarzt> für gefährlich und nicht für einen Fortschritt. Die
Wissenschaft mag specialisiren so viel sie kann und mag; in der
Praxis sollte das Augenmerk des Arztes darauf gerichtet sein, ein
möglichst umfassendes allgemeines Wissen neben Aus¬
bildung in der ärztlichen Technik (die Untersuchung mit Kehl¬
kopf-, Ohren-, Nasen-, Mutterspiegel) während der Universitätszeit zu
erlangen, damit er nicht genöthigt ist, bei jeder geringfügigen Opera¬
tion oder speciellen Untersuchung seine Hilflosigkeit einzugestehen
und, oft wenn es zu spät ist, nach dem Specialisten zu rufen Der
Specialist soll sich aus der allgemeinen Praxis entwickeln und immer in
erster Linie «prakt. Arzt» sein und bleiben; wenn er dann aus Vorliebe
für eine oder die andere Specialität dies dem Publicum durch Be¬
zeichnung derselben öffentlich zu wissen macht, so hat er dazu
dasselbe Recht, wie der Professor, der bekannt gibt, dass er nur
consiliare Praxis, oder der ausschliessliche Specialist, dass er nur
8pecialpraxis austtbt, was er durch die Bezeichnung «Augenarzt»,
«Ohrenarzt», «Frauenarzt», «Nervenarzt» genügend kund gibt. Durch
die noch grössere Ausbildung des Specialistenthums, wie es eine
staatliche Approbation als «Specialarzt» die nothwendige Folge sein
muss, wird auch der Specialarzt den Zusammenhang mit der all¬
gemeinen Medicin immer mehr verlieren, zumal wenn, wie dies
heute bereits der Fall ist, der Student womöglich im t>. Semester
schon an einer Specialklinik als Coassistent, dann als Assistent thätig
zu sein das Glück hatte und sich dann in der Praxis ausschliesslich
diesem Fache widmet Ich sage ausdrücklich «in der Praxis»,
anders steht es, wenn der Betreffende die akademische Laufbahn
betreten will. Gerade das Gegentheil wird der Fall sein bei dem
Specialisten, der sich aus der Praxis heraus entwickelt. Der wird
den Zusammenhang mit der allgemeinen Medicin nie verlieren und
die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die bedeutendsten Specialisten
in der That nicht aus der Specialklinik, sondern aus der Praxis
entwickelt haben. Dass der Nachweis der Befähigung keinen voll-
gütigen Beweis für das Beherrschen einer Specialität abgibt und
keine Minderung des ärztlichen Specialistenthums in der be¬
treffenden Disciplin zur Folge hat, lehrt ein Blick auf die Verhält¬
nisse in der Zahnheilkunde. Es wird eben auf unseren Universi¬
täten zu viel Theorie und zu wenig Praxis gelehrt. Das, was für
den praktischen Arzt die Hauptsache sein sollte, die ärztliche Technik,
wird vielfach, besonders auf den grossen Universitäten, vollkommen
vernachlässigt, so kann es kommen, dass ein geschickter Zahn¬
techniker z. B. es durch fleissiges Selbststudiren, ohne die nöthige
allgemeine ärztliche Vorbildung und ohne einen staatlichen Nach¬
weis für seine Befähigung zur Ausübung der Zahnheilkunde erbracht
zu haben, die gleichen und oft viel grössere Erfolge zu erzielen ver¬
mag, als der ärztlich vorgebildete, staatlich approbirte Arzt, der
ausserdem noch, auch heute schon, um sich «Zahnarzt» nennen
zu dürfen, noch ein eigenes Studium und eine eigene Fachprüfung
zu bestehen hat.
Was nützt übrigens die Beschränkung des Titels Specialarzt,
so lange es nichtärztliche Specialisten gibt; dieses Specialistenthum
würde sich dann erst recht breit machen, denn das Publicum, das
jetzt, angeblich durch den Titel «Specialarzt» getäuscht, zu einem
Pseudospecialisten kommt, erhält wenigstens ärztlichen Rath und
Hilfe, während es dann dem Curpfuscher ganz und gar in die Hände
fällt. Ich glaube, wir Aerzte würden besser thun, in einer Reihe
zu marachiren, um das gerade gegenwärtig unter der «Aera Kneipp»
blühende Curpfuscherthura gesetzlich bekämpfen zu suchen, als uns
selbst zu befehden. Die Auswüchse in unserem Stande aber glaube
ich würden, wie schon erwähnt, viel wirksamer durch eine Aerzte-
Ordnung, eventuell durch eine Streichung der Aerzte aus der Ge¬
werbeordnung, eine Frage, die ja demnächst in Berlin zur Berathung
kommen wird, zu bekämpfen sein. So lange Curirfreiheit besteht,
so lange also jeder Schuster, wenn er nur Gewerbesteuer als «Heil¬
kundiger» bezahlt und so vorsichtig ist, sich nicht Arzt zu nennen
No. 44.
und kein Recept zu schreiben (was er ohnedies nicht thut, weil er's
nicht kann) darauf loscuriren kann, so lange ist an eine Besserung
der ärztlichen Verhältnisse nicht zu denken. Was wir also zunächst
vom Staate verlangen sollten, wäre die Wiedereinführung des Cur-
pfuschereiverbotes und die 8treichung der Aerzte aus der Gewerbe¬
ordnung. 8o lange wir i n derselben sind, müssen wir die Con-
currenz nicht nur der Aerzte, sondern auch die der heilkundigen
Nichtärzte i. e. Pfuscher erleiden; ist einmal die letztere ein über¬
wundener Standpunkt, so dürfte es nicht so schwierig sein, durch
Schaffung von 8tandesordnungen dem Treiben unanständiger Collegen,
ähnlich wie es in der Reihe der Juristen durch die Anwaltskammer
der Fall ist, ein Ende zu machen.
Sollte jedoch die Meinung der Mehrzahl der deutschen Aerzte
dahin gehen, es müsste Etwas geschehen, um dem Ueberhand-
nehmen des Specialitätenthums entgegenzutreten, so glaube ich
dürfte es genügen, wenn die Aerzte, welche sich als 8pecialärzte
bezeichnen wollen, den Nachweis liefern, dass sie neben den für
alle Mediciner vorgeschriebenen Kliniken auch noch eine betreffende
Specialklinik 2 bezw. 3 oder 4 Semester während ihres 8tudiums
frequentirt und sich dort die nöthige Technik (das übrige Können
müssen sie sich in der Praxis aneignen) zur Ausübung dieses Special¬
faches erworben haben. Die zukünftigen Aerzte wären dadurch
gewissermassen gezwungen, die Specialkliniken (vorausgesetzt, dass
solche existirten, was thatsäclilich nicht für alle deutschen Universi¬
täten und insbesondere nicht für alle Specialfächer der Fall ist) zu
frequentiren, um sich für die Eventualität, sich später als Special¬
ärzte bezeichnen zu dürfen, sicher zu stellen. Andererseits würden
Aerzte vom Lande, wenn sie später als 8pecialisten in der Stadt
thätig sein wollen, nicht erst noch einmal nöthig haben, Zeit nnd
Geld zu opfern für ein Specialstudium. «Würden die praktischen
Aerzte sich überhaupt mehr um die Ergebnisse der 8pecialfächer
kümmern, so würde der Specialarzt überhaupt immer weniger auf¬
gesucht, während umgekehrt der Specialist unnöthiger Weise an
Ansehen gewinnt und der Hausarzt geschädigt wird». Dieser Worte
Moritz Schmidt s in seiner Vorrede zu seinem klassischen Werke
«Die Krankheiten der oberen Luftwege» sollte der praktische Arzt
stets eingedenk sein.
Und nun frage ich zum Schlüsse: Welche Bezeichnung als
8pecialist soll die Führung des Befähigungsnachweises zur Voraus¬
setzung haben? Sind wir nicht Alle geprüfte Aerzte, Wundärzte,
Geburtshelfer und sogar Augenärzte? Wir haben eine staatliche
Approbation, welche uns berechtigt, alle diese Titel zu führen,
warum soll es dann einer gesetzlichen Beschränkung unterliegen,
wenn ich es vorziehe, nur einer oder einem Theile dieser Disciplin
meine praktische Thätigkeit zu widmen und dies dem Publicum
durch einen diesbezüglichen Vermerk auf meiner Firma bekannt zu
geben, weil es sonst unmöglich davon Kenntniss haben kann?
Verlangen wir aber eine staatliche Approbation für die Führung
des Titels «Specialist*, so würde wohl manche Facultät in Ver¬
legenheit kommen, welche die Thätigkeit dieses Specialisten —
nehmen wir an, es will sich Einer als Specialarzt für Blasen- und
Nierenleiden (Cysto- und Endoskopie) prüfen lassen — zu prüfen hätte.
Es kann Einer eben auch Specialist werden, ohne eine Specialklinik
besucht zu haben, denn «es verdankt ein jeder Einzelne seine
Kenntnisse und Geschicklichkeit dem Selbststudium» (Baume,
Lehrbuch der Zahnheilkunde, 1877).
Wohl existiren verschiedene Staaten, in denen eine viel längere
Studienzeit für den Mediciner vorgesehen ist, als in Deutschland,
aber nirgends in der Welt existirt etwas Aehnliches, wie eine
Approbation als «Specialarzt». Das Hauptübel, woran wir leiden,
ist die Ueberfüllung des ärztlichen Standes und um dieser zu Bteuem,
glaube ich, genügt es, das 8tudium um ein eventuell sogar zwei
Jahre zu verlängern, aber ehe die maassgebenden Factoren ihre
Zustimmung zu einer Zweitheilung der Aerzte geben, möchte ich
ihnen die Worte zurufen:
Videant consulesl
Referate und Bücheranzeigen.
O.Leichteu8tern - Köln: Behandlung der Darm-
sclunarotzer. (Aus dem 4. Bande von Penzoldt’s und
Stintzing's Handbuch der spec. Therapie innerer Krankheiten,
pag. 618—652.)
Wie alle Abtheilungen des trefflichen Handbuches, bietet
auch diese mehr, als sie verheisst; denn nicht nur die Vor-
bcugungslehre, sondern auch die Diagnose wird gründlich erörtert
und wichtige, auf reicher Erfahrung basirende Bemerkungen zur
Symptomatologie gestalten den Artikel zu einem Compendium der
klinischen Darmhelminthologie.
Die Protozoen (hier besonders Flagellaten und Amoeben) er¬
öffnen den Reigen. Therapeutisch ist auf die Erfolge durch
Kalomel gegen Protozoon-Diarrhöe hingewiesen (Quincke, Roos).
Es wird vor den Klysmen mit Sublimat oder Carbolsäure dringend
gewarnt.
Bei den Taenien wird die mikroskopische Prüfung der Faeces
betont. Der Verfasser meint, es sei nicht möglich, die Eier der
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Taenia solium von denen der T. saginata zu unterscheiden. Ich
selbst habe selten Gelegenheit, die T. soliuni zu untersuchen ; bis¬
her war ich der Ansicht, dass für T. saginata die breit elliptische
Form charakteristisch sei. Iiaiiliet ^ Zoologie medicale) gibt
sogar 30—40 /1 Länge und 22 —30 u Breite an.
Ich fand bei früheren Messungen das Vcrhältniss der langen
zur kurzen Axe 34 : 27. Ilebrigcns bezeichnet auch Max Braun
die Saginataeicr (jetzt Kmbryonalschale) als elliptisch.
Die Bothriocephalus-Anaeuiie sucht L. durch die Annahme
zu erklären, dass cs unter den Grubenköpfen einzelne giftige In¬
dividuen gebe, wie auch bei Mytilus edulis früher schon ver-
muthet wurde.
Die Vorschriften für Bandwurmeuren logen Gewicht auf die
Vorcnr (kräftige Darmreinigung, besonders mittelst Kalotnel).
Als Hauptmittel wird das Kxtr. iilicis uiari» in der Dosis
von 10—15 g empfohlen, welche Gabe nie überschritten werden
soll. Die in letzten Jahren so oft vorgekommenen Vergiftungen
(Amaurose, Ikterus etc.) werden genau besprochen und die Er¬
fahrungen der japanischen Aerzte über die Gefahr kleiner Dosen
(5,0) erwähnt. «Alle diese Mitteilungen betreffen anaemisehc
Ankylostomakranke ».
Der Autor wirft die Frage auf, oh es gewisse Farnkraut¬
arten seien , welche giftig wirken. Ich möchte hier bemerken,
dass von unsern deutschen Farn das Aspidium spinulosum Sw.
und das A. montanum Vogler am leichtesten mit dem Farnkraut¬
männlein zu verwechseln sind. Es wäre Zeit, diese so häutige
Speeies auf ihre toxischen Wirkungen zu prüfen. Hcbrigens wird
in Nordamerika A. marginale Swartz und in Mexiko das A. rigi-
dum Sw. angewendet und wirksam befunden.
Die Bandwurmeuren hei Kindern gestatten nach L. bei
1—2 jährigen Individuen Dosen bis 1,5.
Von den sonstigen Tacnicnmitteln führt der Verfasser an:
Cortex granati. Mit Pelletierin hatte L. kein Glück, auch mit
Koso (Kousso) viele Misserfolge. Kauiala wird für das schwächste
Mittel erklärt, womit ich bezüglich T. saginata ühercinstimme,
während ich cs hei T. solium nicht verachte.
Bei Ascaris wird auf die diagnostische Untersuchung der
Faeces mit Recht grosses Gewicht gelegt.
Die Sectionsstatistik wird als ganz unbrauchbar erklärt, denn
der Wurm sei wohl 10 mal so häufig, als nach den Autopsien zu
berechnen wäre. — Das Santonin wird in Verbindung mit Kalomcl
(0,025 Santonin mit 0,02 Kalotnel für Kinder) empfohlen.
Für die Oxyuriasis ist das Fehlen der Eier im Koth die
Regel; diese wichtige Thatsachc hat L. wiederholt acccntuirt.
Interessant ist es, dass schon O. A. Wunderlich in seinem
mit Unrecht wenig gelesenen Handbuche sich damit bekannt zeigt.
Grösste Reinlichkeit besonders bezüglich der Fingernägel, Anwendung
von Klystieren, werden hier als verhütend und heilend genannt.
Letztere sollen warm applicirt werden mit Zusatz von Kochsalz,
Glycerin, Seife, Kalkwasscr etc.
Der Triehocephalus, dessen mögliche Gefährlichkeit uns
Moosbrugger (u. a. in dieser Zeitschrift 1805) geschildert
hat, gilt als der obstinateste Gast des Darms. Ich erwähne liier,
dass Alfred Vogel selbst nac.i 4.tägiger Cholera den Hnarkopf
noch im Leichendarm gesehen hat. Als Blutsauger hat ihn ja
Askanazy (Königsberg) kürzlich nachgewiesen.
Das Ankylostomum, um dessen Kcnntniss sich unser Autor
sehr grosse Verdienste erworben hat, bildet den Schluss der treff¬
lichen Abhandlung. Die Cur erheischt grosse Dosen von Filix-
extract (10 gr). Gleich gross sei die veriuifuge Kraft des Thy¬
mol, nach dessen Gebrauch jedoch einmal schwere acute Nephritis
von L. beobachtet wurde.
Ich schlicsse meine Besprechung mit der Erklärung, dass
etwas Gediegeneres Uber Therapie der Darmwürmer in der ge-
sammten Weltliteratur nicht existirt, als Otto Lciehtenstern’s
Artikel. J. Ch. Huber, Memmingen.
H. Jaeger: Naturwissenschaftliches und Sani¬
täres über Flussyerunreiuigung und Selbstreinigung
unserer Gewässer. Sonderabdrnck a. d. Württ. med. Corre-
spondenebbut 189«.,
In diesem, im Vereine für vaterländische Naturkunde in
Stuttgart gehaltenem Vorträge legt J. kurz und klar die heutigen
Ansichten über die Bedingungen und die Verhütung der Fluss-
verunreinigung dar, zeigt u. a. auch a*i den Ergebnissen seiner
eigenen Untersuchungen des Neckarwassers, wie die bact«riologiseh
verarbeiteten Proben von auf einander folgenden Punkten ein
gutes Bild der zu- und abnehmenden Verschlechterung des Fluss-
lau fs liefern können und schliesst mit dem Hinweise, dass die
Belastung eines Flusses mit Abwässern nach ähnlichen Gesichts¬
punkten regnlirt werden muss, wie sie in der Bodeneultur Gel¬
tung haben. L. Heim.
H. Jaeger: Die Verschleppung der Infections-
krankheiten vom Krankenbett, aus und die Maassregeln
ZU deren Bekämpfung. Sondcrahdruek a. d. Zeitschrift für
Krankenpflege 1896.
Die Erkcnntniss, dass die Wohnungsdesinfection keine aus¬
reichende Sicherheit gegen das Wiederauftreten von Infection*
krankheiten gewährt und andere. Ucberlegungen haben Jaeger
(wie Gramer und Hcnius) zu dem Bestreben geführt, die
Ansteckungsstoffe möglichst schon am Kranken und in dessen
nächster Umgebung abzufassen und ausser durch Unschädlich¬
machung der Absonderungen und Auswurfstoffe die Weitcrv.-r-
breitung durch Aufhebung der Verbindungswege mit der Küche
zu verhüten. Die dazu nüthige Absperrung des Kranken and
seiner Pfleger wird bereits -in der Tliürc des Krankenzimmers he
thätigt, vor ihr steht ein Tisch, mit täglich zu verbrennendem
Papier bedeckt, zur Ablage der hcrcinzunehinendcn und der bereits
desinfieirt herausgegebenen Gegenstände. Die Dcsinfection erfolgt
also schon innerhalb des abgesperrten Raumes mit Dampf, erzengt
in einem mit regulirharer Spiritusflamme (oder anderer Feuerung'
geheizten Miniaturherd. In diesem Herde, der 1894 in Koni mit
einem Preise ausgezeichnet war und seitdem noch verbessert wurde,
lassen sich alle Speisen für den Kranken und Pfleger in zweck¬
en t.sprechender Weise kochen , braten und hacken; an ihm be¬
findet sich ausserdem ein Zerstäuber, um die Wasserdämpfc auch
therapeutisch verwenden zu können. Der von Jaeger und seiner
Frau erdachte Herd wird von Ingenieur E. Möhrlin in .Stutt¬
gart verfertigt. L. Heim.
S c h a u t a: Grundriss der operativen Geburtshilfe.
3. Aufl., Wien u. Leipzig. Urban u. Schwarzenberg 1896.
Schauta's Buch ist für den Studirenden wie für den
praktischen Arzt ein gleich ausgezeichneter Lehrer und Führer.
Die vorzügliche Darstellung hält sich von der umständlichen He
Schreibung nicht genügend gesicherter Theorien fern und gibt
dafür eine Fülle praktischer Winke. Unterstützt wird das Ver¬
ständnis durch vortreffliche Abbildungen; ein kleiner Thcil von
ihnen ist dem mustergiltig illustrirten, noch immer einer deutschen
Ausgabe harrenden Werke von Farabetif und Varnicr ent
nommen. Aber auch für den Gynäkologen von Fach bietet Sch.
des Wichtigen genug. Er berücksichtigt einerseits besonders die
Lehren der Wiener Schule (z. B. Aufnahme der Porro-Operation.
Breus’sehe Zange); andererseits hatSch. hier seine Erfahrnnccn
an dem ausserordentlich grossen Materiale der einen Wiener In-
bäranstalt nicdcrgclegt. Mit einer gewissen Vorliebe hat Sch
wie er seihst sagt, die Abschnitte «Kaiserschnitt» und «Laparu
tomie hei Extrauterinschwangerschaft» geschrieben.
Von Einzelheiten sei Folgendes erwähnt: Die Acther-harh' 1 *’
verwendet Sch. nur ausnahmsweise, dagegen meist eine Misebunz
aus Acth. sulf. 100, Aethcr. petrolei, Chloroformi puri aa 50
Die künstliche Frühgeburt ist bei platten Becken von 7,5—8,5 cn)
bei allgemein verengten Becken von 8—9 cm Vera und zwar am
besten in der 33.—36. Woche zu machen. Als Methode winl
vor Allem der Kihautstich und die Catheterisation des Uterus,
für den künstlichen Abort nur die letztere empfohlen. Die Achsen-
zugzangc («hohe Zange») soll nur bei schon fixirtem Kopfe, " n ^
bei engem Becken nur dann angewendet werden, wenn der grö» 1 *
Umfang des Kopfes schon in's Becken eingetreten ist; man
damit aber nur Versuche machen, nichts forcircn; die hohe Zange
soll hier also nur als Probe-Instrument oder — nach Braun ^
als Untersuchungs- Instrument dienen. — Zur Perforation
3. November 1896
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1079
Kopfes empfiehlt Sch. die geraden Trepane (Lcissnig-Kiwisch,
Guyon), weniger die sehcerenförmigen Perforationen, da sie
splittrige und ungenügende Ocffnungen machen. Die Ccphalotribe
verwirft Sch. zu Gunsten des Cranioclasts. — Die Symphyseo-
toinie soll hei einer Conj. v. von 7—9 cm gemacht werden, wenn
ein nach Eröffnung des M.-M. ausgeführter Zangen versuch miss¬
lingt; Knochennaht mit Drillbohrer und Silberdraht. — Bei der
Sectio caesarea hat Sch. schon 1888 die Ccrvix-Coutpression mit
Gummischlauch auf gegeben. — Die Erfolge Sch.’s bei der Sectio
caesarea sind ausgezeichnete: 39 conservativo Kaiserschnitte mit
2 Todesfällen = 5 Proe., 8 mal Porro mit 2 Todesfällen = _’5 Proe.
Für spätere Auflagen verdienen vielleicht folgende Punkte
Berücksichtigung: In den Abbildungen entblösster Vorderarm
des Operateurs; Semmel weis statt Semmel wetss (ss); Erwähnung
einiger Methoden bez. Autoren, wie Kaltenbaeh’s bei der conscr-
vativen Behandlung der Gravidität bei liyperemesis, Ilofmeier’s
bei der künstlichen Fehl bez. Frühgeburt (Cervix-Tamponade mit
.Jodoformgaze), Thor n 's hei der combinirten Fm Wandlung der
Gesichts- in Schädellage; Hervorhebung des Fiustandes, dass bei
mentoanterioren Gesichtslagen die Traeheal-Gegend als Dreh¬
punkt unter der Symphyse dient.
Gustav Kl ei «-München.
l)r. J. Bornträger: Compcndiuni der gerichts-
Ürztlicheil Praxis. Leipzig, 1894. Mit M Abbildungen im
Texte. Preis 10 Mk.
Dr. K. J. Seydel: Leitfaden der gerichtlichen
Medicill. Berlin, 1895- Preis 6 Mk.
Dr. F. Strass man n: Lehrbuch der gerichtlichen
Medicill. Stuttgart, 189*. Preis 16 Mk.
Das Erscheinen mehrerer neuerer Werke über gerichtliche
Medicin ist ein erfreulicher Beweis dafür, dass das Interesse für
diese wichtige Piseiplin in immer weitere Kreise dringt.
Das Cunipeudium Bornträger’s nimmt so ziemlich auf
alle Fragen Bezug, die sich in der gcriehtsürztliehen Praxis ergeben
können. Dasselbe ist aus der praktischen Thätigkeit des Ver¬
fassers als Kreisphvsicus hervorgegangen und trägt demgemäss den
praktischen Bedürfnissen Rechnung durch Einfügung von Schematas
für Leiclienöff nun gen und Begutachtung von Geistesstörungen, be¬
rücksichtigt die IT n fall vor let z u ngen nebst deren Folgen für die
Erwerbsfähigkeit und deren Begutachtung, sowie die vielfachen
praktischen Beziehungen der Geistesstörungen und führt stets die
einschlägig« n, specioll die preussischen, Gesetzesbestimmungen an.
Wie die Abbildungen ist nur aucli der Text zu ’ schematisch
gehalten und man empfängt beim Durchlesen des Buches zu oft
den störenden Eindruck, als studireTman ein >< Excorpt» über gericht¬
liche Medicin; beispielsweise sei eine »Stelle im Wortlaute citirt
(S. 387):
A. Zeichen der passiven Paederastie (Kynaedie).
a) Nach einmaliger Erduldung:
a) Excoriationen, Einrisse der Analschleimhaut, Reaetions- I
erscheinungen, Blutung besonders leicht, wenn bei Kindern
brutal ausgeübt.
[i) Schmerzen beim Gehen und Defaeciren.
y) Samenfäden im Mastdarm — nur kurz nach der That —
oder in der Wäsche; besonders wichtig bei noch nicht
gesehlechtsreifen Knaben. Auch Blut ist zu beachten.
c fi Ansteckung (syphilitisches Geschwür, Tripper)
b) Nach gewohnheitsmässiger Erduldung:
e) Faltenloser Rand des Afters (normal strahlig, «»Stern»),
Werthvolles Zeichen.
C) Dütenförmige Einsenkung der schlaffen Nates. Wohl höchstens
bei sehr langer Duldung des Lasters; im Ganzen werthlos,
da bei vielen mageren Individuen.
y) Weite Analöffnung mit schlaffem Sphincter. Beachtc'nswerth.
•v) Trichterförmig eingestülpter Anus. Unbestimmt.
t) Chronischer Magenkatarrh. Wichtig.
x ) Narben, Schleimhautwucherungen (Mariscae, cristae) sind
Folgen der localen Affectionen.
X) Allgemeine »Symptome: Blässe, weibisches Wesen, Nerven¬
schwäche — inconstant, unsicher.
Dem Studium des Buches tliut dies sicher Eintrag.
Die sachliche und präcise Form der Darstellung des Seydcl’-
schen Leitfadens lässt überall den erfahrenen Gerichtsarzt erkennen.
Die gerichtliche Psychopathologie ist nicht mit aufgenommen, Ab¬
bildungen fehlen. Die Beschränkung des Werkes auf einen kurzen
Umfang — dasselbe umfasst nur 296 Seiten — hat nur den
Nachtheil, dass manches praktisch Wichtige gar zu kurz und
apodiktisch abgehandclt und dadurch für den »Studirenden schwerer
verständlich wird; der Verfasser nimmt desshalb vielfach auf
andere Werke Bezug und verweist besonders auf den Atlas von
L e s s e r und das Lehrbuch v. II o f m a n n s ’, an welches er sich
in vielen Punkten anlehnt. Einzelne Capitel sind aus praktischen
Gesichtspunkten ausführlicher behandelt, wie die Abschnitte über
Kindsmord, Leichen Untersuchungen und Vergiftungen ; letztere um¬
fassen allein nahezu den dritten Thcil des Buches.
Das Lehrbuch Strassmann’s entspricht allen Anforder¬
ungen , die man an ein derartiges Lehrbuch steilen kann. Dem
allgemeinen Theile ist ein geschichtlicher Ueberblick über die Ent¬
wicklung der gerichtlichen Medicin vorausgeschickt, die Literatur
ist ausführlich berücksichtigt und angeführt, die Darstellnngswei.se
ist eine klare und leicht verständliche, die Leetüre wird durch
entflochtene Gutachten anregender, die zum Theil als Beispiele
der formellen Behandlung ausführlicher witgctheilt sind; 78 Ab¬
bildungen und eine Spectrumtafel sind dem Texte beigegeben.
-Allen A ersten, auch solchen, welche nur gelegentlich gcrichtlieb-
luedicinische Gutachten abzugeben haben, sei das Strass-
iu a n n ’ sehe Lehrbuch als eine interessante und lehrreiche Leetüre
empfohlen. Pari Becker.
Dr. E. Jalin: Die Arztieitherapie der Gegenwart.
3. völlig umgearbeitete Auflage. Stuttgart 1896. Verlag von
F. E n k e.
Die beiden ersten Auflagen des Werkes liegen mir z. Z.
nicht vor, so dass mir nicht genauer bekannt ist, wie eingreifend
die Umarbeitung dieser 3. Auflage war. Jedenfalls ergeben eine
Reihe von Stichproben, dass das Verzeichniss der Medicamente
und Rceepte den 2. Thcil «los Buchtitels rechtfertigt; denn that-
säehlich sind auch die neuesten pharmaceutischen Präparate in
grosser Vollständigkeit berücksichtigt. Wer viel Abwechslung in
seinen Ordinationen lieht oder solcher bedarf, wird in Jahns
Buche davon die grösste Auswahl finden. Die Anordnung des
»Stoffes erfolgte innerhalb der alphabetischen Reihenfolge der zu
behandelnden Krankheiten, ein System, das dem praktischen Be-
dürfniss gerecht wird. »Sehr vielen Ilccepten ist der Name ihres
Couipositeurs beigefügt. Wie ein «Nachwort» ausführt, verfolgt
.1. mit seiner Zusammenstellung auch den Zweck, dem Arzte ein
Beweismittel für die gegenwärtige Gebräuchlichkeit irgend eines
Medicamentes gegenüber dom Richter in die Hand zu geben. Auch
in dieser Richtung wird das Buch, dem Erfolg zu wünschen ist,
Dienste leisten können. Dr. G rassman n-München.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt fiir innere Medicin. 1896, No. 43.
Mach en hau er-Darmstadt: Fall von angeborenem, par*
tiellem Riesenwuchs mit Berücksichtigung der Aetiologie des¬
selben und verwandter Wachsthumsabnormitftten.
Verf. beschreibt einen Fall von angeborenem partiellem Riesen¬
wuchs bei einem Knaben Unter Berücksichtigung der Literatur
erörtert er die Aetiologie dieser Anomalie und verwandter Zustände.
Als das primäre veranlassende Moment muss ein Trauma oder im
weitesten Sinne eine Schädlichkeit, irritative Vorgänge irgend welcher
Art (mechanischer, chemischer oder thermischer Natur) betrachtet
werden. W. Zin n-Berlin.
Archiv für klinische Chirurgie. 53. Band, 3. Heft. Berlin,
Hirschwald 1896.
1) Schuchardt-Stettin: Weitere Erfahrungen über die
paravaginale Operation.
Die weitere Ausbildung seiner Operatiousmethode hat dem
Verfasser die besten Resultate geliefert. Der an der Grenze zwischen
mittlerem und hinterem Drittel des Labium majus beginnende,
uml nach oben bis zum Collum, nach hinten bis zum Steissbein
geführte Schnitt spaltet in ausgiebigster Weise das paravaginale
Gewebe, so dass der Uterus gleichsam zu einem an der Körper-
oberfiäche liegenden Organ wird. Das ganze Operationsgebiet liegt
in ausserordentlich übersichtlicher Weise zu Tage, die Ureteren
lassen sich weit frei legen, eine unabsichtliche Verletzung derselben
ist dem Verfasser nicht vorgekommen.
Die »Scheidendammwunde wird nach der Exstirpation völlig
zugenäht. Die Heilungsdauer ist beim paravaginalen Schnitt keine
längere wie bei der einfachen vaginalen Exstirpation. Die Kranken
können meist nach 2—3 Wochen schon aufstehen.
4 *
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1080
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Verfasser steht auf dem Standpunkte, bei vorgeschrittenen
Gebärmutterkrebsen und bei Recidiven noch den Versuch einer
radicalen Operation za machen. Er hat auch in scheinbar ganz
verzweifelten Fällen noch eine radicale Heilung eintreten sehen.
Verfasser erwartet Oberhaupt, dass die Zukunft der Gebärmutter¬
krebsbehandlung solchen Methoden gehört, die es ermöglichen, in
jedem Falle auch die Parametrien und die weitere Umgebung
des Uterus einer gründlichen Untersuchung und Behandlung zu
unterwerfen. Ausser 2 Fällen von beginnendem Gebärmutterkrebs
hat Sch. 18 Fälle von weit vorgeschrittenem Krebs mit hochgradiger
Verkürzung und mehr oder minder beträchtlichen Infiltrationen in
den Parametrien nach seinem Verfahren operirt. Von den 18 Operirten
ist nur eine den Folgen der Operation (Peritonitis) erlegen.
Die paravaginale Exstirpatio uteri hat Verfasser auch aus¬
geführt bei Endometritis fungosa, somit bei Blutungen aus der
mangelhaft zurückgebildeten Placentarstelle.
Ferner hat Sch. sein Verfahren geübt bei Parametritis chronica
fibrosa, bei der Operation einer Blasenscheidenfistel, sowie bei der
Exstirpation von Neubildungen der Scheide.
2) Pawlik-Prag: Casuistischer Beitrag zur Diagnose und
Therapie der Geschwülste der Nierengegend.
1. Sarkom der rechten Niere. Exstirpation. Heilung.
2. Hydronephrose der unteren Hälfte der rechten Niere; gab-
lige Theilung des Ureters. Partielle Nephrectomie. Heilung.
3. Retrorenale seröse Cyste. Lumbale Drainage. Heilung.
4. Grosse haemorrhagische Cyste der linken Nebenniere. Ex¬
stirpation. Heilung.
5. Grosser sarkomatöser, metastatischer Tumor im Mesokolon
descendens. Probeincision. Tod.
3) Rovsing-Kopenhagen: Ueber tuberculöse Arthritis und
Ostitis im frühesten Kindesalter.
Verfasser bat bei 7 Kindern im ersten Lebensjahre — nur
eines war 13 Monate alt — eine ganz typische eitrige Gelenks¬
entzündung beobachtet, die er auf Grund seiner Untersuchungen
als eine tuberculöse erkannt hat. Die Krankheit entsteht immer
plötzlich im Verlauf einiger Tage bei früher anscheinend gesunden
Kindern. Unter mehr oder weniger ausgesprochenen Fiebersymp¬
tomen entwickelt sich schnell eine Anschwellung und starke Empfind¬
lichkeit des Gelenks. Bei baldiger Incision und Eiterentleerung
schwinden die Krankheitserscheinungen in kurzer Zeit, und das
Gelenk heilt mit völlig freier Beweglichkeit aus.
In dem durch die Arthrotomie entleerten Eiter wurden 3 Mal
Tuberkelbacillen nachgewiesen, in den übrigen Fallen war die
bacteriologische Untersuchung negativ. Die in einem Falle vorge¬
nommene Impfung am Meerschweinchen hatte ein positives Ergeb-
niss. Das Fehlen von Bacterien im Eiter kommt sonst nur bei
gonorrhoischer Arthritis vor. Diese Hess sich bei den Kindern mit
Bestimmtheit ausschliessen, schon dadurch, dass die Synovialis das
charakteristische Bild von tuberculöser Infiltration darbot.
In der Literatur hat Verfasser diese Erkrankung noch nicht
beschrieben gefunden. Die von Volkmann mitgetheilten Fälle
von katarrhalischer Arthritis dürften zum Theil zu der von R. be¬
schriebenen Erkrankung gehören, vielleicht auch die von Thomas
Smith u. A. beschriebenen Fälle von «Acute arthritis of infants ».
Verfasser sieht in dem günstigen Verlauf der von ihm beob¬
achteten Fälle eine weitere Stütze seiner Annahme, dass die Eiterung
bei der Tuberculöse eine gute prognostische Bedeutung hat; sie ist
seiner Ansicht nach ein Ausdruck für das rasche Absterben und
die Vernichtung der Bacillen. Das rasche Absterben erklärt sieh
aus der mächtigen vitalen Kraft des Gewebes im ersten Lebensjahr.
4) Gatti: Ueber die feineren histologischen Vorgänge
bei der Rückbildung der Bauchfelltuberculose nach einfachem
Bauchschnitt. (Laboratorium des Ospedale Mauriziano in Turin).
(Fortsetzung folgt.)
5) Friedrich: Ueber seltene Fistelbildungen an den
Lungen nach Tuberculöse und traumatischer Gangraen.
1. 3 Fisteln nach metapneumonischem Pleuraempyem.
2. Fistulöse Communication von der Mundhöhle bis zum linken
Oberschenkel, hervorgerufen durch einen praevertebralen Abscess, der
sich gleichzeitig nach aufwärts und nach abwärts ausgebreitet hatte.
3. Ausgedehnte traumatische Gangraen der rechten Lunge.
Jauchiges Pleuraexsudat. Bildung von im Ganzen 11, mit dem
Bronchialbaum communicirenden Fisteln. Völlige Heilung durch
ausgedehnte Rippenresection.
Die folgenden Arbeiten sind schon aus dem Bericht über den
diesjährigen Chirurgencongress bekannt:
6) Riedel-Jena: Ueber Phosphornekrose.
7) Schnitzler und Ewald-Wien: Beitrag zur Kenntniss des
aseptischen Fiebers.
8) v. Büngener-Hanau: Zur Combination der Gastro¬
enterostomie und Enteroanastomose.
9) Hoffa-Würzburg: Die mechanische Behandlung der Knie¬
gelenksverkrümmungen mittelst portativer Apparate.
10) Hoffa: Zur unblutigen Behandlung der angeborenen
Hüftgelenksverrenkungen. K recke.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 44. Band, 1. und 2. Heft
Leipzig, Vogel, ausgegeben am 22. September 1806.
ü Heber Fassgelenk- und Fusswurzel-Tuber-
-Bern.) ■
'f&L
Der Aufsatz verarbeitet in ausführlicher Web* J
Berner Klinik aus den Jahren 1873—1894
hier nicht wiedergegeben werden. Hinsichtlich der 1
Kocher einem möglichst frühzeitigen radicalen Opent
2) Kahrenbach: Die Hasenscharten auf der••
chirurgischen Klinik vom April 1885 bis October „
210 Fälle. Operirt wurde immer möglichst bald,
ständen schon am ersten Tage. In 166 Fällen war dar'
guter. 9 Kinder, sänuntlich mit schweren Formen,
der Operation, zumeist an Pneumonie und Magenc
3) Joerss: Ueber die heutige Prognose der
mammae carcinomatosae. (Chirurgische Klinik Gr
Aus den Untersuchungen von Heidenhain und
man gelernt, welche Verhältnisse die Ursachen für dkl' 1
nach Mammacarcinomoperationen abgeben. Darnach tjulß
sonders die retromammären und perimammären Lymj;
schon sehr frühzeitig mit Carcinomzellen gefüllt werden. JJ
weiter zu ermitteln gesucht, ob auch das Achsclhöhlenfeti
cinommetastasen durchsetzt wird. Untersuchungen an
hatten ein negatives Ergebniss; nur in einem Falle
einem einzigen kleinen Lymphgefässe Krebszellen
Dies negative Resultat stimmt mit der klinischen Erfahr
die Achsel höhl enrecidive sehr selten sind. •; v‘
An der Helferich’sehen Klinik wird schon seit 18® &
Haut der Mamma und das perimammäre Fett in sehr ausgedehnt«
Weise entfernt, letzteres bis zur Clavicula, Sternum, tu den Ur¬
sprüngen des Batichmuskels, zum Latissiraus dorei
Seit 1800 wird auch bei beweglichen Carcinomen die ginn
Oberfläche des Pectoralis mit fortgenommen, bei adhaerenten Krebsen
die ganze Sternalportion. Die Statistik von 92 Fällen ergibt eine
erhebliche Verminderung der Localrecidive mit Anwendung da
radicaleren Operationsmethode um 17,9 Proc. Bei Zusammeoitalliag
verschiedener Statistiken berechnet Verfasser eine Verminderung
der Localrecidive um 2 »,2 Proc.; die Dauererfolge sind um 15,7Prtt
gestiegen.
4) Borchard: Beitrüge zur primären Endarteriitis ob-
literans. (Chirurgische Klinik Königsberg [Braun]).
Verfasser hat in 6 Fällen der genannten Erkrankung sehr
genaue mikroskopische Untersuchungen vorgenommen ln allen
6 Fällen handelte eB sich um einen mehr oder minder vollständig«)
Verschluss der Arterien durch eine Obturationsmasse, die io»
glänzendem, leicht streifigem Bindegewebe und spindelförmigen oder
mehr ovalen, endothelähnlichen Zellen besteht. Die letzteren gehen
an einzelnen Stellen in das alte Endothel über. Durch Vergleicht
mit den sonst in der Literatur mitgetheilten Fällen glaubt B. sich
zu der Schlussfolgerung berechtigt, dass es sich um einen prima:
auftretenden eigenartigen Wucherungsprocess der Intima, um eine
Endarteriitis, handelt. Hin und wieder finden sich die Zeichen
regressiver Metamorphose, Kalkablagerungen.
Die Erkrankung befällt Individuen im mittleren Lebensalt«,
die bis dahin ganz gesund gewesen sind. Meistens handelt es sin
um Männer. Im Beginn zeigen sich rheumatoide Schmerzen in einer
oder beiden unteren, selten oberen Extremitäten. Die Extremiu:
schwillt leicht an, kann ein blasses oder cyanotisches Aussehen
bekommen. Die Arterien sind als harte Stränge, aber ohne Schl«
gelang und knotige Verdickungen nur schwach pulsirend fühlbar
Unter stetiger Zunahme der Schmerzen wird die Haut der betreffenden
Glieder trockener, rissig und zeigt hellrothe bis dunkelblsum®
Flecken, Nach 2—5 Jahren wird endlich durch eine geringe änsse*
Veranlassung die Gangraen manifest und schreitet langsam weiter
Eine Operation befreit die Patienten von ihren Leiden, aber sar
für einige Zeit. Immer droht ein neues Auftreten der Gsigflca
Wie die Krankheit schliesslich endet, ist nicht weiter beobaiw--
Ein sicheres actiologisches Moment ist noch nicht nachgewiesen. 1»
manchen Fällen spielen wohl Erkältungen und Durchnässungen eine
Rolle. Auffallend ist, dass von 17 Fällen 11 in den Ostseeproriorrt
beobachtet wurden .
Die Behandlung soll itn Anfang in der Fernhaltung von
lichkeiten und in der Verordnung von Ruhe besteben. Zu
ist vor der Massage. Bei ausgesprochener Gangraen ist zu
tiren und zwar an einer Stelle, wo genügend gesunde Hanl
Bedeckung des Stumpfes vorhanden ist. .
h) Pi neu8-Danzig: Die sogenannte Myositis progressi
ossificans multiplex, eine Folge von Geburtslaesion.
P. beschreibt ausführlich eine neue Beobachtung der genM“
seltenen Erkrankung und stellt im Ganzen 38 Fälle derselben 1
sammen.
Der Geschwulstcharakter der Affection ißt zweifellos; «f
fiti
zweckmässiger als «Exostosis luxurians et Osteoma intennusc •
multiplex* bezeichnet. Der Process beruht auf einer angew rH ‘'‘
Constitutionsanomalie und nimmt seinen Ausgang vom
Dafür, dass die Anomalie angeboren ist, spricht das Z'ia®
treffen mit einer seltenen symmetrischen Missbildung, der k
dactylie an den grossen Zehen bezw. Daumen. . . u . a
^*o^i ^ 29 Kranken gehörten 20 dem männlichen Geschleeü
Zur Entwicklung der Krankheit bedarf es ausser der rouge®
Anlage (\ ulnerabilität des Periostes und Bindegewebes)eine.- I
Anlasses, den Verfasser vor allen Dingen in einem D?» 01 ’. f
geringerem Grade in rheumatischen Affectionen sucht. Ih" * ■*
bar spontan entstandenen Fälle im ersten Kinde
8- November 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1081
Schädigungen zurückzuführen, welche der kindliche Körper intra
partum erfährt. Der Nachweis dieses Satzes ist ein Hauptpunkt
der P.'schen Arbeit. Das Leiden beginnt in der Regel an den
Nacken-, Hals- und Rückenmuskeln, von denen bekannt ist, dass
Bie bei jeder Entbindung am stärksten gezerrt werden. Die aus¬
führlichen Darlegungen des Verfassers zu diesem Punkte müssen
im Original nachgelesen werden. Krecke.
Centralblatt für Chirurgie. 1896, No. 43.
B. Credö: Die Silberwundbehandlung.
Nachdem Cr. nun fast ein Jahr diese Behandlung mit bestem
Erfolg geübt, möchte er über die fortgeschrittene Technik und prak¬
tische Behandlung sich aussprechen, da er sie für einfacher, billiger,
in kürzerer Zeit, mit weniger Arbeit und noch grösserer Sicherheit
durchführbar hält, als die aseptische Behandlung, die er nur vom
theoretischen Standpunkt als das idealste Verfahren gelten lässt.
Der praktische Arzt sei bei der in gewöhnlicher Praxis nicht durch¬
führbaren Asepsis genöthigt, vieles an die Spitäler etc zu verweisen,
mit seiner Silberwundbehandlung werde demselben ein Thätigkeits-
gebiet wiedergegeben, auf das er Anspruch hat. Reinigung der Hände
mit Wasser, Bürste, Seife etc. ist bei Cr.’s Behandlung die gleiche
wie sonst, gekocht werden nur die Instrumente; betreffs Verbands¬
stoffe, Schürzen etc. verzichtet er auf Sterilisation. Wunden (genäht
oder offen) werden mit Silbergaze bedeckt, Stichcanäle etwas mit
Itrol (Arg. citr) bestreut. Silbergaze ist absolut reizlos, macht kein
Ekzem (Argyrose hat Cr. nie beobachtet). Nur fast vollständig ab¬
gelöste Gewebstheile entfernt Cr., nur grosse Unterminirungen legt
er frei, sonst lässt er alle Spalten und Nischen, geöffnete Gelenke etc.
gänzlich unberührt. Bei trockenen Verbänden findet der Verband¬
wechsel nach 5 — 10 Tagen statt, bei stärker secernirenden Fällen
erneuert Cr die oberen Lagen, er vindicirt der Silbergaze wegen
ihrer grossen Haltbarkeit eine Zukunft in der Kriegschirurgie. Itrol
ist in braunen oder gelben Gläsern aufbewahrt ebenfalls unbegrenzt
haltbar. Für die Privatpraxis empfiehlt er Tabletten von Actol (Arg.
lact. 0,2), die wie Sublimatpastillen anzuwenden. Bei Benutzung
von Actol und Itrol zu Spülungen oder Gurgelwässern benützt Cr.
Lösungen von 1—4 . 1000, betreffs der subcutanen Anwendung von
Actol bei chirurgischen Infectionskrankheiten sollen die Lösungen
nicht stärker als 0,0 Proc. sein, wegen Gefahr aseptischer Nekrosen.
Auch die versilberten Catgut und Seidenfäden haben sich vorzüglich
bewährt — Referent glaubt, dass Cr. die Umständlichkeiten des
aseptischen Verfahrens doch etwas zu gross sieht und verkennt,
dass zahlreiche praktische Aerzte auch auf dem Lande die Methode
erfolgreich durchführen. Sehr.
Archiv für Gynäkologie, 52. Bd. 2. Heft.
1) Wolff: Ueber die Tuberculose des Eierstocks. Sencken-
berg’sches Institut, Frankfurt a. M.
Sorgfältige Zusammenstellung der Literatur; auf 14 Seiten
werden 77 Literaturnachweise tabellarisch angeführt. 17 eigene
Untersuchungen der Ovarien tuberculöser weiblicher Leichen; bei
diesen fand sich fünfmal Tuberculose der Genitalien, darunter drei¬
mal der Eierstöcke und zwar jedesmal doppelseitig; die Erkrankung
war hier nur mikroskopisch nachweisbar; sie war von den Nachbar¬
organen direct auf die Ovarien übergegangen. Ovarial-Tuberculose
ist demnach nicht so selten, wie bisher angenommen wurde
2) Schaeffer Heidelberg; Ueber die Schwankungsbreite
der Gewichtsverhältnisse von Säuglingen in den ersten 14
Lebenstagen und die Ursachen dieser Schwankungen.
Aus den Ergebnissen der Arbeit sei in der lebhaften Schreib¬
weise des Originals Folgendes hervorgehoben; «Nnr 14 72 Proc. aller
Kinder haben am 7. Tage ihr Anfangsgewicht wieder er¬
reicht oder überschritten; 41 Proc. erreicht oder überschreitet das
Anfangsgewicht erst am 14. Tage; 44'/* Proc. bleibt am 14. Tage
unter seinem Initialgewicht — Mindestgewicht am 8. lag. —
Einfluss der Mutter: Primiparae unter 55 kg und unter 20 Jahren
gebären die durchschnittlich leichtesten Kinder mit der ge¬
ringsten Praedisposition zur Zunahme. — Unreife Kinder zeigten
weit grössere Gewichts- und Temperatur a b nahmen, grössere Stick-
stoffabscheidung im Urin und weit häufiger Ikterus! — Nach Soxhlet
ernährte Kinder zeigten am 7. Tage keine, am 14. Tage aber doch
eine geringere Körperzunahme als andere.» Vorzüge der Gärtner-’
sehen Fettmilch.
3) Li n dfors- Upsala": Wer hat zuerst die grob-anatomischen
Verhältnisse des vorliegenden Mutterkuchens richtig ver¬
standen ?
Als Erster hat Guillemeau 1649 in seinem Werke «De
l’heureux accouchement» die Placenta praevia als tief, d. h. nahe
dem iuneren Muttermund inserirte Placenta gedeutet; Paul Portal
(1685) und Johannes von Hoorn (1697) schlossen sich dieser An¬
sicht an; den anatomischen Nachweis auf dem Obductionstische
lieferte hiefür 1709 der Leipziger Anatom Gottlieb Schacher
4) Strebei; Ein Beitrag zur Lösung der Kaiserschnitts¬
frage. (Universitäts-Frauenklinik Zürich.)
Neben relativ indicirtem Kaiserschnitt (keine absolute Becken¬
enge) kommt vor dem normalen Schwangerschaftsende die künst¬
liche Frühgeburt, am normalen Schwangerschaftsende aber die Sym-
physeotomie in Frage. Zu Ungunsten der letzteren sprechen die
guten Erfolge der Züricher Klinik (Prof. Wyder) nach Kaiserschnitt:
1888—1896 12 Fälle von Kaiserschnitt mit 8,3 Proc. Mortalität der
Mütter, ja seit dem Jahre 1892, der Periode streng durchgeführter
Asepsis unter 8 Kaiserschnitten 0 Proc. Mortalität der Mütter
(Dresden 8 Proc., Leipzig 4 Proc, Braun-Wien 3,2 Proc) und
0 Proc. Mortalität der Kinder.
5) Schramm: 33 vaginale Uterusexstirpationen nach
P6an-Richelot. (Dresden, Carola-Krankenhaus.)
Die vaginale Totalexstirpation des Uterus wegen Carcinom,
Myom etc. wird in Deutschland von den meisten Gynäkologen
nicht mit Hilfe von Klemmen, welche dann 1 bis 2 Tage liegen
bleiben, sondern durch Umstechung und Abbindung der seitlichen
Ligamente ausgeführt. Sch trat seit Längerem, ebenso wie Landau
schon, für die Pöan-Ri chelot'sche Klemraenbehandlung ein. Er
hat diese Methode 22 mal bei C.ircinora, 8 mal bei Myom und 3 mal
bei Prolaps und Pyocele retrouterina angewendet. 5 Todesfälle =
15,1 Proc. (Landau und Abel 5,4 Proc bei Klemmenbehandlung).
Ohne Zweifel verdient diese Methode mehr Beachtung, als sie bisher
in Deutschland fand; trotzdem wird man Sch. nicht in Allem bei¬
stimmen können. So lässt sich der Todesfall bei einer unruhigen
Kranken, welche «den Eisbeutel austrinkt» und bei der sich eine
Darmschlinge in die Scheidenwunde drängt, mindestens mit dem¬
selben Rechte auf das Offenbleiben der Scheidenwunde (andere
Operateure schliess r sie durch Naht) zurückführen. Und wenn
auch Sch nur «ausnahmsweise sehr heftige Schmerzen» und keine
Nachblutung auftreten sah, so haben andere Operateure doch recht
bedenkliche Nachblutungen erlebt und manche Kranken klagen auf
das lebhafteste über enorme Schmerzen nach der Operation — ein
Umstand, der sich nach Unterbindung nicht annähernd so stark
geltend macht. Kürzer, bequemer und mehr nach den Seiten der
Adnexe ausdehnbar ist dagegen die Klemmenbehandlung offenbar.
Ob eine Mortalität von 15 Proc. für die Klemmenbehandlung spricht,
ist aber zu bezweifeln. Referent hat mit Umstechung ebenfalls
wiederholt bei schon vom Carcinoin ergriffenen Adnexen operirt
und bisher keinen Todesfall erlebt; allerdings beweisen kleine
Zahlenreihen ungenügend.
6j Leopold: Ausgetragene secund, Abdominal-Schwanger-
schaft nach Ruptura uteri im 4 . Monat. Laparotomie. Genesung.'
L. bezeichnet den überaus interessanten Fall mit Recht als
«ein Ereigniss von ausserordentlicher Seltenheit und von staunen¬
erregender Selbsthilfe der Natur». Bei einer 42jähr. Frau, XI. p.,
wird durch Sturz auf einer Treppe der Uterus ungelähr in der
Mitte der Schwangerschaft zerrissen, das Kind in einem anscheinend
unverletzten Divertikel der Eihäute in die Bauchhöhle geboren,
während die Placenta innen an der Uteruswand haften bleibt; das Kind
wird durch die Nabelschnur, welche durch den Schlitz des Uterus in
die Bauchhöhle zieht, forternährt. Erst 3 Wochen vor dem nor¬
malen Geburtstermine stirbt das Kind ab. — Laparotomie. Genesung.
7) P i ck: Gebärmutterverdoppelung und Geschwulstbildung
unter Berücksichtigung ihres aetiologischen Zusammenhanges.
(Landau's Frauenklinik, Berlin.)
Doppelte Gebärmutter mit einem dazwischen eingelagerten
Myom. — P. vermuthet, dass das zwischen die Gebärmütter ein¬
geklemmte Myom die Ursache der Uterusverdoppelung bilde.
8 ) Hohl: Zur Behandlung von Ovarialtumoren in
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. (Universitäts-Frauen¬
klinik Halle a. S.)
Nach der I Beschreibung von 5 Beobachtungen dieser Art kommt
H. zu folgenden Schlüssen: In der Schwangerschaft frühzeitige
Ovariotomie. Bei intraligamentärem Sitz und fest verwachsenen
Tumoren künstliche Frühgeburt. Intra partum Reposition des Tu¬
mors in Narkose; wenn dies nicht gelingt, Punction oder Incision
cystischer Tumoren von der Scheide aus. Bei festen Tumoren Kaiser¬
schnitt und Ovariotomie sofort oder später. — Im Wochenbett mög¬
lichst früh Ovariotomie.
9) Jellinghaus: Ein neuer klinisch beobachteter Fall
von Spondylolisthesis.
An der Lebenden diagnosticirte Spondylolisthesis: wahrschein
lieh nicht Trauma, sondern Ossificationsdefect im Bogen des 5. Lenden¬
wirbels als Ursache. Gustav Kl ein-München.
Centralblatt für Gynäkologie, 1896, No. 43.
1) Stephan Töth-Budapest: Hydronephrose in Folge schiefer
Einmündung des Ureters. — Laparonephrectomie.
Eine 39jährige Mehrgebärende bemerkte zuerst vor 13 Jahren
eine zeitweise wieder verschwindende Geschwulst in der rechten
Hälfte des Bauches. Seit 4 Monaten war der Tumor wieder vor¬
handen. Man fand in der rechten Seite des Abdomens eine manns¬
kopfgrosse, elastische Geschwulst, die als renalen Ursprungs ge¬
deutet wurde, trotzdem der Urin völlig normal war. Die Laparotomie
(Prof. Ta uff er) wurde transperitoneal gemacht, der Tumor, eine
Hydronephrose, leicht entfernt. Heilung ohne Zwischenfälle Der
Ureter mündetein schiefer Richtung in den Sack, was T. als mögliche
Ursache der Hydronephrose hinstellt. Vielleicht war das schiefe Ein¬
münden des Ureters aber auch nur eine secundäre Veränderung und
durch die rasche, enorme Erweiterung des Nierenbeckens verursacht.
2 ) Rissraann- Hannover: Zur Schwangerschaftsdiagnose in
den ersten Monaten.
R beobachtete als Frühsymptom der Schwangerschaft in 2 Fällen
strangartige, radiär zur Brustwarze verlaufende Massen,
die er als hypertrophische Drüsenacini deutet. Ein Secret enthielten
die Drüsen noch nicht. Dieser Befund soll von anderer Seite be-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44
stätigt worden sein und wird von R. mit der Collostrumprobe in
Parallele gestellt.
3) W. Thoru-Magdeburg. Haematosalpinx profluens.
31 jährige Frau erkrankte unter den Erscheinungen einer hefti¬
gen peritonitischen Reizung. Dann stellten sich 9 Wochen lang ganz
atypische Blutungen ein. Die Untersuchung ergab spindelförmigen
Tumor der rechten Tube, die sammt Ovarium im Douglas adhaerent
ist. Aus dem Muttermund Hess sich theerurtiges bräunliches Blut
auspressen.
Th. deutet den Fall als abgelaufene Schwangerschaft der rechten
Tube, mit der Folge, dass der Tubentrichter im Douglas adhaerent
geworden ist. Zur Operation konnte er sich bei dem Wohlbefinden
der Frau noch nicht entschliessen. Jaffö-Hatnburg.
Yirchow’s Archiv. 145. Band. Heft 2 und 3.
8) Plissier: Ueber das primäre Carcinom der Lunge.
(Aus dem pathol. Institute Breslau.)
An 70 in der Literatur beschriebenen und 4 selbst untersuchten
Füllen stellt Verfasser vergleichende Untersuchungen über die Histo
genese des primären Lungenkrebses an. Die Mehrzahl der primären
Krebse geht vom Bronchialsysteme aus. Ein peripherisches Wachs¬
thum darf dabei nicht als Regel angesehen werden. Die morpho¬
logischen und biologischen Eigenschaften der Geschwulstzellen sind
so vielseitig, dass sie zur Beurtheilung der Histogenese dieser Krebse
nicht zu verwerthen sind.
9) Marchand-Marburg: Zur Kenntniss der fibrinösen
Exsudation bei Entzündungen. Erwiderung an Professor Neu¬
mann - Königsberg.
Verfasser sucht in diesem Artikel die Lehre Neumann s, dass
die bei Entzündungsprocessen, besonders der serösen Häute, auf¬
tretenden fibrinösen Pseudomembranen durch fibrinoide Degeneration
des Bindegewebes entstehen, und nicht durch Exsudation, zu wider¬
legen und letzteres nachzuweisen. Verfasser stellt fest, dass das
Fibrin dem Epithel aufliege, und nicht, wie Neumann angibt, vom
Epithel überdeckt werde.
’ 10) Lubarsch-Rostock: Ueber das Vorkommen krystal-
linischer und krystalloider Bildungen in den Zellen des mensch¬
lichen Hodens.
Verf. bespricht die Charcot’schen Krystalle; 2. seine kleinen
Krystalle, 3 die R ei nk eschen Krystalloide. Erstere beide sind
Producte der Hodenepithelien, letztere der Zwischenzellen. Sie ent¬
stehen intra vital und zwar nur zur Zeit der Geschlechtsthätigkeit.
Wahrscheinlich kommt ihnen eine bestimmte Function zu, die jedoch
noch nicht aufgeklärt ist.
11) Müller: Ueber die Lipome und lipomatösen Misch¬
geschwülste der Niere. (Aus dem pathol. Institute zu Rostock.)
Die Resultate seiner Untersuchungen fasst M. folgendennassen
zusammen. Die ächten Lipome der Niere sind meist Mischgeschwülste;
stets wird glatte Musculatur gefunden. Ihre Entstehung ist auf eine
Verlagerung von Theilen der Fett- und Bindegewebskapsel der Niere
zurückzuführen, die wahrscheinlich im embryonalen Leben zu Stande
gekommen ist.
12) Botkin-St. Petersburg: Zur Morphologie des Blutes
und der Lymphe.
Der Artikel behandelt den Auflösungsproeess und die Lösungs¬
formen der farblosen Körperchen im Blute und in der Lymphe.
13) Favre und Barbezat: Der Bacillus des gangraenösen
Schankers und der Bacillus des Hospitalbrandes. Pathogenese
und Therapie. (Alis dem Favre'schen Laboratorium in Chaux-
de-Fonds.)
Der gangraenöse Schanker ist ein Ulcus sui generis, der durchaus
keine Complication des weichen Schankers darstellt. Hervorgerufen
wird er durch einen von den Verfassern entdeckten und näher
beschriebenen Bacillus, der auf Wunden übertragen die Symptome
der Gangraena nosocomialis, auf intacte Schleimhäute gebracht, die
Symptome des gangraenösen Schankers hervorruft.
14) Cordes: Ein casuistischer Beitrag zur Multiplicität
der primären Carcinome. (Aus der path.-anat. Anstalt des Kranken¬
hauses im Friedrichshain.)
Eine an Krebscachexie gestorbene Person litt an zwei pri¬
mären Krebsen, Adenocarcinom des Magens und Hautkrebs am
Unterschenkel. Beide Tumoren Hessen sich histogeuetisch vom
Epithel ihres Mutterbodens ableiten.
19) J endrässik-Budapest: Allgemeine Betrachtungen über
das Wesen und die Function des vegetativen Nervensystems.
Zu kurzem Referate ungeeignet.
16) v. Moraczewski: Ueber die Bedeutung der Chloride
bei den Anaemien. (Aus der medic. Klinik des Herrn Professor
EichhorBt in Zürich.)
Während der Blutarmuth findet Verminderung der Ausscheidung
der Choride im Harne statt, dabei werden die phosphorsauren Al¬
kalien und die Harnsäure vermehrt ausgeschieden. Therapeutisch
Hess sich constatiren, dass Zusatz von Calciumphosphat und Chlor-
natriuin zu den Eisensalzen deren haemoglobinbildende Wirkung
steigert.
17) S ch äff c r • Heidelberg: Ueber die Entstehung der Poren-
cephalie und der Hydronencephalie auf Grund entwicklungs¬
geschichtlicher Studien.
Verfasser fand, dass die von der Stenokrotaphie in Mitleiden¬
schaft gezogenen Hiruregionen dieselben sind, welche von der
typischen congen. Porencephalie befallen werden, so dass die ein¬
fachsten Fälle von Porencephalie von Bildungsneuerungen durch
Stenokrotaphie nicht zu unterscheiden sind. Porencephalie entsteht
zwischen 2. und 9. Monat des foetalen Lebens und zwar durch
ein Missverhältniss zwischen Schädelkapsel und Gehirn.
18) 8cagliosi: Ueber einen seltenen Ausgang der von
der Taenia botrioplitis im Huhndarra herbeigeführten Ver¬
letzungen. (Aus dem pathol. Institute zu Palermo.)
Die Taenie durchdringt die Darmhäute bis zur Ringsmuskel¬
lage, wo sie eine grössere Zerstörung verursacht, dann kehrt sie auf
demselben Wege zurück. Das todte Material schiebt sich nun
weiter gegen die Serosa und tritt zuletzt ganz aus der Darinwand
heraus, indem es an der äusseren Oberfläche durch einen binde¬
gewebigen Stiel hängen bleibt
19) Scagliosi: Die Rolle des Alkohols und der acuten
Infectionskrankheiten in der Entstehung der interstitiellen
Hepatitis. (Aus dem pathol. Institute zu Palermo.)
Die von französischen Autoren besonders verfochtene Ansicht,
dass die Lebercirrhose eine Folge bacterieller Infection sei, ver-
anlassten Verfasser, experimentelle Versuche hierüber anzustellen.
Verfasser kommt zu dem Resultate, dass Bacterien im Stande sind,
den Anfang einer sklerosirenden Entzündung in der Leber zu eta-
bliren Dieser Zustand kann sich wieder zurückbilden, folgt aber
gleichzeitig ein anderer fortdauernder Reiz, wie es der Alkohol ist,
dann kann dieser die weitere Ausbildung der Krankheit bedingen.
Verfasser kommt zu der Ansicht, dass Alkoholmissbrauch an sich
keinen schädlichen Einfluss auf die normale Leber ausübt.
20) Aron: Experimentelle Studien über den Pneumo¬
thorax. (Aus dem pneumat. Institute des Krankenhauses der
jüdischen Gemeinde in Berlin.)
Die Studien des Verfassers betrafen die drei Formen des
Pneumothorax, den offenen, geschlossenen und den Ventilpncumo-
thorax; ferner die Druckändtrung der gesunden Pleurahöhle und
die Aenderung des Blutdruckes bei Pneumothorax.
21) Unger: Krebs des Ductus thoracicus. (Ausdem Leichen¬
hause des Krankenhauses am Urban.)
Krebs des Ductus thoracicus fand sich als Metistasc eines
Uteruskrebses bei einer 29jähr. Frau; gleichzeitig bestand Chylo
thorax duplex.
22) Pappen heim: Ueber Entwicklung und Ausbildung
der Erythroblasten. (Aus dem pathol. Institute zu Berlin.)
Das Charakteristicum für jede der beiden Arten der Erythro¬
blasten, der Megaloblasten und Normoblasten, bildet nicht Grösse
und Form der Zelle, sondern lediglich die Structur des Kernes.
Beide Arten werden in jedem Lebensstadium unabhängig von
einander gebildet. Im Blute von Säugethieren sind Megaloblasten
nur unter pathologischen Bedingungen anzutroffen.
23) P. Fürbringer-Berliu : Berichtigung.
Der Ansicht Lu barsch's, dass die Böttcher'schen Krystalle
«Hodenkrystalle» seien, tritt F. entgegen, und erklärt dieselben
seinen Untersuchungen zu Folge für Producte der Prostata.
24) Browicz-Krakau: Ueber anomale Sehnenfäden ira
Herzen und deren eventuelle Bedeutung.
Sehnenfäden, die durch die Mitte der Kammerhöhle hindurch-
ziehen, können Ursache von abnormen Geräuschen sein, indem die¬
selben in tönende Vibrationen versetzt werden können. B.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 43.
1) M. Hofmeier: Ueber die Beziehungen zwischen Myom
und Sterilität.
Siehe das Originalreferat dieser Wochenschrift über die dies
jährige Naturforscherversammlung zu Frankfurt a M.
2) A. Albu-Berlin: Ueber die Indicationen des Aderlasses.
Blutuntersuchungen, welche A. vornahm, ergaben, dass durch
den Aderlass fast regelmässig eine mehrstündige Herabsetzung des
Blutdruckes um 9—15 mm bewirkt wurde, fernereine Vermiuderuug
des Haemaglobingehaltes um 10 — 26 Proc ; Veränderungen un
Verhältniss der Blutzellen waren nicht constant. Der Aderlass wird
nur durch die Indicatio vitalis erfordert. A bespricht seine An¬
wendung bei Apoplexia cerebri, Epilepsie, Uraemie (für diese ist er
möglichst früh indicirt), ferner bei Vergiftung mit Leuchtgas, Kohlen
oxyd-, die Anwendung bei Pneumonie empfiehlt Verfasser «auf der
Höhe der Kraukheit.» Auch bei Bronchitis capillaris diffusa, bei
Pneumothorax, Pericarditis, bei Compensationsstörungen kann unter
Umständen mit Erfolg venaesecirt werden. Die Anwendung des
Aderlasses bei Chlorose empfiehlt A. nicht.
3) J. Schramm-Dresden: Ein Fall^ von Carcinom des
Duct- thoracicus mit Ascites chylosus. .
Es ist erst 1 derartiger Fall beschrieben. .Die Section ergat),
dass der Milchbrustgang hochgradig obliterirt war in lolge
Metastasen einer malignen Neubildung, deren primärer Sitz mcli
festzustellen war. Die Einmündungsstelle des Duct. thorac. war
durch ein Convolut krebsig entarteter Lymphdrüsen comprimir.
Die AscitesFlüssigkeit wurde durch chemische Analyse als Lhylue
festgestellt,
4) Boardinan Reed: Die Diagnose der Veränderungen von
Gestalt, Lage und Beweglichkeit des Magens in Fällen,
denen intragastrische Instrumente nicht anwendbar sind.
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3. Noycinber 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1083
4
3t
T*
*5
Der Aufsatz, der besonders den Werth des Clapotement und
der Magenpercussion bespricht, eignet sich nicht zu einer kurzen
Wiedergabe seines Inhaltes.
ft ) Krönig-Berlin: Ueber Venaesectionen.
Vergl. das Referat in No 31 dieser Wochenschrift Ober die
Sitzung der Berliner medicinisehen Gesellschaft
Grassmann-München.
Dentsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 44.
1) F. Ahlfeld: Die Bedeutung der äusseren Untersuchung
der Gebärenden gegenüber der inneren. (Aus der Universitäts-
Frauenklink in Marburg.)
Die von Leopold zur Vermeidung der Infectionsgefabr em¬
pfohlene alleinige Anwendung der äusseren Untersuchungsmethode
bei Gebärenden ist nach A. nicht angezeigt, weil sie zur Erkenntniss
einer drohenden oder bereits bestehenden Gefahr nicht ausreicht,
intra partum technisch schwierig durchzuführen ist und bei gründ¬
licher Ausführung auch den Geburtsvorgang schädlich beeinflussen
kann. Ohne innere Untersuchung ist immer dem Zufall eine Rolle
in dem Geburtsverlanfe anheimgegeben. Die innere Untersuchung
lässt sich durch eine gewissenhafte Beachtung der Aöeptik ohne
Gefahr ausführen und ist ausserdem »las wichtigste Mittel zur Fort¬
bildung des Einzelnen in der Erkenntniss der normalen und anor¬
malen Geburtsvorgftnge
2) H auser-Berlin: Ein Fall von Cor bovinum bei einem
elfmonatlichen Kinde. (Nach einer Demonstration in der Berliner
medicinisehen Gesellschaft am 17. Juni 189G.)
Referat siehe diese Wochenschrift No. 25, pag. 600.
H) F. P1 u d er- Hamburg: Ueber Rhinitis fibrinosa diph-
therica. (Nach einem im ärztlichen Verein zu Hamburg am 7. April
1896 gehaltenen Vorträge [Schluss folgt:.))
Referat siehe diese Wochenschrift No. 15, pag. 353.
4) Th. B e n d a - Berlin : Ein Fall von Haematomyelie.
B. glaubt, dass das Auftreten einer Rückenmarksblutung gar nicht
so selten sei, als bisher angenommen wurde. Der beschriebene Fall
scheint durch eine traumatische Einwirkung bei bestehender Rücken-
markshyperaemie entstanden zu sein.
5) G. Cohen-Hamburg: Bemerkungen über Perityphlitis.
Vortrag im ärztlichen Verein zu Hamburg am 3. Dezember D9.’>.
Referat siehe diese Wochenschrift 1895, No. 50, pag. 1177.
6) Fr Bergkammer: Ueber einen Fall von Teratom,
rudimentärem Parasiten (Engastricus) oder Inclusio foetalis
abdominalis des Beckens bei einem elfmonatlichen Knaben.
(Aus dem Fr. Kruppschen Krankenhause in Essen.)
Der Tumor, der durch Operation entfernt wurde, enthielt circa
DO ccm Cystenflüssigkeit, war etwa kindskopfgross, wog nach der
Function 200 g, und hatte eine länglich ovaläro Form, den Bau eines
Polycystomes. dessen Wandungen zum grossen Theile aus platten
Knochen, welche oft Diploe enthalten und mit hyalinem Knorpel
durchsetzt sind, bestanden Der Inhalt setzte sich aus Epidermis-
massen. Cholestearin, markhaltigen Nervenfasern, quergestreiften
Mukeifasern, Haaren, Endothel etc. zusammen. Das Kind überlebte
die Operation um einen Tag F. L.
Vereins- und Congressberichte.
Versammlung des Vereins deutscher Irrenärzte
in Heidelberg am 18- und 19. September 1896.
^Originalbericht von Privatdocent l)r. Cr am er in Göttingen.)
Vorsitzender: Herr J o 11 y - Berlin.
Als Discussionsthcma steht die «Wärterfrage » auf der
Tagesordnung.
Der 1. ltoferent, Herr Grashey - München, begründet
ausführlich die nachfolgenden Thesen, indem er dabei ausführlich
auf die entsprechenden Verhältnisse in Bayern eingeht und mancherlei
wohlzubcachtende Erfahrungen mitthcilt.
1. Es ist anzustreben, dass das Pflegepersonal ein Berufs-
Pflegepersonal werde.
2. Jede Anstalt soll ihr Pflegepersonal möglichst selbst heran¬
bilden. Director und Aerzte der Anstalt sollen das Pflegepersonal
in der Krankenpflege unterrichten. Auf diesen Unterricht ist grösste
Sorgfalt zu verwenden.
3. Es sind Einrichtungen zu treffen, durch welche die Zukunft
des Pflegepersonals möglichst sicher gestellt wird. (Entsprechend
hohes Gehalt, Geldprämien nach längerer Dienstzeit, Pension, Wittwen-
und Waisen-Versorgung.)
4. Es sind Einrichtungen zu treffen, durch welche die noth-
wendige Erholung und Schonung d.s Personals gewährleistet wird.
(Genügende Anzahl im Verhältnisse zum Krankenstände. Regel¬
mässige dienstfreie Zeiten. Besondere Erholungsräume. Bestimmter
Urlaubsanspruch mit Fortbezug des Gehaltes.)
Bei Besprechung der These 1 bemerkt Grashey ausdrück¬
lich, dass mit dem Ausdruck «Berufspflegepersonal» an einen Irren¬
pflegestand nicht gedacht wird.
Bei These 4 hebt er noch besonders hervor, dass nicht jeder
Wärter nur auf einer Station verwendet werden sollte, es sollte
vielmehr an eine regelmässige Abwechslung gedacht werden. Den
Urlaub schlägt er vor auf 14 Tage unter Umständen auszudehnen.
Jede Anstalt soll ihr Pflegepersonal selbst wählen. Zu verwerfen
sind solche, welche bereits in anderen Anstalten gedient haben.
Am meisten zu empfehlen sind junge, gesunde Männer nach dem
Abschluss ihrer activeu Militärdienstzcit. Unterrichtsstunden er¬
scheint Grashey nicht abgeneigt, ältere Wärter sind zu diesen
Stunden beizuziehen. Der praktische Unterricht und vor Allem
die ärztliche Controle ist die Hauptsache.
Der 2- Referent, Herr Lu dwig- Heppenheim, der prin-
cipiell einen ganz anderen Standpunkt cinnimmt, legt die nach¬
folgenden Thesen vor und wünscht die Discussion bis zum nächsten
Jahre verschoben.
1. Es wird in Deutschland als selbstverständlich angenommen
und von Niemand bestritten, dass die Art und der Erfolg des Be¬
triebs jeder öffentlichen Irrenanstalt in erster Linie durch die Eigen¬
schaften ihres Directors bedingt sei, dass eben desshalb der Director
für den Werth und das Anseben der Anstalt verantwortlich erscheine
und dass Niemand diese Verantwortlichkeit mit dem Director theilen
könne und solle.
2. Diese Annahme erscheint nur unter bestimmten Voraus¬
setzungen zulässig, deren wichtigste die ist, dass die sämmtliclien
übrigen Beamten und Bediensteten der Anstalt dem Director unter¬
geordnet sind und dass dieselben tlieils gemäss dem Vorschlag des
Directors, theils unmittelbar durch diesen selbst, ernannt und an¬
gestellt werden.
3. Die hierdurch gegebene Machtvollkommenheit des Directors,
die, so gross sie an sich auch ist, doch an die grösstentheils un-
controlirbaren Befugnisse des Directors über das Wohl und Webe
der Pfleglinge der Anstalt und ihrer Familien noch lange nicht
heranreicht, erscheint um so gerechtfertigter, je wichtiger die be¬
treffenden Dienststellen für die Zwecke der Anstalt sind. Und da
den Stellen der Wärter und Wärterinnen ohne Zweifel die höchste
Wichtigkeit zukommt, so muss die Annahme und Entlassung, die
sittliche Erziehung und die technische Schulung des Wartpersonals,
ebenso wie die gesammte Disciplinargewalt über dasselbe, allein
und unbeschränkt dem Director zustehen.
4. Da erfahrung8gemä88 die Tüchtigkeit und Brauchbarkeit des
Wartpersonals nicht in geradem Verhältnis mit dem Dieustalter
zu wachsen pflegt und es nicht angeht, fortschreitend schwächere
Leistungen zunehmend besser zu bezahlen, endlich auch die Anstalt
auf die volle Kraft, die ungeteilte, lernbegierige Aufmerksamkeit
und ein noch frisches, empfängliches Gemüth des Wärters angewiesen
ist, so empfiehlt sich die Regel, den Verbleib der Wärter und
Wärterinnen in dem Dienst der Anstalt der Regel nach auf ein be¬
stimmtes, nicht zu spätes Lebens- und Dienstalter zu beschränken
(d. h. auf eine 5—6jährige Dienstzeit).
5. Die Versuche, das Pflegepersonal zu einem Berufspflege¬
personal zu entwickeln und «die Wärterei zu einem socialen Stand
zu erheben», durch eventuelle Verleihung der Beamteneigenschaft
an einen bestimmten Theil des Wartpersonals, durch mehr oder
weniger beschränkte Heirathserlaubniss, durch Versorgung der Wittwen
und Waisen, durch Pensionsberechtigung, durch Betheiligung der
gebildeteren Stände an der Irrenpflege etc. etc., haben bis jetzt die
gehegten Hoffnungen und Wünsche nicht zu erfüllen vermocht
6. Dagegen fehlt es nicht an Mitteln anderer Art, um die Erhal¬
tung des Wartpersonals in dem Dienst der Anstalt während der Zeit
ihrer unverkürzten Brauchbarkeit hinreichend sicher zu stellen und die
soeben erwähnten Gefahren zu vermeiden. Zu diesen Mitteln gehören:
a) eine angemessene Bezahlung, einschliesslich einer
ansehnlichen Prämie, die nach einer bestimmten, etwa 5—6 jährigen
Dienstzeit, tadellose Führung vorausgesetzt, ausbezahlt, und wenn
der Wärter noch länger in dem Dienst bleibt, für ihn bis zum Dienst¬
austritt verzinslich angelegt wird. Das Aufsteigen des Wartpersonals
in die höheren Lohnclassen hat in den ersten Dienstjahren zu er¬
folgen und ist lediglich durch die Führung des Wärters bedingt,
daher auch nicht durch eine für jede Lohnclasse etatmässig bestimmte
Anzahl von Stellen beschränkt. Der Lohn des ersten Dienstmonats
wird in der öffentlichen Sparcasse verzinslich angelegt. Bei jeder
weiteren Lohnauszahlung hat der Wärter einen neuen Betrag ein¬
zulegen oder das Gegentheil vor dem Director zu rechtfertigen. Die
Sparcassebücher befinden sich unter dem Verschluss des Rechners
der Anstalt, der auch die Einlagen besorgt, und das Sparcassebuch
nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Directors an den
Eigentümer verabfolgt. — Wird ein Wärter oder eine Wärterin
während oder in Folge des Dienstes einer mehr oder weniger dauern¬
den Unterstützung bedürftig, so ist diese Seitens der Anstalt frei¬
gebig zu gewähren.
b) Die Organisation und Pflege eines zweckmässigen
Wärterunter richte
c) Das von Seiten des Directors und der Aerzte der
Anstalt durch die Art ihrer beruflichen Thätigkeit, wie durch die
Führung ihres Privatlebens dem Wartpersonal gegebene Beispiel.
d) Der Verkehr des Directors mit dem Wartpersonal.
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1084
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
7. Die Beaufsichtigung und Controle der Wärter ist, wie deren
praktische Anleitung und Abrichtung, in der Hauptsache die Pflicht
der Aerzte der Anstalt und soll möglichst ununterbrochen geschehen
und sich selbstverständlich auch auf die Nachtzeit erstrecken.
8. Will man dem Wartpersonal ausser den durch die Ein-
theilung des Dienstes ohnehin gebotenen Ruhezeiten eine wirksame
und dankbare besondere Erholung von den Anstrengungen des
Dienstes gewähren, so überlasse man die Wahl des Wie und Wo
dieser Erholung seinen Standes- und Lebensgewohnheiten und seinem
durch den Aufenthalt in der Anstalt geläuterten Geschmack.
9. Die berufenen Wärter der Geisteskranken sind die Aerzte
der Anstalt, deren Zahl diesem Zweck entsprechen muss, heutzutage
aber demselben bekanntlich meistens noch nicht entspricht. Der
als solcher officiell bezeiehnete Wärter ist der von dem Arzt unter¬
richtete und controlirte Diener der Kranken.
Herr Fürstner-Strassburg schlägt vor, doch zu discutiren,
die Hauptsache ist der Geldpunkt. In den meisten Anstalten ist
die Bezahlung ungenügend.
Herr Mendel-Berlin schliesst sich Fürstner an und wünscht
auf Grund der Thesen des Vorstandes in die Discussion einzutreten.
Hierauf wird beschlossen, die Discussion zu eröffnen.
Herr Binswanger-Jena: Man muss bei der Wärterfrage unter
scheiden zwischen grossen Anstalten und kleineren Anstalten und
Kliniken. Die beiden letzteren sind kaum in der Lage sich ein
Berufspersonal zu schaffen.
Herr Sie mens-Lauenburg wünscht nicht auf alle Anstalts-
Arten die Discussion ausgedehnt. 3 Kategorien sind zu unterscheiden :
1. Kleinere Anstalten, Kliniken, Stadtasyle. Diese rangiren mit den
anderen Krankenhäusern und Kliniken, 2. Spezialitäten, Anstalten
die entweder durch die Person ihres Leiters z. B. Heppenheim oder
durch locale Verhältnisse z. B. Oberbayern nicht mit den anderen
in Parallele zu stellen sind. 3 Das Gros der Provinzial-Anstalten
und Landes Anstalten. Für diese ist die Discussion wichtig. Die
Hauptsache ist die Gel Ifrage. Zunächst müssen desshalb Zahlen
fixirt werden.
Herr Fürstner-Strassburg wünscht, dass gerade auch über
die 1. Kategorie von Siemens verhandelt wird. Was die materiellen
Anforderungen angeht, gibt es keine Kategorien, es muss deshalb
über alle discutirt werden.
Herr Ganse r-Dresden wünscht ebenfalls nicht, dass einzelne
Kategorien bei der Besprechung wegfallen. Man muss darüber in's
Klare kommen, ob ein Lebensberntspersonal oder ein Personal mit
höchstens sechsjähriger Dienstzeit im Sinne von Ludwig, was
er für empfehlenswert halte, gewünscht wird.
Herr Brauser-Schussenried wünscht wenigstens teilweise
Berufsptiegepersonal.
Herr Lühr-Zehlendorf: Zwei Hauptpunkte sind bei der Dis¬
cussion hervorgetreten. 1. Die Frage, ob BerufspHegepersonal oder
nicht, 2. die Frage nach dem Geldpunkt. Diese Punkte sind zuerst
zu entscheiden. Tritt für Annahme der These 1 des Vorstandes ein.
Herr Hitzig-Halle thcilt zur Nachachtung mit, dass es ihm
gelungen ist, auch an seiner Klinik hohe Lohnsätze für das Wart¬
personal zu erreichen.
Herr Oebeke-Bonn; Pensionirung und Berufstätigkeit decken
sich. Im Allgemeinen ist die Pensionirung nicht zu empfehlen, da
einzelne Individuen hierdurch zu lange geschont werden. Dagegen
sind unbedingt die Lohnsätze zu erhöhen und womöglich Geld
prämien einzuführen.
Herr Sioli-Frankfurt tritt dafür ein, dass namentlich über die
3. Siemens'sche Kategorie discutirt wird. Hält es für wichtig, dass
ein Stamm geschulten Wartpersonals herangezogen und erhalten
wird. Möchte bestimmte Zahlen genannt wissen
Herr Pätz-Alt-Scherbitz wünscht, dass über alle 3 Kategorien
discutirt wird.
Herr Pelmann-Bonn mahnt daran, eine Entscheidung anzu
streben, heute ist der Zeitpunkt günstig, die Wärterfrage wird
immer mehr eine sociale Frage, da die patriarchalischen Anstalten
immer seltener werden.
Herr Fflretner schlägt vor, die These 1 wie folgt zu fassen:
«Es ist anzustreben, dass das Pflegepersonal ein besonders
ausgebildetes Personal, das längere Zeit im Dienst bleibt, werde.
Herr Tuczek-Marburg: Ein fester Stamm von Wärtern ist zu
erstreben, ein Tbeil davon wird der Tüchtigkeit entsprechend defi¬
nitiv angestellt. Tritt für Fürstner's Abfassung der These 1 ein.
Herr Stark-Stephansfeld betont ebenfalls die NothWendigkeit
eines Stammes von geschultem Wartpersonal.
Herr Grashey-München stellt den Antrag, sich zunächst der
Abstimmung über These 1 zu enthalten.
Herr Jo 1 ly-Berlin hält es für besser, dass abgestiramt wird,
schliesslich wird These 1 in der von Herrn Fürstner beantragten
Form angenommen. Sie lautet demnach:
Es ist anzustreben, dass das Pflegepersonal ein besonders
ausgebildetes Personal, das möglichst auf längere Zeit im Dienste
bleibt, wird.
These 2.
Herr MdIi- Berlin wünscht den letzten Satz gestrichen.
Herr Sommer-Giessen berichtet über seine zum Theil recht
üblen Erfahrungen bei der Anschaffung eines geeigneten Warte-
pereonals für die psychiatrische Klinik in Giessen.
Herr Sie in ens- Lauenbnrg schlägt vor, die These anzu¬
nehmen.
Herr Kräpelin-Heidelberg wünscht Annahme ohne 8atz 2.
Die These wird unter Streichung des letzten 8atzes angenommen.
These 3.
Herr A1 1 -Uchtspringe berichtet über seine Erfolge in der
Förderung der socialen Verhältnisse des Wartpersonals. Die An¬
stalt besitzt 20 Wärterhäuser, dabei sind Vorkehrungen getroffen,
dass in jedem Hause 2—3 Wärter in Familienpflege unterbracht
werden können. Zugleich macht er auf die Kosten aufmerksam,
welche geistliches Pflegepersonal erfordert.
Herr Fürstner-Strassburg wünscht über Gehalt, Pension und
Dauer der Dienstzeit en bloc zu discutiren. Auch für Wärter,
welche 5—ü Jahre bleiben, ist eine Prämie empfehlenswerth.
Herr Stark - Stephansfeld-wünscht die These en bloc ange¬
nommen.
Herr Edel-Charlottenburg stellt den Antrag, das Unfallver¬
sicherungsgesetz auch auf das Pflegepersonal auszudehnen.
Herr Binswanger-Jena wünscht, dass bestimmte Zahlen
zur Bemessung des Gehaltes vorgeschlagen werden.
Herr Hitzig-Halle empfiehlt auch staatliche Auszeichnungen
(z B. Medaillen) für das Wartpersonal einzuführen.
Herr Del brück-Zürich meint, Geldprämien hätten nur dann
Sinn, wenn die Wärter wieder entlassen würden.
Herr Meschede-Königsberg hält die Geldprämien für nicht
so wichtig.
Herr Sch e dt 1 er - Marxhausen kann bereits über Erfahrungen
mit Einführung von Geldprämien und zwar nur über gute berichten.
Herr Si ol i-Frankfurt spricht sich gegen die Dienstprämien aus.
Herr K arrer-Klingenmünster wünscht zu Bagen, «ein ent¬
sprechend hohes Gehalt, das den ortsüblichen Lohn um mindestens
*/s übersteigt», der Minimalsatz der Münchener Anstalt sei zu hoch,
damit dringe man nicht durch.
Herr Binswanger-Jena schliesst sich Karrer an.
Herr O e l> e k e - Bonn hat mit Prämien gute Erfahrungen
gemacht.
Herr Joll y- Berlin theilt mit, dass die These erst nach längerer
Discussion im Vorstande zur Annahme gelangte, empfiehlt Annahme
der These.
Schliesslich gelangt These 3 mit dem Antrag Karrer und
Edel zur Annahme, sie lautet in der neuen Fassung:
Es sind Einrichtungen zu treffen, durch welche die Zukunft
iles Pflegepersonals möglichst sicher gestellt wird. (Entsprechend
hohes Gehalt, welches den ortsüblichen Lohn wesentlich, um min¬
destens 2 /3 übersteigt, und Steigerung mit der Dienstzeit, Geld¬
prämien nach längerer Dienstzeit, Pension, Wittwen- und Waisen
Versorgung, Unfallversicherung.)
These 4.
Herr Pätz-Alt-Scharbitz empfiehlt wie in Sachsen Pfleger-
heime einzurichten.
Herr Ludwig-Heppenheim spricht sich gegen Pflegerechnlen
aus. Hierauf wird These 4 unverändert einstimmig angenommen.
Nach einer Frühstückspause deinonstrirt
Herr S c h ü 1 e- Ulenau Essgeschirre aus Brodteig gefertigt, welche
sehr handlich aussehen und sich sicher in vielen Fällen, wo alles
versagt, mit Erfolg werden anweuden lassen. Der Kranke isst aus
dem Geschirr und kann es unbedenklich mitaufessen.
Herr S i e m e r 1 i n g - Tübingen : Ueber die Verän¬
derungen der Pupiilenreaction bei Geisteskranken.
Die früher allgemein als wichtiges Symptom der Geistes¬
krankheiten angesehene Pupillendifferenz verdient diese Be¬
achtung in dem Umfange, als man geglaubt hat, keineswegs.
Pupillcndiffcrenz kommt bei Gesunden ohne nachweisbare Ursache
vor, sie kann vorhanden sein ohne jeden Zusammenhang bei
functionellen Nervenkrankheiten und Allgemeinleiden der ver¬
schiedensten Art.
Die reflectorische Pu pillenstarre steht, was Wich¬
tigkeit und Häufigkeit anlangt, in erster Linie. Bei der pro¬
gressiven Paralyse fand sie sich in 3ül0 Fällen 2084 mal
= '»8 Proc. Sie bildet ein Früh Symptom dieser Erkrankung,
kann derselben als anscheinend isolirtes Symptom länger als 10 Jahre
vorausgehen. Sehr häufig finden sieh bei der reflectorischen Papillen¬
starre Veränderungen des Knicphaenomens, namentlich
das Wcstphal’sche Zeichen. Ihr Vorkommen ist meist
doppelseitig (eine Pupille vollkommen starr, die andere minimal
reagirend). Dauernde einseitige Starre ist ausserordentlich selten.
Die Form der Pupille ändert sich: dieselbe wird eckig,
ausgezackt, elliptisch.
Zuweilen lässt sich eine bestimmte Gesetzmässig¬
keit der Verlaufsweise feststellen: Parese der Lichtreaction,
Pupillenstarre, Accoimnodationsparese, endlich AecoiumodatioDS-
paralyse.
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3. November 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1085
Die sogenannte qualitative Veränderung der reflec-
torischen Pupillen starre (Gowers) ist selten, fand sich
einige Male bei Paralyse ohne Tabes. Ausserordentlich selten ist
die Umkehrung dqs Pupillenreflexes, die paradoxe
Reaction. Häufig ist die sogenannte springende Mydriasis.
In bereits ausgesprochenen Fällen ist dieses ausgezeichnet zu be¬
obachten. Eine Anzahl von Curven, welche das Verhalten der
Pupillcnweite zu verschiedenen Tageszeiten registriren, zeigt diesen
lebhaften Wechsel der Pupillengrösse innerhalb eines Tages. Zu¬
weilen wird die springende Pupille als der Paralyse lange voraus¬
gehendes Symptom beobachtet. Doch ist ihr Vorkommen auch
bei Gesunden, Neurasthenikern, anderweitigen Erkrankungen er¬
wiesen.
Hippus ist bei Paralyse selten. Ausserhalb der Anfälle
war derselbe nur in 2 Fällen zu beobachten.
Ausserhalb der progressiven Paralyse ist die
reflectorische Pupillenstarre selten. Unter 9160
Geisteskranken fand sich 1639 mal dieses Symptom in 1524 Fällen
(92,0 Proc.) von progressiver Paralyse, 29mal (1,7 Proc.) bei
Tabes mit Psychosen, 19mal (1,1 Proc.) bei Dementia senilis,
17 mal (1,0 Proc.) bei Syphilis des Centralnervensystems, 19 mal
(1,1 Proc.) bei Herderkrankungen, 15mal (0,9 Proc.) bei Alko¬
holismus, lmal (0,06 Proc.) bei Kopfverletzungen, 4 mal (0,2 Proc.)
bei Epilepsie, 4 mal bei Hysterie, 7 mal (0,3 Proc.) bei Paranoia.
Bei der Syphilis beobachtet man das Auftreten rcflectorischer
Pupillenstarre, ohne dass Erscheinungen von Seiten des Nerven¬
systems sonst vorhanden oder voraufgegangen sind. Das Vorkommen
der reflectorischen Pupillenstarre nach Kopfverletzungen ist
noch eine offene Frage. Es ist noch kein Fall beobachtet, wo
wirklich mit aller Sicherheit dieses Symptom als mit der Ver¬
letzung in Zusammenhang stehend aufgefasst werden konnte. Die
Frage, ob nicht schon vor der Verletzung reflectorische Pupillen¬
starre bestanden hat, ist meist nicht mit Sicherheit zu beantworten.
Ebenso ist es noch unentschieden, ob bei der Hysterie
Pupillen starre im Zusammenhang mit dieser vorkommt. Die mit-
getheilten Fälle sind alle nicht lange genug beobachtet, um den
Ausbruch weiterer Störungen auszuschliessen. Dasselbe gilt für
die Fälle von Paranoia, in welchen reflectorische Pupillenstarre
constatirt wurde. Auch hier genügte die Beobachtungszeit keines¬
falls, um zu einem abschliessenden Urtheil zu gelangen.
Im Hinblick auf diese Befunde bei Geisteskranken und auf
die Resultate der Untersuchungen von Uhthoff bei Nerven- und
Augenkranken ist es im höchsten Grade wunderbar, wenn von
einzelnen Autoren die reflectorische Pupillenstarre als beiläufiges
Vorkommen bei allen möglichen Erkrankungen, bei Gesunden an¬
gesehen wird.
Die reflectorische Pupillenstarre ist ein eminent
wichtiges Symptom und wenn es auch nicht immer zu den
schwersten Befürchtungen berechtigt (Tabes, Paralyse), doch als
Ausdruck einer Störung des Nervensystems volle
Beachtung verdient. Zwischen dem ersten Auftreten dieses Symp¬
toms und der nachfolgenden weiteren Erkrankung liegt oft ein
grosser Zeitraum. Die Länge dieses kann nicht die Auffassung
von der Zusammengehörigkeit der reflectorischen Pupillenstarre mit
der nachfolgenden Erkrankung erschüttern.
Was die sonstigen Veränderungen der Pupillcnreaction bei
Geisteskranken anlangt, so sieht man bei E pi 1 ep ti k ern ausser¬
halb ihrer Anfälle nicht selten Differenz und auffallende
Weite als Vorboten oder als nachfolgende Erscheinungen des
Anfalles.
Die Pupillenstarre während eines epileptischen Anfalles dient
mit Recht als Hauptunterscheidungsmerkmal dieses von einem
hysterischen Krampfanfall. Bei der Combination von Epilepsie
und Hysterie ist auch das Verhalten der Pupillen in den wirklich
schweren Krampfanfällen ein verschiedenes. Bei Hysterie und
Hystero-Epilepsie sind die Pupillen im Beginne des Anfalles
von gewöhnlicher Weite, nicht selten eng, im tonisch-klonischen
Stadium erweitet, häufig hier Oscillationen. Diese sind im Stadium
des Deliriums oder der Attitudes passioneis ausgezeichnet vorhanden.
Der von Haab sogenannte Hirnrindenreflex der
Pupille hat bisher bei Geisteskranken keine weitere Untersuchung
erfahren. Die wenigen Angaben, welche über ihn vorliogen, sind
widersprechend.
Die Einwirkung sensibler Reize auf das Verhalten
der Pupillen ist von Moeli bei Geisteskranken studirt. Das
Fehlen dieses Reflexes bei der Paralyse fiel in der Regel mit
reflectorischer Pupillenstarre zusammen. Die Reactionszeit bei
diesem Reflex ist nach Untersuchungen von Buccola herab¬
gesetzt bei der Paralyse und anderen Erkrankungen des Nerven¬
systems.
Sehr lebhafte Pupillenreaction wird vereinzelt
beobachtet.
Zuweilen kommt sie vor nach weitgehenden Circulations-
störungen (Strangulation, epileptischer Insult), einige Mal war sie
zu sehen bei Morphinisten nach Entziehung des Morphiums.
Zum Schluss wird die Frage nach dem Sitz der reflec¬
torischen Pupillenstarre erörtert. Es ist bisher nicht
gelungen, eine bestimmte Kerngruppe im Oculomotorius oder in
dessen Nähe als Centrum des Reflexes zu finden.
Die Pupillarfasern verlaufen im Opticus als besondere Fasern,
kreuzen sich im Chiasma partiell und nehmen dann nach Ver¬
lassen des Tractus sehr wahrscheinlich einen verschiedenen Verlauf,
(cf. Massaut’s Arbeit im Archiv für Psychiatrie.)
In jedem Tractus finden sich Pupillarfasern beider Augen.
Discussion: Herr Moeii-Herzberge: Bei Veränderung des
Kniephaenomens (Verstärkung oder Fehlen desselben) finden sich
häufig auch Veränderungen im Verhallen der Pupillen. Massaut's
Untersuchungen sind nicht als bewährt anzusehen.
Herr Mendel-Berlin hält daran fest, dass bei dem iridecto-
mirten neugeborenen Thiere, das Ganglion habenulae atrophirt.
Herr König-Dalldorf berichtet über den Sectionsbefund in
einem Falle von Paranoia, bei dem längere Jahre vor dem Tod
Pupillenstarre bestanden hatte.
HerrSiemerling(Schlusswort): Stimmt mit Moeli Überein, was
die Veränderung der Pupillenreaction bei gesteigertem Kniephaenomen
betrifft. Mendels Befund am Ganglion habenulae kann er nicht
anerkennen,
Mendel- Berlin: Die Geisteskranken im bürgerlichen
Gesetzbuche nach den Beschlüssen des Reichstages.
Im § 1739 des ersten Entwurfes des bürgerlichen Gesetz¬
buches war den Geistesschwachen eine besondere Stellung den
Geisteskranken gegenüber gegeben worden, durch welche die Ent¬
mündigung der Geistesschwachen unmöglich gemacht wurde. Die
2. Commission hat auf Anregung Mendel’s die Möglichkeit,
auch die Geistesschwachen zu entmündigen, dadurch herbeigeführt,
dass sie dieselben neben die Geisteskranken in § 6, 1, gestellt
hat, wenn ßie auch durch den § 114 diesen Geistesschwachen
eine gewisse Geschäftsfähigkeit, die Geschäftsfähigkeit eines Min¬
derjährigen, eingeräumt hat.
Nach dem preussischen Landrecht müssen Wahn- und Blöd¬
sinnige unter Vormundschaft gestellt werden, nach dem § 6 des
bürgerlichen Gesetzbuches können Geisteskranke entmündigt
werden. Dadurch wird in Zukunft jene erhebliche Zahl von
Entmündigungsverfahren vermieden werden, welche jetzt mit nicht
geringen Kosten für den Staat oder für die Betheiligten durch¬
geführt werden. Es können in Zukunft auch manche Geistes¬
kranke vor der Entmündigung bewahrt werden, welch’ letztere
jetzt ihre wirtschaftliche Stellung in hohem Grade gefährdet,
ohne dass die Geisteskrankheit selbst es erforderte.
Die §§ 104 und 105 präcisiren entsprechend den Vorschlägen
des Vortragenden die Geschäftsunfähigkeit in gleicher Weise wie
in § 51 des deutschen Strafgesetzbuches die Zurechnungsfähigkeit.
Mit der Fassung dieses Paragraphen sind auch die Dilucida intcr-
valla beseitigt. Wie beim § 51 des Strafgesetzbuches wird auch
hier dem Arzte lediglich die Aufgabe zufallen, zu sagen, ob eine
krankhafte Störung der Geistesthätigkeit vorhanden war, während
es dem Richter überlassen bleiben muss, ob die freie Willens¬
bestimmung durch die nachgewiesene krankhafte Störung der
Geistesthätigkeit ausgeschlossen war. Es ist danach möglich, dass
eine im psychiatrischen Sinne geisteskranke Person unter gewissen
Umständen auch nach dem neuen Gesetz eine Willenserklärung
abgeben, z. B. ein Testament errichten kann.
§ 382 ist wichtig, als er zum Ersätze eines Schadens, welcher
durch einen Geisteskranken angerichtet worden ist, Denjenigen
verpflichtet, welcher die Führung oder Aufsicht durch Vertrag
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1086
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
übernimmt. Darunter würden demnach die Directoren der Irren¬
anstalten fallen.
§ 1333 gestattet die Anfechtung einer Ehe seitens des Ehe-
gattens, der zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung
über solche Umstände bestimmt worden, die ihn bei Kenntniss der
Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe
von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden.
Unter diesen Paragraphen würde die Verschweigung von
früherer Geisteskrankheit, Epilepsie und dergleichen fallen können.
Auch über die parlamentarische Geschichte des £ 15G9, die
Ehescheidung wegen Geisteskrankheit betreffend, berichtet Mendel
eingehend. Zum Schluss bespricht er noch den § 1906 über
die vorläufige Vormundschaft und betont, dass die Gesaiumtheit
der Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches, soweit sie Geistes¬
kranke betreffen, dem zeitigen Stande der psychiatrischen Wissen¬
schaft voll entsprechen. (Nach einem Autorreferat Mendel’s
im Neurolog. Centralblatt 1896, No. 20.)
Die Discussion wird abgelchnt, dagegen sprachen die ver¬
sammelten Irrenärzte auf Antrag Jolly's unter allgemeiner Zu¬
stimmung ihre Genugthuung und Zufriedenheit über das Zustande¬
kommen des grossen nationalen Werkes aus, das in jeder Richtung
den Forderungen der Psychiatrie entspreche.
Herr N i s s 1 • Heidelberg: Ueber die Veränderungen der
Nervenzellen nach experimentell erzeugter Vergiftung.
Unter Hinweis auf die bisherige Literatur und die Miss¬
erfolge der früheren diesbezüglichen Untersuchungen betont N.,
dass die heutigen positiven Ergebnisse den Fortschritten in der
Nervenzellendarstellungstechnik zu danken sind. Das Kunstproduct,
das früher eine so grosse Rolle bei diesen Untersuchungen spielte,
kommt heute nur wenig in Betracht. N. setzt an die Stelle der
im Gewebe vorkommenden Nervenzellen das Aequivalent dieser
Zellen. Unter diesem versteht er das mikroskopische Bild der
im Gewebe vorhandenen Nervenzellen des in einer bestimmten
Weise getödteten Thieres, das sich bei einer bestimmten Be¬
handlung unter bestimmten Voraussetzungen erfahrungsgemäss
mit einer gesetzmässigen C'onstanz ergibt. Die wenigen von dem
Aequivalentbild abweichenden Formen, die auf noch nicht erkannte
Einflüsse der Technik zurückzuführen sind, lässt er von vorn¬
herein unberücksichtigt, er schaltet sie gewissermassen aus. In
Folge dessen ist die Frage nach dem Vorhandensein von Kunst-
producten gegenstandslos, denn vorausgesetzt, dass alle Nerven¬
zellenbilder Acquivaleiitbilder sind, ist es klar, dass jede Ab¬
weichung vom Aequivalente nur ihre Ursache in der Zelle selbst
finden kann. Nach dieser Einleitung bespricht Vortragender kurz
die objeetiven Kenntnisse der Nervenzcllenanatomie, tritt dabei
namentlich für die Existenz wahrer Nervenfibrillen in der unge¬
färbten Substanz ein, weist auf die Wichtigkeit der Zellkerne hin,
deren Bedeutung noch immer nicht genug gewürdigt wird, und
betont, dass trotz unserer noch spärlichen Kenntnisse des Nerven-
zellenbaucs der Zustand des Acquivalentbildes eine klare Vor¬
stellung von den Zellveriinderungen gibt, wenn eine Schädlichkeit
auf das Ccntralorgan eingewirkt hat. Er führt aus, dass von
allen das Ccntralorgan schädigenden Einflüssen die Schädigung
durch Gifte den nicht hoch genug zu schätzenden Vorzug hat,
dass die Ergebnisse der Schädigung eindeutig sind, d. h. dass die
resultirenden Abweichungen vom Aequivalentbild ausschliess¬
lich Giftwirkung sind.
In Folge dieser Eindeutigkeit der Ergebnisse ist der Ver¬
giftungsversuch nach den verschiedensten Seiten zu verwerthen.
Je nach der Versuchsanordnung gewinnen wir nach der histo-
pathologischen Seite Aufschlüsse über die Unterschiede von schwerer
und leichter, von acuter und chronischer Erkrankung, über
Regenerationsvorgänge, Genesungsproeesse u. s. f. Weiterhin
lässt sich diese Frage nach dem Verhalten der Zelleuveränderungcn
bei Einwirkung von verschiedenen Schädlichkeiten durch geeignet
angestellte Versuche beantworten. Auch werden auf manche
heute noch dunkle Punkte rein anatomischer Verhältnisse die
vielen Zustände, in denen sich vergiftete Zellen präsentiren, ein
günstiges Licht werfen. Abgesehen aber von diesen Nebenergeb¬
nissen ist die Frage nach der anatomischen Grundlage der Ver¬
giftung an sich wichtig genug, um genau untersucht zu werden.
Die bisherigen Untersuchungen hatten vor Allem die Beantwortung
dieser Frage zum Ziele.
Die Untersuchungen des Vortragenden unterscheiden sich
aber in diesen Punkten wesentlich von den übrigen. Für ihn ist
die Feststellung der Veränderung nach Vergiftung ein Mittel, m
weitere Ziele zu erreichen. Er führt aus, dass er heute allerdings
noch nicht so weit ist, um die Ergebnisse dieser Untersuchung
als ein wissenschaftliches Erkenntnissmittel verwerthen zu können,
es sei dies aber nur eine Frage der Zeit.
Der Zweck des Vortrags ist, dem Zuhörer die Tbauicheri
vorzuführen, die nothwendig sind, um sich auf Grund eigener
Anschauungen, ein vollständiges i’rtheil zu bilden, in wie «eit
der ausgeführte Gedankengang und die"Schlüsse richtig sind, die
Vortragender aus dem Ergebniss se iner Untersuchungen gezogen hat.
N. demonstrirt nun mit dem Skiopticon ein Präparat.
Es worden die grossen motorischen Zellen des Vurderhbrns des
Kaninchens nach Strychnin, Veratrin, Arsen, Alkohol, Pb"sphur.
Toxin des Tetanus, die motorischen Vorderhornzellen und di.
Purk inj e’sehen Zellen vom Hund nach Trional, die Purk in-
je’sehen Zellen und Spinalganglien-Zellen des Kaninchens nach
Blei, Sympathicuszellen des Kaninchens nach Arsen und Rinden¬
zellen und Rindenabschnitto des Kaninchens nach Alkohol, Mor¬
phium, Bleivergiftung gezeigt.
N. betonte die Verschiedenheit der Veränderung cleicher
Zellen bei Einwirkung verschiedener Gifte und zeigte durch seine
Uebersichtsbilder, dass sich die Veränderungen nicht an einzelnen,
besonders ausgesuchten Zellen etabliren, sondern an zahlreichen
Zellen des Gewebes äussern. Weiter suchte Vortragender durch
die Demonstration seine Behauptung zu belegen, dass das gleiche
Gift an verschiedenen Zellarten desselben Thieres sich verschieden
äussert. »Schliesslich machte er auf einige besonders wichtige
histopathologischc Symptome aufmerksam, so auf eine Veränderung
der Kerne, die sich dadurch charakterisirt, dass die Kerne kleiner,
homogener werden, sich tiefer färben und kugelig werden, und
weiterhin auf das wichtige »Symptom des Färbbarwerdens der nicht
färbbaren Substanz, ein Symptom, das beispielsweise auch bei der
Paralyse eine Rolle spielt. Endlich bei Demonstration des Diapo¬
sitiv der verschiedenen Zellarten macht er darauf aufuierk-am,
dass hei der Charakterisirung der verschiedenen Zellarten die
Anordnung der färbbaren Substanz nur ein Zeichen für die Ran
Verschiedenheit ist, nicht das Wesentliche.
Nach der Demonstration führt Vortragender aus, dass die
Verschiedenheit der Zellarten durch diese Untersuchungen be-
stätigt wird und dass aus der durch die Wirbelthierreihe sich
wiederholenden gesetzmässigen Vertheilung der verschiedenen Zell¬
arten hevorgeht, dass ein Zusammenhang der verschiedenen Zell-
arten mit den verschiedenen centralen Functionen besteht. Damit
aber sei die Grenze des anatomischen Erkenntnisses erreicht. Der
Grund, warum die Anatomie hier im Stich lässt, ist verständlich,
wenn man erwägt, dass die meisten grauen Massen aus Zellen
verschiedener Bauart bestehen. Diese elementare Tbatsache wurde
allerdings oft übersehen ; namentlich gelte dies auch für den Cor-
tex, dessen einzelne Centren auch Gomplexe von Zellen ver¬
schiedener Bauart sind.
Nun aber habe Vortragender festgestellt, dass verschiedene
Gifte auf die gleiche Zcllart verschieden wirken ; ebenso wie das
gleiche Gift verschiedene Zellarten verschieden beinflusst. And*■
seits stünden uns die Mittel zur Verfügung, die Ciftwirkang
klinisch und psychologisch zu analysiren.
Während mit der Anatomie allein der Function der ein
zelnen Zellarten nicht beizukommen ist, ist in der Verbindung
der klinischen und anatomischen Analyse ein Weg gegeben. <iir
gesetzmSssige elective Giftwirkung zur ^Feststellung der 1 hü u '
der einzelnen Zellarten und damit auch der Function ihrer "t'
liehkeit zu benützen.
Discussion: HerrF ürst er- Strassburg weist auf den Werth der
Carminmethode hin, bei der Paralyse findet man in den Vorderhörnern
zahlreiche schöne Ganglienzellen, die nicht erkrankt sein könne ,
auch klinisch machen sie kein Symptom. Wie können sich die ver
flüssigten Ganglienzellen wiederherstellen? . ■
Herr N i s s 1 - Heidelberg betont, dass mit Carmin nur
Theil der Zellen und auch kranke gefärbt werden und dass er .
Rückbildung erkrankter Zellen nicht bezweifle. Ausgeschlossen
dieselbe, wenn der Kern erkrankt sei.
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3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1087
Herr H i t * i g • Halle wünscht die Carminmethode nicht so ab*
sprechend beurtbeilt und weist auf eine mit der Carminmethode
hergestellte Arbeit aus seiner Klinik über Zellvacuolisirung nach
Kopftetanus hin. Sodann fragt er, da das Trional ein Mittel sei,
welches viel und mit Erfolg gegeben werde, nach der Dosis, die zu
den Vergiftungsversuchen benutzt wurde.
HerrNissl kann in der Vacuolen-Bildung nur Kunstproducte
sehen. Genauer gibt er die Dosen der Versuchsthiere nicht an,
die Trionalthiere sind am 10. oder 19. Tage gestorben.
Herr Siemerling-Tübingen weist auf die Ergebnisse der
CajaU sehen Methode bei Vergiftungen hin (Veränderungen in den
Fortsätzen) und fragt, ob Nissl dieselbe auch zur Anwendung
gebracht habe.
Herr Nissl kann sich von dieser Methode, welche er für
sehr werthvoll hält, einen Vortheil für seine Versuche nicht ver¬
sprechen.
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21. bis 26. September 1896.
Saction für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Dr. Gottschalk -Berlin.
V. Sitzung am 24- September, Nachmittags.
Vorsitzender : Herr Leopold-Dresden.
Herr P. Strass mann-Berlin: Ueber die Geburt der
Schultern und über Cleidotomie.
Meist ist bei der Geburt der Schultern keine Hilfe nöthig.
Oft wird zu früh eingegriffen, die nächste Wehe oder die Bauch¬
presse bringt sie heraus. Dammschutz ist aber erforderlich, da
auch die Schultern einen Dammriss machen können.
Der Mechanismus der Geburt der Schultern ist derselbe wie
der des Steisses bei Steisslagen: Die vordere Schulter tritt unter
den Arcus pubis, stemmt sich an, die hintere tritt über derfDamm.
Bei Ueberdrehung kann die Schulter der hinteren Seite zuerst
geboren werden und sich ansteimnen. — Dass die hintere Schulter
zuerst erscheint, sich auf den Damm stützt und die vordere dann
unter dem Arcus hervortritt, ist unwahrscheinlich. Bei der Ent¬
wicklung der Schultern wäre der Kopf daher zuerst nach abwärts
zu drängen.
Es empfiehlt sieh aber, sich der Expression in weitestem
Maassc zu bedienen. Diese kann die Hebamme, muss in schweren
Fällen der Arzt mit beiden Händen übernehmen. Die Schultern
werden dabei erst in’s und durch das Becken gebracht. Der
Druck hört auf, wenn die Schulter im Introitus sichtbar wird.
Dann kann in die Achsel eingehakt und in der bekannten Weise
der Rumpf extrahirt werden. — Ist die Expression vergeblich,
so folgt der Versuch, einen Arm herabzuholen. (Wichtig auch für
Missbildungen.) Dabei kann das Schlüsselbein fracturirt werden,
was die Geburt der Schulter bei frischer Frucht sehr erleichtert.
Der Haken ist zu verwerfen : bei hochstehender Schulter ist
er gefährlich, bei tiefer nicht nöthig. Sind Handgriffe vergeblich,
so ist Verkleinerung indicirt. Der Schultergürtel hat dann den
Beckeneingang noch nicht passirt. Darin besteht nicht so selten
auch die Ursache der verzögerten Austreibung des Kopfes. Auch
liegt darin die Erklärung für manche spontane Uterusruptur bei
tief im Becken stehendem Kopfe. Einen solchen Fall beobachtete
Strassmann bei einer 23jährigen Frau mit normalem Becken,
einer Frucht von 4100 g und 43,5 cm Schulterumfang.
Ist die Schulter nicht erreichbar oder nur mit gefährlichen
Manipulationen (bestehende Dehnung des unteren Segmentes) herab¬
zubringen, so ist es rationell, nach dem Vorgehen von Pheno-
menoff, das auch von Knorr schon befolgt ist, den biacromialen
Durchmesser zu verkleinern und mit Durchschneidung der Clavicula
den knöchernen Schultergürtel zu sprengen.
In 2 Fällen hat sich dies Verfahren sehr bewährt:
1. 37; IX. p. Allgemein verengtes Becken, kein lebendes Kind.
Nach der letzten Geburt Blasenscheidenfistel. Durch Operation geheilt.
Wegen drohender Ruptur bei 38,3 und 114 Pulsen, narbig verengter
Scheide, Zangenvereuch. Dann Perforation, Cranioextraction, Still¬
stand der Geburt. Schulter nicht herabzuleiten.
Cleidotomie. Arm nun leicht herabzuführen. 54 cm langes
Mädchen, 3700 gr, 41 cm Schulterumfang. Wochenbett normal.
2. 32; Ip. Allgemein verengtes Becken;— nach viertägiger
Geburtsdauer, (38,0, Puls 126). Perforation des töten Kindes. Schalter
manuell nicht zu entwickeln, da Achsel nicht erreichbar.
Cleidotomie. Expression. — Wochenbett normal.
Die Operation ist schonend und leicht und dürfte die Exen¬
teration fast immer überflüssig machen. Die einseitige Cleido¬
tomie wird, wie es nach den obigen Fällen scheint, genügen, aus¬
nahmsweise kann sie doppelseitig gemacht werden.
Herr Gottschal k-Berlin: lieber die Castrationsatrophie
der Gebärmutter.
Einleitend betont Vortragender die Lückenhaftigkeit dessen,
was wir über die pathologisch-anatomischen Veränderungen des
Uterus nach der Castration und über die Ursache der Castrations¬
atrophie wissen. Er berichtet dann an der Hand von mikro¬
skopischen Präparaten über Untersuchungsbefunde, die er an einem,
3 Jahre nach der Castration bei einer 34jährigen Frau von ihm
exstirpirten, hochgradigst atrophischen Uterus gewonnen hat.
Die Indication für die doppelseitige Adnexexstirpation hat
8. Zt. schwere gonorrhoische Eileitererkrankung abgegeben, die¬
jenige für die Exstirpation des Uterus unstillbare, dünnflüssige,
mehr wässerige Absonderung aus dem Uterus, die 1 Jahr nach
der Castration zuerst in Gestalt vicariirender Menstruation auf¬
getreten war, zuletzt aber fast ununterbrochen anhielt und die
Frau aufs äusserste erschöpft hatte. Der Uterus war 1 */2 Jahre
nach der Castration von 8 auf 5 cm und bei der Exstirpation
bis auf 4 */a cm ganze Höhleulängc geschrumpft, der Halscanal
maass noch 2 cm. Die maximale Dicke der Uteruswand betrug
1 cm, die der Schleimhaut 0,5 cm. Die Uterusmusculatur auf¬
fallend blass, die Schleimhaut blassrot. Die histologischen Ver¬
änderungen in Folge der Castration sind an Corpus und Cervix
verschiedengradig und verschiedenartig.
1. Am Corpus:
A) Die Schleimhaut: Hochgradigste Atrophie, besonders an
der vorderen und hinteren Wand, weniger in den Kanten und dem
eigentlichen Gebärmuttergrunde. Das Oberflftchenepithel hochgradigst
abgeplattet, stellenweise einem ganz schmalen Endothelsaume gleichend,
der sich leicht von seiner Unterlage abhebt. Flimmerbesatz fehlt;
ebenso an dem kubischen Drüsenepithel. Die Drüsen an der vor¬
deren und hinteren Wand znm Theil zu Grunde gegangen, die hier
übrig gebliebenen sind kurz und fast ohne Lichtung, münden frei
an der Oberfläche. In den Kanten und vor Allem in der Wand
des Fundus uteri sind die Drüsen au Zahl kaum verringert, aber
gerade gestreckt ohne jegliche Abzweigung bezw. Schlängelung und
von enger Lichtung. In den Kanten finden sich einzelne Drflsencrypten.
Die Drüsen erstrecken sich hier und besonders in der Wand des
Fundus abnorm tief in die Musculatur; hier stellenweise so tief,
dass */s der Drüse der Schleimhaut, 2 /s der Musculatur angehört.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Hydrorrhoe hierin ihre Er¬
klärung findet. Neben der geringen Höhe der Schleimhaut gibt sich
ihr Schwund am auffallendsten in der Verarmung des Zwischen¬
drüsengewebes an zeitigen Bestandteilen und relativen Vermehrung
der aber auch sehr locker gefügten fibrillären Substanz zu erkennen.
Die Schleimhautcapillaren von schwacher Füllung. Die Schleimhaut
entbehrt jeglicher entzündlichen Reaction, dagegen finden sich in
den Zellleibern Fettkörnchen.
B) Die Musculatur .ist im Vergleich zur Schleimhaut ziem¬
lich gut erhalten; wenn sie auch quantitativ gegen die Norm ver¬
loren hat, so bewahrt doch die einzelne Muskelzelle ihre typische
Beschaffenheit und bleibt im Ganzen nicht weit unter Durchschnitts¬
grösse. Auch sie weist Fettkömeheninfiltrationen auf. Das inter-
musculäre-fibrilläre Bindegewebe ist vermehrt.
2. Am Cervix:
A) Die Schleimhaut ist hier weit besser erhalten, vor allen
Dingen höher, die Falten springen schon makroskopisch deutlich
hervor. Das Grundgewebe ist weit zellenreicher, das Oberflftchen¬
epithel, wenn auch cubisch und ohne Flimmerbesatz, so doch
gleichmässig und typisch geblieben, auch das cubische, flimmer¬
lose Drüsenepithel von gleichmftssig hübschem Aussehen und gut
tingirbarem Kernkörper.
B) Die Musculatur ist hochgradiger atrophisch wie am
Corpus. Die einzelne Muskelzelle bleibt stark hinter normaler Durch¬
schnittsgrösse zurück, so dass sie stellenweise von einer schmalen
Bindegewebszelle kaum unterschieden werden kann. Sicherlich
kommen hier regressive Umwandlungen einzelner Muskelzellen zu
Bindegewebsfibrillen vor; auch hier ist das interrausculäre-fibrill&re
Bindegewebe vermehrt.
Das Plattenepithel an der Aussenfläche der Vaginalportio ist
gut erhalten.
Die Gef äs se des Uterus sind an Zahl nicht merklich ver¬
mindert. Eine Endarteriitis obliterans lässt sich an ihnen nirgends
mit Bestimmtheit wahrnehmen, auch keine hyaline Entartung;
speciell ist die Media an den grösseren Arterien verhftltnissmässig
kräftig geblieben.
Auffallend sind dagegen dieEnge der Lichtung an vielen
grösseren Gefässen bei starker Faltung der Intima und dürf.
tiger Blutfüllung.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.l
Bezüglich der Ursache der Castrationsatrophie fand G.
keine Anhaltspunkte für die Auffassung, dass die Ausschaltung
der Spermaticalanastomose bezw. als deren Folge eine Endarteriitis
obliterans (Benckiser) die Atrophie verschulde. Die Endarteriitis
obliterans sei nicht constant, Verödung der uterinen Spermatical¬
anastomose habe keine Uterusatrophie zur Folge. Auch eine
Nervendegeneration war am Uterus nicht nachweisbar, so dass
auch hierin die Ursache der Atrophie nicht liegen könne.
Dagegen wiesen die überall deutlichen und sehr auffallenden
Contractionszustfindc an den uterinen Gefässen darauf hin, dass
nach der Castration der Tonus der Gefässwandung
dauernd erhöht bleibe und es werde so die dürftige Füllung
der Blutgefässe erklärt. Der Uterus bedürfe, solle er die ihm
im gcschlechtsreifen Alter zukommende Grösse und Consistenz
bewahren, des für ihn nutritiv-stimulirenden Vorganges der Ei¬
reifung, durch den periodisch eine Erschlaffung der uterinen Vaso¬
motoren und damit eiu periodischer Conflux ausgclöst werde; er¬
lösche aber der Ovulationsproccss, sei es natürlich, sei es künst¬
lich, so falle die j>eriodische Erschlaffung seiner Vasomotoren und
damit der periodische stärkere Blutzustrom weg, die uterinen
Gefässwandungen verharren im gleichmässig gesteigerten Tonus,
in Folge davon werde die Blutzufuhr zum Uterus eine ungenügende
und das Organ verfalle der Atrophie.
Als einzige anatomisch nachweisbare Ursache für die Hyd-
rorrhoe sei nur das abnorm tiefe Hineinragen der Drüsen in die
Musculatur des Fundus aufzufinden gewesen. Mikroorganismen
konnten im Gewebe und in den Drüsen nicht nachgewiesen werden.
Auch waren keine Spuren den abgelaufenen Gonorrhoe mehr zu
erkennen. (Mikroskopische Belegpräparate werden demonstrirt.)
Herr Schaeffer- Heidelberg: a) Ueber die Verwerth-
ung der nicht drainirenden imprägnirten Gace bei Post¬
partum- und parenchymatösen Höhlenblutungen. (Veröffent¬
licht in No. 40 dieser Wochenschrift.)
b) Verwerthung der nicht drainirenden imprägnirten |
Seide.
Die sich mit Blutwasser vollsaugende, gewöhnliche entfettete
Beide wird durch diese Eigenschaft, selbst wenn sic gut
8terilisirt und die Epidermis thunlichst mechanisch und antiseptisch
sterilisirt ist, weiterhin leicht zum Brutboden nachträglich ein¬
dringender Keime.
Die mit Guttapercha imprügnirte Seide nimmt Atlas¬
glanz und die guten Eigenschaften des Silkworm an, behält aber
dabei ihre Weichheit, ohne Flüssigkeit aufzusaugen.
c) lieber eine Modification der Bauchnath auf ana¬
tomischer Basis.
Bisher wurde nicht genug die Nach-Innenleitung der
äusseren Fascienschichten gegen dieFascia transversa bei der Ver¬
einigung der Bauchschnittwundränder beachtet, daher keine eigent¬
liche Restitutio der Linea alba ad integrum. Am bedeutendsten
unterhalb der Linea Spigelii.
Desshalb Nahtanlegung mit doppelt armirtem Faden derart,
dass jede Nadel, nachdem die. beiderseitigen Ränder der Fascia
transversa -j- Serosa in die Wunde emporgezogen sind, ca. 2 cm
weit vom Rande durch die Serosa, Fascia und die unterste Muskel¬
randschicht im Bogen in die Wunde zurückgeschoben, derart, dass
sie aus der Muskel wundfläche wieder zu Tage treten.
Die Fäden werden jetzt beiderseitig parallel der Muskel¬
wundfläche emporgeführt, die Nadeln dann aber, ebenso wie unten,
durch die obere Muskelrandschicht und durch die ganze Fascien-
schicht im Halbbogen geführt, sodass der Ausstich wieder ca 2 cm 1
weit von dem Wundrande entfernt stattfindet.
Beim Zusammenziohen der Ligatur wird schon spontan auch
die obere Fascie einwärts gekrempt, sodass ihre Wundränder
denen der Fascia transversa — zwischen den Muskeln hindurch
— entgegengedrückt werden. Die mitgefassten Muskelrandschichtcn
unterstützen dies. Sodann tieffassende Schlussnaht.
Herr C- J a c o b y - Strassbarg: Ueber das Sphacelo*
toxin, den wirksamen Bestandtheil des Mutterkorns.
J. theilt mit, dass er aus dem Mutterkorn drei Substanzen
isolirt habe, welchen die von Robert beschriebene Wirkung der
Sphacelinsäure auf den Hahnenkamm znkommt, und welche gleich¬
falls die motorische Function des Uterus im Sinno des Mutter-
| korns erregen. Diese Substanzen sind das Chrysotoxin, daa
Secalin-toxin und das Sphacelo toxin. Bei der Untersuchung
ergab sich, dass das N freie Sphaeelotoxin (bereits in Gaben von
5 mg am Hahne wirksam) es ist, welches in Verbindung mit dem
an sich unwirksamen, eine phenolartige Verbindung von der Formel
C 21 H 22 0 o darstellenden Ergochrysin das Chrysotoxin , mit dem
krystallisirt ebenfalls an sich unwirksamen Alkaloid Secalin das
im Sinne des Sphacelotoxins wirksame Alkaloid Secalintoxin bildet.
Dieses letztere, welches mit dem von Keller als Cornutiu be¬
schriebenen Alkaloid identisch sein dürfte, hat, da ihm Krampf-
Wirkungen durchaus fehlen, mit dem Cornutin Kobert’s nichts
zu thun. Da das Sphaeelotoxin sich sehr schnell zersetzt, ebenso
das Secalintoxin nicht die nöthige Haltbarkeit besitzt, dagegen das
Chrysotoxin nach den bisherigen Erfahrungen sich unverändert
über Jahre wirksam erhält, und seine Natriumverbindung in Wasser
löslich, zur subcut. Injection sich eignet, so dürfte diese Verbindong
des Sphacelotoxins mit dem Ergochrysin für die praktische An¬
wendung am brauchbarsten sein. (Es ist dies Chrysotoxin das vor
zwei Jahren von J. als Sphaeelotoxin (Spasinodin) bezeichnet«
Präparat, welcher Name damals gewählt wurde weil es das reine
wirksame Princip des Mutterkorns zu sein schien, was, wie er¬
wähnt, sich nach den weiteren Untersuchungen als irrthümlich
erwies).
Bei Versuchen an Hunden und Katzen liess sich durch Gaben
von 0,2 g auch in der Mitte der Schwangerschaft prompt und
ohne Nachtheil für das Mutterthier der Abort herbeiführen, aber
selbst in Gaben von 1 — 1,5 g trat keine dauernde Benachtheilignng
der Versuchsthiere ein.
Das Chrysotoxin wird von der Firma F. C. Boehrin-
ger & Söhne in Waldhof hergestellt werden.
Herr Gustav Kl ein- München: Zur normalen und
pathologischen Anatomie der Gärtner’sehen Gänge.
Ueber den V'erlauf des Anfangsstückes der Gärtnerischen
Gänge herrscht Uebereinstimmung; sic verlaufen zunächst parallel
der Tube bez. dem Uterus-Horn beim Weibe und bei Haussäuge-
thicreu im Lig. lat. Zu Demonstrationen eignen sich besonders
die Genitalien von Schweinen; man sieht bei ihnen die Gänge oft
deutlich als Stränge, manchmal atrophiren sie streckenweise unter
Zurücklassung perlen-ähnlicher Reste: Anlage zur Bildung unilocu-
lärer Cysten. — Im weiteren Verlaufe senken sie sich in die
Uterus-Wand seitlich in verschiedener Höhe ein; in der Wand des
unteren Corpus-Absclmittes und der Cervix bilden sie schlauch¬
förmige Sprossen und Schleifen : die Grundlage der in der Würz¬
burger Klinik, dann von Breus, zuletzt besonders von Reck¬
linghausen und Freund beobachteten «cyetischen Myome»
und Adenome der Muskelwand des Uterus. Aber sie können auch
einkammerige, dünnwandige Cysten bilden, die den Parovarial-
Cysten sehr ähneln , sich jedoch von ihnen durch ihr Ausgehen
von der Uterus-Wand selbst unterscheiden. Sic haften ihr so
innig an, dass es K. in 2 Fällen (darunter 1 mal bei Gravidität
im 3- Monat) nicht gelang, sie vom Uterus operativ loszubringen;
Reste mussten Zurückbleiben, um den Uterus zu conserviren.
Das Endstück der Gärtner ’ sehen Gänge verläuft neben der
Scheide (seitlich, oder mehr vom bezw. uüten) bis zum Hymen,
bezw. bis zum Sinus urogenitalis (Schwein) und mündet am Hymen
in die Scheide (Groschuff und K.) bezw. in den Sinus dicht
am Ende der Scheide; dieses Verhalten entspricht entwickeluDgs-
geschichtlichen Thatsachen und licss sich, entgegen N a g e 1’s An¬
schauung, beim erwachsenen Schwein makroskopisch durch Frei-
präpariren der Gänge vom Lig. lat. bis zum Sinus urogenitalis
(Kullinger) und durch ununterbrochene Schnittserien vom Lig-
lat. bis zum Sinus (Schwein') nachweisen. Damit ist es auch er¬
wiesen , dass Scheiden-Cystcn, oder richtiger paravaginale Cysten,
und Hymen-Cysten von diesen Gängen abstammen können.
Discussion: Die Herren: v. Herff, Pfannen stiel, Fl»t*u
und Klein.
Herr K ö t s c h a u • Köln : Ueber Endothelioma ovaffi-
Vortragender bespricht einen von ihm Mitte Juni 189ü operirten
Fall von E. beider Ovarien bei einer 54 jährigen III. p. 8larl£ a :’
gemagerten Patientin, welche seit August 18 l .*5 über * une ^ e "
Leibschmerzen und sich beständig steigerndes Erbrechen »lajw-
Die radicale Exstirpation der Tumoren war nicht schwierig, der
Verlauf post operationem ohne Störuug, Fieber und Schmerzen.
3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1089
Am 9. Juli 1896 wurde die Patientin bei leidlichem Befinden ent¬
lassen, kam jedoch Ende Juli mit der Klage erneuter Anschwellung
des Leibes wieder, welche innerhalb weniger Tage so stark wurde,
dass der heftigen Athembeschwerden wegen Punctio abdominis
nöthig wurde, die nach weiteren 8 Tagen wiederholt werden musste.
Wenige Tage nach der 2. Punction trat der Exitus ein. Der Ver¬
lauf war also ein ungemein bösartiger und schneller, für Sarkome
gewissermassen charakteristischer. Makroskopisch bieten der über
mannskopfgrosse linke und der kinderkopfgrosse rechte Tumor
wenig Auffallendes; der Inhalt besteht aus zahlreichen Detritus¬
massen; es finden sich uni- und multiloculäre Cysten, nirgends
Follikel, nirgends normales Bindegewebe. Die Tumoren haben die
Form und Gestalt des Ovarium, die ja bei Sarkomen meist bestehen
bleibt, beibehalten. Mikroskopisch lassen sich schnittweise die
Uebergftnge des Bindegewebes in epithelartige Zellen einerseits und
in die diffuse Wucherung der Endothelien der lymphatischen Spalt¬
räume im Bindegewebe andererseits nachweisen. Der das ganze
Ovarium verändernde Tumor besteht aus nicht mehr normalen,
keine Follikel enthaltenden bindegewebigen Stroma mit zahlreichen
capillären Wucherungen der Endothelien und aus einer massen¬
haften Anhäufung von epithelialen Zellen, welche sich in Form der
so unendlich verschiedenen Zellschläuche gruppiren. Auffallend ist
bei dem Präparat das Fehlen von Blutkörperchen oder Resten dieser
in den Zellschläuchen.
Vortr. glaubt trotz der wiederholten warmen Befürwortung
der Operation von anderen Seiten sich in den Fällen, wo starke
Cachexie besteht, wie im vorliegenden Falle, gegen eine solche
aussprechen zu müssen , da die Erleichterung eine zu kurze, um
sich mit der Schwere des Eingriffes rechtfertigen zu lassen.
Herr Ko e t s chau - Köln : Ueber einein der Literatur
unbekannte Dartnaffection.
Vortr. hat vor 4 Jahren das Präparat bei einer Section ge¬
wonnen; es besteht aus einer vollständigen Dissocation des Darmes
in der Tunica nervea in einem äusseren und inneren Cylinder. Es
ist wahrscheinlich, dass eine Peritonitis chronica adhaesiva recrudes-
cens den Ausgangspunkt für ein entzündliches Oedem der Darm¬
wandungen bildete, so durch den stattgehabten Lympherguss sich
eine Dissocation bildete (Tunica nervea) und zwar um so leichter,
als die Serosa durch die chron. Peritonitis und die Adhaesion und
Aufknäuelung des Darmes (Peritonitis retrahens) stark aufgelockert
war, so dass Mucosa und Submucosa in leichten Falten lagen. Der
Fall ist genau im Centralblatt für pathologische Anatomie besenrieben.
Herr Eber hart -Köln: Ueber den Wert der Lami-
nariabehandlung.
Nach Ansicht des Vortragenden findet die Dehnung mit
Laminaria nicht genügend oft statt. Abgesehen bei den Dehnungen
bei Stenose sollte dieselbe häufiger vor den Curettements geschehen,
die entschieden zu oft gemacht werden.
Der Gebrauch von kleinen Curetten ist aus verschiedenen
Gründen nicht zu empfehlen. Selbst vor einfachen Cürettcments
wegen haemorrhagischer Endometritis legt Vortragender Abends
zuvor einen Laminariastift ein, auch wenn die Endometritis mit
Ausstopfungen behandelt werden soll. Ferner dürfte es sich
empfehlen bei Behandlung der Endometritis exfoliativa, um dann
längere Zeit das Endometrium mit Medicamenten zu behandeln.
Auf alle Fälle ist bei Retentio {>03t partum stets auf Finger¬
dicke zu dilatiren, um genau abzutasten und die Ursache der
Blutungen zu entdecken, damit man nicht unnöthig sonst irgendwo
kratzt.
Auch ist ebenfalls behufs digitaler Abtastung Dilatation mit
Laminaria vorzunehmen, wenn schon einmal erfolglos ausgekratzt
wurde. Bei Stenosen, specicll solchen des inneren Muttermundes
und der meist daraus entstehenden Dysmenorrhoe ist Laminaria-
dilatation bis Fingerdicke mit Ausstopfungen von grossem Nutzen.
Auch hier Dehnungen mit intrauteriner Kathode. Auch bei Be¬
handlung der Sterilität, sei Stenose des I. M. M. die Ursache
davon, oder Endometritis oder beide zusammen, hat mau von der
empfohlenen Dehnung gute Erfolge. Auch wenn schon eine Ge¬
burt stattgefunden, ein oder mehrere Aborte da gewesen und
darauf längere Jahre Sterilität vorhanden waren, trat nach Dehnung
mit Laminaria und Behandlung der Endometritis Gravidität ein.
Der Dehnung mit Laminaria zwecks Abtastung des Cavum
uteri bei malignen Neubildungen möchte Vortragender weniger das
Wort reden, hier stimmt er mit Gessncr vollständig überein
und ist hierfür das Probeeurettement.
Grossen Nutzen hat dagegen wieder die Laminaria bei Ein¬
leitung der künstlichen Frühgeburt und des künstlichen Aborts
mit darauffolgender Tamponade des Cervicalcanals mit Jodoform¬
gaze, die in Glycerin getaucht.
Die Einwände, dass Todesfälle nach Lamiuariadilatation vor¬
gekommen und schwere Para- und Perimetritiden entstanden, sind
nicht stichhaltig. Man kann jetzt die Laminariastifte so prä-
pariren, dass sie bei richtiger Indicationsstellung und peinlichster
Antisepsis absolut ungefährlich sind. Auf jeden Fall haben sie
den grossen Vortheil, dass durch sic nie Einrisse in die Uterus-
musculatur hervorgerufen werden, wie cs mit metallenen Dilata¬
toren nicht immer zu vermeiden ist.
Herr Bulius - Freiburg i. B.: Ueber Angiodystrophia
ovarii.
Dem Vortragenden ist es bei seinen Untersuchungen über
die chronischen Erkrankungszustände des Eierstocks, welche nicht
mit bedeutender Vergrösserung einhergehen, gelungen, einen gut
charaktcrisirtcn anatomisch pathologischen Befund herauszuhebcu,
bei welchem die Kranken bestimmte Functionsstörungen und sonstige
Erscheinungen darbieten.
Die Grundzüge dieser Veränderungen sind:
1. Mikroskopisch: Vergrösserung der Ovarien bes. im dicken
Durchmesser, starke Furchcnbildung auf der Oberfläche, auffallende
Derbheit des ganzen Organs und der vorspringenden Bläschen.
2. Hochgradige GefässVermehrung und Gefässerkrankung.
Wachsthum der Gefässe, die ausserdem durch Neubildung stark
an Zahl zunehmen. Betheiligt sind Arterien und Capillaren in
31ark und Rinde. Die Erkrankung besteht in enormer Verdick¬
ung und hyaliner Degeneration der Wandungen und Verschluss
des Lumens.
3. Starke Verminderung der Primordialfollikel, der Entwicke-
lungsstadieu zum ausgebildeten Follikel, kleincystische Degeneration
der Graaf sehen Bläschen, entschieden pathologische Vorgänge
bei der retrograden Metamorphose der in gesteigerter Zahl unge-
platzt zu Grunde gehenden Follikel.
Die klinischen Symptome, deren Zusammenhang mit den
anatomischen Veränderungen durch die parallel laufende Intensi¬
tät sicher gestellt erscheint, waren sehr profuse menstruelle Blutun¬
gen, die bis zu 3 Wochen dauerten, Leib- und Kreuzschmerzen,
die auch im Intervall beatauden, so dass oft nur wenige Tage
schmerzfrei waren; ferner schwere nervöse Symptome. Constant
fand sich Endometritis. Die übrigen Veränderungen in den Ge¬
schlechtsorganen verhältnissmässig gering.
Die Veränderung in den Ovarien sind als primär aufzufassen.
Ueber die Ursachen lässt sich bis jetzt noch nichts Be¬
stimmtes sagen.
Die Erfolge der Castration war in 4 Fällen gut, in den
3 andern hörten die Blutungen auf, die Schmerzen bestanden fort.
Discussion: Die Herren von Herff und Bulius.
Herr v. Wild: Die chronische Verstopfung bei Frauen
und Mädchen, ihre Prophylaxe und Therapie.
Lageveränderungen des Uterus, Exsudate prädisponiren zui
Verstopfung.
Die Prophylaxe habe dafür zu sorgen, dass junge Mädchen
sich an regelmässige Stuhlentleerungen gewöhnen, Gymnastik
treiben, schädliches Corset vermeiden. Auch bei Wöchnerinnen
solle man vom 10. Tag an Gymnastik anwenden.
Therapie: Darmausspülungen, Oelcingicss-
u n gen.
Bei chronischer Obstipation Diät zu regeln, speciell die Um¬
kehrung der bisherigen Diät, cellulosehaltige Vegetabilien seien zu
verabreichen. Die Cellulose übt einen kräftigen Reiz auf die
Darmmusculatur aus. Kniebeugen und Rumpfbeugungen bilden
einen Theil der Gymnastik, hohe Ocleingiessungen wirken gut bei
hartnäckiger Obstipation, desgleichen galvano-faradischer Strom.
Die Kranke komme mit dem Rücken auf die mit dem positiven
Pole verbundene Plattenelektrode zu liegen, mit negativer Elektrode
wird die Bauchwand gewalkt. Letztere Behandlung ist haupt¬
sächlich wirksam im Wochenbett; man brauche nur schwache
Ströme zu machen; auch bei chlorotischen Mädchen wirke diese
Behandlung ausgezeichnet. Zuweilen genüge eine einzelne Sitzung
zu dauernder Heilung.
Vor der Massage warnt der Vortragende, er habe damit keinen
dauernden Erfolg gehabt. Die Selbstmassage sei nicht ohne Ge¬
fahr. Jeder Fall von chronischer Verstopfung kann geheilt werden.
(Sehlass folgt)
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1090
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Original bericht.)
Sitzung vom 28- October 1896. .
Herr Posner und Herr Frank: Prüfung elastischer
Katheter (mit Demonstration).
Dass die Anwendung der vielverbreiteten und in den Händen
unserer Patienten befindlichen elastischen Katheter mit mancher¬
lei Gefahren verbunden ist, ist eine bekannte Sache. Diese Ge¬
fahren sind besonders darin gelegen, dass die Katheter in den
Harnwegen zerbrochen werden können und dass durch schlechte
Sterilisation derselben eine Infcction herbeigeführt wird. Erstere
Möglichkeit tritt heutzutage seltener ein als früher, kommt aber
noch immer vor, namentlich beim Gebrauch von an sich guten
und noch nicht gebrauchten aber durch langes Liegen in den
Verkaufsläden brüchig gewordenen Instrumenten. Letztere Ge¬
fahr tritt häufiger ein und die Frage nach einer zweckmässigen
Sterilisation der elastischen Katheter ist oft erörtert worden.
Kochen, Carbol, Sublimat greifen diese Instrumente viel zu sehr
an ; sie werden dadurch weich und leichter zerbrechlich.
Die Industrie bemühte sich seit Langem, besseres Material
an elastischen Kathetern zu liefern. Es fehlte aber vor Allem
bislang an einer geeigneten P r ü f u n g s in e t h o <1 e. l’osnc r
und Frank fanden dann eine exaetcre Methode in der mikro¬
skopischen Untersuchung von Katheterquerschnitten.
Dabei ergab sich bald ein grosser Unterschied in den ein¬
zelnen Fabrikaten. Während die besten Fabrikate ein regel¬
mässiges Geflecht zeigen, das nach innen und aussen von
coneentrischen Laekschiehtcn bedeckt ist , zeigen die minder-
werthigen sowohl Unregelmässigkeiten im Geflecht, als auch schlechte
Bildung der inneren Luckschicht. Durch letzteren Uebelstand,
welcher zuweilen das Netzwerk nach innen vorspringen lässt,
kommt es innen zu Rauhigkeiten und damit Erhöhung der
Gefahr einer schlechten Reinigung, durch ersteren Uebelstand aber
zu grösserer Zerbrechlichkeit. An einem demonstrirten Stückchen
eines in der Blase abgebrochenen Katheters sind diese Fehler
deutlich wahrzunehmen.
Weiterhin wurde die Wirkung der Stcrilisationsmethode ge¬
prüft und die Vortragenden fanden, dass ein einmaliges nicht zu
langes Kochen von den besten Kathetern vertragen wird, dass
dagegen längeres Verweilen in Carbol auch die besten Fabrikate
ruinirt. Besser vertragen werden Dämpfe von Formol und Trioxy-
mcthylen.
Zur Darstellung des im Katheter befindlichen Gewebes löst
man die Lackschichten in alkoholischer Kalilauge.
Zum Schluss freuen sich Vortragende constatiren zu können,
dass ihre» Prüfungen ein deutsches Fabrikat am besten
Stand gehalten hat, das der Firma Rüseh in Canstatt, der ein¬
zigen deutschen Fabrik, welche sich mit der Herstellung dieser
Instrumente befasst.
Herr L e v y - Dorn : Experimentelle Untersuchungen über
Rippenathmung und über die Anwendung von Pflastern
am Thorax.
Auf Grund einer grösseren Reihe von physiologischen, mit
Hilfe des G ad 'sehen Apparates angestelltcn Experimente, deren
minutiöse und cxacte Durchführung Vortragender ausführlich er¬
läutert, kommt L. zu den Schlüssen, dass man fast die ganze eine
Thoraxhälftc mit Pflaster bedecken muss, wenn man dadurch eine
Ruhigstcllung derselben erzielen will oder dass man zu starren
Massen (Kautschuckplatten) greifen und diese gut adaptiren muss.
Eine compensatorisehe Erweiterung der unteren Hälfte Hesse sich
auf diesem Wege nicht erreichen. Gipsverbändo konnten übrigens
in den erwähnten Versuchen die bedeckte Thoraxwand nicht
ruhig stellen, da eben während dos Krstarrons der Masse fort¬
während Athcmbcwegungen ausgeführt wurden und so der Ver¬
band schlecht anliegend werden musste.
Herr Senator zieht aus den Mittheilungen den Schluss, dass
die Versuche, eine Lungenhälfte durch PHasterbedeckung der untern
gesunden Seite zur Ausdehnung zu zwingen, z. B. bei Pleuraschwarten,
wenig erfolgversprechend sein müssten
Herr Stein hoff half sich in solchen Fällen durch Anfressen
eines Gumraikissens und Einathmung von comprimirter Luft
Herr Levy-Dorn weist zum Schlüsse darauf hin, dass seine
Versuche zwar im Sinne Senators gedeutet werden können, dass
jedoch zu bedenken sei, dass bei längerer Pflasteranwendung (langer
dauernd als in dem doch nur über Stunden sich erstreckenden
physiologischen Experiment) vielleicht eine compenBatorische Er¬
weiterung der nicht comprimirten Seite eintritt.
Herr Karewski: Ueber einen Fall von Chlorzink
Vergiftung mit Bemerkungen zur Jejunotomie (mit Demonstr.)
ChlorzinkvcrL'iftun lt n kommen in Deutschland nur selten vor,
sind dagegen in England, wo das Chlorzink als Desinficicns viel
gebraucht wird, so häufig, wie bei uns die Carbol Vergiftungen.
Neben den Allgemeinerseheinungen kommen vor Allem die ört¬
lichen Actzwirkungen in Betracht, und es ist bei letzteren auf¬
fallend, dass sie nicht im Munde oder Pharynx, sondern im
Magen ihre Hauptwirkung entfalten. Der Magen schrumpft,
auf’s Aeusscrste zusammen und es kann wohl nöthig werden, eine
Eroährungsfistel anznlegen. Vortragender wurde zur Vornahme
einer dahinzielenden Operation zugezogen.
35jährig( Frau, Melancholikerin, trank ca. 50 g einer 50 proc.
Chlorzinklösung. Unmittelbar darauf heftiges Erbrechen, dann
Collaps, welcher mit Kampher erfolgreich bekämpft wurde. Dann
wiederum Erbrechen, welches nun tagelang anhielt und zur Er¬
nährung per rectum zwang. Es kam auch zur Ausstoasung ne
krotisclmr Magenschleimhaut.
Mit Rücksicht darauf, dass auch in anderen Fällen eine Heilung
nach der Operation erfolgte, ging Vortragender an die Anleitung
einer Jejunurafistel. An den Magen selbst heranzugehen, schien
aussichtslos, da dieser ja auf's Schwerste afficirt sein musste.
Bei der Operation bestätigte sich die Verinuthuug, dass der
Magen auf ein Minimum geschrumpft und mit den Nacbbarorganen
verwachsen ist. Die Fistel wird 20 cm abwärts von der Flexura
duodenojejunalis nach Art der Witzel’schen Magenfistel angelegt
und unmittelbar darauf die Ernährung durch dieselbe begonnen.
6 Tage lang bestand, wenn auch das Erbrechen nicht auf¬
hörte, die Hoffnung auf Rettung, doch am Abende desselben kam
es zürn plötzlichen Collaps, cs entwickelte sich eine doppelseitige
Pneumonie und am Abende des folgenden Tages starb Patientin.
Sectionsbefund: Magen in der Xähe der Cardia ge¬
platzt, Perforationsperitonitis, Pneumonie.
Nach diesem Befunde erklärte sieh Vortragender den Ver¬
lauf so. dass Patientin erbrochene Massen aspirirtc, davon eine
Pneumonie bekam und bei dem hierdurch verursachten Husten
die Perforation des Magens mit der consecutivcn Peritonitis er¬
folgte. Zur .Jejuimtoniu* bemerkt Vortragender noch, dass die¬
selbe bis jetzt mit dem vorliegenden Falle 12 uial ausgeführt
wurde, davon 'j mal bei Uarciuom, 3 mal bei Verätzung des
Magens; 7 verliefen tüdtlich. Indication im Vorstehenden an¬
gedeutet. H- K
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 11*. October 1890-
Herr v. Leyden begriisst die Versammlung nach den
Ferien und hält dem verstorbenen Physiologen Moritz Schiff
einen Nachruf.
Herr A. Fraenkel: Beiträge zur Pathologie und
Therapie der Aortenaneurysmen. Er hat dieses oft.be¬
handelte Thema hauptsächlich aus 3 Gründen gewählt, nämlich:
1. wegen des immerhin seltenen Vorkommens der Erkrankung,
2. wegen der Aetiolugic. und 3- wegen einiger seltener Ausgänge
handelte
1. wegen
2. wegen
des Leidt
Die
nach in in
in die V
Diese sind einzutheileii in Perforationen nach aussen und
nach innen. Von letzteren weist F. besonders auf die Perforation
in die Vena cuva superior hin. Die Hauptsymptome sind hoch¬
gradige Cyanoso des Kopfes, Oedeme der Brust und Oborextremi-
täten, Erweiterung der entsprechenden Ilautvenen, soporöser /*»-
stand, lautes systolisches, hör- und fühlbares Schwirren in der
Regio cordis.
Er hat 2 Fälle beobachtet, einen in der Privatpraxis, der nicht
zur Section kam, den anderen im Krankenhaus. Der betreffende
Patient wurde plötzlich unterwegs von den oben beschriebenen kr-
scheinungen befallen, auf Veranlassung von F. in’s Krankenhaus
gebracht und ist dort innerhalb der ersten 24 Stunden verstorben.
Die Section ergab ein apfelgrosses Aneurysma der Aorta ascendenB,
das durch einen 3 cm langen, zackigen ltisB mit der \ena oiu
superior communicirte. Ausser anderen Autoren hat besonder«
Stokes 3 solche Fälle berichtet. Dieselben Symptome bringt nur
noch die Thrombose der Vena cava sup. hervor.
Fraenkel geht dann zu den complicirenden Lungcnxrw»-
heiten über. Diese sind: I. die fibrinöse Pneumonie, 2.
indurirende Pneumonie, 3. Lungengangraen, 4. Tubercnlose.
3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1091
Diese Erkrankungen haben meist ihren Sitz in der linken
Lunge. Zu Stande kommen sie durch Druck auf den linken
Bronchus, dadurch hervorgerufene Stauung des Secretcs im ab¬
gesperrten Lungengebiet. Das herabsinkende Secret übt seine
entzündliche Wirkung und führt zur indurirenden Pneumonie.
Ebenso hat man sich das Entstehen fibrinöser Pneumonie zu
denken. Durch das Bestehen einer solchen Lungeninfiltration sei
die Differential-Diagnose zwischen Aneurysma und Tumor bedeutend
erschwert.
Aehnlich liegen die Verhältnisse bei Lungengangraen.
Was die Lungentuberculose in Begleitung der Aneurysmen
betrifft, so hat ausser anderen englischen und französischen Autoren
auch besonders Stokes darüber berichtet. Auch hier tritt die
Erkrankung meistens links, seltener rechts auf. Das obenge¬
nannte mechanische Moment hält Vortragender auch hier für die
maassgebende Ursache. Er erinnert an die in Begleitung von
Tumoren und Lungengangraen auftretende Lungentuberculose.
Was schliesslich die Actiologie der Aneurysmen an betrifft,
so wären da verschiedene Gruppen zu unterscheiden, welche sich
in 3 Gruppen tbeilten.
1. die mechanische Theorie, welche besonders von Reckling¬
hausen vertreten wird, dessen Schüler dies Gebiet bearbeiten;
dieselben führen die Entstehung der Aneurysmen auf eine Zer-
reissung der Tunica media zurück, welche ihrerseits durch Steige¬
rung des Blutdruckes hervorgerufen sei.
2- Koester führt den Ursprung der Aneurysmen auf eine
von den Vasa vasorum ausgehende Entzündung zurück.
3. Eine abnorme Dehnbarkeit der Media wird von Thema
und Birch-Hirschfeld angenommen, ohne dass eine genauere
Erklärung dafür abgegeben wird.
Gegen die mechanische Theorie spricht wohl, dass Aneu¬
rysmen auch bei Individuen Vorkommen, die keiner körperlichen
Anstrengung ausgesetzt sind. Die Zerreissung der Media findet
sich auch bei Herzkranken und Gesunden. Es sei dies wohl als
eine Art Abnützung anzusehen.
Gegen entzündliche Vorgänge spricht oft das Alter der
Patienten.
Ferner wird Alkoholismus und Syphilis als aetiologisches
Moment der Aneurysmen angesehen. Ambroise Parö, Mor¬
gagni und Virchow haben sich in einer Reihe von Fällen für
Lues ausgesprocken. Vortragender hat durch seinen früheren
Assistenten Dr. Puppe eine Arbeit über Aneurysmen an¬
fertigen lassen. Unter 16 Fällen waren 7 sicher luetisch, unter
14 späteren 4- Es gibt das 36 Proc. Andere Autoren haben
noch höhere Zahlen. Auch F. nimmt LuÖs in vielen Fällen als
Ursache der Aneurysmen an. In anderen freilich seien Arterio¬
sklerose und andere Ursachen zu beschuldigen. Für Lues sprechen
die von H e u b n e r gefundenen Aneurysmen der Hirnarterien,
ferner die directcn Symptome der Lucs, welche bei Aneurys-
matikern gefunden werden, ferner die bei jugendlichen Individuen
in Folge von Lues auftretende Arteriosklerose; fand sich doch bei
einem 30jährigen Patienten, der an Angina pectoris litt, post
mortem ein Gummma des Septum ventriculorum und Arterio¬
sklerose. Ferner spricht, wie Dr. Puppe dies in seiner Arbeit
nachwies, für Lues die specielle Veränderung der Aortenwand.
Man findet hier keine Verkalkungen, vielmehr eine cigeüthümliche
Weichheit derselben; die Media ist in Granulationsgewebe ver¬
wandelt, in dem sich Riesenzellen finden. Es handelt sich also
um eine richtige Mesarteriitis.
Ueber die Entwicklungsphasen lässt sich F. nicht weiter
aus. Als Therapie wendet er absolute Ruhe, Schmiercur und
Jodkali mit gutem Erfolge in einigen Fällen an.
Natürlich kann man hierdurch keine Heilung, sondern nur
einen Stillstand des Leidens herbeiführen. Es ist ja bekannt,
dass die Bildung von Fibringcrinseln eine relative Heilung her¬
beiführt. Ganz zu verwerfen ist die mechanische Behandlung,
besonders die Einführung von Fremdkörpern in den aneurys¬
matischen Sack.
DiscuBsion: Herr Litten glaubt, dass das Antreffen von
Aneurysma und Arteriosklerose bei jungen Leuten nicht nothwendig
auf Arteriosklerose zurückgeführt zu werden brauche. Auch er hält
nichts von der mechanischen Behandlung, umsomehr als ihm Fälle
bekannt sind, wo trotz Einführung von bedeutenden Mengen Platin¬
draht doch keine ausgiebige Bildung von Fibringerinnseln zu
Stande kam.
Herr Senator weist auf die bei Aneurysmen vorkommenden,
ebenfalls meistens links befindlichen, Pleuraaffectionen hin. Ausser
der haemorrhagischen, komme auch eine echte seröse Pleuritis vor.
Diese erschwert dann häufig die Diagnose. Er erinnert sich eines
Falles, in dem nur eine Pleuritis nachgewiesen werden konnte, bald
nach der Punction trat Ruptur eines Aneurysmas ein. Auch er
hält die Luös für die häufigste Ursache, besonders bei jüngeren
Individuen. Sonst sind noch senile Arteriosklerose und Tabak¬
missbrauch als Ursache zu nennen. Die Therapie, bestehend in
absoluter Ruhe, schmaler, fast kärglicher Diät und Jodkali ist oft
von Nutzen.
Klemperer' hat auch rechtsseitige Lungenaffectioneu bei
Aneurysmen gesehen. Er nennt einen Fall mit doppelseitiger Pneu¬
monie. Ein anderer hatte rechtsseitige Oberlappenpneumonie. Das
Aneurysma hatte auf denselben gedrückt und spricht also ebenfalls
für die mechanische Entstehung der Lungenaffection. Die bei
Aneurysmen vorkommende haemorrhagische Pleuritis lenke die Dia¬
gnose oft irrig auf einen Tumor. Er erinnert an die bei Aneurysmen
vorkommenden Haemoptysen, die oft Jahre lang vor dem Exitus
letalis auftreten und durch längere Zwischenräume unterbrochen
sind. Diese können nicht gut durch Usuren zu Stande gekommen
sein, wesshalb Hampel ein allmähliches Durchsickern annehme.
Ferner weist er auf die Fälle hin, wo ein kleiner aneurysmatischer
Sack einem grösseren aufsitze, aber nur der erstere physikalische
Erscheinungen mache. Dann macht er noch darauf aufmerksam,
dass man bei jeder Bronchostenose an Aneurysma denken müsse,
während sie oft nur als luetische angesehen werde. Unter den von
ihm beobachteten Aneurysmen hätte nur 1 /« auf luetischer Grund¬
lage beruht. Wie viel seltener sei Aneurysma als Tabes. Er glaubt
dass die Ueberanstrengung der Hauptgrund für Aneurysmen sei.
Herr v. Leyden meint, dass die käsigen Pneumonien bei
Aneurysma, die Desquamationspneumonien, vielleicht auf schon vor
dem Entstehen des Aneurysma vorhandene kleinere tuberculöse
Herde zurückzuführen wären. Er spricht sich gegen Lues als aetio¬
logisches Moment aus, sie sei nur ein Lückenbüsser, und er glaubt
mehr an die traumatische Ursache, besonders bei jungen Leuten.
Als Beispiel führt er eine junge Frau an, die bei der Pflege ihres
tabeskranken Mannes starken Anstrengungen ausgesetzt war. Auch
bei Pferden komme ein vollkommenes Durchreissen der Aorta bei
Anstrengungen vor. Das Aneurysma der Poplitea bei im Stehen
fahrenden Kutschern spreche auch für die Ueberanstrengungstheorie.
Ferner sei Arteriosklerose ein Grund für Aneurysmen. Therapeutisch
gebe man Jodkali und regele die Diät, besonders sei Entziehung
der Flüssigkeit am Platz. Er erwähnt dann noch 2 Curiosa in der
Behandlung, wo das Anschneiden und Punctiren des Aneurysmas
mit einem dicken Troicart merkwürdiger Weise den betroffenen
Patienten nichts geschadet habe.
Im Schlusswort gibt Fraenkel Herrn Klemperer zu, dass
auch rechtsseitige Lungenaffectionen auf mechanische Weise beim
Aneurysma Vorkommen könnten. Dagegen glaube er doch, dass Lues
häufiger die Ursache für Aneurysmen bilde. Man erführe bei dem
geringen Bildungsgrade der meisten Patienten doch nicht genau jede
syphilitische Affection. Die complicirende Pneumonie ist eine Aspi¬
rationspneumonie. Ein Trauma sei doch gewiss sehr selten die
Ursache von Aneurysmen. K. Frentzel.
Sitzung vom 26. October 1896.
Herr Isaak demonstrirt einen Patienten mit Lepra (s. Berl
med. Gesellsch. vom 21. ds)
Discussion: Herr Köbner knüpft an diese Demonstration
eine Warnung vor Beunruhigung des Publicums. Die Ansteckungs-
fähigkeit der Lepra sei eine so sehr geringe, die Disposition hiezu
unter uns so selten, dass die in der letzten Zeit gehegten Be¬
sorgnisse doch wohl sehr übertrieben sein dürften. Die Anwendung
von J o d k a 1 i sei bei Lepra ganz besonders unangebracht, da es
kaum ein Mittel gäbe, welches so sehr geeignet sei, die Prognose
zu verschlechtern, wie Jod und seine Verbindungen. Das Jodkali
habe anscheinend die Fähigkeit, die Bacillen mobil zu machen.
Herr Stadelmann: Ueber den Kreislauf der Galle.
Vortr. hofft zu zeigen, dass dies Thema nicht blos für den
Physiologen, sondern auch für den inneren Mediciner von Be¬
deutung ist. DieAnalyse der Galle ergab im Wesentlichen
3 Stoffe: Gallensäuren, Gallenfarbstoff und Cholestearin. Alle
übrigen Bestandtheile der Galle führen wir mit der Nahrung so
reichlich ein, dass die in der Galle vorkommenden Mengen dagegen
nicht in Betracht kommen.
Wenn wir über den Verbleib der Galle nachforschen, so be¬
gegnen wir sehr verschiedenen Ansichten. Wir können annehmen,
dass sie mit den Faeces ausgeschieden oder im Darm zersetzt
oder resorbirt wird; und thatsächlich haben alle 3 Ansichten ihre
Vertreter gefunden. Was zunächst die Gallensäuren anlangt,
so bestimmten B i d d e r und Schmidt die Gallensäuremenge
beim Hunde mit completer Gallentistel und wiesen nach, dass nur
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1092
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
etwa der achte Theil davon in den Faeces abgeht. Der grösste
Theil musste also iui Darm zersetzt oder resorbirt werden. H op pe-
S e y 1 e r gelang es, den Nachweis für die letztere Annahme zu
erbringen. Und zwar wissen wir jetzt, dass die verschiedenen
Darmtheile verschieden stark die Gallensäurcn resorbiren.
Was wird aber aus den resorbirten Gal len säur eu ? Nach
früherer Ansicht sollten sie im Blute verbrannt werden (Bidder
und Schmidt, Liebig), erst Schiff fand den Beweis, dass
ein grosser Theil der in's Blut Ubergetretenen Galle wieder von
der Leber in die Galle ausgeschieden wird, also ein Kreislauf
statthat. Den Weg, welchen die Gallensäuren dabei nehmen,
deckte Tappeiner auf, indem er beim Hunde nach Genuss von
fettreichem Fleisch im Chylus grosse Mengen von Gallensäuren
auftinden konnte; dieselben gehen also nicht direct in's Blut über.
Dass die so resorbirten Gallensäuren aber wieder in die Galle
übergehen, erhellt aus Folgendem: Die Menge derselben beträgt
beim Gallenfistelhund von einer gewissen Grösse etwa 3 g in
24 Stunden; wenn man nun aber die Galle nur am Tage sammelt
und dem Hunde die Möglichkeit gibt, die Galle während der
Nacht aufzulecken, so steigt die Menge der ausgeschiedenen Gallen-
säuren am andern Tag an ; und umgekehrt sinkt sie wieder, wenn
man ihn nicht lecken lässt. Eine Steigerung erzielt man auch
durch Einführung fremder Galle oder chemisch reiner Gallensäuren;
diese Steigerung lässt sich bis auf das vierfache des Normalwerthes
und noch höher bringen. Es wird aber nicht, wie man früher
annahm, blos Taurocholsäure, sondern, wie Stadelmann fand,
auch Glycocholsäure auf diese Weise ausgeschieden.
Von den Gallensäuren wissen wir also, dass ein Theil
mit den Faeces entleert wird, ein Theil im Darm zerstört und
ein Theil im Darm resorbirt und von der Leber wieder aus¬
geschieden wird. Der letztere Theil ist der grösste.
Die Gallenfarbstoffe. Hievon kommt vor Allem das
Bilirubin in Betracht und es fand sich, dass auch dieses von den
Lebcrzellen gerne wieder aufgenommen wird. Ob jedoch für diesen
Stoff ebenfalls ein Kreislauf besteht, ist noch zweifelhaft.
Das Cholestearin bedeutet mehr eine zufällige Beimischung,
indem es durch Zerfall der Epithelien der Gallengänge und viel¬
leicht auch der Lebcrzellen entsteht.
Das Interesse des Klinikers an diesen Vorgängen liegt zu¬
nächst daran, dass gar nicht so selten eine abnorme Resorption
von Galle statthat, was durch den I k te ru s augenfällig wird. Es
wird aber in solchen Fällen nicht bloss Gallenfarbstoff, sondern
die ganze Galle resorbirt und es liegt nahe, die schweren Er¬
scheinungen der Cholaemie und des Ikterus gravis (Pulsverlang-
sarnung, Delirien, Tobsucht, Koma etc.) darauf zurückzuführen. Es
fragt sich nur, welcher Theil der Galle dafür verantwortlich zu
machen ist. Dass es das Cholestearin nicht ist, wurde durch
nenere Versuche bewiesen ; die alten, das Gegentheil beweisenden,
beruhen auf falscher Versuchsanordnuug. Die Farbstoffe
können es ebenfalb nicht sein, denn ihre Menge ist zu gering;
immerhin sind auch sie giftig. Die Gallensäuren endlich ver¬
mögen wohl einen Theil der schweren cholaemischen Symptome zu
erklären, doch glaubt Vortr., dass sie allein nicht das schwere
Krankheitsbild verursachen und wir nach andern Ursachen suchen
müssen, deren nächstliegendc vielleicht in der Resorption toxischer
Substanzen aus dem Darm zu finden wäre.
Auch naoh der therapeutischen Seite haben die mitge-
theilten Betrachtungen und Beobachtungen Anregung gegeben.
Die Gallensäuren (diese kommen wohl nur in Betracht) könnten
z. B. einem Individuum gegeben werden, welches nicht genügend
Gallemengen abscheidet, z. B. bei Amyloidleber, Fettleber. Da
damit aber nicht bloss die Abscheidung der Gallensäuren, sondern
die der ganzen Galle gesteigert wird, so sind dieselben ein gutes
Cholagogum. Zwar können wir mit solchen im Allgemeinen
nicht viel erreichen, doch könnten sie im speciellen Falle z. B.
'bei der Cholelithiasis, zur Lösung des Oholestearins durch die
Gallensäuren, versucht werden. Da die Taurocholsäure für
die Blutkörperchen viel giftiger ist, als die Glycocholsäure, so
würde für solche Versuche letztere vorzuziehen sein.
Ein altes Mittel dürfte wieder Anwendung verdienen, Fel
tauri inspissatum. Das Vorurtheil, dass diese Mittel den Magen
angreifen, dürfte ungerechtfertigt sein; nötigenfalls liesse sich
mit keratinirten Pillen ein Ausweg finden. Diese therapeutischen
Bemerkungen sollen jedoch vorläufig nur theoretische Betrach¬
tungen darstellen.
Discussion. Herr Liebreich erinnert an Güterbock's
interessanten Fund eines mit Uraten bedeckten Gallensteines in
der Harnblase; er hält es für ausgeschlossen, dass derselbe in
der Harnblase gebildet wurde und es ist ihm nicht gelangen,
Cholestearin im Urin nachzuweisen. Von den Gallenfarbstoffen
könne nur ein minimaler Theil in’s Blut übergehen, da sich in der
alkalischen Lösung des Darminhaltes unlösliche Verbindungen bilden.
Unter pathologischen Verhältnissen mag dies anders sein, wie der
Ikterus beweise. Eine wirkliche Lösung von Steinen hält er für
ausgeschlossen. Es kämen biefür ja auch nur die Cholestearin-
steine in Betracht, und die seien äusserst selten; oder die dünne,
den Kern von gallensauren Salzen umliegende Cholestearinschicbt.
Der Empfehlung eines alten Mittels freue er sich zwar, doch glaube
er, dass das Fel tauri inspiss, für den Magen wenig zuträglich sei,
worüber er gerade Erfahrung habe.
Herr v. Leyden erinnert an das alte Natron glycogenicnm.
Herr A. Fraenkel glaubt, dass man zur Erklärung der schweren
Symptome des Ikterus gravis die Cholaemie und die Acholie aus¬
einander halten müsse. Die Gallensäuren könnte man vielleicht
rectal geben.
Herr Boas weist darauf hin, dass er in den Faeces nur äusserst
selten Cholestearin gefunden habe.
Herr Stadelmann warnt vor der Kectaleingiessung von
Gallensäuren, da sie starke Reizerscheinungen bewirken und schwer
resorbirt werden. Nach seinen Erfahrungen seien sie der Magen¬
verdauung nicht schädlich. H. K.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 20. October 1896-
Vorsitzender: Herr Rumpf.
(Schluss.)
III. Vortrag des Herrn Ratjen: Ulcus ventriculi, Dia¬
gnose und Behandlung.
R. behandelt seit einem Jahre im Krankenhause und in der
Privatpraxia die Frühsymptome des Magengeschwürs — das Ulcus
rotundum der Schleimhaut und das sich daran anschliessende zweite
Stadium des Tiefergreifens des ulcerösen Processes mit consecu-
tiver örtlicher Entzündung des Peritoneums — nach einer von
den bisher üblichen Behandlungsformen abweichenden Methode.
Zur Feststellung der Diagnose kommen im Wesentlichen folgende
Punkte in Betracht: 1. Der Zeitpunkt des Auftretens der sub-
jectiven Schmerzsymptome nach der Nahrungsaufnahme, 2- Schmerz-
punkte im Epigastrium und im Rücken links neben der Wirbel¬
säule in der Höhe des 12- Brustwirbels: unter 55 Fällen 34 mal
nachgewiesen. 3. Blutungen: von 55 Kranken hatten 12 frische
Blutungen. Differentialdiagnostisch erwähnt R. zu diesem Punkte
das Vorkommen von Blutungen aus erweiterten Oesophagusvenen,
wie sie bei Lebercirrhose nicht selten beobachtet werden, aber
auch in seltenen Fällen bei cirrhotischen Erkrankungen der
Milz ohne Beteiligung der Leber Vorkommen. Die Behandlung
besteht darin, dass die Kranken — nach frischen Blutungen wird
einige Tage bis zum Beginne der Kur gewartet — während
10 Tagen bei absoluter Bettruhe nichts essen, per ob nur Wasser,
Eis, Fenchelthee und Pfeffermünzthee gemessen dürfen, per rectum
mit Boas’schen Nährklysmen ä 250 gr ernährt werden. Hier¬
auf erhalten sie für einige Tage \ l /i —2 Liter Kefyr, um dann
langsam während der folgenden 14 Tage an feste Nahrung ge¬
wöhnt zu werden. Gewichtsverlust während der «Hungerkur» und
Zunahme nach derselben decken sich annähernd, betragen durch¬
schnittlich 6—7 Pfund. Die Erfolge sind nach den bisherigen
Erfahrungen unzweifelhaft, radical und dauernd. Nur bei einer
sehr heruntergekommenen Kyphoskoliotischen musste wegen drohen¬
den Collapses am 6. Tage die Kur auf gegeben werden; bei einer
älteren Patientin waren 2 Wiederholungen nothwendig geworden,
um das Heilungsresultat zu einem dauernden zu machen. Wis-
muthpräparate, Carlsbader Salz und andere Alkalien hält R-
unnöthig, da zur Heilung des Ulcus Neutralisation des Magensaft«»
nicht Vorbedingung ist. Eingeführte Flüssigkeit regt den Mage»
nur zu mechanischer, nicht zu chemischer Thätigkeit an; cs wird
also bei dem absoluten Fernbleiben aller chemisch zu verarbeiten
den Ingesta die Salzsäurcausscheidung stets nur unbedeutend sein. —
. Nach beendeter Kur wirtj die mechanische Function des Mag« 08
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8. November 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
controllirt. Zu dieser Feststellung, sowie zur genauen Fixirung
der Lage des Magens ist nach der Kur die Einführung der
Schlundsonde gestattet. V o r h e r ist ihre Anwendung gefährlich, weil
neben der zweifellos durch ihre Einführung erfolgenden Salzsäure¬
ausscheidung auch eine frische Blutung ausgelöst werden kann.
Bei den meisten Ulcus-Kranken wurde durch Diaphanoskospic oder
Aufblähung eine Gastroptose, oft neben allgemeiner Enteroptose
constatirt, die ihrerseits wieder durch rationelle Kleidung, Mas¬
sage etc. behandelt werden muss.
Werner.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 24. October 1896-
Abgewiesener Recurs. — Ideale Cholecystotomie.
— Allgemeine chronische Hautröthe. — Reinfectio sy¬
philitica. — Die Röntgenstrahlen im Dienste der inneren
Medicin.
Einzelne Aerzte, gegen welche der Ehrenrath der Wiener
Aerztekammer mit einem Straferkenntniss vorgegangen ist, welches
über einen eingebrachten Recurs von der Statthalterei bestätigt
wurde, haben sich mit einer Beschwerde an den Verwaltungs-
geriehtshof gewendet. Derselbe hat nun die Beschwerde ohne
weiteres Verfahren mit der Begründung zurückgcwiesen , dass die
vom Ehrenrathe der Wiener Aerztekammer ertheiltcn und von der
Statthalterei bestätigten Rügen sich als eine disciplinarc Maassregel
darstellen , und derlei Angelegenheiten zur Gänze von der Zu¬
ständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes auszuschliessen sind und
letzterer durchaus nicht berufen ist, das in einer solchen Sache
eingehaltene Verfahren, sowie die der Disciplinarbehandlung zu
Grunde gelegte liechtsanschauung zu überprüfen.
Die Annonccurc — um diese wird es sich vornehmlich in
obiger ofFicieller Mittheilung handeln — haben also bloss einen
Weg der Verschleppung offen, den Recurs an die Statthaitorei.
Und das ist gut, damit es noch die jetzt lebende Generation
von Aerzten sehen könne , dass die Rügen und Geldstrafen,
welche die Aerztekammer aufcrlogt, einen mehr als bloss theo¬
retischen Charakter besitzen. Inzwischen aber wird fleissig fort-
annoneirt!
In unserer Gesellschaft der Aerzte stellte Doeent Dr.
II lim an eine Frau vor, an welcher wegen Gallensteinen mit
häufigen Kolikanfällen die sog. ideale Cholecystotomie ausgeführt
wurde. Wie es Küster u. A. gethan, wurde also die Peritoneal¬
höhle eröffnet, die prall gespannte Gallenblase aus der Bauchhöhle
hervorgeholt, deren Inhalt aspirirt, dieselbe sodann breit gespalten
und ausgeräumt. Man fand in diesem Kalle in der Gallenblase
mehr als hundert kleine Stcinchen. Im Ductus eysticus war
ebenfalls ein Steineben eingekeilt, das nicht entfernt werden
konnte, wessbalb auch dieser Ductus ganz eröffnet (Cysticotomie)
und späterhin , wie auch die Gallenblase, wieder durch zwei
Reihen Nähte vereinigt wurde. Der Operateur überzeugte sieh
früher durch Sondirung, dass der Ductus eysticus freie Passage
zeige. Schliesslich wurde die Bauchwunde vollkommen geschlossen,
also keine Drainage eingelegt. Heilung ohne Störung, so dass
die Frau nach 14 Tagen das Bett verlassen konnte.
Einen interessanten Fall von über die ganze Hautoberfläche
ausgebreiteter und seit ca. 5 Monaten bestehender Hautröthe
stellte jüngst Professor Kaposi der Wiener Dermatologischen |
Gesellschaft vor. Die Kranke, eine Frau von 40 Jahren, hat
also eine ganz glatte, nicht schuppende Haut, welche vollkommen
geröthet ist, wohl in Folge diffuser Parese der Gcfässmusculatur;
ein eigentliches Hautödem ist nicht vorhanden, doch haben ein¬
zelne Partien der Haut, so die an der Stirne, am Halse, an der
Brust und Extremitäten, an Dicke zugenommen. Dabei klagt
die Kranke über stechende Schmerzen, die sich auf Druck steigern,
über Schlaflosigkeit und allgemeines Unbehagen. Hie und da
besteht auch mässiges Fieber. Der Harn ist eiweissfrei. Sie
bekam bloss örtlich erweichende Mittel applicirt und scheinen
diese effectvoll zu sein, indem an der Applicationsstelle die Ilöthe
nicht mehr so gleichförmig erscheint, sogar kleine, punktförmige
1098
weisse Flecke auf weist. Gegen das Hautjucken versuchte K. das
neuesten« empfohlene Calcium chloratum, doch konnte cs die
Kranke nicht lange vertragen. Die Möglichkeit liegt vor, dass
man es hier dennoch mit einer Mycosis fungoides zu thun haben
werde. —
Da es noch miner hervorragende Specialisten gibt, welche
die Möglichkeit einer syphilitischen Reinfcction bezweifeln, (zu
diesen gebürt sogar Professor Fournier in Paris), so dürfte
die Mittlieilung jeder einzelnen derartigen Beobachtung noch
interessen.
Professor Lang zeigte also derselben Gesellschaft einen
30 jährigen Mann, der während der Monate Mai und Juni 1893
auf seiner Abtheilung mit Sklerose am Präputium und Mons
veneris und begleitender Lymphadenitis behandelt wurde. Die
Narben davon sind heute noch sichtbar. Damals hatte er kein
Exanthem, wohl aber kehrte er im März IS94 wieder, mit Papeln
an der Penishaut und am Scrotum, behaftet. Im September 1. J.
kam er zum dritten Male an die Abtheilung und wies ein hasel¬
nussgrosses Geschwür an der Glans auf, in den Leisten beider¬
seits bis auf Bohnengrösse geschwellte Lymphdrüsen. Nach acht
Tagen bekam er ein über Stamm und Extremitäten verbreitetes
Syphilid und es blich nichts übrig, als hier einen zweifellosen
Fall von Reinfectio syphilitica, :! '/2 Jahre nach der ersten In¬
fettion, anzunehmen. Bei der ersten Erkrankung, sagte Professor
Lang, war der Mann bloss local behandelt und wurde hiebei
weder Jod noch Mercnr in Anwendung gebracht.
Dass auch die innere Medicin aus der Durchleuchtung des
menschlichen Körpers mittelst Röntgen strahlen unter Umständen
grossen Nutzen ziehen könne, beweist ein Fall, der jüngst auf
die Klinik Ncusser kam und der gestern Abends der Gesell¬
schaft der Aerzte demonstrirt wurde
Ein 10 jähriger Knabe nahm einen Tapezierer nage! in den
Mund und aspirirte denselben. Er litt sofort an Athemnoth und
hatte grosse Angst. Man rief einen Arzt, der nacheinander einen
Münzen länger und eine Sehlundsonde in den Oesophagus einführte,
hiebei auf keinen Widerstand stiess, also annabin, dass der Nagel
in den Magen gelangt sei. Der Arzt rieth noch die Einnahme
von Erdäpfelbrei in grösserer Menge an. Einige Tage lang ging
es dem Knaben gut. Sodann stellten sich liustcnanfälle ein, die
1 — 1 '/* Stunden lang undatierten und auch in der Klinik be¬
obachtet wurden, wohin der Junge inzwischen gebracht worden
war. Temperaturerhöhung zeitweilig bis zu 40 °. Die rechte
Lunge bot bei der Untersuchung nichts Abnormes auf, links war
eine Infiltration des Oberlappens, jedoch ohne Cavernenbildung,
ferner eine adhaesive Pleuritis, zeitweilig Rasselgeräusche oberhalb
der 6.—7. Rippe zu hören. Das einzige Symptom für die An¬
wesenheit des Fremdkörpers in der Lunge bildeten somit die be¬
sagten Hustenaiifälle.
Der Kranke wurde nunmehr röntgem.sirt. Eine Durchleuchtung
des Thorax von vorne nach rückwärts ergab kein Resultat. Man
durchleuchtet nun den Thorax von rechts vorne nach links
hinten und ein zweites Mal von links vorne nach rechts hinten
und nun sah man, was die demonstrirten Bilder hübsch erkennen
lassen , dass sich der Fremdkörper im sechsten Intercostalraume
rechts, in der Nähe der Wirbelsäule befinde. Als die Rönt¬
genisirung einmal während eines llustenanfalles vorgenommen wurde,
sah man, dass der Nagel mit der Kuppe abwärts und der Spitze
nach aufwärts sitze, sowie dass er auf- und abtanze, wobei die Ex-
cursionen 4—5 cm betrugeu.
Die Localisation des Fremdkörpers war also mit Hilfe der
Durchleuchtung gelungen. Man nahm an, dass er dahin nicht
aus dem Oesophagus, sondern direct durch Inspiration gelangt sei.
Wo steckte er aber"? Im Bronchus, in der Lunge oder im Me¬
diastinum V Höchst wahrscheinlich noch im Bronchus, weil in
der Lunge noch keinerlei Erscheinung von Abscessbildung vor¬
handen ist und weil die Stelle selbst dem linken Ilauptbronchus
entspricht.
Jetzt hat der Chirurg das letzte Wort.
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1094
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Academie des Sciences.
Sitzung vom 5. October 1896.
Serumtherapie der Staphylococeeniufection.
Die Staphylococcen geben in leicht alkalisirter ßouilloncultur,
wenn sie 14—20 Tage bei 37 o iui Brutofen gehalten werden, ihr
Maximum an Giftstoffen (Toxinen). Da die Virulenz sich ziemlich
schnell in auf einander folgenden Cultnren absehwücht, so muss
man dem durch Ueberiinpfung auf möglichst empfängliche Thiere
Vorbeugen, worunter in abnehmendem Grade Kaninchen, Meer
schweinchen, Taube und Hund zu rechnen sind. Capinan machte
mehr als hundert solcher Ueberimpfungen und trotzdem gelang es
ihm nicht, mit den Staphylococcen eine derartige Virculenz zu
erzeugen, wie sie andere Mikroorganismen z B. der Streptococcus,
der Diphtherie- und Tetanusbacillus oft schon von Anfang an be¬
sitzen; dennoch wurden die Versuche mit mehreren Arten, von ganz
verschiedenen Herden stammend, gemacht und die meisten der
bekannten Mittel angewandt, um die Virulenz der Mikroorganismen
zu erhöhen. Was die Herstellung der Toxine betrifft, so geschieht
sie am besten durch Filtration mit drin Uhamberlund-Filter. Um
Thiere in 21 Stunden zu töten, bedarf es relativ hoher Toxindcsen;
der Beginn der giftigen Ein Wirkung zeigt sich jedoch schon bei sehr
kleiner, subcutan ein verleibter Dosis. Man kann mit diesen Toxinen
die meisten der von den Mikroorganismen selbst hervorgerufenen
krankhaften Affectionen erzeugen: Oedem, Eiterung, Nekrose, Sep-
ticaemie, Cachexic. Mit diesen filtrirten Toxinen wurde zuerst am
Kaninchen, später am Hunde, welcher widerstandsfähiger ist und
eine grössere Menge Serum zu liefern vermag, die Immunisirung
ausgeführt und zwar anfangs mit ganz kleinen, dann allmählich an¬
steigenden Mengen, so dass schliesslich eine Hündin nach mehreren
Monaten eine lnjection von G 'U ccm der Toxine ohne Schaden er¬
tragen konnte, während zwei nicht immunisirtc Hunde schon bei
dem zehnten resp. zwanzigsten Theil dieser Dosis zu Grunde gingen.
Die Immunität der Thiere steht im Verhältnis« zur totalen Menge
der injicirten Toxine, deren es eine sehr bedeutende bedarf, um
einen genügend hohen Grad zu erzielen. Das Serum der so im-
munisirten Thiere besitzt bsctericide und antitoxische Eigenschaften,
aber < ine wichtige Bedingung nicht nur für seine Wirkung, sondern
auch für seine Unschädlichkeit ist, dass es nicht zu früh nach der
völlig eingetretenen Immunisirung dein Thiere entnommen werde;
das zu frühe (in den ersten Tagen nach der Toxininjection) entr
nominelle Serum kann sogar giftiger wirken wie das injicirte Toxin,
in eim in Falle (2 Tage nach der lnjection) war es wenigstens fünf¬
mal giftiger wie das injicirte Toxin. Die Blutentziehung soll 11 Tage
bis Wochen nach dem Eintritt normaler Temperatur, erfolgen
Nachdem sich Cap man überzeugt hatte, «lass das Serum uiciit
geimpfter Hunde keine besondere Wirkung auf die Staphylococcen
infectiou habe, wandte er das Serum der immunisirten Thiere bei
Meerschweinchen und Kaninchen sowohl zur Prophylaxe als zur
Therapie dieser Erkrankung, durch Reinculturen oder Toxine erzeugt,
an Zur Präventivimpfung bedarf es einer geringeren Dosis als zur
eigentlichen Heilung und hei dieser wiederum einer geringeren Dosis
gegen die Toxin- „als gegen die Culturinfection; die positive Wirkung
war alicr in allen Fällen unbestreitbar. . St.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
British Gynaecologicnl Society.
Sitzung vom 8. October 189j.
Frühdiagnose der malignen Uteruserkrankungeu.
F. liowrcman Jessett betont vor Allem die Wichtigkeit der
mikroskopischen Untersuchung durch Ausschaben gewonnener Ge-
webspartien. In allen Fällen von Leukorrhoe soll vaginal unter¬
sucht werden Wenn bei Frauen in oder nach der Menopause der
Ausfluss aus dem Muttermunde kommt und zeitweise blutig gefärbt
oder übelriechend ist, so soll der Cervixcanal erweitert und die
Uterushöhle zum Zwecke mikroskopischer Untersuchung eurettirt
werden. Bei positivem Befunde ist sofortige Totalexstirpation ange¬
zeigt Selbst in vorgeschrittenen Fällen kann, solange der Uterus
noch frei beweg) ich ist, die vaginale Hysterektomie Erfolg oder zum
mindesten Besserung versprechen.
Macnaughton Jones weist darauf hin, dass vor Allein eine
gründliche Behandlung der zu malignen Tumoren prädisponirenden
Uteruserkrankungen, der Cervixerosioneu, folliculilren Entzündungen,
eitrigen Endometritis, Deciduomen etc. angezeigt sei. F. L.
Pathological Society Manchester.
Sitzung vom 14. October 1896.
Serum di agn ose des Typhus (Widal'sche Methode).
Del4pine brachte eine vorläufige Mittheilung über die
Typhusdiagnose mittels Serums. Er demonstrirte eine Cultur von
Typhusbacillen, zu welcher eine kleine Quantität des aus dem Blute
eines Typhuskranken gewonnenen Serums zugesetzt war, und eine
andere, welche mit dem Blutserum eines nicht Typhuskranken ver¬
setzt war. In der ersten waren die Bacillen ohne Bewegung, und
zu charakteristischen Klumpen zusammengeballt, in der anderen
dagegen in lebhafter Bewegung über das ganze Gesichtsfeld vertheilt.
Er glaubt in dieser Reaotion, der Agglomeration der Typhnsbarilleu
ein wichtiges Hilfsmittel für die Diagnose, wenn auch mehr für
hygienische und sanitäre als allgemein praktische Zwecke erblicken
zu dürfen _ _ F. L
Verschiedenes.
Ein Beitrag zum Geheim mittelschwindel. Wenn
wir die Belege nicht vor uns liegen hätten, könnten wir es nicht
glauben, dass auf der Bayerischen Landesausstellung in Nürnberg
ein Geheiminittel nicht nur mit der silbernen Med tille ausgezeichnet
wurde, sondern sogar noch 12 Kisten von demselben für die Lotterie
angekauft wurden «S’.eeb's Klostertropfen» sollen zwar nach Angabe
des Fabrikanten kein Heil- oder Gelieiminittel sein, werden aber auf
der gleichen Druckseite des Prospectes in .leider!) ärztlichen Attesten
«als ausgezeichnetes Verdauungsmittel», «zur Anregung des Appetites»,
«zur Beseitigung \on Magenschwäche», «zur Verhütung von Sod¬
brennen», «als wirkungsvolles Heilmittel für alle (!) Arten Magen¬
leiden», «als ein wahrhaft specielles Heilmittel in allen krankhaften
Zuständen des Magens» u.s.f. dem magenkranken Publicum empfohlen.
Ist es nicht geradezu ein Hohn auf die vielen Bestrebungen
aller Wohlmeinenden, welche die gewinnsüchtige Ausbeutung des
armen Kranken verhindern und das Geheiinmittelunwesen ein
schränken wollen, wenn von einer amtlich eingesetzten Commission
dieser Schnaps — etwas Anderes ist es nicht — mit der silbernen
Medaille prämiirt wird? Und die glücklichen Gewinner? Darf man
hei Allen die Einsicht voraussetzen, dass sie trotz der silbernen
Medaille, trotz der oben angeführten Heilwirkungen und trotz des
sonderbaren Vvrschleisses durch eine staatlich genehmigte Lotterie,
die gewonnene Flasche «Klostertropfen» als das nnschen, was sie
ist: — ein Product des Geheimmittelschwindels? B
Die Uebertreibungen bei der heutigen Behandlung
der Lu n ge »sch wind süchtigen behandelt in einer weiteren
Mittheilung Volland - Davos (Ther. Mon-Hefte 1*96, 7 u. >). Er
weist vor allen Dingen auf die Schilden hin, die man durch die
Ueberernährung den Lungenkranken am Magen nnd Darm zu-
fügt Verf. hat die Gewii htsmen.'e der von G ab rilo witsch vor-
geschriebenen täglichen Nahrung bestimmt und dieselbe auf 5545g (')
berechnet, während er selbst es einschliesslich 665 g Wasser mir
auf 256 4 g brachte. Durch eine s »lebe Ueberfütterung muss eine
Magen.itonie entstehen, und Verf. hat dieselbe bei 24 seiner Ps-
tienten beobachten können. (Ob allerdings das Symptom des Magen
plätschern« zur Stellung der Diagnose auf Atonie genügt, möchte
Ref bezweifeln.) Nach Verf. ist es da« einzig Richtige, den Phthisiker
genau so zu ernähren, wie er es in gesunden Tagen gewöhnt war.
Mit dieser Methode erzielt man die besten Heilerfolge. Dem Magen
soll nicht eher wieder Nahrung zugeführt werden, bevor er seinen
Inhalt an den Darm abgegeben hat Die Gewichtszunahme des
Phthisikers ist ausschliesslich eine Folge des Zurücktretens der
Krankheit.
Weiter wendet sich Verf. gegen die Herz- und Lnngen-
gymnastik bei Lungenkranken. Wenn er bei dieser Gelegenheit
darauf hinweist, dass der Chirurg ein erkranktes Gelenk nicht nur
ruhig stellt, sondern die Patienten mich möglichst lange im Bett
liegen lasse, so ist das nicht ganz richtig. Der Chirurg sucht viel¬
mehr den Patienten möglichst bald aus dem Bett herauszubringen,
allerdings unter sehr sorgfältiger Ruhigstellung des erkrankten Ge
lenkes. Immerhin aber wird man Verf zustimmen dürfen, wenn
er für Lungenkranke ebene Spazierwege verlangt.
Unterschreiben wird inan gewiss können, was Verf. über die
ITebertreibung der Ansteckungsgefahr der Schwindsucht sagt Ob
der Staub tuberkelbacillenhaltig ist oder nicht, ist nicht so wesent
lieh. Die Hauptsache bei der Infectiou ist die Disposition des
betreffenden Organes, und diese sicher zu beseitigen. Dass_ die
Staubverhütung auch nothwendig ist, ist selbstverständlich. Kr.
Kalender pro 189.'. Dr. Paul Börner's Reichsmedinal
kalender. Herausgegeben von Prof. Eulen bürg und Dr. J.
«Schwalbe. Leipzig, H. Thieme. Bisher ist der I. Theil, das
Taschenbuch und Beiheft enthaltend, erschienet!. Das Taschenbuch,
inhaltlich wenig verändert, ist abermals handlicher, d. h dünner
geworden, und ebenso elegant ausgestattet wie im Vorjahre Das
Beiheft ist durch eine Anzahl Artikel praktisch-medieinischen Inhalts
vermehrt. Der II. Theil, enthaltend Gesetzgebung und Schematismus
der deutschen Aerzte, erscheint Ende des Jahres.
M e d i e i n a 1 k a 1 e n d e r. 1 lerausgegeben von Regierungs R^i
K. Wehmer, Berlin, A. Ilirschwald. Bisher lautete der Titel
«Medicinalkalender für den preussischen Staat». Die Aenderoag
ist berechtigt, da der Kalender für alle deutschen Aerzte glmdi
brauchbar ist. Die Herausgabe besorgte nach «lern To !e Wernich s
dessen Amtsnachfolger Wehmer in der bisherigen vortrefflichen
Weis«*. Die Anordnung in 2 Theilen, I Taschenbuch und II. ^ er ‘
fügungen und Personalien, ebenso die solide Ausstattung und der
wesentliche Inhalt sind unverändert geblieben.
Therapentische Notizen,
Jodkali bei Cholelithiasis. T. Dunin (Gazeta Lekawki
No 22, 1896) hat in über 100 Fällen von Gallensteinen von der in¬
ternen Anwendung des Jodkalis (0,3 -0,6 g zweimal täglich) se‘ T
gute Erfolge gesehen Besonders günstigen Einfluss sah er in
Fällen, in welchen die Schmerzanfälle nicht sehr intensiv »her w r
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/
3. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
109.')
häufig, täglich oder stündlich anftreten, oder constant ein dumpfes
Schmerzgefühl besteht, wobei die Gallenblase sehr vergrößert ist,
reichlich Gallenconcremente enthält und iiusserst empfindlich auf
Druck reagirt Die Heilung erfolgt in solchen günstigen Fällen in
1 bis höchstens l Wochen In hartnäckigeren Fällen empfiehlt sich
die abwechselnde Anwendung von Jodkali und Karlsbader Salz. Bei
den selten, aber sehr heftig auftretenden Fällen von Gallensteinkolik
dagegen erweist sich das Jodkali als wenig wirkungsvoll. F. L.
Das Forruol hat sich nach den Beobachtungen von Nogufes
(Ann. des mal g£n.-ur. ‘.*6, 9) bei der Behandlung der Gonorrhoe
in keiner Weise bewährt Unter 7 mit Formolausspülungen behandel¬
ten Tripperkrank»-n war auch nicht bei einem ein Erfolg zu ver¬
zeichnen, trotzdem es sich bei allen um einfache, uncomplicirte Fälle
handelte An der Klinik Necker ist daher die Fonnolbehandlung
wieder voll-tilndig verlassen worden K r.
Von E Merck in Darmstadt werden folgende neue Prä¬
parate in den Handel gebracht:
Gu acthol (Brenzkatechinaethylaether/ ist die dem Guajacol
entsprechende Aethylverbindung und wirkt nach Prof. Dr.J v Mering
wesentlich besser als dieses.
8alif ormin ist salicylsaures Formin (Hexamethylentetramin);
das Präparat wirkt gleich dem reinen Hexamethylentetramin als
harnsäurelÖ6endes Mittel.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 3. Nov. Der kgl. Director der Kreis-Irrenanstalt von
Oberbayern und ordentlicher Professor der Psychiatrie in der medi-
cinischen Facnltät der Universität München, Dr. Hubert Grashey,
wurde unter Enthebung von beiden Stellen zum Oberin edici cal-
rath im kgl. Staatsministerium des Innern berufen Damit bat
die wichtige Frage der Neubesetzung des durch den Tod Geheim
rath v Kersch ensteine r’s erledigten Postens des Leiters des
bayerischen Medicinalwesens nach mancherlei Schwierigkeiten end¬
lich eine vielleicht überraschende, jedenfalls aber überaus glückliche
Lösung gefunden Gleich hervorragend durch Begabung wi.* durch
Charakter, hat Prof. Grashey nicht nur auf seinem bisherigen
Arbeitsgebiete eine führende Stelle eingenommen, sondern er hat
auch durch seine Thätigkeit im Obermedicinalausschusse, wie durch
seine häufige Betheiligung an den Arbeiten der Münchener ärztlichen
Vereine, Bein Interesse an den Bestrebungen des ärztlichen Standes
bewiesen. Nicht nur in München, wo Grashey sich allgemeinster
Beliebtheit erfreut, sondern in ganz Bayern wird man (lern neuen
Obennedicinalrath volles Veitrauen entgegenbringen und in seiner
Berufung in daß verantwortungsvolle Amt eine Garantie für die
erspriessliche Weiterentwicklung des bayerischen Medicinalwesens
erblicken.
— Die Frage der Curpfuscherei, mit der sich auf Ver¬
anlassung des preussischen Ministers der Medicinalangelegenheiten
im November ds. Js. die erweiterte wissenschaftliche Depu¬
tation für das Medicinalwesen beschäftigen wird, betrifft,
wie die Voss. Zeitung mittheilt, u. A. die Verrichtung ge¬
burtshilflicher Handlungen. Da nach § 6 der Gewerbe¬
ordnung eine Approbation für die Ausübung der Heilkunde nicht er¬
forderlich und hinsichtlich der Geburtshilfe eine Ausnahme nicht
gemacht ist, so kann auch eine ungeprüfte Person geburtshilfliche
Handlungen vornehmen. Obwohl nun nach § 11 der Gewerbeordnung
das Geschlecht bezüglich der Befuguiss zum Gewerbebetriebe keinen
Unterschied macht, so bestimmt doch § 30, dass Hebammen
eines PrUfungszeugnisses der nach den Landesgesetzen zuständigen
Behörde bedürfen. Während also die gewerbsmässige Ausübung
der Geburtshilfe durch Männer ohne Approbation straflos ist,
wenn sie ohne Titelbeilegung (§ 29 der G.-O.) erfolgt, bedürfen
Frauen zu gewerbsmässigen Hebammendiensten eines Prüfungs¬
zeugnisses, wenn sie nicht der Strafvorschrift des § 147 der Ge¬
werbeordnung (Gewerbebetrieb ohne Concession, Approbation, Be
Stallung) verfallen wollen. Dies hat auch das Reichsgericht,
2. Strafsenat, durch ein Urtheil vorn 14. Januar 1887 anerkannt,
wonach Frauen, die das Heharamengewerbe ohne das im § 30
der Gewerbeordnung geforderte Prüfungszeugniss betreiben, selbst
wenn sie sich den Titel «Hebamme» nicht beilegen, auf Grund
des § 147 der Gewerbeordnung zu bestrafen sind. Die Universi¬
täten haben in der Sache die staatliche Gesetzgebung seit Langem
durch Disciplinarvorschriften ergänzt. Durch Aushang wird
halbjährlich den Studirenden in Erinnerung gebracht, dass sie nur
solche Geburten übernehmen dürfen, zu denen sie von den Uni-
vorsitätsfrauenkliniken abgeordnet werden. Solche Abordnungen
geschehen zu Unterrichtszwecken. Die Studirenden stehen während
ihrer Thätigkeit unter der Aufsicht der Oberärzte der Universitäts¬
frauenkliniken.
— Gegen die Naturheilinstitute, sowie überhaupt gegen die
sämmtlichen Vertreter der Naturheilkunde wird jetzt von Seiten
der Polizeibehörden mit auffallender Strenge vorgegangen. Erat
vor Kurzem hat die Berliner Polizeibehörde denselben hier auf¬
gegeben, in ihren Firmenbezeichnungen sowie sonstigen Veröffent¬
lichungen alle sich auf das lleilwesen beziehenden Hinweise, wie
Naturheilkundiger, Vertreter der Naturheilkunde, Curbad u. s. w.
in Zukunft fortzulassen. Und ferner int auch den Besitzern der
Naturheilinstitute verboten worden, den Titel Director zu führen.
Diesem Vorgehen der Berliner Polizeibehörde ist jetzt auch die
Charlottenburger Polizeiverwaltung mit äusserster Schärfe nachge¬
folgt, indem sie kürzlich sämmtliche Vertreter der Naturheil-
knnde der Stadt vorgeladen hatte und ihnen dort eröffnete, dass
sie binnen « Tagen dio beanstandeten Worte von ihren Schildern
u. s. w. zu entfernen hätten, widrigenfalls die Worte von der Polizei
auf Kosten der Betreffenden entfernt werden würden. Wie wir
erfahren, sind die Geuiaassregclten nicht gewillt, diese Verfügung
der Polizei stillschweigend hinzunehme», sondern wollen insgesammt
gerichtliche Entscheidung beantragen, weil sie sich durch jene An¬
ordnung in ihrem «Gewerbe» schwer geschädigt fühlen. (Pharm.Ztg.)
Einer der durch diese Verfügung betroffenen Pfuscher, dem
die Bezeichnung «praktischer Vertreter der Nutnrheilkunde» bean¬
standet worden war, hat sich in origineller Weise aus der Affaire
zu ziehen gewusst und dadurch die Lacher auf seine Seite gebracht.
Die Aufforderung zur Entfernung des Schildes war demselben unter
der Adresse: «An den Schriftsteller und Heilkünstler Herrn R. G.»
zugestellt worden. In seinem Antwortschreiben an den Polizei-
Präsidenten erklärt er nun, er werde sein Schild entfernen lassen,
da er unter keinen Umständen in den Verdacht gerathen möchte
approbirte Medicinalperson zu sein; es würde ihm dies bei seiner
zum Theil aus den vornehmsten Kreisen sich recrutirenden Clientei
zweifellos schaden. Er fährt fort:
«Uebrigens habe ich auch gleichzeitig Ihnen für die Beilegung
eines Titels zu danken, den ich aus Bescheidenheit bisher nicht
geführt habe. Sie nennen mich «Heilkfinsiler». das ist eine hohe
Ehre, die mich über Aerzte und Professoren stellt, die ja nach den
Aussprüchen der Grössten unter ihnen von der «Kunst zu heilen»
nichts verstehen. Ich werde sonach diesen Ehrentitel mit Ge¬
nehmigung des k Polizeipräsidiums zu Berlin forthin führen. Hoch¬
achtungsvoll R. G.»
— Den Namen der Aerzte, welche seit 25 Jahren ununter¬
brochen der Aerztekaimner angehörten, ist noch der des kgl. Be¬
zirksamtes Dr Roeder-Würzburg beizufügen Derselbe war An¬
fangs Schriftführer und ist seit Rosenthal’s Tod Vorsitzender
der unterfränkischen Kammer.
— In der 42. Jahreswoche vom 11. bis 17. October 1896, hatten
von deutschen Städten über 40u00 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Königshütte mit 29,6, die geringste Sterblichkeit Barmen
mit 10,1 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern in Königshütte; an
Unterleibstyphus in Brandenburg a. H.
— Die Pathological Society London feierte am 20. October 1. J.
das Jubiläum ihres 50jährigen Bestehens. Gründer war Bentley,
erster Präsident Williams. Die Transact io ns der Gesellschaft,
46 Bände, enthalten eine stattliche Anzahl grundlegender und bahn¬
brechender Arbeiten von Prescott Hewett, Sir Richard Quain,
Sir W. Jenner, Bristowe, H. Fagge, Goodhart, Lister,
Ord u A.
— Die Redaction der «Monatsschrift für Unfallheil¬
kunde», welche bisher gemeinsam von den Herren H. Blasius,
G. Schütz und C. Thiem geführt wurde, hat mit dem October -
beft der Letztgenannte ausschliesslich übernommen. Gleichzeitig mit
der Redactionsänderung hat eine Erweiterung des Inhaltes und des
Mitarbeiterkreises der Monatsschrift stattgefunden.
(Universitätsnachrichten.) Berlin. Am 25. v. M. feierte
Professor Dr. Carl Rüge das 2.5jährige Jubiläum seiner Thätigkeit
als Assistent an der k. Universitäts-Frauenklinik zu Berlin. Aus
diesem Anlasse wurde ihm eine im Verlage von S. Karger er¬
schienene Festschrift von früheren und jetzigen Assistenten gewidmet.
— Heidelberg. Professor Lenard, Docent der Physik und Director
des physikalischen Laboratoriums an der technischen Hochschule
in Aachen, hat einen Ruf an die Universität Heidelberg erhalten.
Der a. o. Professor der inneren Medicin, Dr. Dinkler, bat seine
Lehrthätigkeit aufgegeben und die Leitung des Krankenhauses zu
Aachen übernommen. — Würzburg. Anlässlich der Einweihung des
neuen Universitätsgebfludes sind zahlreiche Ehrenpromotionen
erfolgt; unter den Promovirten befinden sich von der medicinischen
Facnltät Professor Retzius Stockholm, Professor Raraon y Cajal-
Miulrid und Professor der Chemie Fisch er-Berlin. Dr. med.
Denig, Assistent an der Univereitäts-Augenklinik, ist als Professor
an das Columbia-College zu New-York berufen worden
Bern. Für den durch die Berufung Professor Lesser's nach
Berlin erledigten Lehrstuhl der Dermatologie waren vorgeschlagen:
1. Jadassohn-Breslau, 2 Se ifert-Würzburg, 3. Wolters-Bonn
Von der Regierung wurde Jadassohn, Primararzt am Allerheiligen
Hospital in Breslau, gewählt.
(Todesfälle.) In Leipzig starb am 25. v. Mts. Dr. med. Ernst
Wenzel, ausserordentlicher Professor der Medicin an der dortigen
Universität, im Alter von 56 Jahren.
In Paris starb Dr. Hanot, Arzt am Hospital Saint-Antoine,
a. o. Professor der Medicin an der medicinischen Facultät, bekannt
durcii eine reiche literarische Thätigkeit, besonders auf dem Gebiete
der Leberkrankheiten. Er setzte seinem Leben durch Cyankali ein
Ende.
In London starb der Kliniker, Professor am Univereity College
Hospital, Dr. George Harley. Auch er hatte sich vorwiegend mit
der Pathologie der Leberkrankheiten bes häftigt.
In l'orlin siarb einer der ältesten und angesehendsten Aerzte,
Geb. San.-Uath Dr. Doebbelin.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassung: Dr. Rudolf Burger, appr. 1893, in München;
Dr. Julius Kupfer, appr. 1895, in Bamberg; Dr. Ludwig Weiß8,
appr. 1894, in Goessweinstein; Dr. Kullmer in Lambrecht;
Dr. Karl U11 mann in Zweibrücken; Dr. Rieder in Geinsheim.
Verzogen; Dr. Doepke von Goessweinstein nach Uffenheim.
Verseht: Der Bezirksarzt Dr. Bruch von Pirmasens als
Landgerichtsarzt nach Landau; der Assistenzarzt 1. Classe Dr. Port
vom 1. Feld-Art.-Reg. zur Reserve des Sanitatscorps.
Ausgewandert: Dr. Drechsler von Ensheim.
Abschied bewilligt; im activen Heere: dem Oberstabs¬
arzt 1. Classe Dr. Russwurm, Regimentsarzt vom 6. Inf.-Reg.,
unter Verleihung des Charakters als Generalarzt 2. Classe, und
dem Stabsarzt Dr. Zeitler, Bataillonsarzt vom 2. Train-Bataillon,
mit der gesetzlichen Pension und mit der Erlaubniss zum Tragen
der Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen.
Gestorben: Am 2. October in Aalen: Dr. Franz Linser,
Oberamtsarzt, 71 Jahre alt.
Amtlicher Erlass.
Bayern.
Bekanntmachung, Abgabe stark wirkender Arzneien betr.
Kgl. Staatsministerium des Innern.
Nach § 4 Abs. II der k. allerhöchsten Verordnung vom 22. Juli
1896, die Abgabe stark wirkender Arzneien sowie die Beschaffenheit
und Bezeichnung der Arzneigläser und Standgefässe in den Apotheken
betreffend, ist die wiederholte Abgabe von Morphin und dessen Salzen
zum inneren Gebrauch ohne erueute ärztliche Anweisung gestattet,
wenn diese Mittel nicht in einfachen Lösungen oder einfachen Ver¬
reibungen, sondern als Zusatz zu anderen arzneilichen Zubereitungen
verschrieben sind und der Gesammtgehalt der Arznei an Morphin
oder dessen Salzen 0,03 g nicht übersteigt.
Diese Erleichterung hinsichtlich der Abgabe von Morphin oder
dessen Salzen zum inneren Gebrauche beruht auf der Erwägung,
dass Morphin und Salze desselben nicht selten (z. B bei Bronchial¬
katarrhen) anderen Arzneimitteln lediglich in der Absicht zugesetzt
werden, um neben der sonstigen Wirkung der Arznei auch noch
die beruhigenden und schmerzlindernden Wirkungen des MorphinB
dem Patienten zu verschaffen. Es handelt eich dabei stets nur
um geringfügige Mengen, welche in dieser Zusammensetzung die
Gefahr deB Morphiummissbrauchs durch zu häufige Wiederholung
der Arznei ohne Vorwissen des Arztes nicht bieten.
Anders steht es mit den einfachen Lösungen und den einfachen
Verreibungen des Morphins. Hier sind die hinzugesetzten Stoffe nur
die Träger des Morphins bezw seiner Salze und sollen namentlich
die zuverlässige Dosirung des bereits in wenigen Centigrammen
stark wirkenden Medicaments erleichtern. Eine wesentliche arznei¬
liche Wirkung kommt dem Zusatze im Verhältnis« so •*— Ifni'Sjp
nicht zu. Meist werden Stoffe, wie Wasser, Weingefat,
Milihzucker, Gummi arabicum, Stärkemehl verwendet, es wfaiL
aber auch vor, dass der Zusatz an sich bereite aus renchkSSr
Stoffen zusammengesetzt ist, z. B Brausepulver, ohne däee'diäaiA
die ausschlaggebende Bedeutung des Morphins als weaenfbäSr
Bestandtheil der Arznei vermindert wird.
Hieraus ergibt sich, dass im Sinne des angeführten §4 Aba.fi
als einfache Lösungen oder Verreiburigen nicht ausechliettlkh der¬
artige Zubereitungen des Morphins mit anderen einfachen Staffn,’
vielmehr solche Zubereitungen aufzufassen sind, bei denen dta
Zusätze im Wesentlichen nur die Lösungs und VerreibongandtW
für das Morphin bilden. In zweifelhaften Fällen wird dem Apotöek»
zu empfehlen sein, eine erneute ärztliche Anordnung zu verbuken.
München, den 27. September 1896.
In Vertretung:
Der k. Staatsrath von Neumayr.
Der Generalsecret&r:
von Kopplstätter, Minkterialrata.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für Münch*
in der 43. Juhreswoche vom 18. October bis 24. October 1896.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 28 (35*), Diphtherie, Croup
j 4L (43), Erysipeias 9 (11), Intermittens, Neuralgie interm. 1 (lj,
Kindbettfieber 1 (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 7 (4),
Ophthalmo Blennorrhoea neonat. II (6), Parotitis epidemica 3 (3),
Pneumonia crouposa 13 (17), Pyaemie, Septicaemie — (—\ Rheuma¬
tismus art. ac. 17 (18), Ruhr (dysenteria) — (~), Scarlatina 24(37),
Tussis convulsiva 23(22), Typhus abdominalis 1 (l), Varicellen 11 (19),
Variola, Variolois — (—). Summa 190(219). Medicinalrath Dr. Aub.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 43. Jahreswoche vom 18. Oct. bis 24. Oct. 1896.
Bevölkerungszahl: 406 000
Todesursachen: Masern — (—*), Scharlach 1 (1), Diphtherie
und Croup 1 (3), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyämie) 1 (—), Brechdurchfall 4 (6), Unterleibstyphus -
(—), Keuchhusten 2 (—), Croupöse Lungenentzündung 3 (3), Tuber
culose a) der Lungen 21 (14), b) der übrigen Organe 4(4), Acut«
Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krankheiten 2 (L
Unglücksfälle 1(2), Selbstmord — (—), Tod durch fremde Hand—(—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 158 (178), Verhältniswahl
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 20,2 (22,*), für
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 11,6 (12,4;, ftr
die über dem 5. Lebensjahr stehende 10,8 (11,2).
•) Die eingeklamraerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Regierungs¬
bezirke
bezw.
Stil rite über
3U.U00 Ein¬
wohner
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: August 1 )
I I 8 ! g\j I ä. Ist ~ li-go -8 1 I? I »i j •=i i I
und September 1896.
Il il 5i
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Schwaben 687.962. — Augsburg 80.798, Bamberg 38,949, Fürth 46,592, Kaiserslautern 40,776. Ludwigshafen 39,801. München 407,174, Nürnberg 162480. B «8 ensbar * '
Würzburg 68,714.
1) FJnschltesslicli einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 40) eingelaufener Nachträge.
2i Im Monai August einschliesslich der Nachträge 1381. 3) 32.-36. bezw. 36 — «0. Jahreswoche. lündsbul
Einsendungen fehlen aus den Städten Augsburg und Kaiserslautern, sc wie den Bi zlrkfämtern Ingolstadt, Rosenheim, Bcbongau, (Jricsbsch, wn
Straubing, Vilsbiburg, Ncunburg v/W., Hot, Neustadt a/A., Alzenau, Lohr, Marktheidenfeld, Obern bürg, Oberdorf und Sonthofen. , vhwein-
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet aus folgenden Aemtern bezw. Orten: Diphtherie, Croup: Bez.-Aemwr - R
furt 17, Wnnsiedel >6, Ortschaft Ipthausen (Königshofen) 12 ärztlich behandelte Fülle. — Morbilli: Epidemie im Bez -Amte Ebern, 159 Fälle T , on . äl LTht-is-
mei8tern angezeigt, ärztlich behandelt Dur 10 Fflile; ausgebreitete Epidemie mit Schulschluss In Stetten (Karlstadt). — Tussis convulsiva Ep “®2!fJ hQj »6
bergstegen (Kusel), stark verbreitet ln Füssen und 8chwangau. Bez -Aemter Beilngries 29, Oiiuzburg 23, Schweinfurt 23 ärztliche behandelte Fälle. - 7 JP , bji
domin alis: Epidemisches Auftreten in Dürkheim 39 Fälle, alle in der Zelt vom 13. mit 26. September. Gehäufte Fälle unter Arbeitern an einem «cue
Rothenburg a/T., 9 Fälle hievon in 8pitalbehandlung. Bez.-Aemter Kegen 8, Viechtach und Waldmünchen je 4 Fälle. Hauscpidemle (4 Fälle) ln
(Günzburg). - Von Influenza werden u. A. aus den Aemtern Forchbeim 11, ADsbach 10 Fälle gemeldet. ilch i“<
mp- Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind durch die zuständigen Herren k. Bezlrksärzte zu erhalten, weicne
Bedarfsfall« unter Angabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte an das K. Statistische Bureau wenden wollen. . . .. .„«sän
Im In tar ssss der vorliegenden Statistik wird tun rechtssltige (womöglich bis längstens 20.) und regelmässige Einsendung dtlngenai*
Tobl vmX V. hshnasn In Mta ohea, — Brnok der X. Mflhltheler'sehen k. Hof-
Die Münchener Medicln. Wochenschrift erscheint _.» _ Zusendungen sind rn »dresstrcn: Für die Redactloa
wöchentlich ln Nummern von mindestensZ 1 /.—3 Bogen. [I /|T T \T fl TT I A |VT I I } Oilosirasse 1 — Für Abonnement an J P. Leh-
Preis vierteljährlich 0 M, praenumerantlo zahlbar. lyl I J \ V £1 rill Pi XAi mann, l^tndwebistr. 70. — Für Inserate nnd Beilagen
Einzelne Nummer 60 «J. an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäureler, 0. Bollinger, H. Curschmann, G. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J. y. Michel, H. i. Ranke, F. v. Winckel, H. i. Ziemssen,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 45. 10. Noveniber 1896
Redacteur: l)r. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. TO.
43. Jahrgang.
Originalien. j
Aus der Allgemeinen Poliklinik in Basel.
Untersuchungen über die Verwendbarkeit des
Bianchi’schen Phonendoskopes.
Von Privatdocent Dr. F. E<)<}<r.
Bei der Prüfung des Bianehi’schen Phonendoskopes, welches
von seinem Erfinder am internationalen Congress in Rom und am
deutschen Naturforscher- und Aerztetag in Frankfurt demonstrirt
wurde und über welches Schwalbe in der Deutschen mcdicinischen
Wochenschrift empfehlend referirt hat 1 ), haben sich mir Resultate
ergeben, die mit den Angaben Bianchi’s zum Theil im Wider¬
spruch stehen.
Das Phonendoskop besteht aus einer metallenen Schallkapsel,
welche auf der einen Seite mit zwei Ebonitplatten versehen ist.
Die eine davon ist abnehmbar und kann mit einem metallenen
Stäbchen verseilen werden, wenn es sich um I’ntersuchung eng
umschriebener Stellen handelt. Die Schallerscheinungen werden
den Ohren des Untersuchers mittels zweier (1 ummischläuche zu¬
geführt , die iu zwei convergirende Canäle der Mctallkapsel ein¬
gesteckt werden. Die Vortheile dieses neuen Instrumentes bestehen
nach Bianchi darin, dass es, ohne die Schwingungen theilwcisc
zu verlieren, wie es bei dem Stethoskop geschieht, und ohne sie
zu übertreiben, wie es das Mikrophon thut, die Töne, resp. die
Geräusche, in ihrer fast absoluten Vollständigkeit, wie sie sich
am Orte ihrer Entstehung entwickeln, dem Gehörorgan zuführt.
Alle Einwendungen, die man bezüglich Uebertreibung der Töne,
Aendcrung derselben, Abnormität der Empfindung u. dergl. Vor¬
bringen könnte, seien hinfällig. Somit übertreffe das Phonendoskop»
jedes andere bisher zur Untersuchung der Geräusche im Körjicr-
innern benützte Instrument.
Nicht nur für die Auseultation soll das Phonendoskop Vor¬
zügliches leisten. Durch Wahrnehmung von künstlich in den
Organen hervorgerufenen Schwingungen soll es uns ermöglichen,
Schlüsse auf die Form, die Lage, die gegenseitigen Beziehungen
und die Dichte der Organe zu ziehen und damit die Percussion
ersetzen. Zu dieser Untersuchung benützt man nach Bianchi
das Phonendoskop mit dem geknöpften Stäbchen, das man über dem
zu untersuchenden Organ fest auf die Haut aufdrückt, während
man nur einen Hörschlauch benützt. Es genügt, mit dem Zeigc-
fiuger der rechten Hand in der Nähe dos Stäbchens unter gelindem
Druck über die Haut zu streichen, um eine ziemlich deutlich
bemerkbare Schwingung wahrzunehmen, welche je nach der Dichte
und Spannung des untersuchten Organes verschieden ist. Dann
streicht man in derselben Weise, etwas entfernt von der ersten
Stelle; erhält man keine Schwingung oder nur eine sehr schwache,
so fährt man fort, von aussen nach dem Knopf des Stäbchens hin
zu streichen und zeichnet mit einem Hautstift die Stelle an, bei
welcher das Auftreten einer deutlichen Schwingung, die im Ton
der beim Streichen in der Nähe des Stäbchens gehörten ähnlich
ist, sich kund gibt. Wenn man so rund um das Stäbchen herum
fortfährt, so kann man eine Reihe von Punkten festlegen, welche
l ) Deutsche med. Wochenschr. 1896, No. 31, S. 498.
No. 45
bei Vereinigung durch eine Linie uns die Zeichnung des Lhnrisses
des untersuchten Eingeweides ergeben.
Besprechen wir nun zunächst unsere Erfahrungen über die
Brauchbarkeit des Phonendoskopcs bei der Behorchung der inneren
Organe.
Wenn man das Instrument auf den Körper aufsetzt, nimmt
man zunächst etwas sehr Unerwünschtes wahr, nämlich eine Reihe
von sehr lästigen Nebengeräuschen. Die leiseste Erschütterung
der Hörschläuche, namentlich aber die geringste Berührung der
Metallkapsel oder Ebonitplatte erzeugt im Ohr des Untorsuchers
ein lautes Rauschen oder knatternde und grell tönende Geräusche'
welche für mein Uhr geradezu unerträglich sind. Wenn ich z. B.
im Verlaufe der Untersuchung das Mctallstäbchen anzuschrauben
habe, um eine mit der breiten Ebonitplatte nicht gut zu unter¬
suchende Stelle zu behorchen, so erzeugt dieses Ansclirauben einen
Lärm, der von mir eigentlich als Schmerz empfunden wird.
Bei ruhigem Druck auf die Unterlage sollen diese Neben¬
geräusche verschwinden. Hier muss ich aber bemerken, dass die
Athembewegungen des zu untersuchenden Brustkorbes, welchen
die das Instrument haltende Hand des Untersuchers nicht so gleich-
mässig folgen kann, genügten, um bei einem ersten von mir ge¬
prüften Instrument eine Reihe von knatternden, metallisch klingen¬
den Geräuschen hervorzurufen, welche absolut nicht von consoniren-
den, metallischen Rasselgeräuschen zu unterscheiden waren. Ein
zweites Instrument zeigt diesen Fehler nicht in so hohem Grade,
doch werden auch hier knatternde Geräusche erzeugt, welche aber
mehr den Charakter von nicht klingenden Rasselgeräuschen be¬
sitzen.
Setze ich nun das Phonendoskop möglichst ruhig auf die
Herzgegend auf, so höre ich die Herztöne in einer Stärke, wie
sie mit dem Stethoskop nicht wahrgenommen werden. Entfernt
man das Instrument in einer Linie von der Stelle, wo die
Herztöne am lautesten gehört werden, nach der Peripherie des
Brustkorbes, so hört man die Töne zuletzt noch an einer Stelle,
wo sie mit dem Stethoskop nicht mehr wahrgenommen werden.
Presst man nun an diesem Orte den einen Schlauch des Phonendo¬
skopes zu, so dass die Schallwellen nur in das eine Ohr geleitet
werden, so hört man die Töne auch nicht mehr. Die Grenze der
Hörbarkeit mit einem Schlauch ist da, wo auch mit dem ge¬
wöhnlichen Hohlstethoskop die Töne zuletzt gehört werden. Die
Verstärkung der Schallerscheinungen beruht also in erster Linie
auf der Verdopplung der Wahrnehmung in Folge des binauralen
Hörens.
Das ist gewiss von Vortheil bei doppelseitiger Herabsetzung
des Hörvermögens in Folge Erkrankung des schall leitenden Apparates
oder gewisser Labyrintherkrankungen. Es ist mir denn auch in
meinen Cursen von einem übelliörigen Studenten und ferner von
einem gehörlcidenden Collegen die Mittheilung gemacht worden,
dass sie die Herztöne deutlicher hören als mit dem Stethoskop,
ja überhaupt mit dem Phonendoskop erst zu Gehör bekommen.
Für ein gesundes Ohr ist es aber fraglich, ob eine solche
Verstärkung einen Vortheil bietet. Eichhorst*) bemerkt bei
2 ) Eichhorst, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden.
IV. Auflage, 1896, S. «91.
1
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1098
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
der Besprechung der binauralen Stethoskope, dass, wenn die Schall-
erachcinungen eine bestimmte Stärke erreicht haben, welche die
gewöhnlichen Stethoskope erzielen, durch ein Plus von Intensität
diagnostisch nichts mehr herauskommt.
Etwas anderes wäre es, wenn ganz leise Geräusche, welche
mit einem Ohr allein nicht wahrgenommen werden, durch das
binaurale Hören mit dem Phonendoskop entdeckt werden könnten.
Ich hin bei meinen Untersuchungen am Menschen auf solche
Geräusche noch nicht gestossen, glaube aber, dass es solche in
beschränktem Maasse geben kann.
Das Wahrnehmen der Herztöne an Stellen, wo sie mit dem
Stethoskop sonst nicht gehört werden, hat nun aber auch seine
Nachtheile, indem sich z. B. gegen die Lungenspitzen zu die Herz¬
töne in unerwünschter Weise den zu untersuchenden Athem-
geräuschen heimischen.
Es fiel mir nun der Umstand auf, dass nicht alle Geräusche
gleich deutlich eine Verstärkung durch das Phonendoskop er¬
fuhren. Namentlich bei dem bronchialen Athemgcräusch und
dann auch bei gewissen Rasselgeräuschen zeigte es sich öfter,
dass dem Hören mit dem Stethoskop oder mit dem direct auf¬
gelegten Ohr gegenüber keine Sehallverstärkung zu constatiren
war. Ganz auffallend aber war die Thatsache, dass gewisse
Klangerscheinungen durch das Phonendoskop gänzlich ausgelöscht
wurden. So fand ich bei einigen Patienten mit Cavernen, bei
denen man mit dem Stethoskop und mit direct aufgelegtem Ohr
exquisit deutliche metallisch klingende Rasselgeräusche und me¬
tallisches Athmcn hörte, mit dem Phonendoskop keine Spur von
dem metallischen Beiklang sondern nur bronchiales Atbmen und
consonircndes Rasseln. Ebenso verlor bei der Untersuchung mit
dem Phonendoskop das amphorische Athmen seinen so auffälligen
Charakter und wurde nur als gewöhnliches bronchiales Athmen
gehört.
„ Um zu prüfen, ob der Metallklang auch unter anderen Um¬
ständen mit dem Phonendoskop nicht wahrgenommen wird, stellte
ich folgende Versuche an.
Bei dem Auscultiren meiner Taschenuhr mit dem aufgelegten
Ohr und mit dem Stethoskop vernimmt man einen sehr deut¬
lichen metallischen Nachklang des Tickens. Mit dem Phonen¬
doskop auscultirend höre ich nichts von dem metallischen Klang.
Nehme ich einen grossen Gummiball an mein Ohr und führe
einen leichten Schlag mit dein Fingernagel dagegen , so höre ich
ein sehr deutlich ausgesprochenes metallisches Klingen. Dasselbe
wird auch mit dem Stethoskop gehört, nicht aber mit dem
Phonendoskop.
Da bekanntlich der Metallklang auf dem Ilcrvortreten hoher
Obertöne neben dem Grundton und auf deren langsamen Ab¬
klingen beruht, so war anzunchmen , dass diese hohen Obertöne
durch das Phonendoskop schlechter oder gar nicht fortgeleitet
werden.
Auch bei der Untersuchung tympanitischer Schallerschein¬
ungen zeigte es sich, dass ein Unterschied zwischen der Fort¬
leitung verschieden hoher Töne bestand.
Ich nahm eine kolbige Glasflasche, die zum Theil mit Wasser
gefüllt war und blies durch ein Gummirohr Luft durch das
Wasser, indem ich zugleich die Wand des Gefässes auscultirte. Wenn
ich nun nach und nach mehr Wasser in das Gcfäss goss, wurde
natürlich der Ton der springenden Luftblasen immer höher. Mit
dem Phonendoskop nun wurde der Ton der klingenden Blasen
nur bis zu einer gewissen Höhe wahrgenommen; dann aber, bei
weiterem Zugiessen von Wasser, vernahm man nur ein lautes
Knattern ohne musikalischen Ton , während mit blossem Ohr
deutlich die musikalische Höhe der erzeugten Töne fcstgestellt
werden konnte.
Liess ich Wasser von der Hochdruckwasserleitung rasch in
das Gefäss laufen , so erzeugte die mitgerissenc fein vertheilte
Luft nicht nur die bekannte milchige Trübung, sondern man
hörte deutlich ein feines singendes Geräusch, herrührend von dem
Platzen der feinsten Luftbläschcn. Mit dem Stethoskop wurde
das Singen so deutlich vernommen, wie mit dem direct aufgelegten
Ohr. Mit dem Phonendoskop dagegen hörte man ein Brausen,
dem der hoho musikalische Ton vollständig abging.
No. 45
Ich stellte nun folgenden Grundversuch an über die Wahr¬
nehmung durch feste Körper fortgeleiteter Töne von verschied««
Höhe mittels des Phonendoskopes. Den Herren Professor Sieben¬
mann und Docent Dr. Veil Ion, welche mich bei diesen Unter¬
suchungen unterstützten, bin ich besonders zu Dank verpflichtet
Eine Stimmgabel wurde am Ende einer langen hölzernen
Bank aufgestellt und zum Tönen gebracht. Am anderen Ende
des Leiters legte ich zuerst das Ohr direct auf die Holzplatte
und wenn der Ton am Abklingen war, bo dass er kaum noch
wahrgenommen werden konnte, armirte ich meine Ohren schnell
mit den Schläuchen des schon auf der Platte bereit liegenden
Phonendoskopes. Um eine Wahrnehmung der durch die Luft
direct fortgeleiteten Schallwellen auszuschalten, wurde in der physi¬
kalischen Anstalt der Versuch dann so modifieirt, dass als Leiter
ein ca. 20 m langer Eiseostab genommen wurde, der von einer
Dachterasse erst einige Meter horizontal und dann durch einen
Luftcanal hinunter in den Experimentirsaal sich begab.
Es zeigte sich nun folgende überraschende Thatsache.
Die Töne der Stimmgabeln von 32, 64, 110 Schwingungen
wurden mit dem Phonendoskop noch sehr deutlich gehört, wenn
das direct aufgelegte Ohr gar Dichte mehr wahrnahm. Bei dm
Tone von 220 Schwingungen war die Verstärkung durc.< da«
Phonendoskop nur unmerklich. Töne von 440 und 880 Schwing¬
ungen dagegen wurden mit dem Phonendoskop nicht mehr gehört,
wenn sie mit dem direct aufgelegten Ohr noch sehr dentlich ver¬
nommen wurden. Auscultirte man zuerst mit dem Phonendoskop
bis zum vollständigen Verschwinden der Töne und legte dann das
Ohr direct auf die Holzplatte, so kam der Ton wieder ganz
deutlich zum Vorschein. Ganz frappant war der Versuch mit
einer Stimmgabel von 6144 Schwingungen. Mit dem Phonen¬
doskop hörte man jedesmal sehr deutlich das Kratzen des Violin¬
bogens auf der Stimmgabel. Von einem musikalischen Ton aber
war absolut nichts zu vernehmen. Das unmittelbar aufgelegte
Ohr dagegen hörte nicht nur das etwas schwächere Geräusch des
streichenden Bogens, sondern daran anschliessend ganz deutlich
den langsam abklingenden Ton der schwingenden Stimmgabel.
Diese Versuche lehren , dass fortgeleitete tiefste und tiefe
Töne durch das Phonendoskop eine Verstärkung erfahren, höhere
merklich abgeschwächt werden und ganz hohe gar nicht wahrge¬
nommen werden. Genaue Grenzen für die Tonhöhe, bei welchen
das Phonendoskop anfängt zu versagen, habe ich nicht feststcllen
können, mangels einer eontinuirlichon Reihe von Stimmgabeln der
höheren Töne.
Nun haben wir die Erklärung für das Auslöschen des
metallischen Beiklanges und der höheren tympanitischen Töne.
Des Ferneren lassen sich nun einige andere auffallende Erscheinungen
Erklären. Die relativ gute Fortleitung der Herztöne steht in Zu¬
sammenhang mit der Thatsache, dass nach den Untersuchungen
Funke’s der erste Herzton einem Tone von 198 Schwingangen
entspricht. Unter den Notizen über meine Beobachtungen finde
ich verzeichnet, dass Rhonchi sonori mit dem Phonendoskop ent¬
schieden lauter gehört werden, als mit dem Stethoskop, dass da¬
gegen bei Rasselgeräuschen von ziemlich hohem Klangcbarakter
ein Unterschied zu Gunsten des Phonendoskopes nicht zu ver¬
merken war, ja dass binaural die Geräusche nicht besser gehört
wurden als mit dem Stethoskop.
Bei einem Patienten mit Herzklappenfehler fand ich mit dem
Stethoskop am untern Thcile des Sternums während der Systole
ein scharf zischendes Geräusch; der erste Ton wurde nicht gehört
Mit dem Phonendoskop war das Geräusch weniger laut und eher
dumpf brausend zu hören. Daneben war nun deutlich und rem
der erste Herzton hörbar. Da zischende Geräusche dem Ton
einer Saite entsprechen, welche zwei- bis viertausend Schwingungen
in der Sekunde macht, so verstehen wir, dass das Herzgcräosc
im Phonendoskop zurücktrat und dass daneben der gut fortge-
leitctete erste Herzton zum Vorschein kam.
Wollen wir die Wirkung des Phonendoskopes auf die 0
leitung der Athemgerüusche erfassen, so gehen wir dabei am
von den schönen Untersuchungen Wolf’s 5 ) über die on o e
3 ) O. Wolf. Sprache und Ohr. Akustisch-physiolog. und Pro¬
log. Studien. Braunschweig 1871.
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10. November 1896-
MÜNCHENER MEDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1099
und Schwingungszahlen der Consonanten und Vocale aus. Das
vesiculäre Atlunen hat bekanntlich am meisten Aehnlichkeit mit
dem schlürfenden Geräusch, welches beim Aussprechen des Con¬
sonanten f entsteht. Für diesen selbsttönenden Consonanten fand
Wolf eine Tonhöhe, welche einer Saite von 864 Schwingungen
entspricht. Das bronchiale Athmen dagegen vergleichen wir am
besten mit dem Hauchen, welches entsteht, wenn man die Mund¬
höhle in die Anssprache von h nöthige Stellung bringt und nun
Luft einzieht oder ausstösst. Dem Consonanten h kommt aber
kein selbstständig hörbarer Eigenton zu, sondern er muss sich an
einen Vocal anlehnen, um deutlich hörbar zu werden. Stellt man
die Stimmorgane so, als wollte man der Reihe nach die Vocale
i, e, a, o, u intoniren und haucht mau in dieser Stellung das h,
so hat man sofort eine Scala für die verschiedensten Höhen des
Bronchialathmens. Nun wissen wir, dass die Tonhöhe der Vocale
eine recht verschiedene ist. Nach der Zusammenstellung des oben
angeführten Wolf entspricht die Tonhöhe der vorherrschenden
Töne für den Vocal
i einer Saite von 2304 Schwingungen
c ,> » >. 1792
a » » ,, 896 ,,
o „ „ „ 448
u >. >. .) 176 ,,
Mit all’ diesen Thatsachen finde ich nun im besten Einklang,
dass erstens das vesiculäre Athemgeräusch relativ ordentlich mit
dem Phonendoskop wahrgenommen wird, dass aber das bronchiale
Atbmen sehr verschieden gut fortgeleitet wird. Tiefes Bronehial-
athmen wird gut fortgeleitet, wobei allerdings die eventuell vor¬
handenen hohen Obertönc, welche den metallischen und amphorischen
Beiklang bedingen, ausgelöscht werden. Die hoch klingenden
bronchialen Geräusche dagegen werden schlechter fortgeleitet als das
vesiculäre Athemgeräusch.
Eine Erklärung für die Erscheinung der mehr oder minder
guten Fortleitung der Töne durch das Phonendoskop bin ich nicht
im Stande zu geben. Wir dürfen wohl nicht die schall verstärkende oder
vermindernde Wirkung der als Resonatoren aufzufassenden Schall¬
trommel und der Luftsäulen der Gummischläuche herbeiziehen, da
durch diese kaum gerade die tiefsten Töne so auffallend verstärkt
würden.
Noch in einer anderen Weise hat sich die Behauptung
Bianchi’s, cs werde die Klangfarbe der Töne durch das Phonen¬
doskop nicht verändert, als unrichtig erwiesen.
Wenn man in einen Gummischlauch etwas zähe Flüssigkeit
bringt und nun durch Hineinblasen von Luft Geräusche hervor¬
ruft, welche mit dem aufgelegten Ohr oder Stethoskop genau wie
klingende Rasselgeräusche gehört werden, so nehmen diese Rassel¬
geräusche einen exquisit- metallischen Beiklang an, sobald mit denr
Phonendoskop auscultirt wird. Auch wenn ich den Gumraischlauch
in einen zweiten starrwandigen, mit viel weiterem Lumen stecke
und über diesen auscultire, höre ich die Rasselgeräusche metallisch
klingend. Umwickle ich den ersten Schlauch mit viel Watte, so
werden die Geräusche erst dann metallisch, wenn die Platte des
Phonendoskopes ziemlich fest angedrückt wird.
Am Menschen habe ich für diese Erscheinung bis jetzt noch
kein Analogon gefunden. Doch ist anzunehmen, dass Rassel¬
geräusche, welche dicht unter der Brustwand entstehen, im Stande
sind, die Schwingungen so stark auf die Ebonitplatte zu über¬
tragen , dass der Ton metallisch wird. Denn der Metallton ent¬
spricht in diesem Falle genau demjenigen, der durch leises
Beklopfen der Metallkapsel oder der in diese eingefalzten Ebonit¬
platte entsteht.
Es werden also bei dem Auscultiren Schallerscheinungen in
doppelter Weise durch das Phonendoskop modificirt. Es können
deutlich metallisch klingende Geräusche des Metallklanges verlustig
gehen und andererseits können nicht metallisch klingende Ge¬
räusche durch das Phonendoskop zu solchen mit metallischem
Beiklang werden. Abgesehen von dieser Veränderung des Klang-
Charakters können Geräusche in ihrer Stärke wesentlich verändert,
theils verstärkt, theils abgeschwächt werden. Dadurch werden vor
Allem solche Geräusche eine Veränderung auch ihres Charakters
erleiden, welche aus einem Gemisch von verschiedenen Tönen
bestehen.
Da wir nun aber diese Eigenschaften der Schallerscheinungen
benützen, um ganz bestimmte Rückschlüsse auf den Zustand der
untersuchten Organe zu ziehen — ich mache nur auf die Be¬
deutung des Metallklanges in dieser Beziehung aufmerksam —,
so müssen wir das Phonendoskop zum allgemeinen Gebrauch für
auseultatorischc Zwecke als untauglich erklären. Vielleicht erweist
es sich als nützlich zum Zerlegen einzelner Geräusche, namentlich
zum Differonziren von Herzgeräuschen bei complicirton Herzfehlern,
zum Auseinanderhalten von endocardialen und pericardialen Ge¬
räuschen. Zur allgemeinen Geltung wird es hiebei aber wohl
ebenso wenig gelangen, wie die einst empfohlenen Resonatoren.
Und nun noch einige Bemerkungen über die Verwendung
des Phonendoskopes zu Zwecken der Percussion.
Das Reibegeräusch , welches nach Vorschrift B i a n c h i 's
hervorgebracht wird, erhält einen andern Charakter, je nachdem es
Uber einem lufthaltigen, gleichsam als Resonanzkasten dienenden
Organ erzeugt wird oder über einem nicht lufthaltigen. Ganz
ebenso verhält sich auch bei der von Baas cingcführten Phuno-
metrie ein Ton, welcher hier durch eine schwingende Stimmgabel
erhalten wird, verschieden in Bezug auf Dauer und Stärke, je
nachdem die Stimmgabel über einem lufthaltigen oder luftleeren
Organ aufgestellt wird. Einen wesentlichen Vortheil besitzen jedoch
diese Methoden vor der allgemein gebräuchlichen der Percussion
nicht; auf jeden Fall geht ihnen den letzteren gegenüber ein
Vortheil ab, nämlich die Wahrnehmung der Verschieden hei ton in
dem Gefühle des Widerstandes, welchen lufthaltige und luftleere
Organe bei der Percussion geben.
Gelang mir die Abgrenzung lufthaltiger Organe von luftleeren
mittels der B ia n c h i’scliou Methode ohne Mühe, so konnte ich mich
nicht überzeugen, dass eine Abgrenzung der gesunden Lunge in einzelne
Lappen oder die Aufzeichnung der einzelnen Hohlräume des Herzens
möglich sei und ich muss mich den positiven Angaben Bianchi's
gegenüber durchaus skeptisch verhalten. Eine deutliche Veränderung
des Klangcharakters dieses Reibegeräusches erzielt man auch, wenn
man am Oberschenkel von der Peripherie her sieh mit dem reibenden
Finger dein aufgesetzten Stäbchen nähert, und zwar tritt diese
Aenderung ziemlich plötzlich auf, so dass ich die Vermuthung
auszusprechen wage, dass man Täuschungen hei der beabsichtigten
allzufeinen Abgrenzung von Organen ausgesetzt ist. Ein Rück auf
die Projeetion der einzelnen llerztheilo in der B i a n cli i'sehen
Zeichnung bestärkt mich in meinen Zweifeln ; denn die Lage der
einzelnen Theile und des ganzen Herzens entspricht dort nicht dem
Bilde, welches wir uns nach unsern topographisch - anatomischen
Kenntnissen zu entwerfen gewohnt sind.
Wenn nun auch dem Phonendoskop g<-wisse Vortheile zu¬
kommen — ich nenne hier die bequeme Handhabung des Instru¬
mentes und die Möglichkeit, dass mehrere Personen zugleich mit
demselben hören können, ein Umstand, der beim klinischen Unter¬
richt von Werth sein kann —, so überwiegen doch die gewichtigen
im Obigen dargelegten Ucbelstämlc so sehr, dass nach meiner
persönlichen Auffassung die schon erwähnte Ansicht bestehen
bleibt, es eigne sieh das Phonendoskop nicht als Ersatz der zur
Zeit allgemein gebräuchlichen Instrumente zur Ausübung der Aus-
cultation und Percussion.
Ueber Halogeneiweissderivate und ihr physiologisches
Verhalten.
Vorläufige Mittheilung von Pr. F. Illinii, prakt. Arzt in
Frankfurt a. M.
Seit geraumer Zeit mit dem Studium bestimmter Eiweisskörper
beschäftigt, wurde ich vor einigen Monaten durch Herrn Apotheker
Dr. Reiss in Augsburg darauf aufmerksam gemacht, dass seinen
Beobachtungen nach möglicher Weise gewisse Eiweisssubstanzen
eine Reaction mit Jod eingchen. Selbstverständlich war diese An¬
regung für mich der Ausgangspunkt eines eingehenden Studiums
der Einwirkung von Jod auf Eiweisskörper; aber auch die übrigen
Halogene — Brom und Chlor — bezog ich sofort in meinen
Arbeitsplan, da einmal das Verhalten des Eiweisses gegen diese
No. 46.
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1100
MÜNCHENER MEDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
Halogene genug dos Tntorossanton versprach ‘); andererseits mir
durchaus die Möglichkeit vorzuliogen schien , dass den Ilalogen-
derivaten der Eiweisssulistanzen eine besondere Wirksamkeit im
Organismus zukomme.
Lasst man Jod, Brom oder Chlor auf feuchtes Eiweiss in der
Kälte oder unter gelindem Erwärmen einwirken, so entzieht der
grüssoie Tlieil des Halogens dein Eiweissmolecül Wasserstoff und
verbindet sich mit diesem zu Jod-, Brom- oder Chlorwasserstoff
(HJ— HBr—HCl); diese Säuren hinwiederum lagern sich so lange
dem Eiweiss an, bis dessen Säurebindungsvermögeii erschöpft ist;
der hiernach verbleibt nde Cebersehuss gibt alle Beactionen der freien
Mineralsäuren (Congoreaction, l’liloniglm in-Vanillinreaction etc.).
Eiu bestimmter A nt heil der Halogene aber tritt in eine
andersartige Verbindung mit dem Eiweissmolecül, wobei Product«
entstehen, die als mehr oder weniger fest vereinigte Halogeneiweiss
derivate anzusehen sind.
Zu den physiologischen Prüfungen benutzte ich thcils selbst
hergcstcllte, thcils aus dem wissenschaftlichen Laboratorium der
Farbwerke vormals Meister, Lucius und Brüning zu Höchst a. M. 8 )
bezogene Präparate, die in der Weise gewonnen waren , dass die
vcrschie lenen Halogene sei es auf Pepton resp. Albumosen, sei es
auf Prologen — beide sind wegen ihrer Wasserlöslichkeit besonders
dazu geeignet — kurze Zeit zur Einwirkung gebracht und die
dabei entstandenen Säuremengen vorsichtig neutralisirt wurden ;
alsdann wurde in vactm zur Trockne eingcdauipft. Man erhält so
Halogeneiweissderivate, die sieh weiter zerlegen lassen.
Die Prüfung, ob in den Präparaten physiologisch wirksame
Bestandteile enthalten sind, wird durch ihren Salzgehalt bei den
immerhin recht geringen Dosen, die verfüttert werden, nicht
beeinflus: t.
Das Jodeiweiss — dieser und ähnliche Ausdrücke mögen der
Kürze halber gebraucht werden ; sie sollen nur die Bereitungsweise,
nicht die chemische Natur des Präparates bezeichnen — habe ich,
angeregt durch die Entdeckung Baumann’s über das normale Vor¬
kommen von Jod im Organismus und in der Vermutung, dass
cv. ein Jodderivat des Eiwcisses die Stammmutter des Jodothyrins
sein könnte, in der Form von Jodpivtogen und Jodpepton überall
da angewendet, wo sieh cv. eine specifisehc Einwirkung zeigen
konnte. Unsere ganze Anschauung über das Schicksal und die
Rolle des Jods iip Körper wird vereinfacht und geklärt, wenn es
richtig ist, dass die Jodsubstanz der Schilddrüse einer Beaction
irgend eines Eiweis;cs mit Jod entstammt.
Die Untersuchungen ergaben nun, dass sowohl parenchyma¬
töse Kröpfe, als experimentell durch Tbyreoectomic an Hunden
erzeugte Tetanie, so«ie Myxoedem durch Jodeiweiss eine deutliche
Beeinflussung erfahren.
Die Brouieiweisjderivate wurden bei Epilepsie angewandt.
Es schwebte mir dabei der Gedanke vor, dass im Körper ein
Bromstoff Wechsel, ähnlich dem von Baumann entdeckten Jod¬
stoffwechsel vorhanden sein könne; die Epilepsie wäre dann
möglicherweise als eine Folgeerscheinung irgend einer Störung in
diesem Kreislauf anzusehen.
Anhaltspunkte für das normale Vorkommen von Brom im
Organismus zu suchen, wird meine nächste Aufgabe sein.
Die klinische Prüfung des Einflusses des Brompeptons auf
Epileptiker, die Herr Dr. Alzheimer seit Juni d. J. an der
hiesigen Irrenanstalt begonnen hat, haben neuerdings eine Reihe
erinuthigender Erfolge aufzuweisen.
Das Ohlorciweiss habe ich bei Magencrkrankungcii (Catarrhus
ventriculi uud Carcinoma ventviculi) angewandt und unter seiner
Darreichung auffällige Verbesserungen des Allgemeinbefindens (Ge-
wicht etc.), sowie der Magenbesehwerden constutiren können.
lieber die Einzelheiten der Versuchsanordnung und -ergeb-
nisse werden eine Reihe in Bälde erscheinender Publicationen zu
berichten haben. Die Richtung in der sich meine Untersuchungen
bewegen, habe ich aber geglaubt, heute schon darlegen zu dürfen,
’) Eine Durchsicht der einschlägigen Literatur hat mich später
darüber belehrt, dass schon vor vn len Jahren einzelne Spaltungen
und Substitutionen am Eiweisskörpe;- mit bestimmten Halogenen
untersucht worden sind; ein physiologisches Studium der Halogen¬
derivate aber hat meines Wissens noch niemals stattgefumlen.
2 ) Herr Dr. Reiss hat dieser Fabrik die Darstellung der
durch seine Anregung gefundenen Präparate übertragen.
um mir dadurch die Erschliessung eines vielleicht recht bucht
baren Arbeitsgebietes zu sichern.
Es liegt mir ferne, grosse Folgerungen aus den bisherigen
skizzenhaften Beobachtungen ziehen oder Andere durch diese Yer
öffcntliclmng schon jetzt zur Mitarbeiterschaft veranlassen zu wollen;
ich glaube nur, dass liier eine »Sache vorliegt, die ihrem ganzen Auf-
bau nach zahlreiche Ausblicke auf bisher noch unbekanntes Ter¬
rain, vielleicht auf eine Art Halogenstoffwccbsel gewähren kann.
Nachschrift bei der Correctur: Mittlerweile habe ich die
Trauerkunde von dem allzu frühen Ableben meines verehrten ehe
maligen Lehrers, Professor Dr. Bau mann, erhalten. In einem
solchen Augenblicke halte ich mich für doppelt verpflichtet, darauf
hinzuweisen, dass die oben beschriebenen Studien im Wesentlichen
durch die Veröffentlichungen Baumann’s über das normale Vor¬
kommen von .Jod im Organismus angeregt worden sind.
Weitere Mittheilungen zur Wirkung des Chrysoidins
auf Choleravibrionen.
Von Arthur Blac/ixtcin.
Bereits in meiner ersten ') Mittheilung habe ich erwähnt, dass
ich den <« ruber ’ sehen Begriff des Agglutinins beibehalten mochte,
ohne aber («ruber’s Anschauung über das Wesen der Agglu¬
tination zu theilen. — Es bat sieh über diesen Gegenstand zwi¬
schen (1 ruber uud R. Pfeiffer eine Controverse entsponnen,
auf die ich hier kurz cingehen muss. Während nämlich Gruber
meint, es sei in dem Choleraimmunserum eine .Substanz enthalte»,
die die Cholorabacterie» klebrig mache und in Folge dessen ihr
Aneinanderhaften verursache, glaubt R. Pfeiffer den Vorgang
dahin deuten zu müssen , es theilten die Cholerabacterieu die
Eigenschaft der Klebrigkeit mit vielen anderen Baeterien (die
Eigenschaft der meisten Baeterien, an Peekgläscben zu haften, sei
ja bekannt), nur dadurch, dass sie gewissermassen gelähmt wür¬
den , käme die als Agglutination bezeichnet« Häufchenbildung xq
Stande. Er schlägt daher vor, die Bezeichnung «Agglutinin»
durch Paralysin» zu ersetzen 8 ). Der R. Pf ei ff er'sehen An¬
schauung pflichte ich in keiner Weise bei. R. Pfeiffer hätte
sieh leicht überzeugen können, dass das Sublimat, das Carbol, der
Formaldehyd, die Mineralsäurcn, die Alkalien gleichfalls die Bat¬
terien lähmt, ohne dass es aber zu dem so charakteristischen
Phacnomcu der Agglutination kommt. Alle die genannten Sub¬
stanzen sind Paralysine, aber nur der Agglutminkörper des Cho
leraserums und das Chrysoidin sind Agglutinine.
Es ist mir leicht verständlich, dass Gruber zu der Auf¬
fassung gekommen ist, als handle cs sich um eine Veränderung
(Quellung) der Bacteriomneiubrane. Es ist dies ja der am nächsten
liegende Gedanke. Aber mit Recht ist schon von H. Pfeiffer
hervorgehoben worden, dass von einer Quellung der Bactenen-
inembran unter dem Mikroskop nichts zu sehen ist, was ich
durchaus bestätigen kann. — Eine einfache Betrachtung lehrt
nun, dass es sich hier zunächst nicht um einen mechanischen,
sondern um einen chemischen Vorgang handelt. Es gibt eine
ganze Anzahl Körper, die sich mit dem Chrysoidin vereinigen
können und Niederschläge bilden. Diese Körper gehören xu der
Classe der Farbsäurcn, während das Chrysoidin eine Farbbase dar-
stellt. Farbsäure und Farbbasc vereinigen sich nun leicht xu
wasserunlöslichen neutrophilen Körpern, ein Vorgang, der Ehr
lieh zur Entdeckung der neutrophilen Granula im Leukoc.vten
geführt hat. Nehmen wir beispielsweise eine stark verdünnte
Lösung des sogenannten Martiusgelb 3 ) (Farbsäure) und fügen
wenige Tropfen unserer Chrysoi'dinlüsung hinzu, so bildet sich
ein feiner Niederschlag, der sich schnell (besonders beim Erwärmen)
zu gröberen Flocken zusammenballt. Ganz ähnlich denke ich n» r
den Vorgang dort, wo es sich nicht um das Martiusgelb, sondern
um eine Substanz handelt, die sich im Kommabacillus selbst findet-
Zu einer vollkommenen Ausfüllung der Vibrionen aus ihrer Sus¬
pension bedarf es eines gewissen Zeitraums, einer Stunde und
mehr. Diese ferinentartigc Langsamkeit ist leicht verständlich,
P Diese Wochenschrift 1896, No. 44.
*J Centralblatt f. Bact. XX, 1*96. No 4/f».
3 ) Auch Naphthylamingflb genannt, von Dr. G. Münder,
hier, bezogen.
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10. November 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1101
da das Chrysoidinmolccul Zeit braucht, um in den Baetorion-
körper hineinzudiffundiren. Dort bilden sich neutrophile Molectile,
die nun ihrerseits das Bestreben haben (nach dein Newton’ sehen
Gesetz der Massenwirkung), sich mit den neutrophilen Molecülcn
benachbarter Bactorien zu grösseren Aggregaten zu vereinigen —
ganz in derselben Weise, wie beim Martiusgclh-Chrysoidin gröbere
Flocken zu Stande kommen. Nur bleiben bei diesem Vorgang
die Bactcricn nicht einfach an einander kleben, sondern sie werden
zu compacten Haufen zusammengedrängt, die vermöge ihrer grös¬
seren spccitischen Schwere schnell zu Boden sinken.
Hervorheben will ich noch die Thatsache, dass das Chrysoidin
auch auf Kommabacillen ngglutinircnd wirkt, die mehrmals in
ihrer Suspension aufgekocht sind. Hier kann von einer Paralysin-
wirkung doch sicherlich keine Rede sein. Die Agglutination bleibt
aber zu Recht bestehen. Nur fasse ich den Vorgang als einen
activen (chemische Massenwirkung) auf, während G ruber und
Burharn ihn als einen mehr passiven (Veränderung der Zell¬
membran mit darauf folgendem Haftenbleiben der Bactcricn) deuten.
Bei der grossen Aehnlichkeit, die zwischen dem Crysoidin
und dem Cholerascruniagglutinin bestellt, lag es nahe, einige Thier-
versuche zu machen. Ich bin in der Weise vorgegangcii, dass
ich activ stark virulente 4 ) Bouillonculturen mit einem gleichen
Volum 0,2. r > Proe. Chrysoidinlösung vermischte und den Versuehs-
thieren sofort injicirtc. Als solche benützte ich Tauben und
graue Hausmäuse, Und zwar wurde ersteren l ccm des Gemisches
in den Brustmuskcl, letzteren 0.3 ccui unter die Haut injicirt; die
Controlthicre erhielten die Hälfte der angegebenen Mengen activ
virulenter Culturcn (natürlich ohne Chrysoidin).
Während nun diejenigen Thierc, denen mit Chrysoidin ver¬
setzte Culturcn injicirt worden waren, ausnahmslos am Leben
blieben, starben die Controlthicre mit derselben Sicherheit.
Dies wichtige Ergebniss bedeutet, dass das Chrysoidin die
Kommabarillen — und zwar momentan — ihrer \ irulenz ent¬
kleidet, während zu ihrer Abtödtung ausserhalb des Thierkörpers
nach den Versuchen meines Mitarbeiters Körte ein Zeitraum von
20 Minuten und mehr gehört.
Weitere Thierversuchc wurden ganz in der beschriebenen
Weiso mit eholeraühn lieben Vibrionen angestellt (dem Vibrio El vors,
dem Vibrio Berolincnsis und dem cholcraähnliehen Vibrio aus dem
Institut des Professors W o 1 f f li ü ge 1). Hierbei ergab sich, dass
von einer solchen momentanen Einwirkung des Chrysoidins auf
die Virulenz der genannten Bactcricn — wie dies beim echten
Cholerabacillus der Fall ist — nicht die Rede war. Die Thierc,
die ehrysoidinirte Culturcn erhalten hatten, starben ebenso wie die
Controlthicre.
Es verhält sich also auch an der Hand des Thierversuchs
das Chrysoidin genau ebenso wie das Choleraserum. Jenes leistet
genau ebenso viel und ebenso wenig wie dieses. Teil sage: ebenso
wenig, denn dieses sogenannte Cholerainununseruiu ist lediglich
ein baotericides Choleraserum, durch das allerdings eine Fülle
werthvoller und interessanter Thatsachen zu Tage gefördert worden
sind. Den Namen Choleraiuiuiunseruni wollen wir uns lieber
für das Clioleraantitoxioseruin auflieben , über das bereits von
Behring, Metseli nikoff, Ransom, Roux und Taurelli-
»Salinibeni Mittheilungen vorliegen. — Das bactericide Cholera-
Serum aber — und nur von diesem ist in meiner Mittheilung die
Rede gewesen — lässt, sieh in theoretischer uud praktischer Be¬
ziehung vollkommen durch das Chrysoidin ersetzen.
Aus dem Laboratorium des Verfassers, Güttingen, am
24. October 1890-
Ferripyrin als Haemostaticum in der Gynäkologie.'
Von Br. Fr iah'. Merle/ in Nürnberg.
Die warme Empfehlung, welche Sch äff er in der Münch,
med. Wochenschrift No. 53 — 181)5 und im C. f. Gyn. No. 2
— 1896 dem Ferripyrin als blutstillendem Mittel mit auf den
Weg gegeben hatte, veranlasstc mich, bei dem ja nicht allzugrossen
4 ) Cf. Berl. klin. Woehenschr. 1894, No 17. Ueber die Viru¬
lenz des Kommabacillus in ihrer Beziehung zum Nährboden.
‘) Vortrag, gehalten im ärztlichen Verein Nürnberg.
Reichthuui derartiger Mittel in der Gynäkologie, dasselbe in 17
Fällen in Anwendung zu bringen. Verwendet wurde die 18 proe.
Lösung, in 2 Fällen das reine Pulver.
Was zunächst diese beiden anlangt, so handelte es sich in
dem einen um eiu inoperables Carcinom des Uterus, in dem anderen
um ein Recidiv nach Totalexstirpation. Die Jauchung stand sofort
gleichwie die Blutung, doch habe ich zuvor mit anderen Mitteln
gleiches Resultat mit nachhaltigerer Wirkung erzielt. Fall 3 betraf
ein Collumcarcinom, das heftig blutete und bei dem versucht wurde,
durch Einlegen einer mit 18 proe. Ferrip.-Lösung getränkten Watte¬
kugel die Blutung zu stillen. Es war ohne Erfolg 3 Tage sah
ich zu, dann führte die Totalexstirpation zum Ziel und zur Heilung.
Bei Fr. S handelte es sich des weiteren wahrscheinlich um
-gbortus; nach siebenwöchigem Cessiren der Menses kam eine
heftige Blutung. Als dieselbe 1U Tage anhielt, wurde ich um Rath
gefragt; 2 Tage hintereinander ätzte ich ohne Erfolg; auf Abrasio
mucosae, welche einen bohnengrossen Eihautrest zu Tage förderte,
Stillstand der Blutung
Vier ziemlich gleichartig gelagerte Fälle zeigten ebenfalls
keinen Erfolg durch Aqtzung; bei allen war der Uterus durch alte
Adhaesionen fixirt, theilweise retroponirt oder retrovertirt. Eine
andere bewährte Methode half jedesmal (Abrasio, Massage, Hodge etc).
Bei 5 Frauen mit Myomen führte in 9 Sitzungen zweimal das
Ferripyrin zum Ziel, sonst kehrte jedesmal */*—*/ 4 Stunde »ach der
Aetzung die Blutung wieder.
Bei den letzten 4 Fällen, welche sämmtliche ohne andere nach¬
weisbare Ursache als wegen Chlorose heftige menstruelle Blutungen
hatten, nützte das Aetzen in 7 Sitzungen nur eiu einziges Mal.
IJebcrblicke ich mein Gesammtresultat, so ist dasselbe kein
zu weiteren Versuchen ermunterndes; vielmehr musste ich
immer wieder zu anderen schon erprobten Methoden zurückgreifen.
Dreimal habe ich sogar versucht, nachdem eine erste Aetzung
nichts nützte, nach 5—10 Minuten durch eine zweite zum Ziele
zu gelangen, allein es blutete trotz jeder Behandlung ohne nach¬
weisbaren Grund (3 Fälle von Chlorose) ruhig fort. Ich habe
nur einen höchst schmutzig braunrothen Ausfluss darnach be¬
obachtet. Betonen möchte ich auch, dass es äusserst schwer hält,
Frauen und Mädchen während einer, wenn auch profusen Men¬
struation 7,ur Untersuchung oder gar zu einem intrauterinen Ein¬
griff zu bestimmen. Ausspülungen habe ich mit der intensiv
färbenden Flüssigkeit in der Privatpraxis überhaupt nicht versucht,
weil ich hiezu kein Bedürfnis? hatte. Die erst kürzlich empfoh¬
lenen Ferripyrin - Verbandstoffe dürften sich wegen ihrer auch
Alles färbenden Eigenschaft keinen weiteren Eingang verschaffen.
Aus der Lau des-Heil- und Pflegeanstalt Uohtspringe (Altmark).
Zur Beurteilung des Trinkwassers. 1 )
Von I)r. R. Mun! in Ucbtspringc.
Bei der Beurtheiiung des Trinkwassers ist in letzter Linie
die Beantwortung der Frage ausschlaggebend: .< Ist dasselbe schäd¬
lich oder nicht V)>
Wir sprechen dem Wasser eine wesentliche Rolle bei der
Verbreitung einer Reihe von Krankheiten zu, obgleich wir noch
nicht sicher wissen, welcher Art diese erregenden Schädlichkeiten
>iml. Die Erfahrung zeigte, dass neben Chlor vorzugsweise das
Auftreten von Ammoniak und salpetriger Säure im Wasser hierzu
in gewisse Beziehungen zu bringen sei. Man wusste, dass bei der
Zersetzung organischer Substanzen, besonders faulender Eiweiss¬
körper, niedrigere organische Verbindungen wie Ammoniak, salpetrige
und Salpetersäure gebildet wurden und glaubte dies auf eine lang¬
same Oxydation, also auf einen rein chemischen Process zurück¬
führen zu müssen.
Enthielt ein Wasser solche N-Verbindungen, von der höchst
oxydirten Salpetersäure als mehr oder minder normalem Bestand-
theil abgesehen, so schloss man, dass hier eine Auslaugung
oiler gar eine di recte Zuführung verwesender Sub¬
stanzen stattgefunden hatte. Und da die Anhäufung solcher
Stoffe, namentlich in der Nähe menschlicher Wohnungen, meist
mit Faecalien versetzt ist, so hielt man ein Wasser, in dem man
A m m o n i a k und salpetrige Säure naehweisen konnte, min¬
destens für ecke! ha ft. Unter diesen Voraussetzungen bot
also die chemische Analyse einen bequemen und sicheren Anhalt.
') Vortrag, gehalten im Altmärker Aerzte-Verein zu Uchtspringo
am 9. September 1896.
2 *
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1102
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45
Nach Einführung der B acteriologie in die Wissenschaft
hoffte man, in dem Gehalt des Wassers an Bacterien das
allein richtige Kriterium gefunden zu haben und wurde hierin
unterstützt durch die anscheinende Leichtigkeit des Nachweises
auf Grund des Koch’sehen Plattenverfahrens. Noch unbekannt
mit der Natur dieser kleinsten Lebewesen, sie lediglich als Er¬
reger von Krankheiten fürchtend, forderte man ihre völlige Ab¬
wesenheit in einem guten Wasser. Bald aber erkannte man, dass
die Bacterien fast allgegenwärtig sind und lernte ihren Werth im
Haushalt der Natur ahnen. Grundwasser kann ja, in Folge ge¬
nügender Bodcnfiltration, ursprünglich frei von Keimen sein, wird
jedoch immer in Berührung mit Wasser und Luft, in kürzester
Zeit inticirt. Hesshalb wurde man bald milder in den Ansprüchen
und zählte ein Wasser bis zu 500 Keimen im Cubikeentimeter
noch zu den guten. Schliesslich sab man aber die Unmöglichkeit
ein, durch Festsetzung von Grenz zahlen ül>erhauj>t Anhalts¬
punkte zur Bourflieilung zu finden und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens ist ihr Keimgchait eines Wassers je nach Tem¬
peratur, Dauer und Art der Aufbewahrung, Entnahme aus ver¬
schiedenen Fliissigkeitsschiehten etc. üusserst schwankend. Dazu
kam die Erkenn miss der ungeheuren Vermehrungsfähigkeit der
Bacterien unter günstigen Bedingungen, so dass es an sich nicht
erheblich ist , wieviel Keime das Wasser nun gerade bei der
Untersuchung zeigt. Ausserdem steht ja auch ein bacterienarmes
Wasser vor dem Gebrauch meist längere Zeit offen und wird so
gewissennassen eine Brutanstalt aller möglichen Luftkeime.
Der zweite Grund beruht auf der Mangelhaftighcit der
Untersucliungsmcthode, weil sie keine Rücksicht nimmt auf die
verschiedenen Lebensbediugungen aerober und anaerober, sapropliy-
tisclier und parasitischer Bacterien. Man braucht nur das gleiche
Impfmaterial auf verschiedene Nährböden zu bringen, die (Kolonien
werden nach Zahl und Ansehen vollständig differiren.
Drittens, und dies war wohl die wichtigste Erwägung, ist
nicht recht einzusehen, weshalb wir den Genuss baeterienhaltigen
Wassers so ängstlich vermeiden sollen, wo wir doch, ich erinnere
nur an die Mnlkereiproducte, (Käse etc.), ungezählte Mengen von
Bacterien täglich unserem Körper ein verleiben.
Die Bestimmung von Keimzahlen ergab also keine
geeigneten A n li a 1 1 s p unkt c zur Bcurtheiluug ; auch standen
1 1ic; in dieser Richtung angestelltcn Vergleiche zwischen chemischer
und baeteriologischcr Untersuchung nicht in dem erhofften Ein¬
klang. Immerhin findet diese Zühl-Mcthodc, unter der Voraus¬
setzung gleicher Culturhedinguugen, bei der Uontrole von Filtern,
der Selbstreinigung von Flüssen u. s. w. auch heute noch zweck-
mässige AnWendung.
Man glaubte nun, statt auf die Individuen Zählung, auf den
Artenreicht hum einen besonderen Werth legen zu müssen
und wollte daraus sowohl auf eine gesteigerte Verunreinigung als
auch auf eine höhere Infectionsmöglichkcit schliessen. Die Gründe,
welche ich gegen die Zweckmässigkeit der Keimzahlhcstimmung
anführte, gelten auch hier. Dazu kommt die Schwierigkeit der
lsolirung oder gar Identitieirung, sodass diese Methode zum min¬
desten für den praktischen Arzt ungeeignet ist.
Desshalb ging man schliesslich dazu über, den auf Grund
des klinischen Bildes vermutheten Krankheitserregern
direct nachzuforschen. Allerdings konnte dies nur von solchen
geschehen, deren Lcbensthätigkeit man einigermassen genauer
kannte, im Wesentlichen also Typhus und Cholera. Selbst wenn
wir als sicher annehmen, dass beide durch Trinkwasser verbreitet
werden , so müssen wir doch mindestens die Frage offen lassen,
ob dies durch die als Erreger angesehenen Lebewesen selbst oder
durch ihre schon im Wasser gebildeten Toxine bewirkt wird. Im
letzteren Falle kann also ein Wasser zur Zeit frei von den ge¬
suchten Bacterien und doch vergiftet sein, die Controle durch
die übliche Cultur würde hier also versagen. Im Weiteren wissen
wir, dass die Lebensfähigkeit beider im Wasser nur äusserst gering
ist, dass sie bald von den gewöhnlichen Wasser bacterien unter¬
drückt werden. Vor Allem befinden wir uns aber mangels eines
geeigneten Versuchstieres gar nicht in der Lage, zwischen Ur¬
sache und Wirkung abwägen zu können. Desshalb ist bis jetzt
der häufige Nachweis pathogener Bacterien im Wasser
nur mit Vorsicht aufzunehmen.
Wir sehen also, dass die glänzenden Hoffnungen, die man
auf die Baeteriologie gestellt hatte, sich in dieser Richtung noch
nicht erfüllt haben. Gleichwohl darf man den Gedanken nicht
fallen lassen , dass gewisse Infectionskrankheiten durch Faecalien
verbreitet werden und zwar im Wesentlichen durch die Mitführnne
der erregenden Substanzen im Trinkwasser. Gelingt es daher im
Allgemeinen, Darmbacterien, als deren Prototyp wir das
Bacterium Coli commune Escherich ansehen, überhaupt im
Wasser zu isoliren , so müssen wir ein solches als verdächtig
zurück weisen , selbst wenn wir die Ansicht der Lyoner Schule,
Arloing, Roux etc., von der UmwandluDgsfähigkeit uud Pa
thogenität des Coli nicht zu der unsrigen machen.
Zwei Mittel waren es nun, durch welche man die lsolirung
von Darmbacterien erstrebte. Zuerst musste man, da man leider
in Betreff Nährsubstrat uur an eine rohe Anpassung an natür¬
liche Verhältnisse gebunden ist, ihnen wenigstens die günstigsten
Temperaturbedingungen bieten, dann waren alle harmlosen
Sapropbyten nach Möglichkeit auszuschalten. Versuche
in dieser Richtung wurden unter Anderem auch im Stutzer’
scheu Laboratorium in Bonn angestellt und veröffentlichte Burri
1895 in der hygienischen Rundschau die ersten diesbezüglichen
Resultate. Er wählte einen stark alkalischen Nährboden, mit
0,75 Proc. Sodazusatz, und züchtete bei Bluttemperator. Soweit
wenigstens die Laboratoriumsversuche ergaben, wurden thatsächlich
durch die höhere Temperatur einerseits, im Wesentlichen jedoch
durch die gesteigerte Alkalescens sämmtliche Saprophyten elimi-
nirt, auch wenn sie nach den gewöhnlichen Verfahren noch so
zahl- und artenreich auftraten. Bei solchen Wassern jedoch, die
absichtlich mit Faecalstoffen , wenn auch in minimalen Mengen,
versetzt waren, schien durch diese Cultur ein Isolirungsmodus ge¬
funden zu sein, wenigstens zeigten sieh dann regelmässigColonien,
die im Wesentlichen aus Bacterien bestanden, die ständige Darm-
bewohner zu sein pflegen.
Seitdem habe ich selbst eine Reihe von Wassern nach dieser
Methode geprüft und immer gefunden, dass, falls Colonien ent¬
stehen , diese hauptsächlich auf Coli und coliähnlichc zurückzu¬
führen sind. Einmal sogar ist es mir gelungen, auf diesem Wege
auf das Vorhandensein von Typhusbacillen aufmerksam geworden zu
sein und zwar wurde mein Verdacht durch die spätere Identificirang
in Reineultur, vor Allem aber durch das klinische Bild der local
ausgebrochenen Epidemie als höchst wahrscheinlich bestätigt.
Im Eingang sagte ich, dass das Auftreten gewisser N-Ver¬
bindungen, Ammoniak und salpetrige Säure, auf eine Verunreinigung
des Wassers durch Abfallstoffe, und also auch wohl durch Faecalien,
erfahrungsgemäss schliessen lässt. Pasteur zeigte uns nun zuerst,
dass bei der Fäulniss und Verwesung, bei jeder Gährung im
weitesten Sinne überhaupt, der Abbau und die Umsetzung com-
plicirtercr organischer Verbindungen in die einfachsten anorganischen
durch den Lebensprocess von Bacterien bewirkt wird. Bei der
Wichtigkeit, welche vor Allem die N -Verbindungen für die Land¬
wirtschaft haben, studirte man in jüngster Zeit diese die Wand¬
lungen des »Stickstoffs bewirkenden Bacterien genauer; ich hebe hier
nur die diesbezüglichen Arbeiten von Winogradsky, Stutzer
und Burri hervor. Im Allgemeinen wissen wir jetzt, dass die
stickstoffhaltigen organischen Stoffe zunächst eine Ammoniakgährung,
meist durch Faecalbacterien bewirkt, durchmachen, dass dann das
gebildete Ammoniak bei der sogenannten Nitrification durch gewisse
Boden bacterien zuerst in salpetrige Säure, dann durch andere in
Salpetersäure umgewandelt wird, welche letztere erst, an Salze
gebunden, vorzugsweise von den Pflanzen aufgenommen werden
kann. Dieser gewissermassen normale Vorgang ist jedoch von
verschiedenen Factoren, Temperatur, Feuchtigkeit, Bodenverhält¬
nissen u. s. w. abhängig. Treten also Störungen im raschen Verlauf
dieser Umsetzungen auf, sei es durch Anhäufung zu grosser Mengen
organischer Stoffe, sei cs, dass durch Grundwasserverhältnisse,
Trockenheit etc. die Boden bacterien in ihrer Wirkung beeinflusst
werden, immer wird sich dies kundgeben durch das erhöhte Auf¬
treten von Zwischenproducten, NH# bezw. HNOz, da die Um¬
setzungserscheinungen bei normalen Bodenverhältnissen so aufeinander
folgeu, dass solche Uebergangsformen des N im Wasser meist nicht
gelöst oder weitergeführt werden.
Es scheint uns hier eine Brücke geschlagen zu sein zwischen
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10. November 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1103
chemischer Erfahrung und bacteriologischer Forschung. Ein Wasser,
welches Ammoniak und salpetrige Säure enthält, wäre nach obigen
Erwägungen als wahrscheinlich mit Fäcalbaeterien verunreinigt zu
verdächtigen; dieser Umstand würde bestärkt, wenn nach dem
erwähnten Züchtungsverfahren überhaupt noch Oolonien entstehen.
Bestehen nun gewisse Beziehungen zwischen den Ergebnissen
beider Untersuchungsmethoden? Wenn auch meine diesbezüglichen
Resultate dafür sprechen, so können doch solche Fragen nur auf
Grund einer grossen Zahl von Beobachtungen endgiltig entschieden
werden. Die weitere Erforschung der Krankheitserreger wird sieh
ja in anderer Richtung bewegen, doch scheint mir, dass zur Zeit
die chemische Analyse als wichtiges Hilfsmittel zur
vorläufigen Orientirung noch nicht entbehrt werden kann, ja
ich glaube, dass sie gerade für den praktischen Arzt ihrer
Einfachheit und Sicherheit wegen bis jetzt unerlässlich ist.
Ueber Infiltrations-Anaesthesie. 0
Von l)r. H. Mehl er, prakt. Arzt in Georgen sguiiind.
Es ist auffallend, wie wenig in der medicinisohen Tages¬
presse von der lnfiltrations-Anaesthesie nach Schleich die Rede
ist. In jeder Nummer finden sieh Berichte über neu gefundene
oder erfundene Arzneimittel, die nach höchstens ein paar Jahren
wieder a acta gelegt werden, um von anderen von gleichem Werth
ersetzt zu werden. Von einer neuen Methode, die Schmerz¬
empfindung hei Operationen ohne Narkose auszuschalten, ist aber
wenig die Rede, trotzdem das Verfahren im Stande ist, mindestens
95 Proc. aller Narkosen entbehrlich zu machen. Und die Statistik
der Narkosen sollte uns doch zu denken geben. Es gibt wohl
keinen beschäftigten Arzt, der nicht in seinem Leben einen oder
mehrere Todesfälle in der oder vielmehr durch die Narkose
zu beklagen hätte und cs ist geradezu unbegreiflich, dass die
Schleich'sehe Methode sich nicht schon überall das Bürgerrecht
erworben hat. Ein (Jrund für die langsame Einführung derselben
mag sein, dass der Erfinder hei der Demonstration des Verfahrens
auf den Ohirurgencongress 18'.»2 in Berlin einen vielleicht nicht
ganz geeigneten Fall vorgestellt hat, oder auch, dass er durch die
vielen Zuschauer, wie das bei (Kongressen immer geht, nicht mit
der nöthigen Ruhe operiren konnte; das wenigstens steht fest,
dass den Theilnelimern des genannten (Kongresses die Sache nicht
besonders imponirt hat. Ein zweites Hinderniss, das der Aus¬
breitung der Methode im Wege stellt, ist die immerhin etwas
schwierige Technik des Verfahrens.
Aber ich bin überzeugt, dass jeder Arzt, der sich ernstlich
mit. der Infiltration»-Anaesthesie beschäftigt, und ganz besonders
der Arzt, der nicht immer einen Kreis von Assistenten zur
Verfügung hat, diese Methode als einen wesentlichen Fortschritt
begrüssen wird.
Ich bediene mich derselben seit einem Jahre und habe in
dieser Zeit etwa 250 grössere und kleinere Operationen mit der¬
selben gemacht.
Es ist hier nicht der Ort, auf die Einzelheiten des Ver¬
fahrens einzugehen, das muss in dem vorzüglich geschriebenen
Buch 2 ) des Erfinders der Methode naehgelesen und sehr gründ¬
lich studirt werden. Es wäre vielleicht praktisch und würde der
Ausbreitung der Sache förderlich sein, wenn der Autor den 3-
Thcil seines Buches, der speciell die Technik der Infiltrations-
Anaesthesie behandelt, auch gesondert drucken Hesse. Es soll
damit nicht gesagt sein, dass die beiden anderen Theilc nicht
lesenswerth seien , besonders die Vorschläge des Verfassers im
ersten Theil, die Narkose betreffend, sind entschieden der Prüf¬
ung werth.
Was die Einführung der Infiltrations-Anaesthesie uns Aerzten
noch besonders erleichtert, ist der Umstand, dass der Verfasser
die Methode bis in die kleinsten Details ausgearbeitet hat und die
meisten öfter vorkommenden Operationen so ausführlich und an¬
schaulich beschreibt, dass es möglich ist, hat man sich erst ein- .
mal geübt, nach der Vorschrift zu arbeiten. i
*) Vortrag, gehalten im südfränbischen Aerzteverein,
2 ) Schleich, Schmerzlose Operationen. Berlin bei Springer
Mk. 6.—
No. 45.
Die Methode besteht in der Aufschwemmung des Operations-
terrains mit verschiedenen Salzlösungen, deren Zusammensetzung
nach der Art des Gewebes, in dem operirt wird und nach der Sensi¬
bilität wechselt. Die stärkste Lösung enthält 0,2 Cocain, 0,025 Mor¬
phium auf 100 Gramm 2°/oo Kochsalzlösung (für entzündete und
hypcraesthetische Gewebe), die zweite 0,1 Cocain, 0,025 Morphium
auf 100 Gramm 2°/oo Kochsalzlösung (Normallösung für Anaes¬
thesie der Haut etc., bei 80 Proc. aller Operationen kommt man
mit dieser allein aus), die dritte aus 0,01 Cocain, 0,005 Mor¬
phium auf 100 Gramm 2°/oo Kochsalzlösung (bei grossen Ope¬
rationen, bei denen der Gebrauch von Lösung t und 2 die Maxi¬
maldosis überschreiten würde, zur Infiltration der Muskeln und
des Zellgewebes. An ganz wenig empfindlichen Partien kommt
man auch mit 2°/oo Kochsalzlösung allein aus).
Diese Lösungen müssen natürlich aseptisch sein. Das Hesse
sich nun leicht erreichen, wenn man die Lösungen unmittelbar
vor der Operation kochen könnte. Das geht aber nicht, weil die
Lösungen kalt sein müssen und um so besser anaesthesirend wirken,
je kälter sie sind.
Schleich setzt denselben auf 100 Gramm zwei Tropfen
5 proc. (Karbolsäure zu, das soll dieselben länger aseptisch halten
und die anaesthesirende Wirkung derselben erhöhen. Das letztere
mag richtig sein ; bezüglich der ersteren Eigenschaft wird es wohl
nicht viel Leute geben, die es glauben.
Tch sterilisire mir meine Lösungen im Soxhletapparat und
bin mit dem Verfahren recht zufrieden. Die so präparirten
Lösungen bleiben monatelang steril..
Es ist ferner, wenn man bei Operationen zwei- oder mehrerlei
Lösungen gebraucht, angenehm, wenn man dieselben leicht und
auf den ersten Blick von einander unterscheiden kann. Ich
setze desshalb der Lösung No. 1 auf 100 Gramm 2 Tropfen
(Karbolfuehsinlösung zu, die Lösung No. 2 lasse ich als die meist
gebrauchte farblos, und No. 3 färbe ich mit einem Tropfen Kaliinc-
thylenhlaulösung hellblau. Bei der ersteren ist ein weiterer Oarbolzu-
satz unnüthig; bei der zweiten richte ich mich ganz genau nach der
Schl eich'sehen Vorschrift, bei No. 3 darf aber keine (’arbol-
säure zugesetzt werden, da diese den Farbstoff ausfällt. So kenne
ich auf den ersten Blick die Flaschen von einander und verwechsle
auch hei der Operation die einzelnen Schälchen nicht.
Audi wird bei Verwendung des Soxhlet, wenn man nur
kleine Flaschen (150 Gramm) nimmt, jedes Umleeren der Flaschen
vermieden, was ja im Interesse der Asepsis sehr wichtig ist.
Ein zweiter Punkt, in welchem ich mit Scheich nicht über¬
einstimme, ist das Instrumentarium. Zuerst die Nadeln. Man ge¬
braucht zumeist feine Canülen, gerade oder gebogene, und 8chleich
empfiehlt, der Billigkeit halber, Canülen mit Hartgummifassung.
Er reinigt dieselben durch Ausspritzen zuerst mit Wasser, dann mit
Spiritus, zuletzt mit 5 proc. Carbollösung Das ist wohl nach Opera¬
tionen in aseptischem Gewebe genügend, aber nach Eingriffen in
phlegmonös oder tuberculös erkrankten Organen möchte ich auf
das Auskochen der Nadeln nicht verzichten und ziehe desshalb die
etwas theureren Nadeln mit Metallfassung vor. Ich koche dieselben
vor und nach jeder Operation mit den Instrumenten in Sodalösung.
Damit sie die Spitze nicht verlieren, wickle ich sie zusammen in
ein Gazeläppchen ein. Mechanisch werden die Nadeln ftusserlich
am besten mit Wienerkalk und Spiritus gereinigt, innen mit einer
sog. Reibahle, wie sie von den Uhrmachern gebraucht werden. Für
die allerfeinsten Canülen ist die dünnste Reibahle noch zu dick,
man reinigt diese am besten, indem man einen dicken Brei von
feinstem Schmirgelpulver und Paraffinöl macht, in denselben einen
passenden Draht eintaucht und mit diesem das Innere der Canüle
ausreibt, schliesslich mit Aether oder Chloroform ausspritzt. Die
Nadeln sollen in Kästchen von Zinkblech auf bewahrt werden, dann
rosten sie nicht so leicht, auch die Aufbewahrung in eingedicktem
Seifenspiritus empfiehlt sich, letzteres natürlich nur für Nadeln mi t
Metallfassung.
Nebenbei sei bemerkt, dass die von Schleich empfohlenen
Nadeln von R. W urach in Berlin in Bezug auf Güte des ver¬
wendeten Materials und auf sorgfältige Arbeit trotz des sehr hohen
Preises viel zu wünschen übrig lassen.
Auch die von 8chleich empfohlenen Spritzen, die ebenfalls
von Wurach fabricirt werden, sind nicht in jeder Beziehung zu
empfehlen. Sie sind zwar tadellos gearbeitet und functioniren aus¬
gezeichnet, haben aber Lederkolben und Hartgummimontirung und
lassen sich desshalb schwer oder gar nicht reinigen. Das Inner«
der Spritzen lässt sich noch am besten sauber halten, wenn man
nur einmal das Fett aus dem Lederkolben herausgebracht hat. Die
Spritze wird ja nie zur Punction und Aspiration, sondern nur zu
Injectionen benützt; die Flüssigkeit, welche in die Spritze ein-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
gesaugt wird, ist aseptisch, kann also die Spritze nicht inficiren;
aber das Aeussere kommt doch bei Operationen oft mit Eiter etc.
in Berührung; die Spritzen lassen sich nicht kochen und selbst das
saubere Abbürsten ist durch die Riffelung der Hartgummitheile sehr
erschwert Dann trägt die Kolbenstange an ihrem hinteren Ende
eine Druckplatte, da wäre ein Ring angenehmer, weil man dann
zum Füllen der Spritze nicht 2 Hände brauchte. Aus demselben
Grunde dürfte sich auch empfehlen, statt der Griffstangen zu beiden
Seiten der Spritze Ringe zu nehmen.
Es empfiehlt sich sehr, die Spritzen in 3 —f» proc. Carbolsäure
aufzubewahren. Meine Spritzen liegen seit Anfang October 1895
in dieser Flüssigkeit und haben sich vorzüglich gehalten, viel besser,
als wenn ich sie trocken aufbewahrt hätte.
Auch die Form der von Schleich empfohlenen Spritzen ist
theoretisch nicht richtig. Die Gründe will ich ira Folgenden kurz
auseinander setzen.
Die Spritzen, die man zur Infiltrations-Anaesthesie braucht,
sollen : 1. leicht gehen, 2. sollen sie möglichst viel Flüssigkeit fassen
und 3. soll der Operateur, da man doch oft in ziemlich festem und
straffem Gewebe arbeitet, einen ziemlich starken Druck auf die
in derselben enthaltene Flüssigkeit ausüben können. Um dies
alles zu erreichen, muss die Spritze lang und schlank gebaut sein.
Es ist klar, dass eine Spritze um so leichter geht, je kleiner
der Durchmesser des Kolbens, also auch die Reibung zwischen
Kolben und Cylinder ist. Die Reibung bei gleicher Kolbenhöhe ist
umgekehrt proportional dem Kolbendurchmesaer
Die Forderung, dass die Spritze viel Flüssigkeit fassen soll, ist bei
einem Verfahren, bei welchem man zu einer einzigen grösseren Opera¬
tion manchmal mehrere hundert Gramm Flüssigkeit braucht, selbst¬
verständlich, weil dadurch das öftere Füllen vermieden wird.
L)ie 3. Forderung, nämlich, dass man im Stande sein soll,
unter ziemlich hohem Druck die Flüssigkeit in das Gewebe zu
treiben, setzt ebenfalls eine schlanke Form der Spritze voraus. Das
erklärt sich aus physikalische® Gesetzen:
Hebt man in einem allseitig geschlossenen, mit Wasser ge¬
füllten Raum auf einen Theil der Wandung einen Druck aus, so
drückt die Flüssigkeit auf jeden ebenso grossen Theil der Wandung
ebenso stark, als der ausgeübte Druck ist. Oder in Anwendung
auf die Spritze: Ist der Kolbenquerschnitt z. B. 2 qcra (was etwa
einem Caliber von 16 mm entspricht), (lOgSpritze von Schleich),
so ist, wenn ich mit der Kraft von 10 kg auf den Kolben
drücke, der Druck innerhalb der Spritze auf je 2 qcm der Wandung
gleich 10 kg. Nun ist aber der Querschnitt des Nadellumens bei
den hier in Betracht kommenden Cantilen allerhöchstens x /b qmm
oder i lboo qcm (gewöhnlich noch viel kleiner), es ist also der zur
Geltung kommende Effect der geleisteten Arbeit (des Druckes von
10 ksr) gleich '/'ow von 10 kg oder 10 g. Davon geht »och ab die
Kraft, welche durch die Reibung des Kolbens am Cylinder und
durch die Reibung der Flüssigkeit in der engen Canüle verloren geht; es
bleibt also nicht viel übrig. Da die Reibung des Kolbens am
Cylinder und der Flüssigkeit in der Canüle bei derselben Spritze
und demselben Druck constante Grössen sind, und die erstere pro
portional dem Spritzencaliber zunimmt, so ist es ersichtlich, dass
das Verhältnis« der aufgewendeten Kraft zur effectiven Leistung
sich sehr rasch zu Gunsten der letzteren ändert, wenn das Caliber
der Spritze kleiner wird.
Nehmen wir als Beispiel die von Schleich empfohlenen
Spritzen:
1. 10 g-Spritze, Caliber 16 mm, Kolbenquerschnitt also ca
2 qcm, Reibung des Cylinders 600 g, Druck auf den Kolben 10 kg,
davon abgezogen die Reibung, bleibt übrig 9,4 kg. Nadellumen
1 / B qmm oder ‘/iooo des Kolbenquerschnittes. Also Druck auf den
Canülenquerechnitt woo /iooo oder 9,4 g, d. h der Strahl verlässt die
Spritze mit dem Druck von 9,4 g.
2. 5 g Spritze, Caliber 12 mm, Kolbenquerschnitt also ca. 1 qcm,
Reibung des Cylinders 300 g, Druck auf den Kolben 10 kg, davon
abgezogen die Reibung bleibt übrig 9,7 kg, Nadellumen '/s qmm
oder ‘/wo des Kolbenquerschnittes Also Druck auf den Canülen-
qnerschnitt B700 /6oo oder 19,4 g.
3. 2 7* g - Spritze, Caliber 8 mm, Kolbenquerschnitt also ca.
50 qmm, Druck auf den Kolben 10 kg, Reibung des Kolbens am
Cylinder 100 g, bleibt also ein Druck von 9,9 kg. Canülenquerechnitt
'jb qmm oder des Kolben querechnittes. Also Druck auf den
Canülenquerechnitt 6900 jw oder 30,6 g.
Es verhält sich also der Druck, unter welchem die Flüssigkeit
die Spritze verlässt, bei den Calibern von 16, und 8 mm wie
94 : 194 : 396. Diese Zahlen verändern sich noch zu Gunsten der
engeren Spritze, wenn die Reibung der Flüssigkeit in der Canüle,
die ja bei gleich weiten Canülen gleich ist, abgezogen wird. Die
Grösse derselben konnte ich mit meinen Hilfsmitteln nicht bestimmen.
Der Druck von 10 kg ist nicht eine willkürlich angenommene
Grösse, sondern direct als die grösste Kraft, mit der ich, allerdings
auch nur kurze Zeit, noch arbeiten kann, von mir gemessen.
Die Erfahrung lehrt nun, dasB Spritzen von 8 mm Caliber (die
2,5-Spritze von Schleich) noch in jedem Gewebe, ohne zu grossen
Kraftaufwand gebraucht werden können. Es handelt sich nun darum,
eine Spritze zu construiren, die nicht weiter als 8 mm ist und mög¬
lichst viel Flüssigkeit fasst, d. h. möglichst lang ist Die brauch¬
bare Länge der Sprit» ist davon abhängig, wie wert es möglich ist,
bei fleeült er dritter PbäUa« die opponirten Volarflachen des Daumens
einerseits und des Zeige- und Mittelfingers anderseits ohne eflig
grosse Anstrengung von einander zu entfernen und einander in
nähern. Da ergibt sich nun für eine mittelgrosse Hand die Ex-
cursionsweite von 10 cm, d. h. die Länge des Cylinders der Spritze
kann 10 cm -f- die Höhe des Kolbens betragen, wenn, wa» aller¬
dings auch bei den Schlei ch’schen 8pritzen nicht der Fall ist
die Vorrichtung, an welcher man die Spritze anfasst, zweckmässig
eingerichtet ist. Bei diesen ist nämlich bei der leeren Sprit«
die Ebene der Daumenplatte von der Ebene der Griffstangen 2 bis
4 cm entfernt. Dadurch gehen ebensoviel Centimeter Excureiou-
weite verloren. Da statt der Druckplatte und der Grif&tange
aus schon erwähnten Gründen Ringe vorzuziehen sind, so mössen
bei einer neuen Spritze diese so angebracht sein, dass der vordere
Rand des Stempelringes und der hintere Rand der Spritzen-
ringe in einer Linie stehen. Die Normalspritze für das Schleich'
sehe Verfahren wäre also eine solche von 8 mm Caliber, 10 an
nutzbarer Cylinderlänge. Diese fasst gut 5 g oder das Doppelt*
der von Schleich gebrauchten. Mit dieser einen Spritze kommt
man für die allermeisten Fälle aus. Zur Infiltration grosser Moskel-
massen ist es vielleicht bequem aber absolut nicht nothwendig, eine
zweite Spritze von etwa 12—16 mm Caliber und 10 cco Länge, also
10—24 g Capacität zu nehmen. Solche Spritzen, ganz ans Glas nnd
Metall, mit formalingebeizten, auskochbaren Lederkolben, habe ich
nach meinen Angaben herstellen lassen. Sie siud von J. Bergler
in Georgensgmünd zu beziehen. Dieselben lassen sich leicht zer¬
legen und entweder zerlegt oder montirt auskochen. Beim Kochen
ist zu berücksichtigen, dass die Schrauben nicht zu fest angezogen
sind und dass die Spritzen nicht in heisees, sondern in kaltes
Wasser eingelegt werden müssen. Auskochen in Sodalösnng verträgt
das Kormalinleder nicht
Es erscheint vielleicht auffallend, dass ich mich so lange bei
diesem Thema aufgehalten habe. Aber der Hauptvorwurf, welcher
der Methode gemacht wird, ist der, dass sie viel Zeit beansprucht,
und je zweckmässiger die Spritzen construirt sind, desto leicbWr
und rascher arbeitet man bei der Operation. Hier möchte ich gleich
constatiren, dass der genannte Vorwurf unbegründet ist und sicher
nur von den Operateuren erhoben wurde, welchen die unbedingt
nothwendige Uebung abging.
Auch an den Nadeln lässt sich eine kleine Verbesserung in-
bringen.
Es ist, besonders wenn man noch keine grössere Uebung in
der Methode hat, bei der Infiltration der Haut am bequemsten, wenn
der Schlitz der Nadel uach oben gerichtet ist. Um nun diese Nadel
Stellung rasch und sicher hersteilen zu können, ist es bequem, wenn
man an der Fassung der Nadel in der Richtung des Schlitzes eine
leicht sicht- und fühlbare Marke anbringt, was am leichtesten durch
Einfeilen der Metallfassung zu bewerkstelligen ist.
Etwas lästig ist ferner, besondere wenn man nicht in einem
stationären Operationszimmer arbeitet, der Transport der vielen
Flaschen und Fläschchen, Spritzen, Nadeln, Schälchen n. dergl,
ausserordentlich schwer aher, dieselben auf dem Trausport aseptisch
zu halten. Um das zu ermöglichen, habe ich von dem Flaschner
J. Bergler, Georgensgmünd, einen Apparat anfertigen lassen, der
im Wesentlichen aus einem ovalen, 25 cm langen, 16 cm brnH
20 cm hohen Blechkasten mit Kupferblechboden besteht, welcher
im Innern einen Einsatz mit 5 Soxhletgläsern und einem grossst®
Conservenglas enthält. Das Conservenglas hat Gummi verschloss
und in demselben werden in 5 proc. Caroolsäure aufbewahrt die
Spritzen, die Messgläser, aus denen die Flüssigkeit in die SpriUec
eingesaugt wird, sowie eine Anzahl von Gummistopsein, die den
Zweck haben, angebrochene Flaschen vorläufig aseptisch verechliesHc
zu können. Ferner befindet sich in dem Kasten eine Zinkblech-
büchse für die Canülen. Das Ganze lässt sich durch eingesteckt*
Füsse hochstellen Durch eine untergestellte Lampe lässt sich
ganze Apparat auf einmal sterilisiren. Ich benütze ihn fast alle
Tage und bin recht zufrieden damit.
Um bei der Einleitung der InWtrations-Anaesthesie auch dt"
ersten Einstich schmerzlos zu gestalten, bedient sich Schleich
bei der äusseren Haut des Acther- oder Chloraethyl-Sprays, ^
Schleimhäuten drückt er auf die zuerst zu anaesthesirende Stw
ein feuchtes Ooeai'nkörnchen oder einen kleinen, in concentnrt«
Carbolsäure getauchten Wattebausch. Das letztere habe ich ad"!"
tirt, dagegen wende ich äusserst selten den Spray an. t* 1
kleinen Schmerz des ersten Einstichs, und nur der erste t
ja weh, hält jeder gern aus, wenn er nur nachher *» c u
mehr spürt.
Ich verwerfe den Spray aus dem einfachen Grunde, *
alle Apparate, die zur Erzeugung eines solchen dienen, n ^'
aseptisch zu machen sind und man desshalb zur Anwendung
selben eines eigenen Assistenten bedarf. Und um den *
verzichte ich lieber auf die Möglichkeit, auch den ersten Ei
schmerzlos zu machen.
Ich gehe jetzt zu der Besprechung der einzelnen
gemachten Operationen über, soweit solche interessante
punkte bieten. fÄA
10. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1105
Operationen am Kopf.
Sehr erleichtert wird die Exstirpation von kleinen Geschwülsten
durch die Methode. Die Blutung ist fast Null. Bei Atheromen
und Lipomen kann man durch Einspritzungen hinter die Geschwulst
sich dieselbe so leicht zugänglich und ablösbar macheu , dass der
Tumor einem geradezu in die Iland fällt.
Sehr wichtig ist es, dass die Methode gestattet, Operationen, die
bisher ohne präliminare Tracheotomie und Tamj>onade der Trachea
nicht auszuführen waren, ohne irgend eine Vorbereitung beim
nicht narkotisirten Patienten zu machen.
8o z. B. bei folgendem Fall: A., 67jähriger Drechslermeister
von Tr., Carcinom des Mundbodens und Unterkiefers; Operation
9. März 18%. Nach Infiltration der Unterlippe Schnitt durch die
Mitte derselben bis zum Kinn. Periost des Unterkiefers wird innen
und aussen infiltrirt und vom Knochen abgelöst. Letzterer wird
zwischen den Praemolares bis auf eine schmale Spange resecirt,
dann das Carcinom im Gesunden abpräparirt, Endäste der Linguales
unterbunden, die grosse Wunde durch Schleimhautnähte verkleinert.
Heilung erfolgte in sehr kurzer Zeit, Schmerzen worden bei der
Operation nicht empfunden. Bis heute kein Recidiv.
73 jähriger Bauer Tr. von Petersgmünd. Carcinom der Nase
und Oberlippe; Operation 7. Januar 1896. Entfernung der linken
Hälfte der Oberlippe bis in die Nase hinein, der ganzen knorpeligen
Nase bis auf den Rand des rechten Nasenloches und der Nasen¬
spitze mit grosser Plastik aus den beiden Wangen gelingt so voll¬
kommen schmerzlos, dass der Patient, als ich nach einigen Tagen
in der Jochbeingegend Nähte entfernte, ganz erstaunt fragte, ob
denn dort auch geschnitten worden sei, er habe nichts gefühlt.
Bis heute kein Recidiv.
58jähriger Gütler R. von Sp. An der linken Unterkieferhälfte
in der Gegend des Eckzahnes apfelgrosse Geschwulst; linke untere
Schneidezähne, Eekzähne und Praemolares fehlen; rasende Schmerzen;
Geschwulst besteht seit */« Jahr. An der Stelle des Eckzahnes am
Kieferrand kleine Fistel. Infiltration des N. alveolaris vor dem Ein¬
tritt in den Unterkiefer. Infiltration des Operationsterrains. Schnitt
parallel dem Kieferrand. Unterbindung der A. maxill. ext. Nach
Abhebung des verdickten Periost zeigt sich der Knochen blasig
aufgetrieben und spontan quer fracturirt. Nach Abmeisselung der
vorderen Wand liegt in einer taubeneigrossen Höhle frei die Wurzel des
Eckzahnes. Durch die Höhle verlaufen frei Art. und N. alveolaris inf.
Bruchenden werden abgesagt und mit Silberdraht vernäht Heilung
in 4 Wochen. Patient versicherte mir, keine Spur von Schmerz
gehabt zu haben.
Ausserdem habe ich zweimal ein Epitheliom an der Stirn,
dreimal ein Atherom, einmal ein Papillom und zwei Lipome am
Kopf exstirpirt; Alles ohne irgend eine Spur von Schmerzen.
Zahnextractionen habe ich einige Dutzend gemacht. Es gelingt
leicht bei den oberen Zähnen und unteren Schneidezähnen, etwas
weniger leicht bei den unteren Backenzähnen (weil der N. alveolaris
inferior vor seinem Eintritt in den Unterkiefercanal anaesthesirt
werden muss), den Zahn ohne jeden Schmerz zu entfernen. Doch
möchte ich die Methode nicht ohne jeden Vorbehalt empfehlen.
Durch die eingespritzte Flüssigkeit, die doch etwa 20 g beträgt,
entsteht nämlich für die ersten 6—12 Stunden ein Tumor, der den
Patienten nicht gerade schöner macht. Eine junge Dame, der ich
vor dem Ball einen Zahn nach Schleich extrahirte, war mir nicht
gerade sehr dankbar, weil sie den ganzen Abend mit geschwollenem
Gesicht herumlaufen musste.
Von ferneren Operationen am Kopf habe ich einmal der
22jährigen Patientin H. v. Sp. eine lange bestehende und sehr
hässliche Zahnfistel excidirt. Das war die einzige Operation, bei
der die analgesirende Wirkung der Infiltration absolut versagte,
sobald ich auf den Knochen kam. Das war aber nicht ein Fehler
der Methode, sondern des Operateurs; denn ich hatte versäumt,
den 8tamm des N. alv. zu anaesthesiren.
Ich glaube, dass sich fast alle Operationen am Kopf, mit
Ausnahme der Oberkieferrcsection, nach Sehleich machen lassen.
(Schluss folgt.)
Aus der chirurgischen Klinik in München.
Zur operativen Behandlung des Magencarcinoms.
Von Dr. Alfred Schömvcrth.
(Schluss.)
Carcinome mit Resection behandelt.
No. 1. W. Apollonia, 28 Jahre. Carcinoma pylori. Vor 8 Jahren
heftiger TyphuB; seitdem heftige Magenschmerzen, die ira Anschlüsse
an eine Geburt (Vor 3 Jahren) an Intensität Zunahmen; einmal
Magenblutung; seitdem spürt Patientin «in der Herzgegend» eine
Geschwulst; in der letzten Zeit bedeutende Abmagerung und häufiges
Erbrechen. Starke Abmagerung; Magen erweitert; in der Pylorus-
gegend eine thalergrosse, flache Erhabenheit, die sich deutlich unter
den Fingern verschieben lässt und auf Druck schmerzhaft ist, bei
Aufblähung des Magens 3 Querfinger nach abwärts rückend and mit
dem Zusammenfallen des Magens in die alte Lage zurückkehrend;
die grosse Curvatur reicht fast bis zur Symphyse; bei der Aus¬
spülung fasst der Magen 4 l. 22. XII. 1888 Pylorusresection in
Chloroformnarkose. 15 cm lange Incision der Linea alba. Magen
frei vorliegend, ist gut abgrenzbar und nirgends verwachsen.
Isolirung der erkrankten Partie; Schrägschnitt von der kleinen zur
grossen Curvatur, 2 ern weit vom Tumor entfernt, mit Belassung
einer kleinen Brücke. Naht der Magenwunde (fortlaufende Schleim-
bautnaht — Knopfnähte durch Muscularis und Serosa). Völlige
Durchtrennung des Magentheils; Abtrennung des Duodenumtheils,
Vernäbung desselben mit dem Magen — Narkose war gut, erst
gegen Ende derselben Collaps, der durch Kampherinjectionen be¬
hoben wird. Unter zunehmendem Collaps gestorben Morgens 4 Uhr.
Obduction? Nähte snfficient, auch nach Eingiessen von Wasser;
das excidirte Stück an der kleinen Curvatur 8 cm, an der grossen
Curvatur 10 cm messend; Tumor ist l 1 /* cm dick, besteht aus
derbem Gewebe, das den Pylorus bis auf Bleistiftdicke verengt.
No. 2. M. Maria, 41 Jahre. Narbenstenose. Seit 3 Monaten
Magenscbmerzen, Erbrechen, Aufstossen, nach Nahrungsaufnahme
sich steigernd; vor 4 Wochen heftige Magenblutung; seitdem fast
gänzliche Unfähigkeit, Nahrung aufzunehmen; in letzter Zeit be¬
deutende Abmagerung. Unter dem linken Rippenbogen ein flacher,
verschieblicher Tumor, 6 bis 8 cm lang, 3 cm breit, sichtbar; derselbe
ist druckempfindlich; Abdomen nicht meteoristisch. 2. II. 1888.
Pylorusresection in Chloroformnarkose. Incision der Linea alba
bis 4 cm unterhalb des Nabels; am Pylorus eine Verhärtung; beim
Herausziehen des Magens werden mehrere geschwellte Drüsen
fühlbar. Isolirung und Excision der erkrankten Partien in der
gewöhnlichen Weise; dabei verhältnissmflssig starke Blutung. Das
excidirte Stück ist 8 cm lang, 3 cm breit; es erweist sich als Narben¬
gewebe, welches den Pylorus hochgradig verengt und 2 alte, ver¬
narbte Ulcera erkennen lässt. Einige Stunden nach der Operation
Temperatur 38,6. Euphorie. 2 stündlich einen Esslöffel kalte Milch.
4. II. Nachtschlaflos; Puls klein; Kampherinjectionen. Im Collaps
gestorben. Obduction verweigert.
No. 3 A. Johann, 43 Jahre, Bürgermeister. Carcinoma pylori.
Seit 4 Jahren magenleidend; unter Appetitlosigkeit und Erbrechen
nahm in jedem Jahre während einiger Wochen bis Monate das
Körpergewicht bis zu einem gewissen Punkte ab, stieg dann wieder
unter Nachlass dieser Symptome und Patient fühlte sich wieder
wohl. Im Mai 1HH7 besonders heftiges Leiden; Aufstossen, Sod¬
brennen, geringer Schmerz in der Magengegend, starkes Erbrechen
bis zu 2 1; Erbrechen enthielt nie Blut; auch im Stuhl kein Blut;
im letzten Monat Gewichtsabnahme um 25—30 Pfund. Keine erb¬
liche Belastung. 10. IX. 1887. Extremste Abmagerung, Fettpolster
gänzlich geschwunden, Haut welk, in Falten stehen bleibend; Bauch¬
decke mässig gespannt; dicht oberhalb des Nabels eine etwa Hühner¬
eigrosse Geschwulst, undeutlich durchfühlbar; Puls klein, 80. Resectio
pylori. 11. IX, Vormittags 10 Uhr, Chloroformnarkose. Incision der
Linea alba 12 cm lang, vom Process. ensiforra. bis über den Nabel
reichend; vorliegend der untere Leberrand. Dicht unterhalb desselben,
etwas rechts von der Medianlinie eine rundliche, hühnereigrosse,
derbe Geschwulst, dem Pylorustheil des Magens angehörig In der
Leber keine Metastase. Tumor beweglich, wird aus der Bauchhöhle
herausgezogen, letztere durch Compressen abgeschlossen, darauf im
Bereiche der kranken Magenpartie Abtrennung des grossen und
kleinen Netzes (nach bündelweiser Umstechung mit Aneurysma-
Nadeln). Dabei Entfernung einer bohnengrossen Drüse, der rechten
Seite des Tumors angehörig, aus dem Netze; sonst keine Drüsen:
nach Isolirung des Pylorus wird der Magen 1 cm weit vom Tumor,
von der kleinen Curvatur aus bis auf eine dem Caliber des Duo¬
denum entsprechende Brücke durchtrennt, Ligirung von 4 spritzenden
Gefüssen; Vernähung der Magenwunde in der Weise, dass erst die
Schleimhaut durch Knopfnahte vereinigt wird, darauf breitfassende,
Serosa und Muscularis einbegreifende Nähte. Durchtrennung der
Magenbrücke und des Duodenums. Darauf wird der untere Theil
der Magenwunde mit dem Duodenum vernäht, zunächst au der hinteren
Wand durch 7 Schleimhautnähte und durch Nähte, die von Aussen
durch Muscularis und Serosa gelegt werden, hierauf an der vorderen
Seite (durch Vereinigung der einzelnen Schichten) Eine besondere
Sorgfalt wird den am obern und untern Rande entstehenden kleinen
Taschen zugewandt. Im Ganzen 70 Nähte. Vereinigung der Bauch¬
wunde durch 3 tiefe, auch das Peritoneum mitfassende und 9 ober¬
flächliche Nähte. Trock.-Verb. Dauer der Operation 1 */, Stunden. Das
excidirte Magenstück an der vorderen Wand 5‘/a, an der hinteren
6'/« cm; die verengte Stelle kaum für einen Bleistift durchgängig,
2 cm lang. 11. IX. Unmittelbar nach der Operation grosse Schwäche;
Puls sehr klein, 2 Spr. Ol. camph., Nährklystiere. 12. IX. Mittags
Collaps; fast 1 Stunde ohne Puls. 10 Uhr: 2 Kampherinjectionen,
innerlich Wein und Fleischbrühe theelöffelweise. Nachmittags erholt
Patient sich allmählich. In Folge der Kampherinjectionen Parese
des linksseitigen Extens. digit. manus. Nachts unruhig. 13. IX.
*/2 stündlich abwechslungsweise 1 Esslöffel kalten Thee und Fleisch¬
saft, 3 stündlich 1 Esslöffel Vin. Tokayer, den Tag über 3 Pepton-
klystiere. Puls noch immer klein, 112—92. Nachts Gurren im
Leibe, Stuhlzwang. 14. IX. Unter Zunahme der Schwäche, nach Be¬
nützung der Leibschüssel, Collaps und Tod. Obduction: Peri¬
toneum überall glatt und glänzend, Nähte nirgends ausgerissen; im
Magen und Duodenum 1 dünne grünlich-gelbe Flüssigkeit, im
»•
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1006
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
kleinen Becken 2—3 Esslöffel röthlich tingirter klarer^ Flüssigkeit;
die Naht verhält sich auch Wassereingiessungen gegenüber schlussfähig.
No. 4. F. Anna, 40 Jahre, Carcinoma pylori. Patientin früher
stets gesund; Januar 1887 häufiges Wasser brechen, besonders nach
der Mahlzeit; häufig Aufstossen; Anfangs keine, zur Zeit geringe
Schmerzen; seit 4 Jahren starke Abmagerung; Appetit stets vor¬
handen; Mutter mit T)7 Jahren an Magenkrankheit gestorben; sonst
keine erbliche Belastung. Hochgradig abgemagert; anaemisch ; Fett
geschwunden; Zunge feucht, Puls klein, regelmässig 80; Brustorgane
normal. Abdomen stark eingezogen; Bauchdecken schlaff; in der
Mitte des Abdomens, rechts unter dem Nabel eine Prominenz, bei
Betastung als grobe, höckerige Geschwulst sich erweisend, bei der
Athmung sich senkrecht verschiebend; an diese Geschwulst an¬
schliessend starke Vorwölbung des Bauches, dem Magen ent¬
sprechend; grosse und kleine Curvatur abtastbar; untere Grenze
in der Mitte zwischen Nabel und Symphyse, obere Grenze in Nabel¬
höhe. Bei Aufblähung tritt die Prominenz stärker vor, Magenform
wird sichtbar, untere Grenze desselben rückt 2 Finger nach abwärts.
Geschwulst rückt nach rechts und oben, tritt deutlicher vor, geht
nach Entweichen der Gase in die alte Stellung zurück. Lebergrenze
normal. Kesectio pylori 14. VII. 87 in Chloroformnarkose. Unter¬
halb des Process. ensiform. Incision der Linea alba 12 cm lang;
vorliegend der linke Rand der Leber und der Magen, am Pylorus
ein 6—8 cm langer, fester Tumor. Magen leicht hervorhebbar,
keine Adhaerenzeu, benachbarte Lymphdrüsen nicht geschwellt
Ablösung des Omentum an grosser und kleiner Curvatur; unter den
isolirten Pylorustheil wird eine aseptische Compresse geschoben;
Assistentenhände comprimiren den Magen ; Einsc hnitt in den Magen,
von der kleinen Curvatur aus nach abwärts, 1 cm vom Tumor ent¬
fernt, parallel mit demselben; an der grossen Curvatur wird eine
1 cm breite Brücke belassen, darauf Naht des Magens mit Seide;
völlige Excision des erkrankten Theils; Vernähung des Magens mit
dem Duodenum, erst an den hinteren Theilen durch innere
Wölfler'sche Naht, dann ringsum Umsäumung der beiden Theile
durch 3 fache Naht (Mucosa, Muscul., Serosa) mit besonderer Be¬
rücksichtigung des hinteren Theils vom Duodenal- und Magenrand;
Zahl der Nähte 120. Puls, am Schlüsse der Operation klein, hebt
sich nach Beendigung derselben wieder sehr rasch. Dauer der
Operation l'/s Stunden. 15. VII. Kein Schmerz, kein Fieber. 21. VII.
Entlassung; die Lähmung des linken Radialis, die am ersten Tage
nach der Operation auftrat, besteht fort. In der dritten Woche
Tod an Inanition. Section nicht gestattet.
No. 5. S. Johann, 51 Jahre. Narbenstenose. Patient seit
2‘/2 Jahren magenleidend: grosse Abneigung gegen feste Speisen; seit
Vjt Jahr 3 mal wöchentlich Magenspülung; seit f, /4 Jahren täglich
Erbrechen, mit Magenschmerzen verbunden. Blutiges Erbrechen
niemals. In der letzten Zeit starke Abmagerung; 1863 Typhus,
sonst nie krank, keinerlei erbliche Belastung. Ernährungszustand
sehr gesunken; Arterien hart (Arteriosklerose und Myodegener. cordiB);
leichte Bronchitis; Magen stark dilatirt, bei Aufblähung bis 2 Finger
über die Symphyse reichend; Tumor nicht nachweisbar; Vorbe¬
reitung; täglich Spülung, am Tage der Operation Einlauf und Gly-
cerin-Injection. 27. I. 89. Resectio pylori in Chloroformnarkose,
später Aether, Magen mit einer massigen Menge Flüssigkeit gefüllt.
Wunde stark hyperaemisch, überall pulsirende Gefässe, strotzende
Venen; beim Durchschneiden des Magens starke Blutung, mehrere
Umstechungen nöthig; Magen wände chronisch entzündet (hyper¬
aemisch, verdickt, aufgelockert). Während das Duodenum fest ge¬
halten wird, löst sich von ihm das blutreiche und lockere Omentum
los unter heftiger, arterieller Blutung. Vereinigung von Magen und
Darm durch 60 Nähte; bei der Revision zeigt sich, dass an der
hinteren Seite zwischen Magen und Darm in dem lockeren Gewebe
eine ganze Reihe Nähte eingerissen ist und das Darmlumen klafft.
Abermalige breite Vereinigung (20 Nähte). Schliesslich wird ein
zungenartiger Lappen des Omentum kreisförmig um den neuen
Pylorus herumgenäht. Dauer der Operation 2*/« Stunden Die Stenose
ist für einen Gänsekiel durchgängig, erweist sich als Narbe Nach
der Operation ist Patient nur wenig angegriffen; bald stellt
sich Erbrechen ein, Anfangs übelriechend, im späteren Verlaufe
gnssweise, ohne Beschwerden, bis 30. I. andauernd, der üble Geruch
verliert sich bald. Am dritten Tage, 30. I. 2 mal dunkel schwarz¬
braunes dünnflüssiges Erbrechen (verändertes Blut). 1. II. Die ersten
Blähungen gehen ab. 2. II. 38,6. Croupöse Pneumonie am rechten
Unterlappen. 4. II. Fester Stuhlgang. 6. II. Zweiter Stuhlgang;
Pneumonie bleibt beschränkt. 15. II. In der Bauchwunde Durch¬
bruch des mit den Bauchdecken verlötheten Magens in Erbsen¬
grösse und Entleerung von Mageninhalt (Magenfistel). Unter zu¬
nehmendem Collaps am 17. II. gestorben (21 Tage nach der Operation).
Obduction: Croupöse Pneumonie des rechten Unterlappens.
Jauchige eitrige Peritonitis, beschränkt auf den Sack, der durch das
um den Magen herumgenähte Netz gebildet wird; in diesen hatte
sich Mageninhalt entleert durch Lösung einer Naht (Magenwund- 1
ränder waren theilweise zunderartig). Die Oberfläche des linken
Theiles des rechten Leberlappens mit ziemlich grossen, flachen
Geschwüren besetzt (zum Theil Magensaft Wirkung).
No. 6. P. Kunigunde, 43 Jahre. iNarbenstenose. Patientin
bisher stets gesund; Vater an Darmverschlingung gestorben; 4 gesunde
Kinder. Vor 4 Jahren zuerst Magenschmerzen und Erbrechen; nach
einigen Monaten Besserung, so dass Patientin ein ganzes Jahr ihre
Beschäftigung im Hause nachgehen konnte. — Vor 4 Monaten
neuerdings Erbrechen, mehrmals im Tage; es wird stinkende, bräun-
liehe Flüssigkeit entleert; 1 bis 2 Stunden nach dem Essen heftige
Schmerzen int Leibe, namentlich links, lange andauernd; Appetit
und Schlaf gut; dagegen auffallende Abmagerung in der letzten
Zeit. — Patientin blass, hochgradig abgemagert, kleiner Puls, Bra«
organe normal. Magen hochgradig dilatirt. Fundus handbreit unter
den Nabel reichend; handbreit oberhalb unter den Recti eine
Resistenz fühlbar, die nach links 2 bis 3 Finger breit den Reetos
überragt, fühlt sich wie ein derber, platter Tumor an, auf Druck
und spontan schmerzhaft. Magenspülung; anfänglich grosse Mengte
röthlich brauner, schwach sauer reagirender Flüssigkeit, später mehr
grauliche, sihleimige Massen. Ausspülungen werden gut vertragen,
sind von Appetit gefolgt. 29. III. 1887. Resectio pylori in Chloro
formnarkose. Magenspülung und Klysma; Incision der Linea alt«
vom Process ensiform. nach unten 8 cm lang; dünne Bauchdecken.
Es findet sich eine harte Infiltration des Pylorus, nach der grossen
und kleinen Curvatur übergreifend; benachbarte Lvmpbdrüsen ge¬
schwellt; keine Adhaesionen mit Nachbarorganen; starke Ektasie;
am Uebergang vom Pylorus zum Duodenum fast winklige Abknickong.
Behufs Isolirung des zu resecirenden Stücks wird von der gro&en
Curvatur des Magens aus am grossen Netz begonnen. Zwischen
kleinen Massenligaturen (mit feinster Seide) wird Schritt für Schritt
das Netz dicht am Magen abgebunden, bis der Pylorustheil frei
liegt; darauf wird eine Sublimatcompresse untergeschoben, und die
Isolirung am kleinen Netz und der hinteren Wand in gleicherweise
vorgenommen. — Die Durchtrennung des Magens (gut 1 cm von
der Infiltration entfernt) erfolgt in schräger Richtung von oben links
nach unten rechts, während ein Assistent den Austritt des Magen
inhalts durch manuelle Compression des Magens verhindert. Viele
Gefässe der durchschnittenen Magenwand werden mit feiner Seide
ligirt Die Durchtrennung des Magens erfolgt so, dass noch eine
schmale Verbindungsbrücke mit dem Pylorus bestehen bleibt. Auf
tupfen des Mageninhalts mit Schwämmen; die Magenwunde wird
durch Etagennähte (Mucosa-, Muskelnähte, darüber breit fassende
Serosanäbte) soweit geschlossen, dass nur mehr ein dem Duodenara
entsprechender Abschnitt offen bleibt. Nun wird der Pylorus von
dem Duodenum ebenfalls schräg bis auf eine kleine Verbindung;
brücke getrennt (ein Assistent übt manuelle Compression desselben
aus; Ligirung einiger spritzender Gefässe). Darauf Durcbtrennun;
' der Verbindungsbrücke, nachdem zuvor ein paar fixirende Faden
schlingen durch Magen und Duodenum gelegt waren. Vereinigung
des Magen und Duodenum durch zahlreiche Nähte; es wird nicb
Wölf ler die hintere Wand mit der inneren Darmnaht genäht; andi
werden reichlich Schleimhautnähte angelegt. Naht des Peritoneum!
in der Bauchwunde durch ca. 10 tief fassende Seidennähte. Vor
Schluss der Bauchwunde ist der Magen leicht aufgebläht, in nor
maler Grösse vorliegend. Nach der Operation Collaps; 10 Spr. 01
eamph ; Erwärmung. Puls bessert sich schnell. — Das Präparat
wird nach den makroskopischen Schnitten mit grosser Wahrschein¬
lichkeit als Careinom angesprochen. Bindegewebsstructur sehr rer
dickt, doch ergibt die mikroskopische Untersuchung, dass es sieb
um ein Ulcus handelt An der grossen Curvatur 20 cm lang, an
der kleinen 12 cm lang. — Patientin erholt sich rasch, starker Durst,
Eispillen; Patientin trinkt heimlich 1 Glas Wasser ohne Beschwerden.
Puls in den nächsten Tagen gut, 80. Temperatur normal (36 bis
37 u ). Kein Meteorismus, keine Druckempfindlichkeit der Magen
gegend, dagegen in der Regio hypogastr. Am 1. und 2. Tage Urin
beschwerden, die sich spontan heben. Zunge an den ersten zwei
Tagen belegt, auf Gurgelung mit Kalicblor. rasch sich reinigend
Am 2. Tage post oper. Stuhl, damit hören die Schmerzen im Unter
leibe auf. Hungergefühl in den ersten Tagen fehlend, dagegen
Durst. Nahrung; 1. Tag Nichts, 2. Tag einige Löffel Milch, vom
4. Tage ab 2stündl. */* Tasse Milch. 5. IV. Wein, Suppe, Mild
Allgemeinbefinden gut. 10. IV. V. W. Wunde per pr. geheilt, Ent
fernung der Nähte; Salben-V. 26. IV. Sehr gutes Befinden, einige
Pfund Zunahme, alle Nahrung wird vertragen, guter Schlaf. Leichte
Beugestellung der Hand mit Ausnahme des Daumens, active Streckung
unmöglich. Schmerzen der Magengegend, bisher ständig and sehr
heftig, sind ganz verschwunden ; auch nai h Tisch kein Schmerzgefühl
12. IV. Entlassung. 26. VI. kleine */s cm tiefe Fistel in der Mitte
der Narbe, nur die Haut durchsetzend. 1888. Patientin fühlt Bich non
immer wohl; Kräfte in steter Zunahme. Magen bei Kohlen säurt
Aufblähung in seiner rechten Hälfte deforinirt, indem die Converi
tat liier nicht mehr einen Kreisausschnitt, sondern eine geradeLia*
bildet, während die linke Hälfte unverändert ektatisch ist. Er
nährungszustand der denkbar günstigste. Im Jahre 1839 ist Patientin
gesund geblieben; keinerlei Störungen, obwohl ein Bauchbruch ri®
gebildet hat. Im Januar 1890 klagt Patientin wieder das erste Mt
über Aufstossen und Druckempfindlichkeit in der Magengegen
Magenspülungen von gutem Erfolg begleitet; einige Wochen später
ist oberhalb des Nabels, mit den Bauchdecken adhaerent, ein kleiner
Tumor fühlbar; Patientin nährt sich weniger gut und muss in « fr
Auswahl der Speisen vorsichtig sein. Rasches Wachsthum
Tumors; jäher Kräfteverfall; Kachexie. Tod im August 189<l D |e
oection ergibt ein ausgedehntes Recidiv an Stelle der Magennw«.
das auf Leber und Duodenum übergreift und auch zu Verwachsung®
mit der Bauchwand geführt hat.
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10. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1107
Zum Schlüsse erübrigt mir noch die angenehme Pflicht,
meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor I)r. Anger er,
für die gütige Ucbcrlassung des Themas meinen besten Dank
auszudrücken.
Feuilleton.
Die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte
im Jahre 1896. 4 )
Von Dr. v. Zirmssen, Vorsitzender der Gesellschaft.
Der Eingang des offieielle» Berichtes, den ich als derzeitiger
Vorsitzender der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte
Ihnen, hochverehrte Anwesende, vorzutragen habe, seien Worte
des wärmsten Dankes gegen die Vertretung dieser altberühmtcn
Kaiserstadt für die gastliche Aufnahme, welche Sie in diesem
Jahre unserer Gesellschaft und allen Denen, welche sich an ihren
Arbeiten zu betheiligen gedenken, gewähren !
In gleichem Sinne bringe ich im Namen der Gesellschaft
den beiden Herren Geschäftsführern, sowie den Vorsitzenden und
Mitgliedern der Ausschüsse aufrichtigen Dank dar für die grosse
Mühe und Arbeit, welche Sie dem Gelingen unserer diesjährigen
Versammlung gewidmet haben und noch ferner widmen werden.
Wir kennen die Grösse der Aufgaben, welche unsere Zusammen¬
künfte dem Orte der Versammlung und den Geschäftsführern auf-
erlegen ; wir würdigen desshalb die Arbeit in vollem Umfange
und mit aufrichtiger Dankbarkeit.
Mit lebhaftem Interesse für die unser hier wartende Arbeit
sind wir in das alte, liehe Frankfurt eingezogen, aber auch mit
vollem Interesse für Alles, was uns die schöne Stadt an bedeuten¬
deren Eindrücken bietet, für alle die Zeichen einer glänzenden
Entfaltung des Gemeinwesens, des Handels, der Industrie, der
Wissenschaft und der schönen Künste.
Welch’ glanzvoller Aufschwung aller Zweige des geistigen
Lebens, welch’ frisches Aufblühen auf dem Gebiete der wissen¬
schaftlichen und künstlerischen Strebungen seit dem letzten Be¬
suche der deutschen Naturforscher und Aerzte im Jahre 1867!
Wie ganz anders ist der Gesammteindruck, den wir heute em¬
pfangen ! Damals lag trübe Stimmung gleich einem grauen Nebel
über die Stadt ansgebreitet. Der erste, peinliche Eindruck der
grossen politischen Veränderungen lastete auf den Gciuüthern und
Hess keine harmlose Fröhlichkeit aufkommen. Trotzdem aber
brachte die Stadt Frankfurt auch damals ihren gelehrten Gästen
jene herzliche Gastfreundschaft entgegen, jene hohe Achtung vor
der Wissenschaft, welche diese Stadt und ihre Bewohner alle Zeit
und in allen Lagen des politischen Lebens aufgewiesen haben.
Es werden Viele unter uns sein, welche vor nunmehr
29 Jahren in diesen Räumen tagten und Alle werden mit mir
Ubereinstimmen, dass jene Versammlung des Jahres 18(57 eine der
lehrreichsten und fruchtbringendsten war. Noch sehe ich vor mir
die Männer, welche damals an der Spitze des wissenschaftlichen
Lebens in Frankfurt standen.: den geistreichen Spiess, unsern
damaligen Geschäftsführer, den trefflichen Varren trapp, diesen
unermüdlichen Vorkämpfer der öffentlichen Gesundheitspflege, den
ehrwürdigen Stiebei, den witzigen Hoffman n. Fast alle
sind sie im Laufe der Jahre abberufen von ihrer gesegneten
Lebensarbeit, und mit ihnen sank eine Reihe bedeutender Männer
dahin, deren Namen jener Versammlung zur Zierde gereichten:
Die Herren : v. Meyer, Griesinger, Clausius, v. Maed 1er,
v. Gorup-Besanez, Rühle, Keku 1 e, Ba uin , de Bary,
Cohnheim, Friedreich, Bartels, Rinecker u. A.
Die Verluste, welche der Tod unseren Reihen gebracht hat,
sind nicht die einzigen Veränderungen, welche die Gemeinschaft
deutscher Naturforscher und Aerzte in den letzten Dccennicn er¬
fahren bat. Wichtige organische Veränderungen haben sich hier
vollzogen, welche in Erinnerung zu bringen sich wohl verlohnt.
( der Ausdehnung und Vertiefung der wissenschaftlichen
Gebiete haben sich von dem Mutterstamme einzelne Zweige, ins¬
besondere solche der praktisch-ärztlichen Richtung abgelöst. Unter
*) Vorgetragen bei der Eröffnung der Naturforscher-Versamm¬
lung zu Frankfurt a. M. am 21. September 1896.
No. 45.
den Ersten haben die Vertreter der Chirurgie vor nunmehr
25 Jahren eine selbständige Gesellschaft gebildet. Ihnen folgte
die Constituirung von besonderen Gesellschaften für Ophthalmologie,
innere Medicin, Anatomie und Physiologie, Gynäkologie, Otologie,
Laryngo-, Rhinologie, Psychiatrie und Dermatologie. Die alte
Naturforscherversammlung bewährte sich in der That als « Alma
mater»:,sie hat die einzelnen Sparten der Wissenschaft gross
gezogen, bis sie flügge wurden und sich ihr eigenes Nest bauten.
Wir dürfen diese Abzweigungen von dem alten Stamme nicht
beklagen; hatten sie doch ihren natürlichen Grund in der expan¬
siven Entwicklung der einzeluen Wissenschaften, welche im In¬
teresse eines tieferen Ausbaues derselben eine grössere Concen-
tration der Arbeitskräfte erheischte.
Allein bei aller Anerkennung der gedeihlichen Entwicklung
der einzelnen Fachwissenschaften müssen wir es als im höchsten
Grade wünsehenswerth, ja nothwendig erachten, dass das Bewusst¬
sein des inneren Zusammenhanges der einzelnen Zweige der
Naturwissenschaften und der Medicin in der gelehrten Welt wach
erhalten werde und dass das Bcdürfniss nach einer Berührung
mit anderen als den eigenen Fachwissenschaften bei den Natur¬
forschern und Acrzten Deutschlands lebendig bleibo. Das zu voll¬
bringen ist die Aufgabe unserer Gesellschaft und wird es immer
bleiben !
Sie wird immer das Mutterhaus bleiben, zu dem die Söhne
und Töchter, ob sie auch schon längst selbständig geworden
sind, gerne am Jahrestage der ehrwürdigen Mutter wallfahrten,
um das Bewusstsein ihrer Zusammengehörigkeit zu stärken und
sich als Theile eines mächtigen Ganzen zu fühlen, dessen Glieder
sich nicht fremd werden wollen !
Dem Mutterhause erwächst aber die Aufgabe, das Band
um die gesammte Descendenz fester zu schlingen, die Be¬
rührung der Fachwissenschaften unter einander zu fördern und
das Interesse an grossen Fragen der Gesammtwissenschaft lebendiger
zu gestalten.
Die Empfindung, dass in dieser Beziehung Einrichtungen
getroffen werden müssen, welche die einzelnen Fachwissenschaften
wieder mehr zusammenführen, welche zur Verständigung über
Fragen von allgemeiner wissenschaftlicher Bedeutung dienen: Diese
Empfindung ist in unseren Kreisen längst lebendig gewesen und
hat in den letzten Versammlungen zu der Einrichtung combinirter
Sitzungen mehrerer Abtheilungen geführt. Dieselben haben sich
in vollem Viaasse bewährt und werden hier in Frankfurt zum
ersten Male in grösserem Stile und wohl vorbereitet zur Durch¬
führung kommen. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir die
Erwartung aussprechen, dass diese Einrichtung die einzelnen Ab¬
theilungen wieder mehr zusammenführen und der übermässigen
Arbeitszersplittcrung bei unseren Versammlungen entgegenwirken
werde.
Die bedeutendste organische Veränderung hat unsere Gemein¬
schaft in dem letzten Decennium erfahren, indem sie sich aus
dem lockeren Zusammenhänge der einzeluen Versammlungen heraus
zu einer festen Gesellschaft deutscher Naturforscher
und Aerzte consolidirte. Diese Gesellschaft hat ihren Sitz in
Leipzig, sie legt Sammlungen an, sie besitzt eine Bibliothek, sie
sammelt Capitalien, um deren Zinserträgniss für wissenschaftliche
Zwecke zu verwenden.
Das feste Gefüge, welches die neue Organisation der Gesell¬
schaft gegeben hat, sodann die geregelte Beitragspflicht für jedes
Jahr, auch im Falle des Niehtbesuches der Versammlung, und
manches Andere hat nicht allgemein angesprochen, und es bleibt
desshalb die Zahl der ständigen Mitglieder unserer Gesellschaft
weit hinter der grossen Ziffer zurück, welche die Gesammtfrequenz
der Theilnehmer an den Versammlungen repräsentirt. Diese
letzteren zeigten von jeher grosse Schwankungen; so waren bei
den letzten Versammlungen in Lübeck 1400, in Wien ca. 4000
und in Nürnberg ca. 2000 Theilnehmer anwesend; diese Fluctua-
tionen der Frequenz sind von verschiedenen Factoren abhängig;
vor Allem von der Lage des Versammlungsortes und von all’ den
Eigenschaften desselben, deren Gesanimtsumme die Anziehungs¬
kraft einer Stadt ausmacht.
Die Frequenzziffer der ordentlichen Mitglieder unserer Gesell¬
schaft betrug im Jahre 1895 992 und steht jetzt auf 1013.
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1108
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sie bewegt sieh also sehr langsam aufwärts, und dem entspricht
auch die langsame Mehrung unseres Vermögens, insoferne das¬
selbe gebildet wird aus den Beiträgen der Mitglieder und aus den
Erübrigungen bei den einzelnen Versammlungen.
Grössere (,'apitalzuwendungen von Privaten sind bei den
gelehrten Gesellschaften Deutschlands ein seltenes Vorkommniss.
Mit um so grösserer Freude haben wir schon auf der vorjährigen
Versammlung zu Lübeck von dem Legate eines deutschen Arztes,
des Herrn Dr. Trenkle in St. Francisco berichtet. Dasselbe
ist nunmehr durch die Vermittlung des Kaiserlichen Auswärtigen
Amtes im Betrage von nahezu Mk. 94.000 der Gesellschaft aus-
gchändigt worden und von unserem Schatzmeister Hr. Dr. Lampe-
Vis eher in Leipzig einstweilen sicher angelegt worden. Die
Verfügung über diese Trenkle’sehe Stiftung, als welche sie
einen Bestandtheil des Vermögens der Gesellschaft bildet, steht
nach der letztwilligen Bestimmung des Legators unserem Altmeister
Virehow zu. Das Bild dieses seines grossen Lehrers begleitete
den Dr. Trenkle auf seinen ärztlichen Berufswegen im fernen
Westen Amerikas; die Verehrung für ihn und die Liebe zu
seiner Wissenschaft: das waren die Motive, welche ihn bewogen,
die Früchte einer mühevollen und entbehrungsreichen Lebensarbeit
der Wissenschaft und ihrer Förderung zu weihen. Mögen die
deutschen Naturforscher und Aerzte von heute in die.-er That
eine Mahnung sehen, dass cs ihnen wohl anstelle, der Wissen¬
schaft ein Opfer zu bringen und sei es auch nur das kleine
Opfer, dieser unserer ehrwürdigen Gesellschaft den Tribut der
Zugehörigkeit zu leisten. Vom Gesichtspunkte dos deutschen
Einheitsgedankens will es mich fast als eine Pflicht des
deutschen Forschers und Arztes bedünken, zu documentircn, dass
wir auf unsere Einigkeit und Zusammengehörigkeit nicht bloss
auf dem Gebiete des politischen Leln-ns, sondern ebenso auch auf
dem Felde der Wissenschaft stolz sind.
Wahrheit und Erkenntniss ist das Ziel der Wissenschaft,
ist Selbstzweck ; Streben nach Wissen und Erkenntniss ist die
Auftrabe des Naturforschers. Das Lieht, welches von der Er¬
forschung um] Beobachtung der Vorgänge auf dem Arbeitsgebiet
des Forschers ausgebt, wirft seine Strahlen in das Dunkel der
Erscheinungen und lässt Schritt für Schritt die Ursachen der
Dinge und die treibenden Kräfte aufdecken und die Gesetze
erkennen, nach welchen sich die ljebensproces.se vollziehen.
Aber auch das Arbeitsfeld des Arztes soll von dem Lichte
der Wissenschaft erhellt werden. Sein mühevolles Tagewerk wird
ihm allzeit in höherem Lichte erscheinen, wenn er in seinem
Handeln von wissenschaftlichem Denken und l itheilen geleitet
wird. Und wir dürfen es ohne Ueberhebung sagen: Der deutsche
Arzt erkennt die Gesetze der Wissenschaft und der Humanität
als seine oberste Richtschnur an. In seinem wissenschaftlichen
und humanen Denken, in seinem gewissenhaften und charakter¬
vollen Handeln wird der deutsche Arzt von keiner anderen Nation
überflügelt werden. Der deutsche Aerztestand ist von wissen¬
schaftlichem Geiste beseelt; er wird dem deutschen Vaterlande
allzeit zur Ehre gereichen, denn er folgt, aufwärtsstrebend, dem
Wahlspruch der Wissenschaft:
« Numjuam retrorsum ! »
Referate und Bücheranzeigen.
Dr. Ed. Richter: Grundriss der normalen mensch¬
lichen Anatomie mit Berücksichtigung der neuen ana¬
tomischen Nomenclatur. Mit 114 Holzschnitten. Berlin
1896. Verlag von August Hirschwald, pag. 788-
Wenn ein neues Lehrbuch der Anatomie erscheint, so kann
man sich wohl fragen, erstlich einmal, ob ein Bedürfnis« hierfür
vorhanden war, und zweitens, wenn nicht, ob das neue Buch
die vorhandenen guten Lehr- und Handbücher in Schatten stellt
oder wenigstens durch eine bestimmte speciösche Bearbeitung die
Berechtigung seiner besonderen Existenz nach weist. Der Referent
ist nun der Meinung, dass das vorhandene Bedürfnis.« bereits ge¬
deckt ist und dass ferner das Richter sehe Buch irgendwelche
besonderen Vorzüge kaum nachweisen kann. Zu einem derartigen
Urtheiie wird ein jeder Referent sieh nur sehr schwer ent-
schHessen, wenn ein umfangreiches Werk vorliegt, dessen
Stellung gewiss grosse Mühe in Anspruch genommen hat. " , V 1
Das Buch soll wahrscheinlich in erster Linie den Stadna&t
zu Kepctitionszwecken dienen und ist demgemäss eingernkfet
Der Verfasser lässt zunächst die allgemeine Anatomie beiseite ntef
springt sofort in die Osteologie hinein. Dies hat zur Folge, im
die Gegenstände der allgemeinen Anatomie gelegentlich —4 -
geholt werden müssen, und in wie wenig geschickter For» <&■
geschieht, erhellt schon daraus, dass wir über die thierisehe Zde
erst nach der Besprechung der gesummten Knoch n-, Gelenk- ui
Muskcllehre etwas erfahren, dies beim Capitel «Haut». W
des Durcheinanderwerfens der Disposition ist die Beschrobug
des Blutes und seiner körperlichen Elemente vergessen wonfan!
(Oder soll etwa hierfür der Passus von 6 Zeilen beim «Knocba-
inark» genügen?) Viele histologische, mikroskopischanatomiiehe
und cntwicklungsgcschiehtliehe Schilderungen sind sehr, sehr
mangelhaft ausgefallen. Es ist, als ob der Verfasser von diean
1 Hilgen selber keine Anschauung hätte. Die systematisch-ana¬
tomischen Beschreibungen siud, was besonders beim Knochen- und
Muskelsystem hervortritt, nicht ausreichend ; nebenbei müsste weh
hier mancherlei direct beanstandet werden. Die mnemotechnisch«)
Hilfsmittel, die hier und dort eingestreut werden, sind rein for¬
malistischer Natur und daher abgeschmackt. (Die Beziehung zweier
zusammengehöriger Dinge soll häufig dadurch dem Gedächtnis
eingeprägt werden, dass in den beiden die Sache bezeichnenden
Worten zwei gleichlautende Buchstaben ausfindig ge¬
macht werden !) Der Verfasser liebt kühne Vergleiche, — i. B.
liegen die vordere und hintere Seheidenwand aufeinander wie zwei
Butterstullen, — und gestattet sich überflüssige Bemerkungen
bei der Besprechung der weiblichen Genitalien (pag. 390, 392.
auch 210 beim Muse, gracilis). Die wenigen Abbildungen, meist
Schemata, sind nicht sehr gut, zum Theil so unrichtig angelegt,
dass sie ganz falsche Vorstellungen erwecken können. Gänzlich
überflüssig sind die klinischen Notizen, die der Verfasser überall
anmerkungsweise einflicht; denn da sie wenig mehr als einen Haufen
von Krankheitsuamen enthalten, so können sie nur zur Ober¬
flächlichkeit verleiten anstatt erziehlich zu wirken.
Martin Heidenhain.
y. Noorden: Die Zuckerkrankheit und ihre Be¬
handlung. Berlin. August Hirsch wald. 1895, 212 8
Der auf dem Gebiete der Stoffweehselpathologie durch zahl¬
reiche worthvolle Arbeiten wohl bekannte Autor hat in vorliegen¬
der Arbeit eine inhaltlich ausführliche, in der Form jedoch ao-
erkennenswerth knapp gehaltene Darstellung der bestgekanDten
Stoffweohselerkrankung, des Diabetes mellitus, gegeben. Das \Nerk
zeichnet sich durch seinen streng wissenschaftlichen Charakter aus
und muss doch auch ein ausgesprochen praktisches Buch genannt
werden, indem es auf diagnostische, prognostische und vor Allan
therapeutische Dinge mit grosser Gründlichheit eingeht. In letz¬
terer Beziehung möchten wir vor Allem die klare Auseinander¬
setzung der diätetischen Maassregeln, als der dominirenden The¬
rapie des Diabetes hervorheben. Gerade in diesem, Theile wird
der Praktiker dom erfahrenen Autor für die genauen Vorschriften
Dank wissen. Wir zweifeln nicht, dass das Buch eiuc bleibende
Stellung auf dem Büchermarkt sich erringen und auch seinen
Weg in die ausländische Literatur finden wird, wie es denn bereits
in englischer Uebersetzung erschienen ist.
Mo ritz-München.
Uhthoff nnd Axenfeld: Beiträge zur patholo¬
gischen Anatomie und Bacteriologie der eitrigen Kera¬
titis des MeilScheil. Leipzig. W. Engel mann, 1896-
In dieser an Leber’s umfassendes Werk: Die Entstehung
der Entzündung» sich anschliessenden vortrefflichen Arbeit theilen
die A erfasser das Ergebniss ihrer Untersuchungen der eitrigen
Keratitis am Menschen unter Heranziehung des Thierexperiinentö
mit. Sic gelangten dadurch zu der Anschauung, dass 3 klinisch
differente Grupj»en der eitrigen Keratitis sich auch bezüglich
ihrer Aetiologie, d. h. der sie erzeugenden Mikroorganismen von
einander trennen lassen, nämlich:
1. Die Keratomykosis aspcrgillina: Um die inficirte Stelle
zeigt sich, wie bei der Impfung, ein kleiner, intensiv gelblicher In-
10. November 1896-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1109
filtrationsring, an dessen Grenzen sich später die demarkirende
Rinne bildet, welche schliesslich zur Abstossung der erkrankten
Partie führt, so dass eine ausgesprochene Facette zurückbleibt.
2. Das Ulcus corneae serpens, entstehend durch Invasion
des Fränkel-Weichselbaum’schen Pneumococcus und charak-
terisirt durch flächenhafte Ausbreitung unter Fortschieben des
progressiven Randes und schneller Reinigung an der gegenüber¬
liegenden zuerst ergriffenen Seite. — Der Pneumococcus gelange
nicht mit den Fremdkörpern, z. B. einer Kornähre, in die verletzte
Stelle, sondern aus der Thrünensackflüssigkeit oder aus dem Nasen-
secrcte bei Ozaena, werde möglicherweise auch mit dem Mund¬
speichel übertragen.
3. Die durch andere Eitererreger veranlasste Gruppe der
nicht serpiginösen atypischen Hypopyonkeratitis, wobei es jedoch
nicht gelungen ist, für die verschiedenen Eitererreger dieser Gruppe
(Staphylococcen, Streptococcen, Bacillen u. s. w.) qualitative Unter¬
schiede bezüglich der klinischen Erscheinungsweise ausfindig zu
machen. Hier entstehen tiefe kraterförmige Geschwüre, die Horn¬
haut durchbrechend oder zum Durchbruch tendirend, mit ausge¬
sprochener Neigung zu umfangreicher Nekrose der befallenen
Corneapartieen in ihrer ganzen Dicke.
Bezüglich der Entstehung des Ilypopyons stellen sich die
Verfasser auf den Leber’schcu Standpunkt, indem sie die Ent¬
stehung desselben durch chemotaktische Wirkung erklären. Für
die Auswanderung der Lcukocyten aus Iris, Iriswinkel und Corpus
ciliare und gegen die Durchsetzung der erhaltenen membrana
Descemetii durch Lcukocyten oder Mikroorganismen von der Cornea
her werden überzeugende Nachweise erbracht.
Ueberhaupt zeichnet genaue und zielbewusste Beobachtung
sowie lichtvolle Darstellung die als Separatabdruck aus v. (1 raefe’s
Archiv für Ophthalmologie (XLII. Bd. 1. Abtheil.) erschienene
Abhandlung aus und wird dieselbe sowohl von Bacteriologen als
Ophthalmologen mit grösstem Interesse gelesen werden, wenn auch
die von den Verfassern gezogenen Schlüsse nicht in jeder Richtung
als vollkommen einwandsfrei werden hingenommen werden.
Seggel.
J. Lange und M. Brückner: Grundriss der
Krankheiten des Kindesalters. Verlag von 0. G. Nau¬
mann in Leipzig. 1896.
Das vorliegende Buch erscheint als Theil der «medicinisehen
Bibliothek», deren Herausgabe der obige Verlag unternommen hat.
Wie die Verfasser in der Vorrede ausführen, lag es nicht in
ihrer Absicht, alle je beim Kinde beobachteten Erkrankungen zu
besprechen, vielmehr handelte cs sich darum, die praktisch wich¬
tigsten Erkrankungen darzustellen und besonders auch der Therapie
eine breitere Besprechung zu Theil werden zu lassen. Die Durch¬
sicht des 532 Seiten starken Buches lässt erkennen, dass die
beiden Verfasser, welchen die Erfahrungen während einer mehr¬
jährigen Assistententhätigkeit unter Ileubner und Soltmann
zur Seite stehen, ihre Aufgabe mit grossem Geschicke lösten.
Die Darstellung der einzelnen Krankheiten ist mit grosser Voll¬
ständigkeit gegeben , auch die etwas selteneren Affectionen blieben
nicht unberücksichtigt. Sowohl der einleitende allgemeine Theil,
als die klinischen und anatomischen Bilder der speciellen Krank¬
heitsgruppen sind flott und klar geschrieben. Bezüglich der Er¬
krankungen des Verdauungsapparates ist die Darstellung jener des
Säuglingsalters geschieden von jener des spätereu Kindesalters,
ein Verfahren, das manche andere Lehrbücher wegen unvermeid¬
licher Wiederholungen nicht einsehlagen, das jedoch für den Prak¬
tiker nicht unzwcckmässig ist. Die Hautkrankheiten des Kindes¬
alters dürften in einer 2- Auflage etwas ausführlicher besprochen
werden. Die Ausführungen über Therapie tragen überall den
modernen Anschauungen Rechnung und stellen meist die in der
Heubner’sehen Schule vertretenen und geübten Grundsätze
dar, z. B. bezüglich der parenchymatösen Carbol-Injeetionen hei
Scharlach-Diphtherie. Die Serum-Therapie ist ausführlich in allen
wichtigeren Einzelnheiten besprochen.
Die Vorzüge des Buches berechtigen dazu, dasselbe den
Aerzten bestens zu empfehlen.
Dr. Grass mann-München.
Arbeiten ans dem Gebiete der Geburtshilfe nnd
Gynäkologie. Festschrift, gewidmet Prof. Dr. Carl Rüge.
(Verlag von S. Karger, Berlin; Imperial, 246 Seiten.)
1) A. Martin-Berlin: Lage und Bandapparat des Eier¬
stocks.
Die Arbeit, welche die einschlägige Literatur ausgiebig berück¬
sichtigt. ist durch vorzügliche Abbildungen ausgezeichnet. Die Unter¬
suchungen wurden an einer grossen Arzahl von Leichen, Er¬
wachsenen, Neugeborenen und Foeten angeetellt. Für die Lage des
Ovarium ist zunächst die Art seiner Befestigung am Ligamentum
latum maassgebend: nach den Ausführungen des Verf steckt nicht
ein Theil der Keimdrüse im Lig. latum, sondern sie ist durch Ver¬
mittelung einer leistenartigen, mehr oder weniger vorspringenden
Falte hieran befestigt. Bei aufrechter Haltung der Frau steht das
Ovarium mit seinem Längendurchmesser mehr oder weniger senkrecht
an der seitlichen, hinteren Beckenwand und zwar liegt es mit seiner
grösseren Masse vor dem Seitenflügel des Kreuzbeins.
2) G. Winter-Berlin: Zur Pathologie des Prolapses.
Man muss 2 Arten von Prolaps unterscheiden: einerseits
beginnt der Prolaps in Folge Erschlaffung des Peritoneum und
seiner Haltebänder mit Retroversion und Senkung des Uterus, und
die Scheidenwände werden von oben her invertirt durch das Tiefer¬
treten des Uterus; die andere Art des Prolapses beginnt mit Er¬
schlaffung und Senkung der Scheidenwände, gewöhnlich ist aller¬
dings auch hierbei eine geringe primäre Senkung des Uterus vor¬
handen. Sein weiteres Tiefertreten und die Elongation des Cervix
wird aber dann nicht durch den Zug der vorgefallenen Scheiden¬
wand, sondern durch den Druck der mit Urin gefüllten Cystocele
bewirkt. Daher ist hier immer der supravaginale Theil deB Cervix
elongirt. — Zur Behandlung der ersteren Art kommen wesentlich
Vagino- oder Ventrofixation in Betracht, bei der zweiten Art die
verschiedenen plastischen Operationen an Scheide und Damm. Es
empfiehlt sich hierbei, die frei präparirte Cystocele möglichst mit
fortlaufender Catgutnaht besonders zusammen zu fassen und so zur
Verödung zu bringen. Die Amputation der Portio vaginalis ist nicht
bei Elongation des Cervix, sondern nur bei wirklicher chronischer
Hypertrophie derselben indicirt.
3. C. Gebhard - Berlin: Das pathologische Institut der
kgl. Universitäts-Frauenklinik zu Berlin.
Beschreibung des Institutes und der Art und Weise, wie das
selbe seinen verschiedenen Bestimmungen (mikroskopische, bacterio-
logische und chemische Untersuchungen, wissenschaftliche Aus¬
nutzung des pathologisch anatomischen Materials der Klinik, Lehr¬
zwecke) gerecht wird.
4. M. Graefe-Halle a. S.: Ueber Retention des mensch¬
lichen Eies im Uterus nach dem Fruchttod.
Verf hat 59 in der Literatur zerstreute Fälle zusammengestellt,-
denen er 11 eigene Fälle anreiht, in denen zum Theile genauere
mikroskopische Untersuchungen angestellt wurden. Aus letzteren
geht hervor, dass bei längerer Retertion des Eies sich an ihm die
Erscheinungen einer regressiven Metamorphose geltend machen.
Während sich das Schleimgewebe der Zellen in mehr oder minder
straffes Bindegewebe umwandelt, kann Syncytium und Ektoderm
verloren geheD, an einzelnen Partien bleibt es jedoch selbst nach
Monate langer Retention erhalten, ja es kann sogar stellenweise zu
einer Wucherung derselben kommen. — Ueber die Aetiologie Hess
sich aus den berichteten Fällen Sicheres nicht feststellen. Die
Symptome, Diagnose und Prognose werden besprochen und bezüg¬
lich der letzteren betont, dass je entwickelter die Frucht, um so
gefährdeter die Gesundheit der Trägerin des Eies ist. Sobald die
Diagnose gesichert ist (eventuell durch längere Beobachtung) er¬
scheint die Entleerung des Uterus wünschenswerth, die in den
5 ersten Monaten am sichersten durch Laminaria-Dilatation des
Cervix mit nachfolgender digitaler Ausräumung (in Narkose) bewirkt
wird. In späteren Monaten ist die möglichst baldige Einleitung
der künstlichen Frühgeburt angezeigt.
5) W. Thorn-Magdeburg: Vaginale Myomoperationen.
Der vaginale Weg muss stets der Laparotomie vorgezogen
werden in allen Fällen, in denen er die gleiche Uebersichtlichkeit und
damit die gleiche Sicherheit des Operirens garantirt. Von diesem
Grundsätze ausgehend hat Verfasser in 32 Fällen, d. h. etwa in
einem Viertel aller operativ angegriffenen Fälle von Myom — ein¬
fache fibröse Polypen nicht mitgerechnet! — vaginale Operations¬
methoden angewandt, die des Genaueren besprochen werden. Die¬
selben verdienen so lange die Anwendung, als technisch die Möglich¬
keit besteht, den unverkleinerten oder verkleinerten Uterus unter
sicherer Abbindung — Klemmen kamen nicht zur Verwendung —
seiner Verbindungen dureb's Becken zuzeiten. Bei submucösen
Myomen benütze man den Cervicalcanal zur Entfernung, und nur
wenn eine genügende Erweiterung desselben nicht zu erreichen ist,
greife man zur Kolpotomie, die bei intramuralen und auch bei
subserösen Tumoren Anwendung verdient. Ist der Uterus von
mehreren Myomen durchsetzt, der obere Theil des Corpus jedoch
frei von solchen, so kann man mehr oder weniger hoch amputiren
und den zurückbleibenden Rest des Uterus mit der Vagina vernähen.
In allen Fällen, in welchen die Function des Uterus irreparabel ist,
erscheint die Totalexstirpation angebracht. Nicht immer lässt sich
beim Beginn ein fester Operationsplan machen.
4 *
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
6) R. Moerickc-Stuttgart: Die pathologische Anteflexio
uteri und ihre Behandlung.
Während in neuerer Zeit die Retroflexio uteri in ihrer patho¬
logischen Bedeutung wohl überschätzt worden ist, hat man die
Anteflexio nicht oder wenigstens fast nicht beachtet. Zweifellos
aber gibt es, wenn auch verhältnissmässig selten, Anteliexioncn,
die schwerwiegende Störungen, insbesondere Blasenbeschwerden,
Dysmenorrhoe und Sterilität verursachen Verfasser behandelt
dieselben durch Einlegen von leicht über die Fläche gekrümmten
Silberstiftchen, die in steigender Stärke mehrere Tage hintereinander
in den Uterus eingelegt werden. Daneben ist eino eventuell be¬
stehende Endometritis durch Ausspülungen u. dergl. zu behandeln
und eine geeignete Allgemeinbehamllung zur Kräftigung des Körpers
in Anwendung zu bringen. Bei etwa 20 derart behandelten Fällen
war der Erfolg ein guter, in 3 Fällen trat Schwangerschaft ein.
7) J. Veit-Leiden: Ueber die Behandlung der Eklampsie.
Es ist unmöglich, nach dem bisher vorliegenden Materiale eine
einheitliche Behandlung der Eklampsie zu empfehlen. Es gibt eine
grosse Zahl von Fällen, welche bei jeder Behandlung zur Genesung
zu gelangen scheinen. Der Beweis, dass eine forcirte Entbindung
in tiefer Narkose, sei es Erweiterung mit Gummiblasen, sei es
mit Inciaionen, sei es durch Kaiserschnitt, die Prognose wesentlich
bessert, ist bisher noch nicht erbracht. Die Berichte über die An¬
wendung des Aderlasses beweisen noch nichts sicheres für die
günstige Einwirkung desselben. Die Resultate, welche bei syste¬
matischer Anwendung grosser Morphiummengen erreicht sind,
scheinen die sonstigen Erfolge wesentlich zu übertreffen. So lange
nicht die Pathologie der Eklampsie geklärt ist, gibt es für uns keine
rationelle Therapie; besonders muss man bedenken, dass wahr¬
scheinlich verschiedene Aetiologie in den einzelnen Fällen besteht.
Beschleunigung der Geburt auf gefahrlose. Weise, Blasensprengung,
Entbindung nach völliger Erweiterung der Wcichthcile, grosse Mor¬
phiumdosen zur Unterdrückung der Anfälle, Vermeidung der Dar¬
reichung von Medicamenten oder Speisen per os bei unbesinnlichen
Kranken, Anregung der Diaphorcse durch äussere Mittel scheint
den meisten Erfolg zu versprechen. J£s liegt kein Grund vor,
die Eklampsie an sich.für so bedenklich zu halten, dass man prin-
cipiell eingreifende Operationen, die in der Hand einzelner Opera¬
teure, aber nicht in der Iiand jedes Arztes gefahrlos sind, an¬
empfehlen kann. Für ausnahmsweise Fälle mag eine eingreifende
Operation geboten sein.
8) N. Flaischlen-Berlin: Complication der Geburt durch
Cervixmyom.
I. Para mit grossem Cervixmyom, bis zum Nabel reichend,
Placenta praevia; nach mehrtägigem Kreisscn Entbindung durch
Perforation; manuelle Plncentarlösung; lieberloses Wochenbett.
Nacht! Wochen vaginale Entfernung des 'Inmors (Morcellement).
Bemerkenswert!! erscheint die ausserordentlich lange dauernde
Wehenlosigkeit. Es empfiehlt sich in derartigen Fällen, die Wirkung
der Wehenthätigkeit zunächst abzuwarten und an die Entfernung
des Tumors (vaginale Enuclcation) erst im .SpittWochenbett heran
zugehen.
9) C. Keller-Berlin; Zur Lehre der chronischen hyper-
plasirenden Endometritis.
2 Fälle beobachtet bei jungen Mädchen (llV'sbezw. 13 Jahre).
Die starken Blutungen wurden durch Curettement beseitigt. In der
Folge nahm die Menstruation normalen Typus an, bei allerdings ziem¬
lich reichlicher Blutausscheidung In beiden Fällen zeigte sich der
Uterus trotz des jugendlichen Alters völlig entwickelt, dabei bestand
eine auffallende Auflockerung deB ganzen Organes, so dass im zweiten
Falle, da auch eine beträchtliche Erweiterung des Cervicalcanales
bestand, zunächst die Diagnose eines Abortes nicht völlig auszu-
sch Hessen war. Beiin Curettement wurde in beiden Fällen eine
reichliche Menge gewucherter Schleimhaut entfernt, die mikros¬
kopisch alle Charakteristika der chronischen hyperplasirendc» (fun-
gösen) Endometritis bot. Verfasser hält den ovariellen Ursprung
derselben für wahrscheinlich, glaubt jedoch der frühzeitigen Hyper¬
plasie des Uterus die Stelle eines Unterstützungsmomentes zuweisen
zu müssen.
10) A. Koulanck-Berlin: Ueber die sogenannte Spät-
infection der Ophthalmoblennorrhoea neonatorum.
Der Aufsatz weist auf Grund eigener Beobachtungen nach,
dass unter dem Namen «Spätinfection» der Ophthalmoblennorrhoe drei
verschiedene Zustände zusammengefasst werden, deren Abgrenzung
von praktischer Bedeutung ist: 1. Die Reizerscheinungen, welche
durch Verunreinigung der Augen entstehen (häufig wurde Staphylo-
coccus albus aus dem Secret gezüchtet); 2. diejenige gonorrhoische
Conjunctivitis, welche erst später als 5 Tage post partum auftritt,
bei welcher aber die Infection bereits intra partum erfolgt ist;
3. die secundäro Infection durch Gonococcen im Wochenbett. Diese
drei verschiedenartigen Erkrankungen werden bezüglich ihrer Aetio¬
logie, Symptomatologie, Prognose und Therapie besprochen.
11) . R. K norr- Berlin: Beitrag zur Behandlung der Gesichts¬
lagen durch manuelle Umwandlung in Hinterhauptslagen.
Den Ausführungen liegen 15 Beobachtungen zu Grunde, 12 mal
ist die Operation vom Verfasser selbst ausgeführt worden. Die Fülle
werden einzeln besprochen und dann des Näheren auf die Technik
und die Indicationsstellung eiugegaugen. Verfasser fasst die Er¬
gebnisse der lesenswerthen Arbeit wie folgt zusammen: Die Um¬
wandlung der Gesichtslagen in Hinternauptslagen ist eine meist
No. 45
leicht ausführbare, äusserst dankbare Operation, die dem Praktiker
nicht genug empfohlen werden kann. Am meisten empfiehlt es
sich, dieselbe genau nach den Vorschriften Thorn’s ansziifüliren.
Eine prophylaktische Umwandlung aller Gesichtslagen ist zu ver¬
werfen; nur da, wo Störungen im Verlaufe der Geburt eintreten
kann die Operation indicirt sein
12) A. Gessner-Berlin: Ueber tödtliche Lungenembolie
bei gynäkologischen Erkrankungen.
Nach Besprechung der einschlägigen Literatur werden 20 Be¬
obachtungen genau angeführt; dem Krankenbericht mit Puls- und
Temperaturcurve und Auszug ans dein Sectionsprotoko'l ist in
jedem Falle eine Epikrise beigefügt. Fast immer ruft das Zu
sammenwirken verschiedener begünstigender Momente erst .las
Zustandekommen von ausgedehnteren Thrombosen und damit der
Lungenembolie hervor. Neben entzündlichen Processen sind vor
Allem hier die Veränderungen des Herzens (braune Atrophie, Fett¬
herz, Endo- und Pericarditis) aetiologisch von der grössten Bedeutung
Die Gründe, warum von Neubildungen Myome und maligne Tumoren
das Zustandekommen von Thrombosen besonders begünstigen, werden
auseinandergesetzt. Von Mahler ist darauf aufmerksam gemacht
worden, dass verborgene Thrombosen oft allein aus einer erhöhten
Pulsfrequenz zu diagnosticiren sind. Aus den Beobachtungen geht
hervor, dass dies zwar für viele, aber durchaus nicht für alle Fälle
zutrifft. Die Symptome, das klinische Bild der Lungenembolie
werden besprochen und insbesondere auf die Prophylaxe des
Näheren eingegangen. Jedenfalls kann die genaue Beobachtung des
Pulses, zumal bei Operirten, manchen Fall von Lugenembolie ver¬
hüten lassen.
13) 'lh. Bur meist er-Berlin: Ein Fall von sogenannter
intrauteriner Unterschenkelfractur, verbunden mit verschie¬
denen Knochendefecten.
Wenige Tage nach derGeburt wurden Aufnahmen mit Röntgen
Strahlen angefertigt, deren Reproductionen dem Texte beigefügt sind.
Verfasser schliesst aus denselben eine Fractnr aus und erklärt die
Defectc und Verbiegungen als auf mechanischem Wege durch all
gemein zu enges Amnios entstanden, und zwar sicher die Defecte.
wahrscheinlich auch die Verbiegungen schon zu einer Zeit entstanden,
in der von einer Ossification noch nicht die Rede sein kann. Von
der weiteren Anwendung der Röntgen-Strahlen verspricht sich
Verfasser sicheren Aufschluss über manche bisher noch nicht ganz
geklärte Punkte der Entwickelungslehre.
15) II. lleuck-Ludwigshafen a/Rh.: Beitrag zur Frage der
Endometritis, insbesondere der Retentio cborii et deciduae.
Verfasser hat bei 70 hintereinander vorgenommenen Aus¬
kratzungen genaue mikroskopische Untersuchungen angestellt und
kommt zu folgenden Schlüssen: Unter den Ursachen der uterinen
Blutungen, unter Ausschluss der Neubildungen und Adnexerkrarik
ungen, spielen im geschlechtsreifen Alter Retentio cborii und deciduae
eine hervorragende Rolle (67 Proc. in den Fällen des Verfassers). Mit
wenigen Ausnahmen finden sich in den Fällen von langdaiieraden
Blutungen nach Abort endometritische Processe und zwar über¬
wiegend solche diffuser Natur. In der grossen Mehrzahl der Fälle
von Blutungen nach Abort scheint eine Endometritis schon vorder
Schwangerschaft bestanden zu haben. Der Nachweis der Chorion
zotten ist nicht immer möglich und durchaus nicht immer noth-
wendig, um einen actiologisehen Zusammenhang der Blutungen mit
Abort zu beweisen. Deciduazellen in bestimmten Ztisaminenselzting«'
sichern <1 ie Diagnose, ln einer Reihe von Fällen, in denen annmnestisch
die Blutungen mit einem Abort im Zusammenhang stehen, lässt
sich aus dem mikroskopischen Bilde allein diese Aetiologie nicht
nach weisen. Metrorrhagieen beobachtet man nach Aborten, auch
hei Retention geringer Mengen von Chorion oder Decidua. In einer
Anzahl von Blutungen nach Aborten linden sich auch noch längere
Zeit nach erfolgtem Abort Riesenzellen, doch scheint denselben keine
besondere pathologische Bedeutung zuzukommen. Gessner-Boriw
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt fiir innere Medicin. 1896, No. 44.
B Laquer: Ueber die Kr ü g e r- Wulff'scbe Methode
der Alloxurkörperbestimmung.
Die Krüger-Wulff’scbe Methode beruht auf der von Krüger
entdeckten Eigenschaft der Ailoxurkörper, mit Kupfersulfat nach
vorausgegangener Reduction (durch Natrimnbisulfit) unlösliche'«•
bindungen zu bilden Die Werthe, die in der Literatur mitgoth«.
wurden, zeigen erhebliche Differenzen. W. His hat nun zuerrt
nachgewiesen, dass dieselben durch die nicht völlig exacte Int«'
suchungsmethode veranlasst wurden. L. hat einen ähnlichen Mi߬
erfolg erlebt und gibt eine längere Versuchsreihe, welche dieseTh»t
suche deutlich veranschaulicht, bekannt. Zinn- Benin
Centralblatt fiir Chirurgie. 1896, No. 44.
Prof Dr. A. v. G u h ar off - Dorpat: Ueber die Anfertigung
eines billigen und für chirurgische Zwecke ausreichen en
Nähmaterials.
G. empfiehlt, um die Nachtheile gewöhnlicher Zwirne unuauf¬
gedrehter Seide (nämlich die schwierige Einfädelung und die l« 1
Aufrolhmg und Knotenbildurig) zu vermeiden, die Zwirne nlK ".
fettung durch Kochen in Sodalösung, Auswaschen in Wasßer, ‘
I nung und Sterilisirung im Dauipfapparat und Aufbewahrung uu
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10. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1111
einige Tage im Alkohol, trocken in eine 5proc. Lösung von Photo-
xylin resp. Celluloidin (Schering) in Alkohol und Aether £a zu tauchen
und zum Trocknen auf einen Rahmen in gestrecktem Zustande auf¬
zuspannen, wodurch sie ganz glatt werden, sich nicht verwickeln,
und leicht einfädeln lassen. Durch das gleiche Vorgehen kann man
der gedrehten Seide die Eigenschaften der viel theueren geflochtenen
Seide geben; durch mehrmaliges Eintauchen der Leinenzwirne in
die betreffende Photoxylinlösung kann man künstliche Silkwormgat-
fildcn hersteilen und durch geringen Zusatz von sterilisirtem Ricinus-
öl (je , /2 Proc.) erreicht man grössere Biegsamkeit der Faden. Sehr.
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 35 . Bd. 2 . H.
1) F. Ah lfeId-Marburg: Gibt Tympania uteri eine Indi-
cation zur Entfernung des Uterus in partu?
Veranlassung zu vorstehener Arbeit gab der bekannte Kaiser-
schnittfall von Lu d w ig-Ch robak und A.’s Kritik desselben (cf.
dieses Bl. 1896, No. 4, 15 und 22). A. stellt folgende Fragen zur
Discussion:
1. 181 Tympania uteri in der Geburt eine Indi-
cation für den Kaiserschnitt (Porro)?
2 . Hat der Arzt das Recht, zwecks Sterilisirnng
der Frau den Kaiserschnitt auszuführen und den Uterus
abzutragen?
A. selbst verneint beide Fragen. Für die erste Frage entscheidet
die Erfahrung, dass selbst in schweren Fällen die Entbindung per
vias naturales mit nachfolgender Auswaschung des Uterus (wofür
A. 50 proc. Alkohol empfiehlt) nicht selten die günstigsten Resultate
liefert, und in Fällen, wo die Sepsis weit vorgeschritten ist, auch
die Fortnahrae des Uterus nichts mehr hilft. Die zweite Frage
verneint A. aus ethischen Gründen. Er hält den Porro nur dann
für berechtigt, wenn die Wegnahme des Uterus direct lebensrettend
wirkt (unstillbare Blutung, septische Endometritis) oder auch un¬
abhängig von der Geburt als Heilverfahren indicirt ist (Osteomalacie,
Fibrome, Carcinom etc.).
2) F. Ahlfeld: Zur Diagnose der Zwillingsschwanger¬
schaft.
Die von A. schon früher empfohlene Methode des gleich¬
zeitigen Auscultirens der Foetaltöne durch 2 Personen
zur Diagnose von Zwillingen erwies sieb in einem Falle besonders
erfolgreich. Eine Frau mit stark verengtem Becken, die bisher nur
todte Kinder zur Welt gebracht hatte, wurde wieder schwanger
und wurde A. zur künstlichen Frühgeburt zugescbickt. Es entstand
der Verdacht auf Zwillinge, wodurch die Operation überflüssig
wurde. A.'s Methode ergab rechts und links differente Herztöne
un i bestimmten ihn, abzuwarten. Die Frau gebar zur rechten Zeit
zwei lebende, gesunde Kinder. In der Regel sollen 2 Beobachter
gleichzeitig auscultiren; für die allgemeine Praxis genügt es auch,
allein abwechselnd rechts und links zu auscultiren und die Zahlen
nachher zu vergleichen Hierbei gilt als Regel, Mutter und Kind
während der Untersuchung so wenig wie möglich zu bewegen, da
sonst leicht Täuschungen entstehen können.
3) W. Less e-Berlin: Ein weiterer Fall von Luftembolie
bei Placenta praevia.
Es ist dies der 4. Fall dieser Art aus der kgl. Frauenklinik in
Berlin. Es bandelte sich um eine IV para mit Placenta praevia
marginalis. Patientin wurde behufs Vornahme der Wendung chloro-
forinirt. Als der vorliegende Fuss heruntergebolt war, stockte
plötzlich die Athmung und wurde dann oberflächlich und schnappend.
Trotz wiederholten Kochsalzinfusionen, Herzmassage, künstlicher
Athmung etc. trat nach 5 Stunden Exitus letalis ein, ohne dass die
Geburt beendet war. Die Section ergab eine Menge Luftblasen im
rechten Vorliof und in der Lungenarterie.
Die sonst etwa in Betracht kommenden Todesursachen, als
acute Anaemie, Chloroformtod, und die Deutung der Gasblasen als
Fäulnisserscheinungen glaubt L. ausschliessen zu können. Die Pla¬
centa war nur in der Grösse eines Markstücks von der Uteruswand
gelöst. Die Luft ist nach L. durch die Hand in die Scheide und
höher herauf bei der Wendung mechanisch in die offen daliegenden
Gefässlumina gepresst worden.
4) Vahle-Marburg: Ueber das Vorkommen von Strepto¬
coccen in der Scheide Gebärender.
V. untersuchte das Scheidensecret von 30 Schwangeren und
GO Gebärenden auf ihren Bacteriengehalt. Bei Ersteren fand er
ausser verschiedenen andern Mikroorganismen 3 mal Streptococcen,
2 mal in Reincultur, lmal zusammen mit Staphylococcen. Bei den
Gebärenden kamen 15 mal, in 25 Proc. der Fälle, Streptococcen zur
Beobachtung. Dieselben wuchsen 11 mal in Reincultur, 4mal nur
als vereinzelte Colonien. Diese Resultate bestätigen die Angaben
von Steffeck, Död erlein, Walthard u A. über das Vorkommen
von Streptococcen in der Scheide Schwangerer und Gebärender.
Gegen die dadurch bedingte Gefahr empfiehlt V. prophylaktische
Scheidenausspülungen mit 0,75 proc. Lösung von Liq. cresoli sa-
ponatus bei jeder Geburt, auch bei den voraussichtlich normalen.
5) B. Rosinski-Königsberg: Zur Lehre von den endo¬
thelialen Ovarialgeschwülsten.
Die vorliegende Arbeit ist eine ausführliche histologische Be¬
arbeitung dreier Fälle von Ovarialgeschwülsten, die durch Operation
gewonnen waren. Sie lehnt sich an die bekannte Arbeit Volktnann's
«Ueber endotheliale Geschwülste > (D. Zeitschr f. Chirurgie, Bd. 41)
an und begründet und erweitert dessen Ansichten in vielfacher
Beziehung. Volk mann ist ein Anhänger der histogenetiseben
Classification der Neubildungen; er rechnet die endothelialen Ge¬
schwülste zu den bindegewebigen Neoplasmen und stellt sie
als eine Unterabtheilung der Sarkome solchen Tumoren gegenüber,
welche aus andern bindegewebigen Zellen oder Geweben hervor¬
gehen. Wir müssen an dieser Stelle natürlich auf eine seihst kur/.e
Wiedergabe der histo'ogischen Details in R.'s Arbeit verzichten;
nur die Endergebnisse der Untersuchung der 3 Fülle sollen skizzirt
werden. Im 1. Fall, der eine 41 jährige Frau betraf, fand sich ein
multiples Endotheliom beider Ovarien und des Magens mit Meta¬
stasen in den verschiedensten Organen. Die Untersuchung der
Hauptgeschwülste in den Ovarien und im Magen führten R. zu der
Auffassung, beide als primäre Herde anzusprechen Im Ovarial¬
tumor ging die pathologische Wucherung der Hauptsache nach von
den platten Endothelzellen der Lymphgefässe aus; der Tumor stellte
das sog interfasciculüre Endotheliom Ackermanns dar, war aber
kein reines Endotheliom, sondern eine Mischgeschwulst "mit Ueber-
gängen zu sarkomatösen Bildungen. Aehnliche Bilder gab der
Magentumor.
Im 2. Fall handelte es sich um einen Tumor des rechten
Eierstocks bei einer 55jährigen Frau, der ebenfalls histologisch als
Endotheliom imponirt--, ohne dass es It. gelang, den Ausgangspunkt
festzustellen Mit Wahrscheinlichkeit sind auch hier die Lyrnph-
babnen als solcher anzusprechen.
Der 3. Fall endlich betraf eine 39 jährige Frau mit Endotheliomen
beider Ovarien. Hier war die Neubildung auf der Basis eines myxo-
matös umgewandelten Bindegewebes entstanden, was nach Volk¬
mann hei Endotheliomen häufig beobachtet wir j. Solche Wucherungen
sind nicht als Sarkome, bezw. Myxome, sondern als wirkliche Endo-
thelialgeschwillste aufzufassen.
G) Otto v. Her ff-Halle: Beiträge zur Lehre von der Pla¬
centa und von den mütterlichen Eihüllen. (Schluss folgt.)
Jaf f d - Hamburg.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. IV,
Heft 4 (October).
1 ) M. Hofmeier-Würzburg: Zur intrauterinen Therapie.
Ausgehend von einem durch eine intrauterine Injeclion ver¬
ursachten Todesfälle bespricht Verfasser einige Punkte der intra¬
uterinen Therapie. In dem betreffenden Falle war kaum 12 Stunden
nach einer Injection mit 50 Proc. ChlorzinklOsung der Tod unter
heftigen peritonitisdien Erscheinungen eingetreten. Wie die Section
zeigte, war durch die Medication eine acute Peritonitis erzeugt
worden, doch kommt vielleicht auch eine direct toxische Wirkung
des Mittels in Betracht. Ein Uebertritt der Flüssigkeit durch die
Tuben in die Bauchhöhle konnte mit Sicherheit ausgeschlossen
werden. Nach Verfassers Ansicht kommen gefährliche Zufälle hei
der Anwendung der Braun sehen Uterusspritze nur bei Anwendung
ungeeigneter Flüssigkeiten unter ungeeigneten Verhältnissen zu
Stande. Vor Allem ist vor der Anwendung von Chlorzinklösungen,
zumal in stärkerer wie 10 —15 proc. Concentration, zu warnen. Ver¬
fasser wendet ausschliesslich eine concentrirte alkoholische Carhol¬
lösung an. Der Cervicaieanal muss eine gewisse Weite haben, die
eventuell vorher durch Dilatation zu erreichen ist. Stets gehe der
Einspritzung eine Ausspülung des Uterus mit 1 proc. Lysol- oder
Carbollösnng voraus. Dadurch wird einerseits der den Uterus aus¬
füllende Schleim entfernt und andererseits eine Verdünnung der
injicirten Flüssigkeit bewirkt. Letztere verbreitet sich gleichmässig
über die ganze Oberfläche des Organes und ruft hier nur einen ober¬
flächlichen Aetzscliorf hervor.
2j J. Neumann-Wien: Beitrag zur Lehre von der An¬
wachsung der Placenta.
Bei einer Kreissenden, hei welcher hei den beiden ersten Ent¬
bindungen eine manuelle Placentarlösung nothwendig gewesen war,
wurde wegen Placenta praevia die Kolpeuryse, dann die Wendung
und Extraction ausgeführt. Da die Expression der Placenta nicht
gelang, musste dieselbe manuell entfernt werden, was nur stück¬
weise möglich war. Trotz aller angewandten Mittel ging die Ent¬
bundene an Verblutung zu Grunde. Einzelne kleinere Placentar-
stücke hatten sich nicht entfernen lassen. Die mikroskopische
Untersuchung dieser Stellen zeigte nun, dass hier die Serotina voll¬
kommen fehlte, die Placenta stellenweise direct der Musculatur an¬
haftete, an anderen Stellen war eine starke Wucherung der Chorion¬
zotten in den I’lacentarsinus festzustellen. Entzündliche Verände¬
rungen fehlten vollkommen, vielmehr faßst Verfasser den Process
als Wachsthumsexcess auf, für welchen aetiologische Momente nicht
aufzufinden waren.
3) U. Pipek-Prag: Bericht über die Morbiditäts- und Mor¬
talitätsverhältnisse auf der geburtshilflichen Klinik von Pro¬
fessor Pawlik in der Zeit vom i. October 1887 bis 31. De-
cember 1895.
Verfasser betont zunächst, welch' hervorragenden Antheil
Pawlik an der Ausbildung der Lehre von der äusseren Unter¬
suchung Schwangerer und Kreissender hat, und schildert sodann
eingehend die an der Klinik beobachteten prophylaktischen Mnass-
regeln der objectiven und suhjectiven Desinfection. Antiseptische
Scheidcnausspülnngen werden nur vor operativen Eingriffen vorge-
noinmen Aus den sehr ausführlichen weiteren Darlegungen sei hier
nur hervorgehoben, dass G,98 Proc. puerperaler Erkrankungen — auch
einmalige Steigerungen über 38,0 eingerechnet! — beobachtet wurden,
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
darunter nur 2,65 Proc. schwerere Erkrankungen. Die gesammte
Mortalität betrug 0,75 Proc., davon erfolgte der Tod in Folge von
Infection in 0,33 Proc.
4) G. Zepler-Berlin: Beitrage und Bemerkungen zur intra¬
uterinen Therapie.
Verfasser beschreibt ausführlich eine neue Behandlungsmethode
der auf Stenose des Cervicalcanales beruhenden Fälle von Dys¬
menorrhoe. Das Wesentliche derselben besteht darin, dass nach
Erweiterung des Uterus mit Laminaria (eine neue Präparations¬
methode derselben wird angegeben) der Uteruskörper curettirt und
tamponirt wird, die stenosiite Stelle wird dann mit dem Paquelin
geätzt. Die Erfolge dieser Behandlungsmethode, die des genaueren
im Originale nachzulesen ist. sollen befriedigende sein, ebenso auch
bei Endometritis. Gegen letztere wird insbesondere die wiederholte
Tamponade des Uterus empfohlen, die auch gelegentlich bei Flüssig¬
keitsansammlungen in den Tuben zur Anwendung kam.
5) J. K oe tschau-Köln: a. Parotitis nach Myomenuclea-
tion und Exstirpation doppelseitiger Haematosalpinx.
Doppelseitige eitrige (Staphylococcus pyogenes aureus) Parotitis,
die nach Spaltung des Abscesses, bezw. Exstirpation der Drüse zur
Ausheilung kam. Das Zustandekommen wird auf die Hemmung
der Speichelsecretion nach der Operation und Einwanderung der
Mikroorganismen durch den Ductus Stenonianus zurückgeführt.
b. Ueber eine von der Blase aus operirte, nicht puerperale
Vesico-Cervicalfistel.
Dieselbe war 2 Jahre nach einer wegen Fibroma uteri ausge
führten Amputatio uteri supravaginalis entstanden durch einen Abs-
cess, der 6ich zwischen Scheide und Cervixstumpf gebildet hatte
Die Naht konnte von der Scheide aus wegen der hohen Lage der
Fistel und der hart inliltrirten und starken narbigen Verwachsungen
der Fistelränder nicht ausgeführt werden. Nach Sectio alta wurden
von der Blase aus die Fistelränder angefrischt und die Nähte (Silk-
worrn) nach der Scheide hindurchgeleitet und von hier aus geknotet.
Naht der Blasenwunde. Die Kranke ging unter uraemischen Er¬
scheinungen in Folge acuter Nephritis zu Grunde, die Wundheilung
zeigte keine Störungen. (Die Möglichkeit, das Leiden durch Ver¬
schluss des äusseren Muttermundes zu beseitigen, wird mit keinem
Worte erwähnt! Ref.)
6) F. J. B. Fe st-Plane Road: Bericht über weitere Er¬
fahrungen mit einer «neuen Operation zur Heilung der Incon¬
tinentia urinae».
Verfasser führt mehrere, in Amerika ausgeführte derartige
Operationen an; die von ihm seiner Zeit vorgeschlagene Operation
besteht darin, dass zu beiden Seiten der Urethralmündung ein mög¬
lichst tiefer, senkrechter Schnitt angelegt wird, der durch Nähte in
querer Richtung vereinigt wird. Dadurch wird auf einfache Weise
eine Verengerung der Harnröhre herbeigeführt.
Gessn er-Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie. No. 44.
1) F. A. Kehr er-Heidelberg: Bauchnaht bei Laparotomien.
Auf Grund anatomisch physiologischer Betrachtungen kommt K.
zu dem Schluss, dass bei der Führung und Wiedervereinigung des
Bauchschnitts folgende Grundsätze zu befolgen seien:
1. Herstellung einer sagittalen, nicht frontalen, aponeuro-
tischen Lamelle zwischen den Mm. recti;
2. möglichste Erhaltung der Mm. recti selbst und
3. der Rectusscheiden.
Daher soll, wenn die Linea alba, wie gewöhnlich, eine sagittale
Lamelle darstellt, der Schnitt nicht in, sondern neben dieselbe fallen
und nur eine Rectusscheide eröffnet werden. Nur wenn die Linea
alba verbreitert, d. h. zu einer frontalen Aponeurose geworden
ist, schneide man durch die Mitte. Als Naht benutzt K. eine nach
dem Princip der 8-Naht construirte Methode, die ohne Figur nicht
zu verstehen ist und im Original nachgesehen werden muss. Bei
dieser Methode sind Stichcanaleiterungen selten, die Narben vor¬
züglich und eine Narbendehnung nicht zu befürchten.
2) R. Kossmann-Berlin: Ueber die Verhütung der Bauch¬
hernie. . , „
K. hält versenkte Nähte und Ligaturen m der Bauchwunde
für unnöthig, ebenso die Anlegung von Binden und Bandagen. Er
hat in bis jetzt 40 Fällen durch die ganze Bauchwand greifende,
sehr locker geschnürte Knopfnähte und eine oberflächliche
fortlaufende Hautnaht angelegt; von den so Operirten hat sich bei
Keiner ein Bauchbruch oder auch nur die geringste Anlage zu
einem solchen gezeigt. Jaff6-Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1896, No. 44.
1) E. 8 iemerling-Tübingen: Ueber die Veränderung der
Pupillenreaction bei Geisteskranken.
Es steht fest, dass häufig bei Gesunden ohne nachweisbare
Ursache Pupillendifferenz vorkommt. Aus der Zusammenstellung
mehrerer Statistiken ergibt sich betreffs der progressiven Paralyse,
dass dabei reflectorische Pupillenstarre in 68 Proc. vorkommt. Sehr
selten tet die Umkehrung des Pupillenreflexes, die paradoxe Reaction.
Die sogenannte «springende» Mydriasis kommt häufig bei ausge¬
sprochener Paralyse vor, Hippus — Unruhe der Pupillen - ist bei
Paralyse selten. Bei 9160 Fällen verschiedener Geistesstörung fand
No. 45.
sich 1639 mal reflectorische Pupillenstarre (weitere Einzelnheiten
siehe im Original). Reflectorische Pupillenstarre ist wohl aosnalims
los Anzeichen resp. Vorläufer einer Krankheit des Nervengvgtems
Vergl. das ausführliche Referat des Vortrags in vor. No. S. 1084.
2) Steffeck-Berlin: Zur vaginalen Coeliotomie.
Verfasser beschreibt die 16 Fälle, in welchen er bisher die
Colpotomia anterior oder posterior ausführte, bespricht die Erfolge
und die Indicationen der genannten Operationen. Eingehenderes
cfr. im Original.
3) H. Conrads-Essen a. d. Ruhr: Zur Casuistik der Pe¬
troleumvergiftungen bei Kindern.
Es sind bisher 5 derartige Fälle beschrieben worden, von denen
jener von Johannessen icfr. Berliner klinische Wocbenschr. 18%,
No. 15 und 16) tödtlich endigte. Bei C. war der Verlauf folgender'
l 3 /4 jähriger Knabe. Nach der Einnahme des Petroleums Erbrechen,
Sopor, Temperatur 35,5°. Puls 130, R. 65. Dann 2 Tage leichtes
Fieber bis 38,8. R. 120, mühsam. Bronchitis. Weiterhin fieberfrei
Genesung. Sehr auffallend war die ungemein starke Beschleunigung
und Erschwerung der Respiration, was C. durch eine specifische
Wirkung des Petroleums auf die Lungen erklärt.
4) L. Stembo- Wilna: Ein Fall von sog. Paramyoclonui
mit Zwangserscheinungen.
Es handelte 6ich um eine 21 jährige Frau, bei der Cooidinations
und Sensibilitätsstörungen fehlten, ebenso Veränderung der elek¬
trischen Erregbarkeit der Muskeln. Die Muskelkrämpfe betrafen
symmetrisch gelegene Muskeln des Rumpfes und der Extremitäten
und waren von verschiedener Dauer, Ausbreitung und Heftigkeit.
Während der Anfälle stiess die Kranke fortwährend gewisse kopro-
lalische Phrasen und Wörter aus, während das Bewusstsein völlig
erhalten war. In Folge letzteren Symptoms deckt sich das Krank
heitsbild nicht vollständig mit der Myoclonie Friedreich's.
Dr. Grassmann-München
Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 45.
1) A. Fraenkel: Ein Fall von Polyneuritis mit multiplen
schwielenartigen Granulationsgeschwülsten der Haut (Aas
der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Urban
in Berlin).
Nach einer im Verein für innere Medicin in Berlin am
13. Juli 1896 gehaltenen Demonstration.
Referat siehe diese Wochenschrift No. 29, pag. 685.
2) Haug: Beitrag zur Casuistik der im Verlaufe der
Bright’schen Nierenerkrankung auftretenden complicatorischen
Ohr- und Nasenblutungen. (Aus der Universitätspoliklinik für
Ohrenkranke in München.)
Bei einem in Folge Bierpotatoriums sich entwickelnden myo-
carditi8chen Processe traten als relativ frühestes Symptom neben
den Herzerscheinungen profuse Nasenblutungen auf. Nach Ablauf
von dreiviertel Jahren wiederholen sich diese ohne jeden äusseren
Anlass, dazu kommen gleichzeitig mit dem Auftreten von Eiweias
und Cylindern im Harn haemorrhagische Transudationen innerhalb
der Gehörorgane und der Augen. Diese Ohr- und Nasen-BlutnngeD
haben eine gewisse Bedeutung als Frübsymptome des Morbus
Brightii und sollen deshalb stets zu einer genauen chemischen und
mikroskopischen Untersuchung des Urins auffordern.
3) Cohen-Kysper-Hamburg: Ueber ein neues Verfahren
zur Behandlung der Schwerhörigkeit beim chronischen Catarrh
und nach Eiterungen der Paukenhöhle.
Referat siehe diese Wochenschrift No. 25, pag. 601 und Ko.
pag. 665.
4) A. D ü hr ssen-Berlin: Ueber chirurgische Fortschntte
in der Geburtshülfe. .
In dem in der freien Vereinigung der Chirurgen Berlins sw
22. Juni 1. J. gehaltenen Vortrage wird vor Allem auf die chirurgisc e
Behandlung des Abortus, der Tubarschwangerschaft, den vaginale
Kaiserschnitt und die Symphyseotomie hingewiesen.
5) Karl Bodon-Budapest: Ueber drei mit Ovariinum siccum
(Merck) behandelte Fälle, darunter ein Fall von Epilepsie-
Von Interesse ist der mit Ovariin behandelte Fall von in
Pubertät eingetretener Epilepsie, bei dem eine dreimonatliche «
achtung in der That einen gewissen Einfluss des Mittels
lässt. Zu weiteren Versuchen in dieser Richtung wird aufgeiora .
6) Gum precbt-Jena: Neuere Literatur und Ereignisse
auf dem Gebiete der Arbeiterversicherungsgesetzgebong
Besprechung der Broschüren von Bödiker und rre ■
Bowie der geplanten Reform der Arbeiterversicherung.
7) Bonne: Künstliche Greifhand mit Fussbetneb.
Nach einem Vortrage im Hamburger ärztlichen vere
16. Mai 1. J. Referat siehe diese Wochenschrift No. 21, p*g-
8) B u k a - Charlottenburg : Röntgenstrahlen von hoher
Intensität. . . a k.
B. erzielte sehr gut detaillirte Aufnahmen bis zu an v
stand von 2,7 m, Beleuchtungsdauer 5—15 Minuten. Per
der grösseren Entfernung der Objecte von der Röhre hegt ^
Verringerung der perspectivischen Verzerrung.
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j
10- November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1113
Vereins- und Congressberichte.
Versammlung des Vereins deutscher Irrenärzte
in Heidelberg am 18. und 19- September 1896.
(Originalbericht von Privatdoccnt Dr. Cr am er in Göttingen.)
II.
Sitzung vom 19. September 1896, Vormittags 9 Uhr.
Vorsitzender: Herr J o 11 y - Berlin.
Herr Kräp elin - Heidelberg: Ziele und Wege der
klinischen Psychiatrie.
Die wichtigste Aufgabe der Psychiatrie ist vorläufig die
Sammlung von Beobachtungen, in zweiter Linie kommt erst die
Erklärung der beobachteten Symptome, der Versuch zu einem
Verständniss derselben. Auch die Sammlung von Material ist
schwierig, das allgemeine Interesse erlahmt allmählich, meist eilt
leider die Erklärung voraus und sucht nach der pathologischen
Grundlage ohne Kenntnis der genaueren klinischen Verhältnisse.
Das erste und vornehmste Ziel muss die Schaffung einer klinischen
Formenlehre sein, «wir müssen zu einer Diagnose kommen». Es
giebt eine Reihe von krankhaften Processen, welche zu Psychosen
führen, das Wesen dieser Processe ist dunkel. Nur für eine
kleine Gruppe ist die Ursache sicher, für die Intoxications-
psychosen. lieber die Geistesstörungen aus inneren Ursachen ist
so gut wie nichts bekannt. Gleiche Ursachen müssen gleiche
Wirkungen im Gefolge haben. Bei gleichen Erscheinungen
müssen wir auch gleiche Ursachen voraussetzen. Es kommt
darauf an, dass wir wissen, welches die Grundsymptome sind.
Mit der Kenntniss der Allgemeinsymptome z. B. Wahnbildungen,
Stimmungsschwankungen, wird wenig erreicht. Man beachte z.
B. die Geschichte von der Erkenntnis« der progressiven Paralyse.
Bestimmte Grundsymptome lassen unter Umständen schon zu sehr
früher Zeit, wenn sie richtig gewürdigt werden, eine Diagnose
zu (Auffassungsfähigheit, motorische Erregungszustände, Iletu-
mung). — Unterschiede bestehen in der diagnostischen Bedeutung
von Ideenflucht und «Wortsalat», von manischer und katatonischer
Erregung, von motorischer Erregung und Negativismus. Der
gleiche Vorgang kann zu verschiedenen Ausgängen führen. Eine
Diagnose ist sehr schwierig, wenn sie mehr sein soll als eine
»Oberwärterdiagnose:. Die Stellung einer zuverlässigen Prognose,
welche mit einer exacteu Diagnose zusammenhängt, wird das
Vertrauen des Publieums zum Arzte heben.
K r ä p e 1 i n hat in seiner Klinik zur Erreichung dieses Zweckes
die Methode planinüssigen Sammelns von klinischem Material ge¬
wählt. Die erste Bedingung dabei ist, dass sämmtliche Be¬
obachtungen berücksichtigt werden müssen , alle Fälle müssen
unausgesetzt verfolgt werden durch katanamcstische Erhebungen.
Auf diese Weise erlebt man oft merkwürdige Ueberraschungen.
Das Resultat, das er an tausend nach diesen Principien bisher
beobachteten Fällen erhoben hat, ist bisher Folgendes. Es sind
bestimmt herauszuheben die Verblödungsprocesse. Die Depressions¬
zustände sind von der Melancholie, welche Bezeichnung nur noch
für die einschlägigen matronalen Fälle beibehalten werden soll, zu
trennen. Die Depressionszustände lassen sich differenziren in die
der Paralytiker, Circulären, Katatoniker etc. Die Manie ver¬
schwindet ganz, alle derartigen Fälle lösen sich anderweitig auf.
Discussion: Herr Meschede-Königsberg opponirt gegen
das Aufgeben der gebräuchlichen Namen.
Herr Siemerling-Tübingen könnte der veränderten Namens¬
gebung allenfalls zustimmen, wenn er die geäusserten Anschauungen
für richtig halten könnte. Dass Manie und Melancholie häufig
periodisch auftreten, ist bekannt, aber eine Manie als periodisch zu
bezeichnen, wenn nur 2 Anfälle, durch 20 Jahre getrennt, auftreten,
kann nicht richtig sein, denn das widerspricht dem Begriff der
Periodicität. Auch ist es unmöglich, die Melancholie auf die Invo¬
lutionsperiode zu beschränken.
Herr Mendel-Berlin erkennt die Vorzüge der Kräpe-
lin’schen Methode an, kann aber die Aufstellung neuer Formen
nicht billigen und hält es für unmöglich, dass man bei einem
ersten Anfalle von Depression oder manischer Erregung bereits
die circuläre Erkrankung diagnosticiren kann.
Herr Jolly-Berlin: Krapelin hat einen Weg angebahnt,
auf dem wir weiter kommen können. Es ist aber unzulässig,
die Prognose für die Diagnose zu verwenden. Man hätte
schliesslich auf diese Weise eine Gruppe heilbarer und eine Gruppe
unheilbarer Fälle. Die Widerstandsfähigkeit des Gehirns gegen eine
Erkrankung ist verschieden. Es kann aus ganz acuten Fällen eine
chronische, Jahrzehnte andauernde Paranoia hervorgehen. Von einer
periodischen Psychose kann nicht die Rede sein, wenn nur 2 oder
3 Anfälle im Leben Vorkommen.
Herr Hitzig-Halle stimmt mit den Vorrednern überein,- die
Zeit ist zu kurz und die Zahl der Fälle zu klein, um die Manie
fallen zu lassen. Die gleiche Ursache kann sehr verschiedene
Wirkungen haben. Eine Eintheilung der Geisteskrankheiten nach
der Aetiologie ist nicht durchführbar.
Herr Grashey-München begrüsst freudig die Kräpelin’schen
Bestrebungen und betrachtet seine heutigen Mittheilungen als ein
vorläufiges Programm. Die vielen Forschungen, namentlich nach
der K r äp e 1 i n'schen Methode werden erweisen, ob die Neugruppirung
berechtigt ist oder nicht.
Herr Kräpelin weist darauf hin, dass sein Material viel
grösser ist, als es scheinen möchte und erklärt sich bereit, an seinen
Kranken die wichtigsten Punkte seines diagnostischen Verfahrens
zu demonstriren.
Herr Aschaffenburg -Heidelberg: Psychophysische
Demonstrationen.
Vortragender zeigt zuerst einen Apparat, der die Auffassungs¬
fähigkeit zu prüfen bestimmt ist. Die auf röhrenden Trommeln
aufgeklebtcn Worte und sinnlosen Silben werden durch einen Spalt
gelesen. Bei der Auffassung spielt die Coinbinationsfähigkeit eine
bedeutende Rolle.
Er bespricht dann die psychischen Zeitmessungen
(einfache, Wahlreactionen, Associationsreactionen). Sie geschehen
am zweckmässigstcn mittels des Hipp’schen Ohronoskops. Demon-
strirt wird ferner die Methodik der Versuche, die durch den
Roemcr sehen Schallschlüssel und optischen Reizapparat eine,
besonders für ungeübte Kranke brauchbare Ergänzung erfahren hat.
Der Wahlvorgang erfährt durch körperliche Anstrengung, durch
geistige Ermüdung und durch Erschöpfung (durehgearbeiteto Nächte)
deutliche Veränderungen. Bei geistiger Ermüdung werden die Zeiten
länger, die Fehlerzahl nimmt ab, während die Erschöpfung und
noch mehr die körperliche Anstrengung die Zeiten verkürzt. Als
Ursache lässt sich dafür an der Zahl der Fehler die leichtere
Auslösbarkeit motorischer Impulse uachweisen.
V eiter zeigt A. an Diagrammen die Veränderung des Associations¬
vorganges durch die Erschöpfung. Die Zahl der Klangassociationen
nimmt zu, von — 4 Proe. in der Norm bis zu 30 Proc. und mehr.
Er macht auf die Achnlichkeit des experimentellen Erschöpfungs¬
zustandes (motorische Erregung mit Ideenflucht) mit den Symptomen
der Erschöpfungspsychosen aufmerksam.
Noch mehr Neigung zu Klangassociationen zeigen manische
Kranke. Diese verschwindet in der depressiven Phase. Die Anzahl
der Klangassociationen geht der Erregung anscheinend parallel, ist
also, wenn auch mit Vorsicht, für die Prognose verwerthbar.
Die Zeitmessungen bei Associationsversuchen an Manischen
ergaben, dass sie nie schneller reagirten, als Gesunde. Es kann
dessbalb die Ansicht von der «rasenden Eile» der Vorstellungen in
der Manie nicht aufrecht erhalten werden, was durch die klinischen
Beobachtungen bestätigt wird.
Vortragender weist darauf hin, wie diese Resultate erkennen
lassen, welchen Nutzen die Experimentalpsychologie der
allgemeinen Psychopathologie wie der Diagnostik zu bringen im
Stande ist; in diesem Sinne kann sie der Anatomie zur Seite
stehen als Hilfswissenschaft der Psychiatrie. (Autoreferat.)
In der Discussion äussern Moeli und Hitzig ihre Bedenken
gegen die Uebertragung der an Normalen gewonnenen Versuchs¬
resultate auf pathologische Verhältnisse.
Herr Aschaffenburg erwidert auf diese Bedenken.
Herr Gross- Heidelberg: Ueber Stupor.
Vortragender weist darauf hin, dass die üblichen klinischen
Untersuchungsmethoden wenig Aufschluss über das Wesen der
Stuporzustände ergeben , dass in Folge dessen die Vorstellungen.
über das Wesen dieser Zustände recht unklare sind. Da anderer¬
seits diese Zustände eine durchaus verschiedene Proghose dar¬
böten, so sei es dringend wünschenswerth, sie genauer zu analy-
siren, um dadurch Anhaltspunkte für die Prognose zu bekommen.
Er hat zu diesem Zwecke eine Methode angewendet, die er, ob¬
gleich der experimentellen Psychologie entlehnt, dennoch als eine
durchaus klinische bezeichnet. Es wurden nur einfache psychische
Vorgänge untersucht, über die bereits Vorarbeiten mit exacten
zcitmessenden Methoden Vorlagen, und zwar:
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1114
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45
I. Die Auffassung
II. Die Denktliätigkcit
III. Die motorischen Leistungen.
I. Zur I ’ntersuchung der A u f fassungs f ä h i g k e i t wurde
eine gröbere und eine cxactcre Methode angewandt. Krstcre be¬
stand darin, dass man feststellte, wie lange man einem Kranken
einen Gegenstand Vorhalten musste, damit er ihn erkannte. Sic
wurde nur bei ganz schweren Störungen benutzt. I m zahlen-
mässig darstellbare Resultate zu bekommen, wurde ein einfacher
Apparat construirt: hinter einen photographischen Momentver¬
schluss wurden Karten mit Zahlen gesteckt. Aus der Anzahl
der, während der annähernd constanten Kxpositionszoit aufgefassten
Zahlen erhielt <■’. ein Maass für die Auffassungsbreite der Ver¬
suchsperson.
II. Deuktbätigkeit: uiitersucbt wurden:
a. Reaetionen
b. Fortlaufende geistige Arbeit.
Von Reaetionen wurden Färb-, Additions- und Assoeiations-
reactionen angestellt. Zur rntersuehung der fort laufenden geistigen
Arbeit Iiess <1. Zahlenreihen addireri , längere Rcchcnexempel
lösen, Thiere aufzählen. Die Zeitbestimmung geschah mit einer
Fünftcl-Seeunden-I hr.
III. Motilität: Um die Störungen derselben schätzungs¬
weise festzustellen, Hess G. die Kranken einfache Bewegungen
ansführen. Ferner mussten sie von 1 — 20 zählen, und cs wurde
die Zeit, welche dazu nötig war, mit der Fünftelsecundenuhr
registrirt.
Bei eirculären und paralytischen Kranken Hessen sieh diese
Versuche meist ohne Schwierigkeit durchführen, während katatonische
wegen des Negativismus erhebliche Schwierigkeiten darboten.
Die Verwertbung der Versuche geschah in dreifacher Richtung.
1. Zur genaueren Analysirung d« r Zustände,
2. Zur Beobachtung des Verlaufs,
3. Uui Anhaltspunkte für die Differentiuldiagnosc zu ge-
gewinnen.
Die I’ntersiichungen wurden bis jetzt angestellt an 3 eir¬
culären, 2 paralytische», o katatonischen Stupurösen. Vortragender
deinonstrirt an C'urven , wie sieh Zustand und \ erlauf von 4
Erkrankungen graphisch darstellen Hessen.
Er fasst schliesslich seine bisherigen Resultate folgender-
massen zusammen:
1. An einem grossen Theil der stuporösen Kranken sind
eingehende psychometrische Untersuchungen möglich.
2. Diese geben ein wesentlich klareres Bild von der Art der
Störung als die übliche klinische Untersuchung.
3 . Sie ermöglichen, den Verlauf genau zu verfolgen und
Veränderungen des Krankheitsbildes zahlengcmäss dar¬
zustellen.
4. Die bisher untersuchten Fälle von circularem Stupor
Hessen niemals eine deutliche Verlangsamung der mo¬
torischen Leistungen vermissen; bei den paralytischen
Stuporösen fehlte jede motorische Hemmung; doch fand
sieh eine erhebliche Beeinträchtigung der fortlaufenden
Denktliätigkcit. (Autoreferat).
Herr R o e m e r • Heidelberg : Experimentelle Studien
über den Nachmittagsschlaf.
Vortragender bat in früheren Untersuchungen festgestellt,
dass einige Zeit nach normal langem Schlafe ein Zustand besteht,
in dem die geistige Leistungsfähigkeit bedeutend herabgesetzt ist.
Dieser Zustand von Müdigkeit ist um so grösser, je tiefer
nach am Morgen der Schlaf war. Kürzte er bei Personen, welche
am Abende sehr bald und fest einschliefcu und am Morgen sehr
früh spontan erwachen, den Schlaf Morgens ab, so wurde der
Grad der zurückblcibendcn Müdigkeit kaum verändert; kürzte
er ihn aber bei Personen , die sehr langsam einschlafen und erst
gegen Morgen ihre grösste Schlaftiefe erreichen, Morgens ab, so
zeigte sich bei ihnen eine enorme Herabsetzung der geistigen
Leistungsfähigkeit, die identisch ist mit dem Zustande der E r -
müduug. R. stellte weiterhin psychologische Experimente an
verschiedenen Personen 1 Stunde nach dem Mittagssehlafe an.
Auch hier zeigte sich die Abhängigkeit der auf den Schlaf fol¬
genden psychischen Disposition von der Schlaftiefe. Der
Schlaf wurde auf 1 Stande bemessen, als Methoden wurde in
Auswendiglernen und das Addiren einstelliger Zahlen, sowie &
Messung der Wahlreaetionszeit verwendet. Es ergab sich bei
Versuchsperson, deren Mittagsmüdigkeit die grössere war und die
sehr rasch und tief iu Schlaf gerieth, ausnahmslos eine bedeutende
M e h r I e i s t u n g nach dem Schlafe gegenüber den Tagen, 35
denen kein Schlaf gehalten wurde. Dagegen fand sich bei der
Versuchsperson, die sich nach der Nahrungsaufnahme weniger milde
fühlte und nur sehr langsam einschlief, an sümintlichen Tagen
nach dem Mittagssehlafe eine bedeutende Herabsetzung der
Leistungsfähigkeit. Zum Schlüsse demonstrirte R. einen Apparat
zur Messung der Schlaftiefe, der besonders den Vorzug hat. da«
man damit automatisch mehrere Weck versuche in einer Nacht
anstelle!! kann. Die Zeiten des Weckens sind in jeder Weise
variilbar. Der Weckreiz wird gegeben durch Metallkugeln von
verschiedenem Gewichte, die auf eine feste Unterlage auffallen.
Das Fallen jeder Kugel, sowie das Aufwachen der Versuchsperson
wird gesondert mit Hilfe einer sehr zweckmässigen Vorrichtung
rnarki rt. (Autoreferat.)
Herr Alzh eim e r- Frankfurt a. M.: Ueber perivasculäre
Gliose.
Es ist kein ganz seltenes Vorkommuiss, dass man in Fällen,
bei welchen intra vitam ausgesprochene Herdsymptome beobachtet
worden waren, bei der Secfcion keine Ilerderkrankung, ja über¬
haupt makroskopisch keinerlei irgendwie nennenswerte oder wenig¬
stens zur Erklärung der klinischen Erscheinungen hinreichende
Veränderungen der Hirnsubstanz findet.
A. berichtet in Kürze über mehrere derartige Fälle. Id allen
batten sehr ausgesprochene Herdsymptome bestanden (Aphasie.
Hemiplegie, Hemianopsie oder Rindentaubheit) und in 2 Fällen
waren makroskopisch keinerlei Veränderungen, in den übrigen einige
miliare Erweichungsherdehen oder eine etwas derbere Consistenz
einzelner Windungen, leichte Runzelungen der Windungsoberflack
an einzelnen Stellen aufgefallen.
Bei der histologischen Untersuchung fanden sich in allen die*n
Fällen, meistens beschränkt auf diejenigen Windungen, die nach
dem klinischen Bilde in ihrer Function gestört waren, herdförmig
angeordnete, oft sehr erhebliche Wucherungen der Glia, die mk
um hochgradig degencrirte Gefässe herum gelegen waren.
Besonders instructivc Bilder gab die Weigert sehe Glia-
metliode.
In den meisten Fällen war die Gefässveränderung eine arterio¬
sklerotische. In einem Falle handelte es sich um eine hockt
wahrscheinlich luetische Gefässerkrankung. In den Herden wen
natürlich auch die Ganglienzellen tlieils zu Grunde gegangen, theib
degenerativ verändert, ebenso waren die markhaltigen Fasern mc t
oder weniger gelichtet.
Da aber die Gefässerkrankung offenbar den Ausgang «
degenorativen Processes bildet und die Wucherung der Glia
auffallendste der histologischen Veränderungen darstcllt, dürfte .e
Erkrankung zweckmässig als perivasculäre Gliose zu bezeichnen sein
Sie unterscheide^ sich von der früher von Binswanget
und A. beschriebenen arteriosklerotischen Atrophie dadurch,
der Process ein viel intensiverer ist, aber nur auf einzelne
düngen oder mehrere Windungen beschränkt bleibt. 'Während a
die arteriosklerotische Atrophie des Gehirns klinisch ein der an
lyse ähnliches Bild hervorruft und Erscheinungen einer 1 *
Gehirnerkrankung macht, verläuft die perivasculäre Sklerose unw
dem Bilde einer Hirnherderkrankung. (Autoreferat.)
» _ __ _____
68. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur
forscher und Aerzte
in Frankfurt a. M. vom 21. bis 26. September IW-
Section für Geburtshilfe und Gynäkologie-
Referent: Dr. Gottschalk-Berlin.
V. Sitzung am 24. September, Nachmittags
Vorsitzender: Herr Leopold-Dresden.
Herr Thorn- Magdeburg: Vagitus uterinus und
Verhältniss zum ersten Athemzug. Fftl l w0
Herr Thorn berichtet über einen bemerkenswert
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10. November 1896. MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT. 1115
Vagitus uterinu8, der ca. 12 Stunden vor dem Partus gehört 1
wurde und ohne jegliche Schädigung des Kindes verlief. Es handelte I
sich um eine künstliche Frühgeburt bei einem allgemein ungleich- I
«lässig verengten Becken Conjugata vera von ca. 7,* ein. 2 Jahre
vorher schwierige Geburt mittelst hoher Zange. Kind tief asphyk-
tisch wurde wiederbelebt und ist gut gediehen.
In Anbetracht dieser schwierigen Geburt batte Tliorn künst¬
liche Frühgeburt 4 Wochen ante terminurn vorgeschlagen. Diese
wurde vom Hausarzt durch Bougie eingeleitet, das auch bald gute
Wehen hervorrief, aber zu früh entfernt wurde. Danach höchst
mangelhafte Wehen, Fruchtwasserabgang in kleinen Mengen. Am
fünften Tage nach dem Einlegen des Bougies folgende Situation:
1. Sch. L. Kopf etwas abgewichen, Cervix für 2 Finger eben durch¬
gängig, es geht etwas missfarbiges, scheinbar meconiumgefärbtes
Walser beim Touchiren ab. Wehenthätigkeit minimal. Herzhöhe
140. Temperatur und Puls der Kreisenden normal. Allgemein¬
befinden so gut, dass man ihr eine längere Geburtsdauer zumuthen
durfte. Eine forcirte Entbindung hätte bei der Rigidität der Weich-
theile wenig Chancen für das Kind gelassen, der Mutter aber sehr
hohe Gefahr gebracht. Daher wird ein Barn es'scher Dilatator
eingelegt und der Kürze wegen einfach aufgeblasen. Im Augen¬
blick genügender Aufblähung setzt eine Wehe ein, gleich darauf
berstet der Ballon mit erheblicher Detonation und gleich darauf
schreit das Kind in 2 Absätzen etwa 2 bis S mal, Die
Töne klangen wie aus der Versenkung, erfolgten stossweise und
wurden von allen Anwesenden deutlich gehört. »Sofort wird ein
neuer Barnes eingeführt, dabei entweicht Luft und etwas Frucht¬
wasser. Athemgeräusche waren nicht zu hören, die Herztöne be
hielten unverändert ihre frühere Frequenz. 12 Stunden später wird
spontan ein sofort schreiender Knabe geboren, der absolut keinerlei
Zeichen einer Aspiration trug und gut gediehen ist.
Tliorn glaubt, dass der Foot im Moment dos Schreiens weder
asphyktiseh war noch Lungcnuthiiiung ausgeführt hat. Zur Er¬
zeugung derartiger Töne, wie sie der Footus hören liesx, genügt
das stossweise Auspressen einer geringen Menge Luft durch die
obersten Luftwege. Das Inspirmin war hier ein rein passives,
reprüsentirt durch die unter hohem Druck in die oberen Luft¬
wege durchgehende Luft. Diese sowohl wie vielleicht auch die
Detonation an sich erzeugten nicht, nur einen starken Hautreiz,
sondern auch einen lloflcx , der zur Folge hatte, dass ruckweise
die eingedrungene Luft durch die Action des exspiratorisehen Thcils
der Atlieniuiuskulatur ausgestossen wurde und »so jene Tone zu
Stande kamen. Daher wurden auch keine Atlienigcräusche gehört
und desshalh wurde auch nichts aspirirt.
Man kann sich den Hergang plausibel machen, wenn man
nach völliger Exspiration unter stossweiser Action der oxspira-
torischen Atlienmiuseulatur die Luft durch die olioren Wege
treibt; so lassen sich leicht jenen ähnliche Töne erzeugen. Eine
Lungenatlunung findet dabei nicht statt. Auch der Atliemtypus
Frühgeborener zeigt Aelmliclies. (Glöckner).
Vielleicht bildet die Art, wie der Foctus im vorliegenden
Falle seine c.xpsiratorische Atliemmusculatur gebrauchte, ein Ana¬
logon zu der sog. intrauterinen physiologischen Athmung Ahlfelds,
deren rythuiische Bewegungen der Autor bekanntlich registrirt
haben will. Findet wirklich etwas Derartiges statt, so handelt es
sieh dabei doch sicher niemals um eine Lurigenathmung, sondern
nur um einen reHeetorischen Vorgang, den das in die oberen Luft¬
wege eindringende Fruchtwasser erzeugt.
Tliorn verwahrt sich dagegen, dass sein Fall etwa als Stütze
der F r e y e r ’ sehen Lehre aufgefasst werde. 1 He S chwartz' sehe
Lehre genügt allen billigen Anforderungen, zumal nach den neueren
Experimenten von Runge und Zuntz, zur Erklärung der Ursache
des ersten Athcwzuges. Hilfsursachen, wie sic z. B. Ol sh au.se ii
aufstellte, sind überflüssigerweise heran gezogen worden. Dagegen
glaubt Tliorn, dass zur Hervorbringung des ersten Schreies aller¬
dings mächtig die Hautreize im Sinne Preyer’s mitwirken. Hält
man die Erklärung des Falles Th or ii’ s für richtig, so wird man
zwei Arten des Vagitus unterscheiden müssei*, eine wo das Ge¬
schrei ein asphyktiseh er Foot von sich gibt und eine sozu¬
sagen harmlose, hei der keine Lurigenathmung stattfindet. Auch
im Hinblick auf diesen Fall, wie überhaupt, scheint es Tliorn
nicht richtig, wenn man die Ursachen des ersten Atheinzuges und
ersten »Schreies zusammen wirft.
Discussion: Herr Strassmann nimmt an, dass hier doch
etwas Luft in die Lunge eingedrnngen sei, bevor die Exspiration
zu Stande kommen konnte.
Auch Herr Fla tau widerspricht der Deutung des Herrn Vor¬
tragenden.
Herr Karl H e i I - Heidelberg: Zur Therapie der Pia*
centa praevia.
Gegenüber der frühzeitigen Wenduug nach Braxton-Hirks
wird für geeignete Fälle, besonders bei lebendem reifen Kinde
die cervico-vaginale Tamponade (mit .Jodoformgaze) empfohlen.
Kehrer präcisirte schon 1891 in seinem Lehrbuch für operative
Geburtshilfe die Indication zur Braxton-Llirks’ sehen W endung
dahin :
1. bei hochgradiger Anaemie der Mutter, ohne Rücksicht auf
das Kind.
2. bei weniger anaem. Mutter nur dann, wenn die Aussichten
auf ein lebendes und lebensfähiges Kind gering sind oder wenn
das Kind bereits abgestorben ist.
ln allen anderen Fällen von geringer Muttermundweite zu¬
nächst Tamponade bis zu einer für Wenden und Ausziehen ge¬
nügenden Cervixerweiterung.
Zu Tamponade wird ausschliesslich Jodoformgaze verwendet ;
besondere Rücksicht ist zu nehmen auf eine möglichst exacte
Tamponade des Halseanals und der Scbeidegcwölbe; ferner ist
peinlichste Asepsis zu üben.
Discussion: Herr Sippel ist schon früher für die Tampo¬
nade eingetreten, weil die Erhaltung des kindlichen LebenB ihm
dabei gesicherter erscheine.
Herr Strassmann sieht in den Ausführungen des Redners
zum Theil einen Rückschritt, da durch die Tamponade das mütter¬
liche Leben mehr gefährdet sei. Die erste Blutung in der Schwanger¬
schaft soll eine Anzeige für die Unterbrechung der Schwangerschaft
sein. Die Tamponade sei allerdings, besonders in der Hebammen¬
praxis, nicht zu verbieten.
Herr Hofineier lässt eine Tamponade unter Umständen
gelten, die ja heute nicht mehr so gefährlich sei wie früher.
Herr Leopold: Untersuchungen zur Entstehung des
Carcinoms mit Demonstration von Abbildungen.
Tn Fortsetzung der Untersuchungen, welche Redner in Ver¬
bindung mit seinem Assistenten R o s c n t li a 1 über das Carcinom un¬
gestillt- und im Archiv für Gynäkologie veröffentlicht hat, berichtet
er heute über weitere Ergebnisse nach dieser Richtung hin.
Uni einen Einblick in die Entstehung des Carcinoms zu ge¬
winnen, lassen sich verschiedene W r ege betreten :
1 . »Statistisch genaue Fc.ststellungen über Häufigkeit, Ver¬
breitung, Zu- und Abnahme in einzelnen Ländern, Orten und
Familien nach Alter, Geschlecht und »Stand.
2. Die klinische Beobachtung, namentlich in Bezug auf Reei-
dive, sei cs durch Berührung, Uebertragung und Ueberimpfung.
■{. das Thierexperimeut, mit welchem schon verschiedene werth¬
volle Aufschlüsse erzielt worden sind.
4. die microscopisch-histologisehen Untersuchungen und zwar
a) am gehärteten,
b) am lebenden ganz frischen Gewebe.
Was die ersteren anlangt., so besitzen wir eine grosse Zahl
hervorragender Forschungen von Thier sch undWaldcyer an
bis zu den Untersuchungen der jüngsten Zeit über die Karvu-
kinese, über Zellcinschlüssc, über Blastomyccten und über ver¬
schiedene andere Gebilde, welche mit den mannigfachsten Färbe¬
methoden in dem gehärteten Gewebe gefunden und als Erreger
des Carcinoms angesprochen wurden.
Bezüglich aller dieser Befunde möchte Redner nur der An¬
sicht Ausdruck geben , dass soviel Widerspruch in ihnen liegt,
dass sichere Unterscheidungsmerkmale zwischen fremdem und zu¬
gehörigem Gewebe noch nicht einmal gewonnen sind. Die Ur¬
sache liegt darin, dass durch die Härtung das Gewebe vollkommen
verändert wird und dass andererseits wir noch lange nicht wissen,
aus welchen einzelnen kleinsten und feinsten Elementen sich das
vorsprossende Carcinotngewebc in völlig lebcnsfriscliem
Zustande zusammen setzt.
Wir wissen noch nicht, ob die wuchernden Zellen ganz nor¬
mal oder mehr weniger oder insgesammt verändert sind, ob in
ihnen oder um sie herum etwa lebende, uns noch unbekannte
Organismen zu finden sind, ob eich diese lebensfrischen Zellen
oder Organismen bei geeigneter (’onservirung auch lebend erhalten
und wie lange sie sich erhalten lassen. — Alles dies ist noch
nicht zur Genüge festgestellt — man wird sich darum unmöglich
damit befriedigt erklären können, wenn man die Actiologie dos
Carcinoms nur am gehärteten Präparat erforscht.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45
Aus diesen Gründen hat L. sich seit mehreren Jahren mit
der Untersuchung des lebensfrischen Cardnoms beschäftigt. Am
geeignetsten hierzu ist das Carcinoma ovarii und corporis Uteri.
Das exstirpirte carcinomatöse Organ wird sofort in sterile Gaze
gewickelt, in ein steriles Glas gelegt und mit sterilisirten Messern
zerschnitten. Dann werden die weitest vorgeschobenen Vorposten
der Caroinoinwucherung aufgesucht, auf mehrere starilisirte Deck- j
gläscr je ein kleinster Tropfen sterilisirten Serums oder Bouillon
gebracht und darin eine Spur frischen Careinomgewebes zerteilt.
Dann legt man das Deckglas mit dem Tropfen nach unten auf
einen hohlgeschliffenen Objcctträgcr, verschliesst dessen Ränder
fest mit Vaselin und bringt ihn nun zur Beobachtung in das er¬
wärmte Mikroskop.
Letzteres muss so vollendet gebaut sein, dass man den Tropfen
wochenlang bei einer constanten Temperatur von 37,5—3S0 be¬
obachten kann.
Da dies alle bisher bekannten Mikroskope nicht leisten,
so hat L. sich von dem Mechaniker Senner an der k. Tech¬
nischen Hochschule in Dresden ein solches unfertigen lassen. Es
arbeitet so vortrefflich, dass man ein Präparat bis zu 60 Tagen
nacheinander in der constanten Temperatur von 37,8° beobachten kann.
Wegen der genaueren Beschreibung dieses Mikroskopes und i
der erhaltenen Befunde verweist Redner auf seinen demnächst
erscheinenden Aufsatz im Archiv für Gynäkologie.
Vereinigte Sitzung der dermatologischen mit der
gynäkologischen Section
am 22. September 1806.
Referent Dr. Ernst 11. W. Fra n k-Berlin.
Der heutige Stand der Gonorrhoe-Frage.
Herr N e i s s e r Breslau. I. Die Gonococcen-Untersuchung 1
bezweckt:
1. Sichere Feststellung der gonorrhoischen Infcction als Ur¬
sache klinischer Symptome und pathologischer Veränderungen.
2. Feststellung noch bestehender oder schon beseitigter In-
fcctiositüt bei den der Gonorrhoe verdächtigen Personen.
II. Pie erste Aufgabe ist wesentlich eine wissenschaftliche,
de mehr (besonders im Laufe der letzten Jahre) die wissenschaft¬
liche Gynäkologie den früher auf unsicherer (anamnestischer etc.)
Basis aufgebauten Symptomcucomplex der weiblichen Gonorrhoe,
speciell der aseendirenden und residualen Pmccsse, durch den
Nachweis, wie weit die Gonococeen allein oder in Verbindung mit
anderen Krankheitserregern die einzelnen Erkrankungsformen zu
erzeugen vermögen, geprüft und als wirklich gonorrhoische be¬
wiesen hat, um so eher kann bei den genannten Adnexerkrank¬
ungen die klinische Untersuchung und Diagnostik auskommen,
ohne den in jedem einzelnen Falle wieder neu zu erbringenden
ätiologischen, d. h. Gonococeen - Nachweis. Es ist demgemäss
(namentlich für den Symptomcucomplex der aseendirenden und
residualen Gonorrhoe) der Gonococcen-Nachwcis zwar stets eine
erwünschte Stütze der Diagnose, aber nicht ein unbedingtes Er¬
forderniss, um so weniger, je mehr Anamnese und eine Anzahl
von bekannten, auf Gonococcen-Infection zurückzuführenden Sym¬
ptomen vorliegen.
Bei diesen Formen der Gonorrhoe ist der Gonococeen-Nach¬
weis um so weniger nothwendig, je mehr das ärztlich (sehr häufig
oi>erative) Handeln durch die vorhandenen schweren Erkraukungs-
formen selbst, und nicht durch die Aetiologie bestimmt wird —
wenn auch für das Verhalten des Operateurs (nach Scbauta) cs
nicht gleichgültig ist, oh Gonococeen oder andere Bacterienarten
die Ursache der zu beseitigenden Eiterungen u. s. w. abgeben.
III. Ganz anders liegt es hei der Gonorrhoe der externen
Schleimhäute und bei der Beurtbeihmg aller nach Aussen hervor¬
tretenden Secrcte. Hier ist durch klinische Erfahrung festgestellt,
dass die makroskopische Untersuchung weder der Schleimhautver-
iinderungen noch der Secrete nach keiner Richtung hin genügt
zur Diagnose der Gonorrhoe d. h. einer durch Gonococeen ent¬
standenen Erkrankung mit noch bestehender, durch Gonococeen-
Anwesenheit bedingter Infectioeität.
Klinische Erscheinungen künnen in deutlichster Weise vor¬
handen sein, theils hervorgerufen durch andere Ursachen als
Gonorrhoe, theils als Resterscheinungen nach längst erfolgter Be¬
seitigung der Gonococeen.
Klinische Erscheinungen können vollkommen fehlen trotz An¬
wesenheit der Gonococeen, also: nur die Gonococeen-Untersuchung
kann die Diagnose und damit zugleich die Bedeutung eines Falles
als eventuelle Infcctionsquelle feststellen.
Klinische Erscheinungen, besonders wenn sie zum Sänger'sehen
Symptomen Complex vereinigt sind, werden selbstverständlich mi
besonderen Verdacht auf etwaige Gouorrhoe erwecken und damit
die Nothwendigkeit besonders sorgfältiger Gonococcen-Untersuchung
ergeben.
Mangel klinischer Symptome ist keinerlei Unterlage für die
Ausschliessung einer Gonorrhoe-Diagnose.
IV. Es ist demgemäss bei jeder der Gonorrhoe verdächtigen
Person zu untersuchen 1. die Urethra, 2. die die Urethral
mündung umgebenden Buchten und Falten, 3. der C’ervical-Caual
und 4. die Ausführungsgängc, resp. das Sccrct der Bartho-
lin’schcn Drüsen.
Viel grössere Aufmerksamkeit als bisher ist der Rectal-Unter
suchung zuzuweisen.
Vulva und Vagina sind bei älteren Personen und nach
häufigerer Cohabitation fast nie Sitz der Gonorrhoe. Dagegen ist
die übrigens meist durch indirecte Infcction zu Stande kommende
Vulvovaginitis gonorrhoica sehr häutig bei Kindern.
V. Für Gonorrhoe charakteristische und durch Gonococeen
hervorgerufene Veränderungen der Vulvar- und Urethral-Schleim
häute gibt es nicht. Papillome, Carunkeln, Erosionen u. s. w.
sind nur als Fingerzeig zu besonders sorgfältiger Untersuchung
für die Diagnose von Bedeutung.
VI. Trotz der ungeheuren Dienste, welche das (Buuim
W c r t h h u i m sehe) Culturverfahron für die Gonorrhoe Lehre ge¬
leistet hat, ist für die diagnostischen Zwecke die mikroskopische
Secret-Untersuchung fast in allen Fällen die allein brauchbare.
Ein geübter Untersucher ist bis auf verschwindende Ausnahme¬
fälle im Stande, Gonococeen von anderen Diplococoenarteo zu
unterscheiden.
VII. Die Annahme, dass die sogenannte «schleichende-
Gonorrhoe der Weiber von Gonococeen mit verminderter Virulenz
herrühre, ist eine vollkommen unerwiesene. Auch die von ganz
chronischen Fällen herrührenden Gonococeen sind voll-virulent.
Eine erworbene Immunität gegen Goncoeccn gibt es nicht,
dagegen eine Angewöhnung an die auf der Schleimhaut gewucherten.
VIII. Der unbedingte Werth positiver Gonococeen-Befunde
ist selbstverständlich zuzugeben.
Negative Gonococeen-Befunde gestatten nicht ohne Weiteres
den Schluss, dass Gonococeen auch wirklich fehlen, da wir wissen,
dass sie theils in tiefen Epithel-Lagen, theils in Buchten und
Falten der Schleimhaut verborgen sein können. Es bedarf daher
in solchen Fällen stets
1. häufig wiederholter Untersuchungen,
2- der Zuhilfenahme provocatorischer (chemischer oder mecha¬
nischer) Irritationen.
Die Gouoooccen-Untcrsuchungen werden um so sorgsamer ge¬
macht werden müssen, je deutlichere klinischo Merkmale (eventuell
endoskopisch) festgestellt und die eitrige Beschaffenheit der Secrete
sowie ein auffallend leichtes llecrudescireti des Entzilndungspm
eesses vorhanden ist.
IX. Die Gonococeen-Untersuchung ist aber nicht nur noth¬
wendig zur ersten Diagnose in allen Fällen, sondern sic stellt
auch die einzig brauchbare und daher unentbehrliche (-entrolle für
den durch die Behandlung erzielten Erfolg dar. Aus dir U> J[
Sache, dass trotz vollkommenen Schwindens aller subjektiven Be¬
schwerden und aller makroskopisch wahrnehmbaren Erscheinung
Gonococeen Zurückbleiben können, geht hervor, dass ohne Gono-
coccen-Untersuchung eine Unzahl von Fällen ungeteilt aus d« r
Behandlung entlassen wurde.
Diese ungeheilten Fälle aber sind
1- die Hauptmasse der chronischen Infectionsqucllen und
2. der Ausgangspunkt für die aseendirenden Formen ( un ^
Metastasen) der weiblichen Gonorrhoe.
X. Das Princip der Therapie darf daher nicht gerichtet *-’ |ü
nur auf die Beseitigung der subjectiven Beschwerden und det
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10. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINT8CHE WOCHEN8CHRIFT.
1117
klinisch wahrnehmbaren Entzüdungserscheinungen, sondern auf die
Beseitigung der Gonococcen.
XI. Dieses Ziel erreichen wir:
1. Durch Anwendung solcher Medicamcntc, welche
a) schon in so schwachen Concentrationen angewendet
werden können, dass die Schleimhaut dadurch nicht
irritirt und Iädirt wird,
b) Gonococcen tödtet,
c) dabei durch chemische Bindungen mit Eiweiss und Mucin-
körpern ihre bactericide Eigenschaft nicht verlieren.
Solche Mittel sind in erster Reihe: Silbersalze (Argentamin,
Argonin, Argentum nitricum, Actol, ltrol) ferner das Hydrargyrum
oxycyanatum und das Ichthyol.
2. Indem wir diese Medicamento durch geeignete Methoden
und Apparate mit allen Theilen der (möglicherweise inticirten)
Schleimhaut in Verbindung bringen.
3. Indem wir die Behandlung so zeitig wie irgend möglich
beginnen. Nur die Anwendung der oben genannten Gonococcen
tödtenden Mittel gestattet die Behandlung in so frühem Stadium,
weil nur durch sie die Gefahr einer Verschleppung auf noch nicht
inficirte Theilc ausgeschlossen ist.
Beseitigung der Gonococcen vor dem Ascendiren derselben
muss das Hauptziel der Behandlung der weiblichen Gonorrhoe sein.
XII. Die Gonorrhoe-Prophylaxe besteht:
1. In einer sorgfältigeren, nach denselben Principien mit Zu¬
hilfenahme der Gonococcen-Untersuchung vorzunehmenden Uontrole
der Männer vor der Verheirathung.
In einer sorfältigeren die Gonorrhoe berücksichtigenden Con-
trole der Prostituirtcn ; denn diese sind es, welche ihrerseits die
Hauptquolle der Infection für die Männer darstellen.
3. In einer allgemeineren und besseren Ausbildung aller
Aerzte auf dem Gebiete der venerischen, also auch gonorrhoischen
Erkrankungen durch Errichtung von Kliniken auf allen Universi¬
täten und durch Einführung dieser Disciplin in die staatliche
Prüfungsordnung.
Herr S a n g e r - Leipzig: Ueber residuale Gonorrhoe.
Die durch die Gonococcen gesetzten entzündlichen Proccsse
können nach dem Verschwinden der Gonococcen aus Seeretcn
und Geweben fortbcstehen a) als chronische, b) als scheinbar
recidivirendc c) als j>ersistirende Entzündungsprocesse. Diese
pathologischen Zustände im Gefolge der gonorrhoischen Infection
bezeichnet S. als residuale Gonorrhoe.
Der Unterschied zwischen der acuten und chronischen Go¬
norrhoe liege oft mehr in dem Zeitmaass seit der stattgehabten
Infection als in einer für das acute Stadium stärkeren Inten¬
sität oder einer gleich von Anbeginn höchsten Extensität ihres
Auftretens. Nur in klinischer Beziehung könne man eine typische
und eine atypische Verlatifsform der acuten Gonorrhoe unter¬
scheiden, die erstere verlaufe unter dem Bilde der acuten Gonorrhoe
dos Mannes, die letztere dem Gynäkologen mehr begegnend als
dem Dermatologen , mehr schleichend und subjcctiv symptomlos.
Scharfe Ucbcrgänge in das chronische Stadium lassen sich für
keine dieser beiden Formen herleitcn. Grundbedingung für die
Annahme beider Stadien, der acuten und chronischen, sei neben
den klinischen Erscheinungen der positive Nachweis von Go-
noeoccen.
Der Begriff der »latenten« Gonorrhoe sei cndgiltig fallen
zu lassen, auch in der Deutung »Latenz der Gonococcen« lasse
er sich nicht aufrecht erhalten. Die sog. »latente« Gonorrhoe
sei entweder eine Exacerbation einer chronischen Gonorrhoe oder
eine Neumfection , oder eine chronische oder endlich das was S.
als residuale Gonorrhoe definirt.
Ueber die Lebensdauer des Gonococcus sei noch nichts
Sicheres bekannt. Der negative Gonococcenbefund in relativ frischen
Tubensäcken und üvarialabscessen spreche dafür, dass wenigstens
in diesen geschlossenen Organtheilen sich seine Lebens- und Ver¬
mehrungsfähigkeit in kurzer Zeit erschöpfe Aber auch an den
nach Aussen offenen Abschnitten des Sexualapparats kommen auf
ursprünglicher gonorrhoischer Infection beruhende chronische Er¬
krankungen bei negativem Gonococcenbefund vor, die also nicht
auf der Gegenwart und Wirksamkeit von Gonococcen beruhen,
sondern auf den durch diese primär gesetzten geweblichen Veränder¬
ungen = residuale Gonorrhoe. Vortr. geht dann unter Vorlage
von Abbildungen speciell auf die Formen und Zeichen der re¬
sidualen Gonorrhoe ein, den Genitaltractua von der Vulva auf¬
wärts verfolgend. Als solche bezeichnet er:
1. An der Vulva a) die Vulvitis maculosa (persistens) floh¬
stichartige Maculae rings um die Mündungen der Bartholin‘sehen
Drüsen und umschriebene dunkelrothe Flecken ringsum die para-
urethralen Gänge; histologisch: tiefgreifende Entzündung des
Papillarkörpers und starke Verdünnung des Epithels, b) Die
Adenitis glaudulae Bartholini scleroticans, Defecte aussen und
unten von der Drüsenmündung sowie die Mehrzahl von Cysten
der Gl. Bartholini.
2. An der Urethra: Urethritis maculosa externa (persistens)
verschiedene Formen der chronischen Urethritis, Stricturen (Te-
nesmus!) letztere oft mit chron. Urethritis combinirt; Periure-
thitis chron., dabei ist die ganze Urethra in ein starres Rohr ver¬
wandelt.
3- An der Vagina: Colpitis maculosa (persistens und gra-
nularis persistens (papulosa Naumann), Colpitis maculosa und
granularis kommen sehr gewöhnlich nebeneinander vor und stellen
sich bei der Behandlung mit 50°/o Chlorzinklösung in Gestalt
eines schneeweissen Sternhimmels im Fergusson’ sehen Speculum
dar. Einzelne Fälle von Colpitis atrophicans (obliteraus), von
Colpitis senilis haemorrhagica, viele Fälle von Pruritus vulvae be¬
ruhen sicher auf gonorrhoischer Grundlage.
4. Am Uterus: a) Endometritis und Metro-Endometritis chron.
postgonorrhoica residualis; hierher gehören zahlreiche Fälle von
Endometritis, welche bisher entweder der chronischen Gonorrhoe
zugetheilt wurden, oder welchen man einen Zusammenhang mit
Gonorrhoe abstritt, b) Perimetritis chronica postgonorrhoica, keine
Theilerscbeinuug einer Pelioperitonitis diffusa.
5. Adnexa uteri und Beckenbauchfell: Salpingitis, Pcri-Salpin-
gitis, Oophoritis, Peri-Oophoritis, Pelvioperitonitis chron residualis.
Dahin sind ursprünglich eitrige Erkrankungen der Adnexa und des
Beckenbauchfells zu rechnen, wo die Eitcransammlung serösen Er¬
güssen, bindegewebigen Verdichtungen, Strängen, cystischen uud
pseudocystischen Bildungen (Follicularcystcn des Ovarium, Cysten
des Mcsosalpingium Lymphocelen, Hydrosalpinxsäcken), die als Be¬
ten tionsevsten zu deuten sind, Platz gemacht hat. Entzündliche
Nachschübe können Vorkommen. Frische Entzündung kommt bei
residualen'Adnexerkrankungen nur selten vor: eine recidivirendc
Perimetritis im Sinne Noegg er ath’s lässt sich heute nicht mehr
aufrecht erhalten. Ob die so häufigen, narbigen Residuen einer
früheren Parametritis puerperalis auch gonorrhoischen Ursprungs
sein können, hängt von dem noch ausstehenden Nachweis des
Gonococcus im acuten parametriti.schen Exsudat ab.
6. Rectum : Ein grosser Theil der Mastdarmstrieturen ist
hochwahrscheinlich gonorrhoischen Ursprunges.
Auf die gonorrhoischen Residuen an Herz und den Gelenken
geht S. nicht weiter ein.
S. gesteht zu, dass einzelne der vorstehend beschriebenen
Formen wie die Vulvitis maculosa, Colpitis maculosa und gra-
nularis, Endometritis noch zum Gebiet der chron. Gonorrhoe ge¬
hören können, wenn, auch in der grossen Mehrzahl der Fälle
Gonococcen bestimmt fehlen und damit die Gonorrhoe eine re¬
siduale geworden ist.
Gerade darauf, dass diese Befunde auoh bei chronischer Go¬
norrhoe mit positivem Gonococcennachwois vorhanden sein können,
stützt sich zum Teil die klinische Diagnose der residualen Go¬
norrhoe wie anderenteils auf die charakteristische Anamnese sowie
die als specifisch gonorrhoisch bekannten krankheitlichen Ver¬
änderungen am Sexual8chlauchc. Also auch ohne Gonooooocn-
befund lässt sich an der Hand der geschilderten Zeichen auf den
gonorrhoischen Ursprung gewisser krankhafter Veränderungen am
Sexualschlauch zurückschliessen, das ist auch für eine erfolgreiche
Behandlung von Belang.
Herr Touton - Wiesbaden: Ueber Provocation latenter
Gonococcen beim Manne.
Die Diagnose der Nichtübertragbarkeit einer Gonorrhoe bei
noch vorhandenen catarrhalischen Erscheinungen kann erst dann
als gesichert gelten, wenn es auch durch sogenannte «provocato-
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rische» Maassnabtucn nicht gelingt, <Joiiococeon in dem verlier
davon frei befundenen Secretc zum Erscheinen zu bringen.
Als <I’rovoeationsmittel» können in Anwendung kommen:
reichliches Trinkenlassen von liier oder Sect, Tnjectionen von Argen¬
tum nitricum oder Argentamin, womöglich in Form I) i d ay ’ scher
Sjiülungen der ganzen Urethra, Einfuhren von liougies, vorzugs¬
weise der Sondes a boule und Auswischen der Urethra mit den¬
selben, Ausdrücken der Drüsen und Follikel über dem eingeführten
Iiougie, Dehnungen, Ausdrücken der Prostata und Samen blasen.
Die im Laufe desselben oder des folgenden Tages im Secreto
erscheinenden <Ionoeoeeen und die gewöhnlich damit Hand in Hand
gehende Eiterbildung schwinden in der überwiegenden Mehrzahl
der Falle unter geeigneter Behandlung auffallend rasch, wahr¬
scheinlich wegen der relativen Immunität der UretliralolH*rfliiche
gegen die eigenen (ionoeoeeen.
Ausnahmsweise geschieht dies aber nicht, sondern es kann
sich an ein solches -<artificielles Hecidiw ein länger dauernder
gonocoecenhaltiger Eiterausfluss mit allen (Jefahren einer frischen
Infection oder eines natürlichen Beeidives, besonders Epididymitis
an sch Hessen. Dieses Verhalten ist wahrscheinlich begründet in
dem Verluste der Immunität seitens der Urethra gegen die eigenen
f ionoeoeeen während der Zeit des Einehlusses in dem Versteck.
Mit Rücksicht hierauf müssen wir die Patienten vorher aut
diese Chancen aufmerksam machen, mit besonderer Betonung des
Umstandes, dass, wenn wir die vennutlieten latenten (ionoeoeeen
ruhig sitzen lassen, dieselben doch eher oder später hevvorkommen
und event. zur sofortigen Infection der brau nach der Ileirath
Veranlassung gelten können. Dies umsomehr, als wir durchaus
keinen sicheren Anhaltspunkt haben, in wie viel Zeit < ionoeoeeen
in ihren Schlupfwinkeln spontan zu Grunde gehen rosp. ihre In¬
fection skra ft verlieren.
Wenn in einem zweifelhaften Falle nach /.elinmaliger Aus¬
spülung der Urethra totalis nach Diday mit Argentum nitricum
oder Argentamin (0,05—0,1 :20t',0) in» Laufe von 20 Tagen,
nach Untersuchung der Urethra mit einer dicken Sonde ä boule
(21—25 Ubarr.) und nach mehrfachem Ausdrücken der Prostata
resp. Samen blasen keine (ionoeoeeen im Secrct erschienen und
letzteres eher ab- als zunabm oder ganz schwand, so kann man
den Patienten als gefahrlos betrachten, wenn man ihm auch in
seinem eigenen Interesse zu einer Behandlung eines event. Kest-
catirrhes, Infiltraten und Verengungen, Knotenbildungen in der
Prostata etc. rathen muss.
Diseussion: Herr Baer-Frankfurt theilt einige Angaben ans
dem städtischen Krankenhause mit, bezüglich der Verhältnisse der
von Aerzten alB gonorrhoisch eingelieferten und der darauf als
solchen bestätigten Fälle.
Herr Neuberger-Nürnberg wendet sich gegen die von Sänger
angeführten Zeichen der Gonorrhöe. Er hält die in Präparaten hier
und da auffindbaren Ausgüsse der Drüsenalveolen für die Diagnose
der chronischen Gonorrhoe für beachtenswert!» und glaubt, auf
deren Vorhandensein in allen Fällen achten zu müssen.
Herr Sänger-Leipzig verwahrt sich gegen die Kritik Neu¬
berger’s. Es gebe eine Gonorrhoe ohne Gonococcen. Bei ihm
handle es sich nicht um die Stellung der Diagnose, sondern um die
Feststellung der Erscheinungen. Puellae publicae haben bei Weitem
schwerere Gonorrhoen, wie anständige Frauen, da die häufigen
Cohabitationen eine Verschlimmerung herbeiführen. Unter der
schleichenden Gonorrhoe versteht er den atypischen Verlauf. Nach
dem Verschwinden der Gonococcen kann die Entzündung fortdauern,
eventuell sich hier und da steigern. Die Mitherausnahme des Uterus
hält Sänger für unnöthig.
Herr Klein-Mtlnchen betont die Wichtigkeit der culturellen
Prüfung.
Herr Caspari-Königsberg glaubt Fälle annehmen zu dürfen,
wo Gonococcen vorhanden sind, aber dem Individuum selbst keine
Erscheinungen machen Sollten diese auch für andere Menschen
infectiös sein?
Herr N e iss er-Breslau sucht die Erwiderung Neuherger's
gegen Sänger zu unterstützen und betont ebenfalls, dass die
Maculae und sonstigen von Sänger angegebenen Symptome für
die Diagnose ganz werthlos sind. Caspari gegenüber betont er,
dass eine verschiedene Virulenz der Gonococcen nicht existiere,
glaubt aber selbst, dass die von Bumm betonte Fagenthümlichkeit
der reinen Epithelerkrankung von grosser Bedeutung sei, ohne
besondere Veranlassung gehen die Gonococcen auf keinen Fall in
andere Gewebe.
No. <5.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 4. November 1896.
Herr Virchow widmet dem verstorbenen Geheimrath Prof.
L e w i n einen warmen Nachruf.
Mehrere Demonstrationen vor der Tagesordnung.
Herr Havelburg: Einige Bemerkungen über Lepra
nach Erfahrungen aus dem Lepra-Hospital zu Rio de
Janeiro.
Die Lepra findet sich in Brasilien allenthalben, am Läufigsten
in der Provinz St. Paul, wo cs einzelne Ortschaften gibt, in
denen säimntliehe Einwohner leprös sind. Wie sie nach Brasilien
kam, ist nicht völlig sicher, doch scheint cs, dass sie durch die
Portugiesen dorthin kam. Sie ist z. Z. in Brasilien in Zunahme
begriffen. Zur Aufnahme der Leprösen besteht in Rio de Janeiro
ein vortrefflich eingerichtetes Hospital.
Wenn auch alle Bewohner Brasiliens von der Lepra befallen
werden können, so sind doch die Neger und Mulatten besonders
bevorzugt; Männer werden häutiger befallen, als Frauen; auch
Kinder im frühesten Lebensalter werden nicht verschont.
Der Leprabacillus findet sich zwar in jedem Falle; ihn in
züchten ist trotz vielfältigster Versuche noch nicht gelungen.
Ebenso misslangen alle Versuche, Tiere zu inficiren. Arning
impfte anscheinend mit Erfolg einen zum Tod verurtheilien
und zu diesem Experimente begnadigten Verbrecher; doch wurde
nachträglich dagegen geltend gemacht, dass in der Familie dieses
Individuums Leprafälle vorgekommeu waren. Vortragender kennt
auch zwei lepröse Aerzte, in deren Familien bis dahin Lepra
nicht vurgekummen sein soll.
Die meisten Leprösen leben in äusserst dürftigen Ver¬
hältnissen, in Massenquartieren, die »Ställen mehr gleichen,
als menschlichen Wohnungen, ausnahmsweise findet sich die Krank¬
heit aber auch bei unter günstigsten Bedingungen lebenden Menschen,
so erinnert sich Vortr. eines deutschen Herrn und einer Dame,
die lange Zeit in Brasilien unter besten Verhältnissen lebten und
2 Jahre nach ihrer Rückkehr nach Deutschland die ersten Zeichen
der Lepra dar buten.
Trotzdem hält Vortr. die Angst, als ob die Krankheit sieb
in Deutschland verbreiten könne, für unbegründet, die M ohnungrn
seien liier doch zu gut angelegt und zu rein gehalten.
Die alte Kintheilung der Lepra habe wenig Sinn, besser sei
die von Hansen, in tuberöse und uiaeulo-anaosthetische Form;
bei jeder Form können die Nerven betheiligt sein und sie seien
es auch meist. Auch die Scheidung von H. sei keine scharfe
und Uobcrgange häufig. Die Mehrzahl der Erkrankungen gehört
der tuberösen Form an, diese ist auch die gefährlichere, während
bei der maculo-anaesthetischen Heilungen häufig Vorkommen, freilich
unter Hinterlassung der entsetzlichsten Verstümmelungen.
Die Diagnose bereite zuweilen mancherlei Schwierigkeiten;
am besten sei es, in die Knoten mit einer Nadel eiuzuatechen.
wo mit den dann folgenden Blutstropfen aus dem Gewebe Lepra¬
bacillen mit ausgeschwemmt würden. Bei den Flecken der anderen
Form sei öfters Wiederholung der Eiustiche erforderlich.
Die Todesursache sei sehr mannigfaltig: Erschöj>fnn-
(Amyloid), Narbenstcnoscn, und am häufigsten Tuberculose,
die sich sehr oft mit Lepra vergesellschaftet.
Die Therapie ist sehr vielfach, doch gibt es kein speci-
fisches Mittel; der gesummte Arzneischatz incl. der neuesten
Antiseptiea sei daran erschöpft worden. Vor einigen Jahren
berichtete U n n a über einen mit Ichthyol geheilten Fall von
Lepra; derselbe ging 2 Jahre darauf in Rio de Janeiro an Lepra
zu Grunde.
Tubcrculin hat sehr nachtheilige Folgen für die Leprösen.
Von der Beobachtung ausgehend, dass bei Leprösen zuweilen
nach IJeberstelmng eines Erysipels an der vom Erysipel befallenen
Stelle die Knoten verschwinden, versuchte Vortragender die hi"
iin pf ung von ErysipeI und später von Emmericb's-Serum,
beides mit völligem Misserfolg.
Die Beurtheilung vou angeblichen Heilwirkungen einzelner
Mittel ist dadurch erschwert, dass die Lepra maculoauaestb.
weilen spontan zurückgeht.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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10- November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1119
Die In f e cti on 8 gef a hr ist auch für längere Seereisen,
zumal im Zwischendeck, mehr in’s Auge zu fassen.
Discussion: Herr Virchow möchte die Bemerkung, dass
die Lepra mit den Portugiesen nach Brasilien kam, nicht unbeanstandet
lassen. Wenn es auch nicht bewiesen sei, so sprechen doch neuere
Untersuchungen, zumal an Thonfiguren, dafür, dass die Lepra schon
in prücolumbischer Zeit in Amerika gewesen sei. Die Contagiosität
sei nicht absolut sicher; bis zum Augenblick, wo der Bacillus ge¬
funden wurde, hielt man dieselbe für völlig ausgeschlossen und
die Krankheit für hereditär; erst dann wandte sich die Meinung
zu Gunsten der bis jetzt noch unbewiesenen Contagiosität.
Herr Hansemann berichtet über Beobachtungen im Lepra-
* Hospital zu San Remo, wo mehrere Lepröse, die sich ihre Krankheit
in Südfrankreich (Marseille, Lyon) geholt haben, leben und trotz der
grossen Sorglosigkeit eine Weiterverbreitung nicht stattgefunde.i hat.
Herr v. Bergmann weist hin auf die klinischen Berichte
seines Vetters v. Bergmann und vertritt die Ansicht, dass an
der Contagiosität der Lepra nicht mehr zu zweifeln sei.
Herr Kühner hält ebenfalls an der Contagiosität der Krank¬
heit fest, wenngleich dieselbe ausserordentlich gering sei und sehr
langer und intimer Verkehr zur Uebertragung nöthig sei. Hinweis
auf seine im Jahre ISfiO und später gemachten Studien in Tunis
und Norwegen: in Norwegen sei vom Jahre 1860 bis auf den
heutigen Tag die Zahl der Leprösen von 2600 auf kaum 1000
zurückgegangen und zwar in Folge der getroffenen sanitären Maass-
regeln und es sei zu erwarten, dass sie in 2 Decennien dort ganz
erloschen sei. H. K.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Originalbericht.)
Sitzung vom 3. November 1896.
Herr Litten demonstrirt einen 7jährigen Jungen mit an¬
geborener Blausucht. Stupider Gesichtsausdruck, starrer Blick,
Cyanose des ganzen Körpers inclusive der Schleimhäute, Trommel¬
schlegelfinger; starke Schwellung der Leber und Milz, übermässige
Harnsäuremenge, Apathie, Schlafsucht, kühle Haut und Kältegefühl,
stärkste Dyspnoe. Blausucht trat erst einige Wochen nach der Ge¬
burt auf. L. dachte beim ersten Anblick an angeborene Stenose der
Mitralis, doch fehlen die hiefür charakteristischen Symptome, Frö-
missement, Geräusch am Herzen, Verbreiterung des rechten Ven¬
trikels. Das Herz sei also wahrscheinlich gesund.
In Erwägung aller Möglichkeiten glaubt L, nun hier eine Trans
Position der grossen Gefässe annehmen zu sollen. Da hiebei
zwei getrennte Kreisläufe bestehen, nämlich einer des rechten
und einer des linken Herzens (rechter Ventrikel, Aorta mit venösem
Blut, Körperkreislauf, Venae cavae, rechter Vorhof; linker Ventrikel,
A. pulmonaüs mit arteriellem Blut, Lungen, Venae pulmonales) so
müsste der Körper bloss venöses, die Lungen bloss arterielles Blut
enthalten, wenn nichteine Communication beider Kreisläufe bestünde.
Diese Communication wird aber gebildet durch die Arteriae bron¬
chiales, welche ja normaler Weise Anastomosen mit den Art pul¬
monales eingehen und hier wohl erweitert sein dürften.
Discussion: Herr Senator hält die Auffassung Litten's
für zulässig und sogar wahrscheinlich und möchte nur für möglich
halten, dass die Aorta oder die Pulmonaüs von beiden Ventrikeln
zugleich entspringt, wie diesFräntzel von einem Falle beschreibt.
Herr A. Fraenkel hält es zunächst für sehr wohl möglich,
dass ein angeborener Herzfehler kein Geräusch macht und in diesem
Fall die Annahme eines anderen angeborenen Herzfehlers für ein¬
facher. Die Erklärung, die Litten von der Transposition der grossen
Gefässe gibt, wonach zwei getrennte Kreisläufe entstehen sollen, hält
er für nicht zutreffend; bei dieser Anomalität entspringe immer die
Aorta oder die Pulmonaüs von beiden Ventrikeln.
Herr Leyden schlägt die Aufnahme mittels Rön tgcn’scher
Strahlen vor.
Herr Litten hält seine Erklärung aufrecht.
Herr J. Jsrael demonstrirt eine wegen Tumors des Nieren¬
beckens exstirpirie Niere. Blutiger Urin hei cystoskopisch intacter
Blase und constant reichlich Epithelzellen im Urin; cystoskopische
Untersuchung liess die erkrankte Seite bestimmen.
Niere freigelegt; nach Ablösung des umgebenden Fettgewebes
liess sich im Nierenbecken ein kleiuer Tumor fühlen; Spaltung der
Niere unter gleichzeitiger Coinpression der Art. renal, und Freilegung
des gefühlten kleinen Tumors (etwa doppelt bohnengross). Exstir¬
pation der Niere. Der erste von J. operirte Fall von Tumor des
Nieren beckens,
Herr Bernhard: Ueber Rückenmarkserkrankung
bei Keuchhusten.
Von den Erkrankungen des Nervensystems, welche im Ge¬
folge oder während des Keuchhustens uuftreten, sind diejenigen
des Gehirns schon lauge bekannt. Soporöse Zustände, Konvulsi¬
onen, Hemiplegien, mit und ohne Aphasie, sind klinisch recht oft
beobachtet und mitgetheilt. Die Sectionsbefundo sind hingegen
recht selten. Ausser den genannten Symptomen findet sich:
Schwachsinn, Blödsinn, Charakterveränderung; ferner Sehstörung,
zuweilen mit Atrophie des N. opt., zuweilen vorübergehend und
bloss auf Oedem der Entzündung der Nerven zurückführbar; end¬
lich Gehörstörung bis zur Taubheit. Sehr viel seltener Störungen
an anderen Gehirn nerven.
Gegenüber diesen Störungen des Gehirns und der Gehirn-
nerven bezw. der Psyche sind die Mittheilungen über Affectionen
des Rückenmarkes äuaserst selten. (Möbius 2 Fälle von Para¬
plegie und einige a.). B. war in der Lage einen Fall durch
mehrere Jahre hindurch zu beobachten, von dem er es wahrschein¬
lich zu machen hofft, dass es sieh um eine Rückenmarksaffection
handelt.
5 jähriges Mädchen, Tochter eines Arztes, erkrankt im Fe¬
bruar 1892 an Keuchhusten und bekommt nach 10 tägiger Krank¬
heit in einem Hustenanfall plötzliche Lähmung beider Bein e
mit Erhöhung der Sehnenreflexe, leichte Blasenstörung
und, wie B., als er im März zugezogen wurde, constatiren konnte,
leichte Sensibilitätsstörung für alle Qualitäten. Convulsionen oder
Bewusstseinsstörung waren nicht aufgetreten.
Nach 8 Wochen zeigte sich eine leichte Besserung, es konnten
geringe Bewegungen ausgeführt werden.
Die Behandlung bis dahin: Absolute Ruhe, laube Bäder, nach
ca. 6 Wochen Galvanisation.
Im August des gleichen Jahres fing das Kind wieder allein
zu gehen an, nach einer Cur in Oeynhausen.
Im Winter 1893 acquirirte Pat. eine doppelseitige Parotitis und
nun erst verschlechterte sich der Zustand wieder sehr. Das Gehen
war mühsam und die Beine steif.
Neue Cur in Oeynhausen mit neuerlicher Besserung. 1895 kam
das Kind in die Schule und war bis auf eine leichte Erhöhung der
Reflexe und leichte Behinderung der Urinentlerrung gesund. Jetzt
im September 1896, ist das Kind völlig gesund, nimmt am Turn¬
unterricht theil, nur der r. Fuss soll leichter ermüden.
Während der ganzen Zeit war es nie zu Muskelatrophie oder
Entartungsreaction gekommen.
Das plötzliche Auftreten liess an eine Blutung denken, und
zwar an eine solche im Rückenmarkscanal oder im Rückenmark selbst.
Da bei Blutungen im Mark die Lähmungen meist schlaff, die
Restitution nicht leicht eine so völlige gewesen wäre, so ist eine
Blutung der Häute wahrscheinlicher. Ob die Zerreissung reine
Folge des erhöhten Blutdruckes während des Hustenanfalles oder
ob eine Erkrankung der Gefässwände infolge der Infectionskrank-
heit mithetheiligt war, muss unentschieden bleiben. Man könnte
aber auch an eine Affection des Rückenmarkes denken, welche
analog wäre der acuten Encephalitis nach und bei Influenza, oder
an eine acute Myelitis. Da ein Obductionsbefund glücklicher¬
weise nicht vorliegt, muss diese Frage unentschieden bleiben.
Jedenfalls lag hier eine während des Keuchhustens entstandene
Affection vor, welche klinisch unter dem Bilde der spastischen
Spinalparalyse verlief.
Discussion: Herr Fürbringer konnte einehaemorrhagische
Myelitis und Encephalitis bei Keuchhusten auf dem Sectionstisch
beobachten. Der klinische Theil der Beobachtung fehlt allerdings,
da das Kind schon soporös in das Krankenhaus kam. Die Blutung
hält er aber nicht für eine Folge der beim Hustenparoxysmus ein¬
getretenen Blutdruckerhöhung, sondern für durch die Infection be¬
dingt, ganz analog der Affection bei Influenza.
Herr v. Leyden hält die mechanische Erklärung für durchaus
zulässig, mit Rücksicht auf den plötzlichen Eintritt der Lähmung,
und erinnert daran, dass auch beim Erwachsenen ausgedehnte
Blutungen im Cerebrum in Folge von Keuchhustenparoxysmen Vor¬
kommen; er konnte 3 letale Hirnhaemorrhagien bei an Keuchhusten
erkrankten Erwachsenen beobachten.
Herr Heubner möchte überall da, wo kein Sectionsbefund
vorliegt, zur Vorsicht in der anatomischen Diagnose ratben. Er
beobachtete ein Kind mit Keuchhusten, plötzlichem 8opor und
Nackenstarre, Contracturen. Nach einer Woche Exitus und Section,
dieselbe ergab absolut gar nichts, nicht einmal Gehiruoedem.
Herr A. Baginsky äussert sich im gleichen Sinne; erinnert
an eine in seinem Lehrbuche mitgetheilte Beobachtung: 3jähriges
Kind erkrankt an Keuchhusten und bekommt danach höchst selt¬
samen Zustand von Verblödung, in dem es selbst die Nahrung ver¬
weigert. Nach 2monatlicher Behandlung (Baginsky und Jastro-
witz) trat vollständige Wiederherstellung ein. Eine solche Be¬
obachtung lässt doch gröbere anatomische Veränderungen für recht
zweifelhaft erscheinen und functioneile Störungen als wahrscheinlich
erscheinen, vielleicht ist hier auch Hysterie mit im 8piele.
Herr Bernhard weist auf das Fehlen aller hysterischen
Symptome hin und betont, dass er die Frage nach den anatomischen
Veränderungen nur mit Wahrscheinlichkeit beantwortet habe. H. K.
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1120
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Verein Freiburger Aerzte.
(Offieielles Protokoll.)
Sitzung vom 26. Juni 1896.
Flerr Geh.-Rath Bäumler stellt einen Kranken mit
Aneurysma der aufsteigenden Aorta und Anonyma vor,
welcher im vorigen Jahre eine Zeit lang nach der Maccwcn’sehen
Methode mit Einführen von Stahlnadeln behandelt worden war.
Der Kranke wurde im Juli 1895 auf dem Oberrheinischen Aerztc-
tagc gezeigt (vergl. Sitzungsbericht in dieser W., 1895, No. 37). Die
seit letzten Herbst eingetretene Abflachung der vor einem Jahre
vorhandenen jmlsirenden Prominenz in der Höhe des 2- Intercostal-
raumes darf wohl mit Sicherheit als Erfolg der die Bildung weisser
Thromben beabsichtigenden Behandlung betrachtet werden.
Herr Roos: Ueber die Protozoen des menschlichen
Darms.
Vortragender spricht über das Vorkommen und die Bedeutung
dieser Parasiten im menschlichen Darm auf Grund von Beobachtungen
und Versuchen, die grösstentheil-s in der medicinischen Klinik in
Kiel unter Leitung von Prof. Quincke angestellt wurden.
Zuerst werden die bisher beobachteten Infusorien aufgezählt
und kurz beschrieben: Megastoma enterieum iGrassi), Tricho¬
monas intestinalis (Mar eh an d), <’crcornonas hominis (Davaine),
Cercouionas coli (May) und Balantidium coli. Was die pathogene
Bedeutung der 4 ersteren Arten anlangt, so fasst Vortragender
dieselbe etwa so zusammen, dass diese Infusorien nicht wohl
primär einen gesunden Darm zur Erkrankung bringen können. Sie
Anden aber anscheinend in einem schon erkrankten Vcrdauungs-
canal besonders günstige Lebensbcditigungen, vermehren sieh in
demselben in’s Enorme und können so zur Verschlimmerung des
Leidens beitragen oder lassen dasselbe nicht zur Heilung kommen.
Besserungen solcher Zustände durch kleine, längere Zeit gereichte
Dosen Kalomel unter Abnahme der Parasiten scheinen für diese
Ansicht zu sprechen. — Das Balantidium coli kann nach der
klinischen Beobachtung den Darm intensiver schädigen. Wenigstens
heilte ein solcher Fall von schwerer Enteritis mit starker Ab¬
magerung (Deutsch. Areh. f. klin. Med., 51. Bd., 1893), nachdem
die Balantidien durch Kalomel zum Verschwinden gebracht waren.
Den 2- und grössten Theil des Vortrages nehmen die Auioeben
in Anspruch. Vortragender bespricht die verschiedenen Ansichten
der Autoren über die Bedeutung derselben als Erreger der endemischen
Dysenterie. Er bestätigt die Angaben von Schubcrg, dass nach
Abführung mit mineralischen Abführmitteln auch in den Ent¬
leerungen von gesunden Menschen sich gelegentlich einzelne Auioeben
nach weisen lassen. Die Erfahrungen anderer Forscher aber, von
denen Amoeben in die Darmwand eiugedrungcn gefunden wurden
und welche bei der Enteritis mit Amoeben einen charakteristischen
pathologisch-anatomischen Befund feststellten (K och, 0 o » n c i 1 -
man undLafleur, Kovacs, Kruse und Pasquale) machen
eine Betheiligung dieser Parasiten bei der Enteritis wahrscheinlich.
Beim genaueren Studium zweier Fälle von Amocberienteritis zeigte
cs sich nun, dass Katzen, denen die amoebenhaltigen Stühle eines
Kranken, der in Palermo an Dysenterie erkrankt war, in den
Dickdarm eingeführt wurden, säuimtlich an schwerer Dysenterie
zu Grunde gingen. Die Entleerungen derselben enthielten massen¬
haft bluthaltige Amoeben und in den Dann schnitten, von denen
eine Anzahl demonstrirt wird, sind dieselben theilweise bis auf
die Muscularis eingedrungen zu sehen. Bacterien enthalten der
Schnitte in erheblichen Mengen nur in der? obersten Schichten die
Schleimhaut. Die Stühle der andern Kranken, die in Kiel erkrankt
war, bewirkten bei Katzen nur ganz vorübergehende Durchfälle.
Der Darm erwies sich nach der Tüdtung eines Thieres völlig
normal. — Bei genauerer Untersuchung zeigten die Amoeben dieser
beiden Falle, besonders die encystirten Formen, auch morphologische
Unterschiede. Vortragender glaubt dosshalb, wie bereits von Quincke
und ihm mitgethcilt wurde, dass man verschiedene Arten von Amoeben
annehmen muss, deren pathogene Bedeutung für den Menschen
sehr verschieden ist.
Ho. 45
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigenbericht.)
Sitzung vom 3. November 1896.
Vorsitzender: Herr Rumpf.
I. Demonstrationen.
1. Herr Hasebroek und Herr Zenker zeigen an einer Reibt
von Kranken nach Hcssing’schen Principien hergestellte Schienen-
apparate.
2. Herr Rumpf gibt statistische Berichte über den Verfaul
der Di ph th er ie fälle im Eppendorf er Krankenhause in den letzten
2 Jahren nach der Einführung des B eh ring'schen Serum. Mit
Serum behandelt wurden nur Kinder, bei denen bei typischem klini¬
schen Bilde der bacteriologische Befund positiv war, während bei
Erwachsenen, bei deren Mehrzahl die Krankheit harmloser verlädt
und spontane Heilungstendenz zeigt, von Injectionen Abstand ge¬
nommen wurde. Der Erfolg ist 1. in einem Herabgehen der Mortali
tätsziffer, 2. in einem günstigeren, nicht fortschreitenden Krankheit
verlaufe, 3. in einer Abnahme der Tracheotomien zu sehen. Be-
merkenswert!» erscheint, dass keine Tracheotomie später als 24 Standen
nach der Hospitalsaufnahme gemacht zu werden brauchte, während
eine Zusammenstellung der Tracheotomien der früheren Jahre ergab,
dass 17 Proe. nach dem dritten Tage indicirt waren. R. weist ad
die demnächst erscheinende ausführliche Mittheilung hin.
3 Herr Voigt berichtet über den Verlauf eines grossen, in¬
operablen Pharynxcarcinoms bei einem 83jährigen Herrn. Es
scheint, als ob durch täglich zweimalige halbstündige Bestrahlung
der erkrankten Partien mit Röntgenstrahlen eine wesentliche
Abnahme der Schmerzen erzielt ist. Wenigstens konnte die Ver¬
abreichung grösserer Morphiumdosen zunächst ganz fortfallen, baw
später eingeschränkt werden Reduer glaubt Suggestionswirkung aus-
schliessen zu können. Nach 80 Sitzungen wurden auf der bestrahlten
Seite Hautveränderungen: dunkelgraues, fast negerfarbenes Colorii
wahrgenommen. Demonstration des durch die Section gewonnenes
Präparates.
4. Herr Wiesinger bespricht an der Hand eines Präparates
ein neues Operationsverfahren, welches zunächst dann angewendet
werden soll, wenn ein Ureter zu kurz befunden wird, um ohne
Spannung in die Blase implantirt werden zu können. Er bezeichnet
dasselbe als « r et roperitoneale seitliche Implantation de*
einen Ureters in den anderen.> Retroperitoneal wird dag Ver¬
fahren dadurch, dass der zu implantirende Ureter unter dem Peri¬
toneum durch quer über die Wirbelsäule geführt wird, und die beiden
Peritonealwunden, welche zur Freilegung der Ureteren gedient haben,
nachträglich durch die Naht geschlossen werden.
5) Herrn Lauen stein ist der Nachweis der Leydenia
gemraipara Schaudinn an einem vorgeschrittenen, mit hoch¬
gradigem Ascites einhergehenden Falle von Netzcarcinom gelungen.
Grosse Serien von Abbildungen illustriren die Form, Bewegang,
Theilung und Vacuolenbildung der für Sporozoen gehaltenen Gebilde
6) Herr Jessen spricht an der Hand eines Sectionsergebnisä«
über die Schwierigkeit der Beurtheilung des Zusammenhanges plötz¬
licher Todesfälle mit einem Vorjahren erlittenen Traum» in
Fällen, in denen es sich klinisch uni functioneile Neurose handelt
II. Vortrag des Herrn P lud er: Ueber primäre latente
Tuberculose der Rachenmandelhyperplasie.
Nach einer ausführlichen kritischen Beleuchtung der ein
schlägigen Literatur berichtet PI. über eigene mikroskopische
Untersuchungen an 32 operativ entfernten, hyperplastischen
Rachenmandeln. Fünfmal wurde Tuberculose sicher gestellt
(Riesenzcllen, Bacillen), die desshalb für primär gehalten »W-
weil es sich um sonst absolut normale Individuen ohne scro-
phulo tuberculösen Habitus bandelte. Entgegen anderen An¬
schauungen über die Aetiologic dieser Affcction glaubt Pl¬
an eine Infection durch das Inspirium, wofür ihm die oberfläch¬
liche Lage des tuberculösen Gewebes und das Beschränktbleiben
auf die lymphoidc Schicht zu sprechen scheinen: und zwar ge¬
schieht die Infection nachträglich, wenn die Hyperplasie herein
vorhanden ist. Die Möglichkeit einer weiteren Verbreitung *
tub. Virus von diesem primären Herde aus machte die bi-lw
wenig gekannte, aber wohl nicht besonders seltene Affection zu
einer keineswegs gefahrlosen und erweitert die Indication zur n
fernung hypcrplastiseher Rachenmandeln, selbst wenn die
Schränkung der Nascnathmung noch nicht hochgradig ist-
Nachweis primärer Tuberculose in diesen Gebilden beweist
Vorhandensein einer individuellen Disposition für die AnsiewM.
des Koch’ sehen Bacillus. Die Prognose des Leidens ersc ein
günstig, besonders wenn eine radieale Ablation erfolgt-
Werner-
Digitized by
Google
10. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1121
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 31. Mai 1890.
Herr Riegel deraonstrirt eine Frau mit Primäraffect auf
der Tarsalbindehaut des rechten oberen Augenlides mit eminentem
öedem des ganten Lides, sodass lange Zeit eine Ectropionirung nicht
möglich und die genaue Diagnose erat einige Zeit nach Eintritt in
Behandlung tu stellen war. In der Folge trat ein kleinpapulöses
Syphilid auf, worauf Allgemeinbehandlung eingeleitet wurde.
Herr Heinlein legt die durch Resection eines tuber-
culösen Kniegelenkes gewonnenen Präparate vor.
Dieselbe betraf ein 9 jähriges Mädchen, welches mehrere Monate
hindurch mit Erfolg mit Bier'scher Umschnürung behandelt worden
war und bei welchem sich durch Ausgleiten auf der Treppe eine
Luxation des kranken Kniegelenkes nach aussen entwickelt hatte.
Durch letzteren Zwischenfall schien die Resection geboten, die ein
sehr gutes functionelles Resultat ergab.
An dem Präparat nun fällt vor Allem die sehr verdünnte,
atrophische Gelenkkapsel auf, mit durchaus glatter Oberfläche, nirgends
zeigt sich eine Spur tuberculöser Granulation. An der Aussenseite
hat die Kapsel einen grossen Riss, die freien Ränder derselben stark
retrahirt. Die Gelenkenden weisen eine ziemlich bedeutende un¬
regelmässige Deformation ihrer Oberfläche auf und ausgedehnte,
inselförmige Defecte des Knorpelüberzuges. An der Stelle dieser
Defeete erschien jedoch das zu Tage liegende Knochengewebe
nicht im Zustand der rareficirenden Ostitis, der Caries, sondern
dasselbe stellt sich im Gegentheil condensirt dar, mit glatter, glänzen¬
der, braungelblicher Oberfläche, bo dass das Bild sehr an die Schliff¬
flächen erinnert, wie sie der deformirenden Gelenkentzündung ent¬
sprechen. Im Gegensatz zu letzterer hinwiederum ist das umgebende
Knorpelgewebe nirgends in Zerfaserung begriffen, sondern erscheint
völlig solid, mit glatter, da und dort etwas dunkelgelb verfärbter Ober¬
fläche. Das geschilderte Bild zeigt an Femur, Tibia und Patella
völlige Uebereinstimmung.
Es ist wohl kein Fehlschluss, wenn die vorliegenden Verände¬
rungen als durch das Bier'sche Verfahren eingeleitete und fort¬
entwickelte HeilungsVorgänge aufgefasst werden, umsomehr, als den¬
selben auch klinisch die bis zum Eintritt des verhängnisvollen
Zwischenfalles der Luxation fortschreitende subjective und objective
Besserung entsprach und eine begleitende Erkrankung des gleich¬
seitigen Handgelenkes durch das gleiche Verfahren ebenfalls jetzt
fast völlig zur Rückbildung gebracht ist.
Herr Hein lein berichtet über die Pneumotomie einer
hübnereigrossen Caverne des linken Oberlappens, welche bei
einem 20 jährigen Schriftsetzer nach Resection der zweiten Rippe
unter Sch 1 eich'scher Anaestliesie mit sehr gutem palliativem Erfolg
bethätigt worden war und zwar zweizeitig, da nach Freilegung der
Pleura costalis die deutliche Verschiebung der Lunge die Abwesen¬
heit von Verlöthung der Pleurablätter anzeigte. Eine wiederholte
Probepunction lieferte charakteristischen Caverneninhalt; nach 2 Tagen
erwies sich die Lungenpleura mit der Pleura costalis verklebt. Die
Caverne wurde nun breit mit dem Thermocauter eröffnet und mit
Jodoformgaze tamponirt. Bei dem Eingriff selbst war man in An¬
betracht der zugleich schon manifest gewordenen Darmtuberculose
nicht der Indicatio vitao gefolgt, sondern lediglich das Bestreben,
den Tag und Nacht ohne Unterbrechung quälenden Husten zu
mildem, legte den Gedanken an denselben nahe. Die breit angelegte
Lungenfistel functionirte prompt. Die täglich gewechselte Jodoform¬
gazeeinlage war stets reichlich mit Cavernenabsonderung durchtränkt,
die Menge des Auswurfes verringerle sich sehr wesentlich, Patient
war nur sehr wenig von Husten gequält, so dass er seihst und seine
Umgebung sich mit grosser Befriedigung über das erzielte Resultat
äusserten.
Leider wurde dadurch das tödtliche Ende nicht aufgehalten,
welches 5 Wochen nach obiger Operation an fortschreitender Darm-
tubercuiose erfolgte.
Wiener Briefe.
(Originalbericht.)
Wien, 7- November 1896-
Noch einmal die Anzeige der Aerztekammer. —
Allerlei Adjuncten. — Ueber Priapismus. — Eine neu¬
rotische Alopecie. — Eine neue Form des experimentellen
Diabetes.
In der am 3- Novcunber 1. .T. abgehaltenen Sitzung der
Wiener Aerztekammer kam die von mir in No. 43 schon be¬
sprochene Angelegenheit, betreffend die Anzeige der Kammer, zur
Verhandlung. Der Präsident, dahin interpellirt, ob es nothwendig
war, die Causa der Staatsanwaltschaft abzutreten, begründete mit
Berufung auf das Kammergesetz, auf die Geschäftsordnung des
Ehrenrathes und auf die österreichische Strafprozessordnung die
Nothwendigkeit dieses Vorganges; die Staatsanwaltschaft hätte,
falls dies nicht geschehen wäre, gegen die Aerztekammer die An¬
zeige an die Statthalterei erstatten müssen. Da der Vorstand
die Kentnissnahmc der Interpellationsbeantwortung durch die
Kammer als Vertraucnssache betrachtete und daher, im Falle die
Beantwortung nicht zur Kenntniss genommen würde, daraus die
Oonscquenzen ziehen und die Vorstandsmitglieder ihre Stellen als
solche niedcrlegen würden, wurde von der Versammlung die Kennt-
nissnalune der Inter]>ellationsbeantwortung einstimmig ange¬
nommen.
Damit ist die leidige Affairc in der Kammer wohl beendet,
aber keineswegs aus der Welt geschafft. Es zeigt sich vielmehr,
dass sich der Ehrenrath und nunmehr auch alle Mitglieder
unserer Aerztekammer in ihrer diesfälligen Beurteilung einer in
principic 11er Hinsicht sehr wichtigen Frage zu ihrer Wähler¬
schaft, sicherlich zu dem Gros derselben, im Gegensätze befindet.
Man überdenke einmal den Vorgang. Ein Arzt tritt an den
Ehrenrath heran, um sich vor Verdächtigungen zu schützen , die
in einem gewissen Theile der Presse gegen ihn erhoben wurden.
Bei diesem Anlasse kommen der Aerztekammer resp. dem Eliren-
ratbe Dinge zur Kenntniss, welche ein anderer Arzt begangen
hat — Dinge, welche an der Grenze zwischen Schmutzerei und
Veruntreuung stellen. Und nun tritt der Ehrenrath nach einer
Anfrage bei der Staatsanwaltschaft, dieser den ganzen Akt ab,
cs kommt zur Verhandlung und der betreffende Arzt wird wegen
Veruntreuung verurtheilt. Alle Hinweise auf die verschiedensten
Gesetze, Geschäftsordnungen etc. können die Aerzte nicht davon
überzeugen, dass die Anfrage des Ehrenrathes bei der Staatsan¬
waltschaft unbedingt nothwendig war; die Kammer hätte sich - -
wenn es nicht anders ging — einfach «für incompetcnt» er¬
klären können. Sache des erstauzeigenden Arztes wäre es sodann
gewesen, falls er es noch für nothwendig gefunden hätte, seine
angegriffene Ehre durch die ordentliehcn Geriehtc weiss waschen
zu lassen. Da er sich aber hinterher als gar nicht beschädigt
erklärte, so hätte er vielleicht den letzteren Schritt nicht gethan.
Für keinen Fall durfte ihn aber die Kammer thun.
Um nicht etwa missverstanden zu werden, möchte ich speeiell
noch erwähnen, dass alle Aerzte Wiens, mithin auch meine
Wenigkeit, das Vorgehen des nunmehr verurtheiltcn Arztes eben¬
falls verurtheilen; gleichviel bedauern sie es, dass der Ehren¬
rath der Aerztekammer, statt iu dieser Affairc im eigenen Wirkungs¬
kreise amtszuhandeln, diese Angelegenheit dem Staatsanwalte über¬
wiesen hat. (Resolution des ärztl. Vereines des VIII. Bezirkes
in Wien.)
Der Director des Wiener allgemeinen Krankenhauses hat
einen Arzt zum stellvertretenden Adjuncten erhalten. Bisher war
der Usus der , dass der Director im Falle der Erkrankung oder
des Urlaubes von einem Primarärzte der Anstalt vertreten wurde.
Die Stabilität des Dienstes, welcher viele Erfahrungen in admini¬
strativer Hinsicht voraussetzt, machte es nothwendig, dass der
obige Modus der Stellvertretung durch einen fix angestellteu Ad¬
juncten eingeführt wurde. Wichtiger ist jedoch der neuliche Er¬
lass des ungarischen Unt er rieh tsniini sters, demzufolge behufs Aus¬
bildung tüchtiger Fachmänner und Sicherung eines Nachwuchses
für das Lehramt, an jeder Kanzel ein V n i ver s i t ä t sad j u n ct,
beziehungsweise mehrere Adjuncten angestellt werden sollen. Sie
sollen den Professor im theoretischen und praktischen Unterrichte
und in wissenschaftlichen Forschungen unterstützen, ihn eventuell
suppliren. Das Vorschlagsrecht wird natürlich dem jeweiligen
Inhaber der Lehrkanzel gewahrt. Erwünscht ist, dass sich die
Adjuncten in dem Fache, in dem sie Dienste zu leisten berufen
sind, längere Zeit eingehend beschäftigt haben und darin die Fähig¬
keit der selbstständigen Forschung besitzen. Mangels einer ge¬
eigneten Persönlichkeit bleibt die Adjunctenstellc auch unbesetzt.
Wahl auf 3 Jahre, Einreihung seiner Dienstzeit in die staatliche
Dienstzeit, Besoldung mit 1200—1600 fl- mit dem entsprechen¬
den Quartiersgelde. Diese neue Institution dürfte sich wohl be¬
währen und wird sicherlich in anderen Staaten Nachahmung finden.
In der Gesellschaft der Aerzte stellte jüngst Professor Lang
einen mit Priapismus behafteten Mann vor, angeblich einen Fall,
für den sich in der Literatur kein Analogon findet. Der 40 jäh¬
rige Mann weist bis auf einzelne veränderte Reflexe keinerlei
Störung des Gehirnes öder Rückenmarkes auf. Blutbefund nor¬
mal — kein leukaemischer Priapismus. War viele Jahre lang als
reitender Kutscher angestellt. Seither constant Steifheit des
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Gliedes, ohne dass im Schwellkörper selbst Veränderungen (Schwielen
oder dergl.) nachgewiesen werden können.
Reduer hält dafür, dass mit Hinblick auf das veränderte Ver¬
halten einzelner Reflexe der Patient unter dem Einflüsse einer
allgemeinen Neurose stehe, dass der Priapismus eine Tkcilerschei-
nung dieser Neurose darstelle. Vielleicht spielt auch der Tremor,
beziehungsweise der Alkoholismus hiebei eine Rolle. Am Priapis¬
mus sind blos die Schwellkörper des Penis betheiligt, während das
Corpus cavernosum urethrae davon frei ist. Dies spräche dafür,
wenn man hier einen permanenten Reiz des Erectionsecntrums an¬
nehmen soll, dass die Corpora cavernosa penis ein eigenes Centrum
besitzen, welches vom Erectionscentrum des C. c. urethrae getrennt
ist. Schliesslich ist zu erwähnen, dass der Zustand den Patienten
nicht sonderlich belästigt oder in seiner Beschäftigung stört.
Dr. Stein dl er demonstrirte ebenfalls einen seltenen Fall.
Die nervös beanlagte Dame verlor vor 12 Jahren zu Beginn einer
acuten Psychose alle Haare — auch die Wollhärchen des Körpers
gingen verloren. Im Vorjahre stellten sich unter Jucken und
Knötchenbildung spärliche Kopfhaare ein, welche aber wieder ab¬
fielen, als nervöse Symptome auftraten. Im Hai 1. J. wurde
wieder Wachsthum der Kopfhaare constatirt, seit einigen Wochen
auch ein Wiedererscheinen der Achsel- und Schamhaare. Es be¬
stehen auch trophische Störungen der Nägel (starke Längsleisten);
die Ausbreitung resp. der Schwund der Haare entspricht dem
Verlaufe bestimmter Nervenbahnen und ist symmetrisch angeordnet.
Mikroskopisch erweisen sich die Haare als atrophisch. Die Dia¬
gnose ist mithin auf Alopecia univcrsalis praematura ncurotica zu
stellen.
Eine bisher unbekannte Form experimenteller Glycosurie hat
Docent Dr. Arthur Biedl eonstaut in einer grossen Versuchs¬
reihe gefunden, wenn er durch Unterbindung des Ductus tliora-
cicus den Einfluss der Lymphe in die Blutbahn von Thieren ver¬
hinderte. Die Glykosurie war jedesmal ziemlich bedeutend. Ein¬
mal fand sich bei der Unterbindung des D. thoracicus am Halse
eines Hundes ein merkwürdiger Befund: Das 3 Tage post opera-
tionem in seinem Käfige todt aufgefundene Thier zeigte den D.
thoracicus in seinem Brusttheile und ebenso die Cysterna ehyli
mächtig erweitert, das enorm vergrösserte Pankreas zu einem
schneeweissen Tumor umgcwandelt, die Umgebung nach auf- und
abwärts, also das retropleurale Gewebe, das Mesenterium gegen
Magen und Darm zu, die Fettkapseln beider Nieren etc. flächen¬
haft in eine weisse Masse verwandelt. Stellenweise sind die
Lymphgefässe weiss injicirt zu sehen. Ob diese weisse Masse
geronnenes Chylus-Extravasat ist, oder — wie Professor Kolisko
behauptet — neben der Chylus- und Lymphstauung und Kxtra-
vasation eine vom Pankreas ausgehende Fettgeweben ekrose
(die weisse Masse besteht hauptsächlich aus nekrotisirtem Fett¬
gewebe), das muss noch weiteren mikroskopischen Untersuchungen
Vorbehalten bleiben. Neigt man also der Ansicht Kolisko's
zu, so wäre vielleicht die Fettgewebsnekrose des Pankreas in diesen
seinen Versuchsfällen den gleichen Sectionsbefunden bei Diabetikern
an die Seite zu stellen. Die Glykosurie wurde von Dr. Biedl,
der hierüber demnächst ausführlich berichten will, auch in solchen
Fällen constant gefunden, wo die erwähnten Veränderungen des
Pankreas etc. nicht vorhanden waren.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acaddmie de Mddecine.
Sitzung vom 13. October 1890.
Der Einfluss des Alkoholismus auf das Wachsthum
der Kinder.
Dass der Missbrauch alkoholischer Getränke zu physischer
Entartung des menschlichen Geschlechts beitragen kann, dafür bringt
Lancereaux zwei Beispiele, welche ihm typisch zu sein scheinen
Es handelt sich um zwei 13*/»- und 14jährige Mädchen, von welchen
Ersteres seit seinem dritten Lebensjahre täglich ’/z Liter Wein,
Letzteres seit dem Alter von l‘/g Jahren täglich ‘/*— * Liter Wein
getrunken bat; die Eltern Beider waren ausgesprochene Trinker.
Beide zeigen noch keine 8pur von Pubertät, sondern sind in ihrer
Entwickelung so stark zurückgeblieben, dass sie einem acht- bis
neun-, resp. fünf- bis sechsjährigen Kindg (Grösse 97 cm) gleichen
Beide haben Leber- und Milzbypertrophie, Ascites, Albuminurie und
uraemisebe Erscheinungen, das ältere Mädchen ausserdem noch
seit 2 Jahren deutliche Erscheinungen von Neuritis (alkoholica);
No- IV
von Seite der anderen Organe (Schilddrüse, Knochensystem') WiI
keine Veränderung zu constatiren und zudem gingen auch nacii
entsprechender Diät die dem Alkohol zuzuschreibenden Erscheinung
zurück. Die physiologische Erklärung ist schwierig, ob die Wh,
thurasstörungen ebenso wie die localen Erscheinungen direct durch
den Einfluss des Alkohols auf den Organismus bedingt sind oöb
auf Veränderungen des Nervensystems beruhen. Lancere»«
bringt auch die allenthalben constatirte Abnahme der Körperpo»
in Zusammenhang mit dem zunehmenden Alkoholismus; folgend,
Experimente scheinen zur Stütze seiner Annahme zu dienen.
Junge Kaninchen, welche täglich 30 — 40 ccm Alkohol erhielten
blieben im Wachsthum zurück und unterlagen schliesslich Du
moralische Verhalten der Menschen wird nicht weniger dwA
den chronischen Alkoholismus beeinflusst, wie die Zahl der Ver
brechen und Geisteskrankheiten iu directem Verhältnis» zu d®
selben stehen.
Sitzung vom 20. October 18%.
Ueber Psittacosis (Papageienkrankheit).
Unter diesem Namen versteht man eine specifische Infections-
krankheit, welche direct vom Papagei auf den Menschen Übertrag«
wird und klinisch ähnlich einer typhöBen Septicaemie verläuft k 1
Anschluss an eine derartige Familienepidemie machten Gilben
und L. Fournier bacteriologische Studien und fanden in den Eb I
geweiden und im Knochenmark eines der Krankheit unterlegenen
Papageis und im Herzblut einer an Psittacosis gestorbenen Fm
einen dem Eberth’schen durch gewisse Eigenschaften ähnlich«
Bacillus. Derselbe unterscheidet sich jedoch von dem Typhuserreger
durch das Aussehen seiner Culturen auf Gelatine und Kartoffeln
und besonders durch seine ausserordentliche Virulenz nicht mr
für Papageien, sondern auch für Versuchsthiere, wie Mäuse, Mw
schweinchen, Kaninchen, Tauben Mit einer erschreckenden Leichtig¬
keit auf den Menschen übertragbar, halten die Untersucher die
Krankheit für weit häufiger, als gewöhnlich angenommen wird, oai
glauben, dass sie mit anderen Infectionskrankheiten verwechselt
werde, z. B eine Anzahl der Haus- oder Familienepideinieen rot
Pneumonie gewiss diesem Erreger der Psittacosis znMschreib«
seien. Als prophylaktische Maassregeln ergeben sich von seih:
Ueberwachung der Papageiensendungen, Instructionen für die Handle
und die Papageienbesitzer in Bezug auf krankhafte Erscheinunw.
bei diesen Thieren
Vallin erstattet über den Alkoholismus der Ammen
einen Bericht, welcher besagt, dass die Säuglinge oft Krankheit-
erscheinungen darböten, welche direct auf den übermässigen Alkok»
genuss der Ammen zurückzuführen sind. Diese Unsitte sei besw.-
ders in besseren Familien eingerissen; 1 /2 1 Wein, 1 l Milch nt:
höchstens noch etwas Wasser mit Fruchtsaft 6eien genügend sl:
24 stündige Flüssigkeitstnenge für die Amme.
Queirel-Marseille spricht über die noch immer in Mir
seille herrschende Blatternepidemie und fügt bei, d»
das Medicinaipersonal und die Stadtverwaltung ihre volle Pflkh
gethan haben. (Desinfection, Isolirung, zahlreiche Impfungen! D»j
An lauern der Epidemie hänge vor Allem mit der flottiremlen Hito
bevölkerung und besonders dem Umstande zusammen, dass di?
Italiener, welche IG Proc. der Einwohnerschaft ausraachen (ca.
absolut Vaccination und Revaccination verweigern. Qu erwir«
sich Besserung der Zustände von dem nächstens in Wirksamkeit
tretenden Gesetze der obligatorischen Impfung
Reboul-Nimes theilt 10 Beobachtungen von Aktinomy-
kose im Departement Gard (5 bei Menschen, 5 bei Thieren) miL St
Societe de ThArapeutiqne.
Sitzung vom 14. October 18%.
Ueber Typhusbehandlung.
Die Brand'sche Typhusbehandlung ist trotz ihrer anerkannter
Vorzüge in der Landpraxis meist nicht anwendbar aus moralisch?!
und materiellen Gründen. In solchen Fällen bewährte sich Duchenc?
eine sozusagen «innere Bäderbehandlung» d. h. die methodisch
Zufuhr grosser Flüssigkeitsmengen. In Form von Milch und anderer
Blut verdünender Getränke wurden täglich 4—5 1 Flüssigkeit ge¬
geben (Fleischbrühe war ausgeschlossen, da sie nach Gauche:-
Versuchen Toxine enthalten kann), zugleich kalte Einläufe ge®*« 1
von Medicinen nur ganz indifferente des Scheines halber gegeöec
D. hat auf diese Weise 65 Fälle mit 2 Todesfällen behandelt, nn ?t
Abrechnung von 20 leichten Typhoiden, wie sie gegen Ende e® 8
Epidemie stets Vorkommen, würden also 35 Fälle von
Typhus verbleiben mit 3 Proc. Mortalität. .
Albert R o b i n hat schon seit Langem darauf hingw _
dass möglichst reichliche Getränkezufuhr eine grosse Rohe 00
Typhusbehandlung spiele, weil dadurch ain besten die den Orgs 01 ®*
überschwemmenden Toxine entfernt würden. Die medican)*® ■
Behandlung dürfe jedoch in Anbetracht anderer Indicatjonen ^
vernachlässigt werden, ferner müssten dem Körper die 8»ne '
zugeführt werden, welche zugleich mit den bacteriellen
I producten ausgeschwemmt worden seien, und zu diesem *
sei gerade die Fleischbrühe das beste Mittel. . . . ^
Dignat möchte diese «innere Bäderbehandlung' ei ” öfe
exspectative Therapie bezeichnen und deren gute Erfolge
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSC HRIFT.
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10. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1123
eben, dass gute hygienisch-diätetische Bedingungen besser wirken
als schlechte therapeutische Verordnungen.
Bolognesi hält den Ausdruck «innere Bäder» für unrichtig,
denn die Getrftnkezufuhr kann bloss dazu dienen, die überschüssigen
Stoffe aus dem Körper baldigst zu entfernen, denselben zu «drai-
niren», während die kalten Bäder, resp. Wickelungen eine Temperatur¬
herabsetzung bewirken sollen; also ein Ersatz der letzteren in der
angegebenen Wirkung ist völlig undenkbar.
Turbur-Bukarest bringt eine Mittheilung über die Vortheile der
Injection von künstlichem Serum bei Infections krank-
heiten, besonders bei Pneumonie, um die Entgiftung des Blutes
zu erzielen; es wurden nach vorheriger geringer Blutentziehung
300— 400 ccm Serum nach der Formel von Hayem injicirt. St.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Clinieal Society London.
Sitzung vom 23. October 1896.
Varicöse Magenblutung.
Eine Magenblutung in Folge Ruptur eines varicös entarteten
Gefässes der Magenschleimhaut wurde bisher nur in einigen sehr
seltenen Fällen beobachtet. Ueber einen neuen derartigen Fall
berichtet Le Cronier Lancaster. Es handelt sich um eine
33 jährige, bisher gesunde Frau, die mit plötzlicher, ziemlich heftiger
Magenblutung erkrankte, ohne die Symptome eines Ulcus zu zeigen.
Alkoholismus und Lues ausgeschlossen, das Blut zeigte das gewöhn¬
liche Bild der einfachen Anaemie, Urin war frei, keine Retina¬
blutungen. Die Haematemesis wiederholte sich noch einmal
(je »/* Liter), eine Woche später ging Patientin, nachdem auch
Blut durch den Stuhl abgegangen war, zu Grunde. Als Ursache
der Blutung fand sich bei der Section eine varicöse Entartung
einzelner Aeste der Vena gastroepiploica im grossen Netze und
der Submucosa des Magens. Der grösste der Varicen der Magen¬
schleimhaut zeigte eine Stecknadel kopfgrosse Ruptur. Eine Ursache
der Varicenbildung konnte nicht entdeckt werden. Alle andern
Organe waren normal. L glaubt, dass manche Fälle von Haema¬
temesis auf diesen Zustand zurückzuführen sind. F. L.
X. Französischer Chirurgencongress.*)
Abgehalten zu Paris vom 19. bis 24. October 18.(6.
Den Congress eröffn ete eine Mittheilung \on Le Den tu-Paris
über neue Beobachtungen betreffs der Leukokeratose, in der er
speciell den Zusammenhang des Epithelioms hiemit untersucht und
nach seinen histologischen Befunden glaubt, dass jede Leukoplasie
ein Epitheliom werden kann, letzteres nur als ein Ultimatstadium
der ersteren anzusehen sei. Betreffs der klinischen Symptome solcher
Epitheliome ist die geringe Neigung zur Drüseninfection und
zum Recidiv hervorzuheben, die Behandlung soll in Exstirpation der
Leukoplasie bestehen, sobald solche interner Behandlung nicht weicht.
Berger besprach die Hernien der grossen Labien und Vaginal¬
hernien und hob die diagnostischen Irrthümer hervor, die solche,
zumal wenn sie gestielt werden und zwischen den Schenkeln herunter¬
hängen, hervorrufen können, dass sie z. B. für Uteruspolypen ge¬
halten werden etc.
Reverdin-Genf empfahl das schwefelsaure Natron als
HaemoBtaticum nach dem Vorgang Kussmaul's in Dosen von
10 cg alle Stunden und soll dasselbe bei mehreren Fällen capillärer
Blutungen erfolgreich angewandt worden sein, es scheint raschere
Coaguürung des Blutes zu bewirken und subcutan applicirt nicht
ebenso zu wirken, als intern genommen. — De rno ns- Bordeapx
machte im Anschluss an einige Beobachtungen auf die zu förm¬
lichen Geschwülsten führende Coprostase bei Kindern, die infan¬
tilen Coprome aufmerksam, die nicht selten für Netztumoren etc.
gehalten werden. Das deutliche Stehenbleiben der Fingereindrücke
bei solchen Fällen, die unregelmässig höckrige Oberfläche und das
relativ ungestörte Allgemeinbefinden der betreffenden Kinder sprechen
für solche Kothgeschwülste; in einem Fall derart entleerte D. nach
mechanischer Zerkleinerung der im Rectum vorliegenden Kothmassen
gleich fast 1 kg in einer Sitzung durch Ausspülung. Heydenreich-
Nancy besprach die Anwendung des Murphyknopfes, den er trotz
zuweilen danach beobachteter Unglücksffllle wegen der damit er¬
möglichten und bei schwachen Patienten so wichtigen Abkürzung
der Operationsdauer befürwortet. — Poncet-Lyon besprach die
cervicofacialePseudoaktinomykose d.h. eine Phlegmone mit
Bildung gelblicher Körner im Eiter, die aber aus Mykelien mit
sehr langen verzweigten Pilzfäden (ohne Keulen), keinem Strahlenpilz,
bestanden. Rcboul-Nimes berichtete über ähnliche Fälle. Jodkali
erwies sich daher hier, wio aucli bei wahrer Aktinomykose nicht
erfolgreich. — Ein Hauptdiscussionsthema war die Behandlung
deB Klumpfusses, worüber Forgue-Montpellier referirte. Das
forcirte Redressement eignet sich hauptsächlich für Kinder bis 3
und 4 Jahre alt und ist die Hand das beste Correctionsmittel. bei
der ersten forcirlen Massagesitzung ist in der Regel Narkose am
Platz, das erreichte Resultat wird mittelst Gipsverbandes erhalten,
*) Referirt nach Semaine m^dicale.
Achillotenotomie oder Durchtrennung der Fascia plantaris sind die
häutigst nöthigen Unterstützungsmittel, durch die P h e 1 p s 'sehe
Operation, die hauptsächlich Kirmisson in Frankreich einge¬
bürgert hat, ist die conservative Behandlung zweifellos noch aus¬
gedehnt worden, aber es gibt einen Grad, wo alle orthopaedischen
Mittel und auch Phelps nichts mehr fruchten und Knochenoperationen
die inoperable knöcherne Deformität heben müssen, die Excisionen
im vorderen Tarsus sind verlassen, da die fundamentalen Laesionen
den hinteren Theil des Tarsus betreffen, fn "hochgradigen Fällen
empfiehlt F. die Entfernung des Taluskopfes und hierauf die Re-
section eines Keils aus dem Calcaneus mit der Basis nach aussen oben.
Die den Kluropfusa häufig begleitende Torsion des Unterschenkel»
um die Längsachse (innerer Knöchel nach vorn) hielt Vincent für
bo bedeutungsvoll, dass er die supramalleoläre Osteotomie zur Tarso
plasie empfahl, die Indication hiefür ist jedoch sehr selten gegeben.
Kirmisson unterscheidet den Klumpfuss der Neugeborenen von
dem Klumpfuss bei Kindern, die gegangen sind, und will bei ereteretn
möglichst frühzeitig manuell zuerst die Varusstellung corrigiren.
durch Guttaperchaschienen die Retention erhalten und erst danach
die Equinu88tellung beseitigen (eventuell durch Tenotoraie), bei
letzterem empfiehlt er für alle mittelgradigen Fälle Redressement
in Narkose; die Tarsodasie empfiehlt K. nicht, da er nicht im blinden
operiren möchte. Die sehr befürwortete Phelps'sehe Operation
macht K. mit Eröffnung des roediotarsalen Gelenkes, er referirt
über 76 Phelps'sche Operationen bei f> 1 Patienten (jüngster
1.) Monate, ältester 19 Jahre) bei 23 davon mit Tenotomie der
Knochen-Achillessehne, und hatte sehr gute Resultate, Operationen
kommen nach ihm nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn die
anderen Methoden nicht genügen. Berger war mit den Resultaten
der Phelps'chen Operation nicht so zufrieden und zieht im späteren
Kindesalter die keilförmige Tarsektomie vor, nachdem Astragalektomie
allein die Stellung des Kusses nicht hinreichend corrigirt. J. Böckel
ist der Ausicht, dass beim angeborenen Klumpfuss ganz kleiner
Kinder Manipulationen in der Regel genügen, bei solchen im Alter
von 4 Jahren ist das manuelle oder instrumentale Redressement
(wenn nöthig mit der Phelps'sehen Operation) am Platz; zeigt
sich dies als unwirksam, bo tritt die Tarsektomie in ihr Recht, oft
genügt die Astragalektomie. B. hat wegen angeborenem Klumpfuss
6 Tarsektomien (3 totale, 3 partielle) gemacht, sämmtliche mit
gutem Resultat; bei erworbenem Klumpfuss genügen gute Apparate
nach Tenotomie und Redressement in der Regel; in späteren
Stadien treten auch hier operative Indicationen auf.- 11 Mal hat B.
hiebei Tarsektomie, 1 Mal Arthrodese ausgeführt. Auch Gross-
Nancy plädirt für gewisse Fälle für Operation, speciell für seine
Methode Tarsektomie postcuneiforme (Astragalektomie mit Reseclion
der grossen Fersenbeinapophyse), er hält die Talusexstirpation für
indicirt, wenn nach der Achillotenotomie der Fuss nicht in nahezu
rechtwinkelige Stellung sich bringen lässt. Adenot-Lyon, Phocas-
Lille halten ebenfalls für kleine Kinder die Modellage der noch bieg¬
samen Knochen für Avirksam und plädiren für die Phelps’sche
Operation in späteren Stadien des Klumpfusses. Letzterer empfiehlt
ein Proc.6d6 mixte (Phelps mit Astragalektomie). 11 so Operirte
gehen sehr gut ohne Ermüdung, bei Schlotterfuss ist die Arthrodese
am Platz. Einen sehr radicalen Standpunkt nimmt Jalaquier-
Paris ein, indem er den rapiden Operationen (Nelatons Tarsek¬
tomie) in allen über rechtwinkeligen Stellungen (auch bei Kindern)
den Vorzug gibt Championnifere geht sogar so weit, dass er
sagt, je mehr Knochen man entfernt, um so besser werde die
Reparation, der relativ stark verkürzte Fuss functiouire sehr gut.
Auch Doyen-Reims ist ein Anhänger der sogenannten rapiden
Methoden, während Olli er betont, dass er die Tarsektomie nie bei
Kindern unter 7—8 Jahren macht, für ältere die Astragalektomie
als eine ausgezeichnete Operation ansieht und nur wenn diese nicht
genügt, ein Stück des Calcaneus noch entfernt. Calot-Beck ist
von den Knochenoperationen im Allgemeinen zurückgekom men, er
erreicht mit dem einfachen manuellen Redressement jetzt bessere Resul¬
tate. Die von Lucas Ch ampionnifere, Gross geübten Operationen
hält er fast nie für unvermeidlich, glaubt dass man auch die
Phelps’sche Operation einschränken könne, auch Martin-Genf
betont, dass man die conservativen Methoden, das langsam progressive
Redressement, mit dem man die schwersten Deformitäten redressiren
könne, zu sehr vernachlässige, ebenso gut angelegte Apparate, sodas8
somit die in der Klumpfussfrage auffallende operative Neigung der
französichen Chirurgen wenigstens einige Entgegnung erfährt. Sehr.
(Schluss folgt.)
Verschiedenes.
Pest in Indien. L. F. Childe und N. F. Snrveyor ver¬
öffentlichen eine vorläufige Mittheilung über die Resultate ihrer
bacteriologischen Untersuchungen der zur Zeit in Bombay herrschen¬
den Bubonenpest. Die ersten Fälle traten im September auf in einem
hauptsächlich von Komhändlern bewohnten Theile der Stadt und
wurden zu dieser Zeit eine Anzahl Ratten in den Häusern und Korn¬
speichern todt gefunden. Die bacteriologiscbe Untersuchung ergab,
dass das Blut der Pestkranken einen Bacillus enthält, welcher mit
dem in den todten Ratten and Mäusen nachweisbaren identisch ist.
Eine Cnltur desselben verursacht bei Einspritzung ebenfalls binnen
60 Stunden den Tod der Thiere und kann derselbe aus den Ein-
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
geweiden wieder weiter gezüchtet werden. Im frischen Blute Pest¬
kranker wurden sehr kleine, coccenähnliche Gebilde mit lebhafter
Bewegung gefunden (SporenV), nach 3 Tagen waren die Bacillen
ausgebildet. F. L.
Kalender pro 1897. Medicinal-Kalender und Recept-
taschenbucb. Herausgegeben von Dr. H. Lohnstein. Berlin,
Oskar Coblentz. Der textliche Theil enthält 17 Artikel praktischen
Inhalts, von denen wir nennen: Uebersicht über die gebräuchlichen,
sowie über die neu eingeführten Heilmittel. Wie liquidirt der Arzt
nach der neuen Gebührenordnung? Indication und Technik der
geburtshilflichen Operationen. Therap. Vademecum für die Kinder¬
praxis. Dermato therap. Vademecum, etc. Elegante Ausstattung.
Fischers Kalender für Mediciner. Herausgegeben von
D. A. Seidel. Berlin, Fischer’s med. Buchhandlung, kleineren Formats
und von einfacherer Ausstattung. Enthält u. A. 23 kurzgefasste
Artikel über praktische und wichtige Gegenstände, wie neuere Arznei¬
mittel, Anzeigepflicht, Incubationsdaaer, diätetische Curen, Diät der
Säuglinge etc.
M lincliener Jahrbuch; Kalender für Bureau, Comptoir und
Haus. Herausgeber: J. Seiferth ünd W. Probst. München,
Gerber s Verlag. Das Münchener Jahrbuch hat sich als Nachschlage-
buch für den täglichen Gebrauch wegen seiner grossen Reicliballig-
keit rasch grosse Beliebtheit erworben. Die Capitel «Medicinal-
wesen> und «Medicinal Behörden und Anstalten» enthalten alle nur
wünschenswerthen Angaben über die einschlägigen Verhältnisse in
Bayern.
Therapeutische Notizen.
Behandlung mit Ovarienpulver. Nach einer Mit¬
theilung, welche Touvenaint der Pariser Gesellschaft für Geburts¬
hilfe und Frauenkrankheiten machte, bediente er sich schon des
Längeren in der Therapie bei Frauenkrankheiten der von Kalbern
genommenen Ovarien, welche durch ständige Einwirkung einer
Temperatur von 25° zu Pulver getrocknet werden: das Pulver wird •
in Form von Pillen von 0,12 g ( — 0,8 g des frischen Präparates 1
entsprechend) gegeben und zwar täglich 2—3 Pillen ca. eine Viertel- |
stunde vor dem Essen. Die Behandlung kann so ohne Gefahr !
monatelang fortgesetzt werden; 10 Kranke, welche derselben unter- i
zogen wurden, litten an den verschiedensten Frauenkrankheiten.
Besonders wirksam erwies sich das Mittel bei Amenorrhoe, auch I
der auf chlorotischer Grundlage, ferner in Fällen künstlicher Meno- I
pause, welche der Abtragung von Geschlechtsorganen folgt und j
schliesslich kann es mit Erfolg gegen die mit der natürlichen Meno¬
pause zusammenhängenden Zufälle angewandt werden. (Bull. Medic. '
No. 83, 18%). St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 10. November. Die Berlin Brandenburger Aerzte-
kammer hat, wie erinnerlich, in ihrer letzten Sitzung beschlossen, ,
vor Ablauf der derzeitigen Kammerperiode noch einmal zusammen¬
zutreten, um über die Vorlage des Gesetzes über die staatlichen
Ehrengerichte zu verhandeln. Diesem Beschlüsse entsprechend
hat am 7. ds. eine abermalige Sitzung der Kammer stattgefunden. Es
lag folgender Antrag des Kammervorstandes vor: «Die Kammer
wolle, unter nochmaliger Betonung der in der Sitzung vom 29. April
d. J. gefassten Beschlüsse, den in der Nordd. Allg Ztg. veröffentlichten
Entwurf eines Gesetzes über die ärztliche Ehrengerichtsbarkeit für un¬
annehmbar erklären.» Der Referent, Geheimrath Dr. Schöneberg,
erklärte, diesen Antrag nicht mehr vertreten zu können, nachdem
laut neueren Informationen von zuständiger Seite der Auszug der
Nordd. Allg. Ztg. nicht genau sei. Die Regierung sei bereit , Zu¬
geständnisse zu machen; es sei danach angezeigt, eine abwartende
Stellung einzunehmen. Referent beantragte daher, dass die Kammer
eine Eingabe an den Minister beschliesse, in der die Kammer ihre
Vorschläge zur Aenderung des Entwurfes zusammenfasst und be¬
gründet; für den Fall, dass die Staatsregierung auf die Aenderungs-
vorschläge nicht eingehen sollte, solle in der Sache eine Denkschrift
an den Landtag gerichtet werden. Dieser Antrag wurde, nach
heftiger Opposition der Herren Lewandowski, Kali scher und
Mugdan, von der Kammer angenommen.
— Auf der 03. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur¬
forscher und Aerzte zu Frankfurt a. M. hat die Section für allgemeine
Pathologie und pathologische Anatomie die Gründung einer Gesell¬
schaft für pathologische Anatomie und Physiologie
beschlossen, deren regelmässige ordentliche Sitzungen im Zusammen¬
hänge mit der Naturforscherversammlung stattfinden sollen; im
Bedürfnissfalle sollen auch ausserordentliche Sitzungen stattfinden
können. Zur Vorberathung über die Organisation der Gesellschaft
wurde eine Commission, bestehend aus den Herren Virchow,
v. Recklinghausen, Ponfick, Ziegler, Chiari und Hanau,
gewählt.
— Am 5. »ls. wurde in Planegg bei München zu der vom
Verein für Volksheilstätten in München zu erbauenden J. Heilstätte
in Anwesenheit des Protectors des Vereins S. k. Hoh. des Prinzen
Ludwig der Grundstein feierlich gelegt. Herr Geheimrath v. Ziemssen
als I. Vorsitzender des Vereins hielt die Festrede, in welcher er auf
die werkthfttige Förderung, welche die Ziele des Vereins von allen
Seiten gefunden haben, Hinweisen konnte; erst vor wenieen Tam
sei dem Verein von einer edlen Dame (Frau Baronin Hirsch '-,,
Summe von 100 000 M. gewidmet worden. Die Heilstätte wird müv
im Planegger Walde, in der Richtung nach Wesaling zu, auf einen
Areal von ca. 43 Tagwerk errichtet werden.
— Geheimrath Robert Koch wird sich auf Einladung des
britischen Colonialamtes demnächst nach Capstadt begehen zu®
Studium der dort grosse Verheerungen anrichtenden Rinderpest
Er wird begleitet von Stabsarzt Dr. Kohlstock.
— In der 43. Jahreswoche, vom 18. bis 21. October 1896, hsäen
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich
keit Gera mit 31,9, die geringste Sterblichkeit Plauen i. V. mit
8,3 Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Masern in Kaiserslautern und Königs-
hätte; an Diphtherie und Croup in Bonn und Kassel.
(Universitätsnachrichten.) Göttingen. Am 1. dg. wank
die neue, allen Anforderungen der Neuzeit entsprechende, reich aus
gestattete Frauenklinik durch einen Redeact feierlich eröffnet.
(Todesfälle.) Aus Frei bürg i. B. kommt die Trauerbotschaft,
dass Hofrath Eugen Bau mann, Professor der physiologischen
Chemie daselbst, am 3. ds. nach kurzer Krankheit im Alter von
50 Jahren verschieden ist. Damit wird mitten aus intensiver und
fruchtbarster Thätigkeit heraus ein Mann gerissen, von dessen Genie
die Wissenschaft noch reiche Gaben erhoffen durfte. War ihm doch
erst vor Kurzem in dem Nachweis, dass das Jod ein consütute»
und lebenswichtiges Element des menschlichen Körpers bildet, eine
Entdeckung von fundamentaler Bedeutung geglückt. Baumant.
hat gezeigt, was in der Medicin ein Fach Chemiker zu leisten ver
mag; bei dem Mangel solcher an den deutschen medicinißchen Fan!
täten ist sein Verlust geradezu unersetzlich zu nennen. Unsere
Wochenschrift verliert an Bau mann einen hochgeschätzten Mit¬
arbeiter. Noch wenige Tage vor seinem Tode übersandte er mu
eine neue, gemeinschaftlich mit dem Freiburger Chirurgen Gold-
mann ausgeführte experimentelle Arbeit: «Ist das Jodotbyrin der
lebenswichtige Bestandteil der Schilddrüse?*, die in einer unserer
nächsten Nummern erscheinen wird. Es ist nun sein letzter Beitrag iw
wesen. Wir werden ihm ein treues und dankbares Andenken be¬
wahren. — Ein Nekrolog auf Bau mann aus berufener Feiler er¬
scheint in unserer nächsten Nummer; eine biographische Skizze
nebst seinem wohlgetroffenen Porträt erschien im Anschluss an die
Entdeckung des Jodotbyrins bereits in No. 14 lfd. Js.
Personalnachrichten.
Bayern.
Niederlassungen: Dr. Ernst Beer, approb. 18%, in Warn.
Bez.-A. Vohenstrauss; Dr. Johannes Müller (aus Bremen), approb
1890 zu Würzburg; Dr. Gustav Roth manu (aue Trewer?en in
Posen), approb 1895 zu Abtswind, Bez.-A. Gerolzhofen; Dr. E. Welte
zu Saal a. 8., Bez.-A. Neustadt a. S.
Verzogen: l)r. Oskar Pan izza von München unbekannt wohin;
I)r. Nothaass von Rötz nach Waldmünchen; Dr. Schneller von
Waldmünchen nach Straubing.
Auszeichnung: Dem Generalarzt 2. Classe Dr. Angerer ili
suite des Sanitätscorps wurde der Verdienstorden vom Heilige“
Michael IV. Classe verliehen. ,
Gestorben: Dr. Max G r u b e r, prakt. und Bahnarzt in München.
55 Jahre alt.
Morbiditätsstatistik d. Infectionskrankheiten fiir München
in der 44 Jahreswoche vom 25. October bis 31. October18%.
Betheil. Aerzte 400. — Brechdurchfall 20 (28*), Diphtherie, Croup
40 (41), Erysipelas 5 (9), Intermittens. Neuralgia intern). — (]*
Kindbettfieber 1(1), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 6 pj.
Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 6 (11), Parotitis epidemica - iL
Pneumonia crouposa 23 (13), Pyaemie, Septicaemie — (—1, WjeoDir
tismus art. ac. 17 (17), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina oll«»
Tussis convulsiva 34 (23), Typhus abdominalis 1 (1), Varicellen 24 [ib
Variola, Variolois—(—). Summa 210 (219). Medicinalrath Dr. Au
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 44. Jahreswoche vom 25. Oct. bis 31. Oct.
Bevölkerungszahl: 40G 000 , -
Todesursachen: Masern 1 I—*), Schadach 1 (R lhpl |tlier
und Croup 4 (1), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — *’ u,T * r .
giftung (Pyftmie) — (l), Brechdurchfall 2 (4), Unterleibstyphus
(—), Keuchhusten 1 (2), Croupöse Lungenentzündung 1 0). j u
culose a) der Lungen 19 (21), b) der übrigen Organe 5(4), Ac °
Gelenkrheumatismus— (—), andere übertragbare Krankheiten - i- •
Unglücksfälle 1 (2), Selbstmord 5 (—), Tod durch fremde Rand 2 H
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 191 (158), Verhältt' 1 ®“^
auf das Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 24,5 (2UA
die über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 14,5 >
die über dem 5. Lebensjahr stehende 13,9 (10,ö).
Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der factoi
VcrUg von J. K. Lehmann in München. — Druck der E. Mü hl Ui «lor 1 sehen k. UoMiuchrtruckcrut in München.
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Die Münchener Medlcin. Wochenschrift erscheint
wöchentlich in Nummern von mindestens'.! 1 /»—3 Bogen.
Preis vierteljährlich 6 M, praennmerando zahlbar.
Einzelne Nummer tili , 4 .
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu sdresslren: Für die Redactlon
Ottostraase 1. — Für Abonnement an J F. Leh¬
mann, Landwehrstr 70. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolph Mosse, Promenadeplatz 1«.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W.». Heineke, S. Merkel, J. >. Michel, N. t. Ranke, F. t. Wincket, N. ». Ziemssen,
hreihurg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 46. 17. November 1896
Redacteur: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Landwehrstr. 70.
43. Jahrgang.
Originalien.
Aus der medicinisclien Klinik des Herrn Geheimrath Prof.
Gerhardt in Berlin.
Ueber StofFwechseluntersuchungen mit dem Fleisch¬
pepton der Compagnie Liebig und über seine praktische
Verwendung.
Non Dr. II. Zinn , Assistenzarzt der Klinik.
Die Untersuchungen, welche mit verschiedenen zu den Albu-
ntoson und Peptonen gehörigen Präparaten ausgeführt wurden,
hatten ergeben, dass dieselben in hervorragender Weise den Or¬
ganismus vor Eiweissverlust zu schützen im Stande sind. Ins¬
besondere wurde für das Kemmerich’ sehe Pepton von Z u n t z ’)
an Hunden, von E. Pfeifer 8 ) und C. Genth 3 ) für den
Menschen gezeigt, dass dieses Präparat einen hohen Nährwerth besitzt.
Oh aber die Albumosen und Peptone das Eiwciss vollkommen zu
ersetzen vermögen, darüber waren die Meinungen noch getheilt.
Erst in den letzten Jahren wurde der Beweis erbracht, dass in
der Tliat die im Handel meist als Peptone bezeichneton, vor¬
wiegend zu den Albumosen gehörigen Verbindungen physiologisch
dem Eiweiss gleich kommen.
Namentlich durch die genauen Stoff Wechsel versuche, welche
Deiters 4 ) unter v. Noordens 5 ) Leitung angestellt hat,
wurde bewiesen, dass das Albumosc-Pepton-Gclatincgcmiseh des
Den ay er sehen Präparates vollständig eine chemisch aequivalente
Menge Eiweiss zu ersetzen vermag, während nebenher absolut
ungenügende Mengen Eiweiss in der Nahrung vorhanden waren.
Das Resultat der Versuche kann nach den genannten Autoren
sehr wohl auf alle ähnlich zusammengesetzten Albumose-Pepton -
gemische ausgedehnt werden.
Nachdem die Frage des Ersatzes des Eiweiss durch Albu-
mosen-Peptone in bejahendem Sinne entschieden war, hatte die
physiologische Seite der Sache ihre Lösung gefunden. Für den
Praktiker kommt es bei der Verabreichung eines der im Handel
käuflichen Präparate jedoch noch auf eine Anzahl wichtiger
Punkte an, die eine Prüfung jcde.s einzelnen Eiweiss-Ersatzmittels
als angezeigt erscheinen lassen. Ueber die Resorptionsfähigkeit,
über den Nährwerth eines ’ solchen kann allein der exacte Stoff -
wcchselversuch entscheiden. Ausserdem sind Form, Geschmack,
Haltbarkeit von grossem Wcrthe. Da abgesehen von den Ver¬
suchen von E. Pfeiffer und C. Genth genaue Untersuchungen
mit dem Kein in e r i ch ’ sehen Fleischpepton, welche den Ver-
*) Zuntz, Ueber den Niihrwerth der sogenannten Fleisch¬
peptone. ^ Pflüger 's Archiv 1885, Bd 37.
■).E ; Pfeiffer, Ueber Ernährung mit Fleischpepton Ber¬
liner klinische Wochenschrift 1885.
*) G. Genth und E. Pfeiffer, Physiologische Versuche über
den Nährwerth des Kem merich ’sehen und Kochs’schen Fleisch¬
peptons. Repertorium der analytischen Chemie 1886, Bd. VI, No. 6,
7, 8. (S. 73 ff).
4 ) 0. Deiters, Ueber die Ernährung mit Albumose-Pepton.
v. Noorden's Beiträge zur Lehre vom-Stoffwechsel des gesunden
und kranken Menschen. Berlin 1892, Heft 1.
& ) v. Noor den, Ueber die Ernährung des kranken Menschen
mit Albumose-Pepton. Therapeutische Monatshefte 1892.
No. 46
bältnissen am Krankenbett entsprechen und eine Bilanz der Ein¬
nahmen und Ausgaben enthalten, bisher nicht mitgetheilt worden
sind, so war es berechtigt, eine Prüfung dieses zur Zeit wohl
am gebräuchlichsten Präparates nach der genannten Richtung hin
vorzunehmen.
Zu Anfang dieses Jahres wurde der zweiten medizinischen
Klinik der königlichen Charite durch Vermittlung des Herrn
Dr. Brendel in München eine grössere Menge des Fleisch-
peptons der Compagnie Liebig übergeben. Von Herrn Geheim¬
rath Gerhardt wurde ich mit der Prüfung des Präparates
beauftragt.
Das Fleischpepton wird nach Professor Dr. Kemmerich's
Methode aus reinem Fleische unter Vermittlung von Wärme und
Druck hergestcllt; es enthält keinerlei Zusatz von Säuren, Koch¬
salz oder anderen Substanzen. Die Consistenz ist fest, zäh, der
Geschmack ein nicht unangenehmer. Der Preis von 100 g stellt
sich im Detail verkauf auf 1,50—1,80 Mk., bei grösseren Bezügen
entsprechend billiger.
Die Controle des Kemmerich ’ sehen Fleischpeptons wird
ausgeübt von den Herren Geheimrath Prof. v. Pettenkofer
und Geheimrath Prof. v. Voit in München.
Nach dem Durchschnittsergebniss von zahlreichen Fabrik¬
analysen besteht das Fleischpepton aus:
Albumosen und Peptonen.45_5Q p roc
Aromatischen Extractivstoffen des Fleisches . . 12_17
xMineralbestandtheilen. g
Wasscr . 30 ”,
Analysen wurden ausgeführt von J. König 0 ), A. Börner U
Stutzer 7 ), E. Salkowsky 8 ), E. Kemmerich y ) u. A.
Als Stickstoff ausgedrückt sind enthalten :
Nicht-Extractiv-N 8,00 Proc.
Extractiv-X 2,35
Gesammt-N 10,35 Proc.
Die vorzunehinenden Stoffwechselversuche sollten die Frage
beantworten, ob das Fleischpcpton den Körper vor Stickstoffverlust
zu schützen vermag, wenn gleichzeitig nur eine geringe Eiweiss¬
menge gegeben wurde. Zu dem Zwecke wurde nach den von
v. Noorden aufgcstellteu Grundsätzen verfahren. Es sollten
) J König, Ueber die Fleischpeptone des Handels. Archiv
für Hygiene 1885, Bd. III, S. 486 ff.
•) J. König und A. Börner, Ueber die Zusammensetzung des
Fleisehextracts. Zeitschrift für analytische Chemie, Jahrgang 34 -
Ferner vergleiche: A. Börner, Zinksulfat, ein Fällungsmittel für
Albumosen. Zeitschr. für analyt. Chemie, Jahrg. 34.
A. Stutzer, Zur Analyse der in Fleischextracten und in
Fleischpeptouen vorkommenden stickstoffhaltigen Bestandtheile. Zeit¬
schrift für analyt. Chemie, Jahrg 34.
V. Gerl ach, Die Peptone in ihrer wissenschaftlichen und
praktischen Bedeutung. Hamburg und Leipzig 1891, Verlag von
Leopold V o 8 8.
Ä ) Salkowski, Uebei das Kochs'sche and Kem merich'sehe
Fleischpepton. Centralblatt für klinische Medicin 1885, No. 7.
9 ) Kemmerich, Studien über das südamerikanische Fleisch-
extract und Fleischpepton. Zeitschrift für physiologische Chemie
1894, Bd. XVIII, S.409 ff. — Siehe auch E. Kemmerich, Fleisch¬
pepton ein Herztonicum. Berliner klinische Wochenschrift 1894
No. 10, S. 238.
I
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1126
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
die Verhältnisse, wie sie am Krankenbett für gewöhnlich liegen,
nach Möglichkeit nachgeahmt werden ; damit war gegeben, dass
das Fleischpepton neben kleinen Mengen von Kiwciss dargereicht
wurde.
Ich wählte zu den Untersuchungen 2 Patientinnen, die sich
seit längerer Zeit im Krankenhause befanden und sich für den
in Rede stehenden Zweck als vollkommen zuverlässigerwiesen hatten.
E. W., 40 Jahre alt, Dienstmädchen, befand sich wegen einer
alten peripheren linksseitigen Facialislähmung auf der Klinik.
E T, ‘21jährige Näherin, stand wegen einer leichten Chlorose
in Behandlung.
Bei der Kranken W. wurde ein 12tägiger, bei der Kranken T.
zweimal ein je 12 Tage dauernder Versuch ausgeführt.
Die Patientinnen waren den Tag über auf und waren mit der
auf der Station zu leistenden Hausarbeit beschäftigt. Dementsprechend
wurde eine Nahrung von etwa 46 Calorien pro Tag und pro Kilo¬
gramm Körpergewicht verabreicht. Dieselbe bestand im Mittel aus:
Tabelle I. Patientin W.
N
Fett
Kohlehy
Fleich 250 g.
Fleischextract 25 g . . . ,
. 8,5
2,3
2,25
—
"2 Eiern.
1,94
9,59
—
Reis 200 g.
■ 2,2
1,3
155
Brod 100 g .
. 0.3
0,5
60
Zucker 100 g.
—
100
Butter 60 g.
, —
52,2
—
Cacao (van Houten) 25 g
. 0,75
7,9
10
2 Flaschen Selterwasser .
. —
—
—
16,49
74,24
325
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N
Menge
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Gew.
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s
1396
27. 111.
14,03
2,46
16,49
3000
1008
13,27
2,73
16,00
10.6
28. III.
11,03
2,46
16,54
2700
1009
12,82
2.73
15,55
+o;«
29.111.
13,94
2,46
16,40
2230
1013
12,62
2,73
15,35
+1,05
30.111.
14,02
2,32
16,34
2600
1011
13,01
2,73
15,77
+0,57
31. 111.
5,37
i
2,31
15,7 L
2340
1010
11,6 L
2,32
13,93
+1,78
l.IV.
5,59
2,31
15,93
2830
1010
11,61
2,32
13,93
+2,00
2. IV.
5,59
3,0
2,31
15,93
2720
1011
12,55
2,32
14,87
+1,06
3. IV.
5,59
»
2,34
15,93
2760
1011
13,10
2,32
15,42
+0,51
5.1V.
14,62
2,15
16,77
2740
1011
12,16
2,38
14.74
4-2,(Ö
6. IV.
14,01
2,41
16,42
2370
1012
11,78
2,58
14,36
+2,06
7. IV.
14,25
2,26
16,51
2650
1010
12,66
2,58
15.24
+1,27
8. IV.
14,23
2,26
16,49
2500
1012
12,25
2,58
14,83
+1,66
Von der Gesammt menge Stickstoff sind ‘2,6 g Kxtractiv-Stickstoff
in Abzug zu bringen, so dass 14,10 g übrig bleiben. Dieselben sind
14,19 . 6,25 = 88,69 g Eiweiss = 363,6 Calorien.
Ferner sind 74,24 g Fett = 690,4
325 g Kohlehydrate = 1352,5
zusammen 2386,1) Calorien.
Bei jedem Versuche wurden 3 Perioden von je 4 Tagen Dauer
eingehalten, ln der I. Periode erhielt die Kranke jedes Mal 250 g
mageres Ochsentieiscli und 25 g Liebig'sehen Fleichextract, in der
2. Periode statt dessen 100 g Fleischpepton, in der 3 Periode wieder
250 g Fleisch und 25 g Fleischextract.
100 g Pepton sind nach den ausgeführten Analysen nahezu
chemisch aequivalent 250 g Heisch. Der in dem Präparate enthaltene
Extractiv - Stickstoff entsprach ungefähr einer Menge von 25 g
Liebig'sehen Fleischextraetes. Der Gehalt desselben an Eiweiss,
den Kemmerich ,ü ) festgestellt hat. wurde vernachlässigt.
Für die Anordnung der Versuche waren die von v. Noorden ")
aufgestellten Grundsätze maassgebend.
Der StickstoITgebalt der Nahrung wurde durch Controlanalysen
bestimmt. Fleisch, Reis, Brod wurde jedes Mal für eine ganze
Periode resp. für einen ganzen Versuch angekauft und vor Ver¬
dunstung geschützt aufbewahrt. Cacao und Fleischextract wurden
jedes Mal bei Ingebrauchnahme einer frischen Büchse untersucht.
Für die Eier wurde, nachdem zwei Untersuchungen einen Gehalt
von 2,2 Proc. Stickstoff ergeben hatten, dieser Werth, der den in
den Lehrbüchern stehenden Zahlen entspricht, als constant ange¬
nommen. Für jeden Tag wurden die Eier ohne Schale gewogen
und nach dem Gewichte der Stickstoffgehalt berechnet. Das Durch¬
schnittsgewicht von 2 Eiern (ohne Schale) betrug 88 g, der Stick¬
stoffgehalt demnach 1,94 g.
Die Nahrungsmittelanalysen, die immer doppelt ausgeführt
wurden, ergaben immer gut übereinstimmende Resultate. Von
ihrer Mittheilung an dieser Stelle muss in Rücksicht auf den ver¬
fügbaren Raum abgesehen werden.
Der Urin wurde täglich analysirt (nach Kjeldal). Der durch
Kohlepulver abgegrenzte Koth wurde für eine je 4tägige Periode
gesammelt, bis zu constantem Gewichte getrocknet und trocken
untersucht. Aus den Resultaten wurde das Tagesmittel berechnet.
Wenn die dargereichte Menge l’epton physiologisch der ge¬
gebenen Quantität Fleisch entsprach, musste die Stickstoffbilanz
der 2- Periode gleich sein derjenigen der 1. und 3. Periode.
Die Ergebnisse der Versuche gehen aus folgenden Tabellen
hervor: '*)
io) Kemmerich, Studien über das südamerikanische Fleisch¬
extract etc., a. a. O.
m v. Noorden. Grundriss einer Methodik der Stoffwechsel¬
untersuchungen. Berlin 1892; Lehrbuch der Pathologie des Stoff¬
wechsels. Berlin 1893. . •
12 ) Bei der Patientin T. wurde in beiden Versuchen ausser der
Gesammtstickstoff-Bestimmung des Urins fortlaufend ermittelt die
tägliche Ausscheidung an Chlornatrium, Phosphorsäure, der Harn¬
säure (Ludwig-Salkowski) und der Alloxurkörper (Krüger-
Wulff) bezw. Basen. Da diese Zahlen jedoch für die Entscheidung
des Nährwerthes des Fleischpeptons ohne Belang sind, so wurde von
ihrer Mittheilung an dieser Stelle abgesehen. Es sei nur erwähnt,
dass die Werthe für die genannten Harnbestandtheile während der
3 Perioden fast constant waren.
Tabelle II. Patientin T. 1. Versuch.
E
i n n
ahm
e
Ausga
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Datum
•S C
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W
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6. 11.
13 79
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1012
12,71
2,16
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1011
12,56
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9. 11.
5,29
1
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1014
12,78
2.89
1 5,67
+0,01
10. 11
5,29
2,39
15,63
1760
1012
12,77
2,89
15,66
+0,(8
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1011
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13,67
2,3
15,97
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1010
13,06
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11. III. 13,81 2,42 16,23 2300 1011 \ 15,89 2,45 18,34 -L
12. III. 13,73 2,42 16,15 19001 1013) 13,78 2,45 16,23 -'V
13. III. 13,7 7 2,42 1 6,19 1 840 1 014 13,56 2,45 16,01+0,!:
14. III. 13,75 2,42 16,17 2010 11 013 112,9412,45 15,39 4M
15. irr 5,89 I I 2,39 I 16,28 1860 10141 12,42 3,01 15,43 +'V
16. III. 5,76 LJ 2,39 | 16,15 1940 1013 12,71 3,01 15,72 +0,b
17.111. 5,83 2,39 16,22 2080 1012 112,11 3,01! 15.02 +1,1
18.111. 5,88 I I 2,39 | 16,27 2 100 [ 1012 112,2 3 3, 01 15,- !
19. III. 14,03 | 2+13 16,41 2050 I 1012 | 12,57 11,89114,461+Mj
20.111. 13,81 2,33 16,19 2200 1012 12.87 1,89 14,76 +D
21.111. 13.84 2,25 16,09 2300 1011 13,33 1,89,15,22+0,3
22. III. 13,78 2,25 | 16,03 2160 | 1013 | 13,46 11,89 15,3) +"•'•
ln erster Linie wollen wir nun bei der Besprechung
Versuche die Stickstoffbilanz berücksichtige)). '/>ot b
Uebersicht sei hier das Tagesmittel der Einnahmen und Ausgaben
und die sich daraus ergebende N-Bilanz ebenfalls im Tagesdur:.
schnitt zusaumiengestellt:
Nahrung
N-
■ Einnahme!
N-
Ausgabe
Körperge»icii'
.. am 1. Versuchs-
b ., N * tage 52,5 kg,
Bllanz am Ende jeder
Periode
I. Fleisch-Periode
16,44 |
15,67
-+ 0,77 1 52,5 kg
II. Pepton-Periode
15,88
14,54
+ 1,34 62,5 ,
III. Fleisch-Periode
16,55
14,79
+ 1,76 52.» •
uigtoi i .luem; orgiDi sich uewnacu, uhss -
pepton der 11. Periode das Eiweiss der I. und Ul. Periode voll
ständig ersetzt hat.
Digitized by
tim
17. November 1806-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1127
Verfluch II, Patientin T.
Nahrung
i N-
Einnahme
1
i
j N
' Ausgabe
1
| N-
Bilanz
Körpergewicht
am l.Versuchs
tage 48,8 kg,
am Ende jeder
Periode
I. Fleisch-Periode
15,96
14,42
4- 1,54
49,5 kg
II. Pepton-Periode
16,68
15,64
+ 0,04
49,3 „
III. Fleisch-Periode
15,98
14,94
+ 1,04
49,9 „
Der Versuch zeigt, dass in diesem Falle das Eiweiss der
Fleischperiodcn durch das Pepton nicht völlig vertreten wurde,
immerhin ist ein Stickstoffverlust des Körpers nicht zu verzeichnen.
Das Körpergewicht hat während der fVptondarreichung um 0,2 kg
abgenoinmen. Ihre Erklärung findet diese Thatsacho vielleicht darin,
dass während der Fleischperiode ein Stickstoffansatz stattfand, der
während der Peptoni>eriode ausfiel.
Versuch III, Patientin T.
Nahrung
N-
Einnahme
N-
Ausgabe
N-
Bilanz
Körpergewicht
am l.Versuchs-
tage 48,4 kg,
am Ende jeder
Periode
I. Fleisch Periode |
16,19
16,49
— 0,3 j
48,5 kg
II. Pepton-Periode
16,23
15,38
4 0,85 1
48,5 „
III. Fleisch-Periode j
16,18
14,95
I -f 1,23
48,8 „
In diesem Versuche war die Peptonperiode etwa gleiehwerthig
den Fleischperiodcn. Der geringe Stickstoffverlust während des
l. Abschnittes erklärt sieh daraus, dass die Patientin vor Beginn
der Stoff wechseluntersuchung eine ei weissreichere Kost hatte.
Ein zweiter sehr wichtiger Factor für die Beurtheilung des
Nührwerthes des Peptons ist die Kenntnis« der Resorption.
Das Verhalten derselben ergibt sieh aus folgender Tabelle:
N-Verluat im Koth
Nahrung
in g pro Tag
in Procenten der
Nahrung pro Tag
I. Fleisch
1
2,73
16,61 Proc.
Versuch I. II. Pepton
2,32
14,67 „
III. Fleisch
2,58
15,59 „
I. Fleisch
2,16
13,53 Proc.
Versuch II. 11. Pepton
2,89
18,43 „
III. Fleisch
2,25
14,08 „
I. Fleisch
2,45
15,13 Proc.
Versuch III. II. Pepton
3,01
18,55 „
III. Fleisch
1,89
11,68 „
Bei der Patientin W. (Versuch I) wurde demnach das Pepton
sehr gut, sogar etwas besser als Eiweiss, resorbirt; bei der
Kranken T. hingegen war die Resorption des Peptons eine weniger
vollkommene als die des Eiweiss. Die Differenzen sind in den
Perioden der beiden Versuche, die mit der Patientin T. ange¬
stellt wurden, nicht unbeträchtlich. Das Pepton wurde von
ihr weniger gut ausgenutzt als die aequivalente Eiweissmenge.
Reizungen der Darmsehleimbaut (Diarrhoen) wurden indessen nicht
beobachtet.
No 46
Unsere Untersuchungen haben demnach die
Ansicht v. Noorden's ,r ) und Deiters’ 13 ), dass alle
Albumosen- Pepton - Gemische von ähnlicher Zu¬
sammensetzung wie das von ihnen geprüfte Denayer-
sche Präparat die Fleischnahrung zu ersetzen ver¬
mögen, für das Fleischpepton der Compagnie Liebig
bestätigt.
Bei unseren Versuchen wurde absichtlich die Eiweissmenge,
welche ausser der im Fleisch enthaltenen Quantität gereicht
wurde, nicht zu klein gewählt, damit möglichst die Verhältnisse
am Krankenbette hergestellt würden. An Stickstoff ausser dem
Fleisch bezw. Pepton wurden etwa im Mittel pro Tag eingeführt
r,,59 = 35 g Eiweiss; also ungefähr soviel, wie 1 1 Milch ent¬
hält. Bedenkt man, dass von 5,5 g N. noch ca. 2,2 g auf den
schlecht zur Ausnutzung kommenden Reis treffen, so dürften in
der That die Verhältnisse am Krankenbette nachgeahmt sein.
Das Fleisehpepton wurde nach dem günstigen Ausfall der
mitgcthcilten Versuche noch 14 anderen Patienten, die wegen der
verschiedensten Krankheiten in Behandlung standen, verabreicht.
Das Präparat wurde von Einigen gern , immer aber ohne Wider¬
willen genommen, entweder als Suppe allein , oder mit Reis oder
(»ries zubereitet. Wir gaben in der Regel 20 g pro die bei
2 Phthisikern 50 g. Die Letzteren nahmen das Pepton 14 Tage
lang ohne Unterbrechung ein. Nie wurden Reizungserscheinungen
von Seiten des Darmcanals beobachtet.
Von grossem Werthe war die Anwendung des Präparates
bei Kranken, die wegen des völligen Darniederliegens des Appe¬
tites zur Aufnahme einer consistenteren Nahrung nicht zu be¬
wegen waren. Mit 50 g Pepton, ausser Milch und Suppen , ge¬
lang es, diesen Patienten eine vollkommen ausreichende Eiweiss-
rneuge zuzuführen; die beiden Phthisiker zeigten während der
14 Tage eine Gewichtszunahme von 1 und 1,8 kg, nachdem
vorher stets geringe Verluste zu verzeichnen waren. Der günstige
Einfluss auf die Beschaffenheit des Pulses wurde nach Einnahme
der grösseren Pepton gaben wiederholt beobachtet.
Der Nachweis, dass die Albumosen und Peptone des «Fleisch¬
peptons » entsprechend ihrem Stickstoffgehalt Eiweiss vertreten
können, ist allein für deren Verwendung in der Diätetik noch
nicht ausschlaggebend. Die allgemein angenommene Anschauung
von der raschen Resorption der Albumosen wird durch die Unter¬
suchungen Oahn’s u ) an Thieren in Frage gestellt. Zudem
verursacht der hohe Gehalt der künstlichen Nährmittel an Extrac-
tivfitoffen eine stärkere Reizung der Secretion des Magens, die
nicht immer erwünscht sein kann. Ferner ist zu berücksichtigen,
dass grosse Peptonmengen von den Epitbelzellen des insufficienten
Darms nicht bewältigt werden können und zu Diarrhöen führen.
Der Hauptvortheil, den man sieh bei der Anwendung der Peptone
versprach, sollte darin bestehen, dass dieselben als gelöste Eiweiss¬
körper rasch zur Resorption und nach ihrer Rückverwandlung in
Eiweiss in grösserer Menge in die Säfte gelangen könnten. Wie
schon erwähnt, ist diese Annahme nicht mit Sicherheit bewiesen,
durch Versuche an Thieren sogar unwahrscheinlich gemacht worden.
Uahn bezeichnet auf Grund seiner Untersuchungen und
kritischen Betrachtungen als sehr wünsehenswerth, dass für die
Darreichung von Albuuiose-Pcpton-Präparaten in der Kranken¬
diätetik strengere Indicationen als bisher aufgestellt werden. Da
so grosse Peptongaben, die chemisch, ihrem Stickstoffgehalte nach,
dem Eiweiss aequivalent sind, nicht in jedem Falle so gut aus-
genutzt worden wie das Eiweiss, so dürfte die Zahl der Fälle, in
denen sie als nahezu vollkommener Eiweissersatz zu geben wären,
keine grosse sein. Hier sind indess die Verhältnisse bei dem ein¬
zelnen Individuum sehr verschieden. So zeigt ein Blick auf
unsere Tabelle über die Resorption, dass dieselbe bei der Pat.
W. während der Peptonperiode ebenso günstig war, wie während
der Fleischperiodcn ; bei der Pat. T. lagen dagegen die Verhält¬
nisse in der Peptonperiode ungünstiger.
Der lange fortgesetzten Peptondarreichung steht im Wege,
dass nur wenige Kranke im Stande Bind, etwa für 2—8 Wochen
,2 J v. Noorden, Therapeutische Monatshefte 1892.
1S ) Deiters a. a. O. 8. 72.
u ) A. Oahn, die Verwendung der Peptone als Nahrungsmittel.
Berliner klinische Wochenschrift 1898, 8. 565 und 602.
2
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1128
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
ein künstliches Nährmittel in grösseren Dosen zu nehmen. Von
unseren Kranken konnten nur 2 durch 14 Tage hindurch täglich
50 g Fleiscbpepton gemessen , während wir bei den Anderen ab¬
wechselnd Mengen von 20—30 g pro Tag und nur mit Unter¬
brechungen gaben.
Da nun, wie erwähnt, der Nutzen der Albamosen und Pep¬
tone nicht ein so grosser zu sein scheint, wie von diesen Ver¬
bindungen als löslichen Eiweissstoffen im Gegensatz zum Albumin
angenommen wurde, so liegt, wie (.'ahn mit Recht hervorhebt,
für gewöhnlich auch kein Grund dazu vor, durch diese künst¬
lichen Präparate das Eiweiss vollständig zu ersetzen. Wenn ihnen
aber schon in kleinen Gaben, etwa 20 g Fleischpepton, ein Vor¬
theil zukommt, so würde sich eine Verwendung in diesem Sinne
empfehlen.
Ein solcher günstiger Erfolg kam aber nach unseren Er¬
fahrungen bei dem Fleischpepton zur Beobachtung. Wir gaben
das Mittel besonders Chlorotischen, Reconvalescenten und Phthi¬
sikern ; bei allen war der Appetit darniederliegend, die Verdauung
gestört, wie aus den Klagen der Kranken hervorging. In diesen
Fällen erwies sich das Fleiscbpepton in Mengen von durchschnitt¬
lich 20 g (bei 2 Pat. von 50 g) als sehr geeignet, den Appetit
zu heben, die Magenbeschwerden zu beseitigen. Neben der geringen
Stickstoffmenge, die zugeführt wurde, war liier also in erster Linie
der günstige Einfluss auf die Verdauung von besonderem Werthe.
Pie Ursache lässt, sieh vielleicht auf die durch die Extractivstoffe
veranlasst« stärkere Magensaftsccretion znrückführen (('ahn).
Nach mehreren Tagen der Peptondarreicliung nahmen die meisten
Kranken eine consistentcre, eiweissreichere Kost zu sich , so dass
nun eine ausreichende rationelle Ernährung gewährleistet war.
Dementsprechend stieg das Körpergewicht.
Wir würden demnach auch nach unseren Erfahrungen die
Verwendung der Albuuiosen und Peptone vorzugsweise bei Kranken
oder Reconvalescenten mit darniederliegender Verdauungsthätigkcit
(Anaemische, ('hlorotisehe, Phthisiker) in kleinen Gaben (zu etwa
täglich 20 g Fleiscbpepton) empfehlen können. Wir räumen also
der kräftigenden , appetitanregenden Wirkung des Fleischpeptons
für die Krankendiätetik die erste Stellung ein.
Gleichwohl wird dasselbe auch als Kiweissspar- bezw. Giweiss-
ersatzmittel in geeigneten Fällen sich von V ortheil erweisen.
Das Ergebnis» unserer Untersuchungen lässt siel) dahin zu¬
sammen fassen :
1. Das nach Prof. D r. Kemmerich’s Methode
hergestellte F 1 ei s c h p e p t o u der Compagnie Liebig
besitzt, w i e a n d e re k ü n s 11 i c he I * c p t o n p r ä p a r a t e ,
eine e i w e i s s e r s p a r e » d e b e z w. ei weissersetz ende
W i r k u n g.
2. In der Krankendiätetik empfi eh 11 sich die
Darreichung des Fleischpeptons in erster Linie
bei Anaemische n, Chlorotischen, bei Phthisikern
und bei Reconvalescenten mit dar nieder liegender
Verdauung. In diesen Fällen sind kleine Gaben
zu etwa 2 0 g pro Tag ausreichend, um eine A n -
r e g u n g d e s A p p e t i t s und eine bessere Vcrdauungs-
t h ä ti gkeit, welche die Aufnahme einer reich 1 i ehe re n
Kost gestattet, zu erzielen.
3. Die äusseren Eigenschaften (Form, Ge¬
schmack, Haltbarkeit, gleichmässige Zusammen¬
setzung) zeichnen das Kemmerich’sche F1 e i s e 1» -
pepton in vorteilhaftester Weise vor vielen a.n-
deren Präparaten des Handels aus
Aus der Universitätsfrauenklinik zu Kiel.
Zur Statistik der Geburten nach Antefixatio Uteri.
Von Dr. W. S. Grusdcw aus St. Petersburg.
Obgleich die operative Behandlung der Uterusretroflexion heut
zutage eine sehr grosse Anwendung in der gynäkologischen Praxis
findet, kann man doch bei weitem nicht alle Seiten derselben für
hinreichend geklärt halten. Besonders gilt dies von dem Einfluss
der operativen Uterusfixation auf nachfolgende Schwangerschaft und
Geburt. Wie oft tritt die Schwangerschaft bei so fixirtem Uterus
ein? Wie verläuft dieselbe bei verschiedenen Methoden der
Fixation? Wie oft und unter welchen Bedingungen kann 4
Operation Schwangerschafts- und Geburtsstörungen herausrufen'?
— alle diese Fragen stehen gegenwärtig im Brennpunkte des
Interesses der operirenden Gynäkologen und sind in der neuesten
gynäkologischen Literatur Gegenstand eifrigster Discussion. Um
auf diese Fragen eine ganz genaue Antwort zu geben, ist ein
grösseres statistisches Material erforderlich, als wie wir es bis je®
besitzen. Diese Betrachtung regt uns an, die weiter dargelegten
Ergebnisse zu veröffentlichen. Letzteres scheint uns m so statt¬
hafter, als, 1. viele in der Kieler Klinik operirte Fälle der Utens-
fixation ziemlich lange Zeit nach der Operation verfolgt sind und,
2. die Kieler Klinik wohl die einzige unter den deutschen Kliniken
ist, wo die nach unserer Meinung so werthvolleu 0perationsmethi>
den, wie Vesicofixation nach Werth und Alexander'sehe
Operation, in relativ grossem Umfange angewendet werden.
Im Ganzen wurde die operative Behandlung der Uterwretro-
flexion in der Kieler Klinik und in der Privatpraxis des Herrn
Professor Werth bis zum 1. Februar 1896 in 190 Füllen vor¬
genommen, und zwar in 86 Fällen die Ventro-, Ventrovesico- und
Vesicofixation, in 54 die Alexander’sche Operation und in 5«
die Vaginofixation nach Mackenrodt und Dfihrsseo. Der
grösseren Uebersichtlichkeit halber wollen wir jede Gruppe ge
trennt betrachten.
I Sch wan gersehaftsf alle nach Ventro¬
vesico f i x a ti on.
Von zu dieser Gruppe gehörenden 86 Kranken waren 8Ö
Ehefrauen und 6 Mädchen; von den ersteren hatten 67 vor der
Operation rechtzeitige Geburten, die übrigen 13 waren steril oder
hatten nur Aborte. Die jüngste Patientin war 19 Jahre alt,
die älteste 49 Jahre; von den übrigen waren 38 zwischen 20 und
30 Jahre alt, 40 zwischen 30 und 40 und 6 waren älter,
als 4".
In den meisten Füllen hatte die Krankheit schon viele Jahre
gedauert, und bei nur 7—8 Patientinnen war die Retrofleik
relativ jung. Ebenso war die Rctroflexion nur in einer verhält
nissmüssig geringen Zahl der Fälle, nämlich bei 12 Kranken,
durch keine andere Erkrankung des Genitalai»parates complidrt;
von den übrigen Patientinneu hatten 43 Endometritis oder Me-
tritis, 14 Prolapsus der Vagina oder des Uterus, 27 chronische
Entzündung der Adnexa, 1 4 Oystomata ovarii et parovarii, 3 Uterus
myom, 1 Haematometra lateralis und 2 Tubenschwangerschaft
Bei allen diesen Kranken wurden natürlich die entsprechenden
Operationen neben der Uterusfixation ausgeführt. Was die Retro-
flexion selbst betrifft, so war dieselbe in 47 Fällen von Adhaest
onen frei , in 35 Fällen bestand Retroflexio uteri fixata und hei
4 Kranken wurde der normal liegende Uterus bei Gelegenheit der
Ovariotomie vesicofixirt, um der secundärcn Entwicklung einer
Rctroflexion vorzubeugen, welche nach den Erfahrungen des Herrn
Professor Werth nicht selten im Gefolge von OvariotomieD auch
bei vorher normaler Lage des Uterus vorkommt.
Die ausführliche Beschreibung der Operationstechnik ent
spricht nicht dem Zweck unseres Berichtes und deshalb beschrän
ken wir uns nur auf einige kurze Bemerkungen. Von den der
obigen Gruppe .angehörenden Kranken wurde bei 3 nur N eutre-
fixation, bei 16 nur Vesicofixation, bei den übrigen 66 *her
ebei,.so wohl Ventrofixation, wie auch Vesicofixation (V entro«®»
fixation) ausgeführt. Bei der ersteren Operation wurde der I tcr»,-
beiderseits median vom Abgang der Ligamenta rotunda mit je
1 Naht (gewöhnlich aus Silkworm) am MuscuIub rectus tuirt
Die Vesicofixation bestand aus der Bildung eines Septum in der
Fossa vesicouterina vermittels einer fortlaufenden Catgutnaht; dies»
Septum wurde in der Weise gebildet, dass nur das verschiebbare
Peritoneum der Blase gefasst wurde, damit die Blase nach Ein
tritt der Schwangerschaft vom Uterus isolirt bleiben konnte ui» 1
bei dessen Herauf wachsen nicht gezwungen werde, demselben
folgen. *) Die Vesicofixation allein wurde nur in den Fälle«
gewendet, wo man an nehmen konnte, dass eine geringe Verstärken:-
J ) Für die Technik der Vesicofixation nach Werth sich Int®'
essirende können die ausführliche Beschreibung dieser Operation
dem derselben gewidmeten Bericht von Westphalen (Monatsscnn
für Geburtshilfe und Gynäkologie, 1895, Bd. II) finden.
Diqitized b.y
j
17. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1129
der vorderen Haltuiittel genügte, am die normale Uteruslage zu
sichern, also namentlich bei seenndärer beweglicher Retroflexion
in Folge benachbarter (Jeschwulstentwicklung; in den übrigen
Fällen wurde diese Operation mit Ventrofixation in der Weise
combinirt, dass die Uterus-Muskel- und Uterus-Blasennaht zu¬
sammen ein F-förmiges Septum in der Fossa vesicouterina bildeten.
Auch bei dieser Combination wurde die Möglichkeit des Schwanger -
schaftseintritts stets in Betracht gezogen ; zu diesem Zweck wurde
— wenigstens in der letzten Zeit — darauf Werth gelegt, den
Praeperitonealraum bei Fixation und Bauchnaht von den Nahten
möglichst unberührt zu lassen, damit die Blase, wenn sie in der
Richtung nach der freien Bauchhöhle hin durch den graviden
Uterus behindert wird, in diesem Raum sich frei ausdehnen kann ;
ausserdem wurde bei dieser Operation stets durch möglichst subtile
Aseptik, schonende Behandlung des Peritoneum und kleinen Bauch¬
schnitt zu vermeiden gesucht, dass eine zu feste fibroseröse Ver¬
einigung zwischen Uterus und Bauch wand entstände.
Das Operationsresultat wurde in dieser (Jruppe bei 50 Patien¬
tinnen verfolgt, und zwar bei 26 während 2—6 Monate, bei 12
von */2 bis 1 Jahr, bei 9 während 1—2 Jahre und bei 8 länger
als 2 Jahre. Ein Recidiv der Retroflexion wurde bei keiner von
diesen Kranken beobachtet. Nach der Operation kam es zu
Schwangerschaft bei 4 Patientinnen, nämlich in folgenden Fällen :
1. M., 20 Jahre. 0 Para, nur 1 Abort (2 Monate) Mai l.*>94.
Menses seit 13. Jahre, regelmässig, mit geringem Blutverlust. Ver-
heirathet seit Januar 1893. Nach dem Abort Menses stark, mit
starken Schmerzen. Harnfunction normal, Stuhlgang träge.
Uterus retroflectirt, druckempfindlich, schwer beweglich, lässt
sich in der Narkose leicht in die Höhe bringen, sinkt jedoch sofort
wieder zurück; Sondenlänge 8cm. Rechte Douglas'sche Falte ver¬
kürzt und straff. Adnexa scheinbar normal.
Operation 9. August 1894: 1. Ausschabung der verdickten
Mucosa und 2. Laparotomie; Bauchschnitt circa 12 cm lang, in der
Linea alba; Bildung eines Septum in der Fossa vesicouterina und
Fixirung des Uterus median vom Abgänge der Ligg. rotunda mit je
einer Silkwormnaht am M. rectus; Schluss der Wunde mit Etage¬
naht. Postoperationsperiode ohne Reaction, ohne starke Beschwerden.
Seit der Entlassung völliges Wohlbefinden. März 189 > Con-
ception. Während der Schwangerschaft leichte Rückenßchmerzen,
sonst keine Beschwerden. 26. December 1895 entbunden von
einem Knaben Geburt — nach brieflichem Bericht — ganz leicht,
nur mit Hebamme. Wochenbett fieberlos, doch musste Patientin
7 Wochen wegen Rückenschmerzen und Schmerzen im Unterleib
links liegen. Nachdem keine Unterleibsbeschwerden.
2. V., 28 Jahre. IV Para, zum letzten Mal 25. December 1894;
frühere Geburten spontan, Wochenbetten fieberfrei. Menses seit 17.
Jahre, unregelmässig, stark. Patientin führt ihre Beschwerden auf
einen Fall im 20. Lebensjahre (Fall auf den Bauch) zurück; seit
dieser Zeit immer starke Schmerzen und Unwohlsein. Seit der ersten
Geburt (1889) Senkungserscheinungen, Kreuzschmerzen, Drang nach
unten. Seit der letzten Entbindung Beschwerden besonders stark.
Pessar ohne Erfolg.
Starke Anaemie. Alter Dammriss und Prolaps der vorderen
Scheidenwand mit Cystocele. Die Scheidenschleimhaut stark hyper¬
aemisch. Portio vaginalis sehr gross mit einem leicht blutenden
Ectropion. Uterus retroflectirt, schwer beweglich, druckempfindlich.
Operation 9. März 1895: 1. Erweiterung des Cervicalcanals bis
zu Hegar'B Dilatator No. 9 und Ausschabung reichlich verdickter,
stark byperaemischer Schleimhaut. 2. KeilexciBion nach Schroeder.
3. Kolporrhaphia anterior. 4. Dammplastik nach Sänger-Tait.
5. Laparotomie: Bauchschnitt 10cm lang; Uterus ohne Adhaesionen,
Adnexa normal; Bildung des Septum in der Fossa vesicouterina mit
dünnem Catgut und 2 Silkwormnähte zwischen Uterus einwärts vom
Abgang der Lig. rotunda und Mubc. rectus; noch einige Catgut¬
knopfnähte zwischen Uterus und Blasenperitoneum; Bauchnaht
(4 Etagen). Postoperationsperiode fieberlos, ohne starke Beschwerden.
Nach der Entlassung völliges Wohlbefinden. Ende April 1895
Conception. Während der Gravidität nur leichtes Ziehen im
rechten Hypogastrium nach körperlicher Anstrengung. Geburt
9. Februar 1896, in der Klinik beobachtet. Wehen gleichzeitig
mit WaBserabgang um 3 Uhr Nachmittags, zuerst schwach und selten.
Untersuchung um 3'/aUhr Nachmittags: Grösster Bauchumfang 88 cm,
Entfernung zwischen Symphysis und Nabel 17 cm, zwischen Nabel
und Proc. ensiformis 18 cm; Uterus regelmässig gestaltet, median
gelagert; Fundus 3 Finger breit unter dem Proc. ensiformis; Operations¬
narbe 12 cm lang, etwas prominirend; oberes Ende des Lig. rotundum
sinistrum 6 cm unterhalb der Nabelhöhe, 12 cm von der Linea alba
entfernt; rechtes Lig. rotundum weniger deutlich, sein oberes Ende
14 cm von der Linea alba beinahe in Nabelhöhe; SteisB des Foetus
in der Mitte des Fundus, Rücken in linker Seite, Stirn 2 —3 Finger
über dem Beckeneingang feststehend. Untersuchung um 8 Uhr;
An der vorderen Bauchwand nirgendwo Druckempfindlichkeit; Damm
nachgiebig, 6 cm breit, noch schlaff; Cervicalcanal hinten und seitlich
entfaltet, vorn noch 1 */» cm breiter Rest der vorderen Muttermunds¬
lippe; Muttermund 5 cm im Durchmesser; Kopf in's Becken ragend,
Pfeilnaht quer, wenig hinter der Mitte, Font, majus rechts, J. minus
links. Um 10’/* Uhr Durchschneiden des Kopfes und Geburt eines
52 cm langen, 3350,0 wiegenden lebenden Knaben. Nachgeburt
um 10 Uhr 15 Min.; Gewicht 590,0; Wochenbett normal. Unter¬
suchung 2 Wochen nach der Entbindung zeigt, dass Uterus gut
anteflectirt ist und mit der Bauchnarbe in keinerlei Verbindung zu
stehen scheint.
3. T., 21 Jahre. 3 Geburten, die letzte vor 7 Monaten; alle
Geburten spontan, Wochenbetten fieberfrei Menses mit 11 Jahren,
unregelmässig. Verheiratet mit 17 Jahren. Gesund bis zum dritten
Wochenbett, nach welchem Schmerzen im rechten Hypogastrium.
Menses seitdem stark, unregelmässig, mit Schmerzen; Harnfunction
normal; Stuhlgang nur nach Abführungsmittel.
Blühend aussehende Frau. Sehr reichlicher Fluor. Uterus
gross, retroflectirt, fixirt nach rechts hinten. Untersuchung schmerz¬
haft. Rechte Adnexa geschwollen, linke normal.
Operation 16. Mai 1895: I. Erweiterung des Cervicalcanals
und Ausschabung sehr grosser Mengen von stark hyperaemischer,
massig verdickter Schleimhaut; 2. Laparotomie: Bauchschnitt 7 cm
lang, in der Medianlinie; Lösung der Adhaesionen des Uterus und
der rechten Adnexa, welche völlig in dieselben eingebettet waren;
Entfernung der entzündeten rechten Tube; Bildung eines 8eptum
in der Fossa vesicouterina und Fixation des Uterus rechts und links
mit Silkwormnähten an jedem M. rectus; zwei Catgutnähte zwischen
Uterus und Blasenperitoneum; Bauchnaht (3 Etagen). Postoperations¬
periode ohne Reaction.
Nach der Entlassung vollständiges Wohlbefinden Ende De¬
cember 1895 Conception Während der Schwangerschaft zuerst
keine Beschwerden, dann — seit Februar 1896 — zuweilen Schmerzen
in der rechten Seite ohne genauere Localisation und häufiger Drang
zum Wasserlassen. Untersuchung 29. Mai 1896: Abdomen nicht
druckempfindlich; Fundus uteri 1 Querfinger über dem Nabel;
Vaginalportion stark nach vorn und links abgebogen; unteres Uterus¬
segment flach über der Vagina vorgewölbt; Urin völlig klar; bei
Untersuchung mit Katheter liegt die Blase im kleinen Becken unter¬
halb des Uterus und erstreckt sich weit nach beiden 8eiten. Dem
brieflichen Bericht vom 16. Sept. d. J. nach schreitet die Schwanger¬
schaft regelmässig fort und ist der Zustand der Patientin im
Allgemeinen nicht verändert.
4. N., 38 Jahre. 16 Jahre verheirathet; im Anfang der Ehe
vielleicht ein Abort, sonst nicht concipirt.
Operation Juli 1895: 1. Curettement; 2. Laparotomie: Exstir¬
pation einer grossen adhaerenten Haematosalpinx auf der linken
Seite, Enucleation eines apfelgrossen Myoms aus der vorderen
Uteruswand und Ventrovesicufixation (mit Catgut).
Nach der Operation völliges Wohlbefinden; Menses regelmässig.
Im Anfang März 1896 Conception; während der Gravidität
zuerst etwas bräunlicher Ausfluss, dann kein Secret; gutes Befinden,
keine Schmerzen, keine Harnbeschwerden. Untersuchung 26. Juni
1896: Fundus uteri 1—2 cm unter dem Nabel; normaler Schwanger¬
schaftsbefund; Operationsnarbe stark pigmentirt.
II. Schwa n gersc haftsfälle nach A lex an der ’ scher
Operation.
Von 54 Kranken, bei denen die A1 c xa n der 'sehe Operation
in der Kieler Klinik ausgeführt wurde, waren 50 Ehefrauen und
4 Mädchen; von der ersteren hatten 43 vorher geboren, die
übrigen 7 waren steril. 24 Patientinnen waren 20—30 Jahre
alt, 24 zwischen 30 und 40 und 6 zwischen 40 und 50-
Wie in der ersten Gruppe waren auch hier die meisten
Fälle veraltet; es gab nur 3 Fälle, in denen die Retroflexion
nicht früher, als l Jahr vor der Operation, Beschwerden ge¬
macht oder objectiv festgcstellt war. Bei 52 Kranken war der
Uterus beweglich, hei 2 existirte» Adhaesionen, welche vor der
Operation nach Schul tze gelöst waren. In 25 Fällen war die
Retroflexion mit keiner anderen Krankheit des Genitalsystems
combinirt, in den übrigen 27 war dieselbe entweder durch Endo¬
metritis und Metritis (bis 12 Kranken), oder durch Prolapsus der
Vagina und des Uterus (bei 22 Patientinnen) complieirt.
Die Operationstcchnik unterschied sieb in verschiedenen Fällen
hauptsächlich durch die Behandlung des Leistencanals. in der
ersten Zeit wurde die Operation gewöhnlich mit der Spaltung
der vorderen Canalwand ausgeführt: nach neueren Erfahrungen
aber zeigte es sich, dass es doch ziemlich leicht ist, die Bänder
— entsprechend dem von Alexander angegebenen Verfahren —
vom Annulus inguinalis aus aufzusuchen und zu isoliren, wodurch
die Spaltung des Leistencanals überflüssig wird. Die Bänder
wurden in jedem Fall bedeutend, — auf 8—12 cm, nur aus¬
nahmsweise auf 6 cm, — verkürzt, und beider Fixirung der
so verkürzten Bänder wurde besonders sorgfältig darauf ge¬
achtet, nur einen Theil des Bandquerschnittes zu fassen, damit
2*
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1130
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
die Nähte weder sofort das Band durchschoeiden, noch später
eine ringförmige Nekrose derselben hervorrufen könnten. *)
Das weitere Resultat der Alexander 'sehen Operation
wurde bei 41 Patientinnen verfolgt, und zwar bei 5 während
3—6 Monaten nach der Operation, bei 7 während '/* — 1 Jahres,
bei 7 von 1—2 Jahren, bei 8 von 2—3 und bei 14 länger als
8 Jahre (bis zu 6 1 /* Jahren). In 2 von diesen Fällen wurde
ein Recidiv der Retroflexion beobachtet, bei einer Operirten wurde
nach späterer Geburt (Fall XIII) eine geringe Retroversion ver¬
bunden mit Descensus vaginae (nach früherem Prolaps) ausser¬
halb der Klinik ärztlich constatirt, bei den übrigen Patientinnen
behielt der Uterus seine durch die Operation gewonnene Lage.
Conception fand nach der Operation bei ] 5 Patientinnen statt,
und zwar in folgenden Fällen s ):
1. 40 Jahre. IV. Para (zum letzten Mal vor 3'/« Jahren).
Retroflexio uteri mobilia ohne Complicationen. 13. Juni 1887
Alexander'sche Operation. Frühgeburt 1889 und recht¬
zeitige, regelmässige Geburt 1890. Die Untersuchung
3. October 1893 zeigte, dass der Uterus vollständig normal lag.
2. 25 Jahre, III, Para (zum letzten Mal vor 7 Wochen). Lues,
Retroflexio Uteri mobilis et Prolapsus vaginae. Operation 2. Juli 18ö7 :
1. Kolpoperineorrhaphia, 2. Kolporrhaphia anterior und 3 Ale-
x and ersehe Operation. Frühgeburt 1890.
3. 32 Jahre. I. Para (vor 6 Jahren). Retroflexio uteri mobilis
ohne Complicationen Alexander'sche Operation 20. .September
1887. Seit der Operation 2 rechtzeitige, leichte Geburten
— 1890 und 1892. Bei der Untersuchung 3. September 1893 wird
die normale Uteruslage constatirt
4. 30 Jahre. IV. Para (zum letzten Mal 18^8). 1 Abort (1888).
Retroflexio uteri mobilis ohne Complicationen. Alex an d ersehe
Operation 24. Februar 1889. Seit der Operation 3 Geburten —
1890, 1891 und 1892; während der Schwangerschaft zuweilen
Schmerzen in Operationsnarben, sonst keine Beschwerden; alle
Geburten rechtzeitig, spontan. Untersuchung November 1891
zeigte, dass der Uterus eine ganz normale Lage hatte.
5. 20 Jahre. III. Para (zum letzten Mal vor 10 Monaten). Retro¬
flexio uteri mobilis ohne Complicationen. 7. Mai 18 v 9 Alexander'¬
sche Operation. December 1889 Abort im 2 Monat und starke
Beschwerden. Bei der Untersuchung wurde Oophoritis sinistra
gefunden; Uterus lag normal. 27. Juni 1891 Oophorektomia sinistra.
April 1892 regelmässige Geburt. Nach derselben behielt
Uterus auch seine normale Lage (Untersuchung 13. September 1893).
fl. 30 Jahre. Nullipara Retroflexio uteri mobilis ohne Com¬
plicationen. 27. August 1888 Alexander’sche Operation. 1890
Abort im 3 Monat. Nach dem Abort blieb die Uteruslage ganz
normal (Untersuchung 7. August 1893.)
7. 23 Jahre. Nullipara. Retroflexio uteri mobilis ohne Com¬
plicationen 6. December 1889 A 1 exander’sche Operation. 9. Januar
1891 rechtzeitige, normale Geburt, nach der der Uterus
antevertirt blieb (Untersuchung 23. Juni 1893).
8. 27 Jahre. I. Para (vor 2 Jahren). Retroflexio uteri mobilis
und Descensus vaginae. fl Februar 1890 Alexander’sche Operation
und Perinaeoplastik. September 1890 Ausschabung der Uterus
Schleimhaut wegen Endometritis. April 1892 normale Geburt,
nach der der Uterus in normaler Lage blieb (Untersuchung 2. Mai 189-3).
9. 23 Jahre. II. Para (zum letzten Mal vor 2 Jahren). Pro¬
lapsus vaginae et Retroflexio uteri mobilis. Operation 7. Februar
1890: 1. Verkürzung der Ligg. rotunda nach Alexander, 2. Kolpor¬
rhaphia anterior, 3. Kolporrhaphia posterior und 4. Perinaeoplastik
8eit deriOperation 2 rechtzeitige natürliche Geburten —
1890 nnd 1892. Während der Schwangerschaft Schmerzen in den
Operationsnarben. 27. November 1893 Uterus in normaler Lage.
10. 30 Jahre. 1. Geburt vor 3 1 /* Jahren. Prolapsus vaginae
et Retroflexio uteri mobilis. Operation 18. October 1890: 1. Ale¬
xander'sche Operation, 2. Kolporrhaphia anteiior und 3. Damm¬
plastik. 1891 rechtzeitige, leichte Niederkunft. Bei der
Untersuchung 12. Juli 1893 Uterus in Anteversion.
11. 30 Jahre. IV. Para. Retroflexio uteri mobilis, Prolapsus
vaginae und starkes Ektropion. Operation 18. September 1890:
1. Schröder'sche Keilexcision, 2. Alexander’sche Operation,
3. Kolporrhaphia anterior und 4. Perinaeoplastik. 31. November
1891 rechtzeitige Geburt (Forceps); während der Gravidität
zuweilen ßchmerzen in der rechten Operationsnarbe. Bei der Unter¬
suchung 10. November 1893 Uterus in Anteflexion.
12. 28 Jahre. 7 Geburten (nur 2. und 3. rechtzeitig, die
übrigen 6—7 Monat); die letzte vor 4 Monaten. Retroflexio uteri
mobilis ohne Complicationen. Alexander'sche Operation 18. Mai 1893.
’) Näheres über die in der Klinik geübte Technik der Ale-
xander'schen Operation siehe in Arbeit von Prof. Werth »Ueber
die Anzeigen zur operativen Behandlung der Retroflexio uteri mobilis >
(in der »Festschrift zur Feier des 50jährigen Stiftungsfestes der Ge¬
sellschaft für Geburtehülfe und Gynäkologie zu Berlin).
8 ) Wir geben hier nur über 3 Fälle ausführliche Berichte, von
den übrigen 12 theilen wir nur Einiges mit, weil dieselben in der
eben citirten Arbeit von Prof. Werth schon veröffentlicht sind.
Gleich nach der Entlassung Conception; während der Schwangerschaft
Schmerzen in den Operationsnarben, erschwertes Uriniren und Dran?
znui Wasserlassen 8. December 1893 Fehlgeburt, nach der
der Uterus normale Lage behielt.
, •’< 13. 22 Jahre. I. Para (April 1890). Seit der Geburt zunehmender
Prolapsus vaginae. Rückenschmerzen und Gefühl von Zerruug b
Unterleibe. Pessar ohne Erfolg.
Untersuchung: Vollständiger Prolaps der vorderen Vaginalwand
mit Inversion des hinteren Vaginalgewölbes; Verlängerung der Portio
supravaginalis (Sondenlänge der Uterushöhle 12 cm); Retroflexio uteri
mobilis.
Operation 22. September 1891: 1. Resection der Portio supra¬
vaginalis (resecirt 3 '/* cm); 2. A1 e x a n d e r'sche Operation (die Bänder
10 cm verkürzt); 3. Elytrorrhaphia anterior und 4. Lappendamnj.
plastik. Postoperationsperiode fieberlos. Bei der Entlassung völlig
gutes Befinden.
Seit der Entlassung keine Beschwerden. Menses regelmässig,
in massiger Menge; keine Senkung. Mai 1894 Conception. Seit
Beginn der Schwangerschaft etwas vermehrter Harndrang und mäsäge
Schmerzen in den Inguinalnarben, sonst sehr gutes Befinden. Bei
der Untersuchung, 24. October 1894, Uterus in normaler Lage; Damm
6cm breit. 8. Mai 1895 spontane, leichte Geburt eines kleinen,
gesunden Mädchens. Nach der Geburt wieder Descensusbeschwerden.
Bei Untersuchung 14. Juni wurden von dem Arzt Prolapeos vaginae
anterior nicht unbedeutenden Grades und geringe Retrovereions
Stellung des Uterus gefunden, wobei nur der Prolaps der Patientin
Beschwerden machte.
14. 20 Jahre. Menses immer regelmässig, aber stark und mit
Schmerzen. Verheirathet seit 1 Jahr. Bald nach der Hochzeit Gebär
inutterentzündung mit Fieber und Schmerzen im Unterleib und
Rücken. Der Erkrankung ging Brennen in der Urethra und be
ständiger Harndrang voraus. Seitdem Menses noch stärker, zuweilen
Dysurie, fast beständig übel, appetitlos, Kopfschmerzen.
Bei Untersuchung starke Abmagerung; beide Nieren stark be¬
weglich; Uterus retrotiectirt, beweglich; Adnexa normal
Alexander'sche Operation 13. Juli 1893. Ligamenta rotunda
beiderseits 10 cm resecirt. Temperatur in der Postoperationsperiode,
13.—15. Juli, 38,5 — 38,6° C., von da ab normal. Heiluug der Opera
tionswunden per primam.
Seit der Operation zuweilen etwas Druckgefühl in der Blasen-
gegend, sonst frei von Beschwerden. 3 Geburten: 22. October
1894, November 1895 und 9. August 1896. Alle Schwanger¬
schaften ohne bemerkenswerthe Beschwerden. Geburten rechtzeitig,
normal; die erste dauerte circa 29 Stunden, die zweite und dritte
gingen schnell (die letzte dauerte mir 3’/2 Stunden). Wochenbetten
normal.
15. 27 Jahre. 5 Jahre verheirathet, seitdem oder schon etwas
länger Dysmenorrhoe. 3mal schwanger, jedesmal Abort im 2.-3.
Monate, zuletzt im März 1893 Seit dem ersten Abort Druck¬
empfindung in der Vagina und Rectum, Drang nach unten. Pessar
ohne Erfolg.
Bei Untersuchung Uterus hochgradig retrotiectirt, beweglich,
Endometritis.
Operation 14. September 1894: 1. Erweiterung des Cervical
canals bis Hegar s Dilatator No. 8 und Ausschabung der stark ent¬
zündeten Schleimhaut; 2. Alexander’sche Operation. Heilangs-
verlauf fieberlos, ohne Beschwerden. Bei Entlassung völliges Wohl
befinden.
Ende 1894 Conception. In den letzten 8 Wochen der Gra¬
vidität Schmerzen im Leib und Kreuz. September 1895 recht¬
zeitige Geburt in der Heimath. Die Wehen — nach Berichtdö
Arztes — zuerst krampfhaft, dann schwach, infolgedessen Zange bei
erster Schädellage; todtes Kind; manuelle Entfernung der Placenta.
Dammriss. Nach der Geburt behilt der Uterus seine normale Lag«
(Untersuchung 12. August 1896), obgleich sich ein Prolapsus vagin«
entwickelt hatte.
III. Schwangerschaftsfälle nach V a gi n of ixatioo.
Die vaginale Uterusfixation wurde in der Kieler Klinik 1«
49 Ehefrauen, — von denen 43 früher geboren hatten und 6
steril waren oder nur Aborte hatten, — und einem Mädchen an¬
geführt. Die. jüngste Patientin war 18 Jahre alt, die älteste 61-
von den übrigen waren 18 20—30 Jahre alt, 21 swischen 3'.’
und 40, 8 zwischen 40 und 50 und 1 älter als 50.
In zwei Fällen bestand Retroflexio adhaerens, — die ^ el
wurden nach Dührssen operirt, — in den übrigen 48 K etn '
flexio mobilis. 7 Patientinnen hatten nur Retroflexio und nicht
mehr, bei den übrigen war letztere entweder durch Metrifo &n>
Endometritis (in 25 Fällen), oder durch Prolapsus vaginae f>
uteri (in 19 Fällen), oder durch Adnexaententzündnngen 'in I
Fällen) complicirt. In den meisten Fällen hatte man c* s®‘
hier mit einer veralteten Erkrankung zu thun; relativ jung ,äf
die Retroflexion nur bei 11 Kranken.
Die Technik der Operation war verschieden: in 29 > ' D
wurde die Vaginofixation nach Mackenrodt und bei 21 5
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17. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1131
tientinnen nach Dührssen, mit Oeffnung des Peritoneum, aus¬
geführt. Bei beiden Methoden wurde stets darauf gehalten, dass
nicht der Fundus uteri selbst, sondern der obere Theil der vorderen
Uteruswand an die Scheide befestigt wurde. Um eine Stcnosir-
ung des oberen Scheidenabschnittes und Ablenkung der Vaginal¬
portion nach hinten zu vermeiden, wurde in der Mehrzahl der
Fälle der Dührssen'sehe Querschnitt, nicht sagittal. sondern
frontal wiedervereinigt,
Das weitere Resultat der Operation wurde bei 32 Patientinnen
verfolgt, und zwar bei 10 von 2 bis 4 Monaten, bei 4 von 4
bis 6 Monaten, bei 9 von J /* bis 1 Jahr und bei 9 länger als
1 Jahr (bis 2 Jahr 2 Monat); 17 von diesen Patientinnen waren
nach Mackenrodt und 15 nach Dührssen operirt. Ein Re-
cidiv der Retroflexion wurde bei den nach Mackenrodt Operirten
5 mal (1 mal nach der Geburt) und bei den nach Dührssen
Operirten 1 mal (bei einer Schwangeren) beobachtet. Schwanger¬
schaft fand bei vaginofixirtem Uterus 4 mal statt: 3 mal nach der
Mackenrodt'sehen Vaginofixation und 1 mal bei einer nach
Dührssen operirten Patientin.
1. N. 27 Jahre. I. Para (vor 1 Jahre). Nach der Geburt
Schmerzen im Unterleib links, besonders während der Menses, und
hysterische Anfälle; Menses sehr stark; Stuhlgang und Wasser¬
lassen regelmässig.
Bei Untersuchung beide Hypogastrien stark druckempfindlich;
Uterus retroflectirt; linke Adnexa druckempfindlich, aber beweglich
und nicht vergrößert; rechte Adnexa normal.
Operation 13. Juni 1894: 1. Ausschabung der stark hyper¬
aemischen, aber wenig verdickten Uteruss- hleimhaut; 2. Vagino¬
fixation typisch nach Mackenrodt. Postoperationsperiode fieber¬
frei ; in den ersten Tagen vermehrter Harndrang und Schmerzen in der
Blase. Bei der Entlassung Druckempfindüehkeit des linken Eier¬
stocks, sonst nichts Anormales.
In der ersten Zeit nach der Entlassung heftige Schmerzen
in der linken Seite, dann gutes Befinden. December 1894 Con-
ception. Während der Schwangerschaft wieder stetige Schmerzen
in der linken Seite. 14 Tage ante terminum starke Wehen,
mehrere Stunden lang. 8. October 1895 Geburt eines ausge¬
tragenen lebenden Mädchens in Schädellage. Nachgebnrtsperiode
normal. Puerperium fieberfrei. (5 Wochen nach der Entbindung
Schmerzen im Kreuz und Unterleib links; bei Untersuchung Uterus
retroflectirt, ziemlich gross, lässt sich aufrichten. Pessar H o d g e
No. 8>/2 eingelegt. Seitdem sehr wechselndes Befinden: angeblich
ist die Patientin nie ganz frei von Schmerzen in der linken Seite;
besonders heftig sind dieselben gerade zwischen 2 Menstruationen;
Menses regelmässig, 5 — 7 Tage dauernd, nie wieder so stark wie
vor der Operation. Bei Untersuchung 5. Juli 1896 liegt Uterus im
Pessar gut anteflectirt; linkes Ovariuin etwas gross, aber beweglich
und kaum druckempfindlich.
2. B. N. *c3 Jahre. III. Para (zum eisten Mal vor 12 Jahren,
zum letzten Mal vor 5 Jahren), ln den letzten 3 Jahren 3 Mal
abortirt, bei jedem Abort starke Blutung, aber kein Fieber. Seit
• lern ersten Abort schleimiger Fluor albus, Schmerzen im Rücken
und im linken Hypogastrium. Menses von 14 Jahren, stets regel¬
mässig, 4 wöchentlich, 4—5 Tage dauernd, ohne Beschwerden. Starke
Abmagerung Stuhlgang meist regelmässig, Harnfunction normal.
Anaemisc.be Frau. Portio vaginalis mit Ektropion. Uterus
druckempfindlich, beweglich, in Retroflexion 3. Grades.
Operation 10. Mai 1894: 1. Ausschabung mässig verdickter,
hyperaemischer Uterusschleimhaut; 2 . Sehr öd ersehe Keilexdsioi;
3. Vaginofixation nach Mackenrodt (typischer Verlauf; Quernaht
mit Catgnt etwas unterhalb des Fundus; Längsspaltung des Peri¬
toneum. In der Postoperationsperiode starke Nachblutung aus einem
Stichcanal (Umstechung der blutenden Stelle mit Catgnt nähten),
mässiges Fieber, ziemlich reichliche Eiterung; später mässige Narbeu-
stenose des Cervicalcanals (Erweiterung mit Hegar’schen Dilata¬
toren bis No 6).
Ende 1894 Concep tion Schwangerschaft ohne Beschwerden.
5. October 1895 rechtzeitige, spontane, leichte (Wehendauer
nur ca. 4 Stunden) Geburt eines kräftigen mittclgrossen Kindes.
Nach der Geburt keine Beschwerden, kein Fluor. Bei der Unter¬
suchung 2. Juni 1896 Uterus klein, liegt breit nach vorn; der untere
Theil des Corpus am vorderen Vaginalgewölbe adhaerent.
3. B. D. 37 Jahre. III. Para (zum letzten Mal vor 5 Jahren).
Die Geburten regelmässig, Wochenbetten normal. Menses stets
2—3 Tage dauernd, seit der Verheirathung mit Schmerzen im linken
Hypogastrium. Seit December 1893 ohne bekannte Ursache anfalls¬
weise auftretende Schmerzen, gewöhnlich 1—l l /2 Stunden nach dem
Essen, ca. */2 Stunde lang; dieselben fangen oberhalb des Unter¬
leibes au, ziehen dann über den ganzen Leib. In den letzten
8—14 Tagen starke Abmagerung. Stuhlgang oft hart und träge.
Anaeraische Frau. Weit klaffender Introitus. Geringer Descensus
der vorderen Scheidenwand. Portio vaginalis grosB, etwas quer-
gespalten. Uterus stark retroflectirt, unter starken Schmerzen (zarte
Adhaesionen gesprengt?) reponirt. Pessar ohne Erfolg: Uterus über
Ring retroflectirt. Adnexa normal.
No. 46
Operation 19. Juni 1894: 1. Vaginofixation nach Macken¬
rodt (3 Catgutnfthte durch die vordere Uteruswand): 2. Dammplastik
nach Sänger-Tait. Postoperationsperiode ohne Reaction,
Nach der Entlassung zuweilen Schmerzen in beiden Hypo¬
gastrien, sonst Wohlbefinden; Menses regelmässig. Seit October
1895 Schwangerschaft, ohne besondere Beschwerden (nur im
Anfang periodische Schmerzen im Unterleib bald rechts, bald links).
Bei Untersuchung 20. Juni 1896 Fundus uteri 3 — 4 Finger über den
Nabel; Ligamenta rotunda deutlich ausgeprägt; ihre Uterinenden
beiderseits 2 Finger breit unterhalb der Nabelböhe (normale Höbe).
12. Juli 1896 iechtzeitige, spontane, leichte — nach Bericht der
Hebamme — Geburt eines ca. 6*/2 Pfd. wiegenden Kindes. Nach¬
geburt bald darauf, leicht, ohne Blutverlust. Wochenbett normal.
Bei der Untersuchung, 9- August 1896, stark ausgedehnte Bauch¬
wand; Tiefstand der Leber und der rechten Niere, die letztere
druckempfindlich; vordere Vaginal wand flach ausgebreitet, die Narbe
in derselben nicht mehr fühlbar; Uterus noch etwas gross, liefet
breit nach vorn, lässt sich retrovertiren, kehrt aber sofort in Ante-
version zurück; von der Vagina scheint der Uterus vollständig isolirt.
4. T. P., 26 Jahre. I. Para (30. October 1894). Vor der Geburt
1 Abort. Geburt spontan, Wochenbett fieberfrei. Menses regel¬
mässig, alle 4 Wochen, 3tägig. Früher stets gesund. 6 Wochen
nach der Entbindung Schmerzen im rechten Hypogastrium, ziehende
Schmerzen im Rücken, Schmerzen beim Stuhlgang, Druck auf den
Mastdarm, leichte Ermüdung, Gefühl von Haltlosigkeit in der Scheide,
starke Abmagerung; Menses stark.' Pessar ohne Erfolg.
Anaemische Frau. Beim Pressen wölbt sich die hintere und
vordere Scheidenwand vor. In der Scheide wenig Secret. Portio
vaginalis hochstehend. Umgebung dss Muttermundes leicht geröthet.
Uterus retroflectirt, beweglich, nach rechts liegend; Sondenlänge
8 cm. Adnexa normal.
Operation 24.0ctbr. 1895: 1. Ausschabung stark hyperaemischer,
mässig verdickter Mucosa uteri; 2. Vaginofixation nach Dührssen:
Querschnitt in der vorderen Scheidenwand oberhalb der Vaginal-
portion; leichtes in die Höheschieben der Blase, mit schwacher
Blutung; Eröffnung der Umschlagsfalte, Sicherung des Peritoneum
und Heranziehen des Uterus in die Peritonealöffnung bis zum
Sichtbarwerden der Tubenallgänge; Fixation des Uterus mit 3 Silk-
wormfäden, 2 cm unter dem Fundus, an der vorderen Scheideuwand;
\ ercinigung der Scheidenwundründer mittels Catgut; 3. Dammplastik.
Postoperationsperiode ohne Reaction.
Nach der PIntlassung völliges Wohlbefinden: keine Beschwerden;
Menses mässig, ohne Schmerzen; Stuhlgang und Wasserlassen leicht;
Uterus anteflectirt, leicht beweglich. Januar 1896 Concepti«u.
Bei Untersuchung, 26 Februar, Uterus leicht retrovertirt. 26. April
Abort mit starker Blutung. Seit dem Abort Schmerzen im rechten
Hypogastrium; erste Menses stark, dann 3tägig, ohne Beschwerden.
Untersuchung 11. August. Vaginalportion nach vorn sehend, finger-
giiedlang; vorderes Scheidengewölbe stark in die Höhe gezogen,
vorn in derselben vertiefte Narbe; 3—4 cm oberhalb der Muttermunds¬
lippe trichterförmige, mit Granulationen ausgefüllte, erbsengrosse
Oeffnung, welche in einen der Höhe und Breite nach etwa 1’/* cm
grossen, von vorn nach hinten flachen Hohlraum führt; aus demselben
wurden unter gelblichen Granulationen 2 Silkwormfäden entfernt;
Uterus in Retroversion 1. —2. Grades-, hintere Wand bei Untersuchung
per Rectum empfindlich; Sondenlänge des Uterus 9 cm; linkes
Ovariuin walluussgross, druckempfindlich.
Im Ganzen fand also Conception nach Antefixatio uteri bei
den in der Kieler Klinik operirten Frauen 31 mal statt und zwar
in vielen Fällen nach ziemlich langwieriger Sterilität; besonders
bemerkenswerth ist in dieser Beziehung Fall IV der ersten Gruppe,
in dem die Patientin nach der 16 jährigen Sterilität durch die
Operation coneeptionsfähig wurde. Alle 4 Schwangerschaften,
welche nach Ventrovesicofixation beobachtet wurden, verliefen ohne
besondere Abnormitäten und ohne starke Beschwerden; nur in
einem Falle, bei einer bisher noch nicht entbundenen Patientin
bestehen seit dem 3. Schwangerschaftsmonatc mässige Blasen¬
beschwerden in Form vermehrten Harndranges. Zwei von diesen
Schwangerschaften endigten mit ganz normalen Geburten, die
übrigen zwei dauern gegenwärtig noch fort; bei einer der beiden
Entbundenen konnte später eine Nachuntersuchung vorgenommen
werden, welche normale Uteruslage ergab. Von den nach Ale-
xander'scher Operation beobachteten 23 Schwangerschaften en¬
digten 2 mit Aborten, 3 mit Frühgeburten und 18 mit recht¬
zeitigen Geburten (davon 17 spontan und 1 mit Zangen). In
einem Theil dieser Schwangerschaften bestanden die Schmerzen
in den Operationsnarben; es war dies die einzige als Folge der
Operation beobachtete Schwangerschaftsstörung. Geburtsstörungen,
wenigstens solche, welche sich von den durch die Operation ge¬
schaffenen Verhältnissen ableiten lassen könnten, kamen nicht vor.
Eine Wiederkehr der Rctrodeviation, und zwar in geringem Grade,
wurde nach der Geburt nur einmal beobachtet, und in diesem
Fall war dieselbe von einem nach der Geburt recidivirten Pro-
3
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Iapsus vaginae abhängig, wodurch die Meinung von Prof. Werth
noch einmal bestätigt wird, dass die Function der operativ ge¬
strafften Ligamenta rotunda in der Einwirkung auf die trans¬
versale Drehachse des Organs sich erschöpft, auf die Fixirung
der Höhenlage des Uterus aber ohne erheblichen Einfluss ist 4 ).
Bei 3 Frauen, welche nach Mackenrodt’scher Yaginofixation
concipirten, verlief die Gravidität auch ohne besondere Beschwer¬
den ; ebenso wurden während der Geburten keine der von Strass¬
mann 0 ), Graefc 6 ), Wertheim 7 ) u. A. beschriebenen ähn¬
lichen Störungen beobachtet. In einem dieser Fälle hinterliess die
Geburt ein Recidiv der Retroflexion. Was endlich die eine nach
Dührasen 'scher Methode operirte Frau betrifft, welche nach
der Operation coneipirte, so bekam sie noch im 2- Monate der
Schwangerschaft ein Recidiv, auf welches Abort folgte.
Obgleich das oben dargestellte Geburtsmaterial nicht beson¬
ders zahlreich ist, erlaubt dasselbe doch einige Schlüsse über den
relativen Werth der verschiedenen Methoden der Uterusantefixation
zu ziehen. Im Allgemeinen kann man auf Grund desselben mit
einem bedeutenden Grad der Wahrscheinlichkeit vermuthen , dass
bei keiner der angewendeten Methoden Sebwangerschafts- und
Geburtsstörungen zu fürchten sind, wenn bei der Operation auf
die Möglichkeit späterer Uonception gebührende Rücksicht genom¬
men wird. Speciell bei Ventrovesicofixation muss man für diesen
Zweck besonders die oben bereits erwähnten Yoraiehtsmaassregeln
treffen: 1. bei der Bildung des Septum in der l’ossa vesicouterina
nur das Peritoneum der Blase mit der Nadel fassen, 2. bei der
Fixation des Uterus und Bauchnaht — den Praeperitoncalraum von
den Nähten unberührt lassen, und 3. durch möglichst kleine
Bauchwunde, strenge Aseptik und vorsichtige Behandlung des
Peritoneum dafür sorgen, dass keine zu festen Verwachsungen
zwischen Uterus und Bauchwand entstehen. Bei Beobachtung
dieser Bedingungen erfährt der Uterus scheinbar keine solchen
Sebwangerschafts- und Geburtsstörungen, wie sie z. B. von Gou-
bareff 8 ) beschrieben sind, — keine einseitige Dehnung, keine
von der normalen abweichende Gestaltentwicklung etc. Fügen wir
dem noch hinzu, dass die durch Yentrovesieotixation gewonnene
Uteruslage gut behalten wird, und dass bei dieser Operation die
bei anderen Vcntrofixationsiuethoden zuweilen beobachteten Darm¬
in carcerationen unmöglich sind, so werden dieYortheile der Wert h'-
sehen Ventrovesicofixation klar. Aber natürlich bilden diese Vor¬
teile noch keinen Grund, die Ventrovesicofixation in jedem Retro-
flexionsfall anzuwenden: als eine relativ schwere Operation ist sie
nur für solche Fälle zu reserviren, wo der Uterus fixirt oder
schwer beweglich ist, ferner, wo Adnexaerkrankungen bestehen
oder wenigstens vermuthet werden, die gleichzeitige operative Ein¬
griffe erheischen.
Die bei der Geburt nach Yaginofixation beobachteten, zum
Theil schweren mechanischen Störungen beruhten, erstens, auf der
Entwicklungshemmung, welche in der Schwangerschaft die vordere, zu
breit und fest mit der Vagina vereinigte Uteruswand erleidet, und
zweitens, auf abnorm excentrischer Stellung (Retroposition) der
Cervix. Letztere entsteht gleichfalls leicht bei fundaler Fixation
des Uterus und wird noch weiterhin durch die ursprünglich von
Dührssen angegebene theilweis sagittale Naht des queren Vagi¬
nalschnittes begünstigt. Will man also Schwangerschafts- und
Geburtsstörungen aus dem Wege gehen, so muss der obere Theil
des Corpus uteri ausser Verbindung mit der Vagina bleiben und
die nach dem oben erwähnten Nahtverfahren leicht entstehende
Stenosirung des vorderen Scheidengewölbes durch Anwendung einer
rein frontalen Nahtlegung vermieden werden. Aber diese Yor-
ßichtsmaassregein verhindern leider nicht auch Recidive der Retro¬
flexion nach der Geburt; im Gegentheil, sie erleichtern den Ein¬
tritt derselben. In Folge dessen wird Prof. Werth jetzt die
Vaginofixation wenigstens bei jüngeren Frauen wohl ganz aufgeben.
Auch weder die neueste I) ühr ssen ’ sehe Modification (vaginale
*) Werth. L. c. S. 10.
6 ) Zur Kenntniss des Schwangerschafts- und Geburtsverlaufes
bei antefixirtem Uterus. Arch. f. Gyn. 1896, Bd. 4.
«) Monatsschrift für Geb. und Gyn. Bd. II, Dec. 1895.
’) Centralblatt für Gynäk. 1896, No. 2.
8 ) Dystocie, du ä une hysteropexie antörieure ayan ndcessitö
de 1'Operation edsarienne. La semaine mddicale 1895, 5. Juin.
NM6.
Vesicofixation • <> ), noch die Versuche einer Verkürzung der Lip.
wenta rotunda von der Vagina aus ,0 ) werden seiner Ansicht nach
geeignet sein, Recidive nach der Geburt zu verhindern.
Am rationellsten bleibt also für die bewegliche und durch
Adnexerkrankungcn uncomplicirte Rctroflexio uteri doch jeden¬
falls die Alexander'sehe. Nach derselben kann man einer
Schwangerschaft völlig ruhig entgegen stehen, weil hier Geburts¬
störungen , als Folge der Operation, überhaupt nicht in Fraee
kommen und Recidive nach der Geburt höchstens als seltene Aus¬
nahme Vorkommen. Den grossen Vortheilen dieser Operation stehen
als Nachtheile nur die etwas längere Dauer und der anfangs im
Vergleich mit der Vaginofixation etwas unbehaglichere Verlauf der
Reconvalescenz entgegen. Die technischen Schwierigkeiten, die
hier in der That etwas grösser sind, als bei den concurriraiden
Operationen, sind durch Uebung bald zu überwinden und sollten
für Niemand, der berufsmässig operirt, ein Grund sein, dieses
Verfahren abzulehnen. An Sicherheit des Erfolges in jeder Be¬
ziehung und auch an Ungefährlichkeit ist die Alcxander sche
Operation jeder anderen Retroflexionsoperation überlegen. Ih: An¬
wendungsgebiet ist allerdings, wie noch einmal hervorgehoben sei
ein enger begrenztes, als das der Vagino- uud Yeutrofixation, sei
sie mit Yortheil nur für Fälle von beweglicher Retroflexion ohne
Adnexcomplicationen verwerthbar ist; aber in diesem Gebiet steht
sie ausser Concurrenz.
Einfluss des Körperfettes auf den Eiweisszerfall
im Hungerzustande.
Von Erwin Voit.
Verfolgt man cne Stickstoffausscheidung eines hungernden
Thieres, so kann man anfangs, ganz in Uebereinstimmung mit der
Körpergewichtsabnahme, ein langsames Sinken des Eiweisszerfxlles
beobachten. Während dieser Periode deckt das Eiweiss tu
gefähr 9—14° des Energiebedarfs. Nach einiger Zeit ändert
sich dieses Verhältniss, indem die Eiweisszersetzung nicht mehr
weiter sinkt, sondern allmählich zunimmt. Diese Zunahme erfolgt
aber bei den einzelnen Individuen mit ungleicher Geschwindigkeit.
Und auch der Zcitmoment, wo dieselbe eintritt, ist sehr ver-
schieden.
Schon Karl Voit hat den Grund dieses verschiedenen 1 er
haltens der einzelnen Thiere in dem ungleich grossen Fettgehalt
derselben gesucht. Wenn denselben nicht mehr genügend Fe«
aus den Reservoiren zufliesst, muss nothwendig das Eiweiss diesen
Ausfall decken, uud in relativ grösserer Menge wie vorher an
der Zersetzung sich betheiligen. Und Rubner und Kuckein
haben mit Hilfe von Respirationsversuchen nachzuweisen vermocht,
dass unter Umständen nahezu der gesammte Energiebedarf durch
Zerfall von Eiweiss gedeckt wird.
Mich interessirte nun aus mehreren Gründen die Frage, ti
nicht diese Zunahme des Eiweisszerfalles in der letzten Hunger
Periode von der Zusammensetzung der Organmassc abgeleitet
werden könne; ob nicht die relative Grösse der EiweisszersetzM?
— das ist der Bruchtheil der Gesammtenergie, welcher von iten
Eiweisszcrfalle geliefert wird — als eine bestimmte Fnnction der
im Körper vorhandenen Fett- und Eiweissmenge sich darstellen
Hesse. —
Die Lösung der Frage war ziemlich einfach. ^ enD 111111
die gesammten Ausscheidungen eines Thieres während des Hangt'
bestimmt und nach Beendigung des Versuches die Eiweiss- re>P
Stickstoffmenge, sowie die Fettmenge desselben festsetzt, » 0
man im Stande, daraus den Eiweiss- und Fettgehalt dieses T ^
für jeden Moment der Hungerperiode zu berechnen, und damit
Verhältniss der beiden Stoffe zu einander festzustellen-
Trägt man die relative Grösse des Eiweisszerfalles
und das dabei bestehende Verhältniss zwischen Körpemwciss 00
Körperfett anderseits, in Curvenform auf, so ergibt sich Folgen
Die Curve des Eiweisszerfalles verläuft anfänglich na ^
horizontal, sie steigt kaum merklich an. Im Moment,
e ) Dührssen, Centralbl. f. Gynäk. 18%, No. 22.
,0 ) Wertheim, Ibid. No. 10. Wertheim und Manoi,
No. 18. Bode, Ibid. NN. 13 u. 18.
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17. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1133
den i«
•'de
... ij
Eiweisszerfall 16 Proc. des Energiebedarfes deckt, ändert sich aber
die Richtung; sie geht nunmehr ziemlich steil in die Höhe und
zwar bis zu dem Tode des Thieres.
Die Curve, welche uns die Mengenverhältnisse des im Körper
vorhandenen Eiweisses und Fettes darstellt, nimmt, was leicht
verständlich, vom ersten Augenblicke steigende Richtung an. Da
während der ersten Hungerperiode das Fett den Haupttheil des
Energiebedarfes liefert, so muss der relative Eiweissgehalt des
Körpers ständig zunehmer.. In dem gleichen Zeitmoment aber,
wo die erste Curve ihren Wendepunkt erreicht, sehen wir auch
bei der zweiten Curve einen solchen auftreten. Und nun laufen
beide Curven parallel zu einander weiter, so dass jedem Punkt
der einen Curve ein Punkt der anderen entspricht und durch
diesen bestimmt ist. Dagegen kann für die Curventheile vor
dem Wendepunkt die Lage der correspondirenden Punkte nicht
direct von einander abgeleitet werden, da die eine der beiden
Curven nahezu horizontal verläuft.
Berücksichtigen wir, dass das Körperfett nur insoweit auf
die Ei Weisszersetzung des Hungerthicrcs von Einfluss sein kann,
als cs im Organismus circulirend den Zellen zufliesst, so müssen
wir aus dem anfänglichen Verlaufe der beiden Curven entnehmen,
dass diese circulirende Fettmenge nicht in directem Verhältniss
zu der in den Reservoiren abgelagerten Fettmenge steht, sondern
auf annähernd constanter Grösse sich hält. Nimmt doch das
Körperfett beständig ab, ohne dass dadurch die relative Eiweiss¬
zersetzung erheblich beeinträchtigt würde. Erst wenn der Fett¬
gehalt des Körpers bis auf eine gewisse Grösse gesunken, kann
sich der Verlust, den das circulirende Fett durch die Zersetzungs¬
vorgänge in den Zellen beständig erfährt, nicht mehr ergänzen,
die Grösse desselben nimmt also ab. Und damit beginnt auch
der Ei weisszerfall zu steigen und zwar in gleichem Verhältnisse,
in welchem die circulirende Fettmenge mit dem allmählichen Schwin¬
den des Körperfettes sich mindert.
Die Curven lehren uns ferner, dass wir unter Umständen
durch Bestimmung des Eiweisszerfalles, wie der Gesammtzcr-
setzung eines Hungerthicrcs einen Schluss auf die Zusammen¬
setzung der Organmasse resp. dessen Fettgehalt zu machen ver¬
mögen. Ja, es genügt hiezu die Bestimmung der Stickstoff¬
ausscheidung allein, da unter bestimmten Voraussetzungen der
Energieverbrauch eines Thieres proportional dessen Oberflächen¬
entwicklung sich verhält.
Es ist das ein Ergebniss, was für alle Versuche von grossem
Werthe ist, wo es darauf ankommt, über die Zusammensetzung
der Organ.Substanz im lebenden Thiere orientirt zu sein.
Ueber Infiltrations-Anaesthesie.
Von Dr. II. Mrl/lrr, prakt. Arzt in Georgcnsgmünd.
(Schluss.)
IT. Laparotomien.
Von solchen habe ich bisher mit Localanaesthesie gemacht:
5 Herniotomien, 2 Vcntrifixationes uteri, 3 Ovariotomien. Wer
einmal nach Schleich eine Herniotomie gemacht hat, der wird
wohl nicht leicht wieder eine in Narkose machen. Die Operation
bekommt einen ganz anderen Charakter. Es ist rein unmöglich,
dass einem eine Reposition en masse vorkommt, oder dass nach
der Verbringung des Eingeweides in die Bauchhöhle diese ge¬
schlossen wird, ohne dass ein etwa vorhandener abschnürender
Strang bemerkt worden wäre. Der Patient, der bis zur Er¬
weiterung des einschnürenden Ringes, bezw. der Reposition des
Darmes, immer über Schmerzen, zwar nicht in der Wunde, aber
im ganzen Leib klagt, athmet in dem Augenblick, in welchem das
Eingeweide in die Bauchhöhle schlüpft, auf, und sagt «jetzt bin
ich ganz gesund." Der weitere Verlauf ist nicht durch Erbrechen
in Folge der Narkose complicirt. Und dann ist gerade in den
Fällen von Darmverschluss, sei es durch eine incarccrirte Hernie
oder durch Ileus, die Narkose viel gefährlicher als bei anderen
Affectionen.
Das illustrirt sehr gut die in der Münchener medicinischen
Wochenschrift erschienene Arbeit von Zoege v. Manteuffel:
«Die üblen Zufälle bei Chloroform- und Aethernarkosen>. Der ge¬
nannte Autor hatte nach 850 Narkosen 9 Pneumonien und
davon 6 nach Bauchoperationen, die Diagnose der 3 anderen Fälle
ist nicht genannt. Auf die Gründe, welche die Narkose gerade
bei Bauchoperatiouen gefährlich machen, kann ich hier nicht ein-
gehen. Im Folgenden die kurzen Krankengeschichten, soweit sie
einiges Interesse bieten :
1. 62 jähr Gastwirth S. in T. kommt 10. November 1895 in
Behandlung. Faustgrosse Hernia inguinalis externa sin., in das
Scrotum hineingehend. Seit 10 Stunden eingeklemmt. Taxis gelingt
auch nach Aetherspray nicht, ebensowenig im Bade. Operation
vollkommen schmerzlos, die Erweiterung der ziemlich grossen
Bruchpforte gelingt leicht, ebenso die Reposition der ca. 25 cm
langen vorgefallenen Dünndarmschlinge Im Augenbick der Repo¬
sition hören die Leibschmerzen auf. Die Ablösung des Bruchsackes
und Radicaloperation nach Kocher wird angeschlossen. Dabei
wird es durch die Infiltration sehr leicht, den Bruchsack vom
Samenstrang zu trennen. Dauer der Operation 2 Stunden, Ver¬
brauch an Flüssigkeit 40 g No. 2, 180 g No 3. Heilung p. p.
Bruch bis jetzt nicht.wieder zum Vorschein gekommen.
2. 69 jähr. Schneider H. in R Apfelgrosse Hernia inguinalis
interna sin. Einklemmung besteht 6eit 14 Stunden, als Patient am
20. April 1896 in Behandlung kommt. Da die Taxis nicht gelingt,
Herniotomie. Eine nussgrosse Dünndarmschlinge und ein grosser
Netzklumpen sind vorgefallen. Die Erweiterung der sehr engen
Bruchpforte ist schwierig, die Infiltration des einschnürenden Ringes
gelingt nur mit Mühe vermittelst gebogener Nadel. Der Darm wird
reponirt; das Netz zum Theil abgetragen, der Rest als Pfropf in die
Bruchpforte genäht. Dauer der Operation 40 Minuten, Verbrauch 40 g
No. 2, 120 g No. 3. Sofort nach der Erweiterung der Bruchpforte
sagt Patient: Jetzt ist der Schmerz fort, jetzt möchte i<h ein Glas
Bier trinken, was ihm auch des Spasses halber gestattet wird. Für
die Gegner der Methode wäre der Anblick sehr lehrreich gewesen.
Nach der Naht will er absolut selbst in sein Bett gehen und be¬
hauptet, er sei so gesund, dass er gleich anfangen könne zu arbeiten.
Heilung p. p. Nähte am 12. Tage entfernt, am 17. Tage nach der
Operation kam Patient eine Stunde weit zu Fuss zu mir.
3. Frau A. in St. 35 Jahre, 8 para, im 9. Monat schwanger,
Symptome von Darmverschluss, Erbrechen, trotz hoher Eingiessungen
kein Stuhlgang, kein Flatus, Schmerzen im Leib. Rechts eine mobile
Schenkelhernie, links eine nicht reponirbare Leistenhernie, auf
Druck nicht schmerzhaft. Sonst ist im Leib nirgendwo eine isolirt
aufgeblähte Darmschlinge oder eine Stelle von besonderer Schmerz¬
haftigkeit zu fühlen. Temperatur normal. Am 7. Mai 1896,
ca. 36 Stunden nach Beginn der Erkrankung, werde ich von Herrn
Coli. Bräunig in Ellingen zum Concilium gebeten. Herniotomie
ergibt als Inhalt der Hernie das linke Ovarium, dasselbe wird
reponirt. Dauer ca. 3 /* Stunden. Verbrauch 40 g No. 2, 140 g No. 3.
Nach Mittheilung des Herrn Coli. Bräunig vom 15. Mai geht es
der Pat. gut. Occlusionssymptome sind verschwunden.
4. 2 jähr. Kind wurde mit eingeklemmter Hernia inguinaliB
ext. sin. in die Sprechstunde gebracht. Taxis gelingt nicht. Opera¬
tion wird gleich in der Sprechstunde gemacht. Sie ist in 25 Minuten
vollendet. Heilung p. p. Verbraucht wurden 20 g No. 2.
Ventrifixationes uteri habe ich 2 gemacht. Eine wegen Retro-
flexio, die andere anschliessend an eine Kolporrhaphie wegen
Prolupms uteri. Das ist nach Schleich sehr leicht zu machen;
die Operation dauert kaum eine Viertelstunde.
Ovariotomie. 46 jähr. Frau. Cystoma ovarii. 3. März 1896
Operation. Nach dem Bauchschnitt präsentirt sich die Cystenwand,
welche nach Anaesthesirung durch Schnitt eröffnet wird. Inhalt
ca. 9 1 Flüssigkeit Der Balg wird vorgezogen. Der ca. 6 cm breite
Stiel nach Infiltration partienweise unterbunden und versenkt. Dauer
der Operation 40 Minuten. Verbrauch 40 g No. 2, 100 g No. 3.
Heilung p. p. Pat. gibt an, auch keine Spur von Schmerzen gehabt
zu haben.
Bei der zweiten Ovariotomie musste ich wegen Verwachsungen
mit dem Darin doch noch narkotisiren. Das ist die Grenze der
Leistungsfähigkeit der Methode.
Kolporrhaphie. Ich habe nach Schleich 9 Kolporrhaphien
gemacht und werde niemals anders operiren. Die Operation geht
mindestens gerade so rasch als in Narkose und was der Haupt-
vorzug ist, die Schleimhaut lässt sich leichter ablösen und die sonst
immer sehr heftige und recht störende Blutung ist minimal. Sämmt-
liche sind p. p. geheilt.
Rippemesectionen habe ich wegen postpneumonischem Pyothorax
5 gemacht. Davon eine bei einem 2 jähr. Kinde, das nicht einmal
während der Operation weinte. Auch bei dieser Operation ist es
wegen der ohnehin schon behinderten Athmung von grossem Werth,
wenn den Pat. die Narkose erspart bleibt.
Die Operation, die ich nach der Schleich ’ sehen Methode
am häufigsten gemacht habe, ist die Unterbindung der Vena
saphena nach Trendelenburg. Ich habe sie an 22 Patienten
29 mal vorgenommen. An ihr kann man gut die Technik des
Verfahrens erlernen, und ich habe desshalb Alles in meiner Praxis,
was varicöse Beine hatte, zu derselben herangezogen. Ueber die
endgiltigen Resultate der Operation werde ich in einem späteren
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Jahr, wenn das Material grösser ist und die definitiven Erfolge
sich besser übersehen lassen, berichten. Ich möchte nur 2 Fälle
besprechen:
L, 51 Jahre alt, Holzhauer v. G. An beiden Beinen starke
Varicen bis zum oberen Drittel des Femur, am linken Unterschenkel
ein 20 cm breites, fast um den ganzen Unterschenkel gehendes,
scheusslich stinkendes Geschwür. Nachdem dasselbe durch antisep¬
tische Behandlung gereinigt, Unterbindung der beiden Venae saphenae
magnae an der Fovea ovalis, statt einer einfachen Incision wird an
beiden Beinen gleich ein 15 cm langes, spitzovales in der Mitte 7 cm
breites Hautstück Umschnitten, möglichst dünn abpräparirt und auf
das Geschwür transplantirt. Trotz der Oedemisirung der betreffen¬
den Hautlappen heilten beide tadellos an. Auffallend war die
Leichtigkeit, mit der die Lappen glatt abgetragen werden konnten.
Das Schneiden ging viel rascher als iu nicht infiltrirter Haut
Transplantationen sind im Sohle ich’sehen Buche nicht erwähnt.
Ich bin der Ansicht, dass gerade die Transplantation ein Eingriff ist,
für den die Methode wie gemacht erscheint." Transplantation einzelner
grosser oder vieler kleiner Lappen sind doch recht schmerzhaft;
narkotisiren will man aber wegen der Kleinigkeit nicht und da ist
die Infiltrationsanaesthcsie, die noch dazu das glatte Schneiden er¬
leichtert, der für den Arzt wie für den Patienten angenehmste Modus.
Der andere Fall betrifft einen 27 jilhr. Bahnarbeiter, dem in
einer Sitzung seine 2 Venae saphenae unterbunden und seine
Varicocele operirt wurde. Die Operation des Krampfaderbraches
wird durch die Oedemisirung sehr erleichtert, da man jede einzelne
Vene durch das glasige Oedera als dunkelblauen Strang durch-
schimmern sieht. Bei der betreffenden Operation, die 3 Stunden
dauerte, wurden 100 g No. 2 und 200 No. 3, also im Ganzen 0,120 g
Cocain, und 0,038 g Morphium gebraucht. Trotzdem nicht die
geringste Spur von Cocainismus, was auch von vornherein nicht
wahrscheinlich war, da ja mindestens 3 /i der Flüssigkeit während
der Operation wieder abfliesst.
Auch an Röhrenknochen lässt sich nach gehöriger Infiltration
des Periosts ganz schmerzlos operiren. So habe ich einem 10 jähr.
Mädchen wegen Tuberculose der Ulna den Ellbogentheil des ge¬
nannten Knochens ahgemeisselt und ausgekratzt, habe in einem
andern Fall den comphcirt gebrochenen Metacarpus des Zeigefingers
mit Draht genäht, die Tibia und den Humerus zur Entfernung eines
osteomyelitischen Sequester aufgemeiBselt, Alles ohne irgend eine
Schmeizemptindung zu erregen.
Am schwersten ist es, den Schmerz auszuschaltcn an ent¬
zündeten Partien. Unter diesen nehmen die Finger insofern eine
Sonderstellung ein, als es an ihnen wegen ihrer Form vcrhältniss-
mässig leicht ist, das ganze Glied aufzublähen und damit ausser
Nervenleitung zu setzen. Nur möchte ich davor warnen, die In¬
filtration zu weit zu treiben. Das Ocdem darf um so praller
sein, je grösser der nachfolgende Schnitt wird. Im Anfang habe
ich entschieden zu viel Flüssigkeit injicirt (man kommt durch die
Lectüre des Schleich ’ scheu Werkes sehr leicht dazu) und die
Folge davon war, dass die Patienten zwar von der Operation
nichts spürten, aber kurz nachher eine sehr unangenehme Em¬
pfindung in ihrem Finger hatten, die sich erst nach 16 bis
24 Stunden verlor. Ein College, dem im Nürnberger Kranken¬
haus ein Panaritium aufgeschnitten worden war, sagte mir, er
habe das Gefühl gehabt, als ob 2 Centner an seinem Finger
hingen ; es sei gerade keiu Schmerz, aber doch ein sehr unan¬
genehmes Gefühl von Schwere und Spannung gewesen. Man muss,
wie überall, auch hier erst das richtige Maass kennen lernen.
Sehr schwierig ist es, die Schmerzlosigkeit bei tiefliegenden
acuten Abscessen und in ausgedehnten Entzündungen überhaupt
zu erreichen. Die in dieser Hinsicht schwierigsten Operationen,
die ich gemacht habe, sind die Exstirpation einer entzündeten
Bursa praepatellaris und die Eröffnung eines unter dem Glutacus
in Folge einer Kalomelinjection entstandenen Abscesses, die jedoch
beide gelangen. Auch die Circumcision bei Phimose ist verhält-
nissmässig schwer wegen der Feinheit des Schleimhautblattes des
Praeputium.
Meine Herren! Wenn meine Worte es vermocht haben,
Einen oder deD Andern von Ihnen zum Anhänger der Infiltrations-
Anaesthesie zu machen, so haben sie ihren Zweck erfüllt. Ich
möchte mir nur noch erlauben, den, wie ich hoffe, recht zahlreich
neu gewonnenen Jüngern einige liathschläge zu geben.
Der erste ist, mit möglichst kleinen Operationen anzufangen.
Es eignen sich dazu Lipom- und Atheromexstirpationen, Unter¬
bindungen der Vena saphena, Incisionen von Panaritien, Nähte
einfacher Wunden. Bei diesen kleineren Eingriffen fällt dem
noch nicht sehr gewandten Anfänger besonders auf, dass er sehr
viel mehr Zeit braucht, als sonst. Das ist aber uur im Anfang
und speciell bei kleineren Operationen der Fall. Je grösser die
Ucbung und je grösser die Operation, desto kleiner ist der Unter¬
schied zwischen sonst und jetzt. Ferner muss man sich daran
gewöhnen, langsam und schichtenweise vorzugehen, denn jedes
nicht infiltrirte Gewebe schmerzt. Das ist mir, der ich an flottes
Operiren gewöhnt war, gar nicht leicht geworden. Mit der Zeit,
wenn man mehr Uebung bekommt, geht es von selbst rascher.
Die Infiltration erschwert die Unterscheidung der Gewebe in der
Wunde nicht, wie das die Meinung aller Derer ist, welche die
Sache nur vom Hörensagen kennen, sondern erleichtert dieselbe
wesentlich. — Die Folge davon ist dann ein mehr anatomisches
und präparatorisches Operiren. Das ist sicher auch itn Interesse
des Patienten gelegen, und für dessen Wohl zu sorgen, ist ja
unsere erste und vornehmste Pflicht.
Feuilleton.
Zur Erweiterung des medicinischen Unterrichtes.
Operationscurse an Lebenden. 1 )
• Von F. v. Windel in München.
Von allen Seiten wird heutzutage über die Unzulänglichkeit
des klinischen Unterrichtes für den Arzt geklagt. «In keinem
Berufe, weder im Handwerk, noch in den sogenannten freien
Künsten und Wissenschaften wird der Mensch so wenig praktisch
vorbereitet, als gerade in der Medicin».*) Man sucht die Gründe
für diese Thatsache theils in der zu grossen Anzahl der Medicin-
Studiretiden, theils in den so rasch angewachsenen hohen Forde¬
rungen, die an das technische Können der Acrzte gestellt werden,
theils endlich in den klinischen Lehrern, «die, wie man kurzweg
behauptet hat, alle dem Phantome des Ruhmes naclijagend, ihre
bescheidene Lelirtbätigkeit lediglich als eine odiöse Nebenbeschäf¬
tigung so rasch als möglich erledigten». s ) Ueber die Mittel und
Wege, diesen Ucbelständcn abzuhelfen gehen die Ansichten weit
auseinander. Bornemann empfahl in seiner eben citirten
Brochüre über die Vorbildung des Arztes eine bessere Ausnütz¬
ung der Räume in den Kliniken, um mehr Zimmer für die Auf¬
nahme von Praktikanten freizumachen; wesentliche Erleichterungen
in der Benutzung der medicinischen Bibliotheken und Sammlungen;
Einführung zahlreicher Phantome aller Art; höhere Anforderungen
im Examen ; eine praktische Vorbereitungszeit von 1—1 '/2 Jahren,
ähnlich derjenigen, wie sie bei den Theologen, Juristen und Philo¬
logen bereits üblich sei und endlich vor Beginn der Praxis den
Nachweis des Besitzes einer Anzahl von ärztlichen Instrumenten.
Man kann und muss dem grössten Theil dieser Forderungen un¬
bedingt beistimmen, ohne sie doch für völlig genügend zu halten. —
Guttstadt 4 ) war der Ansicht, dass das von den deutschen
Aerztctagen verlangte praktische Jahr kaum durchführbar sei,
denn 910 designirte Aerzte jährlich zur Ableistung desselben unter-
zubringen, sei wohl kanm möglich; jedenfalls seien einschneidende
Veränderungen des bisherigen Unterrichts nüthig; das Dienstsemester
sei nicht mehr als ein Unterrichtssemester anzurechnen, darf
eine gesetzliche Verlängerung der Studienzeit allein werde eine
bessere Ausbildung der Aerzte nicht herbeigeführt (sehr richtig )
Die Zahl der Praktikanten an einer Klinik dürfe die Zahl 100
in der Regel nicht übersteigen; das Lehrpersonal müsse da er
vermehrt werden und ebenso die Zahl der Zwangsvorlesungen uo
Kliniken (mcd. Polikliniken und psychiatrische Kliniken). ie
Praktikanteuscheine müssten in Zukunft andern Inhalt und an er«
Bedingungen haben: G. hat dieselben in 11 Paragraphen au ge¬
stellt (1. c. p. 34, 35) und schliesslich verlangt, dass auch über
Buchführung und Betrieb eines Krankenhauses die Stu ir ^° en
während der klinischen Studienzeit ausreichend zu untemc en
seien! 1 Um zu zeigen, eine wie grosse und geradezu unort g
«) Vortrag zur Eröffnung seiner Klinik, gehalten am 3. No¬
vember 1896. _ .. a*„ ae r
2 ) Bornemann: Vorbildung des Arztes. Berlin.
1889, pag. 36.
8 ) Bornemann 1. c. p. 32. . , . ..hildunl
*) Gattstadt Prof. Dr. A.: Ueber die praktische Ausou
der Aerzte in den Kliniken. Berlin. Springer 1892.
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17. November 1896.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1135
liehe Arbeitslast die Ausstellung solcher Praktikantenscheine den
Dirigenten grösserer Kliniken auferlegcn würden, brauchen wir
nur die §§ 8—11 jener Vorschriften näher anzusehen.
§ 11 lautet: Die Praktikantenscheine sind mit den vorge¬
schriebenen Krankengeschichten und Attesten vor dem gesetz¬
lichen Schluss des Semesters nicht auszuhändigen —
hier sollen die gesperrt gedruckten Worte natürlich den Zweck
haben, den Praktikanten bis zum Schluss des Semesters zurück¬
zuhalten — aber wie dann, wenn derselbe ruhig lange vorher ab¬
reist und jene erst im Anfang des folgenden Semesters einfordert?
Und nun denke man sich die Qual eines Klinikers, in jedem
Semester 300 Krankengeschichten, resp. Atteste seiner 100 Prak¬
tikanten durchzulesen , also pro Tag etwa 3! und bezüglich des
Attcstes resp. des Gutachtens der Praktikanten darauf zu achten,
dass Form und Inhalt dieses Schriftstückes den Anforderungen
entspreche, welche an das Attest eines praktischen Arztes gestellt
werden (NB. bei den» Praktikanten im 6-—8. Semester); wenn
aber, wie in §9 Guttstadt vorschreibt, dass der zuständige
Director jede Krankengeschichte wie das Attest mit seiner Namens¬
unterschrift zu versehen hätte, also gar nicht einmal zu lesen brauchte
und nur ein Assistent sie zu controliren hätte, wozu sollen dieselben
dann nützen? Allerdings hat auch I)r. Arthur Hart man n 1894 in
seinem Werke: •< l)ic Ref o r m des medicinischen 11nterriehtes» verlangt,
dass den Praktikantenscheinen von jedem Semester je eine ausführliche
Krankengeschichte beigefügt sein müsse, über allerdings nur einen
von dem Praktikanten während des Semesters untersuchten und
während eines Verlaufes beobachteten Krankheitsfall. Diese Kranken¬
geschichte sei von dem klinischen Dirigenten zu unterzeichnen
(S. 8). Aber die Commission, welche über die Reform der ärzt¬
lichen Prüfungen zu berathen hatte und deren Beschlüsse von
dem Reichskanzler den einzelnen deutschen Regierungen unter dem
5. Mai 1896 zu weiteren Aeusscrungen unterbreitet wurden, hat
von den oben erwähnten Vorschlägen keinen aeceptirt, sondern
als einzigen Zusatz in den Praktikantenscheinen verlangt, dass der
Praktikant f lcissig an den verschiedenen Kliniken theilgenommen
habe. Ob dadurch irgend Etwas erzielt wird, das dürfte aber
auch mehr als fraglich erscheinen.
Wie Guttstadt, so hatte sich auch Ewald 5 ) bereits im
Jahre 1892 gegen den Vorschlag des praktischen Jahres ausge¬
sprochen, da nicht genug Stollen für die grosse Zahl der Aerztc
an deutschen Krankenhäusern zu schaffen seien, mithin jene Volon¬
tärärzte nur die Visite bei den Kranken mitmachen könnten und
weil auch das ethische Bedenken zu berücksichtigen sei, dass
Alle angenommen werden müssten, nicht aber nur die besten
ausgesucht werden könnten.
Referent 6 ) theilt die Einwände von Guttstadt und
Ewald durchaus nicht und glaubt in seinem Vortrage über die
Fortbildung des Arztes in seinem Berufe bereits 1876 und ferner
in seinem 1881 erschienenen Vorschlägen zur entsprechenden
Benützung grösserer Krankenhäuser, — welche ja Ewald auch in
grösserer Ausdehnung heranziehen will — die Möglichkeit der
staatlichen Forderung eines Annuurn practicum für die Mediciner
nachgewiesen zu haben. Er begrüsst daher diesen nun vom Reichs¬
kanzleramt acceptirtcn Vorschlag der Aerztetagc als wesentlichen
Fortschritt auf das wärmste. — Von den weiteren Vorschlägen
zur Verbesserung des ärztlichen Unterrichts —■ auf die von A.
Hartmann gemachten, kommen wir später noch zu sprechen —
dürften noch diejenigen von Dr. K u m s 7 ) zu erwähnen sein,
welcher für den Studirenden der Medicin eine höhere allgemeine
Bildung verlangt als bisher, und demselben eine gründlichere Be¬
schäftigung mit der Physiologie empfiehlt, die die Basis der
Hygiene und damit des nationalen Wohlbefindens sei. Auch
müsste die Geschichte der Medicin mehr als gewöhnlich cultivirt
werden. Endlich ist sein Rath sehr beherzigenswerth, die Studireu-
den der Medicin nicht zu sehr durch Beschäftigung mit Speciali-
täten zu zersplittern. Man solle als Lehrer das Gesaramtbild
des Kranken nicht gar zu sehr der wissenschaftlichen Betrachtung
ö ) Ewald: Berl. Klin. Wochenschrift 1892 No. 45.
®) Winckel: Ueber die Fortbildung etc. Hamburg. Natur¬
forscher-Versammlung 1876 und Berl. Klin. Wochenschrift 1876.
7 ) Rums Dr. A. aus Ann. et Bull. d. 1. soc. d’Anvers Refer.
in Deutsche med. Ztg. 1895, 8. 12.
No. 46.
des Specialleidens zum Opfer bringen, ehe der Studirende nicht
gelernt habe, don Kranken als Ganzes zu betrachten und demge¬
mäss zu behandeln. Hier sind gute Rathschläge und wichtige
Gesichtspunkte angegeben, aber das Punctum saliens — die Be¬
seitigung des mangelhaften technischen Könnens der jungen Medi¬
ciner ist mit keinem Worte gestreift.
Es ist gewiss sehr wichtig, den jungen Mediciner durch
Niederschreiben seiner Beobachtungen zu einer genauen Ausführung
derselben und zu einer intensiveren Berührung und Beschäftig¬
ung mit den Kranken zu bringen , allein noch viel wichtiger
dürfte die Aufgabe des Lehrers sein, sein Auge, seine Hand,
sein Urtlieil und seine Geschicklichkeit so viel als möglich aua-
zubilden. Ich befinde mich in dieser Beziehung in so völliger
Uebcreinstimmung mit den von dem praktischen Arzte, Herrn
Dr. Borne mann in Hohenmölsen, gemachten Beobachtungen,
dass ich es mir nicht versagen kann , eine Reihe der von ihm
auf gestellten Sätze hier kurz anzuführen. «Unser Beruf» , sagt
derselbe sehr richtig, «erfordert neben einem reichen und tiefen
Wissen, auch noch eine gründliche Ausbildung der Hand und
des Auges und hier gerade liegt der wundeste Punkt in unsern
ganzen ärztlichen Verhältnissen.» — «Geschicklichkeit ist nicht
angeboren , sondern muss erworben werden, und da unsere Uni¬
versitäten hierzu nur in sehr ungenügender Weise die Hand
bieten , so macht sich ein Mangel an dieser Eigenschaft unter
den Aerzten in äusserst störender Weise um so mehr geltend,
als die Tendenz in unserer Wissenschaft dahin geht, die medica-
mentöse Therapie immer mehr durch physikalische oder rein me¬
chanische Eingriffe zu ergänzen, oder ganz zu ersetzen.» Bor¬
noman n kam daher zu dem bereits erwähnten Vorschläge, für
die Klinicisten müssten Phantome aller Art beschafft werden und
auch das Leichenmaterial könnte noch bedeutend mehr ausgenützt
werden, als es gegenwärtig geschehe. (S. 34).
Wenn nun aber derselbe Autor die von ihm geforderte
Ausbildung der Geschicklichkeit des Mediciner» bloss darin erblickt,
dass man ihm einzelne besonders wichtige Handgriffe einübe;
wenn er sagt: so z. B. kommt es in der Chirurgie, theo¬
retische Kenntnisse immer vorausgesetzt, lediglich darauf an,
die Narkose und die Blutung zu beherrschen und in der Gynae-
k o 1 o g i e bestehe die Hauptschwierigkeit darin , bei der combi-
nirten Untersuchung das Gebärorgan und dessen Adnexa zwischen
Innde Hände zu bringen, wer diese überwunden habe, dem mache
es keine Mühe mehr, etwaige Vergrösserungen oder sonstige Er¬
krankungen klar zu erkeunen (S. 30) und die Technik einer
wirksamen Tarn ponad e dürfte ebensowenig einem Arzte abgehen,
wie eine Oürette seinem Instrumentarium; wenn er dann re-
sümirt: sicheres theoretisches Wissen, einige wohleinge¬
übte Kunsteingriffe und der Mut, dieselben geeigneten
Falles auch wirklich anzuwenden, das seien die Schlüssel
zur ganzen praktischen Medicin (S. 30), und wenn er
endlich glaubt, dass der Arzt auf diesem Wege den Specialisten
gegenüber einen viel leichteren Standpunkt haben würde und
deren Zahl und wähl scheinlich auch die der Kurpfuscher bald
bedeutend eingeschränkt werden würde (S. 43) — so wird gewiss
jeder Sachkundige erwidern , dass so einfach wie B. glaubt, die
Verhältnisse doch nicht liegen, dass die Ziele auch nicht so eng
gesteckt werden dürfen , dass die praktische Ausbildung der
jungen Mediciner auch bei vorhandenen guten theoretischen
Kenntnissen sehr schwierig, langwierig und keineswegs mit der
Einübung einzelner weniger Handgriffe erreicht ist; dass also
jene Hoffnungen denn doch gar zu sanguinisch und auf dem an¬
gegebenen Wege unerfüllbar sind.
Bei weitem wichtiger und sicher erfolgreicher wäre dagegen
die Ausführung eines bereits 1890 von Dr. Hartmann gemachten
Vorschlages. dass unter den Zeugnissen, welche der Candidat
behufs seiner Zulassung zur ärztlichen Approbationsprüfung bei¬
zubringen habe, auch ein Verzeichniss der von dem Candidaten
während seiner Studienzeit, sei es an klinischen Lehranstalten, sei
es an Krankenhäusern und Polikliniken, sei es unter der'Leitung
von approbirten Aerzten, ansgeführten chirurgischen (resp. gynäko¬
logischen, ophthalmiatrischen)Uj>erationen, sich finde. Sehr mit Recht
betont II., dass, während es besonders an den kleineren Kliniken
früher Sitte gewesen sei, einfache Operationen von Studirenden,
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MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHEN8CHRIFT.
die bereits Operationseurse durchgemacbt hatten, ausführen zu
lassen, diese Sitte zum Nachtheil der praktischen Ausbildung ganz
abhanden gekommen sei. Viele Lehrer der Chirurgie glaubten
gegenwärtig, dass ihre Lehrpflicht es erfordere, dass sie auch die
kleinsten Eingriffe, Abscesscröffnungen etc. selbst ausführten und
ihren Schülern nur den Anblick der Operationen aus der Ferne
gewährten. (S. 9.)
Pirogoff erwähnt in seinen Ihnen bekannten Denkwürdig¬
keiten eines alten Arztes als eines besonderen Vorzuges des Unter¬
richtes in deutschen chirurgischen Kliniken, dass den Praktikanten
die Ausführung der Operationen unter Assistenz des Lehrers selbst
gestattet war und mein seliger Vater hat während seiner Studien¬
zeit in der chirurgischen Klinik A. von Graefe’s viele selbst
grössere Operationen als Student ausgeführt. Diejenigen Prakti¬
kanten , welche sich hierbei besonders geschickt erwiesen hatten,
erhielten dann bei der Approbation den Titel Operateur, oder
sogar von Graefe besondere silberne Medaillen, auf deren Besitz
mein seliger Vater zeitlebens stolz war. — Unter den auf dem |
Aerztetage in Weimar 1891 bezüglich der Organisation des medi-
cinischen Unterrichtes gefassten Beschlüssen ertheilt nun auch
No. III den klinischen Lehrern den Bath, beim Unterricht «auf
praktische Ourse und poliklinische Thütigkcit,
ausser der Ausbildung in den klinischen Specialfäehern, grösseres
Gewicht zu legen.»
Dies ist in der That meines Erachtens der einzig richtige Weg,
und es fragt sich nun, wie dieser Forderung Genüge gethan werden
kann, ob und wie sie ausführbar ist. l)a ist zunächst zu erwägen, ob
die Wiedereinführung der alten Praxis, Studirenden in der Klinik
in Gegenwart des Lehrers die Vornahme von Operationen zu
gestatten, möglich und empfehlenswert!) ist, nachdem die Anwendung
strengster aseptischer Vorsichtsmaassregeln als Conditio sine qua non
viel Zeitaufwand, grosse Gewissenhaftigkeit und Vermeidung be
stimmter Beschäftigungen schon eine Zeit lang vor Ausführung
selbst kleinerer Operationen absolut nothwendig gemacht hat. —
Man kann, sagt Kraske mit Recht, es a priori nicht für gleicli-
giltig halten, ob ein Chirurg seine Operation nur in Gegenwart
des nöthigen, eigens zu diesem Zwecke vorbereiteten Hilfspersonales
ausführt, oder ob er sie verrichten muss in einem Baume gefüllt
mit Menschen, von denen der eine vielleicht eben an einem ana¬
tomischen Präparate gearbeitet, der andere unmittelbar vorher eine
Section gemacht oder sich mit baetcriologisehen Arbeiten beschäftigt
hat. Darf es unter solchen Umständen der Lehrer überhaupt
wagen, eine Operation zu machen, oder gar die Studirenden zur
Untersuchung einer Wunde oder zur Ausführung einer Operation
heranzuziehen V 8 )
Die hierin ausgesprochenen Bedenken bezüglich des Operations¬
raumes und der Studirenden, welche die Operation etwa aus¬
führen sollten , wird jeder Lehrer heutzutage theilen; aber es
gibt deren ausserdem noch viele, die gegen die Vornahme solcher
Operationen seitens Studirender in den gewöhnlichen klinischen
Stunden sprechen. In den kleineren Kliniken kennt der Dirigent
seine Praktikanten wohl genau genug, um zu wissen, welchem
er eine leichtere Operation zuwei.sen muss und welchem er eine
schwerere Zutrauen darf; in den grossen Kliniken ist das fast
unmöglich und ein Versuch würde bald zur Bevorzugung einzelner
Praktikanten und zur Unzufriedenheit der Andern führen. Ferner
würde eine Präparation des jugendlichen Operateurs erst in der
klinischen Stunde zu viel Zeit wegnehmen ; auch würden die
übrigen Studirenden wohl nur ausnahmsweise die Fehler er¬
kennen, welche der Opcrirende macht. Selbstverständlich müssten
die Assistenzärzte des Klinikers in dein klinischen llaum sein
und so würde es, des Platzes wegen , kaum möglich sein , noch
andern Studirenden Zutritt zu demselben zu gestatten. So käme
also die Ausführung der Operation und nur dieser immer nur
einem Studirenden zu Gute und Alles, was sonst noch bei der
selben gelernt werden kann, wie die Narkose, die Lagerung, die
Fixation, die locale Desinfection, die Anstellung und Vertheilung
der Assistenten und s. w., das würde nicht von den Studirenden,
sondern von angestellten Assistenzärzten besorgt. Diese Verricht¬
ungen sind aber, wie jeder Operateur weiss , ebensowichtig, als
8) Schmidt's Jabrb. Bd. 222, 8.99, 1889.
No. 4$
die OjR'ration selbst und gerade in ihnen sich einzuübcn, a®.
einer grösseren Auzahl von Studirenden möglich gemacht »etda
Die Hauptsache ist und bleibt aber, dass sehr viele, s. B. die Mehnaü
der gynäkologischen Operationen, auf derartig kleinem Terrain ausn
führen ist, dass mehr als */$ aller anwesenden Studierenden von
denselben absolut Nichts zu sehen vermöchte. Aus allen di®a
Erörterungen ergibt sich die Nothwendigkeit, einen derartigen
praktisch-operativen Unterricht nicht in der Klinik, sondert
usserhalb der klinischen Stunden und in besonderen
Bäumen zu geben. Es zwingt dazu nicht blos8 die Rücksicht
auf Ventilation, Beleuchtung, Asepsis, Allseitigkeit des Unterricht
und nicht bloss in der Messerführung, sondern auch die Rüth
sicht auf die angestellten Assistenten, die übrigen Studenten q d
ganz besonders auch auf die Kranken. Selbstverständlich bringt
auch nicht jeder Student jedem Fache das gleiche Interesse ent¬
gegen ; der eine würde die operative Opthaluiiatrik, der andere
die Chirurgie im engeren Sinne, der dritte die operative Geburt
hülfe und der vierte die operative Gynäkologie mehr bevorcnw
Was er aber in einem dieser Curse lernt — die Anwendung tkt
Narkose, die Assistenz, die Messerführung, die Blutstillung, den
Verband — das lernt er ja in allen andern auch, das kommt
ihm für jede spätere Operation zu gute. Das ist also für seine
gesammte ärztliche Ausbildung und nicht bloss für die als
eialist von grösster Bedeutung, so kann er die Geschicklichkeit
und Gewandtheit acquiriren, die ihm in seiner späteren Irans
die grössten Dienste thut. Wenn wir nun berücksichtigen. dass
ausserdem auch in der sogenannten inneren Medicin vielfach
Gelegenheit geboten ist, bestimmte Manipulationen und (Operationen
sich einzuübcn — z. B. die Behandlung der Magen- und Dam
krank beiten durch Einführung der Sehlundsonde, die Ausspülung des
Magens; ganz besonders aber die zahlreichen elektrotlierapentisch«
Methoden gegen Affectioneu der verschiedensten Organe; &
Application von blutersetzenden Flüssigkeiten unter die Haut udJ
in innere Organe — welche Methoden alle einer gewissen Hin
Übung bedürfen ; wenn wir hinzufügen, dass in der Laryngolotie
und Otiatrik auch solche Curse gegeben werden können—»
ergibt sieh daraus, dass auch an grösseren Universitäten und
bei mehr als 100 Klinicisten die Vertheilung derselben auf sokhe
Curse leicht möglich und dadurch die Präparation aller Studirenden
für ihre spätere Praxis eine viel bessere, eingehendere und nach
haltigere sein würde.
Was nun die Zahl der Thcilnchmer an einen
solchen Curs betrifft, so dürfte dieselbe 25—30 nicht über
schreiten, aber auch nicht wesentlich kleiner sein; nicht grosser
weil sonst der Einzelne zu wenig in diesen Cursen praktisch
beschäftigt wird, und nicht kleiner, weil sonst die nöthige allseitig
Assistenz und Präparation erschwert wird. Rechnen wir — Mtk
unsern Erfahrungen —, dass 10 Proc. immer fehlen und das;
15—20 stets im Curse sind, dann ist es möglich, innerhalb
zweier Stunden 3—5 Operationen auszuführen, wobei jedeW
5 neue Assistenten verwendet werden. So kanu jeder Thei!
nehmer in jeder Stunde beschäftigt werden, ohne
dass es nöthig ist, ein und dieselben bei jauchen
den Careinomen, bei übelriechenden Eiterungen
und bei plastischen Operationen resp. bei Koeli#-
tomien zu verwenden. Die Einzelnen ermüden dann *®d>
in der Assistenz nicht zu sehr, die Ausführung der Asepsis ist
exaoter und sicherer und während eine Operation stattfindet, deren
Dauer man ja annähernd genau zu bestimmen vermag, kann der
folgende Patient schon für die folgende Operation präparirt, .**■
lagert, desinficirt und narkotisirt werden, so dass dadurch ne;
Zeit gewonnen wird. Den Haupteinwand, den man diesem fhth
dass nicht unter 15 Theilnehmern solche Curse gegeben werden
sollten, machen wird, dass nämlich, je kleiner die Zahl, om
allseitiger auch die Ausbildung des Einzelnen sei — den
wir durch die Festhaltung des Hauptzweckes derselben n eDl
kräften, dass es nämlich nicht darauf ankommt, jeden Tbc
nehmer alle nur möglichen Operationen in solchen Cursen m&bt®
zu lassen, das würde selbst bei sehr grossem Material und gross®
Fleiss der Studirenden doch wohl ein Ding der Unmöglichkeit
sein. Es sollen eben durch diese Curse keinesw<5-
I Specialisten erzogen werden, sondern es soll d“ 1 ^
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17. November 1896
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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der Art des Cursus entsprechende möglichst grosse Zahl von
Studircnden in operativerGeschicklichkeit soweit ausgebildet werden,
dass sie dieselbe in ihrer späteren Privatpraxis in allen Sparten
der Medicin anzuwenden verstehen. Sie sollen mit dieser Aus¬
bildung zugleich eine für den Chirurgen sehr wichtige Eigenschaft
— den persönlichen Mutli — erlangen. «Muth» — sagt sehr
treffend Bornemann — «ist natürlich nicht mit Rohheit zu
verwechseln. Nur wer das fremde Leben ebenso achtet, wie das
eigene, wer, der NothWendigkeit gehorchend, nicht dem eigenen
Triebe, in den Köri>er eingreift, Grosses wagt, um Grösseres zu
gewinnen und Uebles thut, um Uebleres zu verhüten , nur der
besitzt die für einen Operateur unerlässlichen moralischen Qualifi-
cationen.» So aufgefasst werden diese Oj>erationscurse daher auch
nicht dazu dienen, jene operative Polypragmasie unserer Tage zu
befördern, sondern nur die allgemeine Leistungsfähigkeit der jungen
Acrzte erheblich steigern und sie mehr wie bisher stählen für den
nicht ausbleibenden Kampf um's Dasein.
«Opcrationscurse für Studirende an lebenden Kranken !>. ja
wird man da nicht den Vorwurf zu hören bekommen, das heisse
doch, die Viviseetion auf den Menschen zu übertragen, das sei
die Ausführung von Martern am Menschen, noch viel schlimmer
als an vernunftlosen Thieren, das seien zum wenigsten Versuche,
die, weil sie selbstverständlich nur an Armen und in Kliniken,
wo .Jene nicht gefragt würden , ausführbar seien , durchaus und
von vornherein verdammt werden müssten? — Nun, m. H., Sie
wissen bereits, dass die Nothwendigkeit solcher Curse ärztlicher¬
seits überall anerkannt worden ist, ja dass man sie geradezu
dringend verlangt hat! Und was die Kranken selber betrifft,
da frage ich Sie einfach, welcher Kranke ist besser daran, der¬
jenige, welcher in einem Privathausc von einem einzelnen Arzt,
der, wie das bisher sehr oft der Fall ist, noch nie ein Messer
an einem Lebenden zu einem Schnitt verwandt hat, der noch
niemals selbst Jemanden chloroformirt, noch nie bei einer schweren
Operation assistirt hat, nun unter mangelhafter Beleuchtung und
Lagerung, unter ihm unbekannter Assistenz, unter den bekannten
schwierigen Verhältnissen bezüglich der Asepsis in Privatwohnungen
u. s. w. u. s. w. trotz alledem operirt wird, ja — denken Hie nur
an einen eingekeilten irreponiblen Bruch bei einem Kranken auf dem
Lande — operirt werden muss! oder derjenige, welcher von einem
Studircnden unter den Augen und an der Jland des operations¬
geübten Lehrers, unter garantirtor Asepsis, sicherer Narkose,
allseitiger exaeter Assistenz, bester Beleuchtung so operirt wird,
dass jeder Fehler verhütet und bei besonderen Schwierigkeiten
die Oi*eration von der Hand des Lehrers selbst fortgesetzt wird?
Nehmen wir aber auch an — und unsere Erfahrungen
bestätigen diese Annahme — dass bei dem Ungeübten die Dauer
der Operation etwas länger — der Blutverlust etwas grösser
ist — kommen nicht die Erfahrungen, welche der junge Mediciner
so macht, nunmehr vielen der später von ihm zu Operirenden zu
Gute? Und was lehrt nun die Beobachtung in Kliniken? Unter
den mehr als 100 Kranken, die in solchen Cursen unter meinen
Augen operirt wurden, hat nur eine einzige Kranke protestirt und
erklärt, sie wolle nur von uiir operirt sein ; aber dieselbe hat sich
später bei erneut nothwondiger Operation freiwillig schriftlich bereit
erklärt, von jedem Anderen sich unter meiner Assistenz in der
Klinik operiren zu lassen. — Wir fragen ferner, wie steht es
denn mit der Operationsgewandtheit junger, soeben erst approbirter
Assistenzärzte? Müssen wir Kliniker, da wir doch nicht immer
Tag und Nacht iu der Klinik sein können, diesen nicht trotzdem
manche Operation überlassen, die sie noch nicht gemacht und die
keineswegs leicht ist, ja bei der sie öfter auch nicht einmal ihrer
Collegen Assistenz haben können? Sind die von ihnen Operirten
nun wohl besser daran, wie jene in dem Oi>erationsours vor¬
genommenen ? Ich glaube, das wird Niemand behaupten können.
Ich habe es selbst einmal erlebt, dass ein Assistent, dem ich ein
Messer reichte für eine Abscessincision, mir dasselbe zurückgab
mit den Worten: die habe er noch nie gemacht! Ein andermal
wurde ich in Dresden benachrichtigt, dass soeben eine Parturiens
auf dem Kreissesaal eingctrofFen sei, bei welcher bei tiefem Kopf¬
stand die Nabelschnur vorgefallen und die Herztöne verlangsamt
seien. Ich eilte auf den Saal, fand die Diagnose richtig und
beauftragte einen vor Kurzem eingetretenen Volontärarzt, sofort
die Zangenextraction zu machen. Das war noch zu der Zeit, wo
man sich nicht erst 5 Minuten lang desinficirte. Es war Winter
und nach Passage der kalten Gänge beim Eintritt in den warmen
Kreissesaal war meine Brille beschlagen. Die trocknete ich ab,
während jener approbirte Arzt bereit« den ersten Löffel einlegte —
als dies geschehen, war meine Brille wieder klar, ich sah zu wie
das Blatt lag und fand dasselbe — in den After ein geführt!
Das zu vermeiden, lernt man eben nicht bei Phantomübungen;
dieses Malheur mag schon manchem Praktiker passirt sein, aber
in der Literatur findet man davon nichts!
Sie sehen, meine Herren, dass bei jüngeren Assistenzärzten,
welche zuerst Operationen an Lebenden ausführen, der Kliniker
am Anfang womöglich immer zugegen sein sollte; aber sie erkennen
zugleich, dass durch die alleinige Ausbildung am Phantom solche
lebensgefährliche Missgriffe nicht vermieden werden können und
dass hier nur die vom Lehrer controlirten Opera¬
tionen an Lebenden Abhilfe zu schaffen im Stande sind.
Die Besorgnis«, dass der Studirende, welcher noch niemals
ein Messer bei der liebenden gebraucht habe, besonders bei Opera¬
tionen in den engen und zarten weiblichen Genitalien leicht schwer
oder' gar nicht zu heilende Nebenverletzungen bewirken könne,
wird durch die Möglichkeit verhütet, dass jener alle gynäkolo¬
gischen Operationen an dem vom Verfasser 1883 angegebenen
Phantom mit durch Sublimat aseptisch gemachten Sexualorganen
sich vorher einzuüben vermag. Diese PhantomÜbungen sind auch
von A. M ar ti li - Berlin , Th. Wy de r-Zürich, G. Leopold-
Dresden, II. Fehling-Halle, Men de z de L e o n - Amsterdam,
Th. P a r vi n - Philadelphia und Hoff mann-San Francisco in
ihren Unterricht eingeführt worden und solche Curse werden auch an
unserer Klinik in den Ferien ertheilt. Sie gewähren schon eine
nicht zu unterschätzende Hebung für die Operationen an der
lebenden Frau. Selbstverständlich aber können sic die letzteren,
namentlich wegen der Blutstillung nicht vollständig ersetzen. Es
fragt sieh aber nun, soll man für Zulassung zur Theilnahmc an
einem Operationscurs bei lebenden Kranken, die voran gegangene
Betheiligung an einem solchen Phantomeursc unbedingt fordern?
So wünschenswert!) dieselbe auch ist, so ist sie doch nach meinen
Erfahrungen keineswegs unerlässlich. Ich werde nachher
den Beweis zu liefern versuchen, dass man auch ohne solchen
vorgUngigeu Phantouicurs die Theilnahmc an Operationscursen
an der Lebenden gestatten kann, oder mit anderen Worten, dass
der Lehrer bei einiger Aufmerksamkeit, und vorheriger genauer
Beschreibung der Operation, wohl im Stande ist, den Operirenden
so zu leiten, dass er ohne Gefährdung der Kranken verfährt und
Ncbcnverlotzungen ernsterer Art bestimmt vermeidet. Allerdings
muss die Ueberwachung permanent, gleichmässig und unermüdlich
sein; die Thätigkcit des Lehrers ist daher sehr anstrengend.
Ich bin also der Ansicht, dass jene Phantom curse, in
welchen nachträglich alle noch nicht an der Lebenden
vorgenommenen Operationen eingeübt werden
können, in der Tliat mehr für die Ausbildung von
gynäkologischen Spccialisten, von eigentlichen
Operateuren hauptsächlich empfehlenswert!) sind.
Abgesehen davon, dass die glückliche Ausführung einer
Operation das Interesse des Schülers an dem Fache sehr steigert,
dass sie ihm eine freudige Erinnerung für sein ganzes Leben
bleibt, ihn hebt und fördert, bringt sie ihn auch dazu, den
weiteren Verlauf der Heilung bei solchen Kranken mit ganz anderer
Genauigkeit zu verfolgen, als wenn der Kliniker die Oi>