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Full text of "Die Cultur der Alpenpflanzen"

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ZA. KERNER. 


Innsbruck, 


Verlag der Wagner schen Universitäts - Buchhandlung. 


1864. 


Druck der Wagner'schen Buchdruckerei. 


Vorwort. 


Es war im Sommer des Jahres 1846, als ich auf 
einer Reise durch Steiermark zum ersten Male über die 
Grenze der hochstämmigen Bäume in die Heimat der 
Alpenpflanzen emporgelangte 

ile Weg, Meer aus dem Thale von Aflenz 
zur Höhe des .Hochschwab* hinaufführt, hatte damals 
meine im Bergsteigen noch wenig eingeübten jungen Beine 
gewaltig ermüdet, und ich glaubte auf. der halben Höhe 
des Berges, fast darauf verzichten zu müssen, die höchste 
Kuppe, welche hie und da mit ihren kleinen Schneefeldern 
zwischen den dunklen Fichtenästen durchblickte, erreichen 
zu können. Endlich aber war ich doch am oberen Wald- 
saume angelangt, und vor mir lag im hellen Sonnenschein 
eine üppige grasige Halde, an deren einem Rande. ein 
langer Streifen dunkler Legföhren sich emporzog. Auf 
der grünen Fläche wölbten sich unzählige, mit tausenden 
von kleinen rothen Blüten bedeckte polsterförmige Rasen 
der zierlichen Silene acaulis, und dazwischen hatten die 
goldige Potentilla aurea, die azurblaue Gentiana pumila - 
und der prachtvolle Dianthus alpinus ihre hellleuchtenden 
Kronen geöffnet. Längs dem Legföhrendickichte zog ein 
Saum von Alpenrosengebüschen hin, und einige Schritte 
weiter sah ich aus den Ritzen der schroffen Kalkmauern 
die reizende Potentilla Clusiana und das zottige Edelweiss 
herabwinken. — Alle Müdigkeit war jetzt verschwunden 


* 


IV 


und vergessen. Jeder Schritt brachte einen neuen Fund, 
und von jeder Felswand blickten neue nie gesehene Pflanzen- 
formen entgegen. . Als ich endlich die höchste Kuppe 
erreicht hatte und bald darauf durch den hereinbrechenden 
Abend gemahnt wurde, wieder den Rückweg anzutreten, 
nahm ich nur mit schwerem Herzen Abschied von der 
wunderbaren Pflanzenwelt. deren Anblick mich so sehr 
entzückt und bezaubert hatte. 

Wenige Tage später kam ich’ in den botanischen Garten 
zu Lilienfeld im niederösterreichischen Traisenthale. Wie 
erstaunte und erfreute ich mich da, auf netten kleinen 
Felsterassen einen grossen Theil jener Pflanzen im culti- 
virten Zustande wiederzufinden, welche mich auf der Höhe 
des obersteirischen „Hochschwab“ so wunderbar angezo- 
gen hatten. J. Gottwald ein Priester des Stiftes Lilienfeld 
und mit ihm der Arzt Dr. Lorenz hatten dort mit unsäg- 
licher Mühe und unverdrossenem Fleisse seit Jahren lebende 
Pflanzen aus allen Theilen der ósterreichischen Alpen zu- 
sammengebracht und es versucht, dem Besucher des Lilien- 
felder Gartens auf engem Fiihié ein móglichst anschau- 
liches Bild der Alpenflora zu verschaffen. 

ass der Anblick dieser Alpenpflanzenanlage in mir 
den Wunsch aufkeimen liess, eine ähnliche Anlage zu 


schaffen, brauche ich wohl kaum zu sagen. Ich wandte 


mich daher auch an Gottwald dem Schópfer des Lilienfelder 
Alpengartens , um von ihm Andeutungen über die Cultur 
der Alpinen zu erhalten. Seine Aufschlüsse waren aber 
leider nicht sehr ermuthigend.. „Die erste Zeit des An- 
pflanzens versprechen die meisten Alpinen viel, das nächste 


Jahr treiben sie im ersten Frühling hoffnungsvoll an, im 


Sommer aber schlafen die meisten ein, um nicht mehr zu 
erwachen“, war der traurig klingende Schlusssatz der 
Mittheilungen , welche er in einem an mich gerichteten 
Briefe vor Jahren niederschrieb. — Das waren nun frei- 
lich traurige Aussichten. Demungeachtet aber liess ich 
mich nicht abschrecken, die Cultur der Alpinen in Angriff 


y 


zu nehmen. Jeder Sommer fand mich und meinen Bruder 
in den Alpen, um von dort lebende Pflanzen in den heimat- 
lichen Garten zu bringen, und schon in wenigen Jahren 
hatten wir die Freude, dort mehrere der niedlichsten 
kleinen Alpenpflanzen zur schönsten Blüte kommen zu 


sehen. Freilich mussten wir nur zu oft auch die Wahrheit 


des Ausspruches erfahren, welchen Gottwald gethan hatte; 
aber gerade die Schwierigkeit manche Alpinen zu erhalten, 
drängte zu Studien und Versuchen, und so gelang es nach 
und nach dennoch einige Mittel ausfindig zu machen, mit 
deren Hülfe den Pflanzen zum guten Gedeihen verholfen 
werden konnte. 

Als ich später die Heimat verliess und nach Ungarn 
übersiedelte, nahm ich einen Theil der mir lieb gewor- 
enen Alpinen nach Ofen mit und zog sie dort nicht ohne 
Glück in Töpfen am Fenster. Ich lernte bei dieser Ge- 
legenheit den nachtheiligen Einfluss kennen und bekämpfen, 
welchen ein trockenes continentales Klima auf die Alpinen 
ausübt, und danke meiner kleinen Fensterflora aus jener 
Zeit manche wichtige Erkenntniss der Lebensbedingungen 
der alpinen Pflanzenwelt 

Vor einigen Jahren führte mich nun ein glückliches 
Geschick in das Herz der Alpen, in die Berge des Tiroler- 
landes. Ich übernahm die Leitung des botanischen Gartens 
der Innsbrucker Universität und fand in dem botanischen 
Gärtner Zimmeter einen Mann, der ganz mit derselben 
Lust und Freude sich dem Studium der Alpenpflanzen 
widmete, welche mich selbst von Jügend auf beseelt hatte. 
Auch er hatte sich seit Jahren mit der Cultur der Alpinen 
bescháftiget und war daher schnell zur Hand, als ich ihm 
den Plan entwickelte, eine umfangreiche Anlage zur Pflege 
der tirolischen Alpenflora aufzubauen. Viele Tausende 
von Alpinen mussten jetzt in unsere Botanisirbüchsen und 
Körbe wandern und mit uns von den hohen Zinnen der 
Berge niedersteigen in das breite Innthal, um dert die 
Anlage des botanischen Gartens zu schmücken. — Die 


- 


VI 


Erfahrungen, welche ich und Zimmeter in früheren Jahren 
gewonnen hatten, wurden ausgetauscht, neue zahlreiche 
Culturversuche, die sich auf unbefangene Beobachtungen 
des Vorkommens der Pflanzen in der freien Natur stützten, 
durchgeführt und so nach und nach eine ziemlich reich- 
haltige Reihe von Regeln festgestellt, welche man bei 
der Cultur der Alpinen zu beobachten hat, wenn diese 
von einem günstigen Erfolge gekrönt sein soll. 

Diese Erfahrungen und Regeln- nun einem grösseren 


Publicum zugänglich zu machen, ist die Aufgabe der 


nachfolgenden Arbeit. 

Möchte sie die Veranlassung sein, dass der Cultur der 
Alpenpflanzen zu Nutz und Frommen der Wissenschaft 
zahlreiche neue Freunde gewonnen werden. 


Innsbruck im Februar 1864. 


Kerner. 


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Uebersicht. 


Erstes Capitel. 


Zweck und Bedeutung der Cultur der Alpenpflanzen. 


Wichtigkeit der Cultur der Alpenpflanzen für die Morpho- 
logie, Systematik und Geschichte der Pllanzenwelt. 
Bedeutung derselben für phänologische, Planzengeogre 
phische ‘und pflanzenphysiognomische Stud Die 
Alpenpflanzen als Object der ee en 


Zweites Capitel. 
Auswahl der zu eultivirenden Pflanzen. 
Schwierigkeiten einer consequenten en m Alpen- 
en. — Versuch einer Definition. — wahl der 
zu cultivirenden Alpinen je nach den dee Mo- 
tiven, durch welche die Cultur veranlasst wird 


Drittes Capitel. 
Lebensbedingungen der Alpenpflanzen in der 
alpinen Region. 

Climatische und phünologische Verhältnisse der Alpenregion. 
— Ausmass und Vertheilung der Wärme, — Einfluss des 
Lichtes auf die Form und auf die Ver biian der Alpen- 
pflanzen. — Luftdruck. — Kleinbleiben der Alpenpflan- 


Seite 


- VII 


— Resultat der Untersuchungen über. die Lebens- 
bedingungen der Alpenpflanzen in der alpinen Region . 


Viertes Capitel. 
Lebensbedingungen der Alpenpflanzen in. 
niederen Gegenden. 


Parallele zwischen der Alpenwelt und den polaren Gegenden. 
— Auffallendes Vorkommen der Alpenpflanzen an ein- 
zelnen Localitäten in niederen Gegenden und zwar: an 
Rinnsalen kalter Quellen, an See- und Flussufern, in 
tief eingeschnittenen felsigen Schluchten und engen To- 
beln, in Torfmooren, im Geröll und Kies der Flüsse. — 
Ex ced dieses tiefen Vorkommens der Alpenpflanzen. 

Hoffnungen und Regeln, die sich hieraus in Betreff 

dë ae der Alpine in niederen Gegenden ergeben . 


Fünftes Capitel. 


Lage und Form der Alpenpflanzenanlage. 


des des Ortes, an welchem die Alpenpflanzen- 


age errichtet werden soll. — Cultur der Alpenpflanzen 

Paper am Fenster in Sandkästen. — Cultur in 
Pe. Beeten. — Cultur in Gruben mit terassenförmig 
aufgestuften a — Cultur auf Steinhügeln 


Sechstes Capitel. 
Boden. 


ern, der pneri zu der Menge des anorgani- 
en Materiales. — Chemische Verhältnisse des Bodens 
ewinnung god incer uci zur Cultur der Alpinen 
nöthigen Erdarten. — Tabelle zur BEER der Bo- 
denbedürfnisse der Alpenpflanzen . . s 


Siebentes Capitel. 


Bewásserung. 


Begiessen und Bespritzen. — Bewässerung der am Fenster 
cultivirten Alpinen. Bewässerung der in Gruben culti- 


or 


Seite 


u virten Alpinen. — Anwendung von Regenwasser. — 
Apparat zur Entfernung des Kalkes aus hartem Quell- 
und Brunnenwasser . . insi. 2 aea e a 


Achtes Capitel. 
Vertheilung der Alpenpfianzen auf der An age. 


Systematische Gruppin lung. — V LM der Alpinen mit 

Rü cksicht auf die Bodenbedürfni — Auswahl be- 

stimmter Plätze für die Pflanzen En Schutthalde en, für 

Meg Pflanzen der Felsen, für die alpinen Leguminosen, 

Umbelliferen und Gentianen, für die alpinen Sumpf- und 

e E an für die Pflanzen subalpiner moosiger 

Wälder, alpinen Rhinantaceen und Orchideen. — 

29 E ou der Alpinen nach poer 
und pflanzenphysiognomischen Grundsátze s er IU 


Neuntes Capitel. 
Vermehrung der Alpenpfianzen. 


a der Alpinen durch Samen. — Methoden von 
Moe zur Anzucht der Ericineen, Vaccineen, Filices, e 
4 UE, Orchideen und Pyrolaceen aus Samen 
55 Vermehrung der alpinen Weiden und anderer alpinen 
Sträucher durch Stecklinge. — Behandlung der Steck- 
n 


ei en. os ee 


Zehntes Capitel. 


Behandlung der Alpenpflanzen bei Excursionen 
im Hochgebirge, beim Transporte in niedere 
75 Gegenden und bei der Einpflanzung im Garten. ` 


Die beste Zeit zur Einsammlung lebender Pflanzen im Hoch- 
gebirge und zur Versendung der in Gärten cultivirten 
Alpinen. — Auswahl der Alpenpflanzen bei den Excur- 
sionen. — Die mit sammt dem Erdballen auszuhebenden 
und zu verschickenden Alpinen . s s > 42 


Eilftes Capitel. 
Behandlung der Alpinen auf der Anlage im 
aufe des Jahres. 


Winter. —  Bedeckung der Alpinen. — Schneewälle. — 
Frühling. — Umpflanzungen. — Revision der Arten. — 
mer üsser | 


Nachfüllen der Erde. Umpflanzung WM 
Exemplare. — Käinhalling der Anlage. — inde der 
Alpenpflanzen. — Herbst 


— — gg —— 


Seite 


149 


— 


149 


Die 
v 


Cultur der Alpenpflanzen. 


Erstes Capitel 


Zweck und Bedeutung der Cultur von 
penpflanzen. 


Die Motive, welche die Cultur von Alpenpflanzen ver- 
anlassen können, sind sehr mannigfaltiger Art. Bei vielen 
Freunden der ne dürfte der Wunsch, sich an dem 
Anblicke der Pflanzenformen des ee zu erfreuen 
und zu erquicken, das Entstehen einer Alpenanlage im 
Gefolge haben. Wie mancher „botanische Invalide* möchte 
sich in seinen alten Tagen, in welchen ihm die Beine den 
Dienst versagen, und ihm nicht mehr gestatten, an Ort 
und Stelle die Vegetationsdecke der hochgelegenen Berg- 
rücken zu schauen, in seinem Garten oder vor seinen 
Fenstern einen niedlichen Alpenflor hervorzaubern. Der 
Anblick der aus den kalten Regionen stammenden Pygmäen 
mahnt ihn vielleicht an längst vergangene Zeiten, in welchen 
er zu den Kümmen und Spitzen der Alpen emporkletterte, 
um dort die fremdartige Pflanzendecke zu schauen und den 
Blick hinausschweifen zu lassen in die weite Welt der blau 
und weiss schimmernden Eisberge. Auf den Flügeln der 
Erinnerung getragen, sieht er sich vielleicht auch auf die 
grünen Berghalden und an den Rand der Schneefelder 
versetzt, an welchen er einst die violetten Glóckchen der 
zierlichen Soldanella pflückte, und wo er aus den Ritzen 
schroffer Felswánde sich die aromatisch duftenden, silber- 
haarigen Rautenstócke herabholte, die ihm nal ferne von 

Kerner, Alpenpflanzen. 


2 


dem ursprünglichen Boden in seinem Garten willig die 
Blüten entfalten. 

Der Botaniker von Fach dagegen vermag an den culti- 
virien Alpinen, welche er an dem natürlichen Standorte 
nur flüchtig zu beobachten in die Lage kommt, und die 
er dort oben häufig nur in einer Phase der Entwicklung 
erhascht, alle Stufen des jährlichen Lebenseyklus, vom 
Keimen und Knospen bis zum Blätterfallen und Frucht- 
reifen zu verfolgen. Er vermag mit ihnen Versuche in 
Betreff der Umwandlung der Formverhältnisse anzustellen, 
und wird nur zu bald finden, welch reiches Feld sich ihm 
in dieser Richtung noch erschliesst. Ich darf hier nur 
an die Versuche und Beobachtungen Regels erinnern, 
unter dessen Händen sich Möhringia polygonoides in Móh- 
ringia muscosa, Plantago alpina in Plantago montana, und 
Sagina saxatilis in Sagina procumbens umwandelten, oder 
an die Beobachtung Rochels, in dessen Garten zu Rownye 
sich aus dem Juniperus nana allmälich Juniperus com- 
munis entwickelte. Füge ich diesen Notizen noch bei, 
dass ich in den letzten Jahren im Innsbrucker botanischen 
Garten Artemisia nana in Artemisia campestris, Aster al- 
pinus in Aster Amellus, Senecio incanus in Senecio carnio- 
licus, Potentilla micrantha in Potentilla Fragariastrum und 
Potentilla frigida in Potentilla grandiflora sich umwandeln 
sah, so ist damit wohl genügend die Bedeutung von Cultur- 
versuchen mit Alpenpflanzen dargethan. Wir werden durch 
dieselben schliesslich eine sehr bedeutende Zahl jener Ge- 
wächse, die gegenwärtig unsere Ebenen bevölkern, zu den 
Pflanzen der benachbarten Hochgebirge in nähere Bezie- 
hungen bringen können und wichtige Beiträge für die 
Geschichte unserer modernen Pflanzenwelt zu liefern im 
Stande sein. | 

Neben dieser Perspektive auf Resultate für die Mor- 
phologie, Systematik und Geschichte der Pflanzen- 
welt eröffnet sich aber durch die Cultur der Alpinen auch 
noch ein weiterer Ausblick auf reiche Ausbeute für phä- 


Y 


tandon, 


3 
nologische Studien. Bei der Vergleichung verschie- 
dener Localitäten, an welchen phänolögische Beobach- 
tungen ausgeführt werden, war es bisher immer eine 
höchst missliche Sache, dass nur wenige Pflanzenarten 
auch gleichzeitig an allen Stationen beobachtet werden 
konnten. Der Flachländer hatte ganz andere Gewächse 
als Beobachtungsobjekt vor sich, als der Bewohner hoch- 
gelegener Berglandschaften, und ihre beiderseitigen Auf- 
zeichnungen boten nur wenige Vergleichungspunkte dar. 
In den meisten botanischen Gärten spielte zudem bis in 
die letzte Zeit die Cultur von ‘Alpinen eine sehr unter- 
geordnete Rolle, und so war daher die Phänologie bisher 
nicht im Stande, die Verspütung der Vegetationsent- 
wieklung mit zunehmender Seehóhe zu ermitteln und durch 
Zahlen bestimmter auszudrücken. Eine sorgfültige Auf- 
zeichnung der Entwicklungsphasen der Pflanzen eines Alpen- 
gartens dürfte nun diesem Uebelstande- einigermassen Ab- 
hilfe schaffen. Es wird jetzt eine wichtige Aufgabe für 
Besucher von Bergspitzen werden, in genau gemessenen 
Hóhen den Stand der Vegetationsentwicklung zu notiren 
und diese Notizen mit den Aufschreibungen zu vergleichen, 
welche aus dem Alpengarten in der Ebene herstammen. 
Es wird sich weiterhin durch die phänotogischen Beob- 
achtungen an den Pflanzen des Alpengartens und die gleich- 
zeitige Beobachtung eines dort angebrachten Thermometers, 
die Wärmesumme ermitteln lassen, welche jede Alpen- 
pflanze von dem Erwachen der Vegetätionsthätigkeit bis 
zum Reifen ihrer Samen bedarf, und endlich wird es 
móglich sein, hieraus einen, wenn auch nur annähernden, 
aber dennoch höchst wichtigen Rückschluss auf die Wärme- 
mengen zu machen, welche den Pflanzen in verschiedenen 
Seehöhen zu Gute kommen. 

Eine hochwichtige Bedeutung besitzt die Cultur von 
Alpenpflanzen auch für die Pflanzengeographie und 
namentlich für die praktische Darstellung pflanzengeogra- 
phischer Verhältnisse in botanischen Gärten. Auf engem 

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4 


Raum lässt sich nämlich mit geringen Mitteln in jedem 
Garten der Wechsel der Pflanzendecke in den verschie- 
denen Höhenregionen darstellen und damit gleichzeitig 
ein Abbild des analogen Wechsels in den verschiedenen 
Zonen unserer Erdveste, von den heissen Länderstrichen 
der Tropen bis hinauf zum eisstarrenden Norden, im Kleinen 
entwickeln. Wenn man gerade aus dem feuchtwarmen 
Raume eines Gewüchshauses getreten ist, in welchem das 
Auge an der üppigen Fülle der tropischen Vegetation sich 
ergötzt, und die colossalen Dimensionen der schón- 
geschwungenen Palmenkronen bewundert hat, und nun etwa 
zwischen Büumen und Gebüschgruppen, die sich über einen 
grünen Wiesenteppich emporwölben, zu Felsengruppen 
hinwandert, auf welchen die Pygmäengeschlechter der 

pen und des hohen Nordens durch die bezeichnendsten 
Formen vertreten sind, so hat man mit Hülfe weniger 
Schritte die ausgeprágtesten Bilder, in welche sich die 
Pflanzendecke unseres Erdballs abstuft, vorüberziehen ge- 
sehen. Man baut mit unsüglichen Kosten Palmenhäuser, 
um dem Publikum den Anblick eines Pflanzenlebens zu 
verschaffen, das sich unter dem Strahle der tropischen 
Sonne entwickelt, warum nicht auch Anlagen, auf welchen 
die Besucher die charakteristischen Gewächse des hohen 
Nordens und der hohen Alpen zu beschauen Gelegenheit 
haben. Mich will doch bedünken, dass der Anblick jener 
leizten Ausklänge des pflanzlichen Lebens, der Anblick 
jener verzwergien zolllangen Gräser und Weiden, Gen- 
tianen und Primeln, die mit einer an's Unglaubliche gren- 
zenden Zähigkeit in den eisstarrenden Regionen ihr Leben 
fristen und dort in wenigen Wochen ihren jährlichen 
Lebenscyklus abschliessen, nicht weniger anziehend, an- 
regend und belehrend sei, als das Bild culminirender Kraft- 
fülle und strotzender Ueppigkeit, welches uns in den 
riesenhaften Blättern tropischer Palmen, Aroideen und See- 
rosen enigegentritt. Ja, gerade in der Darstellung des 
Contrastes, welcher aus dem Anblick dieser beiden Ex- 


tion Sich 
Schön 
nun etw 
ber einen 


5 


treme organischer Entfaltung entspringt, liegt, wie mir 
scheint, eine wichtige Aufgabe aller jener Gärten. welche 
der Belehrung des Publikums gewidmet sein sollen, und es 
kann darum die Anlage und Anzucht einer Alpenflora allen 
derartigen Gärten nicht warm genng anempfohlen werden. 

Es versteht sich von selbst, dass sich an diejenigen 
Pflanzenzüchter, welche bloss aus ästhetischen Rücksichten 
oder aus Liebhaberei Alpinen cultiviren, und an jene, 
welche bei ihren Culturversuchen von wissenschaftlichen 
Motiven geleitet werden, auch noch die Handelsgärtner 
anreihen, die sich die Aufgabe stellen, dem einen oder 
andern der eben früher Genannten das Materiale zu liefern 
und für welche die Cultur von Alpenpflanzen eine einträg- 
liche Quelle des Erwerbes werden kann. 


Zweites Gapitel. 


Auswahl der zu eultivirenden Pflanzen. 


In einem Buche, welches die Cultur der Alpenpflanzen 
behandelt, sollte wohl auch die Frage erörtert werden, 
welche Gewächse man eigentlich unter dem Namen „Alpen- 
flanzen“ zu verstehen hat und für welche Arten daher 
das weiterhin zu entwickelnde Culturverfahren seine be- 
sondere Geltung finden soll. Die Antwort anf diese Frage 
ist aber, so. sonderbar diess auch für den ersten Augen- 
blick klingen mag, nichts weniger als leicht zu lösen. 
Der die Alpen besuchende Tourist denkt wohl bei dem 
Namen „Alpenpflanzen“ zunächst an Alpenrosen und Edel- 
weiss, an Speik und Raute, und hat auch vollkommen 
recht, wenn er diese populärsten aller Alpengewächse mit 
obigem Namen bezeichnet. Mancher Freund der Pflanzen- 
welt verbindet wieder mit dem Namen Alpenpflanzen die Vor- 
stellung von kleinen niedlichen Gewächsen mit kurzen Sten- 
geln und grossen, lebhaft gefärbten Blumen, und erinnert 


f 


sich an die brennendrothen kleinen Nelken und azurblauen 
Gentianen, an die goldenen und purpurnen Primeln und 
zierlichen Steinbreche, welche er auf den grasigen Halden 
und schroffen Felsklippen des Hochgebirges zu bewundern 
Gelegenheit hatte, und die allerdings zu dem eigenthüm- 
lichen Bilde der Hochalpen höchst wesentlich beitragen. 
Es wäre aber jedenfalls theilweise irrig und fehlerhaft, 
nur diese genannten Pflanzenformen, die dem Besucher der 
alpinen Region vor allem andern in die Augen springen 
und in ihm einen so unvergesslichen Eindruck hinter- 
lassen, als Alpenpflanzen aufzufassen; denn neben diesen 
kleinen zierlichen Pflänzehen trifft man in der Alpenregion 
an hochgelegenen Punkten auch zahlreiche urwüchsige 
Pflanzen an, welche sich weder durch Kleinheit, noch durch 
lebhaft gefärbte grosse Blumen auszeichnen, und daher der 
geläufigen Vorstellung von Alpenpflanzen nicht immer ent- 
sprechen. Ueppige Stauden und hohe Gräser mit unschein- 
baren Blüten, die in ihrer äusseren Erscheinung oft manchen 
Pflanzen des ebenen Landes täuschend ähnlich sehen, ragen 
dort in den feuchten Runsen und schattigen Schluchten, 
oder zwischen dem dichten Strauchwerk der Buschweiden 
und Legföhren empor und bilden namentlich im Schiefer- 
gebirge einen eben so bedeutenden Bestandtheil der alpinen 
Flora, wie die früher erwähnten niederen Gentianen, Pri- 
meln und Steinbreche. Viele derselben haben dort oben 
recht eigentlich ihr ursprüngliches unveräusserliches Hei- 
malsrecht und sind Alpenpflanzen in des Wortes vollster 
Bedeutung. 

Wenn wir demnach die Grösse und äussere Tracht nicht 
immer als massgebend bei der Feststellung des Begriffes 
„Alpenpflanzen“ ansehen dürfen, so müssen wir uns wohl 
um einen anderen Massstab bei der Erörterung dieser 
Frage umsehen, und es scheint am nächsten liegend, von 
der Verbreitung der Pflanzen auszugehen und alle jene 
Gewächse als Alpinen zu bezeichnen, welche unter der 
Grenze der alpinen Region, oder was dasselbe sagen will, 


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unschein- 
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Schiefer- 
er alpina 


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dort obe 
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Begrillé 


7 


unter der oberen Grenze des Baumwuchses nicht weiter 
nach Abwärts angetroffen werden. Wer aber auch nur ein- 
mal Hochgebirgsgegenden botanisch durchforscht hat, wird 
die Ueberzeugung gewonnen haben, dass unter gewissen 
localen Einflüssen die Bewohner der höchsten Alpengipfel 
bald in einzelnen Exemplaren, bald in grósseren Colonien 
in die Region des hochstámmigen Fichten- und Buchenwaldes 
sich verbreiten und sich dort oft dauernd ansiedeln und 
erhalten. Ja, er wird sich vielleicht erinnern, nicht selten 
in dem präalpinen Vorlande auf ebenem Boden, weit ent- 
fernt vom eigentlichen Hochgebirge, im Kies der Flüsse, 
an feuchten Uferfelsen und in der Mitte von Torfmooren 
Pflanzen angetroffen zu haben, die in der Flora der al- 
pinen Region als hóchst wegenkirche und charakteristische 
Elemente auftreten, und denen man den Namen „Alpen- 
pflanzen“ darum kaum würde abstreiten können, weil sie 
von den Jöchern des Hochgebirges stellenweise in das 
Tieflandsgebiet hinabgewandert sind. Eine scharfe Grenze 
ist hier um so” schwieriger zu ziehen, als ja in letzter 
Linie ein sehr bedeutender Theil der Flora unserer Hügel- 
landschaften und Tiefländer von den hydrographisch damit 
verbundenen Hochgebirgen herstammt, und viele Pflanzen, 
die jetzt zu den verbreiteisten Arten der Flachlandsflora 
gehören, ursprünglich von den höheren Bergen ausgegangen 
sind. Wollten wir alle jene in der alpinen Region ur- 
wüchsig einheimischen vobis welche stellenweise auch 
unter die obere Baumgrenze herabgestiegen sind, aus- 
schliessen, so würde uns endlich nur noch ein ganz kleines 
Häufchen von Gewächsen übrig bleiben, und wir müssten 
schliesslich sogar Pflanzen wie das Edelweiss, das in den 
óstlichen Karpaten in der Buchenregion vorkommt, oder die 
Ichemilla alpina und Oxyria digyna, welche in England in 
der Hügelregion verbreitet sind, aus der Reihe der Alpen- 
pflanzen ausstreichen. 
Es dürfte nach allen dem am Besten sein, alle jene 
durch eigenthümliche gemeinsame Lebens- 


nn 


8 


bedingungen verbundenen Gewächse als Alpen- 
pflanzen zu bezeichnen, welche ganz vorzüg- 
lich über der Grenze der hochstämmmigen 
Bäume ursprünglich. verbreitet sind und sich 


dort oben fort und fort ohne Einfluss und Zu- 


thun des Menschen in gleicher Form erhalten, 
vermehren und ersetzen, ganz gleichgültig, 
ob dieselben unter gewissen localen Bedingun- 
gen auch unter die Grenze der alpinen Region 
herabsteigen oder nicht. * 

Wir verkennen durchaus nicht die Inconsequenzen, 
welche auch diese Definition in ihrem Schoosse birgt, 
glauben uns aber immerhin mit derselben begnügen zu 
dürfen, da sie für den Zweck dieser Schrift jedenfalls als 
zureichend betrachtet werden kann. — Schliesslich bleibt es 
ja doch jedem Züchter von Alpenpflanzen überlassen, sich 
aus der grossen Summe von Gewächsen, welche die obige 
Definition umschliesst, dasjenige auszuwählen, was ihm ge- 
rade zusagt, und jeder wird, entsprechend den Motiven, 
welche ihn bei der Anlage eines Alpengartens leiten, seine 
eigene Wahl zu treffen in der Lage sein. Der Freund der 
Pflanzenwelt, welcher bei der Anlage seines Alpengartens 
einzig und allein durch das ästhetische Interesse geleitet 
wird, dürfte sich vorzüglich Gewächse mit grossen und 
lebhaft gefärbten schönen Blüten oder winzige Formen, 
die sich in die Steinritzen und Felsklüfte hineinschmiegen, 
auswählen ; er dürfte insbesondere auch jene Alpinen wäh- 
len, welche in der Poésie des Aelplers eine grosse Rolle 
spielen und deren Name im Munde aller die Alpen be- 
suchenden modernen Touristen so weit wiederhallt, als 
die blauen Berge ihre Arme ausstrecken., Er wird sich 
wohl auch nicht scheuen, stellenweise neben den Pflanzen 
des Hochgebirges manche Pflünzchen tieferer Regionen 
hinzupflanzen, wenn sie ihm dort leicht gedeihen und in 
den harmonischen Eindruck seiner kleinen Pflanzenwelt 
keinen Misston hineinbringen. So wird es seiner Alpen- 


9 


anlage gar nicht schlecht anstehen, wenn er die untersten 
Absätze des ganzen Felsenbaues mit Linaria Cymbalaria, 
Saponaria ocymoides, Gypsophila repens, Teucrium mon- 
tanum und Selaginella helvetica überkleidet, die doch nichts 
weniger als den Namen von Alpenpflanzen verdienen. 
r wird die Nischen und Lücken seines Alpengartens etwa 
mit dem duftenden Cyclamen europaeum und mit der zier- 
lichen Linnaea borealis und Trientalis europaea schmücken, 
oder hie und da die reizende Atragene alpina herum- 
schlingen, obschon diese alle die obere Grenze des Fichten- 
waldes nicht übersteigen und daher gleichfalls weit ent- 
fernt sind, auf den Namen „Alpenpflanzen“ Anspruch 
machen zu können. — Umgekehrt wird der Botaniker, 
welcher in der Anlage die Vegetationsstufen verschiedener 
Höhenregionen zur Anschauung bringen will, auf die 
möglichst genaue Einhaltung der durch pflanzengeogra- 
phische Forschungen festgestellten Sätze über die Verbrei- 
tung der Gewächse Rücksicht zu nehmen haben. Er wird 
sich über manche ästhetische Bedenken hinaussetzen müssen, 
und insbesondere solche Pflanzen cultiviren, welche durch 
ihr massenhaftes Auftreten für die einzelnen Regionen be- 
sonders charakteristisch sind, wenn sie auch nicht immer 
durch zierliche Formen und lebhaft "gefärbte Blüten sich 
auszeichnen. Im Interesse des Phänologen und Syste- 
matikers wird es liegen, möglichst viele Arten in gedeih- 
licher Entwicklung verfolgen zu können, und der Handels- 
gärtner endlich wird sich selbstverstándlich nach den 
Wünschen des zahlenden Publikums richten und vor Allem 
jene Alpinen in Cultur nehmen, welche er mit dem grössten 
Vortheile auf den Markt zu bringen im Stande ist. 

Es wird die Aufgabe späterer Capitel sein, in dieser 
Beziehung noch so manche Winke zu geben, und so den 
verschiedenen hier angedeuteten Interessen so viel als 
möglich Rechnung zu tragen. 


inınnnnnnn 


Drittes Capitel 


Lebensbedingungen der Alpenpflanzen in der 
alpinen Region. 


Die erste Grundlage eines jeden Culturverfahrens ist 
die möglichst genaue Kenntniss der Lebensbedingungen, 
unter welchen die zu cultivirenden Gewächse in der freien 
Natur vorkommmen. Ohne diese Kenntniss tappt jeder 
Pflanzenzüchter im Dunklen herum und wird nur selten 
ein erfolgreiches Resultat zu erzielen im Stande sein. 
Wenn es ihm überhaupt gelingt, einen Erfolg zu gewinnen, 
so ist dieser einzig und allein dem Zufall zuzuschreiben, 
und somit einer Macht zu verdanken, der man sich schliess- 
lich doch nicht immer gerne anvertraut. 

ei der grossen Mehrzahl unserer Pflanzenzüchter war 
leider diese Macht bisher sehr massgebend. Ein charakte- 
ristisches Zeichen der jüngst vergangenen Perioden war 
es, dass einerseits die Gärtner es verschmähten, sich um 
die Resultate der wissenschaftlichen Forschungen zu be- 
kümmern, und anderseits die Herren, »welche sich auf 
dem gelehrten Kothurn bewegten, und die sich gar zu 
gerne die Männer der Wissenschaft nennen hörten, es 
unter ihrer Würde fanden, die Ergebnisse theoretischer 
Forschung in das Leben einzuführen. 

Wir sind in eine Zeit getreten, deren Schlagwort die 
Anwenduug der Wissenschaft auf das praktische Leben 
geworden ist und in welcher durch das gemeinsame Zu- 
sammenwirken von Theorie und Praxis ein Umschwung 
in allen bestandenen und bestehenden Verhältnissen theils 
angebahnt, theils schon zur Wahrheit geworden ist: Auch 
die glänzenden Erfolge, welche die Gartenkunst einerseits 
und die Botanik anderseits in der letzten Zeit gewonnen 
haben, sind ein Ausfluss jener glücklichen Verschmelzung 
von Forschung und Arbeit, welche die Gegenwart auf 


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11 


ihre Fahne geschrieben hat und aus welcher noch manches 
wichtige Resultat in der Zukunft hervorgehen wird. 

Die „praktischen Gärtner“ mögen es darum auch nicht 
verschmähen, die im Nachfolgenden gegebenen theoreti- 
schen Betrachtungen zu würdigen und zu berücksichtigen. 
Sie werden in denselben keine um theures Geld aus Eng- 
land oder Frankreich erworbenen Rezepte von Geheim- 
mitteln, und auch keine neuen fremdklingenden imponirenden 
Namen finden, wohl aber sollen sie durch die nachfol- 
genden Zeilen in die Werkstatt der grössten Firma der 
Welt, in die Werkstatt der Natur selbst, eingeführt wer- 
den, und zusehen, wie dort diese einige aller 
Lehrmeisterinen mit sehr einfachen Mitteln die zierlichen 
Pflanzen der Alpenwelt züchtet. 

Es liegt vor Allem nahe, den wichtigsten Factor des 
Pflanzenlebens, nämlich die ärme, mit der unteren 
Grenze der Alpengewächse in Verbindung zu bringen. 
Da wir von den Gipfeln der Alpen gegen die Thalsohle 
zu, geradeso wie von den Polen gegen den Aequator zu, 
eine Zunahme der Wärme wahrnehmen und in der gleichen 
Richtung hier und dort untere, beziehungsweise äqualo- 
riale Grenzen auftreten. sehen, so móchte man zu dem 
Gedanken verleitet werden, dass diese nordischen und Hoch- 
gebirgspflanzen ein gewisses Uebermass von Wärme nicht 
vertragen, und dass sie daher unterhalb der genannten 
Grenze zu Grunde gehen. Es scheint diese Auffassung 
für den ersten Augenblick um so annehmbarer, da ja be- 
kanntlich auch das umgekehrte Verhältniss, nämlich die 
Abnahme der Wärme gewissen Gewächsen, wie nament- 
lich den hochstämmigen Bäumen, gegen die Hochgebirgs- 
gipfel und Pole zu eine Grenze zu setzen vermag. Eine 
solche Erklärung würde aber, so bequem sie auch wäre, 
den wirklichen Verhältnissen durchaus nicht entsprechen. 

s können wohl Pflanzen in Folge eines Mangels von 
Wärme erfrieren oder es nicht zum Blühen und Samen- 
bilden bringen, aber nicht unter dem Einflusse einer 


12 


grösseren Wärmemenge zu Grunde gehen. Wir sehen ja 
viele Pflanzen auch in den Thälern und Ebenen der wär- 
merem Climate, welche zum Abschlusse ihres jährlichen 
Lebenscyklus die Wärmesumme, welche ihnen die Sonne 
jührlich zur Disposition stellt, nicht verbrauchen, ohne 
dass sie darum nachträglich zu Grunde gehen müssten. 
Um nur ein paar Beispiele aus der Nühe zu nehmen, ver- 
weisen wir auf Isopyrum, Galanthus und Crocus und die 
andern Lenzverkünder unserer Zone, welche bei einem sehr 
geringen Ausmass der Würme schon ihre Blüten ent- 
falten und ihre Früchte reifen, dann aber ihre oberirdischen 
Theile einziehen und nur mehr in ihren unterirdischen 
Organen eine kaum merkbare Vegetationsthätigkeit unter- 
halten. Sie scheinen dann oft spurlos verschwunden, 
halten unter der Erde einen 3— 5monatlichen Sommer- 
schlaf, dem sich unmittelbar der eben so lange dauernde 
Winterschlaf anschliesst, und zeigen erst wieder mit dem 
erwachenden Frühlinge eine erneuerte erhöhte Lebens- 
thátigkeit. Ganz analog verhalten sich die Ranunkeln, 
Lloydia, Primeln und Gentianen der Alpenregion, wenn 
man sie im Thale oder in der Ebene nach dem später zu 
entwickelnden Verfahren cultivirt. Sobald sie abgeblüht 
und ihre Samen gereift haben, tritt ein anscheinend voll- 
ständiger Stillstand ihres Lebens ein. Die oberirdischen 
Organe verwelken oder bleiben unverändert, starr und wie 
versteinert durch Sommer, Herbst und Winter über dem 
Boden stehen, bis die ersten Lenztage plötzlich wieder 
den langen Schlummer unterbrechen und in kurzer Frist 
das frischeste Grün und den herrlichsten Blumenflor her- 
vorrufen. 

Das grössere Ausmass der Wärme ist es da- 
her gewiss nicht, welches die Alpenpflanzen auf ihre Stand- 
orte bannt. — Vielleicht ist es aber die eigenthümliche 
Vertheilung der Wärme in der Alpenregion, v welche 
den Alpenpflanzen Grenzen setzt, die sie ohne Nachtheil 
für ihre Existenz nicht zu überschreiten vermögen? 


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13 


Um hierüber in's Klare zu kommen, versuchen wir es, 
uns ein Bild der. climatischen und phänologischen Ver- 
hältnisse der Alpenregion zu entwerfen und dann diese 
Verhältnisse mit jenen der tiefer gelegenen Landschaften 
zu vergleichen. 

Bis in die zweite Hälfte des Mai deckt die winterliche 
Schneedecke das Gelände der Alpenregion. Die warmen 
Winde und Regen, welche aus dem Süden und Südwesten 
kommen, lösen endlich die eisige Rinde, und der Boden 
wird jetzt zur angegebenen Zeit der directen Besonnung 
zugünglich. Ende Mai überziehen sich die Halden ober 

er Baumgrenze mit einem zarten Anflug jungen Grüns, 
der namentlich in den schiefen Strahlen der untergehenden 
Sonne vom Thale aus schón und deutlich sichtbar wird. 
Aber noch immer treten einzelne Erniedrigungen der Tem- 
peratur unter den Eispunkt ein und Reife und Schneefälle 
sind bis Ende des Mai so häufig, dass sie die anderen me- 
teorischen Niederschläge, nämlich Thau und Regen, sogar 
an Zahl noch übertreffen. Ja selbst im Juni, Juli und 
August, in welchen Monaten allerdings Regen und Thau 
vorherrschen, sieht man nicht selten nach kalten hellen 
Nächten den Boden dicht bereift oder nach einem Wetter- 
sturz die schon ergrünten Halden wieder mit Schnee über- 
streut. Kein Monat des Jahres ist vor Schneefällen sicher 
und seit 25 Jahren weiss man in den nordtirolischen und 
angrenzenden bairischen Alpen nur wenige Sommer, in 
welchen die alpine Region durch ein ganzes Monat keinen 
Schneefall erlebt hätte. Die Schneefälle im Juni, Juli und 
August haben aber auf die Vegetation meist nur einen 
sehr untergeordneten und nur selten nachtheiligen Einfluss. 
Die Schneedecke ist in der Regel sehr dünn und zart, und 
wird gewöhnlich schon am andern Tage durch den Ein- 
fluss der Sonne und durch den aufsteigenden warmen Luft- 
strom schnell wieder weggeleckt. Sie bedingt wohl einen 
Stillstand in der Vegelationsentwicklung, aber selten eine 
Zerstörung des pflanzlichen Lebens, und selbst die zar- 


14 


testen Blütentheile, wie die Korollen der Primeln und 
Gentianen, zeigen bei langsamem Abschmelzen keinerlei 
Nachtheil und Verunglimpfung. — Im Juni und Anfang 
Juli erreicht die Thätigkeit des pflanzlichen Lebens in der 
Alpenregion schon ihren Culminationspunkt. Zu dieser 
Zeit stehen die Alpenrosen in der Seehöhe zwischen 5000 
und 6000 Fuss in voller Blütenpracht, und mehr als die 
Hälfte der Gewächse, die da oben ihre eigenthümliche Hei- 
mat haben, wetteifern gleichzeitig mit ihnen an Pracht 
und Schmelz der Blumenkronen. Anfang August haben 
an den günstigen Stellen alle der Alpenregion eigenthüm- 
lichen Pflanzenarten bereits abgeblüht und selbst die Korb- 
blütler, Weidenróschen und Fettkräuter, welche sich dort 
am meisten Zeit Isssen und den Herbstblüten unserer 
Thäler entsprechen, haben zu dieser Zeit schon ihre Blumen 
geüffnet. Mitte August und später entfalten nur noch 
Nachzügler an den ungünstiger gelegenen Standorten, am 
Rande der mit Schneemassen angefüllten Kessel und Tobel, 
sowie an schattigen Felswänden und Abstürzen ihre Blumen- 
kronen. An den halbwegs begünstigten Stellen aber haben 
zu dieser Zeit schon alle Arten der alpinen Region ihte 
Samen gereift und ihre Knospen für den nächsten Sommer 
fertig gemacht. Die Vegetation hat abgeschlossen und 
fängt an, sich herbstlich zu färben. Der jetzt einfallende 
Frost trifft sie schon gerüstet zu dem langen Schlafe, den 
sie mit den Murmelthieren und Schneemäusen unter dem 
weissen Mantel des Winters durchzuschlafen haben, und 
fällt jetzt auch ein tieferer, länger bleibender Schnee, so 
wird die Alpenpflanzenwelt in ihrem Bestande nicht mehr 
dadurch beeinträchtiget. Im October werden die Schnee- 
fälle und Reife schon so häufig, dass sie über die Thau- 
bildung und den Regen wieder das Uebergewicht erlangen. 
Der Schnee bleibt zu dieser Zeit häufig schon 14 Tage 
ununterbrochen liegen und wird stellenweise von der tiefer 
stehenden Sonne gar nicht mehr weggeschmolzen. Frei- 
lich kommen dann manchmal auch noch vereinzelte Süd- 


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15 


winde, welche das Hochgebirge bis weit hinauf schneefrei 
machen und dort selbst einzelne Frühlingsblüten hervor- 
locken, aber solche Fälle gehören nur zu den Ausnahmen 
und vermögen die Vegetationsdecke im grossen Ganzen 
eben so wenig zum neuen Aufgrünen zu bringen, wie die 
milden Tage, die oft im Dezember und Jünner ihren blauen 
Himmel über unsere Thäler und Ebenen spannen. 

Das Eintreten von Reifen ünd vereinzelten Schnee- 
füllen in allen Monaten des Jahres macht es sehr schwierig. 
die eigentliche Vegetationsperiode in der alpinen Region 
festzustellen. Am besten gelingt es noch, wenn wir uns 
an die Pflanzenwelt selbst halten und den Zeitraum vom 
Aufgrünen und Erwachen der ersten Knospen bis zum 
Reifen der zuletzt aufgeblühten Pflanzen festhalten. Es 
ergiebt sich auf solche Art für die Region, welche nach 
Abwärts durch die obere Grenze des hochstämmigen Holz- 
wuchses und nach Aufwärts durch die obere Grenze der 
Sträucher bezeichnet wird, eine Periode von beiläufig drei 
Monaten, und für den schmalen Hochalpengürtel, der noch 
über dem eben begrenzten Gebiete mit hóher organisirten 
Pflanzen bekleidet ist, ein Zeitraum von zwei, ja selbst 
nur von einem Monat. 

Wenn wir nun die hier flüchtig skizzirten elimatischen 
und phänologischen Verhältnisse der Alpenregion mit den 
gleichnamigen Verhältnissen der angrenzenden Thäler und 
Tiefländer vergleichen, so finden wir zunächst, dass die 

eit des Lenzes in der Alpenregion im Vergleiche zur 
Ebene um ein gutes Stück hinausgerückt ist. Die Frühlings- 
pflanzen, welche von der Ebene bis hinauf in die Alpen 
verbreitet sind, und welche im Thale ihre Blüten nach 
dem Schmelzen des Schnees im März entfalten, *) blühen 
oben erst Ende Mai auf, und man möchte hieraus wohl 

*) Z. B. Daphne Mezereum, Erica camea, Polygala Chamae- 
buxus, Sesleria coerulea, Gentiana verna, Crocus vernus, Primula 
elatior, Aurieula, farinosa. 


16 


den Schluss ziehen, dass dort oben die climatischen Ver- 
hältnisse im Mai dieselben sind, wie herunten im März, 
Wenn aber auch einige ee in dieser Beziehung nicht 
in Abrede gestellt werden kann, so ergiebt sich doch bei nä- 


herem Eingehen ein shr wichtiger Unterschied zwischen den 


climatischen’ Verhältnissen des Alpenfrühlings nnd Thal- 
frühlings, der darin besteht, dass zur Zeit des Erwachens 
der Vegetation aus dem Winterschlafe in der Alpenregion 
die Länge der Tage schon eine sehr bedeutende ist, und 
dass daher Wärme und Licht dort täglich durch viel 
längere Zeit auf die erwachenden Pflanzen einwirken, als 
auf die Frühlingspflanzen der Thäler in den correspon- 
direnden Lenzmonaten. Die Frühlingstage der Alpen- 
region, welche in das Ende des Monates Mai fallen, über- 
treffen nämlich die correspondirenden Frühlingstage unserer 
Thäler und Ebenen, welche auf den Monat März fallen, 
um volle 4 Sudana und in der Hochalpenregion, in welcher 
das Erwachen aus dem Winterschlafe erst im Juni erfolgt, 
zeigen die Lenztage sogar eine relative Verlängerung um 
5 Stunden. Hiezu kommt noch, dass auch die Seehöhe 
eine Verlängerung der Tage bedingt, indem bekanntlich 
auf Berghöhen die Sonne am Morgen früher eintrifft und 
am Abend etwas länger femp als in den Thälern und 
Ebenen der gleichen Breite. * 

*) Die durch die Seehöhe bedingte Verlängerung des Tages 
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geringe, aber dasie sich Tag für Tag wiederholt, so summirt sich 
durch sie am Ende dennoch ein Licht- und Wärmequantum ZU 
sammen, welches für das vegetative Leben nicht ohne Einfluss 
bleiben kann, 


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17 


In dieser grossen Länge der Frühlingstage, welche 
die Alpenregion mit den polaren Gegenden gemein hat, 
liegt wohl ein wichtiger Gegensatz zur Tieflandsregion 
und gleichzeitig eine der wichtigsten Lebensbedingungen 
der Alpenpflanzen. 
ie Wirkung, welche die grössere Tageslänge zur Zeit 
des Erwachens der Vegetation auf die Pflanzen ausübt, 
ist eine doppelte. Einerseits wird in langen Tagen die 
den Pflanzen beim Beginn ihrer Entwieklnng täglich zu- 
geführte Wärmemenge eine relativ viel grössere sein, als 
die Wärmemenge, welche den aufknospenden Pflanzen in 
kurzen, durch lange Nächte unterbrochenen Tagen zu Gute 
kommen würde, anderseits wird auch der Lichtreiz, wel- 
cher mit der Respiration und überhaupt mit dem ganzen Er- 
nährungsprozesse der Pflanzen in so innigem Zusammen- 
hange steht, an längeren Tagen natürlich auch um so länger 
auf die Pflanzen Einfluss nehmen und dadurch auf die auf- 
knospenden Alpinen eine tief eingreifende Wirkung hervor- 
bringen. — Wir finden in der That auch nach beiden 
Richtungen hin den Einfluss der grossen Tageslänge zur 
Zeit des Erwachens der alpinen Vegetation ober der Baum- 
grenze an den Alpenpflanzen ausgesprochen. 

Entsprechend der verhältnissmässig grösseren Menge 
der täglich zugeführten Wärme sehen wir die Pflanzen in 
der alpinen Region sich viel rascher entwickeln, als die 
Frühlingspflanzen in der Ebene und auf den flachen Thal- 
sohlen. Wie in den Steppen folgt Knospen, Blühen und 
Fruchten in unglaublich kurzen Zeiträumen auf einander, 
und je höher wir in den Alpen hinansteigen und je grösser 
daher die Tageslänge zur Zeit des Erwachens der Vege- 
tation aus dem Winierschlafe ist, desto rascher schliessen 
dort die Pflanzen ihren jährlichen Lebenscyclus ab. 

Unstreitig hängt hiemit auch die Erscheinung zusammen, 
dass die Verspätung der Vegetation mit zunehmender See- 
höhe nicht gleichmässig anwächst, sondern an höheren 
Orten verhältnissmässig geringer wird. Während nämlich 

Kerner, Alpenpflanzen. 2 


18 


nach meinen Beobachtungen in den Alpen die Vegetations- 
entwicklung unterhalb der Seehöhe von 3000 Fuss beim Auf- 
würtssteigen um 500 Fuss eine Verspätung von 8—10 Tagen 
erkennen lüsst, zeigt sich über dem Niveau von 3000 Fuss 
auf je 500 Fuss Erhebung nur eine Verspätung von 4 pis 
5 Tagen, was sich gewiss zum Theile dadurch erklärt, 
dass die Pflanzen, welche in der Ebene im Márz erwachen, 
zu dieser Zeit nur sehr geringe tügliche Portionen von 
Wärme erhalten, während sie oben, wo das Erwachen 
aus dem Winterschlaf im Mai oder Juni stattfindet, täg- 
lich um 4 bis 5 Stunden länger dem Einflusse der Wärme 
des Tages ausgesetzt sind, und daher an ihnen die durch die 
Wärme des Tages begünstigten Lebensprozesse viel rascher 
ablaufen müssen. 

Zu dieser Begünstigung-in Beziehung auf Wärmezufuhr, 
welche die Pflanzen der Alpenregion in Folge der grösseren 
Tageslänge ihres Frühlings voraus haben, kommt nun auch 
noch der länger dauernde Einfluss des Lichtes. - Wir wer- 
den diese länger dauernde Beleuchtung, welcher die Alpen- 
pflanzen an ihren natürlichen Standorten alsogleich nach 
dem Abschmelzen des Schnees ausgesetzt sind, um so 
weniger unterschätzen, wenn wir uns an den mächtigen 
Einfluss erinnern, welchen das Licht auf die Pflanze aus- 
übt. Die leuchtenden Sonnenstrahlen sind es ja, welche 
alle Gestaltungsvorgänge in der Pflanze hervorrufen. Durch 
sie wird die grosse chemische Verwandtschaft des Kohlen- 
stoffes zum Sauerstoffe gelöst und so ein Theil des Sauer- 
stoffes frei der Atmosphäre zurückgegeben, während ander- 
seits durch sie der Kohlenstoff mit den Elementen des 
Wassers in jene Verbindungen übergeführt wird, aus welchen 
der Pflanzenkórper zum grössten Theile aufgebaut erscheint. 
Im Lichte der Sonne formt sich der Pflanzenleib, im Dunkel 
der Nacht oder an trüben wolkigen Tagen wird diese Ge- 
staltung nur durch Auflösungsprozesse vorbereitet. Die 
bildende Thätigkeit der Pflanze, die reproductive Sphäre 
derselben wird durch vermehrtes Licht in vermehrte Thätig- 


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19 


keit gesetzt, der Gang der Metamorphose wird abgekürzt, 
die erhöhte Energie der Gestaltungsvorgünge führt die 
vorhandenen Elemente rascher in jene Verbindungen ein, 
aus welchen sich die Blüten und Früchte gestalten, wäh- 
rend anderseits die Bildung der vegetativen Organe mehr 
in den Hintergrund iritt. Mit einem Worte, die Blüten- 
und Fruchtbildung erfolgt im Lichte rascher als in der 
Dunkelheit, und der ganze jährliche Lebenseyclus der Pflanze 
fliesst desto schneller vorüber, je länger und intensiver 
das Licht seinen Einfluss geltend machen kann. 

Die Alpenpflanzen sind nun aber ebenso wie die Ge- 
wächse der polaren Zone rechte Kinder des Lichtes. 
Lichtscheue Pilze und chlorophylllose Schmarotzerpflanzen 
sind der Alpenregion fremd; ja man kann auch gerade- 
zu behaupten, dass es in den Hochalpen fast keine Schatten- 
pflanzen giebt. Schattige Stellen beherbergen dort ge- 
wöhnlich die armseligste und artenärmste Vegetation, und 
eine reiche Flora bieten dort nur die sonnigen Gräte und 
Spitzen, die kleinen nach Süden sehenden Felsgesimse 
und Terrassen, wo der Sonnenstrahl vom frühen Morgen 
bis zur Tagesneige seinen Einfluss geltend zu machen im 
Stande ist. Dort glühen die Nelken und Gentianen mit 
dem brennendsten Roth und dem schmelzendsten Blau, 
dort erzeugt sich der tiefe Purpur der fast stengellosen 
Primeln, und dort bekommen auch die Frühlingspflanzen 
des Thales, welche ihre vereinzelten Vorposten bis auf 
die Berghóhen hinaufschieben, grössere und intensiver ge- 
fárbte Blüten. Das Waldvergissmeinnicht des Thales 
hat dort oben auf den sonnigen Halden seine Kronen um 
das Doppelte vergrössert und seine duftenden Blüten mit 
einem Blau geschmückt, welches mit dem dunkelsten 
Himmel des Hochgebirges an Lieblichkeit wetteifert. Die 
Goldruthe und der schmalblättrige Weiderich (Solidago 
Virgaurea und Epilobium angustifolium), deren Samen 
durch den aufsteigenden Luftstrom manchmal aus dem Wald- 
lande zu den höchsten Felsklippen emporgeführt werden, 

93 


20 


keimen und treiben dort oben neben den genuinen Alpen- 
pflanzen, neben Raute und Edelweiss auf kleinen sonnigen 
Felsterrassen nicht selten lustig empor. Die Internodien 
ihres Leibes erscheinen aber dann gewaltig verkürzt, die 
Zahl der Laubblätter ist um die Hälfte kleiner als an den 
gleichen Pflanzen der Ebene, und die Blüten, deren Zahl 
gleichfalls bedeutend abgenommen hat, haben nicht nur 
ein grösseres Ausmass ihrer Kronen, sondern auch inten- 
sivere Farben bekommen. Und ganz dieselben Umwand- 
lungen lassen sich an Phyteuma orbiculare, Campanula 
rotundifolia, Thymus Serpyllum, Gentiana germanica, ascle- 
piadea, Hieracium Pilosella, Centaurea phrygia, Centaurea 
Scabiosa, Knautia silvatica, Valeriana officinalis, Dianthus 
Carthusianorum, Helianthemum vulgare, Parnassia palustris, 
Linum catharticum, Viola tricolor, Trollius europaeus, An- 
thyllis Vulneraria und noch vielen anderen beobachten, 
Je höher man gegen die Gipfel emporsteigt, desto niederer 
werden die Stengel, desto grösser werden die Blüten 
und desto intensiver wird das Colorit der Korollen. 
Manche Pflanzen, die im Thale weisse Blüten zeigen, 
wie z. B. Pimpinella magna und Achillea Millefolium, be- 
kommen oben sogar rothe Blüten. Dieselbe Erscheinung 
wiederholt sich auch in den nordischen Gegenden. Die 
zierliche Trientalis europaea, die in den Alpen, in den 
sudetisch-herzinischen Bergen und in der baltischen Nie- 
derung weisse Blumen besitzt, findet man dort auch mit 
purpurnen Blütensternen. Göppert erzählt bei Gelegen- 
heit einer Schilderung der Vegetationsverhältnisse Nor- 
wegens: „Zuerst überraschten uns bei der Landung in 
^hristiania, wie auch überhaupt im ganzen Verlaufe un- 
serer Reise die merkwürdigen Farbenänderungen vieler 


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el 


Blüten, wie sie bei uns hohe alpine Lagen zu veranlassen 
pflegen, unter denen ich als eine der bekanntesten auf die 
in 3—4000 Fuss Höhe schon vorkommende Bergform der 
gemeinen Schafgarbe hinweise, die mit schwärzlichen 
grösseren Blütenhüllen und schön rothgefärbten Blüten 


—————— EZ s. 


21 


erscheint. Die in Schlesien weissblühende Lychnis vesper- 
tina sah ich häufig mit blassröthlichen, den Baldrian mit 
dunkelrothen Blüten. die Wiesenscabiose, wie alle blau 
blühenden Distelarten, die Kartoffel auffallend dunkler ge- 
färbt, die fette Henne mit schwefelgelben Blumen und 
röthlich gefärbten Kelehblüttern ; gelbe Blüten, wie An- 
themis tinctoria und Senecio Jacobaea an der Westküste 
bei Bergen, mit goldgelben, fast orangegelben Blüten, 
auch unsere Gentiana der Ebene,. Gentiana Pneumonanthe 
so veründert dunkelblau, dass ich sie kaum erkannte; 
unsere blauen Gartenblumen, wie Pfefferkraut, Ysop, áhn- 
lich verändert, die gelben Blüten von Impatiens noli 
tangere mit braunem Anflug, das Bilsenkraut dunkler 
purpurroth und dergleichen mehr.“ 

enau die umgekehrten Formänderungen sehen wir 
eintreten, wenn irgend ein Naturereigniss die Pflanzen 
sonniger Alpengipfel ihrer lichten Heimat entnimmt und 
an dunkelschattige Standorte verschlägt, oder wenn der 
Mensch die lichtfreundlichen Alpinen an schattige Plätze 
der Gärten verpflanzt. Die Internodien verlängern sich 
dann ganz ausserordentlich, die Zahl der Laubblätter wird 
grösser, die Blumen werden kleiner und weniger lebhaft 
gefärbt, und endlich kommt es gar nicht mehr zur Bil- 
dung von Blüten und Früchten. Die Pflanzen vergeilen 
und gehen gewöhnlich schon nach kurzer Frist zu Grunde. 

Alle diese Erscheinungen weisen uns darauf hin, dass 
das intensive Licht der langen Frühlingstage in der alpinen 
Region und in den Polargegenden den Gang der Meta- 
morphose verkürzt, die reproduetive Sphäre mehr anregt, 
den Pflanzenkörper zur raschen Blüten- und Fruchtbildung 
führt und seinen Blüten ein grösseres Ausmass und leb- 
hafteres Colorit ertheilt. 

Da nun aber gerade diese Gestaltungsvorgänge für die 
Alpenpflanzen die normalen sind, da gerade die charakte- 
ristische Form der meisten Alpenpflanzen in den wenigen 
Blättern, kurzen Stengeln und wenigen aber grossen und 


22 


lebhaft gefärbten Blüten liegt, da wir endlich bei Mangel 
des intensiven, lange dauernden Lichtreizes die Alpen- 
pflanzen unkenntlich werden und absterben sehen, so kann 
es keinem Zweifel uuterliegen, dass der plötzliche, 
nach dem. Sehneeschmelzen eintretende, in 
unsern Alpen täglich 15—16 Stunden einwir- 
kende Lichtreiz, welcher auf viele Thalpflanzen zu 
Zeit des Erwachens aus dem Winterschlafe eine höchst un- 
günstige Wirkung hervorbringen würde, für die Alpen- 
pflanzen eine höchst charakteristische und 
wichtige Lebensbedingung ist. 

Wo diese Lebensbedingung fehlt, erleiden die an sie 
geknüpften Pflanzenformen entweder eine Formveränderung, 
oder sie gehen zu Grunde, oder was dasselbe sagen will: 
der Mangel des langdauern.den täglichen Licht- 
einflusses und somit die Verlängerung der 
Frühlingsnächte setzt den Alpenpflanzen und 
den Pflanzen der polaren Landschaften eine 
untere, beziehungsweise äquatoriale Grenze. 

Nächst den Strahlen der Sonne braucht die Pflanze 
zum Aufbau ihres Leibes das Wasser. — Wir sehen 
hier zunächst ab von der Rolle, welche dieses Element 
als Lösungs- und Transportmittel für die mineralischen 
Bestandtheile des Bodens spielt, und untersuchen hier vor- 
läufig nur das Verhältniss der Alpenpflanzen zu der Luft- 
feuchtigkeit und zu den meteorischen Niederschlägen, welche 
als Schnee, Regen und Thau dem Boden zu Gute kommen. 

Die in der Luft enthaltene absolute Dampfmenge nimmt 
mit der Höhe ab, die relative Luftfeuchtigkeit aber nimmt 
in den Alpen mit der Höhe zu. Für Pflanzen kommt na- 
türlich nur die letztere in Berücksichtigung, und es wäre 
daher zunächst die Frage zu erörtern: welchen Einfluss 
die grössere relative Luftfeuchtigkeit auf die ihr ausge- 
setzten Gewächse auszuüben vermag. Da es nachgewiesen 
ist, dass auch in einer mit Feuchtigkeit überladenen Luft 
die Transpiration der Pflanzen unverändert vor sich geht 


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23 


und sich gerade so, wie in einer an Feuchtigkeit armen 
Luft nach dem wechselnden Einflusse der Tageszeiten, des 
Lichtes und der Wärme richtet, und da es ferner jetzt 
feststeht, dass- der oberirdische Theil der Pflanzen, ins- 
besondere die Pflanzenblätter, kein dunstförmiges Wasser 
aufnehmen, sondern im Gegentheile Wasser an die Atmo- 
sphäre abgeben, so fällt die Annahme, dass die grössere 
relative Feuchtigkeit direet auf die Pflanzen einwirken 
könne, jedenfalls weg. Wohl aber wird eine feuchte 
Luft indirect auf die Pflanzen Einfluss zu nehmen im Stande 
sein, indem sie dieselben vor zu rascher Verdampfung des 
Zellinhaltes und somit vor dem zu raschen Verwelken 
schützt. Bedenkt man, wie sehr die Verdunstung in der 
verdünnten Luft der Alpenregion begünstigt sein muss, 
so wird man diesen Einfluss gerade nicht gering anschlagen 
dürfen, und es würde demnach die Sache etwa so auf- 
gefasst werden können, dass die grössere relative Luft- 
feuchtigkeit in der Alpenregion gewissermassen ein Com- 
pensationsmittel des Einflusses darstellt, welchen die ver- 
dünnte Luft auf die Alpenpflanzen nothwendig ausüben 
müsste. Eine viel bedeutendere Rolle spielt die grosse re- 
lative Luftfeuchtigkeit übrigens insoferne, als sie in Be- 
rührung mit dem porösen Humus und der porósen Erde 
von diesen letzteren aufgenommen wird, und somit ohne 
eine uns sichtbare Condensation zu erleiden, den Boden 
durchfeuchtet und den Pflanzenwurzeln zu Gute kommt. 
Auch wird begreiflicherweise durch die grosse relative 
Luftfeuchtigkeit in der Alpenregion die Bildung von Nebel 
und Thau sehr begünstigt. Da nämlich der Thaupunkt in 
der alpinen Region von der dort herrschenden Temperatur 
im Sommer nur wenig abweicht, so wird bei gleichzeitiger 
grosser relativer Luftfeuchtigkeit der geringste Temperatur- 
wechsel die Condensation der Dämpfe veranlassen können. 
Der aus den Thälern aufsteigende warme Luftstrom, welcher 
bei schweigenden Winden regelmässig längs dem Gehänge 
der Berge emporfliesst, veranlasst eine fast ununterbrochene 


24 


Bethauung des kälteren Bodens und des den Boden be. 
kleidenden Pflanzenwuchses. Zudem werden durch die 
in den Alpen so gewöhnlichen Unregelmässigkeiten des 
Terrains, durch den bunten Wechsel von beschatteten und 
besonnten Felsen, von kleinen und grossen mit Schnee 
ausgefüllten Mulden und steilen warmen Halden fortwährend 
locale Schwankungen und Fluthungen in den verschieden 
erwärmten Luftmassen herbeigeführt, deren Resultat in der 
Regel die Bildung von Nebel und Thau ist, welcher das 
Gestein, den Erdboden und die Pflanzen befeuchtet. Herrscht 
trübes Wetter vor, so jagen die Nebel über den Boden 
hin, um ihre Wassertröpfehen an die unersättliche Erde 
abzugeben; wölbt sich ein klarer Himmel über das Hoch- 
gebirge, so strotzt alles von überströmendem Thau. Die 
Erdkrume ist darum in der Alpenregion fortwährend feucht. 
Manche Felswände triefen oft den ganzen Tag von Wasser, 
obschon an ihnen nirgend eine Fuge und Spalte zu sehen 
ist, durch welche Wasser durchgesickert sein könnte. Die 
zähe Erde und der feine Sand, welche regelmässig im 
Grunde der Steingerölle und Schutthalden die Zwischen- 
räume ausfüllen und in denen die Wurzeln der dort sich 
ansiedelnden Pflanzen stecken, sind immer so feucht, dass 
man sie wie plastischen Thon kneten und formen kann. 
Der Humus ist dort fast immer wie ein Schwamm mit 
Wasser getränkt, und aus den Moospolstern, die auf den 
Gesimsen der Felsen wuchern, vermag man durch geringen 
Druck mit der Hand tropfendes Wasser auszupressen. 
Die eigenthümlichen Regenverhältnisse in der Alpenregion 
wagen wohl gleichfalls wesentlich dazu bei, jene gleich- 
mässige Durchfeuchtung des Bodens zu erhalten. Wir 
legen hier ein geringeres Gewicht auf den Umstand, dass 
die jährliche Regenmenge von den Ebenen gegen die Ge- 
birge und von der Tiefe gegen die Höhe continuirlieh 
zunimmt, als vielmehr auf die Thatsache, dass in unseren 

pen die Zahl der Regen in der Vegetationsperiode (Juni, 
Juli, August) so bedeutend ist, dass im Mittel auf jeden 


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25 


dritten Tag ein Regenfall kommt. Allerdings ist hiebei 
wegen geringer Dichtigkeit der einzelnen Regen die nieder- 
fallende Wassermenge verhältnissmässig geringer, als in 
den tiefer liegenden Gegenden; aber gerade darin liegt 
für das vegetative Leben der Alpen insoferne ein grosser 
Vortheil, als bei dieser Vertheilung des atmosphärischen 
Niederschlages die Alpenpflanzen niemals jenen grellen 
Gegensätzen von anhaltender Dürre und übermässiger 
Feuchtigkeit ausgesetzt sind, welche in den Niederungen 
so häufig höchst nachtheilig auf das Pflanzenleben ein- 
wirken. 

Schalten wir noch ein, dass nach dem einstimmigen 
Urtheile aller Züchter von Alpenpflanzen einer der ge- 
fährlichsten Feinde des Gedeihens der Alpinen im Thale 
der dort herrschende Wechsel in dem Feuchtigkeitszustande 
des Bodens sei, so werden wir kaum mehr daran zwei- 
feln, dass die ununterbrochene und gleichmässige 
Durchfeuchtung des Bodens, wie sie in der 
alpinen Region durch die grosse relative Luft- 
feuchtigkeit, die häufige starke Thau- und 
Nebelbildung und die eigenthümliche Regen- 
vertheilung bewirkt wird, eine der wichtig- 
sten Lebensbedingungen der Alpenpflanzen 
ist und dass die Aenderung dieser Lebens- 
bedingung den Pflanzen der Alpenregion auch 


“eine untere Grenze zu setzen im Stande sein 


wird. 

Es bleibt uns nun von den wichtigeren Factoren des 
Climas nur noch der Luftdruck zu besprechen übrig, 
der mit zunehmender Höhe ein geringerer wird, und von 
dem die meisten Forscher annehmen, dass seite Grösse 
auf die Pflanzenwelt von dem wesentlichsten Einflusse sei. 
Wir dürfen nun allerdings nicht ganz in Abrede stellen, 
dass derselbe auf die Cirkulation der Säfte in den Pflanzen 
einen Einfluss zu üben vermag, und dass er namentlich in- 
direct durch Erhöhung oder Verminderung der Verdunstung 


26 


sich geltend machen wird. Zumal in einer Luft, die nur 
geringe Grade relativer Feuchtigkeit enthält, müsste die Ver- 
dunstung des Zellsaftes in dünner Luft eine sehr ener- 
gische sein, und würde dort nothwendigerweise eine Be- 
schleunigung der Cirkulation im Organismus der Pflanze 
nach sich ziehen müssen. 

In der dünnen Luft unserer Alpen aber wird diese 
Anregung zur rascheren Verdunstung durch die dort herr- 
schende grosse relative Luftfeuchtigkeit compensirt. Je 
höher wir hinansteigen und je geringer daher der Luft- 
druck wird, desto grósser ist auch gleichzeitig die rela- 
tive Luftfeuchtigkeit. Die Gewächse, welche dort ihre 
Blätter in eine Luftschichte emporstrecken, deren Tem- 
peratur gewöhnlich von dem Thaupunkte nur wenig 
entfernt ist, werden keine Anregung finden, mehr zu 
verdunsten und ein grösseres Wasserquantum an die um- 
gebende Luftschichte abzugeben, als die Pflanzen, welche 
in der dichteren, aber auch relativ trockneren Luft im 
Thale vegetiren. 

Einige Bedeutung für die Pflanzen dürfte dagegen die 
dünne Luft der alpinen Region insoferne haben, als durch 
sie die Intensität der Licht- und Wärmestrahlen erhöht 
wird. Wenn wir uns nämlich erinnern, dass gerade in 
der intensiven, lange dauernden Einwirkung der Sonnen- 
strahlen auf die aus dem Winterschlafe erwachenden Ge- 
wächse eine der wichtigsten Lebensbedingungen der alpinen 
Pflanzenwelt liegt, so kann der Verdünnung der Atmo- 
sphäre, welche die Permeabilität für Wärme- und Licht- 
strahlen und insoferne die Intensität derselben erhöht, der 
indirecte Einfluss auf die Alpenpflanzen gewiss nim ab- 
gesprochen werden. 

Irgend ein directer Einfluss des Luftdruckes auf w- 
sere Alpenpflanzen findet aber gewiss nicht statt, und die- 
jenigen, welche sich die Pflanzen als eine Art Barometer 
denken und sich vorstellen, dass der Luftdruck die Länger- 
axe der Pflanzen in demselben Grade und in ähnliche 


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27 


Weise verkürzt und verlängert, wie etwa die Quecksilbersäule 
in dem langen Schenkel des Barometerrohres , verweisen 
wir einfach auf den hohen Norden, wo die Pflanzen un- 
serer Alpen an den ebenen Küsten des Meeres ihre Heimat 
haben und dort unter dem grossen Luftdruck dasselbe An- 
sehen besitzen, wie auf den 8000 Fuss hohen Rücken 
unserer Hochgebirge. 

Die elimatischen Factoren, welche wir in dem Früheren 
berührt haben, reichen auch ohne Zuhilfenahme eines di- 
recten Einflusses der Luftschwere vollständig hin, das 
Kleinbleiben der Alpenpflanzen zu erklären. Die 
lang dauernde intensive Einwirkung der Sonnenstrahlen 
des Alpenfrühlings, welche den Zellinhalt der Pflanzen in 
der Weise umstimmt, dass er rascher in jene Verbindungen 
eingeht, aus denen sich die Blüten aufbauen, und die 
demnach, die Metamorphose beschleunigend, die Pflanzen 
anregt, sich weniger mit der Bildung vegetativer Organe, 
mit Erzeugung langer Axen und zahlreicher Blütter zu 
befassen, als vielmehr der reproductiven Sphäre ihre 
Thätigkeit zuzuwenden, ist wohl eine der wesentlichsten 
Ursachen des Kleinbleibens der Alpenpflanzen. Zudem 
steht der Umfang und die Masse des jührlich gebildeten 
organischen Gewebes jedenfalls mit der Vegetationszeit 
und mit der Wärmemenge, welche den Pflanzen jährlich 
zu Gute kommt, in einem, wenn auch nicht genau ziffer- 
mässig nachweisbaren, aber dennoch nicht wegzuleugnen- 
den Zusammenhange. In unseren ebenen Landschaften, 


welche sich durch eine 7- oder Smonatliche Vegetations- 


zeit auszeichnen und wo die Moers in dieser Periode 
über eine Wärmesumme von 200 00 Graden ver- 
fügen, wird sich auf demselben es jedenfalls eine viel 
rössere Masse von organischem Gewebe bilden können, 
als in der Alpenregion, in welcher die Vegetationszeit 
auf 3 bis 4 Monate eingeschránkt ist, und wo selbst jenen 
Pflanzen, die durch diese ganze Vegetationszeit thätig sind, 
nur eine Wärmesumme von 1000 bis 1500 Graden zur 


28 


Disposition steht. Die Wärmemenge, welche z. B. zu 
Bildung der colossalen jährlichen Holzzilinder und dep 
vielen tausend Blätter nothwendig ist, die eine hohe Eiche 
jährlich erzeugt, und von deren bedeutender Menge wir 
uns überzeugen könnten, wenn wir die in einem Jahre 
zugewachsene organische Masse verbrennen, und so die 
latent gewordene Wärme wieder aus ihren Fesseln erlösen 
würden, beträgt von einem einzigen Baum gewiss doppelt 
so viel, als die Wärmemenge, welche von den Legföhren 
und Grünerlen verbraucht wird, die sich auf der Alpe unter 
sonst gleich günstigen Verhältnissen über eine Bodenfläche 
ausbreiten, welche jener gleichkommt, die der Eichenbaum 
in der tieferen Region des Hügellandes beschattet. — In 
der alpinen Region würde demnach den hochstámmigen 
Bäumen weder die Zeit, noch die Wärmemenge genügen, 
um alle jene Phasen durchlaufen zu kónnen, die ihren 
eigenthümlichen jährlichen Lebenslauf charakterisiren, und 
hierin liegt eine wichtige Ursache der oberen Baumgrenze 
und des Kleinwerdens der Pflanzen mit zunehmender Höhe. 

Berücksichtigen wir endlich noch den Umstand, dass 
mit zunehmender Hóhe die Bodentemperatur nicht so rasch 
abnimmt, als die Temperatur der Luft, und dass daher die 
Triebe vieler Pflanzen sich nur dann erhalten können, 
wenn sie sich an den relativ wärmeren Boden anschmiegen 
und es bei ihrem „Kampfe um das Dasein“ vermeiden, 
ihre Zweige und Blätter in die kalte Luft hinauszustrecken, 


so haben wir wohl hinreichende Erklärungsgründe für das - 


Kleinwerden und Kleinbleiben der Pflanzen in der Alpen- 
region, und wir brauchen nicht erst zu kühnen Hypothesen 
unsere Zuflucht zu nehmen. 

Fassen wir zum Schlusse die im Früheren erörterten 
Lebensbedingungen der Alpenpflanzen in der alpinen Re- 
gion unserer Gebirge kurz zusammen, so ergeben sich 
als die wesentlichsten und für das Culturverfahren be- 
achtenswerthesten Momente: die intensive und lang 
dauernde Einwirkung der Sonnenstrahlen ZU! 


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29 
Erwachens aus dem Winterschlafe, 
gleichmässige Durchfeuch- 
Thau- 


Zeit des 
und anderseits die 
tung des Bodens dur 
und Nebelbildung. 


ch vermehrte Regen-, 


Viertes Capitel. 


Lebensbedingungen der Alpenpflanzen in 
niederen Gegenden. 


Es wird jedenfalls unsere weitere Aufgabe sein, die 
in dem früheren Capitel entwickelten Sätze praktisch aus- 
zubeuten und ein auf sie gegründetes Verfahren auszu- 
mitteln, mit dessen Hülfe wir die genannten Lebensbedin- 
gungen auch in der Ebene soweit als möglich herstellen, 
um dann unter den nachgeahmten künstlich geschaffenen 
Verhältnissen die Alpenpflanzen im Thale zu cultiviren. 
Jedenfalls aber dürfte es früher noch gut sein, sich um- 
zusehen, wie es die Natur anstellt, wenn sie Alpenpflanzen 
in tieferen Lagen vorkommen lässt, und weiterhin zu unter- 
suchen, wie es an den Localitäten aussieht, an denen wir 
in der Ebene oder in der Hügelregion, weit entfernt vom 
Hochgebirge, vereinzelte oder gruppenweise vereinte Al- 
pinen anireffen. 

Zunächst werden wir da auf die polaren Land- 
schaften hingewiesen, welche mit unserer Alpenregion 
im Typus der Gewächse die grösste Uebereinstimmung 
zeigen, und zum grossen Theile sogar dieselben Arten be- 
herbergen, die in unseren Hochgebirgen über der Grenze 
des E agen Holzwuchses zu Hause sind. — Da 
wir in diesen jenseits des Polarkreises liegenden Gebieten 
schon in den flachen Küstengegenden mitten in der Alpen- 
region stehen, und dort die Alpenpflanzen hart am Meeres- 
strande in gedeihlicher Entwicklung vorkommen sehen, so 


30 


gewinnen wir dort zunächst die Ueberzeugung, dass es 
nimmermehr der geringe Luftdruck sein kann, welche 
als Lebensbedingung der Alpenpflanzen erscheint. 

Wohl aber finden wir dort eine glänzende Bestätigung 
der Ansicht, dass der lang dauernde Lichteinfluss für die 
Alpenpflanzen ein wesentliches Lebensmoment ist. Gegen 
Ende des Monats Juni schmilzt nämlich dort die Schnee- 
und Eisdecke des Winters und „der Sommer bricht mit 
einem Male herein. In wenigen Tagen ist die Landschaft 
mit lebhaftem Grün .bekleidet. Die Sonne verschwindet 
jetzt wochenlang nicht mehr vom Horizonte. Ihre un- 
unterbrochen auf den Boden fallenden Strahlen lassen die 
Temperatur nicht zum Abkühlen kommen, und so wird 
trotz des geringen Hóhenstandes der Sonnenscheibe ein 
Wärmegrad hervorgebracht, wie er unter anderen Ver- 
hältnissen unmöglich wäre.“ Um die Mitte des Octobers 
bricht endlich der lange Winter herein und begräbt die 
Pflanzenwelt wieder auf 9 Monate unter seinen tiefen 
Schneelasten. — Wir haben demnach hier Lebensbedin- 
gungen, welche denjenigen der Alpenregion ganz analog 
sind. Freilich ist hier der Lichteinfluss ein noch viel 
länger dauernder, als im Hochgebirge, da das leuchtende 
Gestirn wochenlang gar nicht unter den Horizont hinabsinkt. 
Was aber die Polarlandschaft durch diese ununterbrochene 
Insolation voraus hat, scheint in der alpinen Region un- 
serer Gebirge durch den hohen Stand der Sonne und 
die damit verbundene kräftigere Insolation im Laufe der 
Vegetationszeit eingebracht zu werden, und so viel ist 
jedenfalls gewiss, dass die polaren und alpinen Gelände 
zur Zeit des Erwachens der Vegetation lang dauerndes 
Tageslicht gemein haben. 

Ueber die Feuchtigkeitsverhältnisse der polaren Ge- 
genden liegen nur wenig benutzbare Angaben vor. Dem- 
ungeachtet können wir wohl aus mehr als einem Grunde 
voraussetzen, dass jenseits des Polarkreises der zweite 
wichtige Lebensfactor, welchen wir im Früheren für die 


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31 


alpinen Pflanzen unserer Hochgebirge ermittelten, nämlich 
die ununterbrochene und gleichmässige Befeuchtung des 
Bodens während der Vegetationszeit, an den mit Pflanzen- 
wuchs bedeckten Orten zutreffen werde, und wir können 
daher die oben aufgeworfene Frage, unter welchen Be- 
dingungen die Alpenpflanzen in den polaren Ebenen wachsen, 
dahin beantworten, dass diese Bedingungen im Allgemeinen 
nur eine Wiederholung derjenigen sind, welche wir für 
die alpine Region unserer Gebirge festgestellt haben. 
Noch weit wichtiger als diese Erkenntniss der Ver- 
hältnisse, unter welchen die Alpenpflanzenwelt in den po- 
aren Ebenen gedeiht, ist übrigens für die Zwecke der 
Cultur jedenfalls das Studium jener Localitäten unserer 
one, an welchen Alpenpflanzen in einer See- 
höhe, die tief unter der gewöhnlichen unteren 
Grenze der alpinen Region zu liegen kommt, 
im spontanen Zustande gefunden werden. — 
Mitten im Waldlande, in der Region der Buchen und 
Eichen, in den dem Hochgebirge vorgelagerten Berg- und 
Hügellandschaften, und selbst in den weiten Niederungen 
trifft man nämlich stellenweise vereinzelte oder gruppen- 
weise vereinte Alpenpflanzen an, die dort blühen und 
Früchte reifen, und häufig sogar ununterbrochen an den 
einmal gewählten Punkten sich erhalten. Dort lernt uns 
die Natur am besten die Mittel kennen, mit deren Hülfe 
wir Alpenpflanzen in unseren niederen Gegenden zu züchten 
im Stande sind, und dort werden wir auch hingehen müssen, 
um der grossen Lehrmeisterin das Geheimniss der Cultur 
der ee abzulauschen. 
Orte, an denen aber in unseren Breiten die Alpen- 
Eo auffallend tief herabgehen, sind zu bezeichnen: 
ie Rinnsale von kalten Quellen ; 
die Ufer von Gebirgsseen und Gebirgsbächen ; 
enge Tobel und tief eingeschnittene felsige Schluchten ; 
Torfmoore ; 
Geróll und Kies der 


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Flüsse. 


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32 


1. Das Vorkommen und Gedeihen von Pflanzen höherer 
Regionen an den Ursprungsstellen kalter tief 
liegender Quellen ist eine in den Alpengegenden 
sehr verbreitete Erscheinung. Um nur einige Beispiele 
für dasselbe zu bringen, sei hier folgender Fälle gedacht, 
In den niederösterreichischen Voralpenthälern irifft man 
regelmässig in den Quellen, welche zwischen 6 und 80R, 
schwanken, schon in einer Höhe von 1500 Fuss über dem 
Meere: Saxifraga rotundifolia, Arabis alpina, Geum rivale 
und Ranunculus aconitifolius an. Im tirolischen Unter- 
innthale wuchern in einer Seehöhe von 1600 Fuss am Rande 
der Quellen bei Maria-Stein, deren Temperatur sich zwischen 
5 und 69 R. hält, Saxifraga aizoides und Viola biflora. 
In den Quellen, welche ober der Achner Mauer am Göller 
in Niederösterreich in einer Höhe von 3100 Fuss ent- 
springen und eine Temperatur von 50.1 R. besitzen, wölben 
sich riesige blühende Polster von Saxifraga stellaris und 
Silene quadrifida, und auf dem Sattel zwischen Achen- 
kirchen und Steinberg in Nordtirol, dessen Höhe ich mit 

S0 Fuss bestimmte, sprudeln Quellen hervor, deren 
Temperatur 5°. 3 bis 49. 5 beträgt, und an deren Rinnsale 
neben den beiden zuletzt genannten Arten überdiess noch 
Ranunculus alpestris, Soldanella alpina, Hutehinsia alpina 
und Salix retusa gedeihen. An quelligen Stellen ober dem 
Bärenbad im tirolischen Stubaithale finden sich in einer 
Seehöhe von 3834 Fuss: Saxifraga aspera, Sibbaldia pro- 
cumbens, Stellaria Frieseana und Cardamine resedifolia, 
und an der Quelle, welche ober den Längenthaler Alpen- 
hütten im Sellrainerthale bei Innsbruck in einer Höhe von 
6274 Fuss entspringt, gedeiht Ranunculus glacialis in 
grösster Fülle und Ueppigkeit. Es muss hier ausdrück- 
lich hervorgehoben werden, dass alle diese Pflanzen a 
anderen Localitäten derselben Regionen nicht beobachtet 
werden, und dass sie in der Regel.erst um beiläulig 
2000 Fuss höher oben ihre untere Grenze finden. be 
merkenswerth ist auch, dass fast alle diese Pflanzen, die 


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einer Quelle zu sehen ist, 


33 


in tieferen Lagen Quellenpflanzen sind, in hóheren Lagen 
auch auf nicht quelligem Boden gedeihen. Saxifraga ro- 
tundifolia, Arabis alpina, Geum rivale, Ranunculus aconiti- 
folius, Viola biflora bevölkern höher oben in der alpinen 
Region gewöhnlich den Grund junger Legföhrengehölze ; 
Saxifraga stellaris und aizoides, Ranunculus alpestris, Sol- 
danella alpina und Salix retusa blühen auf den Bergjóchern 
auch in Runsen und felsigen Thälchen, in denen keine Spur 
und Ranunculus glacialis ist 
eine spezifische Pflanze des Morünenschuttes und der 
Schutthalden der hóchsten Schieferberge. 

as bewegt nun diese Alpenpflanzen, sich hier in viel 
tieferen Lagen an den Quellen anzusiedeln, und welche 
den Alpenpflanzen zusagende Eigenthümlichkeiten hat das 
Quellenrinnsal vor anderen Localitäten voraus? 

Dass der Boden, welcher unmittelbar die Ränder des 
Quellenursprunges und Quellenrinnsales bildet, durch das 
ununterbrochen fliessende Wasser ebenso ununterbrochen 
und gleichmässig befeuchtet wird, wie die Erdkrume der 
Alpenregion, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. 
Aber auch die etwas abseits von dem Rinnsale liegenden 
Stellen, denen eine unmittelbare Berieselung nicht zu Gute 
kommt, werden indirect durch das Quellwasser mit Feuch- 
tigkeit versorgt. Die Atmosphäre, welche über der Quelle 
lagert, besitzt nämlich immer eine grössere relative Feuch- 
tigkeit, und da gleichzeitig durch das kalte Wasser der 
Quelle eine fortwährende Abkühlung der angrenzenden 
Luftschichten eingeleitet wird, so werden die Wasser- 
dämpfe hier fast ununterbrochen verdichtet und dem Boden 
und seinen Pflanzen zugeführt. Wie uns die Erfahrung 
zeigt, sind auch die nächsten Umgebungen der Quellen 
immer durch reichliche Nebel-, Thau- und Reifbildung 
ausgezeichnet, und wohl jeder Leser dieser Zeilen erin- 
nert sich, im Spätherbste die Ränder von Quellwässern 
mit weissem starrendem Reife bedeckt gesehen zu haben, 
während die weitere Umgebung der Quelle diese Erscheinung 

Kerner, Alpenpflanzen. 3 


34 


noch nirgends wahrnehmen liess. Die Pflanzen, welche 
in der Umgebung der Quellen ihre Wurzeln in den Boden 
- senken, befinden sich demnach in Betreff der Befeuchtung 
auch in tieferen Lagen unter ganz ähnlichen Verhält- 
nissen, wie die Pflanzen der Alpenregion, und es liegt 
wohl sehr nahe, diesen Umstand als eine der wichtigsten 
Ursachen für das ausnahmsweis tiefe Herabgehen der 
Alpenpflanzen in der Umgebung der Quellen anzusehen. 

Auffallend ist, dass gerade jene Pflanzenarten, welche 
herunten im Thale an den Quellen blühen, hoch oben in 
der Alpenregion den Schatten aufsuchen und daher offen- 
bar nicht jenen intensiven Lichtreiz nóthig haben, welcher 
für die viel grössere Mehrzahl der anderen Alpinen einen so 
wichtigen Lebensfactor bildet.*) Hiemit soll aber nur 
gesagt sein, dass diese Pflanzen keine lang dauernde di- 
recte pou bedürfen, nicht aber, dass sie auch das 
lange dauernde Tageslicht entbehren (res Vielmehr 
wird aus der nachfolgenden Betrachtung gerade hervor- 
gehen, dass für die oben genannten Gewächse das lange 
einwirkende Tageslicht allerdings eine wahre Lebens- 
bedingung bildet und dass sich daher diese Gewächse auch 
insoferne als rechte Alpenpflanzen manifestiren. 

Es lässt sich nicht verkennen, dass bei gleichen Tem- 
peraturen der Quellen gewóhnlich auch dieselben Pflanzen 
auftreten und dass sich diese Pflanzen sogar in Gruppen 
ordnen lassen, aus deren Vorhandensein mit ziemlicher 
Sicherheit wieder auf die Temperatur der Quelle zurück- 
geschlossen werden kann. Es giebt darunter Pflanzen- 
gruppen, welche nicht in würmeren Quellen vorkommen, 


und das muss überraschen, da die mässig höhere Quellen- 


*) Es wurde ja schon früher erwähnt, dass z. B. Saxifraga 
rotundifolia, Arabis alpina, Geum rivale u. dgl. oben in der Alpen- 
region den Schatten der Legföhrengehölze jE, Saxifraga 
stellaris, Viola biflora, Soldanella alpina finden sich oben vor 
züglich in schattigen Schneethälchen und an schattigen Fels: 
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35 


temperatur ja doch nur auf die Schnelligkeit der Ent- 
wicklung günstig einwirken, nicht aber das Zugrunde- 
gehen der Pflanzen veranlassen kann. Die Erklärung 
dieser Erscheinung ist nun folgende. Die verhältniss- 
mässig niedere Temperatur des Quellwassers wirkt hier 
offenbar als ein Mitiel, um die Vegetationsentwicklung zu 
verzögern. Wenn auch das Quellenrinnsal fast das ganze 
Jahr mehr oder weniger grün bleibt, so beobachtet man 
doch im Frühlinge dort nicht nur keinen Vorsprung, son- 
dern ein entschiedenes Zurückbleiben der vegetativen Ent- 
wicklungsstadien im Vergleich zu dem angrenzenden, mehr 
trockenen Gelände. Die Pflanzen, welche mit ihren Polstern 
das Rinnsal der kalten Quellen. einfassen, blühen erst zu 
einer Zeit auf, in welcher die Sonne schon hoch am 
Himmel steht und in welcher das Licht bereits durch 
15 Tagesstunden auf die Pflanzenwelt einwirkt. Die 
Pflanzen finden daher an den kalten Quellen der Thäler 
ganz ähnliche ‚Verhältnisse, wie sie ihnen höher oben in 
der Alpenregion an nicht wem Stellen geboten werden, 
und das ausnahmsweise tiefe Vorkommen von Alpenpflanzen 


an den Quellenrinnsalen der Waldregion wird uns daher 


nach dieser Erörterung nicht mehr Wunder nehmen. 

2. In noch bei weitem grossarüigerer Weise, als an 
den Quellenrändern, lässt sich die Erscheinung des auf- 
fallend tiefen Herabgehens der Alpenpflanzen an den Ufern 
der Seen und Flüsse beobachten. 

Am Ufer des Bodensees findet sich z. B. Saxifraga 
oppositifolia, eine Pflanze, die sonst nur die höchsten 
Kämme der Alpen bewohnt, bis zur Seehöhe von 1200 Fuss 
herab verbreitet. Am Rande des 1860 Fuss über dem 
Meere liegenden Leopoldsteiner Sees in Obersteiermark 
gedeiht und blüht wunderbarer Weise der überaus zierliche 
Papaver Burseri, und am Ufer des 1880 Fuss hoch gele- 
genen Kochelsees in Baiern finden sich Rhododendron hir- 
sutum, Viola biflora und Carex tenuis. Noch viel reicher ist 
der Alpenflor am Rande des in einer Seehöhe von 1906 Fuss 

3^ 


36 


liegenden Königssees und seines nur um 50 Fuss höheren 
Nachbarn, des reizenden Obersees. In grösster Ueppig- 
keit trifft man dort Rhododendron Chamaecistus, hirsutum, 
Atragene alpina, Heracleum austriacum, Adenostyles albi- 
frons, Betonica Alopecurus, Primula Auricula und Scolo- 
pendrium officinarum an. Am Würmsee in Baiern finden 
sich in der Höhe von 1900 Fuss Gentiana lutea und Lo- 
nicera alpigena, und am Ufer des 2930 Fuss über dem 
Meere gelegenen Achensees in Nordtirol glaubt man sich 
stellenweise geradezu in die Knieholzregion versetzt. Dichte 
Gehölze von Pinus Mughus und Betula pubescens um- 
säumen dessen Ufer, und an den Halden, Gesimsen unl 
Felswänden, die dort aus dem blauen Wasserspiegel auf- 
ragen, beobachtete ich neben dem Buschwerke des Rhodo- 
dendron Chamaecistus und hirsutum, Sorbus .Chamae- 
mespilus, Daphne striata und Arctostaphylos officinalis al 
besonders hervorhebenswerthe Arten: Bartsia alpina, Aster 
alpinus, Arabis pumila, Saxifraga caesia, Alchemilla alpina, 
Globularia nudicaulis, Rhamnus pumila, Salix retusa, Sol- 
danella alpina, Pinguicula alpina, Sedum atratum, Pedicu- 
laris foliosa und Jacquinii, Carex ferruginea und firma, 
durchwegs Pflanzen, die sonst wohl nicht unter der Höhe 
von 4—5000 Fuss Seehöhe angetroffen werden. Aelu- 
liche Verhältnisse lassen sich auch noch an vielen andere 
Gebirgsseen und ebenso auch an den Uferfelsen vieler 
aus den Alpen in das Vorland strömenden Flüsse wahr- 
nehmen. — Um aber nicht zu weitläufig zu werden, þe- 
gnügen wir uns hier mit den oben angeführten Beispielen, 
welche wohl schon hinreichend sind, um das tiefe Herd- 
gehen der alpinen Flora an die Ufer jener Gewässe! n 
constaliren. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diesem Herab- 
gehen im Ganzen dieselben Ursachen zu Grunde liegen, 
welche an den Rändern der Quellen wirksam sind. e 
Ufer der Seen und Flüsse sind ja vor Allem durch ihre 
reichliche Thau- und Nebelbildung ausgezeichnet. 


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37 


relative Feuchtigkeit, welche der Seeatmosphäre zukommt, 
ist in der Regel so gross, dass schon eine sehr geringe 
Temperaturschwankung hinreicht, um eine Condensation 
der Dämpfe zu veranlassen, die dann natürlich auch eine 
Befeuchtung des Bodens nach sich zieht. Der Humus- 
boden auf den Terrassen und Gesimsen der Uferfelsen ist 
daher auch Jahr aus Jahr ein von Feuchtigkeit so durch- 
tränkt, dass er sich ganz teigig anfühlt, und die Moos- 
rasen, welche über die Steinleisten der Seeufer überwalien, 
triefen von dem Wasser, das sie aus den reichlichen 
Nebeln und Thauniederschlägen empfangen haben. 

Da überdiess die Wassermasse des Sees im Sommer 
als ein Kältereservoir aufgefasst werden muss, welches 
auf die angrenzenden Schichten der Atmosphäre abkühlend 
wirkt, und somit mittelbar die Entwicklung der Vegetation 
am Seeufer im Frühling verzögert, so wird dort der Be- 
ginn der Vegetationsthätigkeit ganz ähnlich wie in der 
Alpenregion in eine Zeit hinausgeschoben, in welcher die 
Länge der Tage schon eine bedeutende und daher der 
Lichtreiz schon ein ziemlich lange andauernder ist. 

Die Eigenthümlichkeiten des Climas an den Ufern tief 
liegender Gebirgsseen sind demnach gerade in jenen Be- 
ziehungen, welche für die Pflanzenwelt die grösste Be- 
deutung haben, ein getreues Abbild der climatischen Ver- 
hältnisse der Alpenregion, und es darf uns daher auch 
nicht wundern, wenn wir Hand in Hand mit jenen clima- 
tischen Factoren die Alpenpflanzenwelt bis an die Seeufer 


 herabwandern und sich dort eine tief gelegene Heimat 


gründen sehen. 

Um dem Leser auch das auffallend tiefe Herab- 
gehen der Alpenpflanzen in engen feuchten Thal- 
schluchten anschaulich zu machen, schalten wir im 
Nachfolgenden eine Reihe von Pflanzenverzeichnissen ein, 
durch welche die Flora mehrerer, gerade in dieser Be- 
ziehung höchst interessanten Localitäten im Gebiete der tiro- 
lischen, baierischen, steirischen und österreichischen Alpen 


38 


charakterisirt wird. Es finden sich nänlich in ganz aug. 
nahmsweise tiefen Lagen: 

Im Pfossenthale, einem tief eingehen Seiten- 
arm des Schnalserthales in Tirol, in der Seehöhe vo 
4900 Fuss: 


Artemisia mutellina, Phyteuma hemisphaericum, 
Arenaria laricifolia, Koleria hirsuta, 
Saxifraga exarata, Potentilla grandiffora, 
Juncus trifidus. Nigritella angustifolia, 
Aster alpinus, ` Campanula barbata, 
Gnaphalium Leontopodium, Gentiana nivalis, 
Silene acaulis, Erigeron alpinus, 
Saxifraga aspera, Trifolium saxatile. 


Bei der Alpe Moosen im Hintergrunde des Unterau- 
thales bei Achenkirchen in Nordtirol, in der Seehöhe von 
3097 Fuss: 


Anemone alpina, Cirsium spinosissimum, 

Meum Mutellina, Bartsia alpina, 

Arctostaphylos alpina, Carex ferruginea, 

Ranunculus alpestris, .  Sempervirens, 

Salix arbuscula, s HEEL 

» hastata, Homogyne alpina, 

retusa, Achillea atrata, 
reticulata, Soldanella alpina. 


cda der Mae pi Klamm bei Innsbruck, in der See- 
hóhe von 2950 Fuss 


Avena distichophylla, Rhododendron hirsutum, 

Lonicera alpigena, Pinus Mughus 

Hieracium bupleuroides. Bellidiastrum Michelii, 
pumilum, Gnaphalium Leontopodium. 

Thlaspi rotundifolium. Carex firma, 

Hutchinsia alpina, , "fenis 

Linaria alpina, „mucronata, 


Möhringia polygonoides, Rosa alpina, 


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Salix arbuscula, Gentiana acaulis, 


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Salix glabra, Chrysantl 


Adenostyles alpina, 
Gentiana asclepiadea, 
Geranium silvaticum. 


Viola biflora, 
Atragene alpina. 
Heracleum asperum. 

In der „Eiskapelle“ 
der Seehóhe von 2586 Fuss: 


bei Berchtesgaden in Baiern i 


— 
— 


Soldanella alpina, 
Juncus Hostii, 
Carex tenuis, 


Ranunculus alpestris, 
Saxifraga Burseriana, 


caesia, : 
Ächillen atrata, i Betonica Alòpecurus. 
In der „Felz“ bei Aflenz in Ober- Steiermark in der 


Seehöhe von 2498 Fuss: 
Pinus Mughus, 
Silene alpestris, 
Saxifraga caesia, 

izoon, 


Papaver Burseri, 
Alsine laricifolia, 
Campanula pusilla, 
Rhododendron hirsutum, 
E octopetala, " Chamaecistus. 
Coronilla vaginalis, Linum alpinum, 
eracleum austriacum, Adenostyles alpina, 

Betonica Alopecurus, Selaginella spinulosa. 

In den Achner Mauern am Fusse des Nu in 
Niederösterreich, in der Seehöhe von 2287 F 
Achillea Clavenae, 
Soldanella pusilla 
Heracleum austriacum, 
Primula Clusiana, 

- Auricula, 
Carex firma, 
Thesium alpinum, 


Rhododendron iii ina. 
irsutum, 

Pinus Micha; 

Betonica Alopecurus, 

Dryas octopetala, 

Hieracium porrifolium, 

Athamanta cretensis, 

coronopifo- 


Carex mucronata, lium, 

Linum alpinum, Silene quadrifida, 
Gentiana acaulis, Linaria alpina 

Avena alpestris, Saxifraga rotundifolia, 
Bellidiastrum Michelii, Petasites niveus. 
Cochlearia saxatilis, 


40 


Am Lassingfall bei _— in Niederösterreich 
einer Seehöhe von 2154 Fus 


9 in 


Pinus Mughus Arabis alpina, 
Rhododendron Are »  bellidifolia, 
hamaecistus, Alsine laricifolia, 
Doe alpigena, Linaria alpina, 
Atragene alpina, Coronilla vaginalis, 
Primula Clusiana, Dryas octopetala, 
Achillea Clavenae. Heracleum austriacum, 
Carex firma, Pleurospermum austriacum, 
».  lenuis, Valeriana saxatilis, | 
mucronata, Gentiana acaulis, 
Silene alpestris, is asclepiadea, 
Senecio abrotanifolius, Veronica saxatilis, 
Thlaspi alpinum, Betonica Alopecurus, 
Saxifraga caesia, Pinguicula alpina, 
= mutata, Thesium alpinum, 
Campanula caespitosa. Juncus Hostii, 
pusilla, Avena alpestris, 
Salix glabra, Selaginella spinulosa, 
». grandifolia, Crepis Jacquinii. 


In der Felsenenge beim Fischerischen Kreuz nächst 
Holoni in Niederösterreich, in einer Seehöhe von 
1653 Fuss 


Athamanta cretensis, Helleborus niger, 
Senecio abrontanifolius. Salix grandifolia, 
Rhinanthus alpinus, Aconitum Napellus, 
Potentilla caulescens, Gentiana asclepiadea, 
Campanula caeśpitosa, Adenostyles alpina, 
Silene alpestris, Saxifraga Aizoon, 
Carex tenuis, Euphrasia salisburgensis. 
Lonicera alpigena, Valeriana saxatilis, 
etasites niveus, Thesium alpinum, 
Arenaria laricifolia, Juncus Hostii. 


der; 
"leti 

Na, 

fois" 

na, 

Aginalis, 

etala, 


n Kreuz mii 
r Seehöhe! 


dort die Pflanzen aus 


4 


In feuchten felsigen Schluchten bei Kufstein in Nord- 
tirol, in einer Seehöhe von 1620 Fuss: 
Valeriana saxatilis, Euphrasia salisburgensis. 

tripteris, Helleborus niger, 

Boos octopetala, Carex tenuis, 
Rhododendron hirsatum, Bellidiastrum Michelii, 
Potentilla caulescens, Carex firma. 

us diesen Verzeichnissen wird wohl zur Genüge er- 
sichtlich, dass die untere Grenze der meisten Alpenpflanzen 
nicht als eine in derselben Seehóhe gleichmássig am Ge- 
birge hinlaufende Linie gedacht werden darf, sondern dass 
diese Grenze in den engen Tobeln und Schluchten des 
Gebirges oft weit nach abwärts rückt und dort nicht sel- 
len um ein paar tausend Fuss tiefer zu liegen kommt, 
als die gleichnamige Grenze an den freien Bergabhängen. 

Offenbar sind auch hier wieder ganz dieselben Ein- 
flüsse thätig, welche an den Ufern der Seen und an den 
Rändern der Quellen die untere Grenze der Alpenpflanzen 
stellenweise so bedeutend deprimiren. Die engen Schluch- 
ten bleiben oft bis in den Sommer mit Schnee angefüllt. 
Erst zur Zeit der grössten Tageslänge vermögen daher 
dem Winterschlafe zu erwachen 
und ihre Blätter und Blüten zu entfalten. Gewöhnlich 
durchziehen auch kleine Bäche diese Felsenengen, und 
immer findet man die kühlen Wände der tief eingeschnit- 
tenen Schluchten von reichlichen wässerigen Niederschlägen 
befeuchtet. Ob die Alpenpflanzen, die man an solchen 
Localitäten in so auffallend niederen Seehöhen findet, erst 


‚in historischer Zeit aus grösseren Höhen herabgewandert 


sind, oder ob dieselben als Sprösslinge von Gewächsen 
angesehen werden müssen, die einst in der Diluvialzeit 
unsere Thäler bevölkerten, und welche durch die zu- 
sagenden Lebensbedingungen an einzelnen Localitäten ge- 
fesselt, auch nachträglich der tieferen Region einverleibt 
blieben, ist eine Frage, die nicht hieher gehört. Hier 
genügt es uns, zu constaliren, dass in engen Felsschluchten 


42 


auch in geringer Seehöhe climatische Verhältnisse her 
schen, welche mit jenen der Alpenregion eine grosse 
Uebereinstimmung zeigen, und dass in diesen Schluchten 
die grössere relative Feuchtigkeit der Atmosphäre, re. 
spective die hiedurch veranlasste ununterbrochene und 
gleichmässige Durchfeuchtung des Bodens, sowie ande 
seits der Umstand, dass in jenen Schluchten der Beginn 
der Vegetationsentwicklung möglichst weit gegen den 
Sommer hinausgerückt ist, das Gedeihen von Pflanzen der 
Alpenregion in verhältnissmässig geringer Seehöhe mög- 
lich machen. 

m ausgedehniesten Massstabe findet sich das 
Phänomen des tiefen Herabgehens der Alpenpflanzen auf 
den Geröllhalden des Gebirges und auf den Ge- 
schiebablagerungen der aus dem Hochgebirge 
herstammenden Gewässer. Pflanzen, die man nu 
auf den hóchsten Grüten und Kümmen vermuthet, siedeln 
sich nicht selten auf den Schutthalden und Schotterbünken 
der Thäler und Niederungen an und gedeihen oft viele 
Jahre lang, weit entfernt von der Hóhenzone, welche 
man als Alpenregion zu bezeichnen übereingekommen isl. 
Auf den Geröllablagerungen der Hlér in der Gegend von 
Sonthofen und Immenstadt finden sich nach v. Mohl in 
einer Seehöhe von 2846 Fuss noch Valeriana saxatilis, 
Galium helveticum, Erigeron alpinus, Chrysanthemum co- 
ronopifolium, - Veronica alpina, aphylla, Globularia nudi- 
caulis, Plantago montana, Saxifraga caesia, patens, alz0l- 
des, Silene quadrifida, alpestris, Möhringia polygonoides, 
Cerastium alpinum, Potentilla aurea, Geum montanum; 
Alchemilla alpina, Arabis pumila, bellidifolia und Ranun- 
culus alpestris. Einzelne Alpinen, wie Linaria alpina 
Salix glabra und Cerinthe alpina gehen sogar bis zur 
Seehöhe von 1494 nach Ulm hinab. — Ganz ähnlich ver- 
hält es sich mit der Verbreitung der Alpenpflanzen ent- 
lang dem Flusslaufe der Isar. Bei dem Passe Scha mit 
beobachtete ich auf den Kalkgeróllen des Isarbettes; " 


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Alpenpfay, 
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Valeriana sU 


43 


einer Seehöhe von 2948 Fuss, Silene quadrifida, Cher- 
leria sedoides, Saxifraga aizoides, caesia, Achillea atrata, 
Carex firma, tenuis, Adenostyles alpina, Arabis pumila, 
Möhringia polygonoides, Arabis bellidifolia, Thesium al- 
pinumi, Euphrasia salisburgensis. Weiter abwärts, bei 
Freising und München, finden sich noch in einer Seehöhe 
von 1612 Fuss; Dryas octopetala, Saxifraga mutata, Ga- 
lium helveticum, Gentiana asclepiadea, Poa alpina, cenisia, 
Valeriana montana, Petasites niveus, Chrysanthemum co- 
ronopifolium, Crepis alpestris, Polygonum viviparum, Sela- 
ginella spinulosa und Gypsophila repens, und selbst noch 
bei Landshut, in einer Seehöhe von 1250 Fuss trifft man 
in dem Isargerölle: Arabis alpina, Cochlearia saxatilis, 
Huichinsia alpina, Aethionema saxatile, Bellidiastrum Mi- 
chelii, Campanula pusilla und Linaria alpina an. — In 
dem Flussbette des Lech werden von Sendiner bei Füssen 
in einer Seehöhe von 2547 Fuss: Sedum atratum und Ce- 
rinthe alpina, und bei Augsburg in der Höhe von 1559 Fuss: 
Bellidiastrum Michelii, Euphrasia salisburgensis, Cortusa 
Mathioli, Polygonum viviparum, Gentiana asclepiadea, Cam- 
panula pusilla und Linaria alpina angegeben. Sauter fand 
in den Geröllen der Enns bei Steier in Oesterreich, in 
einer Seehöhe von 1400 Fuss noch Athamanta cretensis, 
Cerastium ovatum, Linaria alpina, Arabis alpina, bellidi- 
olia, Thesium alpinum, Hutchinsia alpina, Helleborus niger, 
Petasites niveus, Primula Auricula und Silene alpestris. 
n der Ibs bei Waidhofen in Niederösterreich, beobachtete 
ich in den Ufergeröllen, bei einer Seehöhe von 980 Fuss: 
Campanula caespitosa und pusilla, Anemone trifolia, Arabis 
bellidifolia, Salix grandifolia, Bellidiastrum Michelii, Euphra- 
sia salisburgensis und Hieracium porrifolium. Helleborus 
niger lässt sich mit Erica carnea längs diesem Flusse 
sogar bis gegen Amstetten, zu einer Seehöhe von 800 Fuss 
hinab verfolgen. 
n diese Beispiele könnten wir noch zahlreiche andere 
anschliessen. — Sie alle beweisen, dass das Vorkommen 


- 


44 


von Alpenpflanzen in den Kiesbetten der aus den Alpen 
in das niedere Vorland ausgetretenen Flüsse eine weit Ver- 
breitete und ganz allgemeine Erscheinung ist. 

Ueberraschen muss es übrigens, wenn man im Wei- 
teren Verfolgen dieser Erscheinung findet, dass die aus 
den Alpen in das Vorland verschleppten Pflanzenarten im 
Westen und Osten so ziemlich dieselben sind. Immer 
finden wir die gleichen Cruciferen, Saxifragen, Caryo- 
phylleen und Compositen, und es lässt diese Gleichmässig- 
keit wohl schon im Vorhinein vermuthen, dass derselben 
auch eine gewisse Gesetzmässigkeit zu Grunde liegen 
müsse. Und in der That hat auch jene Gleich 
ihren guten Grund. 

Verfolgen wir einmal die in das Vorland strömenden 
Gewässer. von den höchst gelegenen Ursprüngen in den 
obersten Mulden und Runsen des Hochgebirges bis hinaus 
in das niedere, den Alpen vorgelagerte Flachland. Beim 
Schmelzen des Sabitas bringen Lawinen und Schneeabrut- 
schungen massenhaftes Steingerölle, Erde, ja selbst ganze 
Gesträuche und Wasenflecken und mit diesen unzählige 
Pflanzensamen in die Mulden und Schluchten der tieferen 
Regionen herab. Das abschmelzende Wasser bringt dam 
die leichten Samen mit-raschem Gefälle in noch grössere 
Tiefen hinab, und Regengüsse und Winde führen neuer- 
dings im Sommer unglaubliche Mengen von Pflanzensamen 
den abwärtsströmenden Gewässern zu. Die an tieferen 
Stellen abgelagerten Schlamm-, Sand- und Geröllmassen 
sind daher ganz durchspickt von Samen, die aus höheren 
Regionen herstammen. — Die Samen keimen jetzt auf. — 
Aber nur ein Theil derselben vermag sich auch weiter 7! 
entwickeln. Am günstigsten gestalten sich die Chancen 
für die weitere Entwicklung auf den Geröllhalden, un 
mittelbar am Fusse der Bergrücken, von denen die Samen 
herabgeführt worden sind; denn hier finden die aufkei- 
menden Pflanzen noch einen Boden, der mit jenem ihres 
heimatlichen Bergjoches übereinstimmt, und werden daher 


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45 


in den chemischen Verhältnissen der neuen Unterlage kein 
Hinderniss ihres Fortkommens finden. Je tiefer und ent- 
fernter aber der neue Ansiedlungspunkt von dem ursprüng- 
lichen Standorte liegt, je mehr Bäche und Flüsse bereits 
zusammengeströmt sind, und je mehr sich daher die Ge- 
schiebe des Flusses gemengt haben, desto mehr wird 
auch die Möglichkeit des Gedeihens eingeschränkt. Alle 
jene Pflanzen des Schiefergebirges, für welche der Kalk 
ein tödtliches Gift ist, gehen in jenen Ufergebieten, wo 
sich schon die Gerölle des Schiefergebietes mit den Ge- 
röllen des Kalkgebirges gemengt haben, während des 
Keimens oder kurz nach dem Aufsprossen zu Grunde. 
Man kann diese Erscheinung sehr schön in allen jenen 
Alpengegenden beobachten, wo Kalk- und Schiefergebirge 
an einander grenzen. So weit die aus den centralen 
Schieferalpen kommenden Bäche in einem Terrain ver- 
laufen, welches kalklos ist, oder doch nur ausserordentlich 
geringe Mengen von Kalk besitzt, finden sich auch in 
tiefen Lagen im Ufersande zahlreiche Pflanzen der höheren 
Gipfel vor. Geum reptans, Artemisia mutellina, Hieracium 
albidum, Chrysanthemum alpinum, Achillea moschata, : 
Oxyria digyna, Juncus trifidus, Trifolium badium, Hiera- 
cium alpinum und Veronica fruticulosa sprossen dort oft 
in grossen Mengen aus dem Quarzsande und zwischen 
den Schiefergeröllen in der Region des cultivirten Landes 
empor und kommen sogar zu ganz schönen und gut ent- 
wickelten Blüten. Sobald aber der Bach ein kalkreiches 
Terrain betritt oder Seitenbäche aufnimmt, welche aus 
Kalkgebirgen herstammen und Kalkgeschiebe und kalk- 
hältiges Wasser mitbringen, sind alle diese Pflanzen plötz- 
lich wie spurlos verschwunden. Da nun aber unsere 
centralen Schieferalpen ringsum von Kalkzügen einge- 
schlossen sind, und die aus den Centralalpen kommenden 
Gewässer die Querthäler des Kalkgebirges passiren müssen, 
da endlich die Ufergeschiebe in dem alpinen Vorlande 


zum grösseren Theile aus Kalksteinen und Kalksand þe- 


46 


stehen, so ist es erklärlich, dass alle jene kalkfeindlichen 
Pflanzen, welche in den Centralalpen in so grosser Menge 
verbreitet sind, nicht in den Ufergeschieben der präalpinen 
Ebenen vorkommen. 

Nebst diesen Gewächsen fehlen in den Ufergeschieben 
der präalpinen Ebenen auch alle.jene Alpenpflanzen, welche 
ihre langen Pfahlwurzeln in bündiges thoniges Erdreich 
einsenken wollen. Namentlich die "alpinen Leguminosen, 
die Phaca-, Oxytropis- und Astragalus-Arten, welche auf 
der tieferündigen zühen Bodenkrume mancher Alpenjócher 
so verbreitet sind, finden in dem Gerölle der Flussufer 
keinen zusagenden Standort und gehen daher dort, wenn 
sie auch aufgekeimt sind, bald wieder zu Grunde. Endlich 
fehlen auf den Ufergeschieben der präalpinen Ebenen auch 
alle jene Pflanzen, welche in den Alpen vorwaltend nur 
auf tiefem Humus vorkommen. Die immergrünen Rhodo- 
dendron-Arten, das Empetrum nigrum und die zwergige 
Azalea procumbens gedeihen im Hochgebirge in der Regel 
nur auf der Humusschichte, welche ihnen vorhergegangene 
Pflanzengenerationen vorbereitet haben. Sie finden sich auch 
dort oben nie in der ersten Generation, welche auf dem offe- 
nen Boden sich entwickelt, sendern müssen immer ihre Vor- 
männer haben, welche den Boden zu ihrer Aufnahme ge- 
eignet machen. Da ist es wohl natürlich, dass sie auch 
auf den humuslosen Geschieben der Flussufer nicht auf- 
kommen und daher dort niemals in vollkommen entwickel- 
ten Exemplaren angetroffen werden. 

Wenn wir aber erstens die kalkfeindlichen Pflanzen der 
Centralalpen, dann die Alpenpflanzen, welche thoniges Erd- 
reich verlangen, und endlich diejenigen Gewächse, welche 
erst über den vermoderten Resten vorhergegangener Gene- 
rationen sich ansiedeln können, ausschliessen, so bleibt 
uns ein verhältnissmässig nur kleines Häufchen von Alpen- 
pflanzen übrig. Wir haben dann schliesslich nur mehr 
jene Pflanzen, welche den Kalk vertragen, keines Humus 
bedürfen und daher in den Alpen auf Kalkfelsen, Schutt- 


|, dass st! 
sufer nidi 
mmen 


l 
Ikfelse": 


47 


halden und Grieslehnen vorkommen und dort die Rolle 
der ersten Ansiedler spielen. Und merkwürdig, — alle 
diese Pflanzen sind auch richtig schon hier oder dort in 
niederen Gegenden in den Geschieben der Bach- und Fluss- 
ufer aufgefunden worden. 

Nach der allgemein verbreiteten Ansicht soll ihr Vor- 
kommen auf den Kiesbänken der Alpenflüsse freilich nur 
die Bedeutung eines Zufalles besitzen und als eine ephe- 
mere Erscheinung aufzufassen sein. Wir können aber 
auf Grundlage unserer Beobachtungen und Erfahrungen 
diese Ansicht durchaus nicht theilen. Man kann aller- 
dings häufig-sehen, dass durch Veränderungen im Flussbett 
oder durch Ueberwuchern anderer Gewächse nachträglich 
manche einmal auf dem Flusskies angesiedelte Pflanze ver- 
schwindet. Diese Erscheinung kommt aber in ganz ana- 
loger Weise auch an den hochgelegenen Stammsitzen der 
Alpinen, nämlich auf den Felsen, Geröllen und Schutt- 
halden des Hochgebirges vor. Auch dort vernichten ja 
nicht selten Lawinengänge und Muhrbrüche die ersten 
Ansiedler der Pflanzenwelt, und auch dort wird ja die 
erste Generation früher oder später durch eine zweite 
überwuchert und in den Hintergrund gedrängt. Zudem 
lehrt uns ja die Erfahrung, dass das Auftreten der im 
Früheren aufgezählten Pflanzen an ihren näher bezeich- 
neten Standorten in Wirklichkeit kein ephemeres sei. Die 

ngaben über das Vorkommen der oben genannten Alpinen 
im Ufergeschiebe der Niederungen lassen sich in vielen 
Fällen in der Literatur weit zurück verfolgen, und wir finden 
manche fragliche Pflanze heute richtig noch in denselben 
Gegenden, wo sie vor mehr als einem halben Jahrhundert 
Schrank und Wulfen, oder noch früher Clusius und andere 
Väter der Botanik angegeben haben. Auch spricht der Um- 
stand, dass die Erscheinung sich an so vielen den Alpen 
entströmenden Flüssen, von der Iller hinab bis zur nieder- 
österreichischen Schwarza, so gleichmässig wiederholt, 
ganz gegen die Annahme eines blossen Zufalles, und wir 


48 


glauben daher vielmehr die Behauptung aussprechen zu 
dürfen, dass für alle jene Alpenpflanzen, welche die Rolle 
erster Ansiedler spielen, und weder den Kalkboden scheuen. 
noch einen tiefgründigen Lehmboden verlangen, das Vor- 
kommen auf den Flussgeschieben der Niederungen ein ganz 
natürliches sei. Die Linie, welche die Flachlandsgrenze die- 
ser Gewüchse bildet, darf nicht, wie bei vielen anderen 
Pflanzen, als eine gerade und gleichmássig fortziehende ge- 
dacht werden, sondern verläuft mit unregelmässigen viel- 
fachen Krümmungen, die sich als langgezogene schmale 
Ausbuchtungen, entlang den Flussläufen, zungenförmig 
gegen das Flachland vorstrecken. 

Für unsere Zwecke ist das Vorkommen der Alpen- 
pflanzen auf den Schotterbänken der präalpinen Flüsse 
ganz besonders lehrreich. Im ersten Augenblick kann 
man sich natürlich nicht vorstellen, wie die Alpinen auf den 
dürren schattenlosen Schotterbänken, wo sie im Sommer 
der grössten Sonnenhitze ausgesetzt sind, Lebensbedin- 
gungen finden sollen, welche mit jenen der alpinen Re- 
gion übereinstimmen oder wenigstens als ein Surrogat 
jener alpinen climatischen Verhältnisse dienen sollen. 


Und dennoch ist es so.  Giebt man sich die Mühe, die . 


Wurzeln der auf den Schotterbänken angesiedelten Alpen- 
pflanzen bis zu ihren letzten Endigungen zu verfolgen, $0 
staunt man über die verhältnissmässig grosse Tiefe, zu 
der sie hinabsteigen. Immer findet man, dass sie in einen 
feinen Sand eingebettet sind, welcher ununterbrochen 
durchfeuchtet ist. Blickt uns auch die Schotterflüche an- 
fänglich als ein dürres Land entgegen, so überzeugen WI! 
uns doch schon nach Wegräumung der obersten Gerüll- 
stücke, dass ihr permeabler Boden von dem angrenzenden 
Flusswasser fort und fort befeuchtet wird. Selbst Jene 
Stellen, welche über dem Niveau des Flusses liege 
saugen in Folge der Hygroscopieität des Sandes ununter- 
brochen Wasser auf, und haben an dem Flusswasse! 
eine reichliche und ausgiebige unterirdische Quelle v0? 


en. ZUNgeN, 
nmen der 
Präalpinen } 
Augen | 


49 


Feuchtigkeit. Und auch die relativ feuchtere Atmosphäre. 
welche über dem Flusse lastet, ist wohl für das Gedeihen 
der Alpenpflanzen nicht gering anzuschlagen. Wir brauchen 
nur an die Nebelbänke zu erinnern, welche sich über den 
Flussbetten mit grósster Hartnäckigkeit noch stundenlang 
halten, wenn von dem angrenzenden Lande schon längst 
jede Spur des Nebels verschwunden ist, um damit die 
reichlichere Condensation von Dämpfen im Gebiete der 
Flussläufe zu constatiren. Auch auf die reichliche Thau- 
bildung, welche man am besten auf den Dampfschiffen be- 
obachten kann, wenn man Morgens aus der Cajüte auf das 
Verdeck heraufgestiegen ist, mag noch hingewiesen wer- 
den, um zu zeigen, dass die Feuchtigkeitsverhältnisse im 
Bereiche des Flussrinnsales gerade diejenigen sind, welche 
die Alpenpflanzen zu ihrem Gedeihen bedürfen. Die brennen- 
den Sonnenstrahlen, welche auf die schattenlosen Schotter- 
bänke fallen, und von denen man zu glauben versucht wird, 
dass sie die Kinder der kalten Alpenregion über kurz oder 
lang in dürres Heu umwandeln könnten, thuen in der That 
nicht den geringsten Schaden. Im Gegentheile sind die- 
selben gerade für die Alpenpflanzen . eine wahre Lebens- 
bedingung und fórdern nur ihr frisches blühendes Aus- 
sehen. — Dass dureh die Nühe des Flusses, der in der 
Regel noch zu einer Zeit mit Eis bedeckt ist, wenn sich 
anderwürts schon die ersten Frühlingsblüten zeigen, und 
der auch nach dem Eisgange noch durch geraume Zeit 
Schmelzwasser aus dem Gebirge mitbringt, welches sich 
wenig über 1? erhebt, die Vegetationsentwicklung auf 
den angrenzenden, nieht vom Hochwasser überfluteten 
Schotterbünken verzögert werden kann. braucht wohl kaum 
einer weiteren Auseinandersetzung , ebensowenig als es 
einer weiteren Erörterung bedarf, dass die Entwicklung 
jener Pflanzen, die erst nach Ablauf des Frühlingshoch- 
wassers aus dem abgelagerten Gerölle aufwachsen, schon 
in eine Zeit hinausfállt, in welcher die Länge der Tage 
bereits eine sehr bedeutende ist. -— Es sind demnach auf 
Kerner, Alpenpflanzen. 


[mm 


50 


den Schoiterbänken der Flüsse in der Ebene gerade jene 
Lebensbedingungen erfüllt, welche nach den im früheren 
Capitel gegebenen Erörterungen für die Pflanzen der Alpen- 
region von grósster Wichtigkeit sind, und es darf uns 
daher durchaus nicht mehr befremden, wenn wir so viele 
Alpinen ihren Verbreitungsbezirk bis auf die Flussgeschiehe 
der Niederungen ausdehnen sehen. 

5. Es erübrigt jetzt nur noch, das Vorkommen der 
Alpenpílanzen in den Mooren der Niederungen zu 
besprechen. 

Das auífallendste Beispiel in dieser . Beziehung sind 
wohl die Torfmoore der südbairischen Ebene. In einer 
Seehöhe von 1800 — 2300 Fuss finden sich dort nach 
Sendiner: Cerastium alpinum, Lonicera coerulea, Gentiana 
lutea , acaulis, verna, Bartsia alpina, Pinguicula alpina, 
Primula farinosa, Auricula, Polygonum viviparum und 
Allium sibiricum. Die Legfóhre Pinus Mughus ist dort, 
wie überhaupt in allen am Nordrande der Alpen liegenden 
Hochmooren, eine der gewöhnlichsien Pflanzen. -An einigen 
Orten, nämlich bei Rothenbuch, Ammergau und Kempten, 
ist sogar das rostfarbige Alpenröschen Rhododendron fer- 
rugineum in die Torfmoore herabgestiegen, und Zwanziger 
fand auch das gewimperte Alpenróschen Rhododendron 
hirsutum in einem Torfmoore, dem sogenannten Ursprung- 
moore in der Gegend von Salzburg. — In den Torf- 
mooren bei Seefeld in Nordtirol beobachtete ich in einer 
Seehöhe von 3700 Fuss Carex capillaris und Gentiana 
excisa, und in den Mooren südöstlich von Wien finden 
sich in einer Seehöhe von 530 Fuss Pinguicula alpina, 
Primula farinosa und Gymnadenia odoratissima vor. — 
Noch viel bemerkenswerther als diese Fälle sind wohl die 
Vorkommnisse von Alpenpflanzen in den weiten Flach- 
ländern, welche sich an den Küsten der Nord- und Ost- 
see ausbreiten. Wir sehen natürlich ab von den zahl- 


reichen Gewächsen, die sich, wie z. B. Calluna vulgaris. 
idaea und Nardus stricta, in einer une 


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51 


unterbrochenen Kette von Standorten von den 8000 Fuss 
hohen Rücken der Centralalpen und den höchsten Kuppen 
der sudetisch-herzynischen Berge in die nördliche Niede- 
rung und bis an den Saum des Belies ausgebreitet haben, 
und weisen hier vielmehr nur auf vereinzelte Vorkomm- 
nisse hin. So macht Boll auf den merkwürdigen Anblick 
aufmerksam, den die Flora der Moorwiesen am Tolense- 
fluss in Neubrandenburg und im nordöstlichen Meklenburg- 
Strelitz zeigt, und erwähnt z. B. dass dort nebst meh- 
reren anderen subalpinen Anklängen auch Primula fari- 
nosa zu Tausenden den kaum 40 Fuss über dem Spiegel 
der Ostsee erhabenen Boden bedeckt. Grisebach führt 
unter den Pflanzen der Emsmoore Empeirum nigrum und 
Lycopodium Selago auf, die in unseren Alpen kaum je- 
mals unter der oberen Baumgrenze aufgefunden wurden. 

Die Ursache aller dieser merkwürdigen Erscheinungen 
liegt wohl unzweifelhaft wieder in dem Umstande, dass 
die aufgezählten Pflanzen in den Mooren der Niederungen 
Lebensbedingungen finden, welche jenen der Alpenregion 
sich verähnlichen. Die gleichmässige ununterbrochene 
Durchfeuchtung des Bodens findet sich ja nirgends vollkom- 
mener, als in den Mooren, welche durch Torfbildung aus- 
gezeichnet sind, und was das Hinausschieben des Beginnes 
der Vegetationsentwicklung in die Zeit der langen Tage an- 
belangt, so können wir uns an jedem Torfmoor von dem- 
selben die genügende Ueberzeugung verschaffen. Wenn 
ringsum auf dem trockeneren Lande schon alles grünt und 
blüht, so liegt der durch stete Verdunstung abgekühlte Torf- 
moor*) noch wie eine braungelbe Insel ausgebreitet. an 


*) Gümbel hat gezeigt, dass die Quellen Mine aus Torf 
nooren entspringen, entschieden kälter sind, als A 
OH a aus nicht versumpftem Boden. S em Poe 8 

asselbe beobachtete ich im oberösterrei- 
ehischen en Vergl. Verhandl. des z. b. Vereins in 
Wie pag. 214 


4* 


52 


welcher der Lenz spurlos vorübergegangen zu sein scheint, 
Erst zu Ende April beginnt auch dort ein junges frisches 
Pflanzenleben zu erwachen. — Was noch insbesondere 
die Torfmoore der nördlichen Küstengegenden anbelangt, 
so darf uns dort das Vorkommen von Alpenpflanzen um 
so weniger wundern, weil dort zu den in mehr südlich 
und continental gelegenen Torfmooren wirksamen Ver- 
hältnissen auch noch der Einfluss des feuchten Seeclimas 
und der nördlicheren Lage kommt. Die feuchte Luft des 
Küstenclimas und die durch die nördlichere Lage ver- 
grösserte Länge der Sommertage sind ja auch die Ur- 
sache, dass in jenen Landschaften die meisten unteren 
Pflanzengrenzen viel tiefer herabrücken. und dass z. B 
in den Niederungen an der Ostsee Pflanzen, wie Ane- 
mone vernalis, Linnaea borealis, Arctostaphylos officinalis, 
Ajuga pyramidalis, Trientalis europaea und Poa sudetica 
vorkommen, die in dem Gebiete der Alpen nirgends unter 
der Hóhe von 3000 Fuss Seehóhe angetroffen werden. 

Zum Schlusse müssen wir hier noch einschalten, dass 
zahlreiche Pflanzen, welche wohl nicht auf den Namen 
Alpenpflanzen Anspruch machen können, wie z. B. Par- 
nassia palustris, Succissa pratensis, Molinia coerulea, die 
aber nichtsdestoweniger auch in der Alpenregion ange- 
troffen werden, in Betreff ihres Standories die Eigen- 
thümlichkeit zeigen, dass sie in der Ebene in den For- 
mationen der Sümpfe, auf den Hochgebirgen dagegen auf 
nicht sumpfigen Wiesen vorkommen. — Die Erklärungs- 
weise dieser Erscheinung ist wohl ganz dieselbe. wie sie 
gerade früher für das Vorkommen der Alpenpflanzen in 
Torfmooren angegeben wurde, und wir erachten es daher 
für überflüssig, dieselbe nochmals des Breiteren ausein- 
anderzusetzen. 


Wenn wir nun alle im Früheren mitgetheilten Be- 
obachtungen und Erläuterungen über das spontane Vor- 


|penregion & 
orles die È 
bene in da! 


Breiteren # 


night, 
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53 


kommen der Alpenpflanzen in niederen Gegenden über- 
blicken. so kommen wir zu folgenden Resaltaten: 

Der Wechsel von Durchfeuchtung und Austrocknung 
des Bodens ist für die Alpenpflanzen hóchst nach- 
theilig und setzt in unseren Gegenden ihrer Ver- 
breitung gegen das Tiefland zu in den meisten Fällen 
eine untere Grenze. 

Diese untere Grenze erscheint überall dort bedeutend 
hinabgerückt, wo durch eigenthümliche locale Ver- 
hältnisse der nachtheilige Wechsel in dem hygro- 
scopischen Zustande des Bodens eliminirt und eine 
gleichmässige und ununterbrochene Durchfeuchtung 
des Substrates herbeigeführt wird. Dabei ist es im 
Allgemeinen ziemlich gleichgültig, auf welche Art 
die gleichmässige Befeuchtung zu Stande kommt. 
Am günstigsten aber scheint doch jene zu sein, welche 
durch grosse relative Luftfeuchtigkeit und durch ver- 
mehrte Thau- und Nebelbildung eingeleitet wird. 
Es ist für die Alpenpflanzen eine höchst wichtige 
Lebensbedinguug, dass der Beginn ihrer Vegetations- 
thätigkeit in eine Periode fällt, in welcher die Tages- 
länge schon eine sehr bedeutende ist, und in welcher 
daher das Tageslicht und die Tageswárme durch 
móglichst lange Leitráume ununterbrochen auf die 
Pflanzen einwirkt. 

Standorte, an welchen durch was immer für einen 
Einfluss im Frühling die Entwicklung verzógert 
wird. zeigen daher bei gleichzeitigen günstigen 
Feuchtigkeitsverhältnissen des Bodens auch in ge- 
ringer Seehöhe Pflanzenarten. welche sonst nur in 
hóheren Regionen vorkommen. 

Directe Besonnung ist für das Gedeihen der meisten 
Alpenpflanzen im Thale nicht nur ohne allen Nach- 
theil, sondern geradezu förderlich, wenn anders die 
im Früheren aufgezählten Lebensbedingungen erfüllt 
sind. 


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54 


6. Der grössere Luftdruck in den niederen Gegenden 
ist für die Alpenpflanzen ohne nachtheiligen Einfluss, 

T. Niedere Temperatur ist für die Alpenpflanzen keine 
Lebensbedingung. 

Diese Resultate sind nun für denjenigen, welcher sich 
in niederen Gegenden mit der Cultur der Alpenpflanzen 
abgeben will, gewiss nicht entmuthigend; denn sie zeigen, 
dass wir jene Eigenthümlichkeiten der Alpenregion, welche 
für das Gedeihen der Alpinen von grösster Wichtigkeit 
sind, auch im Thale künstlich herstellen können, und dass 
anderseits jene Verhältnisse, welche wir im Thale nicht 
nachahmen könnten, für die Alpenpflanzen ohnedies ganz 
gleichgiltig sind. Niedere Temperatursgrade und geringen 
Luftdruck könnten wir den Alpenpflanzen in den niederen 
Gegenden unsererer Breiten nicht bieten. ausgenommen, 
wir würden sie unter den Rezipienten einer Luftpumpe 
stellen und einen Eiskeller zu Hülfe nehmen, was wohl 
wenig Anklang in der practischen Gärtnerei finden dürfte, 
Zum Glücke bedürfen wir aber auch dieser Hülfsmittel 
nicht, da uns die Erfahrung zeigt, dass die Alpenpflanzen 
auch unter dem Gewichte einer höheren Luftsáüle noch 
nicht den Athem verlieren und sich auch aus einer hohen 
Sommertemperatur nicht viel machen, wenn nur für eine 
möglichst lange Verzögerung der Vegetationsentwicklung 
im Frühlinge, und für eine ununterbrochene und gleich- 
mässige Befeuchtung des Bodens Sorge getragen ist. Und 
diese letzteren Lebensbedingungen herzustellen, kostet in 
der That eine im Verhältnisse zu dem Erfolge ansser- 
ordentlich geringe Mühe. 

ie Aufgabe der folgenden Zeilen wird es nuh sein. 
das Verfahren anzugeben. welches sich zur Herstellung 
der für das Gedeihen der Alpenpflanzen in niederen Ge- 
genden nothwendigen Bedingungen am meisten empfiehlt. 
und welches uns die umfangreichen Versuche im Innsbrucker 
botanischen Garten als das zweckmässigste bewährt haben. 


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Fünftes Capitel. 


Lage und Form der Alpenpflanzenanlage. 


Die Meinung. dass die Alpenpflanzen als Sprösslinge 
einer kalten Heimat sich in der wärmeren Luft unserer 
niederen Gegenden unbehaglich fühlen, hatte zur Folge, 
dass man in früherer Zeit die Alpinen immer in die 
kühlsten Winkel der Gärten setzen zu müssen glaubte. 
Man wählte für sie Plätze aus, welche von mächtigen 
Laubkronen überwölbt waren, und pflanzte, um den Schatten 
recht dicht zu machen, noch überdiess rings um die An- 
lage zahlreiche Sträucher und Bäume an. Die Kinder 
des Lichtes wurden nun in diese kühlen, dunklen, dicht- 
schattigen Winkel zwischen Steintrümmer in Haideerde 
gepflanzt, und sollten in dieser Verbannung denselben 
Schmelz der Blumenkronen zeigen, mit welchen sie an 
den sonnigen Felsgräten des Hochgebirges prangen. Eben 
erst von den Alpen mit ihren ganzen Wurzelballen ent- 
nommen. schienen sie auch, an solche Stellen verpflanzt. 
im ersten Jahre sich nicht ganz schlecht zu gefallen, ent- 
wickelten sogar willig Knospen und Blüten und brachten 
es mitunter sogar zum Reifen der Samen. Aber ge- 
wühnlich schon im darauffolgenden Jahre wollte es mit 
dem Blühen nicht mehr recht vorwärtsgehen. Die meisten 
Pflanzen trieben nur mehr Blátter, vergilbten endlich mehr 
und mehr und waren schliesslich nach einigen Sommern 
spurlos verschwunden. An der Stelle der mit grosser 


Mühe und grossen Kosten von den Berggipfeln eninom- 


menen und in den Alpengarten verpflanzten Gewächse. 
wucherte jetzt in dem schattigen Dunkel ganz lustig 
die üppig grüne Marchantia polymorpha und verdrángte 
schliesslich auch noch die wenigen standhafteren Arten, 
die sich sonst aus schattigen Standorten eben nicht viel 
daraus machen. 


Noch gegenwärtig kann man in 
solche mit Marchantien überwucherte 
welche als Alpenpflanzenplantage gezei 
die man, um den Schein zu retten , 
Erfahrungen früherer Jahre‘, 
Bergen herabgeholte Opfer 
Grunde gehen lässt. 

Nach der aus den früheren Capiteln gewonnenen Er- 
kenntniss der Lebensbedingungen der Alpenpflanzen giebt 
es aber zu einer Anlage für diese Gewächse keine un- 
geeigneteren Orte, als solche dichtschattige Winkel, von 
denen jeder Sonnenstrahl durch die überwölbenden Baum- 
kronen abgehalten wird. — Je mehr Licht die Alpen- 
pflanzen während ihrer Vegetationszeit bekommen können, 
desto besser. So lautet der Wahlspruch, den wir bei der 
Anlage eines Alpenpflanzengartens festhalten müssen, und 
der uns in der Weise leiten wird, dass wir freie Plätze, die 
im Sommer von frühem Morgen bis zum späten Abend 
Sonnenlicht haben und zu dieser Jahreszeit gar nicht oder 
möglichst wenig beschattet sind. allen anderen Locali- 
täten zur Anlage eines Alpengartens unbedingt vorziehen. 

Aus unseren früheren Untersuchungen ging nun aber 
auch weiter hervor, dass, wenn anders die Alpinen ein 
gedeihliches Fortkommen zeigen sollen, ihr Erwachen 
aus dem Winterschlafe erst in eine Zeit fallen dürfe, in 
welcher die Tageslänge schon eine sehr bedeutende ist. 
Dieser Bedingung in unseren ebenen Landschaften Rech- 
nung zu tragen, ist nun allerdings etwas schwierig. Das 

einzige Mittel. welches wir zur Verzógerung der Vege- 
tationsentwicklung in Anwendung bringen können. besteht 
darin, dass wir = Winter die Anlagen mit hohen Wällen 
von zusammengeschaufeltem Schnee umgeben und über- 
diess für den Fall, als die Alpenpflanzenanlage die Form 
von Steinhügeln besitzt, auch jene Zwischenräume, welche 
sich als Wege zwischen den Steingruppen durchziehen. 
mit Schneemassen ausfüllen. Dieser Schnee wird fest 


zahlreichen Gärten 
Steinhaufen sehen. 
gt werden und auf 
trotz der traurigen 
immer wieder neue von den 
jährlich einpflanzt und zu 


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rect auf die Alpinen einfallen lässt.*) 


^ 57 


zusammengeballt, zusammengestampft und | zusammenge- 
treten, und am Beginne kalter Nächte fleissig mit Wasser 
überschüttet, so dass er sich schliesslich in eine körnige 
Eismasse umwandelt. Ueberdiess bedeckt man diese Eis- 
masse noch mit dürrem Laub und Tannenreisig oder mit 
einer Schichte von Moos. Stroh oder Sägespähnen. und 
kann dann sicher sein. dass dieselbe selbst den warmen 
Regen des Frühlings eine geraume Weile zu widerstehen 
vermag. — Die körnige Eismasse entzieht natürlich bei 
ihrem langsamen Schmelzen der umgebenden Luft und 
der umgebenden Erde fort und fort eine grosse Menge 
von Wärme und erhält hiedurch die angepflanzten Alpinen 
noch durch ziemlich lange Zeit im Winterschlafe. — 
lóchst zweckmässig ist es auch. die Eismassen vor di- 
reeter Insolation durch irgendeine schattengebende Wand 
zu schützen. Man erreicht diess wohl am besten durch 
eine Mauer, welche die ganze Alpenanlage gegen Süden 
zu abgrenzt, und die gerade so hoch ist, dass sie bis 
Ende April die Alpenplantage beschattet und erst bei dem 
höheren Stande der Sonne im.Mai die Sonnenstrahlen di- 
Durch eine solche 
Mauer wird beiden im Früheren erörterten Lebensbedin- 
gungen Genüge geleistet. In der Zeit unseres Thalfrühlings 
wird nämlich dadurch auf der Alpenanlage das Erwachen 
der Vegetation möglichst hintangehalten, und im Mai, 
und Juli die für das Gedeihen der 
Insolation doch nicht behindert. 


Juni 
Alpinen so wichtige 
Es versteht sich wohl 


*) Zur Bestimmung dieser Höhe diene folgende Tabelle: 
Höhe der schattenwerfenden Wand, wenn die Breite des Mittags- 
sch l werden soll: 


chattens = 
Geogr. Breite l. April 1. Mai 1. Juni 
30 1. 1390. 15 67191. 2. 2602 
47° 1. 1003. 1. 6149. 2. 1576. 
48° 1. 0624. pow. 2::0625 
49* 1. 0259. 1. 4956. 1. 9740 


58 


von selbst. dass eine solche Mauer auch durch die Front 
eines Gebäudes, etwa eines Glashauses, ersetzt sein kann. 
Ja es würde ein solcher Ersatz sogar insoferne sehr 
zweckmüssig sein, als man dabei das auf die Bedachung 
des Gebäudes niederfallende Regenwasser gewinnen und 
in Bottichen, die neben der Alpenanlage zu stehen kommen, 


tl 
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sammeln könnte. *) 

Da wir endlich ermittelt haben, dass eine ununter- 
brochene und gleichmässige Durchfeuchtung des Bodens 
für das Gedeihen der Alpenpflanzen eine nicht zu um- 
gehende Lebenshedingung ist, so wird bei der Anlage 
des Alpenpflanzengartens auch wesentlich darauf gesehen 
werden müssen, dass eine zur Bewässerung hinreichende 
Wassermenge zu allen Zeiten vorräthig sei. — In einem 
Garten, welcher den Vortheil eines durchfliessenden Baches 
oder einer Quelle besitzt, oder der sich am Ufer eines 
Sees, Teiches oder Stromes ausbreitet, bringe man die 
Alpenpflanzenplantage in möglichster Nähe dieser Gewässer 


an. Die glücklichste Localität wäre jedenfalls eine kleine 
Insel in der Mitte eines Teiches oder fliessenden Was- 
sers. — Dort aber, wo alle diese Vortheile nicht vor- 


handen sind, sorge man wenigstens für ein paar Bassins 
in der Mitte oder am Rande des Alpengartens, die stets 
mit zugeleitetem oder gepumptem Wasser leicht versorgt 
werden kön‘.en. 

Auf dem mit Berücksichtigung der eben gegebenen 
Vorschriften. gewählten Platz mag man nun getrost die 
Alpenpflanzenanlage errichten. 

ie Form, welche man nun der Alpen 
pflanzenanlage giebt, und die Art und Weise, 
wie man das Substrat für die anzupflanzenden Gewächse 
zurechtlegt, richtet sich zum Theile nach dem Geschmacke 
des Cultivateurs und nach den Zwecken, welche bei der 


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Wir werden später bei Besprechung der Bewässerlfr 


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hierauf nochmals zurückkommen. 


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Cultur verfolgt werden, zum Theile nacli den zur Dispo- 
sition stehenden Räumlichkeiten und nach dem Baumate- 
ridlien, welche man in der Umgebung eerade vorräthig 
findet. 

Wir wollen nun im Nachfolgenden versuchen, alle 
bisher in Anwendung gebrachten Alpenpflanzenanlagen, 
die sich als zweckmässig bewährten, zu besprechen, und 
glauben, dass sich unter denselben wohl für jeden Ort. 
für jeden Zweck und für jeden Geschmack eine passende 
und zusagende Form werde finden lassen. 

1. Cultur der Alpenpflanzen in Töpfen. 

Will man Alpenpflanzen am Fenster ziehen, so eignet 
sich hiezu nur eine Anlage, zu welcher Töpfe in Ver- 
wendung gezogen werden. Am zweckmässigsien wird 
eine solche Anlage in folgender Weise zugerichtet. Man 
lässt sich 6 Zoll hohe Blechkisten anfertigen, deren Um- 
fang dem Raume entspricht, welchen man am Fenster 
zur Verfügung hat. Nahe dem Boden wird an jeder der 
beiden gegenüberliegenden schmalen Seiten der Kiste ein 
Loch angebracht, und entsprechend 'der hier eingeschal- 
teten Durchschnitiszeichnung 


in das eiue dieser Löcher eine unten knieförmig gebogene. 
nach Aufwärts trichterförmig erweiterte Glasröhre, in das 


andere eine kurze Röhre, welche durch einen Hahn ver- 


schliessbar ist, eingekittet. Etwa einen Zoll über dem 
Boden wird an der inneren Seite der vier Kistenwände 
eine Leiste angebracht, welche als Stütze für einen zweiten 
Böden (A) dient, der in die Kiste eingelegt wird. Dieser 
zweite Boden besteht aus einem grossmaschigen Draht- 


60 


gitter und trägt die in die Kiste einzusetzenden Töpfe 
mit Alpenpflanzen. Um die Krümmung dieses zweiten Bo. 
dens, welche allenfalls durch die Schwere der Töpfe veran- 
lasst werden könnte, unmöglich zu machen, wird das Gitter 
mit einigen kreuzweise verlaufenden Stäben und einem festen 
Rahmen aus Eisen versehen. Auf das Gitter, welches also 
gewissermassen einen oberen Boden der Kiste bildet, wer- 
den nun, wie schon erwähnt, die Töpfe gestellt, deren 
Boden von 3 bis 4 ziemlich grossen Löchern durehbohrt 
sein muss. Die zwischen den Töpfen sich ergebenden 
Zwischenräume werden mit Moos (B) ausgestopft, welches 
man am besten von den Arten der Gattung Sphagnum nimmt, 
Auf welche Weise den am Fenster cultivirten Alpinen 
mit Hülfe des eben geschilderten Apparates eine fort- 
währende gleichmässige, aber nicht übertriebene Feuchti- 
keit zugeführt werden kann. soll noch später bei Be- 
sprechung der Bewässerung angeführt werden. Hier sei 
nur soviel erwähnt, dass der untere Raum der Blechkiste 
fortwährend mit einer Schichte von Wasser (C) gefüllt blei- 
ben muss, und dass man den Wasserstand dieses unteren 
Raumes, über dessen Höhe die Höhe der Wassersäule in 
der Glasröhre Aufschluss giebt, durch Zugiessen in den 
Glastrichter und Ablassen aus dem mit einem Hahne ver- 
sehenen Abzugsrohre leicht regeln kann. Zu bemerken 
kommt nur. noch, dass es auch zweckmässig ist, eine 
etwa 5 Zoll lange Glasröhre, deren untere Oeffnung in 
den theilweise mit Wasser gefüllten unteren Raum der 
Kiste ausmündet, zwischen das Moss zu stecken. damit 
die Luft, welche durch nachgegossenes Wasser aus dem 
unteren Raume verdrüngt wird, leicht entweichen kann. 
Wührend des Winters werden die in der eben ge- 
schilderten Kiste enthaltenen Tópfe mit den Alpenpflanzen 
in einen kühlen schattigen Winkel des Gartens. am besten 
an der Nordseite einer Mauer. in Sand eingesenkt, auf 
die später noch ausführlicher zu besprechende Weise zU- 
gedeckt und ringsum mit einem mächtigen Wall von 


61 


Schnee umgeben. den man durch Uebergiessen mit Wasser 
in eine Eismasse umzuwandeln sucht. Man lässt dort die 
Töpfe solange, als sieh die Alpinen im Winterschlafe erhal- 
ten. ruhig stehen, und erst dann, wenn man ein Aufbrechen 
der Knospen und ein Hervordrängen der jungen Blätter und 
Blütenstände bemerkt, was bei sorgsamer Einhaltung der 
im Früheren gegeben Verhaltungsmassregeln kaum vor Ende 
April oder Anfang Mai stattfindet, bringt man die Töpfe 
wieder in die mit Moos gefüllte Kiste an das Fenster, 
wo sie dann bis zum Herbsie verbleiben können. 
Handelt es sich darum, mit möglichst einfachen Mitteln 
und mit móglichster Sparung des Raumes viele Alpen- 
flanzen das ganze Jahr über im Freien zu ziehen, so 
ist gleichfalls die Cultur in Töpfen ganz zweckmässig, 
und zwar würde sich in einem solchen Falle eine Anlage 
als besonders geeignet empfehlen, von welcher wir hier 
eine Durchschnittszeichnung einschalten. 


| 


Man füllt den Raum einer ringsum mit Brettern aus- 


 gekleideten Vertiefung mit einer zwei Zoll dicken Lage 


groben Schotters und schichtet darüber etwa 6 Zoll hoch 
Quarzsand (A) in der Weise auf, dass der Rand der Bretter- 
verkleidung an der Nordseite 6 Zoll, an der Südseite 
2 Zoll über die Oberfläche der Sandschichte emporragt. 
In den Sand werden dann die mit Alpenpflanzen besetzten 
Töpfe oder Tróge in der Weise eingesenkt, dass sie mit 
ihrem Rande einen Zoll über die Oberflüche des Sandes 
emporragen. Die Räume, welche sich zwischen den etwas 
emporragenden Tópfen oder Trógen ergeben, stopft man 


62 


dann mit Moos (B) aus, und wählt dieses wieder am Zweck. 
mässigsten von den Arten der Gattungen Sphagnum oder 
Hypnum. Diese letztere Vorsicht ist darum unerlässlich, 
weil sonst bei Gewitterregen der Sand durch die niederfallen- 
den schweren Tropfen in die Töpfe geschlagen wird und 
hiedurch die eultivirten Pflanzen Schaden leiden könnten, 
Neben den Beeten hält man Bretier vorräthig, welche hei 
argem Unwetter und im Winter auf die hölzerne Einfassun 
des Beetes in schwach geneigter Stellung gelegt werden. 
Die Töpfe müssen aus sehr hartem Töpfergut sein, um 
dem Einflusse des Frosies widerstehen zu können. Immer 
muss man aber bei der Anwendung von Thongeschirren 
in den eben geschilderten Erdkisten darauf gefasst sein, 
alljährlich einige derselben durch den Frost zersprengt 
zu sehen und auf diese Weise zu verlieren. Hölzerne 
Tröge sind dieser Gefahr nicht ausgesetzt, doch haben 
diese wieder den Nachtheil, dass sie über kurz oder lang 
morsch werden und diher ein . Umsetzen der cultivirten 
Pflanzen nothwendig machen. 

Da es übrigens nichts weniger als bequem ist, die in 
flachen Beeten eingesenkten kleinen Alpinen von einem 
Wege aus zu beobachten, der mit den Beeten in fast 
gleicher Hóhe liegt, so hat man es auch versucht, zwischen 
den mit Tópfen besetzten Beeten tief eingeschnittene Wege 
anzubringen, in der Art, dass man dann, auf dem Wege 
stehend, die zu pflegenden Pflanzen beiläufig in Brust- 
höhe vor sich hat. Braucht man dabei einige Kosten 
nicht zu scheuen, so lässt man die Sandbeete mit den 
eingesenkten Töpfen auf gemauertem Untergrunde al 
bringen und mit hölzernen Rahmen einfassen. Einer der- 
arligen Anlage dürfte dann am zweckmässigsten die Form 
gegeben werden, welche durch die hier folgende sche- 
matische Zeichnung ersichtlich gemacht wird. 


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63 


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Zwei Wege führen der ganzen Länge nach durch den 
Raum der Anlage und sind in der Mitte und an den beiden 
Enden durch kleine Querwege mit einander in Verbindung 
gebracht. An den beiden schmalen Seiten der Anlage 
führen Stiegen zu den vertieften Wegen hinab. Die ge- 
mauerten Untersätze, welche die Sandbeete tragen, dürfen 
nicht zu breit'sein, um nicht die Pflege der zu culti- 
virenden Pflanzen unbequem zu machen. Am besten eignei 
sich für das mittlere Beet eine Breite von 3 Schuh, für 
die beiden seitlichen Randbeeten eine Breite von 1 Y, Schuh. 
Zur Bedachung können entweder Bretter oder Glasfenster 
mit Schattendecken benützt werden, wobei sich wohl von 
selbst versteht, dass diese nur im Winter, und nur bei 
Hagelschlägen, heftigen Regengüssen u. dgl. auch im 
Sommer in Verwendung gezogen werden. Am zweck- 
mässigsien richtet man die Bedachung in der Art ein, 
dass sich die Bretier oder Fenster von beiden langen 
Seiten der Anlage emporheben und über dem mittleren 
Beete in einen First vereinigen. 

Die Cultur der Alpenpflanzen in Töpfen hat jedenfalls 
einige nicht zu läugnende Vortheile. Sie ermöglicht näm- 
lich eine sehr genaue Uebersicht und eine leichte Rein- 
haltung der Anlage. Sie macht es auch leicht möglich, 
die Alpinen nach ihrer systematischen Verwandtschaft zu 
gruppiren, was bei keiner der anderen Culturen so con- 


64 


sequent durchgeführt werden kann, und endlich, was uns 
das Wichtigste scheint, die Cultur in Tópfen gestattet zy 
jeder Zeit, die Pflanzen mit ihrem Topfe auszuhehen, 
dieselben in das Zimmer zu bringen, dort bequem zu 
studiren, allenfalls nach dem Leben zu zeichnen und sie 
endlich wieder ganz unversehrt in die Anlage zurück zu 
versetzen. — Die Cultur der Alpenpflanzen in Töpfen 
wird darum auch in mehreren Gärten allen anderen vor- 
gezogen. Am grossarligsien und erfolgreichsten wird 
dieselbe wohl von unserem ausgezeichneten Schott in 
Schönbrunn ausgeführt. Im botanischen Garten zu Halle 
werden die Alpinen gleichfalls in Tópfen cultivirt. Hampe 
in Blankenburg am Harz, der sich seit vielen Jahren mit 
ausgezeichnetem Erfolge der Cultur der Alpenpflanzen 


widmet, hat gleichfalls neben seinen fünf Felsengruppen 


eine Pflanzschule, in welcher er Alpinen in Töpfen zieht. 
Ebenso haben wir im Innsbrucker botanischen Garten neben 
dem für Alpinen bestimmten, noch später zu besprechen- 
den Felsenbau eine Pflanzschule, in welcher viele Tausend 
Doubletien in hölzernen, in Sand eingebetteten Trögen 
culüvirt werden. Ueberhaupt wird jeder. der sich eine 
der später zu schildernden Anlagen für Alpenpflanzen er- 
richtet, immer gut thun, nebenbei auch eine Pflanzschule 
mit Töpfen anzubringen, da es jedenfalls vortheilhaft sein 
dürfte, Doubletten zum Tausche vorräthig zu halten und 
anderseits nur zu häufig auch erwünscht ist, einzelne auf 
der zweiten Anlage zu Grunde gegangene Exemplare aus 
einem Reservefond zu ersetzen. 


une 


2. Cultur der Alpenpflanzen in flachen Beeten. 


ohne Anwendune von Tö pfen. 


An Orten, wo weit und breit kein Stein zu finden ist 
und wo man aus was immer für Gründen die Cultur in 
Töpfen vermeiden will. eignet sich für die Alpenpflanzen 
am besten eine Anlage, welche auf folgende Art zuge- 


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65 


richtet wird. Man hebt an der Stelle, welche zur Auf- 
nahme der Alpenpflanzen dienen soll, die gewöhnliche Erde 
CA) in einer Tiefe von 6 bis 8 Zoll aus und verkleidet die 
Ränder der hiedurch entstandenen Vertiefung mit Bretter- 
wänden, welche durch eingeschlagene Pflöcke gefestiget 
werden. Die Bretter, welche sich hiedurch zu einem 
Rahmen für das herzustellende Beet vereinigen, lässt man 
entsprechend dem hier eingeschalteten Durchschnitte ein 


paar Zolle über den Rand der Vertiefung emporragen. 
Den Grund der Vertiefung füllt man mit einer dünnen 
Lage von Schotter (B) aus und versieht überdiess die 
tiefste Stelle mit einer Drainageróhre (D), welche zur 
Entfernung des überflüssigen Wassers dient. Ueber der 
Schotterlage wird die Erde, welche die Alpenpflanzen 
aufnehmen soll (C), aufgeschüttet und dann fest nieder- 
gedrückt, so zwar, dass die Oberfläche der aufgeschütteten 
Erde ein paar Zoll unter das Niveau des umgebenden 
Erdreiches zu liegen kommt. Die aufgeschüttete Erde 
wird je nach den Gewächsen, die man gerade an einer 
Stelle anzupflanzen beabsichtiget, auch entsprechend ge- 
wählt und wir verweisen in dieser Beziehung auf das 
sechste Capitel, in welchem das Substrat der Alpen- 
pflanzen einer ausführlichen Besprechung unterzogen wer- 
den soll. 

Die in der angegebenen Weise hergerichteten Beeten 
werden am zweckmässigsten nach dem umstehend einge- 
schalteten Plane gruppirt. Sie sollen die Breite von 4 Schuh 

Kerner, Alpenpflanzen. 5 


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nicht überschreiten, damit man die angepflanzten Gewächse 
immer von der einen oder anderen Seite leicht erreichen 
kann. Die Länge der Beeten aber, so wie die Zahl der- 
selben richtet sich natürlich ganz nach dem Raume und 
Bedürfnisse, so wie nach dem Geschmacke des Pflanzen- 
züchters. 


Diese Art der Alpenpflanzenanlage wurde vor Jahren 
in dem botanischen Garten zu Töien bei Christiania in's 
Leben gerufen, und hat sich dort nach den Mittheilungen 
des für sein Fach wahrhaft begeisterten Obergärtners 
Moe*) auf das glänzendste bewährt. Sie ist ‚jedenfalls 
unter allen Culturarten die einfachste und billigste, hat aber 
das Unbequeme, dass man aufrechtstehend die Pygmäen 
er Alpen in den flachen Beeten nur schlecht beobachten 
kann, und daher jedesmal, so oft man die nähere Bekannt- 
schaft mit einer der cultivirten zwergigen Arten machen 
will, sich an den Rand des Beetes niederknien muss. 
Aus diesem Grunde würden wir auch überall dort, wo €s 
nicht an Steinen mangelt, einer der beiden nachfolgenden 
Methoden vor der eben geschilderten entschieden den Vor- 
zug geben. 


7) Veiledning til Dyrkning af glaciale, alpinske og arctiske 
Planter af N, Moe. Christiania 1862, 


nachfol® 
reden de : 


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67 


3. Cultur der Alpenpflanzen in Gruben mit 
terrassenförmig aufgestuften Steinwänden. 

Um die hier in der Ueberschrift bezeichnete Art der 
Alpenpflanzenanlage herzustellen, wird an jener Stelle des 
Gartens. zu welcher fliessendes Wasser mittelst einer 
Röhre am leichtesten zugeleitet werden kann, eine kreis- 
förmige Grube gegraben, deren Tiefe etwa 6 Fuss beträgt 
und deren Breite beiläufig 18 Fuss Ausmass zeigt. In 
der Mitte dieser Grube wird, wie es in. dem hier ein- 
geschalteten Durchschnitt der Anlage ersichtlich ist, ein 


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kleines Bassin angebracht und dieses mit einem Spring- 
brunnen versehen, dessen Wasserstrahl natürlich selbst 
dort, wo das dem Garten zukommende Wasser ein kaum 
merkbares Gefälle hat, ein paar Schuh hoch steigen wird, 
da die Mündung des Leitungsrohres um 6 Schuh unter 
der Oberfläche des Gartenterrains zu liegen kommt. Rings 
um das Bassin (A) wird ein Kiesweg (B)*) angebracht, 
von dem an zwei gegenüberliegenden Seiten der Grube 
steinerne Stiegen (C) zum Rand der Grube hinaufführen. 
Die Wände der Grube werden mit Bruchsteinen bekleidet 
und zwar in der Weise, dass sich das Gestein (D) in 
zwei oder drei Terrassen (E) gegen den oberen Rand der 
Grube aufstuft. Dabei muss darauf Rücksicht genommen 


*) Vergleiche die Zeichnung auf der nächsten Seite. 
5% 


68 


werden, dass zwischen den Steinen zahlreiche Vertiefungen, 
Nischen und Klüfte übrig bleiben, die man mit der Erde 
ausfüllt, in welcher die Alpinen wurzeln sollen. 

iese Art der Anlage, von welcher der hier ein- 
geschaltete Plan eine richtige Vorstellung geben dürfte, 


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eignet sich vor allem für sehr trockene Gegenden, in 
welchen es grossen Schwierigkeiten unterliegt, den Boden 
gleichmässig und ununterbrochen feucht zu halten. Sie 
wird im königlichen botanischen Garten zu München mit 
gutem Erfolge angewendet. 


SI 


4. Cultur der Alpenpflanzen auf Steinhügeln. 


Die Anzucht der Alpinen auf Steinhügeln ist unter 
allen Culturarten die beliebteste und wohl auch verbrei- 
tetste. — Entsprechend den Zielen, die man aber mit der 


69 


Cultur anstrebt, und entsprechend der Form des zur Ver- 
fügung stehenden Raumes, unterliegt dieselbe manchen 
nicht unwesentlichen Modilicationen. Hat man z. B. den 
Raum längs einer niederen Mauer, einer Felswand oder 
einer Erdscarpirung zur Anlage der Alpenplantage aus- 
ersehen, so ist es am zweckmässigsten, die Steine in der 
Art am Fusse der Mauer oder Felswand aufzustappeln, 
dass durch dieselben schmale. langgestreckte Terrassen 
gebildet werden, welche mit der Mauer oder Felswand 
parallel laufen iid sich stiegenfórmig gegen dieselbe em- 
porheben. Diese Methode findet sich z. B. im Parke des 
Stiftes Lilienfeld, im Binder gsti oahiselian Fraisenthale 
in Anwendung gebracht. * 

at man dagegen die Wahl des Platzes ganz frei, 
so ist es vorzuziehen, Steingruppen aufzubauen, welche 
sich von allen Seiten terrassenfórmig aufstufen und daher 
ringsum bequem zugänglich sind. Man gewinnt hiedurch 
eine viel grössere Mannichfaltigkeit von Standorten und 
kann die Pflanzen je nach ihrer Vorliebe für. südliche, 


‚östliche, westliche oder nördliche Seiten auf den Stein- 


hügeln entsprechend vertheilen. Dabei halte man den 
Grundsatz fest, statt einigen grossen Steinhügeln lieber 
recht viele kleine, dicht gedrängte, steil aufgeböschte 


*) Neben vier kleineren Alpenpflanzen- "Anlagen, deren zwei 
sich an Felsen anlehnen, findet sich dort auch ein Alpenpflanzen- 
garten, der sich in einer Breite von 2 — 2!/, Schuh und in 

bedeutenden Länge von 30 Klaftern längs der oberen Mauer des 

Stiftsparkes hinzieht. Diese Anlage datirt vom Jahre 5 her 

und bot seiner ia unter den sorgfältigen Händen der Herren 
ick 


Gottwald Dr. Lorenz einen prachtvollen Anblick, dar. 
Leider hatte prr in spüteren Jahren durch die Beschattung 
der in der Nähe angepflanzte dud inzwischen zu gewaltiger Hóhe 


angewachsenen Bäume, sowie durch die Vernachlässigung von Seite’ 


des ps sehr gelitten. Erst in der neuesten Zeit, seitdem 
Got wald wieder in das Stift Pics ist und dort das Amt 

nes Kümmerers versieht, steht zu hoffen, dass sie den alten 
Glanz und nes Bo erlangen werde. 


70 
Steingruppen zu errichten. Es. werden nämlich auf die el 
letziere Weise zahlreiche Zwischenräume erzielt, welche $i 
sich als Wege zwischen den Steinpartien durchwinden, y 
und durch deren rechtzeitige Ausfüllung mit Schnee und yé 
Eis das Erwachen der Alpenpflanzen aus dem Winter- E 
schlafe durch ziemlich lange Zeit hinausgeschoben werden ke 
kann. *) i sí 
Die Höhe der Steinhügel soll nicht mehr, als 6 Schuh pl 
erreichen und die Basis nicht über 4 Schuh breit sein; ei 
denn nur bei diesem Ausmasse hat man den Vortheil, zu — U 
jeder Stelle der Anlage ohne Turnerkünste bequem mit al 
den Händen hingelangen und die einzelnen Pflänzchen D 
ohne Rückenverkrümmung gut beobachten zu können — H 
Der hier eingeschaltete Plan stellt eine Anlage dar, welche d 
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in ihren Dimensionen den eben gestellten Anforderungen EM 
entspricht und mit der Zweckmässigkeit auch eine ge- ze 
fällige Form vereiniget. ka 
In manchen Gärten, welche sich die Aufgabe stellen, 
auf das Publicum belehrend und anregend zu wirken, 
dürfte es gewiss auch recht zweckmässig sein, die Ver- 
theilung der Steinhügel in der Art vorzunehmen. dass 
sie den Gebirgsgruppen oder Bergzügen eines Landes i 
*) Vergl. S. 56. 


71 


entsprechen. -Man kann dann auch die. Alpinen auf den 
Steinhügeln: in ähnlicher Weise vertheilen, wie sie in 
Wirklichkeit auf dem dargestellten Gebirge im Grossen 
verbreitet sind; und wählt, man noch überdies zu den 
einzelnen Sieinhügelu Gesteine aus, welche in Wirklich- 
keit den Gesteinen des dargestellten Terrains entsprechen. 
so bietet die Anlage dem Publicum gleichzeitig ein orogra- 
phisches, geognostisches und pflanzengeographisches Bild 
eines Gebirges oder ganzen Landes dar. | Im «botanischen 
Universitätsgarten zu Innsbruck erscheint z. D. auf die 
angegebene Weise das Land Tirol im Kleinen dargestellt. 
Die dort errichteten acht Gesteinsgruppen stellen die 
Haupigruppen der tirolischen Alpen dar. Die mittlere, 
den Centralalpen entsprechende Partie der ganzen Anlage 
ist aus kristallinischen Schiefern aufgebaut. und zerfällt 
in vier getrennte Massivs. welche den Ortles-, Oetzthaler-. 
Zillerthaler- und Glockner- Stock repräsentiren, und so 
wie an der einen Seite dieser Stöcke die aus Kalksteinen 
errichteten Steinhügel die nördlichen Kalkalpen darstellen, 
so bilden die Steinpartien an der anderen Seite ein i 
der Höhenzüge im südlichen Theile des- tirolischen Berg- 
landes. Die unmittelbaren Einrahmungen der Wege wurden 
entsprechend dem tertiären Mittelgebirge auch aus tertiärem 
Conglomerat aufgebaut, und die Wege selbst verlaufen 
genau in derselben: Weise, wie die tirolischen Hauptthäler. 
Noch muss hier darauf aufmerksam gemacht werden, 
dass es durchaus nicht gleichgültig ist, wie man die ein- 
zelnen: Steingruppen der Anlage aufbaut. Im Allgemeinen 
kann wohl die hier eingeschaltete Zeichnung. welche den 


72 


Durchschnitt zweier Steinhügel darstell t, als Vorbild dienen, 
Immer muss man aber auch darauf achten, dass die up. 
teren Schichten und das Innere des hügelförmigen Baueg 
aus einem Materiale bestehen;. durch welches das Wasser 
leicht durchsickern kann. Schotter, Ziegeltrümmer und 
Sand im bunten Gemenge, abwechselnd geschichtet mit 
grösseren und kleineren Steinen und mit Ballen von Torf- 
moos, bilden am zweckmässigsten den Kern der einzelnen 
Hügel, welchen man dann mit Bruchsteinen derart ver- 
kleidet, dass möglichst viele kleine Nischen, Ritzen und 
Terrassen entstehen. 

Was die Steine anbelangt, welche man zu dem Baue 
benützt, so wird man sich in der Regel wohl nach der 
Gegend richten müssen, in welcher der Alpengarten in's 
Leben gerufen werden soll. Mit Ausnahme von leicht 
verwitterndem mürbem Kalktuff und lockerem Sandstein, 
kann man auch alle Gesteine in Verwendung ziehen. Gut 


wird es aber immer sein. darauf Rücksicht zu nehmen, - 


dass einzelne Hügel bloss aus kalkhaltigen, andere da- 
gegen ausschliesslich nur aus möglichst kalkfreien Ge- 
steinen aufgebaut werden. 

Die Cultur der Alpinen auf Steinhügeln erfordert eine 
stete Ueberwachung und Pflege und insbesondere eine 
unausgeseizie Sorgfalt in der Entfernung von anderen, 
unberufen sich ansiedelnden Pflanzenarten. Stets rein 
gehalten bietet sie aber auch unter allen Culturformen 
den zierlichsten Anblick dar, und entspricht jedenfalls den 
natürlichen Verhältnissen. unter welchen sich die Alpen- 
pflanzen in ihrer Heimat befinden, am allermeisten. Sie 
eignet sich vorzüglich für jene Pflanzenzüchter, welche 
mit der Alpenpflanzenanlage ein Vegetationsbild der al- 
pinen Region darzustellen beabsichtigen, und denen es 
weniger um eine systematische Gruppirung der einzlenen 
Arten zu thun ist. Ausserdem besitzt die Cultur der 
Alpinen auf Steinhügeln den Vortheil leichter Zugänglich- 
keit, den Vortheil einer grossen Mannichfaltigkeit von 


andere i 


73 


Standorten, und insbesondere den Vortheil, dass man durch 
rechtzeitiges Ausfüllen der engen Wege mit Schnee und 
Eis das Erwachen der Vegetation im Frühlinge mit den 
geringsten Schwierigkeiten auf geraume Zeit hinaus zu 
verzögern im Stande ist. 


Sechstes Capitel. 


Boden. 


Eine der wichtigsten Bedingungen für das gute Ge- 
deihen der Alpinen in unseren Gärten ist die möglichst 
sorgfältige Wahl der Bodenart. 

Drei Dinge sind es insbesonders, welche in dieser 
Beziehung bei der Cultur der Alpenpflanzen berücksich- 
tiget werden müssen, nämlich 1. das Verhältniss der 
Humusmenge zu der Menge des anorganischen Materiales, 
2. die chemischen Verhältnisse, und 3. die physicalischen 
Verhältnisse des Bodens. 


1. Verhältniss der Humusmenge zu der 
Menge des anorganischen Materiales. 


Es lässt sich nicht verkennen, dass die Pflanzen un- 
serer Alpen nach der Menge des in dem Boden enthal- 
tenen Humus in drei Gruppen zerfallen. Die erste Gruppe 
umfasst Pflanzen, welche die Colonisation eines öden, 
früher voRetktiönslosän und humusleeren Bodens über- 
nehmen und sich daher vorzüglich auf den Geröllen der 
Bachufer, auf Schutthalden, Erdrissen. Felsen und Moränen 
ansiedeln. Es gehören hieher meistens isolirt wachsende 
Arten, deren Sporen und Samen in der Regel ausser- 
ordentlich klein, geflügelt oder mit Haarkronen versehen 
sind und daher durch den leisesten Luftzug zu den ent- 


74 


legensten Felsgesimsen und in die abgelegensten Thal: 
winkel getragen werden kónnen. Auf dem durch diese 
erste Generation zugerichteten und mit geringen Mengen 
von Humus versehenen Boden siedeln sich dann Gewächse 
an, von welchen die meisten die Tendenz besitzen, den 
Boden mit geschlossener Vegetationsdecke zu überziehen, 
Es sind dies meist rasige oder ausläufertreibende Arten. 
insbesonders Gräser und Riedgräser, und neben diesen 
alle jene Pflanzen, welche wie gewisse Rhinanthaceen und 
Orchideen nur in der geschlossenen Grasnarbe gedeihen. 
Von den Gewächsen dieser zweiten Generation wird nun 
der Boden im Laufe der Zeit mit immer grösseren Mengen 
von Humus versehen. Endlich wird der Humus über den 
anorganischen Aniheil der Erde sogar vorwaltend. und 
an die Stelle der zweiten Generation treten jetzt Pflanzen. 
welche, selbst noch fort und fort den Humus durch ihre 
absterbenden Theile vermehrend. schliesslich mit ihren 
Wurzeln nur mehr in einer braunen torligen Masse stecken. 
die verbrannt. fast keinen anorganischen Rückstand mehr 
ergiebt. 

Von diesem Euiwieklungsgange finden wir in den 
Alpen nur dori eine theilweise Ausnahme. wo durch die 
Verwitterung des unterliegenden Gesteins eine zähe, tho- 
nige kalklose Erdkrume entstanden ist. Dieser tiefgründige 
kalklose Thonboden, der sich in der feuchten Atmosphäre 
der alpinen Region immer gleichmässig durchfeuchtet zeigt. 
veriritt nämlich manchmal für gewisse Pflanzen. die über 
felsigem oder sandigem Substrate nur in der dritten. Ge- 


neration vorkommen. wie z. B. für Azalea procumbens, 


Rhododendron ferrugineum und Lycopodium alpinum $0 
vollständig den Humus, dass man auf ihm die genannten 


Arten hie und da auch unmittelbar als erste Ansiedler - 


auftreten sehen kann. 
Aus dieser Betrachtung ergiebt sich natürlich für die 
Cultur der Alpenpflanzen das Resultat. dass man alle 


jene Gewächse, welche die Rolle ersier Ansiedler spielen, 


75 


in fast humuslosem Boden. die Arteır der zweiten Gene- 
ration dagegen in einer etwa zur Hälfte mit Humus ge- 
mengten Erde. und die Arten der dritten Generation in 
reinem Humus oder in dem stellveriretenden zähen Thon- 
boden zu cultiviren habe. Da aber nicht allen Pflanzen- 
züchtern geläufig sein dürfte, welche Rolle jeder einzelnen 
Pflanzenart in unseren Alpen zukommt. und. welche Ge- 
wächse als erste, zweite und dritte Ansiedler auftreten, 
so wird in der Tabelle, welche den Schluss dieses Ca- 
pitels bilden soll, das Verhältniss der Humusmenge für 
eine möglichst grosse Zahl von Alpenpilanzen ersichtlich 
gemacht werden. In allen jenen Fällen aber. wo die 
Tabelle keinen Aufschluss geben sollte. wird man nicht 
viel fehlen, wenn man die fragliche auf die Alpenanlage 
zu verselzende Pflanze. in Betreff der Bodenmischung ge- 
rade so behandelt. wie die Mehrzahl der anderen in der 
Tabelle enthaltenen Arten gleicher Gattung; denn es kann 
als allgemeine Regel gelten, dass die Arten einer und 
derselben Gattung sich in den verschiedenen Gegenden 
gewissermassen erseizen und bei der Colonisation des 
Bodens eine ganz analoge Rolle spielen. Vielleicht ist 
es übrigens in dieser Beziehung noch zweckmässig, wenn 
wir hier die Bemerkung einschalten, dass die Arten der 
Gattungen Epilobium. Papaver, Salix, Valeriana. so wie 
fast alle Compositen, Alsineen, Sileneen, Cruciferen un 
Crassulaceen einen möglichst humusarmen Bo en. die 
Arten der Gattungen Potentilla und Draba, sowie die meisten 
Primulaceen Gentianeen. Rhinanthaceen, Orchideen, ` Legu- 
minosen, Ranunculaceen. Umbelliferen. Gramineen und 
Cyperaceen einen Boden, in welchem sich die Mengen des 
Humus und der anorganischen Bestandiheile das Gleich 
gewicht halten, und endlich die Arten der Gattungen Ly- 
copodium, Luzula, Juncus, Eriophorum, Vaccinium, Em- 
peirum, sowie die meisten Ericaceen, Lonicereen und 
Filices einen an Humus möglichst reichen Boden ver- 
langen. 


76 


2. Die chemischen Verhältnisse des Bodens. 

Um sich in allen Fällen günstiger Culturerfolge erfreuen 
zu können, ist es nothwendig, dass auch die chemische 
Zusammensetzung des anorganischen Theiles der Erde 
entsprechend berücksichtiget werde. Gerade die Alpen- 
flanzen sind nämlich in. Beireff dieser Verhältnisse sehr 
empfindlicher Natur und zeigen sich in der Regel bezüglich 
der Bodenart bei weitem wählerischer, als die ‚Pflanzen 
des niederen Landes. — In flachen niederen Gegenden 
mit alluvialem und diluvialem Boden stellt das Erdreich 
gewöhnlich ein Gemenge aus dem Detritus der verschie- 
densten Gesteine dar. Die chemischen Gegensätze des 
Bodens sind dort mehr nivellirt, und der Einfluss der 
Unterlage auf die Verbreitung der Gewächse tritt daher 
dort fast ganz in den Hintergrund. In reich abgestuften 
Hochgebirgsgegenden aber, wo die geognostischen Sub- 
strate in ihren chemischen Gegensätzen sich schroffer 
gegenüberstehen, gliedert sich auch die Pflanzenwelt nicht 
nur nach physicalischen Zuständen der Erdkrume in be- 
stimmte zusammenhängende Gruppen. sondern auch nach 
den chemischen Verhältnissen der unterliegenden Gesteine 
und der aus ihnen hervorgegangenen Erdkrume. 

Diese Gliederung und dieser Gegensatz der Pflanzen- 
decke auf geognostisch und chemisch verschiedenen Sub- 
straten ist auch den Botanikern längst aufgefallen, und 
es ist schon geraume Zeit her, dass man die Namen 
„Schieferflora* und „Kalkflora“, ,Schieferpflanzen, Ur- 
gebirgspflanzen und Kalkpflanzen* u. dgl. in die Wissen- 
schaft eingeführt hat. Vor allem ändern war nämlich der 
Gegensatz zwischen der Flora des Kalkgebirges und jener 


der kristallinischen Schiefer und Massengesteine, das ist 


also jener geognostischen Bildungen, welche man einstens 
als Urgebirge zusammenfasste, aufgefallen. Und da man 
auf den Kalkbergen eine Erdkrume vorfand, die in der 
Regel viel Kalkerde und wenig Kieselerde enthielt, und 


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77 


aus den Silicaten der Schiefer- und Massengesteine um- 
gekehrt eine Erdkrume sich entwickeln sah, die- reich an 
Kieselerde und sehr arm an Kalkerde war, so glaubten 
die Pflanzengeographen, das Vorwalten oder Fehlen dieser 
beiden Stoffe, nämlich des Kalkes und der Kieselerde, mit 
dem Vorhandensein oder Fehlen gewisser Pflanzen in Ver- 
bindung bringen zu können. Sie meinten, dass gewisse 
Pflanzen des Kalkes, andere wieder der Kieselerde zum 
Aufbau ihres Leibes nothwendig bedürfen, und dass diese. 
Pflanzen daher überall dort fehlen, wo ihnen der be- 
treffende Stoff von dem Boden nicht in hinreichender 
Menge geboten wird. Die Pflanzengeographen hatten da- 
rum auch später statt dem Namen .Urgebirgspflanzen* 
und „Schieferpflanzen“ die Bezeichnung „Kieselpflanzen * 
eingeführt und die mit diesem Namen belegten Gewächse 
gewissermassen den „Kalkpflanzen“ gegenübergestellt. Sie 
wurden in ihrer Ansicht, dass der Boden als Träger der 
alk- und Kieselerde von der grössten Bedeutung für 
die Vertheilung der Pflanzenwelt sei, noch insbesonders 
dadurch bestärkt, dass -man in den Alpen überall dort, 
wo thonige, an Kieselerde reiche Schichten zwischen 
Kalksystemen eingeschlossen vorkommen, regelmässig auch 
Oasen sogenannter Kieselpflanzen auftreten sah, von denen 
man sich natürlich zu glauben berechtigt hielt, dass sie 
nur darum auf der beschränkten Localität ihren Wohn- 


‚sitz aufgeschlagen ‚haben, weil sie daselbst die zu ihrer 


Entfaltung unumgänglich nothwendige Kieselerde in den 
anstehenden thonigen Schichten vorfanden. 

Wenn ich aber meine eigenen über den chemischen 
Einfluss des Bodens auf die Gewächse in den Alpen ge- 
machten Beobachtungen in Berücksichtigung ziehe, und 
weiterhin die Resultate der eigens zur Lösung dieser 
Frage angestellten Culturversuche erwäge, so muss ich 
gestehen, dass ich mit der bisherigen Ansicht und der 
bisherigen Eintheilung der Gewächse in Kiesel- und 
Kalkpflanzen, oder in kalkstete, schieferstete, kalkholde, 


78 


kieselholde u. dgl. mich nicht ganz einverstanden eri 
klären kann. Wohl ist der Boden als Träger abweichender 
Nahrungsmittel für die Pflanzen von grosser Bedeutung 

aber nicht ausschliesslich in dem Sinne, wie dies bisher 
gewöhnlich aufgefasst wurde. Nur für wenige ist ein 


bestimmter anorganischer Stoff der Bodenkrume “als un. 


entbehrliches Nahrungsmittel und dessen Vorhandensein 
als nothwendige Lebensbedingung anzusehen. Die meisten 
Pflanzen, bei denen man eine Verschiedenheit in der Ver- 
theilung nach der Unterlage beobachtet, werden vielmehr 
von gewissen Localitäten entweder durch das Vorhanden- 
sein eines anorganischen Stoffes ferne gehalten, oder sie 
werden dort durch das Vorhandensein eines anorganischen 
Stoffes in ihrer Gestalt umgewandelt und treten dann als 
andere Arten (richtiger Parallelformen) in Erscheinung. 
Der einfachste Culturversuch zeigt; dass die meisten 
sogenannten Kalkpflanzen in vollständig kalklosem Boden 
recht gut fortkommen, dass aber viele sogenannte Schiefer- 
pflanzen in kalkhältigem Boden gebaut oder mit kalkhäl- 
tigem Wasser begossen, rasch verkümmern und aussterben. 
Schon Sendiner hatte auf diese Erscheinung mit den 
Worten aufmerksam gemacht: „Wenn man ein Torfmoor 
mit sogenannten Kieselzeigern oder Deutern, wie es im 
Hoch- und Pangerfilz bei Rosenheim geschah, mit einem 
Sande beschlämmt, der kalkreich ist, ferner, wenn man 
dieselben mit ihrem ganzen Torfrasen, worauf sie wachsen, 
in einen botinischek Garten versetzt, wo ihnen (wie z. B. 
im Münchener Garten) kalkreiches Wasser zufliesst, s0 
gehen sie alle sammt und sonders zu Grunde. Es 
gibt also Pflanzen, werden wir schliessen dürfen, "welchen 
ein gewisses Uebermass von Kalk, mit Berücksichtigung 
anderer gleichzeitiger Bestandtheile im Boden schädlich 
ist.“ — Lorenz’s Beobachtungen in den salzburgischen 
Toktnanr haben neue Belege dafür gebracht, dass kalk- 
hältiges Wasser dem Gedeihen zahlreicher Pflanzen un- 
zuträglich ist und ihr Aussterben veranlasst, und je mehr 


79 


man jetzt von diesem Gesichtspunkte aus den Einfluss 
des Bodens auf die Gewächse in der freien Natur ver- 
folgt, desto mehr lósen sich die Widersprüche und zahl- 
reichen Räthsel auf, welche bisher das Terrain der Boden- 
frage so sehwankend und unsicher gemacht haben. Von 
jeher hatten nämlich die Vorkämpfer der Ansicht, nach 
welcher den sogenannten Kalkpflanzen eine gewisse Menge 
Kalk, und den sogenannten Kieselpflanzen eine bestimmte 
Menge vou Kieselerde unentbehrlich sein sollte, ihre schwere 
Noth mit der Ungereimtheit und dem Mangel aller Ueber- 
einstimmung in den Verzeichnissen von Kalk- und Kiesel- 
pflanzen gehabt, weiche in verschiedenen Gegenden von 
verschiedenen, sonst ganz zuverlässigen und gewissenhaften 
Beobachtern angefertigt. worden waren. Geht man diese 
Verzeichnisse durch und beobachtet man die Pflanzenwelt 
auf unbefangene Weise in der freien Natur, so kommt man 
in der That auch zu der Ueberzeugung, dass es verhältniss- 
mässig nur ganz wenige Gewächse giebt, welche nur auf 
kalkreichem und nicht hie und da auch auf kalklosem 
Boden zu finden wären. Mit den sogenannten Kiesel- 
oder Schieferpflanzen geht es nicht viel besser. Wohl 
scheinen sie im Ganzen dem Boden, auf welchen ihr Name 
‚hinweist, getreuer zu bleiben, als die Kalkpflanzen, aber 
auch hier gibt es der Ausnahmefälle gar viele, und jedes 
neue Verzeichniss bringt immer neue Berichtigungen und 
Widersprüche. Es ist dies auch gar nicht zu wundern, weil 
eben der Gesichtspunkt, von welchem aus man dieses 
Verhältniss verfolgte, . ein unrichtiger war. Die Existenz 
er meisten Pflanzen, welche man Kieselpflanzen nannte, 
hängt eben nicht mit dem Vorhandensein einer gewissen 
Menge von Kieselerde, sondern mit der Abwesenheit des 
Kalkes zusammen, und überall dort, wo daher den Wur- 
zeln kein Kalk geboten wird, werden solche Pflanzen auf- 
wachsen können. Es ist hiebei ganz gleichgiltig, ob das 
tiefer liegende geognostische Substrat noch kalkhältig ist 
oder nicht. Der Lehm, welcher sich über den thonreichen 


80 


Kalksteinen in der Weise gebildet hat, dass das kohlen- 
säurehältige atmosphärische Wasser im Laufe der Zeit an 
der Oberfläche allen kohlensauren Kalk entführte, vermag 
den Pflanzenwurzeln eben so wenig Kalk zu bieten, als 
der Lehm, welcher durch Zersetzung von Silikaten aus 
kristallinischen und nichtkristallinischen Schiefern ent- 
standen ist. Ja selbst eine mächtige Humusmasse, welche 
die Pflanzenwurzeln von dem unterliegenden kalkreichen 
Boden trennt, vermag die Erscheiung zu bieten, dass sie 
an ihrer Oberfläche sogenannte Kiesel- oder Schiefer- 
pflanzen, oder richtiger kalkfeindliche Pflanzen trägt; denn 
da nach den neuesten Erfahrungen der Humus die Fähig- 
keit hat, aus wässrigen Lösungen die gelösten Stoffe so 
vollständig zu absorbiren, dass beim Durchfiltriren einer 
Lösung fast chemisch reines Wasser von dem als Filtrum 
benützten Humus abfliesst, so ist es begreiflich, dass 
dort, wo sich in einem Kalkrevier aus zahlreichen Pflanzen- 
generationen vergangener Jahrhunderte eine gewaltige 
Humusschichte aufgespeichert hat, der tieferliegende Kalk- 
stein auf die Wurzeln der über dem Humus wachsenden 
Pflanzen gar nicht mehr einzuwirken vermag. Die An- 
siedlung von Sphagnumpolstern über Riedgrassümpfen, 


deren Unterlage kalkhältig ist,” sowie über dem Humus. 


in den Krummholzwäldern der Kalkalpen und überhaup! 
das Auftreten von kalkfeindlichen Pflanzen auf tiefem 
Humus im Kalkgebirge sind Erscheinungen, welche hier- 
her gehören und die, so räthselhaft sie früher geschienen 
haben mochten, sich jetzt ganz ungezwungen deuten 
lassen. — Die chemische Seite der Bodenfrage ist auf 
Grundlage dieser Anschauungen jedenfalls einer gründ- 
lichen Reformation zu unterziehen; und wird sich nach 
meiner Ueberzeugung nur von dem hier entwickelten Ge- 
sichtspunkte aus, befriedigend lösen lassen. 

Die Bezeichnung ,Kieselpflanzen* wird entweder gan 
zu eliminiren oder nur auf sehr wenige Pflanzen einzu- 
schränken sein, und die meisten der bisher mit den Namen: 


81 


Kieselpflanzen, Schieferpflanzen, Kieseldeuter u. s. f. be- 
zeichneten Gewächse werden als Pflanzen aufzufassen sein, 
für welche der Kalk ein tödtliches Gift ist, geradeso wie 
für viele Gewächse grössere Mengen von kohlensauren 
Alkalien, von Ammoniakverbindungen, von Kochsalz u. s. f. 
die Rolle eines tödtlichen Giftes spielen. Man wird dem- 
nach zunächst eine Abtheilung von Pflanzen fest- 
stellen müssen, deren Gruppen man als kalk- 
feindlich, alkalienfeindlich u. s. f. zu bezeichnen 
hat, und welche nicht bestimmté mineralische 
Stoffe verlangen, sondern durch xoc. de ferne 
gehalten werden. 

Aus dieser ersten Abtheilung interessiren uns hier zu- 
nächst die kalkfeindlichen Alpinen, aus deren Reihe bei- 
spielsweise: Ajuga pyramidalis L., Anemone vernalis L., 
Blechnum Spicant Roth, Cardamine alpina Willd., Carex 
curvula All., Chrysanthemum alpinum L., Hieracium albi- 
dum Vill., Linnaea borealis L., Oxyria digyna Cambd., 
Primula glutinosa Wulf., Salix helvetica Vill., Saxifraga 
aspera L., Senecio carniolicus Willd., Sesleria disticha 
Pers. angeführt werden mögen. 

Dieser ersten Abtheilung von Gewächsen stellt sich 
dann eine zweite Abtheilung gegenüber, für 
welche das Vorhandensein gewisser anorgani- 
scher Verbindungen im Boden allerdings eine 


wahre Lebensbedingung ist, so zwar, dass mit 


dem Fehlen dieser Stoffe im Boden auch die 
Pflanzen unfühig werden, sich weiter zu ent- 
wickeln und ihren Organismus weiter zu bilden. 
Es scheint, dass bei diesen verhältnissmässig seltenen 
Pflanzen iitéd ein in dem Boden enthaltener und in den 
Pllanzenkórper aufgenommener mineralischer Stoff einen 
wesentlichen Bestandtheil jener chemischen Verbindungen 
bildet, welche eben für die bestimmte Pflanzenart charakte- 
ristisch sind und ihre chemische Qualität bedingen. Wir 
übergehen die Kochsalz, kohlensaures Natron u. dgl. ver- 
Kerner, Alpenpflanzen. 6 


82 


langenden Halophyten, welche zum gróssten Theile i in diese 
Abtheilung gehören, und führen als Beispiele für diese 
Categorie aus der Reihe der uns zunächst interessirenden 
Alpenpflanzen nur Aethionema saxatile R. Brwn., Ane- 
mone trifolia L., Avena distichophylla Vill., Campis 
caespitosa Scop., Cochlearia saxatilis, Bhim alpinum 
acq., Petrocallis pyrenaica Brw., i Potentilla Clusiana Mrr., 
Rhododendron Chamaecistus L., Salix glabra Scop., Série 
fraga caesia L. und Soyeria hyoseridifolia Koch als Kalk- 
erde verlangende Gewächse, und Asplenium Selosii Leyb. 
Androsace Hausmanni Leyb., Woodsia glabella R. Br. als 
Bittererde verlangende Pflanzen auf. 

Für eine dritte Abtheilung von Gewächsen. 
scheint sich endlich das Verhältniss zum Bo- 
den in der Weise zu gestalten, dass unter dem 
Einflusse verschiedener von dem Boden gebo- 
tener Nahrungsmittel ein Pflanzentypus ver- 
schiedene üussere Merkmale annimmt und in 
zwei oder mehrere Parallelformen gespalten 
wird. Wenn z. B. der Same einer Pflanze, die früher 
auf kalkreichem Boden gestanden hatte, auf einen kalk- 
losen Boden gelangt und aufkeimt, so stirbt die junge 
Pflanze in Folge des Mangels an Kalk noch nicht aus, 
sondern bekommt nur eine etwas andere äussere Gestalt, 
und stellt jetzt eine Parallelform der über dem kalkreichen 
Boden aufgewachsenen Mutterpflanze dar. Es scheint, 
dass sieh viele Pflanzen in dieser Beziehung analog den 
anorganischen in einem bestimmten Formenkreis erschei- 
nenden Kürpern verhalten. .So wie nümlich bei einer 
anorganischen Verbindung eine fremdartige, zur Qualität 
der Substanz nicht unumgünglich nóthige Beimengung 
zwar nicht das Kristallsystem zu ändern, wohl aber das 
Auftreten einer eigenthümlichen Kristallcombination, einer 
besonderen Farbe u. dgl. zu bewirken vermag, ebenso 
scheint bei manchen Gewächsen ein für die Existenz des 
Pflanzenkörpers weder nothwendiger noch schädlicher 


83 


. mineralischer Grundstoff bestimmte Modificationen in der 


äusseren Gestalt, in der Farbe u. dgl. veranlassen zu 
können, und es würde demnach eine Pflanze, die an der 
einen Stelle gewisse mineralische Stoffe in dem Boden 
vorfindet und aufnimmt, an der andern Stelle hingegen 
sie nicht vorfindet und entbehren muss, auch in den 
äusseren Merkmalen an den beiden Standorten Verschie- 
denheiten zeigen. In wie weit aber die Verschieden- 
heit im Chemismus der Pflanzenkörper die Gestalt der 
Pflanzen zu ändern vermag, ist bisher noch nicht fest- 
gestellt. Nur soviel erscheint gewiss, dass der Grad 
dieser Formänderung ein sehr verschiedener sein kann. 
Von den unbedeutendsten Modificationen, welche sich 


schwächere Behaarung, verschiedenes Ausmass der Blüten 
oder Blätter oder Aenderung der Farbe beschränken, 
bis zu einer durchgreifenden Gestaltungsänderung, welche 
uns beide Parallelformen in fast allen Organen verschie- 
den erscheinen lässt, scheinen alle möglichen Zwischen- 
stufen zum Ausdruck kommen zu können. *) Viele 
sogenannte „gute Arten“ der Systematiker werden sich 
schliesslich als einfache, durch die Verschiedenheit der 
chemischen Constitution erzeugte Parallelformen heraus- 


*) Soweit sich auf Grundlage der bisherigen Beobachtungen 


‘Schlüsse ziehen lassen, ergeben sich bei Betrachtung der Parallel- 


formen folgende, die Formverhältnisse berührende Resultate: 


- 


Die Pflanzen des kalkreichen Bodens sind im Vergleich zu 

ihren auf kalklosem Boden gewachsenen Parallelformen ge- 

wöhnlich reichlicher und dichter behaart. Sie sind je 

weiss oder graufilzig, während ihre Parallelformen — wen 

sie überhaupt behaart sind — drüsig erscheinen 

- Die Pflanzen des Baer Teen Bodens besitzen häufig bläulich- 
grüne, ihre auf ka Vae Viae wachsenden Parallelformen 
dagegen grasgrüne 

; i Blütter der auf leen. Boden Rh enasi Pflanzen 

ind meistens mehr und tiefer zertheilt, als jene der auf 

illod Boden gewachsenen Parallelformen. 

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84 


stellen. So ist es mir nach mehreren in letzter Zeit 
in der freien Natur gemachten Beobachtungen unzweifel- 
haft, dass sogar Rhododendron ferrugineum und hirsutum 
nur als solche durch den Boden bedingte Parallelformen 
aufzufassen sind. Ueberall dort, wo die Wurzeln der 
Alpenrose mit kalkreichem Boden in entschiedene Be- 
rührung kommen, trifft man in den nördlichen Kalkalpen 
Rhododendron a an. Wird durch Aufspeicherung 
von Humus der Einfluss des unterliegenden Kalkes all- 
mälig verringert, so verlieren die Blätter mehr und mehr 
ihre Wimperhaare, werden steifer und heller grün, die 
Blüten bekommen ein intensiveres Roth und die Pflanze 
entspricht jetzt der Diagnose des Rhododendron inter- 
medium Tausch. Und wenn endlich die Humusschichte, 
in welcher die Wurzeln stecken, so mächtig geworden 
ist, dass sie allen Kalk des unterkiär ia Gesteins von 
den Wurzeln der Alpenrose abhält, so wird diese schliess- 
lich in Rhododendron ferrugineum umgewandelt. Diese 
Beobachtung entspricht wohl auch vollständig der Er- 
scheinung, dass auf dem kalklosen Boden, der Central- 
alpen die wimperhaarige Alpenrose vollständig fehlt und 
dort durch die rostfarbige Schwester ersetzt wird. Sie 
steht ferner mit der Erscheinung im Einklang, dass die 
Kalkgebirge immer eine reichere Flora zeigen, als die 


4. Sind die Blätter der auf kalkreichem Boden gewachsenen 
Pflanzen ganzrandig, so erscheinen jene der auf kalklosem 
oden gewachsenen Parallelformen nicht selten drüsig gesägt. 
. Die Pflanzen des kalkreichen Bodens zeigen im Vergleich 
zu ihren auf kalklosem Boden gewachsenen Parallelformen 
meistens ein grösseres Ausmass der Blumenkrone. 
Die auf kalkreichem Boden gewachsenen Pflanzen besitzen 
gewöhnlich matter und lichter gefärbte Blüten, als ihre auf 
kalklosem Boden gewachsenen Parallelformen. Ist die 
Blütenfarbe der greleren weiss, so erscheint die n letzteren 
häufig roth, blau oder gelb. 
Vergl. hiemit a > erh, d. z. b. Ges. 1863, p. 245. 


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kalklosen Schieferberge, weil im Kalkgebirge nebst den 
Formen des Kalkes auch die Formen der Schieferberge 
an allen jenen Localitäten auftreten können, wo der 
Einfluss des Kalkes auf die Pflanzen durch eine tiefe 
Humusschichte oder kalklose Lehmschichte eliminirt wird. 
Endlich vermag die oben entwickelte Ansicht manche 
Aufklärung über den Wechsel der Vegetationsdecke 
in historischer Zeit und über das Auftreten gewisser 
Pflanzen an Punkten, wo man sie bisher nicht beob- 
achtet hatte, zu geben. Das Auffinden von Rhododen- 
dron intermedium und Rh. ferrugineum an Stellen, wo 
man in früherer Zeit nur Rhododendron hirsutum beobach- 
tete, wird z. B. nach dem Mitgetheilten nichts besonders 
Auffallendes mehr an sich haben, und wenn es die Bo- 
taniker nur erst einmal über sich gewinnen werden, die 
Pflanzenwelt in ihrem Zusammenhang mit den Eigenthüm- 
lichkeiten des Standortes in der freien Natur, und nicht 
nur an den getrockneten Exemplaren der Herbarien zu 
siudiren, so werden sich in dieser Richtung gewiss noch 
zahlreiche interessante Resultate ergeben. 

Fassen wir hier die bisher als muthmassliche Parallel- 
formen angenommenen Alpenpflanzen zusammen, so er- 
geben sie uns folgende Doppelreihe: 


Auf kalkreichem Boden: Auf kalkfreiem Boden : 
Achillea atrata L. Achillea moschata Wulf. 
Achillea Clavenae L. > Achillea Clavenae 5. glabrata 

oppe. 
Alchemilla pubescens M. B. — Alchemilla fissa Schum. 
Alyssum montanum L. Alyssum Wulfenianum Bernh. 
Androsace lactea L. Androsace carnea L. 

: Androsace helvetica Gaud. Androsace glacialis Hoppe. 
Anemone alpina L. Anemone sulfurea L. 
Arenaria ciliata L. Arenaria multicaulis L. 
Artemisia lanata Willd. Artemisia mutellina Vill. 


Astrantia alpina Schltz. Bip. Astrantia minor L. 


86 


Auf Eod cR Bd. 


Betula alba L. 

Dianthus alpinus L. 
Draba aizoides L. 

Draba tomentosa Wahl. 
Epilobium Dodonaei Vill. 
Erigeron alpinus L. 
Gentiana Pneumonanthe L. 
Gentiana angustifolia Vill. 
Herniaria incana Lam. 
Hieracium villosum L. - 
Hutchinsia alpina R. Br. 
Hypochoeris maculata L. 
Juncus Hostii Tausch. 
Luzula maxima D C. 
Oxytropis montana D C. 
Papaver Burseri Critz. 
Pedicularis Jacquini Koch. 
Phyteuma orbiculare L. 


. Polypodium robertianum H. 


Primula Auricula L. 
Primula Clusiana Tausch. 
Ranunculus alpestris L. 


Ranunculus anemonoides Z. 


Rhododendron hirsutum L. 
Ribes alpinum L 

Salix retusa L. 

Salix Waldsteiniana Willd. 
Salix Jacquiniana Host. 
Salix glabra Scop. 
Saussurea discolor D C. 
Saxifraga muscoides Wulf. 
Saxifraga rotundifolia L. 
Scorzonera austriaca Willd. 
Sempervivum hirtum L. 


Auf kalkfreiem Boden: 


Betula pubescens Ehrh. 
Dianthus glacialis Haenk. 
Draba Zahlbruckneri Host, 
Draba frigida Saut. 


Epilobium Fleischeri Hochst. 


Erigeron uniflorus L 
Gentiana frigida Haenke. 
Gentiana excisa Presl. 
Herniaria glabra L. 
Hieracium alpinum L. 


Hutchinsia brevicaulis Hoppe. 
Hypochoeris helvetica Wulf. 


Juncus trifidus L. 
Luzula spadicea D C. 
Oxytropis triflora Hoppe. 
Papaver aurantiacum Lois. 
Pedicularis rostrata L. 


Phyteuma hemisphaericum L. 


Polypodium Dryopteris L. 
Primula villosa Jacq. 
Primula integrifolia L. 
Ranunculus crenatus Bert. 
Ranunculus rutaefolius L. 


Rhododendron ferrugineum L. 


Ribes petraeum Wulf. 
Salix serpyllifolia Scop. 
Salix foetida Schleicher. 
Salix Myrsinites L. 

Salix hastata L. ` 
Saussurea alpina D C. 
Saxifraga moschata Wulf. 
Saxifraga fonticola Kerner. 
Scorzonera rosea W. K. 
Sempervivum arenarium Koch. 


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87 


Auf kalkreichem Boden: Auf kalkfreiem Boden: 
Silene alpesiris Jacq. Silene rupesiris L. 
Thlaspi montanum L. Thlaspi alpestre L. 
Thlaspi rotundifolium Gd. Thlaspi cepeaefolium Koch. 
Veronica saxatilis Jacq. Veronica frutieulosa L. 


Für den Gärtner enthalten nun diese beiden Verzeich- 
nisse, ebenso wie die früheren Bemerkungen zwar schon 
sehr wichtige Anhaltspunkte für die Wahl der Bodenart 
bei der Cultur der Alpenpflanzen. Um aber diese Wahl 
demjenigen, der unser Buch praktisch ausbeuten will, 
möglichst bequem zu machen, werden in der Tabelle, 
welche am Schlusse dieses Capitels die Bodenverhältnisse 
der Alpinen übersichtlich darstellen soll, auch die chemi- 
schen Verhältnisse der Unterlage unter einer eigenen Ru- 
brik für eine möglichst grosse Zahl von Alpinen noch 
spezieller angegeben werden. 


3. Die physicalischen Verhältnisse des 
Bodens. ` 

Von den physicalischen Eigenschaften des Bodens 
sind für uns von besonderem Interesse, einmal der Grad 
der mechanischen Zertheilung des durch Verwitterung aus 
dem unterliegenden Gestein entstandenen Detritus und die 
damit zusammenhängende Festigkeit und Consistenz des 


“Bodens, und dann zweitens die Hygroscopizität desselben, 


das ist die Fähigkeit, das Wasser aus der Atmosphäre 
zu absorbiren und zurück zu halten. 

Was zunächst den Grad der mechanischen Zer- 
theilung anbelangt, so können wir den Boden, welcher 
in der freien Natur mit Pflanzen bewachsen erscheint, mit 
Ausserachtlassung jener Modificationen, welche durch Bei- 
mengung von Humus veranlasst werden, in drei Klassen 
eintheilen. 

Die erste Klasse umfasst jene Böden, welche aus ver- 
hältnissmässig wenig zertrümmertem Gestein, also aus 


88 


Felsmassen, grobem Geröll und Schotter bestehen , die 
zweite Klasse begreift die Böden mit fein zertheilter, aber 
nur lose zusammenhängender Masse, die im Allgemeinen 
als Sandböden bezeichnet werden können, und die dritte 
Klasse endlich umschliesst alle jene aus ausserordentlich 
fein zertheilter, gut zusammenhängender Masse bestehen- 
en Bodenarten, welche man mit dem Namen Lehmböden 
belegen kann. 

Auf den Flächen der Felsmassen haften nur Flechten 
und Moose. Wenn dort eine höher organisirte Pflanze 


auf den ersten Augenblick auch in dem nackten Gestein 


zu wurzeln scheint, so zeigt sich doch bei näherer Unter- 
suchung, dass ihre Wurzeln nur in einem feinen Detritus 
oder in einer Humusmasse stecken, welche die Nischen, 
Risse und Klüfte des Felsens ausfüllt. ^ Aehnlich verhält 
es sich auch auf den aus grossen Steintrümmern gebil- 
deten Geróllhalden und Schotterbünken. Die hóher, organi- 
sirten Pflanzen, welche dort aufwachsen, wurzeln eigent- 
lich nicht in dem Gerólle, sondern nur in dem Schlamm, 
Sand oder Lehm, welcher tief unten die Zwischenräume 
der Geröllmassen ausfüllt. (Vergl. S. 48.) Wir können 
darum auch die erste der drei oben aufgestellten Boden- 
kategorien immer auf eine der beiden anderen Bodenarten 
beziehen, und es genügt zu unseren Zwecken vollkommen, 
wenn wir den Boden in Betreff seiner mechanischen Zer- 
theilung in Sand- und Lehmboden eintheilen. 


Bei der Cultur der Alpinen verwenden wir auch immer 


nur die eine oder andere dieser Bodenarten, und sind bis 
jetzt damit immer noch ganz gut ausgekommen. Die 
Erfahrung hat uns aber auch gelehrt, dass bei einer un- 
richtigen Anwendung des Sandes oder Lehmes viele Alpen- 
pflanzen in kurzer Zeit zu Grunde gehen, und dass daher 
auf die richtige Wahl des einen oder anderen die grösste 

orsicht verwendet werden muss. Manche Lehm verlan- 
gende Pflanzen, wie z. B. Saxifraga biflora und stenopetala 
sterben, wenn man sie in sandigen Boden pflanzt schon 


89 


in wenigen Monaten ab und zwar selbst dann, wenn man 


den Sandboden fortwährend feucht erhält, und dadurch 


die gleichmässige Durchfeuchtung, welche der Lehm vor 
dem Sande voraus hat, herstellt. Umgekehrt verlangen 
manche Pflanzenarten, wie z. B. Herhiaria alpina, möglichst 
losen Sandboden, und würden in Lehm gepflanzt rasch 
vergilben und verdorren. Welche Ursachen hier wirk- 


sam sind, ist uns noch völlig räthselhaft. Es ist daher 


auch nicht möglich, auf Grundlage wissenschaftlich fest- 
gestellter Sätze eine Regel für die praktische Cultur ab- 
zuleiten, und wir müssen uns vorläufig ausschliesslich an 
die Erfahrung halten. Aus diesem Grunde habe ich auch 


-in der Tabelle, welche am Ende dieses Capitels das Ver- 


halten der Alpinen zum Boden übersichtlich darstellt, alle in 
der freien Natur und im Garten in der eben besprochenen 
Richtung gewonnenen Erfahrungen benützt, und jedesmal, 
so gut als ich es wusste, angegeben, welche Bodenart 
für eine gegebene Pflanze zu wählen sei. 

Welche grosse Bedeutung die zweite oben berührte 
physicalische Eigenschaft des Bodens, nämlich die wasser- 
haltende Kraft und die Fähigkeit, das Wasser 
ausder Atmosphäre zuabsorbiren, für die Alpen- 
pflanzen haben muss, geht wohl aus den in früheren Ca- 
piteln erörterten Lebensbedingungen der Alpinen hinreichend 
hervor. Es ist uns bekannt, dass die ungleichmässige 
und zeitweilig verminderte oder unterdrückte Durchfeuch- 
tung des die Wurzeln der Alpinen umgebenden Erdreiches 
geradezu tödtlich auf die meisten Alpenpflanzen einwirkt, 
und dass in der Hintanhaltung einer solchen Ungleichmäs- 
sigkeit eine der wichtigsten Aufgaben der Alpenpflanzen- 
cultur liegt. Nun weiss aber jeder . Pflanzenzüchter aus 
der Erfahrung nur zu gut, wie ausserordentlich schwierig 
es ist, das Substrat der Alpinen in unseren niederen Ge- 
genden mit Erfolg in jenen gleichmässigen Feuchtigkeits- 
zustand zu versetzen, welcher in der alpinen Region eine 
so grosse Rolle spielt. — Der reine Humus hält wohl 


90 


die Feuchtigkeit eine gute Weile zurück. N 
weise beobachtet man aber, dass derselbe in unseren Gärten 
selbst jenen A isis sak die.in ihrer Heimat sich ganz 
reinen tiefen Moder aufsuchen, nicht recht zusagt. Es 
scheint, dass in der hóheren Temperatur unserer niederen 
Gegenden der Humus ganz andere chemische Umwand- 
lungen erleidet, als in der niederen Temperatur der alpinen 
Region, und dass seine in hóherer Temperatur gebildeten 
Zerseizungsproducte den alpinen Pflanzen nicht so gut be- 
hagen. Man hat aus diesem Grunde auch den Humus so 
weit als möglich bei der Cultur der Alpenpflanzen aus- 
zuscheiden und ihn durch schweren Lehmboden zu er- 
seizen gesucht. Allerdings hält nun der schwere Lehm- 
boden die Feuchtigkeit recht gut durch lange Zeit zurück 
und vermag durch diese seine Hygroscopieität in vielen 
Füllen den Humus vollstándig zu vertreten, aber für viele 
Alpenpflanzen ist derselbe geradezu tödtlich- und daher 
für diese durchaus nicht anwendbar. Der lockere Sand- 
boden endlich wird in unseren Gärten nur ausserordent- 
lich schwierig in jenem gleichmässigen Feuchtigkeitszu- 
stande erhalten, welchen die in ihm gepflanzten Alpinen 
verlangen. 

Diese Schwierigkeiten drängten mich zu Versuchen, 
welche sich die Aufgabe stellten, für jede Bodenart einen 
Feuchtigkeitsregulator zu finden, der mit dem Vortheile 
grosser Hygroscopieität nicht die eben berührten Nach- 
theile des Humus und der Thonerde verbindet. Nach 


mannigfaltigen Experimenten kam ich dabei auf die Idee, 


das Torfmoos (Sphagnum), welches bekanntlich durch 
seinen ganz eigenthümlichen anatomischen Bau geeignet 
ist, das Wasser wie ein Schwamm zurückzuhalten, welches 
ferner der Fäulniss vollkommen widersteht, und welches 
bei dem Umstande, als es fast aus reiner Cellulose be- 
steht, auch durch anorganische Bestandtheile auf keine 


Pflanzenart nachtheilig einwirken kann, in. Anwendung. 


zu bringen. Es wurde zerhacktes Sphagnum mit Thon- 


- 


dep 


91 


erde, Sandboden u. dgl. gemengt, und siehe da, allé in 
diese Gemenge gepflanzten Alpinen gediehen nun in aus- 
gezeichneter Weise. Pflanzenarten, welche früher über 
kurz oder lang regelmässig zu Grunde gegangen waren, 
senkten jetzt in die durch das Sphagnum gleichmässig 
feucht gehaltene Erde ihre tiefgehenden Wurzelfasern hinab 
und brachten zu unserer grossen Freude die schönsten ' 
Blüten und Früchte hervor. — Der lockere Sand wird 
durch die Beimengung von zerhacktem Sphagnum stets 


feucht erhalten, der schwere Lehmboden wird durch Unter- 


mischung des genannten Mooses locker und porós und 
daher für die Pflanzenwurzeln viel leichter durchgängig, 
und selbst der schwarze Humus mit Sphagnum gemengt, 
zeigt nicht mehr jene nachtheiligen Einflüsse, deren wir 
oben Erwühnung gethan haben. Viele Pflanzen, welche in 
den Alpen in der Regel nur in tiefem Humus gedeihen, 
wie z. B. Rhododendron ferrugineum, Empetrum nigrum, 
Linnaea borealis, Lycopodium alpinum, Blechnum boreale, 
Daphne striata, Lloydia serotina, Trientalis europaea u. dgl. 
pflanzten wir geradezu mit dem besten Erfolge in ein 
Gemenge aus schwarzem Humus und zerhacktem Spha- 
gnum, und in der Anwendung dieses Mittels liegt daher 
jedenfalls eines der gróssten und wichtigsten Geheimnisse 
der Cultur der Alpenpflanzen. 

Die Menge des der Erde zuzusetzenden Sphagnums ist 
sehr ungleich. Gewöhnlich genügt der Zusatz von einem 
Drittel Torfmoos. Nur bei den humusliebenden Pflanzen 
wenden wir mit Erfolg auch eine grössere Quantität an, 
und es kann wohl im Allgemeinen als Regel gelten, dass 
man desto mehr Torfmoos nimmt, je mehr die Pflanze 
an ihrem ursprünglichen Standorte den -Humus aufsucht. 


Aus den bisherigen Erórterungen über die Zusammen- 


setzung des bei der Cultur der Alpenpflanzen anzuwen- 


denden Erdreiches geht hervor, dass man stets eine hin- 


- 


92 


reichende Menge von Torfmoos, Humus, kalklosem und 
kalkhältigem Lehm und Sand vorräthig halten muss. — Es 
sind dies Materialien, die man wohl in den meisten Ge- 
genden sich aus nächster Nähe verschaffen oder doch ge- 
wiss mit geringen Kosten aus nicht grosser Ferne bringen 
lassen. kann. 

Da es manchem vielleicht erwünscht sein könnte, 
über die Gewinnung dieser Materialien selbst noch einige 
Winke zu erhalten, so möge hier tolgdadits beigefügt 
werden. 

Das Torfmoos aai man am besten aus irgend 
einem Hochmoor. Besonders gut eignet sich Sphagnum 
cymbifolium. In Ermanglung dieser Art kann aber auch 
jede andere Sphagnumspezies mit Erfolg verwendet werden. 

r beste Humus zur Cultur der Alpenpflanzen ist 
jener, welcher aus Coniferenwaldungen herstammt. Auch 
ausgelagerter Torf aus Hochmooren kann mit Vortheil 
benützt werden. Am wenigsten eignet sich Torf aus 
Grünlandsmooren und Humus aus Laubwäldern. 

Was den kalkfreien Lehm anbelangt, so benützen 
wir eine Lehmerde, welche durch Verwitterung des Thon- 
schiefers entstanden ist. Lehm, welcher durch Verwit- 
terung eines anderen, Thonsilicate enthaltenden Gesteins 
(Granit, Gneis etc.) sich bildete, wird übrigens dieselben 
Dienste thun. Man unterlasse aber ja nicht, den Lehm 
vor seiner Benützung zu prüfen, ob er nicht etwa doch 
kalkhältig ist, da bekanntlich selbst die aus gewissen 
Graniten hervorgegangene Lehmerde manchmal etwas Kalk 
enthält, und selbst eine noch so geringe Menge auf einige 
Pflanzen ungünstig einwirken würde. 

Der beste kalkreiche Lehm ist der Löss, d. i. 
diluvialer Lehm, wie er sich im Stromgebiete des Rheins, 
der Donau u. s. f. als mächtige Decke über anderen Ab- 
lagerungen vorfindet. Ausserdem natürlich auch jede an- 
dere durch Verwitterung aus thonhältigen Kalksteinen, 
Mergelschiefern u. dergl. entstandene Lehmerde, wenn 


s Thor- | 


- 


N 


93 


ihr durch das atmosphärische Wasser noch nicht aller 
Kalk entführt worden ist. 

Guten kalkfreien Sand liefert fast jedes Bachufer 
in Granit-, Gneis- und Quadersandsteingebirgen. Auch 
tertiäre und diluviale Sandhügel geben manchmal kalk- 
freien Sandboden, der zum Zwecke der Cultur vortrefflich 
benützt werden kann. 

Was schliesslich den kalkhältigen Sand anbelangt, 
so kann in Gegenden, wo Kalk ansteht, oder wo Flüsse 


- und Bäche verlaufen, die aus Kalkgebirgen herkommen, 


der gewöhnliche Flusssand benützt werden. Dort wo der 
tertiäre oder diluviale Sand kalkhältig ist, kann auch 
dieser mit Erfolg in Verwendung gezogen werden. 

Zum Schlusse dieses Capitels schalten wir nun die 
schon im Vorhergehenden erwähnte Tabelle ein, welche 
in übersichtlicher Weise das Verhalten zahlreicher Alpen- 
pflanzen zum Boden darstellt, und zu deren Erläuterung 
wir hier nur noch beifügen, dass die Zahlen 1, 2, 3 in 
der Rubrik „Generation“ anzeigen, ob die nebenbei ver- 
zeichnete Pflanze in der freien Natur die Rolle einer 
ersten Ansiedlerin spielt und daher auch bei der Cultur 
keines Humus bedarf, oder ob.sie erst in der zweiten 
Generation als Element einer geschlossenen Vegetations- 
decke auftritt und eine beiläufig zur Hälfte mit Humus 
versetzte Erde verlangt, oder ob sie endlich als Bestand- 
theil der dritten Generation zum guten Gedeihen einen 
fast auschliesslich aus Humus gebildeten Boden zum guten 
Gedeihen nothwendig hat. 


Tabelle 


zur Erläuterung der Bodenbedürfnisse der Alpenpflanzen.*) 


| FI 
ANE : Mec 
Name der Pflanzen. ck E a nische Qua- 
Ws E Qualität. Vitát. 
S 
Achillea atrata L. PS | gleichg. | lehmig 
" Clavenae L i | kalkh. |.  , 
»„ . Clusiana Tsch ies > 2 
„ macrophylla L. 2 | gleichg. | gleichg. 
schata Wulf. | 1 kalkfrej | sandig 
Aconitum Anthora L | 2 | gleiche. wi 
j Napellus L. | 2 » gleichg. 
& paniculatum Lmk. | 2 “ 
t Thelyphon. Rchb. | 2 kalkfrei sandig 
2 Vulparia Rchb. 2 kalkh. |  , 
» variegatum L. 2 | gleichg. z 
Adenostyles albifrons Rchb. 2 kalkh. 3 
" alpina h 2 gleichg. " 
Aethionema saxatile . R. Br. 1 kalkh. " 
Agrostis alpina Scop. 2 PP lehmig 
" rupestris All. 2 ^ 
Aira montana L. 2 kalkfrei sandig 
Ajuga pyramidalis L. o5 » lehmig 
Alchemilla alpina L. |, 2 | gleichg. | gleichg. 
a fissa Schum. | 4—2 | kalkfrei ; sandig 
» pentaphylla L. 2 á » 


*) Es wurden in die Tabelle auch einige Pflanzen, wie z. B 
Arnica montana, Atragene alpina, Cyclamen europaeum, Linnaea 
borealis etc. aufgen ee: rc streng genommen den Namen 
Alpenpflanzen nicht erdienen, welche aber in Gärten doch 
am zweckmässigsten ar ar Albenpil anzenanlage cultivirt werden. 

Was die Abkürzungen in der Tabelle anbelangt, so bede utet 
gleichg. dug kalkh. kalkhältig und dolom. dato 
mitisch. — In B s der Bedeutung der "Zahlen lazo 
weisen wir auf S. 


Name der Pflanzen. 


Allium re Willd. 
Victorialis L. 

Allosurus oris Bernh. 

Alnus viridis L. 

Alsine aretioides M. K. 


„  laricifolia Whlbg. 
recurva Whlbg. 
Alyssum alpestre L. 
ulfenianum Bernh. 
Andromeda polifolia L. 
Androsace carnea 


3$ 
e 
a 
= 
E 
£2 

e 
£2 
un 
= 
e 
== 
un 
E 


helvetica Gaud. 
lactea Vill. 
obtusifolia All. . 
one alpina L. 
baldensis L. 
narcissiflora L. 


Pry x 


>. 
= 
© 


EN 
u 
qos 
= 

"3 SE 
i 
[«7] 
$5 


Aniliemis dio ina L. 
Aposeris'foetida Less. 
Aquilegia alpina = 
atrata 
Bauhini Schott 
Arabis alpina L. 
» bellidifolia Jacq. 


cher die Pflanze an- 
getroffen wi wird. 


Generation, in wel- 
|| | ww 
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NEST) 


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w | D o o kk 4 29 — — 
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home RO RO RO UO C» RO RO tO tO ] vo 


GAS 
Qualität. 


iege: 

kalkfrei 
N, 

kalkh. 


gléichg. 
kalkfrei 


kélkftei 
kalkh. 
» 


? 
kalkfrei 


gleichg. 
kalkh. 


sandig 
lehmig 
» 
sandig 
lehmig 
N 
gleichg. 
sandig 


S S 3 3 


Name der Pflanzen. 


Arabis ciliata R. Br. 
rul 


„  coerulea Haenk. 
»  pumila Jacq. 
» ir Vill. 
sis Wulf. 
Arctostaphylos alpina Spr. 
officinalis W. e. G. 


Arenaria ` biflora L 
5 grandiflora All. 
t multicaulis Wulf. 


Marschlinsii Koch. 


Arbüd Vitaliana L. 
Armeria alpina Willd. 
Arnica montana L. 
Aronia rotundifolia Pers. 
Aronicum Clusii Koch 
gla ciale Rchb. 
corpioides Koch 
Artem janata Willd. 
tellina Vill. 
nana Gaud. 
cata Wulf. 
pu neuleatum Döll 
achitis Sw. 


Ürooht eris Sw. 
Asplenium S nigr. L. 
ynii Retz. 
5 septentrion. Sw. 
E Selosii Leyb. 
» E Kit 


= viri 
Aster alpinus L. 


ar 

= E P Cheniliélid Mecha- 
E z E | Qualität. nishi Qua- 
KE E lität. 
E55 

og ho 

š | pama lehmig 

1. | kalkh. | sandig 
1—2 | mi Eci 

1 kalkfrei 3 

3 | gleichg. | lehmig 
2—3 » » 

1 kalkfrei ^ 

1 kalkh. “ 

1 ?» N 
1—2 | kalkfrei | gleichg. 

1 " sandig 

2 kalkh. | gleichg 

2  gleichg. » 

2 | kalkfrei | lehmig 

2 kalkh. | gleichg. 

: gleichg. | lehmig 

1 $ , 

1 kalkh. " 

1 kalkfrei 8 

1 F sandig 

1 ^ .ehmig | 
2—3 | gleichg. | gleichg. 
2—3 à lehmig 
2—3 | kalkfrei > 

2 gleichg. | sandig 

2 kalkfrei | © 
^ 29 s * 

2 | dolomit " 
1—2 | kalkh. - 
2—3 | gleichg. | gleichg. 
1—2 y ? 


97 


Kerner, Alpenpflanzen. 


an. 
Tr 
= a P ; : 
Name der Pflanzen. EX De nische Qua- 
So Z Qualität. Hah 
B o e 
SIC 
. Astrantia € Schlz. Bip. 2 kalkh. gleichg. 
- niolica Wulf. 2 > IT s 
z^ major 4 2 gleichg. 
mino 2 kalkfrei » 
Athamanta ER i 129 kalkh. sandig 
> Matthioli Wulf. 19 5 $3 
Atragene alpina L. 2 chg. | gleichg. 
Avena alpestris Host. 2 kalkh. sandig 
» distichophylla Vill. 1 2 host 
. sempervirens Vill. 2 5 lehmig 
„  Subspicata Clairv 1—2 | kalkfrei á 
versicolor Vill. 2 x 5 
Azalea procumbens L. 3 F $ 
Bartsia alpina L. 2 | gleichg. » 
Bellidiastrum Michelii Cass. | 1—2 | kalkh. sandig 
Betonica Alopecurus L 2- x lehmig 
etula pubescens Ehrh 3 | kalkfrei = 
Biscutella laevigata L 1—2 | gleichg. | .sandi 
Blechnum Spicant Roth 3 kalkfrei | lehmig 
Braya qst Stbg 1—2 , kalkh. sandig 
»  pinnatifida L. 1 kalkfrei > 
Nalak salicifol. 1—2 | kalkh. | gleichg. 
Bupleurum i Vahl. 2 gleichg - 
unculoides L. | 2 5 E 
Gililügronis nella Hst. | 1—2 | kalkfrei | sandig 
Calamintha alpina Lmk 1 gleichg. | gleichg. 
Calluna vulgaris Salisb 1—3 | kalkfrei » 
Campanula alpina Jacq. 2 kalkh. 5 
$ barbata L. 2 kalkfrei | lehmig 
» caespitosa Scop. 1 kalkh. | gleichg. 
» Morettiana Rchb. 1 E sandig 
" pulla L, 2 5 lehmig 
? pusilla Haenk. 1 gleichg. 


TH 
BRE h 
:S Chemische ar 
Name der Pflanzen. 2E Qualität, [mische Qua 
23 E lität 
$$" 
Campanula en L. 2 gleichg. | lehmig 
i Wulf. 2 kalkh. | sandig 
Cardamine ks Willd. 1 kalkfrei > 
resedifolia L. 1 s : 
Carex alba Scop., 2 |- kalkh. x 
»  aterrima Hoppe 2 | gleichg. s 
». . alrata-L, 2 D " 
»  Capillaris L 2 | gleichg. á 
, capitata L . 9. |.kalkfrei | lehmig 
».  curvula Al 2 E X 
» ferruginea Scop 2 | gleichg. " 
» firma Hos 2 kalkh. | gleichg. 
» frigida All 2 | kalkfrei-| sandig 
»  fuliginosa Schk 2 į gleichg. | lehmig 
»  hispidula Gaud. 2 | kalkfrei | gleichg. 
» -irrigua Sm. EE | lehmig 
.  lagopina Wahl. 1—2 sandig 
„ membranacea Hoppe | 2—3 gleichg. indt 
»  mucronata All. 2 kalkh. is 
„ nigra 2 | gleichg = 
»  Persoonii Sieb. 3 | kalkfrei | lehmig 
» sempervirens Vill. 2 | gleichg. | sandig 
ost. 2 |. kalkh. u 
Centaurea Moss: L. 2 z gleichg. 
» nervosa W. 2 * lehmig 
phr = L. 2 kalkfrei i 
Cerastium alpinum L. 1 gleichg. | sandig 
latifolium L. 1 x » 
ovatum Hoppe 1 kalkh. ? 
Cerinthe A Kit. 1 5 x 
Chamaeorchis alpina Rich. 2—3 | gleichg. | lehmig 
Cherleria sedoides L 2 » » 
Chrysanthemum alpinum L. 1 kalkfrei | sandig 


i 


Name der Pflanzen. 


Chrys. coronopifolium Vill. 
a Lk. 


Circaea alpina 
Cirsium acaule All. 
* Taari. All. 
pinosiss. Scop. 
Codhlearià boc Lmk. 


Crepis alpestris Tsch. 

s blattarioides yill. 
Crocus vernus All. 
Cyclamen europaeum Mill. 
Cypripedium Calceolus L. 
Tie alpestris Stbg. 

inus L. 


" glacialis Haenke 
silvestris Wulf. 


Doronicum austriacum Jacq. 
cordifolium Sternb. 


Draba aizoides L 

» frigida Saut. 
Sauteri Hopp. 
tomentosa Whlb 


333 


bruckneri Host. 


Zahl 
Drosera rotundifolia 


» longifolia L. 
5 obovata M. K. 


Wahlenbergii Hartm. 


5a 
Tr 
p x Chemische | Mecha- 
$25 Guanti |" me Qua- 
E38 lität. 
E E Bb | 
58 
kalkh. lehmig 
2—3 | gleichg. | sandig 
2 kalkh. lehmig 
2 kalfrei " 
2 , gleichg. * 
1 kalkh. sandig 
1—2 x 
2 gleichg. » 
1 kalkh. | gleichg 
2 gleichg. | lehmig 
2 kalkh gleichg. 
2 | kalkfrei | lehmig 
1—2 | kalkh sandig 
1—2 | gleichg ehmig 
2 kalkh gleichg 
2 * sandig 
2—3 " lehmig 
3 » » 
2 * sandig 
2 ? » 
1 kalkfrei * 
2 | gleichg. : 
2 » » 
2—3 | kalkh. » 
2 » » 
2 | kalkfrei ? 
2 kalkh lehmig 
2 » 39 x 
2. | kalkfrei | sandig 
2 » ? 
3 » lehmig 
3 ^ ^ 
3 


N 


Name der Pflanzen. 


Dryas octopetala L. 
Elyna spicata Schrad. 
Empetrum nigrum L 
un alpinum L. 
5 odonäi Vill. 
» dein Hochst. 
anifol. Lmk. 
Epimedium "alpin L. 
Erica carnea L. 
Erigeron alpinus L. 
uniflorus L. 
Erinus alpinus L. 
en alpinum L. 
euchzeri Hppe. 
e T nanum Schrad. 
Eryngium alpinum 
' -Erysimum Cheiranthus Pers. 
Euphrasia minima Rch 
5 a ae Funk 
cuspidata 
Festuca Hallen Vill. 
Scheuchzeri Gaud. 
Vill. 
Galium helveticum Weig. 


Gentiana acaulis L. 

" asclepiadea L. 

: avarica L. 
» brachyphylla Vill. 
x excisa Presl. 


Generation, in wel- 
cher die Pflanze an- 
getroffen wird. 


Chemische 
Qualität. 


kalkh. 
kalkfrei 
N 
gleichg. 
kalkh. 
kalkfrei 
gleichg. 
N 
kalkh. 
gleichg. 
kalkfrei 


gleichg. 
kalkfrei 


kalkh. 
kalkfrei 
gleichg. 
kalkfrei 

kalkh. 


gleichg. 


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Mecha- 


lität. 


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gleichg. 
! lehmig 


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lehmig 
lehmig 


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lehmig 


sandig- 
gleichg. 


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sandig 


lehmig 


nische Qua- 


FANE NS 


= 
= 


-o 
lehmig 


sandig - 


» 


d 
2E 
L8 E | Chemische | Mecha- 
Name der Pflanzen. Ebr & Qualität, nische Qua. 
: FGE lität. 
$3 
Gentiana High Hke. 2—3 | kalkfrei | gleichg. 
à mbricata Frl. 2 kalkh. | lehmig 
2 leichg. 
nana Wulf. 2 : $ = x 
nivalis L. HEU F » 
» . pannonica Scop. 2 $ $ 
» prosirata Hke, 2 » » 
Y pumila Jacq 2 .| kalkh. " 
" punctata L 2 kalkfrei x 
purpurea L. 2 gleichg * 
Mi tenella Rottb. 2 kalkfrei | - „ 
á verna L. 2 gleichg $ 
Geranium argenteum L. 2 alkh sandig 
haeum L 2 | gleichg. | lehmig 
silvaticum L. 2 » gleichg 
Geum montanum L. 2 lehmig 
pue L. 1:38 kalkfrei sandig 
vale L. 2 | gleichg. | gleichg. 
Globularia Merian L. 1—23 alkh. : 
aulis L. 2 . lehmig 
aan. carpat Whlbg. 2 kalkfrei » 
» Leontopod. Scop. 2 gleichg sandig 
5 ann Gun. 2 | kalkfrei | lehmig 
» supinum L 1—2 | gleichg : 
Gymnadenia odoratiss. Rich. 2 kalkh. | sandig 
Gypsophila repens L. 1 | gleichg. | gleichg. 
Hacquetia Epipactis DC. 2 7 » 
Hedysarum obscurum L, 2 » lehmig 
Helianthemum x di Rchb. 2 kalkh. | gleichg. 
Helleborus niger L. 2 » » 
Heracleum asperum M. B. | 1-2 ^ ». 
ustri Li 2 m sandig 
Herminium Monorchis R. Br. 2 lehmig 


in wel- 


102 


Name der .Pflanzen. 


. Herniaria alpina Vill. 
Hieracium albidum Vill. 


» alpinum 
" angustifol. Hppe. 
; urantiacum 
5 bupleuroid. Gml 
in dentatum VES 


villosum dis 
Hippocrepis comosa L. 
Homogyne alpina Cass. 

discolor Cass. 
Horminum pyrenaicum L. 
Hypericum alpinum W. K. 
Hypochoeris helvetica Jacq. 
Hutchinsia alpina R. Br. 

br a: Hpp. 
Iberis saxalilis L. 
Imperatoria Me TERR L. 
Juncus arctic 


»  igl 

Juniperus nana Willd. 

Knautia longifolia Koch 

Kobresia caricina Willd. 

Kóleria hirsuta Gd. 

Laserpitium alpinum W.K. 
sutum Lmk. 

Lasiagrostis Ohahg: Lk. 


cher die Pflanze an- 
getroffen wird. 


Generation, in wel- 


Chemische 
‚Qualität. 


ar 
[iv] 


t2 C2 
e c2 


kalkfrei 


» 
» 


» 
gleichg. 
kalkh. 


» 
gleichg. 
kalkh. . 
kalkfrei 
* 
kalkh. 
kalkfrei 
kalkh. 
gleichg. 
kalkfrei 
alkh. 
kalkfrei 
” 


gleichg. 
kalkh. 


| kalkfrei 


» 


” 


» ?» 
kalkh. | gleichg. 


Mecha- 
nische Qua- 


lität, 


sandig 


lehmig 

” 

?» 
sandig 
lehmig 
gleichg. 


” LI 
sandig 


gleichg. 


sandig 
?» 
lehmig 


p 


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» 
? 
N 


ed 
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leichg. 
sandig 


ehmig 


l : 


5A 
EE: 
E | E EP Chemische 
Name der Pflanzen. | SA £ a. nische Qua- 
SE lität. 
TEE 
58 
Leontodon eet Roth. 1 kalkh. sandig 
5 nus Schrk 1—2 $ 5 
$ Esteneio. Gouan. | 1—2 | kalkfrei » 
Taraxaci Lois 1 gleichg. | lehmig 
Lilium bulbiferum L. m) £ * 
Linaria alpina Mill 1 £ sandig 
Li a borealis 3 kalkfrei - 
Linum alpinum Jaeq. 2 kalkh. pac 
Listera cordata R. Brwn. 3 | gleichg. ndig 
Lloydia serotina Salisb. 3 | kalkfrei 
Lonicera alpigena L. 2 kalkh. gleichg. 
y coerulea L. 3 gleichg. | lehmig 
|. nigra L. 2 | kalkfrei | gleichg. 
Lomatogonium carinth. A. Br. 2 1 $ x 
Luzula lute C. 25 > x 

» abii DC. 3 kalkh. sandig 

. nivea D C. 2 á » 

. spadicea D C. 2 į kalkfrei " 
spicata D € 2 = lehmig 
Lyehnis alpina L. c9. | gleichg. | sandig 
Lycopodium alpinum L. 3 | kalkfrei | lehmig 

ela ago L. 3 » » 
Malaxis monophyllos Sw. 3 | gleichg. | sandig 

Meum athamanticum Jacq. 2 kalkh. Ep, 

»  Mutellina Gaertn. 2 | gleichg. | lehmig 
Montia minor Gm 1 kalkfrei | sandig 

Móhringia muscosa L. 1—2 | kalkh. » 

».  polygonoides M. K. 1 ER ? 
Mulgedium alpinum Less. 2 gleichg. | gleichg. 
Myosotis suaveolens Kit. 2 » 

Myricaria ir ^uid Dw 1 » sandig 
Nardus str 2 | kalkfrei | lehmig 
Nigritella angustifolia Rich. 2 | gleichg. ^ 


2 


$8 |e* imis 
i | 
A m Chemische — Mecha 
Name der Pflanzen. SEG daiat ea 
nn B lit 
CES 
58 
Nothochlaena Marant. R.Br. | 2—3 | gleichg. sandig 
Oxyria digyna Cambd. 1 kalkfrei » 
E opis campestris D C. 2 5 lehmig 
yanea 2 i - 
^ foetida D C. 2 á " 
T Halleri Bung. 2 x » 
* lapponica Gd. 2 sh » 
h moniana D C. 2 kalkh. " 
triflora Hoppe 2 kalkfrei " 
Paederota ceri L. 2 kalkh. | gleichg. 
on 2 * »- 
Papaver auraniacum Lois. 1 kalkfrei | sandig 
Ts 1 kalkh. = 
Pedicularis Jenni Koch 2 $ lehmig 
x tuberosa L. 2 kalkfrei " 
A versicolr Whg. 2 z » 
rticillata L, 2 kalkh. * 
Petasites ius Gaertn. 2 | gleichg. | sandig 
s Baumg. 1 kalkh. z 
Peata: DER Brw, 1—2 d » 
Phaca alpina Jacq. ` 2 | gleichg. | lehmig 
„  &siragalina D C. 2 kalfrei » 
, australis 2 gleichg. " 
» rigida L 2 » x 
Phleum alpinum E » " 
»  Michelii All 2 = M 
„Phyteuma comosum L. 1—2 | kalkh. sandig 
» . Halleri All. 2 | gleichg. i lehmig 
E hemisphaeric. L. 2 | kalkfrei 
= humile Schlch. 2 sandig 
» Michelii Bert. 2 $ lehmig 
= orbiculare L. 2 kalkh. E 
= pauciflorum L. 2 kalkfrei 


I 


8. 
È og 
BB : Mecha- 
= 8 Chemische 
Name der Pflanzen. SEQ UC nische Qua- 
wg lität. 
155 
Os 
— Scheuchzeri All. 2 kalkh. lehmig 
a Si ca eRsepeng. 2 » Ed 
spicatum L. 2 ” » 
Pimpinella ae Retz. 1 " sandig 
Pinguicula alpina L. 1—3,| gleichg. | gleichg 
Pinus Cembra L 1—2 | kalkfrei | lehmig 
Mughus Scop. 1—3 | gleichg. | gleichg 
Plantago alpina L. 1—2 | kalkfrei | lehmig 
A atrata Hoppe 2 gleichg. » 
Br. austr. Hffm. | 4—2 | kalkh. sandig 
Poa alpina L 4 E 
». Cenisia All. 1452. s 
„ laxa Haenke 1 kalkfrei » 
„ minor Gaud. 1 gleichg » 
» sudetica Haenke 2—3 | kalkfrei | lehmig 
KR amara Jacq. 1-—2 |. akalki sandig 
maebuxus L. 2—3 5 gleichg 
Polygonum Bletorta 2 1—2 | gleichg. | lehmig 
m L. : 2 » 
Potentilla pesti H Hall. fil. 2 kalkfrei. » 
^ 2 gleichg. | gleichg. 
" RE ee b. 1—2 | *alkh. sandig 
, Clusiana Mr 1—2 = » 
" frigida Vill 2 kalkfrei | lehmig 
" grandiflora L 2 o» 
* micrantha Ram. 1—92 | kalki: gleichg. 
á minima Hall. fil. 2 lehmig 
» multifida 3 kalkfze: 
» nitida L. 1—2 | kalkh. gleichg. 
nivea L. 2 j kalkfrei ra 
Primula poulie Jeq. 1—3 | kalkh. lehmig 
5 Auric 2-4 A gleichg. 
» cen Jeq. sandig 


aa 
; PE 
Asp «he | Mecha 
=S Chemische 
Name der Pflanzen. Ef: Qualität, |mische Qua- 
E E lität, 
E” 
Primula. Clusiana Tsch. 1—2 | kalkh. sandig 
" rinosa L 1—2 | gleichg. | gleichg. 
" glutinosa Wulf. 2 kalkfrei sandig ` 
e integrifolia 2 * » 
»  longiflora Alls 2 | gleichg. | lehmig 
»  Jaaminima L. 2 A&BoM 2 
»  Salisburg. Flörke 2 kalkfrei T 
» venusta Hst. 1—2 | kalkh sandig 
š 2 | kalkfrei | lehmig 
Ranunculus aconitifolius L. 2 ı gleichg sandig 
„ alpestris 2 kalkh. ^ 
> anemonoides Zahlb. 2 z = 
„ crenatus W: K. 2 | kalkfrei 
> glacialis L. 1—2 3 - 
» hybridus Bir. 2 kalkh. | lehmig 
. montanus W. 1—2 5 leichg. 
„  parnassifolius L. 2 | gleichg. | lehmig 
» pygmaeus Wahl 1 kalkfrei | sandig 
» pyrenaeus L 2 | gleichg. | lehmig 
„a rutaefolius L 2 kalkfrei 3 
»  Seguieri Vill. 2 kalkh. x 
A es) Hoppe 2 x š 
Villarsii DC. 1—2 | kalkfrei | sandig 
Rhamnus Huth L 1—2 | kalkh. á 
Rhinanthus alpinus Baumg. | 2—3 | gleichg. 5 
Rhodiola rosea L. —2 5 > 
Rhododend. Chamaecistus L. | 2—3 | kalkh. » 
» b re L. 3 | kalkfrei | lehmig 
sutum L. 3 kalkh. ? 
Kinoni "ba Val. J | kalkfrei " 
Ribes alpinum L. 2 kalkh. | gleichg. 
E WIf. 2 | kalkfrei » 
Rosa alpina L. 2 | gleichg. | sandig 


107 


(-H- 
Bor 
er Chemische 
5 agaa 
Name der Pflanzen. She Qualit&t. 
BOB 
EE 
OS 
Rosa rubrifolia Vill. 2 | gleichg. 
omifera Hrm. 2 5 
Rubus saxatilis L. 2 kalkh. 
Rumex alpinus L. 1—2 | gleichg. 
arifolius All. 2 - 
atus L. 1 kalkh. 
Sagina saxatilis Wimmer 1—2 | gleichg. 
Salix arbuscula 1—2 Lir 
» glabra Scop 1 kalkh. 
» glauca L 1 kalkfrei 
» hastata L 1 gp 
" bacea L. 1—2 » 
`» - helvetica Vill. 1. » 
» Jaequiniana Willd. 1—2 | kalkh. 
„ myrsinites L 1—2 | kalkfrei 
» retusa 1—2 | gleichg. 
» reticulata L, 1—2 5 
» serpyllifolia Scop. 1—2 | kalkfrei 
„ Silesiaca W. 42 2 
Saponaria itd L. 1—2 A 
ocymoides L. 1—2 | gleichg. 
Saussurea alpina DC. 2 | kalkfrei 
discolor DC. 2 kalkh. 
pygmaea Spr. 2 | gleichg.. 
Saxifraga ne L. 1—2 , kalkh. "| 
» des L. 2 | gleichg. | 
» l'on Jaeq. 1 kalkh. | 
» androsacea L. ə | gleichg. 
» aspera L. 2 | kalkfrei 
» biflora All. 1 n 
» bryoides L. 2 > 
» Burseriana L. 1 kalkh. | 
s caesia L 1 $ | 


Mecha- 
nische Qua- 


lehmig 

” 
gleichg. 

?» 
sandig 

?» 
gleichg. ` 


sandig 
” 

lehmig 
» 


gleichg. 
sandig 


» 
gleichg. 


” 


+: 
ys Chemische 
Name der Pflanzen. EE: e Giai nische Qua- 
Suus litát, 
Sa” 
Saxifraga controversa Stbg. 1 kalkfrei | sandig- 
s stata Vest. 1 kalkh. | gleichg 
5 cuneifolia L 3 | gleichg. | lehmig 
n elatior M. K 14 i d 
» exarrata Vill 2 kalkfrei | gleichg 
» Facchinii Koch 1—2 alkh andig 
» hieracifolia W. K. | 4—2 | kalkfrei » 
muscoides Wulf. 2 kalkh B 
= mutata L. 1 T lehmig 
* oppositifolia L, 4—2 | gleichg. = 
5 petraea L. 1—2 | kalkh sandig 
^ planifolia Lapeyr. | 4—2 | kalkfrei 5 
" rotundifolia L. 2 | gleichg 3 
» sedoides L 1 kalkh lehmig 
" Seguieri Spr 1—2 | kalkfrei * 
= squarrosa Sb 1 kalkh. A 
» stellaris L, 2 | gleichg. | sandig 
» mm Gaud. 1 E lehmi 
enella Wulf. 2 á sandig 
Scabiosa lucida Vill. 2 kalkh. | gleichg. 
Scheuchzeria palustris L. 3 kalkfrei | lehmig 
Scirpus caespitosus L. 3 3 T 
» pauciflorus Lightf. 3 4 » 
Scolopendrium offic. Sw. 2—3 | kalkh. sandig 
Scorzonera *rosea 2 kalkfrei | lehmig ` 
Sedum annuum L. 1 » sehr 
»  airatum L. 1 gleichg. | sandig 
»  dasyphylum L. 1 á » 
,  Fabaria Koch 1—2 » » 
„ hispanicum L. 1—2 | kalkh. ^ 
»  reflexum 1—2 | gleichg. , 
r s Schleich. 1 kalkfrei = 
Selaginella heivakioa Spring. | | gleichg. | gleichg. 


: 


uH 
Po 
BERT. Mecha- 
nS Chemische 
Name der Pflanzen. E E ee nische Qua- 
S B lität. 
Selaginella spinulosa A. Br. | 2—3 g. | gleichg. 
Sempervivum arachnoid. L. 1 kalkfrei sandig 
U Braunii Funk 1 d > 
^ Funkii Braun 1 z x 
» montanum L. 1 » x 
Wulfenii Hpp. 1 > 5 
Senecio abrotanifolius L, 1—2 | gleichg. » 
» carniolicus. Willd. 2 kalkfrei : 
$ atu ch 2 | gleichg. | lehmig 
" Doronicum L Ns. gleichg. 
" incanus L. 1—2 kalkfrei sandig 
) nebrodensis Guss. | 4—2 | gleichg. » 
$ uniflorus All. 2 kalkfrei * 
ubalpinus Koch. 1—2 | gleichg. | lehmig 
 Sesleria disticha Pers. 2—3 | kalkfrei » 
» microcephala D C. 2 | gleichg " 
sphaerocephala Ard. 2 kalkh m 
Sibbaldia procumbens L 2 | kalkfrei | gleichg. 
Silene acaulis L 2 leichg * 
»  alpestris Jacq. 1—2 | kalkh sandig 
» Pumilio Wulf 2 | kalkfre - 
»  quadrifida L. 2 | gleichg b 
5 uc L. 1 kalkfrei | gleichg. 
axifraga L. 1—2 | kalkh. sandig 
Sohtanella alpina L. 2 | gleichg. | gleichg. 
: minima- Hopp. 2 5 2 
2 montana W. 2—3 » sandig 
pusilla Baumg. 2 ei gleichg. 
Sorbus Chamaemespil. Crtz. 2 kalkh. | lehmig 
Soyeria ni Koch 1 E $ 
montana 2 » u^ 
Spiraea Aruncus E 2 | gleichg. | sandig 
Stachys alpina L. 2 » gleichg. 


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Name der Pflanzen. EBE Qualität. nische Qua- 
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Stellaria cerastoides L 2—3 | kalkfrei | lehmig 
rieseana Ser. 2—3 z sandig 
Streptopus amplexifol. DC. 2 T gleichg. 
Struthiopteris EAE WI ds » 
Sturmia Loeselii Rb J. | gleichg. lehmig 
Swertia ren L 3 š gleichg. 
punctata Baumg. 2 -| kalkfrei | sandig 
Teucrium montanum L. 1—2 kalkh 3 
Thalictrum alpinum L. 2 j kalkfrei x 
» aquilegifol. L. _ 2 | gleichg A 
foetidum L. 2 kalkfrei á 
Thesium alpinum L. 2 | gleichg. | lehmig 
Thlaspi alpestre L. 2 | kalkfrei | sandig 
»  alpinum Je 1—2 | kalkh i 
A cepeaefolium Koch 1 kalkfrei à 
undifolium Gaud. 1 kalkh i 
Tolieldia oral Wahlbg. 3 kalkfrei | lehmig 
calyculata Wbg. 2 kalkh gleichg. 
Trientalis europaea L. 3 | kalkfrei | lehmig 
Trifolium alpinum L. 2 á » 
» dium Schrb 1 2 sandig 
»  caespitosum Reyn 1 X = 
pallescens Schrb S > ^ 
saxatile All 1 e > 
Trollius europaeus L. 2 | gleichg. | lehmig 
Vaccinium Oxycoccos È. 3 kalkfrei s 
x uliginosum L. 3 » ^ 
Vitis Idaea L. Duci ` m 
Valeriana celtica L. 2 | gleichg. | sandig 
i elongata L. 2 kalkh. " 
» montana L. 1—2 | gleichg. " 
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Valeriana wre L. 


Veronica alpina L. 


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Vicia oroboides WIf. 
Viola alpina Jacq. 

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Name der Pflanzen. Ep TU nische Qua 
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iripteris L. 1—2 | gleichg. " 
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s fruticulosa L` 1 i sandig. 
a saxatilis Jacq. 1 kalkh. 5 
urticifolia Lmk. 2 | gleichg. | gleichg 
* 2 kalkh. sandig 
2 2 lehmig 
iflora 1—2 | gleichg. | sandig 
2 » ? 
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pinnata L. 1—2 | kalkh. z 
Woodsia Inperbore Koch | 2—3 ! kalkfrei x 
abella R. Br. 2—3 | dolomit. | sandig 
Wulfenia carinthiaca Jeq. 2 gleichg. | lehmig 
Zahlbrucknera paradoxa Rb. 1, | kalkfrei | sandig 


112 


Siebentes Capitel. 


Bewässerung. 


Da die jährliche Menge des atmosphärischen Nieder- 
schlages von der Ebene gegen das Gebirge und von der 
Tiefe gegen die Höhe continuirlich zunimmt, so müssen 
wir natürlich in unseren, in der Ebene oder im Thale ge- 
legenen Gärten den cultivirten Alpinen durch fleissige 
Bewässerung den Ausfall der Regenmenge zu ersetzen 
suchen. Dabei ist es aber durchaus nicht gleichgültig, 
ob die Alpenpflanzen die ihnen zugehörige Wassermenge 
in wenigen grossen oder in zahlreichen kleinen Portionen 
bekommen. Die grosse relative Luftfeuchtigkeit, die reich- 
liche und ansserordentlich häufige Thaubildung und die 
zahlreichen, wenn auch wenig dichten Regen bewirken 
in der Alpenregion eine ununterbrochene Durchfeuchtung 
des Bodens, und diese Erscheinung gibt uns den Finger- 
zeig, dass wir auch bei der Cultur der Alpinen in nie- 
deren Gegenden das zu verabreichende Wasserquantum 
auf móglichst zahlreiche Portionen vertheilen und die 
ausgabung dieser Portionen in sehr kurzen Zeiträumen 
auf einander folgen lassen sollen. 

Die Alpinen sollen also kurz gesagt, recht oft, aber 
niemals stark begessen werden. . 

Wollte man diese Art der Bewässerung mit einer 
Giesskanne durchführen, so würde sie jedenfalls einen be- 
deutenden Zeitaufwand veranlassen. Eine nur einiger- 
massen umfangreichere Alpenpflanzenanlage würde fast 
den ganzen Tag über ein Individuum beanspruchen, welches 
mit der Giesskanne von Pflanze zu Pflanze geht und all- 
sogleich wieder von vorne anfüngt, sobald es an der 
einen Seite zu Ende gekommen ist. Wir halten darum 
für das Beste und Zweckmässigste, nur Morgens und 


113 


Abends mit der Giesskanne nachzuhelfen und im Laufe 
des Tages die Bewässerung der Alpenpflanzen mit Hülfe 
einer Spritze auszuführen, deren Wasserstrahl die ganze 
Alpenpflanzenanlage bestreicht. 

Was insbesonders die Alpenpflanzen-Culturen anbe- 
langt, welche man in flachen Beeten, in Sandkásten oder 
auf Steinhügeln ins Werk gesetzt hat, so benützt man 
zum Ueberbrausen derselben am besten eine Spritze, die 
mit zwei aneinanderliegenden communicirenden Cylindern 
versehen ist, von denen der eine als Saugpumpe, der an- 
dere als Druckpumpe wirkt. Jeder Cylinder ist mit einem 
Cautschukschlauche versehen. und am Ende des einen, 
zur Saugpumpe führenden Cautschukschlauches, den man 
bei der Benutzung in einen Wasserkübel einsenkt, ist ein 
trichterfórmiger Messingansatz (mit einem feinen Draht- 
gitter zur Abhaltung von Verunreinigungen) angebracht, 
am Ende des zur Druckpumpe führenden Cautschuk- 
schlauches dagegen eine messingene Brause befestiget. — 
Die Spritze hat unten einen Eisenbügel mit einer breiten 
Platte, welche gewissermassen die Basis des ganzen Appa- 
rates: darstellt. Wenn man den Apparat benützt, fixirt 
man denselben dadurch, dass man mit dem Fusse die 
Platte fest an den Boden drückt, setzt mit der einen 
Hand die Pumpen in Bewegung und dirigirt mit der an- 
dern Hand die Richtung des Wasserstrahles über die 
ganze Alpenpflanzenanlage. 

An regenlosen Sommertagen nimmt man das Ueber- 
brausen wenigstens alle drei Stunden vor. Uebrigens 
richtet sich natürlich die Häufigkeit des Bespritzens nach 
der Localität, nach dem Clima des jeweiligen Ortes und 
nach den zeitweiligen Witterungsverhältnissen, so dass 
sich in dieser Richtung nur schwer eine andere bestimm- 
tere Regel aufstellen lässt, als jene, welche schon aus den 
früheren Erörterungen hervortrat: dass nämlich das Erd- 
reich, in welches die Alpinen ihre Wurzeln senken, nie- 
mals einem grellen Wechsel von Trockenheit und 'ülber- 

Kerner, Alpenpflanzen. S 


114 


mässiger Nässe ausgesetzt sein darf. Jeder Pflanzenzüchter 
wird wohl selbst so viel Tact haben, um zu erkennen, 
wie oft von ihm im Laufe eines Tages das Ueberbrausen 
vorgenommen werden muss, damit jener Regel entsprochen 
werde. 

Hat man die Alpinen auf Steinhügel gepflanzt, so ist 
es zur Erhaltung einer gleichmässigen Feuchtigkeit auch 
recht zweckmássig, einzelne Nischen und Gruben zwischen 
den Steinpartien mit dicken Ballen von Sphagnum auszu- 
füllen und diese täglich mit einer Kanne voll Wasser 
zu tränken. Diese Ballen saugen das Wasser wie ein 
Schwamm auf und geben an die umgebende Luft nur 
ganz allmählich die aufgenommene Flüssigkeit in Dampf- 
form ab. Gerade hiedurch aber wird die Atmosphäre, 
welche die cultivirten Alpinen unmittelbar umgibt, den 
ganzen Tag über in einen relativ grösseren Feuchtigkeits- 
zustand versetzt und hiedurch mittelbar auch den culti- 
virten Pflanzen ein grosser Dienst "geleistet. 

Dort, wo man die Alpinen in einer Grube mit ter- 
rassenförmig aufgestuften Steinwänden gepflanzt und im 
Centrum der Grube einen Springbrunnen angebracht hat, 
kann man die Bewässerung sehr leicht dadurch vornehmen, 
dass man an das Ende des Wasserleitungsrohres zeitweilig 
eine Brause mit feinen Lóchelchen anschraubt, dure 
weiche die zugeleitete Wassermenge in zahlreiche, nach 
Seiten hin sprühende Wasserstrahlen aufgelöst wird. 

den terrassenförmigen Seitenwänden der Grube 
befindlichen Alpinen können auf diese Weise mehrmals 
im Tage einem feinen Sprühregen ausgesetzt und das sie 
umgebende Erdreich ohne grosse Mühe in einem gleich- 
mässigen Feuchtigkeitszustand gebracht werden. 

Hat man sich nach der auf Seite 59 geschilderten 
Methode eine Alpenpflanzenanlage am Fenster zurecht- 
gerichtet, so muss man dafür ‚Sorge tragen, ' dass der 
untere Böden der verwendeten Kiste während der ganzen 
Vegelaltionszeit der Alpinen mit einer beilüufig ?/, —1 Zoll 


las sie 
jid 


derten 
recht- 
gs dr 
yan 
1 zoll 


115 
hohen Wasserschichte bedeckt ist. Zur Regulirung dieses 
Wasserstandes ist an der einen Seite der Kiste ein glä- 
sernes Zuleitungsrohr, und an der anderen Seite eine 
durch einen Hahn verschliessbare Abzugsröhre angebracht. 
Durch die Wasserschichte wird der untere Raum der 
Blechkiste fortwährend mit Wasserdampf gesülligt, und 
hiedurch auch das Torfmoos, mit welchem man die Räume 
zwischen den Töpfen ausgestopft hat, fortwährend gleich- 
mässig feucht erhalten. Auch die mit zerhacktem Sphagnum 
gemengte. in den Töpfen .befindliche Erde zieht fort- 
während Feuchtigkeit aus diesem unteren Raume an, da 
die untere Fläche der Töpfe mit 3 bis 4 grossen Löchern 
versehen ist und daher das verdunstete Wasser direct 
auf das Erdreich einwirken und von dem zerhackten 
Sphagnum absorbirt werden kann. — Die Wassermenge, 
welche auf diese Art mittelbar den Pflanzen zugeführt 
wird, wäre übrigens viel zu gering, und man muss daher 
auch von oben her die in den Tópfen cultivirten Alpinen 
täglich wenigstens einmal begiessen. Wie viel Wasser 
man hiebei zugiesst, ist ziemlich gleichgültig; denn da 
der Ueberschuss des zugegossenen Wassers durch die 
Löcher der Töpfe nach abwärts in den. unteren, mit der 
Wasserschichte erfüllten Raum der Blechkiste sickert, so 
darf man sich niemals fürchten, etwa zu viel Wasser zu- 
gegossen zu haben. : 

Da das Wasser auch insoferne eine grosse Rolle 
spielt, als durch dasselbe manche gelöste Salze den 
Pflanzen zugeführt werden, so muss auch auf die chemi- 


schen Verhältnisse des zum Begiessen und Bespritzen 


verwendeten Wassers die entsprechende Rücksicht ge- 
nommen werden. — Am besten ist man natürlich dort 
daran, wo das Wasser fast chemisch rein ist oder doch 
nur ausserordentlich geringe Spuren von Salzen aufge- 
löst enthält. In Granit- und Schiefergebirgen ist das ge- 
wöhnlich der Fall® und dort braucht man sich daher um 
die chemischen Verhältnisse des Wassers in der Regel 


gx 


116 


nicht viel zu kümmern. Anders ist dies in Kalkgebirgen, 
in hügeligen tertiären Landschaften und in niederen flachen 
Gegenden, deren Quell- und Grundwasser in der grossen 
Mehrzahl der Fälle mit Salzen, namentlich mit Kalksalzen 
reichlich geschwängert ist. Würde man dort auch mit 
der grössten Sorgfalt für die im früheren Capitel als 
kalkfeindlich bezeichneten Alpinen ein kalkfreies Erdreich 
zugerichtet haben, so müssten die betreffenden, in dieses 
Erdreich gesetzten Alpinen dennoch alsbald zu Grunde 
gehen, wenn man beim Begiessen kalkhältiges Wasser in 
Anwendung bringen wollte, 

An solchen Orten gibt es nur zwei Mittel, um das 
Gedeihen der kalkfeindlichen Pflanzen zu ermöglichen. 
Das eine besteht darin, dass man zur Bewässerung jener 
Stellen, auf welchen kalkfeindliche Alpinen gepflanzt 
wurden, Regenwasser in Anwendung bringt. at 
man die Alpenpflanzenplantage in der Nähe eines Gebäudes 
angebracht, so kann das vom Dache abfliessende Regen- 
wasser in zwei Bassins gesammelt werden, welche an 
den Seiten der Anlage stehen und aus welchen man 
jedesmal das zur Bewässerung der kalkfeindlichen Alpinen 
bestimmte Wasser entnimmt. — Leider unterliegt aber 
dieses Mittel den ausserordentlich schwankenden Witte- 
rungsverhältnissen, und ist insoferne nur eine sehr un- 
sichere Quelle kalklosen Wassers. Man wird daher in 
der Regel noch auf eine andere Weise sich kalkfreies 
Wasser zu verschaffen suchen müssen. — Zunächst drängt 
sich da wohl der Gedanke auf, dass man vielleicht den 
Kalk durch Zusatz von Soda niederschlagen und auf diese 
Weise das anzuwendende Wasser früher entkalken könnte. 
Da man nur sehr geringe Meugen von Soda bedürfen 
würde, und dieses Salz überdies ausserordentlich billig 
im Preise steht, so wäre das Mittel vielleicht nicht so 
übel. So wie ich jedoch die practischen Gärtner kenne, 
bin ich überzeugt, dass die Anwendufg der Soda nicht 
viel Anklang finden würde, und ich glaube darum auch 


117 


die Aufmerksamkeit hier auf ein anderes, noch einfacheres 
und gewiss auch noch viel billigeres Mittel lenken zu 
sollen. 

Mit Berücksichtigung. der Entdeckung, dass der Humus 
im Stande ist, einer durch ihn sickernden wässerigen 
Lösung die aufgelösten Salze zu entziehen, versuchten 
wir es nämlich auf der Alpenpflanzenanlage des Inns- 
brucker botanischen Gartens eine Vorrichtung in Anwen- 
dung zu bringen, welche durch die hier eingeschaltete 
Durchschnittszeichnung ersichtlich gemacht wird. Das kalk- 


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77 
hältige Wasser wird durch eine Röhre in ein gemauertes 
aussen mit rohen Bruchsteinen und innen mit Cement- 
kalk verkleidetes Becken geleitet. Das Becken selbst ist 
mit Hochmoortorf ausgefüllt und in zwei Abtheilungen 
in der Art geschieden, dass das zufliessende Wasser erst 
dann mit den Pflanzenwurzeln der einen grösseren Ab- 
theilung von unten her in Berührung kommt, nachdem 
es früher die Torfmasse der anderen kleineren Abtheilung 
passirt hat. Während aber das Wasser durch diese Torf- 
masse durchsickert, wird ihm der Kalk vollständig ent- 
zogen, und die Wurzeln der in der äusseren grösseren 
Abtheilung cultivirten Alpinen kommen daher nur mehr 
mit kalkfreiem Wasser in Berührung. Die Torfmasse 
in der kleineren Abtheilung, welche demnach als eine 
Art Filtrum dient, und die natürlich nach einiger Zeit mit 
Kalk- und anderen Salzen reichlich imprägnirt ist, wird 


118 


zeitweilig herausgenommen und durch neuen kalklosen 
Hochmoortorf ersetzt. — Mit Hülfe dieser sehr einfachen 
Vorrichtung gelang es uns, Pflanzen, wie Drosera rotundi- 
folia, Vaccinium Oxycoccos u. dgl., welche gegen Kalk 
ausserordentlich empfindlich sind, nicht nur zu erhalten, 
sondern auch zur Blüten- und Fruchtbildung zu bringen, 
und es kann darum dieses Verfahren jenen Pflanzenzüchtern, 
welchen nur kalkhältiges Wasser zur Verfügung steht, und 
welche dennoch kalkfeindliche Alpinen cultiviren möchten, 
nicht warm genug empfohlen werden. ; - 

zs kommt hier nur noch zu bemerken, dass die 
"Wasserleitungsrühre mit einem Hahn versehen sein muss, 
damit man den Zufluss des Wassers ganz nach Bedarf 
zu regeln im Stande ist, sowie wir hier ausdrücklich be- 
merken müssen, dass man an jenen Stellen, wo kalkfeind- 
liche Pflanzen aus der ersten Generation, z. B. Carda- 
mine alpina, Sedum repens u. dgl. cultivirt werden sollen, 
die im Grunde des Beckens aufgeschichtete Torfmasse 
mit Sand oder Lehm bedeckt und in diesen Sand oder 
Lehm, der durch das entkalkte Wasser der unterliegenden 
Torfmasse fortwührend feucht gehalten wird, die genannten 
Alpinen ansäet oder einpflanzt. 

Beiläufig dürfte hier in Betreff der Bewüsserung noch 
bemerkt werden, dass man dort, wo die Wahl zwischen 
Brunnenwasser und Quell-, Bach- oder Flusswasser frei- 
steht, immer Wasser der letzteren Categorie zur Bewäs- 
serung der Alpinen benutzen soll. 

Zum Schlusse dieses Capitels fügen wir endlich noch 
bei, dass die Zierlichkeit der Alpenpflanzenanlage wesent- 
lich erhóht wird, wenn an irgend einer Stelle ein frischer 
Wasserquell zwischen dem Gestein hervorsprudelt. Frei- 
lich dürfte nicht jeder Pflanzenzüchter in der Lage sein, 
als ein zweiter Moses an irgend einer beliebigen Stelle ein 
Quellbächlein entspringen zu lassen; wo es aber nur halb- 
wegs angeht und wo man einen, wenn auch noch so 
schwachen fliessenden Wasserfaden zur Disposition hat, 


LJ 


no 


versáume man ja nicht, diesen zur Alpenpflanzenanlage 


zu leiten und denselben über das Gestein herabrieseln zu 
lassen. Ein solches fliessendes Wasser, an dessen Rande 
man mit leichter Mühe üppige Polster von Quellenpflanzen, 

wie z. B. von Silene quadrifida, Arabis bellidifolia und 
E stellaris erziehen kann, ist abgesehen davon, 
dass durch dasselbe das physiognomische Bild der Flora 
einer Gebirgsquelle geboten wird, auch insoferne von 
grosser Bedeutung, als den Pflanzen, welche in der Um- 
gebung der künstlichen Quelle cultivirt werden, das fort 
und fort verdampfende Wasser mittelbar zu Wee kommt. 


Achtes Gapitel. 


Vertheilung der Alpenpflanzen auf der Anlage. 


Aus den in früheren Capiteln gemachten Mittheilungen 
geht hervor, dass die grosse Mehrzahl der Alpinen in 
Betreff der mechanischen und chemischen Verhältnisse des 
Bodens sehr empfindlich ist und dass man daher bei der 
Cultur der Alpenpflanzen auf diese Verhältnisse die sorg- 
samste Rücksicht nehmen müsse. 

Zieht man die Alpinen in Töpfen, so kann man für 
jede Art das Erdreich, entsprechend den in der Tabelle 
des sechsten Capitels enthaltenen Angaben, zurichten, und 
braucht daher bei der Gruppirung der Pflanzen nicht weiter 
mehr auf die Bodenbedürfnisse zu sehen. Man kann die 
Töpfe nach der natürlichen Verwandtschaft der 
darin cultivirten Pflanzen systematisch an- 
ordnen und hat etwa nur noch auf die Höhe der ein- 
zelnen Arten Rücksicht zu nehmen. Die Regeln, welche 


120 


man’ hiebei befolgt, ergeben sich von selbst, und es wäre 
wohl überflüssig, hier näher auf dieselben einzugehen. 

Hat man flache Beeten, Gruben oder Steinhügel als 
Substrat für die Alpinen hergerichtet, so kann man bei 
der Vertheilung der einzelnen Arten auf, die systematische 
Zusammengehörigkeit nicht mehr Rücksicht nehmen, son- 
dern muss jedesmal jene Arten, welche durch 
gleiche Lebensbedingungen in der freien Natur 
zu Gruppen verbunden sind, auch auf der An- 
lage gruppenweise vereinen, ganz gleichgültig, ob 
dieselben einer und derselben Pflanzenfamilie angehören 
oder nicht. Mit Rücksicht auf die Bodenbedürfnisse würden 
sich zunächst vier Abtheilungen von Alpinen ergeben, 
von welchen die erste die Pflanzen des kalkhältigen San- 
des, die zweite die Pflanzen des kalkfreien Sandes, die 
dritte die Pflanzen des kalkhältigen Lehmbodens, und end- 
lich die vierte die Gewächse des kalkfreien Lehmbodens 
umfasst. Jede dieser Abtheilungen zerfällt dann weiterhin 
wieder in drei Gruppen, entsprechend der Rolle, welche 
die Pflanzen bei der Colonisation des Bodens in der freien 
Natur spielen; nämlich in eine Gruppe, welcher ein fast 
humusloser Boden am besten zusagt, eine zweite Gruppe, 
für welche der Boden beiläufig zur Hälfte aus Humus be- 
stehen soll, und endlich eine dritte Gruppe, welche einen 
Boden verlangt, der vorwaltend aus Humus besteht, und 
in welehem die anorganische Masse fast ganz in den 
Hintergrund getreten ist. 

Neben diesen Verhältnissen ist bei der Vertheilung 
der Alpinen auf der Anlage weiterhin auch noch der Um- 
stand zu berücksichtigen, ob eine gegebene Pflanzenart 
die directen Sonnenstrahlen verträgt, oder ob sie lieber 
den Schatten aufsucht. Die eigentlichen Alpenpflanzen 
sind mit wenigen Ausnahmen Kinder des hellen Sonnen- 
lichtes. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass sie 
desto mehr die directen Sonnenstrahlen verlangen, je 
dichter behaart sie erscheinen, je lebhafter ihre Blüten- 


121 


farben sind, und je mehr sich an ihnen die Blüten im 
Vergleich zu den vegetativen Organen vergrössert zeigen. 
Von solchen Alpenpflanzen, welche man auf der Anlage 
an mehr schattige Standorte zu pflanzen hat, sind zu 
nennen: Androsace obtusifolia, Cardamine resedifolia, Hel- 
leborus niger, Homogyne alpina, Lloydia serotina, Möh- 
ringia muscosa, Primula glutinosa, Ranunculus glacialis, 
Saxifraga androsacea, biflora, stenopetala, Seguieri, Sesleria 
disticha und Viola biflora. An diese reihen sich dann 
noch mehrere alpine Farne und Bärlappe, wie Woodsia 
hyperborea, Cystopteris regia, Asplenium viride und Ly- 
copodium Selago und endlich einige Pflanzenformen, welche 
freilich den Namen Alpenpflanzen nicht eigentlich ver- 
dienen, die man aber in den Gärten dennoch am zweck- 
mässigsten auf der Alpenpflanzenanlage cultivirt, nämlich: 
Circaea alpina, Cortusa Matthioli, Galium rotundifolium, 
Hacquetia Epipactis, Imperatoria Ostruthium, Linnaea bo- 
realis, Listera cordata, Petasites albus, Saxifraga cunei- 
folia, Stellaria Frieseana und Streptopus amplexifolius. 
Berücksichtiget man alle bisher berührten Verhältnisse 
bei der Einpflanzung der Alpinen in sorgfältiger Weise, 
so kann man eines günstigen Culturerfolges wohl in den 
meisten Fállen ganz gewiss sein. — Demungeachtet dürfen 
wir aber nicht verhehlen, dass es einzelne Pflanzenarten 
gibt, welche selbst dann, wenn wir uns auf das genaueste 
an die bisher mitgetheilten Regeln halten, dennoch zu 
kümmern anfangen und es nicht zum Blühen bringen. 
Genaue Betrachtung des Standortes der Pflanzen in der 
freien Natur und Versuche im Garten sind in solchen 
Fällen die einzigen Anhaltspunkte, um das Culturverfahren 
zu ermitteln, welches für derlei Pflanzen nothwendig ist, 
und wir wollen es im Nachfolgenden versuchen, dasjenige, 
Was wir selbst gesehen, erfahren und erprobt haben, in 
Kürze mitzutheilen, wenn wir auch nicht immer im Stande 
Sind, einen triftigen Erklärungsgrund für das Mitzuthei- 
lende anzugeben. 


122 


Was zunächst gewisse Arten anbelangt, welche 
als erste Ansiedler in der freien Natur die Ge- 
rölle und Schutthalden aufsuchen, wie beispiels- 
weise Thlaspi rotundifolium und cepeaefolium, Linaria 
alpina, Saxifraga stenopetala und biflora, so wollen die- 
selben eine ganz eigenthümliche Behandlung haben. Gräbt 
man diese Pflanzen in der freien Natur auf dem Felsen- 
schutte aus, so findet man, dass ihre Stämmchen sich 
als lange Fäden durch das Gerölle durchspinnen, dass 
aber ihre Wurzeln immer in einem zähen Lehm oder 
feinen Sand eingebettet sind, der tiefer unten die Ráume 
zwischen den Geröllstücken ausfüllt. Werden nun diese 
Arten auf der Anlage auch in denselben zähen Lehm oder 
feinen Sand gepflanzt, so entwickeln sie doch nur sehr 
verlängerte Stämmchen,, bringen es aber nur selten zur 
Blüten- und Fruchtbildung und zeigen immer ein kümmer- 
liches krankes Aussehen. Um ihnen zum guten Gedeihen 


zu verhelfen, ist es unumgänglich nothwendig, dass man. 


ihre Stämmchen in dem Grade, als sie sich mehr und mehr 
verlängern, mit zahlreichen kleinen Steinchen umgibt und 
so gewissermassen eine künstliche kleine Geröllhalde er- 
zeugt, welche eine Nachahmung des natürlichen Standortes 
jener Pflanzen bildet. 

Ganz analog muss man mit einigen Pflanzen ver- 
fahren, welche in den Alpen am liebsten die 
schroffen Felsgesimse aufsuchen. Man muss näm- 
lich auch für sie einen Standort auf der Alpenpflanzenanlage 
herrichten, welcher dem natürlichen Standorte möglichst 
genau entspricht. Artemisia mutellina und spicata, Geum 
reptans, Primula villosa, Potentilla caulescens und Clu- 
siana, Phyteuma comosum, Eritrichium nanum, Petrocallis 
pyrenaica, Draba tomentosa, frigida, Sauteri, Rhamnus 
pumila, Senecio incanus und uniflorus, Silene Saxifraga, 
Valeriana saxatilis, saliunca, Asplenium Selosii, Woodsia 
hyperborea und glabella wollen einmal unter allen Um- 
ständen in Felsritzen stehen. Pflanzt man mehrere Exem- 


. 


123 


plare dieser Arten auf den Felsenhügeln im Garten in ein 
kleines Beet, welches seitlich von Steinstücken eingefasst 
ist, so kann man regelmässig ‚sehen, dass jene Exem- 
plare, welche unmittelbar neben der Steineinfassung zu 
stehen kommen, am besten gedeihen und die zahlreichsten 
Blüten hervorbringen. Es lässt sich kein rechter Grund 
angeben, warum diese Pflanzen sich durchaus an Stein- 
flächen anlehnen wollen, aber dass es so ist, lehrt uns, 
wie gesagt, jeder ganz einfache Culturversuch, und wir 
müssen uns daher auch den Capricen dieser Pflanzen 
möglichst anbequemen. :— Als die zweckmässigste Be- 
handlungsmethode hat sich uns für diese Pflanzen die 
folgende herausgestellt. Wir umgeben die Wurzeln mit 
einer Handvoll der nach den Angaben der Tabelle zuge- 
richteten Erde, befeuchten diese so weit, dass sie klumpig 
zusammenhängt, und wickeln dann den Erdballen in eine 
Hülle von Sphagnum ein. Der so gebildete Ballen wird 
dann in eine Steinritze eingezwängt und eingepresst und 
der noch übrige Hohlraum der Ritze mit Sphagnum dicht 
ausgestopft. Am besten eignen sich für diese Pflanzen 
solche Steinritzen, welche sich an einem fast senkrechten 
Abfall der Felsenhügel befinden und in welche daher die 
Pflanzen so einzuschieben sind, dass ihre Längsaxe eine 
horizontale Lage bekommt. Beobachtet man noch die Vor- 
Sicht, dass man am Fuss jener Böschung, in deren Ritzen 
die obengenannten Pflanzen gesetzt wurden, mächtige 
Ballen von Torfmoos aufhäuft und diese täglich tüchtig 
begiesst , so kann man sicher sein, dass diese Felsen- 
pflanzen, welche sonst nur ausserordentlich schwierig 
fortzubringen wären, nicht blos gut gedeihen, sondern 
auch ganz dieselbe Frische und ganz dieselbe Blütenfülle 
zeigen, mit welcher sie uns von ihren natürlichen Stand- 
orten im Hochgebirge entgegenblicken. 

Was weiterhin die alpinen Leguminosen und 
belliferen und die Gentianen aus der Gruppe 
elanthe Fröl. beirifft, die fast durchgehends einen 


Um 
Co 


D 


4 


124 


zühen Lehmboden verlangen, so ist bei ihnen dafür Sorge 
zu tragen, dass die Lehmschichte, in welche man sie ein- 
pflanzt, möglichst mächtig sei. Manche dieser Pflanzen 
entwickeln nämlich über einen Fuss lange Pfahlwurzeln. 
Kommen nun diese schon in geringer Tiefe auf undurch- 
dringliches Gestein, so fangen die Pflanzen alsbald an zu 
kümmern und zu vergilben und gehen über kurz oder 
lang zu Grunde. Bei gehórig tiefgründigem Boden aber 
gelingt es ganz leicht alle hieher zu rechnenden Pflanzen- 
arten: Athamanta cretensis und Maithioli, Gaya simplex, 
Gentiana asclepiadea, lutea, pannonica, nimiae purpurea, 
Heracleum austriacum, Laserpitium alpinum, hirsutum, 
Meum Mutellina, Oxytropis campestris, foetida, Halleri, 
lapponica, pilosa, Phaca alpina, astragalina, australis, fri- 
gida, Trifolium alpinum "zur Blüte zu bringen. 

Die alpinen Sumpfpflanzen: Carex irrigua, lago- 
pina, Persoonii, capitata, chordorrhiza, Eriophorum alpinum, 
Scheuchzeri, Juncus triglumis, Jacquini, arcticus, Scirpus 
caespitosus, pauciflorus, Scheuchzeria palustris, alle Arten 
Drosera, Malaxis monophyllos, Sturmia Loeselii, Primula 
foh Trientalis europaea, Pinguicula alpina, Stellaria 
cerastoides, Lycopodium inundatum, Vaccinium Oxycoccos, 
uliginosum, Andromeda polifolia können nur -dort mit 
Erfolg gezogen werden, wo man ein kleines Aquarium 
oder stetig fliessendes Wasser zur Disposition hat. Wo 
dies der Fall ist, gelingt es aber auch ausserordentlich 
leicht, diese Arten.fortzubringen. Am zweckmässigsten 
benützt man dann zur Cultur dieser Pflanzen ein mit 
Cementkalk ausgekleidetes und mit Hochmoortorf ange- 
fülltes Becken, welches der Zeichnung entspricht, welche 
wir auf S. 117 eingeschaltet haben. Man pflanzt die be- 
treffenden Arten, ohne irgend eine besondere Regel be- 
obachten zu müssen, in die Torfmasse der äusseren Ab- 
theilung, und kann sicher sein, dass sie ohne alle weitere 
Pflege vorzüglich gedeihen. 
ie alpinen Quellenpflanzen: Saxifraga Clusii, 


Jusil, 


125 


stellaris, Arabis bellidifolia, Stellaria Frieseana, Silene qua- 
drifida, Montia minor, Epilobium origanifolium, Carda- 
mine resedifolia, Viola biflora werden in ein Gemenge 
von ausgelagertem Torf, zerhacktem Sphagnum und Sand 
gesetzt, mit einer Schichte von Sphagnum eingehüllt, und 
der so gebildete Ballen zwischen eckige Steintrümmer 
unmittelbar an den Rand des fliessenden Wassers ge- 
pflanzt. — Ist es leicht möglich, so postire man zwischen 
die so angeordneten Quellenpflanzen, die in kurzer Zeit 
das Rinnsal mit üppigen grünen Polstern überziehen, 
noch einige Steine, welche mit der für kühlfeuchte Ge- 
birgsthäler so charakteristischen ziegelrothen Veilchenalge : 
Chroolepus jolithus überzogen sind. 

ie im Grunde subalpiner Wälder vorkom- 
menden und dort regelmássig zwischen Moos- 
polstern eingebetteten Pflanzen: Linnaea borealis, 
Galium rotundifolium, Polypodium Phegopteris, Aspidium 
Üreopteris, Blechnum Spicant u. dergl. werden auch im 


Garten am besten zwischen Moos gepflanzt. Es gelingt 


sehr leicht, die Moose, welche den Boden unserer sub- 
alpinen Nadelwälder bedecken, nämlich Hypnum triquetrum, 
splendens, Schreberi, cupressiforme im Garten anwachsen 
zu machen, wenn man sie an einer schattigen Stelle der 
Anlage auf eine mit halbvermoderten Fichtennadeln reich- 


. lich gemengte Erde setzt und einige Zeit mässig begiesst. 


Planzt man dann zwischen die so gebildeten Moospolster 
die oben genannten Gewächse, so kann man schon im 
nächsten Jahre die Freude erleben, die zierliche Linnaea 
borealis zahlreiche Blütenglöckchen und die Farne die 
üppigsten Wedel entwickeln zu sehen. 

Am schwierigsten ist unstreitig die Cultur der al- 
Pinen Rhinantaceen und Orchideen. Wir gestehen 
offen, dass wir in dieser Beziehung bisher nicht sehr 
glücklich waren. Am besten gelang uns noch die Cultur 
von Bartsia alpina, von den Arten der Gattung Euphrasia, 
Yon Gymnadenia odoratissima, Herminium Monorchis, 


126 


Listera cordata, Corallorrhiza innata, Sturmia Loeselii, 
Malaxis monophyllos und Cypripedium Calceolus. Die- 
selben blühten alljährlich und die Euphrasia- Arten ver- 
mehrten sich sogar von selbst durch Samenbildung, ohne 
unser Zuthun, und ohne dass wir eine besondere Pflege auf 
sie anwendeten. Nicht so gut aber wollte es mit den 
Arten der Gattung Pedicularis, mit Tozzia alpina, Melam- 
pyrum silvaticum, Rhinanthus alpinus, Orchis globosa, 
Gymnadenia albida, Coeloglossum viride, Nigritella angusti- 


folia, Chamaeorchis alpina und Goodyera repens gehen. 


Obschon wir ‚diese Pflanzen, in der Voraussetzung, 
dass sie Halbschmarotzer seien, mit der geschlossenen 
Rasendecke aushoben und in den Garten verpflanzten, so 
gingen sie doch gewóhnlich in kurzer Zeit schon zu 
Grunde oder brachten es doch niemals zum Blühen und 
Fruchten. — Vielleicht, dass zukünftige Versuche das 
Culturverfahren für diese Pflanzen treffen lassen. 


In dem Bisherigen wurde die Vertheilung der Arten 
auf der Alpenpflanzenanlage insoferne behandelt, als sie 
durch die eigenthümlichen abweichenden Bodenbedürfnisse 


der verschiedenen Alpinen bedingt ist, Es ist klar, dass 


bei einer solchen Vertheilung die Pflanzen der verschie- 
densten Familien kunterbunt durcheinander gewürfelt wer- 
den, und dass die systematische Verwandtschaft der Arten 
dabei gänzlich ignorirt werden muss. Dennoch drängt 
es uns, in diesen bunten Pflanzenteppich Einheit und 
Ordnung zu bringen und, wenn möglich, nebst den Lebens- 
bedingungen der Pflanzen noch einen zweiten Eintheilungs- 
grund zu berücksichtigen. i 

Dieser Eintheilungsgrund liegt auch ganz nahe; ja, 
wir werden sogar durch die Vertheilung der Pflanzen 
nach Bodenbedürfnissen von selbst auf ihn hingeleitet. 
Wenn wir nämlich im Garten die Pflanzen in Gruppen 
zusammenfassen, welche durch gemeinsame Bodenbedürf- 


Arten 
als sie 
rfnisse 


127 


nisse verkettet sind, so werden dadurch nur Gruppen 
nachgebildet, welche sich auch in der freien Natur in 
gleicher Zusammensetzung vorfinden. Wir werden da- 
durch, ohne es vielleicht zu beabsichtigen, Pflanzen- 
formationen erzeugen, und brauchen daher nur noch 
die Vertheilung dieser Pflanzenformationen 
nach der Seehöhe im Kleinen nachzuahmen, um durch 
die Alpenanlage ein der Natur möglichst entsprechendes 
Bild der alpinen Pflanzendecke zu liefern 
er bei der Vertheilung der Alpinen auf 
Steinhügeln festzuhaltende Eintheilungsgrund 
wäre demnach kein anderer, als der pflanzen- 
siognomische und pflanzengeographische; 
also eigentlich derselbe Eintheilungsgrund, welcher für 
die Pflanzenwelt unserer tiefer liegenden Regionen in den 
nach den Prinzipien der „Landschaftsgärtnerei“ angelegten 
arks — freilich meist in sehr plumper Weise — in An- 
wendung gebracht erscheint. — Es braucht kaum erst 
ausführlich begründet zu werden, wie sehr auch dieses 
Eintheilungsprinzip berechtigt ist und wie sehr dasselbe 


namentlich in Gärten am Platze wäre, welche anregend 


und belehrend sowohl auf best. Kreise, wie auc 
auf das Publicum überhaupt zu wirken die Aufgabe haben. 

Professor Göppert, welcher sich um die Reformation 
der botanischen Gärten so vielfache Verdienste erworben 
hat, war wohl der erste, welcher diesem Eintheilungs- 
Prinzipe im botanischen Garten zu Breslau die gebührende 
Geltung verschaffte und sich die Aufgabe stellte, durch 
mehrere nach pflanzengeographischen Prinzipien vorgenom- 
mene Aufstellungen und Gruppirungen belehrend auf die 
Besucher des unter seiner Leitung stehenden Gartens ein- 
‚zuwirken. Was insbesonders die arctische und Alpen- 
Nora anbelangt, so wurden von ihm zur Erläuterung der- 
selben nachstehende Pflanzengruppen hergestellt. 

„I. Pflanzen des höchsten Nordens über dem 80. Grad 
oder der Polarzone, und ihnen entsprechend die 


Pflanzen der Centralalpen auf Firn- oder Gletscher- 
inseln über der Schneelinie, zwischen 10 bis 


al 
— 
az] 
= 
£5 
5 
N 
© 
5 


der Polar- und arctischen Zone, ent- 
sprechend der Schnee- oder nivalen Region (von 

— 8500) und subnivalen Region von 8500 
bis 6000 Fuss der Centralalpen, in denen keine 
Bäume, sondern, von Holzgewächsen nur niedrige 
Sträucher vorkommen. 


III. Pflanzen des höchsten Nordens, die in der dee 
losen Region um den ganzen Pol gehen. 
IV. Sträucher oder Bäume in Strauchform, die mit den 


vorigen um den ganzen Pol wachsen. 

V. Nadelhölzer verschiedener Art, die um den Pol 

herum die Baumvegetation beginnen. 

VI. Sträucher der Centralalpen, die nach dem Auf- 
hören der Baumvegetation vorkommen. 

VII. Pflanzen der Bergregion oder Pflanzen innerhalb des 
Baumwuchses in verschiedenen Gegenden Deutsche 
lands von 2— 6000 Fuss Seehöhe. 

VIII. Zum Ver gleiche Repräsentanten der Alpenflora des 
Himalaya. * *) 

Wenn man nach dem Vorgange Góppert's die Alpinen 
der mitteleuropäischen Hochgebirge in der Weise zu 
gruppiren versucht, dass der Besucher der Alpenpflanzen- 
anlage ein lebhaftes und richtiges Bild der Vegetations- 


e Pflanzen, welche die arctische und Alpenflora reprä- 


sentiren, sima sich im Breslauer botanischen Garten theils in 
öpfen (an 2000), theils im freien Lande zwischen Gesteinen ver- 
schiedener Art, zum Theil von dem schlesischen ipe ade mit 
den den hóchsten Regionen en Flechten, wie Lecidea 
geographica 15-23. Im. ie a 30 Fuss Ay und 
Fuss lange, einen Raum von etw ı !/ preuss. Morgen ein- 
nehmende Anlage erstreckt sich am Falke der palüontologischen 
Partie lings einem Wassergraben, von welchem sie eines Theiles 
ihrer Länge durch eine Reihe Basaltsäulen abgeschieden wird. 


129 


decke unserer Alpen bekommt, so tritt dabei zunächst 
eine grosse Schwierigkeit hervor. Neben den für die 
Alpenregion vorzugsweise bezeichnenden niederen Sträu- 
chern, rasigen kurzhalmigen Gräsern und grossblumigen 
zwergigen Kräutern finden sich nämlich über der Holz- 
grenze unserer Hochgebirge auch noch manche üppige 
Stauden und Gräser vor, die oft über eine Elle hoch 
emporwachsen und mit ihrem umfangreichen Blatt- und 
Zweigwerk einen bedeutenden Raum einnehmen. Ich er- 
innere hier nur an die grossen Gentianen .und Cirsien, an 
den breitblättrigen Petasites niveus, an die hohen alpinen 
Senecio-, Adenostyles- und Aconitum-Arten, von denen 
einige in üppiger Entwicklung fast die Brusthóhe er- 
reichen und daher auch fast halb so hoch sind, als die 
Steinhügel, welche uns im Kleinen ein Abbild der Alpen 
geben sollen. Dass hiedurch die Illusion sehr gestört 
und durch die Anlage der Zweck, welchen wir im Auge 
haben, nicht erreicht wird, wenn zwischen den zwergigen 
Nelken, Primeln, Gentianen und Steinbrechen ein hoch- 
wüchsiger Sonchus alpinus, ein Aconitum Anthora oder 
ein Cirsium spinosissimum aufragt, welches mit seinem 
Blütenstande über die Gipfel der Bergepigonen hinaus- 
lickt, darf wohl nicht geläugnet werden. Und dennoch 
sind diese Staudengewächse höchst wesentliche Elemente 
unserer Alpenpflanzenwelt und dürfen nicht übergangen 
werden, wenn anders unsere Gartenanlage ein getreues 
Abbild der Alpen sein soll. 

m nun dieser Schwierigkeit zu begegnen, scheint es 
das Zweckmässigste, die alpinen und subalpinen Stauden, 
welche ohnedies in den Alpen meist in grosser Individuen- 
zahl als Massenvegetation neben einander auftreten und dort 
an den Rändern der Erlen- und Legföhrengehölze, oder 
in feuchten quelligen Schluchten und Tobeln ein dichtes, 
üppiges Gestrüppe bilden, auf einer eigenen Steingruppe 
mit.den grossblätirigen subalpinen Farnen untermischt zu 
eultiviren. Es wird dann durch diese Gruppe einerseits 

Kerner, Alpenpflanzen. 9 


130 


jene so eigenthümliche Staudenformation dem Besucher 
der Alpenanlage vor Augen geführt und anderseits doch 
das Bild der anderen Gruppen, auf welchen man nur nie- 
dere Alpinen und zwergige Sträucher cultivirt, nicht be- 
einträchtiget. 

Folgende Staudenpflanzen, Farne und hohen 
Gräser wären demnach auf einer besonderen Stelle, die 
nebenbei bemerkt, auch etwas Schatten haben soll, zu 
cultiviren: Achillea macrophylla, alle Arten Aconitum, 
alle Arten Adenostyles, alle Arten Aquilegia, alle Arten 
Aspidium, Astrantia major, Avena sempervirens, Buph- 
thalmum salicifolium, Campanula latifolia, Carduus deflo- 
ratus, Personata, Centaurea montana, phrygia, Cirsium 
carniolicum, Cervini, Erisithales, heterophyllum , spino- 
sissimum, Convallaria verticillata, alle Arten Dentaria, 
Digitalis lutea, alle Arten Doronicum, Epilobium rosma- 
rinifolium, Eryngium alpinum, Gentiana asclepiadea, lutea, 
pannonica, punctata, purpurea, Geranium phaeum, silvati- 
cum, Geum rivale, Heracleum asperum, austriacum, Im- 
— peratoria Ostruthium, Lasiagrostis Calamagrostis, Lilium 
bulbiferum, Martagon, Luzula maxima, nivea, ‘Petasites 
albus, niveus, Phyteuma Halleri, Michelii, Scheuchzeri, 
spicatum, Pleurospermum austriacum, Poa sudetica, Poly- 
gonum Bistorta, Polypodium alpestre, Prenanthes purpurea, 
Ranunculus aconitifolius, Rumex alpinus, arifolius, Sene- 
cio cordatus, lyratifolius, subalpinus, Sonchus. alpinus, 
Spiraea Aruncus, Stachys alpina, Streptopus amplexifolius, 
Struthiopteris germanica, Swertia perennis, punctata, Tha- 
lietrum aquilegifolium, foetidum, Trollius europaeus, Va- 
leriana tripteris, montana, Veratrum album. 

Die subalpinen und alpinen Sträucher, von 
denen man einige mit der reizenden Liane unserer Alpen, 
nämlich mit Atragene alpina, überranken lässt, können 
zum Theile wohl gleichfalls dieser Gruppe einverleibt wer- 
den. Noch zweckmässiger aber dürfte es sein, die ganze 
Alpenpflanzenanlage heckenförmig mit solchen Sträuchern 


131 


einzufassen, die entweder ausschliesslich im Gebiete der 
Alpen zu Hause sind, oder welche doch bis weit hinauf 
ins Hochgebirge angetroffen werden. Als solche würden 
zu nennnen sein: Aronia rotundifolia, Berberis vulgaris, 
Cotoneaster tomentosa, Daphne Mezereum, Evonymus lati- 
folius, verrucosus , Hippbphät , Hiündididdg: Ilex Aqui- 
folium, Juniperus communis, Sabina, Lonicera alpigena, 
coerulea, nigra, Xylosteum, Myricaria germanica, Ribes 
alpinum, petraeum, Rosa arvensis, rubiginosa, rubrifolia, 
sepium, tomentosa, Salix grandifolia, incana, nigricans, 
silesiaca, Sorbus Aria, aucuparia, Staphylea pinnata, Vi- 
burnum Lantana. : 

Was nun weiterhin die Anordnung jener Pflanzen àn- 
belangt, welche nach Ausscheidung der höheren Stauden- 
gewächse, Gräser, Farne und Sträucher noch übrig bleiben, 
so muss darauf aufhören gemacht werden, dass vor 
allem andern jene Arten besonders zu be- 
rücksichtigen sind, welche sich in der Alpen- 
welt durch massenhaftes Vorkommen aus- 
zeichnen, und die dort das Grundgewebe eigener 
Formationen bilden. Selbstverständlich müssen diese 
Arten auf der Anlage, die ja ein möglichst getreues 
planzenphysiognomisches und pflanzengeographisches Bild 
der Alpenwelt geben soll, in grosser Individuenzahl ver- 
treten sein und gewissermassen den Charakter der ein- 
zelnen Gruppen und Regionen bestimmen. Es würde den 

ahmen dieses Buches aber weit überschreiten, wenn wir 
hier auf eine detaillirte Schilderung dieser Formationen 
eingehen wollten, ° *) und wir bescheiden uns daher damit, 
iêr nur in den allgemeinsten Umrissen anzugeben, in 
welcher Weise die Gruppirung. nach Formationen auf der 


*) Wir verweisen in THU Beziehung auf: Kerner r, Das 
Planagnleben der x BR Innsbruck: 1863, welchem 
01—278 und S. 204—31 iat nnie de Alpen 
in ausführlicherer Weise bdo erscheinen 


132 


Alpenanlage vorzunehmen wäre, wenn durch sie ein rich- 
tiges Abbild des alpinen Pflanzenteppichs geliefert wer- 
den soll. 

Auf den Steinhügeln, deren Gewächse die Pflanzen- 
welt der Kalkalpen repräsentiren sollen, wären an den 
tiefsten Stellen vor allen anderen Sesleria coerulea, 

arex humilis und Erica carnea in grösserer In- 
dividuenzahl zu cultiviren. Zwischen diesen Gewächsen, 
welche gewissermassen den Ton in der Pflanzendecke der 
untersten Etagen anzugeben hätten, würden dann Polygala 
Chamaebuxus, Helleborus niger, Genista pilosa, Cyclamen 
europaeum, Ariemone Hepatica, Calamintha alpina, Carex 
alba, Cypripedium Calceolus, Epimedium alpinum, Hippo- 
crepis comosa, -Potentilla Fragariastrum, micrantha, Pri- 
mula acaulis, Auricula, farinosa und Bellidiastrum Michelii 
Platz finden. Am Rande der einzelnen kleinen untersten 
Terrassen pflanzt man Teucrium montanum, Gypsophila 
repens, Globularia cordifolia, Saponaria ocymoides, Poten- 
tilla caulescens und Selaginella helvetica, welche sich. wie 
kleine Teppiche über die Steine herabhängen ; und an den 
Bóschungen zwängt man in die Steinritzen zahlreiche 
Farne, wie Scolopendrium officinarum, Asplenium Ruta 
muraria, Trichomanes, viride, Adiantum nigrum und einige 


Crassulaceen, wie etwa Sempervivum hirtum, Sedum album 


und hispanicum. Hie und da, wo es nicht störend wirkt, 
können sich allenfalls auch niedere Sträucher von Salix 
grandifolia, Aronia rotundifolia, Rubus saxatilis, Coronilla 
Emerus, Rosa alpina, Ribes alpinum und Cotoneaster to- 
mentosa über die niederen Pflanzen emporböschen. 


uf die nächst höheren Terrassen sind als tonan-. 


gebende Arten Pinus Mughus, Rhododendron 
hirsutum, Agrostis alpina und rupestris, Carex 
firma, ferruginea und sempervirens anzupflanzen. 
Die zwischen diese Gewächse einzuschaltenden Pflanzen 
sind ausserordentlich zahlreich. Zunächst neben Rhodo- 
dendron hirsutum und Pinus Mughus reiht man Rhodo- 


gj alpina, 


"T 


-133 


. dendron Chamaeeistus und Daphne striata. Zur Ueber- 


kleidung der Steine, welche die Bóschung der Terrassen 
piden, sind in dieser Region vor allem Dryas octopetala, 
Avena distichophylla und Arciostaphyllos alpina zu ver- 
wenden und aus der Reihe der niederen Sträucher sind 
für diese Region als besonders bezeichnend Salix arbuscula 


"und glabra, Rhamnus pumila, Juniperus nana und Sorbus 


Chamaemespilus hervorzuheben. Die meisten den Kalk 
vertragenden Primeln, Gentianen und Steinbreche, ferner 
Dianthus alpinus, Silene alpestris, Alchemilla alpina, An- 
drosace Chamaejasme und lactea, Aretia Vitaliana, Aster 
alpinus, Silene acaulis, Coronilla vaginalis, Draba aizoides, 
Gnaphalium Leontopodium, Soyeria hyoseridifolia, Hiera- 
cium villosum, Homogyne discolor, Armeria alpina, Hut- 
chinsia alpina, Linaria alpina, Linum alpinum, Pinguicula 
alpina, Athamanta cretensis, Polygonum. viviparum, Carex 
capillaris, mucronata, aliformis. Potentilla minima, nitida, 
Ranunculus hybridus , alpestris , Soldanella alpina , ale- 
riana celtica, saliunca, saxatilis, Veronica aphylla, saxa- 
tilis, Viola pinnata, Anemone alpina, narcissiflora gehören 
dieser Region als mehr oder weniger characteristische 
Formen an und sind daher zwischen die Büsche der Alpen- . 
rosen und Legfóhren und die Polster der Carex firma, 
Agrostis alpina und anderen oben genannten tonangebenden 
Gräser und Riedgräser einzuschalten. 

uf die obersten Terrassen der aus Kalksteinem auf- 
gebauten Hügel pflanzt man endlich als tonangebende 
Arten noch einige Rasen von Carex firma und nebenan 
zahlreiche Exemplare der Sesleria microcephala, 
Primula minima und die niederliegenden viel- 
zweigigen Sträuchelchen der Salix retusa, re- 
lieulata, Jacquiniana und Azalea procumbens. 
Die Steine, welche hier als Spitzen aufragen, sollen wo 
möglich in Krustenflechten überzogen sein, und in die 
Ritzen und Klüfte dieser den ganzen Felsenbau krónenden 
obersten Steine fügt man Petrocallis pyrenaica, Saxifraga 


134 


oppositifolia, Valeriana supina, Draba tomentosa, Sauteri, 
Potentilla nitida, Clusiana. : 

In ganz analoger Weise vertheilt man die vorherr- 
schend kalkfeindlichen Pflanzen auf den Felsenhügeln, 
welche ein Abbild der Centralalpen geben sollen. 

Auf die untersten Terrassen pflanzt man daselbst Nar- 
dus siricta und Calluna vulgaris mit Vaccinium 
Vitis idaea, Arctostaphyllos officinalis und Lycopodium 
alpinum. Dazwischen Campanula barbata, Potentilla aurea, 
Arnica montana, Silene rupestris, Achillea tomentosa und 
Allosurus crispus. Die Felsritzen ziert man mit Semper- 
vivum arachnoideum, Sedum reflexum, dasyphyllum und 


annuum. In schattige moosige Winkel wird Linnaea bo- 
realis gesetzt und hie und da mag wohl auch ein Strauch 


von Alnus viridis und Juniperus Sabina und eine Wedel- 
gruppe von Struthiopteris germanica aus einer Felskluft 
sich emporheben. 

Die nächst höheren Terrassen tragen als die bezeich- 
nendsten Formen eine möglichst grosse Individuenzahl 
von Rhododendron ferrugineum, Carex curvula, 


Sesleria disticha und Juncus trifidus. An diese 


reiht man dann Empetrum nigrum, Salix myrsinites, hel- 


. vetica, hastata und überdies als charakteristische Pflanzen . 


‚noch Achillea moschata, Alchemilla pentaphylla, Ane- 
mone vernalis, Arenaria biflora, Artemisia nana und spi- 
cata, -Astrantia minor, Avena versiċolor, Cardamine alpina, 
Chrysanthemum alpinum, Dianthus glacialis, Erigeron uni- 
florus, Gaya simplex, Gentiana excisa, Hieracium albidum 
und alpinum, Hutchinsia brevicaulis, Köleria hirsuta, Lloy- 
dia serotina, Oxyria digyna, Luzula lutea und spicata, 
Phaca astragalina, Phyteuma hemisphaericum, Potentilla 
grandiflora, Primula glutinosa, Ranunculus rutaefolius, 
Saxifraga aspera, Senecio carniglicus, Sibbaldia procum- 
bens, Silene Pumilio, Thalictrum alpinum, Tofjeldia bo- 
realis, Trifolium alpinum und Veronica bellidioides. — 
In die Felsritzen pflanzt man Geum reptans, Artemisia 


135 


utellina , Gnaphalium Leontopodium, Primula villosa, 

Sempervivum montanum und Waulfenii. 

% Die Felsstücke, welche die obersten Etagen und die 
(c Spitzen der Hügel bilden, sollen wieder mit Krusten- 
fechten, namentlich mit der so charakteristischen Leci- 
lea geographica bedeckt sein, und auf die kleinen 
hier befindlichen obersten Terrassen sind vor allem als - 
lie bezeichnendsten Formen: Aretia glacialis und Sa- 
lix herbacea und wieder Azalea procumbens und Carex 
curvula anzubringen. Ausserdem können hier Senecio 
icanus und uniflorus, Ranunculus glacialis , Saxifraga 
hryoides, Seguieri und biflora , Primula glutinosa, Draba 
fahlbruckneri und frigida und Potentilla frigida ein Plätz- 
chen finden. . 

Durch diese Gruppirungen ist dem natürlichen Vor- 
kommen der Pflanzenformen in den Alpen die vollste 
Rechnung getragen, und der Anblick der in der eben an- 
gegebenen Weise bepflanzten Steinhügel gibt eine voll- 
kommen richtige Vorstellung nicht nur von der Verthei- 
lung der Alpinen, sondern auch von der Physiognomie, 
mit welcher uns die Pflanzendecke in der Voralpen-, Alpen- 
und Hochalpenregion der Kalk- und Schieferberge eni- 
gegentritt. 


ANAA 
E 


Neuntes Capitel. 


Vermehrung der Alpenpflanzen. 


Bei sorgfältiger Behandlung kann die Mehrzahl der 
Alpinen aus Samen gezogen werden. Das Aussäen 
der Samen darf jedoch nicht wie bei der Cultur der 
meisten anderen Pflanzen im Frühlinge geschehen, son- 
dem muss noch im Spätherbsie vorgenommen werden, 


136 


" 
und zwar in der zweiten Hälfte October oder zu Anfang sid 
des Monats November, also jedenfalls so spät, dass die À 
Samen vor dem nächsten Frühling nicht mehr zum Keimen ferfa 
kommen können. Die Töpfe oder Tröge, welche die oph 
Samen aufnehmen sollen, werden nahe bis zum Rande T $ 
mit einer trockenen, lockeren, aus Humus, Sand und etwas E 
zerhacktem Sphagnum gemengten Erde gefüllt, diese Erde "e 
dann mit den Samen bestreut und über die Samen noch ` E 
eine dünne, etwa '/, Zoll mächtige Schichte derselben "- 
Erde gesiebt. Nachdem man die Erde fest angedrückt hat, im 
bringt man die Töpfe oder Tróge an irgend eine luftige N 
lichte Stelle des Gartens, wo sie weder der Sonne noch men 
dem Gussregen ausgesetzt sein dürfen und lässt sie uddie 
dort unbegossen bis zum ersten Frosie unberührt stehen. d. g 
Nach dem ersten Froste deckt man die Töpfe oder Tröge iige 
mit Tannenreisig oder dürrem Laubwerk zu und bringt slben 
sie über Winter an einen möglichst schattigen Platz, an ferfahr 
welchem man mächtige Schneewälle aufhäuft und hie- wren. 

durch Sorge trägt, dass die Keimung der Samen im  slglt 
nächsten Frühling.móglichst weit in die Zeit der langen meise 
Tage hinausgeschoben wird. — Beobachtet man endlich Virift 
im Frühlinge einzelne die Erde durchbrechende Keime, „Un 
so entfernt man die Laub- oder Reisigdecke, bringt die mod: 

öpfe oder Tröge an eine Stelle des Gartens, welche durch t sh 
Bäume oder Sträucher mässig beschattet ist, und begiesst T" 
und überspritzt sie in dem Grade mehr und mehr, als die " " 
Sämlinge kräftiger heranwachsen. à - 
Nur wenige Arten entwickeln sich so rasch und üppig, N li 
dass man sie schon im ersten Jahre auf die Anlage ver- ST 
pflanzen oder im Tauschwege verschicken kann. Die pen 
meisten derselben bleiben im ersten Sommer noch ziem- V nis 
lich schwächlich und werden am zweckmässigsten bis zum * Tor 
folgenden Frühlinge noch in den Tópfen oder Trógen ge- m 
halten, in welchen sie aufgekeimt sind. Den Winter über "lem 
bringt man sie in die Sandkästen, welche auf S. 61— 64 "ten 


beschrieben wurden, und erst im kommenden Frühling 


137 


können sie dann aus den Töpfen genommen werden, in 
welchen sie das Licht der Welt erblickt haben. 

Am leichtesten keimen bei der Anwendung des obigen 
Verfahrens die Cruciferen, Compositen, Umbelliferen, Ca- 
ryophylleen, Rosaceen, Ranunculaceen und Papaveraceen, 
am schwierigsten dagegen alle jene Alpinen, welche 
peerenartige Früchte erzeugen, wie die Arien von Rubus, 
Convallaria, Empetrum und Vaccinium, dann die Rhinan- 
taceen, Orchideen, Gentianaceen, Primulaceen und endlich 
die immergrünen Ericineen. i 

oe in Christiania, welcher über die Anzucht der Al- 
pinen aus Samen sehr reichhaltige Erfahrungen gewonnen 
und diese in seiner auf Seite 66 zitirten Schrift niedergelegt 
hat, gibt übrigens auch für diese letzteren Pflanzenarten 
einige Regeln an und versichert, bei Beobachtung der- 
selben die besten Erfolge gehabt zu haben. Da wir das 
Verfahren Moe’s zu wiederholen bisher nicht in der Lage 
waren, müssen wir uns des eigenen- Urtheils vorläufig 
enthalten, glauben aber unseren Lesern einen Dienst zu 
erweisen, wenn wir die betreffenden Stellen der Moe’schen 
Schrift in der Ueberseizung hier mittheilen : 

„Um die alpinen Ericineen, Vaccineen, Ly- 
copodiaceen und Filices aus Samen zu ziehen, werden 
aus schwarzer plastischer Torferde, welche man früher 
durch geraume Zeit der Luft ausgesetzt hat, ziegelförmige 


. zwei Zoll hohe und zwei Zoll breite Klumpen . geformt, 


und die Samen dann an der Oberfläche und an den Seiten 
dieser Torfklumpen eingerieben. Weiterhin werden diese 
Klumpen beiläufig einen Zoll tief in Wasserkisten gesetzt 
und mässig begossen. Ueber Winter bringt man dann 
jene Torfklumpen, welche mit den Samen der Erieineen 
und Vaceineen besäet wurden, in ein kühles Mistbeet, in 
welchem sie auch unbeschadet der Sonne ausgesetzt bleiben 
können, jene Torfklumpen hingegen, auf deren Oberfläche 
die Sporen der Filices und Lycopodiaceen eingerieben 
wurden, in ein warmes Mistbeet, in dem sie vor den 


138 


Sonnenstrahlen durch Schattendecken geschützt werden 
müssen. ie aufgekeimien Pflanzen werden im ersten 
Jahre nicht umgesetzt, sondern verbleiben auf den Torf- 
klumpen bis zum darauffolgenden Jahr und werden zum 
Theile (Ericineen und Vaccineen) in einem Kalthaus mit 

ärme, zum Theile (Filices und Lycopodiaceen) 
in einem Warmhaus überwintert.* 

m die so ausserordentlich schwierig zu nn 
alpinen Orchideen und Pyrolaceen aus Samen zu 
ziehen, gibt Moe folgende Verhaltungsregeln an: 

„Man füllt die Töpfe, welche zur Aufnahme der Samen 
Destin. sind, “mit einem Gemenge aus einem Theil Haide- 
erde, einem Theil Walderde, einem Theil vermoderten 
grob zerpochten Fichtenholz, mit einem geringen Zusatz 
von fein zerschnittenem Mose (am besten von Hypneen) 
und etwas verwesten Tannennadeln. Dieses Gemenge wird 
fest im Topfe angedrückt und in dasselbe kleine Moose, am 
besten Dicranum-Arten, Bryum argenteum, Mnium u. dgl. 
gepflanzt. Auf und zwischen diese Moose werden die 
Samen gesäet und die Töpfe dann so weit in Wasser- 
kisten gesetzt, dass das ganze Erdreich mässig durch- 
feuchtet wird. Die Kiste bringt man dann durch 14 Tage 
in ein Mistbeet, das mässig warm und mässig beschattet 
sein soll und welches die ganze Zeit über nicht gelüftet 
werden darf.“ 

Ob vielleicht auch die alpinen Rhinantaceen sich 
in ähnlicher Weise durch Samen ziehen lassen, haben wir 
noch nicht erprobt, doch wollen wir hier bemerken, dass 
mehrere Arten dieser Familie, z. B. Euphrasia minima und 
salisburgensis sich von selbst auf der Alpenpflanzenanlage 
des InnSbrucker botanischen Gartens jährlich aussamen 
und an einer und derselben Stelle erhalten. 

Wir wollen bei dieser Gelegenheit einschalten, dass 
es überhaupt das einfachste und zweckmässigste ist, die 
einjährigen und zweijährigen Alpinen, rend 
lich die eben genannten Euphrasia-Arten, dann die kleinen 


139 


Gentianeen: Lomatogonium carinthiacum, Gentiana pro- 
strata, nivalis, tenella, nana, ferner einige Cruciferen: 
Braya alpina und Aethionema saxatile, weiterhin mehrere 
Corniculatae: Sedum repens, annuum, atralum, Saxifraga 
adscendens, dann noch das winzige Gnaphalium supinum 
der Selbstaussamung zu überlassen. Man hat hiebei nur 
Rücksicht zu nehmen, dass der Boden, auf welchem man 
diese Alpinen cultivirt, zur Zeit der Samenreife etwas ge- 
lockert werde, und dass die aufkeimenden Pflünzchen nicht 
durch Trockenheit leiden und nicht durch unberufene Ein- 
dringlinge überwuchert werden. 


Was die ungeschlechtliche Vermehrung der 
Alpinen anbelangt, so kann darüber Folgendes bemerkt 
werden. 

Die alpenbewohnenden Weiden, insbesondere 
Salix helvetica, Lapponum, pyrenaica, arbuscula, glabra, 
hastata, glauca, myrsinites, Jacquiniana, retusa, reticulata, 
grandifolia, silesiaca werden durchgehends ohne Schwierig- 
keiten-durch Stecklinge vermehrt. Man schneidet die Steck- 
reiser am zweckmässigsten zeitlich im Frühlinge, kurz vor 
dem Sprengen der Knospenschuppen von zweijährigen 
Zweigen und pflanzt. dieselben dann entweder in Töpfe in 
ein Gemenge von lehmiger Erde und zerhacktem Sphagnum 
oder noch zweckmässiger in einen Ballen von reinem 
Sphagnum, mit dem man dann ein theilweise mit Wasser 
gefülltes Glasgefäss so weit ausstopft, dass der Sphagnum- 
ballen mit dem Wasser in Berührung kommt und von 
diesem Feuchtigkeit ansaugen kann. Die so gefüllten 
Glasgefässe bringt man in den Raum eines temperirten Glas- 
hauses, stellt sie an einen beschatteten Ort und verpflanzt 
dann, wenn man zwischen dem Sphagnum die Wurzelfasern 
sich durchspinnen sieht, die Stecklinge ins Freiland. 

Von anderen alpinen Sträuchern lassen sich die 
Sommergrünen Arten: Rosa alpina, Ribes petraeum 


140° 


und alpinum, Rhamnus pumila, Alnus viridis und Arcto- 
staphyllos afpina, sowie die Liane unserer Alpen, Atra- 
gene alpina, gleichfalls ohne besondere Schwierigkeiten 
durch Stecklinge vermehren. Man schneidet von ihnen 
im Juni, Juli oder August die Reiser und- steckt sie in 
feuchtgehaltenen Sand an mässig beschattete Plätze eines 
Mistbeetes oder Treibkastens, wo sie sich gewöhnlich 
schon nach kurzer Frist gut und reichlich bewurzeln. 

Ohne Erfolg dagegen waren die im Innsbrucker bo- 
tanischen Garten ausgeführten Versuche, welche sich das 
Ziel steckten, auch die wintergrünen Sträucher 
der Alpen, die Erica- und Rhododendron-Arten, das 
Empetrum nigrum, die Azalea procumbens und Daphne 
striata durch Stecklinge zu vermehren. Von den zahl- 
reichen Stecklingen dieser Arten bewurzelten sich in der 
Regel nur ganz wenige und selbst diese vermochten es 
nicht zum kräftigen Wachsthum zu bringen, sondern 
kümmerten eine Zeit lang’ und gingen endlich über kurz 
oder lang ganz ein. 

Von krautartigen Pflanzen eignen sich die Arten 
der Gattungen Dianthus, Silene, Alsine, Arabis, Petrocallis, 
Thlaspi, Erysimum, Phyteuma, Campanula, Valeriana, Sta- 
tice, Aretia, Androsace, Veronica, Potentilla und Sibbaldia 
am besten zur Vermehrung durch Stecklinge. Die im 
Sommer nach Abschluss des ersten Triebes geschnittenen 
krautartigen Stámmchen werden wieder ähnlich den früher 
aufgezáhlten sommergrünen Sträuchern an einer etwas 
schattigen Stelle des Mistbeetes oder Treibkastens in 
feuchtgehaltenen Sand gesteckt und sind in der Regel 
nach 44 Tagen schon mit Würzelchen versehen. 

Zur Vermehrung durch schlichte Theilung 
eignen sich vorzüglich jene alpinen und subalpinen Arten, 
welche kriechende wurzelnde Stämmchen besitzen, wie z. 
Linnaea borealis; Selaginella helvetica, Saxifraga oppositi- 
folia und tenella. Ferner können durch Zertheilung der 
Rhizome und Rasen die meisten kleinen Farne (Asplenium, 


= 


141 


Woodsia, Nothochlaena) alle Carices und Gräser, sowie 
alle Arten der Gattungen Juncus, Luzula und Tofieldia, 
weiterhin alle Crassulaceen und von niederen krautartigen 
Pflanzen Saxifraga Seguieri und androsacea, alle Arten 
von Viola, Soldanella, Ranunculus und alle kleinen Com- 
positen (Erigeron alpinus“ Gnaphalium Leontopodium, 
Senecio incanus, carniolicus, Soyeria hyoseridifolia, Homo- 
gyne discolor und alpina sehi werden. Fast ganz 
erfolglos sind dagegen Theilungsversuche mit den alpinen 
Leguminosen und Umbelliferen, welche durch dicke tief- 
gehende, wenigästige Wurzeln ausgezeichnet sind. Ebenso 
bleiben in der Regel die Theilungsversuche erfolglos, 
die man mit jenen dichtrasigen polsterförmigen Pflanzen 
ausführt, deren zahlreiche gedrängte kurze Stämmchen 
von einer einzigen, verhältnissmässig schwachen Wurzel 
ernährt werden, wie z. B. Cherleria sedoides, Silene 
acaulis, Saxifraga caesia, Androsace helvetica und gla- 
cialis, Arenaria ciliata, Alsine Gerardi und recurva. — 
Im Allgemeinen kann man noch sagen, dass sowohl die 
Vermehrung durch Theilung, wie auch jene durch Steck- 
linge desto leichter gelingt, wenn die zu theilende Pflanze 
eine Bewohnerin des sandigen Bodens ist, dass dagegen 
der Erfolg ein sehr unsicherer wird, wenn die Pflanze 
einen bündigen lehmigen Boden verlangt. 

Schliesslich sei noch bemerkt, dass für die wenigen 
alpinen und subalpinen ee und Knollengewächse, 
2. B. Crocus vernus, Gagea Liottardi, Lloydia serotina, 
Cyclamen europaeum, bei der Vermehrung ganz dieselben 
Regeln gelten, welche man bei anderen in unseren Gärten 
cultivirten Zwiebel- und Knollenpflanzen in Anwendung 
bringt 


Zehntes Capitel. 


UI 


Behandlung der Alpenpflanzen bei Excursionen 
im Hochgebirge, beim. Transporte in niedere 
Gegenden und bei der Einpflanzung im Garten. 


Das vorhergehende Capitel hat unter anderm gezeigt, 
dass sich gerade mehrere der schönsten, verbreitetsten 
und bezeichnendsten Alpenpflanzen nur ausserordentlich 
schwierig aus Samen oder Stecklingen heranziehen lassen. 
Alle Versuche, die Zierden unserer Alpenflora, die un- 
vergleichlichen Alpenröschen, nach einer oder der andern 
Methode aufzubringen, haben nur ungünstige Resultate ge- 
liefert. Und wenn es auch vielleicht noch gelingen dürfte, 


ein Verfahren ausfindig zu machen, durch welches man 


bessere Erfolge erzielt, so ist es doch gewiss recht lang- 
weilig, ein Dezoriiztih zuzuwarten, bis die aus Samen 
aufgekeimten Alpenrosenbüsche egune einmal so kräftig 
werden, dass sie es auch zur Entwicklung von Blüten 
bringen. Dasselbe gilt auch von mehreren anderen Al- 
pinen, deren. Anzucht aus Samen weniger grossen Schwie- 
rigkeiten unterliegt, als jene der früher genannten immer- 


grünen Alpensträucher. Jeder, der sich einen Alpen- 


pflanzengarten anlegt, möchte ja schon im nächsten Jahre 
oder doch wenigstens in ein paar Jahren die gepflanzten 
Gewächse im Schmucke ihrer vollen Blüte sehen und 
wird verstimmt, wenn er an der Stelle üppiger Büsche 
immerfort nur junge, kümmerliche blütenleere Sprossen 
schauen muss. ; 

Aus diesem Grunde ist es wohl in sehr vielen Fällen 
vorzuziehen, sich die anzupflanzenden Alpinen in aus- 
gewachsenen blühreifen Exemplaren aus anderen Gärten 
oder aus den Alpen selbst zu verschaffen. 

Die Alpenpflanzen müssen aber bei der Einsammlung 
auf Excursionen im Hochgebirge, ebenso wie beim Ver- 


143 
packen und Verschicken eigenartig behandelt werden, und 
wir wollen es nun im Nachfolgenden versuchen, dasjenige, 
was uns in dieser Beziehung die Erfahrung gelehrt hat, 
den Alpenpflanzenzüchtern und „jenen. die es werden 
wollen * mitzutheilen. 

ie beste Zeit zur Einsammlung lebender 
Pflanzen in den Alpen ist der Monat September. 
Die Alpinen haben da fast durchgehends ihre Samen ge- 
reift und sind zu dieser Zeit bereits in eine Phase der 
Ruhe getreten, welche sie gegen äussere Eingriffe ziem- 
lieh widerstandsfähig macht. Auch ist im September die 
Hitze schon so verringert, dass die Alpinen auf der Reise, 


. welche sie aus dem Hochgebirge ins Thal oder ins Flach- 


land zu machen gezwungeu werden, nicht mehr viel zu 
leiden haben. Da, wie erwähnt, die grosse Mehrzahl der 
Alpenpflanzen im September schon abgeblüht hat, so wird 
freilich vorausgesetzt, dass derjenige, welcher in diesem 
Monate aus den Alpen lebende Pflanzen holen will, die 
Arten auch im nicht blühenden Zustande richtig erkennt 
und leicht zu finden weiss. Diess vorausgesetzt, hat aber 
der September auch noch den grossen Vortheil, dass 


man nebst den lebenden Arten auch zahlreiche Samen 


ausbeuten und mit nach Hause bringen kann” — Es ist 
übrigens auch gerade kein Unglück, wenn man in einem 
anderen früheren Monat in die Berge kommt; nur muss 
man dann die Verpackung mit doppelter Vorsicht aus- 
führen und auf den Gewinn der Samen in der Regel ver- 
zichten 

Zur Versendung der in Gärten cultivirtén 
Alpinen wählt man entweder gleichfalls den Monat Sép- 
tember oder den Vorfrühling, in welchem die Thätigkeit 
der durch Schneewälle in ihrer Entwicklung zurückge- 
haltenen Alpenpflanzen noch nicht begonnen hät. Sowohl 
ie eine wie die andere Jahreszeit hat in Bezug auf den 
Transport der bereits in Cultur befindlichen Alpinen ge- 
Wisse Vortheile und Nachtheile. Steht aber die Auswähl 


& 


144 


zwischen beiden Zeiten ganz frei, so würden wir doch 
unbedingt immer den Vorfrühling vorziehen, weil zu die- 
ser Zeit die Pflanzen unstreitig am ‚besten, schnellsten 
und sichersten zur Bewurzlung gelangen. 

Bei der Auswahl der aus den Alpen zu ent- 
führenden Pflanzen ist nichts unvortheilhafter, als 
wenn man sein Augenmerk auf recht grosse und alte 
Exemplare richtet, da gerade diese bei der nachträglichen 


Cultur im Garten am leichtesten zu Grunde gehen. Am 


besten wählt man jüngere kräftige, eben blühreif gewor- 
dene Stócke und zwar — wie sich wohl von selbst ver- 
steht — von Stellen, an welchen man alle Wurzeln 
müglichst unbeschüdigt herausbringt. Bei manchen Arten, 
die nur in Felsritzen wachsen, wie z. B. bei Phyteuma 
comosum, Campanula Morettiana, Rhamnus pumila u. dgl. 
wird man freilich hierauf in der Regel verzichten müssen; 
dort aber, wo die Wahl zwischen üppigen, in Felsritzen 
eingezwüngten Stücken, und mageren, im lockeren Stein- 
schutt wachsenden Exemplaren freisteht, gebe man sich 


ja keine besondere Mühe, die ersteren heraussprengen zu : 


wollen, und wähle lieber die letzteren, wenn sie auch 
bei weitem weniger verlockend entgegenblicken. — Die 
besten Plätze zur Einsammlung von Alpinen sind dem- 
nach offenbar die Schutthalden, die sandigen Ufer der 
Alpenbäche und der lockere Moränenschutt. Man macht 
dort in der Regel die beste Ausbeute und findet dort 
fast alle jene Pflanzen, welche Felsritzen und Felsgesimse 
bewohnen und die von diesen Standorten oft nur mit grossen 
Schwierigkeiten herabgeholt werden könnten, auf leicht 
zugänglichem Boden im Sande eingebettet. * 


inige Arten, nümlich die kleinen ausdauernden alpinen 


Gentianen: G. verna, pumila, imbricata, dann alle Arten 
von Euphrasia, Thesium, Saussurea, Lycopodium, weiters 
die alpinen Orchideen und Pedicularis, endlich noch Crepis 
aurea, grandiflora, Hypochoeris helvetica, Bartsia alpina, 
Campanula barbata, alpina, Daphne striata und Nardus 


145 


strieta vertragen es nicht gut. wenn man ihre Wurzeln 
gänzlich von der Erde entblösst. Diese müssen daher 


mit sammt dem Erdballen, in welchem sie wurzeln, aus- 


gehoben, allsogleich in Moos eingewickelt und eingebun- 
den, in dieser Umhüllung verschickt und am Ziele an- 
gekommen, mit sammt dem Erdballen eingepflanzt werden. 
Da es bei diesem Verfahren fast unvermeidlich ist, dass 
neben den ganz besonders in’s Auge gefassten Pflanzen 
auch noch einige andere Arten mit ausgehoben werden 
und diese letzteren selbst dann, wenn man sie gänzlich ent- 
fernt zu haben glaubt, in einzelnen unterirdischen Theilen im 
Erdballen erhalten bleiben, nachträglich emporwachsen und 
vielleicht gerade diejenigen Arten, welche man eigentlich 
zu eultiviren beabsichtigte, überwuchern und verdrängen, 
so muss man die oben genannten Alpinen, die sammt 
ihrem Ballen in den Garten verpflanzt wurden, mit ganz 
besonderer Sorgfalt überwachen und jeden unberufen auf- 
wachsenden Nachbarn allsogleich durch Ausziehen oder 


.Ausschneiden unterdrücken. 


Alle anderen Arten kann man dagegen unbesorgt von 
der Erde entblössen und ohne Wurzelballen verschicken. 
Ja es ist sogar für diese die sorgfältige Auslösung und Sor- 
tirung an Ort und Stelle dringend anzurathen. Denn 
thut man dies nicht und pflanzt man alle Alpinen mit 
dem anhängenden Erdballen in den Garten, so kommen 
auf der Anlage so zahlreiche unberufene Eindringlinge 
zum Vorschein, und es entsteht ein solches Gewirre von 
bunt durcheinander wachsenden Pflanzen, dass man bei 
einer etwas umfangreicheren Alpenpflanzenplantage - die 
einzelnen Gewächse nicht mehr gut zu überwachen, zu 
eliquettiren und zu besorgen im Stande ist. 

ie zum Transport bestimmten Arten werden auf der 
Alpe allsogleich, nachdem sie ausgegraben wurden, in 
feuchtes Moos eingehüllt und sobald als thunlich mit 


‚frischem Quell- oder Bachwasser mässig bespritzt. — 


Handelt es sich blos darum, die Alpinen vom eno d 
Kerner, Alpenpflanzen. 


, 


146 


zur Verpflanzung in den Garten eines nahen Thales zu 
bringen, so kann man die abwechselnd zwischen feuchtem 
Moos geschichteten Alpinen in einer Blechkapsel (Bota- 


 nisir-Büchse), einem Korb aus Flechtwerk, oder auch nur 


zwischen Fichtenzweigen, die man mit festen Bindfäden 
zusammenschnürt, ganz gut iransporliren. Sollen die 
Alpinen dagegen eine grössere Reise machen, so ist es 
am zweckmässigsten, das zu versendende Materiale früher 
zu sortiren, und eben so viele kleine Päcke zu machen 
als man Arten gesammelt hat. Die Exemplare jeder Art 
werden dann nur bis zum Wurzelhalse in feuchtes Moos 
eingehüllt und mit Bindfüden zusammengebunden; die 
Blátter und Stengel dagegen müssen aus dem Moosballen 
frei herausragen. Die so zugerichteten Pácke werden dann in 
Kisten, Blechbüchsen oder geflochtenen Kórben, zwischen 
trockenem Moos oder dürrem Buchenlaub in der Weise 
geschichiet, dass die Blätter und Stengel des einen Packes 
nicht unmittelbar auf die feuchten Moosballen der anderen 
Päcke zu liegen kommen. Hat man Sphagnum zur Hand, 
so ist dieses jeder anderen Moossorte als Verpackungs- 
material unbedingt vorzuziehen, doch muss dann dafür 
Sorge getragen werden, dass nur jene Sphagnumballen, 
welche die: Wurzeln umgeben, durchfeuchtet sind, und dass 
jene Partien des Mooses, welche als Zwischenlage der 
einzelnen Packeie dienen, früher mit den Händen gut aus- 
gepresst oder an der Sonne ausgeirocknet wurden 
Ist die Menge der zu versendenden Alpenpflanzen eine 
etwas grössere, so versäume man ja nicht, zwischen den 
einzelnen Schichten ven Alpenpflanzenpacketen Fichten- 
zweige einzulegen. Es wird dadurch der gegenseitige 
Druck der Packete verhindert und das Verschimmeln der 
Pflanzen am besten hintangehalten. — Noch kommt zu 
bemerken, dass man die umfangreichen alpinen und sub- 
alpinen Staudenpflanzen vor der Versendung entsprechend 
zustutzen und von ihnen alle mastigen Blätter und Stengel 
entfernen muss. 


* 


147 


Bei dem eben mitgetheilten Verfahren, welches auch 
bei Versendungen eultivirter Alpinen Geltung zu finden 
hat, kann man sicher sein, dass die Alpenpflanzen eine 
8 bis 14tägige Reise ohne wesentlichen Nachtheil ver- 
tragen. Wir haben zu wiederholten Malen auf die an- 
gegebene Art Pflanzen aus abgelegenen Theilen der stei- 
rischen und österreichischen Alpen abgeschickt, welche 
bis zu ihrer Ankunft in Innsbruck 14 Tage unterwegs 
waren und dennoch beim Auspacken sich ganz gut er- 
halten zeigten. Auch werden von uns Jährlich mehrere 
tausend Exemplare Alpenpflanzen aus dem Innsbrucker 
botanischen Garten nach allen Theilen Europas versendet, 
die nach Mittheilung unserer Tauschfreunde mit wenigen 
Ausnahmen ganz wohlbehalten an ihren oft ziemlich weit 
entfernten Zielen anlangen.*)  — Vereinzelte Verluste 
wird man freilich immer gewärtigen müssen; am wenigsten 
aber gewiss bei der Methode, welche oben erläutert wurde. 
Die von einem längeren Transporte angelangten Alpen- 
pflanzen werden so schnell als möglich aus ihren Um- 
hüllungen gelöst, an einem schattigen Platze auf frischem 
Moos ausgebreitet und dort mit kaltem Wasser tüchtig 
bespritzt einen halben Tag oder eine Nacht über liegen 
gelassen. Man schneidet dann die Wurzelspitzen mit 
scharfem Messer ab und pflanzt die Exemplare nach den 
auch für andere Pflanzen geltenden Regeln in Töpfe oder 
Mein in die me nen Erdmischungen. 


) w r kö önnen nicht umhin, hier folgendes Factum einzu- 
schalten. Ende März 1863 wurde zu Innsbruck eine Kiste mit 
Alpenpflanzen nach Marburg in Hessen aufgegeben, aber durch 
Verwechslung von Seite der Postbediensteten nach Marburg in 
Untersteiermark expedirt. Nach 10 Tagen gelangte die Kiste 
wieder aus Steiermark nach Iunsbruck als no zurück, 
und als wir dieselbe öffneten, waren die eingepackten Pflanzen 
alle so wohl erhalten, dass wir keinen Anstand Be en, den 
Deckel wieder aufzunageln und die Kiste nach Marburg in Hessen 
Zu expediren, wo ihr Inhalt endlich 14 Tage nach der ersten Ab- 
Sendung im besten Wohlsein ankam. 

10* 


148 


Sollte die Einpflanzung schon spät im Herbst 
vorgenommen worden sein, so müssten die Pflänzlinge 
anfänglich zur Beförderung der Wurzelbildung in ein tem- 
perirtes Haus gestellt und dort beschattet, nachträglich 
aber in einem Kalthause überwintert werden. - Ist dagegen 
die Einpflanzung noch vor dem Monat October 
vorgenommen worden, so stellt man die Töpfe oder Tröge 
anfänglich an einem gut beschatteten luftigen Platze im 
Freien auf und sorgt für eine nicht übermässige aber 
gleichmässige Durchfeuchtung des die Wurzeln umgeben- 
den Erdreiches. Ist dann die Bewurzelung eingetreten, so 
rückt man mit den Tópfen oder Trögen in die Sonne vor, 
beschattet die Pflanzen dort noch durch einige Tage in 
den Mittagsstunden und überlässt sie endlich dem Ein- 
usse der direeten Sonnenstrahlen. Ihre weitere Be- 
handlung unterliegt dann jenen Regeln, welche auf S. 61 
bis für die in Tópfen oder Trógen cultivirten Alpinen 
im Allgemeinen mitgetheilt wurden. 
Die Alpinen im Hochsommer oder Herbst allsogleich 


nach ihrer Ankunft aus dem Hochgebirge auf die Anlage 


zu verpflanzen, ist bedenklich, und kann nur mit sehr 
zühen Pfílanzennaturen erfolgreich durchgeführt werden. 
Weniger schmiegsame Arten würden dort der grossen 
Mehrzahl nach zu Grunde gehen und zwar vorzüglich 
darum, weil es nicht móglich ist, sie dort so gut zu be- 
schatten und doch gleichzeitig so luftig zu halten, dass 
noch vor dem Eintritte des ersten Frostes eine gute Be- 
wurzelung eingeleitet sein würde. — Man nimmt darum 
die Transplantirung jener Alpinen, welche im Herbste 
in Tópfe oder Tróge eingepllanzt wurden, erst im nächsten 
oder noch besser im zweitnächsten Frühlinge, und zwar 
möglichst zeitlich und wenn möglich noch vor dem Er- 
wachen der Vegetationsthátigkeit , vor. Die inzwischen 
in den Töpfen oder Trögen gut angewurzelten Exemplare 
werden mit dem ganzen Wurzelballen und mit sammt der 
Erde, welche diesen umgibt, sorgfältig ausgehoben und 


149 


an jene Plätze der Anlage übertragen, welche man nach 
den im achten Capitel mitgetheilten Regeln ausgemittelt 
hat. Gebraucht man hiebei noch die Vorsicht, sie dort 
nach dem Eingiessen durch einige Tage mit Fichten- oder 
‚Tannenzweigen zu beschatten, so wird man eines günstigen 
Erfolges fast in allen Fällen sicher sein können. 


Eilftes Ca pitel. 


Behandlung der Alpinen auf der Anlage im 
Laufe des Jahres. 
Winter. 

Sobald der erste Frost des Spátherbstes eingetreten 
ist und mit ihm der Winter ernstlich an die Thüre ge- 
klopft hat, ist vor Allem für eine gute und ausreichende 
Bedeckung der Alpinen zu sorgen. 

Wie sonderbar, wird hier mancher denken, wie sollte 
es nothwendig sein, die Pflanzen der frostigen Hoch- 
alpenreviere vor Frost zu -schützen! — Und dennoch 
müssen wir wiederholen, dass die sorgfültige Bedeckung 
der Alpinen über Winter eine der wichtigsten Massnahmen 
ist und dass ihre Unterlassung unzweifelhaft die Pflanzen 
zum wenigsten decimiren würde. — enn man näher 
auf die winterlichen klimatischen Verhältnisse der Alpen- 
region blickt, so ist übrigens die ganze Sache auch bei 
weitem nicht mehr so sonderbar. Zu einer Zeit, in welcher 
sich das die Pflanzenwurzeln umgebende Erdreich noch 
einige Grade über dem Gefrierpunkt hält, fällt in der 
Alpenregion schon die bleibende, mächtige winterliche 
Schneehülle herab und schützt als ein schlechter Wärme- 


150 


leiter den Boden und die in demselben steckenden zwergigen 
Pflanzen vor jenen bedeutenden Temperaturerniedrigungen, 
welchen dort die Luft später im Laufe des Winters aus- 


gesetzt ist. *) Der Boden der Alpenregion ist daher 


auch niemals tief gefroren und zeigt selbst in der obersten 
Schichte, wohl kaum jemals eine Temperatur, die unter 
— 20 R. herabsinkt. Anders verhält sich dies in unseren 
ebenen Gegenden. Wie häufig stellen sich da Erniedri- 
gungen der Temperatur eiu, welche den Boden schon zu 
einer Zeit gefrieren machen, wenn noch die schützende 
winterliche Schneedecke fehlt. Die Kálte der Luft wirkt 
dann unbehindert auf die offene Erde ein und bringt 

n derselben Kültegrade hervor, welche den Tod zahlreicher 
s acc Pflanzenarten zur Folge haben. —. Und dass 
zu diesen empfindlichen Pflanseuarten auch die grosse 


*) Um zu erfahren, inwieweit die- winterliche Schneedecke 
den Boden vor dem Einflusse der Lufttemperatur zu sehützen 
vermag, wurden von mir mehrfache Versuche angestellt 
Reihe von Beobachtungen, welche ieh mit meinem Freunde 

r. G. L. Mayr in Wien im Winter des Jahres 1855 ausführte, 
scheint mir besonders eccles weil in jenem Winter die 
Lufttemperatur ee grosse Schwankungen zeigte und 
sich daher die Bedeutung der Schneedecke für die Temperaturs- 
verbültnisse des Bodea gerade damals recht klar herausstellte 

Die Kugel des einen Thermometers befand sich in Mayr's 
Garten einen Zoll unter der Erdoberfläche, die Kugel des zweiten 
Thermometers ebenda einen Zoll über der Schneeoberflüche. 
Als Hauptresultat ergab sich am M usse des Winters: 


óchste Temperatur des von einer E ebd hohen Schnee- 
schichte bedeckten Bodens + 0*. 

Tiefste Temperatur des von einer 1 e hohen Schnee- 
schichte bedeckten Bodens — 1°. 6 R. 
ährend demnach die Lufttemperatur eine Schwankung von 


23 Graden zeigte, betrug die Schwankung der Bodentemperatur 
kaum mehr als einen Grad, 


. 
0 
h 
( 
( 
f 


151 


Mehrzahl unserer Alpinen gehört, hievon kann sich jeder 
überzeugen, der den sehr einfachen Versuch macht und 
einige dieser Gewächse den Winter über ohne allen 
Schutz gehörig durchfrieren lässt. 

Dass die Alpinen über Winter geschützt werden müssen, 
darüber kann demnach wohl kaum ein Zweifel herrschen, 
und die Frage, welche zu beantworten kommt, ist nur die, 
auf welche Art wir diesen Schutz zu gewähren haben. 

Dass eine ausgiebige Schneedecke, wie sie sich im 
Hochgebirge im Winter vorfindet, auch auf der Alpen- 
pflanzenanlage das beste Schutzmittel gegen die Kälte des 
Winters wäre, versteht sich wohl von selbst. Leider 
liegt aber dieses Schutzmittel nicht in unserer Hand, son- 
dern ist so sehr dem Zufalle unterworfen, dass wir auf 
dasselbe in unseren niederen Gegenden niemals mit Sicher- 
heit rechnen können. Die Jahre, in welchen ein so aus- 
giebiger Schnee fällt, wie wir ihn hier brauchen würden, 
gehören zu den grössten Seltenheiten; und wenn auch, 
so ist die Schneedecke doch niemals von jener Dauer, 
wie sie zu unserem Zwecke sein sollte. Wir werden 
zwar in jedem Jahre so viel Schnee bekommen, um daraus 
die im Früheren mehrfach besprochenen Eiswálle erzeu- 
gen zu können, doch lassen sich solche Eiswälle ohne 
Nachtheil für die Alpinen nur in den Zwischenräumen 
und am Rande der Anlage aufrichten, und es wäre ge- 
wiss sehr bedenklich, auch jene Stellen, an welchen Al- 
pinen eingepflanzt sind, unmittelbar mit solchen Eismassen 
u belasten. — Wir müssen darum unsere Zuflucht zu 
einem anderen Schutzmittel nehmen. 

. Nach mehrfachen Versuchen glauben wir nun als das 


oder Tannenreisig empfehlen zu können. Nur muss man 
bei der Wahl dieses Mittels die Vorsicht gebrauchen, 
dass das Reisig erst im Spätherbste unmittelbar vor dem 
Gebrauche von den Bäumen genommen werde, weil von 
früher geschnittenen Zweigen die Nadeln gegen den Früh- 


152 


r 


ling hin leicht abfallen und an manchen Punkten der 
Anlage zurückbleiben, wo sie nachträglich nicht sehr 


erwünscht sind und alıch nicht ohne Schwierigkeiten ent- d 
fernt werden können. — Eine doppelte Schichte von f 
Zweigen reicht wohl überall vollständig hin. Zweck- d 


mässig ist es, die Zweige mit einigen faustgrossen Steinen 
mässig zu beschweren und jedesmal, so oft Schnee fällt, 


auf die Reisigdecke auch noch eine, wenn auch vergüng- i 

liche, lockere Schichte von Schnee aufzuschaufeln. B 

ürres Laub von Buchen, Birken, Ahornen, Haseln : 

; und anderen sommergrünen Bäumen und Sträuchern steht f 
; als Schutzmittel den Fichtenzweigen weit nach. Gegen | 
den Frühling zu unterliegen nämlich die untersten un- i; 
mittelbar dem Boden’ aufliegenden dürren. Laubpartien sehr e. 

leicht der Fäulniss und dem Schimmel und „ersticken“ | 

die Pflanzen, welchen sie zum Schutze dienen sollten. d 

Für TERRA welchen Fichten und Tannen fehlen, wie ; 

z. B. für die niederen Gegenden Ungarns, würden wir E 

darum statt der Laubdecke eine Decke von Zweigen des F 

überall verbreiteten Wachholders anempfehlen. b 

ächst der Bedeckung der Alpinen ist im Laufe des u 

Winters weiterhin für mächtige Schneewälle zu sorgen, fi 

welche bei der Cultur auf Steinhügeln in den Zwischenräumen, ü 

bei den anderen Culturformen- dagegen an den Rändern g 

der Anlage anzubringen sind. Um nicht schon einmal N 
Gesagtes hier zu wiederholen, verweisen wir in die- e 

ser Beziehung auf Seite 56 und bemerken hier nur noch, a 


dass wir im Innsbrucker botanischen Garlen die zwischen 
den Steinhügeln sich durchschlängelnden Wege 3 bis 
4 Schuh hoch mit festgestampftem Schnee ausfüllen, i 
diesen am Beginn kalter Nächte tüchtig mit Wasser be- 
giessen, ihn weiterhin gegen die warmen Regen durch 
Stroh nnd Bretter schützen und auf diese Weise unseren 
Zweck vollkommen erreichen, 


153 


Frühling. 


Sobald der Boden vollkommen aufgethaut ist, wird 


„die winterliche Decke von der Alpenpflanzenanlage ent- 


fernt. Man wählt zu dieser Arbeit einen Tag, an welchem 
der Himmel umwölkt ist, oder noch besser einen Tag. 
an welchem ein sanfter Frühlingsregen auf den Boden 
niederträufelt. 

War es durch mächtige Schneewälle gelungen, den 
Beginn der Vegetationsthätigkeit recht lange hinauszu- 
schieben, so braucht man gegen die Spätfröste des Früh- 
lings keine besonderen Vorkehrungen zu treffen. Sollte 
aber auf einen fast schneelosen Winter ein sehr zeit- 
licher Frühling gefolgt sein, so dass es in Folge dieser 
Witterungsverhältnisse nicht möglich war, die Entwicklung 
der Alpinen bedeutend zu verzögern, so muss man bei 
eintretenden Spätfrösten die Alpinen jedesmal wieder sorg- 
fällig bedecken. Man behält aus diesem Grunde das 
Fichten- oder Tannenreisig, welches als winterliche Decke 


‚benützt wurde, in der Nähe der Anlage aufgespeichert 


und breitet dasselbe an hellen kalten Abenden , welche 
für den kommenden Morgen einen Frost besorgen lassen, 
über die Pflanzen der Anlage aus. Für die in Töpfen 
gezogenen Alpinen, welche nach der auf Seite 61—64 be- 
schriebenen Weise in Sandkästen gehalten werden, genügt 


. es wohl zur Abhaltung des Frostes, wenn man Breiter 


auf den Rahmen der Kästen in dichtem Schlusse neben- 
einander legt. 

Gut ist es auch,-in den ersten Tagen nach Entfernung 
der Winterdecke in der Mittagszeit die von den Son- 
nenstrahlen getroffenen Stellen der Anlage leicht zu- 
zudecken. Nach drei- oder vier Tagen aber bedürfen die 
meisten Alpinen gegen die Sonne keines weiteren Schutzes 
mehr, und man hat jetzt nur Sorge zu tragen, dass der 
Boden gleichmässig und regelmässig befeuchtet sei. Das 
ganze Terrain, auf welchem sich die Anlage befindet, ist 


154 > 


natürlich durch das von den Schneewällen herrührende 
Schmelzwasser ganz durchweicht, und die Atmosphäre, 
welche über diesem Terrain lagert, findet in der reichlich 
mit Wasser getränkten Erde eine ziemlich lange dauernde 
Quelle von Feuchtigkeit. Diese grosse relative Luft- 
feuchtigkeit in der Umgebung der Alpenanlage kommt 
aber den Alpinen mittelbar zu statten, und man braucht 
darum in dieser Zeit zur Erzielung einer gleichmässigen 
Durchfeuchtung des die Pflanzenwurzeln umgebenden Erd- 
reiches nur eine verhältnissmässig sehr geringe Wasser- 
menge. | 

Eine der wichtigsten Arbeiten, welche der Frühling 
mit sich bringt, besteht jetzt darin, dass man Pflanze für 
Pflanze durchgeht und nachsieht, ob nicht der Boden und 
die Wurzeln im Laufe des Winters etwas gelockert wur- 
den. Ist dies irgendwo der Fall, so drückt man die be- 
treffenden Pflanzen sorgfältig an und füllt in ihrer Um- 
gebung etwas Erde auf. Doch ‚hüte man sich einerseits, 
diese Manipulation bei nassem Wetter auszuführen und 
anderseits beim Nachfüllen der Erde die Köpfe der Pflanzen 
mit Erde zu verkleben, weil sonst im ersten Falle die 
Erde nachträglich klumpig und hart wird, und im zweiten 
Falle bei nachfolgendem Regen leicht eine Erweichung 
der Pflanzen eintreten könnte. 

Der Vorfrühling ist auch die Zeit, in welcher die 
Ueberpflanzung der vor anderthalb Jahren im Herbste vom 
Hochgebirge gebrachten und anfänglich in Töpfen oder 
Trögen gehaltenen Alpinen auf die Anlage, die Vermeh- 
rung der alpinen Weiden durch Steckreiser, die Ueber- 
setzung der aus Samen gezogenen zweijährigen Pflanzen 
in andere Töpfe, in flache Beete oder auf Steinpartien 
vorgenommen werden muss. (Vgl. S.136, 139, 148.) Auch 
darf nicht übersehen werden, dass von den Töpfen oder Trö- 
gen, in welche man im vorangegangenen Herbste Samen der 
Alpenpflanzen gesüet hat, das Laub oder Reisig allso- 
gleich entfernt wird, sobald man merkt, dass das Erdreich 


gehoben, und wir beschränken uns daher hier darauf 


155 


vollkommen aufgethaut ist und sich aus demselben viel- 
Jeicht schon hie und da ein paar junge Sämlinge her- 
vordrängen. (Vergl. S. 139.) 

as Ende des Frühlings, nämlich die zweite Hälfte 
des Monats Mai, ist die Zeit, in welcher die grosse 
Mehrzahl der Alpinen in unseren Gärten zur Blüte ge- 
langt.  Reichlicheres Ueberbrausen mit Wasser ist zu 
dieser Zeit von grosser Wichtigkeit. — Ausserdem ist 
diese Periode, in welcher die angepflanzten Alpinen am 
leichtesten bestimmbar sind, auch diejenige, in welcher 
man alle Arten revidirt und mit Etiquetten versieht, 


Sommer. 


. Dass die Bewässerung unter allen Zeiten des Jahres 

im Sommer am reichlichsten sein müsse, wurde schon 
mehrmals im Laufe der früheren Erórterungen hervor- 
, 
kurz zu wiederholen, dass von Mitte Mai angefangen, die 
Zufuhr von Wasser bis Ende Juli im steten Wachsen 
begriffen sein muss, dass man dann allmählich die Wasser- 
menge restringirt und gegen den Herbst zu den Boden 
wieder etwas trockener hält. 

a der Hochsommer die Periode ist, in welcher die 
meisten Alpinen in unseren Gärten die Früchte reifen, 
so hat man in dieser Jahreszeit auch die Einheimsung 
der Samen vorzunehmen. Man wählt hiezu trockene 
warme Tage, schneidet die ganzen Fruchtstände vom 
Stamme ab und breitet dieselben an luftigen trockenen 
Plätzen aus, um sie dort etwas „nachreifen“ zu lassen. 
Man kann sich in der Regel die Mühe ersparen, die Samen 
noch von den Kapseln oder sonstigen Umhüllungen zu 
befreien und bewahrt sie unbeschadet mit sammt ihren 
Hüllen bis zum Herbste auf; ‘nur beim Aussäen hat man 
dann natürlich für eine gleichmässige Vertheilung der 
einzelnen Samenkörner Sorge zu tragen. 


~ 


156 


Eine der wichtigsten Arbeiten des Hochsommers ist 
auch das Nachfüllen der Erde und das Umpflanzen 


der überständig gewordenen Alpinen. — Alle 
jene Alpenpflanzen, welche rasig gehäufte kurze Stämm- 
chen besitzen, wie z. B. Cherleria sedoides, Gentiana 


pumila, Primula minima, Saxifraga Burseriana und Silene 
acaulis zeigen bei der Cultur die fatale Erscheinung, dass 
sich ihre Rasen lockern und dass die Stämmchen sich 
verhältnissmässig mehr verlängern, als dies auf dem Hoch- 
gebirge der Fall ist. Würde man solche Arten auf der 
Anlage sich selbst überlassen, so bilden sich in ihren 
Rasen Lücken, welche durch Absterbei eines Theiles der 
Stämmchen entstehen und allmählich immer grösser und 
grösser werden. Die Pflanzen kommen dann nicht mehr 
zum Blühen und gehen endlich ganz zu Grunde. — Um 
dies nun zu verhüten, ist es unumgänglich nothwendig, 
dass man zwischen die einzelnen Stämmchen des Rasens 
mit grösster Sorgfalt sehr feine Erde rieseln lässt, so 
dass nur mehr die obersten Enden der Stámmchen un- 
bedeckt bleiben. Die "Rasen schliessen sich dann wieder 
ganz gut durch Vermehrung der Stümmchen und eni- 
wickeln im nächsten oder zweitnächsten Jahre gewöhnlich 
wieder reichliche Blüten und Früchte. Bei jenen hieher 
gehörigen Arten, welche gleichzeitig Felsenpflanzen sind, 
wie namentlich Potentilla nitida und Clusiana, die Arten 
der Gattung Draba, u. dgl. ist es auch sehr zweckmässig, 


t 
nebst der Erde kleine Steinchen’ zwischen die Stämmchen 


einzuschieben, und auch rings um die ganze Pflanze eckige 

leine Steintrimmer zu legen, so dass nur die Köpfe der 
Stämmchen aus den Zwischenräumen eines sorgfältig zu- 
rechtgelegten Steinmosaiks emporragen. 

Am zweckmässigsten wird diese Arbeit dann vorge- 
nommen, wenn der erste Trieb der Pflanzen vorüber ist 
und die Früchte bereits zur vollen Reife gelangt sind. 

In dieselbe Zeit fällt auch noch das Umpflanzen der 
auf der Anlage überständig gewordenen Exemplare. Es 


157 


ist mir zwar nicht gelungen. die Ursache zu ermitteln, 


"warum manche Pflanzen fast alljährlich ausgehoben , ge- 


reinigt, zugestutzt und wieder in frisches Erdreich ein- 
gepflanzt werden wollen; dass ein solches Verfahren 
aber häufig nothwendig sei, davon habe ich mich aller- 
dings mehrfach zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Die 
Procedur, die man in solchen Fällen in Anwendung bringt, 
ist im Ganzen sehr einfach. Sobald man merkt, dass 
eine Pflanze ohne irgend welchen nachweisbaren Grund 
im Laufe des Sommers ein kränkliches Aussehen bekommt 
und. vielleicht gar theilweise abstirbt, so wird sie an 
einem kühlen trüben Tage ausgehoben, von Erde und 
dürren abgestorbenen Blättern und Stengeln gereinigt, an 
ihren Wurzelspitzen scharf abgeschnitten, wieder in frisch 
aufgeschüttetes Erdreich gepflanzt, gut eingegossen und 
durch einige Tage mit Fichtenreisig beschattet. Diese, 
Arbeit ist womöglich noch vor Ende August vorzunehmen, 
damit man sicher auf eine gute Bewurzelung der um- 
gepflanzten Exemplare rechnen könne. Als Pflanzenarten, 
welche diese Behandlung verlangen, sind anzuführen: alle 
Juneus- und Luzula- Arten, zahlreiche Saxifragen, dann 
insbesonders viele Compositen, namentlich alle peren- 
nirenden Gnaphalium- und Saussurea-Arten, ferner noch 
Erinus alpinus, Arabis alpina, Dianthus glacialis und dann 


insbesonders alle jene Gräser, welche keine Ausläufer 


entwickeln. 


Dass auch die Umpflanzung oder Auspflanzung jener 
Sämlinge, welche schen im Laufe des Frühlings sich 
recht kräftig und üppig zeigen, noch vor Ende August 
vorzunehmen sei und dass man auch zur Bildung von 
Stecklingen krautartiger Pflanzen am besten die Sommer- 
monate wählt, wurde bereits auf S.136 u. 140 mitgetheilt. 

Nächst diesen Umpflanzungen hat man im Sommer 
auch auf die Reinhaltung der Alpenpflanzen- 
anlage zu sehen. Die unberufen sich eindrängenden 
Pflanzen und Thiere zeigen sich nämlich vorzüglich im 


158 
Sommer in grösster Hülle und Fülle und die Entfernung 
und Abhaltung derselben bildet daher zu dieser Zeit ein 
Stück Arbeit, das mit grosser Sorgfalt durchgeführt sein 
will. Von Bäanken sind es zunächst einjährige Gewächse, 


eigenen hieher zu zählenden Arten. So keimen z. B. 
im Innsbrucker botanischen Garten an allen Orten und 
Enden, wo sich offenes Erdreich zeigt, die vor vielen 
‘Jahren einmal zufällig eingeschleppten Oxalis stricta 
und Veronica peregrina empor. Alljährlich werden tau- 
sende derselben auf der Alpenpflanzenanlage noch vor 
der Fruchtreife ausgejätet, und dennoch kommen diese 
Arten auf eine fast unbegreifliche Weise im nächsten 
Jahre immer wieder als ungebetene Gäste zum Vorschein. 
Neben ihnen sprossen gewóhnlich noch mehrere andere 
Pflanzen, deren Samen durch Winde herbeigeführt werden, 
namentlich Espen und Weiden, Weidenróschen und ver- 
schiedene Compositen in grosser Menge empor. Gegen 
alle diese Eindringlinge gibt es kein anderes Mittel, als 
sie mit grosser Geduld immer und immer wieder auszu- 
jüten. Allerdings wird wohl die Zahl dieser angeflogenen 


dass man jedes noch so kleine Stück offenen Bodens mit 
Alpenpflanzen besetzt oder wenigstens mit Kies und dürrem 
Moos belegt; — die zudringlichen Gäste aber ganz zu 
eliminiren wird trotz allen diesen Massregeln kaum jemals 
vollständig gelingen. 

Es ist wohl hier am Platze, darauf aufmerksam zu 
machen, dass auch von den absichtlich angepflanzten Ge- 
wächsen sich manche in einer so zudringlichen Weise 
vermehren, dass man sich derselben kaum mehr zu er- 
wehren weiss. So z. B. hatten sich auf den Felsgruppen 
des Innsbrucker botanischen Gartens, welche die süd- 
tirolischen Bergzüge darstellen, Epilobium Dodonaei, Cen- 
ee ruber und Polemonium coeruleum so rapid ver- 


welche allerwärts in unseren Gegenden sich auf ae 
Boden anzusiedeln versuchen. Jede Gegend hat ihre 


Arten auch dadurch wesentlich verringert werden können, - 


Pe A Ze u 0r 


159 


mehrt und in so weitem Umkreise mit hunderten von 
Sämlingen verbreitet, dass. wir es gerathen fanden, diese 
Arten mit sammt ihrer reichlichen Nachkommenschaft 
lieber ganz zu entfernen. 

Noch weit gefährlicher übrigens als das Aufkommen aller 
dieser absichtlich oder unabsichtlich eingeschleppten und 
durch Winde herbeigeführten: Sämlinge ist die Ueber- 


‚ wucherung der Alpenpflanzenanlage durch Marchantia po- 


lymorpha. — In früherer Zeit, wo man die Alpinen ge- 
wöhnlich in die dichtschattigen Winkel der Gärten pflanzte, 
konnte man sich dieser Pflanze überhaupt gar nicht er- 
wehren. Sie drang Zoll für Zoll über die Anlage vor 
und unterdrückte nach und nach die grosse Mehrzahl der 


eultivirten Alpinen so ganz und gar, dass man schliess- 


lich statt einer zierlichen Alpenflora nur mehr eine üppig 
grüne Decke von Marchantien vor sich hatte. Ist die 
Alpenpflanzenanlage an einer luftigen, der Sonne ausge- 
setzten Stelle postirt, so hat man allerdings von den 
Marchantien weniger zu leiden. Aber selbst auf der 
sonnigsten Anlage finden sich ja immer einige mehr 
beschatiete Plätze vor, und namentlich auf Steinhügeln 


und in Gruben mit terrassenförmig aufgestuften Seiten- . 


wänden bringt es schon die Form der Anlage mit sich, 
dass die eine Hälfte wenig oder gar nicht von den Sonnen- 
strahlen getroffen wird. Auf den zuletzt genannten An- 
lagen, zumal auf dem lehmigen zähen Boden derselben, 
wird man darum das Aufkommen der Marchantien auch 
niemals ganz vermeiden kónnen und muss froh sein, wenn 
man dort die schattigen Plätze wenigstens vor einer fórm- 
lichen Ueberwucherung zu schützen im Stande ist. Die 
besten Mittel in letzierer Beziehung sind: einmal das 


Exemplare; dann die Bedeckung aller offenen Stellen der 
Erde mit grobem losem Kies oder, lockerem Torfmoos, 
vorzüglich aber das Aufstreuen einer lockeren Schichte 
alb verwester Fichtennadeln. In jenen Fällen, wo die 


* 


* 


160 


Marchantien sich schon zwischen die angepflanzten Al- 
pinen eingedrüngt und diese vielleicht schon so weit 
überwuchert haben, dass ihre Entfernung ohne gleich- 
zeitige bolo der unterdrückten Alpinen gar nicht 
mehr möglich wäre, ergab sich mir das Beträufeln der 
Marchantien mit Ammoniak oder irgend einem gelösten 
Ammoniaksalz (kohlensaures Ammoniak, oxalsaures Am- 
moniak) als ein ganz vorzügliches Vertilgungsmittel. Das 
die Oberfläche des Erdreiches überziehende üppig grüne 
Lebermoos wird durch dieses Beträufeln rasch gebräunt 
und getódtet, ohne dass gleichzeitig auch die mit ihren 
Wurzeln in tiefere Schichten der Erde hinabreichenden 


Alpinen durch die flüchtigen ammoniakalischen Flüssig- . 


keiten zerstórt würden. 

on weit geringerer Bedeutung als die bisher erwähn- 
ten, dem Pflanzenreich angehörigen Feinde der Alpen- 
pflanzenanlage sind jene, welche der Thierwelt beizählen. 
Maulwürfe dürften wohl kaum jemals Lust haben, zwischen 
den Gesteinen hügelförmiger oder grubenförmiger Anlagen 
oder zwischen den mit Töpfen durchspickten Sand der 
Topfeulturen herumzuwühlen, und könnten höchstens in 
flachen Beeien Verheerungen anrichten. Der Leser wird 
uns aber verzeihen, wenn wir hier keine Episode über 
den Maulwurfsfang einschalten und ihn auch in Betreff 
der Vertilgung anderer Bestien, namentlich der Schnecken, 
Maulwurfsgrillen, Engerlinge, Rüsselkäfer und Erdflöhe 
— die leider vor den Alpinen ebensowenig Respect haben, 
wie vor Salat- und Rettichpflanzen — auf andere Hand- 
bücher verweisen.*) Nur auf das eine wollen wir hier 


*) Moe l. c. pag. 13 empfiehlt zur Vertreibung der Rüssel- 
käfer und Erdflóhe, von welchen die ersteren insbesondere den 


holz, Auch soll es -— ihm sehr zweckmässig sein, flache Topf- 
scherben, die man mit eere c füllt, Sie und da zwischen 


s 


161 


noch aufmerksam machen, dass man immer gleich dazu- 
sehen möge, Vertilgungsanstalten zu treffen, sobald man 
irgendwo bemerkt, dass sich Ameisen ihre Gänge und Colo- 
nien gründen wollen. Es wird nämlich durch die Wühl- 
arbeiten dieser Thierchen das Erdreich stellenweise so 
gelockert, dass die Wurzeln ihren Halt verlieren und end- 
lich ebenso, wie die Pflanzen, welche sie ernähren sollen, 
vertrocknen. Das beste Mittel zur Hintanhaltung dieses 
Uebelstandes scheint uns, dass man jene Stellen; wo man 
leine Ameisenstrassen bemerkt, zeitlich mit etwas Koch- 
salz bestreut und die Erde dort möglichst fest andrückt. 
och wäre vielleicht hier unter den Feinden der Alpen- 
pflanzen auch „der schrecklichste der Schrecken, der. 
Mensch in seinem Wahn“ anzuführen; doch überlasse 
ich es der Weisheit eines jeden Alpenpflanzenzüchters 
diesen Feind unschüdlich zu machen und jene Mittel zu 
ersinnen, durch welche raublustige Herren und Damen, 
die es nicht über sich bringen, an den blühenden Edel- 
weiss- und Alpenrosengruppen vorbeizugehen ohne die- 
selben wenigstens mit den Fingern betastet oder vielleicht 
gar abgepflückt zu haben, im Zaume gehalten werden 
kónnen. 


Herbst. 


Der Herbst ist die Zeit, in welcher die am Fenster 
in Tópfen cultivirten Alpinen an einen kühlen schattigen 
Platz des Gartens übertragen werden müssen, um sie dort 
nach der S. 60 bespróchenen Methode im Sand einge- 
senkt zu überwintern. Auch ist der Herbst die Periode, in 


cr t Fe RN 


die eultivirten Alpinen zu stellen und auch die holzigen Stämm 


- gefährlich werden, vertreibt man nach ihm am besten dadurch, 


dass man rings um die betreffenden Pflanzen feinen Sand, Russ 
oder Asche aufstreut. 
Kerner, Alpenpflanzen. 11 


162 


welcher auf die Vermehrung der Alpinen durch Samen, 
auf die Besorgung der aus den Alpen oder aus ande- 
ren Gärten bezogenen lebenden Exemplare, so wie auf 
die Verschickung lebender Alpinen und Samen an Tausch- 
freunde gedacht werden muss. Da hierüber schon im 
9. und 10. Capitel das Wissenswertheste mitgetheilt wurde, 
so können wir uns hier eine Wiederholung füglich ersparen, 
und schliessen ‘daher mit dem freundlichen Wunsche, 
dass diese Zeilen zur Entstehung recht zahlreicher Alpen- 
pflanzenanlagen Veranlassung geben möchten und dass 
die Freunde der Pflanzenwelt bei der Zucht der Alpinen 
eben so viel Freude erleben möchten, wie sie uns durch 
die Cultur dieser zierlichen Gewächse zu Theil gewor- 
den ist. \ 


Im gleichen Verlage sind von demselben Herrn Ver- 
fasser heao: 

Das Pflanzenleben der Donauländer. 8°. br. 1863 

fl. 3-8:W. — f 3. 30 südd, — Rihlr. 9: 

er botanische Garten .der die zu Innsbruck. kl. 8°. 

15 kr. 0. W 12 kr. südd. — 3 ngr. 

Herbarium österreichischer d von A. und J. Kerner. 

1. Decade. fol. 1863 \ 


; 50 6. ed im südd. — Rthlr. 1. 
Das ganze Herbarium wird in 10 Decaden vollstündig sein. 


Ferner ist we erschienen : 

Hausmann, Fr. Flora von Tirol. Ein Verzeichniss der 
in Tirol und a wild wachsenden und häufiger ge- 
bauten Gefässpflanzen. Mit Ber bisce ies ihrer Ver 
breitung und örtlichen Verhältnisse verfasst und nach Koch’s s 
Synopsis der deutschen Flora ae 3 Bde, 8°. br. 
1851—1853. fi. 8ö. W. — fi, 9 südd. — Rthlr, $; 12 ngr. 


Daraus wurde vs abgedruckt : 

Hóhenmessungen Tirol und Vorarlberg, mit Beifügung 
der vor soi cr ium zum Gebrauche für Botaniker 
Be > nach den vier Kreisen des Landes 

eordnet, br. 1853, 


eem — 15 kr. südd, — 5 ngr. 


Schlüssel zum ER Bestimmen der Gattungen unserer 
Flora. em ze Systeme. 89. br. 

0 kr. 0, W. — 24 kr. südd, — 6 si. 

Uebersicht der n c Gattungen und Arten der Flora 
von Tirol, zugleich ihrer Verbreitung über die vier Kreise 
des Landes und im Vergleiche zu den Floren der Nachbar- 
länder, 8. 36 kr, 0, W. — 30 kr. südd. — 8 ngr. 


MER 
ir im nel 
NC CUN MI, 


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Su Teu 

Dre tcs 

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X aude. 3 


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mu A Nt Aou a NRI s SU. N 
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